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ENCYCLOPÄDISCHE JAHRBÜCHER
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GESAMMTEN HEILKUNDE.
DRITTER JAHRGANG.
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ENCYCLOPÄDISCHE JÄHRBÜCHER
DER
GESAMMTEN HEILKÜNDE
CNTBB lUTWIBKÜNG BEB HBBBBN
Hofrath Prof. ALBERT, ^Yien — Doc. R. RAGIKSKY, Berlin - Geh. OI or M.xl -Rath Prof. A. von
BABDELEBEN, Berlin — Prof. K. von BARDELEBEN. Jena — Üoc G. BEHREND, ßerün — Prof.
BENEDIKT. Wien — Prof. BINSWAN6ER, Jena - Med. Sath Prof. BIRCH HIRSCHFBLD, Ldfulc —
Br. A. BÜM, Wien — Obacittbnnta. Ü. v. CORVAL. Badan-Bad«n - Prof. EICHHOBST, Zürich —
Prof. ENGLISCH, Wien — Dr. BPKNSTEIN, Berlin — Profeemr EWALD, Berlin — Dr. Edmund
FRIKfJRICH. Dresden — Oberstabsarzt H. FRUILICH . Lnipzig — Med.-Rath Prof. FOEBBBINGEB,
Berlin - Prof. GAO, Berlin — Doo. C. QUENTUER, Berlin - Med.-Batb Doo. ODBTBBBOGK.
Betlin - weU.Sui.-Batta Doe.P.GUTTIIANK, Bwtln — Prof. Tb. HÜSBICABN, OOMiitai — Prof.
V. JAKSCFI. PniK - Med.-Rath Prof. KISCH, Marienhad Prftj!;— Prof. KLEINWjECHTER, Ciemowitz —
Dr. W, KOEliTK, lieiliu — Prof. J. KRATTEB, Graz — Dr. A. KCTTNER. iSerlin — Geh. Med.-
Rath Prof. G. LEWIX, livrliti - Geh. Med.-Rath Prof. LIEBREICH, Beriin - Prof. IXEBISCH.
InnabmcK — Prof. LOBENZ, Wien - Doc. A. MARTIN, Berlin — Doc. t. MBTNITZ, Wien — Doc.
MÜENZER, Prug - Doc. Im. MÜNK. Berlin - Doc. NECBER, Kiel - Geh. Med.-Rath Prof.
PKI.M.VNN, Bonn — Doc.POSXER. Berlin — Hofr. Prof. PREYER, Wiesbaden — Prof. v. REU.SS,
Wien - Doc. L. BIESS. Berlin - Prof. BOSENBACH, BrMlaa - Dr. 0. BOSENBADM, B«rUn - Doo. Th.
BOiiBNHBIM, Berlin - Dr. BOSDf, Bartlii - Fmf, aäXÜWL, KtaigilWff — Dr. Bldi. iCHMALTZ,
Dresden - Dr. M. T SCHNIRER, Wi. n - Dr. H. SCHOENHEIMER , Berlin - Dr. Freih<>rr von
SCHRE.VCK NOTZING, München Piui. SCHUEi^LER, BerUn - Dr. Jul. SCHWALBE, Berlin —
Prof. SEKLKJMÜELLEB, Halle a. d S. - Prof. SONNKNBÜEG, Berlin — Doc- STEINER Frelh.
PFUNGBN, Wien — Prof. UFFELMANN, Boatock — Obeiarst WBENBK, Boda — Stiege vu
lM.-BMh WEBNICH, Beriin - Xtl«. Batb Prof. WINTBBNITE. Wlra - PMf. JoL WGLFP.
Berlin — Stabnm «. D. WOLZKNDOKFF. Wiesbaden - Doc M. v. ZBISSL, WI«B — Prof.
ZUuUJüN, Jena - Prof. ZLELZEB. Berlin
HERAÜS6E6BBBN
VOM
PROF. ALBERT EULENBORG
Ur BBU». W.. LOnoWSfBANB M«
Dritter Jahrgang
Mit zahlreichen lllustretionin in Holzschnitt
WIEN UND LEIPZIG
Urban & Schwarzenberg
1893.
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Nachdruck der in diesem Werke enthaltenen Artikel, sowie üebersetzung
derselben in fremde Sprachen ist nur mit Bewilligung der Verleger
gestattet.
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A.
Abbazla. Es n««» nnn g«miie mstooroIogiBelie Beobaehtungtik Uber
diescTi l^limntischen Wintercnrort vor, wcilldM den Zeitraum TOn mehr als nohfl
Jahren umfit-isen. Aus diesen Aufzeichnungen ergiebt sich nach Oläx:
1. Uass die mittlere Jahrestemperatur Abbazias höher ist als jene
der anderen öeteneieliieehen Winteratationen , welohe swar, wie Q6n vnd Areo,
unter demselbea Breite^rade wie Abbaaia, aber im Binnenlandc gelegen sind.
Das Temperaturmittel Abbazias beträgt 13-9oC., wfthiend für CHJra 12*6» C,
Arco 12'4') C. und Ories 11'40C. verzeichnet wird.
2. Daas die mittlere Jabrestomperator Abbariaa jener der RiTiera di
Ponente näher steht als jener von Görz, Arco und Gries. Die Temperatardifferens
zwischen Nizza, Savnna und Abliazia betragt nur 0*9 — 10° C, während zwischen
Abbasia und (iörz ein Unterschied von l"3oO,, Arco l'ö^C. und Gries -'"o^C. besteht.
3. Dass in Abhazia, ähnlich den au der Riviera gelegenen Orten, die
Temperatarextreme geringer sind als in den genannten Cnrorten des Binnen»
landes. Das Hazimnm d(-r Temperatur war in Abbazia 32*8*' C. , das Minimum
—5-60 0.: es betrug somit die grösste Difterenz 38-4o C, für Savona 37-.io C,
Porto Mauriziu aö-T^O., Alassio 33-2oC. , San Remo 32« C. , dagegen l'Ur Gries
44*8« C, Gdn 42 2« G., Areo 39* G. Abbada ist somit im Winter wirmer nnd
im Sommer kdbler als Arco, Göns und Gries.
4. Das-^ die tiefsten Temperaturen, welche in den .lahren I.SSG — 1891
in Abbazia beobachtet wurden , nicht wesentlich niedriger sind , als jene von
Kiasa nnd Cannes. Das absolute Temperaturminimam von Abbazia betrug — 5*8° C ,
jenes von Cannes — 5" C., jenes von Nina — 4*6*G.
l>er Luftdruck ist in Abbazia ein hoher und entspricht vollkommen
jenem der Curorte an der Kiviera. Der mittlere Barometerstand betrug in den
Jahren 1886—1891 in Abbazia 760*5 Mm., während für Nizza der Luftdruck mit
760*9 Mm. verseiebnet ist. Als weitere Mittelwertbe ei^lten sieb ftlr den Dnnst-
druck 9 48°; ,, die relative Feuchtigkeit 77° die Niederschlagsmenge 1728 Mm.
und die Zahl der Schneetaire betrfigt 4. Die relative Luftfeuchtigkeit und
die Kegenmenge sind in Abbazia wesentlich höher als an der Kiviera und aament-
lidi flbertriflft die Niederschlagsmenge jene der italienisdien Orte am mdir als das
Doppelte. Aieb die Winterstationen Sfldtirols sind viel troelcener vnd Qörz allein
erreicht die Niederschlagsmenge Abbazias, dagegen flllt in letzterem Orte viel
seltener Schnee als in (Irirs, Arco und (lörz.
Die vorberrseheudeu Windrichtungen sind in Abbazia Nordost uud
Sfldost, and swar ist der erster« vorwiegend in den Monaten Januar nnd
Februar, letzterer in den Monaten October, November und December. Nor selten
erreicht die Windgeschwindigkeit pro Seoonde böbere Werthe.
Enoyciop. Jahrbücher. III. 1
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ABBAZIA. — ACCUHÜLATOBEN.
Ahbazia besitzt durch die umfrehenden Berfre einen ausrcichendeu Schutz
gegen rauhe Wiode. Dieser Curort vereinigt teruer allo i^igeoscbaften dea KliBten-
klimM nad seiobnet «ich, sowie die Gnrorte der itoliealsehen nnd fransAsiselieii
Riviera, durch Gleichrafissigkeit der Temperatur und hohen Barometeri^tand aiU|
unterscheidet sich aber von den genannten Orten durch einen höheren Fenrirtig"
keitsgehalt der Luft uad eine weit grössere Niederj^uhlagsraeoge.
Lit«ratiir: AMstlicb« HitUMHaBieen mni Abbesi«. Von Pr»f. Dr. Jnlrä« Olas.
] H< ft Ai i i/i i als klimatisrhe Winteistation, ibn hygieniacfaea und BMtaorologischen Ver^
haltnisse. Wieu und Leipzig l'^^-i. KiicL
Accumulatoren. Der Wunsch , elektrisclie Arbeit autKpeichern zu
können , um dieselbe zu jeder Zeit und aa jedem Orte , unabhängig von einer
elektriseheo Batterie oder DynemomMohine verwerthen cu kOnneUf hat xnr Ent-
deckung der Accumulatoren oder elektrischen Sammle * geführt. Da sieh aber /.ur
Verwirklichung dcM idealen Principes, beliehif^e Klektricitfitsnienpen als solch o
aufzubewahren , Mittel und Wege bis beute noch nicht haben tinden lasHcn , hu
müssen wir uns an dem Ausweg bequemen , elektrische Arbeit zuvörderst einmal
in eine andere Form der Arbeit, in ebemisclie, übersufflbren, aas der wir dann
wieder bei Hedarf elektri^^che Kraft zurückzugewinnen im Stande sind. Ks lassen
sich nämlich die l'roduete einer durch den Strom bedinirten chemischen Zer-
setzung, unter Umständen eine gewisse Zeit hindurch, aulLewahreu; und jedes-
mal, wenn an dem betreffenden Substrat dieser ehemisohe Proeess denselben
Gang, aber in am^^ckehrter Riehtnng nimmt, liefert die ehemisehe Zersetsang
viee versa elektrii^^he Arbeit.
Dies sind in den Grnndzügeu die Vorgänge, die im Accumulator statt-
haben: die innere Eänriebtung desselben nnd die Art ihrer Wirkung bemht in
ihrem Prineip auf folgenden von PlantIk imerst mitgetheilten Tbatsachen:
Verbindet man zwei in verdllnnter Schwefcls.lure befindliclie IMeiplatten
mit den Polen einer elektrischen Batterie, so verwandelt sieh die am 4- Pol befind-
liebe Platte unter dem Kintiuss des iu der Schwefelsäure frei werdenden Sauer-
stollto in Bleisnperoxyd ; am negativen Pole wird WasserstofTgaa frei. Hat man
den Strom eine •gewisse Zeit durch die Bleiplatten hindurcbgesehic'Kt, i> <ind «iie-
Hclben uaeli der I ntcrbrechunir de-i Strome'» in rJemein^chalt mit ihrem Elektro-
lyten, der Schwefelsäure, selbst aU Strumquelle zu benutzen.
Die Bieiptatten, die man in der olien geschilderten Weibo selbst sn
Stromgebem gemacht hat . nennt man polarisirte Platten . den von ihnen ge-
wonnenen Strom , den P-darisationsstrom. Während dicker in 'riiiltifrkeit ist,
nehmen die nunmehr im Innern de.s Accnmulators sich abspielenden chemischen
Vorgänge dun umgekehrten (üaug. Das Bleisuperoxyd wird wieder zu Bleioxyd
redneirt. An der negativen Platte bildet sieh unter dem Rinflnss der Sehwefel-
säure eine oberfliebliehe Schicht von Bleisulfat. W^ird jetzt nochmals ein elek-
trischer Strom durch das so verilnderte Klemcnt hindurchtre^chickt . so wird das-
selbe vom neuen geladen, indem das Bluiuxyd au der positiven Platte wieder in
Bleisoperoxyd Euraekverwandelt irird, an der negativen Platte dagegen wird das
Bleisulfat zu feiozertheiltem Blei.
Je öfter man nun solch ein lUcielement ladet \un\ wieder entladet,
desto grössere Mengen von elektromoiurlHcher Kraft wird dasselbe in sich auf-
snnehflMn im Stande sein. Diese Fihigkeit wird noeh besonders erhöht, wenn
man den Strom aneh in umgekehrter Riehtung durch das Element schickt (..das
Bilement wird umgeladen"). Den '^'anzcii Pmcc'^s des Ladens und de^i Und.idcns
nennt man die Formirunfr des Accuinulators. und das Prineip dieses Vor^jange*
muss man darin suchen , dass immer grössere Mungeu der ursprünglichen Blei-
platten in die vorher gesehilderten ehemisehen Proeesse hineingex^n werden,
wodurch die sogenannte active Masse, d. h. die arbeitsfäh^ Ifasse des Accu-
mulators vermehrt wird. Natürlich ^rcht diese Filhi^'keit eines Accumulators,
elektromotorische Kraft in sich aufzuuchmeu (seine Uapacitätj, nicht ad inünitum
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ACCDMÜLATOREN.
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weiter. In dem Augenblick, wo die ganze Müsse der IHeiplattcn in active Masse
übergeführt ist , zerfallen die Platteu in »ich selbst uud die Lebensdauer des
AeeomnUlors ist dahin.
Für die Praxis kommt es nun darauf an , das PLAMTK'sche Verfahren,
das sehr umstJitidlii-h und kostspielig iät , einfacher zu gestalten Faukr erreichte
dieses Ziel dadurch , das^ er die eine Platte mit Mennige , einem Gemisch ver-
adiiedener Bleioxyde , die andere mit BlelgUute belegte. Diese Armiruair bewirkt,
dass sich ^rlcieh hei der ersten Ladung eine grosse Menge activer Ma:«äe bildet,
wudureh der PLAKTB'sobe FonDirongsprocess erheblich verbilligt und Terein-
facht wird.
Der hauptsächliche Worth des Accumulators liegt darin, dass die n
ihm enthaltene Btromitirke beliebig entnommen werden kann, so dass also ein
Aeeamulator mit 8 Amp. Stunden Capaeitftt, entweder in i-^ Stunden mit einer
StromKt.Irko v<in 1 Amp. mler in einer hfllheii Stunde mit einer Stromst.1rko von
16 Amp. eulladea werden kauu. In grösiierün Betrieben werden freilich für die
maiimale Stromleistang eines Aeeumalators stets bestimmte Grenzen festgestellt
und ein Aeeumaiator nie fiBr eine setner Grttsse nicht entspreobende Stromstftrke
dauernd beansprueht.
Das Laden der Accumulatoron ist ebenfalls in sehr vers:;h!edener Art
möglich; wenn man annehmen wollte, dass der Aeenmulator den ganzen Strom
wiedergiebt, der sam Laden auf^^ewandt wird , so kOante man ihn auf 8 Amp.
Stunden laden, entweder mit O l Amp. in 80 Stunden oder mit 2 Amp. in
4 Stunden. Auch hier liat die Erfahrung die fUr die rerschiedeuen Grössen
zweckroilsüigeu Greuxeu festgestellt.
Die versebiedenen Aeeumulatorformen , die bi4 jetzt hergestellt sind,
suchen es mit mehr oder weniger Erfolg zu erzielen, dass 1. <li(< dpacitAt im
V'erhilltni.ss zur OberHäche der Platten sehr gross ht , und dass 2. die vom
Accumulator gelieferte Strommenge der zum Luden aufgewandten möglichst nahe
kommt. Es schwankt dieses Goteverhftltnis) , der empfangenen und wieder-
gegebenen Kraft, zwischen 75 — 90' o. Abhängig sind diese Verhältnisse von
vielen Factoren, von denen hier nur die Fe-(tigkt'it der Platten und ihrer Fiil-
luDgen (der aetiven Massej und die Sicherheit, das die active Masse weder beim
Laden, noch beim I^ntladeu aus den Bieiplatteu herausfallea kann, erwähnt
werden sollen. Für die zu medieintseben Zwecken, zur Galvanokaustik und zur
Beleuchtung benutzten Accumulatoren kommt es weniger auf eine absolut hohe
Oapacit.1t bei kleinster Form an und weniger auf das l'rincip, nach denen die
Accumulatoren eonstriiirt sind, als darauf, dass die stets aus mehreren Accumu-
latoren hergestellte Aecumniatorbatterie 1. gleiebmXssig und zuverllsRig arbeitet;
2. dass sie lange Zeit nnbenut/t stehen bleiben kann, ohne Stromverluste zu
haben; '.>. dass zweekent.sprecliende Vorkehrungen eine Oxydation der ver-
biudenden .Metalltheile, die durch Verdunstung des Llektrolyteu bedingt werden
kann, verhindern. Durch Vernachlässigung dieser Vorsichtsmassregol kann die
Brauehbarknt des ganzen Aeenmulatora in Frage gestellt werden.
Diese. Punkte entseheiden allein (Iber die Braui'libirkeit eines Accumu-
lator« und die Frtilllung dieser Hediiigiiugen würde selbst finem .\c Mimulator von
geringerem GüteverLiiltni.ss uud mit geringerer Capacitilt den Vorzug vur auieroa
geben, welebe die vorgenannten Anforderungen niebt erfttllen.
Die eben erwähnten Fehler zu umgehen ist aber durchaus nicht ein-
fach; bei vieh>u Formen Ist es sogar kaum möglich; und erst in der letzten
Zeit ist es gelungen, Accumulatoren zu coustruireu, die all den genannten An-
forderungen entsprechen: erst diese stellen einen wirklieh entsobiedenen Fort*
sehritt den früher gebrauchten Batterien gegenüber dar.
F/in iiieht zu unterseh.ltxendes Verdienst hat sieh wie überall, wo oh galt,
die Elcktricitiit medi* inis<"hen Zwecken dienstbar zu machen, die Firma W. A.
Hirse hmauu, Uerliu, auch bei der Gonstructiou der Accumulatoren erworben.
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ACCDMULATORBN.
Ifh habe die von hier bezogenen Aecumulatoren seit Monaten benutzt und kann
demgemftsa aus eigener Erfabruog bestätigen , da<«a es uuumebr nacb uueudlioh
viel«n BemflhiingeD gelangen tot, «H die unprflngliebeii FehlerqnelIeD sn be-
seitigen, die lange Zeit den Gebrauch der Aecumulatoren nicht gerade empfehlens-
wertb erscheinen liesi^en. Die «renannte Firma liefert jeUt Apparate , die allea
billigen Anforderungen gerecht werden.
Von all den im Oebraneb befindlicben Systemen ^gnet sieb das
TcDOK äche am meisten zu medicini>ichen Zwecken. Ein naeb diesen Principien
von W. A. Hirsohinann. Berlin, trelianter Accumulator besteht aus Bleiplatten,
die ähnlich angeordnet sind , wie die Kuhlen und Zinke eines b^lemeutes. Einer
den positiven Pol bildenden Bleiplatte stehen swei negative Platten gegenüber,
so dass TOtt der podtiven Platte beide Seiten sur Wirlcnng kommen. Um grossere
Flüchen zu erzielen werden zwei positive Platten zwischen drei negative, drei
positive zwisehen vier nejativo und sofort {restellt. l>ie po-^itive Platte besteht
aus einem Bleigitter, resp. Bleinelz, das gleichsam in einem legten, viereckigen
Rabmen aufgespannt ist. In die Ifaseben dieses Netses ist meelianiseb eine
mittdst einer neutralen Flflsrigkeit plastisch gewordene Schicht Mennige dn<
gepresst. In gleicher Weise ausgelührt. nur etw.Ts si-hwiirhcr, Kind die nefrativcn
Platten, welche mit Bleioxyd ausgelüllt sind. Ab Elektrolyt betindet eich zwischen
den Platten verdunste, ebemisdi rdne SdiwefUslnre. Diese aber war es, welche
dnreh den flassigen Znstand, in dem sie bis dato verwendet wurde, den Gebraneh
der Aecumulatoren so undankbar erscheinen Hess. Denn einmal wird durch
die VerdunstunfT der SSure die ganze l'mfrebunfi: der Platten befeuchtet, wodurch
Ableitungen geschaffen werden , die einen , wenn auch für den Augenblick ge-
ringen, SO doeb im Lanfe der Zeit reebt erbeblieben Verlnst an elektriseber
Kraft bedingen. Daun aber können bei dem Transport der Aecumulatoren durch
die Lockeninp der Platten und das Herausfallen der activen Masse neue Schä-
digungen hervorgerufen werdeu, die weitere Stromverluste, unter Umständen bis
rar ünbranchbarkeit des Aoenmnlators setzen.
Bs ist gelungen, diesen l'ebelständen dadurch vorzubeugen, dass man
die Schwefelsaure an Kies^Is-lure gplMiiiden hat. Durch Hinzufdiriingen von Asbest
wird nunmehr der PJektrolyt auf eine hier nicht niiher zu erörternde Weise aus
einem flüssigen zu einem festen, gelatinösen Körper, der nach dieser Umwand-
lung die Platten so dicht umgibt, dass niebt nur jede Versebiebung derselben,
sondern auch das Herausfallen der activen Masse auf diesem rein mechanischen
Wege verhindert wird. Khenso wird jedes reberfliesseu von FltlS'^igkeit und jede
Verdunstung derselben auf diese Weise unmöglich gemacht, wodurch alle Metall-
tbeile vor Ozydation gesehatzt werden. Dabei steht das Flillmaterial in sdnem
jetzigen festen Zustand der flOasigen S.iure in keiner Weise nach.
Welch hervorragenden Einllus-* die ehen besprochenen Diuge auf das
ganze System haben, geht am besten daraus hervor, dass die Aecumulatoren zur
dauernden Bointznng fttr medicinisebe Zwecke Oberhaupt erst brauchbar wurden,
naebdem man auf diesem oder ibnliebem Wege jene Fehlerquellen zu vermeiden
gelernt hatte.*}
Will man nun mit Aecumulatoren praktisch arlietten , so ist ein Haupt-
crforderniss, dass man immer Gelegenheit hat, dieselben in zweckentsprechender
Wnse sn laden. Bis lassen sieh bierzn verwenden: Elemente, Thermoslulen,
grossere Aecumulatoren und endlieh Dynamomaschinen von grösseren Releuehtungs*
anlagen. Es sind jedoch diese Mittel zum genannten Zwecke nicht gleichwerthig.
Die Benutzung vou Elemeutou und Thermusäulen zum Laden erfordert viel Mühe,
Zeit und Kosten, denn sie mnss mit grosser Sorgfalt ausgefttbi^ werdw. Ausser-
dem zeigen bdde maneberlei Fehlerquellen, die sieh spiter bei der Verwendung
*) Anderweitige Aocnirnlatnren, dio sich ß:1eichfa11s giit 1>e\vulirl hüben SOUeDi sind
in Gebrauch von der Firaia Reiniger, Uebbert «.S: Schall in Erlangen.
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ACCUMÜLATOREN.
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der Accomulatoren g:elteDd machen und eventuell deren glänze Brauchbarkeit in
Frage stellen können. *) Deshalb sollten nur dort Accumulatoren zur Benutzung
kommen, wo eine grössere Elektricitätsquelle, d. h. eine zu Beleuchtungaz wecken
dienende Dynamomaschine, zur Verfügung stobt. Wo dies nicht der Fall ist,
muBs man sich dazu bequemen, den Accumulator jedesmal zur Ladung nach der
nächsten, grösseren Centrale zu senden. Wem dies zn umständlich ist. der tbut
jedenfalls besser , eine der bisher üblichen primären Batterien zu benutzen als
die Ladung durch Kiemente oder Thermosäulen selbst vornehmen zu wollen. Von
der Centrale aas wird das Laden des Accumulators einfach in der Weise vor-
genommen , dass man irgendwo vor einem Brennkörper den Accumulator ein-
schaltet, durch den mau dann den Strom so lange hindurchgehen lässt, bis sich
Fig. t.
Stationäre Acumulatorfii-Hatteiie zur Ii«ieur)itUDg und Galvanokaustik.
im Innern desselben eine energische Gasentwicklung für das Ohr bemerkbar
naacht. Die brennende Lampe ist der Beweis dafür, dass der Strom wirklich
den Accumulator passirt. Das liaden wird, wenn eine centrale Elektricit:lts<iuelle
zur Verfügung steht, nach (i — 12 Wochen erforderlich. Für Galvanokauslik sind
1—3 Zellen (2—6 Volt) nötbig.
Die Spannung richtet sich nach der Grösse der in Anwendung kom-
menden Schlingen und Brenner, für sUnimtliclie Brenner ausreiehend sind H Zfllen
(6 V<ilt}. Die Abscbwftchung geschieht zweckmässiger Weis« durch einen
Rheostaten. Für kurze Schlingen und Brenner genügen 4 Volt (2 Zellen). Für
♦) Neuerdings wurden die Thermosäulen etnpfoh'en von Dr. Thorner, Ueatsche
Med..Ztg., 1893, pag. i:U.
I y Google
6
ACCÜMÜLATOREX. - ACHILLODYNIE.
kleine Brenner selbst 1 Zelle. Stets sollte der Strom durch einen Rheostaten ab-
geschwächt werden können . da die Brenner eine »ehr verschiedene Stromstflrke
gebrauchen, und es wünsclienswerth ist, dass man jede Art von Brenner in
gleicher Inteusitilt erblühen lassen kann, Ks ist eine unangebrachte Sparsamkeit,
den ziemlich wohlfeilen Bheostaten fortzulassen. Wenn auch nur eini^cmale ein
Brenner wegen zu starken Stromes durchglüht , so ist von Krsparniss keine
Rede mehr.
Für Ik'leuchtungsinstrumente Ut eine Spannunjr von 8 — 12 Volt er-
forderlich, 12 Volt sind im Allgemeinen au^ireiehend. Auch hier ist ein Rheostat
zn benutzen.
Fig. 8. Fig. 3.
Kleine trausiiortable .AicumulHtorcn Uatterien zur JJeleudituug und (ialvaiioknustik.
Die Anordnung der Accuniulat<»ren in den Hatterien soll eine derartige
sein, dass stets sümmtlicbe Zellen hintereinander geschaltet sind und sie nie um-
geschaltet werden, auch nicht beim Laden. Kf ist das deswegen nöthig, weil die
Unischaltungen viele Verbindungen erfordern, die hier immer ah Fehler<iuellen wirken,
weil durch derartige Mjinipulationeu eine ungleiche Abnutzung der Aecumulatoren
bedingt wird, die be.sser vermieden wird. Wenn der Strom sJlmmtlicher Zellen zu
stark ist, so kann er durch einen Ikheosiaten leicht regulirt werden.
Was die Dauerhaftigkeit eines Aecumulators angeht, so kann darauf
ja^creehnet worden , das.s er, wenn das Laden richtig geschieht, und er ungeladen
nicht lange Zeit stehen bleibt, er. 2— 3 Jahre brauchbar ist. Nach dieser Zeit ist
eine Neufüllung wUnschenswerth , jedoch noch nicht unbedingt erforderlich.
Zum genaueren Studium der einschlägigen Verhältnisse empfiehlt sich:
Fr. C.Heim, Die Einrichtung elektrischer Beleucbiungsanlagen für Gleichatrom-
betrieb. Oskar Leiner, Leipzig l«y2. Arthur Kuttner.
Achillodynie. Mit diesem vorläufigen Ausdruck wird von Albert ein
bisher noch nicht be.schriebener Symptomeneomplex bezeichnet, dessen Eigenthümlich-
keit darin besteht, dass das Geben und Stehen durch heftige Schmerzen unerträglich
wird, während beim Sitzen und Liegen jeder Schmerz vercehwindet. Der Schmerz
wird gerade an der Insertion der A« hillessehne empfuu'len. Hier findet .sich auch
ein objeetives Symptom : eine kleine (Jeschwulst. die den Eindruck macht, als sei
die Insertion der Achillessehne verdickt; diesem (Jesehwulst zeigt dieselbe Hiirte wie
die Sehne und ist auf Druck wenig empfindlieh. Mitunter erhält man auch den
Eindruck , nU sei der Knochen selbst neben der Sehne beiderseits etwas auf-
getrieben. Die Schmerzen sind ungemein Lartnilckig, trotzen warmen Biidern. kalten
l'mschlUgen, Jodpin.selungeu, Einreibungen von grauer Salbe. Die Auanine.se ergiebt
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ACHILL0DYN1B. — AKBOHEOAUB.
7
in der Refrei keine beHondtTcn ätiologischen Anhaltspunkte ; in einem von Albekt
beobachteten Falle , in dem Knochenauftreibnng bestand , exacerbirte das Leiden
parallel mit den Ezaeerbationeii einer Oonorrhoe. — Nieht gans flberoilistlmmeiid
mit der Achillodynie Rind die früher von Kaykal (1883) und Kiemusson (1884)
als f^Gellulite ptrücndineuse" der Achillessehne besehriehonen EntzUnduiiirs-
SüStiiide; ferner die von Pitha erwähnten partiellen Rupturen und die partiellen
BvoUdonen der Inaertionspartie der AdiilleMehne. In einem Falle letzterer Art
•dll die Achillotenetomie einen glänzenden Rrfolg gehabt haben. (Wiener med.
Presse; Med. Post. 1893, Nr. 2.)
AchyrdntBS SSpSra L., rauhe Spreublame, eine in Ostindien und im
tropischen Asien überhaupt vorkommende Ainarantacpo . wird schon in den Nif^-
bantas als ein abführendes, die Verdauung beförderndes Mittel beschrieben, die
Eingeborenen Indiens, sowie die europäischen Aerzte daselbst wenden das Mittel
als Dinretieum bei Wassersnehten an. 1 Unie (S5'0) der Pflanze wird in 10 (850*0)
Unzen Wasser 15 Minuten lang gekocht und von der Abk<ichun? werden 1 bis
2 Unzen ('.'?5 0 — 70*0 ( dreimal tflglich {regoben. (I'harmacopeia of India.) T. A. WisK
rechnet Achyrantes ajtpera zu den kräftigäton Brechmitteln. Die Samen werden
Ton den Eingeborenen gegen Hnndswuth nnd den Naehwehen von Sehlangen-
bis-cten angewendet, diu Wur/cl zu einer Pasta verrieben gegen HombanttrDbnngen.
Alkaloid konnte in der Pllanze bis Jetzt keines entdeckt werden.
Literatur. B. ächachardt ia Gotha. MittheiluDgen überneaere Arzneimittel.
PentaclM »ed. Wochenrchr. 1893, paf. 779. Lonbisch.
AQäthin, ab >iouralgicum emptbblen, ist nach seiner chemischen Consti-
tution Sali<^l- nnd Hetbyipbenylhydraaon (C; . OH . CH = N . N . (CH,)Os He) nnd
wird doreh Condensation von Salicylaldebyd mit x-Methylphenylbydrazin gewonnen.
Es stellt weisse Blättchen mit schwachem Stich ins Grünliche dar, die
geruch- und geschmacklos, in Wasser unlöslich, in Alkohol und Aetber löslich
sind nnd bei 74« C. scbmelzen. Das Mittel wnrde von E. Rosbnbadh , Ebvlino,
Jeax Schmidt, L. La<<i kk, Loumnthal (sämmtlich Aerzte zu Frankfurt a. M.),
bei Isf bi:H . rlieinnatischen KrkraukuTiircn . bei Supraorbital neuralgien , auch nach
Intluenza in (iabcn von 0 5 Grm. 2 — 3mal versucht und soll in einigen Fällen
gewirkt haben, in denen Sallcylsäure erfolglos war. Das Mittel scheint erst naeh
mehrtägiger Darreiehnng, nachdem 4*0 — 6*0 verbnneht sind, also eumnlatiT su
wirken, dabei ist die Wirkung eine der Sallcylsäure Ihnliehe, unter Steigerung
des Appetits tritt vermehrte Schweisssecretion auf.
Literatur: £. Kosenbaum, Agathiu, ein neues Antinearalgicum. Deatt^che
med. Zeitong. 1892. 50 nnd 93. Lotblseb.
AkrOmegaiie (vergl. Real-Eneyetopldie, Bd. XXI, pag. 582; XXIV,
pag. 29). Die easnistiso he Literatur hat eine ziemlidi bedeutende Vermehrung
erfahren. Ks wurden weitere Ffllle mitgetlieilt von Roi.lestox, Bkrklky, Rctti.E,
BUttY , Ka.NTHACK, Al'l'LKVARD, BlCNAMI , STEMBO , PKI, . LlTTHACKIt, TsiSCH,
Tanzi (2;, DucHESNEAü, MuttßAV , ÜOBüON Bhüwx , FitATXicu. Die Zahl der
besohriebenen Fälle steigt damit fast auf das Doppelte (von 18 auf 35). *)
Aetiologiseh bemerkenawerth ist der Fall von Pel, wobei es sich um
ein heftiges psyehi.«<'he-t Trauma (zur Zeit der MenHtrn.'ition . bei einem früher
gesunden, nicht hereditär belasteten Mädchen) handelte; seit Entwicklung der
Akromegalie bestand gleichzeitig Amenorrhoe. Symptomatologiseh ist das häufige
Vorkommen von Geh im Symptomen hervorzuheben, psychische Depressions- nnd Ezal«
t.-itionfi/nstände , Spraclistflrung , lleinianopsie mit Atrophin nervi optici (in den
Fällen von KuTTl^K und Tanzi I, Exophthalmus, Strabismus e.rt. , Nysta-rnins nnd
einfache Atrophie der Papillen (Bionami), Zuckergebalt des L rius (Buky, lioLLEcjTüN,
♦) In (l'T hf>n rrsrhiencncn Althan<llnng von Coli ins (veri;!. antra) werden
hA Beutiuc'htungen zusaiuinengestclit, wornnter jedoch wohl viele zweifelhafte.
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AKBOKBGAUB. — ALDOXIMB.
Hübrat). In dem Babt*8oIm»i FaUe ergmb die Autopsie eine gnwie weidie
Geschwulst an der Gehirnbasia, die sieh von Oinasma opticorum bis zum Kleinhirn
er9tre<*kte (Gliom) : Chiasma and Tractus waren durch die Geschwulst comprimirt.
Thyreoidea vergrössert, in jedem Lappen eine Cyste; Thymusdrüse persistent. In
einem anderen zur Section gekommenen Falle (Ddch£SN£au) bestanden gleichzeitig
Mefa die Bneheinnngen prognaalver Hvskelatropliie an Annen und Beinen, was
Ddohbsnrau zur Aufstellung einer „My opathie acrom^galtfjue" veranlasst.
Die Section erjrab ausser den Veränderunpren des Skelets und der Haut eine
VergrösseruQg der iiypopbysis, der Thyreoidea und Thymus. Die Amyotropbie wird
von Ddchbbnbaü anf Compressen der Bflekenmarksnerven bei hoehgradiger Ver*
dieknng der Wirbel bezogen.
Die pathn!o<riscb*' Anatomie der Erkrankunfj erführt eint' fernere Be-
rwclierung durch die Arbeit von Marie und Maeinesco. An den Spitzen der (xlied-
massen fand sieh Hyperplasie der Papillen nnd eine bedeutende Hypertrophie der
Haut; das Bindegewebe verdickt, aueh Oberall an nnd in den Nerven, wodnreh
die primären Ae^te diTselben degenerirt sind: eentralwiirts nimmt diese Deprene-
ratinn mit der Abnalmie des Bindeprewebes ab. An Mundhrthle, Nase, Kehlkopf
uud Luiirohre einfache Pacbydermie durch ZelieniDtiltratiun. llalssympathicus,
besonders dss unterste Ganglion, ansgesproeben sklerotiseb. Im Gebim Ter-
mehrunp der Neuroglia. Die Follikel der Thyreoidea hyperplastisch, cystisdi.
viel H;lm'i;:lnhiTikryitaIle enthaltend. Aueh in der (llnndul.i t'ituitnria Hyperplasie
der Follikel, die Gefässe sklerotisch. Die constantc Hypertrophie dieser Drüse, Uber
deren Function allerdings niebts bekannt ist, sind die Verfasser geneigt, als
einen wesentlichen Befund bei Akromegalie zu betrachten ; vielleiebt ist diese Drflse,
ebenso die Thyreoidea liestimmt , ir''wisse für das centrab' Xi-rvensystem deletär
wirkende Substanzen uusehildlich zu machen, während die Auhäufunf; dieser ."Sub-
stanzen bei functioneller UntUchtigkeit der Drüsen durch fortwährende Keizuug die
Ctewebsbyperplasie daselbst veranlassen würde.
Literatur: Kollpstoii, i'usi- af <i'i->i)iff/iili/. British med. .Tnnrnal. '^ö. Oitober
1890, pag. 957. — Barkley, A ccue uf acromeyaly iit a negress. John Uopkm'a Uosp. Ball.
1891, Nr. 16. — Battl«, A ease of aeremegalp. British med. Joonwl. 28. Win 1891.
pap. ti97. — Bnry, A-minrriithj. Ihid, 30 Mai. pap IIT'* — Kunthack, A cane of
acruineydltj. lliiii. .hili , pa«. 188- — Appleyard, Acnntit'ytilif. Ibid. ÜÜ. Deceinl»er,
pag. l;^54. -- 1' i g n u in i. I Ii' oi^si fvazioiu di ncromegalia. Balletino dells Soc Lancisiana d«gU
espedali di Eon». X, H«fi 3. — Marie nod Mariaesco, .Sur l'anatomie patkologique de
Paeromigalif. Archiven de tnM. exp^rimentale «t d'anat. path. Juli 1891, IT. — Arnold,
Akromegalie, Parby.ikrio od. r (<-iiti~ 7.':< ^ lii iti ultc zur path. Anat. iii;d ullprin. Patho-
logie. 1891. — JStcmlio, Akroraejrulie und Akruniikrie. Petersburger med. Wucheu.scbr. 1>91,
p»g. 45. 46. — Fei, Kin Fall von Akrniutigalie in Folge von Schnscl^. Berliner klin. Wochen-
schrift. I^IH, Nr. H. — Litihaner, Ein Fall von Akromegalie. Deatacbe med. Wochenschr.
ISIM, Nr. 47. ~ Tschisch. Ein Fall von -\kroniegalie. Petersburger med. Worheiischr. 18!U,
Nr. 49. — Tanzi, lfm rani di ncrotnrgulifi Rivi.sta clinica Is'.M, Heft."». — Duchesneau,
Contribution ä l'dtude anatomique et cUnique de l'acromegalie. Paris 189^. — Murray,
Aeromegahj. British med. JoamSI. 27. Febrmur 1892. — Oordon Brown, Aeromegatg. Ibid.
215. April. — Fratnich, Ein Fall von Akroniegali». Allgem. Wifner med. Zeitung. 1^-'^;
Vh caao d'acromet^alia. liivista Yeneta di iScieuxe med. 189^. — J. Colli ns, Aciumtyalij.
Journal ^ nerv, anä menial düease 1893. Enlenbnrg.
AkrOinikriS (von dtx^o;, spitze nnd klein), soll im Gegensats
sn Akromegalie die abnorme Verkleinerang der Endtheilo der Kxtremitilten bedeuten.
Der Name wurde vouStkmbo vorj^eschla^en, der einen hierhcrsrehöri^en Fall l)esehrieb
Akromegalie und Akromikrie.^ Petersburger med. Wuchouschr. 1891, 45 uud 46),
der flbrigens mit den Erscbeinnof^n der Selerodactylie viel Gemeinsames darbietet.
AldOXimB. Durch Einwirkung vun liydruxylamiu auf Aldehyde ent-
stehen dnreb Austauseben des Sanerstoffatoms unter Wasserabepaltung die als
Aldozimo bezeichneten organischen Verbindung i , welehe beim Koehen mit Sals*
fi.ture wieder in Hydnixylainin und ihre Aldehydcomponenten zerfallen. Die aus
Acetaldehyd und ßenzaldehyd gebildeten Aldoxime, da^ Aothylalduxim,
C|H«KO, und das Benzaldoxim, CeH{,CHNOH, wirken bei FrOseben betlnbend
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ALDOXIME. — ALUMNOL.
9
nnd Uhmend uttd rufen bei Kauincbea Veränderungen der Blutkörperoheii hervor,
in daneii ein »eilt randtlindiges , stark gllnsendw Körnehen oder mebrere
Bolehe in einer blassen , hämoglobinfreien Partie auftreten, Alterationen , die auf
Schrumpfung von Hnnin^rlobin , veranlasst durch Abspaltung von Hydroxyl.imin,
hinweisen, da dieses ähnliche Veränderungen erzeugt. Gleichzeitig kommt es zu
BraunfArbung des Blutes, das jedoch nicht immer spectroBkopiseh den Methämo-
globinetretfen selgt, nnd schon nach relativ kleinen Mengen erfolgt Bftmoglobinnrie.
Toxische Dosen bewirken Mattigkeit, Dyapnoe, Speichelfluss , Verlangsamung
der Athmung und Herabsetzung der Temperatur, gleichviel ob Meth.'lmoglobin-
bildang eintritt oder nicht. Gegen Benzaldoxim zeigen Hunde grosse liesistenz.
In den Harn geht Benxaldoxim nicht unverändert über; dagegen hat dieser
Bensaldehydgerneh nnd die gepaarte Sdiwefeliture wird stark vwmehrt.
Uteratnr: Scheidemann, ÜsImt dM Variialten einiger Eydrox ylaminvorbin-
dangen im Tl.ierkörper. Königsber;^ l>^d2. H u s e m a ii n.
AllylSUlfOCarbamid rnno^inamin), O, H,N, S, ein Additionoproduet
von Seufül (ächwet'eluyanallyl; luit Aiumouiak, bei 74° C. schmelzende Krystalle,
lOsUeh in Wasser, Alkohol nnd Aether, wnide von Hans t. Hbbba als ein Mittel
empfohlen, welches, subcutan injicirt, an krankliaften Geweben eine loeale Reactioa
ohne Mitbctheiliguug (it^ OüHtHmmtnrjrain-^mus zu erzeufren fähig ist. Nach
V. Froscuaukk soll Allyläulf()carl)amid, Thieren subcutan einverleibt, diese gegen
Infeetion mit baeillftren Contagicn immnnisiren. v. Hbbra fand das Mittel wirk-
sam l>ei Lupuskranken, ferner aar Erweichung von Narbengewebe, snr Ver-
kleinerung bestell ciider Drdsentunioren, zur Aufhebung von rornealtrübungen, anch
soll es die lie.-torption von in die Gewebe gesetzten Exsudateu bewirken. Zuarleich
bewirkt dan Allylsulfoearbamid Steigerung der Diurese, Hebung des Appetites
nnd eine bemerkenswwthe Euphorie der damit behandelten Patienten.
Der V<'rlauf der Keaction ist folgender: Meist 2 Stunden nneh der
Injeetion, oft auch später, tritt im Inipusherde llüthung und Seliwelliing der
erkrankten i^artie ein; die Intensität der iieautioa, welche in erster Linie
von der Grosse der Dosis abhängt, steht ftbrigeos im umgekehrten Verhält-
nisse zur Fvxtensität des Krankheitsproiu s. Die Schwellung kann so heftig
werden und sieh po r.-Hch entwickeln , dans Epidermis und seihst Papillarkörper
platzen und obertläehliche Hautrisse zu Stande kommen, es erfolgt keine Bläschen-
bildung, keine Transsudation serös-eitriger Ftfluigkeit, kein Fieber. Die Höbe der
Beaetion dauert 4 — 6 Stundm , naeh weldier Zeit dieselbe allmätig tnnOThalh
24 Stunden aM.liift. Der durch Injeetion der alkoholischen Lt^snng erzeugte
Schmerz dauert nur kurze Zeit, die Kesorptiou erfolgt so rasch, dass schon nach
einigen Minuten knoblauchartiger Geschmack im Muude auftritt.
Das Allylsulfoearbamid wird in alkoholisdier LOeung snbentan injieirt,
und zwar in allmälig steigender Dosis. Von einer 15procentigen Lösung wurden
Anfangs 2 — 3 Tlieilstriehe einer pRAVAz'schen Spritze (0-(i:^> — 0 045 Oriu. Allyl-
sulfoearbamidj , in der 3. Woche eine halbe, in der 4. — 5. Woche eine ganze
PKATA2*8die Spritze (0'15 Orm. Allylsulfoearbamid) injieirt Diese Injeetion wurde
zweimal wöchentlich in der luterscapularregion des fiiickens vorgenommen. Zwei
bis drei Monate liindtireli erfolgt Itei den Patienten die eingangs erwähnte typische
Keaction; selieitit der Patient gesättigt, so setzt man nur 2 — 3 Wochen aus,
wonach er wie früher reagirt.
Literatur: H. ▼. Hebra, Ufliber die Wirftnag dss Allylsolfocarbanldes (Thio-
sinniniii^ b»-i suIh Mtam r EinvcrleibnnfC. Vortrag, gehalfen boim II. internat. drrmatolog ConRress
ia Wien. Anhiv i hirmul. u. Syph. l^li^. Moii:itshf>fif f pnikt ÜiTinafol ZU. Loebisch.
Alumnoi. Unter diesem Namen empfohlen N. Hkintz und A. LlKUflECHT ')
ein Aluminiiimnalz einer NaphthoLsulfosäure, welches ö'^/q Aluminium und 15^. q
Schwefel enthält, als Adstringo-Antisepticum.
Das AIuiiinoniild<^t ein woi.-x f: <i(if'r srbwach röthliche.', nicht byproskipi.<rhoF! Pulver.
Lusuugeu vuu 4U und mehr rrocout, mit hcissero Wo-sser bei eilet, bleiben beim Krkalten klar.
10
ALUMKOL.
In Alkohol löst es sich mit blauer Farbe, jedoch schwerer wie im Wasser; es i*t lÖRlich in
Glycerin, unlöslich in Aelher , giebt mit Eisenchlorid eine blaue Farbong und färbt sich an
der Luit dorch Oxydation «twaa dankler, ohne jedoch hierdurch an eeiner Löelichkeit und
Wirknunkeit «liisBbttiMiD.
Die Ltoungen nagirai sohwaeh aaner, Allen Eiweies nnd LeimUfsnngen,
die Niederacbllge Utoen sich aber im Ueberschuss von Ki weiss und Leim wieder.
Durch diese Eiprenschaft vernia«; das Mittel mit dem eiw eissreichen Gewebsaafte
in die Tiefe zu dringen, und da das Alumnol sich in eiterigen Secreteu löst, ist
eine Verstopfung eiterprodnetrender Ginge und Hdhlen dnreh Alamno! ans-
geseblosf^cn
Die aritlKcptischen Eigeuscbaften des Mittels wurden bakteriolnfrisch, die
adstringireude und gefässverengende Wirkung mit 0'01%igea Lösungen am Mosen»
teriam des Frosches geprOft Erst öVoi?® Lösungen bewirken Reizung der Sebldm-
beut, 10*/oige Anltcnng. Als Adstringens soll sich das Alumnol von allen anderen
Adf-tringentien dadureli untersclieidt ii, das-j es nicht nur obcrflJlchlich wirkt, sondern
wegen der Löslieh keit des Körpers in überschüssigem Kiweis.s auch in die Tiefe
2U driugeu vermag. Directe Einspritzung von Alumnol in die Blutgefässe bewirkt
Tbrombose der Gefkree und des Heraens. Eine Giftwirkang des Alamnols ist bei
d^n medlenmentOsen Dosen und Concentmtionen ausgeeehlo.S9en. Nach Iflngerer
Susserlicher Application konnte AInminium im Ham nioht aufgefunden werden,
auch erwies sieh derselbe stets normal.
Anwendung: 1. In der ehirnrgisehen Praxis: Als Spfllmittel in
0*6 — 2%iger Lösung; zur Aetzung von Fistelgingen in 10 — 20" jiger Lösung; bei
torpiden Geschwüren in Ii — 0" o'gc Lösungen nnd Salben. 2. In der gynäko-
logischen Praxis: Als Sptllmittel nach Operationen in der Baiichhöhlo
0*6 — 0"1 " f, ige Lösungen ; bei Endometritis gonorrhoica In 2 — 5°, giger Lösung
oder in 10 — 20Voigen 8tsbeben. 3. Inder Dermatologie wurde Alumnol von
Ohotzrx *-) in mehr als l'.'illen versucht, u. zw. a} als AluniuoJum purum bn
exulcerirten Erosionen, /'/r>'s ninlh und Abscessen zum Reinigen der Wunde;
bj als 10 — 20" „igei Alumnolstreupulver i^mit Tolcuni venet. und Amylum aa.)
bei Balanitis, Eezem, Verbrennungen geringeren Grades, Wundnaht, c) 1 — 5o gige
Alumnollösungen bei nässendem und bei pustulösem Eczem, Gesichts.teiie, Drtisen-
anschwelluTiL'-. I'rtthritis; </) 2 5 — 10" ^i^^er Ahimnnl>.piritus zur Nachbehandlung
von Eczem, ^Sycosis, Favus; Psoriasis des Kopfes und Gesichtes; e) 2^j^ — ö,
10 und 20%ige Alumnollanolinsalbe bei den eben erwähnten Processen, «leb bei
Ürtthriti» infectioaa. Ferner wird es in Form von Firnissen, von Guttapereha«
pflastennull bei Eczem , Erythemn e-rsudatirum. Prurigo , Psoriasis , Lupus und
von 1 — 10° . i^en Aliimnolgolatinest&bchen bei Entzündungen des Cervix uteri
und in Fistelgilngeu augewendet.
Perlfollieulftre kirsehkerngrosse EntzOndungen schwanden naoh sub*
entaner I ujection von 0*5 Grm. einer l^/^igen Alumnollösung. 4 Tu der otia-
trisehen Praxis wirkte es ]tn f ifi'fi's media purnluttn, theils als Pulver, theils
als Lösung applicirt, günstig (Bki£u£K j. 5. In der opbthalmologisehen Praxis
beobaehtete Wolffbbbo ') bei Applieation dniger Tropfen einer 10" o igen Alnmnol-
ISsung auf das Auge HyperXmie der Gonjunctiva der Kinder, Auftreten von
Rauhigkeit an der Oberfläche der letzteren, weissliche Gerinnsel in der Ueherganga-
falte und iu den Winkeln. Ditse Gerinnsel treten sehr deutlich bei Application
einer 4''/0igeu Lösung iu ein von Tbränen schwimmendos Auge (z. B. Blennupharo-
spasmus) auf, cugleioh bOrt die Tbrinensecretion für einige Minuten völlig auf;
diese Thrflnenpausc Iflsst sich zu rntersuehunj:en . zu Einträufeln von Atr<>])in
benutzen. W'oi.FFF.K! G benutzte die 4^' ,,ige Aluinncdlösnuir zur Reinigung di r liiiide-
haut vor dem Einträufeln von Aryen'tim nitricum. Bei länger andauernder Ein*
Wirkung der Aluntnolumsebllge tritt hiufig Cbemoeis der Conjunctiva bulbi und
etwas Lidödem ein.
I-iteratur: ')N Heintzund.\. L i iI» r <• ( h t , Aluninot. ein iiete s AiNtrinpo-Anti»
septicum. Berliner klin. Wucht nschr. 4ti. — ) Chol Ken, Alumnol. ein iieueä Mitt«! gegen
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ALUMNOL. — ANALGEN.
11
Hantkrankheiten und Gonorrhoe. Berliner klin. Wochenschr. 1892, 4^. — ")WoIffberg, Zur
Prophylaxis des Aagentrippers der Ei'wachseneu und zur Therapie der Bleuuurrh. aeouatoram.
TbM»p. Mooataobr. J8tt. 12. Locbiseb.
AnagyriS. Von der io Sudiraokroich , Algier , Itaiiea uud Griechen-
Imad eiDheimliehen Leguminom Anagyria foetida L. dienen die hOehit un-
angenehm rieebenden Blätter in Südeuropa als populäres Abführmittel an Stelle
der Senna. In nrieclicnlMinl filliren Hie frLTadcz» den Namen Pseudosenna (Pseuiio-
giuamekl). Auch die 8amen , in Italien Faygixolo della Madonna, l lito della
Madonna, Fava Itipina oder Fava inversa genannt, wurden trüber mcdiciuiscb
ab PoTgane oder Emetoeathartienni benntst, sind aber auch als giftig nnd in
grossen Dosen letal wirkend bekannt. In Algier haben sie mehrfach den Tod
von Soldaten verursacht. Die IMIanze selbst heisst dort Lahurno fetido oder
FaseoLaria. Daa früher in den lilälteru vermuthete Catbartin oder Cytisin ist
nicht in ihnen enthalten , dageg>en enthalten die Samen neben fettem Oele nnd
Harzen ein stnrk jriftipen Alkaloid, Anagyrin. dessen Elementarformel
(Ci^Ha^NOa nach Hkai.k. Cj, 11,^ N O^ nach Hardy und (iALLOisl mit derjenigen
des Cjtisins nicht Ubereinstimrat, wie auch die sonstigeu Eigenschaften, z. B.
die LQ4iehkeit in Aether, abweichen. Das Anagyrin wirkt auf Fr(taehe naeh Art
des Curare und tödtet zu 0'12 Grm. subcutan Kaninehen. Die Vei^ftungs-
er.'^cheinun^cii liei Sfitif,'-» thi( rcn bt stoben in Lilbmun?, Zittern, leichten Mii^kel-
zuckun;^en. Hy|)fr:iniie der ( »liren und der Kin<reweide , bei Ilülmern in Munkel-
atarre, wiederLolten tetuuiHcbeu lirämpfeu und Kieuudürer Lähmung. Ana^yriu
geht rasch in den Harn Aber.
Literatur: Reale, Gazz. chim. 1''87, Faso. 0 und 7, pnfr- 3<J7. — Hardy
nnd Galloia, Coinpt. rend. 1888, CVII, p«g. 247. — Cantani, Manita/e di FarmucoL
IV, pag. 43!9. — VandeUoer, (her eytisin». QrotAtgan 1890. 11 u s e m a n n.
Analgen, ( )rtbo-Aetboxy-ana-MonobenznyIamiilocbinoIin (C, II , . ()C, II , .
NH .COC^ . N .), ein Chinoliuderivat, wurde von (i, Loebkli. uud Gkrh. N. Vls
als Analgeticum, welches ngleieh antipyretische Eigeusebaften besitzt, empfoblen.
Die theoretischen Erwägungen, welehe zur synthetidcben Darstellung dieses Mittels
führten, sind folg'ende: Im Phenacetin — Para-Aethoxyacetylamidohenz«)! ist das
Wirksame die Amidofmippc , welche dureh Einfiibrun-r der sauren Acetylg:ruppe
ihre giftige Natur einbüsst. Analog diesem Verhilltuisse dts Plu iiacetins zum Benzol
haben nun die Verfasser sunlchst eine Verbindnng eonstitnirt, das Ortho-Aethoxy-
ana-Acetylaraldochinolin , welehe sieh zum Chinolin gran/. ao verhält, wie das
Pbenaeetiti zum Benzol. Im Analf^en ist jedoch überdies der Aeetylrest der
NH3-Gruppe durch den wirk-^amereu Beuzoylrest ersetzt. Als Kern der Verbindung
haben wir im Analgen des antipyretische Gbinolin statt des indifferenten Benzola
im Phenacetin. Das Analgen ist ein weisses, in Wits-er fast unlösliches und voll-
kftranien «rewebit aeklo-ises Pulver, schwer biHlieh in kaltem Alkohol, leichter in
heissem Alkohol uud in verdünnten Säuren , schmilzt bei 208" C. Nach Thior-
yersaeben von Loebbll und Vis wird es im Magen durch die Säure des Magen-
saftes geltet nnd bereits hier aum .Theile unter Wasseranfnahme in Benzoesäure
nnd Ortbo-Aethnxy-ana-Amidocbinolin gespalten. Letzteres findet sich im Urin an
HarnsiUire ireluniden . bereits 1/3 — 1 Stunde nach dem Einnelimen , wodurch der
Harn blutroth gefärbt wird. Durch Zusatz von kohlen.saurem Natron bis zur
alkalischen Reaotion schlägt die Farbe in Gelb um (Unterschied gegenOber Blut
im Harne). Das Aethoxy-Amidochinnlin zai^t auch eine beträchtliche hamstture-
lösende Wirkunff. Nachdem an Thieren die Niehtjriftif^keit des Analfren erwiesen
war, wurden die ersten therapeutischen Versuche an BAumlkr's Klinik ausgeführt,
wobei sich ergab, dass das Analgen in Gaben von 1 — 2 Grm. bei Erwachsenen
antifebrile Wirkungen, ähnlich denen des Phenacetins, zeigt und auch neuralgische
Schmerzen günstig hn intlüsst. Die Temperatnrerniedrigung erfolgte unter Schweisscn.
Angewöhnung des Organismus an das Mittel selbst bis zum vöUigeu Versagen der
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12
ANALGEN. — AKGIOM.
Winknng trat bald eia. Sehr heftige öchmerzea bei einer UUftgelenksentzUnduDg
wurden dnnh SH) pro die in Dosen von 0*5 gemildert. Das Mittel wurde Uber«
dies vodTbedpel, Köpfen und P. Kedlle (Inaugural-Dissertation, Berlin 1892)
bei den verschiedensten Neuralgien, bei Arthritis urica j Mtukelrbeumatiemiia,
bifiber mit ziemlicbeiu Erfolge benutzt.
AU Einzelgabe bei ErwachBenen 0*5 pro die, 3 0, sclbat 5*0.
Literatur: Georg Loebell ttod Cferh. N. Vis, Bas Analgen, ein neaes
NarTinam. Dsntscbe med. Vodunsobr. 1692, d4. Loebiseb.
AnylOfll (vgl. I, pag. 468). Darunter versteht man theila fiäcbenhaft, theiis
geeebwa1fltfi)rmig sieb entwiekelnde, mdst angeborene gutartige Neubildungen, die
der Hauptmasse nach aus ne u g I> i I <i c r e n R I u t e f :l s s e n bestehen
und dalier unterHchieden werden von jenen (Jescbwlilsten, welche auf Erkrankung,
resp. abuormer Ausdehnung der Wandungen von venösen y^Varices) oder arteriellen
Oefitoen mit consecatiTer Schlängelung und Kn&nelung derselben (Aneurysma
drsoidmm) bernben.
Mnn unterscheidet zwei Hauptformen von Angiomen: die Teleangi-
ektasie und den T v vior ca v^r n o s u s. Die T e 1 e a n f? i e k t a 8 i e ''tz ao;,
otYyeiov tAzxGi;) ist die häufigste Form des echten Angioms und kommt entweder
in mebr ftichenbafter Ansbrdtnngf su weleber ancb die Muttermale (Naevus vas'
culosus) gehören, oder in einer sieb mebr nach der Tiefe entwiekelndeo massigen
(JeHchwulstlorm vor. Sie besteht ans einer Neubildung? von sehr stark «resehlan-
gelten, erweiterten Capillareu und Uebergangsgefässen, » eiche, in der flachen
Form, wesentlich die Oefftsse des PapillarkOrpers der Haut betrifft, wibrend bei
den massigen Teleangiektasien reich entwickelte Blutgefissnetze feinster Art
in Form von kleinen Lapjx'ben im Bindegewebe, Fettgewebe und ebenso um
Haarbälge und Talgdrüsen angeordnet sind, üas Wachstbum der plexiformen
Angiome gebt nach A. v. Wimwakter so vor sich, dass immer neue Gefäss-
beslrke in den Wueberungsproeess bin^ngesogen werden« der mit selüger Um-
bildung in der GeOisswand beginnt, worauf SproBsenbildung nachfolgt. Das vor*
handenc Gewebe wird von der Gefilssneubildung mehr und mehr durchsetzt und
verdrängt. Gewöhnlich äodet man da uud dort iiundzellen und junge, oft pig-
mentirte Bindegewebszellen swiseben den Geftsawinkeln. Die Geftssendotbellen sind
bisweilen auffällig verdickt.
Hir .^itz isf vornehmlicli die Haut, seltener die Sehleiniluiut <k1it die
seröäen Uberllächeu inuerer Grgane, als: Leber, Milz, Niere. Sie treleu einzeln
oder multipel auf und erreichen sehr verschiedene Grössen. Am häufigsten kommen
sie vor: im Gesieht, am Kopf, Baneb, Rflekmi und anf der Haut, seltener an
den Extremitäten. Die Teleangiektasien sind meist angeboren oder entwiekeln
sich bald uaeh der (!eburt. In vielen Fällen lässt sieh Erblichkeit nachweisen.
Die flachen, resp. liächenhaften Teleaugiektasiea stellen ruude oder unregel-
misaig begrenzte, zuweilen von kleinen Punkten umsAumte, meist scharf eon-
tourirte r(»the «der bläulicbrothe Flecken dar, von der Grösse eines Flohstiches
bis zur Ausdehnung einer Gesichtshälfte. Die Haut ist glatt oder derb , oft mit
Lanugobärcheu besetzt. Meist erheben die Angiome sich bcetartig Uber das Niveau
der normalen Haut Doreh FIngerdmek lassen sie stob fast niemals volistindig
entleeren. Beim Sohreien, bei Bewegungen werden sie intensiver roth, schwellen
iluhr an. Die massigen Teleangiektasien bilden rundliche, oft deutlieh gelappt
aiizufiihlende, uuter der Haut sitzende Tumoren von der Grösse eines Haufkorus
bis zu der eines Apfels. Die Haut darüber ist selten normal, meist verdünnt,
blasig durebsebeinend, von GefUssen durebzoRW, dnnkelroth, blaurotb verftrbt,
die Haare zuweilen hypertrophisch. Diese Angiome lassen sich etwas comprimiren
und selnvclleti bei bestimmten Einwirkungen stärker an. Zuweilen machen die
1 eleangiektusieu etwas Breuueu, Jucken; die Hauptbeschwerde ist die cosmetische
Störung, die sie verursaoben. Dooh kOnnen durah Uleeration der Hantoberfläcbe
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ANGIOIL
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Erysipele nnd ticferprrcifcnd»' EntzUndimp-eT) entRtehen. Tieffrreifende Teleang-i-
ektasien köoneu zu Atrophie des Augapfels, zur Zerstörung von Muskeln und
Knochen führen, indem die Gewebe untmr der fortiebeiteiiden GeAnneabfldnng
schwinden. Gel^ntlicbe Blutunfren konnten n«eh Uleeratioiien oder Traumen
bei Kindern lebensgefährlich werden. An Alles dies muss man umsomehr denken,
je rascher die Telcanirielctasie wSehst. Einen Fall von Eiterung und Gangrän
eines Angioma der Orbita nach Typhus beobachtete Panas.
IHe »weit» Art des eehten Angioma bildet die eayernOse Angiom,
die ca verllöse Venengeschwulst (Tumor cavernosus) , welche eine
dem Corpus rnvernofium ähnliche Structur besitzt, venöses Blut führt, schwellbar
ist (daher von den Franzosen 2'umeur erectile benannt), zumeist sich nach der
Geburt entwiekdt nnd stets nnr mehr in Geeehwolatform ersebeint. Das Strom«
dieser Geschwülste ist ein Maschc-nnetz von bindegewebigen Balken, welche Hold-
rüiime umschlieascn. deren Wflnde mit Venenepithel l>fklridet sind und in welchen
zumeist venöses Blut circulirt , daher auch ihre bläuliche Färbung. Nur in sel-
tenen Fällen münden auch grössere arterielle Gefässstämme in diese GeAss-
geechwnlst «n, wodureh dann die Farbe n^r in's Hetlrothe Ibergdit und die
Oeschwulst selbst ein leichtes Pulsiren zeigt. Man könnte sie daher noch unter-
abtheih'n in vcnö«;- und arterioll-cavernöse Anfriome. Je nachdem das binde
gewebige Balkeu- und Mascheuwerk dünn oder mehr massig vertreten ist, fühlt
sieh eine soielie eavernOte Geschwulst mehr weieb, flaumig oder derb an. Zu-
weilen ist an der Peripherie • in ■ Ivapsel vorhanden oder die Geschwulst gebt
ohne Orenze in das normale (iewebe ülu r. Sio ntellen himbeerjihnliche, höckerige,
zuweilen auch pilzartig gestielte Tumoren von stahlblauer Farbe mit unveränderter
oder mit gleidifalls gefilrbter Haut dar, welche sieh dnreb Drtdc verkleinem,
sttweilen vollständig? zum Verschwinden bringen lassen. Je naeh der dünneren
(»der derlieren Beschafrenheit des Stromab i-t die Consi^tenz mehr weicli, elastisch
oder mehr derb, fast hart. Compriniirt man die rniirebiinf;, so srhwillt da.s caver-
nöse Angiom in Folge der venösen Stauung stärker an. Ebenso ist ihr Fullungs-
grad Mn versehtedener beim Liegen und Stehen, beim Schreien, im Schlafe, bei
der Verdauung (LOCKB), nach Genuas von Alcoholica, Gewürzen etc. Manches
caverno-jo Anpriom wird aufTallend schmerzhaft, ohne dass immer ein directer Zu-
sammenhaug mit Nerven nachgewiesen werden kann. Sie kommen meist erst in
den ersten Lebensjahren, aber aueh nodi später, suweilen naeh Tranmen , zur
F. II t Wicklung. Sie wachsen sehr langsam, bleiben oft stationär. Knorpel und
Kniichen werden vom vordrin°;enden eavernösen Anfrioni usurirt, weichere Gewcb,'
verdrilnfft oder durchsetzt. Im (iesicht greifen sie nicht stlten durch die ganze
Dicke der Wange , der Hachen wand , breiten sieb in der Mundschleimhaut aus.
Bezüglich der Prognose gilt das Gldehe wie für die tiefgrdfenden Teleangiektanen.
Rs ist noch darauf hinzuweisen , dass sie am Schftdel nach Perforation der
Knochen in das Cnvum crniiii hin<'in wuchern i^rmnen.
Die Art der Entwicklung ist noch nicht gauz aufj^eklilrt. Rokitansky
gab an, dasa das eavemOse Gewebe urspranglieh eine nur mit GewebsflflssigkMt
oder Lymphe ^cfllllte ßindegewebsneubildnng sei, welche erst nachträglich mit
Blut {retüllt wird. \'iRriin\\ plaubt , dass zuerst im Nacbbar{rt'webc der caver-
nösen Goijchwulst UrauulatioD auftritt und dass das granulirende Gewebe neue
Gef&sse erzeugt, welehe ektatfoeh werden und das Zwischengewebe zur Atrophie
bringen, woraus dann der cavernöse Habitus entstehe. Rindfleisch ist der An-
sicht, dasH das eavernfise Gewebe sich aus jedem mit Rlnt^''ef':ls-<('ri versehenen
Gewebe entwickeln könne, und bezeichnet die Eiitwickhinfj der cavernösen (ie-
schwulst als cavernöse Metamorphose, entstanden durch eine tibroide Degeneration
des eapillftren Abschnittes der Blutbahn. Wahrscheinlich sind sie der Hehrzahl
nach ur^priiriglich Anla<rcn cavernöseu Gewebes oder aus plexiformen Angiomen
unter K.rw citerunjr der <iefiisse zu einem netzförmig' verzweigten Ganfrwerk nnd
unter Abplattung der Endothelien eut^^taudeu i^A. v. Winiwarteu). Die caveruösen
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ANOIOM.
Angioiue kouimeu vor in der Haut, dem Interbautzellgewebe uud der Schlttim-
baut, am biofigiten im Geaiebto und dem Sebidel, seltener lu den Mnekeln,
Knochen und den iuneren Organen. Sie werden aber an den EztremitlUen Öfter
beobachtet, als die Teleangiektai^ien.
Was den Verlauf der Anfriome tlberhaiipt unlängst, so tritt Seiten
Naturbeilung eio (durch apoutane Ulceration und übliteratioo der GeHlsse durch
BlDl;gerinnnng, oder Umwandlang der eavemOaen Anglome in C^«len), in den
meisten Fftllen beobachtet man ein weiteres fortschreitendes Wacbstbam.
Vielfach k<imnit anf^iomilhnliclie Get";ts8cntwicklun^ in anderen Neu-
bilduDgeii vor, so im Myxom, Lipom, Fibrom, Sarcom, Carcinom. Diu Blut-
geftsse bilden gewissermaasen das Strome flir das Oeeebwulstgewebe. Man apriebt
dann von „Angiosareoma" oder „Myxoma teleangiektode>?", ..cavernosum". Docb
werden diese (icschwtilstformen mit Ürclit nicht zu den Anirionien frerechnet und
demzufolge auch nur unter den betretteudeu Geschwulsiabtheilungen besprochen.
Die Diagnose der einfaeben Angiome ergiebt sieb aui den früheren
Bemerkungen, wdobe aneb die massigen tiefgreifenden Teleangiektasien von den
cavernösen AiiLnomen unterscheiden lassen. Kine g^rftssere Scliwii-ri^keit ist e«,
dagegen zuweilen, diese einfachen Angiome von Conibinationsforuiea , resp. von
anderen sehr gefässreicheu Geschwülsten zu unterscheiden. Die Thatsache des Au-
geborenseins des Tnmors, ihre langsame oder sebnelle Entwleklnngsweise , das
Alter des Patienten, die Besebaffisnheit dos Tumors, Excision kleiner Partikel
u, Ae. m. können immerhin genng Anhaltspunkte znr Stellung einer richtigen
Diagnose geben. Im I'ebrigen ist bei rasch wachsenden massigen Teleangiektasien
nod earernOsen Angiomen , ohnehin operatives Bingrdfen geboten.
Behandlung. Rasches VVaehsthum und eosmetisebe Störungen sind die
beiden llauiit^TÜnde, weiche dii' Üi haiuilunp, re.sp. Beseitigung der Ari^rionie iiuth-
wendig machen. Es kommen hierfür in l'rage : 1. die gänzliche Ktitternun.,' des
Angioms, 2. der Verschluss, resp. die Verengerung der blutzuführenden tief!t>se,
3. Narbenbildung innerhalb des Angioms, 4. Blntgerionung bemrkende Mittel,
5. die Zerstörung de<< kranken Gewebes im Angiom.
l.Zur fiänz liehen Entfernung des Angioms ist d.ss railicalste
und zwuckmässigste Vorfahren die Excision mit dem Messer. Flache rcie-
angiektasen werden je naeh Sita und Form ausgesebnitten und die Wnndrflnder
sofort durch -lattf Naht geschlossen, tie&itzende entweder nach vorheriger Spal-
tnnir der (leckeiHleti Haut, oder wenn diese seiher erkrankt ist, mit derselbeu
vorsichtig aus dem normalen Gewebe auspräparirt , dann die rcstirendon (ielilss-
strfinge unterbunden. Hierauf Sebluss der Wunde durch exacte Etagennäbte. Diese
genügen unter Umständen auch für sich allein, um naobtrXgliehe Blutung sicher su stillen.
Als Wutidverliand empfiehlt sich ein kleiner einf.ichcr .Iodoformcolli>dium- Watte-
verband, welcher eine aseptische Wunde Iiis zur Heilung aseptisch zu erhalten
vermag und zugleich etwas cumpriaüroad einwirkt. Doch dürfen — wenigsteus
aaob meinen Erfahrungen — SeidenAden dann nieht su frOb entfernt werden,
wei' die Wumleii unter dem Jodoformcollodiumverband auffällig reixlos erhalten
bleiht ii. Jo nach dem Sitze und der Ausdehnung der An;;ionie kommen plastische
Operati<men in Frage, für welche natürlich die gleichen Gesetze giltig sind, wie
flberhaupt.
Um die Blutung möglichst einzuschränken, ist es nach meiner
Erfahrungen nfltziich, Seidenfadenschiingen durch die umgebenden Weichtheile
zu legen. Diese werden entweder provisorisch festireknUpft oder nur wilhrend der
Excision vom Assistenten straft* angezogen und dienen dann auch noch bei der
Maht sum leiehtoren Aneinandersieben der Wundrftnder. Ich ha*i« mit diesem
einfaeben Verfahren wiederholt auch andere, enorm gef.issreiclic Ceschwülste des
Oberkiefers, der Zunge u.a. in. ohne nennenswerthe Blutung cxstir[)irt. .^ollle
in einem Falle die Blutung nach der E.\cisiou sehr betrilehtlich sein, s > kaun die
Wunde mit Jodoformgase tamponirt und erst awei Tage später genftht werden.
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ANGIOM.
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Die rnterbinduu? der (Jaroti.t communis hei Kindern auszufiihioii. was A. v. WiNr-
WAUTEu bei der Esstirpatioa grosser Aogiume ia der Nähe des Auges, der
Parotisgegend. TorsehUgtr und aoeh neuerdings von Casblli anflgefUhrt warde,
halte ieh nicht fflr geraehtfertigt. — Bei Behr ausgedehnten Angiomen itt öfter
wiederholte, partlelli; Rxstirpation von Keilen mit naehf il-render Naht iiiid Com-
pression etiiplolileti worden. Die Krfolge dieses Verfiihrens sind niclit immer
ermutliigeud ; nur auHniiboisweiae gelingt es so, ausgedehnte Augiome zu eutlerneo,
weil xnw^len die Narbe sofort wieder angiomatfls verändert, das faeiast von sahl-
reiehen neuen GefilKsvn durchsetzt wird. Abgesehen davon ist das Ei^bnlss aaeh
in cosmeti^eher Hinsicht meist nieht »ehr günstig. ludess ist man in manchen
Fällen gezwungen, sich auf dieses \ ertabren zu beschränken.
Die Blnt^nittng durch Liqmr Ferri setquichlortUi oder mit EiseDchlorid-
wattetampons ist absolut an verwerfen, weil ne fast stets nachtrBglleh
Eiterung und eine 1.1ii,!r<T dauernde Sel)orfali>t(is-;nTi;? setzt.
lu jileieher Wci.^e muss ieh die Anweuduug dtr i.(ij?atur zur Absch nürunj?,
Abbindung von Angiomen absolut verwerfen. Sie ist eine unnütze
und Überdies nicht ungeAhrliehe Quälerei und passt nicht recht in das Gebiet
der modernen aseptischen Chirurgie: auch die Abtragung der Angiome mittelst
des Prahteera-jetir.^ vun Mais^onnki VF, dder mittelst eines CHA.s.>^Aif.\Ao'sebenEera8eur8
kann ich nicht empleblen. Anders steht es mit der Abtraj^^ung mittelst einer
galvanocaustisehen Qlflhschiiage. Dieselbe kann bei leicht abgrensbaren
Angiomen, aber auch /.iir partiellen Esdnon bei ausgebreiteten Angiomen benutzt
werden. Doch gelingt es dabei keineiweg^ immer sicher, die Blutung zu vermeiden.
Die oben angegebene Exeisiou unter Anwendung provisorischer Nahtschlingen wirkt
meines Erachtens sicherer, ormöglicbt überdies stets die Naht, was gerade bei
diesen cosmetischen Operationen wichtig. (Betreft der Anwendnngsweise der gal-
vanischen Schlinge vergl. man die hetrelfenden Abschnitte.^
Die Alitragung mit dem Thermoeauter ist noch schwieriger durehfiilirl»ar ;
dieses Instrument eignet sich besser für eine der unten folgenden Behaudlungs-
methoden.
2. Der N'erschluss. respective die Verengerung der blut-
z n f fl h r e ml (• n (Itif-lsse hat in den meisten Fillien, in welchen er bisher ver-
sucht wurde, Ii e i u e ii Erlolg auf das Verschwinden der Angiome gehabt.
3. Um durch Vernarbung den Schwund des Angioma herbei-
auftthren, hat man Vaccine, eiterbildende Substanaen verschiedener Art einwirken
lassen. Die<«">; Verfahren ist nicht zu empft'lileii.
Mit nu'lu- IJercehtigung können parenchymatöse Injei-tioium von .Sub-
stauzen, welche theils eoagulirend, thoils gefässverengeud, theils entzünduugserregend
oder nur entattndungserregend einwirken (wie Tannin, Carbolsäure, Argenfum
nitricum, Ergotin u. A.), angewendet werden. In einzelnen F.lllen ist hiernach
Erfolg erzielt worden. Lndens gilt fUr die < oagulatioo (I) herbeiführenden Substanaen
da>iselüe, was im Folgenden angegeben wird.
4. Blutgerinnung bewirkende Mittel. Vorzugsweise ist hierzu
Liquor Fcni s'si/uic/tforfifi benützt worden (PitAVAZ, Lai.lkmand). Man giebt
die Vorselirift , ilii' rni^^t-Kiing des AiiL'i'»ms mit den Fingern oder mit einer
elastischen ßiude genau zu eomprimiren, dann unter streng a.septi8chen Massregeln
mitteist PfiAVA^'scher Spritze langsam 2 — 3 Tropfen einzuspritzen, die kleine
Wunde mit Jodoformcollodium zu bestreichen und erst nach dnem weiteren kurzen
Zeiträume die Compri ssion zu lösen und einen Watteverband darflbcr zu legen.
Je nach der Grosse des Angi^ms soll das gleiche Verfahren in der gleiclien Weise
gelegentlich an anderen StelU n wiederholt werden. An der Eiostichstelle entsteht
io Folge der Goagntation eine Hftrte ; snweiten spSter eine Eiterung, unter welcher
das (\tagulum eiimiiiirt wird. Allmfllig soll vollkommene Schrumpftmg erzielt
werden. Trotz aller \or<icht8massregeln sind jedoch h i e r l> e i Todesfälle vor-
gekommen, indem sich die Coagulation bis zum ilerzeu ausdehnte oder zu
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16
ANGIOM.
Embolien führte. Wenifrer ]2:efährlic'b wird die Methode in der Modification von Kosfr,
welcher vorher ausgekochte, mit EisensesquichloridlösuDg getränkte BaumwoUenl'ädea
dnroh das Angiom dnrcbzaziehen anempfaU. Die Qerinoseibilduog soll sich hierbei
■ni* «of die alehito UmgebnDg der Flden beadirlnken. JodoformeoUodininverbaiid.
Sebald sich die Fäden lockern, werden sir aiiKjrozof^cn. Es entsteht eine raflssige
entzündliche Koaction, welelit' schliesslich zur Sebniuiptunfr führt, v. Wi.vnvARTKft
aab sehr gute Kesultate mit der Anwendung dieser KoäEK'scheu Füdeu, hält sie
für mig^hilieh nad beeonden fBr massige Teieangiehtasien geeignet. Beim
Dnrohcieben der Faden mittelst gekrUmmter Nadeln muss auch die Umgebnog
oomprimirt werden. Ausserdem sind Injectionen von Alkohol (.S<'Hwalbk), Ueber-
osmiumsäure (v. Winiwarteb) empfoblen worden. Letztere bringt da»^ Angiom
aar Hnmifieation, eignet sich aber wegen der SehwarsArbnng der Umgebung nicht
fDr die Anwendung im Gesichte. Auch für die (}efäbrlicbkeit der Elektrolyse
zur Coajrnlation des Rlutes in Angiomen gilt dax Gleiche wie für die Injectionen
von Liquor Fern'. Die gelegentlich enipi'olilene Massage verdient keine Nach-
ahmung. Die äcaritication bat nur bei flachen Teleangiektasien und den soge-
Danntoa FenennUem Erfolge. Nach der Searifleation soll ein antiseptiseher Verband
angelegt werden.
5. Die Zerstörung des Gewebes der Angiome kann entweder
mittelst der Glühhitze oder mit chemischen Aetzmittelu gescbeben. Für die Anwen-
dnng der Glflhhitie eignet rieh in vorzüglicher Weise der Thermoeanter von
Paquelin. Man wendet ihn theils nur an oberfliehlicher Einwirkung, theils zu
Stichelungen (Tgnipunctur) an. Let/.t«T<' können anch mit einer glühenden Nadel
ausgeführt werden. Die Instrumente dUrlen nur rothglUhend sein, da hierbei besser
Blutungen vermieden werden wie bei stärkerer Hitze. Während der Anwendung
wird das Angiom eomprimirt. Nachher mnss aneh hierbei mn antisepüsoher Verband
angelegt werden. Jodoformcollodium eignet sich am besten zur Deckung der ver-
sehorften Partien. Bei grusser Ausdehnung des Angioma wird die Cauterisation
mehrmals in entsprechenden Zeiträumeu wiederholt. Die nach der oft vollkommen
eiterlosen Abheilung bleibenden Narben sind meist sehr geringfügig, später oft
nicht mehr au erkennen. Als Aetzmittel sind zu gleichem Zwecke früher vielfaoh
Chlorzink- oder Arsenikp.-isten gebraucht werden. Doch sind sie heutigen Tages
wohl mit Keeht gänzlich verlassen worden. Man tupft jetzt meist cunceutrirte
Chromsflare^ die Mono- und Triehloressigsänre oder ranchende Salpeterslure mit
Asbestpinsel oder Holzstäbcben auf. Dadurch setzt man momentan einen Sehorf,
welcher sich in einigen Tagen abl">st. Doch eignen sich diese Mittel nur für gana
kleine oberflfichliche Teleangiektasien. Sic la.ssen übrigens auch hierbei zuweilen
im Stich; dann bemerkt man nach Abstossuug des lederartigen Schorfes sofort
wieder anfflllig dunkel pigmentirte od«> blanrothe, stark vascnlarisirte Granulationen,
welche in kurze r '/cit wieder das Angiom präsentiren. Das kann sieh «"ifter wieder
holen, w.'ihrend die Excirion mit folgender Naht das Angiom sofort aicher und
rasch bci^eiligt.
FOr die sogenannten Fenermale hat man naeh dem Vorgange von Padli
die T.ntowirung fStichelung mit Nihnadeln und naehfolgendee Einreiben von Farben,
wie BieiweisB, Ziinnoher u. a. m.) angewendet
Literatur: Abjfesehen von den pehränchlichen fit-hrhücliern der Chirur^i«' !<ei der
deutsche Leser anf den jrleiihen Ali^chnitt von v. Hofmnkl in der zweiten Autlitje iler
Rea]*lSD(^clnpädie, besonders auf die bctretlenden Capitel in ii*r Bearbeitung? Ijucke's ,,l)ie
Lehre yon den tieschwülsten ia anatomischer nod klinischer Beziehaog", in Pitha and Bill-
rotli'tt Handbneh der allfemelnen and gpecietlen Chirurgie, II, 1. Abth., Brlan^n 1869.
jKif: JlT. und «of die betn'ffenden (^ipifil in iler Arbeit A. v. Winiwart«T"s .,Die
chirurgi^clieu Krankhaitsn der Haut und des Zellgewe!»««", Lief. der Dentschen Chirurgie,
Stuttrari 1><J2. verwieasB. lii-scnuJera letztere Arbeit enthält ein sebr ^rrosseK anafllbrUches
Verzeichniss der fresammten einscblägif^en Literatur bia zum Jahre 189U. Aus neaerer Zeit
ist noch uacbzutrup ti ; Panas, Atii/iomr aipsii/e et sHppurc de l'orhite dans le cours de
Ia Jilvre tijplinidc. Congri's franfai.s de Chirurgie. Pari.*) li»9l. Revue de chirnrg. 18*J1, Nr. ,o. —
Gas eil i, Unterbindang Carotis communi«, dann der Carotis externa in swei Fallen voa
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AKaiOM. — ABTIDOIA.
17
enormem Ani/ioiiin cm emosum des Gesichtes mit nachfolgender Ignipanctur des Angioms
Heilang. VUL ConcrMso della aocieta italiAoa di cbirorgU tonaUwi 4 Borna dal jib «1
S7 Octolm 1891. BwinB. wnd. 1891. Oct m. Nov. — Lflek«, Bin Fall Aigtoma oriiauu
ind«rHig1iiDon-H81i1e. DentM^ZettMAr. tChir.XXX, Heltlii.2. ]|ax Sclittller.
Antidite (vwgL Real-EneyeloiiRdia 2. Aufl., Bd. I, pag. 89). Es kann Mnem
Zweifel unterliegen , dass das als Gegengift vielfach , besonders bei Intoxicationen
mit Ptlanzen^ifteD benutzte Tannin in einer anderen Weise verabreicht werden
musfi, als es gegenwärtig gewObnIieb geschiebt. Während das Tannin die meisten
nnv«rbiiBd«ieB Alkaloide ftlH, fet es veradiiedenen AlkaloidnlnB g«g«iiaber kein
Fällongsmittel. Besonders gilt dies für verdünnt» I^aoogeD solcher Salze , wie
sie den Patienten «rewf'ihnlieh in die Hände kommen. So wirken z. B. 2^3 und
7>/j<> oigc Tanninlösung nicht auf P/oigeMorphinbydrochloratlöBUDg ein, während
concentrirte Horpbinsalfatlösung dadaroh leicht gefällt wird.
Nach Palck nnd Kiefer geben verdtlnnte (2i/.<> 'o>^) TanninlOsnngen
Fflllunprcn in diluirten I.ösungeo von Brechweinstein , HöHen^tcin . Bleiacctat
und -Nitrat. Kupfer und Zinkacetat. Dioritaliü , Antipyrin , ThalliiiHuIfat . Coi-
chioin , sowie der .Salze von Atropin , Brucin , Codein , Muscarin und Veratrin.
Es kdnnen also, da v<m den nwiften Alkaldden die Salse allein ^ nieht aber die
unverbundenen Alk.-iloide , Craaehe von Intoxieationen werden , und da bei den
Aikaloide enthaltenden Pflanzen jene im Magen za Hydrochlorid werden , Tannin-
lösungen nur in einer äasserst beschränkten Zahl von Vergiftungen von Nutzen
sein. Aneb findet im Hagen sweiftileohne bei der Hehriahl der von Tannin er^
zeugten Flllnngen eine WiederanflOsung dieser statt ; nur Colchicin- und Digitaleln-
fällungen werden in 0'25'' o'ger Salzsäure nicht aufgelöst Bei mehreren Fällungen
wirkt aber auch ein reberachuss von Tannin lösend, so wird die Fällung mit
Brechweinstein durch das löfache, das Digitalinpräcipitat durch das SQfache von
Tannin, die Niedersehlige in Kupfer» nnd Zinltaeetat, in Atropin, Codeni,
Strychnin und Veratrin durch noch geringeren Uebersohuss von Gerbsäure ge-
löst. Nur d.is Colehicinpräcipitat iTist sich im Tannin UberschuRse nicht auf, wohl
aber leicht iu Alkohol. Auch andere lannate. z. B. von Digitaleln, Aconitoxin,
Atropin, Colchiein, Conün, CyUsin, Morphin, Nicotin, Strychnin nnd Veratrin lOsen
sieb (suni Theil sehr leicht) in Spiritu.s. so dasä sich bei ihnen die Anwendung
gerbstofThaltigen iJothweines und der auf das T.inniu folgende innere Oebrauch von
schweren Weinen oder Cuguac als Excitans verbietet. Man kann inde^s den Werth
des Tannins als Antidot bedeutend dadurch erhöben, dass man mit ibm Natrinm-
aeetat oder Natrinmbiearbonat miseht, wodurch nicht allein die in verdQnnter
Salzsäiin' wieder aufgelösten Tannate aufs Nene :iiis;^ef!tllt , sondern auch eine
grosse A tizahl .*^t(>fVe prfleipitirt werden, welehe Tannin allfin nieht fällt. So ent-
stehen durch Vermischung von J'anniu und Natriumbicarbonat auch Fällungen
mit Sublimat, Knpferoblorid , Kupfemitrat, Kupfersulfiit, Knksulfat, sowie mit
Selxen von Aporoorphin , CocaYn , Couiin , Cytisin , Nicotin , Physostigmin , Pilo-
carpin . Solanin und Str\chnin. T eberschfissiges ßicarbonat löst die Fällungen
von CodHn, Cytisin, Solauiu, Nicotin und Physostigmin wieder auf. Setzt man
Natriumaeetat an , so tritt die Fällung bd allen erwähnten lletallsalsen mit Ana-
nnhme von Silbernitrat nnd bei allen erwihnten organisehen Verlnndnngen,
Dig^taleYn und Pby.so8tigmin ausgenommen, ein.
Als chemisches Antidot ist das Ooldclilorid besonders bei solchen
giftigen Stoffen vorgeschlageu , in denen ein giftiger Eiweisskörper das wirksame
Prindp darstellt. Man glaubt darin ein Antidot des Sdilangengillea (s. d.) ge-
fanden zu haben , doch scheint nach den umsichtigen Versuchen von Kanthack
es wenig zuverliissi? . da es zwar bei augenblicklicher localer Anwendung die
Wirkung iuoeulirten Schlangengiftes zu verhüten vermag, aber bei der locaieu
Behandlung von der Cobra gebissener Thiere niemals lebensrettend wirkt. Jeden-
falls i^t von interner oler nitriivenöser Anwendung dieses Antidots zum Zwecke
der Vernichtung des in das Blut ttbergegaagenen Proteotoains des Schlangen-
£nc>-clop.tJalirbäoher. KI. 2
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AMIIDOIA.
giftes niobts zu erwarten; durch Eänqnritnuig schwacher Goldchloridlfltungen in
die Venen wird der Eintritt des Todes bei Vergiftong mit Schbuigengift weder
verhütet noch verzögert.
In Ihalleber Weise trte das CtoMohlorid ist ssh«» in ftrflherer Zdt das K « I i n m-
hypermanganat bei Sdilangenbissen verwendet worden, fflr dessen loeale An»
Wendung bei Klapperschlangen neuerdings Babesr auf Grand von \) ^tin^ti^r verlaufenen
FAUen plaidirt. Man soll die Bisswnnde and das ganze entzündete Gewebe tief
inddixen nnd die Wanden mit 15*>/oiger Solution auswaschen und gleichzeitig
die fiisswnde mit eiaeaa Krens von bjeeHMeo mit derselben lAvmg nmgeben. ')
Dasselbe Mittel empifiehlt KOBSA *) bei Vergiftung mit Blansflure und Cyankalium,
um diese in ungiftige CvansJlureverbindungen (iberzufahren. Reim Menschen soll
0*3 — 0'5%ige Lösung zu ^ 3 Liter in geeigneten Filllen verabreicht werden. Bei
Thieren erfolgt nnter reehtBeitiger Anwendung Lebensrettnng selbst naeb Blau-
säure^aben, welche die tödtliche Gabe nm das Zehnfache (Ibertreffen. Nicht ohne
Bedeutung scheint die von l'ngam aus mehrfach empfohlene Anwendung des
Kaliumpermanganats bei acuter Phosphorvergiftung. Bekanntlich
sind die Oxydationsstufen des Phosphors Blmntlioh weniger giftig als der elementare
Phoqibor, am wenigsten giftig die bOobste derselben, die Orthophospborstare. Zu
letzterer wird der Phosphor durch Übermanf!:an8aures Kaliuui oxydirt, wobei srleich-
zeitig unter dem Einfliisse der ('hlorwa^<8e^^!tort■s.1ure des Mafjensaftes Kalium- und
Manganchlorid iu nicht gittigeu Mengen sich bilden. Thierverüuche von Bukai
und KORANTI beslitigen die glnstigen Effisete von 0*S — O'SVoiSon Lösungen
bei Hunden, deren Magenschleimhaut selbst 1^ 0 Kaliiimjtennanganatlösungen
ohne Schaden ertrJifjt. Hei Menschen hat man selbst nach Anwendung von '» I" oiger
Lösung gute Resultate bei Intoxication mit grossen Mengen Phosphor erzielt.
JedenfaUs wird es angmMSsen sein, da, wo die Vergiftung frühzeitig zur
Kenntniss dee Antes gelangt, der Anwendung des Kaliumpermanganats die
Magenausspfllnng vorauRgehen zu lassen. Diese hat in der neuesten Zeit
nicht bl08 zur Beseitigung der in den Magen eingebrachten Gifte, sondern aucb
zur Behandlung der entfernten Vergiftung rationelle Verwendung gefunden. Seit-
dem sieb die Bedeutung der Magenseblmmhant fPr die Aussebeidung versebledeaer
Alkaloide, namentlich des Morphins, herausgestellt hat, aber auefa fflr organische
Gifte dargethan ist liegt es nahe, bei acuten Vergiftungen die Wiederaufnahme der
im Magen ausgeschiedenen Giftmeogen iu die Circulation durch rechtzeitige Au^i-
spulung an Terbindem. Alt^ bat die lletbode bei Vergiftung mit Seblangengift
mit dem Erfolge angewendet, dass die Veigiftungserscheinungen durch längere
Zeit fortgesetzte Magenausspfllungen wesentlich verrinirt'rt wurden. Bei manchen
Vergiftungen wird mau aber bestimmt neben der Magenscbleimbaut und mehr
als diese die Darmschleimbaut als Abscheid ungsorgan fttr Gifte in's Auge fassen
mOssen. Es gilt dies namentlieb für die ehroniseben MetallTergifkungen. Die
günstigen Effecte, die man in manchen F.lllen von Ilydrargyrose von Abfiihr
mittein, insbesondere von fHeum Ricini . gesehen hat, stehen vermuthlich mit
der Beseitigung ausgeschiedenen (Quecksilbers in Verbindung, obschon hier auch
mn UhuI des Effeets auf die Entfernung stagnirender Darmgesobwflrsseorete su
bezieben ist.
Von Erregungsmitteln bei soporöseu Zuständen und ("oUaps ist neuer-
diugs das Stryohnin mehr und mehr eingebürgert, z. B. für sich oder in Ver-
bbdung mit Älkobol bei Verletzungen dureh giftige Schlangen. ^) An Stelle des
Hkrotozins ist bei Vergiftungen durch narkotisdie Mittel (Cbloral, Urethan.
Amylenhydrat , Paraldehyd") nach Thiervcrsuchen das Coriamyrtin i-^. d.>
empfohlen worden. rntersuchunL'eii Koitkn s '1 (Iber den Antagonismus der Hirn-
krampfgifte und der uarcotischen (iehirngifte ergeben, dass es, wie übrigens
sebon dureh ältere Versndie bekannt, unmOglieh ist, dnrob Pikrotozin oder Coria-
myrtin die narcotisirten Thiere dauernd aufzuwecken , dass sie aber die Dauer des
Schlafes abzukürzen und ausserdem den gesunkenen Blutdruck und die herabgesetzte
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ANTiDOTA. — ABSENOPHAGIfi.
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Frequenz und Tiefe der Athmung zu steigern rermögen. Coriamyrtin wirkt in
dieser Beziehnn? energischer als Pikrotoxin und aoheint deher theoretiMh den
Vortag vor diesem zu besitzen.
Literatur: ') Kiefer, Tannin al.s Gegengift. Dias. Kiel 1892. — *) KautLack,
CSitoride of ifold as a remfdy of cobra poiaon. Lancet. 11. .June 1892, pajf. 1196. —
*) Bftrber, J>ie Behandlung von Kiappwchlangenbi— n mit abarmanganMurvm Kali. Therap.
XoBatKfar. VI, pag. 211. — *) Koiia, Kaliam permaaganicom als Oegwmittd htA Cjran-
v«rgiftnngeti. Ebenda. VI, pag. 549. — *) Bökai und Koran vi. Ebenda. VI, paR. 159;
Hajaos, pag. 323; Erdös. pag. 562. — ") Leineweber, lieber die Eliminatiuu
aabeataa injidrter Arsneinittel durch die Magenschleimhaut. Göttingen 1883. — '') Alt,
üntersnehungen über die Ansscbeidnng de» Schlangengiftes dnrch den Magen. MttndMlMr
med. WocheuBchr. 1H92, Nr. 41. — *) Lander Brunton, Remarka on snake venom. Brit.
med. Juiim. 3. Jan. 1891, pag. 1. — *} Küppen, PikrotBKin iBd Coriamyrtin alj OoUap»>
mitteL Arch. f. exper. PathoL XXIX, pag. 327. Hasenann.
AntiSpaSmin. Dieser Name wurde von Prof. Dehme einem Präparate
gegeben, welches eine Verbindung von 1 Molekül Nnrce'innatrinm mit ?> ISfnlekülen
Natrium Halieylic, darstellt und etwa 50°/ a Narceln enthält. Wegen ihrer
geringen LOeUehkdt wurden bhlier Nnnehipräparate nur selten venneht. Das
Antispasmin stellt nun ein weisaliches, etwas hygroskopisches Pulver dar, welches
sich in WaHser Rehr leicht zu ein»?r schwach gelblich geförbten Flüssigkeit löst.
Die Kohlensäure der Luft wirkt nach einigen Tagen zerlegend auf die Verbindung
ein, indem ein Theil des Alkaluides ausHUlt, das Präparat ist daher vor Feuchtigkeit
nnd Luft gesehotst anfsabewahreo. Nndi ftersOnlieber MtttheÜong von Dbmmb
an E. Merck wirkt das Antispasmin bei Kaninchen erst BU 1 Gm. pro Kgrm.
Thier absolut letal, in kleinen Gaben von 1 Cgrm. bis 1 Dgrm. ist es für Kinder
ein absolut nnsch&dliuhes Sedativum und Uypnoticum. Demme versuchte es bei
Tuans eonvuUiva in jener Oabe. Schwere KencUinstenaniiUe erfordern O'l bis
0'2 Grm. pro die. Rp. Antispasmlnt X'O. Aquae amygdalar. omar. 10*0.
1 — 2mal täglich 15 Tropfen mit Himbeersaft oder Zuckerwasser, bei Pertussis»
von Kindern. AI« iSedativum bei Ilu.Hten Erwachsener in folgender Formel: Anti-
gpaamint 0-5, Aq. dest., Spirit. vini Cognac, Sirupi Mororum au 30*0. D. 8.
3mal VkgXith 1 EsslOlFel voll zu nehmen. Das Mittel ist bisher von anderer Seite
nieht versneht
Literatur. E. Merck (Darintitadt). Beliebt über das Jahr 189^. Loebiseb.
Antithemiill (Plienylb7dnsin.Uvnlinaure), H^, . NH . N =
= C ^^^^ ~ CH, — COOH , von NIOOT (Les nonv. rem^. 1887, pag. 103) als
Anlipyretienm empfohlen, wurde von H. DfiOBMBB an Thieren nnd an gesunden
und kranken Menschen neuerdings geprüft. Die Giftigkeit des Phenylhydrazios
wird dnreh die \'i>rhindung mit Lftvulinsäure nur wenig gemildert. Das Mittel,
welches in Gaben von I Grm. die Temperatur im Latife von 4 Stunden um 2*^ C.
herabsetzt, zeigt sehr unangenehme Nebenwirkungen, welehe auf den lähmenden
ESnilnss des Antithermins auf die Vasomotoren auraeksnlllbren sind; bei ge-
schwiichten FVrsonen wäre das Mittel nur mit grosser Vorsicht anwendbar.
ÜROb.NKK verabreichte da^ Mittel bei Phthisis [mlmoHUin und bei Morb, Brigittii
in Gaben von 0*2 (inu. täglich 3mal in Oblaten.
Das Antithermin stdit farblose, in kaltem Wasser unlOsliehe, in beissem
Alkohol und in Äetber lösliche Krystalle vom Sehmelzpunkt lOS« C. dar. Der
heiss bereiteten öprocentigen alkohoHscbeu Lö.^ung von Antithermin kann man
beliebig viel Wasser zufügen, ohne dass eine AusMcheidung desselben statthat.
Literatur: H. Drobner (Lemberg), Ueber A n ti tb e rmin. Wiener med. Pr.
1892, Nr. 14 n. 15. Loebiack.
Arsenophagie ^vergl. Keal - Encyelopldie 2. Aufl., Bd. I, pag. G86).
Die Sitte des Arsenikessens besehrinkt sieb gei^nwärtig auf die nOrdliehen
Theile von Steiermark, namentlich sind die Besirke Hartberg, Lampreeht, Leoben
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ao
ABSEMOPüAGIK
lod Obergeising Sitz der Arsenikesser, wfibreod im Sudeu der Steiermark nur
m der Oep^end von Pettau die Unsitte existirt. rehprall anderswo kommt
Arsenophagie nur vereinzelt vor. 1d Baiern, wohin der erste Schriftsteller,
welcher der Arsenikeaser gedenkt, Thilbnius^), diese verlegt, ist Arsenikesien
nicht flblieh, wenn es nieht etwa in grtsster Heimlidikeit betrieben wird. Auch
in Steiermark wird Arsenik jetzt nur im Geheimen benutzt, so da^s e>« nicht
auffallen kann, wen» fremde Aerzte bei teniporiirem Aufenthalte davon nichts
ooustatiren. Die Thataache der Existenz der Arsenophagie iu .Steiermark ist
sebon 1822 dnrdi einen Oeriehtifdl beaeugt, in welehem eine Preispreehnng
wegen Giftmordes daieli Annen erfolgtei weil mau annahm, dass der Verrstorbene
Arsenikesser g-ewesen sei.*) Völlig: sicher festgestellt wurde sie I861' dureh
E. ScuÄi<'KB der zaerst iu dem L'rin eines steirischeu Arsenike^sers die An-
wesenheit von As ehemiseb ntehwies, nnd zii gleicher Zeit wurden aueh auf
Ann^rnng Vestas von den AmtsSrsten in Stdermark ofßcielle Berichte er-
stattet, die M-enio^^stpna die vielfach ^"-eftus^^erten Zweifel (Iber die Existenz der
Arsenopha;2;ie jranz beseitigten. 18 7.'» ntellte Dr. Kn.vi'P *) der in Graz ta;;enden
Naturforscberversammlung zwei Arseuikesser vor, die coram puUico Arsen und
AnriiMgment Versehrten. 1888 konnte Knapp acht derartige Arsenikesser beob-
aehten und Hans Büchner in dem Harne von vier dieser Arsenophagen As
constatiren, dessen Menge in einem Falle snorar 0 02.'» Orni. betrug.
Dass der habituelle Genuas des Arsens keine .'Schädigung der Gesund-
heit bei den steirisehen Arsenessem hervorbringt, aueh wenn er mehrere Deeen-
nien fortgesetst wird, beweist der Gesundheitszustand der acht von Knapp und
Büchner untersuchten Giftesser, welche sämmtlich gesunde rüstige Mftnner »dine
jegliche somatische oder psychische Störungen uud tilebtige, Heissige Arbeiter
waren, und daas sich unter ihnen ein 66jähriger Mann befand, der schon von
seinem 30. Lebensjahre an Arsen eonsnmirte. Mehrere Arsenikesser sind be-
kannt, die ein hohes Alter (75, selbst 81 Jahr) erreichten. Die vf»n Einzelnen
als Effect der Arsenikalien hingestellte Verminderung der Oe^chlcclitspotenz
wird an den steirisehen Arsenikessern nicht beobachtet; in maucheu Eftllen
sehetnt geradesu das G^^theil stattBufindeu. Ebensowenig kommen Arsenik-
Uhmnngen vor.
r>ie Annahme, driss die Arsenophagen , um die erwiinsehten ^\ rl<iin^'eu
zu erzielen, stetn eine Steigerung der Dosis bedürfeu , ist irrige. Einzelne Arsunik-
esser setzen später geradezu die Menge der einzunehmenden Arsenverbindung
herab. Allerdings sehMnen auch bei vollständigem Aufhören der Arseniksnfuhr
Inanition.Herscheiuungen aufzutreten , die sieh in grossem Unbehagen, allgemeiner
Schw.lche und Mattigkeit finssern. Zu v<dlkommener Imniunititt ;;egen Arsenik
konkmt es auch bei den steirischeu (iiftessern nicht; vielmehr liegen Meobach-
tnngen schwerer und selbst tOdtüeber Arsenvergifltungen bei solchen vor, die im
Bausch grössere Quantitäten zu sich genommen hatten. Da^s flbrigens für den
nicht an Arsen Gewöhnten toxisebe Mengen von den Oiftessern verschluckt
werden, beweisen jene öffentlichen Vorstellungen in (iraz, bei denen 0'4 Grm.
arseuiger ^nre genommen wurde. Das Gift wird gepulvert und mit Brod oder
Speck genommen ; Einzelne trinken Schnaps darauf« Andere vermeiden Fett oder
Flüssigkeiten, besonders Wasser. Die Zwischenr.Mume /wi^dieu den einzelnen Ein-
nahmen .>!chwanken zwischen 2, .'i. 8 — 14 Tagen. Mau L^cniisst entweder arsenige
SSure oder das vom Volke als Hitterich i>der HUttrach bezeichnete Auri-
pigmcnt, das in der Bogel 10 — 20, mitunter selbst 30*/o vsenige Säure ent-
hält. Das Gift scheint zum Theile ans den in f^teiennark zahlreichen Glashflttcn
und aus Materialw.i.irenhandlungen besogen, theiis von hemmsiehenden Hausierern
geliefert zu werden.
Bei den leisten Erhebungen konnten Arsenikesserinnen nieht eonstatirt
werden, doeh wird die Existenz solcher, die Arsenik aus kosmetischen Bäck-
dchten nehmen, von steirisehen Aersten fortwährend behauptet. Als Veranlassung
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ARSENOPHA(;iE.
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dor (iewöhnniifr der Männer an das (iift ist der Wunsch, gesund und kriltti?
zu werden und schwere Arbeiten mit grösserer Leichtigkeit ausführen zu künuon,
die .bsvptsiehliehste. Von maneheD wM Anen gegen Athembesehwerden (Atthmm,
Emphysem) genommen . Vereinzelt bat der Glaube, dasH Arsen gdgen Ansteekong
bei Typhus und anderen Infectionf*krankheiten wahre, Anlass zur Hewöhnung
gegebeu. Bei Kinzelnen ist Steigerung der sexuellen Potenz Absicht des Arseno-
phageu. Wie man aber in Steiermark Uberhaupt zum Arseuesseu gekommen
■ei, ist Biebt mebr xu ermitteln. Die Venniifbnng von Habik*), m von
Pferdewärtern und Fuhrleuten, die berabgekommene Mähren durch Arsenik auf-
zurichten verstanden, sieh ableite, bedarf der weiteren Begründung. Allerdings
werden auch in Steiermark die Pferde mit Arsenik gefuttert, und die Pferde-
kneebte geniewen des Gift In Oeeellsebsft mit IKiglieherwelse beben die selion
im 16. und 17. Jabrbnndert Arsen gegen Kreaklieiten vertreibenden Kftnigaeer
OlitltenkrHmer den ersten Anlas« dazu gegeben.
Ein i'eudaut zu den Arsenessern in Steiermark geben die Arsentrinker
dee Fleekes Wbitbeck in Westcumberland , welcbe des Bterk eraenbältige Wasser
des ans den Biackeonbe Monntains entspringenden Finsses Wbltbeek ebne Sebaden
zu allen ihren Speisen geniessen und dabei ein hohes Alter erreichen ; doeh ist die
dadurch /ugcführtc Arscnmenpe viel geringer als die von den Steiermflrkern genom-
mene. Fremde, «iie das Walser von Wbitbeck geniessen, bekommen anfangt) Trockeu-
beit im Mnnde und Seblnnde, gewObnen sieb aber aneb bald aiü dessen Consnm. *)
Das Dunkel fiber die Möglichkeit, sieh an grosse to.\i8che Dosen von
Arsenikalien zu gewöhnen, eine Thatsache, die umso auti'iUliger wird, als nach
dem Gebrauche viel kleinerer medicinaler Dosen hftutig Erscheinungen chronischer
Vergiftung sieb geltend machen, ist bisher nicht getlehtet. Ifan wird su efaier
Aufklimng nicht eher gelangen, bis mau eine genügende Tlieorle der Arsen»
Wirkung zu Stande gebracht hat. fJegen die eine Zeit lang von vieleji .\erzten
adi'yitiite sogenannt«' Schwingungstheorie, welche die Arsenwirkimg von der
Verbrennung der arseuigen Siiurc zu Arsensäure und der IlUckverwandiung dieser
zu arseniger Sinre und der fortgeseteten Schwingung des Kaoerstoffes ableitet
(vergl. Real-Kncyclopadie '2. Aufl., I, pag. 6^^), sind von verschiedenen Seiten
I5edenken geltend geuLicht. Wenn aneb nicht in Al»rede gestellt werden kann,
dass ausserhalb des Körpers das Gewebe von Pflanzen und gewis.sen thierischeu
Organtbeilen oxydirend auf anen>ge SAure und redueirend auf Arsensinre wirkt,
80 ist diese Kigeuschatt doch nur bestimmten Geweben eigenthUmlich und fehlt
z. B. dem Iiiute , ;iu; li den Muskeln und dem <ieliirne. Dagegen ist der wirk-
liche Nachweis einer Veränderung von arseniger Säure in Arsensäure und um-
gekehrt innerhalb des tbierischen Organismus bis jetat nicht durch die Harn-
analyse bestätigt. Sieber erseheint naeh Arsensäurepräparateii auch die grOeste
^Tenge als unorganische arsensaure Verbindung wieder. Ein Theil aber ver-
wandelt sich Cob cnnstant , bleibt /u erweisen) in eine orgnuiscbe Verbindung,
die erst nach Zerstörung der organischen Substanz des Harnes durch Schwefel-
wasserstoff fllllbar Ist. Der Umstand, dass die Arsensiure und ihre Verbindungen
nur halb so giftig sind, wie die arsenige SAure und deren Sal/e, würde aller-
dings den tiedanken nahe legen, dass, wenn ein (bisher aber mit Sicherheit
nicht nachgewiesener^ l'ebergang der aiseuigeo Säure in Arsenüäure im Tbierkiirper
stattflndet, vielteiebt eine Besehlenniguug dieses Uebergangs bei den steiriücben
Arsenopbagen , die fast sAmmtllch In fViseber Luft angestrengt arbeiten und
viel consumiren, das Zustandekommen der Gewöhnung erkl.Hre. Auch die bis-
her untersucliteii (irg:ini.-oben Arf-enverbinduugen stehen der arsenigen Saure an
Giftigkeit nach und kommen vielleicht bei der Gewöhnung in l-'rage. Ob gleich-
Bell% aneb die Elimination der Arsenikallen bei den Arsenlkessem eine ge-
steigerte ist, bedarf noch der Untersuchung.
Literatur: M Thilenins, Med. thir. Bfinerktingen. Frankfurt a. M. 1h il*. —
*) Schallgruber, Med. Jahrb. d. osterr. Staates. Gnu I8:i2, I. pag. %. — ^} Schaler,
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AB8EN0FEAGIB. — A8BPTI80HB WUNDBEHANDLUNG.
Die Areenikesser la Steiermark. Sitzongsber. der Wiener Akad. 1860, XLl. paR. 573. —
*) Knapp, L'eber Arscnikesaer. Tagohl. der Naturforscber-Ver;*. in Grai 1875, pag. 60;
Wienw aUgem. med. Zeitang 1875, Mr. 39. 40. — *) Mmfik, Ü9hw AnenikeMer. Wieiwr
UiB. WoelMOidir. 1898, Nr. 9, 10. — *) Yarrl. Hnseatsnii , Toxlkol. paf . 882. —
^ K. H. Körner, f>m Ißkemedeln fnln fifftiolng. kern, och tnrik-itlogiskt .synpunkt. 1880,
pag. 4. — *) Hosemann, EnriMeoes and Hypotbetiwbes vom Arsen. Deutsche med.
W«dMDnhr. 1882, Nr. 60, 51. Evienamn.
AsStprOl. Unter dieseiu Namen empfehlen Stacklbb und DUBIEF
ß-Maphtola-monosnlfonsaireB Galeinm (C^o . ßOH .x80s),Cft zum
innerlichen Gebraaohe bei einer Reihe von Krankheiten iutertidgen UrBprun^^es.
Das Asaprol stellt ein weisses , neutral reagirendes Pulver dar , Ifi«!icli in 1 bis
5 Theilen Wasser und in ungefähr 3 Theilen Alkohol. Die bakteriologische Prüfung
dea Mittels ergab, dass es in geringer Conoentration den Bottillonculturen zugesetzt,
dae WadiBtliiiiD von Gholenbadnen , vob Stg^pk^loeoceu» auretuij Anfbrax- und
TVpbuBbacillen herabsetzt und sie bei höherer Concentration tndtet. Das Mittel
wird vom Verdaiiungstract gut vertragen, geht rasch in den Harn über und wirkt
nor wenig toxisch. Die tödtUche Dosis ist 0*5 pro Kilo Thier. Das Mittel wurde
bei Hheanuitismos, inflnenn, Oieht, Antiirax, Anginen in Oaben 1 — 4 Gm.
«ngebUoli mit gnten Erfolge venrertiiet.
Literafnr: Slackler Pt Dnbief, Sole nur quelques experiences relatives h iine
aoltUion de naj/htol pur. Bull. gen. de Therap. 30. mars l&Öd. — Stackler, Xote »ur
raaafirot. Ibidem. 16. jvfai 1892. Ywgl. «neb Tbeiap. Monateh. 1892. pag. 603.
Loeltisch.
Asboiin, ein alkoholisches Destillat von Kienruss, welcbeä von Bracünnot
gegen TubereuloBe Terwendet wird. Dnaaelbe stellt eine gelbliche, sirupartige
Flflasigkeit dar, welehe naeh Bkbal mid Dibvighis Breoncnteebin und Homo-
brenieatoobin entfallt. (Phamiae. CentralhnUe. 1898, png. 587.) Loebiaeh.
Aseptische WundbShandlung. Nachdem seit Anlaug der Siebziger-
Jahre die antiseptiedie Wnndbehaadlnng flberall Aneriiennnng nnd Anwendung
gefunden, nachdem sie alsdann ihre dominirende Stellung nahezu zwei Jahr-
zehnte behauptet hatte, vollzog sich im Laufe der letzten Jahre alitnälig der
Uebergang von der antiseptiscben zur aseptischen Wundbehandlung, und wenn
auch dem LiSTRfi'seben Verihhien mit seiiiea TielfiMhea Ifodlfioationen anr Zeit
noeb eine grosse praktiscbe Bedentnng beigelegt werden mnss, so eneheint ea
doch durchaus wahrscheinlich , dass die Zukunft der A^tepnis geh('>rt. Nieht 80ll
das Verdientil Listkr's gcsehmillert werden, denn er hat den Weg vorgezeichnet,
welcher besehritteu werden musste, um im laugäameu Vorscbreiten dahin zu gfr>
langen, wo wir angenblieklieb stehen, aber das Bessere Ist eben der Feind des
Guten und so geschah es, dass wir unter Fortlaasnng der dem antiseptiseh«!
Verfahren anhaftenden Fehler sehliesfilicli zu der principiell vorsebicdcnen asep-
tischen Methode gelaugten und damit den ersten Gegnern IjISTKK s, welche unter
der Devise ^no LitUrism no Carbtdüm" dem grossen Manne Opposition machten,
weit nAber stehen als letsterem selbst.
Um zu sersteben, wie sich diese bedeutsame W:indlun;r vnllz'Mr, mflssen
zunächst die zweitellosen Schwachen der antiseptisclien Behandlung iier\ orgehobeu
werden, denn lediglich das Bestreben, die letzteren zu beseitigen, hat zum Ersatz
der Antiseptik dnreb die Aseptik gefDbrt.
Nachdem gewisse Mikroorganismen , resp. deren Fnisetzungsproducte als
Ursaclie der Wundinfection, nachdem ferner die bacterientödtenden Kigenschaften
der Carbul.saure erkannt waren, zog daraus Li.STEß die Nutzanwendung, indem
er sieh bemllbte, alle in die Wunde gelangten Noxen dnroh (^bolUlsung au
vernichten und vor späterer InfiM^on die Wunde durch rmhUllnng mit earboli-
sirten Verbandstorteu zu scLdtzen. ClcichzeitiL' wurde Alles, was direet «'der
indirect mit der Wunde etwa in Berührung kommen konnte, vor der Operation
desiniicirt, so besonders die Instrumente, Schwämme, Seide, sowie Catgutfiiden,
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A8EPTJ8CHB WUNDBEHANDLÜNG.
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die Hände der Aerzte, die Körperoberääche des Patienten, zum«l in der ^*ilbe
des OperfttioiMgeUetes wd, on die in der Lnfl enthaltenen Keine mnelildlkdi sn
machen, empfahl Listkk dun Carboispray. welcher während der Operation nnd
de8 Verbandwechsels die Wunde als feiner Nebel umgab. Mehrfach eingel e?rte
Drains sorgten für genügenden Abfiuss des in Folge der chemischen Wu nd-
reisung reichlich gelieferten Secrets. Sobald letzteres die Oberfläche des durch
eine impenneable Sehielite abgeeeliloBaenen Verbandes erreidite, wnr ein Verband-
wechsel erforderlich ; die Drains wurden entfernt , wenn bei gflnttigem Verlauf
die Seeretion nach Ablauf von 3 — 5 Tagen aufgehört hatte.
Die* Erfolge waren jeder bisherigen Behandlung gegenüber so hervor-
ragend, dass man annlebst die eomplieiTte Tedmik nnd andere Sehattenseiten
mit in den Kauf nahm, aber knam hatte die neue Methode überall, zumal in
Deutschland, Eingang gefunden, alt n«n die Kotbwendigkeit gewisser Aende-
rnngen erkannte.
Die Kostspieligkeit und UmstäDdlichkeit des Verfahrens, die fttsende
Wirkung der Terdllnnten CSarbolsInTe , welehe nicht nnr eine flbermlmge Seere-
tion . sondern auch Erytheme der Wundtimgebung und Eczeme an den Händen
der Aerzte veranlasste , vor allen Dingen aber die Giftigkeit der Carbolsäure,
welche schwere Collapszustände, ja Todesfälle ^ur Folge hatte — die Unbequem-
1k»hkdt der Sprayapparnte, der unangenehme Gerueh, welebrnr die Aente derzeit
nahezu gesellschaftsnnfthig machte — dies Alles führte bald dain, dass man sieh
lebhaft bemühte, die genannten rnzuträglichkeiten zu beseitigen.
Die Bemühungen der Chirurgen, den soeben genannten Lebelstilnden Ab-
hilfe SU Tersehaffen, bewegten sieh in swei Riehtungen, sie bezogen sieh 1. auf
den Ersatz der Carbolslure durch ein wenigw irrilirendes und ungiftiges Anti*
septieum : 2. auf Vereinfachung der Technik.
Die Bewegung, welche die Carbolsiiurc durch ein weniger schiidlichcs
Mittel zu ersetzen sich bemühte, spielte sich vornehmlich in Deutschland ab. Au
der Spitse stand aunlehst Biohabd Volkmann der, obwohl unbedingter Au'
bänger der LiSTBB'selieu Methode, suerst klar und deutüeh auf die Fehler
derselben hinwies.
In den aus der UALLE scbeo Klinik stammenden Arbeiten Vülkmann s ')
sowie seiner Sebfller Ranrb*) und Obnzkbb *) wird suerst der grossen Intozieations-
ge&hr unter Anführung eincK Todesfalles dun-h Carbohergiftung Erwähnung
getban : es wird aussesprochen , dass unter der Einwirkung der starken Carbd-
resp. Chlorzinklösung die Wunde irritirt werde , dass es in Folge dessen unter
Starker Wundseoretion und Auftreten des sogenannten aseptischen Fiebers zu
moleenlarem Zerfkll der Gewebe an der WundoborttMie und zur Resorption ver-
schiedener homologer Cmsetzungs-, sowie Zerfallsproducte komme. Zur Ableitung
des Secrets ist aiicb für Volkmanx die Drainage unentbehrlich . aber er macht
gleichzeitig darauf aufmerksam, dass jedes Drainrohr nicht nur eine vollendete
prima intewtio Terbindere, sondern aueb als «n in der Wunde liegender Fremd-
körper dieselbe unnftthig reize; er fahrt ferner als V'orzug des THiKRSCu'seben *)
Salicylverbandes an , das» in Folge geringerer Wundreizini^' hei Anwendurg der
äalicylsäure die starke äecretion aufgehört und seitdem der Verbandwechsel
seltner geworden sei, so dMS In einseinen Fillen die Verbinde bis zu 10 Tagen
liegen konnten.
Leider waren die Resultate des Salieylverbandes nicht sicher genu;r.
um den Carbolverhand zu verdrängen. Aehnlich erging es mit <len Thyninl-.
Bor-, Benzoe- und anderen Verbänden, auch die .seinerzeit vielgepriesene J>ublimat-
behandlung kann als Terfeblt betraditet werden , denn sie wirkt nicht minder
giftig und irritirend als die Carbolsäure. Nicht ein einzige-i der vielen Mittel,
welehe ftir das Oarbol eingeführt wurden , hat das'^elbe dauernd verdriui^'en
können . besonders seitdem man sich daran gew öhnt hatte, letzteres in schwüchereu
Losungen und geringerer Menge zu verwenden. Alle Versuche, welehe auf die
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ASBFTXSCHB WONDBBHAIVDLUNG;
Btadiafiiiig eines antiseptiseh gleidiwertbigen , aber weniger ■ehidliehen Mtttdv
liinauitiefen , babeu nur ein Antlseptioam geliefert, dem bei voreiehtiger An-
wendanp: ein bleibender Werth für die Wundbehandlunfr beiznlefren ist . nämlicb
da3 Jodoform. Von MoSETiG-MooRHOF zuerst empfohlen , schien es eine voll-
ständige Kevolution in der Wundbebaodlnng berbeifttbren sollen^ bis aucb
law wieder die groaee Intozieationsgefalir snr Vonieht mahnte nnd seine An«
wendnng auf GeschwOre und solcbe Wunden beHcliränkte, welche naeb primftrer
Tamponade durch Secundftrnaht oder Uberhaupt per seoundam zur Heiiunfr jre-
langen sollten. Zudem scheint die vielfach bestrittene antituberkulose Wirkung
des Jodoforms festsnstehen , sehen diese Eigensehaft siehert demselben einen
daueraden Werth.
So hatten die bisherigen Erfahrungen mit den ver-^chicdensten Stoffen
so der Erkeantnisä geführt, dsas ein uogiftiges, die Wunde nicht reizendes
Antisepticam naoh wto vor dn pium deaiderium bleibe; dazu kam noch die
fernere Wahmebmnng, daas man die baeterienttldtende Wirkung der Mittel weit
flberscbitzt habe. Der erste Stosa in dieser Richtung wurde wiedemm von
der VOLKMANNschen Klinik geführt, wo Uaxke lf^74 bei typisch ver-
laufenden Fällen unter dem LiäTKU-Verbandc in absolut aseptisch erscheinenden
Wunden Finloissbaeterieo fand. Volkmann selbst insserte sieh dahin, dass die
autiseptiscbe Technik die Entstehung .«ipecißscber Zersetzungsprooesse nieht immer
völlig verhindere, ja. dasK sich die Anwesenheit von Mikrnc<»ccen fast regel-
mfl^sig selbst in ausserordentlich günstigen Fällen coustatiren Hesse. Wkichsel-
BAüX*) Stellte Versnehe an, weldw ergaben, dass die Csrbotsinre in der ge-
brindilieben Verdflnnnng nidit immer im Stande seif Baeterien an tOdten,
Thieb.sch ga>) f(ir die S.ilieylsflnre dasselbe zu und Salkowski wies nach . dnss
letztere die Ffluluiss nur verzögern, nieht aber aufheben könne. Das Gleiche
wurde in der ICieler Klinik für die dort gebräuchliche Borsalicyllösung nach-
gewiesen und alle diese Bdianptnngen sind durch neuere Üntersnehnngen bestfttigt
oder etginst worden.
Weitere auftallende Beobachtungen machte man in der Kieler Klinik,
wo seit 1881 Torf ver bände in Gebrauch waren. Dieser Torf eignete sich selbst
in unpräparirter Form ffDr Verbandaweeke, als Dauerverband angewandt heilten
darunter die Wunden ^ehr gut, und doch war durch die L'uteräuchungen von
GafFKV ") fostpreslellt , daas dieser T'>rf viele entwicklungsfähige Keime niederer
Organismen enthalte, dai^s er uicht hinreichend autiseptische Eigenschaften besitze,
uro die Entwicklung von Baeterien za hindern. Wenn es in den grossen von Baeterien
wimmelnden Torfjpolstem nieht su Zersetsungen kam, so war dies wesentlieh der
Porosit.'it des Torfes zuzuschreiben, welche ein sehneUes, jede Fiulniss verhinderndes
Austrocknen der Verbünde beförderte.
Mach all dem Vorstehenden muss es nur Wunder nehmen, dass mau
nieht sehen frflher anstatt immer naeh neuen ungiftigen, aber doeh wirksamen
Mitteln zu suchen , den Glauben an die Nothwendigkeit der Antiseptica verlor,
zumal bekannt war, dass LäwsOX Tait und Küberlk «dine Benutzung irgend
eines Antisepticum die schönsten Erfolge erzielt hatten. Dies geschah zunächst
merkwQrdigerwebe nieht und erst einige Jahre spiter führten gewisse Ariwiten
auf technischem Gebiete zu der Erkenntniss, dass das Geheimniss des eUrur-
:ris<hen Erfolges lediiTÜch auf grösster Sauberkeit und Reinlichkeit beruhe, erst
dann luaehtc man wirklieh den Versuch, die schädlichen Nebenwirkungen der
Antiseptica durch Aufgeben dieser selbst zu beseitigen. Dies fiel in die Zeit der
Arbeiten R. Koce's ttber die Aetlologie der Wundkrankbeiten, die Untersuehnng
pathogener Organismen, Ober Desinfection etc. und diese Arbeiten, suwie die von
ihm ausgehenden, zumal auf die Sterilisation sich beziehenden Vorscblairo. sind
fUr die Entwicklung der aseptischen Wundbehandlung von grosser Bedeutung
gewesen. Denn gleiehaeitig mit den Arbeiten, welche sieh auf die Wirksamkeit
der Antiseptica und den Ersata der GarbolIMung sowie der earbollsirten .Verband-
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ASEPTISCHE WmnOBEHANDLÜNG.
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stoöe bezo^-^en, hatte man auf teehniachem Gebiete sich bemüht, eine VereintachuDg
des compliüirten und kostspieligen Lister- Verfahrens herbeizuführen. V. Bruns ^<>),
BiDDBB, Trehdklbibübo boklnipAen saniobs^ die Nothweiidigkeit det Ar den
Operateur in maneher Beziehung höchst lastigen Sprays, welchen man ar-
sprOnglieh für etnen der wiebtigaten Tbeile dea entisflptisehen Appentes ge-
halten hatte.
Es varde nachgewiesen , daas dnfeh xentiubte Carboldämpfe ^e wenigen
in der Lnft enthaltenen Fänlniaserreger wedor ni tSdten, noch von der Wunde
fernzuhalten seien. Damit verloren alle Sprayapparate verschicdfiister ("onstnietion
ihre Bedeutung, und dies umsomehr, aLs man erkannte, dass die Luftiulectiun
der CoDtactlnfection gegenüber von geringer Bedentang sei. Auch an Stelle der
Gnrbolgue waren gut nbsorUrende, aber bHUgtre VerbandatoIRs getreten, so die
Jute, entfettete Watte. Werg^, Torf, Moos, Holzwolle etc., welche mit irgend einem
autiseptiaclien StotV imprä^nirt unter Weglassung des von IjiSTEtt empf<»hlenen Silks
fernerhin allgemeine Verwendung fanden. Um sodann die Wunde möglichst ungestört
an laaaen, bemflbte man sieb, die Verbinde aelten an wediaeln.
Wieder war Volkmann , welcher zuerst auf die Vortheile lang-
liegender \erbflndp aufmerksam machte, TniKRScn folo^te ihm. aber die princi-
pielle Durchftlhrung der DauerverbAnde , welche wu möglich bis zur vollendeten
Heilung liegen sollten, BtBBmt ans der Kieler KlinOt.**) IMeae Dancsrerblnde
sind für die F^infUhrung der aseptischen Methode inaofem von Bedeutung, als
ihre weitere Vervollkommnung die directe Veranlassung zum Aufirt'l'<Mi der anti-
septisehen Irrigation wurde. Die Dauerverbände sollten die Heilung tUf r för eine
prima intentio geeigneten Wunden ohne Verbandwechsel erreichen, dazu erschien
eine Aendemng der von L18TBB dngefBbrien Drainage erforderlieb ; denn xweeks
Entfernung der Gummldraina war unter allen Umstinden ein baldiger Verband-
weebsel nothwendig.
Alle Bemühungen, an Stelle der (iummidrains resorbirbares Material z\x
aetaen oder die Seerete dnreb natllrliebe OelAinngen ( Weiebttenaeanile , offisne
Spalten etc. ' ) abzuleiten, führten an mangelhaften Resultaten. Es stellte sich bei
diesen Versiiclieu heraus, dass eine vollendete Heilung ohne Verbandwerh-d nur
durch Aufgeben der Drainage zu ermöglichen sei. Dieses Aufgeben der Drainage
und jeder anderen Abflussgelegenheit setzt die Abwesenheit einer grösseren
Seeretanaammlnng innerbalb der Wunde voraoa. Nun wiesen wir, dast die anti-
aeptlsche Irrigation die Wundflächen zu starker Secretiou anregt, Hlllt dieser
chemische Heiz fort . so liefert die Wunde bei hinreichender Blutstillung durch
Ligatur und nachträgliche Compressiou entweder gar kein oder sehr wenig Secret,
im Allgemeinen jedenfalls nnr so viel, als ohne Naebtbeil in der Wunde verbleiben
kann, wenn während der Operation nicht mehr Keime hinein gelangten , als der
Organismiis vorinöge seiner vitalen Zellcncriric fiberwältigen kann, l'm also die
Wundsecretiun einzuschränken und damit die Drainage tIberflUssig zu machen, musste
zunftebst die antiseptisebe Irrigation aufhören. Letztere glaubte man, obwohl das
Tertrauen an derselben derzeit sdwn ausserordendieh ersohOttert war, nur dann
vollkommen aufgeben zu dürfen , wenn durch bessere Vorkehrungen als bisher das
Eindringen von KntzOndungserregern während der Operation mit grösserer Sicher-
heit verhindert werden konnte.
Von nnn an lag der Sebwerpunkt der Wundbebandinng
in der Prophylaxe. Die ersten in dieser Hinsicht wichtigen Vorschläge
stammen au« dem Jahre 1882. damals wurde die allgemeine Benutzung der
sogenannten aseptischen aus einem Stück gearbeiteten Instrumente empfohlen,
welche übrigens als Mefaset und Meaaer sebon lange vorber im Gebraueb waren.
Man betonte ('odaun die Zweckmässigkeit gesonderter Räume für Operationen
in frischen , chmuisch entzfludeten und septisch inficirten Geweben und legte
grösseres Gewicht als zuvor .uif einfache Inventarisirung und Hinrichtung der
Operationszimmer; es verschwand jeder überflüssige Zierrath, es begann die Zeit
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ASEFTISCHB VUirDBREANDLUNQ.
der glatten Winde mit abgerundeten Beken, der «teniemen FawbOden ete.; an
Stelle des frflber gebränehliohen Blech- oder Messin^eschirrs traten die leichter
sauber zn haltenden Glasapparate, z. B. Eiterbeck(>n. Irrigatoren, Güsse, Instru-
mentenschaleD und Tischplatten. Dann erst folg^ im Jahre 1883 das Aufgeben
der antiseptiwhen Wnndirrigation ; damals wurden die Garbol- and ähnlichen
LOsmigen snniehat dnreli doppeltfiltrirtei und deatOHrteB, spiter doreh gekoehtea
Waaser ersetzt , welches sich zumal nach Zosatl VOn O'ßo „ Kochsalz alf? völlig
indifferente SpdlflflsBifrkeit bewährte. Zur selben Zeit fand — auch wohl zuerst
in Kiel — die von Koch eingeführte Sterilisation durch strömenden Wasaerdampf
a,uf Verbandetolfe Anwendung, welehe nnnmebr naeb direeter Bedeeknng der
Wnnde mit Jodofonn^aze die vordem gebräuchlichen antiseptischou Verbandstoffe
ersetzten. In Ähnlicher Weise wurden Instrumente, Seide sowie Tupfmaterial durch
strömenden Wasserdampf oder durch Einlegen in kochendes Wasser keimfrei gemacht.
Naeb all den soeben erwibnten Vorarbeiten entatand sweeks strletor Dnrehflihrung
der aseptischen Wundbehandlung im Jahre 1885 in Kiel ein besonders eingeriebtetes
Hospital und seit jener Zeit fand die Methode znnflchst an dieser Stelle, einijre
Jahre später auch in anderen deutschen Hospitälern Eingan;r ; besonders bat sich
die V. Berg MAXI« sehe Klinik während der leuteu Jahre der Sache mit Energie
nnd Erfolg angenommen. Unter den deutsebco Gynäkologen bat merst Fbitsgh >*)
Im Jahre 1887 auf die Bedeutung der aseptiscben Wundbehandlung hingewiesen.
Somit existirt die letztere bereits seit nahezu 10 Jahren, ihre erste
praktische Durchführung war Folge derjenigen Arbeiten, welche sich mit £iu-
sehrinkttttg, re»p. Abeebaffang der Drainage besebiftigt batten nnd sie beginnt
aut dem Tage, wo man zwecks Herabsetzung der Seeretion Jede direete Ber(ih-
mng der Wunde mit einem Antisepticum aufgab und an Stelle der antiseptischen
Irrigationsflüssigkeit sterilisirtes Wasser setzte. Erleichtert wurde dieser Uebergaug
dnnb die damals bereits bekannte Thatsache, dass trotz der Benutzung anti-
aeptiseber Mittel anbem eonataut Baeterien fn normal etaeheinenden Wunden,
sowie in den umhüllenden antiseptischen Verbandstoffen gefunden wurden; dass
man die schönsten Heilungen unter Verbänden erreichen konnte , welche ent-
wicklungsfähige Keime enthielten und dass die gebräuchlichen Antiseptica in den
flbUdien Losungen niebt im Stande seien, diese Keime an Teroiebten.
Nachdem die uns interesairende Frage ihre Lösung, wie vorstehend ent-
wickelt, bereits während der .lalire 18>i.5 HG in Kiel gefunden hatte, sind viele
die Angelegenheit klärende und fördernde Arbeiten erschienen, welche wesentlich
aar Vwbrdtnng der Methode l»eigetragen haben. So maebte Schlanob ") 1887
auf Grund eingebender Untersnebnngen die Oberrasebende MittheUnng, diws die
derzeit noch fast fiberall gebräuchlichen antiseptischen Verbandstoffe (Jodoform-,
Bor-, Carbol-, Salicyl- und Sublimatpriiparate i in dem Zustande, wie man sie auf
die Wunde zu bringen pdegte , nicht frei von Bacterienkeimen seien. Es wurden
sodann die in der v. BBBOMANN^aehen Klinik gebrtuehlieben Snblimatverbinde
auf ihre autibacteriellen Eigenschaften hin geprüft nnd dabei stellte Schlange
fest, dass dieselben nicht befähigt seien, eine Zersetzung des Wiindsncrets im
Verband zu verbindero. — In einer späteren Arbeit Uber die Eiu Wirkung der
Wnndmittel anf den menseblieben Organismus fahrte Sbxorr ans, dass jedes
Antimycoticum, welchen Namen und welche Zusammensetzung es auch habe, ein
Gift sei und eine zweischneidige Waffe: er bestätigte ferner, dass die Anti-
septica iu den gebräuchlichen Lösungen ihren Zweck nicht erfüllen , d. h. die
in eine Wunde gelaugten Pilze nicht tödten — sie steriiisiren somit die Wunde
niebt Daa hatte aueb sebon ROhmbll im Jabre 1885 naebgewiesen ; er ver-
impfte der Wunde während der Operation entnommene Gewebspartikel und con-
statirte Bacterienentwieklung , einerlei, ob die Wunde mit SublimatlrKimg irrlLrirt
war oder nicht. Zu älinliehen Ergebnissen kamen später Tavkl^^), welcher die
in den Drains enthaltenen Goagnla antiseptiseh behandelter Wunden nntersuehte
— sodann Wblch, Stähbli u. A. — lieber die Hiufigkeit des Vorkommens
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^SEPTISCHE WÜNDBEffANDLüNO.
27
niederer Ol^aniHmen in dea antiseptincb und aseptiHch behandelten Wunden haben
nenerdingiB Lang und Flach ^'■'j vergleichende Versuche angestellt und die grössere
LdttuBj^Uiielceit der eseptisehen Hetiiode aueb in dieeer Riebtniig> oongtatiit,
denn die Zahl der positiven Resultate war bei letzterer um ein ErheUidieB
geringer als bei antiseptisch (mit Sublimati behandelten Wunden.
Ohne Zweifel steht es nach all dem Vorstehenden absolut fest, dass
nicht pilzfreie Wnnden Bebt oft einen dmdumB nonnnlen Verianf nehmen — wie
stimmt das mit der Pilztiieorie ? ZnnielMt bandelt es sich wohl zumeist nm nn-
schädliche , nicht pathogene Formen, und wenn eine gewisse Zahl der letzteren
wirklich eingedrungen sein sollte , so gehen sie im Kampfe mit der vitalen Zell-
energie zu Grunde. Denn dass letztere eine grosse Rolle spielt, ist ganz zweifei-
loa nnd Volkmahn bat Reebt, wenn er bebanplet, „der menaebliebe KOrper ist
kein KeagenzglSschen , in welches Agar-Agar und ein Impfstoff gethan wird,
sondern hat seine Krftfte, durch welche er in die L.i?e gebracht wird, mit anderen
Organismen fertig zu werden". Er muss um so leichter mit ihnen fertig werden,
je weniger innere Inralte cbeniiseber oder pbysikalieeber Art das normale Ver-
halten der Zellen stören. Aus dieser Betrachtung gebt unmittelbar die physio-
logisclic Bereoliti^uug der ftseptit^ehen Wundbehandluu{r hervor, denn sie ist der
antiseptisebeu gegenüber das weitaus schonendere, die Zellkörper am wenigsten
sebfidigende Verfaluren. Das lehrt sehon die lussere Besichtigung versehieden
behandelter Wanden, denn naeb der Irrigation mit stärkeren Carbol-, Ohlorabk-
oder SaMimatUienngen zeigen die vorher frischrothen fiewebc v'm verändertes
Aussehen, sie werden bräunlich, etwa geräuchertem Fleisch ithnlich, oder zeigen
einen zarten grauen Belag; dagegen ändert selbst eine laug andauernde Irriga-
tion mit gekoehtem Wasser das normale flrisehe Aaseeben der Wundfliebe hi
keiner Weise. Demnach konnte das Resultat der oben erwllinten ünftersnebangen
Ton Lang und Flach durchaus nicht Wunder nehmen.
In jüngster Zeit ist auch ein in dieser Beziehung sehr iuteressanter
anatomiseher Naehweis von Roktschswsky geliefert woiden, der znr Anf-
kllmng der Frage, welchen Kinfluss die gewöhnlichen antiseptisebeu Mittel auf
die Wundheilung hatten, eine lUnhc von V^ersuchen an Huodeu und Kaninchen
mit Sublimat (l : 1000), Carbolsüure (3: 100) und Normallr.Huug (O-Tö« o Koch-
salzlösung) anstellte. Es wurden jedesmal bei demselben Thicre bestimmte Stellen
heidw Vorder^ oder ffinterbdne an der Bengeseite unter den gewObnUdieD
Cantelen vorbereitet. An der raslrlen , mit Seife , Sublimat und Alkohol desinfi«
cirten Stelle wurde die Haut mit einem schmalen Messer durchstochen, eine
Wundü in der darunter liegenden Muskulatur hergestellt und nuu an der einen
Seite dieselbe mit Hilfe einer sterilisirten Spritze mit der NormatlQsnng , an der
anderen Sdte mit Sublimat- oder Carbollüsung ausgespült und darauf die Hant-
wunde jronflht. Nach Verlauf von 1, 3, ö. 7 und 11 Tafrt'ii schnitt RONTSCHRWSKV
die entsprecheuden Stellen der Muskulatur heraus zweck« mikroskopischer Unter-
snehung. Der Vergleich beider Wunden ergab Folgendes: Dw aseptische Wunde
zeigt von Anfing an weniger ZmtOmng der Gewebe, das Wegrlnnea der zer-
störten und wachsarlig veränderten Muskelfasern ist hier viel weiter fortgeschritten,
als in der Sublimat oder Carbolwuude. Die Karyokiuese erscheint am frühesten
und ist am meisten ausgesprochen in der aseptischen Wunde, schon nach 3mal
24 Stunden in yoller Entwicklung, wir finden grossen Zellreiebtbmn nnd sehon
naeb 3 Tagen beginnt das Oratnilutiousgewebe sieh in Bindegewebe zu difleren-
ciren . während in der Sublimatwuude zur seihen Zeit von jungem Bindegewebe
uoch keine Spur zu linden uud von karyokineti.schen Figuren fast gar nichts zu
sehen ist.
Bei den mikroskopischen Bildern aus älteren Wunden wiederholt sieb
ganz d;H<L'lbe. das aseptische Xarbengewebe ist iiumer viel weiter fort.:res('hritten.
resp. viel älter als bei den antiseptisch behandelten Geweben uud während erster«
nach 7 mal 24 Stunden schon ganz vernarbt ist, findet man in der Sublimat-
28
ASEPTISCHK WUNDBEHANDLUNG.
wunde ausser dem GrauuUtionsgewebe uoob kein Narbevgewebe ^Fig. -iy 5, 6).
Sodunn ist die »septische Narbe im Verg^leiefa* mit der utiseptiflehen leidtor «a
Zellen, letztere liegen viel näher aneinander, ziehen sieh nicht so sehr nuammen
und machen die aaeptiaohe Narbe danerbafter als die antiaeptisohe.
^ FUt.4.
FIK.A.
MiukeUascr
KooliHLi<rua<lR (o 76 "„) 7 Tiftt naeh dar SaUUnatwui !' i m m< t Tic«
Verwundoni;. Verwuudang.
oacli dar
VIsf. 6.
G-raiittlationsi^iw Miulcelfaser
Kar^iikitu'so
Cai-boiwuude (a : 800) 7 Tage nach iler Verwundung.
Nach diesen oinleitendeiv, die historische Entwicklung, die physiologische,
sowie auatomisehe Berechtigung der aseptiscbeu Wundbehandluoic betretenden
Bemerkungen geben wir Aber zur Beschreibung der Methode »elb-st. Es iät die Aut-
gabe derselben, alle entaflndnngaerregenden Kdme von der Wunde m((gliebst fem
zu halten. Wenn man bedenkt, dass diese Keime Oberall vorhanden, dass sie
unter gewöhnlichen Verhältnissen für unsere Sinne gar nicht wahrnehmbar sind,
so wird es einleuchtend sein, wie grosäc äcbwierigkeiten es bereiten muss, das
Bindringen derselben in die offene Wände sa verfaiodem, sie von dem Inventar,
dem Patienten und Personal , kurz von all den Menschen iiiul Ditiiren fern zu
halten, welche während der Operation direct oder indircct mit der Wunde iti
Berührung kommen. Dazu gehören , zumal in Hospitälern , ganz besoudere Ein-
richtungen, welche für das Anhaften von Unreinlichkeit jeder Herkunft die denk-
bar geringst», fllr die Besntignng derselben aber die günstigste Gelegenheit
bieten. Natürlich lüsst sieb di^-s auf verschiedene W'eise erreichen und bestimmte
Vorschrifti'n für eine fllierall giltige und zweifellos beste Hospitalseinriehtung kann
es nicht geben. Nur darüber ist man sich vollständig einig, dass weite Zer-
strenung der Kranken, Separirnng der septiseben Patienten von den übrigen,
möglichst staubfreie . sowie einfach gebaute und inventarisirte OperationsBimmer
durchaus erforderlich sind. D.-l'* F'rincip der Sauberkeit steht obenan . wie man
diese am besten unter den jeweilig gebotenen Verliältnissen erreicht, bleibt inner-
halb gewisser Grenxen der Neigung, dem Gesdimaek, der peenniiren Lage, den
Ibealen Beaiebnngen , mit denen der Einzelne zu rechnen hat , Uberlassen.
Das erste für die Durchführung der aseptischen Wundbehandlung be-
stitnnite Hu.ipital «-ntstand 1H85 in Kiel, und wenn die dortigen Einrichtungen
auch durchaus nicht al.>i mustergiltige hingestellt werden solleu , so mögen sie
doch als Beispiel conseiinent dnrebgefDbrter aseptischer Prophylaxe hier Br-
wihnung flndeo.
T'm zniiilelist durch Zerstreuung der Kranken eine mögliclist grosse
Kciulichkeit des Hospitals und damit eine Herabsetzung der lufectiousgcfahr her-
belzufahren, sind für die Aufstellung von 102 Betten vier getrennte Häuser und
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ASEPTISCHE WUNDBEHANDLUNG^
«
29
zwei Baracken bestimmt. Die erste und zweite Abtheilun? mit fi5 Betten sind
in Kiel untergebracht in drei iinusern und einer Baracke; die dritte Claaüe mit
circa 40 Betten l>etindet äich im Vororte Gaarden.
üeber die Einrfelitiiiier der Kieler Hänier sei Fo^ndei beriehtot: Im
Parterre (Fi?. 7) des Haupthauses befinden sieh etliebe Zimmer, ftlr Unter-
svehnngeii, Operationen etc. bestimmt, nimlich:
1. Entkleidnngssimmer, in welchem der Kranke sieh unmittelbar
vor der rnteraiicliiinp: seiner Kleidungsstücke — soweit erf<irderlieli — entledig:
nwch werden Iiier bei neu eintrefl'enden l'atienteji etwa vorhandene Wunden,
Geschwüre, Fisteln etc. gereinigt und sodann die Kranken mit einem provisoriKch
angelegten Verband in's (TntersiichnngsBimmer geführt.
2. Ambulanz und T n t e r s u c h u n ^sz i m m e r. Hier entwidcelt nich
der grosse Verkehr des 'l'ap-e'^. Kranke werden nntersuehti Verbände gewechselt,
eyentoell auch kleinere Operationen ausgeführt.
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ASEPTISCHE WCNDBEBANDLU.NG.
3. Je ein Zimmer ftir Operationen in frischen und chronisch
entzündeten Geweben. Septische Fälle werden in eiaer für dcrartij?e
Kranke bestimmten Baracke operirt. Durch diese räumliche Trennung der drei
Ilaupt^ruppen chirurjiischer Krankheiten ist die Möglichkeit der Uebertra^un«r
von einem Fall auf den anderen nahezu ausgeschlossen, • besonders da auss^jrdem
noch ein besonderer Raum für Untersuchungen bei Urogenital- und R ec tal-
krank heiten zur Disposition steht — eine Einrichtung , welche die übrigen
Räume vor Heschmutzung mit Roth , Urin , Trippereiter und ähnlichen
Dingen schützt.
4. Ein Bureau, ein Warteraum und Untersuchungszimmer für (»rthopä-
dische Fälle. Hier befinden sich allerhand Apparate , werden unblutige Opera-
tionen, Brisemeuta etc. ausgeführt.
Fig. 8.
Verbandtisch Instr.-Tisch Abfallsöffmmg f. gebrauchtes Wass«
Man kann ja über die Xothwendigkeit so 'vieler getrennter Räume
streiten, in manchen Hospitälern und Kliniken mag es überhaupt unmöglich sein,
so viel Raum für die angedeuteten Zwecke zu schaffen , aber die Zweckmässig-
keit einer derartigen Vertheilung wird Niemand leugnen können.
Das in dem soeben beschriebenen Kieler I'rivathnspital durdigcführte
Princip getrennter Operationsräume hat bei den Neubauten chirurgischer Anstalten
in den letzten Jahren Nachahmung gefunden , soweit dies mit den Zwecken des
l'nterrichts sich vereinigen Hess. Die im Jahre 1891 vollendete chirurgische
Klinik zu Oöttingen , z. B. hat 3 Operati<»n3räume für klinische, poliklinische
und septische Kranke, ein besonderer Raum für hochascptische Fälle fehlt,
dagegen ist ein für theoretische Vorlesungen bestimmtes Auditorium vorhanden,
welches weitab vom klinischen Operationsraum liegt.
ScHoNBOHN ^- 1 hält das Vorhandensein vt»n 4 — 5 getrennten (^pcrations-
räum»^n für sehr wUnschcnswerth ; dies ist bei den Verhältnissen einer klinischeu
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ASBFIISCHE WUNBfiEHAUPLUMtt.
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Lebranätalt kaum erreiohbar nnd M> mtlawn im IntefOMe der Studirendeu, welche
doch schliesslich alle Operationen gehen sollen , die verschiedensten EiniK:riffe bei
inficirtea und nichtinficirten Kranken in demselben Raum und gelegentlieh auf
demselben Tisch aus^ftihrt werden. Das iit ein Naehtheil der den Lehrzweckeu
diMendeo KUnikeii gegeanber privaten «nd oonmntiulen Hospittlem , wahiie
wesentlich nur för Heilzwecke da sind. — - Mikulicz 2») hat in der neuen Klinik
zn Breslau ausser dem mit Operationsvorkehrun^en versehenen Hörsaal 2 Zimmer
für aseptische und septische, sowie kleinere poliklinische Operationen eingerichtet.
— TBBifDUiBiiBOB&**) nehit, ea aei nidita dag«g«i eininweadeii , wenn ein
Olfenfliehea Krankenbana oder Privatapital mehrara Opecafekniaiuiimer beattae,
OperationMaal der T&binK^ Klinik.
erklirt dies aber im Interesse des kliniaehen Unterriolita fttr unzweckmn.Hsi^. be-
fürwortet dennoch jretrennte klinische, polikliniwdie und septisehe Oporations-
räume. Auf ähnliche Weise äussert sieh Brctns**), auch er hat im Interesse des
Unterrichts beim Nenban des Operationasaalea in Tflbingen auf weitere Abatm-
derung verzichtet und glaubt die Gefahren , welche das Vorhandensein nur eines
Operationssaales mit sieh brinp^en mOchte , durch rifjoröse Handhalmniz: der Anti-
septik und Aseptik sicher bekämpfen zu können. Ein besonderer liörrauin tllr
theoretische Vorlesungen befindet sich auch in der Tübinger Klinik. Kleinere
atidtiaebe, Kreia- und PriTathoapitller diaponiren im Allgemdnea nur Über einen
Operati onsravm, doch auch hier macht sich neuerdings das Bestreben geltend,
mindestens für hochaseptische und septische Fälle gesonderte Zimmer zu beaitxen.
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ASEPTISCHE WÜNDBEHANDLUNG.
Ftlr den Privatarzt , der bald hier , bald dort in den Hftuseru seiner Patienten
operirt, bat natdrlicb die soeben erörterte Frage keine Bedeutung, da die ver*
MltniMniinig MlteD Torlcomiiieiidc& Opermtione» im eifeneo WohnhjtnM eine
nach jedesmaliger Bennteug erentnell mebifaeh in wiederiiolende grflndlidie
ReinigUD§r gestatten.
Ueber die Principien , nacb denen die Uperationsräume — möge mau
deren nur einen oder mehrere haben — an erbanen sind, herrscht vollkommene
Einigkeit. Das ZSmmet soll genflgend Ranm, Ueht nnd Lnft^ i^tts Daeken,
Thoren und Wände, ohne flberflOssige« ITnlzwerk und Zierrath , abj^ernndetä
Ecken, feste FusabOden. einfaches und mötrliehst weni;; Inventar haben — kurz
so eingerichtet sein, dass InfectionsätoAe schwer haften bleiben und ieicbt beseitigt
werden kOnnea. Zur Vwansobatiliebimg einer derartigen Biariehtang diene die
nelienstehende Abbildung eines Operationszimmers im Kieler Privatbospital (Fig. 8).
Sofern »8 sich um klinische Institute handelt, sollten für die Studirenden
besondere Eingänge vorhanden sein, welche unter Umgehung des Operations-
platses anf die Sitzplitae flihren (s. Fig. 9).
Aaffallenderweise finden wir in allen neueren Operationssälen noch die
alten Waschtische mit Kippschalen und Abflusaröhren . obwohl dieselben den
Anforderungen der modernen Aseptik durchaus nicht entsprechen. Empfehlens-
werth dagegen dürfte folgende iunrichtung sein. Das Wasehgeschirr steht auf
einer frei ans der Wand herrwragenden Glasplatte, das gebranebte Wasser
Flg. 10.
wird anf den gegen eine Bodenversenkung sehrig abfallenden Fnasl)oden gegossen,
wo es sich sammelt , nm alsdann dnrch ein weites Glasrohr nach aussen ra
gelangen : hier füllt es zunächst in einen Triehter nnd von da in die Aulfang-
rühren des Canalsystems (Fig. 10).
Bei den Vorbereitnngen snr Operation sind wir anm Tbeil
noeb auf die Benutzung antiseptisdier Mittel angewiesen, doch ist ihre Verwendnng
dnreb die moderne Sterilis-ition auf ein sehr bescheidenes Ma^s eingeengt worden.
Das Krauken personal ist anzuhalten, hinsichtlich der Körperpflege,
Kleidung und Wäsche sich besonderer Reinlichkeit zu befleissigen. Dies bezieht
sieh Tomebmiieb anf die Binde, welebe |a in direete Berflbrnng mit der Wände
kommen mtissen. Je weniger Finger an die Wunde gelangen , desto geringer die
von dieser Seite herrflhrende Infectionsgefahr. daher ist tlumlichste Kinsehränkung
der As.sistenz geboten , meist genügt je eine hilfeleistende Person für die direete
Assistenz md Darreichung der Schwämme, Tupfer, Fäden etc.
Die Vorschriften für die Reinigung der Hände sind verschieden,
manche Chirurgen halten eint' eigentliche Desinfeetion vor der ()j)eration für über-
fltlSBig. ihnen genügt wiederholte Reinigung mit Seife, sterilisirteu IJoizfaserbUndeln
oder Bürsteu in abgekochtem Wasser. Zur Entfernung der im Seifenbade erweichten
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ASEPnSCHB WUNDBEHANDLUNG.
33
oberflächlicheu Kpidermiaschüppchen ist es zweckmässig, die Hände mit eiaem
gekochten iiandtuche scharf abzureiben. Die HulztaserbUndel werden nach einmaliger
B«Botnniflr als werfbloses lUterial weggeworfeo , de siiid ans dem Grande des
Bunten vorzuziehen , welohe zwar Ungafe Zeit im Gebraneh bleiben , aber dafür
auch vor jeder Wiederbenutzung- ganz ausserordentlich sorgsam in Carbol- oder
Sublimatlösung deainficirt werden mttssen. Eine besondere Desinfection der Hände
findet somit vor der Opertlioii im Allgemdnen ntoht stnt^ rie wird jedodi erfop*
der lieh anmittelbu nach jeder im Laufe des Tages etwa stattgehabten BerUhrnng
infectiöser Stoffe, um alle haften gebliebenen Keime sofort zu vernichten , bevor
sie Gelegenheit landen, sich in den Unebenheiten der Haut fester einzunisten.
Anderen Aerzten genügt die vorstehend beschriebene einfache Methode
der Fingerreinigong nieht. FOBBURont*') liest die Hlnde naeh grtlndlieher
Reinigung mit Seife, Bürste, Wasser zunächst eine Hinnte in mindoKtens 80o gigem
Alkohol, sodann in 1 — 2* '(,oiger Sublimat- oder .So/^iger CarboUösung deslüfieiren.
Aehnlich sind die von der BfiBOMANN'schen Klinik ausgebenden Vorsohriften.
HiKüLTCZ seift die Rinde ' snniehst drei Hinnten lang, derinfleirt sodann eine
halbe Minute in 3 "/oiger Carbol- oder » '2 Vooi8*f 8'*Wimatlö8ung und reibt sohliesB-
iich die Kagelfalze mit lOo 'oiger Jodoformgaze ab. Alle Methoden sollen nach
neaesten Untersuchungen eine sichere Sterilisation nicht ^^arantiren, die Erfahrung
aber lehrt täglich, dass jede der vorstehend besehriebenen Vorbereitungen genügt ;
als dnflMhstes YerlUhren verdient die medianisdie fieinigang im Seifenbade mit
nachfolgendem Abreiben in sterilisirten Tüchern den Vorzug. Die w.lhrend der
Operation entbldssten Vorderarme sind in gleieher Weise zu behandein wie
die Hände.
Das minnliebe Hilfspersonal ist wihrend der Operation bekleidet
mit leinenem Rock und Schürze, theilweise sind auch Gummischttrsen , Gummi«
Stiefel, leinene Beinkleider und Kopfkappen in Gebrauch. Die Frauen sind hoch-
geschürzt, tragen hohe Stiefel, sowie Schürzen aas Gummistoö' oder Leinwand.
Fflr hinrdehende Suberkeit der ldnen«i Beklddnngsstfleke vird die herkSmm-
liebe Bearbeitung in dmr Wlsehe genügen ; sehr vorsichtige Lente halten ansserdem
eine Sterilisation in strömendem Wasserdampf für nothwendig — auch wieder eine
tlberfiüssige Complication des ursprünglich so einfachen aseptischen Verfahrens.
Wie sollten sich wohl pathogene Keime in einer Wäsche halten, welohe mindestens
90 Minuten in koehendem Wasser liegt , sodann mit Kaliseife bearbvtet nnd
sddiesslieh bei hoher Temperatur getrocknet wurde? Höchstens könnte eine Ver-
nnreinfgnng heim Transport aus der Trockenkammer in den Operationssaal statt-
finden. Aber dafür giebt es doch saubere Körbe, saubere Finger und für die
Anfbewahrung sanbere SchrXnkef Die OnmmistoA werden at^eseift nnd hernaeh
mit 6*/oiger CarboUösung desinficirt.
Fflr die Vorbereitung des Patienten gelten im Allgemeinen noch
die alten LisTKu'schen Grundsätze; er bekommt ein warmes Vollbad am Tage
der Aufnahme, eventuell am Abend vor der Operation ein zweites Bad; sogleieh
hernaeh Rasiren, Seifen, Bflrsten, Aetherisiren , Desinfieiren (2>— 6*/oige Oarbol-
lOsung) der zu operirenden K^^rpergegend, welche Nachts vor der Operation mit
einem 2 — S^ olgen Carbolunisclil.ig bedeckt bleibt. Unraittelbar vor der Operation
nochmals Seifen, Bürsten Aetherisiren und Abwaschen mit CarboUösung (^'^ygigc
fttr Kinder, b^/oigo fOr Brwaehsene).
Diese Reinigung findet ausserhalb des Operationszimmers statt. Der Patient
wird sodann in ein Badelaken gelitillt und . nach Bedeckung der zu operirenden
Körpergegend mit einer carbolisirten Serviette, in's Operationszimmer gebracht.
Bd Eilfällen und in der Privatpraxis Verden gewisse Abweichungen unvermeidlieh
sein, doeh anch dann sollte man sieh bemtheo, die oUgen Vorsdiriflen mOgUehst
innezuhalten. So wird man in der Privatpraxis oft auf das Vollbad verzichten und
sich mit um so sorgsamerer Reinigung und Desinficirung der za operirenden
Kiirpergegend begnügen müssen.
Enoyclop. Jahrbbeber. III. 3
34
ASEPTISCHE WUNDBEHANDLUNG.
Seit EinfübruDg der aseptischen Instramente, welche möglichst
aas einem StahlstUck gearbeitet sind, andernfali» aber einen 8(i;;enannten aseptischen
Verschluss besitzen, ist die Reinigung und Reinhaltung derselben ausserordentlich
erleichtert. Diese Instrumente werden nach jedesmaliger Renutzung sorgsam im
warmen Seifenbade gereinigt und durch viertelstündiges Kochen keimfrei gemacht,
sodann abgetntcknet und fortgelegt. Vor jeder Operation abermals mechanische
Reinigung, viertelstündiges Abkochen der in eine Serviette eingeschlagenen Instru-
mente im Kochtopf and Einlegen in eine mit */j%iger Carbollösung gefüllte Schale.
SCHIMMEF.BIISCH empfiehlt für das Abkochen der Instrumente l^ oige Sodalösung,
wodurch das Rosten derselben vermieden werden soll ; dies Verfahren hat vielfach
Eingang gefunden. An Stelle des Kochtopfes construirte Schimmklbüscii für den
grösseren Betrieb einen eigenen Sterilisationsapparat fs. Fig. 11), welchen man
zur Zeit in den meisten Kliniken Deutschlands sieht. Die Instrumente werden in
Drahtkörbe gelegt, sodann in den mit Sodalösung gelüllten Kessel gestellt und
nach der Herausnahme aus der koeheuden Sodalösung in Schalen, welche mit
l'/o'gcr Carbolsodalösung gefüllt sind, gebracht.
Fig. 11.
Drahtkorb
."^clialo mit
CariioUöauniC
Zu dem Sterilisator gehört ein Sndabehälter mit Sanduhr und Maass.
Ausgenommen von der vorstehend beschriebenen Sterilisation im Koch-
topfe oder Apparate von ScHiMMKi. BUSCH sind die Messer, welche im kochenden
Wasser stumpf werden. Kür dieselben genügt sorgsame iiifchanisehe Reinigung im
Seifenbade, Abreiben mit einer gekochten Serviette und unmittelbar vor der
Benutzung mit Alkohol und gekochter (iaze.
Zum Abwischen der Wunde wflhrcnd der Operntinn sind Schwämme,
GazebAusche oder Tupfer zu verwenden; am best»n eignen sich ohne Frage
die Schwämme, aber das Material ist tlieuer. weil im Interesse der Sauberkeit
jede Wiederbenutzung ausge.sehbiH.sen sein sollte; der eiiiiual gebrauchte Schwamm
muss vernichtet werden. Da das Material unter längerem Kochen oder Sterilisiren
im strömenden Wasserdamjtf ausserordentlich leidet, ist man auf eine meehanisch-
ohemische Reinigung angewiesen. Der frisch bezogene Schwamm wird ausgeklopft,
wiederholt im warmen Seitenbade abgewaschen , 24 Stunden in eine Liisung von
Kali hyi>prmaiH)<in. (1 : 6UÜ) gelegt, sodann mit reinem Wasser ausgewaschen und
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ASEPTISCHE WÜNDBEHANDLÜNG.
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in eine heisse l'^ oige Soltiti'o natr. auhmlph,^ zu der man 8" 0^0« reine con-
centrirte Salzsilure jsresetzt hat, gethan, bis er in circa 10—15 Minuten weiss
geworden ist. Hierauf spült mau die Schwämme nochmals längere Zeit in gekochtem
Waaser aus, hebt sie in 2" „igcr Carbollösung auf und le:<t sie zum Auswässern
12 Stunden vor der Operation in ateriliairtes Wasser. Wer Gazebäusche oder Tupfer
vorzieht, kann letztere in kochendem Wasser keimfrei machen, Desinfectionsapparate
verschiedenster Construction leisten dasselbe.
Gaze zur vorilbergchendeu oder dauernden Tamponade , sowie zur
unmittelbaren Bedeckung der frischen Wunde wird durch Kuchen oder in einem
besonderen Apparate «terili-}irt. Es ist am sichersten , die für jede Oparation
erforderliche Gaze nd hrtc zu prilpariren ; man kann den mit einem fest schlie^sendea
Deckel versehenen Kochtopf wflhread der ganzen Operation broicln lassen, Ver-
bandgaze hineinwerfen und nach Bedarf mit einer sterilisirten Kornzango heraus-
nehmen, in kaltem, gekochtem Wa-^scr abkühlen und aUdaun verwenden. Dies
emptiühlt sich besonders für die Privatpraxis; für den annähernd feststehenden
klinischen Tagesbedarf können grössere Mengen durch Kochen keimfrei gomicht
und in sterilisirten, das heilst abgekochten Glasgefässen aufbewahrt werden. Freilich
Fig. 12.
Tran8)K>rtAble8 Cat(;ut^i!raai). ,
Daj(!4«1be wird mit oinem finmmiHtopfea a, der in liiiinpf wie da« GlaBgofä^n rf «iterillfiirbar ist,
vernfhloagen. Diis Cutgiit ist auf Kolieu «. c, aufjjcwlckelt ; die Endcu der Fällen sind durrh
eine Glasplatte j gefithrt, w«lch« iu die obere OetVnung de« Gefässe« eingeleKt iai.
giebt es auch verschiedene Arten von SterilisatDren für die Herstellung keimfreien
Verbandmatcriales und BehJlller f.lr die Aufbewahrung ilersi-lben. S(;niMMKiiRnscH
empfiehlt einen von L.-M tk.nsciilaokk construirteu Apparat, welcher mit und ohne
automatische Kühlv<trrichtung zu haben ist. Als Concurrenten sind K ATSCH in
München, Mi'nckk in Berlin, sowie KiKTSCUKL und Hknnkhkri} aufgetreten. Für
den grossen klinisolien Bedarf mitpren die.s empfehlenswerthe Kinricbtungen sein,
das kleine Hospital, .sowie der praktische Arzt können dio-selbon vollkommon ent-
behren. Es existiron noch manche, besonders für den Geltrauch des praktischen
Arztes construirte Sterili-jatoren , ««infachere und coniplicirtc Apparate, in denen
gleichzeitig Ini^truniente , sowie Verbandstoffe keimfrei gemai'ht werden können;
es geht damit schon ähnlich wie seiner Zeit mit den vielen neu erfundenen anti-
septischen Mitteln, wer sie alle durehprobiren will, mag's thun, sie einzelu herzu-
zählen oder gar zu beschreiben, hat einstweilen keinen Werth.
Wer zur hi^ratur oder Naht Catgut bpnützen will, kann dasselbe nach
einer von SciiiMMKLBii.Sf'M gegebenen Vorschrift sterilisircn :
1. Sterilisation der (Jlaxbeh.llter , Stunden in Dampf CFig. 12).
2. Aufwickeln der CntgutHldeu auf die Glasrnlle, respective die Glasplatte.
3. Eutft;tten des fetthaltigen Rohcatgute? durch Aufgiessen von Aetlier
nnd 243tflndige3 Stehenlassen.
3*
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ASEPTISCHE WUNDBEHANDLUNG,
4. Aufgieflsen des SublimatalkohoU Dach Abgiessen des Aetbers. Der
Snbliinatalkobol bat folgende ZusammeDsetzung : Suhl. 10 0 , Alk. absol. 800*0,
Aq. dest. 200-0.
5. Erneuern des Sablimatalkobols nach je 24 Stunden. Frühestens nach
zweimaliger Erneuerung ist der Desinfectionsprocess beendet.
6. Abgiessen des Sublimatalkohols und Aufgiessen des gewöhnlichen
Alkohols. Je nachdem man ein etwas starres oder weiches Catgut wünscht, nimmt
man den Alkohol fast absolut und rein oder man setzt Glyoerin bis 20" o zu. Die
GeOisse müssen stets gut verachlossen gehalten werden.
Das ist wohl ein sicheres, aber auch zweifellos sehr coraplieirte^ Ver-
fahren; für kleinere Anstalten und den praktischen Arzt ist es daher vorzuziehen,
bereits sterilisirtes Catgut zu beziehen, welches u. A. die Firma A. Hellwig,
Berlin, in ausgezeichneter Qualität liefert. Man entnehme den Originalflaechea
anmittelbar vor der Operation soviel Material, als voraussichtlich während der-
selben benutzt wird, lege dasselbe in eine mit Alkohol gefüllte Schale und vernichte
den eventuell übrig bleibenden Theil.
Fig. la.
Sterilisirte Seide findet besonders für die Naht, zuweilen auch als
Ligaturfaden Verwendung, auch hier kann der Zweck durch einen der verschiedenen
Sterilisatoren , einfacher aber durch Abkochen der Fäden erreicht werden. Im
ersten Falle sind Aufbewahrungsbehälter erforderlich, im letzteren Falle kocht
man das erforderliche Quantum vor oder während der Operation in gleicher Weise
wie vordem von der Gaze beschrieben. Bis zur Verwendung in der Wunde liegen
die Fäden gleichwie da.s Catgut in derselben mit Alkohol gefüllten Glasschale.
Die Wundirrigatiou ist seit einigen Jahren wesentlich einge-ichränkt
worden, es gab Zeiten, wo Patient, OperationHtisch und auch das ärztliche Personal
überschwemmt wurden — das war zu viel ; neuerdings wird von Einigen, zumal von
Landkrer*'), gar nicht mehr gespült — das ist zu wenig; die goldene Mittelstrasse,
dem Wenigen etwas näher, das ist das Kichti^'o, doch mit einigen Einschränkungen
zu Gunsten Landerf.r's und Anderer, die lange vor ihm sohon ebenso handelten.
Kleine Wunden in frischen Geweben nach kurz dauernden Operationen auszu-
waschen ist in der Tbat UbertlUssig, insoferue haben Laxderer und seine Vor-
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ASEPTISCHE WUNDBEHANDLUNG.
37
glDger Recht. Nach grösseren und langdaueroden Operationen, besonders in chronisch
entzündeten Geweben, ist zwecks Beseitigung liegen gebliebener Staubpartikelcben,
Fadenreste, Gewebsfetzen etc. die aseptische Irrigation das schonendste und sicherste
Verfahren, um diese tlberflUssigen Dinge aus der Wunde zu beseitigen. Dazu be-
dienen wir ODS der gekochten 0'6%igen Kochsalzlösung, an deren Stelle Tavel
eine Lösung von 272" ooip^m Natr. carh, und 7^/s%oigem Natr. hydrocJdorn-.
empfohlen hat. Man benutze, wenn irgend möglich, nicht die schlecht zu desinti-
cirenden, bislang gebräuchlichen Irrigatoren mit Schläuchen und Spitzen, sondern
leicht zu sterilisirende Glaskanneu. Zwar sind die Gummischläuche durch Kochen
keimfrei zu machen , doch leiden sie bei dieser Procedur sehr und müssen häufig
erneuert werden. Zum Sterilisiren des Wassers, dem man vorher das entsprechende
Quantum Kochsalz zusetzt, kann jeder Kochtopf benutzt werden, nach halbstündigem
Kochen bleibt der Topf circa eine halbe Stunde ruhig stehen und das abgeklärte
Wasser kann in die Glaskanne gegossen werden. Für den grösseren Bedarf
klinischer Zwecke seien folgende Vorkehrungen erwähnt :
Fig. 14.
WaBsersterilisation.
Der WassersterilisHtor von Fritsch enthält einen durch Bunsenbrenner
erhitzten Kessel , die Abkühlung gcscliieht durch eine mit der Wasserleitung in
Verbindung stehende Kühlschlange (s. Fig. In der Kieler Privatklinik wird
folgender Apparat benutzt: In einem besonderen Kaume befindet sich ein Herd,
auf diesem ein gro.s3or Kessel ('s. Fig. 14j, in dessen Deckel ein Wattefilter
zwecks Abfangen der groben Unrcinlichkeiten des lieitungswaascra angebracht ist.
Nach 2-48tündigem Kochen bleibt das W.isser etliche Stunden bis zur voll.'*tändigcii
Abklärung im Kessel stehen, wird sodann nach OetTnuug des AbHus.»jhahneH in
ein kleinere^» Gefitss gethan und in's Operation.'^zimmer gebracht.
Neben all den vorstehend erwähnten Dingen ist der Reinhaltung des
Zimmerinventars besondere Sorgfalt zuzuwenden. Operationstisch, Gummi-
decken, Schürzen, Glas-jchalen, Gla.sti.sehe werdeu mit grüner Seif« und heissem
Wa.«isor gereinigt, hernach mit 5'^ ,>iger Carbollösung abgewaschen. Als weiche
Unterlage für den Patienten belindet sich auf dem Operaticmstische eine 2 Cra.
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ASBFTISCEB WUNOBBHANDLDNO.
dieke FUtdeeke, welebe hin und wieder doreh Abkochen slerilieirt werden kann.
Anf dieser Filzdecke liegt eine allseitig weit aberhftngende dünne Gumroidocke,
darauf der nackte, in ein reines Leinenlaken frchitlltc Patient. Als Nackenrolle
dienen in leinene Beutel gestopfte Holzfaser- oder JutebUudel, welche sich, ebenso
wie die Filzdecke, durch Einlegen in kochendes Wasser leicht sterilisiren lassen.
Die Ansehftnnngen Uber die Sehldiiohkeit der Lnfkkeime haben sieh
im Laufe der Jahre wesentlich geändert, und wenn es auch geboten erscheint,
dieselben nicht ganz ausser Acht zu lassen , so ist ihre Bedeutung doch gering
gegenüber den von der Contactiutcctiuu ausgehenden Gefahren. Uebur die Zweck*
loeigkeit der Sprayapparate ist bereits an anderer Stelle die Rede gewesen, man
hat dieselben bekanntlich ganz aufgegeben. Auderercttts wflre es zu weit gegangen,
wollte man die in der Luft des Operationszimmers cnflinltcnen Schndliclikeiten
gar nicht mehr berücksichtigen. lu Hospitälern mit künstlicher Ventilation oder
Lnftheisnng kann die nnr durch eine Oeffnung einströmende Lnft dnreb Anbringe
eines aogereuchteten Gazefilters vor dieser Oeffnnng von Staub- und 8ehmata>>
partikelchen gereinigt werden (s. Fig. 8). Wo die baulichen Einrichtungen eine
derartige Vorkehrung nicht gestatten, ist es zwtckniSssig, ii.'ich voraufgegangener
sorgsamer Reinigung und LUltuug die Wilude des Upcrutiouszimmers durch
Abrwben mit einem nassen Tuebe anzufeuehten , sodann aber jede ttberflUssige
Loftbewegung tn Yerhlndem, um erneutes Aufwirbeln von Staub Stt vermeiden.
In Privathftupern muss das für die Operatiou bef^timnitc Ziüinier, wenn irgend
möglich, schon einige Stunden oder Tags vorher, nach Fortschaäuug aller über-
flüssigen HAbel, Vorhänge etc. gereinigt, sodann eirea eine Stunde vor der
Operation durch Abreiben der Wiinde, Deeke, des Fnssbodens mit nassen Tflehem
mflgliehst staubfrei irtinacht werden.
Hinsichtlich der AusfOhrung der aseptischen Operation sind
besonders folgende Punkte beachtenswerth : Je schneller man operirt, je wcuiger
Finger die Wnnde berOhren, desto geringer die meidianlsehe Irritation^ sowie die
Gefahr der Contactinfeetion. Daher sollte man von vornherein grosse Schnitte
fahren , um rasch in die Tiefe eindringen zu können und sich . wie bereits
vordem erwähnt, mit geringer Assistenz begnügen. Für die Blutstillung ist durch
Ligatur, Torsion und nadifolgeode eventuell die Operation seltwelse anf einige
Mitiuten unterbrechende Compreasion an sorgen. Es ist sehr zweckmässig, diejenigen
Wundabschnitte , in denen man momentan nicht beschäftigt ist, vorübergcliend
mit sterilisirter Gaze zu bedecken. Als Unterbindungsmaterial benutzen die
Einen Catgut, die Anderen sterilisirte Seide; letztere bleibt, wenn auch nicht
immer dauernd, so doch sehr lange als Fremdkörper im Gewebe li^n und kann
verschiedene rnbequemlichkeiten veranlassen , ersteres wird rascher resorbirt, ist
daher vorzuziehen , besonders seitdem es mit Sicherheit sterilisirt werden kann.
Vor Beendigung der Operation ist zunächst zu entscheiden, ob die Wunde sieh
fBr eine primtro H«lung eignet. Wenn dieses der Fall ist, tritt an nns die
weitere Frage heran, ob die Wnnde drainirt oder durch die Naht
v o 1 1 k o m m 0 n abgeschlossen werden soll. Letzteres erseheint im Interesse
der vollendeten prima intentio als das Wünschenswerthere. Je grösseres Vertraueu
der Chirurg zu seiner gesammten aseptischen Prophylaxe hat, desto aeltmer wird
er sieb veranlasst sehen, zu drainiren. So ist denn an vielen Orten die Drainage
bei allen für die prima iuientii) geeigneten Fällen giinzlich aufgegeben, während
manche Chirurgen, z.B. V. Bkrcmanx und neuerdings Kochkü, die Drains bei-
behalten haben. Letzterer empfiehlt dieselben weniger als ^icherheitsvcutil gegen
etwa vorgekommene Wnndlnfeetlon, er hält sie al>er zwecks Ableitung des inner-
halb der ersten 24 Stunden sich ans.iinuu'lndcn Blutes für uothwendig und nimmt
dieses Vortheiles halber «it ii Nuclitlicii eines nach Ablauf des ersten Tages
erforderlichen Verbandwechsels in den Kauf, verzichtet somit auf die Heilung
tniter dnem Vorband. Wer Anhänger der Drains Ist, bedient au dem Zwecke
eines deealdnlrten Knochen*, Gnmml-, Metall- oder Olasrohres, wer dieselben fOr
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ASEPTISCHE WÜNDBEBANDLÜNG.
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überflüssifr hJllt , näht die Wunde in der pag'. 43 angegebenen Weise zusammwi.
!Pro und Contra soll hier nicht weiter erörtert werden. Verfasser steht auf der Seite
I>erjenigeD, welche niebt dniiüren und wird die folgenden Fregfen wesentiidi von
dieaem Studpnnkte ans erörtern.
Nun giebt es aber manche Wnnden, welche nicht in ganzer Ansdehnuog
geschlossen werden »iürfen . weil eine primilre Heilung- unwahrscheinlich oder
nnmöglich ist. Auch hier siiu] die Meinungen Uber die Art des Wund verschlusses
verschieden; die Einen empfeiilen wiedernm Drainage, die Anderen das Einlegen
TOD Oazestreifen oder Anfüllen der ganzen Wunde mit sterilisirter Gaze, worauf
eventuell einige Tage »pnter die Seeondirnaht folgen kann, in der Art, wie fraher
von Kocher-'*) angegeben wunie.
£s ist ganz unmöglich, das Gebiet der für die prim&re Heilung geeig-
neten und nicht geeigneten Fälle gegen dnander scharf absngrenzen, jedoch
darf man im Allgemeinen wohl sagen, dass der ersteren Kategorie alle Wnnden
angehören, welche unter unseren H.Inden in frischen Geweben entstanden, bei
denen durch Ligatur und ( 'ompressiou eine genilgeiide Blutstillung erreicht
wurde uud wo der Scbiu8s der Wunde ohne all/.u starlie Anspaunuog der
deckenden Haut gelang.
Bei sn stark gespannter Haut ist die Ernährung der Wnndränder, an»
mal in der Umgebung scharf angezogener Nillit»', gefährdet, ea kann da leicht zu
Rand- oder Nahtgangräii mit dcnuirkircndcr Kiterung und somit zur Vereite-
lung der prima inltntio kommen. E-« ist dies eine bislang uicbt genügend
beachtete Ursache aseptischer WnndentiQndnng. Es sind also drei Bedingangea
erforderlich : die Wnnde mus» unter unseren Hilnden entstehen, die Blutung sorgsam
gestillt und die deckende Haut nicht all/u stark gespannt gein, im L'ebrigen mag
man es mit einer grossen oder kleioeD , mit Haut-, Weicbtbeils- oder Knocbca-
wnnden so tiimi haben, sie alle dgnen sich bei aseptlseher Behandlang für die
Auch frische Höhlen- oder Spaltwuudeu , wie sie nach Exstirpation von
Knochengeschwfilstcn , manehen Exarticulationen , Teno- und Myotomien, sowie
nach Osteotomien entütehen, eignen sieb für die gleiche Behandlung, nur muss
man in diesen Fällen den KnodienspaU, resp. die starrwandige HOhle mit ^at
anffliien lassen, es kommt alsdann an der Heilung unter dem feuchten Schorf,
welcher bereits vor vielen Jahren Lister und Vot.iojwx Krwithtumg thaten und
die neuerdings besonders wieder von SCHKDE -'") in Erinnerung gebracht worden
ist. Die vorstehend genannten drei Bedingungen werden bei einer grossen Zahl
aller operativen Fälle an erfüllen sdn, so bei fast allen nicht in unmittelbarer
Nahe der Körperötfnutigen liegenden Gc>rli\viil>t« ii , bei Amputationen, mancheu
Resectionen, Muskel-, Nerven-, Sehnen- und pl isti^^chen Operationen, bei Heraio-
tomien, Radiealojterationen der Hernien. HydrixiL-le etc.
Bei Verletzungen liegt die Saebu anders, der verletzeudo Gegen-
stand war ebenso wenig aseptisch, wie in den meisten Fällen der zunächst von
Laienhand angelegte Deckverband, daher sollte jede in Behandlung gelangende
Verletzung mit Vorsieht beiirfheilt werden; sie ist nicht immer inllcirt, aber sie
könnte es sein. Dies gilt besonders für Wunden mit gequetschtou Rändern, stark
zertrflmmerten Geweben, eröffneten Gelenken oder Sdinenscheiden , sowie fDr
eomplieirte Fraoturen mit grosser äusserer Wunde. In all diesen Fällen wird die
Wnnde, wenn nr.tliig in Narkose, erweitert, sowie nach Entfernung etwa ge-
löster oder ge(iuetscljier , /ernialmter (Jewebstheib* und Kndchensijlitter durch
BespUlung mit sterilisirtem Wasser gereinigt und in ganzer Ausdehuung oder
theilweise mit sterilisirter Oase angefollt. Um allzu starkes Auseinanderweichen
der Rflnder zu v.rhindem, kimnen einzelne Nähte zweck.s Annäherung der
Wundrfinder an^elcL't, eventuell :iu<'li olterer und unterer Wundabsohnitt in kuiaer
Ausdehuuug durc-li teste Mabt vereinigt werden.
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ASBPTIEMJHC WÜNDBEffANDLüW}.
Die TÄmpons liegen 2 — 4 Tage; haben sich bis dahin keine Ent-
sflndungsersoheinaogen eingestellt, zeigen sich nach Eutieruung des Verbandes
die Binder weder gerOdiet aoeh geMhwoIlen, tat keine Eiterung eingetreten,
80 dürfen wir nach Entfernung des Tampons die Heilung durch Anlegung einer
Seeundärnaht iu ganzer oder theilweiser Ausdehnung der Wunde beschleunigen.
Sind aber EntzUndungserseheinungen da, trat locale oder allgemeine Keaction
ein, M bleibt die Wunde nntOrtieh offon, der Tampon wird geweobaett
eventuell durch Anlegung neuer Oefinungen für Abflu?» aller Seerete gesorgt*
Unter solchen Verhältnissen ist man meistens auf Secundilrheilung angewiesen,
höchstens lässt sich dieselbe in einem weit späteren Stadium, bei guter Granu-
Inlion der nidit mehr eiternden Wunde, nach Abschabnng der Granulationen
dnreh AbUtonng und Nnht der Wmidrlndw nbkOraen.
Dies soeben beschriebene Verfahren der Tamponade mit eventuell früher
oder später folgender Seeundärnaht ist der vordem für derartige Fälle üblichen
Drainage vorzuziehen. Jedoch hat letztere noch ihre Anbänger ; in dem Fall wird
die tmegaam geeloberte Wunde looker genäht and cum Thmle nneh Anlegung
passender OegenHffnungen mit Gummidrains versehen, welche für den Secret-
abfluss sorgen. Bei günstigem Verlauf : Entfernung der Drains nach 2 — 4 Tagen,
bei auftretender Entzündung: Ueffhung, Reinigung und Tamponade der Wunde,
tventoeil mit gleiehzeitiger Beibehaltung der die Seerete abfObreoden Drains.
Die obigen Sätze gelten fttr alle Yerletsnagen mit Ausnahme IHaoher,
8charfrandi};cr FL-nitwiinden , DurcLstechungsfracturen und klelnkalibriger Scbuss-
wunden. Bei letzteren wird man nach Ileinigung der umgebenden Haut etwas
steriiisirte Gaze oberflächlich iu die Schussöffnung hiueinschiebeu uud einen
Oenerverband darüber legen; meist Icann derselbe lingere Zeit liegen, nur bei
auftretenden Ent/.ündungserdcheinungen ist natürlich eine frühere Entfernung
nothwendig. Die Durchstechnnü^!?- oder complicirten Fracturen mit kleiner äusserer
Oeffaung sind ähnlich zu behandeln, hier ist Aussicht vorhanden, dass während
de« momentanen Klaflens der Hautwunde keine Infeetionserr^er in die tieferen
Gewebe eindrangen, daher erscheint das Debridement solcher Wunden nicht er-
forderlich. Man reinige nach Schutz der blntenden Stelle durch provisorisch auf
gelegte Gaze die äussere Umgebung, lege sodann etwas .«terilisirten Verbandstoff
auf die Hautölfnung uud darüber den immobilisirenden, resp. Streckverband. Aber
die Wunde bleibt offen, genflht wird sie unter kmnen ümatinden; de ist oft
nach der Entfernung des ersten Verbandes, der eventuell Wochen lang unberührt
bleibt , geheilt. Bei frischen . scharfrandigen Haut- oder oberflächlichen Weich-
theilswunden lassen sich etwa eingedrungene EntzUndungserreger durch reichliches
Bespülen mit gekochtem Wasser und Auswischen mit aterilidrten Schwimmen
oder Tupfern ziemlich sicher entfernen; die Erfahrung jedenfalls lehrt, dass der-
artige Wunden nach fi sti r Naht gewöhnlich prim.lr heilen, wenn man im T'ebrigen
vor und während Anlegung der Naht nach aseptischen Grundsätzen handelte.
Bei «outen Entzündungen wird man die zwecks Ableitung der
EntsandnngBprodnete ansgieUg angelegten Incisionen wdt offen halten und mit
Pterilisirter, rcsp. jodoformirter Gaze anfüllen. Waren GegenßfTnnngen erforderlich,
8(1 kann die Ableitung durch dieitlhen mit Hilfe eingelefjter Gummidrains oder
Gazestreifeu gesichert werdeu. Zur Keiuigung der Wunde siud auch hier des-
inficirende LMnngen im Allgemeinen nicht erforderlieh, sie sind swecklos, weU
sie in die tieferen gleichfalls schon infioirten (iewebe nicht eindringen kOnnen
and an der Oberfilcbe weit weniger leisten uls der eingelegte .lodoformgpase-
tampon. Es genügt daher reichliche Auswaschung mit reinem Wasser.
Wthrend aomit alle Wanden, welche in aeut entsflndeten Geweben anter
unseren Händen entstehen, unbedingt offen bleiben und tamponirt werden müssen,
liegt die Sache für O p e r a t i o n s w n u d e n in chronisch entzündeten G e-
weben durcliaus nicht >ii einfach. lU handelt sich da im We3entli<'lien um die
chirurgischen Tubcreulosen der Knochen, Gelenke und Drüsen oder um Nekrosen
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ASEPTISCHE WUNDBEHANDLUNG.
41
steh »cuter Osteomyelitis. Die tubercuIöBen Drüsen können , sofern es sich am
eeatrale Verkisung oder Vereiterung baadelt, wie andere Tumoren bebandelt und
üe Wunden f ntoh Entfernong der TwgrÖaaertoo DrOsen, durah (iesto Naht
geschlossen werden. Gerade hier sind die Resnltata recht gfloatige. Ist aber die
deckende Haut von Firttelpräng^en durchzog^on oder p^ar untorminirt und preschwflrig
geworden , so muss die Wunde jedenfalls zum Tbeil oiTen bleiben und mit Jodo-
fonngaae gefüllt werden, bis zu gelegener Zeit die Anlegung einer Secundärnabt
mSgtieh endieint. Geleahneeetienen wegen TuberkiloBe sind eehr Tersehieden iv
beartheilen. Bs giebt deren, welche grosse Aniaieht auf primire Heilung bieten,
das sind besonders jene meist älteren Fälle , wo es sich weder um ausgedehnte
periarticuläre Granulationslager, noch Abscesse bandelt, wo der Process viel-
mehr in der Rflekbildang begriffen iit nnd man innerhalb der Epipbysen nnd
dcKtruirten Gelenke abgekapselte enridse, resp. toberkoIOse Herde, in der
GeUnkumpebung bindepewebijre, znweilen von Fistelp'flnpren durchzogene Schwielen
findet. Diese letztgenannten Formen der Gelenktuberkulose eignen sieb meist fUr
die primire Heilung in ganzer Ausdehoang, wenn nur alles Erkrankte, enriOee
Herde, rauhe GelenkkOrper, Sehwielen tanunl Fiilelglngien, grlndUeh entirpirt
wurde. Unter solchen Verhältnissen wird die Wimde nach vollendeter Kesection
reichlich mit gekochtem Waaser ausg^ewaachon , um alle etwa lie<ron g'eblicbencn
tuberkulösen Reste zu beseitigen, sodauu die Blutung durch Ligatur und eventuell
nnehLOrang der abeehnttrenden Binde dnrdi 10 — 15 Minuten danmde Oompreaeioii
gestillt und nunmehr in ganser Anadehnang durch die Naht vereinigt. Besonders
beim Knie-, Hand und Ellbofren-, aber auch bei allen anderen Gelenken , selbst
nach Resectio coxae sehen wir derartig beiiandelte Wunden in überraschend kurzer
Zdt mir Hellang gelangen. Anders sind die weieheren, sehwammigen Formen der
Gelenktuberkulose zu beartheilen ; von Rflekbildang des Proeesses ist hier keine
Rede, der Körper hat A-a^ Ttiberkelgift noch nicht Uberwunden, es ist den vitalen
Kräften bi.slanf^ nicht mö;Tlicb gewesen den Krankheitsherd zu isoliren, daher die
Gefahr der locaieu iiecidive , welche umso bedeutender erscheint , Je grösser die
panrtienllrai Ablagerangea nnd Abeeesse, je wahrseheinlieher die bereits er-
folgte tuberkulöse Infeetion der umgebenden Musculatur ist.
Man kann ja nach ß^rUndlicher Beseitigung: alh^s Kranken auch hier ein-
mal, besonders am Kniegelenk, primäre Heilungen erleben, wahrscheinlich ist dies
nieht und daher liesser, je naeh den loealeii Yerhlltnissen, die Wnnde in ganser
Ausdehnung oder tbeilweise mit Jodoformgase an füllen, resp. zu drainiren.
Erst der weitere Verlauf inuss zeigen, ob eine Beschleunitrun^r der
Heilung durch spätere Naht angebracht erscheint oder nicht. Einschaltend sei
hier nochmals hervorgehoben, dass bei allen chirurgischen Tuberkulosen das io
Gase eingestreute Jodoform als antitnberkaUfses Spedfienm, statt der einfneh ge-
kochten oder Bterilisirten Gaze, Verwendung findet. Die Jodoformgaze wird
am besten in der Weise herfrestellt, dass man in pekochte Gazestreifen aus einer
Glasbttobse mit durchlöchertem Deckel etwas Judutorm dUnn einstreut. Man
kannte vom theoretisehen Standpnnlrte gegen eine derartige Verwendung des
■ieht Bterilisirten Jodoforms Einwendungen erheben, aber die Erfahrung zeigt, dass
es auch in nieht sterilisirter Form ein kräftiges AntiRepticuni ist, welches weder
infectiös, noch bei vorsichtiger Verwendung je toxisch wirken wird.
Ausgedehnte alte Nekrosen mit erheblichen periostalen Knochen-,
sowie parostalen Sehwielenbildungen kommen in neuerer Zeit reeht selten in
Behandlung, weil die jungen Acrzto gelernt haben, den entsflndeten Knochen
durch frUhzeitifre Anfmeisselunfr oder Anbohrunff vor ausfredehnter Seqnestrirung
sa bewahren, immerhin aber werden den Chirurgen noch hin und wieder der-
artige Falle vorgefiBhrt und dann eignen dich dieselben gewöhnlich nieht tta die
primäre Heilung. Letztere kommt nur in Frage für periphere Sequester, wo naeh
Abmeisselunfr der periostalen NculiiMuiitr. Exstirpation der Schwielen, Entfernung
der Granulationen und des todten Knochens, keine Höhle bleibt, suudern die
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ASEPTISCHE WUNDBEHANDLUNG.
abgelösten und mobilisirten Weichtheile direot auf den Knochen gele^ werden
können. Hier, wo die Eiterung meist gering und nicbt fötid war, gelingt die
Reinigung der Wunde durch reichliche BespUlung mit ausgekochtem Waaser in
dem Masse, dass eine primäre Heilung möglich erscheint; daher ist fester Ab-
schluss der Wunde durch die Naht zu versuchen , er wird meistens zu einer
wesentlichen Abkürzung der Heilungsdauer führen. Anders liegt die Sache bei
centralen Sequestern , nach deren Entfernung eine grosse Knochenhöhle zurück-
bleibt, selbst wenn die Todtenlade und Schwielen in grosser Ausdehnung fort-
genommen wurden. Die Versuche, auch hier Heilungen durch Aufüllung der
Höhle mit Blut zu erreichen, sind meist fehlgeschlagen, die Ant'Ullung mit kleinen
decalcinirten Knochenstückchen oder Catgut hat nicht bessere Erfolge aufzuweisen.
Die Höhle muss durch langsame AnfUllung mit Juugem Gewebe und Uebernarbung
des letzteren zur Heilung gelangen. Je kleiner die Höhle, desto rascher der Er-
fol», daher die RemUhuugen, die Kuochenhöhlen zu verkleinern. Fei es durch Ein-
stülpung benachbarter Haut- oder Hautmuskellappen, sei es, wie von Lücke*")
und ÜIKU'^') empfohlen, durch Einlegen gestielter Periostosteophytenlappen, welche
der deckenden Todtenlade entnommen werden. Die durch derartige plastische
Hilfsmittel verkleinerte Wundhöhle wird mit sterilisirter oder gekochter Gaza
Fig. 15.
taniponirt, erst wenn sieh nach mehrfach erneutem Verbände frische Granulationeu
im Grunde der Wunde zeigen, darf daran gedacht worden, durch Transplantation
von Hautrttückchen den Rest der tiefen (ieschwUrsflflche rascher zur Heilung
zu bringen.
Wenden wir uns nun nach Erledigung der Frage , unter welchen Ver-
hältnissen in ganzer Ausdehnung genäht oder taniponirt, resp. drainirt werden
soll, wieder dem eigentlichen Gebiet der aseptischen Wundbehandlung, nämlich
denjenigen Fällen zu, welche ohne Anwendung von Drains oder Tampons zur
primären Heilung unter einem Verbände gelangen sull'-n. Nach V(»llendung des
wesentlichen Theil« der Operation, nach der Blutstillung und eventuellen Reinigung
der Wunde mit gekochtem Wasser, sollen die Wundränder mit Seide oder Catgut
vereinigt werden. In) Allgemeinen legt man die Hautlappeii über die WundHäche
und vereinigt die Känder durch Knopf- oder fortlaufende Nalit. Während der oft
langwierigen Nahtimkffung sickert meist noch etwas Blut nach, auch bleibt gewöhnlieh
ein wenig Luft in der Wunde; beides sucht man durch energi-cho Compression von
allen Seiten her gegen das Endstück des noch nicht vemäht-n Wundabscbnittes,
kurz vor Vollendung der Naht, aus der noch vorhaudeuen offenen Stelle hervor-
zudrängen.
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ASEPTISCHE WDNDBEHANDLÜNG.
43
Neuerdings ist ein Verfahren beschrieben worden, durch welches mit
grösserer Sicherheit Luft, IMut, Serum, WaHser etc. vollkommen aus der Wunde
entfernt werden können, ^''l Dabei wird vor Anlegung der Naht die ganze Wunde
mit gekochter Gaze angefüllt (Fig. 15). Darüber sorgsame Vereinigung der Wund-
rftnder bis auf einen zunächst offen bleibenden Spalt, aus dem das Ende der ein-
gelegten Gaze herausgeleitet wird (Fig. 16), nachdem auch hier zwecks späterer
Vereinigung 2 — 3 Fäden durch die Wundränder gelegt waren. Nunmehr wird durch
einen oder mehrere in Gaze gehüllte Schwämme oder durch Krüllgaze die Wunde
von allen Seiten gegen die noch vorhandene Ocffnung comprimirt.
Was sich inzwischen an Blut und Secret angesammelt hatte, wird in di«
Gaze hinein- , eventuell bei stärkerem Druck durch den noch vorhandenen Spalt
nach aussen gedrängt. Sobald kein Blut mehr aus dem in der Oetfnung liegenden
Endstück der Gaze hervordringt, zieht man unter andauernd mässiger Compression
auf alle bereits durch die Naht geschlossenen Wundabachuitte die Gaze heraus.
Gleichzeitig mit der Gaze dringt aus der Wunde der Rest noch darin vorhan-
denen Blutes , sowie alle noch innerhalb derselben befindliche Luft hervor.
Fig. 16.
Schliesslich werden die schon vorher durchgelegten Fadenschlingen vereinigt und
damit die Wundränder in ganzer Länge aneinander gelegt (Fig. 17). Während
aller vorHtehend beschriebenen Manipulationen bleibt der im Anfang auf die
Wunde gelegte, mit Gaze umhüllte Schwamm, resp. die KrUllga/.e unverändert
in derselben Lage. Dies ist erforderlich , um erneutes Ansaugen von Luft zu
vermeiden.
Zur Zeit der antiseptischen Wundbehandlung wurden an einen guten
Verbandstoff zwei Forderungen gestellt; er musste zunächst die reichlich
durch die Drains hervordringenden Secrete rasch absorbireu und »(»dann das vom
Verband aufgenommene Secret vor Zersetzung bewahren. Dazu eigneten sich die
verschiedensten Stoffe, vor allen Dingen die von Lister empfohlene Carbolgaze,
ft rner entfettete Watte, zuerst von v. Bruns eingeführt, Jute, Torf. Moos, Säge-
spähue etc., alles gut absorbirendes und nach der l'räparation mit einem der
vielen Antiseptica die Zersetzung erschwerende-» Material , welches in Form von
Ballen, Kissen, Binden oder Tolsteru um die Wunde gelejct und gegen aussen
durch eine luftdichte Sehicht abgeschlossen wurde. Je länger die Verbände liegen
und je niclir Wund^iccret sie in Folge dessen aufnehmen sollten, desto massiver
mussten sie f-ein. Daher kamen, zumal seit Finführuiig der Dauerverbände,
ausserordentlich dirke und gros.se, oft recht unförmliche Verbände in Gebrauch.
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44 ASEPTISCHE WUNDBEHANDLUNG.
Das Alles ist seit der aeuen aseptischen Aera anders geworden. Die
Mehrzahl der Wunden liefert kein nennenswerthes Secret und selbst wenn ein
Wundspalt offen blieb oder ein Drainrohr, resp. Gazestreifen eingelegt wurde,
fehlt die Wundsecretion entweder ganz oder ist gegen früher jedenfalls minimal.
Nur wenig frisches Blut pflegt an die Oberfläche zu treten und für die Auf-
nahme desselben genügt ein die Wunde allseitig wenig Uberrageuder dünner
Verband.
Dieser die Wunde direct bedeckende Verband muss absolut keimfrei sein
und da ist es einerlei, ob dies durch besondere Apparate oder Kochen erreicht
wird, ob man sterilisirte Gaze. Watte, Schwflmme, Moos, Holzpolster, Torf, Jute
oder was immer an gebräuchlichem Material nimmt. Der Verband soll unter
massiger Compression auf der Wunde fixirt werden. Dazu genügt für kleine Haut-
wunden schon das Ankleben eines kleinen Gazestückchens mit Photoxyllin , bei
etwas grosseren Weichtheilswunden ist es hinreichend , einen Ballen Krüllgaze
durch Heftpflasterstreifen zu fixiren. Derartige Verbände sind z. B. bei Her-
niotomien , kleineren Geschwulstoperationen und Verletzungen ausreichend. Nach
Fig. 17.
grösseren Eingriffen dagegen lege man mehrere Handvoll Krüllgaze oder wahrend
der Operation gebrauchte, hernach mit Gaze umwickelte Schwämme auf die
Wunde und befestige diesen Deckverband mit einer Cambricbinde. Eine Sterili-
sation der letzteren und etwa noch darübergelegter Fixations- und Streckverbände
ist nicht erforderlich , wenn man sich zum Princip gemacht hat, gebrauchte Stoffe
nicht wieder zu benutzen. Sollte in die oberen Schichten des Verbandes noch blu-
tiges Secret, wie solches besonders bei drainirten und tamponirten Wunden vorkommen
kann , dringen , so wird es alsbald eintrocknen und damit fehlt den jedenfalls
nur spärlich in dieser Verbandschicht vorhandenen Keimen jede Gelegenheit zur
Entwicklung.
Das Austrocknen der Verbände ist in dieser Hinsicht von grosser
Bedeutung:, daher hat man, der von Kiel seinerzeit ausgegangenen Anregung
foIgiMid , uie früher überall gebräuchliche luftabschlicssende Schicht ganz fallen
lassen. So sind denn die eigentlichen aseptischen Verbände ausserordentlich klein
geworden, sie bestehen aus dem sterilisirton , die Wunde direct in möglichst
dünner Schicht umhüllenden Stoff, welcher mit Photoxyllin. Pflaster oder einer
Binde fixirt wird. Darüber kommt hfichstens zum eventuellen Schutz des Bett-
zeugs und zur Unterpolsterung von Schienen etc. gewöhnliche Watte, wie man
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ASEPTISCHB WUNDBEHANDLDNO.
45
•ie aus jeder Fabrik bezieben kann, die aber, wie bereits erwähnt, niemals
wieder benutzt werden darf. Eine SteriliBation üt aas den vorhin genannten
Gründen nicht erforderlich.
üeber die Menge des auf die Wnnde zn paekenden YerbniidatdKw rind die
Meinungen verschieden ; wer wenig Werth darauf legen will, kann das Bischen Gaze
eventuell pleichzeitif? mit den Instrumenten für Jede Operation kochen und dadurch
keimfrei machen. Wer aber vorzieht, die Wunde mit dicken aseptischen Schichten
XU umhüllen — und das sind meist Diejenigen , welobe sich von der Drainage
noeh Hiebt halien trennen können — ftr den lind iweeks Sterilisation grOBserer
Mengen eigene Apparate erforderlieh , wie sf)l''he von SCBIHMBLBüSCH für den
Bedarf sowohl einer grossen Anntalt. des ))raktir»chen Arztes angegeben worden
sind. Letzterer mUsäte ausserdem noch zum Autl>ewahren der einmal steriliairten
Stoffe ^nen aseptieehen Bebüter anaebaflisn, deren e« Tenehiedene giebt, obwohl
ein gewfihnlieher Glashafen ausreichen möchte. Die nftheren Angaben darüber,
sowie Abbildungen findet Jeder, welcher sich dafür interessirt, bei Schimmelbüsch.
Die vorstehend beschriebene Einfachheit der Verbände ist ein grosser
Yorsng des aseptisdiffli Vet£direiM; jeder looale Hantreis fehlt, die nnter den
antiseptiseben Stoff« so bänfig entstehenden Eeseme und Erytheme dnd ver-
sehwnndcn , die Teclinik weit einfacher und vnr allen Dingen machen die
Konten nur einen kleinen Bruchtheil desjenigen aus, was in dieser Beziehung
früher verlangt wurde.
Hinsichtlich der Naebbebandlnng ist wenig za sagen. Man verfibrt
naeb allgemein anerkannten Regeln; mbige Lagerung, wlbrend der ersten Tage
knappe Kost, Sorge für regelm.lssige Stublentleerung. Um die Eintrocknung des
eventuell an die OljerHilehe des Verbandes getretenen Secrets zu be8chleuniK«*n.
ist freie Lagerung des operirten Körpertbeilä, soweit angängig, zu empfehlen.
Vorseitige Entfernung des Verbandes ist nur bei starken Sebmersenf Blutungen
und Entsflndnngserscheinungen erforderlich; in letzter Hinsicht sind nasser AU-
gemeinhefindrn und Kör|)ertemperatur eventuell Schwellungen der Haut an den
Grenzen de» \ erbandes und Druckempfindlich keit der zugehörigen Drüsen zu
boMditen. Das sogenannte aseptisehe Fieber, welebes ftüher in nabesn swei Drittel
aller Fälle beobachtet wurde (Volkmann), tritt jetzt bei kaum einem Viertel sämrot-
liehei- Hehandelten auf, wiederum ein Bewein dafür, dass die aseptisehe .Methode
der antiseptischen gegenüber das weniger irritirende Verfahren ist. Wenn nicht
irgend eine besondere Indication für frühere Entfernung des Verbandes vorliegt,
findet diese etwa statt am 7. — 10. Tage naeb Gesehwntotezstirpationen, Hernie-
tomien, WeicbtbellsTerletzungen u. Ae. bei Gulenkresectionen naeb 15— 20 Tageui
bei A mjMitaf innen nach 10 — 14 Tagen. Im Allgemeinen erreicht man vollkommene
Heilungen in kürzerer Zeit, als mit dem antiseptischen Verfahren. Etwas anders
msebt sieb die Saobe bei tamponirten oder drainlrten Wunden, da bier sweeka
Bntfemnug der Drains oder Verkleinerung des Tampons «n Verbandweebsel
sebon am 2. — 4. Tage nothwendig wird.
Ein derartiger Verbandwechsel musa natürlich unter allen Cautelen voll-
zogen werden. Es ist im Allgemeinen niobt erforderlieh , bei dieser Gelegenheit
die Wunde mit sterillsirtem Wasser sn irrlgiren. Man entfernt die Drains, resp.
den Tampon, reinigt die Wundumgebung mit angefeuchteter Gaze oder Watte,
legt, wenn erforderlich, von Neuem sterilisirto Gaze oder Drains hinein und darüber
den Verband in der triiher beschriebenen Weise.
Naeb vollendeter Heilung wird sum Sebuts der jungen Narbe etwas
Photoxyllin oder Zinksalhenmull aufgelegt. Bei kleineren oberflächlichen Narben-
pesehwüren oder granulirenden. auseinundergewiehcnen Nahtstellen sind abweeb-
selnd mit Salbenverbftndcn Kochsalz- oder Carbolcouipressen am Platz.
Literatur: ') R. Volkmann, üeber den antisepti.schen Occiusivverband und
Beinen F.iiitiiK- unf den IleiUingsprocess der Wiiiuleii. ^'unl^ll. klin. Vortr. 11. — ^) (ienznier
n. VolkmauQ, Ueber »ept. and ampt. Wundfieber. Samml. klin. Vurtr. II. — ') Uanke,
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4H ASEPTISCHE WUNDBEHANDLUNG. — ASPERGILLUS IM OHR.
Ueber dag Thynol «to. Samml. Uin. Vortr. IL — Thiaricli, Kiiaiaehe ErgebniiM der
Lister'schen Wnndbebandlnng und fllwr denf^ramts der Ckrbolgltm dtir«1i SaUeylsaon. Samml.
klin. Vortr. I ') v. 31 os e t i g- M oo r h o f , Der .Todof iniivrilimii .Smiml k!. Vortr , III.
— ") Weichselbaam, Kritik der WundbehandlangsmetlioiicD. Wiener med. Presse. XVll,
10. il. *) Nsvber, Yondill^ sar Beseitigung der Drainage fdr alle fKaehen Wiind«B.
Kiel 1S84. — •) Nenber, Studien über die Bedentunp: des Torfmull« als Verbanclmaffrial.
V. Lgb. Archiv, XXVIII, lieft .i. — Gaffky, Uebsr antisept. Eigenschaften des lu der
Esmarch'schen Klinik ala Verbandmittel benutzten Torfmulls, v. Lgb Archiv, XXVIII, IltfltJ}.
— **) T. Brnos, Fort mit dem Spray. Berliner klio. Wocbenschr. 1880, Nr. 4:^. —
**) Nevber, Technik der antisept. Wnndbebandlang nnd des Danerrerbandes. Kiel 1883. —
") Nenber, Die aseptisclio Wuniitiehniiillnnp in meinen rhir. Privathospitiilern. Kiel I88*>. —
'■) ^chi mmel b Usch, Anleitung zur asppt. Wundbehandlung Berlin 189;^. — ")Fritsch,
Sterilisalionstopf für das Operation.sziminfir etc. Centralbl. f. Chir. 189 ). — '*) bchlange,
üeber sterile VerbandsUiffe. Vcrbandl. der Dentachen Gesellach. f. Chir. lsS7- — '*) Kttmmell,
Wie soll sich der Arzt die Hände desinflciren? Centralbl f. Chr. ISS6, Nr. 17. Kümmell,
Ueber Contact- und Lnliinfection in der praktischen Chirurgie. V> rhandl d I »• utsi Ik-h Gesellsich.
f. Chir. löäö. — Tavel, Die i>terilität der aatisepUsch behandelten Wanden unter dem
asept. Yerb. Oorrespondenzblatt f. Schweizer Aerste. 1892. — ^*) Stabil i, n«>ber Mikro-
organismen unter dem antisept. Zinkverbande. C^-ntralbl. f. Chir. IS'^l. - '*) Lang und
Flacli, Ueber die Sterilität asepti.<4ch und antisepti.seh behandelter Wunden, v. Lgb. Arch.
1892 — *•) Rontsche wsky, Ueber den Rinfluas der antiseptischen Mittel auf die Wund-
heilang. Peterabnrg 189:^. — König, Die madicinischea Neabanten in Göttio^o; chir.
Klinik. Klin. Jahrb. III. — ") Schönborn, Der nene Operations- nnd HSrsaal der chir.
Klinik zu Würzlinrg. Klin. .T.ihrl). III. — '^i Mikulirz, Die lieutiir.' Chirurgie und der
chir. Unterricht. Klin. .lahrb. IV. — '*) Trendeleuburg, Ueber isolirang in Chirurg.
Kliniken. Klin. Jahrb. IV. — Brnns, Der nene Opncationssal der chirnrg. Klinik sn
Tübingen. Klin, .Tahrb. IV. — "*) Fürbrinjior, Unter«urliun<:en ü'mt die Da.<äinfeetion
der Hände des Arztes. Deutsche med. Woehenschr. 1S9B — "'') LiMidiT -r reber troikene
Operationen. Deutsche G^.sollsch. f. Ciiir. 18S^. — Kocher, l^-ln-;- i it.ichaten Mittel
snr Eruelnng einer Wnndheiinng durch Verklebnng ohne Drainröhreo. Öamml. klin. Vortr.
Nr. 2*^4. — Schede, Ueber die Hellnng: der Wunde nnter dem fenehten Blntsehorf.
Arch. f. klin. Chir., XXXIV. — »^Lttcke. Zur o.steopl;»sti.. hen Nekrotomi-. Ci-iitralbt. 1S92.
— Bier, üsteopl. Nekrotomie etc. v. Lan?enl>. Arch. XLlil. — '•) Neubor, Kurze
Beschreibung der aseptischen Wnndbehaadloug. Kiel 1S92. — Ana eigenen Schriften sind
einige Stellen wörtlich wiedergegeben, die Abbildungen den oben genannten Schriften entnommen.
Nenber.
AspergiilUS kn Ohr. (Ver^l. Reat-Encydopadie. II. Anfl., Bd. II,
00 ) Darch üntersuchiinfr von Filllcn von Otomycosen konnte SiFJtBNUANN
die Kcriiitiiissi' \itn den I'ilzbildunticn im Ohre wcsontüeli l)pr('icli('rn und nnmeiit-
lifh crvv:iIiiieii!*wtTth Ut die bisher noch von keiner Seite auge^febene Tbatsaclie,
da88 der Aspei-gillun nidulans im muntiehlicben Obre eine Mycose hervorruft.
Der betreffende Pils ist xnerst von Bidau in den „Beitragen zur Biologe der
Pflanzen von Coh», Bd. III . Tief r .3" bescbrieben worden, unter dem Namen
Steni/inafoci/iitf.9 rndnlanit. Du* Waclisthnni de.s rilze.s orfol^rt am bo.stvii bei
:1Ö — 42^ C. und fructiticirt in dieser Temperatur scbon nach 20 — 24 Stunden.
Der Rasen entwiekelt eieli ganz wie bei den fibrigen Aspergillen; bei der
Fructification nitnmt, vom Centrom naeb der Peripherie fnrt-;<'hreitend, der weisse
Schimmel eine ziinäeli.st hellgraue, dann prrdnlich- bis schiniit/.lirjrr.uie Farbe an.
Die FrtK'httriifi^er sind oft verzweigt und verhoL'cn und .sind erheblieb kleiner als
diejenigen der Agpergillus niger. Vom Aspi i-ijUlus fumigatuä unteittehddet sklli
der AtperffiUu» ntdulan» dnreh die bd der Reife helleren and viel längeren
Sterigmen und weiterbin dadurch, dass sie in diesem Staditim nur locker anhaften.
T'eber den ('onidientr,iL'"ern fiiuleti sieli iioeh l'orithet'ien mit sport-nbiilti^iMi ,\sei
und SlKüKNMAN.v ist aul tiruud seiner Beobachtungen zur Annahme geneigt, dass das
Perithedeim des Aspt-rgiflusnidulan» bereits frflber schon im Ohre gefanden worden
Ist und dem bereits früher besehrieVtenen Otomycen pnrpureuH von WRRnsK and
Bornett entspri('l)t. Allfniitttrs deckt sich die He-ehreibiintr der periannten
Forseber nicht genau mit derjenigen Fiuam's und Llnuts, welcher ci>eufall8
Cnltnrversnohe mit A^pi njUluA nidulans gemacht hat ; aber Im Wesentlleben
besteht doeh eine grosse Uobereinstimmnng. Der AspertjUlus mthihns wurde
von SrKRKXMANX in .'i'Sfi'' der F;1lle trefnrulen und erreichte simiit den Frncent-
satz de» Aspergillu» ßavus. Weiterbin faud Siebenmann ausser den bereits
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ASPERGILLUS lU OHR. — AUÜENHEILMITTEL.
47
bekannten und bescbriebenen Gattungen ein bisher noch nicht beschriebeoes kldnei
Penicillium , welches seiner Kleinheit und Zartheit we°:en Penicülium mintmuri
geoanot wird, feruer einen Pil^, der mit dem Nameu Afucor septatus belegt
wDrde. Das PenietUium mtnimunt bmtelit ans kleinen runden Conidira, welche
mit ihren fr'wch getriebenen Schläuchen aneinander bftn^eii . isolirt farblos
und einfach contourirt erscheineu. Die Friiehttraprer enden nicht in Kolben,
sondern gleichen dcnjenigea von Pericilltum glaucum. Der Mucor septntus,
weleber mit keiner der bekannten Speeles identisch ist, erschdnt in seinem Myoel
farblos, theiis mit spiralfSnnigen Ai^reibiuigen. Die Sporangientriger haben ^dit*
braune Farbe . starke WJlnde mit stellenweise dunkleren und verdickten Stetten»
Die Verzweigung' ist traubig'. Das Sporangiiim ist briluuliclifrclb. kugelig.
Reziiglich der klinischen Erscheinungeu dürften sich wesentlich neuere
Beobachtungen und Tbatsaohen kaum anfahren lassen. In der von Siebenmann
gegebenen Analyse wire bemerkenswerth , dass die Otomycoae in den letaten
Jahren überh.nipt abnimmt, eine Beobachtung, welche sich mit meinen Erfahrungen
auch decken würde. Ein Einfluss der .lahrcszeitcn auf die Entwicklung' der Oto-
mycose Hess sich nicht feststellen, dagegen spieieu iocale Ursachen, und uament-
lieh das Eüngieseen von Oel, Glyoerin and anderen Fetten in den ftnsseren Oeh5r-
gang ätiologisch eine Hauptrolle. Auf Grund eigener Beobachtangen kann loh die
Angabe, wonach (>{f»myco><is besonders bei sfdchen Leuten sich entwickelt, welche
in dumpfigen , wenig gelüfteten liüumen wohnen , bestätigen ; Siebbnmann fand
namentlich nnter den Erkrankten Ltndlente nnd Girtner nnd glaubt als Erklärungen
graod heranziehen za kOnneD, dass in Bauernstnben auf dem Ofen irgend welebe
Baum- und Feldfrilchte dauernd deponirt sind, welche den Ohrpilzen ein günstiges
Nflhrniaterial nnd gute Vegetatinnsbedingnngen liefern. Im Allgemcineu krmnen
die rilzwu«'h( rungtn .selbst bei grosser Ausdehnung lange ohne jedes krankhafte
Symptom bestehen; nur beim Bindringen der Pilze in die Tiefe der Hant nach
vorheriger Maceration der Epidermis kommt es zu entzündlichen Proeeesen im
äusseren ( JelMlrgrinire, -wclelie sieh \ nn der einfachen Otitis i .rt, riin ;nis anderer
Ursache im Wesentlichen nicht unterscheiden. V ielfach bestellt starkes Uhrjucken,
Ansflnss sert^ser oder schleimig eiteriger FIflssigkeit ans dem Ohre, Schmerxhaftig-
keit und geringe Schwerhörigkeit. Bezüglich der Bebandlnng wftre den bisherigen
Methoden kaum iri.'end »'twiis Neues liinzuzuf(l'.reri : .im besten bewährt sich immer«
hin noch unter den vielen empfohlenen .Mitteln der Alcohol ohsolittns ; Sikbkn"-
MANX empfiehlt die von Ük/^ui.d angegebene Methode mit 2%igcm Salicyialkoliol.
Der Mcohcl ahaolutua wird nach vorheriger Reinigung des Äusseren Qehörganges
2 — 3mal täglich in denselben eingegossen und etwa 1.5 Minuten im Ohre Iiel.is.sen.
Der S.ilicylalkoliol wird 'M\r.\\ tilglieh in derselben Weiso angewendet, nai'luliMii das
Ohr mit einer 4*^/oigeu Borsiiurelösung gereinigt war. Von sonst noch empfuhleuen
Mitteln nennen wir Sublimatalkohol 0*01 : 10*0, Natt, auhtulf. 0 2 : 30*0, Acid.
huriei und Jodoform aa, Aeid. horiei nnd Zinci oxydaL an Einpnlrerungen in
den äusseren Gehdrgang.
Literatur. F. Sieb enmann ia Basel, Nene botanische and kliniücbe Beitrage
BW Otonjoose. Zeitschr. f. Ohrealik. ih89, XIX, pag. 7. — Lindt, MlttheilniigeB Aber einige
pethologisehe SchiBunelpilse. Archlr f. azp. Patli. n. Flumn. 1886. b. Baginiky.
Augenheilmittei. im XXIV. Hände dieser Encyclupüdie wurde auf pag. 395
kurz' des FInoreseeTns Erwähnung gethan. Es wurde zuerst von PplüoRS*)
1^82 zu physiologischen, später im Jahre 1888 von Straub 2) und 1889 von
Tii(iM.\ij.A 'i zu diaL'iuistisehen Zwecken verwendet; seitdem sind darflber Arbeiten
von Fromm und (iK0Exuuw<i, zuletzt von Nieden^i vtrniVentlieht worden. Man
wendet entweder das FluoresccYnkalium oder das Fluorescinnatrium au ; ersteres
ist voranaiehra; das Flnoreeein ist kein Farbstoff, sondern ftrbt erst nach vor-
bergohender Oxydation zu Fluoroscelki. Man wendet am besten 2*>/oige Lösungen
an. Da die genannten Salze schwerer erhältlich sind, kann man sich folgender
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48
AÜGENHEILMITTEL. — AUBICULA.
Verschreibang bedienen : Up. Fluoresce'in 0*2, Xatr. carb. 0 35, Aqu. dest. 10.
YerdüuDte Lösungen «lud im durch fallenden Lichte citronengelb , im auffallendeD
hdigrilii; die Homluint wird daber, d« ale vsm nntorgnuide die dunkle Papille
und Iris hat, grfln, die Bindehaut mit ihrer Wttaeea Unterlage gelb gefärbt. Die
Färbung tritt nur an solchen Stellen ein, an denen dag Epithel fehlt und darauf
beruht die vorzügliche diagnoatiache Verwendbarkeit des Mitteis. Man träufelt
fliaeo Tropfen der Lderag ia den ffindebutBeek ein, nach einigen Seennden iit
die Pftrbnng eingetreten, womuf man den flberflflsaigen FarbatdF mit Innern
Wapser wegsplllt. Nach längerer Kinwirknng diffiindirt sieh der Farbstoff in die
Umgebung, selbst in die franzr Cornea ; nach drei Stunden ist die F,1rbiin^ wieder
vollständig geschwuudeu. Das Mittel wirkt absulut uicht reizend auf das Auge.
Zu Demonatrationasweeicen iat ea vorsttglidi geeignet, aber aneh dem praktiMben
Arzte wird es die Diagnoae erleiebtern , da Defecte, welche mit Lupe aod seit*
lieber Ueleuchtun«? kanra sichtbar sind, mit (Iberraschender Prägnanz hervortreten.
Besonders beben sich die dendritischen (ieschwUre, Uber deren Form man ohne
Firbung keine reebte Vorstellung erhält, selir aebOn ab, wie ieb wiederholt gesehen
habe. In diesen Fällen habe ieb aneh daa Tiolette Pyoctanin mit Vortbeil ver-
wendet und zugleich mit FluoresceYn eingeträufelt, wodurch sehr schöne Doppel-
i^rbungen zu Stande kommen, violette Linien mit grüner Einfassung. Zur Beur-
tbeilung der von Tag zu Tag eiutretenden Veränderungen kann es kein besseres
Mittel geben.
Bei ungeberdigea Kindern mit phlyctänulären Geschwüren kann der minder
Geübte leicht erfahren, ob das Geschwür regressiv ist oder noch progressiv, nur
in letzterem Falle tritt Färbung ein. Entferuung vun fremden Körperu aus der
Hornhaut, falle aie aebwer an sehen sind, wird erleiebtert. da sie rieb mit einem
grünen Hofe nmgeben.
NiKDEN') macht darauf aufmerksam, dass die recidivin ndc? Keratitis, die
nach traumatischen Epithelialverlusten auftritt, indem das neugebildete Epithel
wieder auafAllt, leicht durch Flaoresoelnf&rbung erkannt and dann dnreb den
Qalvanoeanter geheilt werden kann.
Fhohlich ") empHehlt zu gleichen Zweck(«n das Aescorcin, das aus
der Kinwirknng von Natriiinihydrat auf Aeseuletin entsteht und weder zur Gruppe
der Anilinfarben, noch /.um Fluuresciu gehört; es färbt in 10 —^O^ oigcr Lösung
E|rftheldefeete und Loekerangen pnrpnrrotb; die Firbnog tritt aogldeb dn nnd
ist nach 2—'^ Minuten wieder verschwunden. Daa Aesoorein diffundirt nnr soweit
als die den Defeet umgebende Partie geloekert ist, also weniger wdt als das
Fluorescetn.
Da man Anti«eptiea an der Cornea nieht dureh genOgeod lange Zeit
einwirken lassen kann, wendet DB WflCKBB Glasschälchen an, die den künstlichen
Augen ähnlich sind und die man unter die Lider schiebt. Durch eine in der
Mitte angebrachte Ueflnung füllt man bei Hückenlage des Krauken die autiseptische
Flüssigkeit, die man nun beliebig lauge mit der Cornea iu Contact lässt. Sie
maehen keine Belftatigong und lassen sieh selbst bei Kindern anwenden.
Literatur. ') Pflüger, Zar Emährnng der Cornea. Klin. Monatslil. f. AiiLr r lik.
Itö2 — ') Straub, Fluorescinfarbang ais ein diaguostische« Hilfsmittel für ilorabaat-
•rkrankangen. Centralbl. f. prakt. AngenheHk. 18^ — *) Thomalla, Ueber die Firbmg dar
erkrankten ilomhaut mit FliMiriM iu um! Verwendurii: dieser Färbung bei ."Stellung von DiaK-msen
nnd Ditt'erentialdiagnoseu Greilswulil ( Vutralbl. f. prakt. Auet iilik. lss;t. — *) Fromm
nnd (iroenouw. üeber die 4liagn<>Htiscbe Vorwcntlbarkeit der Fluon'si - intarlinng bei Augen-
erkrankungen Arch. f. Aagenhk. iHÜi. XXII. — Niedeo, lieber den Werth der Fluoresceln-
farbuii? lür diei galvanocaostiache Bebandltmr. Centralbl. t'. prakt. Angenbk. Hai 1891. —
•) Friihlich, Aescoicin als diacno^tiscber Fartstuir Arrli. f A<i>:enhk. ISir^, XXIV, •}. —
') de Wecker, Di l'antisep»ie com^eue, Arch. d' Ophthal m. LQ^i^i, Xll, 4. Beuss.
AuriCUla. (Vergl. Real Kncyclopadie. II. Aufl., Bd. II, pag. 267 und
Bd. XIV, pag. .'iGG.) Der Ohminschel ist in neuerer Zeit etwas mehr Aufmerksam-
keit zugewendet worden, suwohl vou Seite der Auatumeu, als auch ganz besonders
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AU Rice LA.
von manchen Ohronftrzten. wolchi- die Deformitäten flcr Ohrmu-iclu'l jr<*nauer sttulirt
und beschrielttn haben. Hesnnders HnreL-^piul tilr L'i wisse anatomische Studien
bezüglich der Ohrmuschel wirkte eine I'ublii'atiuii des Authropobgeu Kmil Schmidt
Aber Vererbung individndl erworbener Bigensehaften , in der er den Nachweis
erbringen zu können vermeinte, das^ tine Mis>>bildung des Ohrlü] j) -Ii' ns bei einem
Kindel als VenTbiinpr seitens der Mutter gedeutet werden mdsste, da die Mutter einen
ganz ilhnlichcu Dctect an dem Ohre der gleichen Seite bes&ss. Wenn wir absehen
von dieser interessanten und wiebtigen Frage, wdobe von WErssacANX, His,
Oscar Israel im entgegengesetzten Sinne, von Ornstbix hingegen bentittigend
beantwortet wnrde, hat sie di»ch zu neueren anatomischen und vergleichend-
anatomiscben Studien Veranlassung gegeben. Die Ohrmuschel entsteht bekanntlich
beim Embryo aus einer Anzahl von Höckern , welche diu Ränder der ersten
Kiemenfurebe begrenien. Naeh His befinden sieb beim Mensehen seeha solcher
Höcker, welche um die Ohrmuschel hemm einen Ring bilden nnd allnifllig eine
Umwandlung in die nhrmnscliei erfahren, so d«ss aus dem ersten Höcker, dem
Tuberculuin tia(ficum, der Tragus, aus dem zweiten, Tuöerculum a/Uicum, das
Cru3 helicis, ans dem dritten die Helix, ans dem vierten, dem Tuherculum
anthelicutj dit- Anthelix. aus dem fünften, dem Tubtreuluni antiti (np'cu „i ^ der
Aiititrn'„'iis wird: der srelistr ntTi'k<'r verwUchst mit dem Eckwnlste des l'nter-
kieterbogcns und hier bildet sich das Ohrläppchen. Im weiteren Verlaufe der
Entwiekinng treten an der Anthelix die beiden Scbenitel auf. His tbeilc nun die
ganze Ohrmuschel in drei grossere Bezirke ein: 1. Das Oberobr, welches Uber
dem Cr IIS Ii'-Iicix gelegen ist, 2. das Ilinterohr, welches aus den Camlae hcUcis
und iiiiihiJin's best«-ht und bandartiir hinter der ('Hnelia herabsteifrt. und 3. das
Unterohr, das unterhalb der (.'(»ncha liegt uud ührliippchen , Autitraguä und
Ineüura infertraffiea nmfasst. His bezeichnet als Area praelobulari» den vorderen
Theil lies Unterohres, welcher durch den Sulcm in-uehif.uJin-is vom eigentlichen
Lcbiilus L'etrennt ist. her unter detn Antitragus liegende haken fr>rnuge Knorpel
streiten heisst JJuijida auriculae und ist eine unmittelbare Fortsetzung der
gesammten Knorpelplatten des Hinterohreg; mit der Spitze naeh vorn gewendet,
dient sie bei ihrer Lage in der Wnrzel des Ohrlüppehens als Skelet desselben;
es darf d;(h. r d;is Ohrliippehcn nicht als völliir knorpellos besseiehnet werden,
da 08 in der Linnul.i eine knorpelige Stütze besitzt.
Phy«iolugi8eli wird die Ulirmuschel des Menschen als ein rudimeutares
Organ anfgefasst, welches bei der Einbusse der Beweglichkeit fnnetionell fast
bedentungslfM ist und obschon die klinischen ErfahrnngCD zu Gunst* ti lieser Auf-
fassung verwerthet werden mfls-icii. Ii.it Schwaluk doeh auf (irund anatotnisehcr
neuerer Untersuchung den Nachweis erbringen können, dass die Ohrmuschel des
Menschen nur theilweise reducirt erscheint nnd dass sie bei ihrer fein entwiekelten
Form am Menschen noch physiologische Aufgaben haben müsse. Welcher Art
dieselben sitiil. werden weitere ir»'naiierr Ciitcrsnclniniren und ]?e'>h;ielitUML'"en ergeben
müssen. An Theorien, hier erklärend naehzulieltVii , fehlt es bekanntlich nicht:
Politzer ist schon lange der Meinung, dass die Ohrmuschel durch Reflexion von
Sehallwellon in den Äusseren Oehfirgang wesentlich zur intensiveren SchallempGndnog
beitragt und auch Mach h.tit die Ohrmuscheln für aeustisch immerhin wichtige
Organe, indem sie Hesonatorcn für liöhcre T«'.ne sind, deren Wirkung theilweise
von der Stellung gegen die Schallrichtung abhängt.
Von gewissem Interesse ist weiterhin die durch Gradehioo nnd Pbtroma
Ryle hervorgehobene Thatsache , dass bei (Jeisteskranken und Verbrechern
Deformitiit<-ii d'T niirmnschel in relativ grosser Zahl vorkommen, ieienfalls hiludger
als bei nurmalcu Individuen und dass, während bei letzteren nur unwesentliche
Abweichungen vorherrschen, wie z. Ii. einfach angewachsene Lippchen, anf das
Läppchen fortgesetzte Ftnua teaphofdea n. 8. w. , bei Geisteskranken nnd Ver-
breehern IiingeL'en sehr bedeutende Mis'^bildungen zu constatiren sind, ao z. B.
weit abstehende Ohrintischeln, Asymmetrien der Einpflanzung, auf die Wange ver-
Eacyclo]). Jahrbücher. III. 4
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50
AÜRICÜLA.
läugcrtes Lflppchen u. s. w. Die Abnormitäten der Ohrmuschel sind prewöhnlich
bilateral, zuweilen auch blos unilateral, letztere im Allgemeinen häufiger auf der
nebten Seite, nnd swar sowobl bei Männern, wie bd Franen, mit AnsnAbme der
abstehenden Ohren, weiche bei Männern viel häufiger linksseitig ^ind. Gradrnigo
findet refrelmflssiffe Ohrmnsebeln bei normalen Männern in 56'2-' ,,, bei normalen
Frauen in Öö'ÖOyo, bei gülsteskrankeu Männern in .SB'ö^/o, bei geisteskranken
Frauen in 46^'« und bei Verbrechern nur in 2&'2^i^. In ftbnliober Weise zeigen
aidi die Beenltate der Beobnebtnogen Pstrona Etlb's im 8tnfip;efibigniMe m
Zlirieh ; es wurden 100 Gefarp:ene untersucht, bei denen alle ohne Ausnahme
Abnormitäten der OhrmuHehel in den versehiedenston Arten erkennen Hessen, so
dasB dieselben immerhin als gewisse Degen erationazeichen unter Liustiindeu auf-
gefasst werden iclhinea. Selbstveretilndiieh ereoheint namentlieb die Gombinatioa
mit noch anderen Bildungsfeblem fDr die Beurtheilung von besonderer Bedeutung,
wenn auch für den Zusammenhang selbst eine bisher dureh wissenacbafUicbe Grilnde
gestützte Erklärung nicht gegeben werden kann.
Literatur: EmlliHchiuidt, Ueber Vererlmnp individaell erworbener Eifren-
schaften. Bericht über die XIX. allgemeine Versammlung der deutschen authro|»tdn^M>' Inn
Gesellschaft zu Bonn, 6.-10. AngDst 1868. Correspondenzbl. d. deatsuhen Ges. f. Aatbr.
November lf88. — Oscar Israel, Angeborene Spalten des Ohriappcbens. Ein Beitrag sor
Vererbungslehre. Vircliow's Arch. 1890, CXIX, pag. 241. — W. His, Znr Anatomie des Obr-
lajipchens, Arth. f. Anat. n. Phys. Anatom. Abth. 1889, Heft 5 u. ö, pag. .'iol— 3CKS. —
Si hwalbo, Das Darwin'sche Spitzohr im nien.<ichlichen Embryo. Anat. Anzeiger. 1889, IV. —
Derselbe, Inwiefern ist die menschlicbe Übrioaschel ein mdimentires Organ? Arch. f. Anat
n. Phys. Anaf. Abth. Snpplementbd. 1889. — Gradenigo, Obmascbelentwlelclnng bei
Menschen n. Sanfjethiwn. Zeitsehr. f. Ohrenhk \1X, ] '^S.'. - T)( t - > Iti.. Z'ir Mnriiholopie
der Ohrmti-'i hi'l bei gesunden und geisteskranken Meuächeu und Delinquenten. Arch. f. Ohrenhk.
1890, XX.\, ii ip. 230. — Derselbe, üeber Formanomalien d. Olirmaschel. Arch. f. Ohrenhk.
Ib91, XXXll, i.afr 2U\.' nnd ls\^2. XXXni. pag. 1. — Petrona Byle, Teber Bildungs-
anomalien der Ohrmuschel. Ding, inaug. Zürich 1891. Ii. Baginskv.
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B.
Bäd. Febcr die. Kinwirktinp- des Hades auf die erkrankte Haut
sprielit sich E. 8aai,fh.i> im Gcfreiisatze zu der von nianolicn I^ermatolog'en auf-
gestcUteu These , dass bei Hautkrankheiteu von der Auwendung von Wasser
Abstand |ir«nomin6ii werden raflme, dabin ans, daas bei dner ganzen Reibe Ton
Dermato> II «Iii Budcr indicirt erscheinen. Die wesentlichste Wirkung des Bades
auf die erkrankte Il.-iiit ln-slelit darin, das« eine Erweichung der Epidt-rmis und
der ihr auila<reniden fremden Substanzen , das heisst des Schmutzes sowohl wie
der Krankbeit.4produote, der Sebuppen, Borken nnd Kroateii eintritt; tetam dient
das Bad ala sebUtzende Ilfllle bei ausgedehntem Epidermisverlnst und Geaebwfln»
hilflungen. Ausserdem ist das Rad als Vehikel für medicamentose Stoffe ein Heil
mittel erste» Hanges, das speciell iu Form zablreieher natürlicher Quellen
eclatante therapeutische Erfolge aufzuweisen hat. Die Berechtigung der Bäder
ergebt sieb also bei allen Fillen, «o wir eine maeerirende Wirkon^ beabdebtij^en,
wo wir eine N'erminderung von Infiltraten hervorrufen wollen, ausserdem wo wir
calmirend auf die Haut einwirken wollen. rVinlraindieirt im Allgemeinen erscheinen
Bider bei Hautkrankheiten im acut-cutzündlicheu Stadium. Beim chronischen
troekenen Besem er«ie1en Bider bftnfig sehr gnte Erfolge. Eines der hervor-
ragendsten Symptome, die immer wiedcrkdiraide Bildung von Schuppen, wird
durch das warme Bad beseitigt, besonders wenn demselben nuMlicanuMitiHt' Stoffe,
speciell Alkalien, Seifen verschiedener Art, Thecr und ähnliche Mittel hinzugefugt
werden oder geeignete Stoffe, namentlich Schwefel, in den natürlichen Quellen
%*orbanden sind. Manebe Patienten mit obronisdtom Beaem vertragen alierdingn
kein Wasser, ebenso dann, wenn das Eczem das acut-entzündliehe Stadium noch
nicht überschritten bat. Bei Neigung zu reeidivirendem Eczem übt die Seeluft
und das Seebad schädlichen Eintluss. Bei i'soriasis kommen Tbeerbfider und
Sebwefelbftder mit Erfolg aar Anwendung und beobaebtet man bei hartnlelngen
Fallen von Pson'dst.-. rnhjaris in relativ kurzer Ztat an den Schwcfelthermen
Heilung, in demselben Masse, wie dies auch bei Arne riiUjaris und Furunculosis
gilt. Bei der letzteren Erkrankung kommen auch Bfider mit Zusatz von anti-
aeptiacben Mitteln, BSder von flbenoangansaurem Kali oder Snblimat in Betraebt
Dieaelbe gote Wirkung von Bädern mit Antiseptieis kann man auch bei Pem-
phigus, be>nn(lers wvww er Kinder betrifft, beobachten. Die Scliildlichkeit der
Seebäder und auch der Flussbiider bei Personen, die zu Furunculose neigen, ist wohl
dadurch bcdiugt, dass ihre Haut der iuvusion von Schmutz, respective Eitererregern,
die im Heere und in den Flflssen vorbanden sind, leiebter augingUeb ist als eine
normale Haut. Bei Prurigo des Kindesalters sind warme Bider, besonders wenn
sie in prolongirter F<>rni al< Tlieer- oder Schwefelbäder zur Anwendung kommen,
von günstigem Eiullu.Nsc, da sie die bestehenden Infiltrate und KuÖtchcu mehr
4*
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52
BAD.
oder wenifjcr zum St'hwiudeii bringen und gleichzeitig den .Juckreiz uud da'«
secundAre Eczein mindern ; mehr kühle Bäder von kur2er Dauer mit oder ohne
Zusatz von Stirke oder Kleie wirken auf das erste Stadium der Prurigo, die
ürtioaria, ausserordentlich beruhij^end ein. Das permanente Wasserbad wird mit
NutztMi bei ausgedehnten Vcrhreuiiuriireu oder bei mehreren über den K<'»rper
verbroileteu gescbwürigcn Trocesseu zur Anwendung gezogen. Bäder üben einen
beruhigenden Einflnss bei vielen Fftllen von Hautjucken, das als nervös
beaeiebnet wird, hier schallen einfache, lauwarme protrahirte Bäder, besonders
aber Tlieerbäder, bedeutende LindcrunL'. Reim Herpes tnnsumnit wird man
von Bädern Abstand nehmen, da durch etwaige losgelöste Schuppen andere, bisher
gesunde Stellen befallen werden können.
Aueh Lasbab bekimpft das Axiom, daas man die Eozeme nieht mit
Bädern behandeln ddrfe. Ob frisch entstanden oder durch Jahre umherfreschleppt,
sind seit einer Ivcilie von Jahren v<m La!<^.\r die Kczeme einer Bäderenr niiter-
zogeu worden und ausuahmslod mit dem denkbar günstigsten und sichtbar nur au.s
dieser Bebandinngsweise herrQbrenden Erfolge. Selbstverstftndlich aber ist ee mit
dem Bade allein nicht getban. Seine Indicationen beschränken sieh auf die
Be-^chatTiini; der Wnndreinliehkeit , auf die Entfernung sordider und parasitärer
Haltungen uud die Beförderung der Hesurptiou \ ausserdem kommt ihnen Linderung
der Spannuog, des Juokens und der Sehmersen an. Alle flbrigwi Eh-fbrdernisse
der Dermatotiieraple mQssen neben- nnd hinterher Brftlllung finden. Speeiell betont
auch T-iAssAiJ, dass N e n n do r f , Aachen, Sehinznaeli. Baden, Mehadia
nnd amliTc Si-hwrlflljüder •reiren epidermidale Ilautlci ien . alle Sool<iuellen bei
lnliltrutinuH/.uständcu, aber aueU alkalische und Akratuthcrmen gegen verscliiedene
Flechten wirksam sind — durch HinanfBgung efaier kuna^rereehten Localbehand-
lung wird die dermatolo^jische Wirkung dieser Badeorte erheblich gewinnen.
Ri /fijrlich der Hä derwi rk u n beim chronischen Rheumatis-
m u s hebt Luimanx bct>undors die Moorbäder hervor. Die aus dem Franzenabader
Moore bereiteten Bäder enthalten 3% schwefelsanres Eisenoxydul nnd bis l*/a^'o
freie SehwefelKäure Eine direete Einwirkung dieser Stoffe auf den rheumatischen
Proce*;« ist wohl kaum anznnebnicn ; es stobt aber fest, dass das M(>i)rbad nur
in F()lL,'e eines Gehaltes an freier Schwefelsäure und Mineralsulzen einen so
intensiven Heiz auf das Hautorgan ausübt, dass dadurch nicht nur vorUbergeliende
Aendemugen in der Blutvertheflnag herbdgertthrt werden, sondern aueh der
ganze Stoffwechsel due machtige Anregung erfährt. Fördert diese Wirkung aber,
wenn aneli indirect. die Anfsaiifrun-r ebnmiseher Enl/rmdmiirsj)rndnete, so •rewinnt
sie für die Behandlung des chronischen Rheumatismus auch insoferne grosse
Bedeutung, als den bei längerem Bestehen der Erkrankung sieh entwiekelnden
Krnährun^rsstörungen ent^refreuirewirkt wt-nlfii mu-^s. Oertlieli wirken die Moor-
l>äder bei rln'Hiii:iti<<'}icn A tliciifincn ähnlich wie heissc Bri'iiur.si'lilaire. Si-* ver-
ursachen eine reichlichere Blutzutulir nnd damit eine stärkere Uurehfeuchtun^ der
erkrankten Gewebe, wodurch die Schmelzung chronisch entzündlicher Ablagerungen
bewerkstelUgt und deren Enttounng aus dem Organiamua angebahnt wird. Diese
Wirknn}? thdlen die Moorbäder mit anderen Bilderarton , biefoti aber vor diesen
mancherlei Vortheile. Das Constitnens des Moorbades sind PHanzcnn-ste und andere
organische Substanzen, die als schlechte Wärmeleiter ihre Temperatur uur langsam
an die Umgebung abgeben. Der Moorbrei kühlt langsamer aus als gewöhnliches
Wasser oder eine einfache Sa1zlö>iun<;. liisst den Badenden aber auch die Wärme
nicht so intensiv emplindon , wird daher unter sonst l^Ii idier) rmständen eine
geringere Aulregung des Nerveusystems hervorrufen. Das ermöglicht aber nicht
nur eine längere Badedaner, sondeni audi eine leichtere Anwendung hOherar
Temperaturen, ein Umstand, der gerade bei Behandlung des Rheumatismus in die
Wairschale fallen muss. Im All;;cmcinen wird das Moorbad von Hheumattkern
nieht nur sehr gut vertragen, s indern aueli dort, wo eingreifende Verfahren keinen
Mutzen oder gar Verschlimmerung bnichten. Solche Verfahren sind die heisse
BAD.
53
Douchc im warmen IJade , licsuiidcrs wenn unmittelbar darauf noch eine forcirte
Massage t'ulgt, die Kaltwa.'iserLieliandluDg uud auch die Seebäder. Diese Bebaudlungs-
arten dgnen sidi nnr für krifkige Constitotionen and robuste Katuren mit ToUkonunaD
geanndem Nervensystem. Hingegen wird eine Muurbadecar für Altere Leute,
nfrv(^8e . sehr reizbare , in ihrer Ernlthrun? herunter^ekomnieno nnd anämische
Individuen augezeigt sein, ferner für Frauen, bei denen gleichzeitig Störungen in
der Genitalicphflre vorhanden sind. Hierbei bilden auch eompenrirte Hersfebler keine
absolute CoDtrftindication. Sehr günstige und schnelle Erfolge werden beim chroni
seilen RluMiinati^^imis erzielt, wenn man die l!ade<'iir in zw erkni;l<si}rer Weise mit
mecbanisclier Hehandlunfr verbindet. Moorbilder und Massage er;;änzen sich getren-
seitig in ihrer Wirkung ; die Elektricitilt kann ebenfall» mit Nutzen angewandt
werden. Neben der Biderbehandinng kann die entspreehende Mineralwasserenr
einhergehen. Anflmi^chen tmd schlecht gen.-ihrlcn Kranken giebt man alkalische
und eisenhaltige, kräftigen Individuen alkali-clie .Mineralwässer mit Nutzen.
Leber die Wirkung der Seebäder hat Lixdemanx mehrfache Vor-
soehe angestellt, die ihn tu folgenden Resultaten ftthrten: Der Pals wird nach
Wannenbädern mit Meerwasser verlangsamt, und /war weit intensiver als nach
gleichtemperirten Süsswasserbädern. Der pulsv irlangsamonde Kintliiss de-; See-
wassera trat zumeist ö Minuten bi.t ' ^ b^tunde uacb dem Bade am deutlicbsteo
üum Vorschein, hatte 1 Stunde nach demselben nur um ein Geringes abgenommen
und war 3 Stunden nach dem Bade in der Mehrzahl noch vorhanden, wfihrend naeh
SflsswaPserliJldern der Puls dann meist beschleunigt war. Bei einem dureh Zusats
von kiinstliehem Seesalze bis zn lO " ,j Salzgehalt verstärkten Seewasserbade war
die l'ulsvtrlaiigsamung besonders ütark ausgeprägt, bezüglich der PuLscurven war
die Verkleinerung der Pnlsenrve als Ansdrook fttr die Oeftsseontraetion , sowie
die spater stark erhöhte Pulscurve mit krSftig ausgeprägter primärer Elastieitftts-
welle :ins^^ppr.1ffter nndi den Sechädern als nach den Süsswasserbädern. Bei
kflhleu Seebädern, für Kinder angewendet, wurde die Pul.scurve viel unregel-
mSssiger als naeh gleiehtemperirten Sllsswaaserbftdem. Der Blntdrnek xeigte sieb
sofort nach dem Seebade erniedrigt, doch war meist im Verlaufe der ersten
Stunde naeh dem Bade der frühere Stand erreicht und tibertroffen , so das-j als
schliesslieher KflVct der Seebäder eine Blutsteigernug zu eoustatiren war , aber
nicht wesentlich verschieden wie nach SüHHwasHerbädern. Der Pulsverlangsamuog
entsprach, wenn auch nicht so eonstant, eine Verminderung der Respirationsfreqnens.
Sofort nach den Seebädern war die Hespirationsfrequenz stets erhöht, doch trat
bald eine riiikehr ein. Mit der IJespirationsverminderun!; ginjr auch stets eine
merkliche Vertiefung der Athcmztige einher. Bezüglich der Körpertemperatur
seigto sich , dass diese um einige Zehntel sich höher zeigte als naeh den Sflss-
wasserbädern, auch dann, wenn, wie nach kalten Bädern, eine Temperaturerniedri'
fiung eintrat. Im Gegensätze hierzu verhielt sieb die Hauttemperatnr. Dieselbe
war fast in allen Fällen nach den Stisswasserbädern rascher erhöht und schneller
der Stand vor dem Bade erreicht und Ubertroffen als nach den SeewasserbSdern.
Naeh den Seewasserbildern zeigte sich Verfeinerung des TastgefDhles. Phjmiolo^seh
lassen sich diese Versiu h^ergebnisse so erklären, dass der Salzgehalt im Seewasser
wie ein intensiver Hautreiz wirkt, welcher refleetoriscb auf d« m We^'o der sensiblen
Nerven eine starke Erregung des Vagus uud Gefässncrvencentrums im Kücken
marke veranlasst. Die Bader in der offenen See verhalten sieh Ahnlieh wie kflhie
Vollbäder mit S. cwasser. Nicht allein die KUte, sondern auch der Salzgehalt
ders(dben bat eine Ptil<\ crl-inir^amnng geraume Zeit nach dcni Bade zur Folge.
Die unmittelliare wie bleibende Wirkung der Seebäder bezeichnet LiNüKMANN
dahin: Kräftige Erregung mit nachfolgender Kräftigung des Heraens nnd dw
Cireulation, besonders der Hantcireulation. Der Unterschied der Wirkung des
k.ilton Flu>-sbades und kalten Seebades liegt darin , dass hei letzterem zn dem
Kältereize noch der Hautreiz des Seesalzes hinzutritt. Hierdurch wird die letlcc-
toriscbe Hemmutigswirkung auf das Herz durch den Vagus, sowie die energisch
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BAD. — BAKTSRIBN.
presiloriüebe Wirkung durch Erregung der Cjrefäasnerven verstärkt, eine iebbattere
WtniMMtenung in den der Eatit angrenzendeD Oewebeo, besoaden der Mnskel-
lebicht, bald aber eine intensivere RQckkehr den Blutes zur Haut, eine stärkere
Reaction erzielt. Diese letztere Wirkunfr wird im Set'li.idp l)(>sonders begünstigt
durch den Wellenschlags, welche als kr&ftige Uautt'riotion analog der Badeabreibang
reactionübefördernd wirkt.
Literatur: Edmnnd Saalfeld, UderbeliaBdlnog bat den Hantkraakbeiten.
Verhandinnpen der 1-}. «iffontl. Versammlnng d> r Balneolopischen Geaellflchaft. Berlin —
Oiicar Lassar, liuderbehacdlung d. Kczeme. Iliidcm. — (inMtav Loima n n, Zur Therapie d.
chronischen Bbeomatisnii:». Therap. Monatsh. Mai \b\l2. — Lindemann, Uebcr die Wtlkang
des tfeenrasMfa. VerhandJonKen der fiabieologiscben Qeselischaflt. Berlin Kiseh.
Bakterien, wie im vorigen Jahrgänge dieewr Jahrbfleher, beginaen
wir auch diesmal d'w S( hildcrun? der im Jahre lRf2 •jenKu-hten Fortschritte
auf (lein (lebiete der Hakterieulcbrc, insofeme sie die allgemeiuo Morpholugio,
Biulugie und Methodik betreffen, mit der Besprechung der Strnctur der
Bakterienfelten. Nils Sjöbbino >) bat an MUzbrandbaeillen, an «nem Henbaeillna,
einem Vibrio und mehreren Mikrococcenarten Untersuchungen Uber die Structur
der Bakterien ze I le n ,iii}?e.stellt und konnte zweierlei Krirner nachweisen.
Die eine Art lagert ta^t immer in der Peripherie an der Innenseite der Membran
des Stftbohen« nnd ftrbt sieh besonders intensiv mit Oarbolmagentaroth , die
andere Art von Körnern färbt sich mit Carbolmethylenblau besonders gnt;
es sind (lies mehrere kleine Körner, die in t'iiicr j^lflnzonden Masse liegen,
welche sammt den eingeschlossenen Körnern von dem Übrigen Protoplasma dilfe-
renzirt zu sein seheint, deh zu grösseren Klflmpchen zusammenballt, die dann
weiter n einem oralen, im Centram liegenden Körper zusammentreten können,
den Verf. als Zellkern auifasst. Dieselben Verbflltnisse linden sich auch beim
Vibrio und bei den untersuchten Coerenarten. Ans diesen nenhaclitiin'.rcn srhiiesst
Sjuduino, dass im Hakterienkörper wie in jeder anderen Zelle zwei Bestandtheile
m untersehdden sind: Kern and Zellleib, die aber niebt immer von einander
diflferenzirt sind. Die Anordnung' d<>r ftrbbareo Substanz innerhalb iles Kernes
stellt sieh bald derjenigen der ruhenden Kerne der ludifren Zellen Hualn^r, bald
nAhert sie sich derjenigen der mitotischen Kerne. An eiuem aus dem Trinkwasser
isolirten niebt patbogenen Hikroorganismns konnten Tbahbosti nnd Galbotti*)
die Anwesenheit Arbbarer Körperohen im Innern der Bakterien be>-tiltigen.
Sie konnten aber auch die Bedeutung' dcrsrllicn für die Reprodiictinnst'ilhigkeit
de^ Hacteriums nachweisen. An Flii<cliltrillieeuUuren dieses Hacteriuuis bei 37"
konnton alle Entwickluugsperioden des.selbca verfolgt werden, in der ersten
Periode prlsentirt sieh dieser Mikroorganismus in Form eines kurzen Stftbebens,
welches .nieh gleichmilssig und intensiv mit Safr uiin f^rbt : in einer folgenden
Periode erscheint der Bacillus Ifinfrer und f.irbt sich noch immer jrleichmässig
nnd intensiv mit 8atrauiu, bald aber beginnt or die iSafrauiutUrbuug nicht
mehr gleiehmässig aufitnnebmen, sondern es zeigen sieh inmitten dner blAseeren
Farbe intensiv geflirbte Theile, Kör|)«rehen, die sich längs der Peripherie des
SUtbehens anordnen. In einer uoidi ferneren Periode verlassen dic'^e Körperchen
die I'eripberie des Stübchcns. um sieh im Innern in Kranzform anzuordneu.
Diese Kränze sind eiförmii; und liegen mit ihrer Längsachse in der Richtung
der Längsachse des BaeiUns. Qleiehseitig b^nnt die in ihnen befindliehe helle
prolopIa*matische Substanz eine leichte, aber intensivere FJlrbunu' anzunehmen
als der Rest des Stilbi-hens. Im Laufe der Kntwieklunf;; bilden die homoo^enen.
intensiv gefärbten Krunzfurmen elliptische Ringe im Innern des Bacillus. In der
letaten Phase der Entwiekinng platzt die Hflile des Stftbebens und llsst die
elliptischen Formen austreten, welche in len alten Bouilloncultnren und jun^^en
Agarculturen vorwiegen. Von diesen ovalen Formen erfolirl dann die Hilckkebr
in s bacilUre Stadium. Da mit liUcksicbt auf das morphologische Verhalten des
erwlhnten Bakteriums, ferner mit Rtteksieht auf die grosse Affinität der in ihm
BAKTERIEN.
55
enthalteiuMi f-irliburen Substanz für Safranin , mit Kücksicht ferner auf die c(»n-
aUntc Huiheufolge der verschiedeneii EDtwiekluDgsphaäen , auäguäcbluäsen werdeo
kann, dam es sieb vm Sporenbildan; handelt, nimmt Verf. an, daas man ee
inrklioh mit einer Kerntheiliin? zu thun bat.
Dass die Sporenbildung' durch verschiedene KintlUfi^e verhindert
werden kann, ist bekannt. Phisalix hat nun gezeigt, dasj) es gelingt, durch
Wirme die sporenbildende FAbIgkeit des Milcbrandbaeillns anfiEobeben und diesen
aaporogenen Zustand heroditir an maehen. ZUehtet man mehrere Generationen
von Milzbrandbacillen (indem man von einer Cultur auf zwei weitere Glftser über-
impft u. 8. w.) bei 42", su verliereu die Milzbrandbaeillen die Fähigkeit, Sporen
SU bilden. In den ersten Generationen kann diese Fähigkeit durch Uebertragung
anf 80*, sowie dnreli Passiren dnreb den Organismus einer Maus noeb leicht
wiedergewonnen werden, in den späteren Generationen, etwa von der vierzehnten
ab, bilden »Ich nur noch rudimentäre Sporen, die namentlich ihre Widerstands-
fähigkeit gegen Hitze verloren haben. Durch Züchtung auf geeignetem Nährboden
ist es aber Phisaliz *) gelangeu, Cnltaren an enuelen, die wieder Sporen bilden,
deren WiderHtandsfiUiigkeit gegen Hitze zunahm.
Im Spreewasser bat 0 1 nthkr '') eine neue Art K o m m a b a e i II e n
gefunden, die er aU Vibrio atjuaiilia bezeichnet. Dieser \ibriu verdUsaigt
die Gelatine gleieh den bis nun bekannten vimr Kommabadllenarten (Cholera-
vibrio, PnrsLBB's Kommabacilius, der DsNMBKB'sehe Vibrio und der Vibrio
MBTSCH.vikokf ) , unterscheidet sich aber von ihnen in zwei Punkten. Krstens
wichst er in der Stiehcultiir aus-?ehlie.sslieh oberHäfhIich, scheint also ein stilrkeres
EbnerstoffbedUrfniss zu haben als die übrigen Arteu , zweiten» bildet er auf der
Geiatineplatte kreisrnnde, wie mit dem Cirkel ansgesehnittene Golonien mit gans
glatten Rändern, welche braune Färbung und ein ansserordentlicb fcingekörutes
GefUge zeigen und erst später ihre seharfen Contouren verlieren. Im Honillon
wächst er fa^tt gar nicht, hingegen sehr gut auf Agar bei Urutteniperatur, die
Nitrosoindolreaetion zeigt er nicht. In frischen Onltaren hat er eine typisebe
Kommaform, bildet keine Sporen und trägt wie die anderen Arten einen Geissol»
faden an dem einen Knde. Pathugeiie Kigenschafteu seheint er nicht zu be:^itzen.
Die Einwirkung äusserer A g e n t i e n auf die Bakterien
soll hier nur insoferne besprochen werden, als sie nicht direct iu den Bereich
der Desinfeetion gehSrt, worflber bei diesem Sehlagworte naehsusehen ist
HnCHHBB') hat gemeinRchaftlich mit Fkaxz MiNCK irntersuchnngcn fiher den Ein-
fluss de« Lichtes auf in Walser suspendirte Bakterien angestellt. Dieselben
beziehen sich auf den 'i'yphusbucillus , auf den Bacillus coli comm., auf
Cboleravibrionen , auf den Bacülus ptfocjfaneu» and veraoliiedene Fanlniss*
bakterini. Ks ergab sich, dass das Lielit auf die genannten Bakterienarten,
wenn dieselben im Wasser suspendirt sind, einen gewaltigen vernichtenden Kin-
fluss ausabt. In einem Wasser z. B., das zu Beginn des Versuches eirea lUU.OOO
Keime vom BaeiUua eoii eomm. pro Knbikeentimeter enthielt, waren schon naeh
einstflndiger Exposition bei direetem Sonnenlichte fiberhanpt keine Keime durch
das Plattcnverfahrcn nachzuweisen: in der dunklen ('«>ntn»lprobo , deren Tem-
peratur utigefillir die gleiche war, h.itte die Bakterien/.ahl in der nämlichen Zeit
sogar etwas zugenommen. Ditfuses Tageslicht wirkt selbstverständlich schwächer
als directes Sonnenlicht, aber auch hier war im Verlaufe einiger Stunden stets
eiue bedeutende Abnahme der Keimzahl , oft ein völliges \'er < hwinden der
Keime na'-hzuweisen. Bi'CHNKli^l erklärt dieses liesultat dadurch, dass bei im
Wasser suspendirteu Keimen jede einzelne Bakterieuzelte vom Sonnenlichte ge-
troflbn wird, während bei froheren Versuchen Aber diesen Gegenstand Massen'
eulturen gebraucht wurden , wobei die oberflächliche Schicht die tieferen gegen
den Lichteinfluss schützt. Dass dem so ist. beweist folgende Versuchsani>r(iiuin{r :
Gewöhnliches alkalisches Kleisehpcptonagar wird zuerst durch Kochen vertiu.s.sigt.
auf 40° gekühlt, dauu mit einer Bakterienart reichlich beschickt, die Aussaat
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BAKTBRIEN.
gleicbniäst^ig vertbeilt und das Agar in eine (ilasäohale mit Uiluderu ausgegosseu.
Nach eingetretener ErstarruDg befeatiirt man ein Krens oder BueliBtebeii »as
schwarzem I'apier an der Unterflflcbc der mit d<>in /.u^ebririgen Deckel und mit
einem rin^rförmifrt'n (Jummibande verschlnsBenen Ajrarplatte und oxponirt letztere,
die Unterdäcbe uacb oben gerlubtet für 1 — 1'^, Stunden dem direclen oder tUr
5 Standen dem diffusen Tagesliehte. Nneh dieser Zeit tiberlSsst man die Platte
an einem dunklen Orte ihrer P3ntwieklvng. Nach 24 Stunden erscheiuen dann
die auf}rekl«'i»tcii liiH-lHt.-iTicn vollkommen sc!i;irf. {jcliildct von den zur Kntwicklung:
gelangten IJakterieucolonien , wahrend der {juiizl- Übrige Tbeil der IMatte steril
bleibt. TAH dem Einflüsse des Lichtes auf die liakterieu beisebiU'tigte sich
femer Kotl.iar>). Er nntersuehte diese Binwirkang auf in Agar oder auf Kar-
toffeln gewachsenen Bakterien (Pruduji'osvs, finrilla/* jtseudoanthraciK, Sara'na
aurniitinca ete.). Kr konnte einen hemmenden EinHuss des SoiincnliclitcH auf das
NVacbstbum dieser Bukteneu uuebweiüeu, der aber niclit sehr bedeutend war. Es
bAngt dies vielldebt mit der, wie Bucrnrr eben xcigte, ungeeigneten Versuebs-
anordnung susaoimen. Von. den farbigen Strahlen erwieäeu »ich die \I'>Ietten am
meisten hemmend, wenn auch weniger als das weisse Snnnenlieht. Mei kwfirdiger-
weiHC fand Kotljak, das.s die violetten Strahlen die Sporulatiou de^ ßavülus
pseudoantkraeis begfluFtigen. Chmblrwsky*) stellte Untersuchungen Aber die
Wirkung des Sonnen- und des elektrisehen Liehtes auf Eiter*
h a k te r i e n an. Diese rntersuehungen ergaben, das.s beide Tiiebtarten das Wachstbum
der Kiterbakterien lienunen. Nach sechsstiindiirer llinwirkunir vermoebto das Sonnen-
licht diese Mikrourgauiämen zu tödten. Ks betiiueu aijer nic-bt nur die ebemiscbeu
und Lichtstrahlen, sondern aneb die WArmestrablen eine entwieklungsbemmende
Wirkung. Sämnitliehe Strahlen des eli ktrischen und Sonneuspectrums mit Ausnahme
der Infrarotben halten eine Waelisthum hommeude Wirkunir. Von den verschiedenen
Eiter bakterien zeigte sieb der Stuphi/lococcus pyoyeues aureus am widerstands-
fähigsten. Mei diesem war kein üntentehied in der Wirkung der versebiedenen
Theile de» Spe(rtrums wahrzunehmen. Beim BaniUua pyocyaneus wirkte das
Liclit .iueb verlangsamend auf die Bewegung de-^selhen. In Bezug auf die Farb-
stoÖaut'uabnie konnte kein merklieber l"nter»ehied nachgewiesen werden, nur beim
Sfnpitylovoccus ptfojp.Ma alhiu wiesen diejenigen liakterieu , die vom Lichte
nicht beeinflusst wurden, eine intensivere Flrbuog auf. Das Lieht wirkt aneb
auf die Nübrniedien , indem es dieselben fDr das Waebsthum der Bakterien
weniger geeignet macht. Der Sfap/n/ftirfimts pyogeV'S aunms und nfhus-, sowie
der ßncilius iiijo-yaueus vertlUssigeu uuter dem Eiulius.so des Liehtes weniger
die Gelatine. Aneb die Pigmentbildung wird durch das Sonnenlieht beeinträchtigt.
Ferner sclieint auch die Virulenz der Eiterbakterien unter dem Einflüsse des
Lichtes eine Almalnne zu erleiden.
SiKENA und Ai.KSSi''J| haben den Einfluss der Austroeknung auf
manche patbogene Mikroorganismen (Cholera-, Milzbrand-, Typbus-, Hotz-,
Schweine-, Rotblaufbaeillen und Pneumoniecoecus) studirt, indem sie Sddeu-
fiiden . die in Bouilloncultureu oder in Aufscbwemmnngen dieser Bakterien in
Wasser getaucht wjtrtn. in Ileatrensgläser frebracht Ijaben, welche zum Theile
mit derjenigen Substanz gefüllt waren, «leren Lintluss man untersuchen wollte,
wie s. B. Schwefelsäure, Chlorkalk. Es ergab sieh , dass die Austroeknung einen
starken vcrnichfenden Eintlu-^ auf die Bakterien ausübt, und zwar ist diese
bakterientridtende Wirkung der Wasserentziehtjn'.? aus di'ti b;ikterieiilia!tig< n Medien
zuzuschreiben. Je raseher und vollständiger diese Was.screutziebung geschieht,
desto rascher und grflndlioher ist aneb die AbtOdtuug. Das Sonnenlicht tödtet
selbst die widerstandflibigsteo Bakterien. Momomt^*) untersnehte im PASTEDB'sehen
Liiboratoriinn die Wirkung der Austroeknung, der Luft und des Liehtes
auf MilzbrandbaciUen und gekinirte d.ibrj /n t"nl>renden Krgebnisscn : jiic im getrttck-
neten Blute entbaltcueu Spören Ireieu .MiUbraudbacilleu können liinger als tio l äge
bei gewAbnIieher Temperatur am Leben bleiben. Sie widerstehen einer Erwärmung
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BAKTERIEN.
57
von mehr als 1' Stunden auf 02". !>!»' sporenfroion Milzbrandbakterien, die in
Bouilluu gezüchtet werden, leisten der Austrueknung viel weniger Widerstand als die
im Blote entbaltenen. Die Lnft Insaert nur eioen geringen Einflnn «nf die getroek-
oeten Bacillen, indem dieselbea, ob sie nun der Luft mu< rsetzt oder vor der-
Pelben geschtltzt lileiben , absterben, ohne vorher »'iiif Al)naliiiie ihrer Virulenz
gezeigt zu haben. Die spurent'reiun , ausgetrockneten Milzbraudbacillen geben
untw dem EinfliiRse des SonnoilieblBa viel rascbor in Ornnde ab unter don Ein-
flonae des diffusen Liobtes , und swar sind die aus Cnlturen stemmenden StAbcbeo
viel weniL'cr \vi(l<'rstandrtf^lhi<f, als die auH dem Blute Bei Lieht trägt aueh die
Lut't zur Alitoiltuii;r der trelrncknctfii H.icillen bei. Das l>ieht allein ohne Luft
hat auf fcuelite Baeillen nur wenijjf Einlluns, hiu|<egen wird die Einwirkung der
Luft auf feuebte Baeillen dureb den Einfluss des Liobtes sebr gesteigert. Fenebte
Milzbrand Iiacillcn {;ehen unter dem Einflüsse des Liebtes und der Luft zu Grunde,
<>hne dass ihre letzten Cnlturen ihre Virulenz ein?eb<H>;t hätten. S.iwohl die
feuehteu als aueh die getruekneteu Milzbrandstübelien widerstehea viel kürzer
der Einwirkung des Liebtes und der Luft als die 8i)oren ; troekene Sporen ver-
tragen sehr lange di<> Einwirkung von Lieht und Luft , ohne ibre Vimleni su
verlieren und abzusterben. Feuchte Sporen widerstehen .«^ehr Innere dejn Eitiflusse
des Siiniietilielites bei Abhaltun;r der Luft. Sic sterben ;ibcr viel rasehcr ab,
wenn sie gleiehzeitig unter dem Einrius.se des Lichtes uud der Luft stehen, ohne
vorher eine Abnahme ihrer Giftigkeit su zeigen.
Schmidt*-) hat den Ein fluss der Bewegung auf da-* Wachsthum und
die Virulenz der Bakterien untcr-iiiclit. Die Bewef^^unfT wurde tlieils durch einen
Schüttelappar.-it, theils mit der iland bewerkstelligt. Die in Leituuga-, destillirtem
oder RteriliRirtem Wasser geschflttelten Bakterien wnrdt'n naeb dem Sobfltteln au
Krilleiilturen \ erwendet, welche mehrere Tage lang bei Zimmertemperatur gehalten
und alle '1\ Stunden untersucht wurden. Da-i Schiittehi mit dem Api)arate erfi^ab
nur auf den l-'i.NKLKK-I'uiok seben Bacillus und ein cinzigesiual auf den Milzbrand-
bacillus einen hemmenden Eiuilu^s, wobei aber die Giftigkeit des letzteren nicht
beeinträchtigt wurde. Beim Schütteln mit der Hand erwies sieb das Waehstbum
des Staphylococcus jnj<Kjfnes ct'treus fast jfanz aufgehoben; (la>jeniore der im
Lcitunfrswasser entiialteticn Bakterien bedeut»'nd gehemmt, wiilirend lieim Typlius-
baeillus eine Waehsthumshenimung nicht wahrzunehmen war. Es ergaben diese
Versuobe, dass der Einflora der Bewegung des Wassers bei der Selbstreinigung
der FIfl.sse meist über-il..ity t worden ist; nacli Sä-h. wäre eher der bedeutende
Wasserdruck im Stande, die Meiifre der einzelnen Bakterien zu vernichten oder
ibre Giftigkeit aufzuheben. Wahrseheiulicher ist die Annahme von Blcuneu, daas
b« diesem Vorgange der Einfluss des Liebtes ^ne bedeutende Rolle spielt.
FOBSTBB >*) hat Untersnchungen Aber die Bntwieklung der i) a k te ri e n
bei niederen Temperaturen anire-«tellt. (relegentlich der rnfersuehunf?
einer Art von Leiichtltakterien t'and er, dass dieselben die Eif^enschaft besassen.
bei Eistemperatureii nicht blos gleich den anderen Bakterien am Leben zu
bleiben, sondern sie waren im Stende, wenn sie auf gflnsttgem Näbrmateriale in
Fehmelzendem Eise bewahrt wurden . als«» auf 0° zu wachsen , Lieht zu geben
und sich zu vermehren. Veranlasst durch diese 'riiatsache suchte F<>i;STKR nach
Bskterieu, die sich ähnlich verh»lteu und fand nur wenige Arten, die bei 0" zu
wachsen vermAgen ; von diesen aber sind einige , die sieh in unserer täglichen
rm^ebung, .«o z. B. auf Nahrungsmitteln, befinden. Ebenso fanden sieh Bakterien
mit der gleichen Ei;r«'nsehaft in grosser Zahl an der ( ►bertlaehc wie im Darme
von .SUsswag.serliseheii und besimders reichlich im Wasser der Js<»rd- uud Suidersee
und auf f>ee6schen. Besonders zu erwühnen i-st noch, dass die Bakterien, welch«
sich bei 0^ eu vermehren im Stande sind, nicht nur im Winter, sondern aneb
wflbrend iler warmen .Jahreszeit in den deichen Substraten enthalten sind Diese
Thatsaclic ist von Wichtii^keit fiir die Kenntniss der Aufbewahrung von Nahrutiirs-
niittelu, ferner auch in hygienischer Beziehung, da mau ja bekanntlich Wasser
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68
BAETBBIBN.
zum Zwecke der bakteriologischen Untersuchung in Kis verpackt. Da aber auch,
wie erwähnt, Bakterien in verschiedenen Trinkwassersorten zu tinden sind,
so liefert oft unter solehen ümstlnden die Versendung mnneher Wusersorten in
Eis oder das biRweilon geübte Aufbewahren derselben im Ktihlraume ffir die
bakteriologische Untersuchung eine Fehlerquelle, an deren Bestehen bis jetzt noch
nicht gedaeht worden ist.
Was die Lebencilnsserungeii der Balcterien betrifft, so Ist
snnäehat von der Be w d ir I i <- h k c i t bekannt, dass dies<^>lbe zumeut bei BaeiUen
vorkommt, doch sind ;iui'h sebou Mikrocoecen mit Ei;rL'n]»ewejriinfrcn bekannt.
Einen neuen ähnlichen Organismas beschreibt Carl Menue'*) unter dem Namen
MtkroooecuB agüü cUrtui; er fand denselben in einem Erbseninfns. Die Be-
wegung dieeer Mikroorgmniamen im hingenden Tropfen ist eine demliefa lebhafte,
wenn man von jungen Oulturen Theilchen in ein gllnsti^cs Medium wie Bouillon
eintrS^rt. Dt-r einzelne Coccus sebwimmt etwas zittertid bebende durt'b das rJesicbla-
feld meist in gestreckter Hahn , liur selten in einen Winkel zeitlich abbiegend,
aueh SU sweien und mehreren Haufen fahren sie lebhafte Bewegungen aus. Der
Motor des Rakterinms ist eine Geissei, die man sehr leicht nach dem Löfflkb-
Rchcn ^'l■^f;lbr^'Il sichtbar uiacben kann. .lodtT rnccus träfft nur eine (JiMssel,
die etwa seclismal üü lang ist wie der Durehuicsser ihres üenitzera und auü'üllig
gleiobmassig und zierlich gewunden eraelieint. Bei einem Zusätze von 15 Tropfen
einer l^' oif^en Natriumbydratlösun^ auf 16 Ccm. der LöPFLEB'scben Beize ftrbt
sich die (Irissel am dciitüfhsten. Charakteristisch für das Waobstbiim dieses
Mikroc»rtrani8mus ist die Hildun;? eines gelben {'iirmentcs, welche Kif^cnsebaft aber
ausfällt, wenn die Culturen uubeliehtet waren, lu letzterem Falle steht die Wacbs-
thumsenei^e der der belichteten Culturen in keiner Wdse naeb, doeh bleiben
dieselben vollkommen weiss und nehmen erst, wenn sie läng:ere Zeit dem Tages-
liehte an^pesetzt waren, allm.lliir dif Pi-rmcntbildun^r auf. — Rcwefrliehe 8ar-
cinen sind bis uuu u«ub nicht bekaunt. Zum ersteumale besehreibt MauUBA
eine solehe, die er aus einer Aseltesfltlssigkeit gezflehtet bat und die et Sareina
inohiJis nennt. Dieselbe zeig't bei Farbmifr mit der tinfaehen LiTKLERseben
Heize deutlichp, zahlreiche (ieisseln, die meist in der Weise znrtlek<;ebo<ren sind,
dass sie an beiden Enden mit dem Ktirper des Hacteriums zusammenzuhängen
scheinen, so dass mau die Bakterienkörper mit feinen Ringen besetzt siebt,
welehe etwa den doppelten Dnrehmester des Mikroorganismus selbst haben. B«
frelan°: anch , die Sareinen auf dem von I''\\i.CKRNHKI\" an^e^rebonen Ifeiiinfus zu
zUehten. Schon am zweiten Tage zei;rten f<ieli darin sehr deutliche und zahlreiche
Paekete nebst Uiploeoeceu und Tetraden, welehe in lebhafter Heweguug wareu.
Die Bewegung der Paekete wuchs in den folgenden Tagen und dauerte fast 10 Tagew
Einen Uebergang zur Hespreehung einer anderen Lebensiussernng der
Bakterien, nflmlicb der F a r b st o f f b i I d ii n g , bildet der von Oermano be-
sehriebene Bacillus memö ra naceun a m ethysticus mob il i s. Es ist
dies ein violetter Badllus, den Oebmano^^ in der Luft entdeckt hat; derselbe
wächst bei Zimmertemperatur gut und nicht bei der des Thermostaten, und ist
lediuflii li aerobiseh. Das Wachstbura auf versehiedenen N:lhrb<Mlen ergiebt anfangs
ungetiirbte CoIrMiien , die sich allm/llig violett filrben und endlieb eine intensive
Färbung annehmen, t^r bildet Membranen, ist lebhaft beweglieh, verlliissigt laug-
sam die Gelatine und ooagulirt die Hileh. Ueber den bereits vielfach untersuebten
Bacillus j) xj o c }/ n neu s liegen neuerdings mehrere Uutersuehungen vor,
KOHKFII I bat aus Patikenliiibleneiter einen lun i/'uft j.iioryntifus gezdchtet , der
dem Bacillun pi/uci/aneits % von GeoSARD entspricht. Die FarbstufTüildung
dieses Baoillus war Intensiver als die der ftlleren Stämme x und % und zeigte
namentlieh eine viel intensivere Hildung von braunrothem Pigment'Pyoxanthin,
in filteren (Jelatine und Honilloneultiiren. Die ireringere Pigmentprodnetlon
bei den iiUereii ( ulturen ist auf die Fr.schöpfung zurückzuführen. Auf Kar-
toffeln eutwickeite die Cuitur aus Uhreiter reichlich rothbraunes Pigment, das
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BAKTERIEN.
59
bald io dunkelgrüne Farbe Uberginir, während die älteren Ciilturen gelbrothe«
bis graurothes Pigment erzeugten. Albuiuineulturen ergaben duruh 12 Generationen
ilnoresdrende Farbstoffe , wlhrand aaf Eigelb roatbrannes Pigment (Pyozantbin)
sieb bald und reioblieh bildete. Eine wesentUehe Veränderung der Farbstoff-
production durch Erhitzung von Rouiiloneiilturen auf oT" konnte nicht erzielt
werden. Auf 2°/oigem Peptunwasäer und stcriiisirtem menschliohcn Speichel trat
dentlioh ezeliisive Erzeugung von blauem Pyocyauin ein. Dass die pigmentbUdende
Fonetion des Baeiüu» pyceyanmu ^benao wie andere Dakterienfunetionen keine
umwandelbare iat , sondern dnreh die verschiedenen EinflüKse geändert werden
kann, haben neuerdings PnisALix und Charrin nachfrewiesen. Durch die ayste-
matiscbe Erwärmung der Gultur des Bacillus pyocyaneus ist es ihnen gelungen,
denselben seiner pigmentbildenden Bigensehaft an berauben. Zn diesem Behafe
zOchtet man denselben in successiveu Generatiunen bei 42'. Schon lu ; ii r vierten
Generation zeigt sich der Nährboden bereits vollständi!.' r:irl)lu.s. Üurcli Teber-
traguug dieses so veränderten Bacillus anf lleersobweinchen und durch weitere
üeberimpfung der Organe der letsteren anf weitere Tblere gelingt es, den Gul-
tnren dw iweiten nnd dritten Generation noch die grflne Farbe wiederzngebeu,
nicht aber bei denen der vierten Generation. Ok.>\s.\rü hat nachgewiesen, dass
die lluorescenzbiliiendo Eigensichaft des lidcillu.s pi/act/t/nfits vom (lehalte des
Nährboden.H au i*hosphateu abhängt. Da einerseits die Fluoreticeuzbildung meist
in Bouillon und weniger anf naiflriiehen Medien auftritt, da ferner dieselbe,
wenn sie in der Natur vorkommt, sieh meist in Prodocten organischer Provenienz,
Eiter, Speichel. Kßrperflüssigkeit etc. zeigt, so nimmt Gkssarp an, dass da.s
Auttreteu von Fluoreiicenz im Wasser datür spricht, dass die Verunreinigung des
Wassers thierisdien Ursprunges ist und dass die Verunreinigung eine frisehe sein
muss, da sonst die flaoreecenzbildende Bigensehaft verloren geht. Untersuchungen,
die Oai^koti an mehreren clironiogenen Bakterien angestellt hat. haben ergeben,
dass die Eigenschaft derselben, Farbstoffe zu bilden, nicht untrennbar an das
Leben der Bakterien gebunden ist, da diese Organismen unter gewissen Bedin-
gungen fortleben kOnnen, ohne das fOr sie eharakteristisehe Pigment lu prodn*
ciren. Die Bedingungen, welche die Farbstoffbildung beeinflussen, sind im All-
gemeinen dieselben , die auf alle librigen Fiinctinnen derselben Bakterien einen
ungünstigen ICintluss ausüben. Doch vcrmogeu die ehromogenen Mikroorganismen
naeh einiger Zeit sieh an die nngfinstigen BinflOsse an gewöhnen, und nehmen
dann H(>lbst unter diesen ungünstigen ßedingungan die Farbstoffbildung wieder auf.
ViRux I hat die Beoli.K-litung gcinaeht, dass im destillirten Wasser, welches einige
Zeit steht, nicht selten gelbe, grüne oder rotbe Färbungen auftreten, welche entweder
dnreh Bakterien oder von diesen erzeugten Pigmenten bedingt werden. Diesbezügliche
üntersudiungen haben xur Zaehtung eines ehromogenen Baeteriums giirfUhrt,
welches Verf. Ii aci litis a u r n u f i (t n u s nennt und welches einen in Wasser
und Alkohol löslichen, schönen gell»eii FarbstolT bildet, den er mit dem Namen
Aurantio-Lutein belegt. Ein zweites l'igment, welches ebenfalls im Wasser
Ideht IttsUch ist, bezeichnet er wegen seiner grttnen Farbe als Aurantio-
Chlorin. Ein drittes Pigment, welches das Wasser braun förbt und durch
Säuren geröthet wird, wird von dem Mikroorganismus geliefert, welcher sieh dem
Mikr oco <' c II n cyaneus von äCHRuTBE sehr nähert. Schliesslich hat Veif.
ein viertes Pigment gefunden, welches vom Baeiltu» fluoregcen» liqu«-
faeienM geliefert wird. Die ersten drei Pigmente erwiesen sieh ftlr den Orga-
nismus un^eh:^dlich , das letztere erzeugte Itei sterilisirter Lösung eine giftiee
Entzündung, die rasch /um Tode führt. Einen anderen rotheu Farbstoff er-
aeugenden Bacillus hat Okaua aus Fussbodenstaub geztlchtet. Bs ist dies ein
Bacillus von der Grosse desjenigen des malignen Oedemes mit leicht abgerundeten
Enden, der in alten Rouillonculturen lange .Scheinfäden bildet und der ebenfalls
eine le!)harte Heweglichkeit zeigt, die diin'h (Jeisselu zu Stinde kommt, deren
Filrbung nach der LoFFLER sehen Methode sehr gut gelingt. Die Bacillen selbst
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60
BAKTBBTEN.
sind farblo8, doch erzeugen sie auf den Nährböden eine schöne, weinrothe Farbe,
weshalb Verf. fttr sie den Namen Bacillus rubtUm vorschlagt.
Eine andere merkwürdige LebeoflAoisertnig der Bakterien iit das
Le nebten. Von neuen T'iitersuchun^en Uber diesen riefrmstand seien die
Irapfveriäuebe erwähnt, die lUi^sEl, i mit (JlARl'S j)atlK<;renem Lt'ut'li(l)aeillu8
augeätellt hat. Er impfte eine 24 Stunden alte Meerwa^serbouilloucultur vier
grrosBen Eiemplaren von Palaetnon terratua. Als er naeh seeha Tagen die
geimpften Exemplare in's Diinkelzinmser brachte, trat kein Leuchten ein; als er
aber eine« derüdlten auf die Hand uulim, trat bald riiosplioresfin'u auf. welchem
durch den ganzen Körper zu difl'uudireu schien und den LmriHS des Körpers
gani deuUieh .siebtbar macbte. Aneb im Waseer zeigten die Tbiere nur dann
Anflenebten, wenn sie gesUirt wurden. Mikronkopische Untersuchangen des Ge-
Wflie? eines \ erstorbtiien Tliieres auf Bakterien ergaben ein negatives I\esultjit.
Ebenso bliebeu die anj^ele^^ten I'latteneulturen steril. Das pliUzliche Aufleuchten,
nur wenn die Thiere gei^tört werden, scheint darauf hinzudeuten, dass dieses
Leacbten mebr oder weniger von der liaskelbewegnng abbingig ist; jedenfalls
lebrt der Ver^iu li . dass d< r IIh IIIh- in einem solchen Masse durch das Gewebe
verbreitft werden kann, dass liictdiireli ein Aufienehten entsteht; patlintjene Eigen-
schatten konnten aber nicht uaehgewieticn werden. KvKMAKM beschreibt eine neue
Art von Lfrnebtbakterien, Fhotobaetennm yava renne, welcbe er auf den zu Batavia
zu Markte kommenden Seefinehcn regelniiUsig Vinfand. Uieselben bilden anl'ilnglicb
einzelne lenclifctuif Tunkte, die sich binnen wenigen Stunden (Iber die < »hertl.'icbe
der Fische auslireiten und dieselbe schliesslich durdiwegs leuchtend macheu, ho
dass man bei ihrem Lichte Doch im Ab>tande von mehreren Decimetern Buch-
staben und Ziffern der übr deutlich erkennen kann. Bei der in dem indiseben
Klima rasch eintretendeu Verwesung ist au den am Abende intensiv leuchtenden
Fischen Pcbon am folgenden Margen die I'hosplioreseenz ganz verschwunden.
Das Leuchten wird durch kurze, bewegliche btübchcn erzeugt, an deuen mit der
L^iFPLBBWben Methode Geisaeln nachzuweisen sind und die auf den gewöbnlieben
Nährböden ganz gut wachsen. Die Farbe des Lichtes ist blaugrdn und weisslich.
»')— 1'2 Stunden nach Anlage der ('ultur ist das Lieht am intensivsten. Am "J. — Tage
tritt bereits eine bedeutende Absehwächuog desselben ein. Das Wacbsthums-
optimum liegt zwischen 28 und 38^ die Temperaturgrenzen fUr die Licht-
entwieklung sind — 20 und + 45^ Wird die Phosphoreseenz durch Erwftrmung
auf oO" zum Verschwinden gebracht, so kehrt sie bei Abkühlung wieder , wXbrend
5 Minuten andauernde Erwärmung auf tJO" die Hakterien xi'AWu: t'xltet.
WKi.tii und NcTTAi^ haben bei der Scction eines l'htluisikera, der ein
mit der Aussen wdt an zwei Stellen der vorderen Brustwand eommunicirendes
Aneurysma der Aorta eutcenden» hatte, acht Stunden nach dem plötzlichen Tode
massenhaft (laslda-ien an den verschiedensten Stellen des rnterliautzellgewel)e,s
und in deu Urgaucu gefunden. Die Gasbildung war durch einen im Ulute
gefundenen Kapselbacillus bedingt (Bacillut aerogenea capsulatm) , der unter
gewöhnliehen UmstKnden fittr Thiere nicht patin^^ ist. Wird aber das Thier
bald nach dir intravenösen Injeetion von 0-5 — 7 Ccm der Culturfltissigkeit ge
tödtet . so findet eine rapide Vermehrung der Mikroorganismen und Bildung vou
Gasblasen statt. ScHOW hat in der mediciuischcu Klinik in Kiel in einem
eystitisehen Harn einen kurzen Bacillus mit Eigenbewegungen gefunden, der die
Eigenschaft hatte, auf den verschiedenen Nfthrböden Gasblasen zu bilden. Diese gas-
producircnde Eigenschaft zeigt sieh auch in einer Harneultur. Das gebildete (Jaa
scbcint Kohlensaure zu seiu. Nach Besserung der Cystitis unter dem Eiullusse
der eingeleiteten Behandlung versehwanden auch die Bacillen ans dem Harn.
Dieser von Scnow als ( 'ix coliarillus oprogenf» veaicae beieiehnefe Mikroorganis-
mus selieint identiscli zu sein mit dem von EisKNI.OHR, Ki Kl.V bei Ko/pitiM
einölt ijsemntoHa und von .li Lirs ScilMTZi^Elt bei Cystitis g«'lundenen Bacillus;
ein Beweis fBr die ätiologische Bedeutung desselben bei der Cystitis ist von
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BAKTERIEN.
61
keinem (1*;r Antoren bis nun erbracht und hilt aneh Sohnitzlbr entgegen
8CH0W diese Frage noch für eine offen«'.
Ueber Stoffwechselpruducte von Mikruurganismeu iiat
SOHMARUOA'^ eingehende üntersnelinngen angestellt. Namentlieh etudirte er bei
lfthlreich(;n liaktorienarten dii- in den Nfthrbödcn im Laufe ihres Wachsthums
rntstfliciiilfii ntart'on^vt'rilnderunjren. Alle von ihm untersuchten ziomlich zahl-
reichen Hiikterienarten ztiu'tt'n bei ^rünstif^t'n KriL-Uiruni^sverbältuisseu alkalincbu
Stoffwecbselproductu ; die Bildung von sauren l'ruducti'u im Sinne Fbtruschky's
findet niebt statt Die Menge der Stoffweehselprodnete wftehst oder was dasselbe
sagt, die Kxistenzbedingunp^en fflr faenltative Aerobieu Kind ^Unstii^er , wenn in
Kr»uillon oder Asrar der Alkalif^f-halt ein kleinerer, in Gelatine dasfep'n ein mn<-*ig
grösserer ist. Die Zufuhr von äaiierstotr, besonders durch Sauerstoff ühürtrajftnde
Sttbetanaen, wie dne aotehe in kleinen Mengen angewendete Rosolsflnre ist, steigert
in ßduillen und Gelatine die Menge der Stoffn-echselpruduete , ist somit flir das
Wachsthum frcwisser Mikroorganismen Pf^rderlieh. In A^rar hat Rosulsäure zuiiM'ist
einen das Wacbsthum schädigenden Kintluss. Bekanntlich bat Lüffleu die von
ihm entdeckte Methode der Fftrbuug der Geissein und Hullen von Bakterien mit
den Stoffweehselprodueten in Zusammenhang gebraebt. Naeh den Untersuehungen
von SoMMARI'GA bt'-Jtelif ein s'ilcher Ziisanimeiihanir ni<'lit, s tiidern es müs-^en die
in den L» 'KFr.KK'scli! n Heizt n ert'orilerliclieii Zii-;lt/.o von Alkali oder Spuren mit
der uufjieichartifren Zut^aniuicuset/uug des Iiüllt:u- und (ioissclprotoplasmas zusanuuen-
bftngen; die Httllensnbstanz kann somit nieht eine ehemisehe Verbindung sein,
sondern jeder Beize muss ein anders ausammenir^ setztes Protoplasma entsprechen.
Iwanow -^**) hat an Thifrofhrir tninh von Duclaux , dem Barlüiis .fu/zfi/is,
haupt8<1cblich aber au Mil;sbraudbacillen die Frage der Bildung tlUcbtiger ääurcn
studirt und kam asu dem Resaltate, dass diese Sfturen als Produote der Lebensthfltig-
keit der Bakterienzellen, gewissermassen als Secretionsproducte derselben anzusehen
sind. Man tindrt immer die^ielben Sfturen bei den versehiedenea Bakterien ohne
Rücksicht aut die Art des Nahrmediums.
Das Studium der von den Mikroorganismen abgesonderten
Fermente erfuhr im verflossenen Jahre durch die Untersuehungen von Fbrmi**)
eine neue Ff^rderun^r. Ff.rmi richtete seine Untersuchnnpcn hauptsächlich auf die
diastatischen und Inver^ion^tVrmcnte und {relanfTte zu fol-renden intere<s;niten Resnl
taten: l'nter 38 neuen Bakterieuarteu besitzen nur folgende 11 eine diastatische
Wirkung: : Rothe Hefe, weisser Hefebaetllus, jener der gelben Milch-, Sfr^^ptotkrix
nJbtt. r/'o/riftii, (if//fi/(t-f?(iva, tliffi'o, 'J'/u-7fr//i)fln ' i'iii/i ras/i/iii, Acfnionn/C'/i hoviHf
Photobacteriuni und Mikrocoi'i-iis der Mastitis der Iviihe. IMe fid^rendcn 11 bilden
Aciditiit : (h'-lfnm Incti.s, iJacilliis der Frettcheuseuche , Bacillus der blauen und
der gelben Milch, B. viscosux, Ji. jiho^phoresceas, Bacillus des Sohweioerothlaufes,
ß. eavietfia von Rbibqbr, Baeillus der Hilehsfture, Baeillm der Mastitis der
Kilhe und Vibrio Mctschnikowi. Die Streptothrixarten und ActinomyciM erzeugen
alle mit Ausnahme von Strrptothri r rnrti< a ein diastatisches Ferment. Viele
Mikroben secerniren eiu diastatisches Ferment, ohne Aciditiit zu bildeu, so z. h.
alle Streptothrixarten und der B, mnseoides, andere wiederum erzengen Aeidttftt
ohne diastatische Wirkung; zu besitzen. Auf eiweissfreien Nährböden <'r/rii?t kein
einziETcr der iiiit<'rsn('}iten Bacillen auch nur eine .Si)ur von diastatisi-hi in Ferment.
Keines der Glycoside, mit denen e.\perimentirt wurde, ist von den genannten
Bakterien in Zimker umgewandelt worden. Von 62 verschiedenen Mikroorganismen-
arten invertirten blos der Kieler Bacillus und der B, megaterium den Rohr-
zucker und unfrefiihr 20 bilden Acidit.1t. Die Cultnren von Streptothrix reag;iren
sftmmtlicb leicht alkalisch. Von iV2 untersuchten Mikroor^anismenarten bilden
ein proteolytisches Ferment ca. 24
„ diastatisehes Ferment 20
„ Inversionsferment „ 2
von 62 Mikroben besitzen also ein Enzym 46
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62
BAKTERIEN.
Von diesen 46 Arten bilden ferner
bl08 das proteolytische I-Vrniont 10
„ „ diastatiscbu Ferment 13
swei Farmeote 18
Drei Fermente (ein protcolytiscbea , ein diMtfttisehes und ein InveraioMformeBt)
bildet der }i. megateriiivt. bestimmte Beziehnnfren zwlBcben der Bildiiti^' der einzelnen
Funneoto und der Bildung von Säuren, von Figmeot, der Beweglichkeit und seines
morphologischen Aufbaaes konnten nicht AafgeAmden werden. — Dmb gewisse Bak-
terienarten, wenn sie in Milch wachsen^ awei Fennente oder Enayme eneagen, dn
labäbniiehes und proteolytisches, dem Trypsin verwandtes Ferment ist bekannt.
Es trifft dies im Allgemeinen für die Bakterieuarten zu , welche die Gelatine
verflllsBigen. Das tryptiscbe Ferment ist bereits aas den Bakterienculturen isoltrt
worden. Cohn *«) ist es nun gelungen , auch da» lahlhnUebe Ferment von dem
proteolytischen zo trennen und in einer annAhernd reinen Form xu isoliren. Ein
Labferment wird von allen verflüssigenden BaklericiiHrten erzeugt, doch waren
QA hauptsächlich Organismen , die Conn aus dem Bahm einer benachbarten Milch-
wirthsehaft erhielt, von denen er dieses Ferment annlhemd rein darstellen konnte.
I ii) WacliHthum von 3 oder 4 Tagen in Bfilch war ^'eiiii^end . um eine grosse
MniiT*' dieses Fernientps zu ^ehen. Am raschesten wird dassdlie bei einer iiiflssig
niedrigen i imperutiir erzeit^^t , hinj^^egen scheint das proteolytische Ferment bei
einer höheren Temperatur sich besser su bilden. Das nach einer eigenen vom
Verf. eingeleiteten Methode erhaltene Lab seheint etwas langsamer an wirken als
das im Handel bezogene. Bei einer Temperatur von ^3 — 75° wird dieses Lab
zerstört: die Temperatur, bei der die Zerstörung eintritt, hängt natürlieb von
der Dauer ihrer Einwirkung ab. FüKkkk^^} hat aus vertiüssigten Gelatiueculturen
von Gholerabaeillen durch Alkohol eine Substanz gefllllt, deren wilsserige LOeung
nach Art des Labs frische Milch bei 37° nach kurzer Zeit zum Oerinnen braehte.
Diese Substanz ist ein Pepton. Ks liiKkt sich dieses Knzym , auch wenn stcri-
lisirte Milch mit Cholerabacillen geimpft wird; bei Erhitzung auf GO" wird
es unwirksam.
Was nun die Bildung giftiger Stoffweebselprodnete betrifft,
so ist vor allem der wichtigen Entdeckung von Pktri und Maassex*-) zu gedenken,
welche gefunden haben, dass die Bakterien des Seliweineroihlaufes in gewissen
KährbÖden sowohl mit als auch ohne Zutritt von Sauerstoff reichlich Schwefel-
wasserstoir erzengen. Dieses bildet sieh gleidi im Beginne des Waehsthoms der
Ciiltiir in reichlicher Menge und ist als ein Product des Lcbensprocesses der
Hothlanfbakterien anzusehen. Der Sehwefelwasserst«ifT (ritt stets in soloheu Nilhr-
b^>deu auf, welche sehwefelhaltige Verbindungen enthalten, deren Schwefel theil-
weise oder ganz durch Wasserstoff aus neutraler Quelle herausgenommen werden
kann. Die Bildung von naadrendem Wasserstoff lasst sich nothwendig als eine
Fol^'e der Spaltung' IkicIi znsammenfresetzter oriranischer Verbindungen oder als
die Folge eines 0.\ydatiniispr<»ces,sL's jjewisser Körper aulia.ssen . unter denen die
stickstoffTreien Kohlenstod'verbindungeu au erster Stelle zu nennen sind, welche
dabei für das Wachsthum der Bakterien verwerthbare Stoffe liefern. Pbtri und
Maassex dehnten ihre diesbezdfrlichen Untersuchungen auf alle im kaiserlichen
(Jesnndlieitsamte belindliehen Bakterien aus und es stellte sich dabei die uner-
wartete Tbataache heraus, dass sie alle dieses Gas zu erzeugen im Stande sind.
Eine reichliche Sohwefelwasserstoffbildung fand sich z. B. vor in Culfuren der
Stäbchen der M:inscsepii< aniie . der Diphtheriebacillen , der Bacillen der Tauben-
diphtherie, des Milzbrand-, Kntzbacillus , des von Pfeiffer gefundenen Kapsel-
bacillus, der Bakterien der HUbnereholera und der Frettchenseuehe , der Komma-
baoillen der asiatischen Cholera, des Vibrio Metschnikowi, der Spirillen von Finkles
und Miller, des Typhusbaeillus. des Baeälus enterüidis von Gäbtnbb. Eine etwas
geringere Sehwefelwa.sscrstoffbildung zeigten die pathogenen Coecen. z. B. die ver-
scbiedeneu Staphylococcen aus Eiter, die Streptococcen des Erysipels, der Druse ete.
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BAKTEItlEN.
63
Auch die Tttberkelbacilieu , sowohl die der menschlicbeu Tuberku1(>^<e als auch
pinz besonders die Bacillen der Vo^reltiiherkiilo^e zeigten die-so FftliiL'kcit. Da die
ciuer anat-rubeu ZUebtuag zugäogliebeii liaktericu uuter äoleben Verbältuisäeu gauz
besonders reiehlieh Wasserstoff erzengten, und swar sum Tbeil aaeb aaf friseb dem
Tbicrleibe entnommenem Näbrmateriale , war die Vermutbun^ gerechtfertigt, dass
dieses f^iftige Gas bei Bakterienkrankbeiten eine bis dahin fast gilnzüch ver-
kannte wichtige Rolle spielt. Darauf abzielende spectroskopiscbe Blatuntersuchungen
warm denn aneh in mebreren Fillen von Erfolg gekrönt. Sebon wiederbolt baben
Heobaebter von Sebwefelwasserstoffvergiftnogreu auf die grosse Aebniiebkeit ge-
wisser dabei auftretender Erscheinungen, mit denen septie.lniiHcher hingewiesen
und der nmpekebrte Verpleieli lie^rt insbeBondere bi'im Sebwriiierothlanf, bei der
MAugesepticämie und bei vielen anderen Bakterienkrankbeiten auHäerordentlich
nabe. Die Reibe der Bakteriengifte eraebeint demnaeb dnreb ein eebr beaebtens-
wertbes, weit verbreitetes Glied bereiehevt ta sein, dessen AutTindung berufen
sein dürfte, uielit nur manche Lticke in unserer Kenntnis» über die bei gewissen
Bakterienkrankbeiten im Körper sich abspielenden Vorgänge auszufüllen, sondern
aaeb eine Aussicht auf etwaige praktisebe Massnabmen im Hinbtiek auf die
Heilang oder Verhfltung solcher Krankheiten au eröffnen. • — Um die Frage zu lösen,
ob die foxisebeu Baktericnpr-Hlucte Zersetzungsproduete der Eiweisnkrtrper , die
den Bakterien zur Krn:lhriin>; dieuen, sind oder ob die Mikroben die Eigenschaft
besitzen, dieselben aus einfachen Stötten synthetisch zu erzeugen, hat GuiNOCHET ^^j
den LÖFPLBR'seben DipbtberiebadUus auf duem eiweiasfreien Ntbrbodea (Harn)
gezDchtet und gefunden, dass, wenn man Meerschweinchen sowohl diese Culturen
als auch den von den Bakterien befreiten Urin einspritzt, sie unter denselben
ErschetnuDgen zu Grunde geben und dieselben Veränderungen aufweisen, wie die
mit Dipbtberieealtnren von Bouillon geimpften Controltbiere. Es stammt also,
nach GülNOCHET. das Toxin des Diphtheriebacillus nicht nothwendiger Weise von
Eiweisskörpern. Aueb erj^ab die Urineultur keine der (Ibliclien Eiweissreactionen.
Indess der Harn ist ein viel zu complieirter Nftbrbodeu , der sich für derartige
UnterBuebungen wenig eignet und der ja auch In normalem Zustande Spuren von
Eiweiaa entbalten kann. Ueberdies ist ^ wie Abnadd und Gbabein **) mit Recht
hervorhoben , jedes Bacterinm . jedes Protoplasma ein EiweisskcJrpcr und in der-
artigen Culturen degenerirt ja immer eine gewisse Anzald von Einzelorpranismen.
Auf einem Nährboden , der nur aus Asparagin oder Gelatine und mineralischen
Substanzen bestebt, bal)en Abnaüd und Gharrin den BaciUus pi/oci/aneu» ge-
züchtet und gefunden, dass derselbe unter anderen Stolfen eine Diastase erzeugt,
die sieb der (Iruppe der luwiMsskiirptr l)edeutend näbert. Nach Untersuchungen
von Gamalkia ist das Diphtheriegift als Nucleo-Albuuiin anzusehen.
Olby und Chabrik^") betonen die Mnitiplieitftt der Eigen-
•ebaften der von den Bakterien erzeugten löslieben Prodncte.
So er/eu?en die in Alkrdiol lösliebcn Toxine drs /{nril/j/s pi/oct/nnen.i nur eine
geringe \erlang.samung der llerzaetiun. w.lbrend die in Alkobol unlüslieben I'ro-
ducte eine bedeutende Verlungsaniung der Herzthätigkeit vergesellschaftet mit
allgemeiner Lübmung verursachen. Wieder du Beweis, wie sebr noch unter der
collectiven Bezeiebnung : lösliche Baktcrienproducte, von einander grundverschiedene
chemische Körper mit verschiedenen physiologiacben üligenscbafteu zusammen-
geworfen werden.
Bribgbr und Wassermann vermochten das Auftreten von
T o X a I b u m i n e n im m e n s e Ii 1 i c b e n Körper nachzuweisen. 8o gelang
es ihnen in einem Falle von Abdonunaltyphus . der unt^'r schweren Gebirn-
symptomen letal geendigt hatte, eine Substanz aus den inneren Organen, lieber,
Milz, Nieral zu gewinnen, welche ein grauweisses, in Wasser gelbliches,
Idebt lOsllebea Pulver darstellt und die bekannten Eiwdssreactionen giebt.
Diese Substanz tödtet Meerschweinchen bei intraperitonealcr Injection schon
in Dosen von ü'l binnen 3 Tagen. Die Erscheinungen und die anatomischen
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BAKTEUIKN.
Yerfliiderunirini wnrt ti dif-ifllipii. wie die hei Mecr-iclin-tMiichen durch Injection von
5 (Vm. l>Int>i'ruin :m< der rv|ilnis!t'i i lio lierv(ir;r»'riitiMifn. Auch an i'inem zweiten
letal verlaiiieiieu Typhustallc iiuuutcu hiu uus dem Milzextracte eine giftige Sub-
sUns darstellen. In mnem Falle von Diphiberie konnten die Verff. ein Tosalbnniin
in der Leiehe nachwei^'(Ml , das aas dem keimfreien (>eiohenblute i^cwuuuoqo
Serimi todt«'te naeli subcutanen Injecti"nen Meerschweinehen unter denselben
Erscheinungen , wie sie vom Üipbtbtriegifte bekannt sind. In einem Falle von
Erysipel, der mit einer aonten Nephritis oomplidrt war, erwiee sich der Urin
in Dosen von 0 *2 Cem. tOdtlieb; diese (iifti<rkeit schwand wieder mit Eintritt der
(fen^'snno'. — Hierher frchnrcTi :\w]\ die rntersiichiiniren von Grifkiths. "•") I>err*elbe
konnte aus dem Harn von Mascrnkranken ein sehr ffifti?es Pturuaiu darstellen,
dusHen Ziisammenset/ung Cj H., Ng NU« und welches bei Katzen unter Tomperatur-
stMgernngr«» bis auf 40^ den Tod binnen 36 Stunden herbeiführte. Aneh aus
dem Harn von Keuchhu»(oukraoken gewann er ein Ptotnain von der Formel
0. H,,N(L. Aus dem Harn von Erysijiclkr.iiikcti stillte er ein Ptoniaiu dar.
welches iu einer weiHsen in rhombischen Phittcheu krystaiiiüireudeu Substanz be
Steht, die in Wasser von sehwaeh alkalischer Reaetion lOslich ist nnd die Zn-
»ammen^etzuDg C|, H,- NO., zei<:t. Ihre toxischen Hi^'cnsehaften sind sehr bedeutend.
Sie tTzeiiL't hefti}?es Fieber und (ödtct die Thiere Imuiomi 18 Stunden. GuiKFiTHtJ '''i
möchte diese Substanz aU Erysipelin bezeichnen. Aucii bei Pnerperaltieber tiat
er aus dem Harn eine weisse krystalliniäche, in schwach alkalischem Wasser
lOsliehe Substanz Ton der Znsammensetxung C«, Hi, NOj darstellt, die sehr toxiseh
wirkt und binnen 12 Stunden Hunde tndtct. Nach den Untersuchungen von Hankin
nnd \VEsnROi>K "'i verma? auch der Milzbrandbacillus ein proteolytisches Eeriix-nt zu
erzeugen, welches auf Proteinkörper derart einwirkt, dass es dieselben zersetzt und
Albumosen bildet. Die so entstehenden Albumosen haben aber keine immnoisirende
Wirkung. Der MilzbrandluioillaB kann aber auch diu et ohne Vermittlung einer
I)i"stase eine aiidt rc AKMiiiinsc »TzciiL'cn. welche N'ertV. in ri lativ reinem Zustande
dadurch erhalten konnten, dass sie die liacillen iu einer Lösung von reiuem i'epton
zflcbteten. Diese Albumose vermag selbst iu sehr kleinen Dosen Ratten nnd
Mllusen eine Immunität gegen die ITihsbrandkrankheit an verleihen. Hei Thieren,
die für Milzbrand empfänglich sind, erzeugt dieselbe in gewöhnlichen D wen keine
Vertriftiinir-erscheinungen. Hei solchen al»i r. die eine relative Iminunitiit u'e;ren die
Älilzbrauükrankheit besitzen, wie z. Ii. Kaileu, Frösche, Krebse, wirkt die.se Albu
mose als ein eneri?isehes Gift.
Dasg die Virulenz der Bakterien eine iuconstante Grösse ist, welche
durch verschiedene fiusserc Kinlhis-c variirt. ist bekannt. Dureli rnter.snchunsren von
Cu.^RKiN und RouKT ^'j, die auch von Phusalix bet^tätigt wurden, ist nun erwiesen
worden, dass Bakterien sehr rasch in wenigen Minuten in ihrer Vimlenz geschwieht
werden, wenn sie in's Blnt vorher der Sehutsimpfong gegen dieses Baeteriuni iinter-
zo'4'enen Thicrc t'in;rcf(Jhrt werden, anderseits hat Frl. T- kmn-ki <■ ) im PastKüR-
Bchon Institut nachgewiesen, dass das abgcschwilchtc Milzhraiui:ritt im Organismus
eines wenig empfänglichen Thiercs (Kaninchen/ seine Virulenz wiedergewinnt,
wAhrend im Organismns empfindlicher Thiere (^Mäusc) diese Erhöhung der Vimlens
geringere Gmde erreieht, so dass die Vaccine nie die völlige Giftigkeit der Mila-
brandbacillen erreicht.
Was die V er breit uug der Bakterie u betriüt, so hat SaxfkUCE**)
Untersuchungen Aber die im Erdboden verschiedener Herkunft vor-
kommenden Bakterien angestellt. Von ai^roben Bakterien fand er meistens
einen von Ki.Kiv hi schridicnen rinrinn.t ji-<i iif1o - oiili nutt nuihi/m' 8t)vv<ihl
in Krde, als auch im Strassen- und Zimmerstaub, sowie in den Filces. Dieser
liacillus erzeugt ein ähnliches Kraukheitsbild wie der des malignen Uodema, unter*
seheidet sich aber morphologisch von diesem durch seine geringere Kttrte und
den Mangel der Sporenbildung. In Culturen entwickelt er reichlieh ein stinkende«
Gas. Nur selten konnte im Erdboden der von Njkolaier und Glarnieri gefundene
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BAKTERIEM.
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Streptoeoeeu» sepUcus nwhgtmieun werden, im Ztamersteab dagegen fand deh
häufig der Streptococcus arpticus liquefaciens Bahes ; beide verlieren rasch ihre
Virulenz. In einem Viertel der Fälle (21- von SOmalj fand sich der Haeillus
des malignen Uedems allein oder mit dem früher erwähnten Bacillus des i'seudo-
Odems in den nüt Erde geimpften Thieren, doeh geht ans den Unterroehnngen
des Verf. bervor, dass der erstere noch viel öfter im Boden vorhanden ist. Der Tetanna-
bacillns verursachte unter 80 Fallen von ImpfuDgen mit Erde von versehiedener
Herkunft nur ömal den Tod des Versochsthieres. Verf. fand aber , dass in jenen
Bodenproben, die nur nodi den Baeillns de« malignMi Oedems m entihalten
eebeinen^ der TetaDosbaeillas regelmAsiig enfbalten war; ebenso häufig wie im
Boden Hess sieh der Tetanuserreger in den FJlees von ^leersehweinchen nach-
weisen. Den Bacillus des Tlausehbrande.s hat Verf. nicht aus der Erde gewinnen
kouueu , wohl aber ein ühuliches Bacterium ohne pathogeue Eigenschaften. —
R. Schwarz beaohilftigte sieh mit äer Frage, ob ^e Tetanasbaoillen dnreh die
Lnft mit dem Staube verschleppt werden können, ferner bis zu welcher Höbe
sie sich erheben, und schliesslich, ob sie danii wieder auf den Boden und die
Wände abgelagert werden können. Zu diesem Zwecke wurden 150 Com. Kehricht
mit ebensoviel Wasser uod 30 Oom. unreine Gelatineenltnren von Tetannsbaeillen
vermengt , trocknen gelassen , das so erhaltene Material pulverisirt und gleicb-
mlSSig auf den Hoden eines kleinen , hierzu prew.thlten Locales auf^^estreut. In
entsprechender Weise wurden in verschiedener Höhentiftche Schalen mit sterilisirter
Nährgelatine in dem Kaume angebracht und der Staub sodann aufgewirbelt. Von
der naebtrBglicb verflflsstgten Gelatine wurden dann Cnltnren angelegt und
Untersuchungen angestellt. Es konnten schon nach 3, 4 Tagen TctanuebaciUen
in den Culturen nachgewiesen und positive Thierversuche erzielt werden. Nach-
dem nun auf diese Weise der L'ebergaug der Tetanusbacillen in die Luft
naebgewiesen war, wurden in solehe Loeale mehrere Kaninoben eingestellt, welche
man am Ilücken mit 14 — 16 Ccm. grossen, Ms in die oberfl.'ichliche Muskelschicht
reiclicndeii Substnnzverliisten versah und dar.inf der am Boden liep^ende Staub
aufgerührt. Mehrer« von diesen Kanincheu starbeu au typischem Tetanus. Es
lehrten ferner die Yersodie von Sohwabz , dass die Tetanussporen sieb auob im
Boden und den Winden ablagern können, woraus sieh die praktiaehe Oonsequens
ergiebt, bei Vorkommen von Tetanus nicht nur den Fussbodon, sondern auch die
Wiliide des betrertVnden Krankenzimmers gründlich zu desiuficiren. Ueber die
Verbreitung von Mikroorganismen im thierischen und meu sch-
lichen Körper liegen wenige CTntmvuehungen vor. Qlbt und Chabbin^')
haben den Bacillua pyoe^neus in den DrUsen einee Schweines, das an Broncho-
pneumonie jrcstorben war. gefunden, ebenso im Blute eines Hundes, also nicht
nur in der Ausseuwelt, sondern auch im lebenden Thiere. In 2 Fällen von
Schwangerschaft im 4., resp. 3. Monate, bei denen In Folge von Variola oon-
Abortus eingetreten war, konnte Adchk im Blute und in der Leber des
einen Fötus den Strepfornm/-,- jii/rxjfUf^.v , in denen des zweiten den Stapliifln-
coccus aureus in Beinciilt iir iKicbweiseu. Beide Frauen starben 26, resp. 82 Sluudeu
nach dem Abortus und bei der Section fanden sich im Blute und in den inneren
Organen dieselben Mikrooi^anismen wie in den Föten. AdchA glaubt, dass es
sich hier um einen Durchtritt der Bäk' r i n dnrrli die Plaeenta der an Variola
erkmnktcn F'rauen handelte. fJALlPPE ^"j liat .ilicr nju liprcwicsen, dass auch bei ganz
gesunden Föten Mikrourgauismeu zu linden sind , welche , da sie sich auch im
Hoden und im Samen finden, direet ohne Theilnahme des mtltterlioben Organismus
in (Iis Ei hineingel in-i sein können. — Dammän hat Untersuohnuf^en (Ibor die
in der Maut norm.ilcr Weise vorkommenden Mikroorganismen angestellt und konnte
folgende Arten ziihleu :
1. Ein bewegliches, an den Extremitäten abgerundetes Stäbchen, welches
er Baeillua epidermidi» eapsulaiu» nennt, auf der Oelatineplatte Golonien von
leiebt bläulidier Farbe liefert und auf Kartoffeln in Form mnea wmssen atanb-
Ba«yolop. JabrbBolier. in. 5
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BAKTERIEN.
:irti;reii Belages wächst und einzelne Gasblasen erzeugt. Dio Cultureu^ namentlich
diejenigen auf Gelatine, besitzen einen eigentbUmlichen Geruch.
2. Einen B, gdatinonUf ein eehr bewegUehes mit einer Ktpsel ver-
sebenes Stäbclien, welches anf Gelatine Golonien liefert, die von einer geUtinOami,
darehBichtigen, fnrbloäen Substanz nmgeben sind.
3. Einen B.jiuorescens epidermidiH ; das sehr bewegliche Stäbchen ver-
fltlBsigt die Gelatine aohon naeh 2 Tagen, obglaeh die Golonien au dieser Zeit
noch kaum siebtbar sind. Es enengt in den versebiedenen Nibrbfldea eine eigen-
tbflmlichc Fluoresccnz.
4. Eiuen Bacillus luteua liquefacienis , lerner einen Stajj/ii/lococcus
ßav^aeensj ein runder oder ovaler Coccus, welcher die Gelatine rasch verflüssigt.
Sebliesslieh einen Mikrococcus ßaveaeeH» tubaidtns, welcher sich in der Gelatine
in Form kleiner, gelblicher ('(»lonien entwickelt, ohne den NJthrboden su ver-
flüssifren. — Bei dieser (Jelegenheit seit'n hucL die rntfrsuchiiiigcn von Was.S-
Muxn Uber die Durcbgftugigkeit der Haut tUr Uakterion erwähnt.
Er fand, dass aveh die gesnnde, unverletste Hant des Mensehen und derThiere
für Mikroorganismen dnrehg.liigig ist, und zwar bildet di(> Eingangspforte für die
Bakterien der \{:i\\m zwischen Haarschaft und IJaarscheide . biugeiren vermitteln
nach ihm die liaarbalgdrUsen und die Schweissdrilsea die Infectiuu nicht. Das
Einreiben der Bakterien naeb yennisebong mit IjaiH>Un madit keinen siebtlldiea
Untersobied in der Schnelligkeit des Eintrittes der Infeetion.
Betreffend die A u » s c h e 1 <1 u n g der B m k t r i e n aus d <■ m K ("i r j) e r
haben Peknice und Scaoliosi "^'i intcresHante rntersiicliungen angestellt. Sie landen,
dass naeh Einspritzung von Keiucultureu, der Slapltylucoccus pi/oyei»e.s aureus,
der B. pyocyanmta^ der B, »ubiüi» nnd der Mikracoecus prodigtomt» auf melireTen
Wegen ans dem Organismus ausgeschieden werden. Fast immer gelangen sie
durch die (Jalle und den Harn in die Aiissenwelt. Es kann alicr auch die Aus-
scheidung durch die Nasen-, Mund-, Trachea-, Magen-, Darm-, L'terus und
Vaginalsehleimbaut stattfinden. Aneb in die Mileh und in den Satnen verml^n
die Bakterien zu gelangen ; in manchen Fällen konnten sie auch in pleuralen
und ])eritonc.ileii 'rranssuilatni, ja sdgar im Li</uor cerihrosjtiniil is nachgewiesen
werden. In einer Versuchsreibe konnte der Uebergang des B. fu/itilis von der
Motter aof den Fötus constatirt werden. Was die Zeit betriü't, wann die Aus-
scbttdung b^innt, so seigt es sieb, dass sehen 4 — 6 Stunden naeb dem Ein>
dringen iu den Organismus die Aussebeidting beginnt and bis zum erfolgten Tode
der Thieri', wenn es sirli nm pathogen«- Mikroorganismen handelt, amlaiiert. Hin-
gegen wird die Ausscheidung bis 24 — 4b Stunden verzögert, wenn nicht patliogene
Bakterien injieirt wurden. Ghromogene Bakterien, wie Prodigiosns nnd der B,
pyociinneHn. erzeugen, auch nachdem sie ans drni Organismus ausgeschiedea
worden, ihre Farlt^toft'c. Die ausgeschiedenen Milzbraudliacillen zeigen ihre Viru-
lenz unvermindert. lÜDgegen ist die Giftigkeit der ausgesehirdenen L'yocyaneus-
stsbeben rtwas verringert. In den ^len, in welehen die eingespritslen Bakterien
im Harne naehgewieseo wurden, waren die Nioren stets verlndert, nnd swar
gleichgiltig. ob es sich nm pathogene. oder um nicht pathogene Bakterien handelte.
Diese Nierenver.-lnderungen stellen sich sehou vor dem I'eliergange der Bakt> ri<'n
in den Harn ein und bestehen aus localen iuteusiveu Kreislautsst(»rungen uud
degenerativen Zustlnden der Nierenepitbeüen. Es sebeint, dass diese Verindernngen
den üebergang der Bacillen in den Harn ermöglichen. In manchen FftUen kommt
es zu einer häniorrhagi.sclien ( Jlonierulonephrilis ; der Sfop/n/focornis aureus da-
gegen erzeugt eine metastatisehe Mephrilis. Die Zeit, die vom Eindringen der Hak
terien in das subcutane Zellgewebe bis zu ihrem Auftreten im Blute verstreieht, betriigt
4 — G Stunden. In manchen Organen konnten die Bakterien früher entdeckt werden
als im Blute. Im subeutaiien Zellgewebe an der Impfstelle l»leihl der Prodigiosus
bis zu 10 Tagen, da^re^'i ii der Ihiriihts suhtih's bis zu Ta^'cn lel)end . also
länger als die Ausscheidung dauert Sie können au der luiptstelle vom Bindegewebe
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BAKTBRIBN.
67
abgekapselt lange liegen bleiben , ohne auf das AUgemeiubetindea des Tbieres
irgend einen Einflass aauofiben. Auch Enbiquezc') fand bei seinen Unter-
soohongen Aber die Aassebeidung der Bakterien dnrdi den UriOf da» es nament-
lich die Stäbchenzellen der Tnhuli contorti sind, durch welche die Ausscheidung
stattfindet. Der ITeberjrang der Hakterien iu die Harnwege war nacii ihm unab-
hftngig vun der Function der Glomeruli, nämlich der Wasserabscheiduug. Inter-
essante Unteranebangen am Lebenden Aber die Aussebeidnng des Tetanns-
baoillns dnrch die Nierenseoretion hat Rri scrkttini '^3) angestellt. Es handelte
sich um 2 F/llle von tranmatischem Tetanus beim Menschen , die mit dem Anti-
toxin von TizzoNi und Cattani gebeilt wurden. Im ersten Falle wurde der
Urin in dner xiemlieh vorgerflekten Krankbeitsperiode am 5. Tage gesammelt
und in der Dosis von 5 Ccm. Thieren eingespritzt. IMe Tbiere seigten naeh
9 Ta^'on sflmmtlicli das vollst.Hndige Hild des experimentellen Tetann>i , an di-m
sie auch zu Grunde ginfjen. Im zweiten Falle wurde d-ij^o^en der Harn fast
beim ersten Auftreten der Tetanuserscbeinungen am 2. Kraukbeitatage aufgefangen
and Minsen und Kanineben nnter die Hant gesprittt SftmmtUebe Tbiere starben
unter sehr heftigen Tetannssymptomnn, die ersteren nach 24, die letzteren naeh
3(5 Stunden. Von srns^pm Interesse ist die That-ificlu- , dass der Urin desselben
Individuums am ö. Kraukhoitstage, nachdem 4 lujectiunen von Antitoxin gemacht
worden waren, in denselben Dosen wie in den froheren Versneben weder bei
Minsen noch bei Kaninchen irgend dn krankhaftem Symptom hervorriefen. Ks wird
also zwcifcllo'i das in's Hlut fl hergegangene Gift snm grossen Tbeile durch die
Niereosecrtrtion aus dem Körper ausgeschieden.
Zur Methodik übergehend seien zanlchst die Arbeiten , die t i n e-
torielle Darstellnng der Bakterien betreffend, in Kitrse vorgefllbrt.
Kühne**) empfiehlt das Malachitgrdn in Anilinöl gelöst als eine
ausgezeichnete A u s z i e h u n g s f a r b e des Fuchsins , Methylenblau und
Krystallviulett aus Schnitten. L'm Tuberkelbacilleu und die zu ihrer Gruppe gehörigen
Bakterien anniehst naobzuweisen, genttgt es, die 16 — 20 Minuten in kidtom Oarbul-
fuchsin gefärbten Schnitte in Alkohol abans|)iil('n mul in eine concentrirte Lösung von
Malachitgrün in Aiiilinöl zu (Ihi-rtrairen. .h- naeli dir Itickf des Sclinittp-; i-^t die
Ausziebung des Fuch^in^ aus dem Gewebe in 15 — 30 Minutea vullcndet, wiilirend
die Baelllen die Farbe halten. Llsst man die Schnitte 24 Stunden und länger
in dem Oel, so wird dadurch die Bakterienflrbung nicht gesehldigt. Alle flbrigen
nicht zur Tuberkelbacillenirruppe gehörigen Mikroben ontfarlieti sich dagegen zu-
gamnien mit dem Gewebe. Kine grosse Anzahl von ihnen wird indessen zum
Festhalten der Farbe gebracht, wenn man die mit (jarbolfuch^in gefärbten Schnitte
nicht direet aus dem Alkohol in's Malaehitanilioöl , sondern vorllnfig in reines
Anilinöl bringt und sie dann nach vollst.Hndiger Aufhellung auf mindestens
1 Minute in Terpentinöl überträgt. Wird jetzt der Sehuitt in Malachitgrün-
anilinül ausgezogen , so halten die Bakterien das Fuchsin fest. MiUbrandbacillen,
Mlnsebaeillen und die verschiedenen Mikrococcen nehmen diese Flrbung an,
wlhrend dies bei den zur Gruppe der llühnercholera gehörigen Bakterien nteht
der Fall ist, die sieh indessen naeh demselben Verfahren mit Methylenblau filrben
lassen, l'eberhaupt schlecht zu differenzireu mit Malaeliitgrdn zeigten sieh nur
die llotzbaeillen. Bine sehr gute Seite des Vcrfabreus ist die Möglichkeit, damit
«ine Tollfltlndige Entfärbung des Gewebes naeh Art der GBAH'sehen Methode an
erzielen, wobei auch durch sehr lange Ein wirkiins: des MalaehitgrUns keine Ent-
färbung der H.ikterien eintritt. — Btkaiintlieh mis.sglückt oft die Entfärbung
nach der GKAu'schen Metbode bei dem Entfärben; entweder bleibt das Prä-
parat diffus violett, oder wenn dass^be an stark entftrbt wurde, sind die Bakterien
nicht zu sehen. Die Schuld der Misserfolge vertheilt sieh wohl auf alle Stufen
der Färbung: Zun.-iehst k'unnit das ( Jeiitianaviolett in übertliissigen Tropfeu mit
dem Schnitte iu's Jodjodkalium, dasselbe bildet darauf einen überHUssigen Nieder-
sehlag, weleher häufig nicht eher dem Alkohol nachgiebt , bis auch die Bakterien
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BAKTBRIBM.
M gut wie ganz entfärbt sind. Um diesem Uebelstiinde abzuhelfen , muss man
erstens du Prftpent naeh dem OentianaTiolett nnd vor dem Jodjodkalinm aas-
Bplllen , zwßiteos die Entfärbung etwas ruhiger durchfuhren. Zu diesen beiden
Zwecken bat RoTKix das Anilinwasser als klare, die Anilinfarbo lösende und
als Beize wiikende Flüssigkeit empfohlen. Die Schnitte uder diu Deek^laspräparate
Minuten oder Stamleik lang in Anilinwasser - Oentianaviolett gefärbt , dann in
reinem Anilinwaiser yon der flflssigen Farbe abgeepQlt, mit JodjodkaUam bebandelt,
kttainen viel l.luo^er straflos in Alkohol liegen bleiben als die nach dem prewöhn-
lieben GuAM'schen Verfahren ^efllrbten und kommen rein und zierlich heraus,
auch wenn sie mehr als 3 Minuten in der Jodlösung verweilt hatten. — Für
Mikroorganismen, welehe sieh naeh der GsAH'sohen Methode nieht
färben, empfiehlt Nicoli e ' ein Verfahren, welches auf der Eigenschaft des Tannins
beruht, das auf den Präparaten fixirte Methylenblau unl^^slirli /u mnchen. Die in
Alkohol gebarteten Scbuitte werden 1 — 3 Minuten in Lofflkh scheui oder Kühne-
sebem Blan geftrbt, naeh Abspulen im Wassor mit einer lO^/oigen TanninlOsung
bebandelt, deren Wirkung eine momentane ist. Knn folgt Aussplllang im Wasser,
Entwässerung in absolutem Alkohol, Aufhellung in Nelkendl und Einschliessen in
Xylolbalsam. In so gefilrbten Schnitten /eipen die Bakterien eine intensiv blaue
Färbung, während die Gewebe nur leicht getarbt sind. Will man noch mehr
differenriren, so kann tnan naeh der Blauikrbnng dne lelobte Entflirbang in mit
einigen Tropfen Essigsiture versetztem Wasser vornehmen, man kann auch Doppel-
filrbungen z. R. mit in Tannin gelöstem Eosin vornehmen. Mittelst dieser Methoden
wurden vorzügliche Kesultate erzielt bei äcbnitten vou Kotz, Typhus, HUhner-
ebolera, Nogeholera, bei Baeillen des weiohen Sehankers von ünna. — Die
MöLLER'sche Methode der Sporenfftrbnngr hat sieh naeh Fotii ') sehr gut
bewährt und besitzt, nach diesem, vor allen andern die Vorzllfrc der Kiiifaehheit
und Zuverlässigkeit, doch haben sich die von Mkller an diese Methode go-
kuUpften Hoffnungen, dass dieselbe zu einer directen Messung de« Reaistens-
grades der Sporen, sowie zu diagnostiseben Zweeken wird verwertbet werden
können, nieht in dem gewUnschten Masse erfüllt. — Sträuss gicbt ein neues
Färbungsverfahren für (! eissein in lebendem Zustande an. Man bringt
einen Tropfen aus der Culturtlüs:iigkeit auf ein Deckgiäschen, vermengt denselben
mit einem Tropfen der FnebsinlOsnng , die mit 3—4 Tropfen Wasser verdünnt
ist, bedeckt sofort das Gläschen und untersucht so rasch .tls m5^:lich. Man siebt
dann die rothfrefärbten Stlbchen, von denen viele noch iclx nd geblieben sind und
in lebhafter Bewegung sich betinden. An einem oder beiden Enden sieht man die
blassrotb gefärbten Qeisseln , entlang derselben eine Reihe von dunkelroth ge-
fkrbtea KOmdien. Ausserdem findet man im Pripaiate aneh abgelöste ßeisseln,
die frei in der Flüssigkeit herumschwimmen. Diese Methode hat sich bis imn nur
bei Cholerabacilleu . biini Vibrio ai-icida von Gamalki.\ uud beim FiNKLER-
PRIUK sehen Kommabaeillus bewährt, nicht über bei anderen beweglichen Bakterien.
— Zum Nachweis von Tnberkelbaeillen werden einige neue Verfahren
angegeben. So benutzt AbBNS als FärbeflUssigkeit eine mit Chloroform versetzte
alk(>h(dische Fuchsinlüsung , zum Entt'firbcn einen schnell bereiteten oder einen
bekannten saksauren Alkohol (HCl lU O, Aqu. desl. 2Uü, Alkohol Ü6» <, 730). Die
PHrbung gesehiebt in folgender Weise: In einem Ubrglase wird dn hirsekom-
grosser Fuchsinkrystall mit S Tropfen absolutem Alkohol Qbargossea oder man
nimmt gleich 3 Tro|)fcn einer gesättigten alkoholischen Fuch^iiilr-nnir. I)i(si'lbe
wird mit 2 — 3 Ccm. ('hlorolurm versetzt, es entsteht eine TriibniiLr der L(»uni;, die
mit dem Abscheiden vou tioekigem Fuchsin sich zu klären beginnt. In die ge-
klärte IjOsung bringt man das Deckglas fttr 4 — 6 Hinuten, Iftsst dann das Chloro-
form verdunsten und entfür' i in .ilzsauren Alkohol. Sohnitte werilcn ans abso-
lutem Alkohol in die Clilur.'l<irnitüch>inlösun.<r übertragen und cbciitalls l bis
(> Minuten gefärbt, mit salzsaurem Alkohol entfärbt, dieser mit absolutem Alkohol
ausgezogen, worauf dann in verdflnutem Methylenblau naehgefärbt wird. Besonden
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BAKTERIEN.
69
eignete sich das Chloroformmetbylenblau far Färbuog von Bakterien in Milcb.
Rabm oder anderen fetthaltigen Substanzen. Man brinfrt z- R. eine Oese Milch
mit Wasser verdünnt auf das Deckglas, Uberträgt das getrocknete Deckglas in
Ghloroformmetbylenbton (12 — 16 Tropfen geefttUgten atkoholisehen Hetbylenblan
und 8—4 Cem. Chloroform), ftlrbt 4 — 6 Minuten, läsat dann das Chloroform ver-
dunsten, spült das anhaftende Methylenblau ab und untersucht. — T in die
Tuberkclbacillen in Präparaten , die aus MiiLLBR'äch -r Flüssigkeit stamnieo, zu
färben, hat Letolle<^o; folgendes Verfahren eingeschlagen: Die Sebnitte werden
znnidhst mit Hänuitoxylin geflürbt, nm die Kerne dnrxitstellon , dann in Wawer
reichlich abg:ewaschen , hierauf für eine Viertelstnnde in eine ^e-^.'lttiijti' Rubin-
löRun? in "20 -if^'em Carbohvasser gebracht, 1 Minute lang in deatillirtem Wasser
gewaschen, eine halbe Minute in abaolutum Alkohol gehalten, dann folgt 5 Minuten
langer Anfentbalt in einer JodgrflncarbollOsnng (1 Orm. Jodgrfln in 100 Orm.
2° i^i^rem Garbolwasser) , AbspOlen in absolutem Alkohol bis zar gewünschten
Entf:ir!)iing:, Aufhellung: in Bergamottc'l , Einschluss in Xylol. — - Ein sehr
einfaches Verfahren zum Naebweise der Tuberkclbacillen im
Antwurfe hat P. K&uniANN angegeben. Er bedirat noh snr BSntftrbung der
Bakterien dnfaob Btedenden Wassers, in welebem die mdsten Bakterien rascb
ihre Farbe verlieren, nur der Tuberkelbacillus dic-^i-Ibo liln^'ere Zeit, /.uweilen über
5 Minuten , zurückhält. Das Verfahren ist l'(iI;roiHi('3 : Das auf dem Deckglase
angetrocknete Sputum wird in der üblichen Zeit m t heissem Carbolfuchsin gefärbt,
dann wird das Deekgllaehen 1 — 8 Minnton in dedendem oder 98 — 99« hei^eem
WiHscr hin- und horgesebwenkt. Man kann nun, falls man keine Contrastfärhuncc^ n.
die st lir ;rut ;rt'liii'„'cn. wnnseht, ohne weiters im Wasser nntersuchon und liudet
die Tubcrkelbacilleu dunkclrotb auf grauweisslichem Grunde. Zur Erleich t i.- ru n g
der Tnborlcelbaeillenfftrbnng hat Ali-Oohbn'*) einen kleinen Apparat
angegeben, der aus einer Glimmerplatte besteht, die in einen Metallrahmen ein-
gefasst ist. Pas Decko-läschen wird so auf die Platte jrelegt, dass ein kleiner
Randtheil desselben einen in der Glimmerplatte augebrachten Ausschnitt Uberragt.
Nachdem die Farblösung aufgetroptt ist, wird die Platte Uber eine kleine Flamme
gehalten, bis entere su dampfen beginnt. Man verm^det dadurch alle Unannehm-
Uebkeiten, die eventuell bei der Erwärmung entstehen können. Ii.kewitsch •♦)
bedient sich mit l'rfolg der Centrifugalkraft cur Auffindung der Tuberkelbaeillen
in der Milch uad im Sputum.
Eine praktiseho Fftrbnngsm ethode für mikroekopiaehe
Präparate giebt Wladislaw SwiATECKi an. Die zu untersuchende Flüssigkeit
wird auf einem Objectjrlase in dünner Schichte ausj^ebreitet , nach Austrocknmiir
und Fixirung wird das Präparat mit einem Streifen reineu Filtrirpapieres bedeckt
und daranf die entsprecbende Farblösung getröpfelt. In den Fällen, wo eine
Iflngcre Einwirkung der Farblösnng nothwendig ist, bedeekt man das Priparat,
um das Austrocknen zu vermeiden, entweder mit einem Ohjectträger oder man
stellt es unter eitie Glasglocke. Nach der Färbunjr wird das Filtrirpapier sammt
der FarblöHung abgespritzt, das l'räparat abgespült und untersucht. Auch Scbnitt-
präparate können anf diese Weise geßlrbt werden, nur ist es, um das Ankleben
des Fliesspapieres an das Pr.'lparat zu verhindern, zweckmässifr, den Schnitt vor-
läufig mit einem I )eekf;läsehen zu fiherdoeken und erst darauf das Löschpapier
sn legen. Die V Orzüge der Methode bestehen darin, dasi erstens ein sehr geringer
Verbraueh der Lösung stattfindet, zweitens Sehltehen, Ubrgläser n. dergl. voll-
kommen entbehrlich sind, drittens wird die Lösung gleiebzeitig filtrirt, wodureb
Niederschläge im i Arti fncN- verniieden werden, viertens wird die andere Dber-
liäche des Deckfi:läsohcns mit der Farbe nielit beschmutzt. - - SAitouitArn i hat liie
LusTGARTEN'äche Färbungsmethode für rubcrkelbacilleu ausserordentlich geeignet
gefunden, namentlieb, wenn es sieb darum handelt, dieselbe in Organparanebymeo,
c. B. der Leber, naehzuweisen.
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70
BAKTERIEN.
Wa-? ilie ZUchtunjr der Ilakterien betrifft, so sei vor Allem betreff*
der N ä h r b ö d e ii erwilhnt, dass Woli.nv "*) eint- Methode anp:e^«'ben hat, e i w e i 8 8-
baltige Näbrbüduu auf kaltem Wege zu BteriliHiren. Eb gescbieht
dies vennittolst des gewöbnliobeo AetiiyU^ers. Der snsgepreBste aod mtt 10*/»
Aether versetzte, oder durch kaltes 10*^0 Aother enthaUendes Wasser extrabirte
Saft von feiiiprehackten Muskeln oder Fleisch, Leber. Lunpe, Mritreti. sowie Hlut,
Harn, Milcb u. dergl. halten »ich in ge8cblo.m'ueu Gefässen beliebig lange, meist
siemlich onTerändert und kOnnen alle diese Flflasigkeiten nach geeigneter Kllrung
nnd Decantation oder Filtration direet als NAhrlAsung oder durch Znsatie coneen-
trirter (33" c) Ajrarlösong oder enncentrirter 'l.'i — 20" CU-latinelrisunpr zur Be-
reitung:: von festen Nährböden verwendet werden. Mau bat dann nur, nachdem
die Klärung erfolgt ist, den Aetber zu eutfernoo, was am besten dadurch genebieht,
dass mao die NtbrbOden in gerAnmigen und mit Watte verstopften Kolben auf
35 — 40* erwirmt und unter den Re<'ipienten einer Luftpumpe setzt. Nach erfolgter
Entfernung de.s Aethers sind die FKlssi^^keiten entweder für sieh oder mit Ziiaatz
von Agar, eventuell etwas äudalü.sung direet als Niihrbüilen zu gebrauebcu; sie
entbalten das Elweiss com Uotersehiede von den dnreb Hitae sterilisirten voll»
stäntÜL' III (1 unvermindert. Kin N.-mhtheil dieser so bereiteten Nährböden ist ihre
dunkle Fiirbnnjr, die sieh ohne tieferfreheiule Zorsctznnpen nicht itndern liisst,
doch sind sie in der He^rel in nicht zu dicken Keageusgläsern noch durcbsicbtig
genug, um als M&hrlOsungen dienen su können.
In Verfoignng des Gedankens von Wollsy ist es A. Rbiksch gelungen,
aus Milcb einen festen nnd durchsichtigen Nährboden herzustellen . in welchem
sowohl das CaseYn. als alle übri^ren sich in der Milch betindlichen SuJ»staii/.eTi ausser
Fett in gelöstem Zustande entbalten sind. Die Herstellung gchcbieht in folgender
Welse: 500 Gem. frlsebe Knbmitch werden in einem vemcbliessbaren Seheide-
trichter mit rOGrm. NaOH 0-2« „ fS oCcra, einer Auflösung von 400 Grm.
Na OH im Liter) versetzt, ?ut durcbjrpselnlttelt nnd 4H 8tnii<len bei einer Tem-
peratur von ungefähr 18^ C. aufbewahrt. Während dieser Zeit bat bicb dus Fett
als eine dieke Rakmsehieht an der Oberflaebe der PUtosigkeit gesammeit. Die
unter der Kabmschicht befindliche, schon ziemlich durchsichtige FIflfsigkeit wird
nun in einen zweiten Scheidetriebter gebracht uud zur Entfernmür der letzten
Spuren des Fettes mit L'.^OCcm. Aether ge-chfittelt. Nach IS Stunden hat sieh
der Aetber von der klaren, nur bei aulfalleudem Lichte opalisirendeu Flüssigkeit
getrennt. Letztere entbllt titmet den llilebbestandtbeilen (AlkalieaseTn, Zueker und
S i!/e) noch eine betrflebtlicbe Menge Aetber gelöst. Zur Entfernung desselben wird
die Flfl.ssifjkeit in einem perftumifren sterilisirten Kochkoiben, dessen OefTnunff mit
Watte verscbloason wird , auf C. erwärmt uud unter den Keeipienten einer
Wasserstrabiluftpumpe gebracht, wo naeb 3 — 4 Stunden der Aether verdampft
ist. l'm die so hergestellte sterile und fettfrde Uileb, die als solche schon an
Stelle j'.iiuillnii als lldssiger Nährboden verwendet wenlcti kann, zum l'rstarren
zu briujjen, \ erfährt man auf fol;rende Weise: 2 Tbeile diesir entfetteten Milch
werden mit 1 Theil einer 3 — 40/oigen sterilisirten Agarlösuog bei eiucr Temperatur
von circa 50* C. gemisebt nnd in sterile Reagensröbrebea vertbeilt. Naeb mebr-
tlgigem Aufenthalte im Brntsehranke können die durch etwaige Luftkeime
inficirten Röhren ausgeschlossen werden, was ilbri^rens bei surpfältigem Arbeiten
nur bei 4 — ö^/o der Kidirun der Fall sein wird. Der auf diese Weise
erhaltene Hilcbagar ist völlig durebsicbtig , bellgelb, bei auffallendem Liebte
sehwaeh opalisirend. Andererseits kann man die fettfreie Milch direet mit l\ .>°'o
gevuherteni A<rar versetzen. 21 Stun ien Itei Zimmertenij)eratur dijreriren , dann
2 — 3 Stunden im Dampftupf erbitzeu uud filtriren. Das Alkalicaseln fällt beim
Erhitzen nieht aus (erst beim AnsAuern des NAbrbodens findet eine FAllung statt),
jedoch wird der Nährboden in diesem Falle bedeutend dunkler geHlrbt, da eine
Caramelisirutiir des Milchzuckers eintritt und vielleiidit nm-h das CaseYn nicht
ganz unverändert bleibt. Der auf kaltem Wege hergesteilte Nährboden besitzt
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BAKTBSn^.
71
einen höheren N.lhrwerth als dit- g-ebr.luchlicheii Fl<^isL•hwa.Hsernilhrböden. — Fm die
ünsicburbeit der Nuutraliäirung dos NährbuuiiluD mittelst Lackmuspapier zu ver-
meiden, empfeUen Pbtri und Maassbn»), die Aelditftt des Fieieehsafles dvrdi
Titriren mit */io-Normallauge zu ermitteln , einmal mit empfindlichem blauen
Lackmuspapier, bis eine sehwaehe Verstärkung des blauen Farbentonea stattfindet,
dann mit Pbeoolphtbaleio. Da das Alkalitätsoptimum fUr die meisten Bakterien
twildien diesen beiden Ponlrten liegt, m» tat es leidit, den gflnstigen AlkalisasAts
nach Cabiiccentimetern Normallauge pro Liter zn beatinunen.
Schutz "*') empfiehlt folprendes Verfahren zur raschen Rereit unfr
von Agar-Agar. Zu 1500 Ccm. Wasser werden 18 Grra. Agar zugesetzt und
das Ganze in einem eisernen nicht zugedeckten (jefässe auf einer freien Flamme
30 Hinnten lang stark gelcoeht Der wlbrend des Koehens an der Oberfliclie
anftretende weisse, dicke Schaum muss entfernt werden. WUhrend des Koebens
werden der Misehung 2 Grm. LiKmo'sohes Fleischextract zngffiipt. Nach Ablauf
der genannten Zeit wird das Gefiiss vom Feuer entfernt und langnum auf 60*^
abgekflhit. Nnn setzt man 10 Orm. Pfptonum steeunif 6 Grm. C9i1oniatriam und
den ganzen im W.i^ « r aufi^ «'lösten Inhalt eines Eies so. Die alkalische Roaetion
der Misclnnig wird <iurth allniilliden Zusatz von SalzsUure neMtrnii>?irt, und zwar
am besten vor Einbringung des Eies. Nach der Neutralisation wird das Gefäas
wieder anf die Flamme gesetzt nnd 5 — 10 ICinnten gekocbt. Nun iHrd die Ltenng
dnrob feines Pütrirpapier iiltrirt. Ist die filtrirte FIflssigkeit nieht ganx
klar und durchsichtig, wird ein P^iweiss zugesetzt und bis zur Gerinnunf;^ desselben
gekocbt. Am Ende der IVoeedtir bleiben lOOu ('ein. des Nfthrbodens. Hie iranzo
Procedur bis zur l'iilluag in Eprouvetten kann in einer Stunde aufgeführt werden.
DayaIiOS ^1) bat die von Stbbnbbbg in die Bakteriologie eli^efllbrte Coeosmiloh
snr Unterscheidung mancher Bakterienarten verwendet. Er öffnet die Nuss anf die
gewohnliche Art. gierst die FIflssigkeit in ein Gel'flss und verthoilt sie auf Reagens-
gläser, die er diseuntiuuirlich im Dampf sterilisirt. Auf der reinen Cocosmilch
wachsen Rotabaeillen besser als in Bonillon, sebr raseh entwiekeln sieb femer
Dipbtberiebacillen, der linc. pi/oci/aneus, Staphyloeoccen ; hingegen wachsen anf
diesem Nährboden nicht oder nur sehr sehlecht Cholcrabacillen, Milzbrandbacillen,
Gonococcen, Streptococcus pt/otjfitifs. Für die Unterscheidung des phusbacillus
vom üiic. coli communis eignet sich die Coeosmilcb sehr gut. Ersterer bildet
ntmlieb naeb 24 — 28 Stunden einen sebmntsig- weissen SatE, der den gröesten
Tbeil der ("nncavit.'lt wie mit einer ddnnen Schicht überzieht, die beim Schiltteln
spiralig autsteigt, liei Färbung mit Carbolfuehsin findet man Stäbchen mit ab-
gerundeten Enden und bellen Zwischenräumen an einem oder au beiden Enden.
Beim Bac. coli eommuni» ist der Bodensatz klein, kaum linsengross, strohgelb.
Bei Färbung mit Carbolfuehsin zeigt sich der Hacillus bald als länglicher MUcro«
coccus, bald als Stäbelicu njit einetn hellen Fleck in d<'r Mitte oder ;ini l'.iide. Längere
Fäden wie beim l'yphusbacillus findet man hier nicht. — An ätelle der Kartofi'cl
gebranebt G. DE I^Oi{EHBlM'>) Macaroni als festen Näbrbodeu. Man
versebafit sMi mlfgliehst weisse Hacaroni, die 6 Hm. im Unrehmesser und ein
Caliber von 3 Mm. haben. Dieselben werden in Stticko von 4*5 Cm. zerknickt und In
ßterilisirtc He.igirijlä.scr gethan. In die Reagirgläscr thnt man su viel Wasser, dass
es 1 Cm. Uber das Macurouistück steht. Die Maearonistüeke werdeu jetzt so lange
gekodit , bis sie angescbwoUen nnd weicb sind , wozu ungefilbr eine Viertelstunde
nothwendig ist. Das Wasser wird jetzt vorsichtig ab^egosgen , die Reagirgläser
werden mit Wattepfropfen ver-jchen und in der gewöhnliclien Weise im Damptstrom
sterilisirt. Wenn die Macaroui fertig sind, haben sie eine leicht gebogene Form,
aucb wenn sie vorber ganz gerade waren. Sie sind fast ganz weiss und baben
eine mattglänzende Oberfläche. V'or dem Kartoflielnährboden in Reagirglttsem
hat der MacMmnin-ilirboden einiire \ ortheile. Er ist schneller darzustellen und
beschmutzt nicht die Innenseite der Heatrir^läser, wie es die KartoÖelstiicke durch
herausgefallene Stärkeköruer oft thun. Die Uberiiüche ist ebener und weisser.
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72
BAKTBBIEN.
Cnltaren toh ebromogen«!! Bakterien auf Iboaroni abd aebr hflbaeh und inafamctiv,
weit sie sich \oii der weissen, ebenen Unterlage sehr gat abheben. Scbliesslieh
lassen sich die Macaroninährböden zum Dia^nosticiren Terachiedener Bakterien
verwenden. Es giebt nämlich Bakterien, welche zwar auf Kartoffeln, aber nicht
aof Maearoni waobsen.
Um beim Studium solcher Bakterienarten , deren Cnltur anf den kUnst-
licbeu Nilhrbuden bislang: nicht ^^reliiiifren war. nicht auf (ielatine und Agar
angewiesen zu sein und auch di< unbequeme und unzuverlässige Art des Ver-
dünncns dureb Verstreichen uuigeheu zu können, bat Drossbach ein Verfahren
anagearbeilBt, welebas in einfaohater Weiae die Verwendnng jedea festen Nlhr^
bodens gestattet. Die Methode besteht lediglich darin, dass die Verdünnung nicht
im Nährboden selbst , sondern vorerst mittelst keimfreien Wassers vorgenommen
wird. Hierbei hat man dafür zu sorgen, dass die angewendeten Wassermengen
reebt gering sind. EMeae Verdflnnnngen gieiat man nnn anf die in paasenden
Schälchen mit sehr niedrigem Kande aus^elfrcitcten Nährboden , z. H. erstarrtes
HUhnereiweis« , Bhitaeriim. Si-idcnlriin . Kleber, PHanzenalbumin u. dcrü:!. m. Man
Tertheilt durch Hin- und iierneigeu und stellt die Schälchen horizontal unter die
Oloeke einer krftftig wirkenden Luftpumpe. Arbeitet diese gut, so ist die dttnne
Waiaenehiebt bald verdanpft und man bat darauf an aehten, dasa der Nährboden
nicht ganz austrocknet. Die im Wasaer vertheilt gewesenen Keime befinden sich
nun aus.^chliesslieh auf der Oberfläche des Substrates. D.i liier alle Colonien an
der Obertiäcbe liegen, so gestattet dies, dieselben in iltrcn ersten Anfängen zu
beobaehten. Dnreh den Widerstand dee Subatratea nieht bebindert, ist das Waeba-
tbum ein recht cbarakteristisebes und beaon li rs nicht verflüssigende Arten, die im
Substrate oft «chleclit gedeihen . wachsen auf der Oberfläche leicht. Ein anderer
Vortheil dieser Oberilächenoulturen ist durch das bequeme Abimpfen gegeben.
Ein fernerer Voribeil ist dnreh das leichtere Zftbren dieser oberflftdilieben
Oolonien gegeben.
Eine ganz bestimmte Beschaffenheit des Xilhrhodens behufs Frleirhterung
der Diagnose der Mikroor^^anismen haben Col'LlN und Bevax angegeben. Sie
gebrauchen einen Nährboden, bestehend aus :
Fleiaeheztraet 6 6rm.
Pepton. 9ice. (aUnm.) 10 „
Glycerin ^2»
Wasser 1000 „
Agar l*5»/o.
Dieser Nährboden giebt bei Impfung mit Staphylococctts pyogenes aureus
eine eharakteristische Heaction. Auf diesem Sulntrat zeigt die Stricheultur des
besagten Mikroorgani.«mu8 schon nach 2 Tatren deutliches Waehsthum, nach 3 bis
4 Tagen beginnt der Nährboden trübe zu werden und am Ende des 5. — 6. Tages
hat die ganze Nihrmaase dn weisses, undttrehsiobtiges , gidobmiaaigea Anaseben,
wie wenn sie mit Tapioca versetzt wilre, welebes an der Oberfläche mehr, gegen
den Ornnd weniger au'^^resprochen ist. Diese Verilndernng der Farbe und der
Durchsichtigkeit ist nicht bedingt durch das Wuchsthum das Mikroorganismus in
den tieferen Sehiehten, sondern dureb eine chemisehe Verflndemng in Folge der
Einwirkung der bakteriellen Prodnete. Andere Mikroben erzeugen keine Ibnliehe
Veränderung.
Während bis nun zur bakteriologischen Untersuchung last ausschliesslich
alkaliiehe Kahrsubstrate verwendet wurden, maeht Q. Schlüter darauf aufmerksam,
daas manche Bakterien aneb anf aanrenNährböden wachsen. Er verwendete
hierzu entweder die gewöhnliche Nährgclatine oder eine Abkoehung von Hausen-
blase mit ciMein Znsatze von I L'.'» Pepton. si«*e. und l 'Jö Kuehsalz auf "iöo (irm.
Wasser, die dann beide mit veisichicdenen .Säuren in >eröchiedeneu Conccntralions-
graden versetzt wurden. Die Versuebe ergaben, dass eine ganze Anzahl von
Bakterien anf saurem Nährboden wäebist, theilweise sogar sehr gut, dass aber
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BAKTBRISN.
73
eine gewisse Grouzo des Säuregrades nicht überschritten werden darf, wenn man
noch WaehstJiain errdeben wHI. Di«Mr mOgliehe Maziiualatiiregehalt dee Nthr-
bodens ist für die eiDselnen Bakterien ein sehr veraehiedener. Der einzige Spalt-
pilz, der bin keinem dar anfrewandten S.1»rc?rade gewachsen ist, ist der Erysipel-
coccus. Höchst interessant ist aber die Thatsache^ dass der Milzbrandbacillus
aneb nocb bei einem Sftoregehalt dei Nihrbodens von 0'2Vo MilebBaare und
0*20 „ Alaun noch besser nnd aehndler als aaf nentralem Nährboden wflehst.
Auch die Virulenz dieser auf saurem Nährboden gewachsenen Bacillen ist unver-
ändert geblieben. Zu den Hakterien, die auf saurem Nährboden wachsen, zählen
noch der T}'phusbacillus, der Uacilius der blauen Milch, der Bacillus der Htthner-
ebolera, der FRiKDLÄiiDBR'sdie PaenmoniebadllaB ete. — Um die Gnltorpiatten
wShrend dieses Waehsthunies bequem mit Immersionssystemen studiren zn können,
empfiehlt Lk kfktt ''*) das Korn'scbe Plattenverfahreii auf das Deckglas zu über-
tragen. Um eine solche Aliniaturplatto aus JSährgelatiue herzustellen, bringt mau
mittelst Platinflse oder Pipette eine kleine Menge ans einem mtt dem Impf-
material besehiekten (ielatiner^hrchen auf ein Deckglas und streicht aus, die Ränder
des Üeckfrlas<'.s freilassend. Das letztere wird iinu sofort (bevor die (Gelatine
eintrocknet; in derselben Weise wie beim „hängenden Tropfen'* mittelst Vaseline
anf den bohlen Objectträger gebracht. Zur Herstellung von Agarminiaturplatten
ist das Verfabren mutatis mntandis dasselbe. Statt der Vaseline bedient man
sieh bei Oebrauch des Brutschrankes des Canadabalsaros.
Ein v(»n Koch an^rejrebenes Verfahren zur fiewinnunir von I'eiu-
cuituren der Tuberkel bacillen und anderer pathugener Bak-
terien ans Sputum besehreibt Kitasato : Die Patienten werden angebalten,
das durch wirkliches Husten, nleht Räuspern, des Morgens ansgestossene Sputum
in sterilisirte Doppelschälchen zu entleeren. Das Sputum muss nun sofort weiter
verarbeitet werdou. Eine aus den tieferen Theilen dea Rospirationsaipparatea
stammende Sputumfloeke wird mit sterilisirten Instrumenten isoUrt und in mindestens
10 mit steriiisirtem Wasser geflillten Sehllohen naeheinander sorgfältig g(*waschen.
Zerreisst mau nun in den letzten J^cliJnchen unter sterilisirtom Wanst-r die Sputum-
floeke und nimmt aus der Mitte derselben einen 'riieil , um ein mikro.skopisches
Präparat anzuiertigun , so kann man sieb leicht überzeugen, ob nur Tuberkel-
beelllen in demselben enthalten sind. Sehr oft ist dies der Fall, und genOgt es
dann, eine sotohe aus der Mitte der Flocke entnommene Partie auf Glycerinagar
oder Blutserum zu Ijrinp-en, um Reinculturen von TulH rkelbaciilen zu erhalten.
Diese aus Sputum angefertigten Betnculturen unterscheiden sich nun (besonders
im Anfange des Waehsthums) in ihrem Aussehen etwas von den ans tuberknlitoen
Organen angelegten Culturen. Sie bilden zwar ebenso wie die letzteren erst natdi
circa 2 WiM-lien die ersten Coloiiicii, allein diese bieten anfangs einen völlig ver-
Bchiedemn Anblick. Sie erscheinen als kreisrunde, rein weisse, undurchsichtige
Flecke, die sieh Uber die Obertläche des Agars erheben. Dabei sind diese Colooien
feueht, glänzend und glatt (fast wie die Colonien der weissen Hefe), während die
aus Orfranen frewonnenen Tuberkel bacillencolonieu von Anfang an trocken, matt
und {refailet ersclieinen. Allmälig verschwinden diese Unterschiede, so dass nach
cirea 4 Wochen eine Dill'erenz zwischen den aus Sputum und den aus Orgauen
angelegten Culturen nicht mehr wahrgenommen werden kann. Die ans gesehlossenen
Lungencavernen angelegten Culturen verhalten sich genau so wie die Sputumculturen.
Zur Z Ii <• b t II u g von anaerctben Bakterien sind neuerdings einige
Behelfe angegeben worden. Ooata bedient sich folgender Vorrichtung: Man zieht
dn mit Nährgelatine oder Nähragar gefülltes, mit Wattepfropf sterilidrtes Reagens-
rohr am Halse, diebt unter dem Wattepfropfe, dureb eine Gebläslampenflamme
euerer und iJlnger als d.is Hohr von liilionir.s aus; dabei findet keine Verflüssigung
der im Heaffens;rlas bctindli'-licii Nahrbfnirn statt. Andererseits zielit man ein kleines
Glasrobr so in eine lauge Capillaro aus, dass einige (Jentimeter der ursprUug-
lidMu Weite zurflekbleiben und der oapillare Tbdl längw als das Reagensrohr
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74
BAKTBRIIEN.
ist. Dasselbe wird durch die Flammo eterilisirt, nachdem man den Wattepfropf
in das Kohr (den weiteren Theilj hioeingesetzt bat. Mit dem Capillarrohre impft
man dann die in enltirirenden Baicterien in die im Rea||:ensrobr enthaltene Nlhr-
Idsnng, die durch lauwarmes Wasser verflUssi^ ht. Dann Terbindet man den
weiteren 'I'heil des Capillarrohres mit dem Gaseutwicklun^sapparate fWasserstoff,
Kohlensäure etc.^. Taucht man nun das capillare Ende bis zum Boden des Reagens-
TohreB dn, so entwiclceln «eh reiehlieh kleine Oaabllaehen, welehe theils aer*
pUtsen, theiU aber Sohanm bilden und die Luft im Innern des Rohres allmälig^
austreiben. r)er Schaum g'ebiufrt bald durch die cti'jrc Stelle hin in den oberen
Weiteron Theil. Dann nimmt man das liasit'itunjjcsruhr heraus und, wrllirend noch
Schaum im oberen weiteren Theile zurückbleibt, macht man die enge Stelle mit
Hilfe der Flamme in. Dabei wird der Sehaom noeh wdter naoh der Mflndnng
des Reagensrohres vorgetrieben und es tritt keine Luft in das zugeschmolzene
Kohr hinein. Während der Gasleitung kann man einen Wattepfropf am Capillar-
rohr anbringen, um das Hincintreten von Bakterien aus der Luft zu verhindern.
Der Vortbeil dieses Apparates besteht darin: Man Icann sieh denselben ohne
besondere Kosten be<iuem anfertigen , wenn man ein Rea^rensrohr mit Nflhr-
bodeu , ein Stück Glasrohr und eine GebiHslainpe hat. — Ki^rt-ne Apparate zur
Züchtung von Aoaeroben haben auch TfiAMBiäTi ^"j und Kaukn angegeben. — Ein
bequemes Verfahren für die anaerobe Zllehtai^ der Bakterioi in Flüssigkeiten haben
aneh Pbtbi nnd Maassbn**) angegeben. Sie bedienen sieh hierzu ans einem Stflek
geblasener, spritzflaschenähnlicher (J('f;is-;e . vim denen die kleineren cylindrischp,
die grösseren die Fonn von F.ui.knmkvkr hcIicu Kölhclien haben. Das; auf den
Boden reichende Rohr, welches zum Einleiten des Wasserstotles dient, ist so um-
gebogen, dass beim Sehrlglegen der Geftase seine Mllndang von der Cnitur*
flttssigkeit nicht bedeckt ist, nnd so das lästiL'^c Schäumen vermieden wird. Zum
Verfchlufis des Ziilcituiijrsrohres nach beendi;ctfr Wasserst« i(Vdurclik"itung dient ein
Glasstab; dasselbe liegt während des Durchloitens in einem weiteren Rohre und
kann ohne vorherige Unterbrechung des Oasstromes in den anfahrenden Onmmi-
sehlaneh eingeschlossen werden.
Dai bislicrijre Verfahren den I'lattcnfjicsm ns hat den Nai'htheil. dass man die-
jenijrcn Ürfjjanismen aus einer Mischung dcr.sclben nicht isoliren kann, welche nur bei
Bruttemperatur gedeihen, weil die Agarplatten im Brutapparate in wenigen Stunden
anstroeknen. Max Dämmen"') gebrandit, nm diesem Uebelstande abanbelfni, tnr
Isolirung pathogener Mikroorganismen aus Eiter, Sputum, Exsudaten etc. folgenden
Apparat. !> bestellt aus <'iiit'r fJlasplatte vdn l.'jrni. im (^»uadrat, auf welche
eine dünne riugl«irmige Gummipiatte gelegt wird von II Cm. innerem und l>t Cm.
Äusserem Dnrebmessw. Innerbalb dieses Gnmmiringes st^t ein Sehilehen von
1*6 Cm. Hdhe und lOy, — 11 Gm. Durchmesser; letsteres wird bedeckt von einem
solrlien von 2 Cm. H<">!tc nnd 12 Cm. l)urchmesi<er. Es erhellt, dass dieses aaf
dem Gummiringe fest auhicgt. Dieses äussere Schälcheu wird mittelst eines Gummi-
bandes, wie man es ähnlich fUr Brieftaschen verwendet, mit der Glasplatte zu-
mmmengehalteo. Das innere Sebftlehen wird in obligaler Weise sterillrirt nnd mit
dem geimpfton Agaragar-Nflhrboden beschickt, dann inmitten des Gummiringes
aulVcstellt . mit dem grösseren Schälcheu (ilierdcckt , dann iinisjiirtct man das
Ganze mit dem Gumnubaudc und übergiebt es dem Brutschranke. Da nun doch
allmXlig noch Wasser verdunstet, so hAlt man den inneren Raum zwiseben den
beiden .schalen, initteli-t einer Spritzflasche vorsichtig Wasser einträufelnd, feucht,
wn.hirih die relative Feuchtigkeit dieses Raumes stets lÜO"y„ betrügt, SO daSS
das Wasser des Mährsubstrates nicht verdunsten kann.
Nbkcki weist, gestutzt auf Versuche, die in seinem Lahoratorlnm dnreh-
geführt worden , auf die Bedeutung gleichzeitiger Einwirkung xwder Mikroben
auf d;)s gleirlic Nrihr ii'istiMt bin, wdbei ein neues Product entsteht, das keines
der beiden Spaltpil/e lur sich allein zu bilden vermafr und empfiehlt zur näheren
i*>forächuug der Misehiufectiouen und Symbiose das Studium der Mischculturen.
BAKTEHIEN.
75
Ein Schüler Nf.ntki'.-;, M. V. ScHRF.inKH hat denn auch Untersuchungen Uber diesen
Gegenstand au;,a'stcllt und zunächst Misehculturen von DiphtberiebaciUen mit
Streptoooeoen angelegt nnd studirt. Es ergab sich, dass in solehen Himheultoren
die Streptococcen die in Reinculturen entätebende, optisch inactive Milchsftare ent-
weder gar nicht produciren oder diese entsteht und zcrlaüt in Links- und Rechts-
milchsäure . wobei erstere von den Diphtheriebacillen cousumirt wird. Der aus
filtrirten Mischculturen gewonnene Alkobolniederschlag erwies sich bei Tbier-
verraehen viel Tirolenter eis die ans Reinealtnren von DiphtherfetweUlen gewonnene
Albamose.
Litcratnr: ')Nil8 Sjobring, Uober Kerne und Theilangen bei den Bakterien.
Cf;ntrall>l. 1. Hakt. XI, Nr. 4. — ') A. Tramhusti und G. rialeotti, Neuer BeitraK zum
Studium der inneren Stnictur der I!;ikterien. Centralbl. f. Hakt. XI.Nr.ü^l — ') l'liisalix,
TraiumÜNtiun hiriditaire de caracteres acquin par le bacülu* anthracis «oim l'inßuenc4i d'une
tempirature dygginisique. Acad. des sdencei. 21. Man. Semaine mM. 1892, pai;. 120. —
Pili Sil] ix, hf'ffi'iieratiitn ir/ii'ritni'ntalv de ht jtrupri^l»' spm-ix/i m- che le harillii.s unthra-
ci« it'itilii iitipotogriie. Acad. des stienrcs. ^."j. Juill« Semaine med. lb'J2, jmg. 31-1. — ) Carl
Guntlier, Leber eine neue im Wa.s.ser gefundene Kontuiabacillenart. Deut.schc med. Wo - lienschr.
1892. Kr. 114. — ') H. Buchaer, Uebwr den £influss des Lichtes aof Bakterien. Centralbl. f.
Bakt. XI, Nr. )>b- — • ) H. Bnchner, üeber den Einflnss de» Lichtes anf Bakterien. Centralbl.
f. Bükt. XII, Nr. 7 — — ") E. Kotljar, Zur Kn»<:e iiher den Kinllu>s .Ics Lirliies auf l'.ikl.'i ii-n.
Wratäcb. 18U2, Nr. 40. — P. C Ii ui e le wsky, Zur FraK« über die Wirkung des Öunnen-
und elektrisclien Lichtes anf die Biterbaktarien. Wratach. 1892, Nr. 20. — **^) S. Mirena e
G A I f s s i , liißiii !,zti ilil i/i.s.scr'i)iinift) Sil taliiui unerofMrganiiO'ii pntofietn. La rif. med.
IF'.CJ, Nr. 14 — 1"> — "JA. Moni out. Actum de hi demeation, tle iah- et de In lumitre
hl Ixi'ti'riilif churbtmneuife. Ann. de l'iu.stitut Pasteur. It^'.'^i, Nr. 1. — '-) Schmidt, Ueber den
fiiotiaaji der Bewegung auf das Wacbathum nad die Vlrnlens der Uikroben. A.rch. f. Qyg.
1111, Heft 3. Centralbl. f. Bakt. Nr. 22. — **) J. Po rater. üeber die Entwiekinnf von Bakterien
bei nieder, n Temperaturen. Centralbl. f Bakt XII, Nr. n — '*) Menge Carl. T'eber einen
Mikroeoccu» mit Eigenliewepnnpen, MiLrococcutt ut/ilis Citren«. Ceiitr.iibi. f. Bakt. XII, Nr. 2
bis H. — ") G, Maurea. l'eUer eine bew«giidie Sarcine. Centralbl. f. Bakt. XI, Nr. 18. —
Kd. (iermano, her Bacillus membranaceus amethysticiia mohiltM. Centralbl. f. Bakt. XII,
Nr. 15. — ' ) Kohrer, Uelier die Pigmentbildnng ßacilltis pifori/(tupit>i. Centralbl. f. Bakt,
XI, Nr. 11. — Plii.salix et Cliarrin, AhoHtiun pcfsifltiiili di- In funcHim cliritmoi/inc
du bacilU ptfocyanique. Soc. de biol. ;^5. Juia. Bull. miA. 1692, pag. lU^Ö. — C. G«ssard,
Sur la fanction ßuorewiffht« des mierobes. Ann. de l'inatitnt Paatenr. 1892 . Nr. 12. —
Galeotti. I.i'-irctic l>i<ihi<iiclie soprn alcmii hnticrii cronint/i iii (Te/ii dt Laurcit). —
Luijuiiilorio ili put. i/in. <iil Ii. Iii.st. tiup. in l'ireiizc. — KU. med. 18!*ii. Ni. lt)*>). —
*')Yiron. Sur <pi' l'jncs iini!i< t r.s colorantes üiiluf/Icf, pruduiti pnr des bactcriaaUs (iniis le$
ttmx dUftilUes uiedictiiales. Acad. dea aciences. 25. Janvit r. Boll. med. Nr. 9. — K.. ükada,
TTeber einen rothen FarbstolT erzeuKt>nden Baclllt» ans Fa^shodenstanb. Centralbl. f. Bakt.
XI, Nr. 1. — H. L. Rusnel. liii|ifnii^.sver.-iiiclie mit (iiaril's [lathoiieneni Lern litliaeilltis.
Centralbl. f. Bakt. XI, Nr. Iti. — C. Ei j k ui a n n, Lichtgeveude Bakterien. Gen. Tijd^elir. vour
Nederl. Indie. Deel. XXXII, AÜeTering 4. Batavia en Noordwijk. 1892, pag. 109—115. Centralbl.
f. Bakt. XII, Nr. 19, pag. (»56. — »^)W. Welch and (! Nuttal, A r/nn producing lUicillm
fBaeiltus aerogeiies ciipsultilus) aipahle uf rapid denloppiun nt in the bloud - rf.vÄtV.i a/ler
deaih. John Hopkin s Hospital Ballei in. 18"J;i, Nr. 24. Hyg. Rund.sch. 1^9:.', Nr. '^\, pag. «127. —
'*) W. Schow, Ueber einen gaabildenden Bacillna im Harne bei Cyatitis. Centralbl. t. Bakt XII,
Nr. 21. — E. T. Sommarn ga , Ueber StoifVecbBelprodncte von Ilikroorganismen. Zeitschr.
f. Hy;ri<-n>v XII, r? lieft. — I \v a n u \v . Sur In jit uduetion des ii' idc.s vulntilts damt Ich
cuituic« du bncillf < Jinrlunmi n.r. Aun. de l'in^^titiit l'astenr. Nr. 2. — Claudio Permi,
Beitrag cum ätudium der v<iri den Mikroorganismen abgesonderten diastati<«chen und Inversion**
fermentp. Centralbl. t. Bakt. XII, Nr 20. — *') H. W. Conn. Isolirung eines „Lab" -Fermentes
au« Bakteiieiieiilturen. Centralbl. f. Bakt. XII. Nr. 7 -8. - A. P. Fukker, IJelwr ein durch
(.^holeral»arilleii pt-hildetes Kii/yni. I)t iilsrhe med. Wiichensclir, 1892, Nr. 5U. — R. J. Petri
und A. Uaasseo, Lieber die Bildung von üchwefelwaaseratoff durch die krankheitaerregeuden
Bakterien unter besonderer BerficksichtigQBg de« Scbweinerothlanfe:*. Centralbl. f. Bakt XI,
Nr. 1» — 10. — "'') Guinochet, Sur la toxinr du bacilU' d< la illplih'rir. Soc. de binl, 28. Mai.
Semaiiie niid 18'.'2, pag. 222. - - Arnaud et Charrin, l'unnatiini di.s to.riiif.s. Soc de biol.
4. Juin .'^emaine med. 1892. pag. 2ii0. ^ Jtiamaleia, Action d<.s ferni'ut.-: .•iolufdr.-.- aur It
poison diphieritigwi. Smc. de biol. 20. Fivrier. Semaine mid., pag. 75* — Gley et Charrin,
MuUipUeiti den efeta des tojthtes. Soc. de biol. 2f». Nov. i^emaine mkd. 1892, püg. 480. —
•') L. Brie^ref U!iii \. Wassermann, Beobachtunjren iiber da.s .\ultretrii von Xuxalliuniinen
beim MeuKchen. Charite-Aun. 18^2, Jahrg. XVll. Centralbl. f. Bakt XII, Nr. 20, pag. 7:^5. -~
'*) A. B. Oriffitha, Les ptomalMts datiaqndque» tnaladies imftetieuses. Acad. dessciences.
29. Fevr. — "*) A. B. G r i f f i t h .« , J'timHnnes crtraitctt de« uriin -y dnns Vi'rysiprle et dnti.s
la jiiire put-rpirale. Acad. dessciences. 31. Ott. 1692. — * ) E. Hank in et F. E. Wesbrook,
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75
BAKTEBIEN. — BECKEN.
Sur Us albumOMg et tu tozalbuminett sfcretSen pur le baciUe c/iarbonneux. Annal. de l'in-
stitat Postenr. Nr. 9. — *') Charrin i t Fin tn i', A/fi'iuuitivn <lfs virus danx Ir .-ninj des
vaceiniB. Soc de biol. 2. Jaillet. Semaine med., pag. ;^(i8. — ") Pbisalix, Ättinuation de»
mienh» dan» VwrfftmUme. Soe. da blol. 17. IMe. Samaiii« mM., pag. 512. — ^ Ttiklisaki,
Rechtrchex mir la rirulence de la bnctSridif. Ann. de Tinsfitut Pasteur. Nr. 7* — **) Sanfelice,
Contributo allo »tiidio dei hutterii patoyeni aerubi td >umi robi che ai trovano constanUmente
ntl ttrrmut. Annali del inMituto d'igiene sperimentalu della R. Universitu di Boan. 1892,
I (bvov. Miie), Fase. iV. Hyg. Bandschan. Nr. 20, pag. 874. — **) B. äehwari, SuUa
diffMone ddU »pore del Mono per mezzo d^aria. Areh. per le ««iense loedieb. XY,
Kr. 19. ("entralbl. f. Bakt. XI, pap. 097. — *')(iley et Charrin, Les hnhituts drs Diicrohen.
Soc. de biol. 18. Juin äemaine mid. 189:4. pag. 25^. — Auche, Pa^xaye den micrubtH ä
t rarer/t le pUtfienta de» femmes enceintee atteinte» de variole. Soc. de biol. 3. Dkc, Semaine
med. 1892, pap. 490. — **) Galippe, De la pr^setui d' <■ micvohtK r/rnr.v /«/o«/u«. Soc. da biol.
10. Di^i-. St-niaiiie iuim! 1S9:^, pap. ."jU4. — G. W. Da m ni a u, J'relimiiuirif Note on »ome micro-
onjdiiii'me of niirvnil .skiu. Hrit. med. Journ. l(j July 1892. — B. W'asmuth, üeber Durch-
gängigkeit der Haut für Mikroben. Centralbl. f. Bakt. XII, Nr.23— 1^. — B. Pernice e
6. ScagHoii, Sulla eliminazione dei batterie daW organvmo. hu rifonn. med. Nr. 97 — ^98. —
*')Enriqnez. De ViUtminatinn des mir rohes par Vitrine. Soc. de hol .^11. Janvier. Semaine
med., pag. 40. — Aleasandro Ilm 8 ch e 1 1 i n i , Leber die Aus.selicidang des Tetanusgifte«
(luich die NiereiisL'cretion. Deut.-cbe med. Wochenachr. 1892, Nr. 16. — ") H.Kühne, Das
Malachitgrün als Ausziehnngäfarbe. CeDtralbl. f. Bakt. XI, Nr. 24> — ^'^) Engen Botkin, Ein
kleiner KuiD* zur Gram'scben 3Ie(hode der isoHrten BakterienfÜrbnng. Certralbl. f. Bakt. XI,
Is'r. 8. — Nirnllc. Mi'tfiode de rnJicrrhe des wicruorgiiiii.imes ijui nr sr rnlorenl jinn ji'ir
le vroc^di de Gram. Ann. de l'iostitttt Paatenr. Nr. 11. — *') Foth, Zur Frage der Spuren-
ftrbaiig. Centralbl. f. Bakt. XI. Nr. 9—10. — '^)Stratis, Sttr mn proe4di de eoUtration A
V^tat viraitt, de» eile de certaiur.s futcti'riis Dfihilis. Smc de biol IR .luin. Srniaine ni6d.
I89;i, pajr. — *•) ArenH, Ein einlacher Nai liwci.s von Tuberkellianlltn durtli Färbung
nebst einer Angabe zur Färbung von BlUkterien in fettreichen Substanzen. Centralbl. f. Bakt.
XI, Nr. 1. — *'') Lei Ulla, Techniquepour la coloratüm rapide de« bncillev tubereuleux eur
lespike» ayant sijottmt dane le liquide de Maller. Oac. bebdm. 1892, Nr 22. — **) P. Kanf-
mann, Ein einfache.«« Verfahren zum Narliwcisf i!«r TnbtTkolbatMllca im .\u-wiufi' Oniralbl.
f. Bakt. XII, Nr. 4— 5. — Ch. H. Ali -Cohen, Zur Technik der TuberkelbaciUenfärbung.
Berliner klin. Wochenachr. 1892, Nr. 23. — K. II ke witsch. Bin nenea Verfahren, die
Tnberkelbacillen in der Milch perlsurhtiecr Küho zn finflen, Wratsch. 189'2. Nr. '^1. - "') K Ilke-
witsch, Ein neues Verfahren, Tuberkelbacillt-n im Sputum nauhzuweisen. Wratsch. 1H92,
pag. 796. — "•) Wladislaw Swiatecki, Eine praktinche Karbungsmethode der mikrosko-
piacben Präparate. Centralbl. f. Bakt XII, Nr. 7—8. — '^*)B.Saboaraud. ^uelquee faite
r^tif» h la mithode de eoloration de Lustparten. Ann. de Tinetitot Paatenr. Nr. 3. —
R. Wolny, Auf kaltem We^o sterilisirt«- tiweis,'<haltiKe Nalirbiiibn. Centralbl. f. Bakt.
XI, Nr. :J4. — A. Reinsch. Auf kaltem Wege .sterili.sirte eiwcisshalti;.'« NahrbÖdea.
Centralbl. f. Bakt. XII, Nr. 1. — '"■') R. J. Petri u. A. Mua.ssen, Ueber die Hi-r. itung der
Nährbouillon f. bakteriologische Zwecke. Arb. aus dem k. Gesundheitsamte. 1892, VIII, Nr. 2 —
") John L. Schutz, A rapid method of mnkiiuj nutrient agar-aijur. (Bull, of tbf Julini
Hopkin's Hospit. ISB;:^. Nr. ^4.) — ' ) J. N. Üaväla, Coutrihiirion al entiidin tiel (vpia de
coco como media de cultivo de di/erentee girmenen patogenos. Crünica mödico-q^uirurgica de
la Habana. 1892, Nr. II. Centralbl. f. Bakt XII, Nr. 21, pag. 766. — O. de Lagerw
heim, Macarnni als fe.st>r Niihrboden. Centralbl f. Bakt. XI. Xr. 5. — Paul Dross-
bach, Au.s der bakteriologiscbeu Praxis, (Centralbl. f. Bact. XII. , Nr. 19.) — '*) W. 31.
L. Coplin and D Bcwan, A fest reartion for the ciilture of fbe mierocoecus pyogeues
aurw* (Med. Record. 1892, II, Nr. 3.) — ''^) 0. Schlüter , Daa Wachatbom der Bak-
terien anf saurem Nfthrlioden. Centralbl. f. Bakt. XI, Nr. 19. - Lickfett, Das
Koch'sche Platti'n vcrf.ihn'U auf ila~ Drekfrlas uIh i ti .i;:en. Deutsi lie mi'd. Wocheiischr. l'^92,
Nr. 45. — ''') S. K^tasato, Gewiunuug von Reincultureu der Tuberkelbacillen uud anderer
pathogener Bakterien ans dem Spotan. (SSeitaebr. f. Hygiene, XI, pag. 441—444.) —
■-) M. O^ata, F.infailie Bnktorienmlf nr mit verschiedenen '!as.'i!. C'-ntralbl. f. Bakt. XT,
Nr. üO. — '^') Arualdo Trambusti, lieber einen Apparat zur Ciiltur der anaernben
Mikroorganismen anf festem durchsiebtigen Nährmittel. Centralbl. f. Hakt. XI, Nr. 20 —
hndwig Kamen, Eine einfache Cnltarscbale für Anaeroben. Centralbl. f. Bakt XII,
Nr. 9. — *') B J. Petri, Bin 1)eqneme8 Verfahren fdr die ana«robe Zficbtang der Bakterien
in Fliis<it,'ktitf'ii. Arb aus dem k. Cesuiiilbv itsamte. Is9"^. Vlll. Nr. - Max Dahmen,
l.^olirutig pathogtiuer Mikrourganismen au.s Eiter, Sputum, Exaudaten elc. Centralbl. f. l'akt.
XI, Nr. 4. — ' ) M. Neueki, Uebar Uiaobcnltnren. Centralbl f. Bakt. XI, Nr. 8. —
*^*) M. V. Sc h rc i d er. Ucber Miaehooltaren von Streptococcen und den Diphtberiebacillen.
Centralbl. f. Hakt XII, Nr. 9. T. Scbnirer.
BBCkGn. \'iirlic;reiidt'r Artikel ist eine l">L'':iiiziiii;r iin>l < 'ompletinini,' des
im Jabre lbt?ä iui 11. llaudc [pag. 4Üö; der Keal-Kiicyclopildie erscbicneueu Artikels
„Becken".
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BECKEN.
77
Das knöcherne Berken. Wir waren binher irewohnt, die Heckeii-
niMusse als coostaute GrÖKseu auzuseben, Walcueu^) aber wies vor Kurzem nach,
d«S8 diese Anechauung bezüglich der Conjugata vera eine unrichtige sei. Er faod
oimlieb, dass die Ltoge dieses Maasae« durah die Kdrperhaltnng verindert wwde.
Legte er eine Hochschwangrere in der Weise auf den Untersaebnngstisch, dass bei
mfl^si'.' erh('thtern Oberkörper die Kniee so weit ah möglich ffog^en den I^eib huraiif-
pt'halten wurden, so verkürzte sich die Coujuyata diaijonaUi* , verlängerte sieh
dagegen, wenn man nun ein Polster unter das Kreuz legte und die Beine so weit
als möglich über den Untersuehun^'^ti^ieh nach abwslrts hiln>re:i Ii -. Während des
Senkens der Kniee fiililte man deiitlieh das Zurückweichen de-i Promontoriums.
Bei Heben der Kuiee und Kntt'crnuDg des Polsters stellt sich sotort wieder das
frahere Maas« her. Er nahm diese Versnehe an 6 Weibern mit mäsisig verengtem
Becken vor nnd fand, dass die Verftnderliehlceit der Länge der Conjugata dia-
(ji)hnJis I* — 1."! Mm. hetrn«^. Kr schlie-ist daraus, die Conjtnjdtn at'at/onnh'H
.sei in vielen Killlen eine um eirea l ('ni. variable Grosse, ausgenommen vielleicht
bei ankylotischem Hecken. Das (ileicbe wies er am Becken einer weiblichen Leiche
nach (Fbodoboff Klun"), der diese Verraehe naeheontrotirte , meint, diese
ErHcheinang beruhe darauf, das« der Beekenrini; bewe^irlich sei. Das lU isacral-
geienk sei ein beweirliehes und zwar ein Sehraubenfrelenk . (Ie-'><en Drehpunkt
1 Coi. hinter dem hinteren Haude des 2. Kreuzbeiuwirbelkorperg liege. Die Lage
dieses Drehpunktes erlclftre die VeTtnderlichkeit der Conjaijata v«ra. Letztere
mflsre läD;;er werden, wenn die Symphyse tief stehe und kurser, wenn die Sym-
pliyst- naeli oben bewe-rt werde. Hei normalem und ull^jemein zu weitem Heeken
variire die Com jnifuta *v'/f/-Läoge in verschiedenen Laji^en um ö Mm , bei enjccm
seihst bis um 10 Mni. Bei der ConJuyaUt ihogvtiolü sei dirt^c Ditleienz «twas
bedeutender. Einen Thefl der VerlcOrsnng des Maasses — 0*5 bis 1 Mm. — flihrt
er auf die Schiebung im Gelenke von vorn nach hinten und einen weiteren
— 0'7 Mm. — auf die Klastieitilt des Heekenrinfrc* zurück. Gleichzeitif? fand er,
dass, entHprecheud der eintretenden Verkürzung der Conjugata vern ^ eine Ver-
längerung der Transvem erfolge, allerdings aber nur in sehr geringem Grade
(nm 1 Mm.). Das gleiche Thema behandeln Zaleski 'j und Mbhk'^), ohne aber,
so weit sich ans den tcursen Referaten entnehmen Iftsst, weseotlieh Neues
zu briugeti.
Baybrthal*') machte die Entdeckung, dass bei späteren Geburten, im
Vergleiche zum Maassbefunde bei der ersten Geburt, die Beekenmaasse am 1 Om.
und mehr zunehmen. Den Grund dieser Erscheinung sucht er im allfremeineu Wachs-
tliume der Frau, sowie in den EinHfls.sen der .Sehwun^^erschaften , Geburten nnd
Puerperien auf die Ueckeuorgaue uud deren Umgebuug.
HAiiSB und ZakrzbwskiV) fanden, gestatzt auf 184 an Sehwangeren
Torgenommenen Untersuchungen, dass, entsprechend der hiiuliger vorkommenden
reehtsseitij^'en Skolio-r der \\'irbel.säule , liuk.^skfdiotisehe Heeken weit hänfi^'cr
zu linden sind, als reclitsäkuliotiscbe. Damit ttbereinstimmeuU sind die Angaben
Fallot's*), dass das Beeken in der Regel asymmetriseh sei nnd der höehste
Punkt des Schambogens häußger nach links als nadi rechts sehe. Glelehseitig
hellt er hervor, flass die Kenntniss der Orossenverhftltnisse des Sehambogeus
tiichlUsse auf die Weite des H» ckeneunales ire-stattc.
Nach Halandin , giebt es zwei Typen des normalen Heckens, daS eine
mit hoeh nnd das andere mit niedrig gelegenem Promontorium. Letzterer Typns
."^teht dem normalen eigentlich etwas ferner. Bei sonst ganz gleichen Darehroessvrn
des Brckeinfrangcs besit/.t das Heeken mit iiiedriir gelcfrenem Promontorium ganz
andere räumliche Verhältnisse, als jenes mit hoch gelegenem Promontorium, ein
Umstand, der bezflglich des Geburtsmeehanismus des Kopfes bisher noch keine
Beaehtnng gefunden hat.
Hezilfjiieh des Hacenbeckens fand in d<"n letzten Jahren namentlich das
Becken der Slavin eine eingehendere Beachtung, ^»ch äcuHuTTKB^oj sind unter
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BBCKBN.
deutschen, estbnischen, polnificben und judiscben Frauen bei den deutächuii iiud
Mlliiitwbeii die grössten BeektnmatiMN) su finden, kMner sind letztere bei den
Polinnen , am Ueinsteu bei den Jadinoen. Die längste Conjuffota vera hnt die
Estliin, dif kflrzf^ste die Jüdin, zwischen diesen steht die Deutsche und die Polin.
Am bedcuterid.sten ist der Ahstand der Spinne bei der Deutschen. I)ie neekenneijjimg
ist am grosäteo bei der Dcut^cheu , hierauf ful^t der Keilio n.ieh die Polin,
Jfldin und Bstliin. Die Deatsebe nnd Bstbin besitzt das am starlcsten ent*
wiekelte Recken, die Jüdin daf^egen das am weni;;sttn entwickelte und kleinste.
G. RltN'<!E brinfft die Mittelwerthe von 150 weiblichen rn^si-ächeii Hecken und
entnimmt aus ihnen, dsm» es etwas kleiner iHt ald das der Deuttseben. ÜEXNlG
findet, dass bei der weissen und der moogoliseb-amerikanisebeu Race der sehrä|re
Durclmiesser nie so lange ist, als der quere des Einganges. Bei den slavisehen
Weibern verhält es sieh d5ip:ef!ren unifrekehrt. Auch bei den antochthonen Australierinnen
und den Slldsee-lnsulanerinnen ist der schräge Durehmesser glei<rh dem queren
oder noch grösser. Das Becken der SUdHee-Insulanerinueu unterzog PaocauwNiCK
eingebenden Studien.
Ariu thnot Lan'ei*) stellt die ßohauptmig auf, da^s die charakteristisobe
Weite des weibliehen Heckens eine hereditäre Kiprenseh.-ift sei. Ursprünslieh sei
das weibliche Hecken gleich dem männlichen gewesen. Ks best<tud nur ein Typus.
Im Laufe der Zeiten starben jene Weiber , die kein weites Bseken trugen , als
sur Fortpflanzung nicht recht passend, aus, so das« schliesslich nur scdehe mit
weitem Hecken, wie wir es heute linden, /iinirkbliebeii. Die rniwanJhnm des
ursprünglichen schmalen Beckens in das weibliche weite ist auf den Druck
rfleksnieiten, den die Fmdit in den letzten Schwangerschaftsmonaten in einer
unendlichen Reibe von Generationen auf das Becken ausflbte. Anklang fand diese
Hypothe><c in der i^itzun? der Loudi)ner Obstetrical Society bc^Tciflieher Weise nicht.
B ee k e n ni e s s II n fj. l'nter Jenen, die im Verlaufe der letzten Jahre die
Beckenmessung ganz besonders cullivirten , ist in erster Linie Skutsch '"J zu
nennen. Br eonstrnirte swei Beokenmesser. Der erste besteht aas dem s. g.
ScHULTZB'seben Brette, wekdies mittelst eines Leib»:Urte]s so befesti^^t ist, dass es
den SfthiOi" anff'riorrft superwreg und der Symphyse aufniht. Der Mitte des
Brettes, entsprechend der Vorderwandsmitte der Symphyse, sitzt eine Motall-
kapsel auf, an der sieb swei Stablschlitten befinden, die nach entspreebend ver-
schubenen Deckeln zwei Bleistflbe aufuehmen. Die beiden Bleistäbe werden nach
einander auf der Metallpl-ittf befestiirt, mit den Fingern an die Kiid|)unkte der
Transversa j^eführt und hierauf in uuverilnderter Halfun;.' ab;;eni)ninien. Werden sie
nun nach Entfernung des ganzen Apparates wieder an die IMatte befestigt, so zeigt die
Entfernung ibrer bdden Bndoi Ton einander die Lftnge des Querdurehmessers des
Beckoneinganges. In gleicher Weise können beliebige Durchmesser des kleinen
Heckens «remes^en werdeu. Dieser Heckenmesser ist so umstilndlieh zu a])pltciren und
8u complieirt, dass er in Folge desseu keine Verbreitung fand. Sein zweiter l*clvimeter,
eonstrnirt naeb dem Principe des WBLLBNBRROH'seben, ist ein Tastersirkel, dessen
einer Ann aus einem biegsamen Bleistabe besteht. Bei Messung der Con/t/gata
vfi-n kommt der nirlit Itiejrsanie Arm auf das Promontorium und der bleierne Arm
auf die Mitte der V'orderwaud der Symphyse. Die Stellung der beiden Arme wird
mittelst einer FlQgelschraube fixirt und wird dann an dem am Instrumente bcHnd-
lioben Haassstabe die Entfernung der Branchen abgelesen. Hierauf wird das Instrument
entfernt, auf die gleiche Zahl eingestellt und die Entfernung der .Armspitzen von
einander direkt alf^'emessen. In gleicher Weise wird die Dicke der Sym|)hy.se ab-
gemessen. Lie Ditfereuz der Längen dieser beiden Maasse ergiebt die Länge der
Conjugata vera. In ilbniidier Weise kann die Transversa genieiwen werden, indem
suerst an der einen und dann an der anderen Seite der unnachgiebige Zirkelarm
an den Endpunkt der Transversa und der Hlciarm .m der (Mitspreclienden Stelle der
äusseren Decke — dem Endpunkte der vcrliingerten I rausver.sa — dieser Korperseite
aufgesetzt wird. SCHAüTA empfieblt wohl den letztgenannten Beckenraesscr, doch
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BECKEN.
79
hebt Landkrer 1''' riditifr hervor, dass die mittelst seiner gewonnenen Maasse
grössere Fehlerquellen aulweiseu, als bei der alten Digitalisessung. VVu möglich
noch eomplieirter als Skotsch's erster BeekAnmesaer , dahor tHr die Praxis gans
unverwendbar^ ist der Pelvimeter Küstnbr's der anr Mearang der Neigmig dea
Beekens verwendet werden soll (Kt sTFR '
Rpztlfrli<'h des (iiierdtirchmi'ssers des Beekeneintcau;^es macht IvEHRKR-'^j
darauf aui'uierksaui, dass dieser iJiameter in geburtshilHieher Ueziehung nicht in
Betracht kommt, sondern ein anderer kleinerer querer, derniher der Symphyse
steht, da nur in letsteren der Lfingendarehmeaaer des sich quer einstellenden
Fruehtkftpfea zu lieiren kommt. Die L}lng:e dieses „geburtshilflichen Qtierdurch-
messers'^' vermag man in der Weise abzuschätzen, dass man za der Entternung
der beiden pnlsirenden Arteriae erurnle» dicht am Ltgammtum Poupartii 13 Mm.
hinzuzählt. IxvERAKi»! bestimmt in höchst complicirtcr Weise mittelst Rechnungen
die LiiiifTf der <_'nii juijafa rtm. Zuerst misst er die Cuujinjdta diaijonalis und
den einen Uiameter, der von der grösston Coovexität des Sacrums zum unteren
Rande der Symphyse geht (Dj. Aus diesen zwei Zahlen wird durch Berechnung
der Rotatioasiodesc des Sacrams dareh die Proportion 0. d. : 100 = D. : z gefunden.
Hierauf wird die Lllnge der Conjugata erterna und die Dicke der Symphyse
(mittelvSt eines eiircntni Instrumentes' bestimmt, worauf dann erst die Lünge der
Conjugata vera auf dem Wege einer ßerechnuDg sichergestellt wird.
Die manchen Ortes übliche Messung der Gonjutjata vera, wobei die
Spitze des Mittelfingers auf das PromoDtoriiim und die Spitze des Zeigefingers der
Mitte der Flinterwiuid der ."Symphyse aufruht und die zwei Finf^er nach beendeter
Messung in gleicher ätelliing hervorgezogen werden, worauf die KntferouDg beider
Fingerspitzen mit dem Maaasstabe direet abgemessen wird, empfiehlt Bboom^')
unter Angabe einiger Modiiieationen. Letztere beruhen darin, dass die Knnssende
die linke i^eitenl.'iL^e einnimmt, die Kttekenseite des Zeigefingers der Innenwand
der Symphyse autniht n. der;.'!, m.
Die dirccte Mus.sua^ der (Junjtitjata vera mittelst des Zeigefingers von
den Banchdeeken her bei der Niehtschwangwmi , ein Verfahren, das bereits vor
40 Jahren von OftED£'<) angewandt wurde, empfehlen neuerdings wieder Kbllt **)
nnd Bani>l -'^i.
(leber das Verbältnisä der Länge der einzelnen Hecketimaasse unter einander
(so namentlich das Verhalten der Spinae-Bntfernung zur Länge des Qoerdareh-
messers des Einganges und das Verhalten der Conjugata diagonalts zur Oon-
jt/ijnta vf-rn) bei normalem Becken und bei Recken verschiedenartiger Verenjrerunp:
publicirt HowBLL Pebshing^*'} eine Arbeit, die auf Messungen skeletirter
Becken fusst.
Hier einsuraihen wftre eine Arbeit KOstnbr*s welehe die Besiehungen
zwischen Uterus- und BeckeneinganRsaclise behandelt. Die Ergebnisse derselben
lauten dahin, dass diese beiden Achsen bei der normal ^nbanten, stehenden Hoch-
graviden meist zusammen fallen, eher noch liegt die üterusachse etwas mehr nach
hinten. Bei liegender Hochsobwangerer liegt letitere Aehse noch häufiger nach
hinten. Das \'erlialten der üterusachse anr Beokenaehse aieht in praktischer Be*
liehnng keine Conseqncnzcn nach sieh.
Ueber die Anatomie der das Becken auskleidenden und nach unten zu
versehliessenden Weichtheile liegen zahlreiche wichtige und interessante Arbeiten vor,
SB deren Besprechnng aber hier der Raum gebricht. Deren Verfasser sind : Vbit
Ereich"), Dorav '"). Beruy Hart . .Tohnstox Symixqion BARßorB").
WBH.STER 3^), MAB£Y "j, HaDKA DlCKlMSON Mo. GiLLICODT ") Oud EDWAED
Kkvnolds '"j.
Beekenfehler. Was die Frequenz des engen Beckens anbelangt, so
versucht Pfi nd ^o', diese für Milnelien zu bestimmen. Unter 1199 Geburten fand
er 115 Fäll'' 9 .'>'^'^ ,j. während He('KKU seinerzeit die Frequenz nur auf i r)>^ " „
bestimmte. \ ou den 115 Fällen entfallen auf Verengerungen L, IL und 111. Urades
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BECtvEN.
70-1, 26-0 und 3-6« V 1" -7 7% der enpren Beeken la?: Rachitis zu (irunde.
Rkynulds*>) bestimmt, um den Vorwurf zu entkrftfteii, dass die Seltenheit des
engen Bethens in Nordamerika nw rnnf einer VeniMhllssigung der Beckenmessung
beruhe, geatfltst auf die üntenaeboog von 181 Fällen , die FreqoenE des engea
Beekens in Nordamerika auf 0-6«» „ (~ •* Fülle).
In Bezug auf die Aeiiolo<rie des «'iiiren Beckens liefrt eine I'ublieation
WiEüOW's *'•) vor. Nach Wikdow's Ansicht ist daa enge Becken iu seinen ver-
sehiedeoen Formen sehr binfig der Ansdrnck einer Anomalie des Gesammtorganis-
mns. Unter 35 FflUen engen Beckens fand er imal rretinismus, lOmal ;:It i -h-
zeitige Anomalit-n des Skelets ''darunter abnorme S<'bildell»ilduufr , Tnial sehr
kleinen Krirperwuchs, llmal Anomalien der Generutionsorgane und 3mal gleich-
zeitig ein grosses Stmma. Einen einsehligigen Fall, in dem das enge Becken
gleicbfails al-t Degeneiationszeiehen aufzufassen war, theilt Trkub^^) mit. Bei
mangelhafter Entwicklung der (Genitalien fand sich gleiehzeitig ein allgemein ver-
engtes Becken ausgesprochen infantilen Charakters.
SCHAUTA **) versucht die einzelnen Formen der Beckenanomalien nach
deren Siiologiaehen Momenten su elassifieiren. Er stellt fünf soleher Glassen auf,
und zwar folgende: I. Anomalien in Folge von Entwicklungsfehlem (das allgemein
gleichmässig verengte nicht racbitiselie. das einlacb platte nicht raehitisebe, das
allgemein verengte platte nicht rachitische, das enge trichtertVirmige, das fötale
Beeken oder Liegbeeken, das anomale Beeken in Folge mangelhafter Entwicklang
eines nnd das in Folge mangelhafter Kntwiekinng beider Kren/'" iuiiiigel und das
gespaltene Becken). 2. Anomalien des Beckens in Folge von Erkrankung der
Beekenknochen (Rachitis, O^teomalacie , Neubildungen, Fractur, Atrophie, taries,
Nekrose). 3. Anomalien der Verbindung der Beekenknoohen nntor einander, und
swar a) so feste Verbindung, Synostose (dw Symphyse, einer oder beider Kreus-
darmbeinfngen, des Kreuzbeines mit dem iSteissbein ) . />j zu lockere Verbindung
oder Trennung de« Zusauimeuhauges (Lockerung und Zerreissiing der Bu-ken
geleuke, Lu.xation des Steissbeinesj. 4. Anomalien des Beckens durch Krnnkbeiteu
der belastenden Skelettheile (Spondylolisthesls, Kyphosls, Skotiosis, Kyphoskoliose,
Anomalien der Versehmel/.ung des letzten Lendenwirbels mit dem ersten Kreuz-
beinwirbel, sowie def letzteren mit den Hüftbeinen . n. Beekenanoraalion durch
ivrankheiteu der belasteten Skeletthelle (Co.\itis, ein- und beiderseitige Schtnkel-
kopftuxation, ein- oder beiderseitiger Klnmpfnss, Fehlen oder Verkümmerung einer
oder beider unteren E.vtremitSten). Diese Classißcation zeigt wohl das Bestreben,
die pbysioloiriscbe Basis einzulialten, doch wird sie durch die erzwun_'ene Sehemati-
siruog zu einer steilen, den natürlieben Verhältnissen zuweilen wider^preebenden,
im Verlaute der letzten Jahre wurde der Gedanke angeregt, ob das enge
Beeken irgend einen Elnfluss auf die Entstehung des Gesehleehtes der Prueht
ausiibe. Der Erste, der nach dieser Riehtung bin Studien anstellte, war Of.n'-
HAl SKX ^^'1. dem weiterhin Aiir i KLi» " j, DoHUX ' Tai.hkrt i und Eisknhaut ' 'i
folgteu. Alle diu (Jenaunteu stimmeu darin Ubereiu , dass bei engem Becken der
schon normaliter bestehende Knabenabersebuss noch gesteigert werde. Naeh Dohsn
ist das (tesehlechtsverliiiltniss der Neugeborenen in Deutschland folgendes:
lue, Knaben zn lOO Miideben. Nach DoHRX steigt die Zahl der Kn.ihen bei engem
Be<-ken auf 1(M_) ;>, naeh AliLFKLD auf ISH (bei raehitisehem Beeken sogar auf 1^0),
nach Olshadsen sogar bis auf 147. Eisenhart konnte dieses Anstelgen des
Knabenflbersehusses bei osteomalaeisehem Beeken nioht nachweisen. Mir Ist es
vollktimmen nnverstUndlich, wie so man Befruehtungsvorgllnge und längst abgelaufene
Kno<'henerkrankungen (denn das emre Beeken ist Ja in der l'eberzahl der Ffllle
das i'roduct der letztereuj mit ciuaudcr iu eine Wechselbe/ieliuug bringen kann.
Bei dem osteomalaolsehen Beeken, bei dem die Krankheit der Knochen in der
Regel noch tlorirt, könnte man noch am ehesten an eine solche Weehselbeziehung
denken, gerade hier ist al)er an eine solche naeh MrsRN-TtART nieht zu denken. Damit
fUlt auch diese ganze Hypothese in ihr Nichts zu^ammeu.
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BBOKBN, 81
Im diagDOitiMher Boiiehim; ist bosflglieh der krtiteii Jahr» nielit yiol la
vermelden. Fallot'i*) macht daranf aufmerksam, dass die OiOuenverhlltaiase dee
Sch.imbogeng Kdckschlüsse auf die Weite des Heckencanalea gestatten. Einem
engen Becken entspricht, ausfrenommen bei dem kyphotischen Reeken, eine Raum-
bescbr&nkang im Beekeneiugange und der Buckenenge. Balandin wieder bebt
hervor, daas der xweite der von ihm gefQDdenen beiden Typen dee normalen
Beekens, jenes mit dem tiefttehenden Promontorium, hinfiger bei den engen Beeken
sn finden sei.
Bekanntlich hängt das Urtbeil Uber die Prognose der Geburt bei engem
Beeken in erster Linie von der genauen Keontniss der Beekenmaaase und
der Crösse des FmchlJcopfes ab. Leider lässt sich nur die Oonjugata vera
annähernd genau messen , die queren und schrägen Durehmesser vermögen wir
nur approximativ abzuschätzen. Letzteres gilt in noch höherem Mattae von den
Durchmeaaern de» Fruchtkopfes. Um diesen L'ebelatlnden wenigstens theilweiae
absohelfen, prflft P. MOllkr**) sehon frtthaeitig wfthrend der Gravidität das Yer-
hältnisH des Fruchtkopfes zum Becken. Er verfährt dabei derart, dasa er zuerst
den Halstheil und die Hinterhauptsgegend der Frucht von aussen durch Palpation
aufsucht. Dies gelingt leicht. Dann drückt er den ungefähr iu die Mitte ein-
gestellten Kopf haaptslehlieh vom Oeoipnt her atlmKlIg in der Riebtung der Beeken*
aehse in den Beckeneaaal hinein. Er lässt den Kopf von aussen von einem Gehilfen
fixiren und «Mmtroürt von der Vagina her, ob tlvr Kopf wirklich tiefer tritt, ob
er das Promontorium pasäirt oder ob nur eine Rotation desselben stattfindet. Bei
bedeatenden meehaniaehen Missverhftltnissen laaat sich Iddrt eonstatlren, wie der
Kopf mit der grOaaten Periplmie Über dem Beeken stehen bleibt, ja sogar die
Gegend oberhalb der Symphyse hervorwölbt. Die Daner des ansgellbten Druckes
beträgt 1 — 1' , Minuten und ist die angewandte Kraft keine sehr grosse. Der
Widerstand ist individuell sehr veröchicdcu. Manchmal ist es nöthig, die Schwangere
SU narkotisiren. Eine derartige Bestimmung der riumliehen MiasTerbiltniase awiaehen
Beeken und Kopf ist namentlich dann wichtig, wenn es aioh um eine eventuell
einzuleitende FrüliLrtburt liandelt und insbesondere dann, wenn man über die
Schwangerschaüsdauer nicht im Klaren ist. Scheint die künstliche FrUhgeburt
indidrt, ao wird das yerfahm alle 8 — 10 Tage wiederholt und dann operirt,
wenn sieh der Kopf eben noch in das Beeken eindrücken Iflast. Der richtige Zeit-
punkt zum Operiren liegt dann vor, wenn der Kopf sich nur so weit in daa
Becken eindrücken lässt . daas er die Symphyse noch um 1 Cm. Uberragt. Das
untere L'terinsegment behindert dieses mechanische Verfahren nicht. Mit Gefahren
ist dieses Verfahren nieht verbunden. BbOhl der das HOLLBR'sehe Verfahren
weiter verfolgte, fand , daas sich unter normalen Verhältnissen des Beckena der
Kopf in der Regel so tief eindrücken lässt, dass nur ein geringer Theil seines
Umfaoges über der Symphyse zu fühlen ist. Ein autfallend abweichendes Verhalten
spricht fnr eine Beekenanomalie. Bei weitem Beeken nimmt die Eindrfldtbarkeit
des KopttM mit vorschreitetider Gravidität zu, da der hemmende Einfluss der Grössen-
aunahme desselben durch ein Tiefertreten flbercompensirt wird. P.ci cngcni Recken
dagegen nimmt sie, eutsprecbeud der Graviditätsdauer, ab. ivann man den Kopf
auch nur annähernd zur Hälfte in den Beckencanal eindrängen, so lässt sich
annehmen, dass die Geburt bei guter Moskeltlifttigkeit spontan verianfen werde.
Eine geringere Findrilckliarkeit beweist jedoeh nieht nothwendig, dass die Geburt
Kunsthilfe erheischen werde und lässt sich in dem Falle ein bestehender Zweifel
eher in gutem Sinne deuten. Isur dann, wenn der Kopf trotz dem angewandten
Drucke sieh Aber die Symphyse bedeutend vorwftlbt, kann man sieher annehmen,
dass ihn selb.st eine bedeutende Webeuthätigkeit nicht durch das Becken bringen
werde. Hier ist dciiitiacli sofort die Frühgeburt einzuleiten. Rathsam ist es aber,
aie auch da einzuleiten, wo der Kopf eindrUckbar ist, aber nur mit einem iäeg-
mente, welehea dner Hälfte des Kopfes bedmitend nsclisteht, da, wie erwähnt,
die Eindrflekbarkeit des Kopfee bei engem Becken mit vorsetmitender Gravidität
Eacgrdbpw JahrUeher. in. 6
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82
BECKEN.
abDimmt. Im Gedächtnisse zu behalten ist, dass der Kopf bei en^em Hecken
in der er^teu Gravidität nur in einem Drittel der Fälle in das Becken eintritt
nnd fast nie den Eingang desselben Ubersehreitet, sowie dau dies bei wieder-
holter Schwnn^endiaft in noch weit höherem (ürade stattfindet nnd sich mit der
Zahl der Schwniifrerso|i;if(eii rapider steigert. Oestfltzf atif ein Material von
715 Geburten bei eii^jeni Becken aun der Bemer Klinik, versucht KuMMEa''*^, die
Prognose bei engem Becken festzustellen. Er findet, daas die Prognose bei der
sweiten Geburt am ^nttigsten ist, weil bier der Widerstand der Weiebtlieile
durch die erste Geburt pchon {rebrochen ist, andererseits aber die für die Geburt
ungtlnsti^en Genital Veränderungen, wie sie niehrfaehc Geburten bedingen, bei Zweit-
gebärenden noch nicht so stark ausgebildet sind , wie bei den anderen Mehr-
gebärenden und aneb der Fruebtkopf noeb niebt so gross geworden ist, yrie bei
späteren Geburten. Die Mortalität der Hebrgebärenden ist eine höhere, als die der
Primiparen. I'nrallel «iainit ist die Operationsfrequenz bei Pluriparen eine höhere,
als bei Primiparen. Umgekehrt ist das Mortalitätsprooent bei den Früchten Primi-
parer ein höheres, als heA denen Ploriparer.
Wohl in das Capitel der Prognose der Frueht bei engem Beeken fallen
cinifre Arlieiten. welche das Verhältniss gewisser Durchmesser des Fruchtschftdels
und des inütlerlielien Schädels behandeln, x. Sai.kowski • ' sucht wegen l'nmöglich-
keit einer directen Messung des Fruchtkupt'cs durch Messung des Kopfes der zwei
Tage alten Neugeborenen das Verhältniss swisehen dem Kopfe der Pmebt nnd
dem der Mutter an eruiren, um dadurch die erwähnte LQcke wenigstens einiger-
massen atiszufüllen. P> findet, dass der Schädel der reifen Frucht eine anf-
fallende AehuU : keit mit jenem ihrer Mutter besitzt, namentlich in der Ausbildung
der £Mieitdb«iobOeker, und dass in der Ifebrsabl dw Fälle die Diameter bü«m-
poraU», hiparietalü und mibocciitito-hregmtUicus von denselben der erstgebärenden
Mfltter um .'» und 5 5 Cm. .'iltwcichen. Der Sehitdcl der frühgeborenen Frucht
zeigt, je grösser letztere ist, eine desto grössere Aelinlichkeit. Der Diameter
bi'par letalis erreicht am frühesten seine Grosse. Der Diameter bitemporalia zeigt
eine geringere Gleiebmäsugkeit und hält mit dem Wachsthume des biparielalit
nicht immer gleichen Schritt. BacUB*") andererseits wieder ist der Ansieht, dass
die Aehnlichkcit zwischen dem Schädel der reifen Frucht und jenem seiner .Mutter
nur für die hintere Scbädelhälfte gelte. Gleichzeitig studirte er auch die Form-
verändernogen, die der Fruebtkopf dureh den Durchtritt dareb das normale nnd
enge Bocken erführt. Diese rinforinung des Kopfes besteht in einer that^ächlichen
GrOssenabnahme desselben , die alier dnreli eine Abtlji<'hun;r des (iehirnseliädels
compensirt wird. Wegen der grö.sjjoren Anzahl von Nähten und der Weite der
grossen Fontanelle ist die Grössenabnahme am Vorderschädel bedeutender, ab
am Oehimschädel. Sie ist demnaeb am kleinen sehrägen und am kleinen queren
Durchmesser am ausgeprägtesten. Bei regelmässigem Hecken und normal grossem
Kopfe wird letzterer in seinem Durehtritte nicht durch das kn«u'herne Hecken
gebindert , sondern durch die letzteres auskleidenden Weichtheile , uud zwar im
Eingange und Ausgange. Die Grössenabnahme des Kopfes in der Querriebtnag
entsteht wabnMsheinlich im Be<-keneiii<range , jene des kleinen schrägen Dareh-
messers lungegen im Ausgange. Jede Ktirin des engen Beckens giebt dem Kopfe
eine bestimmte Umformung. Hei eintach plattem Becken wird der kleine (^uer-
durehmesser hochgradig verengt, bei allgem^ ▼erengtem platten dagegen der
grosse qwte Durchmesser und ausserdem noch der gerade. Ed diesen Form^
vcrengernn;;en wird auch das V«dumen des Kopfes vermindert, und zwar in Folge
der .Möj:lieiikeit des Ahflnsst-s des Hintes und wahrscheinli<'h auch der Cerebro-
spinaltiUssigkeit. Wo dies uiciit geschehen kann, wie bei der Gesicbtslage, kommt
statt dessen eine ansgleiehrade Vwlängemng des Kopfes in der Riebtang der die
Znsammen pressung kreuzenden Durchmesser zu Stande.
Nahe stehend der H.ÄCKER'sehen Arbeit ist jene Cohxstein's '''), die sich
damit beschäftigt , nachzuforschen , welchen Einflass schwächerer oder stärkerer
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BECKEN.
83
Druck anf die nicht comprimirten Schfldeldurebmesser ausübt. Bei Compression im
geraden Durchmesser bleibt der quere unveriludert in 5*> q , wird länger in
liOo/o oder kürzer in 25^0' BOo/q aller FAlle ist bei Verkürzung des geraden
DnrehiDeiMn mn 0'25 — 1*S Cm. dne Verlangening des qnereo niebt naehtralBbar,
Der biparietale Dar^messer nimmt im Milte! nur um 0*18 Ctn. ab. Die Ver-
längerung des queren Diamrti^rs hflngt von der Kopfform und der Stärke des
Druckes ab. Bei Druck auf den queren Durchmesser bleibt der gerade in 50%
der Fälle unverändert. Wird der gerade and quere Darohmesser eomprimirt, so
Bimnit der lenkreehte an Linge sn. Hubbat kam so xiemlioh sa den ^eiehen
Ergebnissen , denn er fand , dass sich der Kopf bei Ci>mpression des geradea
Durchmessers nicht im queren, sondern im senkrechten verlltrii^erc.
Aknott '•'') hebt hervor, dass die Kinder der indiauerinneu im Mittel um
ein Pfund leiebter sind, als die der Europierlnnen, in Folge dessen bei ihnen,
wenn ein enges Bocken m.fsHigen Grades da ist* die Geburt kanm ersehirerfc
irtrd. Aehnlich vprhflit >iich hei Zisrcnnerinnen.
Was die Therapie des engen bcokens anbelangt, so bewegt sich dieselbe
in den letalen Jabren, abgesfllieB ▼on «nigen neu eingeschlagenen Wegen (von
denen speciell noeh CrwAhnnng gemaebt werden soll) bezüglich der häufigst vor-
kommenden Formen do-s en^'cii Heekena. leirier immer nop]i in dorn Hannkreise, wann
die künstliche Fnili;rt'burl , wann der Kaisi-r.schnitt , wann diu zerstUfkeiudou
operativen Fingriffe iudicirt sind und ob letztere nicht durch den jetzt so günstige
Resnltate ergebenden Kaisersebnitt zn ersetzen seien, trotxdem dem nflebtern
Denkenden scbon längst klar sein muss, dass die Grenzen der Indicationen der
einzelnen operativen P^ingritTe nicht so haarscharf gezogen werden kfinnen und
dieselben, so weit sie eben ziebbar sind, schon längst gezogen wurden. Es rächt
•ich der Gebt des Sebematisirens, der hineingetragjn wurde in die Indioationen
znr Yomahme operativer Kingriflc bei Gegenwart des engen Beckens.
So weit aU iiiflit von den oiiizclncii Formen des cii^en Beckens gesprochen
■wird, sondern nur von der Therapie des en^en Beckens überhaupt, wäreu folgende
Publicationen zn nennen. Zu erwähnen wäre nur, dass unter diesen die deutsehen
die Mehriahl bilden.
Ramdohr "0) plaidirt bei mä<sig verengtem Becken für ein exspectatives
Vcrfaliren. Loxc.akkr * ') ist für die Auwendung der hohen Zan^e, ebenso
iNUKKäLEV. '^'■^) Letzterer empfiehlt die Aehsenzugzango, führt sie nicht zum Ziele,
80 Ist eventuell sii perforiren, aber nieht zu wenden. Aneh Sloan >*) Ist für die
Zange und nur dann für die Wendung, wenn hiersu eine specielle Indicatioa vor-
liegt, wie beispielswei.se ein Prolapsun de^ Nalielstrange«. eine Plncpnia praevia^
eine Gesichtslage, ein Vorfall des Nabelstrauges oder einer Extremität, wobei das
O» oeciput oberhalb der engeren Beekenhftlfte liegt Gbapow legt die Ausgangs-
sänge erst dann an, wenn der Kopf ganz im kleinen Becken steckt, der Mutter^
inund erweitert , das Was«er abgeflossen ist und eine bestimmte Indication von
Seite der Mutter oder I^Viidit vorliegt. Die holie Zin;:;e ist nach ihm dann
angezeigt, wenn der Kopf mit .seinem grössten Durchmesser in die enge Stelle des
Beekens eingetrieben wurde, um die Natarkrftfte nu unterstHtaen. Die Wendung
ist bei Primiparen mit mittlerer Beckenenge nur dann angezeigt, wenn eine absolute
Indication vorlicfrt. soM!^t ist der sj)ontane Verlauf abzuwarten. Wurde die Wendung
vorgenommen, so richtet sich die Trennung derselben von der Extraction nach dem
Yoili^;enden Falle. Hkonicb >>) ist für das Zuwarten, nieht aber fflr die Wendung.
Naobl^') dagegen ist bei engem Becken ohne Unt^rseheidung dessen Form (ob
platt, allgemein gleiclimässig verengt oder allgemein verengt platt) für die Wen-
dung sowohl l»ei Primi- als bei Pluriparen, ohne darauf zu warten, bis der
Muttermund vollständig verstrichen ist, selbstverständlich aber in dem fttr die
Wendung gflnstigen Zdtpunkte. Bodsqobt "v) geht noeh weiter und wendet scbon
in der Schwangendiaft anf den Steiss und will diese rectiticirte Fruohtlage
nittelst Bandtgen fixirea. Hierauf soll die Frühgeburt eingeleitet oder, wenn
6»
84
BECKEN.
Letzteres versäumt wurde, späterhin die Zange angelegt werden. LeOPOLD-Löh-
MANN tlberlässt die Geburt bei allgeiuein verengt-plattem Beciceo bis zu 7*5 Cm.
vnd bd plattem Ms so 7*0 Gm. Conjugata veraj w lange es aieh am mittel-
grosse reife Früchte handelt, den Naturkräften. Wird ein operativer Eingriff
durchaus nötbig, so ist die Wendung und Kxtraction, beziehungsweise die Zauge
uad Perforation vorzunehmen. Bei ungünstigem Ausgange für die Frucht ist
das niebst« Mal die kflnstUdie Frflhgebort einsolaitno. ffio Freund dar kflnst-
lioben Frflbgeburt ist ScHÖNBBBO >*) , nnd swar bei einer Läuge des kflriestea
Diamoters von 7 5 — 7 Cm.; unter diesem Maasse soll die Sectio caesarea vorge-
nommen werden. Auch Fi!ll^LI^•G '"), Löhlein und Duhun sind (bei einer
Conjugata vero^Länge von 8 — 7 Gm.) für die Frühgeburt, ebenso wie Lawson
Tait'*) (bei einer Conjugaia v0ra>Länge yoa 3~8Vs Zoll) and Ahlvkld'«)
(der deren untere Grenze bei einer Conjugata yera-Länge von 7 Cm. sieht).
Calüerim '■) setzt die untere Grenze der einzuleitenden Frühgeburt bei rachiti-
schem Becken auf eine Conjugata vera-Uka^ von 7*5 Cm. fest und als obere
Grense bei niebt raebitisebem engen Bedien aaf 8'5 Gm. , dodi bebt «r hierbei
hervor, dass nach seiner Erfahrung deren Ergebnisse für die Frflehte kein günstiges
sei. LÖHI.KIN zieht die künstliche Frühgeburt der Sectio caenaren vor, weil das
Mortalitätiiproccnt bei ersterer Operation immer noch ein günstigeres ist als bei der
zweitgenanoten fvie S'2 : 8'6). Ijbopold-Kobn ist der Ansicht, dass die kflnstliebe
Frühgeburt bei allgemdn Teren|^plattem Beeken bis 7*5 Gm. Conjugata vera^ bei
decken ohne ([iiere Verengung bis zu 7 Cm. Conjinjatti vern , in der bis
3ü. Si'hwaiiger.schaftswoche angezeigt sei. 8ei dieser Zeitpunkt verstrichen, so habe
man auf die Maturkräfte zu warten und bleiben diese aus, so komme die Weu-
dnog and Ezbraetien, respeetive Zange and Perforation aar Spraebe.
Bei der noch immer ziemlich lebli iftcn Disoossion, ob der jetzt gegen
frfiher so auflallend gtinstige Resultate abgebende Kaiserschnitt der Craniotomie,
namentlich aber dieser bei lebender Frucht vorzuziehen sei, neigt sich die Mehr-
xabl der nambafteren Gyaikologen dodi niobi dahin , die Büedo caeaarea der
Craniotomie unbedingt vorzuziehen und nntersdieidet liei dem Kaiseraeboitte die
bedingten und unbedingten Indicalionen.
PsAiiciKU-LEoroLü '"j meint mit Kecht, dass die Craniotomie, selbstver-
stindlich unter strengsten aseptischen Cautelen, denn doch weit bessere Resultate
als der Kaisersobnitt ergebe, da sie die Hntter weniger geflibrde. Ebenso spriebt
sich Lkoi'oli)"") aus, dass man denn doch noch nicht die Sectio caesarea an
die Stelle der rerforation der lebenden Frucht stellen könne. In nahezu gleicher
Weise drückt sich Wvdkk''") aus, indem er sagt, man sei noch immer nicht so
weit, dass die Sectio caesarea die Graniotomie der lebenden Fraeht ersetaen
könne. Der Werth des Kaiserschnittes sei nicht zu überschätzen und bleibe diese
Operation vor der Hand nnch eine klinische. Die besten Chancen gicbt noch
immer die Craniotomie bei lebender Frucht. Das Gleiche äussert Gottscualk. 'i)
Nach Griffith Swaimb *>) ist die CraniotoBÜe nicht an umgehen. Sie UA wenigw
gefährlich als der Kaiserschnitt. Ed dner Conjugata vera von 3 — 4 Zoll bt bd
lebender Frucht die Zange oder Wendung vorzunehmen , die Craniotomie jedoch
nur bei abgestorbener l'nicht und st i sie das ultimiim refagium. Ist die Conjugata
vera kürzer als 3 Zoll, so soll die Sectio caesarea , aber nicht die Craniotomie
vorgenommen werden. EasBBS^*) hilt die Perforation gleichfalls für weniger
<.< t ilirüch. Vielleicht wird in Znkisft dmnal dieses Verhältniss ein umgekehrtes
und dann etwa die Stctio caesarea vorzuziehen sein. Bis jetzt sei dies noch ni< ht
der Fall. Nach PiiiLiprs '''j ist die Craniotomie gegenüber der Sectio caesarea
nicht sa verwerfen. Beblin raeint, der Eaisersehidtt sd swar nach Anafübrong
and Resultaten erneut und rehabilitirt, doch sd es noch immer nicht au der Zdt,
ihn gänzlich an die Stelle der ViTklciiicriingsniierationen zu setzen. Er nifts-;(> bis
auf weiteres noch eine Ausuahmsoperation bleibeu. Auch HrOE'^'') erklärt ihn aU eine
noch immer gefiihrliche Operation. E. v. Braun-Febnwald und K. v. Hebzfeld
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BECKEN.
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sind der Ansieht, dai^s die Craniotomie der lebenden Frucht nur dann durch
den relativ indicirten Kaiserschnitt ersetzt werden kann, wenn die Mutter <\icn
im Interesee der Frucht selbst verlangt. Da bei einer Länge der Conjucjata
Vera von Uber 8 Om. viele gut entvk^elte Frflchte mittelst der Wendnog oder
Zange entwickelt werden können, darf die Greue fOt den relativ indicirten Kaiser-
schnitt nicht willkdrlich ansp^edebnt werden und erscheint ein solcher operativer
Eingriff bei einer Länge der Conjugata vera von 8'ä Cm. und darüber als ein
gewagtes Spiel mit dem Leben der Matter zu Gunsten der Fmeht. Bei einer
Coiiiinjata vera von über 6 Cm. wird aber auch weiterbin die Craniotomie als ein
indicirter Eingriff erseheinen, wenn es nicht möglich ist, ohne nef/ihrdung" der
Mutter die Frucht zu extrabiren oder wenn die Aussichten auf das Lehen der
Fracht geschwunden sind. Der eonservative Kaiserschnitt wird daher nur sehr
selten an die Stelle der Craniotomie gesetst werden können. Aaeh Piskaöbk««)
heisst den Kaiserschnitt nur dann isrut, wenn bei Gegenwart g^Unstigor .tus.^erer
Bedinfjun^en für die Vornahme dessellten die Oewiiuninfr einer lebenden Frucht
per vios naturales auch bei längerem Zuwarten nicht zu erwarteu steht , die
Matter jedoeh dringend ein lebendes Kind wnnseht, nach wenn sie die Gefahren
des Kai^ersehnifcies Icennt. Im Principe ist er dafDr, den Kaiserschuitt nur bei
Pluriparen vorziinfhmen , wenn die vorangegangenen (iehurten todte Kinder
ergaben. Bei Primiparen käme er nur dann in Betracht, wenn sich schon im (ieburts-
b^one Zdehm einer starken Collnmdebnnng und drobender Uterusruptur ein-
stellen. In allen anderen Flllen ist die Perforation der lebenden Frucht nicht
nur angezeigt, sondern geradezu PiKK-ht de^ Arztes. Nach Grapow '*'•) ist l«ei
abgestorbener Frucht möglichst bald zu [icrforiren und bei lebender dann, wenn die
Mutter sich in Gefahr betiadet und ittziere weder mittels der Zange, noch mittels der
Wendung rasch beaeitigt werden kann. Der Kaisemehnitt bei relativer Indieation
ist nnr dann berechtigt, wenn er keine grössere Mortalität im Gefolge hat, als
andere geburtshilfliche Operationen, als Geburten überhaupt haben. Dies ist aber
bisher nicht der Fall, denn die künstliche Frühgeburt und seihst die I'erforatiou
ergeben heute noch immer bessere Resultate, als der Kaisersehnitt. Wegen relativer
Indieation darf letzterer Eingritf nur bei Verheirateten, die ein lebendes Kind
wünschen und denen die Gefahren der Operation auseinandergesetzt wurden, vor-
genommen werden, bei Ledigen dagegen nicht. Nicht viel anders äussert ^ieh
J. Taber Johnson. Ebenso ist fittr die Craniotomie trotz der jetzigen guten
Reealtate des Kafsersehnittee Donald. Weniger wondert dies v. BLAiec **) und
Gaularo die gleicher Ansieht sind, da bekanntlich die Franzosen keine grossen
Freunde des Kaiserschnittes sind. Als tintero Grenze der Fruchtzcrstilekelung
nimmt er eine Conjuynta vera-L&nge von 4 Cm., eventuell selbst noch eiue kürzere
Lange. Bei weniger gesohiekten Operateuren seist er die untere Grenze bei einer
Lunge der Conj»gata vera von 6 Cm. fest. Klbwitz hnlt den Kaiserschnitt
für unbedingt angezeigt, wenn die (.'onjuf/fifa vpra auf 6 Cm. her.ibgesunken ist.
Bei Primiparen ist die Operation im AUgemelueu nicht zu machen, bei Pluri-
paren nur dann, wenn anderweitige Hilfe noeh keine lebenden flehte ersäelte.
Baenes ist nur fUr die absolute Indieation dea Kaisersehnittes, sonst aber für
Craniotomie. Sror z '"') meint, bei plattem und allgemein vereiiütetti necken sei
bei einer L;in;r«'s der ('nnjufjntn di'ncjonahs bis inchi.sive 0 ("in. die kilnstiiche
Frühgeburt in der IJö. Woche angezeigt, lutra partum warte mau zu. Trete aber
eine Gefahr fttr Mutter oder Frucht ein, so greife man cur hohen Zange. Bleibt
die Anwendung der letzteren resultatlos, so sei zu perforiren. Die Sectio eaeaarea
sei hier zu verwerfen. Bei einer L.Inge der (^oi, jiKjata (Iia(/oiiah'.< von 7 Cm.
sei die Wahl zwischen I'erforation und Kaiserschnitt der Muttor zu Uberiassen.
Unbedingt indieirt sei dagegen die Sectio caesarea bei einer Beekenverengerung
4. Grades.
Anilercrst its ist aber auch die .Anzahl jener Hyn-Ikologen , welche dem
Kaiserschnitte weitere Grenzen ziehen wollen, keine so geringe. Nach HüFiiAXN
86
BBOKBN.
ist die Sectio caesarea ebeaso berechtigt , wie die Craoiutumie und Watu£W' *<^)
molDt, die Sectio caegarea sei der Graniotomie vomudebeii, anagtnommen bei
todter Frucht und relativ weitem Recken. Detersianx * ') erwartot» das» die
ptinsti^rn Picsiütate , die der Kui.sersrlinitt jetzt er.irielit , hoHen lassen , d.-iss die
FerCuratiuu in Zukunft »ehr eiogescbränkt werden dürfte. Gegen die Craniutumie
bei kbender Fmebt «ad Air den Kaisersobuitt spreekeo sich IIortoombrt i"»),
Rbadmaw»*), Caruso Hbadows'«*), Wbtduch^«*), Hdbdooh Cahkbok
Lebedeff 108*^ BusEY »") und Candela'"^}, sowie SÄN'OERio^) aus. Noch weiter
gehen D. von Velitz""), Dohronranow ' "j uud MuB&AY ^^^j, die deo Kaiser-
sibuitt der Craniotoniie Uberhaupt vurziebeu.
DObbssbn "*) maebt diuraof anfmerksam , daaa die GebartaencbwwQnff
bei dem allgemein verengttn Beoken nieht allein auf den räumlichen Missverhiilt-
nissen beruhe, sondern auch von der Weheusehwadie . die hier davon herrdhre,
das8 eine mangelhafte Uterusmuskulutur da sei , entsprechend dem auf einer in-
fantUen Entwicklungsstufe stehen gebliebenen Becken. H&nfig 6ndet sieh gleich-
zeitig eine aun'allenilu Hi<i:idität der Weichtheile und cioo Enge des Intruitus.
Er rathet bei dieser Beokenditrorujitiit im Alltrenieineu ein ex-äptetatives Verfahren
an und glaubt , mau tiolle nur dann activ tingreifen , wenn eine Hinterscbeitel-
beiueiostelluDg da sei, wenn der KabcUtraug vorgefallen sei und sich nicht
reponiien lasse oder wenn eine Querlage da sei. Er empfiehlt, die Zange su
versuchen, eventuell zu pcrforircu, niobt aber zu wenden. Die Frühgeburt sei
dann angezeijjt , wenn früher todte Früchte geboren wurden. Hei ])!att('m Hecken
indicirt eine Läuge der Cunjutfata vera von b'ö Cm. absolut deu Kai^erhchuitt.
Betrftgt die Linge der Conjuyata vera &*5— 8 Cm., so ist die Perforation der
S '/f> caesarea vortüsiehen. BetrSgt sie dagegen 7—8-5 oder 8 5 — O ö , so ist
die Frühgeburt nur dann einzuleiten, wenn die früheren Geburten reelitzeitijr
UDgUuBtig verliefen. Am Ende der Scbwaogerscbaft ist bei noch ballotireudem
Kopfe die Wmidnng anf den Fuss xa madien nnd die Extraetioa sofort anxu-
sebliessen. Eventuell ist der nachfolgeodo Kopf sn perforiren. Steht der Kopf
schon zu fest im Heciten oder tritt eine bedeutendere Dehnnnfr des unteren Fterin«
Segmentes ein, so ist die Zaiiire zu applieiren. WiXTER'**) verhült sich bei l'ri-
mipareu mit plattem Becken exj^pectativ , weil die Nebenfactureu — Stärke der
Wehen, Kraft der Banebpresse, das Zurüeksiehen des Uterus Uber die Frueht,
die durchschnittlich geriD^« 'irösse der Frucht — ein Durchtreten des Kopfes
oder wenigstens die für die leichte, hohe Zange günstige Kopfstellimg erwarten
lassen. Die Wendung ist nur dann vorzunehmen , wenn ein Vorfall des Kabel-
stranges nnd ein solcher irreponibler der Eztremititen da ist, wenn dne permanent
ung(insti;re Kopfdnstellung besteht, oder wenn ein absoluter CtebartSStillstand da
ist. Der Kopf nuiss aber bewe;^]ich sein, l'.ci Thiriparen dajregen soll man nicht
langv warten und bald auf den Fuss wenden , weil der Eintritt des l^opfes un-
wahracheinlich ist. Die Berechtigung zum Kaiserschnitt beginnt erst bei einer
Conjugata vera von 7 Cm. E. V. Bbaun-Fbrnwald und v. Hbrzbbbg>i*) sind
der Ansieht, da>^8 hei plattem Beeken die Wendung noch bis zu einer Länge der
C<>i> jii (jiifa rrra von 8 Cm. relativ gute Erfolge ergebe. Kventuell könne die
Zunge auch noch gute Resultate haben. S. Sloa.n ^^"^^ weudot bei diesem Becken
auch, nnd zwar bis an einer Conjugata r«ra-LAnge ron 2'/4 Zoll. Zuweilen aber
applieirt er eine eigene Zange an den hoch oben im Beckoneiogange qucrstehea-
den Kopfe und eomprimirt letzteren mit dem Instrumente von vorn nach hinten,
um ihm zu ermöglichen, die enge Stelle zu passireu. Auf diese Weise will er
die Craniotomie umgehen. In Ähnlicher Weise geht Longakeb^^^ vor. Bis sn
einer Conjugata vera-Lftnge von 3^'« Zoll applieirt er die Aeh-^enzugzange, wenn
die Wehen sehwach sind. Die Wendiinir beschrfhikt er auf Fälle, in denen das
Hinterhaupt oberhalb der engeren Beckenhülfte liegt, in denen ein KabcUtr&ug*
prolaps da ist u. d. m.
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BECKEN.
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£. V. BaAUN-J^'KRNWALD uod C. V. Herzbebo^i*) bestimmen als Grenze,
bU sa welcher bei «llgemeia gleichmässig vereagtem Becken noch die Wendaog
▼orgenommen werden kann, eine Linge der Oonfugata vera von 8 Gm. Samuel
SLOAN^'*) nftebt bei stark allgen.ein verengtem Recken einen Zanfrcnvcrsuch,
wenn dieser nichts nützt , so craniotuoiirt er sofort und verwirft die Wendung
unbedingt. KlESfi'-*)} bestätigt die Lehre I.itzmann's, dass bei allgemein gleich-
miBsig verengtem Beeken die Linge der Conjugaia vera nicht unter 8 Om, sinkt.
lonerhalb der leisten Jahre aind vier neue Behandlnngamethoden hm
engen Becken aufgekommen.
Die erste ist das HüFM£i£K'sohe Einpressen des Schädels
in das Beeken, nm den Dnrehtritt des Eopfes dvroh die ver«
engte Conj ugata vera zu nnteratütsen. Torgenommen wird dieser
Eingriff in der Nnrkusc nach abgeridS.^ciion Wftssern und liei xorstrichener
Cervix, und zwar dann, wenn Wehenschwäche da ist oder eine ludication zur
Geburtäbeendigung vorliegt. Dass dieses Verfahren eiue gewisse Vorsicht er-
fordert, erweisen die von Hübet pnblidrten Fllle. Es waren deren 5, 8 be-
trafen allgemein verengte Recken platter Form und 2 nur geringe Beekenverenge-
rnngen. Von den 5 Fffiolitcn kamen nur 2 lebend zur Weit. In einem Falle
fand sich eine Gehirnhämurrbagie und in einem Falle eine Fractur des hinter-
liegenden Scheitelbemes , 9 andere F&tle, in denen dieses Verfahren angewandt
wurde, tbeilt Holowko"") mit. Auch DChrsssn"*) empfiehlt dieses Verfahren.
In hr.ch.st ingeniöser Weise umgeht PROCHnwxicK hei cn^eiii Rcckoii
die Einleitung der künstiicbeu Frühgeburt auf die Wei^e, dass er das Wachsthum
der Frucht in der letzten Sehwangerschaftazeit, durch Einhalten einer bestimmten
EnlxiehnngsdiSt von Seite der Mutter, einsehrlnkt. Die Dilt, welche die Gravide
einhalten inuss , entspricht beiläufig jener bei Diabetes tlblichen , nur dass noch
mehr FlUsäigkeiten entzogen werden. Diese Diat mwss dureh 6 -8 Wochen liindurch
strenge eingehalten werden. Der Ktiect dicHCS Regimes ist der, dass die Frucht
wohl mager, fettarm, mit weniger festen, leieht versehieblidien Ropfknoehen
geboren wird, aber sonst reif, gesund und widerstandsfiUiig ist, wie sonst eine
ausgetragene Frucht. Eine unter der erwähnten Diilt gezogene Frucht kann,
schon der Anoabme nach, leichter das enge Becken passiren, als eiue unter den
gewOhnliehen Verhiltnissen herangewachsene. Bestätigt wird dies doreh die Ver-
suche Pbochowmick's nnd Jener, die seine Versnehe nadimaehten. Nach
PROCHOWNICK schlugen dieses Verfahren VON Brehm '^r)^ SvtKciCKV ■-"),
HoFMAXN'-' ) und DoxATH i-'") cin. Bisher sind 11 einschlägige Fälle bekannt.
Alle dieselben betrafen Falle von engen Becken (platte, platte rachitische, all-
gemein glelehmluig und nngleiehmässig verengte), mit riner Lftoge der Conju-
gata diogonnliH von 9*8 — 11*7 Cm., in denen die früheren Geburten entweder
sehr schwer spontan zu Knde gingen, oder zerstückelnde Operationen erheischten,
oder die kfinstliobe Frühgeburt nothweudig gemacht hatten. In allen diesen
Fflllen gingen, nach EinfBbrvng der P&ocHOWNTCR'sehen Diät, die Geburten viel
leichter als son^t von statten nnd kamen die Früchte nicht nur lebend, sondern
gediehen die Kinder späterhin ganz gut. Die Längen diesor Früchte entsprachen
der Isorm (50 — 52) und schwankten die Gewichte der Früchte zwischen 2250
bis 3060 Grm. Das PKOCBOWNiCK'scbe Verfahren muss demnach als eiue sehr
werthvoile Bereicherung dw gebnrtshilfliehen Therapie bezdchnet werden.
Wie bereits oben erwähnt wurde, machte Walciter vor Kurzem auf
die Veränderliclikt it der Länj^e der Conjuj^afa bei versehiedenen Körperhaltungen
aufmerksam. Bald darauf nies Mkuk nach, dass die Variabilität der Conju-
gatalänge bei einfach plattem nnd raehltiseh plattem Beeken mehr ausgesprochen
sei , al» bei norniaUm und allgemein zu weitem Becken. Das Gleiche fand be-
züfjlich der Varialiiüiät des queren Durchmessers Kl?:i\*^'!. Bei normalem und
allgemein vercugtem Becken soll sich die Transversa um 1 Mm. , bei plattem
dagegen nur nm 0'5 Mm. verlängern. Walch£B^*>) versuchte, sdne Entdeeknng
88
BBCEDBET.
prftktiach m verwerthea und gelang ihm dies in einem Falle. Einer Dritt-
gesohwlngerten, b« der die nraite Geburt BÜtMst der Perforation beendet wer-
den nilMte, wurde bei so weit als möglich nach abwärts hangenden Beinen ein
Polster unter das Kreuz gelegt. In dieser Lage verl.liigerte sich die Conjugnta
diagonalis von 10*3 auf 11*1 — 11*2. Auf diea hin wurde von dem Plane der
^nMtang der Fmbi^^bart abgestanden und beaehloesen, die reebtceitige Gebort
abzuwarten. Die Tersoa gebar . d te erwähnte Lage einnehmend, rechtzeitig binnen
15 Stunden ein lebendes Kind. In einem zweiten Falle, in dem eine Becken-
endiage da war, verlängerte sich die Conjugata diagoneUü von 10' 1 auf
11-0 Cm.
Die Sy mphy seotomie. Bekenntlieh war es Sioaült in Paris, der
1768 auf den Gedanken kam, bei engem Becken, um dem (l;tm:ils ko gefflreh-
teten Kaiserschnitt aus dem Wege zu gehen, den 8yiuj)hyfienrti'hnitt vor/unehmen,
um dem Fruchtkopfe den Durchgang durch das Becken zu ermüglieheu. im Jahre
1777 ftthrte Sioaült die ven ihm ersonnene Operation an einer SOjftbrigen
rachitischen Soldaten-Frau, Namens Souchot, aus, angeblich mit bestem Er*
folge, wie es sich aber spJlter horausstellte, mit sohr zweifelhaftem, da die Person
von der Operation her ihr ganzes weiteres Leben liindurcb eine Blasenscheideu-
fistel, sowie ^ne Knoebenfistel nnd ein ungemein ersefawertfli GehTermOgen davon
trug. Ueber den Werth und Unwerth dieser Operation eetflemmte ein sehr leb-
hafter literarischer Streit, dessen F^nde bis in den Anfang unseres Jahrhunderts
hineinreichte. Sihault fand nicht viele Nachahmer , denn diu meisten der nach
ihm Operirenden errangen keine günstigen Resultate. Das von Baodelocqoe dem
Aelteren ^*^) , dem berttbmteeten Geburtshelfer seiner Zeit, ansgesproehene Ver-
dammungsurtheil Aber diese Operation war der Grund , dass die Sympbyseotomie
aus der Praxis der Pariser Geburtshelfer und damit Uberhaupt von der Bild-
fläche verschwand (Siebuld ^^^j. Die Symphyseotomie galt bis in die jüngsten
Tage hinein bei uns als eine operative Verirrang, als ein verpönter operativer
Eingriff. In Italien dagegen wurde im Verlauf der letzten Jahre die Operation
der Symphyseotomie von Morisani in Neapel neuerding;« aufgenommen und
cultivirt. Jüngst wieder trat er mit 24 Fällen vor die Oetrentlichkeit. Alle diese
I^lle betrafen hoehgradige Beokenverengerungen, die eigentUeh den Kaiserschnitt
indicirt hätten und liefen sie sämmtlieh, sowohl für die Hlltter, als die Rinder,
glflcklich aus. Er rtlhmt dieser Operation nach , dri^^s sie gegenüber dem Kaiser-
schnitte relativ leicht vorzunehmen sei und weit weniger (iefahren involvire.
Gleichzeitig hebt er hervor, dass die vollkommene Heilung ohne weitere dauernde
flble Polgen binnen wenigen (bis 14) Tagen eintrete. Hobisani fand an
Pinard i^") in Paris einen Anhänger, der selbst schon 3 Fftlle mit glinstigem
Ausirangc für Mutter und Kiiul operirte. Ausser Pinard operirte nur noch
PoKAK^ und Tarnibk i^i*;, und zwar ebenfalls mit (ilUck, Je einen Fall in
Paris. In Dentaehland operirten bisher Leopold i«o) in Dresden 2 Fille,
FbbüMD- MüLLKRHEiM in Strassburg 1 Fall, Wehle "■') 1 Fall und
ZwFiFF.Li^^i in Leipzig 1 Fall. Aus Ungarn theilt einen operirten Fall D. V.
Velitz^^*) in Pressburg mit.
Nach PiNABD'*') wird, entsprechend der Mitte der Vorderwand der
Symphyse, eise srakrechte Indsion in der Linge von 8 — 10 Cm. gemaeht.
Dieselbe reicht nach unten bis oberhalb der Clitoris und nach oben bis über den
Ansatzpunkt der Mi/.scttft rccti. Hierauf werden die Atnuculi recfi im oberen
Theile der Wunde auseinandergedräogt , um dem Finger Zutritt zum prävesicalen
Baume zu sehaffen, damit er die Blase sehUtze. Naoh genauer Feststellung der
Medianlinie wird nun die Symphyse in mehreren ZUgen von oben nach unten
und Villi vorn nach hinten incidirt. Nach Durehtrennung der Symphyse ent-
ferueu sich die Schambeine von selbst ein wenig von einander, im >iothlalle
kann m«i diese Erweiterong dnrch den seitliehen Zug zwder Oebitfen an
den Obersehenkeln nnterstatzen. Die Burchtrennnng des Ligamentum sub-
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BECKEN.
89
pubicum geschieht zuletzt. Man versucht, dasselbe erst mit dem Finger
zu forciren und legt nur mit Reserve das Messer an. Man hört nicht eher
auf, bis es gelingt, den Finger mit Leichtigkeit zwischen den Schambeinen in
flirer gancm Hohe darebzufilhren. Selbst daaii mnn mea lidi vor jedem gebnrts-
bilflichen Versuche durch eine vorsichtige Abdoetion der Oberschenkel ver-
gewissem , da«8 die Durchtrennung wirklich eine vollständige ist , dass vorne
kein Uindernisa zurttckgebiieben ist, welches die Frucht mit Gewalt zu über-
winden bfttte, d. h. das« die SehnmbeiDe um 4 — 6 Cm. you efnnnder getriebm
worden sind. Naehdem man A€lx ttbenengt hat , dass der Weg firei ist , dass die
vorderen Ligamenta mcro-iliaca eine erhebliche Erweiterung gestatten, wird
die Wunde provisorisch antiseptisch versorgt und wird nun geburtshilflich ein-
gegriffen, d. h. es wird entweder die Zange angelegt oder gewendet und extra-
hirt Leopold**^) empfiehlt, das lAgamentum armiatum an lehonen, nm etner
hcftifren, aus dem Bulbus der Clitoris ansjt^chcnden Rliitnnf^ auszuweichen und zum
Schutze, sowie zur Coutrole der Blase in letztere eiuen (Jatheter einzuführen. Gleich-
zeitig meint er, dass es nicht nötbig sei^ die ganze Symphyse zu spalten, da die
horisontalen 8ehamheinlste schon naeh halber oder dreiviertel Dnrditrennang ihrer
oberen Enden auf 3 Cm. weit von einander treten. Nach bemideter Eztraetion äex
Frucht drücken die beiden Assistenten die liollhüfjel so fest gegen einander, dass
sich die G denkenden wieder berühren. Mit Silberdraht oder stärksten Seiden-
faden werden die Gelenkienden gleiehseitig mit den W^ehtheilen an einander
gezogen nnd vemibt nnd die Wände oberfiftchlich ▼eradriosBen. Zum Schiasse
wird ein fester, mit Schnalle vergebener sehr breiter Ourt nm das Beeken gelegt,
der täglich fester angezogen wird. Er bleibt 3 Wochen liegen.
MOBISAM ^^') bestimmt als oberste Grenze der Operation eine Länge der
Conjugata wra von 8*8 Gm. und als unterste eine Lftnge der Conjugaia vera
von 6*7 — 7 Cm. Lropoldi*^) ^^^^ Kaiserschnitt und die Symphyseotomie
nicht als Concurrenzoperationen. Erstere Operation habe nach ihm da zu beginnen,
wo letztere aufhöre , mit anderen W' orten , dass in Zukunft fUr den Kaiserschnitt
nur die Fille von absoluter Bedkenenge f Conjugata vera von 6 Gm. und da-
runter bei reifer ausgetragener Frueht) übrig bleiben dürfen. Nach seiner Auf-
fassung dürften daher die Fälle von relativ indieirtem Kaiserschnitte in Zukunft
durch die Symphyseotomie ersetzt werden.
Auch die deutschen Operateure heben hervor, dass die Operation relativ
Ideht sei nnd die Festigung des Bednna relativ rasdi abtrete.
Tebcr .•ibnf)rme Geburtsniechanismen des Kopfes bei Gegenwart eines
engen Beckens wird im Verlaufe der letzten Jahre nur zweimal berichtet.
KuHXi*'J erwähnt, dass unter 2002 Geburten der BaKisKY sehen Klinik
die extramediane Einstellung nnd Geburt des Kopfos 19mal vorkam. Es han-
delte sich , wie begreiflich , um in der Conjugata vera verkürzte Becken und
betrug die Lilnge dieses Mfias^ies 8 — 9'5 Cm. 7mal war das Becken rachitisch, fimal
allgemein verengt und 2mal be^^tand Lumbosacrailordose. £r meint, dass eine Prä-
dispoeition zu dieser Einstellung in dem Abweichen des Eopfiss auf die eine Darm-
beinschaufel liege. 9 dieser Fälle beobachtete er genau. In allen diesen passtrte
der Kopf die linke Heckenhillfte. .^mal stellte sich der Kopf in Deflexionsstellung
leichtesten Grades ein, die sich 2mal wieder ausglich. In diesen 3 Fällen stand
der Kopf in I. Position. Der Eintritt in das Becken erfolgte, zumeist im schrägen
Dnrebmesser , so dass bei II. Position nnd Flexion, wosu steh in dieeen Flllen
mehrfach auch Neigung des Kopfes gegen die hintere Schulter gesellte , das
Hinterhaupt an das Promontorium zu liegen kam und der SchUdel dann durch
Kotation um seine senkrechte Achse und kurze schraubcuictrmige Bewegungen um
dasselbe herum in die Beckenhöhle getrieben wurde; bei I. Position und weitem
Querdurchmesser in gleidier Wei.se , lu i verkleioertwn Querdurch niesser jedoch
leicht in l)efli xi<iiisstellung, wobei das \ (iiderhanpt zuerst in die HeckenliHble
trat. Spontan verlief die Geburt 5mal, 2mal war die Zange und Perforation
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BBCKEN.
DÖtliig. Die Geburtadauer war nur in einem Fallu wesentlicli verläugert. Eine
ausgesprodiene Deflexioawteiluug ist, offenbar des geriD^o Raumes wegen, der
dem Kopfe nr Diapoiitioii steht, bei extnmedi«iier Stellmig liisher noeh nieht
beobaehtet wordeu.
GloCKNKB ""j beobachtete in 3 Fällen , in denen das Becken bei einer
Lftnge der Conjugata diagonalis von lO'ö einmal ein einfach plattes, zweimal
ein nngleiehmAssig, aber nameotlieh io der Conjugata vera Terengtes mit eieer
Linge der Comjugota diagonalis von 9*7 und 9*9 war, eine Einstellung im
■rcradtn Durchmesser, das Hinterhaupt uach vorn, der Kopf in starker Flexions-
stellung. jKur bei Fassirung der Conjugata vera drehte sich die kleine Fonta-
nelle etwas ssitlidi * nm sofort wieder naeh Tome curOokzukehren , als die engste
Partie des Bcekens pasairt war. Die Frflehte wof^en 2780—3320 Orm. Eine
kam scheintodt und wurde nieht mehr zurückgebracht. Eine Geburt verlief rasch,
die zwei anderen waren verzögert und erheischten einmal die Zange. Dieser
Geburtämeehanismus ist sehr t'eiten. Ich beobachtete ihn nur einigemale.
ScHAQTA flbOTtrigt die Gonstmetionen, die seiner Zeit Bbbiskt ersann,
um die FormverSnderunp« n des kypbotisehen Bcekens ansohanlioh zu machen,
mit demselben Vortheile auf die anderen einzelnen Arten des «?ngen IVckens.
Uevwood Smith ^^^j coastruirt ein beuken aus einer plastischen Masse,
die es ihm, in gleldier Weise wie bei deeateinirlen Beeken, ennOglleht, die vw
sehiedenen Formen des engen Beekens an UnCerriehtssweeken darsnstelleo.
Die seltener vorkommenden Formen des engen Beekens.
Zwergbecken. In den letzten Jahren wurden einige einschlägige l'älle
pnblifirt, in denen der Kaiserschnitt vorgenommen werden mnsste. St. Bbadn
BKmBAB[>T >^'') , Braun 1*^). In einem Falle, dem von HoTTiKairoN , trat
wfthrend des Kreissens eine Tterusruptur ein.
Trichterbecken. Die stattliche Keihe 24 solcher Becken beobachtete
Flrischmann 1*'). Er thdlt diese Beekenform — abgesehen von der dnroh
Kyphose bedingten — in drei Gruppen. Die erste wird von den einfaehen Trichter-
l)«'<'ken pebiitlet. I'ii- \'(rf'ne-ortuiL' betrifft nur den H»('ken,'iu<'frfiiiir und zwar
im queren oder geraden Durchmesser oder in beiden. Die zweite Gruppe umfasst
Becken, die auch im Eingange verengt sind, doch prUvalirt die Verengerung des
Ausganges. Hierher sAhlen die allgemein verengten, die platten und die allgemmn
verenfrten platten Trichterbecken. Die dritte Gruppe stellen die infantilen Becken
dar. lU'zllglich der Diaeniise in vivo kommt der allgemeine Habitus, die Äussere
Lt* keumei<8uug und die Austastung des Beckens iu Betracht. Auß^lllig ist eine
starke Convergens der Genitoeraralfahen, Sehmalheit der Haften nnd der GesSsa-
gegend, sowii- zuweilen eine Verminderong der Beckenneigung und der I.ii';;h.il-
lordose. \'<m Wichtigkeit ist die Messung der Entfernung der Sitzbeinhrieker, dos
geraden Durchmessers der Beckenenge und des Abstaudes der Sitzbeinstachcl.
Wichtig ist aneh das Troehanterenroaass , da sehr hanfig im Vergleiche zu
dem Hausse der Spinae und Cristae zu klein ist. Die Austastung ergiebt eine
starke Cniivcrgenz der seitlichen Beckeuw.Hnde , Annäherung der Spinae und
TuluM.t der Sit/.kiKK'lien und Vereu'-'erung des Schambogens. Das Kreuzbein ist
oft autialleud schmal, oben nach hinten zurückweichend, mit seiner Spitze sich
der vorderen Beckenwand nihernd. Manchmal finden sieh eine leiebte schnabel-
förmige 6e{>taltnng der Symphyse und st.irk entwickelte Sjtinae tscitii. Das Triehter-
heekcn ersehwert häufig die (Ji-burt. Der Kopf I)leil»t über den Sitzbeiustacheln
stecken und die Wehen erlahmen. Es scheint, dass iu vielen Fällen von s. g.
seeundirer Wehensehwiehe bei in d«r Beekenhdhie steekendem Kopfe Ans-
gangsbesebränkungen da sind. H&ufig erfordert dieses Beeken operative Interven-
tion. n.mu'ntiieh die Zaii^'c. Letztere erzeniit leicht Seheidein erletzungen, die aber
auch bei sp intaner (Ichurt entstehen können. Besonders gefährdet sind die den
Sitzbeinstachcln uud den aufsteigenden Sit/.beiniisten ents]irechenden Abschnitte
BECKEN.
91
der Vagina. Verzögert sich die Geburt, so ist das warme Vollbad augezeig-t.
Wichtig ist es hier, daas die Kreisseude die knieend-kanernde Stellang eionehme.
Mlltieii diisM Mittel niehtB, bo nraas die Geburt mdi kfbiBtüeli beendet werden,
findet die Zange groeee Wideratflnde, so toll ihre Anlegung in einem anderen,
für den Einzelnfall gOnstigeren Durchmesser versucht werden. Vers.sgt sie .iiich
dann, so ist bei Getabr der Mutter der Kopf zu verkleinern. Die starke ('"Ui-
proüäion, die der Kopf im Beckeuausgauge erleidet, gefährdet dai» Leben und
wahrBeh^nlieh aneh die geistige Entwieldung dee Kindes.
Das schräge verengte NARGKLE'sche Becken.Eine Arbeit über
dieses Becken liegt aus der Feder Hkrmax\s ^^^) in London vor. Die charakteri-
stischen Veränderungen in der betrelleudea Kreuzdarmbeiufuge sind durch eine
intrn- oder eztm^nterine Caries bedingt. Letztere ist begleitet von einem surSek-
bleilien des Wachsthum!« des KreuzbeinflUgels durch Zerstjtmng der Knorpelsub-
stanz lt. s'. w. iiiui liliift H-h!iess!icii in eine Ankylose ans. XebensJlchlieh sind
die Fragen, ob hierbei zuer.st der Knochen oder die Synovialmenibran befallen
ist, ob sich aaerst das Wacbsthum verändert, oder ob die Aukylosiruug voraus-
geht. Die Gestalt des Beekens flberhanpt wird dareh drei Momente bedingt, das
Körpergewicht, die Wirkung der Muskeln und Ligamente und durch die ange-
borene Teiiden/ der Knoehen, in ilirem Wachsthume eine hestininite Form und
Gestalt uuzuiiehuien. Das erste Moment kommt wenig in Betracht, wichtiger ist
das zweite, das wichtigste das dritte. Bei dem NASGSLB'sehen Beeken ist die
Widerstandsfähigkeit der Knochen nicht beeinträchtigt, wie bei der Rachitis oder
O^^teomalacie. Weiteren FinfliisH auf die (Jostalt haben Bliitziifiilir und übermflssigcr
oder ungleichmässiger Gebrauch der Glieder. Diese EinÜUsse fallen bei den
NAE6BLB*S'^ben Beeken w^. Anderersmts rind fttr letzteres der Dmek der KSrper-
last und der Gegendruck von Seilen der Pfannen von grossem Einflüsse. Das
Beeken ist unsymmetri'^eh. In Ffilge dessen (üWt das K(lrpergewicht seitlieli der
Mittellinie. Dadureb wird das (ileichgewieht d< r verschiedenen Kräfte gt stört
und erhält jene Seite, auf welehe das Gewicht nicht drüekt, das Uebergewicht.
IMe Symphyse wird nach der nieht belasteten Seite und dadureb die Pfanne der
überlasteten Seiten nach vorn und der Mittellinie verzogen. Nebok diesen ver-
änderten Drnekverliiiltni-sen treten alle (ihrigen Momente, welche einen Einflusa
auf die Gestaltung des Beckens ausUbeu, bei dem NAKUKLE schen Becken iu den
Hintergrund. Die Gestaltsentwlcklnng des NABOKLB'sehen Beekens basirt anf dem
Zurückbleiben des Knodienwachsthume!* an dem Flügel des ().■* mcrum und der
Sui»'rßcifn (iiiricitht n's des Darniheines. .Auf der ankylotischen Seile wird diireh
den Druck nach oben durch das Femur eine weitere Compre.ssion des schon ver-
kürzten Darmbeines berbeigetübrt und auf der gesunden Seite ein stärkeres Aus-
wirtotreten der Pfanne nnd geringere Compression des Darmbeines, geringer als
auf der kranken Seite, ja selbst geringer als bei gesundem Beeken. Die Ver-
längerung der lleopeetinallinie in ihrem ScliHnibeintheile auf der ankyl"sirten
äeite ist die Folge der Wirkung zweier Kräfte. Die Pfanne zieht das eiue Kode
naeh dem hinteren Tbeile des Beekeos, wtbrend das vordere dnreh die Liga»
mente der Sehamfuge iu entgegengesetzter Uiehtung, d. h. nach der ge-iundeo
Seite Inn, gezerrt wird. Das Grundlegende der (lestalt des X.vEnELK'schen Heckens
ist daher die geringere Breite des Darn;- und Kreuzbeines der einen Seite und
nieht die einseitige Ankylose der Kreuzbeinfnge. Matthews Doncan ><^^) dagegen
hAIt das NAEOELB'sche Beeken eher für eine angeborene Mia.obildung, als fUr das
Prnduet eines K ranlcheitsprocesses. Das Fehlen des lieosaeralgelenkes scheint ihm
die Hanptsaehe.
Ein einschlägiges Beeken , das aber erst auf dem Sectioustisch als
solebes erkannt wurde, bespraeh Ahlfbldi**). Die Trägerin desselben, die
bereits früher G Geburten unter Anwendung der Zange, Perforation und ein-
geleiteter Frühgeburt überstanden, zeigte, ausgenommen eine tiefe, narbige Ein-
ziehung, entsprechend der tiefereu Fläche der rechten Kreuzdarmbeiufuge, keine
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BBOKBN.
irig^ndwie neaaeaswerthea AnomalieD des Körperbaae^. Auob die innere Unter-
Bttchung des Beckens ergsb kein» so gravireode Anomalie, wie sich eine Bolcbe
später heransstellte. Es fand sieh ein betriehtUelies Herwndrtngea der rechten
Bockenwand in die Beckenhöhle, starke Verkürzung der DiMantia spinarutn ischii
und Annäherung der Tubera ischii auf 8 Ciu. Diagnogticirt wurde ein schräg
verengtes Becken mit besonderer Verengerung des Beckenausganges. In Bezug
auf die Anamnese wire so erwlbnen^ dass die Frau Angaben maohte, die anf
einen eariösen Process des Beckens in früher Jugend schliessen Uessen. Es wurde
in der 34. oder 35. Woche die Frühgeburt eingeleitet. Die, wie sich nach der
Geburt herausstellte, 46 Cm. lange und 2770 Grm. schwere Frucht stellte sich
in II. Bchadellsge auf das Beeken aof , drelite skdi beini Eintritte in die III.
und ging in dieser, hierbei aber absterbend, dnreh das Becken dorch. Die
Mutter erkrankte puerperal und starb. Das Becken prflsentirte sich als ein aus-
gesprochen NAEGELE'sches. Ks war schrälfr verschoben und veron{rt und zei|?te
einen Mangel des rechten KreuzbuinOUgels bei gleichzeitiger Synostose dieser
Kreusdarmbeinfiige. Zeiehen eines flberstandenen eariflsen Proeesses fitnden sieh
nicht oder nur so nnbedentend, dass man nach dem blossen Beckenbefunde die
Ureache der DiÜormitftt in einem primären Defecte d(>s Kreuzbeinflii^relri ^'oaucht
hätte. Auch GkiffITH*'^) tbeilt einen einschlägigen Fall mit. Das i^ccken stammte
von einer 20Jihrigen Person, die mittels der Craniotomie entbunden wurde nnd
18 Tage danach st^rb. Sie war eine Tertiipara. Die früheren zwei Geburten waren
Stcisssreburten und inusste der nachfoItrciHlr Ki»j)f perf'nrirt werden. Dhs I^echen
seigtc eine rechtsseitige Synostose der Kreuzduruibeinfuge und war der entspreoheude
Kreuzbeinflagel mangelhaft entwickelt. Anamnestisch war nichts su eniiren.
Weiters wird aneh ein Fall von Schönbkrg mitgetheilt. Der Fall
betraf eine 25iährige Frau , die im !•. Lebensjahre Ifln-rere Zeit hindurch an
einer linksseitig'en Hüfterkrankuri^r ^'elitten. In der (ie^rend der linken Spin. post.
sv^. iL fand sich eine dem Ivuochen adhiirireude >tarbo und hatte hier im Ver-
laufe der froheren Rrankhdt eine Biterfistel bestanden. Die erste Geburt dauerte
4 Tage, war sehr schwer nnd musste mittels der Zan^e beendet werden. Die
Frucht war todt. Die Frau ver-Jäunitc den zur Ijnleitnn;; der Frühgeburt be-
stimmten Termin und kam am normalen Schwangersuhaftccnde kreissend in die
Ohristianiaer Geblnuistalt IHe venOgerte Geburt wurde mittels der Perfbratioa
beendet, doch muss hierbtt der üterus zerrissen worden seinl, da die Frau unter
den Zeichen einer rter\isrnptur starb und letztere auch bei der Section gefunden
wurde. Das Becken war ein ausgesprochen NAEGELE'sches mit links-^ritiLTr "Synostose
des Kreuzdarnibeingelenkes und bedeutendem Defecte de« linken KreuzbeiutlUgels.
Das Beeken ist insofeme ein sehr instrnetives, als die Verengemng der linken
Beekenhälfte bis zum Beekenausgange herabreieht, was sonst selten vorkommt.
Das Hecken war klein. Dt*r Durcliü'atm" df*^ Kopfes durch das Becken erfolgte
in folgender Weise: Im Geburtsbegiune {^teilte sich der Seheitel mit der grossen
Fontanelle naeh links und vom ein. Bei der Extraetion kam die Stirn naeh vorn
nnd reehts, also mit dorn LfUi^sdurchmesser in den grösseren schrägen Doreh-
messer. Ebenso tr.it der I{umpf durch das Becken , der Hdeken nach rechts go-
kehrt. Ohne Zweifel wohl ist der cariöse Froees.s, der sich in frUber Jugend
abspielte , als das ätiologische Moment der Beckendeformität anzusehen. Dadurch
kam es snr Synostose. Fflr diese Entstehung spricht aneh der Umstand, dass
das Darmbein der kranken Seite nicht naeh hinten und aufwärts verschoben war.
Q H erve IM- n L'tes Beeken. Ferimta"'^) tbeilt mit, dass die Paduaner
Klinik in ihrer Sammlung ein querverengtes Becken besitzt, dessen Anamnese
aber unbekannt ist. Es ist ein ansgesprochenes ROBBRT'sehes Beeken, das viel
Aehnlichkeit mit dem KiRCHHOFFEK'schen besitzt. Die Conjuifa'" >•■ ra misst
1 1*8 Cm., di»' rrrinsvrrsa TS Cm., die beiden ><rlir:ij;eu S-") uimI Cm.
Beide Kreuzdarmbeiufu^^en »lud verknöchert. Das Kreuzbein ist utruphlüch, ein
Fitigel desselben mangelt, der andere ist verkOmmert.
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BECKEN.
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SAnATiER'^M in Tjvnn macht einf ganz eigenthttraliclie Mittheiluno: Er
beschreibt ein Becken , dessen Ubrif^^os Skelet fehlt und über dessen An;imno.se
nichts bekaoot ist , das eine beiderseitige Synostose der Kreazdarmbeiufugeu,
ohne Spvr ^ner stettgtAindMMii EnMIiidong «ifwdtt, aber k«iiie quere VereiiKe>
rnn? zeigt, weil die Kreuzbeinflügel nicht atrophisch sind. Das Becken präsentirt
sich als ein gleichmässig verengtes. Die Synostose beiderseits ist eine vollkomnriene
und datirt aus der Kindheit, nicht aus spftterer Zeit, als das Weib scbou er-
wachsen war. In Anbetraeht deaseo , dass das Krenabdn eine gerade , geetreekte,
infantile Fora, glaubt er, dase das leiden aus den enten Lebensjahren her
rührt und raehitisclier Natur war. Die Ossificationskorne der KreuzbeintiUgel
konnten sich weiter entwickeln. Abgesehen von der Entwicklung der Kreuzbein-
flügel , unterscheidet sich das Becken vom querverengten dadurch , dasa deaaen
Krevabein nicht in dae Beelcen eingeranicen ist. Raehitisehe Anklinge sdgt das
Becken angeblich r.ielit. Die Maasse der oberen Beckenenge betragen 10" 11 und
12 Cm. statt 11 "12 und 13 Cm. Die bisher Itckannten querverengten Becken
sind nach seiner Ansicht in zwei Gruppen zu scheiden. Zur ersten Gruppe
zählen die s. g. ROBBBT'schen Beeken, die spontenen Umprangs sind nnd doh
durch ein Kiusinken des Krenzbrinr^ in das Becken charakterisireu. Durch das
Einsinken des Kreuzbeines werden die (icicnksligamento gezerrt und erzeugen
weiterbin eine adhäsive Gelenksentzttuduug , die zu Ankylose führt. Die zweite
Gruppe bilden die RoBBRT-DüBOis'sehen Beeken , die tranmatisehen Ursprunges
sind. Beekenbrttehe , Gelenksentsflndnngen , und awar meist eiterige, ziehen
AnkyloRe und dadurch Atrophie der Kreiizbeinflfi^el nach sich, wodurch d;is
Becken zum ijuer\ crcn|,'ten wird. Hier sinkt das Saerum nicht in das Becken
hinein uud geht die Gelenksentzündung der Atrophie der KreuzbeinflUgel voraus.
Zu diesen swei Omppen kirne noeh eine dritte hinan, die bisher nnr dnreh ein
Exemplar , und zwar das des von ihm eben erwähnten , repriseatirt werde. Hier
sei das Kreuzbein ni<'ht einiresiinken , die KreuzbeintiUgel seien nicht atrophisch,
doch bestehe eine beiderseitige Ankylose, lu Folge dessen sei das Becken nicht
querverengt.
Auf den unbefangenen Leser macht e^ unwillkdrlich den Eindruck,
daH.s bei dem vrtri .'^.\BATIF,R beschriebenen Becken die .'^yno^tose beider Kreuz-
darnibeinfugen eintrat , als das Individuum bereits erwaeiiscn war, da es nuglaub-
wOrdig erscheint, dass sich die Knochenkerne des kindlichen Beckens normal
wtAtw entwickeln kOnneo, wenn einmal eine Ankylose der Krensdarmbeinfuge
eingetreten ist. Als Gegenbeweis dieser Anschauung den Umstand entgegenzu-
stellen . das-i kein Zeichen einer EntzUndun^r zu sdicn ist . halte ich nicht für
stichhältig, da solche trotz bestandener EutzUudung gauz gut maugela können.
Das eoxalgisehe Beeken. Den Einfluss, den Erkrankungen des
Hüftgelenkes auf die Form des noch nicht entwickelten Beckens ausüben, bespricht
TH\('(it\'' Eine Coxalf.'ie im ersten oder zweitm Stadium der Erkrankung,
ohne bestehende Eiterung, erzeugt keine Formveränderuug des Beckens. Im
dritten Krankheitsstadinra ist der ESnfluss auf die Formverindemog des Beckens
desto bedeutender , je lioger die Supnration dauert und wenn hierbei die kranke
Extremität nicht oder nur wenig verwendet wird. Coxitis. cntniilirirt mit ^ncr.)-
coxalgie, erz<'ugt ein schrji-ri»vales Becken mit Syno-stose der Krt'uzdarmlu'int'iijio.
Dkmblin '^"^ publicirt eiue Arbeit Uber das eoxalgisehe Becken und theiit in
deFselben drei einschligige Fille mit, in denen, wie dies meist der Fall ist,
die gesunde Beckenbilfte die verengte war. In einem Falle musste bei einer
Conjufjntn r^rrt-Lftngc von !^ Cm. trotz rechtzeitig eingeleiteter Frühgeburt
perforirt werden. In den beiden anderen ging die Geburt spontan zu Ende. Er
bespricht in seiner Arbeit die Umstinde, die es veranlassen, dass die Verengerung
der einen Btckcuhülfte. sowie die eoiisccutivc Synostose der Kreuzdarmbeinfuge
znweilen in die kranke Seite fällt. Tritt Heilung der Coxitis ein. ehe noch das
gebeilte Bein verkürzt wurde, so folgt nur Atrophie der kranken Hilfte mit
94
BECKEN.
^^eiguog des Beckens nach vorn. Kommt die Heilung erst im zweiten Krankbdta-
Stadium zu Stande, als das Bein in Abduction und Auswärtsrotatiun stand, also
verkOnt war, so neigt aioli das Beeken gegen die ankyloairte Hflfte und wird
die höher ;rcle{rene gesunde Beckenseite abgeplattet. Erfolgt die Heilung der
Coxitis mittel-* Hüftanlvvlose im dritten Stadium, bei abdueirtem und einwärts
rutirtem, somit verlängertem Beiue, so erhebt sich bei Gehen und Stehen
die kranke Sdte gegen die gesnnde. Dies bringt aber aneh die Abplattung
dtr kranken Seite mit sich. Die Verknöcherung der Kreuzdarmbeinfnge
findet stets auf der eompriuiirtt-n , dai heisst abgeplatteten Seite statt , demnach
unter Umständen auf der gesunden . unter L'mstAnden aber — allerdings zwar
•eltener — anf der kranken Seite. Aus seinen Zusammenstellungen , die 41 Ge-
barten nrnfassen, ist tu entnehmen, dasa die Gdiurt 16mal reehtieitig war,
ittuA war sie eine kanstlich frühzeitige, 4nial wurde die Extniotinn ^'emaelit,
7mal der Forceps angelegt, 7mal wurde gewendet, Inial wurde der SchJidel
verkleinert, liual wurde die Frucht zerkleinert, Imal wurde ciisarirt. Von den
20 Muttern starben 8. Dies entspriebt der beben MortalitiltszifliBr von 15*/o*
Von den Früchten worden 29*/o unreif entwickelt und erlagen 80» o dersclhen.
Eine spontan zu Ende gegangene npl)iirt hei schrilL' ovalem eoxalgischen Ik-eken
beobachtete G. Braux. ^***) Es bestand eine Ankylose des rechten Hüftgelenkes
mit, wie es sebeint, oonseentiver Ranmbesebrlnknng gesmiden Beekenb&lfte
und einer Länge der Conjugata vera von 8*6 Cm. Die Frucht wog 2850 Orm.
und war IS Cm. lang. Die Frau hatte schon frdlier einmal spontan ireljoren.
In einem nahezu gleichen Falle, in dem alter die Kaumbeschritukung der
gesunden Beckeuhälfte eine viel bedeutendere war, machte Kascukaroff "'^} den
Kaisersebnitt mit glflckliefaem Ausgange Ar Mutter und Kind.
Schräge Verengerungen des Bockens bedingt durch
andere patbolo fische Processe. Von Yerongernngen dieser Arten
liegen einige interessante Mittheilungen vor.
Sehrage Versebiebung des Beckens in Folge einseitiger Luxation des
01)er<ehcnkels. Einen solchen Fall theilt G. Bkaü.v »ö») „lit. Der Fall betraf eine
4"-'jiUirip:e Quartipara, die in ihrem 9. Lebensjahre eine reclit-jseitiire Hiit'tL'-i'lenks-
luxation erlitt. Die Kaumbesehränkung der rechten Buekenbüllte war eine miissige,
da die lebendguborene Fruebt 2900 Grm. wog. Wegen Schiefläge und Nabel-
strangprolaps musste die Wendung und Bxtraotion vorgenommen werden. Be-
deutend mehr deform war das Bocken in dem Falle, der L<»HLEIN>'») unter die
Hftnde kam. Die .3f>j:lhrige Primipara 7pi<rte eine seit 1 !> .Tahren bestehende
Luxntio obturatoria des linken Hüftgelenkes und war die linke Beckenhälfte
so enge, dass rie nur ^en Reeessus darstellte, sn dem links neben dem Promon-
torium kaum 2 Querfinger emporgeftthrt werden konnten. In Folge dieser be-
deutenden Raumbeengung des Beckens musste der Kaiserschnilt vorjrenommon
werden, der jedoch für die Mutter, sowie für die reife Frucht glücklich ablief.
Gonalgiseh nenut Klaus das Beeken dann, wenn es dureb eine
frttbzeitig aoquirirte, einseitige, reebtwinklige Kniegelenksankylose eine specifisehe
OestaltveraiifiiTiin-T erfnhrt. Das Becken wird zu einem schrflgovalen mit charak-
teristischen EigentbUmlichkeiten. Der Beckeneinirantr ist schräfroval. Das stumpfe
Ende des Ovals liegt au der Pfauuengegeud der kraakeu , das spitze an der
KreuBdarmbetnfhge der gesunden Seite. Die Darmbeinsebaufel der gesunden Seite
und ihr Kamm stehen mehr sagittal, auf der kranken mehr klaflfend. Der Scham-
bogen der kranken Seite ist stark abiretlacht. Die Knochen der erkrankten Seite
zeigen in Folge der Muskelatropbie eine starke Atrophie. Das Promontorium ragt,
je naeh der mebr ritzenden oder mehr gdienden Lebensweise, naeb der gesunden
oder kranken Seite hin. Das gonalgisehe Beeken stellt demnach gleiobsam einen
niederen Grad des coxalgisclien dar.
Eine schräge Verschiebung des Beckens in Folge einer in früher Jugend
vorgenommenen Amputation eines Beines beobachtete Skgeth. ^''^) Die Betreffende,
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BECKEN.
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nm die es sich gehandelt hatte , war eine 25jfthri{j;'c Erstp^eschw.lnjrerte , der im
12. Lebensjahre die Unke L'nterextremitit knapp am Hüftgelenke amputirt wor-
den war nnd die im 9. Omvidititimoiiate an einer Pneumonie starb. Die reeliie
(der gesunden Unterextremitftt entspreobende) Beolcenhalfte war verengt. Es be-
stand ojfrentlich kcino Schambeinfuge, da das innere Ende des linken O.s puhia
um Ü'ö Cm. tiefer stand , als das rechte. Dom entsprechend stand das rechte
0» innominatum höher, als das linke und der rechte äiubeinhöcker um 2 Cm.
Aber dem linlcen. die reehte Pfanne in der Höhe der linken Spina uoAM<?tca
inferior. Das ganze Os inwmimahnn war nach rechts gewendet, wobei der
vordere Theil abgcknirkt war nnd mit dem rflokwärtigen beinahe einen rechten
Winkel bildete. Die beideu Oasa imbis waren ausserdem nicht vollkommen aus-
gebildet, das linke hatte einen Defeet von 1*/} Cm., so das« sie sieh nicht nur
ihrer verschiedenen Höhenlage wegen nicht vereinigten, sondern auch durch
einen Zwischeoranm , entsprechend dein Defecte, getrennt w.iren. An der l'ilek-
seite hingegen standen in Folge der Drehung des rechten Os innominatum nach
rechts die beiden Darmbeinkämme in gleicher Höbe. Oer Beckenausgang bildete
ein nnregehnlssiges Rhomboid in Folge der Abweiehnng des Krensbeines naeh
rechts. Auch dieses Becken bildet ein Analogon znm coxalgischen. In Folge des
eioKciti/en Druckes, den das Berken wegen Fehlens der einen rnterextremität
zu crleideu hatte, musste die gesunde Beckenhälfte verengt uud dadurch das
ganse Becken sehrftge verschoben werden. IMeser Fall ist ein umso wiehtigerer,
als bisher nur ein solcher bekannt war, jener nämlich, den seberselt die
LaCHAPELLE i"' t erw.'lhnte.
Von einem Becken, das in Folge Fractur der Knochen zu einem
sehrige verengten wnrde, soll weiter nnten, wo von den Beekenfiraetaren §»•
sproehen wird, Erwibnnng gemacht werden.
Eine sehr.'i;,'.? Verengerung des Heckens in Folge von .Sklerodermie, die
bislier iiodi nie gesehen wurde, wird von ToRfiOLEK'"») mitgetheilt. Die rechte
untere Extremität, im Hüftgelenke normal beweglich, zeigte eine ausgeprägte
Contraetur im Kniegelenke, wihrend der Fuss sich in Pes «^tdAM-Stellung be-
fand. Die ganze Bxtremit.tt war auffallend dünn , atrophisch. Vom Ges-isse und
der Lei.stenfalto an war die Haut diffus gerr»thet nnd schilferte sich die l-'piderinis
ab. Weiter abwärts war die Haut dunhelbiaun gefärbt uud mit Pigmouttiecken
bedeckt. Die Haut war so straff, dass sie sieh nur an wenigen Stellen von ihrer
Unterlage abheben liess. In der Kniekehle fand sich eine bereits harte unnach-
giebige Frilte. .Am rnterselienkel war die j>eriramentartige , harte, sprride l']]>i-
dermis atrophisch nnd dem Kudcheii üherall fest anhaftend. Das Unterhautzell-
gewebe und die Muskulatur waren geschwunden. Am Fus^e war die Haut wieder
normal. Wegen Wehenschwftohe wnrde der Forceps angelegt nnd eine lebende,
reife Frucht entwickelt. Die linke Beckonhälfte war abgeplattet und im Räume
beengter. Der linke Sitzbeinh<3cker stand höher als der rechte , die Scharabeinfnge
war etwas nach rechts verschoben , die linke Linea innominata gestreckter.
Dieses Becken hat offenbar die Bedeutung eines gonalgisohen. Der von reohts her
stärker wirkende Druck comprimirte die gesunde Beekenhälfte nnd madite da>
Becken zu einem m.'isHiir schrliir ovalen.
Ein schräg verengtes Becken mässigen Grades mit Yerrilekung der
rechten Beckenhälfte nach oben und hinten und consecntiver Ranmbeengung der
rechten Hälfte, angeblieh mit Ankylose der rechten Krensdarmbeinfage, bei dem
aber die Geburt spontan zu Ende j^ing, thcilt FleiäCHMANN mit, ohne aber
über die Aetiologie etwas Bestimmtes sagen zu können. Ueber die Publication
von Bddin — „ibwr un bassin oblique ovalaire" — ist mir nichts Näheres
bekannt Ans der Pnblieation Rbtnold's i") dagegen Usst sieh nicht entnehmen,
um was fQr eine schräge Beekenvert>nge^aIl^f ee sieh handelte. Sie miM jeden-
falls eine solche sehr geringen Grades gewesen sein, da sich die gewendete
Frnobt leicht extrabiren liess und lebend kam. Die Mutter blieb gesund.
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96
BRÖKEN.
Nach Hbnnig zerfallen die Folgen der einseitigen Coxitis in die der
Ankylose (scbrä^^ Verengung, Verkürzung des schrägen Durchmessers der kranken
Hilft«, Kleinerbleiben des Httftbdnee) und in die der Verrenkang des Sehenkel-
kopfes. Die Folgen der Amputation eines Obersclienkels bestehen nach ihm nur
in einer Atrophie der ihrer Extremität beraubten Beckenhälfte, nicht in einer
Verengerung, und zwar in Folge der ausser Tbätigkeit gesetzten Muskelgruppen.
Letsteres ist entoehieden nnriehtig, irenn die AmpaUtion in die frtthe Jugend
fUlt nnd das Individnnm weiterhin mit einer Krtlcke geht, der Druck daher ein-
seitig nur auf die goBunde Beekenh&lfte fUlt, wodoreh diese schrig verschoben
werden muss.
IKe Arbdt Chambbblbnt's die Uber den Einfloas angeborener oder
erworbener Atrophie der ünterextremitäten anf die Sefawangereehaft und Geburt
(und dadurch auf das Becken) handelt, ist mir unerreichbar und das Referat,
das mir über dieselbe zu (lebote steht, so mangelhaft, dass ich aus letzterem
uichtd zu entnehmen vormag.
Das Lnxationsbeeken. Bestiglicb desselben liegt nur eine knrae
Mittbeilung Hennio^S'^^) vor. Er erwähnt einen einschlagigen Fall bei einer
Vir'To und besehreibt ein Beckenprftparat. Hei beiden Becken, die der Gruppe der
angeborenen beiderseitigen Luxation angehören, findet er die bekannte Form-
und Lageverindemng, nftmlieh starke Neigung, steile Dannsehaufeln, eine wenig
verkarste Gonju^ata und bei der Lebenden eine anfliillende Verlingnmng des
Stammes freerenüber der Kürze der Ünterextremitäten.
Das sponiiylolisthetische Becken. II. VON Mever ''^i) entnimmt
aus einem ihm vorliegenden Präparate , dass es eine Spondylolisthesis ohne Tren-
nung im Wirbelbogen, ohne Spondylolysis gebe. Ans diesem Pripsrate lasse sieh
nämlich ersehen, dass zu einer Zeit, als die einzelnen Kreuzbeinwirbel noch ge-
trennt waren, der erste Kreuzbeinwirbel in seiner VerbindiuiK- mit dem zweiten
um einige Millimeter vorgerutdcht sein uiusste. Ermöglicht wurde dieses \''>r?-leiteo
dnreh den geringen Widerstand der sehr sehwaehen ProcesBi obliqui s,,i» riore$
des zweiten Kreuzbeinwirbels und hervor-jerufeu durch eine abnorme Haltung der
Wirlieisiiule. Bezfitrlich der Aetioloirie der iSpondylolysis (ob nämlich die Spalten
im VVirbelLü;ieu ein I itium primae fonnationis oder Folgen einer Fractur sindj
entscheidet er, dem vorliegenden Präparate an Folge, in einem Falle, dass die
Ursaehe in einem Vitium primae formationis gelegen sei. Die Frage, wie die Ver-
längerun? der Portio interarticularis entstehe, beantwortet er, gleichfalls an der
Hand eines Präparates, dahin, daas diese Verliinf^erun^ wohl dun-h Fortsetzunf?
der Knochenbildung in die Substanz des fibrösen Stranges biuein entsteheu köuue,
welcher die getrennten Bogensttteke miteinander verbinde, dass sie aber in dem
beschriebenen Falle durch Reizung hervorgerufen sei, welche die unteren Processi
ohJif]iii des \it'rtf'n Lendenwirbes auf den Bop^entheil des fünften J^endenwirliels
ausübten , nachdem sie mit dem Bogentheile durch V'orwärtsgieiteu des Kurper-
iheiles des fanften Lendenwirbels in Berflbmng gekommen waren. Die patho-
logisch-anatomisehen Veränderungen am vierten und fünften Lendenwirbel seines
Prilparates sprechen nach seiner Annahme für drei versehiedenc /.eiträume der
Bildnn:; einer Sjxindybdisthosis. Nämlich: 1. Das einfache Verhältnis», der
zweiseitigen Spaltung der Portio interarticularis des fünften Lendenwirbels mit
normalem Oontaetverhalten der Procesti tMigui, als pridisponirende Missbildung.
2. Pseudearthrose zwischen dem BogenstUcke an dem Kdrpertheile des fünften
Lendenwirbels, d. h. der Processi ol>firjui snj^eriorrs und der Procfssi ohlitjui
sacrales. 3. Psbudo&rthrose des vierten Lendenwirbels mit dem Bogentheile des
Ainften nach Vorwflrtsgleiten des Kffrpertheiles dieses letzteren. Dabd ist der
Zeitraum 1. w<ihl nur allmäli^r in den Zeitraum 2. flbei^angen durch Wirkung
des Druckes der Wirbelsäule. Der Zeitraum 2. kann, wenigstens soweit es das
Vorrücken des Körpers annreht, plötzlich durch äussere Gcwaltciuwirkung in den
Zeitraum 3. Ubergegaugen sein.
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Nach Tbkub^*') ist die Spondylolysis nichts Anderes, als ein prädis-
ponirendes Moment ftlr die Ppondylolisthfsis. Dort , wo entere ist , kann durch
eine langwähreude , durch eine plötzliche starke Belastung 4er Wirbelsäule oder
dureh ein Tnnm« dne SpondylolisthesiB zu Stande konmeo. Dun die Spondy-
loHstiieeis bei Weibern viel btnfiger Torkomnt als bei Ifftnnem (von letiteren
sind mir 4 F.HIe bekannt), beruht darauf, dass bei ihnen durch die Schwanger-
schaft eine jrrfisHcre Belastunfr besteht und dass bei ihnen die Rcsistenzfilhigkeit
der Üi/ndefmwüis interarticularis abnimmt, weil sie durch die Gravidität an-
lehwillt nnd weieher wird. Znweilen nag aneh eine geringere Festigkeit der
Bandmasse zwischen den beiden Wirbelbogentbeilen als Folge do.^ zarteren Baues
(li's Skeletes als jirädispftnirendes Eiitsteliungsnioment der Spoudylolisthesis mit-
wirken. Dort, wo Deviation vor der Gravidität eintrat, kann mau wohl letzteres
voranssetzen. Die gedehnte Bandmasse ossifldrt naeh nnd naeh, so dass sie eine
Twllngerte Portio inierarttculari» bildet, bisweilen mit, bisweilen ohne Reste
einer mit B.uulnirifs^e anfrefUlIten Spalte ini iiiterartictiliircn Bogentheile. Dadurch
wird der fUulte Lendenwirbel stark vcriiingert. Eine weitere secundäre Folge der
Wirbelkörperverscbiebung ist folgende. Der Wirbel wird flacher und bei hoch-
gradiger Brlvankiing sehUesslieh gekniekt. Andi der erste Saeralwirbel erleidet
an seinem oberen Ende eigenthflmliche seenndftreTerAnderungen. In hochgradigen
und alteu Fällen wird schliesslich dag ganze anatomische Bild durch die Com-
bination von Knochenabsohleifung und Osteopbytenbilduog unklar. Auch Iseo-
GBBAüBB^*') ist ihnlieher Anrieht. AniMssIieh der Besohreibnng eines neuen
Spondylolisthetischen Beckens wwlhnt er, so häulifj; luterarticnlärspalten der Wirbel-
bogen gefunden zu haben, d.i'is er es fftr wahrscheinlich hält, dass diese Spondy-
lolysis eine häufige Ursache der äpondylolI.sthc8is sei.
Zwischen Lamblia*) nnd Neuosbaoer kam es zu einer lebhaften
Diseossion «her die Aetiologie des spondyloUstiietisohen Beekras. Lambl greift
NitnKHAiFii's Theorie an. der zu P'olge das Gleiten der Wirbel immer im
extrantrriiialtn Leben stattlinde, ohne dasa hierbei eine primitive Dyskrasie oder
Erkrankung der Knochen mitspiele. Er beharrt auf seiner (der HiTG EN 'sehen)
Theorie, dass die primlre ürsaehe der Spondylolisthesis die Hydrorrhaehis sei,
wihread Nei gkhai kr seine Ansichten vertheidigt,
Geburtsfilile bei spondylnli^thrtischem Becken thcilen Lomhard
Mkola'"^), Thomas 1«"), Zimmer ) und Fibnig mit, doch siud kaum alle
diese Fälle Terlisslieh, da die Trägerinnen dieser angebtieh spondylolisthetisehen
Becken am Leben blieben und bei der Diagnose sehr leicht Fehler unterlaufen.
Sicher erwiesen ist nur der FiRXHi'schc Fall, in dem die Mutter auf den Seetious-
tisch kam. Zufällig gefundene spondylulisthetische Becken , die kein geburtshilf-
liches Interesse besitzen, erwähnen Nelgebauek Uewitt und Tabgett i"!"),
sowie H. Mbteb."*) Nbuobbaüxb entdeekte ein spondyloBstfaetiaehes Beokem,
de'tsen Trägerin seehs Wodien früher eine nieht ansgetragene Fmebt leiebt
geboren hatte.
Das kyphotische Becken. BekaontUch fasste Brkisky das
kyphotisehe Beeken ats dne seenndäre Veränderung in Folge primärer Ver-
krflmniui^ der Wirbelsäule auf, ein Entstehnngsmodus , den man ftlglich als
spinogenen bezeichnen kann. Dieser Auffassung stellt FRi:r\it ' eine andere
Hypothese gegentlber, in der er als das primäre Moment ein Stehenbleiben des
Beekena anf infantiler Bntwi^dtlungsstufe annimmt und die Kyphose als das
Secundäre aosieht. Dem infantilen Skelete fehlt die normale Lordose der Lenden-
wirbelsäule und dadurch ein vor.springendcR Promontorium. Entwickelt sich auch
später die Lendenwirbelsüulelnrdose nicht oder nieht gehörig, so bleibt das
Beckeu weiterhin wenig geneigt und behält die geringe Querspannung des Fötalen.
Soll ein soleher Menseh stehen , so mnss sieh die Lradenwirbdsänle mehr
nach hinten krtimmen und der Korper mehr nach vornüber gehalten werden.
Die nächste Folge der mangelnden Lendenwirbelaäulelordose ist aber ein abnormer
Encyolop. Jahrbücher. III. 7
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BECKEN.
BelastungamechaniBmus der Leudeuwirbel uud des ersten Kreazbeinwirbels. Bei
avfirwditer Stellong^ ftllt normaler Weise die KOrperlaat aof die Inmbalen und
Inmboeacralen Gelenke der Lenden Wirbelsäule und werden die Wirbelkörper
niur vorUberjfebend bei starktr Beujrung dea Rumpfes zur Uebernahme und Fort-
leitang der Runipfla^t verwundet. Geschieht dies dagegen bei infantil gestellter
Wirbelsäule dauernd, so werden die Wirbelkörper übermässig belastet uud werden,
wenn ihre £ntwiekliiog niebt eine besonders krflftige ist, «Ilmllig eomprimirt,
wodurch es zu einer leichten bogenfftrmigeu Kyphose der Brust- und Lenden-
wirbelsäule kommt. Bei traumatischer Einwirkun;r oder in Folge von Dyskrasien
kann es jedoch auch zur Zerstörung der durch die Kyphosü Übermässig belasteten
Körper der Leadenwirbelsllnle kommen, wodnreb sich dann ein Gibbns bildet.
Gegen diesen p o 1 y k o l i' n e n rrspriinir der WirbelsäulediflTorraitftt, der
des weiteren zur Biidinifr des k\ pliotisehen Beckeus führt, wendet sich Tkki'H. ^''")
Seiuer Ansieht nach ist das durch äpoodylitis entstandene kyphotiscbe Becken
kein Kinderbeoken. Es findet nnter dem Einfinase einer im EindesnUer ent-
standenen Kypbose die Wtiterentwieklniiir des kindlioben Beekens in einer vom
Normalen abweichenden Biehtuufr statt. Alle Beckenveriinderunjren hangen haupt-
sächlich vi>n der activ durch Muskel.'ietinri hervurgebrachteii eoinpensatnri^ehen
Krümmung (der Lordose) ab. Letztere i.st dazu bestimmt, die durch die Kyphose
bewirkte Verlagemni; des Schwerpunktes naeh vorne sn eorrigiien. Der ^nflnss
der Schwere ist hier von gerin^^erer Bedeutung. Die Veränderungen des Krem»
beiues sind , elienso wie die durch diese bewirkten weiteren Ver.lnderungen,
Folgen der starken compeusatorischen Lumballordose. Die Rotation der Hüftbeine,
welche die Triohterform des Beekens vernrsaeht, entsteht seeundtr dnreh eine
compensa torisch verminderte Beckenneiguni?. Dadurch, dass in Folge verminderter
Beckeiniciirung das Hauptgewicht der Ahdniiiinalurgane auf den Darmbeinen
ruht, werden diese nach aussen gedrängt. Die Folge davon ist wieder eine Dre-
hung der Sitzbeine nach innen. Tbeub nähert sich daher in seinen Ansichten
Uber die Aetiolopie des kyphotisehen Beckens der Ansehannng Bbbiskt^s, nur
dass er die Hauptrolle bei der DiiTormation dieses Beckens nicht einfach der
mechauischen Wirkung der Rumpflast zuschreibt , sondern das Hauptgewicht
auf den Muskelzug legt uud den Druck der Eingeweide auf die Beckenscbaufeln
stark hervorhebt Als Beweis fflr die Richtigkeit seiner Ansehanunf^ Uber die
Entstehung des kyphotisehen Beckens erwähnt er, dass er das Becken eine«
l^jährigen Knaltens mit starker Luuibosacralkyphose und l)estruction des 5. Lenden-,
sowie des 1. und 2. .Sacralwirbels untersuchte und an demselben alle Ver-
änderungen des kyphotischen Franenbeckens, aber nicht jene des infantilen fand.
Als weiteren Beweis theilt er «nen Fall mit, in dem eine Sljlhri^ Fran nüt
rudimentären inneren Genitalien ein infantiles Becken trug, die Wirhcls.lule-
krümmuugeii aber normale waren. Enger noch scheint sich CAJUtONELLl ^'^)
Bk£1SKv's Anschauung anzuschliessen.
SOLGBR-BüBL^**) stellt als Itiolo^sehes Moment in «rster Linie die
Tuberkulose des Kindesaltcrs hin. Als charakteristisch fflr die höheren Grade
dieser Beckcnanomalie hebt er den kurzen ( »berki'irytcr , die langen Arme und
das Freiliegen der äusseren Geuitalieu hervor. Die Menstruation pdegt sich
bd Trägerinnen soldier Beeken spit eintsustelleii imd naregelmftssig sn ssin.
Aus den 5 Fällen, die er sah, will er entnehmen, dass Vorderhauptslagea
auffallend hSutig vorkommen . und zwar deshail) . weil die Drehung der kleinen
Fiintanelle nach vorn durch Mangel an Kaum erschwert werde und das
liiutcrhaupl wegen seiner grosseren Breite sehlechter i'latz in dem engen Scham-
bogen finde , als das schmftlere Vorderhanpt. Aehnitoh spricht sich Obamfnxt ***)
aus. Der Kopf stelle .sich gewöhnlich mehr oder weniger quer und nicht gerade iä
das Becken ein, selten aber drehe sich das Hinterhaupt nach vorne, sondern
meist nach hinten. Zuweilen trete der Kopf nur durch die hintere Beckenhälfto
(die vom durch die Sitsbeinstadiel und hinten durch das Krenabcin begrenzt ist)
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aus. Diese Art des Durclitrittes des Kopfes bebt auch BKSWiä hervor. £r-
leiehtert werde aber die Gebort dadnreb etwas, dau sieb die Conjugata vera
intra partom durch die Verschieblichkeit des Ileosaeralgelenlces etwas veriftogejre.
Brewis räth in Foljre de« erwflhuten Durchtrittes des K'^pff-; an, wenu man
die Zange anlege, luUsse inaa mit dieser den Kopf in der Iiichtung mich hinten,
gegen das Perineum berausleiten. Allerdings aber werde dabei, wie begreiflich,
der Damm leksht lerrissen*
Mitthcilunpren ühvr ficburtsfilllc bei kyphotischem Hecken liegen mehr-
fach vor, so jene von HiKST -'^-j, G. Hkaux "• ), IJußKOw -''J* BüDiN -"j. Li:SK
EvEBKE^O'j, Di.NCA.N 2«*"; uod Fritsche. -"'j Eio kyphotiscbes Becken, das er
bei «ner 53jäbrigen, auffallend kleinen Person fand und das nebenbei ein swer^
h.tft kleines war, beselureibt ToRGGLEB*") und WscsCHBiDEK ein einseblfln^iges
Beckenprilparnt.
Leber die Compiicatioueu von Kachitis und Kypliose schreibt GoEXZE 'i'),
benebangsweiae Uber das raiAitisebe kypboskoUotisebe Beoken. Et weist
nach, dass, wenn zur Raebitis eine Kyphose oder Kyphoskoliose binantritt, die
rachiti<f'lit'ii V»'rbii(lunfrcn des Heckeiis abgrsehw.'icht uml iim^rcilmlcrt worden.
Diese Lmanderuufi^en Längen in ihren (Jradeu von dem (iru ic und Sitz der Ivypbosc,
sowie von dem Grade der Rachitis ab. Das rachitische Hecken wird rund, selbst
triehterfiDrmig, im Eingange relativ erweitert und im Ausgange rerengt mit Ter*
minderter, doch noch deutlieli vorhandener ra« hiti^ -lior Querspannttug. Je naoh
dem der Charakter eines solrhcn Bt'i kcns mehr der k\ [)lioti>»chen, beziehungsweise
kyphotigch-skoliotischen Form zuneigt, wird auch der Durchtritt des Kopfes mehr
im Eingange oder im Ausgange ersobwert. Nebel'") macht, ansebliemend an
die Mittheilung zweier ein.sehliigiger FiUe, darauf aufmerksain, daas die durch die
Kyphoskoliose in Folge der eingetretenen Schwangerschaft sieh entwiekclnden
€irculatioDsstörungcn nicht leicht zu nehiucn sind und e-t angezeigt sei, sobald
de einen bedrublicben Charakter aonehuien , die Schwangerschaft möglichst bald
kUnstlieh si unterbreoben, das beisst den Abortus, respeetire die Frflbgeburt ein-
znleiten oder den Kaiserschnitt — die PoRRo-0|)('rati'm — vorsuuebmen, weil
es sonst geschehen kann, dass die (iravide unentbiinden stirbt.
Das Schaltwirbelbecken. Da diese Beckcnditlbrmität seinerzeit
im Artikel Becken niebt erwftbnt wurde, so mOge sie hier eine kurze Bespreebung
erfahren.
Der ö. Lendenwirbel kann die vor!<chiedcHsten Variationen zeigen, nämlich
alle Uebergänge von der Form des rein lumbalen bis zu jener eines vollkommen
ttbersdiUssigen, sacralen Wirbels. Ebenso kann andi der 1. Kreuzbeinwirbel gans
oder tbeilweise auf einer oder auf beiden Seiten den Charakter eines Lendenwirbels
annehmen. Wesentlich altcrirt wird die Beckenform. wenn die Assimilation asym-
metrinch ert"olgt, das hei.sst auf einer Seite stilrker entwickelt ist als auf der
anderen, oder auf letzterer ganz fehlt oder wenn bei ..ymmotrischer Aüsimilatioa
das Promontorium hoeb steht.
Bei asymmetrischer Assimilation kann der asymmetrisch entwickelte
Wirbel der letzte Lendenwirbel oder (was häufiger der Fall ist i der erste Kreuz-
beiuwirbcl sein. Die Asymmetrie besteht darin , dass ein FlUgel auf einer Seite
mehr oävt weniger vollkommen entwickelt ist, während er auf der anderen Seitb
fehlt oder weit 8ch\N.ielicr entwickelt ist. Der besser entwickelte Flügel tritt seit-
lieh mit dem 1 )arnil)einc , nach unten mit dem FIflgel de> nUehstcn Kreu/.hein-
wirbels in Contact und ist daselbst mit dem anliegenden Knochen verschmolzen
oder durch eine Knorpel fuge von ihm getrennt. An der Seite, an der der FlUgel
mangelhaft entwickelt ist, knin ein tbellweiser oder Tollkommener Ersatz dadurch
gebildet werden , dass der FItIgel des nächsten Sacralwirhels sieh stUrker ent-
wickelt und dem riiditnentären gleichsam eutgegenw;leli,-it. Da lileibt das Beekcn
symmetrisch. Geschieht dies aber nicht, so sinkt der Wirbelkörper nach der minder
«ntwiekelten Seite hin herab, da er hier mangelhaft nnterstfllzt wird. Consecutiv mnss
100
BECKEN.
sich eine nach dieser Seite convexe Skoliose der LendenwirbelsÄule bilden. Die
Seite der geringeren Entwicklung erleidet einen stärkeren Druck, der sich in der
Abplattung der betreübDden Beekenhülfte tod dw PfaniM ans, in der Yeraebiebang
des Darmbeinee unöh hinten^ aowie oben und in der Veraobiebnn^ der Symphyse
nach der entfre^jenpesetzten Seite äussert. Die VerilndfriinsreTi sind hier dieselben
wie bei primiirer Skoliuge, nur ist die Skoliose hier nicht eine primäre, sondern
eine eecuudäre in Folge der mangelhaften Unterstützung des asymmetriaeben
^rbela anf der Seite der mangelhaften EntwieUnng. IMe YeradiietNing der
beiden Beokenhälften an einander wird desto bedeutender sein , je weiter und
bildsamer das Becken zur Zeit der ersten Belastung war. Ganz besonders wird
sie hervortreten, wenn das Becken nebenbei ein rachitisches ist.
SymmetriBohe Assimilation. Liegt nidit die ganse Wirbelslale rotf so
kann die Entscheidung Hcbwierig sein, ob der Wirbel, um den das Erentbein
länger ist, ursprünglich der Wirbelsäule zukam oder o]> d:is Kreii/bein um einen
Wirbel mehr bat. Für die erstere Auuahme, s. g. obere Assimilation, spricht
der Hoebstand de« Promontorinms über der Beckeneingangsebene und das Per*
ristiren der Bandsdhdbe swisohea dem 1. ond 2. E[rewbeinwirbel. Fflr die zwdt»
Annahme, s. g. untere Assimilation, spricht das Vorhandensein der Cnrmta
corci/fff'u an dem letzteu mit dem Kreuzbeine verHehinulzenen Wirbel. Aber auch
bei einem Kreuzbeine von nur fünf Wirbeln kann der oberste ursprünglich der
LeadenwirbelsAnle angehört lialwii, wlhrend der ttbersdiflssige sebon in das 8teis8>
bein fllwrgetreten ist. Diese Anomalien verändern die Beckenform nur dann, wenn
dabei das Promontorium hoch steht, der rroniontnriumwinkcl aber weniger ent-
wickelt ist. Bei wenig entwickeltem Promontoriumwiukel, das heisst bei fehlender
LendenidrbelBtntelordose, sind aber dann die gidehen Verhtitnisse da, ans denen
Freund, wie oben erwähnt, die Entstehung des kyphotisehen Beckens dedndrt.
Thatsäehlieh zeigen auch solche Becken, wenn nicht andere Complicationen stftrend
einwirken, mehr oder weniger den ('harakter des kyphotisehen.
ScHAUTA *^^) legt den Becken mit einem Kreuzbeine von sechs Wirbeln
den Namen Assimilationsbeeken bei nnd meint, dass äw Name Sehalt-
wirbelbeoken strenge genommen einer anderen Gruppe von Becken zukomme,
und zwar solchen Becken , bei denen Einschiebungen von rudiment,'iren Wirbeln
vou hinten her zu tiuden seien. Meist handle es sich hierbei um die Einschiebung
eines Bogens, jedoeh ohne KOper oder eines Bogens mit sehr radimentlr ent-
wickeltem Körper, Spondyloparembole. Diese wahren Solialtwirbelbeeken
harren noch einer griindliehen, eindrehenden l^eurtlieihing.
Das oKteomalakischc Becken. Bezüglich der Verbreitung der
Osteomalaeie und des EinÜusaes, den die Gegend, sowie der Boden anf die Ent-
stehung dieses Leidens vielfaeh ansObt, liegen einige Hittheilungen vor. SchÖr-
BKUG-'^) erw.nhut, dass bis zum Jahre 1887 in Norwegen nur drei Fälle von
osteonialacischem Becken bekannt waren und Aunott -' i, «la-is das Leiden in
Ostindien häufiger vorkommo als die Rachitis und Uberhaupt Limmer als in Europa.
Hohamedanerinnen erkranken angeblieb sehr hlnfig an Osteomalaeie, seltener
dagegen Hindu* Weiber. Letztere; sind nicht dauernd an das Uhus gefesselt, wie
erstere und bewegen sidi mehr im Knien. Kkukeh^'") hebt hervor, dass die
geographische Verbreitung dieses Leidens eine sehr ungleichmässige sei. TuoaN*^')
macht die höchst interessante und wichtige Mittbeilung, dass die Abhängigkeit der
Osteomalaeie von der Oertliehlceit dne schwankende sei und fahrt als Beweis an,
da<s in der Gegend von Aschersleben die Osteomalaeie h.1ufiger vorkomme als früher
und Gummersbach — bekannt durch die vielen KaisersL-hnittr Winckel's sen. — Jetzt
lange nicht mehr so reich sei au Osteomalaeie, als zu Zeiten Winckel's sen. Nach
Gallia^o) soll die Hehrsahl der Osteomalaklschen der Turiner Klinik aus
GcL'enden stammen, deren felsiger Boden arm an Kalksalsen ist. GelpkB"*),
der die Aetiologie der Osteomalaeie in grüudlicher Weise zu erforschen sucht,
findet, dass das Wasser in den Gegenden, in denen die Osteomalaeie endemisch
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ist, einen normalen, Stellenweise einen hriheren Kalkgehalt besitzt. BezUf^lich der
geologischen VerhftUniMe äussert er sich nach Prof. Scuuid dabin : Als befallen
▼on Osteomalaeie ersoheint das Gebiet der jongen Kettengebirge Europas, Alpon
und ApeauBMi mit j^osehloM deijenigen Gebiet«, welche mit ans diesen Gebirgen
stammenden Schottcrmassen flberdeckt sind , frei d.i;?e?en die alten Tafelländer
nnd abrasirten Faltengebirge im Norden, Nordwesten nnd Nordosten £aropaa mit
Einschluss ihrer Diluvialgebiete.
Hbtbb***)« Kbhrbb***), Zwbifsl**«) nnd Fehlinq**^ meinen, die
Osteomalaeie sei durchaus nicht eine ausschliosäliche Proletarierkrankheit, wie man
dies bisher angfenommeii habe, und Kehrkr hebt ausdrücklich hervor, dasa scblecbto
Ernäbrungs-, sowie Wobnuugsverhältnisse und andere Schädlichkeiten in etwa
iHnem Drittel der Fille sieher aussnsohliessen seien.
Wesen des Krankbeitsprocesses. W. Mbtbr "*) entnimmt aus einem Falle
nicht puerperaler Osteomalaeie auf Orund «einer mikroskopischen und clicini^chcn
I'ntersuehungen , dass efl sich bei dieser Erkrankunj^ nicht um einen entzünd-
lichen Trocess, sondern nur um eiue Eatkalkung der alten Kuoch-^u haudle. Auf
die TOB y. Jaxsch naehgewiesene Terminderte Alkaleaeens des Blntee legt
FsBLiNG-") keinen Werth, da sie wohl xaweilen nachweisbar war. ia anderen
Fällen dagegen nicht, während ihr Wixckkl^'«), genützt auf die Beobachtung
zweier Fälle, duch eine Bedeutung eingeräumt wissen will. Auch auf das Verhalten
des Harnes legt Fbhlikg**') knn Gewicht nnd hält es fOr nnznverlisslioh.
KKiiKKR2»o) stellt die Vermuthung auf, ob nicht etwa dieser Krankbeitsproce.49
Wirkung osteolytischer Bakterien sei, eiue Anschauung, der sich auch Solowij ^si)
zuneigt. Baumann '-j fasst den Process als direct infectiöson auf und Tßuzzi ä^')
will aus dem Blute Osteomalakiscber einen speciiischea stapbyloooccenartigen Pils
gesflchtet haben. Fehling ***) hilt die Osteomalade ftkr eine krankhafte Reisnng
der Vasodilatatoren , die dnroh krankhafte Thätigkeit der Ovarien reflectoriseh
auf den Sympathiciisbahnen zur Auslösung gelangt. Unter dem Einflüsse der
venösen Stauungahyperiimie des Knochens kommt os zuerst zur Auflösung der
Ealksalae nnd dann snr Einsehmelcnng der KnodiensnbstanB. Die üternsadnexen
sind dabei hyperftmiscb, das Parenchym der Ovarien bt zwar unverändert, doeh
ist eine erhöhte Th:ltigkcit derselben anzunehmen , womit auch die (ihergrosse
Fruchtbarkeit der Kranken übereinstimmt. Er fasst den Process demnach als eine
Trophoneimfle anf und findet den Beweis fQr die Richtigkeit seiner Ansieht in dem
Umstände, dass die Castration den Pfoeess snr Heiinng iiihrt. Nicht die Steriiisimng
der Kranken wirke heilend, sondern die Entfernung der Ovarien, da durch letztere
die mit der (Ovulation im Zusammenhang stehenden vasomotorischen Vorg.ingo
— die Trophoneuro.se — beseitigt werde, EijsENHAkt - Wenn auch iluFMEiKü
in einem Ton ihm operirten Falle die von Fehling snpponirte Alteration der
Ovarialgefässe — einen besonderen Reiehthnm der Gefässe und Erweiterung der-
selben — nicht antraf, wenn auch aus neuester Zeit Fälle von Schauta-" ! und
QutmOT ■^ä'*; — auch ich beobachtete einen solchen — mitgetheilt werden , in
denen nach Vornahme des Kaiserschnittes ohne Entfernung der Ovarien Besserung
und vollständige Genesung des Leidens folgte und die FSHLiNG'sehe Hypothese
manche Ei^renthümlichkeite» dieses Processes , namentlicli dessen merkwtlrdige
geographische Verbreitung , nicht aufklärt , so ist sie duch als ein wesentlicher
Fortschritt zu begrUsseu, da sie uns durch die operative Entfernung der Ovarien
an die Hand geht, die Krankheit sn beheben, mag die Kranke gravid oder nieht
gravid sein. Dass sich die von Fkiii.ixc anempfohlene Therapie bewährt, dafflr
sprechen zahlreiche Fälle, die in den letzten . fahren publicirt wurden -
ScHAiiTA-^") meint, dass sich nicht alle Fälle vou Osteomalaeie fiir die
Castration eignen, denn snweilen wirke das Aufhören der Gravidttftt an «ich schon
als heilender Factor. Ist die 1 Il^r lIlkung erst in der letzten Schwangerschaft
aufgetreten, so mdssc man nach (icr (Jehurt noch eine Zeit warten, oh die
Erkrankung weiter vorschreite oder sich bessere. Geeignet für die Castration sind
102
BBOKBN.
Falle von progredienter Erkmlrang, dfe längere Zeit naeh d«r leteton Qebirt
noeb fortbestehen und deren Heilung oder Bessertin?: auf anderen Weg:en nicht
gelinpt. Stfknukkg theilt mit, einen Fall v(tn Osteoraalacie mittelst Plmsphor
geheilt zu haben. Von einer Lösung von Ü Uö Phosphor in 50 Grm. Ol. jecoris
reiebt er tiglieb 1 KaffeelOffisI. Der Hämoglobingebelt stieg nneh 4 Monaten auf 90*/f
und erreiehte nach ll Monaten 100%« Die Heilunj^r erforderte eine Behandlung: in der
Dauer von 40 W(K'lien. Marocco-'-) wirft die Fraf'e auf. ob es nicht des Versuches
-wertb wäre, bei der Osteomalacie die elektrische Behandlung, und zwar den oon-
Btanten Strom anzuwenden, da derselbe nadi Tkdkschi bei Baebitis gut wfarkmi toH.
LöHLnN*"} macbt anf die Flezibilitnt des osteomalaclecbeQ Beoken
wieder aufmerkfam und theilt zwei einschlJljripre (leburtsfillle mit.
TnoRN-'*) hebt hervor, das-j, als er wejreu Osteoraalacie bei einer Nieht-
graviden die Castration vornahm , die Gewebe eine Maeicb zeigten , wie mau sie
nur in puerperalen Zuatasde antriot. Dabei waren die Adnexen des Utems Uberans
stark vascularisirt und deren Geftsse nnrerbSltnissmiMig weit. Aneb der Uterna
war sehr blutreich.
ScHURlG>'^j erwähnt eine bisher noeh nicht beobachtete Beckeomissbil-
dnng. Er maebte bei etnem Beekep, welches den Charakter der Osteomalacie darbot,
wehren abj<oluter Gebärunmöglichkeit den Kaiserschnitt. Die Operirte starb. Eine
mikroskdjiisi'ht' rntor>U('hiinfr «t;,--;!!». da<K keine O-teonialaeie vorlag, sondern eine
parcnehymatöse EutzUiiduug der Knochen der WirbelsiUiIe und des Beckens, welche
den Knochen dieselbe Weichheit, Nachgiebigkeit und Biegsamkeit verlieb, wie dies
Bonst nnr der Osteomalaeie dgentbflmlieb ist Dabei waren aueh die Knorpel in
den EntzUndung.sprore.s8 mit einbezogen worden, so dass von ihnen nur dnxelne
Rudimente zurück ;;eblieben waren.
Das angeboren defeote Bocken. Pikulnü ^*^') beobachtete cinea
Oebnrtsfall bei seltener Beekendifformltftt. Das Krensbein war abnorm kurs. Es
lie88 nur zwei Zwischenwirl i Ix heibon erkennen. Das Steissbein fehlte. Das Becken
hatte den Ch.'irakter eines einfach quer verengten Trichterbeekcus. Ausserdem
bestand ein A/tu.s cestibularis und ein Defect des rechten Serratus anticus
major ^ sowie des rechten Rippenbogens. Die Geburt verlief normal.
DasStaehelbeeken. FbomhBL**') maebte hm «ner Zwdtgebärenden,
deren erste Cebtirt mittelst der Craniotomie beendet werden musste und die ein
plattes rachitiselies Hecken mit einer Con jinjntn /v r^^z-Liinfre von 7 Cm. trug,
den Kaiserschnitt mit glücklichem Erfolge für Mutter und Frucht. Die Conjugata
wra wurde ausserdem dnreh dne staebelförmige Exostose, die von der Hinter-
wand der Symphyse ausging, noch weiter verengt. Ein Stachclbecken, das zufällig
bei der Seetion einer 57 Jahre alten Frau L'^efniiden wurde, erw.ihnt F. L. Nru-
QEBAUEK^*'^). Bei der an Lungenphthise gestorbenen Frau stand der atrophische
eebmale und dflnne ütems avfllsltond boeb and war ganz ungewOhnHeb stark
antetlcctirt. Die Cervix war durch ein strangartigcs Gebilde, welches von einer
Duplieatur des Pcritnnennis iilxrzft'rcn war und den Doiijrlas in zwei Hälften
theilte, mit dem Promoutoriuiu verbunden. Dieses halbbleistiftdieke Band t^infr von
der Spitze einer stecknadelförmigen , etwa 1 Cm. langen E.vostose aus, die dem
Promontorium aufsass. Aneserdem fand sieb ein medianes Golobom der hinteren
Muttermundslippe und etwa 2 Cm. oberhalb des freien Saumes der hinteren Mutter-
mundslippe eine tiefe Delle, von deren Grunde jener Narbenstraug al),iring. Der
Fall ist daher analog dem Fisciikl's ^''^j Durch Verletzung des l'eriostcs des
Promontoriums und der gegenaberliegenden Hinterwand des üterns kam es aar
Verwachsung der beideji einander gegenilberliegendcn wunden Stellen und weiterhin
zu einer Kxostosenbildung des Promontoriums. Wahrscheinlich wurde diese Verletzung
wie im Fl5>CiiEli'.sehen Falle durch eine vorausgegaugene Zangengeburt hervorgerufen.
Beckentumoren. Innerhalb der letzten sieben Jahre wurden zahlreiche
Fälle pnblicirt, in denen die Geburt dureb den Beekencanal durch Beckentumoren
ganz unmOglieb gemacht oder doeh sehr bedeutend ersebwert wurde.
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B£CK£N.
TOPORSKI ^"0) erwähnt einen Fall, in dem ein metastatiscbes, der linken
Kreuzboinhälftc aufsitzendes Knofhencarcinoni die Perforation erheischte. Theil-
HABEK -^') sah eine spontane Uterusruptur eintreten , weil ein vom Kreuzbeine
aoBgebendea Saroom das BeckenlumeD verl^^. Malcolm McLbah-''^) legte die
Zange nn, weil ein von der Innenseite des 0» tZeum aiugehendeB Oiteosaroom die
Geburt erschwerte. Bald darauf starb die Frau. Der Tumor war inzwischen zwei-
niÄnnskopforross {geworden. G. Brai n -^'^) machte wegen eines gleichen Neuprebildes,
das vom linken absteigenden Schambeinaste ausging, den Porro. Mutter und Kind
bUeliett am Lebeo. FiscHtB***) legte die Zange an, weil ein von der lintoi
Bynchondrasis »acro-iliaea entsprinjj^endes , apfelgrosses Fibroid die Qebort
erschwerte. Er rettete Mutter und Frucht. Bab^ss^ machte den Kaiserschnitt wegen
eines Eneboudromes, das von der rechten Kreuzdarmbeiafuge aasging. Die Mutter
genas, die Frucht kam lebend. Wegen grosser EnodientnmoriB machten den
Kalaerselmitt, beriehnngeweiie aneli den Porro: LawsON Tait**«), Cbiaba'*'),
KraSSOWSKY VAX DER MEIJ -(i», HOWAKD KELLY-««), OLSHAUSEN Und
SviKCfCKV. ■-"-) Zwei Fülle von Beckentunioren rrw.Hhnt auch Vailt.e. Eine
vom Kreuzbeine ausgehende Exostose, die den Tod der Mutter und Frucht uach
Bieh 80g, erwflhnt Kamps. ESoen Fall der so leieht an Ubersehenden Verdieknng
der hinteren Sympbysenwand theilt Ahlfeld ^^^) mit. Die Auftreibung war balb-
walnusR^^rnsj». Die erste Tit^burt verlief spontan und kam die Frucht todt. Die zweite
Geburt erforderte den Forceps, die Frucht kam wieder todt. Dritte Geburt spontan
beendet, Frueht wieder todt. Vierte Gebnrt Querlage, Wendung, todte Fmeht
FOnfte Geburt, künstliche Frflbgebnrt, Querlage, Wendung, abermals todte Frucht.
Die Mutter starl) im letzten Puerperium. Einen Fall eines von einem Sitzbeine
ausgelienden Uateos&rcoms , der aber keine Gebärende betraf, erwfihnt Malcolm
Mc Lean
Beekenverengernngen in Folge Toransgegangener Frao-
turen. Im Verlaufe der leisten Jahre wurden nur vier einschlägige Fälle bekannt,
von denen aber blos drei ein geburtshilfliches Interesse besitzen. Edward
W. J£NKS '-'^') theilt einen Fall mit, in dem eine Frau 2 Jahre nach der ersten
Geburt eine Beekenfractur in der Gegend der rechten Kreusdarmbeinfuge erlitt und
glacklich (Jberstand. Als sie spfttw wieder gravid wurde, ging die Geburt in
Folge einer Knochenauftreibung an der Bruchstelle ( wahrscheiulich fand eine
Verschiebung der Brucbenden statt) spontan nicht zu Ende. Nachdem angeblich
versucht wurde, die Gebart mittels der Zange und des Kephalothryptors zn beenden,
wnrde eisarirt Die Frau starb im Poerperium. Seetion wmd» keine gemaeht. Der
zweite Fall i.st jener Saint Mni'r.iN\s Bin löjflhriges Mildehen wurde durch
ein herabstürzendes Fels-st Ork in der iintfrcn Rflckenfretrend treffHUen, worauf es
zwei Jahre schwer krank war und eine duucrude KückgratäverkrUnimung davon-
trug. 5 Jahre danaeh wurde die Person gravid nod mittels des Kaiseieehnittes
entbunden. Die Cunjugata vera mass 3*6, ^ JHU. sacrocot^. links 3 und rechts
4 Cm. AutTallend war eine starke Einbiegung am Rtleken gegen da.s Kreuzbein
lun und eine abnorme Krümmung des letzteren. Dabei bestand ein hochgradiger,
Ids zn den Enieen herabreiefaender Hängebaueh. Im Yerlanfe der zweiten Gebort,
die 2 Jahre spiter stattfand, trat spontane Cterusruptur ein. Es wurde darauf der
Kaiserschnitt vorgenommen, dem die Person erlag. Die Seetion er<;ab eine Fraetur
des Kreuzbeines, die mit einer Lux.ation des linken Ileo-sacralgeleukes complicirt
war. Consecutiv hatte sich die ganze Wirbelsäule nach der Beckenhöhle zu gesenkt.
Den geraden Dorehmesser des Beekeneinganges bildete niebt die Verbiudangslinie
des oberen Symphysenrandes mit dem Promontorium, sondern mit dem unteren
Rande des Lendenwirbels. Mar.'^ stiess zufälli;.' bei der Seetion einer
50jährigen 1^'rau, die nie geboren, auf ein in B'olge von Fraetur schräg verengtes
Becken. Das rechte Darmbein war in vertiealer Riehtong, dicht neben der Erenz-
darmbeinfuge, gebrochen. Das rechte Sehambein and der aufs tri^ nde Ast des Sitz-
bdnes derselben Seite waren, das erstere sriner ganzen Länge naeh, in zwei
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104
BBCKEN.
breite Lamellen gespalten, die in der Gegend des rechten Tuberculum t'leo-
pubicum dorob einen Callas fest mit einander verbanden waren und nach links
nt 8 da, wdt klafliton. Dm linke Sduunbem war in der Ifitle seines boriiontaleB
Astes quergebrochen. Die Frau war vor 13 Jahren von den Trilmmem eines
einstürzenden Gebäudes versL-hUttet worden. Aeusserüch fand sich das rechte Darm-
bein nicht normal gestellt. Die Vagina erschien in Foge Enge des Sobambogens
stark verengt. Bb böekeriger Widerstand an der reehten und vorderen Seite
der Vagina erschwerte die innerliche Untersuchung. Die Verbildnngnn de8 Beckens
leitet Mars theils auf das Trauma, theüf auf den Muskelzno: zurück. Eine sehr
interessante und wichtige Mittbeilung betreffend einen Fall von beckeufractur
inaekt NbD6BBAüee Eine 20jährige Fran, die 8mat und das letste Mal vor
7 Monaten geboren, stttrzte bei Schenwerden der Pferde ans dem Wagen so ungltiek-
lieb, daas ihr beide R.lder der einen Wag^enflcite Uber den Unterleib ginpen, wobei,
wie es heisst, das Mittelstück der vorderen Beckenwand herausgebrochen wurde.
Die ersten 4 ^\ ocheu nach der Verletzuug lag die Kranke bewegungslos uud
konnte weder den Rnmpf, noeh die Beine bewegen. 6 Woehen naeh der Ver^
letmng fing die Kranke allmälig wieder zu gehen an. Als Nbookbaueb die Fran
sah, waren 14 Wochen seit der Verletzung verflossen und war die Frau im
3. Monate gravid. Der Gang war schmalspurig, wie bei tiefsitzeoder Kyphose,
aber nieht anffallend wiegend. Eine Rnmpfverkflrznvg bestand nicht , wohl aber
eine llbertriebene Geradhaltung des Oberkörpers bei deutlich verminderter Bedien-
neigung und einer Art arkuflrer Totalky|)b(ise der Wirbelsäule, ülinlicli dem Senk-
rücken. Das Becken war milssig trichterfcirmig verengt, das rronioutorium uner-
reichbar. Bei der Untersuchung per vaginam fand sich linkerseits eine Dlastase
der Vorderwand des Beekeas, e&m Fraetnr des linken borisontalen Sehambeinastes
nnd eine solche des Tlamus dfsvfndens dicht vor dem aufsteigenden Sitzbein-
aste, Diese Diastasc der Knochenfragmente mass oben 0'5, unten etwa 1 Cm. Ausser-
dem fand sich eine, aber durch einen üppigen Gallus vereinte Fractur recbterseits.
Die Brnoblinie streifte beiderseits die innere Peripherie des Foramen ohuratum*
Bei bimanueller Palpation fühlte man leicht recbterseits die Knochennarben, sowie
den Gallus uud links die Diastase mit den freien KinM'lienstümpfen. Letztere w.iren
mit einander durch einen Bindegewebsstrang verbunden , der sich bei gewissen
Stellungen der Beine anspannte. Bei Gehen der Fran bewegten sich diese Knochen-
stOmpfe altemirend uach auf- und abwärts. Diese Bewegnngen sab und fohlte
man. Da bis jetzt kein Fall bekannt ist, in dem ein is<dirte« Herau.sbrechen eines
Stückes .IIIS der vorderen Beckenwand ohne irleiclizeitige Fractur (respective
Kreu/.beiuiructurj oder Gelenksprengung in der hinteren Beckenringhälfte stattfand,
so nimmt Nbcqcbaubb an, dass dne gleiebseitige LSsion einee oder beider Ileo-
saeratgelenke mit bleibender Hypokinese da waren. Die Kranke entschwand
NKtHihiKAiiKK weiterhin aus dem Gesiebte. Dieser Fftlle ist bisher der einstge in
seiner Art bekannte.
Naeh Schauta betrügt die Frequenz der Beekenfiraetnren 0-8% nll«r
B^acturen überhaupt. Es bricht nacli ihm am hüu^l^^sten das Schambein, dann folgt
in der Freipienz das Darmbein, Sitzbein und endlich das Kretizl)ein. Meist findeu
sich mehrere Fracturon in Combination. Da Fraeturen des Beckens an sich schon
sehr selten sind , Überdies wegen der schweren Verletzuug eine sehr ungünstige
Prognose eigeben , einlebt es sieh von selbst , dass Gebnrtsersohwerungen dnreh
auf diese Weise verengte Becken zu den grössten Rarltitten zflhlen.
Zerreissungen des Beckens, respective Zerreissiingen
der Symphyse. DÜHBSJSEN -•-} wendet sich gegen die allgemein verbreitete
Ansieht, dass die Prognose der Sympbysenvereitemng eine nngttnstige sei. Man
darf na* h ihm die Fülle, die mit allgemeiner Sepsis oder Pyilmie verbunden sind,
liier nicht heranziehen, da bei die.st n die I'roL'nose nicht von der Syniphysenver-
eiterung abhängt, sondern \<in den» AUgtuieinieiden. Gelingt es, das Puerperalfieber
erfolgreich zu bekämpfen, su erfolgt bei ^ymphysenvereiterung Heilung, falls dem
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BBCKBN.
105
Eiter, sei es durch Incision. sei es durch spontanen Aufbruch, freier Ablluss ver-
scbaö't wird. Erfolgt aber nach Beseitigung der verachiedeneu puerperalen AÜ'ec-
tionen keine Entieernnif des in den Beokencjpeienken Torhendenen Eilen ^ so tritt
auch dann noch der T kI ein in FoVse seenndArer Pyämie etc. In allen tJbrigen
Fällen von isolirter SyinpbyRenvereiterung, ma^ dieselbe auch auf Pyämie beruhen,
ist die Prognose durchaus günstig , falls man frühzeitig iooidirt. l'eberlässt man
dagegen die Ericrankang der Natnr, so erfolgt nur selten Heilung durch Anf-
brechen des Absoessea, sondern im Allgemeinen, in 70* 9 der FftUe der Tod.
Die I'rsachen der Symphy8envereiteruii{r sind nach ihm Pyämie (metastatiscbe
GelenkseutzUndun^), Infection (nicht septischer Naturj, ausf^ehend von einer Scheiden-
vande (die Infectioo unter Umständen erst im Wochenbette eintretend) und Tuber-
knlose. Bei erfolgter Sjrmphysenmptur sprieht m in den ersten 7 Ta^en bestehendes
Fieber an und für sich noch nicht für den Eintritt einer Vereiterung. Dasselbe
kann auf der Resorption des unzersetzten Blutextra vasates beruhen. Länfreres Fieber
jedoch mit dauernder Scbmerzbaftigkeit und Zunahme der Schwellung au der
Symphyse zeigt eine Vereiterung des Blutextravasatee an. Die Vereiterung der niebt
rnptnrirtcn Symphyse kaun leicht Obersehen werden. Bei Fieber im Woehenbette
ohne auffindbare Ursache sind daher auch die Beckensympbysen ?enau zu unter-
suchen. Die Incision mache man möglichst frühzeitig, um Scnkuu^sabscessen vor-
snbeugen. Sowohl bezüglich der Heilnngsresultate, als der Schnelligkeit der Heilung
sind die FflUe von Symphysenvereiternng mit Inoision besser daran, als dicyenigen von
Symphysenruptur ohne Vereiterung:, die manchmal nur in eine unvollkommene
bindegewebige Vereinigung auslaufen. Für diese Fülle schlägt DÜHUSSEX die An-
frischung der Schambeinenden und ihre Vereiniguug durch Knocheuuaht vor. Den
AntaRS cn diesen Anseinandersetsnngen gab ein Fall, in dem DOhhssbn bei einer
Pluripara die Zunge anlege und mühsam nur die enorm verbreiterten Sehnltem
entwickelte, wobei er, trotz Fixation des Beckens, die Symphyse zerrisa. Zu erwähnen
wäre no'-h. dasH Dlhrssen für manche Fälle eine Prädisposition zum Eintritte
der Sympliysunruptor annimmt, die dnroh eine vorhandene pathologische Brsohlaffiing
des Gelenkes bedingt ist Weiterhin meint er, dass es sicher viele Fälle spontaner
Symphysenru[)tur gebe. Olshai sen' -''^) und Vkit ^'•) bezweifeln diese angebliche
PrädispoHitiou , während (ir.>»sERow -'f ) eine durch die Schwangerschaft hervor-
gerufene bedeutende Auflockerung der Beckengeleuke annimmt, die so hochgradig
sdn kann, dass dnreh das eonseentive BewegUehwerden der Beekenknoehen, bei
nnr roässiger Schmerzbaftigkeit der Gelenke, das GebvemOgen vollständig verloren
gehen kann. S(»lcbe t'ällo darf man nicht mit einer Oelenkssprengung verwechseln.
Olshaisen ''"^ bebt ganz treflend hervor , dass die incision nicht immer uube-
denklieh sein durfte, da man ja niebt inisen könne, ob sieh schon Eiter im
Gelenke gebildi t liabc, oder ob es sich nicht um einen Bluterguss bandle. Dass
bei ungewr'bnlicher Schulter breite und schwerer Entwicklung die Synipliyse
gesprengt werden könne, bestätigt Martin •) aus eigener Erfahrung. Einen solchen
Fall tbeilt auch Achenbach mit. Reut ^'"») theilt einen Fall mit, der vielleicht
als ein solcher an deuten ist, in dem eine Pridisposition snm Eintritt einer
Ruptur bestand. Ex juvantihus, das heisst aus dem prompten Erfolge eines Becken-
gürteli. der mehrere .Monate bis zur definitiven Heilung ;:etragen wurde, diagno-
sticirte er in einem Falle eine AuÜockerung der linken Kreuzdarmbciufuge. Die
Symptome waren : von der Hafte ausstrahlende Sehmencen, Unfähigkeit zu gehen,
sich zu drehen und sich von) Sit/.en zu erheben. Er glaubt, dass diese seltenen
Fälle von andauernder Autinckcning der Artieulati^in vielleicht später zu Rn{)turen
der Cielenke Veranlassung geben können. Um welches Geschlecht es sich in diesem
Falle handelte, ist mir unbekannt, da mir nur ein knrses unvollkommenes Referat
zu Gebote steht. Einen nicht gana klaren Fall von Symphysenruptur theilt Bbtz
mit. Im 7. (!r;iv'r1if;it-jnioiia(e -jtfir/te . obne sieh einen weiteren Sehaden anzu-
thun , eine Krau .'> I reppenstulen Ik r;ih Die (Jeburt trat rechtzeitig eiu, nur
waren die Wehen schwach, in Folgo dessen sich der (Jeburtsverlauf verzögerte.
106
BECKEN.
Die Kreissende befand sit-b in der Scitenlage und der Kopf war beroits geboren,
als eine ilausgenossin fest auf den Damm, respective den Bebauenden Kupf drückte
und die HeitMimme Oftera abflutend am Kopf rim. Naeh dnem krlftigen Roeke
war der Kopf da, doch hörte hierbei die Gob-ireude tin Knichen und ftthlte starke
Schmerzen in der Symphyse. Dasselbe wiederholte sieh bei der Extraction der
Scbulteru. Ah die Frau am 14. Tage das Bett verliess, konnte sie nur sehr
•eh wer unter Mithilfe zweier StOeke gehen. £& bestaDden Schmerzen im Kreuze
und in der Sympbyie und ftioetionirte des rediie Bein nnr mangelhaft. Trots
spilter angelegtem Beckengflrtel und trotzdem flieh keine Continuitütstrennung des
Beekens nachweisen liess , trat doch keine vollständige TTeilun^r mehr ein. Betz
meint, dass durch den vorausgegangenen Sturz eine Lockerung der Beckeu-
gelenke herbeigelBhrt wurde, die dn prAdispooirendes Hvnient dnsn adiaf, dats
dnroh den sonst belan^osen meohanisolten Eingriff intra partam das Beeken
gesprengt wurde.
Selten nur wird die Symphyse bei einer Wendung und Extraction
gesprengt. Einen derartigen Fall theilt Lbnnamoir mit. Wegen beetehender
riacenta praevia wurde btt stehender Blase gewendet and darauf sofort extrahirt.
Beide Operationen gingen leicht vor sich, auch vernahm man kein Krachen. Sofort
danach begann die Kranke zu fiebern. Im Verlaufe der Erkrankung kam es zu
Abscesseu und zur Vereiterung der Symphyse. Der Eiterherd der Symphyse wurde
erOflbet und entleerten sich hierbei Knorpel- nnd Knoehentheile. Die Kranke genas.
Kicht unbedingt unmöglich ist es, dass hier keine Ruptur der Symphyse erfolgte
und die Vereiterung derselben nur eine Theilerseheinung der puerperalen Erkrankung
war, doch legt die sofort eintretende hohe Temperatursteigerung , sowie der Ab-
gang von Knorpel- nnd Knoebentlienen die Vemmthnng nahe, dass die Symphyse
gesprengt wunle. Eine Zerreissung der Symphyse, hervorgmifen durch eiue
Wenduu;,' und Extraction — jedneb niebt von mir vorgenommen — beobaebtete
ich vor Kurzem. Die Kranke starb.
Eine Symphysenzerreissung , ohne Sebald des Arztns, hervorgerufen
dnroh gans eigenthamliebe ZwisehenfiUIe, erwihnt Habscbnsb Die Zangen-
operation war eine leichte, als die in der Nareose befindliche Kreissende aufsprang
und sieb zur Seite warf. Das Bild danach war furchtbar, die Harnröhre am ersten
Tage uuauiliudbar. Es wurden '6 Nähte durch den Knochen mit sehr starkem
Silberdraht gelegt, doeh riss bei LOsong der Sebenkel der «ne gUtt dorch und
die zwei anderen rollten sich auf. Eiue zweite Naht, theils mit Stide, fhrils mit
4£Reb geflochtenem Silberdrahte, hielt JaTin. Es trat (ienesung ein.
Faux -^^) zerriss ein verengtes Becken mittels der Ta UN iek' sehen Zange.
Die Ifntter genas. Ebenso sprengte Hange dn enges Beeken mit der Zange.
Die Matter starb knnc darauf. Auch Reut ^*^) sprengte das Beeken mit der
ZaiiL'e Schuld dar.nn trug der Tnistand, dass die Frucht 9 Pfund wotr. Trotz .•inf-lng-
lich liubem Fieber kam es zu keiner Vereiterung. Nach 8 Muuateu ging die
Frau noch auf KrUckeu, doch genas sie schliesslich. Zwei Jahre später gebar sie
wieder und diesmal leiebt, sowie glOeklieh, doeh gab sie an, bei Dnrohtritt des
Kopfes einen heftigen Schmerz in der Symphyse gefttblt zu haben.
GdLINski ) publieirt einen Fall, den er als puerperale Entzündung
der ScbamAige, sowie beider Ilüftkreuzbeingeleuke bezeichnet und den er olfeubar
nicht als erzeugte Beckenmptnr anfgefasst wissen will, trotadem es sieh nm nichts
Anderes als um eine solche bandelte. Er legte bei einer leieht fiebernden Primi-
para mit normaletii Bicken wegen schwacber Wchcti bei tiefem Kopfstande den
Forceps an uud entwickelte angeblich leielit eine todte Frucht. Tags darauf
Schmerzen in der Sympbyse und beiden Kreuzdarmbein fugen. Weiterhin kam es
sur Vereiterang der Sympbyse. Die Eäterhöhle wurde eröffhet und ansgesdiabt.
Die Kranke genas.
II.WA.TIA i< t: I zcrriss zwei Becken mit der Zange. Iter eine Fall ging
letal aus. Im zweiten Fall trat Heilung ein. Er eröü'uete den Eiterherd an der
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BECKBir.
107
SympbTM, spOlto ihn aus und tamponirte ihn mit Jodoformgue. Er steht aaf
dem für ihn beneiden swerthen Standpunkte, dasg die Symphysentrennnng' nur dann
vorkftmmt , wenn dadiirfh oin Lnru.^ minoris resistentiae Geschäften ist , dass
die während der GravidiUit durch Uebernälirang aufgelockerten Gelenke, sei es
in froheren, sei es in dem betreffenden Weefaenbette dnreh ii^nd ein Hinderniss
sich nicht zur Norm zurUckgebildet hnbeu. Begtut^ wird das Zustandekommen
der Trennnn«; durch platt-, rrsprctive allgeniein verengte nicht rachitische Becken
Qod Zaugenoperatiunen. Bei i^'rauea Uber 20 Jahren kommt die üumplicatioa
Öfters vwr, nls bei jüngeren. Alte Primipnren neigen besonden dnsn. Die Prognose
hingt bei sonst gesunden Individuen von der rechtzeitig gestellten Diagnose und
der geciirneten Therapie ab. Vor Allem sind alle Verletzungen der Weichtheile durch
Naht zu schliessL'ii, um eine Infection zu verhindern. Weiters ist zu desinfieircn und
der Jodot'urmgazetampon einzulegen. Tritt pyämiscbes Fieber ein, so ist der Abäccäd
weit SU erOfltaen nnd naeh den allgemeinen ehirargisehen Kegeln sa liehandeln.
OestOtzt anf meine Er&brung, bestärken mich diese mitgethdtten FUle
nur noch mehr in meiner Ansehauuntr . da.«« die Beckenruptur immer nur die
Folge eines vorgenouimenen uperativeu Eingrilles ist, ausgenommen vielleicht
dncelne Falle, von denen mir aber bisher keiner bekannt ist. Ebenso sehe ieh
wie froher, die Zerreissun;; des Beckens al^ eine sehr schwere und gefährliche
Verletzung- an, wenn an< b in neuester Zeit die Ansieht lanoirt wird, dass dem
durchaus nicht so der Fall sei.
Literatur:*) Waloher, C. f. G. 1889, pa^. 892. ~ *) Feodoroff, Jonrn.
f. Geb. II. Franerikhtu. IbüO, Nr. 10, pap, 710 ("rnssisch); Jahre.sher. l^<^l, IV. (Bios tler Titel
angeführt, oLne Bt<ii;abt' einc^ Refuratcs.) — •) Klein, Z. 1. G. u. C. 1891, XXI. pag. 74. —
*)Zale8ki, Diss. inanR. W uizhurp 1890; Jahrcsbcr. ISOi, V, pa-. 7H. — Merk, Diss.
inang. Wanbarg 1891; .lahresber. 1892, V, pag. 79. — •) Bayer tbal, Dias, inaxig. 1891:
Jabresber. 1892. V. pag. 15:i. — ') Ha««e and Zakrzewski, Z. t 0, o. 0. 1S90. XIX,
pap. 1(1,*,, — •■) Fallet, Arcb. de Totol. 18S9, XYI, pag. 5!t3 ; Jahre.sber. 18i>0. III. pup SG
Bai and in, iJer. X. Congr. pag. 157. — '*) Schröter, Liss. inaug. JJorpat 1884;
C. f. G. 1885, pag. 538; A. f. 0. 1885, XXV, pag. 367. — ") 6. Rnnge, Dis«. inanir. Peters-
bnrg (rnssisch); C. f. G. l?Rt. pnp. 847; Z. f. G. n. G. 1=^9. XVI, pag. li^I. — ") IT o n n i e,
C. f. G. 1888, pag. 862. — j Fr ü c h o w u i c k , .lalirliucher d. wissonschalU. An.stalti ii zu
Hamburg, lh8»i. IV. Vergl. anch Archiv f. Anthropologie. XVII, pag. 61. C. f. G. 18b9.
pag. 8i^2. — 'V Arbathnot Lane, Brit. Gyn. Journ. 1888. lU. pag. 476 nnd Transact of
the Obstatr. Soc. of London. 1888, XXIZ, pag. 351. — '*) Skntieh, Bar. Uber die Natnrf.-
Vcrsamml. 188t;. C f. G. 1886, pag. 481. „I>ie lieckennie.';snrg an der Itbmden Frau." Jena
188Ö. Deut.sche med. Wochenschr. 18t^U, Nr. 13. Ber. X. Congr. C. f. G. 1890, pag. 56. Deutsche
IMd. Wochenschr. 1891. Nr. — »•) Schauta, Müller, 1889. II, pag. 260. — ") Lau-
derer. Z. f. G u. G 1892, XXUJ, pag. 159. — i") Kusine r, C. f. ü 1890, pa?. 376. —
") Küster, Petersl urger med. Wochenfcbr. 1S90, Nr. Ül. Jahresber. 1891, IV. pag. 351.
(Bios der Titel angeführt, ohne BeiKube eines Referates.) — ") Kehrer, „Beitr zur kliii.
n. experiment. Gebortkde. u. Gyn.** Giessen 1887, II, Heft. 3. — '-") Inverardi, iStud.
Aber Erkenntnim der Conjnffata eetxt. (Italienisoh.) Turin 1885. C. f. 0. 1887, pag. 239. —
") Broom, Glasgow niod. Journ. April 1891. C f. G. 1892, pag. 2>^7. ") Crede, „Klin.
VorIe.s. über Geb.- Berlin 1854. pag 623. — ") Kelly, A. J. o. U. 18S7. pag. 41ü. —
»') Band!. Wiener med. Blätter. 1883, Nr. 43. Schmidt'« Jahrbücher. 1889, I, pag. 51. —
**) Howell Pershing, Amor. Jonm. of the med. «c Febr. 1889. pag. llU. C. f 6. 1889,
pag. 6^1. Vergl. ancb Zaajer, Med. Tijd. t. Geneesk. Did. I, Heft 3. C. f. 6. 1891.
pag. W. - ■) K ii ,'it ner. Z. f G. u. G, 1885. XI, pag. 326, — ••) Veit, „Die Anatomie d.\s
Beckens im Hinblick auf den Mcchanismu» der Geburt." Stuttgart 1837 und Müller, 1889,
I, pag. 90. — ••) Kreich, Dias, inang. Berlin 1887. C. f. G. 1887, pag. 645. — Doran,
Transact. of the Obstcfr. See. of London. 18>^7. XXVIII, pap. •,'7.".. ■ - Berry Hart, Transaet.
of the übstetr. Suc ot Ediubiirgh. 1889, XIV, pag. 62 und Jjliiib. med. Journ. XXXVI, Heft 32,
♦) C. f. G. _ Ceutralblatt für Gynäkulü;,'ie. A. f. G. — Archiv für Gynäkologie.
Z. f. G. u. G. — Zeitschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie. Jahre.'slter. : - Jahre.sliericUt
über die Fortschritte auf dem tiebiete der Geburtshilfe und Gynäkologie. Herausgegeben
Ton Frommet. Ber. X. Congr. = Bericht ttber die Verhandlungen der 8. Abtheüung de.s
X. internalii nalen ('ongi* >-e.s zu Berlin vdni 4. 9. August ISlKt. i;eilai;e zun» Ceutral-
blatt für Gynäkologie 1690. üyu. Congr. — Verhaudliiogen der Deutschen Gesellschaft lür
Gynäkologie. Leipsig, Drack and Yerlag von Breitkopf and Hirtel. Mttller = Handbneh
der Gr'liurt.>fhilfe . l>«-arbeitet von I'rnf Dr. II Fnhling etc. Herausgegeben von Prof. Dr.
P.il ulier etc. Drei Bind«. Stuttgaii, Kuke, 1888—89. A. J. o. ü. = American Journal
of Obstatrica «tc.
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BBCUEH.
pag. 1095. — =') Johnston Symington, TraoMCt. of the Obstetr. Soe. of Edinburgh. 1R59.
XIV, pag. 48. — ''1 Harb.iur, Transact. of the Obstetr. Soc. of Edinburgh. ]839, XIV,
pag. 77. — **) Webster, Transact. of the Obfitelr. Soc. of Edinborgh. 1890. XV, pag. 93
nnd Edinb. med. Jonni. Angnat 1891. — ") Kmrey, A. J. o. 0. 1889, pag. 1. — *^ Hadra,
A. J o 0. ISSlt, pag. 457. — ") Dickinson. A. J. o. 0. IfSfl, pag. 887 nn.l 897 ") Mc
GilliLud%-, .\. .1. 0. 0. 188y, \tag. 1241.— »*) Edward Re v n o 1 d s , Traiu^acl. ot theAmer.
Gyn. toc, ISit^. XVI, pag. 308. — *•) Pfand, Bayer, ärztl.' Intell.-BI. 1885, XXII. 23, 24.
Solimidt'a Jahrbficher. 1885. III, pag. 274. — Reynolds. Transact. of th« Anw.
Gyn. Soc. 1890, XV, pag. 3«7. — ") Wiedow, IV. gyn, Congr, m2, pag. 220 — *•) Trenb,
Ned. Tijd. v. Verloskd. en Gyn. I. Heft4. C. f. G. 1891, pag. 1^7. — **) Schaala, Müller.
1889. I, pap. 261. — «>) Olshausen. „Klin. Beitr. etc." 1884. — **) Ahlfeld,
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"iTaabert, Üiss. inang. Berlin 1891. — *») Ei.?enh art, 0. f. 0. 189;>, pag. 498. —
»«) Fallet, Arch. de Tocol. 1889, XVI, pnp .'393. Jabresber. 1890. III, pag. 8(i. — Ba-
landin, Bor. X. Cmpr. ISIH.I, pa>^ l,ö7. - ■) P. Mtiller, Her. über die Naturf.-Versamml.
IbÖö. C. f. ü. IbSÖ, pag. 059. — "j Brühl, A. f. G. 189ö. XXVI, pag. 83. Vergl. auch Le
Cndennee. Thftse de Paria. 1890. Nr. 69. Jalirenber. 1898. V, pag. 8U «. Grapow, Z. f. G.
u. G. 1889, XVII. pag. 84. — '*) K ii ra ni « r . Z. f G. ii. G. 1886, XII. pag. 418. — '») v. Skal-
kovsky. A. f G. 189U. XXXVIII, pag. 501 und 1891. XL. pag. i>45. — ") Bäcker. A. f.
G. 1891. XL. pag. 2ti6. — Cohn Klein, A. f. (J. 1889, XX .\ VI. pag. 26S. — ^''JMurray,
Edinb. med. Joorn. 1888— 89, XXXIY. pag. 417. Jahre.sber. 1839. 11, p«g. 134 nnd aosaerdea
Transact. of tlie Edinb. Obstetr. Soc. 1888, XIIT, pag. 206. — **) Arnotb, Tranract. of the
Edinb. Obstcfr. Soc. 188rj, X, paj;. 11. — ^'') Ramdohr. New-York. med Monat.sschr. 1889,
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1887, pag. 468. ") lageraleT. C. f. 0. 1889. pag. 266. — Sloan, Brit. Gyn. Jovnt
II, pag. 93. — O r apow , Z. f. G. n. G., 1889. XVII, p«g. 84. — ") Hegner, Diss. inaog.
Zürich 1881. C. f. (i. 18?Ü, pag. 70S. — ••) Nagel, A f. G. 1889. XXXIV, pag. 1. —
•■) Bousquet, Arch. de Tocol. 1689, Nr. 1. C.f. G. 18->9. pag.4l3. — *') Leopold-Lohmann,
Leopold. „Der Kaisencbnitt etr." iStattgart 1888. — Schünberg, Klinisk. Aarbog
1889. pikg. 91, C. f G. 1891. pag. 31 nnd Jalireaber 1890, III. pag. 279. — »•) Fehling,
Ber. X. Congr C. f. G. 1890, pag. 133. — ") Löhlein. Ber. X. Congr. C. f. G. 18W,
pag 133. — •-■) Dohrn, Ber. X. Congr. C. f. G. ISyj, pag. 133 und Wiener Med. Blätter.
1^90, 46. .^climidt'H Jahrbücher. 1891, L pag. ij,y3 — Lawson Tait, Brit.
Gyn. Journ. 1890. VI, pag, 251. — ''jAhlfeld, ('. f G. I89j. pag. 529. — '*) Ual-
dorini, Ber. X. Congr. C. f. G. 1890, pag 133. - Löhlein. .Gynäkologische Tages-
fruKcu." 1. Heft. Wjesba>lfn 1890. — L e o p o 1 J - K u r u , Leopold. „Der K;iiser-
schiiitt etc." Stuttgart löÖS. — '*) Präger-Leopold, Leopold, .Der Kaiserschnitt etc."
Stattgart 1888. — *^ Leopold, „Der Kaiserashnitt etc.* Stattgart 1888 and A. f. G. 1889,
XXXIV. pag. 771. — **) Wyder, Correspondeiizbl. f. Schweiz-r AerKto. 1897, XVII, 20.
Schmidts Jahrbücher. 1888,' L pag. 1(56. A f. G. 18^5, XXXII, pag. 1. — G o 1 1 s oh a 1 k.
Dentschemed. Zeitg. 1887, Nr. 16. Sch midt's .Tabrbücher. 18ÄI»pag- 166- — ") Griffith
Svainc, Brit. Gyn. Journ. 1888, III, pag. 280. — ^'j Eatcrs, Ui.<;8. inang. Amsterdam
1889. 0. t G. 1890. pag. 23. — ") Philipps, Brit. med. Joom. 18,89. I. Jahreiber. 1890,
III, pag. 1(37. - " ) ]5. rliii. ,,I)e Top. etc." Paris 1890. Jahresber. 18!»1, IV, pag. 323. —
•*) Rnge, j,Fe.si.schrift der Berliner geb. Ges. zum X. internat. Congr. 1890." — E. Bra aa*
Fornwald und K. v. Hersfeld, „Der Kaiserschnitt nnd seine Stellung etc." Wien 1889. —
Piskafek, Wiener klin. Wnchensehr 18>^9, pag 614. — G ra p o w , Z. f. G. u. G.
1889, XVII, pag. 84. — • ") Jusejih Taber Jo h n .son , The .lourn. of the Amer. Med.
Assoc. Brit. Gyn. Journ. 188-^. III. pug 330. - l)on.ild, Biit. Med. Journ. 1889. I, 76.
Jahresber. lU,' pag. 289. — *») Blanc, Arch. de Tocol. 1890, Jan. bis Juli. C. f. Ü. 1891,
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witz, I)i.?s. inang, Berlin 1837. J.ihre.sber IBS'^. 1. pa^'. 225. — "'l Barne.s, A. J. o. 0.
189Ü, pag. 303. — Stolz, 0. f. G. 1892, pag. 7lHi. — »-'j Hofraan n , A. J. o. 0. 1889,
pag. 746. — n Wuthen, A. J, o. 0. 1889, pag. 1234 — Determann. Z. f. G.a.G.
1883. XV. pag. 323. — Moutgomory, A. .L o. O. 1S8!>, pag. IlOJ. - Readman,
The Provinc. MeJ. Jonm. Brit. Gyn. Jonrn. 18s-s, IV. pag. 377. — «o») Caruso. A. f. G.
18^>, XXXllI, iMg. — > MeadoNV, Brit. Gyn. Journ. 1^-7. II, pag. 309. — Weyd-
lich, Berliner klin. Wochenschr. Iöä8, pag. 554. ~ "'i Murdoch Cameron, Brit. Med.
Jonrn. 15. Mllrs I8H0. Jahresber. IV, pag. 332. — Lebedeff. A. f. G. XXXI, 1887.
pag. 21^ - Busey, A. J. o. 0. ls^9. pag. 51. — Candela, Sigl. med. Madrid
Isss. XXXV. pag. SÜ6. Jahresber. Ib89, II, pig. 145. — *"■} .Sanger, Ber. X. Congr. C. f.
G. 18'HJ, pag. \■^.^ und C. f. G. 18<,tO, pag, 1(3'.). iM l. — D. v. VcUt«, Orvo.si Uctilap.
1891, Nr. 50. (Un-arisch.) C. f. ü. 1892, pag. 774. — *") Dobronranow Ber. X. Congr.
C. f G. 18»", pag. 133. — »»*) Harray. Now-York. Med. Jonm. 21. Jnni iS'.io. pag. tJTS.
C. t. <;. ls;i:>, pug. ^.-,1. _ "•) Dühr.s.«en, B-rliuer klin. Woeiiensihr. In^!». Felir. uud
^Berliner Klinik". H>',). Heft rs. — ) Winter, Naturf.-VersammL ltvs6. 0. f..G. 1886,
pag. 77o und Z. f. G. u G. l^-ti. XIII, 1886, pag. 260. — E. v. Brnan-Fern wald nnd
K. V. Uerzberg, .Der Kai-, ix Imitt nnd seine Stidlnng etc." Wien l'^'^9 — .Samuel
Sioan, Edinb. Med. Juurn. Febi. Igf^i. C. f. G. 1887, pag. 61 und Brit. Med. Journ.
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BEOKKK.
109
2. Febr. 1S,S9, pag. 2-39. Brit. Gyn. Toorn. V. pag. 133. Scbmidt's Jahrbücher. 1889,
n, pag. 15:^. — "■) Lon;:aktT, Juurn. ol' tbe Amer. Med. Assoc. 16. April 1807. pag. 44.^.
C. f. Ct. 18S8. pag. 53 un l \ J. o. 0. 1387. pag. 468 und 529. — E. v. Braun -Fera-
wald und C. v. Hers berg, loc. alt. cit. — Samuel Sloan, Bdinb. M«d. Joam.
Jui. febr. 1886, C. f. G. 1687. pag. t(l. — "*) Riese, Dins. inaug. BatHd 1887. Jahrwbar.
lS'-9, II. pap. I4l. V<«rg!. bezüglich des platten (niclit nuliitiscln rj und riiL-hitischen) und
des allgemein vere Herten Beckena noch folgeudu l'ublicatiuneu : Kouwor, Med. Tijjd.
V. Gen. 1885, Nr. 94- C f. G. 1S.S7, pag. 78. Zweifel, A. f. G. 1887, X.\XI, pag. m. Gustav
Braun, Wiener klin. Wochen.schr. IHS-^, pii)?. 2 Jahresber. 1>;>:<9, II, pag. 153. Charles,
Jonrn. d'acc. 1890, Nr. 20. C f. G. 18«J1, pag. 4lti. Münchmeyer, A. f. G. 1890, XXXVII,
pag. ,U2. Howard Kelly, A. J. o. 0. 189t). pag. 225. Ramdohr. A. J. o. 0 I-Uu, pag. l.su.
Bohrman, Diu. inang. Erlangen 1800. Jahreeber. 189;if, Y, pag. l&l. Lehmann, Dias,
inaag. Beriin 1891. Jahreaber. 1992, V, pag. 188. Pinard, Ann. da Gyn. Fkbr. 189ii.
Sfhmidf.s Jahrbücher 1S91, II, pag. 40. RoBenberg, A. J. o. 0. 1^9-4. pag.31!». —
'■-') Muret. Berlintr klin. Wochen.srhr. Nr. 17 und 18. — '"J Holowko, Tlierap. Monatsb.
1891, pag. 605. C. f. G. 1892, pag. •.i:j2. — Dühr.ssen. „Berliner Klinik". Febr. 188».
C. f 0. 1889, pag. 726. — Prochownick, C. f. G. l.>89. pag. 577. — Brehm,
Pateraburg. med. Woebenschr. 1>'.*0, XV, 9. — Swiecicky, Wienerraad. mtttr. 1890,
22. — Hofmann, Th«>r;ip. .Mor.atsb. Febr. Ib92 — '""l Donath, Nedcrl. Tijd. v. Gen.
L^9I. I, Nr. 18. Jahresbtr. 169^, V, pag. 190. — "») Walcher, C. f. G. 1889, pag.89Ü. —
«»0 Merk. Di«8. inang. Wttr«b«iy. 1891. Jabteaber. 1892, V. pag. 79. — "*) Klein, Z. f.
G. u. G. 1891. XXI, pap. 74. — Walcher, 5IeJ. Correapondenzbl. des Württemberg, arztl.
Laiid»^8vereines. l'-90, LX, Nr. 5. C. f. G. 18l>U, put' 8!5. — «igault, „Discours sur lea
avantagei de la sect. de la qrmphyHO etc.'' I'arin 177 Yergl. auch „Riscit. de ce qui s'eat
rw ä la facultä de Paria, an sujet de la aectiou de la sympfayaa des oa pab., pratiqute aar
femme Sonebot." Paria 1777. — Bandeioc que, L'aat dei acconebem. n. Bd. —
) Siebold, „Versuch einer Geschieht.- dor (Jcbiirtshilt'e." Berlin 1815, II, pag. 503. ÜJiselbbt
findet sich diese Episode ausführliih beschrieben. — 0. Morisani, i^eiue Jolate ein-
schlagige Publication findet sieb in den Annal. de Gyn. April 1892. Vtrgl. auch i>pinelli,
Anual. de Gyn. Jan. 1892. — PinarJ, „Trois cas de symphysöotomie." Soc. obste tr. de
France. 21.— 23 Apiil 1892 und Wiener m.d. Fresse. 1892. pag. 453. — '»') Porak, Acad.
de med. 19. Juli. Hemaine nieilic. 1892. Nr. 37. — ' ) Tarnier, „LIu eis do symphyseutumie."
Lab. mW. 4. Juli 1892. — Leopold, C. f. G. Ib9;i, pag. 5Öö. — i'reonti-Mttiler-
keiiB, C. f.G. 1882, pag. 588. — "*) Wehl«, C.f. G. 1892, pag. (S22. — »«) Zweifel,
C. f. G. 1892, pag. 8.57. — ■*') I). V. Velitz, C. f. G. 1892. pag. 777. Eine „Revue über
Symphyseotomie" publicirt .Schnirur in der Wiener med. Pre.s8e. 1892, l>ag. 1.Ö52. Morl-
sani'a frühere, ebenfalls die .Symi)li\ seotomie herrührende Publicationen finden sich in Anuales
de Gyn. Paris 1881. XVI. pag. 44u und Annali di Ostotr. 1881, pag. 615, 1886, p-g. 345
und 1888. pag. 448. Vergl. aach Caruso, Annali di Ostetr. 1882, Nr. 4. C. f. G. 189;^,
pag. 891. Harri.s, The New- York Journ. of Obstotr. and Gyn. 189^, pag. 9tj3. Desforges.
^Htslor. und krit. Unterauchangen ttber die Symphyseotomie." Tböae de Paria 189)^. (Frau*
aösiscb.) C. f. G. 1892. pag. 920. — »«) Pinard, loe nlt. dt — *«•) Leopold, ioc. nlt.
cit. — '«•) Morisani Ine. cit. — Leopold, C. f. G. 1892, pag. 58ü und 1322. Vergl.
ferner noch: Harris, A. J. o- 0. 1892, pag. 432. — Kehn, Prager Zeitschr. f. Ueilk.
IX, Heft. Ü. C. i. (i. ls-9, pag. '^llj. — »»") Glöckner, Z. f. G. u. G. 1890, XVlll, pag. 3ü5. —
Scbaata, Müller, 1869. I, pag. 284— 470. — Ueywood Smitii. Brit. Gyn.
Jonm. 1890. VI. pag. 117. — »»•) St. Brann, Przeglad lek. 1S88, Hr. 34. (Polnisch.) C.f.
G. lÄs!). pag 711. — '"»Reinhardt, Diss. inaug. Berlin 1888. Jahresber. 18«9, II,
pa^r. 135. — J Braun, (.f.G. 1890, pag. 309. — Hnttington, Med. Age. 18&b,
Nr \). Jahiesber. 1889. II, pag. 134. — Fleiaebmann, Prager Zeitacbr. f. Heilk. IX,
Heft 4 n. 5. C. f. (i. 18nS, pag. 743 — '"i Hermann, Transact. of the Obstetr. Soc. of
London. 1887, XXVIII. pag. 0. — Matthews l>uacan, Transact. of the Obstetr. Soc. of
London. 18,^7, XXVIII, pag. 27. — '"^1 Ahlfeld, Gvu. Cougr. 1890. Hl, pag. 283. C. f.G.
1889, pag. 541. — Uriffitb, Transact. of tbe Obstetr. äoc. of London. ibb7, XXVIII.
pag. 84. — ***) SchSnberg, Norak. Hag. f. Ligevidensk. 4. B. 1887. II, p>g. 1. Sokmidt'a
Jahrb. IS'^7, I, pag. IG4. Jahresber. 1888, I. pag. 115. — "*) Fcrruta, „Studii di
obstelricia e gyut celogia," Mailand 1890. C. f. (i. 1891, pag. Ü27. — Sabatier, Lyon. med.
8. Dec, lS8i». C. f. (i. l^lMj, pag. (i54 und Ber. X. Congr. C. f. G. 1890, pag. 128. -- Tracou,
,Der Eiofiuss der Hdftkrankheiten auf die Form des Becken».'' .Monographie. Lille lüHi).
(Pransfisiscb.) A. J. o. O. 1890, pag. 1038. - Demelin, Gaz. dea höp. 1890, Nr. III,
pag. 1025. C f. G. IMll, pag. 059. — "■•) G lüaun, C. f.G. 189ii. pag. :^48. — Kasch«
karoff, C. f. ü. löbO, pag. 275. — U. Braan, Wiener klin. Wochenschr. l8öÖ. Nr. 27,
C. f. G. 1889, pag. 216. — "*) Lfthlein. GynikoL Tagesfragen." Heft I, Wiesbaden 1890,
pag. 1. — Klaus, „Das gonalgii-ch schräg vorengta Biikin, m hst einer Zusammenstellung
der bisher veroüentliehteu Falle von sehrag verengten Bec ken." l>iHs. inaug. Heidelberg 1890.
0.f. G. 1891, pag. 660. Jahresber. 1892, V, pag. löb. — '" l Segeth, C. f. G. 1887,
pag. 434. — "*) Lachapelle, Prat. des accouch labor." Tom. I, Paria 1821. pag. 305. VergL
aneh Farr4, Oa& heb. 20. Febr. 1885. Mir onarreicbbar. — Torggler, C.tG. 1889,
paff. 612. — »*) Flaiaohmano, Präger med. Woehenaehr. 1886, pag. 367. C.f.Q. 1886,
L.i^u,^cci by Google
110
BECKEN.
p«l(. 367. — Bad in, Ann. de Gyn 1891. XXXV, png 383. Jahrttber. 1^. V, pa?.
J8-1. - '■') Roynnld.^, A. .1. o. 0. ISOO, pag. Tn't — ll.-nnig, C. t G. IS"^?. |>ag. 1-19.
-Uebcr die Folgen der in der Kindheit erworbt'iieti iit ltniuchsstörans einer HUfte für d<i8
Wacbathom de» Becken»." Beschreibung de.s Beckens eine:« Jün)i:ling8 mit eioer Lnxatio coxiticA
dfxtra nnd fcleichzeil if^cm Gilibns. Trotzdem ist das Bcckeu nicht verschoben und nnr halb-
seitig atrophi.sch. C. f. G 1891. l>:ig. 217. Vergl. auch Kol't'er, — C f. (i 18^8. pag 60. —
•'*) Ch am l)relen t , Ann. dn. <i vn. IMtii. pag. 8'j. Jahrt".!>er. I S'Jl. I V, pa?, — '""1 Uennig,
C. f ü im. pag. ÜU. — "")' H. V. Meyer, A. f. G. 1887. X.\X1. pag. 8'i. - '"j Treub,
Nederl. Tijd. YerloBk. en Gyn. Jahrg. I. Heft 2. C. f. O 1890. pag. 20. — **') Neagr«b«ner,
A. f. G. 18S9, XXXV, pag. H57. Vergl. auch „A Nfw rnntritnition to the Histm-y a-ul Ktiobgy
<if I?pondyIoli8the8is. By F. L. N eu g e ba ue r. Translated by Fancourt Ii a r ii o« etc." Brit.
Gyu. Jouru. 1888, IV, pag. 371. — Lanibl, Mem. de I« Soc. rasse de Med. a l'Untr.
Imp. de Var^ovie. (BnniMb.l Wanchan 1881^, 1, 1 u. I, 2, pag. i^. — *"'•) Neogebaaar,
Lambl, loc. nlt. dt. Vergt. auch Brit. Gyn. Jonm. 1890. VI, pag. 135. — '"*) Lombard,
l'oston med. und .snrjr. Jdiirn. S. Aiipust 1885, j ag. 1*,!» C. f. 6. 188&, pag. 79S. — Meola,
Biv. intern, di med. e chir. 1665, Nr. 5. C. f. ü. Lstö, pag. 109. Thomas, Nod. Tijd.
V. Gen. 1&S5. Tb. II. C. f. 6. 1886, pag. 864. — Zimmer, Dls^s. inaug. Erlangen 18H7.
Jahre ber. 18S-8. I, pag. 116. — ""^l Firnig. N.it.-Versamml. IS^r, C. f. G. l>-8t;, pag -18:^ —
'^') Neugebauer-Hü Witt, Brit. Gyn. .Imirn. Is90, Vf, p.ig. IHö. — Targctt.
Transact. ol the Olwtetr. Soc. of London. 189^, XXXIII. pag. 108. — "•^) H. v. Meyer, A. f. G.
1S»7. XXXI, pag. f4Ü — Heugebauer, A. 1. G. 1889, XXXV, pag. 857. Vergl. noch
Feilerer, Hflncbener med. Woehentohr. 1887, Nr. 19. pag. 354. C. f. G. pag.:Ä99, —
) Breisky, Z.it^Hir. der Ges. der Aerate in Wien. 18R5. l.Hefr. - Freund,
(>ynaknliiL;isihe Klinik." Strassburg 1085, 1, pag. 1. — "'") Treub, „Uech-rches sur le
büssin ty|il)iitique etc." Leyden 1889. C. f. G. 1>>9. pag. 387 und Nederl. Tijd. vo u- Verl. en.
Gyn. I, lleH 4 und HI. Heft 3. C. f. G. 1>^9I. pag. lk!7 und ls[)4, pag. 458. Vergl. auch Neu-
gebauer, C. f. (i. l">-9. pag. 6"). — "'") CarbonoUi, Uiviara di ostetr. e ginec. 1890,
Nr. 7. C. f. G. l^'J], pag. 536 Vergl. auch A.H. Freeland Barbour, „ l)«t'orniity in
Relation to Ostetrics etc." Edinburgh and London lsS5. — Saiger- buel, A. f. 6.
1890. XXXVIII, pag. 52?i. — Cbampney, Brit. Gyn. Joam. 18H7. II, pag 581 und
Transact. of the «)l)st,:(r. Soc of London. l«-7. XXVIII. pag. :w^">3. — -'") Brewis, Trans-
«itl. of ihe Ubstetr. Öuc. ul l-Minliurgh. 18.88, XIII, jtag. 3*^ Vergl. auch K iinb med Joam.
Febr. ls,8i, C. f. O. 18H9. pag. hn-- - "*) Hirst, Med. News. Fhilad. 18-7,1. pag 51".—
' -) G. BraoD, Wiener kUn. Wochenschr. issH. Nr. 34. — * *) Bnrkuw, Wratach 189u. ^5-
pag. 556. Jabresber. IWK), IV, pag. isi. — Bndin, Compt. read. Suc. Mol. ISj^H. 8. 5,
V, i)ag. - I,"). — -' *) Luk.»*, N*\v York. med. Journ. lN'»9, 1, pag — -'■) Kverke,
Berliner klin. Wocheuscbr. 1^Ü0, pag. 39 i. — Duncan, Transact. "f the tfbstelr. Soc.
of Edinburgh. 1891, XVI, pag. 14^. — '^') Fritscbe. Disa. inaog. Berlin 1890- Jahresber.
1892. V, pag. H6. — *■') Torggler, A. f. G. I88.5. XXVI, pag, t'«». - »" ) Wc -sc h c i d e r,
A. f. G. l.sy^, XLII, pag. 2.39. — (ioot/.o. A. f G. 18S",. XXV. pag. . 39 5 . —
Nebel. C, f. (i. pag. 8S8. — l'ic Literatur ubtir das S c h u 1 1 w i r b el-
beck e n ist tulgende : Birnbaum, A. f. G. 1805, XXV, pag. 422 Bockahammer , Zeitschr.
f. rat. Med. III. R.. XV. pag. 3 4, 9. G. Brann, Wiener mel. Wochenschr. Jnnt 1857.
Dürr. Zcitschr. f. rat. M-'l. Iii H, VIII, pag. ). Freund, „Gyn ik.il Kiitiik.- Stra.ss-
b irg IsSt, I, pag. 1. (i t'genbauer, Jeu. Zeitschr. ls;3, VII. Hecker. .Monatssthr. f. Ue-
bur .skund.- t ti . VII, par. 11. Hub), „Iiis schräg verengte Bocken." Leipzig 185'.^. Meckel,
.Uandbucb der menschlichen Anatomie ctc " II, pag. 6'J. — Meckel, .\rch. f. Anat. u.
Phys. 1877. Ro.senberg, Mori»h. Jahrb. 1876, I, pag. 83. — Schau ta, Müller,
Stuttgart 18'*9, II, pag. 4l7. Letztgenauiiter Publitation ist m*-ine kurze AusL-iuander.-elzung
entnommen. — Schön berg, Kliniak. Aarbog. \SÖ7. U. t. G. lb-^8. pag. 493. —
»") Arnott, Transact. oftbeObstetr. Soc. of Edinburgh. 1S85, X. pag. 9. — *••) Kebrer,
l>ents<hc med. AVorhfMis. hr. I«^-!!, 49. ■^'") Tborn, T. f. G. 18|lt, pag. S,.'8. — Gallia,
-Stiid. (Ii (,>tetr. .■ gyn. etc." Mailand 1690. (Italienisch ) C. f. 1^91. pag. 63.5. — -"IGelpke,
('..tromala. i. im Krgolztbale etc." Basel iMil. C. f G. 1^91, pag. 1016. — Meyer,
l>iss. inaug. München 18''9. 0. f. G. 1890, pag. 436. — Kehre r, Deutsche med. Wochenachr.
IS89. 49 und C. f G. 1>S9, pag. 732. — «") Zweifel, C. f. G. ls^<». pag. 731. — Feh-
ling, A. f <;. 18<<u, XXXIX, pag. 171. — > W Mcy r . lM>s. maug. München 18.89.
C. 1. G. 1,n9u, pag, 436. — Fehling, Ber. X. Congr. 0. f. H. 1^9lJ, pag. 8. —
'^'H Winckel, Tranaaet. of the Amer. Aaaoc. of Obstetr. mnd Gyn Philal. 1890, pag. 243.
Jahresber 1892, V, pag. 197. — -"') F»«hling. Her. X. Congr. C. f. G. I^IK), pag. 8. —
" ) Kchror, C. f. G. ISf^, pag. 731 und liuut.-dic med. Wochenschr. 18-^9, 49. — *") So-
lowij. C. f G. 1S92, pag. 74.J. — -'"') Baumann. liiss. inau^'. Hasel ls89. C. f. G. J889,
pag. 871. — " ) Truzzi, Annali di Onteir. e Gin. 18ül, Nr. 10. C f. G. If9i, pag. 574. —
»") Fehling, (iyn. Congr. 1n8>^, II. pag. 311. A.f.G. 1888. XXXn, pag. 506. C.f.O. 1889,
pag. .',30 und 732; b'JH, p ig. 72- ü r. X. Congr. C. f. G. pai;. 8. A. f G. 189l>, XXXIX,
pag. 171. — Eisenhart, Deutsches Anh. f. klin. Med. 1.^92, XLIX, 2, 3, 158. —
Hofmeier, C. f. G. 1891, pag. 226. — " •) Schauta, Wiener med. Wochen.schr. 18!H),
Nr.l9. — "*) Gu6niot, L'aboille m.d. I.x F.hr. 1892. C. f. G. 1892, pag. 775. — "») Fälle
von Oateomalacie und Porro-Üperatiou, nachfolgendes Schwinden der
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BBOKBN.
III
Ost eo m a 1 a c i I' : K 1 e i n w a »■ h t •■ r , Z. f. G. u. G. 1SS6, XII, paj?. id^iS Kissel, Diss. inang.
Freibiirg 18SS. C f. G. 18S9. paR. 5G<1. — Fehling. C. f. G. 1888. pag. 4:^7 ; 1890, pag. 5U3,
Bor. X. Congr. C. f. 0. 1890, pag. 8. C. f. O. 1890. pag. 73. A.f. G 1888, XXXII,
P ig. 506. 1890, XXXIX. pag 171. Beancamp, A. f. O. 1889, XXXVI, pag. 358. Bau-
manu, Disj--. iuaiiL'. Hasel IS'^!). (\ f. U. 1891, pag. 6(5. Zwei fei, C. f G. 18^0, pag. :^ö.
Löhlein, I)<Mits(he med. Wocbenschr. iN'Jl, Nr. 2. „Gyn. Tagesf ragen.'" Isyl, llelt 2, pag. 107.
Chrobak, Jahrei<btr. 1892. V, pag. 191. Koffer, Jahresber. 1892, V, pag. 194. Runge.
A. f. G. 1891. XLI, pag. 116. Everke, Dentsche med. Wochettschr. 1892, Nr. 4. Vergl. auch
E h r e n J o r t e r , A. f G. 18*^.5, XXVI, pag. 1:^5. Bezüglich de.*« conservati ven Kaiser-
i^chnitleä mit gleichzeitiger Castration und ii a c h f ul g e u d e m Schwinden
der Osteomalacie vergl. £. t. Braan, Przeglad lek. Krakau 1891, pag. 217. (Polnisch.)
Jahiwber. 1892, V. pag. 191. SolowfJ, C.f 0. 1892. pag 745. BexQglididarOsstratioii
bsi N i c h t gravi d an behufs Heilung der OHteomalacie ver^ Fehling. C. f G.
laSS. pag. 4^7. 18'^o. pag. 7.5, öOd, 7^2. Ber. X. Congr. C. f. G. 1890. pag. 8. A. f. G. XX.\il,
p;»g. 50ti. 1890. XXXIX. pag. 171. Müller, C. f. G. 1889, pag. 73:^. Koffer, „Bdtr. z.
Ueb. o. Gyn. Herrn Altred üegaretc" Stuttgart 1890, pag. 51. Müller, äoffa, .Beitr.
snrOeb. n. Gyn. Herrn Alfred Hegar etc." Stuttgart 1890. pag. 79. Sehanta, Wiener
med. Wochensrhr. ». Nr. 19. Haumann, I)isH. inaiig. Bi.scl IS^I». C. f. G. pai:. 871.
äippel, ü. f. G. 18!*J, pag. 584 Mensinga, Internat, klin. Bundschau. 1890, Nr. 4ti.
C. f.6. 1891, pag. 244. Traszi, Annali di o«tetr. e gln. 1890. C. f. G. 1891. PHT. 574.
Ber. X. Conpr. V. f. G. 1S90, paj. 6, Annall di ostetr. e j;iu. 1891, Nr. In. C. f. G. 1892.
pag. .>74. 11 Ol meier, C f. G. IsiU, pag. 22-1. E. v, ßrauu, C. f. G. 18'Jl, pag. .V.«. Thorn,
f. G. IS'Jl, paK. 8:;8. 0. v. Velitz, Z. f. G. u. G. 1892, XXIII, pag. 321. Löhlein,
Deutsche med. Wochenschr. 1892, Kr. 10. C. f. 6. 1892, pag. 42a ,Oyn. TagesfrageA «to.«
1891, Heft II, pag. 107. Vergl sehUeealich : Hatten, Med. age 1885, Nr. 9. C f. G. 1885,
pae 812. — ") Sehanta, Wiener mfid. Worhfnschr. iS'i », Nr. 1'.«. — Sternberg,
Wi. n. r klin. Wocbenschr. 1891, Nr. 17 u. ZU. C. f. G. 18;a. pag. 817 und 1892. pag. '-58. —
•*•) Jlaroccu, Virh. d. X. intemat. Congr. sn Bariin. III. pag. 100. Jahreabcr. 18!»2, V,
pag. 195. — ' I Lohloin. „Gyn. Tagesfragen etc." 1891, Heft 2. pag. 107. — *") Thorn,
C. f. O. )8'.<!, i)a>:. t.^o. --Bezüglich der Osteomalac ie bei Kinderu vergl. Hermann,
Dis.t. iriau^.'. .München 1888. C. f. G. 18!lü, pag. 435 und Hennig, C. 1. (r. 18!tt i pag. 55 >. —
Öchurig, C. f. G. 1890. pag. 247. — Piering, Zeitschr. f. Uöilk. X. C. f. G.
1889, pag. 878. — Frommet, Mttnehenermed. Woehensehr. 1888. 29, pag. 49. Jabresber.
1839. II, 1).»^' !•)" — -•«") Neugebauer, Her. X. Congr. C. f. G. 18!» ), pug. IM) —
'*') Fitichel, Keal-Knny(lt>padic. II, pag. 521 1, Note 147. — ") Toporaki, Dis.s. iuaug.
Brealan 1884. C. f. G. IhH'). pa^:. 42S. — »•') Theilhaher. M unebener med. Wochenschr.
1886, Nr. 12. C. f. G. 188t>. pag. 712 — .Malcolm Mc. Lean, A. J. 0. 0. 1865>,
pag. 521. — **») G. Braun, 0. f. G. jS'ii), pag. 85»i. — Fischer, Zeitiehr. f. Oebarts-
hei f.- r und Wiuiil.irzte jsstj, XXXVII. lüi. 4. f. G. ISS?, pai:. 8"i.'>. — ''l Bar, Hev.
ob.Mtetr. et gyn. April 1891. C f. ü. Iöü2, pag. 63. — Lawson Tait, ßrii. Gya. Journ.
ias7, II, pag. 61. — Gbiara, Ref. t«i Bartlett. A. J. o. O. 1887, pag. 989. —
Krassovsky. A. f. G I«88, XXXII. p.ig. 282. — van der .M e i j . .V.'l->rl. Tijd.
voor Verlosk. en <iyn. .laiirg. I, Heft 1. C. f. G. 1>M», pau'. 7.i(i. - j lluwani Kelly,
Med. and Surg. Rep. Philadelphia. 2."». .T.m. ISÜO, pag. lUJ. C. f. G. 1891. p;ii;. ."14 und A .i .
0.0. Iö90, pag. 225 und 242. — Ohlahausen, C f.G. 1890, pag.505. — "'J Sviecicky,
Ga«. lek. 1890. pag. 1009. (Polnisch.) JahreAber. 18^1, IV, pag. «)4. — »") Vaille, „Ueber
Beckeuenge in Folj."- von Tumoren der lieckenwande.- (Französisch.) Paris 1891. C. f. G. Is'.»l,
pag. Nl3. — Kampe, Münchener med. Wochenschr. 188s, pag. 3,")l. Jahr sber. IsHit, 11,
pag. 1,51. — .\hlfeld, «Berichte und Arbeiten etc." Leipzig 18S7. 11, pag. Iu4. —
***J Malcolm Mc. Lean, A. J. o. O. 18'^9, pag. 7m8. — Edward W. Jenks, New
York Med. Journ. 3. Oct. 1.885. G. f. (i. 18S5, pa«. >32 und Transact. of the Amer. Gyn. Soc.
18> ), X, pag. 172. — - ■'■I Saint Moni in, .Tourn. d'acc. I,S8.5. Nr. I.^ u. M. ('. 1". G. l.'-yij,
pag. 112. — «•») Mars. A. f. G. 1689, XXX VI, pag. 28». — ) F. L. Neugebaue r, C. I.
O. 1892, pag. 9R — >") Sehanta. Maller, 1889. II, pag. 391. — Dtthrasen,
C.f. G. I8SS, pag. 813 und A. f. G. 1859. XXXV, pag. 89. — * ^) 01s ha u se n . C. f. G.
1888, pag. ,S14. — -'*) Veit, C. f. G. 18S8. pag. 814. — ) Gusserow, C. t. G. 188^.
pag. 814. — ■ ") Ohlshansen, loc. ult. rit. — ''■') Martin, C. 1. G. 1888, pag. 814. —
'^"^ Achenbach, Dias, inaug. Berlin 18S8. Jabresber. 18S ), II, pag. 137. Dieser Fall
scheint derselbe zn sein, den Dtthrssen erwähnt. — Kemy, Arch. de Toeol. 1889,
Nr. 4. .lahre-sber. 18'< i. Hl, paj;. Uli »''")Betz. Mem.irah. "i^^s — .i. N. T. XXXIII,
1» pag. 1, Vlll. 10. Juhreäber. 1888, II, pag. 138. — **') Lenuander, Verhandl. d. Med.
Ges. in Upsala. 1891, XXY. C. f. G. 1892. pag. 457- — '*■) Marsch n er, C. f. 0. 1892,
pag. Ü22. — '"^1 Faux, Ballet, de la S k-. Oh^tctr. Brit. Gyn. .Tourn. 1SS3. IV, pag. 418.
Amer. Journ. oi Med. Sc. 188.S. Med. U.cord. 1888, .14, "pag. 59;J. Jabresber. 1889, II,
pag. 110. — Hance, A. .1. o. <) 1890, pag. 182. — Kemy, Arch. de Toeol. 1^89,
Nr. 4. Jabresber. 18'»0, UI, pag. 163. — Gulinski, Gas. lek. 1887. Nr. 42. (Polnisch.)
C. f. O. 1888, pag. 494. — HaTajewics, ttberaetst von Bosenberg, Wiener med.
Blätter. 1891. Nr. 7—9 0. f. G. 1891. pa^'. t;05. Verel. noch Mc. Nanghton. Brooklyn. Med.
Jonm. 1890, pag. 218. Jabresber. 1891, IV, pag. 223. XleinwÄchter.
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112
BENZANILID. - BLEI.
Benzanilid, C,, . NH C; O, ein dem A c e t a n i l i d (Antifeb rin) ;;Ioich
coDstroirtes Mittel, wurde schon von Caun und llKi'p (s. Real-Encyclopädie,
Bd. XXI, pag. 587) diesom aneh thenipeotiaob ihnliob wirkend gefanden. L. Gaxtd
bat nun das Mittel bei Erwachsenen und Kindern in grosserem MeMBtabe ver*
sucht. Eh wirkt dem Antifi'brin sehr ähulich als Antithermiciim : ea erzeugt ebeii-
falls Cyanose der Schleimhäute; vielleicht dass es den acuten Gelenksrheumatismus
beBoadöre bedntnmt, keineefallt mehr ab laHcylsanree Katron. Dae Ifittet eoll
weniger toxisch wirken wie Acetanilid. Es wurde Erwaehsenen in Gaben von
0*2 — 0*5 pro dosi und 2*0 — 4*0 pro die verabreicht.
Litaratnr: Laigi Cantn (Pavia), La Bansanilida« Biforma medi<;a. 189.^ —
DwitflolM ltod.-2tK. 18 ^2, 88. L o e h i s c h .
BenZOnaphthol, beuzoesaures ;^-Naphthul, C, . COO . Cj« U7,
warde von T70N und Bbrlioz als AntiBepUeam des Darmeaaals an StoOe des
Betels (salii^lsanres ß-NaphthoI) empfohlen , weil es weniger glAig als dieses
wirken soll. Verf;leicht man dio Ziisammonsctzan^? beider Präparate , dann kann
der l'nter.scbied der Wirkurif;: dtr^elheii mir durch die der Benzüi>säure {gegen-
über der der SalicyUfture gegeben äeiu, iudem das j^-Naphthol beiden gemeinsam ist.
BsRNiTT fand das HHtel bei Magen- and DarmkrankheKen der Rinder wiricsam.
Da.s rSenzonaphthol stellt ein weisses, geruch- und gesehiuackloses Pulver
dar, in 10.000 Theilen Wasser löslidi , iu Alkohol und Aether chcnfalls sehr
wenig, am leichtesten in Chloroform löslich. Die Theorie der Wirkung ist die-
sdbe wie fBr das Salol. Von dem ebenfalls erst im Darme spaltbaren Benao-
naphthol soll das ß-Naphthol im Darmeanal als Antiseptionm xnrflckbleiben,
wJlhreud die fii'nzDf's.tnre als Hippiir^iinre zur Ausscheidung gelangrt. Das Mittel
wird in mehreren wiederholten Gabeu von 0-5 als Pulver in Oblaten gegeben.
Erwaehseue vertragen bisÖ'O, Kinder im ersten Lebensjahre 0 04 — 016 pro die,
im 1. — 8. Lebensjahrs 6mal tiglieh 0*2, im 4. — 7. Lebenijahre 1*5 pro die, im
8. — 14. Lebeosjahre 2*0 pro die. Die volle Wirkung tritt erst nach 4 — 5 Tagen
Otti doch muss man zuweilen neben Benzonaphthol uoeh Styptica geben.
Literatur: Vvon iV: Berlioz, Nuuv. Antiseptic puur Tintestin. Semaino m^d.
1^91. 53. — Allg. med. Centr.-Ztg. 1891. 91. — M. Beraitt, B. bat Uag«n- and Dara-
kraakbeiteo der Kindar. Wiener med. Presse i892i 5t. Loebiseh.
BenZOSOl, Beozoylguajakol (veigl. Real-Eneyelopidie^ Bd. XXIV, pag. 99)
wurde von M. PlATKOWSKi '1 bei Dialu-tes meUitus versucht und er fonstatirte in
mehreren Fällen Abnahme des Zuckergehaltes. Nach A. Jolles^J zeigt der nach
Benzosol entleerte Harn eine Linksdrehung, hierdurch kann die recbtsdrehende
Eigenschaft eines Znekerhames eompensirt und flberoompensirt werden, so dass
trotz der dtireh die Roductionsprobe und durch Titration mit Fehlixg's Lftsung
napbwt'isl)aren und be:<tiinmbaren ZiK'kernuMiire. der Harn bei der polarimetrisohen
liestimtniiug keiue Keehtsdrehung , eventuell auch Linksdrehung zeigt. Da das
Benzoylguajakol im Darme in Bensoesänre nnd Guajakol serlegt wird, so wird
im Harne eut-spreehend der resorbirteu Benzoesäure die Hippursiiure vermehrt|
überdies .mcb <i,is Guajakol darin naehweisbar sein. Zum Nachweise des
Guajakuls wurde eine mit verdUuuter Schwefelsäure versetzte Probe destillirt;
das Destillat gab mit einigen Tropfen stark verdünnter EisenchloridlOsnng die
fOr Guajakol charakteristische Bothftrbnng. Livnlose war im Bensosolhame
nicht Torhanden.
Literatur: ') Marian Piatkowaki (ans der Klinik des Prof. Koixzynski in
Krakau), Ueber die therapentiBche 'Wirknng des BenzoHols bei der Znekerharnruhr. Wiener
klin. Wijrli' iisflir. 1*^9',', r.l. — ') A. .Tolley, Uebt-r die Fehlerquellen bei der polarimetrisqhaa
bestiiuiuung dea Harnes uach Eiutühruug von Uen/.usol. Wiener med. Presse. i^93i 9.
Loebiaoh.
Blsi fvergl. Real-Encyclopädie. 2. Aufl., III, pag. 44). Von besonderem
Interesse fUr die Aetiologie der lUe i v e rg i ft u ii g ist die Sicherstellung
der Thatsache , duss chronische Bleivergiftungen auch durch Kugeln , welche
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BLEI.
118
längere Zeit in dem OrgaDismas verweilen , anter besonderen Yerh<niMeo her-
▼orgerofen werden können; doch scheint dasa nothwendig za Min, ä»M die
Kvgel nieht in tote zur EinkapBelnog gelangt, sondern in kleine Splitter zerfällt.
Wie lange es dauern kann, ehe die Rleivergiftiingserscheinungen sieh einstellen,
zeijct ein Fall, wo 17 V'o Jahre nach dem Eiudringen einer in äusserst kh ine Splitter
zerspringenden Kugel in den Kopf der Tibia Bleikoliken, saturnine Auäuiie und
Tremor entatsnden. In der R^l wird, wie ältere Fälle von Bleiaffeetlonen nneh
Schrotschassen erwiesen, die Intoxieation viel frflher, meist In den ersten Wochen
der Verfriftuns", ehe die l'/mkapselung vollendet ist, eintreten, doch bleiben auch
solche Fälle ausserordentliche Paritäten gegenüber dem Zurückbleiben von Schrot-
kOmem im Organismns ohne oonseentive Bleivergiftung. Das späte Auftreten
läset sich nur dadurch erklären . dass die die Kugelfragmente im Knochen um-
^ehlies^^ende Narbe nach und naeh sich vascularisirt und gleichzeitig das metallische
Blei sich theilwei><e in eine in Wasser oder in alkalischem Wasser lösliche, daher
resorptionsfähige Verbindung umwandelt, die natürlich leichter zu Störungen Anlass
gi6bt, wenn glelehseitig bestehende Nierenetömngen die BUnrination beldndem,
aber aueh bd normalen Kliminationaverbältnisaen in so grossen Mengen zur Re-
(üorption gelangen kann, dass Koliken und Anaeraia aaturnina retnultiren. Oh es
sich dabei , wie die Untersuchungen Lbwin's 0 wahrscheinlich machen , um Blei-
oxydhydrat nnd Bleiearbonat oder um eine organiaehe BleiTerbindnng handelt,
steht dabin. Auf Letzteres deutet die Thatsache, dass auch bei chronischem
Saturnisnius der direetc Nachweis des Blcii«-^ durch Schwefelwasserstoff oft nicht
gelingt, während er nach Zerstörung der organischen Substanz mit Salzsäure und
Kaliumohiorat gelingt.') Dass Bleikugeln dadurch, dass sie häufig in den Mund
genommen werden, an ebronisdier Bieivergiftnng fähren kttnnea, ist dntck meh«
rere neue franzflsisehe Beobachtungen eonstatirt. Bei einem in Cayenne internirten
Jäger führte das Halten eiuer Bleiknfrel im Munde bfbufs rascheren Ladens zum
Schutze gegen den Angriti' wilder Thiere sogar zu Parese der unteren und zur
completen Extensorentähmnng an dw oberen Extremität.
Die bei älteren Autoren mdirfaoh vorkommende Angabe, dass Frauen
weniger leicht an chronischem Saturnismus erkranken, als Männer, ist entschieden
irrig und scheint ihren Ursprung darin zu haben, dass frflher die Frauen bei
den Arbdten in BIdwdsifabriken weniger eztensiy nnd intensiv beeebäftigt wurden.
Den besten Beweis fflr die grossere Disposition des weiblichen Geschlechtes liefern
die neuesten Beobachtungen Oliveu's ""j auf den Biciweissfabriken von Newcastle
upon Tyne. Hier weist naiiientlicli diu Statistik in dem Hospitale der Stadt,
in welchem unter 135 Bieikrunkeu 4U Frauen unter 23 Jahren waren, wäh-
rend Icein Mann unter 83 Jahren an ehroniseliem Satomismns erkrankte, anf
die Prädisposition der Frauen hin. Ausserdem geht diese daraus hervor, dass in
den Newcastler Fabriken, in denen die alte holländische Methndc der Bleiweiss-
fabrikation noch im Gange ist, eine eigenthUmliche subacute Form des
Saturnismns bei jungen (18 — 23jäbrigen) Arbeiterinnen vorkommt, die bei
männlichen Arbi itt rn nicht beobaehtet wird. Dieser subacute Saturnismus eharak-
terisirt sich dadurcli, dass schon nach wenigen Wochen Kolik, Ver^t^tpfun^ . Kr
brechen, Kopfweb, Schmerzen in den Gliedmassen und SebstöruDgeu, daun wenige
Tage später, gleichviel, ob ärztliehe Behandlung eingeleitet wurde oder nicht,
Gonvnlrionen auftreten und plotzlieher Tod im Coma erfolgt. Man wird Itaum
fehlgehen, diese Form des Saturnismus mit Olivkr als acute Toxämie aufzufassen,
da iu der Mehrzahl der Fälle Albuminurie fohlt und bei der Section nur Hydrämie
und Anämie des Gehirns sich tiudet und die Zahl der rotheu Blutkörperchen
deutliehe Abnahme erfahren hat. In manehen Vällva kann die Anämie auf
Menorrhagie nnd profuse Menstruation bezogen werden oder wird wenigstens dureh
diese erschwert, in anderen besteht Anämie trotz normalen Verhaltens der Kata-
menien. Zu dem häutigen Auftreten von Menorrhagien bei Arbeiterinnen in Blei-
weisefabriken, das Ouyer Ini der Hälfte aller Anbeterinnen constatirte, kommt
laejiqlBi». MhrbftolMr. III. 8
114
BLEI.
bei BchwaDgeren ArbeiterinDea noch der sebr bäuügc Aburtua als ein gewisser-
nuMBea enehwerendes Moment flir dM weibHehe Gesehleobt biniu. Für die Bnt-
Bobeiduu^ ih r IVa^e, ob diese häufigen Aborte direoter Wirkung des Bleies za-
Kuschreilitii sind, liefet Material nicht vor. doch spricht der rnistand, dass die
Kiuder bleikraiiker Frauen IrUbzoitif? au Leber- und Nierenatrophie zu Grunde
geben, für diese Anschauung. Bei der subacuten Bleiintoxication findet sieb Blei
im Of^ini, Leber und Mieren; die Menfe desselben int aber nor gering. Im
Gehirn fand Oliver nur 0*03, in der Leber 0 04 Grm. ; die Milz enthielt relativ
nahezu ebensoviel wie die Leber, die Niere etwa das Grosshirn 2^ jraal so
viel wie das Kleinhirn. Im Gehirn kann das Blei fehlen ; in einem Falle, wo ein
MIdehen , dna 40 Tage in der Fabrik gearbeitet hatte, an eolamptiseben Zuflllen
tu Grunde ^ing, wurde nach Oliver Blei im Gehirn nicht aufgefuiuliMi. so dasB
also eine directe Ver^riftnn^'- des Gehirns als iTMiehe der OehirneraoheinttOgen
und des Todes hier mit Bestimmtheit ausgeschlossen war.
DasB hti eiironhebem Satnmiamns das Blei sehr lange im Organismon
▼erwdien kann, seheint die Thatsaebe zu erwmsen, dass mehrere Jahre naeh
dem Auffreben des seliildlieheii Berufes , der die Imprägnation dos Körpers mit
Blei verursacht, Kecidiven von Mleik'dik auftreten können, ohne dass neuer Oontact
mit Blei stattgefunden hat. In einem von Bkrmiahdt mitgetheilten Falle dieser
Art war der Genuss grosser Mengen Flüssigkeiten (Bier) m^ioherweise die
Unadie des Rückfalls.
Von den Symptomen der Bleiveririftunfr ist der Blei«Mum des Zahn-
f i ei scbran d es als ein von Vielen für pathuguomoniscb erachtetes Symptom in
enter Linie zu betrachten. Dass er in einzelnen FAIIea fehlt, ist tieher , und
namentlich vermisst man ihn nach Olivf.r htnfig bei der oben als subaeuter
Satumisnius liezeidineten F(tnn der Bleiverfriftunir. Sieher ist es, drjs-: er in sehr
acuten Fällen von Bleiacetatvergriftung uicht selten beobachtet wird. Oliver hat
ihn bei einer solchen schon am 1. Tage der Intoxication auftreten gesehen und
Schmidt *) eonstatirte bei «ner inneren Vergiftung dureb Bleicarbonat enthaltende
weisse Schminke am 3. Tage Auftreten russschwarzer Fflrbunjr des Zahnfleisches
und öchwarz^rauer Flecken der Wanf^enHchlcimhaut, die 6 Wochen anhielt. Die
Zeit, in welcher ein Blcisauui nach Aufboren der Bleizufubr bei Arbeitern in
Bleiweisftfabriken versehwindet, sehwankt zwischen 8 Tagen nnd 6 Monaten.
IlUufi^ kommt bei Bleiarbeitem neben dem gewöhnlichen Bleisaum noeli eine
schmale l)l;nic Linie am Gaumenran<ie. die von Sehwef'olblei auf dem Zahnticiseh
herrührt, vor. Mitunter eomplieirt r^ich der Bleisaum sowohl bei acuter , als bei
chronischer Vergiftung mit Gescbwürsbildung im Munde. In dem oben erwähnten
Falle von Schmidt bildeten Sttmiatitis und tiefe Oesebwttre in der Wangensebleun-
haut neben Koliken die Hanpterscheinnng^eu der acuten Intoxication. und auch
bei chroniseher Vertriftunj? ^eben naeh Olivkr dem .\ut'treten des Bleisaumes
nicht selten Höthung und Anschwellung voraus und es entwickeln sich Geschwüre
im Mnnde, die seihet linger dauern, als der Bleisanm. Stsdmak ^) bat phlyetinnlMB
Gesehwäre im Mnnde ond namentlich an den Wanden in Folge des Gennasei
bleihaltigen Trinkwassers, nii'ht selten olme deutlichen Bleisaum, auftreten ge-
sehen. Bei Personen, die den Blei^aum nicht zeigen, lässt er sich durch Jod-
kalinmbehandtnng nielit eraeagen.
In Hinsiebt anf Yerwecbslnngen des Bleisaums mit thnlieben Fftrbnngen
am Zahnfleischrande i.st zu bemerken, dass verschiedene anorganische Verbindungen
solche hervorrufen können. Wiederholt ist ein solcher nach Anwendung von Bi's-
mutum suimüi'icum auf Wundtliichcu zu antiseptischen Trockenverbänden beob-
aehtet') nnd bei der ebroniseben Vergiftung von Thieren mit Wismntsalzen eriillt
man regelmXsdg analoge VerOlrbnngen in der Mundhöhle, wie bei ßleivergifUinf.
Nach Lkmoine ""1 ist auch Borax einen Uhnliehen graublauen Zahnfleischsauai
zu erzeugen im Stande, wenn dieser in grossen Dosen (20 pro die) mehrere
Monate verabreiebt wird. Die AfFeetion combinirt sich hier ebenfalls mit Rfitiie
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BLBI.
115
und AnschwelluDg des SUbotieidches , sowie mit vermelirtor Speichelabsonderung',
sehwindet aber leiefator als der BleiMnm, ao dan «r bei AofliSreii der Znfnlur
oder selbst bei blosser Verminderung dieser in Monatsfrist anfbürt. Bei Thierea
kann auch Ziiiksulfal einen ähnlichen Rleisaum hervorrufen. Krankhafte Be-
schaiTeubeit der Zäboo und des Zahnfleisches befördert das Auftreten des Borax»
Saumes.
Als diagDOStisohes Hilfsmittel Bleivergiftitnir l^ano der Bleinaek*
weis auf der Haut in manchen F.'illen dienen, insoweit dadurch der Contaet
der Haut mit Bleiverbindungren darj^ethan wird. Rleiablafrerunp in der Haut zum
Zwecke der Elimination findet nicht statt. Man erhält Schwärzung' mit Schwefel-
ammoninm nur an unbedeckten Tbeiien, am stilrksten an Fingern, Hftnden und
Vorderarmen ; nach Entfernung dcg äussorlieh anhaftenden Bleien auf mechanischem
Wege hftrt die Rcaction auf. Schlnsrt sie fehl, so wird man sie auch in den fol-
genden Tagen, vorausgeKctzt, da.s.s der Kranke weiterem Contacte mit Bleivorbia-
düngen nicht aasgesetzt wird, nicht erhalten.
Inwieweit die von Ouybe eonstant bei Personen, die schwere BleikoUk
durchgemacht hatten, beobaohtete T'ngleichheit der Pupillen und des Radiaipnhes
zu diagnostischen Zwecken verwerthet werden kann, bleibt weiteren Unter-
suchungen zur Entscheidung vorbehalten.
Fttr die Pathogenese der Bleiarthralgie, die genau dem Bilde
der von BlNBDiCT anfgeatellfcn Wuraelneuralgie^) entspricht, sind L'nter
STiehunfren vim SrrKct.iTZ (Iber Hecintlussung de>* Kilckenmarkes bei Thieren durch
chronische Bleivergiftung von Interesse. Stieglitz constatirte analoge Veränderungen
in den Vorderbörnem, bänfig mehr oder weniger starke Krkranknng der hinteren
Wnneln, haaptsAeblieb in Degeneration der Mark.scheiden bei Integrität das
Achs('tic\ Hilders bestehend, aus welcher nc-chrMnkutig des Processen es sich auch
erklilren lärmst, ilass Anüsthesio oder ilherhaupt Strirunjr in der Wahrnehmung
sensibler Eindrücke bei Saturnismus nicht hüuiig vorkommen; doch hat ja Tan-
qUBBBL DBS Plakchbs eine Anaesth^na safumina als besondere Form der
Bleivergiftung l»L-irhrieben.
Dass de als Enc e ph a1 o jki fh i <i sa/urntnn insgemein zusammen-
gefasstun Störungen nicht blos unter den bekannten Formen des Coma und der
Eliili psia »atumtna anftreten, ist dnroh xahlrdohe neuere Beobaebtnngen erwiesen.
Olivkr hat vielfach hysterisebe Convulsionen, mit Anflstbes^ie verl)undcn, als aus-
schliegsliehe Uleiallection constatirt , die Kr.1mj)re nahmen allmJllig au lit t ti^'keit
zu und führten nicht selten in kurzer Zeit den Tod herbei. Dass die Kritrapfe
auch ohne Albuminurie und Nierenaffection auftreten können, ist anzweifelhaft.
Ueber das Wesen der Bleiamaurose sind die Ansebaunngen noek
oieht vAllig aufgeklftrt. Die irnabhängigkeit des Leidens von Albuminurie und
Nierenaffection ist in einzelnen Fällen sichergestellt. In einem derartigen, ohne
jede Albuminurie verlaufenden Falle bandelte es sich um Neururetiaitis optica
deaeendenB , die ganx das Aussehen der Neuroretinttis albumtnurica hatte und
im Laufe von lo Wochen in eine in Atrophie abklingende Cntsflndungspapille
deh yerwandelte. i')
Eine eigcnthümliche saturnine Augenaffection ist die von
ScHBOXDBR ^ -) beobaditele ffe mianopsia »aturmina ohne hemiopisehe
Pnpillenreaetion, die sieh bei einem wiederholt an Bhakolik und Bleiarthralgie
erkrankten, auch an Parästhesien leidenden Maler plötzlich mit Kopfschmerz,
Schwindel, Schwerhörigkeit, Sehschwiiche , Herabsetzung der HeHexerregbarkeit,
der Tast- und SchmerzempHndlichkeit, Pare.se der unteren Aeste des linken Facialis
vnd der linken oberen und unteren Bztremitftt einstellte. Der fragliche Symplomea-
complex wdst anf eine circumscripte Isebämie der rechten Hirnhemisphiro Im
Gebiete der Art. optica h nh'ruLi r/s und der ,1//. lenticnlostriatn liin.
Auch Störungen des Geächmacke.s können eine Theilerscheinung des
Baturnumus chronicus büden. Dabei kann es sich um das Ausfallen einer
8*
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116
BLEI.
bestimmten Geschmacksempfindung, z. B. für sauer, oder am vollständige Ageuata
s aturnina j wobei eine seifenartige GescbmaclcsemptinduDg nach Gesohmacks-
cmgern tob allen vier Qnaüttteii reenliirt, bandeln. Das Gefühl aof der Zunge kann
dabei ziemlich iotact bleiben.
Di«' P^'rag'e, ob 08 eine wirkliche saturnine fticht (Real-EncyelopÄdie,
Bd. III, pag. 607) gebe, miiss nach den neueren Beobachtungen englischer und
französischer Aerzte unbedingt in dem Sinne bejaht werden, dass chronische blei-
kranke Arbeiter, die bereits an Kolik oder sribst an eharakteristiieher Bl^paralyse
leiden, mit aasgesprochener Anlnde, an typisehen Qiehtanf^llen mit Ablagerung
von Uraten in den Gelenken erkranken können, ohne dass Excesse in der Diät
stattgefunden haben und ohne dass irgend welche prämoiiitorische Symptome
Toraosgehen, wie solche vor dem Eintreten gewOhnlieher GichtanflUle beobaehtet
werden. Die gewöhnlichen Vorläufer der Arthritis, wie Hamgxies, asthmatisehe
Beschwerden , Hilmorrhoiden , Iscliias , Hautaffectionen , werden nur höchst aus-
nahmsweise bei Arthritis saturuina beobachtet, dagregen kommt häutig Albuminurie
vor, deren Vorbandensein, wie die bei Bleikranken dieser Art rasch sich ent-
wioketnden NierenverindeniBgen nnd wie das frfllneitige AaAreten von ESndo-
earditia bei ihnen , g-eradezu etwas Charakteristisches für Bleipricht haben kann.
Der astheninche Charakter, den die meisten F/llle dieser Art zeiL'-en, ist vorwaltend
anf die ungünstigen Lebenaverbältnissu der Bleikranken (Arbeiter; zu bezieben
und maebt sieh bei günstig sitnirten Kranken nloht geltend. Bin weitwes Kriterinm
der sataminen Gicht ist darin gegeben, dass die AntAll«- weit häufiger siud nnd
bei jedem neuen Anfalle, die im ersten Jahre zwei- bis dreimal, spitter zahlreicher
auftreten, neben den Gelenken der grossen Zehe und des Fuüues auch die grösseren
Gelenke hu Hitlddensohaft gezogen werden, so dass bei späteren AnftUea das
Bild dem eines allgemeinen Gelenkrhenmatismus gldeht. In der Zwisohenseit
bleiben die Gelenke nicht iniact, sondern werden durch die harnsauren Ablagerungen
deform. Dass die Tophi nich nicht blos an den Gelenken, sondern auch nicht selten
an den Ohren bilden, ist auch bei der saturnineu Gicht nachgewiesen. Die saturnine
Gfeht ist in England am htnflgsten, weniger hinfig in Frankreieb, am seltensten
in Deutfi-hlund ; die davon betroffenen Arbeiter sind nicht selten habitnelle Alko-
holisten, doch ist dies in etw.i der Hälfte der Fülle nicht nachzuweisen. F.inzelne
Tbeile von England scheinen eine Ausuahme zu machen. So giebt Olivku an,
dass in Neweastle npon Tjme trotz des eonstanten Vorkommens von klmnen,
jedoch nicht hyperämi^ichen Nieren bei Bleiarbeitern Gicht nicht vorkommt, lieber
die Frag:e, wie das Blei die fri<"liti.sehe T'iathe-e schalTe , hrit die experimentelle
Forschung bisher völlige Klarheit nicht j,a'sehadt. Das Verhalten der Harnsäure
int bei Bleikranken verschieden, mitunter vermindert (bei gleichzeitiger Zunahme
des Barnfarbstoffes, womit vielleicht der satvmine letems in Connex steht), nach
OUVBR hHufifrer vermehrt.
Jedenfalls ist die schädliche Einwirkung des Bleis auf die Nieren ein
Moment, das die Hemmung der llarnsäureausäcbeidung auf dem gewöhnlichen Wege
und ihre Retention in Blnt nnd Ablagemng an anderen Körperstellen sn erklären
geeignet ist, doch kommen saturnine Gelenksatfectionen mitunter aneh vor, ohne
dass ein Symptom für die pathologische Veriindennif^ der Niere spräche, und
andererseits ruft interstitielle Nephritis bei Nichtbleikranken gicbtlsehe Phäuomene
niemals hervor. Ob aber das Blei vermehrend anf die Hamsäurebildung durch
direete Wirkung anf den Stoffwechsel wfarkt, wie WiLKS annimmt, oder nach der
Ansicht von Lancerfal'x und DtTKWOiiTH durch Verinittlunj^ des NervonsystemflS
oder nach Lorky s Vermuthunfr durch F.inwirkun^' auf die I.elier, ist nicht aus-
gemacht. Von Interesse für den Praktiker ist Ubrigous dio Beobachtung, dass die
Darreichung von Bleipräparaten, z. B. BIclzncker, gegen Blutungen bei Arthritikeini
schwere Gichtanf^Ue auslösen kann und dass Artbritiker schon durch klebe Mengen
von Blei Erscheinungen des Satumismus bekommen kOnnen.
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BLEI.
117
Eine eigenthümliobe Prodromale rscheinang der Arfhri'fin sa'uminn Ist
das Auftreten umfaD^reioher Desquamation der ßlase und Ureteren ohne eigent-
lioln Urethritis, das sehoii 10 Tage yor dem Anfalle statUiabeii kann und mü
diesem fast spmlos Tersehwindet.
In Rezug auf die Erkrankung der Niere durch Blei Ui zu
bemerken, dass die vi« Prevost und Bi.vrt (Encyclop. Jahrbücher, Bii. I. pag. 101)
bei ohrooisober Vergiftung von Kaninchen eonstatirten Kalkoonoremente auch bei
normalen Thieren, obsehon Haltener, ▼orkommen. Die bei ehnmiseh vergifteten
Thieren sn eonstatirenden Verflndeningwi der Nieren besteben naeh Stirglitz^*)
bald im Untergänge einer kleineren Anzahl von Gloinenirn , bald in Trdbung,
Schwellung und schlit'-slich Degeneration der Kpithelien der gewundenen H;irn-
canälchen, bald in begiuuenden iuterstitiellen Ver&nderuugeu (reichliche Vermchruag
der Kerne um die Harneanaiehen und die Oefilsse). Heist innd aber alle drei
Typen dieser Veränderung combinirt. Selten finden sich arterioAcIorottsohe Processe
an den Nierengefflssen. Das» sich bei Thieren die typische Bleiachrumpfniere des
Menseben nicht findet, erklärt sieh offenbar ans der kurzen Zeit, die bei den
ebroniseh vergifteten Tbieran bis snm Tode verfllesst.
In therapeutiseber Bedehnog ist die Anwendung des eonstanten
Stromes zur Entbleiung des Organismus bei ßleikranken als ein Verfahren zu
erwSlhripn. das durch Sknjmola'^: und 3rhakini hI-: hr.clist znverlilssig und selbst
die Jodkaliumtberapic au Sicherheit der Wirkuug UbertreÜ'eod bezeichnet wird.
Die lletbode, 1>oi weleber Jeden Morgen 10 Minnten lang der oonstante Strom in der
Weise benfitzt wvdf das«) man während der ersten Hälfte der Sitsang den positiven
Pol auf die Zunge und den negativen in das Epijra^triuin, in der zweircn Mfllfte
erstercn an die Seite der WirbelsJlule und den negativen auf d i.s Abdomen applieirt,
mutis 3 — 4 Monate augewendet werden. Schon nach 3 — 4 Tagen tritt Blei im Harne
nnf; die Anssebeidnng nimmt in den ersten vier Wochen so, qAter allmllig ab.
Handelt es sich nur um Bleikolik oder Bleiparalyse, so ist die Ueilung complet;
bei Kachexie mit Albuminurie ohne deutliche Gofässveränderungen tritt h 'trächt-
licbe Besserung des Allgenieiubetindens und Verringerung der Eiwei^ausächeidung
ein ; dagegen ist das Yerfabren hei Eneephalopatble mit Arterlosoleroje erfolglos.
Zur Prophylaxe der Bleiaffeetion rlth Midba snr Reloigtiog der
Hände der Arbeiter in ßleiweissfabriken , Maler u. s.w. , die namentlieh vor der
Mahlzeit nothwcndig ist, A m mon i u m t a rtr a t zu verwenden.
Literatur: ') Küster ond Lew in, Ein Fall von Bleiversiftnng durch eine im
Enoehen steckende Kasel. L«ng«nb. Arch. Jabiläumsheft. 1892, XLIII, pag. 221. —
•) Fonqne, IntoTirnfii»! ]>hivthii]ue. Gaz. des höp. 1892, Nr. 21: Pens, Des c,>li<jurs shiies.
1887, Montp. ; Bouijuet, (iaz. lies höp. 22. Dec. ISÜl. — ') Oliver, An tnialyliail ntul
cliniail i.rnminatioh of had poisoniuij in its acute manifestations. Med.-chir. Transact.
1890i LXXUI, pag. 53. Giüstonian Lecturu on Uad poüoning t» ita acute and chronic
manifutationt. Brit. med. Jonm. 1891, March 7, 14. 21, i!8. — *) Schmidt, Znr Symptuma*
tologie der acut-n P.lci Vergiftung, ("entnilhl. f klin Med. l^jlfj, Nr 2S. — ') ."^iHdraaii.
Vlctration of ihe tnnuth n.s a si/inplom >>/ lemi junsoning. Lancof. 26. Sfipt. {"^'.tO. —
Koeher, Arch. f klin. rhir 18Si, XXIX, pag. 470 Dalche und Villejean. ItfU.
exp. 9ur In toririt, de brnmuth. Arch. gun. de med. Aoftt 18Ö7, pag. 129. Bull. gen. de
therap. 15. Nov. 18^8. 30. — ') Lemoine, J,\s4ri gingival consieutif i'i Vingestion du
borax. Bull. gön. HO. Mai 18Ü2. ■ — "l Miura, I r^lier die Bedeutuni; des Bleinachweises auf
der Haut Bl«)kranker. Berliner klin. Wochenscbr. 1<S9J, Nr. 44. — *} Erb, Krankheiten der
periphenm Narren. 2 Aa6., pag. 63. — '*0 8ti«icHtB, Biae «xperinantelle üntenraelinng
über Blf'iverpiftniip .^r<h, f. P^yrhiatr. l-(i2, XXIV, pat: 1 . - "'1 Hütnfisch, VoW-r Fure-
phaiopathiu natitrninii. Kiel IS'M. — Lehuiaiin, Ein Fall von .s< hwerer chroniscUtir Blei-
intoxication mit besonderer BtTueksiehtiguug der Eticephalopathie und Retiniti<<. Berlin 1^'jO. —
") Schroeder, Vorftbergehende Ger«braiw«üieinnBgeB bei chronischer Blei Vergiftung.
Berlin ls90. — '*) Dreiicb, Zwei seltene FSlIe von Blemrgiftung. Wilrzhurg H9n. —
") Vergl. L a Ii a d i e - La gr a V <• , /.'i i/unftr satitruhit. Union m^d. Nr, iT, —
") Schroeder, lieber VrethrUi^t urica bei cbron. Blei vorgiftung. Deutsche med. WochenscUr.
1892, Nr. 9. — '*) Semmola, Du traitemeHt radieat du taturnitme dkron, par Vfiimination
du plumh pur /..f uriiirs .wi/.v rinHuence dtt eowont coHttant. Oas. d«! k6p. 1892, Nr. 128.
Gai. med. de Paris. Nr. 52, pag. üif?. Hosemann.
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ÜLEILÄUMUNG.
Bleilähmung 'vcr-l. IJ.al-Eneyclopndii' . 2. Aufl. .HI. p;ifr. 113). Hin-
sicLtlicb der Patbogeuese der Bleiläbmung i.st uian iu dea letzteu Jahren
im Allgemeinen mehr geneigt, die AffectiMl «Is Folge peripherer degenerativer
Kmiritii aufzufassen nnd von Einielnen, wie Fran Dkibrinb-Klüsifkr ^) nnd
PRRVOt-T und BiNET - , wird sie frcradezn den Ncuritiden toxischen Urspruiiprs zu-
jjfzählt. Kr fjcheint d.nfilr nauu'iitlich die Thats.iclie zu sprechen, dasa die Mohrzahl
der neueren ObduetioDen mit typischer Bleilftbnuuig bcliaiieter Personen Veriiuderuugen
im Rflokenmark nieht ergeben haben. JHm beweist indeRS niebte gegen das Yor^
faandenaeia Mlcher, denn es ist, wie Erb") betout. scbr wohl denkbar, ,,d«S8 dag
Blei, das zunfiehst immer nnr eine heilbare atrophische Läbmunjr verursacht,
nur eine mikroskopisch nicht nachweisbare Funtiotinstörung im Ceutralorgan er-
zeugt, als deren peripberisdi siehtbare Wirkung einerseits Anfbebung der mo-
torischen Fun(>tion, änderet seit« tropblscfae Störung der betroflisnen motoriseben
Nerven und Muskeln erscheint". Es fehlt aber auch nicht ganz an Beobachtungen
wirklieber KUckeuniarksveränderungen bei Bleikranken. lu einem von Fishkk*)
aus dem New-Yorker Bellevue-IIospital mitgetheilten Falle eines Malerü, der nach
mebrjibrigem Besteben von Satvmismus, der sieb durch Koliken nnd snnebmende
typische LSbmnng des Vorderarms mit Abschwftcbunir der faradischen Erregbarkeit,
bei IntegritSt der Supinatoren , Atifhelmnjr der farudischen und Verminderunpi:
der galvanischen Erregbarkeit der Muskeln der liaud , der Interossei und des
Opponens pollicis, jedoch ohne Entartnngsreaetioni seblieislieb aneh ata Epilepsia
»atumtna charakterislrie und wo der Tod durch Morbus Brighti eintrat, fand
»ich ausser der Aflectiou der Nieren und Ilerzhypertrophic mäs.si<re Atrophie der
Vorderbörner, besonders an der einen i?eite, wo auch die \'order8eiteu8trän};e er-
griffen waren, deutliche Sclerose an verschiedeneu Stellen der GoLL'schen Säule,
Verdickung der Meningen und der Blutgeftsae am LissAOBB'seben Strange nnd
Degeneration der vorderen Nervenwiirzeln. Atieh die neuesten Versuche an Thieren
sprechen dafür, dass FMei Veränderun-^cD im Hliekenmark zu 8etzen im Stande
ist. Stieg Iii TZ "j cout<tatirte bei Tbiereu, bei welchen er durch Verstäubung von
Bleisneker ebroniseben Stttumismus mit Paralyse eraeogt hatte, in 5 Fällen gnns
exquisite Alterationen in der grauen Vordersflule des Rückenmarks, bald ejcquisit ent-
zflndlicbei\ I'rocess, wie er der spinalen Kinderlähmunjir sich zur Seite stellen
llaat, bald Atrophie, stets verbunden mit äusserst reichlichem Auftreten von
Yaenolen in Gnnglienzellen , bald nnr die fragliebe Vaenolenbildung , eonstnnt
aber degenerative Processe in den Nerrenwnrzeln und in den peripberisehen
Nerven. Allerdings ist es hingst bekannt — und in dieser Beziehung bestätigt
auch Stik«;litz die früheren Beobachtungen an Thieren vollst.'lndig — , dass die
Lähmung bei Thieren nicht jene eigeotbUmlicbc circumscripte Localiaation zeigt
wie bdm Henseben und dass dadnreb bis zu einem gei^sen Haasse die Znllssig-
kmt der Uebertragung dieser Beobachtungen auf die Pathogenese der Bleilähmung
beim Menschen beeinträchtigt wird. Indessen lässt sich das ei;^cnth(lmliche elective
Verhalten der Faralysis Hoturnina beim Menschen mit der Tbatsache in Ver-
bindung bringen , dass die Bleilflhmang stets fanctionell zusammengehörige Mos-
keln befällt (Remäk) und dass die am meisten angestrengte, beziehungsweise
Uberan;r('>^trenf,'te Muskelgruppe am frühesten der Sch.ldlichkeit unterliegt und der
Lähmung vertallt. Diese von MoBlL'S'') für die atypische Eocali.sation der Para-
lygis saturnina bei Fetlenhanern in den Muskeln des linken Daumenballens und
In den Muskeln des Interosseu» prtmus herbdgezogene Erkibnng findet eine
Stutze durch die bekannte Tbatsache, das» die Bleil.lbmung bei Linkshändern
die linke, bei liechtsli.ltidern die rechte Hand zuerst oder answhliesslich befällt.
Datis die seltene Lähmung der Unterextremitiiten durch Blei bei Personen , welche
ihre Beine durch Märsehe Strapaziren, häufiger vorkommt, zeigt ein neuerer Fall
von einem Jäger, der durch das gewohnhcitsin/is^iLie 'Irafreii einer Bleikugel im
Munde bleikrank und lahm in den Beinen wurde. ', Bei Kindern, bei denen
L'eberaustrengung bestimmter Muskelgruppeu nicht so wie beim Erwachseueu
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BLEILÄHMUNG.
119
hervortritt, finden sich ebenfrills atypische Formen der Bleilähm im «^^ mit starker
BeeioträchtiguDg der unteren Extremität. Dass überhaupt die Beiue nicht selten
bei BloUfthmnog nütafficirt werden, beweisen die Beobachtungen voa Wbbbbb^),
d«r in 7 lUlaB ▼on Bleiaflbetioiieii 6iiial apastiaehe LAhmiing der Beine, die aidt
2raal mit SeDfliMlititaatOran^en verband, Imal Schwäche mit VerIlI^^t der Patrllar-
eehnenreäexe nnd nnwiUkflrliohe Zaokangea und Imal uncompUcirtc Schwftche
oonstatirte.
Auf alle FlUe sind Hbrigraa die Degenerationen der peripheren Nerven
bei der Rleilähmung weit ansgesprochener als die spinale, die bei einer von
JoLLY ^) mitgetheilten Section sich auf geringe Abnahme der Ganglienzellen nnd
das Vorkommen einzelner klumpig gewordenen Gauglienzellen beschränkte.
Literatur: •) D^jerine-Klampke, De« polifm^vrites en giniral et de« para-
Ijften et (itrti/ihii.t satiirriitie.s rn purtiruHer. Paris 1889. — ') Prevost nnd Binet, Recherchea
tx^iimtntalea itur l'intoxication aatumine. Bev. SouM. Üct-Nov. 1889> — *) Erb, NeoroL
Cantralbl. 1883. WS- 431. — *) Fiiker, Ltad poUtming wifh tpedal re/ermee to ihe
tpkuUcord and pertphenil nerve lesions. Amcr. med. Jonrn. Jnly 1892, paj?. 51. — ^) S ti egl itz,
Eine experimentelle Studie tilicr Bleiverffiftung mit besonderer Berücksichtigang der Ver-
iLnderungen am Nt-rvensystem. Arch. f. Psychiatrie. 1892, XXIV, H. 1, pag. 1. — •) Moe>
blas, Centralbl. f. Nerveabeilk. 1886, I, pag. 6. — ^Fouqaö, Intoxieation flombime»
Gas. des H&p. 1892, Nr. 21. — ') Webber, Satumine paralystea. Boston Jown. 1891,
Oet. 22. — ') Jolly, Anen- und BtottUimwic. Deotseh« lled.-Ztg.180S. Nr. 100. pag. 1174.
Haaemana.
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c.
CsnCrOin nennt Adamkibwicz eine von ihm dnreh NentralinreD des
Neurin (Trimethylvinylaramoniumoxydhydrat) mit Citronenpäure , Sättigen der
wässerigen 25° ^ igen Liisung dieses Salzes mit b° ^igeT Carbolsäurelösung und
Zusatz der doppelten Wassermooge , dargestellte Flüssigkeit. — Die erhaltene
NormallOfliiBir , welehe «r als Oaneroin I beieiehnet, giebt mit gleichen Thmlen
Wasser verdünnt das Cancroin II und mit der zweifachen Menge Wasser ver-
dflnnt das Cancroin III. Dieses Cancroin soll nach Adamkiewicz die specifische
Wirkung enthaltea, im krebskranken Organismus eine Anzahl von im Krankhaita-
faerfle iMfindliehea KTehesellen «btntfldlett, wodurch «• so Schwund dar krebsigen
Infiltration kommt« welcher entweder durch Resorption, durch entzündliehe Eiterung
oder durch necrntische Ab^tossung eingeleitet wird ; überdies wirkt das Mittel
schmerzlindernd und de.'^odorisirend. Die roberlcgungen und Versuche , welche
Adamkiewicz bei diesem Heilversuohe des Krebses leiteten, sowie die Erfolge
dieecB Vermichce hat er in dem nnten eitirten Werke aoeftthrlieh dargestellt. Er
vertheidigt zunächst die Lehre von der parasttiren Natur des Krebses gegenOber
der CoiiNiiKiM'sohcn Theorie von der Entstehung des Krebses aus Bchlummernden
Embryonulzelieu. Wohl laud Adamkiewicz in den Krebszellen keinen speciöscben
Mikroorganismns , avoh gelang es nicht , tünea solchen anf den gebrioohlichen
Nlhrböden zu züchten ; hfaigegen fand er, daas Garoinomiiartikelehen, vom lebenden
Menschen frisch iiml unter aseptischen Cautelen entnommen, eine rasche tiidtliche
Wirkung enttalton, wenn man sie bei Kaninchen durch Trepanation dem Gehirn
einverleibt, auch bei Implantation in die Bauchhöhle, doch in diesem Falle unter
weniger heftigen Erseh^nngoi. Adamribwioz folgert hieraus, dass in frisebem
Krebs^cwebe eine toxisehe Substanz vorhanden sei, welche spedfisdi auf die
Centren des verlängerten Markes einwirkt. Es gelang ihm, diese giftige Substanz
aus Krebsgeschwülsten in wässeriger Lösung zu erhalten, wobei sie ebenfalls ihre
specifische Natur bewahrt. Der in dieser Losung befindliche spedfischc Giftstoff wird
von Adamkiewicz als Cancroin bezeichnet. Die Implantation von Krebssubstans
in's (Jeliirii kann als charakteristische« Keagens zur Fc-tstdlung der krebsigen
Natur einer büsartigen Neubildung benutzt werden. Auf die gütige Natur des Krebs-
gewebee baut Asahkikwicz die Hypothese vom parsflitiroi Ursprung desscHiea.
üntersuchungen der geimpften Gehirne, in denen der Krebsparasit gedeiht, fahren
zur Annalime, dass der Krebsparasit nur im lolicudijrcn Ofi^'anismtis zur Entwick-
lung LMlaiiirt , die Krebszellen sind selbst diese Parasiten, denen Adamkiewicz
den >iamc'u Coccidium narcolytuH giebt. Das toxi.sche Product dieses
Coeeidium ist das Cancroin, es ist in dem Stoffwechselproduet desselben rathaltea,
und kann daher als Alexin gegen Krebs und somit zu Si lmtzimpfungen verwendet
werden. Da über der Krcbssaf't in der nt'Uhigen M< ii;^'t_- nicht leicht zu beschaffen
ist, suchte Adamkiewicz nach einem Surrogat desselben. ¥a zeigte sieb, dass
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CANCROIN. — CANGOÜRA.
121
panr frisches , noch nicht der Fäulniss verfallenes Leiehen^ewebe , vom Gebirn
der Kaninohea aus, dieselben Vergiftangserscheinungen erzeugt, wie das dem
Lebenden eatnommene Oareinomgrewebe; dangeniSn atdit also das Gift dee Leiehen>
maskels nahe dem des Krebses. Da nun die einsig wirksame Baae daa lUadNn
Leichengewebes das Chol in ist, aus dem durch Wasserabspaltung: Neurin ent-
steht, so prüfte Adamkiewicz die therapeutische Wirkun«: dieser Basen bei Krebs,
wobei er fand, dass die Einverleibung des Neurin in das krebskranke Gewebe
die AbtOdtnng einer Anaabi von Krebeiellen im KranUitttsberde bewirlct. Daranfhb
stellte er die Eingangs erwShnte eitronensaure NeorinlOtnng dar, welelie von nnn
an das künstliche Präparat Cancroin darstellt.
In den 25 Fällen von Krebs, deren HeiluDg ädaukiewicz versuchte, wurde
eine aolehe in keinem Fklle enielt. Das Caneroin wurde in geannde Pnrtien in
der Nälie der kranken Organe subcutan injieirt. Man beginnt mit der Lösung III
und injieirt langsam ziinftchst 0*2.t Ccm. der Flüssigkeit. Diese Dusis wird täg-
lich um 0 25 Ccm. gesteigert, bis sie 10 Ccm. beträgt. Bei dieser Tagesdosis
verbleibt man, so lange e3 die Natur dea apeeielten Fallen erfordert. Ob man zu
den LOanngen II nnd I sebreitet, und in weleher Weiae man dieaelben deairt,
hängt von der Individualität des einzelnen Falles nnd von den durch das Cancroin
hervorgerufenen Keactionen ab. Die Einspritzungen selbst sind nicht unbedenk-
lich, indem sie äbolich dem Tuberkulin gewisse allgemeine Intoxicationserscheinungen
erzenen. Der ProeesB an der Krebsgeaebwnlat selbst, den Adahkibwics als
Ileiluntrsvorfjanfi- durch Rückbildungsvorgänge auffasst , wird von anderer Seite
als Folge einer besonderen Reizung und Entzündung der Krebsgeschwulst gedeutet.
Literatur: A. Adamkiewicz, UntarauchnDgen über den Krebs und das Priaoip
Miser Bebandluag. Kit 4 lithograpb. Tafeln mä 4 Tafeln in Ltehtdraek. Wien 1893, Brau»
mtiller. Sifihe auch die Vorträge und Demonstrationen von Adamkiowicz, sowie die be-
züglichen Discussionen in den Sitzungen der k. k. Gesellsch. der Aerzte zu Wien. Wiener
med. FresM. 188S. paf. «71 «. A. Loebisch.
CäligOUl^. Ein eigenthUmliches Gift tiudet sich in einer anscheinend
zur Familie der Connaraceen gehörenden Liane, die an Fluasnfem in feuchten
nnd warmen Waldniigen von San Snlrndor Torkommt Die Samen dienen , mit
Maismebl su einer Paste gemacht, zum Vergiften gef.^hrUeber Thiere. Vögel fressen
die Samen, ohne dadurch vergiftet zu werden. Hühner sind auch gegen Extracte
bei Subcutaninjection sehr wenig emptindUoh ; auch sollen Uerbivoreu weniger
empfllnglicb gegen dag Oift sein als Oamivoren. Das Oift ist besonders interessant
durch das grosse Intervall, das zwischen der Einführung des Giftes und dem Auf«
treten der Symptome verstreicht. Sowohl bei subcutaner als bei interner Einführung
kleiner Mengen bleiben die Thiere zwei Tage gesund und verfallen dann in rauscb-
ibnlicbe Znfillie mit Taumeln, Heulen, Wntbansbraehen , nnwillkflrlidiem Ab-
gange von Harn nnd KoA, verkriechen sich in dunkle Beben, sind höchst ängstlich
und zeigen grosse Steigerung der Sensibilit.1t, dann kommt es zu RcissanfäUen mit
starkem SchHumen des Mundes. Die Zunahme der Speichelsecretion hillt
mehrere Tage au, während deren der Hund momentan das Bewusstsein verliert
nnd erst in 6 — 8 Tagen oder noeh spftter sebwinden adtw^e eintretende epilepti-
fornie Anfälle. Werden grosse Dosen subcutan injieirt, so tritt in 2 — 3 Stunden
Erbrechen , Stnblg.ing und Zittern ein . zugleich entsteht starke Vermehrung des
Speichels, dann wankender uud taumeluder Gang, au welchen sich vollständiger
Verlust der Willkflrbewegung seblieaat : hieranf treten eigenthtlmliobe Bewegungen
des Kopfes und der ExtremitHtcn, schliesslich Convulsioneu mit Oeffncn des Mundes
und Pupillenerweitening ein. An die sich vielfach wiedorholenden KrampfaufäUe
schliesst sich ein eomatöscr Zustand, in welchem der Tod nach 11 — 12 Stunden
erfolgt. Die Symptome lassen das Gift den Uirnkrampfgifteo und dem Physostigmin
nnhestebend ersdieinen.
Literatur: Bensen, Oh a nett poi$on. Pharm. Jonin. Traamit 28.Hay 1892,
pag. HasemanD.
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CATARACTA.
Cataracta. Seit der Kinführung der Asepisig in die Augrenheilkand©
hat man sich daran gewöhnt, die meisten üblen Znfille im iieilungsverlaufe der
StfturoponitioneD doxdi nungalhrnftos Meptisehea Vorgehen sa erklären. FrOher
schrieb man die BSatllsAlingen der Cornea, Iria und Chorioidea verschiedenen
Operationsfehlcm znr Last , die Wunde durfte iiiclit zu ^rross nein , denn eine
grosse Wunde iclafft leichter und heilt schwerer aU eine kleine , aber auch nicht
au klein, denn sonst könnte die Quetschung der Cornea dureh die austretende
Linse Sehaden hrinfen; die Iritexeision masete ausgiebig sein, da der Staar bei
der Entbindung die Iris (|uef8ehtt'; Linsenreste mussten vor Allem deshalb entfernt
werden, damit sie nicht durch den Cuntact mit der Itegenbogenhaut KntzUndung der
letzteren hervorrufen u. s. w. Heutzutage glaubt man sich fast Alles erlauben zu
können, wenn man nur ansreiehend aseptiseh sn Werke geht. Es sind dadnroh
unsere Ansichten über dio StaaroptTationcn west iitlii'h altorirt worden Und es ist
nioht ohne Interesse , die Methoden derselben in dem Lichte der neoen Ldire
Hevue passiren zu lassen.
Das leiste Jahr hat vor Allem 3 Arbeiten gebracht, welehe sieh mit
diesem Gegenstande besehlftigen : Ton Haab Puchs und Landolt. *) Während
die beiden Ersteren ihre eigenen Ansichten und Erfabrunfren kundgeben, bat Lamiolt
eine Art »»ciilistisehe En(jU«"te einlxTufen, indem er an die bekanntesten Ophthalmo-
logen Fragebogen versendete und die Antworten in einer hiicbst lesenswurtben
Arbeit snsammenstellte.
Ueber die Frage, wann man (dne senile Cataract operiren soll,
sind die Ansichten R>'hr petheilt. Früher war die einzige Autwort: sobald die
CSataraeta reif ist. iieif waren die Cataracten aber dann , wenn die Trübung
d«r I4nse eine ToIlstSadige und wenn das Stadium der Quellnng vorflber war.
Dies waren objectiv nachweisbare Kennzeichen. Jetzt hiilt man sich mehr an
den Begriff der Reife, ohne auf die Durchsichtigkeit oder rndurebsiebtigkeit einen
so grossen Werth zu legen. Keif ist der Staar dann, wenn der Zusammenhang
zwischen Linse und Kapsel ein so loser geworden ist, daas nach Eröffnung der
letsteren sieh die erstere ohne ZnrflekhMsnng von an der Kapsel adhirirenden
Bindenresten ausstreifen lissi Dafür giebt es aber nicht immer sichtbare Merkmale.
Namentlich gehf^ren ausser den reifen Staaren im früheren Sinne lang bestehende
Staare, die nicht mehr fortschreiten, besonders bei ülteren, über GU Jahre alten
Individuen. „Es gehören hieriier vorzugsweise ausgedehntere, gelbe, respeetive
gelbbraune KerntrUbungen mit relativ durehsichtiger Kand/one (banptsiehtich bei
Myopie vorkommend i, ferner intensive schalige Trübung der hinteren, zum Theil
auch der vorderen Corticalis, während die Kernzone uoeh wenig oder gar
nicht getrübt ist, und endlich reichliche Durchsetzung des gesammteu Linsen-
Systems mit gestrichelten nud punirt-, respeetive kleineren flAchenf^rmigen Trü-
bungen , zwischen weldien sieh noeh vMlig duiehsiohtige Linaentheile befinden''
(Alfeei) Gräfe).
Andere operiren dagegen jede Gataraeta, mOge sie reif oder unreif sein,
mOge das Individuum welehes Alter immer besitsen, und lassen sieh meist nur
von einer gewissen Hdhe der Sebstörung oder von dem Zustande des zweiten
Antres beeinflu?'son : die znrflckbleibendcn 1 .iiHt-nrest»' sollen entweder r^orbirt
werden oder werden dureh eine Nachoperatiou entternt.
Viele jedoeh, welche die spontane Reifung nieht ahwartem und doeh
keine unreife Cataraeta operiren woltmi, nehmen die kOnatliehe Reifung dureh
Discission oder nach F(»RSTKii durch Massage vor: mit oder ohne Irideetomie,
durch die Cornea oder mittelst eines Spatel-; direct auf der Linse.
Der Schnitt, den die AMeisteu mit dem Gu.vkk .sehen Liiiearraesaer aus-
fuhren, wird gew<lhnlieh naeh oben gemaebt. Hanehe wählen den unteren Horn-
hautrand. Der Sehnitt naeh unten bietet manche Vortbeile, doch disponirt er
mehr zu Trisvorf'.Ulen und kann, wenn eine Irideetomie gemacht wird, in Bleu-
dungserschoinungen Veranlassung geben.
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4
CATARACTA.
123
Die derzeit niei-^t umstrittene Fragre ist die, ob mau mit oder ohnelri-
d e c to m i e operiren äoli ? Bekanntlich wurde die alte Lappeuextraction stets ohne Iris-
anaaehneidung ausgeführt and ein derartig operirtes AugO| welches ohne Zufälle
geheilt ist, bietet natarlieh das Ideal eioce Reraltatei dar. Aber das Resottat
wird in vielen Fällen durch Einklenminng oder Vorfall der Iris getrttbt; es muss
diese dann doch exeidirt werden, manchmal erst am zweiten Tape, da der Vor-
fall nicht immer unmittelbar nach der Operation eintritt. Auch bietet die runde
Papille erfabmngBgemlaa fllr das Eedresnltat, die Sehsehirfe, kdneriei Vortbeile.
Freilich Laften der Iridectomie, die sogleich mit der Eztraetlon gemacht wird,
auch Kachtheile an, unter denen vor allen die Blutungen ans der Iris sn
nennen sind.
Diese mancbmal schwer , ja gar niebt so stillenden Blutungen , die das
Operationsfeld ▼erdecl^en nnd sn KapseleröAinng im Finstarn swingen, sind niebt
nur bflebst unangenehm , sondern können selbst das Operationsresultat in Frajre
stellen. Referent hat sieh daran {rewnhut , bei sehr alten Leuten, tlberhanpt wo
solche Blutungen zu tun hten »ind, wenn möglieh die iridectomie einige Wochen
▼oranssnsebieicen. Allerdings hat diese Zweltbeilung der Operation ihr Hissliehes
nnd iSsst sich nicht immer in 's Werk setzen, aber man mnss LandOLT*) beistimmen,
wenn er erkli'lrt. ..dass die Extraction nie leichter, angenehmer, ja »eradezu ver-
fUhrerineher ist, als an einem Auge, an dem frUher einmal eine Iridectomie gemacht
worden ist".
Die Mehrzahl der Operatenre ist fttr die Operation mit Iridectomie; von
denen, welche beide Methoden liben, will ich die Ansicht von F'üCHS ' i anffihren :
„Die Operation mit Irideetomie ist diejenige Operationamethode , welche leichter
auszufUhreu ist und weniger Gefahren mit sich bringt, weshalb sie sich fUr die
grosse Mebrsahl der Falle am besten eignet Ein eigentUeb ideales Resultat liefert
freilich nur die Operation ohne Iridectomie. Das Auge Sieht nach derselben ganz
unversehrt aus, woran sich allerdin{?s der «ach verstand i{je Arzt mehr erfreut als
der Patient, dem es ja uur auf das äehvcruiogen ankommt. Dieüe Operation ist
gleichsam eine Lvxnsoperation, welche man sieh in vollkommen gflnatlgen Fällen
erlauben darf."
BetretTs der K a p s c 1 c r ö f f n n n , die mittelst des feinen Häkchen*,
der Fliete oder der Kapselpincotte ausgcfUhit wird, ist nur der Vortheile zu gc-
dtnken, welche die Anwendung concentrirten künstlichen, namentlich des elek-
trisehen Lichtes fllr diese fiune Proeednr mit rieb bringt.
Die Aussptllungen der vorderen Kammer, an denen nicht viele
Augenärzte mehr festhalten, Hessen sich höchstens als Mittel zur Herausbeförderung
von Liosunresten , nicht aber aln antisoptichu Procedur vertheidigen. Nach den
Untersnehnngen von NufiL nnd Oornil *) sind alle in's Ange gebrachten Losungen,
selbst sterilisirtes Wasser, dem Endothelium der Hornhaut schädlich. Man wird
sie deshalb als unnütz nnd j^cfilhriich am besten bei Seite lassen.
Ueber die Nachoperationun (Iridectomie, Iridotomie, Linearextraction,
Usenticni) nnd deren Gofllbrlidikdt sind die Ansichten sehr getbeilt Während
ESnaelne die Discission fast allen Bztractionen nachfolgen lassen, sind Andere
wieder sehr .InfjstHch , vermeiden die Operation möglichst oder führen sie nur
mit grösster Vorsicht aus. Wie Landoi.t rÄth , müssen wir bei der Discission
noch sorgßiltiger die antiseptischon Kegeln beobachten als bei der Extraction und
die Macbbebandinng erheischt dieselbe Versiebt bei beiden Biogriffen. Zeigt sieh
Glaskörper in der Wunde, so serstOrt man ihn nach Knapp's Vorgehen am
besten mit dem Cialvanocauter.
Verband. Diejenigen Operateure, welche nach der Operation keinen
Verband anlegen oder welehe Extraetionen ambnlatoriBch ansfäbren, haben bis
jetst wenige Nachahmer gefunden. Es wird immer am gerathensten sein, das
Ange mittelst eines nicht moU'stirenden , »ut sterilisirten Verbandes zu schützen
und durch einige Tage beide Augen zu verbinden j nach dem Belieben des
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OATABACTA.
Operateurs kann der Verband daiiu in verschiedener Weise ausgeführt werden.
FÜCBS bedeckt dts Auge mit Gaze und Watte and hält diese nur mittelst der
ABLT'sebeii FflMtentreifen fest Zar VemMidanir von VarMbiebviig wifd ein ia
einem mit Flanell gnt gepolsterten Rahmen beflndlicbeä, ^robmasehiges Draht-
gitter über dem Auge mittelst um den Kopf geführter Bändchen befestigt.
Fuchs rühmt die Leichtigkeit des Verbandes im Sommer, den Schutz des Auges
gegen etwaige Berflbnmg der Haid und die Yemieidiing Jeden Dmekea auf daa Auge.
Die Proceduren, welche Lahdolt im lateresae der Aaepeia ynd Antl-
aepria empfiehlt, nind folgende :
Die Hände des Operateurs werden mit heissem Wa^Kor , Seife , DUrste
nnd Nagelrftumer gereinigt, das Fett dureh absoluten Alkohol entfernt und sie dann
mit einer starlmi aatiae|itiadien Ltonng sterUltirt (s. B. Sublimat 1 : 1000 oder
500; Quecksilberbijodür ; Listerin, id est eine Mischung von Eucalyptol, Menthol
und HorsSure ; Resorcin etc.). Will nnan sie trocknen, geschieht es mit einem sterili-
Birten Tuche und mau steckt sie in sterilisirte Handschuhe (Leinwandsäckchen
ndt oder ebne Danmea) und siebt diese erst ans, wenn man die Instramente er*
greifen will oder man operirt mit nassen Händen.
Die V e rh a n d gege n 8 1 .1 II d e (Watte, Binden, TropfwJisser, das w.lhrend
der Operation uüthige Wasser) werden in einem CHAUBKULA.su'schen Ofen mit
Waswrdampf r<Hi ISO* ateriti^rt« ebenso Lidhalter, Sonden, Spritsen o. dergl.
Betreib der Anwendung von troekener Hitse für die schneidenden Instru>
mente macht Landoi.t aufmerksam, dass dieselben bei einer Hitze von Ober
120* leiden, und dass die Temper;itur im Innern der Sterilisatiousöfen oft höher
sein soll, als sie die Thermometer auäsun anzeigen. Kochende:) Wasser hält er
fOr kein absolut sieheree Antiseplioum, da gewisse pathogene Keime aneb bei
100" ihre Leliensf^higkeit nicht yerlieren. Fflr das beste ebemisch wirkende
Mittel erklärt Lankoi.t d.is Oxveyanfinerksilher in einer L^Jsung von 1 : Hi») oder
1 : 200; man lässt die Instrumente mindestens 40 Minuten darin liegen und giebt
^e dann in sterilisirtes Wasser.
Ch IRRST empfiehlt in neuerer Zeit dnfaches Cyaoqueeksilber (10 Ifinuten
in l°/j,iger Lösnng, \v(irMiif die Instniniente in eine Lösung von 1: 1.500 ge-
bracht werden , da stiirkere Lösungen vom Auge nicht vertragen werden). Das
Ozycyanquucksilber soll nicht so leicht ganz rein zu erhalten sein und in diesem
Falle den Stabl angreifen.
Viel schwieriger ist die Desinfection des Operationsfeldes. LandolT
warnt vor Allem vor der zu energischen Reinigung des Conjunclivalsackes , da
man durch mechanische oder chemische Reizung leicht den für Mikroorganismen
gflnsttgen Boden und ttberhaupt fflr EntsQndnng nnd Eiterung günstige Bedin-
gungen schaffen kann. Man wasche das Auge mit einer dasselbe wenig reisenden
Flüssigkeit gründlich aus. Dazu werden empfohlen Sublimat 1 : 5000 von Sattler,
Quecksilberbijodür 1 : 20.000 , welches weniger reizend sein soll, von Panas,
Aqua ohlorata von Scbmidt-Rimpleb, Cyanquecksilber 1 : 1500, dem eine gewisse
Qiiantitflt KoebsaUUtoung beigegeben ist (1 : 7000). Als an und fflr sieb aaeptiaeb
und nicht reizend eignen sieh zur mechanischen Reinigung coueentrirte Boralure*
und ph\'si()logiH<'he KochsalzlTMung oder sterilisirtes Wasser. Mittelst eines Irri-
gateurs sind diese Flüssigkeiten wohl am besten anzuwenden, lia empfiehlt sich,
diese Proeedur schon sm Vorabend der Operation ausauflUbren , darauf einen
antisept^bcn Verband ananlegen und sie unmittelbar vor der Operation noeb
einmal vorzunehmen.
Untersuchungen von Hildebbanot^) und Bi^nukim*^) haben ergeben, dass
es dureh kein Antiseptieum gelingt, die Bindebant au sterilisirea. Doeh konnte
nachgewiesen werden, dass Anwendung von Antiseptieis , im Oegensatse an der
mechanischen Reinigung durch blosse Aseptica , die Keime verminderte und da.«8
wir durch diese Verniindeninir das Auftreten odtr wenigstens die Sehwere irili-
scher Proees.se beschränken. Bkumikim macht auch auf die bacterienfeindliche
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CATARACTA. — CHEMISMUS IM THIERKURPEB.
125
Wirkung der Thränen aufmerksam; Staphylococats pyofjenes aureus wird durch
dieselben in grosser Zahl veraichtet; Micrococcus prodigioaug dagegen gar aicht
beeinfiasst.
Bcflondere AnfnerkBamkeit Terdienen die Thränen wege, jedenfallB
soll man sie mit einer der genannten Lösnogen ausspritzen. Haab \i findet hierbei
öfters, als man planbon sollte, Verschluss oder Vereuperuo^ derselben und
verödet deshalb die Tbränearöhrchen am Tage vor der Operation derart, dass
er die galvanoeanstieebe OitdnelilinRe etwa 6 Mm. weit in dieselben einfUirt
und dann den Strom sehlieest. Will man keinen dauernden Verschlusa halten,
was, wie Haab meint, dort, wo er überhaupt angezeigt ist, das Beste ist, so
fuhrt man den Canter nur in da» Anfangsätiickcheo ein and man kann nachher
mit dner eoniseben Sonde den Verscbloss wieder lOaeo. Ansserdem staubt er
Jodoform in den inneren Winkel, auf die Wunde und in den Goojunetivalsaok.
Scbliesslicb darf nicht vergessen werden , dass man neben der loealen
Antisepsis auch die all;xemeine Körperpflege des zu Operirenden nicht vernach-
lässigen darf, und dass auch der Operateur sich selbst so aseptisch als möglich
maeben soll, s. B. dnreb Deeinfeetion TOn Kopf> und Barthaar.
Literatur: ') 0. Haab, Bemerkungen zur Staaroperation. Dentschniann's Bei-
trige zur Augenheilk. 1881, liL Heft. — E. Fachs, J>ie naaen Methodea der Staaroperatioo.
Vortrag, gehalten am 16- Dm. 189S. Wiener klia. Woeheaselir. 1893, Nr. 2. — ■) B. Lande It,
Der gegenwärtige Stand der Staaroiieratiun. Dentschmann's lifitrrifr-' zur Augenheilk. lS9:i,
VI. und VII. Heft. — *)Nuel etCornil, De l'endothilium de la chuinhrr atilMeurc Arch.
d'ophthalffl. 1890. — *) K. Hildebrandt, Experimentelle Dntersnchun^'en über Antisepsis
bei der Staaroperation. Dentschniann's Beiträge znr Augenheilkunde. 1893, VJ II. Heft —
*) Jacob Bernheim, Ueber die Antisepfis de« Bindehautsackes nad die bakterieafeindliche
Bigansehaft der ThriBan. Ibidam 1893. Till. Heft, Beut i.
ChftiSZiOn. Dbütschvann widerlegt die von Tangl anageeptoebene
Ansiebt, dasa daa Cbalaxlon als eine I^ooaltuberknlose aufzufas.sen sei. Der Erkran-
knngsprocess , um den es sich beim Chalazion handelt, ist eine chronische Ent
zttndung einer MEiBOM'schen Drflse mit Wucherung der DrUsenepithelien und
coDsecutiTer, cbroniseber, entzllndUeber IttfiHration des umgebenden Bindegewebes:
eine Adenitia et periadenitia Meibomtana chronica.
Die im Chalazion vorkommenden „r{iei=enzellcn" entbehren jeden Clüir.ikters
einer „Tubcrkclriesenzt Mc*', sie sind verschmolzene Conglomerate der gewucherten
FoUikelepithelicu. „Ott verwandelt sich der ganze Zellinhalt eines Acinus in eine
einzige „Rieeenselle**, ein andermal in deren melurare; werden dann die Aeini
durch die überwuchernde Rundielleninfiltration des umgebenden Geweben aus
einanderjredrflnpt, so findet man flfter entweder eine oder mehrere Kiesenzellen"
als Centrum eiues KuOtcheuä, das ausserdem aus Rund- und Epitheloidzellen aut-
gebaut ist. Niemala aber kann dn derartiges Knffteben einen Tuberkel vortänseben ;
es trägt unter allen Umständen in seiner Form und seinen Elementen den Stempel
seines Ursprunges ans dem Drflsenacinns und seiner Umgebnngssooe mit Capillar-
gefässen."
Tangl bat in seinem Gbalazion spirlidie Tuberkelbacillen gefunden.
DbütSCHmakn gelang dies nie, aueb das Impfresultat bei Kanineben war in fünf
untersuchten F'iUlen ein negatives.
lu-.i T.scuMAXX. der Tanol's Hefunde nicht anzweifeln will, meint, dass
Letzterer keinen typischen Fall von Chalazion, sondern einen chalazionähnlichea
Knoten bei Tuberlsulose der Conjunctiva vor sieb gebabt babe.
Literatur: Deatschmann, Zur Pathogenese des Chala/.ion. Beiträge znr Augeo-
heüknnde, henosgegeben von DentKchmann. 1891, XI. Heft. — Taogl. Ueber die Aetiologie
des Ohakudm». Beitrag« zur patbologisehsn Anatoarie ond nur allgiBMiinsn Patbologie.
189a IX. R««i«.
ChBinisnillS im ThlSrkdrpSr. Man versteht darunter die Oesammt-
b<rit der chemischen Procese, welche im Thierkörper ablaufen. Im Einzelnen sind
aie schon in der Keai-Encyclopädie , 2. AudagOf in den Artikeln Oxydation,
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126
OHBMTSHÜS IM THIBRKÖRPrat.
XV, pag. 122, ReductioD, XVI, pag. 495, Synthese, XIX, pag. 306, ge-
wardigt wordeo, doch scbeiDt bei dem Inrnnandergnälini diesw ▼ersehiedMieii ProeesM
eine smainiiieiifMMBde üebenieht, welebe von der Bedeutung und dem Umfange
jedes einzelnen dieser Processe eine Vorstellung^ liefert, gerade hier am Plritzc.
Von den chemischen Leistungen des Thiorkörpers bekommen wir am
ehesten eine Vorstellung, wenn wir diu Einnahmen und Ausgaben des
ThierkOrpers ihrer QunlitAt naoh vergleiehen, d. h. die Zuaammen*
Setzung der Bestandtheile der Nahrung , beziehungsweise des Thierleibet mit d«r
ZoBammensetzuna- dorienigen Stoffe vergleichen, welche den Thierkörper mit den
Ausscheidungen i^Ausathmungsluft, liaro, Koth u. A.) verlanden. Da findet man
dmn, dass, vom Waeier und den Selsen abgesehen , die in den Einnahmen und
Ausgaben in gldeber Weise anxntreffen sind, die Hanptbestnndthei 1 e der
thierischen Nahrung <'r;r;inisclien, hoch zusaninieiigesetzfen und niedrig
oxydirten Verbindungen hestohcn , den E i w o i ss k ö r pe r n , den Fetten und
den Kohlehydraten, wiihreud wir iu den Ausscheidungen vorwiegend
Stoffen beg^nen, welche entweder gar keine organisehen mehr sind, wie die
Kolllensiure und das Wasser , oder sich gleichsam auf der (^renze zwischen An-
organischem und Organischem belinden, wie der Harnst<itl', das Biamid der
Kohlensäure, der ausserordentlich leicht iu Kuhleusäiire und Ammoniak zerfallt. Nun
ist schon beim Chemismus der Atbmung (vergl. Eneyel. Jahrb. II, pag. 68)
entwickelt worden, dass jeder tbierische Oiganismus der stnndigen Zufuhr von.
Sauerstoff zur rntorhaltung seiner Eebcnsprocesüc bedarf. Bei den Wirhelthieren,
welche rothe Blutkörperchen in ihrem Blut führen , tritt der Sauerstotf der Luft
in lockere chemische Bindung an das Ilämoglobin der rotben Blutkörperchen.
Das arteridle Blnt , welches mit Sanerstoff tut gesättigt ist, erleidet auf dem
Wege bis zw den Capillaren keinen irgend erheblichen Verlust seines SaiKTstoff-
gehaltcs. während das venöse Blut einen erheblicben Mindergebalt an Sauerstoff
gegenüber dem arteriellen aufweist. Aus letzterer Thatsache ergab sieb der
Schlnss, dass der Yerbraueh des Blntsauerstoffs auf dem Wege durch die Gapillar^
bahn erfolgt (ebenda, pag. 77). Dass dieser Vorgang nicht im Capillarblnt selbst
stattfindet, -sondern vielmehr ans diesen der Sauerstoff in die .sauerstoffarmen nnd
koblonsilurereichen Gewebe diffuudirt, beziehungsweise voo den sauerstoffbedUrftigen
Geweben gebunden wird, in denen er verbraucht und dafülr Eohlensiure gebildet
wird, dass also der Ort der Oxydationen nnd Zersetsongen in die Gewebe sn
verlegen ist, scheint sieh aus der Erfabrun^r von HOFPK Seylek zu ergehen,
wonach mit leicht oxyd.iblen Stoffen, Zucker oder Milehsftiire versetztes Blut
selbst bei Körpertemperatur kaum oxydirend wirkt, weder eine wesentliche Ab-
nahme seines Sauerstofl^, noch Zunahme der COs-Bildnog zeigt, wobt aber, wie
Müller -) geseigt bat , wenn das mit Zocker etc. versetzte Blut kUn.stlieh durch
ein frisch ausgeschnittenes „überlebendes'* Organ, z. B. die Niere oder den Muskel,
geleitet wird, also allseitig mit dem Gewebe in innige Berührung tritt. Endlich
spricht dafür die Beobachtung von PflüGSB*) und Obrtvann, wonach SalsfrOscbe,
deren Blnt durch V«P'^>>^9® KochsalslOsung ersetzt ist. annähernd so viel
Sauerstoff verbrauchen und CO, bilden, als nurniale liiutf'ilhrentie. Man bezeichnet
diesen Sauerstolfverbraucb und die CO.i -Bildung Inden (Jeweben wohl als innere „Ath-
mung oder Gewebsatbmung''''. Dies mit der Eingangs angeführten Zusammensetzung
der Ausseheidnngen aus dem Thierkörper snsammengehalten, hat man seit Latoisibr
I 17.^^5) ziemlich allgendn den Sata aufgestellt, dass in den tbierischen Organismen
durch den in den Lungen aufgenommenen .'^anerstotT organische Substanz verbrenne ;
dass durch die Verbrennung der eingeführten Nahrung die organischen Stoffe
immer hühat oxydirt werden, bis sie der Hauptsaebe nach als Wasser, Rohlen-
Binre nnd Harnstoff aus dem Körper austreten. Auch diese Oxydation muss der
Hauptsache nach in den (Jewelien, '.-•enatier in den Ocweltszellen vor sieh gehen,
welche dem vorl)eiströmeudeu Capillarblnt den für ihre Zersetzungen unerlässlichen
Sauerstoff entziehen.
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CHEWSMDS IM TBIBRKÖBFBR.
187
WaA nun das Material dieser Oxydationen und den Ort dieser Um-
Betzungen anlangt, so ist zaoftcbst berTorzobeben, dasa auob in den Oeweben die
ebemisebea UmseUnngeB durch die Tbttigkdt der Zellen eingetütet werden. Ans
der in die Gewebsinterstitien gesetzten Lympbef welche anaser den Bestandtheilen
des Blutplasma n(»t'h die aus dorn Darm resorbirten Näbrstoffe enthält, nehmen
die Gewebszellen je nach ihren chenti-^cben Atiinitiiten Stoffe auf, um sie weiter«
bin dnreh die jeder Zelte dgene und in den yersebiedenen Oeweben yersebleden«
artige Tbfttigkeit mit Hilfe des dem Capillarblut von den Gewebszellen entzogenen
Sauerstoffes zu verarbeiten. Dass iiidess nieht die Affinitäten des Sauerstoß'es allein
die Processe, welche im i hierkörper ablaufen, beherrschen , dafUr spricht eiuiual
das Vorkommen von KOrpem im Harn, die wie die Harneäore Ideht weiter
ozydirt werden könnten, sodann der nnverinderte Uebergang von Stoffen in den
Harn, welche, wie das Brenzeateebin (\ 11^ fllOX , sonst mit grosser Begierde
Sauer.«t()tT aufnehmen, w.'lhrend auf der anderen Seite die .sehr schwer oxydirbaren
Fette, das Paluiitin, Stearin, Uleiu, im Thierkörper vollständig unter Bildung von
CO, nnd H3O serlefrt werden. Endlieh treten sogar Rednctionsprodnete, wie das
ürobilin, mit dem Harn ans dem Körper heraus. Einer solchen Verbindung von
Oiydations- nnd Reductionsproceseen begegnet man indess auch ausserhalb des
Organismus ; bei Verbrennung von Holz bei ungenügendem Zntritt von Sauerstoff
bilden sieb, neben CO., nnd HoO, aaeb Kohle nnd andere Rednetionsprodnete.
Ausserhalb des Thierkörpers erfolgt die Einwirkung des Sauerstoffes, wie
bekannt, » rst, wenn die verbrennliehcn Stoffe bis zur Entzündungstemperatur erw.irmt
werden , die bei ver.schiedenen brennbaren Stoffen verschieden i^t . zumeist aber
hoch über der Kürpertemperatur gelegen ist; auf Bolohe Tempi raiur kann der
ThierkOrper seine ozydablen Stoffe niebt erheben. Zur Erkttrong, wodureh die
Zerfalls- und Oxydationsprocesse im Thierkörper zu Stande kommen, mui^s man,
da sich die Bedingungen der Aus.senwelt von den im Körper herrschenden nur
dadurch unterscheiden, dass mau es in letzteren mit Zellen, also mit Organismen
n thnn hat, die rJltbselhafte Ursache der Oxydationen in der Organisation des
Thierkörpers suchen. Naeh neueren interessanten Erfahrungen von .Tacquet*")
wflre das die Oxydation vermittelnde Agens fdr ein Irt.i^lielie.s Ferment oder
l'Lnzym anzusehen. Was aber auch immer die Ursache der Stoffzersetzuug sein
mag, so lassen sieh die bisher gemaehten Erfahrungen aber den AUnnf der Zer-
setanngsproeease etwa so susammenfassen : bei den Stoffxersetiungen im Thier-
körper erfolgen ffir frewöhnlieh keine einfachen O.xydationeu , sondern es spalten
sieh eomplicirte cliemi.sche Verbindungen in ihre Componenten (Di-SKoeiation), ent-
weder geradeauf ohne Zutritt eines Stofi'es (einfache Spaltung; , oder unter Auf-
nehme von Wasser (bydrolytisehe Spaltung) oder unter Aufnahme tou Sauerstoff
(oxydative Spaltung); daneben können noeh allerlei rednetive nnd synthetisehe
Proeesse vorkommen.
Danach steht jedenfalls so viel fest, dass im thierischen Organismus
SpaltungB- nnd Oxydationsproeesse nebeneinander herlaufen. Don entspreehend
werden die organischen Stoffe nicht sofort in die letzten Eodproduete zersetat,
vielmehr fiinJct die-^'r rtliergang allmälig durch Mittelglieder statt, Zwischen-
producte der Kückbildung oder, wie man sie wohl nennt, der regressiven Meta-
morphe, die man auch in wechselnden Mengen in verschiedenen Orgauen und
Geweben aniriffit. Eine knrae Zusammenstellung der im Thiwkdrper swiseben dem
Ei weiss und dessen Endproduct, dem Harnstoff, vorkommenden N-bsItigen Mittel-
glieder ergiebt bezüglich des Verbiltnisses ihres N zum C Folgendes:
Biweiwstoffe eotbalten I Atom N auf 3'/, Atome C
Leimstoffb „ l „ „ , 3V, „ „
(ilyi "Cüll cnthiilt 1 „ ,„2 „ «
Kreatin, Kreatinin entlialteii .... 1 „ n » IVb n «
Harn»äar« entUlU 1 „ » » IVt n 1,
AllantoYn „ 1„„„1 rp
Harnstoff , 1 „ , „ „ „
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OHBHISlfüS IM THZERKOBVBK.
In dem Masse , al» die einzelnen Glieder dieser Reibe an Kohlenstoff
verarmen, werden sie an StickstoÖ' und zugleich an Sanerstoft' reicher. Von den
iwiadiMi EiwelM und Harnitoff gdefenm, jedenfalls aehr sahlreiehen Ifittel»
gliedern kennen wir bislang nur wenige, doch geben diese uns einigen Anfscbluss
Aber die Art, wie die Bildnnp' des Harnstoftes zu Stande kommen kann. Leucin,
Glycocoil, Asparagins&ure und Ammoniaksalze sind höotist wahrscheinlich als Vor^
•tnfeii des HarastoAes hn ThierkOrper «utiiselieft; denn fahrt man die enrtUiDte&
StofRs in den Körper ein, so treten sie nicht als solehe, sondern in Form von
Ranistoff mit dem Harn heraus. Da nun Leucin und Asparaginsäure im I>.irm
durch Einwirkung des Panereasferments auf die KiwciHskörper . Ammoniaksalze
durch Fftulniss der Eiweisstcörper im Darm entstehen, so iat es wohl gerecht-
fertigt» antonehmen) dass diese im Darm gehildeten Stoffe naeh ihrem Uebertritt
in die Körpersftfte weiterbin in den Geweben sich sa Harnstoff umsetsen. Und
zwar ist die Bildungsstätte ftir den Harnstoff in die Leber zu verlegen. Wir
haben gelegentlich des Harns zwei Körper kennen gelernt, das Xanthin und
Hypoxanthin , welche sieh von der Hamslnre durah dnen Hindergehalt von 1,
resp. 2 Atomen 0 im Molekül untefsoheiden ; es dürften daher das Hypoxanthb
und Xanthin in der Reihe der rejjre'^siven Metamorphose unmittelbar vor der
Harnsäure rangiren. Da die Eiwei.sskörper 1 Atom N auf 3 ' o Atome C\ der Harn
Stoff aber 1 Atom N auf nur ^/ j Atom 0 enthält , so müssen bei der Abspaltung
des HamstoffiBS vom Eiwmsa N-freie, O-haltige Prodnete entstehen. Was wird nnn
aus diesen? Auch sie werden mit Hilfe des Sauerstoffes ebenfalls durch eine Reibe
von Zwischenstufen, in denen der 0-Gehalt immer grosser, der C-Gehalt immer
kleiner wird , zumeist wohl bis zu den Endproducten , Kohleut>äure und Wasser,
sersetit. Ist indess die Menge dieser naeh Abspaltang des Harnstoffes vom Bi weiss
entstehenden N-freien Stoffe grosser, als nnter den jeweiligen Bedingungen im
OrganlHunis an^'e^rifTen werden kann , so wird dieser IJeberschuss M-ahrsehoinlieh
in Eett umgebildet und als solches abgelagert. Die Beobachtungen Vikchow's*)
über die fettige Degeneration der eiweissreiehen zelligen Elemente, sowie von
Hopps-Setlbr und von VoiT*^ haben es wahrs^eiiiUeh gemaeht, dass ans
dem zerfallenden Ei weiss eine kohlenstoffreiche Substanz abgespalten wird.
Docli fehlt es noeb an zwingenden direeten Beweisen. Ffir eine nnlglicho
Bildung von Fett aus Eiweisskörperu spricht eiumaj die Bilduug vou
Fettwa^ (Adipocire, aus palmitinsaurem und stearinsanrem Kalk beetdiead) in
eiweisshaltigen Oeweben langsam verwesendtt Ldehen, femer die Tbatsache, dass
Kühe bei einem an Fiweissstoffen reiclieren Futter auch fettreit^here Mileh gt ben.
Indess ist nicht auszuschliessen, ob nicht, da üUweissnahruug den Ulycogengebalt
der Leber erhobt, erst dureh das ZwisehiMigUed des Glycogen bindoreb sieh ans
Eiweiss Fett bilden kann, ist es doeh nunmehr ausser Zweifel, dass ans Kohle*
hydraten Fett entsteht. Einfacher gestalten sieh die Zer-^et'/iingsvorgänge bei den
Kohlehydraten. Der von aus.sen eingeführte oder auch durch die Wirkung des
Mund- und Bauehspeicbels auf die Amyiaceen gebildete Zucker tritt als solcher
hl'« Blut über. Mit dem Blute den Organen sugeftthrt, wird er dann verhMtnIss«
mJI^Rig rasch zu COj und II. 0 zersetzt. Fdr die directe Oxydation des Zuckers
sprieht die schon von Kk(?xaiilt und Hkisf.t •;- ronstatirte Thatsaehe, dass nach
Einfuhr von Amyiaceen oder Zucker mit der Nahrung von dem eingeathmeteu
Sauerstoff ein eriieblieh grosserer Tbeil in der Form von Kohlensture wiedar-
erscheint, als bei Fleischnahrung. Werden aber Kohlehydrate im UcbersehttSS,
in erheblich gnisseren Mengen, als zur Deckung des Bedarfes erforderlich, zu-
gcftihrt, HO frägt es sich , werden auch sie volLst-lndig dem Sauerstoff zur Beute,
oder können sie sieh in irgend einer Form im Körper aufspeichern? Diese Frage
aufkttwerfen ist man umsomdir berechtigt « als die Erfahrungen rationeller Vieh-
zucht gelehrt haben , dass bei einem I'ebersc Inns an Kohlehydraten im Futter,
vorausgesetzt , dasü dieses die den Bedarf deckende Eiweissmenge enthält , bei
Günsen, Enten, Schweinen, Kühen und Schafen ein reichlicher Fettansatz, M&stung
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CHEMISMUS IM THIERKORPER.
129
endelt wird. Man hftt daraus auf Fettbildung: aus Kohlehydraten gesohlossen und
für ilire Möglichkeit, ja ihre Wahrschcinlichkt it ausserdem die Erfahrung geltend
gemacht, dasä die l'ettarmeu Carnivoreu bei Zusatz von Kohlehydraten zur Isah*
rang msetsen, sowie die Thataeehe, daaa Bienen, welohe ansseUieeslidi
Zucker erhalten, WaobB XQ produoiren fortfahren, einen Stoff, der den Fetten
nahe steht. Indes-i hat man hei der eine Zeit lang vorherrschenden Neigung, jede
Fettbildung im Körper auf Spaltungen der Eiweissatofic zurückzuführen, die eben
erwilinten Erfahrongen nielit so gedeutet, ala spriehen sie fBr Bildung des Fettee
aas Kohlehydraten, vielmehr sie dahin erklärt, dass vermöge der stofflichen Fähig»
keit der Kohlehydrate , bei gleichzeitiger Verabreichung mit Eiweiss die Zer-
setzung des letzteren zu beschränken, also eiweissersparend zu wirken, der Ein-
flnsa der Kohlehydrate auf die Fettbildung nur ein iudirecter sei, insofern sie
leieliter als die Biwmisatoffe unter die Bedingungen des Zer&Us geriethen und
dadurch die N-freicn Spaltungsprodacte des Eiweiss vor der Zerstörung schützten.
Nun sind aber neuerdings bei Omnivoren (Schwein) von Soxhlet Meissl ")
u. A. , bei Herbivoren (^SchafJ von Hknneueeo bei Vögeln (Gaos) von
B. Schulze ^^j, endlich bmm Camivoren (Kund) von J. Hdnk und Rübnbr
so grosse Quantititen von Fett zum Ansatz gebracht worden , wie solche weder
durch da-; ans dem zer'^ctztcn Eiweisn ahspaltbare Fcft, noch durch das Nahrungs-
fett hätten geliefert werden können; für die Entstehung eines Theiles von dem
unter jeoen Bedingungen angesetzten Fett mflssen sioberlich die Kobleliydrate
als Quellen in Ansprueh genommen werden. Zur UeberfUimiig der O-nrmen und
0-reichen Kohlehydrate, z. R. Zuoker Cq Hj, 0 ^ in die C-reichen und 0 armen
Fette, z. H. Olein C-,; 11,^^ 0« , muss zunächst eine kräftige Reduetion (O-Ent-
ziehuDg) und weiter eine Condeusation mehrerer reducirter KohiehydratmolekUle
SU einem einsigen Molekttl in's Spiel treten.
Die Fette können, so sdiwer sie sich sonst dureh ozydirende Agentien
zersetzen lassen, im Organismus einer vollständigen Auflösung zu COj und 11^ 0
unterliegen, woferu sie nicht im Ueberschoss zugeführt werden. Die Annahme,
dass die Fettbildung «berwiegend auf das mit der Nabrung ttbereehflasig zuge-
führte und im Körper nicht zersetzte Fett zurückzuführen ist, ist fOr den Pflansen-
fresser von Vornherein nicht wahrscheinlich , weil die bedentende Fettablagerung
bei der Mästung und die so erhebliche, durch die Milch erfolgende Fettaus-
scheidung zu dem Fettgebalt der pflanzlichen Futtermittel in keinem Verhältniss
Steht, ausserdem die Thierfette von anderer Besehaffisnheit sind, als die Fette
des Futters. Daraus folgt aber nicht, dass mit der Nahrung Oberschflssig einge-
führtes Fett nur indirecte Bedeutung für die Fettablagerung hat . wie dies eine
Zeit lang angeuommen worden ist; das Nahrungsfett sollte in gleicher Weise wie
die Kohlehydrate leiehter der Zersetzung anheimfallen und dadurch die Spaltungs-
prodncte des Eiweiss, aus denen Fett sich bilden kann, vor dem Zerfall schützea.
Den flberzpiiireiidpn gegentheiligen Beweis haben LebRDEFF i*) und .T. Ml'NK *')
geliefert; nach reichlicher und längere Zeit fortgesetzter Fütterung eines Mundes
mit Hammelfett, beziehungsweise RQböi, kam ein Fett zur Ablagerung, das dem
Hammelfett, beziehungsweise Rttböl, ehemiseh weit ähnlicher war, als dem nor-
malen Hundefett. Damit ist der directe Uebergaug des Nabrungsfettes in die
Zelleo des Thierkörpers sieher erwiesen.
Zu den Oxydationsvorgängen gehört ferner die Bildung der Schwefel-
Sture. Alle Eiweissstoffs enthalten ausser 0,H,0,N aaeh S im Molekfll; dieser
Schwefel wird bei der Zersetzoog des Eiweiss vom RiweissmolekUl abgespalten,
unterliegt weiterhin der Oxydation zu Schwefels.lnre, die in Form von Sulfaten
(zum kleineu Tbeil au aromatische Substauzeu gebunden) mit dem üarn aus dem
Körper austritt
Von anderra Oxydationen seien erwähnt : die der flflehtigen fetten Sftnren
(Ameisen-, Essig-, Butter . Capronsfture u. A.), sowie der organischen Säuren
(Milch-, Citronen-. Aepfel-, Wein- und Bornsteinsfture) zu COa und HjO, sowie
SDoycIop, Jahrbücher. III. 9
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190
CHBHTSKÜS IM TBIEBKÖBPBB.
deren Alkali-^alzo 7.11 Ho 0 und Na CO^, welches in den Harn übertritt ; ferner
die Oxydation de» Alkuhols und des Glycerins ebenfalls zu II3O und CU3, die
dM Bensol sa Phenol, des Bensylalkoliol, Bencaldehjrd, der 2iwumtr und Mandel'
aiiure sn Benzut'säara, des Tannin zu Gallaiaäure.
Der Cbeniisnins des l'hit rlcl ens erscheint somit als eine Summe von
Oxydatiuns- und Spaltungsprocuä^en , im Wesentlichen als ein analytischer Vor-
gang , vermöge dessen die hoeh iBMunmengeeciEten und niedrig oxydirten Be-
■tandtbeile des Thierkörpers, besielinngsweiae der von aussen in ihn aufgenom-
menen NahrunfT in finfadi zusammengesotzto und hoch oxydirte Verbindunjren :
Harnstoff, Kohlensäure, öcbwefels&ure und Waaaer zerfaiieo und als solche ans
dem Körper entfernt werden.
Allein neben dieeen Proeesien linden aneb die nmgekebrten Vorginge,
synthetisebe und Rednctionsprocesse statt, und gerade die neueste Forscbnng hak
den Kreis unserer dit-sbezöglichen Kenntnisse wesentlich erweitert. Bcnzo^'siture,
innerlich gegeben, verwandelt sich nach Wöulek ä Entdeckung im Urgauismus
nnter Pnaninf^ mit OlyeoeoU und Aastritt der Elemente dee Wassers in Hippor-
sfture; ebenso nach Baumamn Phenol CeH,,.OH, innerlich ge^'tbcu . unter
Taarnng mit Schweftlsilure und Austritt von Wasser, in Phenolschwcfelsflure,
C, Hj.O.HSOs. Die Leber verwandelt den ihr vom Darm durch die Pfortader
anströmenden Zucker, gleichfalls unter Wasserentziehnng, in Glycogeu. Ammoniak-
salse, s. B. das Carbonat, in den KOrper eingefUirt, lieben, ebenfalls nnter
Wassereiitziebung, in Harnstoff über. Man bezeichnet solche Substanzeti, insofern
sie durch Wassirt'nlziehung entstehen und wiederum unter Aufnahme von Wasser
leieht verändert werden, als Anhydride. Auf der anderen Seite werden in den
Darm eingefObrte feste Fettsftnren (Oel , Pahnitin-, Stearinsinre) im Organiamns
unter Paarung mit (ilycerin zu den entsprechenden Neutralfetten, nnd zwar aucb,'
ohne dass mit den fttten i^iUiren <rlei<'hzeitijr Olycerin gegeben war. indem der
Körper, wie bei der Hippursilurebitdung das (ilycucoU, hier dag Glycerin selbst
hergiebt; su gelaug es J. MüXK^") naeb liiugerer reieblicber Fflttemng eines ab-
gemagerten Hundes mit den festen Fettsäuren des Hammeltalgs, nieht diese,
sondern (neutrales) Hammclfett am Körper des Hundes zur Ablagerung zu bringen,
und bei «'inem Menschfn mit einer Lymphtistfl nach NCrabreichiinir von Fett-
säuren das entsprechende Iseutralfett in der austliesseuden Verdauung!>lyuiphü
(Gbylns) naebanwmen. Es sind noch andere ayntbetisebe oder Rednctionaprooesse
als im Thierkörper vor sich gehend erkannt, so die sebon berflhrte Umbildung
der Kohlehydrate zu Fett im Thierkörper.
Aber selbst wenn unsere Kenntnisse nach dieser Rlebtung noch weiter
snnebmen M>llten, so viel stebt fest, dass die synthetischen nnd Rednotionsprooesse
im TbierkOrper gegenflber den analytischen, den Spaltungs- und üxydations-
processen , (juantitativ zurflcktreten. Ma-r auch durch Synthese im Thierkörper
Bildung complicirt zusammengesetzter Verbindungen , wie z. B. des (aus 6 Ele-
menten bestehenden ) Hämoglobin , zu Stande kommen , immerhin bedarf es dazu
des Vorhandenseins organischer Substanze» (znr Bildung des Hlm(^lobin: der
Eiweisskörporl : ein Fall von Aufbau einer organischen Substanz aus rein
anorganiseheni Material im Thierkörper ist (wenn wir von der nildun;r des an
der Grenze von Organischem und Anorganischem stehenden ilarnstoties aus
Ammoniaksabsen abseben) bisher nicht condtatirt. Noeb weniger vermag der Thier-
körper die wiebtigsteii M int r organischen nultlifile : Kiwciss. Fette und Kohle-
hydr.'ite. ans .Anorganiscliciii autziiliauen . \ ii lnichr kehren iliirch das Leben der
Thiere jene complicirt zusammeugesctzteu organischen Stotle wieder zu einfachen
anorganischen Verbindungen: Wasser, Kohlensäure, Ammoniak und Scbwefel-
sfture zurflck.
Wenn nun so der Thierkörper seine organischen Bestandtheile zerstört,
ohne dazu befilhifrt zu sein, sie wieder aufzubauen, so frajrt es sich, wo entstehen
diese wichtigsten organischen Cuuätituentien des Thierkörpers: die Eiweisdkörper,
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CHEMISMUS IM THIEBKÖRPKR. — CHLOROFORM.
131
die Fette und Kohlehydrate, primSr? Einzi°: und allein in der jrrünen, chlorophyll-
haltigen l'tiaDZCDzelle. Kg führt uns dies auf die schon vuu Justus v. Likbig
(1840) in den HauptzUgen sehnrf erkannten Untenehiede im Chemisnraa swisehen
Thier nnd Pflaoze. Auch in den Pflanzen verlaufen fermentative Prooesse und
nachfolgende Oxydatidnen , doch nur sofern Rio kein Rlattgrfln , Chlorophyll ent-
halten und von der Sonne nicht belichtet werden. Sobald das Sonnenlicht die
grUneu Pflaozentellen bestrahlt, ändert sich der Chemismus der Ptlaoze: die ^yo*
thetisehen nnd Bednctionaproeeeie treten in den Vordei^ond, während die Spal-
tun|?s- and 0^dntioniTOr;;iln^c jenen L'o^enüber zurficktrcfen und von secandArer
ßt'deutuni? werden. Der Aufbau pünimtliclier or»aiii8elien , N-freien Stoffe erfolgt
unter dem Eiuliuss des Sonnenlichtes in den grünen i'tlauzenzelleü aus den
Moleetllen der Koh1en«anre CO, , oder bener ihres Hydrates H, 00, ; die Auf-
nahme Ton COj seitens der Pflanzen aas der Atmosphflre, dem Boden, dem
Wasser, (Ins >ie durch die Wurzeln sehopfen , die Verarheitun^r dersclbon auf
synthetischeui Wege in mehr oder weniger compliuirte organische Verbindungen
ist die eigentliehe Basis fBr das Bestdien der Thiere. Dureh die Einirirlcnng des
Chlorophylls, welches einen Theil der rothen und gelben Strahlen des Sonnen^
lichtes absorbirt, auf da» KohlensÄurehydrat wird letzteres rediicirt. O, in Frei-
heit fiesetzt, wilhreiid C zum Aufbau des l'<lanzenk«irpers , in erster ijinie der
Kohlehydrate, sodann der fetten und ätherischen Oeie, sowie der organischen
Sinreo verwendet wird. Die Eiweissstoffe wie die anderen N«haltigen Stoflb
(Aspara^in. Srdanin etc.) bauen die Pflanzenzellcn auR Ammoniak, salpetriger oder
Salpetersflure auf, die sie als solehe oder als Salpeterverbind uniren aus dem
Boden oder dem Regenwasser aufsaugen , den in das Eiweissmolectll eingehenden
Sebwefel höchst wahreeheinlich ans den im Boden weitverbreiteten sehwefelsaaren
Salzen. Die Keduction der Kohlensaure H^CO;j, der Salpeter- nnd salpetrigen
Sflure IlNn uiid HNO . der Sehwefelsilure H,_, Sf>, i^t mir der er^'te Schritt des
verwickelten rHunzenehemismus; um aus den Heductionspiudiieten die organischen
StoflTe za bilden, daza bedarf es umfangreicher Synthesen, über deren Ablauf
sieh nnr mehr oder weniger begrOndete Vermnthnngen aafstellen lassen.
Litoratur: ') FI n pp e - oy 1 c r , ^Ic.i -(-}if>ni. rnteis. 1^66. 1. p;i<r. l'?!! —
Müller und Ladwig, Her. d. aäcbs. Ges. d. Wisj«., matb.-physik. Cla«se. lötli^, pag. 14Ü. —
^ Pfiagrar. dMsSH Areb. VT, pag. 343; XIY, pai;. 630. — A. Jacqnet, Arf hiv f. ezp.
Pathnlop. XXIX. pap. i^Öf]. — *) Virchow, des-eii Arch. I. pag. yj; IV, pag. 2.81; VIII,
pag. Ö38. — '•') Vergl. U <» p p e ■ S ey le r'« Phy.siul. Cliciii. ISSl, IV, pag. lUO^- — ") Voit,
Ztisanitneniitellung in Ilerniann's Handb. d. Physiol. VI, Tli. 1, pag. — ') Regnault
und Roisei, Jteeherchea sur la respiration. Paris 184^. — Soxhlet, Zeitschr. d. land-
wirtbseb. Yerein« in Bayern. 1881, An|?0!<tbeft. — *) Meissl, Zeitaehr. f. Biologie. XXII,
pag. — '"i Hcnin^berg, ebenda, XVII. y.i^. ^'.1.5. — ") Sclnil/.e. Landwirth.sch.
Jabrb. IS"^::*. pag .')7. - '*) J. M ii n k , Virchow's Anhiv. ("I. pa;:;. l.jO. — ' ') Rubner,
Zeit.schr. f. Biologio. XXIII, pag. 21!^. — ") Lebednff, Ontralbl. f. d. med. Wj^s. 1882,
Nr. 8. — .1. Münk. Vircbow-.s Archiv. XCV. pag. 416. — '«) Fr. Wohl er, Ueb-rsetzung
von Berzeüus' ThitTcbeinie. Dremieu 18H1. pag. 37ti u. 441. — '") Baumann, Pflüger's Archiv,
XII, iiag. tW; XIII, pa-. :JS5. — '^) J. Münk, Arrli. f. (Anat. u.) l'hysiol. 188:1 pag. 273;
Yirchow's Archiv. XCV, pag. 437 i J. Münk nnd Rosenstein, Vircbow's Archiv, CjLXlJI,
pa^. 255. — Vergl. noch die Literatur der Artikel .Oxydatioa", „Bedndion" nnd „Synthese".
J. Mank.
Chloroform. Hokaniitlif'h wird bei der Disonsaion tlber die Ursache
des Ohlorot'ormtodes bei ^t'arcoseu auch die chemiBche Hesehall'enheit des Chloroforms,
namentlieh dessen leiehte Zersetsnng, welebe zur Entstehung von COGU, Kohlen-
stoffozyehlorid (E'hoi^^en^as : , fuhrt, in 1<ttr:icht •rezogen. Da aber die Gegenwart
de^ Phosfrenfjases in ( 'liloroforni .lich sclxui ilureh den .nifTallend stechenden (lerueb
bemerkbar macht, (.'hioroformtod aber hiiuliji; in Fällen beobachtet wurde, in denen
das Chloroform allen Anforderungen der Pbarmacopoe entsprach, so war man, um
jene Fllle in ericllren, in denen anseheinend weder der Chirurg, noeh das nareotisirte
Individuum für den Chloroformtod verantwortlieh gemacht werden konnten, geneigt,
als I rstache desselben bisher nicht nachweisbar«' Verunreinisrun^en des Chlorororma
anzunehmen. Demgemäss erscheint der V' ersuch Pictet s, das Chloroform durch
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OHLOBOFORtf.
Umkrystallisiren in der Kälte von etwaigen Verunreinigungen zu befreien und
daä so gereinigte Chloroform der ärztlichen Anwendung anbeimzustellen , wohl
gerechtfertigt. Raoul Pictbt braebte du von ihm dargestellte Prlparat ab
Vhloroformium medtctiiale Pictet in den Handel. Um nan die I^Hge
zu btautworten, ob eine etwaige bisher nicht bekannte Verunreiaignng des Chloro-
forms einen oachtheiligen Kiutlusfl auf die Narcose habe , führte R. Dü BOIS*
RKyxo.NDi) mit den Rttekatiaden von der Reetlfieatioa des OMorofbrmB Thier-
versnehe aas, aus deren Ergebnissen wir die folgenden Sehlasssätze hervorheben :
1, Ad Oestait der Pulswelle und Frequenz der Athnning war kein rntersehied
zwischen der Wirkung des Rückstandes und des Cfdorofürmiuin medicinaU Pictet-
zu büuierkeu. 2. i^er Blutdruck iat in der grossen Mehrzahl der Fälle im Augen-
blieke des Athmangsstillstandes hoher, wenn Ohlorcfarmium mediemale als wenn
Rückstand inhalirt wird. 3. Die Zeit, innerhalb deren die Einathmung zam Stillstände
der Atbmung führt, ist hei Anwendung des Rückstandes bedeutend kürzer als beim
Chloro/ormium , medtcinale y und zwar verhalten sich die Zeiten durehschnittlich
wie 7 : 11. Demnaoh fallt R. DD Bois-Retmomd den Yonog des krystallisirten
Cblorofurms fflr die ärztliche Verwendung nidit durch die ausgeschiedenen Un-
reinlgkeiten, sondern auch duroli die Wirkung für direot crwicscii. Gegcnübi r den
obigen Mittbeilungen führte jedoch Schacht -j in der pharmaceu tischen Gesellschaft
zu Berlin aus, dass eine Zersetzung des Chloroforms nieht wegen der fremden Bei-
mengungen desselben, sondern dnroh das Niohtvorbandensdn von Alkohol bedingt
wird; er hält das Cldoroformtum medicinale Pictet für ein gute Handelsmarke,
welche jedoch ebenso wie jedes andere Cliloroforni der Zersetsung dureh Luft und
Licht unterliegt.
An«h BiLTZ *) neigt dnreh direote Versnehe, dass alkoholfreies Ohloroform
der Apothekeu und aikoholfrnes Chloroformium medieinalt Pictet in gleicher
Zeit die bekannte Zersetzung, welche mit dem Auftreten von freiem Chlor beginut.
erlitten. Die Kectiücatiou des Chloroforms durch lüllte stellt nach Biltz immerhin
eine Verbessemng der Rwndaistellung des GMoroforms dar, deren Werth hanpt-
sftchlich auf medioinisehnn Gebiete gesucht werden muss ; in Besng auf die Halt-
barkeit ist jedoch ein bevorzugender Unterschied zwischen dem PiCTET'schen
Chloroform niid dem gewiihnlichen nicht zu finden . beide Präparate sind der
bekannteu Zersetzung am Lichte in gleichem Masse uuierwurfeu. Bis nun ist der
hohe Preis des Chluroformium medietMde PicUt ein Hindemiss für dessen Ver-
breitung. Von ärztlicher Seite spricht sieb 0. Houenemsbb*) ftlr dasselbe aus,
während es DB Rkcbtsrs bei Nareosen keineswegs besser fand als sonstiges
reines Chloroform.
Bezflglieh der Ton Operateuren gemaehten Erfahrungen, dass duteh das
Chloroformbren bei Gaslicht sowohl an Kranken als Gesunden nieht unbetridit-
liehe Str.rungen des WohllM-lindens auftreten . haben L. EiSFA'I.OHR und Cr,AT:DIO
FOKMi I durch Versuche gezeigt, da-^s, wenn Chloroform durch die (iasHamme streicht,
dasselbe unter Bildung von freiem Chlor und Chlorwasserstutlsüure zerlegt wird,
ond swar war der Promillegehalt der Lnft an Salzsinre mindestens doppelt so hodk
als der an Chlor. Es ist daher zweifellos, dass es bei mangelhafter Ventilation
in einem Operationszimmer zu einer allmitlig eintretenden Anbitiifung dieser Gase,
namentlich in der Nähe des Operationstisches, kommen kann, welche gosundheits-
sehädlieh wirkt. Phosgengas konnte beim Dnrehgange von Chloroform dordi die
Gasflamme niebt aufgefunden werden ; sollte dieses tll>erhaupt in der Flamme
entstehen, so müsste es durch das beim VerlurennangBprocesse entstehende Walser
sofort wieder zersetzt werden.
Pbtbuschky zeigte, dass das Chloroform nicht nur, wie schon BaBBUl&
angegeben, während der Nareose die alkalis«^ Reaetion des Blntes herabsetit,
sondern dass es bei der todtlichen Vergiftung die Alkalescenz der gcsammten K^rper-
sfifte vollkommen aufhebt nnd meistens sogar eine deutlieh sa ur e Reaetion derselben
herbeiführt. Die« lässt sich an der Leiche durch Untersuchung der serösen FlUssig-
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CHLOROFORM. — CHLÜROSIS.
133
keiten mittelst Lackmuxpapier nachweisen, auch im Blute, wenn man glattes Lack-
muspapier bentUzt und dasselbe naeli jrendfrendem (^ontact mit dem Hinte in g^enau
ueutraleiu Wusser abspült. Doch kumtut diese Säuerung der Kiirperüiifte als Gift-
Wirkung, lo wdt bis jetst eoostatirt, auch dem Aetber, der SalzaiDre, der Blna*
•fture nnd dem Arsen zu.
Literatur: ') R. d n Bo i s -R ey mond , Thierverauche uiit den RürkständeTi wm
d. Rectitication (1. Chlorofonus durch Kälte. Therap. Monatsh. 1892, 21. — •) Schacht. Biltz
in der Sitzang der iiharmacentischen Ge.sellscbaft in Berlin vom 4. Febru^ir 1S92. Pharm.
Centralhalle. 189^, 80. — ') 0. Hohenemser, Chloro/ormiummedicinaU }*icUt,illinehnt9t
med. Abhandlnngeii. 1892* IV, 3. — *) de ReehterB, Narcosen mit Chtorof. mtdfe. Pietet,
Presse m6d. bele;?. 1892, 5. — Ludwig; Eisenlnhr iiml Plundio Formi. Die 'Act-
setzunnsprodiiete des Chloroforms b»?i Chlorolormirung in mit Flammen erleuchteten Räumen.
Arch. f. Hygiene. XIII, Heft 2. — ' I J. I'etrnachky, Deber die Einwirkung des Chloroformsf
nnd anderer Gilt« auf die alkalische Beaction der Köipeiaifle. Dentache med. Wochenschr.
1891.20. Loebisch.
ChlOroformnaChwirkungen. Luthkr i i;< bort hloroformnacbwirkungen.
MUnchener med. Wochenschr. 1893, Nr. 1) gelangt bezüglich des Vorkommens
TOD Eiwdss nnd Gylindem im Harne naeh CbloroforminbaUtion zu folgenden
Reraltaten :
1. Ks besteht eine völlifr«' rcberein:^timmun°: de.s klinischen Bildes mit
den ehemischen und mikroskopiacbeu Uet'uadeu. Wenn keine Cbloroformnachwir-
kangeo eintraten, wie Uebelkdt, Erbreeben, leterns ete., dann war aneb im Harne
niebts Abnorme« nachweisbar.
2. Vor (liT Nrirkose wurden all«' llarno bis auf einrn (Voi vnn abnormen
BestandtbeiU'ii hetundeii. In diesem einen Fallr. wo eine Spur Eiweiss nachweisbar
war , traten die heflig.sten Nachwirkungen ein und zeigte dementsprecheud auoii
der Urin die größten Verttuderongen dw Nieren an.
3. Albuminurie und Oylindrnrie geben meist Hand in Hand und ver-
schwinden naeh ktlrzerer oder Iftnf^erer Zeitdauer, meist in wenigen Tazen. Ebenso
lange halten manche klinischen Symptome von Nachwirkung an, als da sind
Troekenbeit der Lippen, Durstgefuhl, Behleehter Oeaebmaek, Nadigeeehmaek von
Chloroform, Appetitlesigkeit ; nnd wenn leterns da war, so fiüit anch dessen
Ende damit zu^aninnMi.
4. Die Cylinder aiud meii^t hyaline, bezieh uagsweiso gekörnte, seltener
Epithel- nnd Waebseylinder.
Ldthbb stellt biemaob folgende Tbesen anf:
1. Chloroform ist auch bd nnr kurz dauernder Narcose im Stande,
deutlich wahrnehmbare . wenn auch vorübergehende V('r.1nderun3:en der Nieren
berbeizufUhren. Sein liebrauch ist daher zu beschränken auf die Fälle, wo es
notbwendig ist; die blosse Natsllebkeit «nd Annebmiiebkdt soll niebt an
seiner Anwendun;r führen,
2. Vor jeder voraussichtlich lilnfrer dauernden Nareo>?e muss der Harn
des zu Cbloroformireuden untersucht werden. Niercuerkraokungen geben viel mehr
dne ContraindicatioD gegen die Nsreose ab als die meist mit Uarecht gefflrcbteten
Hersfehler (mit Ausnahme der fettigen Entartung des Hersmuskels, und diese kann
man nur vermnthen, aber nieht dia<;nosticiren).
3. Ganz besonders sind die Narcoseu der Schwanfreren und Wöehueriunen
dnxusebränkon. Als Mittel zur Bekämpfung der eclamptischen Anfälle ist das Chloro-
form absolut SU verwerfen, weil die Dauer der Narkose meist eine so grosse
sein muss, und weil die Nieren Eelamptiseher fast ausnabmslos patbologiseb ver-
findert sind.
4. Es steht zu erwarten, dass die Anwendung gelinder Diuretica von
wohltbätigem Einflüsse auf die Chloroformnaebwirknngen sein wird.
E u 1 n b u r g.
ChlOrOSiS. l? l e i c b s u h t. i Ver-l. Keal Encyclnpädie. 11. Aull., Bd. IV,
pag. 210 und Eucyclopäd. Jahrbücher. Bd. I, pag. 149.) Unter den uioht sehr
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134
CHLOBOS^IS.
zahlreichen Mittlieihin^on der letzten zwei Jahre, weif he die Patholoorie der Chlorose
behandeln, änden sich verscbiedeoe ADdeatuogeOf welche das Wesen der ErkrankuD^
voD einer primlren Stömiig der M^;ea- und DarmtliäHgkeit ableiten mfleliten.
So weist Pick auf die Htnflgkeit von Magenaffeetionea . und zvar besonders
Zuständen von Atonie «ud E<'tasie des MajreiiH, bei der Krankheit hin und halt
es dementsprechend für naheliegend, bei einem Theil der Falle die Aiiwe-äenheit
TOD Producteo gestörter Magcuverdauung , alau eine A u to i u to x i ca t i u u als
ein die Cblorose noterbaltendee Atioloxiselies Moment ansasehen. Er glaubt diese
Anschaiiuni!: durch therapeutische Versuche g:estUtzt /u haben, indem er bei 16
chlorotisehcu .Mädchen , po^ren deren Krankheit Mon.ite lanp fortfresetzte Kigen-
tberapie vergeblieh gewesen war, metbudisehe MagenausspUlungeu anwendete
ud hierdnreh Oiwrrasehend schneite Heilung erreiclite. Aebnlieb gute Erfolge
eriiielt er in Besug auf die Magenbesebwerden durch eine (denn6drende) Behand-
lung mit Creosot.
Dieser AuffaHsun-r stehen jedoeh andere Krfahrun?iMi «re^-enflbcr. So neien
hier die Angaben von Kktiiekö •) über 18 Fälle von reiner Chlorose verschiedenen
Grades rtrwlbntf bei welehen Beobachtungen bezflglirli der Im Darm stattfindenden
Plulnissprocesse angestellt wurden: hierbei zei^iten in 14 Fallen die Aether-
8C Ii w e f e 1 s ii 11 r e n des Harnes keine V e r in c h r u n fr , sowohl vor wie wflhrend
und nach der Eisenbehaudlun;r. Kauach wird in den Darm Störungen der
Chlurotiscben nur eine Fulgeerscheinung des Gruudleideus gesehen.
In Besug auf den bei (Sitorose festtustellcnden Blutbefnnd bestiltigen
einige neue Angaben die Erfahrung, dass hier neben der Verminderung des Ilftmo-
globiii^irehaltes auch die Abnahme der R I u t k ö r p e r e h e n z a h 1 dentlicli zu
sein pllegt. Bei KJ Chlorotischen, deren Hliit v. Limhkck i untersuehte, fand »ich
diese Oligoeythämiu neben der Oligochromiimic in der Weise ausgesprochen, dass
der Blutbefund demjenigen anderer Anämien gegeuQber fOr in keiner Wdse
cbarakteristiseh erklftrt wird.
Von sonstigen wichtigeren klinischen Symptomen der Clilnr tHe .seien die
V e n e n t h r o m b o s e n hervorKeholieii. welche die neueren l'rl.ihriiiii^t n fortfahren
häutiger als früher bei der Krankheit /u beol»aehten. So konnte l'Hu\:\ *) 'Jl Fälle
(Uwunter die Hftlfte neu), welche diese Complieation teigen, xusammensteiien. Hierbei
vertheiltc sich der Sitz der AfTection so, dass 6 Fülle eine Thrombose der Hirn-
sinns, die übrigen eine Venenthrombose der rnterextreinitfUen zeigten. Die Throm-
bose scheint in jedem Stadium der Chlorose auftreten zu können, auch tiohoa
naeh kurzem Besteben derselben (einmal schon naeb einem Monat). Im Allgemeinen
bevorzugte sie die si'hweren Krkrankungflformen mit starker Rlutverfinderung. Be-
gflnstigeiid w ;ir eine mit refrelm.'i.-Jsiger Muskelanstrongung. bes(mders der Heine i Stehen.
Gchan) vcrbuudeue ik'.'<chilfti^ung ; Gele;:enheitsur,<ache wurde h.'iurig ei» Ibrcirter
Marsch oder sonstige excessiv« Muskelarbeit. — Die PhlegmaKie der Uuterextremitäten
begann xunilehst mit Vorliebe links (unter 13 FAtlen 9mal), was aus der Neigung
zur Obstipation und der daher von den unteren Tbeilen des Colon ausgehenden
Conipres<ion abfreleitet wird; in ♦» Füllen war sie sehlies-«lich doppelseitig'. — Kinijre
Male wurde der Eintritt der Thrombose durch vorau-sgebende Temperatursteigerung
(38-5— SD'O) angekündigt.
Pathogenetisch leitet Pbost die Thrombosenbildung von der Alteration
der (iefnssendothelien an den Stellen starker Reibung and von der Veränderung
der Hiulmischun^'' ab. In Heziiir auf die .Mri^rliehkeit einer infectiöseii Grundursache
hat er Oulturversuche mit dem Blut von 4 Chlorotischen angestellt , 3 davou mit
negativem, den vierten mit zweifelhaftem Erfolg. Mit mehr Wahrscheinliohkeit
möchte VT die C:rundursaebe in einem durch Muskeltbätigkeit irelieferten scbädlieben
Extractivstoff sehen.
Einen frnten Heleg für llitufigkeit und Sitz der bei Chlorose w.ahrzii-
nehmcuden a u ii m is e h en Herzgeräuscbe giebt eine von Bakus") neuerdings
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CHLOROSIS.
135
gelieferte klein«* Statistik : Fiiter 205 Fällen einfacher Chloro«e waren dieselben
in 115 vorhanden und fehlten in i^O, and zwar waren sie hörbar
nur an der Herzbasis im 66 Fällen
»an Heraepitie „18 „
an der Basis und Spitze „24 „
„ „ Spitze und ;im Kücken 22 „
Dabei wird besonders die letzte Kategorie betont, bei welcher das
Ckrftaseb aneb am linken Angtdus »capulae gebOrt wnide, was im Allgemeinen
als charakteristisch fQr das bei Mitralinsufficienz za hörende Geräusch angesehen
wird. Hiernach ist hervorzuheben, d&m dan anämifiche GerAuscb eventueU alle
Cbaralitere des orgaDischen Blitralgeräusches zeigen kann.
Eine SbnUebe Statistik entwirft Richardson ■) für das bei der Obloiose
zu hörende Halsveneugeräusch. Unter 180 ^iseben FiUen oblorotiseber
Mäd hen , bei denen der fiAmoglobingeluüt im Blnt anter 50% der Korm betrag,
witrd« coastatirt
kein Halsveoeugerinseb iu ö'J Fällen = 49'4o^o
dasselbe nur anf der reebten Seite . . . „ 60 „ = 38*8%
» » « » li"ken „ . . . „ 11 „ s= 61«,o
„ auf beiden Seiten >i 20 „ — II I* q.
Gleichzeitig konnte eine gewisse Beziehung zwischeu dem Auftreten des
Monnengerlnei^es und dem Hamoglobingehalt de» Hintes festgestellt werden.
Für die Bdiandlnng der Cblorose fabren di*' neuesten Heobachtungen
damit fort, den grossen Eisen dosen vor den früher üblichen kleineren
den Vorzug zu geben. Vou den einzelnen Eisenpräparaten ilndeu sich in den
letsten Jabren speciell empfohlen das Protojoduret ferri, das Eisenoxalat, das
Ferr, carbonui, «aeeharat. ete. Aneb die snbentane Anwendung des Eiseos
findet weiter ihre warmen I-.obreflner. 5Jf) hält Magagnt dieselbe für weitaus
das be«te Mittel, um die bei Chlnrosr vt rinindt'rf e Thiltigkeit der hämatopoetischen
Organe (zu denen er Leber, Milz und Kuoeheumark zählt) anzuregen. Als Vortheile
der Hetbode fBbrt er an : die Sebonnng des Magendarroeanalee ; die gleiobmissige
Einwirkung auf sAmmtlicbe blntbildende Organe (wiiirend das vom Darm ans
resorbirte Kisen besonders auf die Leber wirken soll); die Möglichkeit, grössere
Dosen einzuführen; die Schnelligkeit der Wirkung und die Vermeidung von
Obstipation. Von Eisenealzen bevorzugt er, neben dem Ferr, cüncum, das Fbit,
pyr&phoitphor. cum Amnion, ckriv. ; als Dose empfiehlt er tSglicbe Injection von
0-2 ; in der Mebriabl der FJÜle sah er naeb 50 — 100 Injeetionen die Heilung
eintreten.
Neben der Anwendung des Eisens und ähulich wirkender Mittel hebt
y. HössuN*) für die Bebandinng der Ohiorose die Wiebtigkelt der Hetboden
hervor, welche durch energische Anregung des Stoff Wechsels eine Vermehrung des
Häuiof?lobinp:ehalteH im Blut herbeizuführen im Stande sind, nilnilieh der Hydro-
therapie und der Massage. Da erstere hier durch starkeu thermischen Nerven-
reis wirken soll, ohne viel Wirme %n entstehen, so ist die knrse Anwendung
niedrig temperirten Wassers (kalte Abreibung, Hrause-^ Voll- oder Halbbad), eventuell
nach vorher^'^elii iider Wärmestauunfr (durch Einpackung etc ) am Platz. Die Massajje
passt für die besonders schweren Formen der Chlorose, namentlich wenn sie mit
starker Abnahme des Körpergewiebtes eiobergehen und wird am besten nach dem
Uodns einer milden pLATFAUt'selien Onr angewendet.
Die zur Hebung der Chlorose und der sie begleitenden Verdauungs-
beschwerden empfohlenen Maß'enausspUlungen nebst der Anwendung des Creosot
wurden schon oben angeführt. ^)
Der neuerdings gemaehte Vorseblag, Oblorose nnd verwandte AnJUnien
durch Aderlässe zu heilen (vergl. Encyclopäd. Jahrbücher. Bd. I, pag. 152),
wurde bisher nur von weniiren Seiten nachgeprüft. Neu ist hier citK- MittheiliiTig
von äCHUBK&T ZU erwähubu , welcher nach 15 Fällen die güastige Einwirkung
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OHLOR08I9. — CHOLERA ASIATIOA.
kleiner Aderl&sse (Vi — 1 (>rm. auf das Pfund Körpergewicht) bestätigt. — Eine
Erkllron^ diew» gllnstiii^ea Binflusses wird in einer anderen Mittheilung in der
durch den Aderlass hervorgeniffloen abMtonden Wirkung «nf beetebeode oon-
gwtionelle Zustitndci der Sexualor^ane pres^ucht.
Endlich wiederholt 11. ScBULZ i^) kürzlich die Empfehlung des Schwefel s
für die Behandluug der Chlorose (vei^l. Encyclopäd. Jahrbücher. Bd. I, pag. 152)
und mOebte deo Natsen dM lUtldB von ^er dureb denen Bfaifabrung erreiobten
Beförderung der Eüweine^ation im Kftrper tUeiten.
Literatur: ') A. Pick, Znr Therapie der Chlorose. Wiener klin Wochenachr.
1891. Nr. 60. — ') R <• t Ii e r.s , Beitrags zur Pathologie der Chlorose. Inang.-Disa. Berlin 18M1. —
V. Limbeck. Notiz de» Blutbefundes bei Chlorose. Prager med. Wochenscbr. 18dli
Mr. 10. — Proby, X>e la Thrombose veüMiue ehez Ut CMorotiquea. Pari« 1890. —
*) Barn, Clinieal ohtervotUm» on th» tardiae bruit* of (^loro»it. Avur. JoQm. of ned.
Scienc. Oct. 18'J1. — *) R i c h ;i rd s n n , On hritlf ih' diable in f'/ilorosh. Rrit, iiiod. .Teurn.
27. June. — ') Magagni, Contributu alla rura drlla Cloranemia coUe injezioni sottocutanee
disali di/erro. Raccoglit. med. 20- u. 30. Giugno 18!Hl. — <>) v. Hdsalia, üdWdi« Behand«
hing der Anjimie nnJ Chlorose nnd den Einfluss der Hydrotlierapie und Massage auf dis Bliit-
bildung. Müuchener med. Wochenschr. 1891. Nr. 45. — *) Schubert, Die Behandlung der Bleich-
sucht mit Aderlässen und ^Schwitzbädern. Wiener med. Wochenschr. 1S<<1, Nr IS. —
^'^Scbücking, Ueber Bleichnacbt und Stoffweduel. Ebenda. l>in, Nr. 21— ;>3. — ") U.
Schuls, ZurBehandluig derCbloroM mit SdiiialU. BarliDcr klin. Woehansehr. 1892, Nr. 13.
Biats.
Cholera asiatlea. i. Hi storisches. Seit dem Jahre 1883 ist Europa
in der Oefiihr frewpsen, wiederun» nach einer litnfreren Frist der Schaiiplat?, atir-i-
gedehnter Choleraepidcroicn zu werden. Im Wesentlichen blieb die Seuche in den
Jahren 1884 — 1886 auf die südlichen Länder Europas besehrinkt, wo es nament-
IkA in Frankreieb, Italien (Genna und Neapel) nnd in Spanien an verbeerenden
Epidemien kam. Durch Schiffe wurde die Krankheit aueh nach .Ameiilca ver-
schleppt: und so brachte das Auswanderun^.stuchilT „Matteo Bruzzo" den Cholerakeim
nach Chile hinüber, worauf sich in dic;«em Laude im Jahre 188G die indische
Krankbeit avsbreitete.
Mittel' und Nordeuropa blieben bis zum Jahre 18*)2 bis auf einige wenige
Ausnahmen verschont. 1886 kamen iirplntzlieh einige Cholerafälle in der N.the
von Mainz, in Finthen und Gonsenheim vor, deren Ursprung unaufgeklärt ge-
blieben ist*), ebenso in Bresiaa und Budapest. In derselben Zeit bemebte eine
Clioleraepidemle in der Umgebung von Triest, Ober die Gedbbb ausfQbrlieh
berichtet hat. Htircli italienische Dampfer kam es von Neuem zu einer Ver-
.schleppnnfr der Kraiikljeil nach Arireiitinien. 1887 erscheint die Cholera in
Sicilieu uud ISl'U vou Neuem in Spanien.
ESrsi vor wenigen Monaten, im August 1892, bat sieb der grimme Feind an
der Kordgren/e Deutschlands gezeigt nnd dazu mit einer Heftigkeit und Wildheit, dass
man die eutset/.li«die Angst des Laien wohl zu verstehen mag. Um die genannte Zeit
trat mitten im tiefsteu Frieden urplötzlich und mit einer fast beispiellosen Schnellig-
keit in der Ausbreitung in Hamburg eine Choleraepidemie auf, wie man mit Reebt
gesagt bat, explosionsartig, welebe binnen drei Monaten 17.975 Personen auf das
Krankenlager w.irf und iint«T ihnen TfU 1 T'ersnnen. also 42'8-' „ der Erkrankten
tödtete. ) (Jleiclizeitig mit Hamburg erkrankte das mit ihm in unmitttdbarer Berührung
stehende Altona und bald wurde, namentlich durch Cbolcrallüchtige und Schiffer,
die Krankheit in wMtere nnd weitere Kr^se getraf^. So sab man sebr bald
iSngs der WasFer.strapsen, die mit Hamburg in Verltindnn^' stehen, d. h. in den
Ge'detcii der l'Ihe , Havel, Spree. Oder, WeiclHol uml des Klieine-», CholerafHlle
auürctea. Dank der Sorgfalt und strengen Ucbcrwachuug seitens der Staats-
behörden ist efi bisher gelungen, überall den Keim zu ersticken nnd eine grossere
Verbreitung desselben zu verhindern.
Wie der Chfdcrakciin nach Haml»iirg ^^cl.-mL'tc . ist bis Jetzt niclit auf-
geklärt, l^^s liegen dafür zwei Möglichkeiti n vnr. Einmal könnten russische Aus
Wanderer das Krankheitsgilt mitgebracht habcu, dcnu Russlaud hatte seit Anfang
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CHOLERA ASIATICA.
137
1892 eine recht au8o:obrcite Chnleraepidemie , oder der Chnlerakeim ist durch
französische Schiffe , vielleicht aus Havre, nach Hamburg eingeschleppt worden.
Im April 1892 war es nämlich in der Nabe vuq Paris, in der Strafanstalt
Nantene, ni einer Gholeraepideiiiie gekommen, wdehe beld auf die Vorttidte Ton
Paris and anf Paris selbst ubergriff. Von Courbevoie hm Paris wnrde im Juli die Seuche
nach Havre gebracht, wo am 14, Juli der erste Cholerakranko verstorben sein goll
und sicher scheint es jedenfalls zu sein, dass von Havre aus Antwerpen durch den
Dampfer „St. Paul** angeatoelct wnrde. Von woher die Oholera pKHslieh in die Nlhe voa
Paris kam, Unt eich nicht einmal vermuthungswoise feststellen, und es ist au be-
fürchten, das'' man hierfiber niemals zu einem sicheren Aufschlüsse gelangen wird.
In unverantwortlicher und lächerlicher Weise bat man das Herrscheu der Cholera
in Frankreich fortzuleugnen versucht und noch bis auf die letzte Zeit hin viel-
&eh nnr von einer choleraihnliehen Krankheit gesproehen, obeehon Nmia bereits
bei den ersten Erkrankungsfällen KoCfl'sche Kommabacillen in den Darmcnt-
leerungcn nachgewiesen hatte. Man hat gemeiut. es seien von einer Epidemie des
Jahres lbÖ4 Keime in der Umgebung; von Paris verborgen geblieben, im Wider-
spruch mit allen Brmngensehaften der Bakterienforadmng sollte aneh der vw
breitete Darmparasit, das Bacteriutn coli commune, sich plötzlich in Cholera-
bacillen nmgcwandelt halien, ja, man hat sogar versucht, die Cholera in Frankreich
von Hamburg aus herzuleiten, obschon in Hamburg die erste Choleraerkrankung
am 16. August vorkam, während in Paris weit dem April nnd in Havre seit dem Joli
Cholera herrsehte. In Bezug anf eine mögliche Eänflilir der Cholera aus Russland naeh
Hamburg muss hervorgehoben werden , da?«H unter den auswandernden russischen
Juden , die in besonderen Räumen in der Nähe des Hafens untergebracht und
Uberwacht wurden, keine Choleraerkraukuug vorkam. Koch soll der Meinung sein,
dass möglicherweise Wisehe, welche mit Oholerastnhl in Bussland verunreinigt war
nnd in di r Elbe in Hamburg gereinigt wnrde , die Quelle der Ansteekung ab-
gegeben habe.
Während in Hamburg selbst die Choleraepidemie gegen Ende October 1892
ihr Ende erreichte, hatten sich mittlerweile , wie bereits erwähnt, neue Cholera-
herde von Hambarg ans in der Nachbarschaft und namentlich längs der Ströme
der iiunMintscIien Ebene gebildet D.i/ii kam der Ausbruch der Seuche in Bel'^ien
und Holland und späterhin in Galizien und Ungarn. Bis zu dem Augenblicke, in
welchem diese Zeilen niedergeschrieben werden (Härsl893), liest man immer
wieder von neaen und neuen Erkrankungen. Berechtigtes Aufsehen maehte dne
ausgedehnte Hausepidemio , die im Februar 180.3 unerwartet in der Irrenhetl*
anstalt Nietleben bei Halle an der Saale auftrat. Hounruhigendc Nachrichten kamen
von Marseille, doch scheint es hier gelungen zu sein, vielleicht weniger der Seuche
Herr au werden, ah vielmehr die Sache in gewohnter fk'anaOsiseher Manier au
vertnsehen. In Rus^land macht sich die Krankheit in manchen Kreisen von Neuem
breit. In Asien sellist wdtlien Dinleraepidemien in heftiger Weise fort. Kurz und
gut, man befindet sich in Kuropa auf einer Art von Kriegsfuss, hat jeden Augen-
blidc auf dn erneutes nnd in diesem Jahre vidlwdit erfolgreiehem Eindringen
und Umriehgreifen des Feindes gefasst au sein, so dass sich den bisherigen vier
Cholerapa ndemien, welche in den Jahren 1817—182.3, lS2t)— 18;?7, 1846 — 1863,
1865 — 1876 den Erdball durchwandert haben, möglicherweise eine fttofte Pan-
demie anschliessen wird.
II. Aetiologie. Gerade die Hamburger Epidemie hat die Veranlassung
dafür abgegeben, dass binnen wenigen Monaton eine fast erdrückende Zahl von Journal-
artikeln über di«' asiatische Cholera veröffentlicht worden ist. Man hat dieselben
namentlich in der deutschen mcdicinischen Wochenschrift, zum Thoil auch in
der Berliner klinischen Woehensebrift an suchen. Leider steht die Zahl der Ver-
Offiantliehnngen zu ihrem wirklichen Werthe und namentlich zur Erweiterung
unserer Kenntnisse in einem sehr grellen MissvcrhJlltniase. Dieser Anhiebt wird
sich namentlich Derjeuige nicht verschlieasen können, der, wie der Schreiber dieser
138
CHOLERA ASIATICA.
Zeilen, wiederholen tlich Ciioleraepidemien als Arzt miterlebt hat , und auch der
nicht, welcher mit der Choleraliteratar auch nur eiaigermassen vertraut ist, wobei
irir es nieht Tersftamen wollen, «of die in ibran kliniiehen Thelte noch immer
nnflbatroffene Daratdlang von Griesinger«) hinzuweisen.
In dem GetOtmnel widerstreitender Meiiiun{?en ist eine That-üiche unberührt
und von allgemeiner Anerkennung {reblieben, nilmlich die d i a g n o s t i s c h e Be-
deutung des Kücu'scben Komiuabaoill ua bei der asiatischen Cholera.
Wobl Niemand wird es bentsntege wagen, die Diagnoie auf aalatiaehe Cholera
mit Sicherheit zu stellen, bevor es ihm gdangea Ist, den KocH^schen Komma-
baeillua in den Ausleerunpen des Krauken nachzuweisen. Freilich haben pferade
die Erfahrungen der jüngsten Tage gelehrt, dass dabei iSchwierigkeitea erwachsen
können, welehe vordem wenigstens niebt so sehr zur allgemeinen Kenntnis«
gekommen waren. In vielen Fällen genfigt, namentlich für den Geflbten, schon eine
mikroskopische riitcrsnrbiing des Stuhles, weil derseltte nieht selten fast eine Rein-
cultur von KomuKili.irilk'u daratfllt. Man hole namentiieh Fleckchen aus dem Stuhle
heraus, verreibe sie auf einem Deckgläschen, ziehe letzterem mehrfach durch eine
Flamme, fürbe es mit Terdfinnten Carbolfudidn, spflie ts in Wasser ab, Iroekne ea
und lasse es auf einen Tropfen Xylol-Canadabalsara fallen, den man auf ein Ohject-
glas gethan hat, und man wird die {jekrilmmten Haeiilen leicht in dem Präparate
erkennen. In maucheu Fällen sind die Bacillen sparsam und werden namentlich
dnreh das Baeterium coli eommun« so verdeekt, dass der mikroskopische Befand
allein zweifelhaft oder negativ au*f:tllt. Man lege dann Platteuculturen an. wobei
sieh die Cnlonien Koniniabaeillen in sehr cliarakteristisehiT \Veis(^ liervorthun.
Sie zeigen einen unregelniMssigen Contur, vertlüssigeu sehr schnell die Gelatine und
gewähren bei mikroskopischer Untersuchung ein kömiges und glänzendes Aussehen,
wie wenn sie aus kleinen OlasstOekehen xusammengesetst wiren. In der Hehrsabl der
Fllle ist die Diagnose in 24 Stunden sicherge^ellt. Man bat freilieh die Erfahrung
gemacht, dass in einzelnen Fällen vorübergehend Kommabacillen im Stuhle trotz
ausgebildeter Cholera fehlen kouueu, oder Fäulnisspilze im Darme können auf
der Platte so wnehem, dass die Cholerapilse erst naeb längerer Zeit snm Vor-
schein kommen. So sah ich im vorigen Sommer eine Dame, welche anf der Heise
von I'sris naeh Bukarest an Frbrechen und I)urehfall erkrankt war und deshalb
ihre Heise in Zürich unterbrach. Mein College ü. WYt»^ untersuchte bakteriologisch
den Stnbl. Bs i>ebi«Mii anfangs nur Cnituren von Baeterium coli eonrnun«
gewaefasen bu sein und erst dureb immer fortgesetzte Untersuchung gelang es
ihm, am 1.^. Tage einige wenige, aber völlig siebere Golonien von KonunabaciUea
zu gewiiiiH>ii.
Hakteriologische l'nteräuehuDgen sind leider uoch nicht Allgemeingut der
Aerste geworden, und so werden viele Aercte darauf angewiesen sein, die Stflble
von Verdächtigen an hygienische Institute oder an bakteriologisch geschulte Aerzte
au schicken, um dic-ell^en untersuchen zu lassen. Bei solchen Sendungen achte
man darauf, da.ss man die Probe des Stuhles in ein weithaUiges und gut
sebliessendes Qlasgefltss mit Glasstöpsel bineinthnt, wobei man namentlieb anf
das Vorbandensein von Flocken Bedacht zu nehmen hat; das Glas wird alsdann
mit einem was-ierdicliten Stoffe fest umhfillt und umbunden und dann behufs Ver-
seudung mit der Post in ein festes Ilolzkistchen mit Siigespilhnen gepackt. Die
Menge der Probe soll so bemessen sein , dass eine Eintrocknung während der
Fabrsfnt nnmöglieb ist. Dem Stuhle dürfen keine Desinlidentien bmgemisebt sein,
well die■^e eine Entwicklung von Choleraeulturen verhindern würden.
Zu einer sicheren Erkennnn? di r Kurh'si hcix Konini;iliat:ilten bleibt das Änltgeu
von Platten« iilturen und spater von Stirlu ulturen der t iiizi;^ sieherf Weg. Man hat den Ver-
sncli gemacht, Koch'fiche Knnimnbnrillen durch eine i (u-tnischf itfuitiuii aut' soj;<'tMn utt-s
Cbolerarotb nacbanweiaen. Pohl, Bujwid-} und Duahaiu*') luacliteu zuerst darauf auf-
nerkaam, dam afch Cholerabarniencnllaren bei Znsata von Mineralsänren rotb ftrben. Brieger ^
wies dlMea Farbstoff" als ein Iiidn!i1t>riv;it nach i;nil besonders einfrehend hat Salkowski")
das Zastaadekommen der Beaotiou verfulgt. Die ErscbeinuDg ist trotz der gegcntheiligen
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CHOLERA ASIATICÄ.
139
Behaaptong TonWeil deshalb oho« diagnoittischen Werth, weil aocb naoobe aodera Bakterien
dieselbe Reaetion feben, s. B. der Deneke'aehe Kiflespirillii^ der Miller'ecbe Hnad^iirilliu,
der Fin k 1 e r - P ri or'eche SpirillDS, der Emmeri ch'sche ßacillns, der Vibrio Met^tnikaff
nnd der liucillus pyogwes foetidus (Ali-Cohen''), Jadassohn '"), Pfeiffer").
Als amiiYerliBsig und damit als vc'rt>')ilt masB der Vermieh TOn Laier**) beulehaet
irefden, OboleFacoItnren als solche durch den Gemchssinii sv erkennen.
Wir wollen nicht versäumen, an dieser Stelle daranf hinzoweisen, dass mehrere
Bacillnn bekannt sind, ■wek-he dem Kuch'schen Konunaliacillus sehr älinÜLh sehen, so dass
sogar voreilige Aerzte gemeint haben, daae dem Kommabacillns von Koch jede pathognomooigche
und dia^ostiaebe Bedentang abgehe. Zv dieaen BaeiHen gebOren anawr dem Fiskler-
P r i 0 r'sehen BacillllB, vdehen di" Entdorkor irrthümlirher Weise mit der Cholera nosh-as in
Verliiniiun^r brachten nud daher für eint n Verwandten des Koch'soben Kommabacillus erklärten,
der Muudhühlenbacillns vonilillor"*), derKäsespirillus von Deneke '*), der
Kotbbacillas von Knial'*). der Vibrio MeUchnikoff^^) lud ein vonf okker**) im Hafen»
Wasser von Groningen gefundener Spaltpilz. Anch berichtet Fttrbrf n f er*^, in einem FaHe
von ('hdhrd uuntnis Komniabarilleii ^reliinden zu haben, welche aljer nicht mit den Koch-
scben Kummabacillen identisch waren. Alle die.se Spaltpilze, wenn üie auch in der Form dem
Koch'scben Kommabacillns ahnlich sind, unterscheiden sich von Ihm dnreb ihr Moiogisehea
Verhalten, d b. durch ihr Wachsthum bei Cultur versuchen.
Emmerich hat den nnplücklichen Versuch gemacht, den sogcnanitcn E mm er i eb-
ne h«n Neapicr Bacillu» als den Haupterreger der Cholera hinzu.steilen. Mit Recht hat
man diesen Üntersuchnngen vorgeworfen , dass sie nicht mit der nothwendigen Vorsicht aaa>
gefBhrt worden seien, nnd xndem bat noch Weisser**) d«n Nachweis geliefbrt, dass diesen
Spaltpilzen gar kein^ BfziehuDKen zu der aaintiscben Cholera zukommen.
In Be/.n?; auf die Morphologie des Koch'schen Komniabarühis haben die letzten
Jahre eine Bereicliernng der Kenntnisse gebracht, nämlich den Nachweis von Geis-selfilden.
Löffler hat eine Färbungsmethode angegeben, welche zar Darstellung von Geitiselfäden führt.
An den Koch'.schen Kommabacillen erkennt man, dass von einem Ende ans ein einziger
Geissell'aden ausgeht, welcher etwa die iio|)pi'lte Lan^r^ des Pilzkörpers erreiclit !inü i ftViilnr die
lebhaften Bewegungen vermittelt, welche frische Cbolerabacillen bei Untentuchuug im hängen-
d«n Trafen tefgra. Beilftnflg bemerkt, ^nelten di« Cholerabaeillen, wenn man sieder LBfflei^
•eben ^rbong nnterwirfr, zu pinmpen Gebilden anf.
Wie filier dit> (liafrnostische ncdeutung des Kocil'ficlicri Koiimiabacillns
die Ansicli teil übereinstimuicud lauten, so dürften »uch die Meinungen Uber die
fttiologisehe Rolle dieses Poraaiton kaum getbeilt sein, nnd wir dflrfen wohl
als gesicherte ThatsAcbo .•umelinien, das-» es ki-inr CIioIerMcrkrankun^' triebt, wenn
nicht zuvor der Korn sditi Konimaliacillti- in di n Ürj^ani.smus einj^edruntron ist
und in demselben seine Wirkung entlaltet hat. Der Gedanke, das^ die Cholera
äxaxh eine anbekaonte Sebftdiiebkeit bervorgerafen sei und derartige Hedingungen
in dem erkrankten KSrper sebnffe, das« immer und nnr allein bei ihr die Komma-
hacillcn als etwas Hedeutungslopes zu wuchern im Stande seien , erscheint sohon
an und für sieh un;flaul»lieh und ist meines Wissens ohne Analo^rie.
Ks liegt selbstverständlich nahe, etwaigen Zweitein durch das Experiment
an begvgnen nnd begreiflieberweise wandte man sieh xunlehst dem Thierveranehe
tn. Von vornherein muss man darauf ^efasst sein, Schwierigkeiten zn begegnen,
denn sichere Beobachtungen von ('liolcr.u(rkr:niknii^' liei T/ ioren sind nicht be-
kannt, so dass also der Tbierkörper lUr das Lhulcragitt unempfänglich zu sein
aeheint. In der That haben denn auch Tenroohe tod Kocfff Nicati nnd Ribtscm,
Pfeiffer, Hubpe u. A. ergeben, dass zwar Tbiere nach Einverleibung von Cholera-
baeillen .«terben, d.i.ss man aber dabei das klinische Bild der a^iatischeu Cholera,
wie man es beim .Menschen kennt, vermi^.st oder es doch nur ieielit angedeutet
findet. Man sagt daher mit Hecht, dass der Tliierkürper zwar dem verderblichen
Einflösse der Gifte anginglioh iat^ welehe die KoCH'sehen Kommabaeillen erzeugen,
dass aber eine eigentliehe lafeetion des Thierkörpers nicht zu Stande kommt, und
damit inus-» man otlen zugestehen , dass bisher der Thierversuch keinen lücken-
losen und biuduudeii liewois tUr die pathogene Hudeutuog des Kommabacillns
erbraebt bat.
Ans neaester Zeit liegen nun aber auch Versuche am Menschen vor,
webhe — weniiTstens naeh unserer Auffassung tind reberzeugiing — zu zweifel-
los sicheren Ergebnissen geführt haben. F> wird gut thun, sieh darüber klar zu
Bein, was man zu erwarten hat, wenn gesunde Menschen KocH sche Kommabacillen
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CHOLERA A8IATIGA.
▼erschluckt haben. Offenbar werden nieht alle solche Personen an Cholera er-
kranken müssen, denn jode aut^edehnte Epidemie lehrt, dass von Personen, welche
unter gMcben ümatlnden leben, z. B. Mitglieder ein nnd derselben Familie, immn
nnr einzelne erkranken, andere vollkommen gesund bleibeo. Offenbar sind bei den
geeand Gebliebenen die Kommabacilien durch den sauren Ma^enaaft getödtet worden,
oder vielleicht gelangten sie selbst lebend in den Dann . doch erwies letzterer
sieh alf widerstandsfähig genug, nm der Einwirkung der Spaltpilze in widerstehen.
Ikalwr auch kein Wunder, da» man in Choleraorteo KoCH'sehe Kommabacilien
ans den •reformteri KotlimaRsen o:e«nnder Menschen gewinnen kann , wie dies
Rümpel '•') aus der Hamburger Kpidemie berichtet hat. Es kann also nie und
nimmermehr davon die Rede sein , dwi^ , wenn Gesunde Choterastuhl oder Rein-
caltnren von Kommabadllen trinken, dksse stets und ▼ielleielit gar an sehwerer
Ckolera anatica erkranken mUssen, weil die Individualttilt oder persönliche Wider-
Btandsfftbi«rkeit ohne allen Zweifel eine Hauptrolle spielt. Es scheint uns wesent-
licli darauf anzukommen, nicht wie oft, sondern ob Überhaupt nach der Aufnahme
von KoCH'sehen Kommabacilien krankhafte Brsebeinttngen lieobaehtot worden sind,
welche die Zeichen drr isiatisrhen Cholera wiedergeben. Diese Frage mnsa nnseres
Eraehtens ohne jedes Zaudern bojabt werden.
Koch hat bereits vor m<;brereu Jahren die Mittbeilung gemacht, dass
.ein Arzt, welcher in Koch's Laboratorium mit Cholwaoaltaren arbeitete, an Cholera-
durebfall erkrankte nnd in srnnem Stobie Kommabacilien hatte, offsnbar weil er
sich bei seinen üntcrsuchnn^'-en angesteckt hatte nnd nicht mit der nothwendifjen
Vorsicht vorfahren war. Im fran/en Deutschland kam damals keine Cholera vor.
V. PKTTKNKOFER uud Emmekicu verschluckten absichtlich Bouilloncuiturcn von
Cholerabaeillen nnd beide Aerate erkrankten «ehr bald an Dorobfall, weleher bei
EmhBRICH jedenfalls derart war. dass er es fdr ntUhi^ hielt, dem Ratho von
V. ZlEM.'JSKX ZU folgen nnd den Durchfall mit Opium zu bekilmpfen. V Pettev
KOFER giebt nun freilich an, dass nach der Meinung von v. Ziemsskx und Bauek
sdne nnd Ehmbbich's Erkrankung nicht den Symptomen der asiatiseben Cholera
geglichen habe, allein darflber kann man doch sehr verschiedener Ansicht sein
und Jedermann, der Choleraepidemien durch^'-cmacht hat, weis-», dass sich die
Ansteckung hinter dem Hilde eines gewöhnlichen und bedeutuug^losen Durchfalles
verstecken kann. Ftlr meine Person — das zögere ich keinen Augenblick in der
offensten Weise einsngestehen — haben v. Pbttbnropbr nnd EmiBRiCH den glin-
zendsten Beweis von der pathogenen Bedeutung des KocH'schen Kommabacillus
an ihrer Person •r«'Iiefert. Soeben lese icli . das-; Hasterlik '^'j den V, Pktte.v-
KOFEK schen Versuch wiederholt hat. E.s wurden bei vier Personen sechs Experi-
mente mit dem Versehlueken von Reineultnren gemaeht. Viermal zeigten sieh keine
Polgen und zweimal kam es zu Kollern im Leibe und DurehfalK welcher mehrere
Tage Willi rte. HaumoaRTRK ■-■^) giebt an, dass HornKFdS'TATVK in Paris und KlkiV
in Rromber^ Cholerabaeillen verschluckt haben sollen, ohue danach krank geworden
zu sein, doch bedarf diese Nachricht sehr einer genaueren AnfkUlmng.
Einem Experimente sehr nahe stobt die Erfahrung, welehe KOGB bei
seiner Forschungareise in Indien machte . dass sich in einem Tank (Tllmpel) , in
welchem Wüsche von Oholerakrankeii f^ereiniirt wurden war, Kommabacilien im
Wasser fanden, und dass die Auwohuer dieses Tunkcs au Cholera litten, da sie
von dem Wasser getrunken hatten, wShrend in der weiteren ümgebung keine
Cholera herrschte. Fernerhin berichtete Ouarch -*), dass in einem Jägerbataillone
Cholerafillli- vorkamen, und dass man bei rntersuchunjr dfs Wassers in einer Kufe, aus
welcher die Soldaten getrunken hatten, Kommabauillen fand. Die öeuche schwand
naehdem man den Soldaten verboten hatte, ans diurnr Kufe ihr Wassnr in enteehmen.
Wenn man sieh ein ürtbeil darflber bilden will, in weleher Weise die Kocb-
sehen Kommabacilien den Krtrper schädifren, so dnlnfTfU Erfahrungren aus anderen
Gebieten der Bakteriolojrie zu der Vermuthun?: hin, dass diese Spaltpilze <r< wisse
Gifte erzeugen, welche theils den Darm selbst krankhaft verandcru , thc-ils den
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CHOLERA ASIATICA.
141
Gesammtkflrper, vor Allem da8 Nervensystem, vergiften. An Bemtihung-en, diese
Gifte darzustellen, bat es nicht gefehlt, aber diese Dinge sind noch su unsicher.
dM8 wir ims mit tbigen wenigen Andentangen begnflgen wollen. HÜPPB **) und
SOBOLL **) gewannen, wenn sie Cliolerabadlten unter Lufrabscblius sOchteten, ein
Toxofjlobulin und ein Toxopepton , welches bei Thieren Vergiffiin^^serscheinnngen
hervorrief. Gamai.kia -"t stellte aus Choleraciilturen zwei (Üfte dar, ein Tnxalbuinin
nnd ein Bakterienpruteiu. L ud Alt - ^j endlich gewann aus dem Erbrochenen
Ton Gholenknuilcen Toxnlbnmine. Schon iküher übrigens hat Bbiborr**) im StnM
von Cholerak ranken GadSTWin gefunden , welches dem Cholerastuhl den eigen-
tlidmliehen Spermageriieh verleiben soll. Wir stehen zunächst bei allen diesen
wissenscbaftlicben Bestrebungen erst am Beginne des Wissens und dürfen erst
von der Znlcnnft nennenswwthe Fortschritte erwarten.
III. Epidemiologisches. Nach den Anschauungen von UouERT
Koch ist der Krrc^er der asiatischen Cholera allein der KoCH'sche Kimnnahricilhis,
welcher sieh fant ausschliesslich in den Darmentleerungen dos Cholerakrauken
findet. Der Ansteokungsstoff haftet also an dem Körper des Kranken oder an
Gegenständen, weldra mit den Darmansleernngen dnes Gholonkranlcea besehmntst
and dadurch ansteokungsfähig geworden sind. Der Cbolerakeim hält sich streng
an den menschlichen Verkehr und kann mit Erkrankten oder inficirten leblosen
Gegenständen reisen und wandern und Uberall neue Ansteekungsherde abgeben.
Will man also die Verbreitung der asiatisehen Gholera verhaten, so hat man
sorgfältig den persönlich« n \ rrkehr an überwachen, Erkrankte /u isoliren, ihre
Darmausleeriinfren iiiid ( Ichranrhsgegenstäude zu desiuficireu, aber aiicli den V^er-
sand lebloser (legeustaude aus Choleraorten zu überwachen, welche eine An-
steckung vermitteln könnten. Begreifliehorweise lisst sieh «ine solehe üeherwaehung
nur an den ersten angereisten Fällen durehführen, nnd ddier legt Eoch mit
vollem Recht ein .<o grosses Gewicht auf eine sichere Erkennung der ersten F.'llle,
die «ich nur auf bakteriologischem Wege ermöglichen lilsst. Man hat diesen
Standpunkt, den auch wir ftar deu richtigen halten, als denjenigen der Coutagio-
nisten bezeichnet. Knüppjil*") hat in einer Arbdt ans dem Koca'seben Institut
eine Reibe von Beispielen zasammeogebraeht, welche die Richtigkeit der eontagio-
nistischen Aulfassuti-r beweisen sollen.
Derselbeu steht die Anschauung der Loeaiisten gegenüber, als deren
hervorragendster Vertreter mit Recht M. v. Psttbnkofbr in Httnehen gilt. IMe
selben behaupten, dass, wenn auch der KoCH'sche Kommabacillus der eigentliche
Erreger der asiatiscbrn Cholera sei. dieser nicht ohne Weiteres zur Erkrankung
an Cholera t'ilhre . Hondern dass er erst im Erdboden gewisse Eigenschaften an-
nehmen mUsse, ehe es zum Ausbruch der Cholera und namentlich einer Cholera-
epidemie Icommen könne. Man hat diese Bedingangen tiieils in üurehlissigkeiten
des Bodens, theils in der Bodenwärme, thells im Stande des Grundwassers ge-
sucht, auch noch unbekannte VerhrUtniss'^ zugestanden. Mit einem stannenswerlheti
Sammeläeiss und mit einer beängstigenden Gelehrsamkeit bat v. r£TTKNKUFEK
eine Unsumme von ThatMchen im Laufe vieler Jahre gesammelt und in einer
Reihe von Abhandlungen verölfentlicht . um die localistische Lehre zu stützen.
Man muss freilieb ziiire-^tetien. dass dabei durchaus nicht Alles kkijjpt und manche
Ausnahme die vermeintliche Kegel iu's Wanken bringt. Uns scheint die Frage-
stellang, ob Cootagionist oder Loealist, Oberhaupt eine durchaus verfehlte. Wenn
auch nach nnsimr Anschauung niemals Gholera entstehen kann, ohne dass vorher
Komniabacillen in den Körper eingedrungen sind, so halten wir es andererseits
für ganz Helbstverstiindlich, dass sich an solchen Örten die Verhältnisse für eine
schnelle und ausgedehnte Verbreitung der Seuche gUustiger gestalten werden, au
welchen Gholoaentleerungen stagniren, bei DurehllsaigkMt des Bodens nnd der
Brunnen und der Wasserleitungen unschwer ia's Wasser gerathen können u. Aohnl. m.
Es Btellen solche Umstände das dar, was wohl znerst GBiBSiNQEa als mifsursachen
bezeichnet bat.
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CHOLERA A8IATICA.
Bei dem Streite, ob Conta^iuuidt oder Localist, bandelt es sieb keioes-
wegs um rein theoretiflebe Diuge, denn nach der streog localistiseheD ADsehAunng
haben Ueberwaehviig des penAnliehen Verkehrs, Desinfeeticii der DimDeiilleerBngoa
nnd Gebraucbsgre^enatände keinen Zweck, es kommt hier ganz allein eine AssSi*
nirung des Erdbodens in Betracbt. Selbstverständlich wird es auch demjenigen,
welcher mehr der cuutagiouistiäcbea Lehre zuneigt, niemals in den älnn kommen,
diese Dinge fDr etwas Olriohgiltiges in halten.
Die ErfahroQgen in den letzten Monaten haben flbrigens in Xnrddenteeh»
land mit kaum zu verkennt-iidor Deutlichkeit gezeigt, wie sich von liauiburg aus
fast ausschliesslich auf dem Wege persdniicben Verkehrs die Seuche mehr und
mehr in die Umgebung ansanbreiten snebte. (%oleraflttehtige ans Hamburg oder
SehifliB, die ans Hambni^ Icamen, waren es meist, welehe die Krankheit naeh
Aussen verschleppten.
Man hat den Contagionisten nicht ohne einen Anflug von scheinbarem
Beeht vorgeworfen , dass die geringe Widerstandsfähigkeit der Kommabacillen
gegen Eintroeknen nnd das Pehlen von Danw- oder Sporensnst&nden sieh nnr
schwer mit den epidemiologischen Erfahrungen in Einklang bringen lassen. Zwar
haben Ilüi PE") und Zaslein *-) behauptet, Dauerformen von Kommabacillen beob-
achtet zu haben, doch haben Keisser und Kita^ato die Luzuvcrlkssigkeit
dieser Angaben naehgewiesen. HOppb>>) will gefanden haben, dass sieh die
Kommabacillen anders verhalten, je nachdem sie bei Luftabschluss oder bei Luft-
zutritt gewachsen sind. Im I^arme . wo ihnen die Luft tiiaugelt , sollen sie be-
sonders toxische Kigeujieliaften eutralteti , aber leicht zum Untergänge geneigt
sein. Ausserhalb des Körpers d<agegen, bei Luftzutritt, gehen ihnen die toxischen
Eigensobaften mehr ab, dagegen kommt ihnen grossere Widerstandskraft gegen
ftnssere SehädUohkeiten an.
Grosse Mciniingsvcrschieileiihciten tauchen wieder ilarflber auf, auf
welchem Wege die Konunabacilleu in den menschlichen Körper hineingelangeu.
Wenn man sieh flberlegt, dass dieselben fast nirgends wo anders als im Darm-
eanal angetroffen werden, so sollte die Annahme am natürlichsten erscheinen, dass
die^e Gebilde mit vordem infieirten Speisen und (ietnlnkon dem Orgatii^mus ein-
verleibt werden. Und in Wirklichkeit behauptet Koch , dass namentlich das
Wasser, welches Kommabacillen beherbergt, die häufigste Ansteckungs quelle bildet.
Mit gans besonderem Eifer wird dieser Annahme dnreh die Loealisten, nament-
lich durch V. Pettexkofer, entgegengetreten.
Mau wird nun selb-^tver^tändlii-li geiren(ll»er den angedeuteten Wider-
sprüchen die Frage erheben, ob man denn überhaupt im Wasser Kommabacillen
gefanden hat? Wir haben liereits an einer früheren Stelle erwfthnt, dass KocH
in einem indischen F inlc. an ilrsNi'u Ufern Cholera berr-;clite , Kommabacillen im
Wasser antraf, und dass (iiAKCli denselben Fund in di'tii Wa^Jser einer Kufe
machte, welches Soldaten getrunken batteu, die au Cholera erkrankteu. In dem
letsteren Falle schwand die Cholera, als man verbot, das Wasiier weiter zu ge-
niessen. FräMKbl^*) konnte ans dem Wasser des Duisburger Zollbafens Rein-
cultnren von Kommabacillen gewinnen. Es war hier ein Sehitler an Cholera
erkrankt, dessen Darnientleerungeu man in das Wasser aiis;;o-ehüttet hatte.
LuHAiUjCU wies Kommabacillen in dem Kielraumwuäser eines .Sehifl'es nach,
welches aus dem dnrcbsenehten Hambnrg hergekommen war, nnd Bibrnacki*")
stellti' ans dem Wasser eines Brunnens, in Lnblin KoCH'sche Kommabaeillen dar«
in welcher Stadt Cholera herrsehte. .Vneh wollen wir nicht versäumen zu er-
wäbuen, dass Pas^LALE ^^j in eiuem Bruuneu und in dem Erdreich in der Nähe
desselben Kommabadllen ia Hassanah fand.
Begreiflicherweise hätte die Infect ionstiihigkeit des Wassers einen sidMMIl
Beweis gefunden , wenn es bei der letzten llanihurtrer Epidemie gelungt n wäre,
Cliülerabaeillen im Wasserleitungswai«ser zu sehen, aber alle Naeht'orschungen in
dieser Richtung sind ergebnisslos geblieben. Freilich liegen epidemiologische
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CHOLERA ASIATICA.
143
Beobachtiinpon vor. welche deuii doch auch bei der letzten Hamburger Epidemie
auf die grustc^ Bedeutung des Waüt^erii als IntectioDsquelle binweiseu. Zunächst
wird wohl allgemein sogestanden , dass bei der Hamborger Wa»8Wleitong die
denkbar skanddAseaten Zustände herrseben. Es wird dabei das Wasser der Blbe
benutzt, und zwar in nnfiltrirtem Zustande, obgleich die Verhältnisse so liejsireii,
dasB die Jauche der Abzagscanäle zettweise zu den Schöpfstellea für die Wasser-
leitung Zutritt hat. Uitbin haben die Hamburger bisher den ekelhaften Gennas
gehabt, mit ihrem WasswleitungswasBer ihre dgenen Entleerangen im Tatdflnnten
Zustande wieder zu verzehren. Schon länger als fünf Jahre aind die Kosten für
F'ilterunlafrtn bewilli;:t worden , :i1mt die Sache stand iin i blieb auf dem Papier
und unbegreitlicbe Sorglosigkeit und unverzeihlicher Leiehtdiun Hessen es zu einer
AusfBhmng des Projeetes nieht kommen. Was bedeuten die 6 — 7,000.000 Ifark
für die Filteranlagen gegenüber den vielen, vielen Millionen Verlusten, welche
die \ ertloH^etie Kpidemio auf Handelef^ebieton mit sieb gebracht bat! Da nun das
Wasser dasjenige Mittel ist, weiches sich über die ganze Ötadt ausbreitet^ so er-
klArt es sieh, dass ein infieirtes Waaser au einem explosionsartigen Ansbrndi einer
Epidemie fObren wird, wie er thatsflohlieh in Hamborg vorkam. In inimittel-
barstem Ziisanimenhanjre mit Hambnr;r 'ind nur für den Ortskundigen trennbar
Kteht Altona. Altona erfreut sieb einer vortrefflichen Wasserleitung mit Filter-
anlagen und in Uebereinstimmung damit kamen in Altona nur ölti Cholera-
erkrankungen und 8 16 (61*/o) Todesfillle vor.««) Man will sogar in einer Strasse
beobachtet haben, in welcher die eine Häuserreihe unfiltrirtes Hamburger Elbe-
wasser, die gepen(lberli<'^'ende filtrirtes Leitiuitr-Jwasser von Altona führte, dass
gerade in der erstcreu Choieracrkrankungeu vorkamen. Auch in Genua hat man
die Erfahrung gemacht, dass TornehmUeh in den Hinsem einer bestimmten
Wasserleitung Cholera auftrat, in deren Znflflssen Cholerawasche gereinigt
worden war.
hegreidicherweise wird das Wasser nicht die alleinige <,/uelle für eine
Ansteckung bilden, sondern wird letztere dureh alle solehe Gegenstände ver-
mittelt werden können, welche mit in6oirtem Wasser iu Berührung gekommen
Rind und einen günstifrcn Boden zum Wuchern für Koniniabacillen abgeben. Man
muss sieh dabei erinnern, dass die Kocii'rtchen Kommabaeillen eines Nährbodens
mit alkalischer iieaetion bedürfen und durch Süureu leicht vernichtet werden,
und dass sie auf feuchtem Boden besonders gut gedeihen, dureh Troekenheit
aber bald SU Grunde gehen. Nach Untersuchungen von Wkvl^'i hat man seitens
des Hieres nur wenig zu fliroliteii, weil in demselben die Cholerabacillen theils in
Folge der saureu Keaction des Bieres, theils durch noch uubekannte ätoH'e, welche
das Biw eothftlt, bald m Grunde gehen. Auch will man flberdnstinmiimd mit diesen
üntersnehungen in Hamburg beobachtet haben, dass nur selten Choleraerkran-
kuno en unter l'.icrlirauern vorkamen. Auch durch Wein werden nach PiCK
Komuialiaeilleii schnell veriiirhtct, wcsliall) I'iCK zu Chulerazeiten den <ienu8S von
Wein und Wasser zu gleichen Theiieu anrüth. Berichtet wird noch aus Hamburg,
dass unter Clgarrenarbeitern nur wenige Erkrankungen an Cholera vorkamen.
Ausser dureh Wasser krimien OhoKrabacillen namentlich noch durch
iiilch verbreitet werden, welcher liacilicnhaitifres Wasser beigemischt ist. Be-
sonders gross gestaltet sich die Ansteckungsgefahr dadurch, dass in der Milch
Cbolerabacillen gut gedeihen und in der Regel wenigstens keine Gerinnung der
Milch oder sonstige leieht siehtbare Veränderungen herbeiführen. Freilich kommen
davon auch Ausnalimen \ or So berichtot Frankel dass die in der Hamburger
Epidemie gewonnenen (Jholcraculturen Milch zur Gerinnung brachten. Die gleiche
Beobachtung machte man an Cboleraculturen in Paris, und Fokkkr stellte
aus Choleraeultnren ein Eosym dar, welohes in der Miloh Gerinnung hervorrief.
DasR Kommabaeillen auf Gemüsen, Früchten und Fleisch ge-
deihen, ist experimentell nachgewiesen worden. Besonders gefährlich können auch
Butter uud Käse werden. — ^icht allzuselten dürfte eine Verschleppung von
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OBOLBRA ASIATTOA.
rholerabacillcn durch Insecten, namentlich durch Flie^eu vermittelt werden, welche
»ich zuerst aut CholeraausleeruDgeo uud dann auf Easwaaren oder auf die Lippen
gesunder PerBOnon setsen. SnnroiiDS**) konnte von Fliegen, welche im Srnstiona-
nuime fBr Choleraleichen eingefftngen waren, Kommabacillen gewinnen, und sehen
vordem haben 'V\7.zo\\ und Cattanf auf diese Gefahr hingewiesen. Daraus
ergiebt sich, wie wichtig v& gerade in Choleraxeiten ist, alle Speisen und 6e-
trinke ▼ersehloBsen sn hniteii und dnreh Drabtaetoe vor Fliegen sn aehUtien.
Endlich sei noch besonders auf die grosse Gefahr hingewiesen, welohe
feuchte, mit Choleraontleernogen besehmutste Wftsehe- and Kleidungs-
stücke in sich beherbergen.
IV. Klinisches uud Anatomisches. Am wenigsten liabea die
Oholeraerfnhmngen der lotsten Monate daan beigetragen, unsere Kenntnisse auf
klinieehem und anatomischem Gebiete in nennenswerther Weise au bereichern.
Die Dauer der Incubationszeit vermochte Bantf in einigen Beobach-
tungen in zuverlässiger Weise auf 36 — 45 Stunden zu bestimmen, und damit
stimmen aneh gut die frQher erwähnten Erfahrungen llbereln, welehe neuerdings
einzelne Aerzte bdm Veraehlneken von Choleraenltnren an ihrem eigenen Körper
gemaeht haben.
Vielfach ist gerade in der Hamburger Epidemie aufgefallen, wie ausser-
ordeutlich schnell der Tod den ersten krankhaften Erscheinungen folgen konnte.
Hehrfadi erkrankten Personen mitten in der Arbeit oder auf der Straiae nnd
waren nach wenigen Stunden verstorben. Solche Erfahrungen lehren eindringlich,
eine wie grosse Bedeutung im Symj)tomenbilde der asiatischen Cholera der All-
gemeinvergiftung zukommen kann. Dabei verdient noch hervorgehoben zu werden,
dass dnrebans nieht immer die Schwere der Krankhdtsersebdnnngen mit der
Zahl der Kommabacillen in den Stühlen in Uebereinstimmung stand. Wichtig zu
wissen ist, das.s aich Kommabacillen iior-li x icle Tage uach Beginn der Erkrankung
im Stuhl zeigen können. So konnte sie SiMUONDS noch am achtzehnten Krank-
beitstage nachweilen.
Daas itoh die OiolerabacUlen fast ausfleUienlieh im Oarmlnhalte, hfiebstens
noch in den Drtisen des Darmes finden, hat sich, wie nicht anders zu erwarten,
auch in den Rcnhachtungen in Hamburg als richtig bewflhrt. Nur Tizzoxi und
Cattani widleu auch im Blute, in farblosen Blutkörperchen uud in der Sub-
arachnotdealflOssigkeit Kommabacillen angetroffen haben, wflbrend Dbtckb<*) in
einem necroti^^chen Herde der Magenschleimhaut Kommabacillen nachwies.
Nach den AngaluMi von Drycke wurden bei den Section<'n in Hamburg
auffltllig oft iU5%) Blutungen im Uterus gesehen, womit der geuanute Autor die
Neigung eholerakranker Sdiwangeren au Aborten in Verbindung bringt.
Mehrere Arbeiten Hegen Aber die Choleraniere vor, doch kommen
dieselben zu so entgegengesetzten Ergebnissen, dass man erst von ausgedehnteren
Erfahrungen eine Eiisung der Widersprüche erwarten kann. Kf.KHS hatte bei der
Oholeraepidemic in Genua au.sgedehnle Coagulationsnceruse iu den Epithelzellen
der gewundenen Hameanfllehen beobachtet. Ich habe die Präparate von Klbbs
selbst gesehen und kann seine Angabe als richtig bestätigen, wenn sie überhaupt
fiuiT licKtfltigung bedürfte. Fräxkel^") und Simmo.\d.s konnten iu Hamburg
keine Coagulatiousnecrose in den Nieren wahrnehmen , dagegen fanden sie einen
Zerfall in den EpithehEclIen der gewundenen Hameanildien . welchen de auf
toxische EUnflflsse zurtlekfuhrten. Lbydkn '^^) beschrieb in zwei Fftllen Goagula-
ti<insnecrosp , fand daneben al»er auch Vcrilnderungen an den Glomcrulis und
leitet beides von der Wa.s.serverarmung des L'holerakraukcn her. AUFRECHT i
endlich entdeckte die Hauptveriiuderung in den Nierenpapillen, die sich mit
Nierau^lindem und £pithdxellen vollgestopft erwiesen; als Ursachen der Vor-
IndMrnngen nimmt er wieder toxische an.
Nach dem eigenen Zugeständnisä von llamljurger Aerztcn ''O) hat die
Epidemie des Sommers 1892 weder an Symptomen der asiatischen Cholera, noch
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CHOLERA ASIATICA.
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an anatomischen Veränderungen etwas gelehrt , was man nicht schon frnher ge-
sehen und beschrieben hätte. Noch fester als vordem hat sich die üeberzeu^uag
Bahn gebrochen, dass es weder spedfisehe Symptome, nooh Lddienbefiinde giebt,
welche allein der agiatisoihea Cholera zukämen, und dass eine siehere Diagnose
allein von dem Nachweis von Cholerabiicillcn in den Darmentleerunoren ahhflugig
ist. Noch kürzlich wurde aus dem Kocu schen lustitut eine Beobachtung be-
eehrieben, in welcher alle Erscheinungen der asiatischen Cholera durch wie In-
feeUon mit einem StreptoeoeeiiB benrorgerafen war.
V. Therapeutisches. Das Problem, ein Specißcnm gegen ariatisebe
Cholera «jefunden zu haben, ist zur Zeit noch nicht froli'at. Klebs **) steHte aus
Cholerabaciilen einen Stoß' dar, das Anticholerin, weichem specifische EigenHehaften
zukommen sollen, aber die Erfahrungen , welche Manchot mitgetheilt hat,
klingen einem vorriebtigen nnd nflehternen Beobachter dnrobans niebt Tertraaen-
erwet'kend, und wir wollen mit unserem Zweifel an der Heillcfaft des ElLBBS^soben
Anticholerin nicht hinter dem Beri^e zurückhalten.
Berechtigtes Aufsehen haben die Bestrebungen des letzten .labres gemacbt,
den thierischen Organismus gegenüber dem Choleragift immun zu macheu.
Die ersten Versuche in dieser Riebtnng rttbren von einem spaniseben Ante,
Fbrran^^), aus dem Jahre 1885 her, welcher Gesunden Bacillenenlturen von
Kommabaeillen unter die Haut oder in die Muskeln einspritzte, um sie vor einer
Ansteckung mit ChoUra aHtutica zu schützen. Allein diese Schutzimpfungen
beben mit Recht durch Gibibr nnd yan Brvbrorn <^ne wohlverdiente ZurOek-
weisniig erfahren, und geradezu einen empörenden Eindruck müssen der Schacher
und die Geldgier herv(»rrnfen, welclie Ffrrav hei seiner angebliehen Entdeckung
an den Tag legte. Auch ein Landsmann von Fekhan, Tunon de Lara'*), hat ein
gleiebfalls ungflnstiges Urtheil über die FRRRAN'schen Impfuogeu gefällt. Einen
wissensebaftlidien Charakter nabmen die VersaelM Uber Sebntdmpfiing und Immu-
nität gegen aaiatiBebe Cbolera erst unter den H.lndeu von Gamalria ^'^^ und
LÖWKNTHAL an, namentlich aber müssen wir aus dem Jahre 1892 die Unter-
suchungen von B&IEGEft, KlTASATO und W.\ääEKMANN *'^), von KLEMFEUEK ' -j und
Lazarus**) hervorbelwnf weleben es in der Tbat gelang, Thiere gegen eine
Choleravergiftuiig immun zu machen. Die Versuche wurden theils mit abge-
sebwiichteii Cli'iliTaciilturen , theils mit dem Filtrat von Choleraculturen , theils
mit dem Blutserum von Cholerakrankeu , auch mit Milch von Ziegen angestellt.
Leidw betreffen fast alle diese Versnebe Tbiere, nnd intnewelt neb dieselben anf
den Henseben flbertragen nnd welche praktischen Erfolge sich damit werden
erzielen lassen, sind Fragen, Uber welche erst eiuc sehr ausgedehnte Erfahrung in
Zukunft wird entscheiden können. Ohne Frage bewegt man sieh hier auf einem
Gebiet, auf welchem grosse endliche Erfolge zu erwarten stehen, aber der Weg
ist nodi lang und sebwierig genug, bis ein sicheres Ziel erreiebt sein wird.
Selbst dann, wenn man 1l!>er ein sieberes Spedfieum gegen asiatteebe
Cbolera verfügte und es ausserdem noch gelungen wäre . den Menschen durch
Impfungen gegen eine Choleraansteekuiig iiimiua zu maeben , l)!iebo noeh iinnior
als erste Aufgabe der Therapie die FropliyIa.\c , und es mUsste in erster Linie
nacb Mitteln nnd Wegen gesucht werden, um das Ausbrechen t^wt Cbolera-
epidemic zu verhindern. Man hat dabei einmal das zu berücksichtigen, was
wir früher bei Besprechung der Aetiologie als Hilfsmomente benannt haben (z. B.
As«aniruug des Bodens durch ein gutes OanaUystem, Sorge für tadellose Wasser-
leitung n. AebnI.) nnd ansserdem k&men alle Hassregeln in Betraeht, um etwaige
Kommabaeillen schnell und sicher zu tödten. In vortrefflichster Weise sind die
wiehtigsten Punkte in einer Verordnung wiedergegeben, welche im Sommer 1892
von einer Cholerucommission beratben wurde, die in dem deutschen Reiehsgesund-
beitsamte in Berlin zusammentrat. Wir nehmen keineu Anstand , einen Theil
dieser Bestimmungen im Folgenden wdrtlieb wiederaogeben **) :
Kocyelop. JahrUletaw HI. 10
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146
CHOLERA ASIATICA.
Belehrung Aber des Wesen der Cholera und des wthrend der
Cholernseit sn beobeehtende Verhalten.
1. Der A nsteckaogsstoff der Cholera befindet sieh in den
AusleeruKg^en des Kranken, kann mit diesen auf und in andere Personen und
die mannigfachsten Gegenätäude gerathen und mit denselben verschleppt werden.
Solche Gegenstände sind beispielsweise Wäsche, Kleider, Speisen, Wasaer,
Hileb und aodere Getränke ; mit ihnen atldn kann aneh, wenn an oder in ihnen
nur £e geringsten, fOr die natilrlicben Sinne nicht wahrnehmbaren Sporen der
Analeemngen vorhanden sind, die Seuche weiter verbreitet werden.
2. Die Ausbreitung nach anderen Orten geschieht daher
leieht snnlehst dadnroh, dass Cholerakranke oder kflnlieh von der Cholera ge>
nesene Personen den bisherigen Aufenthaltsort verlassen, um verm^nilieh der an
ihm herrschenden (icfahr zu entgehen. Iliervnr ist umsomchr zxi warnen, als
man bei dem Verlassen bereits angesteckt sein kann und mau andererseits durch
eine geeignete Lebensweise und Befolgung der nachstehenden Vorsiobtsmaasregeln
besser in der gewohnten Hinsliehkeit , als in der Fremde nnd innul anf der
Beise sich zu schützen vermag.
3. Jeder, der sich nicht der (»efahr aussetzen will , dass die Krankheit
in sein liaus eingeschleppt wird, hüte sich, Menschen, die aus Cholera-
orten kommen, bei sieh anfsnnebmen. Sehen naeh dem Auftreten der
ersten ChoIerafMle in einem Orte sind die von daher kommenden Personen als
solche anzusehen , welche niüfjlichcr Weise den Kraiikheitskeim mit sieh führen.
4. In Cholerazeiteu soll man eine möglichst geregelte Lebensweise
Ittnen. Die Erfahr«« hat geldirt, dass alle Störungen der Yerdauung die Biv
kranknng an Cholera Tonogsweise begOnstigen. Man hüte sich deswegen vor
Allem, was Verdauungsstörungen hervomiten kann, wie Uebennass von Essen
und Trinken, (ioouss von schwer verdauliehen Speisen.
Ganz besonders ist Alles zu meiden, was DurchtuU verursacht oder den
Magen verdirbt Tritt dennoch Durchfall ein, dann ist so frflh wie möglieh trst-
lieher Rath einsuholen.
5 . Man ^-eniesse keine Nahrungsmittel, welche aus einem
Hause stammeu, io welchem Cholera herrscht.
Solche Nahrungsmittel, durch welche die Krankheit leieht
ttbertragea werden kann, z. B. Obnt, Gemüse, lüleh, Butter, frischer Käse,
sind zu vermeiden oder nur in gekochtem Zustande zu geniessen. insbesondere
wird vor dem Gebrauch ungekochter Milch gewarnt.
6. Alles Wasser, welches durch Kotb, Urin, Kttehenabgänge oder
sonstige Schmutsstoffe verunreinigt sdn könnte, ist strengstens sn vermeiden.
Verdächtig ist Wasser, welches mittelst gewöhnlicher Brunnen fPumpen) aus dem
Unterfrrnnde bewohnter Orte enliximmen wird, ferner ans Sümpfen, Teichen,
Wasserläufen, i'lüsson, sofern das Wasser nicht einer wirksamen Filtration
unterworfen worden ist. Als besonders gefthrlich gilt Wasser, das dureh Ans-
wurfsstoftb v(»n Oholerakranken in irgend einer Weise verunreinigt ist. In BeiUg
hierauf ist die Aufmerksamkeit vorzugsweise dahin zu riehten , dass die vom
lieinigen der Gefässe und beschmutzter WiUche herrührenden Spülwäs.ser nicht in
die Brunnen nnd Gewisser, auch nicht einmal in deren Nähe gelangen. Den besten
Schutz gegen Verunreinigung des Brunnenwassers gewähren msvne Böhrenbrunnen,
welche direct in den Erdboden und in lücht zu geringer Tiefe desselben ge*
trieben sind (abe.Hsiuisohe Brunnen).
7. ist es nicht moglieh, sich ein unverdächtiges Wasser im Sinne der
Nr. 6 Bu versehaffiBn, dann ist es erforderlieh, das Wasser au kochen und nur
gekochtes Wasser zu geni«MMn.
8. Was hier vom Wasser presagt ist , gilt aber nicht allein vom Trink-
wasser, sondern auch von allem zum Hausgebrauch dienenden Wasser,
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CHOLERA ASIATXCA.
U7
weil im Wasser befiDdliohe Krankheitsatoffe aueh dordi das mm Spülen der
Kficht n^vTlthe, zum Reinigen und Kochen der Speisen, zun» Waschen, Fladen 11.B. w*
dienende Wasser dem menschlichen Körper zufreführt werden können.
Ueberbaupt ist dringend vor dem Glauben zu warneu , dass das Trink-
wMier «Hein als Triger des KrankheitsstofliBe ansiiseheii sei, und dass man scboii
vollkommen j^eselifltst sd, wenn man nar natadelhaftoi oder nar gekoehtes
Waaser trinkt.
9. Jeder Cbolerakranke kann den Ausgangspunkt für die
weitere Aasbreitnng der Krankheit werden, nad es ist deswegen ratbsam,
die Kranken, soweit es irgend angingig ist, nicht im Hause zu pflegen, sondern
einem K r a n k c 11 h ri n s 0 zu tiberfreben. Ist dies nicht ansfiihrbar, dann lialte
man wenigstens jeden unuütbigen Verkehr von dum Kranken fern.
10. Es besaehe Niemand, den nicht seine Pflicht dahin fflhrt, ein
Cholerahans.
Ebenso besuche man zur Cholerazcit keine Orte, wo grössere
Anhiiufungen von Meosoben stattfinden (Jabrmftrkte, grössere I^ust-
barkeiteu u. s. w.j.
11. In RSnmliebkeiten, in welchen sieh Cbolerakranke be-
finden, soll man keine Speisen oder Oetrftnke zu sich nehmon,
nach im eifrcnon Interesse nicht rauchen.
12. Da die Ausleerungen der Cholerakranken besonders gefährlich sind,
so sind die damit besebmntzten Kleider und die Wäsche «itweder sofort
zu verbrennen oder in der Weise wie es in der gleichzeitig veruffentliehteo Oes-
infeetionsan Weisung (U. '■' und 4) angegeben ist, /.u d e s i n f i e i r e n.
1.3. Man wache auch anf das Sorgfilltis^ste darüber, dass Cboleraaus-
leerungeu nicht in die Nähe der Brun neu oder der zur Wasserentnahme
dienenden Flussllnfe u. s. w. gelangen.
14. Alle mit dem Kranken in BerOhrung gekommenen Gegenstände, welche
nicht vernichtot oder dcsinlicirt werden können , miHsen in besonderen De«nfec-
tionsaostalten vermitteist heisser Diimpte uusuhadlich gemacht oder mindcHtens
6 Tage lang ausser Qebraneh gesetzt und an einem trockenen, möglichst sonnigen,
luftigen Ort aufbewahrt werden.
In. Dicjcni^ren, welche mit dem Cholerakranken oder dessen Bett und
Bekleidung in Berührung gekumuieu sind, sollen die Hände alsbald desinBciren
'^11, 2 der Desiofectionsaowebong). Ganz besonders ist die) erforderlich, wenn
eine Verunreinigung mit den Ausleernngen des BLranken stattgefunden hat. Ans>
drOcklich wird tioeh |^ w a r n t , mit ungereinigten II .1 n d e n Speisen
zu berühren oder (J e fr e n s t Jl n d e in den Mund zu brinjren , welche im
Krankenraum verunreinigt sein können, z. B. Ess- und Triukgeschirre, Cigarren.
16. Wenn ein Todesfall eintritt, ist die Lei ehe sobald als irgend
moglieh aus der Behausung zu entfernen und in ein Leiehenbaus SU bringen.
Kann das Waschen der L^iclie nicht im Leichenhause vorgenommen werden,
dann soll es überhaupt unterbleiben.
Das Leiehenbegängniss ist so einikoli als möglich einzuriehtm. Das Gefolge
betrete das Sterbebaus nicht und man betheitige sich nicht an Leichenfestliehkeitem.
17. Kleidiin^rsstiickc . W.-ische und snnstifre (Jcbrauchsfreocenstände von
Cholerakranken und Leichen dürfen unter keinen rin-^tiiniien in Benutzung ge-
nommen oder au Andere abgegeben werden, ehe sie desinticirt sind. Namentlich
dflrfen sie niebt undesinficirt naeb anderen Orten versebiekt werden.
Den Empfängern von S e n d u n g e n , welche derartige Gegenstände aus
Choleraortcn erhalten, wird dringend geratlien , dieselben sofort womöglich
einer Desinfeutionsanstalt zu übergeben oder unter den nüthigeu Vorsichtsmass-
r^ln selbst zu desinficiren.
Cholerawäschi; soll nur dann zur Btinignng angenommen werden, wenn
dieeelbe zuvor desinfioirt ist.
10*
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143
CHOLERA ASIATICA.
18. Andere Schutzmittel fjegen Cholera, als die hier genannten,
kennt man nicht, und es wird vuni Gebrauch der iu Cholerazeiten regelmässig
angepriesenen niedicamentösen Schutzmittel (Cboleraschnaps u. s. w.) abgerathen.
AnweiBnng cur Aaaf tthrung der De»infeotioii bei Cholera.
I. All Desinfeetionsmittel werden empfohlen:
1. Kalkmileh. Zw Herstollnng derselben wird 1 Liter Mrkldnerter,
reiner, gebrannter Kalk, eogenannter Fettkalk, mit 4 Liter Wasser gemisoht, nnd
swar in folgender Weise:
Es wird von dem Wasser etwa ^ « Liter iu daa zum Mischen bestimmte
OeftsB gegossen nnd dun der Kalk hineingelegt. Nachdem der Kalk des Wasser
aufgesogen hat und dabei zum Pulver lerfallen tot, wird er mit dem Übrigen
Wasser zu Kalkmilch verrührt.
Dii'st'lbe ist, wenn sie nicht bald Verwendung findet, in einem trat ge-
seblosseneii Get'ää.su aulzubowahren und vor dem Gebrauch umzuscliüttelu.
2. Chlorkalk. Der Chlorkalk htt nur dann eine antreiehende des-
infieireDde Wirkung, wenn er frisch bereitet und in wohlverschlossenen Geßlssen
aufbewahrt ist. Die gute BeschatlVnheit den Chlorkalks ist an dem starken, dem
Chlorkalk eigenthümlichen Geruch za erkennen.
Er wird entweder nnTermischt in Pulverform gebraneht oder in LOsong.
Letztere wird dadurch erhalten, dasa 2 Theile Chlorkalk mit 100 Theileo kalten
Waitsers ;remischt und naeh dem Absetsen der nngelOsten Theile die klare Lösung
abgeg08HL'n wird.
3. Lösung von Kaliseife. 3 Theile Seife (sogenannte Schmierseife
oder grflne oder sehwane Seife) werden in 100 Theilen heissen Wassers geUtst
(». B. ' j Kilogr. Seife in 17 Liter Wasser).
1. Lösunfr von Carbolsäure. Die rohe Carbolsftnre UM sieh nur
uuvuiikummen uad int dotiwegen ungeeignet. Zur Verwendung kommt die soge-
nannte „100*,'oige Carbolsäure*^ des Handels, welehe sieh in Seifenwasser yoU-
ständig l(Ht.
Man bereitet sieh die unter Nr. 3 besdiriebene Löstin}r vnn Kaliseife.
In 20 Thi'ilen dieser noch heimsen Lösung wird 1 Tbeil Carbolsäure unter fort-
währendem Umrühren gegossen.
Diese Litoung ist lange Zeit haltbar nnd wirkt sehnellw desinfioirend
als einfache Lftoung von Kallseife.
Soll reine CarbolsJluro feinmal oder wiederholt destillirtej verwendet
w erden , welche erbeblich thourer , aber nicht wirksamer ist als die sogenannte
„100%ige Carbolsäure", so ist snr LOsung das Seifenwasser nieht nOthig; es
genOgt dann einfaches Wasser.
.'i. I ' a m p f a j) p ar a t e. Oeeifjnet sind sowohl solche Apparate, welehe
für strömeudeo Wasserdampf bei 100'^ C. eingerichtet sind, als auch solche, in
wetehea der Dampf unter Ueberdruok (nicht unter Atmosphäre) zur Ver-
wendung kommt.
6. Siedehitze. Die zu desinfieirenden Ge^renstflndf werden mindestens
eine halbe Stunde hinfr mit Wagser ;r"'koclit. Das Wasser muss während dieser
Zeit beständig im Sieden gehalten werden uud die Gegeustäude vollkommen
bedecken.
Unter den aufgeführten Desiufectionsmitteln ist die Wahl naeh Lege der
Umstjlnde zu treffen. Insbesondere wird, wenn es an der unter 4 vorpresehcnea
lOU^igen Carbolsäure mangeln sollte, auf die unter 1 — 3 angegebenen Mittel
snrileksttgreifen sdn. Sollten aueh diese Mittel nieht tn besehaffeo sein, so wird
im Nothfalle Carbolsäure mit geringerem Gehalt von wirksamen Stoffen, welche
dempem.lss in jrrosserer Menj-'e zu verwenden ist oder ein anderes wissenschaft-
lich als gleiohwertbig anerkanntes Mittel zu verwenden sein.
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CHOLBRA ASUTICA.
149
II. Anwendung der Des i n f ec t i <• n h m i t te I.
1. Die flussigen Abgänge der Cbolorakr anken (Erbroclienos,
Stuhlgang) werden möglichst in GefiUwen anfgefaDgeo nnd mit ungefähr glefohen
Theileu Kalkmilch (I, Nr. 1) gemischt. Diese Mischung miis^ mindesteiifl eine
Stande stehen bleiben, ehe sie als unsehädlicrh besoitip't werdoii darf.
Zur Desinfection der flüssigen Abgänge kaan auch Chlorkalk (l, Nr. 2)
benntst werden. Von demeetben dnd mlndeeteas swei gehftuAe Eäi«l5irel voll in
Pulverform anf ^Z, Liter der Abgänge hiozazasetzen und gut damit za mischen.
Die 80 behandelte Flüssigkeit kann bereits nach 15 Minuten beseitigt werden.
S c h Ol u t z w :l f§ H e r sind in ähnlicher Weise zu duäinficirea , jedoch ge-
nügen geringere Mengen von Kalkmilch oder Chlorkalk.
2. Hinde vnd sonstige KOrpertheile mllssen jedeemal, wenn sie
dureh die Berflhrung mit inficirten Dingen (Ansieeruniren des Kranken, beschmutzter
Wäsche n. s. w.) in Rerührun«; {reknninien sind, durch gründliches Wasi-licn mit
Chlorkalklösung (1, >ir. 2} oder mit Carbuldüurelüsung (I, Nr. 4 ) deäinlicirt werden.
3. Bett- nnd Leibwäsche, sowie andere Kleidungsstttclc«,
welche gewaschen werden können, sind sofort, nachdem sie iMsebmatzt
tiind, in ein Gefhss mit Desinfectifmsflilssi^jkeit zu stocken. Die Desinfectionaflüsaig-
keit besteht aus einer Lösung von Kaliseife (I, Nr. 3; oder Carbolsäare (1, Nr. 4).
In dieser Flüssigkeit bleiben die Gegenstände, und zwar in der ersteren
mindestens 24 Standen , in der letsteren mindestens 12 Stunden , ehe sie mit
Wasser gespült und weiter gereinigt werden.
Wüsche u. s. w. kann auch in Dampfapparaten, sowie dnreh Anskr»c!ien
desinficirt werden. Aber auch in diesem Falle muss sie zunächst mit einer der
genannten Dednfeetlonsinsriglceiten (f, Nr. 8 nnd -f) starlc angefeuchtet nnd in
gut schliessenden Gefässen oder Beuteln verwahrt oder in Tücher, welche eben-
falls mit Desinfectionsflüssipkeit ang^efeuchtet sind . einfreschlagen werden , damit
die mit dem Hantiren der Gegenstände vor der eigentlichen Desinfection ver-
bundene Gefahr vwringert wird. Anf jeden Fall mnss derjenige, welcher solche
Wäsdie n. s. w. berührt hat, sttne Hände in der unter II, Nr. 2 angegebenen
Weise deainficiren.
4. Kleidungsstücke, welche nicht gewaschen werden
können, sind in Dampfapparaten (1, 5) zu desinficireu.
Oegenstände aus Leder sind mit CarbollOsnng (I, 4) oder ChlorlcallclQsung
(I, 2) abzureiben.
5. Holz- und M e t a 1 1 1 h e i 1 e der .Möbel, sowie ähnliche Geprenstlnde
werden mit Lappen sorgfältig und wiederholt abgerieben, die mit Carbolsäure-
oder KaJiseifenlöaung (I, 4 und 3) befeuchtet sind. Bbenso wird mit dem Fuss-
boden von Krankenräumen verfahren. Die gebrauchten Lappen sind zu verbrennen.
Der r II s s !i <) (! e II kaun auch durch Bettreieheii mit Kalkmilch (1, 1)
desinücirt werden , welche frühestens nach 2 Stunden durch Abwaschen wieder
entfernt wird.
6. Die Wände der Krankenränme, sowie Holstheile, welche diese
Behandlung vertragen, werden mit Kalkmilch (I, 1) getüncht.
Nach ;resehehener Desinfection sind die Krankenrflume , wenn irgend
möglieh, 24 Stunden lang unbenutzt zu lassen und re.icblich zu lüften.
7. Dureh Gholeraausleernngen beschmutzter Erdboden, Pflaster,
sowie Rinnsteine, in wel<-he verdächtige Abgänge gelangen, werden am ein-
fachsten durch reichliches Uebergiessen mit Kalkmilch (\. I i de^inficirt
8. Soweit Abtritte im Hinblick auf den öti'eutlichen Verkehr zu des-
inficiren sind, empfiehlt es sich, täglich in jede Sitzöifnung 1 Liter Kalkmilch
(I, 1) oder ein anderes gleichwerthiges Mittel in entsprechender Weise au giessen.
Tonnen . Kübel u. dergl. , welche zum AnflFanfjen des Kothes in den Abtritten
dienen, sind naeh dem Hntleercii rejchlielt mit Kalkmilch (1, 1) oder einem anderen
gleichwerthigen Mittel ausseu und innen zu bestreichen.
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160
OEOhBRk ASIATIOA.
Die SHsbrotter werden dvreh Abwaechen mit KalioeifeiilOBmif (I, 3)
imnigt.
9. Wo eine genflgende De«iufection in der bisher an?eg:ebpnen Weise
nicht ausführbar ist (z. B. bei Polstermöbeln, Federbetten, in Ermaug«
lang eines Dampfapparates, auch bei anderen Gegenstftnden , wenn ein Hengel
an Dei^feetionsmitteln eintreten sollte), aind die ta deeinfieirenden Gegeottftnde
6 Tage lang ausser Gebrauch zu setzen und an einem warmen , trockenen , vor
Reg:en ^esch fitzten, aller womöglieh dem Sonnenlicht ausgesetzten Orte grttnd-
lieh zu lüften.
10. Gegenstände von geringem Werthe, namentlich Bettstroh, sind zu
Terbrennen.
Die Desinfection ist dort , wo rie geboten erscheint , Insbesondere wenn
Orte, die dem Öffentlichen Verkehre zugänglich sind, ^cfilhrdct ('r«clifint>n oder
wo sonst eine Infcction zu besorgen ist oder stattgefunden hat , mit der
gröi<ateu Strenge durchzuführen. Im Lebrigeu ist aber vor einer Vergeudung von
DerinfeetioDsmitteln eindringlieh an warnen ; nnnötbige and nawirksame Desinfeetion
bedingen unnützen Kostenaufwand und Tertheuern die Preise der DeRinfections-
mittel, verleiten aber auch das Fublioam snr Sorglosigkeit in dem Gefühle einer
trügerischen Sicherheit.
Ueinlichkeit ist besser als eine schlechte Deainfeetion.
Von Quarantainemnaaregeln, welehe das Venehleppen der CSiolera
verhindern sollten, ist man in Nord- und Mitteleuropa mit Reoht abgekommen. Es
ist zweifellos. d;i<-^ strenge Ab- und Einsperrung die Verlireitung der Krankheit
am allersichersten unmöglieh macht, allein sie iäast sich nicht durchfuhren, da
hentsnt^pe die Tersehiedeii«! lAakst auf gegenseitigen Verkehr angewieseii rind.
Zwar ist ee beim Ausbraehe der Hambarger Epidemie vorgekommen, dass
man Clioleraflüehtlinge aiM Hamburg auch in deutsche Orte nieht hineinliess und
sie melirfacli in iisliiimaner Weise zurückstiess , das waren eben Aiisfliis.se einer
ungebührlich übertriebenen Choleraangst. Man hat behauptet , dass seit dem
Bekanatworden des Kommabaeillog die Choterajingst flberbaopt zugenMumen habe,
allein Deijeaige, welehw die Gesehiehte früherer Choleraepidemien kennt, weiss,
dass diese Behauptung unrichtig ist. Tr:1fe sie wirklich zu, so wäre ein
barer Unsinn, denn selhstverstHndlich kann itmn .sieh gegen Kommabacillen, die man
kennt, besser schutzeu als gegen L'mstaude, die haltlos und mystisch in der Luft
•ehweben. In den Ländern des Bfldliehea Baropas Bind die Vorsehrifteo dw Qna-
rantaine noch nicht überall aufgegeben, und bekannt dürfte es sein, mit welcher
Rücksieht.slnsitrkeit dieselben in Amerika gegenüber Hanihnrger Dampfschiffen
während der vertiossenen Monate zur Ausführung gelangten. Wurde es doch da-
dnreh fast nnmdglich, den Schiffsverkehr iwisdien Hamborg and Amerika fort-
zusetzen. Freilieh gerieth auch der Handel mit europäischen Orten in Hamburg
in'.s Stocken, indem man keine Waaren ans der verseuchten Stadt annehmen und
verbrauchen wollte, selbst solche nicht, die eine Uebertragung und Verschleppung
des Cholcrakeimcs ihrer Natur nach gar nicht vermitteln können, z. B. Kaffee.
Statt der lästigen and störenden Quarantainen hat man mit Reoht eine
Ueberwachnng des Eisenbahn- und Personen Verkehres flberhanpt
eingeführt. Auf den Eisenbahnen werden die Reisenden dureli das ZiiTspersonal in
unbeinerkbarer Weise überwacht , ebenso auf grösseren Hahnhöfen, namentlich an
Landesgren>:en. Solche l'ersonen, welche sich durch häutiges Aufsueben der Aborte
oder wiederholtes Brbreehen auffällig gemaeht haben, werden isolirt und auf einer
nächsten Eisenbahnstation in Choleraspitäler zur Beobachtung, respective Behandlung
gebracht, l'nzweckmässig ist es, dem Znjrspersonale ( »piunipriiparntc zugeben, wie
man dies mehrfach gcthan hat, damit es sofort ärztlich eiusehreitun kann, denn mau
hat dadoreh Oplamvergiftung eintreten gesehen. Mit Reeht hat Bbchbr **) auf die
grosse Gefahr der Choleraverscfaleppnng doreh Rdsende aufberksam gemaeht,
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CHOLERA A8IATI0A.
151
welche dadurch outsteht , dass auf deutschen Bahnen die Entleerungen iu den Ab-
tritten der Waggons dnroh ein Rohr unmittelbar auf den Biseniwbndamm fallen nnd
mm von hier aus durch einen unglllcklichen Zufall in eine gesunde Ortschaft
gerathen und diese anstecken konnten. In der Schweiz hat man darauf hin unter
die Kohre dichte Bebälter angebracht, die auf einzelnen Stationen gewechselt
werden, um eine üeberfllUang und ein (Tebersehwappen zu verliindeni. Selbst-
▼entlndlieh werden diese Behftlter desinficirt.
Zweckmässig ist ohne Fra^e die Einrichtung-, alle Ziifrereisten bei der
Polizeibeliörde nach ihrer Ankunft auzumelden und sie unbemerkt zu überwachen.
Wenu ed richtig ist, daüs auch Gesunde in Choleraorten entwicklungsfähige Komma-
Ikaeillen in ihren geformten KothbaUen beherbergen kSnuen, liegt offnibar die
Ifögliehkeit vor, daas auch Gesunde die Krankheit verschleppen. Dadurch mag
e» sieh erklaren , das« mitunter Cholera mitton in einer gesunden Umgebung
auftritt. Und daraus ersieht man, einen wie grossen Werth die Desinfection von
Abtritten bat, um etwaige Keime sofort nnsehldlieh an maehen.
Die medicamentöse Behandlung der Cholera hat noch keine glänzenden
Frirebiiissi' aufzuweisen und namentlich haben sich die modernen De s i n f i c i e n t i e n
bei innerlicher Verordnung ganz und gar nicht bewährt. Lowk.ntual '■'') und ilÜPi'K
glaubten in dem Salol ein sicheres Mittel gefanden zu haben , Yvet empfahl
die Anwendung des Sublimates, alle diese Dinge sind ebenso erfolglos ge-
blieben wie die Verordnung von MagtHerium MUeyUeum, CSarbolsäore, Greoaot,
Creolin « • ; u. s. f.
Auf die im Laboratorium au Reincultureu vuu Chülerabacillen gewonnene
Brfabrong gesUltst, naeb weldier Komroabaoillen dureh Säuren leieht ▼emiehtet
werden, hat man vielfach therapeutische Versuche mit Siluren gemacht, ohne dass
man davon fifier/eiiirende Erfolge gesehen hat. Pariser Eospitalärate haben die
Milchsäure empfohleu.
Bemerfcenswerfh ist, dass n»n in Hamburg entiebieden von der Verord-
nung des Opium ab- und dafOr die Anwendung des Calomel (0*02— 0*05,2 stOndL)
angerathen hat. ^'•j Wir mflssen dazu bemerken , dass wir selbst in mehreren
Choleraepidemien bei ('holeradnrchfall und Cholerine vom Opium sehr ;:;ut6
Erfolge gesehen habeu, so dass wir in die modern gewordene Verurtheiiung deä
Opinm nieht bedingnngsloe einstimmen mOehten.
Unter den Behandlungsmethoden der letzten Jahre haben nanieutlich sub-
ciitane Infusionen von physiologischer Kochsalzifisnng (sog. Ilypoderraoklyse),
Darmiufusioueu mit Tanninlösung (Enteroklyse) und intravenöse Infusionen mit
physiologiscbor KoehsalzlOsnng die Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
Subcutane Infusionen mit physiologischer Kochsalzlösung
(O'C,,) wurden von mehr theoretischem Standpunkte aus besonders von Samufl
angerathen. Auch Cäntami ist auf Grund praktischer Erfahrungen warm für
dieselben eingetreten. Man fuhrt sie mit einem Trichter oder Irrigator aus, dessen
Ausflnss mit einem Oummisehlauch armirt Ist« der mit dner Hohlnadel oder einem
Troikart verbunden ist. Vortheilhaft ist en, wenu die Kinstiohscanflle seitliclie
Oetliiuugen hat. Die Salzlösung' soll warm sein , ungefHhr 4(J" C. Als beste Orte
für die Injectiou sind die lutraelaviculargegend , die Bauchhaut uud der Inter-
seapnlarraum an nennen. Dagegen hat man die Sopraolavieulargegond zu meiden,
damit sich nieht etwa tOdtliches (ilottisödem ausbildet. Stockt die Resorption der
Salzlcisung, so versuche man, dieselbe durch voröichti^'e ^Massage und Vertheilung
der unter der iiaut angcHammeitcn Flüssigkeit zu fördern. Mit Recht legt Samuel
auf eine ununterbrochene Infurion grosses Gewicht, so dass man während eines
Tages mdirere Liter Salzlösung infhndiren kann. Begreiflicherweise hat man eine
Wirkung nur so lange zu erwarten, als eine Resorption von der Haut überhaupt
noch zu Stande kommen kann , in schweren algideu Füllen mit aufgehol)ener
Resorption wird man Nichts erreichen. Daher kein Wunder, dass sich die Ham-
burger Aerste bei ihrer schweren Epidemie lieiner glSnzenden Erfolge bei dieser
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158
CHOLERA A8IATICA.
Behandlangsmethode zu rUbmeo hatten. Was man mit ihr erreichen will , ist
nBflehwer mi rentehen ; lie wll im Wanerverlost , weleben der Körper durch
Erbrechen und Darchfall erfthrt, decken, die Blateirenlition enaOff liehen , die
Nierenth&tigknt anterh«llen und dadareh giftige Stoffo «im dem KOrper heniUH
schaffen.
Die Daruiiutusioncn mit Gerbsäure wurden in der verbeerenden
Epidemie des Jahres 1884 von Camtani in Neapel venneht nnd sollen naeh den
Erfabrnogen dieses Arztes glänzende Erfolge gebracht haben. Cantani benotite eine
Lösun«? von 5*0 — 200 Aridinn fnnnicvm anf 1500—2000 Wasser, wozu noch
20 — 30 Tropfen Upiumtinctur und 30*0 — 50*0 Gummi arabicum hinzugesetzt
worden. Die Lnsnng wnrde auf 38 — 40* C. erwirmt nnd dnreh den bekannten
HB0AB.'8ehen Trichter udor durch den Irrigator in den Darm einlaufen gelassen. Bei
neu eintretendrill Ihirchfall wurde die Darmeingiessung wiederholt. Ks i*<illten die
Kooimabacillen durch die Gerbsäure getodtet werden. Daneben sollte das Tannin
anf die Darmsohleimbaut gUustig wirken und den Durebfall bekämpfen. Auch
toxisehe Substanaen sollten unsehftdlieh gemaeht nnd der Waaserverlnst ersetst
werden. Die Berichte Uber die Erfolge der Tannineingiessnngen lauten dnrehans
nicht flbereinstinmiend und man kann nicht sagen, dass in ihnen ein snverl&sslges
Heilmittel gegen die asiatische Cholera gefunden sei.
Infusionen In die Venen sind schon im Jahre 1830 von Hbruann
nnd 1831 von DiKFFKNnACH gemacht worden, also zu jener Zeit, als die Cholera zum
ersten Male ihren Einzug auf deutschem Hoden hielt. Sakwasserinfu.'^ionon scheint
Latta in Schottland (1832) zuerst ausgeführt zu haben. In Hamburg hat man von
dieeor Behandlungsmetbode bei weitem den besten Erfolg bei den schwersten Oholera-
ftllen gesdien. Kranke mit fehlendem Pnlse, kaltem Körper, tonloser Stimme,
vollkommener Apathie, wurden nach ausgoflihrter Vcncninfusion wieder warm,
bekamen Puls, belebten und erholten sich, -pra'^heu mit Stimme, kurz, kehrten
wieder zum Leben zurück. Mau wählte meist eine 0'6%ige Kochsalzlösung
von 40<C. und infhndirto 1500 — 3000 auf einmal. Leider aber kehrte häufig
genug der alte trostlose Zustand wieder. Kine zweit- . eine drittmalige Infusion
brachte oft immer wieder nur vorübergehenden Krfolg Ol» I>ei grös.serer Er-
fahrung sieb die V'^eueuiufusion als eine Behandlungsmethode herausstellen wird,
weiche die TodeextfliBr wirklieh In nemenswerfher Weise httrunterdrOdct, Ist
ahanwarten.
Audi in (It n Pariser Sjiitälern hat man von der intrasenösen Kncbsalziiifa^lön tute
Erfolge gesehen. Hier bat sich namentlich Bayern au die Einführang dieser Behandlangs-
methode grogKe Vurdienst« erworben, der, belliollg bemerkt, der KoebaablSsaag noch iTairitMi
mi^ricu»! iV ) l'inznfüut*'.
Sehr t mptehlenswerth sind noch bei der Ik-handlun;; von ( ■holerakranken
warme Bäder und warme Eiupackuugeu, um den erkaltenden Körper
an beleben.
Soweit es sich um die ßekninpfung einzelner Symptome der Cholera
handelt, können wir auf nnsero Daratellung in Bd. IV, pag. 229 der Real*
Encyclopädic verweisen.
Literatur: ') E. S. Valentiiiel a, Das Anftrelen der Cholera in Chile im
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153
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Löwenthal, Samaine med. 1888, Nr. 35. Acad. dea sciencea .4 Paria. 31. Dec J8Ö8. —
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fchutz K'-^'eu Chülerainluxuation. Herliner klin. Wochenachr. 18H2, Nr. 32. hlem. Weitere
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Woebenschr. 1892, Nr. 50. — •*) A. Lazarus, Ueber antitoxischt Wirkung des Blntaanma
Cholerageheilter Berliner klin. Wochenschr. 1892, Nr 15 u. 44. — *') Vergl. Dentsebe med.
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»ur leehMra. Oompt. n^d. IHHR, T. CVlf. Nr. 27. **) F. Htppe, Wae hat der Arst bei
Drohen und Herrschen iler Cholt-ra zu thun? Prager med. Wochenschr. 1890, Nr. 3'?— 1^5. —
A. Yvet, De l emploi bichlorure de mercureetc, Compt, rend. T. CVII, Nr. 18, pag. 6b5. —
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154
OHOLEBA A8IATI0A. — CHOLBIIA (nnltUapoUsailkli).
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pputscho med. Wochensflir. pag. '^77. — ' ) K. Kntner, Dip Behandlnug der Cholera-
kranken in den Pariser Hospitaleni. Deutsche med. Woc honschr. pag. 797. — '*)S. Samuel,
Die Resaltate der subratancn Infasionun als Behandlnngsmethode der Cholera. Deatsche med.
Wochenschr. 1&87, Nr. 311.4. Idem, Ueber die nothwendige Continuiiat der Kubcutanen Infusion
bei BehandloDg der Cholera. DeuteolM ned. Vochenschr. 1892, pag. 881. — Cantani,
Cboloabefatiidloiig. Beriiner klin. Wocheudir. 188S, Nr. 37. Hernana Blcliliorat.
Cholsni (sanitfttspoliseilieb). Die Cholera nlhert sieb von bereits
durch sie verseachten Orten auf Wtgtn des Verkehrft; die Cholera wird nur
an PlUtzen , die ihr ©inen gflnstigen Koden pewShren . zur Epidemie oder
tritt, wie man Jetzt den Vergleich stellt, nur an Kolcben Plätzen j^explosiv"^ aut j
die Cholera ergreift disponirte Personen mit grösserer Vorliebe und Gewalt
als nndisponirte.
Diese drei I'if";ihrunfren, wie sehr aucli die sie znsatnmenset'/.enden Einzel-
heiten eich vervollkommnet und gewandelt haben mögen, machen heute wie vor
€0 Jahren den Grund au», auf welchem die abwehrenden und schtttzenden Mass-
regeln fassen können und fossen müssen. Die Sehwierifkeiten bei ibrer Doreh-
führung' steigern t-ich haupts^^ehlieh dadurch in's Immense , dass nicht allein der
cholerakranke, sondern auch der clioler;i v e r d ä c Ii t i e , aber Cholerabaeillen
beherbergende, pruducirende und tran»puriirende Mennch das Ubject der Hanitäts-
polizeilieben Fttrsoi^e bereits dann sein mnss, wenn er zuweilen selbst noeb
kaum dnran zu denken gezwim^^n ist, sieb irstiieb behandeln zu lassen oder
einem differenti:i!-dia«rnostisclien Verfahren zu unterziehen. Es er^riebt sich hieraus
(und aus noch einigen im Laufe der Darstellung zu berührenden Punkten), dass
fUr das praküfeb vorbeugende Handeln der obolemverdftc htige Mensdi der
diflfieilere Gegenstand ist. Denn alle Handbaben, die zur Siehernng und Unsehädlieh«
machunfr dc^ aN krank erkannten Meufschen in's Werk gesetzt werden, sind
der Znstinimun;.' aller Vcrstilndi.L'en gewiss; wiUirend der blos V e rd ;l r h t i ir e
die Freiheit, den von ihm oft bereits reingezUchtetcn Ansteckungsstotf überall ab-
snsetzen, meistens so lange missbranebt, bis er niebt mehr aliein sieb selbst,
sondern anderen Persönlichkeiten in dem Grade verdiehti;? wird, um ihm mit
einer entscheidenden fditferential-diafrno.stischen Untersuch iino: näher treten zu können.
bei dieser Möglichkeit hebt die Aufgabe an, die Cholera planmässig zu
bekSmpfen, so dass als erster wesenülebwr Vontoss die Ermittlung des
Bacillenbefu ndes gelten mnss. Finden sieb eebte EommAaeillen , so ist
mit dem ('holerakranken weiter zu rechnen und zu verfahren : finden sie sich
nicht, so i.st der Chulcraverdäehtiffc dies nicht mehr und ein Kranker wie jeder
andere. Mag man auf die i^zum Theil der Erforsehung noch harrenden) admlni-
enllrenden und Hilfsmomeote der Cboieraentstehnng noeb so grosses Qewiebt
legen ■ — im Hauptmoment herrseht nach der Riehtunjr Einstimmigkeit , das« die
Anwesenheit des Kocn'sehen Komma! acilliis unentbehrlich ist für die Entstehung
Jedc8 einzelnen Falles von asiatit^cher ( holera, und das demnach durch Ver-
nichtung dieses Baeillus jode Choleraepidemie unmöglich gemaebt wird. Eine
Meinun.L'.sversehiedenheit besteht nur über den Punkt, inwieweit andere iTsachea
neben detn Pacillns für das epideniisehe .Auftreten der Cholera von Hedeutnng
sind, und auch dieser Streit dreht sich vielfach nur um Worte. Die eine allseitig
auerkannte Thatsachc: „Ohne Kommabaeillen keine asiatische Cholera", die durch
Tausende von Einzeluntersuebungen naebgewiesen ist, giebt nun fOr das sanitita-
polizeilicho Vor^'t-lien eine ganz klare Kichtsehnur: Der Kommabacillus ist 1. der
Tr'A'^tT der Forlptlanzungsmöglichkeit der Krankheit — ■ al'Jo ist die Fnter-
brech uug seiner Verschleppung identisch mit deui Einhalt der Cholera-
versebleppung. Er hat S. die grOsBte Neigung, sieb in aussermensebliehen Medien
bestimmter Art zu erhalten und zu v er vielfältigen — also wird die Be-
seitigung solehfT Midien ihm die Macht zur Weiterexisfetiz iiud Ver\ ielfflUigung
entziehen. Endlich vi. würden die Lebensbedingungen des Bacillus nie auf die
Dauer in aussermenscblieben Medien erfüllt werden, wenn niebt immer wieder
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CHOLERA (maititipoliidlieh).
155
unter einer Vielheit von menschlichen Individuen sich disponirte
finden: gelänge e«, alle disponirten Menschen in nndisponirte nttsnaduifliBn, ao
wäre jede derartig^e Wsndlnng ane Chance mehr gegen die Beuohenartig
anftrelende Cholera.
I. Der Cholerabacillus im Verkehr, seine Verschlep-
pungen and deren Verhinderung. Wir besitzen die Möglichkeit nicht,
den Personenverkehr in nnserem Zeitalter „pOsdioht" (riehtiger: „keimdteht**)
an gesfaltdi. Bcp.lsaen wir sie, so wtlrden sich zwei starke Parteien im sanitSts-
polizfilichen Lafrer bilden — die eine wfirdc auf der Behauptung fusson : „Keine
Caiamität grösser, als die Verschleppung jener Keime", — die andere würde
sieh um den Omndsats sehaaren: „Wir tragen den 'V^derstand g^en die Auf-
rahme eines solchen Keimes theils in uns» theils ist ihm in unst^TiMi Umgebungen
der Widerstand bereitet. Die Eingchleppnng einer Qnantitiif Cliolerakeime ist das
geringere, die Cholerafurcht, Cholerailucht, Lähmung des Verkehrs — das ist dag
grössere ünglflek.'* Der swriten Partei gehOrt, da sie glefehaeitig mit dw Wirk-
lichkeit (also mit der Unmöglichkeit der Fernhaltung des Keims) rechnet, der
fruchtbarere nnindsatz und die be'^seren Aii---jic!iten des Erfolges. Gleicligiltig
aber wird nnd darf es ihr sicher trotzdem nicht sein, in wie grosser oder
in wie kleiner (Quantität die Chiderakeime einem uuch völlig un verseuchten
Plats, einer noch gaas gesunden Bevölkerung angesohleppt werden. Noeh weniger
gleiehgiltig kann es auch dieser Partei und gerade i b r sein , w o die einge*
schleppten Keime bleiben. Und so entstehen die für die Zufuhr derselben
wichtigsten Fragen :
Wer oder was bringt Cbolorakeime?
Wie kann man die letateren im Auge behalten und ihre Ausstrennng
hindern ?
Transporteure der Keime k<>nnen am Choleraorte aufgelieferte Sachen
oder von dort ausgegangene Personen sein. Letztere sind es häufiger als
entere — schon um deswillen, weil nur wenige „Saehen^ in gans intime Berüh-
rungen mit choleraverd.lchtigen Arlieitern , Tiieferanten etc. (noch seltener mit
cholerakrankenl kommen. Uagetren reisen nicht nur viele Cholera v e i d äc h-
tige, sondern auch Cholera k r a u k e in zicmiiciier Anzahl, und :&war zu Wasser
wie au Lande, mit Sehiffen, Eisenbahnen, Wagen nnd selbst zu Fuss.
Man hat die grossen Erfolge der F I u sssehiffe r- Bea u fs i e h tigung
gerdhmt , da I S'.li* eine Anzahl von weit über 1,000.000 Persoiienbesichtigungcn
und entsprechend viele Fahrzeugrevisionen und -Desinfoctionen (zu einem allerdings
reeht verspäteten Zeitpunkt und naebdem z. B. in Berlin bereits 14 eholera-
kraake Sehiffer dureh die gewöhnlichen Strompoliseiorgane ermittelt worden
waren) von reichsweLTcn angeordnet und ausgeführt wurden. Auf gegen fiO.OüO
Elbschifl'en wurden 108 Cholerakranke, 11 Cholcraverdnchtige , auf .30.000
Oderschiflen 7 Cholcrakranke, 3 Cholera verdJlchtige, auf circa 26.000 W'eichsel-
scbiffisn 3 Cholerakranke, 2 Oholeraverdäehtige , auf 37.000 Rheinsehiifen
5 Cholerakranke, 2 Choleraverd.lchtige ermittelt. (Genau sind die Summen 160.913,
resj). 1.3.3, resp. 18.) Obwohl die Zahlen der Kr.niken und Verdächtigen an sieh
klein erscheineu, so entbehren sie der Bedeutung schon um deswillen nicht, weil
beim Weitervorrtteken des Sdiiffes jeder in den Fluss abgesetste Oholerastuhl ete.
die Bildung eines neuen Herdes fortpflanaungsfiihiger Bacillen bilden kann und
b(i der Wasserentnahme aus dem nflm liehen Klnss thatsächlieh oft
genug bildet. Ka rechtfertigt sich deshalb .sicher die sofortige Unterbrechung der-
artiger Reisen und wohlbegründet lautet die Anweisung im §. 7 der Instruction
vom 28. September 1892 ansdraeklieh : „Jede aueh nur im Oerings ten
Grade cbolerav er d.lch t i ge IVrson ist s ofort vom Schiffe /u entfernen etc."
— „Ausser dem Erkrankten sind auch silmmtliclie übrigen Personen von dem
Fahrzeuge zu cutferucu, /u dcsiulicireu und zur Beobachtung zu isoiiren.^' Dass
bei den Meldungen Fälle von Choleraverdaeht oder gar Choleraerkrankung
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156
OBOLBRA (MiiitttapoUtdlicb).
üborgangeu worden wären, erscbeint ausgreschlossen , da (§.14 der Instruction)
„die StÄtionsvorstände" von jedem einecblägigen — auch von jedem Cholera-
todesfalle — aofort dem RddueommiMlr, dem kaiaerliohen Gknandheitsamte in
Berlin nnd dem betreffeDden Kreitphysicus telegn^khlaehe Meldung zu macbeo hatten.
Ausser der Verbringunp der Kranken von den Schiffen wurden diese
letzterea in der Gesammtzahl von circa 80.000 durch Kalkmilch desinficirt
nnd gereinigt. Hier wird apiter zn noterseheiden sein swischen den wnhrhtft
segensreichen nnd bedentungsvollen Folgen , welche das Hinebgraifen in die
heimlichen Gewohnheiten desSchiffervoIkes haben muss — und
zwischen den Früchten der sonst angeordneten Massnahmen. Diese leiden, sie
mögen noch so gut erdacht sein , unter jenen Schwierigkeiten , welche durch die
eigennrtige LebeoBweiae nuf dem flottirenden Boden fDr die Meldung der Kmnlc-
bcits- und TodesfUle entstehen; fflr das Wiederauffinden selbst der Fahrzeuge,
sobald man einen Verdacht auf Cholera geäussert; für di(5 Ermittlung der Art,
wie man sich Wasser verschafft, vom Schiff aus seine Fäcaiieu absetzt, mit wem
der Sehiffer verltefart, -verliandelt, Ja sellMt mit wem er noeb die Naebt verlier
auf seinem Fahrzeug ^elclit uud geaehlafen hat. Hier kann die Cuntrole des
Schiffsverkehrs Erlieltlichcs Ici-tcn — nnch manche» Erfahrungen virl mehr, als
durch die blosse Annahme einer sogeuauutcu „Verseuchuug"' der Flusswässer nnd
durch DeeinfeetioDeo.
Neben der Dnrehsoehnng und der Desinfeetion werden deshalb beim
Schiffsverkehr besonders in Anwendung zu ziehen sein : Anstalten für Entnahme
reinen Wassers vom Lande; Ahorteinrichtungen fdr Schiffer, möglichst he(|uem
zugänglich und recht zahlreich, ebenfalls auf dem Lande oder solche mit ver-
sehliessbaren AbAihrktsten ; Warnnnfrs- nod Meldestationen, die den Sehiffern
möglichst Tag und Nacht uiul nhnc Zeitverlust zur Verfügung stehen
Zur Empfangnahme der Meldung eines Erkrankten und zutreffender
Weise zum ßehufe seiner Bergung waren 1872 auch die meisten Vurkehrungea
bestimmt, welehe im Eisenbahnverkehr getroffen waren. Wo wenige Bahn-
linien (oder nur eine) vorbeifahren, ist mit dnigen gediegenen Anweisnogea des
bcfrlcitcnden Hahnpersonal'^, der Statinnsheaniten und mit der Bereitstellung eines
Krankenhau^'i'S die sanitJltspoli/.ciliche Fürsorg-' erfüllt (Gesunde Heisende, welche
zugehen, sind anzumelden, wenn sie aus einem Chuleraort kommen ; nicht zu
qnarantftniren, aber 5 — 6 Tage aof Choleraverdaeht in ihrem eigenen
Interesse zu beobaehten. Wasche nnd Kleider, welche in dem CholeraOTt in
Oehraucli gewesen sind, würden zweckni.'lssig desinticirt werden, auch aus dem
Grunde hauptsächlich, weil das zu ihrer einfacben Rciaiguug benutzte Wasch-
wasser zu Herdbildnngen den Anlass geben kOnnte.
Die Srztlicbe Ueberwaehnng an grosseren ßahohöfon, resp. an denen,
auf welche zwcckniässiij der gar zu nehr auseinandergezerrte Verkehr (Einfrtlls-
verkehr) der ( Irossstädtc conceutrirt wird, hat ebenfalls nicht den Sinn
einer Quarantäne oder überhaupt einer Absperrungsmas.sregel. Die Aerzte er-
fflllen dnreh ihre bestKndige Anwesenheit vielmehr die Aufgabe, stets xnr Ver-
fügung der sich krank ftlblenden Ankömmlinge zu sein nnd bei Verdichtigen
den 'sclhst^eNchiipften oder vom Personal ge^clmpften'! Verdacht zu zerstreuen
oder ilr/4iich (wissenschaftlich, soweit dies ohne Baktcrioskopie möglieh ist) zu
begründen. Das Geftthl fttr den Ankömmling in einem fremden Orte, sieh sofort
unt* r der verantwortlichen Pflege eines Arztes zn befinden, ist mehr wohltbnend,
als dass es einer Belilstigung gleich zu achten wftre. Erfüllt ^cliun die I'nter-
suehung durch den Arzt uud die Aussprache mit ihm einen humauen Zweck, so
wird im Falle, dass eine Unterbringung eines Anköromliogs den Umst&nden
nach erforderlieh ist, die Hilfsbereitsehaft dadurdi sofort zn «ner sani>
t ä ts p 0 1 i z e i 1 i c h e n Massreu'el ersten Hanges, dass durch die Aerzte sofort
die richtigen r»'l»erfülirini.i^sniassnahnien für den Kranken ( \'erdächtigen) wie ffir
seine Effecten angeordnet werden. Kein Verständiger wird in all diesen Vor-
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CHOLERA (sanitätspoliMilich).
157
kehningen Sperren, mittelalterliebe VerkebrsbescbrtaknDgen oder detgleidieo, noch
weniger aneh polizeilicbe Scherereien erblicken.
Auch läuft es keinem Gesetz und keinem Gebot der Menschlicbkoit zu-
wider, wenn der Bieenbnhnverkehr der allefgrOsstOD Dnrobsiohtiipkeit
unterliegt. Er wird dadurch (auch nach neneren ErfabrunKen) nicht ,^pil7.dicbt^%
aber er wird ung^eftbrlichcr gestalti-t, als wenn er Heimlichkeiten birj^t. iSolcbe
birgt er thatsächlich zunächst in dem Sc b 1 a i' w ageu. Hier soll ja nicht
geatffrt, nicht oaobgesehen werden; hier unterliegt beiebmntxte Wftsohe etc.
der Disposition des f&r jede Begünstigung lueht sn gewinnenden Dieners ; hier
wt hrt man sich am meisten , das benutzte kostspielif^e Material desinficiren oder
otVentlich reiniL'eu zu lassen. Wiihrend als'i beim Verkehr in d^n frewöhiilicheri
Waggons (auch aui den Aborten) der Mitreisende, der Schaöncr, der Zugführer
dem verdXcbtig Erlcrsnkten seine Anftnerksanikdt schenkt, ist es für den Sehlnf-
wageureisenden Kirlit , jeder OefTentliebkeit nu entgehen und unveroierkt in das
Getriebe volkreicher l'lMtze «nter/.iitanchen.
Wie gross ist auch ganz aligemein die Versuchung, zuerst und mit
Selbstaufopferung dem gewollten Reisezweek zu genügen, des Oeeehftft noeh nb>
zuwiekeln nnd inzwisehen die Zeichen und Mahnungen des sieb erst entwickelnden
Krankhcitsprocosses . ja eine?* 1)oreits reciit bedenklich gewordenen Zustandes der
Oelleiitliehkeit vorzuentiialten. Keine andere Krankheit fordert durch die Gerin;^-
fligigkeit ihrer wirklichen Anfangserächeiuungen die Willenskraft energischer
Naturen snm Widerstande gegen blossee ünwoblsmn so heraus; bei keiner
andt ren kommt das ZuMammenbreehen , der anscheinend foudrnyante Reginn,
das ilberstiirzte tndtliche Ende in auch nur annähernd ^rleicher Hilutifrkfit vor.
Hierin besteben aber die unliebsamsten Ueberraschungen der ünterstaudgewäh-
renden wie der Behörden. Ohne eine sebarfe Meldeordnung, die In Hdteis
nnd aoderen Absteigequartieren luit Consequens gehandhabt wird, lässt sich kein
Ort gegen Cholera schtltzen. liarbariseh ma? man immerhin jene« Vor^-^ehen
heissen, welebea Vorstände und Bevölkerungen kleiner Urte gegenüber Zureitenden
ans Gholerapliitzen einschlugen, indem sie ihnen Obdach und Aufnahme nach
mittelalterlicher Weise ginslich versagten. Aber weder als barbarisch « noch
kleinlieb kennzeichnet sich das Hestreben , die Herknmmlinge au^ verseuchten
Plätzen zu kennen, sie ohne alle Hel.lstigung in ihrem Refinden einige Tajre zu
beobachten und ibuea im Falle der Erkrankung mit einer geeigneteren
Unterkunft sn dienen, — nnd swar mit einer solchen, in welcher die Neigung
de.<4 eingeschleppten Cholcraerregenn zur Bildung neuer Herde am wahrschein-
lichsten . wo nicht mir voller Sicherheit für immer unterJrtlckt wird. Diese br)h«
Stellung in der Cbolerapropbylaxe sind wir gegenwärtig bemUbt , für die richtig
eingerichteten Cholerakrankenblnser in Anspruch su nehmen , von welchen —
wie von den Aerztcn — weiter unten sn bandeln sein wird.
Eine \vi('hti{?e Sonderaufgabo war 1872 der ^Choleracommission im kaiser-
lichen Gesiiiiilheit-^anit" {gestellt dnreh die Erledifrunfj der zahlreichen AniVaoren
Uber die mögliche V e r Hch I epp u n g dos Cholerakeiraes durch Waureu
nnd Handelsartikel. Es durfte kanm einen Oegenstand Hamburger Pro
venienz ^'e^'cben haben, hinsichtlich dessen Anfragen nicht bereits an sonst be-
theiligte Ik'Ii>irden i>o besonders aiteh an das I'(ilizei]»r;lsidiuni in Rerlin) gerichtet
gewesen wären, als die gedachte Conimi.ssiun dieses i hema zu dem ihrigen machte.
Abgesehen von den bereits in der Jnliverfügung des preussiseben Coltusmini*
Stenums als eventuelle Tr.Hger des Cholerakeimes bezeichneten Objeoten (Leib-
u n d B e 1 1 w Jl 8 c h e , gebrauchten Kleidern, Hadern, Lumpen. Obst,
frischem Gemüse, Butter, Weicbkäsej wurden nahezu alle sonstigen
Artikel als nicht cboleraverschleppend erklärt.
II. Der 0 holerabaeillus beim Versenehen von Wohn-
plätzen; Mittel daf^egen. — Die Aussaat der Cholerakeime geschieht
durch die Darmdejeotionen, demnädist die erbrochenen Massen
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CHOLERA, (sanitätapolizeilicli).
unmiltelbar ; seine Ucbergäuge auf andere Medien erfolgen mit Tersehiadraer
Wahrscheinlichkeit, mit der höchsten anf die Wäsche der Kranken, dem-
D&cbst in das zu deren Spülung und Keinigung benutzte Wasser. Wie letzteres,
M kttunen aneli tUe Dejeetionen unmittelbar in Offentlidie Wa»erUnfe, Brnnnmi,
lonstige Entnahmestellan fBr Trink- und Gebrauchswasser und aomit auf viel-
fache Weise in den menschlichen Hauslialt ziirückgclangen ; sei es, dass
das verunreinigte Wasser zum Sptllen von Gcräthschafteu, zum Waschen,
Baden, zum Reinigen von Gemflsen und Früchten, zum Kochen,
sor Yerdlliinnns der Iflleh oder direet sam Trinken verwendet wird;
oder dass Koramabaoillen, welche ja auf einigen Nahrungsmitteln mit feuchter
Oberfläche sich längere Zeit lebensftlhig halten, direet dahin und somit :uif
natürlichstem und kürzestem Wege in den Verdauungstractus eines emptilugiiohea
Hensehen gebracht werden. Aueh die MOgliehkdt derVermittlung dvreh
Stubenfliegen ditrfle, sobald denselben allerlei feuchte Nalimngsmittel zu-
gJinfrlich Kind, keineswegs von der Ilaud zti weisen sein. Sicher eonstatirt sind
jedoch in oder an Fliegen die Kommabacilleu noch nicht, während ihre An-
wesenheit und ihre Dauerhaftigkeit im Wasser and ia dea aoaat anfgefBkrten
Medien völlig awMfelaArei festgestellt ist. Eine Uebertragnng der Bseitlen dorok
die Luft ist unwahrscheinlich, da die Luft nur trockene F^acillen oder Bruillcn-
conglomerate forttragen oder fortwehen niui anwehen könnte und — wenigstens
nach K. Koch's vielfach wiederholter und vertheidigter Ueberzeuguug — die
Baeillen gleiefaseitl g mit erfolgter Austroeknang nieht nnrikre
Wirksamkeit absolut verlieren, sondern auch zu Gruudegehen.
„Die Erfahrung- spricht dafür, das-; der Infectionsstoff in trockenem Zustande nicht
verschleppt werden kanu ; wir wissen , dass die Cholera noch niemals durch
Waaren anf dem Wege von Indien hierher an uns gekommen ist; noeh niemals
haben Briefe oder Postsendungen , auch wenn sie nicht — wie es jetzt vielfach
geschieht - durchstochen und durchräuchert wurden, die ('li ijcra ver!)reitet. Die
Cholera ist überhaupt , wenn man den Ursprung der einzelnen Epidemien unter-
sucht, noch nie anders zu uns gekommen, als durch die Menschen selbst."
Für die spftter sn bertlbrenden Verniehtungsbedingnngea des
Choleramikroben sind imter seinen oonstatirten Lebenseigeuschaften noch wichtig:
die Haltbarkeit seiner Agar- und F'leischpeptonculturen (auf länger als 7 Monate),
seine begrenzte re Haltbarkeit im Wasser, der Maugel einer Dauerform in
seinem Bntwieklnngskrebe und sdn BedflrÄiias einer mehr als 17* betra-
genden Temperatur, sein geringer Widerstand gegen Säure f. .sobald
die Nährgelatine auch nur eiue Spur von saurer Keaction zeigt, ist das Wachs-
thum des Cholerabacillus schon ein sehr verkümmertes'^), ferner die Behin-
derung seiner Entwicklung durch Alkohol (10% der Nährflüsiigkeit) , Eisen-
salphat (2Vo), Alaun (lVo)> Oampher (O'S«/«), Oarbolsftnre (0*35 > Pfeffer-
minzöl (0-05 7o), Kupfenulphat (0*04 Vo)« Chinin (0 02«/«), Sublimat (0*001 Vo)»
Kalkmilch (s. unten).
>«'eben diesen lüigeuschafteu des eigeutlicheu lulecti«m.sstofles treten die
Hilfsnrsaohen fDr sdne Verbreitung, wie man sie in allerlei geologisehen
und meteorisehen Bedingungen hat finden wollen, für die gegenwärtige moderne
Betrachtung so sehr in den Ilinlergnind dass sich von den mannigfaltigen Be-
hauptungen bezilglichen Inhalts nur die eine aufrecht erhalten lässt: es giebt
Ortschaften, deren Lage nad Bodmbesehaffenbeit fQr die Entwicklung des Obolera-
keimes bescmders nngflastig und andere, deren Lage und Bodenbescbaffenbeit der
gleichen Entwicklung besonders günstig ist. Mf>glicher Weise lösen künftige eiu-
gehende hydrologische rutersuchungen dieses Problem noch vollkommener auf,
als es durch die bisher erst in spärlicher Zahl vorliegenden bakterioskopischen
Constatirungen der Cholerabaeillen im Flusswasser geschehen ist.
l'eber die Art, wie Wasser infieirt werden kann, hat man die an-
selianUehslen VorstelluDgen wohl aus dem Schifferieben, in welchem dieFieaiien-
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OHOLBBA (nnit&tapolizeUidi).
159
«bsetsnng und die WaBserentnabme (Nuts- und TrmkvuBer) in einen
«'Ilgen Kreis zusammengedrflngt ist, wie auf dem Lande nnr selten. Allein
die llaraburg-er AVaeserversorgunfrsverhiiltiiisse ; und wohl nacbtrü^lich auch die
vieler anderen Orte, in weicben explüäiousartige Epidemien vorgekommen sind)
lehren nnabwdslieh , dass eo enge Berttliningen der Fäenlieamifnahmeplitae mit
den Quellen der Waeserversorgang häufiger sind, als jemals vorher ann:enommen
worden ist. Es sind dies Typen, wie die Londoner Epidemien von 1819 und
lbö4 , von düueu selbst die Gegner der Wasserverbreituugstbeurieu zugeben
mnBSten, dass dnreb das mit Gholerakeimen Hherladene Trink- nnd NntswMser
jene „Expluäioneu" veranlasst worden.
l»ie Aiutrdiniii.:: der Wasser- und Fftealienwirth«<'li;ift in Form eines
weit a use i n a u d e rgez 0 g encn , mit Z w isc b eu hc ha 1 1 u nge n reich-
lieh Tersehenen Kreislaufes ist also hier die Aufgabe der Hygiene und
SanitätspolizM. Keine unmittelbare Einmttndnng von Sielen in FlUaaef die dem
Rttckstan nnterlie^en, kein unbedingtes Vertrauen auf die „Selbstreinigung",
noeh weniprer auf die uncr»ntrolirt weiter arbeitende Filtration, stetes Augrenmerk
auf die Wasäerlieforungsstellon und das Wasser selbst: das sind Mini-
mal fordernngen, deren sieh keine mit der Beeehaffung von Wasser b^kaste
Bebrtrdo entschlagen kann. Sie mtissen indes>) inne gehalten sein, lange bevor
die Cholera in Sicht ist. Naht sie er-^t und finden ihre Keime im verunreinigten
FluBS bei niedrigem Wasserstande eine ioidiicbe Nährlösung vor, tritt als
Hilfiranaehe noeh dasn eine gesteigerte 8ommerhitse, die den abkthlmigB-
bedllrftigen, von Durst gequälten Mensehen swingt, diese Nährlösung gierig m
Terschlingen : dann ist es fOr die Bethätignng dieser saaitätspoliseiliehen Pflieht
weitaus zu sp.it.
Aebulicb trostlos liegt die Aufgabe, mit der Assaniruug der Woh-
nungen vorzugehen, wenn die Proliferation elngesehleppter Keime bereits be>
gönnen hat. Man kann mit der Schnelligkeit, wie sie alsdanu nöthig sein würde,
R.lume nicht delmeu. jahrelangen Schmufz nieht tilgen, da nicht lüften, wo keine
reine Luft zu Gebote steht und kein iSouneulicht eiulasseu, wo «s au den nöthigen
Oeffnungen fehlt. Man kann, wo das „Zu spät" anerkannt ist, nnr Kranke io's
Krankenhans, Gesunde in provisorisehe Quartiere rAsyle) .schaffen und in den ge^
rJlumten llflusern \«u iinL'-enfiL'-endcr HeschalTenheit durch T'mbau und Reinigung
die begangenen Fehler aliniiilig gut nuiehen. Das enge Zusammenleben an sich
durfte übrigens weniger durch directe Uebertragung der Infectiou als durch
Herdbildungen von Baeillen geflihrlieh werden, allerdings ja dnreb sehr reiehliehe
Bildungen soleher Herde und durch ihre wegen der Gedrängtheit des Raumes
sehr schnelle Einwirkiiug auf die mitbewohnenden disponirteu Menschen.
Die Vorkehrungen, dem Cholerakrankeuhause die Krankea und
Verdächtigen zusufflhren, mflssen nieht allein den loealen Ansohauungen nnd
Bedürfnissen entsprechende naeh. Art und Bespannung, sondern vor Allem auch
vollst.'lridiir nach allen Seiten s i c h e r ^ e s t e 1 1 1 o und ülieraus prompte und
schnelle sein. Contraete mit Fuhrunteruehmungeo, Verbindungen der amtlichen
Meldestellen mit denselben , Bedingungen in Betreff der Gespanne, der Rutscher,
Krankenbegleiter, sowie in Betreff des DesinfeettcHumeebanismas für die Vehikel
können gar nicht raffinirt genug erdacht und nicht scharf genug aus^^edrflckt,
beziehungsweise unter Conventionalstrafen gestellt werden. Wo Feuerwehren
existireu, kann nicht dringend genug dazu geratheu werden , diese so vorzüglieb
vorbereiteten Organisationen zweeks der Herbeisehaffteng von Aersten, Wagen,
HQfemannschaften etc. (Drahtweg) um ihre Mitwirkung anzugehen, nnd wäre es
nur in Form der Mift<('Tiut/.nn;r der Melder oder in Bezug auf die Vorbildlichkoit.
Hauswirthe und uubetbeiligte ÖtaatsbUrger dUrfeu unter Hinweis auf die
etwa vorhandene Noth und Oelkhr mr Bergung nnd Hflfeleiitnng auf
der.Strasse plotzlieh erkrankter nnd warn Weitergehen unfähiger Per-
sonal poliaeilieh aufgefordert werden.
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160
CTOLERA ^sanitäUpoliMÜichj.
Sobald sie erkiftren , dass für sie selbst erbebliche Gefahr vorliege , ist
ein weiterer Zwan? aiis^^cFclilossen. Bei A ersten da^ej^n erfolgt formelle
RequiaitioD unter Hioweia auf 360, 10 St. 6. b.
Den A ersten kommt neben ihrer InaoBpraehnabmo ab Helfer nnd
Heilender die Bedeutung Sil, den Verdacht auf Cholera zu schöpfen, der
Ortsbehfirde niitziitbeilen , ilm zu erw.lp^pn , zu ^uhstantiiren oder fallen zu lassen.
Für die von den städtiacbeu Körperscbattcn erodueten Kran kenbäuser, denen
die verdiehtigen Kranken nnter diesem Utel sngefBhrt werdm, ftUt das Ver-
daehtsehOpfen natargemäss fort; alle sonstigen aufgezahlten Anijs^ben der
ärztlichen Mitwirkung bleiben auch für sie bestehen. Sie sind ihnen leichter er-
füllbar verrnftgre der bakteriolog^ischen Laboratorien, der fiirchtloseu Würter, der
tflglicheu Uebung des gerammten Personales, des umfangreichen lieilapparate-s, ohne
die rie nfeht gedacht werden kOnnen.
Auch wirkt das Oholerakrankenbaus zielgereebter gegen die Fortpflanzung
der Infection. da es die zweckui.tssig'Rten Vnrk<'liriinfren zum Vernichten der
Dejectiouen und sonstigen Medien der Cbulcramikroben sich anzueignen ge-
halten Ist. Unter diesen steht das Vernichten der Fioalien nnd dw in ihnen
enthaltenen Keincoltnren von Choleramikroben mittelst Durehkochnng ohenan.
Bleiben die Erfolge ao zufriedenstellend, wie sie \on den betheili?:ten Directionen
bis jetzt geschildert werden, so besitzt mau in dieeer Anwendunfj; der Hitzc-
desinfection ein Vernichtungsmittel ersten Hanges, und die Krankenhäuser
vflrden auf diese Wdse ans ehedem gefDrchteten Heiden in Entsenehnngsstitten
▼on massgebender Bedeutung umgewandelt sein.
Aber gerade bei der Cholera wünscht selbst der Arzt und der gebildete
Laie die Keime nicht blos da zerstört zu sehen, wohin sie gelangt sind,
sondern anch da, wohin sie mAglieher Weise gelangt sein könnten. Bs
kommen neben den Ab^rüiigcn auch Stechbecken, Aborte, Wftsohe, Kleider, die
helfenden Hftnde, die Anzüge der Helfer, Fus.sböden, Krankenr.lunie, Dureligänge,
Flure in Betracht, wenigstens für das populäre Bedarfnisa, das auch ausser-
halb der Desinfectionsanstalten befriedigt sein wilL
a) Erbroebfnes nnd Stuhlgang CholeraverdHebtiger nnd Gholerakrankcr
ist in Tiefässen aufzufangen nnd in ihnen zu mifichen mit ehiem Kalkpräparat,
das nicht HypR , wohl aber entweder Chlorkalk oder Kalkmilch, je nach der
leichteren Möglichkeit der Hescbaflfung, sein kann.
Bereltungen: Chlorkalk wird in Pulverform zu zwei gehäuften
Esslöffeln auf >/] Liter der Abgftnge zugesetct und flbt seine desin6oirende Wir-
kung dann in einer Viertelstunde aus.
Kalkmilch ist die Mischunir von 1 Liter reinem gehrannten Kalk
(Fettkalk) mit 4 Litern Wasser, wovon 1 Liter zum Anrüliren und der Kest zur
VerdUunuug dient. L'mgeschüttelt den Abgängen zugesetzt, desiuticirt die Kalk-
milch in einer Stande.
b) In verunreinigte und verdächtige Aborte (nicht Sptllelosets) ist
K alkmilcli zu giesncn. Die Sitzbrotter sind bei Verdacht der Verunreinigung
allerwegen, auch WO es sich um Spfilcloaets handelt, mit KaliaeifeulösuDg
zu deaiuticiren.
Bereitung: 3 Theile grflne oder sehwarse Seife werden in 100 Theilen
heissen Wassers — 1 Pfund Seife anf 17 Liter Wasser — gelöst.
c) Fussböden, auf welche unversehens Stuhl nnd Prbrochenes Cholera-
kranker gerathen int. werden durch Bestreichen mit Kalkmilch dcsinfieirt. Nach
2 Stunden dann gewöhnliches Abwuschen ^^Abscheuern).
d) Wäsche von Cbulerakranken steckt man in GefiUae, welche reich-
lieh RaliseifenlOsung (s. oben) oder Carbolfiflssigkeit enthalten.
Bereitung: In 20 Theilen der Kaliseifenlösnng ist 1 Theil der
sogenannten lOO'/oigen Carbolaäure des Handels völlig aufsulösen.
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CHOLERA (sanitat.-{)oli/,eilich).
161
' Kleider ilcr ('holorakranken wie der Helfer, welche waschbar sind,
werden wie NNlUcbe, — die uicht wascbbareo in den Apparaten der Üesinfections'
«astalton — desinfielrt.
f) Die Hftnde (Arme eto.)« welche den Kranken oder einen dw obigen
und sonstigen Geg't'nHtändo seiner näheren rmeebunfr berührt haben, werden des-
inficirt durch ^iindlicbes Waschen mit CarboiflUssigkeit (s. oben) oder
Cblorkalklüsuug.
Bereitang: 2 TheUe Ohlorkalk Utaen sich in 100 Theilen Wssaer —
aber nieht Tolbtindlg, so das» die ungelösten Tbeile naoh ihrem Absetsem
ni entfernen sind.
Sobald «ich die Abgabe von Desinfectioasstoffeo an
Unbemittelte als wirklich erforderlieh heransstellt, mag man solohe Stoffe
zur Abgabe anschaffen nnd naeh wohl ausgearbeitetem Vertbeilongsplan
bereit halten; «her aber, um der unsinnifjen Vcr^fnidiin^!: vnrziili('ii?f'n , n i c Ii t.
Wie Selnilsjjcrren und ilbnliche Hinderungen von Zusaiumeiikünftea
gehandhabt werden »ullen , muss rein der vernünftigen Entscheidung der 0 r t s-
behOrden, wohl aweekmftsriger Weise naoh Berathnngen in den Sanitftts-
eommissionen , vorbehalten bleiben.
Mit (ier V'erliiitunir von Menschenansammlung-en pflegen prerade
zu Chulerazeiten die Lucalbehörden keine allzugrugse Mube zu haben \ anderer-
seits ist gar zn weitgetriebene Schrotnieit In eben dieser Richtung nicht am
Platze. Man bat 1892 in Berlin den Sedantag, in Hflnehen das Octobcrfcst ruhig
begehen la'^^^en. OewiMinlich ist die gedrückte Stimmung, die aMf vit-lcn Hevölke-
rungssebichten zu solchen Perioden lastet, selbst ein Hegulator siimmtlicber
MassenrerguUgungen. Die gebrftuehliohen Sonntagsdebauchen wflrde man
ohnehin niemals gans verhindwn kOnnen.
Für etwaige S a n i t H t s c o m ni i h s i o n o n erscheint w(»hl überall die V^er-
niehrun^' der ('onii)etenzen und eine reclit Ituute Zusammensetzung' aus zahlreichen
intelligenten Personli<:bküiten wUnschenswerth, die ebenso opferwillig wie besonnen
sein sollten. Ohne Bedenken ist es nicht» diesen GommissionsmitgUedem die fUmt-
liche Reamtenc] n a lität beizulegen. Trotsdem muss dies fiberall da, wo sich
der Ernstfall entwickelt, d. Ii. überall, wo sich ein Ort als „grundverseucht"
bekennen muss, angestrebt werden. Es würde sich ja immer nur um eine nach
Wochen sn hemesseode Frist handeln, in welcher üebergriffe kaum su hSnflgen
Wlederholnnpen gelangen könnten, und einer Verletzung des Rechtsbewusstseins
der Hevölkeriinfr bMldiL-"!' Rtnicdiir zu Tbcil werden dürft»'. I>ie TliMtiirkeit der
Sanitiltscommissionen läuft m<i>,'li('her Weise vielfach Gefahr, eine recht zersplitterte
zu werden , wenn sie nicht durch umsichtige Directiven eines technischen Leiters
geregelt ist-
Die Ortebehörden rotl8«en sich von jedem Fall der Cholera , auch des
Choleraverdachtea , in Kenntniss setzen und für die Anzeige derarti^'cr Fülle die
Verptlichteten bestimmen und in Anspruch nehmen. Das „Inkenutuisssetzen" ist
hier eine wirkliehe Thätigkeit der genannten Behörden, kein blosses
passives „In Kenntnis'^ tresetzt werden". Ist der Verdacht .Irztlich f wissenschaftlich)
untcrsneht . und der Fall su ffir die O e f f e n 1 1 i c h k c i t reif, so darf, Ja muss
der letzteren freier Lauf gelassen werden. Je näher der Zeitpunkt der i'ubli-
eatioD an den allerersten Anfangspunkt des Verdachtes gerflekt werden kann,
desto sicherer ist die Stellnng der Ortspoliieibebörde nnd desto klarer der Weg,
den sie zu beschreiten hat. Allein die Technik der .Aulfindunfr drs iibcr allem
Zweifel erhabenen ClinI(>ratnikrol)en ist eine I a ii a inr. Tüchti^o Methodiker
haben für eine volistandi;^ gesicherte Diagnose Uber 2uKil 2 1 ^Stunden beansprucht.
Der Dringlichkeit gegenflber, mit der alle Welt die VerOffentliehnng einer solchen
Feststellung' fordert, besteht hierin ein grosser Missstand. Die SanitJltspolizei
kann dt-ihalb nicht anders handeln, als die theil weise Diapnosp für die
ganze ntditnt ii . d. h. einen selbst nur mit leichten Brechdurchfallerscheinuugen
Encyclop. .lahrliüctiur. III. 11
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162
CHüLEKA (sauitätspolizeilichj.
Behafteten und seine Umgebungren r o behandeln . als wäre die BHcillcndiagnoM
g 1 e i (• h 7. 0 i t i jr mit seiner Ermittlung perfect. Hat man dann erst den wirklichen
primären Fall in Händen, resp. zur Publication gebracht, so rechtfertigt sich ein
anaebeiiMiidM „Zuviel** in «Uen vorlier baeillenfre! befandenai Flllengmi» von aelbit.
III. Die Erzielung einer persönlichen Immmiitit (Weg^
fall der Empfänglichkeit) dem Chnli'rakeim gegenüber. — Dieser
Sohlussabscbnitt hat von dem (iliede in der Kette des Mechanismus der Cbolera-
isfeetion xn hudeln, welehee die Patbolo^en ab wichtigstes schätzten, die
pathologisehen Anatomen vielleidit noch als wichtigeB schätzen : dem s io
der Choleragenese (bei Pkttkkkofku ). fTPircnflber dem von den Hygienikern
(älteren Styls) bevorzuL'-tcn y gleich der s<i;renanntfii örtlich-zeitlichen Disposition,
und dem x gleich dem Cholerakeim, dem von den Bakteriologen sehr pro-
nondrt auf den SeUld erhobenen Hanptmomeot oder Hanptgliede. Ist Ton dieeen
Dreien ein Glied an irgend einem Punkte erfolgreich ansgesehaltet , ge*
broohen , ge8prenp:t. so ist eine Cholerainfcction ausgeschlossen.
Die Aufmerksamkeit der mit Sauitätsaufgabcn befa^stun Kreise hat sich
froher der Vermindernng der pereOnliehen Empfänglichkeit bei
aentcn lufuctionsIcraDkheiten wenig zugewandt; vielleicht mit Unrecht, da die
Schutzimj)fiinjr gegen die Blattern ein so Schätzenswerther Erfolg war, dass man
nach ähnlichen Erfolgen bei Epidemien aller Art, auch bei denen der Cholera,
hätte streben sollen.
Und dies «meomehr, ak der Untersehied der Vorliebe der Cholera-
infeetion für die Reichen und für die Armen eine so alte, eine grundsätzliche
CSrfahning ausmacht. Hinsichtlich der irriisscrcn E ni p t ;i n g 1 i c h k e i t der
niederen G esellschaf tsclasseu für den Ciiuierakuim Hess sich wobl
sehon frflher erklärend auf die habituelle Soitplosigkeit hindeuten, mit welcher
der Einkauf, die Aufbewahrung, die Zubereitung und Einverleibung der Nahrungs-
mittel und OetrJlnl<(' in den ärmeren Volksschichten und Haushalf uiigcu hcwerk-
steiligt wird. Hinsichtlich der individuellen Disposition stellte sich die
Tbatsache, dass der normale krttftig Baue Magensaft den Cholerabadnns ver-
niditet, resp. an der Entwicklung hindert, der krankhaft verftnderte dagegen
dem eingedrungenen Mikroben das Haftrableibea and die Vermehning gestattet,
in den Vorderfirund des Interesses.
Das Beispiel von Hamburg legt es dringend nahe, die älteren Annahmen
diesM und flhnlieben Inhaltes zu vertiefen, sie in einigen Punkten schon jetst
zur Herlcitnng einiger sanitärer Gebote zu maohen, dagegen sie in anderen
Punkten als watKlhing-^licililrftig zu bezcir-hncn.
8o wird C.S kaum beunätäudet werden, wenn schon beute in utfentlichen
Warnungen gesagt wird:
Die Reinigung der Hände nach jeder Berflhrnng mit schmutzigen,
verdächtigen oder durch viele fremde Hände gegangenen Gegenstände ist dringend
zu empfehlen.
Am leichtesten nehmen aber Lebensmittel jede Unreinheit an, welche
an den Händen haftet
Man geniesse kdn Nahrungsmittel, welches aus einem Cholera-
hause kommt.
Alles verdächtige Wasser ist nur in abgekochtem Zustande, sowohl
Bu Trink-, wie su Nutz- und Reinigungswaaser zu verwenden.
Vi r dt m Gebrauch ungekochter Milch ist zu warnen.
Ingh'ichcn vor Nahrung^imitteln , auf und in welchen sich Ubertragunge-
fähige Keime lange halten können:
Butter, GcmUse, Obst, Milch, frischem Käse.
Innerhalb von Räumen, die Cbolerakranken und Verdächtigen nini jkuf
enthalte dienen oder unmittelbar vorher gedient haben, soll man keine l^pelseik
oder Getränke zu sich uehmen, auch im cigeueu Interesse nicht rauchen.
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CHOLERA (Banitätspolizeilicb).
Es ersiolit sich leiclit , d.i-s mit diesea Vorschriften die Ausübung
der Marktpüiizei eine uoverktiunbare FUbiuDg hat. Wie die Stände der
Obst-, Gemflse- ete. Hindier werden aneh die Bleker- und Yorkoetliden mit
,,WnmaDgen'' auszurüsten sein , auf Grund deren der Verklafer die Zvrllek-
nabnie der einmal betasteten Waare reclitüdi verwei^'^rn kann.
Die Zusammenhänge , welche Un|>;stliche Peräoueu als ansteokungs-
befBrdernde zur 2jeit von Gholeraepidemien überall zu sehen glauben und erfinden.
Bind nbllos. OegenstiUide, welche Solehen jahrelang bei ihren, oft an neh sehr
unsauberen, Lebensgewohnheiten gedient habeti: Servietten, Trinkgeftlsse, Restecke
der Kestaurants etr.. erscheinen mit einenimale verdiiehtiK und werden der
Sanitätspulizei als Ubjecte denuncirt, gegen welche unbedingt eingeschritten
werden mOsM. Aehnliehe Übertriebene Vorstellongeii und Anfordernngen werden
an das von Hand zu Hand wandernde Geld, an Briefe, Banknoten etc. geknflpft;
die Individuelle Vnrbeuprnng artet in völlig monomaniRcbe Ideentlucht aus.
Ihre guten Folgen hat sie trotzdem darin , dass sie sonst sehr sorglos
dahinlebende PerMnen veranlagt, rine vereinfachte und geregelte Lebens*
weise su fahren nnd bei allen, auch den geringsten Verdanungsstörungen
ihren Verdaeht zu schöpfen, sich auch vor schwer v e rdauliohen
Speisen und jedem l'ebermass an Essen und Trinken zu hdten.
Das Letztere gerade ist der früher verkündeten lieget, tüchtig zu
sebnapsen, sieh su alkobolisiren, sweifSsIlot vOTsuxiehen, und es ist cfo be-
sonderes Verdienst der (unterm 28. Juni 1892) erlassenen ministeriellen Anweisung,
wenn sie zum SchluHH oagt: ,,Vom ricbranch der in Choleraseiten regelmässig
angeprieaenen Cbuleraschnäpse etc. wird abgeratben.'*
Als ein völlig illusorisebes , zweifelhaftes nieht all«n, sondern direet
verwerfliches Mittel, die persönliche Choleraprophylaxr auszuüben, be-
trachtet die .«^anit:itspoliz( i der Gegenwart das Verlassen des Wohnortes, die
Flucht vor der Cholera.
Fflr die Armen meistens unausfahrbar, hat sie frtther als ein Schutzmittd
der Beleben gegolten (vergL Real-Eneyelopldie, 1. Aufl., Bd. III, pag. 255).
Wenn 8ie nach Lage der Gesetzgebungen auch Niemanden zu venchr.tnken ist,
80 sollte diM'h auf die Hedenküehkeit dies(s Auswesres. mittelst dessen der Flie-
hende nicht allein zur I3ilduug ueuer Choleraberdc unterwegs, sondern auch zur
Ersengnvg sehr bedenklieber Lsgen fOr seine eigene Person den Anlass glebt,
beständig hingewiesen werden. Entschieden wird an Plätaen, in welchen wohl-
eingerielitetc , mit guten , den Forderungen des Febel« angepassten Aerzten und
einem gewissen Cumfort ausgestattete Krankenhäuser bereits im Hetrieb sind,
besser fttr jeden einzelnen Cholerafall gesorgt, als in plötzlieh nnd unversehens
befallenen Orten.
Der künstliche Impfschutz gegen Cholera, wie er von
(iAMALKiA und Zakslkin, von Ferkan, Bkik(;kr und Kitasato, neuerdings be-
sonders von G. Klkmi'ERER au Meerschweinchen experimentell hervorgebracht
wordra ist, erseheint für eine sanitfttspolizeiliebe Verwerthnng noeh nieht fest
begründet genug. Fi« wirkten schützend eiuerseita intraperitoneale Injectionon
von 2*5 Ccm zwei^^tündi^r bei 70° erhitzte H o ii i 1 1 o n c u 1 1 u r e n von l'ihn'o
C/iolerae, andererseits 8er um von Kaninchen, die durch intravenöse Einspritzung
von erwärmten Cboleraeoltnren immunisirt waren. Auch gelang es, Meer-
schweinchen durch Einfflhrung von 4 Cem. Vibrionenanfschwemmung in den
Magen 'naeli Snd;i-(>piuniliehandlun;;) gegen spHtere , <on>t iiiilu'din.rt tridtliclie,
Injectioneu zu schützen. AbgeschwUchte, zum Immuuisireu geeignete Culturen er-
langte KL£MPEBBK endlich noch, indem er einen oonstanten Strom vws
30 Milliampere 24 Stunden lang auf vorher giftige Culturen einwirken liees.
Diesen wi-isen-<eh:iftlich gestützten Anfängen einer Cholerainimnnisirung gegenüber
erscheint der I'KKitAN'sche Vorsehlag geradezu phantastiseh : man solle zur Pro-
phylaxe der Cholera abgeschwächte Culturen von Kouiniabacillen in die
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CHOLEKA (sanitau«i)oll»eilich). — CHONDRIN.
Quellen und WasBerreservoirs einbringen, am so, nuter Beibrin^unsr
einer unschädlieben Cholerine , die Bevölkerang durch den Qenass eines derart
prüptrirtm Trinkwassers gegen die eehle Oholera m sebfltsen. Aber aaoh gegen
die individuelle bnpfiing wird man so lange die constanten Bedenkon aufrecht
erhalten müssen, als die Erkrankungsziffer der Rcnölkcrimg nicht über S'^'n be-
träft nnd der persf^nliche Sithutz auch auf andere Weiae nicht unerreichbar er-
scheint. Die Möglichkeit, eine annehmbare Geätaltung der Impfung zu erfinden,
enehflint sUerdinfa niebt «ngeeebtoeaea.
Die wahre Prophylaxe des VolIcskOrpers gegen das Einschleichen der
Cholera ist die 0 e f f e n 1 1 i c h k e i t. Keiner Gunst des Bodens noch des Wetters,
keiner hygieniacbeQ Einrichtung , keiner Yorsichtsmassregel , die der Einzelne ao-
wendet, ist m trauen, wenn nIebt dw cboleraverdlebtige Menseh auf diesen
Verdacht, dessen Ungrund oder Begründung, untersucht und von verantwortlichen
TIelferri der nach der einen oder anderen Seite HachjjemSssen Behandlung unter-
zogen wird. Daher ist die Abstellung alles Verborgenen die geweihte
Waffe der Sanitätspolizei; daher ist jedes Haltmachen vor einer Heimliclikeit
eebon ein FeUer und «beolut mmCbsam.
Die Cfbolera wird ihrer Natur nach stete eine verschleppbare Krankheit
bleiben , weil der ihre Keime bcberberirende und producirende MeiH^h nueh aus-
gedehnten und complicirten Ortswechsel vuruebmen kann. Sie ist wohl die Ein
scbleiehkrankheit ersten Ranges in allen Fällen, in denen es einer
sUrken Widerstandskraft gelingt, die nadi Aussen dringenden Symptome eine
Zeit lang zu verborgen.
Die wesentlichste Macht iudesü, sich zu einer Einsobleichseuchef
einer Epidemie an entwickeln, wird den mnaelnen Oholeraflllten abgeselmitten,
wenn rie Anfang an richtig als solche benannt werden.
Mehrere Hiiridert in ihrer Natur jedesmal schnell erkannter, dann selbst-
verständlich auch demij:ein;iss ;^'^ewürdigter in einen l'latz eingeschleppter
Chulerafälle bilden für denselben keinen Ernstfall. Letzteren bildet demgegen-
Aber, wenn nidit gar sebon jeder einselne Fall, so doeh jede Mehrheit
sieht in ihrer Natur erkannter und dann demgemftss auch nicht in ilurer
grauenvollen Bedeutung frewürdiirter Cholerafillle ; denn diese Bedeutung besteht
dann , dass unzählige und uncuutrolirbare Herde während des der Beachtung
entaogea gebliebenoL Zwisebenraumes gebildet werden konnten und in den ge-
sebiebtUob genau studirten Bpidemien tbatsieblicb dann bereits flberali gebildet
waren. Wernieli.
Chondrin, Knurpelleim. Seit der Abfassung des Artikels C b o n d r i n
in der xweiten Auflage der Real-Kneyelopidie (Bd. IV, 1885, pag. 267) ist die
obemisebe Natur dieser beim Kochen der permanenten echten Knorpel mit Wasser
in Lösung gehenden SuVistanz ermittelt worden, ."^chon C. Th. MüRVER (1888)
hatte in der tirundsubätuuz der Knorpeln Collagen oder leimgebende Substanz,
die bmm Koeben mit Wasser Sebnenleim (Knoehenleim) oder Glutin liefert, in
Verbindunf^ mit einem eiweissartigen StotTc. einem Albumindid , ferner mit einem
mucin- oder schleiinartiL'en StofVe. Ohondromucdid , nnd endlich mit einer cha-
rakteristischen Säure, Cliundruitsäure, und zwar letztere Säure als eine sogenannte
Aetbersehwefelslure (beim Koeben mit Mineralsluren ihre gnnie Sebwefelsanre
als solche abspaltend) erkannt. Zu umfassenden nnd hOebst flberrasebenden Ergeb-
nissen haben nun die Untersuchungen von SrRMIEnEURRG (1891) frefdhrt. Wird
die au-» reinem hyalinen Knorpel besfchenfle Nasenseheidewand des .Schweines der
Magen Verdauung unterworfen, so resultirt eine teigige Masse, welche dich leicht
von dem gleiebseifig gebildeten Leimpepton trennen lAsst, in verdttnnter Salsslure
sich auflt'st lind durch Alkohol gef,lllt wird. Durch Katronlaui<:e wird ans dieser
Fjilhinir die Chnndr<iitsehwet'els;'iiire als Natronsalz gelost und diin'h Zns.ntz von
Kupferacetat das Kupfersalz 0,^ H^^^ CiiNSU,; -f ^ H, U in Kryslalleu ausgeschieden.
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CHONDKIN. — CHTMUS.
165
Daraus leitet sieh fllr die, ebenso wenifr wie andere Aethersehwefelsiiuren im freien
Zubtaude darstellbare Cboudruitschweteisäure die Formel Cj8H27^äO|7
ab; diese lerfUlt beim Koehen mit Minerelslvreii , unter Aufnebme von 1 ]I<ä.
II3O, in Ghondroitin, C,bH,7N0x4, nnd Scbwefelsflniei H, SO«. Das Gbon-
droitin ist eine einbasische Säure, deren wässerige Lösungen ziemlich stark saaer
reagiren. Kocht mao das Ghondroitin mit verdünuter Salpetersäure, so resultirt
das Nitrat dner Sinre, Cbondroein, weldie alkaliMbe KupferoxydlOstmir
(FKHLiNO'sche Lösung) reducirt, nnd zwar 1 Mol. Chondrosin, 5*5 Mol. Cu 0 und
die Ebene dts polarisirten Lichtes stark nach rechts dreht (+ 42oj. Dass Chondriu
beim Kochen mit Mineralsäuren einen, nach Art von Zucker, CuO reducirenden
Körper liefert, war bekaoot ; dass letzterer eiue leicht zerstitzliche, stickstoffhaltige
Kohlehydrataure sei, hatte bereitt T. Mbbivg (1878) fUr sehr wnhneheinUeli
erkl&rt. Beim geHoden Erwftrmen von Oiondrosin mit Baiytwaner bildet sieh
Glyouronsäure und Glycosamin.
Auf Grund seiner Versuche und weiterer Erwägungen schliesst nun
ScBifiBDSBBBO, dsBs das Chondfosio niehts Anderes ist, als eine loekere Verbin-
dung von Glutin (Knochen- oder Sehoenleim) mit ehondroitsühwefelsauren Alkalien
im Gemenirc mit (llutin selbst. Es lag darnach der VerPuch nahe, Knochenknorpel
in wahre Knorpel umzuwandeln. Dies ist iu der That durch Digeriren von Knochen-
koorpel mit Lösungen von cbondroitschwefelsaurem Kali bei 40 — 50<> gelungen.
Dieser klnstliehe Knorpel redndrt nach dem Koehen mit Salsstnre OnO in
alkalischer Lösung, wie der natürliche Knorpel. Aus dem Resultate letzteren Ver-
suches lässt sich schli essen, das.s auch in dem natürlichen Knorj)pl die Chondroit-
schwefelsäure mit der collageneu Grundsubstanz nicht chemisch verbunden, sondern
nnr darin eingelagert ist.
Literatur: C. Th. Murner, Zeitschr. f. phystol. OJiem, XU, pag. H98. —
Schmiedeberp, Arth. f. exp. Path. XXVill, pag. 355. J. Kunk.
Chorea laryngis» s. Larynxeh oren.
ChymilS (vergl. Real-Encyelopädle, 2. Aufl., Bd. IV, 1886, pag. 301).
Zur KtTiiitiiiss des menschlichen Ddnndarmchy mus, das heisst der
Hesehallenheit des Speisebreies im menschlichen lUlnudarm und damit auch zur
Kenutniss der Verdauung im menschlichen DUuudarm (vergi. auch
Real-Eneyelopädie, 2. Anfl., unter Verdauung, Bd. XXI, pag. 98, dieDarmver*
daunng) liefern Macfadyen, M. Nencki nnd Sirber (Areh. f. exp. Path. XXVHIi
pag. 311^ einen wichtigen Heitrag. An einer G2jährigen, nur 40 Kgrm. schweren
Frau war wegen eingeklemmter Hernie ein StOck des iu deu Blinddarm ein«
mflndeoden nnteren Endes vom llenm ezeidirt nnd ein Antu praetematuralü
angelegt wurden. Naehdem die Wände bis auf die Fistel verheilt war, wurde
Pat. auf eine DiJlt gesetzt, die prr. Tag 200 Grm. Brod, 100 Grm. Fleisch,
200 Grm. Griesbrei, 20 (irm. Pepton, 60 Grm. Zucker, 100 Grm. Milob, 2 Eier
nnd 1 Liter Bouillou (im Ganzeu 10*6 Grm. N) bot. Mittelst eines in die Fistel
eingelegten Sehlauehea wurde der aniBieBsende Cbymus gesammelt, dessen Tages«
menge iu maximo 550 Grm. mit 4*9*/0 festen Stotlen, bei dickflüssiger Entleerung
nur 232 (irm. mit 11 •2* „ Rückstand betrug. Der Chymus gelangt, wie Versnobe
mit Einfuhrung von Salol ergeben haben, frühestens nach zwei Stunden bis in das
untere Ende des Dünndarmes nnd dann dauert es 9 — 14 Stunden, bis alles Salol
cor Fistel ausgetreten ist. Der gelb bis gelbbraun gefärbte Chymus, von fadem
oder an freie Fetts?turen erinnernden, kaum fauligem Geruch, reagirte stets sauer
(durohsehnittlieh O'I^/q Säure entbalteudj, schloss gelöstes, gerinnl)ares Eiweiss,
Muein , Pepton , Dextrin , Zueker , inaedve Olhrungs- und optlsdi-a^iTe Para-
milchsflure, fltlditige Fettsäuren, bauptsiehlich Essigsäure, Galleasiure nnd Bili-
rubin ein, das an der Luft in Biliverdin fiberging. Die iTsache der saureu Reaotion
des 1 Xinudarnichymus sind organische Situren , hauptsächlich Kssigsilure , niemals
balzsäure; der grüsste Theil der gebildeten orgauischeu Säureu wird durch das
166
CHYMÜS. — CLÄVI STPHILITICI.
kohlensaure Alkali des Darmsaftes neutralisirt. In dem Destillate des mit Oxal-
sAure versetzten Cbymus fand sich weder ladol, noch 8catol, nucb Phenol, »oudern
■or EmigBinre; im Destillatiororllekatende die beiden MilehsluTen , «ber keines
der Gährung^produete des Eiwoiss, auch nicht Leuoin nnd Tyrosin. Also wird
das P^iwiM'äs im Dünmlurm durch Filulnissmikrühen kaum zersetzt . wohl aber die
Kohlehydrate unter Bildung von organischen Säuren. In den auA dem Cbymus
«Dgelegteo Bemcaltaren fknd sich kein Mikrobe, welcher EiwdsB sersetst, wohl
«l>er solehe, welche die EoUehydrAte, nnter Bildnng von Aethylalkobol, den beiden
Milchs&uren, Essigsäure und Pcm-Jtoinsänre, zersetzen. Das Ei weiss wird darnach
erst im menschlichen Dickdarm unter Bildiintr der aromatisehen F/iii!ni8S]>roducte
(ersetzt. Die aus den Kohlehydraten entstehenden organischen Säuren sind es
Moh , welche die Efweiaet^rnng verhindern nnd bei einer gewissen OrOsse sudi
die Zersetz» II il* r Kohlehydrate einschränken.
l>:i hei der oben {re.sehildcrtcn Di-lt mit I0'i\ Orm. N ])r(i Tai: der intier-
balb 24 Stunden ausOiessende Cbymus uur 16 Grm. N einschloss, so ergiebt sich
daraus das wichtige Resultat, dass nur Vt vom Nahrongsdweiss sieh der Ver^
dannng nnd Resorption im Dünndarm entzogen bat, also in der Norm fllr den
Dickdarm ilhrifr bleibt, wftlirend " 7 des Nahrunfrsi iwci^s vom Majren und Dünn-
darm verdaut und re-nrl>irt werden. Volle 6 Monate hat Pat. mit Ausschluss der
Dickdarmverdauuug gelebt, dabei au Körpergewicht zugenommen; zuerst setzte
sie Eiweiss ans der Nahrung am Rfirpor an, weiterbin in dem Uaasse, als sie
sehwerw wurde, passte sieh der Eiweissansatx mehr nnd mehr der BIwdssznfnhr an.
.T, Mnnk.
Clavi syphilitici. G. Lewin hat zuerst im Archiv für Dermatologie und
Syphilis, 1893, Heft 1, auf diese Oebilde aufmerksam gemacht, welche bisher theils
ganz übersehen, theils auch verwechselt wurden waren, jedoch für die Diagfuose der
Syphilis in zweifelliaftcn Fillleii von hnbcr T'xMlciituiiir sind. K< sind an Händen niul
Füssen vorkommende hornarti^a^ (Gebilde, steckuadelkuopt- bis linscngross, meist
nnd, seltener oval oder länglich, wie in die Haut eingekeilt, nach oben sieh
vei^Ongend, doeh nur ausnahmsweise eonvex Uber die Umgebung ragend, ja aelbst
mit concavcr Oberfläche. Im Anfange ihrer Entwicklung blassroth , erscheinen
sie später von mehr jfelblicher Ilorntarbc; anfan;rs weich, mit der Nadel zu zer
faaern , später zum Zerbröckeln hart wie Cemcut. Die umgebende Haut zeigt
meist einen blassröthliehen Hals oder innen Kranz von weissliehen Epidermis'
sohflppchen. In der überwiegenden Mehrzahl kommen sie in der Vola numut,
selten in der Planta pedis oder an den Volar- und Seitenflächen der Fing'er und
Zehen vor. In ihrer Entwicklung bildet sich zuerst ein blassrother, runder Fleck,
der sieh allmälig dunkler ftrbt und aehtiesslioh in's Briinnliehe sehattirt. Mit
dem daranfTolgenden Erblassen verdickt sich die Epidermis, ein rOthlieher Halo
bleibt noch eini-j-c Zeit nnd die IT.uit stosst sicli in Schüppchen oder Laraellen ab.
Die Sympt<tnic sind p'rinjr. Vasomotoriselu' Stuninixeii zeigen sich nur
in Höthung und Entfärbung. Ab sensibles Symptom kummi iiiitunter geringes, noch
seltener stärkeres Jucken und Stechen vor, die bei Clavi vulgare» nicht seltenen
irradiirenden Schmerzen fehlen; Motilitätsstöran^eii -leichfiills. Auch trophiscbe
Erscheinungen, die sieh beim vulfrären Clavus in der .\tropliie der Papillen und
des umgebenden lUudegewebcH doeumentircn, sind nur gering und doshalb von L.
weniger beobachtet wohl wegen der frahzmtigeo aotisyphilltischen Cur, welche die
volle Entwicklung des ('fnnis ayphilit. hemmte.
I • i f f e r c n t i a I d i .•! fr n n s e. IMe Warzen prominiren , haben nieist
Eorklüftete Oberfläche und .sitzen äusserst selt' ii in der Vola manua. Die syphi-
litische Anamnese kann unter Umständen den Ausschlag geben, obwohl Verruca
glahra wie plana zumeist Im» jugendlichen Personen vorkommt, die bekanntlieh
aneh das Haupteontingent zur Syphilis liefern. — Die Hahner äußren sitzen
selten an den Hinden . am seltensten in der Volo mnnifs. Im I'ebrigen promi-
niren die Hühneraugen, haben einen ceutralen Zupfen und erzeugen meist irra-
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CLÄTI STPHILITIOI.
167
dürende .Schnier/en. was Alles beim Clavns syphilit. fehlt. — Die Schwiele,
CaUositaa, ist mehr oder weuiger breit, höchst selten rund, uie scharf beg^roozt,
sondern sieh peripheriseh «bflaehend.
Die Efflorescerizen der Psoriasis s>/ph ilitica, mit denen die Clavi
wohl meist verwechselt worden sind, unterscheiden sich von diesen durcli ihre
braunruthe Farbe, ihre Lage im Niveau der Haut, ihre Bildung von Schuppen,
welche auf Terdflnnter Epidermis gelagert sind.
ICinen ultsohiten diagnostischen Werth für Syphilis können die
Clnii sriithilit, ebenso wen! fr wie die jindereu klinisehen Symptome, Sclerose.
Exantheme, Hals und Knoeheukranklieit etc. beanspruchen, wohl aber einen hohen
relativen, indem beim Fehlen anderer Symptome sie den Verdacht aufSjrphilis anregen.
Anatomie. Im Corium beobachtet man etwas erweiterte Gefilssseblingen
und Lymplispalten. In der Pars pfijn'flaris sind die fadenfttrnii^reii mul ])apinären
Erhabenheiten breiter und Llnfrer und zei;ren stellenweise Verzwei;;iinjjen und Ans-
buchtuugeu. Mehr oder weniger zahlreiche, in die Papillen und das Jit'te Maljjiijhü
dngewanderte , aus den Gapillarsehüngen stammende Rundzelleii weisen auf statt-
gefundene entzflndliche Vorgftnge hin. Im Stratum granulosum statt der 2 bis
3 Reihen tlbereinander {relatrerten Zellen 4 6 Heilien derselben mit wenip oder
gar Iceinem tiUssigen Inhalt. Die Zellen sind atrophisch uud stellen längliche,
stark tiebtbreehende Streifen dar. Stratum lueidum ist meist nicht sn erkennen.
Einzelne Tröpfeben oder leere Zellenhüllen könnten Raäviku's jJn*]ues lihres**
sein. Das Straf uvt rorn>>>!» ist mehr oder weni.L'er hypertrophisch. Aehnlich wie bei
der Callositas sind die Horuzellen {rel*iMct, doch .sind in den tieferen Lagen noch die
Kerne erkouubar. In weiterer Entwicklung bildet sich eine ganz aus verhornten
Lamellen bestehende Halbkugel. Zwisehen den Lamellen einxelne GouTolote von
ZeUen mit gut ftrbbareo Kernen, Abkömmlinge den Hete, welche bm dem unregel-
mflssigen Verhorn unfr-'procoss durch schon verhornte Zellen abgesehnfirt wurden.
Der ganze Proccss vollzieht sich in ähulieher Weise wie die Bildung vuu syphi-
litischen Hauthömem (ef. Lbwin und Hbllbb, Cfomua sypkilttiea in Unna*8
Internationalem Atlas seltener Hautkrankheiten. Hamburg- Leipzig 181)2, VH. Voss).
Schweissdrfisen worden in der umgebmiden Haut, aber nicht in den Clavi selber
nachgewiesen.
Iii Betreff der Aetiologie waren bei meinen 38 F&llen beide
Geschlechter f^eieh betheiligt, dem Stande nach flberwogen die PuMae
puhlirnt' , wie bei der Syphilis Uberhaupt im Alter von 20 — 20 .lahren
fl'i' unter 28 rr: 71*4° nj- Die Con.stilnti'.n scheint keinen ätiologischen Einlluss
zu haben; wir uotirten 6 kräftige, 9 mittelkräftige, 9 schwächliche und 2 sehr
sehwiehliehe Individuen mit Clavi. Von allen waren 15 ganz ohne firtthere anti-
syphilitische Behandlung geblieben und 9 einmal behandelt. Die Art der voran-
gegangenen Ciiren schien keinen besiuideren Kinflu?s zu haben, wir fanden Clavi
nach subcutanen Sublimaliujectionen 4mal, nach Sehmiereurea 8mal, nach Sublimat-
pülen und nach Sebmiereur je Imal und nach Jodkalium 4ma1. Die syphilitisehen
Complientiouen waren: Condyl. lata allein 5mal, Lata und Exanthem lOmal,
Sclerose und Exanthem fimal . rjoscola allein lOmal, Exantli. macul. , papul. 3,
nlceros. 1 , squam. 2mal , Psoriasis Omal und 2 Knochenatfectioncn. Aus dieser
Zusammenstellung folgt, dass die Clavi am häutigsten im Stadium der maculösen
und papuldsen Exantheme auftreten, seltener in dem der sqnamOsen und uleerOeen
nnd am seltensten bei den sogenannten tertiären Erscheinungen. In der Loeali-
sation sind beide KTirperseiten gleich betht iliL't . in den meisten K.illeu gleich-
zeitig, was als Ausdruck einer allgemeinen Erkrankung un<l uicht als Folge localer
Binflttsse angesehen werden muss. Der Anzahl nach beobaehtete ich: 1 Clavus
8mal, 2 Clavi 5mal, .3 Clavi 3mal, 4 Clavi 4mnl, 6 und 6 Clavi je Inuil, 7 Clavi
Sroal, „mehrere Clavi'* :^mal.
Die Therapie bestand bei alleu Kranken iu meiner subcutanen Sublimat-
Injeetfonseur, tfiglidi 0*01 — 0*019. Niemals kamen dabei störende Unterbrechungen
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168
CLAVI SYPHIUnCI.
durch Abticesäe, Salivation u. dergl. vor. Bei 23 Krauken wurden circa 386 Id*
jeetionen ^emaeht, so das» naeh dnrehsehnittlieh 17 iDjeetionen, respeotive 0'S04
Sublimat die Clavi schwanden. Die übrigen syphilitiäolieil SymptOOM bedorflen
hei 15 Kranken noch durchschnittlich je 37 Injectionen.
Geschichtliche Skizze. Die ältesten Syphilidologen des XV. Jahrhunderts
kannten aehon die syphilitischen Erkrankungen der Handteller, Finger und Foss-
aoblea ; GuitL. Rondblbtiiis ^) spricht ¥on ßsmrae t» manAw, fUM argummto
Stint, morbum non est» curat um; Trajan. PstrONIOS spricht von apo.fi/nna(a,
rhagadiatjnae, ßssuras, rimns et (iesquamotwne.o manmn, pedum : KATj.oi'irs
nennt Lichenea, vel lUiayades vel calli in ceatigiis peäum et vola manuuinj
NIOOL. Hassa *) wwfüukt ßsmrae in volia manuum et pkmHa pedum cum §fuamiä
euteü .... fit etiam quaednm sqtin moettotee, ASTBOC schreibt, d«88 die Bkür
g'ades pelten bei -repflcfTter Unnt vorknmmen , „contra rero id fnah' hnud in-
f requens est in iis, quibus manuum volae pedumque plantae »quaUore et labore
üa oowdewwt et eamceantur" etc.
Erst gegen Bode des XVIII. Jahriranderts werden neben sqaamAsen Exna-
thcmen auch maculöse , papulüse und nodöse an Händen und Fflssen erwähnt,
diese aber unter dem Sammelnamen Psoria-tis itnlmnri^ und plantanfi zusammen-
gefasst. FOURNIER 'j. Ji LLiRN *) und Cohn tadeln diese Incurrectheit mit Hecht.
FOüBNlBB sagt „Lee pnpulfiH ptdmaires psoriasiques , eomm0 on les appelle ä
tort und .Iri.i.iEx ^Ln psnn'asi's palnutire qu'un Pa assrz tmpruprement
riommt' f'ti\" Alle diese Autoren besehreiben zwar dif verschiedenen Formen der
l'.soriaäiä nebenbei, doch Niemand claü^iticirt sie im Detail. Erst in den Vierziger-
Jahren dieses Jahrhunderts sprechen franiOslsohe Syphilidologen yon Aortorat
cornee und Syphüis comie. BiSTT soll sie sehen vor 1 829 erw.abnt haben. Doch
weder Cazkn'ave's „larges plagues squamrunfs" und die kleineren ^de petiteji
siirfacfis de. la largeur d'un Centime^, noch Vidal's dk (;assi;i '^j Si/phth'de
cornee mit oft schmerzhafter Palma und einem Aaasehen „quelquefois plätreux",
noch die „bouton» ieailleux" Davassb's, welehe sieb „aecompagnent d^un 4kU
douloureux de prurifes, de hrulures" ähneln nur wenig meinen Clav!. Auch die
Beselireibuntr, welche Foi'RXiER von den „pnj>tth >i pahnnires psorinm'quf" giebt,
namentlich da.%ä sie »ich wie une tele de clou antulileu lassen, trifft nicht ganz zu.
E. Cohn giebt von der Psorins palmarts Cornea folgendes Bild: „Es bieten
manchmal die Papeln dem Getaste eine grosse Resistenz, welche von dem in die
Unit eingelajrerten Xenplasma lierrfllirt. Man hat da< (lefdlil, als ob die Ein-
lagerung nur Kartenblattdicke hiitte, manchmal aber als würde man ein Hübner-
ange betasten." Ich bedanre, dass Cohn hierbei die semiotisehe Bedeutung niebt
herrorgehoben bat. Was Kaposi'*) Uber Papeln der Flaehhand und Fnsssoble,
sowie V. Zkissi. ' •) fiber IW>riasis s>/j>/ii/. diffusa sagen, hat wenig Aehnlielikcit
mit dm in Hede .stehenden Clavi. Hi tchin.sox "^j crwilhnt ..zahlreiche kleine,
erb8cngr<»8se Flecken iu der Hohlhaud", Bumstead und Taylur '^j beobachteten
die 8yphü. cutanea Cornea Tonllglich an der Planta, viel seltener an der Palma;
auch sei eine innere Therapie oft ohne Erfolg, was unseren Erfahrungen wider-
spricht. DcHiiiNCi betont die Symmetrie der (Jehilde, was bei den Clavi nicht
der Fall ist. Ebensowenig zutretiend fUr uuneri* Clavi sind die Bilder, welche
J. DBSRUBLLKS J. JULLIBN *). BSBRELY HiLL CaMPANA »i), ALB. RBDBR
G. Bkbrend - '), Lksser-*), M. v. Zeissl»' ) von der Si/jdidis comen geben. Die
meisten Autoren gehen tlberhaupt nicht auf dies wichtige Thema ein.
Literatur: ') Guill. Bon d leti ub, in Aloy». Luuiaus' Aphrodisiacus sive de
Lue venerea. hvt^\n. Batavor. \TZ^, pa^. 9J9 C. — *) Trajan. Petronins, Ibid.
pag. 1358 A. — •) Fallopinm, Iliid , p.ipr. ^VZ E. — ') N i r. Miissa. Ibid.. paR. 4<> D Uüd
p:>p. III. — ') A u g e r. Fp rr ar i u 8 . Ih /)iit/iii(/ii>/i'i. Lih. II, C. XI, loc. cit. pag. H:26 C. —
•) Ahfx. Trajan, Pftronitts, Luisimis, jia^'. I.i.ö^ B. — ^)A8truc, De »nmhi.t vrnereis
Parisiis 1738. pajt. -133, Jj. 8. — ") \. i'ournier, Linons sur In Sif/,fii/is. Paris 1873,
puR. 384. — *") Jullien. Tt'ait»' profi'jur t/e.'< nuil. n'nt'r. Paris I8^G, piip. 'i04. Ahregh.
Des tnalutiie,'' <!>' I<i j>t>iii iVnin f .t fcs ini/)ii>:< fi s i,liis i.-ti>ii>'\ t ( sur tmit ii'iijir>\\- /<".>* ilocu-
ments pnivvs titma les iegons rliuifjues de M. JHett. Paris lö^iy. — ") A. Caaenavo, Tratte
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CLATI 8TPHIL1TICI. — OOMBIHIRTB STSTEtCEEKRAKKOMGEN. 169
ife» Sjff^ilide». Paris 1843, pap. 417. Derselbe, Lefona »tir les maladte« de la peaii.
Paris )'^56. l'iiK UM. Derselbe, ,!////.>, .«ur le-s niahidie.s df la peau. I815. *') Vidal
de C as 3 i s , Tratte des mal. vindt: 1859i p&g. 38. — '*)I)ava8Be, La Syphilis, sm formea,
mm uniti. 1866, pas. 170. — ") B. Cohn, Die Syphilis irtübrend der Periode ihrer Initial*
lind Frühtormpii ftr. Wien 1875, pag. 101. — '*) Kaposi. Pafliologie nii<l Therapie der
Hautkrankiit'iien. 1887. p«g. 8^5 Derselbe, Pathologie und Therapie der Syphilis. 1891,
pag. 141. — '*) D- V. Zeissl. Lehrbuch der ronstitutionelien Syphilis. Erlangen 1864,
r%. 115. K.V. Zeissl, H. v. Zeissl's Grundriss der f^thologi« und Therapie der Sypbilit.
Aufl., Stnttffmrt 1884. pag. 174. H.t. Zeissl, Lehrhnoh der Syphilis. 5 Aa6.,W{en,
pag. 429 otc. — Hntchinsou. Syphilis. df;uts(h von Kol 1 mann. Leipzig 18>'8.
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1877. Trudiiit par Dnrthelennj et Colon. Paris 1883, pag. 621. — "*) -L Desrunlles,
Darstellnng und Behandlung der neuen Krankheiten nach der antiphlogistischi-n und diäte-
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COCCidiUlll SarCOlytUS, «.Canerolo, pag. 120.
ColOnibO. Als wirkgamn Princip der Colombownnd (JaUorrkiaa (Ja-
hmba) bezeichnet HuGO Scholz ') das in grösseren Dosen breiige Stuhle
erzeufrondt' Herbcrin , ^ ii llcicht aiioh da.'« C'tlunihin . den hohen Stürkc^rehalt der
Wurzel hält er für die Wirkung deruelben, bei leichteren Formen von Darmcatarrb
ohne glddiMltige Afltetrtton der MagenaebleliDlifttit, oebenslk^lieb. BUher ist niu
Colotnbo in der Praxis zumeist als Decoct verordnet worden. Ein solches sehmeekt
aber trotz, der Corrigentieii selir bitter und i.st leicht zersetzlich. Hi Go ScHCi-Z hat
daher statt de.s ( 'olomboJecocts eiue Colninbotinctur durch Extraction der staubfein
gepulverten Wurzel mit reinem Alkohol im Verhältnisse 1 : 10 dargestellt; dieselbe
warde an Gesunden und an tablreieben Kranken dnreh v. Wobbbn>Wildb ") geprflft
und gleich wirksam wie das entsprechende Deeoct befunden. Die Vortbeile der
Tinctur sind, da.ss sie sieh iinbesT<*nzt lan^c hält, ferner dass der ihr anhaftende
bittere Geschmack sich durch Verdünnen mit Wasser stark herabsetzen lässt, ohne
die Wirkung so beetntraehtigon, und dass die Tinetnr billiger ist als das Deeoct.
Bei Durebfilllen Tiiu f nrtir Oolomho 3"0 — 5"0 3nial täglich, jede Gabe mit ' ^ — 1 Glas
\Va<)ser verdfhmt. Ht i lu ftigen Durchfllllen wurden bis zu 50*0Tinetttr im Tage
ohne üble Folarell verabreicht.
Literatur; ') Hugo Sthulz, Ueber Wirkung und Bruiu lihiirkL-it der 9t)lombo-
tinctur. Therap. Monatsh. I81I2, pag. 62. — *) v. W o l» e rn -W i 1 d e , Unteräuchnngea fibST
die Wirksamkeit und Brauchbarkeit der Tinetura Volomba, Dies. Greifewald 18UI.
Loebisch.
Combinirte Systemerkrankungen des ROckenmarkea ünter
dieser Bezeichnung versteht man die Erkrankung mehrerer Fasersysteme des
KUckeninarkes , bediufrt dureh eine einheitliche Noxe. Per Name „combinirte
SyKtemerkrankungen des Rückcniuarkes" wurde von Kahlek und l'iCK ') im
Jahre 1876 bei der Besprechung dnes Falles von hereditArer Ataxie Fsibd-
BEICH's in Vorschlag gebracht und näher begrflndet.
Ks handelt sich, wie man sieht, um einen anatomischen He-rritl", von
welchem erst des Weiteren festge.Htellt werden muss, ob demselben „ein ebenso
genau zu umsebreibendes Krankheitsbild entspricht, ab dw Isolirten Erkrankung
einzelner Fasersysteme^, mne Ansieht, weldie Kahler und PiCR ') bei der Definition
des Krankheitsbegriffes aufstellten.
l'a f h 0 I o g i s e h e A n a t o m i e. Wir }iaiiei\ im Klickenmarke — ich folge
hier vorztiglich den KcBuUatcn der üutcrsjuchuugen Über secundärc Degeneration —
dru Systeme zu unterseheiden, die in eorobinirtw Weise erkranken: Das System
der H i n te r s t r ä nge (H. S.), welches nach den Ergebnissen der Durchachneidung
der hinteren Kdckenmarks'.vurzdii SiNTiKR, jiiNGKR-Mü.vJCKii - i zum grossten Theile
gebildet wird aus der Fortsetzung eines Theiles der hinteren Wurzeln, ein System,
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170 COUBINIRTB STSTBMEBKBANKÜNGEN DES BÜOKENMABKBS.
das uach deu Untersuchangen Flkcusig's ^) aus vier, functionell nicht näher
bestimmteD Fasersyatemen bestebea soll und von welebem als sicherstehtind ange-
sehen werden Iubb, daas g^ne Erkmokong mit gewissen SenmbiUtltsstOriuigen
und atactinchen Erschoiriun^en der Extremit.lten zusammenhängt; das System der
P y ra m i d e II b a h n fP. S.j. hcfitchcnd au« den bekannten zwei Theilen , der
Pyramidenseiten- und -vorderstraugbabu, eiu System, das die mutorischeu Impulse
von der Hirnrinde ra tiefer gelegenen Gentren — den Vorderbomsellen des
Rflekenmarkes — leitet und endlich ein dritten System , das der Kleinhira-
seitonstrangbahii n\.8.}, dessen functionellc Hedeutunir Iiis bciitf uiicrkaunt
ist und Uber dessen auatumisehe Verhältnisse die Acten keiueöialU gcäcblosseu
ersehenen.
Diese drei Systeme sind es, welehe in weehselnder Weise eomlrinirt
erkrankt ^'cfiinden wurden, so /war, dais sieh pathologiMb-aaatomiaeh vier ver«
sobiedene Typen crirclicn. und zwar:
a) Vorwiegende Erkrankung der H. 8. uuU 1'. S. (SißCiirELL, Eklicki
nnd Rtbalkin^),
b) vorwiegende Erkrankung der H. S. und K. S. (Fraxcotte
c) „ „ n • ^- Strümpell, Münzer«),
dj ^ n » l*- S., H. iS. und K. S. ^^FaiEDRKicu,
KABLXR-PiCE, WE8TPHAL, STRCVPBLLf ROTIMBTBB, BROüSSX, SCBÜliTZB, DiSJBRINB-
LAtülle, Mbnzbl, Pütnam, Arnold").
Die Erkrankung dieser Systeme ist eine prim.lro, sie beginnt an
irgend einem I^unkte dieser Bahn, um nun in ziiiulich willkürlicher Weise
oacb auf- und abwftrts oder nur nach der einen liiehtuug lortzuscbreiten ; einen
prineipiellen Gegensata gegenüber dem Fortsehreitra der seenndären Degeneration,
insofeme als die primären Systemerkrankungen in entgegengesetzter Uiflituni:: fort-
schreiten, als die seenndären Degenerationen, also die Erkrankiinir der Pvramidcn-
bahn aufsteigend , die der Hinter- und Kleinhirnseiteusträuge absteigend erfolge,
wie dies Strümpell <) annimmt, kann man nach den vorliegenden Angaben nieht
anerkenneu.
Es handelt sieh bei diesem Processe aueh nicht um eine von den (jefflssen
ausgehende Erkrankung, wie dies neuerdings für eine Zahl von Beobachtungen
Habib') annimmt, zum Theil anf Omnd der Untersnehnngen flbw seenndlre
Degeneration im Rückenmark nach Compreesion der Aorta abdominalis (Ehrlich-
Brikgkr, Singkk, SiN'UER-Mf N/i'ii "\ Sondern es ban lelt sieh höehst wahrschein-
lieh nm eine ulegeuerative y ) Atrupbie des Nervengewebes mit seoundftrer Wucherung
des Stützgewebes — 8 der ose.
Ich habe mich in dem Vorangehenden anf den Standpunkt Jener Autoren
gestellt, welche die voriie^^cnden Erkrankungen als syatematisdie auffassen; «e ist
nun an der Zeit, den« Standpunkt^ jener Autoren gerecht zu werden, wedche mit
Lbydex "'j von allen Formen „combiuirter Systemerkrankungeu^^ nur die FüiKD-
SBlCH'sehe Ataxie hier notergebracbt wissen wollen, alle anderen unter der
Beeeiehnung eombinirte Systemerkrankungen mitgetheilten Beobachtungen dagegen
zur diffusen Sclcroso reelinen. Diesen Standpunkt lifirrliiidet LrnhKV damit,
dasd die Symmetrie der Erkrankung Uberhaupt charakteristisch für Kückeumarks-
erkrankungen wäre und auch den nicht systematischen Affeotioneu der MeduUa
»pinalis xukomme, dass ferner die Solerose in deo verseliiedenen F&llen „eom-
binirter Systemerkranknng" die (Jrenzen der einzelnen Systeme mehr minder
Ubersclireite und dass schliesslich diesen Formen kein specielles Krankheitsbüd
entspreche.
So gewiehtig aneh die angeführten Grttnde Lbtden's erseheinen, so
reichen sie nicht ans, um die Lehre von den eombinirten Systemerkrankungen
zum Falle zn briiipren . niflssen jedoeli ein titiictitijres Mahnwort sein , nicht allzu
leiobt Uber die aufgeworfenen Fragen hinwegzugehen und inhbesondere durch ein
genaues Studium des k]inh»hen Verlaufes im Vergleiche zum patbologisch-ana>
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rOMBINIRTE SYSTEMEHKKANKUNÜEN DES RÜCKENMARKES.
171
tomir^chen iU t'uudt' dem «rewiss liert-ohti^'tpn Verlangen nach eimsr genauen klinisohea
Differeozining dieser Fälle naehzukommea.
Symptomatologie. Wir können, respective mUssen uns hier recht
knn faasen.
Von den drei in Betradit k"mm«nden Svi^temen Ist nur die functionelle
Bedeutung zweier, der Hinterstränf^e und der Pyramiden li.'ihn. mindestens zum Theile
sichergestellt, die Function der Kleiobiruseiteuätrau^babu jedoch ist, wie bereits
froher erwähnt, bisher nieht erkannt und so ist e« von vomhereb klar, daas das
Bnitreten einer Erkrankung der KleinhirnHeitenstran^bahn keine für uns erkenn-
baren Symptome vernreaeht. Wir miisaen also zugeben, daas dio Erkrankung aller
drei Syateaie ein gleichea Symptomeubild zeigt, wie die Erkrankung der H. 8.
nnd P. S. atldn, daas die Erkrankung der H. S. imd K. 8. mter dem Symptomen-
bilde einer Hinterstrangerkranknng — also der Tahea domualia — nnd jene der
P. S. und K. S. unter dem Bilde einer Krkr.inkuM^- der Pyraraideubahn — der
spasti-ichen Spinal|)aralys<': — verlaufen wird, respcctivc falls die <rau7,e motorische
Balin, auch diu Vorderhurnzelleu des liUckeomarkes erkranken , unter dem Uilde
der amyotrnphiseben Lateralsderose (MOnzbb).
loh mnss also bezüglich des Symptomenbildes auf die einfachen System-
erkrankunpen — Talus dorsualis und spa-itisehe Spinalparalyso , reapective
amyotrophisehü Lateralsclerose — verweisen und hier nur kurz darauf hinweisen,
daas wir, entspreehend der versehiedenen anatomiseben Ausbreitung, zwei grosse
Krankheitstypen unterscheiden können, und zwar eine spastisehe Form, Stt
welcher die unter dem Hildo der s+pastisclien Spinalparalyse ERii-CuARcoT vor-
lanfenden K.'Ulc ;?eh>'reii (vorwiegend P.S. und K. S.) und eine atac tische,
respective atactisch-paretisohe Form, zu welch letzterer die FRiBDBKicu'scbe
Ataxie gehört. Je nach dem Vorwiegen der Erkrankung in den Seitenstrlngeo
oder Ilintcrsträngen , wird der spastische oder atactische Symptomeneomplex in
den Vordergrund treten: aber nur in jenen Fällen, in denen die Erkrankung mit
spastisch-paretisohen Symptomen beginnt, zu welchen sich später ataetiscbe Erschei-
nungen, Bhuensehwaehe, Paristhesieu geseUen, werden wir das Hinzutreten einer
Erkrankung der Hinterstringe, also eine oombinirte Systemerkranknng in Betraeht
neben ddrfen.
Nimmt die Krankheit den umgekehrten Verlauf, dauu dürfte die DiHereutial-
diagnose gegenüber Tabes donwUü sehr schwierig sein, in der Hebixahl der
Fälle naeh dem gegenwlrdgen Stande unserer Kenntnisse sn den UnmOglieh-
keiten gehören.
li'w Tn/»'.i (lorsuah's nvlhsit rcchwn wir, den I ntorsnehungen über secun-
däre Degeneration folgend, vorderhand zu dea einfachen Systemerkraukungen, im
Gegensätze zu StbOmpeli«, welober entspreehend im FLBCBSio'sehen Angaben, die
Tahes dorauali's ph< nf ill- zu den combinirteu Systemerkrankungen zühlt; ioh
möchte jedenfalls auf diesr 1 )irl't'rcnz nieht allzu grosses Hewicht gelegt wissen
und die Entscheidung Uber dicdo Frage der Zukunft überlassen.
Aetiologie. Eine bestimmte Ursaehe dieser Erkrankungen giebt es
wahrscheinlich niclit : <^ mr)gcn wohl hier alle jene Momente in Betracht kommen,
welche bei der Erkr.inkung der einzelnen Fasersysteme als Atiologiseh bedeutend
herangezogen worden.
Bei der Durchsieht der Literatur fallt auf, dass in einem Theile der
FUle die Erkrankung Im Ansehlnsse an eine fieberhafte Affeetion begann (StbOv*
PELL*!. EFU.irKl-RYBALKIN *), MÜXZBE«), 80 dass man für diese Fälle den Schiris-;
wagen darf, dass eine den Körper in toto trertVndf Schiidliehkeit als Endcti'ect
eine Erkrankung mehrerer sonst vielleicht eiu/.eln erkrankender RUckenmarks-
systeme verursaebt hat.
Warum aber in diesen F&llen eine Erkrankung gewisser Sytleme des
Centrainervensystems eintrat? Wir wis^f>n es nieht: die Annalnne einer eongenitalen
Prädisposition enthält jedoch — hierin müssen wir Levdk.n' voll zustimmen — ein so
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172
COHBINIBTB STSTEMERKRAIIKÜNGBN — OONJÜKCTmnS.
starkes luybUscbeB Moment, dus es vorläufig besser ersobeint, seine Luwisseuheit
eiaxiigestdien als ni Mlehen Hypothesen Zofluebt zu nehmen.
Betflgtiob der Therapie Terweiae ieh auf das in den d^itehi qiasHBBiie
SjrfiialparesB nnd Tahea d^fmtalü Anseinaiidergwelste.
Literatur: ') K ahl or n. P ick , Arch. f. Phsyth. IST«, VIII — *) Siagcr,
Sitzangsber. tl. kais. Akad. d. Wii^aensch. Wien l>Sl; Singer u. Münder. Denksdir. d.
kais. Akad. d. Wissensch. Wien. 18>0. — ') Fitrh.Mip, NVurul. Centralbl. l^iH\, 9. Jahrg. —
*) Str&mpell, Aich. £ Psych. 1880. XI; Kriicki n. Bybalkin. Arch. f. Psych. 1886»
XVn. — *) Prancotte, Arch. de nenrol. 18*>0 (cit. nach .Schmidt*» Jahrb.). — ^ Strflin>
pell. Atcb. f. Pnvoh. is^H, XVII; ilünzer, Wiener klin. Wochenscbr. 1R9.>. — ♦) Fried-
reich, Yirchow's Arch. 1877, 140; Kahler u. Pick. I.e. Nr. l; Westphsl, Aroh. f.
Pqreh. 1878, Vni; Strfimpell, I.e. Nr.»; Sehvlts«, Areh. f. Psych. 1884, XIY;
Broiisse (cit. nach Schmidfs ,T;i!irl. i , Paris lK<?'2: Rfitimeyer, VirchowV Anh. 1887,
CX : IX'jerine Letulle (cit, nach ^^(hn)illt's Jahrb.), 189<t; Menzel, Arch. 1. l'^ych. 1890.
XXII. — ") Marie, J.e^ous i^ur It.y m<i(.„li,s ilc la moelh. Paris 1892, pag. 407, 42;i —
") Kbrlich-Ürieger, Zeitschr. f. klio. Med. VJI; Singer, SitzonsBber. d. kais. Ak«d. d.
irisMawh. 1887; Singer o. Mftnser, I.e. Nr. 2. — >') Leyden, ZiitMhr. f. Ula. Ved.
1892, XXL Hllnser.
ConjUilGtfvitiS. Dbütbchhank >) beobachtete einen Fall von Blennor-
rhoe a nfonaf oruvi bei dem neunten Kinde einer an chronischer Uretbralgonorrhoe
leidenden, joden Hills von drni Manne inficirten Frau, deren fjftmratliche vor^eborene
Kinder an echter blennorrboiseber liiudebantentztlnduug gelitten batten ; nach fast
dreiwAchentlichem Bestehen dieser letzteren stellt sich eine acute Kniegelenks-
entzünduog ein. Sowohl das Seeret der Oonjunetiva als das dnreh Panetioa aas
dem Kniej^elt'iike crewf>nnene entbSlt Diploeoeoen , die nach dem Stande unserer
beutigen Mikroortranisn.enkenntnii-s ffir (ionoeoecen erklärt werden müssen. In
einem zweiten Falle trat neben der lUtnnorrhom neonatorum Otitis medm, sowie
aeute Entsllndnng mit starker Schwellnnf^ des rechten Hand- nnd linken Fnas-
gelenkes ein. Eine bakteriologigebe l'iitersuehung konnte jedoch nicht .stattfinden;
aueh tVhlt eine solehe liei den Ci Ffilleu. die DKrT.^CIlM.\N\ in der Literatur auf-
buden kunnte, die aisu nicht bewei.seiid waren (Poncet und (jalezowski, Debikrbb,
LccAs, Pendick, Zatvobnicki, Widmabk).
Das sogenannte KBiNiNo'sehe Verfiüiren bei Bebandinngr des Traeboms
besteht in t^iglieb einmaliger energiseber Abreibung der erkrankten Bindehaut
mittelst eine» in Subliraatlö.'«ung (1 : l?'»<»Oi getauchten Wattebäuscbcbens, eventuell
verbunden mit Anstechen und Ausiiuet-Hcbeu der Follikel, v. Hippel^) hat das
Verfahren geprüft nnd gefunden, dass die Stftrke nnd Daner der Abrdbvng
sieh naeb dem Grade der Hyperämie und Sehwellnng der CoiOnnetiva richten
iniHs : je '^tJlrker diese sind, de'^to dherflaehlieher mu.'»s die Wirkung tdciben ;
auderer.-jeits muHS man die Zahl . (Ir^-se nnd Derltheit der Follikel in Hetracbt
ziehen; je blutftrmcr die ^ehleiuibaut und je hiirtcr die Follikel, desto stärker
mnss man reiben. Besonders bei diffuser Infiltration und Verdieknng der ganien
Oonjunetiva, wo die Kntleeruug der Follikel unmöglieh int, hat die Snblimatiwhand-
lang nach v. Hn i Ki.'s Ansiebt einen besonderen Werth.
Hei aeiiteni Traehnni sind die Abreihungen sehnierzhaft und Cooain-
eiutrUuteluu^en angezeigt; die heftigen subjectiveu Kei/erscheinungen, welche bei
acutem Trachom in Verbind nng mit starker Schwellung der Bindehaut, bei ehroni-
scbem diuvli l'Miinn.s und Cornealiniiltrate vorkommen, werden dureh die ßehand>
lunjr li.ild ;:(lics.<t rt oder iranz bcM ifi^'t. Die auf die ,\breil»ung folgende Keaotion
schwindet uuttr kalten Imtchlügeu in wenigen iStunden ; ein dituner, weissgrauer,
obcrflflchlicher Pelsg erneuert sich in der ersten Woehe nach jeder Abreibnng.
Bei gefhsparmer Bindebant und harten Follikeln ist die Reaetion minimal.
Die Behandlung-sdauer wird nach v. Hippel gegenüber den anderen
Methoden bedeutend abgekürzt ; am kürzesten i.^t sie in frischen I';illt n, ])ei blut
reicher Bindehaut; bei veralteten ist «ic viel langer, als die Doetoren KEiNllfO
angeben (2 — 6 Wochen) nnd kann Monate lang wlhren.
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CONJUNCTIVITIS. — CORIARIÄ.
173
Bock •'■) fand die Suhlimatlichandhin;^' in friHclicii Fällen meist wirkunprs-
lo8, dagegen vortheilbaft bei Üoiuplicatioaen vou Seite der Cornea, namentlich
wenn Lapis und Gaprnm nicht mehr gat vertragen werden.
Neben dieser fnedUelMB gewinnt die qierative Behnndlnagr de« Traehome
immer mehr an Terrain. Man schneidet die erkrankten Partien allenfalls sammt einem
Tbeile des Taraua aus, man zerstrirt die Follikel dnreh Galvanoeaustik und Klektro-
lyse, man sticht sie mit der Isadei au und kratzt sie mit dem scharlen Lölfel aus
oder man qvetaeht sie ms, wem sieh die Meisten versehieden gestalteter Pinoetten be-
dienen. Andere (Daribs *), Abadie ^) hearbeiten die Bindehaut mit soharfen Bflreten
(„Brossage") ; „bei diesem Reiben fa-^erf die Scbleimhaut sieh auf und siebt wie
gesnpfte Leinwand aus''. Auch des Bimssteins hat man sich bedient (liSYSEft^). *)
Knapp f), der die Anuebt vertritt, man müme so wenig als möglich Tom
gesunden Gewebe zerstören, hat um Ausquetschen eine neue Pinoette, eine Roll-
zange. an^ef^eben; die Spitzen dieser Pincette haben die Form von SteipTbü^eln,
deren Enden als Fu-*öplatte 1*0 — 25 Mm. lange, 1 — 1'5 .Mm. dieke, sieli drehende
Cylinder besitzen. Zwischen diese Branchen fasst man (unter Narcase) die Lider
und qaetsebt de doreb 2 — Snuliges Duidnieheo so uts, bis die Granola und der
Gewebssnifc vollstSndig ausgepresst sind. Der Patient kann nach der Operation naeb
Hause gehen, er öffnet die Lider, fühlt keint n Schmerz, „als ob nichts geschehen
wftre". Etwa eintretende Keaction wird mit kalten Umschlägen behandelt ; tritt ver-
mebrte Con^estion nnd papilUlre Sehwellung ein, so tonehirt man mit LapislOsnnc^.
M 1 1 1{ I TZ der die G o nj unct ivitis croupotta ( „G._ fibrinosa für
eine wohlbercc-htijrte Krankbeitsspt'cif s h.'llt, bat bakteriolopisehe Untersuchungen
angestellt und in allen vou ihm untersuchten Fällen einen Bacillus gefunden, der
sich morphologisch vom echten Diphtherieliacillns nicht unterscheiden l&sst, aber
grosse biologisdie Differenzen lelgt; er nennt ibn PseiidodipbtlMriebaeillnB, llsst
aber dahin^^estellt , ob er mit dem avs der BaebenbOble geittehteteo F^eudo-
dipbtheriebarillus identisch ist.
Auch iu Phlyctaenen bat man bekanntlich Mikroben gefuoden (BuK-
CBABiyT, Galbnoa, Lbbbb, Sattlbr, vergl. fincyclopad. Jabrb., I. Bd., pag. 167).
Straub**), der es für schwierig halt, dem Kranken ohne Gefahr für das Auge
Material zu entnehmen . hat dies dem Eczem der Umgebung der an GonJ.
lymphatica leidenden Augen entnommen und in allen Fällen weisse, gelbe oder
goldene Varietiten des Staphyloeoeeus der Biterung^S der, wie er mdnt, wohl
besser Stapft i/lococoui pyogtoM» communis lüesse, gefunden. Er glaubt, dass diese
Mikroben die Ursaebe der untersuchten Eczeme und Blepliaritiden warea und will
sie auch als l'rsachen der I'hlyetaene betrachtet win.sen.
Literatur: ') Deuts c h m a n n, Arllirilit. hlt nnorrhuica in Grate's Arch. 1'. Oplitliiilm.
189(), XXXVI. 1. — ') V. Hippel. Beitrag zur Fiehaudluu!; des Trachoms. Ber. d. ophlhalm.
OMaUscb. SU Heideibers 1Ö91. — ") Bock, Die Anwendung des Sublimatii bei Trachom.
Wiener kllo. Wochenaelir. 1891, Kr. 37—39- — ^ Darier, TraUement ehintrffieal de la
ronjunethiU nrnmth'use. Paris 1S9]. — *•) Abadii'. Her. der (itphthnlni, G<-' Il-ii Ii in Paris.
Ree. d'ophthal. 1891. — "J Sattler, Die Trachotn^thandlung üinat nnd jetzt. Berlin Is;»! . ^
^ Knapp, Bemerkuu^'en zur Trachombehandlung durch .Vusquctschea des Krankheitsstotfe.s mit
einer RollzanKc auf Grund von 114 aufeinanderfolpcudeu Fallen. Arch. f. Aagenhk. 1SÜ2,
XXV. — •) Keyser. Conjunctiriti» grantilosa. Ophth. Rucord. X<i.s]iville lS91. — ") Georg
Moritz, Zar Kenntniss der „Coiijuitrtivitis ßbrino«a". Dentschmann'H Beitrage .\agenhk.
9 Heft, l^^'i. — Straub, Ueber die Aetiologie der sogenannten scrophulösen En t zun-
daagein. Areb. f. Angenbk. 1892, XXV. Keu.<3 8.
Coriaria. Die eine besondere Familie bildende Gattung Coriaria besitzt
mehrere giftige Arten, vou denen Coriaria myrthifolia X., der in Hecken und
*) Ks ist bekannt, dass alle diese Proccdnren nicht ner. sind. Schon in der vor-
alexandrini.sciien Periode war die HIepharox.vsis bekannt, das Alireilien der Bindehaut mit
feiner Wolle oder mit der rauhen Seite eines Feigenblattes; auch die rauhe Haut gewi.s.ser
Seethiere benütste man dasu oder uansdiabte die Bindebaat mit dem Hohlblatte einer i>onde
ab: wie Oalen «nlhlt, bedient« man sidi aneb eines ans Binnstein nnd Gnmini bereiteten
CoujrimDS.
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CORIAm. — OORNUTIN.
Gebüschen von Südeuropa vorkommende, wefren seines starken Gerbnänre^rehaltes
zur LederbereitUDg dieueode Myrthensumach oder Lederbaum, Kedoul (aucb
Redou , Herl» anx tannenn , Corro jere) der FnuisoMD , den Tod Tenohiadeaer
MenMben versehaldek hat, die entweder die Heeren mit Maulbeeren oder Brombeerea
▼erwech-it'lt und ircnos'^en oder die trctrockneten HiJittcr, die man betrüpreri scher
Weise Seunesblättent beigemengt hatte, als Tiiee benutzt hatten. Von den Früchten
kOonen 80—100, vahrBchdntieli aber aneb weniger, den Tod berbeifBlireii ; tod
den Terftlsehten SeDnesblättem haben 24 Gnn. letale Wirkung gehabt. Die in
weniger als 24 Stunden tOdtlich verlaufende Intoxication charakterisirt gich durch
Anfttlle von tonischen und clonisclien allfr»nu'inen Couvulsionen, Trismus, Nausea
uud l'Irbrecben. ^) Das Intoxicationsbild erklärt sieb durch den Gebalt an einem
1864 von RiBAK entdeekten, stark giftigen, glykoeidisehw Bitterstoff, Corla-
myrthin, das schon zu 002 Kaninehen unter den Erscheinungen der Him-
krampfgifte t<">dtet. E« jrleicht dem Pikrotoxin in seiner Wirkung und bewirkt
wie die 808 ein aus cerebralen Erscheinungen (^omuolenz; uud Cunvulsionen, die bei
FrOflolieik naeh Rflekenmarkfldnrohiiohneidang in den Vordertbeilen penisttren und
mit Meteorismna und Sehreikraaipf Terbnnden sind, zusammengesetztes Intoxic^ttiona-
bild. In noch aus^esproobenerer Weise aln IMkrutcxin stciiriTt Curianiyrthin den
Blutdruck, den es bei starkem Gesunkensein durch Chloroform (»der Chloral selbst
dann noch hebt, wenn Pikrotoxin darauf nicht mehr einwirkt. Dieser Effect tritt
SoBserst sebnell und aneh bei Snbentanapplieation ein nnd verlnndet rieh mit
Palsverlangsamung , deren Eintritt durch Atropin verhindert wird. Man hat es
deshalb in Collapszustilndcn empfohlen , <\och f«'hlt bis jetzt der Beweis seiner
Heilwirkung beim Menschen. Bei Coriariavergiftuug ist Tannin nicht brauchbar^
da Qerbsänre Coriamyrthin nieht fftUt. Naeh Massgabe der Symptome wflrden (Moral
oder ahnliche Mittel antidotarisch verwendbar sein, doeh Terhflten diese die KrUspA»
weit Wciiii-'cr iriit als bei IMkrotoxinviTiriftunfr. -)
Wahrscheinlich beruht auf eiuem Gehalte von Coriamyrthin auch die
Giftigkeit einer Speeles, die in mehreren tropischen Ländern unter Tersehiedenen
Yarietiten vorkommt nnd als Ooriaria tarmmtosa Fonter zu beselebnen ist
Diese ist in Neuseeland die am häufigsten zu Intoxicationen führende Giftpflanze,
die M('n?<fhen durch ihre kcincswcfrs ungiftigen Früchte und besonders Schafe und
Kiuder durch ihr Kraut gefährdet. Sie bildet das sogenannte Tutu oder Tut-
gift von Neuseeland, auch Tnpa Kibi genannt Belladonna gilt auf Neuseeland
für das beste Antidot Am giftigsten soll die in H<)hen von 5000 Fuss wachsende
schmalbliltteriße behaarte Varietät ((^nrinria f/itpiiifulia) sein. ')
Literatur: ') Vergl. Uuscmann, Toxikolugie, pag. ö3; Pflanxenstoüe. iiii. Auü.,
pag. 879. — *) Kdppea, Pikrotmin und CtMrlanyrdiin alii CoUapunittsl. Arch. f. e>p. Path.
1&J2. XXTX, pas :^27. — ') HuRenann, Ueber das Tut-Gift von Meoaedam]. N. Jahrb. f.
Pbarm. iStjS, XXV, pap. :i57. Hn so mann
Cornutin. ein von KonKRT'j, später auch von E. B(iMni;rj>x -) aus dem
Mntterkorue gewonnenes, sehr giftiges Alkaloid, welches nach Koukut den wirk-
samsten tberapeutisehen Bestandtheil von Seoale cormUum darstellt Das Gomutin
ist im günstitrslcn Falle selbst in frisch dargeatellten Mutterkornextraoten nur SU
enthalten. Der (Jclialt d<< Älutterkomes an Cornutiu schwankt iranz ausser-
ordentlich CS scheint, dass in manchen Jahrgängen und Ländern gar kein Cornutin
zur Entwicklung kommt, sondern statt dessen nur Sphaeelinsiure und umgekehrt
Aueh ändert sich die Base in dem Hntterkorne selbst sehr raseh, so dass an
Cnrnntin s<'hr reiche Mutterkornsorten nach 12 Mcuiaten kaum Spuren davon ent-
halten. Das Cornutin ist eine im Wasser unlüsliche Base, sie stellt ein röthliches
oder gelbliche-s Pulver dar und bildet mit Salzsäure, Weinsäure, Citronensäure
wasserlQsliebe Salsa. Das fmie Cornutin ist aueh in Oel lOslieh, e« kann daher
aus Oleum fifcah)^ con>iifi nt hen Er^'otinin erlialten werden, wenn man das Oel
sauer ausschüttet. Der feuchten Luft und ilein Lichte ausgesotat, verderben Cornutin
und dessen Salze schnell uuter Verharzung; trockeu uud vor Licht geschützt
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CORMDTIN. — OOBONILLA.
176
aufbewahrt, war das Coruiitin noch Dach drei Jahren chemigch tmvOTftndwt und
in seiner bedeutenden Wirksamkeit nn^esehwäeht. Das Corniitin von KOBERT i-!t
weder mit dem Ergotin von Wenzell, noch mit dem Ergotinin von Tanket
identisch, es deckt sieh tiieilweise mit dem, wu Drxzbl als Hntterkornalkaloide
(BeboUn und Ergotin) dargestellt bat Kobbbt konnte mit Dbnzbl's Älkaloidltenngen
schwache Cornutinwlrkungren erzielen. Rei Thieren bewirkt Cornutin in ^endgend
grosser Dosis dureh Va-rusreizurif; HlutdriirksfeiiTcrnnf^ . Brcchdiircbf;»!! , Speichel-
fluss und Verlangaamung der lierzactiou; war das Thier t>ub liue graviditatis, so trat
als einzige Wirkung Ansstossnng der Leibesfrneht in Folge von Reianng der im unteren
llllekenniarko gelegenen Centren der Utcrusbewegung: ein (Kobert). Bei Frauen, die
bei WeheiiHch wache wfthrend des Geburtsaetes 5 Mgrm. des Alkaloida innerlich
erhielten, traten in 34°;o der Fälle ganz entschieden und in weiteren 26" o der
Ffllle wenigstens wahrseheinHoh heftige Wehen ein^ so dass das Kind mit grösserer
Vehemens als sonst nach aussen befördert wurde, die Hfltter selbst wurden bei
dieser grossen Dosis niebt krank g'omacbt rFKHr.iN'o, Erhari» ^\ Die oliifjen
Angaben von Kohkrt wurden von Lkomdas Lkwitzkv bestiUigt : er fand
ferner, da^s der Uterus dabei nich rhythmisch cuntrahirt und dasa es nicht zum
Tetanus uteri der Praktiker konunt. In Dosen von ö Hgnn. per es eingeflUirt,
bildet das Cornutin eines der sichersten Mittel zur Erregung von rteruscontraetionen
sowohl des srbw.inircreii l'lerus inter partiivi, als auch des nielit mehr schwangeren,
aber schlecht euntrahirten Organes ; besonders prompt wirkte es auch bei Blutungen
nach Abort und hei Menorrhagien in Folge ehroniseher Metritis. Aueh Tbohson.
KnsTNEK, HuKGK tr( ti n für die Anwendung des Prltparates ein. Riegel und
STRKNfi '1 /» i'^ten , dass das Mittel in Dosen von Milligrammen l>eim Menschen
gef^s8vereugc!nd wirkt. Nach Versuchen , die A. Meißels «) auf Anregung von
BöKAV ausführte, bewirkt das Cornutin eine constante Contractur der Gefässe und
der glatten Huaeulatur des Urogenitalapparates; fx empfiehlt es daher bei Blutungen
ans Harn- und Ooaehleohtsorganen, bei Urethritis, Cystitis und hei Uterusblutungcn,
ferner bei nicht spastischen Pollutionen in Gaben von 0 <)1 {tro die in K>inzel-
gaben von 2 5 — 3 Mgrm. Das Cornutin ist von Gehe (Dresden^ beziehbar j 1 Grm.
kostet d5 Mark.
Literatni : ') R. Kolirrl. Prlicr die IifstuinMu-ilf und Wirkunpen des Mutter-
korns. Leipzig: lSsi4, pap. 4^ K. Humhelon, Pharm. ZeHg. 188"^, pag. I(l9. — ^) Er
bard, Uebcr di«^ Wirkung <'"ruutiDs. Aus der Klinik des Prof. Fehling. Centralbl. f. Gyn.
1&^6, 20' — Leo n i li a s L e w i t z k y . Beiträge zur Pharinakolügie des Comutins. (Rnasisch.)
Inaug.-Di.is. Petersburg ls87- — ') W. Streng, Ein Beitrag zur Lehre von den gefas.s-
verengend«!! Jliltfin. Inaug.-Diss. (lit-seti 18^S — *) A.MeiscilM, Das Cornutin als wirk-
SADies blatstillendea llittel bei Blatungen der Harn- and tifschlechtsorgane. Pt^ster meil.-chir.
PrtSM. 1P91. 39. Loebisrh.
Coronilla. Diese Leguuüuuseugattung, der Gattung der Hedysaroideae
angebVrig, enthilt versehiedene giftige Arten , unter denen die nenerdings als
Herztonieum empfohlene bunte Kornwicke. Coronilla vnria L. (Encyclopäd. Jahr-
bücher. I')d. II. pag. 147 I fWlhrr niehrfHch zu Vergiftungen Anlas-^ geircben hat. So
führte der Saft des Krautes duu lud zweier Kinder herbei, die nach zwei Els8löfi*eln
zuerst an üebelkeit und heftigem Würgen, mit Magensehmersen verbanden,
erkrankten , dann bewusstlos wurden und nach voraufgeheuden tunisehen und
clonisehen Krämpfen in vier Stniiden starben , wf»raiif hiimorrhagisehe Gastritis
und Duodenitis bei Integrität der unteren Darmpartien cunstatirt wurden. Diese
Symptome können wohl mit dem Vorbandensein eines als Herzgift wirkenden
Glykosides (s. u.) In Zusammenhang gebraeht, nieht aber dureh das angeblieh
darin und in einer anderen Art. C. fw-tula, enthaltenen Cytisin (vergl. den betr.
Artikel^, das sieh nach van ok Moer J in beiden nieht findet, erklärt werden.
Neben dieser in ganz Europa verbreiteten, in Deutschland als Peltscben
oder Sehafliosen bezeiehneten Art, wird Coronilla Emerns Zr., eine im mittleren
und Btldlicben Europa verbreitete, liei uns als Zierstrauch hiUili^r L'^c/ogcne Art,
als emetoeathartiseh bezeichnet. Der wirksame Bestandtheii ist niolit bekannt.
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176
OORONILLA. — CÜDOWA.
Zur Gattung^ Coronillfi wird fj-pg-enwärtii? ah Coronilln scorpiotde»
auch die scorpionskrautähDliche Ciliederhdlse , Arthrolobium scorpioides D. C.
(Omähopus gcorpioides L.J, gezogen, eio sadeuropftischea Aokeruukraut, dessen
SamaDj der Gento beigemengt, dM ans dieser bermtete Bier sehr bitter and
giftig machen kflnnen. Die Angabe von Rebr and SchlagdknHAÜPFBH »),
dass in dieser Art ein von ihnen auch in C. vari'n , C. juucrn , (' ginnen und
C pentaphylla uaehgewieaeDeä Giykuaid, das nach Art des Digitalins wirke und
bei FrOsdieii sehen xn 1 Mgrm. fliyrtdisehen Hersstillstand ersengC, ist nneh von
KOBBBT*) bestitigt Kaninchen werden dnreh 0*013 getOdtet.
Lit»*rattir: ') Seiler, Ilocker's Annal. XXV. IfeftS, p:ie. 460. — *) Van de Moer,
Over cjflminc. Uroningeu lb9o, pag. 72. — tteeh uml .Sc hlagden häuften, Journ. Phano.
T. Bls.-Lollir. 1883, pag. 103. — *) Kobert, Toiikolosie» pag. 165. Haaeiaana.
Coxalgteches Becken, a. Beeken, pag. 93.
CraniOtOmie, bei engem Beeken, pag. 84.
CreeOltrijOlllfl, Losophan, CH,m,(^^^^)*. Das bishemur iasiier
Uoh in Anwendung stehende Mittel wird durch Eiuwirkuug vun Jud auf o-Oxy-
p ToInylflinre bd Gegenwart von Natriomearbonat erlialten.
F.arl)lt.s.\ sr'TUchlos.' Kry.-<t.illna>ifln, dovon hniflzpiinkt I^rS*" C. mit 78'3!l" o •^od-
gehalt, unlöslich in Wasser, in Alkohol schwer, in AetLer, B«nxol, Chloroform leicht löslich.
In der Wärme wird da.s Cr«-soUriJadid auch von fetten Oslen gelöst , in verdünnter Natron»
lauge löst es sieb ohne Veränderung anf, durch coaoentrirte Kalilösung wird es zu einem
grttniichschwarzen, amorphen Körper verwandelt, der in Alkohol unlü.'^lich ist. Das Präparat
soll keine freien Pheuole enthalten: werden 0 2 '<rni mit 2ü Ccni. Wasser aosgeaogen, daaa
darf das Filtmt durch Kisenchlorid nicht lilau nd- r violett gefärbt worden.
Nach E. Saalfeld war das Losophau von gün-stigem Eintlusse bei den
am häufigsten vorkommenden DermatomTcosen , dem Herpe» tomuran» nnd der
Päyn'nfiis ivtsicohtr und den durch Epizoen bedingten Erkrankungen ; ausserdem
wurden Erfolge erzielt Ixi der Behaiidltini^' von Prurigo, in einigen Füllen von
chronischen iufiltrirten Eezenien, Sycoxit vulgaris , Acne vulgaris und ros(uea.
In einem Falle von Sycosis, bei dem die ganze Gesichts- and Halshant von
der Ejankhdt Angenommen nnd die Eaat in hohem Masse reisbar war , trat
heftige ent/ündliehe Reizung auf. Rri einifien Fällen von idiopathischem l^uritua
cutaneus war eine {rerin;re juekMiildernde , palliative Wirkung vorh.-indeu ; ohne
jeglichen Erfolg war das Mittel bei Behandlung der Psoriasia vulgaris und bei
sjrphilitisehen Primftreffeeten. Die Seeret verringernde Wirkung deeselben in Form
eines Streupulvere i.st nicht bedeutend und steht der anderer gebniuehliehcr Mittel
nach. Auf die ent/.iludete Haut 'bei Ec7.em) wirkt das Mittel sehr heftig ein, so
dass es mehrfach ausgesetzt werden mussto.
Anwendung. In 1 — 2<* oi^^r spiritufiser LOsung (8 Tbeile Spiritus
und 1 Theil Wasser) täglich 2 — ^.'^mal mit dem Rorstenpinsel einzureiben, oder
als 1- — 2~:'>'' oige Salbe mit Vaselin ßav. oder mit Lanolin, dem 20% Va9elin
zugesetzt war.
Literatur: Edmund Saalfeld, üeber Losophan. Th«r«p. Ifonatsli. Oet. 1892.
LoeliiBch.
CudOWa. Die neue (;otthoIdquelle enthAlt nach Gbossek in 1000 Theilen :
Doppeltkohlensaures Natron 0'7060
Doppeltkohlensaures Litbion 0*018b'
Doppeltkohlensauren Kalk 0*6542
Doppeltkohlensaure Mairnesia 0'20.'>4
Doppeltkohlensaures Eisenoxydul 0'0391
Arseuig-^aures Ei.senoxydul 0'0003
Sehwefelsaures Natron 0*1224
Schwefeisanres ELali 0 (1.599
Chjornatrinm <»-0831
Völlig freie Kohlensäure 1075"4
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CÜDOWA. — CYT18IN.
177
Wenn schon die alte Eugenquelle den Ruf eines leicht verdaulichen
EiBenwassers sich errungen bat, so ist die Berechtigung hierzu bei der Gottbold-
qaell« noeb grosser. WAbrend die erstwe den volIeD Tjrpns eines allcaliBeb>erdigen,
äusserst kohlensäurereichen, mittelstarken Eisenwassers mit nennonswerthem Arsen-
gehalt zei^t , {rehört die Gottholdquelle mehr zu den erdig alkalischen , schwach
Eisen , aber stark kohlensaures Lithium fahrenden Mineralwässern mit kaum
nennettswertbem Arsengebalt. Freie Kobleosinre besitzt rie nnr etwas weniger als
die Ellgenquelle, aber inniger an das Wasser gebunden. Nach den Erfahrungen
von G. Scholz ist die Gottholdquellc : 1 . Fin Stomacbioum für ereschwAchte Ma?en.
2. 8ie wirkt gegen atouiscbe, chronische Catarrhe sämmtUohor Scbleimb&ute,
besonders gOnstig aber Im nerrfleen Dyspepsien, ebronisehen Magen- nnd Blasen-
eatairben. 3. ^e ersielt Beseltigaog des Nlwensandes und Bekimpfong der barn-
sauren Diathcse. 4. Sie verursacht f durch etwas geringeren Ghtbatt an Koblen-
aftnre) fast niemals Keizungen des Gehirnes oder des Herzens.
Literatur: Vas leintet Cndowa? Daratellmig mSam HeOapparates snd Hettg«bi«tea,
mit Hervorhebniip <Ier prognostisrh triinsti^'f^n Imlicationen. Von Dr. G. Sohols, geh. Sanitäts-
rath, Brunnen- und Hatiearzt in Cudowa. (iurlitz 1892. Kisch.
Cyanverbindungen (vergl. Real-Encyclopädie, 2. AuH., Bd. IV, pag. 623).
Von Q^anverbindnngen ist das Jodcyan, CNJ, dn ansgesproehenes Blntgift,
das die rotben BlutkOrperehen iowobl aaseerbalb als innerhalb des Tbierkörpers
rmflöst, die Selhstreduetion des Blutes fördert iim1 Methniiioglobin in Cyanmethämo-
jrloljin ilberfdhrt. Es ist ein starkes Protoplasniagift und für Kalt- und Warm-
blüter von bedeutender Toxicitiit, am meisten für die letzteren, auf die es jedoch
viermal sebwäeber als Rlausture wirkt Bei Kaltblfltem erieagt es nur Libmunge>
erscbeinungen, bei Warmblfitera boebgradige Dyspnoe und tonisch-cloniscbe Krämpfe,
wahrend deren Pulslit^chlennieung, Irregularität der Athmung nnd maximale
Mydriasis eintritt, öalivation, Erbrechen und grosse Adyoamie. Der Tod erfolgt
dareb Lfibmung des Atbemoentrums. Hämoglobinurie kommt nnr bei langsam ein-
tretendem Tode vor. Frosche sind weniger empfindlich gegen das Gift als Kroteu
und Kreuzottern, bei Hatten ist die relativ letale Dosis fast doppelt so hoch wie
bei Katzen und 1' .^mal so hoch wie beim Huude; Kanineben sind ein wenig
empfindlicher als Kutten. Warmblüter ertragen subcutan viel mehr Jodcyan als
intern. Auf das Hera wirkt Jodeym nfcbb 80 beft^ wie Blaualure ein ; es erwdtort
die Gefitsse und setzt d<Mi IMutdruok herab. In Concentrationen von 1 : 5000
hemmt es die Alkübülgiihninjr , ohne die \'italität der Hofo /u zerstören; bei
1 :40ou hemmt es die Keimung vorübergehend, wahrend es bei 1 : 100.000
diese begOnstigt
Literatur: Robert, Ueber Cyanhämnglobin und den Naekweis der Bi>BSiun>i
Stuttgart 1^)1. — Gol.lfarl.. Vfhvr .I.Hloy:in. Diss. Dorpat Hnsemann.
CylindrUrie, s. Clilnrororiiinaehweis, pag. 131 und IIa rnc}'! in der.
Cytisin (vergl. Heal Eucyelopndie, 2. Autl., Bd. IV, p.ig. 702;. Die Ver
giftuDgen durch Tbeile von Cytüns Laburnum baben, obschou die Thatsache der
Giftigkeit des sogenannten Goldregens und des Vorbandensdn des Cytisins als
eines stark tnxiselu n Alkaloids in dieser Leguminose allgemein bekannt geworden
ist, auch in dem letzten l>eecnnium nicht erheblieh abirenommeu. Der Wunsch,
diche namentlich bei Kindern liiluligen luto.xicatiouen zu verringern, wird nur
dann erfüllt werden, wenn man sieb entschiiesst, den für Anpflaoanngen beliebten
Zierstrauch durch andere uogiftige oder doch erheblicb weniger giftiirc zu ersetaen.
Die liiiuti'i-kcit der Cytisusvcrgiftung geht daraus hervor, dass nach der Znsamnien-
htellung von K.mjZIWIllowicz i) in der mediciniscfaen Literatur seit 1857 sich
131 Fälle von Gytisnsvergiftung finden, wozu ans der älter«i Literatur mindestens
noeb 50 — (>0 Fülle hinzukommen. Die Mehr/ahl der Vergiftungen, der neueren
sowolil wie der älteren, betriH't Kinder, welche die unreifen oder reifen Schoten
oder Samen des Goldregens, hilutig in Folge von Verwechslung mit Erbsen,
genossen battenj .doch sind auch zahlreiche Vergiftungen durch Kauen der für
Bnordop. JUirbttolur. III. 12
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178
OTTISIN.
SttsshoU gehaltenen Wurzel, ferner solche durch Verzehren der Blutben und
Bmagen der Zwdg« bei Kindern beobschtet werden. Brwaebsene aind wiederholt
dadurch vergiftet worden, dass man die Blfltben von Oyiüu» Labttmum «a Stelle
der Akazienblllthen ( Robinin f'^fudncacia) zur Aromatisirunp von Gebacken (Eier-
kuchen, Krapfen) benutzte, (laoz ausnahmsweise sind Mpdieinalvprß:iftiingen durch
den Gebrauch einer Abkochung der BlUthen, die im Oriente als Diureticum
geaehltst werden, Torgekonmien. Von einer abriohtlieben Veiffftnng, in welcher
die Rinde in Fleischbrühe p:etliaii wurdf, ist in der älteren Literatur Z'Christison)
die Kede. Bei weitem die Mehrzahl (1( r Verpriftimgen ftllt auf England. Wie
geringe Mengen zur Erzeugung von Vergiftung ausreichen, geht ans der Beob-
sehtang bervor, dan in einer Hllhle, in welober Goldregensamen sam Zwecke
der chenuächen Untersvehung zerkleinert worden waren, das kurz hernach gemahlene
Buchweizenmebl trotz vorh('ri<rer Reinigung dt^s Mühlsteines Si')i\vindel, Erbrechen
und mehrstündiges Unwohlsein bei verschiedenen Personen hervorrief, - i Bei Kindern
kann schon ein einziger Same erbebliche Vergiftungserscheinungen bewirken, auch
rdcbt dasn das Kauen von 3—4 Goldregeoblllthen bä Kindern hin. Ist aneh trots
der starken Giftigkeit des Cytisins die Hortatitlt bei der Goldregenver^iftung nur eine
unbedeutende (nach einer von Falck mitire(hfilt«'n Statistik endeten von \ Ub Fällen
nur 4 tödtlich), was sich leicht dadurch erklärt, dass die lutoxication mit Brechen
nnd DnrchfkU verlftnft, wodnreh die iriftiKcn PflansentheOe blnlig wieder fiut
vollständig entleert werden, so macht doch die Rücksicht auf die (liofigkeit der
Verpiftun» und die kleine vergiftende Do.sis den Anbau des Goldregens als Zier-
strauch bedenklieh und die Warnungen vor diesem gerechtfertigt.
Anwer dem Goldregen, der das Cytisin nach den Untennobnngen yon
A. Hdsemamn nnd Habm& «) am reiehliehsten in den reifen Früchten nnd in der
Wnrzelrinde entlifllt, w.thrcnd in unreifen Schoten und HlUthen nur kleinere
Mengen , in den IMilttern mir Spuren vorhanden sind , enthalten noch mehrere
Arten Cytisus das Alkaloid und dürften deshalb von Ziergärten ferngehalten
werden. A. HusBHAim nnd W. Habmk eonstatirten dessen Anwesenheit aneh in
Ctftisus tdpiny$, C. «upinv« und C. «•hmudtus. Makmk") fand es spfiter aneh
in Ct/tisus IVfIdrui. C. sfiMstfif'iiIiits, C. i 'ijiifnhtM nnA. C. Iiirsnf >i ^ . während er es
in C. (Lemhoti'opis (J riesebachj nüjricans L. nicht constatireu kounte. CüKNKVl.v^")
fand Ö. eapüatuSf C. argeniftu nnd C, ni^tUfolxua cytisinfrei, in O. nigrtcan», 0.
purpureua nn^C, prolifcnis nur Spuren, dagegen reichlichere Men Lau in den Übrigen
von A. lh\SEM.ANN und W. Mahmk untersuchten Arten und ausserdem in ('. hlf!i>riis,
C. AUchingeri und C. purpinetts. Raüziwillowicz wies Cytisin in V. Adami,
C. reUübonetisM SchaeJ^' und C. ratisbonenn» ß mimr, sowie in C. pol^truklu
nach, konnte aber das Alkaloid nicht In G* uraUnn» finden. Vah de MOBb'),
der Cytisin ebenfall» in C. nigrirans auffand, giebt es aneh als Bestandthcil von
C. rarrtfiosus Miirsnx J,-, (J. ramm^isshuus 'l'enore und C. sjn'cfttus an. Die An-
nahme, dass Cytisin nur in denjenigen Arten Cytisus vorhaudeu sei, welche den
von Gbibsbbach unterschiedenen Untergattungen Encytisus nnd Labumnm g^Oren,
dagegen in der Untergattung Lembotropis fehle, ist nach den Untersuchungen
CoRNKViv's und VAN DK MoKu's nicht aufrecht zu erhalten, da m("tfrlicher Weise
zu bestimmten Zeiten das Alkaloid in der Plianze fehlt. Kach CORNKVIN geht
mit der Zunahme des Gytimns beim Rdfwerden der Samen des Goldregens Abnahme
in den Blättern und Hülsen Hand in Hand. Die Blätter enthalten im Mal Gmal
mehr Cytisin als im .luli und lOmal mehr als im August. Die An-rabe Cornkvin's,
dass die vollijr reiten trockenen Schoten ungit'tigr sind, ist irrig; selbst in den
überwinterten Hülsen ohne Samen ist Cytisin vorhanden. Von den genannten
Cytisosarten ist bisher nnr Cytisu» Weldeni Vi»». (G. fragran» Weiden, 0. »ar-
mentaceits Sieb.) to-xikolo-riseh in Befraclit gekommen , insofeme in Dalmatien
nach dem Genüsse der Hl.ltter des Strauches nicht allein Vergiftungen von Ziegen,
sondern auch durch die Milch dieser Ziegen bei Menschen leichte Intoxicationen
(Kopfweh, Schwindel) beobachtet wurden.'*) Den Blttthen dieser im Habitus der
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CYTISIN.
m
Cytisus Laöurmtm sehr nahe verwandten Art wird auch eiti betilubender Geruch
zugeschrieben. Ein anderes toxisches Princip ist iu den Tbeilen von Gytisua
Laburnum nicht vorbanden. Das sogenannte Labnrnin ist salpetenaures Qrtbin,
die Lftbarnnmaliire tod Scott Grat iat ein Gemeiige oiganiseher und
tinoiganiBcher S.luron.
I)as9 d;ii^ Cytisin, dem von neueren rntersuchern vergehiedene von der
von A. HusEMANX und Maemr aagcgebenen Formel abweiebeude Formeln beigelegt
sind, tieh mOglieher Weise «neh in udemi boteoiseh verwaadten Legnminoeen findet,
ist nicht nnwahrscheinlii-h. Die Genera Cytisas und Genista stehen eiuander
nahe, dass z. Ii. die letzterwähnten Cytisusarten, in denen van dk Mo er Cytisin
aufgefunden hat, von verschiedenen Botanikern zu Genista gezählt werden. Nach
VAN DB HOBR enthalten die Samen von Genista Hnttoria L. geringe Mengen
Cytisin, während dies in den grünen Theilen dieser Art, sowie von G. pilosOf
G. aiu/ficn und O. gennanini nicht nachweisbar ist. Zu den G(Miisten gehört
auch (Jrotalaria striata, eine javanische l'tianze, die ein lähmendes Alkaloid enthält,
das bezüglich seiner Beuehnngen zum Cytisin zu untersuchen wftre.
V<m PABTHKiLt«), ^ (^tiaiA die Elementarfbrmel Oi,H,«NOs,
welche auch von Bithka und Magelhaes ") bestätigt wird, beilegt, wird Cytisin
mit dem von Gkhrakü in UJfx ei/rupafus L., einer zur Unterfamilie der (ieni.staceen
gehörigen Leguminose, deren Samen, in grösseren Meugen genossen, bei Erwachsenen
Betäubung, Mattigkeit, Seliwindel, Icalten Sehweiss und Erbrechen hervorrufen
isönnen '■■*), auffrefundenen, derselben Formel entsprechenden Alkaloide ülexin*')
identificirt. Die (ileieliheit der physiolo-^ischen Wirkim^r des T'lexitH, welches nach
RosG Braufori) ein besonders auf die Kespiratiun wirkendes, den Blutdruck
und die Diurese steigerndes Nerven- wid Mnskelgift bildet vnd das nach Pbnwtck
schon zu 6 >fgrra. temporäre Unterdrflekung des Harnes, Krbrccbca und fieber-
haften />tist;ind liorheifilhren kann, ist von KOMRHT ebenfalls zur Identificirun*^
beider Alkaloide heraugezogen. Etwas abweichend sind die Anj^aben von Pinet ^^),
der nach Ulexin bei Fröachen Convulsiuuea mit dem Gepräge der Micotinkrämpfe
der centralen Paralyse vorausgehen sah und bei Meersehweinehen (naeh 0 Ol) nur
geringe Somnolenz beobachtete
Der l'nistand , dass die fjrllnen Tlieile von Vlfx curopafUf! in England
und in der ^«ormandio als Viehfutter allgemein in Anwendung gezogen werden,
weist auf einen geringeren Gehalt dw BiAtter au toxisehem Aikaloid, vielleicht aueh
nuf relative L'nempiindlichkeit der Wiederkäuer gegen das Gift hin. Auch dies
würde mit den Verhältnissen von Cytisus übereinstimnieii. Cytisin ist für Pflanzen-
fresser weit weniger giftig aU für Fleischfresser, am weuigsten emplindlich sind
die Ziegen. Es ist daher aneh denkbar, äam diese Thiere Cytisns- und IHex-
blitter in Masse verzehren, ohne darnach zu erkranken, wAhrend ihre Milch
giftige Einrenschaften annimmt und davon ;.'enie>seti(li' Kinler verjjiftet. Oh man
daher die neuerdings gedchelieue Empfehlung einer Cytisusart von Palma und den
«anarischen Inseln, der sogenannten Tanaraste, CijtiHUs prolitjcrus, zur Anpflanzung
als Viehfutter flBr hygienisch bereehtigt ansehen kann, mttssen wir daliingestcllt
sein lassen. Pluogk'") will auch das von Grrshofp aus den Samen von 5o/7Aora
(omenfosa L., die früher bei den malaischen Aerzten in Java als Specificum grooren
Cholera und gegen Vergiftung mit Fischcu in Anseheu standen, erhaltene Alkaloid
als identiseh mit Cytisin ansehen , doeh bedarf es bezOglieh dieses Alkaloides noeh
genauerer Untersuchungen, um so mehr, als das (!*-nuH Sophorn einer von den
Cytiseen und (lenisteeu t^nnz verschiedenen <I nippe der Leguminosen angehört.
Doch sind die pbyisiologisehen Etfeete des GuGSHOFF scheu Sophorins und Cytisins
identiseh nnd ansaerdem kommt den Alkaloiden ans Cytisnt nnd Sopbora eine
eigenthümliche Farbenreaetion an , die loerst von van db Mobr beschrieben ist.
üeberfriesst man Cytisin oder Cytisinsalze mit einer Ferrisalzlös-mj; (am besten
10° 0 Eisenammoniakalauuhisuii<r\ so entsteht IJuthfärbung und werdcfi dann einige
Tropfen Wasserstullsuperoxydlosung hinzugefügt, so verschwindet die Farbe, \\\n
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180
OYTisnr.
später bmm Erwärmen auf dem Wasaerbade in Blaa flbenogelieii. Beim EiudauipfeD
sur Trookae «of dem Waaswbade bidbt die Uane Farbe beiteben und ktan Tage
lan^ unvernndert aufbewahrt werden. Ammoniak fahrt sie in Rothviolett Aber,
das durch Siluren wieder in Blau ziirUckverandert wird. Kali- und Natronlauge
zerstürea die Färbung. Mit Hilfe dieser Reaction lässt sieb noch Mgrm. Cytisin
naebweisen. Hiosiebtlicb der ans anderen Bopboraarten ifloUrtea Alkaloide, die
eljcnfallä mit dem Namen Sophorin belegt wurden, exiatiren keine Angaben, welebe
auf Mentit.lt mit Cytisin hinweisen. Die in die neuere Literatur vielfach fiber-
gegangene ältere Angabe von Cuevalligr und Lassaigxk, dass eio von ihnen
Cytisio genannter aetiver Stoff sich in vielen durch purgirende Wirkung aus-
gexeichneten Legnminoeen, vor Allem in Conmäla varia and fotiida, aowie in
Anayyrts fueti /a finde, bat mit dem r'ytistn von A. TIr'SKMANX und Makme nichts
zu tiiun. Nach ('hkvaujer und Lassaigne ist ihr Stoil' in seineu iius^eren Eigen-
schaften dem Cathartin ähnlich und hat somit nicht die Charaktere eines kryatalli-
eirenden Alkaloidee oder fiberhaapt eines reinen Pflanzenstoffes, sondern die eines
etwas gereinigten Pflanzenextracte» , das natflrlieb nieht den Namen Cytisin ver-
dient. Neuere Untersuchungen haben das Vorkommen von Cytisin weder in den
gedachten Pflanzen, noch in anderen Leguminosen nachgewiesen, die durch analoge
giftige Wirknag anf die Möglichknt eines Cytisingebaltee hindeuten kOnnen« In den
Blättern und Blttthen von Coronilla vnria L. , die wahrseheinlieh wie andere
Corouillaarten ein als Herzgift wirkendes Alkaloid enthalten, suchte es VAN DE Mokr
vergebens. In Anagyris foetida L.^ einer zur Gruppe der Podalirieen
gehörigen Leguminose des Mittelmeergebietes, ist ein dem Cytisin ähnliches
Alkaloid aufgeftinden, das jedoeh in seinen Eigensehaften , seiner elementaren
Zusammensetzung und verschiedenen Reactionen von ihm abweicht (s. oben im
Art. Anagyrisi. .Mehrfach hat das Kauen der Wurzeln um! Zweige der Bohinia
l^aeudacacia L. und W istaria sinensin A'utt. (Glycine sinensis CuHj zu Ver-
giftungen Veranlassung gegeben , die der Gytisnsintozieation sehr fthneln. Auf
letztere, einen in Frankreich und auch in J)eut8chland zur Decoration von Mauern
und Gebäuden angepflanzten Kletterstrauch, wird die \'ergiftung vnn iM) jungen
Mädchen zurückgeführt, bei denen sich nach dem Kauen der Zweige (vor der
Blatbej in Mengen von 1 — 6 Grm. Hagensehmenen , Rötbung des Gesichtes,
Erbrechen, in einzelnen Fällen mit Durchfall eombinirt, Htnfillligkeil und Ein-
genommenheit des Kopfes mit nachfolgendem PolIapR , Mydriasis und Somnolcnz
einstellten. Sowohl diese .'Symptome als der ;nni'^tiLre \' erlauf" di r Intoxication.
indem sich sämnitliche Erkrankte uuter Behaudluug mit warmem KaÜee, T'bee
und Frottiren innerbalb 24 Stunden erholten, entsprechen der Cytisinvergiftnng, doch
konnten weder Ottow noch v.VN de Mokr eine Pflanzenbase in Glycine finden.
Ottow will darin ein Glyeusid geCiinden haben, dem er den Namen Wistarin
beigelegt hat. I>cr bei uns uuter dem Namen Acacie bekannte Baum (Robinia
Bteudacacta L.), in deren Rinde and Samen van db Mokr kein Cytisin finden
konnte, enthält nach Power und Camhier Cholin und zwei Eiweisskörper , ein
indiiVerentes Globulin und eine Albuminose, die als d:is wirk<;inie Priticij» betrachtet
werden. --) Li Uohinia Sicou, einer in Westindien und Südamerika als Fischgift
benutzten Art der nämlichen Gattung, ist ein von Cyti.sin bestimmt verschiedenes
Alkaloid vorhanden (s. FIsehgifke).
Die GIftigIceit des Cytisins und seiner Salze ist für die meisten Classen
der wirlu ll'isen Tliiere und silmmtliche Cla-^scn der Vertebratae fe-iffrestellt. Carni
voreu sind emptängiichcr als Omnivoren und lierbivoren ; Ascarideu und Schnecken
zeigen Immonitflt, Hnnde und Katzen erfordern in den ersten Lebenswoehen weit
mehr Cytisin als später. Es wird von allen Applicationsstellen mit Ausnahme der
unverletzten Oberhaut aufgenommen <inil L'elanirt sehr raseh durch die Nieren zur
Ausscheidung. Auch in Speichel und Milch seheint es uberzugehen. Auf die Blut-
körperchen ist es ohne Einfluss, dagegen beeinträchtigt es ausserhalb und innerbalb
des Organismus die Sauerstoffisbgalie des Hämoglobins selbst starker als Stryehnin.
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cmsiN.
181
Die kleinsten aetiTen Gaben rufen bei Tbieren gerioge Reisnngseneheinttni^D deft
Nerveneyetems benor, Terbunden mit BesehlenniguDg: der Atbem- und Tul^zahl :
bei g^rösseren Dosen kommt es bei Thieren, welcbe erbrechen kimnen, zu Vnmituri
tioneu und Erbreeben, dann folgt Athemnotb, Schwäche und allgemeine Lähmun;^
und schliesBlich nach terminalen Ejrämpfea oder ohne lolehe Stilbtood der
Athaiiing, wikfead das Hen (bei ELallblfltern noeh ttogere Zeit), fortsehtigt. Die
Pupille ist bei den mit Cytisin vergifteten Thieren nieht eoastant verftndert, blttlig
anijuigs verengt und später erweitert.
In Bezug auf die physiologische Wirkung des Cytisins ist hervorzuheben,
dass direete Wirkung auf das Groeslüm nicht stattfindet nnd das Bewnsstsein bis.
com Eintritte eompleter Lähmung fortdauert. Erregung des Rflckenmarkes und
der peripheren raotorisfhen Nerven zeijrt sich besonders bei V«^p:eln und einzelnen
Amphibien, bei Säugethieren nur in mehr oder weniger deutlicher Rigidität. Die
Läbmnng erseheint zonidist als eine spinale, aber aneh sdir raaeh kommt es su
I^ähmung der peripheren motorischen Nerven, die sich jedoch vom Centruni zur
l'eripherie ausdehnt; die Sensibilität erlischt nach der Motilität und die MtiHkela
bleiben noeh lan^e Zeit reizbar. Cytisin wirkt in kleineu Dosen erregend auf das
vasomotorische Centrum und biutdruoksteigernd , in grossen nach anfänglicher
Erregung auf ersteres Ifthmend nnd blntdmekheralMetsend. Aneh anf die peri-
pheren GefiUse wirkt Cytisin local contrahirend und in grossen Dosen lähmend,
ofteubar durch Wirkung auf die Gefilssnerven , da es auf glatte Muskeln nii-ht
einwirkt und z. B. local applicirt, die Pupille nicht verengt und die IVristaltik
nieht steigert. Anf das Hera ist Cytisin ohne Wirkung. Die Temperatur wird bei
Vergiftung anfangs etwas erhöht, spJltrr eonstant hcrahfrt^setzt. Die breohenerregcudn
Wirkunj.' de-* Cytisins int eine centrale, dodi wird das Athemcentrum stets frflln r
bceindusst als das Brechcentrum. Die bei Cytisinvergiftung zu beobaohtendu Bu-
teblennigung der Peristaltik hit sieht mit Seeretionsvwmehrung Terbnnden nnd
t^esultirt aneh naeh snvorigw Opinmwirkung , wo es die Uvid geAlrbten Dann-
schlingen rasch blass macht. Schweis^- und Speichelnerven werden durch Cytisin
nicht gelähmt, die Speicbelsccrction, mitunter auch die Diurese gesteigert. Oertliehe
Entzündung im Darme tritt nach Cytisin nicht ein.
Zu der Kenntnisa der Erseheiunngen der Vergiftung dureh Goldregen
beim Menschen geben die neueren Beobachtungen nur wenige Beiträge von
Bedeutung. Die Erscheinungen treten meist in — 1 Stunde, mitunter erst nach
2 — 10 Stunden ein. Sie beschränken sich in den leichtesten Fällen auf bleiches
oder livides Aussehen, (Jebelkeit, Ekel und Erbrechen, Sehmerzen in der Magen-
gegend und Beschleunigung des Pulses und gehen nach natürlichem oder kOnatlieh
bewirktem Erbrechen in einigen Stunden vordber. -'*) Mitunter, jedoch keineswegs
constant, ist Diarrhoe damit verbunden. In etwas schwereren t^älleu treten Schwäche
in den Beinen, kalte Sehweisse, Kälte der Haut und Meteorismus oder Collaps mit
langsamem nnd kleinem, manohmat irregnllrem Pulse, Sinken der Temperatur,
Somnolenz mit l'npillenerweiterung oder Pupillen Verengerung"), mitunter auoh
mit Delirien und Halliieinationon oder mit allgemeiner Anästhesie hinzu. Manchmal
fehlen gastrische Symptome vollständig und es kommt zu Hinfallen der Kranken,
kramp^aften Bew^ungen der Arme und B^ne, aneh an Sehinmen des Mundes
wie bei Epileptikern oder zu oberfliehlieher Athmung mit Cjranose der Lippen
und anderer Köriiertheile. -'^)
Die Intoxicalion kann sich mit diesen Symptomen 12 — 24 Stunden hin-
ziehen, doeh bieten seilet die schwersten Fälle Aussieht auf Ooiesung. Mitunter
persistiren einzelne Erscheinungen, z. R. die Mydriasis (2 Tage lang), Durchfälle
angewfihnlich lan^'e. Der Tod kann sehr früh, in — 1 Stunde, aber aueh naeh
12—24 Stunden und selbst sp.'iter eintreten.
Die Section weist bei der Goldregenvergiftung keine eigenthUmlichen
Veränderungen nach. EntzOndung des Magens und Darmeanales sind nur ganz
ausnahmsweise Befhnde; in der Regel ist die Magendarmsehleimhaut blass. Im
182
llag^niDbalte fiodea sieh in der Kegel Schoten von Cytisua Laburnum. Bei stark
gefnlltem Magen kann en vorkommen, daes in Folge intensiven Erbieeheua Ruptur
der Mageowanduug eintritt und bei der Section sich findet.
Die Bebandlmifr der Cytisoeveri^fttnig indieirt in den mdsten FSllen kein
Breehmittel, da bereits gendgendee Erbrechen beatdit. In Fällen von Collaps oder
Sopor, wo keiu Krliroclirn ntattfindet, ist die MagenansispQlung angezeifrt. van de
llOEU enipüehlt llolzküble als Autidot, weil diese Cytiain sehr intensiv festbftlt.
In den mciitcn Pftllen wird man sich auf die ftuseere und innere Anwendung
enrlnnender and belebender Mittel beeehrlnkea können. Rflnetliehe Reepiration nnd
Transfusion wirken bei Thieren auch in schweren Intoxicationen lebensrettcnd.
Tannin ist als chemisches Antidot nicht zu empfehlen, du Cytisintannat sich in
tlberschttssiger Gerbsäure löst; auch alkalische Tanuiulöäungeu sind auiidotariscb
nnanTerlisiig.
Therapeutisch dienten die BIfittcr von Cytüus Lahurnum früher als
Diureticum und die Samen al« Emeticum , als welches sie jedoch wegen der mit
der Wirkung des Cytisins verbuodeneu und selbst bei nicht emetischen Gaben
hervortretenden f starken Blotdrnckstetgemng sieh nieht eignen. Ueber die von
IfABllA und FLi'tGGK licfürwortete Anwendung des Cytisins bei ArsenictsmM
acutus zur Beseitigung der Hypcrfimie im Darme liegen klinische Erfahrungen
bisher nicht vor. KobKRT emptielilt Cytisinum nitricum in allen Fällen , wa
niedriger lllutdruck und Schlaffheit der Gefösse Krankheitszustilnde bervorrnft
oder anttvhilt, s. B. bei paralytiseher Migrlne, Hydrops nnd Oedemen, an^ bei
Melancholie und Abulie in Folge mangelhafter Versorgung des Gehirns mit Blut.
Alan gebraucht das Mittel subcutan, indem man mit 1 Ms;rni. pro die beginnt uni
auf 3 — 5Mgrm. , die in den meierten Fällen zur Blutdrucksteigerung ausreichen,
steigt. Als snbentane mascimaie Tagesgabe wird lOMgrm. bezeiobnet.
Literatur; ') Radziwillowicz, Ueber Nachweis umi Wirkungen dfS Cytisins.
hhs. Durpat 1887. Ue'.er CytUin. Eobert's Arb eiten ans d<>in Dorpater pharmakol. liutitat.
II. jiag. 56. - *) HnneniaaB, Toxikol. Sappl -Bd , pag. {>H. — 'JC. A. Paick. Prskt.
Toxikol , pKp. :,']! I - ^1 A.Hust^mann und W.Marnie, Z-itsclir. f. Cliem. 18i)5, pag. 161.
N. Jahrb. f. Pharm. XXXI, 1. — ') llarnie, Heber Wirkuniten und Vorkommen des Cytisin,
CföttVackr. 1871, peg. 224. — *) Coruevin. De» plante» vin^mw^fs. Paris 1887. ^''<'' l'em-
jioUwnnevitnt pat quelques «tpecea de Cifthun. Compt. rend. Cll, Nr. l.H, pag. 777. —
') Van de Mot«r, Orfr rytiaine. Int terffift ran den ;jndenregfn en orer df identität van
cijtinitie 1)1 iiluiitr. Groningen ISlK) -- ") Polak, Vergiftung durch Laburnum. Wiener
med. Presse. 18ü8, Kr. 9. — ") K.o»teUt»ky, Med.-phann. Flora, pag. 1^54. — '"j Par-
theil. Ueber C^'BtB. Pharm. Zeitg. 1891. Kr. 78, pag. 611. — ") Hagelbae«, ü«ber
rvii>iii Dis>: (;,,itin{:.n 18i''-i. Bcilincr Ber. 1801, pap. 674- — Wr-lborn, A contribution
to tili j'li fisi<iliii/irii! <icl ioii iit the fitdlti oj ifor-se. Pharm Joiirn. Transai t. (3), XX, pag. 360. —
") V< r'r! uhiT I h xin: (icrrard u. Symons, Pharm. Joiirn. Transact. (3), XIX, pag. 1029»
XX, pae.lulT; Part heil, a a. 0. —'^*) Bose Bradford, Jonm. of Phyaiol. III. PSam.
Jonrn. Transact (3'. XX. pag 1030. — Fenwick, Kete Remedif». I ancet. Sept. 1887,
24, |mg. t04- — "') Kobcrt, Ueber l'lex eurojjKeun. Deiit-chi' in d Wnihenschr. 189u.
Nr. 19. pag 40ti. — Pinet, De l'action phy»iologique dt l'uU'xine. Arch. de physiol.
18S7, Nr. 2, pag. 89. — Plügge. Alkaloide von Sophora totnentota. Nvderl. TijdBchr.
voor Pharm. Nov. l8iH. pasr. H.U). - = '| Vergl. Teijsmania. 1891, pag. 744. — L^ouffre,
Kmpoiso^ttemtut par tu i/h/iinr. Lyon mi-d. IbtU. Nr. 34. — *') Ottow. Orer Ghjcinr,
Kieaw Tijdachr. voor Pharmacic. 186U. pag. 207i '«i3;.i. — •"■') Power imd Cum hier, Om
tke poieonotut principle of Hobinia l'neudaeada. Pharm. Bondschaa. Febr. 189U, pag. 29. —
'*) Vergl. in Branr atif die phyNiologiscbe Wirkung des Cytinn d e obengenannten Arbeiten
von M a r ni <j , J! u <! z t w i 1 1 o w i c z nnd van deMoer, au.s.ifrdfm ^larnii-, Neuere Unter-
suchungen des Cyiisinnitratfs. Uött. Nachr. 1887, Nr. 7. PrevoKt und llinet, Sute rela.ive
& Voction phyaioloyique de nitratr de cylit^iin'. Rev. Snisso Bomande. 18':8, Nr. 11, pag. 670. —
-'*) Falle von See Ihorst und Piedeldij in der unter 7 genannten Schritt. — Fälle
von P. van der fierg und Perle ebendaselbst; Stepheoson. Lancet 20- Aug. 1887;
Brigps. Urit. med. Juum. Ü. June llr-8.i ; Stewart, Brit. med. Journ. l.j. Dec. 188'^. —
-'•) Z. B. in den Fällen von Valience bei van deMoer. — *^) Hinkeldeyn, Zwei Fälla
von Vergiftung mit pytisin mit tadllithem Anagaog«. Deutacbe Klinik. 1877, Nr. 27.
Huaemann.
L.iyu,^cd by Google
D.
DArnCfttSITh. Ueber die Vatndaniig des Darmaafkes bei aeateni Danu-
eatarrll suchte «ich Hoffmann )) durch den Thierversuch Gewissheit zu yenohaffen.
Er fand beim llimde die diastatisehe wie die invertirende Wirkung des DUnndarm-
saftes, jene auf Amylum, diese auf Rohrzucker bezogen, auch beim acuten Catarrb
erhalten^ doeh Behien die fermeotative Wirkung xeitlieh hinter der des gesunden
Saftes zurüekzuMeiben.
Zu der tiir die Diagnose so ausserordentlich wichtigeu Untersuchung der
Fftces bedient man aioh nach einem Vorschlage von Uii^BZ^} mit Vortbeil der
nenerdiDgs fOr die bequemere and exaetere Untersnehnng nm 8e- und Exereten
so vielfacb angewandten Centrifoge. In diese glebt man ebe Probe der Rxcremente,
nachdem diese mit Wasser, besser noch mit 5*^/|)iprer Carbollösung, die den lilstigen
Genich mildert, verrieben ist. Oben schichtet sieh eine trdbe, bakterionwiminelude
Flüssigkeit ab, darunter Massen unverdauter Cellulose, hierauf ciu schwarzer King,
der fast einsig aus llnskelfasMn bestellt, daronter eine Reihe sehmaler Sehiehten,
in denen die diagnostisch wichtigsten Bestandtheile von einander ;resrindert sind,
Rundzellen, Clostridien, Stärke ete. So gieht schon die makroikopiMche Betrachtung
eine gute Annebauung von der Zusammensetzung des betretfeuden Kothes. Mit
langgespitzten Pipetten werden den doseinen SehicÄten Proben zur weiteren ünter-
snehung entuommen.
Der Heflind ("HARCOT-KoiiiN'scber Kryt-'talle in den PSces ist gecif^net,
in ätiologischer Hinsicht einen werthvollen Anhalt zu geben, insofern er das Vor-
bandensein von Darmparasiten wahrscbeinlicb macht (Leichtenstbrn *), ohne jedoch
eine bestimmte Art zn ehanücterisiren. Abwesenheit der Kiystalle sehliesst Para»
siten nieht aas. Der Ort ihrer Entstehung ist der des Parasitenanfentbaltes.
Zur I*afholoj?ie der Kutprids mtmhranucca liefert Kitaoawa*) einen
Beitrug. Er konnte in den meiubranösen Ausscheidungeu drei Gruppen unter-
sebeiden : LamellOse Massen, deren Omndsubstans dnreh Essigslure etwas getrflbt
und streifiger wur li-. ferner ebenfalls lamellöse Mu.ssen, deren Grundsubstans dvieli
Kssi^rsäure eher sieh aufhellte, aeblif-slieh solide, strangurti^e. netzförmig communi-
cirende, oft mit gewöhnlichem Schleim zusammen auftretende Massen, deren Grand-
snlwtans dnrdi Essigslure streifiger und nndurohnchtiger wurde. Die OmndsnlwtaajE
wurde vorsngswdse durch Mudn gebildet, Fibrin liess sieh durch die WBiOBBT*sehe
Reaetion nicht nachweisen.
Auch lliiiiicu ^) vermisste in seinen Fällen Fibrin. Kr nimmt an, dass
ein Gatarrh der Schleimhaut dem Processe zu Grunde liegt. Zu der Annahme eines
Catarrhs lilit er rieh fttr bereebtigt dureh die massenhafte Sehleimproduetion und
den Nachweis einer abnormen Menge /eiliger Körper. Entgo^'en der Annahme
neurasthenischer Disposition . behaupten seine Patienten , erst seit dem Auftreten
jener krankhaften Entleerungen „nervös" geworden zu sein.
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184
DARMCATARRH.
N«uerun»cn in dor Therapie des DarmcatarrhH werden sich natur-
gomääs im WesentUchea auf die Hervorhebung der Vorzüge dieses oder jenes
MediMmeDtM besehrllnkeii.
Was die Behandlung der OoUtU mmhrawusea angeht, so empfiehlt
FLBINEB angelc^rmtlichst die Anwendun<r dor „Oeleiir" (s. „Darminfaaion"^.
lu der üehandlunK acuter Darincatarrhe hat H. Schulz sehr günstige
Erfahrungen mit dem von Auldk eoiptuhlcaeu arsenigsaureu Kupfer gemacht.
Man rerordnet 0*0008 : 120*0— 180*0 Aqua theeUMMweiae znent alle 10 Minuten,
nach einer Stunde halb- Us ganaatflndUoh, bei Kindern die halbe Dosis, bei Siog^
iingen nur Tropfen.
Chronische Diarrhoen behandelt PuLLATäCUfiK mit kleinen, warm ge
trankenen Dosen Karlsbader Wasser, in sehwierigen FUlen ndt reetalen Infusionen
mit warmem Thermalwasser. Man beginne mit einer Irrigation pro die von
200 Grm. bei 38» und steige bis 500 Grm. von 4:5«. Je liager der Patient das
Wasser bei sich behält, um »o sicherer ist die Wirkung.
Bei Anwendung adstriugirender Mittel bei chronischen , nicht oom-
plieirten Dflnndarmeatarrhen rtth Wbmeb*), nicht das reine Tannin zu geben,
sondern gerbsäurehaltige Mittel, wie Extr. Ratanhtae , K.rtr. CMombo, Extr,
Monesiae. die besser wirken und nicht den Ma;;cn belästif^en,
CoLASAXTi und DUTTü '') haben das von llKiNZ und Likbrkcht dargestellte
nnd als Dermatol beaeiebnete nntergallnssanre Wismathoxyd in Dosen von
2—5 Grm. pro die, in Pulvern von 0-25—0-5 allein oder nüt Opinm gemifoht
bei Diarrhoen der verschiedensten Art mit Ite^tem Erfolge verwandt.
Um abnorme Zersetzungen im Darmeaual hintanzuhalten und damit eine
ürsaehe oder Gomplication von Danueatarrtien sa beatitigen , bedient man aieh
nattirtleh mit Vbrtheil desinficirender Mittel. Ueher ilire Anwendung in Form von
Klysmen s. unter „Darminfusion". PnAKDix-REArMETZ rühmt als zweckent-
sprechendes, inuerlich zu verabrcirlundes Antisepticum Bismuthuin Halicylicum
in grossen Dosen mit Magnesia, pbosphursaurem Kalk oder Naphthol. Wie weit
diese nnd andere Mittel geeignet sind, der Darmftolniss entgegrasawirken, ist
neuerdinprs wiederholt geprfift worden an ihrem Einfiosse anf die Herabsetinng
der Ausscheidung der Aether^chwefels.luren.
Dass Bcbon der Ausfall der Salzsäureausacheidung des Magens in dieser
Besiebnng einwirkt, zeigt eine üntersnehnng von Wa8B0TZKT.i>; Vermehrung
dor gepaarten Schwefelsäuren im Harne, mithin Zunahme der Darmfäulniss
wurde in 4 F.tllen unter fi liei Fehlen oder erlieblicher Verminderung der .Salz-
säuresecretion gefunden. Auch Bieknatzki kommt zu demselben Resultate. Er
findet aneh bei Gelbsneht die Darmftnlniss abnorm gesteigert, was onaweifUliaft
dnroh das Fehlen der Gallo im Danncanale vernrsaebt wird. In ehroniseher Obstipa-
tion liogt natdrlich eine Quelle erhöhter DarmRlulniss (v. PFt\V(9RX ^'-V
Von der Diät ist die Darmfäulniss in hohem M-asse abhiingig. Die Ein-
ftihruug von Eiwoi.ss begUa.stigt die Zeräetzuugsproducte im Darme, wobei das
vegetabile Eiweiss viel AnlnissfUiigOT zu sein sebeint als das animale. Bei der
Milebnahning ist die DarmfHulniss besonders gering. Kefyr, in Mengen von lV:i Liter
tSglich genommen . bcw.thrle sich als ausgezeichnetes Mittel zur Einschränkung
der DarmfiluluiN» , »eine Wirkung beruht zum i'heile auf dem Gehalt an der,
ft-eilieh viel weniger intensiv wirkenden MilehBftnre. Dass noch ein andwer Faetor
hierbei vcm wesentlicher Bedeutung ist, zeigt Schmitz. Durch Fütterung mit
friseh gel.'llltem K.tsestoff gelang es ihm, die Aiis-cheidiiiiir der Aetherschwefel-
siUire auf ein Minimum zu verringern und .selbst ganz zu unterdrücken. Ursache sind
vielleicht gewisse im Kase enthaltene Bakterien (wie s. B. in analoger Wdse bei
der Cholera AethersehwefelMnren nur in minimaler Menge gefunden werden).
Milchzucker crgiebt nach Schmitz keine merkliche Herabsetaung der
Aetberschwefelsäure, Salzsäure beim Menschen Abnahme bis zu 40<*/o*
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DÄRXCATARRff. — DARIIBNTZÜNDÜNO.
185
Was nun den Einäuss der Arzneimittel angebt, so zeigte Calomel keine
desinticirenden Einwirkungen (St£IFF ^''), Bikunatzxi). Natr. bicarbon. und Calc.
earhon^y ebenso wie Aßüt» mur, hemmten die Zenetsuog , was weder Infutum
Sennne, noch Magint. ßimnuthi im Stande waren. Dem Terpentinöl, Ktmpher,
Eucalyptol und Menthol kommt eine erhebliche fäulnissmindernde Wirkung m; ftber
Tannin- und Boröäureklystiere s. unter D a r m i n f ii s i o n.
Literatur; ') Hoffmann, Ueber das Verhülten üeH Duundurmiiaftes bei acnteni
Danneatarrb. Inaug-Dis«. Dorpat 1891. — ') Herz, Ein Bebelf bei dar nikroBkopischen
Unttfrsachung der Faces. Centralbl. f. klin. Med. 1892. Nr. 42. — *) Leich te n st ern, Ueber die
Charcot-Bobin'schen Krystalle in den Fäcen. Deutsche med. Wocbenscbr. 1892, Nr. 4'-i. — *) Kita-
gawa, Beiträge zur Kenntni.ss der Enteritis memhrnnacea. Zeitscbr. f. klin. Med. XVIII. —
*) B i r 8 0 b , Deb«r Enteritit rnrnnbranaeea nad mueota, Inaog.-DiM. Berlia 1892. — *) S c h u 1 s,
Amaif sMiri'a Knpfar bai aeataa ErkrankinigeB das DarmaB. Daataeba med. Woohaaflahr. 1891 ,
Nr. 10. — ^) Po I ! ;i t s cb fk , Zur Behandlung der cbronistheu Diarrboe. Pracormad. Wochen-
schrift. 1891. Nr. 47. ') Weber, New York. med. Monatsscbr. Februar 1892. — *) Cola-
santi und Dutto, Untersucbangen Uber die tlierapmtlMdie Wirkung de* Dermatols. Berliner
klin. Wocbenschr. 189::^, Nr. 'M. — "^') Dujardin-Beanmetz, Da traitement de la diarrhee
et de la eonsfipation. Ball, de thkr. 1890. — ")Wa8batKki, Ueber den Einflntta von
Mageiigahrungen auf die Fäiiliii.ssvur>i;ai)g<? im Darmcanal. Ar Ii. f. exp. Patb. XXV. —
") Biernatzki, Ueber die Danufäulniss bei Niereneutsäudung und Ictertu elc. Zeitachr. f.
klio. Med. 1891. ▼.Pfangen, Beitrilga aar Lebra van der Darnftalabs dar BIwaiM«
körper. Zcitsihr, f klin Mf(\ XXI. — '*) Schmitz. Zur Kenntniss der DarmfaTihiise.
Zeitscbr. f. pbyaiol. Uhumio. XVil. — Steiff, Ueber die BeeiuUussuag der Darmtauluiaa
doreh Anatimlttal. Zeitadir. f. klia. Ued. XVL Tb. Saaeabaini.
Darmentzündung. Aehnliche Processe, wie oie die Perityphlitis dar-
stellt, nur nicht am Cöcum, sondern höher hinauf am Colon ascendens spielend,
bat WiND6CHSiD>) beobachtet. Die Krankheit war an^geseiehnet dareh «enten
lleginn mit massigem Fieber. In der Oegend des Colon ascendens , bei Frei-
bleiben der Fosi^n iliaca , konnte man einoti etw.m l.'itig;liehen Tomor palpiren,
der aaf ein pcritouitiscbea Exsudat bezogen werden muante.
In dem einen Falle bestand bartoftekige Obstipation, in den beiden
anderen Obstipation weebselnd mit Dnrehfilllen.
Tcber die Aetiologie ist etwa^ Ilestimmtes nicht auszusagen, man könnte
h/^chnteu.H al.« unter.stilt/ondes Moment fdr da.s l^ntstehen der Coliti.«! und Pericolitia
au dieser Stelle die liir die Fortbewegung der FäealmasHeu etwas ungünstige Lage
des Coion aaetmdenM unehmen.
Schwierigkeiten in der Beurtheilung derartiger Erssheinungen, und dies gilt
besonder» auch fdr Processe in der Blinddarraregion, wenn sie nicht gerade acut ein-
setzen, können diejenigen Procease machen, welche auf eine Actinomycoseinfectiou
snrOekinflIbren sind, and die meistens vom Brocessua vermiformis ausgeben.
Charakterisliscb fOr diese ist die Chronicität des V'erlaufes , die diffuse , feste
Infiltration, spHter multiple Fistelbildun°r, hx^t völli;; fehlfnde DarnKTscheinungen,
local bleibende Keaction des Peritoneum. Acut entzündliche Erdcheinungen, durch
Miscbinfection bedingt, können die ohnehin schwierige Diagnose noch mehr er-
schweren. Entsehddend ist »atttrlieh der Nachweis der Aetiaomjeeskllmer (Lanz
Das Verständniss fllr den Zusammenhang zwischen Hautverbrennungen
und Entzüudunfr, respcctivc riccr.ition des Daruies («. Hd. V, pag. 63) wird uns
näher gerückt durch eine experimentelle Untersuchung ilüNTEa's. ^) Bei Ver-
brennangen findet sieb znwelltn eine EntsOndnng im Dnodennm, snwwieii sugteich
UIcerntion, oder nur diene. HUKTBB fand nun nach Injeetioncn kleiner Dosen (^yh)
Toliiylendiamid )i "i Hunden, wenn sie am — 7. Tage n;ir-li der Injection getödtet
wurden, eine iuteuäive Entzündung um die EinmUndungsstoUe des (Jallengangcs,
etwas sehwl^er vor der IleoeOcalklappe. Auch pseodo*aleerstive Krseheiottngen
seigten sich, d. h. cirennucript veränderte Partien, die zonäobst den Bindruck
von ülceration<'n machten , an denen sich aber kein .'^chleimhautdefeet fand,
sondern eine ei^^euartige Veräinleruii^r der Follikel und Zotten, derart dass liie
peripher gelegenen verlllngert und geschwollen waren. Alle diene Proces.se .sind
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186
DABMBNTZÜNDUNG. — DARHINFDSIOK.
zurückzuführen auf die Ausscheidung einer schädigenden Substanz durch die
Galle, deren nächst« Einwirkung um die MOnduag des Galleugauges, dann auch
im OOoniii, wo sieh der Inhalt itant, ttettfand. In der That konnte aoeh Tolvykn-
diamid in der Galle nachgewiesen werden. Analog erklfirt sieb wohl die Folge
der Verbrennung auf das Duodenum durch Ausscheidung einer reizenden Substanr,
sei es durch Zersetzung des Biotes oder durch Aufnahme von der verbrannten
Hautstelle aus.
BeaUplieli der EnteritM membranacea e. Darm o ata rrh.
Literatur: ■) Windacheid, Dni FUle von Pericolitis. Deutsch. Arch. f. klia.
Jled. 1889. *) Lanz, L'eber PeritypbliHa actinomycotica. Correspond«!»!)]. f. Schwtiaer
Amte. 1892, Mr. lO^ll. — *)Hiiater. Thepathohgy o/duodmiiit. Fafhol. nainut. 1890.
Th. Roaeaheln.
DSrariRftHrilNI. Abgelten von der gelegeotliehen Verwendung der
Darminfusion zn diagnoptischen Zwecken, gewinnt dieselbe in therapeutischer Be-
ziehung eine sich fortwührend steigernde Bedeutung , einmal fiir die locale Be-
handlung von Erkrankungen dts Mastdarmes und der hoher gelegenen Darm-
partien, Bodann aber aneh cor Errielnng gewisser Allgemeinwirknngen dnreh holie
oder niedrige Temperatar der Eingieesung, oder aneh dureh ernihiende oder
medicament^se Zusätze zu derselben.
Ohne daas hier auf die bereits im I. Bande der EncyclopJldischeu Jahr-
bücher erörterte Streitfrage eingegangen werden eoli, ob es möglich ist, wie
Cantani*) behauptet, durch volnminOse Eingiessnngen den Widerstand der
BAüHIN'sehen Klappe au flberwinden , mu<:s doch jedenfalls zugestanden werden,
das» die v<»n dem genannten Autor empfohlene „gerbsaure Enteruclyse", d. h,
eine Infusion mit circa 2 Litern einer Vs — ^Vo Tanninlö&ung, ein beachtens-
wmtbes Mittel in itr Behandlung von Danneatarrhen mit bartniekigen Diarrhoen
darstellt. Auch bei der Behandlung der Cholera aaiatiea will Cantani, wie er
neuerdinf^s wieder herv()r;relioben hat 2\ mit den gerbs.nuren Ktnerfu ly^en, wenn sie
frühzeitig und consequent angewendet werden, aug.sirordtntlicbe Erfolge erzielt
haben. Für die Anwendung in Fällen von Dysenterie empliehlt es sich, dem Ein-
lanf Gummi arabicum auzuseticn, bei groeser Sehmersbaftigkeit werden Elnlinfe
von 1 — IVs Litern Oel vorgezogen.
Der Zweck der l'anuineingiessnngen ist, antibaktertell au wirken and
die Ptomaine unKchädlich zu machen.
Allerdings gelang es Roviuui ^) nicht, eine t^ulnisshemmende Wirkung
der Gerbsänreelysmen an dem Verhalten der Aethferechwefelsluren nadunweisen,
wie sieh eine solche z. B. fOr Infusionen mit dreiproct uti^en BorsiareUtoungen
sehr deutlich durch Herabsetzung der Menge der AethersehwtlVIsiluren erkennen
liess. Kreilicti /eisten sicJ» bei Anwendung der Borsäure auch bedenkliche Intoxi«
eutiouserseheiuuugeu.
GMehwohl hllt sieh Camtani naeh seinen Erfabruugeu fOr bereehtlgt
au der Annahme, dass es vermittelst der Bnteroelyse gelingt, beispielsweise auch
den TijpItKs n/>i/t'i)u'n(ih'.s im frühen S^tadium abortiv zu gestalten. Auch in einer
wieder aus der .Mo>i.KR sehen Klinik hervorgegangenen Arbeit bestätigt neuerdings
Rackuais^), dass durch tanniuhaltige lufusioueu Verminderung oder Beseitigung
der Diarrhoen beim Typhus ersielt wird. Beim Typhus aber kommt wie auoh
bei anderen fieberhaften Erkrankungen die Anwendung der Darminfusion aneh
als an t ip y r e t isc heü Mittel in Betracht. Durch KinUlufe von 2 Litern Wasser
vüu circa ll^C. bewirkte Cantani eine Herabsetzung der Temperatur um
6 — 8 Zehntel, die mehrere Standen anhielt. Zugleich wird eine gOustige Wirkung
auf die ortlichen Verhältnisse im Darm (BeseitiguuL' des Meteorisraus etc.) auage-
übt, eine Wirkung, ilie durch Zusatz v<»n H ^5 10 (irni, (Jcrbsflure oder von
10 — 50 Cgrm. krystallisirter Carbolsäure, eventuell mit 1 — 2 ürm. Chinin. muricU.
verstärkt werden kann. Dabei hebt sieh meist aneh die Dinrese. Aneh Bocmuim*)
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DABMINFUSION. .
187
constatirte Herabsetzung der Temperatur und VerminderuD^ der Tjmiwaie dweh
die Enteroclyse. In einem Falle von Darmblutung nahm er bei dem collabirten
Patienten eine Kiogiussung von beissem Wasser vor und glaubt dadurch iebens-
rettend gewirkt sn haben.
In eigenartiger Weise verwendete Labbat die Wirkung der Elektrioitit
in einem galvanischen Klysma Eine grosse Plattenelektrode, mit dem nega-
tiven Pol verbunden, wird auf deu Leib gesetzt. In « Rectum wird eine Gummi-
aonde eiDgefahrt, wdohe dureh eine metallene Amkletdung Im Inneren mit dem
anderen Pol der Batterie verbimden ist, zugluch auch durch einen SchUneh mit
einem Irrigator, welcher eine concentrirte Salzlösung enthält. Diese lässt er langsam
bei gleichzeitiger Anwendung einer Stromstfirke von 10 — 50 Milliampere ein-
fliessen. in einer Anzahl von Fällen will er auf diese Weise Darm verschluss
beadtigt haben.
Eine beachtenswerthe Methode fUr die Behandlung von Obstipationen
bringt ganz neuerdings Fleinkr. Dieselbe besteht in der Anwendung grosser
Oelklyätiere. Kleiner weist zunächst darauf bin, dass man unterscheiden müsse
cwiecben der atonischeu Conatipation, der hftnfigeren Form, wie sie aieh bd
jüngeren Leuten mit sitzender Lebensweise, aneh ohne dit^e Ix i älteren Peraoaen
findet, und die auf einer Sehwflehe der DnrmmiHculMtur litriilit, und der spasti-
schen Constipation , von welcher vorwiegend reizbare. Neurastheniker, Hypo-
ehonder nnd Frauen vät Uterialcüen befallen werden. Dieae letstero beruht in
der Zurückhaltung feater Kotbmaaaen dureh Darmabaehnitta, welche in Contraetnr
dieselben festhalten nnd ihre Fortbewegung hemmen, statt sie zu liiuirken.
Charakteristisch tiir diese Art von Constipation ist die Beschaßenheit der Stühle.
Die Würste sind kleinkalibrig , stielruud, oft nur bleistift oder kleiuliugerdick,
manebmal aehr lang, oft aber aueh kurz, ao daaa die Geeammtmoige dea Stahlee
ungenügend erseheint. Nicht so cbarakteriatiach aind die zeitweilig entleerten
kleinen, kugeligen, haselnussgrossen Kothmassen. weil sie auch bei der atonischen
Form vorkommen. Für diese spastische Constipation erweist sich die für die
atoniaehok Zu^tinde so zweekmlasige Maaaage ala nutzlos, wenn nicht aehldlich,
daaaelbe gilt fiir die Faradiaation und die Anwendung der Drastiea. Nfltslicher
sind warme Klystierc von aromatischen Infusen und Xarcofica (ITyoseyamu^ und
Belladonna). Als besonders wirksam jedoch hat sieh hier, ebenso aber auch bei
der atooiseben Constipation, eine von Küssmadl ausgebildete Methode, dio soge-
nannte Oelenr, erwiesen. Was die Tedinik der Oelinfuaionen angeht, so kommt
es darauf an , das Ocl möglichst hoch in den Darm hinaufzubringen. Zu
diesem Zwecke nimmt der Patient die Rückenlage ein . wiilirend sein Becken
durch ein circa 20 — 2;) Cm. hohes festes Kissen in erhöhter Lage unterstützt
wird. So wird ein negativer Dntok in der BaaehhOhle hergestellt, der eine
aspirirende Wirkung entfaltet. In dieser Lage llSSt man circa 4i)0 — 500 Ccm.
Oel von Körpertemperatur langsam und unter geringem Druck (etwa fiO Cm.
Druckhöhej aus eiuem graduirten Irrigator eiotliessen. Das in das Uectum eiu-
zuAlhrende Ansatzstllek besteht am besten aus Hartgummi, Bein oder Glas, hat
eine Länge von 9 — 10 Cm. und endigt vorn in eine gut abgerundete fingerdicke
Olive. Die Lichtung darf wegen der geringen Ausfiussireschwindigkeit des Oeles
nicht zu klein sein. Wichtig ist die Wahl einer guten Oelsorte. Entstehen nach
der Eingiessung Schmerzen am After, Rectum oder höher hinauf, so sind diese
auf die sehleobte Besehaffenheit dce Oeles znrttekzuftthren. Ks empfiehlt aieh, fnnea
Olivenöl oder das billigere, aber durchaus brauchbare Molinf\l oder Sesaroöl erster
Pressung in Anwendung zu ziehen. Die Wirkungsweise des Oeles ist zunächst
eine physikalische und kommt als solche schon im unteren Dickdarmabschuitt
zur tielluQg, indem daa Oei feste Kothmassen von der Dannwaad loslOst und
dureh die Bewegungen des flflssiu' gemachten Kothes reflectorisch die Peristaltik
anregt. Weiterhin wirkt es auch chemisch. r>ie in Wasser unlöslichen Be-
standtheile des Kothes, das Cbolestearin und die Fette, werden gelöst, die (ialleu-
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188
ÜARMINFUSION.
harze (Dyslysio, Cholalsäure^ theils erweicht, theil» gleichfalls °:elöst. Dadurch
wird die Coasistenz des angestauten Kotbes eine weichere. Werden dem Dickdarm
noeh nnsenetste Verdanungssifte, iDibetondere Oalle and panerMtiBehor S«f%, sa-
gefuhrt, 80 wird au dem Oel Oelaftnre abgespalten, zugleich verbindet sich das
Alkali des PancreaHsaftes mit Fettsäuren zu Seife, während Glycerin frei wird.
Diese Stoffe aber , Fettsäuren , Seife , Glycerin, wirken bekanntermassen durch
kräftige Erregung der Peristaltik evacaireud. Schliesslich kommt nooh die Hem-
mung der Waeaerresorption dureli dae Oel in Bekradit.
I^ine Indication fflr die Anwendung der Oelklystiere iflt abo gegeben in
allen Zuständen von Stagnation des Rothes bis zum Cöcnm hinauf. Reiz-
erscheinungen, subjective Beschwerden, Koliken, EntzUndungsprocesse im Dick-
darm, Pr(Nstiti9f Colitis, Typhlitis, taberkoMee oder fbroniadh dysenterisebe Pro-
cesse machen die Indication zur Oelapplication nur dringender. Auch bei mechani-
scher Behinderung der Kcthbewesrunp durch Tumoren, Narben etc. ist sie ange-
bracht, nicht aber bei Dickdarmatiectionen mit motorit^cben üoizerscheinungen,
bei denen Dnnndarminbalt mit nnseraelsteD Verdauangasäften weit beranter in dae
Colon gelangt. Von besonderem Nutzen wird die Oelanwendung sein, wo gleicb-
zeitifje Mafien affcctionen dir Anwendung von Laxantien verbieten , ebenso bei
anämiäc-heu und schlecht ernährten Patienten, wo durch Laxantien dem Organismus
noch nützliche Näbrstulfe und Verdauuugssäfte entführt würden. Man beginnt die
Cur mit 400 — 500 Cm. Oel (bei Kindern 60«-160). Tritt Unruhe im Darm auf
oder ist nach 3—4 Stunden (eTentoell nach abendlicher Application am Morgen)
noch kein Stuhl erfolo^t , so bewirkt man dnreb ein Itldnes Klysma von Wasser
oder Sternauisintus Darmentleerang.
In gleieber Weise werden die Oeleinllnfe Üglieb wiederholt, bis man
sicher ist. dass das Oel auch am Ckicum seine Wirkung entfaltet, bis also das
Maximiitii der 0<'hvirkunfir erreicht ist, weiches charakterisirt ist durch Abgang
eines Stuhles von der BeschatTenheit des DUnndarminhaites , also dQuubreiig und
nooh nnzcrsetzte Galle enthaltend. Dann macht man eine Pause von einem oder
mehreren Tagen, bis kein Oel mehr bri der DefiU»tion entleert wird, oder der
Stuhl anfangt trocken zu werden, oder mehr als einen Tajr ausbleibt. Auch kann
das Quantuni des Oeles auf .JOü - 2.')0 Cem. reducirt werden. Häufig genügt
schliesslich eine zweimalige oder auch einmalige Infusion in der Woche. Bei
bettlägerigen Patienten kann man ffie Oeleingiessung Morgens vomebmen , bei
ambulanten empfiehlt es sich, dieselbe Abends zu maefaen, da es nothwendig ist,
dasB die Patienten nach der Infusion mindestens 1 Stunde in Rückenlage oder
Va Stunde mit erhöhtem Becken ruhig liegen bleiben. Um die Wäsche vor
Besehmntzong dureb mit den Flatus abgehende kleine Oelportionen zu sehtttaen,
befestige man durch eine T-Binde einen Wattebausch zwischen n Nates.
Wir .sind schon jetzt in der Lage, die von Flei.vkk gerühmten, gflnstigeu
Wirkungen in ireeigneten t'iUlen vollinhaltlich bestätigen zu können.
Die sehmorzstilleude Wirkuug heisser Eingiessungen bei Affectionen
der Cnterldbsorgane rühmt Fobbst. *) Er empfiehlt bei rechter Seitenlage Wasser-
infuKionen von 41 — 4.'><*C. zu machen, welche, wenn sie gleich aufgestossen werden,
zu wiederholen sind, bis sie längere Zeit zurückgehalten werden. Sie haben sich
ihm bewährt bei ><ierenkolikon, Ovarialueuralgien, Entzündungen im Liyamentutn
latum, bei Metritis, Dysmenorrhoe ete.
Eine andere wichtige Bedeutung gewinnen die Darminfusionen insofern,
als die resorptive l'ähi^'kcit des Mastdarmes in Betracht kommt einmal als Hilfs-
mittel für die Ernährung, zum anderen al.<i rationelle Art medicamentöser Appli-
cation. Beztlglich der Nibrklystiere fand Hdbeb äxn der Diekdarm twu äimr
einfachen Gioremulsion nur wenig resorbirt, dass die Resorption aber weeentlieb
gcstciircrt werden kann durch Kochsalzzusatz, so dass sie dann der peptonisirtcr
Lier nahezu ^'Iciehkonimt. l ni jeden Reiz zu vermeiden, darf mau nicht mehr
als 1 Grm. pro Ei zusetzen.
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DABMINFUSION. — DARMSTENOSE.
189
Auch verwendet man zweck mfisRipr nicht mehr als 2 — 3 Eier zum Klystier.
Der Darm ist selbstversUlDdiioh 1 Stunde vorher durch ein Waaserklystier
XU reinigen.
IMe ReflorptioosfUiif^keit der Teotolen SeUeimhavt fitr Ssbe hat Oiaoha-
NETZKT") geprüft, indem er dazu die leicht nachweisliaren Salze, Jodkaliuni,
Hiomkalinra , I^itbium carbonicuui, benutzte uud ibr erstes Erscheinen im Speichel,
ibr letztes im Urin teststuilte. Er fand , dass die Kesorptiunsfähigkeit tiir jene
Salle in venoliiedener LOsnng und Temperatur mindeitens so groes ist, wie die
der Magenschleimhaut. Die Jodkali amklystlere worden um so sehneUer ausge-
sohieden (Endreaclion im Ham\ je wärmer sie applieirt wurden.
Im AnschluüS hieran sei noch der rectalen Application von Abführmitteln
gedaeht. Kohlstock^') prüfte In dieser Beziehung einem Vorsoblage Hillbb's
fül^rend Aloin , Acidum cothartinicum p. Senna, Colocynthinum purum and
Citrullin, die subcutan zu injicircn sich durch starke Scbmerzhaftig:keit verbot.
Der V^orzug der rectalen Anwenduogsweise liegt im Fortfall scb.ldlicher Neben-
ersebeinungen und der Gewöhnung. Die Wirkung iät ausgiebiger als die der
Olyemkiystiere f die ausserdem noeh btufig listigen Tenesmns madlien. Fflr
leichtere Falle empfiehlt sich Aloin zu 0*4 — 0*5 f Aloin 1*0, Formamid 10-0)
und CathartiusJture zu ü (> lAcid. catharti'n. e S^rinn 3"0. jhj. desfi/f. 7'0.
Satr. hicarb. q. s. ad read, aical.j, die keinerlei >ieiguüg zu Verstopfung biuter-
iSsst. Far schwerere Fftlle eignet sieh Colocynthin an 0*4 (Coloeynthini 1*0,
Alkohol, Olyeerini ana 12 0), femer Citrnllin an 0 02 (Citrallini 2*0, Alkohol,
(i/i/cen'ni ana 49 '0). Die Mittel worden aus Kade's Oraoien- Apotheke in
Berlin bezogeu.
Sehtiesslieh sei es noch gestattet, die der Infbdon yerwandte LafteiB->
treibong in den Darm zu erwähnen.
DasK sie für diiigriosfi^Jche Zwecke vor der Was-ifrciiiiricssimg unleugbare
Vorzüge hat, ist im 1. Bande der Kncyclop. Jahrbücher bereits auseinandergesetzt.
Ein sehr bemerkungwcrthei diagnostisches Ergebnisa von auafschlaggebeuder lie-
deutang hatte sie in einem Falle Goodbidob's. i>) Bei dem 47jibrigen Patienten
halte pich durch Perforation eines Carcinoras der hinteren Magenwand eine Magen-
col< ntistcl {gebildet. Wurde nun der Darm durch Luft aufgetrieben, so bl.ihte sich
zuerst das iS Hunianum, dann sogleich der Magen, erst viel später und in geringem
Mafse das Ctteom. Ucbrigens wurde die Disgnose dadurch uotersttttxt , dass ein
Theil der Mageospalflaseigkeit durch das Rectum abfloas.
Literatur: ') Cantani. üpber Darnuultisepsis. Verhnndl. des Congr. f. innere
Med. I61K). — Cantani, Berliner klin. WocheuBchr. 1892, Nr. ;}7. — ») Rovijchi,
Die .■Vethorschwefelsaure itii Uarn und die Darmdesinfettiun. Zeitschr. f. phy.siol. Chemie. XVJ,
Ueft 1 uudii. — *> Backhaus, Dentache med. Wocheaachr. 1889, Mr. 29. — ^) Caotaai,
Wilnneentstehan? mittelst reichlichen Trinkens und mittelst kalter Bnterodjse. Berliner ktin.
Woehenschr. isfld, Xr 'ü - ") Bachmiinn, Now-Vork med. Kerurd 1H>0, Nr. 13.
') Larrat, Uu tnnttnunt de 1'ucclu.sion intottinali' par l'^hctficite. liuUet. de l'Acad. 1889,
XXI'. — > ") Fl ein er, Ueber die Behandlung der Constipatiou und einiger Dickdarmaffectionen
mit jjros.«en Oelklystieren. Berliner klin Woehenschr. 1893, Nr. 3 4. — '•') Fore.st, The reliej
o/ pelcic aiid ii/xlnoiiiKif pnin hij hot Colon iliichrs. New- York med. Uec. 1891, Mai. —
*•) Hober. llpher Nahrkl.vstierc. Corrcsp.-Bl. f. Schweizer Aerzte. 1S9Ü, Nr. — "i n| s( ha-
netsky, Ueber die Hesorptionafäbigkeit des Mastdarmes. Deutsch. Arcb. f. klin. Med. XLVUl,
Heft 5. — ") Kohlstock, Ueber sabcataoe nnd rectale AavnduDg von AbfBhraittdIn.
f'hariti- Ai.nalon. XVH. — Qoodridge, Case of ffostnheolie ßatula trith rtmark». Mi,
med. Journ. l>9ü, Mai. Ti, Rosen he im.
D3rniSt6n086. iJezü^rlicli der mehr chronisch \ erlaufenden F'ormen der
Darmverengeruug lua^r zunächst eini;.'er in fttiolojfischer Hcziclmng bemerken.^
wertber neuerer Mittheilungen Erwähnung gethan werden. Komg ^) leukt auf die
stricturirende Tuberkulose des Darmes die Aufmerksamkeit. Die Striotur
war in den Füllen KiWig'.s sehr eng, ihre Ausdehnung in die Liinge zwischen
0*5 und ti'O Cm. Ot.crhalb der Verengerung fand sich der Darm erweitert und
hypertrophisch, unterhalb derselben eng und atrophisch. Die Patienten standen
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DARMSTBNOSB.
in dem Alter voo 24 — 33 Jahren, nur eine war schon über 50 Jahre alt, alle
blass und mager. Abgesehen von den ständigen Störungen der Stuhlentleeruug
leiden die Knuiken aa meirt aofalltweiBe «uftreteaden SchmenfttbuineD, wUtrend
deren sich der Leib auftreibt und darch die Bauebdecken wurmartige Bewegungen
de3 gefüllten Darmes erkennen Iflsst. Gleichzeitig hört man plätschernde und eigen-
thUmlicb musikalisch klimpernde Geräusche , welche schliesslich aufhören , indem
der Darm eindokt mit einem Tone, ^e er entotebt, wenn FIttssigkeit mu einer
Spritze entleert wird : die Fäcalflüssigkeit ist durch die kramp&rtigen Contraetionen
des Darmes diiroli die enge Stelle hindurchgedrilckt. Auch ausserhalb der Anfülle
war der Bauch meist aufgetrieben, bald tympanitisch , bald an einzelnen Stellen
•tirker ▼orgetrieben nnd beim Bddopfen an dieien Stellen eigentbltmlioh plAtaebemde
Oertusche bietend. König glaubt« dass sich danaob mit grorner Wahrscheinlichkeit
eine stricturirende Darmtuberkulnse wird annehmen I:is>cn . wiMin sich die Darm-
beschwerden langsam entwickelt haben, oder auch nach iaii^rcrcn Pausen in ver-
stärktem ftiasHb wieder auftreten, wenn im V'urdergrunüe der Erscheinungen
Kolikanftlle mit dem geseUlderten Bilde sieben, sumal bei Personen in den
Zwansiger- und Dreiasiger-Jahren. Die Diagnose wird um so sicherer, wenn die
Kranken allmUlig blass und mager geworden sind und winn hI«' anderwfitige
Zeichen von Tuberkulose bieten. Indens scheint uns doch da-^ von Kumg gezeichnete
Bild sieb so sebarf von dem der ebronisohen Verengerung aus anderen Ursaoben
nicht zu unterscheiden , dass die Diagnose dort , wo sonst fDr Tuberkulose kein
Anhalt ist, mit Sicherheit 7.n stellen wHre. Die Resectioa der verragten Darmpartie
hat in 3 von 5 KäUeu zur Heilung geführt.
Einen eigenartigen Fall von narbiger Darmstenose theilt Garbä*) mit.
Diesdbe batte sieb nnmittetlmr im Anschlüsse an eine dnreb die Heroiotomie
gelöste Inrarceration einer Ileumschlinge gebildet, mi 1 ihre Beseitigung erforderte
9 Wophcn imch der lleruiotomie die lleseetion einer -11 Vm. langen Darmschlinge.
Suichü ^^trictu^cn künuuu nach vorubürgelicndeu Kiuklemmungun iu doppelter Weise
eotsteben: 1. Cirenläre, sebarf abgegrenzte Sebnflrfnreben mit klappeoartig vor-
springender Schicimbaat, entstanden ans Deenbitalgesebwflren der Sebnürrinne des
eingeklemmten Dannes: .lusserc oder peritoneale Darrast rieturen.
2, Canalförmige >iarben8trictureu ohne .Schleimhautau^klcidung als Folge einer aas-
gedebnten Sebleimbantneerose: innere Narbenstenosen.
Auf die ausserordentliehe Bedeutung ehroniseber, |)artiell -peritonitischer
Processe für di«- Behinderting der Defilcation hat VlKCHOw bereits iSäS nachdrück-
lichst hingewiesen. In einem Falte Bioxnrs -J gelang es, bei einer 31jilhrigen Frau,
die bei lOjährigem Aufenthalte im Kloster eine vorwiegend sitzende Lebensweise
gefObrt batte, eine Obatipation, bei welebw selbst stärkste Drastiea Stnbl nicbt mebr
erzwingen konnten, o))erativ zu beseitigen. Es zeigte sieh bei der Laparotomie,
dass das stark dilatirte Cofint frnnsvfrititm durch ein geseliriimjittes Mesenterium
im Anyulus si/lenious fixirt war. An der untsprecheuden Stelle hatte man durch
die Baaebdeeken bindnreb einen kleinen, karten, scbmencbaften Tomor palpiren
können. Die Durehtrennung des Hindernisses hiüte einen glänzenden Heilerfolg.
Dass in hölitTeni Alter maligne Tumoren eine niolit zu seltene Trsache
für Darmverenguugun abgeben, ist bekannt. Dass aber das jUngere Lebensalter,
wie aneb bei Garoinomen anderer Organe, niebt absolut die Annahme eines Darm-
krebses verbietet, zeigt ein Fall Lbgrand's «), weleber einen 20jäbrigen Mensehen
betraf. Bei diesem ergab die Section als rrsarlie einer mit Peritonitis COmpUoirten
Darmocclnsion einen perforireiulen liingkrebs im .S lloinnnitm.
Hierbei mag gleich darauf hingewiesen sein . dass unter den malignen
GescbwQlsten nor die Oaroinome dureb ibre Neigung, Darmverengerungen berbei-
zufdhren, ausgezeiehnet sind. DifTerentialdlagnostiseh ist dies von Bedeutung gegen
über den Sareomen. Diese -tellHti ;:iit abirretizl»are Tumoren dar, ausgezeichnet
durch rasches \N aubsthum, uud bleiben verbültuissmftssig lauge beweglich. Sarcume
entstehen vorzugsweise im 3. und 4. Lebenojabrzebnt, meist bei mäoniteben Personen.
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DARMSTENOSE.
191
Charakteristisch für sie ist die ausserordentlich g^erinpre Intensitüt localer Be
scbwerden im Gegensatze zu dem rapiden Kräfteverfall und der sobnell eintretenden
Caehezie, besonderB aber du Fehlon von StenoMoersdieiniuigeii. Bd der frllhseltig
auftretenden MetaetasetibildaDg ist von eiaer Bz8tiri»ation der DarmgeadiwidBt
abnirathen (Madeldng
Dass auch eine Maffenerweiterung zu vollständi^^era Darmverschluss führen
kann, lehrt ein Fall von Mkykr in welchem die Ectasia ventriculi et duoäeni
80 enorm war, dau dadurch der Hbriga Darm oomprimirt und das Dnodennm im
letsten Drittel abgekniekt wurde, was Ileus rar Folge hatte.
Häiifio^er ist das umgekehrte Verhalten, dass die Magwerweiterung eine
Folge der Duodcnalstenose ist. Bei der Seltenheit der letzteren sei, sumal die
Diagnose immerhin einige Schwierigkeiten bietet, hier etwas näher auf dieselbe
eiDgegang«Q.
BOAS^) berichtet Uber drei hierher gehörige PlUe. Der erste betrifft
einen 28jShrigeu Mann, der froher eine Magenblutung gehabt hat und seit einem
halben Jahre alle 2 — ?> Tasre etwa einen halben Liter gelblicher, bitter und fade
schmeckender Flüssigkeit erbricht. Der Mageninhalt war nur schwach sauer,
gelegentlich nentral, enthielt keine SalzsftoTe, verdante aber ohne jeden Znsats
Eiweiss energisch. Der zweite }\itient, ein 30}ähriger Mann, hatte von Kindheit
auf an Diarrhoen und galligem Erbrccben trclittcn. Aus dem anj«eheinend nicht
vergrüsserten Magen wurde auch nüchtern galtiger Inhalt von neutraler, respective
alkalischer Reaction and vorzüglicher peptisoher Kraft entleert. Die SÜhle waren
von schmierig-lehmiger, fast thoaKhnlieher Beschaffenheit. Durch Magenausspttlung
trat Besserung ein, der Mafjeninhalt wurde pauer gefunden. Der dritte Fall betrifft
einen H2j:i}iriir<Mi Manti, bei dein die Sondeneinführung einen permanent galligen
Inhalt mit ullcu Eigeuschafteu des Duodenalchymus ergab, auch im nüchterneu
Zustande wurden 50 — 100 Oom. einer derartigen Flllssigkeit entleert. Auch hier
war der Roth lehmig. Die Ursade in den beiden letzten Fällen ist dunkel, jeden-
falls gutartiger Natur, im ersten ist sie wohl durch ein L'Iciig des absteigenden
Astes bedingt. Eine directe Lebensgefahr ist in dem Uücktlusse des Duodenal-
inhaltec in den Hagen nicht gegeben; bedenklich würde der Zustand nur dann,
wenn Abfloss oder Bildung des pancreatiscben Saftes in Folge einer Erkrankung
des Pancreas ixehinderf wilre. De-halb ist Werth darauf zu legen, drts? hei (iallen-
rückäuss in dun Magen aut die Gegenwart von Pancreassafc untersucht werde.
Therapeutisch werden MagenauaspUlungen , respective Entleerungen der galligen
Massen durch die Sonde am Platte sein. Fflr die Diagnose ist hervorsuheben,
das.s eonstantes Auftreten von Calle im Mageninhalte mit grösster Wahrscheinlich-
keit t'ilr eine Steno-ie im absteigenden Schenkel de.s Duodenum spricht. In dem
2sachweisQ des pancruatischen Fermentes siebt Boas ein Mittel, i'ancreaskrank-
heiten als stenosirende Ursache au diagnostidren.
HOCHBAQS^) hat sich in drei Fällen von Magenerweiterung nach
Duodenalstenose, die er beobachtet hat, über die Aetiologie durch die Section
Gewissheit verschafft. Im ersten Falle war im Magen weder rjalle noch Darniinhalt nach-
weisbar gewesen. Die Verengerung des Duudeuum geschah unmittelbar hinter dem
Pyloms durch eine fOr den kleinen Finger nicht durchgängige Strietur dureh binde»
gewebige Adhäsionen, die sieh nach der primär erkrankten GallenUase hinOberzogen.
Im zweiten Falle war im Mageninhalte (lalle reichlich, anfangs neben freier HCl
vorhanden. Die Passage wurde durch einen grossen Gallenstein im Anfaugstheile
des Jejunum verseblossen. Auch im dritten Falle machten Narbenstringe von der
Gallenblase her die Strietur im unteren Theile des F^uodenum. Das Erbrechen
war gallig, enthielt alier stets freie IH'l. Die diagnostisch wichtigsten Merkmale
für die tiefe Duodenalstenose sind reichlicher, galliger Mageninhalt,
auffallender Wechsel im Verhalten des HCI-Gehaltes und der
Verdanungstflehtigkeit des Magensecretes, reichliches Erbrechen,
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192
DABMSTENOSE.
trotz 8orgni(%er Map^enanf)^^p(llan^ , nod in AnftiaiieBtiseher Besiehnng £r-
kraukung der Gallenwege.
Das klioisehe Hauptinteresse nimmt unter den hierlier geborigen Oegen-
stilnden natofgemAss die Ileusfrage Dir sieli in Anspmehf deren Staod sich
zit'inüeli prSjrnant in den Verhandlungen des VIII. Conpresses für innere Medicin
kennzeicbüete. Lkichtkn'STErn ') unterscbeidtit einen mechan isciiea Ileus
(Unterbrechung des Kothlaufes durch ein mechanisches Hinderniss), einen dyn ami-
sehen, bedingt dnreh Hangel an Triebkraft, und einen medianiseli>dynamisehea.
Die Hauptursacbe des dynamischen (oder paralytischen) Ileus ist die acute oder
cbronis^chü Peritonitis, insbesondere die Perityphlitis: ferner kann der Heus durch
Kothobturatiun des Colon in Folge priintLrer Insutlicienz und Paralyse deasolheu
berbeigefOhrt werden. Eine wichtige Rolle spielt die Darmllhmnog bei Erteugung
der definitiven Kothstase olin lialb von Stenosen des Darnirohres, in einer Keihe
anscheinend acut auftretender Incarcerationen ist dieses Moment bedeutungsvoll,
indem einmal ein unvollständiger mechanischer Verschluss durch Paralyse
der eingeklemmten Schlinge bis zum Stillstände des Kothlanfes gesteigert wird,
dann die Darminsufiioiens als enten Yoi^r^ng der Strangulation nach sieh sieht
Pralctiscb wiehtip ist , dass eine Stenose l.'lnprere Zeit latent bestehen kann und
pKitzlich dureh eine mechanische Obturation oder dnreh Hinzutritt einer Aehsen-
drebung Ileus sieh einstellt; der acute lleuü beweist alt»o noch nicht, dasa ein
vnnig normaler Darm eingeklemmt wurde. I^e aente Ineareeration einer Darm-
sebiinge geht in Fol-jo der Circulationsstörun-ren mit Paralyse einher, wodurch
totale StnuuniL'- dos Rothes Stets herbeigeführt ist, auch liei nicht compietem
mechauischcn Verschluss.
Die Diagnose hat die Aufgabe, neben der Feststellung des llena als
solchen, den Sit/, des Verschlusses zu specialisiren ; beim Oiekdarmverscbluss sind
Beilinn uiul Verlauf weniger aeut. Erbrechen erfolgt spfiter und wenig» r hilutig,
Kotherbreeheu ist seltener als beim Dünndarmverschluss. Der Meteorismus ist
zunächst auf den Colonrahmen beischrankt, während beim DUnudarmversebluss
besonders dentliebes Siebt- und Foblbarwwden sahlreieher sich steifender und
lebhaft bewegender Damisehlingen lieaehtenswcrth ist. Die anatomische Ursache
des Verschlusses bleibt am Krankenbette meist undurchsichtig, am exaete^teu
können noch liernien, Verschliessungeu des liectum uud luvagiuatioiien diaguosticirt
werden. Das Zustsndekommen des Kotberbreebens hält LBiCBTKNSTfiitN fttr
g( ntlgend erklärt ilnrch Rtgurgitation stagnirender und in Fftulniss uIh ru-cgangener
inlialtsniassen der oIktcu Darmabschnitfe. Der Transport aus tiefeicn iJarmpartien
ist .seltener uud vollzieht sieh nach einfachen mechanischen Gesetzen bei lebhafter
Darmperistaltik und Unterstützung der Bauchpresse. Indieanurie (s. Bd. V,
pag. 110) findet sieh regelmSssig bei Verseblnss des Ileums, fehlt bei einfachem
\'crs('liluss des Oidims. kann dagegen bei sc h w e r e n Ineareeratinrisersclicinungen
auch des I lickdaruics auftreten; sie fehlt bei sehr liochlieuendeni Verschluss im
Düuudaruje. Kiu.-^tlin '"j suciitc der Losung der Frage, wie das Kolherbrechen
zu erklaren sei. auf experimentellem Wege näher zu kommeo. Er fand, dass der
Hund Ileus nach Darmcinklemmung bekommt, wfthrend er der einfachen glatten
Darniftcclusion gegi-nillfer eine erstaunliche Toleranz zeigt. Ks ergiebt sieh, dass
läculeutes Erbrechen zwar als blosse mechanische l olge Her unterbrochenen Durch-
gflngigkeit des Darme;« durch üeberlsufen zu Stande kommen kann, uamentlieh
bei hrdierem Sitze des Verselilus^cs. I)er eigentliche acute licusanfall mit seinem
stürmischen \'erlaufe. seinen charaktcristischeu I »cpressionser.^i lRMuungcn ist aber
weit weniger abh.*lngig von der Verlegung der Passage, als von der Misshandlung
des Darmes durch den Brucbreiz, die auf dem Wege des Ketlexes mindestens
dessen oberen Abschnitt in seineu zweckmässigen katastaltischen Bewegungen
atdrt. Die Frage der AntI Peristaltik hat KinsTKix so gi jtrUft, dass er Hunden
grössere Stücke des Darmes reseoirte und in umgekehrter Lage wieder einn.lhte.
Die Thiere haben nie erbrochen und ihre normalen Filces entleert. Die einige
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DARMSTENOSE.
193
Moimte spiter bei der Seetioo oonstutirte IMbitetion oberhalb der eing^nlbten Partien
.spricht vicllt ieht dufOr, dasH die umgekehrten Darmstücke unter dem physio-
loiri^iclitn llt'iz der Ing-esta, weni;?stfns zeitweise, antiperi8taIti^i<•l! frearlicitft haben,
daher oberhalb der Nahtstelle Stockung des Transportes und Diiatattoa. In einem
Falle Rosbnstbin's X), in dem frmlieh Ilens nieht vorlaK, i»t das RethArbreehen
oiebt gut anders ah durch einen Jfotun antipertslalticus za erklirea. Ein sonst
}r<'siindtT, 9jahri^er Kun^e . i]f-^seii Drfiloatioii eine durchaus rf^o^elmässige war,
bclvam wiederhidt Anfillio tetanischrr Natur mit 'l'rissiiius , Opisthotonus, in denen
er geformte Kothbulleu durch den Mund entleerte, während häufig gleichzeitig
per annm Stahl entleert wurde. Es mass also von irgend einem Punkte des
Darmes ans nach abwArts eine peristaltisehe, naeh oben eine aotiperistaltisehe Be-
wegong statt^i'fnnden haben.
UebrigeuH kaou gelegeotlich bei bestehendem Heus t'äculeutes l^rbrecheu
sammt den llbrigen Einklemmnngserscheinnngen ginslieh fohlen, wie in ebem
Falle Tocchabd's '-), w<» die Diagnose intra vitani unmö-jlich liatte gestellt
werden künnpn , da der Leil) stets wcicli . sclinierzl"^ . nicht auffretriebcn war,
nur nach dem Essen und nie fiiculente Massen erbrochen wurden , und während
der ganzen Beobachtungszeit Diarrhoen bestanden. Die Seetion wies tan» Ein-
klemmung im untersten Thmte des Henm mit Gaogrin eines grosseren Darm-
stfli&es nach.
Eine andere für das Verstündniss der Erscheinunfren des Ileus und
besonders auch für die Diagnose nicht unwichtige Frage ist die des Meteorismus
und der peristsltisehea ünrahe oder der Bewegliehkeit der Dirme. Bekanntlieb zieht
sieh der unterhalb der Einschnürunii^-fstelle gelegene Darmtheil schnell zusammen
nnd entleert seinen Inhalt, der oberhalb gele^'ene dafregen dehnt sieh durch
Ansammlung von Kothbcstaudtheilen und liasen schnell aus, es kommt so zuui
aligmneinen Heteorismns. Der Darm zeigt dabei in mehr oder minder langen
Panseo peristaltiscbe Bewegungen von geringerer oder grosserer Intensität , um
schliesslieh bei vftlligem Erli'>schen der Beweglichkeit in einen L'-elnhmten Zustand
zu verfallen s.u. A. S<'ni>AX«K In frischen Fällen von 8tranguIation,sileus wird
man hei .sorgsamer Untersuchung noch vor Ausbildung de« allgemeinen Meteorismus
auf ein anderes diagnostiseh wichtiges Symptom stossen, auf das v. Wahl >*) und
seine Schüler ein besonderes Oewieht legen. Nach ihrer Lehre kommt e.s in der
a^iiresehnfirten Sehlin^re selbst diin-li Iichindenin^ nnd rasche Zersetzung des
Inhaltes zu rapider Auftreibung, Spannung und Lähmung der Durmaiusculatur,
es entsteht also ein ioealer Heteorismns in der eingeklemmten Sehlinge,
welche dadurch sowohl der Inspeetion wie der Palpation zugiinglich wird.
V. ZoPXJE M&NTBDPFBi. hat ein der v. WAHL'schen Lelire entsprechendes Schema
aufgestiillt :
I. Strangnlationsiletts.
Pathologisehe Veränderung: Klinisehes Symptom:
1. Localiflirter Meteurismus , Blähung 1. aj Asymmetrien am Abdomen.
der strangnlirten Sehlinge. b) Localisirte Resistenz.
2. Ischämische Darmlähmnng der stran- 2. Vollkommene Ruhe der der Hauch
gulirten Schlinge. wand anliegenden Schlinge, keine
Peristaltik.
In diese Kategorie zählen :
1. Volvulus, Knotenbildung. Dreliuntr um die Meseuterialachse.
2. Abschnllrung durch Bänder und Divertikel.
3. Incarceratioa in präformirte Oeffaungen.
4. Inragination.
Ba^lop. JahiMeber. in. 13
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194
DARMSTENOSB.
II. Obtarationsileua.
Patholo^i!5rhcr Ik-fund: Klinisches Symptom:
1. Mettorisnnis, Ijedingt durch StauaDg 1, Nachweisbare Asymmetrie, palpable
oberhalb de» Hindernisses. Resistenz bei O. des Dickdarmes.
B« 0. des Dflnndarinefl diffuse Aaf>
treibung.
2. aj Keine erhebliche CirouUttona» 2. a) Perotalük siebt- oder fühlbar.
sti'.run;;.
b) Hypertrophie der Darmmuscnlatur b) Peristaltik sehr lebhaft,
oberhalb des Hinderoisses bei
ehroniBchen Formeo des Diek-
darmes.
Zu dieser Gruppe gehören:
1. Stricturen.
3. Drehaog um die Dannaelise.
.3. Obstructiou durch Neubildung und FremdkSrper.
\. Compression durch Tumoren etc.
1\ADER"^) hat die Richtigkeit der v. Wahl sclicn Anschauung durch das
Thierexperiment geprüft und bestätigt gefunden: allerdings entsteht aiieh ober-
halb der BiluehDflning eine meteorlstisehe Anftreibung, aber wst viel spftter und
nie in der Intensität wie in der einf^cschndrlen Schlinfre selbst. Auch von anderer
Seite haben «ich Hesf jlti?un;reu dieser Lehre kuiuL'-c^'cheu. 8o {rclaiiü-' es unter
Anderen Iürael in einem Falle bei leisem lierubertahren Uber die liauchwand,
die gebiahte Schlinge sn fühlen. Die Operation bestätigte die Richtigkeit der Diagnose.
RosKNBACH macht auf eine mehr in prognostischer, als in diagno-
stischer Beziehung wichtifre FarltstoffrcictiHn des ILirne-i aufnierk-!aui. Kocht man
den Urin mehrere Minuten unter beständigem Zusatz vuu i>alpeter;»aure, so eotstebt
*eine bnrgundwrothe Färbung, die im durchfallenden Lichte manchmal blauroth
erseheint und rothvioletten Sebaum giebt: dabei trflbt sich die Flüssigkeit durch
ausfallenden bmunrotheu Farbstofl". der iu AcIIkt ir..slich ist. Zu rei< hliehcr Zusatz
der S.lure verwaudelt d;is Roth uuter Aufbrau-;cn iu llMtli^ell» uud Cielli. Durch
Neutralisation mit Ammuniak oder 2sulr. carbun. treten biaurutiie, sicli bufurt
lösende KiederschUge auf und die FIflssigkeit wird rothbrauo. Der Farbstoff
bildet sioli also nur in siedender Salpeteri^äure. er i>t der resistenteste unter den
Urincbromogeneii. In alliMi F.lllcn war neben diesem Färbst«"^' reichlich ludican,
häufig acetonlildeude Substanz anwenend. iiosix gelang us, den rotheu Farb-
stoff als Indigrotb zw erkennen und rein darzustellen; neben diesem kommt daun
noch eine braune, in Alkalien Ißsliche und dann nicht in Aether übergebende
Tcmponente in Hetradit. Diese letztere ist eine Mischung von Indigobraun, Uro-
biliu uud Mtroproduetcn des rhenuLs.
RosEXBACH betont gegeuQber Ewald ^o}, Abkaham-') u.a., daas die
Entstehung jener Reaction nidbt auf Zersetzungsvorgänge im Dann cnrflekinf&hren
ist, sieht sie vielmehr au als Zeichen des Zerfalles von Organeiweiss. als Zeichen
erschwerter Kiweisaunisetzuntr. Nicht der Darm an sich, sondern alle (Jowebe,
die Eiweiss spulten, besonders wohl Pancreas und Dariudruseu, sind unter diesen
Umständen Bildner des Indigo uud der Muttersnbstans des rothen Farbstoffes.
Die besprochene Reaction ist deshalb erst in zweiter Keihe Symptom einer be-
stimmten < Jriranerkrankuti^r : in erster Linie ist sie ein Zeichen des allfremein ge-
st<irten Stoiiwechseis , erlaubt deshalb auch mit grosserer Sicherheit einen
prognostischen als änen diagnostisehen Sehluss.
Hei Vorbandensein einer Stenose des Darmes ist die Ocolusion nicht
vermindert, so lange die Keaction angetroHen wird. Nach Operationen zur Hebung
eiuer F.ntero>teiM'se zeigt das anhaltende Vorkommen der Keaction das Misslingen
der Operation, d. h. das Fortbestehen der Darminsutlicieuz au . da beim Eintritt
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DARMSTENOSB.
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noraaler N'erbältnisse 8chon nach 24 Standen eine Abnahme oder ein Venchwinden
der Färbung constatirt werden muas.
Bezüglich der Therapie betont BoaBtUACB, daas man in prophylaetisehem
InteresM den Prodromalerscheinungun mehr Beachtung schenken mass. Naeh
seiner Auffas'^nnjr kommen die EinklemruungRerscheiuun?:eu Itberhanpl erst dann
zur Beobacluun;;, wenn die Compensationsapparate insuffieient werden. Abgetjehen
von Embolie der Arterien, Brucheinklemmungen, haben sich die Zust&nde, die
zur Bntwieklong des Bildes des üens führen , sehon lange im Verborgenen vor-
bereitet und haben zu einer Ausbilduüg der Compensation8einrichtung:en geführt.
Das Bestehen einer Darmverengerung wird schon lan-re vorher durch Prodrome
angezeigt : Häutige meteoristische Auftreibungen, schmerzliafte Koliken mit Brech-
neigung, die nur geringe Besserung selbst naeh erfolgtem Stuhlgänge erftbrt,
\N't>ehsel in der Consistenz des Stuhlganges und Anftreten von Diarrhoen naoh
den Anfällen. Diese Atta(}uen sind nur vorübergehende Compensationsatörungen.
Tritt nun eine Darmstenose ein, so kann die Ck)mpen8ation8eiarichtuDg normal
ansreiehend sein oder sie ist insuffieient; in letzterem Falle kann man relative
und absolute Insufficienz unterseheiden. Bei jeder dieser Möglichkeiten sind die
Folgen des Darmverschliis.ses verschieden. Bei der absoluten Darminsufticienz
fehlen paroxysmale Sehinerzanftille , die durch energische Contractionen hervor-
gerufen werden, vollständig; es bleibt nur eine dumpfe ScbmerzhafUgeit an der
erkrankten Darmstelte flbrig. Die weiteren Folgen der Darminsnffieiena sind Er*
brechen, Meteorismus, Anomalien der secretorischen und resorptiven Function der
Dartiiselileimhaiit. Schlies-ilich kommt e«, indem die Bakterien die gelähmte Darm-
wand durchdringen, zu l'eritonitis. Die wichtigste Indication bleibt daher immer,
der Darmlihmnng vorsubengen und sorgfitltig die Prodromaleneheinnngen au
beaebten. Die schwereren Anfülle sind ohne Abführmittel mit Wfirme und Mor-
phium oder Opium zu behandeln. Gegen das Erbrechen einptlehlt sich Cocain
in Dosen von 0 03 — 0'04 Grm. Den Durst bekämpft man durch lojectionen von
Wasser per rectum.
CDit.«iCBHAXx geht von der Beobaebtnng aus, dass alle Formen des
Heu« einer .*>pontanheilung ohne ehinirgischen Eingriff filhig sind. Tiiter 105 F.lllen
hatte er .'»ö* Heiinngen. Kr verwirft die FrUhlaparatomie aus diesem Grunde,
und um so berechtigter, als diagnostisch dunkle Fülle vom Operateur nicht ge-
nttgend beherrscht werden. Andererseits, ist die Diagnose piteise und klar au
stellen, su soll sofort operirt werden. Die eigentlich interne Therapie tritt im
ersten Stadium des Heus in ihre Rechte : Aufhebung der Nahrnngszufuhr ; gegen
den Durst Eispilleu mit ('ognac , eventuell subcutane Ivochsalzinjectiooeu , vor
Allem Opium. Die MagenausspUlung wird als Heilung befttrdemde Methode er»
wähnt, sie wirkt durch Spannungs Verminderung im Hagen, besoudors bei htfher
oben im Dünndarm gelegenen Hindernissen, oft Oberraschend. Dann ist von
Werth die directe Function des Darmes , doch darf dieselbe nicht im Stadium der
Darmlähmung oder bei schon bestehender peritooitischer Reizung angewandt
werdoi. Statt der Eingiessungen in den Darm sind Lufteinblasungen, besonders
wo der Sitz der ( iccliisioii im Dickdarm ist, empfehlenswerth.
Für die .\nwendung der Matrenaus-jpdluniren bei der Behandlung des
Heus giebt Aufrecht zwei specielle Indicatioaeu au: einmal sind sie in etwa
ehi Pflnftel der Fälle vorzunehmen bei Auftreibuog des Magens, fiüls Brbreeben
nicht vorhanden Ut oder plötzlich sintirt, wag durch geringe Veradiiebung des
Magens, durch die der O sophafriis das Lumen des Fornmni ofnnphafft>nm ver-
legt, erklärt werden kanu. Die zweite Indication ist das Auftreten fäculenten
Erbreehens.
In vereinzelten Fällen wird es aueh gelingen, durch physikalisebe Mass-
nahmen eint n ncilerfolg zu erzielen.
So emi)tiehlt Kukx - j für die Behandlung der Darminvagination die
Massage, die ihm in einem Falle gute Dienste geleistet bat. Doch sei gleich
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BARXSTBNOSB. — DEMENTIA PABALYTICA.
hinzii^efflgrt , dass Warmaxk . (Ut aul' (liest; Eniptt^hlunL;- hin die Mas«;a^e in
einem Falle von ÜHrmuculusion io Auwendung zog, den lud danacli eintreten
•ah, frdilioli b«i ein«r Pnerpera vom dritten Tage!
Mobuhbe*^), wdttlier anritth, bei IntuRäUBceptionea nrant Waaser* oder
Luftinjectionen zn versuchen, warnt, auf Grund von J.eichenversuoben und einer
klinischen Beobachtung, davor, dieselben zu foroiren oder zu grusseui Druck an-
sttvendeo, da eine Zorreiesnng des peritonealen Ueberznges des Darmes zn be-
fttrehten ist. Dagegen bat Hogrrn ^o) mit Erfolg Wasserklystiere ans 3 Meter Höhe
angewandt. Diesen Hess er Kohlensäureklystiere und 15 iiichiiiassage folgen oder blos
aUe 2— 3 Stunden wiederholte COj - Klystiere (Natr. bicarb. 50, Acid. tartar. 60 .
Auch durch Anwendung der Elektricität will man Heilung erzielt haben
(Cbispo*'), SsniOLA lieber das „galvanische Clysma" siehe unter „Darm-
in fusion''. Sehliesslicb bat auch die Verwendung des metallisohen Quecksilbers
in der Ileustherapie wiederum einen Vertheidiper gefunden (Get.ikk i.
Dass durch derartige tberapeutiacbe Experimente ohne Jede Indications-
stelluug leieht gesehadet werden kann, beweist der Fall Wabhann's. Unseres
P>nebtcn8 kommt da» Quecksilber, wie die Massage und die SlektricitAt nur
für diejeniffon F.'llle in Hetracht, wo eine Aureprung der Peristaltik erwiinseht ist.
also bei Ileus durch Darmläbmung am normal weiten oder verengten Organ.
Bei ooropletem Darmversehlnss durch locarceration aber werden diese HiUkmittel
hOebst geAhrlieh werden können, und auch bei Obturationen durch Fremdkörper
oder Gallensteine, wo Massa'::e nnd Elektrieität fjelegentlieh mit Erfolg angewandt
sind, werden sie nur dann versueht werden dürfen, wenn die Diagnose g'anz sicher ist.
Literatur: 'J König, strictDrirende Tuberkulose des Darmes uml .leren Be-
handlung; Deutsche Zeitachr. för CLir. XXXIT. — *) Garre, Uebcr eine eigenartige
Form von narbiger DamstenoM nach fimcbeinklemBimg. Beitr. sur Uin. CJür. 180^4, IX, 1. —
Biondi, Un ca.w di enterostenoat da mesmttrite eirrotiea. Htm 1892, R —
'} Legrand. (kdusinn intestinale ehr: t//j /i'unixe ile 'JO m,-. de la soe. anal, de
Paris. 1889. LXIV. — *J Madelung, lieber primäre DÜnndarmsar. om^. Centralbl. f. Cüir,
1892, ZnL, 30. — *) Heyer. DaBBiarmverschlnas dnroh ICagaaerweitening. Virchow's Archiv.
CXV. — ^) Boas, üeber die Stenose de-; Duodenum. Deutsche med. Wochenschr. J891.
Nr. 28. — *J Hochhaus, I'ebcr ;\lagt'ii.rueiteruii>r nach Imodenalsteno.se. Berliner klin.
Wochenschr. 1891, Nr. 17. — Verhaudl. des VIII. Congre.s.ses für innere Med. '") Kirs-
atetn, EspeiimenteUea aar Fathologi« des lleaa. Deutsche med. Wochenschr. 1889, Nr. 49. —
") Roaenstein, Eine Beobachtung von anftUsweiaem Kotherbreeben. Berliner klin. Wochen-
sehrit'f. lS8,i, Nr. :!4. - Tuucliard. Xotc sur im c<i.i d'obslructioii iiitr.stiuafe avec
lUarrhie, absence de l omis^tmcnls fecaloiihs etr. Progr. med. 1892. Nr. 5. — '•*) S e h I a n g e.
Znrnensflwge. Archiv ftirklin. Chir. iss;», XXXIX. — ") v. Wahl, Laparatomie bei .\chsen.
drehnng des Dünndarmes. Centralbl. f. Chir. 18t>!», Ni. 9 und Archiv fttr Chir. XXXVUL —
» ) V. Zü e ge - M a n t e u f t e 1 , Zur Diagnose nnd Theraj.ie des Ileus. Archiv f. CMr. XXXVlIf. —
'*) Kader, Zur Frage des loealen Meteorismus bei innen r Durnim chisiun. Ebenda. 181*1, XLll. —
") J. Israel, Beobachtungen an Ileasfälleu. Berliner klia. Wochenschr. 1892, Nr. 1. — »
Roienbach, Ueber eine eigenthlfanHche FarbatolFbildung bei schweimn Darmleiden. Ber.
liner klin. Wocbensrhr. l-^P!». Nr 1; ferner ^Die pathngeneti.scha Bedeutung etc." Eb. nda
Nr. 22 23: „Noch einige Hemerkungcn etc." Ebenda. 18UU, Nr. 26. Derselbe. Zur iSvm-
ptomatologie und Therapie der Darminsutiieieui'.. Berliner klin. Wochenschr. 1^89, Nr. 13. —
") Kosin, Bildung nnd Darstellung von Indigroth ans dem Harn. Centralbl. f. klin. Med.
lSs9, Nr. ;>y und „Ueber das Indigroth flndimbln)*. Berliner klfn. Wochenschr. 1890, Nr. 53. —
-') Ewald, Die pathologische Bfd.til iiii^- d>r liiirginidern)then Urinfärbung. Ebenda. 188'J.
Nr. 44. — *') Abraham, Ueber die Rosenbaeh'sche Urintärbung. Ebenda. 1890. Nr. 17. —
**) AnfreehC, Zw Behandhu« des Ilens. Therapeut. Honatsh. 1891, Angnst. - Korn,
Zin- iielianitlung der Darminvagination. Ebenda. 1890, October. — ") Warmann, Ein Todes-
lall nai ii Massage bei einer Darmatonie. p:i)enda. 18'Jl . Miira. — Mortimer, On the
treatmeitt of intu»8UMception htj iuj>ctn,ii m- injitition. 'iti-/ if.-- dunger». Lancet. \^\\{. May. —
Hogreu. Darmocdnsionen, behandelt in der Krankenstube in Niahen-Kalix im Jalire 1889.
Ref. in Hirsch^Tirehow's Jabreaber. 1890 — »^Crispo, Trs etui di oedmiont inteHinale
j.rr I iimurt feeale guarite coW <h'tiririt-i. Riv. Clin e rerap. 18liO. Nr. »I. - -*) Semmola.
brit. med. Joom. 1892, 20. Febr. — ' Gelpke, Incarceratio interna, Laparatomie, i-egnli-
nischei Quecksilber. Coiraspondensbl. Ar Sehweiier Aarste. 1889, Mr. 2. .^^ K o s e n }i e i m
Dementia paralytica ver?!. Real - Kneyclopüdie , 2. AnHa^e, Bd. V,
pajj. l'Jlj. Die Unterscheidung bestimmter Stadien im allgemeinen Verlauf der
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DEMENTIA PABALYTIOA.
197
Dementui paralytira gia^ Arflber gemeinhin von dner sogenannten elassisehen
Form aus. lUe classische Form sollte in 4 Stadien ahlaiifen . einem Prodromal
Stadium, einem mclarK'holisch-iiypochondrischen, einem maniakniisclifii Stadium und
schlieäälicb einem iytadium dementiae. Dem gegenüber schlagt Iünswangkk vor,
ein Stadium prodrom<mtm, inüttUe, aenm und deeremmti tn nnterseh^den. Im
Sktdium prodromonim ist tlberhanpt eine sichere Unterscheidung von der Nenr*
astbenie nicht mög'Iiph. Im Starlinm uiitlnlp treten die ersten cliaraktLristi^f'lieu
Symptome ((Jbarakterveranderung, l rtbeilssubwäche, Gedächtuissacliwäche, l^abilitiit
der Stimuang, leiebt paralytisobe AnfiUle, leielite SpraebgtOrung , Hypalgesien,
rhenmntoide Sebmosen und Parästheden^ refleetorische Pnpillenstarre. Wbstpbal-
sches Zeichen. Auf,'enmuskpil?ihmungen etc.) deutlich hervor. D.is ^t<t(}inm armen
verläuft scheinbar bald unter dem Bild der .Manie . bald uuter dem der Melan-
cholie oder Hypochondrie, bald unter dem der baliuciuatorischen Paranoia, bald
zeigt es Bsaltations- , i>epre8don»> und hallneinfttwrisebe Err^nngaEnsOnde in
wechselnder Reibenfolge nnd Combinatiou. Im Sfadium decrementl (besser wobt
terminale) i«t der hoehjn'*dige geistifre nnd körperliche Verfall das dominirende
Symptom. Dabei existiren Jedoch unzweifelhaft Fülle, in welchen ein iStadium
aemes Überhaupt nieht snr Bntwielclang kommt , vielmehr dne fortaebreitende
Demens sieb ohne das Zwischentreten von hallucinatorischen Erregun^s/u.stflnden
oder melanebolisch - hypoehondrischen oder maniakalisehen Perioden entwickelt.
BI^'S\VA^G£R bezeichnet diese Fälle ab „einfach-demente Fornr\ Eine besondere
Varietit ist auch die von Rottbnbillbb, Gilles u. A. beschriebene circuUre Form«
bei welcher im Stadium aemes Deprasions- nnd Exnitationssastände abweebselo.
Kine besondere ErwJlbnuufr bedürfen auch diejenigen Fälle , in welelieii
im Prddronialstadiuin oder luitialstadiuni ein isolirtes Aiisfallssymptom auftritt.
{?u kauu z. B. eine isolirte Hemiauopsie oder eine isolirte aphasische Störung
jahreUuig den ausgesproehenen Allgemeinsymptomen voransgelien. Die Gefahr
einer Verweehslon« mit Herderkrankungen des Gehirns Hegt in solohon Fallen
ungemein nahe. Die Seetion liefert sp.lterhiQ für diesen ei«renarti{^en Be^rinn des
Leideuä oft keine Erklärung, und auch die mikroskopische Untersuchung der
Hirnrinde in der Gegend, in welcher auf Grand des vermeiutliehen Herdsymptoros
besonders schwere Veränderungen zu erwarten gewesen wären, ei^ab l)islang
meist keine sju'ciellen Befunde. Nur in seltenen Fällen findet man neben der
diffusen Kindenerkrankun^ eine circumscripte. besonders schwere Kindenerkrankung
an der erwarteten Stelle. 80 fand sich in einem Falle, dcitsen erstes hervorstechendstes
Symptom eine sensorisebe Aphasie war, bei der spXteren Seetion neben der all-
gemeinen Rindenerkrankung eine ausgeprägte Selcrosc der linksscitig;en Temporal-
windungen. Dieser Beginn der progressiven Paralyse mit scheinbaren Herdsym-
ptomen scheint ganz besonders häutig bei syphilitischer Aetiologie vorzukommen.
Specielle Symptomatologie. (Jeher die Papillenreaetion nnd den
ophthalmoskopischen Befund bei Ikmentia /»aral^ica haben Thomsen, Mobli,
SiEMKBLiNG, Sgros.^o u. A. eingcheude rutersuchungen angestellt. Ho fand TnoM.SEX
retiectttrische Pupillenstarre in 47'/o aller Fälle progressiver Paralyse. Unter 105
paralytischen Frauen fiind SiBMBRLnio 63mal, d. h. in eo^^/g refleetorisehe Pupillen-
starre. Derselbe hebt hervor, dass mitunter (in 8° 0) eine gans eharakteristische
Trübung der Sehnervenp.-ipille und der angrenzendt-n Netzhautpartien der Paralyse
zukomme. .Mukli fand, dass rellectorisehe l'upilUnstarre zuweilen jahrelang dem
Ausbruche der geistigen Störung vurausgiug. Wie weit die Beobachtung einiger
italieniseher Autoren (Hobsblli, Raooi) Aber Umkehr des Pupillarreflexes —
Erweiterung der Pupille bei Liehteinfall — zutreffend ist, muss noch dahingestellt
bleiben. S.vLCio legt ein Ix'sonderes (iewicht auf die u n r e g e I m ä s s i g e Verzerrung
der Pupille bei Lichteinfall. Leber einen iutere.saauteu Fall von Erythropsie bei
Dementin parahftiea hat L ADAME beriehtot. Die Thatsache, dass die sogenannte
Migmiiit' Ophthal iiii<jii> gelegentlieb als Initial- oder Prodromalsymptom der pro-
gressiven Paralyse auftreten kann, wurde zuerst von Charcot hervorgehoben uud
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198
DEMENTIA PAUALYTICA.
ist 8('i(dem manDigfach bcetiltigt worden. Pick nennt unter den Frülisvmptomen
auch die Hfminnojmin fnqax, sowie das ScofouDi .<icillitans. WKiLESWORTH heu}»-
acbtetu Fälle von Dementia j^taralylica, in welchen jahrelang Opticusatrophie den
psychiHchen Veiindeniii^ vo^ul^ing.
Sehr beni er keus Werth siod die neueren Untersuehunjreu Uber die Sen-
«ibilitätsstönmgen der Dementia paralyticn. Wahrend die Berührunfrseiuptind-
lichkeit lange Zeit völlig ungesebädigt bleibt, ist Herabsetzung der .Scbmerz-
empfindliebkelt ein ungemein biufiges Symptom, und swar findet sieh diese
allgemeine Hypalgesie zuweiten schon in den fHlhesten Stadien der Krankheit«
Auch ist der Localisarionsfrhier fflr Berühnin;.' und Stich nicht .selten abnorm
p:ros.s. Deniontspreehend siud auch die WEBER'schen Ta.stkreise vergrössert. Auch
die Gewichtsächätzung und der Kraftsinu sind oft deutlich geschädigt. Auf dem
Gebiete der höheren Sinnesorgane haben KOBNPtLD und Bikelbs die Hflnflgkeit
erbeblioher GeruchR- und (loschmacksstnrungen nachgewiesen.
Eine bedeutsame Holle spielen auch die ]jeser4tAriin<ren der Paralytiker
(Rabbas und Riegkr, K.ikn Abgesehen vou den auch dem Spuotausprechen zu-
kommenden ArtionlationsstAmngen wird das [jeeen dnreh Wortrersetzungen und
Wortauslassun^en entstellt. Ferner werdeu einzelne Worte in ir;inz sinnloser
\V*'is(» durch andere. iMitfernt .Ihnlioli - klingende ersetzt, ntmc ilas-j <it"r Kranke
dies Hiueinphaotasireu bemerkt. Dabei zeigt sich oft die weitere EigenthUmlieh-
keit^ dasB ein einmal gelesenes Wort im weiteren Verlauf des Satzes noeh After
dngeseboben wird, ohne dass es wirklieh nochmals vorkommt. Aehnliche Lese-
störungen finden sieh ausser bei Dementin paralyticn in dieser eharakteristischen
C'omb'nation fa.st ntir noi-h bei DinutUia senilis,
ICine wichtige, früher wenig beachtete Complication der progressiven
Paralyse stellen periphere Neuritiden dar. So beobaebtete Pick bei einem Para*
lytiker eine aus';eq»roehene periphere Peroneuslähmung^. Die patholo^i.sch-anato-
mischen rntersuchunfrcn von PrxTOK und Ooodall, Colella , FÜR.^tnkr u. A,
zeigen , dass solch« periphere ucuritische Proeesse relativ hiiuHg sind. Damit
stfht im Zusammenhang, dass nenerdings auoh Verlnderungen der elektriseben
Erregbarkeit öfter gefunden wurden (GXBLACH, Bocolari und ßORSABi o. A.).
Kinc diagnostische Schwierigkeit von ^rnsser Tragweite kann zuweilen
dadurch entstehen , dii>;s typisch hysterische Symptome sich dem Syroptumenbilde
der DemMtiaparaiyt. supraponiren (Meschrde, Smiot,Siuli). Die Complieation der
Dementia paralytica mit Epilepsie ist von sahlreiebea Autoren besehrieben worden.
Aus den eingehenden T'ntcr.snchnngen Tarnikr's gelit in BeHtütig^nni;-
f'rfilierer Anf;al>en hervor, das.s die Harnstotlmenpe d»s 1' r i n in der Hegel er-
heblich vermindert ist. lu der Anwesenheit von I'eptcm im Urin glaubte Marro
geradesn ein neues diagnostisdies Kriterium der Jhmmtta paralytica gefunden
zu haben. Der-^clbc vcrmisste Peptonnrie in keinem einzigen Falle. Aehnlich
-pricht «icli .-inch Fkon'da , sowie Meyrr und Wfkkr aus. Kditkn fand bei 5
unter 14 Paralytikern Propeptonurie und ist geneigt, das Auftreten der letzteren
von deliranten Zustünden abblogig au maehen. Bei Erregungszuständen fanden
Vassale nud Chiozzi in dor Mehrzahl der Fälle hyaline Qylinder. Dass Gly-
co<urie als Sym])tom der progTe.«.Hiven Paralyse auftreten kann , i<t schon länger
bekannt. Charpentif.k hat einen Fall iuteruiittirender (ilycosurie bei Dementia
jwralytica beschrieben.
Sorgfältige Biutuntersnehungen verdanken wir VassTBR. Dereslbe &nd
bei Dementia parahjtica das sprcilische Gewicht und den Hamoglobingehalt im
.MiKemeinen verniindert ; nach paralytischen Anfallen stiegen liei de Grössen etwas
an , um dann wieder zu den früheren niedrigeu Werthen zurückzukehren. Die
sphygniugraphiseben Cnrven der Paralytiker wechseln je naeh dem Zustand inner-
halb der weitesten Grenzen. In den Endstadieu überwiegen tarde Curven. Die
Puls(Mirve im paralytischen Anfalle ergiebt meist eine Steigerung der Dicrotie
(ZiKHKNj.
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DEMENTIA PAKALYTICA.
199
I>if j^Hlzs.tiiresecretioii der Ma^'-en-^ ■lileinihaut erftlhrt in vielen Fällen
eine prugre!<sive Virminderunji: (Lklblscher und Ziehen^.
Die pathologische Anatomie der Dementia pnralyttca ist dureh
zablreiebe Untennehungen wesentUeh gefordert worden. Aus denselben ergiebt rieh,
d.Ms.s der palbolo^iscli - aDatomische Process in der Hirnrinde keineswesf^ ein ein-
h(-itlic-}i(M- i-^r . soodern in vier verschiedenen Hauptformen auftritt. Man beob-
nehtot nämlich :
1. VerXndernngen der Ganglienzellen selbst (parenehymatOse Proeesse).
2. Untergang niarklialtifier Nervenfasern sowohl in der Marklei>te , wie
in der Kaiuizone. wie aiieh in den Netzen im Innern der Kinde (TUCZEK, FaiBD-
maaNX, Mkyek, Kekaval et I argüi la u. v. A.}.
3. Vermehrung der Gliasfllen (Wbigbst ü. A.).
4. Verftndernng der Qeftiswflnde und Auswanderung weiaser nnd rotber
BIutkörpercliiMi ci^kiff. DAnoNEx, Kronthai, u. A.\
Die Htzieliiui;: dieser versehiedeiieu i'rocesse zu eiuauder, sowie ihre
Digiiititt festzu8telleu i^tt noch nicht sieher gelungeo. Ks scheint, dass bald dieser,
bald jener Proeess die primftre und dominirende Rolle spielt.
Die pathologisch ■ anatomische Untersuchung der infracorticaleii CJehirn-
ahsehnittr ist nn den versehiedensten Stellen in Atifrriff ^«»nommen worden. So
bat mau iu vielen l'.'Uleu progressiver Paralyse pathologische Veränderungen in
den Hirnnervenkemen naehsuweisen vermoeht (Lauprnaübr, IVCBISCH, Siehrb-
Lix«, VoiMX. MoKniKKR. AwTowKBATOw). Eine grosse Bedeutung för die Er-
klfiruc^'' <lis klinischen S\ iii]tf "nuMieompIcxf's der P/'Diriififi pftrnf scheint
auch den \ er.lnderungeu iui SebhUgel xuxukommen, wie sie ueuerdings von Li^SAUEB,
Zaoabi, Bi'Tzelski nnd Arfiber schon von Hoffmarn beschrieben worden sind.
ScHiiTZ hat in den vorderen Vierbügelu und im centralen Höblengrau analoge
patholog'isehe Procos!-e. namentlich Faseraii^fall beobaehtet. Endlich sei nof]i der
iietunde \ iin Wici.k.xworth fredaeht , welelicr Muf der Ausseniläche der Dura
paralytischer (iehirue tibrinöse Membranen an^^alagert sah.
Die Aetiologie der Dementia paralyfica ist Gegenstand sehr Sahi-
re ieher Cntersnchunfren gewesen. Speciell ist eine enorme Anzahl von Arbeiten
erschienen zur Anfklflrung der fUiolotrisehen Rolle, welche Syphilis mul Alkoho-
lisDius bei der Dementia ^niraliftiva spielen. Die Kesultate dieser Arbeiteu sind
noeb ättüsemt wideraprecbend. Es erklärt sieh die^ daraus, dass einerseits der
Kachweis einer früher stattjrehabten syphilitischen Infection oft sehr sebwierit; und
unsicher ist und andererseits die klinische und auch die patlinlu- i<cl] aiiati^tiusi-hc
Abgrenzung der l>emeuhn paral yt i\n von der Hirnsyphilis in uiaueheu Fällen
kaum durchführbar ist. Im Allgemeinen haben sich die Stimmen erheblich ge-
roehrt, welche der Syphilis eine ganz dominirende Stetlimg unter den ätiologisohen
Faetoren der Dtwcntia parnJyfim zusprechen. S'> fanden in Skandinavien OEiLh
»U'8 — 7H' l, .iKSl'KRSKX 77-*J, RuHMKLL TtVS . .IaCOB.SOX 5'_> . LaHGE .') I . POX
TOPPIDAX .'»2" 0 Syphilitische uuter ihreu Paralytikern. In liei;;ieu sprach sieb
GuTLiTS entschieden ftlr einen Zusammenhang von Syphilis nnd i'aralyse aus; er
selbst fand einen Procentsatz vou 7')",,. Die Statistiken von Kürs.<^aK()\v , Ko-
sh kvvxikow ergaben für Kussland einen fast ebenso hohen l'roeentsatz. l)ie araeri-
kaniscbeu l'sychiater divergireu uoeh sehr; so fand z. B. Sa vage nur 20°/e,
Bankistbb 590/0. In Deutschland ist die ätiologische Bedeutung der S3rphilis
fast allgemein anerkannt. Wenn in einzelnen Berichten (so z. B. in demjenigen
von SlEMF.RLtXG . der unter deji paralytischen Frauen der Charite nur in 11*^,
Syphilis fsndi noch autHillig niedere Zahlen sieh finden, so liegt dies otfenliar
daran, dass an manchen Orten, so z. H. gerade in Berlin, genaue anauinestisehe
Naehforsehungen nndurchfllhrhar sind. Eine Znsammenstellung der dem Referenten
zugänglichen dentsehen Statistiken (uach den RiDiRu'schen Grundsätzen) er-
giebt einen Proeentsatz von fast «iU"/,,. Sehr skeptisch stehen die meisten fran-
zösischen l'sychiater der Lehre vou der äti(dogischcn Bedeutung der Syphilis für
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aoo
DEXENTIA PARALYnCA.
die Paralyse gegenüber. Ddbuisson, Kegnirr, Voisix, Roüjllabd, CuRiäTiAN u. A.
haben noch oenerdings jeden engeren Znuanmenbang beetritlen. Aehnlioh spricht
sich Rabow (Lausanne) aus. Doch scheint auch hier ein Umschwung sich vor-
zubereiten, seitdem exacteri' anamnestische Krhebuntrcn »erade in dieser Richtung
angestellt werden (Rkgis, Morel-Lavalle et Beigeres, Bouchaud u. A.j. In
Italien fand s. B. Robojoli fflr die Anstalt Nooerm nnr einen Prooentsats von
30% SyphlUs.
Der AlkohoUsmus scheint in manchen Lftudern eine der Syphilis fast
äquivalente ätiologisohe Bedeutung au besitzen. Speciell haben in Frankreich
ROTJSSBT, Gawosbt, Garnibk a. A. die Bedeutsamkeit ehronischer Alkoholezeesse
hervorgehoben und CoiiBEMALE bat durch Experimentalantersuchungen bei dem
Tlüer den Zusammenhang chroniselier Alkoholintoxication und F'aralysc :ihnliclicr
Zustände dargethan. In Deutschland fand z. B. Ascher für die l'aralytiker in
Dalldorf einen Procentsatz von 34-7"/g Syphili« und 37** „ Alkoholismus. Dabei
ist allerdings an bedenken, dass der aaamnestisehe und kliniaohe Naebwda des
chronischen Alkobolismns eriieblieb leiehter ist als derjenige einfir stattgehabten
syphilitischen Infection.
Dass auch AlkohoUsmus der l!Lltera (Chakcut et Dliil) und Syphilis
der Eltern snm Ausbruch dner Dementia paralytfea bei den Naehkommen fahren
kann, ist durch /.ahlreiche Beobachtungen sicher festgestellt. Spedell ist bei den
Frühfnrmen der Dimeutia paralytica (\i*t dem 2;'). Jahre I stets an dif Mr»irlich-
keit einer cougenitalen Syphilis zu denken (Stri mpell, Bjel.i.\kow, Cloustöx u. A.).
Als aehr zweifelhaft muss der Zusammenhang angesehen werden, welchen
viele französische Autoren zwischen Gieht, respeetive einer sehr nnbestlnuuten
„arthritischen Diathese" und der progressiven Paralyse angenommen haben
(LBMOINB, PJEHRKT. CHAKfKNTIKi: ii. A. .
Vielfach ist auch die Frage veutilirt worden, ob je nach dem domiui-
renden itiologisehen Factor die Dementia jmralytica bestimmte Eigenartigkeiten
des Verlaufes oder der Symptomatologie zeige. So behauptet s. B. Camuset noch
neuerdinps. die I hnnentio para/i/tiin syphilitischen I'rsjjrunfres zeicliiu' sich durch
laugsaniere Entwicklung, HäuHgkeit von Kemissionen und Seltenheit expansiver
Zustande aus. Weder filr diese, noch fflr eine der anderen zaldnichen analogen
BebauptiiiiiL'en kt bis jetat ein aueli nur annlhemd genflgrader atatistiseher Nach-
weis erbracht wtirilen.
Die allere meine l'atholof^ie dar I'eiunidti pnral i/thn ist um zwei
Experimentaluntersuchungen und eine ansprechende Ilyputhese bereichert worden.
Die CoiiBEMALB'schen Versuche wurden oben bereits erwfthnt, Obrdes setate die
Mkni>ki. 'sehen Kxpeiimente fort. Bei einem Hund, der 11 Tage lang täglich auf
der < "eiitrifufre jredrelit worden war. er^ab die Seetion und mikroskopische l'nter-
suehung Befunde, welche denjenigen der iJemenUa parulytica durchaus äbulich
sind. — Den Zusammenhang der Syphilis mit der Dementia fwmh/tica sueht
folgende Hypothese zu erläutern , deren erste exa» te Formulirung wohl von
Sthi'MPKLI. stammt. r)ie hypothetischen Mikroorfranisnicn der Syphilis schädigen nicht
als solche das Uewebc des CcDtraliiervensystenis, sondern sie erzeugen durch ihren
Stoffwechsel Toxine, und diese letzteren bedingen die verschiedenartigen patbolo-
^Hscli anatomiseheu Processe, welche der Dementia jtaralytica an Grunde liegen.
Hieniarli stellt sich die l^emeutüi jnii-ulytica al< eine durch Toxine hervorgeriit'ene
N a c h krankheif «icr Syfihilis dar. soweit sie eben (ihiThaiijjt mit Syphilis /usammcn-
hängt, etwa in aliuliehem ^iuue , wie die postdiphthetisehe i^;ihmung eiue Isaeh-
krankheit der Diphtherie ist Jedenfalls hat diese Hypothese den Vorsug, dass sie
uns verständlich macht , weshalb die specifisehe Therapie auch in ParalysefiUlen
unzweifelliaCt syj)hilitischcti I rsprunfres meist völlig versai:t.
Die Dil lerentialdiagnose der progressiven Paralyse bietet uamuntlicb
Im Prodromalstadium gegenttber der Neurasthenie oft grosse Schwierigkeit. Obwohl
auch in den letzten Jahren mehrere Arbeiten eingehend sieh mit dieser Unterschetdung
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DEMENTIA PARALTTICA.
80]
beaebäfti^t babeo (KRAFi-T-EBixo. Fulsom, Pick, Savaue, Mohavcsik, Cubistiak),
▼magt die Diagnostik fttr manche Fälle in diesisr Riebtung nocb immer. Rrafft-
Ebing betont mit Reeht, da« ein rapider plStslieher Zasammraliniob der pey-
chiachen LeistungRfahifrkeit f(lr Neurasthenie , eine schleichende oder sprunj^weise
Entwicklimtr der Symptonie mehr für I'aralyse spricht. Indessen sind {^enuficsam
Ffllle bekanut, wo auch dies Kriterium nicht Zutritte. So bat Zachku erst neuer-
diogs dnen gmt acut verlaafenen Fall vod Dementia paralyUoa besehrieben,
ireleber innerh.ill) 4 Monaten zum Tode führte; die Section ergab makroskopiscb
und inikrusknpisch einen für Dementia parafifft'ca charakteristischen Befund. Die
Affectveränderung im Beginn der Paralyse kann derjenigen der Neurasthenie
▼Ollig gleichen ; ein unvermittelteB Sebwanken xfrisehen W^oerltehkelt und Heitel^
kcit ist bei eräterer häufiger als bei letzterer. Sehr vetdMehtig fittr Paralyse ist
der Defeet der üsthetiscben und ethischen Oefühlst^ne, welcher «einen Ausdruck in
den Ijekannten Taetlosigkeiten de? beginnenden Paralytikers findet. Andererseits
ist fUr Paralyse fast ebenso pathoguomonisch in manchen Fällen eine dem früheren
Natorell des Kranken niebt entspreebende wdnerlicbe Begeistemng fllr allerhand
Ideale. Kbafft-Ebi.\(; führt auch als beqnemes Kriterium an : während der Para-
lytiker sieh oft in der Ang'abe des Datums um eine Keihe von Ta^en irrt, irrt sieh
der Neurastheniker in der Zeitrechnung böelisteus um zwei Ta^^e, niemals um
mehr. — Schlaflosigkeit und qnllender Kopftehmenc kommt beiden Krankheiten
zu. bei Paralyse sind beide Symptome meist hartnäckiger (GOWBBS, KRafft-
Ebixg). .Alle diese Verdachtsmomente gewinnen erhöhte Bedeutung, wenn es sieh
um einen früher syphilitisch gewesenen Mann in mittlerem Lebensalter bandelt.
Andererseits ist gerade in diesen Fällen auch stets an die Möglichkeit an denken,
dase die sugeaannte Forme c^phalalgique der Himsyphilis FODBHIBR^d vorliegen
könnte. Selbst der Nachweis retlectorischer PnpillenstHrre genügt in solchen
Fällen nicht, die Dnuentid ptnalytica Hieherziistellen, Beweisend i'^t für letztere
eben stets nur der eigenartige progressive lotelligenzdetect. Alle anderen Sym-
ptome lassen gewöhnlieb im Stieb, wenn es auf die Untersebeidang von Neur-
asthenie oder aneli von Hirnsy})hilis oder von chronischem Alkobolismos (alknho
listiseher Pseudoparalyse) ankommt, und auch der Intelligeiizdefeet kann durch
die Hemmung der Neurasthenie und die intelleotuellen Austallssymptome der Hirn-
qrphitis, respeetive der ehronisehen Alkobolintoxieation oft genug voigetäosebt werden.
In die Therapie der progressiven Paralyse ist neuerdings in sehr
kritikloser Weis,« s^haw . Battv TrKK, Waü.n'EH i die Trcpanatinn eingeführt
worden. Die naeli Trepauation beobachteten Hemissionen beweiseu selbstverständ-
lieh gar nichts, da Kemissiooen bei der progressiven Paralyse aaeb ohne jede
Behandlung ungemein htniig vorkommen. Die antisyphilitisebe Queeksilberbehaud-
lung ist mchrfüch wiederum befürwortet worden (Doitrkbkxtk , ZiKHSSBN,
ZiKHKN u. A.). Ebenso werden Vesicantieu immer wieder empfohlen, s.i i. B. von
Mkschkde, Voij;i.\, Pkitchauu Daviks u. A. Voisin berichtet über 4 geheilte
Fülle. Er wandte nebenher kalte Blder und Brgotin an. Letztere? empfiehlt auch
Krafkt-Ebinc , Christian rftth es spcciell im paraljrtisehen Anfall ansuwenden.
Auch Tartarus stiliiatnn ist wieilcr mehrfach genannt worden. BliüNST gab den-
selben in Dosen von 1 Grm. t neben 40 (irm. Bronisaizcn ! i , stiess aber mit diesem
Vorsohlag auf energischen Widerspruch. Am meiaten dflrflte im Allgemeinen vaxük
in den letzten Jahren die Jodbehandlung »ngewundt worden sein rKuAFi r-KBiNG,
Taünmwski II. A. : t-inc etwas gri".«;sere ll-inligkeit und vielleicht auch litngere Dauer
der l{enlis^il>Il(•l| ist Itislang d.is ciii/j^ie Ilcsnltat der-cnu-n.
Literatur. I>ie vorstelicmkn Augaben .stutznn sich naniontlich auf tulgciiUe Ab-
tiandlnofn^n : Arnaud. KHni.srhe und Btatisti.schc Betrachtung über die allgemoine Paralyso
hoini Mannn. .\niia!. nud i)syili. 1**S!^. — Aschei-, Ht'itrik>re zur Keniitniss des Verlaufs und
der A-tiiiluKie der allurcrnciueii Paralyse. Z<:'it.-iilir f. P<yih. XLVI. — .\ w t <i w k r a to w,
Hirnntrvenkerue liei l>>„ii'n/iit j^tni/i/tiin. Neurol. Cfiitralbl ]8'J2. — 1! an nister, .loam.
Ol oerv. aod nient. üiiiea.«:». Iis91. — Batty Take, ürit. Med Joam. 1890- — Uinawanger,
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DEMRNTIA PARALYTICA.
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oriil,ir .-'iiiijil'Diis iifiyerre.d in .<'^-'-'>!ht/ fienetal Pareti--^. Tran-^act .\ni-^i < »jihilialni. Sor. Is8f. —
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Jonrn. of ment. science. Iä89. Oct. — Zagari, Ueber Veraoderunicen im Sehhiigel bei pro-
tmsfAvw Paralyse. Nenrol. Centralbl. 1H;>1. Nr. 4. — Ziehen. Sphvpniosraphi'jche Unter-
suchungen an (iei.<<teskranken. Jena 188? — Ziem^sen, Di'- Sy|ihili< -io Xerveii>ystf ms.
M unebener med. Wochenachr. 1688. — Zacher, Ueber 3 Falle voa progreiuiver Paralyse
mit Herderkranknngen in d«r Oaptula inierm. Arehiv Ar Flgrefa. XIX, 3. — Derselbe,
Ueber ii Fälle von acuter Paralyse. NenroL Centralbl. 1681. Ziehen.
Dermatol bei Durrhoea» s. Darmestarrh, pag. 184.
DssinfBCtiOn. Der erheblichen Menge neuerer Arbeiten gegenflber, d. h.
goh^her. welche im laufenden Jahr/ehnt lUHeh Abschluss des Flriränzunir^artikels
im „Eneyelopädiächen Jahrbuch ', Bd. 1, pag. 183 — 197 > eut^tandeu diud , maobt
sich t^nt beflondera das Beddrfniss geltend, diese hersugekommeDen Errungen-
-rhatten g e .-i o n d ert , nai-h einer Kintheilang in gewissen 6 ruppen, dem ITeber^
blick de» Forscher-J wie des Praktiker-^ zn-rün^rlieher zu niaidicn.
£s wird deshall) im Naehsteheudeii zu handeln sein aj von solchen
Arbeiten^ welehe ein allgemeineres theoretisches VerttSndpiiJs über das Wesen
der Oesin fection su fordern unternehmen; b) von der Vertiefung der pbyaika-
lisch en Desinfeetionsmefhoden ; c) von der EiiitlihnuiL'- m iuTcr chemischer
Df'sintirientit n : >f i von den r>esintecti<»nsljestrebun,ircn bestimmter Infectinnsc r re fror n
und »peciellen Kntt^euehungHZ w e c k e n gegenüber: fj von der praktischeu An-
wendung der neuesten Forschungsergebnisse an bestimmten Plätzen und
von neuen Anweisungen xuro Desinfectionsverfahren.
aj Zur Theorie und allgemeiuen Methodik der Üesintec-
tion. Die von Gbppert^) angeregten wichtigen Fragen bexflglieh der mit Milz-
brandsporen getrinkt en Fnden als Testobjecte su Infeetlons- und Desinfeotions-
zwecken , wurden nach l.lnfrerem Schwei<ien vnn einem Vertreter KuCH'-'cher
Gedankengänge. Hkhri.ng '} , mit Lebhaftigkeit aufgenommen. Pr.Hei.se getasst,
kann die Streitfrage nur lauten : Sind zur PrUfuDg der desinficirendeu Kraft des
Sublimats zuverlAstiger die von Koch-Bbriung benutaten sporenbelilebten Seiden-
finden oder die von GEprErtT zur Anwendung gezogenen .Sporenemulsioneu ? Wollte
die erstere Paitei sieh lediglich mit ihren Tei«tobjecten an die Fr.-ige iler ])raktischen
Deäiufection von Wii.sche, VerbandstcHcn und anderen gewebten Materialieu idie
dem »porenbeklebten Faden ähnlichen Gegenstände) halten , so wflrde man ihr
die Herechtigimg SU gewissen ScbiH.ssen aus ihren Experimenten nicht abspreehen.
Werden dagegen Verh?Jltni.>»^<e , wie sie in Wunden des lebenden Thierorganigmu»
oder gar in dessen inneren Thuilen vorliegen, zur Frage gestellt, so verdieueu
Gbppbrt's Einwände die grRsete BcrOeksicbtigang , ja sein Verfahren, das flber-
schflssige Sublimat der Sporenfäden durch Schwefelamraonium niederzuschlagen,
mildste "Jclhst von gegnerischer Seite anerk.-mMt werden. Im Febrigen bat Gpri KRT -)
aber auch seinen bereit.s aus den viirauigeliendcn Arbeiten geschlossenen Ik'haup
tungeu mit grosser (Gründlichkeit uoch weitere Stützen zu geben versucht. „Thier-
infectionen dareh mit Sublimat behandelte Milzbrandsporen treten auch dann
noch ein, wenn auf kUn.stlicben Nährboden der Culturversiich mit sidchem Material
negativ ausf.-ilit." Diese Erscheinung zu erklJlren , liatte (iKi i KltT darauf hinge-
wiesen, dass möglicherwei.se im lebenden Thierkiirpcr Kesorptiousvorgitnge wacbs-
tbnmsbemmender Substanzen sieh entwickeln, welche auf kfltistliehem Nährboden
nieht zu Stande kommen. Durch jttngere Unter^^uchuiigen erscheint zun.lchst be-
wiesen, dass ganz bestimmte Toni-entrationsgrade des Sehweri'lruiuii'niiutiK er-
forderlich sind, um bestimmte Wirkuugeu auf die mit .'Sublimat behandelten
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804
DBSINFECTION.
Miizbraudspuren au;»zuUbeD, daäs ferner, alf^eseben von der einfachen Ausfklluug
dee Quecksilbers aus der Lösung, noch ein auder«r Umstand in Frage kommt. Das
Sublimat geht nimlieb mit der Snbatanz der Spore eine VerbinduBg ein, weldie
weit scliwerer zerlegbar ist, als da» Sublimat ao sich. Auch wenn et geUngt, mit
dem F'ftllunf^smittel in die Spore einzudringen und das Quecksilber auszuftlllen,
bleibt eine Scbädiguug der Spuren beateben , welche das Weiterentwickeln der-
selben im Thierk9rpw beeintrlebtigt. Somit mOehte Gbppbrt die Wirkung des
Snblimata auf die Spore mit einer Vergiftung bezeichnen: ist letztere in
greringerem Orade erfolgt, so kann diircli das Ausfitllungmittel noch wieder eine
Entgiftung herbeigeführt und die Sublimatwirkung aufj^ehoben , der Spore ihre
Weiterentwieklnngsflüiigkeit also reetitnirt werden. Hit anderen Worten: naeh
relativ kursem Aufenthalt in Sublimat Terliert die Milzbrandapore die Fähigkeit,
auf 'ihr sonst znsnirenden Nrthrbnden anszitkeimen. Sie ist s'iznsügen schein-
todt. Fällt man aber das Quecksilber aus in ihr, so wird sie wieder keimfHhig,
auch wenn sie Stunden lang in Sublimat gelegen hat. Die Verminderung der
Lebenskraft der Spore macht somit wibrend dieser Vergiftungen nnd Wieder-
entgiftungen eine Folge versehieilener Stadien darob. Erat das letzte dieser
Stadien ist dasjenige, worin auf die Spureneinsaat weder eine Cultnr angeht,
noch eine Tbierinfectiuu mehr gelingt. Ob aber selbst dicHed Stadium mit „Ab-
todtung" zu identifieiren sei, bleibt immer noch eine olfone Frage.
Rrhkixo weist in seiner zusammenfassenden Arbeit die er unter vulier
Verwerthnng der umfassenden Mittel nnd Gelegenheiten des Herliner hygienischen
Institute fertigstellte, darauf hin, dmi die verKcbiedenen Spsltpilzarten sieh ver-
sdiieden resistenzkrüftig gegenüber chemischen Einwirkungen verhalten, nnd dass
spedell, je kflrser die Zeit der Einwirkung eines Desinfidens ist, desto grOsser
die Mengt' desselben sein muss , auch dass daneben der Desinfectionseffect dureh
Anwendung höherer Temperaturen gemeinhin gcsteitrert wird. Horstamniuug uud
Alter der Culturen können ebenfalls die Leistungslähi^keit der Desinlkieutien
beeinflnssen. Diese letsteren selbst werden in 8 Gruppen getheilt:
I. Metallsalse,
II. Säuren und Alkalien,
III. Verbindungen aus der aromatischen Keihe der organischen Chemie,
IV. FlOsaige, in Wasser nnUtsliche oän sehwerlOsliehe Desinfieientkni,
\'. Mittel, die im festen Zustande wirken,
VI. .Mittel, die gasförmig wirksam sind,
VII. Stoll'wechselproduete von Mikroben,
VIII. Bakterieutödteude Körper des menschlichen oder thierischen Organismus.
Ad I wird das Sublimat, ad II Ralkmileb, Kalkbrei (nach Jäorb), Natron-
lauge, Kalilauge nach RoKR i. ad III die 1 — 5^ gige GarboUösung, auch PeaBSON'S
Creolin , weniger L\sol, ad IV warmes Chloroformwnsser und Salieylmischnngen,
ad V gewisse Edelmetalle, ad VI das Jodtrichlorid hervorgebuben. Eine speoiellere
Sichtung der VII. nnd VIII. Gruppe ist einstweilen noch vorbehalten geblieben.
Sporentragende Seidenfilden erwiesen sich sebneller als durch Sublimat durch
heissc Wasehlauge ■ desinlirirt (für 1^ „ige Subliniath^sungen war eine Einwirkung
von oo, fur d.i8 letztere Hausmittel nur von 4 Minuten Dauer erforderlich [!!J;
2';-*^ Jodtrichloridlösung leistete den Effect in b Minuten). An die sehr
schlagenden Heilwirkungen des Jodtrichlorids gegen Diphtherie (Tetanns) schlössen
si<-h die hier nieht z<i reeapitulirenden hakterientj^dtenden Eigenschaften des
thieriscben Blutes aus-crhalb des (Jefässsystems an.
Eine 8ehr erbebliche Widerstandsfilhigkeit gegen Desiutieicutieu kumuu
dem sacbarificirendeu Ferment des Pancrea-ssaftos zu. Wie Abbloüs *) ansgefnnden
bat, ist diese i)o«r (otthi/wofit/uf bedeutend höher als tYie „Doiie antiseptü/ue".
So die letztere von Suldimat : IDO.OnO. die ersten- .'> : lO.itDO: v<in Carbid-
silure ist eine autisepiisehc Wirkung bereits von ö: eine autizynxaischc
von 5 : 100 zu erwarten : ftlr Jod stellen sich die Vcrhflltniüüe auf 3 : 10.000,
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DESINFEOTIOX.
beziehun^sweist' 1 : lt»n. Clilorolorm . ('hloral, Alkohol ;ib--<i!iitiis . salicvNaures
Natron, Tbymol, Mentbol, Jodofonu, die alle aotiKeptiscb nicht belaugios sind^
ent<en «Btisjmotisebe WirkoDgen Doeh oidit in lO" gigen LösuDgeo.
Die Versnobe 0. Boer's wurden derart engeitellt, den flir den Werth
der verschiedenen De>!iiifcctiousniittel möglichst matbematisch genaue Masseinheiten
ermittelt werden sollten. Hierzu wurden bei einer Wärme von .".7" in sebwach
alkaliacber Üuuilloo mittelst einer Platinüse Uberimpfte Agaragarcuitureo , die iu
der Bouillon 24 Stunden lanur Wnehstham flberlasMn worden weren , enf
ihre Widerstandskraft gegenflber Salz- und Scbwefelsäiire , Natronlauge nnd
Ammoniak, Queeksilberoxycyamid, Auronatriuincblorat, Silbernitrat, arseni^snurem
Natron, Carbolsllure, Creolin, Lysol, Malacbitgrila , Metbylviolett geprüft. \Ea
wurde also das von Behbino nnansgefnllt entworfene Sebema erprobt, und zwar
an Diphtherie-, Typhus-, Cholera-, Rotz- und MilzbrandbacilleD.) Quecicailbercyanid
und MalachitgTHn erwiesen sich bei dieser Versnchsanordnunfr als anscheinend
sehr Uberlegen ; Creolin und Lysol schienen eine bescheidene mittlere , Carbol-
sftiire eine sehr untergeordnete Stellung einzunehmen.
Die nnterstfltsende Kraft der Bitte, welche von einigen Desinfeetions-
forseliern Ts. o.) als eine dem Fjnfluss der specifischen Wirkung zu Hilfe Itommende
durcb^ehends fflr säu)mtliche liesinfieientien angenommen wurde, scheint bei
manchen Gruppen keineswegs sich in der behaupteten Sicherheit zu üusseru.
Heidbb *) vomoehte allerdings Milsbraadsporen, welchen eine 36tagige fönwirknng
von 55*lffiger Carbolsftiire bei Zimmertemporatur nichts anzuhaben vermochte,
s'ibald er die Wärme auf 5,')° ( •. erhöhte, bereits dureb itre rVirlioh.-iiir«^ inner-
halb 10 Minuten, darcb 5%ige Carbolacbwefelsäure in 6ü, dunh ü%ige Lresol-
sehmierseife in 120 Minuten abntOdteu. Steigerte eat die Temperatur auf 76* C,
so konnten die entsprechenden Abtödtuugszeiten auf 8 — 16 Minuten eingesehrinkt
werden. — Dagcp:en erwies <\ch für die Anwendiin;ren vr>n 10* j'grer Lflsung
Creolin l'earson, ]Eres{lttigtein Kalkwasser, l'-'.iiger Pvoetauiulösun;: die Steigerung
der Wärme auf 55° C. als völlig elnflustilos und die Einwirkung der genannten
Stoffo als nicht im mindesten erhöhend.
Eine Erhöhung ihrer Desinfectionskraft glaubte man von mehreren Seiten
bei der Mischuufr verschiedener Desiulieientien >ind Antiseptiea wahrirenf>minen
und sonaeb eine Begründung gefunden zu liaben , um solchen Desiufectiunä-
gemischen (CarbosulfosJiure, Rotterin, WeinsRuresublimat) lebhafte Empfehlungen
angedeihen zu lassen. Beuniiei.m"} fand am werthvollsten solche Desinfections-
L'emisehe , welche ihre einzelnen Ingredienzien in kleiiu-n . nicht toxischen Dosen
enthalten und dennoch eine hübe Desinfectionskraft enthalten, und tritt besonders —
unter Betonung dieses Kriteriums und unter Verweisung auf die günstigen Er-
folge in der Yeterinärpraxis — für da.s ABTUANN'sehe Creolin ein.
Einen sehr niassfrcbenden Beitrag zur Theorie der Desiufection lieferte
(,'RKMKli ") mit seiner Arbeit über die Kesistenz der Sporen gegen trockene Hit/e
und deren Ursache. Er ging zunächst darauf aus, den Wassergehalt des Bakterien-
Imbes einerseits, andererseits dessen Asohenproduete näher kennen tu lernen.
Cultnren von Micrococcu» prodigtosus erschienen hierzu als geeignetster (Jnter-
suchungsgegenstand ; sie wurden — oline Verletzung des Nährbodens — abge-
streift, bei 1U0<^ C. bis zur Gewicbtsbeständigkeit getrocknet, dann langsam
verascht. Die Waehsthumstemperatnr, das Alter der Oultoren, die Verschiedenheit
der Nährböden bedingte nicht unwesentliche I nteracbiede in der Trockensubstanz
und im Aschengehalt. Man darf sich hiernach nicht vorstellen, dass die liakterien
allgemein einen typischen Wasser- und Aschengehalt besüssen, wie höber organi-
sirte Pflanzenwesen; nur möglichst gleiche Culturbedingungen werden annähernd
tjrpisehe Werthe zu Stande bringen. Das Myeel der Sdhhnmelpilse , auf ähnUehe
Weise untersucht, zeigte mindestens ebenso reichen Wassergebalt wie die von
CuKMKR uniersuchten Spaltpilze. Schimmelj)ilzsporen abgeerntet von einer Mucor-
art und von Fenicilliu/n glnuanuj zeigten sich von eminent hohem Troekengebalt:
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206
DE8INFBCTI0N.
4 — 5iuai höber aU die Mycelmasae der nämlicheu iSchimuielarten ; ihr Aschegehalt
in dar Tlrock«iUDlMtmiif erfabr gtoieluseitig eine Veniiinderoiig tnf thk Drittel bU
eio Viertel. Während nach frflheren prleichonnlgen Versuchen \on Lewith an-
zunehmen jrewesf-n war. dass der Tlriind der verschiedoiu'u ne>ist<'nz der Sporen
und der »oustigeo VegetationBfurnieu zu suchen sei in eineiu verscbiedeueu
Wassergehalt des Sporeneiweiases und des Eiweiiaea der vegetativen Formen,
wird neh naeh Cbemsr*« Arbeit die Antwort auf die Frage: „Wie können die
Sporen f trotzdem auch der ihnen innewohnende Wa^^^ierprohalt koin geringer
ist. Bo hohen Wilrniegraden Widerstand leisten?" etwas anders stellen K>i kommt
in erster Liuic aul die Art und Weise der Bindung des Wassers an. Mau muss
nntereebeiden swisehen dem Wasser, welehes die Gewebe durehsetst und
dem hygroskopischen Wasser. Letzteres spielt bei den Sponn die masa-
gebendst«' Rolle. l)ic .Sehimmelpilzsporen sind die hygroskopischsten Wej<en, welche
inau kennt; sie nehmen aus feuchter Luft doppelt so viel Wasser auf wie
das Handebasr and 4nial sovid Waiser wie das Laminarlagewebe ans fiMidIten
Umgebungen; sie enthalten Uberhaupt lediglich hygroslcopisehes Wasser. Der
holic Widcr-^tand de- in den Sporen enthaltenen Ei\veis><e.s ^regcn die Hitzecoagu-
lation dürfte sich hieraus erklären, besonders wenn mau ausserdem den so geringen
Aschengehalt der Sporen in Kechuuug stellt, welcher die Neigung der Coagulation
ausserdem noeh wesentlieh zu bedntrftehtigen geeignet ist
Antibakterielle Wirkungen seitens der Elektricität sind «war melir&eh
der (iegenstand eingehender Forschungen gewesen, habeu jedoch zu praktischer
Verwendung sich als zu entlegen und incon staut erwiesen. Auch legen die bis-
herigen Forsehaogen nur der Bleittrolyse die Kraft bei, erliebliehere bakterieide
Eintlnsse auaiutthen. Eine Erweiterung dieses Forschungsgebietes bahnten neuer-
dings Si'ii.KKR und CdTTSTKix an ') : sie hatten auch praktische Zwecke liierbei
im Auge , die sich jedoch mehr auf Sterilisirungs- und Conservirungsmetti<iden
richteten, weniger auf die Desinfectionsfrage. Eine grössere Reihe von L^xperi-
menten stellten sie an Ol>er die Kraft des Indnetionsstromes, die speeifiselien Orga-
nismen im Blute von Thicrcn , die an >^e{)tic;imie und llilhncrcliolera zu Orunde
gegangen waren, abzntödten. l'nd zwar gelang dies initteNt der Kinwirkun?;
eines luductionsstromes von l-'Amp. , der 5 — 3U Minuten laug auf derartiges
Blnt einwirkte, aber nieht in allen Versuchen. (Die Unglmehmässigkeit des Er-
folL-^es möchten die Forscher dem nnglcichen . in den erfolgreiohen Versoehen
höheren Kisengehalt des Blutes zuschreiben, da die Haktcricntfidtung aueh in
eisenhaltigem Wasser gelang.; Schliesslich seien hier noch d i e Versuche hervor-
gehoben, mittelst deren Spilkbb und Gottstbin an Bakterienenltnren selbst die
bakterienvemiehtende Kraft des Inductionsstromes erprobten. Agaroulturen von
Prodigiosus wurden in Wasser aufgcsr-hwcmmt, welches mit einigen Theilcn N;lhr-
bouillon vermischt war. Um das Frobegefäss wurde eine Drahtspirale geführt
und dureh diese der Inductionsstrom (5 Amp. x 0*4 Volt) geleitet. Dieser Strom
tOdtete die Bakterien in 21 Stunden. Wurde die Starke des Stromes auf
12"5 Amp. 1"0 Volt erhöht, so war der Äbtödtangserfolg nach Verlauf einer
Stunde erreicht. Die Wilrmeentwickluug war der Grund des auf die Bakterien
ausgeübten Krfolges nicht, da sie 36*6'' niemals überstieg.
Ad b) Frosch nnd Glarekbach lieferten einen wesentiiehen Betrag zur
Vertiefung der physikalischen Desinfectionsmethoden, indem
sie das N crli'iltt n Wasserdampfcs in Desinfectionsapparaten i einer eiu-
gehendeu e.\periuteutelien i'rUfuug uuterzugeo. Auf die Einführung der Danipf-
desinfeetion in die Praxis haben Experimentatoren nnd Teehniker seit einem
Decennium die grösste Mflhe verwandt. Als wiobtigster Fortsehritt auf diesem
(Jcbiete gehört neben der Zuleitung des !>ampfes v<»n oben vor Allem die An-
wendung von gespannten Danipten. Dneh wirkte einer allgenieineren l-iiitilhnnig
dieser Fortsehritte die bisher etwas nnvtdikommeue Beweisführung zu (iuusteu
der genannten VerbesAernogen entgegen. Frosch nnd Clarbxbach haben nunmehr
DE9INFECTI0X.
mit einem Dosinttctii>ii-,apparflt experimentirt , in welchem eine derartige An-
bringung vou Tbermumetern und Monumetern möglich war , dsLns der Gang der
Temperatar aaoh bei geseblosacBer Desinfoetivnskammer gmnx genau in verfolgen
und die /ul.-issuug des Dampfes sowohl von oben wie von unten möglich war.
Ks sollte iKsondcrs die Periode der Kindringung des Dampfes in die nhjecte
festgeateUt werden , und es zeigte sich — wie von vornherein horvorgehubca
werden mnss — anf dieee die Form nnd Grösse der Desinfeetiensksinroern
obne Eintliiäs. Wh» die Vertfaeilnng der Wirme im Dtisinfectinusraume betrißt,
so fand ilifMlIic Ix'i gespanntem wie l)ei nngesp.mntcm l)ampf durchaus gleich-
miissig und ohne Entstehung sogenannter todter Ecken statt. Das Darapfquantum,
beziebuDgsweise die Strömungflgeschwindigkeit hat nur für die Dauer der Füllung
der Kammer Bedeutnng. Isl die Foilimg voHendetT ao braneiit dto weitere Dampf»
zustrOmnng nur noch in solcher Reichlichkeit zu erfolgen, das>< die durch Conden-
sation verbrauclitc Hanipfmenge 8teti;r wieder ersetzt wird. Eine Abkürzung der
EindringuDgadauci wird erreicht durch die Strömuugsrichtung den Dampfes \(in
olien nach nnten. Den Dampf ateta von oben in die Kammer ein- und unten
wieder abzuleiten, ist daher rationell. Unten wird aber bei dieser Richtung des
Dampfes auch die erstn-hti- Temperatur von 100" C am spiUe^tcn errciclit : ein
Fingerzeig, die zur C<>ntruie der Dusinfectioo zu benutzenden Maximumthermometer
an den tiefsten Punkten (niebt anderswo in der Kammer, auch nicht in der
Mitte der C>bjecte ete.) anzubringen. Da bei der geringen specifischen 'rem|)eratnr
der gemeinhin der Desiufecticm anheimfallenden Dinge die Anfdllung der Kammer
im Allgemeinen ohne Eintluss auf die Eindringungsdauer ist, empHeblt es sich,
die Kammern immer möglichst voll auszufüllen. Gespannter Dampf bewirkt die
Herstellung der absoluten Dceinfeetionstemperatnr von 100^ 0. frflher ab der
ungespannte Dampf. I-'ür Apparate, die mit besonders voluminrisen Gegenständen
beschickt /.ii werden pflegen, ist die Einleitung des Dampfes unter ' /.„ — ' Atmo-
spburenüberdruck /weekeutsprecheuder ; für kleinere Gugeastäode (^Verbaudstotfe,
einselne Wftsebe und KleidungsstOeke) genttgt der ungespannte Dampf — eine
Feststellung, die angesichts der leichteren Bedienung und der (iefabrlosigkeit der
mit ungespanntem Dampf ;iil)eitcniicri Aftparate nicht ohne Belang ist
Der Aufsatz MuNc'Ki<yä beschreibt eingehend Vuräudcrungen am U^t-
WALT'schen (OrSRBBCK DB HsiBK'seben) Stariiisator, der dnreh die Herstellung
aus stark verzinntem Kupfer, Dampfdichtungs- und Ventllvorrichtuogen für die
Arbeit mit ge^i»anntcii I ».Impfen adajitirt worden ist. Die Eorm ist die eines
liegeuden (Jvliuders, die Spannung wird durch einen verstellbaren liahu im Ab-
zugsrohr erzeugt.
Das Thema der von Bi;ddb im Verfolg ftHberer ähnlicher Arbeiten an-
gestellten Untersuchungen lässt sich etwa durch die Frage ausdrücken : „Welebe
Bedeutung bat die Strfiniunfrsgeschwindigkeit des Dampfes, beziehungsweise dessen
Spannung während der einzelnen Abschnitte des Desinfeetionsvorgangcs in einem
gewöhnlichen Dampfofen und welehe unter Anwendung bA herer Spannungs-
grade als den bisher zu gleichsinnigen Versuchen in Anwendung ge/,ogeueu?"
Die Spannung des Dampfes wurde in den mit einem liKCK seben Dampfofen an-
gestellten Vtrsuchea bis zu 30 IM'und pro (^uadratzoli gesteigert (Manometer
bestimmung). Watte, Qberall mit grober Leinwand gedeckt und in einen cubisehen
Drahtbehalter gestopft, wurde als Versuehsobjeet gewählt ; das Controltherroometer
in das Centriini dieser Wattemasse eingesenkt. Ermittelt wurden neben der
verbrauchten Danipt'niengc in Kilometer j)ro Stunde — die l''üllung<dauer"\ die
„Eindringuug.sdauer (total/', die „Eindringungsdauer lubsolut/', die „Ausgleichs-
dauer** (in awei Perioden), der Zeitraum vom Anfange des Versuches bis sur Er-
reichung der dem Dampfdrueke eiitspreehenden Temperatur innerhalb des Objectes.
Die Füllungsdauer I.Usst sieb durch oine Vorwärmung des (»fVns selbst wesentlich
abkürzen und constanter machen ; ihre Länge steht in einem umgekehrt propor-
tionalsn Verhältniss zu der Temperatur nnd der Menge des angeleiteten Dampfes.
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DESIN'FECTION.
L'nabhiinfriir von ili-r Fülltin°->«daiier bSit sieh die totale KiiKiriiiininfsdaucr. indem
sie um desto abgekürzter erscheint, je grösser die Üamptäj>annuüg im Oleu ist.
Von dieser hingrt auch die abaolnte Rindriagunf^daner in nalteKii volteUndinrem
Parallelismiis ab. — Auf die Abschnitte der Ausirlcichsdauer wirkt die Ffillungs-
dauer insofern ein , als bei ('onstanz (h-r b-tztcn-n Viei dvn ereiferen eine woitans
grössere Gleicbmiissigkeit der Aus^ieichung^zeiten zu beobachten war. Kine leb-
hafte Dampfströmung ist nur vollstflndig wahrend der (2—4) Minuten der
Fflllnngsdaner ; während der sieh ansehUewendea Parioden des weiteren Des-
infectionsvorganfres ist keine Strömung nothwendig, als dass eben die dem Des-
infectionsobjeetc eiitwt'ichenflL" Luft möglichst unmittelbar entttTiit wird. Wülircnd
dieser eigentlic-bcu iJeainfectionsprocedur (30 — 15 Minuten; lässt sieh also eine
reeht erhebliehe Menge Dampf ersparen; wie gross die Bnpamiat ist, wird
für jeden Desinfectionsofen durch entspreohende Yorversnche bestimmt werden
mdssen. Xaelideni aI<o .lurli Rri»DE der AnHcbauung beigetreten ist, dass ge-
sättigter Dampf, von oben eingeleitet, dem DesinfectionsbedUrfuiss entspricht,
nimmt er fDr die Frage naeh der Anwendung des gespannten oder des ange-
spannten Dampfes den Gedankengang, dass diese Alternative unerledigt bieibeo
kann gegenüber der Dauer der Abh dtiin^' iler vers-ehiedeiieii pa(b(<!.'enen Keime,
da sie fUr diese keine wesentlichere Bedeutung hat. Dagejien besteht diese Be-
deutung überall da, wo es auf die Dauer des Eindringens der Wärme in
die Desinfeetionsobjeete ankommt. Hat man einen grosseren Dampfkessel snr
Verfügung, der gespannten Dampf hinblnglich zu entwickeln im Stande i.^t, so
wird schon die Aussiebt, Kohlen. Dampf und Zeit zu sparen, es hrtehst wHnsrhens-
werth erscheinen lassen, auch die Desinfectiouskanimer so dickwandig zu oon>
stmiren, dass sie die Anwendung eines nieht allzu geringen Ueberdruekes gestattet.
So dürften grössere Krankenhäuser und wirkliche Desinfectionsanstslten da.s frag-
liche VerhjlltniK-^ am vortbeilhafteston verwirkliclien, wilbrend es weni^r rationell er-
acbeint, die Desiufectionsofen auf das Aushalten eines Ueberdruekes zu coustruiren,
wenn ein grösserer Dampfeutwickler von vornherein überhaupt nieht sur Ver-
fBgung steht.
Die Durcbdämpfunirs- und Desinfectionseinriebtungen von Sohäffku und
Walckhi: ') Ncrtreteu ilirersflts das roiistrueti«in?*prituMp. narh \\elelicm Danipf-
entwickler und Durcbdampt'uugsraum separat eingerichtet sind, resp. der letztere
mit einer sehen Torhandenen Dampfiiuelle verbunden werden kann. Fdr den Fall,
dasa die Dampfkammer in die trennende Wand zwisehen DesinfeeUonsaufnahme-
raum und nesinfeeti<tnsa}>lirft'runL'-^rauni eingelassen werden soll , wird sie auf
beiden Seiten mit Thüren versehen. Kine zweite .Modilication dieser Apparate ist
der eigentliehe Oesinfectionsranm innerhalb des (runden) Dampfentwiekler« ge-
dacht. Der Dampf strömt von oben ein. Zeitverlust soll bei dieser Einriehtnng
möglichst vermieden sein.
Als eine .sehr Heissi>;e und auf grosser liasis angelef;te Arbeit ist die von
n. C. J, DcNCKKR ' ' ) „I cber die physikalische Prüfung der Desinfectioa mit
Wasserdampf" zu nennen. Nach einer ausfahrlichen gesohiehtliehen Reeapitnlation
icr früheren Forschunj^cn fibcr den Wasserdampf und seine desinficirende Kraft
-teilt er sieh zunilehst auf die Seite Kohrukck s. der mit der Con.struetion seiner
neuen und eigenthümlichcn Apparate ('„Zur Lösung der Frage der Desinfectiou
mit Wasserdampr*. Deutsehe med. Woehensehr. 1890, Nr. 50) bezweckte: die
Erzeugung eines Uberall gleiehmässig erhitzten und dabei nassen, also gesättigten
Dampfes im De.sinfeetionsraum , eine sebnelle und vollkommene Verdr.tngung der
Luft aus dem Desinfector uud den Desinfcctionsobjecten, ein sicheres Eindringen
des Dampfes in das Innere der Objecte, eine rationelle Ansnutinng der Ver-
dampftragswlrme des Dampfes zur MikrobenabtOdtung, das Trocknen der desinfi*
cirten Gegenstände noch v<»r ihrem Herausnehmen innerhalb des Apparates selbst.
,,Zur DurehfUhruiiL'- einer rationellen Desinfecfi<>n" , so formulirt DrxcKER selbst
seine bezügliehen l'ostulate, „ist es nothwendig, dass man sich während der Daner
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]>ESlNF£CnON.
209
desselben nicht nur Aber die DamptVerhlltaiMe innerhalb des Deeinfeetionsrau mes,
sondern auch ionerhalb des Deriafeetionsobjectes möglichst ganan unterrichtet."
Pif Möjrlichkeit . dies auszitffltircn , wird in den folirrndcn Hauptabschnitten der
Abhandlung klargelegt, von welchen II die „Dampüeuchtigkeitsmesser und Wärme-
messer^* , III „Neue Untersuchungen Uber das Eindringen des Wasserdampfes in
Desinfsetionsobjeete'* vorfBbrt. Die von Ddnckbr eonstrairten DesinAsetionsoontrol»
Instrumente (ad II) leisten Folgendes: 1. Der Dampffeuehtigkeitsm&^ser reagirt
auf aus siedendem Wasser entwickelten l»anipf von zunehmender Temperatur und
Feuchtigkeit in ganz besitimmter Weise ; 2. dieser Dampfl'euchtigkeitsmesser er-
möglicht es, während des Verlaufes einer Desmfeetion an erkennen, wann Dampf
bestimmter Qualität in ein Desinfeetionsobject eingedrungen ist. Hit Hilfe des
DüNCKER'ächen Hamptteuchtigkeitsmesserj« und seines Würmemesserg felektrisehes
Läutewerk; kann man cuutroliren, ub die Vermehrung der Dampffeucbtigkeits-
menge in einem Desinfeetionsobjeete mit der Erwärmung sdnes Innern gldefaen
Sehritt halt. So wird es nicht allein ermöglicht, die nothwendige Dauer einer
regelrecht verlaufenden Dcsinfection zu bemessen , sondern auch eine fehlerhaft
eingeleitete oder fehlerhaft verlaufende Desinfection zu unterbrechen und zu corri-
giren. Zu III (». obenj wurden Versuche au möglichst mannigfaltigen Varietäten
des Desinfeetionsranmes nnd seiner Armirnng angestellt, nm die praktische
Verwendbarkeit der mit Signalglocken versehenen DuNXKER'sohen Dampffenehtig*
keit'^niesser in klares Licht zu stellen. Die Versuche sind durchgehends sehr
lehrreich, aber — schon in Folge der Coustructiou der Daniptieuchtigkeitsmesser —
etwas eomplieirt, so dass hier nur das Studium des Originals empfohlen werden
kann. Mit einem seiner Hauptresultate bestätigt Dunckkr, dass Apparate, wie
der KncH schc DumufcyliiiiltT . dcrt'ii Wasser- und Dampfr inm unmittelbar mit
einander in Verbindung stehen . bei welchen also der Dampf den Desinfections-
ranm von unten nach oben durchstreicht, sehr nnregelmftssig arbeiten undsn
Desinfeotionszwecken nieht an benutzen sind. „Apparate, in deren Desinfections-
raum der Dampf von oben eintritt, desinficiren nicht nur regelmassiger , sondern
auch rascher und siijhercr'' als jene. Doch gilt als Voraussetzung, dass man für
einen genügenden Luftabzug am Boden des Desinfectionsraunies gesorgt und dem
Entstehen von flberhitstem Dampf vorgebengt hat. Raseher als strömender Dampf
von 100 — 103'^ ( ". dringt Dampf höherer Spannung, also auch höherer Temperatur,
in Desinfeetionsobjeete ein. Docli ist es ein neues Moment, welches DfNCKER zu
iiunsten des gespannten ruhenden Dampfes (von 107" tX), dem in der Desinfec-
tionsteehnik (anoh naeh Hubppb) die Zukunft gehört, geltend macht, dass dw
strömende Dampf auch noch kostspieliger sei. Dies beruht besonders auf der
Zeit und der UmstUndliclikeit , die zur Entfernung der .-itmosphäri^scheu Luft aus
den Desinfectionsräunieu erforderlich sind ; d.os Vorhandensein atmosphilriscber
Luft im Desinfector andererseits wirkt auf dun Verlauf der Desinfectionen stets
beeinträehügend. Hinsichtlich der Lnftschioht, welche den lufitroekenen patho-
genen Organismen (Sporen anhaftet, stellte DnxCKER schliesslich noch eine Reihe
von E.vperinieuten au. aus denen eine Wahrscheinlichkeit erhellt, dass die Wider-
standsfähigkeit dieser iveime möglicher Weise au diese EigenthUmlichkeit eines
eigenen Lnftmantels gebunden ist; wenigstens wirkt der Inflfreie, gesättigte
Dampf auch auf die i^poreu am intensivsten. Praktische Einrichtungen der Be-
hälter zu kleineren Desinfeetionsobjecten, die .Vuswahl der l'lJltze, wo am zuver-
lässigsten die Temperaturmessungea vorgenommen werden, die Anbringung der
Dampffeuehtigkeits- und Wärmeeontrolapparate im Inneren der Desinfeetionsgegen-
stände bilden den Sehluss der Arbeit.
Fiir die Hr.Huchbarkeit der von Gebr. ScHMlDT-Weimar irelieferten Appa-
rate (Hest.'indtheile sind : Truusportabler Behitlter mit l'ilzeinlageu, l'nteraatz mit
elektrischem UontroUherniometor , transportabler D.uupfkessel mit Deckel, Füll-
trichter, Ventil. Wasserstandsanzeiger, transportabler elektrischer Klingelapparat
mit Trockenelementen , Dampfschlaueh zur Verbindung des Dampferzeugers mit
Eneyclop. Jahrbliclier. III. H
L.iyu,^cd by Google
210
DESINPEOTlüN.
dem Desinfector tritt sehr ilberzeusri Matthes, Kreisphyaicus in Oboroick
eiu, der damit bei Int'ectiuagkrankheiten ia seinem ländlicben Kreit^e zufrieden-
stellende Erfahrnngen machte. Die Grösse — von der Fabrik mit 3 bezeichnet —
racht flir dto ünttaMngmg dner gerollten RoseluMniuitnitie ast.
Die beiden bicninter folg-enden Reschreib unfrcn de*< Kffeotes von Des-
infectionsapparaten, welche der Unsi-hädlicbmachunir vtm bedenklichen ThiiTtlicilen
dienen , haben , wenngleich keinen unmittelbaren Bezug zur Veraicbtuog der
Kntnkheitsenreger , so doeh fttr manehe Sdte des pbysikalisehen DednfeetioDS-
verfahrens einen nicht zu untersehfttzenden Werth. DrKCKKit kam ei^ bei den
Dampfkocbversucben mit dem ROHRBECK'scben Dcsinfi-ctor, die t-r riuf dem Berliner
(Jentral-Öchlacbtbofe anstellte zuvörderst darauf au, die \ eräuderungen, welchen
gesnndheitaehldlieheB Flnseh ia jenem Apparat unterliegt, nach allm Riehtangen
klar zn stellen. Die besondere Eigenthümlicbkeit des Apparates ist eine KflhU
vorrichtnnp. welche eine (Kondensation äi'< l>anipft's im Apparat und im An^chlnss.
hieran einen negativen Druck zu crzeu^'cn ^ro.stattct. Es wird mit diesen Vor-
kehrungen eine absolute Sättigung des Dampfe» bezweckt, auf der anderen Seite
aber andi der Effeet enielt, daas wiederholte, nieht an weit getriebene Condensationea
des Dampfes und dadareh die den raschen und sicheren Verlauf der Durchkochung
garantircndrn Druckdifferenzen bewirkt worden. Die in die bis 12 und lä Cm.
dicken FleischstUcke versenkteu Muximalthermumeter iudicirteu durcbächuittlioh
eine Hitze von 107* C. (zwiaehen 100 und llZ'b^C): gleiehmlssig magerea
Fleisch bedurfte der ^rOasten Zeitdauer zum völligen Durehkoehen 2^o Stuodea),
welches bei durchwachsenem und fettem Flriselie weit eher (1' , Stunde' zu er-
reichen war. Da die Besobatlenheit des nach Kouubeck behandelten Fleisches in
Bezug auf Geniesabirkeitaeigensebaften Niehta sa wttnaeben flbrig lieaa vnd dodi —
wie Impfveranehe am Heersehweinehen erwiesen — seine infieirenden Eigen-
schaften völlig: verloren hatte, darf man nieht anstehen, mit DrNCKER das Kohu
liKCK'scbe \ erfahren als ein derurtipres anzii.sehen, dass dadurch ^esuudbcitsgefibr-
licbes Fleisch zu Nabrungszweekeu wieder geeignet gemacht wird.
Die Bägenthflmliebkeiten des zur Verniobiuiig dea Aaaea und krankhafter
Thiertheile be.Ktimmtain HKXxEHKRiiX hen Abdeckerei- (Kefal-, daher Kalill ?>
I »csinfectors bieten manches dir die physikalische Vervollkommnunir der Des-
infectoreu überhaupt Interessante. iJer eigentliche Apparat besteht aiib .i Abtiiei-
langen , massiv in Sebmiedeeisen hergestellt , so dass sie 10 Atniospli.^ren Druek
aushalten, welche unter sieh mittelst Rohrleitun^ren verbunden sind. Der ei«reat>
liehe Sterilisator, der 1200 Kprm. fassen kann, ist mit doppelter 1 'elicrmanti-lnn*
verseben und erbftlt seinen Dampf von vurhaudeueu Damptkcsiielu, eventuell auch
einem eigenen Dampfentwickler. Es ist ein durchschnittlicher Betriebadruek von
4 — 5 Atmoaphlren (153— 160i* C. Temperatur entapreebend) voransgeüetzt. Durcb
die Dampfspannunfr wird das Ueberstoigen des Lcimwa.ssers . wie des flUssigen
l'i'ttes :uis dem Steriiisator in den Recipienten (die Ahtheilunfr 2) bewirkt:
{gleichzeitig schlägt sich iu Abtbeilung 3, den Coudcnsator, der Dampf nieder,
dessen wdtere Bestimmung ea dann iat, in Qemeinsebaft mit den neb entwiekeln-
den tlhelriechenden Gasen durch ein Abd imptrohr in einen hohen Sehlot abge-
leitet zu werden. (Die für eine v(dlstäDdige Katill Desinfectionsanlafre erforder-
licheu Käume zur vorbereitenden iierrichtung der zu destruirenden Thierleicheu
und -Theile, aowle zum Anadarren der im Sterilisator zurttekbleibenden Reste,
zum Lagern deradben ete. kennen fftr den vorliegenden Zweek auaser Betraebt
gelassen werden.;
An Mkhi.ER's Sterilisationsapparat, der haupts.'ichlieh für Verbandstiicke
und Instrumente dienen soll, ist die Vorwärmung der zu sterilisirendeu Ubjeete
praktiaeh zur Anwendung gebraebt , wodurch dieeelhen vor zu atnrker Beneteung*
geschützt werden. Eintreten de^ Dampfes von oben und einige andere teehalaehe
Fortsehritte theilt der Apparat mit anderen bereits erwähnten.
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DRSINFECTION.
211
Fdr kleine Kratikt iih.-inscr. Ohdarhans(a!teii , l'alizeiverwabr^ame , Her-
bergen etc.. welche der AutV>ibe gentlgeu .Hollen, Kleidungs- und Verbandstücke
zu desinßciren, wird der Dampfdesinfectionsapparat nach dem System CoHMBü-
KlOHNB, wie ihn Skneexg in HildMlMiin eonatntirte, empfahlen. Ans galvani-
sirtem Kisenblech erlisut, ist der Sterilisatinnsraiim (mit seitlichem Zugang:) gegen
den Dampfentwiekler durch « inen weitmaschifren Einla^rt'boden abt>;e«chlo33en. An
der oberen Decke betindet sich dun DampfabströmuDgsrohr mit einer Abscheidungs-
Torriohtnng fOr das OondenMtionswaaser. Die ViMtheile des Apparate« liegen unter
Anderem aueh in der Billigkeit sowohl seiner Herstdinng als seines Fenerungs-
Verbrauches.
Neben seinen sonstigen Bestimmungen (Sprayerzeugung, Inhalation, Auf-
tbaueu von Höhren verschiedener Artj soll ein transportabler Dampferzeuger nach
Hubs' Prineip auch hauptsächlich fBr Desinfeetion dienen. Mn in einem d<^pel-
wandigen Kessel aiifgehftngtw massiver eiserner Bolzen von 16 -30 Kgnn. Ge-
wicht , ausserhalb glühend gemacht . bewirkt die Verdampfung des langsam in
einem feinen Strahl zugcleiteteu Wassers in Form eines Dampfstrahles, der sich
aneh als HilzbrandabtSdter wirksam bewies. Ueher die praktisehe Verwerthbar-
keit der Idee stehen nmfangreiehere praktisehe Versnehe nodi ans.
Mf.rkr's^^) einfacher und billiger Dampfsterilisatnr wird gefertigt aus
Weissblech in Form eine« d<)f)pelwandigen Cylinders mit tricliti'rfrirmi^-em Aufsatz
und wird auf den Dampfentwickler {der ein gewöhnlicher Koclitopf sein kann)
befestigt. Der Dampf dringt zanlehst swisehen den Doppelwandungen anfwirts,
dann von oben her in den inneren Cylinder ein und verlässt diesen letzteren auf
dem Wege eines am Boden helindlichen Kohren. Ein zweites Rohr ffihrt das
Condensatiiinswasser dem Dampt'entwickler wieder zu. Man erreicht die Temperatur
von 100'^ C. in dem „inneren Cylinder" und den in ihm zu sterilisir enden Ob-
jeeten nngefilhr naeh 40 Minuten.
c) Zur Einfuhrung (neuerer) chemischer Desinf ections-
mittel. Eine ( "ollectivarbeit. welchem sieh auf viele ältere und neuere chemische
Agentien zur Desinfeetion erstreckt, lieferte der k. k. österreichische oberste Sani-
tfttsrath in Form eines Gutachtens, '^ji Dasselbe legt zunächst der Carbolsäure
«Ue Maeht bei. in viel geringere Goncentration wirksam sn sein, als man dies
neuerdings angenommen hat. SpccicII sollen Mineralnäuren , der Carbolsäure zu-
gesetzt, deren Wirksamkeit sehr erhöht haben. Als wirksam werden auch Chlor-
kalk und Kalkmilch aufgeführt. Die Ivreosolc sind, wie näher -tusgefUhrt wird, in
den mit ihnen hergestellten Gemisehen das wirksame Prineip. lieber die Naeh-
theile des Seifengehaltes in den verschiedenen Gemischen wird bei diesem Anlüss
ansfriiirlieher gehandelt und in die Betrachtung besonders einbezogen CreoUn,
Lysol, .Solveol. S(»lut(»l.
In seinen Beiträgen zur Theorie der Desinfei^tion geht UaSCUKK '-'')
anf die Wirksamk^t von Chlor- und Snblimatdftmpfen , femer anf die eines
Gemenges von Oarbolsinre nnd Snblimat nnd anf die Verwendbarkeit der Kalk-
mileh ein.
Die ehemischen Desinfectionsmittel , welche einzelne Forscher zu Experi-
menten damit anregton, Uberblicken sich — bei ihrer nicht ganz geringen Zahl —
wohl am bequemsten in einer alphabetisch angeordneten üebersieht. Von eigenen
klitiaehen Bemerkungen zu diesen Desinficicntien sieht der gegenwärtige Er-
glDsnngsartikel ab. Es genügt, einleitend darauf hinzuweisen, wie einerseits die
Darbietung immer neuer Nebenproduete der chemiäcben Fabriken zu Des-
infeetionsversuchen anregt, wahrend anf der anderen Sdte der Wunseh, leeht
Unige Deainfeetionsmittd (besonders zu Massendesinfectionen) an die Stelle
zwar schon erprobter, aber oft aneh in hohem Preise stehender ilterer Mittel
zu setzen.
14*
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212
DBSIMFBCnON.
Asaprol (Monosulfo-
sanres ^Naphthol-
adeinm)
mplitliolb«Bioat)
Art dar Mftinc_^ <
Iii Asaprol: I. in 5 Ccm. '
Nährbooillon auf wachsende .
TyphiM-, «^len* nnd Herpes
toDi^nrans - Fuvsiteii zu
015 einwilkieBd aul öuphylu-
floocui «ad Milsbnadbuiilleiii
(Aatifl«ptiflcke Vitknn« der .
des li-Naphtholsalitylates jranz 1
analos, jedoch aicht wie tiie»eä
nacht hcili^o Nebenwirkungen
aaf die Nieren entfaltend)
Autor
ad 1 Waihsthnni
wird Terhindeit :
ad 2 AUSdtang
wird erreirht (Zeit
nicht augegeben)
Bang«»)
, TTon et B«r-
lios
Bisoiuthum subnHri-
Oiin (in Streuung
dick und dtui)
Einwirkung auf 1. Slaphylo-
Ofccus pyogenps albu.s ; 2. Vi-
brio Chol. . H. Typhnsbacillus ;
4. gegen nicbt pathogone
Mikrobeo
Dicke Be^itreuiing
tödtate die Keime
ab bis aar ad 3
O. R os«n-
thal")
8«r«iMre
CarbtlliMii
in SVgigor Ldsung einwirkmid
aaf Staphylocuoc-ii bei 37* C.
und 15" C,
Pnifnng auf eineD reellen
Phenolgebalt durck 7 Aaaly-
„ChrbolyalTem"
Carboltittre
Carbolsfture
Carbolsäure in .>,
'*>p. l'*;«igerL6rang
Eiuwtrkuu^ auf '^4 i>tunden
in BouilKm gewachsene Dipb-
th^ri' , Tyi>hus-. Cholera- and
Milzbrandhakteri^-n
DeeinfectioB
1, reap. 3 Standen
Ckinaervirungamittel
ftr Taawerk,
Mauerwerk, Bolsetc
3 ^Carl">l|iulvcr"
gao£ ohne Pbenol-
gebalt; 4 mit Ge-
balt zwischen 2*3
iu.fl 5-'",,
Wirksam in Losung
von 1 : 60«)
Einwirkung aut 1. Bac. pyo- ail | in 60 Miinit»-ii
cyaneus in Boiiillonciiltur ; noch kein Erfol;;:
ij. Müabrandsporen an Baum- ad:iin4r>Tagen noch
woIlenfHden keine Abtödtung
Einwirkung 1. uul &]il/J)r:tii<l-
Sporen bei Iii — 18, resp. bei
37" C. ; 2. anl' ätapbylococcon
bei n nnd 37* C.
AbtÖdtuni; ad 1 in
5— 7 Tagen, resp.
in 2— '6 Standen;
ad 2 nach 1—3.
re«p. 3—5 Minuteo
KaH
Crotlto Artmann
Creolin Artmann '
in 5*' ,iger Lüanng j
Crttlin Pearson ,
Einwirkung 1. anf Dipktkerie-
baciUen bei 37^ and 15" C;
2. aaf Stapkylococcnsfäden bei
37« C.
Einwirkung auf 1 Kac. pyo-
cyaneue in Boailloncalinri
2. Milsbranduporen an Banm-
wollenfiiden
Einwirkung auf Stapbylo*
coooen bei 37* C.
Besinfeotion ;i>! I
necb 30 Jdinuten;
ad 2 keine Desin-
fection
ad 1 in tJO Min. nock '
keine Abtikltung;
ad 2 keine Ab-
tttdtong
Nack 1 Stande Er- <
folg = 0
Einwirkuu- .iiif ]. Bjir. pyo-
cyaneus iu liouiiloucnltar :
X. HilsbranUspnren an Bnam-
wollfaden
Creolin Pearson
in 5*,oiger Logung
ad 1 in (!< • Min. noch
keine Alitodlung;
ad positiver
folg navk Iii Tagen j
Einwirkung auf Staphylo- I N:uh 1 Stunde, resp. |
coLcen bei u. bei C. ! 15 Min. Abtödtung I
Pane")
Filflinger
Svoboda**)
O. Boer
H a nj m e r *')
Pane'-)
Pane»)
Hammer")
Pane««)
Hammer*^)
Pane")
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DMinflci«iu
Ark dar Prfiftne [ BtgBtaiwJer Prflfttng ]
Antor
BinwirkaBg l. auf misbrnid*
Spören an Fäden ; '4. auf Ty-
phus- and Cbolersdejectioneo
in 57,i««r "
(in
CrMÜi
Dernatol
EinwirkoDg aaf 24 Standen
in Bouillon gewachsenen Diph-
therie-, Typhös-, Cholera- und
yi ilzbrandbakterien
Dernatol
DiapMarin
(Oxychinaseptol in
FormMaliyd
(in 1. Lösungen tob
1 : lOOO and
Ü. 1:25.000
KohlenȊare
(llflaiig»)
Kraaole (iu Lösud-
g«D, die ein Gemiscli
von ^50 0 meta-
kreMdtinsaiiiem Na-
tron. 500() Wasser n.
250'U des zu unter-
sndiendea Kresols
enthielten)
1. VIrkvng stftiter
als Phenol ; •>. Wir-
kung schwacher als
Phenol
--.!
Baiaotteliampi
et Sngg*^
EtnwiricBBf I. anf Staphylo-
Strennng dick eoeeoa pjogmea albns; 2. Yi-
nnd dünn) j MoChoL; 3. Typknsbaeinai;
4. swei nicht|iiithofene Mi-
ki'ot)en
Lytol
Lytol
Lysol
Prüfung mittelst fiestreuens
(dicken nnd dünnra) von Cnl-
turcn aus 1. Staphylococtus
aureus, albus und Strepto-
coccus; Hac. pyocyaneua;
3.VibrioFinkler-Prior'- 4. Bac
Chotera asiat. ; 5 Bac. Typhi ;
(J. Hill :iiitlira( is ; 7. noch
mehrere iiichtpatbogene Bak-
terien
Einirirknnf^en ant spnrenfreies
^la'eriiil ; Stropto- ii Staphylo-
L-occen, Bacillen der Cholera,
Diptherie n. des frllnen Eiten
Einwirknng anf ad 1 Mikrohen
i]f!t Speichels; ad 2 Fleisch-
wa.<«sergemi9che ; ad 3 Harn
(ieuienge vorschictifiier Fer-
mente durch Druck der flüssigen
Kohlenaftnn bei der FiitraUon
dnrch PoneHanfllter
Einwirkung anf I. verschie-
dene Mikrooliganismen; 2. Mils-
brandaporea an Seidenfftden
Wirksam (stärkere
Ltanagen)
Dicke Bestreuung
tttdtete die Keine
ab bh anf ad 3
£rtblgeadl,3.6.7
8terilitilttad2,4.5
Wa* hsthumsver-
zugerangen
O.Boer')
0. Rosen-
tbal"«)
Blahm
AbtOdtongeo innn^ I Bmn eri e b and
halb 10—45 Min. [ Kronaeher*«)
TSdtoag dnrdi ad 1
von ad 1 in 2 Stun-
den; bei ad \i durch
ad 2 Bintanhaltong
jeder Zeraetzang ;
dies anch bei H
Ganz aOBserordent-
lich hohe bakterien»
tödtende Wirknag
Abtödtung inner-
balb .'i Min. ad 1 ;
in & Tagen ad 2
Trillat") ,
d ' A r s o n V a 1 ")
Hammer
I
Binwirknng auf 1. Milzbrand-
aperen an Fäden; 2. auf
Typbne- n. Oliolenidejectionen
in 5V«ig«r Löaang
1. Wirkung starker
als Phenol : *. Wir-
kung starker als
Creolin, dem Phenol
ungefähr gleich
Einwirkung anf I. Bac pjo- ad 1 in 60 Minuton
cyaucu.-^ in Bouilloncaltär ; I noch kein Erfolg;
9 miahrnnf?^i.f.ri.n an Banui- i ad 2 Abtödtung
nach 20 Tagen
Wirk8a.qi (stärkere
Lösungen)
Bemonchampe
etSngg**) I
I
V j a la v-> 141 ■»'.'»(■II
2» Milzbrand<por(>a :
wollenladen
Einwirkung auf 24 Standen
in BoniHon gewachsene Dipb-
tberii'-, Tyiiliiis-, < 'li'il'-'ia- und
M ilzbrandbakterien
Hanner*')
0. Beer*)
214
DBSmFBCTION.
LyMi in 1-, ^i- und
ö%iceQ Lösnagen
I
1^ (O-SV«!«* L«-
mag)
MalaobitgrOii
I
Mllir««idiBe
(«af seinen Srbnels»
punkt »Twärnites,
dann mit der halbeu
G^ichtsmenge vcr-
^Naphthol)
ia lVo%«r
LMang
Nioatil
(inO-S-l-^VtZu-
Mts D. in Dlnpin)
OrthoiilieMlSMlfo-
•iir«
_ _Art d«r PrttftiaK
Einwirknng auf faulende Blut-
gsrinsMl, auf Klampen an«
BpHliehBÜM und Liliatt von
Rindsmägen in Fialniss
BigeboiHdw PrOftang j
Autor
nf l. Staph3rlo>
ooccna nitrens; 2. Milxbrand-
Sporen
Einwirkiinp auf I>aui rfornien
von Spaltpilzen in c h o 1 1 e-
lins* Teraoclien
Kinwirkang auf U-i stunden
in Bonillon gewadisrae DipH-
therie-, Typhus-, Oholnra- and
Slil/.brandbakterien
Anweodaog in der cbirargi-
sdiM Fnxti
Unterbrechung der
Fiolnias nacb Ver-
lraf<fnigvSt«ad«D
ad I schnelle Ab- i
tödtung (niinnten- '
weise) ; ad '4 noch i
nicht in 3(1 Tagen *
Tftliige Tödtung
Keimtödtendes Mit-
tel . besonder» zur
Desinfection auf
Viehhöfen anwead- i
bar '
Stark wirksam be-
raita ia LUsiiag tob
1:40.000 !
Einwirkung 1. auf Sfaphylo-
coccen bei ü7" C. u. 15* C. ;
2. anf Xilabrandaponn bei
37» C.
Biawirkung auf 1. Botblanf-
badllen ; 2. Mihbrandaporan
Einwirkung auf 1. Bao. pyo*
cyaaens in Bonillonenltnr;
2. Hilzbrand-pon n an Baan-
woUeniuden
Maiaal*«)
Valpiaa*«)
Revter*^
ü. Boer*)
Sehr gnte Erfolge . Polaillon'*)
Dcsinlection ad 1
nach 10, resp.
50 Miiratea; ad 2
= 0 noch nach drei
Stunden
ad 1 EntwicUaogs-
benninnK bei Bidc*
terien 1 "
ad 2 nocit koiuu Ab*
tödtung bei 4'',o in
16 Tagen, Dämpfe
wirkungslos
ad 1 nach 60 Min,
nodk kein Brfblg;
ad 2 AbtMtattg
nacb 8 Tagen
Paae»)
Falkenberg*')
Hammer
Pftraphenolsalfo-
siure,
PtrakreMlauNI»'
alara
PtlMSl
Queoksilberoxy-
eyaild
Prüfungen an pathogenen
Mikroorganismen
Einwirkunp auf 1. Bac. pyi>-
cyaneus in Bouiltoucaltur ;
2. Milsbrandsporen an Baum»
woUenfadea
Kinwirkunp 1. auf Milzbrand-
Hporen an Fäden ; 2. auf Ty-
pbns- und Choleradejeclionen
in b%iger Lösnng
Kinwirkuiig auf '^4 Sniiidt n
in Bonillon Rfwacliscne IHph-
tberie-, Typhus-, Cholera- und
Milsbrandbakterien
Gänsliche Erfolg-
losigkeit
Weiler«^
Schwacher als Snl- | H
vdol und Solutol.
1. Wirkung schwä- 1 Remoiichamps
eher als Lysul und
{'iv-üliu ; '4. Phenol
dem Creulin über-
1<*een
Stark wirksam In-
r< it.s in Lösung yon
l:UtO»)0
et Sagg»»)
O. Boer'>
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DESINFECnON.
215
Deitoflelen«
I
Art d«r PrtAuc
Brgabniw der PröAiBK
1-
RMOroin in r/,ieer I
Lösung
SalioyUiure in
3° H 1° 00 Lösung
Biavirkiuig bei 37* C, | Naeli 1 Stand« = 0
SohwefeMüire'
Kraitl
8aliwefli|e Säire
F.inwirkunp 1 . anf Milzbrand-
sporen bei ;t4' C. ; 2- auf
Typhus- und Diphtherifba-
ctUea b«i 37' C; 3. »uf Sta-
phyloeoeeea Im! OT* n. 15* 0.
Einwirkung auf 1. Bac. pyo-
cyanean in Bouilloiirultur ;
2. Milsbnndsporen an Baum-
woUenfäden
' Stiytol (Concentra-
tion annähernd
5%ig)
! Solltoll in 10*/,igw
LöBung
Aehnlich dem SolvAol
Einwirkung auf Rlnfporinnsel,
Inhalt und Kpitheluias.se ans
RiadamlgeB io Finlniw
Aufhalt iinjrd. Fätil-
niss trat nicht ein
SoIVMl I Einwirkang muf 1. Bae. pyo-
ad I 03: 100: cyancns in Bouilloncultar ;
ad U 5" «ige Lösung , 2. Milsbrandspuren an Baum-
i wellAden
ESnwirlning in LSstmgen nnf
Stapliylocficcuscnltnren bei
37 ' C. durch mehrere Stunden
(T»g»)
I
Slllliaiat Einwirkung auf 1. Milsbrand-
Mn 1 :20.000 b und sporai bei 15« und 37« C:
: 1 : lOOD = LOmng 2. Staphytoeocom bei 15* C.
und 37* C.
Sulfocarbolsaures
Zlak in r^'^j^iger Lö-
Bong
Einwirkung auf Staphyto-
cocceu bei 37" C.
Tabak Rothlaufliacillcn. sporenhal-
• ( ( — Iii — 'd' J'^t- tice |i:ithiiL'i iif Uarillon, Sujirii-
Tabakbröhe Nähr- phyten in ihrem Wachüthnm
1 gelatiaen sngeietst) ' auf vertabakten Nihrböden
■ beobaohtet . Ttakterien der
Miinilhühb- «>benso
a-
Terpentin Einwirkung auf cbirurg. lu-
' stmmente eine Nackt bindareh
Antor
Pane«)
ad 1 nach G Tagen
noch = 0; ad 2 Ab-
tödtnng in 7 Min. ;
ad 3 Abtödtung in
7—80 Min.
aii 1 in Minuten
noch kein Erfolg;
ad 2 Abtödtnng in
weniger als 1 TaK
Pane**)
<jalirnng8 Verhinderung durch i 2ö Ccm. £ü, in Liter
versckiedea kohe Zoektie der ' BlerwUnw «ntwlek-
80, Inngsbemmend
Seifenlauge Einwirkung auf 1. Bac Cho- , Abtüdtnng kalt
(1—5 Th. Wasser) j lera; 2. Bac Typhi ; 3. Miia* i ad 1—3 in weniger
brand.sporeu ' als 12 ; wann (23°,
I resp. .-.O" C.)
' ad 1—3 in G, resp.
• 5 Standen
Ha mmer^')
Linossier^j
Mo n t »* t u s (■ II
und Caro^'j
ad 1 Abtadtaag '
nach 10 Minuten ;
ad 2 Abtödtung !
nadi 12 Tagen j
Hammer")
Haieel"*)
Hammer*')
l:1000tOd*
tete ätaphylococcne
in destillirtem Waa-
ser nach 20 Min. n.
in Bouillon naek
60 Hin. noeh alekt
in eämmtlichen Kei-
men ah
Abtödtung ad 1 in
180, resp. 40 Min.,
die stärkere Lö.sung
in 30ttnd:<;0 Min. :
AbtUdtang ad 2 m
180, reep. 40 Min.
Herabset /.ung der
Entwicklungsfähig-
keit nack 1 Stande
Zweifelhaft bakte-
rii'nabtiidtonde . Bi-
eber wacbsthnais-
hemmende Eigen*
acbaflen
ViVlligf Stprilisation
Abbott*')
Pane«*)
Pane>*)
Falkenberg •')
Schleppe-
grelP^)
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216
D£älKF£CTION.
DMfa11ef»iu
Tbiophendijodid
Art dar Prftfnnir
Einwirkung Lauf Bac. l^pbi,
Bac. antbracis, Tibrio Chol.,
Streptococcus pyogenes ;
2, Staphylococcus pyogen, an-
reus, l'yocyaneus (auch Mi-
krococcos prodigioaus)
Srgebnln dar Piftflny
Avtn
Stark entwicUangs»
hemmend auf alle
Artenadl; waoifer
auf die ad 2 und
iia1]('/.u iihue ent-
wickluugflhemmen-
dan Efnllaia naf 3
Spiegier''-)
ThyMOl in 2*/«,
LSmuig
Trioxynettylei
EinwirkoBg 1. aaf Htlsl»rand>
Sporen bei 35" : auf Sta-
pbylococcen bei ;-i7,re8p. 15" C.
(Aehnlich wie Formaldehyd
in allen Wirkuuj?en)
Brfolg ad 1 nach
7 Tagen noch = U;
ad Abtudtnng
nach HO Min. , reep.
12Ü Min.
Pane**)
Trillat«^
I
(f ) Zu s p f c i 0 1 1 e n K n t s e u c h u u /, w e k e n mid
irefrenflber T>e-
stimiittun I ii » e c t i o iiBcr rege r ii wurden lulgende Arbeiten unternouimen :
Es wandten sich Charrin and Netter**)^ sowie Pbodst^') bereits 1890 dem
Studium der MasHnahmen »rc^'^eti die rholern zu. Den Anlass zur Verftffentliehun^
beider Arbeiten pab d;i?* erste Auftreten der Cholera in dfr spanischen Provinz
Valencia; doch waren die französisohea Grenzen zu Antang des genannten Jahre«
gleiehieitig auch noch vom Rothen Meere und von Italien her bedroht. Da das Oros der
geplanten und der Krittle nnterzoi^nen Abwehrmassnahmen nothwendig In einen
anderen ZiHanimenban'r •rehftrt. so seien als .'^pcciflli* nesinffctionsvorscbblsre hier
nur erwähnt, dat>ti 1. au den (j renzorten, welchen DaniptdcsinteetioDsapparate nicht
zur Verfolgung standen, alle verdächtigen Effecten mit 1 : 1000 Sublimatlösungen
oder 50 : 1000 KupfersulfatMsungen behandelt wurden, dacs 2. tbeils diese letzteren,
theils schwflchere (12 : lOoO) Kii])fer8ulfatir)sungen auch zur Desinfection der
l'mKebunfri'n der Kranken und ihrer W-lsrhe . beziehiinprswcisc zur Hiinde- und
6e.sieht9reinigung \ «)r;re.se-hlagcn wurden. Filr die Behandlung der Kxcremeutu
erklllrte man ebenfulls die öO : 1000 KupfersnlfatKisiing als geeignetstes Desio-
fidens. Eine Ausbildung von Desinfeetoreu wurde angeregt. Die zahlenmliRsigea
Erfolge tlcr I)('>intV(Mi"n-.bf-jfrel)uniren h'ndt-ii in der zweitgrenaimten Arbeit nur
eine reeht liickenbatte iJar.stclluDg. — AU iu lierliu vou Ende August ldU2 zu-
gereiste Cholerakranke im Krankenhause Moabit untergebraeht wurden, liess man
Bunflchitt deren Dejeetionen in Steckbeeken mit Kalkmileb aufnehmen und sie
demnili-bst in den Aii-ifriissberken eine Stunde lau? in Herflhrun^ mit der Kalk-
mileb. Spiitor Jedooh liess der VerwaltuniTsdirecf^'r 11. Merkk'*i von der Dampf-
leitung ein Kupferrohr abzwei|;eu, dasselbe iu das Auägussbecken leiten und am
Boden desselben in zwei Spiralwindnngen hernroflibrea. Durch die auf diese Weise
— Sanoalu*') hatte einen weit primitiveren Apparat für die Abkochung der
Choleraexeremente in St. Petersburg in Forni des Kataraktwasehkessels zum Durch-
kochen unter Zu'^atz von Kalkmilch angegeben — zur Anwendung gelangeude
Hitze wurden die Excrcmcnte in 4 — 8 Hinnten zum Koehen gebracht. Der Oeruch
hierbei war sehr unangenehm, su lan^e die Kalkmilch das Gemenge bilden half;
er seliwanil iialie/n jranz. als Ltisunjr \nu Ko/ i jo rnin ;/(f. zugesetzt wurde.
Für einen etwaigen zukUultigen Bedarf sind alle für Cholerazwecke in Aussiebt
genommenen Hoabiter Baracken mit diesen Vorkehrungen zur Desinfeetion der
Exeremente armirt. Uass die KeimzerstArung in letzteren bereits naeh 1 — 2 Minuten
Kochen perfect ist. bezeugte P. Ci TT>r \\v.
Einen breiten llanin iniierlialb tler speeielleu De-tinfectionsbestrebungen
der jüngsten Zeit nehmen die gegen die 1 über ku lose iu Seene gesetzten Vor-
kehrungen ein. Die in unsauber gehaltenen Wohnungen von TnberknIOsen sieh vor-
(indeuden Bedenküehkeiten gaben OLLIVIER " ; N eranlassnng zu N'orsehlSgen, die auf
behördliche Warnung und Hinwirkang auf gründliche Wobnungsdesinfectton hinaus-
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DESINFECTION.
217
kommen. Starke Unterstützung findet dieser Kathscblaf: (und melirt'ach };eäU88erte
j^leicbsioni^e; io den Experimenten, welche (ähnlich wie seinerzeit C0RX£Tj an die
Let»en8zah^dt nnd Ortliehe Yerfbeilung der Taberkelkehne anknflpften. Stonb«')
Hess tuberkulöse Sputa drei Jahre lang austrockoen; sie hatten ihre Infections-
tücbtigkeit , wie Versuche an Kaninchen hewioHcn , noch nicht einL'cbdsst , ihr
charakteristisches Fftrbungsvermögen sogar ganz uugesohwAcht bewahrt. VVu die
Mittel der Fannlie dies gestattetea,! soUteii, so rtth Stone , Speibeoken ans
Papiwmatse henfltat and mit den Spalls verbraunt werden. Praussnitz
sieht — t nieiii nhnlichcn Gedankengange folgend — ein sehr praktisches FöU-
material für Schwindsuchtsspeibeeken in der Holzwolle (Packwolle). Vom Staub
befreit, richtig geformt, werde 8ie, nachdem sie die Sputummasse aufgenommen
hat, der Herdfeuemog ttberliefOTt. (WasserfUinDsr ist b vielra Punkten unpraktiseh
und naehth«'ilig . wie auch «'in Clntachten der Preasaischen Wissenschaftlicben
I)ci»iitatiou näher ausfflhrte. i Baki>*'' lies«» in der von ihm gcU'iteton Spital-
Abtheilung in Lyon die Sputumroasseu nicht gesondert von den SpuckuUpfen
desinfielren , wie die« in fhinsOsisehen Spitälern angeblich hfinfig bewerkstelligt
werden soll. Vielmehr wird der Auswurf wie die Näpfe in einen) mit kochendem
Wasner an}?efUllten Kisenblechkasten desinficirt. wozu er besondere Constructioneii,
Drabtgetiecbte etc. angegeben hat. Der Fu^sboden der Scbwindsuehts Kranken-säle
soll reichlieh nass gescheuert und hirran mittelst ParafBntrSnkung vorgerichtet
werden. Naeb Spbxolbr kommen bei Untersnehungen Aber Mittel zur Desinfection
tnberkuh'Ksen Auswurfes drei Factoren in Hetracht: der Conct nlrationsgrad , die
Menge tks .'innfcwandtcn De^inliciens und dir Art seiner Vertlailun^r — die /.eit-
liche Einwirkung des Mittels — , die Eutwicklungsforui , in welcher der Bacillus
abgetOdtet werden soll. Prflfongen, die demgremäss mit Aseptol, Creolin nnd Lysol
— vergleichsweise aueh noch mit Carbolshirr an Tuboikelbacilleu angestellt
wurden, lie>seii als eine chemische erfolgreich, das heisst vernichtend wirkende Ein-
wirkung die de.s Lyscds in lO^'.oiger Lösung uud bei 12stUndiger Zeitdauer erkennen.
Die Desiofeetion der Krankensimmer ist besonders naeh Erkrankungen an
Scharlaeh, Masern. D i ph th erie, Typhus dn sehwteriges Problem, und dies
um so mehr, als an Tapeten Keinigiingsvorgange oft grosse .'^chlidiLrnngen herbei-
führen, (lieber Brotabreibungen werden nlichstens grössere Erlahrungsreihen
publieirt werden.; Ks scheint deshalb die Empfehlung waschbarer Tapeten •'^), wie
sie in England, neuerdings aber aueh bei uns in Form der „Dentsehen Gesund-
heitstapete" gefertigt werden , wohlhcrechligt. Mit Oel iniprflgnirt gestattet das
geschmackvftll bedruckte Papier die Abwaschung mittelst Carbol- uud Subliniat-
lösungen, ohne ua i<'ri>chheit der Farben oder an Haltbarkeit zu verlieren. Aut-
geklebt ist die Tapete gernehloR, vorher hat sie einen linoleumähnliehen Oerneh.
Das Abreiben der Wände , r< spective deren Befreiung von Krankheit^-
keimen, mit denen sie naeh d»'n sfiebeii autL^ezilhlten Krankenkeimen insbesondere,
aber aueh nach anderen, behaftet sind, machte CuoNBRKG'^'j zum Gegenstande einer
eigenen Arbelt, welebe er im hy^enisehen Institute in Rostook zur Ansfährnng
braebte. Er maebt der ßsMABCH'schen Brotabreibungsmethode den spei iellen Vor-
wurf, dass das Brot leicht krümele und 'rheilchen desselben an der Wand zurtiek-
bleiben, dann .später trocknen, abtallen nnd zur N'erbreitnng V(»n Krankheitskeimen
den Anlaas geben können. Es wurden also mit anderweitigen Materialion, Schwamm,
ZundM*, Waschleder und Gummi Versuche angestellt. CrONBERG infieirte mittetet ver-
ddnnter Staphylococcenemulsion sowohl Tapeten-, als mit Leim- und Oelfarbc ge-
strichene Wünde und wartete /ur .Ansteüiinir der Versiiehe die völlige Eintrocknung der
Emulsion ab. Doch wurdeu Abreibungen bei völliger Trockenheit vermieden, weil
biwlMH leieht inffeirter Staub hätte aufgewirbelt werden kOnnen, der sieh nadiher
auf bereits desinficirte Stellen niederlä.s.st. Ein starkes Anfeuchten besdiftdigt
andererseits die meisten Tapeten und macht auch andersartigen Wandpntz
aoansehnlich. So wurde eine sehr mässige Befeuchtung nach dem Antrocknen der
Emulsionen wieder hergestellt und nun die Abrribnngen mit den vorher genannten
218
DESINFECnOK.
MateriMlien vorgenommen. Der Sebwamm war aoter dloBen swaifisnot da« wirk-
samste Abreibangsmittel. In allen 5 Fällen erwleieo aich die abgerieibeUD Tapeten
als völlif.' entseucht und steril. Da liei ölgc-striplMMicn und mit Leimfarbe angestrichenen
Wänden der Erfolg weit weniger Hicher erschien , räth Verf. hier zu neuem An-
strich, bei leimfarbegestricbeoeu Wftnden zuvörderst zur Deckung mit Kalkmilch.
Als Deeinfaetioiismittel , um Abfall Stoffe erfolgreieh n babandeln,
sind neuerlich wiederum Torfprflparate zur Anerkennung gelangt. Besonders lobfc
das Gutiif Ilten des OeslerreicbiHchen Obersten SanitiUsrathe'^ ''i sehr den Torfmull
und erörtert mit gruüser Gründlichkeit die Vorzüge dcHselbeu als ätreumittel uud
ClofletflUUongsxusats , In erster Reibe auf dem platten Lande. Sehr ansfahrlleh
bandelt Ober die fftulniAswidrigen Eigenschaften des Torfmull auch die (Marborger)
Dinsertation von Kaul Schködkh. '- j Hei Fleisebgemisclien in Filuluiss ist ganz
besoodcrs die desodurisirende Kraft sehr hoch zu veranschlagen. Wird Wasser
mit Torf gcHchttttelt . so vermindert siob die Ansahl der Bakterien im Wasser
nabezu um die Hälfte. Torfextraet behindert das Waebstbam de« Typhusbaeillns,
Choleravibrio und Staphjflocoeeus pyogtM» aureus; die letzteren beiden aneh in
Fäcaliengemiseben.
Eine unter Unü^tändeu sich als recht bedenklich erweisende Brutstätte
für Mikroorganinaen bildet seinen pbysikaliscben Rigenthttmliebkmten naeb bei
oberflficblieber Heinigang der Unternagelraum ('olturen, die aus dem hier
ausgekehrten Materi.Mle in 24 F'allen angelegt wurden, liessen — neben niebt patbo-
geoen Bakttiienartcu — titophylococcus ^yoytneii aurtfux, 6tt ejjtococcus pyoyenes
und, seltener, nocb einige Arten erkennen, mit weleben PftSiKDUSBitBOBB **) aneh
Tbierversuebe ^nsttilte. Kr prüfte dann die bis jetzt zur Hesinfection der Hände
vorgeschlagenen Mt-thoden F( lumixcKH. OKPrERT'.'^ Clilomn-tboden ete.lund möchte
der MlKi'Licz-lioij. iHcben Metbode am meisten das Wort reden. Sie besteht in den
einselaen Vorgängen, dass a) die Hände nach mccbaoiscber Kntfemiing des
niakroskopiaelien Schmntses drei Minnten lang mit wannwi Wasser und Kaliseife
abgebürstet. d:inn /// 30 Seeunden in 3»^ige Carbols-Iurelrtsung. r) 'M) Seennden
in 1 : 2000 Sultlimatliisuntr iretancbt. die l'ntemagelrUumt! und Nagelfalze mit
feuchter .loduformga/e (Betcuehtung mittelät5*'/oigerCarbülsiiure) uusgerieben werden.
Auf die Desinfeetion der Gboleraansleerungen dureb Kalkmilch kam
Pflhl*«) svrflck. naebdem Ejk.maxx gegen die Wirksamkeit dieses Verfahrens
geltend geniaebt hafte, daüH w<dil köustlieb gezüebtcte . niclil aber v<in Cholera-
kranken originaliter entleerte Cholerakeirae durch dasselbe ab^^jetödtct werdeu
kannten. Solche wftblte nun PFUHL so nenen Versneben ; er goss Kalkmileh dem
Danninhalte zu und mischte beides nicht, aladann war nach einer Stunde die Ab-
tödtung der ClKderaSacilleti nur tbeil weise gelungen. Wurde indess eine Ver-
mischung — ■ noch nicht einmal mit besonderer .Sdrgfalt — hergestellt, so waren
in weniger al^ einer Minute alle Keime abgetödtet.
e) Das flberwi^nde Gros praktiseher Neueinrichtungen von
Pesinfeetionsan stalten und neuer Anweisungen zum Desinfeotions-
V er fahren ist gegenüber der ("bolera in's Leben gerufen worden. Bereits
wurden die Darstellungen von Nkttkr und Cuakln wie auch von FhuUST**)
erwftbnt, denen sieh noeh folgende anreihen, in denen jedoeh die Desinfeetion nur
gelegentlich zur Erörterung gelangt. Dies ist der Fall in der Besprechung Arn'oi ld's,
betrefVeiid die sanil.'lren Institutionen im «»rient ''"'. die der-<ell)e durch einen
(^uarantaiue- und Desinfuctionsdieust an verschiedenen Punkten bei Öuez und im
Persischen Meerbusen vervollständigt wAnsebt. Von vorwiegend historisebem Interesse
sind die Desinfeetionen in der fUr die Mekkapilger errichteten Quavantainestatioa
El Tor. wie dieselbe von Kaki inski und Kauffman.n -) ges<'hildfrf wird.
Zur De-iinfeetion der Kleider und der initgetilbrten KlVe ten der IMlger wurde «-in
Ii Com. grosser Ofenraum benutzt, in wclcbein den zu dcsiuticircnden Gegenständen
ein Aufenthalt von — 25, eine Daropfeinwirkung aber von nicht Uber 8 Minnten
gewährt wurde.
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DB8INFECTI0K.
219
iUsLÄ Vert'atireu kuuute üoturt aU uawirkdaiu entlarvt virerdea, da Wachs,
Paraffin, Siegellaek kdne Spnr Ton Sefamoliung, eingelegte llUuctinaltiieniKNiieter sieht
eiomal eine Steigerung um Bruchtbeile von Graden, Culturen verschiedener Bakterien
«ich nicht im Gcrinjjsten becioHiis^t zeifjten. Die Menge der zu drsinticirt'nden
Gegenstiiude war viel zu groHs, auch wurden angeblich desinficirte nicht von den
noch zu desioficirenden gesondert. Auch die De-siufection der Schiffe, Zelte und
Latoinen muaste als eine mangelhafte hexeiehnet werden. Auf den Pilgeradiiffeii
fehlten Deainfeetionsvonrichtungen fast ganz, so dass demnach die Forderang
mehrerer grosser und praktieeber Desinfectionsöfen fllr £1 Tor sehr gereeht-
l'ertigt erscheint.)
Das ComkS eonaultatif d*hifgikne, welches am 5. September 1892 eine
wichtige Cholerasitzung hielt, prüfte zwar besonders die Angelegenheit der Gesttlld-
hcit*|).1sse und der Einfuhr chuleraverdächtiger Gegenstilnde und Waaren , ging
aber auch auf die Organisation des Desinfectionadienstes specieller ein. Desinfections-
apparate, theils feste, theils fahrbare, wurden an 8 (von den 28 GreoErevisions-
stationen) aufgestellt und den modernen AnfordemngMi gemäss aosgertlstet und
adjustirt. Endlich ver licnt Hcachtung, w.-h WOLTER speciell in Betrefl" der Ham-
burger Desinfectionseiurii htuugen publicirt hat. •''^) An 20 Stellen der Stadt, inmitten
der belebtesten Stadtthoile, waren solche AuHtalten (in Turnballen und abnlicbeu
GeMnliebk^ten) erriebtet, baoptsBehlieh aar Entsenebnng von Betten nnd Bffbeten.
K.« wurde strömender Wassirdampf benutzt; dtn Dienst besorgten Desiniectoren
unter ständiger /irztlichcr Autsidit: iciip Dosinffctionscolonue (aun Arbeitern be-
stehend) leiteten ein Pulizeibcamtcr und ein liUrgerdeputirter au. Üiem Colonneu
besorgten die Wofannngsdesinfeetion an Ort nnd Stelle, sowie die Abboinng der
Desinfect i o u h:( >h'\ ec t e .
Hei einem Vergleiche der vuu den Vereinigten Staaten und von Frankreich
zur Bekämpfung der contagiüsen Krankheiten angenommenen Massregeln (es
handelt sich hinsichtlich „Frankreiehs** fast ausschliesslich am Paris) hemiogelt
VaLOOüRT*») «s schwer, dass weder die Ameig^fliebt , no<A der Transport
ansteckender Kranker durch rechtsbest.lndigc ReRtimmongen geordnet, noeh eine
klare und vollständige DcHinfectionsorduung erlanseu, noch an das Bedflrfniss an aus-
reichenden und zuverliiäsigeu Anstalten gedacht worden sei. Auch die Wohnungs-
desinfeetion Hege noeh Tollstttttdig im Argen.
Sehr befriedigt Iftsst sich dem gegenflber Wawrinsky in Betreff der Stock-
holmer Uesinfpction '""i vernehmen. Im Epidemienkrankenhause hätten die Schwefel-
räucherungen (1) vortreftiicbe Dienste geleistet, auch in Privathäusern seien viele der-
artige Desinfeetionen mit Erfolg ansgeführt, seit 1888 in 986 Fillen. Allerdings zeigte
sieh nach 386 derartigen Entseuchungen bei Diphtherie die Krankheit 27mal,
nach 4 1 f) Scharlachentseucluingen da.^^ Scharlaclilieber OiiihI von Neuem; früher
jedoch a 1 1 e contagiösen Krankheiten , als noch gar nicht desinfieirt wurde,
riel häufiger.
Martin verlangt fUr die Regelong des Desinfeetloasverfabrens in Paris <i)
einen einheitlichen Desinfectionsdienst. Wenn (wie der Stand der Dinge noch
is'.'l war) neben l'rivatdesinfectionsanstalten und denen der einzelnen Kranken-
bäuaer noeh ein (»äentliches Desinfectionsinstitut, welches dem Polizeipräfecten, ein
anderes, welches dem Seineprlfeeten nnterstellt ist, existirt, so wird jede emsthafte
Ausführung der Dcsinfection verhindert. Dass die Privatanstalten, so wie er sie
\orfand. keine Sicherheit der Ent^eiichiiiig, wohl aber eine Propaganda der Weiter-
verbreitung von ansteckenden Krankheiten bilden, möchte Maktik verbürgen. Die
Wohnungsdesinfeetion erfolge dnreh ein Personal, welches gans ohne bindende
Anweisung arbeite nnd unter völlig unzureichenden Bedingungen. Man mnss, so
f(»lgcrt er, mindestens verlan.iren. dass die Beschäftigung mit Desinfeetionen unter
die der polizeiliehen Aufsicht iinterlieui nden (lewerbe gerechnet, dass ebenso der
Verkauf der verseuchten Effecten obrigkeitlich beaufsichtigt werde. Die Dcsinfection
solcher mttsse obligatorisch, der Modus jeder Desinfeetion dnreb wissensebaftlieb
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220
DESINFECTION.
geprüfte DesiulectioDSOrdoungen festgestellt sein. (Hier wird /um \ ergleiciie mehr-
faeh die Regelung dieser Dinge, wie ine in Berlin bevirlct ist, besonders aneli die
neuesten Uebereinkflnfte dee Poliiei|irJl8tdinni8 und de> MagistrateSf die ans-
schliesslichc Wirksamkeit angestellter, »peciell ausgebildeter DesinfectortMi ■^e'ü dem
1. August 18U0 nud Äehnlicbes einer sehr anerkeanendea Hetracbtung uuter/.ogeo.)
Far Verona bat im behördlichen Auftrag Anfang 1891 Natali ' „Allge-
meine Bestimmungen Ober DesinftetiiOD bei aneteekendeo Krankheiten** verfasst.
welebe auf einem tflcbtigcn Studium beispielgebender Verginge fussen Die
einzelnen Bestimnnintrt'n regeln das Verfahren mit Personen, Mflbeln , Kleidern,
WitsebestUüken, S])eiäereüteu, Fäcaliea uud auch mit i,.eicheu in durchaus zweck -
entspreebendw Weise.
>^nii.stifre dureligenrbeitete und ausführliche Deäinfeetionsverordn UQgen
sind ebenfalls niii specicileni Fieziig auf die Cboh-ra «Tlassen '"'^ Sie betrugen im
Deutschen Reiebe ;> , in Preusseu ö , für SachHen 2 , für Württemberg ti , für
Bayern .'i, Ar Hessen, die bnden Meeklenburgs je 3, Brannseliweig 2, die kleineren
Bundesländer, einzelne Regiemngsbeiirke meistens l — Hamburg entfaltete mit 6.
Russland mit 4 Desinfectionsan Weisungen eine bi snndere Th/lti^keit. Wie ihre
Wiedergabe an sieb unthuulieb ist, !<cheint es andererseits auch zweck m;1ssiger.
an dieser Stelle selbst von einer kritischen Uebersicht und Vergleichuug jener
Verordnungen absuseben. Insgesammt bringen die „Veröffentlichungen dee kaiserl.
Gesundheitsamtes" ihrer nieht weniger als 127.
Literatur: 'l Bi hring, Die Suliliiiuidr.ict' und Hirr Geppert. Deutsclie mt 1.
Wocheuschr. 1891, Nr. 29, 3U. — J. G epper t , Dii' Wirkimg des S>nbliinatps anf Milz-
brandRporen. Ebenda. Nr. :i7. — Behring. Uelior Dcsinfectiun, DwiDfectionsmittel und
Dr'sinri'r tixnsnietlindeii. Aus dem hygienischen Institute der Universität zu Berlin. Zaitscbr. f.
liy^. IX, llt'lt 8. — *) Ahe Ions, Actio» ttr» antiifplitfirrs .•mr h j\ime»t meeharafiant tht
paniri'iia. Semaine med. 1891, Nr. 15. ) 0. Buer, I el> r die Leisliingsfähigkeit mehrerer
chemischer Desinfectionsinittel bei einigen ftir den Meuscbeu pathogenen Bakterien. Zeitscbr.
f. Byg. IX, pa(7. 479 <r. — *) Hefder, Die Wirinaaik«it von Deslnfeettonsrolttela bei höherer
Tempsratar. Centrall)!. r. Hakt. IX, Nr. 7. — "') Bernheim, r.lier Dessfnfeclionsjremisrhe.
Dentsehe med. Wochen.silir. Ib91, Nr. 8— 9. — ') E.Cr am er. Die Ursache der Hesisteoz
lier Siiuren gegen trockene Hitze. Ans dem hygienischen In.^ititute in Marbarg. Areh. f. Hyg.
XIII, Heft I, pag. 7i. — Spilker «ad Gottstein» Qeber die YemichtiiDg von Milcro-
Organismen durch die Indnction.selektricitlt. Centralbl. f. Bakt. X, Heft;-), 4. — '*) Frosch
und CInrenhaeh, üeher «las Verhalt.-n des Wa.'^serilainpfe.s im Dcsinfei tioii^apparnte. Zeir^-rhr.
f. Hyg . IX, Heft 1. — ") U Miiacke. Ein neuer Apparat %uni Steriiisiren mit strumendeiu
Wanerdampf bei geringem üeberdrack und anhaltender Tenperatnr von 101 — lU'.^^ im Inneren
des Arlieit.'^raume^ mit Vnrrii htnng zum Trocknen der sterilisirten Gegenstande. CentralM. f
Bakt. VIII. N"r.':;;0. — "l V. Rnd<ie, Versuche iilter die Bedeutung der Spunnnnps- und Sti-ömiiii>r--
geschwindigkeit des Dample«; bei De.xinfection im i'ampfapparate. Uge-kr. t. Laeper. XXV.
Nr. ^iäff. — ''V Dnncher, Bampfkochvereuche mit dem Bobrbeck'schen Desiotector auf dem
Berliner Centnl-^chlaehthofe. Zeit«ehr. f. Fleiiteh- n. Milch-Byg. Jahrg. II, Heft Sj. — Der-
selbe, Die physikalische PrtiflUl^' der DesiiifectiDii mit Wa.'^s,.n!anipt. Deutsche med. Ztg.
1892. Nr. 85 — 91. — "*) Matth es, l>ie Iiurchlührung der Desinleclion lioi Intectionskrink«
heit«-n in liLndHehen Kreisen. Zritschr. f. 3Iedic!oaII>eamte. Nr. 19. — Monographie
ät>er HennehergV KaiUII-l}e8iofcctor. IH^y^. — Hehler, Ein neaer Sierilisationsapparat.
München'T meil. Worhen.schr. 1891. Nr. 18. — "0 DcsinfectituLsapparat von A. Seakingin Uilde.e-
heim. «je.Hunillieits Ineenieur. IhOl, Nr. 1-4. - " ) S . Ii a Cte r n. W a 1 1- k r , Diiri hdainplunps- eir.
Einrichtnngen. — '')A. Lübbert, Der traospoi table liampl'erzeuger von W. Rothe «V Co. iu
Güsten. Fortsebr. d. Med. X, Kr. 6. — '") Merke, Ein billiger und einfacher Dampf«teri1liator.
Berliner klin. Wocliensclir X'^'XZ, 'Sr. 'M. ' ) Gutachten de.s k k Ol er-ten .'•anitatsrathes über
die Wirkung und .\ iiweiidlp irk- it neuerer Üesinfeclionsmittel, (»t-sterr. t^auitatswesen. Jahrg. IV.
Beilage zu Nr. — •' ) Masi hek. Beiträge »nr Theorie der Deeinfection. Ref. i. Centralbl.
f. Bakt. XI, Nr. jjö. — A. ü. Abbutt. (.'orronve snblimate aa « timn/ectant against the
.Htaphi/ltH'occHfi pifOfteiiPH attreutt. The Johns Hopkins Hospital Bnlletin. 1891, Nr. 12. —
••') It '■ um II cha III ps t-t .-^ u cir , L'aeide phdiuque, f" rr>'i>!ait , t h /i/sol; etude coutfiaratiic
tie leur uction aar (iitt r^ luicrooryauitme«. Wonvement liy^ienuiue. K'^ÜO. — '"') A. d .^rson-
val, Anwendmg UfisBiger Koblenratir« zor raechen l'iltrirung nnd Sterili.^irung orgattiacher
Flüssigkeiten. Compt. rend. CXII. •*) Linos.<*ier, Action <lv t'ariile xnl/uretute ttur qurl-
que« chntHpiiiuoiis ii'J>'i irins ii ni jKtrtirulief fitr les leriiffs nlcoholiifin'i. Ann. de Tinütitut
Pastenr. 1891. Nr. — ') J'ane. SulU eondisione che ino-lilunii-i il pot>i> nntistttiru dl
aicune w»ta»zt. Ann. dell'istit. d'igiene »periment. dell' uoivers. di Roma. 1890. II. —
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)Utnitairt9 en Orient. Revue d'byg. 189;^, Nr. 1. — J ustyn Karliuski, Qaarantaine-
Rtndien. Wiener med. Wochenschr. Is91. Nr. .50. 'il, 52 nnd ]«92, Nr. 1. 2. — *^ Paul
Jvanfmanii. Dir (^uaraiitaiiirs; ii juu KI T.ir. Berlin |S!).'. — ■'') F.Wolter. Zur ( 'holeia-
epidemie iu Hamburg. Berliner klin. Wochen-Hchr. 189;iJ, Nr. 36. — *') M. de Valcourt,
J/MNrM mnitairt» adojUrent anr hUitlS'Vni» et en Fra»ct ftour combattre Ui propiiffation
ih" mafadieM roiittiqifiisf'M. Rev. d'hyg 1890. Nr. II. (Dasselbe. Seniaine med. 1890. Nr. 46 ) —
) II. Wawrinsky, fhii desinjWlion i'ftn- xmittij.^<ininia .tjitkilouiar. Au« der Hygiea rel".
in Hyg. Rundschau. 1891, pag. 354. — ') A. .1. Martin, Lex nenir-s de düinfeclion ü
Faris. Bev. d'byg. 1891. Nr. ti. — Natal i, Sorme generali per le desiufeziom mite
malettie tHfeUhe. Verona. Härs 1891 (Ref. in Hyg. Bnadaehaa. 1891. peg. t}89). — *') Ver-
Offentlicbongen des kaiaerl. Oasnndbeitsamtea. Jahig. XYI, pag. 9, lü. Wem ich.
Desinfbetioiismlttel b« choien, i48ir., p«?. leo, 216, 318.
Diftt. F. HIB8CBFBLD bat dureh Vemiohe naehi^wieseD, dMs eine ver-
minderte Ern.1hrungr die Herzarbeit erleichtert, dass. je liäiifigcr unrl je grö.sser
die Mablzcitt'ii, desto jrrftssere Ansprflehe an die Leist uugsfiihi^keit des Herzens
j^^estelU werdeu, uud zeigt uuu, da8.s eine Verminderuug der ErnilhruDg
bei Herskranken die Diärese steigert. Daraaf bernbe die Wirksamkeit der
KARKLL'schen Milehdlfft bei Oedemen, denn bei Verabreichung^ von Supi)c'. Schab-
rieiscli und Eiern trat dieselbe Wirkunjf ein. wie auf einen haUnn Liter Milch
jiro die. Auch die Erfolge der OEBTELsehen Methode der xuriuiaderten FlUssig-
keitssuftihr seien der verminderten Nahningsaufnahme znxmoliniben. HiRSCHFBhD
gelangt bei seinen Untersuebnngeu zu folgenden Sehlnsesitien :
1, Eine Vermindernn? der Ernährung verringert die Herzarbeit nnd
kann dadurch in Fällen von Conipensations.stftrungeii j^e.steigerte Diurese liervor-
rnfen. Beschrfinkung der Elüssigkeitszut'uhr bewirkt mciät nur eine Verringerung
der ürinansseheidung. Bei sehweren KreislanfttOrangen ist eine derartige Ver-
minderung der Wasseraafnahme, ohne das8 gldehaeitig die NabrungssnAihr herab-
gesetzt wird, überhaupt nielit durchnihrbar.
2. 1d Folge reichlicher Eruährung bei ungealigender Muskelthätigkcit wird
bänfig im Organlsmns eine ttberreiehe Menge BInt angeltinft, welche sich besonders
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DIAT.
in den (iefügsen des Kopfes und Kumpfes ansammelt und auch zur HeravergrOuernDg
Anlass j!:t"'H'ii kann. Die Tlierapie der hieraus ontspringonden Beschwerden muss
Hich daher in erster Linie auf Beseitigung der reichliehen Blutmenge, in zweiter
auf die Empfehlung mässiger Muskelthätigkeit richten.
Besflgfieh der diltetimhen Behandlang der Magenkrankheiten stelU
HiRTZKA folgende fünf Kostorduun^cn auf:
1. Keine MilehdiSt, 1'^, — I>iter Milch des Tagres. Wasser/.wieback oder
englische takes. Ala Ersatzmittel der Milch empfiehlt sich Mischung dersellten mit
Kalkwaaser, Thee, die sterilisirte, eoudensirte Miteh oder Bnttermileh, Magermilch ;
au<dl Knmys und Kefir, aber nieht bei Ulenskranken.
2. Milfli. Bouillon, rohe und g'anz weiche EitT und ebenso Riweiss. das-
selbe auch fein geschlagen oder fein gequirlt, Wasserzwieback uud englische
Cakee; Beefsteak , Filetfleisch, wird in Worfeln geschnitten, in eine breithaUige
Flasehe gethan, etwas Salz und zwei EssIOflU Wasaer hinsngdUgtf die Flaeohe
dicht verschlossen mid im Wasser durch 2 — 3 Stunden jsrekocht , der Saft wird
dann ab^eprossen iiml in Kuuillon verabreicht. I>ie LRUBF.-KoSENTHAl/sche Solution
ist ebenfalls sehr nahrhaft ; sie wird aus fettl'rcicm . fein zerhacktem Rindtleisch,
das im PAPiN'sohen Topfe naeh ZnuitE von Aeid. hydroehtor. 24—86 Stunden
gekocht hat, hergestellt. Von bedeutendem Nnhrwerthe sind auch die Pepton-
prAparate , weldie. vorflber<reheii(l u'<'braiirlit . das Fleischeiweiss völlip- ersetzen,
dasselbe gilt von den Hemialbuminuseu. Kmptehlenswurth i^t der Zusatz von Gelee,
Aspik, Gallerten, die ans leimgebenden Substansen, Kallmkopf, Kalbs- nnd
Sehweinsfdssen, Ochsenmaul und Schwanz gewonnen werden.
3. Bfniillon. dflnnfllissifrr Tapiocasuppe, gekoehte.s Kalbsbriesel (Thymus-
drüse^, gekochte Taube und junges Huhn, Milehbrei aus Tapioca oder ^^iit
gekochten Kartoffeln, Kartoffelpun e ohne Fettzusatz, mit Bouillon oder Wasser zur
Pnrtoeonsistenz versetzt.
4. Thea rein oder mit Zusatz von wenig Milch, geschabter Schinken,
roh oder gekocht, Sehnen werden sorgfAltig aus^'eschicden, auch darf der Schinken
nicht zu trocken, nicht stark gesalzen oder ^cewUrzt sein, am besten eignen sich
Prager Schinken ; gesehabtes Lendenfleiseh ^Fiiet), auch solches fein gehaekt nnd
roh, Keetsteak (abgelegen* in Bouillon<alt nnd frisehester Butter leicht ; englisch i
gebraten. Kartoflelpun-e mit Wasser oder Mileli zul»erfit<'t . fein gebaekter und
durchsiebter Spinat, naturell zubereitet und genau so behandelter uud bereiteter
Hiliptdsalat (Kochsalat), Zwiebaek oder geröstete Senimelsohnitten , ebensolehes
Weissbrod oder altbackenes Weissbrod, wodurch das Amylnm aveb im Brodinnem
in Dextrin verwandelt wird, oder nur Brotrinde, natürliche Säuerlinge wie Oless*
bübler, Krondorfer, Biliner. Horszi k. Selters.
5. Fische : Hecht. Schill, kleine Forellen, blau gesotten Kind : Beefsteak,
Filet, Roastbeef, mehr englisch ; Huhn nnd Taube gebraten ; zartes, junges Wild :
Piebhuhn. Keh.steak, Krhfilet oder Rücken: dann Kalbssteak oder Rücken. Nieren-
braten mit Aiissclilu-s der Xieren und Haut; von riemCisen Reisbrei, Carottenp«r»'e,
Spargel, amerikanische birneu, Aupfel gedunstet oder als Mus, auch ganz leichte
Mehlspeisen : Maecaroni, Biscnitstange, Bisenittorte, Reis- nnd Grieskoeh, eventuell
mit Apfelsincnsaft.
Tc^'t-r dir Aiiwenihin^r der Masteuren I.»ei ehronisi-hon Hrkrankiin^rfn
der weiblichen >e.\ualorgane berichtet Akkxdt ausführlich, üerselbe hat dabei die
Methode Weir Mitchkll's und Playfair's einer Modification unterzogen. So hat
er auf die Entfernung aus der gewohnten Umgebung nnd auf UeWflIhrnng in
eine Anstalt nur dann Werth gelegt, wenn der nervOse Zustand iregenOber dem
Genitalleiden iranz besonders in den VordcriLTund trat. Wenn Ahknkt die Masteiir
in der Wohnung der l'atienten vornehmen iiess, so verlangte er helles, geräumiges,
leioht zu loftendes Zimmer. Die Wilrterin muss flink und freundlieh sein, sie muss
massiren und elektrisircn können uml bei steter Liebenswtlr^gkflil ein bestimmtes
Aaftreten haben. Di« Absonderung der Patienten ist, wenn sogenannte schwere
DIÄT.
223
Hysterie voriianden ist, fftr die erste Zeit streng durehcufttbren, der Resuch von
Freunden und Verwandten ist erst zu prestatten , wenn das Kraft}?t'f(lbl sich ein
stellt, das Allgemeinlicfimlen sich gebessert und die Esslust anhaltend rv^c
geworden ist. Abexdt hat die Patienten selten länger als 3 — 4 Wocliou iui Betto
gelasBen. Die Besseniiig des gynlkologisehen Orondieidens und die Znnebme des
Körpergewidites diente hier als Richtschnur. Stundenlanges Liegen auf der
riiaisel'<ngtie und Bettruhe w.Hhrcnd mehrerer Sfiiiideii des Tages ist anfangs
unerlääslich. Die Massage wird anfangs zwei-, später dreimal des Tages augewandt,
in der ersten Zeit leicht und nur eine Viertästnnde Isng, ailmälig steigt man
mit der Kraft und Zeitdauer. Nicht in allen Fällen ist die Massage nothwendig,
ja zuweilen ist sie, so lici hypcrilsthetisehen und hyperalgischen Kranken, unmftg-
lich , aufh die Eloktrieität wird von manchen byperästbetischcn Individuen nicht
vertragen. Die Torschriftsmässige Durchführung der Milchdiät macht anfangs
ansserordentiiebe Sehwicrigknten, wenn Patientin der festen Ueberaeugung ist, ihr
Magen vertrage keine Milch; indes« gelingt es, fast jede Kranke daran zu
gewrihnen. Eine Vorbereitungsi-ur ist nicht nf^thwendig, man steigt wäbrond der
Cur selbst mit dem (Quantum der Milch, der mau Caeau, leichten Thee, Racahout etc.
susetsen kann ; das Quantum Hileh , das jede Patientin binnen 34 Stunden au
sich nehmen soll, betrügt 2 — 3 liter. Die gewöhnlichen Mahlzeiten, Frahstttck,
Mittag und Abendbrot werden regelmässig eingehalten, mit dem Wachsen des
Appetites werden die einzelnen Fortionen vergrössert; fast Alle gewöhnen sich au
das Vieleaaen, und treten einmal MagenstOrnngen auf, so laast man 1 — 2 Tage nur
MilehffiJlt gebrauchen und der kleine Zwisohenfalt ist erledigt. lu mancheu Fällen
wirken nasse Einwieklnngen und kalte Abreibungen günstig, docb wo Anämie
vorhanden, ist jede Hydrotherapie c<»ntraindicirt. Die Anwenduug der Arzneimittel
ist nicht immer zu umgeheu. Schlafmittel sind selten nötbig; als gutes schlaf-
bringendes Mittel dient oft ein starkes, sogenanntes echtes Bier. Ein Bemhigungs^
mittel bei nächtlicher l'nruhc ist der kalte Umschlag, Abfflhrmittcd braucht man
nicht, der .Stuhlgang regttlirt sich meist von selbst, im Gegenfalle ist Massage
der Därme gUustig.
Arxndt hat die Hastenr bei 22 Patientinnen angewendet und dabei
folgende Beobacbtnngen geni.icbt: Ist es möglich, die Massage vorsehriftsmässig
anzuwenden, S"» ist bereits nach einigen Tagen eine bedeiiteiule ZiiriHbiiie des
Appetites bemerkbar, die Stimmung wird eiue bessere, die UarüUienge bedeu-
tend vermehrt und die anfangs bestehenden hysterischen Symptome schwinden.
Nach einer Woche bat die Patientin gewöhn lieh einige Pfunde an Gewicht
zugenommen. Wurde naeh circa 14 Tagen der Fettansatz bedeutend, dann wurde
anch d;is genommene Milehqiiantuni auf die Hillt'te oder Zweidrittel rediieirt und
fortan die Milch abgerahmt gereicht, dann ein- bis zweimal des Tages bis zu
einer halben Stunde sehwedische Heilgymnastik angenwandt. Wenn der Fettansats
nicht bedeutend ist, Allt diese Veränderung in der Diät fort. Wenn die Abmagerung
eine bedeutende, so ist es vortheilhaft . die Patientiu reeht lange im Hette zu
halten. Was als Wirkung der Mastcur besonders in die Augen liillt, ist das
Kriftigerwerden der Musenlatur des ganzen Skelettes. Dass die Blntmenge qualitativ
und (|uaiitit,itiv verbessert sei, zeigt die Rötbe der sichtbaren Seblelmbänte , der
Puls wird vi'Ihr. kr.-iftiger: die Menstruation zeipt sieb bei Individuen, die oft
lange Zeit amenorrhoisch waren. Mit der Hesserung oder dem Schwinden der Blut-
armuth geben auch die nervösen Symptome von Neurasthenie und Hysterie zurück.
Damit hat sich bei manehen Patientinnen wieder normale Libido texualit ein-
gefunden. Ferner werden während und kurze Zeit nach der Mastenr in fast allen
Füllen die Meiistruationsintervallo vergrössert; sie werden besonders lang, wenn
die Patieutiu autiallend au Kürpergewicht zugenommen hat. Die Abschwelluug des
Uterus bei ehronisoher Metritis beträgt oft 2— 3 Cm. in vier Wochen. Diesem
•Mit^])richt auch die Abnahme der Uterussecretion. Eine weitere gtlnstige Einwirkung
der Mastenr Ist das Schwinden der Dysmenorrhoe. Die auoMrordentliehe, resorptions-
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224
DIÄT. — DIAPHTERIN.
befördernde Kraft der Mastcur. unterstfitzt von Masnage und vorsichtiger Anwendung
des faradiscben Strome, giebt sieb durub Abnahme von parametritischen und peri-
mvtritisebeii Exsndaton kond. In Finen von RetrofUado uteri ßxtU. , aowto bei
Tabensacken brachte die Mastcur wesentliche sytnptoauitische Erleichterung. Ein
gflnstigeg Resultat lieferten ferner die sehwercn I'oniien von nieiclisiioht. die eich
im Aoschlass an die Entwicklung und an das Wucboubett herausbilden, feroer
Ewei Ftlle von Wandernfere.
Literatur: Zur diätetischen ß«handlang der Herzkrankheiten. Von J>r. F. Hirse Il-
feld. Berliner klin. Wochen-schr. 189'^, Nr. 35. — Oiediätetiticke fiebandlang derHa^enkrank-
beiten. Von Dr. Emerich Hertzka. Wiener med. Presse. \S94. Nr. 25— 29. — Uftber Maatearen
nnd ihre .\nwendung bei rhronisclieii Krauklieiien ■U r wi ililii hen Sexnalorgane. Von Dr. Arendt
(Vortrag aaf der M. Maturfoncherversammlungj. Ttaerap. Monateh. 1892, Nr. l. Kiioh.
Diapllterin, Oxychinaseptol, eine VorbiDdung von 1 Hol. Uxychioolin
mit 1 Hol. phenolsulfonsaurem Oxychinolin, wnrds von Emmerich') auf seine
bükterientödtende Wirkung untersucht und von KboNACTBB*) fflr die obirorgisehe
Praxis als Antiseptieum empfohlen.
Da-s Diaphtciin bildet in rtMnem Zustande, ans Waaser krj'ftallisiri , durchsichtige,
bernsteingHlbe , sechseckige .Säulen des hexae;onalen Systems, die bei sö" C. schmelzen nnd
gepulvert sich in gleichen Theilen Wasser lösen. Die Verbindung ist bei lOU** C. best&ndig,
-weit Aber 200* C. tritt Abspaltung von Phenol und OxychiBolin ein. INe wKsseriK« LQsug
Riebt mit Eisenchlorid eine blauf^riine FärbnuR, welche auf Ztisttz von j^alzsanrc in Gelb
um.Hchlagt. Nach Znnatz von Natriumcarbonat im UeberHchass scheidet nich ü\yohinulin an«,
während Phenol in Losun;; bleibt. Das Diuphterin ist auch in Terdünnteni Alkohol Ifislioh, ia
•bcoluten Alkohol nnr in der Wirme leicht, so dass es sich h^im Erkalten sum grtssten
Thsibi «ifldsr abecheidet.
IMe bakteriologiBcbeo Ventiobe Escmbsich's ergaben , dam sehon eine
0"3"/oige Lösung von Oxycbinaiepfcol genfigt, um den Stap/t i/loroccus pyotj. aur,
in ' 1 Stunde zu vernichten . sojar 0*L'" ßige Iv<'isunfren tiklteten Staphylococcen
in 1 Stunde; demgemilKS kann es iu Bezug auf bakteriuuvernichtende Kraft den
am stärksten wirkenden Aotiseptieis, wie Pbenol, Ly»ol, Krekel ete., an die Seite
ge.'ftellt werden, tibertrifft sogar manche derselben. Uebwdies ist das Diapbterin
ein relativ uTi triftiger KOrper, Meerschweinchen ertrugen die siihcutane Injection
von 5 Ccu). einer 5'\,igen Lösung, und 2 (?rm. Diapbterin in 4 Ccm. Wasser
gelöst in den Magen gebracht, ohne merkbare Störung.
Rrokacrkb, der das Hittel in der ebirurgisebeo Praxis bei Geeebwflren
aller Art, bei Verbrennungen, Phlegmonen, Auskratzungen u. 8. w. versuchte, bllt
die IL-Judlialiiiiig des in Wasser vollkoninien klar löslichen Mittels für eine bequeme.
Nicht vernickelte Instrumente laufen durch Berührung mit Diaphtenn schwarz au,
so dass sieb zur DesiofeeUon der Instrumente wie bisher Carbolsinro empfidiit.
Die Süssere Ilautbedeckung wird nur wenig entfärbt, nur die Nägel der Hände
fSrben sieh sehwaeh frelblicb : dcrartiire Nicdt'r-<i'h!;iiri' lassen sieh jedoch mit
Wasser leicht abwaschen ; nach vorherigem Gebrauche von Sublimat sind die
Niederschläge intensiver. Das Hittel wurde in ' — 2*^ gigen wässerigen Lösungen
angewendet; zur Wundbehandlung empfiehlt sich zumeist die GoneentrafioB von
' j — 1" ,,. Dabei verhalten sieh die Wunden und ihre rmgebung reizlos, nur in
wenigen l'iillni klagten Patienten im ersten Moment ilber geringes, sehr bald
versehwindeudes Brennen, die Wuudtiiichen reinigen sieh rasch , (iranulatiuu und
ITeberbftalung folgen bald.
Bei Ohren- nnd N asen a f fe c t i o n e n wurle das Diapbterin von
lii'iiUKK '\ und zw.ir bei ehronisclien Otorrlioen fiitiiien Charakters, bei eiterigen
raukenhöhlenenUcUnduiigen , bei Uzaeneu versueht. In den Gehörgang wurden
Losungen von 0'5— l 'V«, in die Nase schwächere von 0*1 — 0'*2<* , injicirt, in
Paukenhöhl«; und Nase wurde das Hittel auch in Tul verform ohne Beimengung
insiiftlirt. Die liesultate waren namentlich bei fi'itiden Formen sehr gute. In der
zahniirztlichen l'ra.\is wendete Hamkchkr' ' .'^'^ige Lösungen /ur Ausspülung
nach Zahnextractionen bei Alveolarpyorrhoe mit gutem Krfolge au.
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BIAPHTERIN. — DIOSCOREA.
225
Innerlich wurde das Mittel von Dr. Okfele bei Gelenkrheumatismus
der Kinder von guter Wirlcuog befunden. Tagesdosen Uber 0*5 Grm. erzeugten
OhramoBen. Eb wurde in folgender Fomel Teimbnidit: IHapktermiO'6y Spirtt,
vini, Cognac, Äq. napk., Syr. »mpl, SS 20*0. HD8. Sttflndlieh 1 EnUIfliel
zu ndimen.
Literatur: ') K, Emmsrich, Oijchuiueptol oder Diapbterin, »in neaes Anti-
septicum. MSuebaoer m«d. Woelienaehr. 1882. — *) Kronaeliar, Du Oxyebtnaasptol in der
cUrargischen Praxis. Ibidem — Rohrer, Diaphterin, Correspondenzbl. f. Schweiz. Aerzte.
1892, Nr. 22. — ^) H a m e c h e r , Diaphterin in der zahnärztlichen Praxis. Deutsche Med.»
Z<^itg. 1892, pag. 1072. — ') Dr. Oefele, firiellielM MittheOmig M E. Merek. Herckfa Berieht
über das Jfthr 1892. Danutadt 1893. Loabieoh.
DiMCOfSS. In venohiedenen tropischen Ländern werden verschiedene
D i s o r e a a r t e n wcp^en des grossen GrlmUi"^ (16 — 23 Percent) ihrer unterirdischen
Knollen an äut2mehl als Nahrungspflanzen cultivirt. So die als Yamswurzel bekannte
Dioacorea alata L. {Üb tum alatum Des f.), deren Knollen ein Gewicht von
15 — SO Kgmi. eireiehen, anf den Holnkken nnd in Ostindien, Dioseorea
glabra Roxh. (D.Batatas Decaisne) in China, Dioacorea cinna-
momifolta Hook, in Brasilien, I). hiilh ifera L. in Neu-Caledonlen und auf
den Antillen u. a. unter dem Kamen Igname bekannte Arten. Von der letzt-
genannten Speoies sind in den weatafrikaaisdien firaniQsiseben Golonien dieLnft-
xwiebeln, welche gich daran in grosser Zahl entwickeln , als giftig verrufen. Sie
sollen namentlich Vergiftungen bei Weidethieren hervorrufen und bei ihrer reichlichen
Entwicklung an Weideplätzen für die Viehzucht geradezu ein bedeutendes Hemmnins
sein. Anf den Antillen betraehtot man dagegen auch die Lnllswiebeln nidit für giftig
und auch in Nenealedonien ieat man afo^ jedoeli erst nadk gehörigem Answaachen.
Nach T'ntersuchungen von Heckel und Sciilagdenhaufken ') enthalten sie ein in
Wasser und Alkohol losliches, stark bitter schmeckendes Glykosid, das bei Fröschen
Lähmung und Tod hervorbringt. Zwei- bis dreistündiges Eintauchen der in Scheiben
geaehnittenen Knollen geaflgt indeas nr völligen ESntgiftnng. In den nnterirdiaehen
Yamsknollen ist das giftige Glykosid nieht TÜ^ia&den. Nach Wray und Holmes')
dit-nt der Saft der Knollen von Dioscorea htmuta Iii. als Zusatz zu dem
Ipoh- PI eilgifte der Eingeborenen von Perak, dessen Hauptingrediens der Saft von
Antiarü toxicaria ist. Aach die Achielknollen der ehinesieehen Dioacorea ent-
halten ein bittere« Glykosid.«)
Ii i t e ra 1 11 r ; E. Heckol nn'l Schlaprdenhauffen, Sur deus plant m ali-
itniitiii ifM ralonidle.'i jteii connuea ( Diuncurta bulbij'era L. und Tacca invulucrata Sehn, et
Thon.). Ith-:, des Sc. appligueet. 1892, Nr. 4, 5. — *) Holmes, 6'ome medicinal productg
/rom the Strait* Settiements. Pharm. Joum. Transact. 181»2. Nr. 12, pag. 388. — Meink,
Dioteona Batata«, Anxer. Joura. Pharm. 1893, Nr. 3, pag. 122. Hu semaon.
Bnerckp. Jalirbaeber. IIL
15
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E.
Ectaunpsia. seit dem Braeheineii des HaopUrtikels in der II. Auflage der
Real-Encyclopädie vom Jahre 1886 ist auf dieeem Gebiete hanplsBehlieli von gyiil-
kologiflcber Seite eifrig gearbeitet worden.
Aetiologie. Die TaAUBE-RosBNSTSiK'scbe Theorie, welclie die eclampti-
aeheii AnfUIe aus einer Drneksteigenrag im arteriell«n Systeme und eonseentivem
OelilrnOdem erklären wollte, ist zur Zeit wobl allgemein verlassen. Konnte schon
frflher aus ihr weder das relativ seltene Vorkommen der KclampHie, noch der
ausgesprochene Zusammenhang mit dem Gestatious/.ustaude erklärt werden , so
mosste sie in neaerer Zeit vor einer genauen Prüfung ihrer Fundamente zu-
saiomensinken. Stohpf seigte, dass der arterielle Droek keioeswegs immer erböbt,
sondern vielmehr meist erniedrigt ist. Auch das Oedem de» Gehirnes findet man,
wie Olshai skv hemerkt. keineswegs regelmässig ; nach rasch aufeinanderfolg'enden
Anfällen sieht mau daä (iehiru bisweilen so trocken, dass man „eher von Sclerose
als Ton Oedem spreeben kann".
Die Intozicationstheorie scheint zur Zeit die meisten Anhänger zu haben.
Nierenveränderuntren findet man fast stets, aueh Albuminurie pfleirt fast nie zu
fehlen (ÜLi^uAUäEN, Stumpf, Fehling}. Ueobachtungen wie die von Stypinski,
welcher In 90^« seiner Fälle kein Eiweiss im Harne fand, stehen so ▼ereinsdt
da, dasB ihnen Iceine praktisehe Bedeutung beisomessen ist.
Dureh welche Stofi'e die toxisclie Wirknnpr hervorgebraeht wird, steht
noch nicht fest. Sti mI'F fand liei der l'ntcrsuehiinjr der (Jewebe in denselben
wenig oder gar keinen Harni>tot}'. Aueh Thierexperimenie haben ergeben, das«
weder der HarnstoiF, noch sein Isomer, das kohlensaure Ammoniak, eelampsie-
artige Krämpfe hervorzurufen vermag.
Eine frewiehti^re Stütze fand die lutoxieHtionstheorie in den Versuchen
vodTarnikk und Chambkklknt, welche zeigten, dass das Blutserum Edamptiscber,
Thieren injicirt. giftiger ist, als das Blatsemm gesunder Kreissender, wlhrend
die Giftigkeit <I ll irms verringert ist, und zwar zeigte sich, daas die Tozidtlt
des Serums zu der «It's Harnes in umgekehrter Proportion stehe.
Dass jedeufalls bei Into.xicationen eclampsieähuliche Zufälle eintreten
können, zeigte Oi^shausen an dem Beispiele der acuten SabUmatvergiftung ; die
hierbei anftreteaden AnAlle kOnnen sich in kurzen Intervallen wiederholen nnd
unter Umständen Kelampsie vortäuschen.
Die Hamu üTsMA'sehe Anschauung, welche die Kclampsie auf eine Alteration
des Ireterlumeus durch den schwangeren Lterus und dadurch bedingte Urin*
retontion snrflekftthrt, hat dnreh Seetionsbefunde keine Stfltae erhalten, man findet
sie ausserordentlieb häufig nicht (Olsbavsks unter 25 Fällen 7mal nicht, 12mal ein»
seiti?, 4mal beiderseitig'), l'ebrijrens felilcn noch exaete An^-abon dardber. wie sich der
Ureter bei den Leicheu nicht eclamptischcr Wöchuerinneu verhält, was zur Be-
nrthalnng der Bedeutung dieser Veränderungen bei Eelampsie sehr wlehtig wlre.
Nur KUNDBAT und GoLUBERG haben in neuerer Zeit wieder auf die Compresrion
der Ureteren als Ursache der Eelampsie hingewiesen.
OsTHOKK. dem sich Lanto.s auschliesst, sucht die l r^ache der Eelampsie
in eiuer ungewuhnlieh starken Innervatiou des si>lanchnivitH , die von den
ECLAMPSIA.
227
Bewefrun;ren des rtcriis ausgeht und auf die Vasoeonstrictoren der iSicren und
des Centralnervensystems einwirkt Diese Theorie erscheint wenig durch reelle
Grandlagen gestützt, insbesondere erkULrt sie nicht diejenigen FftUe TOn Eelampdic,
welche in der Sehwangenehaft und im Woohenbette «aftreten.
Auf Lähmung des Plexus coeliacus sucht 0. Schäpfbr die Erscheinungen
der Krankheit ziirflckziifilhren , indem er sich darauf stfltzt. dass oxperiracntell
durch Zerätörung dieses sympathischen Ncrveugetieohtes eine Reihe von Symptomen,
welche auch bei Edampde Torbtnden sind, hervorgerofen werden könnten.
Als TTrsaebe der Llbmung nimmt er Ptomalbintoxieation in Folge Invasion Ton
Baeterien an.
Als lofcctionskranlcheit wiini die Pjolampsle zur iCeit von nicht wenigen
Antoren anfgefiiist. Seit den Auslassungen von D^lobb nnd DoLteiSf welch
Letzterer tlbrigens von seinen frBher Irondgegebenen Anschaaangen zurOokgekommen
20 sein scheint, hat man sieb von vcrsehicfjrnen Seiton bemüht, auf bakterto-
logischem Wege das über der Krankheit sciiwebende Dunkel zu lichten.
Blanc fand im Urin Eclamptischer regelmässig einen Bacillus, welcher
bei Thieren eelampsieartige Erschmnnngen machte. Er war 1 ^ laog^ 2 breit,
hftufig zn zweien aneinandergelagert. In der Mitte zeigte er ein stärker ge-
färbtes, rundes Körperchen. Bisweilen zeigrte er Zwei(heiliin;r ('Diploeofeenform).
Auf Gelatine gezüchtet, bildet er kleine runde Punkte, den Nährbuden verllUssii^end.
Die Erveheinnngen »ollen bei graviden Thieren intensiver anftreten als bei nicht
trächtigen. In den Geweben fand sieh der Badllus nicht. Ob Hlaxc Reinculturea
seines Baeillus ^^ehabt liat , mnss immerhin zweiA-lhaft crscbcinen , da er die'
Methoden der bakteriologischen Züchtung nicht vollkommen beherrscht, insbesondere
auch Platten nicht hergestellt hat. Ais Erreger der Eelampsie macht seinen Bacillna
jedenfalls das Fehlen in den Geweben verdftchtig.
F\'. r;F zfiehtete ans einem weissen Infarct der Flacenta einen Mikrofonciia,
der bei n ii nach einseitiger Nephrectomie cclanip-jirartii^e Erscbeinun;jen
machte. >«aeh doppelseitiger Kephrectomie erliegen die Thiero ohne Convulsiooen,
bei intacten Nieren entstanden nnr leichte Erscheinungen von Nephritis. Später
stellte er ans den weissen Infareten der Flacenta sechs verschiedene Coccenformen
dar. welche sflmnitlieh parenchymatöse Nephritis erzeugen können. Er irlaubt,
dass bei der Eelampsie die Stotl'wecbselproducte dieser Mikroorgauismeu das Wirk-
same sind, so dass die Krankheit als PtomsYnftmie anfAufaswu ist. Der Bin-
fluss der Schwanjrerschaft ist nur ein prjIdi.tpoMirender, durch die auf endometri-
tisflior r?asis ent^<tehendeu weis><en Infarete der I'lacenta. FavEB's dberrasohcnde
Befunde bedürfen jedenfalls noch der Bestütigung.
Hbroott konnte aus dem Urin Eclamptischer einen Baeillus zflehten,
der bei trftehtigra Kaninchen nach zwei Tagen eclampsiesrtige Erscheinnngen
machte. Die rntrrsiichiintr des Blutes und der Gewebe lieferte ein negatives
Resultat. Er friaubt, dass d«'r Bacilbi<< in der Niere jriUijJre StotTsveehHelprndnete
und durch den Einduss derselben auf diu nervösen Centraiorgane Eelampsie erzeuge.
Kaltenbach sprach »ich aus allgemeinen Orttuden für die infeetiAse
Nator der Eelampsie :\n<i und veranlasste mehrwe üntersnchnngen , wdehe m
widersprechenden Resultaten führten.
ü£Ki»Eä stellte bei zwei Leichen Eclamptischer 23';2, resp. 14 Stunden
nach erfolgtem Tode aus Nieren, Lunge, Aortenblnt und Leber einen Bacillus
dar, der sich für Ratten und Mäuse sehr virnlent erwies und den Tod unter
tonisoh-elonisehen Zncl.iütLrcii bewirkte, eine Wirkung, welche durch hohe Morphium-
gaben paralysirt werdcui konnte. Der Bacillas ist 1 — 3 y. lang, ' s y. breit, gedeiht
auf Agar, Bouillon, Gelatine, die letztere verflOssigend. Er zeigt lebhafte Eigen-
bewegnng im bängendM Tropfen, legt sieh in laugen Fflden zusammen. Er filibt
sieh endst.'lndi^, entfärbt sidi naeh I'iR.am. Die Wirkung? fasst Gkrdes als durch
Toxine bedingt auf. Er kommt zu dem Sehlussc : „Der Eclampsiebarilliis ist die
alleinige Ursache der Eelampsie und liudet sich bei keiner audcreu Krankheit."
15*
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ECLAIIFSIA.
HOFHiBsnut nntenop, ghidi&lls mnf Kaltbnbaoh'8 VaraalMamg, diese
[Untersuchungen einer genauen Nacbprtifung , sowohl durch eigene Zflcbtang von
Leichen Eolamptischer als durch Versuche mit Gkri>p:.s' eipfenen Culturen. Er
kommt zu dem Resultate , dass es sich dabei keineswegs um einen neuentdeckten
Mikrootganismnt bandelt, sondern lediglieh vm dne Sjrfelart des RAD8fE*selien
ProteUM rulgans, eines der wichtigsten Errej^er der Fäulnies in Leioliein.
Seiner Kritik der GERDES'schen Befunde sebliesst sich HÄGLER an.
Eine Gombinatioa von urämischen und bakterielleu Momenten als Ursache
der EicUmpde vird von H. Nidiunn (SepsiH) und J. Veit (Oonorrhoe) vermuthet
Einer nosfllhrlicben Beweisflthning haben die betreflenden Autoren bisher ihre Ver-
muthungen noch nicht unterzogen, jedoch sind ihre Angaben in mancher Beziehung
hemerkenswertb. Neumanx's Angchaniinfren finden übrigens eine Stütze dtirch die
Untersuchungen von Cümbemalk und Ble, welche bei Eclampsie aus dem Blute
Streptoeoeeen vnd Btaphyloeoeeen darstellen konnten.
Eine den modernen neuropathologischen Anschauungen angepasste Theorie
stellt V. Herff auf. Er weist darauf hin, dans die Krämpfe bei Eclampsie, Urämie,
Epilepsie an sich keine wesentlichen Verschiedenheiten bieten. Um sie zu Stande
kommoi an lassen, bedarf es dner „eelampüsehen LabUitftt*' („eelamptisehe Erregbar-
heitsstnfe", Landois) der Orosshimrinde auf Grund einer neuropatbischen Belastung,
welche sowohl angeboren als erworben sein kann. Erworben kann diese eclaraptische
Labilität werden durch Intoxication , Infection , Erkrankungen des Gefäss- oder
Nervensystemes und die „physiologischen Gestationsreize" , nameutlich bei Erst»
gebirenden. Bi^llrtwlrd doreh diese Theorie, so geistvoll sie ist, nieht eben viel.
Die „eclamptische Erregbarkeitsstufe" ht im Grunde genommen nichts Anderes
als der dunkle Beprriff der „Disposition'* zur Krkrankunfr, jener Punkt, an welchem
bisher noch immer unsere Kcuutuiüd aufgehört und die Speculation begonnen hat.
Uebrigens wird man die von v. HssfF vorsproehene Analyse dieser Hypothese an
der Hand von Thatsachen mit Spannung erwarten dürfen, da sie zur Zeit
noch wenig gestützt ist. Auch GoLDBBRO sprieht sieh für allgemein nervOse Ein-
flüsse als Ursache der Eclampsie aus.
Pathologlsebe Anatomie. Erst in netterer ZeÜ Ist es gelnogen,
bei iSeetionen Eclamptischer charakteristische Merkmale an finden, welche deutlich
zeigen, dass der Krankheit ein in den venebiedensten Organen sieh abspielender
Process zu Grunde liegt.
Noch wenig studirt sind die Vorgänge in der Placenta. Dass indessen
aneh hier ein reger Krankbdtsproeess stattfindet, beweisen die von Sohmobl anerst
besehriebt nen , dann von LrnARSCH beetitigten Embolien von grossen Flneentaf'
seilen in die vcrschiedenstt'n Organe, Gehirn, Lungen, Leber, Nieren.
Die bekannten Nierenveränderuugea wurden besonders von P&UTZ
und LuBABSCH eingeheod studirt. Dieselben sind keineswegs immer sehr aus-
gesprochen. Entzflndliche Erscheinungen kOonen vollkommen fehlen, fettige De-
generation ist indessen ."ehr häiifiir. R(>i ;rerinjrer Veränderung des Nierenparenchym?
tindet mau bisweilen hochgradige Bildung von Cylindern, die au starker Dilatation
der Uarncanälchen fQbrt, so dass sie offenbar als meobanisohes Hindemiss der
Urinabseheidnng wirken (Psorz). Im Uebrigen finden sieh sowohl die paren-
chymatOsc als auch die interatitielle Form der X('])hritis nicht selten, beide meist
in geringem (irade, letztere auch als typische atheromatö.se Schrumpfniere (Davis).
Die Veränderungen der Leber kennen wir genauer erdt durch Arbeiten
der lotsten Jahre, besonders von Scbmosl, JObobns, Papillom und Ain>nr, PBon,
Li BAHFCH, PiLLET uud Dblaksobms, doron Resultate theHweise doroh v. Huvr
und Qerues bestätigt wurden.
Der geringste Grad der Veränderungen in diesem Organe wird dargestellt
durch leidite Entaftndung und Verfettung. In sehwereren Pillen finden wfar aas-
gedehote hämorrhagische Herde, durch welche fast das ganze Organ senrtArt
werden kann. Aneh das Parenchym ist betheiligt: in kleinen FibrinpfirOpfen von
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ECLAMPSIA.
829
ueUftrinigw Bsn sind PcrtOEel toii Lebenelfon mnpendiri In d«r Umgebung
dar h&morrba^iscben Herde findet sich häufig kleinzellige Infiltration. Die Betbeili-
^nng des Lebergewebes wird aucb durcb die Embolie von Leberzellen in die
verscbiedenstea Organe, besonders Gehirn, Lungen, Nieren, bewiesen. Zur Er
klärung müssen anoh in den hAmorrhagiscben FflUen entzflndlicbe Vorgänge
angenommen werden, wolllr eowoM die ven Kumdkat und Padtb angegebenen
Fille von eigentlicher typischer Hepatitis , als aucb die nach Prütz in der
Umgebung der hilmorrbagiscben Herde auftretende kleinzellige Infiltration sprechen.
Wie mau die Blutungen als Folge von Thrombosen im Pfortadergebiute erklären
80II — wie fhuaSsiaeiie Autoren wollen — eneheint nnTentindiieh. Wo wir
derartige TbrotubenbilduDg finden, ratlosen wir dieselbe viel eher als Folge, denn
als Ursache des Proccsses in der Leber aufTassen.
Das Gefässsy Stern ist ziemlich stark alterirt. Im Herzen tiaden wir
Blutungen in die Hnsottlatiir, drenmscripte Nekroeoi und die bei den anderen
Organen beschriebenen Gewebsembolien von Leber- und Plaeentarzellen (Lubarsch 1.
An den kleinsten Gefjissen zeigen sich Verändemogen , welche besonder« durch
Continuitätätrennuugen des Endothels cbarakterisirt sind (S(HM0RI>). Hierdurch
kommt es dann je nach dem Blutdrucke in den betreffenden Gefässen und dem
Widerstände der Media und Externa tu Erweiterungen der kleinsten Gefiisse
(Varieen und Aneurysmen) oder lu Hämorrhagien.
Im Gehirn zeigen sich fast immer hftmorrhagische Herde, in den
meisteo Fällen nur punktförmige Blutungen, diese können jedoch auch zu grösseren
bSmorrbagisehen Herden anwaehsen (in 5 unter 87 Pillen bei Olshaüben);
Pfannf:n>tikl sah beide-} nebeneinander, einen grOseeren hBmorrbagifleben Herd
und einen Varix iui linken Thahimus i>j)f/r>is.
Als mehr zufälligen Befund, wie ViRCUOW zeigte, seheu wir iu den ver-
sebiedenstea Organen Fettombolien. Bei den heftigen Bewegungen der Kranken
und der mehr oder weniger fordrten Entbindung kommt es oft zu ausgedehnten
Quetschungen, besonders des Fettgewebes unter der H;iut und in der Umgebung
der Beckenorgane, so dass auf diesem Wege das Fett in die BlutbaUn und dadurch
cur Embolie nach den verschiedensten Organen kommt.
Auftreten und Statistik. LOhlbin, weleher sieh sehen früher nm die
EelampsleforschuDg grosse Verdienste erworben hatte, suchte sieh durch Umfrage
an allen grossen Kliniken deutscher Zunge über die Nosologie der Krankheit zu
orientireu. Sein Material umfasst 52328 Geburten mit 325 Eclampsiefällen , so
dass also auf 161*01 Qeburten eine Erkrankung kommen würde. Diese verthetlen
sich ausserordentlich verschieden ; denn während z. B. in der Berliner Charit^ auf
67 Geburten eine Eclanipsie kam, zeigten die Wiener Inftitnte nur auf 318 einen
Fall der Erkrankung. Die hieraus resultirende Durchschnittszahl von 1 : 161*01
Iftsst jedoch keinen Scbluas auf die Häufigkeit der Krankheit maebeu , weil in
die Kliniken viele bereits erkrankte Frauen wegen bereits ausgebroehener ESelampsie
reeipirt werden. Unter Berücksichtigung dieses Momentes reducirt sich die Zahl
auf einen Eclanipsiefall Itei .3:^0 02 Geburten. Nach GOLDBERO kam in der Dresdener
Frauenkliuik 1 Erkrankung auf 133 Geburten.
Auf die seitweise Hinfung von Eelampsiefllllen, welehe zuerst von D&lobb
beobachtet war, machte Olsh&DSEN von Neuem aufmerksam. Eine EMclärung für
diese Erseheinung steht noch aus^ jedenfalls sind Witternngsverhältnisse n. dgl. nicht
zu beschuldigen.
Das Auftreten der Eelampaie in der Sehwangerschaft seheint nach Stumpf
bedenteod häufiger an sein, als man gewühnlieh annimmt. Da durcb den Anfall
U'teruscontractionen ausgelfist wenlen . so pflegt bei der Ankunft des Arztes die
Geburt in der Kegel schon im Gange zu sein , so dass gewiss mancher Fall als
in der Geburt ausgebroebene Eclanipsie aufgefasst wird , dessen beginn in diu
Gravidität fällt. Dafür spricht auch die von vielen Seiten gemachte Beol>achtuog,
dass die EUnder Eclamptiseher auffallend klein su sein pflegen.
23U
ECLAMPSIA.
Symptome und Vorlauf. OlshaüSEN macht auf gewii^st- eigenartige
Prodrome aufmerksam, wie Kopfschmerzen, Mageuscbmerzen uud Krbrccbeo. Die
letxteren sind, vielleicht nach Analogie mit anderen Intoxicationen, als eine Aus-
adiddang des Oift«t aof die MagoDtebleimhant anfsnfaaten. Aneh AnutoroM s^gte
sieh einmal als prodromale Erscheinung^. Der Anfall selbst setzt manchmal mit
einer Aura ein, z. B. einem Gefühle des lUrabfallcns au-< der Höhe. Für diese
Aura und selbst für den Beginn der Krämpfe besteht uach dem Anfalle uicbt
immer Amnesie.
Die Symptomatologie der Eelaropsie ist besonders von Stcmpf in
einer ausführlichen kritischen Darstellunf? bereichert worden. Der a!lL''t'meine Stoff-
wechsel ist nach ihm bei der Eclampsie stark in Mitleidenschaft gezogen, wie
die üntersnehung des Crins ergiebt. Ei weiss fehlt fast niemali Im Harne; der
Gebalt an Alburoen steij^t unmittelbar nach dem Einsetzen der Anflille rasch an
(bis i*"5 ' I I und fällt im Wochenbette ebenso schnell wifdcr ab 'steile Curve). Auch
zeigte 8icb bei regelmfl«.«iger UnterHuebnn;; dei Urins Eclamptischer auf Zucker,
dass dieser ein selten fehlender liarnbestandtheil bei der Krankheit ist. Dabei bietet
der Urin eine starlce Aeidittt, bisweilen findet sieh Aeetunnrie. Die Zoekerearve gebt
der Eiweisseurfc parallel, rasehes Ansteij^en nach Beginn der Anfälle und ebenso
schnelles Abfallen im Wochenbette. Bisweilen tritt leterut* auf; die Chol.lmie wird
offenbar hervorgerufen durch die starken destructiven Veränderungen in der Leber-
snbstanz. In solchen Fillea fand Stdmpp im Harne und in den Geweben der Ldehe
aueh Leucin und Tyrosin.
Die P n I s f rc <| II «• II z int in der Hegel erhobt TlOO 120 Schlftfre in der
Minute^} vor jedem Aufalle steigt sie plötzlich au, um nach dem Cessiren des»
selben wieder abzusinken. Mit dem Finger an der Radialarterie kann man auf
diese Weise den herannahenden Anfall leiebt erkennen. Die Spannung im Arterien»
röhre ist dabei keineKwc«:^ trh(">ht, sondern meist verringert.
Auch die T e m p e r a t u r ist nuist etwa.s h<tlitr als in der Norm, steigt
aueh noch durch deu Auiall selbst weiter uui einige Zehnlei Grade. Nicht selten
treten wirkliehe Fiebertemperatnren auf.
l'nter der .'iusseren Haut findet man in besonders ungünstig ver-
laufenden Füllen bisweilen multiple eireumscripte Rlutiiii;ren.
Auf dem üebiete des Nervensystems ist aui aulidlleadsten die starke
Erhöhung der Reflexerregbarkeit, welebe sieh sowohl in der Verstärkung des
PatellarKebnenreflexes, als der siimmtlichen Hautreäexe geltend macht; die geringste
Manipulation mit d< r Krankon kann einen Anfall auslösen, der Stich der I'kavaz-
seheu ^i'adel, ja Bogar die einfache Berührung des Körpers können mit sofortigem
Auftreten der Convulsionen beantwortet werden.
Unter den Naehkrankheiten der Eclampsie durfte das Andanem der
NiercnaflVetioii die hilufipf-te .sein, l'nter den 24 8 überlebenden Frauen der LöH-
l.Kl.NM-hen Statistik kam es liL'mal vor. nur in der Hftlfte der Fälle
bündelte es sich indessen um wirkliche chronische Nephritis.
Von hoher praktischer Bedeutung sind die nach Eclampsie auftretenden
Psyehosen, welche nicht selten sind ir) 'J4'\ der Teberlebenden, Limi^EiN). Sie
stellen lir^ninicrs die acuteu Formen der Erschöpfunfrspsyehoseu dar, Manie.
Melaueholiu, halluciuatoriscbe Verrücktheit etc. Nach Orshausen liegt in der
Kegel zwischen dem Erwachen aus dem Coma und dem Efaitritt der Psychose
ein Tag. Da mit dem Cessiren der Eclampsie und der Beendigung des Ge-nta-
tions/.ustandes die BetiinLMiiiL'cn der Erliohinjr sehr L^linsti^r werden . so ist der
Ausgang, wie IkI den puerjaTalen l'syelio.scn Überhaupt, nieist in Heilung.
Von 8onätigeu Complieatiouen verdieueu die Öehluekpneumonie und die
bei Eclampsie besonders häufigen septischen Erkrankungen noch bräonders Erwähnung.
Prognose, Von den M2.'. Eclainp.siefälleii der LoHUEQN'schen Zusammen-
stellung erlagen (>'.'>, also 1 i» ,, der Krankheit selbst, ausserdem weitere 17,
also .'>*22<'/u , an Complieatiouen. ULi>HALSK.\ hatte unter l'UÜ EclampsiefäUen
ECLAMPSIA.
231
50 Todesfälle, also eine Sterblichkeit von 25« o- An einigen Kliniken zeigen sich
autfallend günstige Ziffern , z. B. in Bonn (J. Veit) 2 Todesfälle unter 66 £r-
krankniigeii. Im Allgemeinfin hat rieb die Progitofle 4«r Belampde in den IMon
Jahren in erfreulicher Weise gebessert, waa wohl nieht mit Unreolit auf die Ana»
bildoDg der Therapie zurdckcrefährt werden ma^.
Als Anhaltspunkte für die Stellung der Prognose im Einzelfalle sind ausser
der Häufigkeit der AnfUle und der Tiefe des Coma in neuerer Zeit verschiedene
Angaben gemaebt worden. Stumpf legt besonderen Werth anf die Temperatur. Bldbt
dieselbe nach dem Aufhören der Anfälle hoch, an soll dies ein sieherea Anzeichen
für den zu erwartenden letalen Ausgang sein. liesunders wichtig^ ist nach Oi.shadsen
die Beschaffenheit des Pulses, dessen zunehmende Kleinheit und Frequenz aU
Signum mali oroinis gelten muss. Ebtreiender letems ist nieht immer als besonders
scshUmmcä Zeichen aufzufassen, wie von vielen Seiten angenommen wird.
Therapie. Die Frage nach der Behandlung der Eclaropsie hat in den
letzten Jahren rege Bearbeitung gefunden, und zwar im verschiedenen Sinne.
Sowohl in allgemein therapentisdher , als in gebnrtsbUflidi-operatIver Beridinng
wurde der Gegenstand — wie die Verbessemng der Statistik leigt — nieht ohne
Erfolg in Angriff genommen.
Die zufolge der TKAL BE-KosKNSTKiN'scben Theorie auf eine Herabsetzung
des Blutdruckes ausgehenden Massnahmen sind von den meisten Seiten aufgegeben
worden. Nur gana yennnselt wird noeh der Ad<fflasB empfcdilen (Clarrb, Mbagoah,
Voigt, Aly).
Sehr bedenklich .sind diejenigen Mittel, welche durch directe Einwirkung auf
das Herz eine Herabsetzung des Blutdruckes bewirken sollen, 80 vor allen Dingen das
von amerikaniseben Autoren lebhaft naeh dem Vorgänge von Pbabn nnd Bon>
empfohlene Vfratrin (OfiTMANN, Jewett, Fordyck Bahker, King, Tbimble u. A.).
Bei der hohen Wichtigkeit, welche die Erhaltung der Kraft den Herzmuskels für den
Ausgang der Krankheit hat, ist die Anwendung eines Mittels, welches, wie kaum ein
anderes , eine giftige Wirkung auf die Cireulation bat, sidierlieh ala bedauerliehe
Verirmng an bezeicbneu. VIdeber su rathen ist die starke Wirkung auf die Diaphorese,
mehr zur qualitativen als zur quantitativen Entlastung des Kreislaufes. Nicht darauf
kommt es an, dass das Volum der circulirenden Flüssigkeit und damit der Blut-
druck verringert wird , vielmehr auf die Entfernung eines möglichst grossen
llieiles der sebidliehen Snbstanaen ans dem Krdsiauf. Indessen wird von Olbhaübbn
mit Recht darauf hingewiesen, dass bei bereits ausgebrochenen Krämpfen jede um-
ständliche Procedur mit den Kranken, wie warme Bäder, Einwicklungen etc., zu
vermeiden ist, so dass also diese Art der Behandlung weit eher prophylaktisch
bei wihrend der Schwangerschaft anftretender Albuminurie, denn therapentiieh
gegen die bereits ausgebrochene Eclampsia zu empfehlen ist.
Di'ii dankbarsten An<^^rilT^«punkt für die medicinische Therapie bei aus-
gebrocheuen Convulaioneu bietet noch immer die erhöhte Betlexerregbarkeit.
Hier muss durch Narcotica in grossen Dosen eine Herabsetkiing der ReHexe er-
rdeht werden. Die tiefe Nareose durch Chloroform oder Chloralbydrat erfreut
sich noch immer verbreiteter Anwendung; indessen ist besonders die erstere wegen
ihrer Umstäii(i!ichkeit mehr fUr Kliniker als fitr die Praxi.s des beschriftigten
Arztes geeignet. In neuester Zeit ist nach der Empfehlung von ü. Veit die tiefe
Morphiumnareose mit flberrasohendem ESrfolge angewendet worden. Man beginnt
mit der Maximaldose von 0 03 Grm. und steigt innerhalb 24 Stunden bis O l
oder «rar 0"3 (Jrm. Dabei ist natürlich sorgfältig auf das N'erhalten der Pupillen
und der Herzaction zu achten. Bei beginnendem Lungenödem ist die Behandlung
aosKUsetzen. Die vorsflgliehen Resultate O. VBfT*s haben allerorts zur NaehpraAing
des Verfahrens ermuntert , und wenn auch nirgends der gleiche Erfolg wie auf
der Bonner Klinik ern iolit worden ist. so ist doch die Methode sehr zu empfehlen.
Die subcutane Murphiumapplication ist die einfachste und fUr die Kranken
schonendste Form der li)inleitung einer tiefen Narcose. Freilich ist es sehr schwer
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23S
ECLAIIPSIA.
SM beortbeileD, waoo die Nareose tief genug ist, bftutig lebrt ein neuer AnfaU,
4a« nodi grOoMitt Domo «rforderlicli afaid. J. TUT aopfichlt, 4iai«ik Aofall tkn-
«•rtm BDd erat dann erneute Morphiumgabcii zu appliciren.
Die Behandlnn^ der Eclampsie mit Narcoticis hat indeesen , so gQnstig
sie auf den Verlauf der Krankheit bei der Mutter einwirkt, einen sehr naob-
tbeOigen Eioflaaa anf die Fmebt. Nidit aalten daht man die Kinder in tiefer
Nareose geboren worden, nicht zum Schreien zu bewegen, während Atbmung und
Puls intact sind. Es ist nicht unwahrscheinlich, das^ manche Frucht, die sonst
erhalten werden könnte, unter dem ßiuflusse der Narcotic« intrauterin abstirbt.
Küdeiaen darf bei nnaerer modernen gebnrtdiil^lien Anadiaanngaweise , welehe
daa Leben der Mutter weit liOher atellt ala dae der Frucht, danua keine
Indication zu Unterlaianng einee für die Mutter lieilaamen Verfidirena ge-
sogen werden.
Die geburtshilflichen Massnahmen zerfallen in prophylaktische bei
bealdiender Albuminurie in der Sdiwangeraeliaft und in therapeutisebe gegen die
auagebroehenen Anfalle.
Die geburtshilflich-prophylaktisclicn Massnahmen können nur
auf eine vorzeitige L'uterbreuhung der Schwangerschaft gerichtet sein. Die Au*
aiehten Aber die Berechtigung dieser Eingriffe gehen weit auseinander. Wihrend
die Einen betonen, dass auch die Icflnatlieh crzeu-^ten Wehen den Ausbruch der
eclamptischen Ant'itlle veranlassen können, selieti die Anderen in ihnen das sicherste
Mittel zur Verhütung der Anfälle. Am weitesten in dieser Beziehung geht wobi
LOMSR, der bei Frauen, weiche Eclampsie flberstandeu haben, wenn von Neuem
Sehwangerscliaft mit Nephritis eintritt, den Icanatliehen Abort Anleiten will. Im
Allgemeinen ist daran festzuhalten , dass die Schwangerscbaftsnephritis ungleich
häufitrer ist als die Eflampsie. und dass nicht alle F.llle von Alhnmmuria gro'
vt'darum zum Ausbruche unserer Krankheit fuhren ; dass ferner die vorzeitige
ünterbredinng der Sebwangereehaft Ic^ne siebere Oewlhr für die Yerbtttung der
Belampsie bt, und dass diese Operation durch den sehr protrahirten Verlauf noch
immer eine relativ grosse Gefahr der septischen Infection bietet. Wir sind daher
nicht berechtigt, Muttor und Frucht zu gefährden, letztere vielleicht geradezu zu
opfern zu Gunsten einer sehr swdfelhaften prophylaktlseben Massnahme. Wenn
auch E. Cohn das Leben der Frucht schon durch die Verftnderungen der Placenta
in der Sebwanfrerschaft filr so irefilhrdet IiiUt . dass man keine Rücksicht darauf
zu nehmen braucht, so steht dem der linstand cntj^e^en , dass doch immer ein
nicht geringer Theil der Früchte lebend geboren wird.
Die geburtshiiflieb-tberapeutisehen Massnahmen gehen von der
Erfahrung aus, dass mit Beendigung der Geburt die Anfülle aufzuhören oder
wenif?stens seltener zu werden pHe;;en. Man sucht daher die Geburt möglichst
zu beschleunigen. Eine Meinungsverschiedenheit besteht nur darin, wie tbeuer
dieser Vortheil erkauft werden darf.
Diejenigen Eingriile . welche ohne Gefahr für Mutter und Kind unter-
nommen werden können, «lud stricte indieirt, so die Zanore am tiefstcbenden Kopf.
Auch der künstliche l^lasensprung in der ersten Geburtsperiode wird lebhaft
empfohlen, da er besonders bei Mehrgebärenden sehr zum Portsehritt der Geburt
beiträgt (V. Hbbff, Olshausbn); bei Erstgebärenden freilieh ist dieser Eingriff
ein zwi i^clmeidi^rcs Schwert, da er hier ebens(t eine V^erlangsamung wie eine Bo-
scbleuuigun;; der Erweiterung des Muttermunden Ijrwirkt ii kann.
Anders verhält es sich mit denjeuigeu Entbiuduugsmethodcu , welche je
nach Lage der Dinge eine mehr oder weniger grosse Gefahr fflr die Mutter in
sich sehliessen; hierher gehören der Kaiserschnitt und die foreirte Ent-
bindung per \ t a s naturales.
Der erstere ist jedenfalls dann indicirt, wenn die Mutter bereits in der
Agone ist, das Kind aber noch lebt. Dieser Fall wird verbältnissmJlasig selten
eintreten, da nach den Versuchen von CHARPfiNTiBR durch die urlmisehe Intoxl-
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ECLAMPSIA. — EIGENWÄRME.
283
eation der Fötus früher petödtet wird als die Mutter; er kann aber iu Fsllen.
in denen der Tod durch Uirubäniürrbagie u. dgl. erfolgt, wohl möglich werden.
£Une andere Würdigung verdient die Operation daoD, iraDn sie bei noch
anerOibetou Oerriz ledigUoh sv fieanüirmg dM QertrtioMMrtaiidea uoteraoninieB
wird, wie Halbertsma und bedingter Weise V. Herff empfehlen Iiier muss in
Betracht gezogen werden, dass Ah Sectio caesarea trotz der wefentliehen Verbesserung
der Prognoae doch noch immer eine gefährliche Operation ist und nur in Anstalten
unter gflostlgen V«riii1tniaMn vorgenommen wird ; dabei ist die errdohte Be*
sobleunIguDg der Geburt eine relativ geringe, da der ectamptische ProeeM an
sieb die Wehentbätigkeit erhöht, so dass die Geburt in der Regel spontan rasch
verläuft. £)8 kann daher leioht pasairen, dass bei beabsichtigtem Kaiserschnitt
wfthreod der Vorbereitungen cur Operatton die Gebort von selbst xn Ende gebt.
Ton DüHRS^EN, dem sieh v. Hkbff ansdüiesst, werden bei noch nidit
vollkommener Eröll'nung dcfi Muttermundf^s zur raselien Entleerung des Uterus
die tiefen, bis auf den iScbeideugrund gehendt ii Ctrvixincisionen empfohlen, durch
welche der Muttermund derartig erweitert wird, dass nunmehr die Frucht dureh
Zange oder Wendung entwickelt werden kenn, bt die Gerviz noeh niebt ver-
strichen, so wird Kic vor der Operation durch Einiegnng eines Colpenrjmters in
den Mutterhals nach Mäcrrr dilatirt. Die Methode ist jedenfalls nur in der Hand
des speeialistiseli geschulten Gynäkologen berechtigt, der jederzeit eine gefährliche
Blatnn? ans den Cervizwnnden su beberrseben vermag. Aneb tet zu bedenken,
wie Mcht durch die geschaffenen Ris.'ie eine Infection der Parametrien Htattfindeo
kann. Andererseits »ind DüHRS^EN's eigene HesiiUatf 'unter 26 Fällen sammtliche
Mutter lebend, nur 2 Kinder todt) derartige, dass eine ausgedehnte Prüfung des
Verfabrens selir erwttaaeht wire. Zur Zeit liegen noeh an wenig Brfabmngen
vor, um ein abeebliesaendes Urtbeil au Allen.
I.iteratnr: Blanc, An h. de tocol. Lyon m^d. 1889 und 1891. XVI n. XVIT --
(Jlarke, Med. Newa. 21. Sept. 1889, pag. — Charpentie r, Juurn. de meti. de Brüx.
1887, Nr, 2^. — E. {'ohn, Zdtschr. för (reb. XIV. — Combemale uu.l Bu6, Soci6t6 de
Biologie de Paris, Sitzunjr vom 19. März 189i. ■ — Davis, New York raed. Joorn. 1891,
March — Dährssen, Arch. f. Gvn. XLII u. Verliandl. der Berliner geb. Oesellsdi.. Sitz,
vurn >. Januar 1892.— Favre, VinhowsArch. CXXIII u. CXXVII. Fehling, C. f. G.
18^2, Nr. 51. — Uerdes, C. f. G. ItjfiZ, Nr. 20; Ufincbeoer med. Wochflnachr. 189^, Nr. 22;
Beatsehe med. Woohenschr. Nr. 26. — Qoldbert;, Areb. fBr Oyn. XUf. — Higler.
C. f. n 1892. Nr, 51. — Halbertsma. Nederi. Tijdschr. v. Geneesk. 18S9, Nr. 15 und Ver-
handlungen des X, intern -it. med. Congresses zu Berlin. 1890. — Bergott. Le progn'-i m6d.
1892, Nr. 27 und Discassion. — v. Herff, Berliner Klinik. Hft. 32; Münchener med. Wochen-
Mhrifl. 1891. Nr. 5; C. f. 6. 1892, Nr. 12. — Hofmeister. Fortschritte der Med. 1892,
Nr. 22r. — Kaltenbach. C. f. G. 1892, Nr. 2ii. — Knndrat, K. k. G«sell8ch. der Aerzte
in Wien. Sitzuns vom 2i-{. Oct. I89l. — Lantus. Ar :h. für Gyn. XXfl. — 1/ o h 1 e i ii,
/eitscbr. für Gyn. XIII; Verhandl. der 4. Versammlung der deutschen Geaellsch. für Gyu. zu
Bonn 1891 (Arch, fttr Oyn. XL); Oynäkol. Tagesfragvn. Wieebaden 1891. Hft. 2. — Loner,
Ges, f (icb in Hamburg, Sitzung vom 12. April 18'.l2. — T.iiliarsch, ('orrespondenzbl. des
allg. Mecklenburger Aerztevereines. 18^2, Nr. 142. — lloauhan, .lourn, of Amer. med,
assoc. 1890. Aug. 23; Amer. med. news. 1887. - Olshausen, Zeitschr. für Geb. XXI ; Sammlung
klin. Vorträge. N. P. Nr. 39 nnd Verhandi. der Beriiuer med. Geaellsch. Sitsungen vom 20. Jänner
1892. (Dfwnssioo). — Ost hoff, Sammlnng klin. Vortrlge. Nr. 266. — Papillen and Audi n.
Bulletins de la .snci<n'' .inafnitiiiiuf' lio Paris. HIM, — P f .i n n en .s t i e I, C. f. G. 1^87. Nr. 38. —
Pill et and De 1 u n s o r ui e, Bulletins de ia societ«; anu toniiijue de Paris. 1)^92. — Prntz, Diss.
inaug. Königsberg lH'.t2; Zeitschr. für Geb. XXIII. — (). Sehäffer. C. f. G. 1892, Nr 39. ~
Schmorl, Verhandi, des GynäkologencoDgr. za Bonn 1886. — Stampf, Verhandi. des GyD&-
kologencongr. tn Hänchen 1886; Mönehcner med. Wochenschr. J887, — Stypinski, Gazeta
lelnrska, IH!^*;, Nr. !t. — G. Veit, Sammlung kliii Vurtniire. Nr H04. — 'j. Veit, Handb.
der Oeburttfh, 11, jiag. 195tf- — Virchow, Berliner klin. Wochenschr. 188Ö, Nr. HO. — Vorgl.
Bunerdem die Verhandi. des interoat. med. Cosgr. an Washington, 1837, der anerik. Oes. f.
Gyn. wn New-York 188« und der Ges. f. Gyn. so Chicago 1889. SchOnheimer.
Eigenwärme, auch tlncrisi-he Wilrmc jrpririnnl. Von dieser nicht
nur allgemein hiuluf^isch interossaiitcn , sondern we^en der Heziehunjren zum
Fieber ab der abnormen Ueberschreituug der EigeuMärmecoustauz und wegen
der BeeiehuDgeo zur Antipyrese als den Verfahren, die abnornie hohe Körper-
wirme herabxtidrfleken , gerade den Arzt direet angehenden Eigenachaft des
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EIGENWARME.
SäupretbieTcs, eine hohe Temperatur zu besitzen und inuerhalb der Breite des (Jenunden
dieselbe conetaDt zu behaupten, kt nur gelegentlich der „Hydrotherapie**
(Real-Enoyelopädie, 2. Aufl., Bd. X, pag. 10) und der „Eigenwirmeregu-
lirnng** (Bd. XXI, pmg. 615) beillsfig die Bede gewesen, daher mne knn»
/jisarnmenfafl-sende Darstellung, wel«lie die wMentlieliea tbeMteUielieD ünterligea
liefert, am Platze sein dürfte.
So lange die Säugetbiere und Vögel leben , zeigen sie eine von der
UmgebvDg innerhalb weiter Grenzen nar wenig ebhlngige Blntwirme oder
Körpertemperatur, die man aneb als ihre Eigenwftrme bezeichnet Man hat
früher die Thiere ihrer EigenwSrrae nach in Warmblüter und Kaltblüter einge-
tbeilt ] zu letzteren rechnete man die sich kalt anfühlenden Reptilien, Amphibien,
Flsehe nnd sinnntliebe wirbellosen Thiere. C. Bbromank (1847) hat indeas ge-
seigt, da8s auch die Temperatur der sogenannten Kaltblüter stete, wenn auch nur
um weniire Zehntel (!r;ule, die Temperatur des Mediums, in dem sie sich befinden,
ttbersteigt. Der eigentliche Unterschied zwischen Warm- und Kaltblütern besteht
darin, dasa die Warmblüter ihre Eigenwärme, gleichviel, welches die Temperatur
des sie umgebenden Mediums ist, gldehviel, ob sie sieh am Aeqnator oder in den
gemässigten Zonen oder endlich in den Polargegenden befinden, innerhalb erstaun-
lieh enger Grenzen festzuhalten vermögen. Dagegen entbehren die scfS-enannten
Kaltbluter dieser Fübigkeit ; ihre Temperatur schwankt mit der des Mediums, in
dem sie leben, auf und nieder; ist aber steta, mindestens um einige SSehntel Orad
hoher als die des Mediums. Man nenot deshalb die Warmblllter besser: Thiere
mit c 0 n s t a n t e r Temperatur oder gleichwar nie, homoiotherme
Thiere, und diu Kaltblüter: Thiere mit variabler Temperatur
oder weehsel warme , poikilotherme Thiere.
Man misst die Körpertemperatur der Thiere am besten so, dass man
enipfindlielie Thermometer in gegen Abkühlung geschützte Körperhöhlen ein-
führt und dort si> lange liegen lässt , bis die QueckrJÜberHiuile einen eonstauten
Stand zeigt, was meisluus 10 — 15 Minuten erfordert. Man kaun hierzu den Mast-
darm oder bei Weibern die Vagina benutzen. Beim Menschen bildet bei an den
Thorax fest angelegtem Arm die Achselhöhle eine solche geschlossene Höhle, in
welcher sich die Ttmperaturmessungen leicht und bequem ausführen lassen. Die
so ermittelte Eigenwärme beträgt beim Menschen im Mittel 37*3** C.
Wesentlieh hOher ist die Eigenwftrme der Vögel; sie betragt hier
41*5— 42» C.
nie Kigenwilrme de-j Menselieti zeitrt wie die Puls- nnd Athemfreqnenz
und die Menge der COo Aushauchung eine tägliche Periode. Am Morgen
am niedrigsten, ä6-8*> C'., steigt sie bis 10 Uhr auf 37' 1» C. und sinkt von da
ab bis Mittag ein wenig (37'0< C), ste%t dann wieder und erreieht gegen 3 Uhr
Nachmittag ihren höchsten Stand, M7'5'' C. Von da ab sinkt sie sncccssive , ist
Abends? 8 Uhr auf MV ^J^C, Abends Jl I'hr auf Seoo und fällt in der Nacht
bis auf C. Diese Schwankungen sind hauptsächlich von der Nahrungsauf«
nähme abhängig : sie sind daher an hungernden Menschen weniger deutlieh wahr-
zuuehmen und gestalten pich anders, wenn die Hauptmahlzeit auf eine andere
Zeit verlegt wird. Die Steigerung der Temperatur nach der Nabrungpaufnabme
ist durch das Verdauungsgeschäft (s. spiiter; bedingt. Nahruugseutziehung hat
Absinken der Körpertemperatur kaum sur Folge ; bei längerer Inanition sinkt die
Temperatur erst in den letzten Tagen vor dem Hungertod, den man bei Singethieren
bei circa 30° C. hat eintreten "eben.
Ferner schwankt die Eigenw.irme mit dem Alter: Neugeborene zei^ren
eine höhere Körpertemperatur als Erwachsene, in den ersten Tagen 371'^, dann
uur 37*7*, allein sie besitzen zugleich eine geringere Resistenz gegen niedere
I mgebungstemperaturen als Erwachsene. Weiterhin sinkt die Eigenwärme ab,
hält sieh aber bis zu 5 Jahren um ('. herum, filllt in den späteren Lebens-
jahren, um etwa im 10. Jahre die Durehschuittshöhe von 37*3 C. zu erreichen.
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EtosinrijaB.
895
Zwischen dem 40. und 50. Jahre sinkt die Eigenwärme vou 37'3*> bis su 37*1^
ab, nm vom 70. Lebenjabre ab wieder auf 87*4—37*5* m «teilten.
Das Oeschiecht bat keinen nachweisbaren Einfluss auf die Eigenwirme.
Den mächtigsten Kinfluss auf die Ei^enwänne übt die Muskelthätig-
keit, die Körperbewegung und ArbeitsieistuDg. Beim Menschen steigt durch an-
strengende kOrpwUebe Arbeit oder doreb Lanfen, Springen ete. die Ki^onwlrme
um 0-5 — 1*. Daher und bei der Krankheit, welche mit fast dauernder krampf-
hafter Zusammenziehung der Kf'irpermnski ln einherfreht, beim Tetanus, die höchsten
Temperaturen beobachtet worden, beim Menschen bis zu 44**. Sind schon Tempe-
raturen von 43') lebensgefährlich, su tritt bei 44c stets der Tod innerhalb sehr
kurzer Zeit ein. Umgekehrt ninkt wihrend dee SehlafeB, also bd mögliehster
Muskelrnbe^ zngleieh mit der Pals- und Athemfre(|uenz und der Grön^e der CO]-
Exhalation, auch die Eigenwärme. Auch die Thätigkeit der Drflsen und
Muskeln des Darmcanals bei der Verdauung geht nach Zuntz und
V. Mbring mit (Steigernog der O-Anfnalnne and COs-Ausseheidung und somit) der
Wärmebildnng einher, dsher rflhrt anm Theii die Zunahme der Eigenwirme bei
der Verdauung.
Temperaturtopugraphie. Nächst der allgemeinen Kürpertemperatur
itttercsrift ans die Temperatur der Mnselnen Organe und Gewebe ^ die soge-
nannte Temperaturtopograpbie. Was snniebst die Blntwarme anlangt, so ist
dieselbe in verschiedenen Gefässprnvinzen verschieden: w.ihrend sie im Aortenbltit
des Hundes :^H•4^ bctnltrt , ist sie in der I'lortader zu 35* "4", in der Lebervene
zu gefunden worden , in der unteren liohlvene zu 39-5'' und im rechten
Herzen su SB'H^. Dass die höhere Temperatur des ans den grossen Unterl«bs>
drüsen abtiie.<4seDden Blutes nieht nnr vou der gegen Abkühlung so gescbtltztett
Lage dieser Organe, sondern von der l'hJltifjkeit der Drüsen , von den in ihnen
stattfindeuden chemischen ümsetzungen abhängt, ergiebt sich aus den ßeob-
aehtungen vou Cr«. Bbrkard, der bei einem gefütterten Hund das Blut der Pfort«
ader und Lebervene 2 — 3" wärmer fand als bei einem hungernden Thiere; bei
einem gut gefütterten Hund bctniir einmal die Temperatur in der Lebervene 'll".^",
der höchste Werth, der Uberhaupt beim Hund beobachtet worden ist. Im rechten
Ventrikel ist die Temperatur im Mittel nm O'S« höber, als im linken; nach Cl.
Bernabd soll dies auf Abkühlung des Blutes durch die Lungenventilation zurttck-
y.uführen , nach Heidemiaix zum Theil dureh die direete Anlagerung der hoch
teniperirten lieber an den rechten Ventrikel bedingt sein , wJlhrend der linke
Ventrikel, rings von Lungengewebe umgeben, mehr der Abkühlung ausgesetzt i>t.
Die oberfliehlich gelegenen Venen des Kopfts und Halses, welehe der direeteu
Abkflhlung so sehr ausgesetzt sind , zeigen dementspreeheud eine sehr niedrige
Temperatur, häufig nnr 3(5-;')". die Cruralvene :'.7 2".
Da das iilut zu allen Organen tliesst und wiederum von allen Orgauen
sbetrömt, so sollte msn erwarten, dass durch die so bewirkte WBrme-Zn- und
•Ableitung ein Ausgleich der Temperatur der Organe stattfindet. Indess ist dies
nicht vollsfiindig der Fall ; vow dm Drüsen ist es, seit der I^^ntdeekunfr C.
LrnwKi'.s ilH5l! an den Speieheldrüsen, bekannt, dass ihre Temperatur, sobald
die Drflsen energisch arbeiten, um 1 — 1*5^ die des zuführenden Blutes übersteigen
kann. In Uebrigen hingt die Temperatur einer jeden Körperrtelle ah von dem
Verhflltniss der Grösse der Wärracbildung, beziehungsweise Wlrmezufuhr zw der
ihres Wämu Verlustes. Es soll deshalb ein jeder dieser Paetoren f;esondert
betraehtet werden. Vorweg sei gleich bemerkt, dass die Temperatur der geschlossenen
Körperhöhlen : Mastdarm, 8ebeide, Blase nm 0*5 — 0 8* die der dureh die ftusswe
Haut gebildeten Aohselböhlc übersteigt. An der nusseren Haut beobaebtet man
sr.jrar Temperaturen von 3;i" bis hin ih zu 27<' C, auf der Nasenspitse und den
Ohrläppchen nach Kuxkul bis hinab zu 23<* C. .
Wärmeausgaben. Ans der Phydk Ist bekannt, dass die Wärme sieh
sowohl dureh Strahlung als dureh Leitung fortpflanzt. Die Wärmel^tung
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236
£IG£NWi.RM£.
Ton einem Theil des Körper» zum anderen oder von einem Körper zu einem
EDderen , ibn unmittelbar berührenden geschieht nach dem NfiWTOil'schen A b-
kOhlnngsgesetz, wonaeb die in der Zeitofaklrait flberKebeade WlriDenieofe vm
80 grösser ist, je grösser der Qaerachnitt, je kOrser die Bahn, welehe die Wirme
zu durchstreichen hat , je dichter also der KOrper und je grösser endlich die
Temperatarditicrcnz ist. Dieses Gesetz gilt innerhalb Temperaturen bis zu 40" C,
Man unterscheidet darnach gute und schlechte Wärmeleiter; zu ersteren gehören
die Hetelle, zu letsteren die Köqier von melir lockerer porOeer BeselwffBBheit :
Luft, Hol», Stroh, Wolle, Haare; mittelmftssige Wärraeleiter sind die wasser-
reichen thieriscben Gewebe. Die Strahlung unterscheidet sich von der Leitung
dadurch, dass dabei die FortpÜanzuug der Wärme nicht von Theilcben su Theii-
ehen stattfindet, eondem dareh ainnlieh wabmelimbare Rinme bindareb, nnd swar
erfolgt die Strahlung der Wärme nach denselben Gesetzen wie die Bewegung des
Lichtes und in der He;2el durch die Luft liindnrch . welche selbst ein sehlcchfor
Wärmeteiter ist. Endlich kann ein Körper Wärme durch Veränderung seines
A^sregatsttstande» Teriieren, wenn er a. B. ait dem festen in den flOssigen
oder ans dem flOssIgen in den gasfönnigen Zustand flbergeht, indem bierbei eine
gewisse Wärmemenge gebnnden, „latent" wird. Allen diesen Warmeverlusten ist
der Thierkfirper dauernd ausgesetzt. Mit jeder Exspiration findet eine Waa«er-
verdunstuiig von der Lunge aus statt , nicht ständig aber dueb bäutig wird von
der Bant aus in Form des Sebweisses Wascer abgedunstet. Fortwäbrend verliert
der Thierkörper durch Strahlung und Leitung von seiner Oberfläche Wärme an
die ibn umgebende minder temperirte Luft, und zwar ist dieser Wiirmeverlust um
8u grösser, je grösser die Temperaturdifferenz zwischen der llautubertiäche und
der Atmosphlre ist. Endlieb werden nicht ganz nnorbebliebe Wärmemengen dasu
verbrauebt, um die Einnahmen des Körpers , die Luft, die Speisen umi Getränice,
welche fast durchweg niederer temperirt sind . als der Körper , auf die Körper-
temperatur zu bringen. Die 8umme aller dieser Abkühlungen ist um so bedeu-
tender, je grösser die Oherflftche des Körpers und der Temperaturunterschied
zwischen dieser nnd der Anssenlnft ist, je mehr Wirme also der Körper dnreb
Strahlung, Leitung und Verdampfung verliert. Die Gesammtmenge der von einem
Thier abgegebenen Wärme kann man mitteist des Galorimetcrs bestimmen.
Das Wassere ulurinieter von Dulong besteht au8 einem Metallkasten, in
waldMa das lebend« Thier hinein^esetzt wird ; diaaer Kaslea ist von eiaea grüssereu am-
Bchtosseo nnd der Raum zwischen beiden mit einer gemessenen Menge Waaser ansgefUlt. Von
dem kleineron Ka.mcn geht eine Röhre ab, welche die Wand d^s grösseren darvhsetzend nach
aussen inüiulet und durch wliln' das Thit-r l.ut't einsaugt. l)as dio Luft al)fährende Rohr
verlauft in zahlreichen ächlangenwiudangen innerhalb der (zwischen den Kaatenwaaden he-
flodlieheo) Wa'mrxchfeht nnd ^ebt an letalen ihr« minn» ab ; «bmo die Winde des Innen-
knstenfi an das Wn-ispr dif W arme, welche das Thiff duicli v'^trahlUBg, Leitnnp etr. verloren
hat. Zur Verhütung »ii-r WarnualiKabe seitens d.s .\u-i>ciika-ii'n« an die Luit umsieht man
denselben zweckmässiger Woise noch mit einem Mantel und tuilt di-ii Z wigchenrauni /.wischen
Mantel und Kasten oiit acblecbten Wärmeleitem (\Verg, Wolle, liaarej aus. Aas der Tenps*
ralnrznnalinie der Wamersehicht von bekannter Menge lilsst sich die Wänneabgabe leicht in
W iL r in e e i n h fi i t e n oder Calorifs berechnen, i ruitin» eine C'alorie derjeni);en Wärmenieniif
entspricht, welche erfurderlich i.st, uui l Liter (Kilu) Wasser von 0" auf 1' C. zu bringen; mau
bezeichnet diese grosse oder Kilocalurio mit Ca. Fdr manche Fftlle ist ch bequemer, als Ein-
heit eine kleinere Grösse zu haben, /.. B. die Wärmemenge, welche 1 (irm. Was.ser nm 1* C.
erwärmt, und bezeichnet letztere zum llnterschie<le al.s ^.kleine oder Grammcalorie" oder ca.
.\l.H genauer und lür Untersnchunnen bequenn-r babeii sich die L u 1 1 calo r i ra e t e r
erwiesen, vi« sie von d'Arsonvai, Roseuthal, Rahner construirt worden aind; hier he-
findet sich swisrhen Innen- nnd Aassenkasten anstatt des Waaiers Luft, dsrsn Ausdehnung
durch die vnm Vcr-<nf lisfliii-r»' ab^reirnlii-no Warme direct gemessen wird; disSS Apparats be-
dürfen einer Graduirung durch eine con.stanic Warnmiuelle.
Mittelst des Calorimeters läs^tt sich die Wärmeabgabe des ganzen Thteres
f Ur eine bestimmte Zeit ermitteln ; um vergleichbare Wertbe an gewinnen, redneirt
man sie auf die K r^rperLM-wichtsrinlieit. Naeh den eorrigirten) BeHtimmnngen von
Di LONG und I)Ksri;KT/. (I.wakkkt, Sknvtoh, KiCHfiT, RoBNER u. A. giebt an
W.irme ab per Kilo T Ii i e r u n d 1 .St u u d c :
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BI6ENWÄBME.
237
.... 1-5 „
101 ,
Kind (7 K^m.)
.......
11-3 „
19-0 .
34-6 ,
Meersrhweinclien ...
. . . .7-5 „
35-7 ,
DarauH folgt :je kleiner das Thier, am so grösser ist dessen Wärme-
abgabc. £8 ist dies auch leiebt za Tentehen. Kimmt man den Thierkörper aU
Kogel «n, 80 wiehat bekaoatlieh die Oberfliehe einer Kogel mit dem Qoadfot,
während ihr Inhalt mit dem Cubus zunimmt. Eine Kngel, deren Inhalt achtmal
so viel bclr.lgt ah der einer anderen, hat nur eine viermal so grosse Oberfläche,
oder mit anderen Worten: je kleiner die Kugel, um so relativ grösser ist deren
Oberflflebe. Das Olelebe trifft fDr den unregelmlseig gestalteten TbierkSrper so;
je kleiner das Thier, je geringer dessen Körpergewicht, desto grosser ist ver-
hältniasmässig dessen Ohirfläche. nnd da die WürmeabijrHben zu vier Fünftel
(s. später) auf ÖtraLlung und Leitung von der Uautoberääche zurflckzuführeu
sind) so mflssen sie vm so faSber aosfallen, je kidner das Thier. Dem entspre>
ohend ist der WlrmeTerlnst der Ente 4 mal, der der Taube 7mal, der des Sperlings
fifigar 22mal so gross, als der de^ Menschen. Auh dem Ti/irnliclien Clrunde ist
selbst bei derselben Speeles (Mensch) die Wärmeabgabe verbältoissmässig um so
grösser, je junger und kleiner das verglichene Individuum ist.
Quelle der tbierisehen Wirme. Da nngeaebtet der stftndigen
Wärmeausgaben der Körper der Säugethiere eine constante Temperatur tlber das
Medium, in dem die Tliierc leben, behauptet, muas nothwendiger Weine in ihm
selbst eine Wärmequelle vorbanden sein, welche jenen unablässigen Wärme Verlusten
die Wage hält. In der That wird, wie Latoi8ISB(1777) xnerst seharfsinnig ent-
wiekelt hat, die Wärme im Thierkdrper selbst erzeugt bei oder
besser durch die chemischen Prnccsse, welche sich dauernd in
ihm abspielen und welche zum Zerfall der organischen Körper- und der
Nabmngsbe^ndtbdle, in letoter Instani so Wasser, Kohlensäure, HamstofT nnd
^chwefelhäore führen. Der Stoffwechsel des HiierkOrpon stellt sich in Form Ton
Oxydation^- und Spaltungsprocessen dar, und dass insbesondere bei ersteren eine
reichliehe Wärmebildung statthat, ist bekannt. Die in den verbrcnnlichen Körper
oder Nährstoffen einerseits uud im Luftäauerdtotl andererseits augebäufteu chemi-
seben Spannkräfte (potentielle Energien) werden mit dem Momente, wo jeoe sieb
mit diesem verbinden, frei und werden in lebendige Kräfte iinr/oHCtzt, die beim
ruhenden, d.h. nicht arbeitenden Menschen, fast vollständig aU Wärme auf-
treten. Es ist demnach die thierisehe Wärme nichts anderes als
die Verbrennungswärme der dnreb den inspirirten Sauerstoff
verbrannten Eiweisse, Fette und Kohlehydrate; je mehr Kohlen-
sHure und WasHcr gebildet wird, je mehr Eiweiss zu Harnstotf zerfallt, desti»
grösser ist die Wärmebilduug, So viel Wärme bei der Verbrennung eiuer Sub-
stanz ausserhalb des Körpers entsteht, genau ebensoviel muss bei der Oxydatioa
innerhalb des ThierkOrpers gebildet werden, und swar glriehvitl) ob die Oxydation
direet oder er-<t durch Zwischenstufen hindurch biS SO den Bndprodoeteo erfolgt.
So entstehen bei der Verbrennung von
1 (irm. Wasserstotr zu Wasser ....... 34"5 Ca (nach Favre und Silbermann)
1 „ Kohlenstoff 8« Kohlmsäurs 8'1 „ „ „ „ „
1 „ Eivsiss . . 5*8 , (»ach Babaer}
1 „ Biweira iai Körper (nuh Abng von
' , Grm. gobüdetin Hamatof) .... 41 „ „ „
1 , Zucker 4*1 « (nach v. Rechen berg)
1 „ Pott 9*3 n (aacb Stohatann).
Ist aber in der That die gebildete Wärme nur die Verbrennungswärme
der im Körper stattfindenden ehemischen Processe, in erster Linie der Oxydationen,
so muss die Grösse der gebildeten Wärme durch die V'erbreunungswärme der im
Körper zersetzten Bestandtheile gedeckt werden. Während nun die älteren Ver-
EIGENWASIfB.
suche von DirLONc und Desprktz, sowie die von (Iavarkkt stdt.s einen Fehl-
betrag der aus der Verbrennung der ioi Körper verbrauchten Stoiie berecbneteo
gOgenflber der thfttaiehltoli g«bildeteo WinnmDenge vm 25 — 10% «rgelwn hatten,
liefern neuere Versuche von RuBNßu den Beweis dafflr, dasa die Vcrbrennun«:8
•Wärrae der im Körper oxydirten Stoffe . aus der exspirirten Kohlensaure- und
Wassermenge sowie aus der ausgeschiedenen üarnstotfmenge berechnet, die in
der gegebenen Zeit vom Thier© thatsiehlich gelieferte Wärmemenge hinreiehend
genaa deekt.
Eine nicht (iiibeträchtliche WärmpmonL'e entsteht im sonst ruhendeu
Thierkörper durch Umsetzung von mechauischer Arbeit in Wärme.
Die meehmaische Arbeit des Herzens, welche den Blutkreislauf nntarhilt, wird
aom grtaiten Theil dnreh die Widentinde innerhalb des Kreisluifet eoneamift
und erscheint in Gestalt von Wärme wieder: die mechanische Arbeit des Herzens,
deren Gesammtprösse für den Menscheu von Zlntz zu i;().000 Kilo^rammmeter =
=: 48 Caloricu veranschlagt wird, kommt dem Korper als Wärmeeinnahme
sn Oute.
GrOsseder Wärmebildung. Ein erwachsener Mensch von 70 Kgrm.
producirt nach einer Berechnung von v. Helmmoltz (184Gj in i? J Stundi n etwa
2400 Wärmeeinbeilen ; diese Wärmemenge würde ausreichen , um seinen Körper
(die speeifisehe Wftrme deeselben im Mittel sn 0-83 angesetst) von 0* auf 40* C.
sn erheben. Da nun die Temperatur des Körpers sich constant erhält, so muss
ebensovit«! Wärme, als g^ebildct wf)rdcn, ;nich zu Verlust gehen. FIs verliert also
der Mensch rn 24 Stunden 2400 W^ärmeoiuheiten. Wie vertheilt sich nun diese
Wärmeabgabe auf die einzelnen Posten , wie gestaltet sich die Wärmebilanz
des Henaeben? Es läset sieb berechnen^ daas anf Strahlang, Leitung nnd Wasser*
Verdunstung von der KOrperoberflftche rund 80» ^ , auf Verdunstung von den
Liiniron circa 12° ^, de^ Wnrmrverlustes entfallen; der Rest von 7" q vertheilt sich
aut die Abgaben behufs Erwärmung der Athemluft, der Speisen und Getränke
auf Körpertemperatur. Diese Biianzanfttellungen gelten, ebenso wie die Seliätxnng
der OrOsie der Wärmebildnnif nur fttr den ruhenden Menschen.
Naclistehpnil" Rerechnunp iIt W ä r m e b i I a n 7. för Jen rtiheDdSB Menschen
nach den Ermitteluogeu von v. lleltuhultx, Duloiig, Vierordt aufgestellt, mug« als
Beispiel di«MB:
1. Warmeoinnahmen. Aus der tägüchen Nahnug:
IIU ürm. Eiweisa 4öi Ca
100 p Fett 930 „
250 n Koblehydrate 1026 „
240t) Ca'
2. Wartneausgaben.
Zur Erwärmnag der Speisen und Getränke RO Ca
n „ t< Athemlnft (zu 10" C. angrenommen) . 100 „
500 Gnn. WaHscr, von lii-n laintc.'u vpnlunst>n ... ilOO ^
Strablnng, Leitung aod Wasserverduaatung vou der ans-
serea Haut 1950 ^
^.'410 Ca
V e r t h e i I II n LT ;i ii d A ii s I c i c Ii ii n ? der Wärme. Mic fhoinischcn
l'roeesse, welche die t^uelle der tbierischeu Wärme .«iud, verlauten in den ver-
sebiedenen Organen und Geweben mit wechselnder Intensität^ ziemlich lebhaft
schon in den Drosen nnd am stärksten in don Muskeln bei deren Thätigkeit.
Wenn nun iinjareachtet dessen im Innern des Thierkörpers die Temperatur iinr
wenig' variirend gefunden wird, st> rührt dies daher, dass das zu allen und
von alleu Organeu strömende I31ut vermöge seiuer grossen
Strömungsgeschwindigkeit (die Umlaofazeit des Blutes beim Menschen
ist SU nur 23 Secunden berechnet) die Te m ]> > ratnr mehr «der weniger zur
Ausgleiehnufr bringt: je schneller das lilut einen riieil des Thierknrpcr-4
durchströmt. Je mehr Blut in der Zeiteinheit eiu Organ durchsetzt, desto wärmer
eraeheint dieses ceteris paribus. Es liängt dies damit susammen, dass, je mehr
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BIOBNWlmrE.
239
Blut in der Zeiteinheit zugeführt wird, ein desto reichlicherer Krsatz für die be-
ständigeo Wärmeverluste st^ttfindea kano. Am meiätua Wärme giebt die äussere
Haut ab, deren WimebildaBg selbst nur gering ist; daher findrt man, obwohl
ihr stets reichlich Wnrtne von dem sie durohströmenden und ana dem Körper-
ionern herkommenden Blut zugeföhrt wird, auf der Haut die geringste Tempe-
ratur, die unter Umätändea bis zu 15** C weniger aIh die der geachlussenen
KOrperbOhlen und des Blute« betragen Icann (s. oben). Zwiseben dieser relativ
katten ,,KiDdeQSehiebt^' und dem Iiinerun . von ROSBNTHAL treffend „Kern des
Thierkörpers" genannt , in dem sieh die tit'iehste und eine fast i-nnstante Tem-
peratur tindet, liegt eine schojale intermediäre Zone, in welcher die Temperatur
von aussen nach innen ansteigt Die Temperaturdifferenz swiseben Rindenschicht
und Rem ist um so grosser, je geringer die Girenhitionsgesehwindigkdt, und nmgekdurt.
Regulation derKigenwärnie. Die Lehensiimcesse bei den Homoio-
tliernien können nur bei eonstanter Temperatur oder bei Schwankuujjen derselben
innerhalb .sehr enger Grenzen stattliuden. Nun schwankt aber die Temperatur
des Mediums, in dem de leben, die der Luft innerhalb weiter Orensen auf und
ab, es wird sonach auch ihre W<1rmeab;rabe betriehtUohen Schwankungen nnter-
worfen sein. Es fra<rt sieh daher, welche \ (»rkehrnnfren sind im (»rfranismus zum
Sehutz gegen erhöhte und erniedrigte Auäueutemperatur getroffen ':' A priori sind
zwei Maglidilceilmi denkbar: entweder der vermehrten oder verminderten Wirme-
abgabe paest sieh die Wirme|iroduction genau an oder die letztere bleibt
mehr oder wenijrer unverändert, und es kommt die WflrmeeonRtanz durch Regu-
lation, durch entsprechende Moditicirung der Wärmeabgabe zu Stande. Thatsäcb-
lich werden zunächst die Wärmeabgaben seitens der äusseren Haut, welehe rund
viw Fflnftel des gesammten Wftrmeverinstes bilden, besehrankt, büdehnngsweise
gesteigert und erst, wenn diese Regulation nieht atisreieht, die Wtrmeprodnetion
herabgesetzt, beziehungsweise vermehrt.
Die zunächst stärkere Abktlblung der Hautoberfläche bei erniedrigter
Aussentemperatur ist mit einem subjeetiven Prostgefflhl verbanden, welehes
von der Haut auagebt, d«ren glatte Mnakelfasem , Mm. ai-rectores püi^ sieh in
Foljre der Külte zusammenziehen, die sogenannte „Gänsehaut" erzeugen und
damit die Haut straO'er machen, das Volumen der Haut verringern. Ausserdem
eontrahinm sieh die kleinen Blntgeftsse der Haut, es fliesst dnreh die Hant in
der Zeiteinheit eine erheblich geringere BIntmenge, nnd damit ist die wirme-
abgebende Öberdilehe \ errinsrert, es wird weniger Wilrme nach aussen :i>)i,'etrehen.
Ferner stockt bei Killte die .SchweisRabsonderung und die Wasserverdiuistun^ von
der Haut, welche sonst erhebliche Wärmemengen latent macht. Die Eiuschiebung
des Unterhaatfettpolsters , einer sehleeht wirmeleitenden „isolirenden** Schiebt
zwiseben die Haut und das Körperinnere besehrlnkt, wir schon C. BERGMANN
treffend hervorgehoben, die Wechselwirkunsr zwischen l)eit]en vorzugsweise .Tuf
das circulirende Blut. Das l'nterhauttett ündct sich gerade bei den in i^olarzonen
lebenden Menschen (Kskimos, Lapplftnder) zu eolossalen Sehiehten entwiekelt. Die
Wlrmeabir.-ihe \<)n der Haut wird noeh dadurch herabgesetzt, dass die Thiere im
Winter eine dichtere Kleidung' anlegen, sich mit schlechteren Wilrmeleitern nni-
gebeu. Der Mensch kleidet sieh bei Kälte wärmer , er legt die Wilrme schlecht
leitende Wollstoffe an, bei den Thieren werden zum W^inter die Haare, der Pelz,
respeetive die Federn diehter. Diese sohteehten Wirmeleiter spielen dadnreh eine
Rolle, dass an der Haut gewisserm.issen eine stehende Luftschicht, nach v. Pkttex-
KOFKR von 2h — 3() "C. , erzeufrt wird, welche die Abkühlun«,' in srleicher Weise
beschränkt, wie die stehende Luftschicht zwischen den Doppelfenätern die Ab-
kflhlung unserer Wohnriume. Soll dieser Schutz aber wiriuiam sein, so mQssen
Haut, Haare oder Federn troi 1 eti sein: wird der Pelz nass, so hört der Schutz auf.
Indessen scheint auch dieser durch das Fettpolster . beziehungsweise durch Be-
deckung der Haut gelieferte Schutz gegen Abkühlung bei sehr starker Differenz
zwischen Hant- und Aussentemperatnr nieht ansnir^ehen, die Wirmeabgabe nach
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240
EfGirirwÄitinü.
aussen steigt an, und zur KrhHlttiug der Temperaturconätanz muss nun auch die
WärmebilduDg dem enUprecbeud zuQehmeo. In Fulge der gesteigerteo Zer-
Mtmng und OzydatioB im K(hrper maeht sfoh tin stirkeras MahrangslMtdllrAiiss
geltend; iietinetiv nehnieD die Menschen io den Polanonen ständig, im gemässigten
Klima nur im Winter mehr Fettspeisen zu sich ; die Fette sind ausgezeichnete
Wftrmebildaer, indem ihre Verbrennungswärme reichlich doppelt so gros« ist, als
die der Eiweisse (Us in Harnstoff) und Kohlehydrate. Eadlleli tritt bei Kälte
nndi A. Löwr nnf dem Wege des Reflexes Mnskelzittern und Maskeispannnng
auf, auch bewegen sich die Thiere in der Killte lel)hafter als bei warmer
Aussentemperatur , bei der Contraction , welche gleichfalls mit Vermehrung der
CO,-Bildung einhergeht, sind die Muskeln Herde einer beträchtlichen Wärme»
bildnng. Aber abgesehen Ton der mit der Mnslcelbewegnng nnd HasicelBpnnnang
verbundenen gesteigerten Wärmebildung wirkt nach ZUNTZ nnd PflOOBB, somal
bei kleinereu Sängern , die K.tlte als Heiz auf die Hautnerven : in Folfje dieses
Reizes kommt es auf uervü»cm Wege zu einer Steigerung der chemischen Pro-
eesae im Hnelcel nnd damit aneh sn Termehrter Wftmie1»ndnng.
Steigt die Aussentemperatur, so erschladen die Maskelfasern
der Haut, die lUutgefHgse der Haut erweitern sich, es findet nun seitens des
reichlicher zuströmenden Blutes eine erhöhte Wärmeabgabe statt. Die Haut wird
fenelift, die Sehweissdrflsen beginnen an seeemiren, weiterhin bricht profuser
Sehweiae ans, der Sebweira verdampft nnd maebt eine grosse Wirmemenge latent.
Es kommt in erster Linie der Schweissaeeretion eine bedeutende Kolle für die
Regulation der Fip<'nw,1rme /u. Je heisser und trockener die l^nft , desto mehr
Schweis» wird abgesondert und desto mehr Wärme wird durch den verdunsteten
Sebweisa dem Körper entaogen. Femer legt der Menaeb bei bober Ansaen-
temperatur leichtere Kleidung an , mit Beginn der wärmeren Jahreszeit verlieren
die Thiere ihr diehtis straffes Winterhaar. Ahoresehen von der so bewirkten
Steigerung der Wärmeabgaben des Körpers, nimmt auch die Wärmebildung ab:
das NabrungsbedflrfalH ist geringer, in bissen Klimaten nebmen die Meneben
weniger Fett an sich , aurh verhalten sieh Menschen tind Thiere bei hoher Anssen-
temperatur möglichst riihi^' und bilden bei gerinircrer Muskelthätigkeit auch weniger
Wärme. Endlieh wird bei hoher Aussentemperatur, abermals dureb Vermittlung
der Hautnerveu, die Wärmebildung in den Haskdn herabgesetzt.
Grensen der Wärmeregnlation. Die eben gesebilderte Begnlation
besteht indes» nur innerhalb ^rewisser Grenzen nach oben und unten. Schon der
Aufenthalt in einem Medium, dessen Temperatur der de.s Körpers nahe kommt,
also von circa 37 — 40" C. ftlhrt zu grossen Beschwerden; besonders wenn die
Luft für ibre Temperatnr fenebt, d. b. mit Wanerdampf nabean gesättigt ist.
Alsdann kann der Thierkörper weder dnreb Strablnng. noch durch Ijoitung, noch
durch Verdunstung Wärme abgeben : es steigt somit seine Fiigenwärme nnd
zwischen 4.^ und 44** C. ti'itt bei tehr gesteigerter Puls- und Athemfrequenz
(WXrmedyspnoe) der Tod unter Knmpfen ein. Treten an der Steigerung der
Eigenwirme in Folge hober Umgebungstemperaturen noch andere wärmebildende
Einfitlsse. wie stark«' Muskelactionen, oder Heliinderung der W.HrmeaMcitung von
der Haut in Fol^^e zu starkor Bekleidung hinzu, so können Temperatursteigerungen
bis zu 44'^ C. und zumeist der Tod eintreten, wie beim Hitzschlag (Sonnenstich),
der Albeiter anf feiern Pold oder Soldaten anf dem Harsebe befftllt.
Iii einem Dampfbad von (30* .starben Katzen und Kaninchen nach 4 Stenden, in
heisser Luft von Hunde .schon nach '/j Stunde. Aber auch zu grosjie Kalte wirkt in Folg«
dar allsn raieUiehen Wärmeabgabe, die nicht durch eine entsprechende Steigerang der Wlnae»
pradnetfOB eunpeiisiTt wird , auf SäugsthUfe delstär. Dareh Sintamshen in Eiswaaser kann
man im Lanfl» Ton wenigen Stunden die Temperatur von Kanlndien bis anf 20" C. 1rarsb>
.setzen, dann erlischt <iio Athmung; luiiipf man, wenn die Temperatur auf 25" gcnnnken ist,
die Thiere in höhere Temperaturen, ao kunnen sie, zumal bei Unterhaltung künstlicher Ath-
■nog, allmälig ihre Eigenwärme wiedererlaogMl. Bin Hund, dessen Temperatur 39*6* betraf,
verlor nach Colin durch Eintauchen des Rnrnpfes und der Beine in Wasser von 16" pro
Stunde — 4° und nach 7 Stunden, als äeinc Temperatur auf 20" gefallen war, trat der Tod
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EIÖENWÄBUB.
241
»in. Aufenthalt in kalter Luft wird von den Thieren besser vertragen, als im pleicli tempe-
ririeo kalten Wasser, weil letzteres, ein besserer Wärmeleiter als die Laft, schneller und
niehUeher W&rme entzieht »Ii die Luft.
Nach Bedecken der ganzen Hantoberfläche oder des grössten Theilos der Haut, bei
dem sogenannten Ueherfirniüsen derHaat hat man bei Warmblütern zumeist tödtlicben
Aassang ^e^ehen : der Ausfall der Hantathmnng, beziehungsweise die Retention liypnthe-
tischer (nicht naohgewieMuer) schädUobar Stoffe in Folge unterdräckter flaatathmong kann,
wio erwieaeB, sieht die TJimehe dee Todes sein. Boienthel und Laiehkewitseli kebea
gezeiRt, dass bei Iheilweiser Fimissnng der Hantoberflache di» danmter liegenden Hautgefänse
stark erweitert sind und nun in kalter Umgebung bedeutend mehr Wärme abgelten als gleich
grosse ungetimisste ; daher siokt die Körpertemperatar allmälig tiefer und tiefer aud bei 20"
tritt der Tod ein. Wurde der tUMtmftssige Wibrmeverlnst der geflnuMten Kaninchen durdi
Umhüllen derselben mit schlechten Wlrmeleitem (Watte) verbfitet, so sank die EigeowboM
nicht utul die Thiere blieben am L' ben : ebenso wenig zeigen sich abnorme Endieinilll|ieil|
wenn man solche Thiere in einem auf 20 — ^5^ C. tenperirten Baum hält.
Naeh V«rletcnngen des Rflekenmftrkes und ▼erBohiedener
Hirnthüile (Pons, Peduncnll, GrOM- and Kleinhirn) hat man bald Stdgemng,
b,il<l Sinken sowohl der ( M'sainmtfemper.Htur als der localen Temperatur pjesehen.
die nach Kosexthal auf vasomotorische Eioflüsse, d. h. Erweiterung, beziehungs-
weise Verengerung der Gefässe und dadardi bedingte gesteigerte, beziehungsweise
▼eningurte Wiraoeabgabe sorfloksafBbren ist; an dem Sinken der Temperatur
nach Rtlekenmarksdurch^chneidnDg mag zum grossen Thoil auch der Ausfall der
hauptsflchiichstcn (Quelle der Wflrmeproduction, der Muskelbewc^iinp'. Schuld sein.
Ein directer Kiulluäs auf die Wärmeproduction ist von Ott, liiCUET, sowie von
Aborsobn und Sachs nnr naeh Lisionen des Streifenhflgels and des basalen
Marklagers nacht^ewiesen.
Nach Ei;lk.\bitr(; und Laxoois enth.tlt auch die Convexitftt der Hirn-
rinde des ScbeiteUappeus in der Umgebang der Kreuzfarcbe (Su/cua ci'uciatns),
wo aneh die erregbaren RIndenfolder and die sogenannte Fflhlsphftre gelegen
rind, thermiseh- wirksame Rindencen treu für Vordeiv nnd Hinterbdn
getrennt. Zf r-^trirnn;: diesf-r Rinflrnparti«' hei Hunden hat Stelgenmg der Temperatur
der contralateralen Extruinitiiteu um mindestens 1* uod darüber zur Folge, während
chemische Keizung ^Autlegen eiues Steinsalzkrystalles) zuuftcbst Absinken der
Temperatur bewirkt. Die Reisnng dieser Gentren lässt bei eurarlsirten Thieren
in Folge Contractinn der mittleren und kleinen Arterien nach Stricker in den
grossen Körperarterien den Hliitdruek stark an^teifren. Diese Rindencentren machen
es erktilrlicb, dass bei psychischer Erregung da.s (iefässcaliber und die Teuipe-
ratnr beeinflaBst werden kfinnen, wie dies beim plötslieheo Grrflthen nnd Er-
blassen der Fall ist.
In verscIiieilHnon. mit bedeutenden Teniperatnrötei>rerMirj-en ' inlier'jrohenden
Krankheiten, namentlich beim Starrkrampf (^Tetanus) und bei lafectiuuskrank-
heiten, ist unmittelbar naeh dem Tode ein sebnelles Ansteigen der Temperatar
beobachtet worden bis zu 45*4" C, dem höchsten, bei einem an Tetanus yer-
storbenen Mensehen eine Stunde nach dem 'J'ode von Wunderlich gefundenen
Werth, die sogenannte p o s t m o r t a 1 e T e m p e ra t u r s t e i g e r u n g. Es beruht
dieselbe auf einer Fortdauer der Wärmebildung uoch während einer gewissen
Zeit naeh dem Tode, wahrsebeinlieb ist aach die naeh FiCK ond Schiffbb mit
der Todtenstarre der Muskeln, respective mit der Gerinnung des Blutes verbundene
WärmoentwickluniT daltei betlieiligt. Andererseits ist in Folge di r sistirten Hlut-
circulation eine der wesentlichsten Quellen der Abkühlung des Körpers beträcbt-
lieh herabgesetzt; der todte Körper mnss daher bedeutend weniger Winne ver-
lieren als der lebende . in welchem der Blutkreislauf lebhaft Tor doh geht,
cndlieli ffillt auch der Wflrmeverlast an die Luft in den Lungen nnd durch
Wasser Verdunstung fort,
Winterschlaf. Unter den Sin^hieren haben seftweilig inconstante Körper-
temperatar: Murmeltbier, Sielicusi lilutVr, Has» liiutiis , Ijrel , llaiustcr, brauner Uär, Dacbs,
Zie«el, Fledermaus. Sie verfallen bei niederer AussonteinjM ratnr (-f- 5 bis — 8" C.) in einen
lethargischen Sehlaf, den sogenannten Winterschlaf. Die Zahl der Athemziige beträgt beim
Mnrmelthier 7~-H. hei der Haselmaos 9— lO. ond auch die Uentbätigkeit ist dementsprechend
i-Incyclop. Jabr'jiicber. IIL lg
242 EIGENWÄRME. — EIS.
Teriangsamt , ihre Frequenz beträgt 24 — 36 in der Minate. Bei einer Aussentemperatur von
!• beträgt die Eij^enwärme derselben nur 3 — 5", so d&s? sie sich ganz kalt anfühlen. Wahrend
des Winterschlafes nehmen diese Thiore kein« Nahrung zu sich; ihre Sanerstollaufnahme ist
nach Bexnault and Reiset aaf '/■» deijenigen U-Menge radocirt, welche wahrend dea
WiMhens die nemale ist, nnd von diesen anfgenotauenen Sanerstoff enefaeiat mir ' — Vt
ia der auspeschiedenen CO. wieder, der respiratorische Quotient betragt nur O l d ös. Da
bei der niedrigen Eigenwärme der Thiere ein nur aust^erurdentlich geringer Verlust vun Wasser
la DaaipiRmi statÜBdet, so nehmen die Thiere noch an Gewicht zn , indem sie ' — des
«afjpaomaienen SanerstofliM im Körper aufspeichern. Im Frälgahr erwachen sie abgemagert,
mit Tersehrtem Fett. Ebenso erwachen Winterachlftfer. sobald die Temperatur der Umgebung
erhüllt wird uder durch äussere Reize aller .\rt. Mit di-iii Kriva- lit n strit't ilirc Körperwärme
schnell an und errei'-ht binnen wenigen Stunden das Muxiniuui, wie vor dem Kinsrhlafen.
Wäruiebildung bei Arbeitsleistung. Alle bisherigen Betrach-
tungen Aber den Wärmebauf>halt de« Thierkdrpers galten nur für den Fall des
(abgesehen von der zar Unterhalt uiii^^ den Lebens erforderlichen Thätigkeit der
Athem- und TTer/musculatur) ruhenden Körpers, in welchem also fast die ge-
sammte chemitjche Spannkraft (V'erbreuDungswärme) der eiugeiUbrtea Nabrang,
respeetive des sereetsten KOrpermaterialee in Wirme llbergefahrt wird. Wenn
nnn der Thierkörper meebanische Arbeit nach aussen leistet, so wird naeb dem
Gesetz der Krh.iltun^ der Kraft ein Theil dieser Verbrennunpr^wärme in
meehunisehe Arlicit verwandelt. Fiir die der thieriseheii Maschine in mancher
Uinsicbt iibnlicheu Verhältnisse uuserer Dampfaiascbiueu bat es sich ergeben,
dass theoretiseh h^iebstens ^/g der dem Keeselwasser mitgetbeilten Wftrme in
Arbeit verwandelt werden kann , ' ^ ^ehen als freie Wftrme nnbenutzt fort ; in
der Praxis wird sofjar nur ' \n der durch die Verbrennunp^ der Kohle erzeugten
Wärme io Arbeit verwandelt. Erbeblieh ^(lustiger als die Dampfma^cbiuen ist in
dieser Betiebunf der Thierkdrper angelegt, da dieser naeb v. Hblmholtz 20« o>
nach FiGK und ZOHTZ in maximo Üb^io seiner Verb renn ungswftrme in
Arbeit umsetzen kann. Verrichtet der Ktirpcr Arbeit, so sind .luch seine
Wärmeeiunahmen erbeblich vergrüssert, wie schon aus der Zunahme der CO«-
Aushauchung und der Eigenwärme bei der Muskelthätigkeit hervorgeht.
Literatur. Die Literatur bis 1982 findet sich gesammelt in J. Rosent1ial*a
Bearbeitung der „Thierischen Wärme" in L. Hernianirs H.mdliui Ii d' t F'liv>i(il. IV. 2. Theil,
pag. 2d9— 45::^. — 1883. B. Üauilewsky , Wärmeproductiim und Arbeitsleistung dns Meaacben.
Pfliger's Aichiv. XXX, pag. 175. H. Senator, Einfluss der Erwärmnng auf Kreislanf,
AthmuDp null Ha* rialisondernn!:. Du Archiv. Snppl. Festschrift, ymfr. 1^7- — 1884- M. S m i t h,
Warniehildung des tluitigen iluskels, üii IJois' Archiv, pa^'. R. (ieigel. Wärmeregula-
tion und Kleidung Archiv fiir H\ i: 11. patr '^\^. Ch. Hiebet, KinÜnss des Hirns, Compt.
rend. XCVill, pag. 827. — 1885. M. Blix. Wärmebildong und Arbeitsleistaug. Zeitachr.
ffirBiol. XXX. pag. 190. Danilewskv, Calorische Werthe der NfthrstoffI». PflIlger'R Ardiiv.
XXXVT, iKiir. -SM). E. Aronsohn und J. Sachs, Ebenda. XXXVII, pa-. 2:t.' Ch. Riebet,
Ebenda, pa^:. ti:^l . Kaudnitz, Du Bois' Archiv, pag. 347. Kulenburg, Ebenda, pag. 566.
A. Christ iani, Einfluss des Hirnes; thermische t'eutren. Ebenda, pag. .'j7:J. Ch. Riebet,
Calorimetrische Untersuchangen. Arcb. de Physiol. Nr. 7 a. 8. — 1886. Eröss. Temperatur
der Nengehorenen. Jahrb. für Kinderheilk. XXIV, pag. 189 Lnkjanow, Wftrmebildnng und
.\rl I -l. istung des Mnakels. Du I5iiis' .\r«'hiv. Suppl., pa>r, IlT 1S87. A.Masje. Wartnc-
ätrahluug des menschlidien Ki^rpers. Yircbow's Archiv. CVIl , pag. 17 u. "MiT. Langlois,
Oalorimetrie beim IfenselMo. Joam. de l'anat. et physiel. ZXIIt, Nr. 4. — 1888. Knnkel,
Temperatur der menschlichen Haut Zeitschr für Biol. XXV, pag. .55. Sawadowski, Ther-
mische Centren im Hirn. Med. Centralbl. Nr. b Iiis 10. — iHH\i Ch. Riebet, Regulation.
Compt. rend. CIX, Nr. 5. J Rosen t ha 1, Calorimeirie. Du Bois" Archiv, pag. 1, 23, 39.
Znnta and A. L&wy , itegalalion. Ebenda, pag. 558 and Pfiügcr's Archiv. XLVI, pag. 189» *— '
1890. d'Arsonval, Lnftcslorimeter. Arch dephysiol.. pag. G 10 n. 781. Oddi, BiaÄt»
der Temperatur auf Ga-swei bsd .Ardi r ]<■ si . med. XIV, pag. •l*i;j. — 1891. M. Rn bner,
Marburger Festschrift und Berliner kliu. Wochcaschr. Nr. 2ö. .T. Kosentbai, Calorimethe.
Biol. Centralbl. Nr. 15 n. 16 nnd Berliner klin. Wochenschr. Nr. 22 a. 27. J. T e r e g , Die
Lt^hre von der thieri.'^chen Wärme, Herlin {Monofrraphie i Haie W Ii i i >■ , Thermii?che Centren.
Journ. uf Physiol. XII, pag. - 1892. (xui e rma u, Thermische iiiruriadencentrea. Diasert.
Boatock. N. Zuntz, Bmührnng dea Henena. Dentiche med. Wochenschr. YIII (Henarbeit).
J. Mnnk.
Eis. Wenn aueli rnttT-iichimiren iiher den (iehalt des Kise.i an unorga-
nittcüeu uud organischen ötuüeu uameutlicb im Vergleiche mit dem Gehalt dieser
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243
Stoffe in dem Wasser, ans welchem das Eis gewonnen werde, von froherer Zeit
(lioiiiNET, Ddfouk, Bollky u. A.) vorliegen, so ist die hygienische Prüfung und
Beurtheilunfr des Kises d<ich eine AntVahe, welche sich erst die heutij^e Richtung'
der Hygiene gesteilt bat. Die V'erweDduag von in Flüssigkeiten direct hioeinge-
worfenen Risetfleken zur Heretellnng kohlender Getränke, fwner der fameiliebe
Gebraueh von EisstUckchen bei Affeeüonen der Mundhöhle und des Kaohens, bei
acutem Magencatarrh . hei Hilnioptoc machen es zur PHicht . das Eis auf seine
chemische BesehafVtnbeit uud auf einen etwaigen Gehalt an pathogenen Haktcrien
zu prüfen. Allgemein ist die Erfahrung, dass beim Gefrieren von Flüssigkeiten,
welche Salae in Losung enthalten, der in Bis gewordene Theil derselben einen
verminderten Salzgehalt zeigt. Diese \"('rmlnderun.ir des fixen Rflckstanden des
ursprtlnglichen Wa-sers kann bis zu i"^ im Else herali^^chen. So fand Horpon'i-
UiFÄEDLZZi im Wasser des Cauales „La Peileriua" in Turin vor dtm Ge-
frieren 460*8 Hgrm. ROekstand im Liter und im Schmelzwasser des Eises ans
diesem Canale nur 8"0 Mgrm. Rückstand. Jedoeli, wie IIkyroth am Spree-
Wasser zeigte, werden bei Entstehung des Kises nicht alle Hestandtheilo des
Wassers in gleichem Masse zurückgewiesen uud es ist autliiUig, dass die organi-
sehen Stoffe, insoweit dieselben in der Oxydtrbarkeit ihren Ausdruck finden, so-
wie der Ammoniakgebalt sich im Vergleich su dem Gehalto an gelösten Sailen
wenig oder gar nicht nn der Verbesserurifr des ReinÜchkeit-zustandes bethci-
ligen , indem, wie dies auch frühere He(»liaehter : RrTFildr-:!: , Wakkrn. zeii^ten,
an unorganischen Bestandtheilen sehr arme Eissorteu ganz an-iehulicho Mengen von
Ammoniak und Albnminoidammoniak enthielten. In einem Falle von Eisvei^ifknng
in Washington fand Orlando • Brown O OS Mgrm. Ammoniak und 0 09 Mgrm.
Albnminnidammoniak im Liter Schmelzwasser des vcrdflchtigcn Kises. IIh.t.s und
NiCHOLS zeigten, dass das Eis zuweilen mehr organische ^Substanz enthalten
kann, als das an gleicher Stelle gesammelte Wasser.
Schliesslich bestätigte neuerdings Hf.vrotii , dass beim Gefrieren des
Wassers die im Wasser bedndliehen orjrünisclien Sulistanzen viel weniger ausge-
schieden werden, als die Salze der unorganischen Siluren. Auch das Verhalten
nicht patbogener und pathogener Bakterien beim Gefrieren war Gegenstand zahl-
reicber Untersuchungen (A. v. Frisch, C. Fräkksl, Beüddbn, Bordoni-Ufpebddzzi).
Dabei ergab sieh, dass beim Gefrieren des Wassers allerdings bis 90° ^ der darin
brtiiidüehen Bakterien ausgeschieden werden, dass jednch die Mikroorganismen,
uud zwar sowohl die unschädlichen Wasserbakterieu , wie die pathogenen Arten,
den natOrliehen Gefrierproeess nnd selbst eine längere Aufbewahrung Im gefrorenen
Zustande »hne Aufhebung ihres Fortpflanzungsvermögens und bezichvngSW^M
auch ohne Einbusse ihrer Virulenz ertragen können ( ITk^ imth). Die eitererregenden
Staphylo- und Streptococcen widerstehen selbst langer Einwirkung niederer
Temperatar, ebenso die Erreger des Sehweinerothlanft. Ziemlieh leidit werden die
Haeillen des Milzbrandes und der Kanbehensepticamtc getödtct. Beztlglich des
Verhaltens des Kiui'^teises gelangten i>r Cr at x und spflter IIkvroth zum Urtheile,
dass das Kunsteis, wenn es aus dem gleiehen verunreinigten Wasser, wie das
Natureis hergestellt wird, dem letzteren nichts voraus hat. Wie man in der
Hygiene eine Trennung swiseheii Trink- nnd Nutzwasaer, soweit nur thunlieb,
vermeidet, sr» soll auch das fdr die versdiiedeuen Zwecke des Gebrauches darge-
stellte Eis, wenn es dabei zur uuiiiittelliaren I?enihrung mit N.ihrung.H- und fie-
nussuiittelu oder Speisegeriltheu des .Menschen kommt, von der gleichen reinlichen
Besehaffenheit sein, als wenn es fOr den Gennss bestimmt wire. Die Kunstcis-
fabrikation beruft sieh hflufig darauf, dass sie aus cherolseh reinem, d. h. destil-
lirtem Wasser das Kis liir-;trlli'. Als solrlics wird alier zumeist ("ondensations-
wasser vom Daropfmasehiueubetrieb verwerthet, welches häutig durch die Berüh-
rung mit Hasehinentbeilen verunreinigt ist, Hetboto konnte im Kunsteis eine
Ölige Beimengung nachweisen. — Es muss daher das Eis genan nach demselben
Gesichtspunkte wie das Wasser selbst l»eurtheUt werden, selbst tu technisohen
ir»*
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EIS. — ELEKTfiOTBOPlSMüS.
Zwecken dienendes Eis soll frei von organischen VerunraiaigungMl und patho^enen
Bakterien sein ; die Eissorten des Handels sind einer periodiaeli wiederkehrenden
Uotersuchun^ zu unterwerfen.
Die cbomische Uaterduchung von Natar- oder Kunsteis geschieht in
der Wmse, dau man einen Eiablook in «n Tneh wiekelt, mit dem Hammer ser-
theilt, einige Stflcke in ein Becberglas bringt und sie dann im Wasserbade schmilzt.
Das durch das Schmelzen erhaltene noch kalte Wasser wird nach den für die
Uatersucbuug des Wassers geltenden Kegeln geprüft. Zur bakteriologischen
Prufang sieht man einige wie oben entnommene Biastflekehen dnreh die BnnBen-
flamme und wirft sie in ein sterilisirtes Külbchcn mit Wattepropf. Nach 15 bis
'40 Minuten ist genügend Schmelzwamer vorlianden, um Piatten wie bei der
Wasseruuterducbung giessen zu können.
Literatur: Fränkel, lieber den Baklerienf^ebalt des Eises. Zeitschr. f. Hygiene.
I. — B o rdo n i - U f f r 0 daazi , Diebiologis( he UntcrsncliuLu: des Eises. Central bl. f. Bakterio-
logie. II. — A. fieyrotli, Heber den B«inlichkeitazastand des oatärlicbes und kansUicben
Baes. Ariieiten am den kalaari. Geenadheltsaiate. IT. OBatfcUt «ablrsieh» An^tban aas der
Uterea Uterator). — K.B. Lehnana, Die Methoden der praktiKben Ey^bm». Wiesbaden 1890.
Loebiaeh.
Elsen, 8. Chlorose, pag. 136.
Ekzeme, UäderbehandUmg, s. Bad, pag. 52.
Elektrolyse. Eine im letzten Jahre von E. Pebbegaux erschienene
Arbeit aetit die von mir im Jahre 1890 ▼erOffbotliehten ünteranehnngen Aber die
physiologische Wirknng der ElektrulvHe am thierischen Gewebe auf Gmnd sorg-
fältigster Experimente fort. Pie Resiilt;ite PerreGAüx' bestätigen meine damaligen
Angaben mit Ausnahme weniger Punkte von untergeordneter Bedeutung fast
dnrehgehends. Die geringen Verschiedenheiten in unseren Resnltateo sind flberdlM
mit liemlidter Siebo'lieit ane der venehiedenartigen Anordnung unserer dieriMsllg-
Ueben Versnehe zu erklären.
In dankens werther Weise hat Perreoacx aber ausserdem noch seine
Ari)eit dadurch erweitert, dass er die Erscheinungen der Kataphorese, des I^eitungs-
widerstandea im Gewebe und der Winnebildung aufs Genaueste stndirt hat. Die
ganio Arlieit, die hier in ihren Einzelheiten zu besprechen nicht der Ort ist, zeigt
von der ^r(Hsen Snrjr-jamkeit ihres Verfassers, der uns für das nächste Jahr die
Resultate seiner L utersucbungen am lebenden thieriscben Gewebe in Aassioht
gestellt bat
L)es Weiteren brachte uns das vergangene Jahr aneh dnen neuen Vereueb,
das jiraktischc Wirkun^sffebiet der Elektrolyse auszudehnen. E. MkTSB Sebllgt
vor, die Spinae de.s Septum narium elektrolytisch zu behandeln.
Die näheren Details über diese Bebandlungsweise , die in der Berliner
Gesellsehaft fiBr Laryngologie anm ersten Haie mitgetheQt wurden, liegen bis beste
gedruckt noch nicht vor.
Literatnr: E. Perreganx, Untersuchungen über die in tndten tbierischea
Geweben vom galvanischen Strome bedingten elektrolytischsn Veränderungen. B. Scbwabe,
B««n892. Arthor Kaltner.
Elektrotropismus. M;iii siTsteht darunter die von TIk.rmaxn' EUerst
ln'schriebene KijErensfhaft frewisser im Wasser lebender Thicre , sieh durch einen
eonstanteu elektrischen Strom in ihrer Stelluug und iu der Richtung ihrer Bewe-
gung beeinimMon zu lassen. Diese von Hkrmann zuerst an Kaulquappen nnd
Fisohembryonen beobaehtete Erscheinung wurde in der Folge auch an anderen
Thierarteu experimentell studirt , ohne dass es bisher möirlieh gewesen w.lre, für
die>(w anHcdeinend isolirt vnn den flbrifren elektrophysiolo^isehen ErsclK-itinngen
dastehende I'iiäuomen eine genil^^ende Erklärung zu geben. Neuerdings haben
K. Blasius und F. Schwbtzbr („Elektrotropismus nnd verwandte Bnoheinongen",
Arch. f. d. «res. Phys. Bonn LTII : Uber den Gegenstand eine grossere experi-
mentelle Arbeit veröffentlicht, die den Zusammenbang des Elektrotropismus mit
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ELEKTR( iTROPISMÜS.
245
anderen elektrophysiologischen Erscheinungen , und spcciell mit den krampf-
erregenden und krampfstillenden Wirkungen bestimmt ge-
richteter galvaniaclier Ströme, deutlich hervortreten lassen.
Die Ymmhe imTden im physikjüisehen Inttitate der BerUner Cnivenitlt
mit Constanten Masch inenströoien von 108 Volt Spannung (durch Anschluss an die
Berliner allgemeinen Elektricitätswerke) hergcHtellt. Als Trog diente ein oben
offener, mit Paralfiu getränkter üolzkastea von 70 Cm. Länge, 7*4 Cm. Breite
QDd 7*S Cm. TidSB. Oer Strom floei in der Llngsriebtung doreb nnd wurde darch
obere Elektroden na Zinkblech zu- nnd abgeleitet, die nur w enig kleiner als der
Querschnitt waren und durch die ganze Lfinge des Knsten.s beliebig verschoben
werden konnten. Am oberen Ende der Zinkplatteo wurden etwa 12 Cm. lange
Bleefareifen eo angelOtbet, dass die freien Enden, auf den Winden des Troges
ruhend, die Polplatten trugen. Der Querschnitt der Wasterschicbt betrug dureb-
schnittlich 4 — 6 Cm. Zur Wiib'rstandsrcfriilirung benutzten die Verfasser eintn von
W. A. HiRsCHMAX.v angefertigten Compressiunsrheostat, wobei der durch einen mit
Zinkvitriollösung gefüllten Kautschukschlauch hindurchgebende Strom durch all-
mlUges ZneammendrHoken dieaes Seblanebee (mittelst dner Klemmeebraabe) fast
bis aaf Null herabgesetzt und umgekehrt durch langsames Aufschrauben ohne
BpmngfOrmiges Ansteigen bis zu seiner vollen Höhe verstärkt werden konnte.
Bei den Versuchen an Fischen (jungen Bachforellen, Goldliscben u. 8. w.)
Stellte sieb sofort eine Einstellung der Fisebe gegen den poutiveD Pol berans.
Beim Schlüsse eines ganz schwachen Stromes stellten aich die Tbiere mit dem
Kopfe gegen deu positiven I'ol. blieben dann ruhig liegen oder schwammen bisweilen
vorwärts, immer in der liichtung gegen die Anode. Bei etwas stärkerem Strome
erfolgte die ^wtellnng mebr mekwdse, mit einigen krlftigen Sebfdmmbewegungcn
gegen den positiven Pol bin ; beim Oeffnen blieben die Thiere erst einige Seennden
ruhig und schwammen dann wieder durcheinander. Hei noch st.irkerem Strom drehen
sich die Fisehe in die positive Einstellung, beweisen Hieb bastig norb etwas
vorwärts, werden dann ruhig uud legen sich bewegungslos auf den Kücken, die
Atbmnng bOrt anf oder wird sebwaeb nnd nnregelmXssig. Daas man es bier mit
einer Betäubung oder Einachläfer ung durch den absteigenden
Strom 7,u thun liat, erhellt daraus, dass die Tbiere ohne Reaclion sich rollen,
kneifen, aut den itückeu legen lassen. Sobald man sie aber quer zur Stromrichtung
stellt oder gar völlig nmdrebt, so dass sie aufsteigenden Strom bekommen,
80 werden sie sehr erregt, scbiesseu auf, winden und krümmen sieh und dreben
sich schliesslich wie'ler mit dem Kopfe gegen die Anode, worauf sie von Neuem
in tiefen Schlaf verfallen.
Die Verfasser bezeichnen den unter dem direeten Einflüsse des Stromes
M Stande kommenden Zustand als Qalvanonareose; den Znstand naeb dem
Aufboren des Stromes, wobei die Thiere scheinbar noch längere Zeit in denselben
Zustand der Hube verfallen, aber schon durch die geringste nerdlining , durcli
leises Geräusch, leichtes Zittern des Tisches u. s. w. aus dem Schlafe erweckt
werden, als Hy pn ose. Analoge Beobaebtnngen wurden bei vielen anderen Fiscben
gemaebt; auch wurden Versuche mit querer und lothrechter Diirehstrumung dar-
gestellt, wobei die Fisebe wohl einigermassen betiUibt wiirdou. aber mit Vorliebe
immer bald wieder die positive Einstellung anzunehmen strebten. Gleich Fischen
zeigten aueb Salamander die positive Einstellung sebr deutlieb ; bei Pritoeben bewirkt
der absteigende Strom einen an die Galvanonarcose der Fische erinnernden ]{uhe-
ZUStand, wilbrend aufsteigender f^troin dagegen spastische Sehwiiiinibewf>gang, Streck-
zuckungen und schliesslieh Tetanus hervorruft. Auch Krebse zeigen deutliche Fr-
scheinungen von Elcktrotropismus, drehen sich bei aufsteigendem Strome langsam
um und bleiben in absteigender Stromriebtung liegen oder krieeben vorwftrts, aueb
gerathen sie durch einen langsam absinkenden, absteigenden Strom leicht in
Hypnoge. Versuche mit Kntteu , Mäusen (ausserhalb des Bades) u. s. w. lieferten
bisher keine genügenden Kesultatc.
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216
ELBRTROTROPISUUi«. — ENTBROPTOSB.
Vergleichende Versuche mit AcoumulaturbattcrieQ ^voa 7 7 0 Volt Spannung)
«rgftben genan dieBelben Besoltate iHe beim MaaehiBeBakrome , nainenttidi aaeb
hier die EraeheinuDgen der Galvanonarcosef Htm Fallen auf die Anodeoseite ond
bei laogBMDem nnd stetigem Absinken des Stromes die Erscheinungeo der Hypno<t-.
Uni den Eintlnss der ( 'entralorfjane auf das Zustandekommen der Er-
sehe inungen kennen zu lernen, wurde an decapitirten odereuthirnteu
Fieeben operirt, wobei rieb die Wirkung im WeaentUeben unverändert seigte;
erst nach Zerstörung des ROckennarlcea wurde (bei Fisebenl die Dauerwirkung
des Stromes inhibirt. wurden nur nofh Schliessunpfs- und Oeffnungszuckungen
beobachtet. Bei abgekühlten 'i'hieren (Fische, Frösche) fanden die Verfasser
imidiere Nareotisirung doreb den galTaiiiroben Strom, aber sugldcfa aaeb sebeinbar
erbOhte Errc (^barlceit in aufstei^'cndeu Strome. Bv'i eurarisirten Fröschen
werden die Erregungserscheinun^'en im aufsteigenden Strome schwaeher (kein
Tetanus); beim strycbnisirten Frosche machte sieh der beruhigende Kinfluss
des absteigenden Stromes geltend, der Tetanus löste sieb während des .struuiea
aus, trat aber naeb der Oeflfnnng wieder ein — im aufsteigenden Strome dagegen
wurde der Strychnintetauus noch womöglich gesteigert, doeb wurde der Froseh
anob hier bald ersdilalVt und meist dauernd nncrrcjrbar.
Die Verfasaer resumiren ihre Ergebnisse in fulgcudeu Gatzen : I.Elektro-
tropismus läaat aieb bei vielen Tbieren naebweisen, besonders
leicht bei Fischen. 3. Die Wirkung des constanten Stromes nnf
lebende Organismen ist abhängig in erster Linie von dessen
liichtung (wobei wir aber auch die loeale Polwirkung nicht vergessen dUrfeu;.
Hei Wirbeltbieren und aneb bei vielen niederen Tbieren wirkt
der absteigende Strom meisten« bernbigend, der aufsteigende
errejrt'nd. 3. E le k t r o t r o j» i « nin s und verwandte Erscheinungen,
wie G a 1 V a n 0 narco se , galvanischer Schwindel (Fallen auf die Seite
der Anode etc.) sind bedingt duroh die Dauer des cuustanten
Stromes, sie sind niebt das Resultat der plötsliebon Strom»
sebliessung. 4. Bei den untersuchten Wirbelthicrcn wirkt der
eonstante Strom sei es nun beruhigend, r e h pe c ti v e e r regen d
oder sei es wirklich richtend — vor Allem auf das Central-
nervensystem. Wie weit daneben noch andere Faetoren in Betraebt kommen,
bleibt nocb sn untersuehen.
Eine Theorie der Erscheinungen des l'Ifkfri>tr(ij»!'^iiiiis lässt sich einst-
weilen noch nicht ^ebcn; doch sprechen die Vertaiüäer die Hypothese ans: fyD^t
absteigende Strom lähmt die Hirnf unetion und unterdrflekt die
Reflexbogen« der aufsteigende erhöbt die Function des Hirns
und de^i oberen Rtlekenmarkes und erlelehtert die Reflezflber*
Iragung.''
In einer „therapeutisi-hen Aumerkuug'^ heben die Verfasser hervor, das«
es nahe liege, aneb am Henseben die „beruhigende" Wirkung des absteigraden
Stromes su pmltiren oder Additiou v<in medlcamentöser und elektrischer ßeein-
fluKsiinir. z.U. (Miloral und alisteigender Strom als Beruhigungsmittel, Strychuiu
uud uul'steigender Strom, wo eine Keizuug nöthig ist; sie tilgen aber dämpfend
binsn: ,.Man maebe sieh niebt zu grosse Hoffnungen!" Aneb ratben de (wie
schon früher O.viMi s und Lkuuos mehr auf die Stromrie btung an aehten,
jedoch trotzdem die Pol Wirkung im Auge zu behalten. Ruleabnrg.
EncephaJopathia satiirnina, s. Biel, pag. 115.
Enteritis membranacea, s. Darmcatarrb, pag. isa.
Enteroklyse, s. oa rminfnsion. pag. 151.
EnteroptOSe (Glk.na Rüsche Krankheit). Seit Ule.Naud im
Jahre 1885 seine erste bezOgliehe Pnblication erscheinen Hess, in der er die
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BNTEROPTOSE.
247
Enteroptc^^e, eirx'ii ('')m])lox von fttiolngisoh. patholo^'isph-an:itomi.sch und klinisch
sehr ditlerenten Ernebeinungen, als eine „Enttte morbide'^ bezeichnete, ist viel
dtfttber gestritten worden, mit welchem Recht dies Krankheitsbild construirt
worden itt. Dfo Getehiekliehk^t der IVaiuoaeii in der prignanten Namenbildung
bat durch dietM plastische Bild die Aufmerksamkeit weiterer Kreise für eine
Reihe von Krankheitserseheinun^en waclifrenifen , die zeitwellig uicht genftprend
erkannt oder nicht genug beachtet wurden. In Frankreich hat man dann der
„Maladie de Olbnabd" grofiaes Inteream eB^egengebraeht, wofHr die Ansahl
franzÖBischer Publicationen spricht , während in Deutschland bis xnr Pabllcation
EwaLD's 1890 die ein sc b lag igen Mittheilungen sehr selten sind.
Die graduell sehr verschiedenen Verlagerungen des Situs der Baucbeiu
gewelde haben sich schon lange bei Obdnetionen bemerkbar gemaeht, und man
hat schon lange vor Glknard von einer EsQumoL'schen Sehlmge gesproehen,
womit das bogenförmig herabhängen fle. stark ersohlafTte Colon tronsrerftitm gemeint
war. Arndt macht z. B. bei der Erwähnung des Uerabsinkens dos Colon fram'
veraum bis auf die Symphyse darauf aufmerksam , daas Koprostase mechanisch
berabxerrend und dureh den andanemden Reis der atagoJrenden Maasen ehronieeh
entzilndlich und bypertrophirend wirke, dass diese Erscheinung hauptsächlich bei
nervösen Mensehon gefunden werde, und zwar bei Frauen öfter als bei Männern.
Mir selbst sind bei Ubductionen Geisteskranker diese Zustände als sehr häufig
aufgefallen, so dass es nicht Wunder nehmen kann, daas man xdtweise daranf,
ähnlich flbertreibend wie hei den Wirkungen der Roproetaaen, ^e Aetidogie
paychischor Erkrankungen aufbaute.
Das Neue bei Glknaku ist die Beziehung einer Anzahl ueurastheuischer
nnd dyspeptiseher Znatftnde auf diese Verinderung des Situs, die Betonung einer
ganz besonderen lläutigkeit und die therapeutische Seite des Gegenstandes. Aller-
dings dr.Hnirt sidi. wie Fw.M.n ganz richtig bemerkt, neben den Zweifeln an der
Bere.ehtigung , eine selbständige Krankheitsgruppe daraus zu bilden, der Ge-
danke auf, dass, wenn man bisher unter „nervöser Dyspepsie^^ diu Reibe von
Symptomen fnnetioneller Störung ohne oiganisehes Substrat nnterbraehte , jetat
nothwendigerweise ..diejenigen Fälle , in denen man eine klinisch nachweisbare
Abweiehiing von der Norm in der geschilderten Weise findet, nicht mehr in das
Gebiet der nervösen Dyspep.sio gehören , sondern aus demselben ausgesondert
werden mflssen".
Zu diesen Erscheinungen gehören einmal rein gastrisch nervöse Sym*
ptonie, die auf einen gestörten Betrieb der Magenverdauung hinwei-^en : Appetit-
mangei, lieiashuager, schlechter Geschmack im Munde, saures Aafstossen,
Dmek nnd Aufgebllbtheit im Epigaatrinm, OefBhl der langanmeren Magenrer^
dannng etc. Zu diesen Symptomen gastriseher Neurasthenie gesellen sieh in
sehwereren P\'lllfii die l>-rlieinungen gestf^rtcr Darmfnnctinn : Obstipation, wech-
selnd mit plrit/.lichen Durchlällen, Ansauimlung von lästigen Gasen, Aufgetrieben-
heit des Abdunicu, kollernde, geräuschvolle Peristaltik, Abgang schleimiger oder
membranOaer Massen mit den harten brOeketigen Ftoes. In diesen Stadien , wo
die Störung der Function zu catarrhalischen Erscheinungen gefflhrt bat, wird ea
zuweilen sehr schwer sein, Frsache nnd Wirkung zu unterscheiden : hat man es
eoncretenfalU mit einem chronischen Darmcatarrh und auf allgemeiner Schwächung
beruhenden nervösen Erscheinungen an tiinn, oder hat die irreguläre Innervation
des Darnies mit theils selineekenbaft träger, tbeils beschleunigter Peristaltik
allmälig zu eatarrhaliseher Erkrankung geführt? Jedenfalls -iiud die Patienten in
diesem Zustande recht herabgekommeu : wechselnde Stimmung, zu depressiven
Affeeten neigend, mflrriaehe Gtemflthaart vorherrschend, Eoergieherabsctzaug,
schleehter Schlaf, eingenommener Kopf, schleehtes Aussehen, atarlce Abmagemng,
starkes Krankheit-tLrefilhl, Klel»en an allen egttistischen Vdrstcllunfren, sd da«« die
Patienten überhaupt nur noch Alles in Beziehung zu Darm und Magen setzen
und thun.
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948 niTEROFTOSE.
T'nteniacht man das Abdomen und Epifrastrium solcher Leute, so findet
man nach Glknaed begonders häofig fühlbares Pulsiren der ßaucbaorlA in der
0«g«nd dM Epigaatrinnif und bei gvnuierain ZufShlen efaien qoergelagertoo Stmg,
der von links nach rechtR zieht, einen Theil des Colon transversum (linke llUfte
in contrahirtem Zustande' darstellt und von (tLKNarD als Corde coliqu^ trann-
verte bezeichnet wird. Die rechte Hälfte des Colon transversum sinkt in der
Gef^nd der Fiexura eoUrn-kepaiica benmter wegwi Sehwieha der fixirenden
Rnndcr, besonders iMlAgamenium colico-hepatieumf während die linke Hälfte durch
(las Li/fOT)ifiifinn (fnstro rnficn ii> fixirt erhalten bleibt, rmschlafrstelle zwischen
Colon at<cen(J('ns und transi ersu m sammt der benachbarten Partie des Quercolon prola-
biren und ziehen schräg vuu uuteu nach oben, wo sich durch festere Auheftung
der linken C(4oohllfte eine leMile Knidcan^ «od eventoeU Kotbstaanng entwiekelt
Bei der Lockerung der Fixation des Quercolons hat CS nun aber nicht
sein bewenden . sondern « s tritt allm/lli» eine jrnissere Senkung des dureh sein
Mesenterium tixirteu DUundarme^i, eine Verlagerung des Magens und der Leber
nach unten nnd eine Lageverftndenrog der Miere dam« weleber Zustand dann in
seiner Allgemeinheit Splanchnoptose genannt wird.
(Jerade der Niere und ihrer Locomotion sehenkt Glkxari" seine ganz
besondere Aufmerksamkeit und giebt eine UntersuchuugAmethode mit verschiedenen
Knnstgriiito an sam Zweek, die DIagnoee anf Ren mohüi» siefaensmtenen.
In dieaen Untennehnngimetboden ist nichti>, was nicht von Seiten inn«rer
Kliniker langst fretibt worden "A'ftre. Was das Verh.'lltniss zwisehen Enteroptose
und Nephroptose betriflft, so ist die erstere ohne die zweite, die zweite aber nicht
ohne die erste möglich. Glknard sah diese Zustünde Uberwiegend beim weib-
liehen Oesehleeht nnd beeehnidigt in nnfteblleber Besiehnng sehleebte Woeben-
bette, Abortc, Schwangereehaften in häufiger und schneller Wiederholung, locale
Peritonitiden. trauniatische Ursaehen. Wirkiintr der ehronisehen Verstopfung. Sehr
häufig ist Gastrectasie von ihm gefunden worden: sie entsteht durch Herab-
treten des Dünndarmes nnd Ansjiannnng des Faüceau ßbreux (Arteria
mmenterica) des Mesenterium, der die Ansmflndnng des Duodenum in das J^nnnm
comprimirt. wi>dureh iiidirect Anstauung von Pfintentis im Matren hervorgenifen
wird. (Diese Anschauung ^cheint ebenso hinfällig, wie die Annahme einer Com-
pression und temporären Oedusion des Duodenum (Pan deteendenaj durch die
bewegliehe dwloeirte rechte Niere.)
Im Uebripen erseheint die Diagnose der Gastrectasie, auf die blosse Her-
vorrufunfr des Suei-iis.Hiuiis^'cr.'hisches i Clapotajre • basirt, nicht genügend gestOtst.
Die drei Stadien, die Gi-knakü unterscheidet, sind:
1. Oastrisehes Stadiam (mit Auftreibnng, Sehlftfrigkeit , Anfstoesen ge>
ruchloser Gai^e. unre^elmäSSigem Stuhlgang, im weiteren Verlauf mit Steigemog
der Säurebildnng , Sodbrennen und epifrastriseheni Sehmerz).
2. GastriHch-nieso;,'astrisches Stadium, gekennzeichnet durch längeren
Naehgeschmack der Speisen, Sohlaflosigkeit, Verstopfung, Abmagerung.
3. Mesoga>triseh-neura8theni8ches Stadium, wobei ^'raue StOhle, elnge*
noninieiier Kopf, trilbo Stiiiiniiiii;ren und das franze Heer <|iia!vi>!ler nerN'''f=pr Er-
seheinuugen vorkommen, die der eniptindliehe und miicblige l uttrleibsncrveu-
bezirk auszulösen ptiegt. In diesem Stadium gleichen die Patienten eher Carcino-
matfisen oder Taberknldsen, als funotionell Erkrankten.
Glknard spricht von einer Str^rung des intestinalen Gleichgewichtes bei
seinen Kranken '^Sfuf/qnp int' stiinih) ; er will in jranz besonders aHspresproehenen
Füllen gesehen haben, dass die Leiter den Desceusus mitmacht, und zwar findet
er in 148 Fällen 32mal Hepatoptose, während die Müs nur 2mal in dieser Zahl
daran thoilnalnu.
Ein Hanptijewielit le<rt er .luf die Diät : speeiell lilsst er Milch und
AlkohoUca vermeiden, wahrender Eier 4 roh , leichte Fleischspeisen, Theeoder Kaffee
mit wenig Milch, geröstetes Brod und Säuerlinge zum (letränke gestattet.
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ENTEROPTOSE.
849
HinHichtIi<-h der Fherapie dieser Veränderungen und der daraus resul-
tireoden Seurasüieuia tiyspeptica Hchlägt nun Glenarü folgende MassnabmeD
vor : ein Leibgürtel, analog dem von ihm als diagnostiscttes Hilfsmittel gebrauchten
Handgriff («angle pelviMin«), hebt die berabgesiinkenen Inteetina nnd gielit fluten
aanlhernd normale Lage. Daneben entleert er die Darme durch grosse Gaben
von Mittelsalzeu in rein purgativer und desinficirender Absicht und nntersttitzt
dieäe Medication durch roborireude diätetische und gymnastische Behandlung, durch
Elektrotiierapie aar ErhOhang dea Tonna der Baneh- nnd Daminraaonlatar. Wie
wir sehen, untenebddet sich dieses Verfahren kaum von dem auch bei uns von
Landau u. A. gegen Ilängebauch und dessen Besch werden geübten Massn-golu.
nur dass i>p«cicll die rein mechanische Therapie durch UUrtel beim Uängebaucb
eine iriel gHiflsere Indioation hat als bei dieaen Kranken, bei denen dttrobnvs
nicht die innere Ptose ihren Ausdruck im Abdomen pcndulum zu finden braucht,
im Gegentbcil vielfach ein eingj'fallencs Abdomen besteht, welches srhon der
zweckmässigen Application einer guten Bandage grosse Schwierigkeiten ent-
gegensetit.
Wie man aber aaeb Uber den 6LiNABD*sehen Optimianna beaOglieh
dieser therapeutischen Resultate denken mag, was Jedorh das klinische Bild, das
er uns entworfen, anbetrifft, so ist natürlich aut pathologiaoh-anatomisohea Beweis-
material der Lage der Sache nach nicht zu rechnen.
Die Zahl sdner Befände ist ganz klein, nnd auf ^ne BewdafBhrnng fUr
seine Theorie durch den Erfolg der Therapie werden wir uns doch nicht einlaasen.
Mit Recht hat Ewalu die klinische Seite seiner Ausführungen einer,
wie es scheint, berechtigten Kritik unterzogen^ indem er sich zur Demonstrirung
der Varlagernng von Colon nnd Hagen dar Anfbifthnng derselben dnrdi Lnft
mittelat des CSebläses bediente. Bei diesem Verfahren kam er zu folgenden Beob-
aehtungen 'Berliner klin. Wr>olicnschr. l^^OO. Nr. 12). Wälhrend da»* Cn/m/ frana-
vf>rsum bei uortnalcr Lagerung nach der Aufblähung wie ein Wulst von links
nach rechts zwischen Sohwertfortsatz und Nabel herüberzieht, so sieht man bei
Enteroptose dasselbe in der Hohe des Nabels oder unterhalb desaelben sieh wulstig
markiren. Bei der AnfuUung des Magens mit Luft kann es bei geringem Tief-
stand des Magens ('2 — 3 Fingerbreit unterhalb des Nabels, dii' (ircn/.c der grossen
Curvatur) zunächst zweifelhaft erscheinen, ob es sich um Gastroptose oder um
Vei^rflasening des Magens (Megalogastrie) handelt ; jedoch bei Stand der grossen
Curvatur tiefer unten und Il< r.ti trtiten der kleinen Curvatur etwa bis zur Mitte
/wischen Schwertturfsatz und Nabel, wobei das Epigastrium eine EinsenktiriL'
bildet, während der Magen iuftkisscnartig aufgetrieben sich hervorwölbt, kann es
nieht aweifelhaft erseheineni dass Gastroptose mit oder ohne Vergrössernng des
Magens besteht. In diesem Falle fllblt man meist deutUoh in der Tiefe des Epi-
;r.Hstrium das Pancrea'« als rundlichen Stranir, den Gf^äNABD, naeh EWALD (Usch-
lich, als Corde coliqnc transverse angesprncticii hat.
Katy. hat durch Autopsie ein Bild einer allgemeinen Euturoptose erbalteu
und diesen Befiind (I. e.) besehrieben: er ist im Allgemeinen an denselben Sehlflssen
gekommen wie Glknard , hflit das von ihm aufgestellte Krankheitsbild fflr eine
berechtigte Einheit, und nimmt an. dass jede palpable Niere, wie das auch von
KUTTNEft behauptet worden ist, pathologisch sei. Auf den Grad der Dislocation
wirken dann diese oder jene bcgtinstigenden Paetoren ein nnd fOr das Znstande-
kituinicn der Nit-rendislooation fehlen noch die erschöpfenden Erklärungen. Viele
r.c-^i'li \v( rdcu tilhrt er gleich Lini»nf.r c.) auf die meist daneben l)estehende
Mageuerweiterung zurück, die mit Gastroptose verbunden das Fancreas palpireu
ISsst und gleich Ewald glaubt er nicht an die Corde eolique trausverse und hält
diesen Wulst Dir das Panereas.
Hinsichtlich der Genese der Oastrectasie ^relien die Meiniingen .«ehr weit
auseinander. Haben Einige die disbicirte Niere für die iTsache der (iastrectasie
gehalten (Malbka.nc, ScHi TZ, FiS( ukr-BknzüN , BAttTKL.-sj, so bestreiten dies
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260
SMTBROPTOSB.
OsER, Ewald, Ledue, Landau und Dbummond. DerLetzle spricht sich abrigens
gegen die Binfigkeit der Erwetterong dee Magens ans, da er in 8 1 Nierendisloeationen
keine Gastrectasie beobachtet hat. LiTTBN bat die Gastrectaeie häufiger als
Nephroptose gefunden und hält daher die erste für die Ursachf der zweiten,
weichen Standpunkt er allerdings selbst bald aufgegeben hat, und einige Forscher,
wie Nothnagel, Qlincke, Lbdbb, Ewald, Lihdnbb, sehen nur enie Coineideuz
der Erscheinungen darin. Erwähnt mag nun aueh noch werden, dass von Lbdbk
und Ewald die DiaguuKc Erweiterung bestritten tiiul vielmehr der Zustand ange-
nommen wird, den wir als Megalogastrie bezeiebiieu. i(Ji>KNAhD"s Gastroptose
Sans dilatatiou gastrique, die nach Cüilleret durch Zug des prolabirten Darmes
am Lig, pylori eoUeum entsteht.)
lioider sehen wir uns genfithigt, noch einige Worte auf die Nierendislo-
catioii zu verwenden, obgleich wir damit das Capitel der Wanderniere stark be-
rühren. LiNDKHR hat für jede b. oder 6. Frau bewegliche Niere angenommen,
was KuTTNBR für nicht an hoch g^ffeo hält. Derselbe hilt mit Dbümmomd
leiehte Anomalien für angeboren, woliir auch die relative Hilufigkeit bei kleinen
Kintierii und i'iingen Mäd<'hen sprii-ht: alle prädisponirenden Momente sind nur
Gelegeuhtiitsursachen , die vorhandene Fehler stärker ausbilden. Zu diesen prä-
diaponireadeii Momeoten bat man neben Schwangerschaften und Geburten (e. f. WtLiXBr
Wabnbck und Lindneb's Nierendisloeation bei NnlUparen) das SdinUren der
Frauen und Mildi lien besonders gerechnet rFisrnKR-RKN/'i>.v, MCm.ek Warnkck,
Wkiskku). Die ScliAdiichkeit des Sehnlirens liegt in der Verstärkung der Zwerch-
feliexeuräionen dureh Kaumbeschränkung. Du die rechtsHcitige lien mobilia viel
hftnfiger ist, so mass man mit Kottnbb (\. c.) nach Schwund der Fetdupsel
einen respiratorisch wirkenden Druck des unteren Leberrandes auf den oberen
Nierenabschnitt nnnehuien (HoiXF.Ti. Wahrend Landat ein«' Fixiruiig der Niere
während der Respiration annimmt und Kuttneu wenigsteus die Fühlbarkeit der
normalen Ezenrsionen l)e8treitet, hat Isbabl behauptet, die normale Niere wire
respiratorisch fOhlbar. Zu denken giebt es jedenfalls, dass, wie Kuttnkr angiebt,
l'atienten mit reHjiir.'itoriscli e))eii fdlilli.irer Niere ohne jeden anderen Mefund
Riagen äussern, die sich nur auf diese Anomalien beziehen können. Die französi-
schen Autoren halten im Allgemeinen die Enteroptose für das wichtigste: CoiLf
lerbt betont, dass ohne Enteroptose Iceine Nephroptose (Nephroptose naeh Sehwnnd
der FettkH])sel y) und Frbr^l meint, dass, wo Ren mobtlit gar keine Erseheinungen
macht, der ProlajiKUs inf^xtfnnrum vielleicht fehlt.
Sehen wir uns noch die von Klttner gegebenen Verhäkuiäüzahleu an,
so finden wir , dass er unter 100 Kranken mit Nierendisloeatioo 94 Weiber,
6 Männer fand. Die rechte zeigt viel häufiger Disloeatiun wie die linke, und rind
beide dislocirt . so ist es die rechte stark, die linke wenig die linke ist besser
befestigt und die rechte hat den Druck der Leber auszubauen j. Der Magen
stand mit seiner grossen Cnrvatnr 79mal 2 — 3 Finger unter dem Nabel und bei
70 zeigten sich dyspeptisehe Besehwerden in Gestalt von Appetittosigkttt, leichter
Cardialgie nnd ( >listipation.
Wa.s die Wirkung der Hand.Tgen betrifft, st» tiiuiet KiiTTNER, dass bei
aller Individualisirung die gaätri.scheu Beschwerdeu zuweileu schlimmer werden,
was auch Likdnrr beobaehtet hat, wAhreud Babtbls und Fiscbbb>Bbn20M das
Geg<titlieil bcli.iupten. Unsere ehirurgisobe Zeit hat natürlioh auch gegen die
Nephroptose auf Mittel gesonnen : wenn wir nun aneb d.ts von Kkpplku vorge-
scblageue Mittel der Nephreetomie als zu heroisch verschmiiheu, so verdient doch
Beachtung, dass die von Hahn vorgeschlagene Nephrorrhapbie (cf. Fbank) in
einem guten Brucbtheil Lmt« Resultate geliefert haben soll.
Re^umiren wir die wesentlichsten Punkte :
1. Die Enteroptose. von V'ielen als entite morbide bestritten, ist ein
Complex von secundüren Erscheinungen von verschiedenem (irade, Umfang und
Ursprung und darf nur als Sammelbegriff gelten.
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ENTEROFTOSE. »
251
2. Dieser Complcx ist bei den Kraueu häutiger als bei den Miiiintrn und
seine wesentlichsten organischen Erscheinungen sind Coloptoae, Gastroptose, Nephro-
ptoee; das HMenterinm des DUnndannee erfUnrt gletehralls Debnangen, ebenso wie
bei Frauen der Prolapsu» uteri als hierhergehörig Sil betraehten ist.
3. Diese Knleroplo«!e im ( li.KN'AKii si'lien Sinne cnmplicirt sieh mit Er-
nährungsstörungen oder ist die Folge von solchen; diese Störungen betrefl'en be-
sonders das Nervensystem.
4. Die Reiserscbeiuungen im Nerrenaystem sind als refleetorisebe Läh-
mungen oder Reizungen aufzufassen und sebon der ilteren Sebnle niebt fremd gewesen.
5. Nach Glk.vard'S Schilderungen und Zahlen muHS die Entcrnptose in
Frankreich recht häulig sein, hier is( sie jedeiifulls viel seltener und daher das
Bedürfniss, einen hesniulereii Namen dafür zu bilden, nicht vorhanden gewcBen,
6. Die Therapie betont besonders leichte Diät, gutsitzende Bandage,
salinisebe AbfQhrmittel in purgirender Dosis, Antifennentatlva, und eioe besooders
roborirende Lebennweiso THydrotherapie , Elektrotherapie, Gymnastilc, Massage,
cf. ZABLDDOWSKr, Berliner iclin. Woeheusehr., 18i>0, pag. 435).
Literatur: *)Glenard, Applirntion df 1a »t^tliode natureHe >) l'nnnli/se de In
dijspepsie uerveuae; de Venti'roptosf Lyon. med. Mars 188Ö. — ^) Derselbe, h'ntt'i'optune
et neu rti.sflit'nif. Societ«^ med. des liöp. de Pari.s. 188'i, 15. Mai. — A jtropir.s il'itii ras de
nettrasthittie ga*lhque (EuUroptMe traumatiquej. Province luid. 1887i 7. April. — *) Kxpoge
aommaire du traitement de Peni^rt/pto»e. Lyon. mM. 1887. Jafn et Juillet. — *) i>e Pen*
ti'rojifosf, ronfereiire faite ä Vh6pilnl de Miif^fn/ifiii Alger, Li/on U- 27 -hinvii r /S"^.'' PreBse
med. beige Brüx. 1889. — ') Fereol. Üe I tnttioptose. Bnli. de la soc. med des hup. 18S7,
5. Jauvier et 1888. 12. Nov. — ') de SanctiM, Sulla mulattia de (iUnard. Otorn. inter-
nasion«! della science med. Febr. 1888. — '')Cnilleret, Etüde cUnique nur Vtntiroptose
oft matadie de GtAiard. Qnx. de« liöp. 22 Sept. IB'^S et Nr. 105, 1889. — ») Chiron, De
rentt'rnptusc eh-. I'ninii ineil. 1:^0. Dec. 1 "-^S. — "t Puiin elot. De l'enti^roptuxe. Paris
1889. — ") Dnjardin- beaametz, 2ieuraathinte yfisirtquc et leur traitement. Lefone
de l'hup. Cochin in „Tbe tfaera{»eatfe gazette". 15. Jan. 189(). — ") Trastour, Am äee
tfjuilibrt» du venire: t'uternpluaiqueit et dihjt>'s. Paris 1>S9. Semaine med 7. Sept lsB7. —
F. V. Chlapowsky, Nowiny lekerfkie. Nr. \i, Pozuaii 1889. — Ewald, Xnurasthrnia
dyapeptica. Cnrn l auf dem IV, ConRre.s-i für innere Med. Berliner klin. Wochen.schr. Is84,
Mr. 21. — Müller- War neck , Ueber die widernaiürlicbe Beweglichkeit der rechten Niere
nnd deren Zmamnifnhang mit Magenerweitening. Reriinar klin. Wochenechr. 1877, Nr. 30- —
' * Ewald, üeber Enieroptosp und Wanderniere. Ebenda. Nr. 12». l'i — ") Diacoaalon über
Ewalds Vortrat,'. Ebenda. 1890, 346, 412. 435. — ") Ku tiner, Ueber palpable Nieron.
Ebenda. 189*'. Nr. 15, lö, 17. — Leonhard Krez. Zur Frage der Enteroptose. Mün-
Cbener med. Wocbenschr. 1892, Nr. 35. — Adolf Ott. Glenard'sehe Krankheit. Prager
med. Wochenschr. 1892, Kr. 46. — ") Hnfachmidt, Zur PatboloRio und Therapie der
Enteroptose. Wiener klin. Wocbenscbr. 189'.^, Nr. 52, 2 u. .i. — "l Lindner, Münchener
med. Wuehenschr. 1882, 264 und 285. — Derselbe, J)ie Wanderniere der Frauen. Neu*
Wied 1888. — **) Leiehtenatern. Ziemsaen, Vn, 609. — **) M ann. Bin naoer Beltragr
7-u der Lehre von den Wandcraf|anen. — Litten. Ueber den Zu^tanimenhang von Er-
krankungen de.s Magens mit Lagevcranderunfcen li' T rechten Niere. (Referat von Dippe.)
Schmidt'» Jahrb. ls8V, CCXVL pag. 252: VL Congr. tm innere Med. 1887 — *') Landau,
Heber Dislocation der Leber. Dentscbe med. Wocbenachr. 1885. 754. — **) Beraelbe, Die
Wanderleber nnd der Hingebaneh der Franen. fiertin 1885, Hinehwald. — '*) Derselbe,
Die Waniierniere der Frauen. Neuwied 18^8. — '*) Keppler, Die Wanderuit-re nnd ihre
chirurgi.sche Ik-handlnng. Lanpenbeck's Archiv für klin. Chir. 1879. XXIll, pag. 520. —
'■") Chrobak, I'eber den Znsammenhang zwischen Hysterie nnd beweglicher Niere. Ref. von
Berwinkel. Schmidt'a Jahrb. !S71, OXLIX, pag. 146. — ") Oser, Die Ursachen der Magon-
erweiterung. Wiener Klinih. 1S81, pag. l. — Rollet. Pathologie und Therapie der be-
weglichen Niere Erlangen 1866. — '*) Schütz. Wanderniere und Magenerweiterun;?. Präger
med. Wocfaenaciir. Ib8ö, pag. i«. — *^ Senator, Einiges über die Wanderniere, besonders
ihre Aetiologie. Cbar.-Annal. VfiT, pag. 309. — Weisker, Pathol. Besiehnnge» der
Nierenbändor zur fJallenblase nnd ihren .^iisftihninfrstranccn. Sehmidt's Jahrb. CrXX. pag. 249. —
*' ) Dernelbe, Ueber den sogenannten iDlraabiioiuinellen Druck. Schmidt s Jahrb. der gcs.
Med. CCXIX, pag. 227. — ") D. Drummond, litnmrka on thv clinical asptcf <>/ muvahle
kidney. Lancet. 18. Jan. 1890, paf. 121. — Malbranc, Ein complicirler Fall von Jlagen-
erweiterang. Berliner klin. Wochenitchr. 18f0, Nr. 28. — Fiacher-Benson, Dissertation.
Kiel. ^ *'( Biiilleret, J:)i/<'r"iiti).^i pofitji'terpcrttle it trunmnfirjKi mwc nephro/itosi u
trumieme degr4, (iaz. des hop. li^bÖ, pag. Utiö. — **J tlnteruptose iraniiiatique. Ibid. 1888,
pag. 941. — **) Entiroptoee puerp&ale. Ibid. 1888, pag. 911. (19Ab«re Literatnrdetaila Ikbar
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852
ERTERdnOSB. — BRYTHBOHBLALOIB.
Wanderniere, Wanderleber und Wandermilz siehe unter den betreffenden Artikeln.) —
**) FrftBk, DmitMhe med. WodMitsdir. 1889, II. Georg Boicabmom.
Erythromelalgie. seit de in Anfanf^e der Siebziger-Jahre, zu welcher
Zeit WEiii Mitchell die erste Beacbreibung eräcbeioea Hess, hat sieb die Aaf-
merksftDkmt der Aente dem interessanten Phlnomen der Erythromelalgie in stets
waehsendem Masse zugewendet. 1878 erschien eine genauere Skizze des Krank<
heitsbÜded von dtMiif^elhcn Verfasser, der schon damals in der Lage war Beob
acbtuagen , tbcils fremde, tbeils eigene mitzutheileo. Vervollstftndigt wurde das
Material 1880 durcb die Arbeit von Lannoib, welcher noch 5 Fälle hinzufügen
konnte. Die dentsehen Pnbliealionen sind immer sehr sparsam gewesen , nnd fin
eigenthflmlicher Zufall war es, dass Gerhardt, SEXATcut und Berxhardt
1892 zu gleicher Zeit Aber eioschlftgige FAUe berichten und dieselben demon-
striren konnten.
Wenden wir uns nnn su der Besehreibnng der Krankheit, so enthält
der Name schon die bei weitem wichtigsten Symptome : Rstbang der GUedmassen
unter heftigen Schmerzen. Dirne IvrscheiiHuipren setzen meistens acut ein, eventuell
sogar mit leichten Fieberersebcinungen oder im Gefolge starker Anstrengungen.
Bevorxiigt sind die Uflnner von dieser Erkrankung und hti diesen die unteren
ExtremitAten. Hit der RAVNAUO'schen Krankheit hat die Erythromelalgie das
meistens syninielrische Auftreten ^remein, die heftifren Schmer/.cn und den chronisch
Uber unbestimmte Zeiten ohne Nei^riiii;; zur Ileilunf; sich liiiizichenden Verlauf. Trügt
die symmetrische Asphyxie den Stempel des Gefässkrampfes, so gleicht dies Krauk-
heitshild den der Angioparalyse, oder besser gesagt, der liyperlmisehen FInzion ;
dabei müssen wir es nach dem gegenwirtigen Stande unseres Wissens dahinge-
stellt sein lassen , *>)> es sieh dabei um Lähmung der Vasoeonatrictoren oder
Heizung der Vasodilatatoreu bandelt. Das Alter der befallenen Patienten scheint
meistens das mittlere gewesen an sein , doch bleibt sn herflekslehtigen , ob alle
(es sind jetzt im Ganzen gegen 80 — 33 Fflile in der Lid riittir gesammelt) dahin
gehören mi<l ob nicht inanehe von älteren fatholofren als ehroiiisehe persistirende
Erytheme gezählten Fälle hierher gehören. Hat doch schon ganz mit Hecht die
um 1828 in Frankreich epidemiscli aufgetretene „Akrodynie" in ihren Erschei-
nungen einen Autor wie Sinatob an die Erydiromelalgie erinnert, wenngleich
er sie absolut nicht identificirt. Es ist zweifellns. d.-iss die Erscheinungen an den
einzelnen F/illen stark ditl'erirt h.-ihon, sd dass mit Iveelit vftn Ki;LEN'BL'R(i daran
erinnert wurde, es müsse wegen der Verschiedenheit der Kraukheitsgeschicbten und
des <^enbar central bedingten Krankheitsproeesses die Erjrthromelalgie nur als
Symptom, nieht als KrHnkheit8be<rrifr ^reiten.
Zweifellos drängen sieh auch hier zum Ver;;kiilie die ei^enthdmlichen
\ eränderungen heran, die Nothnagei^ bei einigen anstrengenden manuellen Be-
sehftftigungszweigen, Bernhardt bei Frauen im klimaeterisehen Alter besehrieben
haben, und die in Schmerzen, Blässe und Starre der Extremitäten besteben:
f'iKRHARnT m.-ielit auf die Zufrehörifrkeit zu dieser jrrossen Gruppe nerv?^.«or Er-
krankun;_'eii aufmerksam, die von Schi:i.zk als Akroparüsthesien bezeichnet seien,
und vergleicht XoTUNAGEi/scbe Erkrankung und Erythromelalgie etwa mit spasti-
seher nnd angioparalytiseher Form der Higrine. Ist mit solchen Vergleiehen auch
nicht viel gesagt, zumal wenn es sich um nicht ganz aufgeklärte Krankheiten,
wie die Hduicranie, hari(it-lt. so dienen sie doch dem Verständniss durch Ansiehung
einer allgemein bekannten Krscheiuung.
Abgesehen davon, dass Röthnng und Schwellung die insseriieh sieht*
barsten Zeichen sind , giebt es noch als charakteristisches Merkmal den neural-
gischen, än-serst i|ii;ileiiden Schmerz, der meistens in paroxysmalen Sehühen auf-
tritt, durch Somme.bilze vermehrt, durcb Application von Kälte weitaus herab-
gcsetst wird. So geben viele Kranke das Eintauchen der Hftnde od« Fttsse in
kaltes Wast^r als das einzige Linderungsmittel an, wodurch eventuell nur kune
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ERYTHROMELALGIB.
Abhilfe gebracht wird, jedodi 80, d«M der Sehmen io Konem varstirkt wieder-
kehren kann.
Vielfach ist eine deutliche Hyperästhesie der Umgebung der Nägel be>
merkt worden, eo deas diese nur nnter grosaen Setimersen geeehnitteD werden
konnten, auch das Aaflegen von Bettdecke ete. ftls aehmeriliAft i^mieden wurde.
Es verdient dabei bemerkt zu werden, dum es sieb meistens um Menschen oline
nachweisbare nearopathisehe Diatheae handelte und dass die inneren Orgaue in
den kierber gesihlten reinen Finen gesund waren, gleichwie der Urin niemal«
krankhafte Beimengungen zeigte. Dagegen sebeint die Beniibilitlt and epcoiell die
Empfindung für Wflrnie und Kalte etwas herabgesetzt od^r verlangsamt gewesen
zu sein (cf. (iKRHAUDT S Kranke, bei »1er z. R. auch tfictilc Heize an den Füssen
nicht ganz deutlieh empiunden wurden). Was die i umperatur der befallenen Haot-
partien anbetrifft, «o iet dieselbe gegenüber den normelen mesa- und fttblbar um
einige Grade gesteigert gewesen; auch sah man in den erkrankten Regionen die
Venen stärker gefüllt und das Unterhautbindetrewebe etwas geschwollen und
verdickt, was besonders au den Fingerbeeren auttici. Die Nägel waren trophisch
mebr oder weniger verändert, die Heat neigte in SehweiBsbildung in loeo morbi,
während sie an den gebunden Stellen durch mechanische Reize iMcht das Symptom
der DcrmoL'raphie zei;rte TSenatorK Knochen und Gelenke waren aber ni'-ht i^e-
schwollen und letztere gut beweglich ; nichtsdestoweniger zeigte sich bei manchen
Patienten Beeinträchtigung der groben Kraft und höher zu den Gliedmassen hin-
anfstrahiendes Qefllhl von Tanblwit. LiebUngsstelien der Erkrankung sind an-
näebst Füsse , und zwar Knöchelgegend , Fussrücken , Kniee (vordere Partie bis
zur TuheruititaH tibinr} , Il.lnde und Ellenbogen (Olecranon.) Das Vorhiiltniss
zwischen Männern und Frauen ist etwa 1 : 3 (Senator). EigeutbUmlich , und
sonst wobt nicht besebrieben, sind die rffthliehea KnOteben Aber den Oelenken,
die au einzelnen Stellen auftreten und verschwinden, um an anderen von Neuem
aufzutaueben, Aetiologisch wichtig scheint in einzelnen Fällen langes Stehen,
Kälte- und Nässeeinwirkung gewesen zu sein ; hei mauuhen scheint Sommerwärme
den Proeeas an f&rdero, wihrend der BBRKBARor'sehe Fall beeonders auf windiges
Wetter reagirte. Hier und da wird lieriehtet, dass die Erseheinungen zur Zeit
der Mt iiHi 'j am ausgesprochensten wären. Kitlenbiirg erwähnt (Berliner klin.
Wochenschr. 18!)2, Xr. 48), dass bei einer seiner Patientinnen sich das JL«iden
an eine Entbindung angeschlossen hatte.
Der letsterwähnte Fall gehOrt flbrigens so denjenigen, wo sich noch
andere Zeichen eines centralen Krankheitsproecsses mit den Symptomen der Ery-
thromelalgie verbinden : hier war es eine nuiseulare Dystrophie der Oberarm- und
Schultergürtulmuscnlatur nach Kub sehem Juvenilen Typus. Auch Weir MITCHELL
l»eriehtet Ober einen Fall, in dem sieb Mnskeiatrophie nnd Qflrtelsehmens sn den
anderen Erscheinungen gesellten. In dem ET'LKNBDB0o6KftUARDT'.schen Falle
sehlos« sich nach Verschwinden von Köthe und Sehmerz an^ den Fxtrcmitlten
und unter Blass- und KUhlwerden derselben ein progredientes psychisches Leiden
an , welches mit aligem^ner motmrisebar Sdiwiehe , Kopf- und Orakykscbmerzen,
Schlaflosigkeit, SehwindelgelBblen. taumelndem Gang, Angstgefflhlen, Intelligens-
und rM'd.lehtnissabnahme verlief und bei dem die opbthalmoskopisclie rntcrsiichimg
einen Tuvv>r rerehri sehr wahrscheinlich niar^hte. IlEXOCii hat i l>erliiier küu.
Wochenschr. 1892, Nr. 46; einen recht interessauteu Fall mitgetheilt; derselbe
bot folgenden Verlauf: Stark abgearbeiteter Mann der höheren Stände erkrankt
im Bade an linkseitiger Parese, welche fast ganz verschwand und nur noch eine
deutliche Hemihyperhidrosi-* der linken Seite zurdckliess. Nach etvva C. Monaten
heftige Kutbung und Schmerz des linken Fusses Uber einige Monate hinaus ;
kurze Zeit darauf Zustände von Anginn pectoris, Albumen im Harn nnd Exitus.
Solehe und ähnliehe VSMo legen dem Beobachter den Ci I n' cn, dass es
sieh um centrale I'rsaeben hei unserem Leiden handelt, sehr nalie : will man aher
die Erythromelalgie als selbstäudiges Krankheitsbild, nicht als Symptom, auf-
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254
BBTTHROMELA LGIE.
faSMD, 80 müssen alle diese Fllte, bei denen nach erythronielaIg::.sc]ien Prodromen
tiefe centrale Leiden sich etabliren , aus der Casuistik ausscheiden und nur die
einfachen, uucoaiplicirteo Fälle dahiuzftblen. Wenn nach einer centralen Parei^e
auf der befftllonen Seite die Zeieben Tasomotoriuher Parese und tropbiseher Stömng
aicb leigen, kano nwn doeh onmOglieh das weniger miehtige Kranlcheitsbild znr
Benennung beranziehen.
Eine andere Saehe ist es natürlich . wenn die Krscheinungen von Ery-
tbruuielalgie den anderen centralen Symptomen weit voraoeilen, und besonders
wo sie das einsige Symptom oea trater Erkrankung bleiben; in FltleUf wo das
Symptom das einzige ist, oder als soh'hes crsebeiot, mag es als die Krankheit
gelten, in anderen Fällen muss man sieb seiner nin symptomatisohen Katar voll
bewasst sein.
Dass es eich bei der Erytbromelalgie um eine central bedingte Angio-
neurose banddt, »t aueb von massgebender Säte anerkannt worden: dasa die-
selbe zuweilen nur symptomatisch zu wägen ist, darf umsoweni^er aufTallen, als
die UezeiehniniL'" Ja eine rein symptomatische ist und unserer Phantasie im patlin
logisch-auatouiischeu Sinne volle Freiheit IftsAt. Ob wir uns die Ciefiläsverengerer
gelähmt, oder die Geßlsserweiterer gereizt, oder oocb die trophischcn Fasern in
Contribntion gesetat vorstellen, trägt znr Vermebmng unseres Verstlndnisses niebt
we<eiitlieh bei: entzündliche KrscheintinL'cn fehlen, wo aber die Anfji^iparalysc
ausi^'cli.st wird, darüber bestehen nur Hypothesen. So denkt sich Sf.N'ator die
letzte Lisache der Erfecheinungeu entweder im verlängerten Marke, im Sympathicus
oder aueb im Grosabim. Die erste Stelle bat dabei entsebieden die meisten
Cbaneen, da die Erythromelalgie ja zweifellos zu den symmetriseben KranUidls-
erschein im fren ••ehört und hier die Filden für Gefitssinnervation als in einer grossen
Centralstellu zusammen lauten. Erschciuuogea , die eine Erkrankung der Gcfaäs-
nerven voraussetzen lassen, bat man seit langer Zeit und mit Bedit auf die bier
lie^^enden (iei.i.scentren bezogen. Dass die Symmetrie eber aus der Oertliebkeit
der MtdiiHa uhloufjafn odtT des Kilekeninarkcs zu erklären ist, als aus der
Hypothese einer Polyneuritis der Getassnerven, wie SENATOR hypothetisch in Er-
wägung gezogen hat unter Hinweis auf die zuweilen beobachtete Symmetrie bei
der Polyneuritifl, dürfte wobl ebne weiteres klar sein. Leider sind wir in der
traurigen Lage, diese Annahme nur durch Analogie stützen zu müssen, da wirk-
lich ziehende patholoc.isch-.inat<tmisehe Nachweise nicht vorlieiren. Indessen hat
die letzte Zeit bei der Ka\n'ai d sehen Krankheit, bei Maladie de Morvaii und
bei Syringomyelie so triftige patbologiseb-anatomisebe Beweisstocke geliefert , dass
an Wesenheit der organischen Vorbedingungen dieser Krankheiten niebt gezweifelt
werden kann. Es wird :il-;r. wohl hald auch für die Erythrnmelalgie und ihren
lücua niorOi der letzte Heweiü erbracht werden. Eule.xbi betont, dass diese
Knmkbeitsanstftnde, au denen er noeh den von Grasset und Rauzibs be-
sebriebenen Syndrome bulho-tneduUaire reebnet, die in eigenartiger Weise
Störungen der Sensibiiitiit mit \ asomotorisehcu . seeretorischen und tro|-.hischen
Symptomen vereinigen, zu.-«amraengehüreii , nnd dass sie \valirs<'heinlicli in die
seitliehe und biutere graue Substanz (Kcgion der Seiten- und Hinterhöraer; des
Halsmarkee au verlegen sind. Vor Allem betont er mit Recbt den trophisohen
Charakter auch der Erythromelalgie und RAVXAUD'tdIien Krankbeit, die allein dareh
Gefässkrampf oder -Lähmung nicht zu erkliiren sind.
nie Prognose des Leidens ist im^ilnstig für die vidlkonmienc Wieder-
herstellung; denn reine Fälle scheinen bi.sher wohl zoitwei.su benierkenswerthe
Besserungen, ja aeitweises Versebwinden der Ersebeinungen bis au pldtsliobem
paroxysmalen Auftreten erreiebt sn haben, niemals aber dauernd geheilt worden
zu sein. Dagegen ist die Prognose nicht un^(lnsti<jr (jnoad vt'tmii. diejenigen F.llle
abgerechnet, wo das Leiden nicht als selbständiges Ivrankfaeitsbild , soudsrn als
Vorllnfer oder Begleitersebeinung eines ernsteren centralen Proeesses auftritt; in
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ERVTUROUELALGIE. — EXTRAUTBBIN-SCUWANGERSCHAFT.
255
diesen wird Mtflriioh die Pragoose dareh die Ghanoeo der anderen Erkranknng
beetimmt.
Leber die Therapie der ErytbromvUlgie ist noch Einiges zu sagen. Zu-
nftebat klnen die Mittel in Frage, die den Kranklieitaproeess sn beieitigen in
der Lage waren ; dass nach dieser Richtung die ganxe Scala pharmacologisoher
Mittel in Anwendunjr gekommen sind die Itfi suU-hen aussichtsluscn Kranlcheiteti
ihre VerwenduDg zu finden pflegen: die Eisen- und Arsenpräparate, die roborirendeu
Ämara, die Valeriana und Belladonna etc., ist erklärlieb. Zuweilen soll Arsen, wie
es ja aneh sonst sich seigti auf den Allg^mdnsDstaad und Ernftbrnng |?Onsti^ gewirkt
kaben, sonst hört man nicht viel von pbarraneologlHcher Therapie und ihren Er-
folgen reden. Zu den therapeutiselicn .NL'iMitien. die auf den KrnnkheitsproceKS
als soleben zu wirken suchen, luuss mau zweifellos aueb die Elektrieität rechneu,
als Hauptmittel refieetorisob anf die GefUssspblre tu wirken. Von Anwendnnur
des faradigchon Strumi -; -oll Di chknm bei Bebandlung der obt r« n Extremitäten
einen vollen Krf'>|;r ;relialtt haben. Auch .Senator rühmt der Application der
Elektrieität (hier scheint der cuustante i>truui wirksam gewesen zu scinj wenig-
stens Linderung des Znstaades naeb. Bd eonstantem Strome wflrde wohl am
ehestens die Galvanisation am Sympatblens oder die spinale Applieationsmethode
in Frage kommen.
Als Linderungsmittel sind Murpliiuui, ( Idoral und diu m<idernen Xervina
viel angewandt: unter den letzteren rühmt Gekhauüt AntipyriU; Senator Anti-
febrin, welehes letstere wegen seiner eigentbflmliehen Wirkung anf die Geftsse
speoiell bei protrahirtem Gebrauch auch als Heilmittel versueht werden könnte.
In gleichem Sinne auf die Gefilsse ist ja auch bereits das Ergotin versucht: ob
mit Erfolg ist mir nicht bekannt, in einem selbst beobachteten Falle, der aber
Btt den Idehteren gehSrt, bat es bisber noeb niebt gewirict
Literatur: >)We{r Mitchell. Philadelphia med. Times. 1872. pa^. 81 u. 113. —
") IdeiD , Aineric. .Tnurn. of the niml. Science. I87fi, LXXXI, pag. 1. — '^T-annois, Fara-
ly»ie va^omotrire »/cv rrtrimites an Krijthi omilithjie. Paris 1880- — *) See 1 i gm ü 1 1 e r,
Lehrb. der Krankheiten des Nervensj'sfemps. 1882. — *) Voodaut, Jonm. of nerv, and
meutal diseases. 1884, Oct., pag. 627. — ') Anchö «t L6pinais«, Renie de mid. 1890,
pajr. 1049. — ') Morican, The Lancet. 1889. 5. Januar. — ') Gerhardt, Deutsche med.
Wn, li, nsHir. 18!tii, Nr. 30. — Berliner klin. Wochen-schr. 189-J. Nr. 4".. (Kall von G crhardt,
Senator, iiernbardt.) — K Ulenburg, Berliner klin. Wovheniichr. 189'^. Nr. 48.
6. Rosenbaum.
Exodyne, in Amerika als .\ntipyreticum und Antineuralgicum angepriesen,
ist naeb einer Analyse von (ii)i-i>MANN rPharm. Zeitg. 1892 , ö i ein Gemenge
von Acetanilid (i^O" „), Natriumsalicylat und Natriumcarbonat
Loebiflch.
Extrauterin-Schwangerschafl. e e t 0 p i s e h e Schwangerschaft.
Diis Hutbahu liebe AnMcbwellen der Berielite über ectopische Schwangerschaft könnte
SU der Annabme verftthreSf dass diese perverse EUnsertlon im Verlaufe der
letzten Jahre in rapid sunehmender Häufigkeit ^folge. In den FR03CMilL*8ehen
Jabresberichten werden
aus dem Jahre 1887 00 Fftlie
r n 125 „
„ „ „ 1880 122 „
» » » 18^*0 185 „
„ » « 18»1 123 „
besprochen.
Diese Zahlen siud nur appro.\imativ : ich kann sie nielit contrHlliren, da
mir die betrctt'unden Literaturstellen nicht alle zur Einsiebt zugänglich siud.
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266
BXTRATfrBRIN-SOHWAMOERSCTAVT.
Meine eigenen Zahlen haben sich in den einzelnen Jahrgängen in fol-
gender Progression entwickelt :
Im Jahre 1873 2 Fftlle
„ „ 1877 1 FUl
n » 1878 1 »
« n 1879 1 „
„ „ 1881 2 Fälle
„ „ 1882 1 Fall
« » 1884 1 „
„ „ 1885 8 FiUe
1886 ^ »1
n n 1^^7 5 „
n » 1SS6 Z „
» n 1889 8 „
« I) 1890 6 „
n » 1891 i4 »
„ » 1892 9 «
„ „ 1898 bis Mlrx 5 „
ZnmranieD ... 60 FlÜe.
Zu obiger Annahme bereehtigt keine Veränderung in den Generatlons-
ofo-anen der Frauen unserer Ta^e, auch ist eiue neue Form der Erkrankung der-
selben nicht anzunehmen. Die Zunahme der Bevtilkeruog der civilisirten Länder
genttgt nicht als Erklärung. Eine aolche liegt lediglich darin, dass neben der
▼erbesBerten üntenoehnngawdae die Bntwieklnng der Laparatomieteehnik und die
erweiterte Erfahrung uns erlaubt , beute selbst da die Bauchhöhle dem Auge frei
zu le^en , wo die Diagnose aaoh nar mit Wahrscheinlichkeit auf eine eotopiaehe
Schwangerschaft hinweist
Aetiologie. Trots der Fülle von Beobaehtnngen ectopischer Schwanger
•ehaft sind wir betraft der Aetiologie deraelben genao genommen nur wenig
vorwärts prekommen.
Mir »cheint der Grund hicriUr darin zu liegen, dass die Physiologie der
Sdiwängerung Oberiiaopt anch bente noeh namentlieh in dem Punkte eine Hypothese
ist, an welebem Orte der physiologische Cootact swisehen Spermatozoen nnd Ei
t'rf(»l?t. Die Annahme WyiiKR's dass das Cavnin nttn-i der normale Ort dieses
Contactes sei, hat '^fhr viel für »ich. Der Mechanismus der l'eberfflhrunfr des
Eies aus dem Uvarium durch diu Tube zum Cavum ist jedenfalls noch streitig;
wird sie von dem Cilienstromf wird sie von der Peristaltik der Tabe bewirkt?
Wenn der Contact zwischen Ovum und Sperma nur im Gavujn uteri erinlLrt'n
könnte, so wilre die ectopi^che KntwickluQfr nur unter der Voran ssctzun fr d< nkhiir.
dass das im Cavum geschwängerte Ei wieder in eine Tube gelaugt, weun aläo
eine sogenannte ,,innere Ueberwandernng" statthätte. FOr das Vorkommen einer
solchen „inneren l\^borwanderun^'>' des Eies beim Wdbe ist neaerdings wieder
in Wydf.k ein (lbi'rzeng:ter Vertheiilitri r aut'fretreten. Dennoch miiss man wohl
J. Veit und Wkhth in ihrer abweisenden Kritik des WvDKK'schen Beweisraateriales
Recht geben Nach meiner Auffassung ist es für den Werth desselben verbäugnissvoU,
dass der Nachweis des Corpus luteum in demselben fehlt nnd daas das Präparat
selbst vlnvr Nachprüfang nicht mehr sngänglich ist, die beute, nach der Ent*
Wicklung iinsert r citischlflirisren Kenntnisse, die Sache aufkl.Hrcn könnte.
Die unmittelbar nach dem Contacte mit dem Sperma auftretende Schwel-
lung des Ries ftihrt sofort eine solche Volnmznnabme desselben herbd, dass es
höchst wahrscheinlich fiberhaiipt nicht mehr /,u einer Ortsveräuderung dcMClben
kommt. Jedenfalls kennen wir keine Hewcisc für dif Wunderniir des scliw.infrcrcn
Eies, so dass die Hypothese vou Sifpel, dass das auschwoUtinde Ei iu der Enge
des Canales sitzen bleibe, schon dadurch haltlos wird.
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EXTBADTERIN-SCHWANGEBSCHAFT.
257
Die „innere Ueberft anderuDg" des Eies bei der Frau ist als ein zunächst
unverständlicher Vorganf2r zurückzuweisen.
Dass das Ovum des einen Ovarium durch das Ostium abdominale der
anderen Tube eintreten und normal in das Cavum uteri gelangen kann , die
^äussere Ueberwanderung", ist so oft durch pathologische Präparate bewiesen, dass
die Ausfuhrungen von Hasse *) nur eine sicher willkommene Bestätigung waren.
Ein hübsches Beispiel für die äussere Ueberwanderung bietet folgende
Beobachtung :
Frau W. (Tabelle meiner eigenen Beobachtungen Nr. 58), 33jährige Vlpara, erkrankte
bei ihrer Menstruation (4. Decembcr lt^92) unter Htarken Gliederschmerzen. Am 12. Januar 1893
trat eine nterine BIntung auf, die bis Anfang Februar andauert. Anfangs Januar ist eine Haut
abgegangen, die Patientin in Spiritus verwahrt mitbringt, als sie sich am 1. Februar 1893 zur
Untersuchung meldet. Die kräftige Brünette sieht leidend aus, mässig anämisch. Leib nicht druck-
empfindlich. Heller Percuasionsschall. Scheide weich, Uterus vergröasert, weit ; ausgesprochene Livi-
dität der sichtbaren Genitaltheile. Kraftiges Pnlsiren der Uterinae. Hinter dem Uterus und neben
ihm eine apfeIgros.<;e, längliche, elastisch anzufühlende Geschwulst, auf welche die linke Tube
deutlich Übergehend gefühlt wird. Rechte Adnexe etwas vergrössert, schlaff, nicht näher zu
differenziren. Eine Ansammlung von Flüssigkeit im Douglas nicht nachweisbar. Die abgegangene
Haut stellt einen Ausguss der Uterushöhle dar: Decidua uteriit». Diagnose: Gravid, extra-
iiterina tubaricn sini^tr. von 1 — ii Monaten. Es bleibt fraglich, ob das Ei abgestorben und
ob BlntergusR in die Bauchhöhlu erfolgt ist.
Laparotomie: 4. Februar 1893. In der Bauchhöhle viel frisches Blut, spärliche
Gerinnsel. Das Netz blutig imhibirt. Der linkssieitige apfelgrosse Tumor ist in grosser Aus-
dehnung mit dem Netze verwachsen. Es gelingt, ihn zu isoliren, ihn in die Baucbwunde empor-
zuheben, zu versorgen.
Die rechten Anhänge sind ebenfalls allseitig mit ihrer Umgebung verwachsen.
Lösung. Die rechte Tube ist atretisch, ihre Ampulle zu einem pflaumendicken, schlafi gefüllten
Sack ausgedehnt. Das rechte Ovarium reichlich normal gross. Der Tubensack wird angeschnitten,
enthält flüssiges Blut, seine Wandungen papierdünn. Die Schleimhaut durch alte Entzündung»-
procepse verödet. Entfernung auch der rechten Anhänge, t^chlu.«« unter Zurücklassung von Ex-
sudatsL-hwielen in der Ausdehnung eines 3 3farkstücke.s am Dünndarm und Mesenterium, welches
dem linksseitigen Frucht.sacke angehaftet hatte. Die Tumormassen sind , soweit im Donglas
zwischen den Därmen erreichbar, entfernt worden. Das teritoneum viscerale und parie-
tale in grosser Ausdehnung blutig imhibirt. Operationsdaner 13 Minuten. Beconvalesconz
ohne Störung.
Das linksseitige Präparat ist 7 Cm. lang, grösster Umfang 12 Cm. Oberfläche rauh,
doch nicht fetzii;. Die dicke Tube umzieht das in die Länge ausgedehnte Ovarium. In diesem
am peripheren Pol eine haselnussgrosye Cyste mit dünner Wand nnd kömigem breiigem
Inhalte; kein Corpm luteum. Im Uebrigen noch mehrfache, mit klarem serösen Inhalte
gefüllte Follikelräume. Die Tube ist im ampuilären Theile .spindelförmig, fast zwei Daumen dick
Fig. 18.
0,st. rubao
abduniinali?
Ost^tubae
utecinnm
Ovarium
Gravid, tubar. aintfltr. (Fr. W. Xr. 58 ) Aeunsere Ueberwanderung.
angeschwollen. Zwit-rlien den strotzend gefüllten, ülier ihre Unigchuug hervorragenden Fimbrien
ein altes derbes Blutgt-rinnsr'!. Das Lumen bleistiftweit. Das utorine Eude und der Ist/imiiJi
luboe sind normal in Wandstärken, Falteubildmig und Epithellx-kleidung. Der Canal verläuft
mehrfach gewunden. Die Ainpiilln tithiie ist prall ausgefüllt, durch ein hart»»», der Form des
Raumes angcpa.-5stes (ierinnsul. das sich sc harf Stegen den Isthmus absetzt, nach dem Fimbrienende
in die dieses füllende, etwas lockere Cruormasse übergeht. Nach Entfernung des Gerinnsels
Encyclop, Jahrbüclier. III. J^'J
DigitizGL. > , .o
m
EXTRAÜTERIN-SCH WA NG ERSC H AFT.
wird di« InnaDdAdia des HoblraoaM gmisgUtt gefaadea bU auf eine etwa grosohengroBM
Flldie an dm* dem Overimn angewandten Seite, wo die Wand sottig ranh encheint, mit
inniger DIlrcl<^t•l/,un!; von Blutgeriunseln. Die uiedriiren, dii ht 7.us;iiiiiiienh;iiis<'ni]pn Fald a Jurch
die BlotunK zu Uetritn«: nmgewandelt. Gegen das OstiiiiH abdominale heben sich die iongita-
diualan Fulten wieder dentlicli ab. Die Wand ist papierdttnn. Di« Hnskeleehicbt atxopbiieb,
die gaiuM Wand blatdorch^atsL Das grona Blotgäriiuiaal iit von OborioBaottm dudttatat.
Fig 19.
Ovrchsefaaltt dnnh Flgor IB.
Zusammenhängende Eitheile oder ein FOtVS nicht nachweisbar. — > In dem periphnrcn Pol des
0?Kriam der rechten Saite liegt ein groasee Corpu» luUwm verum. Dia Tuba dextra zeigt
eine alte schwielige Yenracbsnng des Otüum abdominale. Die Tnbenwand atrophisch , die
Schleimhaut verödet. Es muss t-iiu- äussere Ueberwanderung des im rechten Ov;irium gereiften
Eies durch das 0«Uum abdominule tubm ainistr. aogenommen werden, da die rechte Tube
augensdieinliob schon seit libieorer Zeit atretinch und verödet gmreaen ist Di« Besdirtibiing
dar Deeidiitt utn-itm siehe weiter unten pag. 'il'i.
l'ntor welchen Umständen kommt es zur ectopiscben Eiinsertion ?
Sehen wir ab von ganz hypothetischen Voraussetzungen, wie z. U. dass
gewisBe StSrniigen in oirftii'') Sehreek und Shook oder Ersehttttcrang des Lelbea
post coitum den bei der Fr»a an sieb noch hypothetischen Motus perixtalticas
Uihup beeinflussen sollen, so erseheint die nächstlieisrende Ursaehe eine mechanische
Behinderung der i'ortbeweguug des Eies bis zum Eileiter und im Eileiter selbst,
Verlagerung des Eäenttoekes, peritoneale Erkr»nkang, abnorme E^twieklung, Ab-
koickun?, Äbschnflmng, Divertikclbildnng, Sehleimbnuterkranknng od» Nenbildmig
im Eileiter.
Gewiss ist zuzugeben, dass Jede einzelne derartige Behiuderung^ im Einzel-
fkUe eine gewisse Rolle spielen kann. Ucberäcbauen wir aber grössere Beobacbtuugs-
reiben, so begegnen wir kdner derselben in annäbemder ConstaniL AaffnUend
h.lufig ist namentlieh der Eileiter in vollkommen normalem Zustande bis zum
Fruchtsacke. Xueh b.'lutijrer erklflren »ich die p'csammten Veränderungen als das
Ergebniss eben der ectopiscben Eieinbettung. Unter meinen 60 Beobachtungen
waren 19 mit nterinen, 18 mit tnbaren und 22 mit ovarialen Erkrankungen,
endlieb fand sich fa.st in allen das Peritoneum in dnem mehr oder weniger starken
IMzZttStand. Diese patlinl'^j-isi-lien V^erilndenitirfn nifl-;<en aber in ihrer Mehrzahl
mindesteus als durch die bchwangerscbaft gesteigert bezeichnet werden.
Das möebte ieb besonder« FaiTSCH^) gegenüber betonen, der anf die
Pelveoperitonitis dn so grosses Gewieht in atiologiaeher Beziehung legt Die FiUe
von vollständigem Fehlen der Peritonitis sind die in den ersten Stadion beob-
achteten, z. B. Fall 1'.' und 1 meiner 'l abelle. Je weiter die Schwanirersehaft
entwickelt ist, um so rcgelm.lgsigcr und au.sgcbreiteter linden wir Peritonitis.
Gewiss wdst die Anamnese der ectopiseh Sebwangeren oft anf flberstandene
GenitalcrkrankuDg hin, worauf neuerdings Encistrom Gewieht legt.
Wenn wir aber das nteriue Ende der sdiwanireren Tube untersuchen
können, mo linden wir geradezu aulVallend häutig das Epithel erhalten, eine reich-
L. iyu,^cd by Google
BXTRAUTERIN-SCBWAXGERSCHAFT.
259
lichere Gefhssentwicklimjj, die namentlich anrh die Musenlarisi durchsetzt, oft kleine
rcehymosen- oder Kundzellenanhaiifung: in der Unifrehniiir der Oefils^L-. Kraflieinuu^ea,
die auf eine progressive Entwicklung eines Keizeffectes hinweisen, .sind nicht belege
für ^roBi«die Proeesu. Wir mflasen annebmen, dan oamentliob die htnfigato
Fonn tubarer Erkrankangi die cHtarrlialiscbe, in der Tabengchloimbaut ebenso
aiishoilt, wie in anderen Schleimhautg^obieten, Erfolgt die Heilung: bei den
eatarrbaliscbeo Erkrankungen spoutan , so rattsaea wir weiter zur Ebre unserer
tberapentiaeben Beatrebangen «nnebmen, dast aaeb die anderen Erkrankungsformen
bei geeigneter Beliaiidlun^ ausheilen können. Helene dafür glaube ich In meinem
Material ^eiuitr'-am x,u besitzen. Namentlich bei f'rischt'n Fflllen g'elinjart es, die
Rückbildung zu erzwingen, während die chronischen und unter diesen besouders
die Falle von chronischer Gonorrhoe der Tube sich, wie wohl allgemein anerkannt
wird, abBondorlieb bartnickig erweisen.
Solche werden dann auch nicht sebwanger, nicht uterin und nicht extra-
«terin. Die Kn(;s'i HnM'schen F.llle waren, soviel ich sehe, auch relativ frische.
Dennoch behaupte ich, dass die Mehrzahl der Frauen so zu sagen
kliniseh gesund gewesen sind su der Zeit, als sie von der per-
veraon Sehwangersebaft befallen worden.
Ich hatte 7 NuIIiparae zu verzeichnen mit relativ nicht zu langer Dauer
der Ehe bis zur Entwicklung dieser Schwan» erschaft. 23 öiutl nach einem Intervall
von bis zu 2 Jahren nach ihrer letzten Geburt wieder schwanger geworden, mehr-
fach lagen nur wenige Monate zwischen den beiden Graviditäten, der intra- und
exteanterinen, dne batte das Rind noch an der Brast
Wenn man die Sebwierigkdt der Entwicklung des eetopiaehen Frnebt-
lialtcrs lictrachtet. 60 liegt e.s auch schr-n ans diesem (Jriindc nahe, anzunehmen,
dass nur ein relativ gesunder Uberflächenabschnitt der Bahn des Eies zum Caoum
uteri für die Eiinsertion »ich eignet. Mögen dann Erkrankungsprocesse der ver-
sobiedensten Art vorausgegangen sein, dieselben mllssen sieb nabesu wieder ad
integrum zurückgebildet haben, wenn sieh aus ihnen für das Zustandekommen der
Schwangerschaft nicht überhaupt ein absolutes Hindorniss erp;eben soll: Der
betreffende Nährboden muas annäherud gesund und entwick-
lungsftbig sein.
Nebmen wir an, dass das Cavum vteri der pbysiologisebe Ort der
Begegnung von Ovum und Spermatozoen ist, so entsteht die ectopischo Schwan}?er-
scbaft vielleicht dadurch, dins das Sperma ansiiahir.sweise über die rterushi'dile
hinaus vordringt. Bei der lluudin und dciu Kaniucheoweibchen bildet das die
Regel, wie wir seit IjOTt's*) Beobaebtnngen wissen. Bei diesen Tbiereu entwiekelt
sich das Ei pliy.siolofriseb, ebenso wie in dem kloinen Cavum auch in der Tube,
welche durch die re;relmil3si;,'' mehrfach };eschwfln?erten Ovula perlschnurartig
ausgedehnt wird. Für die Frau ist der bestimmte Beweis fUr ein physiologisches
Vordringen des Sperma in die Tobe niebt erbraebf. Liegt es niebt nabe, anin-
nebmen, dass eetopisebe Schwangerschaft bei der Frau eben dann entsteht, wenn
li'iorliaupt das Sperma über das ('ar>/i;i iifrri hinaus \ordrin°:t? Ich will diese
Hypothese nicht weiter verfolgen, nicht weiter ausführen, dass gewiss nicht immer
in solchen Fällen die Ovula auch zur Entwicklung gelangeu müssen, wie das ja
sieber aaeb niebt bei dem Contaete im Uterus gescbiebt; aneb mOebte ieb niebt
weiter darauf eingehen, dass der Weg für das Sperma nach der Tube etwa durch
die vorausgegangene Erkrankung geOffnet sein krmnte: so lange wir die Phy-
siologie der Schwängerung nach dieser iiiehtuug nicht kennen^
bleibt aneb die Aetiologie der eetopisoben Binnistung in Dankel
gebflilt. Aneb FBrrSCH bekennt sieb zu dieser Ansehauung.
Localisation der ectopisehen Schwangerschaft. Wir
wissen. da«s die Insertion des Eies auf dem ganzen Wes'e vom ireborsteneu Follikel
bis zur Einniünduugsstelle der Tube iu das Cavum erfulgeu kauu.
17*
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260
EXTRA UTERIN-SCHWANGERSCHAFT.
Die ovarielle Insertion muss als gesichert, wenn ancb als selten,
anerkannt werden. Wir verlang'en für die Anerkennung einer Ovarialschwanger-
schaft den Nachweis de'^ intacten Verhaltens beider Tuben und des anderen
Ovariuras. Neben den Fällen von Leopold, Walter und Anderen entspricht der
Fall 40 (Fig. 20 und 21) und Fall 60 meiner Liste und ein Fall von Mackenbodt
(Fig. 22} dieser Forderung.
Frau G. ans K.. 55 Jahre alt, seit ihrem 17. Jahr menstruirt, jetzt unret^lmässig, lange.
Hat zweimal geboren, 1872 Oraviditax extranter. nach Vjähriger Pauäe. Unter schwerem Krank-
sein sind erosne Massen Eiter per vaginam entleert worden. Es wird eine exspectative Be-
handlnog ninf^eleitet. Patientin fühlt nnter mhiger Bettlage den Leib allmiilig dünner werden,
bis dann nur noch ein auch für die Patientin fühlbarer, kindskopfgrosser Tnmor bemerkbar
war. Jetzt seit 7 Jahren Menorrhagien , Abmagerung. Im Sommer 1891 wurde bei Patientin
Curcitwmu colli diaguosticirt und sie behnfd Operation an mich überwiesen.
Fig. 20.
GrKvid. ovarica sinist. (Fr. G. Nr. 40.)
ScA Srhwaugerttrhaftasack. r Tub. sin. Ao Lig. ovarli ■ioiat.
•5. Juli 1891. Massig gut genährte Frau, leidend. Grosser Tumor bis in die Nabel-
höhle, halt, knollig, unbeweglich, Uterus liegt darüber, gross verwachsen. Carc. colli mit
Vorziehnng nach links, hier frei.
Laparotomie am '.Ml Juli ISIU. Die Eröffnung de* Leibes ergiebt starke Verwacb-
suugeu des N>-t7.es und der Darme mit dem Tumor. Der letztere strausseneigross, wird verhiüt-
nissmässig bticht aus eiu-'m diinnen ick ausgelö.st. der nach Isolimng als zur linken Tube
gehörig erkannt und ur terliunden wird. Dadurch ist der Uterus nach oben beweglich ge-
worden und es wird nun die Freimachung nach rechts begonnen, wobei die Tube und das Ovariom
mit gewonnen wird. Nach der Bla.senfülluug macht sich im Lig l<it. sin. eine kräftige arterielle
Blutung bemerkbar. Bei der Unterbindung der linken Adnex« macht es Schwierigkeiten,
die Infiltration im Collum vollständig herauszuziehen. Fernerhin vollzieht sich die Um-
suumung ohne Schwierigkeiten, nachdem die stark gefüllte Blase wieder entleert ist. Nachdem
«chliesslich noch einige kleine Nachtrugssuturen gelegt sind, werden die Fäden nach der
Scheid«' durchgezogen und das PerituniMim darüber fortlaufend und mit Knopfnähten ge-
.schlo^sen. Oelschwamm : Schluss.
In der Reconvalesccuz entleert sich unter geringen Erscheinungen ein Scheiden-
ab.scess. Genesung vollkommen. Letzte Nachricht 1' .Jahr p. op. Euphorie.
Die primäre Abdominalschwangerschaft wird von der tiber-
wiegenden Mehrzahl der Gynäkologen als noch unerwiesen betrachtet , trotz der
Fälle, welche noch neuerdings SutiTiIN in der Zeitschr. für Geb. u. Gyn., Bd. XXII,
mittheilt In den franzdsischeu Lehrbüchern wird sie noch erwähnt, ebenso wird
sie, wenn auch als zweifelhaft, in dem .so vortretllichen Lehrbuch von LUSK erörtert.
Google
EXTH A UTERI N-SCH W ANÖ EBSCH A FT.
Wenn wir &h Voraussetzung für die Diagnose der primären Abdominal-
Bchwangerscbaft den Nachweis eines völligen Gesundseins und absoluter Nicbt-
betheiligung der Ovarien und Tuben fordern müssen, und ferner den der Placenta-
bildung im Peritoneum, so scheinen die Fälle , welche Keik auf dem internatio-
nalen Gynäkologencongress 1892 in Brüssel mittbeilte, allerdings als die ernten
derartigen. Lässt die Beschreibung kaum Zweifel zu, so bleibt allerdings der E)in-
wand, dass eine Controle, wie sie durch die Autopsie geboten würde, glücklicher
Weise für die Kranken nicht statthatte. Das Ausserordentliche der Sachlage und
die Thatsache , dans alle früheren Beobachtungen schliesslich der zersetzenden
Kritik nicht Stand gehalten haben , niHge entschuldigen , wenn wir erst weitere
Beobachtungen abwarten wollen, bevor wir die primflre Abdominahchwaugerschafc
durch die Rci^'scheu Fälle als völlig gesichert anerkennen.
Llthop&dion, welche« in. dem Ovarlnlscbwangersrhaftx-Sack (Fig. so) 17 Jahre elii):eB(.h1o$Bea l&g.
Secundäre Abdominalschwangerschaften sind nicht selten, wie
wir bei der Krftrterung der verschiedenen Arten des Ausganges der Tubarfchwanger-
schaften noch zu erwühncn haben werden. Ich zilhie hierzu nur diejenigen Fülle,
bei denen das Ei oder der Fiitus lllngore Zeit in der Bauchhuhle verweilt hat, die-
jenigen , bei welchen die Operation vorgenommen wurde im Anschlu^s an die
Katastrophe des L'ebertrittes der Frucht und die Ruptur - oder sogenannten
Abort — , diese (Jebilde in abdomine , werden unter den (icsichtspunkteii dieser
Entwicklungsphase der K.vtrauterinschwangerschiifi uulzuführeu nein.
EXTRADTERIN-SCHWANGERSCHAfT.
Ein Beispiel hierfdr ist Nr. 3 meiner Liste.
Nr. H. Frau S., Jahre alt, hat vor 15 Jahren leicht geboren. Im Wochenbett gesand.
Stets regelmäHsig menstruirt, die ReRoI ist niemals ausgeblieben. Vor 7 Jahrer> eines Tages
ohne wahrnehmbare Veranlassung Uuterleibs.sRbnierzen , die nach Anwendung von Blutegeln
schwanden, innerhalb 14 .Stunden, ohne dasa Patientin bettlägerig wurde. Seitdem Verdickung
in der rechten Seite. Da Ende October 1877 Behinderaug in der Arbeit dadurch verursacht
wird, dringt Patientin auf Entfernnng der fau-stgrossou Geschwulst, unter welcher der Utems
retrovertirt liegt.
Fig. 8«.
i
OvarialscbwanRerschaft (Beob. von Mackenrodt).
C>%-)iriaItnbe. f Ovarium. ^' H' FruchtaackwHnd. r .^mnion-Chorion. öVCorp. luteum. '>7"0stinm
tubae. I'' Placenta. Fii Kruphtrauni.
Laparotomie am 15. November 1877. Her steinharte Tumor inseritt breit auf dem
Psws mnj. äext. Veriäor>r"ng d4'r Insertion.sstelle mit Seidenladen. Beide Ovaiien und Tuben
uormai. Ungestörte Reconvnlesitnz. G Wochen später Abgang der gesammtcn Ligaturnias^e
durch einen Stichcanal der Hauchwunde. — Der Tumor (Fig. ä3) bi steht ans den verkalkten
Eihäuten und enthält einen verkalkten Küius von 4 Monaten mit der verkalkton Placenta.
(Zeitschr. f. Geb. u. Gyn. 1878. III.)
Nr. 9. Frau R., 33 Jahre alt, bat 2mal geboren, zuletzt vor 2 Jahren, hat im De-
cember 1883 nur um 4 Tage verspätete Menstruation. Seitdem Schmerzen. Im Januar 1884
regelmässige Metises. Im Feliniar angeblich Abort.
Laparotomie am 11. Marz 1884. Es wird ein Tumor der linktnTube, 9*5 Cm. lang,
5 Cm. breit, 4 5 Cm. dick, enif<'rnt, hinten oben eine 4 Cm. lan^c Ri.'-sstelle. Die Tube ist
mit geronnenem IMnt gefüllt. Uuter der Tube liegt frei auf dem Peritoneum das Skelet des
5 Cm. langen Fötus, Saccus plt'iirne, pericariiii et jteritonei erhalten, ebenso die Gelenk-
verbindungen (Fig. 'i^). Ungest<>rte Reconvalcscenz. (Vergl. VIII. internat. Coogresa Kopen-
hagen 18*^4 und Czempin. Deutsche med. Wochenschr. 1886, Nr. 1^7.)
Nr. Frau K., 51 Jahre alt. IVpara, zuletzt 1862. Nach zehnjähriger Pause im
Sommer 187^ gravid. Januar 1873 Eindsbewegungeu. Im Mai Abjrang fleiHchuhnlicher Uasgen.
die ausserbtilb des Uterus liegende Fricht wird lebend in «ler gebui tahiltlicheu Universitäts-
klinik diaguusticirt. Patientin verweigert die Operation, das Kiud .stirbt ab und Patientin
wird längere Zeit an Peiilomtis behandelt. — November 1885 bittet Patientin um Befreiung
der in der letzten Zeit zur l'nei träglichkeit gesteigerten Schmerzen.
Laparotomie am 17. November 1885. Der mumiticirte Fötus licet frei in der Bauch-
höhle und entspricht in seiner Entwicklung einem reifen Kinde. Dannschlingen ziehen zwischen
Extremitäten und Rumpf hindurch. Eisack enthält stinkenden Eiter und Detritus, umschlossen
von der rechten Tube. Im rechten Ovarium die Spur des Corpus luteum veruw. Ungestörte
Reconvalesceiiz. (Czempin. Deutst he med. Wocheuschr. ISStl, Nr. ".^7.)
Nr. 14. Frau M. S. . 35 Jahre alt, Vpara, znlc(zt vor "^Jahren entbunden. Seit
einem Jahre Endometritis. Patientin hat sich für schwanger gehalten, obwohl die Menses nicht
ausgeblieben sind. Zunahme des Leibes
Laparotomie am 20. Oetober 188ß. Auf dem tief im Becken liegenden grossen Uterus
liegt der dem 5. Monate eutsprecheude Fötus, dessen Übertläche mit dem Netze verwachsen
EXTRAUTERlN-SneWANGERSCHAFT.
263
ist. Zwischen seinen Extremitäten ziehen sich Darmschlingen hindurch. Sitz des Eies in der
linken Tube, die halbfaustgross einen eiterhältigeu Brei amschlies<5t. Das linke Ovarium be-
steht aus einem Conglomerat hydropischer Füllikel. Drainage des Douglas. Ungestörte Heilung.
(Czempin, Zeit.schr. f. Geb. w. Gyu. XIV.)
Fig. 23.
Secnnd&re AbdominalacbwaogerEchaft: Litbopädion. Fr. S. Xr. 3 meiner Liste.
Ueberwiegend häuHg ist der Sitz des Eies in der Tuba. Hier
überwiegt ganz absolut der in der Ampulla tiibae. Von meinen 57 Fällen
tiibarer Gravidität waren 52 ampulläre, 1 interstitiell, aber auch bei den 5, welche
als istb misch angesprochen werden können, sass immer das Ei halb in dem
Ampullenabschnitt.
Warum die isthmische Form so selten gegenüber der ampullären er-
Kcheiut, dürfte seine Begründung wohl in der Enge des Canales, dem Fehlen der
Falten und der geringen Durchsetzung der Wand mit Gewissen haben. Es er-
scheint nicht ausgcschlosHon. dass es sich bei manchen der als interstitiell berich-
teten Falle um Schwangerschaft in einem unvolJ kommen entwickelten üterushorn
gehandelt hat.
Die AmpuUii tubae mit dem Wirrsal ihrer gefilssdurchsetzten Falten ist
der gegebene Platz für den Aufenthalt des Eie?, welches hier sowohl dem Cilien-
.strom, al.H dem Motus p^ristalticus (?) entrückt ist und einen entwicklungsfähigen
Nährboden ftndet.
264
EXTRAÜTERIN-SCHWANGERSCHAFT.
Em überraschendes Bild scbeiabarer Tuboabdominalschwangerachaft bot
Nr. 55 meiDer Tabelle (Fig. 25). Das Ei sass auf der Fimbria ovarica frei
Tabarachwangenchaft. Skclet dos aiio^etretenen Fötut auHM>n auf dem Sack. Das Fr¶t habo
ich in Kupeubagen 1H84 denionstrirt.
auf, sein Nährboden war Anipullenschleimbaut. Die übrige Oberfläche des Eie^^
war in Blutgerinnsel gehüllt, ohne mit den benachbarten Theilen in inniger Ver-
bindung zu stehen.
Fig. 25,
Oraviditaa tubo-abdomiiiali>i (Nr. 55 meinir eigenen He<iV.nrlitunK'>n.) cOvarium. C/Corpua
lateum. Ji Isthmii!« tiiba«. Ai Aini>iilU tubnn if Ha<>mutania iiTni>iillaf>. /' Fimbria ovartca.
Kinbryo. ' ClLinriouzotteu. -ii« Amnion, t'i' l>i?tterb]a*e.
Fran Z. (Tab. 55), 'J^jahriKe Vpara. hat ihr letzte.s Wochenbett im April 1891 tiber-
»tanden, nach Tmonatlichcr Luctatiou rffrelniassip mcnstruirt Letzte Kegel am 2. Mai 1S92. t?cit-
dem bestehen heftige ScbnK'r/.LU in tb-r recliten ;?eite. Patientin i.st aul Wanderniere behandelt
EXTRAUTERI N-SCHWANGERSCHA FT.
265
wofden, bis «n 20. Juni in meine BehandlaDg eintrmt. — Zierliche kleine firünette. Leib
nidit auftrieben, nfctat dniekempllBdlieh. Beebte Niere in attii nonuli. Introitus vaginae
weit, .^cheiiie schlalf. mit tilutigem Schleim beduckt. Portio imrepelmässig, qaergespa)ten. Uterus
normal in Grös»e, Cunsistenz und Ikwexlichlceit. fluduiuetritis und Erosionen. Diu rechten
Adnexe b&bnereigroas. weich, sehr empfindlich; die rechte Tobe deutlich und in ihrem Ver-
lauf \m zu dieser Masse zu fShIen. Adnexa siuistr. gesund. Nach der Untersachung an-
dauernde Schmerzen , schwerer Collaps. Der Dou^la^ erscheint in geringer Ausdehnung mit
Flüssigkeit gefüllt . der Tumor rechLs unverändert. — Die bia dahin in suspenso gehaltene
Diagnose wird nunmehr auf Gravid, extrauterina fubarica dextr. gestellt, mit Baptur und
Blaterguw In die Bnnobhlihle.
Laparotomie am 22. Juni 1F92. Die Bauchhöhle enthält reichlich flüssiges Blut, in
der Tief'* viel altes Blnt, nhne Spur einer Abkapslung. Der Tnmor der rechten Adnexe wird
ohne Mühe heraus^etu.stet. Das im Blutgerinnsel eingebettete taubeneigrusse Ei fällt an der
Anseenfliche des Tumor ab. Dieser besteht ans Ovarinm und dicker Tube. Oieselbea w«rd«n
Iridi isolirt, mit 3 Ligaturen abgebunden nnd abgelSst. INe Adnexa links gesnnd bis auf
einen grossen Follikel, der ein walnusscrosses Gerinnsel, wie einen Pfropf enthalt. Entfernung
der Gerinnsel, Ahschluss. Das Neiz und das Peritoneum parietale und viscerale blutig im-
UUrt Dauer der Operation 9 Minuten. BeoonvaleaceilB ohne Störung. — Das Präparat be-
steht ans Tube mit zugehj>ri<;em Ovarinm und ein«B et«» GwAcbentliokeD Ei, welches xwisohea
Fimbrienende und Üvarium inserirt gewesen ist.
Die (ic.xammtgestalt de.-< Tumors kommt dadurch zu Stan le, dass die Tul» post-
homlSnnig um das Ovarium gedreht erscheint. Das Ovarinm ist dem Uterinende sehr viel
niher als dem Fimbrienende gelagert, ist stark TergrBsseri nnd hat eine rauhe , sum Theil
von Schwarten belegte Oberfläche, die nnch einzelne fnllicul.ire Erhebunt?en zeij^t. Auf dem
Durchschnitt tiiidet ^ich ein nicht .sehr mächtig entwickeltes Corpus lutium, dem centralen
Pol des Ovarium ^''nähert.
Die Tube ist aiu uterinen Ende nicht verändert. Auch der grösste Theil der Am-
pulle ist normal, riogßn das Fimbrienende schwillt die Ampnlle an und nimmt am Inftindi-
bul un wieder an \ oliiineii ab. Das Fimbrieneinle n^cheint offen. Die Fimbrien sind /niii Theil
unverändert, zum Theil mit Schwielen aus geronnenem Blut bedeckt. Das Fimbrienende ist
schmal in die Liege gesogen durdi die IVmiHiB «wsriea, die Boeh mit daai Ovariam in T«r>
bindnng steht. Die Fitnhrin »rarica ist sehr breit entwickelt und Mtgt ein« BttldMlföniligt
Vertiefung, auf welcher das Ei gesessen hat.
Auf dem Durchschnitt erscheint der periphere Theil der Anpulle von einem Hämatom
•rfiillt nnd auagedehnt, durch welches sich siüilreiche Falten der ToMniehleimbant als schein«
bare Scheidewinde hindnrebxieben. Der Rest de« Tubeneanalea ist normal Schleimhaut und
auch das Flimmerepithel erhalten. Itie mikniskopi.sclie ünter.-inrhntis; erfriobt , da.s-; in dem
Bindegewebskörper der l imbrut uiurua Deciduazelleu vorbanden sind. Die Epithelien der-
selben sind in der-<elbcn Weise verändert . welche der BeHexabbildnng der TabnudllalmllMlt
•ntspricbt, d. h. kleiUi nnidliih, mehrschichtig.
Fine jranz absonderli'-lie Form tuboovarialer Schwangersi'haft ««nt wickelt
sich bei dcu Fällen von gugeuannter Ovarialtuba, bot denen Uvarialliublräume
foflieiiliTein oder cystomatöifen Ursprunges mit der Tube so verwmehaen ihid,
duB jene mit dem Lumen dieser eommnnieiren. Unter meinen 60 FUlen finden
sich 5 hierLer?oh("»ri<re. Dann sind zwei MAirlic.hkeiton bis jetzt constatirt. Das
Ei, welches einem in der Wand des ovarialcu Hohlraumes i^eleprcnen Follikel
entstammt, wird in diesen entleert, hier ^ettehwängert und kommt da zur Ent-
wieklung. Ein Roleber Fall ist der in Fi?. 29 abfrebildete. Oder das Ei Icommt
aus dem ovariaien Hohlraum noefa in die Tube und wird bier ge.'icbwfiogert. Ein
Beispiel hiervon ist Fig. 26. (Meine eigenen 5 Fülle sind in extenso in der Zeit-
schrift für Geb. und Gyn., Bd. XXV, beschrieben.)
Nr. 51. Frau L.. 28 Jahre alt. seit dem 14. Jahre menstmirt, seil 9 Jahren ver-
heinitet , )i;it 'M\\'.i\ geboren, darunter 1 Almrt im 4- Monat. l>ie letzte Entiiindiin^: <Tfolt;te
vor U Uonaten schwer, aber spontan. Im Wuchenbett lange bettlägerig, nährte nicht und ist
seitdem hrank. Uenses regehnlnsig vom 3. Honat poet partum, nicht ausgeblieben. Bei der Aaf-
nahme am 'i. Miir/. Is9x.' giebt die magere, schwer leidend au-isehende Frau an, da.«?."« sie vor
6 — 8 Wochnn nucb einem F;ill Sehmer/.-u iiul beiden Seilen de.s Leibe.s bekommen. Seit Mitte
Januar besteht ein mäs,siger eontinnirlieher Hlutabgang, .seit Mitte Feliruar heftige Schmerzen
beim Uriniasfen, Verstopfang und ununterbrochene Leibscbmeraen. Schwangerschaft wird in
Abrede gestellt. — Der I^eib euthftlt einen bis snr NabelhShe reichenden harten Tnmor, der
sich au.s der rechtes Beckenhälfte zu entwirkeln scheint. Danaben dumjifer Porcn^si<insschall.
Der Uteru.s nicht vergrö.ssert , weich und liegt hinter der Symphyse etwas nach links ver-
schoben an der grossen harten Masse, welche rechts das .^chi idengewfllhe herabdrängt. Unti re
Peripherie die.ser Geschwulst uneben, anscheinend fest im Becken verwachsen, ijcheide schlaff,
nicht aufgelockert, blas^. Die linken Adnexe werden nicht mit Deutlichkeit dnrchgeflhlt.
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266
EXTRA UTERIN-SCHWANGERSCHAFT.
Brüste schlaff, ohne Milch. Allgemfinhefinden sehlecht, gering«, aber gleiche Temperatur-
steigernng, kleiner Puls. 110. — Wahr.<(cheinlichkeitsdiagDOse : Cystoma ovarii dextra mit
BIntergnss im Anschlas8 an den Fall vor 2 Monaten.
Laparotomie am h. Mdrz 1892. Die Bauchhöhle ist mit altem Blut angefüllt, neben
altem frisches Gerinnsel, freies Blut. Der grosse Tumor ist mit Därmen, Uterus und Becken
innig verwachsen , die ßcrstnng ist dicht über dem Boden des Douglas erfolgt. Sehr schwie-
rige Auslösung der Geschwulst, die ganze Beckenhöhlc ist wund und zerfetzt Aua der Wund-
tiärhe un*l auf der hinteren Flache des Ligntnentum lutuni blutet es wie aus einem Schwamm.
Ausgiebige Matratzennaht , nachdem der Tumor mit einem grossen Theil des Ligamentum
unterbanden und abgetragen ist. Die linken Adnexe normal, Ausräumung der Blatgerinnsel
soweit als thunlich. Dauer der Operation 27 Minuten. — Patientin erholt sich alsbald nach
der Operation derart . dass von der verordneten Kochsalzinfnsion Ab8tan<l genommen wird.
6 Stunden post operationem plötzlich Dy.spnoe, Tod. Bei der Scotinn werden circa 200 Grni.
frisches Blut in der Beckenhohlo gr'funden . ohne dass eine bestimmte (Quelle erkennbar. Na-
mentlich ist der Sitz der Gesehwulst und die Beckenhöhlenwand überall sicher versorgt. Ex-
treme Anämie.
Fig. ^6.
Ovarialtiibe. Grav. tubarira. (Fr. Lyr. Xr. 51.)
"ut Ostium uterinum tubae. oia Ostium abdomin. tubae. Co Cyatis ovarii. O Ovarium.
Corp. luteum. .Sc* ijcbu-aiigera'-bufte!<ack.
Das Präparat besteht aus zwei deutlich dilferenzirbaren Massen, einem kleinen, an
dem dicken nterincn Tubenende erkennbaren, der Tube angehörigen, und einem etwa 2 faust-
gruiisen, in deren Wand das Ovarium sich befindet. Beide gehen ineinander auf. Die Tube ist
in dem uterinen und inthmischen Theil normal. Schleimhaut mit Epithel bedeckt. Dann .schwillt
die Tube zu reichlich Walnussgrösse an. Hier liegt der Eisaek , ganz mit Blut durchsetzt,
mit der verdünnten Tubenwaml durch derbe Gerinnsel innig verßlzt. Ein Fötus nicht nach-
weisbar. Nach Abspüluns; der Gerinnsel von der Tubenwand wird das klaffende periphere
Eude der Tube freigelegt. Durch diesen kleintinj^erdicken Theil der Tobe dringt die Sonde in
den grossicn Sack , der der Ma-sse «los Ovarium angebort. Die Oeffnung tritt wie ein Höcker
auf der inneren Oberfläche der Höhle hervor und die Fimbrien scheinen in der Wand des
Sackes aufzugehen. Aus dem Ostium ubilottiinule hängt ein Gerinnsel in den Sack hinein.
Diese mannsfanst<rrosse Hfihle ist ganz mit Blut gefiillt, ilas geronnen der Wand lose anhaftet.
Entsprechend dem Ovarium, w»^lches sich auf der im Uebrigen rauhen zerfetzten Obertiäche
des Sackes abhebt, tritt auf der Innenfläche ein Wulst hervor, etwa 4 Cm. von dem Ostium
tubae afM/ominale entfernt : dassellje enthalt ein hasclnussgrosses Corpus luteum, das aber nicht
nachweisbar mit der Höhle eommanicirt. Das Ovarium ist im Uebrigen nicht wesentlich ver-
Goo<
EXTRAUTEKIN-SCHWANGER.SCHAFT.
267
grdnert, von kleiiMD Follikeln darchaeist. Die Oberflitobe des Ovarinaw gtlit in di« Cysta
•nf. Die Wand ist ührixens derartig mit Blnt dnretasettt, dasa eine weitere DiffereminiBf der
^ackwandunpen nicht in'i!:lii li ist. — Diaiimse: Orarinltuba dejrtt n, Crrnriil . tuhm ica ampuUarin
(ifxtrn, hehriotncitis VI. Hliitnng im Kisack nij<J in dem grossen cystiscben Raum ile« Ovarinm.
Kesorptiiin dt s Fötus. Ruptur des cystischen Ovarialcaekea durch das naebtrftgliek «fgwaiw
Blot, vielleicht im An^cliliiss an fincn Fall. •)
Zu den ^^anz atypischcu Füllen rlcr Eiinsertion, welche KüEBERLK beob-
achtete (primäre HauchböbleaschwaDgersebatt nach Amputatio lUeri inyomatOBi)
und welehe von MOllkb alt Bntwickluag in einem Brndisaek (Allgem. Wiener
med. Zcit-:clir. 1862. Nr. 2!») beschrieben sind, kann ich einen neuen hinzufügen,
den mir der behandelnde Arzt Dr. WK.VDLKEt zur VerfilfTunjEr «teilt. Kr hat naoh
Ejcstirjjatio uteri vaginalis wegen Carcinoin Schwangerschaft iu dem Tubenende
beobaehtet, welche in das SeheidengewMbe eingenftht war nnd regelmisup eine
Art von Menstruation gezeigt hatte. Nach zweimaligem Ausbleiben der Regel
erfolgte Abort. Wkndi.er entfernte daa £t ans dem erweiterten nterineu Tuben-
ende. Patientin genas.
Entgegen der Annahme einer flberwicgenden Disposition der
linken Tube gegen die rechte, habe ich 84mat das Ei in der rechten nnd
unr 23nirtl in der linken f!:efiindcn.
Anatomii' den Ris.icko'^ bei cctopiseher Kl Insertion.
Wir wissen, du>.s die Einbettung dcH Eies alsbald zur ßildung einer D ecidua
tuhae fohrt. Das Ei senkt sieh swisehen Tvbensehleimhaatfalten , diese
noiscbliesscn (s. Sofort erscheinen diese Falten verdickt, et tritt in ihnen
eine massenhafte (Jt'liissiiciibilduüp" auf. Die Faltencapillaren erweitern sieh, sie
werden zu den intcrvillöseu Hltumen, welche die in die Obertläube eindringenden
Zotten nmspflien. Bemerkenswerth Ist ihre im Vergldeh zu den analogen nterinen
Verhlltui.s.sen uureirelmSssifre Füldunjc. .\n der dem Ei zuf?ewandten Seite der
Falten wird d.i< ♦•itiscliichti;.'-^ Epithel vielschichtijr. die Zellen erscheinen vi'rjfinirt,
abgerundet. Die Kerne werden grösser, zeigen Furchnn^^aproeesso An der dem
Ei abgewandten Seite bleiben die Faltenepithelien einschichtig erhalten und sind
plattgedrOekt. Nicht selten siebt man mehrere Falten anfeinandergedniekt, so dass
scheinbar mehrfache .Membranta<fen entstehen. Fig. 27 zeigt ein solches Bild ans
dem Präparat Nr. 51) mein« r Tabelle.
Die dem Ei anliegenden Epithelmassen nehmen zum Theil die Zotten auf,
sie stellen die Deeidua reflexa dar. Eine völlige Umsehlieesnng des Eies
scheint im (Jegensatz zur uterineu Kefiluxa nicht zu Stande zu konnten. Der der
Haftstelle abgewandte Theil bleibt nnbedeokt. Das Faltenende umsftumt das wach-
sende £i wie ein hoher Wall.
Die bindegewebige Masse der Falten nimmt, wie man nach
einigen Präparaten vermuthen mois, erst später an der Wucherung Theil, so dass
die Provenienz der I^i iMdnazellen selbst nooh fraglich erscheint.
Im prägnanten tiefrensiiz zu der nterinen Deeidua erfolgt die Hildnng
der tnbsren nur im Bereich der Churionzotten. Ein weiterer Unterschied besteht
darin, dass sie sieh herdweise, in Gestalt lose snaammenbiagendor ZellhaafiDn, ent>
wickeln und eine snsammenhSngondo Membran anscheinend nicht zu Stande kommt.
I.*!t es erst zn einer Entwiekhin? einer frit;ilen IMaeenfa ^rekommen, .«o zeigt diese,
soweit sie bi.s jetzt bekannt, keine wesentliche Verschiedenheit von der uterinen.
Die Mnsoulatnr der Tnbenwand verludert sich am deutlichsten,
ja oft überhaupt nur an der Stelle der Eiinsertion. Während die uterino Muscu-
latur wticbert . pm^rressiv sieh entwickelt , wird die in dem betrelTenden Tuben-
abschnitt zu einer fuoctiunsunfäbigen tiewebslago. Viele MuekelbUodel atruphirea
unter dem Dmek des wadisenden Eies, asdere werden auselnandeigedringt. Die
Kerne erseheinen tinetionsnnfilhig, ihr bindegewebiger Sttttzapparat unentwickelt.
*) Einen »linlicben Fall litt J. Veit beobachtet, vergl. Schiffer, Zeitsehr. f. 0«b.
n. r.yn. XVII. pnp. l!'.. Hirr iifsf.ind die ('ommunicatioB der schwangsren Tsbe mit dem Corptit
luttitni ceniiH, in welches die Zotten eintauchen.
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268
EXTRA ÜTERIN-SCHWANGEBSCHAFT.
Vielfach Hnden sich Spuren frischer capillarer Blutuagen in Form von
Pigmentscbollen, auch bei intact herausgenommenen Tubenpräparaten. Das Peritoneum
der Tube ist zuweilen nur wenig verändert , zuweilen in einem Wucherunga-
zustaod, der sieb in Mebrscbicbtigkeit und Volumzunabme der Zellen ausspricht.
Diese Reizerscheinungen treten ähnlieh wie bei allen sonstigen peritonealen Ver*
Änderungen hervor.
Im Gegensatz zu diesen Veränderungen am Sitz des Kies finden sich in
den übrigen Abschnitten der schwangeren Tube nur unwesent-
liche Spuren bei der tubaren Kiinsertion. Selbst die in der Tube dem
Ei gegenüber liegende Wand kann fast intact sein, abgesehen von den Wirkungen
des Druckes des wachsenden Eies. Jedenfalls nimmt das uterine Ende viel weniger
Fig. 27.
ImtcliHi hiiitt durcL die Wand der Tuba Lei Eiinnertion in der Tuba.
1 Sei'Oi'a uud Muscularis der Tubeuuand. // Zu^amiiuiiigedrurkte Falten. Iii Chüriou. />' Blut-
ergu»« im Ki.
als das abdominale daran Thcil. Nur das Fiml)rienende ist fast immer stark
aufgelockert, hypertrophisch. .Stets bleibt die Tubonwand als solche, wenn auch
nur als eine diiuue Membran nachweisbar, talls sie nicht durch Ruptur ge-
sprengt wird bei der Endkatastrophe.
l>ie .\urtbuchtung der Wand findet sich /.uweilon in der Form eines
Divertikels, das .sich ebenso si-hrolV an der Wand von seiner Umgebung absetzt,
wie die Deeiduabildung in der Schleimhaut.
£XTßAUT£RIN-SCHWAN6£RäCUAFT.
289
Nicht immer gelingt es, das FUmmerepithel in der fihri;2^L'n Tube nach-
zuweiaen; dasselbe geht sicher oft bei dem weiteren Verlauf zu Grunde, wenn
es nicht schon durch frühere Erkrankungen zerstört gewesen ist. Auch der Inhalt
der Tobe abseits des Eies kann dn pathologiseher TereiiiMlt sah ioh hydro-
irfsehen Tnbeninlialt, Eitra und Bliitaii8aiDiDlmnge&.
Die Gestalt veränderttOg des mit dem wachsenden Ei beladenen
Ovidnct h&ugt in erster Linie von der Art der Eiinsertion ab. Ist die Ampulle der
Sitz des Eies, so i^chwillt dieselbe kolbig an. Der Theil der Wand, welcher das
Ei trAgt, wird verdiolEt darob die Entwfeklnsg an der Stelle der Serotina. Ist
das Lig. latum, welches als Mesosalpinx dient, normal, so dient es zu einer Art
von StielhiIdiiTi2: und gestattet dem Tumor eine Beweglichkeit, welche ib^m der
nicht verwachsenen Ovarialtumoren gleicht. Vorbestandene parametritische IsarbeD
behindern eine eolehe freie Entwiekinng. Dabei wird der Tumor in das Becken
hineingeaogen und krümmt sieb postliomartig um die durch das straffe Lig. ovant
festgelegte Keimdrüse. Dann enthält der Wiiclifruii(,'sreiz in der peritonealen
Hölle und der Druck de^ wachsenden Tumors die für diese ebenso wie für die
gestielten SehwangcrKehultcn uötbige Vurbediugung zu peritonealen Verlötbungen,
anmal wenn es absataw^e an an&ngs nnerhebliehen Blutungen kommt.
Bei weiterer Bntwieklnng der Sohwangersehaft kommt es
zu Abknickung des Lumen, Verlängerung des Canales, Drehung und
Schlängelung des ganzen Eileiters. Das Fimbrienende bleibt in der Kegel
geötfnet, wenn auch das Ustium durch den Druck des wachsenden Eies zusammen-
gesohoben, durch Apposition an die niehstgelegene Wand des Beekens Teriegt
erscheint. Dadurch erkbirt sich dw so häufige Befund von Blutung aus dem
Ostium und Atiatritt des Eii!s. respective dos Fötus. Vorlöthung des Ostiums
durfte, wo sie sich findet, ein KUckbiidungsvorgang nach dem Tode des Eies
sein und im Anseblnss von Blutungen an Stande kommeo.
Ein einziges Beispiel für die DisloeationsIMi^keit der ampnllftr gesehwftn-
gerten Tube bildet folgendes Beispiel von nahezu Smaliger Stiettorsion
des Eisaekes mit dem daran haftenden Ovarium.
Nr. 57- Kr. Gr. kam am 16. Januar 1R(>3 in meine Behandlung. Die 31j&hrige
Patientin giebt an, seil Jahren Schmeraen in der linken Seite gehabt zn haben. Sie bat in
lijährigrr Ehe ömal frehoren, zuletzt limal vorzeitig. Sie will bis auf Leibschmerzen, deren
UrMche dankel ist, stets gesund gewesen sein. Die Schmerzen haben seit 'Z Wochen derart
das« Patientin arbeitaimfilliif; ist. Die Menses sind aageblioli refSlittiasig gewesen,
zuletzt s Ta>;e vor der Operation. Ab);an<r von Coafriiiis oder menibranAseu Fetzen ist von
der intelligenten Patientin nicht beol>achtet wurden. Nach anderweiter erfolgloser Behandtang
dringtcn die SchmerMII sar OpSnliOB, als deren Qoelle die Oeschwnlst vom Hansarzte und
von der Patientin aogsqirodMa «erden wsi. Bei der Aofnahme eischien Patientin in kobem
Grade dnrch die SelinenMn ertebSpft. In der linken Beckenrofte lag die nabesn sweifsnst'
Ijro.^se Ge.schwulst, deren Berührung in liohem Grade empfind lieh war. Der Uti-rus hatte etwa.s
mehr als normales Volumen, lag unbeweglich rechts von dem Tumor an die Beckenwand ge-
drängt, die reebten Adnexe erschienen normal.
Ivaparntoüii.- am IT.Jannar 1^!»3. Hei Eröffnung des Leibes erscheint das FeritoaeUD,
das Netz und dii- l»:iri:ie blutig imbibirl. Blutiger Ascites in grosser Menge.
Die Ge > l.wuLst tüllt die linke Beckenhälfle. Sie ist allseitig mit Darmscblingen,
Utams, Beckenwand, hinteren Flüche des Ligamentum latum innig verklebt. Bei der Lösaag
dieiMr Verwaebanogen triit die raube, brenn nnd blansdiWJirx geAtbte OberUlebe der Masse
hervor. l)ie Ge><chwulst i-t '.^mal fest nm ihr<n Stiel gednht, dieser ist dadurch za einem
testen Knoten geworden, der dem LigamentHtn latum innig aufsitzt. Das Ligamentum selbst
ist blatig nnterlanfen, ndematös verdickt. Die Unterbindung muss in dem Knoten selbst vor-
genommen wenlen, da der Versuch, denselben dnrch Zurückdrehen der Masse aufzulösen, durch
die Brächigkeit de» Gewebes bedenklieh wird. Der torqnirte Stiel wird durchstochen , mit
dneai Faden doppelt unterbunden. Die Ablosui -: erfolirt diclit an i!i r ( hwul.st,
Die Bühle, aus welcher die Geschwulst ausgelost worden ist, zeigt starre, blutig
inflltrirte Wandungen. Der betrelTande Tbeil der ObeHlftehe des Uten», die der Oesebwnlst
anliegenden Absßhnittß der Darmwand, be.-nndcrs vom Rectum, das hintere Blatt des Lif/amrntum
latum sind dnrch fibr<>so blutige .>< hwielen bedockt, an denen Fetzen der Geschwulst ober-
fUehliöh haften, die dadurch entst mdene starrwandige Htthle blutet nieht. Die Wandungen
Verden erat durch die nachdrangenden Därme lusammengeBcheben.
EXTRAÜTERINSCHWANGERSCHAFT.
Rechte Adnexe f^sand. Abschlns^. 12 Hinuten.
Das Präparat (Fig. 28 und 29) besteht aus den linken Adnexen und stellt einen
13 Cm. langen nnd H Cm. breiten ländlichen Tumor dar. Tuben und Ovarien .sind stark blutig
imbibirt , die Tube i.st S-förmig gegc-hlangelt (wie eine Bauernpfeife), stark ausgedehnt. Das
Fimbrienende ist nicht atretisch , die Fimbrien .«ind ungewöhnlich lang , massig nnd breiten
sich strahlig auf der Aussenseite der Geschwulst ans. Im AmpnIIentheil ist die Tube etwa
gän seoi gross , darin liegt ein reichlich hühnen-igroFser Eisack. Die derben Eihüllen sind
ringsum der Innenwand der Tube innig angopasst, ohne mit ihr verlöthet zu sein. Bei dem
central gerichteten Theile d»;3 Eies sitzt die etwa fünfmarkstttckgrosse entwickelte Placenta,
Btark mit Blut durchsetzt, ebenso wie die ganze Wand der Tube den Kisark enthält.
Der Inhalt besteht aus ein(T blutigen Uasse : Detritus, unveränderte Blutkörperchen.
Fetttrijpfchen, Cbolestearin-Blutkry.stalle.
Von einem Fötus ist keine i>pur aufzufinden.
An der medianen ii^eite des Eisackes liegt ein dickes Blutgerinnsel, in welchem die
riaceota zu diffeienziiea ist.
Fig, 28.
Tubamchwaugertcbaft. Stieltorsion. (Nr. AT, Fr. Hr.;
Fig. 29.
£i gefüllt mit Detritus. UafUialoiua füll, ovaiii.
Durcb»<chnitt durrh Präparat Figur SS.
Das uterine Ende der Tube ist ebenfalN kolbig verdi« kt ; es enthält festgeronnenes
Blut. Die Tubenwand ist überall dünn, die Mn.-eulatHr hochgradig {.'fschrumpft , die Muskel-
faserzoll kerne tinctionsunfähig. Das Ovarium. das mit il^-r TuImj lest und in schwer nachweis-
barer Grenzlinie verwachsen ist, ist huiin*'nMi?ro«s. entlialt ein Uuiniituni, dessen Abgrenzung
von dem eigentlichen Ovarialgcwebe zunärhst nicht i;«'lingt. Das (iauze ebenso wie bei tor-
fjuirten Ovarien mit Blut durch.setzt, ungeei^uet lur Jede (einem mikroskopische Durchsuchung.
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EXTRArTERIN-SCHWANGERSCHAFT.
271
Verhältnissmäflsi;; selten lunter meinen 57 F;tllen tubarer Schwanger-
schaft llnial) ist der dem L i (j a m e ntu m latuvi zugewandte Theil der Tube
der Sitz des Kies. Dann kann es zu einer Divertikelbildunf^ zwischen die Blätter
des Liyameut'tin latum kummen. Die lockeren MaHclienräume können sich bis in
den Beckenboden hinein unter dem Peritoneum entfalten , so dass sie ein reifes
Ei extraperitoneal aufzunehmen vermögen. Das Ovarium kommt bei die«en intra-
ligamentaren Schwangerschaften abseits zu liegen; mehrfach habe ich es auf
dem Apex der Geschwulst, einmal sogar auf der vorderen Fläche derselben
angetrofien.
Dieselben Veränderungen wie anderweit in der Tube finden sich bei der
Kiinsertion in dem interstitiellen Theile der Tube, der tubouterinen
Form und bei der im rudimentär entwickelten Uterushnrn. Diese werden nach
C. Rüüe's Beobachtung dadurch di'fferentiell charakterisirt , dass bei der inter-
stitiellen Schwangerschaft dir Fmulnft uteri nach der anderen Seite hinUber-
gedrängt wird und nahezu senkrecht zu stehen kommt, während bei Schwanger-
schaft im rudinientären Nebeuhorn dieses seitlich abgebogen ist und durch die
von seiner Spitze abgehende Tube kenntlich bleibt.
FIr. 30 A.
G
G
Sfofache Vcrgrisgvriinj;. I>e(itluii uteri Gravid, tubaria.
fve. T>t'rjduHzellen l> Ürüsen. « Qefiis^e.
Eigeuthümlieh genug nehmen sich die F.llle interstitieller Schwanger-
schaft aus , bei denen sich das warbsende Ei aus der Tube auf dem normalen
Wege nach dem Cnvum uteri hin entwickelt. Kommt es dabei, wie z. B. in dem
Fall von Bachk-Emmkt '^j, schliesslich zu einer secundären intrauteriueu Gravidität
mit physiologischer Ausstossung j>er vias naturaU^, so stellt sieh darin unbedingt
der überraschendste Ausweg aus den Schwierigkeiten eetopischer In.sertion dar.
Die Anatomie des Frncht.sJickes bei Ovarialschwangerschaft ist bis jetzt
nur darin festgestellt , dass wir in seiner Wand die Spuren ovariellen (Jewebes,
Follikel, PFLüGF.u'sche Sebliiuche, korkzicherartig gewundene Gefässe finden , die
Aussenfläche wird von mehrfach geschichteter Albuginea gebildet. Die Innenfläche
zeigt eine Art von Deciduabildung. Grosse geschichtete Deciduazellen mit gewaltig
entwickelten Geffi^isen. ohne da.^s wenig.stens in den beiden mir zugänglichen
Fällen eine Serotinabildung zu unterscheiden war. Der Fruchtsack war mit Blut
gefüllt, die Wandung durch den Inhalt zum Theil zertrümmert. In meinem Fall
(Nr. 40) war das zum Lithopädion umgebildete Kind 1 1> Jahre in dem Sack
getragen worden.
272
EXTRAÜTERIN-SCHWANGERSCHAFT.
Die Fälle von primärer Abdominalschwanperschaft erscheinen, wie ich
schon vorhin andeutete, immer so problematisch , dass ich hier darauf verzichte,
des Näheren die nicht einwandfreien Befunde der Autoren zu kritisiren.
Unter den hinreichend bekannten Veränderungen in den tlbrigen Becken-
eingeweiden und im übrigen Körper, welche die ectopische Insertion begleiten, bean-
spruchen diejenigen im Uterus unser besonderes Interesse. Der Uterus erscheint
durchfeuchtet, sein Volumen nimmt zu, wie E. Frankel (Berliner Klinik, 1890)
mit Becht betont hat, in der Form einer allgemeinen Hypertrophie, im Gegensats
zu dem prävalirenden Wachsthum des Corpus bei intrauteriner Schwangerschaft.
Die Entwicklung der uterinen Dccidua hat für uns einen eigenen Werth , weil
ihr nach Wydek's Ausführungen eine so hohe Bedeutung fUr die Diagnose der
Fig. 30
Dfe. Decidaazt-Ilfn. O Oerdmo. P DrÜBPn.
ectopischen Schwangerschaft beigelegt werden muss. Sicher erscheint, dass die
Entwicklung der sympathischen uterineu Decidua constant ist. Oft geht aber diese
Umbildung nicht mit der Kegehnilssigkeit vor sich , wie man nach den vielen
Abbildungen der Prüparale schlieaseu möchte, welche al» vollkommener AuRguss
des Cavum zur Untersuchung gekommen sind. Ich selbst habe erst in dem oben
pag. 257 berichteten Fall 58 meiner eigenen Beobachtungsreihe ein solches Exemplar
einer zuKammenhängenden Dccidua zur Untersuchung bekommen.
Das rra|iarat, das aus dem Uterus au^ppstosson nnd von der Fran mitgebracht
wurde, ist nur s<hwach lilntip p»*farl)t. Ks Iteseht aus zwei nicht znsammeiihäneendun . etwa
pleich grossen Membran fetzen, die zusammen etwa die (inisse eines Handt-Ilers haben. Sie
haben auf der einen Seite eine wulstige, faltenreiche, aber jrlanzend ;:latte Oberfläche, während
die andere ijeite rauh und zertetzt aussieht. Ihre Dicke ist sehr ver.'^ch eden ; sie schwankt
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EXTBAUTERIN-SCHWANGERSCHAFT.
273
zwischen Papierüicke und mehreren Hillimetorn. Gegen das Licht gehalten , erscheinen die
dünnen Stellen braungell), die dicken dunkelbraun und schwarz. — Mikroskopisch nntersocht
erweist sich das Präparat als ein Gewebe , dessen Zellen den interstitiellen des Endometrium
sehr ähnlich sind. E« findet sich keine besondere Anordnung dieser Sellen , an manchen
Stellen sind sie dorch kleinere und grössere Gewebslücken von einander getrennt. Es sind
keine Drusen vorbanden , dagegen ziemlich viele blutleere Gefässe mit dttnnen Wandungen.
Die am makroskopischen Präparat wulstig, aber glatt und glänzend erscheinende Seite der*
selben lädst auch mikroskopisch einen buchtigen, aber scharf abgegrenzten Rand des Gewebes
nach der «inen Seite hin erkennen, ohne dass derselbe etwa mit Epithel überzogen wäre. Der
Rand des Präparates nach der entgegengesetzten Seite hin ist dagegen zerfetzt nnd unregel-
massig. — Die Zellen, aus denen das Präparat besteht, befinden sich in verschiedenen Stadien
der Wucherung nnd sind durchschnittlich grösser als normale interstitielle Zellen des Endo-
metrium, doch erreichen dieselben an keiner Stelle die Grösse der eigentlichen wohlgebildeten
Deciduazellen.
Fig. SO C.
bei selbe Schnitt. SOOfacbe VerKröMeruDg.
htc. Begiuneude Dociduazellenbilduug. D Orüsencanal.
Die durch Auskratzung: gewonnenen Präparate und die Bruchtheile,
welche wir aus dem Ab^e^an^euen zur Untersuchung bekamen , zeigten häufig
eine fast iiisulüre Deciduabildung, zwischen mehr oder weniger ausgedehnten Ab-
schnitten eines lediglich stark gereizten Endometrium. Neunmal ergab das Curette-
ment geradezu negative Resultate , während die Laparotomie die octopische
Schwangerschaft mit Sicherheit nachwies. In diesen Fällen nehme ich an , dass
frühzeitige Circuiationsstörungen , namentlich zur Zeit menstrualer Congestion,
capiUare Blutungen auch in der uterineu Schleimhaut verursachten, und dass hier-
durch schneller Zerfall, partielle Abstossung und Regeneration herbeigeführt wurde.
Der Zeitpunkt der rogressiven Metamorphose in der uterinen Decidua deckt sich
bekanntlich nicht constant mit dem bestimmter Veränderungen im Fruchtsack, so
£ncyclop. Jahrbücher. III. 18
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S>74 BXTRAUTERIN-SCHWANGER;SCUAFT.
da'?» wir weder aus dem Auftreten iiteriner Rliitunfren. noch aus dem Abganpr der
Decidua auf den Fruchttud oder die beginnende anderweite Störung; in der Ent-
wicklung Bcbliessen dürfen.
Die BbrigeD Vertndemngen, welehe die Mtoplaehe Sehwangenebaft Mmuc-
balb des Frnebtbalters verursacht , »ind hinrdehMid b«luimt, um an dieaer Stelte
einer eingehenden Erwfllinun;r zu bedürfen.
Wir wissen aus zahlreichen Ueiäpielcu '-'J , dadä neben der ectopiscbeu
Sohwnngenebftft sich gleichseitig eine intrnnteiine entwielceln keaii (vergl. Gutz-
W'ILLER, Ein Fall von gleichzeitiger extra- und intrauteriner Gravididit. Zntiainmen-
stellung und Betrachtuii;;: derartiger Fälle. Archiv f. (lyu. XLIII, pag. 223). Dax
Vorkommen von ZwilliugascbwaDgeracbafteu in einer Tube ist durch daa Präparat
von Carl Ruob bewieeen. Seit Puich'b Pnblieationen sind die Fillo von
wiederholter eetopifleher Sebwingemng derselben Penron mehrfach Iteriehtet, so
nenerdinga von Leoi-oi.d Mevek (Hospital Tidende. 1890, Bd. VIII, Nr. 27,
pag, 677 — <)b2), von HoiSLEUX auf dem Congress der deutschen fWnilkoIotren
18U1 und von MackbnuüOT in der Berliner Gesellscliatt tilr Ueburtsbilfe und
Gyn. 1892, 8. Januar, J. Vbit ebenda. AndereneitB liegt kein Gmnd vor, daes
Frauen nach Erledigung ihrer ectopischen Schwangerschaft nicht wieder intra-
uterin concipiren, ide solion das bekannte Beispiel de$ Falles von Lkqtzbll*')
bewiesen hat.
Verlauf der ectopischen äch wangurschaft. Ueber die Au4-
gftnge der eotopisehen Entwioklong hemebt kaum wne Differeai der Aneehiunngen.
So Hehr auch die Zahl der Beobaobtnngw gewaobsen, in denen die Kinder bis zur
vollen Reife gediehen , immer noch ist dieses Ereigniss versL-hwindcnd selten
gegenüber der triihzeitigen Unterbrechung der ectopischen Gravidität. Diese müsseu
wir auch heute noob als die Regel ansehen. Es privallrt der Eintritt der Ter*
htngniesToUen Katastrophe in den ersten drei Monaten. Naeh meinen eigenen
Beobaebtnngen erfolgte sie:
Im 1. Monat 15m«l
2 . • . . 16
n jj n
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» _• " - n
« *• n ^ »
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~ 60mal.
In einem Fall nur wurde bei lebender Frucht eingegriffen, 2mal waren
(Ii«' Kinder bis zum normalen Endtermin, respective darüber hin.iu«, getragen
worden. Sie wurden erst 12, respective li^ Jahre später durch Laparotomie
entwiekelt
Was ist die Ursache dieser Ersebeinnng? Unzweifelbaft kann die Fmeht
bei eetopiscber Schwangerschaft durch alle diejenigen Processe zum Absterben
gebracht werden , die wir als Ursache des Fruchttodes bei Schwangerschaft in
utero beobachten, wie sie ja auch andererseits völlig normal sich cntwickeiu kann.
Häufiger lieg^ anseheinend die Ursache der Unterbrechung in einer Störung, wdebe
durch OeHisszerreiHsung und Blutung an der Einnistungsstelle durch utimittelbar
einwirkende Traumata, ungewöhnliche Kräften twicklunj:, bei körperlicher Arbeit,
bei Defäcatiou, bei Cobabitation , bei ärztiicheu L'uter.suebungeu und therapeuti-
schen Bemflbttngen entsteht. Sieher entwiekelt sieh die Uuterbreehung viel
bftnfiger als u n vermeidliohe Folge ans der physiologischen
I n e (> n g r u e n z zwischen dem wachsenden Ei und dem Frucht
halt er. Die Folgen dieser locougruooz können sich verschieden gestalten. Bis
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EXTRADTERIN-SCHWAKOBRdCHAFT.
275
vor Kurzem oabm mau au, dass das Et seinen Fruchtbalter sprenge. Der Vorgang
Mlbst fahrte entweder lediglich in einem Spnlt in dieser Halle, oder das Ei kam
dabei selbst zur Herstung, 80 dass der Amnionsack austrat, oder wenn anoh
di('fl<»r ]);irst. dann Fruchtwas^ser und Fntu^t, unter mebr oder weniger ausgiebiger
Blutung bald in die freie Bauchböble, bald in ein Nutzwerk von Pseudomem-
bnuien, oder bei Bergung in der nnteren Peripherie aneh zwisehen die Blitter
des Ligamentum latum gelangte. Die weiteren Folgen dieser Kuptaren kennen
wir zur Geufl'rc, ich brauche darauf wohl nicht weiter einzupehen , mir einen
Puukt möchte loh an dieser Stelle noch erwähnen: Mehrfach besteht die Aunahme,
dass bei intraligamentärer Eutwiekluug die Gefahr der Kuptur verhältuissmftssig
gering iet: in der That gelten die FflUe intraligamentärer fintwieklnng alt be-
sonders gflnatig, namentlich in dem Sinn, daKs der so erweiterte Fmchthalter
anch die au^i^etra^ene Frucht aufzunehmen im Stande sei.
In 7 von den 11 Fällen meiner Tabelle, bei denen es zur intraliga-
mentlren ßitwieklong gekommen war, ist Abort und Beratung, gerade so wie
sonst in Folge der Insnffieienz des Fruchthalters entstanden. Ea kam zur Ent«
Wicklung' ziiniiehst extraperitonealer ITämatome, die spfiter ihrer-^eits barsten, 80
dass auch hierbei gchliesaiieh das liiut sich unter Durchbrechuug der peritoniti-
Bchea Schwielen in die Bauchböble ergoss, zunächst Himatocele, dann fireier
Blttei^nss In die BauehhShle entstand. In einem Fall mnss ieh allerdings be-
kennen , dass die mehrfache üntersucliunp bei Gelegenheit einer Demonstration
sicher die l'rsache dieses Hers^anfres wurde. F.henso wie hier, muss ich auch t'iir
mehrere andere Fülle von Kuptur iu meiuer Liste bekeuneu , dass diese nicht
immer eine spontane war.
Die Ruptur ist aber Noher nieht der gewöhnliche Ausgang tubarer
Gravidität, sieher ist der Vorgang, welchen WERTH'") als tubareil Abort
bezeichnet bat, der weit häutigere. >iach Weeth's Auffassung, der sich besonders
J. Ywn angesehlosseUf treten In Folge der Hyperextenston des Fruebtbalters Con-
traetlonen in dessen Wand hervor, welehe das Ei nach Analogie des betreffenden
intrauterinen Vorfranires von seinem Sitze lösen und durch das Oati'um tnhnf
abdomiiuih' in die Hauehhöhle befördern. V' ElT geht sn weit, hierbei wie am
Uterus die Bildung einer Art von Contractionsring zu cunstruireu, indem er auf
den Wall des Oatium abdominale hinweist, hinter welehem sieb anseheinend die
Masse des Eies und du- si«- um-ipftleiide Blut anstaut, ehe diese Masse es SU einer
völligen Erweiteruuf? des stellvertretenden Muttermundes briugt. Ieh kann diese Auf-
fassung nicht theilüu ; der Vorgang der Entleerung dea Eies durch das Ostium
abdommale ist allerdfogs sehr hftnfig. Neben 10 Fällen sogenannter spontaner
Ruptur unter meinen .06 sind 19 solohe von Abort, wenn wir diesen immerhin
prägnanten Ausdruck beibehalten wollen. verzei<'!nu't .
Die Betrachtung der Wand der i'ube bei diesen Fällen lässt mich aber
die Möglichkeit einer nenneos werthen Thätigkeit der musou-
llren Sehieht in derselben durdians bestreiten. Die Muskelfasern sind fnnetions*
unfähig, sie sind durch den Inhaltsdruck auseinandergezerrt , ohne dabei hyper
trophisch zu sein. Im (Jegentbeile zeigen sie unverkennbar Spuren der Atrophie,
ihre Kerne sind tinctiunsunfähig, es ist ausgeschlossen, dass sie eine active Rolle
bm diesen Vorgängen spielen. Aber ni<^t allein diese eonstante Beschaffenheit der
Mnscularis spricht nach meiner Ansicht gegen die Werth -VBIT'sche Erklärung.
Auch die schii-ht weise Anordnung der Gerinnsel, welche eine appositioneile Ent-
wicklung erkenuen lassen, spricht dagegen, endlich auch die Betrachtung, dass,
■dbst naehdon die Ruptur erfolgt ist , doch no^ Blut ans dem natarliohen (Mfieium
hermnafliesst, wie in dem 46. Falle meiner Tabelle (Fig. 31 und 32).
Fran Am. (Nr. •If»), ^38 Jahre alt, :5m;il gohnn ti, znlotzt vor 5 Jahren, im Wi.rhen-
bett angeblich vollkommen gesund. Seit dem l;*. Jahn- menstruirt, zuletzt vor I Wothen.
Patientin hat seit Jahren an profusem FlttOr gelitten, ^^ie giebt an, dii.ss sie vor einem Viertel-
jahre bei einer körperlichen Anstrencoag ein Geftthl von Berstong im Leibe gehabt. Darnach
18*
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276
EXTRAUTKRIN-SCHWANG ERSCHAFT.
sei sie ohnmächtifi: gewordeo, seitdem habe sie Sdimerzeu iu der linkeu Seite des Leibes, die
sich allmälig Uber den ganzen Leib ausgebreitet.
Fig. 81.
Gravid, tubarica ampnllnrie. n Kuptnrntelle, ScbwaCK-rsrhaff^sack. " Oriflc. tnbae
abdominale, n Hämatom, das aus dem Tubencuda herau»sieLt.
Fig. S2.
t^nerscbnitt durch rrät<arat Figur 31.
1. Deceraber 1891. Anämische Frau. Leib nicht aufgetrielirn. Uterus nach rechts
verdrängt durch eine derbe Muss>$ , web be die linke Deckenhälfie t'iillt. Die derbe ConsiateuK
EXTUAÜTERIN-SCHWANGERSCHAFT.
277
der Geschn^lat fällt auf, dieselbe scheint nabe«r«glich verwachsen , in welche die Tabe
tillergebt. Endometritif, chronische Erosionen.
2. December 1891. Laparotomie. Im Curnm peritonei massenhafte alte nnd friBche
Gerinnsel , ancb freie« Blut. Die Geschwulst gehört der linken Tube an. Nachdem die
fest adhärenten Darmschlingen abiereschoben, gelingt es, den Tamor mit dem darunter liegenden
Ovarium zu lösen und mit einer Masse alter Gerinnsel, die sich aus dem Oatium tubae ah-
tiominale t-ntleeren, zu entwickeln. Versorgung in 5 Absätzen. Fötus nicht nachzuweisen. Die
rechten Adnexe werden aus den ziemlich festen Verwachsungen abgelöst. Da sie im Uebrigea
normal erscheinen, wird auf ihre weitere Entfernung verzichtet. Blutung steht, Schloas der
Bauchhöhle. OperattonsiJauer 11 Minuten. Patientin macht eine ungestörte Reconvale-scenz durch.
Das Präparat besitzt eine allseitige, verhältnissmajisig glatte Oberfläche. Das zuge-
hörige Ovarium fehlt, ebenso das uterine Ende der Tube, welches wie abgerissen erscheint.
Gegen den Uterus hin ist die Tube weit geöffnet , aus der Oeffnnng scheint eine feste form-
lose Gerinnselmasse. Der Eisack ist in der Ampulle entwickelt , deren Wand bis 5 Mm. dick
i.^t. Die obere Tubenwand ist an eioer Stelle gepUtzt, ein Zapfen der Gerinnselmasse drängt
sich ans der Rissstelle und setzt sich in ein kugeliges Gebilde fort, welche:; aber auch nur
ans Blntgerinnseln besteht. Das Fimbrienen le ist gleichfalls auseinandergetrieben, durch einen
Zapfen reinen geronnenen Blutes, welcher sich aus der Oelfoung vordrängt und mit der Ge-
rinnselmas.ee des Eisackes in Verbindung steht. Dieser Zapfen ist auch hier durch uppositionells
Gerinnung von Blut entstanden nnd nicht etwa durch Contraction der Tubenwaud angepresst.
Auf dem Durchschnitte zeiitt die Geriniif^elmasse der Ampulle die schon oft beschriebene Con-
liguratinn, aber ohne Aninionshöhle. Massenhafte Chorionzott«n.
Fig. 33.
Die vielf.ich berichteten Contractionen dea Fruchth.ilter"? mit den Schmerz-
anOillen , welche als Symptome der drohenden Berstung oder dea drohenden
Abortes erscheinen sollen, k.mn ich nicht als Beweise für die Thflti-^keit der Tuben-
muBciilatur gelten lassen. I);i3 Hitrterwerden des Fruchthalters erklilre ich als ein
Symptom der Füllung: desselben durch extravasirtes Hlut, die .Schmerzen entstehen
in dem peritonealen l'eberzuiö:.
Der Abort kommt dadurch zu Stande, dass die zart-
wandigen neu {gebildeten Gefässe ander Eiinsertionsstelle, denen
j Google
278
EXTRAUTEKIN-SCHWANGEHSCHAFT.
die Stütze einer kräftig entwickelten Musculatur und eines wirkungsfUhigen binde«
gowebigen Netzwerkes fehlt, zerre issen. Selten erfolgt die dadurch veranlasste
Blutung alsbald in deletflrer Menge. Das Extravasat sorgt zunächst selbst für eine
Blutstillung. Genügt die Gefässzorreissung , um die Ernährung des Eies zu ver-
nichten, dann tritt Rückbildung , Resorption , auch Lithopädionbildung und damit
eine Art Heilung ein ; in anderen Fällen wird damit der Zerfall eingeleitet. Mehr-
fach wird bezweifelt, dass der Fötus in der Tube zur Resorption gelangen könne.
Einen solchen Vorgang müssen wir aber unbedingt annehmen , da wir so oft
EitrUmmer in einem abgeschlossenen Fruchtsacke (indnu , au dem auch die Spur
der Berstung fehlt, welche z. B. von Veit gelegentlich gesehen worden ist.
Mehrere meiner Präparate, am prägnantesten vielleicht dus in Fig. 28 abgebildete,
lassen an dieser Thatsache keinen Zweifel zu. Wiichst das Ei weiter, so treten früher
oder später neue Blutergüsi^e auf, wie solche übrigens auch nach dem Fruchttode
eintreten können. Diese durchdringen das Ei, ähnlich wie wir es bei uterinen Aborten
sehen, bis unter das Amnion (Fig. 3'A, 34, 35, 36). Die Blutmassjcn drängen sich wie
Fig. 84.
blauBchwarzc Buckel in die EihOhlo und rcduciren deren Lumen auf ein Minimum,
80 dass der Fötus eompriniirt wird. Schliesslich durchbrechen sie auch das Ei,
besonders wenn die Blutung in einem sehr frühen .Stadium der Entwicklung zu
Stande kommt- Das Blut reisst das Ei von seiner llflttHiiche ab. oft sieht man
Chorionzotten da und dort noch festsitzen, begegnet man kleinen EibruchstUckcheo
verstreut in der Masse des Hämatom, dessen Gerinnsel dadurch die compacte,
eigenartige derbe Beschafl'enheit erhalten, die .1. Vkit mit Hecht als charakteristisch
für drts Blutgerinnsel bei tubarer Scliwangerschaft bezeichnet hat. Das Wesentliche
aber ist, dass diese Blulmassen mit dem Ei , respective seinen Trümmern durch
das nachfolgend aus den angeri.ssenen Gefässen unter hohem Drucke ergossene
Blut in der Richtung des oÜ'enen Jjumens der Tube vorgeschoben , heraus-
geschwemmt werden.
Frau Co. (Taliollc Nr. 41), '.iS Jahre alt. seit dem 14. -lahre menstruirt. Nullipara.
Letzte Repe! Anfangs Mai. ;! Jahn' steril vcrheiralft. .\in S.Juli Erlirechen . Schmerzen im
Leibe, Ohumachten, so dass Futieutiu 4 "Wochen lan>: das Iktt hüten niasste. Diese Anfalle
haben siih verschiedene Male wiederholt. Mitte .Seiitember ist angeblich eine Haut aus den
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EXTRA UTERIN-SCHWANÜERSCHAFT.
279
(Jenitalien entlfiert worden, unter heftigen Schmerzen nnd starken Blutnngen. Da Patientiu
sich von den undauemden Schmerzen nicht erholte und zunehnif'ode hedrohliche Schwäche-
znstände eintraten, konirot si« September 1891 zur Aufnahme. Hochgradige Anämie, Portio
conisch, Muttermund grUbchenfürmig eng. Abdomen durch einen mannskopfgrcssen Tumor aus-
gefüllt. Vor diesem wird bei combinirter Untersuchung der etwas vergro-sserte üterns nachgewiesen.
:^0. September 1891. Laparotomie. Der Leib wird durch einen ungefähr mann»-
kopfgrossen Tumor an.sgefüllt gefunden. Derselbe ist mit dem Netz fa.st allseitig verwachsen.
Nach Ablösung desselben berstet die Geschwulst und entleert mit massenhaft alten Gerinnseln
den Fiitujä, welcher dem 4. Monate der Entwicklung entspricht Der Sack wird als den rechten
Adnexen angehörig erkannt. Dieselben sind mit allen Nachbarorginen innig verwachsen. Ein
Theil musa im Collnm, Me.socöcum und dem unteren End« des Dünndarmes zurückgelassen
werden, da seine Liisung ohne Verletzung des Darmes undurchführbar er.scHeint. Bei dem
weiteren Verlaufe der Ablösung ergiebt sich, »lass die (Juschwulst zum Theile in dem Ligu-
ntentum Uttum sinixtr. geseasien hat. Hier wird sie vollständig ausgelöst. Der Defect blutet
stark parenchymatös, so dass die Blutung hier dnrch eine Matratzennaht, welche den Uterus
nach links in der hinteren Fläche des Uijamentum Intuni anfnäht, gestillt werden nuLss.
Das rechte (»variura ist vergrö.<sert, mit dem Cöcnm innig verwachsen. Niimentlich legt sich
der Froc. vermiformis derartig über die Geschwulst des rechten Ovariums, da.Hs er mit dieser
Geschwulst seii)st entfernt uud «-infich unterbunden werden musi. Der Sitz des Ovariums
am Cöcnm wird durch fortlaufende Catgutfäden vernäht. Die InnenHäche der Bauchhöhle,
überall mit den fest anhaftenden Resten der Sackwand bedeckt, blntot nicht mehr. Abschliiss.
Genesung ohne Störung.
Fig. 85
Gravid. tubaricB ampull. Fr. R. Vr. 3<<.
Der Tumor ist fast vollkommen rand, von einer mehrblatterigeu Schale einge-
Hcfalossen. An zwei Stellen sind Netzreste mit dem Tumor in Verbinilung. An einer Stelle
ist der Tumor breit, rupturirt und gewährt hier einen Einblick in das Innere. Dasselbe stellt
eine plattgedrückte Huhle dar. deren Wände — Chorion und Amnion — dnrch darunter ge-
legene Blutextravasate knollig vorgetrieben sind. An einer Stelle sieht man die Placenta der
Wand noch anhaften und in Verbindung mit der 15 Cm. langen Nabelschnur, an welcher der
gut gebildete, Cni. lange Fötus hängt. Auf dem Durchschnitte ze gt sich die Wand des
Tumors bis 4 Cm, dick, von geronnenem Blut reichlich durchsetz'. Diese Wand grenzt sich
nach Innen durch die Eihnute, nach Aussen dnrch die äu.ssere Umhüllung des Tumors ab.
Die äussere Wand i>t von dicken (Jefässen durchzogen, sin i<t mehrschichtig, die
äussere Schicht lasst sich abschalen. Darunter liegt die innere .Si hicht , welche mit dem
Tumor innig und unzertrennlich verwachsen ist. Die äussere Schicht ist durch eine lang ge-
sogene, ziemlich gerade Fissur getrennt, welche der Abtragungsstelle vom Liijameutum Uttum
entspricht. Auf dem Gipfel des Tumors liegt d.is deutlich markirte uSene Fimbrien^nde der
Tube, welche sich durch eine Glas.sondo etwa *.* Cm. breit ccntralwärts uud auf der Tumor-
fläche verlaufend, verfolgen lasst. Dann geht sie otlVu in den Schwanger.-'chaftssack über, ist
aber nach innen durch die Gebilde des Eies verschlossen. Der Schwangerschaftssack ist in
der Ampulle entwickelt. Die .uisserstc l'mhüUungsschichte entsprirht ilen Blättern dt-s Lir/a-
280
EXTRAUTERIN-SCHWANGERSCHAFT.
mentum latum, Kwischeu welchen das Ei sieb in der ansgedehnteu Tobe entwickelt hat. Vom
Uterinenende ist nicht« zu erkennen. Da» Ovarium enthiUt das Corpus luteum.
Frau B. (Tabelle Nr. 36). 33 Jahre alt, seit dem 17. Jahre menstrairt, vor 8 Jahren
Geburt, angeblich normales Pnerperinm. Vor 6 Jahren ein Abort. Patientin ist am Ende des
Jahres 181X) wegen Endometritis behandelt worden. Die Schleimhaut wurde damals dnrch
Abrasio entfernt. Eudometriti« chronica interttitialig. Darnach Menses regelmässig, angeblich
ohne jemals vollständig zu cessiren. Jetzt haben sich heftige Schmerzen in der rechten Seite
eingestellt. Anäiniscbe Blondine. Leib nicht drackemptindlich. Der nicht vergrösserte Uterus
liegt links hinter der Symphyse. Davon zu differenziren ein grosser Tumor, der die rechte
Beckenhälfte nnd den ganzen Doaglas aosfälU.
12. Februar 1891. Laparotomie. Die Goschwulst lässt sich ans ihrer innigen Ver-
bindung mit der hinteren Uterus wand, dem Boden des Douglas und der hinteren Fläche nnd
mit einem grosfen Segment zwischen den Blättern des Lif/amenlum latum dext. auslösen.
Nach hinten scheint keine feste Verbindung zu bestehen. Schliesslich im letzten Augenblicke
berstet die dflnne Hülle und entleert alte Geriansftl und mit ihnen den kleinen Fötus. Der
auf zwei Fan<4tgr<isse ausgedehnte Tumor enthält einen nur etwa 2 Cm. grossen Fötus und ist
ganz mit Blut gefüllt. Dts rechte Ovarium liegt nsben der Tobe, scheint gesnnd, must alier
zur Stielbildung mit entfernt werden. Das Hake Ovarium in Schwielen eingebettet im Uebrigen
nicht ver^rössnrt. Die linke Tube normal. Dauer der Operation 9 Mimunn. Geaesung ohne Störung.
Flg. 3Ö.
Gravid, tuliarira nmpullaris. Haeniatomn sacci et ovuli.
Das Präparat (Fig, 35 u. 36) ist mannskopfgross, vielfach eingerissen. Das Ovarium
i.st erheblich vergiüssert , hat eine platte Oberfläche, ist mit der unveränderten Fimbria
Ovarien in Verbindung. Auf dem Dnrchschnilte werden Follikel, sowie ein grosses Corpiut
luteum gctrollen. Am abdominalen Ende der Tube sieht man die wenig veränderten Fimbrien,
weUhn das etwa daumenditk durch einen Coagulumzapfeu aufgetriebene Ostium abdominale
umgeben. Der besagte Zapfen besteht aus einer harten Biutgcrinn-selmasHe. die auf dem Durch-
schnitte keinen weiteren organisirten Bau erkennen lässt. Dieser Zapfen ist als peripherer
Pol de.«! gleichfalls geronnenen blutigen Inhaltes des Eisackes anzu.'<elien. Diese Gerinnsel-
niasse des Eisacke:^ zeigt mehr nach dem Kern zu einen aof dem Durchschnitte organisirten,
an einer Stelle placentaartigen Ban. Diese orgauisirte Masse Eihäute siod durch eine appo-
sitioneile coagnlirte Blutmiis.se ullmälig, durch Wachsen der letzteren, von der Sackwand ab-
gehoben worden , auch die Auftreibung des Ostium abdominale ut auf die allmälige Ver-
gnissernng des Snckinhalles durch schubweise Blutunpen nnd appositioneile Gerinnung des
Blute.s zurückzutühreu. Auf dem Durchschnitte sieht man im Kern der (ierinnselmasse die
vielfach durch Blutergüsse nnter das Amnion zn>*ammen}:eschobene, buchtenreiche Amnionshöhle.
Gegen den Istliums setzt sich der Eisack sehr schroff ab, es macht hier die Tobe eine Knickung
nach oben, .sie erscheint in ihrem weiteren Verlaufe wenig verändert. Das Lumen ist offen
und mit der Sonde bis an den Eisack zu verfolgen. Auf dem Durchschnitte erscheint die
Tnbenschleimhaut normal. .Alle Obertiachen des Präparates — ausser Ovarium — sind fetzig,
mit Schwarten und Fädeu bedeckt und zeigen die Spuren inniger intra abdomen entHtatdener
Verwachsungen. Die Wandstarke iles Sackes schwankt zwischen 2—5 Mm.
EXTRAUTERIN-SCHWANGERSCHAFT.
Nur selten kommt es zu Blutansammlun^ uterinwflrts von dem Ei.
Regelmässig füllt sich das meist viel kürzere abdomin&le Ende, aus dem die
•ntan Eitrmvante, die iazwisehen gfinmnen sind, in die BauehhOble geaoiiobea
werden. Ist das Ostium abdominale mit der Nadibanehaft verlöthet, wie z. B.
bei der Ovarialtube, so füllen sich zunächst die angreschloBsenen, dadurch gebildeten
Rlume. Jetzt kann os durch den Inhaltsdrnck zur Blutstillunj? und auch zur
Heilung kummen. Aber auch diese Räume werden gesprengt, das Blut orgiesst
aieli in die freie Baneliliffhle , me in den Pillen, bei welefaeo das Oitium tubae
abdominale frei endigte. Je nach der Enerffie der Blutung, je nach Sitz und
Grfisse des Eies mnss das dadurch entstehende Bild differiren. Besonders wechselt
je nach diesen Vuraussetzungen die passive Rolle, welche der meist gut markirte
Saum des Ostium selbst dabei spielt.
Nach meinen Beobachtungen endet mehr aln ein i)rittel der eetopiachen
Sehwanfrerschaft durch Fruohttod , Blutung in den Eisaek und Resorption; die
grossere Hälfte endet durch Blutung in den Eisack und weiter durch Blutung
an dem 0»tium ivhas abdominal« in die Bauchhöhle. Nur da, wo der Weg
versperrt ist, kommt es sar Rnptnr des Fmehtsaekes.
Nur selten führt die Blutung sowohl bei Ruptur, als bei Abort unmittelbar
zur tödtlichen Anämie. Häufiger entwickelt sich diese aus den wiederholten Nach-
schüben der Blutung. Es wäre gewiss verfehlt, wuUte man angesichts dieses
letzteren Vorkommnisses allsn viel Oewieht anf die gelegeotliehen Fllle von
Oenesung nach derartigen Blutungen legen. Gewiss kOnnen ftttob erbebliehe Blnt-
ergllsse und mit ihnen ffltale Gebilde von dem IVritoneiim völlig resorbirt werden.
Wir besitzen in den ciassischen Untersuchungen LcOi'OL.D ä '^^) dafür
unbestrntbare ezperimentale Belege. Aber ganz abgesehen davon, dass diese
Oenesung in der Regel ein langwieriger Proeess ist, dflrfea wir nicht verkennen,
dass e.s anfangs , selbst nachdem die Gefahr de» Shocka überwunden ist , nicht
zu übersehen ist, ob nicht verhängnissvolle Nachsehühe drohen iiiid wenn selbst
diese Geiahr glücklich vorübergeht, inwieweit Zerfall und Vereiterung mit Be-
stimmtbeit ausgesehlossen werden dürfen.
Wahrscheinlich nicht so selten, als man bisher annahm, ist der vorzeitige
Fruehttod mi( KN-sorption des Fßturt un<l dann des Eies. .Meist komtnt es dabei
noch nach dem i ode des Fötus zu Blutungen. Unter meinen 60 Beobachtungen
finden sieh 14, bei denen dM Blut nieht aus dem Eäsaek ausgetreten ist. Bei
anderen, welche durch gewaltsame Eingriffe, RepositionsmanAver des vermeintlieh
retrotlectirt liegenden schwangeren Uterus, ein;ri'hf>nde Beinflhunircn hei Narko^en-
Untersuchung zur Feststellung der Diagnose geborsteu sind, bei denen auch das Blut
durch das Ostium tuhae abdominale ausgetreten ist, entzieht sich naturgemäss der
BeurtheUnng, inwieweit hier der Verlauf sieh gestaltet bfttte ohne solehe Bingrilfe.
Diese Fälle sind zuerst nach einer bestimmten Richtung hin gesammelt
von Jacouy 2') anf Veranlassung Veit's !. Aus meiner eigenen Tabelle könnte ich
eine grössere Reihe hinzufügen, in denen es, wie in der von Jacoby zusammen-
gesucbten, kflrzere oder längere Zeit naeh dem Absterben der Fmebt doeh noeh
zu Blutungen und dadurch nachtriglich zu einer Art Katastrophe gekommen ist.
Andererseits weisen Fülle, wie der von C. Ri'dE und Er.niN'; ^^^ambei^L und Anderen
darauf hin, dass hierbei dieselben Umbildungsvorgänge sich hnden, wie bei den
bis zur vollen Reife getragenen.
Ausgangsweise der eetopisehen 8oh wnngerschaft Die
vielgestaltigen Formen des Ausganges der ad terminum oder doch nahezu
ÄUsgetragenen eetopisehen Schwangerschaft darf ich wohl unerörtert
lassen. Die Zahl der lebend Geborenen, das heisst aus dem extrauterineu Eisacke
entwickelten Frflehte wichst, ohne dass aber das proeentuarlsohe Verhiltniss zu
den anderen Ausgangsarten sich wesentH -Ii verschiebt.
Unter mehr als '-'00 F.'Ulen , welche die Sammelstellen literarischer An-
gaben (die periodischen Zeitschriften aller Länder, für Deutschland besonders das
BZTBAUTBRIM-SCHWAKOBRSCHArT.
Oentralbltttt filr GynAkoIogie, die FBOUMBL'wbeii Jfthiesberiolite Air GyiUlkoIogie
und die Jahraeberiehte von Yibchow und HisacB) bk Sude Juli 1892 in dem
Zeiträume von 1800— • 1891 ans der geRammten Literatur re^igtriren, habe ich
boincn hierhrrfrehrtrig'en neuen Fall verzeichnet gefunden. Mehrfach ist die
Diagnose des lebeuduu Kindes wohl guatellt, die Eotbiuduug aber verzögert worden,
thrils in Folge des WidereUndee der Fnven, theils mit Rflekrieht uif die teeh-
nischen Schwierigkeiten der Operation bei lebendem Kinde und intactem Pineentar-
kreislauf. Litbop.1dionbildun<^ , Mumiiication am hftufigsten, bald lan^amer, bald
ecbncUer verlaufender Zerfall und Vereiterung bilden die gewöhnlichen Endresultate.
Amb ^ lelteoe seenndlre Abdonunalsehwaagersohaft, bei weleber das
intaote Bi oder der vdlUg losgelöste Fötus neben seinem Frucht«acke liegt, seien
hier nur erwShnt. Im weiteren Verlaufe auch der normal verlaufenden Schwanger-
schaft fehlt selten eine auf das lieekeu luealisirte Peritonitis. Der dem Fruchtsacke
anliegende Tlieil des Beckeubauchfelles rcagirt auf den lieiz desselben mit den
oben besebriebenen Vertndeningen. Ans ibnen gebt in der Regel in den spfttenn
Stadien der Schwangersebaft eine adblsive Entzündung hervor, welehe schliesslioh
den Fruehthalter vrdlig zw umspinnen vormag. Die Holle, welch»' diese Membranen
bei der weiteren Ausdehnung des Fruchthalters, bei der Ruptur und dem Abort
spielen, brauche leb wohl hier des Writeren nieht zn erörtern.
Ueber das proeentnarlsehe Verhalten der versebledenen Aasginge giebt
die mit grossem Fleiss zusammenfrestellte Tabelle von SCH&UTA Auskunft. Sie
enthält 241 FiUle, in denen das Ei sich selbst Uberlassen wnrde. Dabei erfolgte:
Uuptur, Blutung in die freie Haur-hlirdile .... 128mal
Ruptur mit liäniatoceleubildutig. Peritonitis. ... 22 „
DoTchbruch in den Darm 34 „
„ „ die Blase 9 „
„ dureh die Bauehdeckea b „
» n n Scheide 4 „
Ansstossang doreh den Utems 6 „
Incarceratiou (Ileus) 4 „
LitbopAdion ohne Besehwerden !>
Zusammen . 241 mal
leb füge .') solche Fälle ans meiner Tabelle hinzu , alle 5 starben an
Anämie: bei 3 wurde die Ruptur aut dem Seetion.stisehe festgestellt.
Die Symptumatolugie der ectupischen Schwangerschaft
hat unzweifelhaft mit der Zunahme wohl oonstatirter Beobaehtungen erheblieh an
Klarheit gewonnen. Wir wissen, dass aaoh bei ^Ctopiscbcr Insertion des geseliwän-
gerteu ICies diesellie Reihe der Veränderungen sieh herausbildet, welehe wir bei der
intrauterinen kennen. Aufhören der Circulation uud Menstruation, Umbildung, besonders
vermehrte Qeftssversorgung der Naohbarorgane und der Bmstdrflse, I'igmentirung,
Fettentwioklung n. s. w. Die Wahrnehmung der kindlichen Herztöne und Be-
wegungen, die Ta.stung der Frucht sind auch bei der F.xfrauterinsehwangersehaft die
sicheren Zeichen der Schwau^erschaft. Nur selten kommt es aber zu
regelmässiger Entfaltung der normalen Schwangerschafts»
Symptome. Gerade darin sehe ich aneh beute noeh die nieht beseitigte Sehwierig-
kcit der Diagnose, dass in der Mehrzahl der F.llle die delet.Hrc Wirkung
d e r e (• t u ]) i .s c h e n I' n t w i c k 1 u n g hervortritt, ehe die natürliche
Reihenfolge der Symptome sich au.s/ubildcn Zeil hatte und dass so sehr
häufig alte Erkrankungsspnren und frische locale Verflnderuugen sich hinsugesellen,
um das klare Symptombild zu verwirren.
(Jerade fJlr die ersten \\'<tehen und Monate der ectopisehen Sehwanircr-
seliut't fehlen uns nicht selten, ebenso wie bei den normalen, prägnante Symptomen-
complexe, während in anderen Füllen heftige Schmerzen und die Gesammtheit
der peritonealen Befindungratörungen ron Anfang an die Schwangere qnllen.
EXTRAÜTBRIN-8CHWAN6ER8CHA FT.
283
lu alleo Stadien der Suhwangerscbaft , nameatlicb aber iu den ersten
Mouten, kann es su den peritonitisohen SelinierMB, lu Anlmie niid Collaps
kommen, welche eine regelrecht verlaufende Sebwangeraohaft nur eehr auBDahms-
weise conipliciren. Gewöhnlich lind sie die Symptome von RÜptor oder Abort
oder von dem Kruchttod.
Obnu auf diese beiiaunteu Thatäacheii uäber oiuzugehen , will ich nur
auf das sehwankende Verhalten der Henstrnation noeh hinweisen.
Trotzdem wir annehmen müssen, das^ es in allen Fällen zur Umbildung des
Endometrium, zur DcciduaentwickluDK kommt. (l(lrf<'ii wir nicht zweifeln, das»
uicbt selten doch scheinbar typische Menstruation während der {ganzen Zeit ecto-
pisdier Schwangemhaft auftritt. Diese Menses sind allerdings meist weder in
Qualität, noch in Quantität völlig normal. Es bedarf aber sorgfältiger anamne-
stischer I<>helmngen , um darüber Klarheit zu schaffen. Die Menses kehren , so-
weit meine Beobacbf uigcn reichen, besonderR in stdcben Fällen in nahezu typischer
W«se wieder, wo das Kind frühzeitig abstirbt. Diese atypischen Blutungen
seheinen oft jede Mfigliebkdt einer Sehwangersohaft ausxusehliessen oder täasehen
den Abort eiuer intraaterinen Oraviditilt vor, namentlidi wenn die Menses swar
verspätet, aber seblie^slich doch .mscheineud normal eingetreten waren.
Diagnose. Nicht wenig werden die Schwierigkeiten der Erkennung in
den ersten 6 — 8 Woehen dadureh erhöht, dass die Ergebnisse der Sdileimhaut-
nntersuebung unzuverlii^Aig werden, sobald erst uterine Blntungen eingetreten sbd
und die Decidua jed( nfall>4 liäufiger in kleinen FetMOi als in xnsammenhflngeoder
Membran abgehoben haben.
Ich bekenne rQekhaltlos, dsss eine relaliv nicht kleine Zahl von Sehwanger^
Schäften aus den ersten 2 Monaten, welche meine Tabelle enthält, mieh durch
solche Lugleiehmässiirkfit des Menxtrii.itioii'^verlaufes lange irreführte und mir
nur die Wahrscbeinlichkeltsdiagnose gestattele. Wenn ich dann auf die vielge-
stalteten Bilder hinweise, unter denen Ruptur und Abort sich einleiten, so gUube
ich damit genügend die Schwierigkeiten angedeutet an haben, welche sich unter
Umständen auch heute noch der Diagnose der eetopisehen Sehwangersohaft ent-
gegenstellen.
Können wir einen gradatim wachsenden Tumor von weicher Consistens
nehen dem Uterus fahlen, haben wir Zeit, Uterus und Tnmor in ihrer Entwick-
lung zu oontroliren , können wir eine uteriue Deeidua nachweisen , in welcher
jede Spur von Chorionzotteii WvnKk sclies Zticheni fehlt, dann wird auch in
frühen Stadien die Diagnose ge^iicbcrt, selbst ehe es uns gelingt, die Frucht
selbst feetinstellen.
Die Unklarheit der Anamnese einersdts, anderersdts die Symptome früh-
zeitigen Fruehttodes und die Firscheinungen, welche Abort und Ruptur begleiten,
können uns aher auch heute uocli grosse diagnosti.sche Schwierigkeiten bereiten,
so dasa namentlieh im ersten und zweiten Monate die Diagnose eine Wahrscheiu-
lichkeitsdiagnose bleibt. Hinlig maeht sieh die eetopisehe Schwangerschaft über-
haupt cr.ut dann bemerkbar, wenn die Endkatastropbe hereinbricht. Die I'lötz-
lichkeit derselben ist allerding!« eharakteristiseh genug: )« T.\1T will die Mfli^lieh-
ktiit der Diagnose erst in diesem Stadium anerkennen. Ich nUichte besonderes
Gewidit auf den meist absatsweisen Verlauf der Schmersen nnd des anSmIseben
Gollapses legen.
Wenn zur Stiitze der llehauptung. da.ss unsere Di.iL'in'-^e der Frli!ist:idi('n
ectopiseher Seliw;tnger>eliat( in der neueren Zeit wesenllielie Furlsehrittc gemacht
hat, darauf hingewiesen wird. das> die Frauen ein unbestimmtes Schwangerschafts-
gefnhl haben , daas unregelmäsMige Blutungen und Schmersen sieh anstellen , so
finde ieh gerade in dieser Angabe ebenso viele Quellen der Täuschung. Es i.st
eigenlhilndieh geniitr. du^s die Krkraiikungeu der Adnexa sehr häufig dieselben
Symptomencomplexe verursachen, rypisehe Heispiele dafür anzuführen ist wohl
jeder beschftftigte Gynäkologe in der Lage. Das unbestimmte Sehwangersohafts-
L.i^u,^cci by Google
284
EXTRA OTBRIN-SCHWANOBRSCHAPT.
gefUbl macht sieb nicht nur als häufiger Vorbote der Cessatiun bemerkbar, ea
gebSrt gerwle n den 8yiBi»tomeii*irtnte«r'N«tfbH(iongen, so den (^rodiaebett Sr-
nihningwtöningeD des Oenitalappanile«, besonders der Entzflndungen der Adnexa^
ebeoto die unregelraflssigen Blnt.ibf;Jln«:e. die Schmerzen und der fieberlose Verlaaf.
Auch die Thatsache vurausgo-ranj^eiicr Gonitalerkrankun^eu wird mit
L'nrecht zum Zwecke der Uestärkung einer Vermuthung auf ectopiäche Eiinsertioa
verwandt. RliniMli völlig geeande Fraoeo vrerden ebenao leicht eetopiaeli Mbwanger
wie solche, die genitalleidend WAWi; dass diew aber vni> ihrem bezOglichen
Zustande wieder aniifihernd genesen sein nuls-'en , glaube ich (iben geaflgend
dargelegt zu haben, da sonst eine Eieiubettung schlechterdings unmöglich ist.
Ueber die Tastbefunde brauohe ich wohl weitere Bemerlcnogen nicht
hin/uzufUgen. Nur selten treffiBD wir bei tubarer Schwangerschaft die spindelförmige
Fmbildung der Tube. Verlagerung und Verklebung mit den benachbarten Becken-
eingeweiden sind jedenfalls bei weiterer Entwicklung der Schwangerschaft die
Regel. Die Versuche, die einzelnen Organe bei der Untersuchung su trennen,
fttbren nur su oft su Ruptur und Abort. Es wird von einigen Seiten grosses
Gewicht auf die Consistenz der Gesehwulst gelegt. Gewiss ist Weichheit und
Succulenz des Fruchthaiters charakteristisch , neben den immerhin derberen, wenn
auch ihrerseits schon aufgelockerten Nachbarorganon. Coutractionea im Frucbt-
haltw habe ieh nie gefllhU. Das Hirt«'rwerd«n deisellwn sehiebe ich, wie oben
angedeutet, auf AusfOllung des ilohlraumes durch Blutcr^^Usse. Wob] aber liabe
ich öfter Pontractionen in niclit schwjtnp^erem fterus dabei verfolfren können.
Die Veränderungen in der ConsiKtenz der Geschwulst kann ich diderentiell dia-
gnostisch als charakteristisch anerkennen.
Eine verwerthbare sioltere Handhabe für den Austritt bilden sicher die
HJtmatomc. respei tive die H.lmatocelebildung. Die ersterc^ Knrm halM ich selbst
durch eine J{eihe von Beobachtungen klinisch und di;i^no'*ii!^cli zu stützen gesucht
(Zeitsohr. f. Geb. und Gyn. VIII). Es muss aber mindcsten.s auti'dlli;; erscheinen,
dass ieh unter ÜO Fällen eetopischer Schwangerschaft nur einmal die Hllmatoeelen-
bildung bei intraligamoitlrer Entwicklung naehiuw^en vermochte.
Nr. 33 (Tabelle). Frau Kl., 27 Jährt« alt, mit 15 Jahren mpn.struirt, nnropi-lmässig,
letzte Regel 15. Üctober, nachdem sie 8 Wochen .insgebliebeo. Damals sollen anch Stiicke
abgegangen sein. Patientin hat «or einem Jahre yihon einmal alrartirt, obwohl die An^be
nicht gonan an controUren ist. Seit etwa H Wochen haben sich heftige Sdinan«! in Leibe,
besonders rechte onteB, nnd Mit dieser Zeit anch Mntifcer Ansflnae einjuestellt.
BcIuikI am H I . < N rolx i- IS'JO : Kriil'iiire . leidcnJ ausselifnuif Fran. I.eih nicht auf-
getrieben, iii(ht tiruckeuijiliutilich. Der L'ttrus von normaler Grösse, etwas weich, gegen die
Symphyse gedrangt, recht.<s hinter ihm ein harter, fanstiooeeer Tonor, der das Becken aos-
Allt nnd tief in das Lig. latuin hineinragt und als Hämatom angesprochen wird. Die Tabe geht
in die Geschwulst auf. Nachdem die Patientin mehrfach in Narcose untersucht worden, hat sich
die GLSihwulst deutlich verkleinert, ihre Con.sistenz ist weicher geworden. Weiche Ma.<;sen scheinen
das Becken aasanfallen. £8 ist ttozweifelbalt eine Baptnr eingetreten. War vorher die Diagaoaa
einer eetopiscben Sehwangersehaft aweifelhaft . m> erecbeint nnnmehr da« Vothandensein einer
aolchen wahrscheinlicher. Patientin cnllaliirt im Verlaufe der folgenden '.^4 StnniltMi, so dass am
I. November 18UU zur Laparotomie geschritten wenb n nms.-i. In der iiauchhotile ma-isenhatt altes,
geronnenes nnd tlussiges Hlut. Der Tumor ist );elior.stoit, die Ge«chwalst sitzt in dem Lty.
kttttm daetr, und wird aua diesem ausgelöst. Es bleiben iu dem Lig. latttm tlextr. alte Gerinnsel,
weldw nicht ohne Hübe ansgeränmt wenlen. Das Ligament wird in der Tiefe mit Calgatfäden
versorgt, il.eu.su der L'tenia , dessen OhertlacliH mit der (ieschwul,>t verklebt erscheint. Das
rechte Uvarium sitzt oben auf der Geschwulatmasse und wird mit diesi-r entfernt. Linke
Adnexe gesand. Operatioasdaner 12 Minuten. Patienlin filienrteht den Eingriff flberrasdiend
leicht. UnResfitrtc Reconvaleecenz.
Der Tumor (Fiff. ii?) ist or«nKegro.ss , gleichniassig ovi<l entwickelt, an der iu das
Lig. laltim hinein sehenden Oberfläche belind^t sich eine daumendicke Rnpturstelle, die nicht
mehr gana frisch ist. Dan sngehdrig« Ovariom ist hfidterig, nicht sehr vergrössert nnd hat
ein Corpu» luteum. Der Tnmor ist in der Anpnile entwickelt , reicht bis an das Otttum
itlri iiniiii , die Fimbrien sind dem Tiini'ir };I.itl und au'^sirahlend an;:elajrert. Da.f Osfi'uin
uterttium und der Isthmus .sind massig verdickt, aber iu der Länge vollständig erhalten. Die
ganze Tamorobertiacbe i.st glatt. Auf dem Durchschnitte seigt sieh, dass der ateriuwarts vom
Tnmor erbalicue Tubencanal zwar leicht sreknimmt, aber sonst intac* ist. Gegen den Tnmor
iat dieser Canal durcii eine vorgelagerte, circa ü Mm. dicke Falte getrennt. Die Tumorwand
EXTRAÜTERIN-SCHWANGERSCHAFT.
285
wt gleicbmässig verdickt, 2— 2' , Cm. stark , besteht im Wesentlichen aus harter Gerinnsel-
masse, welche nach aussen von der dünnen Tubenwand, nach innen von Eihänten begrenzt ist.
An einer Stelle findet sich zwischen beiden reichliche Choriomnasse placentaartig angeordnet.
Das Ontium aMominale i.st normal weit, sein Canal ist eine klein« Strecke noch auf der Tumor-
oberfläche laufend zu verfolgen, er ist von dem Ki durch eine dicke, membranöse vorgelagerte
Falte getrennt (Fig. 38). Erst mehr nach der Mitte der Tube zu betheiligt sich auch die
andere Hälfte der AVaiid an der Bildung des Schwangerschafta^'ackes, während bis dahin das
Ei scheinbar in der einen Wandliälfte eingebettet erscheint, in Wirklichkeit ist es zwischen
mehreren Falten derselben Seile der Tabenwand eingebettet (Tul)€nhernie?),
Fig. 37.
C.lut.
Qrav. tubar. intralieaninntosa. Hämatom-l^uelle an der PlacentalHtelle, an welcher die Berstung
eintrat und da« Itint zwischen die Blätter des LIg. tat. gelaugte. {Ft. K. Nr. 53).
Mikroskopischer Befund: Der Peiitonealiiberzug der Tube tind auf dem oberen Drittel
der Tnmorol>erfläche erhalten. Die Grenze wird hier durch parallel geordnete Bindegewebs-
fasern gebildet. An anderen Stellen ist Peritonenm vorhanden und zeigt die schon früher
beschriebene Pigmentirung und Vielschichtigkeit, vereinzelt auch stärkere Aufquellung. Am
Schwangerschaftssacke ist meist eine dUnne Schicht peritonealer Zellen zu sehen, am Ostium
Fiß 3«.
Ost. tub al^lon.
Das Knde der
ober-*n
Tubenwand.
Tubencanal
abdominale zeigt es gnisgere Regelmässigkeit und annähernd normales Verhalten. Die Grund-
substanz des Peritoneum ist jotloch in allen Thei'en der Tube aufgelockert. In der Tabenwand
tindon sich zerstreut entzündliche Veränderungen, besonders im ganzen uterineu Ende, al.H klein-
zellige Infiltrationsherde, am häufigsten aber nahe am Uterus, ebenso an der Sackwand , aber
spärlicher. Das Ostium ahdomiuule ist dagegen gänzlich frei davon. lu der gauzt-n Tut)e ist
die Wand aufgelockert, am wenigsten im uterincn Ende, mehr am abdominalen Ende und am
meisten in der Sack wand. Das Gewebe des ulerinen Drittel.^ und des abdominalen ist in der
886
EXTRAUTERIN-SCUWANGEKäCUAFT.
Tindionsfähiijkeit nur wenig alterirt , in der Sackwand je^loi ]i snnl ilie Stromazellen virlfaih
nur undeutlich gefärbt. Der Gefäsaapparat zeigt am UterinentJo massige Erweiterungen. Au
einzelnen , mit einer dünnen Wand aDs^-nklt idetm zvigen sich cigenthiimliche Veränderungen
der Endotbelien, an einer Seit« der Wand Hiud sie regelmä».sig einschichtig, aber anfgequnllpn
tmi erscheinen die Kerne näher aneinander gerückt. An der anderen Seit« der Wand siud
sio aller vielschichtig, in ihrer Form erbeblich verändert gewuchert. Aehnliche Veränderungen
linden sich bei vielen Gefäawn der Sackwand. Die Lumina sind hier aonerordentlich erweitert,
ancb tcbehien die Oeftaee yermehit, sefgen im Groben ^elfBcli eine papilläre AnorilBang.
Dif T.yniphspaKen sind weit, vermehrt, erscheinen manchmal masrhenartig, wodurch das
Gewebe an diesen Stellen einen zerri.Hacnen Anblick gewiibrt. Im Fimbrienende sind die Ge-
f&Me noch nächtiger als in der Sackwand. Sie sind mpi.<<t dnrch dicke, muüculüse Wandungen
amgrseichnet. Die findotbelien eiiid faiit gar nicht verändert. Die Gefässe machen somit einen
normalen Eindmck. Die BlntextraTasatlon iet im nterinen Ende nnerheblich. Sie wird jedoch
naher der Suckwand und in derselben .sehr aU'-K*'de)int , .^^o da.s.s an vielen Stdien dM QefllM
zertrümmert ersclieint. Im abdominalen Enrle fehlt sie ganz und gar.
Andererseits fand ich die Hildunj^ einer Hftmatocele , al^o einer im l'eri-
tuneum abgekapselteu ülutmasse nur 5mal so deutlich ausgesprochen , dass sie
mit Sicherheit diagoOBtieirt werden konnte. (In den bdden ersten Fillen^ die ieh
nis Assistent der FrauenlcUmk 1875 beobaebtete, worde die Hämatoeele durch die
Versuche, Uetroßf.rio Htfri gravidi zu reponiren. gesprengt, als ich die Kranken
sab.) In zwei Fällen handelte es sich um eine Verlagerung des Beckens durch
den myomntSs degenerirten Utems, anter den du nns dem OHium aMtminaU
ansflieuende Rlnt gelangt war.
Nr. 2'^ (vergl. Orthmann, Zeitschr. für Geb. nnd Gyn. XXI. Fran R., 26 Jahre
alt, seit lU Jahren verheiratet, 2inal geboren, zuletzt vor U Monaten, bei der zweiten Forceps.
Jm 14. Jahre menstroirt. Letzte Menatraation am 20. Mai 1868. Ende Juni nach grosser An«
stnagnag Kri^pfe im Leil>e, nachdem die Veoaes 8 Tage ansgeblieben. Patientin giebt an,
daas sie krank geworden, AngstgefSbl rieb eingestellt habe, aber bei Besinnung geblieben
sein. Kein Fieber. 8 Tage >-ii,iirr erneuter Anfall. .Seitdem Stärkerwerdea des Leibes, llitte
Juli nach Gebrauch von einem Secalepniver geringe Blutung mit Abgang von kleinen Fetzen.
20. Job! 1888. Bei der anämischen Blondine wird ein Tumor geftiaden, der Ue in
die Mitte zwischen Nabel und Symphyse reicht, prall elastisch nnd leicht lieweplich ist.
Uterus augenHcli«inli( h aus dem Becken emporgehoben, gegen die Geschwulst nicht deutlich
abgrenzbar. Das hintere ScheideuKewülbe durch einen Tomor, der den fftlllMWI Dooglta ao»-
füUt, prall gespannt. Hier Fluctnatioa nachweisbar.
21. Jnni 1888. Pnnetion de« Tnmors mit dem Troicart von der Scheide ans. Ea
werden 500 Ccm. dunkelbraunen Blutes entleert . dii> ')< iVminir mit dem geknSpfteu Messer
erweitert. Hierauf wird das Collum bis /.um Orijicium int. nach hinten gespalten und dann
dnrch den in den llterns eingeführten Finger ein walnussgrosser Myomknoten, der in der
vorderen Wand sitzt, entfernt Der Cervicalcanal wild mit 3 Mähten geachloMen, die Wunde
im hinteren Scheidengewülbe umsäumt, drainirt.
Laparotomie am iiO .'uü 1^88. Die S< beide winl desinti.irt, Drainage vorher ent-
fernt. Es ergiebt sich, dass die DiU-mc vielfach untereinander verwachsen sind, swischrn ihnen
zahlreich« Blntgerinnael , überall die Symptome frischer Peritonitis. Der Tomor ragt Ms dni
Finger breit unter den Nabel; zwischen den verwachsenen Dannschlingen, die die Wand des
Tumor bilden, dringt der Finger leicht in eine gro.s.se Hiihlc, die frisches nnd altes Blut ent-
hält. Bechta liegt darin die erweiterte und verdickte Tube mit dem rechten Ovarium. Beide
werden mit dem Fioger leicht abgelöst und entfernt; die Wandangen der Höhle collabiren
nicht. Die parenchymatöse Blutung aus der starren Wandung wird mit Ol. Terebinthinae ge-
stillt, <iii- Darme zu^animenL'eilrtickt , so da>s die Iliihl" in den ]>oi!i,-l;is kiititiit und nun n^il
der DraiuugeöA'nuug im hinteren ächeidengewülbe in Verbindung gesetzt werden kann. Patientin
iebert allmälig ab nnd gesondet
Der Tumor i.st das rechte Ovarinm nnd die Tube. Die Entstelnsnu' der Ilämatocele
muas auf eine aus dem üstium abihniinnli Inhnt- iiexti\ erfolgte Blutung zurückgotuhrt
werden. Die Tnbo ist 8 Cm. lang, 4 — 5 Cm. breit nnd dick. Obertlächo der Tube und da.s
Ovarinm stark blutig imbibirt, massenhaft mit fibriniieen Strängen bedeckt. Das uterioe Ende
der Tnbe normal ; im weiteren Verfattf wächst aber die Tnbe allmälig en der oben angeicebenen
Grosse. I'ie Waudung verdickt, mit hämorrhagischen Herden bedc kt Na h dem O-itium ah-
Uomiiiaie nimmt der Umfing wieder ab. Ein Theil des das Lumen eiiiuehmeuden Gerinusela
ragt ans dem Ostium abdomhude hervor. Das Blutgerinnsel ist ringsum von der Tultcnwand
um.schlossen und fiillt das Lumen bis etwa 1 Cm. vom Uterusende nnd liegt hier der Tnben-
wand locker an. Fimbrien deutlich zu erkennen. .Schleimhantfalten gehen noch eine Strecke
weit in das Lumen der Tube liincin. (hariuni vergrösscrt, mit hydropiscben Follikeln und
massenhaften Adhäsionen bedockt. An einer Stelle, wo das Blutgerinnsel der Wand besonders
fest ansnhaften sebeiat, sieht man annächst dl» Tnbenadildmhant Tollkoamea In grone
Deddnaaellen nmgewandelt Oberllächenepithel ist vollkommen geachwnnden.
Digitized by Güü
EXTBAUTERIN-SCHWA1I6ERSCHAFT.
287
Im weiteren Verlaufe sieht man , dasg sich diese Schit ht voll Deeiduazellen um-
ichlägt and sieb anf der Oberfläche forUeut. Neben dieser UmscblagssteUe iat das Blut-
l^ninel fest mit der Mmenlatiir verbanden. An diese sehllesst sieh dasselbe sttaichst
in (jesfalt einer Fimbrienschicht mit eiDL'olajrerten weissen Blutkörperchen. Etwas davon ent-
tt-rnt nach der Mitt<i zu treten die er.sten Chorionzotten auf welche theils längs, theiU quer
getroffen sind. Die Muskelwand hypertrophisch, sowohl was die Muskeln selbst, als ancb wat
das iatraniiiBCol&r0 Gewebe betrifft. Daneben vielfache Rundzellen und Hamorrhagien.
Qrnvid. tubarica ampull. dextr., Peritonitis ehr. Haeniatocele, Myoma intra-
murale cervicale.
In dem anderen Fall (Cl., Nr. 34) war die schwangere Tube intraligatuentär entwickelt,
es bestanden FoIUbelblaiatome im (hrarinm und eine ebronische PelveoperitODltis.
Dagegen war 26inal frei liegende Blutmasee in der Bauch-
höhle zu constatiren, dai^s cWcsv ahcr nur nelir hediDguDgswdse naoligewiesen
wird, darüber besteht kein Zweifel unter den FaebgenoHseii.
Bei der Ruptur verschwindet der Sack, beim Abort bleibt er allerdings
anfiUlend verklmnert nnd enehlaflt für die Taatang whalten. Inwieweit dann
Hflmatooele oder eine Hftmatombilduii^ erkennbar wird und der Befund des freien
Bluterg^usses in die Bauehiifihle, will ifh nieht weiter erörtern. Bei dem letzteren
ist mir in den ersten Tagen das Verschwinden jeglichen PercussionsHchalleü am
Abdomen, im Berelcli des ergoaeenen Blutes anfgefallen. Je Iftngere Zeat swiBcben
Katastrophe und Untersuehnng Terflieest, vm so schwerer gestaltet sieh die Diagnose,
da die Kesorptionsvnr^an;re , eventuell anch die Peritonitia nnr an aohnell die
Klarheit des Ta.stbefundes vernichtcu.
Die Diagnose des Fruchttodes und der damaeh eintretenden Verände-
rongen kann lediglich im Anaehlitts an eine einigermaaaen dnrehiiehtige Anamnese
gemaeht werden. Fälle, wie von Lifhopftdionbildung, den ieh oben beaehricben
habe, Fifr. werden stets der Diagnose entrllekt bleiben. Ebenso erfolglos bleiben
unsere palputorischon Bemühungen bei Fällen, wie in dem von mir 1884 in
Kopenhagen demonstrirten , wo das Skelet dei Tiermonatliehen POtns nnter der
Tube lag und die ,\namnese unklar war, ja die Möglichkeit der Schwängerung
überhaupt in Abrede gestellt wurde. Siehe oben pag. 201. Fifr. 24. Niitiir^reni.lsa
beseitigen bei eintretender Abscedirung die abgehenden fötalen Theile jeden Zweifel
über die Natur dest Leidens.
Ieh halte mich aueh heute su dem Ausspruche bereehtigt« dass die
r)iagnoae der eetopisehen Sc h w a n g e r s e h a f t für die Fälle, in
denen nieht d a s W a e h s t Ii u ni des F r u c Ii t h ;i 1 1 e r s :i u 8 s e r h h 1 h des
Uterus beobachtet, die intrauterine Deeiduabildung ohne nach-
weisbares Ghorion, oder die Frucht selbst zur Wahrnehmung
gekommen, eine Wahrscheinliehkeitsdiagnose ist. Das trlflft be-
sonder« für die ersten 6 — 8 Schwangerschaftswochen zu. also gerade für die-
jenige Zeit, in welcher am bAufigsten die mit Kecht so gefUrchtete Kata-
strophe eintritt.
Kine Dia^^nose der Art des Fruch t hal tera durfte nur aus-
nahmsweise und nur bei der tubaren Insertion möglich sein, wetiu wir den T'eber-
gang der Tube in die gro-sse iMasse unter besonders günstigen L uistünden zu
erkennen vermögen. Da aber in der Regel vom 3. Monat an die Verlöthung der
Tnmoroberfllehe sieh entwickelt, von diesem Termin an die gestielten Schwanger^
Schäften immer seltener werden, so schwindet andi fttr sie mehr und mehr die
Möglichkeit einer solchen Differenzirung.
Prognose. Eine Froguose für das Kind kommt nur ausnabmswci»io
in Betracht. Den wenigen FiUen normaler Entwicklung und rechtzeitiger Befreiung
lebender Kinder stobt eine .so erdrückend grosse Zahl von ectupi^^clien Schwantrer-
sehrifteu mit ex!r;iut<'riii Ifbcn-f'flhigeu Früchten ge^'i-tiflbcr. dass wir es immer als
einen glücklichen Zufall lietruehten mUssen, wenn die Schwangeren gerade zu diesem
Zeitpunkt cur Feststellung des Befundes nnd zur Hilfeleistung kommen. Versuche,
nahe dem Endtermin befindliehe Frauen mit ROcksicht fflr das Kind n entbinden,
schlagen nieht nur in dieser Hinsieht fehl, sie bedingen ancb durch eine FttUe
Digitizeu l> ^oogle
288
EXTBAÜTBRIN-SCHWANOERSCHAFT.
von Zufälligkeiten in der Bogel eine unsnlisaige GefiUirdang der Kutter; aie sind
so unterlassen.
Weieatlieh aoden stellt sfoh die Prognose der Mutter. Eserseheint
mir unzulässig , beute noch auf die alten Zusammenstellangen aus der Literatur
zurUckzu^eifen. Auch die so classisohe Arbeit Hecker's ist durch die gänzlich
verschobene Einsicht, welche uns in den letzten 10 Jahren in dieses eigenartige
Cspitel der Pathologie erwachsen ist, als erledigt anzusehen. Die Prognose der
eetopischen Sehwangersdiaft rnoss vidmebr naeh den Prinoipien betrachtet weiden,
welche Schacta in seiner vorhin citirten Arbeit befolgt hat. Er hat aus den
letzten 15 Jahren 241 t^illio mit spontanem Verlauf gesammelt, davon »ind
75 geheilt, 166 gestorben, von 385 Fällen mit ärztlichen Eingritfen sind 294
gdMilt, 91 gestorben.
Es stehen sieh also die in der Literatur naehweiabared Zahlen so gegen-
über, dass bei spontanem Verlauf von 241 : 31'2<' © genasen, 68*8<' o starben,
während bei operativer Hilfe von 385 : 76*6% genasen, 23'4Vo starben.
Ich habe versneht, diese Robe von Sgbadta ans der Tageslitantvr bis snin
Jnli 1892 zu erginsen, damaeb erf^bt sieb, daas bei 164 Pillen eetoplseber
Schwanircr-jcliat't , bei welchen ich aun einer Oesammtzahi von 108 in dic?ier Zeit
publicirten die Originale einsehen konnte , 24 nicht ü))crirt wurden . von denen
10 ohne Operation gene^n sind, 14 starben — während von 130 Operirteu
109 nach der Operation goiasen, 81 starben. Addiren wir diese Zahlen, so
ergiebtsieh , dass unter 265 exspectativ behandelten Fällen 36*9^0 genasen , 631o/o
starben, von 5I5 operativ behandelten Fnllen 76-7" > genasen, 23'3*> o starben.
Die Prognose der eetopischen Schwangerschaft erscheint
demnach heute als eine wesentlieh günstigere, anter dem Bin-
flnsB der verbesserten Diagnose und der veränderten Tb erapie.
Wir mdssen daran festhalten, dass die cotopisclie Schwangerschaft nur selten ein
lebeudcs Kind ergiebt, dasa der Ausgang in unscbädlicher Rückbildung, Litho-
pädion, Mumification ebenfalls selten ist, dass es am häufigsten zum Absterben
des Eies doreb Blatnng im Fruebthalter kommt. Da diese entweder aar Entleerung
(le^ niutes in die ßauclibilhle durch da^ Tiibenostium (sogenannter Tubenabort)
fuhrt oder zur Ruptur der Tubencontinuitat , d. h. Bcstung der Tube nach der
Bauchhöhle oder nach dem Lig. laUrn , dann ausnahmsweise die Blutaug zum
Stehen kommt, die Majorität dieser Fllle vielmehr dnreb Verblutung oder Pni-
tonitis bei spontanem Verlauf zu Grunde gehl, ho uiUssen wir die eetopisehe
Schwan^erseliat't ^'leichwerthifr einer frefahr\ o]!pn Neiibiklunfr ansehen und bc-
handelu. Der weitere Schlusä kaun dauu nur der seiu, dass die Prognose durchaus
von der rechtzeitigen Erkenntnis« abhängt und folgerichtig von dem darauf basirten
Bingreifen. Worin s<rfl dieses Eingreifen bestebM? Vorweg sei bemerkt, dass wir
bei lebender reifer Frucht diese zu entwickeln wohl als die gegebene Aufgabe
ansehen nitlssen. Die Möglichkeit ist erwiesen: Die Furcht vor der Placenta ist
unberechtigt, wenn wir entweder den i^ack in toto auslösen und seine Basis
unterbinden, oder eveotualiter die anfahrenden Geftsse isolirt versorgen oder
naeh dem Betspiel älterer Operateure den an die Baudiwand angenlbten Saek
ausstopfen.
Die Versuche, das ectopisch inserirte Ei in situ zu tödten und dadurch
der Resorption entgegen au fDbren, sind erst in der neueren Zeit wieder mit einer
gewissen Bereohtignng anfgenommen worden. Eine solche Berechtigung kann elien
nur dann anerkannt werden , wenn bei diesem Vordrehen die Kilekbildunu: des
Fruehtlialters mit 8ieherheit nieht nur t^hne unmittelbare (iefahr fiir die Frau,
souderu auch ohne ein zu langes Sicehthum bewirkt wird. Von diesem Gesichts-
punkt ans verdient unzweifelhaft der von Franz v. Winkel **) neuerdings wieder
aufgenommene Vorschlag, durch Morphiumeinspritzungen die Frucht
zu tfidten. voHe Beachtung. Ihm fielb<t ist es in einer geradezu tJberraschenden
Weise gelungeu, von 7 Fällen 6 auf diesem Wege zu rascher Heilung zu führen.
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EXTRAUTfiRIN-SGHWAUGEBSCHAFT.
ScboD finden sieh da und dort Mittheilun{?on gleich günstiger Beob-
achtungen anderer Facligenoaaen. Zu einem abschliessenden Urthcil genügt das
vorliegende Material noch nicht. Ich habe zwei Bedenken aus der Trafung meines
eigenes Bf aterlalfl »nf die MOgUehkeit dieser Bdiandlnogsmetliode entoonunen : Die
Fälle, in denen wir die Frucht lebend antreffen, sind verschwindend selten im
Vergleich zn denen mit abgestorbener Frucht. Dann aber sichert der F^ruehttod,
wie wir vorhin erörterten , nicht vor Blutung , Berstung und aller Arten Ubier
Folgen. So benchtungswerth demnach die bieherigen Mittheilangen Aber die
WlMKBL*se]ie Morphiumbehandlnng sind, bleibt doch abmwarten, bis weitere
E2rfnhmngen, besonders da.^ letztgenannte Bedenken, sieh als unzntrefiend erweisen.
Das andere, das gleiche Ziel anstrebende Verfahren, ist die Elektro-
therapie. Mit einer grossen Zahl meiner Fachgenossen theile ich wohl diu weit-
gehenden Zweifel an der Verwendbarlceit des elektrisehen Stromes für diesen
Zweck. Werden nammtliidi in Frankreich diese Zweifel laut, so sehen wir, dass
besonders unter unseren amerikanischen und russischen Collegen sich viele Stimmen
zu seinen Gunsten erheben. Die Elektropuuktur wird auch von Uberzeugten Elektro-
therapeutikem verworfen: die Hebrsahl wendet den podtiTen, einzelne den nega-
tiven Strom an. Nicht blos die Unklarheit der Wirkung erscheint uns als ein
Hinderniss für die weitere Verbreitung dieses Verfahrens, nachhaltiger wirken
jedenfalls die von TUTTLE-*) U.A. ausgesprochenen, von sehr Vielen jedenfalls
getheilten Zweifel , ob es sich auch in all den vielen günstigen Fällen , welche
mitgetbeilt werden, wirklieh nm eetopisehe Sehwangersohaft gdiandelt hat. Ver-
einzelt wird der üebertritt sogenannter interstitieller Sehwangenebaft in das
Carum uteri, die EntM-icklung der ectopischen zur utorinen Schwangerschaft als
Erfolg der Elektrotherapie gerUhrot. Die betreäeuden Beobachtungen erscheinen
niebt dnwandfrei; so daas wir flir diese Art von Wirkung doeh wohl erst flbei^
sengende Belege erwarten dürfen.
Mit wachsender Erfahrung kommen Diejenigen unter uns, welche sich den
von Tait und Wkktu ^"j prineipiell formulirten Gesichtspunkten anschliessen,
dabb, dass wir als dasVerfabren bei ectopischer Sehwangersohaft
die Ezstirpation des intaeten oder einen jtthen Anagang
drohenden Fruchtsackes bezeichnen. Wie ich, werden auch Andere
f<chon vor J. \ hit in dieser Weise operirt haben. .1. Veit gebUbrt sicher das
Verdienst , in präeiser Weise die Forderung für diese Therapie der ectopischen
Sebwangersehaft weiter motivirt an haben. In der That ift die Aussehllang
des Fruchtsackes in der grossen Mehrzahl durchführhar. Ja es
stellt sich heraus, das« auch die Versorgung der Placentalstellc immer geringere
Schwierigkeiten macht. Man kann sie unterbinden, indem man von der Peripherie
her immer weiter greifende Ligaturen einlegt ; neuerdings findet ein Vorsehlag von
Olshausen die zufahrenden Arterien, also namentlich die Spermatioa, in eontl-
nuitate zu unterbinden, mehrfach Nachahmung. Es handelt sich dabei wohl in der
Kegel darum, eine Massenligatur in das Li(/. infuitdibulo-pelvicmn zu le<reii.
FUr die relativ seltenen Fälle unlösbarer V^erwacbsung des
Fruditsaekes mit den anliegenden Organen , bleibt das Einnähen des Saekea in
die Bauchwunde, Tamponade des Sackinnenraumes und nachträgliche Versorgung
der IMaeentrilstelle. oder die Eröffnung eines Ausflussloches mit Drainage nach der
Scheide und Verschluss des Sackes nach oben, wie ich vor II Jahren in London
anf dem VIl. internationalen medieinisehen Gongress vorgeschlagen habe. Daa von
FbitSCH a. a. O. wieder allgemein empfohlene Verfahren , den Sack nur zn ent-
!•-( ren nach Einnähung in die Banohwundoi mnss als ein teehniseher Rfleluehritt
bezeichnet werden.
Ganz analog haben sich, soweit ich aas der Literatur sehe, die Ansichten
hezflglioh derjenigen FftHe entwickelt, in denen es sieh um abgestorbene, ge-
schmolzene oder durch Blutergüsse zertrümmerte Fruchteäcke bandelt. Es gilt
den kürzesten Weg einzuschlagen, auf welchem man zum Herd der JLnfect<fOn
Encyclop. Jahrbücher, III. J9
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290
£XTRAUT£Rm-SCHWANG£RäCHAJ:T.
gelangt. Oft genug OfTnet Bich frflhzeitig ein Ausweg spontan ; in jedem einzelnen
Fall Ijlcibt zu entscheiden , ob die^ter Weg anoh fUr die gründliche Angrinmnng
gangbar, oder ob ein neuer zu eröüneu ist.
Fflr diese Art der Bebradlung dee faitneten Fmehtbniten wird, flo riel
ich sehe, die Uebereinstimmung der Facbgenossen »ich rasch entwickeln. Zwei feU
hafi erscheint heute noch eine solche typische Therapie für die Fr'ill«^ , in denen
unter Abort oder liuptur eine Blutung, Hämatoeele und freier Bluter^us?
entstanden ist, welche zu Collaps und deletärer Anämie geführt hat. Die Mög
liehkeit der Oenesnng darf nieht in Abrede gestellt werden. Bei vorhandenen
Verwachsungen kann es nach Ilämatocelebildung zum Stillstand der Blutung
kommen ; das Blut kann sieh zwischen die Blätter des Lig. lafnm ergiessen,
das so entstandene Hämatom kann sich resorbirea oder in uugefährlielier Weise
entleeren. Einen Anbaltspanltt fOr diesen Verlauf haben wir in der Regel nieht.
Nachschübe aus dem Fruchtsack selbst , oder aus den Adhäsionen , Berstung,
freier Ergnss in die Bauchhöhle. Aiiilmic, Peritonitis drohen stets im Hiiiterfmuide.
Im besten Falle genesen die Kranken nach gefahrvollem langen biechthum, wenn
man diese FUle sieb selbst flberlässt. Ich habe 31mal b^ frischen Blutungen in
die Banohhffhle operirt: 26 genasen; 6 starben, Smal habe ieh nidit operirt, diese
5 gingen alle zn Grunde.
Ist e<* nun an sich unzweifelhaft chirurgisch richtiger, blutende Gefilsse
aufzusuchen und /u versorgen, so drängt die Erfahrung, welche eich in der schon
oben eithrten StatistilE anssprieht, dahin, aneh bei diesen Kranken dem
operativ« 11 Vorgehen vor dem expectativen den Versag angeben.
Wir -jähen, dass in der grossen Zusammenstellung von Schapta und mir
nach operativer Hilfe 23'37o Gestorbenen zu 76'7°/o Genesenen, gegenüberstehen.
Lesen wir dann weiter die Kranicengeeehiehten dieser Oeetorbenen naeh, so
ei^ebt sieb, dass die Mehrzahl unverkennbar zu spät operirt worden ist. Inwie-
weit mangelhafte Technik an dicken TodcHf.tllpn mitgewirkt haben . entzieht sich
bei der Neuheit des Verfahrens der Laparatomie , in einer mit Blut gefüllten
Bauchhöhle, jeder Berechnung. Um so prägnanter dürfen wir aber aus dem vor-
liegenden Material den Seblnss stehen , dass aneh fttr die Ftlle von Blntung im
Auschluas an eetopisehe Sehwangerseliaft die Laparatomie als das typisehe Ver-
fahren anzuerkennen ist.
Wenn immer möglich, soll der Fruchtsack auch hierbei
entfernt werden. Nnr wenn das nndurehführbai' enebeint, bleibt die Ver-
nähung des Fruehtsackes mit der Baucbwunde und die Drainage, welehe ich oben
schon für itic K;illc von nnaberwindlicher Verwaohsnng des Saekea bei lebender
Frucht, aiiu'ctührt habe.
hh.iratur: ') Anh. f. Gyn. XV. — Arcb. f. Gyn. XLl, pag. - =) Ges. f.
Geb. u. Gyn. XXIV. — Zeit.schr. f. Geb. u. (ivn. XXII. — ') Freund, EdinbufK med.
Joam. lP8a. — ^) Zink«. Amer. Joorn. of Obstotr. Februar 1890. pag. 128. — ') Fritack.
Barieht fiher di« gynikotoftucben Oparationen d. Jahncanges — *) Zeitsehr. f. Oeb. n.
Oyo. XXIV. — ") Zur Anatomie und Physiulnpie des ('mix uteri. Erlangen 187'-i. —
"0 Demonstrirt in der Ges. f. Geb, u. Gvn". zu Htrlin. l^!»! , X. 23. — ") Orthmann,
Zeitsehr. fttr 6»b. nnd Gyn, Bd. XX. — '*) Simon. Dis.s. inang. Bttriin 1885. ~ '») New-
York Obstetr. soc. 1891. — '*) Arch. f. Gyn. XXVIII. — '») Browe, Amer. Gyn. Soc. 1891,
VI, pag. 4Jt; zuktÄt von Rosthorn, Wiener kliu. Wochenschr. 1890, Nr. 2^!. — '*) Gaz.
ob.stetr. 1^57. Nr. ;il. — Dias, inaug. (»rthmanii, Tübingen und Kiew, Stuttgart,
18ll»3. — "*) Beitrage aor Anatomie und cur operativen Behandlaog der EixtranterinachwaBger-
Bcbaft. Stattgait 18<i7. — *■) Zeitsekr. f. Geb. n. Gyn. XXIV. — *^ Arek. f. Gyn. XVm,
pag 53. — ■') Dis.'j. inaug. Berlin 18iK). *") Beitrage zur Oasuistik, Prognose, Therapie der
ExtrautarinfichwaiiL;i i-cliaft. 1891- — Deutsche Ges. f. Gynäkologie. Halle 18::*9, II.
Amer. Journ. lä < -tetr. Januar l'^itn, pag. l.j. — *') Ausser a, a. O. Ijecturen o» rctopie
pr^Mnee and jh/i k- haematorele. Bimiingham 1888. — Beiträge aar Anatomie nnd aar
opefativen Behandlung der Extrauterinschwangerscbaft. Stuttgart 1887. — Oentiebe nnd.
Wockeaadir. 1885, Nr. 8— 10. A. Martin.
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F
Färbungsmethode, ■. B«kterien, pa^. 67ff.
Fettbildung, s. ChemismiiR im Thierkörper, pmg. 129.
Fieber (vergl. Real-Eucyclupädie, 2. AuH., lid. VII, pag. 171). üelinirt
man das Fieber als liObere Einstellung der Eigenwarme Ober die Normal-
temperatnr hinaus, so ist damit ausgesagt, dast^ von all dm manDlgfaltigen, helni
Fieberprocess beobachteten Störungen, die dtr EifrenwÄrme in den Mittelpunkt
zu stellen sind, üamit sind die anderen öiöruugeu weder geleugnet, noch aich
schleehthin ah Gonsequenzen der Wirmeznnahme hingestellt. Es' ist nnr dem
ursprDn ^Hellen Hegriffe gemäss ff ehr in fcrhi-is von f erver e , brennen) die Er-
hitzung des Körpers iu dou Vordergruiul pcbracht , ge;?eiiüber dea Cireulationa ,
VerdauungH- und nervösen Störungen, die sieh sonst finden. Alle auJeren Störungen
sind, soweit sie nicht directe Folgen der böbereo Tcmperatureinatellung sind,
doeb um sie grnppirt, diese letztere, die Tendenz zur Innehaltnng einer höheren
Temperatur, giebt ihuen allen erst Signatur und Charakter.
Das Fieber gehiirt also den Zuständen der Hyperthermie an.
Um dies richtig zu würdigen, iat es uuerlil^^slich, sich die Eigonthumlichkeiten der
nuderen Formen von Hyperthermie vor Angeo zn halten. Mit Unreeht bat man
bereits als Verdauungsfieber die schwadie Wftrmezunahme bezeichnet, die während
der \'('rdauung durch erhöhte Vcrbrenriunsr eintritt, in der dritten Stunde etw.-i
beginnt, bis zur 10. ötunde sich steigert, um bis zur 24. Stunde allmiilig zum
ftuheren Stande abzufallen. — Weit stärker ist die Hyperthermie dnreb starke
M askelaetion. Sie ist 1>ekanutlich bei jeder intensiven oder andauernden
MuskoltliJltigkeit nachweisbar, bei Sclinelllilufern kann die Temperatur so^r.ir um
H". d. h. bis 40 5 steigen. In diesen, wie in allen analogen Fällen bat al)er die
Hyperthermie die ganz schart ausgeprägte Kigenschaft, in der Ruhe schon nach
kurzer Zdt, naeh 1 — 9 Stunden wieder zur Normalwftrme surflekzudnken. —
Das Gleiche gilt von der Wärmestau nng nach VVarmwasserbädern,
Dampfbädern, römisch-irischen Bädern. Einer Erhöhung der Eigenwärme auf 38" fi
bis 39*5 im liade und bald nach demselben kann sogar nach einer Stunde eine
Erniedrigung unter die Normalwärme folgen.
Die Folgen dieser künstlichen Wärmesteigerung sind für
die Fieberlehre vrtn grossem Interesse. Sie bestehen in stdir 'j-esteigerteni Eiweiss-
zerfall mit V'ernulirnng der Harustotlausscheidung, iu Steigerung der llcrzaction
und Pulsfrequenz, Zunahme der ArteriendilatatioQ nod Wärmedyspnoe , d. h. Er-
höhung der Sauerstoffisufnahme, der Kehlensänreausgabe , Vennehrung und Er-
schwerung der Athemzfige. Bemerkenswerth ist, dass bei dieser Hyperthermie
keine thermische Hyperästhesie nachweisbar ist. Trotz starker Erwärmnng des
Gesammtorganiamus und der ganzen Körperobertiäehe spcciell briugt eine plötz-
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292
FIEBEH.
liehe Abkühlung keine FrostempfindiiDg hervor, ini Gegentheil werden kalte Ueber-
giessuDgen in heissen Bädern gut ertragen , gelbst ein mehrfacher Wechsel von
heissen Dampfhädern mit kalter Doache, YoUbäderü und Piscineo. Das Nerven-
eyttem wird dardi wirmeite^enide Bider ermfldet, ersehliflft Wird der Ifemeli
alsdann nach geringen Graden der Wflrmestaunng derselben wieder entzogen, so
tritt nunmehr starke Diaphure.se ein . dadurch Wasserverlust mit OOnseCtttiTer
RcHurptioQ disponibler Flüssigkeit auch bei Wassersuchten.
Bei weiterer Steigerang der l^genwlrme hingegen auf 44 — 46*, d. h.
auf für den Menschen schliesslieli nnertrl^ehe Temperaturen nehmen Kopfschmerz,
Menommenheit, Schwindel immer mehr zu , bis die Gefahr entsteht , dass unter
Ohnmacht und Krämpfen und unter Bewoastlosigkeit durch Uerzinsutficienz der
Tod dntritt. Analog liat bd Thieren der Venmdi ergeben, dun bei Steigerung
ihrer Eigenwtrme auf ertrigÜclie Temperaturen für kvraeZeit nach turbnlenteii
Erscheinungen alsdann ein Abfall der auf 42- 4t" in die Höhe jrebrachten
Temperaturen bis zur Norm, ja unter diese bis auf 3r." erfolgt, und dass Tage
hindurch alsdann die Wärme auf diesem subuurmaleu Grade bleibt. Lang-
danemde, wenn aaeh weniger bohe Steigermgeii im Wirmekaaten bringen jedoeh
langsames Absterben in 5 — 6 Tagen hervor, unter fettiger Degeneration von
Her/. Muskeln. Leber, Niere bei Verminderung der Kohlenaanreansacheidang und
starker Abmagerung.
Der Hitisehlag l>ernht auf einer Gombiaation der bdden bisher ge-
dachten Temperaturstoigernngen, der durch museuläre Wirmeproduction und der
durch unzureiehende Wflrmeabgabe bei Aufenthalt in wasserdampfgeschwflngerter
Luft. Da» Bild des Hitzschlages ist bekannt. Die Herzthätigkcit wird sehr sttir-
miscb, dabei aber der Puls zuletzt äusserst leer, die Pupille starr, eng, die an>
fange sehr heftige Sehweisseeeretion Tersiegt, dem leiehten Zneknngen im Qealeht
folgen später schwere allgemeine Convulsionen , bis unter Wiedererweiterung der
Pupille, stertorösem Athnien, völliger Pulslosigkeit der Tod erfolgt, meist bei einer
Mastdarmwärme von 43 — 44°, bisweilen aber auch soboo bei 40 — 42^ Kommt es
nnr bis nnm Stadium leiehter partieller Zuoknngen , so kann rehttiT rasehe Br-
holnng eintreten, unter sclinelleni Wiederabfall der Temperatur, reichlicher Schwelm-
seeretinn. Oft bleibt jedoch eine hochgradige, reiabare Schwiche des Uersmns-
keU zurück.
Wihrend nach dem Tode fast immer die Bigeawirme rasdit aEakt,
so giebt es seltene AnsBahmsOUe, in welchen sie sogar noeh knne Zeit steigt
auf 4 1, sogar bis 45'8^ bei Tetanus und 55 Minuten hindurch, auf 42 — 13'M)ei
Hitzsdilag, Iservcn- und Infectionokranklieiten. Es sind dies Fälle, bei denen auch
im Leben die sogenauuteu hypcrpyreti.scheu Temperaturen beobachtet sind. Man
ist genügt, diese postmortale Temperatnrsteigernng anf knne Fort-
dauer der Witrmebildungsprocesse bei plötzliohem Versiegen d«r Wirmeabgabe
durch Stillstand der Hauteirculatinn zu erkl.lren.
Die Uebcrsicht Uber die Erscheinungen der Hyperthermie verschiedenen
Ursprunges ergiebt, dass eine Aneahl nothwendiger SeenndSrersehetnungen mit
jedweder Hyperthermie verbunden sind, auch mit jeder kuradanemden. Bs sind
dies (»esonders T;iehyeardie und Wärmedyspnoe . also Einflflsse auf Herz- und
Athmnngsaction. Charakteristisch für alle diese Fftlle von Hyperthermie ist aber,
dass alle diese Erscheinungen, die Temperaturzunahme mit all ihrem notbwendigen
Zubehör sofort wieder sehwindet, aoliald nnr phyukaliseh ein ansreiehender Wlrme-
abfluss möglich gemacht ist. Die Wftrme, die incdir producirte oder aufgehäufte
Wärme (iies.st s^hr rasch, besonders mit Hilfe der Schweisssecretion und der
Schweissverdampfung in wenigen Stunden bereits ab, ja kann selbst subnormalen
Temperaturen wieder Plata machen, sobald die physikaltsehe HOgHehkdt nur ge-
geben ist. Dadurch wird die verhflngnissvolle Kette , dass Erhöhung der Eigen-
wärme an sieh wieder eine F>rhöliunfr des Stolfweehsels bedintrt , die ihrerseits
wieder zur Temperaturerhöhung führt, durchbrochen. Dieses rasche Zurück-
FI£BBB.
293
pendeln zur Norm ist all diesen Fltleii von Hyperthermie el^en. Wo dieses
Zurtlckpendeln physikalisch unmöglich gemacht ist, da bleiben aber auch die
Folgen doH andauernd erhöhten Stoffumsatzea in Abmagerung, Gewebsdegeneration,
Gewiobtmrlntt dnrehans nieht am.
Definirt man nun das Fieber als höhere Einstellung der Eigenwirne,
BO ist damit jener Zustand von Hyperthermie bezeichnet, bei dem unsere Eigen-
wärme nicht blos einen hciheren Stand einnimmt, sondern auch trotz
der physikalischen Möglichkeit des Abflusses behauptet. Nieht
ivaaere pliysikaluMbe, sondern innere pbysiologisehe Hlndeniisee stehen also hier
6tm Znrllckpendelu der Eigenwarme zur Norm entgegen. Wird aber hier künstlich
durch Oberniflssige, bewältigende physikalische Kräfte, Killte z. H.. die Eigenwärme
heruntergebracht, so pendelt dieselbe wohl, befreit von diesem übermässigen KiuHusa
alsbald wieder sarflelc, snrllek dann abw immer wieder aar Fieberwirme,
nicht mehr zur Kormalwärme. Ist demnach Fieber die resisteute Hyperthermie,
80 ist die nahe Verwandtschaft und die unter gewissen Umständen, und besonders
bei sehr kurzer Dauer des Fiebers schwere Unterscheid uog desselben von anderen
Hyperthermien ausgesprochen. Nur die Resistena der Hyperthermie
begründet die Diagnose Fieber. Zum thermometrischen Nachweis der objeetiven
Tempcratnrerhi'ihung ist daher noch die Datier und dit> ilt ^istenz zur Sicherstolluug
der Diagnose unentbehrlich. Hei an sieh ephemeren Fieberanfällen kann daher die
Feststellung auf Schwierigkeiten stossen. Man ist alsdann geneigt, jede Ausserlich
nnmotivirte, ans Mnskelaetion und Wirmeetanang nieht hervorgehende Hyperthermie
als fieberhaft zu betrachten. Ist solche Annahme in der llberaus grossen Mehrzahl
der Fälle auch praktisch richtig, so ist sie doch wissenschaftlich unziirei^-bend
l'seudofieber (Scheinüeber j könuen entstehen durch starke Haiitwallungen,
besonders dareh Congestionen an Gesieht nnd Kopf, mit Wirmegefahl nnd Kopf»
schmerzen, wie sie bei H y s t e r i s e h f n nfter vorkommen. Ist objective Temperatur-
erhöhung in der AcbselbiHile iKicliwrishar. Sd Iniiidolt es sich um ein hysterisches
Fieber, wenn nicht um ein Pseudulieber. Der Schein eines Fiebers kann noch
gesteigert werden, wenn dem Uitzeparoxysmos ein Froetanfall vorangeht. Es giebt
Personen, deren Haut so empfindlieh ist, daas aie durch firisehe Bettwäsche,
durch Uebergang in's Freie aus warmen Zimmern und .Ihnlichen kleinen Kälte-
attatjuen einen heftigen Frostanfall mit starkem Z:lhneklaj)perii von halbstflndiger
Dauer bekommeu, der alsdann von einem Hitzuanfall, meist ohne Schweiss gefolgt
ist. Von diesen Anfällen, die gar nieht selten bei kräftigen Männern an bobaebten
sind und trotz des Alarmes oft nicht einmal von Schnupfen gefolgt sind , gilt
gleichfalls die obige Unterscheidunsr. Ergiebt das Thermdmeter Tempcratnrzunahnie
in der Achselhöhle, so handelt es sich um ein nervöses Fielier, wenn nicht um
ein Paeudofieber. Thermische Hyperästhesie, lebhaftestes FrostgefObl kann fehlen,
kann vorhanden sein ; entscheidend für Fieber oder F.seudoßeber ist allein der
Nachweis der T*'mpi'ratiirerhriliiinir hier sowohl wie beim psychisoheu , beim
Uretbrallieher und dem bei (iallensteinkolik.
Üetretls der Fieberätiologie ist die alte Unterscheidung zwischen
essentiellen nnd symptomatischen Fiebern als gana unwesentlich von den neneren
Autoren gänzlich fallen gehissea. Auch auf die von Volkmank eingeführte Unter-
scheidung zwischen Fehns niwph'X und mi.rtn wird wenig Rücksicht genommen.
Unentbehrlich aber ist bei Würdigung aller Fieber, insbesoudere der experimcuteU
doreh Infusion in's Blut herbeigeführten Fieberformen, dass, wie Bbrohann schon
vor langer Zeit gefunden, geringe Mengen einfachen destillirten Wassers. '•> (V-m.
])eini Krinini'ln>n IxTcits genilgcn, um Fielier. woiin auch schwachen Orade^. Iier-
vorzurufcu. Von dieser liasis aus, von der Thatsache also aus, dass die geringe
Läsion des Blutes, welche aus der unmittelbaren Mischung desselben mit destil-
Urtem Wasser bervoi^i^ht, schon bereits zur Fieberproduction genttgt, mflssen alle
directen Blutinfusiduen und wohl auch zum Tb«^ die subcutanen Infusionen be-
urtheilt werden. Kochsalzlösung von 0'ü'*/o ist eine indiflfvrentere Flüssigkeit.
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294
FfBBBR
Hier bewirken erat 10 Ccra. eine schwache Temperatursteigenmir. ab<?r iramerhio
eotsteht sie. Halteo wir ferner im Auge, dam schon eine regeluQüssige Dursteur
•UabendUehe FiebenxMwlNitioiien rnn 1" hervorbringt, nd data die direete deber-
leitnng von VAnt aus der ^4*^. cruralis in die Vena erurtUü bei Hunden, mit
ümgehunpr hImo des Capillametzea allein bereits schon Tempcratiiren bis 42-3
aetst, so sieht mau, durch wie leichte Veränderungen Fieber erzeugt werden kann.
Weittragende Hoffnnngen wurden für die FielMrItiologie anf daa Pi brin-
ferment gesetEt, seitdem Rdxlberg ^) angegeben hatte, daas freies Fibrinferment,
in Fo geringen ^lenfren . dasB nicht frleicb Hlutgerinnung entsteht , in's Blut ge-
bracht, coustant heftiges Fieber hervorruft. Da beim Zerfall von Leucocyten
überall Fibrinferment entstehen sollte, so sohien diese Genesis eine sehr hfiafige.
Dem gegrallber bestreitet HASUfBBSCBLAG die MOgliehIceit der Barirnng dner
Fiebertheorie auf das vermeintlich constante Vorkommen des Fibrin ferraentes.
Oft fehlt trt'iis Fibrinferment trotz des Fiebers bei Tvfibiis, Pneiimonio, rieuritis,
Tuberkulose, oder ist nur in verschwindender Menge vorhundiu, oit ist es im
Gegentbeil in (ieberloaen Kranlcheiten vorhanden.
Da^s auch andere Fermente Fieber erzeugen können, ist schon illr
ScHMiKDKBKRO's Histozyoi. für das Pepsin und Pancreutin angegeben. Weitere
Angaben betretls des Fermentfiebers liegen vor von iiUü;»c>Y. '^j Derselbe hat als
Pyretogenin ein ans der Bierhefe gewonnenea Ferment bezeiebnet, welefaes aber
vom Invertin versehieden sein sollte, und welches in einer Menge von weniger
als ' . ^fjLrrra. pro Kilo Tlii r in den Kreislnuf eines Hundes ■rehraclit . den
beftiiisten typischen Fieberanlall hervorruft. Dasselbe ilussert sich im Aof^teigen
der licelumtemperatur um 2^, des Pulses von luii auf 130, der Athemfrequenz
von 25 auf 46 , nach continnirltehem Zittern von inständiger Daner. Die Br-
ftcheinuttgen erreichen etwa in i Stunden ihren Höhepunkt, worauf sie allmätig
nachlassen , bis sie in der 10 Stunde völlig aufhören. Eine (^»mmiflsion der
mediciuischeu Akadeuic zu Paris ^ScuiTZBNbiüKGEU bcKtütigte wohl die in
hohem Grade iiebererregende Eigenschaft dieses Pjrretogenin , ateilte aber im
Gegensatz zu RouiSY fest , dass dai^selhe alle Eigenschaften des Invertin liabe,
mit dem Hefeferment aisu aU identisch zu erachten sei.
Eine ausführlichere Untersuchung über das Kermcntfieber bat H.
Hildebrandt *) verOflfeutlicbt. Kr untersuchte Pepsin, Chymosiu (Labferment), Invertin
(Hefeferment), Diastase, Emulsin, llyroi^io. Toxisch waren alle diese Stoffe. Hnnde
starben sehon nach Kinverleibiin;: von O l- 0*2 Grm. Pepsin oder Invertin pro
Kilo Hund unter betrJtchtlichcr Tt inperatiir^tcigerung um 2" bei Erhöhung!: der
Wärmeprod uction wie der Wärmeubgube. PathologiRch-anatomisch konnte er mit
Hilfe der Selbstfftrbung dureh Indigoearmin ausgedehnte Thrombosirungen der
kleinen RlutgefiUse in verschiedenen Organen (Darm, Nieren. Lungen) nachweisen.
Diffuse und circnniseriptc Hilmorrhagieii fanden sich aueli vielfaeh in Sehleim-
häuten und tscrosen liiiuien. Diese Fcrmeutwirkungen schienen von Thieren, die
im Thermostaten Überhitzt wurden, besser flberstanden zu werden.
Zu dieser im pharmakologischen Institut au Breslau gemachten Arbeit
sind ganx neuerdings weitere Arbeiten ans deni^elben Institut in frleielier Iliehtung
hervorgeu-anfrcn. Fii.kiink ■'■) selbst sairt in einem kurzen einleiieudeii Aufsatz:
„Zur l'^rage nach dem Heilwerth des Fiebers", dass er, um dem
therapeutischen Werthe des Fiebers niher an treten, ein nnschldliefaea und daher
am Meuiichen verwendbares Pyrogenin gebucht habe , ein Mittel , welches Fieber
und nichts als Fiel>er erzeugen sollte. Mit ihm sollte nun probirt werden zu-
nächst am Thiere, dann am Menschen, ob mit künstlichem Fieber therapeutisch
Brauchbares geleistet werden könne, ob sich also der antipyretischen Methode fdr
gewisse ticU rlds ' oder nicht geutigend fieberhafte Krankheiten, z. B. bei S\ plulis,
eine pyrcti-^i hi/ Methode ent^reirensetzcn Hesse. ( Veriressen wir nieht. dass mit den
Schwitzcuren insbe^iouderc und mit der g.iiizen alt* n niet.'is\ nkritii-ehen Heil-
methode ein ganz ;lhnlieh(s Ziel verbundtn war. iJelerent;. Da sich der nach
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FIEBER.
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Sknator mit Glycerin bereitete Eiterauszn^, das sterilisirte Heuiafua nach
ZUNTZ uud Abunüon , der Pyocyaaeus u. A. nicht ausreichend brauchbar dazu
erwiMen bitten, habe er sich an die hydrolytischen Fermente tn diesem
Zweeke gewandt.
Dieser Einleitung von Fi lehne folgt nun ebenda ein Aufsatz von
JOTTKOWITZ und HiLOEBRANDT *>; über üinigü pyretiäche Verauche, im Wesent-
liehen Aber das nach Züntz und Arünson bereitete, durch Erhitzen auf 100^ G.
sterilirirte Heninfns. Wohl erfiebt die sabevtane Injeetion von 0*06 des
offenbar der Reihe der Albumosen angebSnniden PWiparates in etwa 6 — 10 Stunden
eine Temperatursteigerung von 1^ bis 1"5, doch bOsst dasselbe alluiillig seine
Wirksamkeit ein, und stärkere Dosen erzeugen leicht intensivere Loeaireizung.
Die Versnehe mnssten dann gans eingestellt werden, da Herbst- nnd Winter-
liemnfuse sieh nicht als brauchbar erwiesen.
In einem dritten Aufsatz von H. Hildkur an'DT : „Weiteres über
hydrolytische Fermente, deren Schicksale uud Wirkungen,
sowie Aber Fermentfestigkeit nnd Hemmung der Fermentationen
im Organismus" handelt der Verfasser zunächst Uber die pyretisehe und
eheniotnctische Wirkung der Fermente. Ka sich die hydrolytlKclien Fermente zwar
als Fieber erzeugende , aber auch gleiehzeitig als höchst toxische Sub«tany>eii er-
wie^ieu hätten, indem die Thiere selbst nach kleinen Dosen, wenn auch mitunter
erst naeh Wochen unter den Zeichen einer Degeneration lebenswichtiger Organe
zu Crunde geben, so hätte nur das Labferment. das Ohymosin als das mindest
toxische in Betracht kommen können. Hei allen hydrolytischen Fermenten , dem
Chymouiu wie Emulsia und luvertin zeigten sich aber alsbald, dass dieselben
zu den chemotaetisehen Substanzen gehören nnd da«s die subcutane Injeetion der
Fermeutlösungen von einer ungemein ^^tarken localen Entzündung gefolgt ist. —
Ik'trerts der (Ihrigen, für die Fieberfrage nieht weiter in Betracht kommenden
Beobachtungen: „Ueber den Eintluas des Syzytjium 'lambuLunani auf die Saehari-
licatioa iu den Geweben'' und auf „die Untersuchungen Uber Immunität gegen
hydrolytische Fermente** mnss auf das Original verwies«! werden.
üeber das En tzündangsfieber hat Samcki, ') folgende Versuche
mitgetheilt. Die Verbrühung der oberen Hälfte der Kauinchimohren und also des
Blutes mit Wasser von 64" C. auf 3 Miuuten hat gar keinen unmittelbaren Eiuiiuss
auf die Bluttemperatur ansgeflbt. Ebenso ist ans anderwdtigen Vwsaohen belcannt,
dass von gelähmten und anästbetischeu Theüen am, kurz von Theilen aus, deren
nervi'iser Zusammenhang mit den Centralorganen unter])roehen i<t. <lenm>fli Fieber
bei deren EutzUudung hervorgerufen werden kann. Das Fieber verdankt also auch
einer unmittelbaren nerv Seen Fortieitnng nicht seinen Ursprung. Aus seinen
Untersuchungen Uber „Entztindungsherd und Entzflndungshof^' geht aber hervor,
dass lu'iin Fntzündungstieber Fieber und Entzündungsödem mit einander gleichen
.Schritt halten. Das Fieber entsteht nachweisbar nicht vor dem Auftreten des
Oedems im Ohre, es folgt seiner F^ntwicklung, erreicht mit ihm seine Höhe, um
nach seinem Schwunde auch wieder allmftUg abzufallen. Noch mehr; sticht man
das EntzUndungsödem an und zieht es in kleinen Mengen, schon in Mengen von
Cgrm. mittelst wohlgereinigter Injectionsspritzehen auf, so kann man bei Uebor-
tragung dieser minimalen Mengen in das Uhr ganz gesunder 1 biere ein gar nicht
unerhebliches Fieber von l*5o 0. in wenigen Stunden erzeugen. In dem betref-
feoden Ohre zeigt es sich alsdann, wie schwach phlogo;iren solche OedemflUssigkeit
wirkt und in wie kurzer Zeit tla<-rlhc resorliirt wird, ohne mehr als eine ganz
schwache lujection zu erzeugen, indess aber die Flilogogeuie so unbedeutend
ist, ist die Pyrogenie schon bei minimalen Mengen eine erhebliche. Dabei seheint
noch die Stauung und Zurflekhaltung des Oedems im Bindegewebe einen tempe-
rirenden, m.'lssigenden Kinfluss auf die Pyrogenie zu erzeugen. Es gelang nflmlich
Sami el in mehreren Fallen \<in einseitiger Verbrdhung mit EntzUndungsödem
und consecutivem Fieber, dadurch ein erheblich höheres Fieber zu erzeugen,
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296
FIEBER.
dass er das Oedem anstach, seinen Inhalt mittelst einer Spritze aufzog und in
das andere gesunde Ohr einspritzte. Das Fieber stieg nun bei demselben Thiere
müt Uber die finfaere HOhe, obadKm die «beolate Oedemmenge im KOrper gar
nicht vermehrt war; die ReBorption war jetxt nur erheblieli doroh die bessef«
Vertheilan? erleichtert.
Von immer grösserer Wichtigkeit fitr die Fieberätiologie zeigt sieh Jede
st&rlcere Lliion rotber Blutiellen, welebe mehr oder minder nv
QythtaiolTM, ja aoeh nnr nir AblOsnnü: dee rotiien Farbetoffes von den rotiien
Blotzellen, zur HämofrlolünJlmie führt. Weit (Iber die obenerwähnte Einftlhrung:
von reinem Wasser hinaus wirken die Einsjiritzunf^en von Glyeerin , von {fallen-
saureu Salzen, die Transfusion heterogenen Blutes, ja auch nur heterogenen Serums
und xahlreiebe Gifte (Arsen- und Antimonwassentoff, eUorsaure SalEO, Horehel-
gift Q. A.). Ja bei den letsteren bedarf es nicht immer der unmittelbareil Bin-
•pritsung in das Blut. Rondern auch die Einbrin°:un? unter die Haut . ja in den
Verdauungsapparat iu hiulüuglich grossen Mengen genügt oft schon , um durch
Zerstörung der BlQtk<)rp«reben und Losung des Farbstoffes Fieber herTonnrafen.
Insbesondere aber ist die periodische Hämoglobinämie . respec-
tive Hflmo^^lobiniirie we^'rn <lor Prumptlu'it der damit auftretenden KieberaufilUe
neuerdings nn-lir umi iiulir (ie^enstand der Aulmerksamkeit geworden. Der an-
fallsweise erfolgenden Eutleeruiig eines mehr oder weniger von Blutfarbstoflf dunklen
Urins ) der aber rothe BInteellen selbst nur vereinselt enthält , geht ein gans
regnlftrer Fieberanfall voraus. Häufig werden die Anfälle durch einen recht kräf-
tigen Fieherfro^t eiiifrtleitet mit nachfolgender Hitze , wobei lO" und darüber
mittelst des 'i'hermometers gemessen werden können. Auch zahlreiche subjective
Eleberbeeehwerden fehlen dabei nieht. Das Ende dieses bald nor eine halbe, bald
mehrere Stunden daucruden Anfalles bildet ein heftijrer SehweisH. Von der Un-
refrelm!isfsi<rk<'it des Typus ab;re.sehen, hat der Anfall in der IVilci^ion seines Ver-
iaiift s selbst eine ^ewi>i8e Aehnlichkeit mit dem Malariarieber. Da bei Personen, die
an dieser Krankheit leiden, jede stärkere Muskolaostrengung und auch so leichte
Brkaitangen, wie sie durch das Hindnsteeken von Händen oder Füssen in kaltes
W'.iMser eiitstt'bcn . ausreichen , um einen reg*ulären Fieberanfall unter Loslnsnn?
des ll.lniofrlobin von den hlntkrirperchcn zu er/JMi.s'eii , so ist das Studium des
Fieberanfalles und Verlaufes hier iu wUuseheuswerthester Weise beim Menseheu
möglich. Bei diesem Stndinm, ebenso wie bei dem der künstUeheo Hämog^obinämie
der Thiere stellt es sich heraus, dass der Or^^anismus sich des im Blntd gtiOst
circulirenden Miimniil il.iiis zunrtehst <ihne Krankheit.serscheinnn<ren bis zu einem
gewissen Grade entledigen kann, indem die Schlacken der Blutkörper von der Milz
aufgenommen und verarbeitet werden, der Blnt&rbstoff hingegen von der Leber.
Brat wenn die Menge des freien Hämoglobin ungefähr ^/gQ des im Gesammtblute
vorhandenen nintfarfistnllVs ilberstei-jt, führt di<'s. r Hrad von H.lmoprldbinflmie zum
Krankheitsantall unter llämo'rlobinurie. Hei .L'erinircreu Men^'cn ist aueb die physio-
logisch grosse liegenerationskraft , welche den rotheu lUutkörperchen eigen ist,
leicht im Stande, sowohl die zertrflmmerten BluftOrperehen wieder sn ersetaeo,
als auch die farblos gewordenen Gebilde, den Schatten, wieder zu restanriren. Durch
welches Moment speeiell In ! diesem ^ranzen Vorgranfre aber L'^-rado das Fieber
erzeugt wird, die Wärmezuuahmc und auch der Frost, ist unklar.
Ein merkwürdiges Fieber ist von Pel^) 18)^5 als ob ronisches ROek-
fallsfieber oder Psendoleukämie , später 1887 vtm Khstf.in *) als chronisehcs
RüfkfallsHchcr, eine neue Infeetionskraiiklicit L'^''<i-liildfTt worden. Es ist dies jeden-
falls ein Kilekfalllichcr, welches absolut mit llei'urrens nichts zu tlinu hat. Ks hat
nnr diese Aehnlichkeit mit ihm, dass es sieh durch 13 — Utägige Fieberanfälle
und 10 — lltägige Apyrexie cbarakterisirt , bei welcher letzteren die Temperatur
sogar 8ubn(»rnial werden kann. Im Fa-tiirium aber sMclt die Temperatur auf 41'>
und darüber. Wjihrend der Antiille trilt ein Alil.ill ilrs Kcrperfri-wichtes um
mehrere l'fund ein, während iu der Apyrexie ein Wiederansteigen desselben an-
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FIEBER.
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nihernd bis zur tirsprtlDgrlichen Httlic erfolgt. Dabei etwas Apathie, etwas Kopf
sehmerz aueb in der Apyrexie, keine Leberschwellanfr . wälhrend die im Anfalle
gotchwolieoe Milz auch in der Apyrexie nie völlig zur Norm zurückkehrt.
Ohne Anonmlien im Blute ieie:te sidi bei hoher Temperatur ein sehr fteqneater,
luaserrt aehwacber Puls , so dass der Tod durch Herzschwäche öfter zu bevor-
stehen schien . dazu beschleuniprte Athrming ohne alle Anomalien im Respirations-
«pparat. Die ohne jede nachweisbare Ursache auftretenden Fieberantälle waren
weder dnreh Chinin nooh dnreh Arsenik oder Antifebrin sn Btilleo. Tod erfolgt
nnter Anfireten von Oedem and Decnbitna. Die Seotion ergiebt harte, maligne
Lymphome der versehiodenen L; mphdr(l-;enfrrnppen, Infarcte in Nieren und Milz,
VertVttun^'en im Myocardium, in den Skeletmuskeln , Nieren und Leber. Nach
den übereiuätimmenden Sectiunsresultaten dürfte wohl die Krankheit als eigen-
thttmlieber Verlanf des malignen Lymphoms in betraehten sein. — Weitere
Falle wurden beobachtet von 6. Völckehs '^^ „lieber Sarcora mit recurrirendem
Fieberverlauf", liier eiu Fall von Sarcom, wahrscheinlich von den retrnperitonealen
Lymphdrüsen ausgebend mit einem ganz ähnlichen Fiebertypus und tüdtliobem
Verlanf ienerhalb 10 Monate. —
HAD8ER") „ISn Fall von ehronisdiem Kaekfallfieber* beobaehtete bei
analogem reeidivirenden Fieber einen Tumor im Epigastriam, den man ohne
8eetioD als ein Sarcom der mesenterialen Lymphdrüsen diatrnostioirte.
Im m e u sc h 1 i c h e n Irin fand Bixet'"-) eine Substanz, welche die
Körpertemperatur von Meerschweinchen zu erhöhen vermag , besonderä im Uriu
Kranker, snmal Phthisiker, aber anch in dem von Oesnnden, immerhin in geringer
Menge. Es waren Temperatursteigerungen von 1 — 20 C. , mit Ablauf in 4 bis
') Stunden am stärksten bei tubereulöseii Meersehweinehen, aber auch bei jungen
'i'hicren und siln^^eiiden Weibchen, wenn ain'li hier jreringer constatirbar.
'J'üMASKLLl will eiu Dutzeuil Fülle vou Febris i cte r o - ha eina~
t urica e ehinino behandelt haben. Er bestreitet, pemioiOses Fieber mit Hlmo-
globinurie bei Malariak ranken gesehen zu haben, auch bat er keine HiUnogleblnarie
je bei Gesuiuieii In nhachtet, welche prophylactiach kleine riiinindusen «renommen
hatten. Er glaubt auch nicht, dass etwa der cuntrahireude Eiutiuss des Chinin
auf die Milz das Halariagift in den Kreislauf treiben und dadureb Mne pemi-
eiöse Interiiiitteus orceugeu kOnue. Die Aetiologie ist also noeh sehr unsieher.
Tliera])ciiti>eti müsse man aber sofort das Chinin nussetsen, wenn man das Loben
des Kranken nieht aufs Spiel setzen wolle.
üANciOLriii:: und Couumk.nt haben baktcrienfreien Gewebssaft eine.s
amputirten Armes, der in Folge syphiUtiseher Arterienerkrankung bis Uber den
KUbogen ncerotisch geworden war, in die Venen von Kaninchen und Hunden
injifirt utnl damit fin rapides Ansteiiren der Terajieratur erzielt. Aueh maelilt-n
sie 'rcstikt l (iureli vdr.sichtiges Abbinden der Samensträuge mittelst elastischer
Ligatur neeiotiäch und sehnitten die Testikel mit dem Thermocauter ab. Von der
keimfrei gewonnenen Gewebsflflssigkeit bewirkten 2*5 Cm. beim Heersehweinehen,
4 Cm. beim Kaninchen, 5 Cm. beim Schan)oek und Hunde Temperatursteigeruugen,
die in .'i' ; stunden ihre Höhe erreichten, dann rasch wiedf-r ablieleu. Mit dem
Gewebs.safto desselljcu , aber normalen Theiles eines iSchaf b»cket> lässt sich kein
Fieber hervorrufen. Die in den neerotisehen Zellen enthaltenen pyretogenen
Stoffs kennen vermittelst Alkohol gefHUt und in Olyeerin 20 : 100 geltet werden.
Das hysterisohe Fieber kann nach Sarbo '*) als conti nuirliches
Fie})er und als blosser Paroxysmus auftreten. s()w<ihl bei der einfachen Hysterie
aU auch bei der Ilysteroepilopsie, bald mit m.'lssigen, bald mit hoheu Tcutperaiureu.
Das Fieber ist als ein ftanetionelles sn betraehten ; aueh wo dasselbe einen Complez
scheinbar schwerer Syniptntnc I»e;:leitet (Pseudomeniugitis , Peritonitis, Typhus)
haben die letzteren damit nicli!> /u thun. Das hysterische Fieber kommt plötzlieh,
schwindet oft plötzlich, hat eine Dauer von Tagen bis Monaten. Ausser dem wirk«
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FIBBRB.
licht'u Fieber mit Temperattirstei^erung'en ^iebt es nooh liysterische Sobeiiifieber
mit lacbycardie und subjeutiver Uitze alleiu.
Uttber den Fieberproeees, seine ErsebeinnnipeB, seinen
Verlauf, sein inneres We-^cn ^in>l fol^^endo Mittbeiluagen za erwihoeii:
F'. Krals kommt bei I ntersuchungen tlber den respiratoriscben
Gaaauiitauscb im Fieber uaob dem von Zlntz und OEPPJcaT angegebenen
Verfabren lu dem Besultate, daas die febrile Steigerung des SanentolTeonnune
höchstens 20° , der Norm betrigt» dam die früher angegebenen hohen Zahlen
für die Kolilfn^Jlnreausfiihr wesentlich auf Rechnung der gesteigerten Muskel-
tbätigkeit zu s^etzen sind. Der relativ geringen Erhöhung de» Sauerütuffverbraucheä
entspricht auch die Vermehrung der KuhlensAureausscheiduug. Der respiratorisehe
CoefBdeat ist aaeb im Fieber nur vom derseitigen Emibrungnrastande ablibigig.
Die Erhöhung des O-Verbraneties und der COs-Abgabe erklärt sieh durch den
gestei<.'(Tten Hiweisszerfall, wfihrend fflr gleichzeitige Steigerang des Fettzerfailes
kein auäreiuhcudur Grund vurliegt.
6. Gatallbro und 8. Riva Rooco^') giebt auf Grund seiner Stoff-
w ec h se 1 u n t er.s u chungen an: Wohl ist im Allgemeinen der respiratorisebe
(Jaswechsel im Kii her erliöht , aber die \'('rnu'linnig ist nicht grösser, oft sogar
geringer aU bei einem gesunden Individuum mit guter Ernährung, nur dass im
Fieber wie im Hunger der Verbrauch grösstentheils auf Kosten des Kdrpers statt-
findet. Im Hungersustande ist Stoffwechsel wie Selbstverbrennung auf das waXig-
lichste Minimum rt-ducirt, im Fieber aber erhi"»ht. 8(»gar höher als bei gut genährten
(iesnndcii kann der Stirkstuirvcrlirnuclj sich gestalten, während die Stickstoff-
auaselieidung unabiiitii^ig von der l'emperatur schwankt. Auch Wasserverbrauch
und KOrpergewiebt balten mit der TemperatnrbSbe nidit gleieben Sehritt
A. LowY ermittelte den Gas wechsel fiebernder Menaehen dahin,
das« Steigerung d«w Sauerstoffverbrauelios in d(Mi meisten F.Hllen zu constatiren,
dass derselbe hücli^jtens 51*8% ü^^r Apyrexie hinaus betrflgt, doch sehr
schwankend und oft gering ist. Niebt die alieointe Temperaturbftbe hat Binflnss
auf den O- Verbrauch, wohl aber die gesteigerte Hnskelactiou in Folge von Frösteln
und verstflrkter Athmun^'stliiUigkeit in Fn'(|uen» und Tiefe. Seiner Berechnung
nach war in seinen Fallen die Melirzersetzung vorzuf,'s\vt i>c durcb gesteigerten
Eiweisszerfalt gedeckt worden , während der Fettbesland uur wenig angegriffen
worden sei.
B I u t d ru (• k in e s s uttge n im Fieber fiBhrte Hekiimaxn ») unter RiEOSL's
Leitung ans. Die l'ntersuchnngen wurden mit v. Bäsch" Sphygmomanometer an
18 Fieberkranken i Dipbtberitis, Pneumonie, Typhus etc.; augestellt. Ueberall ergab
sich ein« mehr oder minder starke Herabsetzung des Blutdruckes, der nach
Beendigung des Fiebers, wenn auch nicht sofort, sieb wieder erhObte, flbrtgens
auch wätir< !i i der Dauer des Fiebers die Temperaturschwankungen im umgekebrten
Sinne mitmucbte.
Langlois und lilcUBT haben, von dem Gedanken geleilet, dass toxisebe
Proeesse ehemische Processe sind und als solche in ihrer Wirkung von der
Temperatur abhilngig, folgende eigentlillndiclie Versuche angestellt : Durch Cocain-
dosen Itci Hunden, steigend von (> Mirrtn i>ro Kilogramm Mund, lassen sieh
unter Steigerung der Muskeleontraelionen iVmperalurerbubuugen von 40 — 44*7* C.
in 4o Minuten erzielen. Dann tritt ein wahrer epileptischer Anfall ^n, am so
leichter, je warmer, um so sptter, je abgekflhlter das Thier ist. Bei 42*4* Blnt»
wärme irendiren »i Mj^rm . um Cutivulsionen zu er/engen, duri-h die dann die
Temperatur noch auf 43" stieg, bei ;i'J'5" Kigennärmo genügten kaum Mgrm.
Die beiden Forscher sind ans ihren Unteranehungen zu sehliessen geneigt, dan
die Verbindung der toxischen Substanzen mit dem Nervensystem bei hftheren
Temperaturen eine v<d!-f;indigoro und innigere wird.
Betrefl's .ler W ä r m e e e n t r e n im (H liirn lu-l.t Isaac ( »TT ) in Easton
I. Penusylvauieu) zunächst seine Priorilalsreelite in Bezug auf die Entdeckung der
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FIEBER.
299
WAniuM-entren im Tbierhirn hervor and benfitzt eine Aniahl möglichst einwands-
freier Fälle von ('ifhirnkraukhcitcn zum Nachweise entsprechender Localisationen
im Menscbenhirn , vermöge deren er ein KoLANDO'ache« und ein SYLVi'sches
Wftrmecentrum gtatairt.
J. Ott**) verMTantlieht weitere ITntomuehnngen , ans denen er folgende
Schlllsse zieht : Das Würmecentnun in der grauen Substanz dee vorderen Theiles
des dritten Ventrikel-* ist mit dem Centmm thermo-poh/pnoicum anderer Autoren
identisch, da die Polypnoe als eine Function des Wärmeceutrums angesehen
werden mase, von dem «na thermolytiflehe Centren, das heiast vasomotoriaehe,
respiratorische Scbweissdrtisencentren mit dem Erfolge ^'troizt werden können, daas
dadurch eine vernii lirtc Wilnueahgabe herbeiiTefilhrt w ird. Naeh OTT SoU ca flber>
haupt 6 Wärmecentreu, 2 cortieale und 4 basale ^eben.
Halb White unterscheidet ein tbermogenetisches Nervencentrum
im Corpus tttriatum , ein therniotactischea, regnlirendea in der Hirnrinde , ein
thermnlytisi'hfs in der ^fetlulla ohlonfjnfo . Das ihcrmopenetische Centnim steht
iu Verl»indung mit den Muskeln, das thiTuiolyiische mit den OeCiiss-, Soliwcisa-
und Kettpiratiunsnerven. Alle drei Centren können rellectoriseli erregt werden. —
Im xweiterwihnten Anfaatse hat Wbitb Versnehe an den Corpora ttriata der
Kaninehen angestellt, bei denen er nach einer Normaltemperatur von 38*3— 89*4*
nach Verlet/.unjren des Stroifenhügels nach einigen Stunden Stcij^erungon um
2i,|<> 0. unter höchstem Temperaturstande nach 16 Stunden und vollen Abfall
erst naeh 62 Stunden aah. Im Gegeosatse zn Ott sah er oadb Terletaaag dea
Tiinlatnus optieiiM und dea Kleinhirn« keine Temperatnrerhfihnng, nach Verletiung
di r <trii'^shirurinde im oberen vorderen Bezirke nur geringe, im vorderen hinteren
Abschnitte unregelmüssige und rasch wieder schwindende Temperaturerhöhungen.
UooLiNO Moiäso - operirte wegen der grossen Temperaturschwaukungcn
dea Kaninebens nicht an diesem Tbiere, sondern an Hunden. Er fand nach Ver-
letzung der Rind«' . df >t Vorderhirns , des Corpus stn'atum , der Tkafami optici
wohl eine vorüberirehend«* bütrHehtlichf Tomperatursteigerung um 2'', doch aber
nach Zerstörung .sogar des ganzen mittleren Theiles des Gehirnes Abtail der
Erhöhung wieder um 2* und selbst unter die Norm, sogar schon naeh einer
Stunde. Auch l.lsst sich die Tciiiptraturerhöhung nach all diesen Himlisionen
durch t'ocaiueinspritzung auf's Neue lu'trilchtlicli steigern Nach Mosso steht
die Lehre von den thermischen Centren noch auf sehr unsicheren
Grundlagen. Er ist geneigt, zweierlei Arien von Fiebergencse zu statuiren,
die dne, nnabhing^g vom Nwvenaystem, s. B. naeh Injeetiun des Stophylococcns
aureus, di(; andere, abbttngig vom Nervensystem, naeh aehweren Blutverlusten
und nach Cocain.
Caxtaxi sprach in seiuem Vortrage über Antipyrese auf dem
internationalen medicinischen Congresse in Berlin ans, daas, wie Piqftre wohl
vorflbergebende Meliturie, nicht aber bleibende Ziieki'rh.irnriihr hervorruft, so kann
der Kiufluss gewisser Xervencentren wohl eim' voritlH'rL'elH'utb' Teuiperaturstfigeriing
hervorbringen, nicht aber dauerndes oder aussetzendes Fieber erzeugen. Klinisch
ist ea wohl zwelfelloa. meint er an einer anderen Stelle, pag. 153 1. e., daaa nicht
alle Fieber auf gleiche Art und in gleichem Masse das Brennmaterial des Körpers
in ATHpriic!) nrhinrii : es -chciut, dass in irewissen Fichfrii mehr gewisse Krtrper-
gewebe, iu audercn uielir andere anget:riiren. verbrannt, verbraucht werden, was
wohl von der Art der inticirenden Mikroben abhilngt. >iur auf diese Art sei es
zu erkllren, dass die Folgen dea Fieherprooesaes ao veracbieden aind in den ver-
schiedenen Krankheiten. So geben in den Malariafiebern und im acuten Gelenks-
rheumatismus zunJlelist in LT'wser Menge die mtheu Blutkörpereheu unter, weshalb
der Kranke nach uberstandeuer Kraukheit höchst anämisch bleibt. 8o leidet im
Typhua vorwiegend die Mnscalatnr und in zweiter Linie sogleich das Nerven-
system, weshalb der Kranke aus>jerordentlich schwach uud m.iL'er wiid und die
Ausscheidung des Verbrauchten und daher auch die Gewicbtsaboabm« des Körpers
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300
FIBBIS.
noch in der ersten Woche der Keconvalescenz fortdauert, ja oft sogar relativ
Steigt. In der Tuberkulose leiden gewöhnlich alle Gewebe und Organe, der ganze
Körper tdimmpft sutammeii) sogar das Hers wird kleiner und die Geltae en|r«r;
nur das Nervensystem hält sich oft recht gut und scheint in einseinen Fftllen
vom hectischen Fieber gar nicht angegriffen zu werden : der Kranke bewahrt oft
seine ganze nervöse Energie, arbeitet geistig weiter, macht Pläne für die Zukunft,
geht bis so seinen leisten Tagen bemm nnd stirbt oft anf Reisen. Es i^ebt aneh
FielNirf in denen der Körper bei geringerer Temperatur mehr verliert als bei
anderen mit hoher, und endlich ir'wht «'3 noch Fieber, die >i('h unter Fiemissionen
und Intertuidsionen mit geringer, zeitweilig mit hoher Temperatur, durch Wochen,
ja Monate Iiinschleppen , ohne den Gesammtkörper verhäitnissmässig anzugreifen,
in denen das Organeiwdss grOsstentheils Tersdiont nnd nur das eirenUrende Biweiss
verbrannt werden muss. Bei dieser Darstellung Cantani's' ist doch nicht genügend
auseinaudergehalten, dass doch jede Fieberursaehe in unscrt ni OrL'anismiis nicht allein
Fieberureache i.><t, soudern aueserdem direct frUher oder gleichzeitig Läsioneu der ver-
sebiedensten OewelM veranlasst, so das Plavmodium tntUarfae %. B. direete Zer^
stArungen der rotheu Rlutkörpereben. Neben dieser verir^chiedenarligen, directen
priniUren Gewebslftsion durch den Infectionsstoff tritt aber alsdann noch eine zweite,
im Wesentlichen gleiche Störung auf, welche wir als Fieber bezeichnen und zu deren
Unterlmtt die dirceten Gewebsllsfonen allein lüelit im Geringsten ansreiehea wttrden«
Ist doch das Verbrennungsmaterial, welehes dnreh die grössten Mahlceiton geliefert
wird, nicht ausreichend, ein irgendwie in Betracht kdmmendes Vcrdauiingsfieber
hervorzurufen, wie sr»llte da die ^reringe Zerstörung der rolhcin Blutkörperchen
zur Hitzereactiou bei der lutermittens oder Liämoglobinämie ausreichen ?
N. ZtTNTZ und A. LÖWT kommen hei der Bespreebtng der Wirme»
regulatiou beim Mensehen zu folireiiden Resnltalea: Oft sehon bei mflssigen, aus-
riahmslos bei stärkeren Wilrmeentziehungen sinkt unsere Körpertemperatur. Das
wichtigste Kegulationsorgan ist die Haut durch reUectorische Verengung der Haut-
gefässe und Vermindwnng der Wirmesbgabe durch den RSltereic. So lange es
zu keinen tonischen oder clonischen Muskeloontractiom n koinnit Muskelspannong,
Zittern ', bleibt die Warmeproduction unv(>r;irulert. Die damit verbundene .•Steigerung
des Stoflverbranches kann bis loO"/,, betragen, ohne doch ein weiteres Sinken
der Körpertemperatur verhindern zu können.
WtNTRRNiTZ<7) „UeberWftrmereguIation und Fiebergenese" Bohreibt: Die
Blutgefässe der Haut beginnen sich bereits im Fieberinvasionsstadium zu verengen,
ehe eine Temperaturstfigerung wahrzunehmen ist. Mit dem Fortschreiten der
(jclässcontractiou steigt auch die Temperatur an. Der Frost beginnt erst, nachdem
die Temperatur bereits einige Zeit im Ansieigen begrüFen und die Oeftsseontraetion
der Haut das Maximum erreicht hat. Und umgekehrt geht dem Sinken der Körper»
(emperatur die Krwt iternng der HautgcrüsHc voran. Mit dem Maximum der GeHiss-
erweiterung sinkt dann die Körpertemperatur wieder zur Norm und unter die Norm.
KosKMTHAL fand mit seinem Luftealorimeter, dass im Stadium des
Temperaturanstieges die Wärmeausgabe stets vermindert, eine Vermehmng der
W;irmeprodnction nicht nachweisbar ist. Auch auf der Fieberhöhe gieht ol^t die
Haut des Thieres und des M< nscheii weniger Wilrme ab; erst Ix i lilngercui He-
stehcn des Fiebers erreicht die Fieberabgabe wieder ihre frühere Höhe, um beim
Fieberabfall — auch beim kflnstlichen durch Antipyrin — su dnw grosseren
Steigerung der Wflnneausgabe flberzugehen.
Die u r a 1 1 f Fra<rc nach dem H c i I w e r t h e des Fiebers wird nmer-
dipgs immer energischer aufgeworfen. Die alten Autoritäten werden vielfach citirt.
HiPPOKRATES mit seinem Worte : Quo natura veryit, eo tendere oportet, ßossicsi :
(,>ii<>s infni/i.jii -.///( .<* remetlia non cttrant, fibrfn curat. Auch Bokuhave:
(Jnifl est filnis.' /',•>/ nntitntp iirltnUii ''nniniicii ml p.rprll mdinn st i nnilnnt
infi.nt'intniti . Noch viele andere kömiten citirt werden. i\eiue Fra;re, dass diese
der alten Tcle<'logie sieh niiberndc .•Anschauungen betreffs des Fiebers .sowohl wie
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FIEBER.
3ül
betreffs der Entzündang dnrfh darwinistisclie Ideen neuerdinfrs wieder in die Höhe
gebracht nind. Als allgemeine Natarerscheinuog will ein ueueäter Schriftsteller
Uber das Fieber, M. Ukbz dasselbe sogar bis su den Pflanzen- und Elementar-
oTfanismen verfolgen und HefoaeUen fiebernd geniMht haben. Der fiebernde
Organismus, meint er, ist ein Staat von fiebernden Zellen. Durch septische
Infection, auch durch mechanische Heize konnte er die Stoffwechselvorgäng'e der
Hef'ezellen zu fiebernden machen, liiuduog und Freiwerden des Wassers des Zcll-
protoplasmas riebt er fBr dns Wesen des Fieber« nn.
A. M. DocBMAKN*«), der das Fieber als Ausdrodt der Heilkraft der Nator «
betrachtet, triebt an . dass mit Curare vergiftete Ratzen , wenn deren Wärme im
Wärmekasten sich auf mehr als 40° erhöht, viel tichueller «ich von der Wirkung
des Olftn befreien sollen als bei normaler Tenpcnttttr, trols der Unterbindung
der (Jretheren.
Die Patbolnor-ie hat in ihrer langren Gcschiehte zu viel diir<-h Theorien
irelitteii, als dass sie nicht mit ntlchternster Prüfung an die unisiclitijrstc Erwägung
und Situderuug der Thatdacheu gehen sollte. Wir müssen uubefangenc Beobachter
der Natur bleiben, selbst wenn die darwinistisdie Betrachtungsweise hier etwas
beweisen könnte , was gar nicht der Fall ist. Auch dass Rcfus von ErassOS
etwa p. (^hr. das Heber für ein grosses Heilmittel erklärt hat, von dem zu
wüuächen wäre, dass mau es künstlich erzeugen könnte (ÜÄäKRS Geschichte d.
Med. I, pag. 338), darf uns ebenso wenig gefangen nehmen, als moderne An-
schannngen vom reinigenden Feuer (Pflüger]. Nur eine grosse Thatsache können
wir zu Gunsten de.< Heilwertbea des Fiebers anführen, das ist die : Fieberhafte
Krankheiten haben die Tendenz zum raschen Verlauf und Ablauf,
sei es zum Tode, sei es zur Selbstheilung und in erheblich hohem Prooentsatze
znr Selbstheilung. Dies gilt gans besonders von den Infeetionskrankheitw. In-
fectionsnrsachen , die kein lebhaftes , continuirlichefl Fieber erzeugen , werden
chronisch, oft von lehenslänglieher Dauer, wie Syphilis, Lepra. Andere, wie die
Cholera, die liuudswutb, verlaufen zwar rasch, aber sehr schwer. Das intermittireude
Malariafieber , das remittirende Fieber der Tuberkulose raeht auoh sur rasehen
Kntscbeidung nicht aus. Hingegen führen Krankh^ten mit continuirlicbem
F'ieber, wie Masern, Scharlach, Poeken, Pneumanie. Typhus ahrl . und e.rnrith.
rasch zur Selbstheilung oder zum Tode. Die Selbstheiiuug kann bei keiner Krank-
heit stattfinden, wenn niebt die Krankbeitsnrsadie entfernt oder unsebidlfeh
gemacht ist. einseinen dieser fieberhaften Krankheiten findet naohwmsbar im
Fieber eine Z e rs t ö r u n g der Frsaehe statt, so die der S[)irochaetc Obermeirri
in der Heeurrens. In den meisten anderen wird der lufectiousstotV aber gar nicht
abgetödtet, sondern wird vollständig wirksam für jeden empfänglichen Menschen vom
Körper losgestOMen, von einem Körper, der aber nun doch seinerseits immun geworden
ist. muss also eine Umpräg ung der Gewebe stattgefunden haben. Ob
aber nicht das Fieber eine blosse Folge dieser Umprägung. dieser grossen
Stolfwechsehtürung ist? Dass das Fieber selbst nicht von souveräner Bedeutung
dabei ist, dafOr spricht der ünistand, dass die Dauer der Immunität gar nicht
von der Höhe des Fiebers abhängt. Auch leichte Fülle von Scharlach, Masern,
Variola mit geriii^'em Fielier. gewähren für's Leben Immunität. Dass aber nun
gar hohes Fieber ein günstiges Zeichen, die rasche uud intensive Reinigung
durch Feuer für den einzelnen Krankheitsfall ein gutes Omen wäre, hat noch
Niemand an behaupten gewagt der AogensdHun spricht auch au deutlieh dsgegen.
Es wird also der Zukunft zu überlassen sein, ob es rathsam sein wird,
irgend welche fieberlose Krankheiten , also etwa Syphilis, Lepra dureli ein Fieber
erzeugendes Mittel zu einer ticberhaften umzugestalten. Weiter, ob ein derartiges
kflnstliehes Fieber wesentliche Yortheile g^nfllwr der HTperthermie böte, die sieh
jetzt schon durch die diaphoretiaehen Gnren, die sogenannte metasynkritische Heil-
metbode erzielen lassen, endlieh ob es Mittel giebt, welche Fieber und nichts als
Fieber erzeugen, im Uebrigen aber völlig unschuldig sind.
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FIEBER.
Wlbreod die salutäreo Seiten den Fiebers noch ioimer strittig sind, liegen
die deletftren auf der Hand. Auf der Hand liegt, das« dnreh die Verbrennnng
des Körpers bei hftherer Blotwftrme, bis 42<' statt 37^. ein stärkerer Consam des
Körpers stattfinden tnma, ein Conaum, der durch die Verbindung mit der grleich-
zeitigen Inanition eine ganz erhebliche Reduction des Körperuiaterials und der
Körperkräfte hervorrufen mass. Als unmittelbare Folgen der erhöhten Körperwärme
treten Taebyeardie and Wirmedyapnoe ein, also StOnmgen sweier edir lebentwiehliger
Functionen. Die Gesammtmusculatur des Körpen, wetefae ihrerseits die HUfilie des
ganzen Kr»r pergewichtes ausmacht und das Blut in seiner Znsanimen<«etzung mtlsseo
beim Fieber um so mehr leiden, aU in Fulge der Inauitiun und der mangelhaften
Verdavang die Wiederitentellnng des Körpers die stirkste Einbasse erleidet. Der
Schaden in Folge eines hohen oder langdauernden Fiebers int Bieber, der Vortheil
problernntiseb. um so mehr, als, wie oben erwilbnt, die fieb?rliaften Krankheiten
bei hohem und niederem Fieber in gleichen Zeiträumen heilen, respective Immunität
hinterlassen könoen. So ist denn bei aller alten theoretischen Zuneigung fdr das
Fieber praktisoh immw Antipyrese geflbt worden, nnr in sehr versehiedeaeoi Masse.
Selbstverständlich sehen wir dabei ganz von jener Antipyrese ab,
wo es niöfrlicb ist , mit dem Fieberproeesse aueh die F i e b e r u r b aeh e zu ver-
bannen. iJass es nützlidi und not h wendig ist, die Malaria mit ihrem Fieber
dnreh Chinin sn bekämpfen und den acuten Gelenkrhenmatismus mittelst SsUeylsiore,
wird der grösste Fieberenthnsiast unserer Tage nicht bestreiten. Die Abneigung
gegen das Chinin als freien einen Eingriff in den Wil|e;i (iottes gehört einer
fremden Weltanschauung au. liier sprechen wir lediglich von Jener Antipyrese,
welehe nichts mit der radioalen Verniehtuog der Krankhatsursaehe zu thun liat,
sondern nur mit der Bekämpfung des Fiebers als Symptom, als Folge-
zustand. Sollen wir hier das Fieber gehen lassen? Ist die Bek.lmpfung rathsam und
mit welchen Mitteln ? Die radicalen Ansebauunf^cn Uweiirioht's , „dasa kalte
Bäder nicht antipyretisch wirken, dass antipyretische Mitt^;! zwar antipyretiiich
wirken, aber für den Kranken nieht nfltsUeh seieo, dass die hohe Fieberteuipwatur
nicht nachtheilig im Fieber, sondern nützlich sei", diese radicalen Anschauunsseu
haben keinen Heifall gefunden. Bei Hehandlunf; des Abdominaltyphus wird das
kalte Bad, in mehr oder minder curroctor Durebtilbruug der BfiANü'schen Methode
sehr hoch gesehfttst, sowohl wegen seiner antipvTotisehen Wirkung in Herabsetsung
der Eigenwärme, als auch we^^en seiner anre^renden Wirkung auf die Bant,
respective die Hautnorven und dadureb niittelliar anf das pe-ammte Nerven-
system. Dass bei dem lang dauernden Fieber des Abdominaltyphus auch eine
frühzeitige Bekämpfuug der Inanition von grösstem Eindusse ist, wird allgemein
anerkannt. Viel getheilter sind die Stimmen Uber die ebemisebenAnti-
pyretica, soweit dieselben nicht wie Cliinin und Salicylsäare im Malariafieber
und (ieleiikrbeumatisnnis die Causah'ndieation zu erfüllen vermögen. Von neueren
Untersuchungen Uber diese chemischen Antipyretica wären zu nennen: (jOTTUEB ^'),
der mittelst des RoBNEB'seben Galorim^rs beim Kaninehen ermittelte, dass Chinin
die Witrmeproduction bei normalen Thiereu um 8 — l>^'' o verminderte, bei der
durch Hirn-Jticb gestcitrerten Körperwärme um 400 ^ ( Jleielizeitijr i-^t die Wärrae-
abgabe vermindert. Antipyrin hingegen vermehrt die Wärmeabgabe bei normalen
Thieren um O'ö^/o, naeh Gehimstich bis 55Vo, bei gleichzeitiger Vermehrung der
Wirmeproduetion. Beim normalen Thiere wie bdra gesunden Menschen wird die
Temperatur viel schwerer als beim Fiebernden berab;resetzt . die iJegnlation ist
enerjrisi'lnr. Antipyrin eignet sieb mehr IHr die einmall^'^e llerabdriieknng bober
Temperaturen, wo die gleichzeitige Steigerung der Verbrennung ohne Bedeutung
ist, Chiniu fttr Iftngeren Gebrauch. Eine eingehendere Behandlung dar Wärme-
regulation im Fieber und unter der Einwirkung der Antip} i ( tira ist von Richard
Stkrn^-: jreliefert worden. — G. OüDO '^j bilit bei den lifkaiinten Antipyreticis
(Acotanilid, Methylacctauilid, Paraoetphenitidin, Acetylpheuylhydroxiu, Acetoani-nidin,
Phenoldimetylpyrazolon, Anilin, Phenol, Resorein) den BeuEinkern fttr die Ursadae
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FIEBER. — FISCHGIFT.
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der antipyretischen und .-iur'b der «ntaloo:en Effecte. Statt der schleppenden, un-
baudiioben, ehemiscbeu Hczuicbuungen sind kürzere Bezeichaungeu für die viel
gebnnebten voter den «bemisehen Antipyretids in die Praxis flbergegang^en ; so
der Name Äntipyrin für das ohi^e Phenoldimethylpyrazolon, Antifebrin fflr Aceta-
nilid, Kairin für da« Oxychinolin.'Uliylliydrdr, Tlialliti filr das Tetrabydroparacbin-
anisol. Das Urtbeil über alle diese cbemiscbeD Antipyrctica gebt meist dabin, dass
dieselben wohl mehr oder minder ihrer Speeialaufgabe, Herabdrflelraog der Tem-
peratur genllfren, aber dass sie als geftbrUohe toxiaohe Mittel anza<icben sind und
dasH ihnen ein günstiger Kinflnas auf den Geaammtverlauf der Krankheit nicht
nachzurühmen ist. hie Kranken starben nn?efShr in demselben Proceotsatze nach
wie vor, nur jetzt bei niederer, statt sonst bei höherer Temperatur.
Literatur: *) Bde1b«rf, Areh./. ezp. Path> XII. — *) Bonssy, 8ttr la pa-
thofft'nie de hi fii i rf ; sufßstancrs calorighit« et ffifjorigenes d'origine mikrobii'nne , pi/reto-
yinie tt jriguri<ieuii . Gaz d, höp. Nr. 31- — *) Scli ützcn l>erge r, Sur un tiarnil
dt Routtfff Ttchei'chef experimenlales siir Iti patholoi/ie de la Ju cfe. au nuin de la ruiii-
miuüm eomposie dt A. Gauthier, Uayan ttc, — *) H. Hildebrandt, Zar Keaatniaa der
pbjrriologfschAn Wirkunif: der hydrolyttsebeB Fermente. Virob'>w*8 Areb. OXXf. p«s. 1. —
*) Filehne, Zur Frage nacli Jetn Heilwertlie d^.s Fiebers. Virchow's .\rch CXXXI. pa^ 1. —
*) Jottkowitz u. Hildebrandt, Ueber einige pyretiHcbe Verauclie. U. U ild e b ra ndt,
Veiteree Iber hydrolytigchc Fermente, deren Scbickaale und Wirknaj^ea, sowie Aber Ferment-
festi^rkoit iini! rfoninirnifr ricr K<Tnu'ntrttionf»n im Orp.ini.smas. Virchow's Arcb. 1H93, CXXXI. —
') S a in ue 1 , Eiitzündiiutjslierd und KritzumlunKshot. Virchow s Arch. ISÜD, CXXl, pag. 273. —
Pel, Pseudoleucumie oder chronische.^ Rückfallsfieber. Berliner klin. Wochenschr. 1887,
Nr. 35- — Ebetein, Das cbroniacbe Kückfallsfleber, eine neue Infectionskrankbeit. Ibid.
Vr. 31, 45. — **) H. Haramereeblag, üeber die Besiebonxen des Pibrinfermentee mr
Entstehung de.s Fi-lnis. An^h. f. exp. Patb. XXVIT, pag.414. — ") Voickers, lieber Sarconi
mit recnrrirendi^u) Fieberv^rlaufi'. Berliner klin. Wochenschr. 1889. Nr. 30 und Hauser,
Ein Fall von chronischem Kückfallsliehcr. Ibid. Nr. 31. — ßinet. Recherches sur unt
sub)t(nnct thermoyine de l'urine. Kevue med. de la Suiese. Rom 1691, Nr. 10. — '•') Toma-
seil i. La intosstieatione rfhiica o j'thhrr ittaro-etnaf urica da chinina. Gaz. lombarda. 1889,
Nr. 5. pag. 4G. — Gangolphe u. Courmt nt. !>e In ßt ne rmtsecutire <V l'obliterntion
WMciUaire sans intercention mikrobitnne. Arch. de mM. exp. 1891, Nr. 4. — Sarbo,
Ardi. f. PSycb. XXIII, pag. 886. — '*) F. Krane, Vebcr den reepiratoriaeheo Gasanttanseb
im Fieber. Zeitschr. f. klin. Med. XVIIl, pag. 160. — Cavallero S. Riva Rocco,
Contrihutti nlln studio dt( jtroce.sso feltrile rirerrhe es/ierimniluli. Hivi.sta clinic. 1890,
Nr. 4. - - '~) .A.Löwy, StoffwechseluntBrsuchungen im Fieber nrni bei LungenaffectioDen.
Virchow'e Arcb. CXXVi, pag. 218 — ") Beiobmann, Ueber das Verhalten des arteriellen
BlDtdmekes im Fieber. Dantsdw med. Wocbensebr. 1889, Nr. 38. — "'O Langloie n. Biebet,
J>e l'iiißi<eh< e di hi tfinpirtAwrt intei uf sur lc\ roi,vulsions. Arfli. df Phys. I, '4. — ') Is:iac
Ott in Easton (Penn.sylvanla): Jleat centre« i» mui». Brain. XI, pag. 433 — J. Ott,
The thermo-polyjmoeir centre and thtmMrinxi«. Jonm. oftbe nerv, diseases. XIV, Nr. 4 n. 5 —
Haie White, Thr theorij of ptjrexin. Amer. Jonm. November 1890. Ders. : The efccl
upun ihe hoilelit teiiifrrtilure of lexiom itf the rorpora striata nud thalamus opticus. Joarn.
of Phy.s. 18^0, XI, Nr. lü. — '^') llgolino Mosso. Die Lehre vom Fieber in Bezog auf die
cerebralen Wänuecentren. Arch. f. esp. Path. XXVI, pag. 316. — Cantani, Ueber Anti-
pyreee. Internat, med. Coagress m Berlin. I, pag. Ibi. — **) N. Znntz n. A. LSwy, Ueber
die Wärmeregulation 1)eini Menseben. Anh. f. Aiiat. u. Physiol., Ablh. f. Phy.s. 1889. pag. ;i5S. —
•'') Win lern itr, Utber Wärmeregulation und Fiebergenese. 1^ Vortrage. 1890, pag. 115.
Rosen t ha 1. Die Warmeproduction im Fieber. Biol. Centralbl. XI, Nr. 18. Berliner klin.
Wochenschr. 1891, Nr. d4- — * ) M. Herz. Unter-suchongen über WÄrme uud Fieber. 1893. —
Dochmann, Fieber al.s Ausdruck der Heilkraft der Natnr. Wiener med. Presse. Is89,
Nr. 13. 14, Iti. — ^'i üottlieb, Kalorimetrische Untertiuchnng über die Wirkungsweise des
Cbioia und Äntipyrin. Arch. f. exp. Patb. XXVIU, pag. 167. — ") Riebard Stern, üeber
des Verhallen der Wftrmeregniation Im Fieber nnd unter Binwirlning von Antipyfatiste.
Zeit.ichr f klin. Med. 1H91, XX. pup. 63 — ") Oddo, IteJuzinne tra la eonstituxiwM
clinicu e IK^iinu flsiidoyica äci compasti della serie aromat, üaz. clioica Ital. IX.
Samuel.
Fischgift i vergl. Real-EncycIopAdie, 2. AuH.. p.N<r. 237). Die AbbAngigkeit
der r u s M i s (• h 0 n S :i 1 z fi s c h V c r Of i f t n n ^ von bestimmten pathogenen Mikroben
wird neuerdings von Abustamow behauptet. Der dafür angeftlhrte Umstand,
daas das Fleiseh der Stemhansen nnd Laehae, nadi mlehem er da« Eintreten von
Yergiftangseracbeinungen beobaehtete, keinerlei FAtllDiaaerscheinunu'cn darbot und
von gntem Geschmack war, i.st von prerinirer Bedeutung, da auch das dem iSalz-
iischgifte analoge Wurstgift sich in Würsten fiadeu kauu, welche in ihrem Aus-
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FISCHGIFT.
sehen Verändcrungcu uiubt zeigen. Daas flbrigeDS in Bezug aut die Salzung ein
etwas Btt leiflhtet DnnlidningeDadii des Flelsebei su rflgen war, wird von Ardstamow
selbst zngegebea. Nor dureb diesen Tinstand ist es meh erklärlich , das« das
Fleisch von zahllosen lebenden Mikroben durchsetzt war, die bei ricbtifrem Salz-
gehalt wühl nicht fortexistirt haben wOrden. Nach Abustamuw gaben die irag-
liehen Mikroben Cnlturen, die denen der TyphnsbadUen sebr Abnlieb anasabeOf
docb lieeaen sieb sowohl zwiseben ibnen und wirklieben TyphrnbadHen , ab
zwischen den Mikroben de^« Lachses und des Accijienfter sffifutus deutliche Unter-
schiede teststellen, wenn man die Sticheultnren und die (lelatine verflüssigeoden
Eigenschaften verglich. Es handelt sich übrigens um Bacillen, die beim Lachse
dicker and llDcer als im Stemstörfl^be sind. Diese DiAsrens ist allerdings
intereasant, würde sich aber dadnrek erkUren, dass die betreifenden Fischarten
ans verschiedenen Geg-enden stammen, und es fehlt der Nachweis völliir, dass sie
wirklich bei Fischen pathogeue Zustände erzeugen. Fäulnissbaicterien sind diese
Mikroben allerdings nicht, insoweit, als sie nie ttble OerOebe entwiekeln. JedeofiiUa
aber sind sie von soleker Entwicklungsfähigkeit, dass die in dem Fleiaebe von
Ardpeiiffer stfÜatiis vorhandenen Raeilleii sich auch in Sehnittprüparaten der
Leber, Milz und Niere der unter dem durch das giftige Sterlettieisch erzeugten
betiannten Symptomencomplex zu Grunde Gegangenen nachweisen lieasen. Zwingend
fnr die Annabme pathogener Badllen ist aber weder der Umstand, daas man
unter einer grossen Menge zu gleicher Zeit gefangener und unter ganz gleichen
Bedin^'ung-cn eingemachter Fische immer nur vereinzelt giftige Exemplare antriflPt.
noch derjeuige, dass die Kraokbeitssymptume sich von Tag zu Tag auch dann
Steigern, wenn vom genossenen Fisebe im Magen- nnd Darmeanale niebts mebr
naebgeblicl>en ist. Bei der Wurstvergiftung ist es mehrfach vorgekommen, dasa
nnr einzelne Würste derselben Rauchkammer zu Vergiftungen Anlass fraben. in-
sofern sie eben nicht alle gleichmässig von liauch durchdrungen wurden , und
bei den betreffenden Fischen ist in dem Naehweise, dass sie nicht gehörig mit
Sals impHIgnirt waren, jedenCrils ein Factum oonstatirt, aus welebem wir daa
Zustandekommen einer Zersetzung, die ohne das Auftreten f'4iik'r Fftulniss ver-
läuft, erklären können.' Steigerung der Vergiftungserscheintin^reu, ohne dass man
im Magen- oder Darmeanale noch Reste des Giftes nachweisen kann , hat man
aber aneb bei Vergiftungen, bd denen das direete Einwirken von Mikroo^anismen
ausgeseblossen ersebeint, beispielsweise bei der Intoxieation dnreb Amanita hd-
boM, gesehen.
Dass es übrigens auch Fftlle gibt, wo weit dringenderer Verdacht bezüglich
der Abhängigkeit des Effects giftig wirkender Fisebe von Infeetionsproeeesen
besteht, beweiRl ein neuer engliseber Fall von Vergiftung durch Bflchsen-
Sardinen, nach deren Genuss der Tod eines iresunden Officiors unter den Er-
gcheinungeir» \on mali;::nem i>edcm in 25 Stunden erfolgte. Die auti'allend rasche
emphysematöse l^iuluiss des Verstorbenen und der Umstaud, dass Fragmente der
faulra Leber, auf Meersehweineben verimpft, malignes Oedem erseugten, lassen an
eine milzbrandige Affection denken. Demungeacbtet fanden sich weder in den
Sardinen, die auch auf Thiere giftijr wirkten, noch in dem von dem Verfrifteten
Erbrt)ehunen pathogene Bacillen, während ein icrystallisirendes und starli wirikcndes
PtomaTn darans erhalten wurde. *)
In Bezug auf die Verbreitung des sogenannten Fugugiftes in den
verschiedenen T e t r o d "U a r t e n Japans ist zti erwähnen, das» nicht aile
Tetrodonten giftige Eigenschaften besitzen. Willig uugiftig ist Tetrodon cutaneim.
Die giftigsten Arten sind Tetrodon chrysojja, T. pardalisj T. vermxcularit nnd
T. poecilonotu» : dagegen sind T. rubripe», T, porphyrmn, T. stietonottu und
7'. rivulatua weniger giftig. Das (iift ist vorwaltend in den Eierstöcken vor-
handen, die zur I>aichzeit weit toxischer als zu anderen Zeiten sind. Bei den
giftigsten Arten tindet sich das Gift auch im Hoden , Jeducb in weit geringerer
und Bum Th«i sogar nur in minimaler Meuge, wihrend es bei den weniger giftigen
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FISCH« il FT. —
FLUSS VERUNREINIGUNG .
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Arten im Hoden überhaupt nicht nachweisbar ist. Aehnlich verhalten sich Leber
und Einfrcwcidc, während in den Muskeln auch bei der j^ifti^sten aller japanischen
Kuguarteu , T. chrifnoi>8 , kein Gift vorhanden ist. Minimale Giftmengen linden
sieh aaeh im Blate toh T. ehryaops und T. pardcii», Hinsiclitiioli d«r Beeiiio
fluHSung^ (\v< I'u^u^ftes darch Kochen hat sich herausgestellt, dus die 4 bis
8 Stunden dauernde Einwirkung der Siedehitze die toxische Action auch dieses
Fiscbgiftes erst abschwächt und später völlig aufhebt; auch die frischen Eier-
stöcke werden doidi laoget Kodien ungiftig. Taeahashi oDd Inoko*), deoeii
wir die neuesten Studien Aber Fugugift verdanken , haben in zwei Fällen , in
df-ncn der Geniiss von Tetrodonten tödtliche Intoxication unter den charakterisHschen
Liibmungserscbeinungen herbeigeführt hatte, das Gift durch die bei Fröschen her-
vortretende CnntrewirkuDg des wässerigen Extraots im Magendarminhalte , Blut,
Harn und selbst in der Perüonealflflssigk^t naebgewieseo.
I, i t r :i t u r ; ' t Arustamow, Ueber die Natur des Fi.schtriftcs, Wratiidl. 1891«
Nr. 19. Therup. Monatuh. Juni ld9;j, pag. {i)j4. — Stevenson, roUomny by eardüte»;
tt toxie ptomaine. IMt. med. Jonen« 17. Bm. 1802i pag. 13S6. — ') Takahashi und Inoko,
Uittfaeil. der med. Facaltät sa Tokio. 1892, Nr. fto, Bd. I, pag. 37. Hnaoiaanii.
Fischgifte. Zu den bisher untersuchten Fischgiften kommt noch dne
Papilionacee des tropischen Amerikas, liohinia Nirm/, die zerflossen von den
Caraibeu und anderen wilden Völkerschaften zur Betäubung von Fischen benutzt
wird. Naeh einer Unterradiiing von Qboffbot and SCHLAODENHAiiFFBir ent-
hält sie ein krystallinisehee, in Alkohol leidit^ in Wasser fast gar nicht lösliches,
in sehiH'eweissen Krystallen zu erhaltendes Princip . das in htU-hst minimaler
Men^e Finche verfriftet. Wasser, das davon 1 : 1,000. f)t M i in alkoholischer Solution
beigemengt enthält, ist für Fiäcbo bereits toxisch. Auch für Frösche und Kauinchen
ist dieser noeh nfth«» an nntersnehende Stoff giftig; die Ersehdnnngen rind ge>
steigerte Reflexerregharkeit and rapide Pulsverlangsamung. Andere Fisehgifte des
tropischen Amerikas sind -Tncquinia nrmillaris eine Myrsinee. die we^en der
Verwendung ihrer getrockneten Früchte zu Armbändern in Westindien als Bois
hraeeltt (Armbandbaam) beseiehnet wird, nnd Surjania leUdvt 8t. Hü,, ein
■Strauch aus der Familie der Sapindaceeni von welebem man die Giftigkttt dee
Honigs der Lecheg:uaaawespe abldtet, dessen toxisehe Wirkung St. Hilai&b an
sich selbst erprobte.
Literatur: K. üeoffroy, Sur lu Hobinia Stcou el moh priticiite uctif. Joarn.
do FbamL Nov., pag.454. Husemann.
Fluorescein, 8. Augenheilmittel, pag. 47.
Flussverunreinigung (vergl. den Artikel AbfalUtuffe in Bd. I
der Bncyelopädtseben Jahrbfleher, spec. pag. 18). Dass das Wasser eines staric
verunreinigten Flusses — das „Wie" der Verunrtunignng sei aaniehst in sweite
Reihe «restcllt — diejenifren Mensehen ('„I feranwohner"), welche es geniessen oder
im Haushalt als Nutzwas-fer verbrauchen . an ihrer Gesundheit schiidijrcn mU.S9e,
ist eine allgemeine Annahme, deren Behauptung ebenso volksthümlich , Ja selbst-
verstindlieh ist, wie ihr exaeter Beweis eomplieirt and sohwkarig. Von den grOnd-
lichen und weitumfassenden Arbeiten der 1868er „River PoUntlon CommiMioa'' ^)
an bis zu den l'reisarl»eitpn , die auf sflehsisehe Veranlassung unternommen wurden
und den schätzenswerthen Discussionen , welche der Deutsche V^erein für öffent-
liebe Gesundheitspflege auf seinen Oongressen in's Leben gerufen hat*), ist die
fra^iehe Beweisführung unablässig von umsichtigen und gewissenhaften Forschem
in Angriff iPren<imnien. auch unletiL'b.ir i.'('t''>rdert worden, jedoch ohne den erhoflften
Erfolg: mittelst einer lückenlo.-seu .'^clilus-itHl^^erung aus dem Maass oder der Re-
sebafliNiheit der Verunreinigung zu dem Grade der Schädliehkeit zu gelangen,
oder in den erstrebten Gleiehungen wenige oder dnige unbekannte OrOssen
statt unzähli;rer zu haben. Nicht wenig wird, wie gleich einleitend hier betont
werden darf, die so oft in Angriff genommene Aufgabe noch vwdunkelt, ja ver-
Encjrdop. Jahrbücher. III. 2U
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306
FLÜSSVEROMREIKIGÜNO.
wirrt durt-h die eif^cnthümlichen , sueben in ihren Ant:inf<cn «rxperimeutell ent-
hüllten Vcrwandluagea des Flusawassers , durch welche dasselbe, wie man sagt,
eine „Selbetreioigaiig*' sieh lautet.
Schon UQter Festhaltun^ dieser Punkte gelangt man zu der Noth wendig-
keit, jede Flus^verunreinigrunff als eine zeitlich, örtlich und gradwcis»^ verschiedene,
als relative aufzufassen. Zwingend gebt dic^e Aullassung auch hervor aus der
Art der Vemnreioiguiigeii : solche dnrdi Abwässer tod Fabriken nnd sol^e,
welche die Hnos-, Cluset- und sonstigen Abwisser mensehlicher Wohnnngen suni
Trsprunge hahen. Da die Heziehun^en zur Wasscrmenpfe des Fius-'es, zu seinem
GefAlle, zur Bcächattenbeit seines Bettes, zu seinem (^uersehnitt , der Bewegung
snnes Inhaltes, zum hOchsifln und niedrigsten Wasserstande, kurz su dem ge-
sammten „Regime" des Flnsses neuerdings durch ausgeiteieluietB Monographien
analysirt und jreschildert worden s-ind, wird et* zum Verstllndniss der neuesten
Arbeiten auf diesem (iebiete ^enüfren, auf die mit dem S!initiltsi)olizeilichen (Jebiet
unmittelbar zusaromouhilngenden Fragen einzugehen und die auf der allgemeinen
Reditslage b^rflndeten Vcrwaltnngsvorschriften nnd polueiliehen Anforderungen
an die Reinhaltung der FlOsse zam Schluns jener Reeapitulatlon anznftlgen.
W;i>; die SelbstreinipTung^ der Wasserlüufe anlatiirt. uo i-^t als eiue solche
nur mit \ urbebalt die A blagerung der achwebeudeu Unrein igkeiteu, wieviel sie
dem Anschein nach auch in schnellfliessenden, mit flachem Bett Tersehenen StrSmea
leisten mag, aufsnfaeseD. Jedenfalls können selbst die in grösseren Tiefen abg«^
setzten Schmutz- und Stickstcfic lici jedem Kiufveten von Hochwasser von Neuem
mit dem Flusswasser vermischt werden. Aber auch dort, wo sie vom Hochwasser
nicht in die^ev Wei.se wieder aufgesucht werden, bedürfen sie einer längeren
Zeit, um sam Nihrboden fDr pflanzliches Leben an werden, die einaig stich-
haltige Verwandlun.s: aus Rch.ndlicher ((kulMtder) in unschädliche organische Sub-
stanz durchzumachen. Inzwischen bleiben sie bei ihrem Ladern an untiefen Stellen
der Luft und der Sonne genügend exponirt, um auch durch Ausdunstungen
die Athemlaft der Anwohner cn venM^eobtem. Was von experimenteller 8eite
zur Aufklärung der Selbstreini^rungsvorgänge geschehen ist, leitet — vom mecha-
nischen , wie vom chemischen Ausg^angspunkt lier — auf die Redeutunfj des
Bakterienlebens im ntrömeudeu \V.-i^»er hin. Ucberlässt man verunreinigte
Wässer, ohne sie erst zu filtrireo, in hoben Gläsern sich selbst, so treten neben
der Klärung durch Abnnken der suspendirten Stoffb Ozydationsvoigänge ein,
ijnter deren KinHuss einmal die or°:anische Substanz in Kohlens.lurc und Wasser
unifrewandelt wird , und (U^ren zweite Hauptwirkun^' d.as Ammoniak betritit. An
seine Stelle tritt — auf dem Wege des Uebergauges in salpetrige Säure —
Salpetersäure in immer steigender Menge. *) Von Nebenumständen ist es ab-
hängig, ob die salpetrige Silure als Zwischenstufe sich etwas länger hält oder
nur vorflherircliend und in minimalen Menffcn beobachtet wird : das Enderpebniss
ist jedenfalls die totale \ erlirennung des Ammoniaks zu Salpetersäure, die l^itri-
flcation, eine Mioeralisirung in dw Vollständigkeit, dass sämmtlieher Stick-
stoff des Ammoniaks beim Experiment sich quantitiUiv in Form von Salpetersäure
wiederfinden l.tsst.
Vor dem näheren Einrieben auf das eigentliche Wesen dieser Sauerstoff-
wirkungen verdienen die Unterschiede Erwähnung, welche — wie ja fast aus-
nahmslos so auch hier — zwischen dem Experimentiren im Wassergeffess und
den Hergängen im ^ros.sen natürlichen Strombett statthaben. Zunächst
wirkt das reiche pflanzlich«' Le}»cii an den Hftndern und auf dem (Irunde der
FlUs.sc nachtbeilig ein auf die L'eberciustimmung der quautitativ-aualytischen Er-
gebnisse. Die Wasserpflanzen bemichtigen sieh des AmmoniakstieIntofliBS , wie
der Salpetersäure und ihrer Salze frern als unentl»ehrIichor Nährmittel. Dadurch
werden dem in der Selbstreini^run;: lieirritlVnen Flusswasser nicht unerhebliche
Menden — besonders auch des I mwandlun^sproductes — entzogen, so dass man
au offenen Gewäs^^ern recht häufig nicht im Stande ist, den gesammten Stick-
FLUSSVEBUNBEIKIGUNG.
307
fttofnbetng dos ursprllii^^lichtn AmnoaiakH später in Foarm der Salpetersäure nach-
znweisen. Auch die Ahnnlmie der zersetzungfsfithipren org:anischen Substanz crlpidct
im otl'eDun Wasiäerlaut' Stüruiigeu, wie sie das V^ersucbsgefäsa nicht kenut: wena
in FlttMen, die stark von Al^en besetst siod, die letzteren abiterben, so kOnnen
ihre organischen Bestandtheile zum -rrosson Tbeil in das Wuser übergehen nnd
dieses auf beschränkte Strecken mit einem neuen Zusi-hiiss orL'anischor Substanz
bereichern. Dies sind jedoch ersichtlich nur quantitative, keineswegs principielle
Unterschiede des Versuches im Kleinen und des Herganges in der Natur.
Allein es fehlte bis vor Karzern nieht an Stimmen aus dem natnririssen-
schaftlichen Lager, welche der AufTassong das Wort redeten : in der freien Xatiir
vollzöge sich jene Oxydation milteist de^ Luftsauerstofies einfach durch die Be-
rührung der Wasseroberfläche mit den ijuftschichten , durch die Bewegung des
StrQmens, aneh dnreh den Wind oder die Sonnenbestrablung oder dnreh alle
diese Factoren in ihrem Zusammenwirki-n. Zu Gunsten dieses Mechanismus liess
sich inde-is bei seiner .Nacbahtiiuii^ durch das Esperiment auch nicht eine wirk-
liche Tbatsacbe erhärten. ^>chUttelte man unreines und abgeklärtes Wasser (ähn-
lieh wie es in der Natur die Bewegung des Stromes oder noch energischer, wie
es etwa die Bewegung des WaKserfalles tbnt) mit Luft, so dass der Sauerstoff
dcrscll)en mit der Berührungsfläche des Wassers in stundenlangen Contact kam,
leitete man Sauerstoff oder selbst Ozon durch derarti^'es Wasser, so wurde die
Kitritication darin durchaus nicht beschieunigt, es schien ira Gegentheil der Ver-
brauch des dargebotenen Sauerstofite ein weitaus venögerter, kttmmerliober zu
sein, und die Selbstreinigung wurde in allen ihren Einzelheiten und Phasen er-
heblich aufgehalten. ')
Dieselbe Verzögerung findet andererseits aber auch dann statt, wenn
man — es geschah ursprünglieh in der Absieht, die Reinigung kflnstlieh zn
fördern — allerlei Feindseligkeiten gegen die kleinsten Organismen im Wasser
untorniiiimt. I.-mire schon kennt man eine Reihe von Keimen, die im Walser —
sciltst in dem an Nährstoffen anseheinend ganz armen, auch in dem mit Sauer-
stoff Überladenen, im atark bewegten und im sunneubcstrablten Wasser — ihre
Lebensfiüiigkeit nicht einbttssen. Hehrere Arten der Bakterienkeime wider^
stehen den sehirfsten Mitteln der Desinfection mit Ausnahme der Siedehitze, die
allerdings — gehörig an;rc\\ endet — ausreicht, um jeder IJakterienthätigkeit ein
Ende zu setzen. Merkwürdig verhält sich nun aber jedes im Processe der Selb.st-
reinigung begrifFena Wasser, welehes mit bakterienllhmeoden oder bakterientödtenden
Mitteln behandelt wird: es setzt nümlieh der Vorgang der Selbstreinigung plötz-
lich aus. Man kann seine rnterbrechuiii^: ;inch gradweise verfolgen. T^illimungs-
artige Zustände der hier in Frage stehenden Wasserspaltpilze werden bewirkt
dnreh Chloroform. Setzt man soidies dem Wasser zu, so tritt eine Verzdgernng
des Sauerstoffverbrauehes und der Nitrifieation ein, so lange der Ifthmungsartige
Zustand der Bakterien datiert. Kocht man das in der Umwandlung begrilTcne
Wrisser durch, so dass alle Bakterienkeime darin getödtet werden, so erreicht
man eine vollkommene Sterilisirung der Flüssigkeit , mit ihr aber auch gleich-
zeitig unausbleiblich das vollkommene Aufhören jeder Selbstreinigung. Derartiges
aller Mikroorganismenthätigkeit beraubtes Wasser behält seine organische Substanz,
beh;l!t sein A tiimoiiiak , mag es noch so energisch mit Sauerstoff oder Ozon in
mechaui.'jche Berührung gebracht werden. Dagegen setzt der Nitriticatiousprocess
▼on dem Moment wieder ein, sobald ein Znsatz von nieht gekoehtem, unreinen
Wasser wiederum frische, ozydirende Bakterien in die Mischung einführt: nach
Ablauf der erfahrungsroftssigen Zeit ist der Umsatz des Ammoniaks , das Ver-
schwinden der organischen Substanz vollbracht.
In das „Wie^' dieses letztereu Vorganges haben die Experimente
Bokohnt's^) mit formaldehydsaurem Natron und Glyeerin klarere Einblieke er-
öffnet. Das erstere Salz spaltet schon beim Kochen mit Wasser Formaldehyd
ab) von dem man annehmen darf, dass grttne Pflanzenzelleu daraus Kohlehydrate
20*
308
FLÜSSTBBDMBBIMIGDKO.
SU bildeu vennögeD. Wenn die lebende Zelle im öUüde üt, jene« Salz zu spalten,
80 wird eine LBmmg von formaldehTdediwefligMiirem NstriAi dirdi dazin vege-
tirende Algen an organischer Substanz fortschreitend Xrmer werden. Dieses Ver-
armen Hess »ich an den abnehmenden Rednctionsvcrmrtgen gregen Permanganat
schon nach einigen Tagen nachweisen , gleichzeitij^ tülllen sich die Zellen der
Algen (Spirogyra nittda) mit Stärke an. Auf 10 Grui. der Alge wurden in
10 Tagen 11& llgrm. des Satoes eonanmirt. Aneli Olyeerin wurde In i^eleher
Weise verwandt: 10 Grm. Spirogyra nitida verbrauchten in 5 Tagen 66 4, in
lU Tagen 168 Mgrni. Glycerin, während sie auch hier die Stärke in den Chloro-
pbyllbändern anhäuften. Controlversuche ohne Algen ergaben keine Abnahme
bdder Snbstansen.
Unerl&sslicbe Vorbedingung für die Aufnahme organischer Substanzen
auH verunreinigtem Wasser durch Algen ist jedocli . wie Hokokw betont, das
Gesundbleibeu derselben. Kränkeln nie oder werden aie während deti Vur-
sucbes erbeblich geeiOrt, so cessiren die Vorgänge. Beim Kränkeln nnd AlMterben
scheidet rieh organisdie Snbstans ana den Algensellen ab.
Hiernach wird es auch begreiflicher, dass eine lebhafte Bew^nng, das
DiirehseliUtteln als solches eine Verlatiirsanuing des selbstreinigenden Processes
zur Folge haben mu88, da es, wenu auch nicht als bakterientödteudes Agens, so
doeh als Störung dar Bakterienarbeit eingreift. In ilirer Gesammtbeit führen
indess die Versoebsreilien , wie die Erfahrung im Grossen auf das Schlussergeb-
niss, dass es eine unmittelbare Oxydation der Wasserbestandtbeile nicht
giebt, dass vielmehr die Nitritication und Mineralisirung des in der Selbstreinigung
.iMgriffenen FInsswassers in nahesn ToMkommeiier Parallele sieh ToDaieht
mit der Oxydationstiiitigkeit der darin sich auslebenden Spaltpilae. Besonders
wichtig wird den neuesten — wenn auch noch spärlich vorhandenen — Ent-
deckungen und Nachweisungen pathogener (Typlius- und Cholera) M ikroben
gegenüber diu Frage, wie grossen Widerstand diese letzteren bei dem Vorgange
des „sieh Auslebens" den nnsebidlieheren oxydirendenHlkroben entgegen-
anstellen im Stande sind. Im Allgemeinen erscheinen die letzteren geiade im
Nährboden des FIussw:i>;-ier3 an Concurrenzf.lhigkeit jenen (Iberlegen zu sein.
('. Fkä^'KKL bat die auüdrücklicbe Angabe gemacht, dass er aus dem Hafeuwas^er
von Ddisburg a. R., in wetebem ibm der Nachweis von CSholeiabaeiUen gelungen
war, bereits naoh 2nial 48 Stunden keine Kommabacillen mehr iflebten konnte.
Bei in« C. Wassertemperatur und im sterilisirten Wasser sterben gerade diese
Mikroorganismen ebenso selmell ab. IIürPE''i dagegen hatte zu beobachten Ge-
legenheit, dass iu eiuem sehr verunreinigten Wasser, welches bei 16 — 20° Tem-
peratur gehalten wurde , rieb unter stindiger Abiuüuae ihrer Zahl (nnd ihrer
Infeetionstttohtigkeit) die letzten Kommabacillen doch nocb am 10. Tage des
Versuches recognosciren Hessen, — Die Nachweise von Typhusbacillen in Fluss-
wässern stehen zwar an Zahl Uber den binsichtlicb dea Cbolerakeimes gelieferten,
sie leiden jedoch, was aneh seitens der franaOsisehen Bakterienforseber (Chaittb-
MEssE und WiDAL, H. ViNCKNT, LoiR Und TflOiNKT. Dr Mesnil, Pouchet u. A.)
bereits an sebiltzbareni Material für diese Seite der Verunreinigiingsfrage beige-
bracht wordeu ist, noch immer unter einer gewissen l'nsicherheit. Dies muss
uns auch verhindern, gerade an dieser Stelle auf die Frage, inwieweit Selbst-
reinigwigsvorginge den Typhuskdmen gegenOber ihre Haeht entfalten, näher
einzugeben.
Was die Verilndeningen in der Zusammensetzung der Flusswässer anlaugt,
80 sollen nach neueren 1. utersucbungeu von Low 'j die Oxydationen der orga-
nischen Substanzen schneller vor sieb geben (die Voi^nge der Selbstreinignng
also begflnstigt werden) durch Anwesenheit der Hicarbonate von Kalk und
noch mehr von Magnesia. Eine Scbildigung der hauptsilehllcbsteu Vertreter der
Flussvegetation — neben Algen kommen Oscillarien und Euglenen , Diatomeeu,
Spirogyren und Zygnemeaarten in erster Linie in Betracht — durch ^a Ueber-
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VLUSSVEBDNREINIG UMG.
309
maass an gelOlten organischeu StotTen ist nicht za befürchten, da. wie LöW
und RoKORNV p-ofuTulcii haben, diese Was.acrbewohner t-vM absterben. I)e/iebiin;j8-
weise ihre Thiltigkeit einstellea , uacbdem das Wasser mit Uber 1 : 1000 orga-
oiscben Nähntoffen beladen ist. Winterkftlte dagegen bedingt im Allgemeinen
das Aufhören jener Thitigkeit nicht. Ifaehtlos ist letztere jedoeb den gröberen,
makroskopiseh iiceb sichtbaren oder gar voluminösen ürirciniirlccitrn (Kotbballen,
faulenden Kiii'hen.ibfilUen etc.i gegenüber und auch dann, wenn die Wasser-
menge, welche das Flassbett passirt, zu gering ist.
An diesem Punkte des Problems setzen die Brfabron^en von Pbtticx-
KOKER ein, welcher — angesichts der .3456 Millionen Liter Wa-sser, die mitteUt
der Isar aueh ^x i deren niedrigstem \V:i>^sersfande t.'i;;lich an der Stadt Mllnelien
TorbeigefUbrt werdüD — uhne liedenkeu die Einleitung de^ berechneten Inhaltes
der Hflnchener Siele: pro die 351.120 Kgrm. Harn nnd 46.680 Kgrm. Koth
(zusammen 20.440 Kgrm. organiseber StoflTe) in den genannten Fluss befürwortete.
Man selie nJlnilieh. wie der greife Gelehrte ausführt, einem Wa'^ser, welchem man
in diesem Verhältniss Harn und Filco« zusetze , eine Verunreinigung gar nicht
au ; auf einen Liter kommen dann nicht mehr als G Mgrm. von Fäcalien her-
rlihrender StoiTe. Die thatstcblieh gemaehten Beobachtungen sprBeben, selbst als
sie bei besonders niedrigen Wasserstlnden der Isar ausgefllhrt wurden , eine
durehaus ilhnlielie S|)raclie. Hei Preising (.3.'! KIni. unterlialb München) bei
niedrigem Wanserstande gcsehopftes iKarwasscr war dasselbe , obwohl schon jetxt
auf nneontrolirharen Wegen die Hftlfle aller PSoalien Hflnehens der Isar suge>
führt wird, klar nnd mit nicht mehr <>r>;aTiise}ien Bestandtheilen belastet, als da«
oberhalb Münchens gesehöpftc. und st lb-jf hri htiiininiüL' '7 Kim. iiiitci hrilb ) w.ir
von einer Flussverunreinigung im gebriiuehlichen Siuue nichts zu con.slatiren. Denn
auch hier war von einem Uebcrschuss au organiseber Substanz nichts nacbza-
weisen, und es bestund Tollsfftndige Oesehmaek- nnd Gemehtongkeit. Bakterien
wurden im unteren Flusswanser (I'"'reifting) etwas mehr als oberhalb Münchens gefunden.
I>ie Symptome der Flussverunreinigung sind aber neben trüber Be-
Bchaflfenlieit, üblem Geruch und (ieschmack und der Vermehrung der orgauischen
Stoffe , aueh das Absterben grösserer Wasserpflansen und Wasserthiere, das Vor«
handensein nachwdslich giftiger Stoffe, eventuell auch die Verbreitung epidemiseher
Erkrankungen l.tngs der Flussl.iufe. S^lehe Thatsaeben stellte v. Pkttkxkoffi?,
was die Isar angeht. voUdUlnUig in Abrede, '^j Beim Zustandekuuiuieu der Flu.ss-
▼ernnreinigung rieth er, nieht hnmer die Flealienvernnreinigung in den Vorder^
grund an rfleken, da ihr doch wchtlich die Selbstreiniguagsvorgftngo am siebt-
liebsten entgegenwirken , sondern mindestens das gleiche Augenmerk ZU richten
auf die gewerblichen und industriellen Verunreinigungen.
Im Einklang mit dieseu Hinweisen steht das auf sehr sorgfältigcu Kr-
mittlnngen fussende ebemieebe Outaehten Hbnrv Roscob's '*'), welcher an den —
schon vor der 1870er Plusscomtiiissiun so vielgenannten — Flüssen Mersey und
Irwell seine rntersuebungen an>'tellte. Von allen g e w o r Ii I i e Ii e n Betrieben
sind die VVoilwüsehcreieu, i'upieri'abrikeu , Gerbereien (und überhaupt alle Haut-
nnd Fellwerkshetriebe) die fOr die Vernnreinigung der Flösse mittelst der Ab-
wrissrr btdfiik liclisten, Bci Bleiehwerken, bei der Ammoniumsullatfabrication und
eheiiiisclMn Fabriken ver-rliiedeuer I'roduetioiiszweige wirkt il.i- Al)l.isseii von
Kalkschlamm und mauehen giftigen 8tolVen besonders .str»rend i wahrselieinlieli aueh
durch das Behindern der Selbstreinigungsprocessej. Bei den Kattundruckereiea
und Seidenfkrbereien sind die ßedenkliobkeiten geringer geworden seit BinOlhrnni^
der künstlichen Farbstoffe, welche im Vergleich zu dem ehemaligen F.lrbeproccss
(mit Krapp u. Aehnl ■ bi-deutend weniger Verunreinigungen veranlassen
FORSTEK (I'laucn) knüpft an die Gutachten an, welelic er sühou trüber
als chemischer Sachverstündiger Ober die Verunreinigung durch Einleiten der
Abwasser in- Flusslauf abgegeben hat. Die für die kleinen Flttssohen dci Voigt-
landes in Betracht zu nehmenden Verhältnisse haben ein gana besonderes In-
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310
FLÜSSYERÜNRBINIODNG.
teressc. Die pro .Secunde nur 2 Ccm. Wasaer bei Plauen vorbcitühreade Elster
musä tii^licb mehr aU 1000 Ccm. Abwässer voa Fabriken aufoebmen: eiu
VarbAItitiw^ welebes Iftogst sa Foiderangen Yon ELÜnahigenf beaonden bei FXr-
hereion, Wollwäschereien u. Aehnl., geführt hat. Die Abwässer von Darmsaiten-
fabriken und Vt'rmessinfrsjin stalten werden besonders bespr'ielien : sie enthalten in
lOO.OUO Tbeileu oft zwischeu 800 und yOO Tbeile Truclicnsubstanz mit über
400 Tbeilen PotUsebe , deren Beseitigung die grössten Schwierigkeiten bieten
kann. ^Im Tebri^en werden dem NAHNSBN'aeben und dem NSCMANN'aehen Kllr-
verfabren gewi^iSf Vortlieile uachL'-t'rfllimt.)
Durch das Mai^eubat'te ihrer Wucherungen ruft die chioruphylUose Be^-
giatoa alöa oft groatie Missstflnde hervor. Ihr Auftreten sebmnt weniger an
stftdtisobe Sptt^aucben, ata an die Abwässer von Zneker-, Stärke-, Snl-
f i t c cl 1 u 1 0 8 e fabriken und von Bierbrauereien frebunden. In Bezug auf den
StoffVccIisol dieser Alfrcnnrt bersclit in den Arbeiten von Winogradsky einerseits
und von il. äcHUKiB ^- j andererseits ein scbarter Widerspruch, dessen Lösung
Bieber von mehr als tbeoretisehem loteresoe ist, da — wie Schreib darlegt —
man nur dann eine rationelle Reinigung der betreffenden Abwässer wird vor»
uebnien kTumen . wenn {yenau fesf^restellt sein wird , . welebes die liäbrstoffe der
Beggiatoen m d fioustii^'er eldurojjbyllfreier Or^anisuien sind.
Eine Studie, die sieh besonders auf die >S c h iid 1 ich k e i t der Gas-
entwicklung und aof den Fi seh seh ad en seitens verunreinigter Flfls-w
richtete, hat Sf.rgkaxt an Mersey und RibbI ausgeführt. '3) Die Ausdünstung
schädlii'htT (iase in derartii;en Fliiss-rebieten erliflht die Disposition ttir Typhus,
Diphtherie und Scharlach; die Schädiguugen der Fischzucht werden in bekannter
Weise geschildert. Die Hauptquellen der Flnssveranrnnigungen sind llberall da
schwer zu verstopfen, wo es sich um sehr massenhafte industrielle Abwässer
und um iineoiürniirbare Wege für HäuserefHnvien (Gossen, wilde Glosetwirth-
sebaft ete.) handelt.
Einen möglichst exacten We^ zu Fortschritten bei der Vorabseliiltzung
der zu erwartenden Flnssveruoreinigungcn wies Baumkister in seinen Arbeiten
besonders im „Yed^leieb von Flussverunreinigungen". Er geht von der Anfstellong
eiiie^ V e r 11 n r e i n i fr II n ir s 0 o e f f i e i c n t e n ans . und drtickt diesen —
indem <t mit il die W.is>icruienfre des Flusses beim niedrigsten Wasserstande
in Cubiktueter pro lag , n)it v die mittlere Geschwindigkeit des Flusses in
Metern pro Secunde, mit E die Zahl der das Flassnfer bevölkernden Bewohner
bezeichnet — durch die Formel ^ , - — - aus. Bei der Berechnung muss der
L (1 4- c) "
ziffermassige Antheil der ihre Fäcalien ]>laumässig in ein in den Fluss mün-
dendes Canalnetz bringenden BevMkemng besonders ermittelt werden; ihm
entspricht in der Formel das e, dem vollständig durchgebildeten Schwemmsystem
die 1. .m Stelle deren, wo Städte mit reiner Abfuhr in Frage kommen, 0 gesetzt
wird. l>ie Selbstreinigung erfolgt auch naeh Baumeister umso leichter, je grösser
die Wassemienge und je grösser die Geschwindigkeit des Flusses ist. Aber auch
unter den sonst gilnstif;sten Bedingungen dürfte „5" die niedrigste Grenze sein,
weh'he von dem < '(H tlicicnteii erreielit werdfii muss. um f'analwasser unmittelbar
in den Fiuss hiueinleiten zu dürfen. HKK-Kiel hat Baümkisteu's Formel als
Ausdruck der Selbstreinigung, dagegen zum Ausdruck der Verunreinigung viel-
mehr die rmkebrung derselben, ^^^-^"'^^ empfubUn. Besonders wird darauf
aufmerksam zu macheu sein, dass die Ursachen der Selbstreinigung eincrseit^i
nicht etwa blos in verschiedenen Strömen, sondern in verschiedenen — auch
kleineren — Abselinitten des nämlichen Stromgebietes verschieden sein können,
aneli im Lauf der Zeiten Aenderiuigen iinterworfi-n sind. Hierin lag wliI vor-
neiiiiilieh der (iriiiKl, weshalb ein im kaiserl. (iesundbeitsamte ausgearbeitetes
Gutachten darin gipfelte, Untersuchungen in Betreif der einzelnen deutscheu
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FLUrfSVERUNREINIGÜNG.
311
Ströme auf ihre Selbstreinigongs- und VoninreiniofUD^scoeflicienten als nicht xweok-
eatsprecbend uad nicht genügend aussichtavoll zu bezeiobnen.)
Der Ervflhnung bedarf endlfeh an diesar Stelle noch jener Wechsel,
welchen das Flnsswasser (wenn auch smne Umsetsang ond Selbstrdnigung , wie
bereits erwähnt , im Winter nicht zur I'nterl>reclinn?: und Ruhe kommt) in den
ver.schi«'dt'nen Jahreszeiten durchzuniaohen hat. Im Sommer herrscht nach
alten Erfahrungen, welche L. l'FKiFFKK und EiSKiNLOHH ^'j spociell an der Isar
bestätigten, meistens ein hoher Wasserstand und dne relative Abnahme der
unorganischen l^C'^tandtheile, eine Vermehrunp: der organischen im Flasswaaaer;
jene beruht anf dem stärkeren Ziiziiiro di-^ f iruiidwassers l>ei trockenem, diese
anf der l'eberladuug des Uberliachenwasüer.s mit organischen Sabstauzen, die
durch RegengOsse dem Flass beigemischt werden. Im Winter nnd im Herbst
tritt die erwähnte stilrkere Beimenj^un^ anor{?anischer Stoffe (als Folge den niederen
Wasserstandes' mit h(»h<>in AhdarnpfwidtTstand, holuMn Clili>rL'<'tirilt ete. ein. wobei
gleichzeitig der SauerstoÜ'verbrauch ein wesentlich abuehnit nder zu sein pflegt.
Zur Voraicbt mahnen Pfeiffer und Eisenlohr noch besonders in Bezug auf
Deutung, von Gerflehen. Faulende Algenmassen und Beggiatoaoolonien , die mit
Ai/uti (If.sfifhifa verschlossen gehalten wurden , vorbreiten — gerade wenn die
Kfinlniss einsetzt — l iiien diin-hdrinirendon (vollständig an in Zersctaung begriffenen
Fiicalien eriuuernden; AmLiiuniuk^e.stank.
Schon ans den versohiedeoen Richtungen, in denen sich die Forschungen
ftber die Selbstreinigung bew^ haben und auä der nahezu unendlichen Mannig-
faltiirkrit. in welcher die v<'runreini,L'cnden Stofie eiii('r<< its das niedere Pflanzon-
lebeu bceiuliuHsen , andurerseita durch dieses selbst wieder einer Zersetzung und
Umsetzung unterliegen, als deren Ergebniss wiederum gans neue Probleme d«r
gegenseitigen Beeinflussung auftauchen, geht das Eine mit Sicherheit hwvor, dass
von einem rniv«'rsalniittel zur Klärung und rnschädlichmachung der veninroini-
gendun Abwjls.-er und Beimengungen nicht w(dil die Rede sein kann. Es wird im
Hinblick hierauf das HäuHgerwerdeu individuaUsircudcr Abhilfcvurscbläge und
das Znrflcktreten der verallgemeinernden Vorschläge, den Flnssverunreinigungen
an steuern, verständlich.
Der letzteren (iruppc gehört noch der Vorschlag an, welchen Wkbster
ans der Voraussetzung herleitete : Der elektrische Strum vermöge sowohl die
suspendirteo, wie die gelösten organischen Stoffe abzusebelden. Von den als Biete-
troden dienenden EisenpLitten (0*6 — 1 Zoll dick und 6 Fuss lang) werden in
einem Tanal 2.5 Paare angclirrn-lit , an denen die zu reinigenden Abwässer in
einer Menge von 8000 Ualloueu pro Stunde vorfiberlaufen. In Salford betrügt die
pro die „gereinigte" Wassermasso 10 Millionen Gallonen, der Arbeitsaufwand
400 indicurte Pferdekräfte, die Kosten fär Anlage und Betrieb sind recht be-
tr.lchtlich. Fchcr den Modus des Beinigungsvorganges sind zwischen Webster
und .1. Caktkk Bkij. -",! McinungsditTrrcnzcn, besonders Aber die specielle Frage,
ob sich au den den positiven l'*>\ bildenden Eisenplatten Eisenhypuohiorit bilde,
entstanden. Naehweisen lässt sich dieses jedenfalls nicht; dagegen konnte fest-
gestellt werden die Entwicklung von Sauer iiui! Wa-sseratoff, wenn die Abwfisser
viel Chloride enthielteti auch von (.'hior. Was tjcii h.iktcriologischen Erfolg betrifft.
SU 8(dleD 5 Millionen Baktericukeime des ursprunglichen Abwa.ssers sich nach der
Reinigung nnd durch dieselbe auf 600 im Gubikeentimeter vermindern. Bereits
am nächsten Tage aber (!) machte sieh eme Vermehrung bis anf den frflheren
Gehalt bemerklich.
Etwas iiniriitisti^'cr noch stallten sich die \acliprilfiinL;-J('r<rcl»niss(' heraus,
zu denen beziigiich der Abwässerreinigung mittelst Eiekiricitat Cl. FKiiiii ge-
langte. >i) Die Versuche wurden auf der Hflnehener Elektroteehnisohen Veraoehs-
station angestellt. Hinsichtlich des Metalls zu den Elektroden erhielt das Eisen
entschieden den Vorzug, und zwar in Fr>rm der auch von Wkh.-^tf.r angegebenen
tiacben Platten. Doch war die reinigende Wirkung eines Stromes von 0*42 Amp.
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312
FLU88VBRUNRBINI6ÜN0.
auf 1 Liter Caoalwaaser bei Istflndiger Dauer eine geringere als die von 1°^
Kalkwasaenusatz, die Kosten des elektrischen Verfahrens dem gegenOber viel hfther
nl« die der Behandlang mit Kalk.
Ferrozon- (Kif<envitriol , Ferrisulfat. Thonerdcsnifat , Kohlenstoff nnd
iinliekannte Theile, Iiifiisoriencrdp V* und I'nlarit- (Eisenoxyduloxyd, Thonerde,
Magnesia, Kieselsäure, Kaik, Kohle, Alkalien;-Einwirkuug bilden das sogenannte
Polnrife- oder „Intemntionnle System** der AbwSaierreinigang. Die ^rknng dieses
Systems wird sehr zu Gunnten desselben von J. Carter Bell mit der Sandfiller-
reinignng in Ver^'-Icich ^'(><^i-tzt: dass sie eine d e s i nf icirende nieht sein kann,
erhellt aus der Aufzählung der Chemikalien. ^*')
Ueber die nütaliehe Wirkung des Kalks sind noeh theils nnbedfaigtsn-
stimmende, theils in verschiedenen Punkten dissentirende Stimmen laut geworden.
Schreib, der mit vrr-icliiiHicn peniiscbten AI)w?is8(Tn Versuche anzustellen (yp\o<rrn
heit hatte, kuuiiiit zu dem Schluss , dass die Keinifrunir niit Kalk die nitmlichen
Erfolge habe wie Kalk mit (Eisenvitriol-, Tbouerdesulfat- und Kieserit-) Zu-
sitxen. »*)
Anf Kalklxnmengungen (neben ihren meelianisclien Ei^enthamlichketten)
beruhen die verschiedenen Klarsystoine. wie sie in verschiedenen deutschen Städten
die Reinigung der Ciosetabwässer durch liieselung ersetzen sollen : Üas Kockncik-
Rothe-, ScRVARTZKOPFF^sehe System nnd ihnen ähnliche. Chemisch nnd bakterio-
logisch prüften das erstere Proskal kr und NOCHT mit dem Resultat dass die
KlArun? der Jauche eine volIstiliuli}?e. die KntfcrniuiET iI*t trclösten fiiiiliii'jsf/llii^en
Stoffe aber eine unvollständige sei (die organischen stiekstuliliiiltigen Substanzen ver-
minderten sich nur um 36, die Oxydirbarkeit nur um 44 „). Auch in Besng auf
die Desinfeetion im eigentlichen Sinne konnte nur ein ungentigendes Ergebniss
festgestellt werden.
Eine veririeicheude Hesprechunfr der fjcnanntcn und der l\nrKNKR-RüTHK-
seheu Klürmethoden hatte 1Ia(;ema.nn (Dortmund) zu veranhtalieu (jelegenheit, da
die Dortmunder Kläranlage principiell auf dem HOLLBB-NAHNSSN'sehen Tief-
brunnensystem beruht.**)
Beim Sciiw vrtzkoim- f'scImmi Verl'ahron kommt es auf die penaue Ver-
mengung der zu reinigenden Eftluvien (menschliche und KUchcnabgänge) an mit
Kalk in erster Reibe, sodann mit Hagnesiumsulfat , gelöstem sogenannten Labn-
phoq>hat und Magoesiumoblorid. Ein Schlussact, in welchem das geklärte Wasser
noeh ein Torffilter passirt , ermöglicht die Zusammenmenfrun;? des Torffilter-
materials mit tieui ali-rest-t/teii und iretrockneten Schlammniederschlag, woraus die
Hersteilung von Poudrette erfolgt. Auch hinsichtlieh der obigen in zweiter Keihe
augesetsten Chemikalien kam dd^ Uotorsueher (Proskadbr) eu dem Sehlnss. dass
die Magnesiaverhindungen die Wirkung des Kalkes eher beeintnlehtigeu. -' i Im
rdtrifren war ili<' Kliiriinir eine liefriedijreu'ie. die HeseitigunjJT der stiek^totVli.iltiL'cn
Substanzen, speeiell des Ammoniaks, eine ungenügende. Die Turftiltratiou dient
nur dasu, die fäuloissfähigen Substanaen am Uebergange in Fänlniss länger sn
hindern. Der als Kiedersehlag sieh absetzende Schlamm ist (bakteriol<»;risrli auf-
gefasit so trut wie irar nicht desinfieirt . die irekl.irte Jauche ist vorülH-r;ri lit'iid
keimfrei, nacli dem i orlliltrationsaete aber wieder sehr reich an Mikroben. i'Ki»s-
KAUER betont auch seinerseits , dass die desinlicirende Wirkung dieser Keinigungs-
methode fast ausschliesslich dem Kalkzusatz zukomme.
Kn\K; - I möchte die Fälle, In denen der Kalk einen Erfolg haben rauss,
von denen der gegentheiÜL'cn Wirkuntr '^ftreiint wissen. i><v(eres trete mit Sicher-
heit nur dann ein , wenn in dem zu kliirendcn Schmut/wasser hinreichend lie-
standtheile vorbanden sind, die mit dem zngesetzten Kalk schwerlösliche Ver-
bindungen einu'ehen. Einen Ucber.'^ehuss an Kalk (in der Praxis wohl kanm ZU
verhflten) schulditrt KuMi; an . dem in der Klarung betrritfcneu Al)\vasser ni'^ir-
licherweise sogar organische Stolle zufügen zu können in Folge der Zerstörung,
welche das Kalkwasner anf Gewebitelemente und Fasern ausüben mnss. Dabd
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FLUSSVERUNREINIGUXG.
313
besitzt dann aber die von den Hakterio!o<ren nicht ^jeleuffnete baktericide Wirkuni?
des Kalkes den zweifelhaften Werth, nacbzulassen, sobald freier Kalk nicht mehr
▼orh«nden ist, 8o dm die BakterieofMbolt dw gvklflrteii WasBen «neli nur so
lange und nieht Unger anh<. Stark fimlende Wässer bedarfen deshalb noeh
einer bcsondcrt'n Naclidei^infcction , die Koxrr, in der Durchlüftung und der
A n r e i c h e r u n iJT mit S a u e r 8 t o 1 1 ^'i tunden hat. M iefren diese Lüftunpsmethode
hat sieh später äCHUJOB --; gewandt und den FäUuugänietboden besonders die
dofaehere AnweDdbarkeit und die habere Billigkeit vindioirt.)
Zur Reinigung gewerl^lieiier AbwäRser haben A. und P. ßursiNB E i sen-
su Ifat wieder in Cur» zu bringen gesucht, fUr dessen billige ilersteüung ihnen
ein besonderes Herstellungäverfabren gelang. Diese Art einer KULruug der
Wasser, besondere von WoUwiBeherden, Stärkefabriken, Farbwerken stammenden,
ist dem Kalkverfahren gegenflber nicht nur bedeutend wohlfeiler, soodem das mit
Kiseri'Jiilf'.it gereinigte Abwasser ist auch vciUig geriieli- und farblos, ganz klar,
neutral reagirend und bildet nicht — wie das mit Ivalk geklärte, grosse Mengen
organischer Substanz in Lösung haltende, alkaliseh reagireude Kalkwasser —
einen jeden Moment wieder sum Finlalisansbnieb neigendm Heid. Der Eisen-
sulfatniederseblag habe den Vortheil, sich sehr raseb absnsoheiden und eine sebr
prompte Entfernung der Fette zuzulassen.
Endlich fanden uuch ganz neuerdings ihre Empfehlung ganz alte Klärungs*
metboden, Wiedas einfaebeTbonreinii^ungsverfahren**) dnreh dbMollsns,
welcher die Abflusswäsaer einer Kammgarnspinnerei mit 500 — 800 Grm. Fett-
substanzen auf den ('ubikmeter mit Ziis-itz von 1 CJrm. Thon 'verdflnnt durch
circa 20 Ccni. Wanserj auf den Liter der futtgetrUbten Flüssigkeit zur Klärung
brachte. Die Ifenge der im Liter dadurch prJicipitirten Sinkstoffe kminte auf je
0-7 Grm. bereebnet werden. Eine sehr einfaehe Anwendung des Torfs wurde
durch Paglianm empfohlen-''); das zu reinigende (Closot-) Wasser wurde in eine
mit Torf gefilllte (Jrube geleitet. Kliirung der Jauehe und Verwendung der ab-
sorbirtun btotiu im Torf zu landwirthsuhaftliubeu Zwecken sollen diu sehr gUnstigen
Polgen gewesen sein.
So lange die Losung der Aufgabe, die Flüsse rein zu halten, auf einem
trotz aller Forseher.irbeit so primitiv gebliebenen SUiudpunkt verharrt, wie der
jetzige es ist, wird auch die Frage nach der Herkunft der Uaualwässer und nach
seiner gendgendeu (liesorgniose aussobliessenden) Reinigung nur dureb eine ebemisebe
und bakterioskopisehe Untersuchung desselben von Fall zu Fall unter Berttck-
siehtigung de< gesannnten Flu<sregimes und aller sonst in Hetraeht kommenden
localen \'erhi'lltnisse beantwortet werden können. Dies ist schon für die Urtheil-
schöpfung im Pr i V atrecbt ein sehr unsicherer Standpunkt ^''): Der unterhalb
liegende Uferbewobner wird rieb diejenigen Einleitungen in den Flnss gefisllen lassen
müssen, welche das Maass dos „GemcinOblicben'^ nicht Obersehreiten, möge die
Zuleitung in einer Vermehrung der Wassermasse oder in fremden Beiniengiiugon
bestehen , wobei es noch nicht einen berechtigten Einspruch begründet, wenn die
absolute Verwendbarkeit des ihm suflieswnden Wassers au jedem beliebigen 6e-
branelie eine Beein ; n l,iigung erOllirt. Dagegen hebt die Berechtigung zum Ein-
spruch an. wenn das „Maass de-^ ( Jenieiudhliclien" (iberschritten wird; dies ist
eine Bedingung, die leichter erkennbar ist bei der quantitativen äeite (Flussaus-
tretung) ah bei der qualitativen (Einleitung von Stoffen, welebe eine Schädigung
des Unterliegenden bedingen). Da dem Unterliegenden der Naebweis der Eigen-
tbumssehildigung nach sonst geläufigen Heeht>normen <tbliegt , kann diese sehr
erheblietie (ireiizen erreicht und liltersehritteii haben, ehe das „Uesohädigtsein"
zu <incm Erkenntnis» und zur Abstellung fiihrt.
Koob ungleieb misslieber aber steht in Folge so arbi-
trärer Maassstibe wie des „Gerne Infi blieben", der „Sehäd igung"
u n <1 bei dir ungemeinen Divergenz der Abhilfevorschläge die
.'>ani tätspo I ize i und die Gesetzgebung da.
314
FLUSSVERUNREINIGÜNG.
In England droht das betreffende nach Gjährigcr Vorarbeit erlassene)
Gesetz von 1876 hohe Strafen an gegen die Einleitung von Abwässern, welche
l^wiBse Stoffs ttber eine gans bestimmte Hense hinaus entbalten. Die Indnttrie
wies eine ihr durch die Stntoi sugefllgte unverhältniB8mässi°: ^ross erscheinende
Hinderung und Scbildifruu^ nach, — und bereits 1886 erjrinj; das neue (resetz,
welches die Einleitung auch verunreinigter Wässer in die Flussläutc gestattet,
sofern nur gewisse Grenzzahlen der verunreinigenden Stoffe nicht Überschritten
■ind, die je naeh den Gebrauehasweelcen de« Flnsges beredmet und
festgesetzt werden.
Frankreich hat zwar in der The<irie den Weg der gesetzlichen
Regelung und verfügt in sanitätspulizeiliclur Hinsicht auf dem l'apier Uber eine
Menge von Sebntsmassref^ln und prophylaetiseben Bestimmungen. Wiesehr
indess deren Anwendung und Ausführungen dieser GetietzeBvorschrifteu (deren
nähere Erortcniii;,' deshalb aueh hier erübrigt) im Ariren liegt, lehrt die Ge^ehiehte
der Seineverunreinigung und ein Blick auf die ebenso verzweifelten wie vergebens
gebliebenen Anstrengungen, welelte die unterliegenden Ortsebaften gegenflber
den ans Paris sie fllierflttthenden Verunreinigungen gemacht haben.
Dass die Schweiz schon wegen der Hinstellung eines einfaclien Zweckes
fden Fisehzuehtschuty-es) mit ihrem Bundes^gesetz vom 18. Juli l.'^.s»» einen FrlVtlg
verspreebeuden Weg verfolgt, muss zugegeben werden. Doch liegt es andererseits
wob] in der Eigenart der dortigen StrOme, das« der Sebuts der Gesnndbmts-
iuteressen vorl.lulig nicht so dringend schien — und in vorbildlieber Weise dürfte
jenes (Ji'setz desbalb weniger «einem materiellen Inhalt nach, als liezüglieh seiner
Ausführung hinzustellen heiu. Die.se fusst niunlich auf dem Vorgehen der wirli-
lieben Saebverstlndigen (bei der Zweekbegrenzung aussddiesslicb Cbemiker)
und scbliesst sonach jene Missgriffis, welche von Veriraltangsorganen leiebt bei
der Schwierigkeit der Fragestelliin^r nnd der A)»liill'e lieir.ingen werden, au«.
linden, was deshalb gleich hier augeiJchlo.'«8eu sein mag, geht
zuniehst u ur darauf aus , seine fischreichen Flttsschen und Flflsse vor bezüg-
liobeu Verunreinigungen zu sebfltsen und bat diesen begrenzten Zweek (direb
eine ministerielle Verfügung) sebarf gefasst; die Erfolge ersebeinen auob bier
einstweilen zufriedenstellend.
In Preussuu bestimmte ursprünglich diu Allerhöchste Cabiuetsordre
vom 24. Februar 1816, betreffend die Verbfltung der Verunreinigung der sebiff-
und flossbaren Flüsse und Canftle, wörtlicb Folgenden:
...Auf Ihren Herielit vom IS. d. M. setze Idi. zur Verhütung der Ver-
unreinigung der Sellin- und llossbaren Flüsse uud Caniile, hierdurch fest, dass . . .
Oberhaupt Niemand, der sich eines Flu.Hses zu seinem Geworbe bedient , Ab-
gange in Koleben Massen in denFluss werfen darf, dass derselbe dadurob,
nach dem Urtfaeile der Provinzial-Poliseibebörde, erbeblieb verunreinigt
werden kann.''
Zur Zeit existiren zwar , als auf den Gegenstand lU zug habeud , Vor-
sebriften der Gewerbeordnung und baupolizeiliebe Vorscbriften in siemlieber Ansablf
al.er als allgemeine Direetiven für die auständigin Behörden (die Be-
Zi r k s r e ;s ] r rn n g e ii^ nur dit- Im/ jiglielien IJeehtsgnindsJitze tiiid jene ministe-
riellen Erlasse, die sich auf die Gutachten der „Wis-seusehaftlichen Deputation
für das Medicinalwesen** bdm Ministerium der Medieinalangelegenheiten grflndeten.
IHe weiteren Pfliebten der Verwaltungsbehörden in dieser Be/ieluing sind in einem
Urtheile des Oberv»Twaltnngsgeriebf<'s vom 1.'». April IsS'^ l des Näheren ausgeführt:
..Die nffenfliehen Strrini(> sind in allen ihren drei intcirrirtMideu Uestandtheilen —
dem Was.ser, dem Iktte und dem Ufer - der Fürsorge nicht der Ortspolizei-
bebdrde, sondern d<>r Landespolizeibehörde anterstellt, und zwar bestebt die
Zuständigkeit der letzteren überall da, w ■ e< .;irli überhaupt darum handelt, den
Strom in cinrr pnlizeilieh zu überwaehenden , durch das ötlVntliehe Interes.^e er-
forderten Verfassung zu erhalten. Mebt nur die Sicherheit uud Bequemlichkeit
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FLUSSVERUNREINIGUNG. — FORMALIN. 315
der Scliiftfahrt gelif^rt hiernach dem Gebiet der Landespolizei , sondern . . .
gerade auch die 1' e b e r w ;i c h u n fr der ö f fc n 1 1 i c Ii e n Ströme in sani-
tärer Beziehung, die Feruhaltuug jeder dem i'ublicum uacbtbeiligen Ver-
unreinigung und «ndorerseiu die Besttmmnng iber die Beauteunff 90mtUober
Ströme zur A u f u a h tu e u n r e i u «■ r A b f Iflsse fallen in den Krain der Reobte
und Pflichten der Landcspolizeibehörde."
Auch im Königreich Sachsen, wo — wie bereits hervorgehubeu —
aoBserordentlicb grlindliebe loeele Vorerbeiteo sur Verfügung sUudeo, entbalten
das Wiebti^'ste die nestioimungen, durch weldie die betreffenden Behörden ange-
wiesen werdi'ii, in v n r bc u gr p iid c r Weise zti wirken. Genauere und für
jeden Fall zutrefl'eude Churakteri»-tiken und Merkmale, nach welchen die Fluss-
verunreinigung als solche unzweifelbaft vorbanden dedarirt wird, hat man auch
hier Seitens der Centralbebörden an geben noch unterbwien. Jedoeb riehert hier
das Bestehen einer bezilplichen ,.T ecbnisch e n Deputation" innerhalb der
obersten Landesverwaltuu^'slK'börde (welche dif IJecursinstanz bildet ji-der.fall.s
eine gewis-sc Einheitlichkeit weuigstens in der Durchführung der Ver-
ordnungen.
Literatur: ') „First liipnrt of the Cumtnif:sionerK djipointed in J'^HS tu intjuire
into the bevt meaut o/ preveHtitty ihe polltttion of rivera.'' Ueliers. von Beich. Berlin 1871. —
*) Verbandi. dea dentvcheo Vereins f. Sflinitl. Oesandheitspfle^ m Breslav 1886 und sa
Leipzig IS'.'l. -- •') W. Fleraons. rrli.r da-; Veilialtt-n "ii-r ßaktorion im I!ninneiiwas-ser.
Zeitschr. 1. Uvp. pap. — *) E. Salkowski, Ufber die Üxydatitjnsvürgangc im Wa-s^er.
Verhandl. der deiiischpu G« s«!Nch. f. titlVntl. (Jesiindheitspflege in Bsflin. 18"?t), pa«;. 93. —
') liiikorny, Einige Versuche über Abnahme de.s Wassers an organischer Substanz durch
AlgfinvepHaii- nen. Arcb. f Uyir. XIV, Uel't — Ilüpjie, Die Choleraepidcmi«' im Ham-
l>nip 15' tliiK-r kliii. Wochensulir. Ih'JS. ]iap. iS,-i. — ') 0. Liiw, Zur Frafrc der S. lhst-
reinigung der Flu-ss«. Aich. f. Uyg. XII, lieft 3. — '') M. v. P et ten kufer, Zur Selbst-
reinifTTiDg der FittM«. Aich. f. Hyg. Ebendaselbst. — *) Derselbe, üeber Selbstreinifniig
*\cr Flüsse. Aul" der Naturforscherv- r.-. ia Halle IRfU vorftclragen. Pul»li< afionen in der
iJt utM hen lued. Wutlien.-chr 1891, Nr. -IT. — ' ) Henry IJoscoe, Ueber die Verunreinigung
d. Hii->f Mersey u. Irwcll. Chem.-Ztg. XVI, pag. 309. — ") Purster, l! eher Abwässer. Bb«B«
daselbiir. XV. pag. VM>2. — '*) H. 2!»chreib, Ueb«r die durch Abwässer in Flussläufen Ter>
nrvacbten Algenbildnngen, wie Keggiatoa, lieptomitos etc. Bbendaselbst. — Edw. Sergeant,
Thr jiolliilion of riit fx nith sj,f i,il n firinrc to Ihr Mvr.^fii miil liibhi. The l'raciitioner.
Ib'Jl, Jan. — '*) K. ßanin eisJer, Vergleich von FIuK.sverunrcinignngen und '•) Eingabe
des deatjicheu Vereins f. ölfentl. Gesundheitspflege, betreffend Untersachnugen Uber die Selbst-
reinigung der Flüsse. Denlselie Vierleljahn-sclir. f. öffentl Ctesnnilheilsiitif'irc XXIV, fleft
pag. 4^)7 n. 471. — "^1 ris( her, lUti rat riber 14 und 15 in dir liyg. Ruudscluu.
pag. Iij-Jl - ■ ) L l'li )it4 r und I,. Eisenlohr, Zur Fru):« der Selb>treini;;Hng dtr
Flttsse. Arch. f. üyg. XVI, Hell — Büsing, Artikel -Flussverunreiniguag" in Dan-
mer's Handwörterbuch. Stuttgart 1891, pag. Sf56. — W. Wobster. Reinigung von Schänitz-
und Abwa.ssern. Ref. in Hyg. Rundschau. pag. ;575. — J. ('arter Hell. Heher
Fluhsverunreinigun^ und die Reinigung der Abwasser durch Elekfricitat und andern Methoden.
Ebenda, pag. 37»). — Claudio Fermi. I .dir die Reiiiigiinq der Abwässer durch die
Elaktricität. Aus deiu hyg. lustitut in Miincbeu. Anh. f. Hyg. XIII, Heft 2. — König,
Zur Rlärnng der Wa?smeJnignngsfrag.\ Cbem.-Ztg. XV. png. 54". — H. Schreib, Zur
Abwit.-si'rrfilHVnny-rrai:!' Khii:da, ]>a^r. i.lüt — -''l II. l'ro.skaucr und Xix lit. l'eber die
chemische und bakteriologische Untersuchung der Kläranlage (äystem Röckner- Bothe) in
Potsdam. Zeitschr. f. Hyg. X, Heftl. — '*)HBgemann, Der gegenwirtigis Stand und die
verschiedenen Sysd nie di r Reinigung der Abwa.'^-i r etc. Zeitschr. f. Med. -Beamte. 1891, Nr. 2
bis 1. - -" ) B. l'roskauer. Hie Reiiiicung vuu Schniutzwä.ssern nacli dini System Sehwarta-
kopff (Berlin). Zei«s<hr. f. Hyg. X, Hell 1. — *') A. u. P. Buisine, Sur It'^Ho-dtion dea
eaux itnluntrielle« et <ie» eaux d'igout. Compt. rend. CXIl, pag. 875. — J. de Mollens,
Reinigung der FabrIkwSsser durch Anwendung von Thon. Chem.-Ztg. XV, pag. 525. — **) L.
Pagliani, R.f. in der Hyg. Rundschau. 18^:*, pa?. 4I'J. — ^'^| Anlat"- (..Cntaclittn") zur
Rundvcrtugung des Min. d Hinern vi)m 5. Juni 16T7, diese selbst und die Rundverfugung vom
1. September lb77. Abgedr. u. A. in Wcrnich^s Zusammenstellung der gilligen Med.-Gesetse.
1890, Jf. AuH., pag. rt. — Die saninitlilhen be/,jiglichen Giitaehtcn der wis<?enscha(t-
lichen Deputation linden sich zusammengestellt iu Vierteljahrsscbr. f. gerichtl Med. etc. ibt'i,
SnppI.>Heft. Wernich.
Formslin rpormaldehyd). Mit diesem Namen wird ein neuerdings von
SrnKRIXO tu den Il.iiidel ^^ebrachfes . etwa 4<)" ,ifjes Fortn.nldehyd hczrirbnet.
Das „Formalin** hi eine \\ääS6rigu Fitibi^ii^keit, mischt sich iu allen Verhältuisiiien
316
FOEMALIN. — FRACTURVERBÄNDE.
mit Wasser und soll (nach Versuchen von Lorw, Aronson, Beklioz und Trillat)
ein aoHgezeicbnetes Desioficieus und Antiseptioum sein. Lflsst maa dasselbe mit
od«r ohne Anwendnnf^ von Winne rerdampfen nnd die Dlmpfe auf Watte, Gase,
Binden und andere Verbandstoffe einwirken . so ^chl:i(;t sich das Formalin auf
diesen als Parafornialdehyd (Paraformalin) in fester Form nieder und 8terili«'irt sie.
Beim Verdunsten spaltet sich das niedergeschlagene Paraformalin wieder in
Formalin mud wirkt nan auf seine Umgebung antiseptisch. Bereits in Verdflnnung
▼on 1 : SO.OOO bringt Formalin die MilsbfwndbaeiUen nnd in Verdflnnnng von
1 : 1000 die Milzbrandsporen nach einer Stunde zum Absterben : es wirkt also
annUhernd tilcich stark wie Sublimat, dem es aber wdjjcn der Ungiftigkcit vor-
zuziehen ist. Forroaliaverbuuiistoti'e müssen in gut verschloüseuen Gefässen auf-
bewahrt werden. Zur Herstellung steriler awptiseher Verbandmaterialien wird aueb
Formalin, von Kieselguhr aufgesaugt, mit bestimmtem Gehalte als „Form.'iHth" in
de« Handel trcbracht. Zum Rciniiren der Hände, der Schwiimme und anderer
Materialien siud Formalinlösungeu von circa l<^;o Gehalt zu bonutzen. Auch zur
Deeinficirnng^ von Gegenatinden aller Art, sowie von Zimmern nnd aonatigen
Räumen (Stftllen, Eisenbahnwagen etc.) ist Formalin vortrefflich geeignet, wobei
entweder das 40° „ Formalin durch Krbitzen zum Vcrdainpfen jrcbracht oder noch
wirksamer, das Formalin in 1 — i' oigcr Lcnung mit einem beliebigen Zerstaiihnngs-
apparate auf die zu desintieirendcu üegenstäude unter Druck applicirt wird.
Fracturverbände. nie Hehandiuug der Knochen brüche an den unteren
Giiedmassen „im Fmhergehen" (vergl. Kncyclop-idi'iehe Jahrbücher, Bd. II, pag, 691),
wie sie nach dem Vorbilde Hessing's von Hauboudt llECSäXEK ^j und Kuause ^)
geflbt wird , hat aueb in der lotsten Zeit eine weitere Entwicklung erfahren.
Vorzugsweise hat KOBSCit *) dem Gegenstande volle Aufmerksamkeit geschenkt,
indem er auf Harpklebfa s Klinik zuerst die weitaus meisten zur Aufnahme jrc-
kommenen Fälle von Fntersehenkel- und Knöchelbrüchen, später aber auch com-
plicirte Fracturen und OberschenkelbrUche nach Hessing scheu (irundsätcen
behandelte. Er bediente sieh des „ambnlatorisohen** Gypsverbandes
und folgte dabei im Allgemeinen den von Krause gegebenen Vorschriften, wich
jedoch in einigen Punkten mehr oder weniger von denselben ab. Nach Krah.se
werdeu (^ucrbrUche circa ü Tage lang auf der T-Schiene gelagert, Schräg- und
Spiralbrflehe mit dem Heftpflaster-Zngverbande behandelt nnd dann in Oyps ge-
legt. KoK.scH konnte bei Schrägbrtlchen im unteren und mittleren Drittel des
Unterschenkel-; ileii Zugverband iiieht aiiwcTi len; theiN war das untere Fr.sgmpnt
ZU kurz, tbeils klagten die Kranken über unertrilgllclie Schmerzen im Kniegeleuk,
thdb binderten Quetschungen der Haut und Blasenbildung das Anlegen der Heft-
pllasterstreifen. In diesen Füllen bediente er sieh dw BsBLT^sehen Gypshanf-
schienen mit Su-jpensirm. „l^oll der Verletzte in den Stand gesetzt werden, umher-
zugehen iintl sieb dabei aiicii wirklieh auf das gebrochene Glied zu -it'itzen . <o
mu.ss der Gypsverbaud .sich so genau allen Umrissen des Gliedes anschmiegen,
dass er dessen Form wie ein Modell wiederg^ebt, andererseits darf er unter keinen
Umstanden den allergeringsten Druck auch nur an einer kleinen Stelle ausüben :
er würde dann nicht ertragen werden und schildlich wirken" nvHAT'SKi V.< kommt
wesentlich darauf an , das» der Verband das Glied iu dorjeuigeu Dehuuug uud
Stellung erhält, welehe man ihm dureh Zug und Gegenzug bei der Einriehtnog
des Bruches und während der Anlegung des Verbandes gegeben hatte. Das sollte
nun iVt'ilicIi der fiypsverbaiid l iirentlieli \ on jeher thuti . allein er that es ot't
genug nicht oder doch in unziiieiel.endem Masse, zumal l>ei ( »berscbenkclfracturen.
Bruns ') hat durch genaue Mtssungcn festgestellt, dass sofort mit Abnahme des
Streekapparates und mit Aufhören des von demselbea ansgetlbten Zuges die Ex«
tremität sich wieder verkürzt, und dass diese Verkürzung innerhalb de.s übrigens
vollkommen kutisfgereebt liegenden (iyjMverbamb s allmfllig zunimmt. IMesebrnm-
pt'ende Extremitiit drängt uud schiebt den \ crbaud aufwärts gegen du.s Becken,
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FR A CTUR VERBA N DE.
317
drückt ^ejjen die Mnskelmasse der AdduL-tnren v.nd verursacht Ulcerationcn und
Sehuierzen , äo dass man von dem drückenden Kande des Verbaades mehr und
mehr abzunebmeo gezwungen iat, bis der hinreichend fest gewordene Callas eine
weitere Vertdiiebnog hindfirt. Ein genau der Oberflftebe des OUedet sieh aU'
seblieMender Verband bildet einen Hohlcylinder von wechselnder Weite , so dass
eine Verschiebung: des darin einfjeschlossenen Gliedes der Liin^re nach, d. h, eine
Verkürzung de» Gliedes durch diese Einrichtung verhindert werden uiüsste. Allein,
da die Waebtheile sieh nieht nur versehieben und Terdrftngea iMsen, sondern
auch an Volumen abnehmen, so kann auch der beste Gypsverband den die Ver-
kflrziiiifr herbeiführenden Kräften erfnl^'reiehen Wider-^tand nicht leisten. Soll daher
bei Uberscbeukelbrüchen eine Verkürzung verhütet werden , so muss der Gyps-
verband mit einem Zugverbnnde ▼eigeseUsehaftel werden. Diee die Lehre von Bamis.
Die alten Gypsyerbinde waren dgentlieh nichts «eitmr als ringsgesehlossene,
cylinderf(»rnii<re Beinladen, die aus matini^fadicn HrllndeM einen wirksann-n Ziiij
nicht ausilhcn konnten. I »ie SKi TlN schcn Lehren waren unlte;i(!htet {geblieben und
Niemand dachte daran, den Kranken umhergehen zu lassen ; im Gegeutheil, nach
den Vorsobriften der Scbnle mnssto der Kranke woobenlan; mit erbobener OUed-
masse still liegen. Man machte ferner den Verband in der Re<?el viel SU massig
und zu schwer, man versah ihn meist mit einem dicken Wattepolster, und wenn
dasselbe zusammengesunken war, su lüftete und lockerte sich der Verband umso-
mehr, als allmftlig auch die Weiehtbeile atropbirton nnd nnn eine ergiebige Zug*
Wirkung erst recht nnmOglieb war. Kracsk gestattete allenfalls eine dttnne Watte-
schicht, aber KiiitscK verwirft auch diese und legt den Verband unmittelbar auf
die leicht gefettete Haut. Das hatte freilich auch schon Adbluann getban und
sich dabei der ScuLTBTf scben Streifen bedient, aber er dachte ebensowenig an einen
„ambniatorisehen'' Oypsverband wie Brüns, der ebenfalls die Wattevnterlage ver-
wirft, weil „durch das allmftlig eintretende Zusammensinken der Watte der Ver-
band selbst lockerer und auf dem Gliede verschiebbar fjeniacht wird'"'.
Der nach den Vorschriften von KüAUäE und Kuu^cu angelegte Gyps-
verband fibt dadnreb eine disirabirende Wirkung ans, dass er sieh unten gegen
die Malloolen, den Fussrücken und die Ferse, oben gegen die Condylen und die
vordere Klflchc der Tibia stemmt. Die Ausdehuuug dieser FI;lcheu verhindert
einerseits eine schädliche Wirkung des Druckes und andererseits schliesst die ge-
rade hier vorhandene Annntb an WMditbeilen eine erbebliehe Abmagerung ans.
Was die Frage betrilft, wann Im gegebenen Falle dar fttr das Anlegen
des ambulatoridchen Verbandes ;rUnsti;rste Auirenblick geko:iuuen ist, so gilt als
all^remeine Ke*^el, dass man niclit eher dazu schreiten soll, als bis eine Zunahme
der i^ehwellung mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Das zu bestimmen,
dient neben sorgfMtiger Beobachtung eine wiederholt Tonunebmende genaue
Messtng B< i einfachen Querbrttchen und bei Schrägbrfleben mit geringer Nei-
gung zur \'erschiebun? , ohne wesentliche Schwellung, wird sofort reponirt, der
Unterschenkel zwischen Sandsäcke gelagert, eine Eisblase aufgelegt und bei
etwaiger sebmenbafter Gontraetlon der Benger eine Morphiumeinspritzung (O'Ol)
gemacht. Tritt weitere Schwellung nicht ein, so wird am Abend des ersten Tages
der \'erl>and vn ritr Wiirzfl der Zctien bis liaiidhreit oIhtIl-iH» des Knies un-
gelegt und am anderen Morgen beginnt der Kranke seine Gehversuche mit Hilfe
eines Wärters oder eines Laufstuhles.
Das Kniegelenk steht in leiohtor Beugung, um der Zusammenslebung der
Wadenmusculatur entgegenzuwirken; das Fussgetenk in rechtwinkeliger Dorsal-
flexion. Beide Stellunfren sind aiu'h deshalb nrithi?, um beim Gehen da^ Ik'in
besser nach vorn bringen zu können. Damit der Verband bei möglichst geringem
Glewicht doch genügend fest sd, wird sur Verstärkung jederseits, sowie vorn nnd
hinten eine Scbusterspansehiene eingefUgt; letstere folgt der Achillessehne und
läuft bis zu den Zehen. Koksch bedient sieh nur n i c h t jrestärkter Binden, weil
durch die Appretur „die Erhärtung des Gypscs um Stuuden und Tage" aufge-
318
PBACTÜRVERBÄWMB.
halten werde, eine Angabe, die durch meine Krfahruniren in diesem rmfanye
nicht bestätigt wird. Für einen luittelgrosseu Manu sind 20 — 24 Meter einer
Hallbind« von 12 — 16 Cm. Breite, siir Imprignirnng einer Binde von 6 Meter
Lange und 15 Cm. Breite Rind 350 Gnn. Gyps crforderlidl. Ein solcher Verband
iit, troeken, noch nicht 1 K^rm. aoliwer und kann aueh von schwachen Kranken
getragen werden. Jeder Zug und Drack mu8s beim Anleihen der Binden ver-
mieden, Umeehllge vod Falten dlirfen bei den ersten Lagen nicht getnadit werden,
mnn mnas dahw hftufig abschneiden und von Neuem in anderer Richtnntf be-
ginnen ; am <i}»eren Kunde wird durch ein dünnes Wattepolster die Reibnncr des
erstarrten Verbandes verhindert. Dem (iliede mnss vor Heginn des Verbamles
die erforderliche Stellung gegeben werden, denn eine Aenderung ist während der
Anlegung der Ojrpebinden nicht cnllssig, da sonst Druclc entsteht Man denlce
also bei Zeiten daran, dass der FmA in rechtwinkeliger Dorsalflexion £>tehen musB.
Die Verbände bleiben nur 10 — 1 4 Tage liegen, damit durch M.-is-jage und pa.ssive
Bewegungen Atrophie der Muskeln und Steifigkeit der Geleuke mit Sicherheit
verbatet werden kann; flbrigens aber treten diese nnangenebmen Folireznstände
anch ohne öfteren Verband weehsel nnr flusserst selten nnd in geringerem Grade ein.
Bei K n ö I- )i (> U) r Ii (■ h e n waren die Erfolge sehr nnirieieli : .iii.-JLTcdehnte
SpUtterung der Malleolen heilte sehr günstig; einfache, mit umfangrciclur H.imier-
zerreissang verbundene Fflile wieder heilten sehr ungünstig in Val^usstellung. In
den ersten 8 Tagen wird das Bon auf einer WATSON'sehen Sebiene gelagert und
rait Jfasxage und feuchtwarmen Umschlagen behandelt, dann fi»lgt in extremer
Varnsstellung des dornalflectirtcn Fusscs der anibnlnt<irisehe (iyp'^verband. welcher
bis zu den Condylen der Tibia reicht uud alle Tage gewei hsclt wird. Ein-
laehere KnOebelbrttebe werden schon nach 24 Standen eingegypst.
Complicirten Knochen brüchen gegenüber galt es zuoiolrat, mit
der Vdrstfllnng 7,u brechen, dris-^ eine Wunde an den unteren (iliedmassen nur in
liegender Stellung heilen kuuue. Kooscu ging daher anfaugn nur zagend vor,
bis sich allmllig folgendes Verfahren herausbildete. In einfaehen Fftllen wird der
Verband naeh 2. in Bcbwerercn nach 6 — 7 Tagen, wenn die Granulationsbildung
licir^nnt, angelegt. Die Wundhrthle wird mit Jodofnrmgaze aiisgcfjtopft, die Wnnd-
riiiiiier eventuell prdvisoriseh mit Seide zijs:imnitMige7,o;xcii . der Tampon heraus-
geleitet und Uber einem .JodoformgazebaUHch der Gypsvcrband angelegt. Soweit
derselbe mit Secret dorohsetst ist, wird er mit Jodoformgaze bedeckt; stirkere
.Seeretion macht eine Erneuerung des Verbandee nothwendig. Bei Quetschungen,
Abschürfungen. Blasenbildung wurden n;ieh Keinignng, Kasiren . Dc-iinfei-tion und
Abtragen von Epidermisfetzen die wunden Stellen rait 3^;oiger ilölleasteiulösung
bepinselt, dann leicht mit Bumuihum »uhnttrieum bestrwtt und dann folgt Aber
einem Jodoformgasebausch oder auch unmittelbar auf die entblOsste Cutis der
Gypsvcrband.
Endlich übertrug Kor.sch den atubiilatorischen (lypsverband auch auf
OberscbenkelbrUcbe. Er ging von der Erwägung aus, dass der auf blosser
Haut angelegte Gypsvcrband, indem er sich unten gegen die Malleolen, den
Fussrflcken und die Ferse, oben gegen das Tuber Ischit anstemmt, auch eine
t'iir Femurfracturen ausreichende Distraetion ausüben müsse, und nach einigen
mehr oder weniger unbefriedigendeu Versueheu verfuhr er in der Weise, da8>i er
sich eines 4 Mm. starken Drahtes bediente, der an dem aus Bandeisen bestehenden,
mit Jute und wollenem Zeuge gepf^Istcrtcn Ücckcnriuge angenietet ist. Bildet der
Draht scliist den Sitzring, dann wird derselbe durch ein umgelegtes Stflek
Blech verstärkt.
Die Anlegung des Verbandes geschieht erst 7 — 8 Tage nach der Ver-
letzung, weit bis dahin der Zug des M. ileop«oaa zu stark ist, um von dem
Gypsverbande überwtmden werden zw können. Die Kranken bleiben also 0 bis
7 Tage lang im Zu-rvcrbande. dann wcriicti unter Extension die (Typsbindeii von
dem rechtwinkelig dorsalilectirtcn FiHst an in mehreren Lagen bis handbreit untcr-
Digitized by Güügl
FRACTÜKVERBANDE.
319
halb des T"her Iscini anjrelefrt, der Sifzriug fest gegen das Tiihcr ^^t'drfickt, die
»eitliclj herablaut'eudeD Drähte nach dem Gliede und unterhalb der Mailooieu parallel
dem äussere and inneren Fussrande rechtwinkelig gebogen* Die noh «i das
benäta leiebt eiege^rypste Glied noflebmiegende Sebiene wird nun mit weiteren
Gypsbindcnlag'en bcfoHlifrt. Heim Anleu;!'!! des letzten ri:in»e< ist der Verband
schon hart: der Kranke wird /u iiett ^retragen und kann nach 12 ätundeu mit
Hilfe vun Krückcu oder Stöcken gehen.
SehädliclikeiteD, welche ans dem Umhergehen fBr deo Bmnbrilehigen er-
wachsen könnten, bat KORSCH nie beobaebtet. Im Beginne sind die Kranken ängst*
lieh, aber bald fr^winnen sie Vertrauen und lernen das kranke Bt-in jrebrauchen.
Mässiges Uedem der Zehen und das Getühl der Ermüdung »chwindeu bald, wenn
das verletzte Glied beim Stts^n boeb gelagert wird. Die Zehen werden in Watte
gebullt und mit einer Cambriebinde eingewiekelt , besiebnn|r^*^iso mit einem un-
dnrebläsiii^ren Stolle umhUllt.
Vor der Behandlunfr der Brüche mit testen Verbänden and wochenlanger
Bettruhe hat diese Metbude erhebliche Vorzüge. In Folge der besseren Versorgung
mit EmIhmngsBaft wird die Callnebildung beseblennigt, die Heilung kommt frOher
7.11 Stande. Was die sonstigen . mit der freien Bewegung verbundenen Vortheile
betrifft: Genusa der frischen Luft, Vorbeugung von Hypostase, bessere Stimmung,
geringe Pflege etc., so bedarf es einer weiteren Ausführung nicht. Atrophie der
Muskeln und Steifigkeit der Oelenke stellen sieb bei Untersebenkelbrileben selten
nnd in st'lir gerin^'em (irade ein. Dasselbe teilt bei Obersehenkelbriiehcn mit Bezug
auf den rnterselienkel und das Fiissgelenk : dagegen war in allen FiilK'ii eine
bedeutende Atrophie des M. t'xlensor cruris quadrtcepft und eine erhebliche
Steifigkeit im Kniegelenk vorhanden. — Trotz der mancherlei VorzQge dieser
If^iode mnss ieb die Anwendung desselben doeh Jedem widmathea, der in der
Behandlung der Knoi-henbrüche sieh nicht schon eine grtissero Erfahrung erworben
bat und der die Teelinik des G yjjsverbandes nicht vollkommen beherrscht.
Hcs.si.Nu selbst hat eine neue „Vorrichtung zur ambulanten
Bebau dl ungseb wer erkrankter Gliedmasaen nnd Rflekenknoeben**
ersonnen, welche nach seiner Meinung geeignet ist. auch in der Kriigsehirurgie
der Zukunft eine hervorragende liolle zu spielen. Diese Vorrichtung besteht im
Wetientlichcn aus stählernen Körben oder Gestellen , tolgt den i'rincipien seines
Hflisenapparates und wird unter ,fVerbjlnde" ausführlich beschrieben werden.
Die Zahl der verschiedenen , fttr S c h l U s s e l b e i n b r ü c b e ersonnenen
Verbände erreicht ikiIiczu die Höhe von hundert und l)ewei.st , dass bislang ein
allen Ansprüchen genügender Verband nicht gefunden war. Die einst so berühmten
Verfahren von Dksai;lt und Vki.pkal sind längst ku blossen L'ebuogsstücken
der Verbandourse geworden, nnd aneb unter den neueren Verbänden dnd alle
di^enigen nicht /u empfehlen , zu denen als nothwendiger Bestandtheil die Be-
festigung des Arme« am Brustkasten nnd die ringförmige Einwicklung des letzteren
gehört. Mag ein Verband auch sonst den 3 wichtigeu Anzeigen genügen , d. b.
den nach unten, innen und vom gesunkenen Arm nach oben, ansäen nnd hinten
SU sieben oder zu dringen und ihn in dieser Stellmig featauballen — , so ist doch
die enge nnd oft sehr ausgedehnte Umwicklung des Thorax für jeden Kranken,
zumal für Frauen »ehr lästig und bei Lungen- und Herzleiden, sowie bei erheb-
lichen RUokgratsverkrttramungeu überhaupt nicht anwendbar; andererseits ist die
Befestigung des Armes am Thorax nieht dem Zwecke entipreehend , wml die
Athembewegungen sieb auf die Bruebenden Übertragen nnd ein Versehieben der-
selben hervorrufen.
Der SAYRBsche Verband (vergl. Heal-Kncyclopädie, II. Aufl., Bd. XXI,
Art Verbände) ist an Einfachheit nnd Branebbarkeit allen seinen Vorläufern
flberlegen, allein er ist doch nicht frei von Milngeln . W. v. BCnombb wirft ihm
mit Kecht vor, dass auch er den Arm mit -^ehriig kici.sfrprmigem Gange am Thorax
befestigt, dass die in sitzender Stellung des Kranken angelegten Streifen im Liegen
FRACTÜBVERBANDE.
ersohlaflfen und dass endlich der Verband von Anfanj^ an bis zur völligen Heilung
auf blo88er Haut getragen werden muss.
V. BüNGNER hat die Zahl der Schlflsselbeinverbände noch um einen ver-
mehrt, aber derselbe ist so einfach , so zweckentsprechend und dabei so leicht
anzulegen, dass er als eine Bereicherung anzusehen ist. Er besteht aus elastischen
Streifen und lehnt sich an die Verbftnde von Scymanowskv und Fischer an.
Der elastische Zug war vorher schon mehrfach verwerthet: so hat Landkrkr in
die SAYRE'schen Streifen ein elastisches Sttkk eingefügt und Sattehthwaite hat
sich der MARTix'schcn Binden bedient, aber beide befestigen den Arm am Thorax.
Peirck legt um jede Schulter einen mit Sammt überzogenen Kaut«chukschlauch,
von denen der durch die kranke Achselht^ble laufende die Form eines Keilkissens
hat; beide Ringe werdeu am Kücken (Fig. 39) durch 2 elastische Gurten ver-
bunden, welche die Schultern nach hinten ziehen. Der kranke Arm ruht in einer
kräftigen , mit Riemen und Schnallen versehenen Leinwandlade , welche für das
Olecranon einen Ausschnitt hat und vom an dem Schulterringe der gesunden
Seite mit einem Bande befestigt wird. Diese Lade dient theils als Mitella, tbeiU
Fig. 3». Flg. 40.
zum AngriÜspunkte eines elastischen Gurtes, welcher vom Vorderarm aus um den
Ellenbogen herum, schräg über den Kücken hinauf zum Schulterringe der kranken
Seite fuhrt un<l den Elleubogen in der gewünschten Stellung fenthält. Der wag-
rccbt um den Thorax laufende Riemen , welcher den Arm heranzieht , wird am
besten fortgelassen.
Zu dem v. Bi XGXEft'.Kchen Verbände bedarf es nur einer dreitheiligen
T-Binde ^Fig. 40) und einiger Sicherheitsnadeln.
Das 60 Cm. lange und 4 Cm. breite Querstück der Binde, mit welchem
drei 120 Cm. lange und 10 Cm. breite Längsstreifen so verbunden sind, dass
der mittlere senkrecht , die beiden seitlichen etwas schräg auseinanderweichend
von demselben abgehen, wird um die gesunde Schulter gelegt und hier befestigt,
indem das Ende desselben durch eine gewöhnliche Schnalle gezogen wird (s. Fig. 42).
Der mittlere und ein seitlicher Längsstreifen , Fig. 41a und ö) liegen an der
y Google
FRAOTDRTEBBÜiNDE.
821
Hinteridte der gMondeii Schulter, der andere eeitliehe LiBi^streifen (Fig. 42 c)
auf der Höhe der letsteren, alle der kranken Seite zugewendet.
Man ergreift nun zunächst den Mittelstreifen (Fig. 41 a), führt ihn flber
den Rttoken weg durch die Achdelhöble um den oberen Theil des Oberarmes der
kranken 8dte herum nnd daranf anm Ausgangspunkt snrtlek. Hier wird das
^ndenende angesteckt. Anf dieee Wmse wird der kranke Arm direet nach hinten
gezogen. Darauf wird der untere Streifen 'Fig. 41 i) ebenfalls Aber den Rücken
weg und in gleicher Richtnnfi: um den Oberarm der Itrankcn Seite herumgeführt,
aber so, dass er den untersten Theil desselben umgreift und um den Ellenbogen
genranden wird« um dann ebenftUs anm Aiugangapiinkt surttekrakebren. Auf
diese Weise wird der kranke Arm theils, wie vorher, nach hinten gezogen, theils
angehoben. (Der zweite Streifen h wird also genau wie der erste Streifen an-
gelegt, nur dass er statt um den obersten Theil des Oberarmes um den uutersten
Tlml desselben und um den Ellenbogen an liegen kommt.)
Der obere nnd letzte Streifen endlich (Fig. 42 c) geht als Mitettatonr
nach vorn . tinterstfltzt das Handgelenk und geht darauf, die Hruehfragmente
niederdrückend, über die Fracturstelle und die verletzte Schulter hinweg an die
Rückseite der letzteren, um hier (s. Fig. 41c) an den beiden ersten Streifen a
und h befestigt au weriflen , wodurish diese in Ihrer Lage so sloher ftdrt werden,
dass ide sich in keiner Weise verschieben können.
Der Verband zieht die Schulter der verletzten Seite nach hinten, oben
und aussen; er übt diese Wirkung in jeder Stellung des Körpers, er gestattet
die ambulante Behandlung, denn er kann sowohl flber, als unter denKleidsni
getragen werden ; er läsat den Thorax frei nnd befestigt den Am der kranken
Seite nicht an demselben. •
Man legt den Verband bei der Stellung de» botretTcaden Armes an, bei
welcher die Disloeation am Schlflsselbttn nnd an der Schulter vollständig ausge-
glieben ist Der erste Gang des Verbandes mnss so stark angesogen werden,
dass der mediale Rand des Schulterblattes so weit der Wirbelsäule genähert
werde, dasM der Abstand beider Sehulterblätter von dieser wiederum der gleiche
ist. Auch die scheinbare Verläugeruug des Armes der verletzten Seite muss nach
Anlegung des sweiten Ganges yoUstindig beseitigt sdn. Unmittelbar naeh der
Verletzung wird der VerlMuid anf blosser Bant angelegt und Ueibt durdisdinitt-
Bnoyelop* JatarMMMi. III. 21
FIk. 41.
Ff f. 4t.
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322 FRACTÜRVERBÄNDE. — FURUNKEL DES ÄOSSGREX GKa( »R iANüES.
lieh bis zum zehnten Tag^e , d.h. bis zur befrinnenden Consolidatif)n Ta;^ nnd
Nacht liegen. £s ist zweckmässig, an d e n Stellen des Arme:i der verletzten äeite,
wo der Verband anliegt, eine Wattebinde nntersolegen nnd ebenso dfe Bmehatdle
mit Verbandwatte zu polstern. Ist der provisorische Callas gebildet und eine Ver-
schiebung,' der Brucheuden nicht inebr zu fürchten, dann wird der Verband für
die Nacht abgenommen und nur noch am Tage , und zwar Uber den Kleidern
getragen, so dass dem Kranken das Verlassen der Wohnung ermöglicht ist. Nach
l^nng des knorpeUgen Callm siehert der Aber der Kleidung getragene VerbMid
ausreichend die Feststellung der ßruchenden; für die Nacht wird er mit einer
einfachen Mitella vertauscht und der Klicken des Kranken noch eine Zeit lang
dnrch ein Rollkissen unterstützt, damit die verletzte Schulter möglichst nach
hinten sinke.
Ein und denelbe Verbnnd kann sowohl an der rechten, wie an der
linken Seite des Körpers verwandt werden: die Selinalle des Quergurtes der
T-Binde kommt nur auf der einen Seite vorn, auf der anderen hinten zu liegen.
Der Verband ist in swei Grössen, fflr Erwachsene und fttr Kinder, vorräthig beim
Instromentenmaoher Holshaner in llnrbnrg im H.
Litt ratiir: ') Harbordi, Eine neue Schiene zur Behandlung; von rdxTschtnkel-
brttchen ohne dauernde Uettlage. Dcnlsche med. Wochenschr. 1889, Nr. 37. pkg* 7ti4. — 'jHoasner,
Uebsr Bebandlang der Oberschenkelbräche im ümbergeben. Bbsada. 1890i Nr. 58. — ") Fedor
Kranse, Rritrage zur Behandlung der Kncuhenbrnche der unteren (i!irilin;iss-pn im Unilur-
gehen. Ebenda. IHDI, Nr. 13. — *)Feod<>r Korsch, üeber die Beliandlunj; der Uulersclieukel-
brüche im Umherpehen. Charite - Anual. Jahrg. XVII. — Derselbe, .\iis der thir. Klinik
des Herro 6ob. Ober-Medicinalrath T. Bardeleben. Ueber den ambaUtoriscben Verband bei
KnoclienbTttchen des Unter- nnd Oberschenkels, sowie bei eomplicirten Brficben. Berliner klin.
■\Vochenschr. 1893, Nr — ') Victor v Bruns, Handb. <ler < liir. Praxis. Tübingen 1873,
pag. 1331. ■ — *) Pcirce, Illu.str. Monats.'rhr. der ärztl. Folvteciinik. 1887. jiag. 157. —
Wolzendorff, Handb. der kleinen Chir. II. Aufl., 1889, pag. I«3. — ') <>. v. Büngner,
Ueber die Behandlung der SehlttHselbeiabrüche und eiaen neuen Verband für dieselben. Deutsch«
med. Wochenschrift. 181*2, Nr, Ji3. W o 1 1 e u d o r f f.
Funinkel des äusseren Gehörganges. (Vergi. Reni-Enejreiopidie,
2. Anfl., Bd. VII, pag. 372.) Die Ansebauung, dass die Furunkel des üusseren
Gehörganges ebenso wie die auch an anderen KttrperstelU-n auflrott iiden Furunkel
durch die Invasion von pyogcuen Staphyloeuccen entstehen, hat durch eine Reihe
neuerer Arbeiten erbeblieb an Sioberbeit gewonnen nnd nicht sowohl die kliniBehe
Beobachtung Aber die Infeetion de& Furunkel», al;« L'auz besonders die &kennt-
niB.s der eitererrofrenden Spaltpilze liaben erhebliche ViTilnderun^eii unserer bis-
herigen Anschauungen Uber die Furunculose de« äusseren (iehürgange^ und die
Furunculone im Allgemeinen herbeigeführt. Bisher wurden für die Genese
der Furunkel versehiedene Momente herangesogen, meehanisehe und ohemisehe
Reize, Erkältungen, Nerveneiuflfli'.'<e, und man unterschied idiopathische und sym-
ptoinati^iohe Furunkel , zu welchen letzteren man die Fiirurieulose hei Diabetes,
chronischer Indigestion u. s. w. rechnet«. In neuerer Zeit hat uun gauz besonder»
ScHiifiiELBDSCH danuf hingewiesen, dsss das consUnte Vorkommen von Staphylo-
oocous awrett», albus nnd eitreus in den F^irunkeln, wie es bereitH frOher sdion
vi'ii < »C'-Tox , KosKNUACH , P.\S<ET . CxHRE 11. .\ . ('(instatirt und noticrdiiiLrs von
ihm bestätigt wurden ist, von besonderer Bedeutung ist für die pHthogeucti>iehe
Auffassung. Allerdings ist der Befund von Staphylococeen in den Furunkeln
a1i«n noch niebt* beweisend , dass sie nueh die dirrete Drsaehe derselben sind^
zumal ja diese Staphyloeoecusart auch bei vielen pustul'isen Hautkr.Tnkhcitcn
gefunden wurde, ohne dass .sie frerad«- die I rsarlic Klr die Krkraiikun);en ali
gaben. Aber von Schimmei.bi.^i a angestellte impfversuche am lebendcu Meuschen
Hessen den Beweis erbringen, dass die pyogenen Stapbyloeoeeen wirklieh die
Crsaehe der Furunkel abjreben. Bereits vorher hatten Ö.\rrk durch Versuche an
sich selbst und eheii-o Him kmart den Lileichen Nachweis orlirrirht. l)er F.rstore
erzeugte au beinern Arme durch Einreibungen von Stapliylucuecencuituron einen
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FURUNKEL DES ÄUSSEREN GEHURGANGES.
32Ü
Carbunkcl, der Letztere neben Impeti^opusteln einen Furunkel. SciiiMMEr.RüSCH
gewann zunächst aus einem Obrfurunkel Culturen vun iitaphyLococcwi aureus und
albus anf Agar und Gelatine nnd rieb von den Reineoltoren eine erbaengrone
Men^e auf die Aussenseite der linken Wade eines lOjährigen Knaben. An der
betreffenden Stelle entwickelte sieh ein typischer Furunkel. In einem zweiten
gleichen Versuche ergab sich ein annähernd gleiches Keaaltat. Ist somit durch
diese beiden Versuche der Zusammenhang zwischen Furunkel und Staphylococcen
geliefert, so bedurfte es immerhin noeh der Aofklimng, in welcher Weise die
Infection erfolgt. In dieser Beziehung sind auch die Untersuchungen von ScuiMMEL-
BDSCH Min ein!?er Bedeutunpr. Zunächst ergab die mikroskopische Untersuchung
von Hautschnitten, welche von dem zweitun, sogleich nach dem Versuche ver-
storbenen Patienten entnommen waren, daas Verletsnngen an der Haut nirgends
vorhanden waren , dass weiterbin die Haare in St^iphyloeoceen eingehtillt waren,
und daas dieselben zwischen dem Haarschaft und der necrotischen und infiltrirten
Wurzelscheide lagen. Die zugehörigen Talgdrüsen waren meist frei von Coccen
nnd elwngo die SohweissdrOeen nnd ihre Ansfllbrungsgäuge. Erschienen letztere
mitericrankt, was aeitwellig Iteobaehtet wurde, so machte es den Ebdruclc, ala ob
die Erkrankung- erst spilter und seeundiir erfolt^t w.'lre.
(ianz gleiche Ht'nhaf htungen konnte SniiMMKLHUscn an beim Lebenden
excidirten, npuntan cnLstundunen Furunkeln machen. Auch hier war das Stratum
comeum unversehrt und die Goeeen lagen dicht um die Wollhaare herum. Dem-
nach ergiebt eich durch die mikroskopische Untersuchung, dass zunächst für die
Infection eine Verletzung der Haut nicht nfithig ist — wenigstens ist eine solche
niemals gefunden worden — , dass weiterbin die Schweissdrüsen unbetbeiligt
bleiben; es bleibt daher ftlr den Infeetfonsmodus die Annahme ^ dass beim Ex-
periment durch das Roiben die Coccen neben den Haaren in die Haut eingepresst
werden, und da^is -iie nicht blos in dit? trichterförmige Erweiterung des Haarbnlges,
sondern theilweise noch über den Hals des Haarbalges eindringen. Die Abwesen-
heit der Staphylococcen in den AusfUhrungsgängon der Schweissdrüsen durfte
sieh vielleioht durch die korkrieherartige Besehaffenheit derselben erkUren lassen,
wodurch den Coccen der Eintritt in dieselben erschwert ist. Die Intactheit der
Epidermis lilsst es auch verstehen , warum beim Experiment nicht phlegmonöso
Processe zur Entwicklung gelangen, Trocesse , welche nach den klinischen Beub-
aehtungen jedesmal dann entstellen , wenn im Anschlnss an Hantwanden In-
feetioneii einsetzen. Uebertragen wir nun diese durch das Experiment und die
anatomischen l'ntersuehungen gewonnenen Ertahrungen, nach deneu demnach zur
Bildung des Furunkels 2 Momente nöthig sind, einmal die pyogenen Staphylo-
coeeen auf der Hantolwrfliche nnd weiterhin das Moment dw Einreibung, auf
den am lebenden Menschen vorkommenden Ohrfurunkel, so lel klar, daw auch
für diese die bt iln: IrsMilHMi herangezogen werden kennen: das Herumkratzeu im
äusseren Gehörganfr mit sehmutzigen Finsrern oder mit unsauberen Instrumenten zum
Zwecke der Rciniguug der Ohren und dergleichen mehr erfüllt alle postulirtea
Bedingungen fttr die Erzeugung eines Fnmnkels, nnd ist erst einmal die Infeetion
erfolgt, so ist die Möglichkeit einer weiteren ausserordentlich leicht gegeben.
In .thnlieher Weise, wie eben angeführt , kfmnen chemisehe Substanzen,
in den Gehürgaug eingebracht, Veranlassung zur Furunkclbildung im Uusseren
GehSrgang geben: nimmt man die infeetidse Entstehung für alle Fälle von
Furunkel au, so ist es in der That schwer, fflr diese durch ohenüsche Einwirkung
entstehend«Mi Furunkel eine genflgende Erklärunir zu geben, umsomelir, als irerado
eine ganze lieibc von hier in Frage kommenden Substanzen: Chlurwasser, Jodo-
form u. A., welche Veranlassung zur Ohrfurunculuse geben, sehr energische Ge^oa<
Wirkung g^n die Bakterien besitzen. Ob nun diese sonst antibakteriell wirkenden
Mittel in dem .'iusseren Oeh^rgang durch die Auflockerung der Epidermis, lediglich
also in Folge ihres ehemisch wirkenden Reizes, den Hoden fflr die Aufnahme der
Staphylococcen geeigneter machen, ist bis jetzt nicht klar; diese Annahme, ist
21*
Digitizeu l> ^oogle
884
FDBÜNKBL DES AOSSBREN GEHÖRGANOES.
indess Dicht von der Hand za weiseo, ebenso wie die Furunculose bei Eiterungen
des Mittelohres ihre Erklärung finden dürfte durch die Einwanderung der aus der
Pankenholil« nmoh aoBsen gelaagendeD SUpbyloeoMen , uacbdem «neb hier die
Epidermis des äusseren GehSrgMgee — sei e« dareh vieles Ansapritsen oder dudi
den Eüter selbst — an einzelnen Stellen vorher macerirt worden war.
In therapeutischer Beziehung haben die vorhei^ehendea Untersuchungen
irgend welebea Nnteen nieiit erlmiebt ; die entibakteriell wirkenden Mittel lialMii
auf den Process keinen wohlthätigen Einfluss, können denselben weder abkflrzen,
noch knnnrn sie irgendwie prophylaotiscb wirken; im Geo:entheil. viele reizen
die Haut des äusseren CfehOrgangea nnd eröffneD die Wege zu neuen Infectionen.
Die Beliandinng wird deeluüb stete eine symptomatische sein müssen nnd in
dieser Benehnng nnd too neueren Ifittefai, «dolie enpfiiUe« wovdeo sind, tu
nennen die essigsaure Thonerde und das Menthol. Ich bemerke auf Grund ans-
}riebif;er Versuche , da«8 ich einen erheblichen Nutzen von beiden Mitteln nicht
gesehen habe. Die essigsaure Thonerde wurde nach dem Vurgange von Zaufal
neaerdlogs Ton Oboscb, Aumas und Szbnss empfolileii. Oboscb will Bsoh stOnd«
ludien Eingieesnngen von vkffiidi yerdOnnten Lösungen von essigsaurer Thonerde
in den äusseren Gehrirgang ausgezeichnete Erfulfre gesehen haben ; Furunkel,
welche noch fest waren, sollen ohne Eiterbildung verschwinden ; solche mit bereits
beginnender EiterbDdung dureh Bindieknng des ESters und dnrob Resofptimi
heilen. Das Menthol in 30Vs>gBn Losungen wurde von Gholkva empfohlen. Fest
gedrehte Wattewieken , getränkt mit diener Lösung, werden in den Gehörgang
einfreschohen, nach 24 Stunden durch neue ersetzt nnd die Behandlung wird bis
zur vuUstündigen Heilung fortgeführt. Vou beiden angeführten Mitteln ist das
Menthol flbetbanpt zn venneidea, es wirkt eher sehldlich als nfltsUeh; es reist
die Haut des äusseren Gehffrganges ausserordentlich, und ich habe FftUe gesehen,
in denen der Schaden grösser war, als der Nutzen. Cnschuldiger wirkt die essig-
saure Thonerde, wenigstens wird sie gut vertragen, reizt den Gehffrgang nicht
nnd der ftimneiilffse Froeess gelangt anf dieee Wdse snr Ansbeilnng. Eine allge-
meine antifurnnonlffee Wirkung kommt dem Mittel, wie bereits Akton und
.*^ZF,NES hervorhoben, nicht zu. die anderen vielfach empfohlenen Mittel keine
besseren Hesultate aufzuweisen haben , so ist deshalb das Mittel zur symptoma-
tischen Behandlung doch immerhin zu empfehlen, am besten nach der von BOBOW
gegebnen Vorsehrift: Alam. aeet 1*0, Plnnub. aeet 6'0, Aq. destillat 100*0. Da-
von werden stflndtich 10 Tropfen erwärmt in den Gehörgang eingeträufelt.
Literatur; C. Schimmel buflch , Ueber die Ursachen der Farankel. Arch. f.
Ohrenhk. XXVII. pag. 252. — Garri, Zur AetioloRie acut-eitriger Entzündungen. Fortachrftta
-!er Med. 1885, Nr. 6, pag. 165—173. — I5orkh;irt, Monatsh. f. prakt. Dermatologie. Ham-
burg l(s87, Nr. 10. — Longard, Arch. f. Kinderhk. 1887. — Loawenberg, IL laternat.
Otolog. CongresR. Mailand 1880. — Zanfat. Wi«n«r BMd. FrsaM. 18S3. Nr. 44. — Oboleva.
Therap. Monatsh. III, 1SS9, pag. 26i — nro.sch, Berliner klin Wochenschr. T^^R XXV.
pag. 18. — Anton und Szenes, Prager med. Wochenschr. 1889, Nr. 33- — Grünwald,
Munchener med. Wochenschr. 1891, Nr. 9. — Bronner und Hartmann, Bericht über die
Verhandl. der otolog. Sect. anf der 6'^. Versamml. deatacher NaUurfonober in Heidelberg. Arch.
f. Ohrenhk. 1890, XXIX, pag. 97 und 98. B. Baginsky.
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G.
CMvSIMHtSliStik. Dnnh den gnmtm Anfiehwung, welehen «U« Elektro-
teehtiik in den letzten Jahren genommen hatf hat aneh die Constraetion der m
galvanoctustischcn Zwecken dienpndcn Apparate einen so erheblichen Fortschritt
gemacht, dass die Anschaffung und Verwendung dergelben eine viel alljjcnicincre
werden konnte. Mit der öfteren Benutzung der in Frage stehenden Methode luuäste
natllrlieh aueb das Uitheil flbflr den Werth derselbea efai pndMrei werden. Und
80 haben sieh die Anschauungen, die BardbLBBBK in der II. Auflage diews Werkes
im Jahre 1886 entwickelt hat, mittlerweile eine allgemeine Geltung verschafft,
die sie wohl damals nicht so unbedingt gefunden haben mögen. Denn damals
glaubte man noeh an all' die Vorzüge, welche der Oalvanecanstik bei ihrer Ein-
ftthmi^ In die Praxis nachgerühmt wurden; heute dagegen weiss man, das»
BARDELEBENf mit gutom Recht jene so gerllhmton Verdienste des elektrischen
Brenners für illusorisch erklärte ; lässt sich doch nicht einmal eine sichere Gewähr
dafür übernehmen, dass galvanokaustische Operationen ohne Blutung und ohne
Sepsto Terianfen. Deehalb hat «berall, wo nleht gana beiondere loeale Yerliftltniaae
vorliegen, das Messer dem Galvanocauter den Rang abgelaufen. Aus dem hoch-
geschätzten Relbstsl.tndigen Instrument , mit dem dereinstens ganze Gliedmassen
abgesetzt wurdeu, ist der Brenner zu einem Hilfswerkzeag zweiten Ranges geworden.
Dahingegen haben neh neuerdinge diejenigen Speoialisten , die haupt-
sächlich im Innern von Körperhöhlen zu arbeiten haben, der Galvanocaustik für
ihre Zwecke bemächtigt und durch dieselbe ihre Operationen in Hals und Nase, in
Auge und Ohr etc. zu einer hohen Vollkommenheit geführt. Da die allgemeinen
ohimigisehen Prindplen , die lltor die OalTanoeaustik in Betracht konunen, bereita
im yn. Bande dieses Werkes abgehandelt worden sind, und eine speeielle Ausein-
andersetzung, wann und wo diese Methode zur Anwendung kommen soll, sich
zweckmUssig immer bei der Besprechung der betreffenden Krankheitsbilder selbst
findet, so will ich hier nur noch eine Bemerkung allgemeiner, mehr historischer
Art eineebalten.
Wie so vielen therapeutischen Methoden drohte auch der Oalvaooeaastik
eine Weile hindurch das Geschick , ein Opfer des Optimismus ihrer Bekenner zu
werden. Diese sahen so viele Vortbeile an und in ihr, dass sie alles Mögliche
und UnmOgliehe brannten, und natttrlieh riehteten de viel ünhdl an. Die oft
arg gesehldigten Patienten gingen dann nach der Beendigung der sogenannten
Cur zu anderen Aerzten, und diese, die nur die traurigen Verwüstungen sahen,
die der Breuner angerichtet hatte, verurtheilten die ganze Methode, obgleich doch
nieht die Methode, sondern nur ihre kritiklose Verwendung zu Terdammen war.
AUmilig erst ist Klarhmt In diese Frage gekommen und BRiaClBsr gebührt das
Verdienst, dass er dem Missbehagen, das weite Kreise schon lange über das lin^iunigc.
handwerksmftssige Brennen empfunden hatten, kräftigen und energischen Ausdruck
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326
GALVANOCAUSTIK.
verlieb. Heute ist man stob wenigstens darüber klar geworden, dass man bei der
Anwendung dir Galvanocaustik nicbt vorsicbtig genug zu Werke geben kann.
Man bat gelernt, dass man nicbt mebr wegen irgend einer barmlosen Parästhesie
die ganze PharynxscbleinDbaut in eine barte, trockene Narbe verwandeln darf;
man bat gelernt, dass man tumorenartige Verdickungen der Nasenscbleimbaut,
anstatt sie zu verbrennen, abtragen muss, aucb wenn das etwas grössere Ad-
fordeningen au die Gescbicklicbkeit des bebandelnden Arztes stellt. Damit werden
aucb die traiir'gen Folgeerscbeinungen in Obr und Rachen seltener werden , von
denen diese wüsten Eingriffe so oft gefolgt waren. Und erst jetzt, nachdem diese
Erkenntniss Gemeingut aller ernsten Aerzte geworden ist, können wir diese Metbode,
die niebr denn jede audere eine kritische ludividualinirung erfordert , als eine segens-
reiche betrachten.
Zur Erzeugung der für die Galvanocauntik erforderlichen Stromstärken
kommen bei dem beutigen Stande der Technik drei Elektricität«iiucllen in Betracht :
1. Galvanische Elemente und Batterien,
2. Accumulatoreu,
3. die von Dynamctmascbineu gelieferten Ströme bober Spannung.
Die galvanisclien Elemente sind wohl sämnitlicb für die Galvanocaustik,
wenigstens versuchsweise, in Anwendung gezogen worden. In der Praxis einge-
führt und bewährt haK'u sieh aber
nur die Zinkkoblceleniente mit ^
einer Füllung von Chrom.s'lure und
8ehwefel.'*ilure Um von einem der-
artigen Element einen genügenden
t^tarken Strom zu orbalten, ist es
erforderlich, Elemente mit einer
grossen ZinkoberflUche und einer
mindestens doppelt so grossen
Kobleni»berHilche zu wühlen, damit
auf diese Weise die F'olarisation
im Element verbindert wird. Ferner
muss man darauf achten, da^s eine
mitglicbst grosse FlUssigkeitsmenge
vorbanden ist , weil die Constauz
und ."^tromstürke nicht nur an der
Oberfl.lche der Elektroden, «(mdern
— und nicht zum wenigsten —
\onder Mengeder zur I nterhaltung
des ehern ischen Processes erforder-
lichen Substanzen abhflngig ist.
Es ist deswegen schwer,
leicht transportirbare galvanocau-
j*tiscbc Batterien von gnter VVirk-
h-amkeit herzustellen , denn die
grosse FlUssigkeitsmenge erfordert
grosse (iefjtsse und somit liegt es
in der Natur der Saehe, dass eine
gute Batterie aucb zieuilieh schwer
und umfangreich sein mum. Dauer-
haft und zur angestrengten Be-
nutzung geeignet bleiben nur Elemente mit ungefilhr 3 — 4 Liter Füllung und
Flächen von 4(tO Cm. KohlenoberflUcbe und ungeOlhr 200 Cm. Zinkfläche (siehe
Fig. 43 und 44 .
Bezüglich der Zahl der Elenieute ist zu bemerken, dass für Brenner und
kurze Si-hliti;.'eii 2 Elemente genügen , für gros.sc Sehlingen sind 4 Eb'mente er-
i^t&tiouäre gulvanucaustiMcbe Bdttrrifl mit 8 Elementen.
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GALVANOCAUSTIK.
327
forderlich. Sind 2 Elemente vorhanden , so goll jedes nicht unter 3 — 4 Liter
Füllunfj; erhalten, bei 4 Elementen sind 2 — 3 Liter ausreichend, jedoch muss es
möglich sein, die Elemente zu vier hintereinander oder zu zwei parallel geschaltet
verwenden zu können.
Die zur Füllung der Elemente benutzte Flüssigkeit besteht aus:
75 (irm. Chrorasäure,
25 „ Rchwefelsaurcm Quecksilberoxyd,
200 „ Schwefelsäure,
1000 „ Wasser,
oder aus:
125 Grm. chromsaurem Kali (»der Natron,
25 „ schwefelsaurem Quecksilberoxyd,
250 „ Schwefelsaure,
1000 Wasser.
Die zuerst aufgelUhrte Lösung ist die empfehlenswerthere, da sie weniger
Neigung zum Abscheiden der Chromalaunkrystalle zeigt; es fehlt der Lösung
(durch Verwendung der Chromsäure) die grüsste Menge des schwefelsauren Kali,
das sich bei der Mischung II
in L(")3ung befindet. Es er-
halten sich bei der Lösung I
die Kohlen rein und die Ober-
Hiiche der Zinkpole bleibt stets
metallisch. Die ZufUgung des
schwefelsauren Quecksilber-
oxyds soll nicht unterlassen
werden, da es das zur gleich-
raässigen Abnutzung des Zink-
poles nöthige Quecksilber
liefert und unnöthigem Ver-
brauch von Zink vorbeugt.
Ueber den Gebrauch von
Accumulatoren bei galvano-
caustischen Operationen e.
unter „Accumulatoren".
Die Verwendung der von
Dynamomaschinen gelieferten
Ströme für die Galvanocaustik
ist diejenige Methode, welche
als die beste bezeichnet wer-
den muss. Bei Anlagen zur
Erleuchtung von Stfldten und
grossen Etablissements ist in
Jedem Augenblick ein Strom
zur Verfügung von absolut
T«D«portai.ie iiatt^rio lür Uaivanouau«iik «.it i Elementen, coustanter Wirkung und unbe-
dingter Zuverlässigkeit. Es
erfordert die Verwendung dieser Ströme einen metallischen Widerstand, der derartig
zu wählet! ist, dass Intensitäten bis zu 25 Amp. zur Benutzung stehen, ein zweiter
kleinerer Rheostat schwächt den zum Bronner geführten Strom weiter ab, da das
vorher angegebene .Maximum in den meisten Fällen zu hoch liegt. Mit diesem sehr
einfachen Instrumentarium ist man im Stande, jederzeit ohne irgend welche l'mstände
und ohne Sorge um den Strom galvanocaustisch operiren zu können; und das
beliebig lange, ohne bffun'hten zu müssen, dass die Quelle der Elektricität versiegt.
Dass diese Methode noch wenig Verbreitung gefunden hat, liegt daran,
dass Privathäuser bis jetzt noch selten mit den Centraianlagen verbunden sind.
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888
GAL7A1I00ATI8TEK. — OBHIBNKRANKHBITBN.
Wo eine derartige £iimchtuDg möglich, wird sie aämmtUche Elektricitfttsquellen
TtrdrängeD, vcmii^resetit, dan auf tlM «nsgiebige Avweiidfliig ävt Gtlranocaastik
m reehnen ist.
Neben der Wahl zur Stromquelle erfordert die Wahl des Handgriffes,
de8«en man sich zur g:alvano<;austis(*ben Operation bedienen soll, eine gewisse
Aufmerksamkeit. Der alte BBDN^'äche Handgriff wird wohl ueuerdings nur noch
Flg. 4».
Bnfkolwr EmigM für fdVMUMsiutlidlM BreDn«r.
selten angeschafft, weil er zq unhandlieh nnd zu compact bt: bei den OperatioMB
in Nase und Ohr, wo man durch einen etilen Eingang: das Licht in das Innere
der Körperhöhle senden muss, ftlng^t derselbe zu viel Licht auf. Eine grössere
Verwendung finden die Handgriffe, die Scuech und ich selbst (Fig. 45 und 46)
angegebeD babeo. WXhrend Schegh swei Tersehiedene Instrumente benntat, je
Flg. 4».
Handgrilf fiir galvanootnatlMb« Scbneide!>chlins;i'ii und Brenner n»eh Dr. A. Kuttaer.
nachdem er die Schlinge oder einen festen Ansatz einzuschalten wünscht, ist der
von mir construirte Handgriff für beide Zwecke zu gebrauchen; eingehendere
Detaila Aber beide Handgriffe habe ich in der Berliner klln. Woehensobr. 1688,
pag. 770, mitgetheilt.
Die Ans.ltze f(lr die Jeweiligen Organe in ihren verschiedensten Modi*
ficationen finden sieh in jedem Catalog der einschlägigen Geschäftsllrnien.
Arthur Ku ttner.
GaStrektaSie, s. Enteroptose, pag. 248.
Gehirnkrankheiten (vergl. Encyclopädische Jahrb. m. I. pag. 27S~i. im
Anschlüsse an die gelegentlieheu Erfolge, welche die Hirnchiriir^'')e bei Hirn-
tumoren zu verzeichnen hatte, ist auch eine umfangreiche Literatur Uber die
Symptomatologie nnd Diagnostik der Gehirntumoren hinzugekommen. Die
diagnoetiseho Bedeutung der Stauungspapille für alle Hirntunwen i<t all-
gemein anerkannt. Nur hat sieb ergeben, dam bei B a 1 k e n tumoren dieselbe
apeciell öfter vermisst wird; während z. B. OrpF.NU£iM in d2^/o aller seiner den
versehiedensten Theilen des Grosshfans angehörigen Tumorftlle disgnostiseh ver-
werthbare Verändemngen am Augenhintergrunde fand, ergiebt die Statistik von
GiESE, da.sH in 8 unter I .'5 Fallen von Balkcntnmors Stannngspapille fehlt. Speeiell
gefährlich ist die Verwecli^lung der Stuunng-tpapille mit der I^o/}tll/ti'< al/>i/minnrii ftj
sowie derjenigen der chronischen Alkohol- und Bleiinto.xicatiun (Wermckk, Oppen-
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OEHIRNKRANKHEITEN.
329
HKIM, A. Westphal); auch bei Dementia paralytica kommen zuweilen Ver-
ftoderuDgen der Papille vor, welche denen des Hirntnmore völlig gleichen. Dass
die Stanungspapille bei Htrotamoren oft sehr spät eintritt — namentlich bei
eztraeerebral fliebenhaft hn SehtdoUnmni lieh anabreitendem OeaehwUliten — , ist
lingrt bekannt. Stets geht die ophthalmoskopische Veränderung den Sehstöningen
voraus. Eine sehr tlbersichliche Eintheilnng der letzteren hat neuerdings HiBSCHfiKBO
gegeben. £r nnterscheidet :
1. YorBbergshende AnlUIe von Erbihidang, respeetive Amblyopie; die-
■elben treten meist 6 — 8mal am Tage anf waA dnoern 1 — 2 Hinuten Zuweilen
wiederholen sie sich mit geringen Pausen den ganzen Tag hindurch und erreichen
eine Dauer von — 1 Stunde. Die Grenzen des Gesichtsfeldes, namentlich für
Fttben, aind dnbrf den grOssten SohwinkmgVD nnferworfen. Anoh tranaitorische,
beminoopiscbe Defecte kommen vor.
2. Dauernde cerebrale Sehstörungen ; diese theilt man zweckmässig- weiter
ein a) in Ausfallssymptome, bedingt durch Unterbrechung der Sehnervenbahn an
irgend einer Stelle und b) Hemmungssymptome, bedingt durch eine dauernde
DrMkwirkung auf die Sebnervenbnhn m iigeod «iner Stelle. Die letatgensnaten
nnteraeheiden sieb von den sub 1 genannten Torflbergehenden Anfällen durch ihre
Constanz und beruhen auf der Druckwirkunfr. welche die Geschwulst unabhängig
von ihrer BlutfttUnng dauernd ausübt, während die vorübergehenden Erblindnngs*
anfUIe wahTuebelnlieh auf Volnmaehwankungen des Tmnon In Folge weehielDder
BtntfBtte und anf entspreohenden 8ehwankungen des Himdrnekes beruhen.
3. Dauernde, intraocular entstandene Sehatörungen ; diese beginnen in
der Regel mit einer Vergrösserung des blinden Fleckes , welche oft schon sehr
früh nachzuweisen ist; später kommt die Gesichtsfeldeinschränkung und zuletzt
die H«mbtetsung der centralen Sehsoliirfe hinzu.
Die topisohe Diagnostik der Himgesehwiilste hat besondere Fortschritte
nicht aufzuweisen. Doch verdient die Beobachtung von Bruns Beachtung, wonach
bei S t i r n hirntumoren eine ganz ähnliche Ataxie wie bei Cerebellarerkrankungen
beobuehtet werde. Da bei Tumoren in der RoUAMDO'aohen Region diese eerebeUnre
Ataxie fehlen soll, so wflrde überall, wo dies Symptom vorliegt, die Diagnose
nur zwisehen einem Tumor der Frontalregion und einem solchen des Kleinhirnes
(respective der Vierhilgel) schwanken. Bbuns giebt als ditferentialdiagnostische
Herlanale bdnfs Entscheidung zwischen dieien beiden Hftgliobkeiten an, dssa bei
Cerebellartumoren Lfthmungen zu fehlen pflegen, Stauungspapille frflher eintritt,
Kopfschmerz, Schwindel und Erbrechen besonders heftig sind. Indess sind diese
Anhaltspunkte pehr unsicher. In zwei von mir beobachteten Fällen eines Stirn-
hirntumors war die Fähigkeit zu Rumpfdreliuogen und in geringerem Masse auch
diejenige zu KopfSdrehungen naoh der entgegengesetzten Seite erhebUefa ein-
geschränkt, erheblicher, als man es bei anderweitig localisirten Tumoren zu
beobachten pflegt. Die zuerst von .Tastrowitz aufgestellte und neuerdings von
Oi'i'ENUBiM in gewissem Umfange bestätigte Behauptung, dass bei Kranken mit
Stimhimtumoren besonders hftnfig „eine gewisse humorialisehe , läppisehe Art im
Heden und Benehmen" zu Tage trete, ist schwerlich stichhaltig.
Die BRisTO\vE'.«chen Angaben Ober die charakteristischen Symptome der
Balken tumoren sind von GiRSR grösstentheils bestätigt worden. Letzterer stellte
13 Fälle zusammen. Als charakteristisch ergab sich
1. die Häufigkeit von Hemi- und Punparesen (lOmsl unter 18 FUlen),
2. die tiefe Störung der psychischen Fnoetionen (llmal),
das Frelbleibcn der Ilirnnerven,
4. bis zu gewissem Grade auch die relative Unerheblichkeit der All-
gemeinerseheinnngen (abgesehen von der psychiaohen Störung) ; so fand sieh Kopf-
sehmerz nur 6mal, Erbreeben nur 3mal, Krftmpfe und Staunngq|is|^lte je 5mal.
*) Ah aod an, nicht stets, dürften wohl aneh intraocnlare DrackschwankoDgen
«ine Bolls »pioleo.
L.iiju,^cci by Google
330
GEHIBNKRANKHEITEN.
Für Geschwülste in der HjrpoiriiyBisgegend ist neuerdings als cbarakteristi-
scbes Symptom auch das Auftreten von Myxödem nebfn Opticusatrophie etc.)
angegeben worden. Es muss dahingesteUt bleiben, wie weit sich diese Angaben
«k wstntkoä enreteea weiden.
Mehrfach ist aneh Uber die Yenrerthbarkeit emersetts der Oertliehkdt
des s)>{)ntanen Kopfschmerzes und andererseits circumscripter Percussionsempfind-
licbkeit des Schädela geschrieben worden, rnzweifelhaft ist zunächnt . dans die
Localisation des spontanen Kopfschmerzes ganz uubtircchenbar und daher
dlngooetiieb werthlos ist Die Oettiiehkeifc des Pereussionssehmenes ist meist
als diagnostisch werthvoller angeselm worden. Offbnheiu nimmt mit Recht an,
dass dieselbe gewflhnlieh auf Osteoporose der inneren Tafel der Schfldelknochen
beruht. Es soll nun nicht bestritten werden, dass Uirntumorou oft zu Druok-
atrophie der Schldelknoehcn und daher anch oft zn einer ihrer Lage ungefthr ent-
spreebenden Percussionscmpfindliohkeit fuhren, indess lA«8t in der Praxis dies
.'Symptom selir hihitig im Stich, indem auch an Punkten, welche der Lage des
Tumors in keiner Weise entsprechen, Percussions- oder Druckempündlichkeit sich
findet. Die Auswahl kann in solchen Fällen ungemein sehwierig werden. Auch
habe leb mehrfach bei Tnmoren ein elgenthflmliehes Wandern nnd Springen der
Percussionsempfindlichkeit beobachtet. Bruns hat öfter über dem Tumor tynipaniti-
.schen Percussionsschall und Brutf put felS beobachtet und bezieht beides
auf diu von der Gesehwulst hervorgerufene Knocbenusur. Hierzu sei nur bemerkt,
dass Imde Symptome gelegentlich aneh bei Dementia paralytica beobachtet werden.
Ein eigenartiger Syniptonieneomplex entsteht, wenn diffuse Geachwulst-
massen sich nn dir li.i^is des Schridf'ls VD-nehmlieh oxtradural in den Knochen-
eanälen sich eutwickelu, durch welche die Ilirnnerven die Schädelböhle verlassen.
Es handelt lidi um das Bild fortschreitender multipler, basaler Hirn>
nervenlflhmnng. Bald ist dieselbe auf eine Sehldelhllfle besehrBiikt, bald
doppelseitig (UNVEBBIGHT , DiNKLBB, STSBNBBKO, ADAMKIBWICZ , MSMDBL,
Fuchs u. A.).
Eine Gehirnkrankheit, deren klinisches liild noch sehr schwankt, deren
Selbständigkeit jedoeh nach den neueren Erfahmngai kaum mehr besweifdt werden
kann, ist der erworbene idiopathische Hydrocephalue t'nternue
der Krwaehsenen. Derselbe tritt sowohl in einer .'leuten wie in einer chronischen
Form auf. Nameutlich EtcuHoaST und Oi'I'E.nuf.im verdanken wir sehr iustructive
Beobachtungen. Der J^tient des ersteren, ein 23jilhriger Student, erkrankte acut
unter Iieftigem Fieber und meningitisehen Symptomen (Nackenstarre, Augenmuskel-
l.thninngen, Sonui<dfn/ Weiterhin sehw.-ind das Fidtr und naeh dreimonatlichem
scliwankt ndem Verlaule trat der Tod ein. Der F.ill Oij'KM1KIM';> tiiiisehte das
Bild eines Hirutumors vor und verlief ehrouirfch ; 4 Jahre lang stand die ivrauk-
heit vollständig still. In anderen Fällen ist Heilung mit Defeet (dauernden Läh-
mungen) beobachtet worden. Referent kennt einen Fall, dessen Verlauf äieh Aber
LS Jahre «Tstreckt : die Initialsyniptimie waren epileptische Insulte und Intelligenz-
defecte. Mitunter überwiegen die Erscheinungen halbseitig. Die chronischen Fälle
können in yollsfändigo Demeos ausgeben. Syphilis seheint keine ätiologische BoUe
XU spielen. Die Ditferentialdiagnose gegenüber gewinsen Formen der Dementia
paro/t/tica kann mitunter sehr schwicriv worden. I)ie bislang vorliegenden Seetions-
beriehte weisen keine oder geringtügige nieningitische Processe, aber sehr hoch-
gradigen llyJioccphalua internus auf. Granularependymitis ist bald vorhanden,
bald nicht. Sorgfältige mikroskopiscbe Dntersnchungen der Himrbde stehen
noch aus.
Das Vorkommen h.lmorrhagiseher acuter Encephalitis im Gefolge von
Influenza ist öfter beschrieben worden ^Komg^dukk, v. Hülst u. A.). Die Lehre
vom HiruabscoRs verdankt Jansen einen werthvollen Beitrsg. Derselbe hat
5000 in der Tu i liii' r Obrenklinik /.nr Heobaehtung gekommene Falle von eitrigen
oder entzttndücheu Processen im Mittelohr susammengesteilt. Davon fahrten 7 an
GBHIBNKBANKIIBITKN.
331
HinmbsceMen ; 4 lagen im Kldnliirnf 8 im Temporallappen. In 4 Fällen bestand
angleieh Sinuathrombose. Viermal stand der Abecess in diieetem Zugammenhange
mit dem Eiterungsherde im Ohre. Die Erkrankuug begann stets {ranz plötzlich
mit Kopfschmerz, mit dem sich 4 mal direct Erbrechen verband. Bei den Kleia-
hirnabseessen fand ridi stets aneh eme mehr oder weniger ausgeprägte Naeksn-
steifigkeit. Diagnostisch ▼eriiert dies Symptom sehr an Werth, da es auch bei
extradiirnlen Eiteranfamitihinfren in der hinteren Schadcljrnibe auftritt. Fieber
kann, wenn plilebothrombotiselie J'roeegse nicht vorhanden sind, fehlen. Piils-
verlaug8amuug war nur selten zu coustatiren. Desgleicbeu fehlte Pereussious-
empBndllehkeit an der dem Abscesse entspreehenden Stelle der Sehideloberfliehe.
Referent möchte auf Grund einer kfirzlicben Erfahrung geradezu vor Verwerthnng
einer etwaigen I'crcussionsempfiiidlichkeit warnen. Ein 20jilhri}rer Kranker mit
rechtsseitiger Otitis media jjuruienta bot die Symptome eines Kleiuhiruabsoesses.
Da Aber der linken HinterhanptMehnppe eine äusserst ansgesproohene Dmek-
nnd Percussion.serapfindlichkeit und auch ein intensiver spontaner Schmerz bestand,
80 schlug' lieferent trotz der ^^rössoren Seltenheit eines «rekreuzten .Auftretens
otitischer Absccsäe die linksseitige Trepanation vor. Dieselbe blieb erfulglos.
Die Seetion ergab einen bis an die Dura reichenden rechtsseitigen Kleinhirn-
abscoss. Auch das Terbalten der Pnpillen giebt keinen sicheren Anfiiehltiss Uber
den Sitz de.s Ahseessc-i. So fand z. H. Jansen einmal die Pupille auf der Seite
des Abscesses weiter, wahrend uTr^rekel)rt B.agissky und (!li:ck in einem Falle
von Schlftfeulappenabscess die gleichzeitige Pupille enger fandeu.
Die sabireioben Arbeiten, welehe in den lotsten Jahren Uber Hirn-
sypbilis er.'iehieuen sind, enthalten zumeist pathologisch anatoniisetie I'nter-
suchungeu. In kliniseher Ik'ziehun;r bedürfen namentlich zwei Thatsachen der Er-
wähnung. Ks iät dies erstens das Scbw^anken gewisser schwerer Symptome bei
Hirnlnes. So hat Ref. sehon 1887 darauf aufmerksam gemaeht, dass bei der
^«ypbili tischen Devicntin iinrahjticn das WESTi'HAi/sche Zeichen im Verlauf einer
Inunetion.scur versehwinden kann. Dasselbe beobachtete ich neuerdin;rs \w\ einem
Fall von llirnlues. Aus anderen Beobachtungen (SiEMEKLl.NG u. A.) scheint ber-
Torzugeben , dass auch ohne Inunctionscur die Störungen der Sehnenphänomene
nnd auch Pupillea- und Bnlbärsymptome mannigfaehen Schwankungen unter»
worfen sind.
Eine zweite wichtige Erfahrunfr bezieht sich auf das Auftreten der here-
ditären Syphilis des Gehirns in vorgerückteren Jahren. Es scheint, dass heredit^ire
Syphilis doch auch in den Dreissiger-Jahren noch an speeifischen Processen im
Gehirn ftlhren kann. Einen sehr eharakteristiscben Fall dieser Art bei einer
SOjäbrifren Frau hat z. B. Charcot neuerdings mitgetheilt.
Interessant ist auch das Verhalten der aufänglich gesunden Pupille bei
manchen Oenlomotorinslähmnngen qrphilitischen Ursprungs, welehe mit gekreuzter
Hemiplegie combinirt sind. Ich habe bereits mehrfach beobachtet, dass trotz theil-
weiser oder fast vollständiger Heilung der Oculomotoriusläbmunfr und der Hemi-
parese unter '<pecifischer Behandlunfr im Laufe der nJlehsten Jahre eine Liclitstarre
der gekreuzten , anfänglich geäuudon Pupille — ohne weitere Symptome —
fuch einstellt.
Die cerebralen Kinderl. Ibmungen sind von Sachs in einer aus-
führlichen Monographie behandelt worden. Es standen demselben 225 F.-UIe zur
Verfügung. Er betont, dass dieselben viel häutiger sind, als gewöhnlich ange-
nommen wird. So kamen s. B. in einem amerikanischen Hospital (for the Rup-
tured and Crippled) auf 142 Spinallähmuugen 91 cerebrale Kinderlähmungen.
Die meiste?! fallen in die drei erslen Lebensjahre. In I5G Fällen lag llemiplefrie,
in 89 Diple:?ie, in I*araplegie vor. Bezüglich der intra partum entstehenden
eerebralen Kinderlähmaugen glaubt Sachs annehmen zu durfeu , dass die Zauge
selbst weniger oft das ursSebliche Moment abgiebt als die langdanemde Com-
presiion des kindliehen Schädels in den mfitterliehen Weichtheilen. Infeetions-
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332
GEHIRNKRANKHfilTEN.
krankheiten spielten nur in 20% der FftUe eine Rolle. Convalsionea sind im
InitialsUdiam des Leidena sehr häußg, und oft eDtwickelt sich, wie bekanot, im
AmoUaas an die eerelmil« KilideflibmaBg eine obroniseb« Epilepsie. Andereneits
hält Sachs daran fest, dasa zuweilen aaeh epileptisehe Anfälle, indem aaf der
Höhe der ConvuUionen Blutgefftsszerreissuno^en eintreten , Anlas» zu cerebralen
Kinderlfthmungen geben. Betheiligung des Facialis konnte Sachs in ungefähr 20<^ o
Miner Fälle feststellen. Typische motoriBohe Aphasie fand sieh in 20 Fällen, and
svnr auffällig oft aneh mit linlnNitiger Hemiplegie verbnnden (Smal). In 8 FiUen
Hew lieh Hemianopsie nachweisen.
Contracturen fand Sachs in T-^^o aller FjlIIe. Sie betreffen am Arm
hauptsächlich die Flexoren und Pronatoren, am Bein namentlich die Flezoren und
Addaeloren. Gborentiedie Störungen fanden rieh SOmal, athetoide Bewegungen
83mal, Hitbewegnngen 27mal, Nystagmus Smal. Schwere Idiotie wurde in 88*/«
aller Diplegien , in 60° o Paraplegien und in 13'\, aller nemiploe:i<'ri con-
statirt. Der Grad des Intelligensdefectes ist durchaus nicht stets der Schwere der
Lähmung proportional.
Die patiiologiadi-MMtomiselien Befttnde stellt Sachs in folgender Tabelle
zusammen :
Sectionsbefund
Gruppe I. Intrauterin «it-
•tauidane Lihmangm.
Gross« corsbral« Delbets («cht« PormosplaUsn).
latranterin entstandene! RlntUBgsa.
Agen esis rortiml .
Grupp« II. öebarts-
lähanngen.
JUeniogeale Uäinorrhagie (nur selten iutracerebrale).
FolffSSllst&nde : Meningo - J'^ncephalitis chronica, Meross,
Cy»ten, Atrophieo (Porenrephalira)
Gruppe TU. Acnto po?t par-
tum erworbene Lahniungeu.
Hämorrhagie (meniDfreale, selten nnr intracprebrale), Eniholie,
Thrombose (bei marantischen Zuständen und g«legentlich
nach Endarteriitis syphiliiica).
Folgoznstände dieser vasoalirea I^iisionaB: Cysten, SrweU
drang, Atrophie, Scleroee (dllRise vnd lobirs).
Metiingilis chronica.
Hydrocepbalos (selten alleinige Ursache).
Primirs Bnetphalitls (Strämpsll)?
Die Agenesia cortiealis zeigt t-icb makroskopisch nur in dem niederen
Typns dee FurdienTerlanfeB (Freiliegen der Innda Bmlii, Conflniren der Havpt-
fnrchen etc mikroskopisch ist sie dnrch Defecte der Rindeuganglienzellen eharak-
terisirt. — Für die Häraorrhagien macht Sachs namentlich die von Reckling-
HAUSEN beschriebene fettige Degeneration der Gefässwände bei Kindern verant-
wortlieh. Die Thrombosen sind selten anf hereditäre Lnes su besiehen, vielmehr
ist wahrscheinlich meist an eine marantische Thrombose kleiner cerebraler Venen
zu denken. Die Ausbreitung der secund/lrt ii Sclerose ist auch bei kleinen primären
Henlen oft sehr gross. Sachs ist geneigt, lUr den Intelligenzdefeot und die chro-
nische Epilepsie, welche die cerebrale Kinderlähmung so oft begleiten, speoiell
dieee seenndäre Soleroae verantwortlieh in maehen. Die Seierose kann deh an
jede vasculäre Lflsion anschliessen , die Atrophie und Porencephalie
wflrde sich nach Sachs ebenso wie Cystenbildung weitaus am häutigsten auf
Hämorrhagien zurUckfUhren lassen. Sachs begründet dies damit, dass die
Atrophien nnd Cysten nor in den seltensten Fällen hinaiebtlieh ihrer Ansdehnnng
einem bestimmten Arterionbezirk entsprechen. Diesem Argument dürfte weder gans
Stichhältig, noch in den Tbatsacben ausreicbead begrflndet sein (Fälle von Dahsac
et Dbny u. A.).
Die MeningitU (^ronica kann gleichfalls das klinische Bild der Him-
lähmnng der Kinder hervorrnfoi ; rie tit das Resultat einer im ft1lliesl«i BUndes-
alter günstig verlaufenen cerebrospinalen oder auch Convexitätsmeningitis. Der
Poliencepliaiith acuta Ötkümprll's, respective der primären Encephalitis acuta
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GEUIRNKRANKHEITEN. 333
4
dieses Autors mif<Rt Sachs nur geringe Bedeutung b«i. £r Mibst lut dieselbe
oiem&ls pathologisch-anatomiBch nachwelden können.
Mit grossem Recht betont Sacbs, dsss in vielen Fillen tod Epilepsie,
Chore* imd Bamenflieh Athetoee die sn Ornnde liegende Cerebnlilmon flbeneheii
wird, weil die Hemiparese zu leicht ist. Die halbseitige Steigerung des Sehnen-
phänomens kann zuweileu das einxige Zeichen sein, doioh welches die organische
cerebrale Läsion sich verrätb.
Sehr bemerkenswerth iet aneh die Arbeit von Adobt Aber Porenoephalie.
Oeraelbo stellt 100 Fälle von Porencephalie zusammen (1888). In 16 Fflilen
handelt es sich um Föten oder Kinder unter einem Mouat. 48 Fälle kommen
auf die 18 ersten Lebeni^jabre. Als Ursachen der Porencephalie führt er an: £nt-
wieklungshemmung , hochgradigen Hydrocephalus, Embolie oder eine sehwere Bin-
anämie. Ein einheitliches klinisches Bild ergiebt sieh ans den larZelt in der
Literatur vorhandenen 120 Fällen nicht.
Eine sehr bemerkenswerthe Complication der Gehirnkrank-
heiten, welche der Diagnostik grosse Schwierigkeiten beretten kann, ist
nenerdings mehrfaeh beiohrieben winden, nftmlieh die Ocnnpllention einer oi^ani-
schen Oehirnerkrankung mit hysterischen Symptomen. Nachdem schon Charcot und
Blzzahd vor längerer Zeit aof diese Ck>mbination aufmerksam gemacht hatten,
haben jetzt namentlich Schontual, Pick, Lbbkb, OprENUsiM u. A. einschlägige
Fälle mitgetheilt. So kann s. B. ein emboliaeher Erweiehnngsherd eine danemdo
Sehstörung als AusfallserKcheinung hervorrufen und zu dieser organisch bedingten
Sehstörunx kann vorübergehend eine hysterische Sehstörung hinzutreten , deren
functioneller, respective hysterischer Charakter schon daraus hervorgebt, dass sie
dnreh Suggestion su beeininflsen ist. Auoh einen Fall hysteriseher Ophthalmo*
plegie hat Pick bei einer congenitalen Himerkranknng beobaehtet. Das AnftreCen
hysterischer Krämpfe bei organischen Hirnerkrankungen — namentlieh Tumoren —
ist gleichfalls ab und zu beschrieben worden. Der bekannte Satz, dass die Hysterie
jede organische Uirnerkraukuug vortäuschen kann, lässt sich also auch umkehren :
snweilen tiaaehen organlMbe Himerkranknngen eine Hysterie vor.
Die Localisationsdiagnoetik hat, abgesehen von den oben angeführten
Thatsachen , weriiir Fortschritte zu verzeichnen. Die diagnostische Bedeutung der
von WfiUMCKK zuerst angegebenen hemiopiscben Pupillenreaction (Ausbleiben der
Reaetion anf LiehteinfiiU von der hemlanopiseben Sdte ab Merkmal von Lisionen
der Opticosbahn zwischen Chiasma und Vierhttgeln) ist durch die Fälle von
Leydkn, Derccm u. A. sichergestellt worden. In dem LKYDKNschen Fall ergab
die Section Erweichungen im Hirnschenkel und Traclus opticus, im DSKCUM'schen
eine Geschwulst im Pulvinar des SehhUgels. — Die Beziehung des Thalamw
opticus an den Ansdmekabewegangen wurde mehrfaeh dnreh patholo{^aehe nUle
belegt; doch haben auch entgegengesetzte Ansichten Vertreter gefunden (Kok-
XILOw). — Als eine bis jetzt ziemlich isdlirt dastehende Beobachtung mag auch
der Fall Edingek's erwähnt werden, in welchem eine lierderkraukuug des Gehirns
(Bflmorrbagie im Nucleus extsmus des Thalamus opticus and im Pnlvinar) neben
Hemihyperästbesie, Hemiathetose und Hemianopaie heftige spontane Schmerzen in
der gegenflberliegenden Körperhälfte hervorgerufen zu haben scheint; das Vor-
kommen central entstandener Schmerzen war seither meist bestritten worden.
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G6hirn0b6rflftf^6. Daa Studimn der Topographie der Oehirnoberfläolie,
die durch die Fnreben ihre Charakterlatik erhält, hat im letzten VierteUahrhundert
ausser dem roin anatomischen Int«*re8>*e mantii;-'f;ieh an Bedeutung^ gcwonruMi.
Vor Allem ist die Ijchn- 0.\Li.'ri von der Ijucalisation der GeLirulune-
tionen in anderer Form zur Geltung gekommen und dadurch 8ind die anatomi-
schen Details für die Physiologie und die topisehe Gehimdiagnostik wichtig
geworden und .mdcrerseita bat trotx ihrer Unvollgtfindigkeit diese Lehre eine her-
vorragende Hodcutiinjr fiir die ("Jeliirncliinirfrie {jewonnen.
ist liier nicht der Ort, weder die culossalen LUckeu der Physiologie
der Qehimoherfllehe hervorsnheben, noch eine Kritik der sahllosen Tragsehlüssef
welche aus den klinischen und experimentellen Facten ;r<'7j';.'en werden, zu flhen.
Nur eine Lücke will ich andeuten. Daniil dl»- Resultate der Exijerimentalpliysio-
logie für die l'hy.>»iologie, Tathologie und Chirurgie des ineoscblichen (Jehirnes ver-
wendbar sei , mu$8 der Sehlüssel gefunden werden , um die Furcbenspraehe des
TIdergehirns in jene des mensehHehen au tibenetaen, nnd umgekehrt. Diesen
Schlösse! hoffe ich im l^anfe dieser Abhandlunj? zu liefern.
l >:izii war vor Allem nöthi<r, durch ( »rienJirunfir an Querschnitten festzustellen,
oh ein iiuulitalivei- Unterschied zwisehou Menschen- und Thiergehiru bestehe und
ob eine Heterotopie der Kinselorgane stattfindet. Die Orientimng mit Hilfe der
grauen Suhstan/ der t'en(ral{ranglien erwies mir, dass weder das crstere noch
das letztere der Fall sei Es finden zwar durch relative Exeesse der Entwick-
lung oder durch Aplasien Verschiebungeu statt , aber keine Lageveränderuug. Man
kfaiDinerte sich aus theologischen Rfleksiehten vergebens an die verschiedensten
DiflTerensen um einen wesentlichen Unterschied awischen Thier- und Menseheiige-
6BHIBN0BBRFLÄCHB.
335
hirn zu tinden , bis man endlich aut einen wesenlliobeD (!) Unterscbied kam,
nSmlieb — anf das Fehlen des HiDterhoniB. Dann hitte aber rom theologiaeh«
anatomischen Staodpankte entweder die Höhle oder deren Inhalt — nämb'oh ein Stttek
Plexus r/tor/'on/pus — der materielle KeprJlsentant der Seele sein mflasen. Die
Hüble kann es nicht sein, folglich mUsste es der Inhalt sein. Der Flexna chorioi
deu» ist aber, wie leieht so erwdsen ist (siehe Vibohov*8 Arehir, B. 59) ein Drüsen-
organ, dessen Zweek offenbar die Regalirong des Oehimdruekes durah Absonde-
mng oder Aufsau^un^ ist.
Um aber die scheinlmr total verschiedenen Furchenbilder der Primaten
einerseits und der Übrigen 1 hierda^äen andercrseit»! und die verschiudenou Bilder
der letzteren unter «n einheitllehes Bild an bringen, mnsste dnerseits die Sneht
vermieden werden , voreilig: die Schemata für grössere Gruppen anzustellen , und
musgte anderernieits manche Lehre, die mit dogmati-icher Hartnäckigkeit l)eibe-
halten wurde , beseitigt werden. Besonders viele wichtige Irrtbümer Broca's in
seiner berühmten Arbeit Aber die limbisehe Fnrehe wurden von den Ifeisteni der
italienischen und franzOsisehen Sebule mit derselben Unbedingthdt au(reeht erhalten,
wie die dort auffrespeicherten ;rros-eti Wahrheiten.
Ich gin^ von d<'r Methode aus , am menschlichen Gehirne jedes Detail
in seiner morphologischen Bedeutung erkennen zu wollen, überzeugt, dass dies
durah sorgf<iges Studium der ver^eiehenden Oehimaualomie und durah das Stu-
dium exotischer, besonders niederer Racen und durch die Analyse der Gehirne
abnormer Menschen 7.u erreichen .sei. Ich hahe mich nicht getäuscht.
Auf diesem Wege stiess ich auf drei Grundgesetze, durch die die mannig-
fachen Bilder unter allgemeine Gesetze gebracht werden konnten.
Der ernte methodische Grundsats lautet: man mUssc beim Studium einer
Furche von demjenigen Typus derselben aii.sgehen, welche mögliehst alle Elemente
enthJUt, welche von ihr bei den verschiedensten Thicrclassen, inclusive der Prima-
ten rorhanden und („Idealfnrehen**).
Der sweite Grundsats lautet: man mflsse anderersdts jede Furehe in
ihre Theile zerlegen , weil jeder dieser Theile ftlr sich atiftreten und versschwin-
den und jeder ffir sich mit Theileti anderer Furchen sich verbinden kann, so dass
seine urHprUnglichc Zugehörigkeit unklar wird.
Drittens kaon sieh jede Furche und jeder Furehentheil durah Parallel-
furchen verdoppeln und vermehren, wenn swischen ihr und der näehsten oder dem
Gehimrande eine stark entwickelte Windung existirt.
AU viertes fundamentales Geschehniss ist die ^ietzbildung anzusehen,
welche dadurch au Stande kommt, dass sich parallele Seoundlrfnrehen bilden und
Haupt- und Secundirfnraheu durah Qnerftste verbunden sind.
I. Innere Flftche.
Wir wollen die Schilderung der Gebirnoberfläobe mit der inneren (me-
dialen) Fläche beginnen und zunichst von dem Gehirne des Pferdes (s. Fig. 47)
ausgehen. *!
Man sieht um den Ttogeii des Haikens ''(\\ den Gewiilbebogen {fri/}uts
fornieaius, Gj'j geschwungen, ßekanutlich ucunt man das vordere Bogenstück
des Balkens das Knie desselben und das hintere Ende desselben das Spleninm
und deshalb nennt man auch das vordere Ende des (jyrnn fornicatus den Knie-
theil desseMien und das hint<'re iMide desselben die l'n,-^ rf'trosjtlcnfrn . Den Gj/rus
f&rnicatus grenzt beim i'ferde (s. Fig. 47) oben eine Furche ab, die a\» Fissur a
eallosa margtnaliit fem) beseiehnet wird.
*) Ick habe ilie Figuren- aus d«r vargleic henden Anatomie vorzugsweise der berühm-
ten Abhandhnii: von Tnrner, The eonrotutions of tlie hrain (Journal of Anatomy und
Pbysiiiliniiv. (Ii ioIm i- |< -III mit .Acmlcrung der Bczeiclinuiij^cn ontnoninipn, weil die-e ausirezeich-
neten Bilder den Fachmännern gelautig sind und die Darlegung meiner Auä'üssang dadurch
orleiclitert wird.
336
GEHlßNOBERFLÄCHE.
Wir können sehon beim Pferde zwei Elementen dieser Furche eine Neben-
bezeicbuung geben, nAmlieb den vordersten nacb vorn convexen Bogen als den
Kniefteil denelben (g oder cm,jj, und den hintenten, naeh hioten oonvcocen Bogen
dondben als Arcus retrospUnious (rs = cnto), IHwe beiden Fnrehenttmle , oder
anch nur eine derselben, kdanen bei fnrebennraran Tliieran die gnnie Fnr^
vertreten.
Fig. 17.
Wenden wir uns nun der inneren Fläche fs. Fig. 48*) des typiiehen
Menschen zu, so sehen wir, dass dieselbe in ihrem Ziig^e von vurno nach hinten
am Qoadratlappen ( Q aufbört , Begrenzung zwischen Üyrus fornicatus und
sdner oberen Umgebung sn sein, nber ndt eiMn QMmate, der in die inaaere
Flielie eindringt, d<Hi Qoadxnflnppen naeli Vom von dem Pnraoentndlnppen trennt***)
Flg. 48.
Oer retrospleniale Tbeil der Furche tritt hier als Stiel der gabelförmigen Hinter-
liauptefiirelie anf, deren eine Zinke die Fistwra ealcarma (ec) bildet ^ wihread
*) Diese Fig. 48. sowie die spatere Fig. 53 geben ein Schema, das neben dem Schema
des Xypot durch dttnn« Stridie und Ponktlinien die nngewAhnliehen und atyplat^sn Tor^
komiuisse umlt-ntet.
**j lu der Figur irrthüuJicli mit i" bezeichnet.
***) In dieser Figur Ist der FarMsntnUappeD dueb die Bndutaben Ä nnd B
beseidinet.
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GEHIRNOBERFLACHE.
337
die andere Zinke den Cunins (Cu) vom Quadratlappen oder Präcanias trennt.
Ich schlage vor, blos für den intercunealen Theil die Bezeiobnunf^ als äussere Finsura
parxeto-occipitalis (po) beizubehalten.
Wir können jetzt die Fissura callosa-margtnalts in weitere Theile zer-
legen. Ausser dem KniestQcke ((f oder cmg) und dem Arcus retrosplenicm {rsp)
haben wir noch einen pr.lfrontalen und einen subfrontalen Theil und den cen-
tralen , welch' letzterer den Gyrua paracentralis vom Gyrua forntcatus trennt.
An vielen Gehirnen von .Menschen setzt sich die Fissura calloso-marginalis nach
hinten fort und trennt auch den Lobus quadratus vom Gyrus forntcatus. Diese
Fortsetzung bildet dann den präcunealen Theil der Fissura calloso-marginalis.
Rei anderen menschlichen atypischen Gehirnen setzt sich die Fissura
calloso-marginalis in den Stiel der gabelförmigen Hinterhauptsfurche fort und
klärt so die Bedeutung desselben als Arcus reirosplenicus der Fitsura calloso-
marginalis auf*' (s. Fig. 49). *)
Fig 4».
Oefters erscheint beim Menschen eine vordere Secundärfurche des Arcus
rrtroKplenicus , welche sich nach vorne ein Stück unter dem Lobus quadratus
fortsetzt oder selbst den typischen vorderen Theil der menschlicheu Fissura
calloso-m a rg inalis erreich t.
In Fig. 50, welche die innere Fläche der rechten Gehirnhälfte S c h i m a k's
durstellt, sehen wir die Fissura calloso-marginalis in derselben Vollständigkeit
wie beim Pferde , während die beiden Zinken der Hinterhauptsfurche (cc u. po)
von dem etwas kflrzeren Arcus retrosplenicus (rsp) getrennt sind und auch unter-
einander uicht zusammenhängen.
Der Ausdruck Fismira cdUuno-marginali.i pas.st für die cumpicte Furche nicht und
ich schlag« den An.<<drnek Gewölbsfurche (Fisaiiru .tupra/oniicata/ vor.
Mit der vollständigen Furche, wie wir sie beim Pferde und in Fig. 49
und 50 sahen, ist aber das Bild der Idealfurche nicht abgeschlossen. Wir sehen
bei allen halbwegs furchenreichea Thieren Queräste abgehen, welche den medialen
Rand des Gehirnes erreichen oder (Iberschreiten und öfters von dem Haupt-
bogen (cmj durch kloine Windungszflge abgetrennt sind. So sehen wir beim
Menschen die beiden Zinken der Hinterhauptsfurche (cc und po) abgehen, ferucr
zwei Queräste, welche den Quadratlnppen i P% Fig. 48) in drei schmale Windungen
*) Diese Kitfur stelH die innere Fläclie des Gehirnes eines Raubmördern und Ge-
wohnheitsdieben (:^chiniak) dar.
Kncyclop. Jabrbüclier. III- 22
338
GEUIRNOBERFLÄCHE.
theilen und die in atypischen inenar.hlicheu Gehirnen sich als zur Ccwnlbsfnr'lu-
gehörig erweisen, weiters dfii (^Uierast, welcher den Paracentrallappen nach hinten
abgrenzt Wir sehen beim I'lerde (Fig. 47) ebeafalls eine Füaura yarieto-occi-
püali» (po) in iiDsereiii Sinne. Bei RaobtUen« und sneh bd anderen Arten
(i. B. der Schweine, F\^. 51 1 tritt eino andere Querfarche auf, welche als Ftssura
cruciata (er) bezeichnet wird und beim Menschen mehr oder minder rudimentär
[s. Fig. 4b {cT)\ , selten vollständig den Paracentrallappen nach vurne abtrennt.
Atteli die innere FiMtwra mpraarbäedü [(so) a. Fig. 47, 48] ist all ein aolelier
senkrecht abgehender Ast dvt Qewölbafarebo annudien, obwohl er nur ansnahms-
weise (s. Fig. 60) direet naammenliingt.
Flc.M.
Man siebt, die Idealform der CaUoMHnaiytMlü besteht eigentlich ausser
der eompleten Gewölbsfnrehe wie heim Pferde, noch ans einer Beiher vie die
Speiehen einer Turbine sieh verhaltenden Querästen , und man wird jetzt eine
grosse Summe verschiedener Formen als inoomplete Variationen dieser Ideal-
furche erkeuuen.
Wiehtig ist noch die Erörterung einer Forohe, die in Fig. 47 mit cm*
beeeichuet ist und die bei dem Pferde auch als complete Parallele zur Calloto*
marginalis erscheinen kann. Sie ist beim Menschen im emliryonalen I>eben vor
banden, um dann meist wieder zu verschwinden ; doch sind beträchtliche Reste
Fl«. 61.
derselbeu besonders im vorderen Tbeile häutig vorhanden und auch im spienialen
Theil des Oyrus fornietUu» angedeutet. Bto trennt versoUedem OtfanänflA dea
Oyru» fomicatus und rersehwindet beim Mensoben wegtm der Aplasie dea
Oemehsorganes. *)
♦) In der vergleichenden Anatomie wird der liinitie Theil (lies^er Secnadilftucbe
öften ab Fisaura hifipocattipi bezeichnet. Doch wird dieselbe Bezeichnung öfters anob ftr
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6BHISN0BERFLÄCHB.
339
Es Ut hier nicht der Fiats, auf diese Furche (cm'j näher einzugehen.*)
Bevor wir die Fnrehen der medialen Fläche vetlMsen, sd noeh bemerlctf
dass die Gewölbsfurehe in verschiedenen Abschnitten auch obere parallele Sccundär-
furchen aufweist. Dazuzurecbnen ist beim Menseben die sagittalo Furche des
(^uadratlappens , ferner eine sehr häufipre . nach dlien eoncave Furche im l'ara-
oentrallappea uud eia bis zwei Secundärturcheu im präfrootaleu Theile. welche
bftufig mit der HauptAirehe sanmnienhliigen.
Aoeh beim Pfade geht (s. Fig. 47) eioe der Gewölbsfurehe parallel voa
der Fissur a paneto-oce^italü (po) ab, die jedenfalls bis an die Paracontral-
gegend reicht.
II. Aeasaere Fläche.
Für die Orientirung au dieser Fläche in der \ er^leiebenden Fiirchen-
anatoniie ist jene in der Thierauatomie als sylvische Forche (sj (s. Fig. 52 Hunde-
gchim) bezeichnete, beeonden wichtig. Dass diese dem hinteren aufsteigenden
Sehenkel der sylvisehen Fnrehe der Primaten entspreche [s. Fi^. 53 (t)}^ ist allgemeiB
anerkannt. Diese Furche hängt bei manchen Thiereu mit keiner anderen zusammen ;
l»pi vielen derselben aber mit der fiir osmatisehe Thier« niass2:elietiden Fissura
rliinalis {rkj, \^l'"ig. 52j i. e. dem äusseren Thcile der limbischen Furche von BkoCA.
Ueber dieser Furehe wir Ib dem Gehirne dee Hundes (Fig. 53) drd Furehen
gewölbt, welche die vier Urwindungen von Lbdubt und Gratiolbt (I — Vf) von
«nander trennen.
Man hat diesen drei Farehen nnpaeeende Namen gegeben. Die oberste vnrde gaas
uii/.wci kmässip als Fisfmni Int» ruf it ln'zoi( bii"f , weniger unpasseiKl von den englischen Aaa-
toimn als Fijf.siirn ninHalis. Die miltlcrf» und untere Furclic wurden als Fi.s.yume tmprasyl-
picae bezeichnet, und zwar die nittlere ul.« Fisgura gupraKylvkae superior, wenn dio untere
vorhanden ist, und ah .saprasylvlca schlecbtvegt wenn die untere fehlt. Die untere wurde
in Istxtersa Falte supruylvica genannt.
Ich bezeiehne die drei Fureben als obere, mittlere und untere LBlfRBT'eeho
Furchen (Is, Im, Ii), und zwar beim mittleren und unteren Bogen wesentlich nur
den obersten Kuppenbogen derselben, auf deren Sehnen die sylvisehe Furohe ^f)
senkrocht steht.
Auf das mannigfache Verhalten dieser Furehen und ihrer einseinen Beekand-
theile, auf ihre Repriseutanten im Primatengehime kommen wir sptter surltek.
jene Fnrcbu gctioiuinen, welche den (Ji/run Uiiipocamjii vuui f!chlafelap]>en trennt, und den wir
später als temporalen Tfaeil der Fissura rkinali» kennen lernen werden. Oft hängen diese beiden
Furchen bei Thieren zasammen, ))e3onder8 wenn letztere vom rhinalen Systeme abgetrennt ist.
♦) Siebe z. B. öber dieses Thema: 1. His, Unsere Körperrorm. Leipzig 1875.
2. Uichalko wicz, Entwirklungs^eschichte des Gehirnei!. Leipzig 1877. 3. Cunnin^ham.
The compltU ß»9ure« of the human cerebrum etc. (Scliriften der Royal Irish Academy. XXlV.;
4. Znckerkandl, Ueber das Rieebcentnini. Stuttgart 1887.
22*
v^oogle
840
oehirnobbrflAche.
Wir wenden uns qud eioem typisohea Bilde der ftuseeren Jj'llche des
mciiächlioben Gebiraoit (8. Fig. 53) zu.*)
Totumgebend flir den ESodmok das Bildes beim Firiiiuitengeiürn flber-
baapt ist die von der Nahe des oberen bis in die Nabe des unteren Randes von
oben ncd hinten nach vorne und unten verlaufende RoLANDO'scbe- oder Central-
furcbe (cj. Schon die oberflächliche Betrachtung l&sst diese Furche in drei
SDsamiDenbiiigeiide Fureben zerfallen, die wir als oberen, mittleren nnd nnteren
Theil (c,, c^, cJ bezeichnen. Sowohl naeb vorne als naeh hinten erscheinen zwei
mit der RoLANDO'schen oder centralen parallele Fureben , wovon die vordere als
praeceotralis (pc) und die hintere als retroceutrale (rc) bezeichnet werden. Die
Windangen zwiseben der Centralfurobe nad ihren Parallelen werden als Omtral-
windongen beteiehnet , nnd iwar die eine ab TOfdere (A) nnd die andere als
hintere (B).
Die präcentrale Furche fpc) gilt als hintere Grenze des Stiralappens
und von ihr geht meistens eine Furche ab in der Richtung vor- und abw&rts,
die als awtite Stimftirehe (ft) beieiebnet wird. Dieee Furche kann aneb dnreh
ein Windnngsstflck von der prftoentralen getrennt sein , oder diese durchdringend
in die vordere Centraiwindung einstralileQ und selbst bei atyiiisehea Qehimea
mit der Ccntralfurche communiciren.
Fitr. SS.
Mit der zweiten Stirnfurche beil<'luti>; parallel vorläuft beillnfig in der
Höhe, wo das obere mit dem mittleren Drittel der Cenlralfurche zusammenstöast,
eine Furche, welche als erste Stirnfurche (J'J bezeichnet wird. Auch diese Furche
kann bw atypischen Oehimen in den Torderen Oentrallappen eindringen nnd selbst
mit der Cen^alfurche communiciren.
Man bezeichnet die Stirnwindung zwischen dem medialen Rande und der
ersten Stirnt'iirche als erste Stiruwindung ( , jene zwischen der ersten und
zweiten Stiruturche als zweite Stirnwindung (F^) und jene zwischen der zweiten
Stimfurebe und dem nnteren Bande als dritte Stimwindong (FJ, Bs können in
der aweiten nnd dritten Stimwindnng Seenndftrfüroben anfltreton ober nnd nnter
*) Ich habe auch in dieser schemutüschen Figur muglictaät Alles aufg«nominea,
was man an den veraehiedenea menachlichen Gehirnen findet. Die meist TOikemmeadiia Fwaen
sind durch die dick>^ii Union gekenn7.ei( linet . wahrend dorch feine nnd ponktirta Liniea
secundure uud atypische Vorkommirsse augudentet .sind.
<j£;HUUIOB££FLÄCH£.
341
der zweiten Stifnforcbe nnd so die zweite nnd dritte fitirnwindung: in je zwm
Windungen zerlegten , wobei zu bemerken ist , dass , soweit bis jetzt beobachtet
wurde, die Zweitheilunfj nur in der einen oder der anderen Windun? erfulprt.
Von ganz anderer principieller Bedeutung sind die Secundurlurdjen, diu
swifldMii der entea Stimfnrclie and dem oberen medialen Rande anftreten und
die ich mit dem Bachstaben 9 (Fig. 53, 54, 55) bezeichne. Meistens sind es zwei kleine
Furchen, die hintereinander parallel mit dem medialen Rand verlaufen, durch ein
WindnngBstflck gctreunt sind und nach hinten nicht in die vordere Centralwindunj^
eindringen. Oefters sind die beiden getrennten Sttteke vereinigt, dringen nach
hinten in die Centraiwindung ein und confluiren an atypischen Gehirnen manch»
mal als vollHtilndige Furche mit dem oberen Drittel der Centralfurche. Oefters
setzt sich diese Secundärfurche mit ihrem vorderen Theile gegen eine Furche vor,
welche parallel mit dem vordersten Theile des medialen Randes verläuft und von
EbbrstAllbr als Fü$uira fronttHnar^fy»/^ (fm) bezeichnet wnrde.
Von den übrigen Furchen des Stirnlappens werden wir spflter sprechen,
wenn wir die Fismra fosme Si^h'i'i abhandeln werden. Ich will hier nur
noch beniorken, dass bald im oberen Drittel der vordereu Centralturche blus
ein kleiner dellenartiger Eindmek eleb befindet, der sieb bald an einer Qaerfnrehe
entwickeln kann, welche ein (iberc^ Drittel der prieentraleil Fnrche darstellt und
mit den tlbrigen Theiien der F'urche znsammenfliessen kann. Aus dieser Dolle
kann sich auch eine dem oberen medialen Rande parallele Furche entwickeln und
dieie kann wieder mit der Oentralfürebe oder mit der ^Fnrehe oder mit bmdea
znsammenflieaien , wie bereits bemerkt wnrde. Die hohe prindpieQe Bedeutung
dieser O-Furche fflr die vergleichende Anatomie werden wir später erörtern.
Als weitere Varietät bemerkenswerth ist eine Verdoppelang der Para-
ceutralfurche.
Im ParieUlIappen bildet (s. Fig. 58, 54, 55, 59) die Fisimra mter-
pariftaU» (ip) das hervorragendste Foimdement Sie besteht, wie Ssbnof anerst
betonte, ans drei BogenstUcken.
Der unterste und vorderste Theil derselben stellt eine erste, vordere
Parallelfnrehe zum anfttdgenden Sehenkel (a) der FCatntra fomiae Siflvn dar und
bildet das untere Drittel der Ftssura retrocentralia (rc).
Sie kann una>»hflnfiig davon, ob sie mit dem mittleren Bogen der /''/.w/m
mterparietalis zusammenhängt oder nicht, eine mit der Centralfurche parallele
Fortnetsung naeh oben haben, welche sich selbst bis in die HOhe des medialen
Randes fortentwiekeln kann nnd so das mittlere nnd obere Drittel der Fuwura
refrocenfrnh's darstellen. Diese iwei oberen Drittel der FttBUra rHroc^ntmlts
können miteinander verbunden oder von einander getrennt sein. Ebenso kann
das mittlere Drittel mit dem unteren zusammenfiiessen oder nicht. Es kanu aueh
vorkommen, dass das mittlere Drittel eine eelbstotlndige VerUngening naeh unten
erfailt, welche d iitn eine vordere Secundärfurche (rc^) des unteren Drittels der
Retrocentral furche, i. e. des unteren Drittels der Interparietalfurcbe darstellt.
Eh kann überhaupt zu einer Verdoppelung der mehr oder minder vollständigen
Ratrooentralfbrclie bei atypisdiea Gehirnen kommen and dann selbst mit einer Yerdoppelanfr
der Prtcentralfanlip znsamnenfallen Wir haben dann im rentrainn Thpil dos Gehirnes fünf
parallele Querfurchen und es wäre Hcliwieri;; , zu <!Ut»cheiden , welche vun ihnen als rentral-
ftuehe anzusehen sei, wenn uidit der EitiMimitt der Fisaura ealloso-marf/iiml i.s (vmt in die
äussere Fläche ein eotschetdendeB Merkmal abgeben wärde. Dieiienife Ct<ierfarche , die an*
nächst vor dem genannten Eiusclinttte lio^t, ist die Ceatmlftnehe.*)
*) Andererseits kann es bei atypist hen Gehirnen vorkommen, dasM die l|uerfurcben
venehwinden nnd so der hervorapringendste Charakter de» Primatengelilmee verlor-'n geht.
Das ist z. B. in einer Gehirnhälfte ein«-« jfeisto.-äkranken Kpileptikers der Fall, die Turner
(„Ifuman ccrebrnm iritli a retnarkahhi inoiii/ifd fronfo-iiuriitnl lol)e'', .Toum. of Anat and
riiysii'l. 1890, XXV) befichreibt. Ein ."tlinliches Bild findet rian auf Taf. VIII im lifrvorrapuden
Werke von Oiacoraini cerrelli dei microce/ali" . Turin 1890). wahrend ein iUtoten-
gebim von Hing aisin i (Internat. Zeitsehr. fär Anat. nnd Phys. 1890, VII, Heft 5) nad
eines bei Giaeomini (Taf. II) eine ükst ansscblienUeh qaere FordionanordnuBg seigt.
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342
GBHIRNOBBBFLlCHB.
Der mittlere Bogen der Interparietalforehe (tp^)^ welche das Seheitelbim
des Menschen in den oberen (P^) und in den unteren (PJ Sehatel- oder ParieU!-
läppen thoilt, kann mit dem vorderen oder hinteren Drittel aotammenflieBaeD oder
von jedem derselben getrennt sein.
Im oberen Soheitellappen befinden meh mit dem medialen Rande parallele
SeeondftrAirehen (s. Fig. hS) , die mit den Buehstabea l, beseiehnet sind und
denn Bedeutnng später erörtert worden wird.
Der hintere Thcil der Iiiterparietalfurche fipp, FIl'. ')3 j i^t um He-
trichtliches dem medialen Kande genähert, verläuft in der Flucht in den oben-
genannten Seenndlrfiireben knapp anter dem Einsehnitte der Fiatwra parüto-
occipitalis (pd) und endet knapp hinter diesem Einsehnitte mit einer queren
Furche der sogenannten horizontalen Ilititerliaiipt'^rnrehe f/io). Oefters setzt sie
sieh (8. Fig. b'i) Uber die letztere hinaus zu einer Furche ml = fort, welche
mehr minder parallel mit dem oberen nnd hinteren medialen Rand des Hinter-
hauptes veriftuft und der sogenannten Ftuura medio-lateralia des Thierbims
entaprieht.
Fig. M.
cm
Wir wenden uns nun dem Temporalhim zu.
Wir finden hier vor Allem eine Fnrebe, welebe mehr minder mit dem
liorizontalen und aiilsteifrenden Schenkel der Fi'.tsnra toasn^' Si//rii jiarallol Ifiuft
und als erste Schläfen- oder Teniporalfurehe ifj bezelehnet wird. Sie bildet die
hintere und untere Abgrenzung der ersteu Schläfen- oder Temporalwiudung (Ti).
Naeh oben gegen den Parietallappen ist diese Windung niebt oder sehr nndentiieh
dureh Secundflrfarchen vom zweiten Soheitellappen abgegrenst.
An niedrif; stehenden Cehirnen, z.B. einem ohinesis<hen s. Fitr. 54 *\
verläuft eine der ersten parallele Furche (^3), welche die zweite Temporal- oder
SeblSfenwindung (T.,) naeh unten und hinten abgrenzt. Dieselbe ist beim typiseheo
Mensehen viel unrej^elmässiger, vielfach zerrissen und in der Richtung nach untea
abweiebeiid. sie liejrt auch zum Theile an der unteren Fläche des SchläfelappeDS.
Wiehti^ ist hier noch eine ( Jrenzfurche , welche entweder unabhängig
besteht, oder auch eine Fortsetzung der zweiten oder auch der ersten Schläfcn-
fnrehe darstellt und die naeh hinten allenfalls etwas naeh unten eonvex ist Die
Tangente dieser Furche nach oben verlängert, trifft den medialen Rand knapp
vor dem E'nsehnitt der f'i^s>/ra pnrt*'ti>-i>crii>it(ih'>t ffx)}. Wir bezeiehnen die>ie
Furche als die von Weunickk [s. Fig. 54 ir). Sic grenzt den T'arietallappen
TOm Hinterhaupt ab und wird daher aoeh als Fissura parieto-occij>italü externa
bezeichnet. Ihr unteres Ende, wo es deutlieh ist, markirt den hinteren Grenz-
pnnkt zwischen Parietal- und Temporallappen.
«) S „Drei Chineseneebime" (daMlbst Fig. U). Med. Jahrb. Wien 1887.
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GEHIRNOBERFLÄCHE.
343
Vom hinteren unteren Theile dea Temporallappens geht ganz constant
beim Menschen eine Furche ah, welche mehr oder minder parallel mit dem unteren
Rande des Occipitallappens verläuft und die ich zuerst beschrieben und als Fissura
temporo-occipitalia (to, 8. Fip. 53) bezeichnet habe. Sie ist identisch mit der Ftasura
ecto-lnteralis felj der Thieranatomie und ist zweifellos eine reine Hinterhaupta-
furche. Sie kann entweder Relbstständig sein oder von der zweiten oder auch
von der ersten Temporalfurche ausgehen und es besteht eine grosse Neigung zu
einer oberen oder unteren Secundärfurche (s. z. B. o',, Fig. 55). Ich habe diese
Temporooccipitalfurche auch als dritte Occipitalfurche (o^) bezeichnet.
Fig. 55.
Zur Vervollständigung der Occipitalfurchen sei noch bemerkt, dass aus-
nahmsweise, z. B. in dem Indianergehirn (Fig. 55 *) von der hinteren Grenze des
Parietal- und Temporallappen.s eine Furche gegen den hinteren Pol des Hinter-
hauptes abgebt, welche als zweite Occipitalfurche (o.,) bezeichnet werden kann.
Auch für diese Furche existiren Secundärfurchen und es kann vorkommen, daas
die Secundärfurche vorhanden ist und die Hauptfurcho fehlt. Im Chiuesengehirne
(s. Fig. 54j sind die drei Hlnterhauptsfnrchen und somit die vier llinterhaupts-
windungen deutlich vorhanden.
Wenn die genannten drei Hinterhauptsfurchen vorbanden sind mit oder
ohne Sectindärfurchen und wenn diese Sagittalfurchen durch mehrfache Quer-
äste verbunden sind , dann entsteht ein complicirtes occipitales Furchennetz,
was besonders an atypischen Gehiruen auffüllt. (In den Tafeln meines Buches:
„Anatomische Studien an Verbrechergehirnen'"', Wien 1879, finden sich solche
Netze sehr ausgiebig. Bei atypischen Gehirnen kommen solche cetaceenartige Netz-
bildungcn auch im Stiruhirn zu Stande.)
Kehren wir jetzt zu Fig. 52, welche die äussere Fläche des Hundegehirns
darstellt , zurück und wir wollen es versuchen , die Furchen und Furchentbeile
desselben mit denen am menschlichen Gehirn zu identiticiren.
Betrachten wir zunächst die uut erste der drei Urwindungs- oder
LEDRKT'schen Furchen (Ii). Sie besteht aus drei hier /usammeuhängenden
Theilen. welche bei anderen Thierspecies auseinandergerissen oder blos in kleinen
Kesten vorhanden ist oder auch ganz fehlen.
Zunächst interessirt uns der hintere absteigende Schenkel f<J **), welcher
als die vjtrdore der zwei hinteren Parallelfurchen zur Fismra St/lvit (s) erscheint.
Ks kann keinem Zweifel unterworfen sein, dass dieselbe als erste Temperalfurche
{ti) aufgefasst werden muss.
*) S. „Beiträg« znr Anatomie der Gohirnoberfläche." Med. Jahrb. Wien 1S88. Da-
selbst Lst aneh das oben (Fig, 6o und Fig. 49) erwähnte Gehirn von Schiniak beschrieben.
**) Durch einen Irrthum in der Zeichnung fehlt der Index und ist blos t vorbanden.
S. auch Fig. 5(1 (Kiitzenhirn).
344
OBHIBNOBBBFLÄCHB.
Der vordere absteigeade Sobenkel stellt die biotere der beiden vorderen
Parallelfarclien sur Fiatura Bylvn (») dar und entspricht daher dem unteren
Drittel der Betroeentralfnrehe (re) des meoscblichen Oehlme.
Der mittlere Bohren trennt die dritte Parietalwindung des Hundes von
der vierten. Sie verschwindet heim Menschen bis auf kleine undeutliche Secundär-
furchen im zweiten Scbeitellappen und sie zeigt auch bei Tbieren die grösste
Tendern ra fehlen.
Bei der Katze (s. Fig. 56) sehen wir eigentlioh bkw das vordere (ro)
nnd hintere (YJ Bogensttick, während das mittlere (lij kaum angedeutet ist.
Die mittlere Ledret sc he Furche (l^ ist als aus vier Tbeilen
beitehend nnsneeben. Znnlebst ist ein von hinten nnd oben naeh vorn nnd ohan
abeteigender Sehenkel in Betracht zu ziehen, der mit der ersten TemperalAirehe
(t,J und mit der FUsura Sylvii parallel ist. Ks kanu keinem Zweifel unter-
worfen sein . dass dieser Theil der mittleren LEURKT'schen Furche der zweiten
Temporalfurche des Menschen (t^j entspricht (siebe Fig. 54} und dass die obere
Spitae diese Sebenkels einem Grenspnnkte swiseben Parietal- nnd Temporal-
lappen entaprieht.
Bin zweiter Theil dieser Furche nchliesst sieh der vorgenannten an, ver-
läuft in hohem Grade quer, mit der Concavität nach vorn. Dieser Theil der
2. LBüBBT'seben Fnrobe (s. Fig. 56) entaprieht der Fnrebe von Wärnickk (w)^
i. e. der äusseren Parieto-OeeipitaUurche des Menschen (s. Fig. 53). Der obere
Bogen mit der Convexit.lt vorwaltend nach unten und vorn trennt die obere Hälfte
des Parietalbirns von der unteren Hälfte und ents])ricbt dem mittleren Tbeile der
Fissuru interparietalta des Menschen, da nach dem frflber Gesagten die untere
Parietalwindnng des Mensehen aus den unteren iwei Parietalwindungen des Hundes
soMmmengeaetst ersebeiot.
Flg.a«.
Wichtig ist nun der vordere alrateigeude Sehenkel von C Fig. 52) : er
bildet die vordere der zwei vorderen Parallelfurchen zur F>M.mrn tSi/fvit und
entspridit daher t«»p().trrapliisch dem mittleren (CntJ und unteren (dj Drittel der
Centralfurehe des Meuseheu.
Diese letastore Behauptung wird Vielen als ein Jeu efeaprü ersohdnen
nnd im ersten Momente auf Unglauben stossen. Doch gehört sie zu den best
eon«tatirten Thatsaeben der verfjleiehenden ( M'hirnanatoinie. Vor und über diesem
Furchenscbenkel liegt der UyiuH siymoidiUH des Hundes und in diesem die
sogenannten psyehomotoriseboa Centren. Ebenso kann man sieh llbeneugen, dass
in den Querschnitten, die parallel mit ihm gemacht werden, die Nester der grossen
motorisehen Zellen von Hktx lii'irt'ii.
Man sieht die Kigentliiimliehkeit der zueitcn LKüRKT'fiche» Furche, dass
ihr mittlerer B«)geu beim Meuseheu {iiuj sich mit Vorliebe mit dem vorderen
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GEHIRNOBKKFLÄCHE.
345
Booßen der dritten LKrRF/r'schen Furche des Thicres verbindet und mir in seltenen
Fällen besteht an atypischen Menschengehirnen ein (juorast, welcher die Inter-
parietalis mit der Centralfarche zusammeafliessen lässt.
Um dM 6diiokBal und die Bedratang der obena LKDBEi'eehen Fnnibe (Is)
zu verstehen, mllggen wir eine Idealfarche, welche alle Theile der genumten
Forehe enthält, aufsuchen und con^truiren.
Eine solche Idealfurcbe tiuden wir bei TrichecJitm rosmarus. Wir
sehen (s. Fi^. T)?) diese Fnrehe vom hinteren Pole — mit ^er irarzen üntei^
brec-hun^ im paricto-uccipiUleD GrenqpeUete — bis snm vorderen unteren
Pule dt s stirnbiras verlaofen, wo sie sogar mit der Fütura praaylmoa (p»)
zuBammeutiiesät.
Am vorderen Bande des Stirnbiras ist diese Furche identisch mit der
Fiuura frcnlo-marginalü(fin) des Ifensdienhims (vngl.Fig.63 n. 67). Am olMren
Rande des Ptirnhirns repr.Hsentirt diese Furche die cp-Furche des Menschen und
die obere Corouarfurche des Thierhirns i'co, = o). Sie durehschreitet dann das
bei TirchfchuH rosmaru.s niclU scharf abgegrenzte Ceutraigebiet und bildet die
obere LsüBKT'sehe Fnrehe (t,) des ParietalUms und die virtnelle Fortsetinng
stellt die ollere oeeipitale (ir/ = Oj) oder medio-Iatersle Fnrehe dar.^
Fig. 57.
Im Hirne des S t i e r s (Fig. 58) ist hingegen diese Fnrehe in der Gentraigegend
nnterbroehen. Sie geht nach vorn als obere Coronarfnrche (co, — ^) snm vorderen
Kando des Stirnhirns . um dort die Ft'ssura fronto-margmalt» an reprisentiren
und endet vorn über der Füsura praestflvica anterior (pSa),
Im Parietalhim reprisentirt sie die obere LsDKvr'sehe Fnrohe (l^ nnd
geht als erste oeeipitale fo^ } oder medio-Iaterale Furche bi^ zum hinteren Stirn-
ende. Der oeeipitale Tbeil bat noch eine obere SeeundArfarche (oj.**)
*) Der fientralo uml parieto-teraporalo Theil dieses Gehirne!* lat oomplicirt. Der
hintere Theil ^t^} der unteren L«>u ret'schen Furche (IJ ist aligotrcnnt, besteht aas 2 .^tüikcn,
wovon das notere längere mit der Fitsura Sglvii (h) commuDicirt. Dafdr liäogi der mittlere
Bogen von mit der lotttleren Lenre fachen Farehe dort cmanmen, wo letatere ihre
zwfi altsti lulrn Theile ^/r und <J aliscndet. Die.sf luittlcre L»; u r<; t'sdie Fnrehe sendet
eine zweit«^ (mipitule Furche (o.,^ zum Hintcrhaupte. Die teniporo-uccipitale Furche [o t= el)
tat iflolirt. Di« Centralftirche ic, und r„> sind wenig entwickelt, hingegen ist hier die Fissum
praerenlralis (pej enorm ausKettildet und hängt mit 1^ lud <r. zasammen und schickt »wet
sugittale Furchen naoli vom, die wohl als Rndimente der I. und 2. Stirnfurche (f^ uni/^j
ansniehen siml
**) Wir kommen auf üieiKUi wichtige Uebirn noch zurUck.
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GEHIRNOBERFLÄCHB.
Kehren wir zum Hnndegehiro (s. Fig. 52) zurück , so sehen wir diese
Furche vom oberen Drittel der Centraifurche (i'..) hinter der Fi.<tsura cntciata (cr)
bis zum hinteren und unteren occipitalen Pol verlaufend und am Scbeitelhirn die
obere LEOREx'sche Furche (I,) und rtlckwärts die Fissurn niedio-lateralü (ml)
repräsentiren.
Suchen wir nun die Theile und Spuren dieser oberen Idealfurche beim
Menachen auf (s. Fig. 53).
FlK- 58.
Von hinten nach vorn gehend, haben wir zuerst die — nicht constante —
Fissura medto-lai^ra/is (ml=.o^). Daran schliesst sich der hintere Theil der
Fissura interna n et al im (ipp). Dahinter kommen die sagittalen Secundftrfurchen
der ersten Parietalwindung (l,). Letztere können durch saglttale Aeste der Retro-
centralfurche bis in die hintere Centraiwindung reichen. Auch im oberen Drittel
der vorderen Centraiwindung können solche sagittale Secundärfurchen weitere
Spuren unserer oberen Idealfurche repräsentiren. Weiter nach vorn folgen dann
die 'j<-Furche und die Fiasura fronto-marr/i'nalit* als weitere StUcke derselben.
Für die Richtigkeit dieser Auffassung des hinteren Drittels der Inter-
parietalfurchc und der accundärcn Furchen der ersten Scbeitolwindung spricht das
linke (Jehirn des Raubmörders Francesconi Ts. Fig. 59). Dort sehen wir die
genannten Theile zusammenfliesseu , parallel mit dem medialen Rande verlaufen und
nach vorn virtuell in eine sagittale Secundärfurche des oberen Drittels der
hinteren Centralwindung: Ubergehen.
Aehnlich ist das Verhalten der anderen Gehiruhnlfte , an der sich die
Fis.iiira medio-latemh's noch dircct nach hinten auschlies^t.
Zu dieser oberen , mit dem Marginalrande parallel verlaufenden Ideal-
furche, deren Parietaltheil die obere LKURET'sche Furehe bildet, gehören vier
t; u er f 0 rt Sätze. Der hinterste stellt die Fi.osura fion'zontn/i.'i-occipäalts (ho)
dar. Der zweite Qucrfortsatz, der vielleicht bbis beim Menschen existirt, ist das
obere Drittel der Fis.ium rrtroceDtralt's. Der dritte das obere Drittel der Fissura
ri'iUralis und der vierte das obere Drittel der Fissura prafir.entrafis (pc). Auch
der letztere kommt vorwaltend am menschlichen Gehirn in Betracht. Die drei
*) Auch iu früher citirtcn Indiandnr^ehirn {». Fig. 55) ist die mit dem Medialrande
von der Centralfurchfi l>is zur horizontalen Hinterhauptsfurche (hof verlaufende Furche (ip>
als parietaler Theil lier oberen Iilealfurche ünzuseheu. wahrend der obere Bogen der mittleren
Leuret'sthen Furche eigentlich verschwunden i.-(, da der sagittalo Rogen des inittlerea Theiles
der Rctroventnilfurcho oft'enhar /.or dritten Leuret'schen Furche nnd virtuell zur ersten
Temjmralfnrclifl gehurt.
Di
OBHJBNOßEBFLÄCHB.
347
letsten Querfortsltce mnd am meniohliehen Gehirn gewObnIiob tod der Sagittal-
farehe getrennt.
Die zweiten und vierten Queräste der oberen Idealfurchen sind ;uich
beim Mensclieu nicht constant und sind quasi obere Quertbeile von unterhalb
gelegenen Qnerftereben, mit denen sie snuunmeohftngeii oder von denen tie getrennt
sind. Nur die drei Theilc der Centralfurehe de* Frimatenj^ehirna sind /usammen-
hün^'^end und mit böebat seltenen Ausnabmen an einer Stelle darob ein Windangih
stück getrennt.
Bemerkenswerth ist das Gehirn des Seebären (Fig. 60). Hier senkt sieh
die /'Y'.'.vMm cructafa (er) , welche ja die Fhsnrn //rorr^nfrofis der Innen-
fliobe darstellt , tief in die äusaere Fläche ein , 80 dasä wir hier eine Fiasura
praecentralis (pc) haben, wie sie selbst beim Menseben selten so aasgebildet ist
Ich mass hier bemerken, dass ich gerade beim Bären mich durch mikroskopigcbes
Studium von Querschnitten (Iberzeuprt hatte, daas meine AufTassunp: der Fissi/rn
cruciata und der zunächst dahinter gelegenen Querfureben correct ist. Nicht leicht
bei dnem anderen Nicbtprimaten ist die Centralfurcbe so gut markirt wie hier, und
man siebt, dass bd diesem Ctohirne das obwe Drittel der Centralfnrebe (cj mit
Flg. M.
der sweiten LBORBT'seben Pnrebe verbunden ist. Bei anderen Ranbthieren, z. B.
der Katse und dem Hunde (n. Fi°:. 56 und ni') ist wieder dieses obere Drittel fc,^
mit der ersten Lki UKT'sohen Fiirehe fl.) verbunden. Wo kein atipresproehener
Gyrus iiitjnionietits (/«jj , wie in Fig. 56, 52, 6ü vorbanden ist, erschoint die
Centralfarebe hOebst mangelhaft, anklar oder fehlend. Man mnss die Oentralwin-
dnagen in diesen Fällen in Zukunft durch mikroskopische Untersuchung oder
ans der Orientirong am Sehldel — sagittalea Niveau der hinteren Hälfte der
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GEHlBHOBEEf LACHE.
vorderen Fontanelle — constatiren. Die Orientirung in Fig. 57 and 58 aus den
Kiementen der vorderen absteigenden Seheokel der LifiUJUBT'aehen Fnrehea dttrfte
exaet sein.
Wir hallen ftttber von einer oberen Coronarftirehe (co,) gesprooben,
weidie snm Syiteme der oberen marginalen Idealfurcbe gehört. Die Autoren
sprechen aber noch von einer anderen Furche als Coronarfurche , die ich zum
Unterschiede :ib untere Coronarfurche bezeichne (cOij. Am lehrreichsten
aind jene Gehirne, wo beide Farcben bestehen, z. B. beim Stierhiru (s. Fig. 58).
Die natere CkironarAivehe Hast sieli aber aneh an Jenen Oelümen ala aoiehe
erkennen, bei denen keine obere Furche besteht. Erstore hat nAmlich die Tendenz,
«US der Contralregion abwärts zu verlaufen und daher vom oberen Marginalrand
sich um SU mehr zu entfernen, je weiter sie nach vorn driugt (s. Fig. 52, 56,
Fig. 58 ete.). Sie reprlaentirt die erste Stirnfarebe (ft) des meascUiehen Oehirnes
und unterscheidet sieh von der letzteren meist dadurch, dass bei der unteren
Coronarfurche der centrale Theil {;nt cntwickt^lt ist , wfthrend der frontale Theil
gewöhnlich sehr kurz ist. fiekauntlich dringt die erste Stirnfurche beim Menseben
nnr in atypischen Flilen in die vordere Oentratwindnog (A) ein nnd flieist dann
häufig mit der Gentralfnrehe zusammen.
Die untere Coronarfurche häng^t bald mit der ersten, bald mit der zweiten
LKURKT'sehcn Furche zusammen. Sie kann alter auch, wie Fig. 60 zeigt, gar nicht
rüclcwÄrts in die Centrairegion eindrino^eii.
III. Fi.sfiura r/iinalis und Fissurafossar S y / v i {.
Wir wenden uns nun der äuHsereu Finsura Limbica von Broca oder
der Fittura rkinalü von Tobnbb an (rh). Wir sehen sie bei Eekydena hyitinx
(s. Fig. 61) in voller Entwicklung. Sie grenst im Oehimmantel ab, nnd zwar
erstens vom Riechkolben f Ii), respective Riechl.ippen, zweitens von der Fossa Sylvn',
verläuft dann unter der Fissura Üt/lrn (n) , mit der sie oft zosammenhüngt,
#
trennt dann den äusseren Hantel vom Oyrua hippocampi (H) nnd gdit weiter
nach hinten über die J'anprirungslinie der Fiasura retroaplenica hinaas snm Pole
des Hinterhauptes. Wir kilnncn die^c Furche in fol;reude Thcilc trennen : Der
vorderste Theil entspricht der Kiechfurche des Menschen (oj) , welch letztere
jedoeh beim Menseben kone Fortsetzung bat.
Zweitens können vir das weitere Stück bis sum Niveau der Fiuura
Si/lrii in zwei Tlieile zerlej^eii, ohne eine scharfe Crenze zwischen ihnen angeben
zu können. Den vorderen Theil dieses Stückes bezeichnen wir als den frontalen
Theil der Ftxsura rhinaUs (rh,),, und den hintereu als den centralen [rhej. Den
Theil, welcher den Sobläfelappen des Tbieres vom Gyrun hippooampi trennt,
bezeioluen wir aU tnupor.-ilcn frh,) und denjenigen, der hinter dem Niveau der
Itssura retroa/jUniiu liegt, als occipitalen (rk,,)'
uiym^L-ü Ly Google
GBHIBNOBERbLACHE.
Damit ist iinR die Identificirnng der RhinalAirohe mit den betnffBiiden
VorkonamnisHcn am menschlichen Gehirne erleichtert.
Wir wollen zuerst die hintere Hälfte in Betracht ziehen. Der Temporal-
Uppeo am nnteren Winkel der beiden enten TemporalwiDdnngen entwiekelt
sich beim Ifenedien zur mfichtigen dritten Temporalwindnnp, welche den
Gyrus hipporampt und den Uneufl (V) nach nnten und innen verdrilnjrt. Dio
Furche, welche dea Teinporaliappen an der unteren FUche des meuscblicheu
Gehirnes vom Gynu hippocampi abtrennt, ist in der Rege! serrimen, indem
sie im vorderen Tlielle naeh Missen ansbengt nnd mit den Furchen des
Hinterhaiii)ts nicht zusaranienhäng't und in der Re^pl vorn den Hand des Schläfe-
lappeus nicht erreicht, llftufiger an atypischen als an typischen Gehirnen
(s. Fig. 53 u. 02) existirt aber eine sagittale Furche, welche den Schläfelappen in
Miner ganzen Anedehnnng vom Oyrus hippoeampi trwnt nnd selbst mittelst
eines kleinen Furrhenstttekes (a), welches von Wilder als Fissura amygdalina
bezeichnet wurde , den vorderen Rand durchdringt und so von der Fi$9ura fottae
Sylvii durch kein VVindungssttlck getrennt ist. ^■
Fig 61.
Es kann also keinem Zweifel unterworfen sein . das*< diese dritte Tem-
poralfurche dem temporalen Antheile ' rh,) der lihinalfurche de< Thieres entspricht.
Sie iiiesst in den Fällen, wo sie gut ausgebildet ist, gewöhnlich in derselben
Flueht mit der Fiasura eoUateralis (el) snsammen, nnd letstere reprisentirt
daher unzweifelhaft den oecipitalen Theil der Rhinalfurche (rhj. In Figur 62,
welche die rechte innere GehiruHilche des MädchenuKirders Hiifro Schenk dar-
stellt, ist diese Fissur deutlich als temporaler Antbeil der Fissura rhinalis des
Thieres zu erkennen nod ebenso der oeeipitale Antheil (rhj^ als Repräsentant
der Fittura eolUUeraUty welche den Oyrus lingualisfLg) vom Oyru» fwdformu
I Fs) trennt. I>icses Gehirn repräsentirt auch eine Confluenz der Rhinalfiirchen mit
dem hinteren Antbeile der inneren limhischen Furche durch die Confl'.ie.nz mit der
Fissura rttrusplenica, respectivc dem Stiele der gabelförmigen Hinterhauptsfurche.
Bei Tliieren kommt die Conflnens der Rhinalforehe , respeetive des temporalen
Tlieiles derselben mit der Fissura colloso-Tnarginalis vor, und dic.^ ist vielleicht
— nach einer Fiiriir lici ( i nningh.xm — beim menschlichen Embryo öfters der Fall.
Die hintere Hälfte des frontalen Antheils und der centrale Theil der
Füaura rkinalia erwuttem sieh beim Mensehen cn einer tiefen HOhlnng, die an
der Oberfläche einen tissurähnlichen Spalt darstellt, in welchen der beim Thiere
zunäclist Uber dicken Tlictlen der Khin;ilfiirehe gelegene Theil des Hirnmantels
versenkt wird und die iuselwinduDgeu repräseotirt.
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360
OBHIBlfOBERFLlOHB.
Lehrreich in dieser Beziehung ist das Hirn des Schafes (siehe Fig. G3).
Wir sehen dort eiae Furche (S)^ die in der fronto- centralen Gegend parallel mit
im Füaurarkinali» Uaft nnd das Bild der Rhinalfarehe auch iiuofem naelwluiit,
als auch sie einen Fortsatz nach oben und hinten sehiekt, welche aosusagen als
oberer getrennter Fortsatz der Fi'ssurn St/lvü erscheint, dessen unterer Theil
mit der Fissura rhinalis zusammeuhäugt. Wir kunueu diese Verdopplungsfurche
der Fiuura rhinalt» als Repriaentantea des horiaontalen Theilea der Fimtra
fossae Sylvii <k8 Menschen ansehen und das zwischen beiden Furchen gelegene,
gefaltete StOek des Gehirnnantels (la) als Reprflaentaaten der InselviodiiBgen
betraehten.
Denken wir tuia diese Windnng untergetaucht, so haben wir ein com-
pletes Bild der Verhlltnisse des Menschen, nnd wir wiaen, dasa wir den horiion-
talen Theil der Fissura foasae Sylvii, soweit sie den Spalt der Höhle darstellt,
als Kepriisentanten des fronto-oentralen Theiies der Rhiualiurebe des Thieres
anzusehen haben.
Die BUnalAirehe des Thieres sendet meist dort, wo die dgentliehe Rieeh-
foiehe («{^ abgeht, einen zweiten Ast gabelfnrn iiach vorne gegen den Pol des
Rtirnlappens. Broca hat diesen Ast fltlschlieh :tU die Centralf urcbe des Thieres
angesehen, während sie de facto der äusseren Fissura sayraorbitalis entspricht
und an den menschlichen Gehirnen als Fissura frontal is externa (fe) bezeichnet
ist. Am 'rhier;rebirne filbrt sie frewiihnlich den Naiuen Prflsyhiea jis.) nnd sie
wird von mir als Fraesyicica anteiiur {{js^ bezeichnet. (S. Fig. 53, 51), 60,
68, 56 ete.)
Letztere Unterschudung habe ich deshalb vorgenommen, weil bei vielen
Thieren die Fissura rhinalis noch weiter hinten einen Fortsatz in's Stirnhirn
sendet, den ich' als Fissura praesylvica posterior (ps^j bezeichne. Derselbe
sehiekt gewöhnlich, naehdem sein BlntrittsstUek in's Stirnhim vertieal verlanft,
einen BVntsata naeh vorne nnd oben, der mir als Repräsentant der sweiten Stirn-
fnrebe des Menschen ^f..) imponirt.
Am klarsten spricht tiir diese Ansidit das (U'hirn des Stieres [s. Fig. 58
(pSp uud fij\- Wir sehen durt in sagittaler, hurizoutuler Richtung eine Furche
verlaufen, welebe von hinten ans der Centralwindnngsreglon tief In's Stirn bim
verlauft und mit einer Fissura praesyhica posterior zusammenhingt. An der
Hedeutung dieser Sagittalfurclie als zweite Sttrnfurehe dürfte kaum ein Zweifel
seiu, und wir können daher nach der Analogie an atypischen Meuschcugehirnen
das vertieale Stttek der Fuaura pruesylvica posterior als den Reprfs«itaiite&
des unteren Drittels der Fiiuura praecerUralis , die mit der Fiuura fostae
SjfloH zusammenfliesst. ansehen.
Als eine Speeialität des mensi'lilii-lit'ii (iehimes sind zwei Fortsetzungen
[(s' uud s"y 8. Fig. 5yJ der Fitisura junnut' ISyUii in die dritte Stiruwindung, die
Ly Google
geiüi;nobi;i!FLache.
351
f^ewöhnlich als horizontale Aeste derselben bezeichnet werden , anzusehen ; sie
kommen dadurch zu Stande, dass da« untere cyliadriacbe Randatüek des thieriscbea
StirnbiraeB doreh die miebtige Entwicklung det aasodatoriscben Spraeborganes
neb zu einer Doppelsobling« verkrUmmt und so Bweimal lozusaf^n deo oberen
Rand der g:euannten Fnrche emporzieht.
Manehmai erscheint am unteren Rande der dritten Stirn windiiiif^' ein
dritter Kiuschnitt («"'j der Fissura fussae Sylvii , welcher als hinterster Theil
der Fittura praesyleica anterior dea Tbieres ansmeben ist. Diese letstere ersebeint
am typischen menscbliehon (lehirne von der FoHna Sj/li-n ^tnant und meist in zwei
Theile zerrissen. An atypischen menscbliclicii <:ehirnen vereinigen sich öfter»
beide Theile mit dem tetztguna unten Einachnitte und diese vollständige Furche (/ej
bXngt dann mit der Fissura fotaete Sylvü znsammen und stellt also deutliob
die Fissura praeaylviea anterior des Tbieres dar.
IV. Orbitalwindung.
Wir beben somit mit Ausoabme der Orbitalwiudung sämmtUohe Furchen
besebrieben. Letztere liegt am menseblieben Oebirne (s. Flg. 64) grOistentbeils an der
Basis des Gehirnes und ist nach aussen durch die
mkf'ff ) bezeichnete Furche und nach innen von
der Kiechfurcbe (oj) begrenzt; uacb vorne Hieast
sie mit dem vorderen Rande des Stimpols sn-
sammeu und nach hinten bildet sie mit dem
scharfen Rande die hintere Grenze des Stirn-
lappens an der Uasis.
Beim Tluere liegt sie swiseben den
frdher genannten sw^ Endzinken Fiesura
rhiualis.
Die Orbitalwiadiin» 'Ohj ist in sehr un-
regelmässiger Weise durchfurcht. Meistens ext-
stirt eine )-(-fttnnige Purobe (<^J, welebe an-
deutet, dass die Orbitalwindnng eigentlicb ans den drei Fortsetzungen der drei
Stirnfureben besteht.
V. Die Grundformen des äusseren Gebirnbaues.
Wir können den eingangs erwähnten Grundgesetzen der vergldebenden
Furchenanatomie ein weiteres hitiziiftijren. WirkiMinen n-lnilich den Satz aussprechen,
dass dem Bau der äusseren Fläche der Vierwindun;^stypus zu Grunde liegt.
Im Parietallappen des Hundes ist dies schon von Leurbt und Gbatiolbt erkannt
worden. Wir finden diesen Vierwindnngstypns im Stirobim sebon beim Triehe(^»
ro.tiiiaruf> und beim Stier (s. Fig. 57 und 58) angedeutet und ebenso im Gehirn
des Narwal (s. F\^. 65). wo wir die drei rrwindnno;9furchen jedenfalls das
centrale Gebiet Uberschreiten und in das Stiruhiru eiudringeu sehen.*)
Am eminentesten ansgedrttekt ist dieser Vierwindungstypus des 8tim-
birns an jenen atypi.schen mensobUoben Gehirnen, in denen die o-Furche aus-
gebildet ist. Nur derartige Gehirne repr.lsentireri einen wirklichen Vierwindungs-
typus, weil die ^-Furche einer Urwindungsfurche , nämlich einem Theile unserer
marginalen Idealfurebe, deren eonstantester Repräsentant die obere LnJBRT'sohe
Furebe im Parietallappen ist, entspricht. Wenn der Vierwinduogstypus durch
eitle Verduppelunggfurche in der zweiten oder dritten Stirnwindnng sn Stande
kommt, ist er nur ein scheinbarer.
Der Viorwiodungstypu» des Occipitalhirn.s kommt bei Thieren häufig vor.
Gans eminent ersebeint derselbe im Stierbim, femer bd Tricheohua rotmanUf
' I l>uri h (las bogeiifünnitri? Zii> iiniiu iitlit -^^-Mi def /'V.VAMtvj i ri,,/irtrr<ili,^ i mit (Jer
2. L e u r e t'äcben Furche des Narwals int der Vierwiuduugstypus des üinterliaupte^ weniger edataat.
uiym^L-ü Ly Google
352
6E H 1 RNOBEH F L A < ' HE.
beim Schafe und ist auch an vieton meaaehUehea Gehirnen dentiieh Anagedrtlekt
(8. Fig. 58, 57, 6a, 54).
Wenn wir Ton der Innenseite ansgebeDd ans dae Qehini Uber der Achse
des Corpus caUasum (Ce) aufgebaut deDken, ao kdonen wir uns daweibe au
einer Reibe von Walzen f^cbildet vorstellen.
Die erste Walze besteht aus dem (ii/rus forniratua (Ofj mit einem
soboabelförmigen Fortsatz nach hinten, dem Gyrus lingual U (Lg)-
Die aweite Waise Uldet an der InnenflMehe die Innenfllehe des Stim-
hima + Paraoentrallappen (Pa) -f Quadratlappen (Q) -\- Cuneas. Zu dieser
zweiten Walze geb<5rt an der Aussentläehe der über der o-Fiirche geleg-ene Theil
des Stimlappens + oberster Theil beider Central windungeo + obere HAlfte der
ersten ParietalwindoDg und jener Th^ der ersten Parietalwindnng Oberhaupt,
der ttber dem hinteren Drittel der InterparietalAirehe liegt + jenes Theiles des
OeMpitallappens. der über der Fissura vifdio lnternltH (m^ oj lie^t
Die dritte Walze besteht aus dem unteren Theile der ersten Stirnwindung,
weiters aas dem unteren Theile des oberen Drittels beider Ceotralwindungen, ferner
ans dem unteren Thdle der oberen Pwrietalwindmig nnd ans der sweiten Oed-
pitalwindnng.
Fif.as.
Die vierte Waise besteht ans dor sweiten Frontalwindnng, dem mittleren
Drittel beider Centraiwindungen , der oberen HMfte der sweiten Parietalwindon^
nnd ans der dritten Occipitalwindun?.
Die fUofto Walze besteht aus der dritten Frontalwiadung , dem unteren
Drittel der beiden Oentralwindungen , der unteren Hflifte dw swwten Parietal-
windnng nnd der vierten Hinterbanptswindnng.
Als vordere Abbiegung der vierten nnd fQnften (vielleieht auch der dritten)
Walze ist der Orbitallappen anzusehen.
Formal kann der ganze .SchUU'enlappen als geschweifte Abbiegung der
vierten nnd fünften Waise angesehen werden. Ob vom Bntwieklnngsstandpnnkte
ans nmgekebrt die dritte und vierte Oeei])italwindung als hintere Fortaetsung der
vierten und ftlnfteu Walze inclusive des Temporallappen-' angesehen werden
mUsseu, ist eine strittige Frage. Formal können die zwei untersten Hinterhaupts-
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GEHIBNOBBBFLlCHE. — GICHT.
353
windngtB and der Schltfelappen als swei Zweige der viertea und fünften Waise
angesdien werden.
Alle unter der Fhsura rhinalin beim Thiere geleprenen Theile bilden die
sechste Walze mit dem Kiecblappen an der vorderen Spitze, mit den Gebilden
der Fo8»a S^mi unterhalb des frontalen und eentralen TheOes der genannten
Farehe und mit dem Gyru» hij^tocampi nnd Gyru» fuaiformia fF») am
hinteren Ende.
Diese AuBeinanderlegung in Walzen wird von Vielen als ein Jeu d'esprit
angesehen werden. Dem ist aber nieht so. Es ist ein Grandsatz der Biomechanitc,
dass eine eylnidrisehe Anlage beim Wachsen sich biegt, in einer oder in verschiedenen
Ebenen. Da.^ thut auch die Chorda beim Wachsen des frchirns. Die bla8enf9rmigen
Auswüchse machen diese verborgenen V'erlflnfreriirio:en mit und entwickeln nieh
zu verbogenen Walzen. Die ursprünglichen Blasen und die Walzen wachsen aber
dnrdi Erhebnng mehrerer Blasen nnd Walsen nnd diese stellen die Idealwalsen
dar, welche von Tdealfiirehen begrenzt werden.
Wir haben zum Schlüsse noch die Frage der Abgrenzung der
Lappen im Thiergebirn zu erörtern uud hier gilt es, die verhängnissvolle, aus
falschen phrenologiscben Anschauungen herv orgegangene Lehre Broca's ans der Welt
sn schaffen. Der berOhmte franaösisehe Anatom hat am Thiergehirne den grOssten
Theil der übrigen Lappen zu Gunsten der parietalen gebr.ind^^phatzt.
Es war vor Allem die Ansicht allgemein verbreitet, dass der Occipital-
lappen der Thiere unter den Primaten weder durch Furchen innerhalb desselben
g^kennzmehnet, noeh dureh solche von den ttbrigen Lappen abgetrennt sei. Wir
finden Jedoeh an der äusseren Fläche al.<; Binnenfurchen die Fissura medto-late-
rnUs und ecio-JnterfiU» und besonders bei den Ungulaten noch eine mittlere
sagittale Üinterbauptäturche und als Grenzfurche die zwei absteigenden Theile
der aweitea LBDBBT'sohen Fmrehe, nämlieh das der Fiamra parüt<HH!G^nt(dü
externa (w) entsprediende nnd das als Fiuura tempmralia »leunda beieiehnete
Stück der letzteren.
An der inneren und unteren Fläche finden wir weit verbreitet die
Fiuura retrtupltniea als Abgrenzungsfarehe nnd den oocipitalen Theil der Fvtsura
rhinalü als Repräsentanten der Fissura cnllntftralis des Mensehen.
Aneh die Filsum pariPto-occijiitiiJ is i'iifprna in unserem Sinne und die
Fismrn rnlrnrtna finden hitutig mehr oder minder deutliche Repräsentanten im
Thiergell irue. Als erstere mUääen wir Furchen ansehen, die vom Hdhenniveau der
Fissura rstrospleniea in unserem engeren Sinne naeh hinten nnd oben verlanfen
nnd als ReprMsentanten der sweiten jene Fnrehen, welche im gleieben Nlvean
sa^ttal nHi-)i hinten verlaufen.
Der Temporallappen ist häutig beim Thiere genügend abgegrenzt, wenn
man ^h ^ne Unie von der Spitze der Fissura Sylvii sn den Spitzes jener
zwei Absehnitte der dritten nnd sweiten Urwindungsfnrehe denkt, welehe mit
der erstgenannten parallel vcrlatifen.
Die zwei Centraiwindungen sind oft durch die als Theile der Centrai-
furche vuu mir erkannten FurchenstUcke markirt, wobei jedoch die Abgrenzung
naeh hinten nnd vom beim Thiere selten deutlieh ausgeprägt ist.
Im .Stirnbirn der Thiere int gerade die oberste Ürwindnngsfurche stärker
markirt ah heim Menschen, wiüirend die Ausbildung der SD^-enannten ersten und
zweiten Stirnfurche mangelhaft ist. Die äussere SupraorbitaUurche (fc) ist hin-
gegen beim Thiergehim als Fissura praesylviea anterior (psa) besser ausgebildet
als beim Mensehen. Benedikt
GerbsSure, Infusion bei Cholera, pag. 152, 186.
CHcht. Arthritis urica (vergl. Beal-Encydopädie , U. Aufl.,
Bd. Vin, pag. 398 und EncycIopAdische Jahrb. Bd. I, pag. 284). Ueber das Wesen
der chemisch-physioiogisehen Vorginge, welche bei d«r Oiebt sur
Encyclop. Jahrbücher. III. 23
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m
GICHT.
Ablageniiig und veränderten Ausscbeidun^ der Harnsäure und hürngauren S«Ize
fahren , spricht sich auch in den letzten Jahren eine Reihe von Mittheilun^en,
zum Tbeil im Anschlun-s au die älteren Angaben von Gakuuü, Ebstein q. A., au».
iBterenut ist ranlehst die H3rpotbe8e, durch welche Robbmts*) die
Erklärung dieser Vorgänge anstrebt. Er geht davon aus, dass die Harnsäure im
Urin und Blut in der Form der vierfach harnsanrcn Salze (Q ti ;i d r ii r m t e 1 vor-
handen ist. Diese haben die Eigenschaft, in Gegenwart von koblensHuren und
phoaphonauren Alkalien sieh in doppelt hamsaure Salze (Binrate) zu ver>
waDdeln. WfthrcDd in d« N<»m die Qnadnirate dnreh die Nieren nnverändert
ausgeschieden werden, nimmt Roberts an, dass bei der Gicht (in FoI<:e eines
krankhaften Einflüsse'^) diese Salze a u s s »• r ? c w (Iii n I i c h lanfre im Blut
verweilen und sich dort, bei der reichlichen Anwesenheit vou koblensaurem
Natrium, in Binrate umsetzen. Diese sind im BlutMrum fast unlOslieb, daher
auch durch den Urin schwer ansseheidhar ; sie hilufen sich in Folge desi^en im
Blut an. bis sie in einem gegebenen Augenblick sich k r y s t a 11 i n i s c h (in den
Gelenken oder an anderen Orten; ausscheiden: so wird der Gichtanfall erklärt.
Diese Ansdiaanng hat Robebts tn sttltten gesueht durch eine Reihe
von Versuelien flher das Verhalten von Harnsftnre und L'raten ansserliath des
Körpers gegen Blutserum fauch Synovia), respectivc eine das Blutserum nach-
ahmende „No r mal flüssig keit" (wässerige Lösung von ü^ö",,, Natriumchlurid
und 0*2% Natrium- Bicarbonat). — Die Ergebnisse waren den fUr den Organismus
hypothetiseh angenommenen Verhiltnissen analog: So erwies sieh Natrinm^Biomt
in Blutserum und Normalflflssigkeit beinahe unli^slich : ebenso änderten sieh einige
Präparate von incnistirten gichtischen Gelenken durch Behandlung mit diesen
Flüssigkeiten, selbst nach monatelanger Einwirkung, niubt. — Dagegen wurde
Harnsäure von Normalflassigkeit , Blntsemm und Synovia leicht auf^Ufst (als
Quadrurat), aber nach einer gewissen Zeit (in Biurat Ubergehend) in nadelfSrmigen
Krystallen wieder ansgescliicdcn : noch schneller lösten sieh Quadrurate. — Be-
schleunigt wurde hierbei die Losung (der HarnsUurc, respeetive (^uadruratc) durch
gesteigerte Alkalescenz der Flüssigkeit, und ihre Umsetzung und Auascheidung
durch höhere Temperatur und besonders durch Steigerung des Ilamslnregebaltefl.
— Von zugesetzten Salzen waren fllr die Ausscheidung beschleunigend Natrium-
und Kalksal/.e. ohne Wirkung Salze von Kalium, Lithium und .Magnesium, ver-
langsumeud Chlorkaliuui.
Längere Untersuchungen Uber HarnsKureausscbeidung bd Ocannden und
Gichtkranken hat ferner E. Pfkifkek angestellt und neuerdings dabei auch
namentlich berücksiehtijrt . dass zur Bestimmung der ( Jesamiutaus^cheidiin? der
Harnsäure die bisher Übliche HElNTZ'sche Methode (mittelst Salzsäure) als unzu-
verlässig erkannt ist und nur die SALKcywKi'sohe (mit salpetcrsanrem Süber)
branchbar erscheint. Unter Anwendung ietsterer hat er, wie er in einer susammen«
fa,«Henden Mittheilung 'i kürzlicli ausfuhrt, neu bestätigt, d.iss fmit Gakrod) bei
dem Gichtkranken eine Verminderung der H a r n s .'i u rea u s s c h e i d u n g
gegen die Norm besteht. Doch ist dieses Verhältniss (wobei Berücksichtigung dcji
Alters, Berechnung der Harusäuremenge auf 100 Kilo KArpe^wicht n. A. betont
wird) nur im frischen Stadium der Krankheit, und zwar in den freien
Pausen zwischen den acuten Anfallen deutlich, während bei der chronischen
Form der Gicht, mit ausgesprochenen Ilarusäureablagerungeu, die Harnsäureaus-
scheidung vermehrt gefunden wird. Die Harnsäurebfldnng ist nach Pfbtffek im
acuten Stadium als nicht vermehrt, dagegen im chronischen Stadium als gesteigert
anzunehmen. — Gleichzeitig findet sich aber in beiden Stadien die H ar n s tof f-
a u s s c h e i d u n g vermindert, so das-; der (lesammtstofTwerhsel sich als
schlecht, kachektisch kennzeichnet. — Eine Harosäurestauung (im Sinn von
Garbod u. A.) kann nach Allem nicht angenommen werden.
Ms hanptsncblichesCharakteristicumfiHrden Gichtkranken erklärt PfKIFFER
die „leichte Ausscheidbarkeit^' der im Urin enthaltenen Hamsänie. Die
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GICHT.
355
„freie" oder ,,lose gebuDdene" Ilarnsfture wird dabei nach der Ldelitigkcil
taxirt , mit welcher die duri'h SalzsUurc» fällbare Harnsäure dem T'rin mittelst
FiltriruDg durch ein mit reiner ilarnsAare bedecktes Filter eutzogeu wird. Wäh-
rend dies beim Gesunden für 100 Ccm. Urin erst bei höheren Mengen (2 — 3 Grm.)
Hamaftnre ge«ehieht, soll dasselbe in den msistra Pillen yon Gieht sohon bei
Quantitäten von 0*2 — 0*5 Grm. eintreten, am auffflllig-aten bei Anwesenheit harn-
saurer Nierensteine. Im frischen Stadium der Gicht soll während und unmittelbar
naeh den acuten (lichtaufällen die ilarusäure im Urin ganz oder grösstentheiLs
gebunden, in den gesunden Pnnsen meistens ganz oder fast gnns frei sein.
Ftlr die den acuten Giehtanfall zusammensetzenden Beschwerden
(EntzünduiifT, Schmi-rz ' sieht Pfkiffer nicht die un!r>sliche Harnsiiuro (GAHttOD),
sondern im Gegcntheil lin Ähnlicher Weise wie l'IbäTClN, vergl. Eaoyclopädisobe
Jahrbfleher, Bd. I, pag. 284) die gelöste Hnrnsftnre als Scbidlicbkeit nn.
Er weist diaranf hin, dass subcutane Injeetion einer Aufiiehwemmnng von unge-
löster Harnsäure erst nach längerer Zeit . wenn beginnende Lösunj? anzunehmen
ist, lleixcrscheinun^en macht, und dnan letztere durch Einführung von Alkalien,
welche die Lüsung erleichtern , beschleunigt werden können. Hiermit steht die
dureh neue Hamsftnrebestimmungen bestitigte Erfahrung im Einklang, dass im
acuten Glcbtanfall die HarDBAureausHcheidun^ nicht vermindert (Gärbod), sondern
vermehrt ist. — Nach Allem g;laubt i'FElFFKR den acuten Gichtanfall am besten
zu deßuiren als „einen durch gesteigerte Alkalescenz des Blutes und der Säfte
bewirkten Resorptionsvorgang von Harnsivremengen, welehe Torber
in Folge von mangelhafter Alkaleseenz der Körpersflfte oder von SAuernngs-
Processen abtrela°rert worden waren".
Die im Vorstehenden betoute Auflassung, dass in der leichten Ausfäll-
bark^t dnm Tlidles der im Urin enthaltenen Harnsäure einCharakteristicum
fDr die Gieht liege, ist von gewiehtlgen Smten bestritten worden, namentlidi
vou KdtsKRTs') lind von Ebstkin ' i , welche nach umfangreichen eigenen Unter-
suchun^'^ri'ihen diese N i-rhilltnisse theil.s in ähnlicher Weise bei (Jesunden , theils
in sehr ineonstanter Art bei Gichtkranken ausgesprochen gefunden haben. —
Naeh Pfriffbr sind swar diese Dtflbrensen snm Thdl auf die Versuebsanordnung
und die Wahl der Kranken zurückzufilhren ; doch bleibt die vorliegende Vtt^
immerhin noch weiterer Diseussion bedürftiir. Allerdinfrs hat auch eine Reihe von
Beobachtern I'friffkr's Angaben bestätigt (vergl. z. B. Nr. 5 und 10).
Unter Letzteren ist CSambrbr*) su nennen, ans dessen Mittbeilnng im
Uebrigen erwähnt sei, dass er far die ErklAmng des Wesens der Gicht sich der
Annahme einer II a r n s Ii ii r e r e t e n t ion anschliesst , dabei aber hervorhebt,
dass die tägliche Quantität der letzteren , um die Bildung der Harnsäureablage-
rungeu zu erklären, eine nur minimale zu sein braucht. — Derselbe stellt in
Bezug auf die Aetiologie der Gieht den obronisehen Alkobolismus obenan,
wobei die Monge des täglich genossenen Alkohols keine grosse zu sein Ivaneht;
einen Gichtkranken, der nie Spirituosen genoss, will er nicht gesehen haben.
Von anderen, die Aetiologie der Krankheit betreffenden neuen An-
gaben sei eine Mittbeilnng^) angeführt, welehe die Arttbere Annahme, dass die
Gicht sich vorzugsweise auf die jüngeren Kinder vererben soll, nach Prüfung
an '.i2 Füllen für zweifelhaft erklärt: I2m:il war das ält-^ste Kind, (Jmal das
jüngste Kind und 14mal mehrere Kinder ohne deutlichen Unterschied der Geburt
befatlen. Nur schienen allerdings die jüngeren Rinder frühzeitiger and mit
schwererer Form zu erkranken. — Eine andere Mittbeilnng') erklärt das Vor-
kommen der (licht bei Frauen, unter Anführung von 12 bezflglieben Kranken-
geeohichten, Ulr weniger selten, als allgemein angenommen wird.
In Bezug auf den Zusammenhang von Arthritis mitLuugen-
tuberkulose bestätigt 8okoi>Owsei *) die bereits von anderen Beobaobtem fest-
gestellte Thatsache, dass auf Gmnd der barnsauren Diathese tuberkulöBc Lungen -
processe sich entwickeln können, welehe sich dureh iliren protrahirten Verlauf,
23*
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356
GICHT.
dvreh don ICangel an Fieber und durch aufTallcnd geringe subjective Beschwerden
auszeichnen und somit im Allgemeinen die Ctiaraktere der „fibrösen Form" der
Lungentuberkulose tragen. — Umgekehrt entwickelt sieb aber auch nicht selten
irthiiliiebe IMatteee tnf dem Bodw einer geheilten oder sehr chronisch ver-
laufenden Lungentuberkulose. Den Omnd hierftlr sieht BOKOLOWSKt hanptslehUoh
in der reichlichen Zufuhr beträchtlicher Eiweissmen^en , besonders der Milch,
bei :^o1cheD Kranken und den daraus sich häufig entwickelnden Verdauungs-
ätöruDgeu.
Aus der SyatploinatoloKie der Oieht erinna« Pfbiffbr^ an die söge-
naniiteo „HEBESDEN'Rchen Knoten" (erb8enförmi<re, durch Knochenwnoherung
hervorgebrachte Verdickungen am Gelenk zwischen 2. und 3. Fingerpbalanx) und
die Streitfrage, ob diese als Zeichen der Arthritis aufzufassen sind. Er schliesst
sidi der bejahenden Antwort neuerer Beohaoihter an. Naeh seinen Brfahmngen
beginnt die Affectiun mit einer allgemeinen Anschwellnng der betreffenden Ge-
lenke, meist mit Schmerzhafti?:keit verbunden ; sie kommt am häufigsten jenseits
von 50 Jahren und bei Frauen vor, oft ist Erblichkeit nachweisbar; im l'rin
fand sich bei den bezüglichen Fällen das für Gicht charakteristische Verhalten
der Hamtlnre. Dass die in Frage stehenden Personen oft keine OiehtanflUle
gehabt hatten, ist nicht von entscheidender Bedeutung. Pfeiffer hllt daher das
besprochene Leiden für ausschliesslich orichtischer Natur; er stellt
dasselbe als charakteristisches Symptom neben die typische Erkrankung des Gross-
sehengelenkee und schiigt fDr dasselhe die Besdebnung ,^Giebtf Inger**
vor. Er betont noch, dass bei den durch chronischen Gelenkrheumatismus
erzeugten Deformirungen der Finger die hier ergriffenen Gelenke ausnahmslos
vorschont bleiben.
FUr die Behandlung der Gicht stimmen auch die neuesten Beobaehter,
trets abweieb«ider Anstauungen fl1>er das YOTbaUnn der Hamslure im giehtisehen
Körper, bis zu einem gewissen Grad in der Bedeutung llberein. die der Verab-
reichung: von Alk allen beipeleg:t wird, dureli welche die abnorm sieh aiHscheidende
Harnsäure „gebunden" werden soll. — Auch dass diese Verabreichung am boitcn
in Form von Trinkwässern gestiebt, ist demlieb allgemdne Annahme. Von
gewisser Seite ist zu diesem Zwecke neuerdings bes<»nders das WiesbadeiuT
Giehtwas'-t'r" 'mit doppeltkohlensaurem Natrium vtrsct/ter Wiesbadener Koeh-
bruunen) eiupfuhku wurden. '<>) Doch wird die Anwendung desselben ^wic auch
der künstlich oorrigirten Brunnenwässer flberbaupt) von einer Reihe von Beob-
achtern au Gunsten der natttrlichen Quellen zurflekgewiesen ; es wird dabei betont,
dass es sich bei der Behandlung: der harnsauren Diathese nicht nur tim Ver-
minderung: der Aciditflt der Körpersflftc und des Krina , sondern besonders um
Lüsuog, Diluiruu^ und Entfernung der harnsaureu Salze handelt.'') — Unter
den natttrlichen Quellen wird, neben Vichy und anderen allgemein bekannten
Brunnen, neuerdings auf das Fachinj^^er Wasser besonderer Werth SPle?t.
In Bezug: auf die diätetische Behandlung: der Gicht sind die oben anse-
iührten Angaben Pfeiffer'», wenn sie allseitig bestätigt werden, geeignet, der
eiweissreiehenKabrung, wdehe froher wegen der Besorgniss einer Steigerung
der Hamsäurebildung im Allgemeinen bei der Krankheit verpönt war, bei ihr das
Wort zu reden. Da nadi die<eii Ausführung:en <iiit' etwaige Vermehrung der
eireulireuden Harnsäure, weun nur für nöthige Hindung derselben gesorgt wird,
dem Körper keine Gefahr bringt, auf der anderen Seite aber die Verminderung
der Hamstoffaussebeidung ein dauerndes Daniedwliegen des Stiekstoffweebsels bei
dem Gichtkranken beweist, so erscheint hiernach die reichliche Zufuhr von Albnmi-
naten (neben mögliehster Beschränkung der Kohlenhydrate, welche die Bildunir
freier Harnsäure begünstigen können) bei der Ivraukheit indicirt. — Doch hat die
Hebraahl der Beobachter sich dieser Anschauungsweise bisher nieht angesdilosten.
Von sonstig« II Medicanienteu wird neuerdings die Milchsäure zu
2*0 Grm. tiglich, wiederholt 3 Wochen lang gebraucht, als Prophylactieum gegen
GICHT. — GIFTPOLIZEI. GIFTVERKEHR.
357
die GiclitaDfälle freriihmt i-), ferner der frObseitige Gebraaeh von Jod und seinen
äalzou besonders empfohlen. ^)
Ancb ist die Elektricitftt zur Beförderung der Rückbildung gich-
tiscber Loealerkranknngen Angewendet worden: 80 sah H. Mbtbr)*) gttnitigen
Einfluss der peroutanen Galvanisation, ausser bei anderen oberfläcb liehen Ge-
Hchwülaten , auch bei arthritischen Ablaprerunfrcn in den Extensorenschoiden der
Hände. Ferner ist zu diesem Zweck die Eiufuhruug von Lithium in den Körper
anf dem Wege der „etektrimdien Endosmoee* venueht worden. Dnreh Vor*
versuche wurde constatirt, daes ein Mensch, welcher die eine Hand in ein Gofftss
mit Litbiumchloridl^Btiii^ , die andere in ein solches mit Kocbsal^Iösune: tauchte,
während Ersteres mit dem positiven, Letzteres mit dem negativen Pol eines
elektrischen Stromes verbunden war, naoh einigen Standen Lithiam im Urin
zeigte. Dureli dieselbe VerBuchsanordnung wurde bei Besteben von sobmerzhaften
pichtischen Anschwellunfren der Fingergelenke schnelle Abnahme von Schmerz
und Schwelluog erreicht. Weitere Erfahrungen Uber solche Erfolge sind ab-
zuwarten.
Lit»ratvr: ') Roberts, A eontribution toth$ ^emütrif of Oout. Mmä.'tikirvrg.
Transact. l><9r>. LXXIII. pag. .H3<». — ') E. Pfeiffer, üeber Harnsäure und Gicht. Berliner
klin. Wucheimhr. Is92, Nr. Ib. 17. 19, 2U und 22. — Vergl. auch: Dorsel he, Die Natur
and Behandlung der Gicht. Verbaodl. des VIII. CongreMes f. innere Med. Wi^-sbaden 1889,
pag. 166. — Derselbe, Die Gicht und ihre erfblgreidie Behandlnng. II. Aufl., Wiesbaden
11591. — ■) Roberts. On Pfeiffer' a Uat for latent Gout. Lanoet. 1890, Jannar 4. —
*) K 1) s- 1 e i n , Heiträge zur Ltehre von der hurii.-imrcti Diatliese. Wic'sbaden 1891. — C amerer,
Zur Ltfhre von der Uamsüure und tiicbt. Ueut.^che med. Wocheuschr. 1881, Nr. 10 a. 11. —
*) Tylden, Hertditf ofOrntt. 8t. Bartholom. Hospit. Reports. 1890, pag. 268. — Banden,
Diathis'' ifiitttfu^fi rfifT Iii femme. Gaz. hebdomad 1891, Nr 'V.\. — *) Sokolowski,
Einig« Bemerkungen über den Zusammenhang zwischen der ai tliritisrhen Diathese und der
Lungentuberkulose. Deutsch. Arch. f. klin. Med. 1891, XLVII, pag. ,%8. ~ ®) E. Pfeiffer,
Gicbtflnger. Berliner klin. Wochenacbr. 1891, Nr. 15- — *") Mord ho rat. Zur Diagnose nnd
Behandlnnir der Gicht. Yerhavdl. doe X. Congreaaes f. ianere Ifed. ▼iesbaden 1891, pag. 443.
"l Fürst, Künstlich rorrigirte oder natürliche Mineralwässer in der Therapie der „ham-
>*anren Diathese". Deutsche Med. -Ztg. ]>^9l, Nr. 73 u. 74. — '*) B6renger- Ferand, Xote
sur l'euijiloi de V neide lactique cumme moi/en prophylactique des (ittaqnes de Goutt«. Boll,
de Therapie. 1891. -U. Decemb. — ") M. Meyer, Ueber die Zertheilung von Geschwülsten
durch percutane Galvanisation. Berliner klin. Wochenachr. ISIMJ. Xr. 80. — '*) Edi.-^on.
l'eber Versnche zur Heilung gichtischer Ablagerungen durch Anwendung der elektri>chen
Endoamoae. Wiener med. BUtter. 1890, Nr. 34. — Variot, Nouveau traitement dt la (inutte
par Edigan. Gas. mÜ. de Paria. 1890. Nr. 49. Riess.
Gicht .satiiriiitic, Blei, p;i^'. 1 Iti.
Giftpolizei, Giftverkehr, lu den meisten Ciilturländcrn sclircibeu die
Laiideagesetze vor , welche besondere Gcnebiuigiiugea zum ilaudel uuU Vorkehr
mit Giften erforderlich sind nnd au welchen Zwecken Gifte uod ihnen Shnlich
SOhSdlicb wirkende Sub.stanzen nicht in der Industrie ani^owundt werden dürfen.
F.illcn die letzteren Bestimmungen meistens in den Bereidi der Nahrunurs-
uiittel- und der ibaen verwandten Gesetze, so gehören auf der anderen Seite die
den Schädigungen dnrch mangelhafte VerkftUflibeinfsichtiguDg entgegenwirkenden
Vor.schriften im cunreren Sinne dem Kreise der Medicinalpolizei en. Dieae bestimmt
zuniielist die Vorsicht-sinassrefreln, welche f(lr die Aufbewahrung und .Ahiralie der
directeu (iifte iu den Apotheken bei»l)achtet werden müssen: (Iii- Minriehtutig
der GiftkammerD, Ilauptgiftsehräuke, liilfs- oder Neben- (Auxiliar ; (uft^chrilukchen,
die Festij^keit und den Versehlnaa der Gif^refflsse, die Giftsif^nfttaren auf den
leizteren. wie auf den Innen- und Ausseiiil iiren der .^ciirilnke und Kümmern, die
(«ift-seheine (Kevcr.sei bei der Abfjabe und ilir Formalitilten tilr diese wie filr die
Verpackung, die Kintragung in fortlaufend zu fubrendc Uittbiieber, aus welebeu
unter Anderem hauptsflchlich die PeraAnlichkeit des Ablangenden und des Ver-
abfulgers des Hifte-i ersichtlich Bein rauss.
l'iir (liMitsebe und niitteleuropaisclie VcrlifUlnisSö haben sii'h die nach*
8 eheuUeu Auturderungcu als probugiltig herausgestellt:
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GIFTPOLIZEI. GIFTVERKEHR.
Dirccte Gifte dürfen lediglich inabgesehlosBeneo Rftnmen innerhalb
fester GefUsse aufbewahrt werden.
Die Oeflase, welche Gifte enthalten, sind in yersehlonenea Behilt-
niaBcn, nnd cwar derart aufzustellen, dags jede der fuuf Arten Gifte in einem
besonderen verschlossenen BehaltnisKe stellt . sie sind mit einjrebrannter oder in
Oelfarbe ausgeführter, ihrem Inhalte entsprechender Signatur in Weiss auf
schwarzem Grande Sil versehen.
Der Phospkor muss in rtarken Oläaem aufbewahrt werden, die mit
pl.tscrnem Stöpsel vcrsehlossen und reichlich Wasser enthallend, in Kapgeln aus Eisen-
blecli mit Sand umschüttet einzustellen und so innerhalb (unes feuersicheren Mauer-
üchrankobens im Keller hinter versohlossener eiserner ThUre, gänzlich ieolirt von
allen flbrigen Mitteln, avfsnbewahren sind.
Fflr jede der fünf Arten Gifte ist besondereK Dispensirgreräth zu
beschafTen . welss anf sohwars sn signiren und bei den betreflfienden Giften anf-
zube wahren.
Die ftlnf Arten der direeten Gifte dflrfen nur gegen Gift seheine
verkauft werden und nur die sur Vertilgung von Ungesiefer dienenden Zuberei-
tungen auch an Personen, welche nicht zu den sogleich aufzuzahlenden (Tcwerbe-
treibenden zühlen, wenn solche Personen dem Verkäufer als zuverUtssig bekannt
oder durch die zuständige Ortspolizei legitimirt sind. Andere Giftpräparationeu
dflrfSsn aber nur abgegeben werden an (in gleicher Weise legitimürte) Kauflente,
Apotheker, Fabrikanten, Eflnstler oder Handwerker, die solehe Waaren au ihrem
Gewerbe benöthi^en.
Die Giftsobeiae (Giftreverse) mUsseu vom Verkäufer mit Nummer und
Untorsehrift versehen, in ein ordnungsmSssiges Gift buch eingetragen und
flbersichtlich aufbewahrt, auch mit dem Giftbuche, welches alle Daten des Gift-
eeheines abschriftlich und übereinstimmend ZU enthalten hat, den etwaigen Be-
Visionscommissionen vorgelegt werden.
Alle Güte müssen der abholenden PersSnliehkeit (niemals jedoch
Kindwn und unsuverlisaigen Erwadwenm) im festen, gut verschlossenen, ver-
siegelten . mit dem Namen des Giftes, dem Zusatie „Gift^' und drei schwarzeu
Kreuzen versehenen Gefitsson , niemals in Papierhüllen, ausgehändifct werden.
Ferner lässt die Medicinalpolizei (von gewerbepolizeilichen Beschränkungen
abgesehen) ausserdem m den meisten Ländern den Tblerärsten , welche för den
Gebrauch in' der eigenen Praxis Gifte führen, und den ärztlieben Hausapotheken
eine Berücksichtig'unjr aniredeihen. AuRtlnh-klicber (icnchn if^nnL'en zum Handel mit
Giften bedürfen nicht: Besitzer von Berg- und Hüttenwerken, welche Gifte
gewinnen, Besitzer chemiseher FabrikMi.
Was nun die Definition des Begriffes „Gift" anlangt, so liegt die
Schwierigkeit weit weniger auf demjenigen Theilgebiete der (iifte . welche als
dirccte G i fte allerwegen benannt und anerkannt werden (Tab. ß der dcutscbeu
Arzneibücher und Pbarmakopöen). Es gehören hierher :
1. Alkaloide und deren Salse: Aconitin, Atropin, Cantiiaridhi,
Goniin, Digitalin, Strycbnin. Vcratrin und ähnliche;
2. Arsen und dessen Verbindungen : Arsensäure, arsenige Säure, arsenik-
haltige Anilinfarben, arsenhaltige sonstige Farben (Auripigment , Kaiser- und
Mitisgrfln, Papageigrün, Realgar, Scheersehes, Sehwedisdies und Sehweinftoter
Grfln, Wiener Grttn), ferner Cosme'sdies Pulver, Ftiegenpapier, Fliegenwasser etc. ;
3. Cyanata fßlausSure und deren Salze, blausänrehaltige Stoffe),
Cyanquecksilber, Oyankali, Cyanzink, Fiittermaodel- und Kirschlorbeeröl \
4. Phospbor und die daraus bereiteten Ungeciefergifte ;
5. Queck Sil her Verbindungen (nicht das regulinisebe Qneekdlber),
also atzendes Quecksilberchlorid oder Sublimat, rothes und gelbes Jodquecksilber,
weisses (^uecksilberpr.Hcipitat, rothes Quecksilberoxyd . salpetersaures Quecksilber-
oxydul , priieipitirtes Quecksilberoxyd, basisch schwetelsaures QuecksilberoJtyd.
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6IFTP0LIZEI, OIFTVERKEHR
359
VoD differuuten Stotfeu, deren Aulbewabrung und Abgabe besonderen
ItesdiflnkuDgeD untenrorfea m werden pflegt, seien genannt:
a) Alkalien, Laugen, wteKalinm, Aetxkali, Aetskalllange, Natrinm,
Aetsnatron , A e t z ?) n t r o n I <i u g:e .
hl Mildere Alkaloide und deren Salze: Morphin, Codeln, Narceln
und llbnliuhe.
c) A ntiroonTerbindnngen, in erster Reihe Breehwdnsteb nnd Spieas-
glaosbutttr
<i I H 1 e i Präparate und bleihaltige Farben, nU: Rlcicssit^ , Bleiglätte,
Rleigelb , Uleiweiss , Bleizucker , Jodblei , Mennige und die Chrumverbindungen
(ehromsaares Bleiosyd, Chromgelb, Chromoraogei Chromroth).
ej Brom vcrbindangeOf Bromkali u. a.
/ i V'(in sonstigen Drogen ( respective deren K^^iiren , Extrakten,
Pulvern, isüftou, Tincturen , Weinen): Anacardia, Aq. amygdalarum amararum,
Aq. Laurocera«!, Cantbarides, Cardol, Gbloroformiam, Cbloralum bydrat. crystall.,
Euphorbinm. Faha calabariea, Faha St. Igaatüf FoUa Belladonnae, Pol. Digitalis,
Fol. Hyoscyami, I'ol. Strammonii, Fol. Toxicodendri, Fructus Colocynlhidis, Fruct.
Sabadillae , fJutti, Herba , Aconiti, H, cicutae virosae, H. conü , H. gratiolae,
CreoBotuni, Natron Huntonicuni, Mitrobeozolum, Oleum Sabiuae, ül. sinapis, Opium,
Radix Relladonnae, Rad. Hellebori viridis, Rad. Ipecaenanhae, Rhixona Veratri,
Sautoniuum, ^^emen Cocculi iudici, Sem. Colcbiei, Sem. Hyoscyami, Sem. Stram-
monii, Sem. Stryrlmi, Snnimitates Sabinae, Tubera Aconit!, Tab. .Talapae.
Diese bet'iig wirkenden Stoffe (sowie die ihnen übnlichen) dUrfen nur in
eigenftt Riameo oder in abgeschlossenen dgenen Behältern, jedoch keinesfalls
Knsammeo mit einem der directen Gifte (ad 1 — 5), sogleich in festen (Stand-)
(iefilHsen, die eine mit Oelfarbe ausgeHlhrte oder eingrebraiintc Signatar —
roth auf weissem (»runde — zu filhreo haben, aufbewalirt werden.
Ihre Abgabe geHcbiebt zwar ohne Giftscheiu, aber nur an Personen,
welche als snverlissig bekannt oder l^timirt tind (resp. nur auf Irztliehes
Recept) und jedenfalls unter guter, den Namen des Stoffes tragender Umhnllung.
Kifie Ausnahme machen die eoneentrirte Aetzlaugc , die eoneentrirte
Schwefel- und Salpetersäure, welche nur iu festverächlossenen Getilssen unter
Giftbezeiehnuog and (in Quantitftten von unter 500 Grm.) gegen ordnungsmässigen
Giftsehein absngeben sind.
l'jne grosse Lüeke im Bereiche der geschilderten Vorsichtsmassregeln
bildet der internationale Gift verkehr insofern, als Jedermann sich unter
Voranssetzung geeigneter Verbindungen, z. B. aus England, unbegrenzte Quantitäten
der cehflrfsten Steife und selbst direeter Gifte versehsffwi kann. Eine Regelung
ist öfter verlangt worden, steht indess noch aus.
In den iJlndern, in welcheu — wie in Preussen — der (Jirthaadel au
eine pulizeiiichc Concession gebunden ist, haben locale BeuUrfuisse (Uber welche
dann die Stadt- nnd Kreisanssehflsse , nnter ümstAnden aoeh die Landrftthe zn
beenden haben) oft ganz besonders strenge Anfsicbtsbestimmangen erforderlich
gemacht, haupts.'ichlich um den Vertrieb der Gifte und indifferenttn Stoffe auf
dem Wege des Klciudrogisten- und Materialwaarenhaudels uuüchädlicher zu ge-
stalten. In dieser Hinsteht verdiMe« als bospielgebend besonderer Eririttinnng
die Specialvorschriften far die Rhanprovins nnd fOr Pommern , besonders aber
aneh die für Schleswi°:-Holstein.
In solchen Special Vorschriften wird dann das Halten besonderer VVaa^r-
»■chalen (auch Gewichte), eigener Löffel ete. fflr jede Art differenter Stoffe, auch
Aofbewidurangsweiseo, Verpaeknngen, Abgabebesehrinknngen in der Weise spceifi-
eirt, dass dieselben den über directe Gifte bestehenden nahekommen. Auch werden
neuerdings in solchen allgemeinen (Provinzial ) Polizeiverordnungen Verbote bezüg-
lich der Verwendung giftiger Farben ausgesprochen, auch die Herstellung bedenk-
licher Verpackungen zn Nahrangs- und Gennssmitteln aasdrfleklieh nntersagt und
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300
OiVTPOLIZBr, OIFTVBBKBHB.
▼orj^hrieben f wie weit Oifte (und wdehe) cum Gebrauche gegen Ungeziefer
abfegeben werdm dflrftn.
In Frankreich hat mau bereits von frflberer Zeit her die Gesetzgebung
gepren Gifte in einen innigen Zusammenhanp: mit der NabrungHmittel-Hygiene
gesetzt. Auch 1890 berieth das Görnitz coasultatif d'bygiene publique vor dem
Abaobnitte C: Verkehr mit Giften und Geheinunitteln — spedell noch über
„Flrbniif von Kinderspielaeng mit fiftiffeB Stoffn** nad flb«r „Färbemittel , die
bei Bonbons, Zuckerwerk, Fruehtois, Kuohenf(lIIun;;en. Liqaeuren, nicht angewandt
werden dflrfen". (rleichzeitig erstrecktun nich die Erörtemogen auch Uber das
Verbot gewisser Zusätze zum Wein und zum Bier.
In Deutschland ist die Materie der Gifte in Farben, welche bei der
Herstelliinir von NabmagpHnitteln nnd deren VerpaeknagieR , ebenso bei Oenam*
mittein selbst und deren rmhflllunpen , ferner auch bei einer grossen Reihe von
GebrauehsgeffenHtftnden zur Anwendung frel.infrtPii , durch sehr umfassende Vor-
bereitungen und be^ouders auch durch die Ertahruugen bereichert worden, welche
man mit dem ersten besflgliohen Erginnragageaetie snm Nabrnngsmittelgeeetie
(vom 14. Mai 1879) gemacht hatte. Dasselbe war 6 Jahre — \nm l. Mai 1883
ab — in Kraft gewesen, als es am 1. Mai 1HH8 ersetzt wurde durch das in
allen Punkten viel detaillirtere und besonders auch mit Rücksicht auf die Straf-
fillligkeitsbestimmiingen und die strafbare PersQnllebkeit viel sebtrfer gefasste
Gesetz vom 5. Juli 188 7, die VerwendunggeBondheitssebfidlicber
Farben bei d e r H e r s t e 11 u n ^ von N ab ru n ^smitteln, Genussmi tteln
und üebrauchsgegen ständen betreffend.
1 Gesandheitsächädlichc Farben dürfen zur Herittellung von Nahrung;»- umi G«-
Bnmittaln, welche zum Verkaufe bestimmt Riad, nicht verwendet werden.
GeaaDdbeitasckadliche Farben im Sinn« dieser Bestimmong sind dit-jenigeo Farb-
•ti^ nnd Farbiobereitangen , weleh« Antimon, Anen, Baryon*), Blei, Cadminn, Chrom*),
Knpfer, Quecksilber'*"''), Uran, Zink, Zinn, Gunmiipulli, Konilün ';, Pikrinsäure enthalten.
Der Reichskanzler ist ermarhtigt, nähere Vuri<chritten ul)er da.s b<^i der Feststellung
des Voriiandensi-ins von Arsen nnd Zinn anzuwendende Verfahren zn erlassen.
§.2. Zur Aofbewahmag oder Verpackung tob Nahrang»^ nnd Qenusmitieln,
wetelie tum Tt-rltanAi beottant nnd, dflrÜBn Gefibn», Vabttlongea odar SdratabodeckoDgea.
zu AoTcn Uerstellnng Farboa dor im $.1, Abaats 2 beaeiebnetea Art verwendet aind, nicht
benatzt werden.
Ant die Verwendnng von
schwefelsaurem Barynm (Schworapath, blanc lixef ),
Baiytl'arblacken, weiche von kohlensaurem Baryum frei sind,
('il!IMI!l)\\ il,
Kupier, Zinn, Zink und deren Legirungen als Metallfarben,
Zinnober.
Zinnoxyd.
SchwflVlzinn als Mujivguld f i,
sowie auf .allo in Glasmassen, Glasuren oder Emalli eingebrannte Farben and
auf den ianoron Anstrich von Gefamen au waaNrdichten Stoffen
findet diese Bestimmnn^ nicht Anwendonfr.
§. Zur Hfistellunp vr>u ki>.-;ti)eti>rlii n MittflnvTl (Milteln zur Reinipnu? , Pfleire
odor Fkrbungftf) der Haut, «les ÜMarey oder der Aiundhulile k welche zum Verkaufe bestimmt
lind, dArfeu die im §.1, Absatz 2 bezeichneten Stoffe nicht verwendet werden.
Auf scbwefelsaure^t Barynm (Srhwcr.-^path , blanc fixe). Schwefelcadmium , Chrom*
oxjrd, Zinnober, Zinkoxyd, Zinnuxyd, Schwefelzink , sowie auf Kupfer, Zinn, Zink und deren
Legirangen in Form von Pnder findet diese Bestimmung nicht Anwendung, ffff)
*> Anch ^^chwerspath, Chromoxyd, Zinnober sind in Znknnft verboten.
**} Synonym: Pitonin ; Dinitrokresnl — das im Eniwurl'e vorkiim — ist pe.strichOB.
***) Ob die Möglichkeit des Uebergangea der Farbe in den Inhalt vorhaaden ist,
macht keinen Unterschied. Das Verbot trifft auch die Anssensetto der Paekong.
t) Die .Atisnaliniei: sind im Interesse der Miintpapierlabrikation gomaoht.
tf) Zu welchen imi'-s WohlLrerü« Ii- nicht zu rcchn'U nind.
tttj Hier nia«.ht es k< im n l iifrrs< iiied, ob die Stntle zur Färbung des Mittels vor*
wandt werden, oder ob die Farbgebung erst — wie bei den Uaarfärbnagsmittoln — bei Ver-
wendung auf den menschlichen Körper eintritt.
tttt) Wegen der Scbwerlfislichkeit dieser Stoffe.
GIFTPOUZBI, GIFTVBRKEHB.
361
§. 4. Zur Herstelluuj; von zum Verkaufe brstiiumten Spielwaareo (einschliesslich der
Bilderbogen, Bilderbücher und Tusi Ii färben far Kinder), Blnmentopfgitteni ond känatlichea
ChristlNlanien dürfen die im §. ] , Absatz '4 bezeichneten Farben nichl V6rwwidet WWdra.
Auf die in §.2, AhfuXzZ bezeichneten StoAe, sowie auf
Schwefeiantimon und SchwaiMcftdiniinii ftif nibunittd d«r GnnmiaiMM,
Bteioxyd ia Firnin,
Bl«iwaiu all BwtüidtlMll dai ■ogwiamitoa Waduguns, jedoeh mir, aoteiM
diiMlbe Biclit «ia 6«wIditstlMil in 100 0«wle]itsth«neii d«r KatM niekt
flbdivteigt,
cbromaaures Blei (für sich oder in N ^rbindung mit sdlweMMimai HaQ als Oal«
oder Lackfarbe oder mit Lack- oder FirnissttbAnnig,
die In Wasser anlöslichen Zinkverbindun^en, bei Gnmmispielwaaren jedoch nnr,
soweit sie als Farlienüttel der (i iimminiaK>4H , als Oel* oder LaokJiMrbOft odar
mit Lack- oder i^'iruisa&berzag verwendet werden,
alle in Glasuren oder Bmaila eiofebraiiataii Fkrboc
tindct diese Btsf imninng nirht Anwendung.
Soweit xur üeratellang von äfpielwaaren die in den §§. 7 und 6 beseichueteu liegen»
atänd« Tenreodet werden , Andea anf lebrtere ledigUdi dt» Vorschriften der §g. 7 nid 8
AavenduD?
5. Zur Uei-stcllung von liucli- und Steindmck auf den in den 2, H und 4 bezeich-
neten Gegenständen dUrlen nar solche Farhfm nicht verwendet werden, welche Arsen enthalten.
§. ti. Toscbfsrben jeder Art dürfen als frei von gesondheitsschiftdlichea Stoffen, be*
siehuDgswelae giftfrei niebt irerkanft oder feilgehalten worden, wenn sie den Vorschriften im
§.4. Abiatz 1 und ni' ht entsprechen.
7. Zur Herstellung von »um Verkaufe bestimmten Tapeten, Mi>helstotfen, Teppichen,
StOlTisn zu Vorhängen oder Bekleidungsgegenständeu , Masken, Kerzen, sowie kftostllehMI
Bfilttern. Binnen nnd brachten dürfen Farben, wtdche Anen enthaiten**), nicht Ter*
wendet werden.
Auf di- N'i't wenduni,' arsenhaltiger R'izen oder Fixinng-mitttl zum 'Aw-ck« dcd
Furbens oder B<;dtiickcn8 von üespinnsten oder Ueweben ündet diese Bestimmung nicht An-
wendung. Doch dürfen derartig l>earbeitete Gi'spinnste oder Gewebe zur Herstellnng der im
Absatz i bfzeicbneten Gegenstände nicht verwendet werden, wenn sie das Arsen in wasser-
löslicher Form oder in solcher Menge enthalten, dass sich in 100 Ccm. des fertigen Gegen-
standes mehr als 2 Mgrm. .Ar.*en vorfinden. Der Reii;h8kunzler ist ermächtigt, nahfro Vor-
idiriften über dis bei der Feststellang des Areengehaltes ansnwendende Verfahren zu erlassen.
§. 8. Die Vonebriften dei §. 7 finden anch anf die Hentellong von zum Yerimnfe
bestimmten Schreibmaterialien , l,amfn>n- nnd Lichtschirmm. sowie Lichtman.sfhotten Anwen-
dung. Die Herstellung vun Oblaten unterließet deu liestimmungeu im §.1, jedoch sofern sie
nicht zum Genüsse bestimmt sind, mit der Massgabe, dass die Verwendung von achwefobaaram
Baiynm (Scbwerspath, Blanc fixe), Cbromonjrd und Zinnober geitattet ist.
§. 9- Arsenbaltige Wtswne- und Leimfarben dilrfen znr Herstellms dea Anstriebes
von Fnssliodeu. Decken, \\"iinili'ii, Tlni < n, I"en.sr.Hr il^ r Wöhr.- ndnr (losrhäftsraume, von Roll-,
Zog- oder Kla]ipladen uder Vorbangen vun Mubeln oder si>iisti);eu häuslichen Ucbrauchsgegen-
■tSnden nicht verwendet werden,***)
S. 1". Auf die Verwendung von Farben , welche die im S- 1- Absatz 2, bezeich-
neten .Stoffe nicht als con.«tituirende f) iJestandlheile, sondern nur als Verunreinigungen, und
zw ar liorhsti'iis in einer il'-uge enthalten, wel' >irh liei den in der Twhuik gebräuchlichen
Darstellungsverfahren nicht vermeiden liest, linden die Bestimmungen des §. — Ü nicht
Anwendung.
$. 11> Auf die Färbung von Pelzwaaren findet dieses Gesetz nicht Anwendung.
^. 12. [ätnifbestimmungen, die sich auf die Hersteller, boziehung!« weise Aufbewahrer
nnd Verpaeker, wie auf die Verkäufer beziehen, bis 150 Mark oder Haft.]
id. lieben der im §. 12 vorgesehenen Strafe kann anf Einsiebung der verbots-
widrig hergestellten, aufbewahrten, verpackten, verkanften oder feilgehaltenen Gegeaatftndte
erkannt werden, ohne Unierschied, ob sie dem Verurtheilten gehnren oder nicht.
Ist die Verfolgung oder Verurtheilung einer bestimmten Person nicht ausf&brbar,
10 kann auf die Einziehung selbständig erkannt werden.
§. 14- L)ie Vorschriften des Gesetzes, betreileud den Verkehr mit Nahmngsmitteln,
Gvnossmitteln und Verbruuchagegeiistnnden vom 14. Mai 1Ö7U bleiben nnberfthrt. Die Vor-
*) Bezieht sich nur auf die .Malkasten* — ^Colorirfarbon* — „Honigfarben" fOr
Kinder.
**) Fuchsin- nnd Aniliutärbeu sind oft arsenikhaltig.
***) Strafbar iit, wer die Verwendung veranlaast; euch der Han«eigenth ttmer
rttcksichtlicli seiner ei^'enen Hänriie.
t) Iias heisst nothweudiKe, nicht ohne Veränderung des Charakters der Farbe
durch lonitigo Stoffe sn mibetituirende.
362
GIFTFOLIZEI, OJFTVERKEHB.
schrillen ia den iti und 17 ilesseUieu tindeu ancfa bei ZowideihanJIun^'oa ^fsen die Vor-
SObliA^D- dfs 'ge|(«nwärti|cen Gesetzes Anwendung.
§. 15. i)iei«s Gesetz tritt mit dem I.Mai 1888 in Kraft; mit demselben Tage tritt
die kaiserl. Tenwdnang, betr. die Yervtadang giftiger Farbea vom 1. Mai 1882, ausser Kraft.
Unter den betiieilig-ten Oewerbetreibeoden sMieii Koemetiker, Spiel-,
Gummi- and ZuekerwaarenfabrikaDtea, Conditorea und Gonfi^^eure , daneben aber
auch besonder» Ta p e t e n fabrikanten und -händler in erster Ueihe. Hei diesen
sind es ab«r, wie besoudera hervorgehoben zu werden verdient, nicht die Her-
Btellnngsmanipnlationen Allein, welche Ooatmventionen gegen das Olftgeeets ent-
halten. K8 fügen vielmehr die Tapesierer zur Beseitigung des Hausungeziefers
dem Tapetenkleister an manchen Orten SchweinfurtcrsTfln hinzu , wodurch die
Gesundheit der Bewohner solcher Zimmer in gleich hohem Grade gefährdet wird,
als fraoB die betreffenden Fabrikanten entgegen dem §. 7 des Geeetsea Gifte zur
Herstellung der Tapeten selbst verweodet bitten.
Als eine tief empfundene Lücke in der zur Prophylaxe von Metall-
vergiftu n}^en bestimmten nrsetzgebun}r ausfüllend und we^en seiner genauen
Bestimmungen nach mehreren Seiten beispielgebendes Gesetz sei endlich hier
angeseblossen das Oesetx vom 36. Juni 188 7, den Verkehr mit blei-
nnd sinkhaltigen Gegenständen betreffend.
|. I. Ess-, Trink- und Kr.rh_'oschirre. s-nwie Fliissigkeitsaia--ii' tlürfcn niclit
1. ganz oder theihveise aus Ulei oder »-iner in ICH.) Gewichtstheilen mehr aU
10 Gewicbtstbeile Blei euthaltenden MetallleKirung hergestellt,
2< an der Innenseite mit einer in 100 GewichtHtheilen mehr als einen Gewichts*
fheil Blei enthaltenden UetalllegirnnK verzinnt <>J«r mit einer in 100 Gewichts-
tlii ilt'ii nudir als 10 Gewiclitstiieih' Blei enthnltt'nd'-n Metallles'rung <;Blötliet.
3. mit Email oder Glasur versehen sein, welche bei halbstündigem Kochen mit
einem in 100 6ew!ehtstli«i1«n 4 Geviebtatheile Essigsftnre enthaltenden Basis
an den Iftzferen Blei abpfbrn,
Auf liesi hirr und Flussigkeit.sma.s.se aus bleitreiem BritanniMmetall findet
die Vur^(-ll^ift iu Ziller 2, betrellend des LoHnw kein» Anvsndnng.
Zur Hemteliang von Drackvorrichtnngm snm Aasseliank voa Bier, sowie
von Siphons iVr Icohlensinrebältlge Getrilnke nnd von Mftalltheilen für Kiiidar«
sau<rfla.schen dürfen nur SleUillIegienuifret) verwomlct werden , w< Iche fa
lUU Gewicht8(h*^ileu nicht mehr als einen Uewichtätheil Blei enthalten.
^. 2. Zur HerBtellanj; von Mundstücken fSr Sangflasehen. Sangringe nnd Waisen-
htttchen darf Mei- oder zinkhaltiger KantHchuk nicht verwendet werden.
Zur Herstellung von Trinkbechern und von Spielwaaren, mit Ausuahm:; der massiven
Bille, darf bleihaltiger Kaii'sch ik nicht verwendet .sein.
Zn Leitungen für Bier, Wein o ler £äsig dürfen bleihaltige Kantschukschlauche
nickt verwendet werden.
;;. H. Of'schirre nnd Gefä«se zur Verfertijrnnp von Getränken nnd Frucht "acken dürtVn
in denjenigen Theileu, wetcks bei dem bestimmangsKemääsen oder voiaus«Dsehendea Gebrauche
mit dem Inhalte in nnmittelbare Berllkmng kommen, nickt den yorsehriflan des $. 1 snwider
kergwtellt sein.
Conaarvsnbflcbsea masmn auf der Innenseite den Bedingungen des % 1 entsprechend
kei^gestflllt sein.
Znr Aafhewahmng von Getranken dürfen Gefasse nicht verwendet sein, in welchen
sich Rückstände von bleihaltigem Sckrote befinden. Zar Packung von Schnupf- und Kautabak,
sowie Käse dürfen Metallfolien nicht verwendet sein, welche in 100 Gewiobtstkeilen mehr als
einen Gewichtsthoil Blei enthalten.
§.4. Mit (ieldstrufe bis zu 150 Mark mler mit Halt wird hi straft:
1. wer Gegenatande der im §. 1, ^, Ab»t< 1 aaU ;j , ^ 4, Abaats 1 and '4,
beseichneten Art den daselbst getrofttnen BesHmmnngen snwider gewerbs-
mä,ssic hiT^tcllt :
2. wer (iegenstande , welche den Bestimmungen im 1, §.2, Absatz 1 und
und §. H zuwider hergestellt, aafbewabrt od«r verpackt sind, gewerbsmissiff
verkaoft oder feilhält ;
3. wer DmckTorrichtangeu , welche «len Vorschriften im 1, Absats 3. nicht
entsprechen, zum Ausschank von Hier oder bleihall ige SchlAnfke SUT Loitnug
von Bier, Wein oder Essig gewerbsma>si>? verwendet.
§. 5. Gleiche Strafe trifft Denjenigen, welcher aar Vcrlertigung von Nakmags-oder
Gennssmittcln bestimmte Mühlsteine unter Verwendung von Blei oder bleihaltigen Stoffen an
der Mahltlache ber^iiellt oder derartig beigestellte Mahlsteine znr Verfertigoog von Nahrung«-
nnd 6enn8$mitteln verwendet.
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(ilFTPOLlZEJ, GIFTVERKEHR. — GILLES DE LA TOURETTE'*che KRANKHEIT. 303
§. 6. Neben der in den §§. 4 tmd 5 vorgeaelienen Strafe kann anf Einziehoog der
Gegenstiliide , we)ebe den betrefttaideii Yonehriften zuwider hergestellt, verkauft, feilgehalten
oder Terwendet Bind, sowie der vorschriftswidrij; hf-rpostellten Mühlsteine erkannt wrr lrn.
Ist die Verlolgung oder Verurtheilunp einer bestimmten Person nicht anstiilirbar,
SO kann anf die Einziehung selliständig erkannt werden.
§. 7. Die Vorschriften des Gesetzes, betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln,
OenuRsmitteln nn:i Gcbranchsgegeuständen , vom 14- Mai 1870 (R. 6. BI. pag, I4ö) bleiben
unlitTührt. Die Vursriirilten in den 16 und 17 desst'llx n lind)-!! Hueh bei ZavideritaildllUlg«ill
gegen die Vorscbriiteu des gegenwärtigen Gesetze« Anwendung.
%. 8. Dieses Geseis tritt am I. Ootober 1888 in Kraft.
Wie weit der raifang doa Industriegebietes ist, welches dem Gesetze vom
25.Jiiui 1887 untersteht, beziehunjrsweiae wie gross der Kreis von Gewerbe-
treibeudeu, dem dureh dasselbe vom Bleiverbraueh beilsame Beschränkungen aul-
erlegt weidm, erhellt anii folgenden, beeonden aueh fflr die AnsÜDlirangabeitiiii-
niingeD xma Gesetze eraicfaüieh wichtigen [/( hcraiehten.
l^nter die Bestimmnngen des Gesetzes vom 25. Juni 1887 fallen (seit
dem 1 üctüber 18«8;:
§. 1. Teller, SehflsselB, Lölbl, Becher, Kannen ans bleihaltigon Legimngeo, Flflssig'
keitsnius»e (sammtliche MaHse, welche heute r. B. die Destillateure zum Aus-
schank von Siiiritnuseii benutzen), BiergiiUer mit Metalldeckelu, wie sie in jeder Glashandlang
stehen, die beliebten StelngoikrOge nit Hetalldeokeln, die fiiit ananahnial«« «itqmclMiDde
Legimngen enthalten.
§. 1 -'. SimiBtliche sogenannten rerslnnten Koehgesehirre, die weinan Metall»
j>:e.s('hirre jeder Käche (WHsscrschÖpfer, Theekesse), Kasserolen, Fischkocher, BledllOflU, Reibe»
eiiiten, kurz die Mehrzahl der »eissen blanken Metallgeräthe der Küche)
Ferner jedes von einem Klempner gelöthete Gerüth, da WeissUeidt sieh ttieht
andeis ah durch Löthen für den praktiscliea Gebranch dichtes Usst.
§. H. EmaiIHrte und ghsirte Oeschirre. Hierher gehört sowohl emailUrtes Bisen«
gesehirr — wie gus.seiserne TüptV, Pfannt n elf — , einaillirtes Blechge.schiir — Eimer, Kessel,
Mllcdigerässe etc. — , endlich gla.sirtes irdenea Geschirr u. s. w., kurz die fremdartigsten
Gegenslände.
§. 1 ^. a) Die Metalltheile der Bierdrnckleitnngen,
h) die sogenannten SiphonversclilüSHo für Selterswa.siser und Brauselimonaden,
■ •) 3Iet;illruhren und Ver.sihlu.s.se an Kinderaaufrflascheu.
Kautschukgegenstünde , wie äangflaschenpfropfen , Sangringe, Warzenhatchen,
Trinkbeeheir, Spielwaaren, Kaatsehnkschlinehe Ar Bier, Wein nad Etaig, wdöhn theila blei»
frei, theils blei- und zinkfrei sein .'-ollen.
§. H. Unter Anderem mit Bleiglasur verHehene Thongefä8.se.
§. i •. In Weissblechverpacknng im Handel beHndlicho trockeuo und Teuchte Con-
serven, sowohl pflanzlicher wie thierischer Art, s. B. condensirte Milch, Kindermehl jeder Art,
Fleischoonserren (Oomed Beefetc), C^es aller Art, Fische, wie Appetit-Silds, Delieateas«
hAringe etc., Krebse, Hummern, Krabben, Gemü.<e u. s. w
% '6 '^. Unvorsichtiges Flasrhenreinigeu mittelst Schrot unter Zurücklassuag
von hrotrttekstftnden in den FlasdieB, also aneh von Bleistrolfea an der inneren FUUdie
der Flasche.
Die Verpackung von Schnupftabak , Kautabak , Käse in mehr als l^g Blei ent-
haltende Zinnfolie.
§. 5. Das Anagiessea von schadhaften Mahlsteinen mit Blei.
Ottraus ergfebt sieh, dass etwa folgende Gewerbebetriebe auf die Be-
folgung der neu c n gesetzlichen ßestimmungeo ihre Aufmerksamkeit richten müssen.
Zu I. Ziungiessereien, Verzinnungsaastalten, Klempnereien (besonders betreffs
derLöthung), BlechbüchHen- und Kästenfkbrikanten , Emaillirwerke , Töpfereien, Fabriken
für Bierdruckgeräthe, sowie aik< Verkaufsgescbilte nnd Hindier, welche Oegenstindn der ein*
sehlsgenden Art feilbieten oder verkaufen.
Zu §. 2. Gnrnmiwaareaükbrifcen asd Haadlnngen mit derartigea Eneognissen, also
am Ii Handlungen, welche derarUge Spidwaaren feilhaltan; letatere dlriha au bleihaltigem
Kautschuk nicht bestehen.
Zu ^. H. Conservenfabriken und sämmtliche Geschäfte, welche Hulche verkaufen; die
Strafbarkeit des Zawiderhandelne trat aber zofolge des Eingangs erwähnten Ergäaznngsgesetzes
erst mit dem 1. Ociober 1899 ein.
Fenier Tabak.''- und Cigarrenfabriken wl» Handlungen; Käsereien nnd Kteehand-
langen, Bier- und Weinbandluugen u. dergl. m.
Zn §. 5 nnd 6. Mthlen. Wem i eh.
Gilles de la Tourette'sche Krankheit, vou gilles de la tou-
BETTS (1885), Chaboot Und GuofON wurde vor einigen Jahren eine nervttse
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364
GILLES DB LA TOXTBBTTriebe KRANKHEIT.
~ OTPSyBRBAND.
Affection besohriebeu , die sich durch incoordinirte (ohoreurtige) Bewe-
gungen in Verbfaidiing ndt „EehoUlie** (d. h. antomiKHwIier WMeiliolttng
v«m ▼ernonuneneD Worteii und Geräuschen) md „Koprolalie^' (unwUlkfliliekMn,
zwangsweisem HervorstOBsen scliimitziprer Worte) charakteriairte. Ausser den
brflsken , heftigen^ mehr oder minder ausgebreiteten choreatischen Zuckungen
kommt auch unwillktlrliohe Nachahmung von Bewegungen („Eohokinesie")
▼w, «odwoli dM Leid«B Anklinge an gewiaie eodemiaeh« Chontiortam , das
Jumping, Latah, Myriaobit u. s. w. darbietet. Das auch als „Maladie des tics
convulsifs" (GuiNOx) beschriebene Leiden tritt besondt-rs hei Kindern (meist Knaben!
vor den Pubertftt8jahreu auf Grund hereditärer Belastung uul und ist nach den
bilberigen Erfnliningen Inssent hnrtnSekig, sogar unhtitbar, wenn aneh mit ab-
wechselnden Kemiaaionen und Ezacerbationeo. Es versteht sich von selbst, dass
mit der Angabe „Gilles dk la TocRKTTE'sche Krankheit" oder „Maladie des
tics couvulaifs^^ keine eigentliche Diagnose, sondern nur eben ein zusammen tassender
Audmek ftlr einen, seiner Natnr und Bntstehnng naeh unbekannten Symptomen-
eomplex gewonnen ist. Differeutialdiagnostisch können Verweehslnngen besonders
ndt gewöhnlicher Chorea und Hysterie vorkommen. Von der gewöhnlichen infan-
tilen Chorea, an die das Leiden in den ersten Anfangsstadien erinnert, unter-
«eheidet es sieh weiterhin durch das Brüske, Plötzliche der motorisehen Entladungen,
dnrdi die Verbindung mit der swaagtweisen Wort* nnd Bewegnagsnaehabmnng
und den eigenthtJmlichen Wortobscssionen. Ein im Verlaufe der Hysterie zuweilen
auftretendes aualoges Symptomenbild ist theils durch das Vorhandensein ander-
weitiger paroxystiscber S^'mptome und permanenter hysterischer Stigmen, theils
dnreh die Verseiiiedenartigkeit des Verlanfee (Hdlbarkeit, d. h. M5gliehkeit eines
— meist plötzliehen — Verschwindens) unterscheidbar. — Neuerdinj;-? will übrigens
JOLLY den Aufdruck „Maladie des ties convulsifs" mehr mit der Myoklonie iden-
tificiren, die Gilles de la TouRETTfi'sube Krankheit dagegen als „Maladie des
ties impnlsifs** bezeielmen, die allerdings selbständig vorkommen kOnne, aber doeh
mit anderen motoriseben Neurosen, namentiioh mit Chorea und Hysterie, liftnfig
combinirt sei.
Literatur: Gilles de la Tourette, £lude nur une ajfeetioH nerveust carac'
tMtnSe ptir de l'ineoordination motrice aeeompoffnie tPSeholalie et de eoproMie. Arch. de
Nennilofiie. 18P5, Nr. 25 — 27. Guinor, Sur la twihnlie -ffs tirs cotinil-'i/s. KevaO de
meil. Jiu. 18bti, pag. r>Ü. — Üaua und Wilkin, On roiirulsire tic »rillt e.rplasin: <li3tur-
banc€9 of speerh, so-caUeil Gilles de la Tourette ilkseane. Joam. of nervoos and mental di.sea<e.
18H6, pag. 407. — Mabille, £eholalie dam le eour« d'uM «tßevtiou ituutale. Annalea mbi.
psychoUiKiqneü. Nov. 1886. — Tokariki (Referat naeh dem Rnssiseheii. im Neoroloir.
(.'•■ntrklM. pac — Jolly, Ueber die aogonannta MatadU de» tics eoumtlmf*.
Charit«-Anniilf:i .WIl. .Iuliri;aujr. Eulenberg.
Glenard'sche Krankheit, s. Enteroptose, p«g. 246.
Goldclllorill, s. Antidote, pag. 17.
GypSVerband, s. Fraetnrverbftnde, pag. 316.
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H.
Hämophilie. BUterkrsnkbeit (vergl. Real-Bneyolopädie, II. Aufl.,
Bd. VIII, pa^. 615 und Encydupädiscbe Jahrbücher, Bd. I, pag. 289).
Auch in den letzten Jahren sind die Mittheilungen, welche die H.lmophilie
betreffen, von nur geringer Zahl und behandeln dieselben grösstentheils einzelne
Fälle oder speoielle Symptome der Kmklieit.
Dass von der bekannten V ererb ungsregel, nach welcher die Frauen
die Hämophilie forfjifl.m/on , dahei aber selbst von der Erkrankiinir frei bleiben,
auch starke A b w e i c h u n e a beobachtet werden, zeigt ein von v, Limbeck ') mit-
getheilter, durch i Generationen verfolgter Stammbaum einer Bluterfamilie, in
welisher die Krankbdt bei der Urgroaamutter, bd der Oroflematter und unter dM
Kindern letzterer im Anfang der Ehe überwiegend bei den TOobtem, später über-
wiegend bei den S5hnen auftrat.
Aus der Reibe der bekauntereu kliniadien Symptome der Hämophilie
werden tod einigen Hittbeiinngen die in ihren sebwereren Formen im Allgemeinen
für selten geltenden Gelenkaffectionen hervorgehoben: Von chirurgischem
Standpunkt hehnndelt die-Jelben ;iusfflhrlich Kdnk;-;; dieser betont besonders,
dass die Goleukerkraukuugen hier nur anfänglich auf reiner intraartieulärer Blutung
berohen, dass dagegen später Entsflndungsprooerae mit ihren Folgeznatänden hin-
zutreten. Hiernach unterscheidet er nn dem „Blutergelenk" 3 Stadien der
Erkrankung: 1. den einfachen H ,1 nia rthr os , 2. die Pan arth ri ti s , 3. dan
regressive Stadium, weiches zu bleibenden Deformitäten der Gelenke führt ; daseon-
tracte Blutergeleu k. Es wird die Schwierigkeit hervorgehoben, welche b^ men-
gelttder Kenntniss von dem Bestehen der Hämophilie die Diffinrentialdiagnoee,
namentlich gegenüber tuberknlttsen Oelenkaffcctionen . bieten kann ; im späteren
Stadium ist hierbei das Fehlen der Neigung zu Ahscess- >ind Fi'^ti lbildunp: zu
beachten. Von dem 1. Stadium aus tindet oft schnelle KUckbiiduug statt, während
das 2. Stadium nie ohne blähende Deformität su heilen sehdnt. Die Behandlang
dieser Zustände hat zurückhaltend zu sein: ^ie soll über Rubigstellung und ge
linde C'ompres'jion des Gelenkes, in geeigneten Fällen Function (eventuell mit
Carboiauswuäcbuug) und Hebung von Coutracturen durch Verbände u. Aehnl. nicht
hinausgehen.
In ähnlicher Weise beurtheilt BOWLby diese Complication der Hämo-
philie ti:tfli :; Fällen von Blutern . we1r-he seit früher Kindheit an häutig recidi-
virendea Gelenkschmerzen und Geienkschwellungen litten, und bei denen im
liöiHven Alter eine dnnemde Veränderung gewisser Gelenke surttdcbtieb. Mit
Vorliebe waren die Kniee und Ellbogen befallen; die Untersuchung ergab an
ihnen Selimerzhaftigkeit, Bewegung*störi]ng(!n, Crepitiren, Verdicknnt,' der TJelenk-
kapsel und Anschwellungen der Geleukeuden von zum Theil unregeimiistiigem,
höckerigem Charakter. Nach diesem Befund und einigen analogen Präparaten
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366
HÄMOPHILIE.
wird geschlossen, dass der Process dem bei Artliritis de form ans statt-
findenden verwandt ist. Auch hier wird betont, dass die Veränderangen jedenfalls
nielit «ns einfaehen Geleo1cblntiiiig<en erklärt werden kSnnen ; TieliDehr wird uge-
iionimen , dass einem Theil der Ilämupliilen eine specielle Disposition zu einer
bestimmten Form von O p 1 c ii k e n t z fl n d u n jr /iiknmrat.
Auch in 6 Fällen von Hämophilie, welche Uamilto.v mittbeilt, be-
standen nnsnahmslos OeteokaiTeetionen. Dteedben zeiirten die Form danemder, zam
Tbeil sebmerzbafter Anschwellungen, besonders der Kniegelenke, seltener der Ell-
bogen und Fingergelenke. Tnier Abweisunfr cinoa Ziisrimmcnhange-« mit IHieu-
matismus werden diese VeriinderungeD auf Blutungen , welche in die tieferen
Gewebe der Gelenke stattgefunJen haben, zuraokgcfübrt.
Dieselbe Hittheilang «) hat den Zweek, die Hftnfigbeit von nervösen
(besonders cerebralen^ Symptomen bei der Hilmophilie hervorzuheben. Und zwar
bestanden bei einem Theil obiger Ffllle die nervösen Erscheinungen bauptsnclilich
in Kopfschmerz , Zustftnden von Aufregung oder Depression , ausgesprochenen
psyohiseben Störungen vorübergebender Art u. Aehnl.
Eine ungewöhnliche Form der Erkrankung thwU Senator ') unter der
Uezeiclinniig „Renale Hämophilie" nach einem anscheinend bisher ohne
Analogie dastehenden Fall mit: Derselbe betraf ein lüjähriges Mädchen^ welches
seit mehreren Jahren ohne jede naehweisbare ürsaebe an einer jeder Therapie
Trots bietenden n.'tmaturie litt. Die ganze Verwandtschaft zeigte habituelles Nasen-
bluten. Cystoskopi^ch wurde eonstatirt. das.s da.-^ Rliit nur ;ni'* dem rechten Ureter
aussickerte. Nachdem wegen fortschreitenden Knifteverfalles die rechte Niere
exstirpirt wurde, hdrten die Krankheitserscheinangen auf. , Die mikroskopische
Untarsnehnng des exstirpirtm Organes ergab zur Bestätigung der Diagnose das-
selbe nnr unbedeutend verändert.
Eine ebenfalls aussergcwfihnliche Art der Blutung enthält eine von
COUKN*') mitgetheilte Krankengeschichte: Nach derselben zeigte eine Frau vom
12. bis zum 38. Jahre, ausser anderen Symptomen der HAmophllle (profusem
Blutverlust nach Zahnextraetion, Metrorrhagie, Epista.\i8), Blutungen aus der
unverletzten Haut der Finger, .sowie subcutane, nach aussen aufbrechende
Hämorrhagien an einem Arm und iSchenkel. Die Blutungen wurden zum Theil
dureh starke Anschwellung und Pulsation der zufOhrenden Arterien eingeleitet.
Wenn der Beobachter das Wesen des Zustandes in einer ,,hydrämi8dien Plethora^
hiebt, so giel't dies wnlil keine erschöpfende Erklärung des Vorganges. .Auch wird
der Fall etwas unklar durch den Umstand , dass , nachdem die verHcLiedenstt-n
Behandlungsarten (Bisen , Ergotin , Galvanisirung , Diaphoretica , Diuretica) nur
vombergebenden Erfolg gezeigt hatten, eine davemde Besserung auf dem Woge
der Hjrpnotisirung unter suggestiver Vermehrung der Diurese erreiobt wurde.
Eine als seltenes Beispiel der Combination von Sarcom mit hämorrhagischer
Diathese mitgetheilte Beobachtung '•) ist wohl nicht hierher zu zählen , da die
Blntnngan^nng , wenn sie aneh ganz die Form der eongenttalen Hämophilie
zeigte (profuse Hämorrhagien aus Blutegel- und Injectionssticben, Petechien,
Blutungen aus Nasen- und Mundschleimhaut), hier doeh offenbar erst als Folge
der Sarcomatose (Sacraltumor etc.) auftrat.
Ab und zu angestellte bakteriologisehe üntersoehungcn haben niehts flir
die Patin d();;ie der Hämophilie Verwertbbares ergehen. Wenn bei einigen Fällen
von hämorrhagischer Diathese Neugeborener in den Lcieheiitheilcn bestimmte
Bakterien iStaphylococcus pyogcnes nurpits, BaciUw* pyucyimcuH ete.) gefuudeu
wurden so bleibt deren ätiologische und specifische Bedeutung für die Erkran-
kung noeh zweifelhaft.
L i t e ra t u r- N ae Ii t ra ') v. Limbeck, Zur Casnistik der orlilicli' ii Hämo-
philie. Prager med. Wochennchr. 1891, Nr. 40. — König, Die Gelcnkerkrankungen bei
Blattru mit beronderer BeriicksiehtifOnK der Diagnose. Samml. klin. Vortr. Neue Fol?**. 1893,
Nr. H6- — ^) Howlhy, Su})!,- r^isrs nt joint-diseaxe in bJre'fer». Kartbolom. Hospit. Reports.
I890i päg. 'S 7- — Ii Ii lu i 1 ton , .rl cuntributiott to the imtholoyi) oj Uaemophilia, eapeci-
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HÄMOPHILIE. — HABN.
H67
allif in reijanJ io its uetirotir anpect.s, irith the preseniation of aetenU caata in oite faniili/.
New-York hkmI. Record. 1891. 21. Nov. — *) Senator, Ueber renale Hämophilie. Berliner
klin. Wcflifn-f hr. 18^^1. Nr. 1. ^ ") ColiPii, Ein Fall von Hämophilie. Zfit.schr. f. klin. Med.
IS'^O, XVli. äappl., pag. 18'4. — ') Roth, Ueber einen Fall von >arcum, verbnaden mit
hämorrbagiaeher Diaitaera. Deattreb« med. Wocbensebr. 1891. Nr. 6- — *) Neumaan, Uabar
Mffiirtift ufiiiiiitoriini mit Bemerkungen öbt»r hämorrhafrisclio Diathesc \nufrehorcnpr. Arch. f.
Kinderbk. 18UU, XU, pag. 54. — Derselbe, Zur Keimtniss der hamorrhagiscben Diatbese
Nengeborenar. BbeDdftaelbst, 1891, Zill, pag. 211. Riesa.
Haioderma, 8. Thieriäche Gifte.
Harn, seitdem Littest «m Congresa für innere Hedieln 1891 die Gentri-
fugirang des Harnes besonders für alle jene Fille empfohlen hat, in welchen der
Harn mir wcni» sedimentirende Substanzen entliiilt und man diese n.n^Iich.st
rasch samiuelu will ^ ist die Centrifnge in zahlreiche kiioische Laburatorien
eingeführt worden, v. Jaksch verwendet ebenso wie Litten Stbkbbck's Sedi*
mentator, den er nicht mit der Hand, sonilern mit einem Tretrad in Bewegung
setzt und tlberdies zur Vernieidun;^ von rn;i!(ii*ksf;lllen mit einem hi'ilzernen K;ist«in
versehen hat, innerhalb dessen die C'entrifuge r<ttirt. Namentlich zum Auffinden
spärlicher Cylinder , 2sierenepithelien , Leueocyteu , Ulutkurpercheo , femer von
Baeillen ist die Centrifuge sehr branehbar. Hingegen würde man derselbea su
viel zumuthen, wenn man sie zur quantitativen Bestimmung von Sedimentbildnern
verwenden wUrde , welche sich im Harn ausscheiden , wie z. B. ( »xal.ttc , da die
Menge der Husgescbiedenen Subätauzeu wesentlich von der Keaction und Zu.sauimen
sotsnag des Harnes abhlngt; die Centrifuge erlriehtert eben nnr das Anfsammeln
der schon ausgesehledenen Sedimentbildner. Nach Albit >) werden die Hakterien
durch die Centrifuge nur theilweise ausgeschleudert , auch fand er dieselbe Bur
quantitativen Abseheidunfr eine." Eiwoisscoairulums nicht brauchbar.
iMwsoN TuKNEE -) empliehlt die Messung des elektrischen Wider-
standes des Harnes als diagnostisches Hilfsmittel. Die Versoehe wurden
mit einem WiiK.xr.'^TrixK schcn Apparat mit alternircnden Strömen au prefuhrt. Der
8pecifi^ell«• Wider.'^taiitl d> s iiuruialen Trins entspricht etwa 4') Olim und ändert
sich im umgckchrtt'u Verhältuisae mit dem speeiüschen (iewicht de.-« I'rins. Doch
finden anch Abweiehungea von diesem Gesetse statt: so ist bei croupöser Pneu-
monie und bei Diabetes der etelttrischu Widerstand trotz, des hohen spccitLschen
(lewiciilcs crestoisrert . im ersteren Falle wetfon des FrlileiiS der Chloride, im
letzteren Falle wegen der relativen Verminderung der Salze gegenüber dem durch
die Zuclcermengo erhöhten specifischeu Gewichte dea Harnes. Was Verfasser noch
tiber den Werth des elektrisehen Widerstaades als diaguostische« Mittel anfuhrt,
/,ei?t ebens" wie das oben Berichtete, dass man durch dieses im besten Falle
soviel ert.'llirt. .ils durch die IJestinimun^ des speeilisclien Gewiclite.s im Harn.
Erst durch die Arbeiten von I'fli ukr uud des.<iea Schülern (Keal Kncy-
elopidie, Bd. XXIII, pag. 2 IM) Ist es möglich geworden , die Art der Zersetzung
der EiweisskOrper im thierischen Organismus unter versehiedenen physiologischen
und ]»ath"lo<riMcheM VerhilltnissL-n Bedingungen zu erkennen, indem man das Ver-
hitltuiss der Stickstolimengen, welche im Harn als llarnstotV, Ammoniak und stick-
stofffaällige Extractivstoffe (Harnsäure und Xanthinkörper , Kreatinin, Farbstoti'e;
au^esehieden werden, quantitativ feststellt. Untersttobungen , welche diesem Ge-
sichtspunkte Rechnung trugen, wurden bisher von L. Hi.F.inTBRU am Hundeharn,
von Kknst ScHl'l.T/.K an sieh selbst, von K. A. H. Morner und SJÖ(iVisT in
Fallen von Leberkraukheiten , Fettherz uud ryopueumothorax ausgeführt. Eiue
grossere Reihe von üntersuehnngen dieser Art hat neuerdings G. Göhlich ■) ver-
öffentlicht. Um den Einiluss der Nahrung auf das Mlsehangsverhnltutos der Stiek-
stoffcoraponenten im normalen Harn zu bestimmen, unternahm GuMtJCH mit sich
selbst zwei Versuchsreihen von 24 , beziehungsweise 17 Tagen , in denen ab-
weebselnd Fleisch-, Pflanzen- und gemisehte Kost genommen wniile.
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m HARN.
Den Gesamratstickstoff gleich 100 genommea, fladak er folgende relatire
Meegen der einseinen N-Componenten :
Harnxtofr-N AuDoniak-N Extractivstoff-K
bei gemischter Kost . . 85 57 4'95 9-48
„ animaltscher Kost . 87 07 4*77 8'1(>
„ vegetobilieeher Kost 79*20 4*10 16*70
wobei die relative Vemünderaog des Extraetivstoff-N bd Fleiedikoet «nd die
starke relative Vermehrung desselben liei der Pfluienkoet am mdsten anflUlt.
fim Harn von Pflanzenfressern, Pferden und KQhen stellen sich die entsprechenden
Zitierii folgendermassen : Harostotf-N 84-5 and 83*4; Ammoniak u o und 0 0;
£xtracüv8toff-N 16'5 und 16*6. Bemerkenswerth i«t das vollständige Fehlen des
Ammoniaks.) Bei hohem Fieber war eine relative Verminderong des Harn-
stoffes constant, sie wurde durch eine vermehrte Ausscheidung des Stickstoffes der
Extractivstoffe aus^efrlichon und auch das Ammoniak war im Fieber durchschnittlich
relativ vermehrt, im Harne der Diabetiker fällt der relativ hohe Gehalt an
Ammoniakstiekstoir anf ; die Menge des Bztraetivatoff-N im Harne ist eine relativ
Ittsserst geringe, letsteres hnn^t mit der reichlichen FleischDahrung der Diabetiker
zusammen . Vorgt!schnttcne Lebercirrhose, schwere Anämie, Herzfehler
im Stadium der lusufticienz gehen mit relativer Verminderuag des Harnstoffes, Ver-
mehrung des Ammoniaks und des BxtraetivrN einher. Fflr den eriiftbten Ammoniak-N
wird in den beobaditelen Fftllen die beeinträchtigte Leberfanetion, fDr den des Extrac-
tivstüff-N zum frrrtssten Thcil die i^eringe Nahrungsaufnalinx^ verantwortlich gemacht:
beim Hungern ist der Extractivstoff-N vermehrt. Im Allgemeinen ist der Gebalt au
Extraetivstoff N bei Gesunden wie bei Kranken vermetirt, wenn das Körpergewicht
raseh sinkt; es zeigt sieh, dass Zerfall von Gbweliseiweiss eine Vermehrung der
Extractivstoffe des Harnes bewirkt, während das Nahrungseiweiss den zersetzenden
Kräften vollständiger anheimfällt als das Organeiweiss . insofern ein grösserer
Proceutäatz des ersleren iu Harnstolf (und Ammouiak) umgewandelt wird, als das
hei letxterem der Fall ist. Auffallend sind die zeitliehen Versehiebungen , welehe
die Ausseheiduugssdiwankttngen des Hamstoff-N und des Extractivstoff-N gelegent-
lich des Tphcrgangcs vou einer Ernährnngsform zur ander^ti 's. nhen) erleiden,
es tritt uämlich das Maximum der Extractivätoti'e mit Kegel mässigkeit eineu Tag
später anf als das des Oesammt-N, des Harnstoffes und des Ammoniaks. Naeh
GöMLicH könnte diese Erscheinnng möglicherwci.^e durch die erschwerte Dnreh-
lässigkeit der Nieren fllr das grössere MolecUl der ExtractivstolVc bedingt sein.
Es ist also die Ausscheidung der ExtractivstotTe eine langsamere als die des
Ammoniaks und Harnstoffes, sie ist eine besonders reicblicbe nach einem nrämischeu
Anfall, während sie vor demselben gering ist. Dies gestattet den Sehlnss, dara
der urämische Anfall auf eine Ansammlung der Extractivatoft'e zurtickzufflhreu
ist, eine solche kann entstehen , wenn ein hydropischer Krgnss resorbirt wird,
wobei llarustotf und Salze gleich ausgeschieden werden , während die Extractiv-
Steife im KArper in Folge ihrer geringeren Anssoheidbarkeit anfgespeiohert werden.
Wie Baktkls, Lklbk, SENATOR, pRIOR SChon L'-efiindcn haben, ist bei
acuter Nephritis die Stickstnffausschoiduug anfangs herabgesetzt und steigt bei
günstigem Verlauf der Krankheit bis zur Norm und Uber dieselbe. Uann *) fand
aneh bei ehroniseher Nephritis eine im Verhältniss zur Stiekstoflhufeabme zu
geringe Ausscheidung, also N-Retention im Körper, trotzdem dass mit der Nahrung
eine unzureichende N Mcnirc zugeführt wunlc. Die-e Rctcuttim >-(ieg mit Ver-
mehrung der Nahrungszufuhr und war grösser bei gemischter als bei reiner Mileh-
kost. Bei Verminderung der Nahrung trat ein Sinken der N-Retentiou, gleieh-
zeitig mit dem Ansteigen der Harumenge auf. Das gleiehe Resultat «gab sieh
in Fällen von Schrumpfnicre. Es kann also bd Nierenkrnnkheiten bei sehr ge-
ringer N Zufuhr N-OIeichgcwicht auftreten ; vermehrte Zufuhr bewirkt N-Retention.
wobei an eine Aufspeicherung des N in Oedemen u. s. w. zn denken ist, die zu
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HABK.
369
urimjaebeii "ExulMbamgtm fBbren kann. Bei Amyloiddegesomtion der Niere zeigt«
sich anfänglich ebenfalls eine X-Retenticn , welche aber trotz Vermehrang der
Nahnniir-^zufuhr stetig sank und schliesslich vollatilüdig aufhörte, obwohl die
uiuyluid eutarteteu Tbeile der Kiere sich nicht wiederhergestellt haben konnten.
E. BöDTKBR*) bat die Harnstoffbeatfanmimgainetbod« yon K. A. H. Möbmxb
und SjöQVIST (Real-Encycloplldie , Bd. XXIII, pag. 294) überprüft und in jeder
Beziehung fflr verlilsslich Itefunden. IJer Zusatz von Magnesiumoxyd zn der durch
die Cblorcalcium-BarytiuischuDg gefällten Flüssigkeit erweist sich nur bei Auwesen-
bdt gHtaaerer Mesgen von AmmoDsalsen ab notiiweadig, darf alao nioht verslimit
werden, wenn der Harn ein etwas bOberes speeifiaebes Gewicbt batte, aonet ist
er überflüssig , wenn man statt des von Mörnkr und S.töGVISt empfohlenen
96^/Qigen Alkohols nur ÜÜ^;oigea verwendet, welcher etwas mehr Aetzbaryt in
LöatiDg hlH nnd w» den Zniats ▼on Magnesiumoxyd «nnöthig macht. Zar Be-
Btimmung verwendet Bödtkbk nicbt 5 Ccm., sondern nur 2*5 — 3 Gem. Harn, weil
dadurch die weitere Behandlung wenie^er zeitraubend wird.
Während zahlreiche Autoren die harnlöseude Wirkung des innerlich
genommenen Pipcrazios beobachtet haben wollten (Real-Encyclopädie. Bd., XXIV,
pa^r. 561), »igten Pfeiffbr nnd POSNXR dnreh Ywaaehe, daas es deb bei der
bamlösenden Wirkung der Alkalien im Organismus nicht etwa um eine directe
Li.sun^r der Harn.^äure durch genossene Alkalien handelt, sondern um eine
indirecte Lösung durch den gleichsam medicamentösen Harn. Martin Mendel-
SOHN *) wie« nun an Piperadn nadi, dass dasselbe in LOsnnir im Reagens-
^lase allerdings Harnaäureconcretionen löst, jedoch keineswegs in der Form des
Pipcrazinharnes , das Piperazin verleiht also bei seinem Durchgehen durob den
Urganismus dem iiarne keine barnsäureauäösenden Eigenschaften.
Bezüglich des Verbaltens der Harnsäure bei der Oidit findet E. Pfeiffer ^,
dass sich die Harnsäure aus dem Harne des Gichtkranken viel leichter aus-
scheidet. Wenn er 100 Ccm. Harn eines nicht cachectischen Oichtkrauken während
der anfallsfrcien Zeit durch ein mit 0*2 oder 0*5 Grm. Harnsäure beschicktes
Filter geben Ifisst, dann ist in dem Filtrate durch Salzsäurezusatz keine oder
fast Ictine Harnaiure mdir naebweisbar, wAbrend gegenlll>er dem Urine eines
Gesunden erst 2—3 Grm. Harnsäure diese Wirkung entfalten. Die durch das
Ilarnsäurefiltcr ausscheidbare , beziehungsweise auf denisollien zurückgehaltene
Harui<:iure bezeichnet Pkeiffkü als „freie'', wobei er annimmt, dass sie im üriue
sieb in loserer Verbindung befinde als beim Gesunden. Bbstsin') beobaebtete
bei WiederboluDg der Versuebe, dass das Hamsänrefilter die von PFBIF7KB
angegebene Wirkung dem Trine von Harnsäuresteinkranken gefrenflbcr zwar
häutig , Jedoch durchaus nicht regelmässig entfaltet, dass ferner bei der Gicht in
«ler anfallsfireien Zeit und bei v(il!igem Woblbefinden eine erbebliebe Retention
i!i< lit immer stattfindet, hingegen auch während des Anfalles t lK iifalls vorkommen
k;inn ; es ist deniu.ieli das Harnsäurefilter al.s entuclieideruies (iia^rno^ti.'^ches Hilfs-
mittel nicbt zu vcrwerthen. L. Fürst prüfte die harnsäurelösendu W' irkung von
aablrrieben MinemlwaMn'bamen naeb Eännabme von alkalinischen und alkalinisob»
muriatiseben Säneriingen nach der von ibm modifloirten PpsiFFEB'scben Filter-
probe. Die Resultate sind jedenfalls von praktischem Interesse.
Die 0 *eu fcesehilderten Thatsachen vou der hnrnsäurelüsetideu Wirkung
mancher Iiarne und von deren Eigenschaft, die liaruääure auf einem mit Harn-
sAure besebiekten Filter mebr weniger leiebt abzugeben, erfabren eine wesentliebe
Bereicherung durch die Beobachtung von RCdel dass der Harnstoff nicht nur
in witsseriger Lö.sung, sondern auch im Harne im Stande ist, die ll.inisiuire und
harnsaure Salze zu hisen. Gewiss ist das Ausfallen der ilaru:iiiuru und der
sauren Urate von ihrem Verbfiltnisse sum phospborsauren Natron des Harnes
abbängig; jeilni h Il.iriu-, die weder reicher an Hantsäure sind, noeb eine stärkere
lle.'u tiun als amler»- Itt silzen . lassen dennoch die Harnsäure ra.seher ausfallen,
ohne dass sich hierfür eiu Grund angeben lässt. ^ach KiJDEL löst 1 Liter 2*^/,
Kucyclup. Jahrbücher. III. 24
870
HARN.
Hariistotl'iösuiig im Mittel 0*529 6rm. liarasäure; üemuach ist der luenachlicbe
Harn, der dnrobscbnittiidi 2*/o Harnstoff entbält, bri einer tSglieben Harnmenge
Ton 1500 — 'JOOOCcm. durch deu Harnstoff fast allein im Stande, dieLflsiing der
geeammten Harn>i:lure (OS — 1*0 Grm.) zu bewirken.
Einen Tbeil der in 2"^ feiger Uarnstofflösang gelösten Harnsäure kann
man dnreb SBureznsats (Saixsiare) zur Abeebeidnng bringen. Ein betritebtlieber
Tbeil bleibt in Lösung und dieser Antbeil nimmt an Grösse /.u, sobald der Siture-
zuRatz das Optiimini ttbergehrcitet , indem offenbar die flberachfluige Store einen
Tlieil der Harnsäure wieder löst.
Ans Lösnngen von Harnsäure in Harnstoff, in denen der Harnstoffgehalt
6Vo erreiebt oder flbersebrdtet , ftllt beim Ansftnero statt der Hamslnre ein
floRkifrer Niederschlag ans. Derselbe besteht ans einer Verbindung: von ^leielien
MolceUlen H-irnsiUirc, Harnstoff und Wasser. Noch eine zweite Verbindunfr fl Mol.
Harnsäure, 2 Mol. Harnstoff und 4 Mol. Wasser) lässt sieb darstellen. Wabrschein-
lieb Icommt bamsanrer Harnstoff aneb im Harne des Henscben vw.
In seinen Studien tlber „Harnsäure und Gicht" hat E. Pfeiffer**) snr
Beantwortung' der Frasre, ob der Gichtkranke mehr oder wenijrer HarnsJUire aus-
scheidet als der Gesunde , bei Gesunden und Gichtkranken die Harni^äure (zu-
mrist naeh Salkowskt) nnd aneb den Harnstoff bestimmt, bei Gesunden aneb die
Bestimmnngen anderer Autoren zu Gmnde gelegt. Um die Resultate vergieiebbar
zu machen, sind die Ausscbeiilungrsmengen für je 100 Kgrm. Körpergewicht
berechnet. Die Zusammenstellung ergebt, dass die Harnsäureausscheidung des
Gesanden ein sehr oonstanter Factor ist, welcher bei weitem niebt so grossen
Sebwanlcnngen nnterwcnrfen ist als die Hamstoflknsselnidang. Von 1*241 (anf
100 K?rrm.) im ersten Jahrzehnt sinkt derselbe ganz oontfnnirlich mit annehmendem
Alr«r ab, ist im zweiten Jahrzehnt l'll.^. im dritten 1*024, im vierten ()'9<55,
im ftint'ten 0*882, im siebenten 0'752 und im neunten 0 577. Auch in den Ham-
stofl^len seigt sieb eine eontinnirliebe Vermindemng, welebe jedoeh etwaa
grossere Schwankuni^en aufweist als die Harnsäurereihe. Von 50 8 Grm. Harnstoff
im ersten .lalirzelmte sinkt die Mong'c auf 49*1» im zweiten, 10-7 im dritten,
38*4 im vierten, 32'8 im lünften, .30*7 ini siebenten und 27*'.) im neunten Jahr-
zehnte herunter. Aueb das gegenseitige Verbiltniss swiseben Harnstoff nnd Harn-
Slnre ist mit zunehmenden Jahren fast dasselbe. Das Verhältniss des Harnstoffe«
zur HrirnsMnre. letztere g'b ieli 1 fresetzt. ist im ersten Jahrzelmtc t'i. im zweiten
4A S, im dritten 39- 1, im vierten 3l)-8, im fünften 36 8, im siebenten 40 8 uud
im neunten 37*9. Nachdem also Harnstoff- nnd Harnsäureabscheidnng von der
frflbesten Jagend an mit sunehmenden Jaliren immer mehr abnehmen, erselidnt
die Ansicht grtindlich widerlegt, dass eine vermehrte Harnsitnreausscheidung ein
Zeichen verlan^rsaniten StolTweehsels sei. Eine itlniliclie Vergleichnng der bei
Gichtkranken im Aller von 30 — 70 Jahren erbaitcnen Zahlen ergab, dass sowohl
llamsänre nnd Harnstoff in alten Jahrsebnten vermindert sind (s. Original), so
dass schon in den frOhesten Stadien der Gicht eine Verscbleebterung des Gesammt-
Stoffwechscls gegenüber dem nesundon v(trbanden ist.
Nicht so glatt erscheinen diese Verhältni.wu in den Ucsultaten einer
Untersuchung, welche Hertbr und Smith i*) Uber die Harntftnreanssebeidnng
unter den verschiedensten Verbaltnissen, und swar stets im Vergleiebe mit der
Ge^ammtstickstolTaii^si'liriiiiiii;; anstellten. ICin gesunder Erwachsener pmdncirt
tiiglicb O'o — 0*75 Harnsiinre bei normaler gleichbleibender Kost. Das Verhältniss
der Harnsäure zur Gesammtstickstoffausscbeidung (Gcsammt N als Harnstoff aus-
gedrttekt) ist für dasselbe Individuum dn ziemlidi eonstantes, bei versebiedenen
Individuen ein wechselndes (1 : (5.') — 1 :4.'>;, ein Verhältniss von weniger .^s
1 : 45 ist anormal ; das Verhältniss ändert sich l)eträchtlicli je nach der Nahrung
1 : 48 bei Fleischdiiit , 1 : 82 bei Kohlehydraten, 1 : 76—1 : 80 bei Milchdiät,
Alkohol in Form von Champagner steigerte die Hamslnreansfubr 1 : 42, Alkohol
m Form von Whisky bewirkte keine Veränderung. Salicylsanree Katron steigerte
HABN.
371
in einigen Fällen die Uarnsäureauäfubr z. B. 1 : 38. Bei Ctiorea war eine Stei^^erun:;;
der N>Au8fabr anseheioend parallel der Schwere und dem Verlaufe der Pftlle;
nach epileptischen Anfällen, niclit aber vor denselben , war stete eioe plötzliehe
Steigerung deraelbeo naehweiftbar. B« xwei Fftllen von paroxysmalem Erbreehen
- +
(Kinder) wur wäbreud oiuor dreitägigen Periode dea Erbrechens U:U = 1:157
und 1 : 132 (Tagr» vorher 1 : 54 und Ta^s nachher 1 : 50).
Ueber den Einfliiss heisser Häder auf die Stickstuff und IlarnHaure-
ausscheidung beim MeuscLeu liegen zablrvicbo Uuteräucbuugea vor, deren Resultate
sieh EumThdle widersprechen. E. FOfUtANBK ") bat nun in drei Versttohsrdben von
12 — IStftgiger Dauer die F^age ueuerdin^s zu lösen gesucht. Iti dem ersten Ver-
suche wurde an cincni Tage ein lieis-ics Luftbad von 65° Tl. in der Dauer von
20 Minuteu, dann ein Dampfbad von K. von 15 Minuten Dauer und schlieaa-
lieh ein Douchebad mit lauwarmem Wasser genommen ; im sweiten Versuche wurde
ein ganz flhnliebes Bad 2 Tage nieheinander und im dritten Versnebe wurden
Wannenbiider von einstfinriitrer Dauer in C. warmem Wasser am ersten Tage
einmali an zwi-i t'olj^ciiden Ta;jren je zweiinnl xciioiumen.
Während im ersten Versuche keine Wirkung bemerkt wurde, seigte sich
im swmten, mehr noeh im dritten Versnebe eine dentliebe Steigerung der Stöek-
stoffausfubr g^n die Einfuhr, gleidueitig mit der Gesammtstiekstoffmenge stieg
auch der narn«s;lure?ohaIt des Harnes. Von besonder« hithem Einfliis-;e auf den
Erfolf^ der Ver'Jiiebe ist die durcb die H/lder bedin^^te .Steif^orunff der KTirper-
temperatur. ist dieselbe nur kurze Zeit und nicht bedeutend gesteigert, so macht
sieh ein Einfluss dieser Steigerung kaum geltend, ist dieselbe aber bedeutend,
wie etwa im dritten Versuche und iMnf^er dauernd irc-;* eifert, so tritt dieser Ein-
fluss deutlich hervor. Auch die Individualitilt spielt bei diesen Versuchen eine be-
deutende Rolle, Paui. KicUTKtt (^Vircuow's Archiv, CXXIII; konnte bei gleicher
Versucbsanordnung bei Ennineben keine, bei Hunden i^ine deutliebe Stdgeruog
des Stoffamsatses durch Steigerung der Körportemperatur erzielen ; es ist zu
erwarten . dnss aucli innerhalb einer S|)"eies Individuen mit mehr stabilem und
andere mit mehr labilem StickstotlVrleii'li^^L'wiehte vorkoiiitnen.
Mit Rücksicht aiit die Beobachtung von Horbaczkw^jKI, der nach einem
beissen Bade eine Vermebrnng der weissen BlutkOrpereben im Blute fand, bat
FuHM.AN'EK im Ver.suche 1 und H das Verhältnisa der weissen Stt den rotben ßlnt-
kftrperehen in Hptra'.'li( sreznw'en und /"entsprccliend der vermehrten llariis-lure-
auBseheidungj eine deutliche Vermehrung der Lcucocytenzahl im Blute nach-
gewiesen.
RezUgllch der Verhältnisse, welche die Ausscbeidung der Aetherschwefel-
?,'üiren im Harne beeinflussen , sind micli viele Frairen unj^eb^st. Feststehend ist
nur die Thatsaehe, dass deren Men^e bei Erkrankungen, welche Stauung: des
Darminhaltes bedingen, ebenso beim Vorbandensein irgend welcher Fäulnisäherde
im Darme vermehrt erscheint (s. aueb Reat-EneyelopOdie, Bd. XXIV, pag. :t2S).
B.\RTo.><cHEWiTSCH untersuchte die ( >i:.iri(it.1t der Aetbersehwefelsäuren bei
Diarrhoen, um ?.un,1cbst zu entpebeidcn, ob die absolut«' und relative Menfrc der
präformirten Schwefelsäure {aj und der Aethcr.scbwefelsüure (b) bei Diarrhoen
eine Veränderung erleidet und ferner, ob swlsolieu den Abfährmitteln, welehe den
Darm desinfielren (Calomel) und denen, welchen eine suleho Wirkung nicht zu-
kommt, ein Unterschied besteht. Das Verhältnis» der Geaammtaohwefclsilure zur
gebundenen ~ erwies sieh in der Norm 2*303 : 0*282 = 8*6, nach Galomel-
einpabe als 1*785 : 0-104 — 11"2, nach Ricinus«! als 2 039 : 0-288 — T'O. Es ist
also in Fol*re Calonieleinsjabe die Menf?e der (iesamnifschwefidsäure , besonders
aber auch die der gebundenen Schwcteliiäure, herabgesetzt worden, während durch
RieinnsOl ein solches Resultat niebt ersielt wurde. Bei Kranken fitnd sieh in jedem
Falle eine Verminderung der Qesammt- wie aueb der Aethersehwefelsänre, wenn
24*
372
HAHN.
auch in vdten SchwMknngen der £uuwlir«rthe. In Mittel betrag ^ ^
uonnale Periode 2*716 : 0-363 = 7*4, flir die Diarrhoeperiode 2-441 : 0*320 = ll't.
Eine diagnoitiMdie Bedentnns können die Proportionen — ^— oder ^ ohne gennno
Controlvemiehe nieht haben, dodi kann die Beitiininang der AethenehwefiBleiiiien
als CuatrolBaoalyie (z. B.) bei Simvlation von Krankheiten einen nieht nnbedentenden
Dieast leisten.
KoviOHi fand bei Zuständeu psychischer Depressioo eine bedeutende
Vermebmng der AethersehwefelBinren im Harn a : = 4*7 nnd aueh 4*0 : 1.
Vielldeht rflbrt auch die Giftigkeit def Blutserum« und des Harns, welche von
cinigreu Beobachtern bei Melancholikern constatirt wurde , von der vermehrten
Erzeugung der bei der Darmfialniss entstehenden Phenole and Kresole her, die
eben als AetherBohwefolslaren dann im Harn anagemshieden werden. AnfMIend
ist auch die Vermehnmg der Aetherschwefelsäuren im Harn bei alten Lcutoa von
70 — 90 Jahren : // r= 0'59, zugleich mit bedeutender Vcrrnindfrim^- des Harn-
stoffs. Hoviuui I"; uuterduehte demnach die Einwirkung der gebräuchlichsten Auti-
pyrelica auf die Aossoheidung der priformirten und gebundenen Sehwefelsftare
während und naeh dem Gebranefa hober DoRen denelbea, nm sa eiftliren, in
welcher Weise die Antipyretica die Bildung und Ausscheidung der giftiigen
Stidlweehseljiroduete der Darmfäulniss beein(lii8.-*en. Antipyrin, Acetanilid, Pbenacetin
uud l'henocoll in Dosen von l^/g — 2 tirm. täglich durch 2 — 3 Tage wiederholt,
vemrBaehen dne bedeotende Vermdurung der AettierMhwefelBftnren im Harn. Diese
Vermehrunfr ist bei Antipyrin am geringsten. 2 — 3 Tage nach Anwendung der
erwähiiteu Mittel ist bei Fieberkranken und (Je-^unden eine deutliche Verminderung
der normalen Menge der Aetberschwefelsäuren im iiarn zu beobachten, besonders
deutlieh tritt diese Wirkung naeh Oebraneh von Antifebrin atif. Die SaHeylslnfe
und Natrium^alicylat bewirken erst nach zwdtigiger Anwendung starker Dosen
eine geringe Verminderung der Aethersehwefel-^.luren im Harn, auch Chinin seheint
in Dosen von 1*5 — 2 Grm. täglich eine Verminderung der normalen Menge der
Aetbersehwefelsäuren, möglieherweise dureh Darmdesinfeotion, zu bewirken.
C. Mazrtti I") ist geneigt, der Müs einen grossen Elnfloss auf die Indiean«
ansseheidung im Harn zuzuerkennen. Bei drei Malariakranken mit sehr grosser Mila
fftigte nach Einfuhr von hauptsäehlich eiweisshilltiger Nahrung starke Indicanurie.
Hin Hund zeigte nach Exstirpation der Milz, auf wiederholte Einführung von
Fleischkost, wiederholte Perioden intensiver Indieannrie.
FQr die massanalytisehe Bestimmung der Phenole im Harn
haben A. Kossler und S. Pfanv das flBr die titrimetrische Bestimmung der
Phenole von MkssikgER und VoRTMANN anireL'ehene Verfahren fUr den Harn
brauchbar gefunden und empfehlen es mit einigen Modilicationen. Eiue genaue
Bestimmung der Phenole im Harn wird in folgender Weise ausgeführt: Der Harn
wird suMst bei alkaliseher Reaetion eingedampft, um das Aceton, welches ebenso
wie Ammoniak und Ameisensäure im llarndestillate durch Jodbindung Phenole
vortäuschen kannte, wegzuschaffen. Der Hfiekst.md wird mit so viel Schwefel-
säure, dass auf das ursprüngliche Harnquautum 5''^ kommen, versetzt uud
destillirt. Das Deslillat kann durch nochmaliges Destilliren Uber Galeinmearbooat von
salpetriger Säure und Amei-^eimfture befreit «erden. Es genügt nieht, die Destillation
nur HO lange furtziiset/en . bis die F.lllung mit Bromwasser ausbleibt , weil in
Destillateu. welche die^c Keactiun nicht zeigen, noch beträchtliche Meugeu vuu
Phenol enthalten sein können. Es wird daher zweckmässig der eingedickte Inlialt
des DestilUrkolbens mit Walser wieder aufgefilllt und erneuerter Destillation
unterworfen. Die Dc-itillate kunneu in otTeneu Flaselieu auf^refan^en werden nnd
die 2 oder H eräteu werden, wie oben angegeben, durch Deätilliren ttbcr Calcium-
carbonat gereinigt. Ein bestimmter Anteil des Destillates wird in wohl verscbliese-
barer Flasche mit Zehntelnormalnatronlauge alkalisch gemacht, im Wasserbade
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HABV. 373
«rwiimt and mit einem Uebenebnm (15 — 20 Cem. mehr als Natronlange Ter-
wendet wurde) von Zehutelnormaljodlösung versetzt. Nach dem Erkalten säuert
man an und titrirt mit Zelintelnoriualthiosulfatlösung das freigewordene Jod. In
gleicher Weise verfährt man mit den foigeoden Destillaten, so lange noch Jod-
bindung statthat. IMe Snmme der gebundenen Jodmengen giebt das vom Phenol
nnd Parakreaol aar Bildung der Trijodsnbstitntionsprodacte verbraachte Jod.
Zweckniftasig werden sie auf Parakresol berechnet. 1 Ccra. einer Zehntelnormal jnd
lösunfr ent.spricht 1'567 Mgrni. Plienol oder 1"8018 Mgrm. Kresol. Die Merifren
l'benol im normalen Harn scheinen grösser zu sein als häutig angenommen wird
(0 08 dm. in der Tageamenge). Kosslbb nnd 8. Pbnnt fanden in swel Filllen
0*07 und 0106 Grm. Phenol, beziehungsweise 0*081 und 0122 Orm. KrcKol.
Ob durch diese Methode silmnitlicbe Fehlerquellen, welche Kimpk '^i bei
der quantitativen Bestimmung der PbcDolkürpcr des menschlichen Harns auä'and,
tbataieblleh eradiOpft sind, mflssen weitere Versnobe lehren.
In dem von M. Wolkow und ß. BaüUAIIX geBebilderten Falle von
Alkaptonurie (Real-Encyclopildie, XXIV, pag. Ml) wnrde als iTsachc der-
selben die llomogentisinsäure aufgefunden. Ii. Embden bat nun einen zweiten
Fall von Allcaptonnrie entdeekt der ebenfalls anf die Anssebeidung von Homo*
gentisinsänre bembt^ besonders interessant ist dabei^ dass dieser Fall die ßOjähri^'u
Schwester de.« vm ersteren untersnchtcn Alkaptonpatlrnten lietrifft. (KiRK beob-
achtete Alkaptouurie bei 3 Geschwistern.) Hei der alten Frau besteht sie schon
seit der frühesten Kindhdt — braune Flecken in den Windeln. Die beiden 6e-
sobwister sind die einsigen SprOasIinge einer ansserehelieben Gemdnscbaft ihrer
EHem; die Kinder aus den später eingegangenen Khen dieser beiden Ritern und
die Bnkel derselben, /.ei<;ten, so weit sie uiiter?iii('ht werden konnten, normalen Hurn.
Wie in Hd. XXIII der Keal-Eucyclopüüie, p.ig. erwähnt, sollen die
dnreb Einwirkung von Sflnren im Harn entstehenden Hnminsubstanxen naeh
V. Udbaxszky aus den Kohlenhydraten des Harnes hervorgeben ; andererseits beob-
achtete S AI KOwsKi 'PeMl Fneyclopädie, XXIII, pji^. 29 1 K dass die im normalen
Harn vorkomnieuden Kohlenhydrate bei der ammoniakalischen Uarngäbrung ver-
sebwinden, indem sie die dabd auftretenden flttehtigen Pettsftnren liefern. Nach-
dem nun V. rDHANSZKT ans dttn gefaulten Harn noch ansehn i !: Mengen stick-
stnflrh.1ltiger Huminsnhstanzen erhielt, so liegt in dieser Angal»e ein Widerspruch
mit der SALKOWi^Ki's, indem man ja erwarten durfte, dass der get'aulte Harn
dessen Kohlenhydraten grösstentbeils in Fettsäuren Qborgegangen sind, keine Humin
Substanzen mehr liefere oder sdir viel weniger. Salkowski weist nnn in «inw
sorgfJlltigen T'nter^^uehiinir — in welcher irleiehzeitig auch die Brauchbarkeit der
Furfurolreaction nnd des Henzoylclilorids zur Hestiinmung der Kohlenliydrate ge-
prüft wird — nach, dass die Kohlenhydrate des Harnes sicher nicht uie ciuzigo
Quelle der Huminsubstansen sind. Eine wiehtige Quelle dieser sind jedenfalls dte
Indoxylverbindnngen. Der Nlcdersehlag, der rieb beim Pchandeln des Harnes mit
Salzsäure anf^in;.'lieli liildet , löst sich in hi>H-jem Alkohol mit rother Farbe Tdie
Lösung enthillt nachweislich Indigrotb und luüigblau); bei weiterem Kochen ver-
tiert der Niederseblag diese Eigenschaft immer mehr, indem er sieh in Hnmin-
kOrper umwandelt.
Schon im .lahre iS-S'j beselirie)>en M. Nkvcki und N. SiEBER als Fro-
roselu einen Harnt.irhstoiV, den sie im Harne eines Diabetikers, dann auch bei
Chlorose, Nephritis, i'yplnis, Ulcus ventrienli etc., auffanden. Versetzt man einen
Harn, der diesen Farbetolf enthält, mit Salzsäure, so ftrbt er dcb sebön rosarotb.
Amylalkohol Tiiniint den l'\arbstolT schon in der Kälte beim ^'elindcn .*^ch(lttcln aUA
dem angesäuerten Ihirn auf, die rothe Lösung zeigt einen charakteristisebcn
Absorptionsstreifen zwischen D und E im Grün. Nach Josef Zawaüzki -i) gelingt
es. das UroroseTo dnreb Oxydation aus dem Urobitin sn erhalten: FItgt man sn
einer LOsnng von ürobilin in verddnnter Xatronlange etwas Caloinel, so entsteht
ein Niederschlag von Quecksilberoxydul, gleichzeitig färbt sich die LiOaung rosa-
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374
HARN.
Totb, Amylalkobol entsteht der anfeelliierten liOsnng Uroroeelu. Auch bei Tobeis
culösen, die mit der Kocu^schen Lymphe behandelt wurden, trat Urorusein im
Harne auf. Nach RosiN ist dieser Farl)stoflF besondors reichlich im OcbHenbarn
vorbanden und kommt in Spuren auch im normalen Menschenbara vor; versetzt
man diesen mit dem halben Volum Salzsäure und erw&rmt gelinde, so bleibt beim
nitriren eine geringe Menge Uroroiefn aof dem Filter nrflek.
Das von Bogomolow 2») empfohlene expeditive Verfahren der Urobilin-
beatimnnnif? (9. Kfal-Encyclopftdie, XXIV, pafr. beruht darauf, das« das
Urobiliu , welches sich wie eine sehr schwache Säure verhalt, in dem eben neu-
tralieirten Harn dnreh voreiehtigen Zasats von Handertelnermalkalilange in
alkalisches l'robilin Übergeführt und das Anftreten dieser Verbindung durch die
dabei stattfindende Aendoninjr des Absorptionsspcctrnuis bestimmt wird. In alkali-
sehea Lösungen kann das L'robilin durch Neutralisireu desselben mit Kupfersulfat
oder Chlorrink in nentralrs eannoisiogeftrbtes ürebiUn flbergefllbrt werden, welches
im Spectrum einen scharfen Streifen in E zeifrt und durch ( hlorofurm ausgezogen
worden kann. Dieses Vt rhalten kann zur He-«titnmniiir dC'? Cichaltea eines Harnes
an pathologiselien L'robilin ohne Spectro.skop benutzt werden. Man versetzt eine
bestimmte Menge Harn mit Alkali hif zur neutralen Keaction. Dieser Punkt ist
erreielit, wenn der Harn mit einigen Tropfen einer 1 pro Mille KupferanlfatlOsnng
versetzt, an Chloroforiii einen carmoisinrothen Farbstoff abgiebt. Eine zweite gleich
grosse I'rc»be des Harnes wird wie oben neutrali.sirt, dann mit so viel ib'r titrirteu
Alkalilauge versetzt, bis in Folge der Bildung alkalischen Bilirubius cluu grtlne
Fflrbnng auftritt. Znaatz von Chlorzinit verstirkt die OrQnfllrbnng. Zneats von
Kupferstilfat fitrbt die FlOislgkeit intensiv rotb; Chl<>r>>t im ist aber nieht mehr
im Stande, den Farbstoff auszuziehen. Die Hcrechnunfj der I rohilinmon^e aus der
Menge der zu meiner Neutralisation uöthigeu Kalilauge geschieht unter der An-
nahme, dam das Urobilin lOmal sehwieber BfA als Ozalsftnre, also dnreh Mnltipti^
eation der Anzahl der Cubikcentimeter der Hnndertelnormalkalilange mit
0*0006:^ Die Methode -^oll {riite K. siiK.ite ircbou.
Die ausfjedehnten StuÖwcchselvcrsnehe von Ii. Laudenheimkr 2') über
die Ausscheidung der Chloride bei Carcinomatdsen im Verhiltniss
anr Aufnahme ergaben, dasa dem eaieinomatOsea Proeess kehi spedfiadier Bin6nss
auf die Auspcheidunf^ der Chloride durch den Harn zukommt. Die vorkomnienilen
VeruiinderuiiiTfii der im Harn ausffeschiedenen (.'Ijluride fregen die mit der Nahrung
aufgenommenen, uibo die Ketentiou des Chlors im UrganismuH, fallen der Zeit uud
Menge naeh mit den Wasserretontionen ausammen. Die Stiekstoffansseheidnng geht
jedoeb mit der Chloransscheidung niobt parallel, verhilt sieh demnach gleiefa der
des nieht carcinomat<^sen Menschen.
Durch die tblgeude 31odifieatiou des MuHH'schen Titrirverfahreus der
Chloride erhielten E. FB£Din> nnd 6. TÖpfbr **) in verhiltnissmissig einfacher
Wei«e Krgebnisae, welche mit den mittelst der Titrirung der Chloride nach VOL>
H.AKI1T und Fai.tk erhaltenen eine ganz befriedi;renilc rcl'i'reuistimmuni^ zeigen.
Die Müditicatiou besteht darin, c'ass zur Ansäuerung des Harnes Essigsäure dient,
dem 80 viel essigsaures Natron zugesetzt wird, dass dadurch das Freiwerden
einer nnorganischen Sture vermieden wird. Hieran dient jene LOsung von Essig-
s.'lure und essiirsanrem Natron, welche bei Titrirung der Phosphate mit Uran-
irt.sung in Gebrauch steht. Demnach wird die Hestimmunf; in foljicnder Weise
ausgeführt: 5 oder lu C'cm. Harn werden mit Wasser auf 25 Ccm. verdünnt,
mit 2*5 Ccm. der Lösung von Essigsinre und essigssurem Natron versetst, hierauf
wenige Tropfen einer 10°'uigen Lo.sung von Kaliumcbromat zugesetzt und mit
Silberoitrat in der Concentration des MonR'8<'hen ^'erfahrens titrirt.
Eine sehr en» pfindliche Ei weis.s probe hat EüL'ARD SfiüßLER -")
angegeben. AU Reagens dient ein Gemiseh von Quecksilberchlorid 8 Grm., Wein-
säure 4 Grm.. destitlirteir, Walser 2<i()(;rm. uud von Rohrzucker 20 Grm. l»er
Zusatz von Zueker hat den Zweck, das Reagens specifisch schwer m machen, da
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HABN.
376
«8 nach Art der Salpetentnre bei der HBLLBB'sehen Probe dem Harne nntar-
aehiehtet wird. Der Harn wird mit weniir ooncentrirter Essigsilure angesäuert, um
Cnrbonate zti I<isen, dann (nachdem er, wenn nttthig »iltrirt wurde) mittelst ein^r
Pipette K^nz Ian«r^:im einer mit dem lieagens etwa zur Hälfte gefüllten Eprouvette
an der Wand i rupleu tUr Tropfen beigefügt, m dMB sich die Flüssigkeiten ttiebt
misoben. Bei Gegenwart von Eiweisa biMek aidi an der BerQbrungsstelle der
beiden Flllssipkeiten ein sebarfer weisslicher Ring. Auch in Hakterienharncn hebt
»icli der iJing deutlieh von der allgemeinen Trübung ab. Die Probe, welche ausser
Albuojiu auch I^ropepton (Pepton nicht), ferner auch Mucin (das bekaootlich durch
Easigslnre aicbt Tollatlndig ans dem Harn entfernt wird) c^ebeo, soll noob den
deutlichen Nachweis von Eiweiss in der Verdflnnnng von 1 : 150.000 und nach
einer Minate Stehen in der von 1 : 250.000 ermöglichen.
Zur optischen Bestiromnng der Eiweissmenge im Harn em-
pfiehlt H. 0. G. Ellikobr >•) den von Amaoat und Jban eonstmirten Oleorefraeto-
meter (DiflSDrenzrefraetometer). Die mit dem Apparate bestimmten Werthe ffir die
int Hiirne vorhandenen Eiweissmeufren zeiirten eine zienilicli ^'•enaue l'eberein-
sttmuiung mit den durch Wügung erlangten Werthen. üezUglich der Eiurichtung
des Apparates verweisen wir auf das Original.
Naeh neuerai Ansebannngen der physiolofpseben Chemie sind es drei- EU
wei3>»k<'»rper, welche als schleimgebcnde Sub?(tanzen bezeichnet werden kfunien :
Mneiu i Hammarstkn' , LoEJii.scH; , Nuclcin (Rossel) und Nucleoalbumin (Ham-
mauaTKNJ. Von diesen Substanzen ist bisher in Harn nur das Auftreten von Mucin
und Naeleoalbumin , beide dnrob Ansäuern des Harnes mit Essigsäure flillbar,
beobachtet worden. Ob das Mucin aus ßlase und Niere abgeschieden wird oder
au!» dfu ( 'i twf'KRst'hen und LlTTKP:'scben Drdstn stammt, ist bis nun noch nicht
entrichiedcn. Der von Eh. MülL£B bei Leucämie, Pneumonie uad von C v. NuORDEN
aueh bei Erysipel und intermittirender Albuminurie im Harn beobaehtete, durch
Essigsäure fällbare Biweisskörper scheint zu den Nnoleoalbuminen zu zählen.
Auch i^rnF:KiHER sah nach experimenteller riioraxcompression bei jungen Leuten
neben Eiweiss regelmässig Nucleoalbumin auftreten. F. Oüsrmayek ^ j hat an der
Klinik des Hofrath Nothnaorl bei 32 Fällen von Icterus ausnahmsioe das
Auftreten mehr weniger reichlicher Mengen von Nooleoalbumin beobachtet. Der
aus mehreren Litern icteri'^cheii Harnes durch FältunLr mittelst Essigsaure er-
haltene Körper zeigte sieh nämlich , nachdem derselbe zur Reinigung viermal in
Alkali gelöst und durch Edsigsilure gefällt war , beim Veraschen phosphorhältig.
Die Menge dieses EiweisskOrpers sebira von der Intensität des Icterus absuhängea.
Di« reichlichste Ausscheidung von Nucleoalbumin fand F. Obrrmayrr in Fällen
von Diphtherie bei Kindern , bei denen früher Albumin im Harn nachgewiesen
werden konnte. Auch bei einem Kinde, weiches wegen i'soriasis mit Schmierseife
eingerieben wurde, waren 6 Tage naeh der letaten Einreibung Spuren von Albumin
und reichliehe Ifengen von Nucleoalbumin vorhanden ; in ähnlicher Weise ver-
hielt sicli Ifarn von Patienten, welche mit Pyrogallol , Naphtnl und Sublimat-
injectioueu behandelt wurden. F. Oufc^UMAYE» führt die Nucleoalbuminauascheidung
in den beobachteten Fällen auf dnen die Epithelien der Niere, ii^wsondere
die Medullaris treffenden Reis zurflek, welcher weniger intensiv und auch von
anderer Re-^chaffenheit sein muss als derjenige, welcher die Au^srliciflung von ge-
wöhnlichem Eiwei.ss hervorruft. In den v<in v. Nookden beschriebenen Fällen von
intermittirender Albuminurie sehwand zuerst das Eiwe'ss , spilter das Nucleo-
albumin aus dem Harn. Beim Icterus könute das Nierenepithel durch die Ein«
■Wirkung der Galle auf die Niere geschädigt werden, auf solche Veränderungen
k'tnnte auch das von Ni>tiina(;kl eonstatirto Vorkommen von hyalinen (Vlindern
im icterischen Harn zuritckgeführt werden. Doch zeigte I'ajcull, dass das so-
genannte Gallenmucin ein Nucleoalbumin ist, und es ist nicht unmöglich, dass
beim Icterus nicht nur Gallenfarbstotf und Gallensäure resorbirt werden, sondern
auch dieser Eiweisskörper , welcher dann durch die Nieren ausgeschieden wttrde.
376 HARK.
Zam Nachweis des Zuckers im Uriu empfiehlt G. Huppe-Seyler *») eine
voD A. Beter aogegebene Reaetion, wonach au8 o-NitrophenylpropioIsäure beim
Koeheii mit Alkalien beA Gegenwart ven rednoirenden Sabttanno , wie Tranben-
zucker, sich Indigo bildet. Das Reagens . welches Hoppe-Seyler verwendet , ist
eine halbprocenti^e Lö8iin«r von o-Nitrophenylpropiolsänre in Natronlauge, sie ha»
eine rothbrauue b ^rbuug uud ist gut haltbar. V ersetzt man 10 Tropfen uurmalen
Harn mit 5 Gem. dee Reagens nnd koeht, ao entstebt keine Farbenverindernng,
auch dann nicht, wenn der Urin sehr cooeentrirt war; aoob bei «nem Eiweise-
gehalte bis zu 2^,^ erhält man keine und bei grösseren Eiweissmengen nnr eine
grtlolicbe Färbung. Ist Zaoker vorhanden, so tritt naeh 15 Secunden langem
Koehen BlanfÜrbuDg auf, die bei 0*5^0 Znekergehalt dentüeb und donkel, bei
0*37^0 aber noeb gering ist Ks ist niebt gerathen, zur Probe mehr ab sdin
Tropfen des zu nntersnehenden Harnes zu verwenden, da schon 1 Ccm. normalen
Urins eine Grünfärbung liefert; eine deutliche Blaufärbung ist auch bei grösseren
Mengen nicht zu erzielen. Eiweisabältiger Harn kann iu gleicber Weise untersucht
werden, er kann aneh vorher doreh Koehen und Znsats von Easigelnre anf Ei-
weiss geprüft und von der Lösung mit den Kiweincoagnlis die nOdiige Menge
entnommen werden, ohne dass die Ileaction leidet.
Als neues Reagens auf Traubenzucker im Urin verwendet Rosknbach'*)
NitroprusBidnatrium iu alkoholischer Lösung. Sowohl Traubenziioker-, als
MüchsnekerlOsnng eben naeh dem Versetsen mit Natronlange nnd einigen Tropfen
kalt ges.nttigtor Nitroprussidnatriumlösung beim Kochen je nach der Cnncentration
der Znekerlö-iiing bald eine tiefbraunrotbe oiler (»rangerothc Fftrhiiriir. die st_'lh8t
h^i ' iQ^yo ^!>ucker ein dunkles Gelb mit einem starkeo Stich iu .s Rothe zeigt.
Bei Ansfllhmng der Probe im Harne erbltt man snerst in allen Pillen mit Nitro-
j)rnssidnatrium und Natronlauge die WEvi/sehe Kreatininrcaction, die aber be-
kanntlich beim weitereu ICrwiirmen der Probe versehwindet ; wenn Zucker im
Harne ist^ tritt diu far diesen charakteristit^che braunrothe Verfärbung der i'rube
auf; bei sebwfleberem Zuckergehalte ist es vortbeilhaft, länger zn koehen. Sehen
eine röthlichbraune Verfärbung allein oder das Auftreten eines oraugerothen
Tones in der gelben oder liriluiiliclifu Flils-^iirke-t spricht ?;ichcr filr Zucker. He-
merkenswerth ist überdies, dass zuekerhilltige Harne, wenn sie über Vio% i^ucker
haben, durch das Reagens nicht getrübt werden, eine tief rotbbraone Färbung
annehmen und bei Zusatz von Slursn meist einen lasurblauen Farbenton (Berliner-
blau) darbieten, während zuekerfrrfe oder nnr Spuren Zucker enthaltende Harne
sieh beim Koeben stark trdben und bei Zusatz von ."^iUire zur gekochten Froh.-
zumeist eine sehmutziggrUne Farbe zeigen. Ebenso wie Kupferoxyd wird auch
Nitropruroidoatrium in alkaliseher LOenng aueh von den redaeirenden Substansen
des Harnes in der angegebenen Weise verändert. Die Probe soll als colorimetrisehe
auch fOr approximative Bestimmung des Zuckers im Harne brauchbar sein.
Nach Aufnahme von lUuretin iTheobrominnatrium- Natriunisalicvl.-tt )
kann man suw(»hl die Salicylsiiure als das Theidirumin bald nachher im Harue
auffinden. Der Nachweis der Salicylsiure gelingt bekanntlieh leicht durch Ans-
sefatitteln des mit Schwefelsäure angesäuerten Harnes mittelst Aether. Zum Nach-
weis des l iii iKroniins haben Ai'G. Hoffmanx un^l L. Ku TKu'f'i folgendes, dem
Cuüeiunaehweis von Malv und AuRKASCii nachgebildeics Veriahreu angewendet:
der anf die Hllfle seines Volums eingedampfte Harn wurde mit der Barytmisehnng
gefsillt, filtrirt, mit Chloroform aui^geschUttelt und der Rückstand der entstandenen
( 'lilorotMiinennilsion mit sie<lendeni Chloroform dreimal anfgcnc>mmen. Der nach
dem Verjagen den ( bloroform aus dem letzteren Auszuge bleibende Ruckstand
wird mit Chlorwasser eingedampft und den Dämpfen von Ammoniak ausgeaetst;
bei Gegenwart von Dinretln tritt intensive Rothfllrbung auf.
Literatur: •) Albert AI Im. r.luT <ien Werth der ('.utrituice für die Harn-
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HARN. — HARNABSCHEIDÜNG.
377
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schnft.) Zeitschr. für klin. Med. 1892. pag. 513. — **) E r n s t F r e u n d nnd tJustav
Toepfcr, Eine Modificatiou der Mohr'schen Titrirmethode für Chloride im Harn. Centralbl.
für klin. Uod. 1892, Mr. 68. — ") Eduard Spieglet» Ein« empfiodlioba fiaaotion anf Ei-
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im Urin, auf Indigobiidung beruliend. Zeit^ichr. für physiol. Chem XVII, pag. 83. — ") 0.
Rosen bacli (Breslau), Kino Reaction auf Traubenzucker. Centralbl. für klin. Med. 169:^. 13. —
Auguat Uoffmanu ondL. Beoter, Ueber die therapeutische Anwendung des Dinretin.
Arcb. Itir azpar. Pathol. nnd Pbarmakol. XXTin, pag. 1. Loe bisch.
HarnabSeheidUng, HAmseeretion. wahrend der Artikel Harn,
H a r Uli II t f r.s u ch u n g:, Hl. p.i«:. 1 der Real-EncyclopSdie , II. Aufl., die
cbi inisclien Vorhältnissc (Mii^^rlifiid iK-nick-sichti^rt, feblt t-s ebendort »n eiuer Dar-
»elluuj^ der Hu^cnuuntcn Mocliauik der Harnbereituog. In dem, die
DrOsenabseheidntigen ganz allgemeio bebandeloden Artikel Seeret and Seere-
tion, üd. XVIII, pa<;. 170, finden sieh zwar einige auch auf die Harnnbscheidungr
lipzfi'rliflu* Anjralicn. docli ist d.Hraii'f tinr mit eini;^<'r .*>{-liwiiTi'-rkcit /u cntnehmon,
iuwicweit die iRMKr(iiii^.s udoptirte Lehre von der iiartiabseheiduujf sicher be-
grUudut ist, uru.s« mehr, als die Nieren manche von den auderen Drilüun abnrei-
ebende EigenthOmlicbkeiten darbieten.
Gleichwie die Nieren sieb schon anatomisch (ver}::!. Nieren, Bd. XIV,
pa^. St'.Si von den iibriaren l)rü>en dadurch unterscheiden, dass . w-lbrciid ^onnt
die Capilluren nur bis au die Membrana propria der Dr'lsentubuli, beziehungs-
weise -aeini gehen, ebne in den Drtlsenscblaoeh seibat eibsutrtten, in den Nieren
Dank den in die blinden Au.ssnckungen der Hamcanäleben, die MOllkr i><»wMAX-
sehen Kapseln einsjel.iL'crtcii < I<'f;l<s<chlino'en (M.\Ll'lOHl'8ehe (Jlnmcnili ho-oiulers
iunige lieziebungcn /wischen den ISlut- und HaraeaDillcben bestebeu, ist liier auch
der Seeretionsvorgaug alit ein von den Übrigen Drflaen modificirter aufenfassen.
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378
HARNABSOHEIBUNO.
Oleidi naohdem das arterielto Blnt das linke Ben verlassen, strOmt es
ans der Baiiobaorta in die, im Verhältnis^ zur Kleinheit des Organs, weiten
Nierenarterien ; es wird also in der Zeiteinheit eine uiäehtij^e BInttnassc unter dem
hohen Aortendruck durch die Bieren hiadurchgetrieben ; audererseiu kann in den
ebenfalls weiten Nierenvenea der Blntdmek nur gmz minimal positiv sein, da
die Xierenvenen unweit des Dnvohtrittes der unteren Hohlvene durch das Zwerch-
fell in den aspirin luieii Brustraum einmünden. Folglich be.^tflit eine sehr hohe
und consunte DruekditiV-renz, d. h. ein grosse« Geßille, kraft desseu beträchtliche
Widerstände fOr den blutlauf Uberwunden, beziehungsweise dem Blutstrom eine
grosse Gesebwindigkeit erthdit werden kann. C. Lüowi» (1848) hat anerst die
hydraulischen Be'^in;rnngen in den Nieren analysirt und die Ausscheidung einer
Lösiin^r von Blutwanser und Salzen al-! nothwendiges Resultat derselben abgeleitet.
Da der üU>merulu8 durch Verästelung einer Arterie entsteht uud die öuniuie der
Dorebmesser dieser Aeste grosser ist als der Durchmesser des Vom aßgren», so
niusrt eine der Erweiterung des Strombettes entsprechende V« rlangsamung der ßlut-
strömung, umgekehrt aber bei dem ZuHammei.äus» der Gef.issseblingen zum Vds
fß'erenn, welches enger als das l as ajjerevn ist, eine entsprechende Beschleuni-
gung der BlutstrOntung stattfinden. In Folge der engen Lichtung und der Win-
dungen Jtdes cinxelneii der den Glomeruins bildooden Geftsftchen werden in ihm
erhehliehe Reibiingswiderstflnde t'iir die lüutf trflnnirig gesetzt, welehe einen Theil
der Stromkraft aufheben; in Fulge der Hemmnisse aber, welehe die Enge der
einzigen Abflui'söffnung, des Vw effertns, herbeigeführt, eine Stauung des Blutes
im Glomerulus und dadurch aueh erhöhter Seitendrnek bedingt werden. Unter
diesem erhrditen .'^eifeiidrurk des Blutes auf die dünne permeable Wand der Ge-
fHsssebliiiirtMi werden reielilich Blutwasser und Salze, spilrlicber Kiweisskörper
liltrirt, re.sp. transsudirt, und es wUrde so in die Mi LLEu'sche Kapsel eiue dem Blut-
plasma nsbe Gehende, nur weniger Eiweiss enthaltende Flflssigkeit bineingepresst
werden. Verrin^iert sich in Folge der Transsudation die Moige des lUutplasuia,
so wird es verstfindlich , dass das l'a.v fff'prens ein geringeres Caliber bat, als
das Vas aß'erens. Dass das mechanische Mument des Blutdruckes die wesentliche
Triebkraft fiir die Harnsbsebeidung ist, geht daraus hervor, dass die kOnstUeb
erzeugte Herabsetzung des Aurtendruckes (durch starke Blutentziehungen oder
Durehsehneidung des llalsmarks) die Seeretiousmenge im Allgemeinen abnehmen,
Steigerung des Aurteudruckes (z. B. durch Unterbindung mehrerer grösserer
Arterien) sie annehmen Ifisst. Ist der Blutdruck in der Nierenarterie, in welcher
die Spannung etwa die in der Carotis herrseh«ide erreicht, also beim Hände
120 — I4i> Mm. Quecksilber beträgt, auf :^0— 40 Mm. Hg gesunken, so erfolgt
nach (Jki TZXKit meist keine Harnabselieidung mehr. Zu iler Filtration sollte nach
LUL>\viu noch ein zweiter Vorgang hinzutreten, nämlich der aus den GetäHskniluelu
in die UOLLiitt*«cbe Kapsel transsudirte , sehr wssaerreiehe Harn in den Harn*
eanfilchen mit dem in Folge der Transsudation nunmehr eoneentrirten Blut, welches
die Ilarnoaujllchen umsptilt , sowie mit der in den intertubnlflren I-yn)])hbahnen
^st^ömendcn Lymphe in iiin'usionsverkthr treten, au diese hauptsiiehiieh Wasser
abgeben und dadurch selbst allroSlig coneentrirter werden.
Allein gegen diese mechaniselie oder Drucktheorie lassen sich
gewiebtiirc Kinw.Htide erheben. Einmal rea^'irt der Harn bei deu Carnivoren, beim
Menscheu uud bei hungernden Herbivoreu coustant sauer , während die Beaction
des Blutplasma ausnahmlos alkalisch ist, femer finden sieh die Salsa und die
wesentlieben Bestandtheile, wie Harnstoff, Hamsfture ete., welehe Im Plasma nur
in Spnreti vorkommen, im Harn in 1? 'tOm-il stärkerer Coucentration, weiter ent-
hült der Harn Stolle , welehe im Blut gar nicht angctroften werden , wie die
Hippursfture und diese bei deu Herbivoreu iu recht beträchtlicher Menge , auch
ist der Harn in der Norm wenigstens eiweissfrei, während bei der Filtration,
respective Transsudation zum mindesten ij u a 1 1 1 a t i ve L'ebereinstimmung swisehen
Anfguss (hier Blutplasma) und Filtrat (Harn) besteht, endlich tritt auf Verenge-
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BARNABSGHEIDUNG.
379
ruug der liieren venen, obwohl dadurch der Druck in den G lumer uli beträohtliuh
erhöbt wird, niebt nar keine Steigerung, vielmehr eine Bofortig» betrftebtliehe
Ahuahtne der Ilamabächeidui)^ ein. Ab^eHehen davon, das-^ diese sehwwwiegmdea
Einwände sich mit der mechanischen ürnckhypothcse nur in der allergezwuno^ensten
Weiae vereioigen lassen, lässt diese die eigentlichen DrUsenzellen, die Epitbelien
der Hameanälcben ganz ansaer Aeht, betraebtet sie gewissennaMen nur als Ufer-
Bteine des Hamatronies, wahrend doch bei allen Übrigen OrOaen fBr die Bildung
des s:e^■rete^ wesentUeb die active Thltiglceit der Drflaenzellen in Be-
tracht kommt.
BoWMAK, dem wir die allgemein giltige Feststellung der innigen Be-
ziehungen zwiaehen den Blut- und Bameanileben verdanken, hat znent dem
Epithel der Nierentubuli, g;leichwie anderen Drflaenzellen , eine bedeiit^Hme Rollo
bei der nartiber<'itun;r zuerkannt: diese Epitbelien sollten die Ausscheidung der
spccitiüchtin HeütaudtUeile i liarnätod, Harnsäure u. A.) besorgen oder wenigstens
regeln; das aus den Olomernli auagepresste Waaaer and allenfidla die Salze
sollten in den Ilarncauälebeu aus deren Zellen jene Substanzen gleichsam aus-
gchwemmcn. Von den Drüsenzellen ist es uns anderweif ifr bekannt, dass sie gewi^^se
i>totfe an sich ziehen, äalze zersetzeu und daraus bald die Öäuren, bald die Basen
entbinden. Bei einer direeten Betheiliganar der Nierenzetlen an der Hambereitung
wfirde e.^ auch vl•r^t.iIHlIi -Ii sein . dass das ([uantitsitive V'erh.lltniss der im Haru
vorkoinmetnien Stoffe durchaus verschieden ist von denijeiiij^en , in welchem sich
jeue 8toti'e im Blute befinden, und dass aus den alkalischen äalzen des Bluter,
gleichwie im Magen freie Stare, hier laure Salze abgeschieden werden. Zudem
sind bereite eine Reibe von Thatsacben bekannt, welche; die direete Beziehung
der Drflsenzelleii der Niere zur Flarnhereitiui^' darthun. Hkidf.xhain' hat ^rezeigt,
da^s nach Injection von iudigschwetelsaurem Natron in's Blut von liuuden zu
einer Zeit, wo der Harn in Folge des Uebertrittes dieses Salzes blau erscheint,
der blaae Farbstoff weder auf der Oberfliehe der Glomeruli noch in den HOllbr-
Hchen Kapseln sieh findet, vielmehr erst in den gewundenen Canälcben augetroffen
wird, und zwar kann der Austritt des blauen Salzes durch die Epitbelien der
gewundenen L'auäie (sowie der aulstoigcDdeu Öcheukel der UKNLb^'scbüu ächleiten;
direot ans der Färbnng der Epithelien eritannt werden. Bbenra finden sieh naoh
Injeetion hamsaurer Salze in's Blut körnige Niederschläge dieser Salze erst in
den gewundenen Canillchen und deren Ejjithelien , während die Mül.l-F:K'schen
Kapseln davon frei sind. Auch der liarustoÜ' wird, wie Ncssbaum an der Frosch-
niere bewiesen hat, nicht von den Cteftsaknlneln, sondern von den Epithelien der
gewandenen Canftlc abgeschieden. Die bedeutsamste Thatsucbe endlich, welche auf
das UHzweidetitigsle für die specifisehe chemische Thätigkeit der Nierenepithelicn
spricht, ist die Synthese der Hippursäure aus Benzoesäure uud OlycocoU, welche,
wie BUNOR und Schmikdeberg gezeigt haben, bei Carnivoren nur in der Hier«
(M Herbivoren ausser in der Niere naeh W. Salouon aneh noeh anderswo
im Kr>rper"i zu Stande kommt, und zwar auch in der aus dem Körper entfernten
und kUnstlieli durchbluteten Niere, so lange di<- Nierenzellen noch funetinniren ;
daher erfolgt die Vereinigung beider Stotl'e , nur iu geringerem Umfange , auch
dann noeb, wenn das lebenswarme Organ fdn zerrieben und mit Benzoesinre und
Glycoeoll digerirt wird.
Dass andererseits das llarnwasser diircli die Glomeruli und unabhängig
davuu die specilischen Ilarubostandtheile durch die Epithelien ausgesehiedeu werden,
ergiebt sieh daraus, dass aneb, wenn in Folge rapiden Sinkens dee Biutdruekes
die HarnwasserausselH'idtiiig sistirt, nunim-hri.ire li<}ecti<>n des biaUMi F.-ir)>stuffs
aehon nach wenigen Minuten lUfiuun},'- der Epithelien der gewundenen < analchen
bewirkt; es hat aUo, während die Wasserausscheidung in den Criomeruli stockte, Aus-
scheidung des blauen Salzes diireh die Epithelien der Titbuti cantorti stattfanden.
Indess steht der durch die Glomeruli abgeschiedene Harnwasserstrom
nicht in direoter Abhflngigkeit vom Blutdruck, denn naeh Elnengnng der Mieren-
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HARN ABSCHEIDUNG.
vene haben J. Mcnk und Senator, ebenso Paneth die Harnwasseransscheidun?,
ungeachtet der dadurch bewirkten Druckateigeruug in den Glomerulis, auf einen
geringen Werth sinkmi sehen. Danaeb mnes nuui mit Hbtotovaik annelraien,
deei 68 die OBebwIndigkeit des Blutstromes in den Glomernlis
ist, welche die Wasseraiisscheidung beherrscht. Diese Fol^erunjs:
hat auch .1. Mi nk an der frisch ausgeschnittenen und künstlich durchbluteten
„Uberlübenden^' Kiero direct bestätigen können. Die Strömungsscbnelle des Blutes
bat Biebt allefa den Wertb beidilennigter ZuAibr des Absondernngsmateriats,
sondern auch ihre Bedeutung in der Sanerstoffverswgnng, deren die seccrnirenden
Zellen für ihr« Arbeitsleistung bedürfen ; ArterienverschluHs hebt in Folge Er-
stickung der Nierenzellen die secretorisohe Thätigkeit derselben definitiv auf;
Tombeigebender Veraebtoss sebidigt die SeereÜoii, die sieh wieder erholen kann.
Aber dieses Moment allein genügt noch nicht. Damit selbst bei genü-
gender Stromschnelle des Blutes (il)erbaupt Secretion zu Stande kommt , dazu
bedarf es nach Münk noch der Anwesenheit kleiner Mengen solcher Substanzen,
welebe dnreb den normalen Harn anr Anssebeidnng gelangen, der sogenannten „ham-
illhigen^* Stoffe, wie Harnstoff, bamtaore Salze, Chloride, Sulfate, Phosphate, welche
die Nierenzellen zur Th.ttifrkeit anspornen. Es sind :\Uo Jcno vom ShtfTwechsel
hprrührenden Kndproducte des Eiweisszerfalles und die über.^chUssigen Salze der
Nahrung und der Gewebe, welche dem Blut zugeführt und mit diesem zu den
Kieren strftmend dort die Nierensellen sur Thätigkdt anregen. Letztere wird
auch durch einen grösseren Wassergehalt des Blutes gefördert , daher die Ham-
fluth nach reichlichem Wasaetgenuss, obwohl dadaroh die Stromschnelle des Blutes
kaum verändert wird.
Damaeh ei^ebt sieb folgende Anffassong des Seeretionsvorganges als
die wahrscheinlichste: Wasser und ein Theil der Ilarnsalze (Kochsalz u. a.) werden
der Hauptsache nach (inrch Filtration rrranssudation' aus den (iefösskniiuelii
abgeschieden, dagegen die specitischeu üarnbestandtheile (Harnstoff, Harnsäure,
Hippnrsänre n. A.) nebst einem anderen Theil der Hamsalze (Koehsalz, Phos-
phate, Snl&te) dnreb aetive Thätigkeit der Epithelien, vornehmlieh derjenigen in
den pewnndencn Harncanälchen ; da diese Stoffe nur in gelöst(Mn Zustande rilisrc-
geben werden können , muss auch ein Theil des Wassers durch die genannten
Epithelien austreten. Zur Thätigkeit werden die Nierenzellen indess erst angeregt,
wenn der Gebalt des Hintes an „bamfihigen Substanzen** eine gewisse Hohe
erreicht: und der Orad ihrer Thätigkeit wird einmal durch die Blutgeschwindig-
keit in den Nierencapillaren und dann durch den Gehalt des Blutes an Wasser
bestimmt, derart, das» mit dem Ansteigen dieser beiden Factoren auch die Harn-
abseheidong znniromt. Das Freibleiben des normalen Harns Ton Eiweiss dürfte
nach Heidenhain darauf zurflck/.ufUhren sein, dass die Schlingen der Gefäss-
kniluel von einer continuirlichon Schiclit von Atissenepithelien umgeben, die bei
normaler Ernährung dem Serumeiweiss den iJurcbtritt wehren , nicht mehr aber,
wenn in Folge von CirenlationsstSrnngen ihre Emihrnog gelitten hat.
Ausser der Hippursäure (und vielleicht den Harnfarbstoffen) wird wohl
keiner der specifischcn Harubestandtheile iti den Nieren geliildct. vielmehr wer-
den Harnstoff. Harnsäure u. A. den Nieren schon fertig mit
dem Blut zugeführt und von diesen nur aus dem Körper eliminirt, wie un-
zweifelhaft daraus hervorgeht, dass nach Ezstirpation der Nieren „Nephreetomie'*
sich jene Stoffe und die Ilarnsalze, insbesondere die Kalisalze im Blut nnbüufen
und dann zu schweren Störun^,'cn , ja sn<:^;ir /nin Tode führen können. Man
nennt diesen Zustand der Ueberladung de.s Blutes mit Harnbe.standtlieilen : Urämie.
Wie schon Eingangs unserer Betraehtnngen angeftlbrt, ist in den Nieren
fiir eine möglichst rcichlicheBlutdurchströmung im denkbarsten Um
fange Vorsorge getn»nVii. Die Nierenarterie ist mindestens noch einmal .so weit, als
dies soQät, verglichen mit anderen Urganeu, der Fall ist. Jeder flotteren Secretion geht
voran und läuft parallel eine starke Erweiterung der arteriellen Gefftsseu Wibrend
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HARNABSCHEIÜUNG. — HARNCYLINDER.
381
starker BetliÄtigiincr der Nierenabsdnderuu^ hat Cr.. Bkkxaud das Blut der Nieren-
veue, gleich dem der Speicheldrfiscnvcnen bei Keizuiif? der Chorda tympani,
bellroth werden, also die Gescbwiudigkeit der Blutströmung durch die Nieren so
erheblich usteigen sehen , daas der Sanerstofl^iehftlt des Blutes wihrend des
Durchganges durch das Organ nur wenig vermindert erschien, wie auch directe
Bestimmungen des 0 Gehaltes lehrten. Gegenüber dem Wiederspruche von Fleisch-
hauer konnte die Beschleunigung der Blutströmung durch die Nieren bei reich-
Keber Hamsbsonderung von J. Münk bestltigt werden. InsbeMmdere ^d es
„baraffthi^e" oder harntreibende, diunttodie Stoffe, wie Harnstoff, Coffein, Salpeter,
welche die Blutströmunf? , wenn auch nur für eine Zeit lanfr , so beschleunigen,
dass (las Nierenvenenblut noch bellrotb, fast arteriell erscheint. MUNK konnte
auch zeigen, dass die Erweiteninf der merengefässe dnreh Harnstoff und GoflUn
in Folge einer direot lähmenden Einwirkung dieser Stoffe auf die Ringmuskeln
der Arterien zu Staude kommt , da dieselbe auch noch an der ausgeschnittenen
und 24 Stunden auf Eis bewahrten Niere bei Uurcbströmung mit harnstoff- oder
coffeinbaltigem Blute in typischer Weise eintritt. Auf Grund eigenur Versuche
und welfeier Bereoha«ng«n haben uenerdlngs Tioehstbdt nnd hUKsaaßxm es
höchst wahrscheinlicb gemacht, dass dnreh die flott secernireude Niere des Hundes
iti der Minute etwa eine dem Nierengewicht jirleiche Fjliitmcnge hindurcbfrebt,
eiuu Durchströmuagsgrösse, wie sie auch nicht aunäberud irgeud eine andere
Drüse oder der thitige Hnskel zeigt.
Einflnss des Nervensystems auf die Harnabson derung.
Wie die Untersuchungen von Cl. Bernard imd Eckhard gelehrt haben , bat
Durchschueidung der iWt. splanchnicit weiche die Geßtssnerven für die Nieren
fltthren, Erveiterong der arteriellen Nierensdilensen nnd damit Stdgemng der
Harnabscheidung zur Folge, während die Reizung der Splanobnici maximale Ver-
engenin-r der Arterien iimi damit völligen Stillstand der Secretion nach sich zieht.
Wie die unuiitttlbare Heizung der Splancbnici, so hemmt auch die Bewegung des
verlfingerten Markes, respective Rückenmarkes, sei es elektrisch, sei es durch
Athmongssospension, die Hamabsdieidnng vollstilndig: trots des erbeblidien An-
stei«:cn-^ des Aortendruckes verringert sieh der Blutzufluss za den GcfilSSknftUBln
der Niere wegen nachweisbarer Verengung der Nierenarterie,
Fest steht es ferner seit Cl. Beunabo, dass nach Stichverletzungen ge-
wisser Gegendeo des verlängerten Markee Steigemng der Harnabsohddnng eintritt,
die hftnfig von dem Auftreten von Zucker im Harn begleitet ist. Es liegt die
Annahme nahe, dass diese Stiehverletziintr die für die Nierenfrefässe bestimmten
Splanobnicusfaseru lähmt. Eckuabd glaubt aus seinen Vorsucben die Existenz
speoifiseher Absonderuogsnerren ersehliessen sn sollen, doch lassen rieh, wie aneh
Hbiosnbain meint, die Erfolge seiner Reiz und Durchscbneidungsversuche sämmt»
üoh aus ihren Wirknnfren .iiif Aeuderung der Blutdurchströmung durch die Nieren
denteo. Wir kennen bisher also nur mit Sicherheit gef^ssverengende (vasoconstrio-
torisebe), eventuell gefltoserireiterude (vasodilatatorisohe) Nerven, deren Krisnog,
beziehungsweise Lühmang den Niereoblntstrom an-, l»exiebnngswcise absebwellen
und damit auch die Harnabscheidung steifren, respective sinken lü^st Specifische
se-retorisebe Nerven, d.h. solche, welche ohne Beeinliiist^ung' der Hlutfrofässe
direet auf die DrüseuzuUcn secrutionserregend wirken, sind bislang nicht bekannt.
Literatur: Bie Lfteratnr bia ]S80 ist in der von R. Heldenhain classiMh
bearlipifcti u riiy^i iJi.L'i'i dnr AbsimderniiffsvorffäiiRe , im Handbuch der Physiologie (herans*
g<'(;i l)<:-D von L. 11 ei in min) V, l.Thi il, pajr^TQ- ^i^iü, vollständig zuisammengesteHt. —
.1. Münk. Virchow'.s Arch. CVII. pag. „'!tl: CXI, pag. - J. Münk und U. Senat»?,
Ebenda. CXIV, pag. I. — Paneth, rilüger s Arch. XXXIX, pag. 515. — Landerfren
nnd Tigerstedt, Skaadfnav. Arcb. f. Physiol. IV, pag. 241. J. Vnnk.
HarnCylinder. rnter ..Ilameylinder" versteht man mikr ^k^ipiscbe Gebilde
von cyliuderformiger Gestalt, welche niemals im nurmalen Harne sich linden,
sondern von ausgesprochen pathologischer Bedeutung sind. Ihre Anwesenheit kann
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HABNCTLINDKR.
mit Vortbeil fttr die Diagnose verwendet werden, und zwnr seigt ihr Vorlc(MttiMn
im Hnm eineu in< lir oder weniger abnormen Zustand der Nieren f u netion,
meist sop-ar des X i e r e n p a r p n c h y ni. Ausserdem kann man, da es ver-
schiedene Arten von Uamoylinderu giebt, oftmals aus ihrer jeweiligen Besehaffen-
helt 8diia«M auf die Art der vorliegenden Nierenennmelie mtelien.
Die Hamcylindcr finden pich in denjenigen Harnen, in denen sie Ober-
haupt vorkommen, in (iberaus w Ii s e 1 n d e r Meuffe vor; hald entiifilt jeder
Tropfen nielirtre Hundert dieser Gebilde oder wenigstens Hruchstiteke derselben,
bald sind sie so spärlich vertreten, d&M man eine grössere Menge Harn sedi-
mentiren laann mnaa, um eine dann oft aoeh nur gerioge Zahl von Gyliodem
zu erhalten. Man bedient sich zu diesem Zwecke am besten des Spitzg:lase8,
welches man, nöthi5;enfa]ls selbst 24 Stunden, an einem kfihlen Orte rulii? stellen
Iftsst. Giesät mau dann den Harn vuräielitig ab, so entlinlten die letzthin 1 rupfen
im eoni«eben Ende des Glases die Gjünder, falls flberliaupt in der betreflTenden
Ilarnportion solche enthalten waren. Neuerdings wird die Cen tri fuge fttr den
gleiehen Zweck warm empfohlen; naeh unseren ErfHliriiiifren jedoch kann man
nur solche Cuntrifugirapparate gebrauchen, in denen (illiser verwendet werden
können, welehe eine retchliehe Menge HamflUssigkeit anfzunehmen im Stande sind ;
denn, da man nur bei spftrlieber Anwesenheit von Cyl indem der Centrifuge aber<
hanpt bedarf, so wdrde man, wenn man ZU weni? Harn bi-nutzte , niebt zum
Ziele kommen. Ks sei auch darauf aufmerksam gemacht, dass man, um ein
Cylindersediment zu erhalten, in Pillen, in denen sie spfirlich sind, nach unseren
Erfahrungen reebt lange, gegen ^Z« Stunde, eentrlAigiren mnss Wir mflehtini
daher im All}?emeinen das Spitzsrias, falls die T"'ntprsucbunp: nicht grosser Eile
bedarf, als die zuverUssigste Untorsuchungsmethode auf Cylindcr auch weiterbin
empfehlen.
WJlbrend man das Recht hat, aus dem Vorhandensein von Cylindem anf
irgend eine Affection der Nieren zu sehliessen , darf man im .Mlgemeinen
nieht nach ilirer Menge den Grad der Erkrankung beurtheilen. Eher ist es
zulässig, aus der Quantität der Cylindcr Vermuthungen Uber die Art der Er-
krankung anzustellen, insofern gewisse Formen der Nierenerkranknng
mit einer Oberaus reic h lieh e n A usschc i d u n g vonCylindorn ver-
bunden sind, w .1 h r e n d andere stets v »m- Ii .-M t ii i s s m .t s s i g sehr arm
daran sind (s. u.j. Aber viel wichtiger für die Diagnose isf, wie erwähnt das
Aussehen und die BeschafiiBnhelt der Cylindcr, obwohl selten mit Sicherheit aus
der RerOeksiebtlgnug Aet Gjrlinder alldn die Diagnose der einseinen tneien-
affeetionen gestellt werden kann; fast Stet) bedarf es noeh der Heransielinng
einer Reihe anderer Symptome.
Was nun die Gestalt der Cylindcr betrilft , so ist ihre Grösse tiboraus
wechselnd. Bald sind sie sehr lang und dflnn, bald kurz und dick, in der Regel
aber überwiegt die Lilng-saehse (Iber den Querdurchmcsscr ; nur selten, gewSbnUoh
nur bei Anwesenheit sehr vieb-r ('ylinder : linden sieh Briiehstüeke mit längerem
Querdnrebmesser. Was die Form betritft, so sind die Cylindcr in ihrem gauzen
Verlaufe meist von gleicher Dieke, so dass die Umrisse ihrer Lingswand
einander i)arallel stehen; die Enden der Gylinder sind sehr häutig gerade oder
sehrSg abgeschnitten . wie .'ibL'ebroelien , zuweilen ein wenig abgerundet. Am *
häufigsten sind die Cylinder geradlinig, nicht selten aber auch gebogen, zuweilen
flach S-förmig gekrttmmt, manchmal aber mehrfach korkzieherartig gewunden.
Bin und «rieder beobachtet man, dass ein Gylinder in seiner einen Hälfte dann
ist und in der zweiten unter ])lötzlielier Ausbuelitung seiner TTmri.sso dick wirdj
sehr selten spaltet sich ein dicker Cylinder hnsenartig in zwei dünne.
Viel wiebtiger aber noeh als die Form der Cylinder, ist in diagnostischer
Hinsiebt das Aussehen desselben. Obwohl die Herkunft der Gylinder noeh
vielfach nnsieher ist, ^^o zeigt das mikroskopische Bild doeh bei einigen Arten,
dass sie sieh aus ganz bestimmten, liekannten Elementen susammensetien , naeh
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HABNCYLINDEB.
388
denen man die Cylinder ron einander unterscheiden kann. Aber auch da, wo
man sidi ober die Herkunft noob nicht ganz klar ist, unterseheidet man doeh
dea versehiedeoartigen Aussehens lialber verschiedene Arten.
Indem wir nnn eine E i n t h e i I u n ;r aller die^^er Arten , welche bejifrilndet
ist tbeilH auf ihre Herkunft, theila auf ihre Zusammensetzung und ihr Ausseben
geben, machen wir Torher Dir allemal darauf anftaierkaam, da« bftnfig, fast in
derRegd, in demselben Harn mehrere Arten gemeinsam vorkommen, ja, dasa
nicht selten ein und derselhe Cylinder aii^ verschiedenen Kiementen besteht und
so «gleichzeitig zwei verschiedenon Arten anf^^ehören, (»der von einer Form in die
andere Ubergeben kann. Diese Uebergäogo sind häutig, häutiger selbst als die
rdnen Formen.
Wir unteraebeiden xnniehst naeh der Beaehaffenheit der Substanz, aus denen
sieh die Cylinder ztis.Hii n;ensetzen . zwei jrrosise Gruppen: Cylinder aus or-
ganischer Substanz und Cylinder aus anorganischer Substanz.
Die erste (iruppe cuthält nun eine Anzahl verschiedener Formen, welche sich
einander neben-, respective unterordnen. Wir unteraelieiden demgemiss:
A. Organische Cylinder.
I. Cylinder ans zelligen, morpbotisoben Elementen. Man
Hutersebeidet hier folgende Unterarten :
1. Cylinder aus rutlien Blutkörpereheu.
2. Cylinder aus weissen Blutkörpereben.
3. Cylinder aus Niereiieplthelieu.
4. Cylinder aus Bakterien.
II. Cylinder, welche aus Umwandlungsproducten, wahr-
seheinlieh von Zellen xusammengesetst sind (Uetamorphoairte
Cylinder). Hierher gehören:
1, Die kr">rniiren Cylinder.
2. Die wacbi^artigen Cylinder.
III. Cylinder ans organiseher Substanz niebt selligea
Ursprunges.
1. Die hyalinen Cylinder.
2. Die HItittarbstoti- ( Häuinglobin- 1 Cylinder.
JJ. Die auorganischeD Cylinder. liierher gehören klinisch unwichtige Arten
von Cylindern, welebe sieb ans Salzen zusammoisetsen , meist aus Uraten. lid
Kindern in den ersten Lebenstagen hat man Qylinder ans Hftmatoidin, sowie aus
harasaurem Amm-miak gefunden.
Iliusichtticb dieser sehr verschiedenartigea Formen von Cylindcru cei
zunaebst bemerkt, dass nicht allein die Häufigkeit ihres Torkommeus.
sondern aneh ihre klinisebe Bedeutung sehr vcrsebieden ist. Ferner
sei von vornherein hervorgehoben, dass in Folire bHiifiger l'ebeririltiLc einer Cylinder-
art in die andere, z. H. von granulirteu Cylindern in Epithelialcylinder . oder
von hyalinen in solche, welche mit Epithel besetzt sind, oder von Cyliudern,
welebe aus rothen BlutkOrperehen besteben, in solehe aus weissen Blntkörperehen
oder aus Nlerenepltbclloo, oder aus Hftmoglobinschollen, es zuweilen aueli flir den
QeObten schwierig ist, zu erkennen, welche Cylinderart vorliegt.
Im Folgenden geben wir eine Beschreibung der einzelnen Formen:
1. Zeliige Cylinder. Es ist verhältnissmassig selteu, dass Oy*
linder einzig und allein ans Zellen bestehen, gewOhnlieli wird der
Grund>("i k des Cylinders von hyaliner oder gekörnter Substanz (h. u.) gebildet,
während die Zeilen diese Grundmasse nur bedecken. Was diese Zellen selbst bo-
tritft, so sind rothe Blutkörperchen als solche leicht zu erkenneu, besouders
dann, wenn ihre ebarakteristisehe Farbe und Gestalt erhalten ist, wm allerdings
nicht eben hilutig der Fall ist, z. B. bei Nierenblutungen, bei acuter Nephritis
(s. Fig. 66 u. 67). Gewöhnlich bieten sich die rothen Blutkörperchen als ganz blasse
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384
HARNCYLINDEB.
farblose, durch SchnitopfiiDg verkleioerte and an den Rändern ein klein wenig
ausgefranste Hinge dar, deren Inhalt entweder vollständig klar ist oder ziemlich
spärliche, ganz feine Körnchen enthält.
Cylinder aus rothen Blutkörperchen nach P e y e r.
Fig. «7.
Fle. 68.
I)ie weissen Blutkörperchen sind erheblich, zuweilen um dan drei-
fache grösser als die rothen Blutkörperchen und ziemlich stark gekörnt; häufig
ist diese Körnelung durch Anwesenheit von Fettpar-
tikelchcn recht intensiv , auch kann das Fett sogar
kleine Tröpfchen , welche stark lichtbrecbend sind,
bilden. Die Kerne der weissen Blutkörperchen sind
im frischen Zustande gewöhnlich nicht wahrnehmbar
und durch die Granula ganz verdeckt (s. Fig. 68);
Essissaure litsst die Kernverliältni.ssc zuweilen deut
lieber werden , noch besser aber lüsst sich in go-
türbtcni I'riiparatu die Gestalt des Kernes crkeDneu.
Oxo, — " (& bedient sich am besten (nach Senator) d«'r söge-
nannten ncutrophileu FarbstotTI(i»UDg (von Kuklich),
welche die Kerne blau, das Protoplasma roth färbt.
Es zeigt sich dann , dass auch die wei.ssen Blut-
körperchen der Cylinder, wie im Blute .selbst, ver-
firhifdt'narti:; sind ; neben j;röf4seren mebrkernigen
Zellen ki>mmen auch kleinere einkernige vor, letztere häufig in sehr grosser Zahl,
die sogeuaiiutcu I^yniphoc} ten ^Sen.vtok).
(?yliniler pii«
ro(li*>ii Hliit-
ki>rper' h«'!! lun h
V. .1 II k I» '■ Ii.
Cylinder aaa
wnigHen Blut-
körperchen
uftoh
V. .1 ak ach.
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HAKNCYLINDER.
385
, 69.
Die Nierenepithelien können nur dann von den weissen Blutkörpereben
unterschieden werden, wenn ihre Gestalt deutlich cubisch ist, auch muss stets
der Kern , von einer nicht unbedeutenden Menge Protoplasma um-
geben, deutlich auch in ungefärbtem, frischem Zustande sichtbar sein
(s. Fig. 69 u. 70). Häufig genug aber ist es nicht möglich, auch nur
mit annähernder Sicherheit zu bestimmen , ob ein weisses eikerniges
Blutkörperchen vorliegt oder ein Niereuepithelium , was übrigens fUr
die Diagnose oft genug gleichgiltig ist. Die Nierenepithelien zeigen
sehr oft erhebliche Verfettungsgrade, zuweilen sind die Zellen mit ver-
bältnissm.lssig grossen Fetttröpfchen vollgestopft und dadurch gequollen.
In sehr seltenen Fällen , bei Pyelonephrüin septica, bat man
Cylinder im frischen Harn beobachtet, welche ganz aus Bakterien,
und zwar aus Mikrococcen, bestanden. Älan darf diese echten Bakterien -
cylinder nicht verwechseln mit cylinderförmigen Zoogloeahaufen von
Mikroorganismen , die sich gar nicht selten ausserhalb des Körpers
im faulenden Harne bilden und hin und wieder auch bei sehr schwerer
Cvstitis und alkalischem Harne noch innerhalb der Blase sich bilden,
sowie mit Salzcylindern.
2. Mctamorphosirte Cylinder. Man nimmt an, dass die
zelUgen Gebilde, welche, wie oben erwähnt, Cylinder bilden, und zwar
die Nierenepithelien in erster Reihe auch in metamorph osirter
Fie. 70.
Cylinder ans
Nierenepi-
thelien nach
V. Jitkach.
l'ylinder ans Xiereucpithelii'u uacti Pey«- v.
Form besondere Arien von Cylindcrn bilden, bei denen man morphologische
Bt-standlheile nicht mehr erkennt. Es sind dies einmal die grob gninulirtcn,
Encyclop. .fahrltüchcr. III.
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386
HARNCYLINDER.
gekernten Cylinder und die wachsartigen Cylinder. Man glaubt , dass bei der
Bildung der ersteren die Nierenepithelien unter Verlust ihrer inneren DifTerenzirung
nnd unter gegenseitiger V'erscbmelzuDg sieb zu Cylindern vereinigt babcn; gute
Fie. "i,
Fig. 78. Fig. 73.
: . ■ *{.•
1 •. ;
üftberjcRDg
Epitbolial-
cvllnder« in
einen grana-
lirteu nncb
V. Jakrtch.
(I 6
Granulirte
Cylinder nach
V. J a k 8 c h.
Grasnlirte Cvllmler nach
V. J akacb.
Fig. 74.
Uranuiirte Cylinder nach I'eyer.:
Beobachter heben mit Recht hervor, da.ss nicht selten ein Theil des Cylinder.s
deutlich aus ICpithelicn besteht, wflhrend der andere Theil nur
grob ^'ranulirt erseheint, wobei zwischen beiden Theileu eine
deutliche U o bc r ga n gs z o n e sichtbar ist (Fig. 71}.
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HARNXYLINDER.
387
Bei den wachsartigen Cylindern besteht ebenfalls im Allg-emeinen die
Annahme, dni^s nie aus wacbsarti^ metamorpbosirten Epithelien, die mit einander
;ranz verschmolzen sind, sich zusammensetzen.
Die granulirten Cy linder sind gar nicht seilen mit zelliaren Ele-
menten (Epithelien, weissen und rothen Blutkörperchen), wie oben erwähnt, be-
setzt. Sehr oft sind sie mit kleineren oder grösseren Fetttröpfchen erfüllt oder
oft mit Salzen, sehr selten im frischen Harn mit Bakterien bedeckt.
Im Allgemeinen gehören eie denjenigen Cylindern an, deren Breite ziemlich
bedeutend ist, zuweilen sind sie leicht gelblich gefärbt und an den Enden hiinfig
scharf abgebrochen (Fig. 72, 73, 74).
Fig. 75.
Wachscylinder nach Peyer.
Die wHch «artigen Cylinder haben ihren Namen erhalten von dem
eigenthUmlichon wacb.snrtigen Aussehen, welches sie haben. Sie sind voUstiludig
homogen, gewöhnlich dick und zeigen ein eigenthUmlich opakes Aussehen, welches
an das Aussehen des Wachses erinnert. Gerade diese Art von Cylindern zeigt
häufig Krümmungen aller Art, hin und wieder sind sie auch in ihrem Vorlaufe
wie ge(|Uolk'U und .HpindelHirmig aufgetrieben; im Allgemeinen aber sind auch
bei ihnen die seitlichen Begrenzungen in der für die Cylinder charakteristischen
Weise parallel (Fig, 75 u. 76). Die wachsartigen Cylinder geben mit Jod selten
eine braune Färbung, hingegen oft mit den violetten Anilinfarben die charak-
teristische Amyloidreaction , welche beweisen dürfte, dass diese Cylinder aus aray-
loider Substanz oder einer solchen, die ihr sehr nahe verwandt ist, bestehen.
2ö*
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388
HARNCYLINDER.
Dennoch sind die Cylinder nicht etwa für Amyloide Nephritis charakteristisch,
wie spater noch erwähat werden aoll. Natürlich können auch die wachsartigen Cylinder
mit zelligen Elementen oder mit Fetttröpfchen oder
Fig. 76
I t
U.
mit Salzen bedeckt oder durchsetzt sein , was aber
meist nur in spärlicher Menge der Fall ist.
3. Hyaline Cylinder. Zu den allerhänfigsten
Arten von Cylindern gehören die sogenannten hya-
linen. Sie haben diesen Namen erhalten, weil sie
wie der hyaline Knorpel vollständig homogen
und durchsichtig wie Glas sind. Sie zeigen
stets parallele Umrisse, welche häufig sehr wenig
FIr. 78.
WacliRcylinder nacL v. Jakscli.
a It e
Hyaline Cvlinder aacti v. Jaksrh.
Fie. 77.
Hyaline (ylimlei- uai'li l*ey*«i'.
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HARNCYLIKDER.
lichtbrec'Iiend sind und daher nicht ganz leicht für den minder Güilbten so erkenneD
Hind. Aus diesem Grunde, weil sie nämlich fast dasselbe LichtbrechungsvennOigai
besitzen, wie das omgebeode Mediam, können sie leicht übersehen werden. AJOm^
dingB baffcen aneli ibnen hftnfig fremde Substuiieii in und mteben aie leidit er-
kenntlich. Nierenepithelieo, BlvtkOrperebenf meist in spärlicher Menge, noch faäu6ger
kleine Körnchen von Uraten , welche in Form von kleinen Placjiics »'der strich-
förmig oder auch in unregelmässiger Weise den Cylinder bedecken, hin und
wieder auch einige Fetttröpfcben sind die zwar nicht seltenen, aber nicht noth-
wendii^ Begleiter der hyalinen Cylinder (Fig. 77 n. 78). Die hyalinen Cylinder
»eheinen ortmals auch den Grundstock abzugeben für Epithelcylinder , da man
nicht selten im Inneren der letzteren eine hyaline Masse entdeckt; eigentlich
hätte man iu solchen Fällen nicht das Hecht, von Epitbelcylindern, sondern von
eemisebten Cylindem au spreeben, doeh pflegt man bei Ueberwiegen epithelialer
Elemente diesen Namen beizubehalten. Der Uraprnng der byali nen Oy^
linder ist immer noch fraglich. Viele Autoren geben an, dass die Cylinder ge-
rounenes Eiweiss darstellen, welches sich aus dem ja stets eiwe ssreichea
Harn« niedergeeeblagen bat. Dieser aebr verbreiteten Anriebt, dass uänriidi die
hyalinen Cylinder geronnenes Hameiwaas daratellen, ist aus folgenden Grflnden
jedoch zu widersprechen: 1. Bekanntlich jrerinnt das im Harn ge-
löste Kiweiss niemals spontan; weshalb sollten gerade innerhalb der
NiereDcaniichen sieh solche spärliche Gerinnungsproduote bilden? 2. Die Bildung
von hyalinen Cylindem gebt abaolnt niebt parallel dem Eiweiaegehalt
des Harnes, indem sehr häufig hyaline Cylinder bei chronischer Schrumpfniere
sich finden (s. u.) , wo ein eiweissarmer reichlicher Harn h'ich fiucict , wHhrend
z. H. bei der acuten Nephritis, wo sehr viel Eiweiss ausgeschieden wird, die
aelligeo Cylinder aablreieb, die hyalinen verblltniasmässig spirlieh vorbanden
sind. 3. Haben die rntersuchnngen verschiedener Forscher (z. B. Kovida, Knoll)
frezeigt, dass die hyalinen Cylinder aus einer Substanz bestehen, welche mit dem
Eiweiss des Harnes gar nicht Ubereinstimmt. Neuerdings ist gezeigt worden, dass
hyaline Cylinder Fibrinreaetlon ergeben, Wir neigen nns der Ansieht an,
dass die hyalinen Cylinder gar niebt gemeinsam mit dem Ciweiaa
in den Nicrenauspeschieden werden: uns will es scheinen, daas
sie directe Ausscheidungen und Gerinnungen aus der in den
Nieren eirculirenden Lymphe darstellen, die beaondera dann
leioht erfolgen, wenn dureh den Verlnst der Epithelien ein
r ebertritt der Lymphe in die H ar n c a n ill c h e n erleichtert ist,
was gerade bei der Schrumpfniere :ini hilufifrsten der Fall ist.
4. Leber die Bl utfarbstoffcy linder ist nicht viel zu sagen. Sie
sind meist knrs und diek nnd sind gebildet aus nnkryitallirirtem HlmogloUn,
welehes aus den Blutkörperchen ausgetreten ist, die ihrerseits als Schatten auf
den Cylindem oder nebenbei im Harn sich finden. Zuweilen empfjlnyt man auch
den Eindruck, dass die Bluttarbstoffcylinder granulirte oder hyaline Cylinder sind,
welebe mit Blutfarbstoff sieh geftrbt haben, gerade so, wie In gallenfarbotoff-
haltigem Harne diese Cylinder sich durch Bilirubin gelb ftrben.
5. Die Unterscheidung der Salzcylinder von granulirten und Bakterien-
cylindern wird dem Geübten keine Schwierigkeit bereiten. Ihnen fehlt jeder Um-
riss and jede, aneh noch ao homogene Ornndlage, nnd die KOmeben haben ehMO
sehiilerndeo, krystallinlsehen Glanz, wenn man den Spiegel des Mikroskops völlig
abblendet und nur von oben her Licht darauf fiillcn lasst.
Das Aufsuchen der Cylinder im Harn mittelst des Mikro-
skops geschieht am besten zunächst mit schwacher Vergrösser ung besonders
dann« wenn die Cylfaider nnr qiArlleh vorhaadoi sind. Jedoeh mnas man, nm
sodann die Art und Gattung der Cylinder zu erkennen, starke Vergröaserun gen
und eine nicht zu weite Blende (natürlich o hne AfiHE'schen Beleuchtuugsapparnt i
in Anwendung bringen. Nach den neuesten Untersuchungen (von Senator; durften
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390
HARN'CVLINDER.
gioh auch gefärbte Präparate mit Deutrophiler Farbstoiflösung recht sehr empfehlen,
um die Art der Cylinder genau festzuatellen. Wie schon Aafaags erwähnt, kommt
den verschiedenen Cylindem eine sehr verschiedene diagnostische Bedeutung zu.
Von stets höchster diagnostischer Bedeutung sind die zelligeu Cylinder aller Art,
sowie die grob granulirten Cylinder, umsomehr, als man aus ihrem Aussehen in
Verbindung mit anderweitigen Symptomen häufig die Art der Kierenerkrankung
feststellen kann. Auch die Blutfarbstoffcylinder und die wachsartigen Cylinder
spielen im Allgemeinen bei der Diagnose eine Rolle. Die hyalinen Cylinder hin-
gegen zeigen nur an, dass eine Reizung oder Erkrankung der Niereu überhaupt
vorliegt, meist kann man aber aas ihrem Vorhandensein auf die Art der Er-
krank unjr keine bosonderei) Schlüsse machen. Ohne Bedeutung sind die aus Salzen
CVlindroide nach Peyor.
gebildeten Cylinder, welche auch im normalen gesättigten Harne sich finden können.
Es giebt ausserdem auch noch im normalen, wie im pathologischen Harne cylinder-
äbnliche Gebilde, die man Cyliudroide genannt hat, welche man aber mit
Cylindem nicht verwcehseln darf. Ihre Substanz wird von den meisten Autoren
als Schleim bezeichnet, obwohl ihre chemische Natur noch nicht vollständig fest-
gestellt ist. Sie ähneln den hyalinen Cylindem , mit welchen sie das homogene,
glasige AuRsehen gemein haben. Sie unterscheiden sich aber leicht für den Ge-
übten dadurch von den echten Cylindem , da.ss sie eiuen stärker lichtbrechenden
l'mriss haben, dass ihre Wandungen nicht ordentlich parallel gehen, dass sie
fiberaus laug m\d und in ihrem Verlaufe sieh zuweilen in zwei Zweige spalten,
um sich wieder zu vereinen, dass sie nicht wie die Cylinder breit enden, soudern
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BARKCYLINDEß.
391
spitz zulaufen oder sich am Ende tbeilen oder auffransen; zuweilen enden sie
fast ohne wahrnehmbaren Ueberganf? im Harne (Fig. 7!)). Von Salzen . Fett-
tröpfcbcn oder gar zelligen Gebilden sind sie sehr selten bedeckt, dagegen zeigen
sie zuweilen in ihrem Verlaufe Längslinien, welche durch Faltungen hervor-
gerufen sind.
Das Vorkommen von Cylindern irgend welcher Art im Sedimente des
Harnes ist nach unserer Ansicht stets eine abnorme pathologische
Erscheinung. Selbst wenn die Annahme richtig ist, dass es eine Ausscheidung
von Cylindern giebt, bei denen das Nierengewebe sich vollkommen als normal
erweist, eine Annahme, die auch bezüglich der Albuminurie besteht, so handelt
es sich doch jedenfalls um eine abnorme Function des Organcs , wenn sich
Cylinder finden, zumal da die Erscheinung eine Uberaus seltene ist. Man bat bei
Icterus ferner nach der Chloroformoarcose zuweilen im Sediment des eiweissfreien
Harnes spärliche hyaline Harncylinder gefunden und Einige wollen sogar im
Fig. 8f>.
HuruB«dimeDt b«l acuMr Nephritis nach EicbhorMt
Sediment des gesunden eiweitsfreien Harnes, wenn auch in überaus seltenen
Fällen, hyaline Cylinder gesehen haben. Wer vermag aber in diesen Fällen mit
Sicherheit nachzuweisen , dass das Organ auch functionell vollkommen intact ge-
wesen !«ei ?
Abgesehen von diesen seltenen Fällen Ut die eigentliche Domäne der
Harncylinder der eiweiisshaltige Harn bei Nierenerkrankungen. Wie schon
erwähnt, ist die Qualität und Quantität der Cylinder bei den verschiedenen
Nierenerkrankimgeii eine verschiedene, und so kann eine genaue Unterstii-hung
auf Cylinder in Verbindung mit anderen Symplomen diagnostisch vcrwerthet
werden. Am diesem (iriinde ist e» auch unerlässlich , dass in jedem Falle von
eiweisshaltigem Harne, welcher sehr igelten auf einfache Albuminurie, also func-
tiouelle Erkrankung der Niere, gewöhnlich vielmehr auf eine (Jewebserkrankung
der Niere hinweist, auch das Sediment desselben auf Cylinder mikroskopisch zur
Feststellung der Art der Erkrankung untersucht werde.
Digitizei
392
HARNCYLINDER.
Die verschiedenen Formen von Nierenerkrankun^en zeigen bei mikro-
skopischer Untersuchung auf Cylinder ungefähr folgende Bilder:
1. Acute Nephritis. In dem eiweissreichen , schmutzigrotben und
meist spärlichen Harne finden sich die Cylinder sehr zahlreich und in
sehr mannigfacher Form. Besonders häufig sind die zelligen Cylinder, und
zwar sowohl Epilhelcylinder, als Blutkörperchencylinder , sowie Mischformen der-
selben ; aber auch Blutfarbstoffcylinder, granulirte und hyaline Cylinder, die aller-
dings fast nie ganz frei sind von zelliger Bedeckung, sind recht zahlreich ver-
treten. Hingegen vermisst man in ganz frischen Fällen Verfettungen, hier zeigen
die Epithelien nur eine starke Granulation, während eigentliche Fetttröpfchen
fehlen. Besteht die Erkrankung aber einige Zeit, so treten schon zuweilen nach
einer Woche Verfettunjien in den zelligen Elementen sowohl, wie in und auf den
Cylindern ein. Wachsartige Cylinder kommen nur äusserst selten vor. So zahl-
reich die Cylinder selbst und Bruchstücke derselben meist in jedem Tropfen auch
Flg. «1.
HarQuediment bei acuter Ncpbritis nach KichLorat.
des nicht sedimentirten Harnes sind, so reich an zelligen Elementen aller Art
erweist sich tlbrigens auch die Flüssigkeit, in der sie schwimmen; ausgelaugte,
Heltener wohlcrhaltcue rothe Blutkörperchen , viele weisse Blutkörperchen und
Nierenepithelien geben ein überaus wechselndes und buntes Bild (Fig. 80, 81, 82).
Bekanntlich giebt es auch F'ormen acuter Nephritis, in denen der Harn
sehr eiweissreich ist, aber schon dem äusseren Aussehen nach und auch bei
chemischer und spectroskopischer Untersuchung fast oder gauz frei von Blutfarb-
stoff sich erweist. Hier sind denn auch die rothcn Blutkörperchen im mikro-
skopischen Bilde nur vereinzelt vertreten und es fehlen dementsprechend sowohl
die Blutfarbstoff- als die Blutkfirperchencylinder.
Umgekehrt llberwiegen letztere in einer anderen Form der acuten Ne-
phritis , nämlich der hämorrhagischen Nephritis oder Nierenhämorrhagie.
2. Chronische parenchymatöse Nephritis (grosse weisse und
grosse bunte Niere). Auch hier ist das Sediment des meist sehr eiweissreichen,
j , v .oogle
HäRNCYLINDEB.
393
aber nicht so dunklen, gewöhnlich klaren Harnes ebenfalls reich an Cy lindern.
Die zelligen Cy linder sind häufig, meist sind es Rpitbelialcylinder oder
solche, welche aus weissen Blutkörperchen bestehen, während rotbe Blutkörperchen
bei der sogenannten grossen weissen Niere nur äusserst spärlich, bei der grossen
bunten Niere in grösserer Menge nur dann sich finden, wenn Hämorrhagien auf-
treten. Charakteristisch jedoch für diese Form der Nephritis sind die oft colossalen
Verfettungen. Die Epithelzellen sind oft derart mit Fetttröpfchen angefüllt,
d-isH sie stark angeschwollen sind und dem Bersten nahe zu sein scheinen. Zu-
weilen findet man auch Anhäufung von Fetttröpfchen, welche die Vermutbung
nahe legen, dass ursprünglich ihnen eine Zelle za Grunde gelegen hat. Ebenso
verfettet wie die zelligen Cylinder sind auch die nicht minder häufigen grob
granulirten Cylinder, man kann hier die Granulation sehr häufig frisch
Flg. 8JJ.
Uarnsedimeiit bei acater Nephritis nach Eicbhorst.
von den Verfettungen nicht unterscheiden. Verfettete Zellen bedecken meist einen
Theil der Oberfläche dieser Cylinder (Fig. 83). Hyaline Cylinder und wachsartige
Cylinder kommen bei dieser Form nur selten vor, Blutfarbstoftcylinder höchstens
nur bei den intercurrenten Hämorrhagien der grossen bunten Niere.
3. Chronische interstitielle Nephritis (Schrumpfniere)
und arterioscierotische Nephritis. In dem meist eiweissarmen , an
Menge bedeutenden, an corpusculären Elementen dagegen recht armen Harne
finden sich meist auch nur spärliche Cylinder. Bei dieser Form der Nieren-
erkrankung, bei der Schrumpf niere, ist also die Eingangs erwähnte Sedimentirung
im Spitzglase besonders angebracht und nothweudig. Die Cylinderart, die hier
Uberwiegt, sind die hyalinen Cylinder, welche zuweilen in reinster Form
auftreten, noch häufiger in der oben geschilderten Weise mit Körnchen oder zelligen
Elementen, wenn auch in spärlicher Weise, bedeckt sind. Hin und wieder zeigt
sich auch ein wachsartiger oder ein granulirter Cylinder oder eine Uebergangsform
zwischen beiden ; Cylinder, nur aus zelligen Elementen (Epithelien oder weissen
Blutkörperchen) zusammengesetzt, gehören aber zu den grössten Seltenheiten. Hie
394
HARNCYLINDER.
und da findet sieb auf den hyalinen Cylindern , ebenso wie in der umgebenden
Flüssigkeit ein auägelaugtes rotheä Blutkörpereben.
4. Amyloide Nephritis. Der meist strohgelbe, zuweilen auch dunkler
gefärbte, nicht eben spärliche und sehr eiweissreiche Harn enthält meist nur
durch Sedimentiren auffindbare , zuweilen aber auch recht zahlreiche hyaline
und wachsartige Cylinder, meist in reiner Form, zuweilen mit einigen
zelligen Elementen besetzt.
5. Tuberkulöse Nephritis und die Nierengeschwülste.
Eine besondere Art von Cylindern findet sich bei diesen Niere n-
krankheiteu nicht; der Befund entspricht im Allgemeinen entweder dem-
jepigen bei acuter Nephritis oder bei hämorrhagischer oder interstitieller Nephritis.
Die Diagnose muss vielmehr durch den Nachweis von Tuberkelbacillen oder Ge-
scbwulsteleroenteii im Sediment gesichert werden.
6. Stauungsniere. Der sehr eiweissreiche dunkle, häufig rothbraun,
schmutzigroth oder braun gefärbte Harn bietet zuweilen das mikroskopische
Bild der acuten hämorrhagischen Nephritis und dementsprechend finden sich sehr
Fig. H3.
HRTHrrdinieut bei chronischer pareDcbymBtöaer Nephritis nach EichUorst.
viele Cylinder in der unter Fig. 67 angegebenen Form. Doch gicbt es auch eine
F(»rm der Staunngsniere, bei welcher die rothen Blutkörperehen im Sediment nur
sehr spärlich \ ertreten sind. Dann finden sich meist nur zahlreiche hyaliue, zu-
weilen auch wachsartige Cylinder, bei längerer Stauung tritt eine stärkere Epithel-
desquamation auf und die Epitheleylinder zeigen auch zugleich Verfettungen, wie
bei der chronischen parenchymatösen Nephritis. Dann kommen auch grob granu-
lirte und verfettete Cylinder vor. So erweist sich auch bei der Stauungsniere das
mikroskopische Bild sehr mannigfaltig und bietet für die Diagnose an nich wenig
Anhaltspunkte. Man wird jedoch aus anamnestischen Daten, aus dem Krankheits-
verlauf und anderweitigen Symptomen die Diagnose sichern können, so dass recht
gelten der Fall eintreten dürfte, dass man nicht entscheiden kann, ob eine der pri-
m.'lren Niereucrkrankungen vorliegt oder eine secundlire Stauung.sniere. l'ebrigens
kann zu prini.ircn Nierenerkrankungen, z. B. zur chronischen interstitiellen Nephritis,
zur arteriosclerotisehen Schrumpfnicre etc. durch Herzschw.lche noch secundäre
St.nuuugsniere hinzutreten. Hier wird die Diagnose durch den Herzbefund und
durch Stauuugscrselieinunjren in anderen Organen eher gesichert, als durch die
mikroskopische Untersuchung des Harnen. ^ Rosin.
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UARNFABBSTOFFE.
HftrnfarbStOffe. Die Varle tiuRS K/irpers ist für die Chemie im All-
gemeinen ein niinderwertbifjes Charakteristicuu). Bei der Beurtheilun^ der Natur
und Eigeoticbaftea einer Substanz fallen ganz andere, wichtigere Momente in die
Waagsebale. Die Farbe wird znweileD aogar «!• etwM Störendes empAradeD, weil lie
bei vflffsebiedenutigen SnbetanseB, die gleich geftrbt sind, Täuschungen hervorrufen
kann; ein und derselbe Körper kann je nach der Krystallisation verschiedene
Farben zeigen und ein und dasselbe Element bildet häutig ganz verschiedenartig
geflhrbto, dodi nahe verwandte VOTbindiiBgeD. Trotzdem kann die Chemie die
Farbe nieht gana vemadilleBigen. Vor Allem bedarf sie derselben zur Änstellting
gewisser Reactinnen, welche auf der Bildung von Farben beruhen. So er-
Iceaot sie die Anwesenheit mancher Körper in einer Lösung dureh den Eintritt
einer bestioiniten Farbe naeh Znsats von gewisaea Reairenti«i nnd bei der Titri-
rung spielt der Farben Umschlag eine tiberaus wiehtige Rolle. Femer aber kennt
die Cliemie gewisse Ki^rper, deren hervorraprondste Eigenschaft es ist,
in sehr charakteristischer Weise gefUrbt zu sein und zugleich andere Stoffe leicbt
und intensiv zu Hlrben. Diese Substanzen bezeichnet die Chemie mit dem Namen
Farbstoffe.
Der Harn, die ergiebige Quelle für die Darstellung tlberaus zahlreicher
und complicirter chemischer Verbindungen, enthält nun ebenfalls sowohl Substanzen,
deren Vorhandensein durch Far bunreactioueu erkannt wird, als auch ausser-
dem eehte Farbstoffe und Sabstanaen, ans denea solebe Farbstoffs dar-
gestellt werden können.
Die Unterscheid iin fr zwischen einfachen Farbenresctionen und echten
Farbstoffen im Harne ist dennoch immerhin eine einigermassen subjective und
sehwer absagrenzende. Denn wenn wir es aueh als ein notbwendiges Postniat
fttr die Charakteristik eines Farbstoffes anseilen mdssen, dass es nieht nur
selbst farbig: erscheint, sondern auch andere Körper färbt,
was bekanntlich nicht alle gefärbten Substanzen an sich thun , so giebt es doch
Körper, welche beide Forderungen erfDllen und doch nicht als Farbstoffe gelten,
weil sie noeb. vide andere wiehtigere Eigenschaften besitzen, die die
ersteren zurücktreten lässt (z. B. Tinctura J<>(i>, Liquor fem' sesf/in'cldoratt etc.).
FerntT giebt ea gewisse Farbenreaclionen. und zwar gerade im Harn, von denen
es gar nicht feststeht, ob sie nicht auf der Bildung echter Farbstoffe beruheu.
Im Niehstfolgenden wollen wir die Färbungen des Harnes, welehe nur
anr Erkennung gewisser Stoffe als Heactionon dienen , fibergehea Und nur die
eigentliehen Farbstoffe und deren farblosen Muttersubatansen , sowut bekannt,
genauer beschreiben.
Nor ein kleiner Tbeil der als Hamflurbstoffe beieiehneten Snbstansen
findet Hicli NullkotniiKn fertig prftformirt im ftisehen Harne. Ein anderer
e n t w i k e 1 1 sich erst, und zwar spontan, ans ungcfÄrbter im Harne
betindlicher Muttersubstaoz allmälig unter dem Einliusae der Luft und der Zer-
setxung. Drittens giebt es noch dne Gruppe von Farbstolfen, die stets aor dureh
kflnstliebe Einwirkung, also z. B. durch ozydirende Subetanien aus üirb-
losen Körpern, die im Harne sich finden, darfrestellt werden können.
Nun muss uiau aber lici allen Hurnfarbstoffen aueh vom klinischen
Standpunkte noch eine Unterscheidung machen. Ein Tlicil der Farbstoffe kommt
in normalen Hamen überhaupt nicht vor; ein anderer Tbeil findet sieh
normalerweise nur in Spuren, während er in patbologisehen FXlIen eine
erhebliohe Vermehrung erfdhrt.
Wir gclien deuuiaeh folgende Kinthcihing:
.]. nie prfi for m i r te n H a r n f a rbs to f f e.
I. Nor m a 1 e p r :l f o r nu r t e F a r b s t o f f e.
aj Der normale gelbe Uarnfarbatoff. Schon seit Jahr-
hunderten hat sich die Mediehi mit dem eigentliehen normalen Farbstoffe des
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HARNFARBSTOFFE.
Harnes beschäftifjt. La? der Versuch doch nahe, die allülgliehe Erscheinung
zu erklären, da«a der liarn nicht farblos, sondern stets bei allen Individuen
mit ^nem Farbetoflb gtoftrbC leeeniirt wird, der, man miieh Mine FarbensoaiM
wodueltf 1^ es in Folge des Concentrationsg^rade^ oder aber durch VermischuDg
mit anderen HarnfarbstoiTen , doch stets dem Au^e sich iu dem Grundtone
„gelborange^^ oder „orangerotb" darbietet. Aber alle Beobacbtungen , sowohl
kliniiAtt all nudi pbysikaBiehe , speotroBMiiiMlie «nd Tor Allem ii» Ver-
Bttdie, den FaibBtoff chemisch darzustoUen, lind bis Jetxt gesoheitert. I^r
wissen weder über die Herkunft, noch ttber die Natur dieser
alltilf^liclien Hrscheinung eine exacte Auskunft zu geben, und
trutz der grossen Mengen von Farbstoff, die auf diesem Wege ausgeschieden
werdeo, ist bis Jetst nnr Hjpoth«tiseb«6 bekannt geworden. Ks ist nieht gans
unm4tglich , dass der gelbe HamfarbstoflT aus mehreren Componenten mit ver-
schiedenen Farben nuancen zu8ammeng:ese(zt ist, worauf gewisse Bpectrophoto-
metriscbe Untersuchungen hinweisen (Vjerukdt). Allerdings ist es iraglicb, ob
diese üntersndinngen als einwandafiei an betnebten sind, da andere Hamtkrb-
»tüffe, welehe die speetrophotometriseben Untersuehungcn slOren konnten, niebt
sieber aasgeschlossen waren.
Wir können uns also nur bis jetzt in Vermuthungen ttber die Her-
fcnaft des FarbetofliM ergeben. In dies«* Hindefat mAebten wir auf eine ge-
wisse Farbenflberei nstimmung aufmerksam machen, welche fdr
Bämmtlirhe Gewebsflüssigkeiten des Körpers untereinander und mit der F.trbe des
Harnes besteht. Das Blutplasma , die serösen Flüssigkeiten , Cysteuinhalt , Trans-
sudate, Exsudate haben denselben Farbengrundton. Nur die Seerete (gewisser
Drasen) marhen davon eine Ansaabme. Diese Uebereinslimmang der Farben
ist aber nicht nur eine äusserliche, sie zeigen auch gewisse physikalisebe
und chemische Uebereinstiraniungen. Leider sind dies»* mehr nefrativer als posi-
tiver Natur. So fehlt allen diesen Farben ein Spectralstreifen , ferner gehen sie
alle leieht dnreb Diffasionsmembmnen nnd Filter bindareh, ohne sie im Geringsien
Sil ftrben; sie gehen beim Versuche, sie auszuschütteln, in keines, der gebrineb«
liehen Lösungsmittel ül)er ; selbst der Amylalkohol erweist sich liier als un-
brauchbar. Nur durch Alkohol gelang es uns (da auch wir uns mit der Frage
Uber die Herknnft des normalen Hamfarbstoffes besehlftigen), einen gelben Farb-
stoff an extrabiren, von dem wir es wenigstens mit Wahrsebeinüchkeit aussprechen
können , dass er der normale Farbstoff sei. Wenn man nflmlich Harn oder K\-
sudatflüssigkeit oder IJlutserum mit Thierkohle, die zuvor auf's Gründlichste
durch Kochen mit Salzs^iure, Kalilauge, Wasser und Alkohol gereinigt ist, bei
gelinder Wirme digerirt, so sangt derselbe den gellten Farbstoff aaf «nd ent-
fflrbt die FUMigk^t: extrahirt man die Kohle nachher mit Alkohol, so fllrbt
dieser sich schön gelb. Aber auch aus den verschiedenste Orpanen des Körpers
lässt sich, nachdem sie möglichst entblutet sind, durch Alkohol ein gelber Farb-
stoff extrabirsn, weleber dem HamAirbetoff nnd dem der GewebeflOssigkeitea sdir
ihnUeb ist Wir möchten daher die naheliegende Vermutbung aussprechen, dasa
der normale, gelbe Harnfarbstoff nichts Anderes ist. als der
allgemein verbreitete gelbe Körper farbstoff, weicher unter Anderem
auch das Blntsernm firbt und aas diesem dureb die Nieren sir Ab-
seheidung kommt. Ob nun diese gelbe Farbe vielleieht von su^H-nannten Hnmin-
substanzen , welche bereits innerhalb des Körpers aus Kohli hydraten entstehen
(v. UdranSZKy), hernihrt, harrt noch der weiteren Untersuchung.
b) Uroerythrin. Unter Uroerytbrin versteht mau seit Hbller den
Farbstoff des sogenannten Ziegelmebisedimentes f^£le</tmen<ttm lateri-
tium) von Harnen, welche reich sind an harnsauren Salzen (Uraten). Dieser
Farbstoff ist der einzige neben dem obenerw.lhnteu gelben Harnfarbstoffe, welcher
als präformirt und dabei als normal bezeichnet werden kann. Allerdings findet
er sieb niemals schon in der Harnblase. Er tritt erst auf, wenn ausserhalb derselben
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HÄRNFABBSTOFFE.
in uratreichen Harnea Abkttblnng eintritt; dann fallen die Urate nieder und
indem sie niederfallen, nehmen sie in mehr oder weni«:er inten>;ivem Grade
eine Kosafärbung An, welche bei starker Gelbfilrbung der HarndUssigkeit mehr
feurig rotb aneaiebt md ent nach dem Abfiltriren und WaMhen ibre eigratUehe
Farbe (BoBa) zeigt. Auch dieser Farbstoff ist noch sehr weiNg genau unteraadit.
AU einzifres, allerdinprs Oberaus deutliches Charakteristicuro, wonach man ihn von
anderen Harnfarbstoffen stets untersclieiden kann , gilt seine GrUnfärbung
mit kanstiseben Alkalien. Betupft man nimlieh das anf dem Filter ge-
samm(>lte ro^a gefSrbte Sediment mit einem in Kalilauge getauehlen Glasitabe,
so fhrbt C8 sich an dieser Stelle russischgrün ; beim Wiederansäuern tritt
die ursprüngliche Farbe nicht wieder anf. Nach unseren bisherigen
Untersuchungen ist dieser Farbstuff unlöslich in Aether, Alkohol, Chloroform und
Amylalkobol, UMieh In kaltem , noeh besser helssem Wasser, welebes er aber
nicht rri.sa, sondern nrangegelb ftrbt : diese Lösung zeigt keinerlei Spectrum;
beim Krkalten der beissen Lösung ftUlt der Farbstoft" nicht wieder am. Auf dem
Filter gesammelt, biilt er sich unbegrenzt lange , wenn man ihn durch Waschen
mit Alkohol« Aether nnd Chloroform mSgliohst gereinigt hat. Bs ist nieht un>
wahrscheinlich, dass er eine Dratverbiodung ist. Ausser im gestttigten , nor^
malen Harn findet sich das Srdimfinfuni lateritium im llarno von Fiebern-
den uud besonders von anacutemGelenksrheumatismus Leidenden, ferner
aneh im ieterisehen Harne, wo in Verbindung mit dem Gallenfarbstoff eine rodi'
gelbe Farbe resultirt. Die Harne, welche das Sedivientum lateritium enthalten,
haben gewöhnlich einen Stich in's Feuerrothe ; doch konnten wir uns llberzeu^en. djiss,
wiewohl die stärkere Concentration dieser Harne eine gesättigtere Farbentunung
bedingt, doch die rotbe Nnanoe nur einen Reflex des Sedimentes darstellt und
ausserdem snm Theil von feinen snspendirtw PartikelehMi berrllhrt; der vom
Sedin^ent sorgfliitig abfiltfirte Ham s^gte sidi vollkommen frei von dieser rdth-
lieben Farbe.
II. Pathologische prftformirte Harn far bstoffe.
nJ Hlutfarbstoffe.
1. Das H ;I m o >r 1 ob i n. Der Uebertritt des Farbstoffe-! der rotben
Blutkörperchen aus dem Blut durch die Nieren (Gloroeruli) in deu Harn wird
niemals im normalen Ham beobsebtet, sondern stets einaig und allein im patlio-
logischen. Sein Vorkommen weist gewöhnlich auf ^ne Erkrankung der Niere
hin. dieser I cbergang aus dem Bhite in den Harn erfolgt meistentheils durch
Vermittlung der rothen Blutkörperchen. Bei Kierenerkrankungen aller
Art, insliesondere bei bftmorrbsgiscber und acuter Glomernlonepbritis, treten grosso
Mengen rother Blutkörperchen mit dem Hämoglobin beladen in den Ham über
und daselbst findet (wti> es scheint, schon theilweise in den Nierencanalchen, zum
Theil aber erst in der Hla.sej ein Anstritt des Hämoglobin aus dem Stroma der
Körperchen statt, so dass der grösste Theil derselben als farblose geschrumpite
„Sehatten" im mikroskopisohen Bilde sieh findet, wahrend das Himo^lobin
als freier gelöster Farbstoff der HarnflQssigkeit beigemengt Ist. Nur bei
sehr reichlichem Uebertritt von BlutkOrperebeu pflegt sieb ein geringerer Theil
uuverändert im Harne zu erhalten.
Nun kommt es aber in seltenen FAllen vor, dsss Hämoglobin aus dem
Blute übergeht ohne Vermittlung der rothen Blutkörpere b c n. Dies
geschieht bei einer Erkrankun^sfornj, die man als Hämoglobinurie l>ezeiclinet.
Bei dieser Erkrankung scheinen diCiNieren sei bst vol 1 k omroen iutact
SU sein, JedenfiUls liegt in ihnen nieht die Ursaehe des HftmogloMntbertrittes.
Vielmehr findet sich die Hämoglobinurie als Folge einer Bluterkrankung,
wodurch bereits in der Blutbahn das Hämoglobin ans den Körperchen in's
Serum ttbertritt <^IChrlich). Durch Vermittlung desselben wird e-s dann in
äea meren nnd von da in den Harn gebracht. Die Hilmoglobinurie verdankt
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398
HARNFARBÖTOFFE.
ihre Kntstehung den ver«chieden^ten KintKls^en, auf die wir hier nicht näher ein-
geben wollen. In gewissen Fällen von Erkältnng i^Abkttblung der ExtremitAtcn)
tritt sie ftofAllsweise anf (paroxysmale Hämoglobinarie).
Bekanntlich giebt es verschiedene Formen von Hämoglobin. Innerhalb
des arteriellen Blutes circulirt es als eine Doppel Verbindung mit i^auerstoft*, als
OzybämoglobiD. Im Harn lindet ch sich jedoch nicht nur als solches,
sondern aveli In einer andern Form, als Methftmoglobin.
Die Färbung der Harne, welehe Hlmoglobin enthalten, ist eine
sehr veraehicdcnartif^e , je nach der Menprc des j^elÖRten Farbstoffes und je nach
der Menge anderer vorhandener farbiper Hpimcnjriinfreii. In manclicn Fällen piebt
nch Hämoglobin durch deutliche blutige Fiirbung de^ Haroeä zu erkennen ; in
anderen Fftllra aber, und dies m^sfeentbeils, ist die Flirbnng eine branne, rotb*
braune oder bierbraune, dabei häufig trtibo, zuweilen fast schwarze oder schmutzig-
graufrelbe. Bei Anwesenheit sehr peringer Menden zeigt der Harn nur in dieser
Schicht einen im durchfallenden Lichte röthlichen, im auf-
fallenden grflnlieben Sebimmer. Gew5bnlioh sdgt der obere Band von
hämoglobinbaltigem Ilarue, wenn man ilin von unten her in dflnner Sefaiebt
beobachtet, eine grünliche, ziemli'!! charakteriHtische Färbuntr.
Da aber die Harnfärbung, welche durch Hämoglobin bedingt ist, eine
nnbestimmte und weehselnde ist, nnd da andere Farbstoffe ihnliebe nrbnngen
hervorrufen kOnnen (s. n.), so muss man in allen Fällen aneb dnreb bestfanmte
Methoden die Anwesenbeit des Hämoglolnns naebsnwMsen sndien, nm lieber
zu gehen.
Auf chemische Weise wird Hämoglobin folgendermassen nach-
gewiesen: Man fnilt den Harn in ein Reagensglas (etwa den vierten Tbeil),
macht ihn mit Natronlauge oder Kalil.mire stark alkaliaeb nnd kocht einmal auf;
Rofort oder nach einigen Minuten bildet sich ein Niedersehla?: . welcher blutroth
gefärbt ist, bei ruhigem Stehen sehr bald zu Boden sinkt uud daselbst eine
bltttrotbe Masse bildet (HBLLBE'sebe Probe). Der Vorgang ist folgender:
Einmal wird das anwesende Hämoglobin in Hnmatin übergeführt (unter Abspaltung
von Protein) , und zweitens fallen die Krdplii>spli!i(e des Harnes aus ; bei ihrem
>iiederfallen reissen sie mechanisch das Hämatin mit. Die Probe ist über-
aus empfindlich und zuverlässig. Nadi unseren Brfabruogen ist eine Yenreebslnng
mit dem rotheo Farbstoff nach dem Gebrauche von Santonin, Senna, Kheum
ebenfalls nicht möglieh, da derselbe iwar in der Kälte auftritt, dureb Krbitaen
aber zerstört wird.
Ebenso zuverlässig wie der chemische Nachweis ist aber der pbjsi-
kalisebe mittelst des Speetrums. Nun giebt es aber bekanntlidi ver-
schiedene Verbindungen des Hämoglobins. Von diesen kommen, wie erwShnt, im Harne
zwei vor: das O \ yb .1 m o er 1 o b i n nnd. besonders hei paroxysmaler Hiimoglobinurie,
das Methämuglobin. Ob daneben auch das einfache (reducirtej Hämo-
globin sieb findet, ist mit Sieherbeit noeb niebt naebgewif>seR worden. Wir
erwähnen hier noch die Ansieht IbU'PF.-SKYLER's, nach welcher jeder hämoglobiri-
baltijre Harn pranz friseh nur Meth;inin';lobin enthält, welches beim Stehen sich in
Hämoglobin uud dann in Uxyhämuglobin verwandelt, eine Anschauung, die aber
durebans niebt aUstitig aeeeptirt ist Zur spectroskopischen Vntertnehnng tbnt
man gut, den Harn niebt im Reagensglase zu untersuchen, wegen der durch die
Krdmtnunff entstehenden störenden l.iehtreficxe , sondern in kleineu viereckifTi n
(ilasgelässen. deren ge^renilberliegende Wände parallel sind. Nattirlich kann mau
zur Noth und in eiligen Fällen auch mit anderen Geissen, selbst mit einem
Reagen^lase auskommen. Es genügt als Untersucbungsapparat vollkommen ein
sogenanntes Taschenspectroskop (h vishn directe). Man nmss nur dafür sorjren,
das^ das Ta<-'e-;|ifht (»der künstliehe Licht direet hineinfilllt und deshall) also die
Lichtquelle mit dem Spectroskop zunächst ansehen; das GlasgetHss mit dem /u
nntersuebenden Harn hält man dann unmittelbar vor den Spalt des Apparates.
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HABNFABBSTOFFB.
399
Die Harnilflssigkeit mnm^ wenn ni dnnkel, mit Waasw verdflnnt, irenn sn Mbe,
filtrirt werden.
DasOxyhämoglobin erkeautmaa an zwei Streifen, einem sciimälercn,
aber Milirferen in gelb an der Orense des Orfln und efoem cweiten etwas
breiteren, aVjer t;ch wieheren und weniger seharf begrensten in dor ersten Hälfte
dea Orlln. Das Meth }lmog:l<)bin erkennt man im panren Harn durch virr A 1»-
8orpti onsst reifen, wovon zwei in gelb, einer in grün und einer in blaugrün
liegt ; der erste Streifen , im Gelb naeb dem Orange zu, int schmal ond sebarf,
der zweite nnd dritte, denen des Oxyhlmoglobins der Lage naeh fast ent«
sprechend, ist schwAcher, der vierte, ziemlich breite im Blaugrfln ist wieder etwas
stiirker. Das einfache Hiimnorlobin zeigt nur einen Streifen, der
ungefähr den Raum zwitK^ben den beiden Streifen des OxybümoglubiDS einnimmt.
Sowohl das Oxyhlmoglobin wie das Hethlmoglobfai Uttt sidi dnreh
Schwefelammonium in einfaches, Bauerstofffreies, redueirtes Hämoglobin ver>
wandeln. Fügt man also einige Tropfen Sehwefclammonium der zu unterRuchenden
Flüssigkeit biozu während der spectroskopiücben Untersuchung, so tritt beim
Oxybämoglobin sofort, beim Methlmoglobin naeh Torflbergeheader Bildung von
Oxyhttmoglobin der einfache Streifen des fedlMirten Hämo^obins auf. Man kann
dann noch weiterhin nach Lkwin und POSNER durch Ziifflgung von concentrirter
Natronlauge ein neues, sehr scharfes, in zweifelhaften Fällen wichtiges Spectrum
erzeugen, nimlldi das des Htmoehromogens , dessen Streiftn nngeflihr an der-
selben Stelle, wie derjenige des redacirten Hlmoglobin liegt, jedoch schärfer ist,
sn (lass man bei sehr geringem Vorkommen des BlutfarbstotFes im Haru auf
diesem nicht sehr umständlichen Wege, also durch Zusatz von iSchwefelaramonium
und Natronlauge, zuweilen noch einen Streifen von Hämocbromogen erhält, wenn
▼orbor gar kdner vorhanden gewesen ist.
2. Das Hämatin. Ein Zersetzungsprodnct des Hämoglobin ist das
Hflmatin. Es entsteht ans demselben durch Zusatz aller Sfluren , ferner durch
starke Alkalien, endlich durch Erhitzen, und zwar geht das Uxybämoglobin dabei
direet in Bllmatin über, wflbrend das sanerstofflßreie Bimoglobin snent eine saner-
stoflürmere Verbindung, das Himoehromogen , bildet , das dann in Himatin bei
Grfgonwart v(m Luft übergeht.
Man erkennt das Hämatin am besten mittelst des Spectroskopes. Im
sauren Harn tritt dann ein Speetmm herror, welches vier Strafen beeitst, die
mit denjenigen des Methämogiobin (s. 0.) vollständig identisch sind ; der Unter-
schied wird alter sofort klar, wenn man Schwefelamnionium hinzufügt, es tritt
dann nicht das oben geschilderte Spectrum des einfachen Hämoglobin auf, son-
dern dasjenige des Hftraocbromogen , eines sauerstoffftrmeren Prodnctes, welches
nicht einen Streifen, sondern zwei Streifen im Qelbgrfln und Im Grfln beeitst.
Das Hämatin Ist bisher nur selten im Harne, welcher übrigens Stets
patholngiheh war, beobachtet worden, vielleicht aus dem (irnnde, weil die Er-
kennung in Folge der etwas complicirteu spectroakupischen Verhältnisse einiger-
masscn erschwert ist.
Hl i'i'RRT giebt au, dass es nicht gerade selten im Harne vorkime; er
selbst hat es bei Schwefolsänrevergiftung nachweisen können.
3. Hämatoporphyrin. Neuerdings ist die Aufmerksamkeit auf das
Vorkommen eines Blutfarhstoffieiivatee im Harn, besonders von Salkowski, ge-
lenkt worden, welches bei gewiSBen Erkrankungen, vor Allem bm Vergiftung mit
Siilfonal (JoLLEs), ferner nach grossen Blateigflssen im Körper an« dem Harne
zu isoliren ist.
In einem FaBe fet es 9oipa Im scheinbar normalen Harne gefbnden
worden (QuofCKB). Dieser Körper ist auf verschiedene Weise mittelst Sinren
aus dem Hämochromogen oder auch aus H;tniatin dargestellt worden. Man ist
noch nicht sicher, ob es sich um eine einheitliche Substimz oder um ein und
denselben Körper stets bandelt: einige Autoren unterscheiden verschiedene Arten.
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400 HARMFABBSTOFFB.
Dm Hämatoporphyrin ist ein eisenfreier Blutfarbstoflf, dessen Darstellang aas dem
Hin« fo^ndmuMn geaehidit: Etwa 600 Oem. Um werden mit einer Ifiiehung
»asgefUIt« wefehe Mit 10<*/o Chlorbarinmlögnng nnd gesfttti^r ßarytiOsong be-
steht (Salkowski). Der abfiltrirt«' Niederschlag wird bei gelinder Wärrae mit ein
wenig salzsaurem Alkohol ausgezogen. In die^^en gebt der Farbstoff Uber und
färbt ihn schön vio'ett oder kirschroth. Das Spectrum dieser Lösung zeigt zwei
Streifen im CMb nalie zum GrflB (lehmal) nnd im Orttn nahe snn Gelb
(breit und dunkel). Setzt man Alkali hinzu, so wird die Farbe meiit roth-
braun, selten bleibt »ie violett; diese Lösungen zeigen aber nnnmebr Tier bis
fünf Streifen vom Orangegelb an bis zum Blaugriln hin.
Anmerkung: Es «hid nodi mskrare eisenhaltig«, rothe oder rothbranne Harn«
farbstoffd bekannt, wdihc von vprschiedenen Antoren gelegentlich beschrieben worden sind.
Sie haben Terechiedene Kamen erhalten, sind aber von ihren Entdeckern, selbst wenn eine
Analx^ gemacht wurde, doch nicht renfigend charakterisirt worden, ma mit Sicherheit als
eiaenartige Farbstoffe, welche 7on anderen bekannten sich nnterscheiden, anfgefaset werden an
kSnnen; dazn kommt noch, dass diese Farbstoffe, obwohl schon vor längerer Zeit Teröin»ntlicbt,
dorli niew iV'der gefunden worden sind, weder von den Entdeckn-ri .seihst, uocli van einem Anderatt.
Nach genauerer Prüfung der Eigenschaften dieser Farbstoffe halten wir uns daher für be-
rechtigt, sie an dieser Kten«, bei den BHriftHwtoffm m «rvIlMMB* da aia whm ihisi B i lan*
f;eh altes mit grosser TVahrscheinlichkeit ata BlntfarbstoffdariTat« aatkafluMn sind.
Hierher gehören fi>l;;eude Farbstoffe:
a) TJrohämatin. Unter diesem Namen hat M a c M n n n einen wenig genau charak-
terisirten rothbraonea Farbstoff brachriebeo, welcher nnsweifelhaft wenigstem la einem sehr
grasen Thette ans Hftmatoporphyrin beetand, Rbnatin üees sfdi nicht darin nachweisen. Bin
anderer Theil dieses Farbstoff^enienges scheint Urobilin gewesen zu sein.
^) Der Mensser'scbe Farbstoff. Aach dieser Farbstoff, welcher von Neasser
in zwei Pillen gefunden worden ist, Ist aller WahnefaainUebfcelt nach ein nnrdnes Bisuito*
porphjrrln gewesen.
Y) U rornb robftmatin nnd Vrofnscoblmati n sind zwei Farbstofft*, welche
B a u III > f ,1 I k im Urinit' eines an T-epra l^eidendf-n ^valir^i'nonimen hat. Der erste Farhstort' w:ir
eioenbaltig and anterschied sich nur wenig vom Uamatin, der sweite, eisenfreie war überaus
&bnUch dem Hftmatoporphyrin.
h) Gallenfarbstoffc. Normaler Hsrn enthalt niemals Gallcnfarbitoff.
In denjenif^en F/llIiri aber, in welchen in der Leber eine Gallcnstauang' oder
tine Gallenübcrproduction ntattlindet, geht bekanntlich zunächst Gallen-
farbstoff in das Blutserum Uber und wird nun von da durch die GlomeruU
der Nieren in den Harn auageaehieden. Der Farbstoff, wdcher hier in Retraeht
kommt, ist nur das Bilirubin und allenfalls das Biliverdin, während die
iibrifren Gallenfarbstofle im ITarne präformirt nicht vorkommen. Ob das Riliverdin
übrigens nicht erst in der Blase oder gar ausserhalb des Körpers durch gewisse
oxydirende Substanzen im Harn unter Mittiilfe des Sauerttoffias der Luft gebildet
wild, ist nicht festgestellt, jedoeh sehr wahrscheinlich; auch findet es sich reeht
selten nnd immer nur in geringen Quantititten neben Bilirubin ; seine Anwesen-
heit verleiht dem Harne einen grünlichen Farbenton, welcher sich zu dem
gelben des Billmbin liiosugesellt.
GaUenfarbstoifhaltige Harne zeiehnen sieh dnrch einen intensiv gelben
() d er }) r a n n g e 1 b e n o d p r r o t h ;r e 1 b e n , zuweilen selbst 1) i i' r b r a u n e n
Farben ton aus. Sehr charakteristisch i:^t der Schaum des liaroes, wenn
man ihn schüttelt ; derselbe ist stets reiu gelb gefärbt, wie auch immer die Grund«
far1>e des Harnes sein mag. Der gelbe SehflttelRehanm dient im Allgemeinen als
ein, wenn auch nicht »ehr seharfes und niebt gans aidieres (Urobilin) &lcennungs-
nüttel von Gallenfarbstofl*.
Sehr häuHg sind gallenfarbstoifhaltige Uaroe auch reich an audereu
Ilarnfarbstoffen. 80 kann sich BIntfarlMtoff (s. 0.), üroerytbrin (s. o.), Urobilin (s. u.)
hinsugesellen und den gelben Farbenton nUancireu.
Bezflglich des Nachweises von Gallcnfarbstoft" im Harne ist F(»lgendcs r.u
erwähnen: Wenn die Haut des Patienten und die Schleimhäute stark ikterisch
gefärbt sind, wenn der Harn sehon dueh sein Aussdien, sowie durch den gelben
Sebflttelschaum sieb als gallenfarbstoffhaltig erwdst, so hat man eigentlieh nicht
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HAENFARBSTOFPB.
401
niitbig, deu Gallenfarbstoff durch bestimmte ProbuD Dacbzuweiseo. Vielmehr ist
dies nar in zweifelhaften Fällen erwünscht, in denen man sowohl hezflglich der
HAut£urbe, als des Aonelieiis des Harnes nieht gans ddber ist, oder in aolehen
Fällen, in denen zwar die Hautfarbe noch gelb iat, man aber im Unklaren darüber
ist. ob Gallenstauun^ oder Aosscbeidung von Qallenfarbstoff durch den Harn
überhaupt noch besteht.
Folgende Proben sind fllr den Nadiweis des BilimUn angegeben:
7.) Aussohflttelung einer gewissen Menge von Harn im Rcagens^lase
durch ('hluroform, welches den Farbstoff aufnimmt; dasselbe färbt sich gelb.
Die Probe läast bei geringen Mengen von Gallenfarbstoff im Stiche.
ft>) Die TiBDBHANN-GMKLiN'sehen Proben. Man flUlt in ein
Reagensglas einige Enbikcentimeter Salpetersäure, welche etwas salpetrige Sture
enthält , was bei älterer Salpetersäure stets der Fall ist fbei frischer Salpeter-
säure kann man eine Spur rauchender Saipeteri^Uure hinzufügen) und schichtet
vorsichtig durch Eingiessen mittelst einer Pipette in das ganz schräg gehaltene
Reagenflglaa den an nntorsnehenden Harn fliier die Salpetersäure. An der Be-
rührunijsstelle bildet sich bei Anwesenheit von Gallenfarbstoff ein frra.Hfrrdner Ring,
welcher ziemlich rasch in andere Farben tlbcif^eht, und zwar zuerst in Hlau,
dann in Roth und schliesslich in Gelb. Indem der Farbenwechsel in der der
Salpetersftfure xnnielnt gel^^en Sehiehto des Harnes am rasebesten erfolgt, wlhrend
die Salpetersäure in die höheren Seblehten dnreh Diffusion allmfilig eindringt,
bilden sieh znweilcn alle vier Farben in untereinander pjelcfjenen Ringen ge-
sondert aus und geben ein htlbsches Farbenspiel. Dennoch ist die Probe wenig
sebarf nnd Iftsst bei geringen Mengen von Gallenfarbstoff stets
im Stiche. Charakteristisch ist aüein der grüne Ring, Blau und Roth tritt duroh
die-«c Methode auch bei Anwesenheit anderer Hamfisrbstoffe (Indigoblau, Harn»
rosa) auf.
Y) Eine Hodifieation dieser Probe, welebe ROSXMBAOH
angegeben hat. ist viel schärfer. Man filtrirt eine Quantität des zu unter«
suchenden Harnes durch ein Filter und betupft dasselbe feucht mit einem Tropfen
Salpetersäure, welche etwas salpetrige Säure enthält; dann tritt das l'^arbenspiel
Grfla, Blau, Roth, Gelb in Ringen um den Tropfen herum in der Reihenfolge von
aussen naeb innen anf. Andere Modifieationen der Probe, x. B. Versetzen des
Harnes mit Kalpetorsaurem Natron und Unterschiehten mit eonoentrirter Sebwefel-
säure (Fleischl), sind datregren ebenfalls nicht scharf.
Z) Die Geuuard TS che Probe. Man schüttelt den zu untersuchenden
Harn mit Chloroform ans, trennt das Chloroform sodann vom Harne nnd fDgt
eine so geringe Menge Jodjodkaliumlösung hinzu, dass noch keine Rothfär-
b u II fr de« Chloroforms durch das Jod eintritt. Bei Ge};enwart von Gallenfarb-
stoff färbt sich das Ghlorotbrm schön grün. Oder aber man versetzt deu Chloru-
formauszug mit Terpentinöl und flbergiesst die Mischung mit sehr verdttnnter
Kaiilösnng, beim Schttteln gebt das Biliverdin , welches sich durch Einwirkung
<ic> Terpentin aus dem e(\vrt';:'ri lÜÜrubin gebildet hat, in die Kalilaupri* Über,
\ ou der man mögliclist wenig verwendet. Die Proben sind sehr scharf, ihre Aus-
führung aber etwas umständlich.
s) Von UäMiscBAL, später von Sxitb istdIeJodtinetnr sum Naebweis
\<m Gallenfarbstoff empfohlen worden. Auf Zusatz einer gorinp:en Menge derselben
tritt eine sniarafrdffrtlnc, haltbare Färbung? auf, welche auch bei ziemlich frerinjren
Quantitäten von Bilirubin noch sichtbar wird ; desgleicheu tritt ein grüner King
auf, wenn man die Jodtinetur flbersebiehtet. Obwohl die Probe viel sebärfer
ist, als die OxBLiM*8cbe, so ist sie doch nur wenig in Deutschland in Gebraueh
gezogen worden. Bei sehr gering'en Menfjen von Bilirubin littst fibricrens diese
Probe ebenfalls im Stich, indem die Eigenfarbe des Jods etwaiges Grün ver-
deckt und das Auftreten eines grOneu Ringes verbindert. Die Farbe ist bereits
vor cirea 25 Jahren empfohlen worden.
Bnoiyclcp. JabrVaeher. IIL 26
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402
HABNFARBSTOFFE.
Ncuordiogg bat der Unterseiobiieto als die empfindlichste G)ilteD>
färb s tu tt" probe, welche zugleich den Vorzuf^ p^rösster Einfach-
heit besitzt, die Anwendung verdünnter Jodtinctnr in folgender
Weise empfbblen: Man bereitet sieb aus gewftbnlieber Jofltinetar und Sptritvs
eine derartifr verdünnte Lösunjr, dass dicsolbc die Farbe des Portweines hat. Da
die ufficinelle Jodtinktur iiicbf stet-; dieselbe Farbenintensität hat : vli'Ueidit in
Folge von VertlUcbtigung und Zersetzung von Jod oder in Folge von Vordunt^tiin^
des Alkobols), so empfiehlt es sieb mebr, nadi dieser YorsArift die Verdünnung zu
bereiten, als, wie der Unterzeichnete nrsprflnglicb angegeben, im VerhUtniese von
10° Die 80 verdtlnnte Jodtinotiir kann man in einer Flasche vorrJfthi?: halten.
Zum Nachwci-^ des (iallenfarbstotVes frieast man in ein Reafrensirlas zunächst etwas
vuu dem zu uotcräucheuden Harn und dauu die Jodtiuet ur Uiittelst eiuor Pipetto
oder direet ans der Flasebe in das gans sebrig gehaltene Reagensglaa, wodnreb
sie dem Harne flberBcbiehtet wird. An der Grenze bildet sich ein grasgrüner,
haltbarer Rinj? . auch wenn sehr prerinffe Meng:en von Gallenfarf)3toff vorhanden
sind, während bei Abwesenheit ein hellgelber, zuweilen ein rosafarbener (Harn*
rosa) Ring vorbanden ist. Die Probe ist, wie erwSbnt, die sebftrftte Gallenfarb-
stofl^robe.
r Eine etwas nnistilniiliclie, aber ebenfalls scharfe Methode beruht darauf,
dass man den Harn mit Kalkmilch völlig ausfällt (Hüptert)
und den abfiltrirten Nlederseblag mit sebwefelsäiirebaltige m
Alkohol aussiebt; bei Anwesenbeit von Gallenfarbstoff Oh-bt sieh der
Alkohol grfln.
Die Farbstoffe, welehe als Ghromogenderivate anfsiifasseft
sind.
Diese Gruppe von Farbstoffen, welche umfanffreicher ist als die vorige, ent-
stammt stets einer im Harne befindlichen farblosen Muttersubstanz, welche als solche
nrvprttnglieb in den Nieren snr Abseheidnng gekommen ist nnd ans weleber dann
die Farbstoffe rieb entwickeln. Ein Theil derselben bildet sich ganz spontan,
mehr oder weniger rasch und reichlich, noch innerhalb der Blase oder erst ausser
halb beim Stehen an der Luft. Ein anderer grosser Theil dieser Chromogen-
derivate entsteht aber niebt spontan, sondern kann nar auf kOnstliehen
We^e, namentlich durch Einwirkung von Mineralsäiir« n und oxydirenden llittela
erhalten worden. Die hierher gehörenden Substanzen sind nur zum Theile genauer
bekaunt und untersucht, nicht wenige sind noch giiuzlich unbekannt.
1. (' Ii r o m o g en d e r i V a t e , welche sich spontan bilden.
aj M o r ni a I e.
1. Das Crobilin. Die Harne, welehe Urobiiin reidifieh enthalten,
zeichnen rieb durch eine besondere braune Farbe ans, weldie der-
it'iiiLreii mancher L^alleiilarbstoffhaltiger Harne tnid zuweilen auch solcher, die
Hilmoglobin ( MetLliaiiioi^'loljiu ) enthalten , sehr iibnlieh sein kann Diese P''arbe
gleicht ungefähr dem Mabagonibrauu oder dem Bierbraun ; bei autfallendem, hellem
Liebte, s. B. dureb rinen Sonnenstrahl, wird snwetlen rine grttne, niebt sehr aus-
gesprochene Fluorescenz sichtbar. Dabei zeigt der Schflttelschaum eine gelbe
Färbung, welche allerdings an Intensität hinter derjenigen des Bilirubin zurück-
steht. Andere Harne enthalten das Lrobilin in viel weniger bedeuteudeu <^uanti>
titen, so dass hierdurch kaum eine wesentliche Verdunkelung entsteht und der
Nachweis nur mittelst geeigneter Methoden gelingt. Andere Harne wiederum sind
friseli von normaler Farbe und erweisen sich aucli tVei vi»n iTobilin ; aber beim
Stehen an der Luft werden sie dunkel und nun lässt sich reichlich Lrobilin
nachweisen. Audi mit Blri mftgliehst entftrbte Harne ftrben sich suweilen beim
Stehen wieder brftunlichgelb und zeigen jetst das Yorbandensrin Ton Urobilin.
Diese letzteren Beobachtungen sind es gewesen, welche .Taffe, Mac
Münk u. A. , die sich um die Kenntnis» des Urobilins verdient gemacht babea,
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HABNfAKBSTOFFE.
403
zu der Aulßudung dur Tbatäache geführt haben, dass das UroMUn nicbt, wie
Bilinibin oder Blatfarbetoff direet in dem Harne zur Aossebeidun» kommf, sondern
iodirect ia Form einer farblosen Muttersiib un n z (Chromo<^eu des
l'robilin, T r o b i 1 i n o fr e n^l , aiH welelitr es sich schnu in der Blase durch
die oxydireudea Substauzen des Uarues und weiterhin nueh beim Stehen an der
Lnft (wenn die FHulniss ausgesehlosseo ist), sieh entwickelt. Es ist «war nieht
nacbfrewie^en, dass auch iu ^ebr urobitioreicben Hamen der gesaninite FarbstofTgebalt
an l'robilin auf diest-m iiidiri-ctdi Wc-^e sicb erst entwifkelt bat, jedoch scheint
die Tbat^ache sehr dafür zu sprechen, dass im Ijlut-serum noch niemals Urobilin
beobaebtet worden ist. Umgekehrt ist sehr wabrscheinlieh, dasa darchaus nieht
immer im Harne, selbst bei lingerem Stdien, alles Ohromogen sich in Urobilin
verwandeln mnss; da das letztere ein Product der Oxvdatinri des Krstercn ist,
so hüngt dies von der jeweilij^en oxydirenden Kraft des Harnes in Verbindung;:
mit dem i^auersiuffe der Luft ab. Aus die.seai Grunde mus.s man auch bei der
quantitativen direeten Bestimmung des Urobilin im Harne (s. unten) erst sieb die
Gewissheit verschain haben, alles Chromogen in irrobiiiti verwandelt an haben,
was nach unseren noob.iehtuntren durch gewisse künstliche .Massnalimen möfrlich
iät ; bisherige Bestimmungen haben aber diesen Punkt oft vernachlüssigt und sehr
chromogenreiehe Harne konnten deshalb leicht fQr nrobiltnarme gehalten werden.
Es sei Jin i!i*->fT Sn lV sc: nn liiTMu^r. liotu n. il.iss ilic ih:nl;f'llirannr' Farbe des Harnes
nnd inslieSOOdere auch i!;is Nachdntikf'In l)rMm Stehen an der Luit auch noch auf andere [ir-
sachen snrttekgef&hrt wenli n mtiss: llarue. welche reich an Phenolen und Indigobildnern sind,
onter den ersteren besonders die Carbolharue. dunkeln ebenfiiUs beim ;rteli«n «a der Lttft,
wobei noch unbekannte Farlistoti'e »ich l>iliien.
Der directe Nachweis von Urobilin im Haroe geschieht auf zweierlei
Weise. Zunächst auf s pec t r c s k '» p i s c h c in \Veg;e. D.-is l'rohilin gieht nilnilicli
ein sehr charakteristisches Spectnini Ikm saurer Rcactinn dos ILnriios Man erkcnut
dann einen Streifen im Klau, bei der dort befindlichen, bekauuilieb starken Spoctral*
linic F. Sehr nrobilinreiche Harne mttsscn sehr oft verdflnnt werden , damit der
Streifen deutlich wird, denn bei sehr reichlichem Vorhandensein von L'robilin
wird das j;anze Spectrum vom Grau an bis zum Blau bin ausgelöscht. In chro-
mogenhaltigeu Harucn , welche jcduch noch kein Urobilin enthalten , kann auf
kflnstliche Weise das Urobilin dargestellt werden, nnd swar geschieht dies dadurch,
dass man dem zu untersuchenden Harne etwas Salpetersäure oder nach Stokvis
Jodtinctnr, oder auch Salzsäure oder eine andere Minir.ilsäure hinzufügt. Dana
verwandelt sich alles Chromogen iu Urobilin. Der Vorgang beruht zweifellos auf
einer Oxydation; nach unseren Erfahrungen, die wir auch bei der Entwicklung
anderer Farbstoffe gemacht haben, bewirkt dies die Salpetersäure direct, die ttbrigen
Mincralsänren wahrschciuiich durch Zersctcung andere Hamsubstansen, welebe
Sauerstoü' frei werden lassen.
Die zweite Metbode des direeten Nachweises geschieht auf chemische
Weise. Man fDgt dem Harne reichlich Ammoniak hinzu Reagensglase) und
versetzt ihn mit einigen Tropfen einer etwa 10" o igen Chlorzinklösung , so dass
kein l>h'ibender Niederschlag entsteht: der Harn nimmt dann einen Stich in's
Röthliche an und zeigt zugleich eine prachtigo grüne Fiuorescenz ; zugleich wird
der Strafen etwas scharfer und rOckt um ein Weniges mehr nach dem Grflnen hin.
ICndlieh kann man auH urobilinrcichen Harm u das Urobilin mit Chloro-
form direct ausschiltfcln. Dasselbe färld sich rehfarben.
In reinem Zu.stande ist das Urobilin trotz aller Untersuchungen und
trotz der sehr charakteristischen Eigenschaften nicht bekannt. Aber man kann
es «nigcrmassen isoliren und in Form eines amorphen Pulvers darstellen (J.affe,
Mktii', M<' Mlnn . Dil" ( nsichcrheit liin-^ichtlsch der Keinbeit der auf vcrschiedeiit-
liche Weise von den genau uten Autoren dargestellten Urobilinpräparate ist so
grot<s , dass Einige sogar geneigt sind , mehrere UrobiUne anzunehmen , so z. B.
ein Urobilin aus Fieberharn, ein anderes aus dem Harne Fieberloser. Nach Mehu
wird der Harn mit Schwefelsinre angesftnert und mit schwefelsaurem Ammonium
26»
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4U4
HARNFARBSTOFFE.
jTPsättigt. bildet ficli dann beim Stehen ein flockiger, brauner Niederschlag,
welcher abfiltrirt und »odann mit absolutem Alkohol, dem man einige Tropfen
Ammouiak zugesetzt hat, ausgezogen wird. Der Alkohol wird verdaustet und Uast
das Urotiilin tm^ukj eb Mtflilleli bödiet rnmioM Pltpumt. Mo Musnr ftXUm den
Harn erst mit Bleizncker, dann mit Bleiessig völlig aus und extrabirte die Nieder-
ficblflge wieder mit salzsäurehaUiiErem oder scbwefelsäurehaltigem Alkohol , ver-
dünote diesen mit Wasser uod schüttelte mit Chloroform aus; der Rückstand,
der dvrflli mehnnaliges Lflaan md Yerdmisteii das OhloiofonnB feniaigt wnrde,
sollte dann das ürobilin daistoUea, welehes i^lierUeh aber noch mit anderen
Substanzen und Farbstoffen vermengt war. Jaffe verfuhr folgendennassen: Uro-
biliureicher Harn (s. unten) wird sehr stark mit Ammoniak versetzt und ältrirt ;
das Filtnt nird mit eonMatrirtor CiliHniiildOsnDg ausgefällt. Man filtrirt und
sammelt den meist rothen oder rothbraanea Niedefschlag auf dem Filter; war
das Filtrat nnch «ehr stark gefilrbt, so erzeugt man durch Ammoniak noch einen
weiteren Niederschlag, welchen mau dem anderen hinzufügt. Nach Waschen mit
heissem W^asser werden die Kiedersohläge mit Alkohol ausgekocht, der Alkohol
▼erdnnstet, der Rllekstand getrodiBet, gepalTsrt und in Ammoniak gelOtt, wob«
ein ROckstand flbrig bleibt, die LOsung wird mit Bleizucker gelallt, der rothe
Niederschlag etwas mit W^asser gewaschen und mit schwefelsäurehaltigem Alkohol
ausgezogen, dieser wird dauu mit Wasser verdünnt und mit viel Chloroform mehr-
mals ansgesehattelt. Das Ohloroform wird mit etwas Wasser gewasehsii (unter
Verlust von Farbstoff) und abgedunstet. Der Rückstand wird mit Aether ge-
waschen , welcher viel röthlichen Farbstoff i V) aufnimmt , wahrend Ürobilin als
braune Masse zurückbleibt. Es handelt sich natürlich auch hier um kein reines
Prodnot Ans urobilioannem Hämo kann das üroUlin anf diesem Weg« niekt
dargestellt werden; man versetzt naeh JaFFÄ soleben Harn mit Barjtnitrat und
das Filtrat davon mit Bleiessig; den gut ausgewaschenen und fretruekueten Nieder-
schlug kocht man mehrmals mit Alkohol aus. Der Rückstand wird darauf in
schwefelsäurehaltigem Alkohol gelöst, mit Ammoniak in UebersohasB Tezsetst, das
Flltmt davon mit Wasser vordflnnt und mit Cblorsink versetst. Der NiederseUag
wird nach der eben geschilderten Methode weiter behandelt.
Die Lrisnn^ren dieses nach Jaffk darg'estellten, verhilltnissmitssifr reinsten
l'robilins sind iu couceutrirter Form braungelb, in verdUuuterer gelb, ganz schwache
rosarotb, dabei besteht stets dne grflne Flaoreseens, anf Znsats von Gblorsink
fkrben sich die Losungen stets röthlieh i I^ildung eines Zlnksnlses). ürobilin lOst
sich nach Jaffk leicht in Alkohol, Actlier, Chlüroform , namentlich wenn man
dieselben etwas ange>äuert bat, schwer in Wasser, leicht in verdünnten Alkalien.
Wie sebon oben erwähnt, geben die sauren Lösungen ein etwas anderes Spectmm
als die alkalischen, auch unterscbeidet sieh bierin das aus normalem Harne dar-
gestellte rroltiliii von dem. wtlclie« man aus urobilinreichora gewinnen kann. P]rheb-
licbe Abweichungen zeigen auch die Angaben der Autoren hinsichtlieh vieler hier
nicht weiter zu erwühneoder Reactionen. Das Hydrobilirubin der Galle sebeint
naob nenwon Ontersttdiangen ttiebt mit Ürobilin identiseh zu sein. Erwähnt sei
nnch. dass das Ürobilin und Choletelin, ein Bilimbinderivat , ein gleielies
.'5pectrum haben.
Der N a c h w e i s V 0 u ürobilin i m Ii a r n e geschieht also am sichersten
auf folgende Weise : 1. Dnreb die spectroskopisebe Untersnobnng des mitSalpetersinre
(um alles Chromogen möglichst übcr/.iiführen) versetxten Harnes, wobei man nach
Tebersättigung mit .\miiioiii.'»k die W-riinderunfr am Streiten (s. oben) cnnstatirt.
2. Duruh grüne Fluotc.-iceuz. Man verset/.t den Harn reichlich mit Ammoniak,
sodann mit einigen Tropfen einer 10<* „igen GhlorsinklOsang unter Vermeidung
eines Niederschlages (.T.\kfe). Es tritt dann eine röthliche Färbung des Harnes
mit starker grilncr Fliinre-inenz auf, tl.-is^elbe •re^eliiclit durch Jodjodkalium oder
L'lilorwasser und Alkalisirung mit Kalilauge i^(iF-RHAUDT). .3. Eine .sehr scharfe
Reaction giebt Gerhardt au für urobilinreiche Harne. Man schüttelt sie mit
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HABNFARBSTOFF£.
405
Chloroform ans, versetzt den Annzug mit Jodjodkalium in sehr geringer Quantität
und schüttelt dann mit etwas verdünnter Kalilauge, diese färbt sich gelb und
fluoresoirt sobün grün.
Hinaielitiieh dar Qoantittt des UroUliat mnaa man swei Grade unter-
scheiden. Eine geringe Quantität von Urobilin findet sich fast stets in jedem
einifrermassen gesättigten Harne, sei es auch nur in Gestalt seiner Vorstufe,
nämlich des Cbromogen, was für den frisch gelasseneu Uarn sogar die Regel ist,
wlhrmd nach dnlgem Stehen dcb ürobilin selten swar speetroskopiseh, gewOhn-
lieli aber (naeh JatwA, b. oben) chemisch naobwdsen Ifisst. Aoaser diesem spär-
lichen Vorkommen von Urobilin giebt es nun aber noch eine sogenannte Uro-
bilinurie, bei welcher dieser Farbstoff in coloasalen Quantitäten zur Abscheidung
kommt. Die Urobilinnrie findet sieh, wie Obshabdt geseigt hat, vor Allem bei
gewissen Formen df-r Lebererkranknngen, insbesondere bei jener Form von Leber-
cirrhose, bei welcher die Haut des Körpers schmutziggelb gefärbt ist. Es ist
nachgewiesen worden, dass diese Gelbfärbung der Haut in solchen Fällen nicht
TOn BUimbin herrührte, sondern von Urobilin (wabrsoheinlioh aueh durch Ver-
mittlung ^es Ohromogens), iHlbrend ebenso andl der diuikdbrann gefilrbte Harn
mit dem gelben Schaum kein Bilirubin enthielt, sondern Urobilin J neben der
rroliilinnric bestand z»f^leich Urobilinicterus. Feruer tritt es auf ih sehr erbeb-
lichen Quantitäten bei anderen Lebererkrankungen, bei hochgradigen ätoöwechüel-
erkranknngem, bei Caobezie in Folge von malignen Tnmoreo , namentlicb der
Unterleibsorgane und in Folge von Blutungen durch hämorrhagische Diathese,
fcrniT nach grossen Blutergüssen innerhalb der Körperhöhlen, bei hochtieberhatten
Erkrankungen, namentlich bösartigen, wie Fyämie und Septicämie. Die Vermehrung
des Urobilin ist nicht in allen solehen Fällen stets vorhanden, sondern nur in
einem Theile derselben in Folge von Umständen, die vorläufig noch nicht genügend
klargestellt sind. Hochgradige Urobilintiric mit di-.r fharakteristischen Färbung des
Harnes ist eine verhältnissmässig seltene Lrscheiuung auch bei den genauuten
Erkrankungen, während Uebergänge zu derselben, wo also nur eine mässige Menge
UroUlin aosgesehieden wird, hftnfignr vorkommeu. In solchen Fallen ist der Harn
nur etwas dunkler als normal, etwas brann geftrbt j daneben findet sieh natflrlieh
auch viel Chromogon.
Es bedarf nun noch die Frage der Erledigung, wu eigentlich die Bil-
dungsstltte des im Harne inr Abseheldnng gelangenden UrobUins ist. Sehen
aus theoretischen Gründen ist man, fast gleichzeitig mit der Auffindung des Uro-
bilin selbst, auch zu der Annahme gelangt, dass es ein GallenfarIjstotTderivat sei.
Bekräftigt wurde diese Aunahme dadurch, dass Jaffk es wahrscheinlich machte,
dass Hydrobilimbin ans der Oalle mit dem Urolnlin des Harnes identisob sei.
Jedoch blieb es dabei unklar, auf welehem WegO und unter welchen Bedingungen
das Hydrobilimbin der Galle im Harne zu massenhafter Ab^n-heidung- kommt.
Neuerdings hat man, obwohl man an der Identität von Hydrobilirubin und Uro-
bilin wiederum zweifelt, dennoeb, besonders nach Untersnebongen von Fs. Müllbb,
den Darm als Entstebungsort des Urobilins, und zwar aus der Galle
erkannt. Die in den Darra ergossene Galle nämlich wird, wahr.scheinlieh durch
Vermittlung der Bakterien daselbst, jedenfalls durch die inteuaiveu Hcductious- und
Oxydationsprocesse im Darme zu Urobilin verwandelt, welches bekanntlich den
gr5ssten Theil des gelbbraunen Farbstoffes der Floes ans-
macht. Von dort aus kommt es in die Blntbahn und in den Harn. Seine Ver-
mehrun^-- im Harne setzt voraus eine vermehrte Bildung im Darme, diese wiederum
eine vermehrte Bildung \ou Galle und reichlichen Erguss in deu Darm uud , da
der Gallenfarbstoff niehta anderes ist als umgewandelter Blutfarbstoff, so muss
wiederum eine Ursache für vermehrten Zerfall des Blutes vorhanden sein ; dies
ist aber in den oben geschilderten Kranklieitsfälleu der Fall. Bei dieser Theorie
ist allerdings das Verhältniss des Chromogens zum Urobilin nicht klargestellt;
aneb wird man, wenn man Fälle der allersfirksten Urobilioans'cheidnng betrachtet,
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406 HABNPABBSTOFFB.
keiBMwegB immer findeo, dangei»4e hier aveh gieiobieitig die Bedin-
gnDgen zu einer i^sdz besonderen Rlntzerstörang oder zu einem
besonders erhehlirhen Ergüsse vnn Galle in den Darm gregebeil
sind ( z. B. atropbisoLe Lebercirrbosc , wiibrend umgekehrt bei liAmopliilie
ziemlicli selten Urobilinurie in boUem Grade eintritt}.
9. Die sogenannten Cnrbolbnrne. Es ist dn noeb wenig erforaehtee
Gebiet, velcbes hier berflbrt wird. Man hat bei Aufnahme von Substanzen, welche
zur Gruppe der Phenole prehflren, z. B. Carbolsaure, Said, Uesorcin, Creolin u. A.
gefunden, dassi der frisch uft nuruial gefärbte Harn beim Stehen au der Luft aich
dnnltelgran oder Behwirslicb verfUrbt. Niebt selten allerdings tritt diese Danlcet-
fMrbuDg schon innerhalb des Krirpers ein. Dii' I nterseheidun}? von der durch Uro-
bilin erzeugten Vrrf.-irbunfr ist leicht; es fehlt der Öpectraltitreifen desselben und
ansserdem ist diu Farbeunuanco eine andere, nicht bräunliche, souderu grünlich
sebwarte ebne gelben Sehflttelsebaum. Zweifellos bildet aaeb dieser Farbstoff sieb
aus einer farblosen Muttersabstanz, einem Chromogen, durch
Oxydation. Auch rdlirt das Dunkelwerden vom Harne tnriuclier Individuen, hei
denen eine besonders starke Aufnahme vou Pbenolsubstauzen nicht ^rerade nach-
gewiesen werden kann, wahrscheinlich doch vou denselben Farbstoffen her. So
beobaehtet man bei indoxylreiehen Harnen eine derartige Verdunkelung nicht
selten. Nach unserer Ansicht rtlbrt dieselbe nicht von Indowl her, sondern eben
von den ^rleiebzeiii-r vermehrten I'henolkrtrpern. Nicht selten übrigens kann man
in diesen sogenannten Phenolharnen auch den Urobilinstreifeu und eine V'er-
mebrvng dieses KArpers beobachten.
Wie erw.ibnt sind die Mittelsubstanzen der Farbstoffe nt eh unbekannt.
Wahr><ebeinlicb handelt es sich um mehrere Oxydationsproduete des Brenzcateehin
und des Hydrochinon.
h} Pa thologisebe.
Das Melanin, ßei Kranken, welche an melanolisehen Geschwülsten
leiden, selten aur-li hii einfach boch;2T:idig niarastisclien Individuen, jedenfalls
nur in pathologiselien Fällen findet sich ein eigentbUmlich schwarzer Farbstoff
vor. Man nennt ihn Mulauio.
Dieser Farbstoff ist In der Reget im Harn in Lösnng, nur anwdlen
bildet er dunkle P i gm e n tk fi r n ch e n. Meist aber findet sich im frisch }relassenen
Harne frar niclits oder nur Spuren von Melanin, während beim Stehen an der
Luft oder auf künsllicbcm Wege der Farb.stoff in grosser Menge zur Entwicklung
kommt. Auch hier liegt also ein Ghromogen, das Melanogen, vor; det gaase
Krankbeitszustand wird als Melanurie bezeichnet.
Auch das Melanin ist wi-der i-heniisch rein darge-<t<'Iit noch untersucht.
Jedoch hält man es mit Kecht für ideutiseh mit dem in den Geschwülsten selbst
vorbandenen Farbstoffe; wir ftigen nach Analogie mit anderen Farlratoffen die
Ansieht hinzu, dass das Melanogen nur ein lusHches Reductionsproduct des Farb-
stotles dar-tellt, 'welches sich im Harn wieder zu Melanin oxydirt. Versuche der
Reindurstelluug des FarbstotTcs führten nur zu dem Ergebnisse , daas es sich
wabrscbeiolicb um ein Gemenge zweier Körper handelt. Sie seiebneten sieh durch
erhebliebe Unldslicblceit in den verschiedensten Lösungsmitteln ans und ferner
durch das Fehlen eines jeglichen Absurptionsstreifen. Der eine FarlwlolT war
h'slich in eoneentrirter Fssiirs.hiro und Alkalien, der auderc nur in Alkalien, der
letztere war jedenfalls eisenhaltig.
Das Mebinin entsteht, wie erwähnt, ans dem Melanogen beim Stehen an
der Luft, noch rascher wird es auf künstlichem We^'e durch Oxydationsmittel
erzeufft. Salpeter-ilure. Chromsäure. Eiscnchlorid, ioäbeiioadere Bromwaaser, Arben
den Harn sofort dunkelbraun bis schwarz.
A n m e r k u n $r. Jn sehr schlimmen Fillen von Malaria flndflt sieli neben MsUnftmie
anrh srli\v;n/<s l'i;:riii r.t H;irn. wrli-lios ans den Niercncapillareii stammt, (Innen es vom
Blut.«troiii zu^'clutiit wunir. uU liier (Iu.xsi-IIk- l'ignutnt, wie bei Mt^luuurie, vorliegt oder nicht,
ist nieht erwiesen. al»er Hn wcMenf lieber I ntDr^chied besteht darin, dais es sieh hier am
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HARNFARHSTOFFE.
407
direet«, mechanische Pigm«ate1w«heidDng handelt, wibrend der Uebeisang dnrcli Tennittionf
eines Chromogen ausgeschlossen ist. üebrigens sei hier noeh erwthnt, dass tnftn sieh hOtan
niuss . dunkle Farhuuiren des Harn, welche durch Abscheidungen vom fnicn Indiiro (Indigo-
blau oud ladigorotli) herrühren, und welche sich besonders bei Pyelitis tiudeu, iiüt dem Melanin
SV vemPBchsela.
II. Chromogeuderivate, welehe nur auf kttnstliebem
Wege gebildet werden kOnnen.
n} Normale.
1. Die lIuDiiusubstauzen. WeoD mau Haroe kocht, so werden die-
selben stets dunkler ab invor, nnd diese Verdnnklvng wird noeb viel erbeblicber,
wenn man sie mit Mineralslurcn erwärmt, /. B. Salzsäure oder Sehwefelsäiire,
w.lhrrnd SalpeternSure d;4riim iiiiiider preeisrn« t ist. weil sie bei l.lTi;jrerer Ein-
wirkung zu stark uxydirend und besonders in der Hitze Farbstod zerstörend
wirkt. Diese Verdunkelungen sind nieht sn verweebseln mit den bereits frflber
erwAbnten durch Urobilin oder durch Pbenolfarbstuffe erzeugten.
E>j liarulelt sich dabei um die Bildung d un k cl h r h ti n c r oder
schwarzer F arbato tfe. V. FdhäXSZKY bat sich mit dieser Substanz ein-
gehender beschäftigt. Sie fällt beim Erkalten des Harnes tbeilweise aus, wenn
der Harn, längere Zeit, mindestens zwei Stunden, am besten 18 Stunden mit
Salzsäure gekocht war. Man erliält dann den Farbstoff als feines schwarze?^
Pulver. liMsselhe ist in den meisten Lnsnng»mitteln unlöslirh : löslich in causti-
seben Alkalien und Ammoniak. Die Substanz ist eisenfrei, jedoch noch nicht gauz
rein dargestellt. Jedenfalls ist sie stiekstoffbältig. Die Zenetxungsproduote, welehe
V. Udran.szkv beim Schmelzen der Substanz mit Kali erbielt, wiesen ihn darauf
hin, dasrt der brannscbwarze Farbstoff aus ein oder mehreren Hnmin-
körpern besteht, als deren Muttersabstanzen , also Chromogene, die Kohle-
bydrate auffassen sind. Aueh das einfaebe Dunklerwerden des Harnes beim
Erwärmen ist wahrscheinlich darauf suriickzuführen. Man kann eine elntger-
massen quantitative Bestimmung dieser Iluuiinsubstanzen durch Wägung vnr-
nehmen , wenn man eine bestimmte Menge von Harn mit etwa '/^o V olumen
Salzsäure ersetzt, zwei Tage stehen Ifisst, Iii tri rt, nunmehr 18 Stunden kocht nud
den nach dem Erkalten ausgefallenen Niederseblag sammelt nnd naeh dem Waseben
mit kalten und warmem Wasser und mit Alkohol und Aetber in Natronlauge
wieder löst; die dunkelbraune Lösung wird mit Schwefelsäure wieder gefällt, Uber
Schwefelsäure getrocknet und dann gewogen.
Aiiincrknng. Gewisse früher al.s eigenartige anfgefa«stc Harnfarh.stol}'e gehören
hierher. Wir vollen sie an dieser Stelle wenigsteins emi^Den. l>aa Uromelanin von Plöss,
welches nicht verwechselt werden darf mit dem oben beschriebene <i , stets pathologischen
M>-Ianin, ferner der sihwarze FarbstoH', wtlch-n Tbudichiim mit Uromelanin bozeichiift. ist
hier (einzureihen. Endlich hat anch Schuack ein hier unterzuordnendes Uromelanin beschrieben.
DasUrophäin von Heller ist jedoch wahtscheinltoh Hamrosa (a. u.) gewesen. An dieser Sielle
möchten wir ferner hervorheben, dass wir gewisse, ttbrigens mit den verschiedensten Namen
bezeirhneto Harnfarl stotl'e deshalb ab.siohtlich gmr. übergehen, weil ^^ie k^^uk uucharakterisirte
oder so wenig penau bes-chriebene Körper sind, dass man bei einigen die Vermuthung hegen
muäs, sie seien mit bereits beschriebenen identisch, bei anderen, daas sie eine Verbindung
Terscbiedener Substanzen darstellen. Jedenfalls sind sie von AnderM, die sid damit ba-
SOhäftigt haben, nieht wir-ilcr gefundeu wnrJen. I^- sind tlie."! vor Altem das ürochiom, dfo
Omichuläaure, da^ Urui>ithiu, das Uriau, das Utiainii, das L'iurotin.
2. Die Indigofarbstoffe: Das ludigoblau und das Indigo-
roth. Seit langer Zeit ist es bekannt, dass man ans dem Harn Farbstoffe ge-
winnen kann, welche bald lein blau, b.ild violett oder purpurfarben erscheinen.
Ant'angd wurden diesen Farben, deren Naturen man iiielit kannte, die verschieden-
artigsten Namen beigelegt. Bcbunders der blaue Farbstotl erfreute sich der allge-
meinen Beaebtuttg, man nannte ihn Gyanurin, Uroglaneiu, Uroeyanin, Hambiau,
bis Hill II.a.ss.\L und SichbreR erkannten, dass der blaue FarbstufT identisch
sei mit einem Idauen Pflanzenfarbstoft, und zw.ir mit dem Indigiibiau. Als
Muttersubstanz erkannte dann Öcul.nck ein farbloses Chromogen, welches er
Indiean nannte und von weichem er glaubte, dass dasselbe identisofa sei mit der
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HABMFABBSTOFFB.
llnttersubstanz des Indigoblaa in der Pflanze , dem Pflanzeniodican , welches er
aus den Indigo liefernden Pflanzen dargestellt hatte. Der Name Indican für diese
Substanz hat sich lange Zeit erhalten und ist zum Theil noch jetzt nicht völlig
m beseitigen gewesen, obwoU leieidiagl dureli die UntentiehungeD von F* Hoppb«
Seyler auf die Verschiedenhait dee Pflaasoiindlcans imd der Muttergnbataiis des
Indigoblau im Harn aufmerksam gemacht worden ist , und obwohl Baümann,
Beubqer und TiEMAXx schliesslich diese Muttersubstauz rein dargestellt und
analysirt hsben. Nach den Untersuehongen dieser letzteren Forscher ist die Mutter-
snbstaiu des IndigoblM dss iadoxylsohwefelsaiire Kalt, danh dessen
Zersetznufr iu\ä Oxydation Indigoblau entsteht. Ausserdem giebt es noch einige
andere Verbindungen des Indoxyl von denen die Indoxylglycuronftäure bereits
bekannt ist. Als Quelle dieser Verbindungen ist nach Jaffe's Untersuchungen
das ladol anxasehea, welehes im Darm donb die F^olaiss der lÜweissliOrper
als Endprodaet gleichzeitig mit anderen aromatischen Substansen, wie den Phenol-
körpern und dem Scatol (Rkiegeki entsteht. Das Indol, zu Indoxyl oxydirt und
mit Schwefelsäure gepaart, kommt durch Vermittlung des Ereisiaufes an Kali
gebuadea sar Absdieidnag, gerade so wie die PfaeaolkOrper. Jedoeh durfte, wie
erwähnt, das ludoxyl aneb nooh ia anderer Verbiadangsform im Hara aar Ab-
sebeidaag kommen.
Die Darstellung des Indigoblau aus diesen seinen Muttersub-
stanzen geschieht nach verbAltnissmlssig einfacbea Prinoipien. Durch starke Salz-
sinre wirft das iadoxylsobwefielsaore BLali tersetst und das tni gewordene Indoxyl
verwandelt sich d.inn schon spontan bei Luftzutritt oder durch oxydirende Sub-
stanzen im Harn allmftlifr. sofort aber durch einen SHuerstoffilberträger, wie z. Ii.
Chlor, zu Indigoblau. Hierauf beruht auch sein Nachweis im liaru nach Jakfe.
Nabeln die Hftlfte eines Reagensglases wird mit Harn gefallt, sodann die fast
gleiobe Heoge reiner Salzsäure hinzugefügt und hierauf Tropfen um Tropfen
einer dflnnen Chlorkalkltt.sung (auch Chlorwasser) hinzugefügt unter bestäudigera
UmschUtteln. Sind viel Indoxylverbindungen, also auch viel Indigoblau vorbanden,
80 tritt eine retcbliebe Abscheidang desselben anf, wodureb sieb der Harn ver-
dunkelt und grünlich oder bl.nulich oder sobwtrzlich oder violett {Jkrhi. Man kann
das Indigoblau mit ('lildr itoriu . welches man in geringer Menge am besten vor
dem Zusatz des Chlors (^Sis^iAToa) hinzufügt, ausschütteln, dasselbe färbt sich
schön blau.
Wiewobl das Indigoblaa eigoatliob aiobt an den im Harne spontaa sieb
bildenden Chromogenderivaten gehört, sind dodl Fälle bekannt geworden, in
welchen es riur Iiniifrurie. d h. ziii' Spontanabscheidung von ludigoblau innerbslb
oder ausserhalb der Blase (ViiiCHUW) und sogar zur Bildung eines Indigosteiaea
(Obd) kam. Dies gesebah aber nur im alkalisebea, baktwien- nnd sngleieh indo-
xylreichen Harne, wie /.. B. i ci Pyelitis; hier sind es ffie Bakterien, welebe die
Zersetzung und Oxydation der Indoxylverbindungen be8or<ren.
Das Indigoblau ist aber nicht der einzige Indigufarbstuü'. Mau hatte
sebon vor einem Jabrbundert (Bbbzblius) in den blanen Stlleken des pflanilieben
Indigo einen rothen Farbstoff wahrgenommen. Kürzlich ist es aan dem
ünterze cl.ncten gelungen, diesen rotlieu l'arbstoft' darzustellen und näher zu unter-
auchen. Auch gelang is demselben, den gleichen rothen Farbstoff aus dem iudoxyl-
reiehen Harne darzustellen. Er konnte zeigen, dass dieser rotiie Farbstoff isomer
sei mit dem Indigoblaa, and er gab ibm daher dea Namen Indigorot b.
Er konnte ferner /eigen, dass iTuliL'-iblau nnd Indigoroth nicht allein isomer,
sondern auch dadurch nahe \rru ainit sind, dass es gelingt, Indigoblau durch
einfache Sublimation in iudigoroth überzuführen. Nach seinen Unter-
soebnagen wird stets, wo Indigoblaa sieh bildet, aaeb Indigoroth ia Sparen
erzeugt , z. B. bei der .TAKFE'6ehen Ftobe. Umgekehrt entstehen bei denjenigen
Methoden, welclie Indigorolh erzeugen, stets ntich einige Quantit.tten von Indigo-
blau, ludigoblau ist ciu l'roduct der Ztrs^etzung und Oxydation der iudoxylver-
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HARNFARBSTOFFE.
409
bindungen in der Kilto, ladigorotil ein Prodnet des gldehen YorgaageB in
der Wärme.
Indigubiau und ladigorotb sind eigentlich die einzigen Harnfarbstofife
bisher gebUebeo, äenn Reindtrstellnng und Willige efaemisehe Annlyse gelungen
ist, falls wir von Blutfarbstoffen nnd Gallenfarbstoffen als nicht eiKcntlicben und
jedenfalls pathologischen Harn Substanzen abseben. Mit Indigoroth identisch sind,
wie der Unterzeichnete nachgewiesen hat, gewisse bisher als „unbekannt^^ be-
seiehnete oder mit anderen Namen belegte HamfarlMtoire. So sind identiseh damit
der bei Indigurie aus dem bl.lulli lien Sediment mittelst Alkohol extrabirbare
rothe Farbstoir, des^'Uncben derjenige, den Oup ans dem Iiidigostein in gleicher
Weise darstellte, ferner der eigentbilmliche Farbstoü, den Leube jüngst beschrieb ;
das ürombin (Plosz) und das Urrbodin (Hellbb) sind niohts anderes als Indigerotii.
Zu den Indigofarbstoffen gehören aber noeh andere braune, noeh
nicht rein dargestellte Farbstoffe, mit deren Untersuchung der Unterzeichnete noch
beschäftigt ist ; sie entwickeln sich gleichfalls bei der Spaltung und Oxydation
der Indoxylverbindungen, uaiuentlich in der Wärme.
Die Eigenschaften des Indigoblan sind sehr mannigfaltig. Für seine Er^
kcunung im Harn gentigt der Umstand, dass es sieh mit blauer Farbe in Chloro-
form Ifist, aus dem es aber nach längcrem Stehen wieder aii.sf.lllt. Seine Lösung
in Chloroform giebt einen Absorpti unsstrcif en im Orange. In Wasser,
verdflnaten Staren , Alkalien , Aetber, kaltem Alkohol , Benzol n. A. ist es un-
löslich, in eoneentrirter Schwefelsflurc löst es sich und bildet schwefelsaure Ver-
bindungen, welche als indigschwefelsaure Salze bekannt sind. Mit reducirenden
Körpern, wi«; z. B. Traubenzucker, entfärbt es sich zu Indigoweiss, welches beim
Sehtttteln mit Lnft oder beim Wiederansänem eidi in Indigoblan verwandelt.
Reines, krystalllsirtes Indigoblan bildet dunkelblaue, knpferfurbenglftnzende Krystalle.
Das* Indigoroth entsteht im Harne, der an Indoxylverbindungen reich
ist, wie erwähnt , schon bei der JAFFK'schen Probe ; in grösserer Menge , wenn
man diese Probe in der Wärme anstellt oder wenn man den Harn mit viel Salz-
sinre erbitit, am besten, wenn man vorsiehtig Salpeterslnre an dem koehenden
Harn hinzufdgt. In allen diesen Fällen färbt «ich der Harn bei reichlicher An-
wesenheit von Indigo liefernder Substanz dimkelrotb. Wenn man solchen Harn
dann wieder alkalisch macht und mit Aether schüttelt, so geht in dici^en
das Indigorotii mit earmolsinrother Farbe Uber, ein sieliree Erkennnngs-
mittel. Im Uebrigen ist Indigoroth in Aether, Chloroform, Alkohol, Benzol u. A.
löslich, nnlöslicb, wie Indigubiau, in Wasser, verdünnten Siluren und Alkalien;
in eoneentrirter Schwefelsäure löst es sich ebeiifalls, aber mit rother Farbe und
bildet dann mit Alkalien indigschwefelsaure Salae; man mnss naeh dem Unter-
zeichneten zwischen indigblauschwefclsauren und indigrotbschwefeli^aureu Salzen
nunmehr unterscheiden, und ferner, da Indigoroth, wie Indig<tbiau ein Indi-ro-
weiss in der oben geschilderten Weise erzeugt, so musa man auch zwischen
Indigoblauweiss und Indigorothweiss unterscheiden. Keines Indigoroth bildet
granatrothe, knpferglimende Kryatalte. Sefaie LOenngen abaorbiren das GrQn.
Die braunen Indigofarbstoffe entstehen fast gleichzeitig mit dem Indigo-
roth ; ein Theil ist in Aetber, ein anderer nur in Cbh»roform Irtslich,
Nachdem wir somit die einzelnen IndigofarbstutVe des Näheren beschrieben
haben, kommen wir nunmehr anr Erörterung Iber ihr Vorkommen im Harn,
aus denen sie je nach der angewendeten Methode einzeln oder gemeinsam zur Dar-
stellung gelangen. Im normalen Harn lassen sich Indignfarlist'itTe meist nur in Spuren
darstellen, entsprechend der geringen Anwesenheit von Indoxylverbindungen. Nur
\m sehr eiweisareiober Kost, bei welober es im Darm zu starker Indolbtndnng
kommt, 7.. R. naeh Gennss von Eiern, oder aber nach hartniekiger Obstipation
kann auch im normalen Harne viel Indij^ufarhstotT dargestellt werden. Eine er-
hebliche Vermehrung ündet sieh aber meist nur in pathologischen Fällen, welche
allerdings überaus mannigfaltig nnd, so dass der diagnostiaehe Werth des reieh-
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HABNFARBSTOFFB.
licbeu VorbaDdeuseiQS von Indigo recht gering ist. Stets ündet man enorme
Menj^en diesinr Farbstoffe bei DarmvenehlDn , sei es dvreh eingeklemmte BiHehe
oder durch Darmverschlingung, Darmabknickung und Darmintussnsoeption. Hier
wird bei der .T.aff K'scheii Trohe der Harn ;rt'\vftl)iilich dunkelblau und beitii Er-
wärmen mit SalpeterBäure dunlvelroth. In iet/tereni Falle bilden sich auch noch
andere farbige Sobstauzen neben Indigofarbstotreu , deren Summe die ROSBN-
BACH'sehe Reaetlon anamaefaea (a. n.)« Ferner aber 6ndek rieii Lidigover>
mehrung nicht immer, aber zuweilen bei Mafrenleiden, z. B. bei Magenkrebs und
Ma^enerweiferunv' , ferner bei boeb^rradi^en InanitionszustJlnden und Cachexien,
feruer zuweileu bei Nicrenerkrankungcn, namenUicli bei Pyelitis, bei Darmlähmung
in Folge von ROekenmarIcs- und Gehimkrankhdtrai , sowie bei hoobgradiger
Taberkniose.
AnmerkuDg ]. An dieser stelle «ei die sogeaanote burgunderfarbea«
Beaction voo O. Rooenbeeh erwähnt, welebe dieser Aotor ktrslfeli b«se1trfeb«n hat. Sie
beetebt ilarin, dass der Harn, wi'li hiT die Reartinn crfriebt, (hinkellinrpnndt-rroth mit vinl-'lti'in
Schttttclscbauin sieh Inibt, weuii man ihu im Keagecs^lase j^uui frieden trhitxt und wenn niaa
dann ganz allmälig unter fortwährendem Kochen Tropfen um Tropfen Salpotprsäuro hinsasetzt;
gewöhnlich nach S— lÜ Tropfen iat die Keaction eingetreten. Der rothe Farbstoff dieasr Beactioa
ist, wie der Unterzeichnete zeigen konnte, Indigoruth ; auch bildet sich Indigoblan dabei. Anne^
dem aller werden am h noi li hraiiiie l arlistoffe, wie der Autor selbst hervorpeboben liaf , hat
dieser Re»ction gebildet, welche zu der cbarakteristiscbea Färbung derselben daä ihrige bei-
tragen: nach ihm sind es Phenolfarbstoffe , auch branoe lodigofarb-tioffe dürften sich dabei
Ii('tbeili;ren Nach R ose n ba c Ii hat die Heattion eine prognosti.sch wiebtij:" I'i' lHiitunjr. Lenkt
ihre Anwesenheit schon an und liir si< h die .\ufmerksanikeit auf eine Erkiauktiiig den Danne-s,
Melche mit InMiftiiienz seiner Function einherpcht , so ist ihr längeres, danerndei Bestehen
stetM von übler Vorbedentnox für daa Leben, da bei amao längerer Dauer der Beaction ein«
nmto grSnere FnnetioBsnnfilhigkeit des Darme« bewiesen wird.
.\nni erkling 2. Fast in allen Lehrbiii lierii der Harnanalyse liest man vom Vor-
handensein eines roti eu Seatollarbstoiles im niensehlic lien Harn. Wir imx-hten auch hier be-
tonan, wie wir es .schon öfters gethan haben, das.s es sich hierbei nur um Hy^radiMMl, aieht
nm Tbatsachen handelt. Moch niemals ist ein solcher Farbstoif im Menscheaham gesebea
oder gar dargestellt worden. Auch die diesem Farbstoffe entsprechende Hnttersabstani , das
scatow tseli w. l. N.ii;re Kali, wi I( hcs in derselben Weise ans dein Sea(<d des 1i,i> :im s sirb bild' ii
soll, wie die iudoxylvcrbindungeu aus dem Indol, ist noch nie im Meascbenharno dargestellt
worden Man htützt sich offenbar bei diesen Hypothesen anf Ffttterongaversache an Hnadea
mit Scatol. Hier ist es Hrieger einmal gelungen, eine Substanz darzustellen, die er ftir
scatoxylschwefelsaiires Kali anspricht; ausserdem bat dieser Autor und ferner U est er im
Hundehain naeb l'iiiierniig mit Scatol einen mtlien, leicht zersetzlichen , keineswegs ge-
reinigten Farbstolt beobachtet, von dem Beide ohne Weiteres annehmen, daas er ein iJcatolfarb-
Stoff sei. Ihre Anffiflit-n Ober die Beaetionen derselben weichen snm Theil erheblieb von mn-
ander ab. Im Mciisebenharn haben sie ihn nicht gefunden. Nach unseren CntersnchungSB
liudct sich bis jet^t keinerlei Berechtigung dafür, im Menachenharne die Anwesenheit von
Scatoxylverbindangen zu behanptan; sam mindesten sind sie nur bypothatiseh.
S, Das Uroro.sein (Harn rosa). Wer .sieh bei der Untersuchun*^
des HarncH .'uif Kiweiss der Srilpeters.lure zu bedienen i)fle;,''t, kann die Heob-
achtuug maeiieu , dass gar nicht seiteu , bvKunderä bei vursichtigem Zusatz der
Salpetersäure und bei geliadein ErwSnnen eine röthliebe Farbennnanee sieh ein-
stellt , welche zuweileu sof^ar vollständig' ro.saroth wird. Von dieser Tbatsache
aii-L'^<-tiend, hat der Uoterzeicbnete weitere Untersnobangen Uber diese Bothüärbung
augc^itellt.
Es hat sich dabei herausgestellt, dass aus jedem normalen Harn dieser
Farbstoff in Spnren dargestellt werden kann. Aneh dieeer Fariwtoff UMet sieh
niemals spontan , sondern kann nur künstlich aus einer farblosen Muttersubstanz
er/fiiirt wj-rdeii. Dit's ;r»'sehielit dnrcli Zersetziuijr der letzteren mittelst einer
Miueraisaurc in Verbindung mit einem u\,vdirendcu Mittel. Am achwäühstcu ent-
wickelt sieb der Farbstoff durch Salzsäure, verdOnnter Schwefelsäure, Phosphor-
säure in der Kälte , bei Gegenwart von Luft oder oxydirenden Rarnsubstanzen,
besser diireli kalte Salpetersiinre , noch siJlrker bi-i vnrsiclu iircni ErwJlrmen mit
allen Miucrals.'iurun , um siiirksten durch Mineralsäuren in \ crbluduug mit Cblur
(z. B. durch die von Japfe für Indigoblau angegebene Metbode, s. o.). Bei Vor-
nahme dieser Probe zeigt auch jeder normale, selbst indigoarme Harn schon im
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HASNFAR68T0VFE.
411
Kea^eu8glase Ko-^afilrbuDg' . besonders wenu mau etwa gebildetes Indigublau mit
Cbloroform eottemt bat. ia patliologiscbeu Fällen jedoch , wo der Farbstoff ver-
mehrt istf bewirken auch alle anderen Daratellangsmethoden schon im Reagens-
glase Rosafilrliun^'.
Der Farbstdrt' ist Äusserst zers etzlich und darnm nicht rein dar-
stellbar. Er läsät sich nur durch Amylalkohol, uicht aber durch Aether und
Chloroform dem Harn entziehen. In Wasser und verdünnten Säuren ist er lös-
lich ; mit Alkalieu aller Art entfärbt er .sich 'z. H. wenn man seine LOflung im
Amylalkohol damit schfittelt), um beim Wiederansituern mit Mineralsäuren wieder-
zukehren. Er ist also eine ääure, welche mit Basen farbloüeSalze bildet.
Er giebt einen charakteristischen sehmalen Streifen im Grfln,
dicht am Gell).
!>t der Farb^toÜ" selbst nirht darstellbar, so ist es doch dem Tritfr-
zcichneten nach einer hier nicht geuauer zu beschreibenden Methode gelungen,
seine M uttersubstanz in sehdneo farblosen Krystallen rein dar-
sttstellenf welehe weiterhin noeh untersucht werden soll. Der rothe Farbstoff
ist identisch mit demjenigen , \\ flehen einst Nencki und SiEHER in frewisacn patho-
logischen Harnen beobachtet und mit dem N-^men Frorosrin bezeichnet liaheu.
VorläuHg möge dieser ^aue (deutsch: Uarurosaj beibehuUeu werden, bis die
Analyse der Mattersubstanx einen beseiehnend«ren Namen gegeben hat Eine
AetherschwefelsSuro i:^t dieselbe übrigens nicht.
Was nun das Vorkommen des Harnrosa im H a r n betriflt, so iiat
der Unterzeichnete dasselbe im normalen Harne stets nur in geringen Meugen, eine
Vermehrnngdaj^egennurin pathologi sehen Harnen constatiren können.
Aber auch in normalen Harnen fanden sich trotz der stets geringen Gesammt-
menge doch >re\vissc IMlVerenzcn vor, welche nach den bisherigen, allerdings iu
einer ausluhrlichen Arbeit noch genauer und zahlreicher auezutUhrenden Unter-
suchungen auf die Kost inrOckgefahrt werden mllnen. Bei vorwiegender Pflansen-
kost nftmlieh fand sieh mehr Farbstoff, als bei vorwiegender Eiweisskost.
rathologisch vermehrt, fand der Unterzeichnete das llarnrosa stets nur
bei solchen Kranken, welche an einer Stoffwechselerk ran k uug litten oder
an einer Erkrankung, welche zu einem erheblichen Darnieder-
liegen des Stoffweehsels und starker Kräftecoosum ption ftthrt.
So fand er sie vermehrt hei T)i(tl,<tfs meUitus, bei Nephritis Jironica und
amtfJoiih'fi , bei Carcinom der verschiedensten Cirgane, bei Dilnfntio rentricuU
und andereu erheblichen MageuaÜectionen , bei peruicitiser Anämie, selten auch
bei hochgradiger einfacher Chlorose, bei Typhus abdominalü im späten Stadium
und bei Phthisia pulmonum in vorgeschrittenem Stadium.
Dabei » reignete es sieh nicht selten, dass der FarbstulT zuweilen mehrere
Tage aus dem bctreti'enden Harne ohne erkennbare Ursache fast verschwand, um
nach einiger Zmt wiedersnkehren. Genaueres Aber diese Verhältnisse und eine
tabellarische Zusammenstellung steht noch aus.
Ist man zweifelhaft, oh <'ine rothe llarnfärbiing auf Indigoroth beruht
oder nicht, uder ob sie auf llarnrosa zu beziehen ist, so ist es unbedingt nöthig,
den Harn alkalisch zu machen und dann mit Aether auszuschütteln; t^bt sich
der Arth» earmoisinroth, so liegt Indigoroth vor, bleibt er blass, vieUeieht etwas
gelblieh, so kann kein Indigoroth vorliegen, wohl aber Harnrosa; dasselbe wird
dann, wenn \ orlüunU-n , durch Wiederan.siluren des atlierischen Auszuges, wobei
Rothfäibuug eintritt, erkannt werden. \^Uober Uroerythriu s. obeuj.
Ein ROckbliek auf das, was wir im vorstehenden Aber die Hamfarbstuffe
aussagen konnten, zeigt, dass dieses recht umfangreiche und theoretisch, wie
praktisch, nicht unwichtige (iebiet noeh ungenügend durchforscht i^t. Die Schwierig-
keiteu , welche die Isolirung von Farbstotleu bietet, beruht sowohl auf ihrer
leichten Zersetzlichkeit nnd Vergänglichkeit, als auch auf der stets geringen Quan-
tität, in welcher sie vorkommen. Deshalb konnten von den dgentlieben Harnfarb-
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412
HARNFABBSTÜFFE.
Stoffen nur Indi^oblau und Indigoroth bisher in wirklloh vollkommener Weise
ohemisch untersucht werden. Dennoch sind weitere Fortschritte auf diesem Ge-
biete erwflBsebt. Die Faibetoflb de« Harns tragen in ihrer Art eben so viel duo
bd, dnas der Harn als ein Spiegelbild des Stoffweclisels, respective seiner Störungen
angesehen werden kann, wie andere Harnsubstanzen. und die Deutlichkeit, mit
weicher sie sich als Farben dem Auge darbieten, erleichtert ihren Nachweis unge-
mein. Es stebt in hoffen, dass, wenn einmal sämmtliche Uarnfarbstoffe chemiseh
und kliniscdi gennn dnrdiforadit nnd wenn ihre Beiiehungeo zu einander dentlieh
abgegrenzt sein werden, aueh für die Diagnostilc sieh viditige AnhaltspnalEte
werden finden lassen.
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H. Roain.
Hautkrankheiten, Biiderbeh.mdiung, h. lud, png. 01.
Heberden'sche Knoten, 8. Gicht,
Hemianopsia sntunn'nn, h. Blei, pag. 115.
Herzkrankheiten. Die Arbeiten anf dem Gcbietf der llerzpathologie
sind iiu vergaugeiieu Jabre in unerwartet h p ft r Ii c h o r Z a h 1 erschieaen. Wübrend
wir noeh vor wenigen Jahren geradeso toh einem Anfaehwange in der literari-
schen Bearbeitung dieses so wichtigen Tbeiics der Pathologie sprechen koanten,
miissten wir schon wn verprati'rf'nfn .lntirtM'iiien autTaIlen<l('n Rdck^aiijr «'onstatiren, den
wir jedoch auf einen besouderen Lmstaud zurUekführeu kouiitcu, nttmlich auf die
Ablenltnng, welche dss Bekanntwerden des Kocu'scben Verfahrens auf die wissen-
schaftliche medicinlsche Forschung geltend gemacht bat. Aber für das Jahr 1892
l.ls.st 8ic!i (iic-t r I nistand nicht mehr froltend machen , und wir wii*.sen ki-incn
rechten F.rkl:iruii^'^-;;rund. da wir auch niclit. abircsehen von der Choleraliteratur,
irgend ein eiiigreitendcs, die Literatur im vergaugeueu Jahre beherröcheudea
Moment ftlr die Spirlichkelt der Hersliterator ▼erantwortlieh maehen können.
K.s sind alle Gebiete der Herzkrankheiten gleichmässig von diesem Mangel
betrolFen. Auch die functiunellc Korsclninjr . welche im vorfranprenen Luntram zu
grusäcn Erwartungen berechtigte, hat ebentalls eine Niederlage erfahren. Selbst
die hier natflriich nicht niher zn besprechende CSamistik der in* und ansUndisdien
Literatur, die sonst sich auf gleicher HOhe in den einzelnen Jahrgftngen in erhalten
pflegte^ ist abnorm ?erinp trcliHeben.
Unter den vorhaadcuen Arbeiten stehen au Wichtigkeit obenan die-
jenigen einer Anzahl Forscher der Leipziger Klinik, von denen schon in den
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414
U£BZKBANRH£ITEN.
Vorjabfen eine Keilie bedeutsamer rntersuehnngen hervonnhebcn waren. Sie
fi^ehOren zum Theil der II erzph ysiol n^i e an. irreifen aher so sehr in das Gebiet
der Pathologie hinein , dass t^ie auch lUr diese \ on der allergrössteo Bedeutung
8MII mflaaen. Wir hatten bereits im ersten Ergänzungsbande aaf die Untersaebungen
von His nnd Rombfbg aufmerksam gemacht, welche gezeigt hatten, da<«.H die Ilerz-
ganglien mir sensibler N.-itnr seien, da sie vom Sympathien« aus in das Herz bei
der Eotwicklnng eret hioeinwaehsen. Es lag der ScLIuss nahe, dass der Herz-
muskel oiebt aar ebne Ganglien, sondern fiberbaopt ohne Nerven automatiseh
arbeitet. Eshab«! nnn Kbbbl nnd Romberg >) ftir das Kaninchenherz auf experi-
mentellem Wepe thaf.*:ieblich den Beweis t rbrnclit. dass der ller/niuskel ohne
Ganglien- und N e r v e n e i n fl n 8 s u t n ni a t i s c h arbeitet: natürlich
dllrite die Tbalsaehc tUr alle biiuj^ethierherzen in gleieher Weise Geltung haben.
Zn diesem Zvceke haben sie die Lage der Ganglien der Eaninebenhenen genau
studirt und gefunden, dass an demselben die \'entrikel und ihre Seheidewand,
ferner diejenifren Theile der Vorhöfe, die aufl^erlialb der l'nisehlajjstelle des l'eri-
cards liegen, endlich die llerzobren völlig ganglienfrei sind. Diese Theile haben
sie nun dnreh AbschnOrung mittelst eines Fadens gAozIieh ausser Zusammenhang
mit den Ganglien gesetzt, wflhrend die Herswand dadurch, dafs das Endoeard
erhalten blieb, im Znsanntienbanpr verbliel).
Die gelungene AbsehnUrung des MuskeU wurde durch eorgfnltige Prüfung
festgestellt ergab sieh nun :
1. dir Herzmuftkel des Sflu^eihieres beutst automatisehe Eigenschaften,
die ihn au rythmischer Pulsation lief.lhijren.
2. Die rhythmische Tulsation ist nicht die Heantwortung' eiues Kelzes,
welcher durch das in den Herzhöhlen oder den Herzgefässeu cireulireudo Blut aus-
geUIst wird.
3. Die automatischen Eifrenschaften sind in den verseLiedenen Theilen
des Herzens versehieden stark ausgebildet. Sie nehmen an dm Kinnitauliingsstellen
der grossen Venen nach den Ventrikeln /.u ab. üb die letzteren uuter den gewöhu-
liehen Cireulationsbedingungen zu automatischer Tbfttigkeit beflhigt sind, bleibt
zweifelhaft.
4. nie Frequenz des Herzschlages hängt von dt-r Mnseiilatur an der
Einmündung.s.stelle der grossen Venen ab, natürlich nur so lange, als üussere
Einflüsse (Vagus, Accelerans) nicht einwirken. Die Polsation der inneren Herztheile
iat keine automatische, sondern fortgeleitete.
5. Die Fnrtleitnng der (^ontraetion von den VorliöfVn zn i'en \ entrikeln
erfolgte durch bisher unbekannte, von His anatomisch featgestcUte Muskelfasern,
die Vorhöfe und Ventrikel miteinander verbinden.
6. Der altemirende Rhjrthmus der Vorhofs- und Ventrikelcontraetionen
hängt von der Anordnung oder der I^eschaffenhelt dieser Pasern ab. In welcher
Weise im Einzelnen i>t noeh zn ermitteln.
7. Die ilerzganglieu sind keine automatisclieu Ceutren. Sie sind au der
Uflberleitung der Erregung von den Vorhafen an den Ventrikeln, an der Erhal-
tung des alternirenden Rhythmus der beiden Herztheile unhetheiligt. Vielleicht ver-
mögen sie die Regelmilssigkeit des Herzseblages in gewissem MaS4»e SU sichern,
aber nicht auf directem, sondern auf retlectorischem Wege.
8. Vagus nnd Aceelerans treten durch das Vorhofgefleeht zum Herzen.
9. Vaguswirkung kann durch Mnskel- und wohl auch durch Nervenleitung
auf die Ventrikel tibertragen werden. In letzterem Falle w.lre dann die Verlang-
samung, respective der Stillstand des Ventrikels von den Vorhöfen unabhängig.
10. Dass in der Bahn der hemmenden Vagus- oder Aeeeleransfasern
Ganglien eingeschaltet dnd, ist sur Zeit durch nichts bewiesen.
11. Die von den Ganglien getrennten Ventrikel überwinden vermehrte
Füllung, gesteigerten Widerstand, wie das ganze Herz. Die Ganglien sind aUo
bei der Anpassung der llerzkraft an derartige Ansprüche unhetheiligt.
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H£UZKBANKH£1T£N.
415
12. Muscarin und Atropin wirken in typischer Weise auch auf die
dem Einf]iisso der Ganglien entzn^^enen Herzabschnitte. Di6 Aogrifibpankte der
beiden Gittt- »lud uisu nicht die Ilerzgauglieu.
13. unipolarer Faradisation dee HerzenR wird eine StArnng der
rhythmischen Schlagfolge ir h Reizung der Ilerzspit/e mit Strömen bewirkt,
welche am (Ibrifren Ilerzpii keinen Einfluss iui-sern. Die Empfindlie}ikeit der
Herzspitze gegen den faradischeu Strom erklärt sich aus der Anordnung der
Maaeidatar.
Wir haben im Vorgtebcndoi Bur die Untersucbungscrgebnisse der Forscher
angeführt, obne auf die böebpt interessanten Versuehe n.lher einznirehen. Die Be-
deutung derselben für Physiologie und Pathologie des Herzens dtlrfte von grosser
Tragweite sein.
Durch rie wird aueb der Untersehied swisehen wtlllcllrlieher
und unwillktirlicber Körper mii sc ulatnr ein viel jrrf^sscrer wie bisher.
Vielleicht, dass aiieh für die willkürliche Knrpermusciilatnr e-« sieb einst ergeben
wird, dass die Impulse, welche ihnen durch die muiurische >ierveufa8er zuge-
tragen werden, im Maskel selbst ohne Nerveneinflnss von Faser sn Faser fort-
geleitet werden.
Die Ernährung des Herzens tind ihreHezieliun<r zu seiner
Arbeitsleistung bildet den Gegeuataud eingehender Untersuchungen in einer
Arbeit von Zdictz <) , welcher die hierfttr ndthigen Experimente an Pferden vor-
nahm. Bei (ii«->en UnterHuchungen kam es ihm vor Allem daranf an, die Arbeits-
leistung (!(•< Hi rzens nach einer Methode -renau zu berechnen . welche auf der
Berücksichtigung des Gasgehaltes des Blutes beruht. Denn die bisherige Annahme,
das« d«8 Hen in 26 Stunden 75.000 Kilogrammmeter leiste, erschien dem Autor
sn gross im Verhaltnisa zur Qesammtarbcitaleietung des ganzen Mensehen , welche
pro Ta;r .300.000 Kilogrammmetcr botriljrt. In der That fand er nach seiner
Methode, die zweifellds ;renauer und wenio-er ein^rreifend ist als die bisherigen, einen
Werth, der um die Hälfte kleiner ist, n.1mlich 30.000 Kiiogramm-
meter; diese Arbeitsleistung kann allerdings bei vermehrten Ansprüchen nm das
Vier- bis Sechsfache irestei^ert werden.
Zu neuen wichtigen Er};el)ni.ssen haben die verdienstvollen rntersnchungen
geführt, welche K&kül^j über die Anordnung der Muskelfasern im
Herzen angestellt hat Bezllglieh der Ventrikel hat er gefunden, dass die An-
ordnung der Museulatur links und rechts eine völlig verschiedene ist. Links
bildet die Ilan|)tmasse der Wand ein llins:inuskel , welcher in sieb seligst znrdek
Uuft ; innen und aus:ien von demselben laufen sodann von der Vorbofsgrenze her
Längefasmi zur Spitze hinan, welche dort nach aussen, respeetive innen um-
biegen und wieder uacb oben zurücklaufen, so dass sie den Ringmnskel khunmer-
artig umgreifen. Ke< hts seheint die Mnseulatnr der erscblaft'ten Kammer regellos
angeordnet zu sein , im coutrahirten Zustande aber ergiebt t-ich eine vorwiegend
nach zwei Seiten hin gehende Anordnung , einmal eine Längsschichte von der
Vorhofsgrenze nach abwirts und eine zweite nach aufwärts in den Conus arferiae
puhnonah's hinein. Daneben sind auch Faserzttge vorhanden, welche in die
Papillarmuskeln einstrahlen.
Ueber die Ernährung des arbeitenden Froschherzens hat
Heffteb*) Untersuchungen angestellt. Es zeigte sich, daes Blut mit Kochsalz
verdllunt, das arbeitende Froschber/. sehr gut ernflhrt, wobei es gleichgiltig bleibt,
weleher Thierspeeies das Blut entnommen ist. Dagegen erwies sich Hlutserum
oder lackfarbeues lilut unbrauchbar: die rothen Blutzöllen also sind
die wichtigen Factoren, welehe die Emlhrung aufreeht erhalten.
An diese physiologisehen Arbeiten kOnnen wir nur wenige experi-
mentelle anreihen.
Bettelhkim untersuchte die Störungen der Herzmechanik nach Com-
presslon der Arteria coronaria ainwtraf welche er in toto oomprimirte. Es ergab
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HBBZKRANKHBITBN.
sichf daas hierdurch nur der Unke Ventrikel wesentUehe Störungen und
BeUiflssHeb Stillttand evAdur» wlbrend der reehte sunSolnt nMit belheiligt war.
Im linken Vorhof trat eine ganz bedeutende Drucksteigerang ein und
im Gefolge davon die von v. Bäsch schon oft beschriebene Lungenstarre und
Lungenschwellung, mit weicher eine stets gleichzeitig voriiandene Dyspnoe in
Verbindung gesetzt werden muss.
TaüCZBK und Vas*) haben mit einigen neueren Antipyretieit
Experimente Uber ihre Wirkung auf das Herz angestellt, und zwar andern
nach Kronecker isolirten und künstlich ernährten Frogehherzen. Beim Anti-
pyrin ergab sich eine Abnahme der Energie der Herzuuntractiuuun, welche der
Coneentration der angewandten LOeang proportional war. Der Stillatand der
Ventrikel erfolgte nach denyeoi^pBn der Vorhöfe. Beim Antifebrin steigerten
verdünnte Lftsungen die Energie der Herzkraft und die Dauer der Systole,
während grosse Gaben das Gegentheil bewirkten. Phenacetin war, soweit
lOalieb, ebne bemerkbare Wirknng.
Es ist bekannt, dass nach Exstirpationen des Kehlkopfes
zuweilen einige Tage nach völli^f geluriircncr Operation ein plötzlicher Tod diirrh
Syncope eintrat. GküSSMANN') bat auf experimentellem Wege eine Erklärung hierfür
gegeben. Er &nd, dafls, wenn man die Kehlkopfnerven durchschneidet und den
Stumpf des Nervus laryngeu$ »uperior reist, Hersstillstand
eintritt. Er nimmt an, dass im Wundverlaufe durch Narbenbildung eine eben
solche Reizung des durc-bBchnittenen Nerven eintreten kann, wodurch UersstiU*
stand und Tod verursacht wird.
Indem wir nunmehr an den vorhandenen klinisehen Arbeiten
übergehen , möchten wir hervorheb<>n , dass diesmal die Erkrankungen d es
Herzmuskels bei der spärlichen Zahl von Arbeiten verhältnissmassig noch am
meisten Berücksichtigung gefunden haben. Wir erwähnen hier zunächst die Mono-
graphie von Haiipbln*) Aber Erkrankungen des Herzmnskels. Das wichtigste
Ergebniss seiner Untersnohungen ist, dass die sogenannten functionellen
Störungen des Herzmuskels bei genauer anatomischer und histologischer
Untersuchung sich als schwere, parenchymatöse und interstitielle
Erkrankungen heransateilen.
Auf diese Thatsaehe hat aber ganx beaonden Kbbhl*) aufmerksam ge-
macht ; die Ursache der Compensatiftusstörun-r des Herzens bei
Klappenfehlern, bei A r t e r i o s e 1 e r o s e, bei I n f e c t i o u s k r a n k h e i t e n
aller Art sind makroskopisch oft nicht wahrnehmbare, mikro*
skopiseh abersehr erhebliohe paren ehymatOse und interstitielle
Veränderungen der Herzmusculatnr. Romberg''*) hat das Gleiebe
speciell nachgewieaen für die Erkrankungen des HersmuskelB bei Typhus,
Scharlach und Diphtheritis.
Auch OuBScmiANN ") betont fBr die Diphtherie, dass die Hers-
stiirungen bei derselben auf einer Myocarditis beruhen, welche
mikroskopisch jedesmal nachweisbar ist: er ^'laubt nicht, die Herzscbwiiclic auf
nervöse Störungen zurückführen zu sollen, in gleicher Weise beschreibt Öcuemm
die Veränderungen des Herzmuskels bei Racheudiphtberie , die Muskeln aeigen
fettige und kftmige Degeneration, das Bindegewebe ist lelienreich und mit Blut*
extravasaten durchsetzt. Als besonders wichtig verdient aber nn(«h die Behauptung
IvKEHLS '^j und seines Schülers Kk[,LH'"i hervorgehoben zu werden, dass näm-
lich auch bei jugendlichen Individuen, ganz spontan eine chruuische
Myoearditis auftreten kSnne, welehe durch den mikroskopischen Befind
sieh nachweisen lässt und welche nicht selten zu schweren Hcrz^itörungen führt.
Einen F.il! von Tuberkulose des Herzmuskels, liekanntlich eine
sclteue Erkrankung, besehreibt Pollak. Dass die Tuberkelbacilleu aut dem
Wege der Biatbahn v^schleppt worden sind, wird dureh eine Untersuchung
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H£RZKBANKH£ITEN.
417
von BiRCH-HiuscHFELD wahnohemlieh gMiiMbt, welcher im Hersthromben
Tnberk e I b a c i 1 1 e n nachwies.
Die Fälle von parox^^smaler Tachycardie , welche bisher beschrieben
wordeo sind, lassen die Frage nach dem Ausgange der Erkrankung zumeist un-
beantwortet, nnd der Verdacht , daes es aieh nm erhebUehere Stfirongen des
Herzmuskel» dabei bandeln konnte , ist im Allgemeinen nicht beseitigt worden.
Ander!> steht es mit einem Falle von habitueller Tachycardie, welche Hampeln
beschreibt und die in vüllige Genesung ausging, was umso bemerkenü-
wertber {at, als es §ieb um ein Idjährigea Leiden naeh Gelenkrheamatianraa,
welcher sogar mit Perioarditis verbunden war, handelte. Das Leiden bestand vor
Allem in einer Piil>b(schlcunigung , welche 120 betrug. Ferner aber traten An-
fälle von Herzklopfen hinzu, welche mehrere Stunden andauerton und in
einer eolossalen Besehleunigung und Arhythmie bestanden, natflrlieb verband sieh
damit Angstgefühl, Breefaneigun^, kalter Sehweiss. Der Anfall endete plötzlich,
fast kritisch. Die (Jenesitng trat in wenigen Wochen in einer Nervenlieilanstalt
ein. Uampelx vertnutbet, dass pericardiale Synecbien, die schliesslich rissen, die
Ursache der Erkrankung waren.
Die Syphilis des Hersmaskeis anlangend, nntersebeidet
Mbaceck I'}:
1. SquamuHo Neubildungen, welche ihre Prüdilectionsatelle in der
Wand des linken Ventrikels haben. Dieselben sind kirschkeru- bis taubeneigross,
niweilen ]clsi§ aerfallen nnd sitzen fast anssehliesslieh im Myooard.
2. Wdsslicbgraae , schwielige Platten in der Herswand: mikroskopiseh
ans schwieligem oder granulirtem Gewelie zu'sammergesetzt.
Wir halten im zweiten Ergänzungsbande aut die Ergebnisse aul'uierksam
gemaeht, welche Lbnbabtk bei seinen Untersnehnngen Uber das Verhalten
des linken Ventrikels bei Mitralstenose erhalten hatte. Derselbe hatte
gefunden , dass bei diesem Herzfehler sehr häutig'- der linke Ventrikel hyper-
trophirt. Im Gegensatz hierzu fand DUXBAR ^'^) in der HiEGEL schen Klinik , dass
der linke Ventrikel bei ganz reinen Flllen von Mitralstenose niemals hyper»
trophirt, sondern als kleiner atrophiseher Anhang des hypertrophirtan reehten
hinter demselbeu ziirfiekiritt. Dunbar ruaohf auch darauf aufmerksam, dass bei
Mitralinsufticienz iler linke Ventrikel, welcher aus bekannten Grfinden 13. 1. Er-
gänzungsband^ hvpertrophirt, solange eine genügende Compeusatiun vorhanden
ist, niemals aagleieb eine Dilatation anfwdst; diese bildet sieh erst ans, wenn
eine Compensationsstörung sich einstellt.
Wir möchten schliesslich noch eine Beobachtung Lkva s '"'i an dieser
Steile erwähnen, welcher die seltene Combination von Erkrankung der
Crallenwege nn4 uleerftser Endooarditis beobaebten konnte, sowie die-
jenigen von HiS'i>), welcher eine Anzahl von Herzkrankheiten bei
Gonorrhoe zusammeastellt, auf deren Znsammenhang wir schon frtther hin-
gewiesen haben.
Hinsiehtlidi der Therapie der Herskrankheiten kdnnen wir nichts wesent-
lich Neues beibringen. Wir möchten nur eine Arbeit Hibsohfeld's'*) erwftbnen,
welcher sich an der Hand mehrerer Krankengeschichten und auf Grund von
Stoffwechseluntersuclningen nachzuweisen bemüht , dass in gewissen Fällen
von Compensationsstörungen des Herzens eine Verminderung
der Ernährung den grCsstea Vorthdl bringt, indem sie eine Brleiohternng
der Herzarbeit bringt ; die Milchdiät eignet sidk gua besonders aar AasfDbmng
dieser Art von diätetischer Therapie.
Zum Schlüsse sei noch eine Methode erwähnt, welche Maass^^) zur
Wiederbelebung bei Herztod naeh Chloroformebiathmnng angibt. Dieselbe besteht
in einfaeher rascher, etwa 120mal in der Minute erfolgender Compression der
Herzgegend zwischen Spitzenstoss und linkem Sternalrande . wobei der Daumen-
balleu der geöffneten rechten Hand zur Compression verwendet wird.
Encyclop. Jahrbücher. III. 27
418 HERZKRANKHEITEN. — HÖRPRÜFUNG.
Literatur: ') Krehl QDd RomberK. Ueber die I!e«ientang des Herzmuskels
ud der Herzganglien u. s w. Arch. f. exper. Path. u. Tlier. ISH..', XXX. — *) Znntz, Die
ElnUirung dea H' rzens und ihre Rezielnuip: zu seiut-r Arl>cit>kt att l 'i ir-,rlie iiicil. \Viprlit>n-
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AbhdL d. iMt]i.^1i7rilE. Clane d. kgl. alebi. Akad. d. Winemch. Ldpsif 1891 , Xm —
*) Heffter, Die KniluilDf des arlfitenden Froschhcrr.ens Ardi f »Kijer. Path. n. Pharm.
1891, XXIX. — •) Bettetbeim. Ueher die Störungen der Herzmecliauik nach Compression
der Artrria curnnariu sinintra des Herzens. Zeitschr. f. klin. Med. 189ii. XX. — *) Tauczek
und Vas, Exper' meb teile Daten cor Wirkung einzelner oenerer Antipyretica auf das Herz.
Peit«r iBed.-diir. PresM. 1892. — Oroaamann, Heratod nach EeUkopfexsttrpatlonen.
Sitzunpsber. d. Wiener Bad. Clvb, 1892. — *) Hampeln, Whcr Erkrankmi;r« n des Herz-
mu.sk«l.s. StiittL'art lS!l2, Ferd. Enke — •) Krehl, Sit^tuog der med. (ieselischaft zu Leipzig,
ä.'l Feliruar 1^92. — '") Romberg, üeber Erkrankungen des Herzmuskels bei Typiius,
Scharlach und Diphtherie. Deutsche Arch. f. klin. Med. XLVIII, Heft 3 u. 4. — ") CuVsch-
mann, Bericht der med. Gesellschaft zn Leipzig. 8. Nov. 1892. — ") Sehe mm. Uelier
die Veränderungen der Herzmascnliitur u. s. w. Virchow'.s Anh. (JXXl. Heft 2. Kolle,
üeber primäre chronische ilyocarditis. Deutsche Arch. f. klin. Med. lbU2, 4ij. — '*j Poilak,
Ueber Taberkolose dw HeiwnnAela. Zeitschr. f. klin. Med. 1898, XXL — ") Bircb • Hirsch-
feld. T'eber Tnbrrknlnse in TTerzfhroniben. Natiirforscherversammliing ITnlle a. S. 1*^02. —
Hampeln. Ueber einen Kall habitueller und paroxy.stiscber Tachycaniie niit dem Aus-
gange in Genesung. Dent.sche med. Wochenschr. 1892, Nr. H5. — ") Mraceek. Zweiter
intera. dermat. Congresa zu Wien 189{i2. — Dunbar. Ueber das Verhalten des linken
Vantrikela bei Fehlem der Mitralklappe. Denteche Arch. f. klin. Med. 1892, Hr. 49. —
**) Lev.i, Zu den Bcziehnncron zwisrhen Erkrankungen der Gallenwege und ulcern.ser Eiidn-
carditis. Deutsche med. Wochenschr. Is92. Nr. 11. — His. Ueber Herzkrankheiten hei
Gonorrhoe. Berliner klin. Wochenschr. 1S'J2, Nr. 40. — -') Hirschfeld, Zur iliat.iisthen
Behandlang der Hensk rankheiten. Berliner klin. Wochenschr. 1892. — Die Metlu>i]>' der
Wiederbelebung bei Heratod nach Cblorofominhalation. Berliner klin. Wochenschr. l^'.i^,
XXIX, Nr. 12. H. Bobin.
«
H6rprQfling. (Vergl. Real-Bncyclopädie, II. Anfl., Bd. IX, pag. 567.)
Bekanntlicli werden seit langer Zeit schon zur Hßrprflfung die Uhr, die Sprache
und mtisikalipche Apparnte und utit^r diesen besonders die Stinnufrabeln ver-
wendet und von allen Ohrenärzten werden die Miingel, welche dienen Methoden
iu tuaunigl'achster Form anhaften, gebührend anerkannt. Es bat deshalb andi in
der neuesten Zeit nieht an Beetrebnngen gefehlt, Nenernngen und Verbesaemngen
einzuführen. Zunächst erwähnen wir den IMinno.L'r.-iphen , welcher von Lichtwitz
als einheitlicher Hörme.''ser empfohlen wordtii i.'^t und für dessen Verwerthunp:
auch StiäJSON eintritt. Da der Phonograph alle Tuue und Geräusche reproducirt,
da er feroer eine nahean eonstante Schallquelle ist, da er ferner das gesproehene
Wort hl allen V^ariationen wieder friebt, so sollte nach Lichtwitz mit Hilfe der
gewonnenen I'honofrramrae bei Auwendunj; des l'honofrraphen die Möfrliehkeit des
Vergleiches aller Hörprüfungen gegeben sein. Scuwabacu hat nun bei der Nach-
prüfung die Ervartungen von LtchtwitK nieht bestfttlgen kOonen ; er eooitatirte,
was übrigens früher schon von Oscar Wolfk des Wetteren amgeftthrt wnrde,
dass der PhniinL'raiih durchaus itii-lit d.'i'-ieniL'e Ici-^tct, was von pinoni Hnriiie«sor
erwartet werden uiuss. Es zeigte sich unter Anderem , das« bei lieuützuug des
Phonographen als Schallquelle alle Patienten mit verminderter Hörfanction, welche
der (Jnterandinng unteraogen waren, lehleeliter hffrienf als wenn de mit der
normalen Sprache jreprllft wurden: weiterhin zciirtc sidi , dass Patienten mit
Scleroso der Paukenhi'ihle, welche bei pewölmlicher l'nlttin;; nodi latite Stimme in
der Nähe des Ohres horten, mittelst den Phonographen absolut nicbta mehr ver-
nehmen konnten. Mieht beseere Resultate erreicht man mit den telephonischeB
Ilörraeiiero, deren eine grossere Zahl von Haihmanx. Dalbt, UBBANTSOHiTacB,
COZZOLINO, .TaC(ib.«on, (Jkadf.nioo u. A. cDustruirt wurde.
Abgegeben davon, dass diese Apparate sehr kostspielig und nicht trans-
portahel sind, l»ieten sie neben kleineren Vorflieilen nach Gkadknioo den Naeli>
äieil, dass es schwer ist, den priir r i Strom eonstaut zu erhalten, daas
weiterhin die Intensität des T'mi» -: iiirht in LrenÜL'-ondtT Weise trraduirt werden
kann und endlieh , dass man die Hohe des Toues nicht zweckmässig variiren
kann. Allerdings ist die Anwendung der Apparate in Anbetracht der com-
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BÖBPBÜFUNG.
419
plicirten r<m<:trtiotioii derselben snm Zwecke der Aufdeokang von SlnmlatlOD
empfehleDswcrtb.
Was weiterhin den Gubrauch der Sprache zum Zwecke der HörprUfuog
betrifft, so kat onn neuerdings Haonos stslt der bisker stets in Anwendung ge-
zogenen Flüsterstimme den Gebrauch der Lautspracbe wieder vorgescklagen. Er
begründet diesen Vorsclilatr damit, das« nach seinen Roobaehtuu?cn dif F!(ir<ter-
spracbe uicbt in einem testen Verbaltiüss zur Uuigangspracbe steht, und daas
sie namentliek von Leuten im TorgerOckteren Alter scklecht percipirt wird. Doeb
auch die Anwendung der Lautspracbc beseitigt eile die Schwierigkeiten und
Fehlerquellen nicht, wclehe sieh der llörprüfiinp: entfrejrenstellen . wenn man
nameutUcii berücksichtigt, welche acustischen Eigenscbafteu den xerscbiedeoen
Spmdilmuton innewohnen, auf welche bekanntlich Wolff bereits 1871 des
Niberen hingewiesen bat. Neuerdings hat nun Woltf im Anaehluss an sdne
frflheren Arbeiten festzu-tellen versnobt, welche Tonreilicn , hohe, mittlere oder
tiefe mit der normalen Tereeption versriieben, gut. scbwieriir oder p;ir nielit vom
Patienten gehört werden. Es kommt dabei nach Wulff bes<tnderi darauf an, das8
nicht blos, wie bisher, die Hfirwrite des Kranken quantitativ geprOft wird, sondern
dass aaeb die qualitative Hörprüfung ansgefflhrt wird. Das Spraehverständaiss
der Sch\verhori;;en selieitert nach diesem Autor vorzuirsweise an der niangel-
bulten i'erceptiua der ^^elb.sttöDenden Consunanteu . und dazu gehören iMiDguale,
B, T, Seh, S, ^moUe, wihrend die Voeale vermöge ihrer bedeutr*nderen Ton-
stärke und dor grossen Amplitude ihrer ScbwingunKcn selbst bei den sehwererea
Ohrerkrankunjren noch percipirt werden können. Unter Ziiirrundolegunj!: dieser
Tbatsacheu iheilt nun Wolff die Prllfuugslautc in 3 Gruppen: 1. hohe und
weittragende Zisohlaute iS^ 8ch nnd^-moUe, hob« und sehwaehe F-Lantot Fimä V.
PrUfung:3 Worte sind Messer, Strasse, Sftge, Feder, Frankfurt. Bei Störung der
Seh;illzuleitun;r wird statt Messer Meter, statt Strasse Hniten , statt Silfie Filden
gehört; ebenso werden die mit F beginnenden Worte verliört, statt Ft drr Leder,
statt Frankfurt Bratwort oder Antwort. 2. Die zweite Gruppe stclit die Kx-
plösioaslaute mittlerer ToabOhe K nnd T dar. Profnngsworte sind Tuppieh,
Tante, Kette. Kappe. Bei ihrer Aussprache entströmt die Luft dem Mnnde mit
verst'irkter Kxjdosdri und sie bewiiken am Trommelfell eiue starke EinwArts-
beweguug ; im Allgemeinen werden die Worte auch von Schwerhörigeu relativ
gut gehört. 3. Die dritte Gruppe enthält die tiefen Laute, das i?-Iinguale nnd
das tiefe U. Prflfungsworte sind Ruhe, Bruder, Kuheort, Reiter. Bei allen
diesen Prüfung'en ist immerhin eine frewisse Vorsiebt und namentlich auch, um
das Erratben zu erschweren, ein Abwechseln mit den Worten nöthig. — Dass
Nusser dieser Prttfnng mittelst der Sprache die StimmgabelprflfunK naturgemls«
nieht vemachlflssigt werden darf, bedarf wohl keines besonderen Hinweises, ob-
schon munebe Sl■bllls^t"ol^rerun^?en, weUibe bisher aus dieser T'ntersuchun^^smetlinde
und aus dem Verhalten der craniotyuipunaleu Leitung vielfach gezogen worden
sind, durch neuere kliuiücho Beobachtungen und pathologisch- auatoiuische Er-
fahrungen vielfaeh angexweifelt sind. Hier werden bexllglieh der Verwerthung
dieser Stiramgabelprüfung für die differentielle Diagnostik der Schallleituug und
Labyrintherkrankunfren noch erheblich mehr Krfabruiijren fresaminelt werden
müsseu , bis man zu einem einigermasseu brauchbaren Resultat wird gelangeu
können; denn die Hittheilnng, dass bei einer grösseren Zahl von untersuehten
Ohrkranken die Stimm^abcIprUfung verschiedene Resultate giebt, beweist bei der
feinen physiolofriseben Thäti^keit unseres (Ifln^roro'anes noch nicht, dass die
Störungen verschieden localisirt sind , und dass uicht Complioationen besteheu,
welche einfaeh der Untersuchung Kpotten. l^ne noch grössere Vorneht ist zu
empfehlen bei der Verwertbunfj der Resultate, welche sich bei der PrOfüng der
elektrischen Krrefjbarkeit des X> rvi/.v acitsf/rus ergraben , und welche namentlich
neuerdings wieder Gkadenigü angewendet wissen will fUr die Diagnose feinerer
Verftnderungen im Ernährungszustände des Höruerven. Auf Grund aller bisherigen
27»
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420
HURPRLFUNO. — HUKEOHRE.
neueren objectiven Prttfungen dieser Untersuohungsmethode ist der diagnostische
Werth derselben ein äusserst geringer, wie dies bereits früher Bernhardt,
neuerdings Pollak und Gartneb, Kiesselbacu and Benedikt wieder aus^^e-
aproebea hmben.
Literatur: Lichtwits, Pra^r med. Wochenaohr. 1889, XIV, pag. 47. —
Stinaos, Mew-Tork med. Racord. 1890b X^VU. Nr. 18, pag. 491. — Schwaback nad
Hainas, üeber Hörprüfung mid afailiaiiHeliaBeieicbnnn^ derHArflUiifkeit. Arob. f. Ohrnibk.
1801. XXXr, psK-Pl- — ririidenigo, Uebf-r ein iifues plektrisches AcnnietermniJell. Arch.
f. Ohrenhk. 18!iO, XX.X, — Cheval. Electroacoiimitre, nouveHe mithode pour la
recherche i/r In Surditt' rf«;i.s Us Coniieilg de Milice et de Rerision. Bnlletin de l'acadimie
roy. de mid. de Belgiquo. Mars 1^90, Nr. 3. — Oscar Wolff, HörprUfaugsworte ond ihr
differentiell-diaguustisehpr Werth. Zeitschr. f. Ohrenhk. 1890, XX, pag. 200. — Gradenigo,
Die Erkrankungen <lf^ StrrHs acuftkus. Arch. f. Ohrenhk. I8S9, XXVII, pag:. 105. — Der-
selbe, Ueber die elektriäclie Reaction des 2iervt*8 acu«licu« nod ihre graphische DarsteUong.
Arcb. f. Ohrenhk. XXVni, pag. 191, 241 mid ^. Bericht Aber daa IV. intaniatiimalen
Otolf);5encongress in Brüssel. — Kiesselbach, Die Hypertathesie des AciLsticns. Monatsschr.
t. Ohreubk. 18S9, XXIII, pag. 1. — Poliak, Ueber die elaktrische Erregbarkeit der Hör-
B«mn. Wianar klin. Weehenaehr. 1888, 31 ond 32; Pollak und Gitrtaer ibid. 1888.
E. B a g i n H ky.
Hörrohre. (Vergl. Real-Encyclopädie, U. Aad., Bd. IX, pag. 576.) Die
verschiedenartig im Handel und in Oelnanelie TorrUliigeii HOrrobre iMsea becflg-
lieh ihrer "V^rlcnn^ Vieles m wflnsohen Itbrig; sind rie Iclein, so ist ihr Nutzen
sehr gering', sind sie f;rrosf5 , so sind sie meist schwer zu handhaben und werden
njei.st schon deshalb von den Kranken porhorrescirt. Es ist deshalb eines neuen
von A.-^cuENDUui' cunstruirteu Ilürrohrea Erwähnung zu thun. Dasselbe leistet
zwar nadi meinen Rrfahrnngen, welehe sieh deeicen mit Beobnchtnngnn Anderer,
in Bezug au( Verbesserung der Ilörfähigkeit nicht ^ ^
viel mehr, als die übrigen bekannten Hörrohre,
bat aber \ür diesen einige unleugbare Vorzüge:
1. zmebnet sieb dasselbe ans dureb Kleinheit und
Leichtigkeit; min kann dasselbe bequem mit sich
und stnndoiiIanLr im (lehrtrfjano^ trajren : 2. sind
die Neben^'eräusche bei diesem Hörrohr entschieden
gcrinj^'er, als bei den flbrigoi ond ans den eben
angefahrten Grttnden ist das Hörrohr empfehlens-
werth. Dasselbe stellt einen doppelwandifren Re-
souanzschallfHn^'er dar mit folgender Construetion.
Es besteht aus 2 metallenen, etwas platt gedrückten
Hohlkegeln, welche in ihrer Mitte in einem Winkel
von 75** sanft gebogen sind, so das.s sie an der
Convexität batiehig erscheinen. Beide sind in ein-
ander geschoben und iin der Basis ringsum mit
einander TerlOtbet, sonst ragt der Ideinere frei in das Cavnm des grosseren hinein
und ist überall dnreh eine Luftschicht von ihm getrennt. Der innere Kegel hat
an seiner r<invexifSt 3 Sclialllncher mit lippenförmig nach innen vorsprinfrendeu
Künderu. Der üussere grössere Kegel erweitert sich nach üben kugelförmig
nnd setzt sich offen in rin rechtwinklig angesetztes Röhrehen fort, welches direot
in den Gehörgang gesteckt werden lunn. I>er ganzen Gonatmetion na^ ist dem-
nach der doppelwandige .'>ehalIfJinger nicht als ein gewöhnlicher Schallleiter anzu-
sehen, sondern als eine Combinatitm des einfachen Scliallfiingers mit einem Resonanz-
boden. Es bedarf noch des Hinweises , dass auch dieses Hörrohr nicht für alle
SobwerhOrigen passt, dass es namentlieb schon in Anbetracht seiner Kleinhmt, nnr
fUr relativ leichtere Firmen von Schwerhörigkeit mit Erfolg anwendbar ist.
Da« vom Rechtsanwalt Rkttio in Saarbrücken angegebene Hörridir hat
sich grossen Beifalls nicht zu erfreuen gehabt. Der Apparat besteht aus einem
parabolisch geformten Trichter aus Metall, einer Leitungsröbre mit Ansatzstflek
und enthält an der Aussenöffhung des Paraboloids eine mittelst einer Schraube
regttlirhare DftmpfuDgsvorrichtung, welche die störende Resonanz abschwächen soll.
HÖBBOHBE. — HYDEASTIKIN.
421
Die BÜt diesem groaMo und theuren Tonbringer an Schwerhörige augeätellteo
Versuche haben im Verh Utniss zu den anderen tonst gebr&nehlichen Hörrobren
Mine bosaeren Kesultute eri^ebcn.
Literatur: A. Rettig in Saarbrücken, Die „Tonbringer''. Monatsschrift fBr
Ohrenheilkunde. Berlin 189<'. -lahrp. XXIV, 5 und ö und Archiv für Ohrenhcilkund* XXI.X.
Beriebt ttber die norddeotscheo Obrenirzte, png. 133. — Aachendorf, Ein ueue.s Uurruhr
für SebwerhoriK«'. Berliner klin. Woehenaebr. 1891i 17. pag. 416. b. Baginsky.
Huminsubstanzen, s. uarn, pag. 407.
HydraStinin. Die blutstmende Wirkung des Hydrantinin.s bei Gebir-
nintterblutungen ist nach Gottschalk >) weseutlich von der des Sec.ile ver-
schieden ; ersteres wirkt ausscblieaslicb auf das GeßLsasysteui speciell auf die Ge-
ftsswandnng, es bedingt Gefilroverengerang , aber nidit einen Gefilssverscblttss,
wie dieser bei den puerperalen Blatnngen an der Plaeentarstelle erfordert wird,
ea wird d.tber dn.s Scealc, welches arif die üterusmusculatur contraetirmserreg-end
wirkt in allen jenen Füllen, wo Uteroscontractionen therapeutisch aufgestrebt
werden, zu ersetzen nicht im Stande sein. Demnach möchte GottscBALK die
Anwendung des Hydrastinins auf folgende Formen von Gebirmutterblntangen be-
sebrilnken, zmutcbst auf diejenigen, welche auf presteisrerte Oongestion des I'tenn
inrückzufiihren sind 'Menorrhagien jungfräulicher Miidchcu), ferner auf I?!utun^''en,
welche in einer Endoiuetritiä ihr pathologisob-anatomiscbes Subütrut liabeu, hier
wirkt das Mittel allerdings nnr palliativ. Propbylaetiseh, beziehnngawelse in intra>
menstrueller Anwendung wirkt es gegen die nach Auskratzung der üterusmueosa
zuerst wiederkehrende profuse Menstruation. Auch bei Blutungen, welche in Ver-
fluderungen der Uterusadnexa und deren Umgebungen begründet sind, sowie bei
cltmacterisehen Henorrbagien ist eiae günstige Wirknng zu erzielen. Faber')
gelani^t auf Grund seiner Versvohe an Schwangeren zum Resultate, dussdas Hydra-
stiniu wohl den schwanjyeren rterns zu Contractionen reizt, jedoeh .sind diese
Contractionen anderer Art als die Wehen, denn in keinem Falle konnte ein
schnellerer Fortgang der Geburt nach den Hydrastinininjoctionen auch nur mit
Wabraeheinliehkeit feetgesteltt wwden. Er hält dafUr, dass Hydrastlnin so wie
den schwangeren T'tcrns auch den nichtschwangeren zur Contraction bringt, was
für die blutstillende Wirkung des.selbt n iiDmerliin in Hetracbt kommt.
Hals^ann emptiehlt das iiydraätiuiu gegen Lungeublutungen in den
Flllen, In denen die Anwendung des Atropin niidit erwanscht ist, da dieses zuweilen,
besonders bd Neurosen, ConviiMi tu u hervorzumfen im Stande ist.
Als unangenehme Nebenwirkung von fortgesetztem Hydrastinin^'ebrauch
beobachtete v. Wild *) in einem Falle (39Jährige Frau) eine hartnäckige <ichmerz-
bafte Pharyngitis, er findet diese Wirkung ftbniicb der naeh grosseren Atropin-
dosen, die Beschwerden wlren als Folge einer Lftbmung secretorlschcr Nerven
aufzufassen. Die Patientinnen wären demnaeh auf etwa eintretende Rachen-
sehmerzen aufmerksam zu machen.
Bezttglieh der Darreichung des Mittels fand Qottschalx die snbeutane
Injeetion des Ihfdrostinmum hydrochlor. in die Glnteae am zweekmissigaten,
auch er findet die Wirkung der subcutanen Injecti' ti r.i-^cher rIs bei innerlicher
Verabreichung. Im letzteren Falle darf man nicht iiit lir als 0M>.') tilf^lieh ."mal
geben, sonst machen sieh gastrische Störungen allsubald bemerkbar. Vom Fluid-
extraet kann man 20 Tropfen Smal tiglieh geben, oline Nebenwirkungen fürchten
zu mllssen, welche tlbrigens beim Alkaloid dieselbeu sind wie beim Fluidextraet,
docii wirkt das Alkaloid sicherer und rascher. HAtrsMAXX gab bei Lwnjjenblutungen
täglich i — 4 Pulver Hi/Jmsfininum hijdioddor. a 0 026 Grm. uud lies-s das
Mittel auch nach Stillung der Blutung etwa 8 — 14 Tage, zu 0*025 Iroal tüglich
fortbrauchfin. Da Hydr.istin uud Hydrastin in eliiniiscli uud physioloiiisch
von einander versehiedeii sind . so ist die Vcrscbreiliunir diMitlich xu halten :
erstcres ist therapeutisch noch nicht versucht. Das Hy.lrattttniuum Jn/droc/tlor.
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UYDBASTININ. — HYSTERISCHES FIEBER.
wird wehren seines bittocii OcMbniaekes sweekmlsslg in Gelatineperlan k 0*025
des Mittels verabreicht.
Literatur: ') Gottschalk, Hvdrastinia bei GelmrnmtterblutungeD. Tberap.
Monatsh. 1892, pag. 252. — ') Faber, Bericht über die Wirkung des Hydrastinins. Au
d«r Frovinzial-HebaaunenlrhraiutaU su Oppeln. Therap. Monatsh. ib&'it Wi- •^32- — *) Hani»
mann, Hydrastinin fe^n Longenblntaniren. Med.-chirtirK. Rondichiui. 1892. pag. 847. —
') C. V Wild, T'el er -ine un iii^'cnehme Nebenwirkung TOD fortgWtHem Hydra.<itinin-
gebraacb. Dentsrh. med. Wochenschr. 18y;-5, Nr. 13. r-oebi»ch.
Hydroelektrische Bäder. (Vergl. Real Em > < lopädie, Bd. IX, pa- 67? ;
Bd. XXlil, pag. a3b.) beber das an frtUierer Stelle erwähnte GÄRT.NfiKsobe „Zwei-
sellenbact** sind ron Pbltzeb soeben (Jntersnehungen veröffentlicht , die so
dem — ftir Kundige freilich niclit flberrascbenden — Resultate geführt haben,
die auf dag „Zweixellenbad" gesetsten tberapeutisobea £rwartaagen erhebtieh herab-
zustimuea.
Peltzeb stellte sanächat vergleichende Untersuchungen Aber faradlaehe
Bäder an, einerseits unter Benntanng des Zweiiellenbades , andererseits mit dem
gewöhnlichen dipolar- n und mit dem SiEiN'schen „tripolaren" Hade (bewegliehe
Sch.Hufelelektrodej. Hi< rbei zei^'te .'«ich im ^ewöhuliebeii dipolaren und tripolaren
Bade eine weit gleiehmissigere allgemeine Einwirkung auf alie Theiie des Körpers,
die sieb aneb mit waebsender Stromstlrlte an den Polenden niebt sonderlieh fDhl-
barmacbte, während die» im Zweizellenbade dagegen der Fall war. Für galvanische
Bilder gestalten sich die »inttrschiedlichen VerhiUtnisse insofern anders, al.s die
den Körper passirende Strommenge im Zweizellenbade unzweifelhaft grösser ist
als im gewöhnlichen dipolaren Bade; die relative Stromstärke im ROrper ist
daher hier bedeutender — die a bs o 1 u t e Str^nistürke dagegen geringer, weil der
die einzipe Leitunfr bildende Körper des Badenden hier einen sehr viel gri .sscren
Ge^ammtwiderstand darbietet. Vorzüge für das Zweizellenlad liegen hier in den
VerhMltnissen der Stromverth eil u n g und Stromdichte, sowie femer aneb
in der mehr zur Geltong gelangenden Wirkung der einzelnen Pole. Um
die sp( cifi.s{he Polwirkun{r festzustellen, untersuchte Pf.i.tzf.k den Kinfluss auf den
Raum sinn, und fand hier, in Uebereinstinimunfr nnt KiLENBl UG und I^ma,
Erhöhung an den der Kathode, Abnahme au den der Anode unterworfenen Körper-
regioncn. Das Verhalten von Pnls und Temperatur fand Pei.tzbb wie beim gewöhn«
liehen dipolaren Bade. Von besonderer Wicbti^jkeit sind die Versuche über die
kataphoriscben Wirkiinjren, da in dieser Hinsicht frühere Autoren (Ei lf.niu lUJ,
Leuh) am 2ileufch(.n zu negativen liesultaten gelangt waren, wahrend Ehhm.ann
und Gärtneb dnreb das galvanische Zweizellenbad eine Ueberfbhrong von Qneek-
Silber und Ei^icn in den menschlicbcn Körper enielt haben wollen. PeltzBR
gelan^fte in .'> Versuehen mit Eisenbiidern (Zusatz von je 30 Grm. F^'rr. unff.
pule.) zu einem vollständig n e g a t i v e u Ergebnisse, sowohl fUr das tripolare
wie auch fOr das Zweizellenbad. Mit Redit hebt Peltzeb hervor, dass die obigen
dem Zweizellenbad eigenthOmlichen VorsOge für therapeutische Verwerthutig
„nur ciTii-ii liescliranktcn Nutzen liabeti, denn in weitaus den niei.sten F;i!Ieii sollen
die hyilruelektriseheu liiider docli nur <'ine mehr ^rleichmilssixe lliiutnervenreizung
und möglichst energische llciiex Wirkung ausüben. Dieses erreicht man aber unzweifel»
haft am ehesten und nadihaltigsten dnreb die Anwendung des faradisehen Stroms.
Für die l'iaxi.-? dürfte, also nur dort, wo man eine specifiscbe Pulwirkunj«: erzielen
will, dem Zweizellenbad vor dorn tripolaren , resp. dipolaren liad der Ndrziiir zu
geben sein". lEü. Peltzkr, Vergleichende Untersuchungen über das elektrische
Zweizellenbad. Therapeutische Monatshefte. März 1893.) EuUnbarg.
Hypodermoklyse, s. I) a r ni i n f 11 3 i o n , paj,'. 151.
Hysterisches Fieber, s. Fieber, pag. 297.
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I,J.
Ichthyol. Dfti lebthyol, ein »ehwefelhattige« Produot der Destillatioii
beftimmter, fossile FSaehreste enthaltender Mineralien , tlbt-r dessen Zusammen-
setztinsr und HewinnuTiff, chemische und physiolofrischc Eijjenschaften ich auf die
Angaben in Bd. X der Keal-Encyclopädie und Bd. X.XIV (Encyclop. Jahrb. Bd. II)
▼erweise, hat in den letKten Jahren sieh zn einem der betiebtesten, meist verord-
netsten Heilmittel aufgesohwnogeii. Dass das bei der hentigen Uebersehw^nmung
des Marktes mit stets reuen Heilmitteln, wodurch naturgemäss das Intereaee
zersplittert und ahj^olenkt werden mii-s. iiiclit leicht ist, ist ersichtlich ; umsomehr
muss dieser Siegenzug de» Ichthyolä aullalieu, als es bei allen aucrkeuueuswerthen
Vorsflgen swd naebtheflig» Eügensebaften sowohl fUr iaeaere als iniiere Dar-
reiehong bentst, nflmlieh schleehten Geruch und Geschmack.
Das auch ^'cp'cnwilrtig' noch am meisten verordnete Präparat ist das
Ammonium .sulfo-icittliyolicuin und deshalb werden wir, wenn wir vom Ichthyol
sehleehtweg sprechen , immer dieses Präparat mdnen. IKe ersten Bmpfeblangen
rührten von Unna her und bezogen sich zunächst nur aiif äusseren und inneren
Gcbraui'h Ix i Hautkrankheiten. Für die Anwendung bei Hautkrajikheiten hat l'XNA
eine Anzahl ueucr Applicationsweisen erprobt, die, von wenigen fasslicben Grund-
•itsen ausgehend, einfach m bandbaboi rind nnd ganz besraders für den Praktiker
bei Behandlung der Hautkrankheiten sich eignen. Vorzflge des Ichthyols sind seine
gute Löslichkeit in Wasser tind in Fetten, seine schmerzen- und juckenstillenden
Eigenschaften, seine reducirenden und geiitssvereugeruden Qualitäten. Daher ist
es bei inveterirten chronischen Eczemen , universeller Psoriasis, Erythemen, Acne
vidgari» und rosaeea , bei Pemionen ete. von grossem Erfolge, je naeh der
Sehwere des Falles, entweder nur ftnsserlieh oder äusserlich und per os dargereieht.
Für den ersten Zweck wird es in Fettsalbenform, in Glycerinsalben, in
Pasten, meistens 10— 20%ig, in wässerigen 1 — 10°/oigen, in 10 — 30*/oigen
alkoboÜseh-fttheriseben LOsangen, als lehthyolpflastermull, lehthyolsalbenmull, als
lebthyolleiui, Ichthyolfirniss, als Ichthyol watte, als lehthyolseife angewandt, während
ftlr die innere Darreichung meistens» Pillen von O-l Xotr. si/ffo-irJtthT/o/tc/ni,
Kapseln von Ammon. sulfo-idithyvLicum U'25, wässerige oder ätberisch-alkobo-
lisebe I^sungen in Wasser gereidht, bis zur Tageedosis von l'O Orm. genommen
wurden. Dass man damit durchaus nicht an die Grenze des Erlaubten heran-
gegan.L'cn ist, zeigte dass Beispiel NrssüAMJl's, der in einem Tage, soweit mir
erinnerlieh, 5 — 10 Grni. Ichthyol einnahm und sieh dabei sehr wohl fühlte.
Was umso wunderbarer erscheint, ist die augeuehme Wirkung auf den
Magen, die Verdauung, das Allgemeinbefinden, als doeh die meisten Patienten
sieh nur schwer an das Ichthyol des UDaugeuebmeu Geruches, Aufstossens wepen
gewöhnen. Die meisten Patienten haben sieh nach den ersten Tagen an da>
Mittel gewöhnt, fühlen sich leicht und frei und nehuieu meisteus zu. Zuklzeu
bat in seinen Stoffweebseluntersuebungen an Ichthyolpatienten den Grund dieser
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424
ICHTHYOL.
StoffwwhselbccinfliHSung fUeber den Einfluss der Icbthyolpräparatc auf dflm StoiT-
wechael. Monatsb. f. prakt. DermatoloKie. 1886, V, pag. 12) dargelegt.
Patienten, die den WiderwUleu gegen das Mittel nicht überwinden kouuten
oder HagmiseliiDenMi danui^ iMkaneiif gab m wenig«; die OorrigeDtiflii dee
Geruches und Oescbmackes scheineu bisher noch nicht ganz genügt zu haben.
Das aber >toht fest , dags aunner gerinpen Eozemen hei zu forcirter innerer und
äusserer Aaweudung niemals ungünstige Folgen beubaehtet wurden sind.
YerlasBen wir die Omppe der Hantlnraiikbeiteii , ao wenden wir ans sn
den acuten und chronischen Rbeumatismusformen. der Gicht, den serösen Ergüssen in
Gelenk- und Ki5rperhöhleu, deu rheumatischeu Neuralgien lIschisH und Trigeroinus-
neuralgie) , Migräne , und tinden auch hier vielfach günstige Mittheilungen in
der Liter»tar.
Was die Anwendunjr l)ei den rein rheumatischen Gelenk- und Muskel-
erkrankunijcn bctritlt. sn kann ich die Erfolfrc nur l)0-;t.1tiirf'n, doch Kcheineii die
Neuralgien, die Ischias etwa ausgenommen, ein weniger dankbares Object für die
lehtiiyolbebandlung zu sein : Die Anwendung würde hier so geeeliehen, dass mau
die befullenen Stellen entweder mit rdaein lebfbyol, mit 20 — bO^ff^igtat lebthyol-
lanolinsalbe stark bedeckt und den Absehluss durch Gumraipapier, Saliryl- oder
Ichthyohvatte vollziebt ; diese Therapie wird etws Morfrens und Abends wieder-
holt, jedesmal jedoch vor der neueu Applicaliou eine saubere Seifenwaschung
mit warmeni Wasser yorgenommen , um den Körpertbeil von den alten Resten
des Medieamentes zu befreien. Setict man diese V(»r8icht anitw Acht , so erhält
man leicht Eczenie. Relieht ist auch l»ei diesen Erkrankungen die 1») — 30* (,ige
alkoholisch-ätherische Ichthyollösuug, für die dieselben Grundsätze gelten. Die innere
Damichnng bleibt, wenn beliebt, stets dieselbe, nur dass mit der Zeit (Ncs8>
BAUM) höhere Dosen nöthig werden.
Eine ganz besdndere Hedeutun;r bat das Mittel in der Hehaiullunj de«i
£rysipela8 bekommen ; eiue Menge sehr zuverlässiger Beobachter mit immerhin
beaehtenswertber Casuistik schreiben dem Ichthyol gegenüber dem Erjrgipel fast
eine ftbniiclie SpceifioitSt an, wie dae Qneekailber gegenüber der Syphilis beaitat.
Wenn nun auch hierin der FnthusiasmUB Und die .Irztüche Dankbarkeit gegen
ein •rutcs Mittel die ruhi^re Krwiijrung etwas beeintlusst haben mögen, so .scheint
das günstige Kesuitat glaublich bei deu Versuchen, die Lattklx und Fesslek
binsicbtUeh der antiseptischen Eigeneehaften des Ichthyols gemacht haben; ver-
gessen darf nicht werden die pefitssverengende und reJueirende Wirkung, die
beide es denkbar machen, dass di<> in der Haut liegenden Coccen nunmehr uuter
ungünstigere Lebeusbediugungeu kommen. Erwähuen müehte ich hier weuigstens
noeh den ganstigen Einfluss des Ichthyols auf Verbrennungen , wobei besonders
die sehmerzstillende Wiritung ausserordenilirii L'erübmt wird. LAXtiK hat Parallel
versMclie mit I hinl an^eHtellt und i-^t zu dem Kesultat gekommen, dass das wohl
etwas betiuemere rhiol an Wirksamkeit dem Ichthyol bedeutend uachsteht.
In den letalen Jahren nun bat eine ganz besondere Ausdehnung die
lehthyoltherapie in der Gynäcologie genommen. Die erste Anregung für weitere
Verwendung gaben die FliEl NK sohen Publicationen , denen sieh l»ald eine wahre
P^lutb von Heriebten anderer ebenso gliieklicher Therapi-uten angeschlossen hat.
Gerühmt wird auch hier die auodyuisirende Wirkung und daneben die Austrock-
nnng, Abschwellnng der Gewebe, was sieh an der Schleimhaut binfig durch ein
neben der Abblassung hOchst auffälliges Einschlagen d<s Glan/es markirt; diese
Erscheinung scdl in Kurzem wieder normal irklnzender Schleimhaut Platz machen.
Zur Behandlung kamen meisteus Catarrhe des ( ervix und der \ agina, Endo-
metritiden, Perimetritiden, parametrisehe EntzOndungen und Exsudate, Metritis,
Erosionui eti-. Die häufigHte Form war di r 5 — 10* o'?e Ichthyolglycerintampon,
oder die Anwendung e<incentrirter lehthyol;.'^IyiMTiiil<'isnni;en fiä) oder das reine
Ichthyol iu Foru» \on :?cheideu-, Gcrvix-, Lteruspinseluugeu. Daneben wurden
vielfach Bestreichungen des Abdomen mit Ichthyol, Darreichungen des Ichthyol
ICHTHYOL.
425
per OS et per anum anprewandt. Niemals wurden höse Erfahrungen pfemacbt,
immer aber fiel die eutzUndungsbescbränkende, resorbireDde Eigenschaft der Dro-
gae allseitig auf: hiafig wurden Operationen an den Adnexis ete. flberflflsdg,
weil die Ichtbyolbeb.-mdluDg die Resorption so förderte, dass Schmerzen nnd Ez-
tudate verschwanden. Ob diese grflnsti^en Resultate -iich (L-uicmd zeiaren werden,
bleibt abzuwarten : darf doch auch nicht vergessen werden , dat^A faat nie die
lehtbyolbehandlung allein stattfand, sondern bydriatisehe Prooeduren, Diät etc.
mitwirktMi.
Kin bcfleiitsamp"? Analnjron der gttnstigen therapeutischen Wirkung zeigt
die Ideale IchtliVidtliPrapie der Uonorrhurd virth's et imiJ irbrin. Hie^e. seit etwa
Jahresfrist gebaudhabt, scheint das Icbtbyui mindestens neben das bisher bedeu-
tendste Antigonorrboienm, das Arg. nitr. in lebwaeben LAsnngen, zu stellen Die
Anwendung geschieht hier meist in 1» o Solutionen (wässerig), event. bis zu 5' o
Fteigend : starke Hesebrilnkung der Secretion, frilbes Verschwinden der Gonococcen
und allgemeine gU;;8tige Toleranz von Seite der Urethra sind die Vorzüge
des Mittels.
Bevor ich diese Skizze sehliesse, luuss ich der durch Damien'S empfoh-
lenen Anwendung des lehtbyols in liypodermatischer Form crw.'lhnoii. Die^^c In-
ject ionen, denen von Dauiens fast der Werth der Morpbiumiujection ohne deren
sebidHebe Nebenwirlsnngen vindidrt wn;d, sind von mir versehiedenflleh bei
Patienten mit heftigen Scbmensen versnobt worden. Jedooh wMon die Injeetionen
so schmerzhaft, das-; jeder Patient vor Wiederholung derselben sich strJiubte.
Dabei gab es Anschwellungen, die sehr lange persistirten und PseudoHuctuation
zeigten; zu Abscediruugen kam es nicht. Ob es au lueineui Präparat gelegen?
Jedenfalls darf die fimpfeblung Damibms* mit Vorsiebt aafgenommen werden:
ich werde aber zweifellos die Injeetionen noebmals mit allen Cauteleu wiederholen.
Literatur: ') Blittcrsdorf, Zur Wirkung d. Ichthyola bei ianarlicher An-
wendung. Thenip Moiiutsb. 1888, Juli. — ') H. W. Freund, üeber die Anwendung des
Icli11)y<ils in Fraiienkraiikbeiten. Berl. kliii. W hcnscbr. 1>!IU. Nr. 11. — ■'') H. W. Freund,
Neuer Beitrag zur Icblbyolbebandlung bei Fraueokraukheiteu. — *) v. Massbanm, Ueber
den laBsren 6«bnine1i des Idithyols. Ther. Monateli. Berlhi 1888. Heft I. — *) Richard
Bloeh, Witilieüunp til < r di" 1< nlbehandlung bei Frauenkrankh. Wiener med. Woi hcnschr.
1800, Nr. 50 u. .51. — ) Kei I luaun und Schönauer, Zur IchtbyolbehaudUniK von Fr;iuen-
kriinklK iteu. Wiener klin. Wochenschr, 1^1)0, Nr. — Uana, üeber Ichthyoltimisse.
ilooatsh. f. prakt. Dermatotogie. XII, Nr. 2. — ^) Scbwimmer, Das Ichthyol in seiner
therapentischen yerweodnng bei einselnen Haut- and anderen AfflsetioneB. Wiener med.
Wofbensehr. Nr. .M^ u. 30. — *) Enrico Reale, Das Ichthyol in der BdiandluDg iuuerer
Krankheiten. Gazetta dc-Ue Cliniche. 1892, III, Nr. 24. — v. Ho ff mann und Lansc-,
Beobachtongen Aber das Ichthyol nach dreijähriger Anwendung. Therap. Monutsh. 1-^S9,
Heft 5. — ") V. Brnnn (Lippspringe), Ueber Ichthyolbebandlong des Eryaipelaa.
Tberap. Monat <h. 1889. Nr. 5. — '*)Giacomo di Lorenzo, Das Ichthyol bei der Beband-
Inng einigt'r n.nnkr.inkhcitcn. Ari liivio italiano di pediatria ISiÜ . Novemlcr. Heff VI.
*^) Heinrich Schultz, Ueber die Anwendane desIchtbyolH in der Gynäkologie. Ürvosi ketiUp
(Ludapest). 1892, Nr. 26. — Miemirowsky (Moskau), Ueber die Anwendnug des Idithyols
Im! Frnni'iikniiikbeiten. Internationale klin. Randschau. l'^02, Nr.:-? — ") Alois Pick. Zur
Patliiilosi« unil Therapie der Auliiintoxicationen. AViener klio. Wothenst hr. 18!*:^, Nr. 4(J. 47. —
Max Lange, Thiol und Ichthyol. Monatsh. f. j>rakt. Dermatologie, IX, Nr. 1, pag. —
'*) Jadassohn, Uelier die Bebaodlang der Gonorrhoe mit Ichthyol. Dentsche med.
Wocbenscbr. 1892, Nr. 38 n. 39. — '") Hsnganotti, Riforma medica. 1892. 13. April.
TT, .Tahrjr. VITT. Nr 8.">. — Fessler. Flin. cxperiui. Studien ülxr rliir. IhActionskrank-
heitcn. Miim hi n I >'.'1 - i S c h a r f f - 1 c 1 1 i ii . Ein Beitrag zur Behandlung der Ent-
zündungen der I^rost;ita. .Acrztl. Praktiker. Nr. Ji i. — ") R e i n h o 1 d llerrmann, Uelier
die Anwendung des Ichlhyuls in der Frauenheilkunde. Inaugural-Diaaertation, 1892. — *'^) Ä..
Schneller (Tackandandah , Victoria), <>n Ichthyol und its n.*e in medieine and surgertf.
Australa.sian med. <;.izet1i-. ]X, Nr. [( u. \\t. — Stocijuart. />c rirlitln/ol, It-
trnitement de la Dyttptjtniv et dts troublt« c^jthaliqtiet et mi'retmeif Arcb. de mt-iiecine et
de chimrgie pratiqne de Braxeltee. — **) Stoeqvart, Notntdle» ohgervation» concemant
Varfion thi'r'i/inttii/itr <l<' f Irtif/iiiot. Journal d'Acciiuclienn'nt.-;. 1891, .\t")tit. — "-i Mortran
Dock rc 11. T/it' idliie nj Iclithij^l in di.sinsi.s <if flu .^hii,. 'S\t\.V\i:ii\ l'rc.^s and (.'irciUar. London
18£'^, 7. Dcc. - Robert Bell, Tht ti-fitnunt ot' chronic distaMe uf tlic utnine
adnejea. Brit. Grnaecological society. 1891. — ^'>i^antamaria y Bustamanta, Kl Ictiol «w
Eftudia Ctinico ij thaapetUieo. Ifidrid 1892. — **) Radcliffs, Jehthgol a remedjf
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426
ICHTHYOL. — INDIGOFARBSTOFFE.
/or ftmal Eryi^iinUts. Therapentic Oasette. Philadelphia 18^2, J6. Ma*. — Grandmont,
Ichthfot et $t(i pn'jHiration». Joanial denMedBe. 10. Abd4«, 1890, 7. Dee. — *') Polaeeo,
L'tttiolo hl Cinecoloijiii. Annali di Ostetricia e Ginecolojria. Marzo 1891. — ") Diimien.s,
De l'ichthi/ol en iitjectiunn hyj/odcrniKjiKes. Tb^se de Paria 189:^. Auch in besonderer") Be-
arbeitusf nochmals erschienen. — '•') Latteux, Rtchtrchet haetMologiqueti sur lea pro-
prUth antiseptiguu de l'Jchthiol. Bolletini et m^moires da Ja aociete <le nä-decine pratiqo«.
15. April Georg Rosenbaam.
Ileus, s. Da rmatenoae, pag. 192.
lUdZB. In dem Sarajewsku polje, 13 Km. von Sarajewo, der Hauptstadt
Bowieos, liegt das altbertthmte Schwefelbad Ilidie mit der mfichtigen Sohwefel-
therme gleiehcn Nameiu. Diaaelbe wurde von Prof. Ernst Lüdwio analysirt. Die
Temperator des Tbermalwassors betrug 51° C. Dm Wasser ist, frisch geschöpft,
ganz klar und far})1os, riecht intensiv nach Schwefelwasserstoli' und enthält in
10.000 GewicbUthcileu:
Sdkwefelsaures Kalinm 0*344
ScLwefetsaures Natriam 8- 11)1
Schwefelsaure^ ^^trontium 0*030
Bursaures Matriuiu 0*053
Cblornatrium 0*144
Chlorcalcium S'lOO
rutersehwetlig.saurcs Calcium 0*019
Pbosphur8aiirt'8 Calcium 0*013
Calciumbicarbonat 10*666
Magneaiumbicarbonat 4*547
Elsenbicarbonnt 0*077
Aliiininiiimiixyd o 012
Kieselsiiurc 0*485
Scbwefelwasseratoff 0'0:t9
Freie Kohlensäure 4*946
Lithium, Mangan, Ammoniak Spuren
Urgani.sche. Sub:jtanz 0"152
Summe der festen Bestandtbeile . . . 24-9U0
Speeifisehes Gewicht 1*0028
Das Thermalwasser von llid/.o ist deuinaeh charakteriairt durch einen
betrüi'htlifht n (iehalt an (Jlauliersalz , Clil(iri*ieii, doppeltkohh-iiaaurem Kalk und
freier Kohleu'iäure; von Schwcfelwasserstoti und untersehwetliger Säure enthält
es nur wenig. Es hat ^ne gewisse Aehnliehiceit mit den Sehwefettiiermalquellen
von Baden bei Wien. Ausser seiner ergiebigen Therme besitzt Ilidie noch eine
Reihe wichtiger BcdingungfMi für eiiu'ii Ciirort . be>;onders die schiinc Lage, das
gün^itige Kliin.-i, die unmittelbare Nähe eines Gebirgöbaehes und ein allen Anforde-
rungen entsprechendes Frinkwagser. Ein grosses Wohnbaus ermöglicht die Unter-
bringung der Cnigflste, im Restaurationsgebftude deren Verpflegung. Das alte
Badebaus enthält zwei grös-sere Bassins für Badende, das nach modernen Principien
erbaute neue H.'Klehau.s besitzt 11 Hadeeabineu mit H> l'orzellanb.ndewannen. Zur
Erzielung der flir die liiider erfurderlicheu Temperatur de8 1 hcrmalwassers wurden
swei Ktlblbassins angelegt Post- und Telegraphenamt, sowie der nahe gelegene
Bahnhof der von Sarajewo nacli Mostar führenden Eisenbahn ermöglichen einen
allen Anfi>rderuni--rn i iitspreeheaden Verkehr, so dass der mächtigen Therme eine
Zukunft nicht al*/.us|jreehen ist.
Literatur: iichwefelbad Iliüt« bei Sarajewo in Bennien. Von Prof. Dr. Ernst
Ludwig, k. k. Kofrath. Wien 1892. Kisch.
Impfschutz gegen Cholera^ s. pag. 163.
IndiCanurlei s. Darmstenose, pag. 192.
IndigofarbstoflTe, s. Harn, pag. 407.
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INDUCIRTES IRBESEIN. — INFUSION.
427
lndUCirte8 irraseln, b. PsyeliUehe Infeetlon.
InfUsiOn, SIlbCUÜUIB = Einspritznoir grOeserar FlflBngkdfsmeDgen
onter die Haut. Bei kleineren Mengen wird meist der Ausdruck „Injection'' vor-
gezogen. Iiie PhysioloErie hat sich mit der subcutanen Infusion acbon lange be-
schäftigt und die K e s o r p t i on vom subcutanen Gewel)eaus ohne weiteres
sehr frtih anerkannt. FUr da;) Verständuies der Ernährung der eiuzelnen Theile,
de« Stoffireehsels derselben , war ja aneh die Retorptfon der yerbrauehten
StotTe aus den Geweben ein ganz unerlässliches Desiderat. Rei den zahl-
reichen 8iibcutancu Versuchen, die von Magendiei), Emmert, Tiedem.\NN und
Gmeux bereite 1816 und in den uachtolgendeu Jahren ausgeführt wurden,
handelte es sieh gar nieht mehr uid die Bnbentane Resorption an sieh, aondem
darum allein, welchen speeiellen Antheil die Venen einerseits
nnd die I. y nn p h ge f .t s s e andererseits an der Resorption nehmen. Sie
seihst staud dabei ausser aller Frage. Immerhin war aber auch durch diese Ver-
snehe anf die grosse Sehnelligkeit der subeatanen Rssorption die Aufmerksamkeit
gdenkt worden. Kichtsdestoweniger hat vor WOOO in Edinbnrg 1854 Nie-
mand au eine t b c r .n p e u t i ß c h c Verwertbung dieser subcutanen
Injection wunderbarer Weise gedacht. WoOD-) war wieder seiuerseitd
beltanntiieh durch die PuAVAz'sche Injection von Eisenehloridlösuog in aneu-
lysmatisehe Säeke auf den Oedanken gebraeht worden, mit einer ibnlieben
feinen Spritze Injectioncn vim Morphium- und Opiumlösungen subcutan in der Nilbe
der leidenden Nerven voizunchrncn. Hierbei war ursprünglich mehr eine ener-
gischere Localwirkuug auf die leidenden Stellen selbst, als eine kräftige
Allgeroeinwirkung beabeiditigt. Erst allmillig im Laufe der Zeit lernte man mehr und
melir die Unschitdlichkeit und Promptheit dea Verfahrens auch betreffs der Allgemein-
wirkung erkennen , man lernte die Vorztige , welche der subcutane Weg selbst
vor den ersten Wegen voraus hatte, vollständig schätzen. Immer aber blieb
man noeh bei kleinen Sinritxen und bei kleinen Mengen stehen. Es waren
wohl sanlelist verzweifelte Fille, bei denen man zur künstlichen Ern.'ihning aueh
grr>ssere Fldssigkeilsmengen brauchte und bti der Langwierigkeit dieser
Zustände den subcutanen Weg dem Blutwege vorzog. Bei voller Unzugäng-
Itcbkeit der Veriauuugswege, Strieturen des Oesophagus, auch bei liagenkreha, bei
Geisteskrankheiten, bei hoebgradiger Ersehftpfnng, versoehte man grossere oder
geringere Mengen von defibrinirtcm Rlute, von Blutserum, von Milch, von Eiweisi-
und Zuckerlösungen u. dergl. auf subcutanem We^'c dem Blute einzuverleiben,
doch ohne besondere Erfolge. Die uugUustigsten Kesultate ergab das delibriuirte
Tbierblut« naeh welchem man, wie bri der direeten Bluttransfhsion dessriben,
Fieber, Hämoglobinurie, Urticaria beobachtet hat. Auch die Milch Hess sowohl
unverdflnnt als mit Waaser vermischt, betreffs der btcalen Cnschildlichkcit wie
der Sehneiligkeit der Resorption viel zu wüuscheu übrig. Zuckcrlösungeu , fette
Oele, aneh Blntserum, erwiesen sieh wohl als leiehter verwendbar, immerhin konnte
von einer subcutanen Ernährung auf diesem Wege keine Rede sein.
Nur die subcutane Injection indiflVrenter Kuchsalzlosungen bei acuter
Anämie erwies sich erfolgreich. FUr die acute Anämie iu Folge von Blutverlosteu
hatte Goltz *) sehen lange (VuoHOw's Archiv, Bd. XXVUI) den Standpunkt vertreten,
dass es in diesen Fällen nieht in erster Reihe der Bli^rerlnst sei, der snm Tode
führe, sondern der Flüssigkeitsverlust. Durch diesen allein schon müsse die Cir-
culati'in in I'nordnung kommen , das Herz arl)eite alsdann wie ein Pumpwerk,
welches leer gehe. Gelänge es, den kleineu Blutrest zur regelmässigen Bewegung zu
bringen, so sei die dringendste Gefahr beseitigt. Eine bessere Fttünng der Ge-
fksse arhon allein mit inditTer. : t n l'lüssigkeiten sei bei acuten Anämien daher
schon Erfolg versprecbenJ. Als iudiüerent kann das destillirte Was.ser bekannt-
lich nicht angeseheu werdeu , wohl aber diluirte Kochsalzlösungen von 0 bis
0*75 pro Hille. Diese lebensrettenden Koehsalsinfusionen in's Blut
428
INFUSION.
sind bei Anfiinieu hJiufip: jroniacht worden und hatten den momentan zu er-
wurteudeu Erfolg, wenn nicht die Ucrzaction bereite zu sehr in Folge der Anämie
gelitten liatte.
In Fallen von acuter Anfimie kann aber nieht blos die Koobsalzinfusion
in's Blut, sondern auch die subcutane Infusion in Fra^e kommen, um^^oniehr, als
in all diefien Fällen keine Zeit zu verlieren ist, die subcutane Infusion sich aber
«ehr viel raacheTf ab die Blotufnrion herstellen liest, der Entsehlass dazu aaeh viel
leiehter gefaest wird, weil die Operation ungeAhrlieher und unbedeutender ist. Wae
aber die Besor^niss anlangt, d.iss die Resorption vom subcutanen Gewebe aus zögern-
der und also weit langsamer eintreten könnte, alä die directe Biutinfusiou wirkt, so
haben schon ältere MAGBNDifi'ache Versuche ergeben, dase dies nach grösseren
Blutveriusten, sebon naeli Aderllsseo dnreham ni^t xutriSt. Bereits von ihm rtthrt
die Beobat-htung her, dass ein Aderlass dif Absorption biMcliItMini^rt , .«o dass
Phftnomeue, die sonst nur nach 2 Minuten eintrctfii, ji t/t nach einer li.ilbe Minute
erfolgen, während umgekehrt die Ueberfüiluuj; der lilutgefä.stie mit Flüssigkeit
die Resorption sebwftcbt. Die Resorption aus subentanem Gewebe war
also nach ^^rossercn Blut Verlusten rtseb an erwarten.
Dass der Krankbeit^proeess der a s i a t i s f h »• n Cholera, analo^r wie
der nach Brechdurchfällen, nur noch weit mehr, auf einen uueräctzbareu Wa^-ser-
▼erlöst ans dem Blute ttnd was die Kreislaufsersebeinnngen betrifft, also anf eine
sehr starke Blutleere hinauskommt, i!>t völlig anbestreitbar. Da die Cholerabak-
terieu im I>arnK'anaI einen lK'fti;^en FIxsudationsprocess bcrvorriifen, der /u !<tarken
Wasserverl uäten aus dem Blute fuhrt und da weiter wegen Durchfall, Erbrechen
nn^ £xsndatiov in den Darmoanal eine Neuaufnahme von FlOssigkeit aus Magen
und Darm gar nicht oder nnr in sehr geringem Umfang stattfindet, ho mus:^ eine
starke Wasserverarmun? des Blutes , eine Kintroeknung desselben f iiisju'ssafio
sniifjin'nis I »inau>I)Ieibli(;h werden. Dieselbe ;j:oht nioist so weif, dass in der Peri-
pherie , in den Extremitäten die Circulaliou im euterisch-asphyctiüehen Stadium
eriiseht, dass angcsehnittene Arterien kein oder sehr wenig Blnt mehr ausfliessen
lassen. Die W a sserabn a )nn e des Bluter ist das entscheidende Moment,
niebt im Entferntesten Erbrechen und Durchfall. Hei der sehr seltenen (J/iof*'>'a
sicca [Güll AKi) hat unter 2U7 Choleral^llen nicht ei neu Fall gehabt; findet mau
den Darm sebwappend voll, die Lihmnng der Hosealaris des Darmes verhindert doeh
immer nur, dass im Leben Erbrechen oder Durehfall eintreten. .\ueh ist die individuolle
Toleranz gegen Blutverluste, wie auch gegen Wa.sserverlustc aus tli iii Blute eine .sehr
verschiedene und stets gering bei bereits schon vorhandenen Krankheitszustttnden,
bei Caeh«cien, bei dOrfiiger Ernährung nnd besonders bei Herzleiden. Kranke und
Dürftige bilden aber ihrerseits ein starkes Cboleraeontingent. Sehr oft haben ab«
auch die Kranken Rehtoi Durchfalle gehabt, nur wissen wir ihre Anamnesi- nieht.
Dass am AntniiL'-e der K]»:il('mifn die scheinbar blitzähnlichen F.illc so häutig
siud , rührt zum Theil sicher davon her , daüs die vorangehenden Diarrhoen in
dieser Zeit noeh nieht im vollen Werth vom Pnblieum berOokdchtigt werden.
Onnte mau zur Zeit von Epidemien jeden «scheinbar blitsähnlichen Chcterafall
genau anamne.stisch und pathologisch-anatomiseh verfolgen, so würden sie gewaltig
zusammenschmelzen. Der eine hat nur keinen Werth auf seine Diarrhoe gelegt, der
andere ist armselig nnd dflrfUg ernährt und daher ein leichtes Opfer Jeder Ein-
busse, ein dritter berzleidend . ein vierter nierenleiilend. Bs Ist eine bekannte
Thats.ichr, da-;s die Statistik der rtidcsfnlbi in ( 'holen.) j.ttircn ^ar nicht in der zu
erwartenden Höhe emporgeschnellt wird, ein sicherer liuwcis dafür, mit welcher Vor-
liebe die Choieni Todeseandidaten ergreift. Ist es auffallend, dass bei allen solohen
Menschen die Herseireulation schon früh versagt? Nnr in wenigen Ansnahmsfilllen
stirbt der Mensch bereits nach geringen Wasscrverluslen aus dcm Blute. Zwingen
diese seltenen Ausnahmen «'ine andere Todi-sursaehe anzunehmen , oder ist es
nicht wissensehaftlieh richtiger, zu schliesseu , dass hier aus (iründen der ge-
gegebenen Constitution auch schon geringere FlOssigkeitsverlnste rerbängnissvoli
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werden? KiudiT sterben jn regelmilssig an ihrer Kinderch<ilera weit frtther, als
es bei ibneD zu den ausgeprägten Erscheinungen der Asphyxie kommt.
Neben dem starken Flttssigkeitsrerlust aus dem Blute selbst soll aber
keineswegt als ein weiteres die Gessmmtblateirovlatlon sehldigendes Moment die
starke catarrhalische Hyperämie der Sobleimhant des GastrointestinaloatMTbs Aber-
sehen werden. Der in der Cholera beispielloa heftigen Exsudation mnss eine
analog heftige entzündliche Hyperämie zu Grunde liegen und diese iu einer Aus-
debnnng, wie de kdn anderes Organ, als disaer lange Darmseblaneb anfirawdaen
hat. Die starke Verlangsamung der Blutoircuiation mit Randstellaug der Lenoo-
cyten im Darme bildet noch ein weiteres Moment zur Besehriliikunjr der Oesammt-
blutoircuiation. Auch an shockähuliche Einflüsse, wie sie bei Üarmatiectionen häufig
sind, konnte maa denken.
AH diese Momente kommen darauf hinaus, dass die allgemeine Blnt-
circtilation immer schwflcher und schwächer worden muas, frrösstentheil-*, weil das
Blut im Wasser sein Menstruum eingebllsst hat . zum Theil auch , weil das noch
vorhandene Blut in relativ sehr groiiscr Menge für die ausgedehnte eutzUndliche
Darmbyperimie in Anspruch genommen ist, endiieh weil hier snm Wiederersats
das lonst wichtigste Restaurationsorgan, der Darm, selbst verssgt.
In der klaren Erkcnnunpr dieser [ndication ist man daher schon frtth,
sobald die Cholera nach Europa gekummeu, auf den Gedanken der kUnst*
liehen Wasseranfnhr auf andere Wege tibergegangen. Zanaelut auf den
B I ti t w e g. In den verschiedenen Ländern hat man nahezu gleichzeitig und
unabhflnp-ig von einander diesen Weg versucht i'Latta, FRORiKr's Notizen, Nr. 727;
ZllJME&MA.NN, DiEFFEXBACU, Des injectiotis faües par les veincs. Paris 1855).
Immer wieder ist der Blvtweg aufgegeben worden. Gsmnrent lehrieb
darüber 1<S5 1 (VlBCBOw's Handb. d. spec. Path. u. Therapie. 22, pag. 364): „Auf
diesem We;re krmnen natdrlich ohne häufige Wiederholunfr der keineswegs un-
bedenklichen Operation dem Blute auch nur ganz kleine Wassermengeu zugeführt
werden und die erfahrungsmässigen Erfolge dieses Verfahrens sind bis jetzt so
flchleeht, dass man in keiner Welse sn demselben rathen kann, wenngleieh die
oft bedeutende und plötzliche Erleichterung, die manche Kranke uninittelbar
nach der Operation vernpüren, der frischere Blick, die Hclniiifr dos Pulses zei^'en,
da9S der Weg kein falscher ist und wenn mau gleich zugebeu muss, dass die
ungeheure Mehrzahl der Injeetlonen bis jetzt an rettungslosen Blanken auige*
ftohrt worden ist.** — In dem 1874 erschienenen ZiEMSSEN'schen Handbuch, II,
pag. 41.') iLkbert), Leist es: ,, Wasser in die Venen einzuspritzen hat sich als
durchschnittlich letal erwiesen und ist zu widerrathen. Wir haben nicht das
Recht, durch unpassende Eingriffe die Rettungsehaneen in mindern, im Gegen-
theil ist es unsere Pflicht, uns derartigen Methoden zu wldcnetMU.'*
Dieser V e r u r t h e i l u n g der B 1 u t i u f u .s i o n pr e e n ül» e r schrieb
Sami kl bereit» 1884 in dem Aufsatze: Subcutane und iutravenüae Infusion als
Behandlungsmethode der Cholera (Berl. klinische Wochenschrift, Nr. 40) : „Das
fehlende Wasser durdi direete intravenöse Infusion sn ersetsen, ist der niohst-
liegende Gedanke. Gegen diesen Plan läSSt sich keineswegs etwa der Einwand
erhel)en , dass die intravenf^se Infusion schon oft vergebens gemacht worden ist.
In derArt, von der Dauer, die allein Erfolg verspricht, ist »ic thatsüchlich
noch nie gemacht worden. Die Indication auf S4 — 36 Stunden hindnreh, so lange
als das Stadium aipidum dauert und der Waaserverlust in Permanenz ist, den
Htatttindenden Verlust xn er^rtzen , ist weder prJleise gestellt, noch weniger cor-
rect auszuführen versucht worden. Eiumal, zweimal, auch viermal wurde infundirt,
aber bis sum Ende dieses Stadiums niemals. Der allein rationelle intra-
veniisc Infnsionsversuch ist also aoeh nie gemacht worden, würde durchaus nett
sein. Ist dieser Versiieh nnn rathsnmV Alle, welche derartige Versuche gemacht
haben, geben einmüthig eino alsbaldige erhebliche Besserung der Blutcirculatioui
eine hofl'nungserweekende Aenderung an. Während die anderen therapentisehen
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Methoden völHir eindnickslos auf den Kranken blieben, waren hier stet:* sichtbar«
Zeichen der Üesseruug vorbandeo. Mur hielten sie nicht vur. Mach einiger Zeit
begann der Verfall wieder, selbstverstlndlieh, da ein eontinniriiclier Wasserverlnst
nnr daroh hinfip bis >u Ende wiederholte, nicht aber dnreb einige wenige Bin-
spritziin^en gebf'«eert werdfMi kann. Viele Experimentatoren peben aiioh :in. das-^
8ie die Wiederholung dieser Infusion beabsichtigten , aber durch die l'nruhe des
Krauken daran Torhindert wurden. Die Krämpfe machten die Wipderholnog un-
mOglieh. Hier haben wir die dne anf der Hand liegende Sehwierigkeit , welebe
pcbon die Operation Relb.st zu verhindern , ihre nnerlflsslicbe Wiederlmlnnsr un-
möglich zu marhcn geeignet i.st. Würde aber diese Operation während der flauer
von 24- 36 Stunden so oft als nötbig. also vielleicht 10 — 15mal wiederholt
werden , bo mflrote aneb die Gefabr vielfaeber Phlebitis nnd wegen Forttreibnng
der Gerinnsel aueh die vielfacher Embolien entstehen. Das sind die Bedenken,
welche gegen den Blutweg erhoben werden nitl'JHen. Sie sind schwerwiegend geuu?,
um diesen Weg, der durch die rasche und vullständige Aufnahme der gebotenen
Flflsaigkeit an sieh einen nnerkennbaren Vorzag bat, zn vermeiden.** — So
Bobrieb ich 1884.
Seitdem ist in der Kpideini»' von ^^'^'2 sowolil in Pari> nrieb Havkm's
Methode , als auch in Hamburg ein sehr umfangreicher Versuch mit der Salz-
wasserinfusioa io's Blut gemaehi worden. Im gut geleiteten, mit allen Hilfsmitteln
versebenen Cbolerakrankrahanse, unter untadelhafter Antiseptik nnd bei guter
Assistenz hat sieh auch ein Theil der obigen Bedenken a.\i hinfällig erwiesen.
Die (iefahr des Lut'(i'intritt''S ist bei richtiger Auswahl der Venen vermeidbar.
Durch feine Gazetiltcr war es möglich, auch diu fciusten festen Körperchen, welche in
die Injeetionsflüssigkrit geratben sein kOnnen, surllekzohalten nnd Geftssverstopfongen
zu vermeide. Anderes als kleine gutartige Infarcte sind aber auch nach vielfaehea
Blutinfttsionen nicht festzustellen gewesen. Wülirend die Gefahren geringe nnd
l>ei guter Technik leicht vermeidbare sind, ist die Wirk.'^aiukcit eine ganz emiueute.
Besonnene nnd bochangesehene Hamburger Beobachter, wie'ScHBDS, Rumpf*),
entwarfen enthusiastische Beschreibungen. Die ra.sche Wiederherstellung der Hlut-
circulation mit all ihren Folircn in Puls, Ge-^ichtsauslnick , Theilnahme . Wohl-
gefttbl , ähnle fast einer Wiederauferweckung der i'odteu. Im ganzen Bereich der
inneren und chtrurgisehen Therapie gebe es niehts Ueberrasebender«! nnd Frap-
pirenderes; 6— Tmal sei mitunter diese Infmion gemaeht worden. I^ne genaue
Statistik fehlt noch. Aueli in den allersehwersten Fallen scheint der Reeonvale-
BOeuzsatz auf 18 — ,1 zu klimmen.
Das neue Stadium, in welches die alte Sakwasserinfusiou iuK Blut im
Jahre 1892 gelangt ist, ist des Znsammenbangee wegen in dieser Darstellung voraus»
genommen worden. Ilistorisch ist aber aueh die Wiederaufnahme der
i n t r a v e n rt s e n Infusion erst a ti s der D i s c u i o n (Iber die subcu-
tane Infusion und deren BegrUudung hervorgegangen. Man braucht
nnr irgend eines der maasgebenden oder aueh nur cnsfimmenfassenden Werke Uber
die Cholera vor dem Jahre 18U2 in die Hand zu nehmen 'v. Zikm.ssb.v, H. Aull.
1886, Cholera bearbeitet von KosSBAfH; EnLENBrRc'.-^ lical-Kncyc!.. 1. iin.i i? AuH ,
IV, pag. 252j, und man Uberzeugt sieb, dass von der iutravenöseu Infusion ent-
weder gar nicht oder nur in verartheilender Art gesprochen wird. Erst naehdem
durch die Debatte Aber den Wasserersatz des Blutes auf dem snbentaneti Weg die
UnerlftSSlich keit des Wasse rcrs at zes scharf in den Vordergrund
gerückt worden ist, ist aueh die directe Methode dc'* Ersatzes durch Infusion in's
lilut aus ihrem Sehlummer wieder erweckt worden.
DiebOTeitas^t 1854 beiuinnten subcutanen EinspriUungen waren
seitdem in allen Choleraepidemien und liberall zu den Zwecken verwendet worden.
f(ir die man ursprünglich (lberhauj>t diese Applieationsmethode verwendet»', das
heisst also zur Anwendung kleiner Mengen von Narcotica und Excitantia. Die
Verwendung derNareotiea surMilderung der äusserst schmerz-
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haften W ad e u k ril lu p fe war eine selbstverständliche. lu der Epidemie von
lÖÖti wurde aber aucb Uberall von den verschiedensten Excitantien ein umfan^-
reieh«r €^braii«1i gerotebt. Osbb hk Wien gab an, dass von 60 mit raboutaner
Kamplieiinjectioii behandelten Kranken 5 genasen. Draschb'iJ Venoohe mit sub-
cutaner Itijection von Aether, Moschus und Kanipher fielen franz ne»;ativ aus. Auch
schon zum WasHerersatz des Hlutos war die subcutaue Salzwasserinfusion
nicht blos von Cantani *'} 1665 und Gcnning ') 1866 beiläu6g empfohlen, sondern
auch schon von BBtGBL") nnd Osbr in der Epidemie von 1866 wiederholt ver-
sucht worden. Bbigrl hat in einem bereits vollständige asphyctischen Falle hypo-
derraatiscb an Waden, Schenkeln, Annen sieben Unzen Wasser iniicirt, welche
BCbnell resarbirt wurden ; die demnach ciutreteude Beäserung verauliiHSte denselben,
noeh eine zweite und dritte Injeetion von Vf^ und 4 Unzen zn maehen, allein
der Kranke erla? schliesslich doch. Oser machte analo^'c Mittheilungeu. Sei es, dass
diese ^lisserfolge der ersten siibciitaücii \\'a.ss('rinfiisioiH'n abschreckend ge-
wirkt haben, sei es dasä die Behandlungsmethode zu schwach motivirt erschien, gewiss
ist, dass diese Methode, kanm anfgetaueht, alsbald wieder vollständig aus
der Literatur, aus der Discussion, aus der Pra.xis verschwand.
Es ist eine lii-^torisclie Thfit^aclie . die für sich selbst spricht. Vmii 1>^6G — 1883
haben xahlreiehe Choleraepideniien in Europa und Amerika stattgefunden , 1867
bereits schon in Italien, Russland, Oesterreich, Preussen. 1870 begann eine neue
Pandemie, die von Rossland aus fast dureh gaos ESuropa und dnreh Nordamerika
zog und erst 187.') erlosch. Trotz der tausendfach gebotenen Gelegenheit — weit
über eine halbe Million betrugen die Opfer dieser Epidemien — wurde die subcu-
taue Wasserinfusion weder gemacht, noch auch nur nachdrücklich wieder empfohlen
und debattirt. Die Literatur kennt sie nidil Wo waren denn in dieser ganzen
Zeit die Befürworter und Vertheidiger der subcutanen Wasserinfusion ? Hit welchen
Gründen und mit welchem Eifer verfochten sie den einmal von ihnen gemachten
Vorschlag? Prof. Cantami schreibt j^itzt pag. 2 seiner Schrift: Die Ergebnisse
der Gbolerabehandlung mittelst Hypodermoelyse und Enteroelyse während der
Epidemie von 1884 in Italien (Leipzig 1886) : „Es lässt sich begreifen, dass man
in d n Jabren l9^i^'^ und l "^'?;!, wo ich die Methole in eini^'en Familien vorselilnj;:.
aber in Folge des hartuilckigen Widerstandes der behandelnden Aerzte davon
abstand, dass man, sage ich, Gefahr lief, bei irgend einem gcfUliigen Staatsanwalt
wegen fahrlässiger Tödtnng denueirt zu werden, wenn man das UnglOek gehabt
hätte, die ersten Kranken zu verlieren oder wenn die neue, von den therapeuti-
schen Gebräuehen so abweichende .Methode, dem theoretischen Haisonnement zum
Trotz, durch Zulall sich wirklich als nachtheilig in der i'ra.\iä bewährt hätte.
Oesehieht es doeh zweifellos, dass dne noeh so streng dnrchdaehte Theorie bis-
weilen in der Praxis daran scheitert, dass irgend ein Umstand, der auf den Er-
folg von Kinfliiss ist, nicht zu unserer Kenntnis-; irelanirt." — Zweifellos, aber
eben so zweifellos ist, dass mau mit solchen Bedenken keine neue Therapie ein-
fuhrt, nicht den Widerstand der Welt besiegt.
Als 1888 S.AMUEL die Schrift: „Die subcutane Infusion als Behandlungs-
methode der Cholera" publicirte, wirkte diese Schrift als ein Xovum. Als ein Novnni,
weil die schwachen Anregungen, die vor fast zwei Jahrzehnten 1865, 1866, gegeben
worden waren, gar keine Beachtung gefunden hatten. Niemand wusste von ihnen.
Niemand vertbeidigte sie, die eigenen Urheber hatten sie auQp^ben. Als ein Novum
wirkte aber auch die Schrift, weil sie ausführlich nachwies, dass im Wiederersatz
des verloren gegangenen RliitwasHcrs ein physiologisches Postulat zu ert'üllen ist
und dass es bei geeigneter Auwendung der subcutanen Infusion wohl möglich ist,
diesem Postulat in ganz gefahrloser Form zu genttgeti. Dass eine snbeutane Infti-
ston zwei- bis dreimal wiederholt ebenso wenig l^fVn t wie eine gleichartige intra-
venflse Infusion bei der Fortdauer der Darmausseheidungen haben kf'tnne , liegre
auf der Hand. Anders aber, wenn die Wasserzufubr zum Blute andauert. Aucb
ein Danaldenfiue bleibe voll, wenn sdn Wasserverlnst nur immer ersetzt wird.
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432 INFUSION.
Lösbar aber bleibt die Aufgabe doch immerhin, weil nur 3 6 — 4 8 Stunden
hiudurob die heftigen Ausscheidungen in den Darm anhalten,
nur so lange das enterisoh asphycdsehe Stedimn daaert. 8o lange ist keine intn-
venöse Infusion mögUcb, wohl aber eine eontinuirliche subcutane Infnsien. Ob aber
das ünterhautbindegewebe in der Cholera rcsorbirt? Im Anfanjre gewiss überall.
Werden doch alle freien Wasstrsuctiten rasch aufgesogen, schwinden sie doch
gänzlich w&hrend des Anfalls, im späteren aspbyctischen Stadium liegt die Blut-
eireolntion in der Peripherie nller^gs gans darnieder. Dooh je näher dem Henen,
desto länger dauert sie an, und bis zum letzten Athemzuge muss das Blut vom
Herzen durch die Halsgeftisse bin zur Mcdulla olilon<fata fliessen. Hier in der
^iähe des Herzens haben wir also eine sichere Resorptionsstätte. Dass eine solche
subcutane Ininsfon, die allein Erfolg TerspraiA, die eontinnirliehe wlbrend
des ganien asphyctiscben Stadiums an gesicherter Resorptionsstütte, noch nie
gemacht worden war. bedurfte keines Beweises. Vielen mochte der (Jedanke kühn
erscheinen, Allen war er in dieser Form neu. Mit der subcutanen Salzwasserinfu-
sion, irie sie vordem ganz uobekllmmert um den Ablauf des asphyctisohen Stadiums
gedacht und gemacht worden war, hatte dieser Plan nur den Namen, nicht den In-
halt gemein. In weiten Kreisen schlug dieser Plan durch, Jeder meldete sich jetzt,
der etwa einmal au die subcutane Infusion als an eine mögliche Behandlung der
Cholera gedacht hatte, in weiten Kreisen hatte man das Gefühl, dass doch noch
niebt alle Hdgliebkeiten ersehOpfk seien, dass man energiseb und naehbaltig ver-
suchen müsse, dieser Vitalindication, dem Wasserersatze des Blutes, nachzukommen,
da die Darmkrankheit doch nach kurzer Zeit von selbst abläuft. Die Geister waren
wachgerufen, das physiologische Gewissen geschärft. Auch C.\NTAM liess nun beim
Auftreten der Cbolera in Neapel 1884 den Staatsanwalt Staatsanwalt sdn und nahm
jetzt unter ausdrücklichem Hinweis auf meine Schrift die subcutane Ittftuion mit
Lebhaftigkeit auf. Er nannte sie Hypodermoclyse. Das Gleiche thattn Maracliano
in Genua, Angyan in Pest, Kepplkb in Venedig, Letzterer am meisten meinen Vor-
schlägen gemäss. — — Indess hatte Koch in der b^hmten GboleraoonfDrenz 1886
„den Symptomeneomplex des Choleraanfalb, den man gewöhnlich als eine Folge
des Wasserverlustes und der Eindickung des Blutes auffasst. im NYcscntlichen als
eine Vergiftung des Blutes" dargesiellt. Aus dieser Ansicht konnte sehr leicht die
Gleiehgiltigkcit der Wiederberstellung des Blutwassers und der Blatmenge gefolgert
werden, eine Folgerung, die ieh indem Aufsatse: „Ueber die Choleraintozieation'*,
Berliner kltoische Wochenschrift, 1885, Nr. 36, eingebend bekämpft habe.
Es ist bekamit. d;i>H sowohl in der grossen Hamburger, als auch in der
kleinen Berliner Epidemie des Jahres 1892 die subcutanen Salzwasseriufusioneu
mit Erfolg angewandt worden sind. J. Hicbabl»), der zu den frflbzeitigstea
Kämpfern für die subcutane Infusion gehört (er gab unmittelbar nach Publication
meiner Schrift an, das« er den Vorschl.ig der subcutanen Wasserinfu«ion in der
Erwartung, sie gelegentlich auf ihren praktischen Werth zu prüfen, in einer bezüg-
lichen Arbeit bei der Akademie der Wissensebaft in Berlin niedergelegt habe),
ferner Lauenstbin, Kümmel u. A. sprachen ans, da.s.s zwar die Erfolge der Blutinfn-
sion glänzender und ra.-jcher auftreten, dass alter die der subcutanen Infusion,
wenn auch langsamer, doch nicht geringer und, wie es scheint, nachhaltiger seien.
Sie behaupten, mit dieser Methode dasselbe Resultat wie mit der Blutinfusion
erzielt zu haben, unter Vermeidung aller dw Gefahren, die von der direeten Blut-
infnsion mehr oder minder unzertrennlich seien , auch unter Vermeidung einer
plötzlichen l eberlastung de-! Herzens. r>azu sei die subcutane Infnsion eine von
jedem Arzte leicht und ohue Jede Assistenz, auch unter schwierigeu Verhiiltuitisen
ausfllhrbare Operation. Sie wirke nur nicht ganz so raseh. in der kleinen, aber
sehr gut beobachteten Berliner Epidemie wurde von P. Guttmaxn ") die physiolo-
gische Koch.^alzlösung nur subcutan angewandt mit meist gftnstitrcm Erfolge für die
Wiederberstellung der Blutcirculation auf einige Zeit. Dieser Beobachter sieht diese
subcutane Wasser^InfMon zur Verminderung der Eindieknug des Blutes für den
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433
«inzigeo, seit 1866 in der Behtndlang der Cbolera gemaehten Forlsehritt an. Ge-
rade in der snbeutanen Anwendung liege der Fortschritt. Denn die intravenfiBe
Infusion von 1 Liter sei schon laD°re j^emacht worden, doch sei sie we?en der
immerhin nicht einfachen Technik nicht in die alltägliche, regelmässige Praxis
einzuführen. Darum war der Vorschlag, die Kochsalzlösung unter die Haut zu
injidren, adner Helonn; naeh ein glfieklieher Gedanke. Denn die Infiuion selbst
gri)S3erer Menden erfolgt lüer aiemUoh raseh, besonders von swei SteHen, eventuell
unter Bt'ihilfc d»'r MasaaH'o.
Versuchtiu wir uuu, uns an der Hand dieser ErfahniDgen ein Urtheil über
die Therapie des aspbyetiseben Cboterastadinms au bilden, so brarsebc suntehst
Einstimmlfkeit bei allen eompetenten Beobaehtwrn, dass in diesem Stadiim nur
der WasserfTKatz dos Blutes Überhaupt noch eine sichtbare Einwirkung zu üben
vernjag. Alle anderen Heilversuche (^interne Mittel, Klystiere, Bäder) sind zunächst
ntebt bloB erfolglos , soudern auch gflnzlieb eindmeksloe. Bs lisst sieh gar kein
Effect von ihnen nachweisen. I itr Wasserersatz des Blutes, wie er auch
herfrestellt werde, fibt , wenn nicht bereit< Afronie da ist, einen bandgreif-
lieben, wenn auch nicht immer dauernden Effect aus.
Auf beiden Wegen der Wassereinspritzung waren grosse Waase r-
m engen nOthig und wurden auch grosse Wassermengen im Ganzen gnt vertragen.
Gewiss kommt ein Zeitpunkt in der Afrnriic, in welchem das Herz zur Fort-
bewefjunp LTi-sserer Menden unfShijr wird, doch ist dieser Zeitpuukt schwer zu
bestimmen. Das subcutaue Verfahren wird als das tschonuugsvollere , da^ lUut-
infosionsverfahren als das rasehere geltm kennen.
Die Temperatur der lofusionsflUssii^keit kann auf 43* genommen
werden , da Abkdhlnn^r duch nur zn rasch stattfindet.
Die Zusammensetzung der InfusionsHUssigkeit war nahezu Überall die-
selbe, man wiblte die sogenannte physioiogisehe KocbsalaKfsang, also 6 — 7 pro Hille.
Nur wenige fügten andere Salze hinzu, Cantaxi z. B. Natron carhonicum 3 Grm.
auf 1000 Wasser, unter Verminderung des Kochsalzes auf 4 (Jrm. Reizmittel
wurden mehrfach besonders eingespritzt, von Kepplek wurden 10 Grm. absoluter
Alkoboi der Injeetionflllssigkeit hinzugefügt. Nur Kbfplbr gibt für seine allerdings
geringe Zahl von Fallen besonders gute Erfolge an.
Bei beiden Methoden hat sich alsbald wieder nach einigen Stunden ein
Nachlass der anfänglichen, sehr hoffnungsvoll aussehenden Besserun<; eingestellt.
Ks wurden neue Infusionen nöthig, die auch nicht immer dauerndeu Erfolg hatten.
Der Grund der geringen Naehbaltigkeit der anfangs so vielverspreehenden Besse-
rung kann in ganz verschiedenen Ursachen gesucht werden. ZunHchst
darin, dass die Exsudation in den Darmcanal ihre bestimmte Zeit lortdauert, die
neu eingespritzte Flüssigkeit in bemessener Zeit also wieder aus dem Blute aus-
gesehieden werden mws. 8o lange das enterisehe Stadium fortdauert, kann man
sich nicht im Geringsten darttber wundern, dass nach eiui^en Stunden wieder der
grösste Theil der Infusionsmen«re wieder an" dem Hlute transsiidirt ist, es kann ja
gar nicht anders sein, denu diese Infusion hindert Ja nicht die neue Transsudation,
sondern ersetzt nur den Verlust, hält aber seine Erneuerung nidit ab. INeser Fehler
roüsste durch eine mfiglicbst continuirliche Infusion gebessert werden. Auch ein Da*
naidenfass bleibt voll, wenn der Zu^^atz dem Abjjantr entspricht und es kann keine
unU'sbare Aufgabe sein, durch Zufuhr, sei es auch von mehreren Stelleu aus den con-
tinuirlicben Abgang zu ersetzen. Dieser Aufgabe soll der von Samuel angegebene
Apparat zur continuirliehen Infusion fKOnigsborg beim Instrumenten-
macher Grunewald) naehkommen. Das Wesentliche dieses Apparates besteht darin,
dass mittelst Troicar von Vornherein in der rechten und linken Infraclaviculargegend
ein Einstich gemacht und je eine Canuie subcutan festgelegt wird. Zwei Gummi-
sehlSnehe, die von einem doppelarmigen Irrigator stammen, stehen mit diesen
silbernen Canfllen in Verbindung. Dadurch ist die Möglichkeit gegeben , dass
zuniicbst von zwei Stellen aus Infusion und Resorption stattfindet, dass ferner,
Eneyoloi». Jabrbftcber. III. 28
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INFUSION.
sobald dieselbe elnseftig atoekt, an dieser Seite die Infusion gehemmt wird, nm
der Resorptiou evcntnell mit Hilfe der Massage Raum zn geben. Da dies alter-
nirend fresclicht'ii kHnn , so licdarf (•■; nur der Narlifilllnns: in das Wassernreffl^s,
um eine üontiuuirlicbe lofusion wühreod des ganzen enterischen asphyctischen
Stadiums, 24 — 86 Stunden hindurch, ja darOber hinaus an enrielen. Es wird erst
klargeatellt werden mOPSen, wie viel dureh dne solehe eontinnirliche Infnrion
gepentlbor einer nur immer wieder naeh Hedflrfniss wiederholten Infii^i^m zu ge-
winnen ist. I^ie ruliit'c fricichni.'is.'-ifrc Ernilhrung, welche allein der '^nntinuirlif he
Bluttiuäs gestattet, kann durch einen permanenten Wechsel /.wischen starker und
sehwaeher Bluteireulatton nieht ersetst werden.
Von Vielen wird aber die geringe Dauer der Wirkung naeh der Salz-
wasserinfusion nieht der Wiederan8?cbeidnng des Wassers , sondern der Cholera-
intoxication zugeschrieben. Da die Wiederausscheiduug des W^asscrs in den
Darm wAbrend der Dauer des enterisehen Stadiums immer stattfinden muss, so
muss dieser Verminderung der Blutmasse sieber ein Tlieil der Wirkung zuge-
schrieben werden. Davon ganz unabhilngig kann die Frage der Cholera-
intoxicatiuu erörtert werden, äie könnte ein neues weitereü schädigendes
Moment au der dnrdi die Animie bedingten Sehftdigung hinsufligen. Versttadigen
wir uns aber sunflehst Aber den Begriff Oboleraintoxication. Eine solche kann
nur dann als erwiesen angesehen werden, wenn im Blute der Cholerakranken
wahrend des Lebens und z u Heginn des asph yetisehen Stadiums (denn
das lyphuid steht hier ausser aller Discussion) ein Gift nachweisbar ist, welches
die Tbfttigkttt dos Heraens an deprimiren geeignet ist. Am Blute , am mdgliehst
fHsehwi Blute der Cholerakranken ist der Beweis zu fahren. Es ist nicht bekannt
geworden , das» er neuerdings nur zu führen versucht worden ist. In früheren
Epidemien sind aber vielfach Einspritzungen des Blutes von Uholerakrauken bei
Thieren mit «ranz negativem Erfolge gemacht worden. Hau hstte nie mit solcher
BL>titiuntlieit in der vorbakteriellen Zdt die Keimhypothese gegenüber der (üftliypo-
tliese diT ( tiolcra bevorzu^'t, wenn ein Oift im Blute Chn!er;ikrank<T iiachweisb.Hr
gewesen wilte. Und Giften gegenüber spielt die Immunität der verschiedenen
TItierspecies durchaus nicht die Rolle, welche sie Bakterien gegenflber spielt.
Ein Gift wirkt auf das eine Thier wohl stärker, auf das andere schw.lcher, aber
dass ein für den Menschen starkes Gift für fast alle iintcrsiicbten Tliierspecie»
ganz unschädlich ist, dürfte kaum nachweisbar sein. Alter auch tür den Menseben
ist dies Cboleraberzgift ganz problematisch. In U5 % aller Cboleraf^Ue cum min-
desten reicht die Abnahme der Blutmasse, die durdi die Portdauer der Trans«
sudation sieb immer wiederholt, zur Störung der llerzaction aus. Für die re.sti-
renden T)** ^ ist die rn8i<'berlieit der Anamnese, die Decrejtiditilt der befallenen
Individuen, Complication mit llerz-Nicrcnleideu u. dcrgl. in iietracbt zu ziehen.
Unter solchen Umständen liegt kdne Nöthigung fUr ein Heragift vor. Gegen du
Herzgift spricht, dass dasselbe nur ein Gift ad hoc wftre, da gar keine sonstigen
frühzeitigen Vergiftunfserscheinungen naebweisliar sind. Das gegen (Jilte sonst
80 empfindliche Nervensystem bleibt im usphyctischen ötadium ganz autfalleud
iataet, wibrend es im Tjrphoid alslNild hochgradig affieirt wird.
Bine Blutvergiftung im enterisch asphyetischen Stadium ist also bw
jetat nieht erwiesen . aber auch die Giftigkeit der I ; e i s w a s s e r s t ü h 1 e
ist noch nicht erwiesen. Auch hierfür liegt aus den früheren Kpidemien ein weit
reichhaltigeres Material vor , als aus den neuesten. Von frUh au hat man die
Thiere mit Reiswasserstllhlen gefDttert mit mnst negativem Resultat. Die Beob-
achtung Dr. Richard's in (Joalundo, auf welche sich W. Koch berufen hat, der
Schweine nach Fütterung mit IJciswasserstiihien in 15 Minuten bis 2' , Stunden
sterben sah, ist ganz isulirt geblieben; Niemand liat sie bestätigt. Bekannt und
noch viel wichtiger ist, dass Reiswasserstflhle wiederholt, von Kindern absiditsloa,
von Aerzten mit Absicht ohne Jeden Schaden getrunken worden sind. Gifte
mttssten sich in irgend einer Weise wirksam gezeigt haben, von einer vollen
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INFUSION.
435
Immunitit den Cholengiften gei$«nflber konnte doch bei Meaieben hvLw Rede
sein. Die Giftigkeit der Keiswassersttlhle würde aber noch lange nieht die Giftig:-
keit des Hintes beweisen , denu es sind oft Gifte im Darme , die niebt in s Hliit
kommeu, uud bei einem so intensiven Exsudationspruces.<e dient ja die Bxsudation
gerade dusii, nm das in die Gefdsswinde des Darmes eingedrungene Oift wieder
//ri^r/ monii za eüniinlren. Darin eben besteht tirr s.ilutäre Werth des Ent-
2 U n d u n ps p ro c e 83e 8, dass durch die Ex-iiidHtiou die I rsaclie der Kxsudation
«nagesebieden, beseitigt, für den Gesammtorganismus unschädlich gemacht werden
Icann. Noeh viel weniger fBr die Cbolenüntorieation beweiskräftig sind die Gifte,
welehe bei Züchtung der Kommubacillea auf anderem Nilbrbuden (ausserhalb des
Körpers) ^'efundcii worden sind. Die Vergiftunu: des Cholerabliites mus-« an der
(iiftwirkung des frischen, früh dem Kranken entnonimeneu
Cholerablutes nachgewiesen werden. Dieser Beweis allein ist entscheidend,
kein anderer.
Die Skepsis geirc n die Choleraintoxication bat ihre ^iiteii Grflndf. Han-
delte es sich lim ein Gilt, welches von den Cholerabacillcn im Darme ;,a'biUlnt
wird, das Epithel uiid die oberste Schiebt der Darmäcbleimhaul abtodtet , dauu
resorbirt wird nnd ▼om Blute ans die CirenlationaorgaDe lAbmt, dann wäre
Stopfung der prSmonitorischen Diarrhoe das Verkehrteste, was wir thun können.
Wir m(!ssen alsdann alle Scblfusen öffnen nnd sie nicht scblies^en. In allen
Epidemien, auch jetzt, ist aber in diesem Stadium gestopft worden mit allen mög-
lieben Stopfmitteln, Opium Inelusire, nnd mit ganz gutem Erfolge. Lassen wir
uns nur durch höchst zweifelhafte theoretische Bedenken nicht den lUick für die
otfen daliegenden rhatsuehen trfibcn. So frllh als mi-irlich bei Jeder Cliolera-
diarrhoe zu stopfen, hat noch nie Jemandem die Choleraintoxication gebracht, wohl
aber hat das Gehenlassen der Transsudation snr Asphyxie gefflhrt.
Die Skepsis gegen die Cboleraintoxieation kann aber auch den fast
momentanen FTfclcr der Wafscrinfnsion für sich geltend machen. Wenn froiz de?
vermeintlichen Blutf^iftes Wasserinfnsion immer wieder ;^enügt, um die Ülutcircu-
lation von Neuem in Gang zu bringen, so ist damit sehr viel gegeu ein
Heragift bewiesen. Es ist eine höchst kUnstliebe Interpretation, an sagen, dsss das
problematische Gift dann weniger wirken muss, weil es diluirter ist. Schon nach
Ein.spritzun? von 2 — ,^00 Grra. Salzwasser war die günstige Wirkung zu be-
merken, dies käme also auf eine Gift Verdünnung um '/«q heraus. Es ist vielmehr,
die Anwesenheit von Hersgiften im BInte voran^pesettt , gerade das umgekehrte
Verhftltniss vorauszusetzen. Durch den re^^eren Blutumlauf muss auch die
Wirkung von Giften, die im Blut vorlianden •<iiid , intensiver werden, als bei
trägem Blutumlauf, zumal die Se- und Excretiouen durchaus noch nicht sofort
wieder hergestellt sein kOnnen. Arndt aehra wir ja im Typhoid trota der bogin-
nenden Ausscheidung mit der regeren Blntdreulatton aueh sogleidi die rege Gift-
wirkung Hand in Ilnnd ^elien.
Sollte aber endlich eine Choleraiutoxicatiou nachj^ewieseii wenlen, so
hätte dieser Kachweis für die Therapie noch gar keinen Werth, bis mau auch
ein Gegengift gefunden hAtte. Hersexeltantia allein sind ganz erfolglos, wie
schon oben constatirt wurde. Auch von Excitantien nach Salzwasserinfusiou werden,
von KKi'i'i.Eii abgesehen, keine auflfflllipen Einwirknnjren f,'cmeldet. Wird ein
Gegengitt gefunden, so wird es also geboten sein, dasselbe mit oder neben der un-
entbehrlichen Saltwassermenge auf dem subcutanen oder Blutwege anzuwenden.
Jedenfalls darf man sich durch diese therapeutisch ganz unan fassbare Cholera-
intoxicationsidee nidit an der energischen Verfulfrun;; der Rückgabe des verloren
gegangenen Blutwas.sers verhindern lassen. DiesCboleraintoxication ist
eine blosse Hypothese; der starke Wasserverlnst des Blutes ist
eine Thatsache. Gegen das vermeintliche Oholeragift giebt es
bis jetzt kein Ge^-engift. Gegen den Wasserverlust haben wir
die Wassersubstitution.
5iS*
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436
JNVUSION.
Wie frflh der Waseerereats ra beginneD hat und wie lange er
fortdauern soll, ist cootrovers. Der Wasserersatz darf nicht als f lfimum refugium
freiten. Je Iftng'er die Tn.tpissafio .sanguinis mit ihren verhäognissvoUeu Folg'en
für den Kreislauf und den lucaleu StuÜ'wechüel andauert, desto irreparabler werden
die loealai Verlnderaiigeii und dfe allgemeinen Folgen. Ifan muM der Eintroeknnng
der Organe zuvorkommen. Dies ist bei der intravenösen Infusion , die doch
immerbin keine bedeiitunji^alose Operation ist, schwer, bei der subcutanen Infusion
aber sehr leicht zu bewerkstelligen. Hier handelt es sich um eine ganz gefahr-
lose Manipulation. Alt BSreeheinnngen der Waeservwannnng de* Blates sind an*
zu'iehen: Unregelmässigkeiten des Pulses, Cyanose, Wadenkrämpfe, Stocken der
l'riusecretion, Vox cholerica. Je mehr diese S;yiuj)t(mie lieiiierkbar werden, beeile
man sich mit der subcutanen Jufusion. Im Zweifelt'alle gelte der Grundsatz : lieber
zu frtth, als zu spAt Wenn anoh nuunehe Fälle ohne Infliefon an retten wlren,
fur Sielierlieit darf nichts riskirt werden. Man muss den Fortgang der KraaUieit
zur ausfjepr.lgten Asphyxie überhaupt zu verhindern aucheii, nicht aber erst die aus-
geprägte Asphyxie zn heilen versuehen. Die Güte der Statistik wird «allerdings darunter
leiden, aber die Ausäicht auf Heilung wird gewinnen. — Mau unterbreche aber
noeh nieht die tnhentane Influion, sobald ein oder swel ürinentle«rmigeii statt-
gefunden haben. Auch im Typhoid ist die Blutmenge noch nicht normal. IIetsb
bekam beim Aderlass im Typhoid aus drei Venen nur einige Tropfen Blut trotz
hohen und harten Pulses. Zur UnvoUständigkeit des Wasserersatzes, der ja jetzt
wieder von den ersten Wegen ans erfolgen kOnnte, trtgt wesenflieh — wie bei
anderen mit Benommenheit des Kopfes einbergehenden Krankheiten — der Um-
stand bei, da98 die Durstempfindung und Stillung nicht mehr mit der Trocken-
heit des Gaumeus gleichen Schritt hält. Der Typhöse bemerkt seinen
Durst nioht. Ist dies schon in anderen Bettuhungsfllllen von Wichtigkeit, am so-
mehr hier, wo ein grosser Wasserverlost vorangegangen. Erst wenn der Kranke
rsgelmässig trinkt nnd urinirt, ist von der snbentanen Wasserinfiision gana
abzusehen.
Fur die subcutane Infusion empfehlen sich die Infraclaviculargegenden
am meisten. Sie bieten dn klares, deheres gerAnmiges Operationsfeld. Nieht als
ob die Supraclaviculargegenden Gefahr brächten, wenn die subcutane Infusion
hier verständig gemacht wird. Wenn man unvorsichtig mit Ilebeldruckapparatea
arbeitet, muss man den Misserfolg sich selbst zuschreiben. Aber bei der Wünschens-
werthen Continnitit der Infiision mnss die Ganflle fest Hegen, ohne jede Störung
wiehtiger Tbeile. und da ist die Infraclaviculai^pegend der Supraclavicutargegend
vorzuziehen. Auch wird man jetzt nur in den verzweifelten F.'llleu mit einer
intravenösen Infusion die Cur zu beginnen geneigt sein, so dass jedes Bedürfniss
für die Anwendung der Snpradavieolarregion fortifilllt.
Die bisher mit dem Wasserersatz auf dem Blut- wie auf dem subcntanen
Wege erreichten Resultate sind statistisch noch keine frl.'üizeudeD. Der Percent-
satz der Sterbefilllc ist noch immer sehr bedeutend. Die fernere Beobachtung
am Krankenbett wird zu ergeben haben, ob nicht der Mortalitätasatz erheblich
dnken wird, wenn bd froh aar Behandlung kommenden Fillen aueh ftnh mit
der subcutanen continuirlichen Infusion begonnen wird, wenn hei asphyctischen
Fällen die Hehandiung vielleicht ziinüchst, wenn angänglich mit intravenöser In-
fusion, begonnen und mit subcutaner cuntinuirlicher Infusion fortgedutzt ward.
Den wirkungsvollen W^, der geftinden ist, mflssen wir mehr und mehr an ver-
bessern suchen. Unter Boibehaltnng des Weges und unter Erfüllung der dringe
liebsten Indication, de-t W.ts^^erersatzes wird aber anoh an die Verbesserung der
InfusionsäUssigkeit zu denken sein.
Immerhin werden wir unsere Hoffnungen nieht zu hoeh spannen dflrfen.
Es bandelt deh um kein Specifieum, sondern um die Audidlnng eines conseon-
tiveu Sch.'idens. tun den Wiederersitz des Wa^srrverliHte-;. Wie bei Kpidemien
oft, werden wir zu spät zum Kranken gerufen , in anderen Fällen verläuft die
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INFÜSION. — IBIDBOTOMIE.
437
Krankheit »ehr ra»ch , in nicht wenigen ht die Widerstandsfähigkeit der Be-
fallenen eine zu gerinj^e. Wie viel aber oder wie wenig zu erreichen, die V'italindi-
eation mnit immer erAllt werden, hier wie bei den Blutungen.
Literatur: ' ) M a g e n »! i . , I'rA is de Phijsiol. II, pag. -^03. Meckel's A rch. 181fi,
II, pag. 253. — *) Wood, Edinbargh med. and surf, joamal. 185Ö. LXl^XU, pag. 265. —
*) Golts, Tirdi. Arch. XXVDI. — *>8anii«l, Di« nbeotana InfkiBioa ab BefaaBdlangaiietJioda
der Cholfra. Slultirart 18?;i Dentsclie med Woclienschr. 1883, Nr. 46. Subcutane oder intra-
venös« Iniusion als Bcbandluii);.snu tiiodo der Cliulera. Berliner kliD. Wochenschr. 1884, Nr.
Ueber die Choleraintoxication. Ihid. J885, Nr. 36. Die Resnltate der mbcntanen Infu.«ilon als
Behandlnngsoietliode der Cholera. IXeutach. med. Wochenschr. 1887. Ueber die nothwendige
ContionMt der rabeutanen loflnion bei Bobandlnag derCbotera. Ibid. 189S, Kr. 39. Demon-
stration eines Apparates zur ( nntinnirlichen subcutanen Infusion bei Behandlnng der Cholera.
Verein f. wis.senschaftl. Heilkunde zu Königsberg, bitzuug v. 17. Oct. 18'JÜ. Ibid. 101)3. — -
Rumpf, Behaudiuni; der Cholera im neuen allgero. Krankenhau»e zu Hamlnug. Deotsch.
med. Woihenschr. 1802. Nr. 39 et leq. — *)Cantani, In d. ital. Zusätzen aar Ueber-
aetzung von Niemeyer's Path. 1865. II Morgagni. l>-67, pag. 36. Die ErgebnlMO der
Cholerabehandlung mittelst Hypodermoc I\>e und F.nti rot ly.se während der Epidemie von 1S84
in Italien, deutsch von Frankel, 16äÖ. Berliner klin. Wochenschr. 1892. Nr. 37. — ')(iuu-
niag, Nederlandsch Tij-Iscbr vor Geaeeakande. 1866. X. — ') Beigel, Lancet. II, pag. 13.
Berliner klin. Wochenschr. IPHii, Nr. i], ä7. 28 v. Zien-ssens Hardb. der Allji. 'Hier ipie
(E n len bn rg) I, Theil ;}, pag. 99. —') .1. Michael, Behandlung der Cholnra mit sulicutauen
Infusionen. Deutsch, med. Wo« hen.'^chr. 1KS3, Nr. 39. — Paul Guttmann, Deutsch, med.
Wocfaenacbr. i8i)2, Nr. 41. lierlia. klin. Wochenschr. 1692, Nr. 36 n. 37. — ") Heyse Zur
CholaratlMrapie. Ibid. 1892, Nr. 47. Samuel.
Jodcyan, .h. C y a n V e r b i n d u n g e n , pag. 177.
IrideCtOmie, bei Cataract, pag. 123.
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K.
Kaiserschnitt, s. Becken, pag. 83 tf. — Eklampsie, pa^r. 2-62.
Kaliumhypermanganat, 8. Antidota, pag. i8.
Keining'sches Verfahren beiTnebom, s. ConjunotivitiB, pag. 172.
KetOne. unter KetoDe Twstebt man dem Aceton analog Kusammen-
gesetzte Verbindungen, deren MoIekOl durch die Verankerung zweier cinwerthiger
Alkohfilradical'' (]iir<'li die zweiwerthij^e Carbonyl^nppe (' () irebildet wird. Es
sind lueiat llüuhtige , arouiatisch riechende Flüssigkeiten , die bei der Oxydation
in der Regel zwei Staren liefern. Man untenebeidet normale oder einfaobe
K e t o n e , bei denen, wie beim Aceton oder Dimethylketob, CIIj. 00 . OHg,
zwei ^Ifichtf Alkoholrudiealo ver))uuden sind und fremisrhte Ketonr, hei
denen, wie beim Metbylätbylketon , CH3 . CO . U«, diese liadieaie versciiieJeu
•ind. Je aaebdem die Radieale der fetten oder aromatischen Reihe angehören,
kann man auch fette und aromatische Ketone untersebeidea, die einen Uebergang
zu einander dadurcli tii.iclieii, dass iu einzelnen Verbindun-j'cn, z. B. doraAeeto-
p Ii (■ n o n oder Metliylplienylketon, Q, Hr, . CO . CH3, ein fcttrs und l in aromatisobes
Kadioal durch CO verbunden sind. Die Wirkung säuimtliclicr Ivetuuo ist wesent-
Ueb dojenigeii der Alkobole gleicb, indem ale znerat das Oebim», dann daa
Rückenmark und hierauf das Athemcentrum lähmen, wflhrend sie die Ilerzthfttig-
keit wenig' afficiren. Die Mehrzahl der Ketone bewirkt auch Herabsetzung des
Blutdruckes, doch fehlt diese Action dcna Diäthy 1 ketou, 0^ II,, . CO . U^,
and dem Aethyiphenylketon , C„Hg.CO.CsHg. Diitbylketon ist giftiger als Di-
methylketon und weniger giftig als Di pro py 1 k e 1 0 n . C^Hj .CO .CU- und
Me th y I n u n y 1 k e t o n , CH, . CO . C, Iii.,. Aetliylpbenylketon wirkt stärker liyp-
notiscb als Metbylphenylketon und Propylpbenyiketun , C^ H.^ . CO . Cj 11; , und
erscheint in Gaben von 0*6 beim Menaefaen als Hypnotienm branebbar. Dipheuyl-
keton, Cg H5 . CO. Ol Hg , bekannter nnter dem Namen Benzophenon, i«t nn«
wirksam.
Literatur: Pasclikis und Olierracyer, I^harmakolocischi' UntnrsurliunKfin über
Ketone und ActMoxime. Sitzungsbtr. d. Wiener Akad. 1892. Cl, pag. jjijy. — A 1 l)a n cse und
Barabini, Jiuxiehe/unuacoloifichetuiehelOHi. Ann. diCbim. Vehr., Aj^t. 1892, pag. 124,225.
Husemann.
KetOXiinei Ketozlme beieaen dureb Binirirkung von Hydroxylamin auf
Ketone (s. d.) dargestellte Verbindungen, in denen CNc »H die Stelle von CO ein-
nimmt. So entstellt aus dem Dimethylketon , CII .CO.CIl , das Diriiethylketoxim
oder Acetuxim, CHj . C2sOH .CHj. Nach P^^si.UKi:! uud OiiEioiEVER ist die
Ketonwirkang in den Ketoximen erhalten , so das« sie Nareose und Blutdruck-
herabsetzung bewirken, die beim Di.1thylketoxim, Co llj . (^NOII . C3 H.^, au8gepr.ngter
als beim Aeetoxim und beim Metbylnonylketoxim, CH, .CNOH.CaH,,, sind. Das
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KETOZniB. — KINDEBUY8IENB.
439
dem Aoetoplienaii ent^reebende Hetbylpbenylketoxim, (^Hj.GNOH.CHs, besitst
nur geringe nereotiBche Wirkung. Bei Fröschen bleiben au»«°resproehono Blnt-
ver.lnilcning'en ans. dnL'f'f!;en bewirkt Acetnxiin bei Kaninchen durch Ab>p;iltiin^
von iiydroxylamin sepiubrauue Färbung des Blutes, in dem jedoch Mctbämoglobiu
niebt eonttant mit Sicherheit festgestellt werden kann and die bei Vergiftungen
mit Aldoxinien (s. d.j resnltinmden Verftndemiigen der BlutkOrperdten , sowie
Xriiln-lfif haemoglobmurüta. Im Harae ist Aeeton mit der Jodoformreaetion eteta
nachweisbar.
Literatur: ') Paschkia and Ohermeycr, Pharmakologische Untertiuchungea
über Kt'tone und Acetoxime. Wiener Äkad. Ber. 1^92, CI, pag. :i!)9. — -) S c h ei d e m ann,
Ueber du Verbaltea einiger Hydroxylamiaverbindnagen im Thierkörper. ÜLäoi^sberg 1892.
Hnsemann.
Kinderhygiene. Die Hygiene des Kindes ist die Lehre von der
Erhaltung und FördeniDg der kOrperliohen, wie der gmstigen Gesundlieit des
Menschen von der Geburt bia zu seinem Eintritt in die Pubertilt. Sie hat eine
besondere Hedentnnf; de^lialh, weil die Constitution des Erwachsenen, seine Wider-
standskraft und I^istungsfäbigkeit in bulium Masse davon abhängt, ob während der
Kindbeit die Pflege eine zweckmassige war oder nicht, weil femer der kindliehe
Organismus besonders zahlreichen gesundheitlichen Gefahren aiugeeetst ist , and
weil endlich fcHt^tclif. dasg hygienische Massnahmen bei consequenter Ausftihrung
gerade in der Kindheit von hervorragend günstiger Wirkung zu sein ptiegen.
Gmndlage fdr die Hygiene des Kindes ist sunftehst die M orbiditAte-
und M o r ta 1 i t [i 1 8 s t H t i s t ik , Bodann die Physiologi e des^elbenf insbesondere
die Pbysiolu^Mc der Ernährunpr, der Athmung, der Sinnesorgane,
des JServenHystems, weiterbin aber auch die Pathologie des Ivindes und
endlieh die allgemeine Hygiene in allen ihren Tbeilen. Die einzelnen Gapitel
aber, welche die Hygiene des Kindes an erörtern hat, sind die Ernfthrnng,
die IT a u t p f 1 e fre , die Pflcfre des Knochen- und M u s k el s y s t e ni •',
die Hygiene der Wohnung, die Pflege der Sinne, die Pflege der
geistigen Gesundheit (1 — 14).
Ernfthrung. (15 — 30) Die naturgematse EmAbrnng des Säuglings ist
diejenige an der Mutterbrust. Diese giebt ihm alle zn seiner Entwicklung nöthigen
NiihrstotVr in hiclit .-i-^imilirbarer Form und sichert ihm dadurch mehr als irgendeine
andere Methode der Ernährung (Jedeihen und Kräftigung, sowie Schutz vor Ge-
fährdung der Gesundheit. Die Statistik lehrt auch , dass überall die natürlich
ernihrten SAnglinge die geringste Hortalltit seigen, und das« diese insbesondere
viel weniirer, als kflnstUeb ernährte, von den Verdauungskrankbeiten heimgesueht
werden. Deshalb mnss die Ernfthrung an der Mutterbrust stets in erster Linie
erstrebt werden.
Die Pranenmileh ist gelblieh- weiss, reagirt alkaliseh, hat ein sped-
fiscbes Gewi«'ht \on circa 1030, etwa 2% Eiweissstoflfe, :-i-b^ ^ Fett, ö'/o Znek«,
0-2" 0 Salze i If). In den ersten acht Tagen nach der Entbindung enthält sie irrö^^ere
Mengen Ei weiss (3 — 9o/c) und Salze (03 "^q^, weniger Fett (2"57'o> und weniger
Zneker (^ O^' o ); im weiteren Verlaufe der Laetation nimmt der Eiweissgehalt
suaiehst — bi^ /.um 7. .Monat — ab und steigt dann ein wenig wieder an, wfthrend
der Fettgebalt und Zuckergehalt stetig sich vcrtrrössert, der Salzgehalt stetig sich
verringert. Nach neuen rntersuchungen beherlicrgt die Milch auch ganz gesunder
Frauen sehr oft Bakterien, insbesondere pyogenc Staphylococcen (Cohn und
NBUUANN, PALI.I8KK 20, 21).
Die Milch der Frauen ist bei guter Ernftbrong derpelben gehaltreicher,
namentlich fettreicher, als bei unzureichender ErnJthrnnir, die .Milch alter, an.tmi-
scher, chlorotiseher, auf s Neue schwangerer Frauen ärmer an allen Nährstotl'en,
als in der Norm, die Miloh wahrend der Menses sebr oft abnorm reich an Zucker
(E.Pfeiffer 17). Verdaut wird die Frauenmilch zu etwa Jt7'„, der Zucker
vollständig, das Eiweiss vollständig oder nahezu voUstftndlg, das Fett zu etwa
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KINDBRHTOIENB.
97*/«, die Salze zu 90" Sie geriant im Mageu durch da.s Labt ermeat, jedoch nur
iu sehr fdnen FKtekehen and verllaat ihn in etwa 1^^ Standen (22). Die Fi e es
des BrustsäuglinK^ ^iixi eidottergelb , von Salbenconsistenz , sehr schwach sauer,
nicht fötide riechend, enthalten Spuren von Eiweis«, etwa lO» ^ der Trockensub-
staac Feit und Fettsäuren, etwa lO"^, der Trockensubstanz Salze, keinen Zucker,
InsBont zaUreiche Spaltpilze, unter ihnen B. lactu aerogenes und B. coli comm.,
tauitk Spronpilie, ferner Oallenfnrbstoff, GalleniAnren, Oboleatearin, Hnein (Weo-
SCBEIDBB, T'kfelmaxn, EsCHERini 23, 24}.
Das erste Anlegen des Silug'lings soll schon am Ta?e der Geburt,
ja schon nach dem Erwachen desselben aus dem ersten Schlaf erfolgen. Der Magen
sondert alsduin bereits peptonisirenden Labdrttsensnft «b, «nd nneserdem lehrt
die Erfahrun»:, da<!s die Neugeborenen die initiale Gewichtsabnahme viel ebw
ausgleichen, wenn sie bereits am ersten Tage angelegt werden. Die Colostrummilch
befördert auch den Abgang des Mecuuium. Ist bei der Mutter noch gar keine
Uihsb vorbanden, so )»gt man doeb an, nm den BlntEnfluss aar Mamma ansu-
regen, damit aber ihre Secretion zu fördern, und reicht hinterher kflnstliches Rahm*
gemenge 1: 14, oder sterilisirte Kuhmilch liäWaaser, dagegen kein Zocker-
waaaer, keinen Fenchel- oder Camilleuthee.
In der nachfolgenden Periode läset man den Stagling tiiglieb etira
eiebenmal, und zwar möglichst regolrnftssig, anlegen, sorgt auch dafflr, dass
zwischen einer Mahlzeit und der andt'rcn wciii^rstens 2' , — 2^, Stunden liegen.
Die Dauer jeder einzelnen Mahlzeit betrügt etwa 20 Minuten, die Menge etwa
des Körpergewichtes, die Tag es menge etwa desselben.
DleEntwOhnnng nimmt man am iweekmässigsten swisehen dem 11. nnd
13. Lebensmonat vor, und zwar, wenn es die Umstände irgend zulas>;en, allmllli g
in etwa 14 Tagen, da bei plötzlicher Entwöhnung sehr leicht Verdauungs-
störungen (Diarrhoea ablactatorum) sich einstellen. Ist jedoch schon im 10. Lebeos-
monat die Oewiebtssunahme snbnormal, so ist das Kind alsdann sn entwöhnen.
Bleibt es früher, im 6., 7., 8. oder 9. Monat, danwnd im Gewichte zurück, so muss
man für anderweitiee natllrliche Ernährung Sorge tragen. Dringend geboten ist
es , die Entwöhnung , wenn irgend möglich , nicht in den beissen Monaten vor-
sonebmen, wie sehen Sorands (1) richtig hervorhob.
Während der Entwöhuungsperiode reicht man ^terilinrte Kuhmilch mit Zu-
satz von etwai SchltMmsuppe fs. unten i (uler künstliches Rahnifromcnnre 1 : 8 Wasser.
Tritt dabei Durchfall iu bedenklichem Grade auf, so hat mau die Entwöhnung
vor der Hand aufzugeben, um den Säugling nicht in Gefahr zu bringen, und darf
erst nadi' Ablauf mebrer Woehen einen erneuten Versueh machen.
Die eigene Mutter soll das Kind nicht stillen, wenn sie tuberkulös oder
syphilitisch, wenn sie sohwüchlich, clilorotiscb. neurastlieniscli ist, wenn sie auf's
Neue schwanger wird, wenn ihre Milch q^uulitativ mangelhaft oder in so geriuger
Menge abgesondert wird, dass das Kind mehr als die Hälfte Beikost haben muss,
wenn die Warzen zu klein und dufdb gedgnete Massnahmen nicht zu vergrössern
sind. Sie darf nicht weiter stillen . wenn ihr Kind , auch ohne dass man eine
maugclhaite Beächaüeuheit der Milch uaebwei^eu kauu, dauernd in der Gewichts-
annahme surflekbleibt Der Wiedereintritt der Menses verbietet an sieh dnrebans
nicht das Weiterstillen, auch dann nicht, wenn während desselben das Kind
unnihii^ i^t. Stfllt sieh aber heraus, dass <'s auch naehlier iinrtiliiir bleibt, in seinem
Wohlbefinden, in seiucr Gewichtszunahme leidet, so muäs es abgeätzt werden.
Die Ernährung an der Ammenbrust soll nur in Frage kommen, wenn
die eigene Mutter das Kind nicht stillen kann oder darf, ist fttr diesen Fall
aber jeder anderen Art der Ernährung vonuriehen. Bei der Wahl der Amme
muss Folgendes bcdbaclilct werden:
1. hie sei absuiut gesund, d. h. frei von I\rankheiten uud Kraukheits-
anlagen, namentlieb fi'ei von Tuberkulose, von Scropbulose oder Residuen derselben,
von Syphilis und Residuen derselben, frei auch von abertragbaren Hautkrankheiten.
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KINDERRTGIENE.
441
2. Sie sei weniprHtens 18, höchstens 32 Jahre alt, da sie in diesem Alter
die grösste Gewähr für VorhandeDsein hinreichender Mengen guter Milch bietet.
3. 8i« Bei wenigstens snniliernd sa derselben Zeit entbondm, wie die
Frau, deren Kind sie stillen soll. (Diese Forderang wird gestellt, weil die Ideh
im Verlunfe der Lactation sich ändert.)
•k. Sie muss gut entwickelte Brüste und gute Brustwarzen haben; auch
s^l MS letzteren bei TOrrichtigem Dmeke die Milch in mebreren Strahlen her-
Torspritsen.
5. Sie nuH'i ?iite Milch in ausreichender Mcnore haben. Den Beweis dafür
kann in erster Linie das eigene Kind der Amme liefern. Dasselbe wird, wenn es
gute und reicblicht» Milch bekam, ein normales Gewicht haben, nicht blass, nicht
welk, frei von Hnntanssehligen srin nnd Floes der vorbin gesehllderten B«sebnffen>
heit entleeren. Weiterhin hat man die Milch der Amme nach den Regeln der Analyse
auf Farbe, speeitisches Gewicht, Reaction, Fett-, Eiweiss-, Ziickerirehrilt , auf An-
wesenheit vuu Mikroorganismen zu prüfen, wobei man daran festhalten muss, dass
nur Uisehmileb mittlere Werthe giebt, nnd dass Anwesenheit von Stnphyloeoecea
in mfissiger Zahl kein Beweis von ungeeigneter Besohaffenheit int. Kann oad darf
die eifrene Mntter nicht stillen, ist eine {jnte Amme nicht zu haben oder muss aus
pticuuiäreu KUcksichtea von ihr abgesehen werden, so hat man für künstliche
Brnlhrnng sn sorgen. Hlnsiebtlieh derselben gelten folgende fnndamentale
Fordernngen :
1. Die kdiistliche KrnÄbrung soll die für den Sanglinp: nöthigen Nähr-
stoffe in genügender, doch auch nicht zu reichlicher Menge darbieten.
2. Sie soll dieselben möglichst in demselben gegenseitigen VerhSltoisse,
wie gute Mattermildi, nnd in mSgliehst ebenso Imeht verdanlieher Form wie
diese enthalten.
3. Sie soll auch hinsichtlich der Consistenz der Mnttermilcb gleichen.
4. Sie soll, wie diese, eine Temperatur von etwa 38'-' C. haben.
5. 8ie darf nieht neben den Nährstoffen noeb Snbstanaen oder Organismen
entlialten, welche schädlich wirken können.
r>. Sie miisg dem Säugling ebenso langsam und ebenso regelmässig, wie
Muttermilch, zugeführt werden.
Bestimmt nnsnlässig ist biemaeh fBr den Säugling
1. jede nicht flüssige Kost,
2. jede Kost, welche Cellnlose oder Amylnm in nennenswerther Menge,
welche Zucker in zu reichlicher Menge, welche £iweis9 in schwer assimilirbarer
Form und welche Hilehschmntz enthält.
Das beste Material i^r die kflnstliehe Emährnng ist unstreitig die Thier»
milch. Hinsichtlich ihrer Reaction, ihrer ehemischen Zusammensetzung und Ver-
daulichkeit steht nun die Stutenmilch und nach ihr die ERelinnenmilch
der Frauenmilch am nächsten. Doch können beide Milcharteu für die Säuglings-
emäbmng bei uns kaum in Flrage kommen, da sie in grosseren Mengen niebt
zn haben sind. Deshalb muss die Kuhmilch gewählt werden. Dieselbe enthält
aber mehr Eiweiss '^4°^), mehr Salze O'Go/o), insbesondere viel mehr Kalk,
weniger Zucker (3*8 "/o, dagegen ungefiihr die gleiche Menge Fett (3'6'^/o) wie
Frsnenmileb. Von Belang ist, dass ihr OsseTn schwerer Terdantich ist, da es dnreb
den Magensaft in dickeren, derberen Flocken gerinnt, nnd dass sie, sowie rie in
den Verkehr gelangt, sehr reich an Mikroorganismen, speciell an Ojlbrungs- und
l'äulnisserregern ist, nicht selten sogar In fectionser reger (Tuberkelbacillen, Typhus-
baeillen, Milsbrandbadtlen , die Bm^^ der SkmeUüi» ofkÜioMf vielleiebt aneh
diejenigen der Diphtberitis, des Sebarlaehs) enthält.
Die ftlr die SJiuglingsern.Ihrung bestimmte Kuhmilch ist al'^ > znn.Tehst
sorgsam ausziiwählen. Die Vorsieht gebietet, nur friselie Milch gesunder, gut
gefütterter Kühe zu verwenden, und zwar entweder die Mischmilch mehrerer oder
nodi besser die Milch eines und desselben Thieres, wenn dasselbe gleiehmässig
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44S .KINDSRBTOIEini.
and ratioDell gegittert wird. Zu verbieten ist der Gebraneb der Hiloh perlsftebtiger,
milzbrandiger, maul- und klauenseuoliiger , wuthkranker KUhe , ferner die Milch,
welche diirfh Scharlach- oder DiphtberitiBreconvalescenten gemolken oder in 8<'har-
laoh- uud DiphtheritiskraukenziDimera aufbewahrt wurde, zu verbieten jede Milob
ant Hiiraem, in dmen Typbn»- oder Dipbthttiti»' oder SeharhMblUle vw-
kamen , zu verbieten endlieb die blase, die rotbi^eflbbte , die aobleimige (faden-
ziehende) Milch.
Die Kuhmilch ist ferner für die Säuglingsemährung noeh in folgender
Weise zu behandeln : Um sie wenigstenä auf 24 Stunden zu conserviren, kocbt
man sie auf, wenn man niobt aebon jetst die ^eieb zu bespreebende Sterilisimag
bescbafTeu kann. Damit ihr zu reicher Gebatt an Eiweiss und SaUen emtthrend auf
das Mass der Frauenmilch jrebracht werde, verdünnt man sie. Doch ist auch dahin
zn streben, dass das Kind nach uud nach au geriugere Verdünnung sieh gewöhnt
vnd dabei die Er&brnniir an bertteksiohtigen. Naeh dieeer ersebeint es am aweek-
mliogaten, bei guter, gehaltreicher Milch
am 1.— 2. Lebenstage 1 Th. Milch mit 3 Th. Wasser
n ^' — i> 1 M n ti 2 „ „
71 ^* » ^ n n 11 ^ « w
„ 60.— 180. „ 1 „ „ „ »4 „ „
„ l.«0.---)HO. „ 1 „ „ „ V. » 1,
vom 260. lago unverdünnte Miloh zu reichen.
Sodanu muss zu der Kubmilch Zucker zugesetzt werdcu, und zwar auf
100 Ccm. etwa 1'26 Grm., auf 100 Gem. Wasser 6 Orm. Auf 200 Gem. einer
Mischung von Milch und Wasser zu gleichen Theilen (30. — GO. Lebenstag) ist
also ein Quantum von r.-iö (irm. Zueker oder etwa 1' , TheclöfTel voll ziizu-
setzeu. Erfabrungsgeniiis:^ macht es keinen l nterschied, ub Kohr- oiler Milchzucker
verwendet wird. Man bat neuerdings (Soxhlbt 25. 1893) vorgesehlagen, die Kubmileh
derartig mit Milchzuckerlösung zu verdfinnen, dass ein Drittel des dem Sftugling
zukommenden Fettes durch Mik-lizueki-r er.ietzt wird, und geht dabei von dem
'Satze aus, dass 243 Ib. Milchzucker in Bezug auf Fettausatz 100 Th. äqui-
valent sind. Doeb ist es noeh die Frage, ob dies fttr den Säugling zulAssig ist.
Dagegen haben sieh die vorhin erwähnten .Mi-chuu'^'sverliältuisse in praxi bewahrt.
Hat man die Milch verdünnt und mit Zufkcr versetzt, so sterilisirt mau
sie. Dies geschieht am besten in Flaschen , welche innerhalb eines Sterilisators
heissen Dämpfen ausgesetzt werden. ^Apparate solcher Art sind z. B. derjenige
SoxHLBT's, E»€BKBICH*8, Gllendobf's , ScHHiDT-MÜLBBDi*«.) Die Sterilisation
niaclit die Milch verdaulicher, nicht etwa deshalb, weil durch längere Einwirkung
der Hitze das CaseYn leichter jK'iitonisirhar wird , sondern deslialli , weil die von
lebenden G<ibrun|.'serrcgcrn betreite Milch im Darmraual nicht mehr gahrt, die
Prodaete der Glhrnng aber leicht DigestionsslOrongen hervOTrufen. Zar weiteren
Verbessemng der Verdauliobkelt der Kubmileh kann man ihr vor der Sterilisation
noch eine panz dünne wflsserige Abkochung von (Jcrsten- oder l lafcrniehl, beson-
ders vou KAL*KMANN'ä Kindcmitbl zusetzen , uud zwar in dcuisclbeu Vcrbültniss,
wie Walser, also vom HO. — 60. Lebenstage 100 Gem. Milch + 100 Gem. dfinner
Mehlabkoehnng. Mi se Peimisehuug mit ihrem geringen Cebait an Amylum bringt
keinerlei Nachtlieil liir ileii SHu<_''ling mit sich: doch mache man sie nur dann,
wenn die mit Wasser versetzte Milch nicht gut vertragen wird.
Die Temperatur der Kuhmilehnahruog halte man aaeh während der
Darreiehan^ auf annähernd 39^ G. I^es ist am besten dadurch zu erzielen, dass
man die Flasehe mit einer Filz- oder Flanellkappc überzieht.
Als Trinkgefäss verwende man keine rriiiknitpfe oder 'rrinksehakn,
weil das Kind langs'im saugen fo\l, verwende vielmehr aus diesem (iruude Fluschen
mit einem Sauger. Dieselben mflxsen so eingerichtet sein, dass sie Icieht an reinigen
dttd, nnd dass der Inhalt nicht von s( Ib^t beransfliesst , sondern berausgesogen
werden mnsa. Zu dem Ende darf die Oettnang im Säuger nieht zu gross sdn.
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XINDERHT6IENB.
443
Der letztere hat am besten die längliob-runde Furm der Brustwarze und soll aas
m^tlfreiem Kantsobuk hergestellt «ein, deBhalb in Wasser gebracht aehwimmen.
Die aus Elfenbein oder Knocbenmasse ticstohonden Singer sind für den sarten
Mund lies Siiiiirlinir^ vit-l zu hart. — Zur Reinipfung der Flasche bedient nnan
sich mit V(»rtheil t iiier raulicn liUrote, leinen weissen Sandes und reinen Wassers;
bei der Reinigung des Süugers ist auob die InnenäSohe desselben stets zu berUck-
siebtigen, weil dort MIlob snrflekbleilrt nnd in dieser sehr oft Soorpilse und andere
Bcbidlicbe Mikro'>rganismen sieb ansiedeln.
Die Zahl der Mahlzeiten sei auch bei der Kuhmilohi'rnilhrunfr etwa
rieben in 24 Stunden. Ebenso diirtVu dieselben nicht rascher auf einander folgen,
als bei der natflrlieben Emlhrnng, da die Kuhmileh eher noeh ein , wenig lang-
samer, als die Pranenmilch, den Magen verliist.
Die Men?re der Ivuhmilehnahrunfr muss grösser als diejenige bei der
nattlrliehen Ernährung sein, weil die Kuhmilch weuigor gut (zu Ud^o) ausgenutzt
wird, als die Franenmileb, müX sie, wenigstens anflUiglidi, in starker Verdflnnnng
gereicht wird und weil die verdfinntc Kuhmilch stets m wenig Fett enthält. Die
Erfahrung lehrt, dass die Kuhniilcliuahrunir etwa nm ein Drittel grösser sein
muss als die lirustnahrung, um das Kind zu sättigen. Duch lltsst sich eine be-
stimmte Norm hierUb»r oiebt angeben, da sehr viel von der iDdividaalitJlt , ich
meine dem individuell versebiedenen AssimilationsvermOgen des Sftnglings, seinem
Kftrper ITC Wichte und der Qualität der Milch abh.'lngt. Princip sei, auch dan kiiiist-
lich eriKihrte Kind jedeismal satt werdi n /.n lassen, die Menge der Nahrung nicht
nach einem bestimmten Schema zu verabfolgen.
Milehconserven. Mllcbeonserven kommen für die Sfiuglingsernlhrong
dann in Fra^rc, wenn gute, frische Kuhmilch ftlr dieselbe nicht zur Haud ist, so
naiiiciitlicli w.thrend eiier Seefahrt «»der bei längeren Eisenbahnreisen. Von den
Milehconserven sind zu nennen die iu Flaschen sterilisirte Milch, die couüeusirie
Milch ohne Znsats von Zqcker, die eondensirte Mileh mit Zusats von Znoker, das
künstliehe Rahmgemenj^e. Von diesen Präparaten ist diu sterilisirte .Milch
.sclb.^tvfT^I.'lndlicli zu gestatten, vorausgesetzt, dass die Sterilisaticm eine vtdlsliindiLre,
die Milch nicht, wie dien vorkuuinit , verdorben ist. Die eondensirte Milch
ohne Zucker kann gleichfalls erlaubt werden; da sie etwa Eiwei.-=8, ll^/o
Fett nnd 1 1*6% Znekw enthält, so ist sie dementsprechend zu verdünnen. Die
eondensirte Milcli mit Zucker muss unter allen Fnistanden für Säuglinge
verboten werden, da sie wegen ihres reichen Zuckergehaltes (circa 4.') ,,\ sehr
leicht Auiass zu Verdauungsstorungeu und iu weiterer Folge zu Kacbitis gieiit.
Das kflnstliebe Kahmgeroenge, welchem aus Elweiss. Butterfett, Kalibydrat,
Mildizuckcr, Milchsalzen hergestellt, auf 1 Th. Eiweiss 2 0 Th. Fett, 4 Th. Zucker,
0'2 Th. Salze enthält, eignet sich sehr gut f'lir die ersten Leben.stage und bei
gesehwUchter Verdauuug der Situglii'ge, nicht fUr tlbrigens gesunde Säuglinge.
Zu den Milehconserven kann man aneh die VOLTMKR'scbe nnd die L.^hr-
MANN'sehe Milch rcchiieu. Sie enthalten d:is Eiweiss der Kuhmilch zum Theil
pept' nisirt. sind deshalb verdaulicher als gewöhnliebe Ktthmüch und bei geschwächter
Verdauuug der Säuglinge zu enipfehleu.
Kindermehle (30. 14. 1 5). Die zur Sflugliogsemährung verwendeten Mehle
sind entweder fein pulverisirteCercalieumehle oder fein pulverisirte Mischungen
derselben mit Leirun)inosenniohlen . ndrr ebensolebe Mehle, in welchen aber
durch gewisse Methoden d» r liehandlung ein «rrösserer oder kleinerer oder der
ganze Autheil des Amyhini dcxtriuirt, beziehungsweise in Zucker übergeführt ist,
oder c) cbensolehe Bleble mit einem besonderen Znsats (von eondensirter Mileh,
von getrocknet« m Eidotter). Alle enthalten zu wenig Fett, su viele Kohlehydr.ite,
die meisten einen erheblichen Procentsntz Amylum. So finden wir in Nkstlk.s
Wehl neben etwa lo" ^ Eiweiss nur 4 4U" q Fett, dagegen 42 U"^ ,, lösliehe und
34*4% unl{)sliche Kohlehydrate. Kur in Rademann's Mehl sind neben 14 3^'o
Eiweiss 0*45% Fett, 7Vd^'o Zuekcr und Dextrin, aber kein Amylnm enthalten.
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KIMDBRHYOIENE.
Die Kindoiuieble können nie und nimmer die Mattermilcb ersetzen; ihre Zusammen-
setzuDg ist eine vun dieser völlig abweichend«. Von Belaug erscheint namentlich ihr
▼iel la geringer Fettgebalt. Sie kOnnen deshalb für kttnstlleb an emlbreade Slugliage
nur in Frage kommen , wenn diese die richtig zubereitete Kuhmilch durchaus
nicht vcrtrafren. Ausserdem dürfen die amylumbaltiffen Mehle niemals in den ersten
10 — 12 Wochen gereicht werden, weil in dieser Periode die Menge des Speichels
nnr gering« iein Saeebarißeationsvermögen ebenfalls sehwaeb ist. Wihrend des
2. und 8. LebenEquartalea aber sollten sie, wenn llberhaupt, nur in geringer
MenfTO pe?eben werden, da erst bei Befrinn des 10. Lcliensmonates das Sacfhari-
ficationsvermögeu des Öpeicbels annähernd danjenige des Speichels beim Erwachseueu
ist. Werden sie in der fHlben Lebensseit dennoeh gereiebt, so entsteben leicht
Verdaaungastörungen (in Folge der sauren Gfibrang des nicht verdauten Amylums)
und weiterliin Kaobitis. Es ist dcsbalb drinf^end prerathen. Kindcrnielile nicht vor dem
letzten Quartale des ersten Jahres uiler vor Heginn de-« zweiten Jahres zu geben.
Was hier von den Kindermehlen gesagt ist, gilt in noch höherem Grade
von dem Zwiebaeksbrei. Denn dieser entbllt nieht Mos ebenfalls Amylnm in
reichlicher, Fett in geringer Menge, sondern wirkt auch durch seine Hrticnnsistena
ungtlnstig auf den Situglingsmagen , für den wegen seiner scbwacben Musculatur
und grossen Reizbarkeit das Flüssige allein zuträglich hi.
Wie sehen gesagt, sind die Kinder während der Entwöhnung nüt sterili*
sirter Kuhmilch oder mit künstlichem lUhmgemenge an ernfthren. Ut die Ent«
w('»bnung durchgeführt, das Kind frei von Vcnlainingsstrirungen geblieben, so geht
mau allmälig dazu Uber, auch andere Nahrungsmittel zu reichen. Dieselben dürfen
aber nnr flOssig oder welehbreiig und in der. Haaptsaehe animalisebe sein. Dem
entsprechend reicht man neben Milch noch Milchniehlsuppen , Fleischbrühe mit
Eigelb, ganz weichgekochte Eier und sttcht auf dieee Weise die Verdaunngsorgane
auf coQsistentere Kost vorzubereiten.
Während des zweiten Lebensjahres lässt 4ie grosse Reizbarkeit der
Verdaunngsorgane wesentlieh nach; doch bleiben diese immer noch um Vieles
reizbarer als in der spateren Jugendzeit und beim Erwachsenen. Auch das Gebiss
vervollständigt sich mehr und mehr, Kinder dieses Jahres vertragen schlecht jede
derbcoosistente, säuerliche, an Cellulose reiche Kost; dasselbe gilt von den amylum-
und znekerreiehen Substansen. Es empfiehlt sieh deshalb, ihnen flflssige, breiige
oder weichconsistente Kost zu verabfolgen, die mehr animalische als vegetabilisehe
Nahrungsmittel enth.llt. CJcnu.ssmittel, wie Wein und Kaffee, sind überflüssig , ja
schildlich, da sie Anlass zu Nervosität geben. — Die Kost für Kinder des 2. Jahres
wQrde darnach bestehen aus Itileh, Mildisuppen, weichgekochten Etern, geschabtem
Braten, geschabtem Schinken, Cacaoabkocbnng, Zwieback, ßiscuits, Semmel, Reis
mit Milch gekocht, Leguminosenabkochung , Kartoffelbrei. Fleischbrühe mit Reis,
Gries oder mit Fjgelb. Streng zu verbieten sind Süssigkeiten, grobes Brot, Wein,
Bier, Kaffee, Thee. Die Zahl der Mahlzeiten sei 5 — 6 pro Tag, die Temperatur
der Kost dne lauwarme.
Während der Periode vom Beginn des dritten bis zum Ab-
lauf des sechsten Lebensjahres werden die Verdauungsorgane immer
widerstandsiähiger, die Erkrankungen derselben viel weniger häutig. Das Milch-
gebiss wird vollslindig. Aber die Kinder aueh dieses Alters vertragen derbcon-
sistente, cellulose-, .tniylnm- und zuckerreiche Kost noch nicht gut. Der habituelle
Genuss einer solchen befiirdert bei ilnu-n ilic Ent-tehung von Scrophulosc. Genuss-
roittel sind noch immer Ubertlü^sig und von Nachtheil. Die Kost für Kinder von
3 — 6 Jahren soll hiernach flüssig, breiig oder weieheonsistent »ein und kann ans
folgenden Nahrungsmitteln bestehen: Miirli. Milc])su])i)en , weichgekochten Eiern,
Braten, Fisdi, Buttfr, Schmalz, Roggen n jrr Wci/cutVinhrnt. Kri^. Nmlcln, durch-
geriebenen Leguniinoseuabkocbungen . KartollVln in ni.i>8igrr Menge, Mohrrüben,
Blumenkohl, Spargelu, reifem Obst, Cacaoubk(»ehung, Fleischbrühe mit Reis, Gries
oder Eigelb. — Die Zahl der Mahlzeiten sei fttnf pro Tag.
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KINDERHYGIENE.
445
In der Zeit vom 7. bia zum vollendeten 14. Lebensjahre kommt fUe
Wiiierstandsfilhip^küit des Di^eationt^tractus derjenigen des Erwachsenen nahezu
gleich. Wichtig ist, dass bei Mfidcben meist vom 11., bei Knaben vom 12. Jahre
an die Gewichtszunahme eine stirkwe wird, als sie vorher war, nnd daas in Folge
dessen aneh der Bedarf an Nihrstoffen, speeiell an EiweiaSf ansteigt War der
Ta^efzuwachs im 6. — 10. Jahre etwa 5 0 Orni. , so bebt er sich im 11., rssp.
12. auf 7 — 8 Grm., im 13. und 14. auf fa.«t 13 Grm. Aus der Mciifrc des ans-
geschiedenen N und C, sowie aus der Grosse des Tagesansatzes kouiuit mau auf
folgend^ Werths für den tagliehen Kihrttoffbedarf (14.35):
Für Ojlhrige Kinder 60 0 Eiweiss, 44 0 Fett, 150 0 Kohlehydrate
„ 12-13 „ „ 72 0 „ , 47 0 „ , 215 0
„ 14-15 „ „ 79-0 „ , 48 0 „ , 276 0 „
Was die Auswahl der Nahrungsmittel betrifft, so dflrfen der Hauptsaehe
nach diejenigen gereicht werden, welche dem Erwaohsenen zuträglich sind. Doch
ist I cziiirlich der an Cellulo^e reichen Substanzen noch immer Vori^icht nrithi^'
und auch dabin zu streben, dass das animalische £iweis8 nicht in zu geringer
.Menge gereicht wird, dass es, wo es izgvad srreiehhar ist, wenigstens die Hälfte
des Bedarfes deekt. Von Gennssmitteln AnA in dem 2. Theile die9er Periode
leichter Kaffee und Thee. leichtes Bier zu gestatten, jedes sebarfe Gewilrs, Wein,
alkoholreiehes Hier, Tab.ik mit Strenj^e fernzuhalten.
Pflege des Mundes und der Zähne. Reinhaltung des Mundes ist
nir jedes Mensehen Gesundheit nnerlftsslich, in erhöhtem Masse flir diejenige des
Kindes. Bleiben im Munde des Säuglings Nahruogsreste zurück, so geben sie den
)»e.sten Nährboden fiir Mikroorgani.smen, u. A. für den Soorpilz, ab. Da nun die
Mundschleimhaut in diesem frühen Alter noch sehr zart ist, so wird sie leicht
geschidigt , der Sitz entzllndlieher Affeetionen (Stomatitis) oder von Soorptls-
Wucherungen. Diese wie jt-ne kann man in sehr vielen Fällen verhflten durch
Keinbaltung: des Mundes, durch täglich mehrmals wiederholtes Auswn-scheii des-
selben mit einem sehr weichen, sehr sauberen I>einenläppchen und reinem Wasser.
Dasselbe mnss aber iusserst sorgfältig ausgeführt werden, da sonst \m der
Vnlnerahilität der Schleimhaut leicht Verletzungen entstehen (Bbdnar's Aphthen).
Stren^r zu ver'iieti ii ist der Gebrauch des Schnullers oder Lutschbeutels, weil in
iiiul auf ihm starke Wucherungcu von Mikruurganismcn vorkommen und durch
ihn aus dicHcm Grunde Kraukheits-, beziehungsweise Gährungserreger übertragen
werden kOnnen. — Auch iBr grossere Kiadsr ist Rrnnhaltnug des Mundes dnreh
regelmässiges Spülen desselben nach den Mahlieiten zu erstreben. Sie dient ^'leich
xeitig zur Connervirung der Zähne. Letztere sind überdies von früh auf
sweimal täglich mit einem feuchten Leinenlappen oder mit einer horizontal und
vertical geführten Bflrste zu säubern.
Hautpflege. Die Haut des Kindes ist zumal in der ersten Lebenszeit
in Folge sehwriclier entwickelter Epidermis zarter, empfindlicher, als diejenijrc des
Erwachsenen; auch ist bei jenem die i'erspiratio imen8ibili>i relativ viel stärker
als bei letzterem, weil im jugendliehen Alter di« Cutis dnen grösseren Blntreieh-
tbum bat (Saubk 31). Stellt si^ das Mass dw Rrsp. w$en$, beim Erwachsenen
auf täglich 6.')0 Grm., so stellt es sich ':^V)
beim 0 Monate alten Kinde auf etwa 2Ü0 Grm.
n ^- n n n n n »»
„ 5 Jahre „ n n n ... 460—800 „
„ 11 „ „ „ „ ... öOO 728 „
Das Wä rm ere gu 1 i r u n g s v er mö g e n i.st beim Neujreboreneu sehr
wenig entwickelt. Seine vor dem ersten Bade circa 30*^ (im Mastdarm^ betragende
Temperatur sinkt nach denselben um fast 1* nnd erreicht allmälig — im Laufe
der ersten 24 Stunden — wieder ;^7-5.')", eine HOhe, welche sie von da an bis snr
Pubertflt beibeh.'Ut. Kühle Luft, kühle Bilder, ungenügende Bekleidung erzeugen
beim Kinde der ersten Lebenszeit sehr leicht Gesundheitsstörungen , insbesondere
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446
KINDEBHYGIENE.
Schnupfen, Cat«rrhe der Admungswege, können aber aucb zum Entttehea von
Sclerema, von Scleroderma, von Oedema eutainiim Anlas* peben.
Zur Keiaigung der Haut dienen Uäder uod Waac b uugeu. Das
ertte Bad bekommt das Kind gleidi nach der AbnabeliiDg , nod «war mit einer
Tempi rntnr von 28* R. = 35o C. Es ist täglich au wiederholen und hoII nur
etwa 3 Minuten dauern. Im Alter von 6 Monaten crmili'si^t man dii- ri inperatiir
auf 27*>R. , im Alter von 12 Mouaten auf 26° Kinder des zweiten Jahres
badet man am besten einen um den anderen Tag, noch filtere wjj^eotlieh etn>
Oller zweimal zu — 34* R. Zor Abhirtnngf trigt es wesentlich bei,* wenn
mau in solchem warmen Pade eine kalte UebcrgieBSUag (mit Waaser von 18 bis
20* K.) macht. Doch ernpliehlt aich dieselbe erst vom volli-ndeton vierten Jahre an.
Neben den liäderu bind örtliche Wasch anj^eu nicht zu entbehren.
Das neogeborene Kind und der Süogling sollen besonders an allen den Stellen
gewaschen werden, an welchen Haiitschmiero oder andere rnrcinlichkeiteu (Fäee^,
T'rin) sich befinden, so in der Acliselliühle , der Schenkel und Knielieuire. am
Alter, an den Gchchlechtätheilen, auf dem Kopte. Auf letzterem bildet «ich vom
aweiten Monate an in der Gegend der grossen Fontanelle ein zni-rftt gelbliehgrauer,
schuppiger Belagr, der sogenannte Orteis, der aus Hauttal;;, Ivpidermisschüppchen
nebst Schniutzpartikelchen und zalilreicheu Mikroparasiteii lii>t' lif. Wenn man ihn
nicht entlerut, so tritt unter ihm sehr häutig eine Eiterung auf. ludern die
FKissigkeit sieh mit dem schuppigen Uelsg vermischt, erscheint tetzlerer als eine
weiche Borke, die nicht selten von weiter abg«sondertem Eiter in die Höbe ge*
hoben wird und einen unangenehmen Geru'rh verbreiti-t. Vm dies zu verhdten.
muss man den Kopf reg;elujiissii; und ireniiirend reinigen . alle -ieli etwa neu-
bildenden Beläge uach \orbfcrigem Aulweiclien mittelst lauwarnien Seilenwassers
unter Benutzung eines weichen FIsnelllappens entfernen.
Werden die an anderen Hautpartien beßndü li> n rureinlichkeiten nicht
reelit/eiti'T lieseiti^rt, so zersetzen sie sich, können diin ii ilie Zcrsetzunofsproducte
die Epidermis erweichen und damit zur Entstehung von Intertrigo (Wuudseinj
Anlass geben. Aneh können die in den ünreinigkeiten vorbandeoen, beziehungs-
weise sich vermehrenden Mikroben (Kitereoccen i von den Oeffnun^ren der Haut
aus in diese eindringen und krankmachend wirken i Knrtincnlose . multiple Ilaut-
absee-H-e der kleinen Kinder, Ej;chekich 32). Deshalb sind die vorhin genannten
Stellen tllglieh, der After und die Gtschlcchtstbeilo tilglich wiederbolt dnreh
Waschungen zu reinigen.
Mit grosser Sorgfalt muss der Xabel des Neugebnrenen gepflegt werden,
weil er bis zur völligen l'ebernarhnng eine sehr ;;iinstige Einü'an;i:spforte für
patliogene Mikroben, speeieU für den M. ery.sipelatis, iür Eilercoceeu, für Tetanus-
badllen ist. Wer die Pflege Obemimmt, muss zuvor seine Hlnde reinigen uod
fmit l'^„iger LysollOsung) desinficiren. Man unterbinde die Nabelschnur bei
lebenskrilCtigen Kindern erst nach Aufhören der l'iilsafii'n mit einem reinen,
leinenen Baude und nehme die Durchscbneidung mit einer desiiifieirten Scheere
vor, wasche den Nabelschnurreet mit 2" J'^rer Lysollösung ab, biege ihn naeh
links oben etwas um, htllle ihn in Salicylwatte ein und befestige <'ie>«e mit einer
Nabelbinde, erneuere den \ erband tii^'Iieli. ebne zu zerren nn<! n inige. wenn der
Nabelscbnurrest abgefallen ist, die Wunde täglich einmal mit 2" „iger LysollOsung,
tupfe mit Salicylwatte ab und bedecke sie mit einem BorsalueIilp|>clien. Naeh er-
folgter Uebernarbung moss man die Nahelbinde noch etwa 6 Wochen beibehalten,
um der Piauchwand mehr Halt zu geben und so die Entstehung eines Nabel-
Iwuches zu verhüten.
Die Kleidung des Säuglinge soll angemesiien wiirmen, nicht drücken,
die Haut nicht reizen, die Atbmung, den Blutkreislauf, die Bewegung der Glied-
massen nicht hindern und darf niemals lingerc Zeit na<s und unsauber sein. Am
besten verwendet man für sie nur Ticinwand und Wollstotle. Für die ersten
Wochen beistehe die Kleidung aus eiuem weichen leinenen , bi» auf die Seham-
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KINDERHTOIEKE.
447
gegeod reichenden Hemde, dner draeckigen leinenen Windd fOr Lenden, 6e>
8chtechtsthoiIo, Ohcrsclienkel, einer vierecki^u flaaellenen Windel fflr den Rumpf
und die Herne, «ineni W<illj:ukcbeii mit Aornieln und einem leinenen Häubchen
(letztere« kann entbehrt werden, so lange das Kindcbeu im Zimmer bleibt). Einer
Wiekdlflclinnr bedarf es nieht Die Befestigung der KludnngMtfleke soll mit
Bflndern, Kuust mit KuOpfen und Sich« rlieitsnadeln, jedenfalls nicht mit gewöhn*
liehen Stecknadeln erfolgen. Gegen das Ende des ersten Qiiartales verlängert
man das ilemdchen biü auf die Mitte des Oberschenkels, zieht dem Kinde Strumpfe
not weieher Wolle, Aber die Strümpfe aber Sebobe, die ebenfalls ans Wolle ge-
strickt sind , legt über das Hemd eine Flanelljacke , befestigt an diesem einen
langen Unterrock, zieht (l^cr .lacke und Rock einen lanjjcn Lcilinx'k und legt
um die Lenden, Oberfpbeuktl und (icsclilechtstheile die schon erwähnte dreieckige,
leinene Windel. Mit dem Ende des ersten Jahres kUrzt man den Unterrock, sowie
den Leibroek und siebt dem nnumebr OebTorsnehe maebenden Kinde Schübe von
weichem Lc der, statt der dreieckigen Windel ein Höschen au< weichem Leinen an.
Ftlr die KIcidun;? der Kinder vom vierten Lebensjahre an gelten im Wcseutlicheu
die Grundsätze wie für Erwachsene. Grosse Aufmerksamkeit ist vor Allem dem
Sebnbwerk suzu wenden, wtA\ beim Kinde der Fnss uoeh sarter, nachgiebiger
ist, in fi»rtw.1hrend(>r , durch das Waehsthnm bewirkter Fnrmüuderung sich be-
findet, und weil die Misggestaltung der Füsse. die in der Jufrcnd durch schlechte
Bekleidung hervorgerufen wird, in der Regel unabänderlich ist. Ferner muss bei
jungen Midclicn dabin gestrebt werden, dass na niebt sehon dnOorset tragen.
Gerade um die Zeit, wo sie es zuerst anzulegen pflegen, nm das — 13. Jahr,
vermag es ihre Kittwieklung in hohem (»rade zu stören. Die Brustpcriphcrie be-
ginnt ja in jener Periode sehr stark zu waehiJen ; der Thorax verträgt also eine
Einzwänguug dann um wenigsten. Das Corset drückt aber auch auf Unterleibs-
oigane, stfirt deren normale Entwicklung und stfirt die CSrenlation; beides kann
fttr die fraglielie Zeit der lierani aheuden Tubertüt ^ehr vorbftngnissvoU werden.
An Stelle de^^ C<»r>cts sdll das Leibchen treten, mindesten!* durch die L'anze Kind-
heit hindurch ; dasselbe werde aus Itaumwolle gestrickt n>it senkrecht laufenden
Tonreu, ist dann elastiseb, verleibt Halt, stört nicht die Perspiration, noeb Atb-
mung, und ist >ehr geeignet zur I>cfe.sti;:ung von Beinkleid und Röcken.
Auch auf riehtifre K n p fl)L'd ec k uu g ist tu achten. Diesclhe soll
Kälte und ^iässe, Sonncobtrahleu und helles Licht fernhalten, nicht zu heiss sein,
nicbt drOcken, den Kopf niebt bermctiseb absebliessen. — Ebenso darf die Hals-
bedeck ung nicbt die Gefitose drfloken, besonders dann nicht, wenn der Kopf
(beim Schreiben u. s. w.) gebeugt wird, darf ausserdem niebt zu warm sdn,
damit keine Verwöhnung stattfindet.
Endlieh sei noch einmal betont, dass die Haut der Kinder zarter,
empfindlieber ist, als di^enige der Erwachsenen, auf au starke AbkQhlnng un-
günstiger reagirt, und dass deshalb die Gesaninitkleidung nicht xn dünu, zu weuig
wärmend sein darf, wie man dies so oft antrilTt. Eines besonderen Schutzes be-
dürfen vor Allem die zu Catarrhen der Athmungswege neigenden uud an sieh
scbwXeblieben Kinder. Ihnen sollte man, bis ihre Widerstandskraft sieb gehoben
hat, Unterhemden von Vi<;ogne geben. Andererseits darf die Kleidung auch nicht
zu warm sein, damit keine Verweichlichung eintritt. Ks gilt eben, das richtige
Mass zu halten uud dieses nach dem Alter, der Constitution, der Jahreszeit, dem
Klima abzusebatzon.
Pflege des Knochen- und M uakelsy stems. Die Knochen des
Kindes sind blutreicher, weicher, deshalb aber auch nachgiebiger, zu Verbiegungen
und Verkrümmungen mehr geneigt. Zwei Körjiertheile werden von diesen am
meisten befallen , die untere Extrt mität und die Wirbelsäule. Auf der ersteren
ruht das ganze Gewicht des Rumpfes mit dem Kopfe; ist de zu nachgiebig, so
wird leicht eine Ansbiegung nach innen oder nach aussen eintreten. Die Wirbel
slnle zeigt sich aber bei Kindern deshalb so sehr zu Verbiegungen geneigt, weil
446
KINDEBHY6IENE.
jeder ihrer Theile (die Wirbel) viel weicher, sie aelbst in ihrer Totalität viel
beweg-licher als im späteren Alter ist. Heim Säufrling" kann das noch gerade ver-
laufende HUckgrat mit Leichtigkeit nach hinten, wie nach vorn, nach rechte und
nach links gebofj^ werden, gleieh einem sehwanken Stabe.) Zuerst entsteht die
typische Cnrre im Halstheil durch den Zng der Naekenmuskela, wenn das Kind im
3. Lebenfmonatc den Kopf aufzurichten versucht (33); erst später bildet sich
die bleibende Krümmung des Lendenwirbeltheiles, wenn es sich bemüht, die Beine
zn streoken. So dnd die beiden typisehen Cnrven des Rückgrates eine natfliliehe
Folge der Thitigkeit bestimmter Huskelgruppen. — Das Muskelsystem des
Neugeborenen ist nur schwach entwickelt, macht nicht einmal ein Viertel des
Gesammtgewichtes (beim Erwachsenen 43% ) aus. Die Muskeln selbst sind blasser,
zarter, weniger leistungsfUhig. Gewollte Bewegungen sehen wir erst zu Anfang
des 2. Lebens^ierteljabres ; das Kind beginnt sie dann, wie sehon angedeutet
wurde, mit Versuchen, den Kopf aufzurichten. Gegen Knde des 5. oder im Ad-
faupT ib's 6. Monates versucht es. sich mit dem ganzen Rumpfe aufzurichten,
gegen Schluss des ersten Jahres oder zu Anfang des zweiten zu stehen und bald
darauf m gehen.
Die Entwicklung des Knochen- wie des Moskelsystems steht in erster
Linie unter dem Einflüsse der Ern.Hhrung , sodann aber auch unter dernjonipren
einer der Zeit und dem Masse nach rationellen Uebung. Es gilt also, wenn man
die Entwieklung des kindliehen Knoeben- nnd Muskelsyntems fSrdem will, zu-
nichst, die Emihmng nach den vorhin dargelegten Orundsfltzen dvrehzufUhren,
jede Verdauungsstörung nach Möglichkeit fernzuhalten und dafür zu surireii, dasa
das Kind in der freien Bewegung von Kumpf und Extremitäten nicht becintriichtigt
wird. Ebenso nöthig aber ist es, zu verhüten, dass das Kind nicht früher zum
Sitzen nnd Gehen angehalten wird, als man sdnen eigenen Bewegungen anrieht,
das^ es die dazu nöthige Muskelkraft besitzt. Sonst können leicht Verbiepungen
der Knochen eintreten. Gftngelbander , Geh und Laufsttihle sind völlig flbec-
llUssig. — Um seitliche Verbiegungen der Wirbelsäule in der frühesten Lebens-
zeit zu Terhflten , lasse man den Säugling während der ersten 6 Monate stets
nahezu horizontal liegen oder nahezu horizontal auf einem Tragekissen getragen
und nur zum Zwecke der Reinigung', beziehungsweise des Tnikleidens aufgenommen
werden, und verbiete auch während der nachfolgenden Zeit jedes irgendwie
längere anfreehte Tragen des Kindes auf dem Arme. Hat das Kind Stehen und
Geben gelernt, so flberlässt man die Uebung der Muskeln in der Hanptsaehe
seinem Instincte. .*5päterhin tritt als treftliches Mittel der Uebung das Bewegungs-
spiel und die methodische Gymnastik hinzu. Die e r h U t u n g der
Scoliuse im schulpflichtigen Alter endlieh wird erzielt durch körper-
gereehte Construetion der Subsellien, dureh FOrsorge flBr richtige Haltung beim
Sdirdben und bei den Handarbeiten, durch Vormeiden des zu anhaltenden Sitzeos,
zumal ohne Rückenlehne, und durch consoquente Uebung des gesammten
Muskelsystems.
Die Fürsorge fflr die Wohnung des Kindes. Das Kind ist
gegen Unreinheit der Luft, gegen Mangel an Sonnenlicht, gegen Feuchtigkeit
der Wiinde viel emj^findliclier als Erwachsene. In schlecht gelüfteten , dumpfen,
teuchten, lichtarmeu Kiluiiieu wird es sehr leicht scrophulös, anämisch, schwächlich.
Hat doeh Dbuue gezeigt , dass die Temperatur der in dunklen Wohnungen sieh
aufhaltenden Kinder subnormal ist. Dies deutet bestimmt auf Herabsetzung der
Energie des StofTweehsels hin. Auch i->t zu beuchten, dass das Kind relativ viel
mehr CO., ausscheidet als der Krwacbseue. — Aus Vorstehendem folgt, dass die
Wohnung des Kindes mögliehst geräumig, durchaus trocken, möglichst gut
ventitirt, dem Sonnenliehte ausgesetzt und, wenn dies irgend erreiehbar ist, nadi
Süden, Südosten oder Südwesten, jedenfalls nicht nach Norden gelegen sein soll.
Die Temperatur sei in der kühlen Jahreszeit 1.') ' K., für schwächliche SiUiglingc
lü" R. Mau heize tbuuliehst mit Kachelöfen, umgebe jedenfalls die metallenen mit
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KINDERHYGIENE.
449
einem Schutzgitter, Wahrend der heissen Monate suche man die Wohnung nach
Möglichkeit zu kühlen durch Lüftung am Abend und am frUbea Morgen, durch
HenbhMaeii von Jalousien , dnreh Besprengen des Fnasbodens nnd wr&hre so
besonders bei Wohnräumen für SäugliniL'^e, um der Batstehnog von Breehdorchfalt
vorzubeugen. Zur künstlichen Beleuchtunf? pi;rnen sich ausser hoch
angebrachten Glühlampen am meisten Oelbängelampen. Auch das Schlafzimmer
des Kindes sei, wenn möglich, nach der Sonnenaette gelegen, hinreiehend ge-
xivmig, nieht sn niedrig nnd im Winter fttr 0— djihrige Kinder nuf 15— 13* R.,
fBr iltere auf 10— 120R. erwärmt.
In dem Schlafzimmer soll jedea Kind sein eigenes Bett haben. Nur
dann erhält es während des Schlafes ausreichend reine Luft. Für Säuglinge
eignet sieh sehr gnt eine KorUiettstelle mit festeteheoden Fflssen, dagegen nieht
eine kistenartige Bettstelle mit geschlossenen Seitenwänden. Erstere gestattet
den Durchtritt von Luft , letztere nicht. Schaukelnde Bettstellen , Wiegen . sind
durchaus zu entbehren, aber nur dann geradezu nachtheilig, wenn sie ungestüm
und nngleiduniflsig bewegt werden. Zar AnaUeidnng der Bettstelle gehört «ne
Matratze aus Rosshaar oder getrocknetem Moos, eine doppelte Lage Wolltuch, eine
Unterlage von Guttapercha, ein Leinwandüberzug, ein Rosshaarkopfkissen, eine
einfache oder doppelte Decke oder — während der ersten Lebensmonate — ein
Federkissen. CKe werde so gestellt, dass das Kindehen nieht In's Helle sieht ni^
von der einen Seite nieht mehr Licht als von der anderen bekommt. Für ältere
Kinder eignen sich am besten Holzhettstellen mit durchbrochenen ScitenwJlnden
und einer Unterlage aus Gurten oder Metalldrahtiiechtwerk , Kosslia&muitratzen,
Rosshaarkopfkissen, wollene Oberdecken.
Pflege der Sinne. Sowohl die kOrperUehe Leistnngsfthlgkmt als die
geistige Gesundheit hängen zum grossen Theile von dem Vorhandensein gesunder
Sinne ab. Ja, das ganze geistige Leben baut sich ursprünglich aus Sinneseindrücken
auf. Deshalb ist die Fliege der Sinne von erheblichem Belange. Fehler, welche
besaglieh derselben In der Jngend gemaeht werden, lassen aldb In spätwen Jahren
oft nur unvollständig oder gar nicht wieder gut machen, und anderersmts vermag
die richtige rtleL'c der f^inue die P]ntwicklung des Gei.stes in hervorragendem
Masse zu fordern. Dies gilt besonders von der PÜege des Gesichts- und des
Gehörsinnes.
Gesichtssinn. Das neugeborene Kind ist lichtseheu mdst bis sn dem
Knde der dritten Woche, Auge sehr empfindlich. Letzteres ist auch myopisch
in Folge stärkerer Krümmung der Cornea (Maüthner [34 J, Reüss [35j, v. HasnerJ,
wird mit Ablauf etwa des ersten Jahres emmetropisch oder byperopisch, im scbul-
piidrtigen Alter aber sehr häufig wieder myopiseh (Cohn 86, 37), dann aber nidit
in Folge stärkerer Krümmung der Cornea , sondern in Folge Verlängerung der
Angenachse, wesentlich durch Steigerung des intraoculären Druckes bei anhal-
tendem Naheschen, zumal bei Kindern myopischer Eltern. Was das Farben-
unterseheidungsvermögen betrilll, so erkennt der Säugling nur hell nnd
dunkel ; erst etwa von der Mitte des 2. Leben^ahres an vermag das Kind roth,
noeh später grün und blau, am spätesten, gegen Ende des 3. Jahres, aueh gelb
zu unterscheiden.
Zum Sehntse des Auges ist während der ersten Lebenswochen die
Fernhaltnng zu starken Lichtreizes geboten. Man gewOhne das neugeborene Kind
ganz allmälig an das diffuse Tageslicht.
Die Uebnng de« Auges erzielt man am zweckmässigsten durch Vor-
führung von Gegenständen mit ausgeprägten Formen (Steine im Baukasten,
Warfei n. s.w.), sowie von geometrischen FIgnrai, von Farben und Farben-
abstufungen (Apparat von Brücke, von Delhf.z. Farbentäfelchen von MAnxrs),
vor Allem aber durch Beobachtung der Natur und des t'estirnten Himmels. Die
Schulmyopie verhütet man durch möglichste üerabmiudurung der Naharbeit,
des Lesens nnd Sehreibens, dnreh Fttrsorge für kSrpergereehte Gonstrnetion der
Eoqrdap. JahiUleber^ III. 29
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450
KINDERHYGIENE.
Subsellicn und Arbeitstische, für ricbt!'_a> Haltnufr und richtig:e Lagerunfr der Hefte
beim äcbreibeo (Steil&cbrift; , für guteo Druck der Bücber , für ausreiclieode lie-
lenohtuDg aller PiStee in der Schule, endlieh in der BefSSrderung der Gelegenheit
sar Accommodation für die Ferne (Betrachtung des gestirnten Himmels, Spazieren-
gehen in Feld und Flur j, da hierin das beste Correctiv für die atilinlti nde Nah-
arbeit liegt. Näheres siehe im Artikel „Schulgesuadbeitsptlege' \
Gehörsinn. Das neugeborene Kind ist wihrend der ersten Standen,
mitnnter wihrend eines oder mehrerer Tage, taub (t. TböltsCB, Wbndt), weil
die Sllhepitheüale Schicht der Paukenhöhlenmucosa g'cschwolleu iit und durch
ihre Schwellung' die Paiikenböblc selbst ausgefüllt wird. Mit IJückbiiduntr dieses
Polt^ters stellt sich dann die Fähigkeit zu böreu ein. Dieselbe ist Aufaugg schwach,
nimmt aber stetig m. Bemerkenswertb ist, dass das Kind gellende, sehrille, laute
Gerlusche unanf^cucbm empfindet, nicht selten durch sie zum Zusammenfahren,
zum Weinen probraclit wird. Deshalb soll das Gehör des Kindes in der ersten
Lebenszeit vur allzu starken Geräuschen möglichst geschützt, sein Zimmer m^iglichst
rnhig gewählt werden, üebnng des Gehörsinnes erfolgt dnreh Singspiele,
durch Singren, durch Musik Besondere Anfinerksamkeit ist dem Gehüror^ane
im Kopfgcnickkrauipf und im Scharlach zuzuwenden , weil es in diesm beiden
Krankheiten so oft in Mitleidenschaft gezogen wird.
Pflege des Nervensystems, d er geistigen Gesundheit. Die
Substans der Centraiorgane des Nervensystems, der Ganglien, der NervenfiMem,
ist beim Kinde was<er und blutreicher, weicher, wenifrer resistent, aber viel
reizbarer als beim Erwachsenen. So erklärt sich die frrossc Neijrun^ des
Kindes wenigstens der ersten Jahre zu Convulsioueu, zu Erkrankungen
des Gehirnes.
Ueber das Wacbsthum des letzteren i<t Folgendes zu sagen: Das
Gehirn wächst un{remein stark im ersten Jahre, dann folgt eine fünfjährige Periode
wesentlich langsameren Wachsens; vom Anfange des 7. Jahres an aber bis zum
Ende desselben wichst es wieder sehr rasch, darauf andauernd langsamer. Am
raschesten ninimt bald nach der Geburt an Umfang das Kleinhirn zu, im 7. Jahre
jedoch die bis dahin wenii^ ausfrebildete Vorderpartie des Grossbiriis. Auf diese
letztere Thatsache wird die Hygiene besondere Kücksicht zu nehmen haben.
Das n«ig«bormie Kind hat nur geirisse AUgemelngefllkle ; es ist im Uebrigen
ein RttekenmarksindHduum und wird erst allmälig ein solches, weldiea cerebral
arbeitet. Die Bewegungen und die Sinnescindrücke lassen Empfindunfrcn zurück;
dieselben werden durch Wiederboluu}:^ deutlicher und bilden dadurcli die (irund-
lage dessen, was wir seelisches Leben nennen. Indem die Wiederholung der
Empfindungen ne fixirt, ^ebl sie Anlass zur Ansammlung von EindrQeken, von
Gedächtnissmaterial. Wenn aber das Kind nach und nach lernt, die
Empfindungen mit den causalen Factoren in Zusammenhang zu bringen, beginnt
es, zu erkennen, sich zurecbt zu finden, und, wenn es dahin gelangt,
mehrere Eindrtleke zu vei^leiehen, beginnt es zu nrth eilen. (Prbteb 38.)
EUn Wellie endlich tritt hervor, wenn die Vorstellungen, welche mit
einem GefülWe des Befriedifrtseins , des Anjjenehtneu sich vcrbiiulen . so mächtig
werden, dass sie zu einem Begehren, einem Verlangen nach W iederholuug führen.
IHe Sprache, das hdsst dar dureh bestimmte Huskelbewegungen sich
kundgebende Ausdruck für gewisse Empfindungen und Vorstellungen, ist znnlehst
nur eine DilTerenzirung des Selin itoites , die allerdings dem Kenner sehr wohl
verständlich ist. (Verschiedenheil des Schreitones bei Hunger, bei Schmerzen, bei
allgemeinem Unbehagen.) Spftterhio, sobald wirkliche Begriffe sich bilden, äussert
sieh die Spraehe in Silben, dann in Worten, In Sitzen. In ihr fehlen auf lauge
Zeit hin die Ausdrücke für das Abstracte, weil das ganze seelische Leben des Kindes
Zttultohst vom Sinnlichen, rein Concreten ausgeht.
Die Pflege des Nervensystems des Kindes liegt in der richtigen
Ernährung des letzteren, in dem Femhalten zu sturker Reize, nicht Mos der
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KINDERUYGIENE.
451
Stimulirenden Gonussmittel, wie dies sehon an andcrpr Stelle nuso-esproclitMi wurde,
sondern auch zu m.nchtifrer Siuneseindrllcke , zu miCchtigcr F^inwirkun^en auf die
Psyche, auf die Phantaaie, in der Veruieiduug zu frühzeitiger aod zu auhalteader
Anstrangnng des GehiroB md endlieh in der FOraorge flllr angemeiMne Muakel-
tnbnng, die ein vortreflfliches Gegenmittel ^e?eu die Geistesarbeit ist.
Die erste freistip'c Pflege des Kindes kann und darf au« dem oben be-
tonten Grunde nur eine Pflege der äinne sein. Da auf Sinneseindrilcken
das gatize seelische Leben sieb aufbaut, so Icommt Alles darauf an, dass die
Sinne gedeihlich sieb entwickeln und richtige Eindrücke empfangen.
Weiterhin mtiRsen die beim Kinde bald m.tchtig hervortretenden Triebe,
der Thätigkeits-, der ^'achahmungs•, der GeselUchafts- und der Wissenstrieb be-
neblet nnd sowobl in Bezog anf ihre Riebtang , wie anf ib?« Intendttt gelenkt
werden. Dabei ist frühzeitig auf die Bildung eines gesunden Gefühlslebens, einer
festen Willenskraft , auf die Beherrsehun;; der Triebe , auf das Ertragen von
Sehmerzen, von Kntbelirungeo, auf das ruhige Hinnehmen der Nichterfüllung von
Wüuachen hinzuarbeiten.
Wissensebaftlieber Unterrieht, sellrat ein elementarer, sollte,
da die Vorderpartie des Grossbims, der Sitz des Denkvermögens, im 7. Jabre so
mSchtig wachst, eiprentlieh nicht vor Vollendunsr dieses Jahres begonnen werden.
Denn jedes stark wachsende Organ bedarf der erhöhten Schonung. Auch lehrt die
Erfabmng, dass allau früher Beginn des ünterriebte^ vielfaeh su frühem geistigem
Erselilatfen und sor Sebldignng der körperliehen Gesundheit fdhrt, dass aber
andererseits Kinder, wefehe mit vollendetem 7. Jahre in den wissenschaftliehen
Unterricht eintreten, die Altersgenossen, welche früher als sie der Schule Uber-
wiesen wurden, meistens sehr bald wieder dnholen.
Ausser der zu frühen Inanspruchnahme des Denkvermögens sebadet jede
zn intensive geistige Anstrengung, jede l'i'berhastung, jede Abhetzung des Schul-
kindes. Deshalb ist dabin zu wirken, da^-s die Geisteskräfte der Altersstufe ent-
sprechend geübt werden. In den uuteren Ciassen sollen deshalb vorwiegend An-
sebannngsnnterrieht nnd Uebnngen des Gedäehtnisses, in den mittleren Oediebtniss-
nnd Denkübungen neben dem Auschanungsnntcrrichte, in den oberen vorwiegend
Denkübungen stattfinden. Aueh muss ein bestimmter Lehrplan nach den Fähig-
keiten mittelgut begabter Kinder ausgearbeitet und mit Consequcnz befolgt, das Auf-
geben freiwilliger Arbeiten absolut verboten werden. In diesen Lebrplan sind die gy m-
nastischen Uebnngen als ubligatorischer llnterriehtagegenstand aufzunehmen.
Das Oesammtziel der geistigen Erziehung sei eine möglichst voll-
kommene, harmonische Entwicklung aller seelischen Filhigkeiteu , des Gedeicht-
nisses, des Beobaebtungs- und DenkyermOgena , dar Willenskraft, des Gefühles
und des Gemüthes, des Sinnes fttr das SehOne, Edle, niebt aber die Ausbildung
nnr einzelner dieser Fttbigkeitmi.
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KoCktalzillfuSiOn bd Cholw«, anbentuie, p«g. 151, pag. 428 ff.; in
die Venen, pa«. 163, 429.
Koch'scher CommabacHlu8, a. choiem, pi«. i88 ff., pa«r. 154 ff.
KohlenOXydvergiftung (vergl. Real Encyclopadie, 2. Aufl., Bd.VU,
psg'. 480). Die Frage, ob der Tod durch Kohlenstoffverfriftung die Folg« einer
directen Einwirkung von CO auf das Centralnervensystem oder einer indirecten
AetioD vermAge der Saueretoffirwnunnung der Gewebe doreh taiierstofferme Luft
Bei, mnss in ersterem Sinne beantwortet werden, da die Reaction des Athem-
centrums bei Kdhlfiioxydvergiftung und bei Frsti^^kuTiij sirli wesentlich anders
verhält. Nach (i eppebt bleibt die hohe Steigerung der Athmung , die bei Er-
stickung schon vor dem Sinken des Sauerstoffverbrauohe« eintritt, l>ei Kohien-
oxydTergiftong, bei der die Athemsahl unähemd normal bleibt, weg.
Zu den nervösen Symptoraencomplexen, welche die Kohlenoxydvergiftung
hervorrufen kann, gehört auch dasjenige der Tetanie. Die Kohlenoxydtetanie,
auf welche neuerdings Voss^j hingewiesen bat, Weicht nicht vou dem gewöbn-
lieben Bilde ab nnd ebarakterisirt sieb ala toniaeher, intermittirender Krampf,
der hauptsächlicb die Extremitäten und das Geaicht und in geringerem Grade
die Kaumuskeln , von den Extremitäten besouder.«? die Flexoren und Adduetoren
betrifft. Auch der Umstand, dass das Bein im Kniegelenke meist gestreckt ist
nnd die Patellerreflexe normal aind, iat bei der Kohlenoxydtetanie eonetatirt. Ob
für das Zustandekommen der bisher nur m wenigen Fällen studirten Affaetion
das Vorhandensein von Magen- und Danncatarrhen eine Rolle .-»pielt, infissen spätere
Untersuchungen lehren. Sicher ist, dass die Tetanie in Fallen vorkommen kann,
in denen das Blut nur aelir wenig CO enthält nnd dass sie in solchen die weaent-
liebe Craaehe dea tfidtiiehen Amgangea absngeben vernuig. Mm faaat aie aas
besten als ein dureh Reflexeinwirknng des erkrankten Darmes auf ein dureb Kohlen-
oxyd Vergiftung in erhöhte Krretrbarkeit versetztes Nervensystem auf.
Kiue andere Form der Kohlunuxyd Vergiftung bildet actives Delirium,
das naeh einer Beobachtung Ton Ruata*) selbst mehrere Tage nnhnlten kann.
Kopfweh und Dtqmesion gehen der Atlection voraus, für welelie vielleielit krank-
hafte Veränderungen de-< Gehirn« oder des Sclirtdels (bei dem naeh nielirtilgiger
Inhalation von CO aus eiuem Kuchofen in schlecht ventilirtem Räume an acutem
Delirinm Erkrankten beatand eine Hisablldang dea Sohldels) Prsdispoaition geben.
Dass Störungen des Gedächtnisses als Folge der Kohlenoxyd-
verHiftnng auftreten können, i-^t eint' wiederholt gemachte Pn'ohachtung. ') Hiinfig
besteht sogeuannte einfache Amuesie, in der die unmittelii;ir vor der lutoxieation
wahrgenommenen Vorkommnisse dem Oedftohtnisae ToUkommen entschwunden sind;
in manchen FHIIen dehnt sieh die Amneaie anf weitere Strecken vor der Intoxi*
outian aus und entspricht der Amnhie rt'frofjrath von RiBOT. Der Erinnerung^imangel
kann sieh auf wenige Tase'i, aber auch auf Wochen und Monate erstrecken.')
Die nicht solteo auch als Nachkraukhciten auftretenden i'neumoaien,
besonders bftnfig in Flllen, wo Kohlenbecken anr Intoxication benntat sind, machen
sich meist iu der ersten Woche nach der Vergiftung geltend. V(m Interesse ist,
dass in einzelnen Fällen, wo die physikalischen Zeichen und die localen .'^ichmerzen
au dem Bestehen einer Lungenentzündung keinen Zweifel gestatten, Temperatur-
steigemng nicht zu constattren ist. ^
Literatur: ') (leppert, Ki lil-mw .] uml Erstickung. Dentsclif med. Wochenschr,
18014, Nr. 19. — Voss, Ueber Tetanie bei Kuhlendanstvergifluns. Ebenda. Nr. 40. —
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KOHLENOXYDYEfiGIFTUNG. — KBESOLP&iPABATK
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Ruata. (Jazz, med. di Torino. 1892, Nr. 24. — *) Vergl. A rt iga la s , Des asphi/jitn
toxiquea. Paria 1883- — *) Fallot, Note xur hu can d'amnhie retrograde eoneicuti/ ä
FiiUoxication par l'oj-yie de rharhon. Ann. d'hyg. 1892, Nr. 3, pag. 244. — •) BonilI»rd,
Sur lea umniaie«. Paris 1885. Cacarri«, Essai sur les anmhies toxiques. Paris 1887.
Briand, Verhdlgo. d. Soc. de mhd. l^ale. 11. F«vr. 1889. — ') Dufoornier. tneumonie
droite .sans renctiun fibt ilt ä lo tuitt i'um intOxiCCtUOH JMtT Poxj/de rf< carbone. 6««. dM
höp. 1892, Nr. 8H, pa>: s37. Hnsemaiiii.
Kotherbrechen, s. Darmitenote, pag. 192.
KrebSi Bdiaadlmigi a. Gan«roi&, pag. 120.
KreSOlpräp&rate. unter verschiedenen Benennttngen Bind im vergangenen
Jahre eine Anzahl von zur DesinfVotion dienenden Präparaten in den Handel ein-
geführt und den Aerzten zum Theil amtlich anempfohlen worden, welche ah wesent-
lichen Bestandtheil Kresole, d. h. ein wechselndes Gemenge von Orto-. Meta- und
Para-Kresol (Q, H« . CH, . OH) «nthatton. Znnlehst ist festgestellt, dass die soge-
nannte rohe Carholsänre in ihren besseren, nur wenig Pyridinbasen ent-
haltenden Sorten so gut wie gar keine Carbolsäure enthJlIt, sondern ein Gemenge
der oben genannten isomeren Kresole darstellt. Die rohen Kresole sind trotz ihrer
hohen dednfidrenden Wirkniig wegen ihres hohen speei6sehen Gewiehtes, welches
eine MengllBg mit den Dejeeten sehr erschwert, direct zur Desiuficirung in Aborten«
Gruben u. s. w. nicht verwendbar, doch gelang es d<ir Industrie, die Kresole in
Verbindungen zu Uberfahren, durch welche ihre deüinlicirende Kraft verwcrthbar
wird. Die Kresolpräparate des Handels lassen sieh in xwd Gruppen theOen, in
solche, welche mit Wasser verdünnt eine milchige Flflssigkeit liefern und
ia solche, welche in Wasser klar mischbar sind.
Zur ersten Gruppe gehören: Sapocarbol II, Littlk's Flii.ssigkeit,
Jbte's Desinfectant (das spätere Kreolin von Peakson) und Buockmann's
Kresolin. Sie dnd aftfnmtlieh Gemenge tob Harsseife mit rohen Kresolen und
KohlenwasserstofTt II des Steinkohlentheers (darunter Naphthalin). Diese Kohlen-
wasserstoffe werden uur von einer conoentrirten Harzsei fcnlösunfj in Lösunjr gehalten,
verdünnt man aber das Gemenge mit Wa-^^ser, so scheiden sie sich in feineu Tröpf-
chen ans, wodnreh die Hisehnng das Aussehen einer Emobion erhält. AnTif akn's
Kreolin besteht aus KresolsobwefelsAure, in welcher Theerkohlenwasser-
stoffe gelöst sind, auch aus diesem werden die letzteren dnreh Verdünnen mit
Wasser milchig abgeschieden.
Die znr 3. Gruppe zilüenden Kresolpräparate enthalten die Kresole dnreh
verschiedene Stoffe gelöst, sind aber frei von Theerkohlenwasserstoffen und bleiben
daher bei der VerdUnnuns^ mit Wasser vollkommen klar. Hierher irehoren :
aj Sapocarbol ü'i und Ol. In diesen Präparaten sind die Kresole durch Öoife
in Lösung gehalten. Die Sorte grösserer Reinheit 00 enthält weniger Pyridin-
hasen. Dem Sapocarbol völlig gldch ist das b) Lysol, von dem dne Sorte von
geringerer Reinheit, Lj/sobim crudum, zur Desinfection von Aborten , Kranken-
sMlen u. s. w. hergestellt wird, c) Solveolund Solu toi haben wir Real-Kney-
clopädie, Bd. XXIV, pag. 620, geschildert, dj Kresolkalk, ein wirksames und
billiges Dednfidens, wdebes erhalten whrd, indem man Kresol mittelst Kalkmilch
löst. Es werden 1 Theil Aetzkalk mit 4 Theilen Wasser zu Kalkmihh gelöscht
und dieser nach und nach 5 Theile rohes Kresol zugesetzt. Man erhalt so eine
syrupdicke Flüssigkeit , welche bO^/^ Kresol enthält und mit Wasser in jedem
Verhältnisse mischbar ist Nimmt man mehr Kalk, so wird die Mischung diebter
und schliesslich ganz fest, diese letztere ist zwar schwerer in Wasser löslieh,
eiffuet sich aber besser zum Transport. Nach FünOR (Hygienische Rundschau. 1892,
753) genügten .^0 Grm. Kresolkalk (entsprechend 25 Grm. rohem Kresol), um
1 Liter Canaljandie ianerhalb 4 Stunden vollständig zu slerilidrea. Ebenso rasch
wnrdea auch Typhus- aod Cholerardneultnren zerstört.
Literatur : Die Kmotpräparate d. Handels. Fhamac. Oentralhalle. 18'.*.', pag. 901.
Loebisch.
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454
KRANKENPFLEGE.
Krankenpflege, fr ei willige (isreschichtlich). Die von (Iutit.t in der
Keal-I^ru vLlupädio gelieferte vortreffliebe Darstellung der geücliichtiiehen Ent-
wicklung und OrgaDisation der freiwilligen «— zumeist im Kriege betbfttigten —
Krankenpflege In gldeher Yollstlndlgkeit fortiowtsen) wollen wir nn dieser Stelle
nicht als unsere Aufgabe ansehen.
Wir huldigen der Anschauung , dass das Interesse des Praktikers .sifh
weniger darauf erstreckt, den weiteren Ausbau einer jeden in dem erwähnten
Artikel aufgeführten Vereinignng an der Hand von Zahlenreihen au verfolgen,
als vielmehr darauf, einen üeberbliek Aber die berrorra^endsten Bestrebungen des
modernen Samariterthnms zu gewinnen . und deshalb wollen wir die Gesehichte
des Kütben Kreuzes nur durch die hauptsUlchliehsten Dateu aus jüngster Zeit za
vervoHstlndigen soeben, dagegen der Sohildemng dnlger aener bedeutender
Schöpfungen auf dem Gebiete der Kriegs^ nnd Friedenskrankenpfl<^ einen desto
breiteren Raum g<lnnen. Dabei verdient von vornherein hervorgehoben zu werden,
dass die früher häufig geübte Scheidung zwischeu Friedens- und Kriegstbätigkeit
in beutiger Zeit mehr und mehr fallen gelassen wird. Die Mitglieder derjenigen
Vereine, deren Aufgaben an und fOr sich lediglich fttr den Krie^^sfall bereehnet
ttud, werden — zur besseren Sehulun^^ und Nntzbarmaebung ihrer Kräfte — aneh
ffJr die Thätigkeit im Frieden au.sgebildet und \erpllichtet, und die für die erste
Hilfeleistung bei Unglücksfällen im Frieden vurbereiteteu Personen sind fast durch-
weg entsehlossen , ihre fUilgkeiten wlhrend eines Kri^:es in den Dienst der
Armee zu stellen
I. Rothes Kreus.
Die Zahl der die Satsvngen der Genfer Convention anwkennenden
Staaten hat sieh seit 1886 um 4, nämlich nm Japan, Portugal, Peru und
lUilgarien, vermelirt. In den 3 ersten Ländern und in Montenegro hat sich
ein Verein vom Kothen Kreuz gebildet, lo Japan haben wie alle europäischen
Sitten ond Einrichtungen so nneh die Bestrebungen des Vereins vom Bethen Krens
in kllrxester Frist einen grossen Anhang gefunden, so dass derselbe im Jahre 1892
berdts 25.000 Mitglieder ilhlte und in den Besiti eines grossen Hospitals
gelangt war.
Ein lebhafter Auätausch der Ideen, eine grössere Solidarität ihrer Inter-
«88«i und eine Vertiefung und Erweiternng ihrer Aufgaben ist dnreh die 4. und
6. i n t (■ rii atioua I e Co n fe rens der Vereine vom rothen Kreuz in
Karlsruhe (1^87 und Koni (1802) angebahnt worden. Als ein lebendiges und
erfreuliebes Zeichen der auf diesem Gebiete herrschenden Einigkeit der verschie-
denen Nationen ist die dnreh das Oentraleoniit6 des rothen Kreuzes au Genf
angeregte (iriindung eines dem Andenken der Kaiserin Augusta, der erhabenen
Protectorin aller hnmanitiren Bestrebungen, geweihten „Augustafonds*' au
begrtlssen.
Fflr die dentsehen Vereine vom Rothen Kreus ist das wieh-
tigste Ereigniss ihre am 3. September 1887 erfolgte Einreibung in das Sanititft-
corps für den Fall «nes Krieges und der Erlsss des darauf besagliehen Organi<
sationsplanes.
(Aus der Anlage II der KnVjrsptajipenordnung vom 3. September 1887-)
Organisationsplan der freiwilligen Krankenpflege im Kriege.
§. 1. Im Allgemeinen.
1. Die deutschen Verein« von Rothen Kreuz und die mit ihnen verb&ndeten Deat-
«•chen Landflsverslne, sowie die Ritterorden (Johanniter, Malteser, St. Oeorgii>Ritter) , welcha
srhon im Frieden toiierhalb dos T'onischeii R«?ichr-s d<-n ZwockOD der Krankflopflogo widmen,
sind htreclitigt. den KrieftssanitntsdiciiSt in unterst iitzen,
2 Diese Bcre«^litignng hat zur Vo^aus^iL■t/.^ln^ , dass j^i naniite Vereine und "rdeu
binsit'litlicli Regelung dieser Unterstützung den Anordnungen der Miiitärbehttrde und ihrer
einzelnen zu.standigen Organe uubediugt Folge leisten.
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KRANKENPFLEGE.
455
3. Sonstige Gesellschaften etc., 'welche zu den deutschen Vereinen vom Rothen KnOB
in keiner Beziehung stehen, sind von solcher Berechtigung überhaupt aasgesrhlo^^seu.
Ihre Zulassung hänjrt in jedem einzelnen Falle voti der 'rftnidiniit'ung des Kriegs-
nioisterioiDS ab. iJer bezügliche Antrag ist an den kaiMrlicben Commiasar und Militär«
inspector der frehrilligmi Krankenpflege, bMiebnDgsweiM d«>Mn SteIlTertret«r sn riebtra.
Wir«! f;< nehmipuns: ertlieilt , so wird ilio betreffende fieselisrhaft pleit hzeitig
den Vereinen vom Kothi u Krcnz attadiirr, solern nicht einer der in Betracht knniuienden Kitter-
«rdMI ihre Protection übernimmt.
4. An der Spit» der geaanmten freiwilligen Krankenpflege atebt der kaiaerlicba
Commiarilr und Militlrinspeetor der freiwilli;^ Krankenpflege. Die deuttchen TereiiM vom
Rothen Kreuz und die mit ihnen vt^rbtindett-n V> n ine sind durdi <la8 CenttmlcOBllrt der enteren,
die Ritterorden durch die lietrertVnden ' ii ilen>vur^taude vertreten.
*j Anipaite der fr >^ i w i ! 1 i en K r a n k e n j) 1"1 e fr e.
1. Die Auti^'ube der freiwilligen Krankenpdege besteht in der Unteratützung des
Mflittreanitätstlienstes :
a) im Inland«,
b) im Bereiche der Et.ippenbeh«irden. und zwar in dreifacher Hinsicht : in der Kranken-
pflege, dem Kraukentransport und in dem Depotdienst.
Kar besondere Nothstände können die Verwendnng von Formationen etc. der frei-
willigen Krankenpflege in erster Linie, d. h. im Anaehlau an die operlrenden Tmppen
bedingen: di>' (ienehmijrung hierzu kann unter :<oldien aninahmaweiien Verhiltniwen TOn dem
betreffenden Armee-tjbercommando ertheilt werden.
2. In welchem rmtanire die treiwillipe Krankenpllege diesen Aufgaben zu » ntsprecheB
im Stande ist, ergiebt sieb aus den durch den kaiserlichen Commiasär alljährlich dem Kriega*
ministerinm vorsnlegenden Vebersicbten Aber den vorhandenen Bestand an Personal nnd Mate-
rial. Die Einreichuns: dii'ver I'eber.sii'hteu t;e>i liielit zum 10. .luli.
'A. Dem kai.-^erlichen Commissär wird durch da« Kriegsministeriam alljährlich mit-
getbeilt, welche Yorhereitnogen seitens der freiwilligen Krankenpflege fflr den MobflmaeliangafiJl
plaamissig zn treffen sind.
Das Kriegsministerinm ist berechtigt, sich durch bezügliche Mosternng davon m
flbaneng en, dus diese Vorbereitnngea dem tliatsächlichen BedOrftiiss entsprsdien.
§. 3. Oberste Leitung der freiwilligen Krankenpflege^
1. Der kaivetlirli«' rommi.'^^'ar und Militarinspector d>-r freiwilligen KraakOBpflege
wird von Seiner Majestät dem Kaiser und Könige bereits im Frieden ernannt.
2. Im Kriege befindet sich der kaiserliehe CommiiisiT im grossen Haoptqwutiflr md
leitet im Einvetständoi.'-s mit dem Oeneralinspector des Etappen- nnd Eisenbalinweaeas den
Dienst di-r freiwilligen Krankenpflege auf dem Kric^'-ist hauplatz.
i-i. Im Inlande steht während denen ein \<>ri ."^einer Majestät dem Kaiser und Könige
eroanoter stellvertretender Müitärinspector an der Spitze der freiwilligen Krankenpflege; er
ist verpflichtet, den Reqnlfritiotten nnd sonstigen Anordnungen des kaiserlichen Commissin
betreffs Fürsorge der l'n iwillijrcn Krankenpllt-ue für ilie Feldarmee Foltr.- zu leisten. Die Central-
stelle des )initärin<i|ieet<irs (im Iniandel wird gebildet aus dem Vorsitzenden und vier bis »ecbs
Mitgliedern des Centralcomite.s aus den Preus^tischen Vereinen und ebenso viel Mitgliedern
aw den übrigen Laodesvereinen vom Rothen Kreuz, aus den Delegirten der in Betracht kommen-
den Bltterorden, sowie aus anderweiten znr Erledigung der Geschäfte heranzuziehenden ge-
eigneten Mitarbi'itern.
Der Vorsitzende des Centralcomitei , sofern er nicht etwa zum stellvertretenden
llilitärinspector All« höchst ernannt worden ist, steht der Bearboitong der besüglichen Depot»
und RechnungsanireleL'eiiheiten vor. Tm Falle der Ernennung des Vorsitzenden des fVntral-
romites zum .stellvertretenden Militarin.<»pector ist die Leitung; der betreHendt-n Depot- und
Rechnungsangelegenheiten einem der in die Centralstellc delegirten llitgUedor des Contml-
comitte nach Vereinbarnng mit dem Hilitärinspector sa übertragen.
4. Dvr stellvertietende Hilitärinspector steht in direetem Yerkehr mit dam Kriege»
ministerinro ond stellt seine Anträge nach Mansgabe der ihm von dem kiiseriidien Oomminir
eilheilten Directiveu.
5. Bei ruumliih getrennten Krirg^^cbinplitien kann rieh der kaiserliche Commissir
auf einem derselben durch einen Generaldelegirten vertreten lassen; derselbe bedarf znr Au»
Qbnng seiner Functionen der Allerhöchsten Kostat icnng.
4. Delegirte der t r i' i w i 1 1 i g e n Krankenpflege.
1. Die Delegirten der freiwilli<ren Krankenpflege sind die Organe, welchen die Leitung
der dem Militarsanitalsdien-^t zu IcistetidiMi I'nierstutznng in Ix'stimniten (irtMiZ''!! uMie^'t.
Ihre Thätigkeit erfolgt im innig.stea Verein mit den leitenden Militärärzten, welchen
in Betreff der BedOrftaissfrago nnd in allen sachlichen Beziehnngen die Entsokeidnng zosteht.
2. r)ie Delegirten theilen sich in solche bei der Feldarmee nnd in solche bei der
Besatzung.sannec.
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456
KRANKENPFLEGE
3. Die Delegirten bei der Feldarmee aind folgende:
m) Zar ■teppenii^pecUon jeder Armee tritt eis Armeedehgirter. Br iMit Mtir d«m
BeftU des Etappeninspectoni und triflft seine Annrdnunpren im Einverständniat wAk dev
Btappengensralarzt. Mit dem Armeeobercommando verkehrter durch den Amieegenenlust.
h) Jedem FeldU^arethdirector wird ein Corpsdelegirter beigegeben ; derselbe steht direct
unter dem Armeedelegtrteii und trifft seine uässnahmsa im Einventftndniss mit dem
Feldlazaretlidfreetor.
ZlB jeder Krank. •iitranspnrt<ommission (ritt ein Etappendt^Iegirter , welclier unter dMD
Armeedelegirten den freiwilligen Sanitätsdienst auf der Etappenstrasse regelt.
d) Aof Jeder SammeUtatioii beSadet sich ein Unterdeleglrtsr , welelier nach dem Wei>
•aagen des EtappendelpRirten die Verwaltung nnd die von den staatlichen Organen
vanbbtngige RechouDp^le^ung über die freiwilligen (>ab«n besorgt und innerhalb der
ilim von den suständigen Eisenhahiibehördea eingeräumten Grenzen bei dwn Nadi-
idiab Ton Personal and Material der freiwilligen Krankenpflege mitwirkt
4. Bei der Besatsnngsannee werden folgende Delegirte eingesetst:
a) Jedem sttdUertn-tenden Genoralrommando wird ein Corpsdelegirter beigepel»en, welcher
innerhalb de.s Corpsbereirhes die Betheiügang der freiwilligen Krankenpflege regelt.
h) Za den Gouverneuren . beziehvngswetse Commandantea armlrter Featnagea tritt nach
Bedarf ein Festtingadelegirter.
e) Werden besondere Besenrelazarethdirectoren aufgestellt , so werden ihnen für ihren
Benicb Beservelazarethdelegirto zuf:<tlieilt
dj Jeder Liniencommnndantnr wird ein Liniendelegirter beigegeben, welcher den Yer»
kehr swisehen den Corpsdelegirten der Besatsnagsnnaee nnd den Etappendelegirtett
der Feldarmee vermittelt.
5. Die Delegirten werden auf Vorüchlag der in Betracht kommenden Vereine und
Orden von dem kaiserlichen Commioir ansgeiriUilt nnd bedflrfen snr Aasttbvag Ihmr FnactioneB
der Best&tignng des Kriegsministerinm«.
DIeaelb« •inanhi^ ist Sneh« des kaiaariidiea Coimmiaiii«, bmdeliaagtwaisa det atall-
vertretenden Hilit&rinspectors.
§. 5. Personal der freiwilligea Kraakenpflege.
1. Das Personal der freiwilligen Krankenpflege (einsehliesülich der Delegirten) muss
Deutscher Nationalität rein, nnd darf weder dem activen Dienststande, noch dem Beurlaabien'
ataade, noch der Ereatcreserve 1. Classe angehören; desgleichen sind Hititlrpilichtige von
aotehsr Verwendnnj» anspeschlossen.
Wehrfahise i.andsturmpflicbtige , welche gedient haben, dürfen nur dann deaignirt
werden, wenn sie das 40. Lebensjahre bereits Uberschritten balieu.
Eine Zula^sKung international*- r Hilfe darf nur im Inlande, aber auch hier aar aos*
nahmsweise und mit besonderer Genehmi^'ung des Kriejgrsminiaterinms statttinden.
;;. Wird über Krsatzreservisten U ('lasse oder über Landsturin((iliehtige — soweit
sie überbaapt iu Betracht kommen — seitens der freiwilligea Krankenpflege verfugt, so mus«
dem Landwebrbesirkseommando, bei welchem sie controlirt werden, besfehnngsweise in dessen
Besilk sie wohnen, i ntsprerhende Uittheilting gemacht werden.
3. Die Auswahl des Personals ist Sache der betreü'enden Vereine etc. ; dasselbe
mtlSB in jeder Hinsieht den Anforderangan der Stalle, fltr welohe es anegewhUt wird,
entsprechen.
BexBgliche Vorbildung , Unbeseholtenheft nnd ZnveriiHtgkeit sind mierlisslieh.
4. Di«' Ar.T.alime ilt-r •■rCrjrdi'rlicheii Aerzte, Aimthdter, Bechnunggführer etc. l!;.
ist gleicbfalls Sach*- der treiwilligen Krankenpflege: die lietrefTendsn Aerste müssen vom Kriegs-
ninisteriain be^tatiirt werdeo.
5. Eine namentliche T,iste des ihnen unterstellten Personals reichen die Delegirten
deijenlgen^lilitärbehörde ein, welcher sie beigegeben sind ; Veranib run^'^snacbweisauLren werden
allnionatlich vnr^iie<rt.
Die Armeedelegirten erhalten seitens der ihnen unterstellten Delegirten 4,3 b — d)
Abflchrift dieser Listen und Verindemngsnaehweisnngen.
0. Das gfwanimte Personal der freiwilligen Krank »'uiitli-ge ist auf deai Kriegsschau-
platz den .Strafvorsi hritten des Militarstrafg' setzbucbs, insbesondere den Kriegsgesetzen und
der Disciplinar.strafordnung für das Heer unterworfen. (Militärstra^gesetzbach ffir das Deatsche
Boich 1Ö5 nnd Di^ciplinarstrai'ordnung ii, 3 und 38).
$. 6. Unterstfltanng des Samitätadienitet bei der Feldarmee.
1. Bei Eintritt der Slobilniachung begiebt sich der kaiserlidie Commissär in's grosse
Uauptipiartier, die Ärmeedeb girien nach den Sammelpunkten der Etuppeuin.spectiüueu, die Unter-
delegirten nadi den Snmmelstationi n.
Die hieran erforderlichen Angaben werden ihnen — soweit angängig — dnrch das
KriegsnioiMerinni bereits im Frieden gemacht.
D as zur Ar.siibnng ihm Functionen unbedingt nothwendige Unterpersonal wird von
ihnen mitgenommeu.
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KRANKENPFLEGE.
iS7
2. Da« sonstige, planmässig bereitgestellte Penonal (einschliesslich der Etappen-
nnd Corpsdelegirten) wartet an Ort nnd Stelle weitere Bestimmong ab. Die bezüglichen Requi-
aitioillMI werden von den Armeedekgirteu an den stellvertretend«» MilitlrinipBetlMr g»ridit«t.
3. Dieses Personal gliedert sieb in folgender Weine:
« ) L a z a r e t h p f? r s o u a 1.
Für jedes Ärnieccorps wird ein besonderes Lazarelhdetachenient gebildet, welclMt
dsm Kriegslazarethpi-rsonal des bt-treffenden Corps attachirt wird. Es besteht zunächst am
«wgebUd«ten Kiankenpflegem ond Krankenpfl^erinnen, Köchen, beuehnngsveiae Köchianm.
Dia Bnreiterong dieser Formation hängt von dem Bedttrfniss ah.
An der Spitze derselben sfeln licr CorpsdelcgirtH.
Ob und in welchem Umfange Tbeiie dieser Detacheuieuts an die Etappen iaxarethe
•bcegebao nnd damit dem Btappendelegirten anteratellt werden, nntaciieft der Bastbnmwic
des Ameedelegirten.
b/ Et u p pe n p e rs o n a 1.
Für jode Etappeninspectinn wird ein treiwilliges Begleitdetachement für die Kranken-
tnnsporte piuDuius.si<: geliildet, welches znr Verfttgnag des betretenden Etappendelegirten steht.
Ein Theii dieses Pervonals kann zur Besetzung nnd Venreltnaf von Verband» and
Erfrischungsstationen anf den Bahnhöfen verwandt werden.
Ob (lio ArJ-iellunn: geschlossener Lazan-tli/ime planmiaaig vomselien ist« IläBgt
von den bezüglichen Bestimmungen des Kriegsministeriums ab.
Ansserdem wird fIHr Jede Etappeninspectinn «ia besonderes TraBspottdetaBboaent anf-
gestellt, welches zunächst dem LaaareUiraeerTedepot, beaidiangswelse der TialacolonB« des-
selben attachirt wird.
Dieses Transportdetachement dient znr Verbindung des Etappeabanptorts mit den
vorgeschobenen Lazarethen, nnd stallt ausserdem die erforderlichen Abthdlnngen. um innerhalb
der siueiBMi Etappenorte d«a Knakoitransport (vom Balnhaf neb dtn «iuelnen Laiarethen
und angekehrt) an AbcmehnMii.
ej De pot personal.
Für jede Etappen inspfctinn wird ein Depotdetachement planmässig aufgestellt; es
dient znr Unterstützung des Unterdelegirten anf den Sammelstationen in der ihm nach t^. 4.3 il
zufallenden Anfgabe, sowie zur Verwaltung der Depots der freiwilligen Krankenpflege au den
Etappenhanptorten. Inwieweit an einzelnen Etappenorten noch Zwischendepots errichtet werden,
richtet sieb nach dem BedllrAiiss; besliglicbe Bestimmnog trifft der Btappendel^rte.
4. Für die .\n8stattung des gesamniten Personals mit allem Nöthigen, sowie für die
Bereitstellung der erforderlichen Vorräthe für die Depots sorgt die freiwillige Krankenpflege
nacb den ihr miUtftiisdierseits angebenden Direetiven.
|. 7. ÜBtersttttiang des Sanititsdienates bei der Basatavagaarmee.
1 . Das innerhalb jedes Coqisbezirkeü bereitsnstellande Personal i^edort sich glaloh-
falls in Lazareth-, Transport- und Depotpersonal.
2. Die Stärke nnd Zusammensetzung des Laaantiipersoaala richtet sich nach der
Zahl und (ti m T'mfantre der der freiwilligsB Krankeopflage SU ftberwaisenden, beaiehufsweise
von ihr zu erritblendeu Lazarethe.
;-{. Das Transportpersonal wird theils zum inneren Transportdienst (Transport von
den Bahnhöfen nach den Laaarathen etc.), theils als Begleitpersonal anf den Eiseabaholinien
▼erwandt. Im letzteren Falle steht es zur VerfOining des Liniendelegirten.
Oll und inwieweit Vi riiflet^nng.^- und Erfrischung.'s.stationt^n auf einzelnen UlÜen der
Ireiwilligi n Krankenptlege übergeben werden, hängt von den Verhaltnis.sen ab.
An Jedem Etappenanfangsort wird vuii der freiwilligen Krankenpflege ein Depot
für das hetreffende Armeecorps angelegt, fortlaufend ergänzt nnd verwaltet. Ans ihnen erfolgt
die Completirnng der Bestände der Saumeistationen nsch den Directiven des Liniendelegirten,
sowie ilie \ i rsorguiig der Lazarethe de-i Horpsliezirkes und der innerhalb dieses Bereiches der
freiwilligen Krankenpflege übergebenen V'erpflegangs- und Erfrischnogsstationen in Gemässheit
der Anordnungen des Corpsdelegirten.
a. Die Thatiekl it der Fes1uTtfrsfl''leirirteii richtet sich nach den näheren Beatimmungen
der betreffenden (Gouverneure, beziehungsweise Coumaudanteu ; da.s erforderliche Personal und
Material wird — soweit es sich nicht an Ort nnd Stelle vorilndet — von wsteren bei da»
Corpsdelegirten beantragt.
<i. Werden Keservelasarethdelegirte anfgestellt, so werden ihnen von den Coipsdete»
girten die erfi»derliebe& personellen and materiellen Mittel angewiesea.
§. 8. Sonstige Festsetzungen.
1. Die ( )rL'anisation des Centralnachweisebnreaus ist im Kriegsmioisterium besonders
vorbereitet und der l iiifaug der Bethcilignng der freiwilligen Krnukenptlege planmässig geregelt.
'<i. Im l'elirigen bilden die Festsetzungen des Thciles VI der KriegSsaBitAtSOrdnuag
die Grundlage für «Uc weiteren Uassnahmen und Einrichtungen.
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KUANKENPFLEGE.
Tni den ira Organisationsplane, §.2, 1, ^i'forderten Aafgaben zu genflgen,
sind die deutsflien Vereine vom Kothen Kreuz und die mit ihnen verbündeten
deuUicbeu Laade^vereiue uod Kitterorden in deo letzten Jahren eifrig bemUht
gewesen, sidi lebon Im Frieden fttr die Anforderangen «nee Krieges enf ■ Soig-
fUtigate TOnubereiten.
Was die Ausrüstung mit Material betrifVt. s^o werden nach einem
in der Medicinalabtheiluug des Kriegsminiateriums ausgearbeiteten „Nachweis^
Verbandmittel , Apparate, Laisrethateoiilien , HefKeamentef Lebensmittel ete., in
«aagedehntem Masse beschaffen and in Depots berei^ehalten.
Von f.iHt allen M;inner\ ereinen werden ^-aiize VcreiiHlazaretbe vorbereitet,
in denen Kranke und \ Crwundete wiihnnd eines Krit;ct'-i untcrfrebraelit werden.
So äiud z. B. in Westpbaieu 10 Lazaretho mit circa L^OO Lugersteliea, iu Kbeiu-
land 10, in Hessen-Nassen 6 (mit 116 Betten), in Seelisen 6 (mit 200 Betten), in
Berlin allein 5 Privatlazarethe mit cira 2100 Betten in Aussicht genommen. Im
Januar bat das Deutsche Centralconntö selbst angeschafft : ein transportables
Lazareth (^System Ducker; für JOOü Verwundete (50 Lagerungs- uud 30 Wirth-
sehaftsbaraelEett fDr 300.000 Msrlc) und ein dasselbe ansrtlstendes Inventar
(1000 Rettstellen SCHULz'schen Systems, 2000 StrohsÄcke, 200 Nachttische,
200 Rettschiisseln, 3000 Hemden, 200 Hcttlaken , Verbandmaterial, Wirtlischafts-
material zusammen Iflr 100. OoO Mark). Die transportablen Lazarethbaracken
werden vom Centralcomitü auch den einzelneu Landesvereinen unter gewissen Be-
dingungen nnentgeltUeh Obenriesen.
Die Ausdehnung des Verein snetzes der deutsehen Vereine vom Kothen
Kreuz und ihrer Verbündeten hat in den letzten Jahren ausserordentlich zu-
genommen. Der preussiscbe Verein zur I'tlege im Felde verwundeter und erkrankter
Krieger xihlte am Schlnsse des Jahree 1891 : 13 Provinzia!-, 4 Besirlu- und
435 Zweijrvereine. Die Heranbildung von Krankenpflegern und Krankenträgem
aus den Mitfrliedern diestr Vereine fjehnrt zu den \ornehmsteu Aufgaben de«
C'entralcomit^s. Die Ausbildung derselben erlulgt iu Krankenhäusern, Kliniken
mid ähnlichen Heilanstalten.
Von den Ktterorden überragen die Johanniter in ihrem Besitzstände
an Pfle°eper8onal und Krankenhäusern die beiden anderen Orden ganz erheblich.
Im Jahre 1891 besassen die Johanniter 42 Krankeu- und Siechenbauser mit 1>^81>
Betten; in ibuen wurden 10.850 Kranke an 446.860 VerpfleguDgatagen behandelt.
Das in der Kraakenpflege ausgebildete Personal — dasselbe geniesst Ubrigeas
seinen Unterricht auch in Hdlanstalten , welche nicht sam Besitze des Ordens
gehören — ist seit 1886 um weibliche Kräfte, die sogenannten ,,dien enden
ächwestern% vermehrt worden. Im Jahre lö92 waren bereits 350 dienende
Sehwestem vorhanden.
Hit dem bisher angeführten Material ist die freiwillige Krankenpflege
im deutschen Heere nicht erschöpft. Für den Fall eiues Krieges werden die in
1 , 1. des (>r^^■lTlisationsplanert (s, pag. 354) genannten Vereinigungen durch
Hilfstruppeu lu ganz hervorragendem Masse unterstützt. So standen 1802 dem
Johanniterorden von den Diakonissenhinswn 1189 Diakonissen, von der Diakonen-
anstalt zn Duisburg 374 Diakoneu und Hilfsdiakoncn zur Verfügung.
Dem Finthen Kreuz schliessen sich für den Kriegsfall zablreiehc ausser-
halb der Organisation dos Ceutralcomites steheude, mi Kriege ihm aber unter-
stellte kleinere und grössere Corporationen und Vereine an. Von den grosseren
Verbänden ist in erster Linie der stolz auf blühende Vaterl. 'indische Frauen-
vereiii zti nennen, de-sm Vorstünde — Tentralcomite und Coraites der einzelnen
Unterverltande und Zweij^vereine — seit dem Jahre 1887 mit den Vorständen
der analogen 3Iännervereine engste Fühlung gewonnen haben.
Naeh dem Jahreslmridite 1893 ist die Zahl dw Landes-, Provinzial- uud
Bezirksverb.lnde des Vaterländischen Frauen Vereins auf 18, die Zahl der Zweig-
vereine auf 7U4, die der Mitglieder auf 111.000 gestiegen. 81) Zweigvereine
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KBANKENPFLEGE.
459
ktaneo für den Kriegsfall bestehende Knnkenhlaser mit 3000 Betten sur Ver*
filgnng stellen, 70 nehmen die Einriehtang von Vereinslazarethen mit ebenso viel
Betten in Aussiebt, 63 Ubernehmen Leistungen für Reservelflzaretbe , 76 wollen
Oenesungsstationeo, 1Ö3 Verbands- und Verptiegun^sstatiunen einrichten. Die Zahl
der sor VerfQgang stehenden Sehwestem beträgt 632; ansserdem kSnnten 672
sieht berufsmässige oder nicht voll ausgebildete Pflegerinnen verwandt werden.
So lanjfe aber dt-r segensreiche FriediMi in den deut^^elion Gauen
wohnt, sind die Kräfte des Vaterländischen Frauenvereins den mannigfaltig»ten
Boeiaien Werken geweiht. Der Schwerpunkt der Thatigkeit liegt freilich auch im
Frieden auf dem Gebiete der KrankiDpfli^e. Zur Zeit (Iben 167 Vereine mit
626 Berufskrankenpflegerinnen die Krankenpflege in der Gemeinde und in Kranken-
häusern au«. Ausserdem sind 361 Pflegerinnen bei 14 1 Kinderbewabranstalten,
biccbeuhuuscru, Asylen, Aiägdeherbergen, Waisen- und Erziehuugsanstalteu, liand-
arbeite> und Hauswirthsehaftsiehnlen , Volkskflehen und Snppenanstalten tbAtlg.
I i i w ], i-er vielseitiges, aber nicht minder werth volles HÜtepersonal
liefern den deutschen Vereinen vom Rotben Kreuze ferner die auf Anre^nnp* ihres
Centralcumitüä im Jahre 1887 eingerichteten Sanitätscolouneu. Dieselben
bestehen ans Mitgliedern des Kriegerbnndes und haben die Aufgabe, vorsugsweise
in der Heimat den Dienst auf den Verbandsstationen und beim Transporte in die
Lazaretbe zu verseilen : sie können indcss auch zur Dienstleistun? iin den Fvtnppen-
orten, auf den S-iniiiliszilgon und ausnahmsweise bei den Sanitätsdetacheraents der
Truppen herangezogen werden. Die Sanitätscolonnen werden in methodischer
Weise theoretiseh und praktisch ausgebildet. Die Lehrmittel erhalten dieselben
direct vom Centralcomite des I^otben Kreuzes in Berlin. Als Unterriehtigcgen-
stände sind zu nennen: Anlegen von Xothverbflnden , i^lufstillung, Assistenz der
Aerzte, sacbgemässer 7 lansport und Lagerung von Verwundeten, Uerricbtung von
Fahrzeugen fdr den Krankentransport mit Torsehriftsmissigem nnd mit Noth-
material etc.
T'm den F^ifer für die llaui)t;iufirabe nieht erlahmen zu lassen und
andererseits die Schulung durch fortdauernde Thütigkeit im Frieden zu erhalten
und zu verbessern, hat der Bundesvorstand neuerdings das Bestreben, die IGt-
gUeder der Sanititseolonnen zu Samaritern auszubilden und sie so zu befähigen,
ihren Nebeninerischen auch schon in Friedenszeiten bei Unglflcksflllien eine saeh-
gemäi^se und selmelle Hilfe zu brinfren.
Welchen Anklang die^e doppelseitige Aufgabe bei den Vereinen des
deutsohen Kriegerbnndes gefunden hat, beweist die Tbatssehe, dass im Jahre 1892
in PrensBim bweits 233 SanitUseolonnen mit 6971 Mitgliedern, in angransenden
deutsehen Ländern 4<) Colonnen mit !*88 Mitgliedern ein/eriehtet waren.
Die dritte grosse Vereinigung, welche dem liotbeu Kreuze im Kriege
eine bedeutende Zahl von Hiffstruppen zuftlhrt, ist die ebenfalls aus der Initiative
des Centralcomites der deu(sehen Vereine vom Rothen I\reuz hervorgegangene
Oenossensebaft frei wi Iii ^rer ranken pflege r im Krie.ire. Die interessante Gescliielite
ihrer Entstehung und weiteren Entwicklung wollen wir etwas genauer verfolgen.
II. Die Genossensehaft freiwilliger Krankenpfleger im Kriege.
Am 12. Mai des Jahres 1886 richtete das Ccntralcomit«^ der deutschen
Vereine vom Rothen Kreuz an den Verwaltungsratb des Rauben Hausen bei
Hamburg den Antrag, speciell innerhalb des Königreiches I^reussea die Organi»
sation einer fDr den Kriegsfall bereit stehenden freiwilligen männliehen Kranken-
pflege in die Hand zu nehmen.
Nindiilem der Vorsteher des Rauben Hauses. Direetor WiCHEHX, in einer
zur Berathuug dieses Antrages am 20. Mai einberufenen Plenarversamuiluug des
Verwaltungsrathes sieh bereit erklart hatte, fSr den gedaehten Zweck eine Genossen-
schaft zu begranden, wurde auf seinen Vorsehlag zur definitiven Entscheidung der
Angelegenheit eine Versammlung von Vertrauensmännern naeb Berlin berufen. In
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460
KBANKENPFLEOE.
dieser am 27. und 28. Mai in den Kaumen des CeDtralcomites der deutschen
Vereiue vom Rothen Kreuz tageudeu Cooferenz, zu der 18, ^rögsteotheilB bereits
während dea Krieges 1870/71 in der fruwilllgen Krankenpflege erprobte Ver-
tnuenflmänner erschienen waren, flbemahm Wicherx definüir die Begrflndnng
^er Genossenschaft freiwilliger Krankenpfleger im Kriege.
Für dieselbe wurde bereits in dieser Versammlung das Statut entworfen
nnd angenommen. Dasselbe wurde später nach den inzwischen gemachten Erfah-
mngen modifioirt und efwdtert nnd hat — naoh seiner letsten Bedaetion am
16. Min 1892 — folgenden Wortlaut:
§. 1. Zwo( k der Genossenschaft.
Die Genoaseuchaft aammelt ood biUst in Friedensseit«^ MAoaer dentscher Nationalität
Ar die Pflege im FeIJa verwondeter tmd critnuiktttr Kri«ger. nm sie fttr KrieKszeiten dem
Centrali nmite der deutschen Vereine vom Rotfaen Krens, den Landesvereinen vom R iflu^n
Kreuz und den von diesen resttortirenden Vereinen cnr Verfügung zn .stellen. Auch .sauimelt
die OenoMMlBebaft Personen, welche als Delegirte oder Depotverwalter für den Kriegsfall
den vorgenannten Vereinen vom Rothen Krens, beiieliiuigawaiM dttrcb dieselben dem kaiaeri.
Hilit&rinspector äberwieaen werden.
$.2. Zniammenietinng der OenoBseasehaft
Die Geni»isen8chafl liesteht aus ordentUelMB, ausseronlfiitlichen und Ehreiimit>r!it derD.
Die ordentlichen MitgUedtr sind für die eigentliche Kriegskrankenpdeg« auj^rsehen.
lieber die Anfliahme ven solchen s. §. 5.
Die anH.<;erordentlichen Mitglieder verbreiten den Sinn für die Be.strebiiDg;>Ti der
GenoMenschatt, werben neue Mitglieder und finden, l'alla sie dazu bereit sind, im Krieg^talle
VerwMBdnnK als Delegirte oder Depotverwalter.
Fsnonen, welche sich besondere Verdienste nm die Genoesenscbaft erworben haben,
kSnnen zn Ehrenmitgliedern gewählt weiden.
Die W'iM vnn aus.se rordentUehen nmd EhreomitgUedem geschieht dnrdi die Vor-
stände der einzelnen Verbände.
§. 3. Gliederung und Leitung der Genossenschaft.
a) Die Verbinde. Die Genesesnschaft xerfillt in VerbAhde , welche Brtlioh gegen einander
abgegrenzt sind.
Treten neue Verbände ins Leben, so erfoli^t die ortlicbo Abgrenzung dnrch den
geschäftsfübrenden Aosschnss nach Verständigung mit dem Vorstands deijenigen Ve^
Imndes, dessen Besirk hierdttrch eine Verinderung erfährt.
Die Verbände werden doreh Vorstände fseleitet, welche sieh dnrch Wahl selbst
«glaien.
bj Die Delegirtencunferenz. Die Delegirtencouferenz bestellt aus den Vertretern der einzelnen
Verblade. Sie tritt in der Regel einmal im Jahre in Berlin snsammen. Die Vertreter
werden von den Vorständen der einzelnen Verbände ernannt.
Auf der Delegirteneonferenz werden alle Angelegenheiten, welche die (Jenossenschaft
als Ganzes betreüen, nnd solihe Fragen enirtert, welche iu ilircr Ut^ileutuug über die
Grenzen der einzelnen Verbände hinausgehen. Die Delegirteneonferenz £Mst hieräbsr
die erforderlichen Bescblflsse. Bei Abttimmangen steht jedem Verbände eine Stimme an.
ej Der geschaftsfohrende Ans.-chuss. Der ge.schäftslührendti Aii-schuss leitet die Ge.schäfte
der Genossenschaft und vertritt die letztere nach Aussuit; er biingt die Beschlüsse der
Delegirtenconler<nz /.ur Ausführung, bereitet die der He.schlnüüfas.iung derselben nt
nnterbreitenden Angelegenheiten vor and bat ttberbaupt die Oberleitung der Genossenschaft.
Derselbe hat seinen Sita In Berlia nnd wird von der Delegirtenconferens anf je
drei Jahre gew iliit Er besteht aus 7-~ll Uitgliedem, welche nach Ablanf ihrer Mit*
gliedschafl wieder wählbar sind.
Der An»schoss Tertheilt die Gesehifte nnter seinen Mitgliedern. Der Versitiende
wird jedoch von der Delegirtenconferi'iiz ;rewülil(
Der Ausschuas nimmt an allen Vi rlianiilnngen der DelegirtenrDnbTeiiz Tln il, ohne
al.'^ solcher stimmberechtigt zu i-ein. Die Verhandlungen werden vmu <!'-ni Vorsitzenden
des Ausschns.'es ^rnleitet; bei Stimmengleichheit giebt der Vorsitzen le di" Entscheidnng.
§.4. Voraussetzungen des Beitrittes zur Geuo ssens e h u ft iur die ordent-
lichen Mitglieder.
Die (Icnossenschaft setzt bei ihren ord>-ntlif hcn Mitgliciifrn voraus:
«y eine chri.stliche Gesinnung, die vor keiner Dienstleistung; zurucivM lireckt, .sowie die Be-
reitwilligkeit, auch im Frieden das Erlernte bei l'ngliiokstalleu im 8iunc von Sumariter-
diensten aasnwenden. Personen, welche, ohne dem christiiclien Bekenntnisse anzugehören,
von derselben Opferftendi^keit durchdrungen sinrf. werden zur Hitgliedsdiaft zugelassen;
b) tre.iidnet«' LfbiMt-verhültnisse und > iin-n '.iiibvsihohenen I-eb.^ns\vandel; letzterer ist attf
Erfordern durch Zeugnisse glaubwürdiger i'<;rii>onen nachzuweisen ;
KRANKEMPFLEGB.
461
r> (lass <iie weder dein nctivn Dienststande, noch dem Bmlaabtnittaild* (BMMTfS, Land-
wehr I. and JI. Aufgeljotes, Er^atzreserve) an^bören ;
Personen, deren Uilitärverbältniss zar Zeit der Meldung noch nicht entschieden ist,
können ebenfalln znr Mitgliedschaft zugelassen werden : besondere Kosten dftrfen jedoch
fÄr deren Ausbildung nur dann aufgewendet werden, wenn dieselben nach der von dem
betreffenden Vorstande gewonnenen Ueberzeugung voraussichtlich militÄrfrei werden
oder wenn dieselben anter das B«ic]i«gesatz vom 8. Febroar lb90 (betreffend die Wehr-
pliiebt der Oeiattielien rSmiielnkatliolisdier Conftnion) Mlen;
il I \]:\^^: ihre Körperkräfte den voraussichtlichen Anstrengungen ihres Dieoitw im KltofC
gewachsen sind und da^ss .sie nicht an übertragbaren Krankheiten leiden;
t) dass sie die Fähigkeit haben, das zu Krlernende zn begniüni nnd ftr die wftirdMUcliett
Handleistnngen hinreichende Geschicklichkeit besitzen.
§. 5. Aafnabme, Abneichen, Zustindigkeit and Aniscblnaa ordentlicber
Mitglieder.
a) Dia Anfiinba«. Deber die Aufnahme ordentlicher Mitglieder entsduidtt dwTonItwnde
den Vomtnndea, vorbebaltlicb der fiernfong an den letnteren.
h) Das Abielcben. Die Hitglieder etlinltMi naeh ibrar AnsbOdttn^ «fna llitgKadakarte nnd
ein Abzeichen (rm arde) Beide hnbatt SOntchst nur für die Friedenszeit Geltung. Die
Mitgliedskarten werden von dem Vorsitzenden des geschäftsführonden Ausschusses unter-
zeichnet. Im Falle des Austrittes oder des Ausschlnsses sind die Mitgliedskarte und
das Abzeichen zuittckxngehen. Ueber das Abaaicben im Sri^falia aiaba Kiiagsannitikta-
Ordnung vom 10. Jannar 187?, J;. :ii6.
(V Die Zuständigkeit. Die Vorstände führen über sämmtliche Mitglieder dis Verl amicH
eine Liste. Die Liste macht das Nationale etc. , sowie den Stand der Aosbildong der
HÜ^tiader arsicbtlicb. Hnlbjibrlleb (im Janoar nnd Jnni) werden die nocb niebt nnd
die noch nicht völlig ausgeliild^ten Mitglieder, welche ihren Wohnsitz gewechselt haben,
dem Verbände überwiesen, in dessen Uereich sie übersiedelten. Die Vorstände der ein-
zelnen Verbände erstatten halbjahrlich (im Januar und Juli) dem geschäftsfäbrenden
Ansscbnsse Beriebt Uber den Stand der Vnrliinda, Im Uebrigen erlftast der gesobl^i-
fllbrende Ansscbass die Bestimmnngen fiber die Controle (Wobnorte* nnd Adrewen-
Wechsel ).
iij Der Ausschluss. Der Ansscblnss eines Mitgliedes ans der Genossenschaft erfolgt durch
den Vorstand seines Verbandes nnd trifft dsojsnlgsn« wekihnr dnreh sein Tsrbaltan die
Ehre der Gsnosssnaebaft sebidigt.
g. 6. Die Ansbildvng der ordentlichen Mitglieder der Oenossenscbaft in
der Krankenpflege.
Zn ibrsr teebnifcben Ansbildnng bnben die ordentlidien Mitglieder «inen Vor-
berettnngsennniB dnrchznmarhen.
Dem Vorbereitungscursns folgt ein Pflegecursus in einem Krankenhaus oder Lazareth.
Den Torständen bleibt es überlasfen. je nach den örtlichen Verhultui^^sen eine
geeignete Form fflr die Ansbildnng der Mitglieder zn wählen. Das Gleicbs gilt in fienng auf
die von Zeit zu Zeit erforderlichen Wiederholnngscurse.
Ueber die Leist uiieen des rin/.elnen Mitgliedes ist am Sclilusse des OUMS ein
Zengniss anszostellea, welches dem zaständigen Vorstände ttbersendet wird.
Jedes Mitglied erUUt ein Aaerkenntniss seiner mit Brfblg bestaadeiisa tbsocetisebea,
bssisbnngsweiss praktiscbsn Ansbildong.
§. 7. Pflichten der ordentlichen Mitglieder in Kriegszeiten.
Die Pflicbten der Mitglieder in KiiegSMiten ergeben sieb ans den Bestimmnngen
der Kriegssanit&tsordnnng (§.211, 5, des AnsiQges ans der Kriegssanititsordnnng vom
lo. Januar 1878 : „Das freiwillige Begleif- und Pflegepersonal ist bei der Anniihm-' au.sdrück-
lich damit bekannt zo machen, dass es beim Beginne seiner Thätigkeit auf dem Kriegsschaa-
platie unter die Mflltlrgeridttsbariksit, Kriegsgesstis nnd DIseiplinarordnang tritt").
g. 8> Yerbaitniss der OenOBsenscbaft an den Landes-, respeetive ProTlnsial«
vereinen vom Rothen Kreuz.
Die Genossenschaft erstrebt im Interesse gegenseitiger Hilfeleistnng nnter Wahrung
ibrer Selbststindigkeit ein geordnetes Znsammenarbeiten mit den Landes-, beziebnngsweise
Provinzial vereinen vom Rothen Kreuz: Sie erreicht dieses:
u) indem die Vorstände der Genossenschaftsverbände einmal jährlich dem Vorsitzenden des
betreffenden Landes-, beziebungswei^e Provinzialvereines vom Botben Krena tber die
Arbeit und die Zusammensetzung des Verbandes Mittheilong machen,
b) indem über die Verwendung von Pflegern bei Eintritt eines Krieges bereits in Friedens-
zeiten zwischen den Landes-, bezielinngsweise Provinzialvereinen und der Genossen.schaft
Abmachungen getroffen werden. Die Grundsätze, nach welchen diese Abmachungen
getroibn weiden, sind zwiscben dem gescUifbifabrsnden Ansacbnsse der Genosninseliaft
nwl dsm Ceatralcomitö der deutseben Verein« vom rothen Kreus an vereinbaren.
462
KRANKENPFLEGE.
Cm möglichst weite Kreise Uber den Zweck der Genussenscliaft autzii-
klAren und um Hitglieder zu gewinueu, gab der mit grosser Energie und weit-
•iehtig«m Geschick th&tig« WiCBXBH sofort ein Handbnob ttber die frelwUUga
Krankenpflege im Kriege and die Org»iUMtion der deutschen Vereine vom Rothen
Kreuze heraus.
Fai>t noch reichere Resultate uls dieses in 1600 Exemplaren verbreitete
Hundbueh ersielten Vortrage, welebe die Vertrauensmftnner der Genoisensebaft
auf den prenssisehen rni%'ersitiUen und in den grösseren Provinzialst.-idten des
Königreiches, fiowie die Vt-rbandsvorstände des Hauhca Hauses anf alleu Provinzial-
versammluugea der Urüderscliaft des Kaubeu Hauses hieltea; — ferner orien-
tirende Aufsfttse Aber die Genossensehaft und ihre Ziele in der gesammten
Presse; — ferner Anträge an Venune niler Art mit der Bitte um thatkräftige
Unterstfitzung, endlioh Verthetlung von eirea 100.000 Exemplaren Tersebledener
Drucksachen.
Bereits im ersten Jahre erklärten sich Männer der mauuigt'altigaten Be*
rnftarten in vielen Städten bermt, das Interesse (iBr die Geaossensebaft zu weeken,
Mitglieder zu werben, Verb.inde zu orgaulsiren und die technische Ausbildung der
Uitglieder in geeigneten La/.aretben zu vermitteln.
Von beäouderem Werthe erwiesen sich die auf allgemeinen ätudeuteu-
versammlungen gehaltenen Reden und Anspraehen hervorragender Vertreter der
Wissen.sc'haft iso z. B. des Geh. Jnstizrathes Prof. Dr. A. BaiJXNBR, des Geh, Me-
dicinalrathf-' Prof. Ür. v. BERGMANN, de-; Huf|iredi^er>t Dr. Fko\nrRl. ii. A.i. Die-;e
umfasj^eude und unermüdliche Thfttigkeit hatte zur Folge, dMi bereits im Jahre lä8ü
1065 Mitglieder gezählt werden konnten.
IHe Gliederung der Genossenschaft erfolgte nach Verbanden (im
Jahre bereits 1.3); letztere werden von Comitöa geleitet. Ausachllsse der-
selben erledigen die laufenden Angelcgenbeitoii. FUr Coiisolidirung der Verbände
werden Kreis-, rei^pective Musterungsvcrsammluugeu abguhalten.
Fflr die technische Ausbildung der ordentlichen Hitglieder stellte
die auf Anregung von WiCHERN durch das Ceutraleomitc der deutschen Vereiue
vom h'otlien Kretiz auf den December berufene ('oiiffrcnz von Chefärzten,
speciell der grossen Berliner Kliniken und Krankenhäuser, die Morraen fest. Vor
Allem vnrde als unbedingte Notliwendigkdt die Ausgabe eine« einheitlichen
Unterriehtsbuehes fflr die freiwillige Krankenpflege eonstatirt.
Dieses sollte sllinmtlicbcn Piirsni zu Grunde luiri'ti n:ii1 -ich in der Hand jedes
Arztes und jedes Mit^rlit'dt-s tti ünden. Ferner w iirdr crkatint, dass die ursjjrüng-
lich festgesetzte A u.sbildungszeit vou vier Wochen ohne gesonderte theoretische
Vortiereitnng nnxurmehend sei. Im Anschlüsse an die letztere These sind an den
meisten Orten Doppelcurse eingerichtet worden, und zwar in der Wei^e, dass
die Mitglieder Hecb>' Woebeii liindureb wöcheutlieh an einigen Abendstunden auf
Grund des Leitfadens theoretischen Unterrieht erhalten, verbunden mit Uebuugeu
an gesunden Objecten. Diesem sogenannten prftparatorischen Gurs folgt
dann entweder im Semester selbst oder wo angängig in den Ferien eiu etwa vier-
wocheutliehrr sogenannter P f 1 e g e r c n r s u s. Die Ciirse werden in einer llcihe von
Univrrsitätskliniken, (Jarnisttulazarethen und Krankenhäusern in I5erlin, Halle a. S.,
Göttiugen, Greifswald, Bonn, Breslau, Hamburg etc ) abgehalten.
Am Sdilusse grosserer Cnrse finden officielle Prüfungen statt. Die
Mitglieder erhalten nach ders(!lben ein Zeugnis.s, das dem Vorstände der Genossen*
Schaft eingereicht wird. Letzterer unterbreitet die Zeugnisse wiederum dem Central-
comite der deutschen Vereine vom Kothen Ivreuz.
Jedes Mitglied bat die Aufgabe, nach dem Abschlüsse seiner Ausbildung
an den Vorstand der Genos.senscbaft «rinen Gencralbericht tlber die ihm gewordene
Ausbildung einzureiehen, welober zu den Aeten gelegt wird.
Da die Kenutniss der Kriegssanitatsordnung als unbedingt zur Ausbildung
der Mitglieder notbwendig erkannt wurde, arbeitete der Geb. Obermedicinalrath
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KBANREKPFLEGE.
463
Dr. Mehlhausen ein soorenanntes Orientirungsbüchlein aus, welches kurz
und abersichtiicli die wichtigsten Bostimmungen der KriegssaDitätaordnung und
der Kriegsetappenordnang entbfllt.
Ferner aber wurde in Anbetndit der Erkenntnis», dass die Genossen-
schaft für den Fall einer Mobilmach iin? voirm- frertlstet und schlagfertig sich
erweisen luüsse , alsbald vom Kreisverbande Berlin ein Mobilisirungsplan
festgestellt. Die Grundgedanken der im Folgenden wiedergegebenen „Massnahmen"
sollten Itlr alle Verbinde bsstimmend sein ; im Eänselnen finden natflrliob fttr die
anderen Verbände naeb dem localen VeibXitnisse grossere oder geringere Ver>
änderoogen statt
Massnabmen des Kreisverbandes Berlin bei Aasbrneb eines
Krieges.
I. Bildung des Vorstandes.
L Hit Aualtruch eines Krieges treten das Haaptcomitö and der geschäftstührende
Ausschuai an dnem die Oesehftfle fttrten genttasain fUbnadea „Yontaad d«B KrairnFbaadfls
Barlin" stxsatnmen.
2. Der Vorstand ergänst sicli nMhigenfalls ans der Zahl der Hitglieder des Kreis-
Tttliaadcs,
3. Der Vorstand beacblieast, inwieweit die Geschäfte gemeinsam zu führen oder
dnrch den Vorsitsenden allein an erledigen, oder ob f&r die Erledigung ein seiner Zweige der
OeidtlLfte besondere Äbfheilunf^en aus den Miffflipdern des Vorstiinde?! zu bilden sind.
4. Den Vorsitz im Vorstände fiihrt der Vorsitzende des seitherigen Hauptcomites.
5. Her Vorsitzende beruft den Vorstand zn dem Sitmagea, das ente Usl aofiirt
bei Ansbmch des Krieges, denwAchat nach BedOrfiiiss.
6. Der Vorsltaende yertritt den KieiirerlMnd naeh aasMn bin. Er leitet and ver*
theilt die geaammten Geschäfte , wobei er inalieeondare befugt ist, dea einadnea Uitf^iedna
des Vorstandes Specialaut trage zu ertheilen.
7. In drinf^licheu Aagdegenheiten handelt der Vorsitzende selb.ststandig, auch dann,
wenn es sich um die Erledif;nng von Angeloprenheiten handelt, welche der Vorstand sich oder
einer besonderen Abtbeilang zu gemeinsamer Bescbliessnng vorbehalten bat.
s. üie \'ertretnog des Vorsitaanden fUurt der SteHvertretar danelben in den bis«
herigen Hauptcomilc.
9. Fftr den lanfendea Geiehaftabetrieb beateilt der Vmratand ein Bnrean, be>
atdMod ans
a) einem ^'orsteher, b) einem ijecretar, cj einem Cassier,
Trelehem die priorderlicben Schreibkräfte nnd Boten beizugeben sind.
Das Bureau empfängt seine Anweisungen durch den Vorsitzenden dea Vorstandes.
II. Aufgaben des Vorstandes.
10. Der Vorstand hat
aj die zur Führung der Geschäfte erforderlichen äusseren Einrichtungen zu tretfen,
dafür Sorge an tragen, dasa diejenigen Mitglieder des Kreiaverbaades, welfdie aar
Verwendung als freiwillige Krankenpfleger vorgebildet sind, im BedarMklle unmittelbar
zur Verfügung stehen,,
c/ der Genossenschaft nciie Mitglieder zu gewinnen und durch Einrichtung von Unterrichts-
eunea die Ausbildung^ derselbea berbeiauftlirea.
A. Aeussere Eiarichtuncen.
11. Der Vorstand beschafft die erforderlicheu Rinne für das Baieau nnd aoift fir
die äussere Ausstattung nnd Einrichtung de.sselben.
Ein ^^ten]pela|)pa^at mit der Inschrift: „Rreisverband Berlin der Geaesseascliaft
ikeiwilliger Krankenpfleger im Kriege" ist sehen in Friedaasseitea au beschaffen.
Durch Zeitungen, Sftulenanschlige und am schwarzen Brette der Hochschulen ist bekannt
au geben, wo sieh das liureau der Genos.'en.schaft befindet.
1;;^. Um den von auswärts eintreffenden, zur Verwendung in der freiwilligen Kranken-
pflege bestimmten Mitgliedern der Genossenschaft ünterkomuen au gew&hren, ist ein Sehla&aal
mit etwa ')C\ Retten bereit zu steUen. Fls wir! angenommen, da.ss derselbe nnSntSdtUch iu
leer stehenden Kasernen oder in Vereinshauseru etc. zu gewinnen sein wird.
13. Für <li(- ein/.urichtendeu Unterrichtscur.se ist mit der BlscJiaAuig dw noth-
wendigen Utensilien (Binden. Tragbahren etc.) nnvi i/iiflieli vorzugehen.
Bereitstellung der vorhandenen PÜegekräfte.
14. Auf Grund des Mitgliederverzeichnisses ist eine eventuell nach der Verschieden-
heit der (iu.ililieiilion zu ordnende Ijis,te derjenigen Mitglieder des Verbundes aufzustillen,
valcbe für die Verwendung als freia-Ulige Krankenpfleger etc. in Aufsicht genommen sind.
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464
KRANKEM'FI-EGE,
15. Um siobeiniateUea, dMs diese MitgUed«r dnrolkwagt lor Verfogong it«h«n, aiad
die in BmtUb oder dearnn nldiRter VmgebiiDg eiolteiiiiieclieii lUtfrlleder nur BatgefaDmluM
näherer Informationen nml In^trnrtionen zu einer Versammlung schriftlich und dorcll die
Ta^esblätter mit der Aafforderang zusammenzaberafsn, bei Behinderang am EracheinMl aefbft
dem BareAtt Ilm Brkllning dartbw susnttelleii, ob, bwIelniiigevelM dua ale anr Yerwaadang
bereit atahan.
16. Von den aoswärla sich anfhaltenden Mitgliedern wird die Einsendang der
gleichen Erklärung mit dem Zufiatze erfordert, dass ihre Binbanftug nach Berlin Tacbahaltan
bleibe, bis ihre unmittelbare Verwendung bevorstehe.
17. Bei ihrer Binatanmig In den IMeaat erhaltmi die HHgUeJer ein BBflh , welehea
dieselben als Mitglieder der Genossensrhaft Ie<ritimirt und fortlanfend ergiebt, wo and in
welcher Zeit sie in der Krankenptiege tluitig sind. Zur Eiotragang der bezüglichen Vermerk«
iat das Bach bei dem Antritte jeder Stellung und bei jeder Veränderung dem Arzte oder
LasarethToiatande, den aia nateratellt aiad, voiraiilagen. Bai Terwandonc aaoh aoawttfta erhalten
die Mitglieder avaaardaBi Karten, waJdia aia «if dm BtaenbaliMn aar Fahrt w armisaigten
Preisen berechtigan, aowia die ar/iMderÜelian Batiige lur Beatrdtaag dar ilii«K arvaaihaan»
den Analagen.
Dia OewUmins von Beihilfen aar antan Aoarllatmig in BedaraflUlan biaihk voriMhaltaa.
C. Gewinnung neuer Mitglieder und Einrichtung von Dnterriditaeuaan.
18. Der Vorstand erläast sofort einen Aufraf, durch welchen er znm Eintritte in
die Oenoesenschaft anffbnlert und die Meldung von Aerzten erbittet, welche bereit sind, die
AaabildlUig der neu''n Mitglieder ZU übernehmen.
ber Aofraf nennt inabeaondere die Vonnssetsungen des Beitrittes, sowie den Ort
dar Anaialdanf vnd «radieint in den Hanptorgaaen der Preaae, in Anaohligen an den Stolen
nnd am achwarzen Brette der Hochschnlen.
19. Die definitive Aufnahme der sich meldenden und zu einem Unterrichtscursos
einberufenen Mitglieder erfolgt durch dt n Vurstand. nachdem die BctreiTenden den CursuR voll-
atlndig abeolvirt nnd ihre Befähigung durch ein Zengniaa des den Cnrana leitenden Arstea
nachgewlaaen haben.
Auch iibt r lie Zurückweisung der Aufnahmegesaeha beaeUieaat der Vorstand.
20. Wegen üebernahme der Leitung der Uuterriehlaeaxae aatat sich der Vorstand,
aowait Militärinte nicht aar Yerfllgnng atahen, mit ihn geeignet scheinenden (ÜTilintan
in Tarbindang.
21. Die Unterrichtscurse sind für etwa 20— 2ö Mann einzurichten.
Es werden täglich ungetahr zwei ^tnnden auf theuretiseha AnabUdnaf nnd mindealaaa
zwei Standen fnr praktische Uebungen zu verwenden sein.
Zur Unteratfltsong des Antea in der Controle etc. dienen Belagirle dea Voratandea.
HL Varhiltniaa dea Voratandea dea Krei sverbandea an dem Torateher der
G en OS <(en s !• Ii a f t.
22. Sobald die Liste der zor Verwendung stehenden Mitglieder fertiggestellt ist,
wird ein Exemplar derselben dem Vorateher zugesendet, damit er weiaa, Bber wie ^ele Pllagar
inneihalb des Kret.<4ver1>an(les verfügt werden kann.
Soweit der Pfleger nur zur Verwendung in Berlin und dessen nächster Umgebung
oder nnr für einen Theil des Tages bereit stehen, ist dies in der Liste ersichtlich zu machen.
Oleidie Liaten sind dem Vorateher fortlaufend über die neu anagebildeten nnd auf-
genommenen Mitglieder manatellen.
23. üeber die Terwendnng der Pflagakrifte beatimmt der ▼oratehar dnreh Yannittlnng
des Vorstandes.
Er hält den Vorstand fortlaufend in Kenntniss über den ungefähren Bedarf, damit
die Einberufung der auswärtigen Mitglieder des fireisverbandes rechtzeitig erfolgen nnd die
Ausbildung neuer Mitglieder im richtigoi Yerhältniaae an dem Bedarf gehalten werden kann.
24. Die nöthigen Geldnüttel aollen dem Voratande dnreh den Vorateher aar Var*
ftgung gestellt werden.
Das Gleidie geschieht mit den Legitimationskarten (Nr. 17) und den LehrbSehem
tdr die ünterrichtsi arse.
2^. Wegen eines den Mitgliedern aller Kreisverbande gemeinsamen Abzeichens bei
Verwandang als Ptleger soll besondere Bestimmung getroffen werden.
Beachloaaen in gemeinsamer Sitaong an Berlin, am 5. April 1888.
Daa Haapteomiti. — Der geschSAsfllhrende Ansschnss des Kreltverbandea Berlin.
Der Vorsteher der Genossenschaft freiwilliger Krankenpfleger im Kriege.
Einer besonderen ErwJlhniinfr bedarf nttch dif im ij. 1 der Satzungen
^'cätellte Autgabe, Männer zu finden , welche für den Kriegslall als D e 1 e g i r t e
und Depotverwalter einzntreten bereit und befähigt sind. Aach diese Frage
wurde berdts im Winter 1887 88 geltet; e« meldeten sieh damals 2 Armeedelegirte,
20 Unterdelegirte, 3 Corpsdelegirte, 18 Festungsdelegirte, 59 ReservelaBaretlidele»
gifte, 7 Linieodelegirte, 56 Depotverwalter.
KRANKENPFLEGE.
465
Einen Fortschritt für die Organisation und weitern AnshildnnK" der ge-
nossonschaftlichen Bestrebungen bildet die Einrichtung einer ständigen Delegirten-
cout'ereuz, welche von sämmtlichen Comites beschickt wird. AU das Hauptresultat
der im Mai 1890 und Ifftn 1691 nnd 1892 abgeluüteoen (Jonfereniea sind die
Satzongen der Genossenschaft, wie sie jetzt vorü^gen (s. pag. 460 ff.), anzusehen.
Im Einzelnen betreffen die Beschlüsse derselben: 1. Die Einrichtung und
die Befugnisse der Delegirtenconferenz (dieselbe hat wesentlich einen be-
ratbenden Cbaraicter); 2. und 8. Ifittol nnd Wege znr Gewinnnng neuer
Genossenschaftsmitglieder in akademiselien und bürgerlichen Kreisen ; 4. die Zu-
fltilndiirkcit der einz(>ln<'n Mitglieder zn den Kreisverbänden und die zur Controle
derselben erforderlichen Massnahmen; 5. die Handhaben der Disciplin in der
Genossenschaft; 6. die Stellungnahme der GenoflsenschaftsTerbiUide za den Zweig-
vereraen snr Pflege im Fdde ▼erwnndeter und erkrankter Krieger nnd sebUenlieh
7. die Frage, in welebem Sinne das Wort „ehristUeb** im §. 4a^ dee Statutes
zu verstehen sei.
Ad 6 wurde unter Anderem au folgenden Satzungen festgehalten: aj Die
Hauptaufgabe der Genonensebaft bleibt die Ausbildung von elgentliehen Kranken-
pflegern, während den Provinzial- und Zweigrweinen vom Kothen Kreuz in erster
Linie die Organisation von Hilfslazarethen u. dergl. zufällt, doch sind h) die
Genossenschaft und die Provinzial-, beziehungsweise Zweigvereine vom Kothen
Krenz sowohl in Friedensieiten als vor Allem im Kriegsfalle auf «nander au-
fgewiesen nnd mllsien daher bereits in Friedenszeit eine engere Fflhlung unter-
einander zu gewinnen snrhen , indem die Comit<'-s der Genogsensehaft sich auch
aus Mitgliedern der Zweigvereine vom Rothen Kreuz cooptiren und die ausser-
ordentlichen Mitglieder der Genossenschaft und die Delegirten den Zweigvereiuen
▼om Rothen Krens beitreten. Es ist jedoch die Selbsttndigkeit der
Genossenschaft zu wahren.
Als ein die Gründlichkeit der Au.sbildung seitens der Aerzte und den
Eifer der lernenden Mitglieder forderndes Mittel ist aus der erwähnten Maiconferenz
noeh der Antrag Mbrlhacsbk's bervorsubeben , grOesere Prflfnngen innerhalb
der einseinen Provinzen, und zwar vor den Spitzen der Behörden, veranstalten
zu lassen. Eine GeneralprUfung von 2(i<> Mitgliedern fand im Februar 1889 zu
Berlin vor dem Kriegsminister, dem Cuitusminister , dem Generalstabsarzt der
Armee u. A. statt. Der zweiten Geaeralvorstellung von 600 Mitgliedem im
Hirs 1891 wohnte auch die Kaiserin bei. Beide Male fanden die Leistungw der
Genossenschaft bei allen Anwesenden lebhaften und ungetheilten Beifall.
Zur praktischen Erprobung ihrer Durchbildung hat die Genossenschaft
Gelegenheit bei der Scbutztruppe in Dentsch-Ostafrika gefunden. Im
Jahre 1889 wurden erst 3, qAter noeh 6 Pfleger fBr den Lasarethdimst auf dem
Festlande nach Sansibar entlassen. Zwd derselben dnd dem afrikanisehen Klima
naeh kurzer Krankheit erlegen.
Der Gesammtbestand der der Genossenschaft angehörenden Mit-
glieder betrug naeh dem letzten Beriebte am Seblusse des Jahres 1891 in Nord-
und Mitteldeutschland 2700 ordentliche Mitglieder, darunter 885 vollständig aus-
gebildete Verwundeten- und Krankenpfleger. In den letzten Jahren hat der Be-
gründer der Genossenschaft seine Thätigkeit auch auf Süddeutschland ausgedehnt,
und seinem unermüdlichen Eifer ist es gelungen, aueh liier Atr die Saebe der Ge-
nossensdiaft Interesse zu erweeken nnd einen Erfolg zn siobem.
III. Der Deutsche S a m a r i t e r v e r e i n zu Kiel.
Die Geschichte des Deutschen Samaritervereiues zu Kiel lehrt uns, in
weleh hohem Grade die planvolle Arbut nnd nnermttdiiehe Energie eines ein-
aigen einsichtsvollen Mannes in der Verfolgung einer guten Sache fordernd
nnd befruchtend auf die Menschen einzuwirken und die in träger Indolenz
verharrenden Geister zu erfolgreicher Ihätigkeit fortzureissen vermag. Wohl hat
Encydop. JakrVttebw. III. 30
L.iyu,^cd by Google
466
KBANKEKPFLEOR.
Friedrich v. Esmarch, der geniale Chirur": der Kieler rniversität, im Anfang,
als er seine Anscliauunsren filier den Samariterdienst kundgab, mit iebbaftester
Oppoäition, uumeutiich iu deu Heihen der eigenea Facbgeaoasea , zu kämpfen
gehabt; allein darebdrang«!! von dem Glauben an die AnsfBhrbarkdt nnd Zweek-
mässigkeit seiner Intentionen wurde er nicbt müde, für dieselben in Wort nnd
Scbrift einzutreten und alle Bedenken durch wiederholte F^elehrung und Erklilrung
zu zerstreuen. Und wenn v. Es^iaecu heute nach lOjährlgem Besteheu des
Dentsolien Samaritervoeines «nf adn Hflhen nnd Sehaffen in den Diensten de«-
'selben znrflekbliekt, dann kann die erhebende Empfindung ihn erfallen, das« der
Grund zu dem stolzen Hause , unter dessen Daeh die Menschen eintr.lchtip: sich
zusammenfinden, um in Werken edelster Nilch.stenliebe zu wetteifern , allein von
seiueu llRuden gelegt, der Ausbau desselbeu vorwiegend durch tteiue unablässige
Tbätigkeit gefördert worden ist.
Das Vorbild und gewissermassen die geistige Mutter des Deutschen
Samaritervereine-4 repr.'lsentirt die „St. .T<»hn A m b u 1 a nee- A s s n c i a t i o n'' in
London } eine vuu euglischeu Johanniterritteru uud Aerzten im Jahre lb77 ge-
grflndete GeiellBehaft, wetehe die Aufgabe verfolgt, aneh im Frieden bei den
plÖtaUchen Ünglflcksfäilen des tflglicheu Lebeus den Mensehen hk zur Ankunft
des Arztes hilfreich zur Seite zu f^tehen. Ihre Ziele, ihre erfolgreiche Thittigkeit
und die Mittel und Wege, auf deucu sie dieselbe ausUbte, lernte v. Esmaroh
bei Gelegenheit des 1881 zu London stattfindenden internationalen medicinischen
Oongresses von dem nnennfldlidben Leiter der „Asioeiation" , John Fdeubt,
kennen, und alsbald fasste er den EntschUiss, ähnliche Bestrebungen auch in
Deutsehland zu begründen. Glaubte er auch nicbt darauf rechnen zu dürfen, dass
seine Ideeu im deutschen Volke so schnell uud ao weithiu Eiugaug finden würden,
wie diejenigen der „Assodation*' in dem dureh seinen Oemeinsinn und seine
Philanthropie bekannten England . wo bereits nach 4iäbrigem Bestände der Ge-
sellschaft .'30 fM"»«» ^litglieder in der Kenntnis« der ersten Hilfe bei plötzlicben
UnglUcksfäUeu ausgebildet waren, so huflfte er doch, dass die Ueberzeugung von
der Fmehtbarkdt und dem Nntcen seiner Vorsehläge allmälig auch weitere Kreise
ergreifen wUrde. Eiu jedes durch die Bethfttigung seiner Lehren gerettete
Menschenleben bildete ja reichen Lohn für die aufgewandte Mühe. Dabei dachte
V. ESMAKCU zunächst au die zahllosen EnglücksHiUe, die so oft eiuen traurigen
Verlauf nehmen, weil in den ersten Augenblicken, ehe der Arzt zur Stelle ist,
keine zweekmissige Hilfe geleistet oder der Transport snm Arzte in nnsweek-
mässiger Weise vorgenommen wird. Ausserdem aber glaubte er, dass auch ftlr die
freiwilligen Helfer im Kriege keine schönere Aufgabe im Frieden und kein©
bessere Schulung gefunden werden könne, als durch die Hilfe bei den plötzlichen
ünglfleksfMlen des täglichen Lebens.
Die Hoffnungen, mit denen v. Esmarch an die Vorwirkllohung seiner
Pläne ging, wurden in erfreulichster Weise übertrotleu. Als er n.nmlicb im
Winter 1882 iu Kiel utfeutlich ankündigte, dass er bereit sei, Uber die erste
Hilfe bei plötzlichen Unglticksfiülen eine Reihe von Vorträgen ra halten, sobald
sieh 25 Tlieilnehmer angemeldet hatten, da strOmten 800 Personen herbei, um
sich die versprochenen Ke nntnisse zu erwerben. Dieser überraschende Erfolg
wurde die unmittelbare Veranlassung zu der durch v. Esmakch im Vereine mit
einigen angeseheuen Kieler Bürgern vorgenummencn Begründung des Deutschen
Sanuuritervereinee am 5. Mftrs 1882. Seine Bestrebungen braehte er in den knnea
Satsnngen, die wir im Folgenden wOrtlieh wiedergeben, snm Ausdmek.
Satzungen den Deutschen Samarite rvereinen Kiel 1>S!>.
§. 1. Der Deutücb« Sanuoiterverein hat sich die Aufgabe gestellt, unter Laien die
KenntnissR von der ersten Hflfe bei plDtsliclien Ungtfiekgfiülen sa veriireitsn, vor Allem todi
EinriclitiniL' vuu SaniariterscbulHn , in wrichea die bis sw Ankunft des Ante« mOflüshsB
Uilfebistungen gelehrt und geübt werUen.
§. 2. Dieser Doterricht soll zanächst an solche Pereooen ertbetlt werden, weldie
durch ihren Beruf am hftuflgaten in die Lage kommen kdnnen, bei plötsUchen üaglttcItsttUett
iJiyui^L,LJ Ly Google
KRANKEKPFLEGB.
487
di« erste Hilfe zu leisten, also namentlich an Sicherheitsbeamtc (Polizei nnd Gensdarmerie),
Eiaanbahubeamte , Aufseher und Werkmeister in Fabriken, Bergwerken, liei Erd- und Bau-
arbeiten und an Soldaten, Seeleute, Mitglieder der Feuerwehren, der Turnvereine, Ber^rfiihrer
Q. 8. w. Es soll aber anch allen anderen Personen beiderlei Geschlechtes Gelegenheit geboten
werden , eich die Kenntnisse zn erwerben , um b«! Torkommenden Unglfickafällen ihren Hit-
aenechen hilfreich sein /ji kiiiuien.
§. 3- D^r Verein wird zu diesem Zwecke sich bemühen, Aerzte za gewinnen, welche
den ünterricbt ertheilen and wird dieeen behilflicli lein, die fftr den üntenricht nothweodigen
Sdirifte% Bilder. Modelle und Vt»rbandgegenstande ?.n erwerben.
4' Der Verein hat zur Leitung Keiner Angelegenheiten einen Vomtand , welcher
snr GeBCh&ftsfflbrung aus seinen Mitgliedern einen Vorsitzenden, einen Stdlvwtretenden Vor-
•itsemden, einen Schatzmeister und einen ScbnftfUhrer erwlUilt.
§.5. Die Hitf Hediehnfl wird erworben darehZaUnng eineejlbiliobenBeltnLget tob
mindestens 1 Mk.. die lebenntlngUdie HitgliedMliafk durch ZnUiuig eines eiunnllgeii Bettngen
von mindestens 2> i Mk.
Die Zahlung erfolgt an den Scbatsmeister i(\>nHuI von Bremen iu Kid), welcher
nach Eingang die Drucksachen und die Satzangen des Vereines tibereendet, welche letstere
gleichzeitig als Aasweis der Mitgliedschaft dee Vereines gelten.
Fttr die LösuDg der gestellten Anfgnben ist Niemand mit grosserer Energie
und Umsicht eiogetreteo als der Vater dos Dcutsfliun Saraaritervereines selbst.
Durch verschiedene, zu Berlio, llatuburj^, Celle, Koi)fulia^-cn, Majirdcburg, Frank-
furt a. M. gehaltene Vorträge, in denen er Uber die Ziele des Vereines Aufscbluss
gab nnd die Nothwendigkeit und Nfltzlichkeit derselben in das bellste Liebt
setzte, dareh vielfache Auftätze in popnüren Zeitschriften (y,Der ?ute Kamerad*',
„Nordwest", „Vom Fels zum Meer" etc.), namentlifh durch seine „Samariterbriefe"
''zuerst iu ,.ScnORFR'.* Faniilicnlilutt'^' veri'ifTentiieht) erweckte er ein lebcndisres
Interesse lür die SamariterlehreQ. Am meisten jedoeh ist die Sache des Deut.schen
Samaritervereines doreh die Heransgabe des „Leitfadens für die erste
Hilfe bei plötzlichen Ungl ü c k f ii 1 1 e n", d.h. der Reihe vou Vorträgen,
welche KsMARCH in der er-sten Samariterschule zu Kiel [rebaUeii hat , jri fftrdert
worden. Zum Beweise für diese Behauptung genilgt es wohl, die Thatsaehe an-
suftbren, dass das klme BUdilein bis jetzt 23nutl in andere lebende Spraeben
(englisch [2nial], italienleeb, franzn.siscli [2mal] , flämisch, h(dtnndisch [2mal],
norwegisch, Bchwedisol). uiifrarisch, serbisch, polnisch, rumänisch, dänisch, islilndisch,
spanisch, tinniseh, ru.ssisch, japanisch, roaharattisch, croati:*eh , lettisch) übersetzt,
in Deutsehland llmal aufgelegt und in circa 40.000 Exemplaren verbreitet ist.
[Ein Auszug ans dem Leitfaden in kMnem Tascbmiformat , besiebnng»-
weise iu Plakatform, welcher möglichst präcls die Behandlung der versehiodeuen
ünglflcksfjille schildert und den Schülern der Saraaritercurse initj^esreben , den
Unterrichts- und Verbaudskisten (s. unten; beigelegt wird, ist iu mehr als
80.000 Exemplaren verbreitet]
Diese Erfolge v. Esmabcb'8 iusserten alsbald ihre Wirkung anf die
gebildeten und fahrenden Kreii^e Deutschlands, und mit warmem Interesse wurden
die Bestrebun°ren des Vorsitzenden des Deutschen Samaritervereines von Gleieh-
gesinnten aufgenommen.
Die Tageszeitungen verbreiteten die Kenntnisse der Ziele und Wege des
Vereines in alle Sebiebten der Bevölkerung, es wurden Vortrftge gehalten, in
den verschiedensten Ausstellungen auf dem Gebiete der Hygiene und sonstiger
Wohlfahrtseinrichtiiiiireii, welche vom Deutschen Samaritervereine beschickt wurden,
wurde das iutereste der Laien und Aerzte für den Verein geweckt (so 1882 auf
der Ausstellung für Hygiene nnd Demographie in Oenf, 1883 auf der Dentseben
Ausstellung für Hygiene nnd Kettungswesen in Berlin, 1885 auf der Allgemeinen
Ausstellung in Antwerpen, 18?*'.» auf der Allgemeinen Ausstellung für rnfall-
verhUtung iu Berliu und 18'J2 auf der internationalen Ausstelluug für das Rothe
Kreuz in Leipzig; hierbei ist der Verein 3mal mit der goldenen Medaille und
Imal mit einem Ehrenpreise au^eieiehnet wmrden). Als besonders bedentnugsvoU
fflr die Anerkennung der Saraariterlehren ist noch der einstimmig angcnonimeno
Antrag des Grafen Douglas im preussisehen Abgeordnetenhause (2. Mai 188dj,
.30*
468 JLBANILENPFLEGE.
•
den SamarlteruQterrieht auf allen technischen Hochschulen hIh Lehrfach einza-
fUhrcn , hervorzuheben. — Das Protectorat Uber den Verein übernahm die
Kaiserin Augasta, Dach ihrem Hioscheiden die Kaiserin Friedrich;
den Ehrenvoniti luit Priu H«iiirie]i bald nadi Grflndnng des Vereines
flbernommen.
In Folge dieser mannigfachen Anregungen und I^^orderiitigen wuchs die
Sache des Deutschen Satuaritervereines sehr bald über den Ort seiner Entstehung
hinaus, und von Jahr zu Jahr erweiterte sich der Kreis ihrer Anhänger. In den
gr9isteo Stidten, wie in den kleinsten Heeken wurden sahlreielie SamaiiterselinleB
und Samaritervereine gegründet, durch welche die Bevölkerung Gelegenheit er-
hielt, die in Betracht kommenden Kenntnisse unter ärzüicher Leitung aneib
praktisch zu erlernen und zu ttbeo.
Der Lehrstoff einer Samaritersehnle ist auf 5, beziehungs-
weise 6 Stunden bemessen, entsprechend der im „Leitfaden" (s. oben) gegebenen
Anleitung. In der ersten Stunde wird eine kurze Uebersicht über den Bau und
die Functionen des menschlichen Organismus geliefert. In der zweiten Stunde
werden die Verletzungen der Weiohtbeile erörtert und in populärer Weise dar-
gelegt, was der Laie bw diesen Ungllleksfimen thnn kann und thnn darf. Hier
wie hei allen weiteren Vorlesungen wird stets die Grenze zwischen laienhaftem
und Srztlichem Handeln gezogen, wird betont, da^s der Laie stets nur für die
erste Hilfe zu sorgen, .sofort aber nach einem Arzte zu senden habe, es wird als
oberster Gmndsatz jcglieher HUfelmstnng das „Nieht sebaden** eingeprägt. Der
Samariter soll nicht die Wunden behandeln, sondern er soll nur lernen von frisebeft
Wunden Schädlichkeiten fern zuhalten, welche zu einer Störung de^ Heiluiigsver-
laufes, ja zu einer schweren, unter Umständen tödtlichen Vergiftung des ganzen
Körpers fuhren können.
In der dritten Stunde werden die Verletzungen der Knochen besprochen,
es wird der grosse Unterschied zwischen einfachen und oimplicirten Knochen-
brUchen auseinandergesetzt, die Verrenkungen und Verstauchungen werden erklärt,
das Wesen und die Behaudiung der Verbrennungen erläutert. Die vierte Stunde
ist der Lehre von den UngMeksfllllen gewidmet, welche zum Seheintode fBhren
können : Ertrinken, Erfrieren, Ersticken, Bewusstlosigkeit, BUtssehlag, Vergiftung.
In der fünften Stunde wird der Transport Verunglückter zum Arzte geschildert
und die verschiedenen Transportmittel beschrieben. Im Anhang daran, beziebungs-
wdse in dner sechsten Stunde wird sebliesslicb eine kurse üehenicht ttbw die
hauptsächlichsten Capitel der Krankenpflege (Krankenzimmer, Krankenbett, Pflege
des Kranken, Ausführung der ärztlichen Verordnungen) gegeben.
Im Anschluss an jeden dieser etwa IstUndigen Vorträge wird das theore-
tisch Vorgetragene praktisch geübt.
Um nun fdr diesen sdiematiseben und in engen Grenzen gefassten Unter*
rieht auch ein entspreehend gleichmSssiges Unterrichtsmaterial zu schaffen, Uess
der deutsehe Samariterverein Lehrmittel für die Samariter schulen zu-
samroen-stellen , in denen alles zum Unterricht Erforderliche in geeignetster Form
rereinigt wurde: 6 Wandtafeln (Skelet; Muskeln, Nerven, BlutgeHlsse, Eingeweide;
Sebema des Blutkreislaufes ; ein£uher Knoohenbruch ; oomplicirter Knochenbruch ;
Verrenkung des Oberarms und Ellenbogens) und Mittel zu einigen Verbänden und
anderen Hilfeleistungen (10 dreieckige TQcher mit Abbildungen von verschiedensten
Verbinden; 6 breite, 6 schmale Binden mit Sieb^beitsnadeln ; 6 Tupfer; 1 elastl-
sdier ToumiqttethoBentrigBr; 1 Papplade fBr den Arm; 4 kurze, 9 lange Spann-
schienen ; 2 Strohschienen ; 4 Zweigschienen ; 1 langes, 1 kurzes Bluincntopfgitter
[für KuoehenbrUche] ; 1 Knüppel und 1 Knebel [zur Compressiou von Schlag-
adern];. Von den diese Materialien enthaltenden Kisten ^l'rcis 25 Markj hat der
Verein bisher cirea 5 — 600 den Samariterrereineo und HBchnlen, Behörden ele.
theil^i gegen Zahlung des Sdbstkostenpreiaee, theils leihweise, tbeils dureb Ge-
schenke Uberlaasen.
iJiyui^L,LJ Ly Google
KRÄNKENPFLEGE.
469
Der Abschnitt des Katechismus, welcher von den Hilfelcistinig^en zur
Wiederbelebung auscheinend Hrtrunkeaer bandelt, ist auf Zinktafelu gedruckt und
in 13.000 Exemplaren uneulgeltlicb gegen Angabe nnd Verpflichtung ihrer OffSent-
liehen Anbringung nn Orten, wo Menaehen der OefSihr des Bvtriukenfl nu«gesetzt
sind, verbreitet worden.
Als Hilfsrnittel f(ir die Samariterthätij^keit im Hause
ttud im öffentlichen Leben bat der Deutsche Samaritervereiu ferner einige
VerbandBiniftel nnd Aneneien in verseblieaBbueii Kiefen snsammengestellt nnd
giebt diese unter dem Namen Samaritempotlieken oder Verbandkasten in zwei
verschiedenen Gr^issen ah. Die kleine Saraariterapotheke (Preis 28 Mark) eiitliiilt :
200 Grm. 3%ige Lysollösung; 10 Grm. reines Lysol; 100 Grm. Leiuölkalkwusäer
mit iVoigem Thymol; 10 Grm. Amnoniakflliaaigkeit ; 10 Grm. Hoffmannttropfen ;
1 RoUe Sublimatwatte; 1 Stflck Borlint; 1 Stilek entfettete Watte; 1 Blechdose
mit Stflckeiiziii'ker ; 5 Tupfer aus Sublimatwatte; 5 grosse dreieckige Tflcher;
4 Holzschiciun ; 1 Scheere; 5 Binden; 1 eUstlsche Binde; 1 Waschbecken;
1 Katoebismus.
INe grosse Samariterapotheke (Preis 50 Hark) entiiält von jedem ge-
nannten Tbflil entsprechend grossere Quantititen, ausserdem noch 16 Holzschienen.
Endlich hat der Verein durch eigene Versuche eine trag- und fahrharo
Krankenbahre mit Matratze und Sommer- und Winterdach (Preis 330 Mark)
oonstruirt
Allen diesen wohlurganisirten, in ihrer Ntttsliehkdt SO sehr bestediendettt
in ihrer Einfachheit sf> leicht iihcrzcugonden Rostrehungen des von v. EsMARCii ge-
leiteten Deutschen Samaritervereincs ist es zu danken, dass das Samariterwesen
heute eine ungeahnte Ansbrei tu ng gewonnen hat. Wohl mit Recht kann daher
EsMABCH im Jahresberidit 1891/92 des Verehies belwiiptMi, dass es in Dentsch-
land kaum einen bedeutenderen Ort gebe, wo niebt Samariterbestrebnngen in
irgend einer Form hervorgetreten sind.
Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, dem Betriebe der Samariter-
thltigkeit in jeder einseinen Stadt naobsngeben, nmsoweniger, als bei weitem
niebt alle Vereine ein Lebenssmehen in die weitere Oeffentlichkeit hinausdringen
lassen. Es mag genfigen, hervorzuheben , dass in dem oben erwähnten Jahres-
bericht aus Deutschland 319 Städte namentlich aufgeführt sind, aus denen Mit-
tbeilongen Uber Samariterbestrebnngen voriiegen.
Grosseres Interesae verdient die Berflckaichtignng der Behörden und
Vereine , welche zum ?>amariti'rwescn in d.mcrnde Bcziehnngen getreten 8ind.
Unter den Behürden sind hier zu nennen : Lehranstalten (Turnlehrerbildunga-
anstalt, Seminare, technische Hocbbcbulen, Forstakademien, Baugcwürkscbulen,
Gewerbeschulen, landwirthsehaftliehe Lehranstalten, Bergbansehnlen , Navigations^
schulen : nach v. EsmäRCU ist es niebt su bcaweifeln, dass der Samariterunterricht
in absehbarer Zeit an den oberen Classen aller Schulen eingeführt und damit die
Kenntnis» der ersten Hilfe Gemeingut alier Deutschen werden wird); Truppeu-
theile (im Hinblick auf die Thatsache, dass in den Jahren 1874—1882 854.526
mechanische Verletzungen in der preussischen Armee vorgekommen sind, empfiehlt
das Kriegsniinisterinm .im 1.5. Januar 18/^:! Instructionen für Officiere und Mann-
schaften über die erste Hilfeleistung bei L nglücksfUllen , ganz der Lehrweise
in den Samariterschulen entsprechend, einzufahren; ähnliche Verfügungen sind
▼om sächsischen und bayerisebm Kri^ministerium ansgegangen) ; Post nnd
Eisenbahn schon im .Tahre 18J*.3 ordnete der Gcneralpostmeister v. STEm.\X
die rci^-cliiifis^i,--!' Au^-hildung der Bahnpdstbcaniten im Samarittrdienst an und
Hess siimmthche iiahupostwageu mit Verband kisten ausstatten ; weniger umfa.<send
ist die Ansbildnng der Eisenbahnbeamten); Poliseibeamte, städtische
Aufsieb tsbeamte, Oensdarmen (in zahlreichen grösseren Städten sind
di<> poli/.eiwacben mit Verbandmaterial, Krankentragen, Medioamenteu u. s. w.
ausgestattet;.
470
KRANKENPFLEGE.
Von Vereinen , welche das Saraariterwesen in das Bereich ihres Lehr-
materiales ziehen und praktii^ch ausüben, sind zu nennen : die Feuerwebren,
die Vereine rom Rothen Krens, die Snnltätseolonnen, die Oe>
n «KS s e n s c h a f t freiwilliger Krankenpfleger im Kriege, der Vater-
ländiscbe Fr. inen verein 'auf Veranlassung v. Esmarch's werden seit
alljährlich eine Reihe von Zwei^ ereinen des Vaterländischen Frauen Vereines durch
angehende Cnrse m der ersten Hilfe nnd in der Anfertigung von Verbandgegen-
stlnden aller Art ansgeUldet); Gesellschaft snr Rettung Sehiff-
I) r fi (• h i ;r e r schon im Jahre 1884 .«andte der Deutsche Samariterverein anf
feine Kositen Aerzte au die Ktlsten , welche an den verschiedenen abfrelefrenen
^Cordseestationen den Unterricht vor Kettungsmannfchafttn und zahlreicbeu auderen
Inselbewehnem nbgdialten haben); Rettungsgesellsehnften (dieselben
haben sich neuerdings in verschiedenen grOflSeren Städten Deutschlands (Berlin,
Bremen. Frankfurt a. M., Ilambur^, Hannover. Köln, Lcii)zip': peUildet, um sach-
kundige Uilfe, sowie die uotijwendigen Verband- und Transportmittel für Unglückä-
Alle bereit sn haben; von ihnen werden unter Anderem die Sanititswaehen mit
ununterbroebenem Tages- oder respective und Naditdlenst unterhalten); Wohl-
fahrt s n n s t a 1 1 e n 'Krankenhiiuser . Diakonissenanstalten, Mutterhfluser etc.);
zahirciebe Vereine geselligen Charakters (Turn-, Schwimm-, Alpen-,
Kadfahrervereine, Kriegervereine etc.), Fachvereine und Uilduugsvereine.
Zu erwihnen ist femer, dass bei grosseren staatliehen oder privaten
industriellen rntemchmungen und Fabriken (Bau des Nordostseecanales, Bergbau,
Rauten, SchitTe edM .Aufscher imd Arbeiter im Samariterunterricht ausgebildet
and Verbauukitilcn und Transportmittel vorräthig gehalten worden.
Zum Sebluss ist mit Genngtbunng herrorzuheben. dass die Bestrebungen
des Deutschen Samaritervereines aneb im Auslande nicht nur voll gebilligt and
^ewtirdi^'^t worden sittd , sondern auch meistentbeils an Ähnlicher Thätigkeit die
Anregung gegeben haben.
Am deutlichsten spridlit flBr diese Auffassung der Umstand, dass die
SarosriterTereine und -Sehulen, welehe nicht nur im ausserdeutsehen Europa,
sondern auch in allen aussereuropHischcn Cultiirstaaten entstehen, zumeist nach der
Lehrnicthcdc, zum Thoil auch mit ilon Lehrmitteln des Deutschen Samariter Vereines
ihre Kcuutnissc zu orwerbcu und zu verbreiten suchen.
IV. Wiener freiwillige Kettu ngsgesel Ischaft
Wenngleieb die Wiener freiwilliire Hettun?sgesellschafl nur ein (ilied
derjenigen Vereinigungen bildet, welche das Samariterthum in der vorstehend ge-
sehilderten Weise bethitigen, so nimmt sie doeh durah ihre eigenartige Genese, ihre
grossartige Or^Mnisation und ihre erstaunenswerthe Vielseitigkeit eine ganz besondera
Stellung ein. Wir können es un"* deshalb nicht versagen, der Kntwicklung dieser
humanitären Schöpfung der üsterrcichiscben licsidenzHtadt im Detail nachzugeben and
in kleiuereu ZUgcn ein genaueres Bild ihrer Thätigkeit zu entwerfen.
Die Gründung der Wiener freiwilligen Rettungsgeselischaft volkog
sich gewissermassen auf der Br.indstfltte des Wiener Kingtheaters am 9. De-
cember 1881. TMe rnznlän<:licbkeit des stildtischen Kettunirswesens , wie sie bei
die.scr furuhtbureu Ivatastruphe in erschreckender Deutlichkeit zu Tage getreten
war, gab dem Grafen Wit^BK und dem Baron Dr. v. Hundf, welehe beide
schon seit Jahren die Errichtung einer freiwilligen Kottungsgesellschaft geplant
hatten, den unniitfclbaren Anstoss dazu, mit liem Anlftati ilirts Werkes nicht
länger mehr zu ziigurn. In Gemeinschaft mit dem Oberstaatsanwälte (jraf Lamezan,
welcher hei dem Riogtheaterbrande pwsftnlieh durdi Energie und Cmneht sieh
ausgezeichnet hatte, beriefen sie eine Anaahl herrorragender Wiener Bflrger
und coiistitnirten sidi mit ihnen als Acti^n-jcnmit«-. Zum VieeprJlsidenten wurde
fJrat Wii.czKK , zum rriisideuten Graf Lamf.z.w. zum Sehriftfiihrer Harun
Dr. V. Mi-.NbY erwäblt. Die auderen sieben Herren übernahmen die J^citung der
L. iyu,^cd by Google
KRANKENPFLEGE.
471
eiozelneo Disciplinen (Feuerwehr, Maj^a/ine, erste Hilfeleistung etc/ des Kettungs-
wesen». Die Organigatioo der Geselläcbatt wurde mit erstaunlicher Schnelligkeit
betrieben, Dank der omlkasenden Saehkenntniu und nnermfldliehen Thitigkdt des
bewfthiten Schriftführers.
Am 2. Januar konnten bereits die Anfiraben und Bestrebunjren der Gesell-
schaft iu einer an den Ministerpräsideuteu und an den Statthalter von Nieder-
diterrddi Zwecks Unterstfltsang and Proteetion gerichteten Eingabe in kurzen,
dentUehen Zurren dargelegt werden.
Die ThiitiL'keit der freiwillifren Rettunfrsi^esellschaft sollte sich vorerst
nur auf die Rcichshauptstadt Wien beschränken und in drei Theile zerfallen:
1. Die Fenerwebr als Ergftnaung der an Zahl der Mannaebafb nnd
FeaerUtoebappante derseit HBwIfti^rifah erkannten emnmnnalen Feuerwehr (für
jeden Foli/eibezirk wurde eine freiwillige Feuerlöschstation in Vorsehlag gebracht).
2. Die Wasser wehr, durch welche bei der Donau und ihren Ans-
mUuduugea Tag uud 2<tacht ein peruiauenter Ireiwilliger Sicherheitsdienst ausgeübt
werden sollte.
3. Die erste Hilfeleistung bei C nglilcksfällen jeder Art auf
den Strassen der Hatiptstadt und der angrenzeudcn Vororte. Dieselbe sollte gleich-
falls in Stationen mit KUcksicbt auf die Polizeibezirke eingetheilt werden. Ein
sdur eonreet organisirter irsflielMr Dienst sollte diese freiwillige Institution ergänzen.
Der gesammte bieran nötbige Apparat an FeueilOsebrequisiten, Rettungs-
booten, Ambulanztranspf>rtwairon , Tr.iL'-liabren, Instrumentarien, Verbandzeug etc.
sollte auf Kosten der Freiwilligen Kettungsgesellschaft angeschafft werden, des-
gleichen die Wachbftuser und Kcttaagsstationen.
Die Ansrflstung nnd Oigmisation der Rettnngsmannsebaft für die unter
1, 2 und 3 angegebenen Flilfeleistungen sollten bei Nachahmung der einfachen
und zweckmässigen Vorbilder der ausländischen Gesellschaften festgestellt werden.
Was diu Zusammensetzung der GeBellsobaft betrifft, so sollte dieselbe aus
Ebrenniitgliedem , Grftndem (welche «nen Betrag von mindeetms 1000 fl. auf
einmal erlegen), Fcirderern (welche mindestens einen Betrag von 500 fl. auf einmal
erlegen) und activen Mitgliedern gebildet werden.
l^ur jene Ciadsen der Bevölkerung, welche selbstständig Uber ihre
Zeit verfOgen konnten und die sonst nöthigen moralischen nnd physiäeben Eigen-
sehaAen fttr einen solchen freiwilligen Dienst beslasen und sieb spontan der
Gesellsehaft anböten, würden in dieselbe aufgenommen.
Nachdem die /wecke des Vorbereitungscomites vom Kaiser nnd von den
b<}eh£ten Behörden anerkannt und von der Bevölkerung Wiens, namentlich vun den
Anraten, als äusserst woblthätig begrOsst worden waren, wurde der innere Ausliau
der Gesellschaft mit grössteni Eifer fortgesetzt. Zur Förderung desselben wurde
eine Zeitschrift ( „Mouatsbliltter — später Vierteljahrsschrift — der Wiener
Freiwilligen Rettungsgesellsehaft''] herausgegeben, die Stellung der üesellsehatt zu
den Behörden in allen Punkten geregelt nnd auf verschiedenen Wegen (Proela-
mation , Plakate , Subscriptionslisten , Festlichkeiten) der Wohltbätigkeitssinn der
Wiener Bevölkerung für das neue Institut zu intoressiren gesucht.
Am Ausgange des Jahres begann der verdienstvolle Clietchirurg der
Gesellschaft, Prof. Dr. v. Mosetig , seine Vorträge Uber die „erste Hilfeleistung
bei plOtsIieben UnglOeksflUlen** (die Vorträge sind 1883 im Dmek ersehienen)
nnd leitete damit die praktische Ausltildung der Sanitiltsabtheilung , welche nur
aus Studenten der Medicin besteht , ein. Weiterhin wurden Vorbereitungen zur
Organisirung eines freiwilligen Dienstes bei grösseren Eisenbahnkatastrophen in
der Umgegend Wiens nnd einrar freiwilligen Unterstfltaung der Militärsanitätsptlege
bei der 3IobiIisirnng und im Kriege in Angriff genommen und die darüber aus-
gearlieiteteii Pliiw von den ziistäiulit^cn Bchrtrden als}).i! l irebilligt. Vm dem
Leser einen Einblick in die vortreMliche Organisation des Rettungsdienstes und
die schranl^enlose Opferwiliigkett der Gesellschaft zu gewähren, geben wir die
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KBANKENFFLBGE.
„organischen Bestimniuugen f(ir die freiwillige l'ntermtUtzun^: der Müitftnanitfttspfl^ge
bei der Mobilisiruug und im Kriege'' im Wortlaute wieder;
Die Wiener freiwillige Rettongsgesellsehtfl wird im IfobUlslmiigsftlle und wfthrend
des Krieges unter strenger Beobachtung der jeweiligen Vorschriften über die freiwillie:«
Sanitatsptlege and nach den Weisungen der k. k. Militarbehürden , im Anschlüsse an die
adlitirische S&nitätsptlege, freiwilligen Sanitätsdioist leisten, und zwar:
$. 1. Die Wiener freiwillige Rettnngsgesellsclifttt wird eigene Sanitätswachen
(Krankenhaltstationen) mit einem permanenten Tag- nnd Nachtdienste auf den Bahnhöfen und
Landungsplatzen der Stadt Wit-n errichten, mit Jit iiüthi^rn Anzahl vo:i Aerzlcn, A (iji ir.iteu,
Mwie Blesäirtenträgem versehen und dieiselben auch mit dem entsprechenden äaoitätemateriale
MSTfilten.
§. 2. Bei der Ankunft oder Abfahrt von Sanitatszngf-n und Schiffsambulanzen,
welche mit Kraukeu oder Verwundeten beladen sind , wird die Wiener freiwillige Rettung!!-
gesellschaft ihr schon im Frieden (ür ähnliche Dienste geschaltes Personal in einer von der
betieffeaden Militärbehörde jeweilig aogegebeaen Zahl und an den von damelben bestimmten
Orten beistellen nnd snm Auf- nnd Abladen der Kranken nnd Verwondeien yenrenden lassen.
^. '^. Um schon im Frieden das I'i r-rmal für <b n Sanitatsdienst der Gesellschaft
vollkunimeu einüben za können, wird dii- Wiemr ireiwillige Rettungdgesellschaft mehrere
Eisenbahnwaggons zn Sanitätswagen, naru« ntlir ]! mit für deu Transport von Officieren uötbigem
Sanitätsmateriale ausruhten lassen. Mittels; die-^er Eisenbabnsanitätswägen werden dann im
Kriegsfalle nach den Umgebungen Wiens und den der Hauptstadt näher gelegenen Provinz-
Städten (als Baden. Wiener-Neustadt, St. Polten, Linz und Pressburg i kranke oder verwundete
Ofiiciere und Soldaten in die dortigen Militär- und Civilspitäler , dann in die Privatpflege
Terfülirt oder von dert eTseoirt werden.
^5 4. Bei allen dir-en Ev.icuationcn winl die Wiener freiwillige Rcttungsgesellschafl
ihr äanität.spersuuai uacii Bniarf inni^rhalb dem Weichbilde Wiens und seiner nächsten Uni-
giboagen als Begleitnngsmanusi liatt zu jeder Töur- oder Retourfahrt beistellen.
§. 5w Die Wiener freiwillige Bettnng^esellschaft ist bereit» kostenflrei die aötfaige
AnsabI von Aereten nicht allein zn den Sanitätswaggons nnd Krankenhaltstationen bei der
Uebergabe von Kranken und Verwundeten auf den Bahnliüt'i h nml Landuusfsplätzen der Re-
sidenzstadt Wien beizustellen, sondern die unter §. 'i angegebenen Transporte auch durch
Aaste (Chirurgen) der Gesellschaft nöUiigenlbllfi begleiten zu lassen.
Ausnahmsweise kann diese Bn^leitung durch Aerzte der Gesellschaft auch auf längere
als die im 3 vorbezeichnoten Touren ausgesprochen werden. Linn liouorirung der Aerzte
wird von der Heercsverwahnng nicht beansprucht werden.
b. Die zum ärztlichen Dienste erforderlichen Instrumente , das Verbandzeug und
die sonst nothwendigen Utensilien wird die Wiener freiwillig« Bettungsgesellschaft in eigraen
Sanitätskästen und Bandai^fntaschen bereit hatten nnd r.hne Anspruch aof Vergütung StotS mit
dem erforderlichen Materiale v<.TSf*lien und t.illweise dasselbe erganzen.
§. 7. Um sowohl auf den Bahtiholen als auch auf den Landungsplätzen bei der
Ankunft oder Abfahrt von Krauken und Verwundeten . als auch bei den £vacaationen auf
Eisenbahnen nach den Umgebungen Wiens und einigen der Residenzstadt näher gelegenen Pro-
vinzstadten 'Vt die Krnährung und Laliung der Kranken und Verwundeten, sowir des
gesammteu freiwilligen Sanitätspersonales ohne jede Störung oder Aufenthalt während der
Fahrt diätetisch correct dardiflihren so können, hat die Wiener freiwillige Bettongsgeaeltechafk
eigene gros.se und kleine Küchenwägen bereits acquirirt, auf welchen sowohl anf Stra.ssen als
auch auf Kisenbahnen (auf Lowrys gestellt) lur ilif Kranken oder Verwundeten die nöthige
wanne Kost permanent und schnell bereitet uml vi itheüt werden wird.
& 8. Die fflr die Bereitung der Krankenkost und die ambulanten Kttchen noth«
wendigen Robnaterlalten (Fleisch, Gemfiise nnd das Koebservlce etc.) werden jeweilig ron der
Wiener freiwilligen RettnnpsgesclNchalt imtLi- Vt-r/jCbt auf jn!.- Veririitung beigestcüt w. rilen.
I*. Um bei den im Kriegställe so viel.seitig uothweudigcu Transporten vou Krauken
und ^'crwandeten die k. k. Militärbehörde wirksamst unterstützen an können, wird die Wiener
freiwillige Rettungsgesellschaft den ihr gehuriiren Fahrpark (welcher sich namentlich fdr den
Tran.sport von Offirieren vorzüglich eiguei) auf ihre eigenen Koston bespannt, für die Eva-
cuatiunen aus und nach den öftentliclien und privaten Spitälern der Stadt Wien und ihrer
nächsten Umgebung bei Tag und Nacht in steter Bereitschaft halten nnd durch ihre Aerzte,
sowie das geschulte freiwillige Sanitätspersonale bedienen nnd begleiten lassen.
Kill aut If.'chnung der Wiener freiwilligen Hettungsgi si-ll-i linft zu befrirderndes
telegraphi.sches oder telephuuisches .Aviso wird genügen , aut dem gewünschten Orte mit der
erforderlichen Anzahl der t^auiiat.sw.-igen sammt dem nüthigen Personale so erscheinen und den
der Gesellschaft anvertrauten l>ienst sogleich zu übernehmen.
Um fallweise auch kranke Soldaten , welche von den übrigen Kranken abcesondert
transpurtirt werden müs<en, weiter hetordern zu kounen, hält die Wiener freiwillig-' llettuugs-
gesellscbalt eigens gebaute, leicht desinticiibare Ambnlanzwagen und Omnibusse in Bereit-
schaft, welche ausschliesslich von fär diesen Dienst bestimmten Wärtern begleitet werden.
^. IC Bei der Ankunft mn S''hillVaniliiilauz''U an den I.andnngsidäf zen der Haupt-
stadt Wien wcrdcu die Munnsckalieu der aucli in der erAieu Hille geschulten Wa.-iserwehr
KRANKENPFLEGE.
473
der Wiener freiwilligen Bettungsgesellschaft <ien Kranken- und Blessirtenträgerdieust ver-
richten und im Falle von Landungsbinderoisscn (hober Wasserstand, Eisrinuen etc.) dorch die
der Gesellschall gehSncoi Boot« dM gsIMizlose AM- md EtnbuUmi ftbanraelin od«
unterstütsen.
§.11. üin die sBtliige Siekorhiit geg«o Fanen^efkhr in den sn Krlegneiten im»
provisirten Baracken oder Zeltspitälern in jeder Beziehnng vertrauensvoll lianJIiaben zu können,
wird die Wiener freiwillige Rettangsgeschaft durch ihre freiwilligen Feuerwehren, welche mit
einem entopNekenden Löschtrain aosgerüätet sein werden, alle jene Sanitätsanstalten. Spitäler
oder MafuilM mit KiiegSTOiTftthen, deren Ueberwachang der Gesellschaft anvertraut werden
lonte, dnreli einen permanenten Tai^ nnd Nachtdienst vor Fenersgefahr sn heschtttzen aostieben.
i; 12. Die Wiener freiwillii;e Rettungsgesellachaft , wekho für die Ausbilduii(; ibrer
gesamuiten Mannschaften (in der Feuer- and der Wasserwehr und ersten Hilfe bei Unglücks-
fällen) durch hervorragende, gebildete nnd facherfahrene ämtliche Instmetoren geldtete
theoretische und {iraktf«rhe Lihmnrsp fingfeführt liat . r-rklärt sich vollkommen bereit, die
Delegirten und Coiumaudauten von liUissirt.-nträger- l'ransportcolonnen, sowie alle Blessirten-
träger anderer humanitären Vereine, welche sich die Verbesserung des traurigen Loses der
Tenrandeteo and kranken Kri^r nnr Pflicht gemacht haben, aneatgeltUch in ihren Schulen
unterriohteB imd nneb ttber den Traneportdienet Ton Kranken nnd Venrnndeten dnidt Uebongen
mit ihrem ronlanten Panitätsmateriale instmiren zu lassen.
§, 13. Wenn auch in der Vierteljalirsschrift. welche die Wiener freiwillige Rettunga-
gesellschaft regelmässig erscheinen llloit, alle Dienstesangelegenheiten derselben erschöpfend
dargestellt nnd veröffentlicht wurden, so wird diese Gesellschaft dennoch nicht ermangeln,
allfährlich, nnd zwar Ende Febmar jeden Jahres, einen detaillirten Aasweis Uber den Stand
ihres freiwilligen .Sanitätspersonales, sowie ilirer Wasser- und Fcuerwehriiianusi haft mit ilii öni
gesammten Uateriale dem k. k. Beichakriegsministeriam zu unterbreiten and dabei die statt-
gefondenen Forliebritte nnf dem Felde des Bettnagswesens, dem die G«Mllsekaft sick gewidmet
hat, an< h eingehend liezeiclinen. Demgemä.^s werden auch in den Jaliresherichten allenfall.=ige
Antrage der Gesellschaft für die Ausdehnung ihres freiwilligen Sanitatsdienstes im Kriegsfälle
in Torschlag gebracht werden.
§> 14. I>ie Wiener Freiwillige Bettnng^gosellackaft koflt vertnoenavoll , da» In
KriegsMIe eine allenfinstin militäriecbe Requisition ikres gesammten Poraonnles oder Materiales
zum localen Mi!it.ir.-'a!iitat>ilii':i.-.t>- \-.TiijiriJen woninn wird , weil dieselbe den von ihr in der
Stadt Wien übernommcuen Ireiwilligen Dienst (Feuer- and Wasserwehr und er4te Hilfe) auch
21 EriegsMiten (Ja fallweise selbst bei einer Belagerang der Reichshaapt» und Residenutadt
Wien) ihrem ganzen Um fange na eh ungeschmälert anszatil>en sich für verpflichtet erklärt.
Eben.so erklärt die Wiener freiwillige Rettungsgesellschaft mit Ausschluss der in
b II Üi:. .! und 5 angegebenen Ausnahmen nicht in der Lage zu sein, im Kriegsfalle die
freiwilligen sanitären Leistangen auch ausserhalb dem Weichbilde Wiens ausüben
m kSnnen.
Di« Antbüdunp der Mtiven Mitglieder der Gesellseluift (eo BameDtlieli
der MaiiBSchaften der „ersten Hilfe" durch v. Muxdy's Cnrse Uber Verbandlebre
und Krankenstraiisport) und die F^rweitennifr ihres Requi.sitenbestandes wurde mit
rastlosem Eifer turtgesetzt, äo kouute a» nicht ieblen, dass der Gesellschatt auf
der im Jftlire 1883 xn Beilin errlebteten HygieoeaaBstellnng für ihre Semeriter-
dienst, Saoitfltswachen, Krankentransport, Feuerwehr, Wasserwehr u. a. w. betreffen-
den Objecte einstimmig die goldene Medaille zuerkannt nnd allseitig das böobste
Lob auBge.sprofheu wurde.
Aucb bei dieser Gelegenheit vertrat übrigens der allzeit tbätige Scbrift-
fBbrer y. Mündt die Gesellsebaft aaf das Tortbeilbafieste ; sein im AnssteUnnga-
gebaude gehaltener, von dir Kaiserin Augnsta — die bereits im Hai 1882 der
Gesellschaft 1000 Mark ;resehe[ikt liatle und als „Förderer" lieifjetreten war — • veran-
la»8ter Vortrag „das Kettuugswesen in Europa und Amerika" fand lebhaften und
nngethettten Beifisll.
Am 1. Mai 1883 wurde die erste Sanitätsstation mit permanentem Tag-
vnd NaebtdieDi^t unttr der J^t-itimg des Präsidenten Grafen Laubzan eröffnet. Der-
selben foljrten im J^aufV der .lahre mehrere .'Stationen nn anderen PlUtzen Wiens,
zum Theil dauernd, zum Theil nur vorübergehend bei besonderen Anlässen
(grossen Festen, YolksaDsammlungen etc.). Im August 1889 wurde eine Ceatral-
aanititsstation dngeriobtet.
Eine fernere Erweiterung den Sanit.ltsdienstes wurde durch die Einriob-
tnng des oblifraten Nachtdiensten einer irewissen .Anzahl von Aerzten und Hel>ammen
gegeben, deren Wohnungen in der >iacht durch beleuchtete Laternen gekennzeichnet
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KRANKENPFLEGE.
wurden. Der Krankentransport bei plötzlichen l ufrlii •k'^nUlen wurde (1886) durch
Aufstollaog von Tragbahren zum Gebrauche für Jedermano an 20 Plätzen und
StnuMwn «EMobtart.
Alle dieea Sdiöpfaogen ^er »tota beniten OTganisAtorisehen Thltigkait
haben der „Wiener Freiwilligen Rettuno:8g:eHelIschaft" es ermöglicht, ihren mannig-
faltificen Aut^'.ihcn in vollstem Mas-s«' gcreclit zu werden und in ihren lnnnfiiiit;iren
Bestrebungen Erätaunliehea zu vollbringen. Im Ganzen iät von der Gedellschalt
bis zum Jahre 1892 bei mebr als 40.000 UngltteksAHen die erste Hilfe geleistet
worden, damstir bei mehreren grossen Brftnden, Eisenbahnkatastrophen, Ueber-
schwemniungen v. s. w. , hunderte von Mensehenleben sind durch ihr iüngreifen
gerettet worden.
Tabelle über die bei Erkrankungen and Verletzungen geleistete erste Hill'e.
(Tom 1. Mai 1881 bis 31. Oecenber 1891.)
Im Jabre
Brkraa-
kungeo
ver-
]«taiiiiseo
M Tag , bei Xacüt
Kranken-
tranaporte
Totale
im
]7Fn
17-^M
416
m
248
14'Jit
lh^4
m
500
532
169
1731
18^5
4:^1
im
957
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m
148-1
l:il8
;.ii7
i Itt iT
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1887
iö:-i4
1:^77
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4')4;
1888
816
li»44
1737
1023
3;i7b
bOöb
1889
m
1656
1288
1041
2924
5253
1S90
786
1813
57S
•J978
5577
878
181R
1876
5871
Zu.satMiijcu :
-,144
1,1110
13447
7283
•4'>^'6H 1 4i>51T
Asmerknng: Als ein blonderes V«rdi«D8t der Gesellschaft ist noch die von ihr
dnrebgeftthite nntotgeltlich« Bfaui^toog Ihnlidisr freiwIIUger BettnngsgesellichaftoD in Prag,
Brflnn, Krakaa, Triest hervorsidiebMi.
Angesichts solcher hervorragender, mit grösster Opferfreudigkeit im
Dienste der Allgemeinheit vollfttbrter Leistungen muas es als beklagenswerth
ersdidnea, dan die Wiener BevftUierung der Gesellschaft nieht nur mit Oleieb-
gilH^eitf sondern sogar theilweise mit üebelwoHen und Feindseligkdt gegea-
Ubersteht. Es wirkt geradezu komisch und doch kläglich , wenn man in dem
12. Jahresbericht der Gesellschaft lie.^t, dass derselben eine fortgesetzte Entfaltung
von Luxu^, zu ^ehnelleä, geräuächvullcä Fahren, der Gebrauch der Signalpfeifen
n. A. vorgeworfen wird. Noeh bedanemawerther aber ist es, dass das Samariter-
werk der Ocf-ellschaft matsvien in durchaus un^ t lui^rendcr Weise unterstützt wird
und dass deshalb dieses grossartige Institut wiederholt vor der Frnge der gitnz-
licben Autiösung gestanden bat. W'ie beschämend muss diese Thatsache wirken«
wenn man dabei des nie versagenden WohUhfttigkeitssinnes der Engländer vnd
Amerikaner gedenkt! Hoffen wir, dass auch die ganze Wiener Bevölkerung in
Haide das rechte Verstflndniss und die volle WiirdiL'iiitfr ihrer Freiwilligen Rettnngs-
gcsellsehaft rinde und dass jeder Bürger der (isterreicliischen Metropole zugleich
mit den Empfindungen des Stolzes Uber eine derartige Institution auch das Gefühl
der Püiebt gewinne ^ fflr die Erhaltung der Gesellschaft nach besten Kräften
einsutreten.
Literatur: .Kriegerhe iP. Orgau der Deut.sthen Vereine vom rothen Krens.
Reilipirt vom Gehfimrath Prof. Dr. ßnrlt. .Tubrcp. l'-^tj— — J. Wiebern. Die
GfiTissfiiscliaft Irciwilliper Kranken|)llei:'-'r im Krifjje, ihn- (iestjliiciit*^ und Orfjanisation.
18>Ü — lÖUl. — Protokoll der IV. Delegirtencouferenz der Geuosaenschaft freiwilliger Kranken-
pfleger im Krieg«. — Norddentache Allgemeine Zmtang 3. 4. Jani IBiVi, — Fortseb ritte
der Krankenpflege. R^dieirt vnn Dr.. T. Schwalb«. Jabr er jr. 1 18Ü3. — I. — X. Jahres-
liericht des Deutstheu äaniarilervereins zu Kiel (1882 — 189:2). — XI. und XU. Jahresbericht
der Wiener DreiwUligen Rettangsgesellsdiaft 18911892). j. Scbwalbe.
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KKtjTENGIFT. — KUPFER.
475
Krötengift (ver?1. Real-Encyclopädie, 2. Aufl., XI, pag. 375). Nach
neueren Versuclien be-jitzt das Salamanderprift (Salamandra maculata)
auch eine starke Wirkuu^ auf die rothen Blutkörperchen, die davon aafj^elöst
werdeo, zerfiülton und (bei Froaohblot) ihnn Kern verlieren. Bei der Seetion ist
all^enMäae Anämie höchst ausgesprochen. Die sich als Tetanus mit nachfolgender
L.lhmung charakterisiretule Vergiftung führt schon nach selir kleinen Mengen
(schon nach 1 Mgrm. des daraus erhaltenen Alkaloida pro Kilo bei intraTenöser
Vergiftung von Hunden xu 8 — 10 Ifgmi. Tom Magen ans) anm Tode; doob findet
dnreh bäofigere Einfllbning kleiner Dosen GewSbonng bis zu einem gewissen Grade
statt. Vom Krrttengnfte unterscheidet sich das Salamandergift dadurch, d!ii?s es bei
F>öschcn keinen systolischen Herzstillstand bedingt , und dass es auch für den
Salamander selbst, sowohl im ausgebildeten als im Larveuzustande, von grosser
Giftigkeit ist.
Literatur: Dntartr«, Compt. lead. CVIH, Mr. 19. — Pblsallx u. Lansloia
Ebenda. CIX. Nr. lu. 12. Hnsamana.
Kupfer (vergl. Real-Eneyelopftdie, 2. Anfl., XI, pag. 638). Die Frsge
von der frifti^ron Wirkung des Kupfers und dessen Bedeutung für die Hygiene
i?t durch lu uere Arbeiten von Lkhman'X ') und seinen Sehdlern .Mkyeküaüdt -),
Kaxt und MdCK*) zu dem Abschlüsse gebracht worden, dass, wenn uucli die
Giftigkeit der Rupferverbindungen nieht absnlengiran iat, diese doch so gering
ist, dass ein grosser Tlieil der Angaben in der Literatur Aber aeate Vergiftungen
durch kupferhaltige Speisen für zweifelhaft angesehen werden muss. Man wird
z. B. MocK darin beistimmen , dass die von Maiu ' j als todtliche Vergiftungen
dnreb den Geniiss in Messingkessel vom Tage anvor aufbewahrten und in dieiem
gekochten Suppe beschriebenen F>krankvngen nieht als solche aufgefasst werden
dürfen und zum Theil auf Kohlendunstvergiftung, wofür einer die^^er Fülle bereits
von HoKMANX ' ,1 angesprochen wurde, zum Theil wie verschiedene andere Kupfer-
vergiftuugen dieser Art auf Vergiftung durch Ptomaine enthaltende Gerichte aus
verdorbenem oder pathologiseb verändertem Fleimdie an besiehen sind. Daas a. B.
milzbrandiges Fleisch und ebenso daraus gekochte Suppe eine mit Erbrecheo und
Durchfall verlaufende Gastroenteritis hervorrufen können , ist ein durch mehrere
Epidemien von sogenannter Fleischvergiftung bewiesenes Factum. Dass Kupfer«
anifat, Kupferaeetat und andere Kupferaalae in bestimmten Mengen Erbrechen und
Durchfall erregen können , braucht nicht erst betont zu werden. Ebenso ist ea
nicht zu bezweifeln, dass bei sehr freschw.lfhten Personen, bei Greisen und kleinen
Kindern derartige, sich mehrfach wiederholende Brechdurchfälle den Scbwäcbe-
zuBtand oder GoUapa betraditlieh ateigem kOnnen, vnd die MfiglnAkoit einer letalen
Intosication ist daher unter besonderen Verbftitnissen niebt abzuweisen. In der
Re^rel wird aber gerade durch das Erbrechen die grössere Menge der eingeführten
Kupfer'^alze wieder aus dem Körper fortgoschafFt und dadurch den etwaigen
Störungen durch das resorbirte Metall vorgebeugt oder frühzeitig ein Ziel gesetzt
werden. Uebrigeua kommt bd der Knpferintoxieation nieht blos die Höhe der
eingeführten Menge der Kupforverbindungeo , sondern auch die Individualitüt in
Betracht. Es liegen zuverlässige Angaben von Augenärzten vor, wnnaeli die
Cauterisation der Augeubiudehaut mit Kupfervitriol im Stande ist, bei einzelnen
Personen Erbreeben licrvorzumfen und ebenso steht es fest, dass bei manchen
Kranken auf die durch Kupfervitriol bedingte Enurese erhebliehe Koliken und
Diarrhöen folgen, die bei anderen nieht zur flrscheinunjr kommen. Aehnliches
kann auch von anderen Kupferpräparaten angenommen werden. Leichte Ver-
giftuugsfiille, wie sie z.B. in allerueuester Zeit von Rotterburg der Brech-
dnrehfall und ooUapsartige Zustftnde nach Inhalation verstäubter Salmiaklösung,
die sich in einem SiEGLK\sel,en Ajjparate mit schlecht vernickelten Kupferröhren
durch Hildunfr von Kupler-;almiak lazurblan fref.lrbt hatte, eintreten sab, und von
iiU^TlNG '■') beobachtet wurden, der choleriforuie Erscheinungen nach dcir Genüsse
476
KUPFBK.
von Pflaumen, die iu einem scbleoht verzinnten Gefässe lange Zeit gestanden
hatten, eintreteo Bth, kSniMii daher nidit in AbT«de gwtelU worden. Solohe
Vdi!giftnngen können auch Damentlich wohl durch den Gennas von ranziges Fett
enthaltenden Speisen , die in theilweise an der Oherfliiehe mit Kupfercarbonat
überzogenen Knj)for- oder Mcs3in;,'frefas.sen sok*Jcht wiirdon, luTvorgerufen werden;
denn hier i^t eine ziemlich reichliehe Pruductiun vgu lett^uurea Kupferverbiadunj^eu
möglidi, während da« einfaehe SteheohMaen von Fetten ohne Sieden nur bei
längerer Dauer dea Ooatnota zu einer solchen fahrt. Nach den Versuchoi TOB
MoCK kann man Butter von hoebgradiger Ranciditilt in den Quantitäten, wie sie
zu Hausbaltungszwecken dient, bei Eisschrank-, Zimiuer- und Brutsehraaktempe*
ratur in reinen Enpfer- nnd HessinggefliBsen 24 Standen stehen lassen, ohne das«
sich fettsaurea Kupfer bildet. Bei längerer Aufbewahrung werden solebe allerdings
^rcbildt't, je litnger der Contact wJlbrt und je stärker die Ranciditit ist. rti^rleicb
mehr wird unter dem Einflüsse des Lichtes und des Luftsauerstofles gebildet,
wenn die GefäeswSnde unrein sind. Auch beim Erhitzen von Butter beliebiger
RanddItiU auf eirea 110* findet Knpferaalsprodnetion statt, wobei die Menge
parallel den in der Butter vorhanden gewesenen Fettsäuren steigt. Da das Maxi-
rtium in allen Versuchen auf 70 Mgrra. Cu auf 100 Com. Butter sich stellt, so
wäre die Einbringung wirklich toxischer Dosuu , die zu einer schweren acuten
Vergiftung fiBbren können, nnr dann als möglieh an betraehten, wenn die fett-
sauren Kupferverbindungen in ihrer Qifkigkeit sehr wesentlich das Knpfersnlfat
und andere Kupfersalze übertr.Hfen. Die an camivoreu SiiutrtMhieren ausgeführten
Versuche Mock's lasseu das Oleat und Butyrat des Kupfers aber als nicht stärker
giftig ersebeinen. Ganz analog stellen sieh die Verhiltnhne beim Wein oder Essig
mit Kapfer, von denen naeh Kant's Versuchen jener mehr Cn als dieser in
Lasung bringt. Wie bei der ranzigen Botter, ist auch hier die Bildung von
KnpiVr^alz wextMitlieli stilrker, wimid ein Tbeil des Kupfers nicht von dor FHhsig-
keit bedeckt und dem Einduese des Liebtcä und des LutUauerstutls ausgesetzt wird.
Aus MesBing nimmt Eisig bis sn einem gewissen Zeiträume mehr Cu als
aus KnpIlBr anf| dodi irt miiideatMS TOOifpgw Contact nothwendig, um eine
.Meuge von Kujjferaeetat zu erzeugen , die von gesundbeitr*srli;idigendein Ein-
llus«e sein könnte. In diesen Fällen wird aber der starke Metallgeschmack die
Verwendung zu Nahmngasweeken geradesu nnmöglieh maeben. Naeh Lbhmann
können bei einer Mahlzeit im allerungttnstigsten Falle, ohne dass sich der Kupfer-
gflialt dem (Jcscbmaekssinne vcrrätb, 0"19 Grm. Tu in ilcii Marren gclangt ii, eine
Meuge, die der untersten «irciize entspricht, in denen nu'ilirinaie Dosen Kupter-
salze als Brechmittel wirken. Üa nun aber in der Kegel nicht über die Hälfte
dieser H«ige, bei Ragouts und Suppen, die in Kupfergefitssen gestanden haben,
nur ' , — >/,, in den Körper gelangt, so sind die in der toxikologischen Literatur
enthaltenen angeblichen Ma?senvergiftungen durch kupferhaltigo Speisen, bei denen
der Kuplergehait aus deu Bereitungs- oder Aufbewahruugsgefässeu stammen sollte,
vermutblich auf andere ürsaehen zurflckEufllhTen.
Toxikologisch erscheint auch die längere Zeit hindurch fortgesetzte Zufuhr
derartiger kleiner Mengen Kupfer mit den Speisen olmc Itedentunir. Die Resultate
älterer Selbstversuche vou Toussaint werden durch neuere von Mevkku.\kt mit
Kupfersnlfat und von Kant mit Kupferacetat völlig bestätigt. Nach Meyerhast
sind for^esetite Kupferdosen von 20 Mgrm. pro die für den gesunden Hensohen
völlig unschädlich. Kaitt stieg bei seinen Selbstversuehen v(»n IG Mgrm. Kupfer-
acetat lentsprechend .*) Mgrm. Cu i»is auf nahezu '.»5 Mgrm. i ent-preehcnd Mgrm.
Cu) und verbrauchte im Laufe von öl Tagen im üuuzen iJ '.'JS Grm. Kupterueetat
(entspreehend 1*05 Cu, nahm aueh später noch in grünen Bohnen 0'48 Grm Knpfer-
snlfat (entsprechend 012 Cul ohne jede Bcfindensstörung. Verkehrt würde es in-
dessen sein, damit die vidle Fniriftigkeit der Kupl"erverKindnn'_'en als bewiesen
anzusehen; deun weun auch mit deu .Selbst versueheu uu Menschen Thierversuche
harmoniren, in denen sogar ein ganzes Jahr hinduroh Kupferverbindungen (Acetat,
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KUPFER. — KYPHOTISCflES BECKEN.
477
Chlorid) Oiydhydrat) za 16 — 50 Mgrm. pro Kilo verfOttert wurden, ohne dass
schwere Tntnxication zu Stande kommt) iO fehlt es doch im Laufe der Thierver-
suche uicht an intercurrentcn l)arm- und Magencatarrhen und Abnahme des Körper-
gewichten. DuBOiS will bei derartigen Veriiucheu eine ausserordentlich starke
Bypertropliie der OallenblMe eonatetirt haben. Dnreh gn^ssere DoBen ISdicher
Eapfersalze und Kupferdoppelsalse lässt sich auch bei Warm- und Ealtblntem
afute Vergiftung erzenpen, in denen Gehirn, Kdckenniark. Vasomotoren und Herz-
nerven vorwaltend aflicirt werden , während die willkürlichen Muskeln und der
Henbeatel nioht betbeiligt sind.
Fflr die Beurtheilnng der ^gewerblichen ehronischen Rupfer-
verfriftun? irehen die neueren Thierversuclie keinen Anhaltspunkt. Nach
SUCKLING 1-) gchiirt auch das Kupfer zu denjenigen Metallen , welche periphere
Neuritis erzeugen. Die Affectlon soll sich als Ataxie und lähmungsartige Schwäche
der HiDde und Fttise eharnkteiMreiif woneben Parisfhedeni Abmngerang der
Muskeln bei verminderter faradischer Erregbarkeit und Fehlen des Kniephänomens
beobaelitet werden , wJlhrend Pupillenreflexe und die Functionen des Mastdarms
nurmal sind. Eine andere Affectiun, die sich nach Latiueb^^) bei Kupfer- und
lieflsingarbeitem findet, ist die sogenannte Knpfeiarbeiterbmet, die dnnA das Bin-
athmen von Gasen oder Staub entsteht und sieh als BronehiallMden mit EättphyBeni
oder als interstitielle Pneumonie charakterisirt.
Literatur: ') Lehmann, Kritieche nad esperinentelle Stadiea über die hygie-
nisebe Bedeutung des Kupfers. Hfiaehener med. WoeheMchr. 1891. Hr. 3$. 36. — *) Meyer»
hardt, Studien nl)er die liyc-ipni^f lin Bcdentnnp des Kupfers. Dissrrt. Wilrzbnrg 1890. —
') Kant, Experimentelle Beilrage zur Hygiene des Kupfers. Wtirzbnrj? 1893. — *) Mock,
tJntersnchnngen fiber die hygieni.sche fiedeutang des fettsanren Kupfers. Würzburg 1892- —
Hair, Das Hessing als Gift im reinen und anreioea Zastaade. Friedreich'a BL 1887«
pag. 36. 201. 233. — •) Vergl. Yirchow-Hirsch'e Jahresber. 1887, I, pag. 514. — *) Haee-
miinn, Toxikologie, pag. 900. Lew in, Nebenwirkangen. 2. Aufl., pag. 677. — •) Botten-
berg, Therap Monatsb. Ib9;2, pag. 431. — *) Bnnting, Brit. med. Journ. 1892. Oct. 22,
pag. s91. — 1') Dnbois, Sur Vahaorption €U» pripdrations de euivre. Ball, de l'Acad. mAd.
Belg. 18S7, Nr. 7. — ") Cnrci, liirerrhe spen'»ienfitli .tuH' nzione hiolofjica del rame.
Annal. di chini. Maggio 1867, pag. 321. — Öuckling, Xote^ un nudtiplf- periphtral
uiuritis find its ocuvrence in brasstrorkera. Brit med. Joum. 1888. Dec. 15. — ") La«
timer, Oh the ehest duetue» of workmen i» the eopptr works. Laucet, lb=87, Jane 4
Huaemann,
Kyphotisches Becken, s. Becken, pag. 97.
L.i^u,^cci by Google
Laliuniin, Laburnumsllure, ».Cytitin, pag. 179.
LsrynXCllOreS« Mit diesem Namen werden von venehiedenen Laryn-
gologen verschiedene Affectionen beseiobnet. Schkotter belegt mit dieama Namen
eine AHectiun des Laryux, bei der es zu continuirlichen oder 7-ti mir in frerin^en
lutervalleo auftreteadeu Hustenstöasea kommt, die sich durch üiduu gaoz besun-
deren, oft Mnabe mnsilcaliBehen Charakter und dareh eine ganz besondere Stärke
auszeichnen, so dass sie weithin gehört werden. Neben diesen eigontbQralichen
IlustenstOsscn finden sich {gleichzeitig? Contractionen in anderen Miiskelorebieten.
80 im Gesicht u. 8. w. Die Atfection hat, wie SCHRoTTKit ausdrücklich hervorhebt,
mit der Hysterie nichts zu schaffen; sie zeigt sich vielfach bei jugendlichen
anflmisehea Individuen. ICackenzib Tersteht unter Chorea larjfngü eine tremn-
lirende Action der Kehlkopfmuskelu , welche er bei schnaobea und hochgradig
nervösen Personen beobachtet hat, hetnnt hIht ansdriieklich . dass er laryngo-
skopiscbe Untersuchungen bei an Veitstanz leideuden rersuueu niemals angestellt
hat. SCHBCH bemerkt, dass sieh die wahre Chorea Inn/ngte dnreh uagenttgende
Stflrke nnd Ausdauer der Stimmbandspannung char.ikterisirt und V. ZiEMSSRK
konnte die rnruhe der Kehlkopfmuskeln, die zuckenden Contractionen der Stimm-
bandschliesser, -Oetther und -Spanner sehr gut Übersehen. Mit Rücksicht auf
die anter dem Namen „Chorea laryngis'* verschieden besehiiebenen Afibetionon
halt GOTTdTBiN es für gerathen, den Namen ganz fallen zu lassen. leb mnss nach
meinen Beobachtungen mein völli^rea Einverständniss mit GOTTSTKrv aussprechen.
Ich Lahe zunächst selltst eiuijre F.llle von Veitstanz laryngosknpisch untersucht
und bei diesen fa^t durchgängig keine Mitbetheiligung der Kehlkopfmusculatur
beobaebtet; wenn aneh in Folge der ehoreaartigen Zuckungen des Kdrpera die
Untersuchung des Larynx etwas erschwert ist, so gelingt es doch mit Ausdauer,
ein gutes laryn?o«knpisrhes WWd in allen Fallen zu LTcwinnen und man überzeugt
sieh hierbei, dass die Kehlkopfmusculatur durchau^j nicht jeue unwillkürlichen
Mitbewegungen bei der Ausführung der willkflrliehen phonatorisoheo (adduetorisehen)
oder abductorischeu Bewegungen zei;rt. wie wir sie bei den übrigen Muskeln des
Körpers hierbei beoliaehten. Ueberdies ist es bemerkenswerth , dass jene von
Schkotter beschriebenen Ilustenstösse , welche auch üüttstein bei jugendlichen
Individuen mit ehoreaartigen Muäkelzuckungen des Gesichts und der Extremitäten
beobachtet hat, während der Phonation versehwinden. In diesen FAUen handelt
es sich demnach wohl um gewisse nervöse St<^rungen, deren Tr-^aelien noch viel-
fach unbekannt sind, zumal anatomiselie l'ntersuehunjjen hierüber fehlen.
Therapeutisch sind kalte ßegieääuugeu des Kopfe-s und des liUckeus im
warmen Bade, Chinin und Bromkalium in grösseren Dosen am Platz.
Liicratar: Mackenzie, Dio Krankheiten des Halses. Wien 1880, pag. 665. —
Schech, Ueber pboBiachen StimmritzeDkraiDpf. ÄerzU. Xatell)g«azbl. 1879, Nr. 24. — F. J.
LARYNXCHOREÄ. —
LAHVNXSCLEROM.
479
Knif:ht, Chorea Jur»jngis. Arcli. of Larynpol. l&SS, IV, Nr. 3, pap:. 18(1 und Arcli. of
Laryngol. 1S80. I, Nr, 2. pag. 154. — Schrötter, Verlesangeu über die Krankheiten
des 'Kehlkopfes a. a. w. Wien 1892, pAg. 395. — Oottstefn, Ennkbelten des Kehlkopfes.
Leipsig 1890, pag. m.\ B. fiaginsky.
Larynxscierom. Der zuerst von Hebsa an der Nase unter dem
Namen .Rhinosclernui" lieschriebene Krankheitsproeess tritt auch am Tjarynx auf
und führt daselbst zu schweren klinUcben Erscheinungen in Fulgu des meist zu
boebgradiger Stenose filbrenden KrmnkheitsprooeBflee. Wie wir auf Grund ^eniner
anatomifleber Untersucbungen wiaseB, bandelt es xicb beim Seierom um einen
lanfr-^am verlaufenden, chronischen , entztliidlicheti Proci-^-; mit der Tendenz zur
Schrumpfung und Narbenbildung und werden sich naturgemäss die Folgezuetäude
an den verscbiedenen befallenen Organen verschieden darstellen. Der solerumatöse
Proeees loealieirt sieh nnr im Gebiete der Sebleimbant der oberen Luftw^; die
Reihenfolge, in der die einzelnen Organe befallen werden, ist nicht stets dieselbe,
80 kann das eine Mal zuerst die Nase, das andere Mal zuerst der Larynx u. s. w.
erkranken. Ais Ursache des Scleroms hat v. Frisch 1882 eiuen bestimmten
Baeillns, den B<tciüu» rhinoecleromatu^ beeehrieben, welober in aeinem morpbo-
logischen und cultorellen Verbalt^ mit dem BaeUlva pneumoniae groaee Aebn
liobkeit darbietet.
Der Hhinosclerumbacilluii stellt sieh dar in kurzen, etwa 2 — 3mal den
Breitendarchmesser flberragwiden St&bdien, welebe yon einer GaUertkapsel um-
geben sind. Sie können bei gewöbnlieber Temperatur leicht cnltivirt werden und
finden sieh im soleromntnsen Gewebe cnnstaiit vor, in dem jüngeren Grannlatione-
gewebe in grosser Zahl, in dem älteren etwas spärlicher.
Trotz eiuzelner gegen die Mittbeilung von v. FfilSCB erbrachten Ein-
wendungen gilt der oben erwähnte Baeillns allgemein als der wirkliebe Krank-
beitserreger, nachdem Cornil-Alvarez die Untersuchungen von v. Fßiscii be*
Btätigen und Paitai k und Eiselsbekg den Bacillus rein enltiviren konnten.
Allerdinga zeigt der baeillns für unsere Versuchsthiere gar keine oder nur ge-
ringe VimlenE.
Das Sclerom tritt auf entweder in Fcirm \on circumscripten weiehcn
Tumoren oder in mehr diHus sieh aiisbreiteiifleii Infiltrationen, und patholo^'isch-
anatomiscb findet sich eine luiiltratiou der bchleimhaut mit Kund- und Spindul-
sellen, zwiseben denen sieb die zuerst von Mikulicz besebriebenen und dem
aeleromatOsen Gewebe eigenthttmh'ehen Zellen vorfinden; es sind dies grosse
blasige, meist kernlose homogene Zellen, welche eine grosse Zahl Rakterieu ent-
halten und höchstwahrseheiulieh durch hyaline Degeneration der Intiltrationszellen
hervorgehen. Durch den allmälig eintretenden Schrumpf uugsprocess kommt es zu
boebgradiger Narbenbildnng , an maneben Stellen beobaobttt man Knoefaen-
bilduugen. Das Sclerom kommt endemisch vor im Süden und Westen Rnsslands
und in den angrenzenden Ländern Galizien, Mähren, Schlesien, Böhmen, aneb
in Italien.
Hier interemtrt nnr das Seierom der Larynx, von weiebem einzelne FlUe
genan und neuerdings erst von Jufkinobr beschrieben worden sind. Das Larynx-
scierom zeijrt sieb am hiUifif^sten in Form einer dicht unter den Stinimbfludern,
also subglotti.seh gelegenen, meist beiderseits symmetrischeu luliltratiou. Der Proeess
beginnt an dem vorderen Vereinigungswinkel der Stimmbänder und reicht bis
snr hinteren Keblkopfwand. Seltener befiUIt der Proeess den Larynx inseitig;
auch an der l<3piglotti8, am Aryknorpel nnd an der hinteren Laryniwand kann
sieh unter Umständen der Proeess zuerst zeigen. Bei der laryngoskopischen Unter-
suchung siebt man zumeist grauwcisse oder blassrotb gefärbte Wülste von barter
Conaistenz nnd glatter oder etwa höckeriger Oberfiäehe und sie können so gross
werden, dass sie sich fast berühren. Kommt es zur Schrumpfung, so können die
manniirf.icbsteii Kililknpfbilder entstehen; die Epiglottis kann beispielsweise
zusammengerollt erscheinen, so dass sie sich kugelförmig Uber den Larj'ux
L.iyu,^cd by Google
m
LARYNXSCLEROM. — LOLCH.
hintlberlegt und deu Einblick in denselben verdeckt. "Weiterhin beobachtet man,
wenn auch selten , ödematöse Sehwelluniren . Störunjiren in der Uewe?lichkeit der
Stimmbänder, welche sich durch die Erkrankung leicht erklären lassen. Das
Secret Ut slüie, der Sobleimliaot anhaftend, gnu^rlln nnd borken bildend.
Sonst beobachtet man noeb Heiserkeit, Hasten und Ätbemnoth , letztere abhfin^g
von dem Grade der Verengerung. Therapeutisch haben sich specifische Mittel
nicht bewährt; es muss der Proceds palliativ behandelt nnd im Falle der Öteuo-
dmng des Larynz frühzeitig die mednuiisehe Dilatation vorgenommen werden,
wozu nach den yorlieeronden JSrfiriimDgen bei diesen ehronitehen Proeeesen die
Intubation sieh wohl am meisten empfehlen wtlrde.
Literatur: v. Frisch, Zur Aeüologie des BhinoederoiDs. Wiener ned. Wochen-
schrift 186S. — Lang, Ueber Rhinoederom mid dessen Bahndlang. ^Hener med. Woeben-
sebrift 1883. — Chiari-RiVhl. Das Rhinosclerom (1er Schleimhaut Zeitschr. f. Heilk. I88Ö.
— C 0 rni 1 - A I V a r e z , Mtmoirt jumr .vcrnr ä /'fiittoire du rhiiui.yt'li ronic. Archive de
Physiologie norm, et pathol. 1886. — R. Paltauf und Eiiielsberg. Zur Aetiolo^ie des
Rhinoflcleroms. Foxtechritte der Medicin. 1S8>). — R. Palianf, Zar Aetiologie des Scleroms.
Wiener klln. Wocbenachr. 1892. — Jnffingcr. I'as Sclerom der Schleimhaut der Nase, des
Rnrhens, lic-j Kehlkopfes nnii der Lnftrölire. Lcipzip und Wien 1892. — Schrott er. Vor-
lesungen über Ikrankbeiten des Kehlkopfes etc. Wien 1888, pag. 172. — W e i • h s e 1 b u u m,
Omndriss der pathoL Histolotci«. Leipzig nnd Wien 1892, pag. 169- b. Ba^'inäky.
Lolch (Lolium). Die toxischen Verhältnisse des Taumellolcbs (Keal-
Eneyelopädie, 2. Aufl., Bd. XXIII, pag. 438) haben eine weitere Kllrung dadurch
gefunden, diMS Hofubistbb aus den Samen du krystalliBirende Verbindnugcn
eindrehendes , narcotisehes und myd riatisch es Alkaloid gewonnen hat. Die als
Temulin bezeichnete, in Wasser Jinsserst leicht lösliche Base entspricht der
Formel C7 H^j I^s 0 und gehört zur Pyridiurcihe. Sie bildet ein in farblosen,
grossen, aebteekigen, rhombisehen Tafeln krystaiUrirendes, in Waseer sehr leieht,
nieht aber in wasst rfrdan AIkoh<d, Aether oder Chloroform lösliches Chlorid und
in kurzen, beiderseits zugespitzten, sechsseitijren, schön goldgelben Prismen kry-
stallisirendes, in Wa^iser unlösliches riatiadoppelsaiz. Ein flüchtiges Alkaloid konnte
HOFMBiSTBS nieht erhalten, ebenso wenig da« dnreb KalinmqneeksilberoxTd nidit
fUIbare Temulentin und die wabnehdniich nur aus Kaliumbitartrat and Ammoniak
bestehende Temnleutinsilure. Salzsaure-« Tenuilin tödtet Frösche zu O'l in wenifren
Minuten, zu Ü*<)2 in eiui^eu Stunden. Für Katzen sind etwa 0*25 per Kilo tödtlieh.
Bei Fröschen bewirkt es Abnahme der Willkürbewegungen bis zu deren völligem
Sdiwinden, allmlUg annehmenden Sehwnnd des Goordinationavermflgene nnd
sehlieeslieh vOllig centrale LAbmung; die Reflexe können anfangs vorübergehend
gesteigert sein, werden aber später .stark herabf^eseizt, während die directe Muskel-
und Nerveuerregbarkeit auch durch hohe Dosen unberührt bleibt. Auch bei Warm-
blfltem sind Aufhebung der Willkflrbewegung, Bettnbnng, ransdiartiger Znstand,
Müdigkeit, Tbeilnahmshisi^^keit, Sehläfrigkeit, Taumeln, sehr unsicherer Gang und
lähmungsartige Schwäche die hanpts.tchlichsten Symptome. Die anlangs beschleunigte
Athmung wird später verlangsamt und verflacht und der Tod erfolgt durch
Atbemstillstand. Auö^Uig ist die Beeinflussung der Tonperatur, die anfange deutlich
berabgesetst wird, dann aber naeb voranfgehender Vereogemng der Ohigeflase
beim Kaninchen und starkem , anhaltenden Zittern bei Katzen nnd Kaninchen
über die Norm .steigt. Temulin wirkt auf glatte Muskeln wie Atropin nnd erzeugt
Mydriasis, die durch Oculomotoriusreizuug nicht beeinflasst wird, jedoch maximal
nur bei letalen Dosen eintritt. Auf die Haotseeretion der FMtoehe und die Sehwriasr
seeretion junger Katzen ist Temulin ohne Einflass. Beim Frosdie beseitigt es
Muscarinstillstand nielit . bewirkt vielmehr selbst Piilsverlangsamung und Herz-
stillstand. Bei Warmblütern wirkt die intraveuöse injectiun pulsverlangsamend
und Torflbergehend drnekherabsetaend ; bei wiederholter Darreiehung bleibt Pnb>
verlangsamnng bestehen, die auch durch Aussehaltnng des Vagus nicht alterirt
wird. Den blutdrucksteijrerndeu Kinflus.? der ReiziiiiL- sensibler Nerven hebt Temulin
fast ganz, den der Erstickung völlig auf. Die physiologischen Wirkungen
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LOLCH. — LUN6ENKRANRHEITBN.
481
des Ijoliiaii decken sich recht ^iit mit dem Krankheitsbilde der Lol^'hverpriftung.
von welcher übrigens seit 1872, wo Beckkü-; mehrere durch Hat'erbrod herbei-
gefahrte und unter starkem Sehwiadel, Bingenommenadm des Kopfes, proftasem
Schweisse und hakigem Zittern verlaufene Fälle mittheilt, die auf Lolium temu-
lentum rar. macrochaeton znrOckgefllhrt werden konnten, in Deutschland kein
FaII mehr beschrieben ist. In anderen Gegenden, z. b. in Polen oder in Irland
soll dagegen kaum ein Jahr ▼rageben, ohne dass eine LolehTergiftnng vorkommt.
Die in einzelnen FftUen von Vergiftung durch Lolium temuUntum beobaohteten
gfastrischen Symptome (Erbrechen. Durchfall; kommen nicht auf Rechnung des
Temulins , sondern auf die in den Samen reichlich vorhandenen Fette und Fett-
Säuren, die bei Katzen regelmässig Erbrechen und meist auch Durchfall erzeugen.
Literatur: *) Hofmeistar, Arch. ipse. Pafhol. ZZX, pag. 202. — *) B««ker,
Arch. d. Pharmacie. ]872, Febr., pag. 189. — *) LSnnborc, Upsala Läk. Förbandl. 1891,
XXVII, pag. ;}91. TkHuaeiaanB.
LoSOphan, s. r resoltrijodid, pag. 176.
Luftcalorimeter, s. Eigenwärme, pag. 236.
Lungenkrankheiten. Fj^ sind nur wcniofe Arbeiten über die p]rkran-
kungen der Lunge im letzten Jahrgange veroricntlicht worden, welche nicht der
Casuistik angehören und sich für eine Anführung an dieser Stelle eignen. Neuere
klinisehe Arbeiten namentlieh fehlen fast voUstindig, aber aueh die experi-
mentellen, welche in den früheren Jahren ziemlich zahlreich waren, sind prrössten-
tbeils auso:eblieben und nur die ätiologischen Momente, welche überhaupt im letzten
Decennium in deu Vordergrund getreten sind, haben auch diesmal einige Berück-
siehtigung gefnnden. Dabei bietet die ansltndisehe Literatur anssohliesslich nur
easuistiscbe Beiträge oder nur Bestätigungen and Nachprüfungen bekannter, bereits
von uns erwähnter Thatsacben. K< sind daher nur eini^re Arbeiten der inländischen
Literatur crwähnenswerth. Wir fügen zu denselben auch nooh solche hinzu,
welehe die Plearaerkrankungen betreflbn.
Zunädist wollen wir eine experimentelle Arbeit erwAhnen, welehe Haaslrr
angefertigt hat. Er ex«tirpirte Kaninehen und Hunden den einen Lungenflügel, um
SU beobachten, ob der andere dat'lir compi ns.itori-eli hypertrophirt. Zu diesem
Zwecke operirte er an 26 Kaninchen und ä Hunden, meist jungen Thiereu. Fast
alle überstanden die Operation gut, und sie wurden dann theils in den ersten
Tagen, theils später (bis 17 Monat) getOdtet und untersucht. Nur in einem FallOf
bei einem 10 Wochen alten Hunde, war eAu positives Ke-iultat zu verzeichnen;
hier zeigte .sich die Pleurahöhle, deren Lungenflflgel exstirpirt war, ausgefüllt von
nengebildetem Gewebe des anderen LungraflUgels ; es war also eine eehte Hyper-
plaxie eingetreten. In allen flbrigen FSlIen aber blieb die Hyperplasie aus und es
fand sicli mir I.uft im Pienraraume, bei jüngeren Tliieren blieb gleichzeitig'- die
betreffende Thoraxhällte im Wach-thum zurück. Trotzdem haben die Experimente
des Autors zu dem wichtigen ErgebuiäJS geführt, dass das Luugengewebe eine
eompensatorisehe HyperpUune, wenn aneh selten, erfahren kann.
A. 0. Schmidt -) hat das Sputum bei verschiedenen Erkrankungen, insbe-
sondere bei . f>'/M///^r //rr)«r//m/^, geh/irtet I mittelst Sublimat), in Celloidin eingebettet,
geschnitten und gefärbt. Für die Färbung hat er besonders häutig verwendet das von
Ehrlich angilbene neutrophile Drdfarbstofl^emiseb, welebes aus «nem Gemenge
aweier saurer Farbst<iffe, dem Säurefuehsin und dem Methylorange und eines basi-
schen, dem Methylgrün , besteht. Es zeigte sich , dass mit diesem Farbgemii*che
die Eiweisskörper im Sputum, z. B. Fibrin, sich roth färben, wälirend der Schleim
eine blaugrUue Farbe annimmt; diese Farbenuntersehiede treten schon makro-
skopisch auf, so dass der Auswurf bei Lungenentzündung^ welcher also eiweissbaltig,
reich an Fibrin i>t , roth aussieht , w.ihrend eatarrli.ili-clie Broncliitis einfu jrrün
gefärbten Auswurf zeigt. Dazwincben gielit es Uebergäuire : z. Ii. hat das Sputum
der capillärea Bronchitis einen grauvioletten Farbeutou , entsprechend der Ver-
Sa^dop. Jalirbftelier. in. 31
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482
LüNOBNKItANKHBITBN.
misch uug vod Eiweiss uud Fibrin. Scumiüt bat ausserdem aber noch an den
Sputamschnitten die WsiGBBT'sehe Fibrinreaction vorgeuommen. Er fand, dass bei
I^tmtnumi», Bronchüü förinota mid Bronchitis eapülarit das Sputam flibrinludtig
ist, umgekehrt zeifrte es sieh, d.iRs bei Astlimn bronchiale das Sputum kein Fibrin
enthälf, Bonderii dass die Ci'Km iiMANN'-iolicn Spiralen aus Murin bestehen, welche«
sich bei der Fibrinreaction nicht blau uud fildig färbt wie das Fibrin, sondern violett
und homogen ; mit dar BHBUCB'sehen FarbtSanni^ fkrben nieb die GuBSCBVANN'seben
Spiralen grfln. Der sogenannte Centralfaden ist nichts Anderes als eine Verdichtung
der Mucinmasscn im Ccntrum. SCHMIDT fand ferner, dass die ClRSCn MANN 'sehen
Spiralen beim At^thma sich auch als mikroskopisch kleine Gebilde in grosser Zahl
neben makroakopisdien finden, Gebilde, welehe flbrigens niehtnnr dieser Krank>
heit allein eigenthtlmlich sind, sondern aveh bei sehleimiger Capillärbronchitis vor-
kommen. S('hli«'sslicli maelit SrintiDT darauf aufmerksam, dass die eosinophilen
Zellen in sehr vernehiedeneu Sputin vorkommen, z. B. bei fibrindeer üronchitiSi
bei croupöscr Pneumonie, bei Diphtherie u. s. w.
Die Annahme, dass die eosinophilen Zellen nnd Asthmakrjrstalle im Blnte
und Sputum nur bei Asthma hronchiale sich finden, ist nach neueren Unter-
Ruehunfren (eiche I. und II. Ergiinzuufrsband i schon mt'lirfaeh widerlegt. Einen
Beitrag hierzu giebt Fbitzscbe welcher auch bei sogeuauuter ßroiichitis jibrinosa
aahlreiebe eosinophile Zellen wahrnahm.
IMe Pigmentzellt n im Sputum, welche Wagnkr Ik rzfehlerzelleu genannt
hat, und welche bisher als Symptome der huntrcninduration gegolten haben, hat
C. V. NooRDEN *; auch im Sj)utum bei Asthma liroiichiah- gefunden. Die Pigment-
kdrnchen ergaben Eisenreaetion, indem sie sieh mit Schwefelammonium grtin, mit
Salssinre nnd Eisenehlorid Man flrben. üm nnn den Ursprang dieser Pigment-
zellen festzustellen, hat er dieselben mit der EJiRLirn'schen Farblflsung (s. oben)
geßrbt. Es ergab sich, da.ss die eine Iliilftc der I'i^^nifntzellcn die .^ofrenannte
neutrophilu und eosinophile Körouug be^iass, die andere liiUi'te keine Körnung
seigte. Die ersteren waren also Lenkocjrten, die anderen Alveolarepithelira. Die
eosinophilen Zellen des Sputums waren übrigens in der Mehrzahl nicht pigmentirt.
Der Autor schlafet ffir die Bezoiehnuriir llerzfehlerzellen den Namen „H.lmosiderin-
zellen^' als passendere vor, weil er durch seine Untersuchungen gezeigt hat, dass
solche Zellen keineswegs bd der bir>nnen Induration der Lungen alleitt hn Gefolge
von Hersfehlem, sondern auch bei primären Lungenafitetionen, wie das Bronchial*
astbma , vorkommen. Kr führt die lÜldung' der Piirmentzellen auf cajjilliire
lilutuujfeu zurllek. welche im Verlaufe der Asthmaanlalie eiutreten. Die Pigment-
zellen bilden im Astbmasputum Haufen, welche oft eine bräunliche Färbung des-
selben verarsaehen nnd bei der Anstellung der Eisenreaetion im Reagensglase
zuweilen schon makroskopisch eine erhebliche BlaufJlrbung erzeugen.
V. NoORliFX fügt übrigens dic-^f-n Be<»baclituugen die weitere hinzu, da^s
bei Asthmo bronchiaU währeud der Anfälle eine Vermehrung der eusinuphilen
Zellen im Blnte stets an beobachten sei.
Gestiit/l auf seine Theurit' von den schliiminerndeu Gewebszellen giebt
Grawitz eine eig« iitliümliclie Ktkl.-irung von d<T Entstehung des Emphysems.
Er nimmt au, dass das uorniale Bindegewebe der Lungen lieim Emphysem dadurch
in Pigmentverlust und -Sehwund gerathe, dass die seblummeroden Zellen im
Bindegewebe wieder erwachen nnd ein Graunlationsgewebe sieh bildet, welches
dann der Resorption anheimfällt. Bedingung filr diesen eigenthfimlichen Vorgang
ist ein \ oraufge^raugeues (Jedem des Gewebes oder ein entzündlicher Zu.stand oder
Jeuer langsam atrophische Process, wie er sieh im Greiseualter ausbildet ; so unter-
scheidet Gka'A'ITZ drei Formen: das ödematöse, das entettndliehe nnd das atro-
phische Emphysem.
Eine liesi.iidere Form der acuten käsigen PiuMimonie l)eselireil»t A. FRANKEL. *)
Er macht darauf uulmerksam, dass es zuweilen vorkommt, dass die käsige Pneu-
tnonie scheinbar einen ganzen Lungenlappeu befttUt, indem die lobuliren Herde
uiym^L-ü Ly Google
LUNGBNKBANKHBITEN.
488
so dUdit titsen^ das» «In elnhdtliolies iofiltrirtes Gewebe ▼onnUegen teheiot Dem
entsprechend sind auch die physikalisohen Erscheinungen bei der Untersuchung
denen der lobulären Pneumonie ausserordentlich ähnlich und unterscheiden sich
von ihr nur durch gewisse Merkmale , vor Allem durch den allmäligeu Ik>^inD,
dnreli den nnr^pdmltflei^ FieberverUuif vnd das Sputum. Anoh sdgt der physi-
kalische Befund einen gewissen Wechsel der Erscheinuunreu. Frankel erklärt die
Erkrankung für eine Aspirationspnenmonie . wolchc dadurnli entsteht, dass aus
irgend einem kleineu tuberkulösen Herde Tuberkelbacillcu aspirirt werden, welche
in allen Verzweigungen eines Hauptbronchus sich gleichmässig vertheilen und, mit
besonderer Vimleaz eosgestettet, zunächst, vahrsdidnlieh doreh ihre Stofl^redisel*
producte, reine »o}»enannte gelatinöse Infiltration erzeugen ; die Bacillen vermehren
sich dann und ftihrcu die V^erkäsung des Gewebes herbei. In demselben findet
man stets nur Tuberkelbacillen, andere Keime sind nicht vorhanden.
ESne direete, in wenigen Wochen ausgebildete UmwandluDg einer fibrinOeen
Hepatisation einer Pneumonie in eine k.li^ige gehOrt zu den grdssten Seltenheiten.
ÜAVILKSOHN hat einen solchen Fall bcHcbrieben : es handelt sich um eine Typhus-
pneumonie, welche, wie er annimmt, durch Herabsetzung der Energie des Stoflf-
vecfasels sieh raseh in eine kflsige yerwaudelte; nur vereinselt fonden sieh Tu-
berkelbacillen.
Eine ciirciitliüniliche Lungenerkrankung hat ROSS **) beschrieben. Es handelte
sieb um eine Patientin, bei der die Diagnose : Lungeneehinococcus gestellt war. Es
wurde daher die Operation, die Lungcnresection, vorgenommen, jedoch fand sich
beim Einsehnitt kdn Tumor. Alwr naeh 5 Tagen entleerte sich dnrdi die Wunde
und mit dem .Sputum eine dicke Flüssigkeit, welche den SaetAaromyees albuB
enthielt. Ross nennt die Krankheit Punimomycos^is oidicn.
Sodann wären noch einige bakteriologische Arbeiten auf dem Gebiete der
Pneumonie zu erwähnen. So besehreibt GOLDflCHEiDKB *) einen Fall von sehwerer
Pneumonie, welche erst am Kj. Tage mit protrabirter Krise heilte. Im Blute diesen
Falles konnte der Autor den FnÄNKEi,'«chen Pneunioniecoccus nachweisen.
Eine sehr genaue bakteriologische UutersuohuDg des Sputums der Broncho-
Pneumonie bei Brwaehaenen und bei Kindern hat Nbttbb unternommen. Untw
den 95 Fällen, die er untersnehte, waren 68 Srwadisene ; hier fand ideh 39mal
nur ein Mikroorganismus, und zwar lömal der Pneumococcus, 12ma1 ein Strepto-
coccus, Omni der FRiEPT..\NDKk'sche Kapselcnreus , 3mal der Staphylococcus und
in den übrigen 14 Fällen mehrere Mikroorganismen. Bei 42 Kinderpneumonien
fand sieh lOmal der Pneumonieeoeens, 8mal der Streptocoeous , 5mal Stapbylo-
coecen , 2mal der FRiRDLÄXDER'sche Rapselcoccus und llmal eine Hisäinng.
Nktteu kommt daher zu der AufTassung, dass die primäre Bronchopneumonie
nicht sicher auf einen bestimmten Mikroorganismus zurückzuführen sei; nach
Diphtherie, l.rysijjel, Kindbettfieber findet sieh gewöhnlieh, falls Pneumonie auftritt,
der Streptoooeens, bei Nierenerkrankungen meist der Pneumonieooeeus. NaehNBTTBB's
Ansicht stammen die i-lrro^rer .-nH dem Mund*-.
In einem Falle von i.ungcnabsecss, weleheui wahrscheinlich eine croupöse
Pneumonie vorangegangen war, konnte Theodor Cohn den FaiEDLÄxuER'schen
Coeous in Reineulturen zOehten, ebenso aus dem Sputum, welehes offenbar aus
der AbscesshOhlc stammte.
Fawit/ky '-') beschreibt einen Farbstofl'. welchen er in Bouillonculturen
des FuANKKi/.Hcben l'neumouiecoecus beobachtet hat; derselbe trat nach einigen
Tagen auf und bildete einen zi^Irothen, schwer löslichen Niedersehlag am Boden
des Cnlturglai^es.
Bekauiidich hat Kt.kmthrkr ' ) für die Pneumonieinfcction festgestellt,
dass mau Thiure gegen die Krankheit durch sogenanntes Heilserum solcher Thiere
und Hensohen, wddbe die Kcankhdt tLberstanden hatten, immun maehen könne,
und die Erwartung ausgesproeben , dass man auch am Mensdien Gleiches wird
erreiehen können. Mit dem Hdlserum von Kaninchen hatte er nun am Menschen
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LUNGEN&BAKKHBITEN.
Verbuche gemaeht, indem er &~ 10 Com. desselben Pneumonidknnken iujicirte. Die
Resultate waren im Allgemeinen nicht so eindeutig, dass ein Urtheil über die
Wirkung gefällt werden konnte, jedoch ermuthigten sie zur WeiterprUfung an
grOaaerem Ifateriale. Nim hat aber anA Nbossbri«) in Königsberg Mif der
LiOHTHEiM*8chen Klinik, dem Vorschlage Klbmpekeu's fol<,'t n(l, Versuehe mit dem
Serum kritisirter Pneumoniekrauker, denen er das Blut durch Aderla?« entnommen
hatte, vorgenommen. Während Rlempeekr 5 — 10 Ccm. Kaninchenserum subcutan
verabfolgte, spritste Nbisssk viel grössere Mengen, bis 130 Ccm., direct in die
Vene. Dieeer immerUtt redit erbebliehe Blngriff wurde in den drei FiUen, die
derartig bebandelt wurdeu, gut vertragen und in zwei Fällen trat der kritische
Abfall do3 Fiebers unmittelbar nach der Einspritzung ein. Im dritten Falle kam
es uur zu einer Pseudokrise und erst nach einigen Tagen zu vüUiger Entfieberung.
SebtOsse Uber den Erfolg dieser Behaadlaogamethode können nattlrUeh aas diesen
irenigen FlUen nieht gesogen wwden, dooh lassen sie weitere Versuehe wflnsdiens-
werth erseheinen.
Wir fügen am Sohlusae noch einige Untersuchungen auf dem Gebiete
Ftonraerkrankungen an.
GoLDSCHBiDBB 1') hat die Bxsndatflilssigkeit bei aenter Pleuritis besQg-
lich ihres Gehaltes an Bakterien untersucht. Er kam zu dem Ergebnisse , dass
die Anwesenheit von Streptococcen nicht uuthwendig einen Uebergang in eitrige
Pleuritis bedinge. Er fand Streptococcen in 3 Fällen, welche allesammt in Heilung
flbergingen.
Anderer Ansicht ist Dr. Ludwig Fkbdinand , Prinz von Bayern *•),
welcher das bedeutende Material der Münehener Klinik beiirheitct hat. um die Aetiologie.
die i^rognose und die Therapie der Pleuritis, namentlich vom bakteriologischeu
Standponkte ans, in belenebten. Wir kennen hier nur die wiebtigsten Resultate
ans den eingehenden üntersnehnngwi , welche 83 Fllle betrafen, hervorheben:
IHumaoh ergiebt sich :
1. Die Mehrzahl der serösen Exsudate ist bakterienfrei.
2. Die Mehrzahl der bakterienfreie u Ex^sudate ist tuberknlGs.
3. Es giebt serOse ExsudatOi welche Eitererreger enthalten.
4. Diese Eitererreger in serQsen Bzsadaten dnd aber niemals Strepto-
eoooe n.
5. Die Mehrzahl der Empyeme sind durch Streptococcen verursacht.
6. Die Infeetion der Pleura soUiesst sieh meist an eine Lision des
Lnngengewebes an, jedoch auch auf mecbani^ebem Wege (Contnuon) oder auf
toxisehem Wege kann eiue Pleuritis erzeugt werden.
Die Arbeit enthält noch eine Darstellung der Prognose, welche bei den
einidnen Pleuritiden je naeb dem Infeetionseireger sa stellen tat Ausserdem
6ndet sieh ein statistiseher üeberblick über die Ergebnisse der versobiedenen
Bebandlnngsmethoden, welche in der Klinik ausgeführt wurden.
Die sehr seltene Erkrankung des primären Endothelkrebses hat endlich
A. Frankel ausfuhrlich beschrieben. Er bezeichnet die Krankheit auch als
Lymphangüt» prolifera. Im himorrha^solien Exsudate derselben finden sieh
eigenthilmliche grosse, verfett ti Zi !li n . welche er für diaguostiseh sehr wichtig
hält. Dazu kommt eine zunehiueude Schrumpfung der Hrustwaud, da da.s Anfangs
erhebliche Exsudat in Folge der Pleuradegeneration nicht mehr abgeschieden
wird, anderersdts die Lunge sich nicht mehr entfoltet.
(Ueber Lungentuberkulose s. d.)
L i t c ra t n r : ') H aasler, UeberoompuusatorisclieHypertropliiHder Lungen. Virchow's
Archiv. CXXVilJ, Ueft3. — *) A. Schmidt, Beiträge zur Kenntniw des Sputama, insbe-
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1892. — ") Fritzsche, BronchitU ßbrinoxa. SiUnugnb. (J. nieJ. Gp>if'llsch. zn I.pipzitc. 13. l>e-
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f. klin. Mo'l. 1S92, XX. — F. Grawitz, Ueber Langeaemphyiiein. Deutsche med. Wochen-
Mhrift. Nr. iü. — ') A. Fränkel, Ueber die pwndolobiilän» Form der acntea käugea
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LUNGENKKANKUEITEN. — LYSOL.
485
Pneumonie. Berliner med. Oeaellscb. 30. Novemb«r 1892. — ^) Davidsohn, lieber den Ana-
earfr der fibrinösen Pneomonie in kBsif^e BcpatiFation. Virchow's Arthiv. 1892. 127. —
*) Emss. Vorläufig:« Mitthoilun>;rn über einige Fälle von Mycosis beim Menschen. Centralbl.
f Bakteriologie Q. Parasiteokande. 1891» IX. — ") Goldgohaider, Pall von schwerer Pneu»
nimia. Deateeha m«d. Wodmuefer. 1892. Nr. 14. — **) Netter, Auds haetMologique de
Ut ironchopneunwnie che: Vadithr et chez J'eufaut. Arrh. tlo nii-d. exp. 1892. IV. —
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bei Pnenmoriif Verein f. wissen.'-chaftliclie Heilkunde zn KöniRsberp. 11. Januar 1802. —
") Goldsc Im i der, Zur Bakteriologie der acuten Pleuritis. Zeitschr. f. klin. Med. 1892,
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und Pathologie der Pleuritis. Arch. f. klin. Med. Is92, L. — »') A. FrUnkel, Ueber pii-
nlrvo Endothelkreh.s der Pleura. Deutsche med. Wochenschr. 1892. H. Bog in.
Luxationsbecken, s. Becken, pag. 96.
Lysol rvMT-l. Real-Encyclopädio, 2. Aufl., Bd. XXIII, pag. 456). In der ^e-
bartsbilflicben Praxis bew&hrte sich Lysol als auagezeicbnetes Hilfsmittel des
sntiseptischen Verfahrens. In Fällen von septischem Abort war die Wirkung der
l%igen Lysolqjfllmig naeh Entfernnng der Reste eine sehr prompte; Fbb>) hält
daR Lysol wcpcn seiner starken antimykotifchen Wirkung bei relativer Un^efKhr-
lichkeit ftlr das Antisepticurn der Zukunft in der Hand der Heb-animen und Laien,
lu einem Falle, in dem einem Kinde äusserlicb eiu mit reinem Lysol getränkter
ünumblag aufgellt wurde, fiel das Kind knri daranf um and kam nidit mehr
zum ßewusHtsetn (Pharm. Ztg. 1892, pag. 617). Reich 3) berichtet über einen
Fall, in dem ein Knecht gegen Krätze mit reinem Ly>*ol .in Armen, Brust und
Rucken gepinselt wurde; bevor die Beine an die Reibe kamen, fiel der Knecht
am, wnrde bewasstlos und bekam heftige Erimpfe. Ee wurde das Lysol rasdi
mit warmem Wasser abgewaschen, die Krämpfe hörten ent nach einer Viertelstunde
auf. Die Epidermis löste sich in Fetzen ab, die gerötlx'te Cutis \n<; frei. Im
Harne Eiweiss. Wasserbad , Borvaseiinlappen , rasche Heilung. Andererseits war
Lysol, purum ^ als es von einer Wöchnerin aus Versehen zu einem Theelöffel
innerlich genommen wnrde, in einem von H. Potjak*) beobaehteten Falle <^ne
auffallende Wirkung j anfangs wurde Brennen im Halse verspürt. Es wnrde lUhdi
in reichlichen Portionen verordnet, Beschwerden traten keine auf.
Literatur: 'i Adolf Pee, Ueber Ichthyol und Lysol in der (Gynäkologie
und Geburtshilfe. (Aus der Heilanstalt von Dr. A. Martin in Berlin.) Iktnt.sche med. Wochenschr.
1891, 44. — ')Fr. Reich, Oiftwirkung des Lysol tim purum. (Aas dem städtischen
Krankenhanse za Oele in Schlesien.) Therap. Monatsh. 1892, pag. ti77. — *) Potjan H., Ist
Lysol giftig? Therap. Monatsh. 1892. pag. 678. Loeblseh.
MagenaUSSpttlung, 18; bei Ueos, pag. 196.
Magenerweiterung, bei Doodenalsteiiose, pag. 191.
Magenkrankheiten, Diatbehandiun?, pag. S22.
Malachitgrün, 9, Bakterien, pa^. 67.
Masern, ncr ^^i-hwcrpnnkt der Fortwchritti! , wi-li-hu die beiden letzten
Jahre (vergl. Real-EncyclopHdie, Bd. XXIII, pag. 458j auf dem Felde der Patho-
logie unaerer Krankheit gebracht , liegt in den Bemühungen , ihre Ursache aus-
findig m naehen, nene Geaetse m etgrlladeii, denen die Uebertragang folgt, and
in der Bekannt^rabe bemerkenswerther Betheiligungen des Nervensystems an dar
Infectionskrankheit als ronipliuationcn, bo2iebiin»:8.wetse Nachkrankheiten derselben.
Die Uberwiegende Literatur gehört dem Audlaude au.
Der Pnblieationen von Gakon nnd Pibliokb Uber den „Haaernbaoil-
Ins" ist bereit« von anderer Seite (Real-Encyclop.ldie, Bd. XXIV, pag. 496)
gedacht. Kine Nachprüfung^ di-r zweifellos bemerkenswcrtbeu bakteriologiscbfn
Untersuchungen der Verfasser hat noch nicht stattgefunden und ao harrt die
Frage, ob in der That der Erreger der Masern gefunden worden, noeh immer der
endgfltigen Antwort.
F.inen drastischen concroten Begriff der Alltremcinhett der Di s po s i t i o n
lu den Masern, welcher wir das Attribut ,.euorm" geben zu sollen geglaubt
haben (vergl. Heal-Encyclopädie , Bd. XIII, pag. 552), giebt Mueray in seinem
Beriebte Aber eine nmfongreiebe Epidemie im Findlingsliospital an London. Von
813 Kindern erkrankten sämmtliebe, noch nicht durehmaserte, im Ganzen 107.
Zum Theile eif^enartige Ansiebteu tlber die Verbreitung unserer
ELrankheit entwickelt ÜKUJiB auf Grund langjähriger epideuiiologiacher Studieu im
Gadettenhanse Potsdam. Die den Babnen des nahen Vericehres folgenden Ans-
breitungen zu Epidemien weisen re^a-ltii-issi;; (! nippen nach Pausen von dureh-
scbnittüch 1 2 Tagen auf. In dem einen Epidemiealtsciinitte kroch die ."keuche in
den niederen Volksschichten und deren Schulen anfangs Monate lang nur in
diesen weiter, bis die Angehörigen der besser situirton Stände mit ihren Lebr-
anstalten ergriffen wurden, in dem anderen Absebnitte war genau das Umgekehrte
der Fall. Vornehmlich aus der genannten typischen Refrelmfissifjkcit des Verlaufes
der Fpidemien wird gefolgert, dass die Schuppen ebenno wenii^ wie das Incubatious-
Stadium ansteckend sind. Vielmehr ist die Austeckungst.'ibigkeit an den Zeitraum
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UASBBH.
487
gebunden , welcher mit den Prodromen beginnt und mit der Krise , beziehnngB-
woT^^o dem VorblHSHen des Kxarilhems endet. Also im Wesentlichen eine BestÄti-
guug der bekannten Erfahrungen. Die Zusammensetzung der Epidemie aus Ketten
voB Oenenitioneik ist in dem biologiBehen EDtwieklungsproeesse des speeifisolieii
Hikroorganismns begründet.
Zur Kenntnis« der Incubation unserer Krankheit liegt eine Reibe
bemerkenswerther Mittheilungen vor. Während DURB genau 12 V 3 Tage nach der
ersten Untersuchung einer masernden Schwangeren von der Krankheit befallen
wnrde und Htstl dvreli riehera Beobaehtongen in einem Mideheopenrionat
regelmässig 14 Tage feststellte, berichtet Mackley, dass er 30 Tage nach einem
die ganze Nacht währenden Besuche bei einem Masernkinde viele Meilen von
seinem Wuhuorte Masern acquirirt habe , ohne in der Zwischenzeit irgendwie mit
Maeerolmuiken in fierflbrang geweMo so sein. Die epidemiolo^sehen Stadien
TOn Baku weisen der Incubationsperiode bis zur Eruption des Exanthems eine
gesetzniässip' Dauer von 1.3 — 14 Ta-ren SO. Eine aoldie von 12 Tagen und 2
bis 3 Wochen zählt zu den Ausnahmen.
Das Allgemeinbefinden wlbfend der tnenbationas^ anlangend,
findet Frühlich unter 15 Fftllen nur 3mal Unwohlsein, Fieber, HeiaerlEeit. Die
That-^.icbe , dass ziemlich häufig 4 — 5 Tage vor dem Exanthem St^irmiiren des
Allgemeinbefindens und Temperatursteigerungeu in die Erscheinung traten , ver-
wertbet Verfasser zur Annahme einer längeren (bis ötägigen) Dauer des Initial-
•tadinms, wie nns seheint, nieht mit nnbediogt awingendem Grand.
Das Exanthem selbst anlangend, liegen genauere histologische
üntersuehungen von Catrtn' vor. Wir heben aus denselben heraus , da^s neben
der kleinzelligen luhitratiun in der Umgebung der i^jicirten Gtfässchcn, Haarbalg-
nnd Sehweissdrflsen kleine Blisehen mit einem ESnsehlnsse fibrinöser eoagnlations-
necrotischer Zellen führenden Hasse auffielen. Neben diesen in der Tiefe der
Epidermis sitzenden IHaschen erschienen die Zellen des Üete Malpt'ghi durch den
Gehalt vou colloiden Tröpfchen eigenartig verändert. Durch Wachsthum und Con-
flnenx der letzteren, Einwanderung weisser BlatkOrper und Coagubitionsneerose
entstellen jene Phlyetänen.
Klinische Symptomatologie. Die unsererseits bereits erwähnte
Pr 0 pe p to n u r i e Loer's vermochte Köttxitz, in l'ebereinstiramung mit v. Jaksch,
nieht zu bestätigen. Vielmehr gelaug e» bei fast allen Fällen nur Autisehciüung
von Pepton mit dem Harne, snmal im Floritionsstadiom, zn eoastatiren. Dem-
giBgenflber boharrt LOKB auf seinen früheren Befunden.
Dinetcs klinisehes Interesse beansprucht eine Reihe von Mittlieilungen
tlber Cumplicatiuueu uud Nachkrankheiten, welche im Bereiche des
Nervensystems abspieieD. Eigenthflmliehe funetionelle Neurosen boten zwei,
ein 12- und 6jähriges Uidehen betreffende Falle Mukray's dar. Bd dem
alteren Kinde traten zwei Tnire vor der Eruption rbytbiiiisehe Contractionen
des Sternoeleidomastoideus , Trapezius, Peetoralis und der Splenii auf, welche
binnen 5 Tagen schwanden, um in der 4. Convalescenzwoche unter Fieber und
Kopftchmers raeklMlig sn werden. HeUong in 12 Tagen. Das jüngere Midehen
vermoehte , nachdem das Bett bereits verlassen , nicht mehr sn gehen , liess sich
vielmehr wie eine Hysterische fallen. Oe-Jimkene Motiliült, erhöhte Reflexe, sonst
nichts Bemerkenswerthes. Heilung in 1 Monat. Eine vorübergehende Lähmuug
des rediten Fasses und später eine Parese des reehten Armes ohne Spraeh-;
Störungen constatirte Carfbmticr bei einem — linkshändigen — i jälirtgai Mädchen.
Dasselbe war einige Tage zuvor im Verlauf»' einer leichten Masernerkrankung
plötzlich in einen 30 Stunden währenden ^Stupor mit stertorösem Athem verfallen.
Weiter wurde in dem Wiener Fraoa Josef-Kinderspitale bei einem l^/^- nnd
Sjftbrigcn Kinde Tetanie beobachtet, deren Beginn in die Prodrome fiel. Bei Drnelc
auf die Sehenkelarterie bildete sieh die belunnte Flexionscontraetur der Hftnde
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488
auch an den Fussen ans. Beim Klopfen auf den Pen antermw des FacUlit
Zuckungen der Lippen auf derselben Seite. Der heftige raroiysmus hielt in beiden
Fällen während der Dauer der exanthematiHcben Periode an. WahrBcheinlich auf
dner rafeetiOien Entzflndang des den Ürsprung des Radialis and Axillaris dar>
stellenden Nervenstränge» des Brachialplexus beruhte die Eruption eines Zoster
an der dorsalen lateralen Flilolu« der rechten liand und am Daumen , wie sie
Adenot bei einer schweren Ma^ernkranken mit heftiger Dyspnoe und Albuminurie
beobachtete. Bis zum Sehultergelenk sieh ausbreitende Schmerzen, Hyper- und
Paraesdieaien waren bereits einige Tage vor dem Enehdnen der Hanftmasem anf«
getreten. Endlich berichtet Gi tzhann über einen Fall voD Stottern ond Alopeeie
als nervöse Nachkrankheit bei einem 4jähriirpn Knaben.
Dass die Ohra ffectioueu bei Maseru durchaus nicht leicht zu nehmen
mnd, bat wieder einmal Bolt an der Hand dreier Fälle Ton OtäüiMdia aevta
mit Caries das Warzenfortsatzes gezeigt. Wir selbst sahen Jflngst im Kranken-
hause Friedrichsbain einen S.lufrling an denselben Complieationen trotz sorglichster
Pflege und rechtzeitiger Operation zu Grunde geben. Die Sectiou ergab Sinus-
tbrombose.
Ueber einen sieberen Fall von HasernreeidiT beriditet Stbbmo
(öjährijrt's MUdchen). Hemerkenswerth ist, das*" zwischen der Eruption des ersten
Ausschlage-^ und dem Beginne der zweiten Erkrankung ein Zeitraum von nur
8 Tagen lag. Vollkommenes Wohlbelindeu und Symptomenlosigkeit im fieber-
freien Intervall.
Complieationen von Masern und Seharlach, für uns ein alljfihrlich m
beobachtendes Erei^niss. 9.ah Mfa'ztfs bei einem lOjahrigen Knaben. Die Ma-iem
setzten am 11. Tage der Scbarlacherkraukuug ein; 36 Stunden später Coma
nnd Tod.
Rtleksichtlich der Diagnose glauben wir auf die Hittheilung vom
H. Nkt'Maxn über ein ni as er n ä h n I i c Ii e s Kxanthfin Ihm Typhus aufmerksam
machen /.u sollen, nachdem LOVY auf Grund fremder und eigener Heobacbtungeu die
Unabhängigkeit desselben von der Roseola ausgesprochen. Auch wir vermögen
derartige f bei Kindern ans b^reiflidien Grflnden unter ümetlnden trageriaehe
HantausschKlge als un^'eheure Seltenheiten nieht gelten zu lassen. In einem
anomalen Masernfall Wilson's (Ifijshriger Knabe) war es erst am 4. Tage
nach dem Abblassen eines intensiven ditiueen Erythems möglich, die MasemHecke
sn sehen nnd eine wiehere Diagnose cn stellen.
Prognose. Für die Hasernepidemie in Berlin vom April 1888 bis
October 18!>() constntirt Hknoch eine Hospitalmortalität (bei 2?1 Fftlleu) von
über 3U" o> für die beiden er.-'ten Lebensjahre öö7oj für die späteren 9%. Wir
selbst verloren im Krankeiihanse Friedriehsbain in den Jahren 1889 — 1891 von
genav 800 Ifasemkrankeo 57^ also 19*>/o. Die allgemdne und speeielle Bedeutung
soleher bober Wcrflie haben wir bereits erörtert.
Pr<iphylaxe. Den Forderungen, welche Mruiio unter Hinweis auf
die aussfrordentliehe Zunahme dar Krankheit in Kugland in den letzten zwei
Deeennien aufstellt, haben die deutseben Behörden und Aerste im Weeentlielieii
bereits genflgt: Öl'ÜL'^Mtt ris<lir Anzeigepflicht, Ausschluss der erkrankten Kinder
und deren gesunder (icscliwister i'nicht erforderlich, vergl. Bd. XII) vom Schul-
besuch, Schlie«8ung der Schule bei grossen Epidemien, Lüftung der Scbulzimmer.
In einen gewissen Gegensstc stellt sich Rbobr, nach dessen Votum unsere bis-
herigen propbylactischen Massnahmen, insbesondere die Sperrung der Schule und
die vorfreseliriebene Desinfection. ihren Zweck nicht erreichen kennen, da sie auf
irrifren Voraussetzungen aufgebaut seien; er redet bei evident milden Epidemien
der Begünstigung einer Durebmaseruug das Wort. Sehr junge und decrepide
Kindw ratben wir naebdrOcklicbst auf alle Fälle strengstens au isoliren.
Für die Therapie ist Hemerkenswerthes kaum gefördert worden, man
mttsste denn die warme Empfehlung der hydriatischen Behandlung dureh
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MASBRN. — MECHANOTHERAFIE.
489
FOL»ou (kalter Schwamm — selbst stündlich — nnd kalte Rtunpfbiiide) n den
Fortschritten pepenöbcr den mcdicamentöfen Eingriffen zählen.
Literatur: Adenot, K«v. de med. 18*Jl. Nr. 7- — Bard. Ga«. de» höp. Jnni
1891. — Boll, Arch. f. Ohrenhk. 1891, Nr. 10. — Canon nnd Pielick«, Berliner klin.
Worhensehr. ISIU. Nr. IH. — Carpenter, Med. News. 1892, Nr. 7. — Catrin, An-h. de
med. exp. etc. — Durr, Jled. niod. Deo. 1891. — Fodor, Bl. f. klin. flydroth. 1891.
Nr. 8. — Fröhlich, Di.-^s. Erlanpfn 181»!. — GntJiiuann, Deutsche med. Wochenschr.
1891, Nr la. — Henoch, Cbar.-Ann. XVI. — Köttnitz, Centmlbl. f. d. med. Wisaensck.
1891, Nr. 28. — Loeb, Ibid. Nr. 31. — Lotj, Tbfese de Paris. 1890. Hacley, The
th^rap. gaz. Nov. 18S9. — Mrnzics, Brit. nird. Journ. Xov IS-'^Ü. — Miirmy. The Lancet.
Jan. 1891. — Mnrro, Ibid. Juni J891. — Mvrtl, Brit. med. .lonrn. Febr. IM'tl. - Neu mann,
Centralbl. f. klin. Med. 1890, Nr. 26. — Reger. Verb. d. XI. Congr. f. innere Med. Wies-
baden 1892 — Streng, Deutsche med. Wochenschr. 1892, Nr. 48. — Wilson. Med. and
ec. 8urg. rep. 1891, Nr. 3. Fttrbriuger.
Massage, s. Mechan (»the rani e.
Mastcuren, s. DiAt, pag. 222.
MeChanOtherapie (T«rgl. Real-Kncyclopädic, 11. AuA., Bd. XII, pag. 565
U. ff. und Rd. XXII, pa?. 52 u. ff.; EncydopJid. Jahrbücher, 1. .lahrfr. 1^91,
pag. 460 u. ff.). Die letzten Jahre haben bemerkenswerthe Fortschritte auch auf
dem so lange vernachlässigten Gebiete der Mechanotherapie (Massage and Heil-
gymnastik) gebracht, und swar ist es zumal das Stadium der physiologiaebeo
Wirkunfj^ der Mechanotherapie, welches durch bemerken'iwertlit' Arbeiten grcßrdert
wurde, wodurch auch die Anzeigen der mechanischen Heliandlungsmethode theils
Erweiterung, theils wis-scnschaftliche RcjrriinduDg erfahren halten.
I. Physiologische Wirkung.
Werth volle histologische Untersnoliangen über Massage hat CastBX
in Rk'HEt's Lalioratorium angestellt. Fr erzeugte an Hunden verschiedene künst-
liche Verletzungen (Luxationen , Distorsionen , Contu.sionen) , und zwar stets
symmetrisch an beiden Htlft-, Scholtergelenken etc., und — Howeit als möglich —
in gleicher Intensitlt. Hieranf wnrde dne Seite maadrt, die andere dem nattlr*
liehen Verlaufe tiherlasficn. Als unmittelbare Folge der Massage trat Abnahme der
Scliwcllung und Empfindlichkeit auf. als späterhin sich ein.stellcnde8 Resultat Aus-
bleiben der Aniyotropbie. Von 8 Versuchen waren 6 beweiskräftig, 2 blieben
TeanltatloB, weil die Tbiere die Verl^nngen reaetionsloa ertragen betten, keiner
widerlegend. Die histologischen Untersuchungen ergaben: 1. An den Muskeln der
verletzten und nicht niassirteu Seite zeigte sich Anspin.inderzerrung der Mtifkel-
btlndel in Fibrillen , was durch wohlerkcnnbare Läugsstreifen oharakterisirt war,
ferner Hyperplasie des anliegenden fKndegewebes nnd Volnmsrenidnderung der
Hnskelbflndel bei im Allgemeinen intaetem Saroolemm. Die Mnsenlator der ver>
letzten, mnssirten Seite war normal. 2. Die Ocf^is'sc waren auf der raassirten Seit«
normal , auf der nicht massirtcn zeigten sie Hyperplasie der Adventitia. 3, Die
Nervenzweige waren auf der massirten Seite normal, auf der nicht mast^irten boten
sie die Zeichen der Perl- nnd Endonenritis. Seitens des Rllekenmafkes seigte §kih
keinerlei Vcr.'indcrung. Diese Besoltaie Sind wobl geeignet, eine positive Erklärung
Aber die Wirkung der W.TSsage zu geben: sie reinigt den massirten Körper-
theil von den verschiedenen scbädliuhen Subi^tauzen, welche durch die Verletzung
in ibm abgelagert worden, nnd fBbrt ihn in den normalen Zustand snrflek, indem
rie dem Entstehen einer diffusen Sderose vorbeugt.
M.\(;fnoH.^ hat mit Hilfe de« Mo.^so'.-^clieu Ergographen genauere Unter-
suchungen über den Eintluss der Massage auf die Ermtldungscurve der Mus-
en la tu r vorgenommen, welche zu folgenden Ergebnissen gelangten: 1. Die auf
den ruhenden Muskel angewendete Massage vermehrt dessen Reristens und ver>
sdgert den Eintritt der Ermfldnng. 2. Die wohltbitige Wirkung der Massage ist
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490
MEGHANOTBERAPIE.
innerhalb gewisser Grenzen ibrer Dauer proportional; jenseits dieser Grenzen erhftit
man auch bei Fortsetzung' derselben keine weitere Vermehrung der mechanischen
Arbeit. 3. Die verschiedenartigen Massagenianuver wirken in verschiedener Weise
uf die ArbeitBfthigiceit des HntkelB ; das Reiben nnd Klopfen erweist aieli minder
wirksam, als dan Kneten und die gemischte Massage. 4. Die Massage übt auf einen
Muskel, der durch irgend eine Ursache geschwächt ist, welche, wie lange Mflrsclie,
Schlafn^angel, excessive geistige Arbeit, Fieber, auf das ganze Muskelsystem einwirkt,
dne erholende Wirknng aus, lo dass ^e individnell normale Quantität meclianiselier
Arbeit wiederherirestellt wird. 5. Die wohltbatige Wirkung der Haaiage auf die
Erscheinungen der Miiskcicontraetion und Muf<kelarbeit liflrt auf| wenn sie aof einen
Muskel ohne freien Hlutzutritt ausgeübt wird.
Die Resultate, welche ihm die Massage der Muäculatur der Hinterbeine
grosserer Hunde besflgrlieh der Hamseeretion (Zeitsebr. f. Itlin. Med. XV, 3) «geben
liattef Resultate, die von Marixel in Xadivt rauchen vollinhaltlich bestätigt wurden,
veranlassten Bpm, die physiolojjische Wirkung'- der >fa88age auf den Stoffwechsel
des Menschen zu prüfen, und zwar wurde an relativ gesunden Personen durch je
30 Tage allgemeine KOrpermassage yorgenonimen, wobei der Muskelknetung und
-Bewegung besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde, der in 24 Stunden gelassenn
Harn sor<rffiItiir ;re«fininielt und dessen HarnstofTirtdmlt bestimmt. Die vorläufigen
Resultate dieser au der Klinik ^«OTU.VAUEL angestellten Untersuchungen scheiuea
für die Begünstigung der Diurese durch Hassage zu sprechen; im All-
gemeinen sebien aneh die Hamstoflkusseheidung dureh die Massage befördert an
werden, doch lassen sieh vorlflufig bestimmte Schlussfolgerungen nicht aufstellen.
Ein nennenswerther EinHuHH der Massage auf die Ausscheidung der Chloride und
I'husphate war nicht zu coustatiren.
II. Technik und I n d ica tionen.
Von den zahlreichen HandgritVen der Massage sind es liauptsächlich die
Vibrationen und Erschütterungen, welche in neuester Zeit häutigerer
Anwendung rieh erArenen, und dem Wirknng bei sahlreidien Erkranknngen
erprobt wurde. So verwendet Chaboot bri Paralysis agitans, Agrypnie und Neur-
asthenie Vibrationen des ganzen Körpers , welche durch ein mechanisch oder
elektrisch angetriebenes, von Jkgi: und Soliünac construirtcs „Fautf uil trepidant"
erzeugt werden, in welches der Patient gesetzt wird. Die voui Fauteuil auf dea
KOrper des Kranken ttbermitleltra Oaeillatiotten gleiehen den bi einem raseh
fahrenden Eisenbabnznge zur Empfindung kommenden Erschütterungen. Bei Migräne,
Prosopalgie, melancholischer Depre^^sion , cerebraler Neurasthenie u. s. w. benutzt
CuAKCOT einen aus £$tahlplfittchen bestehenden, dureh einen elektrischen Motor in
Oseillation versetzten „Zitterhelm**, welehen der Patient aoftetzt. Morsrlli, weleher
die Prioritftt dieser Methode ftlr die italienische Schule, speciell für Maggioraxi
rcclamirt, emptielilt diiseU»' vornehmlich liei Neuraljrien und bei Hypochondrie,
erklärt ihre Wirkung jedoch für häufig rasch vorübergehend und unverlässlich und
hat bei Schlaflosigkeit Irrer (im Gegensätze zur Agrypnie nenrasthenischer und
hyateriseher Personen), bei Manie, Epilepsie nnd Stupor nngflnstige Wirkongra
be<»bachtet. Morsellf verwendet den von Maggiorani angegebenen . aus einem
Resonanzbodeu bestehendeu Apparat , über welchen eine durch den elektrischen
Strom in Schwingungen versetzte dicke Saite gespannt ist.
Als Ersatz der manuellen Vibration empfiehlt Hasbbbobk einen in neuester
Zeit von LiKDBECK construirteu V i b r a t o r" , dessen Treibmcehauismus aus zwei
übereinander i^ela-rerten Kanimriidern nnd der für Handbt triel» i wohl leicht durch
einen Elektromotor zu ersetzen. Referent) eingerichteten Kurbel besteht. Eine bieg'
same Achse, welche ans einer ttberflochtenen Spirale besteht, übermittelt die
rotirende Bewegung , die mit Hilfe eines Excenters In vibrirende Bewegung um-
gesetzt nnd auf den Eisenkern eines Handgriffes ttliertragen wird, in welehen Hand-
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M ECHAN OTH£BA PI£.
491
griffe verschiedeni^ter Form eingefügt werden können. Das Gaue ist in einem
handlichen, leicht transportablen Kilstchcn untertrebraeht.
M. Braun und 0. Larku oiuptehleu die Vornahme von Vibrationen der
Sehleimhant der Nnse, des NtBenraehennames, des Badieas und KehlkopÜM bei
chroniseh-entzUndllchen Erkrankungen derselben. Patient sitit mit etwas vorgebeugtem,
mittelst Kopfhaltcrs fixirtem Kopfe , der vor dem Kranken stehende Arzt fixirt
mit den vier letzten Fingern der linken Hand überdies den Kopf des Kranken,
wibrend der Dnnmen die Nasenspitze bebt vnd entspreebend drebt. Die Massage
wird mit einer Kupfer- oder Paelcfongsunde von etwa 23 CSm. Lfloge und Nr. 5 — 7
der CHARiKKiiK'sehen Scala entsprechenden Dicke vorgenomnM'n. deron Knopfende
mit Watte umwickelt ist. Das viscerale Ende der Sonde wird nun iu eine 1Ü<> (, Cocain-
lOsnog oder in Jod-Jodlcali-Glycerinlösuug getaucht und, sclireibfederartig gehalten,
riagefUhrt. Unter mftssigem Drneice werden nnn die ericrankten Sdiltimbantpartien
vibrirtf nnd müssen die Bewegungen bei leicht pronirtem Vordenume im EUbogen-
gelenke, und zwar sehr zart und Kleicbmäasig erfolgen.
Weitere Indicatiouen fUr Massage auf dem Gebiete der inneren Medicin
«rOflben die Arbeiten, Uber deren weeentliebsten Inbait im Folgenden bericbtet
werden soIL So empfiehlt Gobbkl bm Ast h m a methodische, kräftige Beklopfung
der hinteren unteren Thoraxpartien , durch deren Erschütterung der Blutzufluss
SU den Lungenalveoleu befördert und die elastischen Fasern gekrUftigt werden,
CSsiu bei nervöser Dyspepsie Massage des Hagens, bestehend in Knetnngen
des Magens vom Fundus gegen den Pyloms sn, 2 — 3 Stunden nach der Mahlieit
vorjfenonimcn, liehiifs Krhöhiing der Secretionsthätigkeit durch mechani.schc Reizung.
Hier sei auch jener Modilication der Ischiadicusdehnung Erwähnung gethan, welche
BONUZZi für die Behandlung der Tabes emptieblt und deren Technik aus Fig. 52,
Bd. XXIV, pag. 649, ersiebtliob ist. Die Bewegung mnss Jedoch — behnfs Ver-
meidung von Muskelzerreiseunpen — mit Vorsicht geübt werden.
Ueber günstige P>folge der T H u R E B ii a n d t' sehen Methode bei E n u-
resis berichten J. Csillag und liAViKuwiTSCU, Nabish Uber zwei durch Massage
des Ureters nnd des CoUum veneae geholte Fllle von Ineonttn«ntta
urinae bei Frauen. N.VRISH übte folirende Technik : Behufs Massa^rc der Hlasen-
gegend in der Nähe des rolliim wird der gut ein^rofettct»' Zei^etinjrer in die
Vagina eingeführt und macht die Bewegung eines umgestürzten Pendels, wobei er
masdrt, was er von der Blasenwand erreichen kann. Bei dieser Bewegung, welche man
4— 8mal wiederholt, darf die Palmarfllehe des Zeig^ngen deb bemühen, sieb
der hinteren Fläche der Symphyse an nftbem, ohne dieselbe jedoch zu erreichen,
da man in diesem Falle nur das Collum massiren würde. Hierauf steigt man,
um den Körpur und Sphincter der Blase zu massiren, mit dem Zeigefinger etwas
herab nnd drttekt CoUnm nnd die benaehbarte Partie der Blase gegen die hintere
Flache der Symphyse (schmerzhaft !). Zum Zwecke der Urethramassage fUhrt man
den Zeigefinger nneh mehr herab, immer nacli nl»cii [)alpireud, coraprimirt von
nnten nach oben und macht 4 — 5mal eine anterio-posteriore Bewegung, und zwar
direet auf die nntere Waod der HarnrQbre nad sogleich anf die an den lateralen
Rändern derselben gut palpablen virtuellen Furchen. ThurB Brandt selbst ver^
öffentlicht seine Methode der Behandlung chronischer Prostatitis, für welche
er folgende Technik empfiehlt: Patient liegt mit im Hütt- und Kniegelenke ge-
beugten Unterextremitäten und erhöhtem Oberleib („krummhalbliegend''), der Arzt
sitst unterhalb der Kniee des Kranken nnd führt den befSrtteten Zeigefinger, mit
der Innenseite nach oben, in den Ma.stdarm ein, wflhrend die übrigen Finger
geschlossen in der Hand liegen. Hierauf macht man ganz leichte Massagebewe-
gungen von innen nach auHsen, zunächst an den leiten-, dann Uber dem Mittel-
lappen der Drflse. Die Massage mnss Ansserst zart ansgeftthrt werden. Bbsrvann
versucht, die Indieationen für dir I'rostatamaraage genau zu priicisiren und erklärt
dieselbe bei Hypertrophie des Mittellappens wegen dessen hoher Lage im Becken
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ilECHANOTEERAPIE.
fär undurehflllirbir, üm bei der Behandlung des D scfinsits uterief vn rj inae^
sowie der Tietroflexio uteri nach Thuhe Brandt den Arzt von di-r Verwen-
dung eine« Assistenten zu emancipiren , bat Gottschalk folgende Metbode der
Uterashebong aDgegeben : Naoh nuuiiiellem Redrenement des reCrofleetiiten Uterw
drängen die in die Vagina eingefOhrten linken Zeige- und Mittelfinger die Portio
krafti? naeb hinten. Gleichzeitig dringt die ausgestreckte rechte Hand zwischen
Scbamfuge und vorderer Gebärmutterwaud so in die Tiefet dass die vordere
ütermwmiid gtni mvf der Rttekenfliebe der Baad rnbt, die Hohlbud alM naob
vom sieht. Den so fiiirten Uterus hebt man ann mit beiden Hftnden nach obea
in gerader Riohfiin£r ans dem Becken heraus, wodurch die Vaprina ad niaximum
gedehnt wird , der Fornix verstreicht , die Plica vesico-iitt-rina peritonei stark
gezerrt und die runden Mutterbänder kräftig gespannt werden. Kacbdem der
Utenut ia dieaer Stellaatp nOgliebst laaga erbaltea wordea, verilast die Suatere
(rechte) Hand die Vorderfliche des Uterus und umgreift , wfihrend die in der
Scheide liegenden Finger denselben in der Elevationsstellung fixiren, mit der Vola
nianua die hintere Fläche der Gebärmutter. Nun wird das Corpus uteri durch
eombiairte Haadgriffe aaeh Tora oben gebracht, woraaf der üterna alhnälig in das
kleine Becken hinabgleitet. Darob diese Bewegung werden die Lig. aacrouterina
und liie P/ira r> rto-tiferina stark gedehnt. Schlie.^'slich wird der rterus — behufs Be-
handlung der Retroäcxion — in foreirte Antedexiousstelluug gebr.ieht und massirt.
Anf dem Gebiete der Chirurgie sind es die subcutanen Knooben-
brttebOf der«! neebantoehe Bebaadlmag — Hobilisiraag — im Oegeasatce aar
immobilisirenden Therapie der Schule immer mächtiger und unaufhaltsamer zn
Tage tritt. Die Fracturen dürften daher — der Jüngsten umfassenden Literatur
(s. u.) zu Folge — in nicht ;iiizu lerner Zeit allgemein jene Behandlung erfahren,
irelebe ia Vereinlgang sorgfältiger Beteatioa der Bmciieaden mit Fflrsorge ftr
Erhaltung der Function der Weichtheik bestehend, die Heilungsdauer abznkflrzen
und den HeiletVi et zu einem idealen zn gcitalten geeignet ist. Von den meisten
Autoren wird daher zunächst kurz dauernde (bei den Fracturen der einzelnen
Kaoeben 1 — 3 Wochen wihrende) Immobnirirang , bienuf Spaltung des starreo
Verbandes, tflglieh 1 — 2malige Massage und Gymnastik der Theile, naeb der
mechanischen Behandlung Wiederanlegnng der \Vrb.mdschalen und Fixirung der-
selben durch Binden empfohlen. Bei Fracturen in der Nilhe der (iclenke, sowie
bei den Brüchen der Patella und des Olecranon dagegen wird eine noch bedeu-
teadere EinsebrSnknng der Immobilisirang empfoblea, am die Erbaltaag der
Fnaetion der Glieder zn sichern.
In A. Ernest ''MarA'land) tritt neuerdings ein Vorkämpfer für die
mechanische Behandlung chronischer Geschwüre auf. Gestützt auf die Wir-
kung der Massage (Beförderung des venOeen Blut- und Lympbstromes , Wieder-
herstellung des pestnrten arteriellen Blutzuflnsses zu den erkrankten Partiea,
Entfernung srh.'idliclicr Eintiüsse von der Olierflftche des UIcu«). enijtfielilt ErkEST
neben Eftioiirage und Pctrissage der ganzen Extremität Massage des (jesehwflrs-
grundes mit Hilfe eines mit 0'6*>/ooiger Sublimatlösung durchfeuchteten Jakonetstflck-
cbens, welohes mit seiner ranhea FIftche auf das Gesebwttr und dessen Umgebung
gelegt und dessen glatte Oberflflche mit etwas Vaselin bestriehen wird , worauf
mittelst der aufgelegten Hand das Geschwür und dessen Ränder massirt werden.
Literatar: Castex, Experimentelle und histologische Untersnchnagea aber die
Ma»8*fre Areb. pr^n. de bM. Jaev. «t FAvr. 1891. — A. Haggiora, ünterenehnngm Ober ole
Wirkunr ilnr Massage BUf dif Muskeln des Menschen. Rif. med. Is92. — A. Bum, Zur
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M ;i r i n e i . Ih- l'uctimt ilii »/((/.s.sc/i sin- fit .si'rri'linn uriiuiirr. Ann. do med. et de chir.
Brnxelle.s 1>\>1. — Charcot, La metieciue vibrtttoire. Progrta med. 189^, Nr. .'^5. Mor-
seil i. Ueber mechanische Vibrationen in der Behandinng Nervöser nnd Geisteskranker.
Gaxetta dt-^li )i((s|>itali. Ü5. Alipust 18!f.i. — C. II a s r b ro i- k Li. 'll'eek'.s Vilirator. ein neaer
mechaaiäcb-heilgymna^tischer Ajiparat. Üalaeol. Centralbl. II, Xr. 1;^. — M. Braun, Mansnge.
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MECaANOTHBBAPIB. — MILCH.
493
bwiehanKswciäe VibratiOMB der Schleimhant der Nase, des NasearachearBomes und iles Rachens.
Tkiact 1690 — C. Laker, Di« Heilerfolce dar inaerea Üchlaimluratinaasage bei den chroni-
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Mechanist-ho Rchandlnng des Asthma. Deutsche med. Wochenschr. 1)^92, Nr. 11. — ,1. Cseri,
Mechanische Behandlung des Migens. Orvosi hetilap. 1S9), Nr. 3Ü. — P. Bonuzzi, Atti
della Accademia med. di Roma 18'A»— l'l. pag. 257 ff. — J. Call lag, Arch. f. Kinderkk.
XII, 1890. — Raviko witsch. Arch. f. Kinderhk. XIV, 1090- — Narish, Zwei Fälle von
Incontinentia urinae, geheilt durch Massage der Urethra und des Collum vesicae. Joiirn. de
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med. Wocbeuachr. 189^, Nr. 44 a. öl. — Ebermann, Ueber die Uaaaage der Prosuta.
Buafl. mad. Lit. 1892. — 8. Qottaehftlk, Zur manaellen BskaDdlnng der OeUrantter^
aenknng. Berliner klin. Woch-rschr. 1R91. Nr. 30. - V.Wagner, Ueber Kniescheibfinbriiche
und deren Behandlung. Wiener Klinik. 1889. — A. Landerer, Die Behandlung der Knocben-
bräche. Samml. klin. Vortr. N. F. Nr. 19. — Kendal Franka, Ueber Massas^e bei der Be-
handlBBg von Knocfaeobrüchea eto. The Dablin Jonn. of med. aciences. 189 1, Kr. 11. —
K. A. 8 c h Q 1 tz, Di« Maamge bei Behaodlang sabcataner Knochenbrfiche. Inaug.-Diss. St. Peteni-
bnrg 1891. — P. Klamm, Zur Tht nipie der Kniescheibenhrnclu'. St. l'Ht»!r.s(jnri:cr meil.
Woohenachr. 1892. — K recke, l'ebt^r Massage und Mobilisirang bei Kuocheubrucben. MUu«
cbenermed. Wochenschr. 1892.Nr..S. — Dernbaix, SurletraiUmenteUtfrtutturespnrle masaag»
et l'immobilimtion. Sem. ni.'ii 1891, Nr. 56- — W. Ki3rt«, Bwiträpe zar Fracturenlehre.
Freie Vereinigung der Cliinuven in Berlin. Sitzung vum 13. Marz 1693. Ber. d. Deutschen
Med.-Ztg is'j.^, Nr. 28. — A. Brnaat, Bakandlang duoBlacker Qaachwara mit Maanga.
Glavgow. med. Joorn. Joly 1891. BvB.
MsfaUlilli B. Harnfarbstoffe, pa^r. 406.
Mellithsäure. Die ia eiaem iu Brauakohlealagera sich fiudeuduu
Hinenl, dem Honigsteio, vorkommende und daher als Honigstein säure oder
Mellithsäure beaeiehDete organische Säure, nach ihrem chemischen Verhalten
Benzohexacarbon8<1uro, C,. H„ O^^, oder Cj (COOH gehört zu den giftigsten orga-
nischen Säuren und steht au luteudität der Wirkung der Oxalsäure nicht nach.
Neben den allgemeinen Effecten der Säurewirkung, die sich bei Warmblütern
dnreh Depression, Sinken der Temperatnr, Blässe nnd später Oyanose an er-
kennen gicbt, erzeugt de auch tonischen und klonischen Krampf. Sie bewirkt
anfanjjs Steis:erunor des arterielleu Druckes mit «rleichzeitiser Verlanj^amüng der
Giroulatioii, .später Sinken des Hlutdrueko.s und dor Horzthiltigkcit.
Literatur: Antonio Curci, duW aziune biuluyicu deW aciäo mellico. Atti
daU' Aoead. Oioenla dt 8e. In Oataala. 1892, T. Ses. 4. Hnsanana.
Methämoglobin, im Ilarii, pag'. 398.
Milch und Milohsecretion (phy.Hiol 0 g i -sch - ch 0 m i .s (• h). Die Milch
ist in der Üeal-Kucyclopädie (2. AuÜ.) nur als Nahrungsmittel behaudolt worden
(versl. Diät, Bd. V, pag. 304 und Ernährung, Bd. VI, pag. 655), dagegen
ist dieses auoli in praktiseher Beriehnn; so wiohtige Seeret weder in physio-
logiseher, noeb in chemischer Beziehung genügend gewflrtlif^t worden.
Einen weder steti;ren , noch iu bestimmten Zeiträumen wiederkehrenden,
sondern nur eine Zeit lang hindurch bestehenden l'osten im Haushalt der weib-
lidien Sängethiere Inidet die Miloliseerelion. Schon g^en Ende jeder Sehwanger-
schaft (oder TrSchtigkeit) und eine geraume Zeit darnach, 10—12 M ite und
darüber, scheidet das Muttertbier aus den an der vordoieu Leibeswand gelegenen,
in wechselnder Zahl zu 2 — 12 (bei Mensch, Affe, Elephant, Faulthier 2, bei
^ederkänern und DidEbäutem 8—4, bei Camivoren nnd Nagern bis 10, bei der
San zu 8 — 32, meist zu 12) vorkommenden nnd in die Brustwarze (Zitse) ans«
mündenden DrUsoneomplexen, den Milchdrüsen oder den Eutern, jenes Secret
aus, das in erster Linie zur Ernährung des kindlichen Organismus bestimmt ist.
Die Milch ist von weisser bis gel hl ich weisser Farbe, vollkommen undurch-
iielitig, gemohlos nnd von einem eigenthOmlieh süssen Qesehmaek. Ihr speeifisehes
Oewiäit sehwankt xwisehen 1'026 nnd 1*034. Friseh entleert seigt die Franen-,
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4H
MILCH.
Kuh- und Ziegenmilch in der Reg«l eine schwach alkaliscbe oder amphotere
(rötb«'t blaues Lackmuapapicr. bläut rothesl. die der Fleisehfresser. wie es scheint,
meistens eine scbwacb saure Keaetion. Lässt tu&n die Miicb einifre Zeit stehen,
80 steigt sehr bald eine gelbliche Schiebt, der Rahm, au die Obertiilcbe. Bei
Utagerem Stehen an der Lnft wird die Hileh znerat neutral, dann allmUlgr idiwa^
•aner; dahei beliült ^ie aber ibrc flflssige Bescbaflenheit. Je l.lnp^er nun die Milch
an der Luft, und insbesondere bei büberer Temperatur steht , desto mehr nimmt
die saure Reaction zo, und bei einem gewissen Grade der Acidität wird die Milch
anerst diekflflntg , weiterhin gerinnt sie sn einer Oallerte. Diese sieht sieh
mSlig zusammen und .stösst . äbniicb wie bei der Blntgerinnang , die in ihr ein-
gesohlossene Mileliflil-^Hi^-^keir, das M i I e h s e r u m, eine nur weni«; trübe Flüssigkeit aus.
Reichlich eutbillt die Milch Wasser, uud zwar bei den verschiedenen Tbieren
swisehen 82 — 90<'/o schwankend; es sind also darin 10 — IS^U Stoffe. Unter
letsteren finden wir oiganisehe und anorganische, und swar nnter den organisehen
die Vertreter der drei banptsileblicben Nährstoffe : Eiweiss, Fett und Kohlehydrate.
Unter den K i w e i s s k o r p e rn , die zu 2 — ')<> ^ iu der Milch enthalten
sind, findet sieb vorwiegend das P-baltige Casein, ein Nucleoalbumin, das durch
die aHtaliselien Saice der Mileh in LOsnn^ gelialten wird ; dnreh Erhitzen gerinnt
es tiiclit , fällt aber auf vorsichtigen Zusatz von sehr verdünnter Silure (0'l*/j
Salzsäure. V ,^" r, K-;si«rs:iure) flockig aus. Aus der Meuschenmileb wird das Casein
durch sehr verdünnte Säure nur tbeilweise niedergeschlagen, vollständig erst nach
TOLVATSCBKrp dvreh Sättigung der Mildi mit sohwefelsanrer Magnesia. In
geringer Menge kann man ein in der Hitze gerinnbares Albumin, sogenanntes
Lüctalhuniin. nachweisen. Filtrirt man Mileb unter erböbtem Druck durch Tbtm-
eylinder oder frische tbierische llilute, so wird das Casein zurückgehalten, wlihrend
tlaa Albumin hindurchgeht, das im neutralisirten Filtrat durch Erhitzen nieder-
geschlagen werden kann. Das belianptete Vorkonunen von kleinen Ifengen Pro-
pepton (Alburoosel und Pepton in der genninen frischen Hileh kann als sidier
festgestellt nicht gelten.
Das Fett ist in der Milch in emulgirtcr Form enthalten, und zwar in
Form der sogenannten Milchkllgelehen. Unter dem Mikroskop rieht man
dicht gedräu:: t fVii » und feinste Fettkügelchen , in der Kuhmilch von 0*002 bit
0*01 Mm., in der uien-schlichen Milch von 0*001 — O'OOy Mm. Durchmesser.
Die Emolgirong des Fettes bedingt baapt&achlich das Casein: dorch Tbonzellea
flltrirte. caseinAreie Milch vermag kanm noch Butter oder Oel zu emalgiren. Wie Jade kleine
Fetikuirf'I hei der knnsllirlien, mit finnimilösunp hcrfrpvrclltrn Kmulsion von pirifr st'lir dünnen
fc!cbit:ht lier Gummilüsnng unifrehfu ist, welolie an der Ubertlaehe df.s Fettlri»j)fen.s dnrch
Molecularattraction , sogenannte Olieriläckenspannnug haftet, so bewirkt in i)>t Milch daa
Casein die Emulgiriuig durch Bildimg einer (aicht geronneaea) Oberflachenschicht um die
Fetttropfea. Alle diemischen und mechanisclien Einwirknn^n auf die Milch, welche Cbaflaeas
der Fetltrnjifcn (VorjrauLr Ihm <!it Hiit(<Tliereitnn;r) oder leidittrc Li'slichkeit diTselbeu in
Aetber {Z.u^n\z von Alkalien) bedingen, liewirkcn dies durch Zerstörung jener Uülle von
Caseinlftsnu)?.
Iii ilcn ersten Tiiiren der Milelisecretion , also unniitleHiar naeh der Ooburt, finden
sieh reichlieli in der Milch ^rm.s.se , runde, maulbeerl'ijrniipe KuriJen hen , die Colostrum-
körpercheii, aus einer Anzahl kleinerer oder grösserer Fetltrupfchen beslehend, die dnrch
ein hyaliaes, in Essigsaure oder Alkalien quellendes Bindemittel zusamniengehalten werden;
sie sind meistens noch kemholtig and amöboider Bewegung fähig; die Küri>ercb«a Tsisehwindea
heim SIenschen ungefähr .'i Ta^^i- nach di r (ii hin-t. Fnlr-rhleibt das Säugegeflchäft, BO laSMB
hie üich nachwei.s< ii, .so lantrc die Drijse iil»erhau|)t seeernirt.
Die MilchkUgclchen sind in der Milch nnr suspcndirt; lilsst man daher
die Milch ruhig stehen, so steigen, wie in jeder künstlich hergestellten Emnlsion,
vcrniriirr der gj-rin-rercn Dichte de-; Fettes die Milchkügclcbcn an die Oberfläche
und bilden hier je nach dem Fcttirchalt der Milch eine mehr oder weniger dicke,
gclblicbweii^.se Ii a b in schiebt. Kntiurnt man daher die Kuhmscbicht, su bat die
zurückbleibende Milch rinen erheblieh geringeren Fettgehalt als die friseh ent-
leerte. Diette suspendirten Fetttröpfchen sind es auch, welchen die Milch ihre
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MILCH.
495
T'ndiirchsichtlffkeit und. vermöge der alheitigen Reflexion des Lichtes an den Olier-
fliU lien der Milebkügelehen, ihre weisse Farlie verdankt. Verdünnt man Milch mit
Waääcr, i-u gebt das gesöttigte Weis« mehr und mehr iu eiu bläuliches Weiss
Aber und BebU«88lieh wird die Mileh durehsiehtig, bd guter Kabmileb etwa beim
Verdünnen mit der TOfachi n Wa-Mermen«;?. Entrahmte, fettarme Milch hat daher
eine bktuliebwcis-jf Farbe. Da die Fette leichter sind als Wasser (das speeili.sche
Gewicht de.s butterfettes ist 0*l>4j, so folgt darauü, dass die abgerahmte Milch
eiD bOberes speeifisebes Gewidit ba1>en wird als die frisebe. Das specifisobe 6e>
wiebt der Milch erlaubt also keinen Schluss auf ihren Fettgehalt.
Die Fi'tte der Milch sind wie :illi< tbieriseheii Fette ein Gemenjre von
Olein, i'almitin, Stearin, ferner von Caproniu und Butyrin, den Triglyceriden der
Caproosäure, CgHijOe, und der Buttersäure, C^H^Oj; der Schmelzpunkt dieses
Fettgemenges Kegt swiaeben Sl und SS« G. Die FraneoiDileb entbllt sadi Lsbb-
DEFF doppelt 80 viel Olein, als Palmitio und Stearin, wiüirend in der Kuhmilch
«ich beide zu fast gleichen Theilen finden . und zwar Oleiu zu - , I'almitin zu
' j und Stearin zu ' endlich Butyrin und taprouin, zusammeu nur etwa zu ^ n
des Fettgemenges. Bei den veraehiedenen Tbieren sefawankt der Fettgebalt der
Hilcb zwischen 2\ , und G%.
Wird der Rahm, der fast nur au diibtgedröngten Milchkngelcbea besteht, kräftig
medianiseli liearlwftct , ^eschln^en, so trerden die um jedes lli1ehk1ig«lcheo beflndlieben
('asfiiihüllen zi'rriss. n , utnl nun ttip-sen <lie Ft^ttf liipfi'lit'ii zusammen und bililiMi eine gelb-
liche, testweiclie ikht.'^.sL', die Uutter. Man bezeichnet deshalb wohl auch kurzweg die Milch-
fette als Butler. Die Milch, welche nach der Ausscheldnng des Bahms verbleibt und die man
als Bntterniilcb bcztielmet , enthält 9— 10" 5 feste StofTe, darunter da.t pcsammte Casein,
den Milchzucker nnd die Milcliasche , von lien Mili lifcitt n etwa noch und etwas Milch-
saure. Um din Milchfotte miijrliclist vollstandijj zn pcwinncn. wird die Milch nach Lebfeld
centrifugirt; die nach Entfernong des Fettes binterbleibende Milch, die sogenannte süsse
Hagermilcli, entbUt alle Bestandihetle der Milch tinTetandert, abcSgHch der Bntterfette,
▼OB denen nur ' —!'/„ darin geblieben ist.
Von K 0 h 1 e h y d raten findet sieli in der Milch zu 4 (>'\, der M i 1 e h-
zuckcr, CjjHjjUn + ^a^> der sich vom Traubenzucker dureli .seiuc schwerere
LösUobkeit in Wasser nnd Alkobol, sowie dureb seine viel geringere Krystalli*
sationsfllhigkcit unterscheidet. Dieser Zucker gebt unter dem Einflüsse eine-» Fer-
mentes, das in der Milch selinn pr;iforinirt is( 'auch die dircct aus dem Filter
unter Luftabschliiss auffri taii;^ene und aulbcwalirte Milch gerinnt; oder erst beim
Stehen der Milch sich darin bildet, durch Gährung in Milchsäure tiber. Diese
GBbrung wird, wie alle Fermentproeesse, dureb höhere Temperatur begOnstigt,
verlSuft daher im Sommer erheblich schneller als bei W'interkälte. Die so cnt-
gteheude Müeh.siiiire neutralisirt zuniiehst die alkalischeu Salze der Milch , dann
Iftsst sie die lieactiou der Milch in eine saure übergehen und bei einem bestimmten
Grade der Sinemng (0*1— O'S^/o MilcbsSure) filllt das nnr dnreh die alkaliseben
Salze der Milch in Lösung gehaltene C'a.sein aus, die Milch gerinnt. Indem
die Gorinminjr sich in allen Schichten der Fliissij^keit vollzielit . entsteht eine
weiche Gallerte, die dann sich mehr und mehr zusammenzieht und ein nur leicht
opalisnrendes Hilehsernm ansstOsit. Dieses Semm eathllt aossor Wasser das
Albumin, den gesammten restirenden Hiichsneker, die freie Milebsäure, milchsanre
Salze und die anorfranisehen Salze der Mileh. v<iin Fett kaum mehr als S|iiireii.
Das ausfallende Casein reisst nämlich die nur mechanisch suspendirten Fettkiiijelclien
nieder, es besteht also das Geriunsel, der Küsc, im We.-ieutlichcu aus Casein
+ Fett. Das Hilebserum nennt man aneh Holken und nnterseheidet die dnreh
spontane Siiuerun^ der Mileh oder durch Zusatz einer SSure (W^einsteinsftnre) ab-
geschiedenen ]\fn|ken als saure Molken von den süssen Molken, welche
man dadurch herstellt, dass mau durch Zusatz von sogenanntem Labsuft (Aus-
zug der Magenscbleimbant von Kilbem mit verdflnnter Kochsalzlösung) das Gasein
ausHlIIt ; hierbleibt der ganze Milehztieker als sfdcher erhalten, daher diese Melken
aueb süss sobmecken. Die sUssen Molken sind also Mileh minus Casein und Fett.
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MILCH.
Der ^lilchzacker, an sirh nicht piihrnngsfähig , kann durch vunliinnt-! Sauren
(Schwefel-, Salzsäure), j* selbst Milchsaure zum Theil in eine ilirect der alkoholischen (iahrung
ftUg« Zuckerart ; (lalactose, fibergeführt werden. Wenn daher Milch auf Zusatz vun Hefe
Uapun alkoholische OUrang eingeht, so beruht dies w«U danol, dass snalchst Milchsftnn
entsteht, welche den Milchsncker vom Theil in Gmlaetoee verwandett , worauf letstere dvreh
die Einwirkung der Hefe in Alkohol iml Kolih'nsäuro gespalten wird. Auf dieser durcli fcrwis.^c
Spaltpilse und die Hefepilze eiugeieit«tea alkoholischen Gabruug des Milchzuckers I cruht die
Hentelhing der Milchweine, resp. Branntweine „Kumys" und ^Ktlfyr*. Anseerdem enthalt die
Milch rholesterin und Lecithin, die steten Bcfrleiter der Fette, femer Harnstulf, Kreatinin
und wahrscheinlich Hypoxanthin. Nach äoxhlet und ilemkel enthält die Kuhmilch als
normalen Bestmdtheil Citroaeftsiure nn etwa O'l*/«, nnd swnr in Tertiindnng mit Kali
oder Kalk.
ünter den organischen Salaen der Milch (im Mittel zn 0'6'^it) fiberwiegt, fihn-
lich wie in den Blntkörperchen und Muskeln, Kali und Phospbor-änro über Natron nnd Chlor ;
die Salxe besteben haaptsächlicb aus Kaliampbosphat, Calciumphosphat, Chlorkalium, geringen
Mengen von Ibgnesimnplioaphat vad Sporen tob Eisen. Ks idnd enthalten nach Bnage:
1 IniOOThellen
XsU
Natron
Kelk 1
1 Frauenmilch
1 07
0-3
0-3 !
Kuhmilch .
' 1-8
ri
1-6 1
Magnesia | Blsanozyd j ^^SlS»^ \
20
Ol
0*2
0006
0004
0- 4
1- 7
Die Milch der verschiedenen SIvgethiere enthalt im Mittel
einer Reihe von .\n!ilv.sen :
In 103 Tbeilen
FMaeor
Knh-
Ziegen- | Sebaftr
Bsele-
Stnten-
II i
1 e h
Wasser .......
8S-0
87-3
84-0
8<f6
90-Ü
10-83
12*0
12-7
160
lM-4
10-0
Casein
1
2-9
0-5
a-0
0-5
) 5-3
1 ...
) 1-9
Fett
31
3 7
3-9
5-4
1-6
11
5-0
4-2
4-4
41
6-0
6-7
02
0-7
0-7
0-8
Od
0-3 1
Am nächsten der Frnnenmiloh kommt die Eselmnileh, nur dass diese viel
fettfinnor ist; die Kuhmilch ist um Vi reicher an Eiwei.sH. aber um V',j ärmer
an Zucker. Indem man die Kuhraiich mit '.^ Volumen Wasser verddnnt nnd
Zucker zusetzt, kann mau sie der FraiuMimilch nn^^lichat ithnlieh niriehen.
Die Frauenmilch uuterscheidet Bich vuu der Kubmilch auch
Boeh dnrdi einen sehr gerin^^en Gehalt an anorganischen Saison, femer dureh
kleinere Fettkflgelchen (a. oben) , endlich durch ((ualitatire Differenzen in der
Casein grerin nun?:. Hierhei bildet dan Kulieai^ein derbe Coagula, wahrend das Frauen-
easein feioflockig ausfällt; bringt man aber nach DOGIEL Frauenmilch durch Zu-
sata von Salsen auf den Gehalt wie in der Knhtnileh, so fällt aueh bei der Qe-
finnnng der FraneonUeh das Otauan als grobfloekiger NiedeTsehlag ans, wie ans
der Kuhmilch. Auch wird das Fraaencasein vom Magensaft wie von kflnstlicher
Verdauungsflüssigkeit leicht und fast vollstiliidi;^' geli'ist , wiihreud vom Kuheasoin
ungelöst zurückbleibt; bei der Mageuverdauuug wird, uebeu Albumose und
Pepton, uolfisliehes P-haltigee Nneleln abgespalten. Das Caadn dex Stnteamüeh
nilhert sieh in seinen Eigeuschaften dem der Frauenmilch. Höchst wahneheinlieh
erkl/irt sich hieraus die Erfahrung, dass Siiii^rünirt'. iMiittermilch besser vertragen
als Kuhmilch, noch eher aU aus den DiÜereuzeu der (quantitativen Zusammeo-
setzung beider.
Wie wird die Uileh gebildet? Dass die Milch nicht ein einfaehea
Transsudat de« Blutes ist, geht schon aus ihrer chenii ilun Zusammensetzung
hervor. Es finden sieh darin reichlich Casein und Milchaucker, beides Stoffe, die
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MILCH.
497
im Blute iiieht enfhalten sind; es finden sieh ferner darin reieUieb Fette, die
das Blut nur sehr spilrlieh enthält , und endlich ist auch die Asche der Milch
quantitativ anders zusumnien^resetzt als die des Blutplasma. Die Milch ist das Secret
der Milchdrüsen, das chemische i'roduct der thätigeu Drüseozelieo, welche zwar das
fBr die in ihnen stattfindenden ehemisefaen Umsetsnngen erfbrderliehe Bohmaterial
aas dem Blut beziehen, aber dies in ei^^entiiflmlleher Wei»e /u dem Secret verarbeiten.
Die Mi Ichd rasen sind nach dem Typus der zosammengeaetzlen acinösen Drosen,
ähnlich den Speleheldrasen, gehaot. Die Alveolen hlMen laterale und terminale Anebnehtangen
der AusführunpsffänE:e ; sie hesitzen eine geschlossene Tonica prnpria. die Innenfläche der Al-
veolen wie der Gange, in welche dieselben einmünden, ist von einer einfachen Lage von Zellen
bedeckt, deren Gestaltung nach Heidenhainje nacli den ^ecreturischeu Zustunden der Dräse
ansserordentlich wechselt. Die Zellen stellen mehr oder weniger hohe Gebilde dur, welche der
Wand bald mit breiter Basis aafsitzen, bald Rieh nach aussen Terschmälern , su dnss sie mit
der WanduuK nur durch fiin'n schmalen Fortsatz ziisummrnhängeii. An dem einen, dem Hohl-
raom zugewandten Ende gebt bei der äecretion Abstoasong and Vertlüssigang des Zellleibes
vor sieb, so dass dto BpfthollMi nnnrittelbsr nsioh dorn Abeaagwi flach und niedrig dnd • es
scheint also wahrend des S'aiipactes der innere Theil der Zellen, in welchem man oft Fett-
tröpfcben sieht, für die Milchbildung verwerthet zu werden. Bei .-ehr reichlicher Ernährung
and sehr bänfiger Absaagnng findet man die Zellen im höchsten Zustande den Wachsthoms ;
es werden also die Metamorphossn, welche die Zellen bei der Mücbbildung dnrcbmachen, durch
das S&ngen besehleonigt. Hiernach ist die frflhere Aasebanmig, nach welcher die Milch durch
den Zerfall der fettig umgewandelten Drüsenzellen entsteht, wonach also die Milch geradezu
das fettig aufgelöste Organ sein sollte, nicht mehr zutrefl'end. Vielmehr sind die liilduog der
Milch und die mit der Drüsentbätigkcit einbergehenden morphologischen Veränderungen der
Drüsenzellen gana analog deiyanigea Vorgängea, wie sie sich bei der Bildung der Yerdaanags*
Säfte abspielen.
Die Milehseeretion ist eine der bedeutendsten Leistnngen des Organis-
mus. Die OrOsse des Mitohertrages ist von einer Reibe von Momenten
abhiliifri?, vorerst und vor Allem von der Entwicklung der Milchdrüsen.
Da die Hilduu;^ des Secrets zu dem Wachsen und Schwinden der Drliseuzellen in
Beziehung steht^ so ist diese Ubereinstimmend eonstntirte Erfahrung auch versttnd-
lieh. Bei gleiehem Futter prodneiren nwei Klihe ▼oo der gleiehen Bnee nnd dem
nflmlichen Kf^rpergewicht sehr ungleiche Mengen Milch, wenn ihre Milchdrüsen
versehioden stark entwickelt sind. Es ist deshalb nicht angfingig, eine mittlere Aus-
scheiduügsgrösae anzugeben. Frauen produciren pro Tag zwischen 1 und 1\] Liter
Miloh. Der b^te Ertrag an Mileh bei Kttben betrftgt 24 Liter = 26 B^grm.
Hiieh mit etwa .3 Kgrm. fester Bestandtheile. Nun beträgt aber das höchste Ge-
wicht der .Milchdrilspii kaum 5 Kgrm. mit 21" ,, Trm-kensubstan/., einem Gesammt-
gehalt au festen Stutfen von 1*2 Kgrm. entsprechend. Demnach secerniren günstigen
Falles die MilebdrOsen pro Tag 2 '/snwl ihr eigenes Gewicht an festen Stoffen. Ziegen
geben t&glioh — 1 Liter Hiloh, Schafe 1 Liter und dartiber.
Da eine entwickelte Drüse viel, eine unentwickelte bei gleicher Nahrungs-
zufuhr wenig Milch bildet, so ist die Zeit, die seit der Geburt oder dem
Wurf verflossen ist, für die Menge der Milch bestimmend, insofern die Ent-
wieUnng der Drüse knrs nach dem Ende der Sehwangersehaft ihren Hdh^nkt
erreicht u nd dann, wenn auch nur ganz allmAlig , zurückgeht. Dementsprechend
sinkt auch mit der Dauer der Lactation ganz allmülig der Milchertrag nnd der
G^alt der Milch an festen ätoÖ'en. Die Lactationsperiode währt beim menschlichen
Weibe nnd bei der Knh etwa 10, beim Sehaf und der mnd 4 ICtmate.
Kar l) T' f e i f f IT riin:mt 1; i der Frauenmilch der Caseingehnlt langsam ab, dST ZodUl^
und Fettgdialt »«tetig zu: die Salze nehmen progressiv ein wenig ab.
Bei der Ziege sinkt mit der Daner der Lactation nach Stohaiann der CaselDgehalt
zuerst etwas, hält sich dann eine Zeit lang constant und steigt spUer bedeotend aa; der
Bnttergehalt sinkt im Allgemeinen mit der Zeit.
Es sei hier auch glei( h des Unterccliicdes zwischen der 0 o 1 ostmainilch (1.— ^.Tag
nach der Geburt) und der späteren MUch vom 7. Tage ab gedacht.
1 In lOO Tbeilen
1; Waaser
1 lUwdas
Fste
ZnCker
Sein
'!
5-3
3-4
4-5
0-4
Milch .
. .j| 87-8
2-5
3-9
6*5
0-3
Encydop. Jahrbücher. III. 32
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49S
MILCH.
Die Colostrummilch ist reicher an l>-!teu Stoffen , hauptsächlich an Eiwfisskiirpt'rn,
und zwar liestehen letztere meist aus Albumiu und nur aus weui^ Casein; weiterhiu uiiumt
däs Casein auf Kosten des Albumin zu und schon am 7- Tage mmh der Geburt finden wir in dar
liilch Cueiu mit nur wenig Albumin. Daj;egen ist der Ziick«riri !i;i!t ii< r Colostrummilch klpin^r.
Da die Grösse der Secretion in erster Linie von der Kotwickluag der
Milchdrtisen abhangt, eo kommt die Nahrung, die dem milchenden Thiere zn-
geftthrt wird , erst in zweiter Rdbe io Betracht , insofern dnrch lie die bei der
Thätigkeit einer allmälipren Auflösung anheimfallenden DrUsenzellen wieder aufgebaut
werden sollen. Das llauptmaterial, aus dem sich alle zelligen Elemente, alle Proto-
plasmeu regeoerireD, ist das Eiweiss, daher ist auch kein NährstutV auf die Miich-
bUdong von riner Einwirkung , die mit der des Eiwaiw sn vergleicben wire.
Steigerung der Ei weisszufuhr wirkt sowoU auf die Grösse des Milch-
ertrages im Ganzen als auf den Gehalt der Milch an ihren wesentlichen Restand-
theiien, uod zwar in erster Linie auf ihren Gehalt an Fett, weuiger auf den
Reiebthnm an Eiweisskitrpem.
Bei sehr dürftiger (eiweissarmer) Eruährung während der BelagerUDg von Paris fiind
Decaisne in der Frauenmilch nur ll'?**^, feste Stoffe und davon 3% Batter, 2*4% Casein,
6* IX Zncker , spltarhfn bei sebr eiwefitraieber Nahmt i^'^U 8Udh voA damatar
4-b°,r. Butter, 2-1"^ Tascin. ö?" „ Zucker. SdwB Franz Simon (1846) fand beim TVliorganK
von einer tivhr spärlichen Diät zu sehr fleiscbreicher Nahrung; die festen Stofle in der Frauen-
milch von 9 auf 12^'o und den Bnttergebalt von 1 auf 3'4* „ austeigen. Bboiso stieg bei Ziegen
nach Weiske bei reichlicher Zaftibr von Eiweias die tägliche Utlchmaiiga nm iO^Lt dar Fett-
gehalt von 2*7 aar 3*1% ^d der Gesammtfet^balt der Ta^eiimilch von 20 auf 33 0rm. ünn-
gekehrt sauk in Füttcrungsreihen von I. Münk an Zic^i ii bei Vermindernisj? h r Ei», is'<zu-
fuhr um etwa 15"/, die Milchmenge um 18 ,. , die testen Stolle um 27"/b, der tiesummtlftlgehalt
nur um knapp lU'^ g, dagegen die Zuckermense um "^S" „. Für Kühe hat G. Kühn angegebeu,
<l;is-; das relative Verbältniss von Casein und Fett nicht in so hohem Grade dnrch die Eiweiss-
ziituhr beeintiusst werde. Der Erfolg gesteigerter Ernahrnng zeige sich hier erst nach einiger
Zeit, und zwar zumeist in der ersten Periode der Laclation. Um daher bei Kühen und Ziegen
«inen hoben Milchertrag und reichen Fettgehalt der Milch za ersieleo, giebt man sta. genügen-
d«n Msogen Wieaanbm ein eiwalnrdebes Beifotter: IfaU, Cleia etc.
Znsatz von Fett nr Nalimng seheint den Fettgehalt der Ifiteh eher in
verringern, wenn nicht gleichzeitig genügend Ei weiss in der Nahrung enthalten
ist. Das Nahrunirsfett macht er>t dann den Fettirehalt der Milch aa<tei,iren, wenn
die Übrigen Nahrungsbestandtheile ohne den Fettzusatz für die Erhaltung eines
kräftigen ErnSbrnngaznätandea im Allgemeinen, also aneb fflr die Bntwieklnng der
Milchdrüsen, für die Neubildung der DrQsenzellen genii^'i-tul sind.
Auf die Menge des Milchzuckers in der Milch haUen die Kohle-
hydrate der Nahrung keinen Einäuss. Dasä Übrigens der Milchzucker, miode-
stene inm grossen Theil , von den ^weisastoffen abstammt , geht daraus hervor,
dass auch bei ausschliesslicher Fleisebnahmng Hündinnen in ibnt Milch einen
erbeblichen Zuckergehalt halini
Jede Portion Milcli, welche einer geffllltcn Brustdrüse bis zu ihrer Ent-
leerung entzogen wird, hat einen im Allgeuieiuen mit der Entnahme ansteigenden
Fettgebalt, und zwar auch, wenn die Portion noch so kldn ist. Beim Melken in
Absätzen. ..gebrochenes Melken", steigt auch Itei der Kuhmilch die Fettzuaabme
recht betriiehtlich an. Der Bntterfrehalt der Abend milch bei Kühen und Ziegen
ist bis zum Doppelten grösser als derjenige der Morgen milch. Im Sommer
liefern die KUhe mehr und bntterreiehere Milch als im Winter.
Es zeigt antli dif 'Ract' cinm unverkennbarfii l'intluss auf die Grösse des Milch-
ertrages und den Gebalt der Milch au festen Stolfen, siebt man ja auch trotz gleicher Uröase
und gleicher Bmfthrang dar Thier« die Hilchdrilaan bei Individaea ▼erscbiedener Raee ver^
adiiedan gut entwickr lt.
Waa den Einlluss des Alters auf die Güte der Milch anlangt, so haben die
Untersuehungen von Pfeiffer und l'ffehn an n ergeben, dass bei der Frauenmilch die Menge
der festen Stoffe, u. zw. Eiveiaa, Zocker und Salze, mit dem Alter der Frauen zunimmt, der
Fettgabalt abnimmt (too 3*7 bis aaf 8'2*'o)- Blntanne (aaftmische) Frauen haben nur RpftrUebe
nnd gehaltarme Milch.
Der Eiutiuss der Entwöhnung, der Sistirung des Saugegeacbäftes, zeigt sich
darin, dass schon zwei l^ge aacb der Eatwftbnung der Gehalt der Mildi an festen StofliM
erbeblich abnimmt.
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UILCH.
499
Währeod der Uenntriiatloa. der dwrcli einen Blntabj^ang aus den Genitalien sieh
rnanifpstirenden periodischen Rpifnnpr und T.ösnns einps F.iVs ans dem Eierstock, wird die Milch
reicher an festen Stollen, beiunders an Zucker. Eintritt der S ch w angc rschaf t lä-sst meisten»
die Jfilchsecretiou erheblich absinken.
In die Milch gehen von eingeführten Arzneimitteln ftber: Jod, Eieen, Opinm und
eine Beibe von FarbetofflBn (FlrbeirBtbe, Cochenille). Bei Ffitternng von KSben mit Oelkneben
(Leinöl, Tiühiil) nmimt die Milch einen eiironthürnüch olicen Geschmack an, die Bnt;cr ist
gelbgefarbt und schmeckt ranzig ; die UiJch von Kühen, welche Lauebarten und gewisse Dolden-
liflumn gefimeen haben, nimmt dem Oeraeh und Gesdimaelc jener Pfnnsen an.
Die BOgenannte Haltung der Thiero beeinfliisst die Grösse des Htlflh-
ertrages in unzweifelhafter Weise. Durch Muskelarbeit wird nach Ki.kisthman.v
der Milchertrag erniedrigt^ doch bei mässiger Arbeit nur wenig und häuüg zum
V<Hradl der fetten Stoffe in der Mlleli. Aber die Miukelthfttiglcett greift andi
uoeh mittelbar auf die Milcbsecretion dureb ibren Binflass auf Atbmnng, Kreislauft
\iellpicht auch auf die Verdauung und Ausnutziniir der KfUirstoffe, ein und setzt
dadurch Veränderungen, welche eine Zunahme der Milchnu'nL'f' iMMÜnfrcn können.
Bei mässiger Muskelthätigkeit oder Bewegung Uberwiegen diu güuätii;eD mittel-
baren Folgen, bei etarlcer Hoslcelarbeit die nngflnatigni noinittelbaren Folgen. Die
firztliehe Erfahrung lehrt im Einklang damit, da.s8 niUssi^M; Bewegun;: sfUij^ender
Frauen eher von Vortheil für die Quantität und Qualität der gelieferten Miicli ist.
Der pjinfhiss d k Nervensystems auf die Seeretion der
^[ i 1 c b d r ü 8 e n ist durch eine Beibe wobiverbürgter iirztlicher Ertabruugen belegt,
denen snfolge plfftsUebe Oemfltbsaffeete der Singenden die abgesonderte Uileb
beeinflnssen, dergestalt, dass naeb dem Genuss suleher Milch die Sfiuirlingo unnili%
werden und mitunter sofrar KnimpfanOlIlf beknmmen. Auch der Act des S.-mgcns
>elbst wirkt als Absondi ruiiirsreiz , wahrseheiulicb auf dem Wege rctlectoriseher
Erregung des 8ecretioiisap])arates. Dagegen Ist der Einfloas der DrOsenuenren
snibst auf die Secretiou noch niebt als festgestellt zu eraehten. Die darauf bezflg-
liehen spärlichen Beobachtungen von Bonn ig an der Ziege sind weder in ihren
Kesultaten genilgend ausgesprocbeu. noch haben sie bisher Hestiltigung gefuuden.
Trennung des -N'. sjjcnnaffcus ext., der den Euter der Thiere innervirt, hat naeb
Hbioenhain und Pabtsch meist erbebliebe Beseblennignng des Milebavsflasses
aur Folge.
Tflier die Ausnutzung der Milch i in Darm liegen bisher nur
vereinzelte Erfahrungen vor. Ein 4mouatIiches Kind, das tiiglieh 1215 Ccm. Kuh-
milch mit 137 Grm. Trockensubstanz aufnahm, schied nach Fursteb 6'40/g der
Troekenanbstana, sowie Ober ^/s der Milehasehe, darnnter 'f, des in der Gesammtr
milch entballenen Kalkes aus. Von den organiseben Substanzen fand Kich weder
Eiweiss, noch Zucker im Koth, dagegen neben wenig unveränderten Neutralfetten
relativ viel feste Fettsäuren und nameutlieb deren unlösliche Kalkvorbindungen.
Besser erwies sieb naeb Camerbr die Ausniltsang der Enhmileb bei
10 — 12jllhrigen Kindern; hier wnrde das Eiweiss bis auf 4%, das Fett bis anf
2'?*''n und die fJo'^anmittrockonsubstanz bis auf ö-S^'o verwerthet. Der Ivalk der
um das Vielfache kalkärmereu Frauenmilch gelangt zu % zur Resorption. Der
Krwaohsene sehied naeb Robnbr und Pbaü^kitz bei Aufnahme von 2000 dem«
Knbmileb 9Ve der Troeltensubstans au; am schlechtesten re*orbirt er die Mildi-
:ische, von der ."57'' ^ unbentltzt austreten, das Milehfett bis zu 0;^° o- ^U-i'/t man
tiiit der Miichmenge noch weiter an, bis auf 1000 Cimu., so nimmt die Kothmenge
zwar zu, aber die procentisehe Ausnutzung der einzelnen Milchbestaudtheile wird
nur venig sebleebter. Naeb Uffelmann resorbiren:
Knlmiilrh Freaenmtleh
Eiweiss Procent *JÖ'7 Procent 99*0 Procent
Pett US „ 93-5 „ 97-5
Salze 50 4 „ 66 Ü . 90
Zucker 100 „ 100 p 100 „
üeaammttrookenaabstana 91 „ 92 „ 97 n
32*
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dOO
MILCH. — llIUTÄ£SA2ilTÄTäf£BS0NAL.
Bemerkenswerther Weise ist die VerwerthuDg der FnncnmUeh Tom Sing^
ling die beste von allen bislang bekannten Nabrung'Hmitteln.
Durch Zusatz von Käse zur Milch gestaltet sich die Ausnützung der
leUtereo im Darm des ErwachseneD besser, und zwar für sAmmtlicbe Nahrungs-
stoffe inelmive der Milchaaehe.
Die Milcb i-st für den kindliehen Organismus nicht nur ein Nahrungs-
mittel, s(»ndern eine Nahrnnpr, d. h. ein Geraenge von Nährstoffen, das den
Körper auf seinem Bestand völlig erhalten kann , entbehrt sie doch auch nicht
d«r GeousflStofliB in Form der Bchmeekenden Bestaiidtlidle der Fette and des Mileh-
zuekers. Für den Erwachsenen kann die Milch kaum als Nahrung
gelten: um sich allein mit Milch auf seinem Eiweissbestande zn erhalten, müsste
der Erwachsene mehr als 3 Liter Milcb pro Tag geniessen. Solch grosse Mengen
iMsen sieh Indees kanm ohne Widenrillen dnreh mehrere Tage anfsehmen. Nach
den Erfahrongen von F. A. Hoffmamn btteite ein gesunder erwachsener Menseh
vnn 71 Kilo bei tilglicber Aufnahme von 2600—3000 Grm. Milch pro Tag noeh
122 Grm. Körperfleisch und 540 Grm. von seinem Körpergewicht ein.
Dil die Milch durch Fermente leicht in saure Gährung Ubergeht uod
dieser Proeees doreh vorgftngiges Aafkoeheo fSr kürzere Zeltdaner hlnansgeaehoben
werden kann, so wird in der Mehrzahl der Ffllle gekochte Milch zur Nahrung
verwendet. Es empfiehlt sich dies auch noch deshalb, weil eine Keihe thierischer
und chemischer Infectionsstoffe , wie erwiesenermassen das Virus der Maul- und
RlaQfmsenehe , sowie der Perlsneht doreh die Siedhitze zentOrt, andere (die In-
fcctionstriiger des TyphiiB, Soharlaeh und der Diphtherie) in ihrer Wirktankeit
abgeaebwächt werden.
Aufser der gewis8ernia.ssen als normalen Vorgang za betrachtenden i^aiiren Gahrung
df s Milchzuckers kann die Milcb, besonders im Uuchaommar, auch noch der Fäulnis» unter-
liegen, d. b. der Gährnog der Eiweissstoffe. Dieser Procen spielt sich ancb iu gekochter Milch
ab, samal in unj^entigend gereinigten Geräthschaften, nod lässt bei einem gewi<isen Grade der
Fanlniss (li> Milch bitterlich werden, ohne dass sich sonst dieser Pmcess durch das Auftreten
laalig riechender tiasa, wie in anderen tbierischen Flüssigkeiten, verrietbe; wahrscheinlich
bilden riidk kitrlMi alkakiMartifi« gfflHg» Stoffs, Ptomalne oder Toxin«. Dem Anseboin Dach
geht die fanlige Zersetzun).' unabhän^ip vou und neben der «anron Gährung einher. Höchst
wahrseholBlich bat die Aufnahme iktlcher iu beginnender Fauluiss bcgriffeuer Milch die an-
haltenden Wd so .schwer zo bekämpfenden Diarrhüen zu Folge, an denen insbesondere im
Hochsomnor mit Milch emihrie Kinder leiden nad die einen so hoben Procensats zur Mortap
litftt der Kinder in den ersten Lebensjahren stellen.
Die atuwerordentlich leichte Zersetzliehkeit der Milch und die Schwierige»
keit, diese so wnsserreiche FlUsHifrkeit für l:in<reren r,cbr;iueh f^eciimet zu erhalten,
hat dazu geführt, aus derselben haltbare und weitereu Trausportes f ähige Nahrungs-
mittel anf teehnisohem Wege herzustellen : Butter, Kflse, condensirte und prfiser-
virte Hileh.
Die Literatur: ühei di.' .Mi 1 e h ab s o n d e r ii n g bis Is^O ist bei R. Heidenhain,
Fb^'siologie der Absonderungsvurgauge, in L. Hermaau's Handbuch der Physiologie, V, 1. Th.,
pap. 374—405, Ober die Chemie der Hileli bis 1883 in Dreehsel's Artikel, ebendt,
pag. 544 — öfiii p/^sanimrlt. — ]S84. Ph. Biedert , Untersnchunjten über die chonischen Untcr-
schiedn der Men.scheu- und Kuhmilch. 2. Autl. Stuttgart. — 18.S5. Sebelioo, Zeitschr. f.
pbysiol. Chem. IX, pag. 445. — Dogiel, ebenda, pag. 591. — H opp e-S ey 1 e r, ebenda,
pag. 223. — 1887 E. Pfeiffer. Asaljse der Milch. Wiei^baden. — Mendes de Leon«
Arcb. d. Eyg. VII. pag. 286. — 1888. Sebetfen, Zeitschr. f. physiol. Chem. XIII, pag. 135. —
lfi89. Raudnif z. F.benda, XIV, papr. 1.— Prausnitz. Zeit.<chr. f. ßiol. XXV, pag öH.l. —
IS'yü. Arthus und Pages. Arch. de^ physiol. 1890. pag. 331—510. — Halliburton,
.lüum of pbysiol. XI, pag. 449. — 189l. Courant, Arch. f. d. ges. Physiol. L, pag. 109. —
IS'JÜ. — Ssontagh, üng. Arch. f. Med. I, pag. 192. — Steinhan.s. Arch. f. Physiol.
:$upplement. — Yergl. auch die Literatur bei ^Milch'* in Münk und Uffelmann's Ernährung
des gesunden und kranken Henschsn. 2., Anll. 1891, pag. 119—123 nad 270—278.
I. Mnak.
Milchsäure, bei Gicht, pag. 337.
Militäi^anitätspereonal (deutsohee), ist theiis solches engerea
Sinnes (das SaaitfttseorpsX theiis soiehes weiteren Sinnet, das das Personal Ott
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MIUTÄBSANlTATäFEBSOliAL.
601
dfln Yflnrnndetentransport and das Apotbekenpersonal mit einscblie.Hst , tbeils
Nebcnpersonal , wie Verpfle^ungsheamte , militärische Aufseher in Heilaostolten,
das mit dem SanitätsdieDSte nur mittelbar zu thun hat.
Umfanp: de« Militärsanitätspersonales.
Der rnifan<r, in dem Sanitätspersonal bei den Heeren Verwendung findet,
tot abhängig vom Lmtange eines Heeres, vom Umfange dea verfügbaren Sanitäts-
peraonale« eines Landes und von den Kosten * die ein Staat Ihr Besehaffongr uod
Unterhaltung von Sanitfttai»eZBOnaI bereitrtelkll kann und will.
Die iViIg-ende Zusamraenstellung' mft^e zunilchst einen Oberblick über die
den Umfang des iieeressanitätspersunales am meisten beeinflussenden Ueeresgrössen
der enropftisehen Groesmiehte gewäiiran.
StMt
iir:
Webrgeaetz
liooruti^n-
coütiugent
DentsdiM B«ich .
50
/Allg. pera^nlo
Wehrpflicht 1
.(seit 13. Sep-(
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in l'iüusficnl''
Oesterreich-Ungarn
42
(Def^'l. 7. Julil
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(einsrhl, europ. j
Besitzungeo) . )'
Werbe- nnd.
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(Allg. persHnl.
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31
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470.830.303
3;iü.ü40 LSl-^-BTO 35
210.499
520.548
1,090.000
1890 :259.268 843.000 2,579.000
gegen
885.000
3,226.000
360
210
42
133
270 271,251.752
2200
1260
230
747
577,382.140,
585,liai97
248.412.733
782,800.980
Was die Vertheilaog dee Soldateostandes auf die versehiedenen Waffen
anlangt, bo besteht di(> bewaffnete Macht des Dentlohen Reiches seit 1. October 181)0
im Frieden aus öTJ Infaiileriebataillonen , 19 Jägerbataillonen, 1 Lebrbataillon,
465 Eseadrous, 3Ö7 fahrenden und 47 reitenden Batterien, 3 Lehrbataiilonen,
31 Fossartilleriebataillonen, 2 Lehroompagnien, SO Pionnierbataillonen , 5 Eisen*
bahnbataillonen , 3 Luftschi fferabtheflangen und 21 Trainbataillonen. Die Marine
unter einem Obercommando besteht aus 2 Marineinspectionen, 2 Matroseudivisinncn,
2 Werftdivisiouen, 1 Schitisjiingenabtheilung : aus 2 Matrosenartiilerieabtheiluugen,
1 MarineartiHerieabtheilung, 1 Marinetelegraphenschule — unter der Inspection der
Marineartillerie; femer ans 2 Torpedoabfhdlnngen vnd 2 Seebatdilonen (Marine-
infanterie). Cm sftmmtliefae Fahnenge der Marine kriegstllebtig zn besetsen, bedarf
sie 15.828 Mann.
Wie viele Aerzte die bewaffnete Macht eines Staates für sich verwendet,
ist bedingt durch die Zahl der flberhaupt verfBgliehen Aerzte eines Landes, die
Art, wie die Abgänge der Militärärzte ergänzt werden und die rechtliche und
materielle Stelbmg^. die den Militiir.irzten bowillifrt wird. Wenifrer Schwierigkeiten
als die Gewinnung von Militärärzten ptlegt diejeuige von Sanitätsunterpersonai
(SanititsanteroMeren eto.) an bereiten, da dieses Persenal ans dem Heere
selbst hervorgeht und seine Leistnngsfiüiigkwt mit un^Ieleh geringeren Mtthen
und Kosten erreicht wird.
Was die im Deutschen Keiche vorfU^^lichen Aerzte aulanj^t . so gab ea
1876: 13.728, 1877: 13.936, 1887: 16.864, im Jahre 1888: 17.690, 1889:
18.467 Aerzte. Daraaeh werden sie jetzt die Ziffer 20.000 flbersehritten haben.
Die etatsmflssige Zahl der A erste und Lasaretbgeliilfen des aetiven
Deutsehen Reiohsheeres betrug fttr das
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902 MILITÄRSANITATSPEESOXAL.
Etatajabr 18^2 83 Militirftnto and 3ö32 LazaratbgehiUeD,
„ 87 „ „ 3531 „
Die vom 1. April 1887 an etatsmäsäigeo Aerzte des Heeres und der
lUrlne in der Zahl von 1865 vartheilten rieh auf die einzelnen dentadken Heeres«
eootittgente und militärlrstUehen Binge, wie folgt:
Onpral Ge«««!- Oenwal- ObanUb»- Ob^rstabs- Aas atenz- AsBiaten»*
>>o>!«>^.i- *)rst am «rit arzt Subnarzt arzc arzt
^lahsarzt ]. ciam II. Ctaaw I. Clam ir. Classe I. ClaHse II. Clasa«
Pretusen .1 8 8 189 132 392 278 428
Bayern . . 1 1 1 21 20 41 64
Sachsen . . 1 11 11 37 23 35
Württem-
berg . • 1 8 7 22 13 Sä
Deatscbe
Xariae . 1 4 5 28 24 25
2 12 9 i?3 m 638 äsi Ö76~"
Von den 050 etatsm.'iH.si^en Aasittenzärzten fehlten 1885: 46*8
1880): 65'9"'o, nach einer Feststellung aus dem September 1887 nicht weniger
aU 570, also 5!» G" im Jahre 1888: 56*7" 1890: n4-r>ro, 18U1 : b4'i\.
' Für 1888 81> betrug der Sollstand der Aerzte des deutschen Heeres 1770,
der der Lasarethgehilfen 3705.
Im EtetBjahre 1890/91 stellt sich die Zahl der Aerzte auf 1884 ciu-
schliesslich 94 der Marine und auf 3678 Lazarethgehilfen dos Heeres: für die
Aerzte, auf die Contingente und Rangstufen vertbeilt, ergeben sieb folgende Zilferu,
deren Höhe durch die Bildung von 2 nenen Armeeoorpa erklftrt wird:
r^r,^,i^\ Cieneral- Geueial- Oberstabs- ObenUbs- AtttatCBa- AmUb&OB-
^h..^ »ritt arzt arzt arzt SMNiintt arzt arzt
Preussrn .1 9 9 135 136 392 281 430
Hayern .1 1 1 21 20 »9 42 65
siacbsen . . 1 1]« 11 37 24 36
Wttrttem-
b«r|r . . 1 8 7 22 15 23
Deutsche
Marino . l 5 6 31 20 25
2 13 lü 181 180 541 378 579
Die Zahl der ebenfalls znm Sanititscorps gehörigen militirisehen Kranken-
wärter ist in den obigen Zahlen nicht inbegriffen, weil ihre geringe Zahl naeh
dem thatfiiehliehen Beciarfe wechselt.
Mit den Aerzteii .-iiud die Lazarethgehilfen, die mit dem 17. März lJ^32
in das preussische, mit D. August 1877 in das bayerische Heer eingeführt
worden sind, und die Wärter (mit 89. April 1852 in das preussisehe Heer dn-
gefithrt) in ein preusKi.sches, bayerisches, württembergiRehe^ und sftchsi.sches Sanitäts-
corps zus.imnien?ela8st, das in jenen Heeren unter je 1 General-tahsarzt und
in den letztgenannten Armeecorps unter 1 Generalärzte steht. Üeu Sanitätüdienst
eines Armeeeorps leitet der Corpsanst (ein Generalarzt), den einer Division der
Divisionsarzt (ein Oberstabsarzt I. Classe). der nicht etatisirt ist und darum immer
in einer anderen etat-Jinilssiireii Stelle den Dienst mitversieht, den Sanitätsdienst
eines Regiuieutes der Keginientsarzt (ein Uberstabsarzt) und den eines Bataillons
oder einer (Artillerie-) Abtheilung der Bataillons« odor Abtheilungsarzt (gewOlmlieh
ein Stabsarzt). Den Sanitltsassistenzdienst verriehten die Asaistenz^Unterftrzte und
einjährig-frei will iL'eii Aerzte. Ausserdem .steht bei je !er Oonipagnie, Eseadrnn und
Batterie 1 Lazaretli^ehilfe. Kine solche Zutheiluntr \on Saiiitüt^personal findet
auch in der Marine nach Massgabe der HesunderLeitcn dieses i heiles der be-
waffneten Macht statt.
Neben diesem Dienste in etatsmässigen Stellen wird das Sanitätspersonal
in den (Jarnisonslazarethen, die k"ine eigenen Aerzte und Lazarethgehilfeu haben,
verwendet. Und so wird jedes CiaruisonsUizareth von einem (Jiiefurzte geleitet.
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MILITÄRSANITÄTSPERSONAL.
503
Die grösseren Garnisonslazarethe fjliedern sich in Stationen , denen ebenfalls
Truppenärzte vorstebeD. Endlich werden auch die aütbi|ren assistiruaden Aerzte
und Lazarethgehilfen von der Troppe ab in die Lasarethe beMligt. Nur die
Krankwiwirter gehfteen inm SoliBtaade des Laiarethes und haben nrit der Tmppe
niehts zu than.
Ausser dem Sanitiltscorps und ausserhalb desselben wird da-; SanitSts-
perBOnal durch Krankenträger im Kriege und nur bei den Lazaretheu durch
Pharmacenten erweitert. Die Krankentriger idod entweder solehe der Sanitftts-
detaehements, oder Hilfskrankenträger der Truppen (4 bei jeder Compa?iiie).
Auf dem Kriep^sgchauplatze ist die oberste Sanitfttsperson und das Ür}?an
der Heeresleitung der „Chef dea Feldsanitätswesens^^ Er bildet die im grossen
Hauptquartier befindliohe Oeatralstelle fttr die Leitung des SanitStadienstes and
ist entweder Generalstabsant oder Generalarzt. Abwärts folgen die Armee-
abtheilung.'^firzte — Generalärzte — , die den SanitiUsdiennt bei einer aus mehreren
Ameecorps zusammengesetzten Armee ( Abtheilun^' haben und ärztlioh-teohnische
Referenten, sowie ausführende Orgaue der Obercommandos sind.
Unter ihnen atehen einerfieita die Corpeirite bei je einem Armeeeorpa
(Generalärzte oder Oberstabsärzte), andererseits die consultirendcn Aerzte, wissen-
schaftlieho Aiitoritfiten , die in nicht vorbestimmter Zahl zu Krie^szeiten ernannt
werden, um auf Verbandplätzen und in Lazaretben Hilfe zu leisten.
Weiter abwirts gehört dem Stabe einer Division der DivisionsarBt (ein
Oberstabsarzt) an. Als Organ des Divisionscomniandos leitet er den Sanitätsdienst
der Di\ i-ijdn , sucht in Erwartnnfr eines Gefechtes fceeignete L'nterkünfie für die
Verbandplätze uud Feldlazaretbe, Überwacht den Dienst der Verbandplätze und
den VerwnndetentraDsp<»it, vereinigt naob dem Gefechte zerstreute YerbandplAtie
nnd übersengt sicbf dass allen Verwundeten Beistand an Theil wird.
Die hierauf folireiidcn Sanitätspersonen kleinerer Tmppengemeinscliaften
entsprechen der darfjt-Ie^rten Friedensorjüranisation.
Ausser diesem Truppensanitätspersonal giebt es bei dem operircudeu
Feldheere solehea der SanititsdetaehemeDts und der Feldlasareihe. Den Sanitftta-
detachemcnts , die als (FeId-)Krankenträgcroompagn{en durch Oabinetsordre vom
21. December 1854 in das preussische Heer eingeführt worden sind, giebt es,
abgesehen von denen der Reservetruppentbeile, 3 bei jedem mobilen Armeecorps.
Diese Detaehementa folgen den Truppen anmittelbar in*s Gefedit nnd treten in
Wirksamkuit. sobald Verluste eintreten, indem sie den Hauptverbandplatz errichten,
diircli ihre Krankenträger die Verwundeten aufsnchen und letztere mittcli^t des
Transportniaterialcs der ärztlichen Hilfe auf dem Verbandplal^ze zuführen und
später von dort in Feldlazaretbe schaffen. Die verfüglichen Feldlazaretbe unter-
stfltzen die Sanitfttsdetaehements auf den Hauptverbandplätzen. Die Hauptaufgabe
der Feldlazaretbe, deren es IS bei jedem mobilen Armeecorps und in der Regel
^ bei jeder IJescrvedivision giebt, besteht darin , die während der Schlacht von
den Verbuudplauen uder unmittelbar von den Truppen kommenden Verwundeten
in mögliehster Nihe des Sehlacbtfeldes in Lazarethpflege zu nehmen.
Auf dem hinter dem operirendeu Heere liegenden Etappengebiet besteht
das Sanit;it«per,>!niial ans einem Etappenjrenernlarzt bei jeder EtappeninsfX'Ction.
Er steht unter dem Etappeninspeotor und dem Chef des Feldsanitätswesens und
leitet die Belegung, Ablösung, Leerong und Schliessung der Lazarethe seines
Dienstbereiches und die Verwendung der freiwilligen Krankenpflege in seinem
Gebiete. Sfine riiHt'iiliretiden Org.-iiie «ind die P"'eldIazarethdirectoren für die erst-
genannte .Aiitgahe, indem dieselben an Ort und Stelle den Krankeiidienst regeln,
stehende Kriegslazaretho und Etappenlazaretbe vorbereiten , Feldlazaretbe frei
machen fflr die Verwundeten des operirenden Heeres und mit Hilfe der Kranken-
transportoommissionei) dir K ranken vertbeilung leiten; andererseits Delcgirte der
Kta])peninspection, durch die der Etappen- GeneraUrzt die freiwillige Kranken-
pdege leitet.
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504
MILITÄRSANITÄTSPEBSONAL.
Zum Sanitätspersonal des Etappengebietes zählt darnach vortiberg:ehend
(U^jenige der noch nicht abgelösten Feldlazarethe, ferner zur Herricbtung stehender
KriegalasMethe ao Stelle «bgeUfster FeMlasurethe das KriesslaiareChpenonal, dM
dem bei jedom Anueeeorp-t niobilgemaehtea Feldlazarethdireirtor naterstellt irifd,
dpT dann aus dem Verbände des Armeecorps ausscheidet, um nun dem Etappen-
gebiete anzugehören. Dann gebort hierher das Sanitätspersonal der Etappen-
lazarethe, dasjenige der im Auäcblusse an die Etappenlaz&rethe «rricht^n Leioht-
kraakflnsammelatellan , das dea LaiaretlireMrvedepoCs (eine» bei jeder Elappen-
inspection), da? der Krankentransportcommissiou der Etappeninspection und endlich
da^enige der Sauit.ttszüge (I.azareth- oder llilfslazarethzfifre i und Krankcuzüge.
Beim Besatz uugsheere betiodet sich au Sanitätspersonal beim stellver-
tretenden Oeneraleommando ein stellvertretender Oeneralarzt, der den 8anitlt8>
dienst uacb den Friedensbestimmungen leitet, die Festlings-, Heserve . V'oreinslaza-
reth«; und Privatpflegestätten beaufsichtigt, sowie Ausbildung und Nachschub von
Sauitätsmannschaften überwacht. Unter ihm steht das Personal der genannten
HeUanetalten ; anch verwendet er die etwa verftiglichen chirurgiseben Oonsnlenten
Ihr grossere Lazarethe.
Die freiwillige Krankenpfle^'e wird im Felde von einem k. k. Commis-iSr
geleitet. Horselbo sendet nach den Hestimmungeu des Generalinspecteura des
Etappen- uud Eiseubabuwusens den Etappeninspectioaen , ausserdem auch im
Bedarftfalle gewissen Feldsanitfltsformationen and den einielnen dentsehen Staaten
und Provinzen Dclegirte zu. Das Pflegepersonal der freiwilligen Krankenpflege
bethiltigt sich bei der Krankenvertheilung aus dem Etappengebiete nach den
Keservelazaretheu und bei der l^ege der Kranken in den Reserve-, Etappen-,
Krieg»> und erforderlieben&Ils Fddlasaretbea. Aneb kann ibm die Herstelinng
und Unterbaltnng eines eigenen Lazarethiuges, selbst der Anschlnsn einer eigenen
Tran^wrtcolimiie an ein Sanitlitsdetachcmcnt ausnahmsweise bewilüfit werden.
B e u r t h c i 1 u ng: Der I mlaug, der für den Frieden und Krieg etats*
mässigen deutschen Militärärzte, 1 Arzt auf 250 Mann des Heeres, ist zur Zeit
als genflgend zu eraebten. Ob er die Ansprflebe kflnftiger FeldsOge de^en wird,
lfl8.st sich zur Zeit nicht übersehen und rau<s dt r Entscheidung der Zukunft
überlassen bleiben. Das Sanitiltsunterpersonal bedarf der Vernichrung , wenn von
demselben , wie us meines Erachtens zweckmilssig ist , die Sanitätsverpfleguugs-
beamten, die Pbannaoenten, das Anftiebtspersonal, die Krankenträger, die Ordon-
nanien , die Burschen der Saoitätsofßciere uud die Lazarethwachmaunscliaflen
zugleich niitzustellen sind. Das wOnscbenswerthe Verb<nisa dieses Personales tnni
Heere stellt sich dann wie 1 : f^O.
Erg&nsnng des Militlrsanitfttspersonales.
Die Erg.'lnzung des MiliUtesanitätsper.sonales . die den SolHiestand des
letzteren trotz der Abfritnsre auf seiner Hohe in <|uantitativer und qualitativer Be-
ziehung erlialten soll, ist lür da«» SaoitUtspersonal insofern ein lebenswichtiger
Vorgang, als nicbt nur seine Vollaablf sondern aneh seine Beaebaffenbeit und
LeistungsHlhigkcit und somit 8«ne Ebranstellung von der Art der Ergtnsnng
unbedingt abhängig bleibt.
Für das deutsche Ileeressanitätsporsonal erfolgt die Ergänzung thuils durch
Attsbebung (Krankenwärter), tbeils dnrcb Einjiihrig-FreiwiUige (Aercte), tbeils dureb
militirisch ausgebildete Mannsehaften der Truppen Krankenwärter, Lazaretb-
gebüfen unil Krank«-ntr:i<.'er . tbeils cndlieb dureb Capitulationsverträge (gediente
Lasaretbgehilfen umi Krankenwiirter .
Die Aerzte ergänzen sich nicht wie die Offieiere dnrcb sogenannte OfBeiers*
aepiranten, sondern tbeils durch fertig ausgebildete 2U%linge einer miiitärme^eini-
sclien Erziehungsanstalt, theils durch einjflhrig-frriwillige approbirte Mediciner,
naebdeiu Leide ("lassen von Medicinern vor ihrem Eintritte in das Sanitätscorps
6 Muuate bei einer Truppe mit Erfolg militärisch ausgebildet worden sind.
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MILITÄBSANlTÄTSPEBäONAL.
505
Der einjSbrig-freiwillige Arzt ist derjenige militardienstpflichiige und appro-
birte Arzt, der im Begriffe ist, seiner militärischen Dienstpflicht als Arzt zu
geoflgen. Will ein Arzt oder Medicinstudireuder nicht aU Arzt dienen, so darf
er ein ganzee lehr mit der Waffe dienen , wie jeder «ndere zum einjfibrig-frei-
wÜligen Dienst Berechtigte.
Die Dienstpflicht der Mediciner, die als Aerzto in das 5>anitatscorps auf-
günommen zu werden wflnschen, gestaltet »ich darnach wie folgt : Diese Mediciner
werden wthrend der 1. Bälfte ihrer einjährigen Dienstzeit zum Dienst mit der
Wnffe herangesogvn.
Die Anmeldung zu diesem einbalbjahrigen WflfTendicnst bei irgend einer
Truppe erfolgt fttr Aerzte und l'niversitätsstudirende nach den allgemeinen He-
stiuimuugeu über die VVehrptiicbt. Die Medieiner, die sich für die Marine melden,
werden %nm Dienst mit der Waffe in ein Seebataillon oder in eine der Matrosen»
artülerieabtheiluugen eingestellt.
Die rniversitiltastudirenden dürfen ihrer Waffendienstpflieht in jftdem
beliebigen Semester ihres Studiums genügen, während die Studirenden der militär-
inttKelimi Mldungsanrtdten Dir das erste 8<MniDenwaie«ter des Stndinms hAßh
halbjährig» Ausbildung mit der Waffe dem Qeneraleommando des Gardeeorps
überwiesen werdc'u.
Nach dieser Dienstzeit erhalten diejenigen Mediciner (Aerzte , Anstalts-
zöglinge oder Studenten), die nach Führung, Diensteignnng , Charakter und Ge-
sinnung ffir würdig, sowie nadi dem Grade der erworbenen Dirastkenntnisse für
geeignet erachtet werden , dereinst die Stellung militftrischor Vorgesetzter im
Sanitätsdienste zu bekleiden, vom militärischen Vorgesetzten hierüber ein Dienst-
zeugniss, das zugleich als Fuhrungszeugniss gilt und deshalb die etwa erlitteneu
sehwereren BestraAingen enthalten muss.
Wer dieses Dienstzeugniss beizubringen nicht im Stande ist, wird zum
Dienst als ein i:lbri<r-freiwilliger (Unter-) Arzt nicht zugela'isen, sondern muss sogleich
die übrigen 6 Monate seiner activen Dienstzeit mit der Waffe weiter dieneu.
Studirende der militftriiztUehen Bildnngsanstalten können in solchen Fällen aus der
Anstalt entlassen werden.
Ajtjinibirtc Aerzte, die erst als soleho ein Halbjahr mit der Waffe gedient
und das Dieiistzeuorniss erlangt haben , dürfen ihre sechsmonatige Dienstzeit als
Arzt unmittelbar an den beendeteu Waffendienst anschlicssen.
Stadirende der militKrintliehen Bildnngsanstalten, die das Dienstseugniss
erworben haben, werden naeh Beendigung ihrer Studien behufs Ableistung des
zweiten Theilee ihrer allgemeinen Cder einjährigen) Dienstpflicht als Unterärzte
bei der Truppe angestellt. An die Ableistung dieser ihrer allgemeiueu Dieustptlicht
sehliesst sieh die besondere fOr die genossene Ausbildung. Diese besondere Dienst-
pflicht besteht darin, dass die Zöglinge des medicinisch-chirurgischen Friedrioh-
Wilhelnis-Institii'cs doppelt so lan:re, als sie diese Anstalt besucht, activ zw dienen
habeu, während sich diese Dicust iauer für diejenigen, die daselbst (an der Akademie)
nur freien Unterricht genossen haben, auf die Hälfte Terrlugert. Das als Eiujäbrig-
Freiwilliger abgeleistete Dienstjahr kommt hierbei snr Anreehnuug. Wer vor
Erfüllung des 2. Semesters aus beregter Anstalt wieder ausscheidet, llbemimmt
keine besondere active Dienstptlieht.
Universitätsstudireode, die das Dienstzeugniss erlangt habeu, dürfen deu
noeh Übrigen seehsmooatigen Dienst als Arst nieht sogleieh fortsetzen, sondern
müssen vorher die Approbation als Arzt erlangt haben.
Behufs Krlaiiir ing- der ärztliclien Approbation werden Universitätsstudirende
nach einhalbjähriger Dienstzeit mit der Waffe und Erwerbung des Dienstzeugnisses
von ihrem Truppeueommandeur „unter Vorbehalt" (d. b. unter Vorbehalt der Ab-
leistung des Restes der aetiven Dienstpflicht) als „Lazaretbgebilfen der Reserve*'
mittelst Milit.'lrpa*s("^ und Ueberweisnnirsnationales dem Rezirkseonimando. in dessen
Bezirke sie ibreu Aufenthalt nehmen, und bei welchen sich die Entlasäeueu inuer-
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506
II ILITÄ RSANIT ATSPERS UN A L.
halb 14 Tag:en nach der Entlassung anEumelden haben, zur Aufnahme in die
CoDtrole Überwiesen und somit zur Reserve des Sanitätscorps beurlaubt.
Die fo EDtlanenen mflneo den Beat ihrer eetiven Dieaatpflieht splteetens
im letzten Halbjehre ihrer ZagehOrigkeit ram stehenden Heere oder iiir stehemdeii
Merine ableisten.
Sie haben daher bis spätestens Monate vor Ablauf ihrer Zugehörigkeit
zum stebeoden Heere oder zur stehenden Marine — das ist bis 1. Juli , sofern
die Dienstpflicht Im! der FrfllJalirBoontrolversuinilnng endete oder hin 1. Jinner,
sofern die Dienstpflicht bei der Herbstcontrolversammlung ihr Ende erreicht — sieh bei
ihrer Controlstelle zum Wiedereintritt zu melden. Antrüge auf Fristverlängerung
dürfen unter der Bedingung entsprechender Verlängerung der Dienstpflicht im
stehenden Heere oder in der stehenden Marine nnd in der Landwelir oder Seewehr
1. Aufgebotes ausnahmsweise höheren Ortes genehmigt werden.
Au« Rücksicht auf das Studium dürfen die im 5. und 0. Semester bcfind-
licheu, „unter Vorbehalt*^ entlassenen Mediciner auf ihren Antrag für den Mobil-
nachangsfall bis snr Beendigung ihres 6. Semesters hinter die letzte Jahresolasse
der Landwehr oder Seewehr 2. Anfgebotes surllekgestellt werden. Solehe Antrigi»
werden, niHrfMchend begTÜndct , unter Bcifd^uii^r lies Dienstzcufniij*se« und der
Universitittszeu^nisse auf dem ^aiiitiitsinstanzenwcfrü (durch das liezirkscomniando)
zum 1. Juni und 1. l)ecea:ber jeden Jahres dem t'orpsarzte oder Generalärzte
der Marine vorgelegt, der dieselben gegebenenfalls genehmigt. Die verfügte Znrflek-
stellung wird »n die MilitärpAasc und Ucbcrwcisungsnationale eingetragen und
bleibt auch beim Verziehen in andere Land wehr bezirke in Kraft, sofern die Fort-
setzung der Studien nachgewiesen wird.
Nach Beendigung dea 6. Semesten ihrer Studien dürfen die als Lasareth»
gehilfen uuter Vorbehalt entlassenen Mediciner durch Vermittlung des B«Eirks^
cfiminaiuLis, in dessen Controlc «ic stellen. hv\ dem Corpsarzte oder Generalärzte
der Marine unter Einreichung einir fie/ii-liobeu Hescheinigung der Universität
beantragen, für den Mobilmachungätall in stellen von Unterärzten verwendet su
werden. Im Oraehmignngsfalte werden sie nunmehr in den Landwehr^ oder See-
wehrstammrollen und Standesnaehweisen vorbehaltlioh ihrer Sjiftteren Ernennung
als Unterärzte {leffihrt.
Unterlassen unter Vorbehalt entlassene Mediciner — sei es, dass sie die
Prüfungen niebt bestanden, oder das Studium der Mediem aufgegeben haben ete. —
sieh nadi ihrem Au>stande bis zum festgesetsten Termin zum Wiedereintritt zu
melden, so werden sie (inr<'li das rk'/irksc(.mmando zum Pieiist mit der Waffe,
für das am 1. October uder am 1. April beginnende letzte Halbjahr ihrer Za*
gehörigkeit zum stehenden Heere oder zur stehenden Marine, einem selbstgewftblten
TruppeutheU oder demjenigen Seebataillon oder deijaiigen Matrooenartillerieab-
theilung, der sie im 1. Halbjahre ihre r Dienstzeit angehört hatten, oder auch dem
nächsten Truppentheiie ihrer Waffe Uberwiesen, um nach halbjftbrigem Dienste
Beurlaubte dieser Waffe zu werden.
Haben unter Vorbehalt entlassene Hedleiner wifarend ihres Ausstandes
die ilrzllicbe Approbation erlangt, und wollen sie nunmehr als Aerzte dienen, so
bezeichnen sie bei ihrer Melduni: der Landwelirlx liörde unter Vorb'L'nnir des Militär-
passes und des Dienstzeuguisses dasjenige Armeecorps, bei dem sie einzutreten
wünschen, worauf das Besirkseommando die CeberwelsuDg an den zustftndigen
Corpsarzt veranlagst, der demnlchst die Ueberweisnngslbte zurllekseudet.
Sodann melden >-ie sich zur Fin^telliinu' als Aer/.ff bei dem Corpsarzte
«ie-i L'ew.thlten Armeecorps oder dem (ieneraiarzt der Mariiir unter Vorle^'unir des
ApprubatiousÄcheiue.H (oder einer Abschrift) und des Dienstzeuguisses. Sie haben
zwar uieht die freie Wahl der Garnison und des Truppentheils , es werden jedooh
die Wnnsclie betreft's der Garnison besonders detiieriii.'en ^'ceenüber mOgliehst
bcrUcksielitiirf, die auf Hefr»rderung zu dienen bealjsiehtiireii. Werden sie aus<«er-
halb der Garaisuu ihrer Wahl zugleich zur Vertretung fehlender Aasistenzärzte
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MILITARäANlTATSPERS* )N A L.
507
eiogt'stellt oder verwendet. 80 wird ihnen unterärztliches Gehalt gewährt. Bei der
Marine werden sie zum Dieost als Unterärzte in eine der MatrosendivisioaeD
eingeätellt
Behufs Eintrittes in den aetben Dienst melden sie sieh bei der Land-
Wehrbehörde ab und bei dem nächst vorgesetzten Tmppenante und den Trnmwn-
tbeile an — beides unter Vorlegung des MilitiirpasaeB.
Nach VoIleudu|ig ihrer activen Dienstzeit treten sie als Unterärzte in den
Benrlaabtenstand über nnd erhalten bei der Entlassm^ an« dem aotlven Militir-
dienste vom Corpaarzte oder Generalarzt der Marine Militärpass, FUhrungs- und
Bcfähigungszeugnlss. Letzteres liisat sich darüber aus, ob die Unterärzte während
ihrer iJienatzeit zur Betürderung im Sanitätscorps sich geeignet gezeigt haben.
Wollen freiwilltge Unterärzte anf BefSrderong im Sanitatseorps dienen,
so dürfen sie schon nach den ersten 4 Wochen ihrer Dienstzeit vom Corpsarzte
zur Anst(lliin<r als (wirkliehe) Unterärzte des artiven DitMiststandes vorgescblafjen
werden. Da ihnen durch eine sulche Anstellung Anspruch auf die GebUhrnisse
ihrer Stellung erwiohst, so haben sie, bevor ihre endgiltige Anstellung erfolgt,
sieh in einem* Gapitnlationsprotokoll xu verpflIditeD, nnaier ihrer «llgemdnen Dienst*
pdidit noch mindestens 1 Jahr als Acrzte im stehenden Heere (activ) /u dienen.
Die ernannten l'uterärzte den aetivcn Dii nststaudes, die nun (Iberall ver-
wendet werden können, wo Bedarf ist, diirteu nach dreimonatiger Dienstleistung
bei der Truppe auf Antrag des rangJlltesten flrstliehen Vorgesettten — das ist
des Regimentsarztes, oder (bei selbständigen Bataillonen) des fiataillonsarztes, oder
(bei der Marine) des ältesten Oberarztes des MarinetbciN — und nach einfjeholter
schriftlicher Genehmigung des C'ommandeurs des Truppeutbeils, durch den zustän-
digen Divisionsarst oder Hartneiiatiottsmt nr Widil snm AsdstminVBie vor-
geschlagen werden, wenn sie vom Commandeur nnd dem flrstliehen Vorgesetsten fdr
geeignet zur BetVirdcT'.inn: erachtet werden.
Zur (Jrundlage für die Beiirtheilung der Würdijrkeit der zu Wählenden
dient neben der Erklärung des Truppeueommandeurs ein Zeugnis^ des Regiments-
arstes, das sich daliin nusllsit, dass die Vorgeschlagenen sowohl ihrer Fflbrung
und Diensfapplication , als auch ihrer , den Ansichten der Standesgenossen ent-
sprechenden moralischen Eigenschaften halber zur Beförderung pfiichtmässtg
empfohlen werden.
Hit Bffllhignngszeugniss versehene Unterinte des Beurlaubtenstmides
können das für die Wahl zum Assistenzarzte erforderliche oberärztliche Zeugniss
durch eine sech-u r.cliifre Dien^tleistiinfr als Unterärzte mit Geb(ihriiissen bei einem
Truppentheile oder einem Mariuet heile an Land erwerben. Das Nöthige beantragen
sie dureh die Landwehrbehörde.
Den „mit Befflhigungszengnissen versehenen Unterärzten" (Sanitfttsoffieiers-
aspiranteni steht bei ihrer Bcurlaiibuufj zur Keserve die Wahl df< Continj^entes
frei, in dem sie zum Snnilätfiofticier vnrfreschlaü'en zu werden wünschen. Das Be-
fähiguugszeuguiss hat nur tUr denjenigen Bundesstaat mit eigener Militärverwaltung
Oiltigkeit, zn dem das Bezirkseommando gehört, in dessen Controle der Aspirant
naeh seiner Entlassung aus dem netiven Dienste sich begiebt. £ine später etwa
gewflnsehte Ueberweisuni,' zu einem anderen lUindescontingente — sei dies auch
dasjenige Contingent, wo ursprünglich das Befiibigungszeugniss erworben worden
war — erfolgt unter Wegfall der Eigenschaft als SnnitAtsofiieiersaspirant. Die
Wiedererlangung dieser Eigensehnft ist von dem Ergebniss einer besonderen aeht-
wflehigen Uebung a1)liänfrifr.
Unterärzten der Landwehr wird vor ihrer UehcrfUhrung zur Landwehr
2. Aufgebotes und vor Aufforderung zu ihrem scbriftlichcD Einverstflndnisse mit
der Beförderung zum Sanitätsoffieier eröffnet, dass BefiJrderungen von Offieters*
aspiranten der Landwehr 2. Aufgebotes im Frieden grandi^fitzlieh nicht erfolgen,
nnd dass mit ErDenminj.' zum Landwehroflicier stets der Eintritt in die jUogste
Jabresclasse der Landwehr 1. Aufgebotes verbunden ist.
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508
MILrrÄRSANiTATärEBäÜNAL.
Saoitatsofficiere des Beurlaubtenstandes bleiben stets im Beorlaabteostande
desjenigen Bundesstaates, von dessen Contingentsherrn sie zu Sanitfttsofficieren
befördert worden sind. Beim Verziehen nach anderen Bundesstaaten mit eigener
lOlitIrTerwaltaiip oder b«tiB Tertiehen iii's Aiuhmd wird die Controle dnreh die
Vemiittliing eines Bezirkscommandos des eigenen Contingents eus°;efibt.
Die Versetzung der Sanitltsoftleicrp von der Reserve zur Landwehr erfolgt
durch den Bezirkscommandeur nach den Grundsätzen, die tülr die Dauer der Dienst-
pflieht gelten. Wer freiwillig in der Reserve zu bleiben wflnaeht, meldet dies dem
Bezirkscommendo. Nur wenn der Corpearst damit dnverstenden ist, unterbleibt
die UeberfOfarang zur Landwehr.
Die Versetzung der Sanitätsofficiero von der Landwehr 1. Aufgebotes zur
Landwehr 2. Aufgebotes erfolgt unter Voraussetzung erfüllter Dieustptliebt auf
eigenen Antrag, oder wenn das Oienittnteresse es gebietet; Jedoeh in beiden nur
zu den gesetzlioh Toigeeehriebenen Zeitpunkten durch VeifOgung der Besirks-
conunandeure.
Rdckversetzung von SanitiUsofliciereu der Landwehr 2. Aufgebotes in das
1. Aufgebot unterliegt der Genehmigung der bih^ten SaDitttsinstans.
UeberfUhrung von Sanitätsofßcieren des Beurlanbtenstandes zum Landsturm
findet nur auf (irnml Allerh^^chster Genehmigung der von ihnen einzureichenden
Abschiedsgesuche oder bezüglicher Anträge der vorgesetzten Behörden statt.
VerabscbieduDg der Sanitfltsofßciere des Beurlaubtenstaudes wird duroh
den Berirkseommandeur mittelst GesmdiUste beantragt, die dureb die hifdiste
Sanltitdnstanz behufs Allerhöchster Entscheidung zur Vorlage gebracht wird.
Anträge auf Entlassung aus der Staatsangehörigkeit dürfen Sanit&tsofiieiere
des Beurlaubtenstaudes vor ihrem Abschiedsgesuche nicht steilen.
^anitltsofiBdere der Reserve und der Landwehr 1. Au^botes bedOrfeu
sor Auswanderung der Erlaubniss, solche der Landwehr 2. Aufgebotes haben eine
lievorstehende Auswanderung dem Bezirkscommando anzuzeigen. Werden dieselben
wegen Unterlassung der Anzeige rechtskräftig verurtheilt, wird ihre Entlassung
aus jedem HilHarverhlltniss beantragt.
Die Dienstpflicht der Mediciner, die nicht als Aente, sondern ganx mit
der WaflI'e dienen oder gedient haben, ist folgende:
Auf Mediciner, die ganz mit der WaÜe dienen wollen , finden die allge-
meinen Bestimmungen für Einjährig-Freiwillige Anwendung. In der Marine dürfen
sie bei der Harindufanterie oder bei der Matrosenartillerie ihrer Dienstpfliebt genügen.
Erlangen Mediciner, die dem Sanitätscorps nicht angehören, erst im Be-
urlaubtenstande die Approbation, so haben sie der Lnndwehrbehörde, in deren Controle
sie stehen, hiervon behufs Ergänzung der Li&tcn uuverzUglich Meldung zu machen.
Solehe approbtrte Mediebier dürfen jedereeit dureh ihre Landwehrbehörde
ilire Ernennung zu Unterärzten des Beurlaubte tist indes beantragen. Ob solchen
Anträgen stattzugeben, riehtet sich weseutlieli naeh den Zeugnissen, die sle während
ihres einjährigen Dienstes mit der Watfo erworben haben.
Gehören solche Mediciner dem Beuriaubtcnstande als Officiere an and
wflnsehen sie Uebertritt In das Sanitlteeorps, so sind sie der Wahl tum Asrislens-
arzte nicht unterworfen und bedürfen sie also auch eines oberflrztlichen Zeugnisses
nieht. riimittelbar naeh dem ''von ihnen beim Bezirkscommando beruilragteu ! l eber-
tritte müssen sie jedoch in einem vou dem betretVenden Corpsarzte zu bestimmenden
Lssarethe mehrere Woehen Dienst leisten.
Im Mobilmaohungsfalle sind die Medieiner folgenden Bestimmungen
unterworfen :
Bei eintretender Mobilmachung werden alle wehrpilichtigeu Mediciner nach
Massgabe des Bedarfes zum Sanitätsdienste herangezogen.
Medicinstudirende, die noeh nieht, auch nicht mit der Waffe gedient und
Ausstand zum Dienstantritte haben . melden sieh im Mobilmachungsfalle äOgleich
bei der Ert^utzcommission, in deren Bezirke sie gestellungsptlichtig sind.
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HIUTÄRSAMlTÄTSPfiBSONAL.
d09
Haben aia noch nicht 6 Semester stndirt, so werden sie vorläufig von
der Aushebung zurückgestellt. Haben sie 6 Semester studirt , so sind sie ohne
weiteres ausserterminlich zu mustern, bei vorhandener Tauglichkeit sogleich ein-
zuberufen und nach Anordnung des betreflfenden Geoeralcommandos einem
InfaoterieerMittroppMitlidle dee Armeeoorp« sor Ansbildaag su ttbenretaeo. Ihre
weitere Verwendung im Sanititadienst hingt vom Bedarfe und Tom Orade ihr«r
Befähigung ab.
Demselben Ersatztruppeuthelle werden die Mediciner der firsatzreserve
ttberwiesen. Wenn sie im Krtogssanitfttsdienst Verwendung gefiinden haben, und
ihre Dienstleistung eine bestimmte Zeit Qberdauert, treten sie zur Reserve oder
Laudwebr des Sanitfttscorps fiber , und Bwar in der Kogel Aerato als Unterinte
und Studirende als LazarethgehiU'en.
Die nur Verwendnng als Militibrirste bettimraten Personen des inaetiTen
Standet, sowie die auf Dauer des Krieges zum AwiwiUigen Eintritt sieh meldenden
Oivilirzte werden durch die Corpsärzte unmittelbar einberufen.
Die Wehrpflicht der A p o t h e k e r ist mit folgenden Bestimmunfren frere^'-elt :
Zum Dienst als einjährig-freiwillige Militärapotheker werden nur solche
snm einjihrig^freiwHligen Dienst bereebtigte jnnge Lente angelassen, die naeb
erlangter Approbation als Apotheker ihrer activen Dienstpflicht intder Apotheke
eines Militärlazareths oder im hrfrienisch-chemischen Laboratorium des Friedrich-
Wilhelms-Instituts genügen woUeu 6, 21 H. 0.; pag. 348 d. F. ä. U.j Best.
T. 19. Min 1899 im A.-Y.-Blatt, 1892, pag. 65).
Das Gesuch um Einstellung ist an das Sanitiitsamt zn rlohten. Die Ein-
stellung erfol<rt, naehdem die Untersuchung auf Tangliebkeit snm Dienste ohne
Waffe stattgefunden hat (pag. 348 d. F. S. 0.).
Der Dieosteintritt kann, wenn Stellen frei sind, jederzeit erfolgen; doch
wird mOglkAst am 1. April vnd 1. Ootober flBr die Einstollmg festgshslten, nnd
darauf thunlichst geachtet, dass die Einstellung mehrerer Apotheker bei demselbea
Lazareth ete. nicht gleichzeitig erfolgt (§. 94 W. 0. ; §. 19-' G. 0. ; pag. 349 F. S. 0.).
i^ehufs Darlegung der Befähigung zum Oberapotheker hat sich der einjährig-
freiwillige Militirapotbeker in der lotsten Woebe seiner aeliveu Dienstzeit einer
mündlichen Prüfung sn unterwerfen. Wer diese besteht, tritt als Untorapotheker
io die Reserve Uber, zu welchem er diesfalls vom Corpsarzt ernannt wird (§§. 17%
21, 36" H. 0. ; pag. 352, F. S. 0.).
Der Corpsant ist bereehtigt, die Bmeonung znm Qnterapotbeker m rer«
sagen, wenn bestimmte Tbatsaehen die Würdigkeit des Betreflbnden beiweifeln lassen
(pag. 352 F. S. 0.).
Wer die Prüfung nicht besteht, wird als Militärapotheker zur Reserve
beurlaubt. Er kann sich nach Verlauf von mindestens einem halben Jahre bei dem
Sanititsamte, in dessen Bedrk sein Wohnort liegt, zur Wiederholnng der Prflfnng
im Gamisonsorte des Sanitätsamtes melden (§. Se^" H. 0.; pag. 352 F. S. 0.).
Die Entla-iBungspapiere (Militärpass , FUhrungszeugniss) der einjährig-
freiwilligen Militärapotheker fertigt der Corpsarzt aus (§. 17' * H. 0. ; pag. 352
d. p. s. 0.).
Uiiteraijotheker , die 2 Jahre im Benrlaubtenstande vorwurfsfrei gedient
haben und ihre Beförderung beim Bezirkseommando beantragen, können auf Vor-
schlag des Corpsarztes durch das Kriegsministerium zu Oberapothekern des Be-
urlanbtenstandes befördert werden (§. 36*<> H. 0. ; pag. 352 F. S. 0.).
Die Beleihnng eines Untsrapothekers mit einer etatsmisrigen Feldapotbeker-
Stelle bat die Beförderung desselben zum Oberapotheker zur Folge (t?. 36'° H. 0.).
Die zur Verwendung al3 Feldupotheker bestimmten Personen des inactiven
Standes werden im Mobilmachungsfalle durch den Corpsarzt unmittelbar einberufen
(§. 48* H. 0.).
Die VerabsebieduDg der Oberapotbeker des Benrianbteostmides ist bdm
Kriegsministerium zu beantragen (pag. 352, F. S. 0.).
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610
MILITÄBSANITÄTSPEBSONAL.
Die Er^äDznog der Laiarethgehilfen (der Sanitätsanterofßciere und
der SanitAts^ofrL'iten , wio man iptif militärischer bezeichnen könnte) geschieht
nicht durch Beförderung aus dena Stande der Krankenwflrter , Saoititsgemeinen,
'Wie man vermathen kftnnte, sondern lediglich durch Uehertritt von Mannsehaftea
des DieDBtetandes. Diese Mannedbaflen soUim sidi in dw Regel freiwillig snm
Sanitätsdienst melden und bereits ein Jahr mit der WaftV gedient haben. Melden
sich keine freiwillig, so werden v<im Truppenlhcile Mnnnsrliaften befehligt. Die
Mannschaften miläsen körperlich und geistig für den äanitätsdienst geeignet, von
guter Fflhnng Bein nnd dürfen noeh nieht mit Arrest bestraft sein. Es ist nieht
erforderlieli, daes sie derjenigen G(wipagnle ete. angehören, bei der eine Stelle
offen ist.
Der Oberarzt des Truppentheils hat mit den Leuten, die sich melden,
ebe Prüfung darflber ansnstellen, ob sie nach ihrer Sehulbildung nnd ihrem Be-
griffsvennögen befElhigt erscheinen, al» Lazarethgehilfen ausgebildet au werden. An
Vorbildung ist (Tfordorlich, dass die Leute deutsche und lateinische Dnickschrift
und deutliche Handschriften tiiessend lesen können , dass sie selbst eine leidliehe
Handschritt haben, nach Vorsprechen einigcrmassen richtig schreiben und mit den
▼ier einfaehen Reehnnngsarten reebnen können. Ist dies nidit üve Fall« so sind
vom Tmppenthdl andere geeignete Mannschaften zu bestimmen.
Zur Deckung etwaigen Mangels an Lazarethgehilfen des Beurlaubtenstandes
können Mannschaften, die sich mindestens ein Jahr bei der Truppe banden, zur
Ausbildung als LasarethgehOfen Uber den Etat befehligt werden. Diese wwden
naeh ihrer Ausbildung nieht in den Frontdienst snrflekgestellt, sondern alsUnter-
lasaretbgehilfen zum Sanitatspersonal der Keserve entlassen.
Die zur Ausbildung in abzuhaltenden (Jursen befehligten Mannschaften
heissen „LazarethgehilfenschUler^'. Solche, deren Ausbildung sich als unn)öglich
erweist, oder solehe, die sfeh sebleeht ftthren oder Strafen erlitten haben, die ihre
Beförderung unthunlich machen, sind in den Fh)ntdienst aurflekznstellen nnd werden
sogleich durch andere ersetzt.
Weiterhin vollzieht sich die Ergänzung der LazarclhgehiUen durch Capitu-
iationen gedienter Laaaretbgehilfen. Die Zahl der sniftssigen Oapitnlanteu betrigt
600 0 • joch ist den CorpsSrsten Überlassen , in dienstlichem Interesse die Ueber-
schreitung dieses Procentsatzes zu genehmijren. Oberlazarethgehilfen , mit denen
nach I2jahriger Dienstzeit ein Capitulatiunsvertrag nicht mehr abzuschliessen ist,
und «nf den bestimmnngsmissigen Prooentsats der Gapitnianten in Anreebnnng an
bringen, ebenso die als ReehnungsfBhrer befehligten Lazarethgehilfen.
Die Ergänzunir der Krankenwärter, die als solche nicht bei der
Truppe, sondern in den Lnx.arethen Dienst leisten, erIVdgt s », dass entweier eine
Anzahl (die zur Zeit in den Armeecorps zwischen 34 und 4'.) schwankt; Militärpflichtiger
jährlieh znm Dienst als KrankenuHrter ausgehoben, oder von der Infanterie ans
den Mannsebaften des 1. Diens^abres gestellt werden. Die Einstellung geschieht für
Lazarethe mit mehreren Wilrtern am I.April und 1. Oetober je zur Hüllte der verfflg-
lichen ^Vflrter. Bei unvorhergesehenem Abgang an Wärtern werden Mannschaften
der Infanterie zu jeder Zeit nnd unabhängig vom Grade ihrer Waffenausbildung
den Lazarethen als Wärter flberwieBen. Ueberdies können von den vorhandenen
W.'irtern alljährlich im Armrecfirps l?'»" zur C'apitnlatinn zii-relasseti werden. Die
active Dienstzeit beträgt fitr alle Wärter, mögen sie ausgehoben sein oder erst
später als solche eingestellt worden sein, im Ganzen 2 Jahre, und nur ausnahms-
weise darf sebon naeh 1 Jahre Beurlaubung zur Reserve stattfinden. Die Kranken*
wftrter der Marine ergänzen sich aus ausgebildeten Mannschaften des Seebataillons
und der Matrosenartilterie. die 1 Jahr mit der Waffe gedient haben, wenn erforder-
lich auch aus ausgebobenen Manuschuften.
Beurtheilnng. Wenn in eine Beurtheilnog der ErgSnsungsbestim-
mungen für das deutsehe Hilitirsanltltspersonal «Angetreten werden soll, so kann
der Unbefangene niebt verkennen, dass es der neueren Gesetzgebung darum an
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ltILlTÄBäANITÄTSP£RSONAL.
511
tiltui gewesen, nicht nur fertige, sondern auch möglichst tDchtige Aerzte zu ge-
winnen, diesen durch militftrigche Schulung das Heimntsrecht im Heere zu ermög-
lichen und sie in weiterer Folge zu V'orgesetzten derjenigen zu stempeln, flUr deren
Geeuiiilidt und Waffeofthigkdt sie mit verantwortUoh sind.
Diesen Fortschritten gegenüber stehen einige Mängel, die der jetzigen
Ergänzungsweise anhafiten und der Beesitignng bedürfen. Die wichtigeren
sind folgende:
1. Während sich im Allgemeinen die sum Einjährig- Freiwilligendienst
Berechtigten mit dem Eintritte ihrer Wehrpflicht eine Truppe wählen dOrfen, die
ihrer Neigung am meisten entspricht, ist es den Studenten der Medicin und den
Gymnasiasten, die Medicin zu studiren gedenken, als solchen, und anderen dem
Sanitätsberui'e zugcneigtou gebildeten Leuten nicht gestattet , unmittelbar in das
Sanitätseorps als Einjährig-Freiwillige einzutreten.
2. Das Sanitätscorps muss auf die Einstellung Dreijährig-Freiwilliger und
auf die Annahme von Satiitfltsnfliciersaspirnnten in der Weise, wie es für die
Truppen durchgeführt ist, verzichten und sieht sich damit zweier anerkannt werth-
volier Ergänzuogsquellen heranbt.
3. Obschon die militärlsehe Sehnlnng des Sanitätseorps zweifellos noth-
wendiir ist, ist die jetzijje zer-itreute Art dieser Schulung bei allen denkbaren
Waftenfrattiinjcen praktisrh von untergeordneter Bedeutung; sie ist ZU wenig ein-
heitlich und übersieht die Bedürfnisse des Sanitätsdienstes.
4. Es muss die Bestimmung, das« Officiere des Beurlaubtenstandes, falls
sie ihrem Civilberufe nach Aerzte sind , gegen ihren Willen gezwungen werden,
im Bedarfsfalle (zn Kriegszeiten i zu sanitären Dienstlei'^tuno^en sich verwenden zu
lassen, dem i:)auitätäcurps eine Schaar unzufriedener Elemente zuführen — um so
mehr, als der Uebertritt ans den OfBderon der Waib su den Sanltttsoffieieren
nadi den jetzigen Roehtsunterschieden beider OfBctenelassen mit einer Verminderung
der persönlichen iNetue verkTifljjft i^t.
Die Mittel der (ie.setzgebung , von welchen ich mir eine Erhöhung der
Vortheile und eine Verminderung der Nachtheiie in der Ergänzung des Sanitftts-
offieierseorps versprechen mOehte, sbd folgende:
1. L'nter Anwendung der bestehenden allgemeinen Militärgesetzgebung
auf das Sanitiltseorps jrestatte man jungen Leuten jeden Berufes den freiwilligen
Eintritt in das Sauiiatäcurpä bis zu einer etatsmäasig festgesetzten Höchstzahl.
2. Die Freiwilligen des Sanitätseorps seien theils Sanitätsoffieiersaspiranten,
theÜB Einjährig- oder Dreijährig- Freiwillige Sanitätssoldaten.
H. Wer als Sanitätsoftieiersaspirant in das Sanit.ltscorps eintreten will,
muss mindestens das lieifezeuguiss eines Gymnasiums (oder Kealgymnasiumäj bei-
bringen und erhält beim Eintritte den Rang eines charakterisirten PorteptofUinrichs.
4. Nach sechsmonatiger ProbediensUeistnng werden die nach Qesinnung
und Ijeistunir ;^eeiirrieten Sanitätsoffieiersaspiranten zur Erlangung des von der
ärztlichen Approbation HltbänfriiTcn S;initätsoffieierKputentes zn einem vierjährigen
Curse an eine deutsche militärmedicinische Akademie (in Berlin) befehligt. Hier
werden sie nach bestandener ärztlicher Vorprflfhng su wirkliehen Fähnrichen ernannt.
5. Einjährig -Freiwillige Sanitätssoldaten erhalten wie die Sanitätsoffieiers-
aspiranten . jedoch ein Jahr lang . fortlaufend eine militärische , eine sanitär-
adminiätrutive und eiuo rein sanitäre Ausbildung und werden nach erfüllter activer
Dienstpflicht geeigneten Falles als SanitätsunterofBeiere in die Reserve entlassen.
6. Studiren diese Unterofficiere weiterhin in der Reserve Medicin und
haben sie die ärztliehe Vorprüfung (l'hysicumi bestanden, oder studiren sie Phar-
mscie und haben sie die pharmaceutische Approbation erlangt, oder bilden sie
sich im Verwaltungsfache aus und bestehen sie eine der höheren (noch naher
m bestiflUBenden) Verwaltnngsprtfungen , so dflrfeD sie in ^ner «ehtwOeUgen
militärsanitären üebung ihre Eignung zn Sanitätaviecfeldwebeln darthun und
hierauf ihre Ernennung zu solchen erwarten.
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IUUTABiSAlIITÄTSP£RSONAL.
7. Mediciner, die Sanititsvieefeldwebel der Reserre siod, dürfen nadi
ihrer Ärztlichen Approbation in einer zweiten achtw(»ehipren Uebnnj; ihre
EigouDg zu ReserveaanitAtsoffioierea aacbweisea und ihre Wahl und Ernenaun^
ra soklien erwarten.
8. Der Ucbcrtritt von Sanitfitsofficieren oder Sanitätsoberbeamten der
Reserve in das active Sanitiitscorps ist unter den nUgemeinen fOr die Truppen
bestehenden Bedingungen zulässig.
Die jetzige Ergänzung des Sanititsnnterperaoniles zeigt folgende
Sehattenseiten :
1. Durch drn Umstand, dass die Lazarethgehilfen und Krankenwärter
ebenso wie das militiirischt' Aufsichtsperaonale der Lazarethe , die Krankonträger,
die Ordonnanzen im Öanitatsdienäte, die Burschen der 8anitätsofüciere und die
Lasarethwaehmannsdiaften aus den Leuten der Waffe gestellt werden, werden der
Truppe Jahr aus Jahr ein waflentUchtige Leute entzogen, während sich zu allen
mittelbart'n und unmittelbaren Sanititsdienstverrichtunjren schon (bedingt taugliche)
Leute eignen, die mit allen Eigenschaften eines waffenfähigen Mannes nicht aus-
gestattet SU flsin bfaneben.
2. Dieser Verlust ist für die Waffen um so empfindlicher, als jetst uur
sittlich und geistig befähigte Leute in das Sanitat^cdrps tibertreten dürfen, w.thrend
eine Ergänzung auf breiterer Grundlage auch dem weniger Begabtt n seinen Plats
(z. B. als Krankenträger, Officiersbursche, Wachposten etc.) anwcitieu würde.
8. Da der Sanitfttsdienst zur Zeit nur erinrobte Leute haben will, die
Truppen aber für den WatTendienst solebe Leute lieber behalten wollen, so besteht
dauernd ein WiderKtreit der Interessen, der mit der ndnderwerthigen Eirgiunng
des Sanitätscorps zu enden ptlegt.
4. Da die in das Sanititseorpa Eintretenden bis au einem Jahre mit der
W* äffe gedient haben müssen, so bleibt von ihrer aetiven Dienstzeit zu wenig Zeit
flbrig, um sie in allen Zweigen des Sanitätsdienstes gehörig durchzubilden.
5. Da die Lazarethgehilfen nur bis zum Sergeanten befördert werden
können und die Oberbeamtenstellen im Sanitätsdienste ihnen als solche verschloflsen
bleiben, und da die Krankenwärter, so vorzflglieh rie aueh sein mdgen, ttberhaupt
nicht aufsteigen kOnnen, so fühlen eich die Leute ihren Waffenkameraden gegen-
über bcnachtheiligt — ein L'nistand, der besonders befähigte Leute vom Sanitita*
Corps fernhält und die Ergänzung desselben erschwert.
Alle diese Naehtiiwle wdrden dnreh die Annahme folgender Erglnsung»'
vorsehllge beseitigt werden:
1. Das Sanitätsunterpersonale ergiinzt sieh durch die jährliche Aushebung
einer bestimmten Zahl bedingt tauglicher Leute und durch die Annahme Frei-
williger seitens des Sanititseorpa in «dner dem Bedarfe entapreehendra HOehstsahl.
2. Beide Gruppen von Ersatzmannschaften werden unmittelbar in die
Garnisonsla/arethe eingestellt, wo «6 miUtSriseh uud in allen Zweigen des Sanitlta-
dienstes ausgebildet werden.
3. Minderwertbige Leute, die sich als betürduruugäuufuhig erweisen,
bleiben Sanitfttasoldaten und werden cur niederen Kraakenpfiege (als Eraaken-
wirter oder als Krankenträger im Felde), sowie zum Ordonnanc- und Wachdienst
in Laaarethen otc. und als Burschen von Sanitiitsnfticieren verwendet.
4. Mit gutem Erfolge ausgebildete und zur Betlirderung geeignete Leute
werden Saaitittgefreite und SanititaunterofBeiere und als letstere tbeils im Sani-
tätsdienste der Truppe, theils im Ansbildungs-, Aufseht rdienste , Oekonomie- und
SchreihilieiHte des Lazarcths verwendet. In diesen Dienstaweigen können sie bis
zum Sanität^sergeanteu aufsteigen.
5. Die bewährtesten Sanitätssergeanten des Lazareths rücken in offene
Stellen von Sanitttsfeldwebeln, mit denen alle LaiarethreehnungsfUhrertteUeii, die
es giebt, zu besetzen sind, auf und haben nach der Ablcgung einer Verwaltungs-
prttfung Anwartschaft auf die Ernennung zu Oberbeamten (Lazarethinapeetoien eto.).
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MILrPÄBSAMITÄTSPERSONAL.
613
Beehtsstellnng des MilitlirtAnititsperaottalei.
Die dentadbeii MiUtlrlrste, LaseretbgehilAit und Erankenwftrter, die
1873 in mehrere „SanitätaeoriM*^ vereinigt sind, gehören nicht zum Beamten-
Stande, sondern zu den Personen des Soldatonstandes. Innerhalb eines Sanitäts-
eorps bilden die im Officiersrange stehenden Aerzte das Sanitätaufticierdcorps, das
in Beinen Rechten und Pflichten neben dem Officiersoorps des Heinrea und der
Marine steht
Der Rang der Sanit.'ltaoffieiere ist für den Oeneralstabsiirzt der des
Generalmajors, für die Generalärzte I. Cl. der des Obersten, für die General-
ärzte II. Ci. der des Oberstlieutenants, für die Oberstabsärzte I. Cl. der des
Majors, für die Oberstabelnte n. Gl. imd Stabsinste der des Hmpkmaims, Ittr
die Assistenzärzte I. Cl. der d^ Ptemierlientenaiits und für die Aaristensinte
iL Cl. der de^i Secoudelientenants.
Höhere Rangstufen ptlegen dem Generalstabsärzte und den ältesten
QeneraUnten I. Gl. persOnlieh verliehen zu werden.
Die Unterärzte und einjährig-freiwilligen Aerzte haben den Rang von
Porteep^eunterofncieren, die Oberlazaretligehilfeu den des Sergeauts, die Lazareth-
gebilfeu den des Unterofficiers ; Unterlazarethgeliilfen (^Gefreite), Lazarethgehilfen-
schQler und Krankenwärter sind Gemeine.
Die SanitttsofBeiere sind Torgesetcte der Uateroffieiere nnd Soldaten,
sowie in Lazarethen Vorgesetzte des Beamten- und Wartepersonalea. Wird ein
Unterarzt in unmittelbare dieustiiehe Beziehung zu den vorgenannten Militärpersonen
gesetzt, so tritt auch er zu denselben in ein Vorgesetztenvorhältniss ; doch ist
hiermit eine Unterstellonfr ^fif Feldwebel, Vieefeldwebel und Porteöp^eOhnriehe
unter die Unterärzte uiebt beabsichtigt.
Den Sanitätsofficieren gebühren, sobald sie in Uniform erscheinen — und
dies müssen sie stets im Dienste, während sie sich ausser dem Dienste derCivU-
kleidnng bedienen dürfen, um in der Ansflbnng der OinfpraiiB weniger besehrlnkt
zu sein — , von einzelnen Mannsehafteu, Posten und deren Ablösungen, dieselben
iiiilitJtrisrhen E h r en b e z e u gti n g e n Wieden Officieren des entsprechenden Ranges.
Unterärzte und einjährig-freiwillige Aerzte sind als Unterofficiore , welche das
Seitengewehr der Ofiiciere tragen , von allen übrigen Uuterofiiciereu beim Be-
gegnen militlriseb su begrflasen, aber aueh xam H<mnear des FrontmaelMna gegen*
Aber ihren militflrlselien Vorgesetsten verpfliditet (Armee - Verordnungsblatt,
1885, Nr. 3).
Ferner werden den Sanitätsofticieren iSoldateu aus Reih und Glied als
Bvrsehen gestellt, und swar den rrghnentirten Sanltltsoffieleren seitens ihres
Trnppentheiles und den nieht regimentirten, z. B. den Corps- und Gamiaonslrsten,
seitens des Garnisonscommandos ; die.so Burschen sind nach dem Ermasscn der
Compaguie insoweit zum Dienste heranzuziehen, als es zu ihrer Ausbildung erfor-
derlich ist. Dagegen sind die Burschen der im Offieiersrange stehenden, sowie der
dienstlieh berittenen und der nieht regimentirten, beziehungsweise von ihren
Truppontheilcn abcommandirten Sanitätsofiiciere der niedrigen Chargen vollständig
dienstfrei: dies schliesst jedoch nicht aus, dass diese Mannschaften in grösseren
Garnisuueu monatlich einmal zu einem Löhnung$appell auf längstens 2 Stunden
henageiogen werden.
Ein weiteres, den älteren Sanitätsofticieren des aetl?en Dienststandes zu*
kommendes Recht ist das, dass dieselben nach 25j.'thriger vorwurfsfreier Dienstseit
zur Verleihung des Dienstkreuzes in Vorschlag zu bringen sind.
Ferner steht den Militlrirztai in bestimmten Grenzen das Reeht der
Benrlavbang Untergebener zu. Die einschlagenden Bestimmungen sind folgende:
Sämnitlielie Milifflr.lrzte aller Grade kiinnen nur mit Genehmigung ihrer
Militärvorgesetzten beurlaubt werden. Diese Genehmigung zur Nacbsuchung eines
Urlaubes haben die Militärärzte bei dem nächsten militärischen Vorgesetzten ein-
snholon. IHeser kann bei grosserer Entfernung dee militirlrztliehen Voigesetiten
XiMfolop« JalirMkiliar. III. 33
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514
HIUTÄfiSANITÄTSPEßSONAL.
und in dringenden Fallen dem untergebenen Militlrante auch den Antritt des
nachg'esuchten Urlaubes auf eigene Verantwortung gestatteu. Auch darf der
milit&rische Vorgesetzte einen Urlaub von Tagen bewilligen, wenn der nächste
uiUtlxinUkthe Torfewtete aiebt mm Orte deh bdlndet, und erhalt der Torgesetste
Militiraist in dieeem Falle nur Meldung vom Antritte des Urlaubes (Armee-Ver-
ordnangrsblatt 1P79, pag. 22f)l. Andernfalls aber sind die Urlaubsgesuche an den
nächsten militärärztlicben Vorgesetzteu zu riebtea uud haben die Anfjabc zu ent-
halten, dass der nächste Militärvorgesetzte (höhere Vorgesetzte kummeu hierbei
nicht in Betracht, Amiee*Verordniingebl. 1877, Nr. 9, Bdlage) iMln Bedenken
gegen das Gesuch erhoben habe; bei uberen Militärärzten aneh ^e Anzeige , in
welcher Weise sie für ihre Vertretung gesorgt haben.
Beztlglich der Urlaubsdauer setzen die Urlaubsbestimmungen vom 23. Octo-
ber 1879 (Armee-Verordnnngsbl. 1879, Nr. 24) Folgendet fest:
Saoitätsofiiciere (mit Ausnahme derjenigen des Kiiegwnmisterinma), üntar-
Ante und einjährig frei will ifre Aerzte erhalten Urlaub:
vom Generalstabsarzte der Armee bis 8 Monate;
von dem Corpsgeneralarzte, beziehungsweise dem Subdirector de» Friedrieh-
Wilhelma-Institntee bis an 1 Monat;
von dem nächst vorgesetzten Oberstabsarzte, beziehungsweise wenn der
vorgesetzte Stabsarzt einem Kegimentsarzte niobt untersteht, von dieeem Stabsarste
bis zu 14 J agen ;
von einem detaeUrten Stabsarste bis xu 8 Tagen.
Den Chefinten in den Friedenslazarethen ist eine Mitwirkung bei der
Urlaubscrthcilung an Obormilitilrärzte, auch wenn letztere als ordinirende Aerzte
im Lazarethe Dienst leisten, nicht beigelegt, und ist deshalb für die ordinirendea
Aerste m einer beabsichtigten Benriaubnng das Torherige Einverstindniss des Chef*
arates nachzusuchen nicht erforderlich. Es ist aber Sache desjenigen Regiments- ete,
Arztes, welchem das Urlaubsrecht zusteht, die Urlaubsertheilun^ nur dann ein-
treten zu lasseu , wenn er sich pflichtmilssig , uud zwar unter Umständen auch
durch eine vorherige H Ucksprache mit dem Chefarzte, die Ueberzeugung verschafft
hat, dass der IMcnst des zu beurlaabenden Arztes nach jeder Richtung hin» »Iso
auch im Lazarethe, sidiragestellt ist (Armee- Verordnangsbl. 1877, Nr. 6, Bei-
lage, pag. 4).
Sanitätsofliciere des Kriegsministeriums werden nach den für Officiere
des letzteren geltenden Bestimmvngen beurlaubt.
Oesuche um längeren Urlaub, als nach dem Vorausgehenden bewilligt
werden darf oder mittelst welcher eine (Iber das Reglement hinausgehende Ge-
währung von Gebuhrnissen erbeten wird, unterliegen der Allerh(k:bsten Entscheidung.
Während der Kriegsformation ist die Benrlnnbung von Sanitätsofßcieren,
Beamten und Mannschaften, sofern dieselben nicht zur Wiederherstellung der
Gesundheit unbedingt nothwendig wird, im Allgemeinen nicht zulässig'. Indessen
sind die commandirendcn Generale, der Generalinspector des Etappen- und Eisen-
bahnwesens uud die Commandeure selbständiger Divisionen ermächtigt, in einzelnen,
dringenden Fällen und zu gelegener Zdt (z. B. wllirend einer lingeren Waflfen-
rulie) Beurlaubungen von kurzer Dauer eintreten zu lassen, sowie auch zu gestatten,
dass die ihnen untergebenen licfclilshaber innerhalb bestimmter, durch die com-
mandirenden Generale etc. festzusetzender Grenzen Urlaub ertheilen (§. 17 der
KriegesanitltMndnung).
Commandirte Militärärzte suchen einen Urlaub, weldier die Dauer des
Commandos nicht ftberschreit^t , bei denjenigen Vorgesetzten nsehy welchem sie
durch das ComniHndo unterstellt sind.
In ein Lazaretb commandirte Mannschaften, einschliesslich der Lazareth»
gehilfen, werden von den militlrisehen Vorgesetzten nach Zustimmung des Olief*
erstes beurUnl>t. Befindet sich der nächste, zur Beurlaubung befugte militärische
Vorgesetete nicht am Orte, so dttrfen CheCärzte in dringenden Fällen den Antritt
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HILlTiRSANITATSPBltSONAL.
515
Urlaubes gestatten. Die Genehmigung des militäriscbeo Vorgesetzten musa
in Mloben ftlüen naebtrilgUeh herbe igcfahrt wvrden, weno d«r angetretene Ürfanb die
Daner von 3 Tagen abenebreitet (Ärmee-Verordnnngsbl. 1879, pog. 228 und 229).
Die Beurlaubung nicht commandirter Lazarethgehilfen erfolgt ebenfalls durch die
militÄrischen Vorf^esetzten mit Einverstündniss der militär.lrzllichen V^orgeietzten.
Militärkrankenwärter werden von ihren ärztlichen Vorgesetzten« und zwar
▼om Chefonte bis zn 14 Tagen, vom Corpsarzte bis zu 1 Monat nnd vom General-
stabsärzte bis zn 3 Monaten beurlaubt Commandirte Krankenw.irter stieben einen
Urlaub bei denjenigen Sanit.ttsofficieren nach, denen sie durch das Curamando
unterstellt sind. Zu Civilbehörden commandirte suchen nach Zustimmung dieser
Beb5rden bei dem Chefärzte nm Urinnb naeh; befindet sich letzterer niebt an
demselben Orte, so ist das besllgUeh der Lazaretbgehilfen Gesagte in gtoehem
Sinne niaR<<gebend.
£in Recht, weiche» den Of^ciersrang des Inhabers zur Voraussetzung hat,
jedoch nur mit bestimmten Dienststellungen verbunden ist, bildet das Strafrecht.
In dieser Beziehung ist es Grandsats, dass das letztere gegenflber dem Sanitats-
personale von den militärischen und niilitär.lrztlichen Vorgesetzten ausgeübt wird,
80 zwar, dass in dem Bereiche der ärztlichen Be-<trafung die gegen die Autorität
der ärztlichen Vorgesetzten und die Kraukendienstvorschriiton begangenen Ver>
stösse fallen.
Mit dieser Diftciplinarstrafgewalt sind ausgestattet der Generalstabsarzt,
die Generalärzte, die rcldlazarethdirectoren. die Üivisions- und Marine-Stationsärzte,
die Chefärzte und die ersten Stabsärzte des Sanität^dutaebemunts. Unterworfen sind
dieser Strafgewalt ausser allen Aerzten die Zöglinge der militlrirstGohen Bildungs-
anstalten, Lazaretbgehilfen, militärischen Krankenwärter und Lazaretbbeamte, ausser-
dem derjenigen der Feldchefärzte die fdr den Lazarethdienst beHtimmfen nnd die
kranken Untcrofficiere und Gemeine 46, GO, 102, 108, 133 und 145 der
Kriegssanitätsordnung).
Behnft Anfreehterbaltnng der Diseiplin in ihrem Dienstbereiehe ist dem
Generalstabsärzte der Armee die Discipliuarstrafgewalt eines Divisionscommandeurs,
den Corps- und dem Subdirector des medicinisch-chirurgischcn Friedrich Wilhelm-
Institutes diejenige eines Kegimentscommandeurs, den Divisionsärzten und den Mariue-
StstionSIrzten diejenige eines nicht selbstindigen Bataillonscommandenrs, den Chef-
Irzten der Friedenslazaretbe diejenige eines nicht detachirten Compagniechefs beigelegt.
Im Felde ist der nipf des Feldsanitätswesens der directe Vorgesetzte des
gesammten Sanitätspersonales auf dem Kriegsschauplatze und hat Uber dasselbe
die DisdpUnarbefiigiuas eines Divirionseommandenm 19 der Kricgssuitätsord-
nvng). Der zn jedem Armeeoberoommando gehörige Armoegeneralarzt ist der
directe Vorgesetzte des Arineesanitätspersonales und hat (Iber dasselbe die Straf-
befugniss eine« Brigadeeommandeurs (§. 20 der KriegssaniUltsorduuugj ; ihm unter-
steben unter Anderem auch die consultirendeu Chirurgeu (§. 22 der Kriegasanitäts-
ordnnng). Der Chefarzt des Feldlazarethes hat niebt nur tlbw seine Aerzte, Ltszareth-
gehilfen, Mflitärkrankenwärter und Beamten, wie der Chefarzt des Oaniisons-
lazarethey«, sondern auch über die fdr den Dienst bei dem Lazareth bestimmtun und
über die in demselben betindlicben kranken Unterofliciere und Gemeinen die Straf-
gewalt eines niebt detaehirten Compagniechefs ( §. 60 der Kriegssanititsordnnng). Die-
selbe Strafgewalt dt s t rsten Stabsarztes eines Sanitätsdetacheiiicnts erstreckt sich nur
auf die Aerzte, den Feldapotheker, die Lazarethgehilfen und die Militärkrankenwärter
des Detachements (§. 46 der Kriegssanitätsordnung). Der Feldlazarethdirector jedes
Armeeeorps ist in dem ihm von seinem Etappengeneralarzt zugewiesenen Dienst*
bezirke der directe Vorgesetzte der Aerzte, Beamten und des anderen Sanitits-
personales und bat die Disciplinaratrafbefugniss eines Divisionsarztes (§. 102 der
Kriegssanitätsordnung''. Den Chefärzten der ..stclu-nden Kriegslazarethe" geht die
Strafgewalt Uber die im Lazareth bulindlichen kruuken Uuterofticioro und Gemeinen
•b (§.108 der Kriegssanitttsordnnng).
33*
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ölt)
MILITABSAMITATäFKBäONAL.
Ueber das zu einer Krankentransportoommission gehörige Personal hat
der Chefarzt die Strafgewalt eines Feldlazarethchet'arztes i i?. 1;{S der Kricgasanitäts-
ordnungj. Auf einem Lazaretbzuge hat der Chefarzt Uber das ärztliche Personal,
die LuMrattig«hUfen, Hflittrknuikeiiirlrtw und die ftr den Dienst bei dem
Lazarethzuge bestimmten üntefoffideve und Gemeinen die Strafgewalt eines nicht
dctachirten Compagniechefs ; gegen das im Vertrags Verhältnisse befindliche Lazareth-
zugpersonal steht ihm im Falle der Widersetzlichkeit oder grober Pflichtverletsun^
das Redit sofortiger GntlaasuDg sn (§. 145 der KriegBsawItttsoidnmig).
Wie gross das Strafmass der mit Strafgewalt aosgestatteCen Dienststellen
ist. wird ans den einschhigenden Gesetzen und Verordnungen gonligend ersichtlich,
und möge deshalb nur beispielsweise die Kennzeichnung der chefarztlichen Straf-
gewalt schliesslich kurz Erwähnung finden. I>er Chefarzt ist berechtigt
1. gegen SanitiUaoffieiere: Za dnfiMdu» nnd Annliehen Yerwdsea (f. 8
der Diseiplinarstrafordnung).
2. Gegen Oberbeamte:
a) Zu Warnungen und einfachen Verweisen (§. 12 der Diseiplinarstrafordnung)}
h) SV Geidbnssen bis 9 Harle (§. 87 der Diseiptmarstrafordniing, §. 11 der Be-
stbnmnngen, betreffend Einführung der Chefärzte, 123 des Reiehsbeanten-
gesctzes vom 31. M.irz 1873, §. 60 der Kiiegsaanititsordnaog) ;
c) zu vorl.liifiger Amtssuspensiun.
3. Gegen Unterärzte (§§. 3 und 4 der Diseiplinarstrafordnung):
a) Zu dnfaehen, Ärmlichen und strengen Verweiseii;
h) zu Aufpflegung gewisser Dien st Verrichtungen ausser der Reihe;
c) SU Kasernen-, Quartier- oder gelinden Arrest bis zu 8 Tagen.
4. Gegen Untermilitärbeamte, z. B. Pharmaceuteu, Civilkrankenwärter etc.
(§. 44 des Militlrstra^eeetoes und §. 83 der DiseiplinantcBfordmuig} : Zn ein-
fadien Verweisen und zu den in Punkt 3c erwähnten Strafen.
5. Gegen Oberlazarethgehilfen und Lazarethgehilfen : SU (aosser den im
Punkt 3 erwähnten Strafen) Mittelarrest bis zu 5 Tagen.
6. Gegen Unterlasarethgehilfen, Lasarethgehilfensdillter nnd Krankenwlrter .
(§i;. 3 und 9 der Diseiplinarstrafordnung, Armee-Terordnnngsbl. 1876, pag. 77):
a) Zur Auferlegung gewisser Dienj>tverrichtungen ausser der Reihe ' Strafwaehen
bis 2mal, ätrafarbeiten bi8 4mal. Erscheinen zum Rapport oder Appell bis 6mal) ;
h) Entziehung der freien Verfügung über Löhnung bis zu 4 Wochen;
e) Auferlegung der Bflekkeihr sn bestimmter Zmt in die Wobnung bis 4 Woeben ;
a) Kasernen-, Quartier- oder gelinden Arrest bis sn 8 Tagen ;
9) mittlerer Arrest bis zu 5 Tagen;
j) Strenger Arrest bis zu 3 Tagen.
Den Militärtrsten ist die Tfaeilnahme der am 25. Mai 1887 (in Preussen) ein>
geführten ärztlichen Standesvertretuog gestattet (veigl. Armee-Verordnungsbl. 1887,
Nr. 27). Nur ist die Annahme einer Wahl von Sanitätsofficieren de?< Friedens-
standes zur Aerztekammer von der einzuholenden Erlaubniss des zuständigen Vor-
gesetzten abhängig, und unterliegen die Militärärzte des Frledensstandes den
DisdpImarbefngniBsen des Vorstandes der Aerstekammwn nieht.
Zu den bedingten Rechten des Sanitfltscorjis gehOrt das der Beförderung.
Die Befrirderuüg zum Unterarzt ist an die Bedingungen geknüpft , die in dem
vorausgehenden die Ergänzungsbestimmungen abhandelnden Abschnitte dargelegt
worden sind. Die Befi^rdemng cum SanitftsofBder aber ist obendrein von dem
Ausfalle einer von den activen Sanitätsofficieren vorsnnehmenden Wahl abhängig.
Die Wahl znm Assistenzarzt erfolgt in einer durch den Divisionsarzt
anzuberaumenden Versammlung der in seiner Garnison behndiiohen Sanitätsoffi eiere
der DiTisiottf sowie der Aerste der niebt im Divisionsverbande stehenden Truppeu-
tbeile, Behörden etc.
In der Marine bilden die Acrzte bei den Marinestationen einen gMneift*
samen Wahlverband nnd leitet der älteste Marinestationsarzt die Wahl.
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MUITÄBSANITÄTSPBBSONAL.
517
Dmdi die Wahl erklüren die Sanititaoflleiere der Dlnrion, daas sie den
Yofgeeehlagenen fflr würdig: erachten, in ihre ^fitfe zu treten.
Die Ernennung zum Sanitätsofficier, und zwar zum Assistenzarzt II. Classe,
findet auf Vortrag dea KriegBmiuiateriums durch allerhöchste Verfügung uuter
Yerldhnng eines Patente« statt.
Bei den Vorschlflgen zum Aufrflcken der activen Militärärzte in höhere
Charg'en und Dien.ststellen ist mf^irlichst die Anciennetät zu berücksichtigen.
Das Avancement ausser der Tour ist nnr für Aerzte des Dieoatstaudes und nur
in besondere begründeten lallen in Antrag xa Itringen.
Assistenzärzte des Beuxlanbtenstandes dürfen nnr dann zur BeiHrdening
in Vor.ichlag' frebracht werden , wenn pie entweder einen dreiwflchigcn CursttS
in der chirurgischen Anatomie und in den Operati' nsilhungen durchgemacht oder
bei einer in Folge der Dienstverpflicbtung Htattgehabtea Einziehung ihre Quali-
fientioB snr liftheren Cliarge dargeChan liaben (Armee- Verordnnngnbl. 1880,
Nr. 14, pag. 151).
Die Assistenzarzte des Benrlaubtenstandes werden nach erfüllten Be-
dingungen in den Grenzen des Etats des mobilen Heeres zur Beförderung gleich-
aeitig mit ihrem im activen Dienste befindliehen Hintermann Torgesehlageo.
Die Stabsärzte des Beurlaubtenstandes werden naeh erfUlUten Bedingungen
in gleicher Weii^e wie dii« Assisten/iirzte zur Heförderung vorgeschlagen.
Für die Ernennung zum Oberstabsarzte ist die Ablegung einejr specitiseb-
militärlrztliehen Prflfiing Bedingung. Der Zeitpunkt, au welchem diese Prüfung
bestanden worden ist , hat auf die Anciennetät , also auf die Beförderung zum
Oberstabsärzte keinen Einfluss. Aerzte, welche der Prtifungsanforderung nicht
entsprechen, verzichten dadurch auf die Beförderung zum Oberstabfiarzt. Die ein-
schlageudeu Früfungsvurschriften vom 12. Juni 1881 (welche sich übrigens lür
das bayerisehe und sflcbsisehe Contingent naeh deren Verwaltnngsselbsiandiglceit
modeln) finden sich verzeichnet im Armee- Verordnungsbl. 1881, Nr. 17 und im
amtlichen Beiblatt der Deutschen militär. Zeitschr. 1881, Heft 8, 12 und IHRO,
Heft 8. Die preussischen Bestimmungen , von denen die bayerischen etc. nur in
untergeordneten ISncelheiten abweiehen, lauten:
§. 1. Der Geueralstabsarzt der Armee commandirt zu dieser Prüfung die
Sanitätsofficiere des Friedensstandes in einer dem Bedürfnisse der Beförderung
entsprechenden Zahl nach der Anciennetät.
§. 2. Nach derselben Norm werden die SanitAtsofficiere des Beurlaubten-
standes snr Ahlegung der Frufung aufgefordert.
§. .3. Macben zwingende, d. h. ausser dem Willen des Examinanden
liegende (Jründe die rechtzeitige Prüfung unmciglich, so entscheidet der General-
stabsarzt der Armee Uber die Einberufung zu einem späteren Termine. In diesem
Falle wird dem BetreflSsuden seine Anelennetät bei der Beförderung ge-
wahrt bleiben.
4?. 1. Die Prüfung geschieht in Berlin vor einer Comniission unter dem
Vorsitze des Generalstabsarztes der Armee, der einen i:>tellvertreter bestimmen
kann. Die Commissionsmitglieder werden ans den Decementen der HilitKrmedieinal-
abtheilung, den Docenten der mediciniseh-chirurgischen Akademie für das Militflr
und den Alteren Sanitiltsoffioicren der Garnison Berlin durch den Generalstabsarzt
der Armee dem Kriegsniinister , beziehung8wei.ee dem Chef der Admiralität zur
Bestätigung ^orgeschla{>en und auf deren Anordnung berufen.
§. 5. Die Prüfung besteht aus einem sehriftliehen und ebem mflndlich-
praktischen Theilo. In der Regel wird der schriftliche Tbeil vor der Beförderung
zum Stabsarzte, der mUndlieh-praktische nach Ablauf des ersten Dien8l|jahres als
Stabsarzt abgelegt.
§. 6. Fflr die sehriftliehe Prflfnng wird eine wissensehaftliehe Aus-
arbeitung geliefert, zu weleher die Aufgabe aus den einzelnen Gebieten der Kriegs-
heilkunde, des Feidsanitfttswesens, der Militär*, beziehungsweise Schiffshygiene und
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518
imiTiBSANITÄTSPBBSONAL.
Sanitiitspulizei, di-r Militärsanitäts- und RecrutiruDgastetistik, sowie aus der Ver-
waltuDg des Militftrsanitätswesens gewählt wird.
§. 7. Bat der fizuDiiiMd sehon Tor Heraosiebnnf inr Prflfang doe
fachwissenBehaftliche literarische Leistung von entsprechender Bedeutang anf-
zuweisen . so kann ihm nach dem Gutachten der PrUfungBcommission die Ad*
fertigung der schriftlichen rrütungsarbuiteu erlasden werden.
Die Ablegang des Pb^Bikataexamras entbindet in jedem Falle von der
fehrifUichen Arbeit, an deren Stelle die Phyaikatsarbeiten vorzulegen sind.
i^. 8. Die Aufi^abe ^elit dem Examinanden dorch die lliUtArmedieinal-
abtbeilung auf dem Sanitätsinstanzenwege zu.
§. 9. Für die Bearbeitung der Aufgabe wird ein Zeitraum von 6 Monaten
vom Tage des Empfanges ab gewährt, nach deren Ablauf die Arbeit auf dem
Saiiit-Itsinstanzenwege an die MilitÄrmedicinalabtheilunfr ein^-creicbt wird. — In der
Kegel tindet diese Bearbeitung in der Zeit vom 15. September bis zum 15. März statt.
10. Eine Nachfrist wird nur ausnahmsweise gewährt, wenn zwiagende
Qrflnde sie ndtbig maeben. Hierauf beaflgUebe Oesnebe dnd anf dem 8anitftts>
instanxenwege dem Generalstabsarzt der Armee zur Kntseheidun;; vorzulegen.
§.11, Die Arbeit musB mit dem an Eidesstatt abzugebenden Vermerk
versehen sein, dass sie, abgesehen von den literarischen Hilfsmitteln, deren Be-
nntsnng an dem betreffenden Orte jedesmal speclell anzugeben bldbt, ebne fremde
Beihilfe vom Verfasser angefertigt worden ist. — Der Vorsitzende der Commission
Uberweifit die Arbeit zwei Coiiunissionsmitirliedern als HrftTeiiten und Oorreferenten
zur Prüfung, mit deren Ceusur dieselbe demnächst bei deu Übrigen Mitgliedern
aar Kenntnissnahme dreulirt.
§. 12. Ist die sehrifkliebe Arbeit ungenügend ansfefallon, so entscbndet
die Commission , ob dem Examinanden ein neues Thema zur Bearb^tung zu
prcben ist. Hei nochmals un^enfi-rendem Ausfall derselben iüt der Examinand auch
ohne roUodlicbe i'rUtung ein fUr alle Male abzuweisen.
§. 13. Ist die Arbelt probemftsng befunden worden, so erbftlt der
Examinand seinwzeit (ver^l. §. 5) den Befehl, sich an einem bestimmten Termin
behufs Ablegnng der mtlndlieh-praktischen Prüfung zu stellen.
§. 14. Der mündliche Theil der Prüfung erstreckt sich auf die in §. 6
f&r die scbriftlkdie Arbeit genannten Oebiete. Besonderes Oewiebt wird auf die
Kenntniss der neueren Verbandsmothoden und ebirurgi^ohen Apparate, sowie die
Literaturcrs-cheinungen von anerkannter Bedeutung für das Militärsanititswesen
gelegt. Ausserdem ist die frriindliebe Kenntniss der ( »rjrauisation des Sanitäts-
wesens der Armee im Krieg uud Frieden , namentlich auch bezüglich des Ver-
waltungsdienstes der Friedenslazaretbe erforderlieb. Die allgemeine Bekanntsefaaft
mit der Heeresorganisation und -Verwaltung wird vorausgesetzt.
ij. 1 5. In der praktischen Prüfung hat der Examinand drei grössere
Operatioueu, eine Gefässunterbindung, eine Kesectiou und eine Amputation, be-
siehungsweise Exartlenlation an der Leiche anssnfflhren. Denselben gebt eine
kurze topographisch anatomische Darstellung der Kttrpergegrad voraus, in weleher
die Operation sich bewegt.
Im Falle des Misslingeus ciuer dieser drei Operationen hat der Examinand
das Recht, sieh eine vierte Operation zu wählen.
%. 16. Ueber jeden I^fungsabsehnitt geben die Examinatoren gesonderte
Urtbelle ab.
Sj. 17. Nach dem Ergebnis« der<ell»en bestimmt die CommisHion mit
Stimmenmehrheit oder bei Stimmeugleichheil durch i-hitbcheiduug des Vorsitzenden,
ob der Examinand seine wiseeneehaftllche Quallfication zum Oberstabsärzte vor-
zUglich gut, sehr gut, gut oder nicht genügend nachgewiesen hat. In letzterem
Falle wird gleichzi itiir unter Berücksichtigung der silmmtlichcn gesonderten It-
theile darüber entschieden, ob eine Wiederholung des mündlich-praktischen Theiles
der Prüfung zu bewilligen ist oder nicht.
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MIUTÄBSANITÄTSPEBSOMAL.
619
§. 18. Die Feststellnng des allgemeinen ürtheüs hat sogleich nach Be-
endigung der Prüfung stattzufinden , worauf dem Examinanden seitens des Vi»r-
siUenden der Commission eine vorläufige MittbeiiaDg über den Ausfall der PrUiuug
geimulit w\tä*
Der dientttiohe Aosweis hieraber wird dem Geprüften auf dem Sanltiis-
instanseiDwege vom Generalstabsarzt der Armee znirefertig^t. —
Die Beförderung der Lazaretbgebilfeu erstreckt sich nicht bis in den
Feldwebelrang, wie dies bei den Unterofficieren der Fall ist, windem gflnstigsten
Faltobis in den Sergeantenrang. Sie beginnt dmit, dan die LasaretligehilfeDschüler,
die nach beendetem Curs die vorgeschriebene PrUfnng bestanden haben, auf Vor-
Rchlag ihres Truppenarztes durch das zu^ti\udijre Tnippencommando zu Unter-
lazarethgehilfen, uud zwar, sofern sie über den Etat ausgebildet sind, zu Uber-
läliUgen Unterlasaretligehflfen befördert werden.
Die Beförderung von Uuterlazarethgehilfen (mit Gefreitenrang) zu Lazareth-
gehilfen (mit rnterufficiersran^) erfolfj^t nach Massgabe der Führung und Be-
fähigung, die Beförderung von Lazaretbgehilfen zu Oberlazaretbgebilfen (mit
Sergeantenrang) naeh BiebenjAhriger Dienstseit
Rücken jflngere oder ebenso alte ünteroflicicre ihres Tmppentheils In
«tatemftssige .Sergeantensttllen auf, so dürfen Lazarethgehilfen schon vor vollendeter
debenjftbriger Dienstzeit zu Oberlazaretbgehilfen befördert werden.
Die Hilitärkrankenwärter können in einen höheren Rang nicht aufsteigen ;
nnr kann deojenigen, die eapitnliren, vom Sanitfltsdienst die GefMtenaosseichnnng
verlielien werden.
Beurtheilung: Der Rang der deutsehen Militärärzte erscheint zum
Theil nicht befriedigend geregelt. Es wird bemängelt, dass der Oberstabsarzt
II. Olaase gleichen (Hauptmannsrang) mit dem Staburste habe; eraterer mfiehte, lo
wird faet allseits •;ewfinseht, Majorsrang, wie der Oberstabsarzt I. Classe bekleiden.
Wiederliolt ha Ii- ich auf die rnzweckraJtSHigkeit diese? Vorschlaga hinge-
wiesen. Der Aiigorsrang verträgt sich nicht mit der regimentsärztlichen Dienst-
leistang, sehen deshalb nleht, weil der Regimeotsarzt bd der Infanterie nnter
dem Bataillonseommandenr des Bataillons , bei dem er aogleieb Dienst Idstet,
steht, obschon dieser Commaiideur betrUchtHeli dienstjünger sein kann. Man stelle
alle Kegiments- und BataillunsJirzte in den Kang von Haiiptletiten , nenne sie
meinetwegen alle Oberärzte uud unterscheide den Kegiiueutsarzt nur durch höheres
Oehalt DafBr al>er etatisire man Brigadeirste in Hajorsrang (Stabsirste
genannt), die die grosseren Lazarethe leiten, regelmässig die Aushebungsgeschäfie
besorgen und deren 2 — .'S älteste die divisionsärztlichen Geschäfte versehen. Wenn
man auch diese Brigadeärzte mit allen GebUhrnissen von Bataillouscommaudeuren
versieht, wflrde dnreh den Wegfall der jetzigen Obwstabelnte I. Claas« nnd dnreh
Verminderung des ftrztlichen Etats in den Subalternstellen, ein Mehraufwand nicht
entstehen. Die iiltest* n l^rigadclrzte würden als Divisionsärzte und Ober-^tabsarzte
den Charakter als Uberstlioutcnantd und in weiterer Folge die Generalärzte alle
den Rang als Obersten erhalteu. Die ältesten zn Feldarmeeärzten bestimmten
Generalinte hatten dann den Ohaiakter der Oeneralmajors, während der Oeneral-
Btabsarst etatsmässig den Rang des Geuerallieutenants zu bekleiden hätte.
In den Ehreubezeugungen fällt es auf, dass das in Uuterofficiersrang
stehende Sanitätspersonal wohl vor seinen militärischen Vorgesetzten, nicht aber
vor den Sanititsoffieierea Front sn machen bat.
Die Gestellung der Burschen für Sanitätsofficiere würde zweckmässig
durch das Sanitfttseorps geschehen, damit diese Leute in der dieastfreien Zeit
des Foldlebens sich nützlich bethätigen können.
Das» von den höheren Aerzten zwar die unterstellten Aerste, niebt aber
die unterstellten Lazarethgehilfen beurlaubt werden, enthält einen Widersprueh.
Das Strafrccht der Aerzte erscheint zweckmässig geregilt. Nur ist es
wUnscbenswerth, dass dasselbe in a 1 1 e n Lazarotheu auf die Kranken ausgedehnt
L.iyu,^cd by Google
520
UILITÄBSANITÄTSPEB80NAL.
wird. Viele Bestrafte sind schon in der Genesung straffäbi^ und könnten ihre
Strafen sofort nach dem strafwürdigen ^'ergebeD oder in ihrer Genesung ver*
bflMen, wKbreod ife jetst erst nadi ihrer Entteeson^ aoe dem Lasatetb, also oft
erst nach Monaten bestraft werden und dnbei ihrem Dienst entzogen werden.
Jedenfalls würde durch diese Aoadehniuif dee Strafrechte anoli für die Laaeietliaoeht
viel gewonnen werden.
Was endlich die Beförderung des SanitAtsperaonals in höhere ätelleu
anlangt f ao habe ieh berdte an anderem Orten angedentetf daaa den Luaretb-
gehUfen der Feldwebelrang (wenn auch nicht innerhalb der Truppe) zugängig
sein, und dass tüchti^ron Krankenwärtern die Beförderung in UnterofficierseteUen
nicht vureuthalten bleiben möclite.
Verpflefruiig- des Militilrsanitätspersonals.
Die Verpflegung der Sauitätspcrsunea richtet sich im Aligemeinen nach
dem mllitlrisehen Range.
Was znnidiBt die OewtbrUDg von Unterkunft betrifft, so sind die unver-
heirateten Officiere vom Hauptmann abw-irt-j einschliesslieh der AssistenzJirzle und
Unterärzte zum Bewohnen der Catierne verpHichtet, soweit deren Unterbringung
mOglioh ist Bei der Ansarbdtnng der Belegungspläne ist ee sn hemeksicbtigen,
daas Assistenzärzte Casemenwohnung erhalten sollen. Den eii^ibrlg-frdwilligen
Aerzten wird im Falle der Casernirung die ch argen mSssige Wohnunpr unt ntfrcltlich
irt-w-lhrt, auch wenn sie nicht in etat-sniässigen Stellen stehen, sofern sie im dienstlichen
Interesse CaHerucnwohnung beziehen müssen 24 und 25 der Garniäunverwaltungs-
ordnnng). Die in vaeanten Asslstensantstellen dienstlelatenden Unterlrste werden
in Bezug auf Unterkunft den Ai^i^intenzärzten gleidigeaehtet (vergl. jedoch weiter
unten den Wohuuogsgeldzuseliuss i. Die in « tatsniflssinren Assistenzarzt^tellen ansRer-
balb des Garuisonorts ihrer Wahl eingestellten einjährig-freiwilligen Aerzte sind
betreffs ihrer Oebtthmisse gana wie ünterinte au behandeln (Armee-Verordnnngs-Bl.
1876, Nr. 0, 82). Femer soll in jedem Oamlsonslasaretbe mindestens eine
Stube filr wachhabende Aerzte von der Grösse einer vierm.innijren rasernenstube
verfü^rlieh sein. Auch in Feldlazarethcn ist auf einen Wohnungsraura für den
wachthabenden Arzt Bedacht zu nehmen. Grösse und Ausstattung dieser Wohnungen
in den Caaemen und Oamisonslaxarelhen entspricht den fOr die Milltirpersonen
gleichen Ranges gegebenen Vorschriften. Nur ht es als durch den Sanitatsdienst
(Krankenuntersnehnnfr) geboten erachtet, dasn den easernirlen Assistenz-Irzten ausser
dem ausgesetzten noch ein gewöhnliches Handtuch gewährt wird (Beilage B der
CaaemenTorsehrlfien). Auch wird die Stabe des wachthabenden Arstes im Gamisona-
lacaretih grunds.ltzlich mit casurnenmässigen Officiersgerätben ausgestattrt.
l)ie Lazarethgehilfeii sind ebenfallB zum Bewohnen der Cascrnen vor-
pflichtet, soweit deren Unterbringung möglich ist. Bei den verheirateten Lazareth-
gehilfen kann von dieeer Verpflichtung abgesehen werden; auch dürfen solche in
Laaarethen nicht untergebracht werden. Die zu ihrer Ausbildung in die Gamisons-
lazarethe )if tV'bIi?ten unverheirateten Gehilfen erhalten in denselben . sofern und
so lanjre Kaum dazu vorhanden . das easernenieutmiissige Wohnunfrsbedürfniss.
Ist der liaum iiu Lazaretb überhaupt oder wegen steigeuder Ivrankeuzahl nicht
ansreiehend, so müssen die Gehilfen in den Gasemen oder in, dem Lasareth nahen,
Naturalquartieren nntergebraeht werden (Prag er, 2. Th., G Cap., pag.
In denjenigen grosseren Lazarethen, in welchen die sflniTutliehen Lazaretb^ehilfeu
zwei oder mehrere Zimmer bewohnen, darf je nach den obwaltcudeu Verhältnisseo
eines dersdhen nur mit ftiteren Lazarethgehilfen belegt und dieses Zimmer mit
den im Armee Vrronlnunga-Bl. 1873, Nr. 18 und anitlichen Beiblatt Nr. 2 der
Dentschen milit. /i'it>rbr. viui 1S7>^ vnrL'escbrii'benen «lerätlien ansirestattet werden.
Denjenigen Lazarctbgehiireu aber, welche mit l nlerlazarethjrehilfen uud Schülern
zusammen wohnen, werden die in dem Scblusssatze sub 3a des eben angezogenen
Krlasses angeführten Gegenstlnde bewilligt. Beleuchtung dieser Wohnnngmi vergl.
'•u Armee Verordnungs-Bl. 1878, Nr. 18.
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IHLITABSANITÄTSPERSONAL.
521
Die auszubildenden Krankenwärter endlich erhalten easernenm.lgsiofe
Wohnung im Lazareth, soweit wie der Kaum es gestattet, aadernfalls Natural-
quartier in der MShe des Laiareths gegen die den Commnnen zn gewfthrende
reglementsmäsaige Servigvergütung für einen Gemeinen. Die Rrankenwärterstuben
der Lazarethe müssen in den Krankenrevieren so vertheilt sein, dass die Warter
leicht zu den ihnen zugewiesenen Kranken gelangen können. Von den unverbei-
mteten Krankenwärtern mUssen je 2 in «ner Stabe zoaammenwohnen, sofern sie
nielit eine Lagerstätte in den Kmnkeoxinimem angewiesen erlmlten. Ein veriidra-
teter Wärter erhält eine Stube, eine Rammer und eine kleine Küche oder andere
Kochgelegenheit; wenn die Gewährung einer besonderen Kammer nicht angängig
ist, kann eine grössere Stube bewilligt werden; in keinem Falle aber darf die
Wohnung mehr Raum als eine Gasemenstabe fttr 6, hOehstens 8 Hann ebnehmen.
Die Wärter der Feldlazarethe halten sich in den Krankensimmern mit auf; indess
darf, wo es der Raum gestattet, ein besonderes Zimmer inm Aofentlialt der augen-
biicklich dienstfreien Wärter bestimmt werden.
Diejenigen Mitglieder des Sanitttscorps , weldie nieht verpflichtet sind,
amtliche Wohnung zu benutzen, erhalten zur Selbstunterhaltung einer Wohnung
das Selbstmietherserv is. Meiches in Personalservis, Stall- und Geseh.lftszinimerservis
lerfällt. Das Persoualserviri ist verrfcbieden nach Hang und Aufenthalt. Kinjäbrig-
Freiwillige ohne Gehalt beziehen kein Servis, diejenigen, welche Caseruenquartiere
bewohnen, haben deshalb aaeh auf die den easemirten Aersten gebührende Senris-
quote keinen Ansprach. Verheiratete Assistenz- (und Unter ) Aerzte erhalten
wiibrend ihres Commandos zur Lazarethwache. da die Familien nicht mit im Lazareth
wohnen dürfen, den Servis unverkürzt furtbezahlt; die dahin vorübergebend be-
fehligten, mit selbstgemietheten Wohnungen yersehenen unverheirateten Asslstens-
und Unterärzte bezieben ihren Garnisonsservis ohne Unterbrechung fort, wenn sie
im Laufe des n.'felisten Monats vom Commando abgelflst werden; bei län{*er dauern-
den Commandos aber wird der Servis nur für den Autrittsuonat, für die Folge-
adt aber dne Hiethsentschädigung im Betrage des cbargenmässigen Sommerservises
der bisherigen Garnison auf die Dauer von 3 Monaten, ausnahmsweise länger
gewährt. Den zum Waehedienßt in die Lazarethe befehligten und daselbst wohnendeu,
unverheirateten, etatsmässigen Assistenzärzten stellt, sobald der Servisbezug auf-
hört, gleich den casernirteu Otiieieron die z.ur Bestreitung kleiner Wohnungs-
bedllrfnisse festgesetste Verglltung zu. Den Bursehen der waehthabenden Lacaretbärate
ist zum Tagesaufenthalte ein passender Baum, in der Regel ein Wärtendmmer,
ananwei»en.
Wohnungsgeldzuschuss steht nur den Öanitätsufticiereu , nicht den Unter-
flrstm zu, auch wenn letztere in vaeanten Assistenzarztstellen Dienst leisten und
deren Gebalt und Servis beziehen.
Atissi'rhall» der Garnison müssen in den Fällen, wo die Truppen Natural-
qnartiere auf ÜJärsehen oder in weniger als G Monate dauernden Cantonnements
beansprueheo, nicht nnr für das Sanitätsunterpersonal, sondern auch für die Sanitäta-
ofifieiere Quartiere besehafit werden ; der Qoartiergeber bezieht hierfür das Natarat-
quartierservis.
Was das Fortkommen der Aerzte wäbreud der Herbstdbungen aiilaii;^t,
so wird den nicbt berittenen und nicht rationsberechtigten Hegimeuts-, Batailluns-
und Abtheilungairzten oder ihren StellTertratern auf Härsehen, von denen sie am
nimliehen Tage in den Oamisoasort oder da.s Cantonnement oder Marsehquartier
niclit ziirückkebren . ein pinspflnnisres Fuhrwerk gestellt. Dasselbe ist auch zur
Weiter bilurdcruog derjenigen unberitteuen Militärärzte zu stellen, die zum Besuche
von Kranken in Cantonnements ausserhalb ihres Standortes verlangt werden.
Besdbtaffen sieh die ßetheiligtcn ein Fuhrwerk selbst, so kann denselben
eine VergfitniiL' in Ilölie der (icn (Jemeinden für einen ein-^p:tniiii;en Wagen
sonst zustcbc'uden Vergütung gewährt werden (Armee - Verordnungs- Bl. 1878,
pag. 174).
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522
MILITÄBSAmTÄTSPEBSONAL.
Bei jedem Infanterie- und Jägerbataillon, sowie bei jeder Feldartillerie'
abtheilun^ erliält ein Sanit.'ltRofficier im Falle der Selbstbe«chaffung , beziehnng-s-
weise Ermietbung eines Keitpferdee fUr jeden Tag vom Verlaasen der Garnison
Mb snr Beendigung der Uebnngen an SteUe der Yonpannverglitinig eine Ent-
schädigung in Hohe der vom ßundesratbe festgesetzten Tagessfttze für einspanniges
Fuhrwerk, ausserdem eine leiehte Ration und Quartier für das Pferd. Das letztere
wird beim Militflrtransport des Truppentheils ftlr Rechnung des Militflrfonds mit
beordert (Armee-Verordnungs-BI. 1890, Nr. 7, pag. 36).
FOr die WagenelMse bei der fiefSrdemng' auf Eieenbahnen ist ebenihlla
der Rang und die Dienststellung- massgebend. Diejenigen Unter-Irzte und einjährig-
freiwillipen Aerzfe, welche als Vertreter von Assistenz- mul Stabsärzten fungiren
und mit den Truppentbeilen die Garnison verlassen, babeu aut die 2. Wagenclasse
Anepraeh (Annee^Verordnungs-Bl. 1876, Nr. 7); sonst wird den Untorarsten behofa
der Üblichen Bef9rdenm<r zu erniassigteo Preisen ein Reqnisitionssehein Terabrdebt
(Amiee-Verordnung8-Bl. 187G. Nr. IT»).
Tagegelder, Reisekosten, Umzugskosten und Commandosnlagen werden
nwA den sonst Torgesehriebenen Sitten aneh an das Sftnitfttspersonal bewilligt
Die mit Wabrnchnning Tseantcr Assistenzflrztestellen beauftragten Unterirste haben
ErundpRtJ'Iieli KelHrkoKten und r.i^'t'frelder. beziehung'flwei-e bei Versetzungen die
L'mzugskoijlen nur nach ilirtm Ivauf^e — als i'orteep6eunteruflicitre — zu empfangen.
Einjährig-freiwillige Äerzte und Zöglinge der militärarztlichen Bildungs-
anstalten erhalten bei Yersetsnngen in Folge ihrer Befilrderung nun Unterant Reise-
koüten und Tagegelder, dagegen keine Umzugskosten, da ein Anspruch auf letstere
durch die Stellnntr bedinjrt wird, ans welcher, nicht in welche, die Versetzung
erfolgt, diu genannten i'ersonen aber vor ihrer Versetzung überhaupt nicht eine
solche Stellung Inno gehabt haben, welche cn Umsugskosten bereehtigt. Das findet
anch Anwenduni^ auf die als Unterärzte in der Armee anofcstellten und gleiebseitig
dem Frie<iriidi-\ViIlielnts Institut behufs Ab]< >,Mm^' der Staat.sprllfinifr nttaoliirten
ehemaligen Züglinge der militarärztlichen Bildungsanstalten für die nach Ablauf
der Prflfungsperiode anszufabrende Reise zu ihrem Truppentheile.
Medieiner, welche unter Vorbehalt zur Reserve beurlaubt waren, empfangen,
wenn sie zur Ableistung der 2. Hälfte ihrer Dienstzeit als einjährig freiwillige
Aerzte eingestellt werden, ffir die Heise Aiifentlialtsorte zur (Jarnison de«
Truppen theiles, bei welebem sie eintreten, und später bei der Entlassung vun dem»
Selben weder Ifarseh-, noch sonstige Gebflbmisse, selbst dann nioht, wenn ide in
einer anderen als der von ihnen etwa gewflnschten Garoisnn zur Einstellung gelangen,
liapseihe «rilt für die Kntiassungsreise. wenn sich an die Alileistutifr der beregten
Dieustptlieht eine freiwillige sechswöchige Dienstleistung in derselben Garnison
unmittelbar anseblieast.
Unterarzte , weldie die sechswöchige Dien.stleistunfr im Anschlüsse an
die einjährig-freiwillige Dienstzeit .ili-^oh iren und dazu Truppentlieilen einer anderen
Garnison tiberwiesen werden , erhalten ftir die Heise aus der bisherigen in die
neue Garnison Reisekosten und Tagegelder , für die Entlassungsreise von dort in
die Heimat dagegen an Marseheompetensen nach dem Satze der Porteöpöeunter^
olficiere des Beurlaubtenstandes den etwaigen Mehrbetrag, welcher sich für die
Entfernung- vom neuen Garnii^onsort zur Heimat einerseits {retren diejenige vom
selbstgewählteu (dem früheren} Garuisonsurte zur Heimat andererseits ergiebt.
Wird die Dienstleistang von ihnen in da* selbstgewfthlten Garnison ab>
SOlvirt, so erhalten sie bei der Entlassung keine Vergütung.
Sind bei einer Mobilniacbung Unteritrzte des Frieiletis- oder Beurlaubten-
standes, einjährig-freiwillige Aerzte, Zöglinge der militarärztlichen Bildungs*
anstallen oder zur Ableistung Ihrer ai^ven IKenstpflieht unter Ernennnng znm
Unterarzt einberufene Aerzte und Mediciner tarn Empfange des Assistenzarztgehaltes
berechtiget , 'O bal'cn dieselben ftlr die Mei.^en , zum Antritt der Krieg-sstelle und
bei der Wicderentlassung die Tagegelder und Reisekosten nach dan Sätzen der
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MILITÄRSANITATSPERSONAL,
523
I
Assistenzarzte zu hean?prncheii. Andernfalls haben die rntorärztc des Bearlaubten-
standfH bei ihrer Kinl erufun^ zur l'übuDg, sowie bei der Entlassung, die Marsch-
competenzen der Purte* peeunterofficiere — nicht Reisekosten und Tagegelder ~
m emp&ngeii (Armee-Verordnongs-Bt. 1879, pag. 204 and 1880, Nr 3).
FUr den Zweck von Dienstreisen endlich ist hervorzuheben, dass firzt-
licbe Reisekosten bei Unteraiichung von auf Urlaub erkrankten Militärpersonen oder
zum Zwecke der Invaliditfltsfeststellung grundsätzlich nicht entstehen dürfen. Wenn
der Kranke niebt rechtsdtig eiotreflbn kann, so ist ea Beine Saehe, dies doroli ein
glaubwürdiges iirztliebea Zettgniss darzutbun. Liegt eine ärztliche Untersuchung
im militärisclKMi Iiit< rc^'-e , so ist der zu Untersuchende auf Kosten «ies Militär
fonds in die näihüte Garnison zu befehligen oder durch einen Civilarzt zu unter-
■nchwi. Ist der Krank« angeblich r^sennflblg nnd ingleich dnr betrttgeriuimi
Krankbeitsvorfflaaebnng Terdächtig, so kann im Bedarfsfälle ein Hilitirant anr
Untersuchung «bgesendtt werden. Dagegen wird in derartigen Fällen, wenn es
sich um K( ernten handelt, und dtr \erdaclit auf Verstellung; sicli bestätigt, auf
eine Einziehung der Kosten von dem »uhuldigen Theile Bedacht genommen.
Was die Unter konft des kranken SanitAtspersonals betrifft, so sind in
Erkrankungsfällen unbedingt und kosttnfrei In MiliiSrlazareiben aufzunehmen die
Lazarelbfiebilfen . die Krankenwflrter , suwie die ansserhnlb der (iarnis( n ihrer
Wahl angestellten oder vorübergehend commandirten einjährig freiwilligen Aerzte.
Die ttbrigin eiojsbrig-freiwilligen Aerxte tbeiien dieses unbedingte Recht, haben
aber die Durchschnittskosten zu erstatten. Assistenzärzte nnd die mit Wahrnehmnng
offener AssiKtenzarztstelleu bcanftrairtcn Unterärzte können, und zwar nur gegen
Erstattung der Kosten, dann aufgenommen werden, wenn Kaum vorfUglich ist;
ebenso mit Genehmigung des Generalcommandos die Sanitfltsoflioiere vom Stabs-
arst aafwftrts.
Was die Bekleidung des deutschen Heeressanitätspersdniils anlangt, so
finden auf die Mitglicdf r de^^ Sanit.'itscorps die allgemeinen Jk'stimnuiugeu über
das Bekleiduugswescu Anwendung. Die Sanitätsofticiure müssen für Auschatfung
und Unterhaltung ihrer Beklddnng nnd Ausrilatnng mit eigenen Mitteln einstehen,
und selbst die Aerzte des Bemlaubtenstandes nnd diejenigen zur Disposition sind
aur Haltung der Uniform schon im Frieden verpflichtet. Reitzeug erhalten Assistenz-
und Unterärzte der Cavallerie und reitenden Artillerie im Frieden, falls sie im
Dienste beritten sein mflssen, ans den Bestinden der Truppentfaeile. Ueberdies
mflssen die UUitärärzte nach Massgabe ihres langes wie die OÄcierc CchaltsabzUge
zur KleidercasHc ihrer Truppe leisten (vergl. tj. 13 der Organisation des Sanitäts-
corps vom ti. Februar 1873). Unterärzte in vacanten A8>istenzarzt8tellen werden
avar im Allgemeinen nach den Verptiegungsbestimmungen für Ofßciere gemessen ;
wenn diese Unterirate in Tseanten Assistensarststellen jedoeh nicht ansdrUcklieh
mit Wahrnehmungen dieser Stellen beauftragt sind, erhalten sie 9 Mark monat-
liche F.iitscli.ndigutig für die seihat zu besehatfende Bekleidung ! Armee- Verordnungs-Bl.
1Ö76, Mr. 1, pag. 3), auch für die Dauer ihrer etwaigen Lazaietbverpflegung
(Armee- Verordnnngs-bl. 1881, Nr. 9). Die Lazaretibgehilfw, Schaler nnd Kranken-
wärter erhalten ihre Sanitfttsunifonn kostenfrei von den Tknppentheilen nnd An*
stalten, auf deren Etat sie verpflegungsgemäss stehen.
Die Mitglieder des Öanitätscorps tragen eine dasselbe von den Truppen
nnterseheidende Uniform, über welche das Nihere in der Oiganisation des Sanitftta-
corps §§. 28 und 29 in den Bekleidungsregulativen der Contingente nnd in der
Kriegssanitätsordmiiiir Meilage /// enthalten ist. Dem gedämmten Sanitätspersonale
gemeinsam ist die, kratc des (ienler Vertrages während des Krieges als Neutrali-
tätsabzeichen zu tragende, weisse Armbinde mit rothem Kreuz, welche zur Vor-
beugung unbefugten Tragens auf der inneren S<dte mit dem Stempel des betrefl^enden
Truppentheiles etc. zu versehen ist, am linken Oberarm um den Waftenrocks-,
bezichunir-iweise Mantelärroel getragen und von den Aerzten für sich aus dem
Mobilmachungsgelde beschafft wird.
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WLIIÄBSANITÄTSPEBSONAL.
Ausser den Milgliedern des Sanitätscorps wird diese Binde getragen von
den den Sanitätsofficieren beigr^pbcnon Trainsoldaten , für welche letztere diese
Binden durch die Aerzte, und zwar aus dem Trainsüldateneinlcleiduugsgelde , zu
besehaffen und zu unterhalten sind; ferner von dem geeammten Personale der
Feldheiianstalten, von den Trainwldaten aneh der IVnppenmedieinwagen nnd von
den Feldgeistlichen, und ihrem Personale. Dabei ist es erinnungswerth , dass die
Hilfskrankentritger (die für gewöhnlieh in die Truppen einffetheilt sind und nur
aushilfsweise das Krankeuträgerpersonal verstärken) eiue rotbe Binde um den
Hullen Oberarm sn tragen beben. ^MHIeb trägt aaeh das Personal der fireiwilligm
Krankenpflege die weisse Binde mit rothem Kreuz ; der kaiserliche Commissär der
freiwilligen KraukeupÜege lässt diese Binden mit seinem Stempel versehen und
ertbeilt jedem seinerseits mit der Armbinde verseheneu Organe noch eine Be-
seheinigung Aber die Berechtigung zum Tragen dieses Neutralitttsabcddiens.
Was den Sebnitt der Bekleidong anlangt, ao nnd die Sanitltsoffidere im
All^'emeineti nacli Art der übrigen Officiere uniformirt: auch richtet sieh die Wahl
de^ einen oder anderen Bekleidunggstückes für die verschiedenen Dienstverrichtungen
ganz nach den für die Oiticiere der Truppe massgebenden Bestimmungen. Nur
aasserhalb des Dienstes und die Sanilitsoffieiere weniger besehrinkt in der Ab-
legung der Uniform als die Officiere, weil man die Aerzte io der Ansfibnng der
Civilpraxis durch das Uniformtragen nicht benchränkeu will.
Als Officiere und Personen des Soldatenstandetü sind die Sanitätsoiticiere
uniformen dnrch Epaulette gekennsel^et, welebe mit geschlagenen, glatten Kränien
(Halbmonden) eingefasst sind. Eine fiebärpe ist den Sanitätsoflficieren (und Beamten)
nicht zuerkannt, weil solche nur als Zeichen für den Dienst unter der Waffe
gilt und demuaeh selbst von solchen Aerzten (uud Beamten; nicht angelegt werden
darf, welche ehedem WaffenofBciere gewesen sind. Unterärzte und einjäbrig-frei-
wilGge Aente bekaMen, anek wenn aie im Felde mit AsristenzarststeUen belieben
sind, ihre bisherige Uniform fbeziehnng^wei^^e die Schnüre auf den Achselklappen
bis zur Beendigung des betrelleuden Dienstjahres) bei. Helm und Degen fSübel)
der Aerzte entsprechen der für die Infanterie gegebenen Vorschrift ; der Geueral-
atabsarst aber trSgt den Helm (nnd das Beinkleid) der Generale; nnd die Aente
des Peurhiubtenstandes legen, wie die Ofüeiere, am Plelm nnd an der Mütze das
Landwcbrkreuz an. Schnitt und Farbe des l'niformroekes entsprechen auch im All-
gemeinen den für die Infanterie gütigen Bestimmungen^ uud enthält der blaue,
goldenbelltate Kragen der Aerste die nOtUge üntevseheidang.
Persönlich hat sieh jeder im Dienste befindliche Militärarzt fBr dienstliche
Zwecke im Krieu' und Frieden auf eigene Kosten im Besitze eines gewnhiiHrhen
Taschenverbandzeufres und der Instrumente zum Zahnausziehen zu erhalten. Die
Tragweise jenes ist den Aerzten überlassen. Ausserdem haben sich die oberen activen
Uilitirärate gegen einmalige Ankanfsentschädignng noch wenigstens im Bentie der
in Beilage 5 h Eriegssanitfttsoidnnng verzeiehaeten InstriuDente zu erhalten. Im
Mobilmachungsfalle empfiingen sie zur Ergänzung nnd Instandhaltung der Instrumente,
uud zwar die Oberstabsärzte und Stabsärzte Je 60 Mark, die Assistenzärzte 30 Mark.
Den oberen HUitArftrsten des Benrianbtenstandes und den fRr höhere Stellen
bestimmten Assistenzlnten werden bei der Einberufung zum Dienste die zur Aus-
führung grosserer Operationen erforderlichen Instrumente aus fiscallsehen Be-
ständen Uberwiesen (§. 201 der Kriegssanitätsorduungj.
Die Lazarethgehilfen tragen die für das Saoitätscorps vorgeschriebene
besondere Uniform, welche gniodaflgUeh (im Sdmitt, in den Kangsabceichen ete.)
mit der Uniform der Infauterieuuterolficiere übereinstimmt. In untergeordneter
Weise iiiodtit sich die I'niform nach der WiitVeugattung , indem z. B. von den
Lazarethgehilfen der L'avallcrie lieithosen uud Cavalleriestiefelu getragen werden
mflseen. Das Nähere bierflber findet sieh in den Etatbeilagen der Bekleidnngs-
grdnnog. Nur will ich hervorheben, dass die bezeichneten Mannschaften des Feuer-
gewehres entbehren und von Waffen nur das Seitengewehr tragen. Die zur Ana-
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MlUTÄBSANlTÄTäPEBSOMAL.
626
bildnng als Lazarethgehilfen-Schnler in die huatdOnb befehligten Mannschaften
haben die Bekleidung und Ausrüstung der Lazarethgehilfen , jcduch ohne Rang-
absdehen, anzulegen. Sie tragen wie die Geiulfen und Wärter der Lazaretbe
Stltfel ohne Säna und NlgeL AMterdani werden ihnen, wie den Wirteni, idteaa
den Laaaratha nir dienstlidien Benutzung leinene Schtlrzen gewährt.
An sanitären Auaröstungssttlcken tragen die Lazarclhi-'chilfen der Truppen
(einscblieaslich der Sanitätsdetachements), aber nicht diejenigen der Administrationen,
je eine (gefüllt 1650 Grm. wiegende) Labeflasebe am Riemen. Ferner wird jedem
Laiarethgdiilfen ein kldnefl, in der WaAmroektatehe an berKendea Verbandseng —
bestehend aus einem ledernen Täschchen mit Pflasterschere, Pincetto, Sonde, Spatel
und Lanzette — zum Dienstgebranchc tibergeben, dessen Preis sich auf 5,25 Mark
beläuft. Die für den Frieden erforderlichen Yerbandzeage sind bei den Lasarethen,
mit weleben sieh der betreffende Truppenth^l in einer Garnison befindet, inven-
tarisirt, die für dtn Kriip erforderlichen befinden sidbi in den Traindepots. Wird
das Verbaiidzeiitr oder der Inhalt desselben verloren oder beschiSdio:t , so ist das
Fehlende etc., wenn der Gehilfe Schuld trägt, durch letzteren zu ersetzen^ andern-
falls geacMeht dies avf Kotten den Laianflia, imd die diesfillligen Kotten werden,
wie diejenigen iBr das Sehleifen der Seberen ete., in den Araneireehnnngen in
Ansgabe gestellt.
Zur Ausrüstung kleinerer Trupponcommandoe, sowie zur Benutzung neben
den SanitätskiUteu soll endlich jeder Lazarethgehilfe die unter dem 11. Mai 1870
(vergi. Annee*VeroTdnnngt>Bl. 1872, Nr. 1) in daa Prenssiiehe Heer eingeflihrte
(umhängbare) Lazaretbgehilfentasebe auf dem Marsche fuhren. Dieselbe wird im
Frieden von den Gamisonslazarethen beschafft , unterhalten und an die Truppen
verliehen. Für die Abnützung und die Verloste im Felde werden die Truppen
beaondert enttohädigt. Der etatsmissige Heilmittelinhalt, welelier in Beilage 9 dea
Unterrichtsbncbes ftlr Lazarethgehilfen verzeichnet steht, wird ant dem niehtten
Garnisonslazarethe ergänzt : eine Nachweisung oder Verrechnung der von der
Krankenpflege auf Märschen übrigbleibenden Heilmittelbestände findet nicht statt.
Für Friedensseiten ist die Tragezeit dieser Tasche auf 20 Jahre, für den Krieg
auf 6 Jahre fettgesetst. Ilir Preis betrigt cinsehlietBlieh Flasehen imd Aderpresse
und ausschliesslich Rinden, Cbarpie , Nadeln etc. 34 Mark. Ihr Gewicht beläuft
fiicb auf 45*10 (Irm. ''einschliesslich der Heilmittel). Für die Lazarethgehilfen der
Sauitiitsdetachcments und der Administratiunen ist die Tasche nicht etatsmässig.
Im wetteren Sinne des Wortea gehört endlieh snr Ansrllstnng ein Unter*
riehtabncb, welehet jedem Lazarethgehilfen und Krankenwärter zukommt.
Wie die ganze Bekleidung der Lazarethgehilfen und Schüler vom Truppen -
theile besorgt wird, so erhalten sie auch von diesem, so lange sie in das Lazareth
befehligt sind, 2 Drüliehrfleke, damit sie im Krankendienste stets in sanberem
Drillichanzuge ersebeinen kOnnen. Ausserdem werden ihnen seitens des Lazaretht
zur dienstlichen Benutzung leinene Schürzen, den bei Operationen und anf der
Äusseren Station beschäftigten Gehilfen besondere Drilliohröcke gewährt.
Die Bekleidung und Ausrüstung der Militärkrankenwärter erfolgt
naeh Beilage 92 der Friedenstanititterdnung. Avtserdem erhalten die Wirter für
den Wärterdienst eine Schürze von grauer Leinwand.
Die Krankenträger der Sanitätsdetachements, welche hier nur anmerkungs-
weise Erwähnung verdienen , haben eine besondere , von der des Sanitätacorps
abwdebende Uniform. Militiriieh sind ne mit Garabinem ansgerOstet, teehniseh
mit Labeflasoben«
Die Bekleidung des männlichen Personales der freiwilligen Krankenpiflege
auf dem Kriegsschauplätze vergl. Armee-Verordnungsbl. 1883, Nr. 6.
Die Bettimmuagen für die BekOttigung im dentsehen Heere haben
gnmdsfttzlleh andi fllr daa Heeressanitfttspersonal Geltung.
Die am gemeinsamen Officiersmittagstische theilnehmenden unverheirateten
Assistenzärzte des Friedensstandes erhalten ein monatliches Tiscbgeld von 6 Mark.
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laLrrÄBSANITÄTSPEBSOMAL.
Tischgeldzahluiij? an Unterürzte, die mit WabrnehmtiDg vaoanter AssiBtens-
arztetellen beauftrajct sind und deshalb das Gehalt der Stelle beziehen , ist nicht
zttläMig. Unterärzte erhalten, falls sie nicht ausdrücklich mit Wahrnehmung
vaeaator AMUtonsarstoteHen beäaftragt thidf die ehargeomXMige Natimlverpfle^ung
(Armee-Verordnangsbl. Ib76, Nr. 1). Den zar Uebung, beziehungsweise Dienst-
leistung einberufenen rnterflrzien des BeurlaubtenRtüiuIi's gebdhrt neben der täg-
licbea Löhnung von 1'6U Mark auch die NaturalverpÜegung, Verptiegungszujobuss
und Brot, und ee wird ihnen neben dem eztraordiniren Verpflegungasasehofse
allgemein das Garnisonsbrotgeld an Stelle des Brotes in natura bewilligt.
Die Lazarethgehiifen im Felde werden von denjenigen Truppentlieileii
und Administrationen völlig verpflegt, auf deren Etat sie stehen. Dem l'nter-
personale der Feldlazaretbe, ausser dem Train, kann der Chefarzt die Beköstigung
au der Laiaretblillebe gegen Fortfall der Mondportiott gewähren.
Im Frieden werden die Lazarethgebilfen von ihren Truppentheilen ver-
pflegt und empfangen nur die Mittagsmahlzeit aus dem Spcisekessel des Lazareths
ohne Zugabe von Brot und Bier. In allen F&llen aber, in welchen die Lazareth-
gehilfen an dem Mittagsttsehe im Gamiwnalasarethe theilsnnehmen dnrob den
Revieidleut ete. verhindert werden und naeh pfiichtmässigem Erme^tsen des Chef-
arztes von dieser Theilnahme disiu'nsirt werden, wird deuseUien eine Entsohitdigung
TOD 20 Pf. zur Selbstbeschaffung der Beköstigung ftlr Rechnung des Lazarethfonds
gewlhrt. Einen Anspruch auf den den Trappen bewilligten Oarnisonsverpflegaogs-
znaehiUB haben sie nleht; vielmehr erhalten sie ans dem Nataralverpflegnagafonda
ausser Brot nur den Zuschusa zur Bcsehaffung der Frflhstnekportion in Höhe von
3 IM. für Kopf und Tag. Gegen Verzieht auf diesen Zusehii«« erhalten sie Früh-
stück im Lazareth und gegen Bezahlung von 6 Pf. auch Abcndcs.-'en daselbst.
Wenn die Lasarethgehilfen mit den Truppen an Uebnngra die Garnison
verlas^<en, werden sie wie die Mann8ehaften in Reib und Glied auf Rechnung des
Naturalverpfle«?untrHfondrt verpfletrt ( Armee- Verordnungshl. 1S75. pag. 18). Ver-
bttssen die Lazarethgehilfen Arrest, su erhalten sie die ihnen zutitehenden Natural-
verpfiegungsgebtthrnisse , ohne Rfleksieht anf die Art des Arrestes , von ihrem
Trnppentheile. Die Kosten des Mittagessens sind bei gelindem Arreste aus der
täglichen [oben erwähnten) Ent'äoh.tdignng von 20 Pf mid . soweit diese nicht
zureicht, aus der Löhnung zu bestreiten. Bei mittlerem und strengem Arreste ist
auch für die Lazarethgehilfen zur Bestreitung der zustilndigeu Verpflegung neben
der schweren Brotportion nnr die ArrestantenMbnnng Terfllgbar.
Die zur Ausbildung als Lazarethgehilfen in die Lazarethe befehligten
I azHrethpeliilfcn^chfUer sind hinsichtlich des Anspruches auf freie Mittagskost den
Lazarethgehilfen gleichgestellt und deshalb diesen auch betrefls der Gewährung
der Geldentsdildigung fBr nieht in Natur empfangene Kost und besflgiieh des
Fori&IIes des extraordinfiren Verpflegungszuschus^es gleich zu behandeln.
Die Militiirkrankitiw'lrter worden von den Lazarethen verpflegt und
erhalten die volle lagesbeköstigung nach der ersten Form uinscbliessiioh des
Brotes vnd der Semmel nnentgeltlich neben ihrer Löhnung, jedoeh nnter Wegfidl
des Gamisonsverpflegnngssusohnwes , des FrObstttckzuschusses und des Bieres.
Wenn Seuchen herrschen oder zahlreiebe ;<chwere Krankheit8l>llle vorkommen, darf
den Wilrtern wie auch den (lehilfen nach chefilrztliehem Ermessen tiiglieh je 1 Portion
Braten und Wein, sowie 1 Flasche Bier und ausserdem tilr die Nacht 1 Portion
Kaffise ans dem Lazarethhansbalte verabreieht werden. Wenn sieh In kleinen
Laz ircthcn vorübergehend keine Kranken bcllnden und in der Lazarethküche nicht
an kochen ist, so hört die Kost für die Krankenwärter, wie auch für die Lazareth-
gehilfen auf; letztere erhalten 20 I'f. tfigliohe Entschädigung, jene zur Heschaffuog
der Kost aossehliesslieh Brot den Frflhstfleks- und den Gamisonsverptlegungszasehnss.
Endlieb bedarf es der Erwähnung, dass zu Kriegszeiten auch das Personal
der freiwilligen Krankenpflege mobiler Formationen Anspruch auf die Feldkost
erheben darf.
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UILITÄBSAMlTÄTäPERäONAL.
527
I'it.' G (' 1 d V e r p f 1 e g u n ^ dos deutschen Heere-^sanitätspersonales richtet
8icb im (iro.ssen und (i.inzen . wenn auch aiolit im EiiozelDeD, nach dea fflr das
Heer gemeiagiitigeu lieMtiiumuoguD.
Die nackten, das heisst bei AoneUiua dw Znlagen, berechneten Od»lto
betragen für dea Generalstabsarzt 'tnoo Mark, für den Generalarzt I, CI. 7800 Mark,
für den Generalarzt II. Cl. 6000 Mark, fflr den Oberstabsarzt I. C'l. f)400 Mark
in der ersten und 48U0 Mark in der zweiten tiebaltsclasaef für den überatabsarzt
II. d. 3600 Hark, den Staboarzt 2160 Hark, den Aaristenzarat I. Cl. 1080 Hark
und fflr den Assistenzarzt II. CI. 900 Mark. Dieses letztere Gehalt empfangen neben
Servis- und Comniandozula|?e der Assistenzärzte II. CL, aber ohne Wohminors-
geldzuschues, auch Unterärzte, die mit Wabrnebmang offener Assistcnzarztstellen
beauftragt sind. Sonst werden UnterArzte des Aotivatandes für Rechnung ersparter
Aadatenzarztgrebalte mit 36 Hark monatiieh gelohnt, und ist In dieser LObnung
9 Mark Entschädigung monatlich für Bekleidung enthalten, welche Entschädigung
auch während der Lazarethvcrptlof^unf^ , eines Commando* , oder eioes Urlaubes
behufs Ctvilvcrsurguug von Militäranwärtern gewährt wird.
Hit Invalidenpendon anasebeidende Untertrste, die mit Wahrnehmung
offener Assistenzarztstellenbeasllragt sind, haben snfOnadengeh alt keinen Anspruch.
Den Hinterbliebenen von T'nterärzten mltOebalt gebOhrt fttr den Hooat
naeb dem Ableben nur die Gnaden löhnung.
Einjährig-freiwillige Asfste erhalten nnr dann LSbnnng, nnd zwar Unter»
antlOhnuDg, wenn sie ausserhalb der Garnison ihrer Wahl Assistenzärzte ver-
treten. Die Zrihliiii;,' der Löhnung wird unterbrochen, sobald und so lange sie mit
einem Truppentheil den Commandoort zu L'ebungszwecken verlassen, auch durch
Urlaub, selbst wenn derselbe zur Wiederhersteiiuag der Gesundheit ertheilt wird.
Wenn einjihrig-lreiwillige Aerste in die nieht oflisnen Stellen abeommandirter,
beurlaubter oder kranker Assistenzärzte für ihre Person vertretungsweise ans
ihrer Garnison abeommandirt worden, so jrilt dasselbe ; nur hat dann der Corpa-
arzt der belboiligteu Dienststelle diejenige ottene Assistenzarztstelle zu bezeichnen,
fQr deren Rechnung die LObnung an verausgaben ist.
Werden in Ermangelung von einjährig-freiwilligen Aerzten, die als solche
offene Assislenzarzt^tellen regelmässig wahrzunehmen haben, Assistenz- oder Unter-
ärzte neben ihren eigeueu Dienstobliegenheiten mit der Wahrnehmung des bezUg-
liehen Dienstes beauftragt, so kann ihnen hierflir von dem Generaleommando eine
tagliche Zulage bis an 80 Pfennig fQr eine Stelle, bis zu 40 Pfennig für jede
weitere Stelle aus dem ersparten Gehalte bewilligt werden. Die Zulage darf auch
dann bewilligt werden, wenn bei dem betreffenden Truppentheil einjährig-freiwillige
Aerzte zwar vorhanden, letztere aber durch äussere Umstände, wie Erkrankung,
Abeommandimng, Latareibwachtdienst ete., an Ansflbnng des asslstenalntlidien
Dienstes beim eigenen Truppentheile verhindert sind, vorausgesetzt jedoch, dass
ans der offenen AsRiatonzarztstelle ein Unterarzt oder einjährig-freiwilliger Arzt
nicht gelöhut wird. Letztere Voraussetzung bezieht sich aber nicht auf diejenigen
Asststensarststellen, aus welehen Unterirzte während des Oonmandos zum Fried-
rich-Wilhelms-Institut oder zur Charit^ gelohnt werden; denn aus diesen
Assistenzarztstellen darf die Mitwahrnehniungszulage gezahlt werden. Im r('l)rigen
darf beim Zutreüeu der sonstigen Bedingungen die Zulage auch den zur Uebung
eingezogenen Assistenz- and Unterärzten des Beurlanbtenstandes bewilligt werden.
Twlassea Tmppenthsite in aaderm als Uebnagiswedcoi ihre Garnison, so
sind die einjährig- freiwilligen Aerzte, falls sie nicht andwen in derselben Garnison
verbleibenden Truppentheileu überwiesen werden können, vom Ausniarsche ab
für die Dauer der Abwesenheit aus der Garnison als Gemeine über den Etat in
die Verpflegung aubnndimen.
Commandozülagen erhalten Sanitätsofficiere beim Verlanen der Garnison,
und zwar diejenigen in Stabs officiersrang 5 Mark, in Hauptmanusrang 4 Mark, die
Assistenzärzte und die Unterärzte mit assistenzärztlichem Gehalte 3 Mark.
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028
MlLITÄESANITATäPERSONAL.
Neben diesen Gebflhrnigsen erhalten beim Verlassen der Garnison eine Zulage
von 1 Mark täglich 1. die Unterärzte als LöhnungsempfUnger ; 2. diejenigen ein-
jährig-freiwilligen Aerzte, welche ausserhalb der Garnison ihrer Wahl Assistenz-
inta ▼ertraten mid somit ünterantlOhiiini^ besielieD, softni de am der ibneii
angewiesenen Garnison für ilire Penon allein ohne den Trnppentheil xn dienst-
lichen Zwecken oder mit diesem zn anderen als zu rebunfzrs^wecken aboommandirt
werden. Unterärzte, die nicht das Gebalt der Assistenzilrzte beziehen, and ein-
jährig-freiwillige Aerste als Vertreter Ton Aaiisteiuärztea haben im FiiedensTer»
liAltnisse neben der Znlage tob 1 Hark auf die den Hbrigen IjldiiinBgMOipfftDgeni
beim Verlassen der Garnison zustehenden NatomlverpflegagebflliniiBM Anapmell
(Armee-Verordnungs-Bl. 1881*, pap:. 173).
Zu Uebungen des Beurlaubtenstandes der Krankenträger des Dienststandes
eommudirte Stabsintte eiiinlten nnnerhalb ihrer Qamison die gewAlinlielie
Commandozulage , die AadlteaiirBte und die in Aariitenzarztstellen stehenden
Unterärzte für die etwa vnr Jind nach der Uebung ausserhalb ihrer Garnison
sugebrachten Tage die Commandozulage und fttr die Uebung selbst 24 Mark.
IMe Assiltens- nnd Unterlrite) denen nnr die HitwalimelimQog des Intliebea
Dienstes bei üebnngBfomiitionen des Benrlanbtenatsndes anfgefcragen wird, erhnlten
Iceine Zulage.
Von den sonst zu gewährenden Zulagen sind folgende bemerkens-
werth: Den mit der Wahrnehmung des ärztlichen Dienstes bei den Bezirks-
eommandos bemiftngteD Militlrtrsten sind die hierfttr im Etet nasgewerfeneB
Zulegen auf die Zeit ihrer Abwesenheit aus der Garnison fortzngewiliren , eneh
wenn für ihre Vertretung Honorar an Civilärzte gezahlt wird.
Die Assistenz- und Unterärzte, die in Lazarethen mit einer Mormal-
Icrankensabl ▼on 71 nnd darflber den Lazaretiiweebtdienst welimehmen, erhalten
dafür eine Zulage von je 9 Mark monatlich, auch wenn sie aus dem Beurlaubten-
Stande einberufen sind. Einjährig-freiwillige Aerzte haben hierauf nur dann An-
spruch, wenn sie onterärztiiche Gebübrnisse beziehen und zum Lazarethwachtdienst
befeliligt werden. Jeder an Cholera-, Flecktyphus- oder Poeken-Lazarethen oder
-Stationen als Waehthabender befehligte Assistenzant, Unterant oder eii^fihris-
freiwillige Arzt , auch wenn dieser nicht belöhnt ist , erhält eine Wachtzulage,
deren Höhe sich nach der Zahl der überwiesenen Kranken richtet , bei 1 bis
10 Jvranken monatlieh 10 Mark beträgt und ansteigt bis (bei 41 und mehr
Kranken) 30 Mark.
Für die Aerzte des Beurlaubtenstandes sind folgende Gebühr-
nisse nennenswerth : Die SanitJUsofficiere erhalten auf Zeit der Uebung, zu der
sie einberufen sind, ein tägliches Uebungsgeld, welches beträgt: für solche in
StabsofBeiersrang 13 Hark, für solohe in Hanptmannsrani^ 7*50 Mark, Ar Assistens-
ärzto 3 Mark, für Unterärzte 1*50 Hark. Bei jeder Einziehung zur Uebung wird
an Kinkleidungsgeld gezahlt dasjenige der Infanterie-Ofdeiere ihrer Charge den
Hanitätsofticieren , 90 Mark den Unterärzten. Wenn Unterärzte des Beurlaubton-
standes in Vertretung von Assistenzärzten zu Herbst- und anderen Uebungen die
Garnison verlassen, so gebahrt ihnen die Zaiage von 1 Mark tiglieh neben
den beim Verla.ssen der Garnison zustehenden GcbUhrnlasen. Für Reisen zur
Ablegung der milititr.'irztlichen Prüfung erhalten dieSanitätsofficiere des Beurlaubten -
Standes die charguumässigen KeisegebUhruisse (Armee -Verurduungs-Bl. 1890,
Nr. 16, pag. 129).
Die Lasarethgehilfen erhalten ihre Gebtlhmisse, auch während
eines Commandos zum Tjnzareth, vom Trup[>entheil. lUe Obt>rlazarethgehilfen be-
ziehen eine monatliche LOhnung von 37*50 Mark, Lazarethg^ehilfun als Capitulanten
26*50, solobe als Niditeapitalanten, sowie Unteriasarethgehilfea 15 Mark. Unter-
lasarethgehilfen , die ans dem Benrlanbtenstande an Uebangea ehigeaogen sind,
stellt nur die nemeinenir>bnun,L' zn ''Armee- Verordnungs-ßl. 187^5. Nr. 25), wie den
LazarcthgehilfenschUlern. Wenn beim Mangel an Aerzten der älteste Lazarettigeliilfe
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MILITÄBSANITÄTSPEBSONAL.
629
eines Lazareths mit dem Lazarethwaehtdienst betraut wird, erbalt er eine
Monatszulage von 3 Mark. Zulajirrn von 3 bis 6 Mark erhalten auch die mit
der VerbaudmittelverwaUung der Lazaretbe und mit der Aufsicht bei den Lazareth-
^hilfenBebnlen beauftragten, sowte die sa den Suütitadepots befehligten IjauMäi-
gebilfen. Auch werden zeitweiHe beim Hemeben von Semdien Znlagen von
25 Pfennigen tAglich den Gehilfen und WArtezn gewährt.
Die Militärkrankenwärter erhalten die Löhuunpr der Gemeinen der
Linieninfanterie (zur Zeit lO'öO Mark monatlich). Den Capitulauten wird zu der
Lftbniing für jedes Ca]»itnbiti<ni8jahr bis einsehlleeslidi des dritten eine Zulage
von 4*50 Hark monatlioh gewährt. Ueber die hiemach im 3. Capitulationsjahre
Z'i jrewiihrende Zulage von 13'50 Mark darf jcdüeli auch bei weiterer Capitulation
nicht hinausgegangen werden. Besondere jiihrlich testzustellende Remunerationen
werden den Wärtern, sowie den Lazaretbgehilfen auf Antrag bei vorzüglicher
Dienatleistong bewUHgt
Beurtheilung: Die Verpflegung des Sanitätspersonales ist im Ganzen und
Grossen nach den ^emeinp-iltiircn Bestimmungen geregelt. Ans dem Grande lassen
sieb nur wunige VerbeäseruugäbedUrtnisse erkennen.
Wflnscbenswerfh erselidBt es, dass das Sanititspersoiuü, so weit es
casemenmässig unterzubringen ist, rftamlicb im Garnisonalazareth vereinigt werde.
Wir müssen das Sanitittspersonal , meine ich, behufs gemeinsamer und einheit-
licher Erziehung und zum Zwecke beständiger Beschäftigung im Sanitätsdieaste
SQ dem maeben, wm seine H^lnmtaltai bersits sind, ntail^ mm B^willinm der
Garnisonen. Man entrfleke dasselbe, miter Sieberstellnng des samtftren Truppen-
dienstes, den Casemen und versetze es in seinen natflrlichen Boden, an die
Stätte der Kranken. Im fiarniaonslazareth vereinig'c man ^Tundsfttzlich das Sanitäts-
personal zu ju einem militärischen Gemeinwesunj hier weise mau ihm seine
WobnstStto ao, damit ee den Betrieb der Krankenpflege stOndUeb vor Aagen
habe, damit es sich iu deu Umgang mit Kranken gründlich eingewöhne, damit
es mit den Interessen der Kranken verwachse, damit sein Dienst einheitlich und
sachverstiludig genügend Uberwacht werden kann und damit es endlich so für
die Kiiegsaufgaben erzogen ist. Das Gamisonslasareth sei fttr das Sanitltspersonal
Caseme (und /w:ir in LTosseren Lazarethen : der Verwaltungsbezirk der letsteren),
Dienststulio iuhI Kx<'r('icrplatz znirlticli. Ks sei der Sammcl- und Ausgangspunkt
für deu gesummten Garniüons- und Truppen-Sanitätsdienst; eiue immer zugängige
und dienstbereite Gesundheitswaehe — unter der alleinigen militärischen Autorität
des rangftltesten Offieiers der Garnison und unter dem alldnigen Befehle des
rangältesten Arztes der Garnison, eines „Garnisonsarztes", wdeher xwar nur In
grossen Verhältnissen als soleher zu etafisiren sein wdrde.
Gegenüber der anerkanuten dienstlichen ^iothweudigkeit, dass die Aerzte
im Felde beritten sind, ist jetst im Frieden fQr die ReftObigkdt der Aerste
nngenOgend gesorgt. Das Reiten muss einen wichtigen Bestandtbdl der ärztlichen
Aus- nnd Fortbildung ausmaehen, und alle Aerzte im Stabsofficiersrang mUssen
Rationen beziehen , sonst ist auf eine zweck- und vorschriftsmässige Ausübung
des Feldsanititsdienstes niebt lu reebnen.
Gehalt und J^öhnung richten sich im Heere zumeist naeb dem Range.
Da dies auch heim S;init:it-;|)( r.«<inal mit wenigen in iiii-ht zu ferner Zeit von
selbst verschwindenden Ausiiahinen der Fall ist, so ist betrelfs dieses Theiles der
Verpflegung nichts Verbe>iseruuj,^sbedUrftige8 von Belang anzuführen. Wohl ent-
sprechen die Endgebfllter der dienstftitesten Sanitäteoffidere den Geblitern anderer
gleiehwerthiger Laufbahnen nlebt im Entferntesten. Allein, es wäre ein Hyateron
protrron, wollte man deshalb vorsehlagen, dass die verbessernde Hand unmittelbar
an die Gehälter zu legen sei. Die Erhöhung des Hanges erhöht von selbst die
Geldverpflegong. Jene, nicht diese, muss den Ausgangspunkt der Reform bilden I
Literiilur: Dio Vi'ifa.>isung des Norddeutschen Bundes (vergl. .A.rt. 57 — 68) vom
26. Juli 1SG7. — MiliturvertragPreasiens mit dem Königreiche Sachsen vom 7. Febraar 1867. —
Encyclop. Jahrbücher- III. 34
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530
lULITÄRi$ANlTÄIäP£RSONAL.
Büiulni.-svfrtraK mit dem Kiinit,'reiche Bayern vom il'ü. Novi-mber 1870. — Militärvertrag mit
Württemberg vum bfxiehunggweise 25. November 187u. — Gesetz, betreOeml die Ver-
^Uehtailf sam Kriegsdienste (Wehrgesetz) vom 9- November 1867 (abgedrackt ia der Wehr-
Ordnung von 1888). — Verfaesung des Deutschen Beicbes vom 1(5. April 1871. — Reichs*
militärgesetz vom 2. Mai 1874. Ery;änzangsgesetze bierzD vom 6. Mai 1880. vom 81. März 18S5
und vom 27. .lanuar 1^S7 (abgedruckt in der Wehrordnnng von 1S39). - G» s-tz. betreffend
Aenderungen der WehrptUdit vom 11. Februar 1888 (abgedrackt in der Wehrorduung von 1888). —
OflMts betoeffaad die Aniflbniig dar miUlirlMbaB Control» flbw die Personen dei BearUnbten«
Standes etc. (Contfolgesetz) vom 1.5. Februar 1875 fabgednickt in der Wehrordnnng von 1838).—
Deutsche Weiirordnung vom 2Ü. November 188'?. — Heere.sordnung vom '4^. November 1898. —
Felddienstordnung vom 23. Mai 1887. — Krieg.«etappenordnung vom 3. Septemlier 1887. — Militar-
elseDbahoordnaog, 1. u. Tbeil von 1887 , 3. Theil von 1868. — GaraiMoadieostTorschrift
Tom 13. September 1888. — DIenstanweismig ffir die Bagagen, UnnitioDioolonnen und Trains
vom 18. Juni IP"^!* - Traimlf potordiuinu; vom 31.M&ral892. — Geset«, betreffend die Quartier-
leiatung für die IjewaÜuete Macht wahrend des Friedensstandes vom 25. Juni I8*iB. — Er-
gttnzangsgesetz hienu Tom 81. Jnni 18>'7. — G;inii:«inHverw«Uane8ordnnng vom 5. Juli 1881. —
Oamisonsigebäudeordnung vom 19. December ib'^U. — Bekleidungsordnung vom 2H. Marz ISS-S. —
Feldmagazinsnrdnung vom 25 August I8s7. — Instruction über die Verwaltung des Menaga-
fond.s bei den Trnppen von 1884 — Reglenient über die Naturalverptlt-gung der Truppen im
Frieden vom 2. Kovember 1882. Nenabdruck von 1689. — Kriegaverptiegungavorscbrift vom
25. Aagmt 1887. — Sehiffbrerpflcgangfreglemeot vom ffj. April 1888. — Friedensbesoldnogs»
Vorschrift vom 7. März 1R89. — KriegHbcsoIdiingMVor.«chrift v. 29. Dei ember 1887. — Reismrdnung
für die Personeu des Siddatenstandes vom 21. März 18V.^. — iJienstvnrschritt über 3Iar.-!chgebühr-
niase bei Einberufungen zum Dienst, sowie bei Entla.s.«ungen von 1.Sn7. - Reglement über die
Serviacompetenz der trappen im Frieden vom 20. Februar 186S. Nenabdruck von 1837. — Oesets,
betreffend die Bewilligung von Wohnnngsgeldzuschüssen etc. vom 30. Joni 187.3. — Servistarif fUr
dasSelbstmiether-, beziehinigswei.se Naturaliiuartier vom 17 <>( tober 1878. — Milif.trpen.sion.'<geset»
vom 27. Juni 1871. Novelle hierzu vom 4. April lb74- Neuabdruck 18S9. — Witwen- und Waisen»
gewtBTon 17. Jniii 1887. — Oetete, betTvffinid die HatoralMitimgen Ar die bewatlnete Macht im
Frieden vom 13. Februar 1875. — Gesetz über die Kriegsleistnngen vom 1,1 Juni l S7:i. — Feld-
poatdienstordnnng vom 12. Juni 1K89. — Deut.sches Strafgesetzbuch vom ;iS i-'ebruar 1876. —
Militäratrafgesetzbuch vom 20. Juni 1872- — Kriegsartikel für da.s Heer vom Hl. October 1872. —
UiUtäi^StrafvoUstrecknngsreglement vom 9. Febraar 188S. — Verordnung äber die Die-
dpUDarstrafbnlnnng für das dentscht Heer von 31. Oetober 1872. — Vorach riflen Uber
den Dienstweg und die Behandlung von Beadiveidni etc. vom Ii. März 1873. — Gesetz,
betreffend die Abänderung der Militärstrafgeriehtaordnnng vom ^. .Mai 1890. — Friodena-
sanitätsordnun;^ v<iin 16. Slai 1891. — Verordnnng über d'c Organisation des 8unitat.scorps
vom 6. Februar 1-7.^. — Krieg.s.sanitiitsordnnng vom 10. Januar 1878. - - Unterrichtsbnch für
Luzan^thgebilti II vdu IS-^ti. — Anleitung zum Unterrichte der Krankenträger in der Marine
vom 9. Januar IS^*^. — Krankonträgerordnung vom 2]. December 1888. — Reglement wbor
den Sanitätsdienst an Boid Sr. Majestät Schiffe und Fabrzeage von lb73. — Dienstanweisung
snr Benrtbeilvng der llilitirdienstfthigkeit von 8. April 1877. — Instraction, betrefflmd das
Verfahren bei Anmeldung und l^riifun^r der Versorgnns:siUisprüche vduj ','tj. Jnni l'^77. — l'esfim-
niUDgen iiber Bade- und Brnnnencnreu von 1S>>9 i Armee- Verordnungs-Hl. Nr. 15l. - Bestimmungen
tiber die Aufnahme in die kmiifri. prcn.>i>ischen roilitärärztlichen Bildungsanstalten zu Berlin.
Berlin, 10. März 1890. — Armee-Verardnungs-Bi. 1877, Nr. (i (üienatverbältniss der Unterärzte
sn den Porto^peeunterofflcieren). — Vorträge über Militärsanitatswesen im Falle eines Krieges
in den Armeen Riisslaiids, Di u' schlands , f)^ -lirreichs , Amerikas. Frankreichs etc. Peters-
burg iä7U — 1871. Berlin 1871. — G. J. tiuthrie, Directiona tu armtf suryeom on the fitld
qf battt«. (O. O. n. J.) 3. ed., 8°. 8 S. — Code-fitanud itea o^eien tf« ««rmee de sanU
mlflf'iire. Fase I. O.Salle, S, ri ire »»'flicaf i:';/imciitnire. Paris ISS5. 8*, XXX n, 372 S. —
Barn i er, Aiih-mrinaiie ilit nn'ihci» de In HKnine. Paris 1885, 8" <Frcs. 2*50). — Evatt,
(hl tlie medical or</iiui,sn(ion of the base of operatiom in war time. Woolwich 18^6. —
Beetz, i<cbematismua der CivU- nnd Militirsrste etc. im KOnigreiebe Bayern. MQnchen 1886,
9 Jahrg. (H. 1.—). — Dnser Hilftirsanit&tsweeen und dessen seitgemXsse Baorganisinng.
W'ien l-~^7. er. 8'. 1.S5 8. (M. 1 r,0). — v. Ejiidy, Die Onicicie unil Sanität.xDfficicre zur Dis-
position und im Beurlaubtenstaude. Dresden ljs87. 8*- 144 S. — Dr. W. Derb Ii ch, k. k. Ober-
stabsarzt I CI. d. R., Der Militärar/.t im Felde. Wien und Leipzig l'«88. 8". XII u. 192 S.
(M. . Besprochen im „Militärarzt" 18^9. Nr. :\ und Deut.«clie niilii. Zeitschr. 1888, Heft 11). —
A. ()cbwadt. Das Kriegsheilwesen im F.inklan^-e mit der cullurellcn Entwicklung der Civili-
i-ation und Humanität. Berlin 1889 (M. 5. — ). — Dr. E.Rott er. Die persönliche Feldaus-
rüstung des deutschen Offlciers, Sanitätsofäciers und Militärbeamten. Nürnberg 1889. 4. Aufl. —
Dr. Riedel, Die Dienstverblltnisse der kSnigl. prenss. Militirirate im Frieden. Berlin 1891,
3. Anfl. (M. 4.50). — Myrdacz, Handbuch für die k. u. k. Militariir/l. . AVim lfi9i».
gr. 8". IX u. 92ii S. — H. Frölich, Bestimmungen über die Militardien.-«tptiicht der
Aerzte und Medicinstndirenden. Leipzig l>-^9. 2. Aufl. 16". 31 S. — H. Frölich, Msdi-
cinisebes ftber Kriegsstärke. Militärarzt. 1>92 . Nr. 2:S 24. — Frankel, Bemerkungen
Aber die östenrelehtscben Bles-sirtenträger. Wiener Klinik. 1887. 11. 12. Heft. — Italienischer
Marinesanitatsdienst. Mil.<WoehenbL 1890. Nr. 41. — Zahl der deatschen Militftrfttst«. Dentadi«
SilLITÄRSANITÄTSPEBSONAL. — UITTfiLOHRAFFECTIONEN.
531
med. Wochenschr 1"^^"^, Nr. B. — Aerate im Deutschen Reiche. Veröffendichnngen de«
k. k, deutschen Gcsundheitsanites. 18*7. Nr. u. ff. — Deutsche Aerzte. Kriegerheil. 1878,
Nr. i. — Eiiegsetat des englischen Sanitätsper.><onale^. Mil.-Wochenbl. 187ii, Nr. 9, pag. 163. —
Fehlen prenssisclier Aerzte. FelUant. 1876. Nr. Si6. — Oesterreichische Militärarate. Wiener
med. Prässe. 1876, Nr. '6. pag. 110. — Aerzte de« dsntschea Heeres. Mü.-Wnchenbl. 1878,
Nr. 17. — n. Frölich. Ergänzung des deutschen Militänanitfttapersooale-!. Alluri nieine militär-
ar^tlicbe Zeitg. 18ü9, Nr. 3, pag. 36. — Erganznag des UilitärtaoitäUpersonaleji. Ddutacbe
niilit Zeit.schr. 1875, Heft 3, ptr. )14. — H. FrOlIcli, Brcftnsnog des Sanit&tapenMiales.
Vierteljuhrachr. f. gerichtl. Ifed. N. F., XXIV, Heft 8. — H. FrSUch. BrigideärEte. Mnitftr>
arzt. 1878. 1-.3. H. Fr^HcIi.
MiSChCUltUren» &. Bakterien, pag. 74, 75.
Mitralstenose, b. Henkraakheiten, pag. 417.
NNttelohrafTeGtlonen. (Vergl. Keal-Encyctopldie, II. Aufl., Bd. XII,
pag. 314, Siippl.-Bd. XXIII, pag. 500 und Suppl. I^i. XXIV, pap. 517.) Aufdii Rt
deutun^ der bjikteriolojrisclien Untersuchuii^r»-)! <ii.r Olir.^ecrete für das Verstiindiii.ss
der entzündlichen Processe des Mittelobrs und ganz speciell der daaelbst sich
abspielenden eiterigen Froeesae ist tmeits frflher in gebObrender Weiss hinge-
wiesen wordra nnd es ist namentlieh auf Grund der cxacten üntersucbangen
Z.\^■FAL'^? u. A. im Sccrete dor erkrankten Paukenhöhle das Vorkommen fuljreiider
Mikroben eonstatirt: Des Diplococcus pneumoniae Fkäxkel-Weichshlraum, des
Pncumouiebacilluä Fkieulandkb, der pyogeuen Mikroorganismen , tStreptococcua
pifogenet aureu» et ttlbue^ Staphylocoecus pyogeive» atfrott« ^ albus^ Stnphflo-
coccus tenuis , Bnclllu» tejuiia , Bacillus jnjocynneus , Microco' r,/s f> fj-,ni'-n>is.
Tinrilhis tubei'cuhi.siis und des Soorpilzes. In gleicher Wci.^e ist auch auf die
Häutigkeit des Vurktimuiens der verschiedenen Mikroorganismen aufmerksam ge-
maebt nnd namentlieh betont, wie man sieb das Cbroaisebwerden aent-entzflnd-
licher Prooesse des Uittelohrs zu erklSren hat. Zu den bisher nng:efuhrten Mikroben
würde nunmehr auf Ornnd einer neueren Beoljachtnn^ sich hinzuge^elien der
NEissEB'scbe Gonococcus. welcher bei einem ganz jugendlichen Kinde im eiterigen
Seorete des Mittelolires von Flksch gefunden und auf Grund dieser ßcobschtuDg
«ds wabrsebdniieh sehr hllnfiger Krankheitserreger der Mittelohreitemngen gans
jugendlicher Individuen von ihm ann:c.''prochcn wurde.
Mokanntlich kfunmen bei panz jujrt'mllichen Kindern durehau.s nicht selten
ObreneiteruDgen vor, eutweder isoUrt uder zu.sauimen mit Trippcrblennorrboen
des Auges. Fttr dieselben sind mehrere eausale Momente herangesogen worden;
man plaubte , dass bei der Rückbildung des Schleimpolsters in der Paukenhöhle
in ¥o\\:v hyperämischer ZustUnde und bei der Sueculenz der Schleimhaut es leicht
zu entzündlichen Processen kommen könnte, und soweit es sich um spontane
Mittelohreitemngen bei diesen Jugendlieben Individuen handelt, soebten einige
Ohrenärzte die Entstehung der Eiterung mit diesen re^r osiven Proee.ssen in
Zu-tammenhani}: zu brin{rcn ; allerdings ist hierbei immerhin neeh nicht klar, wclche.s
veranlassende Moment dabei besonders in Betracht zu ziehen ist. Und um ein
solches heranziehen zu können , sind andere Beobachter geneigt , das Eindringen
von Badewasser in*s Ohr bei diesen jngendlieben Kindern fttr die fiiternng in
besehnldigen.
Bei der immerhin nicht jranz eindentipren und etwas gezwungenen Er-
klärung ist deshalb die Beobachtung vou Flescu besonders beachteuswertb, und
es bleibt nur abzuwarten, ob sieh dieselbe bestätigen wird. leh selbst habe in
zwei Filllen vou eiteri<;en Mittelohrentzündungen bei ganz jugendlieben Kindern
eine Bcstiltiprunj? der Fi.KSCH'sehen Mittheilunfren nicht erlan?:en können; es
lieasen sich in den Secreten des Obres Streptococcen und Stapbylococcen in grosser
Menge nachweisen, Gonoeoeeen dagegen fanden sich niebt vor. Ueberdies wird
man wohl bezflglicb der Gonoeoeeen pontive Resultate zu erwarten haben nur
in denjenigen F.lllen von Ohreneiterunjen, welche sogleich nach der TicJinrt eine
Augenblenoorrhoe zeigen, in denen also die Möglichkeit der Invasion der Gono*
34*
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532
MITTELOUHAFFECTIONEN.
coccen in die Nase und von da durch die Tuben hindurch in das Cavum
tympani gegeben idtj bei etwas älteren Kindern, etwa von 3 — 4 Wochen und
djuflbor, wdehe spontoD eine OHti» vudia puruunUa bekomnen, wird mm woU
den Gonocooea« Ndaser als Krankheitserreger nicht mehr erwarten dürfen, weaa
man nicht gerade annehmen wollte , dass derselbe so lange Zeit unschuldig in
einer der hier in Frage kommenden Cavitüteu sich aufgebalten hätte. Wie dem
auch sei, jedenfalls ist die Frage noch weiterer Aufklärung bedürftig.
So sehr nun aoeh dnreh die bakteriologiseheo Untersnehnngen gewisse
ätiologische Momente klar gestellt sind, so lAsst sich doch vorlinfig eine Classi-
fication der in der Paukenhöhle Bich abspielenden Entzündungen je nach den hier
ursächlich wirkenden Bakterien nicht aufstellen und alle angestrebten Versuche
naoh dieser Riehtang hin haben sieh bisher als hinfUUg erwiesen; weder lassen
sich die kliniseheu liilder, soweit wir dieselben durch die gelAnfigen otoskopisohett
Untersuchungen feHtstellcn können, einer derarti'^en gezwiiii^'pnen Ilnbricining
unterordnen, noch stehen die su bjectiven Beschwerden der Kranken mit den etwa
in Frage kommenden Ätiologischen Momenten in irgend einer verwerthbaren
Harmonie. Und so Ueiben deAalb Krankheitsbilder Qbrig, welche wrtterer Auf-
klärung bedürftig sind und deshalb immer wieder zu neuen Arbeiten anregen.
Eine der iiierkwürdipen Formen der Eiterungeu des Mitteluhrs sind die Eiterungen
am oberen 1 rommeltellpol , au der Mvinbi'ana jlaccida S/irapnellif eine Er-
krankangsform, aber weldie die Ansiditen hentsntage noeh äasserst eontrerers
sind. Naididem bereits früher dieser Form der Erkrankung von einzelnen Ohren-
ilrzten so ganz nebenbei Erwähnung gethan ward, ist besonders durch Morpohöo
die Aufmerksamkeit auf die Eigeuartigkeit dieser Erkrankang und auf die be-
sondere Localisation hnigeiriesen worden; andi diesen hat alsdann «ne Beüie
von Faehminnem auf Grund einer grösseren oder klmneren Zahl von Beobaeh-
tnnfrcn das Krankheitsbihl einer weiteren Betrachtung unterzogen. MoRPüRQO
kam auf Grund s-incr Beobaebtuugen zu dem Resultat, dass das Leiden besonders
im PucssAK sehen liaume sieh abspielte, und dass es sich um eine Eiterung hier-
selbst handelt. Oes näheren Versttndnisses wegen sei hier bemerkt, dass man
unter „dem sogenannten PRU.ssAK'schen Räume" einen kleinen Hohlraum versteht,
welcher sieh befindet zwischen Hammerhals und Membrann ßaccidn Shrapnelli
in einer Ausdehnung von ^i^ — ^i^'". Dieser Hohlraum, der von allen Seiten ge-
fichloBflen ist, commumeirt blos mit der Paukenhöhle dnrdi eine ziemlieh grosse
Oeffnung , welehe über der hinteren TrommelfelUa>^ehe Trültsch's sieh befindet.
Die Grenzen dieser Hi»hlo sind nach aussen }femhrana ßorciiht, nach innen die
laterale Flilcbe de^ Hammerhalses, nach unten die obere Fläche des Frocessm
'brevis und die obere Wand wird gebildet durch die Membrana ßacoida.
In diesem Räume nun soll sieh naeh Hobpdboo die Eiterung abs|rfelea.
Politzer, weicher dieser eigenartigen Erkrankungsform seine Aufmerksamkeit
besonders zuwandte, verlegt die Eiterung in das in der Naehbarscbaft doi
PRUäSAK'schen Üaumes befiudliche und von ihm bcAchriebeue Höblensystem zwischen
Membrana Shrapnelli und Hammerhals, in welcher der RiviNfMbe Anssehnitt
hineinragt und welcher begrenzt wird naeh aussen vom oberen Theile der
Memhrnna ßaccidn und naeh oben von i'iner Membran , welche als Fortsetzung
des Schleimhautuberzuges der äusseren Trommelhöhleuwand nach unten und innen
snm Hammerhais hinsieht Dieser Ansieht sehliesst sidi aneh Hbsslcb an, wihrend
Krbtscskann die Ausdehnung dieser Eiterungen auf Grund anatondsciier Unter-
Illingen etwas weiter angiebt. N.ieh ihm handelt es sich um eine Erkrankung
des von ihm sngeuaunteu Hammer - Aiubttssaebuppenraunies , weU-hor gelegen ist
zwischen Hammerkopf und Ambosskörper einerseits uud Scbläfeusebuppu anderer-
seits und von der ttbrigen Paukenhöhle gans oder grOsstentheils abgeschlossen
ist und sieh zum PRUSSAK*sehen Kaurae so verhält , dass letzterer unterhalb des
KiiKiM'iiMANN sehen IJaumes sich befindet: da-; PnrjTZKK'sohe Höhlensystem bildet
nur einou kleineu Theii des KKETSCUMANN ächeu iiuume^.
L. iyu,^cd by Google
UIXTELOflBAFFfiCXIONfiN.
533
Sind nan »cbon die Ansichten über die AusdehuuD<r der Erkrankunf^
controvers, so ^ehen die Mpiminpen flber die F.ntstehunfr derselben erst recht aus-
einander. Im WeseDtlicben besteben zwei Ansichten , welche in Betracht kommen
nnd Uber dM Wesen der Erkrankung AnfklXrung geben sollen. Die eine Ansicht ist
die, dMS es deh im eine etnfiu^ lUttelobreiternng handelt, deren ürsaebe
tubalen Urspninfrs ist, so das>!, wie bei den übrigen Mittelohreiterungen die Mikroben
von der Nase und dem Nasenrachenräume in das Cnviivi tympani einwandern,
die besondere Localität am oberen Trommelfellpol aufsuchen und die Veranlassung
Bur Entsttndang geben ; es wird diese Anrieht von fast allen Ohreointen, welche
rieh mit der fi'age beschäftigt haben, vertreten, fo von Zaüfal, Scrmiegelow
n. V. A.. ansper von Walb, welcher einer zweiten Meinung Ausdruck gab Nach
ihm handelte es sich in allen oder in fast allen diesen FflUon zunächst um eine
0tü%8 extemay in deren Gefolge die Eitemng am oberen Trommelfdlpol aiftritt,
und awar soll naeh Walb dies in sweifacher Welse gesriiehen können. Entweder
enengt eine Frkranknnp: des .lusseren GehÖro:ai)fres eine Infection der Hohlräume
an der Membrana fiaccida Shrapnelli durch ein Forampu Itivmi hindurch ödst-
es ergreift eine Otitis externa die Membrana ßaccida direct per continuitatem.
INesem ErkUrongsversnche stehen die crhebliebsten Bedenken entgegen, wie dies
bereits Bezold in ausftlhrlicher Weise hervorgehoben hat und es giebt wohl nur
wenige CJhrenärzte, welche sich den WAT.B'schen Anschannngen anfreschlossen
haben. Ganz abgesehen davon , dass das Vorkommen eines normalen Foramen
Mimni bentsutage überhaapt bestritten ist, würde bei der grossen Zahl der snr
Beobachtung gelangenden Ffllle von Entzündung des äusseren Gehiir'jrange'^ doch
auch von anderer Seite mit Lei<'litif:keit eine Bestatifrunjr der WAi.p'schen Mit-
theilungen zu erlangen gewesen sein , sofern dieselben den thatsiiehlichen Ver-
hältnissen entsprechen. Nichts von alledem findet sich in der geläufigen Literatur
▼or nnd dazu kommt noch, dass. wie altoritig betont irird, Msehe Perforationen
der Membrana flarciffn S/irapnelli im An^chltiss an eine acnte OfifiM fjtpnia
und media zu den allergrössten Seltenheiten f^ehören , dass diese Processe viel-
mehr fast ausschliesslich einen chronisch-schleichenden Charakter au sich tragen,
also ihrer Entstdinng naeh mit aent-entsllndlieben Proeesaea dea InsBeren Oehör^
gangea zeitlich gar nicht zusammenfallen. Aber auch die erste Erklärung scheint
den Kern der Sache nicht zu treflen, weil unter der Annahme eines der gewöhn-
lichen Mittelohreiterung gleichen Processes das chronische Auftreten derselben,
die Eigenartigkeit des Verlanfes trots der anatomiseben Loealitit sieh niebt gentlgend
erküren ISsst. Ueberdies haben wir hierbei noch ^e Tbaiaaehe su registriren, daaa
e» pTcrade bei diesen Erkranknn^ren vielfach zur Bildung von Cholesteatomen
kommt, wie fast alle Beobachter angeben : auch diese f^igeuart der Absonderuugs-
producte epithelialer Natur, zuerst spärlich uud wenig cohärent, später reichlicher
in anaammeoblngenden Massen mit dem ansgeaproeheneii Oharakt^ der Cholestea-
tome verleiht dieser Erkrankung ein von den gewöhnlichen Mittelohreiternngen
etwas verschiedenes Gepräge. Allerdings bedarf es guter nnd genauer rnter^juehung
in vielen Fällen, um den Krankheitsherd genau Ubersehen zu können. Vielfach
sieht man zunächst von der Perforation flberhaopt nichts; am oberen Trommel-
fellpol befinrlen sich eingedickte, zeitweise auch mit etwas Cerurnen vermischte
Maasen, welche dem Procp.'^fiiis brrvis des Hammers anhaften und nach deren etwas
schwieriger Entfernung erst das eigentliche Bild klar wird. Ob nun diese epithe-
lialen Hassen Veranlassung geben anr Bildung von grossen eholesteatomatOsen
Tumoren , ist eine Frage , welche bis jetst endgiltig noch nicht entschieden ist.
Hier difTeriren die An'^ichten der Ohrenfirzte und der pathologischen Anatomen;
ganz besonders sei hervorprehoben, dass Viüchhw die ('liolestcttome als heterotope
epitheliale Bildungeu auÜ'a.s.st , während die meisten Ohrenilrztü im Anschluss an
die Beobaiditungen beim Lebenden in desquamativen Entzündungen, welche im
Hittelobr sieb abspielen, die häufigste Trsache für dieselben verniuthen. Ob es rieh
hierbei um eine EpidermUirnng der Schleimhaut mit nachfolgeuder Abstossnng der
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534
MlTTELOHRAFFECTlONBlf.
oberflSchlieben Schiebten haudelt, wie Lvcae angießt, oder um ein Hineinwachsen
der Epidermis des ()ehör<ran{?a durch einen Defect des Trommolfells in das Can/m
lympani nach der Vorstellung von Bezold, ist bis jetzt nicht sicher entschieden.
LetBtere Ansielit CTseheint nleht sehr wahnebrinliebf um so weniger, ala für eisen
derartigen Vorgang Analogien im 11brig:en Körper fehlen und es dürfte die Ansicht,
dass es sich um eine Metaplasie des Epithels handelt , wohl eher frerecbtfertiprt
erscheinen, so dags in Folge gewisser^ uns noch unbekannter Kcize, Schleimhaut-
thdie sieh in E^dermis Terwaudeln können, Zustände, für welche wir Analogien
im EOrper vorfinden. Wie dem anoh sei, so ist das Zusammentretren von choleetea«
tomatfisen Rildunfjen mit Eiterun^rcn am oberen Troninu'lN lIjxiI imiiierhin bemerket)''-
werth und für uns ein Fingerzeig, gerade hier diu patlioiogisch-anatomischen
Untersuchungen zur Aufklärung der complioirten Verhültuisse einsetzen au lassen.
Was nun das kUniseha Kid anlangt, so tässt sieh auf Grund der etwaigen
Rubjcctiven Klagen der Patienten kein Symptom, welches Verwerthnng finden könnte
für die Diagnose, anführen; es bestehen die srewuhnliehen für die I)ia?tioso der
Miltelohreiterungen charakteristischeu Beschwerdou der Ohreaeiterung und mciüt
^rabsetsung der HQrfunetion. Objeetiv kann man duroh die otoskopisehe Uoter-
BUehung entweder die an der Membrana ßacvidn Shmjmelh' bestehende Perfora-
tion direct sehen oder die Oeftnunfr erscheint bedeckt mit zfllien , fe^t klebenden
Secretmassen, Epidermisschuppen, welche auch das übrige i'roumelleli zum Tbeil
mit Aberziehen und naeh deren Entfernung das Krankbeitsbild klar wird. Mit Keeht
wird von allen Ohrenirsten die geringe Seoretion bei diesea Perforationsformen
hervorfjebolien ; das Trommelfell er.-scheint im l'ebrigen trneken, glanzlos und ein-
wärts gezogen; Ilaminergrill" erscheint sichtbar, in vielen Füllen am Procf,ssus
öi'tvis verbreitert und untersucht mau mit der Sonde, so kann man sich mit Leichtig-
keit flbenengen, dass sowohl der Hammer earids ist wie die Theile am oberen
Rande des RiviKl'schen Ausschnittes.
Entweder ist die Perforation der Memhrfina f^hmpneUi nur allein vor-
handen oder sie ist complicirt durch eine gleiche am Tronimelicll ; im ersteren Fall^
ist beim GatheteriBmus und bei dar Ausenltalion ein Perforationsgerftusch nur
SuHser^t seltm hörbar, schon deshalb niebt, weil vielfach durch .'>ecretma8»en, dureh
Schwelliiii^-- der Schleimliaut n. s. w. die ('ommunicationsf*lTniiTig verschlossen
erschMüt, wie dies bereit« MuBruRGO hervorgehoben hat; im letzteren Falle besteben
naturgemftss alle Au^^enltationserseheinuDgen, wie wir sie bei den einfachen Perfora-
tionen des Trommelfells in beobachten pflegen. Ist der Eiternngsproeess abgelaufen,
f!0 kann man \ielfach entweder die zurückbleibende Pcrforationsi^ffnung beobachten
oder die Narbe, welche an Stelle der verloren ces'.iiif.'i ticn Membran sieh gebildet
hat; dieäclbe lüsst im Hintergründe erkennen den liamuicrlials und bei der Eigen-
artigkdt der Verhältnisse ist es vielfaeh Äusserst schwierig, mit Sicherheit ein
defioitives Urtheil Ober die vorliegenden Hilder zu {:ewinnen, namentlich wenn es
sich um kleine Narben handelt, zumal an der Menifu-dna S/iin/,nf //i selbst schon
in der 'Sorm die mannigfachsten Variauten zu constatiren »ind mit Bezug auf die
Grosse* und Ausdehnung derselben.
Der Verlauf der Affection ist im Allgemeinen , wie bereits bemerkt, ein
ebroiiischcr und die Ausheilung eine relutiv lan^^ame, was unter T'mständon auch
der Indolenz der Kranken zur Last fallen dürfte, da in Krman<rluijg hochgradiger
liesehwcrdcn , Schmerzen u. s. w. die ärztliche Hilfe vielfach gar nicht in An-
Kprnch genommen wird. Andererseits ist eine Spontanheilung in ^ner Reihe ▼on
F.llien sicher ctmstatirt, so dass die Möglichkeit einer Ausheilung ohne operativen
Kinirritf dadurch gewährleistet wird. Es werden tympanale Einspritzungen sur
Keini^upg der erkrankten Hohlen uothweudig, sei es allein oder unter Anwendung
bereits frOfaer au frege bener Medicationen, von Alcohol abgolutu» oder adstringiren-
der Präparaie. In denjenigen Fällen, in denen mit diesin Heilx ersuchen keine
belriciiiirciidcu Resultate erreicht werden, bleibt aNdann nichts weiter übrig, als
aut operativem Wege alles Krankhafte zu entfemen.
uiym^L-ü Ly Google
MITTELOIIRAFFECTIÜNEN. — MORPHIUMINJECTIONEN.
535
Literatnr: Prof. M. Flescb, Zur Aetiologie der Ohreneiterung im frühesten
Kindesalter. Bcrl. klin. Wochenschr. Nr. 48, pag. lZi4. — Politzer'« Lehrbach der Ohran-
heilkunde. III. Auri. pag. ^91; Anmerkung bezüglich der Ohreneiterung im Kindesalter. —
Morpargo, Beitrag stur Pathologie oud Therapie der Perforationen der ShrapneirschMi
MembraB. Areh. f. Obnnlik. 1883, XIX, pag. 264. — Hetsler, Beitrlga snr Pathologie
und Therapie der Perforationen dt-r Shrapnpll'schen Mt mhran. IlnM. 1P84, XX, pa^. 121. —
K r« t s (; h m an n , FisteltiffnunReu am oberen Pol des Tromnielfells über dem /'roce«irM« brevis
des Hammers, deren Pilthogeneso und Therapie. Ibid. 18S7, XXV, pag. 1864. — Wnlb,
Ueber Fisteioffaongen am oberen Pole des Trommelfellea. Ibid. 1888, XXTI, yaf. 185. —
Becold, Cholesteatom, Perforation der Mfemitrana ßaeeidm Shrapnetti nnd TabenTerscbltus.
Zeitschr. f. Ohreiihk. XX, pag. .5. — Sch m iegelow , Beitrage /.ur Fr^iL' ' von den
Perforationen in der MeinOmna ßaccüla Shraptulli mit Bemerkongen tiber die bildang des
Cholesteatoms. Zeitschr. f. Ohreohk. 1891, XXI, pag. 107. B. Baginskf.
St. Moritz. In diesem bekannten Curorte des Engadins in der Schweiz
i8t im Herbste 1886 eine neue, sehr bedeutende Mineralquelle, die „Fnntanna
snrpunt", 400 Meter nordOstlieh der alten Quellen, am Fnm^ des Berges gelegen,
entdeckt nud jjefa.sst worden. In den Jahren li^fO — 1 S;r_> ist nun unmittelbar
neben der Quelle in .sehr günstiger Lage das „neue Stablbad St. Moritz^' erbaut
worden, welchem diese neue Quelle dient. Dieses ,,neue Stahlbad" steht in etwna
erhöhter Lage bei 1780 Meter MeereshOhe, am Waldrande tfldlieh vom 8t. Moritnr
See, mit herrlicher Aussieht auf ileu .'<ee, das Dorf und die Gebirge thalabwärta
nnd thalaufwiirts. Im .Januar lS'.f_> wurde die neue Miner.ilquelle de.s neuen
Stablbadts nochmalä einer gründlichen Analyse unterzogen, welche folgendes
Resnltat ergab:
In Form von Saison bereohnet, dnd in 10.000 Theilen enthalten:
Kaliurosulfat 0*034öö
Natriuuisulfat 2-48539
Aninioniumchlorid O'OIHIO
Magnesiunisulfat 0'80357
Magoesiumbromid 0*00120
Lithinmchlorid 0 00630
.Mafrnesiumchlorid 0"13744
Magnesiuroborat 002023
Magneslumearbonftt 0*71696
Cal.:iin;(iii..rid 0-00180
C.-ik'iumpliosphat 0**i01,51
Calciumcarbonat 6'98G*J7
Strontivmenrbonat 0*00050
Ferroearbonat 0*86664
Man^raucarhonat 0'0267H
Aluniiiiiuninxyd 0 00(i35
Silieiumdioxyd 0*62127
Organisehe Substanzen 0*01498
Snmme . . . 12*23039
Freies und halbgebundeoes Kohlendiozyd (Kohlenanre) 18350' 2 Com.
Den Eisenf^ehalt als Ricarbonate berechnet, erhalten wir für Funlauna
surpuut f.lanuar 18(>2 i O tjTlOT, wilhrend die Quellen im Curhause .St. Moritz :
ParaceLsusquelle 0'3b64U, die alte Quelle 0-;i30<.»8 enthalten. Die neue Mineral-
quelle ist daher wie die bisher benutzten zwei letztgenannten Quellen ein Eisen-
säuerling, .tlier der Kisengehalt ist hOher bei fast genau gieiehem Kohlenslnre-
{rehalt; der Kalk^rehalt i-t wesentlich jrerinjrer, was das Wa-sser viel verdaulicher
macht, endlich enthält die neue Quelle keine kohlensauren Alkalien und nur halb
so viel Chlor. Die Temperatur der neuen Quelle beträgt 7 o C. , die der alten
Quellen 3— 5*5»C. Kl ach.
Morphiuminjectionen, b«i Eklampsie, pag. 231.
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536
MORVAM'sche KRAH&UEIT. — MVBRHOLIN.
Morvan'SChe Krankheit. (Vergl. Real-Encyclopädie, II. Aufl., Bd. XXIII,
paff. aOl ; Bd. XXIV, pag. 523.) Neue Fälle veröffentlichten u. A. B. Sachs und
Abmstkono ^) uud U. GESSLKR^ji beide Arbeiten verbreiten sich auch insbesondere
1ll»er daa TatettniM der MOBTAN'adiMi Krankhdt rar Syringomjelie , konnaen
aber in dieaer Beziehung zu gerade entgegeogeBetstem Ergebniss. Wihrend Sachs
und Armstrong ^) die DifTerentialdiagnose lieider r.rkrankungazustände ein-
gehend erörtern und sie namentlich in ihren späteren Stadien mit Rücksicht auf
den gesammten Verlauf fUr sehr wohl unterscheid bar halten , kommt GbssL££ in
UebereinatiouttQDg mit HOOTKAim aa dem Sehlnaie: „Die Maiadie de Morvan
mitenelieidet tidi ebensowenig anatomiseh tou der Syiingomyelie wie klinisch."
Literatnr: ') B. Sachs nnd S. T. Armslrone, Morvan's disease. New- York
med. Joam. 30. April 185^2. — ') H. Gessler, Leber SyriDgomyclie und Morvan'eche
Krankheit Med. ComcpondenaU. 5. Junar 1893. Balenbnrg.
Myrrholin. Eine (von flügge dargestellte) fettölige Lösung der wirk-
samen Bestendtiieile der M]mrbe, aar inneren nnd ftnBseren Anwradnng. Die
ooneentrirte Lösnng (1 : 1 Myrrholin) stellt eine rothbraune , klare Flüssigkeit
dar, mit dem unangenehmen Geruch und .iromatisch - bitteren Geschmack der
Myrrhe. Innere Anwendung in Gelatinekapseln mit Ö'3 Myrrholin (bei chronischer
Bronchitis), oder mit 0*2 Myrrholin und O l Kreosot (oder 0*25 Myrrholin und
0*5 EreoBOt) bei Phthialkeni, tlglieh 6—12 Kapseln naeh den Mablaeiten.
N.
Nährbüden, s. Bakterien, pag. 70 ff.
NaJltnOUrAlgiS. hu diesem Aasdrnek boEdehnet Benedikt gewisse
Formen von Cepbalftl^e, die sich bei näherer rntcrsuchung als auf die Nähte
brschrilnkt erweisen mtuI hei denen sieh auch die Nähte gejren Druek hoch«Tadi}<
emptiudllcb zeigen. Hknküikt beubacbtete diesea Zustand nicht blos bei jugend-
licben Personen, sondern aneh im i|Ateren Alter, naeh eingetretener naturge-
mlBser VerlOthnng der Nühte; ferner als ßegleitsymptome mancher nervöser
Zustände, wie z. 15. ^f<"■fuls JiasrJoin'i. In einzelneu Frtlleu kann diese Erkran-
kung, die wabrsfheitilich mit Nahtentwicklun^ und Nahtinvolution zufiammenh,1n;rt,
aueh als acutes Leiden auftreten. Die Therapie besteht nach Benedikt in der
loealen Anwendung von Eaa, von Point» de feu anf der rasirten Kopfhaut und
ünterhaltuog der Eiterung dnreh Ung. Mezerti, und im innerliehen Gebrauche
von Jodnatrium.
Literatur: Benedikt, Ueber Hyperä?theäieu der Kopfhaut. Interuat. klin.
Rmidaeliaii. 1892, Nr. 1. Enlenbnrf.
NarbOnStenOSBII, des Dara», pag. 189.
NftrCOilly 8. Antispasmin, pag. 19.
NsphritiSy acute, 8. Harncylinder, pag. 392; chronische, ibid.
pag. 392—394.
N6phr0pt086, 8. Enteroptose, pag. 248, 250.
Neuralgien, Seebider dabei, pag. 558.
Neusser'scher Farbstoff, B. Harufarbatof fc, pag. 400.
Nierenepithelien, im llaru. pair, 385.
NitroprUSSidnatrium, als lie.i-.ns. s. Ilam, pajr. .376.
NordseeCUrOrte. unter den .Seebädern nehmen die Nordseebäder eine
Mgeaartige und hervorragende Stellung dadurch ein , dass die für therapeutische
Zwecke in Frage kommenden Faetoren der Seeluft sowohl wie des Seebades bei
ihnen in einer Weise zum Ausdruck und zur Geltung kommen^ wie sie in solcher
Gleichmässif^keit und sich fre^enseitip- er^'änzend andere Gruppen der Seebader
nicht bieten. Dabei ist nicht ausgesehlossen, dass die einzelnen Curorte der Nord-
see, In ihrer Mannigfaltigkeit und Yerschiedenhdt je naeh ihrer Lage und dadurch
bedingter Eigenart sowohl der klimatischen, wie der die Heilwirkunj^ der See-
bäder bedingenden Fact'»ren , ebenso den verschieden.Trtifr^ten . filr die Seelut't-
und Secbadocur in Betracht kommenden ärztlichen Anzeigen zu genügen vermögen,
wie dnreh ihre anderweiten Gnrmittel den v»scliiedenartigen Ansprüchen des Cur-
gastes und den in des letzterem Interesse sn stellenden Anforderungen des Arztes.
Seit flf'ti li.iliiilirt chenden Arbeiten Benrkk'.s erkenricn wir in der ^tetiiren
Einwirkung der Seeluft, indem „iiuftbade", das spccilische Moment nicht allein
Digitizeu l> ^oogle
588
NOBDSESCUBOBTB.
d«r eigentlieben Seelaftcoreo , sondern aaeh der SaebadMor. Der Aufenthalt am
Strande in Verbindung noit Seebädern , also das . was man gewöhnlich „das See-
bad" nennt, ist demgemäsa eine klimatische Cur in Verbindung mit einer erregen-
den Form der Kaitwaasermethode. Durch die hohe Bedeutung, die damit der
Seeluft snerkannt iit, tritt auch sofort der üntenehied in der Miiitiren Bedeotaog
der Insel- und RQstenbflder hervor. Nächst dem Aufenthalte auf einem SchifTe —
und zwar der grösseren I^einheit der Luft wegen am ausgesprochensten an Bord
eines Segelschüfes — wird duruh deu Aufenthalt auf einer nicht allzu grossen
und dem Peetlaiide nicht sn nahe gelegenen Insel die Einwirkung der Sedufl und
flberhaupt des Seeklimas in seiner reinsten, wirksamsten und constantesten Form
dargestellt. r>ii' KUstenbäder ern)angeln unter allen l'mständen der dauernd reinen
Seeluft und damit auch zugleich weiterer, in sanitärer Beziehung wichtiger Factoren
des Seeklimas: der Oleiehmässigkeit der Temperatur und des Feucbtigkeitsgebaltea
der Luft, dee hohea Osongehaltes u. e. w*, da ihnen der Landwind von wenigatena
einer Richtung die trockene, staubige und mit organischen Zersetzungsproducten
geschwäntrertt' Luft des Festlandes zufuhren niuss,. wilhretul auch die von zwei
anderen Kichtuugcn webenden Winde ihnen nicht reine Seeiuit, sondern nur durch
Beimieehang von Landlufl verunreinigte Luft sufOhren liOnnen. Eine Ananahme
hiervon krmntfn nur auf einer schmalen, sich weit in das Meer hinaus erstrecken-
den Land/uuge gelegene Orte machen, wie es deren in den fdr eigentliche See-
luft- oder Seebadecuren geeigneten Aleereu nicht giebt. Aber nicht allein in Betreff
der Seeluft, sondern auch hindehtiieh des Eeehadc« stehen die Curorte der Kttste
im Allgemeinen hinter denen der Inseln schon dadurch znrOek, dass ihre Badeaeit,
mehr als lei letzteren, wegen der Strandverhftltnisse , Stri'mningeu u. h. w. auf
die stets wechselnde Zeit der Fluth und aucli da zuweilen nur auf kurze Zeit
beschränkt ist. Das Seewasser selbst ist au den Küsten öfter durch Beimischung
von Sas»> oder Brackwasser dnreh in der Nihe mündende Flttsse, Canale, Schleusen
oder Hafenanlagen verunreinigt, was um ^^o sicherer, und tum Theil in entschieden
gegundlieitsgtfjlhrlicher Weise der Fall ist, wenn die Kflstenbflder sich an grössere
und gr»sse Orte anlehnen, die natürlicher Weise zugleich zur Luftverscblechterung
beitragen. In nachtheiliger Weise macht sieh fdr die KUstenbftder aueh der Ein*
tluss der Landwinde auf das Niederhalten des Wellenschlages bemerkbar, namentlich
in der, andererseits L'^cradf fdr die Inselbitder besonders günstigen herbstlichen
Jahreszeit, wo die 1 tuiperatur des Festlandes und der Landluft niedriger ist, als
die Temperatur des Meeres und der Seeluft. Derartig«*. Temperaturerniedriguageu,
die ihren Ausgleich nach der See suchen, kommen in oft sehr unangenehmer und
znr Vorsicht auffordernder Weise zur Geltung, namentlich an bewaldeten oder
gebir^riiren Klisteii. wie allerdings die Nordsee erstere nur ausnahmsweise, letztere
gar nicht hat. l:;chliejS8lich ist, bei Abwägung der den Inselbädeiu vor den KUsten-
bädem zukommenden Vorzflge, auch die von Ben EKB annichst fttr die deatsehe
NordseekQste lestgestellte, in gleicher Wd-c ahur an den Heeresküsten im Allge-
meinen zur (ieltung kommende Thatsachc in racluuing zu ziehen. ,.daÄS die sanitäre
Potenz der Nordseeluft auf '/g Stunde Entfernung von der KUüte landeinwärts
nicht mehr in ihrer charakteristischen ESgenthllmlielikeit hervortritt^.
Alle die charakteristischen Eigenschaften, wie wir sie in ihrer Gesammtheit
zugleich als die lleilfactoren der Si'cluft anerkennen: Reinheit, Ctleiclim.lssigkeit
der Temperatur und d(< hnhen Feuchtigkeitsgehaltes, Dichtigkeit, höherer Uzon-
gehalt, Bewegtt<ein, kommen auf den kleinen, schmalen, vorwiegend äandigeu und
schwach bevölkerten Inseln der Nordsee zur vollen Oeltong. Es nehmen in dieser
ßeziehuQff die den > i 1 < cküsten vorgelagerten Inseln eine durchaus eigwartige
Stellung ein. «»«stlirli di r Nord-cc können die In^clbiider der Ostsee in Bezug
auf Seeluft schon aus dem Grunde mit den Inselcurorteu der ersterun nicht in
Wettbewerb treten, weil die Ostsee selbst in Folge des sie von allen Seiten nm-
>chlic.s<oiiden Landes mehr den Charakter eines grossen Binnen-^ees trägt, dessen
Verbindung mit dem Atlantisehen Ooean nur eine indirecte ist, vermittelt dureh
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NORDSEECUBORTE.
Ö39
dto Nordsee, des Ska^errak und Kattegat, den ftrossen und Kleinen I^elt und den
Rnnd. Id betreff «Her der Ei^renscliaften , mit Ausnahme der Dichtigkeit, die wir
der Seeluft Als ebarakteristisch uud zu^^leich als ihre sauitüro Fauturen zuerkennen,
ist die Ostsee minderwerthiger ab die Nordsee. Re:nhelt, Gleiehmlssigkeit, Fenehtlir-
keits- und Ozongcbalt werden beeinflusst nnd bceiotrAchtigt durch die >it' ura-
achlies^cndeii Laudermapsen , die GleichmSssif^keit zugleich auch mittelbar dureh
ihren schwachen Salzgehalt, da, je geringer der letztere, um desto rascher auch
des Wasser seinen Wirmegfdialt abgiebt. Dw Salzirehalt der Ostsee aber verringert
sieh in der Richtung von West naeh Ost von l*97o o bis 0-26» o, gegenüber dem
in uni«rekehrter Richtung, von Ost naeh West steigenden Salxgebalte der ^{ordsee
von 3-:n" 0 bis :^-45'' o-
in dem geringen Balzgehalte und dem Fuhlen von Ebbe nnd Flutb, im Vereine
mit den eontinentalen Einflössen, denen ue unterliegt, ist aoeh das rasebe Ein-
wintern und Gefrieren der Ostsee begründet, bei dem nattirlich von dem sanitflreu
Kinflnsse der Seeluft nicht weiter die Rede sein kann , während die Nordsee eis-
freies Meer ist und damit, iusbesoudcrs auf ihren Inseln, die lieilfactoreu der
Seelaft «ueh im Winter «nr Geltang kommen.
Geht somit die Luft der O^laeeMder im Allgemeinen schon durch couti-
nentale Einflflsfie ihrer eharakteristisehen Ki^'enth^lmlichkeiten als Seeluft in hohem
Grade verlustig, so kommt für die verhält ni«;smä:äsig wenigen luselbäder der Ostsee
nooh der Umstand hinzu, dass sie entweder der Kllste des Festlandes selbst, nnr
dnreh schmale Meeresarme von ihr getrennt, so hart vorliegea, dass sie in klima-
tischer Beziehung als Theile des Festlandes anzusehen sind , oder dass sie auf
Inseln liegen, deren (Jrftsse, Zahl und Dichtigkeit der Bevölkerung schon an
und für .-ich den Charakter 8elb:>t wirklicher Seeluft beeinträchtigen würden. V^on
der Esthland vorgelagerten Insel Oesel abgesehen, die fDr vns naeh keiner Rieh-
tung bin in Betracht kommen kann, sind die Inseln Wollin nnd Usedom mit ihren
zahlreichen und viclbe-nchten Seeb/ldern, ebenso wie die Insel Rdgen zwar durch
hohe landschaftliche Sehüuheit und grossartige KUstenbildung ausgt-zeiclinet, aber
die ersteren nur durch die schmalen Mflndungsaime der Oder, Rügen dnreh das
klare Wasser des sich in vielfaclien Windungen und Kinbuchtungen längs der
Küste hinziehenden Strelasundes vnm Fc-itlande getrennt. Die Hader auf den d/lnischon
Inseln Fünen li^Middelfart am Kleinea Belt) und Seeland (Oharlottenlund. i^lampeu-
borg, Skodsborg, Marienlyst, Uellebaek, Aalsgaard am Sunde nnd Gilleleie am
Kattc^t) sind durch ihre Lage an den die Ostsee mit der Nordsee verbindeoden
Wasserstriis-.cn schon keine eigentlichen Ostseeb.lder mehr und zudem auf grossen,
gut bevölkerten Inseln gelegen, deren Charakter als solche eigentlich nur noch durch
ihre geographische Lage zum Ausdruck kommt, hu dass auch ihre Bfider sieh als
Kfistenbäder kennseiebnen. Was sonst an Badestellen und Badeplltzen auf kleinen
und kleinsten Inseln noch vorhanden, ist von keiner Bedeutung.
So die Inselbflder östlich der Nordste. In westlicher Riehtun? sind die
vorgeschobensten Rosten der Nordsee-Insel büder Vlissingen und Domburg auf
der holllndiseben Insel Waleheren, doeh ist letztere grosse Insel nur westwärts
der See zugewandt, nach Nord, Ost und Sfld dagegen von Mündungsarmen
der Sclielde iiMit|n>st-n , die auch die landwärts von W.ilcheren liegenden grossen
Inseln Nord- und Süd- Beveland bildet. Letztere wicdennn ist einestlicils mit dem
nahüD Festlande, andererseits mit Walcheren durch Eiseiibahudamm verbunden.
Ist somit die Inseleigensehaft von Walohwen In Besag auf Seeluft eine etwas
fragliche, so ist doch der Strand von Domburg der ofTeneu See zugekehrt, wfthrend
VliMsiuL'eii. wie Ciixhafcn an der Elbe, so an der Mündung der Wester Scheide
nur 4 Km. von dem linken Scheldcufer uud dem Fostlande gelegeu, trotz Ebbe
und FIttth und missigem Salzgehalte als Inselbad der Nordsee nicht bezeichnet
werden kauM.
Von der Seheldemtindnng ab, der belgischen Fl.u-hkfistc entlang, lie^rt
dem Fostlande Uberhaupt keine Insel vor und die weitereu kieiueu, längs der
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NORDSEECUBOBTE.
französischen Seite des Canals liegenden Inseln sind durchaus unbedeutend und
ohne Seebäder. Nur an den Südwestktlsten der Bretagne und vor den Mllndiin^en
der Cbareote und Garoone treten grössere Inseln berror, deren eine ile-de Ke,
an LiDfNi- mid Breitenanadflliniiif migdkhr Sylt gleidkkoiDmend und 4 — 6 Km.
vom Festlande entfernt, aussefordantlich stark bevölkert (16.000 Einwohner) und
bekannter ist durch seine SalzwaBsersflmpfc, als durcli peiii Seebad. Letzteres liegt
im Norden der Inael bei der kleinen, ungefähr 2500 Einwohner zählenden Ötadt
St. lUrtlii^RAf welebee zugleidi der SammelpUtB ist für die bot Deportation
naeh Nen-Oaledonien verurtbdltMi Sträflinge. Ist dieses Inselbad an nnd fir licli
sehon , nicht zum Mindesten we^en der Nähe des Landes, von keiner grossen Be-
deutung, so ist es für uns vollkommen bedeutungslos. Der weitere Verlauf der dem
Atlantischen Ocean kugekehrten, genau in der liicbtung nach Süden verlaufenden
ettdAranzOfliseben Kflste zeigt zwar die bekannten nnd Tielbeenebten KOstenblder
Areacbon und Biarritz, aber keine einzige vorgelagerte Insel, und auch die viel-
fach eingebuchtete und weit in den Ocean vorspringende pyrenäische Halbinsel hat
zwar verstreute Inselbrockeu ihrem Festlande vorliegend, aber kein Inselbad und
nnr an ibrer Westküste, ausser besuchten Kttstenbidern — S. Sebastian, San-
tander, Gijun — an die grossen Städte Oporto, Lissabon, Cadiz sich anschliesseode
Seebäder. Das Gleiclie zeif,'t n\ch an der dem MittelLlndischen Meere zujrekehrteu
spanischen Küste bei den Seebädern von Malaga, Grao de Valencia, Barcelona.
Erst an der französischen Kaste des Mittelmeeres treten wied«r veninzelte
Inseln und die Inselgruppen der byerischen nnd leriniseben Inseln auf, die jedoeh
der Seebäder ebenso ermangeln wie die toscanischen Inseln und die grossen Inseln
des Mittelländischen Meeres. Selbstverständlich schlie.sst das nicht aus. dass hin
und wieder einzelne Badezelleu am Strande aufgestellt sind von Privaten oder
zur Benutzung fDr Touristen, aber eigentliehe Seebäder zu Cnrsweeken g^ebt es
ntcbt Aueb laehia und Malta sind nicht als solche anzusdMBt <I0 wenig wie Ajaccio
oder Palermo und Marsala. Die Ostküste Italieus ist, ausser einigen kleinen Inseln
im Golfe von Tarauto , vollkommen inaellos und erst auf der langgestreckten
sehmalen luMlreibe des Lido bd Venedig trifft man wieder dn Seebad. Dann
folgen, trotz des luselreichthums des östlichen Adriatischen «nd Ionischen Meeres,
wohl nofli vereinzelte Küstenb.tder . aber . wie in den weiter naoh Osten SU
gelegeneu curopilischeu Meeren, keine ln.selbäder mehr.
I^ach der Oceanograpbie umfasst die ^«ordsee auch den Aermeloanal, die
irisoh'Sebottisebe See nnd den St. Georgseanal, doeb steben die Seebider der
britischen Inseln, bei der Grösse der letzteren , zu sehr unter continentalen Ein-
flüssen, als dass sie in Bezug auf Seeluft als Inselbäder angesehen werden könnten.
Wie stark die Luft der englischen Küsten und deren Reinheit beeinilusst wird
durefa die über ihr Hinterland strelobenden Winde, geht, ziffermlssig belegt, ber?or
aus den Berichten der Rivers Pollution Commission, namentlich dem von Fkanklano,
Dknmsox , Morton- verfassten 6. Berichte. Schwer in's (Jewicht filllt dabei die
Dichtigkeit der Bevölkerung und ihr Zusammeogedrängtsein in vielen grossen
Stidten und die reich entwiokelte Industrie der toitiseben Inseln mit ihrem massen-
liaften Steinkohlenyerbrauehe. Eäne gewisse Ausnabmestdlung nehmen, da auf den
enjrlischen Canalinseln kein Seebad von Bedeutung ist, allein die südlichen Cnrorte
der ln*el Wiirht ein , da ciieselben . trotz des l infan^js der Insel und der nahen
englischen Küste, durch oceanische Luftströmungen in hervorragender Weise beeiu-
flttsst werden und somit als klimatiaehe Curorte in England mehr noch in Auf-
nahme sind, als Seeb.'lder.
S(»naeh nehmen die Inseln der Nordsee in Bezug auf die Seeluft eine
durchaus eigenartige und bevorzugte Stellung ein, die ihre Benutzung und Ver-
wertbung flDr sanitftre und Heilzweeke in ausgieUgster Weise gestattet. Obsehon
sie sämrotlich nieht zu den oceanischen, sumit entfernt von den Festländern und
mitten in den ( leean frelefrenen Inseln trehören . vielmehr zu den continentalen,
der Kichtuug der benachbarten Küsten parallel laufenden, so gestattet doch ihre
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NOBDS£ECURORT£.
541
geringe ßrcite und ihre langgestreckte, sieb von Westen nach Osten und weiter
von Süd nach Nord ziehende Anordnung, dass sie der Seeluft iu vollem Masse
tbeilbaftig werdtn, und dass in klimatiscber Beziehung der Einfluss des Meeres
anf ihnen dnrehweg zur Geltung kommt. Wenn naeh den Untenndinngen
FiscIIBE's>) Aber den Keimgehalt der Seeluft, der letztere nieht von der Ent-
fernunff des nHchsten Landes überhaupt abhängig erscheint, sondern vielmehr
von der Entfernung des in der Windrichtung zunächst gelegenen Landes, so
fuhren die vorherrschenden, über die weite Wasserfläche der Nordsee streichenden
Weetwinde den NerdseeinBeln die reine Lnft SQ, die vnbeetreitbar nnd anbestritten
als vornehmste und in hygienischer wie therapeutischer Beziehung widltigtte
Eigenschaft der Seeluft zukommt. Dasselbe gilt von den aus nördlicher Richtung
anstehenden Luftströmungen. I Ur die seltenen südlichen uad die östlichen Winde
aber, die bei den naeh Osten gei« genen — nordfriesisoben — Inieln nur fllwr
verhältniflsmässig nicht breite MeeresllHchen hinwcgstreicben , kommt immer noeh
der Umstand in Betracht, dass sie über ein sehwachbevölkerfes und in klimatischer
nnd sanitärer Beziehung noch unter dem, wenn auch abgeschwächten Einflüsse
des SeeUimae etdiendee Ktlafengeiiiet hinweggehen.
Nächst der Reinheit, als der obenanstebenden , kommen aneh die
anderen Eigenschaften der Seeluft auf den Nordseeinseln zur entsprechenden
Geltung, so vor Allem ihre (i 1 e i c h m ü s s i g k e i t. Durch sie werden nicht allein
die Unterschiede zwischen den einzelueu Jahreszeiten verriugert und die Ueber-
gflnge swiaehen denselben ansgeglieben , sondern aneh die Sehwanknngen der
Tagestemperaturen in einer Weise gemindert, dass dadurch ein entschiedener
Gegensatz des Seeklimas markirt wird zu den schroifen Teniperaturübergflngen,
sowohl des Binnenlandes, wie namentlich des Höhenklimas und des Südens.
WesentUeh gefordert wird diese Oleiebmtosigkdt nieht allein derLnfttemperatur,
sondern ebenso des hohen Feuchtigkeitsgehaltes der Luft , wie sie an
und für sich schon charakteristische Eigenschaften der Seeluft sind, durch den
mächtigen Einfluss der Golfstrom- Trift und der mit ihr durch den Aermelcanal
in die Nordsee eintretenden warmen und feuchten sfldwestlicben Luftströmungen.
Unter dem Einflüsse dauernder sfldwestiieher Winde } welebe die aas niederen
Breiten und über den Occan herkommende dampfreiche Luft von hoher Temperatur
herbeiführen, wird es mö-rlich , dasa in dem westlichen Küstengebiete der Nord-
see, für welches durch 1'uk.stkl -) die eingehendsten und längsten Beobachtuugen
vorliegen, im Jannar Tag^mittlerer Temperatur von -f 7*6* R. nnd mit hOehster
Temperatur von 9*9<* R. vorkommen. Auf den mittleren Stand der relativen
Feuchtigkeit der Luft, die im Durchschnitte betrügt, scheint (irösse der
Inseln und Nähe des Festlandes nicht ohne Einfluss zu sein, immerhin ist sie im
Vergleiche zn dem fiinneolande eine hohe nnd ebenso bedingen die relativ ge>
ringen Temperaturschwankungen der Luft und der hohe ljuftdruck grosse Oleidi-
mässigkeit und beträchtliche lirilic der absoluten P^euchtigkcit. Für Norderney
berechnete Beneke ^) den mittleren Stand der relativen Feuchtigkeit auf H4-21,
für Helgoland V. Kkesiskr *) den Mittelwerth der relativen Feuchtigkeit in Percent
auf 82, gegenflber dem Berlins von 75, den der absoluten Fsuehtigkdt in Hm.
auf 7*2, gegenüber dem Berlins von 6*6. Dass auch der hohe Ozongehalt
der Seeluft auf den Nordseeinseln durchweg zur vollen Geltung kommt, ist bei
dem geringen Umfange dert-elbeu und bei ihrer fast stets bewegten Luft selbst-
verst&ndlieh.
Kruse legt diesem hohen Ozongehalt, ebenso wie frflher HaKBAÜ Und
Bfneke , eine ausserordentliche Bedeutung bei und spricht es geradezu aus :
D Durch ihren Ozonreichthum ist die Seeluft die so oft gerühmte reine Luft."
Ausser auf die allgemein deslnfidrende Rolle des Ozons legt er dabei grossen
Werth anf die bei seinen Untersuohungen auf Norderney von ihm gefundene
Thatsaclie, dass die Inselluft im Vergleiche mit anderen Oertlichkciten den Vorzug
habe, dass ihr Uberali gleicher Ozongehalt auch an ebener Erde ebenso gross
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NORDS SECUBORTE.
sei, wie in etwas liuherer T-age, und dus auch bei starkem Nebol ein. oft soprar
sehr g^roRser Ozonpelialt nachzuweisen ist, während die Beobachtungen aus anderen
Gegenden das Fehlen des Ozons bei nebliger Luft melden. KacsE erklärt letzteren
UimtMid dadureh, — und die nenerra Untenuebangen von Gabsbllbt, Wir. H ackib
und AimN tlber den Gehalt der Luft, insbesondere nebliger Luft, an oiganiflehen
Substanzen aller Art sind bestätigend für soine Ansicht, — dass an den Nebel-
blflscben anderwärts Staub, Hauch. Ausdünstungen aller Art haften , welche des
▼orbandeaen Oaons sieb bemftobtigen , während diese Beimisebnngen der reinen
Seeluft , beziehungsweise der Insellaft fehlen oder doch in so geringem Masse
vorhanden sind , dnss «ic das Ozon nnr zu einem kleinen Thcilc v«>rbrauehen.
Auf dieser relativen Keinlu'it der Seenebel beruht es wohl auch , dass die Eng-
liaderi bei denen die Seeluftcuren seit langer Zeit seboa die ihnen gebübreade
StdIInng in tberapeutiaeber Beaiehnnf einnebmen , die Seeaebel (sea fog») im
Gegensatze «n den „kalten" Landncbeln (juists) selbst fDr Brustkranke nicht für
gefährlich erachten, wie auch Beneke' ) auf Norderney im Winter lf<f*() f^l die
Erfahrung machte, dass selbst weit vorgeschrittene Pbthisiker mit Caverneu be-
wegte kalte und neblige Seeluft gut vertrugen, ebne au stärkerem oder vermehrtem
Hutten gereizt an werden. Dabei kommt noch in Betracht , dass zwar in den
nördlichen Meeren und so auch in der Nordsee die lliramelsbedockung , wie
oatQriicli, eine stärkere ist als im Binnenlaude, was für die Gleichmäsaigkeit der
Temperatur und deat inabesondere relativen Fenehtigkeitsgehaltes der Lnft von
bober Bedeutung ist, dass aber, entgegen der Ablieben Annahme, die Zahl ä«t
eigentlichen Nebeltage eine verhältnii^siiifissig geringe ist. Kremser berechnete für
Helgoland die Zahl der trüben Tn^c im Jahre auf 205"() . die der Nebeltage
auf ci'J-4, die mittlere Bewölkung im Jnhre auf 7*7 gegenüber Berlin mit ü'3,
wobei für die Curorte der Nordsee, iosoweit der Badebetrieb in Betraeht kommt,
von Wichtigkeit ist, dass wohl der Winter verhältaissmSssig viel Nebeltage hat,
aber, in geradem Gegensatze zu dem Binnenlande, in Folge der Wärmeverhillt-
nisse des Meeres zwar das Frühjahr nebelreich, der Herbst aber nebelarm ist.
Der angebliebe Salagebalt der Seeluft, dem bis in neueste Zeit dne
hervorragende sanitäre und therapeutische Bedeutung zugecofarielMn wurde, kommt,
wie durch chemische und mikroskopische l "ntersuchungen unzweif'ellKift iiMelige-
wiesen , der Seeluft als solcher nicht zu. Vielmehr ist er, wann und wo er auf
See, am und iu der Nähe des Strandes auftritt, lediglich Folge mechanischer
Zerstäubung durch Wogenstura und Brandung, somit eine aufUlige, von Wind
und Wetter abhängige Beimengung, deren Werth somit ein sehr bedingter ist.
Die einzige Eigenschaft der Seeluft, die in gleicher Weise wie auf den luseln
der Nordsee, auch an ihren Küsten zur Geltung kommt, ist die Dichtigkeit,
bedingt dureh den atmosphärisehen Drnek. Der mittlere Barometerstand ist
760 Mm. (— 28 Par. Zoll), für die Inseln etwas niedriger als für das Küstengebiet.
Ein höherer Luftdruck als an der Meeresküste findet sich nur an vereinzelten,
tiefer als der Meeresspiegel liegenden Laadgebieteo : der Gegend am Todten Meere
(1289 engl. Fuss), den Ufern dea Asalaeea in OstaIHka (689 Fuss), dem Conebilla-
thale und bei Los Angeles in Califomien (d60 und 873 Fuss), dem Depresaiona-
gebiete der libyschen Wüste (270 — 123 Fuss , Arroyo del Muerto in Californien
(230 Fuss\ der ka^jpisehen Senke 8(> Fuss) und einzelnen Tljcilen von Holland.
Vor Allem wohl die geographische Lage der meisten dieser Uortlichkeiten
bringt ca mit sieh, dass der sieh aus ihrer Tieflage ergebende höhere Luftdmek
in tberapeutiaeher Beziehung ausser in Los Angeles und im Conchillathale'), in
grosserem Masse nicht verwerthet worden ist und dass wir in dieser Beziehung nnr
auf die MeercitkUstc und die Ingeln angewiesen sind. Alle anderen Eigenschaften der
Seeluft ausser der Diehtigkeit kommen im Vergleiche an den Inseln an den Kflsten
nur in beschränkter Weise zur Geltung. Die Reinheit der Lutt sowohl, wie die
Gl» ii'lini;issigkeit ilirer Temperatur und ihres Feuchtigkeits^rehaltes . nicht zum
mindesten der letztere selbst, ebenso ihr Ozongehalt, sind durch contiuentale Kin-
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NORDäE£CUKORT£.
543
flUs.sc bceinträchtifrt und seihst das Rewe^jtscin der Luft, die Luft-itrömnngeo,
auf deren tonisirt-niitMi. den Stort'wecbsel in hohem Grade fiirderndou Eintiuss auf
den loselu mit Uucht grosses Gewicht gelegt wird, können »ich au den Küstea
niobt voll entfalten y nehmen dvreb die ungldehmindge Erwinnung des Ifoeres
und des Festlandes bestimmte, oft lang anhaltende Richtungen an und werden
durch solche Temperaturunterschiede fördernde Bodengestahunjr. z. B. Waldungen,
insbesondere aber durch an die Meereskdsten herantretendes Gebirge, in hygienischer
Beiiehung naehtheili^r und die Eigensebsfken der Seeluft paralysirender W^se
beeinflusst. In letzterer Beziehung sind geffirchtct namentlich die Bora des adfia-
tiachen Meeres und ebenso die Winde mancher rurorte der Kiviera.
Naeh den gegebenen klimatisehen Factureu kennzciehnet sich das Klima
der Nordseeinieln, und in beschränkterem Masse das der Nordseekttsten , als ein
kflhieres Seeklima von mittlerer Fenehtigrl^oit, eharakterisirt als
solches, im Gegensatze zu dem Binnenlaudklima, einerseits durch Gleichmässigkeit
der Tjijresteniperaturen und der Jahreszeiten, andererseits durch warmen Herbst
und milden Winter, dem ein kälteres Frühjahr uud kühler Pommer gegenüber-
steht Im Allgemeinen nimmt man ao, dass dnrehsebnittlieh die Lufttemperatur
im Herbst und Winter auf den Nordseeinseln um 2*5° C. bisher ist als im benaeh-
harten Kflst('ii;.'obiet<' und in diesem wieder um 2"5<' C. höher als im ei-rcntlicheu
Binnenlaude, währeud das umgekehrte VerhäUniss im Frühjahr und tiommer zur
Geltung kommt Bei exeessiven Sommer- und Wintertemperaturen des Binnenlandes
stellen sieh die betreffenden Unterschiede natürlich bedeuteud höher. Allerdings
ist dabei zu berücksichtigen, dass sich der klimati'^c'lie EinHuss der Nordsee uud
des atlantischen Oceans bis weit in das Biuneuiaud hinein erstreckt und nach
Osten zu begreuzt und von dem Gebiete des continentaleu oder exoessiveu Klimas
abg^renzt wird dnreh eine Linie, die nngeflihr von Boetoek auf Weimar, Coburg,
Stuttgart, Ulm, Constanz verläuft. Zwar zeigt diese Linie je nach örtlichen Ver-
hältnissen kleine Abweichungen nach Osten oder Westen, wie z. B. das Klima
Berlins sich als noch in etwas unter dem Kiuliusse des oceanisoheu Klimas stehend
kennseiebnet dureb verhältnissmissig kühlere Sommer und mildere Winter mit
grösseren Niedersoblagsmengen als sie seiner biuueul.liulischeu Lage zukommen
würden, im (irossen und Ganzen aber grenzt jene Linie das Gebiet des irleieh-
mässigeu occaniscben von dem Gebiete des exeessiven continentalen Klimas ab.
In gesundheitlicher Beziehung kommt in jenem der Einflass des Seeklimas zur
Geltung dnreh gniugere Storbliebkeit, insbesondere geringere Sterbliebkeit an
Lungenschwindsucht und an acuten Erkrankungen der Athmnngsorgane. Wie aber
die Einwirkung' des nceanisclien Klimas sich in der Richtung nach dem Binnen-
laude zu mehr uud n.eiir abschwächt, so tritt es andererseits in seiuer lieinheit
auf den Nordseeinseln in die Rrsdidnung und hier kommen aueb die physio-
logisebeu Wirkungen der Seeluft zur vollen Geltung: Verlangsamung
und Vertiefunfr der Athmunjr, Verlangsamnnfr und Kräftigung
der Uerzthätigkeit. Diesen iu therapeutisoher Ii insiebt hochwichtigen pbysio-
logisehen Wirkungen der Seeluft im Allgemeinen stehen zudem in Folge der mner-
seits theils örtlich, theils allgemein beruhigend wirkenden, andererseits
1 0 n i R i r e II d e n , den Stoffwechsel und somit die Körpererniihrun;; befördernden
Eigenschalten insbesondere der Nordseeluft, weitere heilkriittige Faetoren zur Seite.
Wenn wir mit Flechsig ^) als klimatische Curorte nur durch Lage uud Klima
bevorzugte Orte bezeiebnen kOnnen , deren klimattsehe Eigenthllmliebkeiten tbat-
Bächlich werthvollc, für die Heilung gewisser Krankheitsgruppen anerkannt wirk-
same Bedingungen ^anv-ihren , die sich an den gewAhnlichen Wohnstätten der
Menschen gar nicht oder doch nur in weniger ausgesprochener W'eise voründen,
80 müssen wir in den Gnrorten der Nordsee klimatisehe Curorte von
hOohster Bedeutung erkennen und in der Seeluftcur eine Klimai-ur. die aller-
dings, wie jede andere klimatische Cur, eincstheils mit Vorsicht uud Auswahl,
andereroits mit Ausdauer und mit dem Falle entsprechendem hygienischen und
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NORDSEECUBORT£.
diätetischem Verhalten gebraaeht sein will, insbesondere dft, wo et Bieh um
ohroniache, constitotionelle Krankheitszustände bandelt.
In der Seeluft sehen wir somit d&s speciHgr.he Moment auch der 8ee-
badecaren, als deren weiterer Factor das Seewasser hiozutriit, zu dessen
8 aisgeh alt bei dem kalten Seebade oder Stnndbade als weiteres bedentMuaes
Moment der Wellenschlag hiozakommt. Auch in dieser Beziehung können die
Nordseebäder allen anderen Seebädern nicht allein ebenbflrtij? znr Seite treten,
sondern es kommen ihnen auch durch Lage und Gestaltung von Land und Strand
gewisse eigenartige Vorsttge sii. Zwar tot d«r Salzgebalt des Meeres, als im
We.seatUeben abhängig von dem Orade der Verdnnstuii:: un l der Menge der
Niederschläge, in den südlichen Meeren etwas grösser, doch sind die rnterschiede
bei weitem nicht so gross und bedeutend, als gemeinhin angenommen wird. Einem
Salzgebalte des Oberflächenwassers in der nördlichen Nordsee von 3*45%, in der
sfldwesttiehen Ton d*87V»T ^ soleher gegentber im nordatlantisdien Oeean
von 3*48° 0 ? im sfldatlantischen von 3*55^ o> im stillen Ocean von 3*68*/«, im
indischen Ocean von 3-67** Auch das mittelliliidische und das adriatische Meer,
denen ein hober Salzgehalt nachgerühmt wird, enthalten, uachGLAX -'j, nicht mehr
als ersleres 87 — 48 Orm., letzteres 36 — ^89 6rm. pro Hille feste Bestaadth^e.
Diese üntersehiede sind, im Vergleiche mit dem Salzgehalte der Kordsee, za
gering, um einen höheren Grad des Hautreizes auszulösen, in dem wir die nächste
Wirkung des Bades im Seewasser erkennen. Andererseits allerdings ist der, wie
erwibnt, in der Biebtnng von West nach Ost von 1'97 — 0*26° ^ abdllende Sab*
gebalt der Ostsee zu gering, um einen Icriftigeren Hantreiz zu erzielen, vielmelur
macht das Ostseebad in Folge des J^crin;^^en Salzgehaltes den Eindruck frrösserer
Kälte und briu}?t einen fjrösseren Shock auf die wilrineemptindeuden Hautuerven
hervor. Die frühere Annahme einer Kesorption der öalze des Meerwassers im
Bade ist dnreb Yersnebe hlnftlUg geworden nnd bl«bt uns snr Brklimag der,
gegenüber den Sttsswasserbädern, speeilisohen Einwirkung des Bades im Salzwasser
allein der Hautreiz, verur'sacht nicht allein durcli das Bad selbst und durch die
im Bade erfolgende Durchträukung der Epidermis mit Salzwasser, sondern auch
dnreb die, selbst bei sorgfflttigstem Abtrocknen der Haut, in deren Poren, Falten
und Furchen zurückbleibenden Salztheilchen. Durch diese Hantretznng wird zunächst
die ktlblendc , blutentleerende Erstwirkung des kalten Seebades abgekürzt und
rascheres Eintreten der Reaction herbeigeführt, und es erscheint damit die weitere
Annahme einer durch Reflex herbeigeführten Beeinflussung der Ernährungsvor«^
gange nnd des Sluffwedisels gereebtfertigt. In dem wannen Seebade, in dem, je
naeb seiner Temperatur, die wärmeeutziehende Wirkung mehr zurftcktritt und in
dem der Hautreiz ein milderer, gleichmässigerer ist, ist auch der Reflex ein
milderer und die Erregung der Lebonsvorgängo und die Steigerung des Stoft-
weehseld eine minder eneigisebe nnd mehr allmilige. Dennoeh sind die riebtig
temperirten Seebäder von entsprf i hender Coiuentration ein wichtiges Heilmittel
durch Förderung des StotlVechsels und durch die beruhijrende Wirkung, die sie
auf das Nervent^ystem ausüben und insbesondere auf die Herzthätigkeit, in welch
letzterer Bwiehuug sie daidi die physiologische Wirkung der Seeluft krillig
unterstützt werden.
Wenn bei den warmen Seebädern, ebenso wie die Concentration auch dio
Temperatur iliriTi Anzci«ren ent-ipreebend n-^'ulirt worden kann, sa sind diese
beiden Factoreu bei dem kalten Seebade gegeben. Die Schwankungen der Tem-
peratur des Meerwassers, wenn aueb in etwas abhängig von jeweiliger l^Hnd-
riebtnng, sind geringe, entspreehend der, der langsamen £rwirmung des Salz-
wassers gleichen lan;rsamen Ausstrahlung seiner Wärme. Insbesondere die, für
Badezweeke allein in Bt'traebt korntncnden Ober(l;lrlienten>peraturen des Wassers
der Nordsee sind unter dem Eintlusse der Golfstrom-Trift gleichmiläsigero , wenn
auch von oontinentalen Einflössen nieht dnrebwegs freie.
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NORDSE£CO&Ü&IE.
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So ist zwar das Wasser der westiSohsn und Östlichen Nordsee im Sommer
bis in ilie Breite der Shetlands-Inseln wärmer als das atlantische Wasser in der-
selben Breite, im Winter da^regen November bis April! ist das Wasser der ganzen
Nordsee kftlter als das atlautiecbe, in Folge der coDtioentaleo Wioterkälte. Am
MSgetproebenateo tritt die Beetoflastnng der Wftnerwtrme dnreh continentale
Einflüsse ia den hänfi^en und grossen bezüglichen Schwankungen in der Ostsee
hervor, die in ihrer Abhängigkeit >on der Erd- und Luftwftrrae des das Ostseebeeken
umgebenden Festlandes, somit von stets wechselnden Factoren, auch in dieser
Beziehung die Eigenart des BinnenMee erkennen lassen.
Andererseits dankt es wohl aussoliIiesHiich der Golfstrom-Trift die südliche
Hälfte des von der deutschen und südlichon norwefriHchcn Küste begrenzten Theiles
der Nordsee zwischen Ueigoland und liurkum, dass ihre Wasserwärme während
des Winters durobscbnittlieh nm 2 — 2'6<> C. höber ist , als die der nOrdliehen
Hüfte — ein Verhftltniss^ wie es in Ihnlieber Weise sieh ja auch bei den Luft-
temperaturen jreltend macht. Nur den Küsten entlang ist die Temperatur des
Wassers niedriger unter dem Einflüsse des SUsawassers der in die Nordsee münden-
den grossen Flüsse.
£He fflr 8eeblder, wenigstens für den Anfang und den des kalten Bades
Ungewohnten, erforderliche Temperatur des Wassers von mindestens 16' C. wird
zwar in den südlichen Meeren früher erreicht als in der Nordsee, wo sie durch-
schnittlich erst Mitte Juui eintritt, um sich, alimälig steigend, bis zum September
auf etwa ll'b^C, zu erbeben und dann langsam abfkllend im Oetober wieder
auf 150c. zurückzugehen; allerdings bleibt innerhalb dieser Temperaturgrenzen
für die t-iuzelnen Seebäder je nach La-rr ein gewisser Spielraum. Die Oberflflchen-
temperatur des gesammten Mittelländischen Meeres, als eines Binnenmeeres, folgt
dagegen in den verschiedenen Jahreszeiten ziemlich enge dem Gange der Luft-
temperatur und kann so Mitte April schon bis 15* G. anfirtelcren , sieb im Juli
bis 24* C. erheben und noch im November die nfithigc Badetemperatur haben.
Indessen kommen in den Kdstenbiidern de-* Mittelmeeres, ebenso wio in denen
der Adria, klimatische Momente, namentlich das Auftreten der kalten Nordost-
winde, in Betraebt, die das curgemMsse Baden eher noeh im Spitherbste als im
Frühjahre möglich machen, während in den Sommermonaten die hohe Temperatur
dfs Wassers wie der Luft ausschlics-it, was wir von einem SL-eb.-uIe für Gesunde
und Kranke erwarten und verlangen : ^Kräftigung und Anregung des ätoü'wechsehi.
Dieselben, die Wirkung des Seebades beeinträchtigenden und zu niebte maebenden
Momente sind es anch, die fflr die franzOsiseben Kflstenbftder des Atlantisehen
Oceans vorwiegend den Spätherbst zur eigentlichen Badezeit erhoben haben;
ebenso f:illt die Haupthadezcit der Seebäder der südlichen Küste Englands und
der Insel Wight mit ihrer, der vollen Einwirkung der Golfstrom-Trift unterstehen-
den Temperatur des Wassers und der Luft, in den Spätherbst.
Von gleich wesentlicher Bedeutung wie d r Salzgehalt, und die Einwir-
kimg des letzteren auf Reizung der Haut und deren weitere Folgen für den
Gesammtorganismus auf das wirksamste unterstützend, ist der Wellenschlag. Der
gewaltige mf^hanisehe Reiz, den ein krlftiger Wellenschlag ausübt, bewirkt niebt
allein uuniiu ll ir eine ebenso krflfUge Reaction durch stärkeres Zuströmen des
Blutes naeli der l'eriplieric . ^^undern es wird dieselbe auch mittelbar ^'cfordert
durch die mit dem entsprechenden Auti'angen der Wellen verbundeue Muskel-
tbätigkeil. Je glcichmässiger die sich Uberschlagenden Wellen — und diese allein
geben den eigentlieben Wellenschlag — auf den Rtteken des Badenden nieder-
u'phen und je mehr damit den Charakter des Sturzbades annehmen, desto
kriiltiger ist die Ein^irkimg, desto wohlthnender die lleaetion und desto griisser
der Geuuss des Hades, desto kriittigcuder seine Nachwirkung. Ein blosses Welleu-
geplfttscher bringt das Alles nicht fertig. In den Nordseebadem ausnahmslos genügt
die .indrinirendr Eluth zumeist nicht , um wirklichen Welk*n-;> hlag zn erzeugen,
es bedarf dazu der Luftströmungen, und zwar, da die Inselbäder, mit Ausnahme
Encydop. Jalixbücber. Iii. 35
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546
NORDS£ECUBORT£.
von Wyk auf Föhr, durchwegs ihren liadestrand nach Westen zu Itegtnd Und die
offene See vor sich haben, westlicher und nordwestlicher Luftströmungen. Aua-
nabiusweise nur Ut die öee bewegt und giebt in Folge ferner Gewitter u. s. w.
kräftigen Wellenschlag aneh hta Windstille. Die Westwinde aber sind in
den Monaten, die die eigentliche Badezeit fOr die Nordseebider sind, die vor-
herrschenden. \'erbindet sich dann mit "westlicher Luftströmung der Andrang; des
Flutbätromes, dann giebt es einen guten Wellenschlag selbst an einem Bade-
strände, der nicht alle Bedingungen in sich vereinigt, die ihn &U einen guten
kennideluieD.
Bei der Bedeutung, die somit dem Strande, aläo, in der engeren and dgent>
liehen Bedeutung de* Wortes. derboiFIuth vom Meere überllutbeten Küste zukommt,
und das nicht allein für den Zweck des Bodens, sondern auch als dem Vermittler
das unmlttidbaTsten Genusses der Seelnft, sind die Erfordernisse «ne als gnt zu
bflMidlBenden Strandes nicht wenige.
Fiin guter Strand muss leicht erreichbar und leicht zugitnglicli sein,
leicht und bequem begehbar, somit ein weicher, ebener, feiner, fester Saud, ohne
Steine und scharfkantige llnseheln^ ohne Sekliek und Locher; er darf weder sa
flach sein, noch zu schroff abfallen, mnss eine gewisse Breite habenf so dass er
auch bei Fluth begangen werrlen k.mn, ohne jedoch so breit zu sein, dasa das
Sandtreiben des trockenen, nicht von der Fluth befeuchteten Sandes dadiirch
befördert wird, muss guten Wellensehlag und kräftige Brand uug haben und dürfeo
ihm daher keine Sandbänke und Riffe unmittelbar vorliegen, wodurch der WeUen-
soblag abgeschwächt und die Brandung zu früh gebrochen wird. Von grösster
Wichtigkeit ist auch, dass keine Strömungen das Traden Ifcsehwerlieh und un-
behaglich oder sogar gefährlich machen. Dabei muss natürlich das Meerwasser
selbst rein son, d. h. es darf nicht zu viel Tang angespült werden, so dass
weder Wasser, noch Luft durch Zenetxung organischer EOrper verunreinigt werden.
Von Erfüllung dic.«cr Anforderungen, insbesondere von Gestaltung des Strandes
und de.s ihm vorliegenden Meeresbodens, hängt auch die Fr.ige ab. ob sowohl
bei Fluth als bei Ebbe gebadet werden kann — eine Frage, die für den Gesunden
vorwiegend von Wichtigkeit ist lediglich durch den dadurch bedingten fort-
währenden Wechsel der Zeit des Mittagessens, die aber für den Kranken durch
die stete Verschiebung der Tagesordnung doch von einiger Bedeutung ht.
Erklärlich und ersichtlich ist es, dass so vielgestaltigen Anforderungen
selbst die Inselbäder der Nordsee nicht* durchweg in gleicher Weise gerecht
werden können, in beschrilnkterem Hasse nur natürlicherweise die Küstenbäder,
doch erfüllt der Strand einiger unserer Nord8ee-Iiiselb:idor ^Norilernt y , Juist,
Borkum; alle Bediuguugen, wie wir ihrer für erfolgreiche Seebadecuren so-
wohl, wie fflr volle Ausnutzung der Seeluft fOr Heilzwecke bedürfen. Der Ost-
see fehlt, bei ihrer nur mittelbaren Verbindung mit dem Atlantisehan Ooeaa,
wie der höhere Salzgehalt, so auch Ebbe und FIntb und damit eiue, wenn auch
für richtigen Wellenschlag nicht genügende, so tioi li immerliiii aiireirende Bewegung
des Wassers; ihr Wellenschlag ist milssig und unbeständig uud durchweg von
der Heftigkeit des Windes abhängig, nur selten gldehmässig. Der Strand dar
holl.iiiilischen KUstenbäder ist mit wenigen Ausnahmen (Wijk a.iu Zce, Kijkduin)
sehr tlach, zum Theil wird auch der Wellenschlag durch vorliegende Sandbänke
zu früh gebrochen (Zandvoort, ^'ordwijk aau Zee). Beide Uebelstände jedoch
werden dadurch in etwas abgesehwädit, dass in allen faolIäDdlsehen, ebenso wio
in allen deutsehen Seebädern die Badekarren durch Menschenhand in die See
geschnlM ii oder durch Pferde je nach Bed.-irf mehr oder weniger in die Nähe
der ilraiiilung gezogen werden. Von den liollinulischen Inselbädern hat Schier-
niouik (Jog bei sehr breitem Strande gutQu Welleusehlag, jedoch der vorliegenden
Sandbänke wegen nur bei Fluth ; der Strand von Domburg auf Waldieren ist an
und für sich schön, jedoch durch die rferbefestigungen weithin beengt, die auch
den guten Wellenschlag vielfach brechen. Vlissingen kann, wie erwähnt, als
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KORDSEBCUBORTE.
547
Inselbad nicht ^relteu. Der Straud aller belgischen Küsteubiider . mit alleiniger
Auanabiue von Knukke, ist ungemein dach und wird damit nicht allein das Saud-
treiben vielfach Iftstig und aelbst fOr Angen und Obren gefthrlieb, sondern es
wühlt auch die bewegte See die Sandmassen des seiehteo Heeresgrundes auf und läast
das Wasser von sehrautzig-irrauer Farbe erscheinen. Dazu kommt ein bei dem
breiten, flachen Strande doppelt iu die Augen springender Lebelstand. Ist ein
allsii flaeber Strand sehon lästig, indem er den Badenden nöthigt, entblflssten
Rftrpers oder auch im B.idoanznge einen weiten Weg im Wasser watend Knrüek-
zulc^cn, die er den Wellen^clilag erreicht, und kann dadurch ao-j^ar die gewünschte
Wirkung des Bades geradezu vereitelt werden, indem bei heissem Wetter die
erwttnschte Abktlblung nach dem Bade zu niebte gemacht wird, bei kubier Luft
aber nnd insbesondere bei Wind der Badende firOsMt, ehe er den Wellenschlag
oder ans dem Bade kommend das schützende Badezeit erreicht, so wird der
flache Strand jreradezu anstössiu', wenn, wie in den belgischen, franzr^ischen und
südlichen Seebädern, beide üeschluchter gemeinsam baden. P^s ist dieses gemeinsame
Baden nnserem Geflibl darehans zuwider, ausserdem aber wird durch den dabei
Dothwendigen Badeanzug die Wirkung des Wellenschlagos and die Einwirkung
des Salzwassers auf die Haut nothwendiirerweise abgeschwächt, und gibt der nasse,
anliegende Badeanzug stets ein unbebaglicb kältendes Gefühl auf der Haut. So
hat dran mit Reeht keines unserer deutselien Seebider gemeinsamen Badestrand,
von den hoIiSndisehen, nelien lllr die Geschleehter getrennten Badeplfttzen, nur
Scheveningen und Zandvoort. Wenn, wie in Seheveninjren, die Badekarren ziemlieh
weit in das Meer hinausfahren oder, wie in dem belgischen Ostende, wenigstens
dauernd au der Wasserlinie gehalten wcrdeu, so ist dabei weuigstens der äussere
Anstand gewahrt, wenn aller, wie in den anderen l>dgi8ohen Seebidern, die
Badekarreu entweder gar nicht bis in das Wasser gezogen werden oder b^
ebbendem Meere auf ihrer Stelle stehen bb iben , so dass sich je nach den IJm-
stäudou eine gaflbnde Menge zwischen ihnen berumtreibt und eine Mauer von
Znsebauem zwischen ihnen nnd dem Heere Anfbtelinng nimmt, durch die die
Badenden passiren müssen, um ihre Badekarren zu erreichen, so ist das, nach
unseren deutschen Bej^riffen, im höchsten Grade unanst.lndiir, wie d^na auch die
englischen Seebüder gemeinsamen Badestrand nicht kennen.
Die K asten bader des Canales haben zumeist feinsandigen, aber, ebenso
wie die Seebider der Insel Wigbt, sehr flachen Strand, einzelne jedoch, a. B.
Brighton, steinigen Badegrnml ; der Wellenschlag ist bei der Nähe des Atlan-
tischen Oceans und der starken Flutlibewejrunsr ein kräftiirer. In höherem Masse
noch machen sich diese beiden Momente auf dem feinsaudi^eu Badestrände der
Kllstenbider des Atlantischen Oeeans geltend, während' andererseits das Fehlen
derselben in den Seebädern des Mittelländischen und Adriatischen Meeres zumeist
nur geringen, von der Windrichtunf? abhängigen Wellenschlag aufkommen lässt;
zudem ist der Badestrand der im Ganzen ja nur vereinzelt ao den Ktlsteu dieser
letzteren Heere vorkommenden Badeorte ein unseren Ansprflchen zumeist nicht
entsprechender.
Seeluft und Strand, Luftbad und Seebad der Ciirorte der Nordsee bieten
sonach ei;?enthUmiiehe Vorzüge, die am ausgesprochensteu auf den Nordseeinseln
zur Geltung kommen, von denen einzelnen die Verbindung jener Factoren sowohl
der Seelnftcur allein, als in ihrer Verbindung mit der Seebadecur in wirkssmster
Weise zukommt. Zusammenfassend erkennen wir diese Vorzüge in Bezug auf die
Seeluft in dem zur Cielluugkommen aller ihrer heilkräfti;ren Kactoren, die in ihrer
tonisirenden Einwirkung sowohl, wie in ihrer örtlich uud allgemein beruhigenden
Wirkung unterstützt werden einerseits dnreh nOrdliehe Lage nnd andererseits
durch den Einfluss der Golfstrom Trift ; in Bezug auf das Seeliad weisen hoher
Salzgehalt, kräftisrer. nicht allzu heftiger, aber ausdauernder Wellenschlag und
eine, sich durch den Sommer bis in den Spätherbst mit geringen Schwankungen
gleichbleibende Wasserwirme von 15 — 17*5« 0. den Nordseebadern ihren hohen
35*
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546 MO&DSlEECUBOaTB.
Rüg an. Diese unter dem EüflnflM der Golfstrom-Trift biB in den Herbst
andanernde Temperatur des Wassm ist es. die. in Verbindung mit den tonisirend
wirkenden herbstlichen Luftströmungen, für kräftigere uud widerstandsfähigere
Personen auf den von contincntalen Eindüssen freiesten und mit der Jahreazoit
entopfreebend«! WobnnngRehiriebtiingen ▼enehenea Nordsednseln den „September-
biUk-rii'' iliren wohlverdienten Ruf als die kräftigsten und kräftigendsten verschafft
hat Mit vollem Rechte hat daher Norderney, als das den besten Strand, die
besten liadeeiDrichtuugen und die Mö^^iichkeit häuslichen Behagens auch in rauherer
Jabresieit bietende Inselbad, eeine Badeniaon bis gegen Mitte Oetober ausgedebnt
Ueberhanpt kflnoen aas den angeführten Gründen von Mitte September ab fflr
i^eebadeciiren nur die ostfriesischcri Inseln — von Helgoland bis Borkum — in
Frage kommen. Auch die warmen Seebäder , für die in den grossen Curorten,
InsbesoodOTe Norderney nnd Helgoland, die vorzüglichsten Einrichtungen getroffen
sind, wibrend sie In den kleineren Insel* and Kflstenbidern nnr beseheideneren
Ansprüchen genügen, zum Tbeil auch ganz fehlen, schliessen sich der Badeiaison
der betreflendeii ('urorte an ; Helgoland gew.ihrt sie in seinem schOneUi mit
grosser Schwintmhalle ausgestatteten Badehause sogar durch den Winter.
Die verbaitninrnftsslge Hilde und Gleiehmassigkeit der Temperatur der
Herbst- und Wintermonate, die sich in jeder Jahreszeit gleichbleibende Heilkraft
der sanitären Factnren der Seeluft, die aus den Sterblichkeitstabelleu von Norderney
ersichtliche Seltenheit der „Lungenschwindsnebt", endlich eigene Erfahrungen und
Beobachtungen nnd theoretlsebe Erwägungen Teraalassten im Jahn 1881 Brnbkb *)
den Aufenthalt zunächst scrophulOser nnd Inngenscbwindsttohtiger Kranker adT
Norderney auch durch Herbst und Winter zu empfehlen uud die Seeluftcur, als
die wichtigere, niclit von der J^eebadeciir abhängig zu machen. Im Winter
lSdljö2 bereits hatten t^ich um Benkke eine Anzahl Kranker auf Norderney
versammelt, über deren Befinden wibrend des Oaranfentbaltes sowohl, wie dessen
Folgen er im Sommer 1882 Beriebt erstattete, i Allerdings befanden sich unter
seinen Lungenkranken eine grosse Zahl, die, durch die Neuheit der Sache an-
gelockt, ihr das Vertrauen entgegenbrachten, welches sie seither bereits an alle
mffglieben Curen ▼eYSchweadet hatten, denen aber flberbaupt Niemand nnd keine,
auch keine Rtimacur mehr helfen konnte. Der damit gegebenen noausbleiblichen
Erfolglosigkeit oder nur vorübergehender Besserung standen andererseits in den
geeigneten Killlen nicht aliein eine grössere Zahl solcher von überraseheudem und
bleibendem Erfolge gegenüber , sondern es erweiterte sich auch der Kreis der
Krankheiten, für die die Seelnfteur, wenn ausdauernd gebraucht, als vortraffliebes,
zum Tbeil alleiniges Linderungs- und selbst Heilmittel entsprechende Würdigung
fanJ, so bei Emphysem und emphysematösem oder bronchialem Asthma. Dennoch
kamen unter dem Eindrucke jener nothweudigeu Misserfolge und durch den bald
daranf erfolgenden plötzliehen Tod Bbnbkb's die Winterenren auf Norderney in*8
Stocken , obwohl fortgesetzt seitdem Kranke verschiedener Art , insbesondere
A-thiiiHtiker utul Kranke in den Anfangsstadien di-r ^Schwindsucht (Spitzen-
catarrhe, luliltrationen der Lungenspitzen), mit ausgezeichnetem Erfolge durch
deu Winter die Seeluftcur auf Norderney und Föhr gebraucht haben. FOr Norderney
liegen dafflr die Zeugnisse der Inselftrste, für Führ das von Gbbbbb><^ vor.
Die^e beiden In.scln allein von den Nordseeinseln können zur Zeit für die Winter-
enren in Betracht kommen . da sie allein das für Kranke nöthige hrlusliehe
Behagen, eDt,sprechcude Kust und Geselligkeit bieten. Auf beiden geuaunten Inseln
haben sieh daher aneh Kranke, namentlieh Asthmatiker und Phtbisiker selbst
in späteren Stadien der Krankheit, SU dauerndem Aufenthalte niedergelassen und
angekauft : «ellist einer dt r mit Bexekf. nach Norderney gekommenen Phtbisiker
lebt uoch heute im besten Wohlsein und frischer Arbeitskraft auf der Insel.
Wichtiger indessen noch ds bei ausgesproehenen Krankheitsinstinden erseheint
die dauernde, also auch durch den Winter for^^etste Seeluftcur als Prophy-
lacticum bei serophulöseu und constitutionellen Schwlehezuständen, die fiüher odw
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NOBD䣣CUBORT£.
Ä49
später in LungeDschwindsucht enden, namentlieh atm> aueh bei erblicher Anlage.
Nach dieser Richtung namentlich eröffnet aich ein Feld segensreicher Thiitiiirkeit
fflr die Seehospize dee im Jahre 18B0 gegründeten Vereines für Kinderheil-
Btfttten an den devtaeben Scekttoten anf NoHerney und in Wyk auf Föbr, von
denen das erstere. weil nicht nnr wShrend deä Sommers, soudem dureb das ganze
Jahr geeffnet . die Mfiglichkeit bietet, durch cntsprcfhcnden längeren Aittonthalt
auch Hchwerer und chronisch Erkrankte der Heilung oder wenigstens der möglichen
Besserung zuzuführen. Das aber ist die eigentliche Aufgabe der Seehospize auf
den Nordweinseln , im OegnnaatM sa den SammerfHMheB und Ferieneolonienf
— aunh den sich „Hospize" nennenden, — nicht allein der Erholung bedürftige
Kchwiichliche Kinder aiifzunolinicn, t«nndcrn kranke und solche, bei denen es gilt
durch längere Seelul'tcur aut den Inseln couslitutionelle Leiden einzudämmen und
an beseitigen. Speciell die Heilnog scruphnlOser Kinder war nnd ist der Zweck der
bereits im Jahre 1876 gegründeten Kinderhcilstätte derevangel. Diakonissen-Anstalt
zn N<irderney, die allerdings, der Beschränktheit ihrer Milte! weiren, ihre Thiitlirkeit
durch den Winter auch nur in beschränkter Weise fortfuhren kann, wie aus
gleiten ßrande das Seebospis zu Wyk auf Fttbr mit dem Herbste seine Kranken
entlassen muss, während das Seehospiz zu Norderney gerade von der Nordsee-
Inftcur des Winters die schrmsten Krfnicre zn ver/.eichnen hat, weil sie. wenn
mit der nOthigon Individiialisinin.ir und, belnifs der nöthigen Aoeliniatisaticn, nieht
allzu spät im Jahre bcgouuen, krilfiig touisirend und die Widerätaudäfdbigkeit
erhöhend wirkt. So konnte Lorbnt sdne Erfahrnngen als Ant des Hospizes su
Norderney dahin zusammenfassen , ,,das8 fflr gewine constitntionelle Sehwtehe-
zustftnde ein Winteranfcnthalt an der See geradezu souvor.ln ist" nnd sein
^iachfolger Dr. liOOE konnte im Anschlüsse darau berichten: „Die Kesultate
unserer Winterenr, sowohl bei Serophulose, als aueh bei ehronisehen Lungen-
aflTectionen waren so voncflgliehe, dass ich mich dem Trlheile meines Vorgängers
vollständig auschlie^scn muss wenn er in seiiieni T5t>richte Uber die Wiutereur
sagt : Auf Grund der gewonnenen Resultate trete ich mit voller Ueberzeugung
dafür ein, dass die W^iutercur nicht allein l)erechtigt ist, sondern dass gerade
in ihr erst die Bedentnng der Seehospize fUr die Kinderpflege snr Gettung
kommt." So halten auch das gros^^e franzf^sische KUstenhospis zu Berck-sur mer
am Oaual , das belgische zu Middelkerke bei Ostendc und das dänische am
grossen Belt zu Helsnaes auf Seelaud ihre Thätigkeit durch das gau/ce Jahr
aufrecht, — allen aber ist es gemeinsam, dass rie, wie die Nordseeinseln, eis-*
freies Meer haben. W^o das nicht der Fall ist, da kann sehen ans diesem Grande
von Seeluftcur im W^inter keine KeJe sein.
In beschränkterem Masse nur als auf den iuäeln kann natürlicherweise,
wie Oberhaupt von der Seehiftenr, so aueh von der des Winters an den Kflstea
die Rede sein, doch befinden sich unleugbar Kranke, bei denen weniger die
tonisirenden, als die örtlich und allgemein bcriihi;::eiid wirkenden Eiiren^ii liafteu der
Seeluft in Frage kommen, oft schon in der Strandluft der X<ird--eekiiste entj^ehieden
besser als im Binnenlande, und fühlen Erleichterung und Rückgang ihrer
Besehwerden. Solche unter ihnra, denen das stille, einfifrmig-onigemisse Leben
auf Nordeme.v oder Föhr nicht genog Abwechslung und geistige Anr^ning bietet
und die winterliehe Geselligkeit nieht missen wollen nnd ihr nicht zn entsagen
nölbig haben , mögen dann wohl in einem grosseren Urte der Küste finden , was
ihnen Bedttrftiiss ist. Wer nur seiner Gesundheit leben will und muss, der bleibe
im Inselklima.
Wie die sanitären Eigenschaften der Seeluft das ganze .lahr liindureh
dieselben, so sind auch die Anzeigen liir die Sceliiftcuren im Winter dieselben
wie zu jeder anderen Jahreszeit, nur dass, entsprechend den Klimafactoren, im
Winter und Frflhjahr die tonisirenden, den Stoffwechsel bef9rd«mden Eigensebaften,
die an nnd für sich im Nordseeklimu die vorwiegenden sind, mehr in den Vorder-
grund treten, als die örtlich und allgemein beruhigenden. Allerdings lassen sieh
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N0RB8EBC0R0RTB.
beide Arten der Einwirkung so wenig vollständig von einander trennen, wie vom
Scebade die Seelaft, doch unterliegt es kemem Zweifel, dtas der tonislrende Ein>
fluss der Seelaft am wenigsten zur Geltang kommt in den im Nordseeklima
wärmsten Tagen des Juli und August, die zuf^leich am meiKten der aiireo:eDdeu
und erfrischenden Luftströmungen eutbehren, die durch langi^am erfolgende
WftriDeentziebung Steigemng des StoffweebselS) BnilbniDgBbebung und Krftftigung
des Organismus hervorrufen. Je weiter von den Sommermonaten ab, um desto
mehr tr<>t<'n die henihigeuden Eigenschaften der Setdiift hinter den tonisirenden
zurUck. Es ergiebt sieb daraus zugleich die praktische Kegel für Beginn von
Seeluft- oder Seebedeeoreo an der Nofdsee, dass, um niebt doreh nnfrenodliebe oder
stttrmische Tage, wie sie von Mitte September ab bin und wieder vorkommen köuueu,
die Aoclimatisatinn an das Seeklima erschwert zu sehen oder auch r.ix zeitweisem
Aussetzen der Bäder ^^ezwunf^eu zu sein, schwerer Kranke, insbej^oudere Phthisiker,
die längeren Aufenthalt an der See nehmen sollten, am besten im Anfaule des
Sommers in das Seeklima eintreten. Kräftigere und widerstandsflüiige Personen
worden allerdings dieser Vorsieh tsma^isrcgel auf den Nordsee! nf^etn umso weniger
bedürfen, als im Inselklima der Spätherbst vielfach noch eine durch milde gleich-
mässige Witterung im Vergleiche zum Binnenlande so ausgezeichnete Jahreszeit
ist, dass selbst sebwer Kranken die Acelimatisation noeb leiebt mögiieb ist. Die
sonstigen Kranken , die Scrophulöscn , die an constitntioneUeo und erworboneu
SchwiU'hoziHfiinden . an chronischen Catarrlieti der Atliiniinir^nrirane . namentlich
aber die au emphysematösem oder bronchialem Asthma Lcidendeu können auf deu
Nordseeinseln, die aus angefübrten Grflnden alldn dabei in Frage kommen kOnnen,
die Seeluftcur jederzeit beginnen, aueh mitten im Winter.
Der einfrreifende, auf den gesanimteti Or-rainKiiitH unmittelbar und mittel-
bar einwirkende Einliuss der Nordseeliift lirin^'t es mit sich, dass schwerer Kranke
nicht allein behufs Acciiroatisation die cut.^prcchende Zeit für Beginn der Seeluft-
und Seebadecuren an wftblen, sondern dass sie aueb im Seeklima selbst gewisse
Vorsichtsmassrcgeln zu nehmen und ein ihrem Kriiftemasse und sonstigem Befinden
entsprechendes Verhalten inne zu halten halten. Dahin gehört vor Allem — und
das trillt auch bei sonst Gesunden, das Seebad Gebrauchenden zu — dass sie
niebt dnreb flbermissige Körperanstrengung, insbesondere anstrengendes Strand-
laufen, sich sebaden. Die kiihle, bowo^^e Meeresluft ermüdet schon an und fOr sieb,
und blutarme, schwächliche und reizbare Kranke dürfen sicli sellist bei ruhigem
Verhalten nicht sofort stundenlang am Strande der vollen Einwirkung der Seeluft
aussetzen. Es genügt ihnen für den Anfaug oft ein Strandspaaergang von einer
halben Stunde und selbst weniger; die flbrige ihnen für den Lnftgeuuss gegebene
Zeit müssen sie anderweit zu geeigneten, ihrem KräfteniM^'^e entsprechenden Spazier-
gängen verwenden oder, wie KßUSE bei den schwereren Fitrnien der Chlorose auräth,
im Freien liegend oder sitzend und gut eingehüllt zubringen. Ebenso dürfen solche
Kranke fllr den Anfang niebt am Strande Wohnung nehmen, zunächst um niebt der
dauernden unmittelbaren Einwirkung der Meeresluft ausgesetzt zu sein, weiter um
der Lichtrefle.xe und der Braudunfr des Meeres willen. Nichtbeachtung dieser Vorsichts-
massregeln rächt sieh öfter bitter durch Scbladosigkeit und Verlust des Appetits,
somit naeh Riehtungen hin , naeh denen ridi sonst bei entspreehendem Verhalten
der Einfluss der Seeluft am raschesten und augenfölligsten und in günstigster
Weise merkbar macht. Kinzelue, besonders empfindliche und nerv^•^e Kranke tbun
sogar besser, im Anfange den Strand ganz zu meiden, und solche sind es auch,
die, weun aus dem Binnenlande kommend, statt numitletbaren Debergangs in das
Inselklima, besser durch mehrtägiges Verweilen in Zwiecbenstationen des Kasten-
gebicte-i sich allni;Ui;r aecliniatisiren. 1 )iireliatis itothwmdijr a^cr i-^t i1;is Innelinlten
derartiger Zwi.sehenstatinnen in dem noch unter dem klimatiseheu Kiullusse der
Nordsee stehenden Laudgebiete bei schwer uud chronisch Krauken, die aus dem
feuchten, gleichmissigen Insel- und Seeklima in die troekene Luft des Binnen-
landes mit seinen schroffen Teroperatnrweehseln zarQekkebren. In dem Ver>
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140£DS££C(JB0RTE^
551
absäumen Jc^ Einhaltens derartiger Zwisclienstationen, dessen Nothwendigkeit för
die aus dem Hoch}?rbir;rsklima und dem Sliden Zurückkehrenden liln]?fit anerkannt
ist, liegt eine I nterscbätzuDg des Seeklimas, die sich an Kraukeu oft schwer
rieht. Asthmatiker, bei denen sich sofort mit dem Eintritte In das Kflsten- oder
namentßeh das Insellctima der flberrascbendste wohlthätige Einfluss auf ihr schweres
und hartnäckiges Leiden einpestellt hatte und die im Inselklima frei blieben von
asthmatischen Anfällen oder nur vereinzelt nach äusseren Uelegeabeitsar^achea
immer seltener werdende und i«ich immer mehr abschwächeude AnAUe bekamen,
werden nicht selten bei unmittelbarem Uebergange in das Binnenlandklimn von
heftigem Anfalle ergriffen und kOnnen von Glflck eagen , wenn er nur der Vor-
lilufer ist von vorilbergehenden und den früheren an Häufigkeit und Heftisrkeit
nicht gleichkommenden KUcklHilen, bis erneuter Aufenthalt im Inselklima uud
vorsiehtigere RSeltlcehr danemderen Erfolg bringt. Ebenso ist es mit anderen
chronischen Krankheiten, ehroniscben Catnrrhen der Athmun<;sor?ane , vor Allem
aueh mit phthisisehen Processen. Rkxeke berechnet für phtbisisehe Kranke,
die längere Zeit auf den Nordseeinseln zugebracht haben und nicht volistäudig
geheilt mrUeklcehren , die fiBr die Acelimatisntion an das eontinentale Klima
nöthige Zeit dnrchschnitilich auf 2 — 3 Wochen, iude^^sen wird naeh Jahreszeit
und sultjeetivein Hefinden diese Periode der Arclimatisatici» immer verschieden,
immer aber uird festzuhalten sein, dass die Seeluftcur eine Klimacur ist wie
jede audere.
Entsprechend den l>eiden Hanptriehtnngen , In denen in therapeutisehcr
Beziehung die sanitären EigenFchaften der Nordseeluft einerseits als örtlich
und allgemein beruhigende, andererseits als die Hebung des All ge-
rn ein befiudcui< befördernde zur lieltung kommen, sind auch die Haupt-
anzeigen gegeben fttr die Nordseelnfteuren. Bei ihnen allen steht als wichtigstes
Moment unbestreitbar und unbestritten die Reinlieit der Seelnft obcnau. Dass sie
PS aber nicht allein i-t, wie hin und wieder angenommen wurde, der die Heil-
erfolge der i;eeluft zuzuschreibtn sind, gebt schon daraus hervor, dass es auch
Oegenanzeigen gegen den cm^remissen Gebmneh der Seelnft giebt, die mithin auf
anderen pjgenschafteu derselben beruhen mflssen. Auf den örtlich beruhigend
wirkeiidt II weiteren Eigenscliaften der Seeluft , vornehmlicli der Gleichmilssigkeit
der l^uftwslrrac, dem hohen ebenfalls nur geringen Schwankungen unterworfenen
Fenchtigkeitsgehalie und der Dichtigkeit beruht der reizmilderndo und lustnde Ein-
llnss auf die Schleimhaut der Luftwege und die yerlangsamnng und Vertiefung des
Athmens bei den K r a n k h e i t e n derAthmungsorgane, den Catarrhen,
namentlich den c h ro n i s e h c n Ca t a r rh e n, — seien sie nun primärer Art oder
Folgekrankheiten, — bei Emphysem und empbysematösem Asthma. Na-
mentiteh bei chronischem Bronchialcatarrhe im Gefolge von Emphysem empfiehlt
Caxtani Seeluft, ,,wie man sie bei grosseren Meeresfahrten athmef' und will das
Luftbad mit Seebädern verbunden wissen, „die jedoch nach besfinnnten Vcrscliriften
genommen werden ntUsseu und nicht länger als 5 — 10 Minuten dauern dUrfeu. 30 bis
40 Bider, besonders bei herrschenden Winden und bewegter See in den bertthmten
Nordseebädern im September genommen, wo der Wellenschlag ein viel kräftigerer
ist, werden gewiss vortreftlich wirken". Dankbarste Ohjecte der Seeluftcur,
wie die genannten Kraukbeitszustände sämmtlich sind, versteht es sich doch
dabei von selbst, dass, wenn es sich nicht nur um vorübergehende Linderung,
sondwn um danwnde Besserung und Heilung handeln soll, wie bei allen
chronischen Krankheiten, so aueh bei diesen, die Cur mit Ausdauer gebraucht
werden muss.
Denselbeu Eigenschaften der Seeluft, denen die ortlieh beruhigende,
Icommt aueh die allgemein beruhigende Einwirkung su theils auf das
ganze Nervensystem, tbeils auf den Girculationsapparat durch Ver-
la ngsamnng und K r äf t i g II n ? der Herzaction. Aus der beruhigenden
Eiuwirkuug auf das Nervensystem ergeben sich die Anzeigen bei den ver-
uiyiu^Lü by Google
668
HORDSBBCORORTE.
sobiedeueu ^serveukraakheitoa, nameDtlich den &h Nervenschwäche, reiz-
bare SehwMoke, Neuraitlienie lanuiunengefaaitoii ZiisIliidMi , aiMli inso-
weit sie als Hypochondrie und Hysterie in Enebeinung treten, hta. ein-
zelnen Formen der Neuralfrien, z. B. Migrftne und I n t e rr nst a 1 n (Mi-
ra) gl e, bei Lähuiuugeu nach Diphtherie oder Ty])bu'< und hyäterisehen
Lähmungen, bei gewissen Fällen von EU ckcnmurk 8 Schwindsucht, bei
denen Hebung des Allgemeinbefindcos venHegend in den Vordergmnd tritt,
endlich bei nervöser Schlaflosigkeit und nervösem Asthma. Im-
Ix'sondere för letztere Krankheitszusülnde ist, selbst bei den quälendsten und
hartnäckigsten Formen derselben, die Seeluft zuweilen des einzige zunächst
Lindernngs-, oft Heilmittel, bei nervOser Sehlaflueigltdt , bei welcher vielleieht,
nach BiNz's UutersuchuDgen, auch der hohe Ozongebalt der Seeluft schlaftnarhciid
wirkt , wirksam uiitcrsttttzt durch Seerelbootsfahrteii , die nicht allein durch Ver-
mittluug reinster Seeluft wohlthätig wirken, äondern, wie es scheint, auch durch
Entlastung des Gehirns in Folge des dnrdi die grössere Inteoritit der Lnftbewegung
auf die Hnntnorven an^efibten Rdsee und der bei den Schwanlcungen des Bootes
nothwcndi? aiifjcrcfrtcu und aii°:c8trcnpten Thätigkeit vieler und zum Thcil sonst
zur riith.'itifrkeit verurthcilter Muskeln. Ks bedarf keine« weiteren Nachweises,
da»s gerade für Nervenkranke die nöthige Vorsicht doppelt angebracht ist in
Besng avf Wahl der Wohnung, Vermeidong aUen Uebermasses in Besng auf
Körperbewegung und Strandaufenthalt, grösst«* Rücksicht einestheils auf die Körper-
krftfte, anderntheils auf die Temperatur des Wassers u. s. w. bei etwaigem Ge-
brauche kalter Seebäder, sofern nicht warme allein angezeigt erscheiueu, etwa
mit naehfolgender Icuraer kalter Uebergiessung oder kalten Abreibungen mit See-
wasser tt. s. W. Im üebrigen aber bedarf es bei schwerer Nervenkranken nur
des Seelnftgenusses , wenigstens für den Anfang ihrer Our, und crlcdiL'cii sich
damit die Bedenken Derjenigen , welche bei Neurastiienikern die Heizwirkuugen
des Seebades fBrebten oder „die ^ntönigkeit des täglichen fjobons und der
Umgebung**. Um letzterem Bedenken zu begegnen, bedarf es nur der riclitigen
Wahl des entsprechenden (^urortcs und wird dann sogar A<"lit zu linhcn sein. das>
nicht. Je nach Ort und Zeit, der Zerstreuungen uud (irselligkeit zu viel gchoteu
werde. Die glänzendsten Erfolge für ihre Gesundheit erzielten zumeist diejenigen
Nervenkranken, welche durch Deberanstrengnng ilires Nervensystems naeii dieser
oder jener Richtung, durch geistige üeberarbeitung, unbehagliche häusliche Ver-
hilltnisse und ungünstige hygienische Bedinguiitrcu in ti.uiernde »icrvösp Vil»ratii>m'u
gerathen sind , t^chlalius und appetitlos werden uud endlieh in einen elenden
Schwtcliezustand verfallen. Gerade die kubiere, bewegtere Nordaeeluft sagt ihnen
vor allem Anderen zu, immer voransgesetst, dass sie die erwfthnten Vorsiebts-
massr^eln strengstens einhalten.
Sehr richtig sagt in dieser Beziehung KuüäB ^^J : „Auf das missbräuchliehe
Verhalten ist es aneh Im Wesentlidien xnrttekzuflihren, wenn man , wie es so oft
geschieht, behauptet, die Nordseeluft eigne sich nicht fflr erheblichere .^chw/lche-
austände , es ^ei ein holipr Grad von Widerstand-skraft fflr sie erforderlich. F<s
giebt im (iegontheil keine noch so hochgradige Schw.tche, vorausgesetzt, dass
dieselbe nicht durch zerstörende Organerkrankungen verursacht iat, welche nicht
den grOssten Vortheil aus dem Insdaufenthalte »eben könnte. ** Es versteht sieh
von selbst, dass inshescndere bei Nervenkranken mit der Seeluftcur und eventuell
kalten »ider warmen Rfulern auch ein geeignetes di.ttetisches und hygienisches Ver
halten eiuherzugeheu hat ; eine arzueiiiche Behandlung hat, ausser etwa bei nervöser
Erregung und nervöser Schlaflosigkeit vor erfolgter Aeelimatisation, wohl kaum je
Plats so greifen.
Auf <ler allgemein beruhigende ii l. i n w i r k u n g der Sct hitt auf die
llerzaetion heruheu zum Theil die Erfolge bei Bekämpfung uud Linderung
einzelner Sym ptome von Nervenkrankheiten (nicht durch organisches
Hiroleiden bedingter Kopfschmers oder Schwindel, nervOMS Herzklopfen und Angst-
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NORDSEECLRORTE.
553
gefühP , ebenso die Liiidenin?: und Beseitigung einzelner Symptome von B 1 u t-
»rruuth und Hleiehsucht. deren wesentlielie und radicale Bekämpfung allerdinf?«
deo, den Stoffwechsel und sumit diu Körpercroäbrurjg befördernden Pligenscbaften
der Seeluft infiUlt, die, wie rie an und fflr sieh die Torwieg^enden Bind , so aneh
ibren Einfluss nelten und mit den berohigenden Eigensehaften der Nordseeluft
jederzeit auch bei deu. den letzteren vorwiegend als Heilob jecte zufallenden Krankheits-
zustüudeu geltend machen. Von mehr und mehr zur Geltung kommender Bedeutung
in tberapeutiadier Besiebanip ist die pbysiologisobe Wirkung der Seelnft «af Ver-
Inngsamung und grössere Energie der Uerztbätigkeit nnd anf Vertiefung der AtLem-
züfje in Bezutr ;nif Rcfrclung des Blutdrucks, worauf .«ieh die Erfolirc der
äeelufteuren bei beginnenden Herzkrankheiten gründen. Die Eugldiider,
bei denen die Seetnftcuren sieb früher einbflrgerteo, als in Deutschland, und denen
in Betreff derselben scbon langjibrige Erfahrongen nir Seite standen, als wir erst
anfinpcn, uns ihrer Bedeutung bewusst zu werden, schliessen Herzkranke nicht von
der Seeluftcur aus. So zählt schon Kadcliffr Hall ' m unter den Indicationen
für Toniuay HerzatToctionen bald uueh der Entstehung auf. in neuester Zeit hat
namentlieb Kbusb*) die Bedeutung der Seelufleur bei Henleiden henrorgeboben.
Er sagt in dieser Beztehnng: „Man siebt bei Herzleiden, mögen sie mit Klappen-
erkrankungen zusammenhängen oder nicht, durch Seeluftgenuss oft eine ganz
bedeutende Besserung dann eintreten, wenn die beginnende Entartung des
Hentmnskels zu Herzsebwflebe nnd deren Folgen auf die Blnteirenlation gefllbrt
bat. In den von mir I i- jt t/t Iteobacbteten, ziemlich zahlreichen Fällen war der
vortheilhafteste Eintiuss der Seeliifr so bestimmt wahrnehmbar, das-s darin eine
dringende Aufforderaug zu fernereu Versuchen gefunden werden darf.^
Ebenso sah Kbose in dw so hftufigen Fftllen von Abnabme der
Leistungafäbigkeit des Hersens bei vorbandener Fettleibigkeit oder
bei mit N e r v e n s c Ii w ä c h e verbundener Fettleibigkeit ^^fhistitr»- Wir-
kung von der Secluitcur , die dann wolil mit dem Gebrauehe einer geeigneten
Mineralwassercur oder leicht SHÜnischcr Abführmittel verbunden werden kann. „Wir
baben bei einer grossen Zabl von Fettleibigen mit Henssebwiehe, welehe naeb
Terraineuren nnd Entziebungsdilt sehr heruntergekommen bier (auf Norderney)
eintrafen, in wt-nifren Wochen eine von einem Tage zum andern sich steigernde
Kräftigung beobachten können^' (Kruse a. a. 0.). Cor pulen te Vollblutige
allerdings obnedie gedaebtenStArnngen mttssen der Seelufteur fernbleiben
und thun besser, ihr gewobntes Marienbad. Kissingen u. s. w. aufzusuchen. Natür-
lich wird in allen Fällen von wirklichen Herzleiden oder auch nur Herzschwäche
von kalten Seebädern durchaus und ausnahmslos abzusehen und lediglich die See-
lufteor SU braueben sein , deren heilsamer Binfluss auf StOrnngen dar Honthfttig-
keit und des Kre slaufes ohne die Hilfe anbaltender, Idobt anstrengender und
DbennftBsiger Kiirperbcwcgung zur Geltung kommt.
lu das (iebiet der die Hebung des A llg e ni c i n h e f i n d e n s beför-
dernden Eigenschaften der Nordseeluft gehören, wie erwähnt, lilutarmuth und
Bleiehsueht, femer die erworbenen Sehwiebesnstinde dnreb L'eber-
«rbeitung, sehwere aeute Erkrankungen (Typhus, Diphtherie, Pneumonie, Pleuritis)
und ehirurfrisflic Kingriffe, durch häusliche Sorgen, zu rasches Wachsthnm, wieder-
holte Wocheubettcn und Stillen u. s. w. Wenn neuester Zeit mit Kecht hervor-
gdioben worden ist, dass bei der Tberapie der Bleiebsueht die mit ibr verbundene
mangelbafte und gestörte Herztbätigkeit in erster Linie zu berUcksiehtigen sei und
dass man deshalb Bleichsflehtige niclit in ein Höhenklima seLicken solle , niiter
dessen Einllusse , sellist beim rubigiiten körperlichen Verhalten , beschleunigtere
Atbmung und gesteigerte Herztbätigkeit ausgelost werden, so ergiebt sieh sehen
daraus die Anzeige für das Seeklima mit seinem die Herztbätigkeit beruhigenden
und kräftigefdcii Kiiiflnssc. und zwar nicht nur als Nachcur nach vorausge-
gangener geeigneter Stahleur, sondern, wenu nüthig. in Verbindung mit derselben
und bei eventuellem vorsichtigsten Gebrauche kurzer und seltenerer kfilter See-
bäder mit nachfolgender Ruhe.
594
KORDSBECUROBTE.
B« ComplieftÜoiien mit OrganerkrankaDgeD : Ifagengeadivar, ehrontsch
entzflndlichen I'rocessen an der Gebärmutter u. s. w. ist das kalte Bad ebenso
;i;anz zu unterla3s(Mi, wie bei grossem Kräftemangel und feblendem i^ppetite, und
k«)QQen in letztereu l'äUeu kurze kalte AbreibuDgen des KOrpers mit Seewasser,
bd partmetritiMben Exsadaten warme Seebider aogesei^ adii. Unter allen üm-
stinden ist elu dem Krftftezustonde der Kranken entaprechendes Verhalten darch
Vermeidungr körperlicher Anstrengung , insbesondere in und , wie erwflhnt , nach
dem kalten Bade oöthig. Entgegen der üblichen Annahme sind Schlatlosigkeit und
Appetitmangel der Kranken meist Folge anstrengender Bewegaug und alfani langen
Aufenthaltes am Strande, Die Nordseeluft ist aneh entfernter vom Strande und
bei ruhit;<-in Vcrlialten kräftig und kräftigend genujr für Kranke, bis ihnen die
schon erfolgte Kräftigung Iflogeres Verweilen und grossere Spaziergänge am Strande
gestattet. Erweist sieh cur Unterstfitsung der Seeluftour der Gebrauch von Eisen
wtlnsebenswertb, so vertrageOf naeh Kruse selbst solebe Bleiehsflehtige, denen
sonst alle Eisenmittel Beschwerden verursachten, leichte Mittel (z. B. ß'err. rnrh.
sacch.) an der See sehr gut. wogegen er den eurgem.'lssen Gcliraueh von Stahl-
bruunen nicht zweckmässig fand. Wühl aber geboren in unsere hoher gelegenen,
altbewAfarten Stablqnellen vnd finden in dem Seeklima eine Gegenanzeige diejenigen
Falle von Blutarmuth und Bleichsucht, die ans Halariakrankheiten entstanden nnd
und sozusagen in deren Boden wurzeln.
Das bekannteste übject der Seeluftcureu ist die S e r o p h u 1 o s e. In dem
Znsammenwirken der tonisirenden Eigensefaaften der Seeluft mit der anregenden
und kriiltigst in den StoffwecLsel eingreifenden, oder der die An&angnng krank-
hafter Ablagerungen mächtig fordernden Wirkung der kalten oder warmen See-
bäder ist das vurtred'lichste lieilmittel aller der verschiedenartigen und vielgestal-
tigen Formen gegeben, in denen uns die Serophulose entgegentritt. Die allein dabei
noeb in Frage kommenden Soolbäder mflssen schon darum an dnrehgreifender
Wirksamkeit hinter der See znrtlckstehen, weil sie der Seeluft entbehren, durch
die die beabsichtigte erregende und zugleich tonisirende Wirkung iu ungleich
höherem Mas.se erzielt wird, als durch Salzbäder, selbst wenn ihnen ausgedehnte
ßradirhanser an Gebote stehen. Der Lnft an den Gradirbänsem aber, die man
hi^ zu einem gewissen Grade der Seeluft an die Seite stellen kann . fehlen, um
ihr gleich zu kommen, einige der wichtigsten F.igenschaftcn : die GIeielim;if.siirkeit,
die Dichtigkeit, das Bewegtsein ; ausserdem lässt schon die räumliche Beschränkung
nnd der nnr zeitweise mögliche Genuss der Gradlrlnft sie als Heilpotenz der den
Kranken immer umgebenden und auf ihn einwirkenden Seeluft uieht entfernt gleieb-
kommen. Von besonderer Wichtigkeit aber erseheint die Sei hit'tcnr alsF'rophy-
lacticum bei scruphulöseu und co us t i t u t i o n e 1 1 e u Schwächezu-
ständen, die früher oder später in Lungenschwindsucht enden,
namentlich also aneh bei erblicher Anlage. Alle die Krankhdtazustände, die
w ir als Anfänge der Phthise bezeichnen und kennen : die c o n s t i t u-
t i o n e 1 1 e S (• Ii \v ;l e h e, d i e e r h I i e h e u n d e r w o r b e n e p h t h i i s c h e A n 1 a g e,
die veriiaehiigen Fälle von Bluthusten noch ohne nachweisbare Ver-
änderung in den Lungen, die Spitzencatarrbe und SpitzeninfiU
trationen, Oberhaupt frische Infiltrationen von nicht zu grossem
Tni fange sind schon von altersher mit F-rfolg durch Seelufteur Iieliandelt worden
sei es in der Form von Seereisen oder Aufenthalt au deu Meeresküsten oder im
Inselklima. Dem Ktlstenklima verdanken die klimatisehen Cnrorte und Sehwind*
Mieht.sli()S|iit.iIer in S(id Ft glnnd, dem Inselklima Madeira seinen Kuf, aber auch die
Xoril^i I' Iii-eln haben alljährlich schöne und oft in kurzer Zeit erzielte Erfolge zu
verzfiehnen , vorausgesetzt, dass es sich nur um die gedachten Anfänge der
Phthise band« It und dass mit Ausdauer in der Cur ein entsprechendes hygienisches
und diitetisehes Verhalten einhergebt, wie es vorzugsweise Norderney und Wyk
auf Ffthr bieten. Im Allgemeinen nihmen die Engländer, denen auch nach dieser
Richtung in Bezug auf Seelnftcuren läugere Erfahrungen zu Gebote stehen, von
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NOBDSBECURORTE.
555
ihren ScbwindsucbUcururten eutUn;; den K listen und auf Wjgbt (Margate, Ventuur
auf Wight, Bonrnemouth, Torquay u. a.) — von den einen mebr, von den anderen
weniger, — in sanitSrer Beziehung das(;elbe, was wir von den Nordsee-Inseln za
rühmen haben: günstige Ge8undheit.s\ erliiUtnisse der Einwohner, fast gänzliches
Fehlen von äcrophulus«, niedrige Öterblichkeilsziä'er, namentlich an Lungenkrank-
heiten und besonder« an Lungengehwindsnelit. Ebenso zeigen die kKniatiseben Ver-
bältniäse Qbereingtiinmend die charakteristischen Factoreu des Seeklimas : Rein-
heit und Feuchtigkeit der Luft, — die mittlere relative Feuchtigkeit i<t in Torcjuay,
Ventuor u. 8, w. fast genau dieselbe wie auf Kurderney, — GIeicbniä.>*sigkeit der
Temperatur, namentlich Geringfügigkeit der Tagestempcraturdifierenzeu, kubiere
Sommer and wirmere Winter als sie selbst das Inselklima Englands anfsaweitem
hat) im Winter massigen Schneefall und seltene Eisbildung, welche beide übrigens
so wenig gefürebtet werden , wie z. Ii. der in Bournemouth seiner Lage wegen
.sehr beft'ge Wind und diu überall mehr oder weniger häutigen Seeuebel.
AniMlig ist es, dass, obwohl die betreffenden cngliseben Ktlsteneurorte
um la ( zwei Breitengrade r51:58o n. Br.) südlicher als unsere deutschen Nord-
see-IuMln und unter vollem Kintin-se des Golfstroms liegen , doch die mittleren
Temperaturen der llerbstmonate , von Uctober bis Januar, niedriger sind als die
anf Norderney, und zwar selbst in den wlrmsten und bevonsngtesten Orten : Ventnw,
Bouroemonth, Torquay (Norderney + 7-7^ R., Ventnor 7*2, Bournemoutb 6 6,
Torijuay (' 7 . Zeigt j'ich darin der Kintliiss des niflchtigen, dureb seinen Umfang
sich c.ontinentalen klimatischen Verhilltnissen mehr als insularen ann.lherudea
Hinterlandes, so kommt andererseits in den eigentlichen Wintermonaten, Januar
bis April, der Einfloss des Oolfttroms in England in bedeutend böberen mittleren
Temperaturen zum Ausdrucke (Norderney + R,, Ventnor -f r) 0, Bournemoutb
-)- .'{ tj, Tor(|uay + 4'4). Diese hoben mittleren Wintertemperaturen sind es
wühl , weshalb eiuzelnen dieser Wiutercurorte , namentlich Ventnor und T(»rquuy,
seitens der englisdien Aente der Vorwurf gemaeht wird, dass sie an „relaxing^, zu
erschlaffend, zu verweichliebend seien, in Bestätigung des Erfabrungssatzes, dass bei der
Behandlung tier Scliwindaiieht nicht höhere Temperaturen das für uns wUn«>cbens-
wertbe sind, sondere m ä s s i g e , und vor allen Dingen gleich mässige Tempera-
turen, welche möglichst ausgiebigen Gennss reiner, staubfreier Luft gestatten.
Dennoch können wir uns in Betreif der Ausnutzung des Seeklimas für Schwind-
eüchtiire den KiiKl:iii'Urn nicht zur Seite stellen, wie schon ein Bliek auf die
grossen eugliseben Schwindsucbtsbospitäler lehrt: Das „Hospitti' for consuinption
and diseases of the ehest" zu Ventnor mit 96 Betten , das „Sanatorium for
eonttimptüm and ditean» of tkecheH^ zu Bournemoutb, eine Toebteraustalt des
Broniptonhospltalea zu London mit 02 Betten, das „ Westt rn Hospital for eon-
sumptite f^ndency" zu Torquay für 5.') Kranke und die ;» grossen llospitüler
för Serophulöse und Tuberkulöse — der Mehrzahl nach Kinder — zu Margate :
die „lioi/al 8ea bathing Inßrmary" , das „Metropolitan EgtabUskment* und
„Chateau Bellevue" mit beziehungsweise 250, 140 und 120 Betten.
Unsere deutschen Nordseehospize: das Hospiz ,.Kaiserin Friedrich" zu
Norderney mit 250 Betten, die „evaDgelische Diakonissenaustalt zur Heilung scrophu-
lOser Kinder'^ zu Vordemey mit 50 Betten und das Seebospiz zu Wyk auf Föhr
mit 80 Betten können ebensowenig wie die belgischen Nordseektt^tenbospize zu
Middeikerke mit über 100 Betten und Vendnyne mit Belegraum für 200 Krniiko
zum Vergleiche mit den gedachten englischen Ilospitülern herangezogen werden,
schon aus dem Grunde, weil sie nur für Kinder und durchaus nicht allein für
ScropbulOse nnd Tuberkttiöse bestimmt sind. Ebenso sind die bollindiseben KUsten-
seehospize : das „Kinderziekenhuis" zu Wijk aan Zee uiit 40. das „Badhuis voor
Mitiderverniogenden" zu Zandvoort mit 5.3 und ,.de .Sophia-Stiebting" zu Scheveningen
mit 100 Betten als Sommer-Saisonhospize für Kinder mit beschriinkter Bebaudlungs-
dauer mehr dem Muster der englischen Convaleseentenhäuser und italienischen
Kttstenhospize nachgebildet, als jenen engUsehen Hospitälern, zu gesefawtigen
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566
NOKDSEFX'UKORTE.
elni«;^er sogenannter „Hnsj)!/*'" an der deutschen Nordsee . die sich als Kinder-
Sommerfriscben cbarakterisiren. Deonocb haben unter den zahlreichen Pde«:UugeQ
unBerer deutecben Seehospize sowohl, wie der holländischen und belgii^cben, nament-
lieh dM Hospiiee sa Hiddelk«rk6f Krank« in den Aafangntadien der Phthise sowohl,
wie selbst in vorg^erUckteren Stadien und in den verschiedenen Formen der Tnber*
kulose Aufnahme und Heilunjr p:ofunden. Als hierher irphöri<r sei besonders hervor-
gehoben, dass nach den Berichten und niUudlicheu Mittheituugen von Cas^se in
Hiddelk«rke und Scbipklbbn im Kflsteobospis BefiOMS auf Seeland die Heil-
barkeit and sichere, dauernde Heilung des Lnpns ohne operatives Einschreiten
dnreh Seeluft, Scehilder und jjute Kost feststeht.
Unzweifelhaft steht in therapeutischer Beziehung bei den phthii^ischeu
Processen der Athmungsorgane im Seeklima die Reinheit der Seeluft obenan,
ihr snnächst an Wichtijrkeit die G 1 ei c hm ässigkeit. Tbeilt das Seeklima die
Eigenschaften der Keiuheit mit dem Ilöheuklima, so darf es die fast ;rleichwerthi;jre
Gleichmässigkeit aubschlio.sälich für sieb in Anspruch nehmen, ausserdem aber
noch weiter eine Reibe von Eigenschaften, die im Besonderen für die pbthisi-
sohen Proeesse der Athmnngsorgane von sehwerwtegeader Bedeutung rind: den
Feucht iß^keitsgehalt mit seiner örtlich auf die Atbmungsor^anc reizmilderad,
lösend und die Athmun^ beruhigenden Einwirkunjr, die D i e h t i g k e i t mit ihrer
die Athmung verlangsamenden und vertiefenden, die iierzthätigkeit verlangsamenden
und kräftigenden Einwirkung, den Osonreiehthnm, dem wir eine allgemein
krlftigende Einwirkung auf den KOrper ebenso cusehreiben dürfen , wie dem
Bewegtsein der Seeluft Anregung des Nervensystems. Steigerung des Stoff-
wechsels und Uebuug der Ernährung. Als therapeutisches Ge^ammtergebniss dieser
Klimafaetoren aber erglebt eidi: Möglichkeit der Amheilung der kranken Lnngen-
partien bei Hebung des AUgemdnhefindena nnd Erftffifcnng und Erhöhung der
Widerstandsfiihigkeit des Patienten.
Für eine speci fische Kinwirkung der Höhenluft bei Phthise treten
vorwiegend nur noch einzelne Interessenten ein, wohl aber bricht sich mehr und
mehr die Ueberaengung Bahn, dass die sogenannte Lungengymnastik das Oegen-
theil einer vernünftigen Scbwindsucbtstherapie ist , und dass die kranke Lunge
möglichst geschont und Alles vermieden werden nuiss, was tiefe Inspirationen
auslöst. Durch die dünnere Uöhenlutt werden an uud für sich schon ganz andere
Ansprache an die Athmungsorgane dee Lungenkranken gemacht, ah an tiefer
gelegenen Orten; im Seeklima beruhigt sieh Athmung und Herztli.itiirkeit. Da
auch die mpdiciiii-;clit> Statistik einen i m ni u n i s i r e n d e n F^intiuss der Höhenlage
nicht entfernt nachweist, wohl aber die Nähe der olltiueu See , so bat neuester
Zelt FancsuiBOBCT mit Tollstem Rechte die Sehlttssfolgerung gezogen , dass,
wenn es sich ftlr uns in Deutschland um statistische Berechtigung einer
Vorznirswalil zur Errichtung von Sanatorien für Brustkranke handelt, solche stets
in erster licilie der Seeküste zuerkanut werden raüssten , und setzen wir hinzu,
vor allen den Inseln, denen ebenso die statistische , wie in vollstem Masse die
therapeutische Berechtigung ankommt Diese letate Schlnssrolgernng hat, im An-
schlüsse an die Ausführungen FiNKKLNBUKü's, HiLLER'") gezogen, der die Er-
ricbtuTiL'- von Sanatnrien filr Brustkranke auf den Nordsee-Inseln, in^bcsondere die
Errichtung eines Schwiudsuehtshospitals au der Südwcslküstc von Föhr befür-
wortet. Nun hat sieh ohne Zweifel Föhr, nicht zum mindesten wohl in Folge
seiner gOnstigen Lage, hervorragend günstiger Erfolge bei Phthisikoru zu rühmen,
indessen steht zur Zeit das llr.licnklima nnoli si> vorwiegend in der Gunst, besonders
des nicbtiirztlichen Publicums, das^s wohl m^ch viel Wasser zum Meere Hiessen wird,
ehe dw Plan HiLtEit's sich verwirklicht, abgesehen noch von Bedenken, die der
Wahl der von ihm ausgesuchten Ocrtlichkeit auf Föhr gegcntlberstehcn dürften.
Ais eines der dankbarsten Objcete der Soelufteur \<t imch der pleu-
ritischen serösen oder serofibrinrtsen i Exsudate zu gedenken, auf deren
rasche Ke^orption wohl von grösstcm Einllusse sind die im Seeklima erhöhte
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NORDSEECUBOBTE.
557
Nierenthfttig:keit und das Tieferwerden der AthemzOge. Ist erstere vorwiegend
bedinp't durch die vcrinindorte Was^xTverdampfun^ durch die Haut in Folge des
hohen Feuchtigkeitsgehaltes der Luft, so ist doch dabei ohne Zweifel auch ihre
Diehtigrkdt tod nieht so nntmebiteeoder Bedentnog, der «veb der Hatiptaotiiäl
an den tieferen Atherobewegungea zukommt. Ist es aehoD in der Reconvaleseens
von Wicbtifrkoit, Kranke mit pleuritisohcm Exsudate möglichst früh aufstehen zu
lassen und damit tiefe P'inathmungeu auszulösen zur Ausdehnung der atelec-
tatischen Luugenpartien und Verhütung des Einsinkens des Thorax, so muss in
einem späteres Stadium eine eotapreehende Lnngeogymnastik nieht minder wiehtig
Kein zar Entfaltung der comprimirt gewesenen Luugenabscbnitte mit ihren ver-
klebten oder zum Thoil schon obliterirten Alveolen und ihrem atelectatischen
Gewebe. Von besouderer Wichtigkeit ist dabei, dass die tiefereu Athembeweguugen
nieht von der WÜlkttr und dem mehr oder weniger groeien Oesehieke od«r Un-
geschicke de^ Kranken abblngen. Es findet im Seeklima eine unbewusste Ver-
tiefung des Athmens statt, und zwar eine dauernde, und die Wichtigkeit und
Ueilsamkeit dieses Vorganges ist durch oft überraschend schnelle ü^folge der
Seelttflenr bei pleuritiaehen Exsudaten erwiesen.
Der Gesammtheit der sanitären Eigenschaften der Seeluft, ohne einer
oder der anderen derselben den Hauptantheil oder specifisclu; Einwirkung zu-
schreiben zu können, kommen die Heilerfolge bei Keuchhusten zu, bei dem
die Seeluft als ein weit Uber den Werth gewöhnlicher Luftveränderung hinaus-
gehendes Mittel wpfobt ist. Als iolehes wurde es sehen von Alszandbr P.
BüCHAN, Joseph Frank u. A. empfohlen. Im Jahre 1848 schrieb L. Verhaeghe:
„Ueber die Wirksamkeit des Aufenthaltes an der Seekflnte und der Seebilder bei
Keuchhusten'^ und brachte eine empfehleude Casuistik bei. Trotzdem kam das
bewährte Heilmittel, ausser in der Nllhe unserer Meereekttsten , nieht cur ver-
dienten Geltnsg, einestheils wohl in Folire der Schwerfälli^«t unserer Verkehrs-
verhHltnisse , anderentbeils in Fol^je des in die Modekommena des Höhenklimas,
bis mit Wegfall des erstereu Grundes die Seeluft wieder den ihr gebührenden
Rang als Heilsuttel des Keuehhusteus einnahm, so dass Fboum (Bbaün's Balneo-
therapie) sagen konnte: „Gegen Keuchhusten ist die Seeluft bdutnntlich das
?(»uverilne Mittel." In neuester Zeit ist d.-inn auch ein so ausgedehnter Gebrauch
davon gemacht worden, dass einzelne Nordsee-Inseln in zweckentsprechender Weise
für die uuthige Isolirung der keuchhustenkranken Kinder und ihrer Angehürigca
Soi^ getragen haben, ohne ihnen den Genuas ihres Heilmittels au beeintriohtigen.
Festgestellt und allgemein bekannt dnroh Erfahrung und Brandl bei
Aerzten und Nichtärzten "^ind die Anzeigen für die Nordseeb ä d e r , kalte sowohl
als warme. Uotreuubar wie mit ihnen die Seeluftcur verbunden ist, wird der
toni«irende Einflnss des Nordseeklimas dnreh die eigenartigen Yorsflge des kalten
Nordseebades an Salzgehalt, Gleichmässigkeit der Wasserwärme und kräftigen
Wellenschlag kräftigst unterstützt. Abgesehen von den . als Ilauptobjecto der
Seeluftcur genannten Krankheiten , bei denen einer mehr oder weniger wesent-
lichen Untersttttsung der Cur durch kalte oder warme 8eeMder bereits gedacht
ist, wie nameutlieh bei Scrophulose, der hier aueh ^e Rhachitis ansn-
fü^ren ist, bei der vorsiehti^'er Gebrauch von Seebädern von gdiistiirster Einwirkung
ist, kommeu als Anzeigen für das kalte Seebad vorwiegend in Betracht:
Hautschwäche und Erkältbarkeit der Haut, Neigung aa Rheu-
matismen oder bereits bestehender ehroniseher Muskel- oder Gelenk-
rheumatismus ohne Herzleiden, 0 elenkansch well u ngen oder
grosse Schwache, in welchen letzteren F.'lllen warme Seebäder angezeigt
sind, oft aber auch die Seeluftcur allein vorzügliche Resultate giebt. Feruer ge-
hören nervOser Kopfs ehmerz, von den Krankheiten der Verdauungsorgane
nerv Ose Dyspepsie, habituelle Stuhl Verstopfung, chronische
und n e r V ("i e Diarrhoe ebenso in das (iebiot der kalten Seeljäder, wie von
den Fraueukraukheiten Neigung zu Abortus, Neigung zu JUlu-
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558
NORDSBECDBORTE.
tungea bei uicbt zu zarten ludividueo, auf örtlicher oder allgemeiner Schwäche
beruhende Sterilität. Liwieweit Amenorrhoe, Dysmenorrhoe nnd
Fluor alhu s , .i]> iiedingt dureh Blutarmuth oder Bleichsucht, durch kurze kalte
Se<'l>Md«'r zu bebaudelii «ind , ihüss, wie bei der Seeliifteur dieser Kraukheiten
erwähnt, abhiingeu von dem Kräftezuetande der Kranken und etwaigen CompU-
catiooen. Handelt es sieh nur um KrfiftigoDg dea geschwicliton Organismas, so
finden selbst chronische Fälle, auch Fluor albus nach vorausgegangener nntz-
kwer örtlicher I^ehandlungr. bei vorsiohti^reni ni-hraurbt' kalter Seeb.'ider Heüiinir
Bei 8 p e r m a t o r r h o e , die l>ei Männcru oft zur HvpoclKindrie führt, bewährt
sieh das Strandbad ebenso, wie vor Allem bei dem uhroniächen Catarrh
der Harnröhre, der sieh, bei vollstättdigem Anssetsen oder wenigstens Be-
schränkung der localen Therapie uud sonstigem entsprechenden Verhalten, oft
in flberraschend kurzer Zeit verliert. Allerdinffs ist wohl kräftiger Wellenschla«^,
wie ihn die Nordsee Insel bäd er bieten, in solchen Fällen Haupterfurdemiss guten
ESrfolges. Bei Nevrasthenlkern ist strenge* Ittdividaalisiren erforderlleh ; oft
dnd kalte Abreibungen oder Uebergiessangen mit Seewasser als Vorbereitung nnd
Uebergang zum kalten Bade ang-ezei^t , zuweilen auch nur warme Seebäder am
Platse. Unter allen Umständen darf die Dauer des kalten Bades nur eine kurze
sein nnd gilt das von den immer zu Uebertreibungen geneigten Hypoehondern
nmsomebr, als sie gewöhnlieli, nOthigenfalls naeh voransgesohiekten kalten Ab-
reibungen, das Strandbad gut vertr;i:j:cn. Nur die dureh geistige T'eberanstrengung,
unregelmässige oder ausschweifende J^cliensweise oder Alkoholika tiberreizten,
ruhelosen und ängstlichen liypochonder sind allein iu mässig warme Seebäder zu
verweisen. Ebenso sind Bysterisebe, immer unter Berdeksiehtigung der zn
Grunde liegenden Ursachen der Krankheit, ihrer Theilerseheinungen und des
dagegen einzuschlagenden Verfahrens und der individnellen Verhältnisse der
Kranken , in Betreti' des Bades verschieden zu behandeln. Während die nervös
nnruhigen, blutarmen, an Sehlaflosigkeit und Hensklopfen leidenden Kranken dieser
Art von lauen Seebädern , eventuell kalten Abreibungen oder UebergiesHuugen
eutschicdenen Vortheil haben , ist da-; i^trandbad bei lähninngsartigen Zuständen
und gutem Kräftezustaude durchaus augezeigt, aber enischicden dabei vor zu
langem Verweilen im Bade an warnen, wozu solche Kr-inke in gleicher Weise
disponiron, wie Hypoehooder.
Von den Neuralgien ist allein die Migräne unbestrittenes Gebiet
der kalten Seebäder, durch die wenigstens in der Nachwirkung, die für das
Seebad wie für die Sceluftcur entschieden feststeht, Abnahme der Anfälle und
verminderte Heftigkeit derselben sieber erzielt wird, bei Au-^dauer in der Cur nnd
(ifterer Wiederholung derselben iu einzelnen Fällen selbst Heilung. Sofern die
Migräne und andere Neuralgien Thellcrseheinungen der Hysterie nder. wie nament-
lich diu Intercostalueuralgie oder die Cardialgie, durch Blutarmuth
und Bleiebsneht bedingt sind, fUlt ihre Behandlung dureb kalte oder laue See-
bäder u. s. w. zusammen mit der dureh die Art de.s Grundleidens bedingten und
ist domentsprechend ancli die Prognose zn stellen. Zuweilen sind bt i auf rheu-
matischer Basis beruhenden Neuralgien, z.B. bei Ischias, langdauernde warme
Seebäder in Verbindung mit der Anwendung des Inductions oder scbwaeher
eoBStaater Ströme von £rfolg gewesen, der dann allmlligen Uebergang zum kalten
Seebade ermöglicht hat.
Von den Krainpfforinen ist nur bei Chorea v<nu kalten Seebade !•>-
folg zu erwarten, der in leiehtereu l-'ullen oft rasch eintritt, aber selbst in
sehweren Fallen i«t, nöthigenfalls in Verbindung mit elektri«eher Behandlung, von
Seebädern noeh immer am meisten zu erwarten. Als Antiparalytiea sind bei
L ä h m n n g e n n a e h a e u t e n i ti f'e e t i n ii s k r a n k h e i t e n die kalten Seebäder
durch Beeinliussung des Gesammtsi'jti wechseis von sicherer Heilwirkung.
Bei Tabes dorsalt» ist in den ttberhanpt heilbaren oder wenigstens
besserungsfähigen Fällen und Stadien, wie im Allgemeinen von der Kaltwasser^
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NORDSEECURORTE.
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behandluu». so aTich \(>n Seebadern in vorsielitifjer Steigerung von kalten Al>-
reibuDgeo oder Wa.schungeQ zu kurzen kUbleo Wanuenbiidern, eventuell zu kurzeu
Strandbidera ein relativ sieberer und dauernder Erfolg %n boflSni, eventnell bei
gleiebzeitiger Anwendung des constanten Stromes. Dass dabei streng individualisirt
werden nuiss. versteht sirli von selbst. Erwäbuensivertli i^st aus dem Capitel der
^'erveDkrankbciten auch, dass Kruse ^^J zweier Fälle von BASEDOw'scher Krank-
heit gedenkt, die, naehdem Tersebiedene ando« Gnien erfolglos vennebt waren,
anf Norderney nur durch den Aufenthalt in der Nordseeluft eine ausserordentlich
rasche Besserung' erzielten ; es dfirfte in solclien Fällen der Versuch mit kalten
Seebädern, wie er v«»n InselUrzteu empfohlen wird, umsomehr statthaft sein, als
sich ja die Hydrotherapie, insbesondere in der Form von Douchen, bei Behandlung
der BASBDOw'seben KranlEheit aebon warmer Empfeblnng an erfteoen liatte. Fest-
»uhalten jedoch wSre entschieden für solche Falle, dass die Behandlung durch
Seeluft, beziehunorsweise SeebJlder nur auf einer Nordsee-Insel zu geschehen hübe,
da, nach Eci.knblkü, dan Leiden in Küstengegenden relativ verbreiteter zu sein
sebdnti als im Bionenlande , so aneb in England, namenttieh aber an den Ost-
seekflsten sehr hXuflg ist.
In Betrefl" der Krankheiten der V er d a u u n gs o r ga n e bewiihrt
»ich zw.'ir das kalte Seebad, wie erwühut, auf änn Vortrefflichste bei nervöser
Dyspepsie, bei wirklldieni Hageneatarr h jedoeb rind ebenso aussebliesslfeb
anr warme Seebäder angeseigt ; dass in beiden Fällen eine entsprechende Diät
Innegehalten werden muss, i-tt selbstverständlich und es beruht auf irriger An-
nahme, dass man Magenkranke der „schweren Kost" wegen nicht an die See
schicken könne. Es trifft das für die englischen Seebäder zu, in den Nordsee-
bädem kann der Kranke eargeroftss leben, allerdings aueh, wenn es ihm an der
ndtbigen Willenskraft gebricht, excediren wio überall anderwärts.
Aus<chlii'ssli('h den warmen Seebädern zuzuweisen sind, ausser den
bereits angeführten Krankheiten, die entzündlichen Zustände und Exsudate nai-h
Entsflndnngen der Ovarien, des Uterus und seiner Adnexe, wo ebenso mit
bestem Krfol.ire die Ertliche Anwendung des Seewassws in Form von Sitsbädern,
Friessnitz 'sehen Ltib))inden u. a. w. platzgreifen kann.
Dem Zwecke des kalten Seebades und der durch dasselbe auf den Körper
in erairienden "Einwirkung entspricht es dnrebans, dass in allen KoxdseebKdern
aus Badekarren oder, wie auf Juist, aus Zelten gebadet wird, die von Pferden
odiT durch Meiischi'iilirind mehr oder weniger weit. Je nach Ebbe oder Flut, in
das Wasser geschoben oder wenigsteus bis an die Wasserlinie gebracht werden.
Es wird dadurch in zweckentsprechender Weise möglichst rascher Ein- und Aus-
tritt in das Wasser and aus demselben vermittelt nnd verbatet, dass niebt durch das
den Temperatureinflüssen und der Bewegung der Luft Ausgesetztsein des Körpers,
die Einwirkung des Bades anf denselben oder seine Xachwirkunir irestört werde.
Als eine Specialiut verwendet das kleine Nordsee-Küäteubad Danga.st
seinen Seeseblamm, den sogenannten „Schliek'*, der ihm dnreb seine Lage am
iiiissersten Ende des tief in das Land einschneidenden Jadebusens in reichstem
Masse zur Verfügung steht. Es rühmt von den aus dem Sehliek hergestellten
Seeschlammbädern bei alten Ablagerungen und iusbesondere von seinen
Seeeeblammfbssbidem im Podagndsten gute Erfolge, gleieh den Seesdilammbldem
in Arenaburg auf der Ostsee Insel Oesel und in den Schlammbuchten am russischen
Ufer des Schwarzen Meeres. Die 1^ a n d b .1 d e r . die einzelne Nordseccurorte unter
ihren Curmitteln anführen , kommen in keinem derselben in der metbodischeu
Weise zur Anwendung, wie sie erfahrungsgemäss bei chronischen Rheumatismen,
flflssigen Bzsudaten, Isebias n. s. w. bei getigneten Kranken, namentlieh in
Ivöstritz, FLille a. S. (Fürstenthal), Blasewita bei Dresden, ebenso in einigen
italienischen Ktistenhospizen und an den grieehiRchen Küsten mit Erfolg geübt
wird. Abgesehen von dem fUr scrophulöse , rhaehitische Kinder u. s. w. häutig
empfohlenen Sitzen anf nnd in dem sonnendnrehwftrmten Sande der Dflnen,
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560
NORDSEECURORT£.
kommen die heissen Bäder in künstlich erwflrmtem Sande am häufigsten wohl
noch auf Norderney zur Anwendung und erklürt sich ihre Heilwirkung aas der
Trockencur, nicht, wie angenommen wurde, aus dem angeblichen Gehalte an Jod,
welches letztere Scbültz-Scbultzbnstkin als nidit vorluuideii nsehwiee, der auf
Veranlassung v. Gräfe's den von Norderney verschriebenen Sand in Berlin unter^
sachtp 's. Richter, Or^ranon der physifilofrisehen Therapie, 1850. pag. 337). — Das
Trinken von Seewasser, wie es als systematische Trinkcur früher von
englischen Aerxten nach dem Vorgänge der nlten rOmisohen and arabischen Aerate
empfohlen und noch jetzt in England und Fhukreiob häufig namentlich bei
Rhachitischen und Scrophulösen verordnet und auch in dem an Kochsalztrink-
quellen armen Schweden und Norwegen in Gebrauch gezogen wird , hat sich in
den Curorten der Nordsee nur im KUstenbade Bflsum aU von den dortigen Cur-
gMsten trots irstlidien Einsprochs gepflegte Speeialitflt erhalten. Neuester Zeit
hat sich A. Wincki.er fdr die SeewasKertrinkcur verwendet, ebenso Rhaobitis
und Scrophulose, wie bei Blutarniuth und Bleichsucht und namentlich bei der durch
Hangel an Salzsäure im Magen verursachten Dyspepsie. Indessen selbst das auf
einen bestininiten (8—5 */o) Salzgehalt normirte und mit Kohlensäure imprignirte
Seewasser, wie es in Skandiuavien als Abfflbrraittel in Gebrauoh kam, dürfte
nicht einmal „nebenbei als Getränk", wie Ostcnde das Seewasser unter seinen
Curmittein anführt, in Betracht kommen und das umso weniger, als es unter
allen ümstftnden shsebenlieb sohmeckt, als Curmittel leieht zu ersetzen ist und
bei liageram Gebrauehe schwere Verdauungsstörungen und Mageu- uud Darm-
entzündungen hervorruft. Die rationellste Art iler Anwendung des Trinkens des
Seewassers ist wohl immer die der Eingeboruen der Samoa-inseln, die sich seiner
als Brechmittel bedienen.
Als Naeheur kommen Scelnft und eventuell Strandbad als tonlsirendes
und abhärtendes Mittel in erfolgreichster Weise zur Anwendung nach dem Gebrauche
alkali^ch-muriati6cher Wüsser: Karlsbad, Marienbad, Ems u. s. w. und der
Thermalbäder. Vorausgesetzt ist dabei, dass der Kranke nicht von der voraus-
gegangenen Cor erschöpft und angegrifibn sofort in dai auf durchweg anderen
Klimafactoreu beruhende Seeklima gehe, sondern körperlich und gemuthlich
beruhigt und womöglich nach mehrmonatlicher Zwischenpause die Nordsee auf
suche. So tritt er, wenn seine erste Cur im Frtihsommer abgeschlossen ist, im
Herbste, und somit zu der Zeit, wo Nordseeluft und Nordseehad am kriftigsten
wirken, seine Naeheur an. Nicht allein um des dgentlichen Seeklimas theilhaftig
zu werden, sondern nm-h um den im Herbste an den Kiisten schon durch
grössere Schwankuugeu der Temperatur luul des Feuebtigkeitsgehaites der Luft
geltend machenden EintlUsseu des ßiuneulaudes zu entgehen , ist es aber dann
durchaus erforderlich, cor Nachcnr nicht ein Kttstenbad, sondern nur lediglieh
ein Inselbad aufzusuchen , und zwar, aus früher erörterten Orflnden , eine der
besuchteren ostfriesischen Inseln von Helgoland bis Borkum. Selbst dns durch
Milde und Gleichmässigkeit ausgezeichnete Herbstklima der nordfriesisohen Insel
F9hr ist zur Nachcnr nicht geeignet in den Fftllen, wo eben auf die tonisirende
und abhärtende Wirkung vi»n Sftlut't und Seebad das Hauptgewirlit gelegt wird.
Insbes<mdere lUieumatiker liaben nacb voraust.'eL':iriir>'ner Thermaknir den scliönsten
Erfolg von einer richtig gebrauchten Herbst- und f>ccbadecur zu gewärtigen, deren
Nachwirkung im Winter zumeist in lohnendster Weise zur Geltung kommt.
Als Gegenanzeigen gegen die Seelufteur sind unter allen
CmstSnden N i o r e n k r an k h e i t e n zu rechnen. Die unter dem Einflüsse der
verminderten Hautth.ltigkeit vermehrte Tliiltigkeit der Nieren sagt diesen Kranken
ebensowenig zu, wie ihnen das Straudbad durch Cuugestioueu uach dem kranken
Organe schftdlich wird. Ebenso haben Kranke mit vorgeschrittenen
Zerstörungen wichtiger innerer Organe von der Seeluft mindestens
keine Heilung zu crwrirten. Was die Lnngmkrankheiten betrift't, so sind zwar von
Bexeke (^Areh. d. Vereins f. wisseusoh. lieilkuude, l.'r'65, Bd. I der neuen Folge,
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H0BD8EB0DB0RTE.
561
pag. 32 ), Fbomv (Bedeutung vnd Oebraueluweise der Seebäder k dironisdieii
Krankheiten, 1889, pag. 97), Gerber (Wyk anfFffhr ala klimatiBcber Winteronr-
ortj Ffllle angeführt, wo selbst F^btliinikfr mit Cavernpri durch Itiigpren Aufenthalt
auf NorderDey oder Föbr „vollständig geheilt" wurden oder „nach wenigen Jahren
rieh 80 erholten, daas man sie für völlig hergestellt halten konnte", und ebenso
geht ans den übereinstimiDendeii Beobaditongen vnd Beriehten der genannten nnd
anderer Aerzte hervor, dass selbst bei colliquativen Zuständen im Inselklima Fieber
und S( hw;iehe sich rasch verloren und nicht wieder auftraten, Appetit, Verdauung
und Schlaf »ich hoben und dauernd gut blieben , der Husten sich minderte und
milderte, das Athmen leiehter wurde und demgemäss das AUgemeinbeflnden rieh
hob, dennoch aber kt fai weit vorgeiehiitleiieai eolliqnatiTmi Stadium im Al^-
meinen vom Inselklima nicht mehr zu erwarten, als von anderen Klimacuren, und
kann es sieh, trotz der Wohlthat des leichten Athmens und des gehobenen
AIIgemehigejRlhlB, im Wesentllohen nnr nm ehie Evtlianaflie handeln. Ebensowenig,
aassL-r etwa vorübergehender allgemeiner Kräftigung, ist allein von Seeluft oder
Seeh.itl zu erwarten bei krebsigen Leiden. AndiTcrHcit-^ ist die Anjjabe von
Wiedasch *'^), dass das Seebad „das rasche Wacbsthum vorgebildeter Afterpruduete
(Krebs u. a. w.) f&rdere*', was Beneke (Die sanitäre Bedeutung u. s. w., pag. 27)
bestltigt findet, durch das „nieht seltene VeriHMiimen von Oareinomen anf
Norderney" zur Zeit wohl noch nicht unanfechtbar bewiesen und erklart sich
die Annahme Hexeke's wohl durch den von ihm selbst betonten Alkoholniissbrauch
der Iu.su]ancr, vielleicht auch, wofür auderweite Beobachtungen sprechen, durch
Insneht. Inwieweit eorpnlente Yollblfltige der Seelnftenr fern zu bleiben haben,
ist bei dem Einflüsse der Seeluft anf Herzleiden erwfthnt, die, ebenso wie
Herzschwäche und Arteriosclerose, 0 egenanzeigen gegen das
kalte Seebad sind. Ebenso ist dasselbe ausgeschlossen bei Neigung zu
Blutungen. So wohltimend sieh die Seeluft bei zu Blnthnsten geneigten Lungen-
kranken erweist, wofür die Zeugnisse von Beneke, Fromm, Krüse und die Er-
fahruniren Mittkrmaif.r's '«"i auf Seereisen sprechen, so selbstverständlich erscheint
et!, das« solche Kranke vom Strandbade auszufchliessen sind. Geschieht dies nicht,
80 sind eben auftretende Blutuugen auf Rechnung des kalten Seebades zu setzen,
nieht iM>f die der Seelnft
Keberhaupt schliessen Congestionen nnd selbst nur leieht ent-
zündliche, c a t a r r h a 1 i ac h e Affectiouen der inneren Organe das
Strandbad aus, ebenso die organischen Erkrankungen und chronisch
entsttndliohen Znstflnde der Ovarien, der Gebärmutter nnd ihrer
Adnexe, die da^'^pg« n dem eigentlichen Gebiete der wnrnen Seebäder angehören.
<»b bei Nervenleiden kalte oder warme Seebäder angezeigt sind, ist bereits
erörtert. Unbedingt auszuscbliessen vom kalten Seebade sind, trotz früherer
Empfehlungen französischer Aerzte, Epileptiker. Inwieweit Giehtkranke
von kalten odur warmen Seebädern Erfolg zu erwarten haben, ist eine offene
Frage, die die betrellenden Kranken vielfach selbst zu entscheiden geneigt sind,
indem sie, um sich alizuhärten, oft nach vorausgegangenen Trinkcuren in Karls-
bad, Marieubad etc. oder nach eingreifenden Badecuren in den Wild» oder heissen
Eoehsalsbftdern im Spätsommer anf den Nordsee^IuBeln eintreffen nnd aar Beseitigung
der zurückgebliebenen Hautsehwäche sich den Strandbädern anvertrauen , deren
ihnen zusagender Erf'ili: sie zu mtdir oder wenijrer regelmässiger Wiederkehr
veranlasst. iJeu Lrtalirungen dieser alten Praktiker stehen die Warnungen
gegenüber von Aerzten, die Strandbäder bei Giehtisehen nnbediogt anssehliessen
und nur warme Seebäder für sie zulassen wollen. Jedenfalls wird man nnr
kräftigen Artliritikern mit gesundem Herzen kalte Scebiidt r gestatten dürfen und
auch diese nur im Spätsommer. Der mangelnden Keactiouskraft wegen sind auch
vom Strandbade auszuschlieaflcn Trinker und ebenso das Greisen alter,
letzteres zugleich wegen der Neigung zu Atheromatose und zu Gehimaffei-tiouen.
Im Allgemeinen bat man das üO, Leben^ahr als fUr das mit den Strandbädern
Encyclop. JabrbUcJur. lH. 36
uiym^L-ü Ly Google
562
NORDSEECURORTE.
abschliessende .■iti^'euommen , doch ist dns i:i dieser Btzteliiin;? Rntecheidende
weniger iu den Jahren , als in Constitution und abhärtenden Lebensg'ewohnbcitt'n
(tuUten Waschungen, Flussbädern) zu suchen, die zahlreiche Ausnahmen von jener
B«gel salaasen. Anderert«it8 ventolit es d«h von selbetf dan »tlieroai»tffBe und
Verknöcherungsproeesse derGefftsse auch in früheren Jahren das kalte
Seebad ebenso verbieten, wie hochgradige Schwäche und m a ra s t i s c h e und
kachectische Erscheinungen, auch wenn sie nicht durch hohes Alter bedingt sind.
Kaeli anderer Riehtunf beceiohnet daa 6. Lebensjahr die Altersgrenze, vor deren l
Erreichung es im Allgemeinen nicht rathsam ist, Kinder in das kalte Seebad sa
schicken, und sel)><t spiiter noch, bis etwa zum 10. J^ebensjahre, ist Vorsieht in Bezug
auf Dauer und Uäutigkeit des Bades nötbig, in welcher Beziehung Schlaf und Appetit
von entscheidender Bedeutung nind. Sehen die Fureht vor dem Wasser ist bei
Kindern eia psychisches Moment, welches ohne Schaden nieht dureh Zwang,
sondern nur durch Ziispnieb und Beispiel beseitigt werden darf, weiter aber
ist der Sehreek des kalten Seebades und die Wärmeentziehung zu gross, als dass
nicht Vorsicht angezeigt sein sollte, namentlich bei emptindlicheu und reizbaren
Kindern, deoen warme Seebäder mit nachfolgender kflhler IBegiessnng oder Ab-
wasehnng mit Seewasscr um so besser sasagra; am ehesten und besten ver-
tragen torpide scrophulöse Kinder nnd phlegmatisdief schlaffe Naturen die Er-
regung des kalten Seebades.
Bei pastösen SoropholOeen tritt trots Besserung des Allgemeinbefindens
oft eine anfängliche . und zwar bisweilen sehr bedeutende — bis zu nu-lirerra
Kilo — Abnahme des Körpergewichtes ein , bedingt nach Benekk's Meinung
durch Wasserverlust der Gewebe. Es bedarf dazu durchaus nicht des kalten
Seebades, obwohl nach dessen Sistirung, benieliungswelse Ersati dnreh warmes
Seebad oft Zunahme des Körpergewichtes ebenso rasch erfolgt wie vorher Ab-
nahme, vielmehr genügt dazu schon allein die Nordsceluft, von der l!r.\f:KR mit
Becht sagt , dass sie unter den verschiedenen Meoresluftarten oflenbar die ein-
greifendste Wirkung auf die Scrophulöscu ausübe. Jedesfalls ist die gedachte
Abnahme des Kftrpergewiehtes umso weniger von sehleehter Vorbedentung, je
mehr und je öfter sie mit bes:^erem Aussehen der Kranken und Oberhaupt Besserung
des Allgemcinbeündens einhergeht.
Von den Hautkrauk heiten haben die auf scrophulöser Grundlage
beruhenden, wie alle Theilerseheinungen der Scrophulose, die beste Vorhersage,
im Allgemeinen jedoch erscheint der Gebrauch der Seebäder von zweifelhaftem
Nutzen, Wiederholt hervorzuheben sind die trefllicben Erfolge von Seeluft und
Seebad bei Lupus. Augenkrankheiten sind ebenso im Allgemeinen von
dem Seebade auszasehlieeseo, da sie dureh die bei und nadi dem Bade statt-
findende BluttlberfQllnng der inneren Angenhinte nachtheilig beeinflusst werden;
selbst der Aufcnlhalt am Strande wirkt durch die LichtreHexe von Meer und
Strand nachtbeilig. Eine Ausnahme bilden wiederum die sercphulösen Augenleiden,
insbesondere liornhauteutzünduugcn und liornhauttrUbungeu und die phlyctäuulöse
Kerato-Conjunetivitis, von denen bei den enteren dureh den Aufentbdt in der
Seeluft oft sehr rasch durchschlagender Erfolg erzielt wird, während die milderen
Formen der letzteren ebenso dadurch gdnstig beeinflusst werden. Sorge zu
tragen ist dabei nur, d&ss iu entsprechender Weise der volle Geuuss der
Seeluft am Strande ermöglicht wird bei gltfehzeitigem Sehutae der Augen vor |
grellen Lichtreilexen und vor heftigem Winde und Sandtreiben. Letzteres vor*
nehmlieh und die im Kflstenklima grösseren Schwankungen der Temperatur uod
des Feuchtigkeitsgehaltes der Luft sind Schuld, dass die KUstenhospize , ins-
besondere des Atlantischen Oceans, ungünstige Erfolge bei Augenleiden verzeichnen,
wie ebenso bei OhrenleMen, nnd sind deshalb audi an der Nordsee ftlr Bebandluag
dieser Leiden nur die Inseln und von diesen wiederum nur diejenigen zu wählen,
die keinen leichtbeweglichen , sondern einen mehr iu sich gefesteten Strand
besitzen, somit von den nordfriesischen Inseln Führ, von den ostfriesischen
NOBDSBECUBORTE.
663
Norderney, Borknin, Spiekeroog. Dahin sind ans gleiohem Grande auch die
0 1) ro n k r a n k cn zn verweisen, die vielfach als von Seeluft mv\ Seebad voll-
kommeu ausgesehlossen freiten , bis in neuester Zeit bestimmiere AnzeigcD auf-
gestellt wurden. JedenfalU haben Obrenleidende im kalten Bade den Gehörgang
dnreh eineii Tunpon ans Wacht und Watte an lehfltsen; im (Jebrigen werden
zwar nach den Mittheilun^en BeCKEr's -') acute Mittelohrerkrankungen nicht nur
durch Seebäder, sondern auch den Aufenthalt an der See in den meisten Fällen
ungünstig beeiotlusst, doch erweist »ich der Einfluüs der Seeluft sehr gUnstig
bei aeaten Tubensehwellnngea und derjenigen Form der ^nkeDbtthlenentzdndiuig,
bei welcher nach wiederholter Paraoentcse des Trommelfells sich das Exsudat
wiederholt rasch ansammelt. Ebenso wirkt Seeluft in Verbind'infr mit warmen
Seebädern günstig bei Mittelohreiterungen, die im Gefolge von Infectionskrank»
heiten aufgetreten sind, in welchen FiUlen mit zunehmender Besserung des
All^emeinbetindeos sich auch das Ohrenleiden bessert. Die schönsten Erfolge
wi rdcii durch Seeluft und warme, häufig auch durch kalte Seebäder erzielt bei
den chronischen Mittelohreiterungen namentlich sehlecht genährter scrophulönar
und rbachitiscber Kinder. Bei Sclerose des Mittelohres ist das Baden steti zu
verbieten, dagegen kann man den Aufenthalt an der See solehen Kranken na-
bedonklich erlauben , bei denen der Krankheitaproce.ss noch nicht weit fort»
geschritten und die subjectivcn riehörgempfindungen sporadisch oder, wenn oon-
tinuirlich, doch in milder Form auftreten.
Von physiologischen Zustlnden sehliessen Honatsregel und S e h w a n-
gerschaft das kalte Seebad aus, erstere sogar schon einige Tage vor ihrem
Eintreten. In Betreff des Radens während des Stillens ist ein snrgfjtltiges In-
dividaalisireu erforderlieh ; ausgeschlossen dabei ist das Seebad nicht, vielmehr soll
es nach Kruse bei Blntarmuth und Nerrensehwftche oft gans vortrefflichen Er-
folg haben.
Literatur: ') Mirinestabaarzt Dr. Fischer. B.iktL'riolo2:ische Uatersiicniin!;an aof
einer R^ise ii:icli We.stiadiea au Boril S. M. Schiff „.M)ltke'' im Wiiit'jrlnn>i tdr ISSö Ztsitschr.
f. fJy-iMiH. 1^,-»;. — •)M. A. F. Prestel, Der Boden, d;»-^ Klima und «lio Witter i'i;; von Ost-
frieslaud, sowie der f^esammten norddentschen Tiefebene. Emdea ld72. — ') ür. F. W. Beneke,
Die sanitäre Bedentnnj; des verlängerten Aofeothaltes aaf den dentsehen Norisee-Inaeln , in-
sonili ihnit auf Nordernev. Norden und Norderney ISSl. — *) L)r. Y. Krem.sor, D is Klima
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*) Dr. B. Kr nie, Seelaft and SeetMid. Nordaa und Norderney 1892, *J. Aafl., pa?. 15. —
*) Dr. P. W. Beneke. I>if! irMn Ueherwinterans: Kranker aaf Norderney. Norden u. Norderney
1882. — ') Walter Lindley, .Science. '4. Stv. ISS:>. — ") Flechsig, llandliuch der
Balneotherapie f. prukt. Aerzte. Berlin 1392. 2. Aafl. — ^) Ghix, Wiutercarort and Seebad
Abbasia. Wien 18:i8. — Dr. Qerber, Wyk auf FöhraU klimatischer Wintercarort. 1887. —
Die Kinderheilstitto „Seeliospis Kaiiterin Friedrich" \n Norderney. Verhandl. d. Gemllscb.
dontscher Nafurfi)r.scher u. Aerzte zu Bremen. 18!i0, I. Thl Die allg. Sitzniton, pag. 173 ff. —
Dr. Kruse, Ut-linr den Gelirauch der N inlseclinder liei derChior )>o. Dents-jhe .Mel.-Zeitjf.
16\)i, Nr. 23. — Cantani, Zur Therapie des elironisrhen Bronchialcatarrln im Uofotge
von Emphysem. Wiener med. Wochenschr. 1839« Nr. 14i 15* p^^. 511 ff. — Dr. & rat»,
üeber Seeluft- nnd Seebadecnren bei Nervenkrankbetten. Norderney 1897. — '*) Rädel iffe
IIa 11, Tiirt/\(i('f in iL< tnedicul aspec! ic< n rt -(irt for pulnian n-ii inmiUls. [jond'iri 1S">7. —
"'j Fiukelubur^. üeber bodenständige VorbreitungsrerbaUntäse der Tabsrkalo.se in Dmt^ch-
Und. Verhandl. d. Congr. f. ianere Med. 8. Congr. 1SS9. — Dr. Arnold Htller, Die Wir-
kungsweise der Seebader. Berlin ISOD. ti. Aufl. — •*) Dr. Axel Winckler, Die Sii-^bä ler und
ihre Anwendunp. Berlin-Friedenau 1892. — ") Wiedasch, Das NorJseebad mit bes )n lerem
Bezug auf Norderney. Hannover 1858, pag. 17 u. l-S. — M i 1 1 e rm a i e r n. G o 1 d s c ii m i d t,
Madeira and seine Bedeutung als HeilUQgsort. 1885, 2. AuA, pag. 45. — *0 H. Becker,
üeber die Wlriroufen der Seelaft nod Seebider bei Brkraaknam des Kittelohres. Verband!,
d. Qesellscli. deutscher Natorfoncber a. Aente aa Bremen. 1890t ILT i!.. pag. 317 tf
Edm. Friedrivb.
36»
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Oberschenkelbruch, V'erbJlnde, s. Fracturverbände, pag. 318.
Obi-Gift, der westindiachea Neger, s. Ureohiies.
ObStipSltiOn. üeber habituelle Obstipation lie?t eine Reihe von Arbeiten
aus der jüngsten Zeit vor , welche sich vorzug'sweise mit der Therapie dieser
Erkraokung beschäftigen, deren Bedeutung für den praktiächeu Arzt nicht zu
nntersehätien ist.
Nothnagel hebt bezü^^lich der Vorgange bei Stuhlentleerung hervor,
dass die Stuhlentleerung in der Weise, wie sie für gewöhnlich bei den meisten
Heoschea erfolgt, von einer regelmässig wiederkehrenden Contractiou im Colon,
beziebangBweise im Reetttm abhängig ist Bs hemelit hier eine gewisse Park»didtftt
vor; die Thitigkeit der Darmnerven sdieint gleichsam eingestellt aof eine
'J4st(lndige Erregung. Man kann sieh vorstellen, dass der Danninhalt jranz all-
mälig und in grossen Pausen von der BAi HiNrechen Klappe durch das Colon
aseendena transveraum bis zum Colon deacendena vorrückt, dass er hier oder
im 8 romanum li^n bleibt und sn einer bestimmten Zdt entieOTt wird. Die
Erregung, welche zur Stiihlabsetzung nöthigt, erfolgt bei manchen Menschen
mit einer oft merkwdrdiLren Pünktlichkeit. Diese Erregnnpr wird dadurch hervor-
gerufen, dasj der Daruiiuhult vom S romanum in die Ampulle dea Kectums,
also in den untersten Absehnitt des Darmeanalee abwftrts gerflelit ist. Sind die
Fäcalmassen dorthin angelangt, dann wird ein Reiz auf die sensiblen Nerven aus-
geübt, wodurch eine Spannung der Mu8culatur erfolgt, die sieh als Krampf,
Stuhldraug äussert. Von dieser sozusagen willkürlichen Einstellung der Darm-
nerven giebt es nun versebiedene Abwddinngen, pbysiologisehe Abnormitäten.
Aber es giebt Leute, bei denen die Stahlentleernng nur einmal jede Woehe erfolgt,
ja in der Literati:r <]n ] F.'ille hesehrioben worden, wo die Patienten nur 6-,
bis lOuial iuj Jahre Sttihloutleerung hatten, llauii^ sind Fälle, wo die Kranken
8, 10 bis 12 Tage uud länger Stuhlversfeopfung haben.
Bei solcher habitneller Obstipation handelt es sieh um eine Abnormitit
in der Innervation des Darmes. Nothnagel bat .aber auch iu einigen Fällen bei
der Nekroskopie nach?ewieson, dass die maiifrelhafte ThiStigkeit dos Darmes auch
durch mangelhafte entwickelte Musculatur im Cotou bedingt ist. Es ist jedoch
unmAglieh diagnostisch m unterscheiden, ob die habituelle ObsUpation auf einer
unregelm.'issiiren nervii-,111 I^instellung des Darmes oder auf mangelhaft entwickelter
Miiseulatiir <ie~; Darines henilif, auch f'ilr die Theraj)!« ist dieser Umstand gleieliirilti?.
Die habituelle Ubi«tipation kommt aber in sehr vielen anderen Fällen zur Entwick-
lung. Zuniehst wenn die RegelmAssigkeit der Darmentleernng einmal unterbro(^a
wird; dann ist sitsende Lebensweise Ursache der Obstipation, indem körperliche
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OBSTIPATION.
565
Bewegungen die PeriHtaliik des Darmes etwaa anregen; ferner ist die Ent-
wicUans und AnMmmliiiiir von FettaDMaeii im Unterleibe geeignet, die Tbfttig-
keit des Darmes zu beeinträchtigen. Bei Frauen, die eine besondere Neigung zar
Obstipation haben, liej^t der Grund oft darin, dass eine willkürliche T'nterdrllckunsf
des Stuhles von früher Jugend statttindet. Ein anderes ätiologisches Moment lUr
die Obstipation bilden spinale und cerebrale Erkranlnragen. Bei allen diesen
Uraachen zei«:t der Darm «Is solcher keine anatomische Veränderung. Selbstredend
kommt StuhlverstopfuD}? auch symptomatisch vor bei vcrsfliiedentn AlVi-ctionen
des Digestionsapparates , z. B. bei Ulcus venlriculi, Carcinoinu ventriculi, bei
manchen Magencatarrhen, bei Darmstenosen, Darmdrehiragen n. e. w.
Die Folgen der habituellen Obstipation sind zuweilen ganz unbedeutend,
in anderen F'iillcMi alicr zcifren sich schwere Nebener8chMnnii*rcn. Bei manchen
l'atienfcn f-ntwickelt ^icli in Fnlsre chronischer Stuhlverstopt'ung ein so;?enaiinfer
Hämorrhoidalzustuiid. Die Kotbmasseu sammeln sich nämlich im Rectum au uud
bednträebtigen auf rein mccbanisehe Weise den Abflnse des Blutea ans dem untersten
Ende des Rectnms , wodurch es zur Stase , zur Erwciterunfr der Hamorrhoidal-
venen und zur Knoteubildun^r kommt. Eine weitere Folfre der Obstipatifm ist
die Beeinträchtigung des Appetites, dyspeptiscbe Störung mit Aufstossen, Druck-
gefäbl naeh dem Eesen. Ob dies dnreh eine mangelhaftere Absondemng des
Magensaftes in ^^J!ge von clironiseher Obstipation zu erklären ist, oder ob eine
mangelhafte Beweglichkeit des Magens neben einer mangelhaften Rewcgliehkeit des
Darmes die Ursache dieser Erscheinung ist, lässt sich schwer entscheiden. Es wäre ja
auch dcnktmr, das» dureh die Stagnation der Darmeontenta Ptomalne sieb entwiekeln,
welehe, in's Blut aufgenommen, auf den Darm und Magen einwirken. Eine
mitr-htiL'-f Wirkimg (ibt die Ptuhlverstopfung bei manchen Men>chpn auf das
Cciitralnervensysteni, und zwar auf die Oeniütbsstimmung, die mau als eine hypo-
chondrische bezeichnet; es tritt Unlust zur Arbeit, Gefühl von Schwere und
Druek im Kopfe u. s. w. ein. Naeh einer neueren Aniehauung, namentlieh englischer
Aerzte, soll die chroni.«ehe Obstipation auch die Ursache abgelx ii für manche
Formen von ('lil<'rii>;(' hei jungen Mildchen. Es scheint, dass die Ptomaiue, die
sich bei der chrouit^chen Obstipation entwickeln uud vom Blute resorbirt werden,
die Verdauung und Ernährung beeinträchtigen, auf den ganzen Stoffweehsel
aebädlidi rinwirken und so das Bild der Chlorose hervorrufeu.
T In« r a p e u t i 3 e h betont NOTHNAf^Ki;, da^s da.s wirksamste Verfahren
gegen habituelle Obstipation jenes sei, welches die Grundursache, die Trägheit
der PeristaMk des Darmes, zu heben geeignet ist. Das Hauptmittel ist die mecha-
nische Beizung des Darmes durch die Massage des Abdomens. Die beste Art
der Ausführung ist. indem man da-i Abdoraeu reibt, klatscht, knetet, klopit, uud
zwar gleichgiltig, ob man von der Gegend des romanum beginnt und längs
des Colon aufwärts geht oder in umgekehrter Richtung diese Proceduren vornimmt.
Die Ifassage muss, wenn ne Erfolg haben soll, lange Zelt ausgeführt werden
und wird zweckmässig durch die Faradisation des Abdomens unterstützt, ferner
durch regelmässige Bewegung. Der Kranke soll viel spazieren gehen, soll reiten
oder irgend einen Beweguugssport treiben. Weiters ist Zimmergymuastik zu
empfehlen mit oder ohne Apparate. Da die Massage längere Zdt braneht, so
sollen an habitueller Obstipation LfCidende in einen Curort gesohiekt werden und
stellt NitTHXAr.Eii unter diesen Curorteii Marieubad obenan, woselbst er nicht
nur Brunnen trinken, sondern auch massiren lässt. Carlsbad ist nicht so zweck*
mässig wie Harienbad , jener Curort ist nur dann von Wirkung auf die Stnhl-
verstopfung, wenn Darmeatarrh die Ursache ist. Andere Mineralwässer, die man
zu Hause gebrauchen l.tsst, sind: Friedrichshaller. Kissinirer, Ofener, Hunyadi-
Janos, Saidschitzer, Seidlitzer Wasser etc. Alle diese WilsHcr imiasen kalt getrunkeu
werden, weil die niedrige Temperatur deu Reiz auf dcu Dürrn übt und ihn zur
Thätigkeit anregt; die warmen Wässer wirken gar nieht auf Obstipation. Wenn
es irgend angebt, verme'de man Abfahrmittel und beschränke sieh darauf,
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UbSliPATlUN.
Klystiere au geben oder Irrigrationen von '/g bis 1 Liter Wasser von verschiedener
Temperatur, weloliem auch (flpum oliv, oder Kochsalz, Rii^inusril. Kamillenthee und
dergleichen zugesetzt werden kann. Statt der Irrigation kann man die Kly-
Bopompe anwenden oder das OiOTMANN'aebe Kittel, 2 bis 3 Grm. Glyeerio,
welehe man mittelst kleiner Spritzen in das Rectum bringt. Auch Glyceria-
suppositorien werden vielfach gebraucht. Dw^ Glycerin wirkt auf den Stuhlgangs
dadurch, dass e^ wasserentziehend ist und so einen starken Heiz auf den Darm
fibt, denen Peristaltik anregt. In einer Reihe von Fullen bleibt aber uidits
ttbrig, als AbfQhrmittel anzuwenden. Von diesen spielt bei der habituellen Obsti-
pation die Aloe die IlMuptrolle, sie eignet sich in erster Linie dcshall», weil aie
längere Zeit ohne Nacbtheil gebraucht werden kann. Die Aloe scheint auf das
Colon einzuwirken, die Peristaltik desselben anzuregeo. Dieses Präparat hat
femer den groesen Vortbeil, dass man es in kleinen QnantitAten nnd in an-
genehmer Form in Pillen geben kann. Die Wirkung der .\loe tritt erst nach
einer Reihe von Stunden (8 — 10 Stunden) ein. Ein zweites Mittel , das bei
habitueller Obstipation sehr gut wirkt, ist liadijr Hhei in verschiedeuea Formen,
als Tinduret Rhei vinota oder Tinctura Rhei aqttosa oder als Extraet. Aefanlieb
wirkt PodophylUaf doeh stärker als Aloe und Rheum. Man kann diese
Präparate combiniren und naeh NOTHXA(;Fr, fulfrende Pillen vcr^Jehreibcn : Rp.
Podophyllin 0*3, Extr. Aloea , Kxtr. likei na. 3*0, Extr. Tharax, q. 5
ad pÜl Nr. 40.
Von diesen Pillen nimmt der Kranke Abends ein Stflek oder wenn eine
nieht wirkt, den nächsten Tajr - rillni. Ein weiteres Pr.tparat sind die Colo-
quintben, welche bei hartnäckiger ühstipation iu den Füllen, wo mehr als ein-
malige Wirkung angestrebt wird, gegeben werden kann, doeh lässt man es selten
länger als aeht Tage nebmen. Die Goloquinthen werden nameotlieh dort an-
gewendet, wo die Aloe keine Wirkung geäussert hat : Auch Jalape wird in Form
de;» Kxtraetes oder als Sai>o Jalnpin. gebraucht, weil es läiiL'-ere Zeit hiudureh
ohne >>'eben\virkung genommen werden kann. Zweckcutspreeheud ist Cortcx
OaseariUaey welehes man yersebreibt: Rp. Extr. ßuid öäsearae »agradj Syr,
eort, Aurant aa. 20, 1 bis 4 Kafl'eelollc! in Intervallen von 2 bis 3 Stunden.
l!ei Leuten, welche an Hilmorrhoidalhlutun^en leiden . wirkt ein von
Alters her hewährtes Mittel sehr gut, nämlich Pulvis Glyvifrrhhae cum^oaituSf
welches gemischt mit FoUa Senna m gleichen Theilen nnd mit Fructut Foenmeult
und Stiffur fhpuratum aa. 1 Theil und mit 6 Theilen Saeeh. all/isstm. in der
deutschen Pharmakopoe offieinell ist. I>nch hat dieses Pr;ij).irat den Febelstand,
dass CS zu viel stisse Substanzen enthSlt und von Vielen nicht vertragen wird.
Rathsam ist e.s, mit den hier angegebenen Mitteln zu wechseln. Nothnagel
beginnt in der Regel mit der Aloe, lisst dann einige Woehen lang Bitterwasser
trinken, wechselt dieses mit Pulvis G^i/ct/rrJiirae compon., gieht dann Si/rupu3
doinestic. Am besten und ffir einen längeren Gebrauch am meisten zu empfeblou
sind Irrigatioueu entweder mit blossem Wasser oder mit Abkuchuugeu von Lein-
eamen mit Zusatz von Kamillentbee, Seife oder GlyeerinkIjrstiOTe.
V. KooERER resumirt die nftberen und entfernteren Ursachen der nicht
durch mechanisehe Momente bedingten Stuhlver3to})fung dabin, dass sie bestehen :
In J^ähmung der Peristaltik durch Atouie und Atrophie der Muscuiatur in Folge
schwerer Krankheiten, Kachexien, ehronisehen Darmeatarrhen oder Stannngea im
Pfortadersystem oder durch primäre Erkrankung, durch nervöse KinflOsse von
Seite des Gehirns oder Kilekenmarkes oder in Folire nllL'^cmeiner Neurosen
(Ncurastbenie) oder endlich durch lähmende Medicainente ; leruer durch Eiudickung
der Fäces iu Folge Wassermangels oder grosser Wasserverluste, durch mangel-
haften Zuflnss der Verdaunngssäfte (Galle), oder adstringirende Ifedieamente,
endlich durch Ersehlafl'ung der Hilfsmuskel (Bauchmuskel). Mangel an Körper-
bewegung' illierhau{)t und unzweckmässige Lebensweise iNahrung, Reruf etc.) oder
schlechte Gewohnheiten. Die rationelle Rehuudlung der chronischen Obstipation
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OBSTIPATION.
567
1D1M8 vor Allem die Ursache zu eruiren ttnd zu lieseitigeu soohen. Der Iivlicutio
»wor/»?' «renitfren wir. indem wir die atonische Darmmusonlatnr wieder fiinctionsfähig:
machen, die Hilfttmuskel (Baucbpresse) liräftigeu und etwaige Krampizuätäude im
Bphincter externua wegsoMbaffen mehen. Symptomatiseh behandelt sieh der
Kranke gewöhnlich selbst, indem er sich durch Abführmittel, mitanter auch
Klystiere und Suppositorien .'^tuhl verschaffi. Vtm Seite dos Arztes würde eine
symptomatische Therapie nur dann am Platze äeiu, wenn er weder der Causal'
indieation, noeh der Indieatto morhi genügen konnte, a. B. bei der primXren
Atrophie der Darmmu^culatur. Die Atonie der Darmmniealatur, sowie diu functionelle
SchwÄclir der Ililfsnmskel bchelK!!! wir durch Massage, aetive, passive und Wider-
standsbewegungen, elektrische und liydriatisehe Behandlung. Es sollen wo möglich
alle die verschiedenen Methoden zugleich angewendet und die Therapie eystematisch
vnd eonseqnent dnreh lange Zeit fortgesetst wwden. Der elelctrisehe Strom wird
am besten in der Form des faradischen angewendet und die Anule auf das
Lendenniark, die Kathode auf die Bauchdecke oder beide Elektroden auf letztere
appticirt oder die Anode in das Rectum eingeführt; letztere ist eine Knopf-
elelctrode, die anderen sind mSgliebst grosse Platteneleictroden. Die Wasser-
behandlung besteht in kalten Abreibungen des Abdomens, auch woU allgemeinen.
Ferner gebraucht man loeale D"ucben, kurze kalte SitzliiUler , nasse ficibbinden
(NeptuosgUrtel } und kalte Klystiere. Abfuhrmittel sind am besten ganz zu
vermeiden und durch Klystiere oder Suppositorien an ersetzen. Die NabmngS"
mittel sollen geschmackvoll, w(irzi>>: ««ein, nm eine Htiirkere Seeretioo der Ver-
daiiun.L'ssüfte zu bewirken und soll nicht zu weni;^ Flüssi^fkeit aufironommen,
aber auch nicht zu viel (^durch Sehwitzen) abgegeben werden. HegeUuiissigkeit
in der Nahrungsaufnahme, sowie namentlich, was die Zeit der Stublentleerung
betriift, ist dringend an empfehlen. Bei Krampfzustftnden im SphincUr oiit ex-
temu» lei-itet der ARTZltiiacKR'sche MastdarnikUhler ausürezeiehneto Dienste.
Eltz biilt die locale Darmniassage vornehmlich iudicirt bei editer habi-
tueller Constipatiou. Bei (Jonstipatiunon, welche auf allgemeiueu äehwäehezustüudeu
beruhen, stellt er die Gjrmnastilc in erste Linie, ebenso dann, wenn Bewegnngs-
mangel die Stuhlverstopfung verschuldet. Bei Hii«:eborener Hypoplasie der Darm-
luuscularis haben, falls dieselbe den Dickdarm betrifft, Irrigationen den besten
Erfolg. Wo es sich um rasche symptomatische Wirkung handelt, sind die iuteroen
Abfohrmittel unter allen Umstftnden vorsusieben; desgleieben bei Darmslenosen,
wo die Verflüssigung des Darminhaltes viel bessere ErfoI;re vers])richt, als die
hcicbst probleniatiselie meehani-;<-be WeiterbeförderunfT. Ein Durchpressen der
Scybala durch die verengte Stelle und eine mechanische Erweiterung derselben
auf diesem Wege bllt Bltz für unmöglich, da der Darminhalt In diesem FaUe
sieherlieh naeh dem Iocuh minort» retütentiae answeieben wird.
BrM -flieidet zwei Gruppen von Kranken mit habitueller Stuhlver-
stopfung: solche mit autfallend schlatten atropliiselien Bauchdecken bei nicht
selten befriedigendem Zustande der übrigen Muskeln und .solche, welche kräftige,
auweilen sogar nngewAbnlleh ausgebildete Banohmuskeln seigen. Die erste Form
kommt häufiger hta Frauen als bei Männern vor, betrifft zumal Multiparae, wird
a>)er auch bei Mflnnern mit sitzender Besehaftifjung nicbt selten anjretroffeii. Das
Primüre ist die Atrophie der Bauchdecken, das Secundäre die Obstipation. Der
Zusammenhang beider Momente ist nnsehwer su erktftren. Normal entwieltelte,
guten Touus besitsende Bau<dinU8keIn contrahiren sich 1)ei Individuen, die ent-
spre<'bende Bewe^unir maoheu, unslblige Male im Laufe des Tages, sie bieten
den peristaltischen Bewegungen des Darmes einen dieselben erhöhenden Wider-
stand. Die Banehpresse besorgt eini \ih\ >!oingiscbe, fast nounterbroebene meehanisehe
Beeinflussung des Darmes, sie massirt den Darm. Die Erfahrung lehrt, dass Atrophie
der liauelinniscnlatur in Folge hitu(i:r \\ ii derlmUer Au^delinunir des Unterleibes
durch (JraviditUt, bei niangelliafter l elMinj; der Bauchmuskeln in Fol.^e sitzender
Lebensweise in einer überaus grossen Zahl der Fülle mit chronischer Obstipation
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568
OBSTIPATION.
dnhergobt und daas io diesen Fällen Wiedorher-stellua;; des Mu^keltonus der
Bawdideekeii dnreh Massage uod Gymnastik derselben die Obstipation dauernd
so beheben verinas. Was die sweite groaee Gruppe der ehrtmiaehen Stahlver-
stopfnng mit iotactem ^riiskcltonus der Banchdeeken betrifft, so müssen als causale
Momente die Trflgbcit der P't'ri^<taltik und die Atropbie der Muacularis dos Darmes
betracbtet werden, welche die Atonie des Darmes bewirken. Die Indicaliuu tiir die
BebandlvD^ dieser Form besteht in Anregung der Poriitaltik imd BekftmpAmg der
Atonie des Darmes, u. zw. des uns zunächst erreichbaren Dickdarmes. Das letztere
geschieht durcli Reizung' des Darmes mittelst Massage, wobei neben Streichung'
und Kuetun^ der zugänglichen Diokdarmabschnitte, Erschütterung des Abdomens
dnreh Vibrationen nnd KlatsdhanKen der Banchdeeken von Wichtigkeit sind.
Auf ein anderes häufiges Moment der habituellen Obstipation, die Anämie, wirkt
die Vorn.iljmo der alltrcmeinen Kfirpermassage und Gymnastik gflnstiger ein, als
die Massage des Unterleibes allein. Bum glaubt, dass die Massage des Unter-
leibes bei habitueller Obstipation der causalen Indication genügt, indem sie die
Husculator der Banchdeeken, wie die Mnsealaris des Didcdarmes krftfiigt. Die
mechani^cln- Rehandlung dieses Leidens ist daher eine vorwiegend gymnasticireude.
mnskelüboiide. Kesultatlns bleibt die mechanische Behandliin^r von chniriischiT
Obstipation, welche auf cougenitale Hypoplasie des V'erJauungstractus, auf Er-
krankungen des CentralnerTensystems, auf mechanische Hindernisse grolwinato-
mischer Natur, auf Veränderungen der Darmmiisculatur bei Nephritis, in Folge
von Kachexie und Seuismus etc. ziirftckzufilhreu sind.
Lebbb schildert die von ihm geübte physikalische Behandlung der
ebrooisehen Obstipation folgendermasaen : Die Behandlung bestand fast stets in
eombinirter Anwendung von Blektricitit, Massage und Wasser. Bei der ersteren
vcrfnlir I.rnKR dn-s eine etwa 4r);) Qem. grros^e l'^b-ktrode /'Anode' auf die
Krcuzgetreud , eine andere den ;^anzen Unterleib bedeckende (Kathode) auf die
vordere Baucbwand aufgesetzt und dann die Galvanofarad isation nach DE Watte-
WILLE mit siemlieh starken StrSmen etwa 3 — 5 Mbuteo lang ausgeführt wurde.
Hierauf wurde die vordere FJektrode mit einer kleineren 50 Qcm. frrossen Elek-
trode vertauscht und der primäre Induetions-itrom anjcc wendet. An der linken
Seite des Unterleibes, direct über der Symphyse beginnend und dem Verlaute des
Colon deacend, transver». und aacend, folgend, verweilte die Elektrode an jeder
Stelle etwa ^ « bis > 2 dünnte und durch Oeffnungasohlige wurden krftftige
Contractinnen der Bauehdecke ausgelöst ("in jeder Sitzun^r etwa ."^O — 100). In
besonderen Fällen ist die Stellung der Elektrode recto abdominal oder recto-
sacral, wobei eine Elektrode, gewöhnlich die Kathode, in's Rectum eiogefBhrt
wird. Bei der Bauchuiassage, welche 10 — 15 Minuten ausgeftthrt wurde, wurden
die bekannten HandjrrifTe anirewendet, und zwar als am wirksamsten die Frietionen,
kleine, aber kräftige und ruekweise aus;retuhrtc kreisrunde Kcibuni^en Uber dem
ganzen Darmtractus, hauptsächlich über dem ganzen Colon, beim Cöcum be-
ginnend. Die daran angeschlossene aetive nnd passive Widerstnndsgymnastik
bezweckte hauptsächlich die Kräftigung der Bauchiuusculatur. Von Wasser-
proceduren kamen je nach der Indication den Einzelfalles in Anwendnnfr : Des
Morgens uasskalte Abreibung, kühle Halb- uud Sitzbäder, Eiupackuugeu mit
nadifolgender kalter Abreibung und Douchen auf den Unterleib, vor Allem die
schottische Douche (abwechselnd warm und kalt).
.T. Am.Ei: l>ezeiebnot als oberstes Prineij) der Heliandlnn«^ aller Formen
von Ubstipation : Möglichste Einschränkung des Gebrauches von Abführmitteln.
Er empfiehlt ferner als auverlflssigste Behandlungsweise der habituellen 8tuhl>
verstopfun;: die Massagre in Verbindung mit der ZAXDER'schen mechanischen Be-
handlung. Diireli ilire iniielitig'e Wirkun? auf die (.'ireulation im A ll^remeineti und
auf den Stollwechsel, sowie durch Aure^unjr der Peristaltik, Kräftigung der
Baucbpressen und Beförderung der Blutetrculation im Unterleibe ist dieselbe ein
rationelles Curverfahren. Wo die ZAXDER'sche Methode nicht ausführbar ist, genOgt
OBSTIPATION.
5e9
in fast allen Filllen eine 4— -6wnchentlicbe Massagecor, doch sind bei derietbea
als Conditio i^inf (pm non noi'h eine Anzahl von Maasregeln streng^iteus zu
befolgen: Abführmittel sind während der Cur rollkommen verpdot Der Patient
wird verständigt, dasa der Stahlgang von selbst erfolgen mnas, selbst wenn er
14 Tage oder noeli tInger ohne StnUenlleeriuig sein tollte. Wengen die aubjee-
tiven lieschwerden zn groea, 80 kann ausnthmsweise durch ein Clysma oder ein
Glycerinsuppositorium nachgeholfen werden. Die Diät rausH «oriirfflltifr reffulirt und
soUeu solche Speiden vermieden werden, welche massigen Koth oder viel Gase
vernrseehen (Kertoflislii , die versebiedenen RohlBorten, Brot, Beekwerk n. dwgl.).
Demnach besteht der Speisezettel hauj)ts.'lch!ich aus zarten, nicht fetten Fleisch-
sorton, Milchspeisen, Hafer, Reis etc., Iticliteri Cemllsen und viel Obst, daneben
reichliches Getränk, hauptsächlich Wasser oder ein leichtes Bier. FUr reichliche
Bewegung in frischer Laft muss gesorgt werden und wird nemenflieh Reiten
empfohlen. F.in Hauptpunkt ist ferner, dass der Patient täglich mit peinlicher
Gewissenhaftigkeit zur beRtimmten Stunde den Abtritt lie-iictit , ?anz gleidi^'iUig,
ob Stahldrang besteht oder nicht, Neben dieser allgemeiuen diätetischen Behand-
lung wird innerlich Nux vomica und Atropiu, wo letzteres nicht vertragen wird,
GeUbaiextnct gereiebt.
Teber die diätetische Behandlung der habituellen Obstipation hat Mobitz
Peine Meinun? von der Krw.lgunfr ausf,'eheud •robildet, dass Jenes Telicl he><ODders
bei den Städtern, uaoiuntlich Frauen und anämischen Mädchen, vorkumuit, dagegen
fast nie bei dem Landvolke (in Rnssland). Er sehliesst, dass neben manehen anderen
Factoren. als Ifaugel an Bewegung, unzweckmässiger Kleidung (Sdinllren) auch
ganz besonders eine ungRcignete Diät verantwortlicli zu mnchen sei , namentlich
die vorwiegend animalische , eiweissreiche , wenig liückstüude im Darme hinter-
lassende Nahmng neben vielen Reismitteln. Er hUt darum eine gewisse Auswahl
der Nahrang, bei welcher viel Masse und 8eblacke gebende VegetalnUen, insbe-
sondere Grützen und Gemtise bevorzugt werden . in einer irrrts-jpn Reihe von Fällen
habitueller Obstipation für zweckmäsi>ig und wirksam. Deuigemäss entwirft MuBlTZ
folgende der Petersburger Lebensweise und den dortigen Bfarktverhftltnissen ent-
sproehende Speisekarte fUr Obstipirte, welche natflrlieh je naeh Gewohnheit und
Ocsebmack mrtditicirt werden kann :
1. Zun) ersten Frübstiick : Schottische Uafergrtitse, Schwarsbrot mit
Butter und Milch, Katiec mit Cichorien;
2. zum zweiten Frflhstfiek: Butterbrot, HUeh oder dunkles Bier;
3. zur Hauptmahlzeit: Dicke Suppen, Grtttze aller Art, Fleischspeisen
nur mit Zntliat vcin Geniiisen oder Salat ''besonders Gurken und Kohlj , Frucht-
oder Mehlspeiseu; als Getränke: Weisswein, Bier oder Kwas (zu meiden: Käse,
Starke Alkoholien, Kaffee naeh IHseh, Oewürze, Oonfect Ij ;
4. zum Abendbrot spärliche Kost, rohes oder gekochtes Ol ist, Butterbrot.
Diesf Di:it nniss von undt-rweitlL'-eti Massnahmen : rationeller, nicht schnüren-
der Kleidung, reichlicher Bewegung, eventuell Massage oder Gymnastik unterstützt
werden. Von anderer Seite (Soivitz) ydrä bei der habituellen Obstipi^on aaimi-
scher oder ehlorotiseher Mädchen der regelmässige Oenuss firisehen Kalbsblntes als
auf den Stuhlgang prftnstig wirkend empfohlen.
KiscH macht wiederholt auf eine Reihe von Neuralf^icii autuierksam,
welche durch habituelle Obstipation verursacht sind uud welche er als Coprostase-
Reflexnenrosen bezeichnet. Bd einer grossen Zahl von Patienten, welche an
den verschiedensten Neuralgien leiden, Hemicranic, Ischias, Lumboabdomialneu-
ralfrie . Ovaralgie , Trigeminusueuralgie und Herzneurosen , findet man bei einer
genauen Anamnese, dass der Appetit nicht normal ist, schnell das Getubl vun
Sättigung eintritt, Empfinden von Druek und Vollsein in der Magengegend,
Unbehaglichkeit, Schwere und Druck im Unterleibe, Anftlossen von Gasen, Fla-
tulenz vorliaiidt n sind, vor Allem aber die Defäcation unregelniässi^r und nianifel-
haft, nicht in ausreichender Menge erfolgt, schliesslich auch oft Hämurrhoidal-
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570
OBSTIPATIÜN.
besdiw«rdeii vorbemchen. In diesea Fftllen muss man an refleetoriadie Nerven-
erregnng'en denken, welche ihren Aimpan^si)tinkt von den "^(örunpen der Digestion,
speciell vun der StublverstopfuDg aehiueu und iu einem Falle eine hemicraDisebe
Neuralgie mmdüMii, in elBem anderen Falle intermittireade Sebmenaafiüle in einem
Aete oder andi in mehreren Aesten dee TrigeminiiB, die typisehon, oonvnlsirisohen
Miiskelbewegunfren im Hereiche der Gesichtsmusciilatiir niid eine Reihe vaso-
motorischer Erseheinungcn reflectorisch verursachen und wiederum in anderen
Fällen zu den mannigfacheu retiectoriscbea Neurosen Anlass geben. Diesem ätio-
lo^sehen Znsammenhange mnie therapentiBoh Reelmung getragen werden und es
geschieht durcb systematisohe Anregung der Darmfnnction, und der Erfolg rascher
Heilnnfr oder entschiedener BesHcrun? derart'jjcr. lanj? bestehfuder, durch Xervin»
oder Narcotica vergeblicb behandelter Neural^iien bestätigt die obi;i:e Annahme.
Die Obstipation mnaa durch die Anwendung tSglicber, mit der Klysopompe appli-
eirter Kaltwasserklyetiere beknmpft werden und dieee Wirkang wird durcb die
continuirlich getragenen, feuehtwarmen Einpaekungon ib-j Abdomens, kalte
WascbuLgeu des Unterleibes, Massage, eventuell auch Abreibungen des ganzen
Körpers, Dampfbäder mit kalten Ooneken sweekeutsprecheod anfemtflCat. Dabei
wird den Kranken eine leicht verdaaliehe, gemischte Kost verabreicht, welehe in
besonders bartnilckigen Fallen am besten durcb » ine mit ^'()rsicht an^^ewendete
temporilre Milchdiät ersetzt werden kann. Damit werden, je nach der Jahreszeit,
in welche die Hebandlung fällt, geeignet geregelte Bewegung und »Spaziergänge
im Garten verbunden. Diese Behandlung, welche Gussbkbaubb besonders für
intermittirettde Trigeminnsneurnigie empfohlen bat, muss ecmsequent tnglich ohne
Unterbrechung längere Zeit, 2, 4 bis 6 Wei hen hindurch fortfreset/t werden. Im
Pommer ist es am aweckentspreehendäteu, Kranke, welche an habitueller Obsti-
pation und Deoralgisehen Besdiwerden leiden, naeh Marienbad zu eehicken,
wo Ki.^CH ausser der Trinkcur mit den Glaubersal/wäfisern warme Moorcataplasmen
auf das Abdomen und FiiiiEriessungen mit den krihlensituri reichen Wflm'ru in den
Darm voruebmeu lässt. Dabei verordnet er eine Diät, welche alle groben und
nnverdanliehen , viel Rflekstinde hiDteriassenden Spetsen von der Tafel bannt,
so besonders die Hulscnfrflebte, grobe Mehlspeisen, harte, sihe Fleisebsorten,
Kartoffeln, mehrere Friielitnrten, wie Mispeln, Kastanien u. s. w. Ebenso wird der
(ieuuss herber, rotber Weine und starker hiere verboten. Eine wichtige Mass-
nahme ist, die Zwiseheuzeit zwi-sehen den einzelnen Mahlzeiten hinreichend gross
zu gestalten. Es sollen nieht eher Speiden wieder eingeführt werden, bis die
{.'ehönVe Zeit zur Verdauung der zuerst genossenen verstrichen ist. Da, wo
bedeutende Trockenheit der Stiihlentleerunjren auf geringe .*^peretiün des Darm-
saftes hinweist, passen bcäunders sulebe Nahrungsmittel, die viel düssige iiestand-
theOe enthalten, so Milch, FleisehbrOhen, weisser Kaffee, Theo, der nieht linger
als durch 5 Minuten aufgegossen wurde, weisses Fleisch, Kalbfleisch, Gefitlgel,
Kutter, leicht verdauliehe (iemfise, wie Mohrrüben, Wurzel^emii«'. Spartrel, Sellerie,
gekochtes Obst, Comput vun i'tiaumen, Aepfeln, Kirscheu u. s. w. In anderen
Fullen wiederom, wo besonders die Musenlaris des Darmtraetes nnzullnglieh arbeitet,
die Magen Verdauung trftge und langsam i^t , wird eine mehr reizende Nahrung
mit gehöriger Answab! an;rezeijrt sein, so die an FxtraetivstofiVn reieberen Fleiseh-
s<»rten älterer Thiere, Oeli>entleiseli, das Fleisch des Wildes uud wilden Uetldgels,
Hammcltlei^ch und uieht fettes Schweiuetleisch in gebratener Form, Grahambrot,
Speisen mit Zusatz von Gewürzen nnd idkanten Saucen, Caviar, Salssardellen,
Hftringe, leichte Hiere, weisse Weine. Bei manchen Personen mit habitueller Obsti-
pation bewirkt das Tabakrauehen am Morgen oder ein Gla< kalten Wassers zum
Kaftee, der G»iDu.ss von etwas Weissbrot mit Htittcr und Ilouig leichter Eutleerung,
bei Anderen gelingt dies, indem man sie statt des gewohnten Kaffees nur fk>isehes
Obst gemessen lässt. Die Kranken müssen spe<>iell darauf aufmerksam gemacht
werden, dass sie das jledilrfniss der SinMentlcenin? niemals unterdrücken und
sich an eine gewisse Kegelmässigkeit der.'^elbeu gewühnen.
OBSTIPATION. — OXALSÄIIfiEVEBGXFTUNG.
571
liiteratur: H. N u t h n a g e 1 , Ueber habituelle Ol.stipation. Ein klinischer Vor»
trag. Wiener Med. Presse. IbüO, Nr. iu, 11, 12. — Th. v. K oge rer , Ursachen und Behaod-
Inng der dironisclien StnbWentopftuig. Aerztl. Ber. d. ftffentl. Krankenfaaases in Seebshaas.
Wien l'^'jO - DaniD, Ceber habituelle Stull Iversfopfunp, flert?n ürHache und Behandlung.
Berliner Klinik. 1891, Heft 34. — V.Eitz, Ueber di« ^iLysiulofrische Wirkung der Darm-
massage. Wiener klin. Wochenschr. 1892, 15. — A. Buni, Die iihysiologische Wirkung der
Baacbma9BBge bei habitueller ObsUpation. Wiener Med. Presoe. lQ&'<i, 4&. — Leber, Die
physikalische Behandlnnjr der chronischen Obfttipation. HBnchener med. Woehenschr. 1892,
•S^. — .1- Adler, I mi St;ihl vcr-'rut'uiit:. New- Yorker med. M(in.it?Jschr. 1892, IV. — Kumpf,
Zur Technik und Wirkuii^t^weisr a^-i M< < lianotherapie bei chronischer Obstipation. Wiener
klinische Wochenschr. 189:^, '46. — -M mit/., l'eber die diätetische Behandlung der habituellen
Obstipation. St. Petersborger med. Wochenscbr. 1892, 2. — £. Heinrich Kiach, Ueber
Coprostase-fteflexnenrosen. Berliner klin. Wockeascbr. 1887. 15 nnd Die purgirende Methode
bei Behandlung der Nenrelgien. Themp. Honatsh. April 1692. Kiscli.
ObturatfOnSileUS, s. DftrmstenoBe, pag. 194.
OelklyStiere, s. Darminfusion, pa^. 187.
Ohreneiterung, l>ci Kindern, .s. Mitteluhraftectionen, pag. d31.
Ohrmuschel, 8. A u r i (? u I a , pajc. li^.
Osteomalacisches Becken, b. b ecken, pag. loo.
Ostseebäder, a. Nordaeecurorte, pag. 536 ff.
OtOmykese, a. ABpergillua im Ohr, pag. 46.
Ovarialtuba, s. ExtraaterinBohwa ngersehaft, pag. 265.
Oxalsäurevergiftung. (Vergl. Enoycl. .labrb., M. II, pag. 538.; Neuere
UntemebuDgen haben dargethan, dam die giftige W!rkun;>: der OzalaSore rieh
nicht blo.s auf liöliero 'I'hiere erstri'ckt. .'iondcrn daBS auch d:L' nii'dersten Organismen,
sciwohl tlji<'rischi' .-iIs pti.inzliflie , durch .'lusser.st jjeriii;,'»» Menden vin Oxalaten
getüdtet werdeu. Die iSäure ist weit giftiger &U die meisten ihr nahestehenden
organischen Säuren (W^nBäurCf Citronenaftore) ; nur die Hunigsäure (Mellitbsaure;
zeigt hei Wirbeltbieren annihemd denselben Grad der GiflUglceit.
^'on niederen Was.^^erthierpn .•sfcrbeii .\sseln, roi)epn(Irn um] R.'uliTtbiorclifMi in
O'S*"^ LoHUngen von neuiraleni oxalKauren Kalium in 3U — 50 Minuten, etwas später Egel
nnd Planarien. noch später Inseeten. Larven nnd Ostracoden, Wasserkftfer, Planarien nnd ein*
seine Nematoden (z B. das Essigälchcn) noch nicht nach 24 Stunden. Infusorien, Flagellaieu
nnd Diatomeen gehen in O'ö^'o Lösung in 5 Minuten, in Ü^f, momentan zu Grunde. Fadeu-
altren (Zygnema, Vnucheria, {>|iiri>i.'yren) .sferbtn «larin in Stunden unter Verquellung
der Cblorophyllkömchen , wobei zuerst der Zellkern angegriffen wird ; die Giftigkeit nimmt
mit der Verdfinnnn^ der LOsnnir rasdi ab, irittirend freie OzaliAiire aneh in anemr^t ver-
dünnfer Lösung l l : l(i Mill.) toxisch wirkt. Die Bewegung der Alge TithjpeUn prolifera wird
durch Ü " ,T Lösung iu wenigen Secunden aufgehoben, wähnind die Strömung bei den Wurzol-
haaren der Characeeu weniger rasch aiii|g^h^en wird.') Auch fflr hoher organisirte Pflanzen
sind Oxalate giftig. *) So für Zwiebeln, wo auch der Zellkern in enter Linie angegriffen wird,
ftlr Blätter von Eloffea rnnadensi» nnd Vatlisneria spirati», die sehwefelBaare und wefnsanre
Salzlösung' weif lanpr-r toleriren. I'n^'iüig .«ind Oxalate für niedere PÜM (Bakterien, ^iirnss-
hefe , Schinmielpilze) . die auch freie CxaL^aure nicht starker als Weinsinre angreift. Die
Wirkung auf Chlorophyll und Zellkern beruht wahrscheinlich darauf, dass die Oxale&nre,
indem sie dem Nudein Calcium entzieht, den Quellunpszusfand verändert,
Die An.>^icht . dass die ( »xalsJiurc eine eif^enthtimliche Wirkunj; auf das
Nervensystem uusilbt, wird neuerdings beHtritten; insbesuudere werden die übrilläreu
Zueknngen, die man naeh Katrinmozalat bei Thieren beobaebtet, als Natrinm-
mrkung betracliti t . da sie bei subcutaner Anwendung- vordihiMtt r öxalsäiiro-
Ißsun^rn an^blcilicn. I>ass dw dem Tode mitunter voraufjr«'hendcn Krämpfe nieht
als direete Oxalsäurewirkuug auf Iliru oder KUckeuinark, sondern als terminale
Convnlsionen in Folge von Asphyxie gedeutet werden mflssen , kann wohl kaum
einem Zweifel unferlicfreD. Krampfhafte l'>scbeinun;.'eii sind nach Aininonium-
uxalat lii'"ltai']itct , wilhrend luieli den (ixalsaiiren Ka]itimverl»iiuiiin^'"«'n das Ver-
giftuDgsbild ein rein paralytische« iät. Da£s bei der Wirkung von Uxalsäureverbin-
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672
OXALSAC££Y£&GJFrUKG. — 0Z0N6£HALT.
dangen der Metalleomponeut eine Rolle spielt, findet atu-li darin seine Bestätigung,
dass der O x al s a u r e ä th y 1 e s t e r . COOCo TI , . COOC,> II5 , wie andere Aether
anästhesirend wirkt. Verschiedene Derivate der Oxalsäure scheinen, wenn sie auch
durch Eintritt von Radicalen in das Molecttl eine qualitative Verändernng ihrer
Wirknng erfahren haben, in ThlerkOrpor wieder in Oubänre surflekverwandelt
zu werden , so dass schliesslich ein der OxalsJture entsprechender Symptomen-
complex entsteht; doob ist der chemisebe Nachweis dieser Umwandlung bis jetzt
nicht geliefert.
Ein etwas anderes Verhalten seift das in Waaser «eliwer iQsliche Oxanid,
CONII , . r( »NIT , , in welcliem beide Hydroxyle der Oxalsäure durch NH. ersetzt sind, nach
welchem bei Trui^ciieu subcutan in Polverlorm applicirt, anfangs leichter Torpor, nach einigen
Stunden Hyperästhesie und toniadie vnd doniadie Krftaipfe, nach Art der Aninumiaksalza
(mdglicherweüe dnrch Umsetzung xa ozalsaurem Ammonintn) entstehen. Wird in Üxamid ein
WasserstoiP Jeder Amidgrappe durch Alkylradicale ersetzt, z. B. Jfethvl im Dimetbyloxamid
C0NH(Cn,).CONHiCH,,) und Aethyl im D i :i e t h y 1 o x a m i d . ('()NH ((', H.) , CONH (»', H ).
80 entstehen Verbindaugen mit central lähmender Wirkung, die bei der Aeibylverbindong aus-
gWfNrocbenar als b«i der Methylverbindvag ist. Oer nacli einigen Tmgen bei Einfttlming
grosserer Mengen eintrett r (1^ Ti. l unter Collapserscheinnngen steht niö<:licherwni.sf> mit einem
Uebergange in Oxalate im Zusanmienhanfrc. Da» Glyoxal, CHü— CH*», welches als Oxalsäure
betrachtet werden kann, in welcher II an die Stelle von Hydroxyl tritt, ist ohne Localaction
und bringt Schlaf hervor; nach einigen Tagen kommt es aber an Phlegmone nnd Abaeeas»
bildnng an der Applicationsstelle nnd an Erscheinani^en der SftnreTrrgiftnng, die «fn tfidtllohes
Fmle nchraen kann. Von sonstigen Oxalsäurrdfrivatrii ruft »Iii rixaminsanre. COOH . CONH^, in
welcher nur das eine Uydroxyl der Oxalsäure dun Ii NH. siihstituiit i.^t, ausser der örtlich irri-
tirenden Fänrewirkung bei Fröschen anlängs j^leigtrung der Reflexerregbai lieit, später Stupor,
bei Warmbltttexn CoUapa, Hydriaai« md clonische Krämpfe hervor. Das ans der Oxaminsänre
dnrcli Snbetitnilon des Wasserstoffes des Hydroxyls dnrch Aethyl entstehende Oxamethan,
CONU.tOC, n, . hat keine locale Action und wirkt bei Fröschen l'Jmal , bei Warmblütern
20 — 3ümal schwacher als Oxauiioaäure ; die Wirkung ist rein narkotisch (Somnolenz , Ab*
nähme der Sensibilität) mit nachfolgender Paralyse nnd Ltthmnng der Respiration ohne Beein-
trächtigung der Herznction bei Frösclien. •')
Literatur: *) Loow, Ueber die (iiftwirkung der UxaUiiure und ihrer Salze.
Httnchener med. Wochenwhr. 1892, Nr. 32. — *) Sehinper. Flora, 1889, pag. 264. —
^) Curci, L'azione bit'hx/ira ,!,}(' ,,rif/n oxs'ih'ci, c 'hi derirati in rdtuio " <■■,,! hi <on-
stituzione (ttomica. La Terupia nioderua. IS'J^i, Nr. — K». üusemann.
Oxyhämoglobin, im Harn, pag. 398.
OzOngehalt der Seelnft, pag. 541 ff.
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ParalySiS agitanS. (VergLReal-Bnoyolop., ILAnfl., Bd.XV,iM«.175;
Bd. XXIII, pag. 551.) Eine interessante Arbeit pathologiaeh-anatomischen Inhaltes
über Paralyais agüans veröffentlichte Kktschek. nach Untersuchungen unter
ÜfiiARi in Prag (,.Zur patbolugiscben Anatomie der Paralysü agüans^ gleich-
seitig^ dn Beitrag vm patbologisolien Anatomie des senilen NerTenBystemB." Zeit-
sebrift Air Heilkunde. 1892). In drei histologieeb genau untersuchten Pillen
wurden mehr oder weniger bedeutende VerMnderun?en sowohl im Centralnerven-
syateni) als auch zum Tbeil in den peripherischen Nerven und Muskeln gefunden,
und swnr eratredEten rieh die Verinderungen in nlloi diesen Furtlen anf die
spedfiaehen Gewebsetemente, selbst auf das intefstitielle Gewebe , und auf die
GefHsse. Die Veränderungen der specifisehen Gewebselemeiite bestanden in De-
generation und Atrophie, im Gehirn und Kückenmarli zeigten fast alle Ganglien-
zellen i'iguientdegeneratioQ ; einige waren plump, ohne scharfe Grenzen und ohne
Kerne, andere seigten meist fdnkOmigen Zerfall. Die Nenrenfosem waren eben-
falls stellenweise degenerirt , sowohl im ROckenmark , besonders in den TTinter^
strengen . wie auch in den periplieren Nerven und ihreo End.lstehen im
Muskelgewebe. Auch die Muäkelfaäern zeigten stelieuwci8e Atrophie; einige hatten
Fettdegeneration, andere hyaline Degeneration erlitten, einige Fasern waren der
Querstreifung beraubt, andere ganz verschwunden unter Zorfleklassung der mit
!Musk»'lkernen gefdllten SarcoleninischlJluehe ; die Mu?kelkerne, aneli die inter-
stitiellen Kerne der Muskeln zeigten Uberall .starke Vermehrung. Das interstitielle
Bindegewebe Hess überall starke Vermebmng erkennen; namentiieh hatte das
61iagewe1)e im Gehirn und ROckenmark eine solche erfahren. Im Gehirn war
die Neurogliascbicht der Rinde und das Ependym der Ventrikel verdickt. Im
Rfickenniark betraf die Gliawucherung sowohl die Kiudeiischieht wie das Innere
und war deutlich an die Geßlsse gebunden; besonders ausgepriigt war sie au
den Hintersträngen, banptsftehlieh nm die Fisaura longitudÜMUe» posterior ; doch
fand sidi anob eine grosse Menge von Corpora amylacea (noch zahlreicher waren
diese im Ependym der Seitenventrikel, in den oberflftch liehen Gehirnschichten, wie
auch in der Peripherie des Rückenmarks). Die Veränderungen des Gcfässsystems
bestanden in Verdieknng der Wandungen, stellenweise Bildung von Ifiliaraneu-
rysmen, stellenweise Zerreissungen und Blutextravasate (im Gehirn und RUeken-
mark). Die Adventitia enthielt ziemliehe Mengen von Pigment (theils blos Fett-,
theils auch Blutpigmeut Die lymphatischen, perivasculären und pericellulären
RInme waren ausgedehnt, erstere enthielten an einige Stellen geronnene Lymphe,
an anderen emigrirte Leueooyten oder homogene Engeln — wahrseheinlieh ver-
änderte Leucoeyten — und an vielen Stellen Rlut. In ihrer Umgebung war stellen-
weise eine fidematöse Erweichung der llirnsiibstanz zu betnerkeu. Aehnliche Gefä«*8-
veränderungeu zeigten i>ich auch an den peripherischen Nerven und Muskeln.
574
PABALTSIS AGITANS. — PAROXYSMALE PDLSATION.
Der Centralcanal des ROokenmarks war überall dnrch Wacherung der Epithel-
zellen obliterirt , stellenweise überdies erweitert ; überall war er vom wuchernden
Gliagewebe umgeben, das eine grössere oder geringere Zahl von Corpora amy-
laeea einMhlws.
Ketschbr midlt darauf aufmerksam , dass die in seinen FftUen vorge-
fundenen Veränderungen wesentlich mit den Resultaten früherer Autoren, soweit
diese überhaupt positive Befunde bei Faralysis agitan» zu verzeichnen hatten,
UbereioBtimmen , und dass die Verindernngen daher nicht infillig
seien, sondern im Causalnexus zur Paralysi» agitans stehen
müssen. Er sucht ferner durch vergleichende Untersuchungen bei senilen, aber
nicht an Paralj/si'-n a(j{tnns leidenden Individuen zu erweisen, dags es sich nur um
eine stärkere Ausprägung der im Greisenalter beobachteten Ver-
ftndernngen des Nervensystems nnd der MnslEeln bandle, dass an
wesentlich qualitativer Untersehied aber nicht stattfinde, und dass (wie schon
Jacobsohn, Dllief und Boroherixi angenommen hatten) „die Paralysis
agitans nichts Anderes als der Ausdruck einer abnorm hoch-
gradigen, etwa aueh vorseitigen Senilitit des Nervensystems
ist" — , eine Anschauung, gegen die sieh vom klinisehen Standpunkte avs wohl
manche Bedenken gdtend machen Hessen. Enlenliarg.
PftrOXySmalePulSfttiOn der erweiterten Aorta ahdominali».
Da abnorme Pulsationserscheiniinfrcn im Hereiche des AliflonuiH ^tcfs, wenn sie
nur grössere Ausdehnung erreichen, die besondere Aufmerksamkeit der Aerzte
erregt haben, so ist es befremdrad, dass die Beobaehtnngen Uber „paroxysmale
Pnlsation nnd Dilatation der Bauchaorta", auf die ich bereits vor längerer Zeit *) in
einer kurzen Mittheilung die Aufmerksamkeit gelenkt habe, so viel ich sehe, keine
Beachtung und keine weitere Darstellung in der Literatur gefunden haben, l'ud doch
verdienen sie eine solche im hoben Grade ; denu abgesehen vou der diti'erential-dia-
gnoatischen Wichtigkeit, die der gleieh an schildernden Ereehdnnng gegenflber
anderen, prognostisch Rehr bedenkliehen Formen der Erweiterung und abnormen
ruls.ition des genannten Gefässes zukommt, abgesehen von der an und für sich
schuu iuteressanten Tbatsache, dass ein so grosses Gel)lss, dessen musculäre Be-
standtbeile gegenüber dem Reiehtham an elastisohem Oewelw fast völlig in den Hinter»
grund treten, oft innerhalb weniger Minuten eine Veränderung seines Calibers um
fast das Doppelte zeigen kann, abgesehen von diesen Ocsiolit^piinkten, ist der gleich
zu schildernde Symptomencomplex, dessen Ursache, BegleittTscheiuung oder Uaupt-
symptom dne paroxystisebe Erireitemng nnd ausgedehnte Pnlsation der Banch>
aorta bildet, an und ftlr fich schon aus dem Grunde geeignet, das Interesse des
Arzte-« wachzurufen, wt il (He Krscheinungen eine gewisse Analogie mit der va^o-
paralytischen Form der typischen Migriliie und mit dem MoiIhik /{(itf </o>rii bieten
und einer symptomatischen , uud theilweise sogar causalen , Tlierapie zugänglich
siod, sobald man die Natur des Leidens riehtig erkannt hat.
Bevor wir zur Schilderung des charakteristischen Symptomencomplexes
übergehen, wollen wir in Kürze noch die anden-n Formen abdominaler Pulsation
skizziren, von denen die hier in Betracht kommende Erscheinung gewohnlich wohl
zu nnterseheiden ist nnd mit denen sie nur verweeh^lt werden könnte, wenn der
Paroxysmus der Gefässerw<>iterung und verstirkten Pnlsation sehr lange dauert,
und wenn die Mittel, die Pnlsation künstlich zu verringern oder zum Verschwinden
zu bringen, also den Paroxysmus durch unsere EingriÖ'e zu beendigen, versagen.
Die hinfigste Form der abdominalen Pnlsation ist bekanntlieh die soge-
nannte epigastrisehe Pulsatioo, die entweder durch das H* r/ u ler unter besonders
günstigen FortlcitungsbediDgungen (iurch die Aortn nlxlominnl i\- dder den Tripus
Ualleri verursacht wird. Die Pulsation durch das Herz ist natürlich auch nur
*j (I. Rosenbach. Die Aufblähung des Mairent mit Koblenaiare als diagnostitchM
Hilfsmittel etc. Dentsche ued. Wocheuschr. 18S2, Nr.
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PAROXVäUALE PULSATION.
575
fort^eleitet und sie kuinmt nur zu Stande, wenn das Zwerchfell bei einem iDiaBigen
Grade von Hypertrophie des rechten Ventrikels sehr tief steht (Volumen pulmon um
auctum und Emphysem) oder wenn eine Combinatiou von compensatoriadier Lungeu-
blfthung und starker Dilatation des gesammten Ueneas vorliegt. In allen solehen
Fällen theilen sieb die Bewegungen des Hersens als pnlsatorisehe Erschfltterungen
dorn Epipastrium oft in weiter Ausdehnunj;: mit, und es p^eling^t nicht selten,
beim tiefen Eindrin'^en mit der etwan nach uheu gerichteten Fingerspitze unter-
halb des Processus xiiihoideus die Puleatioa des am tiefsten liegenden Herzab-
schnittes ^m»t sa palpiren.*)
Eine pnlsatorisehe Erschfltterung kommt ferner dadurch zu Stande, dass bei
magreren Personen und nachfiehitren }?jiuchdeeken die Aort:i seihst ihre Pulsation dem
palpirenden Finger deutlich mittheilt uud unter günstigen bedio^ungcn auch Pulsatiouen
in den Naehbarorganen erregt Namentlieh wenn die Leber etwas indurirt and
vergrössert igt oder wenn sie die als Schnürleber bekannten Verunstaltungen zeigt, ist
die Pnlsation ^rewöhulich sehr autlallend. Hhenso kann auch bei gewissen eigen-
thUmlichen Lagerung»- uud Fixationsverhältuisseu dea Faacreas eine ausgebreitete
Ptthatioa dieses Organes, namentlieh des Kopfes, vorkommen, die bekanntlieh sii
den sehwersten dia^ostisehen Problemen gehört. Aueh contrahirte und gefDIlte
l)arni«('lilitv;ren können unter gewissen Modifieationen dun'h die Aorta in starke
l'ulsation jrerathen , uud ebenso ist bisweilen eine Pulsation des Pylorustheiles
des gefüllten und erweiterteu Magens zu beobachten, die tbeils durch die Aotta
ahdominaU* und ihre Aeste, also dureh Fortleitnng hervorgerufen wird, th^s in
dem contrahirten Pylorus selbst entsteht, an dem man dann gewöhnlich bei nach-
giebigen Bauchdt'cken eine kleinere Arterie deutlich pulsiren ffihlt. Indem wir
die Pul8ation der Leber uud Milz, die bei Insuliicieuz der Aurtenklappeu oft sehr
dentlieh ist und aueh die abnorm starke Pnlsation d«r AbdominalgeOsse , die
bei diesem Klapponfehler nnd bei der sogenannten Enteroptose so hlnflg vor-
kommt, überdrehen, wollen wir noch mit eini^ren Worten das Aneurysma der
Aorta abdominalis uud am Schluss dieser Abhandlung eine besondere Form der
selerotiwben Verdickung dieses Geftsses, deren Prognose eine relativ günstige xu
sein seheint, erwähnen.
Es ist bekanntlirh kaum eine Dianrnosc schwieriger als die des Aneurysma
der Aorta abdominalis \ denn selbst das für besonders charakteristisch geltende
KeoDzeiehen, die Querpulsatiou des der Aorta angebörigeo aueurysmatisehen
Tumors, ist, wie wir bei der Sehildemng der paroxysmalen Erweiterung der Aorta
sehen werden , durchaus nicht ein'leutig und etwa nur auf eine aneurysmatische
Krweiternnsr des (ielasses aus organischer l'rsache zun'ickzuftihreu, ganz abgesehen
davon, dass eine Austiiüuug des Sacke-s mit üeriuuseln oder eine besondere
selerotisehe Verdickung der Wand tlberhaupt jede Pnlsation aufhebt. Bbenso-
*) Es iät bekanntlich Hohr schwer, ja uumüglich, an der Leiche ein sicheres Urtheil
Ober die R«um* und Lageverhältnisse des Herzens und namentlich aber iMneo FäUaagnnstaad
an flffhalton, und man ist oft orstaant, dort ein relativ kleines Hers anzutreffen, wo man im
Leben eine starke Pnlnation und Dämpfnng, die sieh auf einen selir weiten BesM eritreekte,
vor sicli liatte. Bs is-t leir ht einzusehen, das« es sich — eine genaue Untersuchung im Leben
vorausgesetst — hier nicht oiu grobe diagnostische Irrtbümer handeln kann, sondern dass
der Fflllnngasnataid der OefKise , die Spannang des activen Organs , mit einem Wort« der
Turgor der Gewehe, der während des TiCbens 1)estcbt. das Bild für den Arzt fast immer gaas
anders gestalten, als ftir den pathologischen Anatomen, und es riihrt ein Theil der Ditl'erenzen
der von so verschiedenartigem Standpunkte aus ihr ürtheil abgebenden Beobachter nur von der
Nicbtberäckaichtigang dieser Verhältnisse her. Meiner Aaffassang nacli ist aach der Zwercb*
feUstand im Leben ein ganx anderer als im Tode, nnd wer sidi gewöhnt hat, die unteren
TlloraxabBchnitte , namentlich l»pi fjpwissen CJraden der Dyspnoe, kurz vordem Tode genau
an beobachten, wer also den Stand de.'« krampfhaft arbeitenden ZwerchiVlles nicht blos durch
Pwcnssion erscUosaeo, sondern gevissermassen wirklich vor sich gesehen hat, der wird stets
flbsirasollt sein, wenn dann bei der Section ein anfikUend hoher Zwerchfellstand notirt wird.
Aneb bei Yivisectionen von Thieren , denen ktlnstlicbe Klappenfehler ersengt waren , hat es
mich immer überrascht, die betrachtlichen Difiereuzen zu constatiren, die die HersbShlen nnd
grossen Qefisse im Leben und nach dem Tode zeigten.
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576
PABOXTSMALE PULSATION.
wMtig cbarakteristigch sind 4i9 nderen Symptome eines Aneurysmas, au(-b wenn
sie anscheinend sehr s<tark ansgesprophen sind, und wenn der pulsirendr Tumor «'ine
grosse Ausbreitung besitzt und eine sehr starke Erschütterung der Kachbarorgane
hervorrofk. Selbtt die ftmetionelliii aarrOwii Störungen, «b «ii8gespro<A«iM
Aneurysma mit sich ftthrt, nnd dnreliAtts uicht patikognomoiiiaoli ; denn die oft
für charakteristisch pehaltcnon . sobnfierzhaften Paroxysmen — sei es , dass die
Schmerzen sieb auf die ganze Wirbelsäule oder nur auf einen bestimmten Punkt
erstrecken oder dass sie sogar in die unteren Extremitäten ausstrahlen — kommen
in gnns derselben Wdie aneh bei aehweren Formen von Kolik oder bei Dmelc
von Tumoren auf die Wirbelsäule oder bei Myelitis vor; werden sie ja doch auf
rein mechanische Weise und durch Einwirkung auf dieselben nervösen Apparate
ausgelöst. Auch die im Bezirke der Gefäsüerweiterung nachweisbaren acustiacben
Symptome sind oft nieht direet Ar ffie Diagnose eines Anenryimaa sn vwwertiieo,
und man muss selbst bei Anwesenheit deutlicher Geräusche mit der Deutung
recht vorsichtig sein ; denn durch blossen Druck mit dpin Stethoskop kann unter
günstigen Umständen nicht blos, wie ja allgemein bekannt ist, ein langes, laute«,
systolisdieB Geriuseh, dem man ja gewftbnlieii keine Bedeutung bdmieit, Mmdern
andi, wie wir uns wiederbolentlich uberzeugt haben, ein diastolisebes oder eon-
tinuirlicbes Gerflusch hervorgebracht werden. Namentlich bei ganz i?esundcn,
jugendlichen , blutleeren Personen mit weiten TJefässen und auch bei älteren
Leuten, die die Zeichen der Arteriosclerose boten, haben wir bei erregter Herz-
aetion in gewissen Lagen Idebt syttolisehe nnd diastolisebe Oerlttsebe dnreb
Druck mit dem Stethoskop hervorrufen können, nnd besonders dann gelingt es
bei bestimmtem Druck dies Phänomen hervorzurufen, wenn man einifro Centimeter
oberhalb der Stelle, wo man ausoultirt, respective mit dem Stethoskop einen leichten
Dmek ansflbt, mit den Fingern alimftlig vorsiebtig die gamse Cirenmferena des
eentralw.irts gelegenen QeAsses zu comprimiren versucht. Elienso aber, wie liier
künstlich durch die Fiuffercompression, kann — gleichsam auf natürlichem Wege —
durch besondere Lageverhältnisse des Gefässes oder durch den Druck benachbarter
Organe die Bildung der Oerinsebe so begOnstigt werden, dass dann aneb der
leichteste, unterhalb einer solchen Stelle mit dem Stetiioskop vorgenommene Druck
neben dem systolischen ein diastolisches f^erftusch erzielen kann, das zwar nicht
an derselben Stelle entsteht, dessen Entstehungsurt aber aueh nicht von dem
des systolischen zu dilTerenziren ist. D&Hfi auch in den grossen Vencustämmen des
Unterldbee Oerilusebe von prlsystolisebem oder diastolischem Cbarakter entstehen,
ist kaum zweifelhaft , wie wir ja auch zuerst nachgewiesen haben , dass rein
diastolische Geriiusche, die von Herzgerflusehen nicht zu unterscheiden sind, in
den grossen Venen des Brustkorbes zu Stande kommen.^) Natürlich ist unter
soleben Umstinden die Diagnose eines Aneurysmas, selbst wenn sie deb auf ein
diastolisches oder doppeltes Gerinsoh im Gebiete der Aorta ahdommali» gründet,
sehr erschwert, und wir erinnern uns nielirerer Fftlle, in denen bei ganz gesunden
Persoueu 83'8tolische und diastolische Geräusche im Epi- und Mesogastrium vor-
handen waren, die dem si^^annimi douU« wv^e tntermiUent erural vOllig
glichen. Kommt nun noch, wie in den gleieb zu beschreibenden Fällen von
paroxysmaler Pulsation der erweiterten Aorta, die charakteristisclir r[Mi!satiou,
d. h. die Krweiterung des pulsirenden Tumors in allen iMirchmes.scrn zur Beob-
achtung, SU iät es nicht zu verwundern, weuu man solchen l^'UHeu eine Zeit lang
völlig ratblos gegenflberstebt, nnd es ist deshalb zweifeltos, dass der KUrlegnng
dieser Verhältnisse eine besondere Bedeutung zukommen muss, da Prognose und
Therapie in gleicher Weise aus der rechtzeitigen rntersuchung Nutzen schöpfen können.
Man wird es also gerechtfertigt finden, wenn wir der in Paroxysmen
auftretenden Erweiterung der Banebaorta, die stets von den heftigsten eardial-
giscben Beschwerden begleitet ist, hier eine besondere Erwähnung zu Theil werden
*)0. Rosenbacb, Ueher miuikaliscbe UerzgeniUäcUe. Wiener Klinik. ISi'ii, pa^- 60 S.
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PABOXYSMALE PÜLSATIOM. 577
lassen , da uns in einer lan^fthrigen Beobachtung sehr vielo Fälle des Leidens
zu (rcsicht {Tckomnien sind, und da es uns nicht zweifelhalt ist, dass diese
Pulsatiou des Gefässes bei der Entwicklung einer grossen Keihe von cardial-
gtsehen Anftllen sehr stark betheiligt ist. Wir mOehten sogar annehmen, daas
die Erweiterung an und für sich und der dadurch bedingte, intermittirende und
periodische Druck auf die Nachbarschaft nicht fremde selten überhaupt die einzige
l'rsache der Schmerzparoxysmen ist, besonders wenn das erweiterte und stark
pulsirende Gefäss die Nervenplexns ttaric zerrt und ersohflttert; ^o6k ist es
immerhin möglich, dass auch «ine primire sensible Reisung (unbekanntnr Aetiologie)
im Gebiete der Nervenplexus in gleicher Weise den Schmerz und auf dem Reflex-
wege die Erweiternnfr des OefUsses auslöst, wie ja auch ähnliche Verhältnisse
bei der Uemikranie obwalten, die doch nicht selten von EutzUndungen der Augen,
der Nase, der Zähne ans refleeteriseh ausgelost wird.
Die Dilatation des Gef^sses selbst, auf die wir später za sprechen
kommen , ist wohl kauiu auf eine Reizung frefJtsserweiternder Nerven — solche
sind ja doch für Geiässätämme so grossen Calibers nicht bekannt — zurtlckzu-
fahren, aber de besitst wohl als Symptom dieselbe Dignität, wie der Torgor des
fte^icbts und das Pulairen der Carotiden und Temporalarterien bei der sogenannten
llfiiitirraiiia sympathiro- parnh/t irn , l)a beim Fehlen von Vasodilatatoren für
den Stamm der Arteric ein solcher langdauornder Nachlafs des Tonus also seine
Ursache nnr in einer Veränderung der Abflnsswiderstände im Capillargebiet haben
kann, und da eine solche Erweiterung des Strombettes gewöhnlich nur von einer
primären Vermehrung oder Veränderunor der Arbeit im Protoplasma dieser Gefäs^?-
bezirke herrührt, s<» wird wolil auch hier der Erficheiniinfr in letzter Linie eine
erhöhte Heizung gewisser Protuplasmagebiete zu Grunde liegen; d. h. eine beträcht-
liche Steigerung der Tbätigkeit der im Gebiete des Hagendarmtraetus gelegenen
Apparate, besonders wohl der grossen Drüsen, mu8> n iturgemÄss zu vermehrtem Blut-
abfluSR aus der Aorta und zu einer Verbreiterung ihres Querschnittes führen. In der
That sehen wir auch, dass gewöhnlich schon dem Eintritt der Pulsation Verdauuugs-
besehwerden eine Zeit lang TOransgeben and dass mit der Pid$<Uio aortica auch
stets eine beträchtliche, dauernde Verdauungsstörung verbunden ist, diedch in HeiaS'
bun}rer. Flatulenz, Obstipation, (Jefiihl der Vdlle äussert und bei längerem Be.-*tehen
der Anfälle stets zu starker Anämie und Abmagerung und dadurch zu besorgnlss-
erregenden Sehwächesuständen fflbrt. Diese Verdauung»- und Ernälirungsstörung
muss auf directe primäre Functionsveränderungen in den assimilirendea und
resorbirenden Apparaten »nrflckgefUhrt werden, .^ie kann nicht ein .'iecundäres
Leiden, etwa eine Folge der Schmerzparoxysmen sein ; denn meist sind diese ja
nur eine Begleiterscheinung der stärkeren Grade der l'ulsation und fehlen bei
geringeren Graden der paroxysmalen Erweiterung. Natflriich läset sieh aber aneh
nicht leugnen , daF^.s sehr ausgeprägte und langdauernde Sehmerzparoxysmen
das ihrige zu der allgemeinen Kmährungs.st<irung beitrafren mögen; denn es ist
leicht einzusehen, dass ein sehr starkes Pul.siren, zumal wenn die Erweiterung
des Gefässes während der einzelnen Anfälle sehr lange andauert, dureh die
beträchtliche und darum sdimerzbafte Erschütterung der Wirbelsäule und der
zahlreichen Nervenplexus im Abdomen den Körperhaushalt im höchsten Masse
UDgUnstig beeintiussen muss, ganz abgesehen davon, dass der Schlaf und die
Gemflthsstimmung durch die Cardialgieen weseotlieh gfsstSrt werden. Dazu kommt
noch , dass schliesslich auch das Herz bei den Anfällen von intermittirender Er-
weiterung der Jorfn tihilouiinnl i'^ nicht mehr iinbethciliirt bleibt; denn es
mus.s ja ver.stärkt arbeiten, um die grössere Blutmen^^c für das erweiterte Gefäss,
in dem , wie die Geräuscbbildung beweist , die Strömung wesentlich beschleunigt
ist, zu liefern. So stellt sich gewäbnlieb während der AnftUe und aneh aebon
vor Beginn des typischen Vorganges starkes Herzklopfen ein; die Herzdämpfung
und der Herzshok ist verbreitert, es treten pulsatorische Vorwölbungen der Inter-
costalräume auf und .sogar die ilalsgefässe können eine stärkere Pulsation als
Bncyolop. Jahrbttehtr. III. ^
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578
PAKÜXV6MALE PUL.SATION.
sonst zeifreii. Die I'ii!sfrc(]ii<'nz ist im typischen Anfall gew()bnlicb , doch nicht
immer beträchtlich, gesteigert; der l'uls au der Kadialarterie und Carotis ist
gewöhnlich eog, aber etwas hflpfend; dagegen zeigt er sich ia den Iliacae, falls
sie tastbar sind, nur wenig , ia den Arterien des Untersehenkeb eigentUeh gar
nicht vcr-iiidert. In nicht seltenen Füllen findet man Ktlhle der H.'inde und Fflsse
mit leichttT Cyanose. Dabei bestt'bt eine höchst lästige Einptindun? in der llerz-
uod Oberbaucbgegend, ein Gefühl der Fülle und Beängstigung ; nicht selten setzt
der Pols ans nnd die Hersaetion wird fttr einige Zeit naregelmlssig. Das ist
immer dann der Fall, wenn die Calibersch wanknngen der BanehaorU
deutlich ausgeprägt sind, wenn Verengerung mit Erweiterung: in
relativ tkUrzen Intervallen abwechselt, wie man während eines
tyiüschen Anfalls dentlieb beobaehten kann. Namenttieb der pldtsUebe Uebergaog
von der besehleunigtea Herzaction zur Verlangsamnng, der mit einer betrieht*
liehen Vercn^rernntr des vorher erweiterten Geftsses verbunden zu sein pfleort,
übt aut die Krauken meist einen sehr unangenehmen Einiluas, da der Augenblick
der Gefltosverengerung und Pulsverlangsamung sieh dnreh den Eintritt einer Art
von Shok oder Baek, der im ganzen KOrper empfanden wird, kandgiebt.
Diese Form der Anfälle hat grosse Aehnüehkeit mit denen der paro-
xysmalen Tachycardie, die, wie wir g'laubeu , in vielen Fallen ihre
Ursache eben nicht, wie gewöhnlich augeuommeu wird, in einer centralen \ agus-
Ifthmung, Boadem oft wobl nw in einer allgemeinen, vom vasomotorisehea Gentram
aus aasgellMen Herabsetsnng des arteriellen Tonus hat. Sei es nun, dass diese
Entspannung central bedinjrt ist, sei es, das» sie die Fol^e primär veränderter
Arbeit in einem grösseren Körperbezirk ist, die erst secuudär eine Entspannung
des Oefässsystems in ober grosseren Gefilssprovina naeh sieh sieht, in jedem
Falle wird dadttrcb eine veränderte aad aieist wohl vermehrte Arbeit fUr das
Hen geschaflVn.
Auch zu den Erscheinungen des Morbus ßaseäown kann diese
Erweiterung der Aorta in gewisse Beoehungen gebraeht werden; nur dass bei
Morbus BatedowUvDKUxt die GefUsse der oberen KOrperhälfte, besonders dieCarotlden,
\m der uns hier beschäftigenden Aft'ection vorzup-sweise das f laiiptfref^iss der Fnter-
leibsor^ane betheili^t ist. Auch tritt in beiden Fällen die Hetheili^unfr des Herzens
beim Ausgleich der Störungen ziemlich stark hervor. Wie im Falle des Morbus
Btuedcwn eine Anomalie der Sehilddrasenftinetion snerst den Oeftssapparat des
Kopfes und dann das Hen lam Zwecke der Compensation in Mitleidenseliaft
zieht, so ;;lauben wir, dass hier eine Functionsstöruug eines Fnterleibsorgranes,
wühl einer grossen Drüse, dieselbe Wirkung ausübt und, wie natürlich, zuerst
Folgeersebelunngen in der betreffbnden Geftssprovins naeh sieh sieht.
Wenn auch der Umstand, dass ein so grosses Gefäss, wie die Bauch*
aorta. noch einer besonderen helrächtliehen , oft sogar schnell vnrltbergehenden
und mit bedeutender Verengerung abwechselnden, Volumenszunahme fähig sein
soll, auf den ersten Bliek sehr auffallend erscheint, zumal wenn man bedenkt,
dass die Geflteswand ja auf dieser ganzen Strecke nur eine geringe Muaenlatar
enthält , so liisst sich doch da« von uns lieobachtete Factum nicht ableugnen,
vou dem man sich zudem leicht überzciijron kann . da sowohl bei schlatlen , als
bei resiäteutereu Bauchdecken sich die Verhältoisiie , uhue Möglichkeit eines
Irrthumes, vOUig genau bestimmen lassen. Man kann dnreh Palpatioa auf das
Bestimmteste feststellen, dass in manchen F.nlleu die Erweiterung^ nicht selten fast
das Doppelte des sonstiiren GefSssumfanges beträgt und man kann ebenso leicht
constatiren, dass nach kürzerer oder längerer Zeit das vorher stark pulsirende
und erweiterte Geftss wieder kaum merklldi pnldrt oder wenigstens den normalen
rmfaug nicht überschreitet, während man inn anderes Mal in einem solehen
Anfall das Gefiiss. das in normaler Zeit nur mit Mühe fühlbar war, als pralleUi
rundlichen, nach allen Seiten pulsirendeu und sich mit Energie ausdehnenden
Rftrper vorfindet. Wir haben ia einer ziemlichen Anzahl von Fällen unter unseren
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PABOXTSHALB PULSAHON^
579
Angeo solcbe Erveitenuigwi (▼<»ii sellwt und dureh da» gleich zu beflehreibende
Verfahren) Temshwinden und nach kurzer Zeit wieder auftreten schon, so daas
Aber die Thatsache kein Zweifel mehr herrschen kann, da'is ltrtr.1chtliche Er-
weiteruDgsfllbigkeit auch ein Attribut normaler Gefässe gröääteu Calibers und
aueh aoleher ist, die nicht mit beeondera atarker Masenlatnr Teraeheu aiod.
Die ThatHache der Erwoiterungaffthigkeit anderer ^osaer Gefkaae, z. B.
der Carotis und 'i'cmpnralis, ilhcr die ja ironiiq' klinische Erfahrungen vorlieqren,
nimmt ja, auch weua die Sehwaukungcn innerhalb kurzer Zeit, oameDtlich in
Perioden psychiseher Erregung sehr hetiüebtUeh sind, niemanden Wander, weil
der grOasere Muskelreichthum der Oefässwand hier für die Möglichkeit der Con-
traction und Dilatation einen ausreichenden Erkl-iningsgrund ahgiebt ; solchen
Erscheinungen aber auch an der Aorta zu begegnen, ist iiu ersten Auji^enblick
befremdend, doch liefern unsere Beobachtungen — wir haben auch oft Gelegenheit
gcliabt, daa Factnm an demonatrireo — den vollen Beweia, daaa aueh hier ein
beträchtlicher vitaler Tonus bestehen muss, der in der Norm das elastische Gewebe
zwingt, sich stark 7,u oontrahiren und dessen Nachlass unter physinlo;;i8ehen und
patilologi sehen Verhältnissen eiue beträchtliche Erschlaffung bedingen kann,
die aehr weit Uber daa Maas der normalen gefäaadiaatoUachen Erweiterang hinava-
geht. aber natflriidi nie za einer dAuemden Dehnung (Reeknng) der elaatiaelieii
Medien fuhrt.
Bei der Palpation des paroxystisch erweiterten Gefässe« constatirt man
aehon bei leiehteatem Druck ein weit ansgebreitetea , aystolisebea Schwirren und
bei der Anacnitaliun %'ernimmt man entweder ein lautes, rauhes, Uber das ganze
Abdomen hin sich verbreitendes , utitrallend laueres Gerau-^ch oder eine Art von
continuirlichem Sausen, in dem sich bisweilen zwei getrennte Phasen, deren letzte
mehr hauchend ist, unteraeheiden lassen. Nach der Verengerung des GefUmea
veraehirindet gewJthnlieh daa Oertuaeh bia auf ein leiehtes Biaaea, daa nur bei
starkem Druck des Stethoskops hörbar ist, und man vernimmt dann nur ein
leiehtes dumpfes Klopfen. Nicht immer sind, auch bei stark erweitertem (iofiUse,
Geräusche zu höreu, sondern es besteht bei leichtem Aufsetzeu des Hörrohres
ein eiDfaeher oder verdoppelter (geapaltener) atarker Ton, der mit einer IratrSoht-
liehen Erschütterung der Umgebung verbunden ist.
Der Anlall, dessen Dauer keine bestimmte ist, besteht gewiihnlieh ans
einer Vorperiodo, die durch die schon beschriebenen, schmerzhaften und unaa-
genehmen Empfindungen charakteriairt iat, an die aich die Aeme mit atMrkater
Verbreiterung und Pulsation des GefSssce ansebliesst, worauf nach einem bezüglich
der Dauer nicht bestimmbaren Intervall, unter plf^tzlicher Venrnfrernn? des Ge-
filsses eine gewisse Euphorie eintritt, die aber durch das GefUhl grosser Schwäche
und verschiedene unangenehme Senaationen getrtlbt wird. In seltenen FlUen folgen
Perioden der Erweiterung und Vaengerung aufeinander ; in einem sehr schweren
Paliehabe ich diesen Wechsel viermal lienb.i'hfet. bis die normalen Verhältnisse dauernd
wiederkehrten. Die höchste Dauer des gesammten typischen Anfalles wird etwa
3 — 4 stunden betragen ; die abortiven Anfälle sind entsprechend kürzer; doch lassen
aieh, wie geaagt, aiehere Zeitangaben nieht machen. Bemerkenawerth ist es, daaa
auch bei den leichten Anßlllen und noch nach ihrer Beendigung Würgebewegungen
bestehen, w.lhrend bei den schweren nicht selten wirkliches Erbrechen, das ja
auch bei der Migräue so sehr im Vordergrunde steht, und Speicheläuss zur
Beobaditung kommt.
Das uns hier beschiftigende Krankheitsbild haben wir vorwiegend bti
Frauen aller IJevölkerungsclassen beobachtet, \n\<\ zwar stets bei Frauen, die
aehon Jahre lang an Anfällen von heftigen, bohrenden und reissenden cardialgischan
Schmerzen litten, an die flieh oft qualvolles Erbrechen ansehloss. Ein grosMr
Theil der Kranken beschreibt daa Schmerzgefühl als klopfend oder giebt an, daaa
wahrend der Schmer/aufiUle ein starke-i. sehr beÄngstigendes Pulsiren und Schlagen
in der Oberbauchgegend, selten im mittleren oder unteren Tbeile des Abdomens,
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560
PA£0XY8MAL£ PULSATION.
besteht. Nicht selten strahlen die Schmerzen naeh dem Rüeken hin aus, währeid
Ausstrahlunof nach den Beinen sehr selten ist. Dagegen besteht häufig noch lange
Zeit nach dem Anfalle eine öchmershaftigkeit einzelner Dornfortaätze im Lenden-
theile der Wirbeliftalef sowie eine starke Hyperistiieeie der Bavehbrat, naiiMBtlieli
der linken Seite. Die Anfälle sind gewOlmlich mit Stuhlverstopfuu^^ verbanden
oder Stuhl vcr-topfunj,' ;^eht ihnen voraus. In vielen Fällen flehen die Kranken
während des Anfalls blass und verfallen aus und zeigen kalten, klebrigen Schweiss ;
euch leidet die Ernähruog schon nach wenigen Anßlllen, falle sie schnell auf-
dnanderfolgen, sehr betrlehtlieh. Der Anfall eadigt adst sehr plfttdieh, doeh ist
die Euphorie wegen des ZnrflekbleibenR länger dauernder Schwächezustände meist
keine so vollkommene, wie bei leichten AnCrilleu paroxysmaler Tachycardie.
Sehr selten linden blosse Kemis^ioncn der Anl&Uu statt, doch kanu sich auch ein
Anfall, der ansebeinend gana aa^^ffrt hat, naeh wenigen Stunden in derselben
Weise wiederholen. Die Zdtdanw der Anfälle ist sehr variabel; sie erstreoken
sich meist über mehrere Stunden und nicht selten mit wechselnder Intensität
Uber mehrere Tage. Auch bezüglich der Intervalle zwischen den einzelnen An-
fUlen und den Perloden gehlnfler AnfMle best^t kdne Regelnissigkeit ; sie
eessiren Woehen, Monate, Jahre.
Sehr morkwfIrdiL'" ist die Wirkung, die stärkerer Druck auf das pulsirendo
Gefäsä oder aut den oberen Theil des Abdomens in solchen Anfällen auszuüben
vermag. Der Druck ist gewöhnlich anf&Dglioh sehr schmerzhaft, wird aber, wenn
man mit Imsem Druek beginnt und ihn gans atlmilig verstärkt, immer weniger
empfindlich ; zuletzt erzeugt er sogar ein gewisses Ocfiihl der Beruhigunir, und
nachdem man ihn etwa eine Minute lajiir ansKeiiht hat, hört oft Schmerz und
Pulsation mit einem Schlage auf und die Aorta zeigt plötzlich ihr normales
Caliber und normale Pnlsation. Es liegt hier entsehieden eine Analogie ndt der
Wirkung der Caiotidencompression bei gewissen Neuralgien des Trigeminns nnd
bei der Migräne vor, bei der ja auch der Druck auf das Gefäss die Schmerz-
anfälle sistirt oder verringert. Ob allerdings der Druck auf das Gefäss selbst uud
der, wenn aneh nnvollkommene, Versehlnss des Oefässes das wirksame Moment
ist, oder ob der starke, in den befallenen Nervengebieten ausgeflbte, mechanische
Kei/ fine Art von Refiexhemmang hervorruft, das entzieht sich natUrlieh der
Beurtbeiluog. Auch leichtes Faradisiren oder Massiren der Bauebdecken beseitigt
ttbrigens manchmal den Anfall.
Weiehe ätiologisehe Momente das gesehilderte Krankhuiebild hervor-
ruft , da.s vermochten wir trotz der vielen von uns beobachteten Fälle nicht zu
rruiren, jedeufalls spielt weder die Chlorose , noch eine andere Constitutions-
krunkheit dabei eine Holle; auch das Ulimacterium, das Schnuren oder voraus-
gegangene Magen- nnd Leberaffeetionen kOnnen hier nieht als ürsaebe angesehuldigt
werden. Wir können somit nur vermuthen, dass es sich um eine wahre Neuralgie
oder um eine Aiifhcbnnsr des Gefässtonus im Gebiete der Verzweigungen der
Unterleibsarterien, die auf dem lietiexwege vor sich geht oder um eiue Reizung
geftsserweiternder Nerven handelt, weleh letxtere dann als Folge veränderter
Arbeitsanforderuni? in einem oder mehreren wichtigen Organen des Abdomens,
die eine Vermehrunfr des Hlutzuflusses nothwcndi^; macht, aufgefas.st werden
könnte; doch scheinen uns alle diese Vermuthungeu ebensowenig genügendes
Material für eine zureichende Erklärung des Mechanismus und des Zusammmi-
hanges äer Brseheinnngen in unseren Beobaehtangen zu bieten, wie die bisherigen
Versuche aur Erklärung- der Entstehung der Migräne. Diätfehler können auf
keinen Fall die rrsaohe der Krscheiunngen sein ; auch die oft vorhandene Anämie
ist nieht die Ursache , sonderu Folge der Erkrankung. Ebenso steht die stets
vorhandene Obstipation, die Flatulens, die Aasbildung von Hämorrhoidalknoten,
wie wir uns oft Itberaeogt haben , zu dem Leiden nieht im Verhältnisse von
l'rsache und \\'irkung, sondern alle diese F.rscheinnnsren v<tii Seiten des Ver-
duuuDgsapparates aind secuudäre oder coordiuirle Erscheinungen.
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PASOZYSHALE PUL8ATI0V.
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Die PrognoM ist b«i dem genannten Leide«, — wenn aneh niebt
qaoad restitutionem compl» tarn — keine schlechte. Wir haben schliesslich in
allen Fftllen nach längerer oder kürzerer Zeit eine völlige Rfickbildnnfr der Er-
DäbruDgsätüruugen eintreten sehen, auch wenn die Anfalle nicht ganz ceääirteo;
doeh mnas bervorgeboben werden, daae die Vorberaagung bezOglieb der Zeitdauer
der Hdliing und dee allgemeinen VerlaulVs dor llrkraakang vorsichti«: }refas>«t
werden muss . da in einer Reihe von FillUni , in denen sich die Antülle sehr
häufen, die KroähruQg der Kranken fürs lilrste so leidet, das^ mau selbst au
«ine eebwere Ktebexie denken kSnato. Dani kommt noeb, daw die eebwieber Und
kraftlo.ser werdenden Kranken in eine immer stärkere Gemttthsdepresrion geratben,
die die iS'a1iriinf»S!uifnjilimc selir iinprflnstior beeinäusst , wenn (s nicht prclinfrt,
durch Ueberredung und Klarstellung des Sachverhaltes den Muth neu zu beleben.
Ist die Periode der Anfälle überhaupt erst einmal fiberstanden und längere Zeit
kein Rflekfall eingetreten, dann eriiolen sieb die Kranken gewftbnlieb »ebr raieb.
In der (iberwiegenden Mehrzahl der Fälle kommt e>? überhaupt nicht zu so
Rchweren Erscheinunjjcn , besonders dann nicht, wenn man den Zustand durch
genaue Beobachtung eines Aufalles sofort richtig zu deuteu itu Staude ist uud
somit von allen Diätvorsebriften, die nnr sebidlieb ndrken, abwben kann.
Die Diagnose beruht vor Allem aof dem Nachweise der ebarakterlstiseben
Paroxysmen, und deshalb ist man meist nicht im Stande, eine sichere Dia?'no-:e
zu stellen, bevor man durch Beobachtung eines typischen Anfalles die
Tbatsaebe der intermittirenden Erweiterung der Aorta Bieber gestellt
hat. Dieser Nachweis ist leicbt, wenn man den Patienten vor dem Anfalle oder
im l'rodromalstadium untersucht und unter den noch quasi uornialcii \ erhftlt-
nissen auch eine normale Heschatl'cnbeit des Gofässes, das sich entweder gar
nicht abtasten lisst oder doch bei der genauen Untersuchung nur undeutlich
fflblbar nnd sebwaeb putsirend erweist, festgeetetlt bat. Iliw liefert dann im An-
falle der Befund eines ntark erweiterten und heftig pnlsirendcn GefJtssrohres, das
aber nur innerhalb einer bestimmt<'n Strecke diese Krdeheiiiiiniren bietet, ciiie
sichere Basis für die Diagnose, die auch noch dadurch veriticirt werdeu kann,
dass man dnreb Hassiren des Geftsses, wie oben gesebildert ist, die Symptome
oft ebenso zum Verschwinden bringen kann, wie man bisweilen bei der paroxys-
malen Tachyeardie durch Druck auf den Nervenstamra oder durch starke Faradi-
sation des Haiavagus die stürmischen Erscheinungen für längere oder kürzere
Zeit zu ristireu im Stande' ist. Wenn diese eben erwibnte Hanipniatton gelingt,
so genügt si(> dann aneb vollkommen zur Sicherstellung der Diagnose, selbst bei
einem Kranken, den man vf»rher noch nicht fresohon hat. rit liiio't sie uiclit . so
mnss die Untersuchung des Patienten nach kurzem Intervall wieder vurgeuomnieu
werden , um festzastellen , ob sieh das Verschwinden der Pulsation nun durch
meebanische Einwirkung erzielen Iftsst oder ob die Ersebeinuug bereits spontan
verschwunden ht. Da die Anfälle, bei paroxysmaler Pulsation wif gesairt. einige
Stunden uielit liliersclireiteii, so kann man trotz des Befundes, der auf den ersten
Anblick hier gewöhnlich für ein Aneurysma zu sprechen scheint, schon innerhalb
kurzer Zeit die riebtige Diagnose stellen nnd den Kranken berubigen, der namentlieb
bei längeretu Bestehen seines Leidens dureh die starken Schmerzen und besonders
durch da-^ lu ttifre Klopfen und Sehlajren im Abditnien, das auch meist zu starker
Peristaltik führt, sehr geängstigt wird. Auf die nicht selten während des Anfalles
vorbandenen Anomalien der Urlnseeretion (Harndrang, Entleerung eines so-
genannten spastischen Urins) ist für die Beurtheilung des Falles kein Gewicht
zu lejren. da ja V.r<r) cinungen von Seiten des Harnapparates ein Attribut der
verschiedenartigsteu i'uro.xysmen zu sein ptlegen.
Was die Bebandinng anbetrifft, so beben wir es am vorth eilhaftesten
gefunden, wUhrend des Anfalles Wärme zu appliciren; nnr in seltenen Ftllen
wirkt die W.nrme uieht jrilnstig, aber die Anwendunpr einer Eisblase i.st dann
von Nutzen. Sehr gut wirkten in manchen Fällen uareotiscbe Mittel, namentlich
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582
PAROXYSMALE PÜLSATION.
Belladonna (Extract uud Tinctur), Morphium in Dosen von 0 01); auch Copnac,
Tinct. Valerian. atth. und Aeüi. Hulfuric. sind bei leichten Anfällen nicht
nutzlos, Eiagiessuugen von */« Liter kalten Wassers haben uns in einigen Fällen
Matien gesehnfll, indem sie den Anfall sn mUdern oder sn eonpiren eehienen;
in fast allen Fällen hat richtig: ausgeübte Massage des Abdomens und sanfter,
aber anhaltender und ^leicliinäRsiircr Druck auf das puLsironde (icfiHs, Erleichterung
gebracht oder sogar ein voU8t;4udiges 6idiireu des Antalleä herbeigeführt. Die
Manage nnd der Dmelc auf das Abdomen mass aber, wie gesagt, vorsiebtig ans-
gefthrt werden, da jede stärkere Bertihrang ausserordentlich Hchmerzhaft i-^t.
Namentlich vorsichtig sei man beim Comprimiren des (lefiisses, laMse sich ai)er
durch die anfänglichen Schmerzäusserungen der Patienten nicht abhalten , die
Compreanon einige Minuten bindnreh fortsosetsen, da dann oft mit einem Schlage
die PalaaCion und der Scbmerzparoxysmns aufbOrt; doch läsat sich Aber die
Dauer der scliliesslich daruacli auftretenden Besserun«: keine bestiminte Zeit-
angabe machen. Von nicht narcotischen Medioamenteu , diu das Auftreten der
AnfMIe zu verhindern oder bei längerem Oebrauch die Zahl und Dauer der An-
ftlle abcnkttrc«! im Stande ahid, ist hödistens das Ergotin su erwibnen. Wir
baben t-s in Doseo von O l bis 0-25 mehrmals tüglich gegeben und nach längerem
Gebrauch schliesslich eine wesentliche Verrinpi-rung der Anfälle, die schon vorher
an Intensität abnahmen, eintreten sehen ; in einer Keibe von Fallcu ist sogar
ein vollständiges Oessiren der AnfUlle wibrend einer langen Beobaebtungsperiode
zu vorzciobnen gewesen, nachdem sich sobon vorher eine Hesserun^' doa AUgemein-
betiudcus einfrestellt halle. Ob allerdings zwischen der Medicalion und dem
erwähnten Erfolge ein sicherer Zusammenhang besteht, lässt sich, wie so oft,
nicht mit Bettimmtbeit erweisen ; jodenfalts verdient das Mittel stets versucht in
werden. In einigen Falieu hat die Application von ableitenden Mitteln, Sina-
pismen etc. , auf das Kpigastrium und die Application des elektrischen Pinsels
auf die Schraerzpunkte an der Wirbelsäule oder au der ätelle der Pulsation
anscheinend einen guten temporären Erfolg ausgeübt. Sehr vortbeilhaft ist es,
fBr regelmftssigen Stublgang su sorgen und mistige Gymnastik des Unterldbee
ansfittliren zu lassen.
Im All*reuunnen ist also die Prof^niise des Leidens, uameullieh bezüglich
des völligen Krlöscheus der Paroxysmen, nicht günstig oder wenigstens vorsichtig
XU stellen, da ROekflUle, wie bei der typischen Hemicranie, die Regel sind, nnd
da, zumal innerhalb der ersten Monate nach Be-rinn des lieidenB, nur eine q^uptomar
tische Einwirkung auf das Leiden nioi^lich erscheint.
Eine besondere Erwähnung möchten wir im Anschlus.se an die oben
gOgebcne Schilderung noeh einem Zustande widmen, der, obwohl ndativ selten,
ebenfalls in mancher Hinsicht das Interesse des Arztes verdient. Es handelt sich
um eine partielle, arterioselerolische ^'erdicknng eine*? grösseren Tlieilr^ der
Aorfa ohdotninalis, die wir in 4 Fällen unserer Beobachtung als einzigen (irund
Starker, cardialgischer Anl^Ue anzusehen gezwungen waren. Vielleicht ist die
eben erwähnte Ursache eardiaU^seher Paroxysmen viel häufiger; aber da der
Causal/.iisammenhaug zwischen Gefässerweiterung und Schmer/.paroxysraus eben
nur bei Vnrhaiidcnsein einer palpablon (Jefässcrweiterung sieh mit genügender
Sicherheit erbringen lusst , so kann das Material au verwerthbaren Fällen eben
naturgemäss nicht reiehlieh sein. Bei den 4 hier in Betraeht kommenden Fällen
unserer Beobachtung — (sie betrafen ältere Männer) — handelt es sich um eine
stark •lu^irclinitete sclerotische \'er(lickung einer gnisseren Strecke der Aorta
aUlijiiHuiilitt. durch die das üefass in ein sehr starres und stark geschlängeltes,
flberaos dentlich abzutastendes Rohr, das an manchen Stellen sogar kantig ver^
diekt erseheint, dessen Pulsationeu aber stets wahruelmtbar sind, verwandelt wird.
So wenig l'.r-' ht inungen im fJanzen eine sitlche Veriiuderuiig des Gcfil^ses bei Leuten
zu machen scheint, die sich viel bewegen und guten Stuhlgang haben — sie
giebt sieh dann wohl nur durch ab und zu auftretende Beschwerden neuralgischer
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PABOXYSMALE FULSATION. — FE6U.
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Natur nnd vielleicht durch periudisebe Koliken und Hlmorrhoidalblutungen kund
— so starke Beschwerden ruft sie bei Individiteü hervor, die in Folg^e ihrer
Thfttigkeit zu einer dauernden , sitzenden Lebensweise gezwungen sind und an
einer primären oder secundären Plethora abdominalis leiden, deren sichere Folge
die eompeDsireode Arterioselerose der safolirenden Arterien, deren Arbeltoleiatung
eben (Ibermilssij? in Anspruch genommen wird , ist. Bei derartigen Patienten
treten . namentlich wenn sie gezwungen sind . sieh IfiiiLTrc Zeit tief auf ihre
Arbeit heruuterzubeugen oder in Folge gewisser Hescliäftiguugen genöthigt sind,
das Abdomen, noch dazu bei nnzweekmlssi^er Arbeits- und Sitsangelefrenheit,
dauernd und stark zu eomprimiren , ausserordentlich heftige, meist continuirliebe
Schmerzparoxysmen auf, die sieh nicht nur wahrend der Arbeit und nameutlieh,
weou einige Tage hindurch stärkere Obstipation besteht, besondern steigern,
sondern aneh in der Rttd^eolag« im Bette, wenn das entweder direct eomprimirt«
oder durch Verlegung seines Abfiussgebietes zu erhöhter Wandthlltigkeit gezwunt^ene
frefJtss wieder unter normale VerhiUtnisse sresetzt wird, re<"ht qualvoll werden
können. (>ewöhnlich besteht beständig ein dumpfer, bohrender Öchmcrz, der
nach der linken Abdominalhülfte und nadi dmr Wirbetsftule hin ausatrahlt;
zngleidi klagen die Kranken Uber ein GeflIhI von dgenthflmlichem Klopfen in
der linken Seite des rnterleiltes. h.lufig auch Uber Sensationen von Ameisenlaufen
uud l'ar.-isthesie im Leibe und in den Heineu. Die Diagnose kann nur gCRtellt
werden, wenn bei Aussehlui^ä alier übrigen Momente, durch die iihnliche uardial-
ffisehe Besch werdfn hervorgemfen werden kennen, die partiell verdickte Aorta
mit ibreti SchUingelungen deutlich als ausserordentlich hartes, unebenes, oft nach
den Seilt n hin etwas kantiges, aber ziemlieh stark pulsireiides und nicht deutlieh
ausgeweitetes Kohr gefühlt werden kann. Die Diagnuäe wird gesichert, weun
dieser Cylinder bei Berflhmng deutlieh schmerzhaft ist, und wenn Compresslon
der Geflüse den Schmerz steigert. Auch der Schluss ex juvantibus kann für die
Diagnose eine FVirderung liefern, wenn njim!i<di die hier einzijr niftirliehe rationelle
Therapie eingeschlagen, d. h. die Haltung des Körpers bei der Arbeit total ver-
ftndert nnd der Stuhlgang geregelt wird. Schon wenige Tage, wfthvend weleher
der Patient beständig in horizontaler Lage verwdlt oder wenigstens das Sitzen
mit /ns,inimengepres-ti III rnterleihe vermeidet, genügen, das Leiden zu beheben
oder erlieblieh zu vermindern, der Stuhlgang stellt sich oft von selbst ein, die
Schmerzen verlieren sieh und nach Verlauf einiger Wochen ist auch der Schmerz
bei enerf^scher Betastung^ versehwunden und die Pulsation der Aorta beiweitem
geringer als vorher, obwohl die Wandverdickung sich natürlich nicht verändert
hat. Man muss hier annehtiien, dass nach Behebung der Widerst.lnde in der
i'eripherie , d. h. nach Verminderung einer mehr oder weniger starken , bei der
starren Röhre besonders fühlbaren Knieknng, vielleicht auch durch Entlastung
des Capiliargebietes, eine Erleichterung der Blutcirculation im Stamme der Aorta
eintritt, und dass mit d«'r Behebung dieser Widerstilnde die sclimer/.hafte Zerrung
und Streckung der verdickten Wand bei der i'assage des Blutes fortfällt.
Pcgii. In den letzten Jahren ist Pegli bei Genua als klimatische Winter-
station in Aufnahme gekommen, und dies mit Recht, denn es ent.spricht den
Tlauptanfordcrnngen, welclie ni;in an einen klimatischen Curort der Riviera stellt,
nämlich 1. durch.schuittlich möglichst gieichmässige, relativ hohe Temperatur der
Wintermonate, 2. mdgliehst viele, sonnig klare Tage, 3. möglichsten Schutz gegen
Winde und 4. reine, besonders aach staubfrde Luft zu besitzen. Die klMne Stadt
Pegli, 7 — >^<»()() l-jrr.v(ihner , 10 Km. westwitrts vcn Genua ist mit dieser Stadt
durch Tr.iiMway 1 Stunde Fahrt) und Eisenbahn (15 — 20 Minuten) verbunden.
Im Norden entsendet der Monte Penello, 996 Meter hoch, SeitcnzUge nach Südo.st
und nach Sttdwettt dem Meere entgegen. Hit breitem, pinienbewatdeten Rttcken,
zieht sicli der hauptsilchlichste dieser Seitenzüge , stets noch in einer Hohe von
300 — 200 Metern bis unmittelbar an s Meer , wo er vom Casteliazo zur Villa
Rosen bac h.
584
PEGLI. — PFEILGIFTE.
Rapulli, als steiles Vor?ebir^e abfallend, kanm Raum für die Hauptstrasse gewihrt.
Diese bis au'.s Meer vor;re.scho})ene „spanische Wand'' iimfasst das ganze Area!
der Villen. lu den letzten zwei Jabreu bat sich ein Coneortium von genuesischen
Gapiteliiten «um Ausbaue tob 80 Yinen der Stratse entlmiTf ^ Oirtdiea
amgeben, gebildet. Die Promenade de! Villini bietet den schwächsten Winteramv
gftsten in Pepli einen herrlichen Spazierweg in srcHrhdtzter La^^e und mit nnver-
gleiobliobem Ausblicke, erschliesst aber auch dem kräftigeren Fussgäuger eine
groBse Zahl weiterer Touren. FUr Fremde, die Ibren Winteranfentluilt in Pegli
zn nehmen beabsichtigen, kommt das 6nnd H6tel et de la Mediterran^e, welches
im Ik'sitze Schweizer Wirthe ist. in erster Linie in Betracht, neben demselben
bestehen noch das Hötel d'Angleterre beim Hahuhof, sowie das Grand Hötel
Pegli. Das etwas feuchtere Klima von Pegli im Vergleiche zu anderen Stationen
der Rivieni soll sieb vor Allem eignen flir Lungenleiden mit mebr trockenem,
eratbiBehem Charakter. Ganz besonders ist der Aufenthalt passend fflr schwftchliebe
und blutarme Individuen, Kinder wie Krwaehsene. riann für NVrvenleidende, Ueber-
arbeitete und Keconvalescenten. Lngtlnstigen Iuutiuä> hat das Klima der Riviera
In allen Flllen von organiseben Henekrankbeiten , besonders bei Atberom und
fettiger Degeneration des Herzmuskels. Nach den Heobafhtun{j:en im Winter 1890
und 1891 giebt Wagxkr als Mittelzahlen für die Temperaturen in Pegli an:
Monate Januar Februar 9-0«, März ll'ö«, April 13-5% ^ovember 12 öS
Deeember 8'0*.
Literatur: Das Klima der Riviera und der Curort Pegli. Von Dr. Bvdolf
Wagner, Curatat, Mit Anaiclitfia ond einer topographischen Karte. Loaem
Risch.
PBrteOlitiS, s. DarmentsUndung, pag. 180.
Perityphlitis, act inomycotica, s. Darmentzündung, j)ag. 1)^6.
Pfeil Qifte. Oass die australischen Pt'eiltritte kein eigentÜL-hes PHanzeii-
gift enthalten, lehren auch neue Versuche von Damki Uber das l'teilgift der
NeU'Hebriden. >) Dieses bestebt ans Erde mit vegetabiliscber Snbstans aus
sumpfigem Terrain. W i in ihm wirken kann, sind Sehizomyceten, von denen der
Vibrio sf^jifici/s und der Tetauusbacilliis darin vorhanden sind, .ledeiifall'j ist der
£ffeet nicht mit der rasch tödtlichen Wirkung der Herz- und KUckeumarksgifte
einsebliessenden Pfeilgifte der ostasiatiseben Insulaner sn Tergleieben.
Das Pfeilgift der Ainos ist nach neueren Studien vonELRiDOS'l
mit Bestimmtheit als von einer Art Aconitum abstammend anzusehen. N.ich
B. 8CHREDBK werden die jungen Seiteuwurzein im Sommer gesammelt uud bis
zum Herbste im Schatten getrocknet. Die gifthaltigen Wurzeln sollen weicher
werden, Indem eine Art Gibrnngsproeess eintritt. Naeb Entfernung ibrer äusseren
Schale werden sie zwischen zwei Steinen zu einer teigigen Masse zerrieben und
köunen dann direct oder auch später auf die Pfeilspitzen ge-^triehen werden. Nach
Elkiduk \ ergrübt mau das Gift, nachdem es mit iudiHereuten Stoffen gemischt
ist, in den Erdboden, und später erbält man einen dicken, dunklen, rotbbraunen
Teig, der vor dem Aufstreicheu auf die Pfeile mit Tbierfett gemischt wird.
Genauere Mittheilniigcn über die als Ipoh bezeichneten Pfeilgifte der
Eingeborenen von Straits Settiement verdanken wir L. M. Wrav y und E. M.
Holmes.*) Mau wird darnach die Ansiebt aufgeben mllssen, dass die^e lpob>
arten sämmUicb zu Anttari« toxicaria in Beziehung stehen. In Perak gebraucbea
sie die ."^einangs im Norden und die Sakais im Süden, l»eide unter Heniltzuiisr vitn
Blasrohren und Wurtspiessen , erstere auch unter Benützung von Bogen uud
Pfeilen. Die in der Ebene lebenden Semauga und Sakais wenden den giftigen
Milebsaft von Antiari» toxicaria an, der von ibnen Ipok kaju (Gift-
bäum) genannten I'tl.tn/e Wrav hat auf seiner Reise aum l'lu Salama zwd colos-
sale Giftbaume gesehen, die in einer Kntfernung von 5 Fu-is über dem Erdboden
T) Fus.s im Durehmesser mas^eu und bis zu den ersten Aesteu über lüO Fuss hueh
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PFEILGIFTE. — PUOSPüOBVEEOIFTUNG.
Ö85
waren , alle bedeckt mit den Narben der in sebfiger Riebtttllg geftthrten Ein-
Bchnitte. Zu firm Safte, von weU'hen drei l'nzen zur Ver^if(uii2r von I<tO Blas-
robrpfeilen dieueu köDuen, werdeu mitunter nocb andere j^ittige Ptlaozcnsätte
hinsttgeffigt, der 8«ft der Aroidee Amorphoph«!!«« (Likfr) nnd der-
jenige dw Knollen von Dtoscorea hirsuta Bl. (Gadou^^. Die Sakais der
Berge benutzen dn^M'jren drei als Ipoli oker ('Wurzeljriftj , Pruol uud Ak-pv
Lampong bezeichnete PHanzen. ihre Hereitunj^sweise weicht der Beschafl'onheit
der angewendeten Materialieu gemäss wesentlich ab. Wflbrend die Vergittuug der
Pfeile mit Antiariesaft in einfeeher Weise so hngeetellt werden kenn, daes man
den Saft auf einem hölzernen Spatel im Feuer allmälig eindickt, bildet das Pfeilgift
der Sakais der Berjre einen durch Abkdi hun^ der drei Wurzelrindeu fand zwar 6 Th.
Jjjoh Aker auf je 1 Th. der beideu anderen; bereiteten Syrup , der in der Kälte
fest wird. Die in dem HerlMurinm der JPkarmoeeutieal Soeie*y vorhandenen
Specimina von Ipoh und Aker Lampong , die weder Frflehte nocb BlQthen
))e«itzen , gehören naeh Hoi MKS Strychnosarten an und seh» inen d<-r Speeies
Hirifchnos WaUichiana sehr nahe zu stehen. Prual ist nach deu von Kadlkufer
ausgeführten Untersnehnngen der allein vorhandenen Wnnd weder dn StryefanosY
noeh eine Rubiacce. Von ganz besonderem Interesse ist die von Ralph Stocs-
MAN gefundene 'riiatsache . dass die beiden von IIOLSIF.S auf Stryehiiosarten
zurflckgeführten Drogen keine ätrycbniowirkung haben, sondern Herzgifte nach
Art des Digitalis sind.
Dass die asiatisehen Pfeilgifte ausserordentlich baltbar sind, bewtisen
Untersnchuii?:en , welche Doyox ) mit einem mehr als 30 Jahre alten Antjur
von Java niaclite. Die Thaisaehe. dass Autjar als Herzgift wirkt, wird dadurch
bestätigt: der Herzschlag bistirt bei Warmblütern stets 23 — 24 Secundeu früher
als die Athmung, die allerdings aoeh selbst durch das Gift etwas beeintriehtigt
wird. Durehsehneidung der Vagi und Atropin verzögern den Eintritt des Todes
und machen weit bölnre Dosen erforderlich , um den Tod herbeizuführen. IJei
Warmblütern wird die Reizbarkeit der Vagi in dem letzten Stadium der Autjar-
wirknng herabge^etat, hdm Frosche bleiben- die Vagi stets reisbar. Die Wirkung
des Giftes auf die Muskelfasern ergibt sieh aus der Einwirkung auf die aus-
gesehnittene Herzspitze.
Ein neues ostafrikanisches Pfeilgift, das Pfeilgift der Wakambas,
eines Volksstaromes , der den oberen Tbeil zwischen Kenia uud Kalimandsebaro
bewohnt, ist von Pastbkis") als Hengift erkannt worden. Die bei der mikro-
.skopischen Untersuchung eonstatirten , verzweigten Milehsaftgefflsse weisen auf
Abstammunj; von t-iiier Apocynacee hin. Paschkis extrahirte daraus ein von ihm
U k am b i u genaunte.s, in Tafeln kry.stailiäireudes, stickstotl'freies Glycusid, dessen
Losungen bei Gegenwart von Ammoniak dnreh Bleiessig, auch dureh Tannin
gefilllt werden, rit ini Kochen mit Sauren gibt es Glycose und ein nicht giftiges
gelbes Spaltungs|)roduct. Ks steht dem Strophanthin nahe und gibt einzelne Farheu-
reactionen des Digitalius uud Strophauthins. Bei Fröschen bewirkt es ausser systo-
lischem Herzstillstand auch starke Verengerung der GeAsse. Auf Stngethiere wirkt
es qualitativ gleich, (inuntitativ stärker als Strophauthin , so dass 5 Mgrm. sub-
cutan Huode in 2 — 'Ä Minuten tödten.
Literatur: *) Baotec, AMtralia» arrow poinon. Lancst. 6« Aag. 1892,
p»R. 380. — »)EIridge, The arrow poiaonofthe Aino». Natnre, XLVI, pag.474. — ») Wray,
Jpo'i. Kew Bullet. Nov. Is-Ol. — ')IIolme's, Ipoh. Pharm. Joiirn. Transact. 12. Nov. isy-.^,
pnf?. ;^SS — ■') Doyon, <'oi\(nl>ntio)i ä I'etixle lien effeta de l' Upua Aiiljar nur le coeui etc.
Arch, il." i)livsi.ii. is!»-.'. Nr. 3, pag. 501). — ' i Pa s ebkis, Ueber eia ostafirikanisobts Pfeilgirt
Central!»! f. d. m. .1 Wisson.scb. lS9li. Nr. lu, 11. Hasemann.
Phenole, Bestimmung im Harn, pag. 372.
Phlyktaenen, Mikroben bei P., 8. Conjunetivitis, pag. 173.
Phosphorvergiftung. Grosse Bedeutuug filr die Aetiologio der Pliospbor-
vergiftung bat io neuerer Zeit in einigen Lftuderu die Verwendung des i'bospbors als
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586
PHOSPHORVERGIFTUNG.
Abortivmittel gewonnen. Namentlich ist dies in Schweden der Fall, wo die Phosphor-
vergiftuiig ganz erheblich zugenommen bat, namentlich in Folge der Einschränkung
des Arsenikverkaufes i,1876). Während 1866—1870 die Zahl der Todesfälle durch
Amnik 106, dnreh Hioiphor 16 h^tng und 1671—1876 119 tMtlidie AzMoik-
vergiftangen und 25 letale Phosphorvergifliiogeii vorkunen , stellt sich das Ver*
hältniss von 1876 — 1880 auf 111:66. Dass schoD damals die Anwendung- als
Abortivam eiaeu grossen Autheil an der Phosphormortalität hatte, darauf weiat
der Umstand hin, dass aehtmal so viel Franen wie llJbiner dnreli dieses Gift ihr
Leben verloren. T^'ie stark aber diese Verwendung dabei betheiligt ist, gebt ans
der Statistik des Knmkenbauses Sabbatsberg hervor, wo von .'J6 Pbosphorver-
giftUDgen 23 auf Frauenzimmer fallen, von denen 11 mit Bestimmtheit, 12 mit
grOister Wahrsolieinlidikelt den PiioBplior inm Zweck der Abtreibnng genommen
hatten. Dass dieser Zweok in vielen Fällen nicht erreicht wird, lehrt der Um-
stand, (la<s in eiiiom Falle, wo aller Wahrscheinlifhkeit nach mebrmnls Phosphor
eingeführt war und der Tod erst drei Wochen nach dem Auftreten der ersten
Vergiftuugserscheinungen eintrat, zwei Tage vor dem Tode die Geburt eines lebeuden
Kindes erfolf^e,'nnd dass in den übrigen Fllien, wo Schwangorsebaft Torlag, der
Embryo bei der Section in der Gebärmutter angetroffen wurde, Von Interesse
i.st , dass in Füllen, wo wirklich Frtlhgeburt eintritt, in der Leiche der Kinder
sich subserüse und parenchymatöse Blute.\travasatc und Verfettung der Leber mit-
unter naehwrisen lassen.')
In Bezug auf den Einfluss der Phospborvergiftnng auf die Stiekstoffaus-
scheidung im Harn lehren die nencBteii Studien , das'» man zwinchen Fällen , wo
beim Menschen der Tod rasch durch Uerzläbmung erfolgt, und solchen, wo die
Affeetion länger danert, zu imiersdie^en hat. In ersteran Falte ist die Öessmmt-
stiekstofTausscbeidnng und dementspreebend die Hamstoflkussebeidnng stark herab-
gesetzt, doch brauebt die letztere im Verhältnisse zu ersterer nicht verringert
zu sein und kann selbst mehr als neun Zehntel des (iesammtstickstoffes botragen.
Bei längerer Dauer der Atlectiou steigt die Stickstoffausseheiduug oft sehr hoch-
gradig (bis 10-^18 Grm. im Tage) and hier tritt dann V«rmindemng des Harn-
stoffes (70 — 80"/o) bei starker Vermdirang des Ammoniaks (10 — 18% i ein. Dass
die stark vermehrte Ammoniakausscheidung auf der abnormen Froduction
saurer StoHwechselproducte beruht, lässt sich daraus schliesseo, dass erstere nicht
bei den mit Phosphor vergifteten Kaninchen auftritt. Vermehrung der Harnsäure
findet anfangs nicht statt, Indem zunächst das Protoplasmaeiweiss und erst später
das Nudeiu zerfflllt, dessen Spaltung dann allerdings eine gerinL^e Ilarnsäuro-
zunabme zur Folge hat. Die grosse Ammoniakmenge, deren Alkali werth allein
den aller Torhandenen Sturen flbertrifil, maeht bei der stark sauren Reaetion des
Harnes das Yorhandensdn fremder Säuren unzweifelhaft, von denen in Fällen mit
langdanerndem Coma und starkem Icterus auch Fssig- und Ameisensäure vorlianderi
sein können. '■^) VAn Zerfall der rothen Blutkörperchen als Frsache der verminderten
Alkaleaceuz des Blutes , welche nach Jak.scu *) sehr rasch und mitunter in sehr
hohem Grade naehgewiesen werden kann, wird beim Mensehen niebt oonstatirt,
vielmehr findet sieb sowohl in günstig als in nngUnstig verlaufenden Fällen trän-
sitorisehe Vermehrung der Erythroeyten bei gleiebbleibendeni llrimoglobingebalto
und Verminderung der Leukocyten, während bei Kaninchen Vermehrung der weissen
Blutkörperchen bei gleichbleibender Zahl der Erythroeyten und bei Hflbnem enorme
Destruction der BlutkdgelcLen und starke Leakocytose durch Phosphor hervorgerufen
wird, r^as Kiweis-^ des Hintes ist in den ersten Tagen tles I 'liosjJiorisniut acutug
beim Meu&cheu ebensoweuig wie die Dichtigkeit des Blutes verhindert. -'j
Dass man in einzelnen höchst acut verlaufenen Fällen ohne Icterus und
ohne genaue Anamnese die Diagnose der Phosphorvergiflung nicht aus den patho-
logischen Verandeningen der Organe stellen kann, ist ein nicht wegzuleMiriii ndes
Factum. So kann z. B. das Vorhandensein von F.ndoearditis als Frsacbe der he-
jreneratiou des Herzmuskels angesehen werden. In derartigen Füllen deutet der
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PH0;äPHüRY£RÜIFTUN6. — Ffl0äPH0RV£R(jlFrUN6 (acut«).
587
Sitz der Fettentartnng der Nierenepithelien in den gewundenen CanAlchen und
den absteig^endcn HENLE schen Rchleifm mitunter auf die fraf;liehe Vergriftung, Hier
wird in den meisten Fällen das i'hospboresciren des Magendarminhaltei oder das
Vorhuidenseiii vmi NadeOioInttlekeii die Sidieriieit der IMagnoee gewlbiidatoD. In
den Ornpanen Icann der Phosphor nicht immer mittelst des MiTSciiRRLicH'mhen
Apparate« nacbfrewicseti werden ; man wird aber in solchen Fällen das Ditsard-
BlonDLOT sehe Verfahren anzuwenden haben, da es trotzdem nuch gelingen kann,
eine durch nascireoden Wasserstoff zu Pbosphorwasserstoff redueirte Phosphorver-
biodung nnehxitweieen, wie das in einem in 9*,', Standen letal verlanfenen Fnlle
von Langer •resebah.*!
Für die Behandlung der I'hosphorvergiftuug ist in der neuesten 2eit
Kaliumpermanganatlösung vielfach mit Hrfolg benutzt (vergl. AntidutaJ.
LitftratQrt Warfvinf e*). BedoffSretea fS*' de förgiftninnnfall tom fSrekommtl'
n Sa^atabtri/o Sjiil-fiiis ii>i'/fr tirrii /s;'*— /s''/. Hviriea. Jan. 181»^, pap 1 — *| F r i e d 1 ii n <l e r,
Ueher Pliosphurveririrtunjf hi i Hoiti si Ii watigcren. Königsberg lS!»:i. — -} Mun/,«;r K., IJeiträge
zur L^bre vom Stoffwoi lisel ties Meii^^rhen bei acuter Phospborvc-rgiftung. Centralbl. f. klin. Ued.
Nr. 24. pajr. 4äd. — *) Jakseh, Beitrag: zur Kenntniss der acuten Phaspborvergiftuag dei
3f«nfic1ien. Dentucbe med.Wodiflntclir. 189H, Nr. I, pag. In. — ') TaussigOtto. Ueber Blut«
befand Ix i anit<T Phi)>.[pIiorv.-r2iftun^', Arr-li. f. PxiitT. Pnth. ]S92, Bd. XXX. H. j, p,!- Itll. —
Langer, Ucber einen Fall von ra8cli tüdtiicber i'bospborvergiltaiig mit eigeutliumlicbem
Befände. Fn^ med. Wodienachr. Kr. 3tl. HatamaHB.
PhOSphorvergiflung (aeate). IMeaentePhoephorvergifhing ist in jenen
Staaten, welche den Handel mit den gewöhnlichen SebwefelhAlzcfaeo verboten
haben, sehr selten geworden, in jenen Staaten .ilifr, in denen dies nicbt dt-r Fall
:8t, wie z. B. in Oesterreich, gehört die Verjjittuug mit I'ho.sphor zur t-'*'briiu<'li-
lichsten und häutigsten Form des äelbstmurdes, sei es, dass die Köpfchen der
ZflndhOlzehen in Wasser anfgesehwemmt, abgekocht oder, wie dies von „gebildeten"
Leuten geschieht, in Milch gelöst genommen werden. Die medicinale Vergiftung
mit Phosphor — in der Form des in der Kinderpraxis jetzt sehr gebräuchlteben
Phosphoröles — ist eine glucklicher Weise recht seltene Form der Vergittung.
Id dem Ffdgenden werde ieh es versneheo, die Lehre von der Phosphor-
vergiftung bauptsncblich in der Richtung des Einflusses dieses Giftes auf den
niensi'hlieben St<it!\veebsel zu ergänzen und verweise daher bezüglich einzelner,
etwa fehlender Details und insbesondere betretls eines aui^fubrlicbon Literaturverzeich-
nisses anf das in der 2. Anfl. der Resl-Encydupädie von Rirss Gesagte. Heine An-
gaben stutzen sich auf die Beobachtung voneirea 20 Fällen von Pbosphorvergiftnng
welche ich in den letzten zwei Jahren zu untersuchen Gelegenheit hatte, wobei
ieh bemerkeu möchte, dass diese Zahl nur einen Theil , allerdings den grösseren
Theil der im hiesigen allgemeinen Krankenbause (Prag) aufgenommeneu Fälle von
Phosphorv(»|;iftnng darstellt, ein trauriges Zdehen der DimensioD, welche diese
Vergiftung bei uns angenommen.
Symptomatologie: 1 . Stadium der I o c a 1 e n Wirkung. l')er
l'husphur scheint zunächst jene Schleimhäute, welche er bei seiner Aufnahme per
09 pasrirt, stark sn reisen ; dementspreehend findet man die Zunge und die S e h 1 e i m-
haut des Kachens häufig sehr trocken, etwas geröthet. Die Kranken
klagen mitunter auch über diese Trockenheit im Hachen , haben Schmerzen beim
Schlingen und das GefUbl von Brennen im Halse, welche Erscheinungen jedoch
meist gar nicht beachtet werden und auch ganz znrtlektreten gegen diesehweren
gastrischen Beschwerden, die sieh in Schmerzen in der Hagengegend,
stiridi.'-fMn Urerhreiz und h.tufiL'-eMi Erbrechen zu erkennen geben. Dieses
Stadium dauert — vorausgesetzt, dass es sich nicht um eine allzu schwere V'er-
gittiiug haudelt und keine entsprechende Therapie eingeleitet wurde — ein bis
zwei Tage, nach welcher Zdt das Erbrechen nachlitsst und die Kranken rieh bis
auf etwas Druekschmerzhafligkeit in der Lebergegend ziemlich wohl fühlen. Nnn
aber zeiseu nach weiteren 21 Stunden die Kranken eine rasrb zunebmende
Schwäche und Apathie, man bemerkt anfangs nur um das Kinn und die
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588
PHOSPHOR VERGIFTUNG (acute).
Nase, bald (iber das »anze (ifsieht und den K^^rper au8£:ebreit('t eine fahle,
blasse Hautfarbe mit einem leiseo Stieb in's Gel)>licbe. Die KraDkea betinden
sich jetzt äcbou im 2. Stadium der Vergiftung, iu welchem der Phosphor
bereits snm Theil reeorbirt wurde, im den Kreielanf eingetreten
ist nnd seine deletJIren Wirkongen überall entwickelt, wohin er kommt.
Der Kranke liegt in voller Apathie und stöhnt nur hier und da bei
Lagewechsel oder bei der Untersuchung aua seinem halb bewuästlosen Zustande
nof. Die Temperatur der Haat« deren OetbflUrbnng mehr und mehr snnimmt,
ist normal; nur in wenigen FflUen und meist durch anderweitige, mit dem
eigentlichen Vergiftunprsprocessc nicht in direeter Verbindiintr stehende Compli-
eetionen findet sich eine erhöhte Temperatur. Die Herztöne sind ausser-
ordentliefa leise, dumpf, der Pate Icavm zu tuten, sehr freqnent. Die Sehmerz-
hnfUgkeit in der Lebergegend hat zugenommen , die L e b e r ist deutlich v e r-
grössert nachzuweisen. Die Milz ist nicht geschwollen, ein IIii<}roj>s Asrifr.-c
nicht vorbanden. Jetzt kommt es auch zu Blutungen aus deu verschiedensten
Organen : Nasenbluten, Hautblutungeu, Blutungen aus dem Genitale u. s. w. Die
Kranken sind nun vollkommen bewusstlot geworden und geben entweder in diesem
Zustande ra?ch zu Orundc oder sie zeigen mehr miuder intensive Unruhe und
Aufregung', welche sich mitunter zu lebhaften Delirien Htcifjeru kann,
bilutig sich auch durch zeitweises markerschütterndes Aufschreien aus dem be-
wuBBtlosen Zustande ebarakteririrt.
Nieht immer ist der Verlauf ein soleber, wie er eben gesebUdert wurde.
In Fällen, in welchen die Vergiftung mit ausserordentlich grossen Mengen Phos-
phors stattfand, kann der Tod in wenigen (7 — d!) Stunden eintreten; in jeueu
FSllen hinwiederum, in dentm sebr bald nach der Vergiftung eine eneigisebe
entsprechende Behandlung eingeleitet wurde, kann das erste Stadium, das der
Idealen Wirkiinir des IMidsphors , {ranz fehlen und der Troce^is kann, falls über-
haupt nichts vom Gifte zur Resorption kommt, vollständig abgeschnitten crsubeinen
oder es gelangt doch eine genügende Menge Giftes zur Resorption nnd die be>
treflRsnde Person selgt direet die Allgemeineneheinnngen der Phospbonrergiftung*
Pathologische Anatomie. Diejenige Veränderung, welche für die
Giftwirkung des Phosphors charakteristisch stets durch seine Wirkunir auf die
Gewebe hervorgerufen wird, ist die Ver fett ung der Orgaue. In welcher Form
nnd wodurch der Phosphor diese Verfirttung herbelfUlurt, ist bis beute unentsehieden ;
die Thatsaehe selbst aber schon seit Langem siobeigestellt , nnd zwar zunilchst
durch Il.M FF. der I SßO als der erste auf die Verfettung iler Leber als eine Folge
der Pbosphorvergiftung aufmerksam machte. Bei dieser Verfettung der Leber-
seilen degenerirt suniebst das Protoplasma der Zellen } wibrend der Zdlkem
widerstandsfähiger erscheint und meist, insbesondere in der ersten Zeit, intact
bleibt; bleibt das Lehen des Individuums trotz der Vergiftung lSns:er bestehen,
dann geht auch eine Reihe von Zellkernen zu Grunde, was sich vor Allem durch
die verminderte Ffirbbarkeit derselben au erkennen giebt. Mitunter kommt es
aoeb SU raseb eintretendem vollkommenen ZerfoU der Zellen, die Leber wird in
Fdjtre des,sen kleiner — secundilre acute Leber atrophie nach Phosphor-
vergiftung. Ich nmehte hier hervorheben, dass von einifren Autoren auch
interstitielle Veränderungen entzündlicher Matur in der Leber
Pbospborvergifteter gefunden wurden. Verlndernngen , welche jedenfalls bei dem
ineonstanten Vorkommen und der geringen Ausbreitung derartiger Proeesse keine
besondere Hcdeutung beanspruchen dürfen, und dass ferner neben einer Fett-
degeneration vielleicht parallel läuft eine i^'ett infiltration der
Leber, woflSr schon die auffallende Thatsaehe des auMerordentlieb hoben 6e-
wichtes spräche . welches mitunter eine derartige verfettete Leber zeigt; so wog
<i:e Leber eines itn zweiten Stadium der \erfriftunc verstorbenen 20jfihrigett
Madchens ( Stickstoifausseheiduntr am Tage vor dem Tode r.''6 Grm. !) 24 30 Grm.,
ein jedenfalls ganz ausserordeutlicb hohes Gewicht, besouders wenn man berUck-
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PHOäPHORVEBGXFTUNG (acato).
589
sichtigt, da83 es sieh um eine eher kleine, allerdings kräftige i'ersoD handelte;
das Gewicht de» Gehirnes betrug in diesem Falle nur 1300 Gni).
Doch die Leber ist wohl das zunächst, aber durchaus nicht das allein
ergritfene Organ, atMli an der Magen- und Darmaehletinliaat (GathiH» glmdu'
laris). im Gehirn, im Herzmuskel, in den Nieren, welehe letstere sehr gross —
g-eschwollen — erscheinen und in welchen die Verfettun» vorzüglich die Epithel -
zelten betrißt, währeud die Gefässschlingen sehr wohl erhalten sind, zeigt
sich dieser auflfallende Einflusa des Phosphors. Sehr wenig, mitunter gar nioht
▼erfettet ersohdnen die grosseren Gefltese, sowie die pertphwen Nerven, wlhrend
die Rnmpfmusctilatur meist stark verfettet gefunden wird.
Einwirkung dos Phosphors auf den Stoffwechsel. Der
Eiutiusä des Phosphors auf den Organismus äusäert sich in einem stark er*
höhten Eiweissserfall, weldier gleiehseitig qualitativ geftndert er^
8cheint, so zwar, dass es znr vermehrten Bildung nnd Anssehddnng stark sanrer
Körper im Organismu-* kommt.
Im ersten Stadium der Vergiftung, wahrend dessen die Kranken stark
erbrechen, der Phosphor jedoeh nodi nieht anr Resorption kam nnd daher kdne
Allgemeinwirkung entfaltet hat (Stadinm der localen Wirkung), finden
wir einfach den StnlTwechstl des H ii ii e r- und I) ii r s t z u s t a n d e 8 , das heisst
eine sehr starke Herabsetzung der btickstoffausscheidung, wobei aber die einzelnen
N-Componeuten in normalen Verhflltnissen vorhanden sein können. Betrügt nor-
maler Weise der Harnstoftstickstotr [N(Uj] 84— 907o, der Ni^NHJ 4—6%, der
Stickstoff der Harnsnnre [N (U i] 1 — ^ des im Harne aii'itrcschiedenen jresammten
Stickstoffes, so tindet man hier meist etwas erhöhte Ammouiakausscheidung (7 bis
(-
O^ o' etwa.s niedri^n- Wertlic fllr NiTi — 86", mitunter ist aber schon
um diese Zeit eine starke Ammoniakvermehruug als Zeichen starker Säuerung des
Körpers vorbanden.
So nntersnehte leh einmal den Harn eines Kranken, welcher am
2»;. Mai 181»2 vor Mitternacht die Köpfchen von 4^ 3 Pnckchen gewöhnlicher
Zündhölzer thelN in sehwarzini KalTee. theils in Wasser zu sich f?enommen hatte.
Dem Ivraukeu, welcher in der ^Jacht vom 20. — 27. Mai in s Krauken-
haus gebracht wurde, wurde der Magen mit Wasser, dann mit Magnena utta
und sebliesslich mit einer ganz dttnnen Lösung von Cuprum sulf'uricum ans-
gespfllt und weiterhin 'rer{)entinr)l innerlich verabreicht. 27. Mai. Der Kranke
erbricht ständig, i.Ht sehr matt, Puls klein, weich. 28. Mai. Patient stark ver-
fallen, Leber deutUeh vergrösaert.
j|H«niiB»affej Harn
N 1 NCNR,) 1 PtO, [Chlor (OONa)jS (als BaBO«)
27. bis 260 Ccm.
88. Mai 1
1
stark sauer;
fiiweiasfrei
in 100 Ccm.
= 0775 Gr.
Tagesmenge
—2016 Gr.
— 'in 10 ) Cetil.
1=0-478 Gr.
Ta^Bimeiige
1 1-2428 Gr.
jN:P,0.=
10J:61*6
. -,
lu ^pur••[l
in lOUCciu.
= 0*022 Gr.
TfecMmeDge
0-0579 Gr.
(A 4- R )
in 100 Com.
= 0-461 Gr.
Tagestnenge
im Gr.
28. Uai
12Ulir
Mittags
Tod
250 Ccm.
stark saaer ;
im Ilat n Eli-
vvi i<> :
kt'in I'i-jiion ;
reichlich
Aceton
in 100 0cm.
=0-374 Gr.
tn
lOOCrm.-
Ol 665 Gr.
N:N(N^
= 100:
17-7
Wie ans der mit^retheilten Bestimmung ersichtlich, waren in dem antr
mortem entleerten Harne 17'7^ g vom Gesammtstickstoff als Amniouiakstickatoli
vorhanden! Es geht ferner aus der obigen Tabelle hervor, wie ausserordentlich
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590
PHOSPHORVERGIFTLNG (acute).
gering in diesem Stadium mitunter die StifkstoffÄusscheidung Überhaupt ist , da
dioHcr Kranke vom 27. — 2b. Mai nur etwas Uber 2 Grm. N durah dea Harn
auaschied !
Kommt aber der Vergifikele ao einer Zeit io Behandlmg , an weleher
noeh nichts oder ein sehr geringer Theil des Phosphors io den Darm eingetreten
war und wird demselben der Magen gründlich ausgesp'llt . dann kann das
Erbreobeo von dieser Zeit an ausbleiben und die Stiokstutiauä^icheidung zeigt —
da der Kranke meint in den ersten 34 Standen k«n Verlangen naeh Speise hat
nnd anoh wenig Nahrung bekommt — die Werthe eines einfachen Hung^rzsstandes ;
tn werden G -.'^ (>rm. N (pro di«- ausgeschieden, bei siemlich normalem Ver-
bältnisse der einzelnen >t-(jom|)onenten.
Beginnt nnn das iweita Stadium der Vergiftung , das der allgemeinen
Wirkung dee Phosphors, so ändert sich das Bild wesentlich. Nun zeigen die
Kranken sehr viel Durst und da glcichsreitig d.is Krhre'-ln.Mi meist minder heftig
ist als im erf*ten Stadium, die Kranken also die aufgenommene Flüssigkeit auch
behalten können, eutleereu sie viel Uarn ; dieser Harn ist aber austterdem sehr
reich an K und die Kranken seheiden nun — trotz des Hnngersustandes « in
dem sie sich meist befinden — dnreh den Harn 15 — 20 Grm. N nnd mehr pro
die aus, ein sicheres Zeichen eines ansserordentüch erhöhten Ei*
w e i 8 8 z e r f a 1 1 e s.
Von diesem Stickstoff werden 76— 85*>/o durch den Harnstoflbtielcstoff
gebildet; das bedeutet zwar eine relative Verminderung, die absolute Menge al>er
des im Organismus gebildeten und ausgeschiedenen Harnstoffs betrflgt 12 bis
4-
Iß Grm. N T) und mehr, also Mengen, welche die Annahme einer behinderten
Hamstoffbilduag im Organismus direet widerlegen. Da aber die relative Menge
+
des N (ü) verringert erscheint, mtlssen doch andere N-Coni])' i;t'nten relativ ver-
mehrt ausg('scliit.den werden; welche 'Ihfilc des StirkstolTs sind also in vermehrter
Menge im Harn vorhanden ? Das Ammoniak, lautet die Antwort ; dieses
macht jetzt 10 — 17% vom Gesammtstiekstoff ans nnd es erhebt sieh die weitere
Frage, wodurch diese Ammoniakvermehrung bedingt ist. Mao könnte ja daran
denken, dass die HarnstofTldldung vielleicht in Folge der Leberverfettung behindert
sei und die Vorstufe des IlarnstotVs naeh Schmiedeberg und v. SchkhDKR
bekanntlich das kohlensaure Aminou — iu den allgemeinen Kreislauf gelange
und dnreh die Nieren ansgeseldeden werde. *) Aber einmal ist eine Verminderung
dea haxBirtoff bildenden Verml^ens der Leber nicht nachzuweisen, zum anderen
kann man durch Darreichung von Alkalien den direeten Beweis liefern, da-<s diese
Ammouiakvermebruug nur durch die starke Säuruug des KOrpers bedingt ist,
indem das Ammoniak snr Neutralisation dieser abnormen Mengen saurer Producte
verwendet wird und die Ausscheidung des Ammoniaks sofort herabgesetzt wird,
sobald dem Körper andere Alkalien zur Neutralisation der sauren Producte dar-
geboten werden. So sank z. B. in einem von mir beobachteten Falle der Procent-
g^halt des Harns an Ammoniak nadi Darreichuug von NaHCO, rasch von
16*56o;o auf 11'06«/« und weiterhin auf 6-2o/o herab!
Der menschliche Körper schlitzt sicli eben vor einem Verluste .-in ll\en
Alkalien i Na. Ka durch Abspaltung von NU ; aus seinem Kiw eiss, welch letzteres
zur Ncutralisatiuu ubuurmer Säuren beuUtzt wird. Hieraus erkl^irt es sich vieU
leieht auch, warum in manchen Fallen trots bedeutender SAumng im Organismus
der CO^-Oehalt des Blutes, welcher bekanntlich nach Schmikdkbkrq als Mass
der Alkab scenz des Blutes beoUtzt wird, gar nicht oder unbedeutend vermindert
gefunden wird.
Drei K(»ri)er N-baltiger Natar lenken noch die Aufmerksamkeit auf sich:
Die II a r ti s .1 u re, das Pepton und die Amidosfturen. Die Harnsftnreaus-
sehcidung li.llt sich bei der Posplinrverjriftunsr stets in relativ normalen Grenzen ;
nur in den späteren Stadien der Vergiftung erscheint dieselbe etwas vermehrt; eine
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PHOSPflORVEBÜIFTUNG (aeotsj.
591
uulTallende Stdgerun^ der HarnsSureaussehtttduiig ist jedoch im Gegeusat/.e zur
Aiin:i!ime, rei^pective Vermuthun^r Houbaczewski's nicht vorliHinien. Was die
Poptuuaiis8L'beidung betrifft, so fand ich in 6 darauf untersuchten Fallen kein
Pepton im Harn ; die weiterhin zur Entscheidung dieser Fra^ von Robitschek ^)
in einer Huhe von Fällen vorgenommenen Unteraudinngen , in welehen die Be-
stimmung nicht einmal, sondern (afrt.'ljilich austreführt wurde, und zwar sowohl nteh
der Methode Df.voto's als nach der Hofmkistkr's, erp-ab mit Sicherheit das
Resultat, daa-s in einer Zahl vou Fällen, allerdingü nicht in allen,
Peptonurie während der Pcephorveryifttittg vorhanden itt ; doeh ist der E i n t r i 1 1
dieser Peptonu rie an kein besti mmtes Stadium gebunden. Sie tritt
in dem einen Falle knapp vor dem T(»de ein , in dem anderen wieder in den
ersten Tageu der Vergiftungp , um vor dem l'ode voUkomuieu zu verschwinden.
Wodnreh diese Differenzen bedingt werden, wissen wir nicht; ein Thell dieser
Peptonurie ist viel leicht durch die Läsion der Darmsdileimbaut und die directe
Aufnahme \-<>n Pejtton in das Hliitfrefäassyatem zu erklären, eine sich<rp. für alle
Fälle von i'eptouurie passende Erklärung kennen wir jedoch bis heute nicht.
Ich möchte sohliessUeh nicht unterlassen, nochmals au erwähnen, d&as es
in einer Reihe von Phosphorvergiftungen flherhaopt nicht cur Peptonurie kommt,
dieselbe ilsn jedenfalls nur untergeordnete Bedeutung für diese
V erg i 1 1 u n fe' besitzt.
Bezüglich der Amidosäuren niuss ich erwähnen, das-s ich iu vier
daraufhin untersuditen Fällen ein negatives Resultat hatte, kein Tyrosin oder
Leucm im Harn fand; snmmirt man sebliesslieh in den flbrjgmi von mir uutw-
+
Buehten Fällen N(U), N(NH,) und N (ü), dann kann man aueh auf diese Weise
naehweisen, dass andere N-haltige Körper, also auch Amidosäurwi, in jedenfalls
nur sehr g^erin^er Menfre im Harne vorhanden sein konnten.
Nur in einem Falle, in welchem wahrscheinlich eine Phosphorvergiftuug ^)
vorhanden war, mit Aw:^p:an^ in Atrophie — die Lebensellen waren bis
auf eine ganz kleine Stelle total degenerirt, die Niere sehr gross, total ver-
fettet — . fand ich etwas TyrcHiii .nn 13<) Cem. Harn) und aii^^scrdcni ein
Kohlenhydrat (durch Benzoylirungj , weiches wohl uach seinem cheuiiecheu Ver-
halten als thierisches Gummi angesehen werden durfte; in diesem Falle waren
17-3<».o N (NUaj im Harn und nur 53«o N (ü).
leh stimme also hier vf^kommen mit Schqltzbh und RiBSB ttberriu,
welche als differentielles Moment cwisehen Fhoepborvergiftung und aeuter Leber-
atrophie den Manffel von Amidos.'lurcn hei der ersteron . das hSulige Auftreten
dieser Krirper bei der letzteren bezeichneten: nur müssen wir daran fest-
halteu, dass die Leber im Verlaufe einer Phosphorvergiftuug
acut atroph! ren kann und dann tritt ebenfklls reldilieh Tj^ln im Harne auf,
wie wir das in unserem Falle, und noch viel prägnanter in jenem A. Kr.\nkei/s') sehen.
Ich mtiehte aber nicht annehmen, dass der Befund von Amidos Huren
im Harne zusammenhänge mit behinderter Harnstoti'bildung iu der Leber, sondern
mOehte die Högliehkeit betont wissen, dass es sieh vielleteht nur um Zerf all »-
producte der I.«eber selbst handelt, wdehe in das Uut aufgenommen und
a um T h e i I e durch die Nieren ausgeschieden werden.
In jenen Fällen nun, in welchen der Eiweisszerfali so ausserordentlich
hohe Grade emieht hat, tritt mdst in kumer Zelt der Tod ein; d^ Krankra,
welche am Tage snvor 1600—2000 Ccm. Harn entleerten (mit 15—20 6rm. N),
selieiden nun ante mortem in den letaten 24 Stunden nur 200 — 400 Ccm. Harn aus
und in demselben ist das N vermindert, so zwar, dass die Gesammtausscheidung
an N 3 — 6 Urm. und weniger betragen kann : von diesem .Stickstoff aber beträgt
der N (Uj noch immer 8.3 — 85^ q , so dass zwar absolut sehr wenig Harnstoff
*) JDia Kranke gab die Vergiftong nicht sv.
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PHOSPHOR VERb IF lUNG i acute).
aiisgreschieden wird, trotedem «ber von «tiiw behinderten Hernitoff^yntheee nieht
die Kede sein kann.
So sank bei einem der von mir beobachteten Fälle Br. die U&rnmenge
von 1500 Gem. (12.— 13. Febrnnr 1892) nuf 480 Gem. (18.— 14. Mrnnr),
nnd betrag die Geanmmt-N-Ansieheldnng un letitgeannnten Tage 8*8 Grm. N;
von demselben waren 83*01% eis N (Ü), 8'9*/o «Is N (NH,) vorhanden. Man
geht wohl nicht fehl, wenn man dieses plötzliche Absinken der Harn- und das
g:]eichzeiti^''e Absinken der N-Ausscheidung mit dem raschen Sinlcen der Herzkraft
und der Blutdruckberabsetzuag in Zusammenhang bringt.^)
Kommen die Kranken mit dem Leben davon, was trotz Lebersehwellnng
und allgemeuMm Icterus der Fall sein kann, ich selbst in swd Fällen beobachtete,
denn werden auch nicht so ausserordentliche grosse Mentren von N pro die durch
den Harn ausgeschieden j wenigsteus schieden beide Kraoken , die ich beobach-
tete, nnr cirea 12 — 18 Grm. N. pro die aus; was jedoeb das anflSillende iet,
es kommt späterhin, falls Genesung eintritt, nieht plötzlich xu
einfT starken Hetention von N uud zur Verminderung der N-Ausscheidung im Harn,
sondern die X - A u s s c h e i d u n g' bleibt ständig hoch und so erklärt es sich,
warum nur ganz allmälig die vollkommene Genesung eiutritt.
Wir beben oben gehOrt, dass die Ammoniak vermebrang bedingt sei
dnroh die starke Säurung des Körpers; welcher Natur sind diese Körper?
ScHM/rzKX und Riesas gaben an, bei der acuten Phosphorvergiftang
reichlich Fleiscbmilchsäure gefunden zu haben; ich muss gesteheu, daaa in drei
Pillen, in denen leb damacb snebte, kaum Sparen von FleiacbmildMäure naehin-
weisen waren. Es kann — dies dlrfte man wohl mit Sieberbeit behaupten
können — die F leise hmilchfiäure nieht die einzige Ursache der
starken Säuerung des Organismus darstellen. Wir wissen ja ttbrigens, dass
in einer Reihe von IWlen aneb andere Sinren im Harne Phoepbonergifteter
gefunden wurden und möchte leb f«nier daranf aufmerksam machen, dass auch
die Aceton ausscheidung bei der Phosphorvergiftung stark vermehrt ist; und
dass das Aceton einen Index stark abnorm sauren Zerfalls der N-t'reien Antheile
des EiweissmolekUls darstellt, ist wohl sehr wabrscheiulicb. Es müssen tlbrigens
snr Erklirnng der etarkoren Sinerung dea Gi^anitmna aneb dieanorganisehen
Sttnren berflcksichtigt werden.
Was zunächst die C h 1 orausscheidiuig Itetrifft, so sinkt dieselbe atisser-
urdentlich rasch bis auf Spuren, was ja dem Hungerzustaude dos Kraukeu
entspricht, am bei eventueller Genesung raseb auf normale Werthe anzusteigen.
Interessanter verhält sich dagegen die Ausscheidung der Phoapbor-
fj.ture. welche in den ersten Tagen der Vergiftung im Verhältnis^ zur N-Ans-
scheiduug relativ stark vermehrt ausgeschieden wird, um späterhin unter die
n(MrmaIen VerbSltnisae abzusfaiken.
Wfthrend unter normalen Verbiltnissen ein Verhältniss von N : Pj O-, =
— - 1 00 : 20 besteht, beobachtet man im ersten Stadium der Pho^phorvcrgiftung Ver-
hilltnissc von N:P|,0. = 100: 90! oder 100:61, 100:40 und constatirt späterhin
ein Absinken der P^ Oe-Ausscbeiduug auf 100 :U, selbst 100:7. Zur Erklärung
dieser Verbtitnisse kann an swei Möglichkeiten gedaebt werden : entweder handelt
es sich um eine verschieden schnelle Ausscheidung von N und P^ , oder um
einen anfangs stärkeren Zerfall phospborreieherer Körper CLecithine) mit späterer
Veruüuderuug und Keteotion vou phoi»phorhältigen Bestandtheilen behufs Keparatiou
des verloren Gegangenen.
Man könnte, falls die letztere Annahme die riebtige wäre, vorzUglieb
an den Zerfall von rotlien PI utz eilen, Leber und Gehirn denken.
Bezüglich der rutheu Blutzellen bat ja Kuals ') durch seine Untersuchungen nach-
gewiesen, dasr dureh deren Zerfall eine Abnahme der Alkaleseena des Bltttes
herbeigeführt wird, so dass wir in der Annahme eines Zerfalles der rothen
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PHOSPHOBVERGIFTUNG (acut«).
593
Blatzellen gleichzeitig eine der vielleicht mehrfachen Ursachen der Säueran^ des
Ori^anismus bei dieser Vergiftung und der vermehrten P^O^-Ausscbeiduog gegeben
bätteo. Doch haben dte ünterraehnngen nnd Zlhlnngen der reihen BlntkOrperehen
bei Pbosphorvergiftung niemals den Befund einca Zerfiülea oder eine Veminde-
rang der rothen Blutkörperchen ergehen'^*}, was gewiss sehr auffJlllig ist, wenn
aach der letztere Befund — Mangel eiuer Verminderung der Erythrocyten —
nicht mit Sicherheit gegen die Annahme eines Blutzerfalles verwendet werden kann,
da ja bei einer eventuellen Eindieknng des Blntea die Zahl der rothen BlutaeOen trots
Zngrandcgphcns einer grossen Zahl derselben sogar vermehrt erscheinen könnte.
Bezilglich der Betheiliguug der Leber in dem oben vermnthcten Sinne
liegen directe Anhaltspunkte vor, indem IlEFi-TKR^'j bei Bestimmungen, die
ans anderen Unaehen auBgefllhrt wurden, nadbwies, dass bei der Phoiphor-
vergiftung der Lecitliingehalt der Leber bis auf die Hälfte herabsinke.
Sehr auffallend ist nun die Thatsache , dass die S c h w e f e 1 s fl u r e-
ansseheidung der Ausscheidung der P3 O5 vollkommen parallel gebtj wir
werden damaoh die bei der O^-Ausscheldung zuerst ausgesprochoie MOgliehkdt,
dass es sich vielleieht nm eine verschieden rasche Aussc heidung der
P^ 0^ und SC)-, gegentiber den N-haitigen Beatandtheilen handle,
wohl im Auge behalten mUssen.
Was das Yerhiltniss der prftformirten zu den AetherschwefelsUnren
betrifil, so ist dasselbe im Allgemeinen normal; nur unter bestimmten Um-
Stinden, also z. B. bei starker Erkrankung der Dilrme selbst, ist mitanter eine
Stftrkere Bildung der Aethersehwefelsiiuren zu constatiren.
Auch bezüglich der Kohlenhydrate mochte ich per parenthesin
betonen, dass die Verarbdtnng dieser KOrper, wie dies sehen Fbbbichs ffsnigt
hat, bei der acuten Phosphorrergiftung nicht weiter leidet, fune be> iidere Heralh
Setzung der Assimilationsgrenze trotz der Leberverfettung nicht vorhanden ist.
Prognose. Dieselbe wird zu stellen sein: nach der Art der Ver-
giftung, sowie nach der Zeit, welehe zwischen d«r Anftiahme des Giftes und dem
Momente Terstricheu ist, in welchem der Kranke zum Arzte kommt. Die Prognose
ist -^tcts mit Vorsicht zu stellen, doch mag nochmals betont werden, dass selbst,
wenn allgemeine Into.\icatioDserscheiüUQgen , grosse Hiui^Uigkeit , Icterus,
Leberscbwellung vorbanden sind, die Kranken noch genesen können.
Differentielle Diagnose: Ich möchte hier kurz die differ^ktielle
Diagnose gegenüber dem Tr te r ns fe l> r il is — Tct. infe c t io s u s i'Weil,
Wassilieff) streifen, welch letzterer mitunter unter ähnlichen Erscheinungen als
die PhosphorvergiftUDg zum Tode der betreö'enden Kranken führt. Der acute
Beginn der Erkrankung mit Sehflttelfrost, die neben der LebersdiweUang
vorhandene M i 1 z s c h w e 1 1 u n g , die nephritisohen Erscheinungen acuter Natur,
werden im Vereine mit dem raschen Fieberabfalle und den starken Wadcnschmerzen
meist genügende Anhaltspunkte geben, um diese Erkrankuug von der Pbosphorver-
giftung zu unterscheiden.
Therapie: Bevor wir auf die Besprechung der therapeutischen Mass-
nahmen nilher eingehen, m?^ch(e ich vor Allem darauf hinweisen, dass der Phosphor
nur ganz allmälig aus dem Darme resorbirt wird und nach 1 — 2 Wochen
post intoxicationem im Darme nnd im Kothe gefunden wird; von der letzterra
Thatsache kann man sieh leicht mittelst der SCHEREB'schen Probe vergewissern,
welche ati eh zum Nachweise des Phosphors iti den F.Hces wohl verwendbar erscheint.
Es werden zu diesem Behufe zwei Streiten Filterpapier verwendet, von denen
einer mit Ble iaoetat-, der andere mit Silbernitratlösung getränkt wird;
diese Strafen werden in das GeAss, in welchem sich die Flces befinden, Unein-
gebingt and das GeHlss oben durch einen Deckel geediloesen, welcher Deckel
gleichzeitig die beiden Streifen am Kande festhillt.
Ist in den Fäces Phosphor enthalten, so wird alsbald, mitunter schon nach
wenigen Minuten, der mit AgNO« getrlnkte Streifen gebrinnt; doch darf nicht
Eaeyeloi». Jabrbaoliar. m. 38
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694 PHOSPHOBTEBGIFTÜNG («cate). — PHTSOSTIGMINTEBGIFTUVG.
gleiebzeiiif der zweite Strdfen geliriant eneheuieo, in welehem Falle die BrinniiDg
des mit Silliemitrat getränkten Streifens seine Bedeutung verliert, da in diesem
Falle der H^S-Gehalt der FAces die Ursache der SchwAnung beider Streifen
sein kann.
Dies vorausgeschickt, ergiebt sieh alt die erste Indieatiottf im Falle
«ner acuten Pbosphorrergiftung, den Phosphor, wenn mOglieh, aus dem ganzen
Magendarmoanal zu entfernen : diesem Verlangen wird entsprochen : a) durch
Anawaschung des Ma>.'ens : hi dureh Kntlcerunjr des Darnies durch Abfübnnittel.'-')
ÜezUglich der Auswaschung des Magens ist zu erwäboea, dass selbe
slemlieb nntzlo« ersebeint, sobald mehr als 24 Stunden seit der Anfbabme des
Giftes verstrichen sind; dodi kann man auch um diese Zut noch die Aussptilunp: des
Magens versuelien. Drifregen ist die Darreichung von A b f ti h rin i ttel n stets
indicirt, iuäbesoudere in den ersten Tagen nach der Vergiftung. Zur Erzielung
rneblieber Stnblentleerungen empfiehlt sieb in diesen FlUen am meisten die An-
wendung der Bitterwasser oder ein Sen na infus (100 : 2000 A(jua); die
Darreichung OUger Abfttbrmittel , a. B. des Ricinusöles, ist selbstveratändlich zu
vermeiden.
2. Um etwa im Hagendarmeanal zarflekblelbende Partikeleben nnsebftdUeb
zu maohen, erscheint weiterhin die Darreichung von Cuprum aceticum, respective
sulfuricum naeh Bamberg ER S Vorsehlag oder noch besser die des T e r p e n t i n-
öls (altes l'rftparati) angezeigt. Vom Ka/i Infpcrmanifanicum , das in O'l bis
0'3*>,o Lösung von Ungarn aus in letzter Zeit sehr empfohlen wurde'^), habe ich
gar keine Erfolge gesehen, trotzdem das Mittd von allem Anfange an in grosser
Dosis gereicht wurde.
3. Ferner empfiehlt sich die Darreichung des kohlensauren Natrons
zur Bekämpfung der i^äuerung des Organismus; denn wenn diese auch nur als
ein Symptom d«r Vergiftung erscheint, so kann die Sftuerung doeh an und fUr
aiclt gewisse Störungen bedingoi und ist es gewiss rationell, gegen dieselbe durdi
Darreichung grosserer Drisen von Na HCO3 (10 — 2<t Grm. pro die) anzukämpfen.
4. Endlich wird es angezeigt sein, den Kranken, sobald nur geringe
Neigung zur Nabrnngsanfnahme besteht, krlllige, eiweisareiehe Kost zu rmebeo.
Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass bei Beobaditnng der eben an>
geführten (Jrundsfltze die letitcu drei zur Beobuclitung gelangten Frille von
«cuter Phüspborvergiftung , trotzdem es sich um schwere lutoxicationeu handelte
und die Krauken erst spät, eine bereits unter den Erscheinungen grosser Hinfällig-
kelt, Icterus und Lebersebwellnng in unsere Behandlung kamen, gflnstig abliefen.
Liti-radir: >)Mänzer, Ceutrall.l. f klin. Med. 1S92, Nr. 24. sowi.t die \o-
veniber 1882 in's „Deatoebe Arcb. f. klin. Med." eingesandte ausfahrlicbe Arbeit, welch«
damaicbst «raebeiaeo d&rfle. — ■) Steh« auch Badt: Kritiaehe nnd klinitohe Beititg« sor
Lehre vom Stoffwechsel bei Phosphorvergiftung ; untor v. Noorden's Leitung unsgeführte
Inaag.-Diss. lierlin is^l. — ^) Engelicn, Ueber das Verhalten der Amnioniakaasscheiduug bei
Phnsphorvergiftong : nnter Naunyn's und Minkowski's Leitang ausgeführte Inaug.-Utss.
Königsberg i. Fr. 1887. Badt, I. e.; Münxar, 1. c. — ^) M Unser, Pragermed. Wocheoachr.
1892. Mr. 34 n. 35. — *) Horbaezewaki, Kala. Akad. d. Wfaaanach. Wian, matb.-nat. Claaaa.
18!)]. C, Al.th. III — ") RobiLscIiek. Deutsdie med. Wochenschr. 189.3. — ') A Frankel,
Borliuer klin. Wochenschr. 1678, XV, ÜU"». - -| .Siehe Badt, 1. c. — Kraus, Arch, 1 exp.
Path. u. Pharm. XXVI, IS^-Q, ls6. — ' ) Tan.<sig. Arch. f. exp. Pftth. U. Pfaann. 1892.
XXX, 161; V. .laksch, Deiit.sche med. Woch^n.schr. 189;-{. — ") Heffter. Arch, f. exp. Path,
«.Pharm. XXVllI, 97. — '=>v.Jak8cb, Kliu. Diagnostik, lU. AuÜ. 189;i. ~ Hajno«,
QjQgyaazat. 1892, Nr. 2. Uftnxar.
Pllttli86f Seelufteuren, s. Nordseebäder, pag. 554.
PhyaOStigminVSrgifhing. (Veigl. Real-Bnoyelopidie, IL Aufl., Bd. XV,
pag. 475.) Was bereits durch .'(Itcre Boohachtunpren für die Verpftung mit Calabar
höhne fe.Htprcstellt ist , dass dabei l'upillenvereufrcrung kein constaiites >Symptom
ist, ja .sogar verhültuiHHuiääsig selten vorkommt, gilt auch für das Phy^ostigmio.
Ein von Lbibholz besebriebener Fall von Selbstvergiftung swder Dienstmidcben
mit dem jetst wegen seiner Anwendung gegen Kolik der Pferde auf BanemhSfen
PHYSOSTIGIIINVERGIPTÜNO. — FSY0BI8CBE INPBCTION. 595
viel vorriltbig gehaltenem Physoatif^miosulfat beweist sogar, dass an StclU« d«r
Myosis bucb^adige Mydriasis vorbandea sein kann. Aucb die in den mei»teu Fälicii
von Yei^ftan^ m beobachtotden vennehiten Defkeationen können fehlen; bei
beiden Vergifteten wiesen nur starkes wiederholtes Erbrechen und heftige Leib-
schmerzen auf die Einwirkuntr des Physostigmins auf die Peristaltik bin. Der
günstige Verlauf beider Fälle , in denen vorübergehende Bewusstlosigkeit neben
Maskelsebwftebe, Erbrechen, heftige Leibsehmersen nnd Mydriasis die Hauptsym-
ptonie waren, trotzdem 50 ^^- rtIl. von jeder genommen waren, erklärt deh dureh
da.s frühzeitige I^rbreclHMi. wodurch der ^rrössto Thi'il dc-^ (üftes wieder ausgeleert
wurde. Es bestätigt dies die bei der bekauatea Anwendung der (Jalabarbohno als
Beweismittel ftlr Zanberd in AfHka lingst beobaehtefe Thatsaehe, dass diejenigen
Personen , welche darnach erbrechen, mit dem Leben davonkommen. Man darf
allerdings die Toxicitiit nicht nach den vou den Pliarmakopoen angenommenen,
sehr vorsichtig bemessenen maximalen Medicinaldosen (1 Mgrm. als lunzeldose,
3 Mgrm. als Tagesgabe) messen wollen; denn diese sind selbst für Kinder unschäd
lieh und die 5 — lOfaehe Menge bleibt bei Erwaobseaen nach interner Applica-
üon in der Regel ohne Nebenerscheinungen.
Literatur: Leib hole. Zwei Ytrgiltniigea dorch Pliysoatigmin. Vierteljalirschr. £
ger. Med. 189- U. pag. 285. Uusemunn.
Piligänin. Mit diesem Namen wird ein von Hardet uud Aukian in
der als Pillgan oder Pilijan beEeichueten südamerikanischen Lycupodiacee
Lyeopodium Saururu», die in Columbia, Nen«Oranada und Peru beim Volke
als Emetocatharticum in Ansehen steht, aufgefundenes giftiges Alkaloid benannt.
Es tTidtet schon zu O'Ol Frosche und bewirkt ]»ei Warmblnt"rn eonvulsiviscbe:*
Zittern, Steigerung der KeÜexerregbarkeit , Couvulsioneu, Siuken der Herzaction,
Steigerung der Atbemsahl bei Vormindernng der Tiefe der Athmnng, woraus
sehliesslich Asphyxie resultirt. Extracte der Pflanzen wirken in grösseren Dosen
emetisch. Da.s IMIiganin steht als stark wirkende Hase in der Familie der Lyco
podiaceen nicht isolirt, da auch in einer europäischen Art, L. complanatutn, ein
Alkaloid vorhanden Ist.
Literatur: Capdeville, Sur Vaction phytktcgtgu* du piliffan 0t dt la pUi'
ffanine. Bullet, p. n. de therap. 1886, Aftat 30, pag. 274. Hagem an n.
PleuraerkrankUngen, s. Lungenkrankheiten, pag. 484.
Pneumonie, ibid., pag. 432 ff.
Prochewnfek'sches Verfahren, s. Beeken, pag. 87.
PrOpeptOnUrie, bei M.isem. i)ag. 487.
Pseudofieber, s. Fieber, pag.
Pseudoleukämie, s. Fieber, pag. 296.
Psychische Infection. Unter p s y e h i .s c h e r I n f e e t i o n oder C <> u -
tagion ( i n d II c i r t e ni Irresein) versteht nian die Tebertragung einer Psy-
chose von einem Geiäte^krauken auf eiue andere, bisher als gesund befundene
Person, die sieh in der Umgebung des ersteren befindet. Im Allgemeinen ist die
Bezeiehnunt; ..Ansteckung" für diesen bis jetzt noch nicht recht aufgehellten
]»syehischen l'roccss als uiebt »ehr gltieküeh zu bezeiehucn, wenn aueh BoUCHUT
uud liKUAK ein wirkliches nervöses Contagium bereits annahmen und neuer-
dings Kbönbr'j swar die baeillire Affsetion leuguet, aber eine Intoxication an-
zunehmen berechtigt zu Sein glaubt. Man braehte nun diese An<iteckungen in
Verbindung'' mit gewissen nerv">sen Erregungsvorgflngen fOJihnen , Lachen) und
Neurosen (iiysterie, Chorea), die bekanntlich von einem Individuum auf das
andere Obertragen wwden kOnnen. In Deutsehland war es meines Wiasent wohl
zuerst FmKBLNBUSo*), der auf diese Art der Uebertragnng dner Psyehose von
38*
59Ö
PSYCHISCHE IMF£GT10N.
einem Individuum auf da$ andere aufmerksam machte nnd an einer Reihe von
Fallen nachwies, dass ein Gesetz sympathischer Uebertra?:nner obwaltet, eine Knift
UDbewusster psychischer Eiowirkung, dem Anthropologen eine willkommene Be-
«tfttigung des Satzes, daes fttr (He bfiehsteD Yerriebtangen des Nervensystems im
Wesen die gleichen Gesetze walten, wie für die niederen, dem Pfttliologen aber
ein Wink über die noch nicht hinläng-lich gewllrdi-rtc Bedeutung einer niflchtif^en
Quelle f'iinctioneller Schädlichkeiten. Spätere Autoren betonten bereits die häufige
p.sychiüchü Ansteckung bei Blutsverwandten i^Ceamek \, Jung Nasse Köster 7),
Stölsnbb«), BkosiüS*), LsHHAim>*), Obaf") nnd WiRNBRi*). Gans neuerdings
hat JöRGEK ") die üebertragnng von GeistesstörunL-cn von einer Person auf
andere Individuen sich predacht und beschrieben als auf dem Wege der „Emotion",
wobei die primär erkrankte Person eine unbewusste Rolle spielt und auf dem
Wege der „Implantation** mit bewnsst aetiver RoUe Seitens des PrimSrerkrankten,
eine Ansieht, mit der im W^esentlichen aueh OSTSBXATBR uti l Kuhxbn^
fibereinstimmen. Endlich will ich noch Herzog'*) erwähnen, der den Infections-
vorgaog mit dem der Suggestion vergleicht, ähnlich wie Scuülb, der in der
Discttssion Aber den eben erwähnten KuHNEN'scben Vortrag sieb recht prägnant
dahin ansspraeh: das tief gewnnelte Yertraaen and der feste Glaabe an die
prei.Htifire Superiorität des Mannes wirken gleichsam einsdiiäfernd auf die kritische
Tlifitijrkeit der I ra^^^ebung, speciell der Frau, ein, so zwar, dass die geistig ano-
malen Auusserungeu des Mannes einfach unbesehen und ungeprüft entgegen-
genommen werden, die faisehe Mttnse, gleiehwie die bisherige eehte, wdl an die
pure MOgliehkeit einer fidselieii aiebt geglaubt wird. Es ist eine Art Antosvggestion
ans Angewöhnung von den gesunden Tajren her.
Besonders eifrig haben sich mit der Frage der psychischen Infection
die Fransosen befasst und es prägt sieh bei ihnen die üneiniglceit in dieser
Sache bereits in der versehiedensten Nomenclatur aus. Lbgraxd do Saüllr")
betont ausdrücklich , dass der primär Erkrankte den secundär ErprrifTenen voll-
ständig beherrscht, dass dieser nur das Echo des ersteren ist und dass der Ange-
steckte immer an InteUigenz dem Ansteekenden nachsteht; ähnlich drttekt sieh
Groffbot^*) ans, während Las^üb nnd Falbst ehie Ansteeknng nur nadi
einem längeren und innigen Verkehr von dazu besonders disponirten , geistig
beschränkten Individuen mit geistig Gestörten fiir mo^rlich halten. Zur Festsetzung,
wer der active und wer der passive Theil der Gestörten sei, geuUge schon eine
Trennnng derselben, insofern, als das primär erlnrankte Individuum sldi in Niehts
ändere. lUiLLAKGER unterscheidet bei dem See undärerkrankten zwischen blosser
Leiclit.u'läubi<rkeit (Credulit«') und wirklicher Gest<5rtheit Wt^h're vraij. Makaxdon
DE MuNTVEL^'j nimmt drei Bedingungen au, unter denen sich eine Ansteckung
vollsiebt: 1. hereditäre Disposition, 3. intimes Znsammenleben nnd 3. ein fort-
währender schädlicher Einfln.ss des Kranken auf den Gesunden , welch letzterer
sich bemüht, jenem seine Irrthümer zu widcrlcL'eii und schliesslich mit in den
Wahnsinn verfällt. Dieser Autor gruppirt die einzelnen Krankheitsbilder unter
die verschiedenen Benennungen, deren allgemeinster Ausdruck Folie ä deux ist,
wovon dann spaeiell nntersehieden irird die Foli« impos^e, iMi der die Sinnes-
tänsebungen des Seeuodärerkrankten fehlen, weiter ä\c Folif romiii>'n{f/U''e. wenn
Hallucinationen und Wahnideen unter dem Einlluss der primärerkrankten Person
bei einer zweiten eutätehen, und die Folie simultaiiee, die dadurch charakterisirt
wird, dass bei swei oder mehreren bis dahin gesunden Personen, die onter gidehen
Verhältnissen nnd Lebeu-^ljedingungen stehen, zur selbigen Zeit dieselbe PSyehoM
sich entwickelt, so da^s Hii<len gleicher Antheil daran zukommt; zur letzten Form
gehört auch die Folie ye'mellaire (Bagme). ^^'j Dagegen behauptet RfiGis '-^j, dass
er die Folie h deux der flbrigen Autoren nieht anerkennt, denn die Folie h deux
f'.s' constituce par un dilire stmilaire , ahsulument identique, Ott phußt le metne
dt'lire , s'oh.tfrvdu' h In t'ii-'* c/i^z <1pux vicn/ f »lina un contort intnw H
prolonye; er beansprucht damit den allgemeinen tarnen der Folie ii deux blos
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F8TCHI8QHB IHFBOTION.
697
für seine Folie aimultan^e. Auch Ball^^} will von der Folie h deux seine
Folie yemellaire getrennt luiben und als eine Krankheitsform sui gmerii be>
traebtet wissen. Die abTigsn Aatoran, wie IfABBT**), Mabtinbno'*) Taouets'}»
Pages-*), Bellat'-») und Legraix'o), der bei dem Secundärerkranktea mehr
Illusionen als Hall ucinationen beobarhtet hat, bringen im Wesoutlichea nichts Neues.
Auch die Engländer und Italiener ^^j entwickeln keine neuen Anaichteu ;
Hack Tücke *>) spricht von einer Ansfeeeknngr nadi Art der FnreM. Du Zwillings-
irroadn wird gewöhnlidl als Jnsanity of tvtüu bezeichnet.
Im Allscmeineu mufs ich sagen und hier wiederholen, dass nach meiner
Meinung dem Gegenstand zu viel Beachtung und Wichtigkeit geschenkt wird.
Ohne sof dem Standpnnlct von Flbmhimo zu stellen, der flberliaupt die „An-
steckttngskraft des Walinsinns" bezweifelt, muss man doeli die Fälle, die, wenn
auch nicht haufisr, so doch ab und zu einmal dem Irrenarzte sich bieten, genau
>*ic'hten, darf sie jedenfalls nicht von der Hand weisen. .Schon im gewöhnlichen
Leben unter geistig gesunden Menschen tinden sich des Oefteren Fälle^ wo Jemand
dureh seine Worte nnd Theten, kun dnroh sein gnnies Auftreten seiner üni-
gebnng so imponirt, dass seine Ansichten und Gewohnheiten als die unumstösslieh
wahren und richtij^en a priori angenommen werden und der geringste Zweifel an
der Unfehlbarkeit dieser Person als ein grosaes Unrecht gilt. Eine kritiklose
Anwkennung und eines gebildeten nnd freidenkenden Hensehen nnwttrdige Kaeh-
nhmnng sind das Resultat jahrelangen Staunens und Bewundcrns gewesen und
führen sclilies^lieli zur Verachtung' und Verhöhnunfj derartig'er Bewunderer. Geht
man einen Sehritt weiter und zieht man in Erwägung, dass das weibliche Ge-
schlecht sehr geneigt ist, den Mann nnd seine Theten ansnl>eten, so wird man
deh all die Wunderlichkeiten des Mittelalters, die Veitstanzepidcmie in Strass-
burg und andere Volkskrankheiten s^'' erklären können. Und wie draussen im
öffentlichen Leben diese Sonderbarkeiten entstehen und sich durch blosse Nach-
ahmung fortptlanzen , so muss in der Familie bei einem engen und ununter-
Imohenen Znsammenleben, Znsammendenken und gemebsehafUichMi Durehspreehen
aller Wahrnehmungen, Gedanken und Vennuthungen das geistige Leben gewisser-
massen eine gleiche Schulung und Dressur annehmen. Unter solchen Bedingungen
nur erklären sich diejenigen Fälle, wo zwei Individuen (Geschwister, Zwillinge),
rftnmlieh getrennt, an ganz identisehen Psyehosen erkranken. Jeder sndit äeu
Anderen scht n aus Liebe zu ihm nachzuahmen und der geistig Bevorzugtere
octroyirt dem Beschränkteren seine Idee auf. Hierher gehört auch das epidemische
Auftreten von hysterischen Zuständen, die öeeliüuülleb beschreibt, wo bei
anhaltender Arbeit im Freioi Banernmidohen der Reihe naeh an Krimpfen er-
kranken. **) Das wüleoloee Naehahmen also ist es, was als ein nrsiehliehes Moment
zur Uebertragung von Psyehosra hervorgehoben werden moss, worauf auch schon
Stein hinwies ; weiter ist aber auch ein intimes Zusammenleben erforderlich
zur Entstehung, Entwicklung und zum unmittelbaren Ausbruch einer Psychose,
eine Thatsache, auf die besonders Wollenbebs nnd Buphbat«*), und mit
Recht, grossen Werth legen, vor Allem muss eine möglichst totale Abgeschlossen-
heit gegen die Aussenwelt vorhanden sein. Allein diese Bedingungen sind für
einen normalen Menschen glücklicherweise nicht stichhaltig. Es wäre Ja auch
traurig bestellt fttr den Irrenant nnd das Personal in Irrenanstalten, wenn sie
jeden Tag Gefahr laufen mtissten, in Folge des inUmen Zusammenseins mit
Geisteskranken und bei so vielfach angeborener Neifrnnfr /um Nachahmen, nament-
lich beim weiblichen Personal, psychisch angesteckt zu werden. Es muss also
noeh etwas Anderes die Bahn der Ansteckung ebnen und das ist eine angeborene
oder erworbene Disposition su Geisteskrankheiten. Nach einer Zusammenstellung
von Fällen deutnclier Autoren über psychische Infeetiou fand ich iti 7."/' , der
Fälle Blutsvorwaniltschaft des Secuudärerkrankten mit dem Primärbefalleneu,
eine Thatsache, die auch schon vorher besonders von Wille*-), Kxittel*»),
LsHiiAMN*«) n. A., wie ich Anfangs schon erwihnte, spiter yon Dbbs*') noch
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686
PdTCHISCBE INFECnON.
ansdrfieklidi als graTirendeB Moment besehriebea wurde. Hierher sUd andi ferner
die Fälle su reebnen, wo in der Verwandtschaft des Secundirerknuikteil in auf-
steifjender und absteigender Linie Geisteskrankheiten vorkamen oder wo beim
„Angesteckten" früher bereit» einmal oder mehrere Male Geistesstörung aufge-
treten war und aonit nur der geringste AnstoM, wie der Anbliek dues geistes-
knaken lieben Familienmitgliedes oder Freundes, geoOgte, um ein reizbares,
disponirtes Gehirn aus dem Geleise normaler Function zu bringen. Und weiter
muss ich unter der sogenannten Disposition alle die ursächlichen Momente er-
wähnen, die auch äonat als vorbereitende und für die Eotstebung einer Psychose
wiebtige gelten, wie Lnea, Potm, Onanie, oder aus der ptychisehen Splilre, wie
Sorgen, Aerger, aufreibende und anhaltende Pflege von Angehörigen und Freunden,
Frömmelei, Schreck u. A. m. Nach meinem Dafürhalten sind alle die Fälle
psychischer Contagion, soweit sie Blutsverwandte, d. i. Verwandtschaft der Primär-
erkrankten mit dem Seenndlrerkrankten betrefli»i, Oberhaupt minderwertbig , sn
berflcksicbtigen sind eigentlich nur diejenigen Personen , die mit einander in
keinerlei verwandtschaftlicher Beziehung Riehen, und dies sind besonders Eheleute.
Aber auch da konnte ich Uberall ätiologische Gründe Huden, die allein schon
wum Ansbrneb einer Pftycbose genügten. In den meisten Fullen nimlicb betraf
es Frauen, die an sich reizbarer und sensibler sind, als das männliche Gescbledit,
und welche in Folge anhaltender Nachtw.K-lK'ri uu'l bei der Angst und Sorge um
das theure Leben des Mannes zusammenbrachfii. besonders wenn das (-'limactcrium
od«r sonstige somatische Leiden (schwere Entbindungen, Uterinleidea u. dergl.)
den einseinen Fall noeh eomplidrten. Handelte es sieh aber bei den Semadir-
erkrankten um Männer, so liessen sich auch hier unschwer mancherlei, die
Peyehose vorbereitende l'rsaehen auffinden, wie Herediiflt . linanzielle Sorgen,
von Haus aus bestehendo Aengstlichkeit uud Besorgtbeit um die kleinlichsten
Saeben, flberspannte religKlee Riebtnng, gesebleebtliehe Beize nnd Excease n. dergl.,
so dasH CS niclit wunderbar erseheinen konnte, wenn solche Gehirne, die damit
eine eutschiedeue psyehopathisehe Signatur tragen , den an sie herantretenden
sebweren Anforderungen , besonders w enn die einwirkende Schädlichkeit vua
anssergewöbnlieber Heftigkeit ist (Wille), als niebt gewaeksen «rsebeinen nnd sie
dann krankhaft rcagiren. (Hierher gehört noter Anderem andi der HAN':jBN'sehe
Fall. *" I Es ist flalifT niflit 'j-enug darauf aufmerksam zu machen und davor sn
warnen , dass Ilereditürbclastete sich mögliebst fern halten von der Ptlege und
Behandlung der Aiienaten, insbesondere, dass aufgeregte Personen , worauf sehen
Nassb«') hingedeutet bat, namcnttieh beim Ausbrach einer Psyehose von ihnen
nahestehenden Personen den Verkehr und die Obhut der Erkrankten vermeiden.
Wenn ich nun kurz das Kcaultat meines Raisonnemcnts zusanimeiitassc. so er^^iebt
sich daraus, zugleich iu wesenilicber Uebereiustiiumuug mit den meisteu neueren
Autoren, Folgendes:
1. In der erblichen Anlage des Secundärerkrankten ist meistens die
Hanptursache zur geistigen Erkrankung eines Individuums zu suchen und zu
finden ; die Psychose des Primärerkrankteu giebt dann nur den occasionelleu
AnstoBS und wirkt ibnlieb, wie beispielsweise Sebreek auf einen erblieh Belastelen.
2. Ist keine Erblichkeit nachweisbar, so betrifft es schwächliche Indi-
viduen , vorzOglieh Frauen , die in Folge anhaltender Sorge und aufreibender
Pflege schliesslich zusammenbrechen.
3. Die sogenannte Ansteckung ge^chiebt auf dem Wege der Naebabmung,
gewissermassen durch Autosuggestion.
4. Ein g«'sunder Mensch mit Mnem rüstigen Hirn wird stets intaet bleiben.
Was endlich die Ftmi. die Prf>gnose und die Behandlung dieser indu-
cirten Psychose bctriüt, so habe ieb in er»terer Hinsieht alle Arten von Geistes-
krankheit ausbrechen sehen, sowohl mit als aach ohne Uebereinstimmung mit
der primären Erkraokang; allerdings sind wohl die schweren Erregungszustände,
wie man sie bei der Idanie und der acuten Paranoia sieht, am häufigsten beob-
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PSTCHT9CHB INPECTION. — PTOMAINE.
599
«chtet worden, im Gehren satz zu den Franzosen, die eigentlich nur den Ver-
folgungswahn hierbei beschrieben.
Die ProgBOM itt mit grosser Yoreieht sn stellen ; die erbliehe Belastang
fällt dabei wie Qberall bei Geisteskranken sehr in die Waagschale ; am trfinstigsten
sab ich diejeni«ren Falle ablaufen, wo zugleich mit einfm acuteu Ausbruch der
Erkrank ungeu eine sofortige Trennung beider Individuen und irreuilrztliche Be-
handlung eingelotet wurde und damit ist die wiehtigste Masenahme der Behend-
long gegeben j im Uelmgen Ist aaf die allgemeine psyehiatrisehe Therapie %vt
WWÄSen
Literatur: Kuingbaus, Psychopathologie, pag. 384. — ') Kroner, Jm
Folie ä d0Me. Zefteehr. f. Pqrdiiatrie. XLVI, pa«. 6D4f. — *) Finkelnburg, Ueb«r den
Einfluss des Nachahmani^triebes anf die Verbreitnng Hes sponulischen Irreseins. Zeitscbr. f.
Psychiatrie. XVllJ, pag. 1 f . — ') Cramer, Eine geisteskruuke Kaiiiilie. Zeitschr. f. Psy-
fhialrie. XXIX, pag. 218. — ') Jung, Ibid. XXI. pag. 534. Unter.-.uelmiig(;n über die Erl>-
lichkeit der Seelenst. — ') Nasse, Zar Lehre von der sporadischen psychischen Ansteckung
bei Blvtsverwandtan. SEritsebr. f. Phyeh. XXVm, pag. 561. — *) Koster, Zwei Fllle von
psychischer Autaekaog. Irreofrennd. 1877, pag. 43. — *) Stölzuer, Ibid. pag. 16 <-Vomo-
mania trigemina). — ") ßro.sius, Ibid. 18n>, Nr. 11 u. lü. Altes aus neuen Anntaltsbe-
richt«n. — Lehmann, Zur Casuistik des inducirten Irreaein.s. Arch. f. Psychiatrie. XIV,
pag. 145. — ") Oraf, lieber den Einäuss Geisteskranker anf ihr» Umgebaag. Zeitschr. f.
Psych. XLIII, pag. 189. — '•') Werner, üeber die sogen, psychische CoatafnoD. Zeitsdlr.
f. Psych. XLIY, pag. 399. — Jorge r. Das inducirte Irresein. Zeitschr. f. Psych, XLV,
pag. öu7t — ") Ostermayer, Arch. f. Psych. XXIII, pag. 88. — ' j Kuhnen, Ueber
«inen Fall von psyehiscber Anstecknng mit Ausgang ia T$lUg« Genesung. Zeitschr. f. Psych.
XIA'III, pag. 60. — Herzog, Beitrap: zur Lehre von der Infectiusität der Neurosen.
Arch. f. Psvcb. XXI, pag. :i71. '') L eg ra n d d u S a u 1 1 e, Le (h'liie dr pershution. 1871. —
") fieotfroy, Gas. des hÖpitaux. 1873, Nr. 32. — Lasrgue und Faire t, La Folif
u deux. Arch. ginir. de med. Sept. 1877. — *") Baiilarger, Ann. mM. psych. 1874, 1. —
") Marandon d« H ontyel, CoHtribuHon ä Vitude de foKe d deux. Ann. mtd. psycli.
Janvier 1881. — **J Baume, Ann. mM. p.-^vch. 1863. ^ ) Regia, folie ä deux ou
l„ f„l,. .suHultH>i/e . Paris la^O- — ") Ball, L'Knctphak. 1884. — ilaret, Folie
«iniihii,-'' DU ä <lt»x imlividiis. Ann. m6d. psych. Jnillet 1875. — Martineng, Beitrag
aar Lviire von AntoUe eommuniqttde. Ann. mbi. psych. Nov. 1887. — T agnet, Beligiöaer
Wahbsinu bei 5 Pwsonen. Ann. nid. psych. Jniltet 1887. — Pages, Delire ä trois.
Ann. nu^l. pyych. Nov. 18>S. — ■") Bollat, Cunfi-i//. 'i Ia Folie ä deux. Ann. nu'd. psycli.
öept. liüsd. — ••) Legriiin. Anli. de Neurol. löC^. Nr. 48. — **) Woods, l eher einen
Fall von inducirtem Irresein bei 5 Mitgliedern einer Famiii«. Joom. of ment. science. Jan. 1889;
Nolan, Ein Fall von Folie « deux. Jonrn. of ment. i-cience, .April 1889 und Kicrnan,
ibid . Oct. 1S60: Savage, Jonrn. of ment. science. Jan. 1^63 84; Mickle, ibid., l'^84 bö. —
"-') Kossioli. Ein Fall von Folie ä ijuutrf de MunicDtitii), IV. pag. I; Ttbalili, Due
oHsermzioni di vazaia commuHicata. ibid., II, pag. 1; Silvio Ventari, Indocirtes Irre-
sein, ibid., and Fan aeol i , Follia a quattro. Anh. ital. per le omlatfe nervoae. XXIV, Heft 6
(Erklaning der Erkranknng durch psychische Suggestion), — "i Hack Tn cke, .fWis d tfSKX.
Brain, Jan. — **) F 1 e ra ni i ng , Pathologie und Theiapie der Psychosen. lf^69, pag. 164. —
Witkowsky, Ueber den Veitstanz U - .Mit i< laltt i s. Zeitschr. f. Psychiatrie. XXXV,
pag. 591. — '*) SeeligmUller, Zeitschr. f. Psych. XXXiU, pag. 510. *— Emming-
hans, P.'«y< hopatbol., pag. 48 f. — S. anch Hirt, Eine Bpidemie von byster. Krämpfen.
Berliner kliu. Wuchenschr. 1892, Nr. 5n. - Stein. Ueber die sogen, p.sych. Contagion.
Inaug.-Diss, Erlangen 1877. — **)Wolleuberg, Ueber p.oychische Infectiou. Arcb. f.
Psych. XX, pag. 62, mit sehr ausfuhrlicher Literaturangabe. — *•) Euphrat, üeber das
Zwillingsirresein. Zeitschr. f. Psych. XLIV, pag. 194. — *') Wille, üeber inducirtes Irre-
sein. Corresp.-Bl, f. Schweizer Aerzte. 1885, Nr. lU. — K n i 1 1 e 1 , Ueber sporadische
psyili. .Anstuckiiiifr. 1 ni uf:.-l)issert. Strassburg 1884. — **) Lehmann, I.e. — *•*) D e e
Ein Fall von inducirter Melancholie. Zeitschr. f. Psych. XLVUI , pag. 580. — H a n s e n.
Ein sogenannter interessanter Falf. Arch. f. Psych. XI, psfr. 539. — Nasse, 1. c. —
Die L'eliraiichlichsten neuesten Lehr- und Handlnuhcr iler Psychiatrie schenken dem ganzen
Gegeustaud nur wenig Aufmerksamkeit, behandeln die Sache vielmehr meir^t sehr cursorisch.
C. Werner.
Pt0ina[llil6. Nach den Untersnehnngen von Euanizin ist die Bildung
von Ptomsmen ohne die Mitwirkiin^'^ tiioderster Organismen nicht möglieh. Bei
"Jorgfnitip'fT >tfrilisation des Fleisches und der Gefffssc und bei Gefrieren des
Fleisches werden Ptomaine nicht erhalten, wenn auch die ^Uaatigsten Bedingungen
fflr ihre Bildung gegeben dnd. Alt solche erscheint für die FäulnissbalcterieD,
wie für alle nieht pathogenen Bakterien eine Temperatnr Ton 20* C, reichliche
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600
PTOMAINE.
Feuchtigkeit und reichlicher Luftzutritt am ir<1n<?tig:8ten, wobei durch letzteren auch der
Zuiluss der niedersten Organismen gesteigert wird. Mit der Bildung der Ptomaiue
gebt stets die BilduDg von Heoaialbumose parallel, die mit der Menge der pro-
dueirten PtomalM «teJisI und da, wo wMt lüxHst «aftreleaf ebenfAUa fehlt. Ea iat
daher wahrscheinlich , dasf? die Kiweisskörper des Fleisches vor der Bildung
alkaloidähnlicher Verbindungen in Propeptone übergehen und d.iss anch die Hemi-
albumose von der Tbätigkeit gewisser niederster Orgaulämea herrührt. Von
beBonderem Intereiae «raehaiDt ea, daaa bei Zutritt friaaber Laft swar reicblieber
Ptonialne entstehen, aber die gebildeten Stoffe sich durch eine geringere Dauer-
haftigkeit auszeichnen, als die unter Ahst-hluss der Luft sich bildenden. Auch sind
erstere ungiftig, letztere dagegen in der Kegel giftig, bald depriiuireud, bald die
Raflexaetion steigernd nad krampferregend , doeh kommen aaeh bei vierwttebeot-
liebem Abaehlmae der Luft giftfreie PtomaVne vor. Inwiewrit die anaeroben
Schizoniyeeten. auf welche diese Bildung giftiger PtomaYne zurUckzufdhren ist,
von den an der Luft wirksamen Bacterien verschieden sind , bedarf weiterer
Studien, umsomebr, da wir wissen, dass Bacterium iermOf in welcher man früher das
ftnlnisaenengende Weaen tucx' e;o/7]v sah, eine gnnie Heflie der ▼eraehiedenartieaten
Saprophytfonnen bildet. ^) Man wird auf Grund dieeer Versuchsresultate in
allen Fällen von Intoxieationen , wo die toxische Wirkung eines Ptoiuains im
Spiele ist, Aussicht haben, ächizomyceten zu finden und durch Keiuculturen das
Gift an erhalten, an deesen Bildung diese Veranlasanng geben. Man aehdnt bei
Arbeiten in dieser Richtung , die sich theils auf Salzfischvergiftung (vergl. den
Art. Fischgift), theils auf Fleisehvergiftung beziehen, in der That zu einem
positiven Ergebnisse gelaugt zu sein, ohne dass es jedoch gelungen wäre, ciueu
bestimniten BaeiHiM ala Utaaehe riner gewissen Form der ^^aehvergiftung auf-
xnfinden. Insbesondere aeheint das PtomaTn, auf welches die durch Fleischgift
erzeuirte Gastroenteritis! zurtlekzufilhren ist, durch verschiedene Bacillen producirt
werden zu können, wenn nicht, was noeh wahrscheinlicher ist, eine grössere Anzahl
von Ptomalneu die nämlichen Erscheinungen hervorrufen kann. Bei Gelegenheit
«ner Ifasaenepidemie dureh den Gennas von Kalbsbraten in der ninnregiseben
Irrenanstalt Gaustad-) wurden in der Milz, beziehungsweise in den Darm-
geschwüren Bacillen gefunden, deren Itioenlation bei Kaninehen heftige Diarrhöen
hervorrief, während die sterilisirteu Culturen ebenfalls Kauinchea vergifteten, in
dieaem Falle war der Baeillns niebt identiseh mit dem von GIbtheb beaehriebenen
Bacillus enten'tidis Gaertn. , der in verschiedenen anderen Fällen von Massen*
Vergiftung durch Fleisch eonstatirt wurde. Man miis? llbrigens auch im Auge
behalten, dass, wenn die Botanik im Allgemeinen nicht sparsam ist, Varietäten
sutnlasBen nnd manebe Pflanae mit nielit unbedeutenden Abweiohungen in GrOsse
und Form bei der nämliehen Speeles unterbringt, dieTendena, beiBaeillen auf geringe
DifTerenzen hin eine neue Art zu schaffen, einigermassen überrasclit. .ledenfalls
aber wird der von Bhikger zuerst betretene Weg der Reindarstellung der Pto-
malne, der in neuester Zeil von Griffitus mit grossem Erfolge verfolgt wurde,
an immer grosserer Klarheit führen.
Von den von Griffiths neu dargestellten Ptoniainen kommen zwei im Harne Mta»
krulksr Thiere und an croupöser Poeamooie leidender Menschen vor. Di« erste base, die aneb
von Botebadllen in Reioenltnreo )>rodQefrt wird , Irt giftig nnd raft bei Snlicataninjectlonen
am Kaninchen einen Aliscess au der Injectionpslelle, speciflsche Knoten in der Lunge und in
der Milz und nictastatische Abscesse in versdiiedenen Organen hervor, worauf Tud loljri. l'ie
Rutzlmse ist weiss, krystallinlsi-h , in AVa.-iscr löblich, von alkalisibcr Keactiun . liii>lit ein
krj^stallisirendefi. i^alzsaures Salz nod Platin- und tiolddoppelsalze, die ebeofalU lurystaUisiren,
in^bt mit Pho8|)honiiniyli(]an8ftttre einen bellbrännliclien, mit Pbospborwotfhimrilm'e grünen,
mit Pikriiisiiiirt» u'lt'fn Nit:"i*,'rsilila>r uml wird auch von Nfssler's Reagens gefallt,
l'ie Elein entaiannly.-c lülirt zu der Foimcl C, H ,,, N, ( >, . l)as Ptoniain im Urin der Pueu-
nioniker ist ein« in niikroskopi.«« hen Nadeln, die sich in Wasser mit alkalischer Reaction lösen,
krystailisireude ^^uhütanz, «eiche ein Hydrocblorid und Platin- und Goldduppelsalxc liefert. Es
wird von Phosphorwolfranisäure weiss, von Phos^phormolyhdiinsUure weisspelb, von Kessler'»
Reairens hröunlirh gefallt. Der irelhe Niederschlag, welchen Pikrin.«äiiri' in SMlutioncn dis
Ptomains erzeugt, lost sieb leicht in Wasser. Altt Formel wird U., 0;, angegeben. ^; Ein
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PTOMAim — BÜCIFALLFieBER.
601
weiteres Ptomain hat Griffiths im Harne von E p i 1 e p t i k >■ r n gffiinden. Auch diese Base
wird als weiss und ki^'Stailisirt, in Wasser mit schwach alkalischer Ueaction loslich heachrioben.
Bs giebt «in krystalUsirbares Hydrochlorid und Golddoppdnlx, wifd von Mercnrichlorid grfln*
veiss, \on Sibernitrst gelb, von Phosphorwolframsänre weiss, von Phosphormolybdänsänre
brännlich-weiss, von Taonin gelb pefärbt. Das der Formel C,., H,, N, (". pnt sprechende Ptomain
führt bei Thieren Zittern, Convulsiom n , Pupillenerweiterung und st UiHt di ii Tod herbei.*)
Auch beiEryaipalas nadPuarperalfieber finden sichnadi Qrit'fitlii rtomaine, bei Ery-
■Ipdu in orthorkMBbiMlMm I«Bellen kiystallhiTviid , in Wanw mit tehiradi slknliaclier
RMetion sich lösend, von der Forme! r,,H,gNO^, bei Puerperalflnber ebenfalls ein wasser-
IMiehes, kr^-^«taili.sirendes Ptumain, C,, B,g NÜ,, beide stark toxisch und hefiigu Fiet>ertirächei-
nnngan hervorrofend. Das Erysipeissptomain giebt mit Sublimat flockigen, mit Zinkchlorid
kSrnigen, in der Wänue tbeilweise nnter Zenetnmg lOsUchan Niederachlag , mit Nessler's
Beapens grüne, mit Pfkrintflore g:elbe, theilweise 19«liclie, mit Qoldchlorid gelbe, in Waner
löslii lie FälluDg, auch PhosphoniinlyliiJiuisaure, Phnsphnrwolframsäure und GerbHiiure erzeugen
iu Lösungen des Ptomains Niederschlage.'') Endlich hat Griffiths ein neues Ptomain aua
dar Zarsetznng peptonisirtor Gelatine dotdi Microroccus tetragenu« erhalten. Das bei mehr-
tifigen Beincultnren dieses Mikrococcos resultireode Ptomain bildet weisse, prismatische
Krystallnadeln , die sich in Wasser mit schwach alkalischer Rcactiun lösen und giebt ein
lu^ystallisirendes Hydrochlorid und krystaliisirendL' Gold- und Platindoppelsalze. Es wird durch
PlUMiphomioIybdänäiare, PhoaphorwoU'ramsäure und Pikrinsäure, durch Nossler's Boagens
(grfin) und durch Garbainra (kaatauienbraiu) gafillt. Seine Formel iat NO,. Dem Pia-
malBa fcOniBni giftig« Eigcnschaftcu zu. ■)
Litaratnr: ')Kijanizin, Ueber die Entstehung der Ptonuiüne. VierteUahrscbr.
f. gar. Med. 1892. 3. F., III, H. 1. pag. 1. — Holet, BeMtriOoffitkt undenUffaM of en
rfikke syritiomatilfdld^ fyl^rdfiif pu Sindsijgeasyht Gaustad i juni miinad Nord med.
Ark, IsV^. U. 1. Nr.5. — 'j Vergl. G a rt ner. Thüringer Oorrespondenzbl. XVII, Nr. 9;
Karlinski, Ceiitralbl. f. Bakteriol. VI, N. 11; Gaffki u. l'aak, Arbeiten des kaiserl.
Gasundheitsamtes. VI, H. 22; Cotta, Zeitschr. t Fleisch- u. Milchhygiena. Ib9i. — Compt.
raod. 1892. CXIV, Hr. 23, pag. 1383. — Ibid., CXV. pag. 186. — •) Ibid., CXV,
pag. 167. — ') Ibid., pag. 418. Hnaamanii.
Q.
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R.
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s.
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SamaritArverein, s. Krankenpflege, pag. 465.
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Sapecarbol, s. Kresolprüparate, pag. 453.
Satumismus, s. Bici, pa?. 113 ff.
Schaltwirbelbepken, s. Becken, jjafr. 99.
Scharlach. Was die rublicatloueu, seitdem wir unseren ersten Nach-
trag- (Keal-Eocyclopndie , 2. Avfl. , Bd. XXIII, pag. 601—604) niedergesefaiieben,
in etwas reioblicbereu Fluss ^abracht, sind die Untcrsachungen Aber die Sc barlaell>
diphtherie. mit weU'lieii der grösste Theil der Autoren zugleich die T>üsiinof
bakteriidofciseher Fragen angestrebt bat. Wir werden dieser letzteren deshalb
nicht bei der Aetiologie unserer Krankheit, sondern bei der Klinik der Compli-
eation«! gedenken. Im Uebrigen ist die Avibenie der Nachlese anf dem Felde
der Scharlachfursphnng , von einigen wenigen fruchtbringenden Befunden abge-
sehen . eine relativ bescheidene. Die Ursache der Krankheit harrt noch immer der
Entdeckung.
Zar Frage der Anflteeknngsdaner nnierer Krankbdt liefert Wood
einen eigenartigen Beitrag. Die Erkrankung eines Rindet an Scharlaeb bat die
Entfernung aller (Ibrigeu Kinder der Familie aus dem Ilauso zur Folge; 42 Tage
später tritt das genesene Kind, dessen Kleider vernicbtet wurden, wieder mit den
Gesebwistem in einem Lendbanse in Berttbmvg und 2 Wochen apftter erkrankt
ein zweites Kind an Scharlach. Dies würde in der That auf die Mügliehkeit einer
bedeutenden Ansteckungsdaucr, Iteziehungsweise drastische Durchbrechung des von
uns in der ürundbearbeitung (Keal-Eucyclopftdie , 2. Aufl., Bd. XVII, pag. 460)
anfgestellten Gesetzes deuten, wenn nicht eine andere Quelle oder aber ein Reoidiv
beim ersten Kinde im Spiele gewesen. Die Bzistenx der Scbarlaehrflekfllle
illustrirt wieder Bödme durch zwei zuverlilssige Berichte. Ein 14jähriger Knabe
erkrankte .58 T.ige nach Beginn einer normalen Soarlatina an schwerem Scharlach
mit Exuaihem, ein HJäbrigcr an einem mildtrcu iiccidiv am 28. Tage, nachdem
sieh eine intensive Varieella eingeschoben.
Anatomie. Hier haben wir in erster Linie der beaehtenswerthett Re*
sultntp zu gedenken , zu welchen Komhekg an der Hand von zehn genau er-
schlossenen F.lUen in Bezug aut die Herzniuskelerkraukung beim Scharlach
gelangte. Sie gipfeln in dem Satz, dass neben den bekannten parenchymatOseik
Degenerationen die — selten vermisste — interstitielle Myoearditis,
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SCHARLACH.
G03
charakterisirt durch Infiltration des Herzfleisches mit kleinen , einkernigen Rund-
zelleo, an erster Stelle zu berflckiiicbtigen ist. Sie verläuft unabhängig von der
erstgenaonten Entartung, spielt also nieht die Rolle einer Teaetiveii Entsflndung,
sondern beruht wabr^:cheinIich auf der Einwirkung des speciiiscben Bakteriengiftes
auf das Myorard . siclier nicht auf eiuer Mischinfection mit Eiter erzeujjenden
Mikroorganismen. Inwieweit diese „acute infectiös« Myocarditiü" das Substrat
kllniseher Symptome darstellt, wird dner spiteren ArMit vorbehalten.
Die auatoiuiseben Befunde, welche 8uBEXSEN bei seinen Untersachangen
flhiT die Scharhtclidiphtberie erhob, werden wir bei der DarsteUnng dieser Com*
plication im klinischen Abschnitt berUekHichtigen.
Klinik. Eine Incubationszeit von 24, beziehungsweise 36 Stunden
giebt BöKAi für zwei eigene Beobaehtangen an. Doeh waren beide Kinder
tracbeotomirt worden, welcher Umstand snr Annahme einer beaonderm Beförderung
der (Wund-) Infection herechtig-t.
Die Symptomatologie betreffend, liegen nur einzelne Beiträge zur
Kenntniss des Ffeberganges, des Exanthems nnd der Zungenveillndemngen vor.
In erster Beziehung lenkt Bouveket auf die Rarität die Aufmerksamkeit, dass
nat'h Schwund dos Kxanthenifi w.'lhrend völiig'er Apyrexie plötzli''h Hyperthermie
(bis zu 42^; auftritt, ohne dass irgend eine locale Complicatiou als Ursache dem
Nachweise zugänglidi wire. In den drei FWIen des Autors, in welehen sekwere
Hirnerscheinuugen (Delirien, Koma) das Leben zu bedrohen BOhienen, trat naeh
3 — 4 Tagen (K:dtwaHserbehandlung) Fieberaljfall und glatte Convalescenz ein.
BorvERET supponirt als l rsache ciue Reizung nervöser Centren durch ein Scar-
latinatoxin. Wir glauben auf den offenbaren organischen Zusammenhang dieser
Beobaehtangen mit nnaerdm, beziehungsweise dem GuitPitBCHT'sehen „Naehfieber*'
(ver^. Real-Eneyelopädie, II. Aufl., Bd. XXIII, pag. 602 : verweisen zu sollen.
Ein von den Händen ausgehendes, den Obcrrumpf bctnlVendes, aber das
Gesicht frei lassendes vesiculöses, beziehungsweise impetiguartiges Exan-
them beobaebtete Cürtis bei einem soharlaehkranken Kinde. Heilung in l'/s Woehen
unter Desquamation.
Besondere Beachtung verdienen die Wahrnehmungen A. Neumann's über
die Entwicklung und klinische Bedeutung der Scbarlachzunge auf des Ver-
fassers Abthellong im Krankenbause Friedriebshaln (48 Fülle), insofern dieselben
in einigen Beziehungen von den in der ersten Bearbeitung aufgestellten Normen
TJcal-Encyclop.ldie, 2. Aufl., Bd. XVII, pag. 405' Abweichungen darboten. Hatten
namhafte Autoren, wie Bagixsky, Buhn, Hknüch, Stkümpell, Thomas, die
Scbarlachzunge als tan. nahezu constantes, ja als charakteristisches und die
IMagnose dehemdes Symptom der Krankheit angesproehok , wollte andererseits
KbidBABOT dieselbe auch hei NiflitBcarlatinösrn ganz gewöhnlich beobachtet haben,
und hatten wir selbst in vermittelnder Stellung die ., Katzenzunge" als einiger-
massen charakteristisch, indess als häutiger fehlend als vorhanden biugestellt, so
sebliesst Nbuiiann seine Beobachtungen, die an dieser Stelle zu detaiUiren wir
verzichten mOssen, mit folgendem Urtheil ab: Die Scbarlachzunge ist eine wohl-
charakterisirte, im Oro.s der Filllo zu beobachtende Theilerscheinung im (Jesaramt-
bildü des Scharlachticbers, die freilich, was ihrem diagnostischen Werth entschieden
Eintrag thut, meist erst jenseits des 4. Tages zur Beobaehtnng gelangt. Der
Scharlaohzunge ganz Ähnliche Bilder existiren unzweifelhaft auch bei Nicbtsearla-
tinSsen, aber nielit als häufige , so dass sich flber die Kollü der Himbeerzunge
als eines pathuguomonischeu Symptoms des Scharlachs discutiren lässt.
Complieationen und Naohkrankheiten. Um hier mit den Ar-
beiten zu beginnen, welche die Seharlaebangina behandeln, so begegnen
wir einmal neuen ^Schilderungen , beziehungsweise Cla.ssificationen der klinischen
und anatomiseheu H r s c h f i n u n g 8 f o r ni der Coinplioation. das andere Mal der
Mittheilung über den Befund von Mikroorgauiäiueu iu lucu affectionis. Dass
hiermit die Frage naeh der Stellung der Seharlaehdiphtherie zur vulgären ver-
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SCHARLACH.
knüpft ist, darf nicht Wunder nehmen, obzwar von einer Id'entificlruDjEf beider
Proecsse kaum ernstlich mehr die fiede sein kann. Vielmehr ist die schon vor
Jahren herrschende Anschauung vou d«r Unabhängigkeit derselben vuu einander
(vergl. niheM AufUining«!! in R6al>EiMy<dopldie, 9. Aufl., Bd. XYII, paif. 468)
giewabrt geblieben, ja gefestigt worden, falls es denen wirklich bedurft h.ltte.
Mit besonderen Eintheilunfren der Anginen, welche bei Scharlachkrankon
2ur Beobachtung gelaugen, istj wie wir bereite ausgeführt (i. c., pag. 469)^ schon
mit Rflekai^t auf die nngebeiire Mannij^faltigkeit der loteniittt des aaatoadeclieii
Proccsses und der klinischen Verlaufsart im Ailgemeinen wenig gewonnen.
Immerhin wird das Bestreben, wenifrntens Typen auszulesen, als berechtigt an-
erkannt werden müssen. Eine „erythematöse" und „pseudomembranöse (gangrä-
nOee)" Form nntersclieidet in einer umfangreichen Arbeit BODROES, die ietztere
wieder in eine gutartige FrOhform nnd ernstere Spfttform — unter diese ftllt die
Diphtherie — trennend. Wir selbst sahen jüngst mehrfach Bilder, welclic von der »e-
wöhnlicheii F'ollikclanf^ina schicchterding^s nicht zu untcrsi-heidcn waren, in die be-
kannte Erschein uugäform der „Diphtherie^', beziehungsweise „Scharlachuecrose der
Fanoes** Qbergehen. Als Haaptlcriterien der Soharlaehdiphtherie führt in seiner ein-
gehenden klinischen und anatomischen Studie SÖRENsbn au : Morsche, feuchte^ halb-
purulento Tonsillen, mehr ein- als aufgelafrcrtes Exsudat. Bei letal verlaufenen Fallen
ungleich grössere Ausdehnung der geschwürigen Zerstörung, als intra vitam ver-
mutet worden. LnftrQhre nnd grosse Bronehien in der Regel intaet. Neeroti-
simng nnd .Einschmelzung der regionären Lymphdrüsen, welche zu ausgedehnter
phlegmonöser Periadeniti.s führen kann. Eventuell eitrige I'eritnnitis. wahrschein-
lich von Milzuecrosen ihren Ursprung nehmend. Gegenüber der vulgären Diph-
therie glaubt SÖRBN8EN besonderen differentiellen Werth auf das höhere Fieber,
die gelblieh-breiige Besehaffenheit der nieht m Fetien nbaiehbaran Belege und
die — unter Anderem auch wieder von Ai'FRRCBT hervorgehobene — ausge-
prägte Neigung zur iSuppuratinn überhaupt legen zu sollen ; ferner auf die grössere
Häutigkeit der Gaumenperforation , Arrosion der grusBcu llalsgefässe , wie über-
haupt die Neigung des Proeesses, in die Tiefe (unter Anderem mehr naeh dem
Ohr als nach den Luftwegen) zu gehen. Alles das sind Momente, deren wichtige
Bolle im Allgemeinen anerkannt werden muss , deren Bedeutung aber unserer
Erfahrung nach im specicllen Falle der Charakter des nur relativen Unterschiedes
soleher Verinderungmi reeht unangenehmen Abbruch thun kann. Mit Reebt aber
spricht SöaBNSBH die Seharlachdiphtherie als einen speeifisohcn scarlatiuösen
Symptomencomplex an ; nur geht er unserer Anschauung nach zu weit, wenn er
die Cumplicatiou als die anatomische Basis des ScharUchfiebers , beziehungsweise
als die krankhaft veränderte Eintrittsstelle der Infection hinstellt. In einem ge-
wissen Gegensatz zur herrschenden Meinung setzmi sieh die hervorragenden fran-
zösischen Bakteriologen Sevestre nnd Strauss , welche der pseudomembranösen
Angina beim Scharlach in den ersten Tagen der Krankheit als einer .,|)seudo-
diphtherischen" eine günstige Prognose zuerkennen, mit der Massgabe, dass im
spÄteren Verlaufe des Scharlaehs erst eine wahre Diphtherie auftreten könne.
Diese Ansehauung von einer Diphtheria tarda, die selbstverständlich auf die
Isolirungsfrage einen wesentlichen Kinlluss üben mUsste, haben die Autoren
auf Grund ihrer bakteriologischen Untersuchungen gewonnen^ sie tiudeu,
wie SU erwarten, in den ersten Tagen der Erkrankung im Bereiebe der
pseudomembranösen (frühen) Angina Streptoeoocen und Staphjloeoeoen , niemals
den LöFFLKR'schen Harilhis. weshalb eine secund.Hre Infection angenommen wird.
Einer ähnlichen Anschauung huldigt Boi'Rtuos, der nur ausnahmsweise und fast
ausschliesslich bei der Spätfonn den Luffler' sehen Bacillus fand , im Uebrigen
constant den Ketteneoecus antraf. Stets vermlssten SObbnsbsi und Takol in der
Tiefe der Gewebe und in den Pseudomembranen den Diphthcriebacillus, weshalb
sie die Aetiologie der Scharlach- und echten Diphtherie als durchaus verschieden
ansprecheu.
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SCHARLACH. 606
Von StAruDg«iii im Gebiete de8 Nervensystems, die in AU^eiueiBen
Raritilten im Ocfolg-e unserer Krankheit darstellen, berichten Dkmme uiul Thomas.
Ersterer beobachtete bei einem djäbrigen Knaben vom 10. Tage nach dem Auf-
treten des Ezantiiems an PramieeiuE der Bnlbi nnd ridi Mhnell vergrössemde
Scliilddrüse, Tachycardie und Tibrirenden AnpTall des Häsens, aleo eine richtige
BA^KPOv'sche Krankhfit. Bpsscninis: in circa 8 Wochen unter Bettruhe, Eisbeutel
und Milchdiilt. Heiluu? iiach weiteren 3 Wochen bei Landaufenthalt. Der Sym-
ptomencomplex im THOMAä'ächen Falle (äjabriger Knabe) ist ein eigentbUmücber
und nicht recht im Syitem untembringen; ürlmie war rieher ausoaehiieMen.
Einipre Wochen nach Ablauf der Grandkrankheit Neuritis optica, später Extremi-
täten- und Nackenlahmung: (hÄn^ender Kopf), Fieber, Unruhe, Somnolenz, Sprach-
verlust, Sphincterenächwäcbe. Nach einigen W^ocben Rückgang der schweren
Erscheinungen, lutentionszittem der Arme. Relative HeOung mit Sehwerbeweg^
liehkeit des rechten Unterachenkcls mit Atrophie — Patient hatte ein Jahr zuvor
eine leichte . eRsentielle Kinderlähmung flberstanden — nnd Atro|Aie der Seh-
nervenpapilieu. Harn stets eiweissfrei.
Bei einem 9jährigen Knaben , der wmderholt an Epistazis gelitten nnd
au9 einer b&mophiliscben Familie stammt, sah Davibs in der dritten Woche des
Scharlach'^ symmetrische Ecchyraosen an verschiedenen Körperfrefrenden mit
Oedemen an den Beinen auttreten. Tod nach 3 Tagen. Die übduction ergab
bedeutende pleurale Blutergüsse. Wahrscheinlich in Folge tiefer LTceration der
Tonsillen mit Arrosion ehies grossen Halsgellsses ging ein fijaliriges MUdehen
nach einer Beobachtung von Vauoban rapid unter profusem nntbreohen ' an
Grunde. Section nicht {restattet.
Unter 533 Scharlacbkrauken im Glasguwer Fieberspital beobachtete
Oabslaw 63mal Rheumatismus, besiehnngsweise Endoearditis. Drei
Madehen im Alter von 3^.^ — 10 Jahren wurden ausserdem choreatisch. Eines
starb unter eopiösen Diarrhöen im Koma. Einige Falle von Scharlachrheumatigmus
mit Milzschwellung, hohem Fieber und seibat Fericarditis theilt Uoniomann mit —
dn UXdoben, das vor 19 Jahren berrits die Krankheit ttberstanden, wies fast nur
auf die Gelenke beschrflnkte scarlatinöse Brsdiehinngen auf — und theilt mit
BöKAi die Anschauung:, dass die Gelenkaffection ein directes, primäres Scharlach-
symptom, keine Complication darstellt. Wir glauben auf den Umstand verweisen
zu sollen , dass sich zwischen Symptomen , Complioatiouen und Nachkrankbeiten
einer acuten Infeetionskrankheit im Allgemeinen keine sehr bestimmte Orense
ziehen l.ls.st. Eine treüliche Zueammenstellong des Wissenswcrthen Uber den
Seharlachrheumatismus und die postscarlatlnöse Nephritis giebt TflOM.vgi auf
der 63. Naturforscbervcräummlung. Hervorgehoben sei, dass, wie auch wir wieder-
holt fan Krankenhanse Friedriehshain beobachtet, bisweilen eitrige Oelenkentsttn-
dungen als Theilerseheinnngen einer aeuten SoAarladisepsis, selbst mit septischer
Kephritis auftreten.
Wir haben bezüglich der Scharlach -Pleuritis darauf hingewiesen
(Bd. XVII, pag. 471), dass sieh die Brgttsse hOdtot rapid nnter starkw Lungen -
eompression entwickeln können and deshalb auch leicht mit Pneumonie ver-
wechselt werden. Diesen foudroyanten ('hnr.akter , den auch Henoch hervorhebt,
illustrirt Stettiner durch genaue Berichterstattung über drei einschlägige Fälle
(4-, 5- und bjäbriges Kind) aus unserer Abtheilung des Krankenhauses Friedriehs-
hain. Allen drei Fällen gemeinsam nnd ein pnktisehes Sonderinteresse bean«
spruchend ist die Entwicklung eines mächtigen , die Lunge hochgradig compri-
mirenden purulenten Exsudates neben bronchopneumonischen Herden in einem
Zeitraum von 24 Stunden. Neuerdings sahen wir einen ganz gleichsinnigen Fall
▼on tOdtiicher JPUuritig KorltUmoia rapiditattna.
Die Scharlachnachkrankheit Nephritis hat zu neuen Bearbeitungen so
gut wie keinen Anlass gegeben. In 6 t«'idtlichen. von O. Kalischer genau berichteten
Fällen wurden Kepräseutanten aller der Formen von ächarlachnephritis gefunden.
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SCHARLACH.
welebe von FaiBDLlirDBR «Is dte initial cntarrhalisebe , die interstitielle septisehe
und die Glomerulouephritis aufgestellt worden. Als Ur-jache der die Nieren,
innbesondert' ihre (Hompruli so schwor Rch8dig:enden AufH;peic'lieriu)2r der cberaisohen
Stoffe des äcbarlachs spricht Verfasser die vermioderte ijcistuugsfiibigkeit des
Henena an. Wir setlnt aalien IcHrzlieli eine Sehariaebniere mit fast vOlIig intaeten
Glomenilis , hingegen hochgradiger und ausgedehnter Verfettung der Epithclien
der Talmi i contorii. Und doeli klinisch im Princip iiein anderes Bild, als das
gewöbnlicbe !
Znm Capitel des Pnerperalschar lachs (Bd. XVII, pag. 461), speoieil
an der Tiel diaevtirlen Frage, ob Fraaen im Wochenbett snr lirkranknng an
Scharlach mehr neigen und schwerer daran niederlie;;en . haben zahlreiche eng-
lische Autoren ihre Erfahrun^'cn im British Medieal Journal, 18l»0, niedcrfrclcirt,
mit wenig übereinstimmenden iiesultaten. Während Thuhsfield, Williams,
LUbübbox-Blbnkabnb obige Frage verneinen, snm Tfaeil eine grössere Empfilng-
lichkeit der Frauen besserer Stünde voraussetzend , ThomsosT nnd BSOWN eben-
falls die (Jefahr als selir llbertrieben bezeichnen , Letzti'rer sogar eine gewisse
Immunität von Wöchnerinnen und Neugeborenen vermutbet, sind Gakubtt, Myrtls,
Ad AU nnd Harsis der entgegengesetaten Mnnnng, znm Theil aneh in Besng
auf die sehr ernste Prognose. Das leiehte Uebmtehen der Krankheit dnreh
Wöchneriunen wird von Iredalk, Wilson und Pf ftrivAL illiMtrirt.
Ueber die Combination von Scharlach und Maseru berichten Flksch
und Mbnzirs. Ersterer sah bei drei Kindern einer Familie innerhalb vier Tagen
dem Seharlaeb die Masern folgen* Den HsiiziBS'sehen Fall haben wir bereits
in unserem zweiten Nachtra;: zu den Masern orwfthnt. Gleichzeitiges Vor-
kommen von Scharlach und Typhus beobachtete StarCK unter definitiver Enl>
tieberung erst am 3b. Krankbcitstagc, im Uebrigen aber Dorniaium Verlauf.
Prognose. Naeh den Beriehten von Gaiger ans dem Sooth Western
Fever Hospital betrug im Jahre 1830 bei einer Morbidit.-lt von 1008 die Sterl>-
licbkeit nur l'?" ^, während die letzten ä Jahre ein Mittel von 9*6** die letzten
17 ein solches von 10*8'^ n aufgewiesen. Wir selbst verloren im Ivrankenbause
Friedriehsbain vom 1. April 1889 bis snm 1. April 1892 von 376 Seharlaeh-
krankcn 66, also 17*5*/«, d. i. einige Procente mehr als früher. Kiu stattliehor
Theil wurde mit foudroyanter Sepsis ciiiL'fliofert. Im rebrijren vergleiche wegen
der Deutung Bd. XVII , pag. 480 und lid. XXIII , pag. 004. Nach Lage der
Sache kann selbst diese Zahl nieht als nngdnstig gelten.
Den Absebnitt Therapie konnten wir mit gntem Gewissen gans Ober-
gehen, da bei aller Sehfltzung der Gediegenheit mancher Heitr.lge f(lr die beiden
letzten Jahre fast nur Früheres wiederliolt . beziehungsweise Naehvorschliitrc
mit eigenen Bemerkungen vorliegen oder aber Fragwürdiges geleistet wordcu.
Das Letztere gilt von dem Versaehe Ashubao's, modifieirte Lymphe snr Ver-
htttung des Seharlaehs bei der kaukasisehen Race zu trlulten. Derselbe be-
steht in der zweimaligen Impfung eines Japaners mit ..Scharlachkeimen" an dem
Arm eines Kindes. Es entstand unter Jucken ein Lut^üuduugsberd , der siehr
genau in seiner Eotwicklnng und Heilung geschildert wird. Der bakteriologisch
gebildete Arzt von heute weiss, w.i8 von solcheo Experimenten an einer Zeit sn
halten, in welcher der „Scharlachkeim" noch unbekannt i>t.
Als die einzig wirksanien Mittel, den Secundilrinfeetionen als der Haupt-
quelle der Mortalität vorzubeugen, betrachten Hdtikbl und Deschamps, sowie
Oahain die Isolirung nnd eine strenge Antisepsis im Krankensimmer, die sieh
aueh auf die Mund- und Nasenhöhle des Kranken zu erstrceken habe. Auf diese
Weise sei es gelungen, die Sterblichkeit im Pariser Kinderkrank-Mihause von 20
auf ö% hcrabzudrückeu. Mau wird die leruere Gestaltung der Zahlen abzu-
warten haben.
Besonderer propliylacti^eher Werth seheint in England auf die Desinfection
de« Körpers in der (Jouvaleseens-, beziehungsweise Desqnamationsperiode gelegt
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SCHARLACH. — SCHLAN6BN6IFT.
SU werden, wobei tod der Ansieht anageffuigeii wird, dus die Epidermiflachnppeii
für die Verbreitung dw Kranklieit ganz weseDtlich Terantwortlich zu machen
seien (s. Bd. XVII, pajr. 406). Erapfohlen werden insbesondere Waschungen mit
Seife, Borax, Sublimat, Salicyl-, Keäoreiuseiie, tettea £iareibangea zur Tödtuog
der Keime und Beßrdemng der Desquamation (Maus und Fbanz, Jahibsox).
Wir selbst behandeln früher zu entlaasende Kinder nach Ana1i>«:ie unserer Hiinde-
dcsinfection mit Seifcnbildorn, denen wir Bestreichurifren des Köriiors mit Alkohol
und LysoUöiUugeu folgen lassen. Die Trocedur wird trefflich ertragen.
Die specielleTherapie anlangend, erwihnen wir, dass v. Zibmsskn
bei adynamischen Zuständen laoen Bädern unter Vermeidung von kalten Ueber>
giessnnjjen das Wort redet. Auch -«ir haben bei den hyperpyretischen FornicM
mit Jährendem Pulse drin^^^end vor kalten Hiidern irewariit Hil. XVII , pa^. 48U)
und können uns Damain in seiner neueren Empfehlung gerade der Kälte bei
malignen Fällen nieht ansehlieesen.
Wie wenig man sieh Uber die Oruiidslltze der Behandlung der Seharlaeh-
nephritis hat einigen können, (rhellt iu drastischer Weise aus den neuerdinsrs
geäusserten Anschanungen von Thu.mas, Aufuecut, Meinert und Caiubh. Der
Empfehlung einer «weissannen IHät nnd — aneh behnfs Prophylaxe — lang-
dauernder Bettruhe dnreh die beiden erstgenannten Autoren stehen die Voten
der beiden anderen ent;;e!?on , nach denen die lanfre BetHafrc die Nachkrankheit
eher zUchte als verhüte uud gerade der Eiergenuss die tretflichsten Resultate
fordere. Wir selbst haben anversehiedenen Orten unsere einschlägigen Anschauungen
dargetban und wiederholen, daas Extreme nach beiden Seiten hin uns unntttiiig,
besiehnngsweise bedenklich erscheinen. Das Richtige liegt eben in der goldenen Mitte.
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Gas. Nov. 1837. — Ziemsson, Samml. klin. Tortrlgo. Loipsig 1890» Nr. 14.
Fürbringer.
Schlangengift. i^Vcr^'I. Itc.il-Kurydop.'idie, ll. AuA., Bd. XVII. pa- 54l'.)
In Bezug auf die (liftschlangen ist nachzutragen, dass auch in Kordamerika eine
zur Gattung Elaps gehörige Giftschlange existirt, deren Biss ungeachtet der
geringen Dimendonen dieses luftigen Reptils den Tod dnes Mensehen TemrsaeliMi
kann. Diese durcli ausserordentlich schöne Zeichnung ausgezeichnete Prunkotter,
Elo]ßs fulciis , findet sich iu deu Südstaateu von Virginien bi.> Texas und führt
dort die dcutächamerikanischen Namen Harlequiuschnecke , Kurallcu.sehneeke oder
Bosenknuusdineeke.
Die Zahl der TodosHiUe durch den Hha von Giftschlangen in Indien ist nach
den neueren statisUschen Ermittlungen noeh erheblicher, als man früher angenommen
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SCHLANGENGIFT.
hat. In den Jahren 1880 — 1887 kamen durchschnittlich 19.880 Menschen und
2100 Stück Vieh durch Schlangengift um; 1888 22.480 Menschen und 3793 StOck
Vieh, 1889 21.418 Henielieii und 3948 Stflek Vieh, obeehon in dicBer Zdt nicht
unbeträchtliche Mengen von Giftschlangen (1888 sogar 678.436, im folgenden
Jahre 510.r>59) vertilgt wurden. Ob die Absicht der Regierung, die Jungles in
der Nähe der Dörfer auszurotten, die gewünschte Verminderung der Mortalitüt
herbnüBhren wird, oder ob, wie Fat&er>) will, eine Vennehrang der Prämien
für OiHeehlangea ileh prompter hilfreidi erweiat, moss die Zukunft lehren.
Mit den indischen Ziffern lassen sich allerdings die europäischen nicht ver-
gleichen; indessen ist die Anzahl der Giftschlangen in einzelnen Gebenden selbst in
Deutschland nicht unbedeutend, so dass z. B. 1891 in dem sächsischen Amtsbezirke
Ofimnw ftlr 1348 Krensott«rk(^fo die PMmie von einer halben Ifiilion Hark «na-
geaahlt wurde. In der Schweiz kamen 1877 — 1886 7 Todesfälle durch Kreuz-
ottern und Vipern vor. Nach Aufzeielinnns'en des SchlangenhJtndlers Geithe in
Volkmannsdorf aollen in Deutschland während der letzten 10 Jahre 216 Verletzungea
dnreh Krensottem, damnter 14 tOdtUeh verlanfene, vorgekommen a^ (Blüm).
Die Wirkung des SchUngeagiftes auf das Blut giebt aieh in aebr ent-
schiedener Weise nach dt iii Hisse von Eckis carinatf! und Bunfjarm coeruleus
kund, wo nicht blus die Ränder der Bissstelle constant ecehyinogirt sind, sondern
wo auch Blntang aus Nase und Mund constant, Hämorrhagie aus den Ohren nicht
aelten vnd Untiger Harn hftn6g iat. Daa helirothe Blot iat in FUlen von Ver>
giftung durch den Biss der genannten Schlangen dünn und coaf?ulirt nieht. Auch
naeh Beseitigung der schweren Symptome kommt in der Reeonvaleseenz nieht
selten Epistaxia vor. Dasa auch beim Biss unserer Kreuzotter das Bild einer
adiweren Blntvei^ftQnir auftritt, snmal in FAHen, wo daa CHft direet in Blutgefkaae
gelangte, iat zweifellos. In einem Falle, wo der Biss in einem Varixknoten erfolgte,
kam es zu sofortiger Ohnmacht und Bewusstlosigkeit, Eiseskälte und Lividitiit der
Körperoberfläche, Erbrechen und Abgang von blutigen Massen per auum und in
6 Stnndw anr Ausatoasnng einee ftnAnonatlicben Fotaa. Bei Hnnden, die naeh
den Biaaen von Pelias hems und Echidna arietana stets unter paralytischen Er»
sche!niuige& zu Grunde gehen, finden sich :ila Leichenbefund neben der weit ver-
breiteten Necrose an der Applicationsstelle regelmässig starke Hämorrhagien im
Magen, trübe Schwellung der Nieren und neorotische Partien der Leber, mitunter
kleine Embolien in den Langen; bei mehrfoeh wiederiiolten Vergiftungen Degene-
ration der Ilinterstrfluge des Rückenmarks, in denen nn einaelnen Partien die
Axenoylinder fast volistHndig geschwunden sind.")
Hinsichtlich der physiologischen Wirkung des Schlangengiftes scheinen
nenere Veranche die Veraehiedenartigkeit eioaelner SdUangengüte daravthnn, inao-
ferne wenigstens naeh dem getrockneten Gifte von Naja tripudians selmu bei
relativ kleinen Dosen Lähmun«: der peripheren Nerven eintritt , während die
nervdsen Centren und die vasomotorische Sphäre erst sehr spät betroffen werden.
Naeh Ragotzi iat sogar . die lähmende Wirkung auf die motoriaohen Nerven»
endignngen, die sich besonders stark auch am Pbrenicus äussert, wenn sie einmal
eingetreten ist, dureh kein Mittel zu beseitigen. Nach Alt-i wirkt das Gift der
Puffotter um ein Krittel stilrker als das der Kreuzotter und erzeugt intensive
locale Neerose und häutiger complete Lähmung ; auf das Blut und die elektrisdie
Reiabarkeit der Muakeln aind beide Gifte ohne Wirkung. Nadi Vollkbb •) wurkt
das Gift der Brillenschlange entschieden giftiger als das der Klapperschlange und
führt rasehen Tod durch Lähmung der Athmungscentren herbei ; ausgedehnte
Blutgerinnungen, Veränderung der Blutkörperchen und interne Hämorrhagien
finden sieh bei den vergifteten Thieren nieht, obaehon daa Olft bei direetem
Zusätze in concentrirter Form aom Blut die Geatalt der rotken BlutkOrperohen
total verändert. ")
Dass das giftige Princip des Schlangengiftes zu den Eiweisskörpern
gehört, ist nieht an beatreiten. Es aind indesa aller Wahrsebeinliehkeit nidit,
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SCHLANGENGIFT.
wie WSIB Mitchell und Rbiohrbt annelimeii, ▼enehiedene giftig» Eäwdaskffrper
vorhandeD) londern wie das Eanthack lo) bezüglich des Cobragiftea mit Beetimmt'
beit nachwies , nur eine primäre Albumose , aus welcher sich allerding« unter
gewissen Bedingungen andere Eiweisskörper, namentlich aber bei der Dialyse
(Heterotlbnmoee, DysaUmmose), bitden Icönnen. Eine Miiehimg dieier seenndlnn
Albumosen nheint die Annahme begründet su lutben, dass auch ein GlolndinkOiiMr
im Scblüngengift neben der primären AlbiimoBe existini die in gnnn frisehem
Cobragifte aussohlieBisUcb nachgewiesen werden kann.
Vennehe, gegen Sdilnngengift tlmlidi wie gegen Abrai^fte nnd Ridn bei
Tbieren Tolerans in erzeugen, haben kein praktisch verwerthbares Resultat ergeben,
insofern sich zwar wohl eine Abnehwächung der Wirksamkeit herbeiffibren Hess,
jedoch nicht in so bedeutendem Masse, dass die Giftmenge, welche eine Cobra
beim Bisa in die Gewebe bringt, dadurch unwirksam gemacht werden kann,
völlig negntiv wwdst sieh gekoohtes Ck>bnigift, Blnt nnd Sernm der Gobm oder
der angeblich giftfeaten Ignana (Varantis Bengalensis). Es bleibt daher nichts
Anderes übrig, als die bisherige Anwendung de^^ Glflheisens oder energischer
Caustica. Dass einzelne chemische Öubstanzeu die Wirkung des Cubragitteti zer-
stören, bat Kantback naehgewiesen. Sebr raseh whrken eanstisehes Kali nnd
Natron , doch stellt sich die Toxieität bei Zusatz von Essigsäure wieder her.
Durch Präcipitation der Albumose beben Silbernitrat, Sublimat, Tannin und
Alkohol die toxische Wirkung des Cobragiftes auf. Auch Chlurwasser wirkt zer-
störend, jedoeh nnr bei Iftngerer (viertägiger) Ei&wiricung, Kaliumpermanganat
etwas rascher (in 24 Stnnden). Ebenso wirken Jodtrieblorid und Pancreatin , bei
schwachen Giftlösungen auch Carbolsäure. Herabsetzung der Giftigkeit ])e\virken
auch Ammoniak, üitronensAure und Pepsin, die letzten beiden nur in geringem
Masse. Zerstreutes Tageslicht wirkt auf Cobragift in acht Tagen nicht ein, Siede-
bltse setrt die Giftigkeit des Gobragiftee nnd der Albnmoae sehen in 40 — 60 Minuten
stark herab, zerstört sie aber erst bei mehrstündiger Einwirkung. Dass sich ein-
iretrocknetes Gift (Schlangengift) unzersetzt hält, hat neuerdings Vollmer con-
statirt, der ein 16 Jahre altes Brillensohlangeugift ebenso wirksam fand wie das
vor einem Jalire eingetroeknete. Aneh die Ortlidi entsdndnngsenregende Wurknag
wird dnidi das Alter nicht aufgehoben.
Inwieweit die von Calmette ") auf Grund von Thierversnchen mit Cobra-
gift vorgeschlagene Behandlung der Bisswunden mit Goldehlorid, in
nnd um die Wende 8 — 10 Gem. einer l^f^X^tsii LiOsung injicirt, sieb beim Mensdhen
bewihrt, bleibt absnwarten. Das Goldeblnrid fällt das Proteotoxin des Schlangen-
giftes allerdings zu einer niilfislichen Verbindung, aber seine Heileffecte bei
sofortiger örtlicher Anwendung sind selbst bei Inoculation mit dem Gifte der
Cobra stets dubiös und von' wirklich von der Göhra gebissenen Kaninehen wird
kein' einsigee gerettet. Garn ohne EfTeet bleibt an^ die Binspritinng selir
diluirter Lösungen des Goldchlorids in die Venen. Ob übrigens das Mittel nicht
bei den Vergiftungen durch Bisse nicht so rasch tödtlich wirkender Giftschlangen,
z. B. der kleineren europäischen Arten, bessere Resultate liefert, ist eine noch
experimentell an lösende Frage.
Als Analepticura bei CoUaps nach Schlangenbisstm wird in Indien und
Australien jetzt vielfaeh S u b e u t a n i n j ec ti on von Strychnin gebraucht,
wovon manchmal sehr grosse Dosen tolerirt werden. In Nordamerika ist die Uom-
bination der internen Alkoholbebandlnng mit snbentener Stiyebninanwendnng bei
Klappersehlangenbiss sehr flblieb.
Von Alt ist netierdings die MagenausspOlung als rationelles Mittel bei
Seblangenbissen empfohlen, da sich das Schlangengift unsersetzt im Magen aus-
sebeidet, so dass es ans den Magenoontenta mittelst Znsatses von 96%igem
Alkohol im Ueberschusse ausgefiillt werden kann. Diese präcipitlrende Wirkung
des Alkohols, auf welcher zum Tin il dir günstigen Resultate der Alkoholbehandlung
des Schlangenbisses beruhen mögen, lässt sich auch, zusammen mit der stimu-
Encyolop. Jahrböshei. HI. 39
610
SGHLANUENGIFT. — SCaULGEfiUNDUEITSPFLEGE.
HreadeB Wirkung der Spirituosa, mit der elimiDatoriseh«! BehAndlung eombinfrai,
indem man Brandy als 8pülHU8sis:keit anwendet.
Literatur: ') Barriuger, The venotnotts repfiltit of tJit l'niteti Stntes, irith
(Ae irttttiMnt of voundi inßirted hy them, 1891. — *) Fayrer. The poisonous ttnak-e» of
India. Brit. m.-«!. Jcmrn. ]^b2. — ') Banzer. Die Kreu/.dtter. München IS'.'l. — *) Blum,
Dfe Kreuzotter und deren Verbreitung in Deutschland, Fninkl'urt 188S. — ') Banerjie,
Epistaxis in snuke poisoning. Lancet. 28. Mai IS'^"^, ]iau' llSi"}- — ^) Eisner, Beitrag zur
Yergiftang mit ScUaagengift. Therap. Monatsb. VI, Heft 6. p««. 321. — ') Alt, Uatnw
raehmifeB flbtr die Araarhatdinig des Sdüangen^iftM diureh den Macea. HttnolieDer
med. Wochensihr. 1892, Nr. 41, i 'j: 7^;4. — Ragotzi, Ueber die Wirkung des Giftes»
der XuJ<t Iriput/ifuin. Virchow's Arcli. Bd CXXII, Heft 2. pap. 2;{2. — *) Vollmer. L'eber die
Wirkung des Brillenschlangengiftes. Arch f. exp. Pathol. 18Ö2, Bd. XXXI, Heft 1, pag. 1. —
^*') Kanthack, The nature of cobra poiton. Jonm. of Phyaiol. XIII. Nr. 3 und 4, pag. 272 ;
Chloride of gold a» a remedij of cobra poiton. Lancet. 11. Juni 1892. pag. 296. — ") Cal-
mettc, I.t Chloride d'or comme Antidote du poison des rpt'ut.s. Journ. de Pharm, et de
Chim. 1892, pag. 539. — '*) Länder Brnnton, Bemarka on snake cenom and its antU
doU. Brit med. Jonm. 3. JaB. 1891. Hnsemann.
SchlUSSelbeinbrUCh, verbände, s. Fracturverbande, pag. 319.
Schrägverengtes (Naegele'sches) Becken, ».Becken, pag. tu.
Schulgesundheitspflege, n ie Schultrcsundheitspflege, ein .sehr wich-
tiger Theil der (»tlentlicben Hygiene des Kindes , stützt sich auf die allgemeine
Hygiene, auf die Hygiene des Kindes und auf die Lehre von den Schul-
krankheit«!!. Auf die enteren beiden mnss ▼erwieeen werden; die Lebre von
den Sdinlkrankbeiten bedarf aber hier einer kurzen DarRtellnng. ^'^i
Die Erfahrung lehrt es. dass Schulkinder aiitrallend h.Hiifitr an .*^töruniren
des Wohlbefindens oder Krankheiten leiden , welche in dem vorächulptiicbtigen
Alter sebr selten sind. In den höheren Sdinlen Schwedens *) wurden 55<> 'o , in
den Communalgchulen 34 — 38^ o der Kinder als nicht völlig gesund oder geradezu
krank, in den dänischen Knabeuschulen 21*'^ o > den diniaehen Mädchenschulen
gar 41*^^ 0 als kränklich oder krank befunden. **) *
Zn den OeeundbeitsstOrnngen und Krankheiten der Schulkinder rechnet
man nun folgende: K nrnsiebtigkeit, seitliche Verk r ti ni m u n g der
W i r b e 1 s ;i II 1 «' . V e r d a ii ii n ?r s s t <i r u ti ir e n . A n il ni i e und M n s k e 1 s e h w ä e he,
habituellen Kopf.sehnierz, habituelles Isasen bluten, Nervosität,
geistige Schlaffheit. Auch Anschwellung der Schilddrüse haben
Einige als eine Sehulkrankheit heE^ebnet. Sieber ist endlich, dass bd den Sehal-
kindern gewisse epidemische und flbertragbare Krankheiten eine
auffallend starke VerbreitunL' finden.
Es kommt nun daraut an, zu ermitteln, ob die Schule einen Antheil an
der Entstehung oder an der Ausbreitung dieser Ldden bat und wie gross er ist
Dann erst wird dasjenige, wa» sur Abwehr oder VemuBderung geschehen Kann,
Besprechung finden können.
Die Kurssichtigkeit der Schulkinder ist schon lange bekannt. £in
ungemein beweiskrflftiges Material aber haben H. Cohn •) und nach ihm andere
Augenärzte in den letzten beiden Decennieii beijrebraeht. Derselbe lehrt, dSM
die Kurz.siclitigkeit der Kinder kurz vor nnd bt-i dem Eintritt in die Schule unge-
mein selten ist (Kotelmaxn *^), dass sie dann von Clause zu Cla.sso an Frequenz
sunimmt, dass sie in den Dorfschulen und stidtischen Elementarschulen am wenigsten
biufig, in den Gymnasien am hivfigstai gefiinden wird nnd «berbanpt um so ver*
breiteter und schwerer ist, je höher die Anforderungen sind, welche an die
Schüler in wisjicnscbaftlicher Beziehung gestellt werden. Folgende Ziffern H. COUN'S*)
lehren dies in unzweideutigster Weise: Es fanden sich Kurzsichtige
in Dorftehnlen 1*4<> o
„ st;ldti.schen Elementarschulen 6*7 „
„ stildtischen Mittelschulen 7*7 „
„ höheren Töchterschulen 10*3 «
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SOHDLeESDNDHBITSPFLBGE.
611
in RMlMhiÜM 19-7^0
M GymnaBieii 36*2 „
„ VI Oyrnnasii 12-6 „
„ V „ 18-;-',,
»ni „ 3i-o„
» U » 41-3 „
Darnach ist jedenfalls die Schulzeit als diejenige zu bezeichnen, in welcher
das Leiden sich entwickelt. Wag die ei^ntliehe Üreaebe desselben anbelangt^ so
liegt sie in der anhaltenden Naharbeit mit steter Rewe^unp: der
AiiL'cn. " Die Näharbeit hat we?en der Accommodation der Aujren für die Nilho
eine Vermehrung des iotraocuiären Druckes, diese aber eine Verlängerung der
sagittalen Aehse de« Aages nnd damit Knmiditlgk^ snr Folge. Wäre die Na
arbeit au sich schädigend, so mflssten auch die Uhrmacher kurzsiehtig werden;
dies ist aber relativ sehr ■selten der Fall ' , obschon doi-li aiicli sie zum jrrosseii
Theil mit 14 oder 15 Jahren aiitaiigeu, ihre Augen auzustreii-ren. Beim Lesen
und Sehreiben werden aber letztere für die Nähe aecommodirt und zugleich hin
nnd her bewegt.
Pradisponi rend wirkt entschieden erbliche Belastung, die wahrschein-
lich in der Vererbung einer Nach^iebifrkcit des Bulbus, speeiell der hinteren Scleral
partie besteht ^-^J und wahrscheinlich auch Alles, was zu einer pa.ssiven
HjperAmle der Aogen Anlass giebt. Nach diesem wird in der Sebelzeit anbaltendea
Lesen und Seh reiben , das Lesen klein- oder mattgedruckter Bücher, das Lesen
nnd Schreiben bei unzureichender Beleuehtunfr, das Sehreiben auf sehlechten Tafeln
die Entstehung der Kurzsichtigkeit befördern, da es das Auge zwingt, sich für
die Nähe sa aeeommodiren nnd rieh stets bin nnd her zn bewegen. Ist es richtig,
dass passive Hyperfimie der Augeo die Entstehunir befördert, so wird das anhaltende
Lesen und Schreiben bei Vornüberbeu|2^en des Kopfes, wie es namentlich durch
schlechte Subsellien geradezu veranlasst wird, ein wichti^jcr ursächlicher Factor
sein, weil bei solcher Haltung eine Stauung in den Venen der Augen eintritt.
Den Haaptanthdl an der Entstdrang der Knrasiehtigkrit hat nnswelM«
haft die Schule, weil sie die Kinder SO übermässiger Naharbeit oft in unzu-
reiclifud lu'lcuehteten Riiuinen und auf schlechten Snbgellieti zwiujft. Aber es w.lre
ein i ebler, das 11 a u s vou jeder Mitschuld freizusprechen , da viele Kinder ihre
hftnslichen Arbeiten bei nnsureiehender Belenehtnng anfertigen nnd oft viel an
anhaltend schlecht gedruckte Bücher lesen und \uA zu wenig im Freien sieb
ersrehen, damit aber zu weniji: Oeleirenheit haben, die durch zu anhaltende Acoom-
modatiun für die N.^he entstandene Veränderung der Augen auszugleichen.
Auch die seitliehe Verkrflmmnng der Wirbdaäule, die Seoliose, Ist ein
Leiden, welches im vorschulpfliehtigen Alter sehr selten, im sehulpfiichti'ren ziemlich
h.lufifr vi>rkommt. Bei l?-2ö von :?()(> Sc<'li(»(i>^elien F,i r.KXRT:i?ri's "i hatte das Leiden
sich vom 7. — 15. .Jahre entwickelt. Von den Scoliotischen Parow's standen
60° 0 im Alter von 8 — 14 Jahren. Die relatiTe Hlufigkeit der Seoliose bei Sehnt-
hindern wird vonehieden angegeben. 6üillaum£ i*) beobaehtete sie bei
doeh ist dieser Satz, selbst wenn man die allerfreringsten Grade aiifzflhlt, als zu
hoch anzusehen. Im Uebrigen zei?t sie sich weit mehr bei Müdchen. als hei Knaben.
So waren von den 300 Scoliotischen EuLENbUKti ä 261 weiblicheu uud nur
39 minnllehen Oesehleehts. Endlieh muss hervoi^hoben werden, dass das Leiden
in der flberwiegenden Mehrzahl der Fälle rechtsseitig ist
Die Ursache desselben liej^t vornehmlich in der fehlerhaften Schreib-
haltung und im nachlässigen Sitzen. Beim Schreiben fallen die Schulkinder sehr
lacht, zumal wenn sie aof sehleebten Subsellien sitsen, mit dem OberkSrper naeh
vom, gerathcn mit der vorderen Wand ihres Brustkorbes an den Tischrand, neigen
die rechte Schulter auf- und angletch vorwärts, die linke ab- und augleich rOck-
39*
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612
SCHULGESUXDHEITSPFLEGE.
wftrts, schieben das Schreibheft schrä]? nach links und drücken zuletzt die rechte
Seite des Brustkorbes fest an den Tischrand, während sie die linke Seite deutlich
▼OD ihr ahsiehen. Dann verlftnft aber die WirbeUiale im Bereidie des Sobnltep*
blatiM nach reditt eonvex, nach links ooneav; auch sind hier die Wirbel um
ihre Vertii:'Hlaeh«e nach rechts rotirt. Gleichzeitig fUUt der Kopf nach links und vom;
er ruht nicht mehr allein auf der Wirbelsäule, sondern wird zum Theil von den
Nackenmuskeln gehalten. Diede Sohiefhaltung tritt am scbärt'ateu hervor, wenn
der senkfcehto Abstand tob Site* nnd Tiediplstto sehr gron ist und das Kind
wegen zu beträchtlicher Höhe der letzteren gezwungen wird , den sehreibenden
rechten Arm in der Schulter zu erhoben. In solchem Falle zieht es den linken
Arm ganz von der Tischplatte herab, umfasst ihren hinteren Kand mit der linken
Hnnd, nm einen Halt su gewinnen, nnd ruht blos auf dem Hinterbadcen der
rechten Seite, nicht gleichmässig auf beiden Hinterbacken. Beobachtet man ein sO
Bchreibcudes Kind bei völliger EntblAssniig, so bietet es voUstindig das Büd einer
rechtsseitigen Scoliose.
Dass sehOB die naohllssige Haltung beim Sitaen Anlais zur Bntrtehnng
des Leidens gelMn lunn, hat Scbclthess dnreh die Zdehnung der Wirbel>
säulenkrümmung sitzender Kinder nachgewicBen. Im Sitzen mit nachlfisaiger Haltung
zeigen nach diesem Autor alle a n t e r o p o s t e r i o r e n Curven den kyphotischen Typus
und in zahlreichen Fällen die seitlichen Curven eine erhebliche Abweichung.
Wenn letsteres aber sidi Tag fltr Tag wiederholt, so mnss sehliessliefa bletbeode
Abweichung, das ist Scnliose, entstehen. In dieser Weise bilden sich wohl aneh
die linksseitigen seitlichen Verkrümmungen der Wirbelsäule aus, da beim nach-
lässigen Sitzen die Wirbelsäule einiger Kinder regelmässig eine Abweichung mit
der GenTexItIt naeh links idgt.
Aus diesem erhellt, dass die Entstehung der Scoliose durch die Schule
in hohem Grade begiinstif^t wird. Sie fordert viele S eh r ei barbeit, und bei
dieser tritt so leicht unrichtige Ihiltung ein; sodann zwingt sie zu anhaltendem
SitMD, vielfadi in SnbselUen, welche eine richtige Haltung anf mehr als knrie
Zeit geradezu namOglieh maehen. Aber es geht aus dem Vorgetragenen auch her-
vor, dass die Schule nicht immer allein die Scoliose verschuldet. Ks ist ja nichts
Seltenes, dass Kinder ihre schriftlichen Arbeiten im Hause an ganz ungeeigneten
Tischen, z. B. auf der Fensterbank mit nachlässigster, gar nicht Überwachter
Haltnng anftrtigea; ist aueh nahesa Regel, dass die MAddieD ihre hlasüohen
Handarbeiten vomüberge neigt mit Hoelihebang der rechten Sehnlter und Links»
Wendung des Kopfes ausftlhren.
Die Thatsache, dass Mädchen viel häufiger als Knaben an der Scolioae
erkranken, wkllrt sieh sehr einftush ans dem Umstände, dass die ersteren eine
sehwflchcre Musculatur, auch am RQcken, längs der Wirbelsäule, haben. Je kräf-
tiger das Muskelsystem ist. desto leichter wird es die nacbtheilige Wirkung des
Sitzens und Schreibens in fehlerhafter Haltung wieder auszugleichen im Stande
sein ; je schwächer es ist, desto rascher wird die laterale Abweichnng der Wirbel-
säule, wie sie so oft bdm Sehreiben und Sitien eintritt, zu einer bleibenden werden.
Dass VerdauungsstTirungen, man^'elhafte Kssliist, Völle und Druck,
selbst Schmerzen in der Magengegend, Verstitpfunir bei .'Schulkindern gar nicht
selten sind, wird Jedem Arzte bekannt sein uud deshalb des Beweises nicht be-
dOrfen. Sie rtlhren ohne Zwdfd mtens davon her, dass die Kinder tSglieh eine
Reihe von Stunden in einer Haitang zubringen, welche Athmung und Blutcircn-
lation, zumal in den Unterleib.sorganon, beeinträchtigt, damit aber die Bedingungen
der Digestion und der Blutbildung ungunstiger gestaltet, rühren aber auch
davon her, dass viele Kinder unter dem Bitülusse nervöser Unruhe, des soge>
nannten Schulfiebers , aus Furcht vor Versäumniis sieh nicht die gehörige Zeit
zum Essen lassen, die Speisen viel /ii ha-fti^'- . zu weni^' zerkleinert hinunter-
schlucken. Die natürliche Folge dieser meistens ganz chronischen Verdauungs-
störungen, des zu langen Stillsitzens in wenig guter Luft, der au geringen
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SCHÜLOESUNDHKITSPVLEOE.
613
Bewflfnng im FM«& iit Blltt«, Aatttie wtA Matkelsehwlobe, welehe
vorhin ebenfalls als Schulkrankheiten bezeichnet wurden und in der That bei
Schulkindern , insbesondere der StSdte . so sehr häiitiL'" sind , in den Ferien so
oft sich zu bessera pflegen , daää wir berechtigt sind , sie eben als Schulkrauk-
hdtm Sil beseiobiMD, mit dar Beliide im ZiiMmmeiihuig su hringen.
Habitueller Kopfschmerz und habituelles Nasenbluten
sind gleichfaliä »ehr häufige Erscheinunsren bei Schulkindern.
Von 515 Gymnasiasten, weiche Kotslmann UDterauchte, litten 143
aa IwUtueltem KopAohmerSf 80 an lialritnellem Nasenbinten, von 8564 Dsrm-
stftdter Schulkindern, welche Becker untersuchte, 974 an öfter wiederkehrendem
Kopfschmerz, 405 an (»fter wiederkehrendem Nasenbluten.'"*) Das Kopfweh trat
in den unteren Classeu weniger, in den oberen viel stärker, in der 1. des Gym-
nasiums bei 800/0 hervor. Aehnliches stellte Kotkluann") fest. In der VI. des
Hamburger Ojrmnasinms littsn an Kopfweb 19*/», in der I. 68%, in der Vf. an
Nasenbluten IS»',, in der I.
Die Ursache dieser beiden, sehr oft gleiehzeitifr vorkommenden Leiden
ist in einer abnorm grossen BlutfQlle des Gehirnes, der Gehirnhäute und der
Nasensehleimliaiit in snelran. Diese BlntfOlle kann anf Gongestion Imnben, dureb
angestrengtes Anftnerken und Memoriren , sowie durch Reizung: der Nane nach
Einathmun^ von Staub erzeugt sein : sie kann aber auch auf Stauun'r beruhen
und ist dann durch Druck der Haläbekleidung auf die Halsvenen bei VoruUber-
nelgen des Kopfes, dnreb oberfliehliebes Athmen in Folge des langen Sitzens mit
\ornübergenei;rtem Oberkörper lierrorgerufen. Dass das Kopfweh auch andere
I rsarlien, z. B. die Einwirkun«^ strahlender Wärme der Oefen , Einathmuns:
kuhleuoxydbaltiger Luft, unzweckmässige Ernährung, haben kann, ist nicht zu
leugnen; in den mdsten FiUen wird es aller F<rfge der zuerst erwibnten Mo-
mente sein.
Vielfach findet man bei Schülern von Gymnasien . bei den Schülerinnen
in den höheren Töchterschulen Erscheinungen von Neurasthenie, von
grosser Keizbarkeit und von geistiger Schlaffheit oder autlallend
starker Zerstreutbeit, von Unffthigkeit, die Oedanken an eon-
centriren. Da diese Erscheinungen in den unteren Classen viel selt^^ner als
in den oberen hervortreten . so hat man sie mit der Schule in ursSchliehen Zu
sammenbang gebracht, und gewiss mit Recht. Denn die Neurasthenie findet mau
am hftttfigsten und stftrksten bei den Sebnlkindem, welobe zu frtth oder zu in-
tensiv angestren<rt wurden, welche, vou ungesundem Ebrgeiz getrieben, der Schul-
arbeit zu viele, der lTho!un?r, der Muskeldbung zu wenig: Zeit widmen und auf-
fallend häufig bei denen, welche Uberhastet werden, welche, von Peosum zu
Pensum gejagt, den aufgenommenen Stoff niebt zu verdauen im Stande sind, aber
den lebhaften Willen baben , zu leraen , dem Unterricht zu folgen. Gewiss hat
an der Entwicklung von Neurasthenie bei Schulkindern auch vielfach fehlerhafte
Erziehung im Hause, frühzeitiger Geuuss von Spirituosen und Tabak, übertriebene
Sucht, Phantasieerregendes zu lesen, und Masturbation einen Antheil, zumal wenn
erbliebe Belastung vorliegt; aber da sie vielfseh bei niebt erblleb belasteten
Kindern vorkommt , hei denen diese letzterwähnten urs.lchlichen Momente ^aaz
aus/.uHchliessen sind, so müssen wir die Schale, speoieil die Metbode des Unter*
richtcs, aU ursächliehea Factor auerkeuuen.
Zu den bm Sebulldndem bauilgen Nervenkrankbeiten gebOrt die
Choren minor ^ der Veitstan z. Sie zeigt sieb vorwiegend bei schwächlichen,
anämischen Kindern, wenn sie erblich belastet sind. Zu den be^ilnstifrenden Ur-
sacben gehört zu lauge Unterrichtszeit, zu intensive Geistesarbeit, b'urcht vor
Strafen , Fnreht vor der PrOfung, mangelbafte Bewegung im Preten. **)
Geisteskrankheiten sind im Allgemeinen bei der Schuljugend
nicht haufi». -° -'• Doch l;isst sieh aus dem M-lnn;r vorliejrenden Material
soviel entnehmen, dass sie bei Schulern und Schülerinnen vorzugsweise in der
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614
SCHULGESUNDHElT^iPFLEGE.
Pubertätszeit hervortreten , und djiss die meisten der Befallenen erblich belastet
sind. Aber qa ist auch nicht abzuleu^ea, das« in eioein nicht unerheblichen
Proeentutz der Fälle su «nstreogende Geistesarbeit die Kmnklieit snin Au-
bmeh bra(^hte.
Was die S e h i 1 d d r (1 s e n s e h w e 11 u n p: betriftt, so ist sie von GuiL-
LAIMS fUr eine sehr oft mit dem Schulbesuch in ursächlichem Zusammen-
hange stehende Krankheit erklärt worden, da er beobachtete , daes sie in den
Ferien abnabm, wibrend der Sebnlseit wieder annahm. Doeb haben neuere Unter*
aoehongen die« nicht bestJttigrt. Namentlich ist djirauf hingewiesen, dass im nörd-
lichen Deutschland , wo die Schulkinder doch auch recht angestrenj^t arbeiten
müssen, die Schilddrüsenschwellung derselben etwas sehr Seltenes ist. Die That-
aadie, daas von Guillaomb's 781 Sdralkindern 414 an dieser Krankheit litten,
muss mit rein loealen Gründen zusammenhingen.
Dagegen steht es fest, dass gewisse Infectionskrankheiten un-
gemein oft durch die Schule tibermittelt und verbreitet werden. Dies gilt ins-
besondere vom Keneh husten, den Windpocken, Röthein, von den Masern,
dem Scharlach, der Diphtberitis, dem Mumps, der Influenza, dem
Trachom, dem Favus, dein // e r p >• .y r i r ci natu n und dem II p r pe a
tonsurniiH. Belege dafür lieferu unter Anderem die Schriften der unter '^^)f
**) nnd citirten Autoren.
Die U^ertragnng kann dadnreh erfolgen, dass gesunde Schnlkinder in
der Classe, in den Zwischenpausen oder auf dem Schulwege in nahe Hertlhrung
mit solehen kommen, welche krank, oder im I?egritVe sind, es zu werden und
doch schon die Erreger übermitteln können (^Maseru , Scharlach , Diphtheritis,
Kenehhnsten), oder reoonTaleseent , aber noch fnfeetiOs sind (Masern, Sebarlaeh,
Diphtheritis I. rnzweifeUtaft können aber auch gesunde Kinder ans einem infioirten
Hanse den Krankheitserreger in die Sehule verschleppen. Denn es steht fest, dass
aente Exantheme und Diphtheritis mitunter durch Gesunde übertragen werden,
welche mit Kranken in Berflhmng kamen. **• *^
Es folgt nunmehr die DarstellnDg der eigentlichen Schulgesundbeitspliege,
d. b. der Massnahmen , welelie zur Verhütung der Sehulkrankheiten , sowie
überhaupt zum Schutze der Gesundheit der Schulkinder anzuordnen und aas-
zufflhren sind.
Das Sehnigebinde. An jedes Sehnlgeblnde mflssen selbstver-
stflndlieh zun.lchst alle Forderungen der Hygiene gestellt werden, welehe man an
ein Wohngebaude überhaupt stellt. Es soll also eine gesunde Lage haben, das
heisst auf einem für Luft und Wasser durch lässigeu, uicht verunreinigten üuter-
gmnd erbaut sein, dem Sonnenliehte und der bewegten Luft freien Zutritt gs«
währen , auch hinreichend fem von gewerblichen Betrieben , die Ubie Gerüche
verbreiten, von sumpfigem Terrain und von Dungablagerungsstätten liegen. Der
specielle Zweck, welchem es dienen soll, macht es nothwendig, dass es auch von
gerftuschvollen Betrieben möglieh fem sein soll, und dass es von den Sehulkindero
ohne «nen langen Schulweg erreicht werden kann.
l'ie Haupt front ist am zweekmässigsten nach Süden gerichtet, weil
das Gebäude dann das meiste Licht bekommt. Lfisst sich dies nicht durchführen,
SO wfthlt man die Richtung nach Südosten oder Sttdwesten.
Das Baumaterial man, wie fDr jedes Ham, porös, troeken, nicht
au sehr hygroskopisch sein, damit es die natürliche Ventilation zulässt. Deshalb
sind gut gebrannte Ziegelsteine und Kalksteine am meisten zu empfehlen. Nur
zur Isolirung der Keilersohle gegen den Untergrund und des Oberbaues von dem
Fundament mttssen Materialien verwendet werden, welehe fdr Luft und Wasser
undurchlässig sind, nämlich Portlandeement, Klinkersteine, Sehieterplatten oder
Asphalt in nicht zu dünner Schicht. Sehr zweckmäs-iig ist es, die Aussenwände
des Gebiiudes so herzustellen, dass sie, aus einer äusseren und inneren Mauerung
bestehend, eine Luftschicht einschliesaen. Solehe Wftnde dampfen den Sehall,
SCHUrXiESUNDHElTSPFLEGE.
615
schützen vor zu starker Sonnenhitze , vor zu starker Abkühlung im Winter und
vor Eindringen der Nässe des Sohlagregens, genügen also den Forderungen der
Hygiene in besonderem Masse.
Ahmot dem Kellerraame, der ftlr jedes Hans zur Femhaltung der
Bodenluft und Bodenfeuchtifrl<eit nothwendip: ist, soll das Schulgebäude lediglich
Hitume für l'nterrichtsz wecke, je nach den Umstftndeu aueh für den Lehrer und
Schuldiener enthalten.
Die Hansthttr, der FluTf die Treppen itnd die Ginge mflseen
eine hinreichende Breite habeu, erstens damit ein geordneten Aus- und Eingehen
m^'i^rlich ist, und zweitens damit bei FcMiersgefahr den Schulkindern ein rasches
Verlassen des (iebäudes nicht erschwert wird. Allgemein hält man eine Breite
von 1*6 — 2'0 Meter illr voll genügend. Daas Ginge, Treppen nnd Flnr aneh
hinreichend hell adn mttiaen, versteht sieh von selbst.
Die Treppen wird man mit Kflck^ticht auf Feuersicherheit und auf
leichtere Reinhaltung am besten aus Stein herstellen lassen. Die Steigung s-
hdhe sei von Stufe sn Stafe in nrnnmo 0*15 Meter. Der Anftritt messe
0*25 — 0*30 Meter von vorne bis hinten. Das Geländer werde dureh metnllene
Knöpfe gegen Benützung: zum Herabrut>chen gesichert. Vor jeder Treppe, auf den
Gängen vor jedem Schulzimmcr soll wie vor dem Eingange zum Sehulgebäudo ein
Scharreisen oder eine Drahtmatte liegen, damit der Schmutz des Schuh-
senges ni» der SiAale mflgliehst femgehalten wird. Ebendort ist flberatl ein
Placat anzubringen, auf weUshem mit grossen Bnebstaben die Worte stehen:
„Fasse ^ut abtreten.'*
Die Scbulzimmer lege mau tbunlichst an der SUd-, Südost- uud
Sfldwestseite des Gebindes, unter keinen Umstilnden an der Mbrdseite an. **) Thra
Grösse darf mit Rüi-ksii-lit auf den Lehrer, die Hörbarkeit Heiner Stimme, sowie
mit Rücksicht auf die Handhabung der Ruhe und Ordnung withrend des Tuter-
ricbtes und darauf, dass auch auf den letzten Bänkeu das an der Tafel (je-
tehriebene deutlieh erkennbar sein soll , eine gewisse Grense ni^t Ubersehreiten,
die Hohe nicht 4*5 Meter, die Länge nicht 10 Meter, die Breite mit Rticksieht auf
die Belenchtung nicht 7-2 Meter. Damach würde ein Schulzimraer in maximo einen
Flächenraum von 72 Qm., einen Cubikraum von 325 Cbra. haben dürfen. Nun mug?
jedem Schulkinde mindestens ein Flächenraum von O G (^m. zur V erfügung steheu,
damit es heim Sehreiben hinreiehend frei ist und nieht der Ausathmnngsluft der
Nachbarn allzu nahe kommt. Eine ebenso grosse Fl.tche ist pro Schulkind für
Gänge neben den Subsellien. für den Lehrernitz, für den Ofen anzusetzen. Es würde
also auf jedes Schulkind eine Fläche von mindestens l"2 Qja. zu rechnen sein.
Nimmt man nun die Höhe des Zimmers sn 4*5 Meter an, so hätte man für jedes
Schulkind einen Cubikraum von 5*4 Cbm. zu fordern. In einem Zimmer von
32.') Cbm. würden Schüler Platz finden, keiueBfalls mehry in einem Zimmer
von 100 Cbm. (bei 4-5 Meter Höbe; nur Iti Schüler.
Fflr Sehnigebäude mit einem «neigen Unterriehtszimmer dflrAe niebt die
oblonge Form des letzteren HO : 7*2), sondern das Achteck mit gleichen Selten
am zweckmüssigsten sein (System Fkrrand). Eine derartige Form gestattet, eine
grosse Menge Licht zuzuführen, ausgiebig zu ventiliren, erleichtert überdies dem
Lehrer das Sprechen, den Ueberbllck, den Schulkindern aber das Zuhören, sowie
das Erkennen des Gesehriehenen anf- den in der Nihe des Lehrers ange>
braehten Tafeln.
Die Wilnde lits'^t m:iu am besten mit grauer Leimfarbe oder mit Kalk
tünchen , im unteren Dritttheil aber mit Oel streichen , damit sie hier abwasch-
bar sind.
Der Fussboden werde aus hartem Holz hergestellt und naeh Aus^
flUlung der Fugen mit Oel gestrichen.
Sehr wichtig ist die ric h ti ge C o n s t r u c tion der Fenster in den
Unterriehtszinunem. Prindp sei, die natfliliehe Beleuehtung so einzurichten, dass
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616
SCHÜLGESUXDHEITSPFLEGE.
jeder Platz ohne Auunabme hinreichende Helle hat, um dem Schüler Lesen und
Sohreiben ohne Aastreogung der Augen zu ermögUchea. Ein »olohes Maas von
Helligkeit wird aber nar dann «rreidht, wenn «nf jed«i QnndntnMtar BodiniielM
des Zimmers mindestens 0*2 Qm. Glasfläche konunt, wenn die Fenitar Iris nahe
zur Decke und abw.lrts bis etwa 06 Meter vom Fnsshodpn reichen, wenn die
Zwiscbenw&nde swüchen den Fenstern nicht zu breit sind and wenn diese Zwiaehen-
^ribide nadi dem Zimmer an abgesehrftgt werden. Unter allen ümstinden
muss jedes Sohnlkind von seinem Platse ans einen Theil des
Himmelsgewölbes sehen können, nad swar, wie H. OoHV anninnrt,
wenigstens äO (^uadratg^rade desselben.
Der Einfall des Lichtes kommt am besten von links her, damit
das sehreibende Sehnlkind niebt sieh selbst das Heft besehattet Lieht Ten reebts
wtlrde diesen Nachtheil zor Folge haben, Licht von vorne wesentlich nnr den
vorderen Biinken zu Gute kommen und alle Schulkinder blenden, Licht von beiden
Seiten zwar sehr vortheilbaft sein, aber nur ausnahmeweise gewährt werden
können, Liebt von oben, fllr ZeiebensUe in hohem Grade empfeblenswerdi, Air
gewOblÜiebe Unterrichtszimmer nicht empfehlenswerth sein, weil die Fenster
in solchem Falle sieh nieht in dem notbwendigen Kasse snr Ventilation ans-
ntttzen lassen.
TU» Fttuter mflasen endlieh mit Vortiebtungea versehen werden, weldie
es ermö°:licha^ die direetcn Sonnenstrahlen fernzuhalten. Am meisten eignen sieh
dazu Vorh.lnj^c aus ung^ebleichtcr Leinwand, welche so anprobracht werden , d.iss
mau sie von den Seiten her zii.sarameuzieh»iu kann. V o r f a 11 ni ;i r i| u i h e n bieten
den Vorzug, dass sie eine treüliche Ventilation ermöglichen und in heisaen Tagen
der an starken Erwirmnng des Zimmers entgegenwirken. Aber me ▼emrsaehen
bei bewegter Luft zu viel Geräusch und st<^ren dann den Unterricht. Hölzerne
Einschieb- oder K 1 a p p j a 1 o us ie n gestatten ebenfalls das Oeffnen der Fenster
und den Zutritt guter Luft, stören aber leicht dadurch, dass Sonnenstrahlen durch
die longltndinalen Spalten in's Sebnlaimmer dringen und das Ange reizen.
Jedes Schulzimmer bedarf einer ausreichenden Zufuhr guter und
ebenso ausrcii-lienden Abfuhr schlechter Luft. Die zahlreichen Schulkinder
produeiren in dum Unterrichtsraume, der mit KUcksicht auf den Zweck verhältniss-
missig eng bemessen werden mnss, sehr bald ein Plus an Kdileaslare , an
organiseher Substanz, an Feuchtigkeit. Dazn kommt, dass sie in ihrer Kleldnng,
an ihrem Schuhzeug Staub- und Schmutzpartikelchen mitbringen, welche reich an
Mikroparasiten sind, bei howegungen der Kinder in die Sehuistubenluft gelangen,
auf dem Fussboden oder den Fensterbänken, Schränken oder anderswo sich lagern
und bei Bewegungen immer nen anfgewirt»elt werden. So vereehleehtert sieh die
Sehuistubenluft vom Beginn des Unterriebtes an in steigendem Orade. Bbkitiko
fand in Baseler Schulzimraem
221
: 10.000
vor der grossen Pause . . .
. 68-7
»
: 10.000
nach der grossen Pause . . .
. 62-3
: 10.000
nach dem Morgenunterrieht .
. 81-1
n
: lO.ooo
vor dem Nachmittagsunterricht .
naeh dem Naehmittagsanterrieht
. 55-2
n
: lO.Ouu
. 98-6
n
: 10.000
leb selbst fand in der Luft stsrk besetzter, nur mässig ventilirter Schulzimmer
fast zehnmal mehr organische Substanz als in reiner Luit und einen Feiichtigkeifi;-
gebalt von 77'' o. wie etwa in Smiterrains , Zarnack-'-) im Staube vom Fusa-
boden eines Scbulzimmers pro (iramm 1*11. OOO, im Staube vom Schranke des-
selben Zimmers pro Gramm 6)26.000 Mikroorganismen, die fast anssehliesslioh
cur Glasse der Spaltpilze gehf^rten.
Hieran* folgt die Notliwendigkeit einer kräftigen Ventilatinn. Heehnen
wir den sttludlichen \ cutilaiionsbedarf von tiO in einem Zimmer von 32ä Cbm.
vereinigten Sehulkindern an 1500 Cbm., so wflrde, wenn wir einen COa-Gehalt
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S0ÜULG£SUNDHEITSPFLE6E,
617
der Aussenluft zu 3*2 : 1 0.000 und die zulässige Grenze des C0o-6ehaltes als
7 : 10.000 annehmen, die Luft des Zimmers etwa 4V'jnial pro 1 Stunde erneuert
werden mtlssen. Dies ist aber ohne Zugluft nicht mOgUcb. Wir werdeu deshalb
«ntweder di« Zahl d«r losMaeii sv verrlngon oder dahin ta »traben haben, daas
Ae Luft verbessert wird, ohne dass die Sohfller Zng^nft Tenpfireu.
Zu einem Theile erfolpt die Luftemeuernnp ohne unser Zuthun durch die
natUrlicbea Oettnuagen uod Spalten der Fenster, ThUren und Wände. Aber diese
Ventilation gentigt aelbatventftndlieh beiweitem alobt fftr ein beaetstea 8ehnl-
zimmer. Es giebt aaeh nur ein Mittel, den Schulkindern hinreichend gute, frische
Luft zu sichern, ohne sie durch Zu>r zu belitsti^en, dn< ist Abkürzung der Schul-
stunden auf 50 Minuten und OeH'nen von Thür und Fenstern in jeder Pause,
sowie nach Beendigung des Vormittags-, wie des Naebmittagsunterriohtes. Diese
Art der Ventilation siehert am vollattadigsten die Beseitigung der angesammelten
schlechten Luft und des losen Staubes , aber auch die Nenfülliing des Zimmers
mit reiner Luft. Auch im Winter ist dies auszuführen, da die durch ausreichende
Heizung in den Wänden aufgespeicherte Wärme dem Zimmer sehr bald wieder
dne behagliehe Temperatur Terlelht. Während des Cnterriehtes kann man die
Ventilation dadurch f(lrdern, dass man die oberen, nm die Horiaontale drehbar
gemachten Scheiben der Fenster so einstellt, das-- sie mit ihrem olieren Kande
weiter, als mit dem unteren in das Scbulzimmer hineinragen. Auch kann mau an
Stelle der undnrehbrochenen Seheiben sehr fein dureblOeherte wenigstens in die
oberen Fensterfiächen oinsotsen nnd dadureh ebenfalls erreichen , dass gute Lttft
einströmt, ohne l.lstifren Zu? zu erzeugen. Empfehlenswerth sind ferner {gerade
für Schulzimmer die S h ek ri n g h a m ' sehe n Lüftungsklappen, welche
sowohl fflr den Einlass guter, wie für den Auslass schlechter Luft gestellt werden
können und flberhanpt die meisten VentUationaeinriehtnugen, welehe fitr öffentliche
Anstalten Verwendung gefunden haben. Im Winter endlich wird man, wie gleich
weiter gezeigt werden soll, mit errossem Vortheil die Heizung zur Verbesserung
der Schuistubenluft ausnUtzeu. Immer aber hat man im Auge zu behalten , dass
das regelmässige Odlhen von Thören und Fenstern durch kdne andera Massnahme,
auch nicht durch eine Verbindung mehrerer Massnahmen künstlicher Ventilation
ersetzt werden kann und de^ihalb für jede Schuh» . jedes Schulzimmer obliga-
torisch zu machen ist, sowohl im Interesse der Gesundheit, wie auch der grössereu
geistigen Frische der Schuljugend und des Lehrers.
Was die Heizung anbelangt, so .«oll sie dem Scliulzimmer ausreichende,
ni<Vlichst irleiehmslssige Wärme verleihen , dabei die Luft nicht verschlechtern,
sondern eher noch verbessern. Für diesen Zweck können die Local- uud die
Gentralheizuttg in Betraeht kommen, erstere für kleiimire nnd grössere, letztere
für grössere Anstalten. Die Loealbeiznng wird niemals dnreh gewöhnliebe gasseiserne
Oefen beschafft werden dürfen, da die^sc leicht tlberhitzt werden und dann durch
die strahlende Hitze, s'»wie durch Produete der an ihrer Obertliiche verschwelenden
organischen Theile des Staubes belästigend und gesundheitsschädlich wirken, aber
auch das Zimmer nicht gleiebmässlg erwärmen und rasch erkalten. Besser sind
gusseisoriie, innen mit Cbamottcsteinen ausgekleidete und in Gegenden mit nicht
zu kaltem Winter auch Kachelöfen, am besten aber Mantelöfen. Die Kachelöfen
werdeu allerdings nur langsam warm , aber sie halten die Wärme auch länger,
belästigen nicht durch stndilende Wärme und hdzen recht gleiehmässig. Damit
sie gut ventiliren , mössen sie vom Zimmer aus geheizt werden. Mantelöfen
für Schulen sind so zu construiren , dass von der ,\u-;senwand ein gemauerter
oder metallener Canal unter dem Fussbodeu des Sehulzimmers bis zum Mautel-
raum gefttbrt wird. Sie beizen ausrdehend, aueh, wenn au^paast wird, nicht an
stark und ventiliren zugleich, indem me gute erwärmte Luft in's Zimmer abgeben,
schlechte verbrauchte aus dem Zimmer zu ihrer Feuerung anziehen und mit den
Brenngasen ableiten. Zur Kegulirung muss der ( anal am Fusse des Ofens mit
einer verstellbaren Klappe versehen seiu , uud diese Klappe muss mit grosser
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äCHULGESUNDHEIXSPFLEGE.
Anfmerksamkeit behandelt werden , da bei ungünstiger Windrioihtoiig waib ütik»
kehrang des warmen Luftstromes eintreten kann (i, pa{?. 248).
VoD den CentralheizungeD kommen ftlr Schalen die Laft-, die
WarmwaBser- und die DanpfheUung ia Betraeht. Bei der Lvft-
heiznng ist ttets m beachten, dass Heizkörper und Heizkammer in richtigem
Verbältuiss zur Orösse der rnterrichtszimmer stelieii nnd jedenfalls uicht zu klein
sein sollen, damit die Heizluft nicht so hoch erhitat an werden braucht. Ferner musa
man den Ganllen genügende Weite, glatte, saubere Wandung geben und dieselben
•0 duriehten, dass sie leielit gereinigt werden können. Sodann ist dra horiaontaIeD
CanJtlen eine leichte Steigung zu geben, damit die 6rwflrmte Luft ohne Wider-
stand aufsteigt. Vor Allem aber soll dafür geborgt sein, dass am Heizkörper
keine Ueberhitzung der Wandung stattfindet, damit die Bildung von Verschwelungs-
prodneten ferngehalten wird, irad dasa die erwlrmte Lvft Gelegenheit findet,
Wasserdampf in sich aufzunehmen. — Von den Wasserh ei zungssy Sternen
empfiehlt sich sehr die Niederdruckwasserbeizunfr (Temperatur von
bi) — 100^) mit freistehenden Säulenöfen und continuirlichem Betriebe. Sie giebt
eine angenehme, gleiehmiSBige Wime, doeh ist die Anlage siemlieh kostspielig.
Die II ei s s w asserh eiznng, liei weleher das Wasser anf 130 — 160" erliitzt
wird, hat in Schulen ntir selten Anwendutifr gefunden (l, pag. lTi''). Die
Dampfheizung endlich, bei welcher der Wasserdampf die Wärme tibenuittelt,
wird fflr Schulen nur als Niederdruckdampfheizung angewendet, und zwar meistens
naeli dem System Bbcbbm nnd Post.**)
Welches System der Oentralheizung aber auch Anwendung findet,
immer ist es unerl.lsslich, da-^s der Betrieb sehr sorgfältig gehandhabt nnd regel-
mässig controlirt wird. Die über Centralbeizungssysteme laut werdenden Klagen
sind in der weit flberwiegenden Mehrzahl der Fülle auf unrichtige Handhabung
der Anlagen zurUckzufdhren . die selbst iler Ilegel nach Folge ungendgender
Sehnlnng des Personals oder man.irelliafter Contmle Feiten-J der Lehrer ist.
Die zweckmflssigste Temperatur liegt für Scbuizimmer zwischen 16 und
19« C. Zu ihrer Pettstdtnng soll in Jedem Zimmer mbdestens du l^emometer
in der Höhe des Kopfes sitzender Schulkinder, aber niebt in derN&he des Ofens
und nieht an der Auasenwand angebracht sein.
Ist das zulässige Maximum der Temperatur l'J", so liegt es auf der
Hand, dass wir bestrebt sein müssen, im Sommer die Schulzimmer nach MOglieh-
keit abzttkflhien. Stillntsoi in einem engen Raum mit wenig guter Luft nnd hoher
Temperatur ist nicht blos eine grosse Qual, soudern wirkt auch in hohem Grade
lähmend auf das nenkverm^^L'en und die F.'iliitrkeit, aufzumerken. Am leichtesten
lässt sich die Kühlung da bewerkstelligen , wo Eionohtungen zur LUttung durch
Polsion bestehen. Man braucht dann die einzutreibende Luft nur vorher dureh
kalte>( Wasser oder durch einen Kaum zu treiben , durch dessen Decke unaus-
gesetzt kaltes Wasser herabrieselt. Wo solche Einriehtun ?^en nieht vorhanden
sind , soll man die Schulräume währeud der ganzen Nacht oüen halten , frdb
Morgens die Vorhänge herablassen, die Fnssbdden vor dem Beginn des Unter-
richtes und in den Pausen besprengen. Beträgt die Temperatur der Aussenluft
Frttb um 10 Uhr 26* im .'^chatten. «' \< di r X.-tchmittagsunterrlcht auszusetzen.
Die künstliche Beleuchtung der .Schulzimmer wird am vortheil-
baftesten durch elektrisches Glüblicbt oder durch AuEB^sehes Gas-
glfl bliebt beschafft. Ersteres liefert bei richtiger Anlage und richtigem Betriebe
ein rtihigea Licht, welches die Luft nicht verschlechtert, nur wenig erwärmt und
nicht L'etührlich ist. Das ArKifsche fr a ir I Ii h 1 i e h t i , bei welchem ein mit
einem luriumoxyd getränktes BaumwoUgcwebe durch brennendes Gas in Weiss-
gluth versetzt wird, giebt ebenfalls ein sehr ruhiges und fast weisras Licht, viel
weniger Hit/e, als eine ge\v("hnlielie Gasflamme, und liefert bei viel gerinfrorera
Gasverbrauch viel mehr Normalkerz* nlicbt^^tärke. Wird irewr.hnliehes (iaslicht
gewühlt , äo hat man dafür zu .sorgen , dass die Flamme nicht llackert, dass die
Digitizoci l3y Qoo
äCHULGESUKDUElTäPFLEGE.
619
Brenngase nicht in die Zimmerlnft eintreten , und dass jede Schädigung durch
die ^»trablende Hitze fernpehalten wird. Ea ist deshalb passend , SiEMENS'ache
Regenerativgaäbreuner oder gewöbnlicbe Brenner mit unten scbliejisender Milch-
glaskugel und doppelteiD Cylinder amawoiden , von denen der iossere bii aber
die Zimmerdecke hinausreicbt. — Für ländliche Soholea wird man die künstliche
BeleuchtuiifT fliirrh Ot-l derjeniiren durch Petroleum TOnieihen, weil Oei ein weiioes
Licht und keinuu Anlasg zu Explosiunen giebt.
Attsstattnner der Unterriehtsaimmer. Sabselllen, Die Be-
sprechung der Sdiidkimiiklieiten hat au mehr als einer Stelle auf die grosae
Wichtigkeit ;rnt constniirter , die bedtMiteruleii Nachtheile schlecht «'on-^trtiirter
Schulbänke bingewieeen. Es frägt sieb uun, wie sind die letzteren herzustellen^
80 dasa sie den Anforderungen der Hygiene genUgen V
Maasgebender Grundaata sei der, daaa die Sohalbaali In allen ihren
Theilen inf^^licbst genau mit den entsprechenden Massen des bekleideten kindlichen
Korpers harmoniren mtiss. Hie Ricbtiprkoit dieses Satzes liraucbt nicht des Nilheren
bewiesen zu werden ) denn es liegt auf der Hand , daas in einer Bank , welche
nicht kArperrecht conatrnirt ist, das Sebulkind unmöglich anf Ungere Zeit eine
richtige Haltung annehmen kann.
Die hier in Hetracht kniDnicndcn Masi'e sind fol;rende :
1. Die Länge dea Unteräobenkeis von der Fussaohle bis zur Kniekehle
betrigt je nach dem Alter und der allgemeinen KArperlänge vom vollendeten
6. bis zum vollendeten 18. Leben^'ahre 29 — 60 Cm., oder £ut genan zwei Siebentel
der Körperl.lnfre.
2. Ea beträgt ferner die Entfernung des Ellenbogens eines herabhängenden
Armes von dem SitahOcker je nach Alter und Grösse 13 — 23*5 Cm., oder etwas
weniger als ein Siebentel der KOrperlänge.
3. Endlich niisst eine Linie von der Grenze zwischen dem untersten
und dem vierten Fltni'tcl des Oberschenkels Im zum hinteren Umfange des Gesässos
eines autrccht sitzenden Schulkindes 2'd — 27 Cm.
Nach diesen Hassen soll die Schulbank hergestellt werden. Zunlehst
nuiss die Höhe der Sit/platte vom Fussbrett, die ßankböbCf genau dem sub 1
notirten Massverhiiltniss ctitsprecben. also 2i* — 50 Cm. hoch sein. Ist sie grösser,
60 ßndet das sitzende Kind mit dem Fusse keinen Huhepunkt und wird danu
nach vorwärts rtleken, um ihn zu suchen, oder wird es aufgeben, ihn zu finden
und dann nach hinten sieh anlehnen.
Dem Ma«se , welches sub 2 notirt wurde , miiss der senkrechte Abstand
zwischen Sitzplatte und dem hinteren Hände der Tischplatte, d. i. die Differenz,
entsprechen; doch ist ihm, jenem Masse von 13 — 23*5 Cro., noch 1*6 Gm. hinzu-
zurechnen, weil der zum Sehrriben vorwärts geschobene Arm um so viel hoher
zti lieg"cn kommt , als der Ellenbo*ren. Dann wird der Arm nicht blos bt'(|uem
die Schreibbewctrmi^'' vull (Uhren . sondern braucht auch in der .Schulter nicht
gehoben zu werden. Letzteres tritt aber mit Nothwendigkeit ein, wenn der senk-
rechte Abstand grosser, die Tischplatte höher Uber der Sitaplatte sich befindet.
Die horizontale Entfernung zwischen dem vorderen Rande der letzteren
und dem hinteren Flandc der ersteren, d. i. die Distanz, darf fllr das sehreibende
Kind nur U oder negativ sein. Im entgegengesetzten Falle, d. b. wenn sie positiv
Ist, wird das Kind, sobald es nicht ungemein anfachtet, bald nadi vom fallen,
die Tisohplattenwand mit der Thoravwund berühren, den ganzen Oberkörper nach
vorn neigen und weiterbin jene Liiikswendun^r vollziehen . von welcher oben die
Rede war. Dann geräth es bei steter Wiederkehr solcher Haltung in Uefabr,
myopisch nnd scoUotisch zu werden. Die positive Distanz hat aber den nicht
unbedeutenden Vortheil, dass »ie viel besser die Möglichkeit gewährt, den Platz
einznnchrniMi iiiif] zu vcrla-JSrii, Man hat mit Hflcksicht hierauf viele Subseilien
derart cnnstruirt, dass ilirc Sitz- oder Tiscliplattc in horizontaler Richtung gestellt
werden, die positive iu die negative Distanz uui^^ewandelt werden kann.
nioiti7Pfi hv Google
620
SCHULGEiJUNUHElTöPFLEGE.
Die Sitzplatto muas dem Masse, wclehea oben sub 3 notirt wurde, eat-
spreohea. Soll das äohulkind fest uud ruhig siUea könnea, so d&rf die Flilche,
ftttf der M anliniht, nielit sehmller tob Tora naoh hinten sein, als dass sie Oeelss
und vier Finftel der bintereo FUohe des Oberschenkels aufzuuebmea vermag,
d. Ii. sie imiss 1?.'? — 27 Cm. Tiefe haben. Wird dieses Mass nicht erreicht, so fehlt
es dem Sitzeudeu an der bequemen Ruhefltlche, weil sich der Druck dann fast
aassebliessUeb auf die Silihteker mtheilt bt jene Tiefe aber grösser , als sie
angegeben wurde, so gebt beim Sebreiben in soleber Bank der Vortheil der Lebne
verloren. Sehr zu empfehlen ist es, die Sitzplatte ein wenig: ausziilnihlen oder sie
wenigstens von vorn nach hinten etwas sich senken zu lassen. Man hat sie auch,
um das Rutschen von hinten nach vorn zu verhüten, aud mehreren parallelen
Leisten bergestellt. Dooh erseheiBt dies nioht iweekmlssig, weil auf ihnen ein
dauerndes Bequemsitzen unmöglich ist. Von der Sitsplatte soll jedem Kinde eine
Breite bis 50 oder 60 Cm. sakommeu, damit es durob den Naobbarn niebt
genirt wird.
Keiner Sehulbank darf die Lebne fehlen, weil k^ Sehullcind eine
volle Stunde und länger ohne ITnterstOtsVng des Rflekcns aufrecht nnd ruhi;,' zu
sitzen im Stande ist. Als körpergereoht können wir alicr mir die Leime
bezeichnen, welche nach vom, der Cooeavitftt des Lendentheiles der Wirbelsäule
entsprechend, sanft gewOlbt ist und dem Bmattlicite derselben entsprechend dn
wenig znrtickweicht. wie dies bri der KüMSB'sefaen Lebne der Fall ist.
Auch die FUsse müssen einen Stützpunkt haben, wenn das Schulkind
ruhig- sitzen soll. Zu diesem Zwecke bringt man unter der Sitzplatte ein Fuss-
brett an und Iftsst es so breit machen, dass die Fusse von den Zehen bis zur
Ferse aufrnhen.
Die Tischplatte muss so tief sein, dass vor dem Schreibheft noch
Baum für ein Tintenfass bleibt <'d. Ii. etwa 40 Cm. tief) und muss in den iiinteren
vier FUnftelu ein wenig geneigt hergestellt werden.
Damit die Sebnikinder vOliig kOrpergereehte Snbeellien bekommen kennen,
ist es nötbig, für die Gesammtzahl der Classen neun versohiedene Gröasennummem,
für jede Classe drei verschiedene Nummern verfflgbar zu halten. Am vortheil-
hattesten sind die zwei- oder viersitzigen , besonders aber die zweisitzigen, weil
sie ein leichtes ESa- nnd Avstreten der Kinder gestatten.
lieber die Arten der Subsellien wolle der Leser die weiter nnten
in der Literatur angegebenen Handbücher der Schulgesundheitspflege
nachsehen. Hier seien nur die Bank von Kunze, die von Wolff und WEISS
und die von Hipfauf als gut und empfehleuswerth hervorgehoben.
ZweelEmlssige Subsellien fttr den Hansgebraneb gaben SCHSMK
nnd HbrHANX, ein<n sehr passenden Arbeitstisch für Mädchen gab Frey an.
Die Wandtafeln der Unterrichtr»zimmer rnUssen tiefschwarz und matt,
nicht glänzend sein, die Tabellen und Vorlagen das auf ihnen Dargestellte
hinreichend gross und scharf contourirt ceigen.
Die Sehnlbüoher dürfen nicht matt^^chwarz, sondern sollen tiefschw^arz
in hinr<"ichend grosser Schriftform gedruckt sein. Damit sie in gewöhnlicher Ent-
fernung (25 — 30 Oax.) gut gelesen werden können, ist es nöthig, Buchstaben von
wenigstens 1*75 Mm. Höhe, sowie von 0*3 Hm. Breite , die Approehenbrelte so
gros.'i, wie der Zwiseheo räum zwischen beiden Grundstriciien eines 1*5 Mm. hohen
deutschen .,n", einen Diirehschuss von 2'5 — 3 Mm. zu fordern ^' '' j, die Zeilen-
länge auf lUU Mm. in niaximo zu beschrftnken, letzteres deshalb, weil das Auge
für die Mitte einer Ulogeren Zeile seine Liuso wesentlich stärker, als für die
Enden krümmen mitsste, dies alN»r auf die Dauer «shädigend wurkt. — Das
Papier für die Schreibhefte sei weiss, gut geleimt, die Tinte tiefschwarz.
Die S e Ii r e i b t a f e 1 n ««'Hon vöiliir .>-anl»er sein, m dass die Striche und
Ziffern auf ihnen hinreichend .<chart liei vurtreteu köuueu. Empfehleuswerth siud
Thibben's weisse Kunststmntafeln, auf denen mit einem besonderen Stifte schwars
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SCHULeESUNDHBITSPFLBOB.
621
gMebrieben wird; lie aeigen naeh der Reinigviif mit dem Sobwamme keine
Striche. Gegitterte, (juadrirte nnd solche Tafeln, welche in Folge IfngeiW Oe*
bntuehes deutlich erketmbare Striche zeigen, sind zu verbieten.
Garderubcnhalter dürfen in keinem Unterrichtszimmer angebracht
leb. Sie gehören aaf die Oftnge, damit Stanb nnd Fenebtiglc^t der abgelegten
Kleidnngsstflcke die Schalstabenluft nicht verschlechtern. Dagegen sind in jedem
rnterrichtszimmer Spncknäpfe, je nach der Zahl der Schüler 1 — 4. aufzu-
stellen. Sie sollen Übrigens auch in den G&ngen und im Flar nicht fehlen und
mflseen tAglicb entleert nnd dnreb Sehevem gereinigt werden.
Annexa des Sebnlg eb ä u d es. Die Aborte dürfen selbstverständlieb
nicht im SchulgebJtude liegen, weil sie diinn die Luft desselben leicht verschlechtern
würden, sondern sollen entweder in einem völlig abgesonderten Geb&ade oder in
einem solehen Gebinde angelegt sein, weUhee mit dem Sehnlbanie dnreb einen
bedeckten Gang in Verbindung steht. Wie Aborte flberhaapt, mflesen sie gut
vcntilirt und durchaus saiiber, insbesonders auf den Sitzen, gehalten werden, auch
ausnahmslos durch ein genügend grosses Fenster erhellt sein. Jede Abortabtheilung
ist von der anderen zu trennen. Dass für Schalen, welche Knaben und Mädchen
anfiiebmen, trSlIig separirte Aborte ▼orbanden sein mflssen, versteht sieh von
selbst. — Was das System der Closets betrifft, so wird es sich meistens
nach den örtlichen Verhältnissen richten müssen. Für ländliche Schulen findet
deshalb fast aus^hliessUoh das Grubensystem Verwendung; doch emptiehlt
es sieb sdir, fttr sie das System der Erd* oder der Asohe- oder der Torf-
mullclosets einzuführen Sonst eignen sich fUr Bobnlen der Städte trefflich
da» Tonnen- und das Rttbelsystem. Wassereloseta werden leieht defeot nnd
sind deshalb zu vermeiden.
Die Pissoirs fttr die Knalwn mflssen snm Mindesten ebe Rinne ans
Metall oder Cement und einen Fnssboden ans Cement oder anderem nndnrch-
iJlssigen Material haben. Sehr gut ist es, wenn auch eine Hinterwand aus gleichem
Material hergestellt wird, nothwendig, dass man die Rinne täglich wiederholt mit
Wasser ansgiesaen läset, falls keine permanente SpUlnng möglich ist
Jede Sehnle mnss mit tadellosem Waaser ▼enoi^ aein. Wo eine
Wasserleitung besteht, wird man sie auch in das Scbulgebftude fuhren und auf
den Gängen , wie auf dem Schulhofe Hydranten anbringen , neben letzteren aber
Trinkbecher aufstellen. Ist keine Wasserleituug vorhanden , so muss die Ver-
sorgung dueh einen Brunnen gesebeben. Derselbe soll möglichst entflemt von den
Aborten als Röhrenbrunnen angelegt und vor jeder Verunreinigung auch von
oben her gesclilitzt werden. Allemal ist zu prüfen, ob das für die Schulkinder
bestimmte Wasser den hygienischen Anforderungen entspricht. In Cholera- und
Xj^phnsepidemien wird erentndl Air die ansreiehende Menge gekodUen Wassers
za sorgen sein.
Der fllr jede Schule unentbehrliche Spielplatz soll so gross sein, dass
er jedem Sobulkindo wenigstens zwei (Quadratmeter Fläche bietet. Die ebenso
unentbehrliebe Turnhalle darf fttr 50 Schulkinder nicht weniger als 40, für
100 Sebnlkioder niebt weniger als 80, IBr 800 derselben nieht weniger als
200 Quadratmeter Fläche haben. Am vortheilhaftesten constniirt man sie doppelt
so lang, wie breit, ferner 8 — 10 Meter hoch, mit freitragender Decke und mit
einem Fussboden, der zum grösseren Theile aus Hoizbohlen besteht, zum kleineren
Tbeil auf gewObnliehem Untergründe eine Lage Gerberlohe hat.
Unterricht. Schon hA Beeprecbnng der Schulkrankheiten ist hervor«
gehoben worden, dass zu frühe, zu intensive Schularbeit, nicht minder
aber auch jede Ueberhastung und Abhetzung der Schulkinder schädigend
anf den Körper, wie anf den Geist wirken. Deshalb mnss znniehst dahin gestrebt
werden, dass der Eintritt in die Schule nicht zu zeitig erfolgt. Am passendsten
wäre es, ihn zu verschieben bis zur Vollendung des siebenten Jahres, weil in
letzterem das Wachathum der Vorderpartie des Grosshirns ein besonders rasches
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622
SCHULGESÜNDHEITS PFLEGE.
und jedes rasch wachsende Or^an ein vulnerables ist. Die ineisreu Schulordnungen
setzen aber fest, dass der Beginn der Scbaipflioht «af das vollendete sechste Jahr
fallen soll.
So kann dio Hygiene nnr darauf dringen, dtas kein Kind vor dem
aeelisten Jahre in die Schule aufpronommen wird, und daas der Untenidit in dem
siebenten kein ir^eudwic anstrentreiuler ist.
Bezüglich der Schulung den Geistes sei Folgeudes massgebend :
In den unteren Classen aollen vorwiegend AnselianmigBttnterrieht nnd Gedftehtiiias-
Obungen, in den mittleren Gedlichtniss- und Denkübungen, in den oberen vor-
wiegend Denkflbungen stattfinden. Ferner ist ein bestimmter Lohrplan nach den
Fähigkeiten mittelbegabter Schüler auszuarbeiten und streng zu befuigen,
jedes Hetsen und Jagen von Pensum an Pensum, jedes Aufgeben frdwilliger
Arbeiten zu verbieten, das allgemeine Lehrziel .stets im Auge zu behalten, in den
Lehrplan das Turnen als obligatorischer Unterrichtsge°:enstand aufzunehmen.
Ein wichtiges Mittel richtiger Schulung des Gei-stes ist die Febung
der Sinne, dieselbe zu fördern aber Pdicht der Lehrer. Eine Uebung der
Sinne, des Beobaebtens, des Veigldcheos mit dem Auge, mit dem Obr kann
ausser im Ansehannngsnnterrieht erfolgen auf Ansfiflgen nnd im Bewe*
gnngsspiel.
Die Zahl der wöchentlicheu l uterrichtsstuuden beträgt in
Deutschland fttr die unteren Classen der Totkssebulen 20 — 22, für die oberen
Olassen derselben 30 — 32, für die unteren Classen der Gymnasien 24 — 28, für
die oberen — 32. Eine Herabminderunfr dieser Zahl ersclieint nicht nöthig;
weuigsteus ist ein iieweis für die Nothweudigkeit keineswegs erbracht. Dagegen
empfiehlt es sieb dringend, schon mit Rfleksieht auf die gute Lflftnng der Schul-
simmer (siehe oben), die Schulstunde auf 50 Minuten zu bemessen.
Der Unterricht in den 50 Minuten wird f<irdernder sein , als derjenige in einer
vollen Stuude, weil die Kinder in der besseren Luft auch geistig frincher sind.
Das häusliche Arbeiten muss im Princip auf das möglichst geringe
Mass lierabgesetst, der Schwerpunkt auf das Lernen in der Sehule gelegt weiden.
Nnr dann kann das Kind frisch und elastisch bleiben, nur dann Lust und liebe
zum Lernen ])ehalten . wenn es nicht den prrössten Theil des Tajje.s ausser der
Sobulzeit mit Arbeiten geplagt wird. Jedeutalls darf die für Hausaufgaben der
Elementarsebfller auftuwendende Zdt nieht mehr als tXglieh 1 Stunde in der
Mittelstofe, nicht mehr als 1 V Stunde in der Oberstufe betragen. In der Unterstufe
soll sie 0 sein. Die für die HüMsauffraben der Schiller von Gymnasien und Real-
schulen aufzuwendende Zeit aber darf in den unteren 2 Classeu nur \ , — 1 Stunde,
in den mittleren 2 Classen nur 1 — 2 Stunden, in den oberen 2 Classen nur 3 bis
2V9 Stunden pro Tag betragen.
W;iH den S c h r e i b n n t e r r i eh t Ix'tritVt , so i-it er irestindheitlich von
hohem Belange, weil durch Schreiben in fehlerhafter Haltung K«r/.8i<'hti;j:keit und
Scoliose entstüheu kann. Die Hygiene fordert in erster Linie thunlicbste Ein*
sebrtnknng des Sehreibens «berhanpt, in swdter Linie aber Unterweisung und
Ueberwaehung der Kinder in Bezug auf richtige Schreibhaltun^'. Letztere soll
derartig sein, dass das Kind eine trut construirte Schulbank und frutes Licht
\ urausgesetzt — aufrecht sitzt, am Kücken Fühlung mit der Lehne nimmt, mit der
linken Hand das Heft fixbt nnd mit der rechton im Handgelenke alle cum Schreiben
nöthigen Bewegungen vollführt. Darüber, ob die gerade oder rechtssehiefe
Sehrift die hygienisch beste ist, gehen die Ansichten noch auseinander. ■-")
Jeden falls muss die excessive Schräglage des Heftes und excessive Schrägschrift
untersagt werden. Ebenso darf man bestimmt aussprechen, dass die latdnisehe
Schrift den Voraug vor der dentsehen verdient, da die letztere sehr viele feine
Haaratriehe hat.
M u 3 k el ü b u u ge n. Dass die Scimle auch die M uske I Übungen
fordern soll, ist schon oben betont wordeu. Sie erreicht dies durch methodischen,
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äCill'LG£:SUNDH£n SPii'LEüE.
683
f!aehveratandi?en rnterricht in der G y lu n a s t i k , durch häufige Ausflüge und
durch H e w e g u n fr s s p i e 1 (' , insljL'KondLTc das Ballspiel, zu weichem die
Lehrer Anleitung geben und au welchem sie Theil nehmen sollten.
VerhQtuDg der Ausbreitung von Infectionskrankbeiten
dnrob die Schule. Die MaiinahoH«, weleb« ttir Verhtttnng^ der Auabreitnng
infectiöncr Kranlihcitcn von Bedeutung durch die Schule ergriffen werden können,
sind Fern h a 1 1 u n tr d i- r Erkrankten ( Schüler und Lehrer') von den gesunden
Schulkindern bis zu dem Zeitpunkte, wo jene nieht mehr austeckeud sind ; sodann
Fernhaltungder ni eh ter krankten Sehnt kind er und Lehrer, welehe
mit gewissen infectiös erkrankten Personen in Berflbmng traten, aus dem Bereiche
der Schule bis zu dem Zeitpunkte, wo sie das Krankheitsvirus nieht mehr Uber*
tragen können, und endlich temporärer ächluss der Schule.
Femsnhnlten sind Alle, welehe an Hasem, Seharlaoh, Dipbtberitis, Keneh-
husten , auch in müdw Form , leiden oder dieser Krankheiten verdächtig er-
Ri-lH-incn, und zwar Ma-Jernkr.nikt! auf wenitrstcns 4, Seharlachkranke auf weni;?-
stenti ü, Dipbtheritische auf wenigstens 3 Wochen und Keucbhustenkranke bis zum
definitivea Kintritt in das letste Stadium des Leiden«. Was die Auflsebliessung
geennder Sebfller und Lehrer betrifft, so ist sie nOthig, wenn in der Familie
der^elbtfl llasern oder Scharlach oder Blattern «der Diphtheritis auftritt. Werden
Jene sofort isolirt. so niuss bis zur Wiederzulagsunjr \vt'nip:8tens die Zeit der
längsten Dauer des Incubationsstadiums abgewartet werden, für Diphtheritis 8, für
Sehai^aeb 10, fttr Hasem 14 Tage. Selbetverstindlieb soll dann aneh eine ansrdehende
Desinfeetion der Kleider dieser Schulkinder und Lehrer angeordnet werden.
T e m p o r a r e r S c h 1 u 8 s der Schule ist nothwendig . wenn die be-
treffende Epidemie einen prroasen Theil der Zöglinge beftlllt oder wenn sie in
bedenklicher Weise auftritt.
Gegen die weniger bedenkliehen fibertragbaren Krankh eiten
wird man auch weniger rigorose Massnahmen zu trelTen haben. Kinder mit Mump«,
mit Varicellen, mit Rr.thcln h.llt man bis zum Ablauf der Krankheit aus
der Schule fern, solche mit Favus, llerptjs cirri'nafus und fonsurans
setzt mau auf isolirte l'iätze, solche mit Scabies schickt mau uacb Hause und
nimmt sie nicht eher wieder auf, bis sie nachweisen, das« sie geheilt snid.
Aerztliehe Schulaufsicbt Soll das Ziel, welches die Sdiul-
jresundheitspflegc erstrebt, wirklieh erreicht werden, so muss mau den Aerzten
die Mitwirkung nicht versagen , ihnen eine Controle zugestehen. Fs ist uöthig,
sie zu hören bei Neuanlage vou Schulen , ihnen die Pläne derselben zur Begut-
achtung vonulegen und ihre Einwendungen su prflfen. Femer Ist es nnerllas-
lieh, den Aerzten die Ueberwachung der sanitären Zustände des Schulbauses und
seiner Annt'x i. der iranzcn I jnrichtnng der I'nterrichiszimmer, ihrer Ventilation,
Heizung und Beleuchtung zuzuweisen und ihnen die regelmässige Controle des
G^esundheitssnstandea der Schulkinder zu flbertragen. Bs versteht «ich von selbst,
I 1 > i> ärztliche Aufsicht sich streng in den eben bezeichneten Grenzen halten
soll . il.iss die Aerztc nicht in die pädau-ofrische Wirksamkeit eingreifen dürfen,
und dnss sie jederzeit sich zu bemühen haben, die Interessen der Gesundheits-
pflege mit denni der FXdagogik möglichst in Einklang zu bringen, nieht suehen
mOssen, ausschliesslich den ersteren Geltung in Teraohaffen.
I.itrratnr: ') J.P. Frank, System der medicini^chen Polizei l^'l. 1791. —
■') Lor i II si- r, Zum Sthut/.»; der Cifsundheit in den Schulen. 18i{*i. — ')Baginsk_v, Handli. der
Schulhygii'iii . ^-^-'i. — ' i K u 1 e D b e r g und Bach, Scblllgcsnn<lli>'it,slchro. 181KJ. — ■) Javal,
Hifjirih ift's ecolcM primairef. 1884. — Kotnimann, Zeitscbr. fdr 8chiügesandheitspflege
von is'^S an. — ^) Axel Key, Lüroverks comitens betänkande. 1885,111. — *) A.Hertel,
Zeitsclir für ."^i hulKe.sundhcitsptlege. 1, pa>r. ItiT. — ') H. Cohn, üntersuchuui; der .Augen
von lO.UOU Sschulkindern. 1867 und Hygiene des Auges. Ib92- — '*) Pflüper. Centralbl.
für prakt. Angenheilk. 1877, psg. 393. Hoffmaan. Niederrb. Correspondenzbl. für üffentl.
nesnndheifspflege. 1877, p»g. 141. Knott. Centralbl. für allg. npsundheitapflejLre.
pag. K reiner, Dt oogt» ran de leerlinye» ». n. »r. te Grouingen 1854. •^cUlDidt•
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624
SCHULGESUNDHEITSPFLEGE.
— SCHUSS VERLETZUNGEN.
Rimpler, Die Schulkarzsichtigkeit nnd ihre Bekämpfung. 1891. — ") K otelmnn n , Jahr-
buch für Philol. and Pädagogik. 1877, pag. 5u9. -- Schnabel, Arch. fdr Ophth. XX,
1 — 70. — L r ; L i n b >" r K , Kliuisch-Statistisches zur Myopie. 1885, Diss. — '*) Eulen-
borg, Klin. Mittheilangen auf dem GebiAte der Orthraftdie. 1861. — '*) Parow, Virchow's
Aich. fBr pathol. AMt JXXi. — *•) evilUvne, ffyfftki« teolair*. 1864. — ") Sehnlt-
betSi Dl* Wirbelsäulenkriimniung sitzendßr Kinder. Zeitscbr. für orthop. Chir. 1891. Nr. 1. —
")B6Cksr, Luft und Bewegung zur Gesundheitsptlege in den Schulen, 1867. — Körner,
Dwitech« Vierteljabrsschr. für üffentl. Gesundheitspflege. XXXI, pag. 415. — Haaao, Zeit-
Mhrift Ar Psych. XXXVU. — *>) Laahr, Ebenda. XXVUI u. XXXIL — **) Bericht über
die NftcbltsTtehnng des preoss. CaltTttinlaisterlmiie, s. Uffelm»iin, Handbticb der Hygiene,
pag. 747. — '•*) Rychna. Schulepidemien. Ift87. — '*) L.iillor, Revu- d'hygi.'ne. 1875,
pag. 575. — ") Thorens, Ebenda. 1875, pag. 835. — Kessler, Berüjaer klin. Wochen-
schrift. 1886. Nr. 42. — Majer, 16. Generalbericht Uber die Sanitttarerwaltang in Bayern. —
-*) Enlenberg nnd Bach, Scbulgesnndbeitslehre. Gap. Schalbanten, pag. 65 tf. Zwez. Das
ScbnlbauB. 1870- — Nnssbanm, Zur Orientirnng der Schulzimmer. Zeitscbr. für Schnl-
gesandheitspflege. 1888, Nr. — ' ) B re i t i ng. Dentuche VierteljahrsHchr. für öffentl. Gesnnd-
beitspfl^e. 1870,1. — *'J Uffelmann, Handb. der Hvgiene, pag. 7öl. — ") Zarnack,
üeber dm Bakterfengebalt des Staabee. Dies. Roatock 18^. — **) Beeben und Poet« Das
neue Dampfheiznngsverfahren. Haaren. — Renk, Das Auer'sche Gas>rlühliohl. Gutachten.
1892. — ")Cohn. Deutsche Rnnd.schan. 188(». pag. 423. — »*)BlaKiu8, Deuwche Viertel-
jabrsschr. für öffentl. Gesundheitspflege. 1881, pag. 433- — ") Schubert, Berliner klin.
Wocbeaacbr. 1881, Mr. 44,4ö. Derselbe, Ueber die Haltung des Kopfes beim Schreiben.
1885. Derselbe, Zeitscbr. fftr Scbnlgesmidheitspfloge. 1891. pag. 23. — Bayr, El>enda.
18'io. rn- TIS. — '»)C. V. Voit, MOnrhf'n.r m-n! Wochenschr. 1891, pag. 231. — '"') Koch,
Monatabi. für ötteutl. Gesundheitspflege. 1860, Nr. 1. — **) Ray dt, Die deatscben Stftdte
QBd das Jngwod^^piel. 18!U. — '*') A. Hermann , Bericht über die Versammlung des dentseheia
Vereines für öffentliche Gesundheitspflege im Jahre 1891. — *') Mittheilunijen dea Vereines
inr Pflege des Jngendspielcs. I. Jahrg., Wien 1892. — **) H. Cohn, Zeitächr. für Hygiene.
I, pag. 243. Uffelmana.
ScbU88V6rietZUngen. Eine erapnessUehe Thfttigkeit des Kriegaehirurgen
ist nur möglich, wenn dieselbe sich grflndet auf die Keontniss von der mrknngS'
weise der Geschosse. Desh.iU) haben auch wieder in den letzten Jahren hervor-
ragende Chirurgen und Militilrärzte sich eifrigst bemüht, einerseits zu erforsRhen,
nach welchen Gesetzen sich die Sohusaverletzungen vollziehen und andererseits
fflStsnateUen , welehe Wirkang die GeseliosBo nnf die veneliiedenen G«webe und
Oügane des Körpers hervorbringen.
Das, was vom Srztlichen Standpunkte aus die neuen Gewehre vor den
älteren wesentlich auszeichnet, ist neben der erhöhten Hasanz, Treffsicherheit und
Tragweite die anssarordentlieh geetdgerte Dnrehsehlagskraft. DieseHie ist
hervorgebracht theils durch die vermehrte Widerstandsfähigkeit der Geschosse, theils
durch die viel grossere Triebkraft de« nenen Pulvers. Je kleiner der Querschnitt
des Geschosses, um so leichter wird der Widerstand der Luft überwunden. Nun
braucht aber das Geseboss auch eine gewisse Schwere, und Blei war daher zu
seiner Herstellung ein besonders geeigneter BtaH; allein das Blei vertrug niekt
die scharfe Drehung der Zöge, welche unerlässlich war, um der Drehnng: des
Geschosses um seine Lünp-iachse (Rotationsgeschwindigkeit ' die erforderliche Stetig-
keit zu geben. Mau ächuf daher ein Geseboss mit einem Kern aus Blei und einem
Mantel ans Stahl, beiiehungsweise Niekel ; jener verleiht ihm das nOthige Gewleht,
dieser die sichere Fuhrong. Die nothwendige Quersehnittsbelastnng femer hatte
eine erhehliche V(>rl!tngerang des Geschosses zur Folge, so dass beispielsweise
bei einem Caliber von 7*9 Mm. das Geschoas die 4fache Länge besitzt.
Während das Bldgesehoes beim Treffen auf einen nur einigermassea
festen Widerstand sich „staneht**, das heisst sich Iti eine mehr oder weniger
breite, pilzförmige M.i«8e verwandelt, ver.'tndert das Mantelgesehoss seine Form
nicht ; es beh.Ult seinen kleineu (^uer-schnitt , vermag daher seine ganze Kraft
auf einen viel kleineren Theil des Widerstandes zu riobten. Beim Sobieasea anf
Holz bringt das Bleigesehoss einen knrsen, sieb triobterförmig erweiternden Gang
hervor , in dessen Grunde das breitgeschlagene Blei sich befindet ; das Mantel-
iresehoss dageL'en er/en^'t einen sehr viel längeren, cylindriachen Canal, während
CS seiue Form uielu verändert.
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8CHUSSVSRLKIZUNGEN.
686
Flg.«.
IMantelseBchoss
Sehuaktnal
BleiBnrhoss
Die «shtmatisehfl Zetchnang (Fig. 85 nach Reger) veranschaulicht diese
Vnr^itn^e: die Lftn^'e des Schiisf^canHls f) mflsste jedoch, am der Wirkliohkeit sa
entaprecben, etwa das Doppelte betragen.
Das deutsche Gewehr, Öö, Hartblei mit Kupfernickel plattirtem StaUmantel,
Oaliber 7*9, OewMbt 14'7 Qm., hat dne AnfinpgeMhwmdigkett von 630 Meter
mit 2560 Umdrehnngen in einer Seeande und einer Tragweite y<m 4000 Meter.
Das österreichische ilannlichergewehr,
M. 88, Caliber 8 Mm., i Caliberlängeo, Hart-
blei mit Stahlmantel, 15*8 Orm. Gewieht, hat
eine Anfangsgeschwindigkeit von 530 Meter.
Das Lebelgewehr, Hartbki mit Nickel-
mantel, Caliber 8 Mm., Gewieht 15 Grm.,
Anfangsgeschwindigkeit 680 Meter. Bben«o
verhält es sich mit dem Mausergewehr (Bel-
gien) und (iom Kri)i>at.-)ch('kgewehre( Portugal) ;
sie alle entienden bei einem Caliber von
circa 8 Mm. und einer Anfangsgeschwindig-
keit von eirea 600 Meter ihre Geeohoeae
auf Entfernungen von 4000 — 5000 Meter.
Trotz der niilohtigen Durchschlagskraft der
neuen Geschosse ist aber — glücklicher-
weiee — die Sprengwirkung den Bldge*
schössen gegenüber nicht erhöht, and zwar
deshalb nicht, weil jene ein kleineres Caliber
haben und weil sie wegen ihrer grösseren
BSrte ihre Form nieht oder doeh nar in
beadurlnkterem Grade verändern.
Bruns M unterscheidet auf Grund seiner
mit dem belgischen Maasergewehre und dem
Ordouuanzgewehre M. 71/84 anf menseliliohe
Leichen nnd Leiohentheile angestellten Sohleas-
▼ersuehe drei verschiedene Zonen.
Die erste Zone liin uuf 400 Meter
Entfernung ist die der explosiven Wir-
kung, welche gegenOber den Blcigeeohossen
entschieden verringert ist. Die Muskelschtlsse
La'ben ziemlich {rlattwandifre r;}tn<,'e, deren
Weite etwa dem Geschosscaliber entspricht
Sehematiiehe Duvtellnnc de« SebnesoaiuaM and deren Aossehnie flieh nieht tritdtterfSr*
aBeiniBieigesch'oss.Ve'ichePbreitKedrücUt "i'fT erweitert. Aehnltch verhalten sich die
im Grunde de« triohterfoi-inigenCanaieB steckt. SehKsM- der Lunifc Und die des Iceren Dnrmes.
lii iui M a ü t e 1 K e i^o h o a 8 . welches unvor- ■ a i-
ändert am Knd« des cylindriactaen Ganges während bei gefülltem Darme deutliche
Sprengwirkung zu beobaehten war. Auch
an Leber, Milz and Nieren bewirken Schflaae ans nächster Entfernung ansgedehnte
Zerreissung. Die Wirkung auf Knochen ist je nach der Beschaflenheit derselben
ver>eliieden : an den platten Knochen entstehen I.oehschds^e mit oder ohne Splitterung ;
an den Diaphytsen der Köhrenknnchen stets ausgedehnte Zersplitterungen. Kin- und
Auflsehni» könneo, wie das bei Fleiseheehttflsen die Segel iflt, sehr klein sein ; meist
ist jedoch der Ausschnss trichterförmig erweitert und die Haut zeigt einen 3 bis
I.'iCiu. lanjrcn ]{iss. aus dem Weichtheilfetzeu und Knochensplitter hervorragen.
Der Schädel ist in Folge hochgradigster Ilohlenpressuug nach allen Riehtungen
hin zertrflmraert.
In der zweiten Zone, der flttr mittlere Kntternangen von 400 — 800 Meter,
sind die Zerst<"iruniren im Ganzen geringer: ili«' liirentlicbe Sprengwirkung he-
schrftnkt sich aut den Schädel, uud wenn auch an deu Diaphysen der Köhren-
£DcycIop. Jahrbücher. III. 4()
SCflUSSVEaLETZUHGEN.
knochen fast nur SplittcrbrUcbe erzeugt w erden, so sind doeb die Splitter grSanr ;
dieselben stoben mit dem Periost meist im Zusammenhanfre und der Zertrümmerungs-
herd um Au^sehusse fehlt. An den platten und spougiöäen Knoehen und den
Gelenkenden sind Splitter und Fissuren beschränkter^ die Loch- und KinnenscbUaae
ohne ContinnitltstrenonDf biofiger. Eio- ood AiuschtlsM tmi klda, doeh «telkn
letstere in selteneren Fftllen längere Risse dar.
Die dritte Zone, für Entfernungen von 800 — 1200 Meter, in denen
voraussicbilieh die meisten Infanteriekämpfe der Zukunft sich abspielen werden,
bietet die gflnstigsten yerfaUtnisse: dfe FieiaebeelilUne haben enge, glatte Gftnge
mit kleinen Ein- uud AusaebuaaÖfihnn^n, von denen jene einen kreisrunden Aus-
schnitt von 5 Mm. Durchmesser, diese einen Sehlitz von 6 — 7 Um. Länge bilden.
Die Verletzungen der spongiösen Knochen und der Gelenkenden der Röhren-
knoehen beeteben in Rinnen- nnd Loebeebflesen mit geringer Splitteruog nnd feinen
Bissen oder in reinen Rinnen- und Lochschflssen. Auch an den Diaphysen kommen
vereinzelt Rinnen- und Lochschdsse mit kleinen Rissen vor: meist handelt es sich
jedoch um grosse Splitter, die bei wachsender iMitferuung eine typische Uesehaflcn-
beit zeigen, indem nach oben und unten sieb zwei grosse seitliche Splitter ab-
Utoen. Der Aussebnas ist kleiner als das Oesehosaealiber; nur bei SpUtterbrOdien
der Diaphysen zeigt derselbe eine Länge von 10—15 Mn. Anob am Sebidel
kommt Sprengwirkung nicht mehr vor.
Ausgehend vor Allem von den verdienstvollen Arbeiten Büsch s und
K0CHBB*8 (Real-Encyelopäd., Bd. XXI) gelang es RBeBR*), sehen 1882/88 dnreb
dgeoe Versuclie nachzuweisen, dass das Bleigeschoss selbst beim Auftrelfen auf
unflberwindliclic Widerstände nicht schmilzt fdureh v. Brhxs später bestätigt),
sondern dass die Deformation des Geschosses lediglich zu Stande kommt durch KUok-
'wirknng des Sehnsses auf das Qeeehoss selbst, das belsst, eb Tbeil der lebendigen
Kraft gebt beim Treffisn auf den Widerstand auf das Gesohosa Ober und äussert
sieb bei deformirbaren Geschossen in der Deformation, bei nicht deformirbaren
in Erhitzung : Gesetz der reciproken Wirkuug. Mit Hilfe eines senkrecht zur
Sehusswirkung angebrachten Maximummanometers wies er weiter nach, das& bei
Behflssen mit grosserer lebendiger Kraft bei flOssigkeithaltenden Qeweben nnr der hj'
draaltsehe Druck als Ursache der schweren Schädignngen dos Schussobjoctes anzusebea
sei und die*e sich vor Allem richten einerseits naeb der Grösse der auftreffenden
Fläche, dann der Geschwindigkeit und Belastung derselben und andererseits nach
dem Flflssigkeitsgebalta des getroffenen Objeetes. Ausserdem kommt beim Thier»
körper in Betracht, dass mit grösserer oder geringerer Resisteuzfäbigkeit des
Gewl•lle^l der livdranlisebe Druck rascher oder langsamer fortschreitet und dem-
gemäss stärkere oder geringere Zerstörung hervorruft. Durch Versuche mit massiven
Stablgesehossen stellte er weiter fest, dass bd reineren Wnndea die Dnrebseblsgs*
kraft neh wesentilob vermehrt nnd dass die Brsebemnngen des hydranlisehen
Drnekes ausserordentlich herabpresetzt wurden
Nach BekanntfrL'buns dieser Versuche (^l.s84j erhielt Rkger von LoRKNZ
das Compoundgeschoss (Kupfer- und Stahlmantel) uud konnte durch diu mit
demselben angeetellten Versndie die Riebtigkdt seiner firflberen Beobaehtnngen
dartiiun.
Im Jahre IHS!.'> eudlieh sehoss er mit dem kleincalibrigcn Gewelire
(Kupfer- uud StabUiiantelge^ehoss , Ualiber *J Mm.) und brachte dabei fast die
Oesehwindigkeit des Mannliehergewebres In Anwendung. Die Ergebnisse dieaar
Versuche, welche neben Schüssen auf Blechbüchsen, Schädel, RObrenknoehen, Uber
M< M) Sclidsse in leliende. beziehungsweise eben getödtete Thiere, und zwar
verschiedener Grösse (^Pferde, Hammel, Schweine^ umfassen, sind in der Deutschen
milltlrirstlieben SSeilBebrift (1887)*) TerOffbntlicbt , die betreffenden Protokolle
aber, sowie Präparate und Zeichnungen etc. sind als RKoKR'sche Gesobosssamm-
hing im kriegscbinirgisehen Museum des Friedrioh WiUielm-Institutes in Berlin
niedergelegt.
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80HUSSVEBLETZUNGBN.
(»7
Dieser Antor nnn erkennt in Bezog nnf die Frage des bydraullseben
Dniekes alle diejenigen Sehiessrersuche, welche, wie die von französischen Aerzten,
sowie die von Bri ns und KiKt zi*). sich nur auf Leichentheilc beziehen, durch-
aus Dicht als massgebeod an. Die vom Stamm gelösten Leichentheile bieten
Verbtltniise, welche dem Leben niebt entspxeeben. Es fehlt die feste Verbbdnng
der Weicbtbcile , die Straffheit derselben Uber dem Knochen ; vor allen Dingen
aber ist das kalte Knochenwerk in so frerinfrem Hrade druckleitend, dasa bei
Schüssen auf Röhrenknochen die Wirkung des hydraulischen Druckes nicht in
Erscheinung tritt. Bei einem nicht oder doch sehr unvollkommen drnckleitenden
Medium kann der Dmek aidh immOglieh fortpfluaea und «nf die Kapseln wirken.
Weder die Auffassun^r von Brt ns , der den hydraulischen Druck auch bei Dia-
physen theilwei-^e zulüsi^t, noch die KiKrzi'-«, der ihn bei EpiphyseOi niebt aber
bei Diapbyseu anerkenot, kann eine richtige sein.
Man mnss die Wirkung der Dnrchsehlagskraft der Oesebosee wohl
unterscheiden von der des hydraulischen Druckes. Bei der ungeheuren
Durchschlapukraft ist natürlich die Zertrflmmerunfr des Knni-hena eine ausserordent-
lich bedeutende, aber diese Wirkung äussert sich lediglich in der Flugrichtung
SprengwirkniiK. Braos, Eikasf. Rrdraaliseh«' Dmek. Reger-Htbart.
deä Cieschüsses, beziehungsweise seiner Spritztheile. Die Trümmer des durch die
DDrehsehlagekraft zerstörten Knochens werden in der ang<^benen Riehtnng dnreb
die Weichtheite getrieben und können auch hier irrosse Zerstörungen anrichten.
Die Splitter kennen vom Periost prel^^st sein, aber im All;7t nieinen l»leihen sie im
Zusammenhange mit demselben. Anders beim hydraulisclieu Drucke , wie er ent-
steht, wenn dasselbe Gescboss auf lebende oder eben getödtete Thiere einwirkt:
der Knochen ist vOllig serstArtf die Markhöhle entleert, die Splitterung greift
über von der Diapliyse .Huf die K])iphyr;e . ja tlber das (ielenk hin.'iiis; die vom
Periost geli^-Jten .^[»litter sind n;jeli allen Hichtunpren hin in die Weichtheile ge-
trieben und diviUi hinter, vor und neben dem Knochen zertrümmert. In der
Thai geben die BRONs-KiKUZi'ecben Versuche, sumal für Nahsehflase, ein andern
Bild als die Rbof.r ilAn.vRT'schen (Fig. 80). Durchaus irrig ist die Vorstellung,
als müsse jeder Nahselnis-» im Knoehen die sehlimmsten Zerstörunfren hervorrufen.
Streif- und KinnenschiHsu wirken nur im äinne der Durchscblagäkratt, und in.soweit
llsst Rrokr auch die BRaNS-RiKUZi'sehen Versuche als beweiskräftig gelten. Der
hydraulische Druck aber entfaltet seine Wirkung allein bei V o 1 1 .Schüssen und
RBOBR hat d.tliiT vororesehlrtpen, die Ausdrüeke „Nah- und Fernschü-äse" zu er-
eetsen durch „öchüsse mit, beziehungsweise ohne hydraulische Pressung^. Das ist
40*
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628
SC HUSS VERLETZUNGEN.
nicht ohne Kereehtigung', da die Sprengrwirkung an den vergchiedenen Geweben,
gelbst schon an den verecbiedeoen Knochen nicht in ein und derBelben Entfernung
erlischt, so dass demlbe Sohnss in derselben Entfernung in dem einen Falle als
Nah-, in dem anderen als PernMbitn g«Hea letnn.
Die mlebtige Steigerung der Durcbsehlagskraft beim kleinoalibri^ren
Gewehre weitet die (yeschosswirkung-, und erhebliche Verletzungfen der Knochen
werden daher auf viel weitere Entfernungen stattfinden als früher. Erst mit
«rlOsehender Kraft , also bei Enttfenrangen von 8000<— 4000 Meier, werden die
Verletzungen geringfdgig sein , wfthrend nnf 2000 Meter und darüber an dMl
Diaphysen LochscbUsse mit Splitternngen und selbst völliger Durchtrennung
auftreten. Aber hält der Mantel , dann werden die Splitteruugen nicht die Uooh-
gradigkeit wie bd den BleigeeelHNnen erreiehen.
Auch die Zone des hydraulischen Druckes wird weiter hinan^eeehoben,
aber der Druck selber erreicht an In- und Extennität lange nicht die Grösste wie
bei den sich stauchenden Geschossen. Im Allgemeinen also, besonders bei den
Schüssen der Epipbysen, Gelenke und platten Knochen, ist der hydraulische Druck
aohwieher; die Wanden wefden reiner, leieliter nnd sonit vngefidurlieher.
IIabart *) Bchoss mit dem österreichischen Mannlichergewchre (8 Mm.) auf
lebende oder frisch getödtete Thiere. Seine Befunde stimmen im Ganzen und
Grossen mit denen Kboer's ttberein. An den Mittelstücken der Röhrenknochen
tritt bn Nahaehflasen die Sprengwirkung in der AbUtosng der kleinerm Splitter
vom Periost, in der Zertrümmerung der Knocbenrinde und Bildung reichlichen
Knochensandes ('Gruss) deutlich zu Tage. Die Splitter sind in der Richtung des
Aus- und Einschusses versprengt und in die Weichtheile getrieben. Oft erreicht
die Splittemng des Sebaftea dne Linge von 10 — 16 Om. Im Vergleiehe mit dem
11 Mm.-Geschosse ist im Allgemeinen die Sprengwirkung geringer und vor allen
Dingen hat das Mantelgeschoss eine beschr.'lnktere Seitenwirkung. In der Ent-
fernung von 500 — 1200 Meter sind, gegen früher, die Splitter grösser, weniger vom
Periost entblÖBSt und mehr zusammengehalten. Von 1200 — 2000 Meter ist beim Mantel-
geeehosae die Splittemng mtAet nnsgedefanter. An liarten Knoehen (Hittelsifleke
der Röhrenkochen, Unterkiefer etc.) zeigten sich Splitterbrüche noch in Schuss-
weiten von über 2200 Meter. Im Allffemeinen vermöiren die neuen Gewehre noch
auf 4000 Meter und darüber lebensgefährliche und tödtliche Verletzungen her-
vorzubringen.
Am Schädel wurde bis auf 500 Meier ausgesprochene H5lilen|ireeBttng
bc'tb.ai'htet ''RkiiEB schiltzte die Zone des hydraulischen Druckes nur auf
100 Meter), wenn schon in geringerem Masse als bei Bleigeschossen. In Schuss-
weite von 600—1200 Meter bestehen neben mndliehen Bin- und Anssehüssen
zabirdehe KnochensprUnire; auf noch grössere Entfernung nähern .sich die V'er-
letzungen den reine» Ltiolisclitl-^sen r liie KnuolienHprdnge sind weniger zahlreich und
nur am Ausschüsse zei^jea sich kleine Splitter. Der Grad der Schusswirkung am
Schüdel steht in geradem Verhältnisse zur Hiirte der getroffenen Stelle : je härter
dieselbe, nm so bedeutender die Zerstörung.
Das Lebelsewehr (8 Mm. Caliber) bringt nach den Versuchen von
DRi.OitME iV: Ch.\v,\.s.<K ' I noch in einer Kutfernun^r von .')t)0 Meter an starken
Riibreuknochen Sprengwirkung hervor, wäbreud beim Grasgewebr (1 1 Mra.-Hlei-
gesehoBl») die Sprengwirkung nioht Ober 160 Meter hinansreiehte. Auf 800 bis
1200 Meter bewirkt das Lebelgewebr beschränkte Splitter- und Rissbildung, sowie
geringere Ausstreuung loser Splitter nach dem Ausschüsse hin :ils dios beim Gras-
gewehre der Kall ist; auf weitere Entfernung dagegen wirkt das Lebelgewebr
dureh Erzeugung kleinerer Splitter ungünstiger.
Hauptmann T. Hetkimo ') h:ilt diese von DblOBMB, Harart, Rbuns-
KlKl'xr, — K'iJiKii erwülinf er sitmleiliHrer Weise nicht. — anLre>tellten Versuolie
nicht für einwandsfrei, weil das Sehicssen der grös.üeren Trellsiclierheit wegen auf
sehr nahe Entfernungen geschah, und zwar mit .^abgebrochener'^, das heisst
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SCHÜSSVERLETZUNGEN.
Wringerter Ladung, um so die Durohschlaj^skraft fdr weite Entfernungen zu er-
mitteln. Sollte beispielBweise die Geschosswirkung für looo Meter trefunden werden,
so wnrde die Ladung so verringert, dass das Gescboss aut der kurzea Eutternung,
auf der «McUeh gemiboBmi wurde, nur die Oeeehwindigkeit hatte, die es bei
voller Ladaog auf 1000 Meter gehabt haben wttrde. Ob aber das SeUesaeD mit
abgebrochener Ladung auf verkürzte Entfernung die gleichen Wirkungen hervor
bringt, wie das Scbiessen mii voller Ladung bei wahrer Entfernung, erscheint,
naeh v. Hstkiso, fraglieh ; denn in beiden Fällen atam ja die Verhlltnisee ni^t
dieselben. So eden beispielsweise Rotation und Erhitanng des GesdiüHses hei ab-
gebrochener Ladung anf kurze Entfernung andere ala bei voller Ladung auf
wahre Entfernung.
Wären diese Einwände richtig — und das kann nur durch Sachver-
ständige entsehieden werden — so würde folgerichtig den anf verkflnte Entfernung
angestellten Versuchen nur eine beacbrltukte Reweiskrift lukommen. Nach Rkgrr
dürfte .'il.er, die nothwendige Genauif^keit lier Herechnnnpren und Sorgfalt der Aus-
fObrung vorausgesetzt, ein Zweifel an der Berechtigung, mit abgebrochener Ladung
in lehieseen und die ao gewonnenen Resultate winenaebafUieh au Terwerthen, aur
Zeit wohl nicht mehr statthaft sein.
Am 2. April 1892 wurde nun unter v, Heykixg's Leitung in Spandau-
Kuhlehen ein Belehrnngsfächiessen mit Gewohr 8 8 (Hartbleikern mit St.ihlhlech-
mantel, 7*9 Mm., 620 Meier Geschwindigkeit , 25 Meter vor der Mündung; und
6ewebr7184 (Hartbleigesehoss, 11 Hm. Galiber, 435 Meter Anfangsgeschwin-
digkeit) veranstaltet, welches den Zweck hatte, die Durchschlagskraft und Spreng-
wirkntiir d* r (h r-in s^f Ih i voller Ladung daraulegen. Bettlglieh der Durchsohlags»
kraft sei hier nur erwiUint :
Versuch 9: Gesitiebter Sand, 1 Mm. lang, aj mit Gewehr 71 84 beschusäen,
36 Cte. eingedrungen, Geschosse pilsfBrraig gestaueht; bj mit Gewehr HB be-
iehoesen , 52 Cm. eingedrungen, Geschosse nicht verunstaltet.
Versuch 11: Einenplatte, 6 Mm., durchschlagen.
Aus der Reihe der aur Prttfang der Sprengwirkung abgegebenen Sehasso
führe ich an:
Versueh 15: Geschlossener Kasten mit gekoehter Stärke, Gewehr 88,
sersprengt.
Versi eh l'i: Gesobloesener Kasten mit gekoehter Stirke, Gewehr 71/84,
vollständig zersprengt.
Versuch 19: Mit Wasser gefüllte, hennetisch geschlossene Blechbüchse,
Gewehr 88, gesprengt
Versuch 20: Mit W.-i^ser geftillte, hermetiaeh geaeUoasene Bleohbllehsc,
Gewehr 71 84, vollstnndi;.' zersprengt.
Versuch 24: Thonwürfel von 270 Mm, (feuchtj: Gewehr 71 84: Starke
Sprengwirkung, besonders naeh ätt Einaehussaeite hin, grosse OefTuung an der
Ansaehusseite ; Gewehr 88: Rohre von 6 €m. Durchmesser.
Versuch 27: Lungen, frei antVehangt, nicht anfL'ehlasen. ni Ge-
wehr 71/84: Eini>chusa 9 Mm. breit, 18 Mm. lang; Auäscbuss ^^2 Mm. breit,
48 Cm. lang; />) Gewehr 88 : Binsehuss 9 Mm. breit, 12 Hm. lang; Aussehuss
10 Mm. breit, 15 Mm. lang.
Versuch 28: H ü h r e n k n o c h e n . friseh. a) Gewehr 71 81 rDiaphysen-
^chuss): Vollständige .Sprengung (2 Theile); bj Gewehr 88: 7. Epiphyseuschuss :
Einsehuss mit Auseinandersprengen; Treffpunkt an der Epiphysealioie: Looh-
sehuss mit SpUtterung. Entfernung 50 Meter.
Die Versuche beweisen: 1. das^« die Sprengwirkung in der Hanptsache
auf hydranlisclier Pressnnjr beruht und 2. dass die SpreiigwlrktiriLT de« klein-
calibrigeu (7*9 Mm.) Mautelgeschos.ses weit geringer ist als die des grosscalibrigeu
(11 Mm.) Hartbleigeschosses.
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SCHÜSSVBBLETZÜNGKN.
Alle Autoren betonen Uberuintitimiueud die Ivleiuheit der Ein- und Aus-
seh nssüffnuDg der Haut; meist sind dieselben kreisrund und bisweilen geschlitzt.
Der Dttiebineflser des Einscliimee beträgt etwa 4 — 8 Mm. , der des Anasehusses
6—- 11 Um. TkT AusBpruch v. Volkmanx's, dass die Scbuss Verletzungen wegen
ihres subcutanen Charakters im All^feineiiien weniger gefährlich seien al3 die
analogen Friedensverletzungen , bat also noch mehr Geltung als früher. Allein
man darf sieh dareh die kleinen Haatwnndea nioht tinsehen lassen, denn die*
selben 'sind ganz geeignet, die Verletzungen oft um Vieles geringer erscbeinen zu
lassen als sie in \\ irkli('hkt it sind. Der Ausscbuss stellt, zumal bei Nah;»chilsnen,
oft einen Riss dar , erreicht derselbe eine Länge von 1 — 3 Cm. , so i«it ein
Splitterbraeh sieher vorhanden; andererseits aber sehliesst eine kleine Anssehttss-
Öffnung eine gleichzeitige Knoehenverletsnng nicht ans (BftONS). Aussehflsae vom
l'nifantre eines Zei;^« fin;jer.s oder Daumens beweisen , nach DKr,ouMF,-0HAVAS8Bj
eine behussfractur mit losen Splittern; Ausschüsse vom Umfange eines klonen
Fingers lassen solche Verletzungen vennntben.
Bei M n s k e I sehttssen fehlen die firi^einvngen des h jdrsnlisehen Dmekes ;
sie stellen daher ziemlich glatte, gldeh weite Gloge dar, deren Dnrchmesser
etwa dem (ieschosscaliber entspricht.
Alle Versuche zeigen, duss L u ugen schUsse sehr günstige l'rognoseu
geben, die nur dureh die Gefahren hefUger Naebblutnngen (Habart) beeintriiehtigt
werden. Niemals ist Sprengwirkung beobachtet; die Sehusseanäle waren daher meist
glatt und enge, <ift kaum auffindbar. V.< liis-it .fieh auch annehmen, das.s die
schlanken Geschosse öfter ihren Weg zwi^ehen den Kippen hindurch, ohne Zer-
splitterung derselben, finden werden
Bei II e rz Schüssen tritt Sprengwirkung nur in der Diastole ein; bei
duri-lulriiiLTuden r n t e r 1 1' i )i s sehüssen ist in erster Linie die Füllung des Magcn-
uiid Darmtractus massgebend, dann aber auch Schusswfite und Schussricbtung.
Waren Mwgen und Darm gefüllt, so sah Habart noch bei 600 Schritt Entferoang
hydraulische Pressung. Tangential treffende Geschosse können die Magenwand in
erheblicher Ausdehnung verletzen. Dass die durchdringenden Hauchsehtis.so den Dann
durchbohren, ist die Megel : von einem AuNWi'ielii'n de^i Darmes ist keine liedc;
selbst der leere Darm wird oft mehrfach durchbohrt, wenn schon mit kleinster
Verletsnog. Naeh Hababt wird die Serosa am Einsehnsse glatt dnrehsehlagen, die
Sehleitnhaut in etwas grösserem rmfango abgelöst; am Ausschusse ist die Schädi-
gung dt r Serosa grösser. Leb» r , Milz und Nieren zeigen bei Nah-ebüssen aus-
gedehutü Berstungen und Zerreissungeu. Die Zone der Explosivwirkung reicht nach
Hababt Aber 300 Meter hinaus. Dasselbe gilt für die gefällte Harnblase, und da
nnn, wenigstens in Iftngeren Gefechten, die Blasen meist gefüllt sind, m wird es
innerlialb der angegebenen Scbussweife ni i-t zu Platzwunden kominen. Das Mantel-
gesehoss wird Bauchdecke und Baucheingeweide bis gegen 40üU Meter Entfernung
hin durchschlagen und mithin bei diesen enormen Scbussweiten noch tOdtliehe Ver-
letBungen bewirken.
Orosses Interesse bieten auch die rntersuchungen Klkmm's "*) ; derjelbe sehoss
mit Kevolvt rn und Monteebristopistolen ("aliber 0 Mm.) aus 7 — s Schritte Ent-
fernung auf lebeude Thiere uud dabei ergab sich, dass die Wunden des Magens
und Darmes ni e dnreh dnen SohMmhaatpfropf gesehlossen waren and dsss sieh stets
Magen- und Darminhalt in der Bauchhöhle befand. Simmtliche Thiere starben an
peritonealer Sepsis.
Verletzungen grösserer G efässe werden naeh Reg£E im Allgemeinen
seltener mn, und auch Bruns nimmt an, dass die engen, glatten, reinen Wanden
die Gefksse weniger häutig in Mitleidensehaft ziehen. Trifft das harte, mit
ungeheuerer Kraft und (}e>cbwin(ligke:t getriebt ne (lesehoss auf ein (lefJIss, so
wird es dessen Wand durchschlagen und eine der Grosse des Gefilsses ent-
sprechende Blutung bewirken. Aber Gefässverletzungen durch unverfinderte Geschosse
werden wegen der Schmalheit derselben selten sein, und daher werden Spreng-
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SCHÜÖs! VERLETZUNG EN.
6:^1
wirktinff und nescho^sveründorunfr ' Stauehimfr , Zerreissun^' und Abstreifunff des
Mantels etc. ; ausüchlafr^ebend Pein. In der That beobachtete IIahart unter diesen
VerhäUni^sen erhebliche Durchtreunungea und Zerreissungea der Gefäsae, und
wenn dabei itarke Blntnngen naeh aiM»en wegen der geriogen Weite dee ISn-
md Ausschusses selten vorkamen , so fanden statt dessen grosse Blutansanim-
lonpen in den KörjKrhf'ihU'n und Orjranen statt. Hahart betont, dass die oft
scharten und klatTeudea Üefässwuaden die Tbrombenbildung bindern, und wir
irerden aas daher vor alten gflnsHger Benrthdlnng der MantelgeRebome naeh dieser
Riebtnng bin bflten mUseen.
Von pTossem Einflüsse ruif den Charakter der WiuultM) ist die Ver-
Huderungsfähigkeit der Geschusse selbst. Das Bleigescbuss erlahrt schon durch
Weicbtbeile (Sebncn, Binder) eine FormTerinderang und wird beim Anprall gegen
festere Knochen breitgeschUfren oder zerstückelt. Mantelgesehoase ver.Hnderu ihre Form
durch Wt'ifhtheile llbt rh.iiijit nicht iiin! wrriicii. n:ich liiiT NS. nur bei Nahsehilsscn auf
die härtesten Knochen des menschlichen Kurper» lie^chädigt. Dabei zeigte sich zwischen
Nickel- nud 8 1 a ti 1 mantelgeschoss ein sehr bemerkenswertber Unterschied, indem
nfimlieh letsteree sieb sehr viel dauerhafter und widerstandsAbiger erwiea. Zwar
wird auch das Stahlmantcl;re.«ehnss an der Spitze gestaucht und verbogen und
sein Mantel eingerissen; aber nienials erreichen diese Veritiideruniren einen snlchen
Grad wie bei den Kickelmautelgeschossen: bei diesen wird nicht nur das Ge^ichoss
an der Spitze gestancbt und seitlieh abgeplattet, der Mantel platzt IXngs and
qner, der Bleikern tritt heraus, wird schräg gestjiucht und verbogen , pilzförmig
abjepl.nttet. zorschcllt. 1 M'aphysenschflsse lieferten bei einem Drittel der Versuche Stau-
chutigen, hei zwei Drittel Ein- und Zerreissen des Nickelmantels. Diese allerdings
recht erhebliche Deformirbarkeit dflrfte dnreb Venrolikommnnng in der Fabrication
mindestens tbeilweise zu beseitigen sein. Bei Habart's Versuchen mit dem Mann-
licherircwebr crciirncte sich .iiich ein theilweiscs Abstreifen , selbst gänzliches
Spalten und Zerspringen des Mantels; aber hier ist zu berücksichtigen, dasa
Habart auf Pferde scboas and dass somit der Widerstand der Knochen erheblidi
stlrker war, als dies beim Mensehen der Fall sein wfirde.
Alle Versuche zeigen fibereinstimmend, dasa da« unveränderte Oeschoss
fast niemals im Körper st<'cken bleibt , sowie dass das veränderte (iesohoss bei
Knocheuschüssen >:elteu Sprengstiicke des Bleikernes oder dos Mantels zurUcklässt.
Auf EntfemuDgfn von 800 — 1200 Meter wurden 2 — 3 hintereinander befindliche
Glieder durchpchlagen : kein einziges Geschoss blieb stecken (Bru.vs). HABARTsab
zweimaliges Steckenbleiben unter der Haut auf l.')0() Schritte und einmaliges
Steckenbleiben iui Ferseubein des Tferdes. liier sass das Gesehoss so fest, dass
es nieht ohne Mflhe entfernt werden konnte.
Die prognostisch wichtige Fratre , *»b das Mantelgescbi»ss in trrös^erem
oder geringere!!) flraile Slilcke ans der K I c i d ii ii herausschlujre und in die
Wände hineintreibe, ist durch Versuche nicht genügend entschieden. DklüBMK und
Chavasse sahen in dieser Bezlehitttg krioen Untorsdiied iwisehen Lebet- und
Orasgewehr, wAhrend Habart es als einen Vorzng des Nannlicbergesehosses
betrachtet, dass es keine Kleiderfetzen mitreisse.
Dies ist in kurzen Zil;ren das Verhalten der in freier Flugbahn das Ziel
erreichenden Geschosse. Schlagen dieselben aber vorher irgendwo auf (Aufschläger,
Geller), dann fliegen sie in einem Winkel weiter und vernrsaehea die Überraschendsten
Verwundungen. Schlägt das Gegcbnss auf felsigen Grund, auf gepfl i>terto Strassen,
.steinerne Mauern u. A., dann verändert dasselbe in mannifrtacher Weise seine
Gestalt. Der .Mantel wird zerrissen uod abgestreift, der Kern tritt heraus und
wird zertrilromert ; die einzelnen Theile und Splitter fliegen weiter und bringen
nnregelmä<-iire. zerfetzte Wunden hervor, in denen die Gcscbosssplitter häufig
liegen lileihe!i. AIkt auch wenn das (;esehnss sich nieht verändert, so erzeugen
Aulschläger doch leicht Wunden, die den auf Grund von Scbiessversucbeu auf-
gestellten Typen nicht entsprechen: dag sehmale, langgestreckte, aus seiner nr-
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80HüSS¥BBLlST2inveBK.
sprÜDglicben Bahn getriebene Gescboss tlberschlä^ sich, wird den Körper oft mehr
oder weniger quer (Qnerecblfiger) , beziehungsweise aohrftg trefieu, also grössere
Bill- nmd AoMekfliM, uberhaopt «igaiiBtig«tie Wanden eelMO. Ferner iil sn be>
rücksiehtigen . das» in künftigen Kriegen Aufsehl/lger häufig vorkommen werden,
weil die gesteigerte Rasanz der Flugbahn das Zustandekommen der AufschUi{;er,
zumal beim öchictiäen iu liegender Stellang, geradezu begUaatigt.
Wie bereitB erwilmt, hat RaoBK naebgewiesen ^ dme beim AofMhlagen
des Geschosees auf den Widerstand ein geaetzmässiger Tbeil der lebeodignn Kmft
auf das Oeschoss übergeht und sich einerseits als Deformation , andererseits als
Erhitzung desselbeu äussert. Blei schmilzt selbst bei höchster lebendiger Kraft
und nnllberwindliebem Widerstände niebt; StahlgeschoBse erbitten sidi selbet bei
einer Oeeebwindigkeit von 500 If. und beim AuftrefiiBo auf Eäaenplatten nnr
auf 230— -2400 C. Nach Brüxs reichte die Erhitzung von Stahl- und Nickel-
mänteln bis zu 200 — 230''. Dass das Geschoss durch Pulvergase , sowie durch
Reibung hu Lauf und an der Luft in geringem Grade erwärmt wird, ist all-
gemein bekannt IIwsubs*) bat nnn Yerenebe angestellt, die ermittdn seilten,
ob das Geschoss durch Erhitzung keimfrei gemacht werde. Er schoss theils mit
inficirten , theils mit niehtiulieirten (iescliossen auf Blechbüchsen , die mit Nähr-
gelatine gefüllt waren, und stellte auf diese Weise fest, dass die Erhitzung
niebt im Stande ist, die den Oesebossen anhaftenden Bakterien
zu tödten oder auch nur in ihrer Entwicklung zu hemmen. Er
umwictceltu ferner Blechkapseln mit inficirtetn Flanell, der die Kleidung des Mannes
vorstellen sollte, und auch in diesem Falle entwickelten sich in der Gelatine die
dem Flanell anbaftenden Keime.
Diesen Versuchen hfllt SbT]>BL>*>) in Hcinem klaren und flbersichtlichen
Lehrbuche der Kriegsebirurgie entgegen, dass mit pathogenen Pilzen stark iuficirte
Geschosse oder Kleider zu den Seltenheiten gehören und dass wir auch mit der
stark keimtödtenden Wirkung des frischen Blutes rechnen mUssen. Die Einwürfe
sind bereehtigt ; aber ea unterliegt andererseits aueb kdnem Z-wüM, dass gerade
Kleiderfetzen oft genug sehr bösartige Infectionen bewirkten, v. Zoege-M.\n-
TEFFFEL ") berichtet, -da-ss von 8 ()ber8chenkelmu3keIschUs«en 3 durcli Sepsis
tödtlich eudeteu und als Ursache dieser Sepsis fanden sich in Buehteu und Taschen
des in^amnsenllren Oewebes Tersteekte Taebfetaen.
Die während eines Arbeiteraurätand«;^ in Galicien mit dem Mannlicher
gewehr auf nnhe Entfernung erzeugten Wunden boten, wie BOGDAN'IK ^- i beriehtet,
im Wesentlichen die gleichen Erscheinungen, wie wir sie aus den Versuchen von
RBesR, 6BDM8, Habaet q. A. baben kennen gelernt: enge Sebnsseanlle der
Weichtheile und mässige Sprengung, ausgiebige Splitterung der langen Röhren-
kncehen, L()elisclilis-!e an den platten Knoehen, hydraulische Pressung am Schädel.
Kein Cieschoss war im Ki«rj)er stecken geblieben: niitgeris:9ene Kleiderfetzen wurden
in den W^unden nicht gefunden. Ungleich bösartiger waren die durch die Oesehoss-
splitter der „Aufsebllger** bewirkten Verletsungen : grosse, unregelmlssige , ser-
rissene Wunden mit autigedehnter Zersplitterung und Explosivwirknng; dabei fanden
sieb auch von den GeschosHsplittern mit fortirerissene Kleiderfetzen.
Nach dem Berichte Stitt ^''^; aus dem cbileni8chen Kriege zeictiueteu
deb die dureb llannlicbergewebre bervorgebraebten Wunden der Weiebtbcile
dadurch aus, dass sie vollkommen runde und glatte Einschüsse hatten, die kleiner
waren al^ dif tfureb .tltere (Unvelire verursachten. Aiieli die .\us>ehü.sse waren
ausserordcutlich klein, rund, glattrandig; nur diejenigen boten zerrisseue Käuder
dar, aus denen Knoebensplitter hervorragten. Die Gesohosse sehdnen »emlicb
bftttfig im Körper stecken geblieben su sein: sie zeigten sich völlig unverändert;
nur ein einziges Mal war bei einem AiHVchlngi-r der Mantel vom Kerne ab-
gestreil't. Die liesebosse Messen .'•ieh mit Hille eine> Eiaseliuittes stets leicht heraii>-
nehmen. Kleiderfetzen waren sehr selten mit eingetrieben. Der anscheinend biiutig
beobachtete Verbleib der Geschosse in den Wunden deutet darauf hin, dass hier
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SCHÜSSVEBLETZUNGEN.
633
die Verwundungen auf sehr weite Entfernungen stattfanden . wo die Kraft der-
selben bereits im Erlöeeben be^itteu war. Die Verwundungeu der glatten und
kursen Knoohen, sowie die d«8 G«iiehto8 nahmea einen aebr glinstigen Verlauf;
«o dar Mittelluuid war nie mehr alt da Kaoehea fraetarirt, wlhread die Split-
terung der laagea BlttireakBoelwB gegea firfllier aiebr »n- ab abgaoomiBeB au
haben schien.
Am meisten traten die \oiztigt de^ kleinoalibrigen Gewebres an den
LangeDiehttsteB sa Tage: £iae Darehbobmap der Lange bellte reaetfoaalos in
wenigen Tagen und bei i^elueitigea Rippeobrildbea tratea gaaa besehriUikto
EatBttndnngen auf.
Die von Wagnkr beobacbteten Scbuasverletzungea sind durch Selbst-
mordTersnehe oder üagMoksftUe mit dem Mannlidiergewebr bervorgebraebte
Nah»<chüS8e. Die Verletiaagea am Sebidel boten alle das »usgcsprochene Bild
der hydranüsehen Pressung und hatten augenblickliehen Tod zur Folge, Die Ein-
sohuBsöffoung entsprach gewöhnlich dem Geachosscaliber ; die Ausschussötfnnng
betrog meist 1 Cm. im Darebmesser, wibread die des Raoebeus erheblich grösser
war. Aaeb OesiehtsschQsAe boten, wena sebon In geringerem Grade, die Eraeliel-
nnng des hydraulischen Druckes dar and heilten vollständig. Bei LungenschüKsen
fehlten dieBe Krseheinungen ; der Tod erfolgte durch Blutverluste. Im Ganzen
waren die durch das neue Gewehr vcrursacbteu Zertstürungen nicht su bedeutend
ab die der iltarea Gewehre.
Auch die von 8alo LiETO vernifeutliebteu zwei Ffllle von Schuss-
verletzungen mit dem kleincalibrigcn Gewehre ordnen sieli. wenigatens theilweise,
dem Schema unter. Der eine Fall ist eine Durchbohrung der I^unge auf 13 M.
Eatfenaag: der Bias^ass misst im Durebroesser Uber 10m., die Wnnde des Brust-
felles bat den Durchmesser des Geschosses. Der Sebasseanal der Lunge erweitert sieb
von vorne nach hinten trichterirTmiLr , ■;'> dnss er vonfe im T^iirolimesser 1 Cm,,
hinten aber deren 5 misst. Die Splitter der 5. und 6. iiippe ragen in den Brust-
fellraum hiaeia aad aas der AandiasBMIbnng heraus. Das Schalterblatt aeigt einen
erbebüdiea Snbstanzverlnst, von dem ans aaeb allen Riehtnngen bla Risse laufen.
Aus der sternförmigen, in der geringsten Ausdehnung 3 Cm. messenden Ans-
sehnssöffnung heraus hängen zerrissene Weichtheile. Tod nach 23 StuinitMi unter
Hautempbysem und Bluthusten an Lungenödem und CoUapa. Obwohl das Geächoäs
▼or der Verwnndnag erst dnreh drei gerollte HSagematteu gegangen war, braebte
ea doeb sehr erbebliche Sprengwirkung hervor.
Der zweite Fall betrifft einen durch Ivopfschuss hervorgebrachten Selbst-
mord, der die Zeichen hydrauUcher Pressung darbietet. Die aus ihren 2sahtver-
Iriadangen gesprengten Scbidelkaoeben standen 1 Om. weit auseinaader.
Besonderes Interesse nimmt eine von Boho.'^ckvicz beschriebene Sebuss-
Verletzung in Anspruch: Ein Soldat wurde auf vier Schritte iMitfernung von
einem Mannlichergeschoss i^b Mm.) durchbohrt. Kinsehuss vorne im rechten
Hypochondrinm, am aatwea Raade des 7. Rippenknorpels, kreiarond, glattrandig,
iVs Cm. im Durehmeaser. Aassebnss hinten am Racken, am unteren Raade der
T.Rippe; etwas kleiner, rund, zackig. Es bandelt sich um einen Schuss, welcher
die Leber durchbohrt und die Brusthöhle eröft'net hatte, und da h.ltte nach den
jetzt herrschenden Anschauungen das aus nächster Nähe treffende Geschoss die
Leber dureb bydranliscben Druek tersprengen mOssen, statt dessea trat
reactionslose Heilung ein, so das» eine glatte Durchbohrung des Organes an-
genommen werden muss. Ohne Zweifel ist die Wirkung der Gescho-fse auf die
Gewebe und Tbeile des Ivorpcrs ganz bestimmten Gesetzen unterworfen ; aber die-
selben sind noeb niebt so weit erforscht, dass nun jeder einzelne Fall sieb in
eine bestimmte Rubrik eiafUgen liesn.
Zieht man nun aus all den his jetzt gesehildert» ii Versuchen und Beob-
achtungen den i>chlu8s, so ergiebt sich: Fleisehwuniicn zeichnen sich auf alle Ent-
femnngen aus dureb kleine Ein- und Ausschnssölfnungeo , dureb enge CanSle
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634
SCHüSSYERLETZUNeBN.
und glatte Ränder. Kurze und platte Knocheu werden von FernschUssen glatt
oder doob mr mit geringer Splitterbildung durcbscblageo. Selbst bei grösseren
RObrenknoehen iat die Splitterbildang im Verglmeh %xm Blmgesehoas besehrlnkt
und die {jeringere Verletzung der Weichtheile mtlia dabei noch als besoriderer
Vortbeil angesehen werden. Lurifren- und rielenkschUsse geben meist fT'ite I'rojjnoge.
Die Geschosse bleiben selten im Körper »lecken. Das kleincalibrige Gewehr liefert
also im Allgemeinen Yerlettungen^ denen bis eq gewissem Gnde die Elgenaehaften
Aae tnbentanen zukommen.
Dem^efrenfiber steht die grosse Tr»!^weite und Durchschlagskraft der
Geächosüe, die dieselbe in den Stand setzt, auf lOüU M. Entfernung 3 — 4 Mann,
anf 8000 Bf. 2^3 Mann Untereinander ni dnrebsehlagen nnd so auf anstflrmende
Infanterie- oder Cavallerieroassen nngehenre Wirkung, tSdtiiche Verwundungen
aber iioeh auf 3000 — 40(iO M, hervorzubringen. Demgefrcndher steht die mächtige
Sprengwirkung der Schüsse auf 401) — 500 M. und darüber, die aber doch von
der Sprengwirkung der frtiberen Geschosse an Ex- und Intensität ttbertroffen wird.
Nabklmpfe werden im Gänsen seltener sein, denn unzweifelhaft werden die
Schlachten der Zukunft, wenn nicht aus^efochten auf grosse F^ntfemung, so doch
der Entseheidiinj: r.jihe frebracht. Alles in Allem genommen , knmint Bruns zu
dem Ergtbui^s, dass da.s neue k 1 e i u ca 1 i be r ig e Gewehr nicht blos
die beste, sondern aneb die humanste Waffe ist, um naeh Hftg-
iiehkeit die Schrceken des Krieges lu mildern. Allein diese Auf-
fassung wird nicht in jrleichtiii rtnfan^'e vrm Allen getleilt; ist Habakt. der
noch auf 1000 Schritte EutUrnung hydraulische Pressung beobachtete, zumal mit
Rfleksicht auf die gewaltigen Knoebensertrilmmerungen nnd die starken Blutungen
von dem humanen Charakter der Waffe nicht allzusehr ein^^euommen , und noeh
entschiedener s;)rieht sich Morosow >') aus, der das kleiuoaliberige als das ser*
störendste aller Geschos-Ci bezeiehnet.
Dass die absolute Zahl der Todten und Verwundeten in künftigen Kriegen
die der l^fiberen überstMgen wird, ist bei der OrOsse der Zukunftsheere selbst-
vcr«t:indlich ; inwieweit aber relativ die Verluste gr^^j^er sein werden, entzieht
sich jeder Berechnung und jeder Vorauss.Tge. Eine frleichwerthige Ausrüstung der
feindlichen Heere \orausgesctzt, hiingt die Verlutstgrösse keine»wegH ausschliesslich
oder aueb nur vorwiegend ab von der Vollkommenh^t der Waffe, denn wäre dem
so, dann mflssten die unvollkommenen Waffen auch die geringereu Verluste
bedinL'-en. Die (!e>eliieh(e lehrt iilier, dass das thatsilrblieh nicht der Fall ht.
Be&chuUeuheit der Heere und Kampfesweiae kommen vor allen Dingen in Betracht.
Bei den jetzigen Heeren und den ans der Bewaffnung sich ergebenden Feehtarten
können die Verluste über ein gewisses Mass gar nicht hinaus, und wenn Haasr i^)
sagt: „verliert die Truppe mehr als die HiUfte, dann sind alle Officiere gefallen,
die fiihrerliise Truppe geht zurück, ist geschlagen" — so bat er damit gewiss
fttr den Durchsebnitt den allerhöchsten Grad der künftigen Verluste angenommen.
Die Behandlung der Sehussverletsnngen kann hier nur in ihren all-
gemeinen Gesichtspunkten kurz besprochen werden und da ist es zunächst selbst-
verstHndlieh , dass die Antiseptik frrunJ-;ttzlieli schon auf dem Gefeehtsfplde in
Anwendung kummt. Wie das geschehen »oll, welcher Art die Vcrbandstotle sein
werden, ist eine vorzngsweine teebnisehe Frage, deren Lösung der IfilitSraanitäts-
behörde obliegt. Vorlihifijr ^'ilt di r einfache antiseptische Verschluss für das beste
Verfahren, umsomchr, da dir I )urelifiihning desselben durch die neu«- W.itTe in
vielen Beziehungen erleichtert und begünstigt wird. Denn da die hydraiilisehe
Fressung mit ihren furehtbaren Zerstörungen nur selten zur Wirkung gelangt,
so genagt in der weitaus flberwiegenden Mehrzahl der Falle, bei allen \ erlet/ungen
mit kleinen Ein- und Aussehjissüflnuntren , ein antiseplisclier Verband . der das
Blut und erste Wundsecret aufsau;:t und eintrocknen lässt „und bei den hierzu
geeigneten leichten Verwundungen die Heilung unter dem Schorfe herbeiftlhrt^.
Das auf der Wunde eingetrocknete Blut wird nieht entfernt; die Wunde wird
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SCHrSÖ VERLETZUNGEN.
635
keiner besonderen Reiniirunfr unterworfen ; eine rntersuchunf; der Wunde wird
nicht vorgeoouimeu. Das Gescbuas bleibt nur bei Öcbüäsea auf weitefite Ent-
fernangen stecken; das Auftneben und Anssieben desselben kommt mitbin Ter»
blltnissmia^i}? selten in Frage. Ob Kleiderfetzen mit eingetrieben aind^ liast sieb
meist gar nicht erkennen , und doch sind gerade diese Fremdkörper von um so
grösserer Bedeutung, aU sie vor anderen geeignet sind, bei stärkerer Zertrümmerung
der Gewebe aebwwe Infeetionen an bewiriEMi. Aber das KteinUaben dw Wunden
ist für den ganzen Verlauf so wiebtig, dasa man , wenn eine stärkere Gewebe-
zertrQmmerung nicht vorlie;;t , nach etwa ein^'e Irungenen Kleiderfetsen ebenso-
wenig suchen soll, wie nach der K«k<^1 ''v. Bkhümann '
So wird denn der einfache antisepti^he Occlusiv verband in erster Linie
bei den PteiscbsebOssenf ebne ausgedehnte Verletsnng der Weiebtbeile, in zweiter
Linie bei den Dnrcbbohrnn^en der Gelenke, sowie bei den der platten und
kurzen Knochen und endlich bei einer grossen 2ahi von Lungenscbtissen seinen
Platz ßnden.
Der Vorsehlag Langekbech's die leichten Wunden auf dem Seblaebt-
felde dnreb die blutige Naht zu schlieHsen und dann mit einem Kautsohnkpflaster
Itt'il.cken zu lassen, in der Absieht, die «»tVenen Wunden in subcutane zu ver-
waudelo, bat auf dem CLirurgcucungress 1Ö92 vielfachen Widerspruch erfahren.
ThatsleUieh kann das Verfahren gar leiebt sehlimme Folgen nadi sieh neben ; denn
ganz abgesehen davon, dass das irztliebe Hilfspersonal nicht in der Lage ist, in
jedem Kinzelfallc rine leir-hte Wunde von einer i^chweren zu unterscheiden , so
wird eine bis tlaliiu »septische Wunde durch das 2<iäbcn selbst iu hohem Urade
der Gefahr einer Infeciiun aut^gesetzt.
Für die Schnssfraeturen der langen Röhrenkaoehen ist die gleichzeitig
vorhandene Verletzung der Weichtheile das Massgebende, d. h. da, wo eine grosse,
beziehunirswcise zerrinsene AiisschnssrttVnnng und das Vorliegen von Weichtheil-
fetzeu oder Knuchcnspitteru über die stattgehabte starke Druckwirkung keinen
Zweifel lassen, reicht die einfache Oeelusion, eventuell mit feststellendem Verbände
nicht aus, sondern es wird ein soft^rtiges operatives Eingreifen nftthig sein. Dasscllii-
Verfahren bei grossen Weichtlieilverl''tznngen, bei verunreinigten, zersetzten, buch-
tigen Wunden, auch wenn der Kuoeheu nicht getrolieu ist. Besondere Beachtung
«fofdera wegen der damit verbundenen Tetannsgefabr Holzsplitter und Erde. Bei
Darmwunden durfte jetzt die möglichst frühzeitige Laparotomie als Regel gelten;
denn nur bei einer Verletzung des leerrn I'rirne-;. avo immerhin ein spontaner
Verschluss möglich ist, kann die zuwartende Behandlung gerechtfertigt erscheinen.
Gerade die F'rage Uber das zweckmässigste Verhalten durchdringenden Bauch-
wunden gegentlber ist in letzter Zeit lebhaft besproehea wordm. Körte")
empfiehlt .sofortige Laparotomie, wenn Anzeichen innerer Blutung und heftige
Leibschmerzen vorhanden sind. Fehlen diese Erscheinungen , so wird ein anti-
septincher Verbaud angelegt, aber beim ersten Auftreten verdächtiger Erseliei-
nuogen (Leibschmerz, Anftreibung ete.) sofort sur Operation gesehritten. Elbvu,
EiLSBT Habart, Morton u. A. sprechen sich ia Abalidiem Sinne ans. Riclds
dagegen rflth , mit operativen Eingritfen so lange zu warten, bis ansgeaproeheno
I^eritouiiis vorhanden ist. Nach ^knx- Chicago sind die einzigen Erscheinungen,
welche die Unterseheidung eines einfachen perforirenden Bauchschusses von einer
schweren r>Hriii Verletzung sichern, Kothaustritt und Netzvurfall. Alle
(ihrigen F.r-cheinungcn sind werthlos. Quer und schriig verlautende Schuss-
wunden unterhalb des Nabels lassen mehrfache Durchluchuugcu des Darmes an-
nehmen. Tritt Magen- oder Darminhalt aus der Wunde, so ist die Verletzung
tffdtlicb und es muss unter allen Cmstinden so bald wie mOglich zur Laparotomie
gesehritten werden.
IjUe - kommt auf (Irund sehr eingehender statistischer rntersuchungen
— aus denen unzweifelhatt hervorgeht , dass die Sterblichkeit bei exspeetativer
Behandlung erheblich grösser ist — zu dem Ergebniss: Bei allen peuetrirenden
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636
SOiroSSVBSLETZUNGEN.
IJauchwunden ist der Bauchschnitt augezeigt : derselbe ist -sobald als möglich vor»
zuoebmeo, im Kriege tbualicbst schon aut dem Verbandplätze, verspricht aber
aseh im Feldlanceth gute Erfolge.
Kugeli«eher und Zangen. Bdm Mentelgeschoss wird das Steeken-
bleiben im Körper verbältnissmfiäsig seltener sein als beim BleigeschosR ; aber
doi-b nicht in dem Masse, i^ls das nach den Versuchsergebnissen scheinen möchte.
In der Sehlaeht sind die VerbältiiiaBe eben wewaffieh «nd««. For Allem werden
die bei AufachliSgcrn entstehenden SpreogstOelce (In NflrsebMi fand man bei sehr
geringer Schussweite einen HIeikcrn unter dem Brustmuskel, nachdem vorher der
Thorax von hinten her durchschlagen war, und einen Stahlmantel im Nacken)
und demnächst auch unveränderte Geaeboase am Ende ihrer Fingbahn häufig genug
etcelienbleibeii; moeb üStnt wird das bei Sebassverletsttageii dea Friedens, aunai b^
Revolver- und PistolpnsohflRsen, vorkommen. L'nter allen diesen Füllen aber wird
es immer eine mehr oder weniger grosse Zahl geben, bei der das Anfauchen und
Ausziehen des Geschosses uothweudig ist. Die einfachen Kugflsucher sind im
WeientUeben seit Jabrhnnderten dieselben gebUeben, and anter den neuen Er>
iindungen erwies sieh die NKLATON'scbe Sonde noeb immer als die brauchbarste;
allein bei den harten und glatten MatitelEresfhofsppn if>t ihr Werth kaum grosser,
als der Jeder anderen Öundc. Alle .sondenartigen Instrumente setzen voraus, das3
sie die Kugel im Wund- oder Fisteigauge errmdimi und unmiitelbar bertihren.
Aber selbst wenn das geschieht , sind sie keineswegs immer im Stande , jeden
Zweifel zu heben. M«n ,*:ing daher tlber zu den elektrischen Sonden . aber die-
selben Hessen bisher Manches zu wün.sehcn Übrig; sie verlangen doppelte Be-
rührung der Kugel, gestatten meist nicht jede beliebige Biegung und man ist
bei ibrer Benfltsnng abhängig von dnem dement, welehes leidit im Stiebe Itsst.
Unter diesen I'roständen sind alle auf Vervollkommnung unserer Hilfs-
mittel gerichteten Bestrebungen gewiss mit Freuden zu begrils^ien , und ich will
versuchen, eine gedrängte Uebersicht von dem zu geben, was die letzten Jahre
in dieser Besiebnag gebracbt beben.
Fig, 87.
Die von Wattkin angegebene Sonde Fig. 87) besteht aus den durch
eine Zwi^cbenlage isolirten Längshälfteu eines in der Mitte gespaltenen Stahl-
drabtes; von dem unteren Ende der einen dieser Drahtbllfte geht eine Leitnngs*
schnür zu einem Zinkhiättchen , von dem der anderen due solche XU einem
Kupferbliittcheu. Die vorderen Enden der Drahthilltten ragen als feine, i'snürtc
Spitzen frei hervor. Beim Gebrauche bringt man das Kupfer- und Zinkbläiteheu
jedeneits in den Mund awiseben Wange und Zahnileiseh. Berühren nun die iso-
lirten Spitsen die Kugel, so entsteht eine Gesehmacksemp6ndttng.
Die Telephonsonde ^Fig. 88), ( rt'unden von Graham Bkll . ver-
bessert von IIauvev (JiKDXER, besteht aus einem Telephon </. welches einerseits
mit einer Stablsonde // , andererseits mit einem hohlen Stahlzapfen o durch zwei
Leitnngssehnflre verbunden ist. Statt des einen können aueh swei, durch einen
Stahlbiigel verbundene Telephone benutzt werden. Beim Gebrauche befestigt man,
um tifide ll.'hide l'rei zu haben, die Telephone an dem Ohren: der hohle Zapfen
kommt in den Mund, in das Kectum, die Vagina oder in die gut befeuchtete
Hohlband an liegen, während die Sonde in den Sehusseanal eingeführt wird.
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SCHUSäVEBLBTZUNGEN. 687
Trifft die Sonde auf die Kugel, 90 wird dieses Ereigniss durch ein tan Tofophon
entsteheDd« Oertuseh angekündigt. — Kann die 8<inde weg-en Vorlagrernng; von
Blutgerinnselo und Weichtheilen oder
Fig.«. wegen Senkung dar Eng«! vUbi su
dieier gelugen oder tet ei«e Wnnde
oder Fistel llbcrhnupt nicht mehr vor-
hnnden . dann setzt man an die Stelle
der Soode eiue Nadel uud stösst dieselbe
dnreh die Bant ein. BotNdd die Spitie
der Nadel die Kugel berOhft, eotstdit
das Gerflusch im Telephon.
Kaufmann -^}, der diesen Gegen-
stand in der sn Ehren Roohbr*8 her-
aasgegebenen Festschrift erschöpfend be-
handelt, empfiehlt folgendt^n Versuch :
Man halt das Telephon an s Uhr, bringt
zunächst den Stabicapfea In «in mit
aehwaeher KoebaalslOsnng gefälltes Glas
und legt das rar Prüfung dienende
MetallHtUck auf einem Bauschen Bkuxs-
scher Watte (um die Berührung mit dorn
Zapfen an meiden) io's Wasser. So oft
nun die Sonde das Metallstflok (Kugel,
M(inze) berührt, hftrt man das Geriuseh.
Wie ist das zu erkl&ren?
Naeh Girdnbr's Annahme sollte das Gerlvseh dnreb mne Unterbreebnng
des Stromes hervorgebracht werden ; nach Kaüfmann's Untersuchungen jedoch ent-
steht zwinchcn Simdc und ZajdVn ein Sfhwarhcr Strom, der beim BcrlÜiren de»
Metallkörpers durch dit> Sonde eine Schwankung, eine Verst&rkang erfahrt, welche
die Eisenplatte des Telephuns erregt und so ein der Stärke der Stromsehwanknng
entspraehendes Geränseh ercengt. Die Stiirke der Stromschwankung selbst richtet
flieh nach der elektromotorischen Kraft zwischen Zapfen und P'remdkörper , die
den letzteren berührende Stindc hat Id'K die Kolle eines Leitungsdrahte>». Der
menschliche Körper stellt deu Elektrolyten dar zwischen Stablzapfen und Kugel,
die Sonde vermittelt den Stromaehlnsa, beaiebnngswaiae die Lettong snm Tal^hon.
Je grösser die Stromschwankung, dc^to deutlicher das Gerlnsch , und
daher wird man zum Auf-^uehen eines metallischen Fremdkörpers ein Metall
wählen, das mit jeuem eiue möglichst grosse Spannungsditferenz bietet. Zum Aut-
snehen von Bleikugeln, wie sie die Friedena-Sehnssverletcungen liefern, eignet
sich Stahl ganz gut, aber Platin ist vid empflndliober, und Katfmann hat daher
die Stalilidattf . beziehungsweise den Zapfen, ersetzt durch eine 1() Cm. lanire
riatindrahtj^pirale, die sich vortretiiich bewftbrt. Er wählte den Draht, weil
eine Platiuplatte an tbener sein würde, vom Platindraht aber da, wo Galvano-
eaustik getrieben wird, kleine Stfleke immer abfallen und so besondere Kosten
nicht erwachsen. Zum N.ielnvci« von Kisen, Kupfer oder Silber iat ein amal-
gamirter Zinkstab besser ^'^eei;ruet als Stahl.
Die Telephonsoude iät jeder Suude dadurch Überlegen , dass sie bei Be-
rflhmng der Kugel die Gegenwart derselben mit nnaweifelhafter Sicherheit anhebt;
da-js also der Nachweis der Kugel auch dann gelingt, wenn die gewöhnliche Sonde
im Stiche liisst. I>a ferner die iei^c-tc Beriiliniii'r zum Hervorbringen des (Icr.'uiseljes
ausreicht, so i^t jede Gewaltanwendung UberllUssig. Reicht die stumptc Sonde
nieht aus, dann tritt an ihre Stelle die Aenpunetumadel.
Kin weiterer Vorzug der Telepbonsonde ist der, dass sie sich leicht
iniprovisiren liisst. Telephone und Leitungssebnflre sind lit'iitzntago fast Uberall
ZU finden ; man verbindet zunächst die Schnur mit dem reltphou , wickelt das
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638
SCHUSSVERLETZUNÜEN.
freie Ende der einen Schnur um eine Stri<'knadel, tAn Btanipfes Dralitstlick (»(kr
dergleichen , das freie £nde der anderen Sobnnr um einen Täeelöffel und der
Apparat ist fertig.
Mit deraellwB Leiehtigkeit imd in denelbea Welte IM lieh die Stehl-
Bonde ersetzen dnrob das im gegebenen Falle nOthige Aauiehinatniment (Kugel-
zan^e"! ; auch hier erti^nt im Telephon das Geräusch . sobald das VtetreflVnde In-
strument den mctallifichen Fremdkörper bertihrt, und es ist klar, dass bei
besonders schwierigem Falle, zumal beim Arbeiten in der Tiefe und in Kurper-
bOhlea, dieses Yerfahren geeignet ist, grossen Nutten m gewäliren. Flg. 89
smgt einerseits die Verbindung des Telephons mit der natiDdrahtspIrale nnd
andererseits mit der amerikaniseben Kugeizange.
Aber der Telephonsonde sind in ihrer Wirlcsamkeit bestimmte Schranken
gesstst: ne verlangt eine vnmittelbare Berflbrong des Gesebosses, und tlberall,
wo diese Bedingung nicht erfüllt werden kann , ist die Sonde nicht verwendbar.
Wir mtHsen daher in diesen Fallen unsere Ziithidit zu V<>rriehtuii;ren nehmen,
bei denen es einer Berührung der Kugel nicht bedarf : das ist die I n d u c t i o n s-
waage nnd die Magnetnadel.
Die ursprllnglichc, von Hr(;HP:.s erfundene Tnductionswasge besteht aus
zwei kleiueu hri!zern«'n Holilcylinderu, deren jeder in seinem obereu und unteren
Theile von einer Kupferdrahtspuio umgeben ist. Die beiden oberen und ebenso
die beiden unteren I>rahtBpnlen tsM dnreb Dribte miteinander yerbnnden. Die
beiden oberen stehen femer mit einer Batterie nebst Inductionsapparat, die beiden
unteren mit einem Telephon in VerbindmiLr. I>ic die oberen Spillen durrb-
laufendcn Ströme haben eine einander eutijexeufresetzte Kiehtuii};. Weiter wirkt
der Strom der oberen Spiralen indueirend auf den der unteren ; dieser secundfire
Strom Hüft entgegengesetst dem primUren, und ebenso vOTbalten sich die seenn-
dflren 8Mme der unteren Spulen unter Bich. So sind diese Strome im Oleioh-
g-ewicht nnd im Telephon ist ein fterfiusch nicht hörbar: brinfrt man aber in
eineu der beiden Cylinder ein Metallsttick, so wird das Gleichgewicht gestört und
im Telephon entsteht ein Gerlusch.
Die BEliL'sche Inductionswaage, deren Einrichtung aun der schematischen
Zeii'hnnnp^ (Flg. OO'i ersichtlich ist. besteht aus der Batterie n , licin Inductlons-
apparate (hj^ dem Telephon (cj und den beiden Spulenpaaren {ed und fgj, die
Ftr-ss»
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SCUUSSVEHLETZUNOEN.
639
^ UntersuchunL's-, beziehun^'-swcisc (iltMchgrewichtsspulen bezeichnet werden. Die
Spulen sind tl.icli. Hcheibenfurmifr : (/ mid bilden mit Batterie und InductioDB-
Apparat den primären, / und e den secundären Stromkreis. Uaa Spulenpaar ed —
Untertuohungsspulen — ist UDverrfiekbar vereinigt und in einer mit einem Hand-
griff versehenen Kapeel (F%. 91) eiogetehlotien. Das Spnlenpaar fg ist lo nit'
einander verbunden , dass rieh die eine flher die andere mittelBt Schmnbenvor-
ricbtung verschieben Idast.
Flg. 9«.
e d
Will mau die W.ia^re ;,'ebrauchtMi, dann stellt man diese S|)ulen so, dass
das Geräusch im Telephon ganz oder tast ganz erlischt ; dann führt man den
Sneher, d. i. die Kapsel mit den Untersttehnngaspnlea so lange auf dem be*
tri tTt iu!( II Rörpertbeil herum, bis das (Jerinsch im Telephon ertSnt nnd den Sitz
der Kugel an/.ei^t. Zum Auffinden der Kngel seibat in der Tiefe grtfft man nun
zur Telephunnadel.
Indessen mit diesem BsLL-G'iRDNBR'seben Apparat Ueas sieh eine Vetterli-
kugcl nur auf 2 Mtu. Entfernung nachweisen; er hat den Fehler, dass die Spulen
nicht in einer Pibene liepf^en . das-s die „elektriscbc (jiMipensation" sieh nicht bis
xum Krlösoben des Ger&usobes herstellen iässt, da^s luductiousapparat und Batterie
mangelhaft arbeiten. Kaüfmaiw Uess daher durch Lkuthold in Zflrich einen
Apparat anfertigen, der die erwähnten Fehler thanliehst vermeidet
Fig. 91.
Die iJrahtwindungeu beider Ströme betiuUen sieh auf ein und derselben
Spule und liegeu unmittelbar tibereinander. Der Taster oder Sneher ist Stempel-
förmig und birgt in seinem breiten Ende das Untersuehungsspnlenpaar. Die dnreh
den Griff laufenden Kndeii der Drähte sind mit 4 Klemmschrauben verbunden
(Fig. 92 a. A'i, Soll eiue Induetiunswaaire ihreu Zweck crfilllcn, dann musä das elek-
trische Gleichgewicht möglichst vollkommeu erreicht werden, denu nur so erlischt
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SCHÜSSVERLETZUNGEN.
das Geräusch im Telephon oder wird doch so schwach , dass er nar eben noo^
gehört wird.
Das zweite Spulenpaar nennt Kaufmann den Regulator ind dieser
hat folgende Einrichtung (Fig. 93): Auf einem Holzgestell ist die Hauptspale (b)
Fig. 98.
H
B'
B
Fig. 03.
befestigt und trft^t an der freien Seite die für dio Spulenenden bestimmten
Klcmmsclirauljen. Die zweite, !<cbmällore Spule ivi, seeundfir, kann mit Hilfe einer
Schraube in i;ri»s*»ere oder irerin;?ere Eutfernun^ von der liauptspule gebracht
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SCHÜSSVERLETZUNGEN.
641
werden. Lflsst sich auf diese Weise das Gleichgewicht nicht genflgend herstellen,
führt man in die Oeffnung e des Schraubenhalters an einem Führungsstabe (f)
das Rupferstück g ein und bewirkt so die genaue Regulirung. Zur Erzeugung des
Inductionsstromes dient ein gewöhnlicher Schlittenapparat.
Sehr wichtig ist die Art des Metalles, aus dem der zu suchende Fremd-
körper besteht, und je grösser die elektrische Leitungsfähigkeit des Metalles,
umso stärker die Einwirkung auf das Telephon. Daraus folgt, dass das Auf-
finden einer Bleikugel viel schwieriger ist, als das eines Stahlmantelgeschosses;
so gelang Kaufmann der Nachweis der bleiernen Vetterlikugel auf 1-5—3 Cm.,
der des Kupfer- und Stahlmantelgeschosses auf 6 — 10 Cm. Entfernung. Besonders
ungünstig stellt sich die Revolverkugel , deren Nachweis nur bei ganz obertiäch-
licher Lage (\ — 1 A, Cm. tief) möglich ist; immerhin sind die im Schftdeldache
steckenden Kugeln dem Verfahren zugänglich.
Fig. M.
filoktromikrophonJacber Kngeliucher.
Bei Stahlmantelgeschossen dürfte das in der KoCHBRschen Klinik bei
magnetisirbaren Fremdkörpern ausgebildete Verfahren: An wen dun g'-*^) der
astatischen Nadel nach vorheriger Magnetisirung des Fremdkörpers,
in den meisten Fällen aunreichend sein. Dabei sind wesentlich zwei Punkte zu
beachten. Je kleiner das Geschoss, beziehungsweise der im Körper stecken ge-
bliebene Theil desselben ist, einer um so stärkeren Magnetisirung bedarf derselbe,
80 dass man sich am zweckmässigsten des Elektromagneten bedient. Ein 6 bis
6 Pfund tragender Hufeisenmagnet m.ignetisirt , nach SACHS, ein reines Stabl-
geschoss von 7 Mm. Durchmesser und 30 Mm. Länge, das 1 Minute laug in
o'O Cm. Entfernung von dem Mittelpunkte der Verbindungslinie beider Pole lag,
derartig, dass dasselbe die astatiscbe Nadel auf 3 Cm. Entfernung ablenkt. (Das
Magnetisiren geschieht in der Weise, dass mau die Gegend, wo das Geschoss
muthmasslich sitzt, vor dem Elektromagneten hin und her bewegen lässt.) Ferner
Encyclop. Jahrbüdier. III. 41
642
SCHUSSTEBLETZUNGEN.
muSxH das Natlelpaar an einem f o r o n fadtMi auf^cehiing^t sein: letzterer ist oben
an einem Häkchen befestigt, das in einem Korkstöpsel sitzt. Beim Gebrauche läast
man die Nadel frei über dor Oberflitobe des betreifenden KörpertbeileB aebwebon
od«r imh maebt den kittiien Api»arat fest ud fllbrt den Kflrpertiiail m der rubig
stehenden Nadel vorüber. Im letzteren Falle bringt man die Nadel in eine ent*
sprechend frrost^e Glafdoge, deren Deckel eine senkrecht stehende Glasröhre
trägt, in deren oberes Ende der Kork mit dem Coconfaden eingesteckt ist.
Ein „neuer elektromikrcpboniaeher Kogeliueber** von A. Klvin in Gent
(Flg. 94) bestebt hub einem runden Dosentelephon , einem Quecksilberoxydul-
element, sowie aus den erforderlichen Leitun^rsschnüren, ITolzhcften, Nadeln und
Sonden. Zur Füllung des Elementes schraubt man den mit einem breitun Messinge
baken versebenen Deekel ab, breitet auf der Koblenplatte 4 LOflM Qoeeksillyer-
oxydul aus und vermischt es mit deätillirtem Wasser , so dass die Zinkfläche beim
Aufschrauben des Deckels tjanz in die FüUunf^ eintaucht. Ist das gefüllte l'Ieiiient
in das Dosentelepbon eiugehilugt, t<iud die LeituugsachnUre in den Klemmsehrauben
befestigt, die Hefte mit Sonde nnd Nadel versehen, dann ist der Apparat zum
Oebrnnehe fertig. Das Element muss am Ohr mOglidist waagreeht gehalten werden,
um ein Durchdringen der Flüssigkeit zu verhüten. Die an dem einen Hefte be-
festigte Nadel wird da leicht unter die Haut eiiifrestosson, wo die Kugel ungef.ihr
vermuthet wird, während die am anderen Hefte sitzende Sonde im Schui<seanalo
vordringt. Berührt die Sonde die Kugel, so wird im Telephon ein dentliehes, aneh
auf Entfernung börbarM Geräusch hervorgerufen. Ist die Kugel von der stumpfen
Sonde nicht erreichbar, m kann dieselbe, wie bei der Telephonsondef durch eine
spitze Nadel ersetzt werden.
Die Yerletsnngen der kMneallbrigen Gewehre stellen aneb an die Ex trae-
tionsinstrumente andere Aufordernngen als die der alten Rleigesohosae : der Ein-
nnd AussehuHS ist klein, der Schussgang eng, das fieschoss, auch wenn es nicht
zersprengt ist, schmal, hart und glatt. Die alten, für Bleikugeln bestimmten Instru-
mente mOssten daher geändert, d«i neueren Gescboesen angepasst werden. Sie
sollen so besehaffen sein, dass sie niebt blos in den engen SebuBSgang dndringea
können , sondern sich auch in demsell)cn öffnen lassen : sie sollen das harte
nnd glatte Gesoboss fest fassen und festhalten und nicht von demedben
abgleiten.
Reinbk in Wien nahm anniehst die amerikaniscben Kugeteangen in
Angriff und änderte dieselben in der Weise, dass er ihnen beiderseits mindestens
zwei sehr scharfe, kurze Spitzen (iah, so dass sie den Stahlniantel fest fassen und
dass die Arme der Zange auch bei Auwendung grösserer Gewalt sich nicht ver-
sehieben. Die Zangen sind aerlegbar, leiebt sn reinigen nnd so seblank, dass sie
auch in enge Gänge eindringen können. Die in Fig. ')o abgebildete Zange wird
in drei verschiedeneu Formen geliefert : n endigt in eine kleine Verbreiterung,
welche ihrerseits in zwei ganz kurze, scharfe, an der Basis jedoch starke Spitzen
aosllnft ; bei dieser Form greifen blos viw Spitzen an , während die Form b in
einer Aushöhlung eine breitere Rdbe kurser, spitzer Zflbne, am Ende eine
schmälere Reihe eben solcher Zfihne tr.tgt ; die Zäliiio sind vertieft, krcisseginent
förmig so angeordnet, dass sich alle genau an das l'rojectil anlegen: zum Fest
halten des letzteren genügt schon, wenn nur die vordere Zahnreihe gefasst hat;
gelingt es, die Zange 80w«t vorzusehieben, dass aneb die rliekwirtige Zahnrrihe
anfassen kann, s" i t die Fixirung natürlich noch sicherer. Zu erwühnen ist zu
Fig. 95/' noch, dass die vordere Verbreiterung ooniseb znlAuft behufs leichterer
Passirung des Schusscanales.
Fig. 95 0 ist eine Combination einer sehmalen Komsangenform und der
Form o, das heisst, die schmalen, ausgehöhlten und innen fMn, aber scharf ge-
zähnten Branchen laufen in zwei scharfe ."spitzen aus: diese Spitzen allein fassen
schon ziemlich sicher an, beim \ orsehieben greifen dann ebeusuwobi die Spitzen,
als aueh die in der Aushöhlung befindlieben scharfen Biffe.
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SOHüSSYEBLETZUNGEN.
643
Fig.»S.
f
Fiß. 96.
Cm den RanmaiMpnich der Zrage beim Oeffoen auf ein möirUehat g^inges
Maas sn besehränken, hat Kriner dio Einrichtnn^ der GOLLiK'sehen Gelenksaagen
auf die Kuirelzange übertranr^n und
dieselbe ebenfalls zerlegbar hergestellt.
Das Gebin kann beliebig geformt wer-
den. Behnfe Zerlegung hat man nichts
weiter zu thnn. als die Z.-uiire mit Dhu-
men und Mitteltiugtr der reoLu ii Hand
in den ßingeo wie zum Gebrauche ge-
öffnet zn halten, während gleiebz^g der
Daumen der linken Hand den Icurzen
Hebplarm h vom Hauptarme der Zanj^e
wegdrängt, wobei der Nagel des Dau-
mens dureh Eindringen mithilft; es mnss
die Branche b soweit abgehoben werden,
dass sie ans dem Stift bei h los wird :
daou lässt sich suwuhl b als c durch
Drehung nnd Qnerstellung in der be-
kannten Weise auslösen uud die ganze
Zanfro in die einzelnen Theile zc'rlc;ren.
Die Zusammensetzung geschieht iu um-
gekehrter Reiheofulgc ebenso.
Literatur: *) Brnns, DieOescbosB-
wirknng dir neuen Klein<-ali})*?ri:'-w.'lirf . Ein
Beitrag zur Heurthfiluug der Scluisswunden in
künftigen Kriefren. Tübingen 188'^, LauppVche
Bacbhandlung. Derselbe, Ueber die kriegi»
chimrgisebe Bedeutnoi; der neuen Fenerwafflea.
V(irtr. a il. XXI.Cungr. d. deutKclien Gesellsch.
f. Chir. in H. rliu 189;^. — =•) " 1U> e r. «> Die
Gewehrsi'huK-swundcn der Nfuzeit. Strassbatg
168i bei Schnitze, Die Aiifordernngen
der Hnnianität an die Klcingewehrprojectile.
Deatsche niilitiiiMrztl. Zeitsrhr. c) N<'ue Heoh-
aebtnagen über Gewehrscbusswunden. Ebeadaselbst 1667. dj Ueber die kriegscbirarglnlie Beband-
lang der neaen Feoerwaffeo. Vertrag, gehalten am XXF. Congr. d. deutschen Oeselbeb. f.Ohir. in
Herlin 189'^. — *) Kikuzi. üntersniluinpen über die physikalische Wirkung: dor Klt-inircwelir-
j»rojectile. Tublugeu 189Ü, Laupp'sche Buchhaudlung. — •) Hal>art, Zur Fragt- uiuderner
Kleincalibergi'schosse. Wiener med, Presse. 1889, Nr. 20- Dcrsellie. Zur Gt-schosstrago der
Gegenwart cod ihre Wecbeelbesiehongen snr Kriegschirargie. Wien 1890. Alfred Hölder. Der-
selbe, Die OesebosswirkunR d. 8-MiUiineterbandretter»airen. Eine forensiacb-chlmiigisehe Studie.
Wien Ik'I Saf;'if. — *) Dclornm et Chavasse, itlmfe coinjiinifii e det tffets i»-<>.!u'i(s
par les ballen il« fusi! f,'r-is vt i/u /usil Lehel. Arch. de med. et de pharm, mil. 189 1 , .WH.
W. Both's Jahres M i i tit ulmr die Leistungen und Fortschritte an f dem Crebiete des Militär-
sanitätswesens. XVII. Jahrg. — ') v. Ueyking, Belehrungsschiessen für Sanitätsotttciere in
Spandan-Rnhieben am 2. April 18'.i2. Deutsche inilitärnrztl. Zeitschr. \ 8'^2. Hf-ft 5. — *) Klemm.
Zur Frage der Sclinssverletzungen des Magen- und Darmtri' ru-, Deutselie Zeitschr. f. Chir.
XXXIII, pag. 293. — **) Ueesner, Wird daa Gescboss durub dio im üewebrlaof statttiudende
Erhitxnng steriUsIrt ? Yortr. auf dem XXf. Oongr. d. deutschen (Jesellseh. f. Obir. fn Berlin 1899f.
Münrhener med. Wnchcnschr. 1802, Nr. '4'). - ') Karl Seydel, Lehrbuch der Kriegschirurgie.
Stuttgart 1893, F. Enke. — v. Zocgo- M a n t euffo I , Krirgsihirurgisilie F,rfaiirungen aus
der Friedenspraxis. Arch. f. klin. Chir. 1889, X.XXVIlf, pag. 118. — '-) Bogdanik. Die (Je-
■ehosswirkung des ManuUcbergewehrea M. S8. Wiener Klinik. 1890. Heft 12. — ") Stitt,
Beriebt Uber Wanden mit dem Mannlichergewebre im Chilenischen Bürgerkriege. The medic.
rtcnrd. 6. Febr. 189:^. Deutsche niilitär.irztl. Z. it.'ir hr. ISy >, Heft 5. — 'V) V i c f o r W a g n e r,
Beitrage zur Kenutni.s.s iler Ge.who.s.swirkung des kleincalibrigen Gewclircs. Kliu. Zeit- u.
Streitfragen. 1R9Ü, Heft 8 9. — '^)SaioLieto, Zwei Falle von 8<hus.swunden vermittelst
kleiacalibriger Gewehre und die daza gehörigen Leichenbefunde. Aprilheft des Giornale med.
de! Ro. Esercito e della Ra. Marina. Deutsche militarärztl. Zeitschr. ]H'^-4, Heft 8. — *') Do-
li o s c i- w i c z , Zar Kenntni.'is der Schu.ssveri>'t/,iingi'n daicli d is ii.sterreichische 8 Sit«. Mann-
licbergewehr. Wiener med. Presse. 1892, Nr. 35- — '*> Muroso«, Ueber die zerstörende
Wlrknng «tor oNdenieB Projaetile. Vortr., gehalten anf der III. russischen Chirarg^nversamm-
Inag. Bet T. HeidenTsidi. Centralbl. f. Ohir. 188!l, png. 427. — Haase, Der Dienst der
41*
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644
SCHUSSVERLETZUNGEN. - SCHWABZWALDCDRORTB.
VtFinilldet(ntra[:<'r ini ZiikunftBkriege. Vortra;.', irehalten auf dem XXI. Congr. der deutüchen
Getellsdi. f. Cbir. Berlio 1892. — v. Bergmann, Ueber den einheitlicbm Verband auf
dm Selileehtfdd*. Ileotsehe nllltirintlidie Zsitidir. 1889, pag. 53S. — **) Langenbneh,
Zur ersten Yersurgung der LeichtverwQndeten anf dem Schlachtfaid«. XXI. Congr. d. deutschen
Oesellscta. f. Cbir. Deutsche med. Wochenschr. 1892, Nr. 18. — Kürte, Progno.w nud
kriegschimrgi-^che Behandluns der Banchschöi^se. Berliner klin. Wochenschr. 1890, pag. Ti. —
''j Eilert, lieber die BeäandJang perforixander Wunden da« Baaohea. Daataoba ndlitarinrtl.
Zaiticbr. 18B9, pag. 531. — '*) Lflhe, Zar Behandlmtg dtttcbboturmider Banebwimdeii. Blien*
da=f'll St. 1892, Heft -1 ff. — Senn, Behandlung der Si-hnsswnnden des Magen- und Darm-
canales. Volkmann's Samml. klin. Vortr. Zweite Serie. Leipzig, December 1892, Nr. 59, Breit-
kopf & Härtel. — *') C. Kaufmann, Ueber den Nachweis metalUsdiar Frendkörper im
menschlichen Körper mittelst der telephoniachen Sonda und der Indnctionswaage. In der Fes^
Schrift, herausgegeben zu Ehren de» Profes.sor.-« Kocher in Bern. Wiesbaden 1S91. — **) Willy
S ;i r h >i , I>ie 31a>;n<-tna(]t i als diagnotiti.sche.s Hiltsniittul in der Chirurgie. AVS dar cUr.
Klinik des Prof. Kocher zu Bonn. I>entaGhe med. Wochenschr. 1891i Nr. 6.
Wolsasdorft
SchwanwaMCUrOrtS. Der Sohwarzwald umfasst 23 mit Heilquellen
verseliene Ciirorte und 12fi sogenannte Luftcurorte und Sommerfrischen. Unter
den ersterea nehmen die indifferenten T h e r m e n (Akratothermen) die erste
Stelle ein. Die Zahl der Curorte mit solchen Thermen ist 8 ; die Temperatar der
Quellen steigt bis 69* C. Nach der Temperator ihrer Quellen geordnet sind ce
Sulzburg Temperatur 17" C.
Sulzbach „ 21" C.
Erlenbad „ 22-2« 0.
Liehensell „ 23*7— 27*5* C.
Badenweiler „ 26-40 C.
.Sitck innren „ 29-6«> C.
Wildbad „ 32-Ö— 36-7o C.
Baden-Baden „ 44 — 69^0.
Die letstgenannten Thermen wflrden wir geeigneter ale Koohsalitliennen
bezeichnet finden. Die Baden-Badener Quellen werden ausser zum Baden eben
wegen ihres Gehaltes an Chlornatrium (2 Grm. pro Liter), an Lithium und
Arsenik zu Trinkcuren benutzt.
Die zweite Stelle unter den Sehwarswaldenrorten nehmen die Orte mit
Stahlquellen ein; diese sind 8 in schönster Gebirgsgegend gelegene Quellen
mit einem Gehalte an Eisenoxydul von 0'0Ü!t9 — 1)1142 Grm. auf lUOO Grm.
Wasser mit einem entsprechenden Kohlensäuregehalte von 158 — 1042 Ccm. pro
Liter Waaeer. Sie sind nach ihrem Gehalte an ^enozydnl geordnet:
Rippoldaau: Wenzeh|uelle . . 01142 Grm. in 1000 Grm. Wasser
Leopoldquelle . 0 0546 n n n n »
Josetquelie . . 00474 „ r> n n n
Preiersbieh: Sehwefelquelle . 0*1012 „ „ „ „ „
Gasquelle. . . 0*0782 n n n n »
Griesliaeh: Antoniusquelle . 00782 n n n n n
.losefquelle . . 0*0593 „ „ „ „
Anlogasl: Petersquelle . . 0 0464 n n n n n
Antoniusquelle . 0*0893 „ n n n n
Petersthal: Petersquelle . . 0*0461 n » » » »
Salzquelle. . . 00451 „ n n n n
Sofieoqnelle . . 0*0440 n n n ■» n
Rothenfels 0*0240 n n n n n
Sulzbach 00099 n n n n n
Teinaeh: Dintmiinellc . . 0*0169 n n n n n
Wie.-ieuquelle. . 0*0182 „ „ „ „
Bachquelle . . 0*0076 n n » » n
An dritter Stdie sind die Soolbäder zu nennen, deren der Schwär*«
wald zwei besitzt: Rheinfelden und Darrheim. LctSteres ist, 700 Meter über dem
Meere, das höchst gelegene Soolbad Deutschlands.
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SCaWARZWALDCUBüBTE. — SCHWEFELKOHLENSTOFF.
645
Von den Saoerlingen, den Schwefelquellen, den alkalisch*
erdigen and alkalisch-saliniRohen Quellen des Sohwanwaldea sind
Teinacb, Langenbrücken, Boll, Grenzacb hervorzuheben.
Was die Bedentnn; der Lnfteororte betrifft, so stellt der Sohwanwald
ein mächtiges Ur^^birge dar mit einer Länge von Nord nach Süd von 200 Knu
und einer BriMte von etwa 20 — 50 Km. und einem Flächengehalte v(in 7Ar)2 Qua-
dratkilometer. Nach Süden und Werten fällt er steil gegen das Hheinthal ab, hat
tief eingesebnittene Tbftler, während er nach Osten allmälig in das sehwftbisehe
Hoehplateaa Übergeht. Die Erhebung erstreckt sieh bis 1493 Meter (Feldberg).
Etwa die Hälfte der Oesammtfllche bis 65 Procent i-^t von den herrlichsten Wäldern
bedeckt, von diesen sind Nadelhölzer, ' * Laubholz. Die Luft ist absolut rein,
die Strassen uud Wegeanlageu überall wohl gepflegt. Alle Sommerfrischen des
Sehwanwaldes haben gute Verbindungen fOr Personen-, Post- und Telegraphen-
verkehr, in jeder Höhenlage von 150 Meter Uber dem Meere bis zu nahezu
1800 .Meter finden Kranke und £rholttngsbedttrftige gute Unterkunft, Aerzte
und Pflege.
Literatur: Uebsr die Bedeatnag und EatwlcUnag der SekwarswaldcBTorte von
Fr«7. T«rbandlQag«B der fialneotoigisckea GeseUachaft. BerUn 1892. Kiseh.
SchwefelkohlenStolf. (Vergl. Keal-Encyclopädle, IL Aufl., Bd. XVllI,
pag. 102.) Unter den dureh Sebwefelkohlenstoff hervorgerufenen ebronisehen 6e-
Bundheitsstdrungen bei Kautsehukarbeitern n. s. w. sind in den letzten Jahren
namentlich hMnfi^' Sehstfirunfren beobachtet worden, die oft nach I^'scitijrung der
all{;cuieiuen lutoxication persi^tiren. Es baudelt sieh in den meisten Fällen um
Amblyopie, wie sie zuerst in England, dann auch in Deutschland, Frankreich und
Belgien beobaehtet warde, meist mit einem eentralen Seotom, manehmal mit Farben-
blindheit, in einzelnen Fällen mit Farbensehen verbunden. In den mdsten Beob*
achtungen sind Veränderungen des Augenhintergrundes nicht nachzuweisen ; manch-
mal finden sich Veränderungen , partielle Blässe oder Röthun;; der Papille oder
an einem manlbe«rf5rmigen Herde vereinigte sarte weisse Stippehen in der Ketz-
hautmitte. Die Prognose ist in fast allen FJUlen gttDStig; Stryehnin aehebt die
Genesung zu besehleunifreu.' i
Die durch SehwefelkoblenstoÖ' in der Mehrzahl der chronischen Intoxi-
eationsfilUe zu beobaehtende Lihmung mit laneinirenden Schmerzen, die in frflheren
Stadien eine Art von Ataxia aulfocarhomca bildet, wird jetzt allgemein als peri-
pherische Neuritis aufgefasst.'-) Hei manchen Kranl<en existirt ein Krankbeitsbild,
das exquisit an Hysterie erinnert, z. B. halbsoitiire J^;ilimun;j und Anästhesie neben
Erregbarkeit, Insomnie und deprimirter Stimmung.-^; Mitunter kommt selbst aus-
gd>ildeter Glohu» hyatericut vor. Bei der peripheren Neuritis finden sieh aneh
elektrische Erregharkeitsveränderungen , namentlich auch Entartungsreaction, wie
sie bei metallischen peripheren Neuritiden v(»rkommen. In vielen Fällen ist jedoch
jedeufalU die Nerven Veränderung nur eine unbedeutende, da auch bei anscheinend
sebwerer lutoxication, s. B. bei eompleter Paralyse der unteren Extremitäten mit
Anästhesie und Auf hcbnng sämmtiieher tiefen Reflexe, aehon in 6 Woehen eomplete
Heilung eintreten kann.^t
Obschon die Intoxieatiou der Kautschukarbeiter in der Regel durch la-
balation zu Stande kommt, giebt es doch Filte von Scbwefelkohienstofflfthmnng,
bei welchen die eigen th timliehe Looalisation der Lähmung auf eine loeale Ein-
wirkung' de-i <;it*tes durch die Haut hindeutet, wie Analoges ja auch liei der I?!ei-
lUhmung beobaehtet i.st. I5ei Arbeitern in (iunuuit'altriken, die mit dem P'.iiitaucheii
des Kautschuk in die Chlorschwefel Sehwefelkohlenätoil'miächuug beschäftigt sind,
kommen an den dabei betheitigten Armen Paralysen einzelner, bei der Arbeit vor-
waltend betheiligter Muskeln mit ei^'enthümlicher Fiuirerstellun;: vor.^
Aiieh acute Manie ist mitunter die Ful^-e der SchwefelkohleHütoffvergiftung
in Kautschukiabrikeu, ohne dass paralytische Lr.scheiuuugen sie begleiten, in eiu-
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64ß SCHW£F£LKOilLEKäTOFF. — äCUW£F£LWAää£HSTOFFY£H(ilFXUNG.
zeliieii Fallen wird das Vorausgehen von Kopfweh und gleichzeitiges Bestehen
von Tremor nnd Nervositüt betont. Die Prognose ist günstig, doch vergehen
mehrere Monate, seibat 1 Jahre bis zur Heilung.*^)
lieber die Mengen tob Sebwefelkobleiistoff, welche einer Lnft beigemengt
-tin müssen, um aeute Vergiftung zu veranlassen, lehren im Würzburger hygie-
uisoln'n Institute nnjr<stellte V<'rs!i('hi' . da-s , während hei 0*5 — 0 8 Mgrm. im
Liter Luit der Aufenthalt ohne üetahr iät und 3 — 6 Mgrm. im Liter längeren
Aafenthftit yerbieten , ein Gehalt von 10 Ugrm. Reizung der Schleimhäute der
Athemwerkzeuge and alimftliges Benommen werden des Sensorinma, Kopbduaenen,
Herzklopfen, Prieordialangst, Kriebelgefahle and andere nenrOse Symptome her-
vorruft.
Dhss bei der cbronidcben ächwefelkohlenstotTvergiftuug die durch das
Gift bewirlcten Blntvertndemngen dne Rolle spielen, ist nach den neuesten Ver-
suchen an Thieren als unzweifelhaft anzusehen. Bei Thiereu fehlen nach West-
FKl-l»"! die cliarakterisfischcn VcnliKlerunircii der nUitknrpcrchen und di«« Hpcetro-
skopiächcQ Zeichen der iSchwefelwasserHtotioiuwirkung auf Blut in der acut durch
Lähmung des A^emeentrams Mdtlieben Intosieation , treten jedoeh mit grosser
Dentlichiceit hervor, wenn man Thieren wiederholt starke Vergiftung erzeugende
MoDLTt'n des Giftes adniinistrirt. Die Verilnderun^en der Blutkörperelien , die mit
Foikilnrytenbildung beginnen und mit der lÜIdinijr unroarelmilssif^er Körner und
dem Auftreten von Schatten abächliessen , uud die Altoration des Blutspectrums,
in welchem anscheinend der Methimoglobiostreifen im Roth auftritt, sind sowohl
bei Inhalatimi als bei intravenitoer und siiii^ utancr Vergiftung die nimliehen und
entsprechen genau denjcnie'on , welche die \ i r;riftiinjr mit X anthogensfluro,
die sich im Blute in Sehwefelkuhlcnstuti und Alkohol »paltet (s. Real Encyclopädic,
Bd. XVIII, pag. 103), erzeugt.
Für die Diagnose der acuten Schwcfelkohlenstoffvergiftung ist die Unter»
suchung des Athens und in tödtlicli verlaufenen Filllen atidi di s Blutes von beson-
derem Interesse. In der exspirirten Luft ist der Geruch des Schwefelkohlen-
stotfea deutlich wahrnehmbar. Das Blut wird, um den chemisuheu Nachweis zu
liefern, nach Verdünnung mit Wasser der Destillation unterworfen nnd das De-
stillat auf sein Verhalten gegen ätherische Triäthylphosphorlttsung, in der sich ein
rother krystalliiiiseher NicderscbiüL' abscheidet, geprüft. Auch Khodaiiammonium,
da.s mit Schwefelkoblenstotl' Kotht.-irbung giebt, lässt sich zum Nachweis benutzen ;
doch ist diese Reaetion weniger empfindlieh.
Literatur: *) Vergl. ttberSchwefelkoblenatoffiamblyopie : Nettleship. Amhli/opin
find iierroMs depretaüm from tke vapour qf bisitißilr of earbon. Brit. med. Jonm. 18f'4, II,
|)ug. 7')>>; Ein Fall von Schwefe1koilenstofnini1>l.vi'i<i(>. CentralW. f. Angenlilc. 1889, pag. IHS;
H i r s <■ Ii l»cr R , ."^chwefrlkohlf nstoffvcr^-iltiitifr. IC'irjLi, [nij- ; Nuel und Ijeplat, -1»«-
blifupie <lue a l'intoxication par h sttl/ure lic uii bone. Ana. d'oculist. CI . pag. 145, 1880;
Gallemaerts, AmMyopie par le «ul/ute de earbone, 1890. Jonrn. de l'Acail. de Bmxelles.
Jaill. 14. Ann. d'ocnlist. ('IV, pag. 154> — *) Ohart-ot. On poisonhi;/ irith hisultUh of
earbone. Phtlad. Rep. 1889. March 23. — Marie, Sii/f'itrc de rurhoue «7 hi/sli'rie. Gaz.
helidojii. IS'*'^, Nr. 47; Maass, Uebtr S^chwelHlkohleDstort verjriltuiif;. I>i-s., Bi;riiu 1890. —
*) Eüge, Oh a eaw of peripheral uecrUia, cuused by the inhalation o/ bisulji<ie 0/ ewbon.
Lancet. I89il, I)«c. 7, pa^r. 1167- — *)Kaether, Üeber SchwefeIkohleiistoflVerglfhiog«a.
Di-v, I'it'rlin l*»~tj — ^1 Potcrson, Thm- casr-i nf unitr iti'i.iin t'rom itiholinf/ tyirhon
bi.-'iilf '/f Boston med. Jonrn,, Oct. ti, pag. 3^">- — ') Ro s (• ii b I a 1 1 , Leber die Wirkung von
C^_,-DaDipfcn auf den Menacben, nebst Verbuchen, derm Giftigkeit zu bestimmen. Würzburg 1891.
— ") Westbarg, Beitrüge aar Kenntniss der Schwefelkohlenstoff rergiftnag. Dorpat 1891.
Hnaemana.
Schwefelsäure, Bildnng im Tbierkorper, pag. 129.
Schwefelwasserstoffvergiftung, rver^'i. Kcal-Kuryclupiidie, II. Aufl.,
Bd. XVlll, pajr. ;").■}, KuO.) In l!c/.u;r aut" die Tode.-iurKaelie l)ei Sehwefelwasser.Htofr-
irer;.'irtuug .^ind die neueren Experimentatoren .tammtlieh zu der Ueberzeugung
gekommen, dass die BIutverAnderangen nicht als solche ansnsehen sind. Der
wesentliche Factor ist dabei bestimmt die LBhmnng wichtiger cerebrospinaler
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SCBWEFELWASSEBäXOFFVERGlVTUNG. — SCOFOLAMIN. U7
Ceatren, wihrend ^ periphereu Nerven und Matkdv, ebenso du Hen bei der
Sehwefelwjisserstoffvergiftnnff keine Rolle spielen. Nach Lehmann kommt bei
Thieren . die durch Einathmen von SchwefelwasstTHtotlVa^ zu Orunde ^eheu,
LuDgeuödem vur , das vielleicht auf directer irritireudor Einwirkung des Gases
beruht ; bei raeeh tOdflieber Vergiftung von anderen Apptieationsstellen ans findet
sich nach UsCHiNSKY -) kein Oedem, wohl aber Randcmphysom , das mit dem
Zwerehfellkramjife und insbesondere mit dem In.spir!itionskr:im[if<\ der in der Ver-
giftung prägnant auftritt, in Zusanimenbang gebracht werden kann. Dass die
Vergiftung, wie neuerdings 8cBüLZ*) will, eine narootisehe sei, iit eieber
unriehtig; vielmehr bandelt es sich nm einen Zustand von Schwäche und Apathie,
bei wclclit'm die Hirnrinde nicht oder nur in untergeordneter Weise betheili<rt ist.
Der Ilauplhfwcis dafür, dass nicht die ülutveränderungen die Ursachen des
Schwefelwasserstotftodes sind, wird dadurch geliefert, dass Blut, welches in der
Weise mit Sehweftelwssserstoff bebandelt wird, dass es nur die dabei entstebende
Verbindung (Schwefelwa!isersfnffniethflmogl()bin\ aber weder freies Schwefelwasser-
Htoffgas, noch Natriulusulfid t'iithillt, ungiftig ist. Auch Iris.st sieb bei der Section
mit rectal, subcutan oder peritoneal appiicirtem Scliwefelwa.sserstoÜ das Spectral-
bild des Scbwefelwasscrstoffkoetbämoglobins nicht naehweisen, sondern erseheint
erst nach einiger Zeit. -) jDte seit (.'I. BERNARD in die Lehrbücher flbergangene
Angabe . dass Sch'« efelwasserstotT nur im arterifllcn , nicht im vt-nnscn Hlute
wirke, ist allerding.s richtig; aber e.s hudet ein grosser Unterschied der Wirkuugs-
intensität statt, je nachdem mao ihn in die Carotis oder in die Sehen kelschlag-
ader injieirt Lisst man ihn dureb erste direet au den Oentren gelangen, dnroh
deren Beeinflussung er seine toxische Wirkung entfaltet, so sind Do.<ien tödtlich,
welche, in die Arttiia fi/uorn/is injieirt, nur ganz geringe vorfibcrgehende
Parese der Extremitiit bedingen, in welche die Injection geschah. Die durch den
Oemcb und Bleipapier wfthrend der vom Peritoneum oder Mastdarm oder direet
vom Hlute au.^ bewirkten Intoxication qualitativ nachweis])are Aus.scboidnDg von
SchwefclwasHerstotf mit der Kxspiratiuusiuft betritVt nur uiinimalc Mengen, welelie
qualitativen ^lachweis nicht gestatten. Die letale Dosis des •Schwefeiwasserstuifa
bei Kaninehen hetrflgt in raseher intravenöser oder rectaler Intoxioatioa 10 bis
12 Mgrm., vom Hastdarm aus 20 bis 25 Hgrm. *)
Liternrur; 'i T. .■ ]i m n ii n . Experimentelle Studien äl>pr den Einfluss liygienisch
wichti|e;er Ga.s»; und Daiiiple auf den Organismus. Arch. f. Hyg. 18ü;^. XIV, Heft Jf, pag, IHo. —
^ Uschinsky, Zar Frn);e von der Schwefel wasserstoffverrinong. ZeitBchr. f. pbysioi. Chemie,
1892, XVI. }\<'fi und ^^, png. 2'-iO. — =*) H. .«cbulz, Schlafmachmde Wirkung von Sihwefol-
vasserstötf. Muncliener med. Wocheuschr. 1892. Xr. 16. Hnsemann.
Schweizermühle. Das Bielathal oder der Bielagrund mit dem e*wa
in der Mitte desselben iH tttuiÜclien Made „Sehweizermühle" liegt unter 81" -l.'V
östlicher Länge in der sogenannten westlichen sächsischen Schweiz und zieht sieh als
ein siemlieb tief eingesehnittenes, felsig^waldiges Hoehwiesenthal unter der Führung
des Baches Biela aus Süden von der bOhmisclKn flrenze her, bei 440 Meter See-
hühe, in nördlicher Richtung etwa vier Stunden lang als eines der land.scbaftlich
schönsten Uebirgsthäler bis hinab in das von Südost nach ^iordwest verlaufende
Elbetbal. Es bildet dieses Thal einen Theii de« siebsiaeh-bOhmischen Quadersaad-
steingebirges. Das Klima ist ein mildes, subalpines; das relehliehe Wasser findet
seine Verwerthung zu liydriatischen Cnren, die Wege sind für Torraincuren nach
Oektel eingerichtet. Für die Zeit der Saisondauer vom 1. Mai bis HO. .'^eptembor
dienen zur Unterkunft in dem „Sehweizermühle'' genannten kleinen Cururte
5 GebAude mit etwa 150 Wobnsimmero.
Literatur: Naturlii^t'a i i h. - ini.l lli-ti^ri-ilie-i vom Bailf ^ . ziirmiihli' nnd VOIII
Bielathale in der sächaischen Schueiz. Von br med. Richard Leo. Dresden
Siscb.
Scopolamin. Ais ein neues Hydriaticum wird das aus der Wursel von
Scopolia atropotdfa dargestellte Alkaloid „Scopolamin" empfohlen. Das von Hbrcc
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64Ö SCOPOLAMIN. — SExNECIO.
dargestellte Scopolamimnn ht/drochloricum soll bei Einträufluu? in dea Con-
junctivalgack als Mydriaticum und Antiphlopistioum alle gebräuchlichen Tropoine,
einschliesBlicb des Atropins, an Wirksamkeit übertreten; es soll alle Vortheile
betitiMi, die dem Hyoiein gegenüber dem Atro|»in inkenmeD , ebne die man-
geDebmen Nachwirkaogen und Nebener^cheinnugen des Hyoscins ; es soll auch bei
längerem Fortgebrauch einer der l%igen AtropinlösuDg Äquivalenten Solution
nicht die lästigen Nebenerscbeinongeu des Atropins hervorrufen , und iu Fällen
beginnender Atropinvergiftung oder bei Idiosyncrasie gegen Atropin durch Ersatz
dee letiteren eebltibue Dienete leieten. Die sehmenstinende vnd antipblogiitisebe
Wirkung soll die des Atropins ungefähr um das Fünffache tlltortroffen. Tropfen-
weise Instillation einer > i ,0" oigen Lösun-r. f Ver^l. K. KOEHLMANN, Scopol-
aminum hydrochloricuvi, ein neues Mydriaticum, und seine Anwendung in der
opbtbalmoloffaieben Praxis. Küniiebe Monatesebr. f. Avgenhdik. Februar 1893.)
SCOrpionengift (Vergl. Keal-Encydopädie, II. Aufl., Bd. XVIII, pag. 115.)
DasB die TerletauDgeii dnreb groeie Arten aueh entfernte Erseheinungen benror-
rufen kdnoeilf und nicht nur bei Kindern, Bondern auch bei Erwachsenen Delirien
und Aiifrepiinpr, mitunter mucIi profuse Scliweisse hervorrufen, bat H.vxEfcGlE') in
Ostindien nach den Stieben der verschiedenen Varietäten von liuthus afer wieder-
bolt beobachtet. Am geftbiHehsten ersebdnt die an steinigen und sonnigen Platsen
bäulige sdiiefiablane Varietit, die von der dunkelbraunen, an fenebten Orten Tor*
kommenden Varietät trotz deren weit liedeutendercn Grösse, nicht an Giftigkdt
llbertrolfen wird. Febrile Symptonu' mit heftigem Kopfweh kommen mitunter vor.
in haiu'^ auf die liebaudlun^ scheinen Ipecacuanhakataplasmen und Chloroform-
tlberseblSge dem Örtlichen Oebranebe des Chloralhydrates nsehsasteben, indem sie
zwar den Schmers rasch lindern, aber ziemlich Ijedeiiteiide Schwellung im CI< iV Ii^e
haben. Auch wird der örtliche Schmerz durch Chloralhydrat liitiL'er anfL'< !ii>tun
als durch Chloroform. Sehr günstig wirkt auch Chlurutorui iu \ erbinduug mit
Campher, femer Hentbol und Batjrlobloraleampher.
Literatur: *) Banergie, Retiudie» in teorpiott «tinjf. Laaeet. 1. Oct, pag. 773.
gy . , Httsenann.
oCrOpnUlOSe, Seeluftcuren dabei, pag. 554.
Seebäder, s. Bad, pag. :>:'> und Nordseebäder, pag. 537 tf.
Senecio. Von der aus.serordeutlieh artenreichen Svnanthercongattuug
Senecio waren iu früheren Jahrhunderten verschiedene europäische, beziehungs-
wdse deutsebe Arten, namentlieh Seneeio »arracmicua L. vnd Jaeobaea Z.,
als Wundkräuter t^ehr geschätzt. Gegenwärtig dient noch Senecio aureus L.
in Nordamerika theils äusserlich als Surrogat der Arnica. theils innerlich als
FIttidextract (zu 0*3 — 0*6 zweimal täglich) gegen chronischen Hheumatismus und
Dysmenorrhoe.^) Ucber die wirksamen Prineipien dieser Arten ist niebts Nfllieres
bekannt, doch giebt eine, wie 8, avreug benutzte, in den Vereinigten Staaten
in der Nahe der rfeflernsinzplantagen vorkommende Art, Seufcio lii'-raci'fi)l ins L.
(Erechthitf's /nWacifolia Baf.)^ bei der Destillation ein ätherisches Gel, das
dem Ode von Erigerou cauaiienae ähnlich ist und diesem nicht selten substituirt
wurd.>) Ton tozikologisebem Interesse ist eine mezieaniaehe Art, Seneeio cani-
cifin Pharm. Mex., die schon zu Cortez' Zeit von den Me.xicanern zum Vertilgen
räudiger Hunde (daher ihr einheimischer Name Jf^nihnpfül i. (Jift räudiger Hunde)
und anderer schädlicher Thicre, zugleich aber auch als i'ie)>ermittel und gegen
Geschwtlre und Aussäte benntst wurde. Diese von den Spuniem Yerha deUos
fitrros oder ai:eb Yerha de lo Puthfo genannte Giftplianze kommt besonders
häutig auf dem Plateau v<m Puebla dellos Angelos vor, bewirkt bei Ilninlen zu
8 0 Tod in ö, in grösseren Dosen schon nach 1 — l'/« Stundeu unter
den Erscheinungen der Intoxication mit Pikrotoxin und anderen Hirnkrampf-
giften (leichten, an dem Kopfe beginnenden Spasmen, dann Stupor und allgemeinen
tonischen Krämpfen abwechselnd). Beim Menschen treten nach giftigen Mengen von
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SENECIO. — SEXUALE PERVERSIONEN.
649
Decocten der Pflanze rebelsein. allfjetueinf' Mattif?keit . An?st, Oppression,
Schmerzen in verschiedenen Muskeln, Ueächleuniguug und Irregularität des Pulses
bei Athemverlangaaiuung und Dyspnoe, leichte Mydriasig, Trismus und schliesslich
allgenMina ConTiilaionen «n; Bewnutoein und Sensibilitit aoUen iateet bleiben.
Die Pflanze ist noch heute in Hexieo als ADtipeorionm und Sudorificum ge-
bräuchlich.^; Als wirksames, ebenfalls Convulsionen erzeugendes Princip wird eine
mit dem Namen Seueciosäure belegte organische Säure bezeichnet. Denselben
Namen hat Sbiuotana einer von ihm aus einer in Jvpm etnheimieehen und alt
Zierpflanze cultivirten, Znwabnki genannten Art, Statecio Kaempfert DC. , iso-
lirten piirfMithUmlichpn ungesättigten Fettsflure gegeben, die mit der Cr(iton5?inre
und Augelicasäure ieonier, jedoch mit diesen nicht identisch ist. Heide Öenecio-
afturen sind iodess zweifellos von mnaader verschieden, da die japanische Pflanze
keine nareotiaehet sondern nur eine hantrOthende Wiricnng besltat, wegen deren
sie lange schon als Derivativum beim Volke in Ansehen steht.
Literatur: ') Nach Davis und Planchoa, vergl. JahrMber. für Fharni.
pag. 91; 1S81/8S. pif. 56, 147. — *) Yergl. Todd nad Power. Ebenda. 1887, m. 63. 64. —
*l Defailliilere Angaben über Seiieci'o catucidn bei Th. Httsemann, N. Jalirb. der Pharm.
186t*. XXXll, pag. I:;d9. Teissier, Du Seueciu cuniciihi et He »ta ujijiUvutiou.'! »lä/imlcM.
Paria 1867. — *) Nn8¥» Fanaacopea llexicana. 1884. pag. 107. — j Sh im o v a n a . Zur
Sftnntaiss von einer neuen nagva&ttigten Fatttiare. Uittheil. der med. Facultär zu Tokio.
1892. I, Heft 5, pas. 403. IT u e n. a n n.
Sexuale Perversionen. Die geschlechtlichen Fuuctiuuen stud ungemein
hinfig abnorm. Es hat den Ansehein, als ob die Abweiohnngen vom physiologischen
Geselilccbtsleben mit der fortschreitenden Cultur immer zahlreicher würden, und
als ob das Gebiet der Pathologie des Geschlecbtsleliens .sieh fnrtwilhrend erweitere.
Wenigstens steht die That.sarbe lest, dass unsere Kciintni.sse ül)er diese Abnormi-
täten dank zahlreicher sorgtültiger und eingehender Beobachtungen und Forschungen,
welehe das Gesebleebtsleben der Mensehen zum Gegenstände hatten, in ausser-
"rfli-ntliclifr Weine bereicbert worden sind. Insbesondere haben die Arbeiten von
I'AltKNT DrCHATELET';, 1 )K.SCrRKT -), TaRDIKÜ^), CaSPER*), MOREAU^), LoMBUO.^O
Tausüws-ky Ball Sehielx % HajiüOND ><>), vor Allem aber die interessanten
Stadien v. KRAFFT-EBixo'd ^i) Aber dieses Oebiet, das seinem Wesen naeh der
Irstliehen Beobachtung nur schwer zugiingli< li i >t, neues und helFes Licht verbreitet.
Die Zunahme der ge^ehlccbtlicben Abnormitäten beim Ciilturmen-^cbi'n
erklärt v. Krafft KßiNG i-) , dessen geistvoller Darstellung des krankhaften
SezuaUebens wir hier hauptsächlich folgen, aus dem vielfachen Missbraucbe der
Generationsorgane eincrsdts und aus dem Umstände andererseits, dass solche
Fnnclionsanomalien hfiiifig Zeichen einer erblichen krankhaften Veranlagung des
Hervensystem», sogenannte ,.t'uji(Miouelle Degenerationszcicben'', sind.
Auf Ba.9is des Missbrauches oder der kraukhulten Veranlagung oder auf
Grund der nicht seltenen Combination beider Ursaehen entwickeln sieh bei der
innigen functionellen Relation der Generationsorgane mit dem Oesammtnerven-
systt-m die zahlreichen <:p\uollen Neurosen, deren Schema V. KbaFTT-Ebing ") in
seiner I^aj/chopathia sexual in niedergelegt hat.
ijemnaeh unterscheidet man periphere, spinale nnd cerebrale Sexual-
nenrosen. Kur letztere , die cwebral bedingten Keurosen, sind Gegenstand unserer
folgenden Darstellung, denn in ihnen wurzeln jene gescIileehtlicheH Abnormitilten,
welche wir unter der Hc/.c chnung sexuale l'er\ ersionen" zu.sammentassen. iJie
peripheren und spinalen Ncuro.sen dagegen stehen in innigen Beziehungen zur
Impotenz und Sterilität, welche ausserhalb des Rahmen« unserer Betrachtungen
liegen. Allerdings sind aber die geschlechtlichen Perversitäten ungemein bfiuiig
mit peripbcrcu unrl auch spinalen Neurosen combinirt. so da^s die Wiedergabe
des Schemas der.selben an dieser Stelle nicht überilUi^sig cri>chcineu dürfte.
Die peri pheren Sexnalneurosen sind entweder sensible in Form von
Anästhesien, IIy))criisthesien oder Neuralgien der Generationsorgane oder moto-
rische als Krampf mit dem Effecte der Pollutionen einerseits und als Lähmung
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SEXUALE PERYEBSIOMBN.
mit den Effecte der Spenuafonrhoe andereneito, oder endlich ■eeretoriaehe^
welehe Aspennie oder Polyspermie bedingen.
Die spinalen Sexaalneurosen Viesteben in Aftectionen der (nach GOLTZ,
KCKUABD, BCDGE u. A.) im Lendenmarke gelegenen Eroctions- und KjaculatioDS-
oentren. Für das Erectionseimtrum sind dieaeilten entweder Reizung (Priapismus,
SaQnriMia) oder Lfthmuiig (peralytiBebe Impotens) oder Hemmung dordi Vor-
stellungen der ungenügenden Potenz, der Furcht vor Ansteckung, des Ekels,
und endlieh reizbare Schwäche, die in abnormer An^^pruchsfilhigkeit, aber
raj>cbem Nachlass der ICuergie des Ceutrums besteht. Hemmung und reizbare
Sohwielie des Erectionaeen'tramB finden eich nngemein htnfig bei Neuropethlkem
and in ihrer Potenz Geschwächten und sind d.iher gar nicht .«eiten Combinationen
von sexuellen Perversitiitcii. Die Affectioneu des Kjaciilationsccntriima bestehen in
abnorm erleichterter Ejaculation (Ejaculatio ante portamj bei zumeist durch
sexuellen Miaslnwaeh hervorgerufener hochgradiger spinaler Neurasthenie oder in
abnorm schwer, daher verspitet oder gar nicht eintretender Ejaenlation.
Die cerebral bedington S ex u a I n e u r o sen sind: Ilyperästliesie.
An;i<tliesit'. !',ir;i(lo\it> und l'ar;lstlie>jic. Sic sin«! vor Alb-m der Uinlen , auf dem
die verseil it'dcn tu l'erversit.Hten dos (jeschlechtslebons sich entwickeln; ihre nähere
Betrachtung und Würdigung is^t daher unsere besondere Aufgabe.
A. Die Hyperaegtheaia »exualta besteht in ungewöhnlich starker
Inanspruchnahme der Vita sexualts auf organische , psychische und sensorielle
Reize, d. h. oh ist «'in Zustand von weit über das L'owölmliclio M.-iss hinausgehender
geschlechtlicher llegehrlichkeit, oin hochgradig gesteigortor Oesehloohtstrieb
vorhanden (Lüsternheit, Geilheit bis zur Satyriasis und Nymphomanie). Es mt
ausserordentlich schwer anzugeben, ob in einem bestimmten Falle der Drang nach
sexueller Befriedigung eiue pathologische Höhe erreielit hrit. Als entschieden krank-
haft bezeichnet EMMlXGiiArs '*) das unniittoUiare Wiodorcrwaehon der Begierde
nach der Befriedigung, sowie das Erwachen der Gesehlechtälust beim Aublick von
geachlechtUch Indifferenten Personen und Sachen.
Im Allgemeinen stehen nach t. Kbafft-Ebiko sexnellor Trieb und Be-
dUrfniss in Proportion zur Körperkraft und zum Alter. Von der Pubertät an
erhebt sich der Sexualtrieb rasch zu bedeiiteiulor Hiihe, auf welcher er in den
Jahren von '20 — 40 bleibt, um dann langsam abzunehmen. Das eheliche Leben
conaervirt und allgelt den Trieb, der Gesohleehtsverkehr bei wechselndem Object
der Befriedigung steigert ihn. Beim Weibe ist das Geschlechtsbediirfniss normaler
Weise geringer, als beim Manne. Es muss daher (li<' \'iT!mithung einer patho-
logischeu Steigerung des Goschleehtstriebcs bei Frauen oititroteu , wouu das Re-
dUrfniss uach sexueller Befriedigung so sehr hervortritt, dass sie sich Uber die
von Sitte ond Anstand gebotenen Schranken hinwegsetzen und durch Hänneraneht
aufliUlüg werden.
Besonders viehtig ist bei beiden Geschlechtern die Constitution.
>»'europathisehe Individuen h.'iben hilulig ein krankhaft ge>teigertes Geschlechts-
bedürfuiss und leideu oft .schwor unter der Last dieser Anomalie ihres Trieblebens.
Der krankhafte Trieb kann sich zur Höhe einer organischen Nöthignng whehea,
der das Individuum erliegt, .so dass es in einem Zustande psychischer Unfreihdt
selbst criminelle .Acte vollführt.
Von Ik'deutung für die Intensität des Gc-^chlechtstriebes ist weiter die
Lebensweise, insbesondere die EmAhrung. Vorwiegend animalische Nahrung,
der Genusa von geistigen GetrAnken und Gewürzen steigern den Geschlechtstrieb.
Hei Frauen sehwankt d< s>en Infensitflt mit den physiologischen Phasen ihres Ge-
schleehtslcbons ; er ist in der Regel postinenstrual gesteigert, niul kann bei neuro-
pathischen Frauen zu dieser Zeit ])athol<igische Höhe erreichen. Bekannt ist auch
die grosse Libido sexualia bei Phthisikem, wofUr v. IIopmakn einen schlagenden
casnistischen Beleg mittheüt.
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SBXUALB PERVEBSIONBN.
asi
Die Befriedigung des knunkhaft geateigertro Triebes erfolgt «UeidlDgs
snnachst in DormaU>r Weise dureli den Ooitns; es kommt aber bei dieser
geschlechtlichen Aiiftmalie sehr leicht zu perversen «exiiellen H.iiidliinoren , wie
Masturbatiuii , l^iiderastie , Sodomie und selbst 2U g:ewalt.sanie[i Acten der Noth-
saeht. Beispiele hierfür erbringen v. Krafft-Bbino , Magxan ^ j , Lentz*^) u. A.
Die H^peraet^uia texualit kaan oontinuirlieh (mit Exaeerbationeo)
vorbanden sein oder intermittirend und selbst periodisch. Sie kann als cerebrale
Neurose fflr sich liestelien oder sie ist Tbeiierschciniinir eines allgemeinen psychi-
gcben Erregungi^zuätandea, Symptom einer Gei^tcäkraukheit. So findet sich häufig
bis snr Nymphomanie gesteigerter Geeehlechtstrieb bei maniakalisehen Fraoen,
Satyriasis episodiaeh bei Dementia paralpica, sexuelle Exaltation bei Dementia
tenilis n. s. w.
Ii. Die Anaesthesia sexual in ist das Gegeutheil des eben ge-
sehilderten krankhaften Zustande«. Bier fallen die organischen Impulse für die
geschleehtliche Err^uug von den Generationswerkzeogen aus, und sowohl die
sensoriellen foptischen , acustischen , olfactorischen und tactilenl Reize , sowie die
cerebralen Vofor.lnfre lassen das Individuum sexuell unerre;rt. Der (J e s c h 1 <■ c h t s-
trieb fehlt. Phy^ioio;{i»ch iüt diese Erscheinung in den extremen Altcräpcriodeu,
im Kindes- nnd im Greisenalter. Pathologiseh kommt sie in Jenen Alter^rarioden
vor, in denen normaler Weise die höchste Entwieklnng nnd Bethfttignng des Oe*
schlechtslebens vorhanden ist.
Sie kann aU angeborene oder erworbene Anomalie bestehen.
Angeborener fehlender Gesobleobtstrieb bei sonst vollkommen normaler
Entwieklnng und Function der Geuerationsor^ane ist ungemein selten. Stets mnd
diese f u II c t i I) II <■ 11 es c h 1 e c h t s 1 osen Individuen Ilcrcditririer , welche ruich
anderweiti^re psychiiäche und aDatomischc Dc^^cuerationszcicbcn an sich trai;eii.
Einen auch von v. KttAFFT-EitiNG auszugsweise mitgethcilteu Fall dieser Art bc-
sehreibt Legraxd du Salle, i«)
Davon zu unterscheiden sind jene Fälle, wo die functioiielle Oe^chlcchts-
anomalie durch Manjrol oder Vcrkiimmerun?;' der («enerationsorgane bediiiL^t ist,
wie dies bei vielen Cretinen , Idioten und Ilei mapbroditen vorkommt. Man sollte
glauben, dass Aspermie Anaetthesia eexuaUa sur Folge haben mflsse, was
jedoeh nach den Ausfuhrungen von Ultzmann'i) dnrehaus nicht der Fall tn
sein scheint . da nach ihm sc]l)-t bei an^rchorener Aspermie die Potens and üe-
8chlechtsbetbäti;?unfc ganz befriedigend sein können {?}.
Eine milde Form der sexuellen Anilstbesie bieten jene Frauen dar, welche
seit Paülds Zabchias als kalte Naturen „Naturae fn'gidae" bezeiehnet su werden
pfl^pen. Bei ]\I<1nnern ist dieser Zustand sehr selten. Er besteht io geringer Nei^ninur
zum sexuellen rmgan; bis 2tt ausgesprochener Abneigung vor jeder gescbiecbt-
licben Bethätiguug.
Diese Anomalie, deren Signatar Mangel jeder psyehisehen Erregung beim
Coitns ist, bietet w<dil ein vielleicht sogar hohes sociales und ftritliobeSf kaum
aber ein forensisches Interesse dar, nmsowenitrcr , als hier wcjren nianirclnder
psychosexualer Erregung auch abnorme sexuelle Ae^juivalente voUkoniracn fehlen.
C. Die sexuelle I'aradoxie besteht in dem Auftreten des Geschlechts-
triebee im Kindesalter nnd im Wiedererwaehen desselben im höheren Greisenalter.
Der Sexualtrieb ist somit ausserhalb der Zeit anatomiseh-physiolo^risehcr Vorginge
in den fienerationsorganen vorhanden und daher entschieden pathulosrisch.
Es ist eine wohl jedem Arzte mehr weniger bekannte Thatsache, dass
sehon bei kleinen Rindern Regungen des Gesehleehtslebens sieh
zeigen können, welche wohl fast ausnahmslos duidi Onanie befriedigt werden.
Nach ri.TZMAXX 1 , .M«iKKAU - 1, MAUDjsLKV ^ ') u. A.^^^ ='1 ■scheint die
Masturbation im Kindesalter ungemein hiiulig zu seiu ; sie kommt mitunter schon
bd Kindern im Alter von 3 — 4 Jahren und, wie es scheint, in diesem zarten
Alter fast nur bei Mftdehen vor. Vielfach ist sie durch periphere Ursachen ver^
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8BXÜALE PEBTSBSIONEN.
aolasst, wie Eozcme an und um die Genitalien, Oxyuria im Anus oder der Vagina,
Phimoäis, Balanitis. Diese Fälle sind nicht eigentlich als sexuelle Paradoxie zu
beceicbnea, weil die geächleohtlicbe Erregung von der Peripherie und nicht vom
Centnitt mi erfolgt Kur jene Fille von frOh erwaehtem Oeaehlechtstrieb gekören
in das Gebiet der sexuellen Paradoxie, wo beim Kinde auf Grund cerebraler
Vorgänge sexuelle Ahnungen und Dränge auftreten. Wohl stets handelt es sich
hierbei um schwer belastete, neuropgycbopathische Individuen. Einen intereaaanteu
Beleg für diese Erscheinung tbeilt Marc mit, indem er erzählt, dass ein 8jäbr.
Hldcben aus elirenwertber Familie, aller kindlieben und moralieehen Oeflllble
bar, seit dem 4. Lebensjahre nia?turbirte und mit Knaben von 10 — 12 Jahren
l'nzucht tiieb. Es seliwelfrte iu dem Gedanken, »eine Eltern uuizubringen , um
vie bald zu beerben und dann mit Männern sich vcrguilgeu zu können (vergl.
V, Kbafft-Ebing, Psych, »ex. 8. Aufl., pag. 38).
Eine weit ^'rn^sere Bedeutung in forensischer Beziehung hat das Wieder-
erwachon des (iesehlechtstriebes im Greisenalter, weil die hier
oft übermächtig hervortretende Libido stxualis den läugst impotenten Greis zu
pervenmi Äelen treibt. Da naeb den Lehren der Physiologie fttr da» mlnnllehe
Gesebleebt eine obere Grenze des Sexuallebens niebt besteht, vielmelir in einer
grossen Anzahl von Fällen noch in sehr hohem Alter Ppertnaliercitnnf; stattfindet,
so kann das Gestehen von sexualen Re^iinj»en im Greiseiialter lür sieh allein
nicht als pathologisch bezeichnet werden. Die Vermuthuug einer pathologischen
Grandlage mflsete rieh nothwendig aber dann ergeben, wenn das Individanm sehon
vorgeschritten marastiscb ist, weun sdn Geschlechtsleben schon erloschen war
und der Trieb sieh mit ungewöhnlich grosser Stärke geltend macht, so dass die
Befriedigung in r Ucksich tj^loser, schamloser, brutaler und perverser Art erfolgt.
Es ist eine wissensebaftUeh festgeetellte Thatsaehe, dass ein derart be«
•obaffener Gescbleebtslrieb auf Icrankbaften \' eränderungcn im Gehirne beruht, dass
er eine Theilerscheinung des Greisenblödsinns ist. Dabei ist zu be-
merken , dass diese krankhafte Er.seheinuug des Sexuallebens als Vorbote der
senilen Demenz somit früher auftreten kann, als greifbare Erscheinungen intellec-
tneller SehwIehe an Tage treten.
Sehen in diesem Stadium ist aber als Zeichen der senilen Demenz die
sieh in lasciven Reden und Gelierden , ohne RUeksichtnahmt- uuf die l'mgebung,
kundgebende Abschwächuug des moralischen äinnes und Lmwaudhiug des Charakters
bemerkbar nnd diegnoetiaeh wiebtig. Das hftußgste Angriffsobject dieser an Him-
atrophit' Icideiideu eynischen Greise sind Kinder, eine ebenso typische, als be-
denkliehe Thatsaebe, die in tieni Gefiilil der ninüLTellKitt-n f'otenz ihre Erklüruug
findet. Daraus, sowie aus dem tiet ^^esunkenen muralischcn Gefühl erklärt sich auch
die weitere typische Ersobeiaung, da»s die geschlechtlichen Aete solcher
Greise perverse sind. Sie sind, wie v. KnAFFT-BBiNa sagt, eben Aequivalente
des unmöglichen physiologischen Actes.
Diese perversen Sllr^ot^ate des Coitns bei aUersmarastLschen Individuen
sind Acte der Unzucht (Schänduug nach österreiuhischem Gesetze;, wie wollüstiges
Betasten der Genitalien von Kindern, Verleitnng dieser zur Hanustupratlon des
Verfilhrers, Onani-sirung der verführten Kinder "'"), Flagellation. endlieh Exhibition
der Genitalien. '-"j Je mehr die Demenz vorschreitet, umso schamb-ser werden die
Acte. Es kommt zu passiver Pilderastie und zur Sodomie, wobei nicht selten Ge-
flügel, wie Gftnse, Hühner u. dergl. Verwendung finden. Der Anbliek der beim
Goitus IU Tode gemarterten, sterbenden Thiere gewährt volle Befriedigung. End-
lieh kann es bei dieser sexuellen Etitartung zu geradezu ekelerregenden perversen
Hami hl II iren als Snrrntraten des unnitijrl leben Coitns kommen, wolx-i die Dnrnient-
leerungeu die maugelude Ejaculation substituireu, wie rAU.vuvsKV mittheilt, liier
spielen nnsweifelhaft auch Gerueheempfindungen eine Rolle, welehe ja, wie Ta&dibu's
„RenißtinN" lehren, schon fUr sich allein zur vollen Befriedigung des Gesebleehts-
Iriebes durch Samenergiessung lehren können. Dass es in höchster Steigerung des
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SEXUALE PEBVEBSXONEN.
pjithologisclien Geschlechtstriebes bei der Dementia nenüif) selbst za Mordatteutatea
(Lnstmnrde'i kommen könne, If'hrt der von v. Krafft-Ebi\c; ^c) mitg-otheilte Fall,
wo ein seniler Wollüstling Keine eigene Tochter ans Eifersucbt mordete und sich
an dem Anblick des geöffneten Busens des sterbenden Mädchens weidete.
D. Paraeatke$ia taxuali». Verkehrnng d«8 GeieUiehtotriabei.
Hier findet eine perverse Betonnng sexueller Vorstellungen mit Geftlhlen statt in
dem Sinne, dass Vorstell untern , die sonst Unhistgefflhle erregen, mit Lustgefflhlen
betont werden, was nothwendig zu perversen Handlangen fflhrt. Als pervers
mms aber ntdi t. KBAVFT-EBiNe Jede Aeassening des OeeoUeektstriebes erkllrt
werden, die nicht den Zwecken der Natur, 1. e. der Fortpflanzung entspricht".
Es ist zu unterscheiden zwischen perversen preschlechtliehen Handlungen
und Perversion des Geschlechtstriebes. Die perverse Handlung bedingt nicht auch
selion das Vorhandensein einer krankhaften Veranlagung. Aufgabe der ftrstUcb-
forensisohen üntomehnng ist es, in jedem Einielfalle nadunweiaen, ob elnfaohe
Lasterhafti^'keit fPer versität) oder Krankheit (Perversion) der concreten
Handlung zu Grunde liegt. Die Momente, auf welche sieh die Diagnostik dabei
XQ stutzen haben wird, ergeben sich aus den nachfolgenden Erörterungen.
Znnlehst ist herrorsoheben, dass die kranklMfte lUehtang der Oesehleehts«
bethfltigung eine swdfache sein kann, indem 1. die Neigung snm anderen Ge-
schlechte vollkommen fehlt und durch die Zuneigung zum eigenen Geschlechto
ersetzt ist (Homosexualität, conträreSexualempfindung) und 2. geschlecht-
liehe Neigung zn BstsfMieii des anderen GeseUe^tes awar besteht, aller ideh in
perversw BethXtigung des Triebes iossert.
I. Die Homosexnalltftt.
Dieselbe kann aageboren oder erworben sein ; wir behandeln zunächst
a) Die angeborene eontrire Sexnalempfindnng. Das Wesen
dieser anthropologisch, klinisch und geriehtlich-medicinisch gleich interessanten und
wiehttgen Anomalie des Geschlechtslelu'ns besteht in dem mitunter bis zum Ekel
gesteigerten Mangel sexueller Empliudungen zum anderen Geschlechte bei stell-
vertretendem GesehleehtsgefBhl nnd Oesehleehtstrleb snm eigenen Oesehledite.
Dabei fühlt sich der mannliebende Mann (Urning) dem anderen Manne gegenttber
als Weib, das weibliebende Weib dagegen in der Rolle des Mannes. Die Geni-
talien sind jedoch völlig normal entwickelt und die Geschlechtsdrüsen functioniren
ganz entsprechend. Nur der Charakter, das Denken, Empfinden, Streben solcher
Individuen entsprieht jedodi niebt selten jener verkehrten Gesehleehtsempfindung,
ntebt aber dem Geschlecht, welches es anatomisch und physiologisch reprflsentirt.
Dies giebt sich auch üusserlich oft in Tracht, Kleidung und Beschäftigung kund.
Die ersten Mittheilungen Uber diese eigenartige Verkebrung verdanken
wir Caspkr "~*'), der, obswar er erkannte, dass diese Anomalie in vielen FiUen
angeboren sd, sie dennoch mit der Päderastie identificirte. Später (1862 — 1868)
hat Assessor T'rJiicii?; '*) (anfänglich unter dem Pseudonym N u m a N u m a n t i u s)
eine ganze Keihe von urningischen Abhandlungen veröil'eutlicbt, welche zum Theile
sehr interessante Einblicke in das Geistes- und Gesohlechtsieben dieser sexual
verkdirten Mensehen gestatten. Wer beale, naehd<mi die medieinisdie Wissen-
schaft sich dieser Frage bemächtigt und uns namentlich die Forschungen v. Krafft-
Ebixg's eine so klare Einsicht in das Wesen dieser Perversion verschafl't haben,
die Schritten von Ulrichs liest, kann demselben das Zeugniss einer klaren Er-
fassung des Gegenstandes nieht nur nioht versagen, sondern mnss anerkennen,
dass er sablreiche, für die wisaenschafiFK he iCrkenntniss der Umingsliebe snm
Theile recht werfhvolle Thatsachen beigebracht hat.
Zunächst hat sich GRiKSUfO£K ^^j, dann Wkstpual vom klinischen Stand-
punkte mit dieser Frage bes^lftigt und Letsterar die Ersehdnung als „angeborene
Geschleditsempfindung mit dem Bewnsstsdn der Krankhaftigkeit des Zustandes"
definirt, sowie die sutreiTende Bezeiohnung „contrftre Sexnalempfindnng" eingefDhrt.
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654
SEXUALE PERVERSIONEN.
Dan weitaus f^rösste Verdienst um die klinische und forensisch - medi-
cinische Klarstellung der couträren SexualemptiadaDg hat »ich jedoch v. Krafft-
Ebino^') erworben. Br hat zaerst (1877) „^iene eigenartige Geeehleehtsempfin-
dnn^ aIb ein funetionelles Degenerationsseichen und als Theilcrscheinung eines
neuropathischen, meist hereditär bediufj:ten Zustandes" auf^efasst. eine Annahme,
welche in der seither zu grossem Umfange aogewaohsenen Casuistik durebaus be-
stätigt worden ist. ••")
Als Zeiehen dieser neiiro(p8]reho)pathi8ehen Belastung itthrt
er folgende au:
1. Das G CS chleeht »leben derartig orjranisirter Individuen macht
sich in der Regel abnorm früh und in der Folge abnorm stark geltend. Nicht
selten bietet es noeh aaderweitige perverse firsehdnnngen aosaer der an und für
^ch dnreb die eigenartige OesehleohtsempfinduDg bedingten abnormen Gesohleehts-
befiriedigung.
2. Charakter und {irauzes Ftlhlen sind von der eigenartigen Ge-
schlechtsempiinduug , nicht von der anatoroiscb-pbysiologisehcu Beschaffenheit der
Geeebleehtsdrflsen bedingt. Die geistige Liebe dieser Mensehen ist vielfaeh eine
schwärmerisch ( xnitirte, wie auch ihr Geschlechtstrieb sich mit besonderer, selbst
zwingender Stärke in ihrem Hewusstsein geltend macht.
3. Neben dem functiouuUeu Degenerationszeicben der ci>ntrilren Sexual-
empfindnng findra sieh anderweitige ftanetionelle, vielfaeh aneh anatomisehe B n t>
artnngsseiehen.
4. FiS be.-itelien Neurosen (Hysterie, Neurasthenie, epileptoide Zu-
stände u. 8. w.j fast immer ist temporär oder dauernd Neurasthenie nachweisbar.
Diene ist in der Kegel eine constitutiooelte, in angeborenen Bedingungen wurzelnde.
Geweckt und unterhalten wird sie dnreh tfasturbation oder dureh enwuogene
Abstinena. Bei männlichen Individuen kommt es auf Grund dieser Scbädliehkeiteu
oder schon angeborener Dispositon zur X» nrn»(hpnin sp.rualis. die sich wesentlich
in reizbarer Schwäche des Kjaculatiuu«centrums kuudgiebt. Damit erklärt sieh, dass
bei den meisien Individnen sehen die blosse Umarmnng, das KDssen oder selbst
nur der AnbUek der geliebten Person den Act der Kjaeulaticn hervorruft. Häulig
ist dieser von einem abnorm starken Wollust^efUhl befrleitet bin zti Hefiiblca
„magnetischer" Durehströmuug des Körpers (und zu Visionen, „sichtbarer erotischer
Funken am Penis" ; Ulrichs (Formatrix. 1865, pag. 63).
5. In der Mehrsabl der Fslle finden sieh psycbisehe Anomalien
(glänzende Begabung für schöne Künste, besonders Musik, Dichtkunst u. s. w.
bei iutellectueli schlechter Begabung oder «triginärer Verscbrobenluit 1 bis zu aus-
gesprochenen psychischen Degeuerationszustäudcn (Schwachäinn , mora-
lisehes Irresein).
1 a>t in allen Fällen, die einer Erbebung der körperlich-geistigen
Zustände der Ascendenz und H!iits\ erwandtsehaft zugänglich waren, fanden sich
Neurosen, Psychosen, DegeneratioDszcichen u. s. w. in den betreOendeu Familien vor.
Auf diesen Momenten basbrt der aneh fOr die Geriditspraxis anssehtag-
gebeade Naehweis des Angeborenseins der neuropathisohen Belastung des Indivi-
duums. Dazu kommen als diagnostisch wiclifi;; K ig en t h fi ni I i c Ii k c i t en des
Fuhlens und Handelns. i)er Urning ver^rittert den männliehen (ieliebteu,
wie der weibliebeude Mann die Geliebte. Er sucht dem (ieliebteu zu gefallen,
indem er sieh weiblieher Art in Gang, Haltung, Kleidung nähert. Er aeigt aumeist
Sinn und Vorliebe für weibliche Beschäftigungen, wie Kochen, Stricken, Nthen,
Kleidermachen; er hat Verliehe für Kunst, Aestlietik: ihn interessiren im (>egensatae
zum normal emptiudendeu Manne nur der Tänzer, der Schauspieler, der Athlet,
die m innliehe Statue; weibliehe Reize sind ihm gleiebgiltig, ein nacktes Weib
geradezu widerwärtig; der woUQstige Traum des minnliehen Tmings hat nur männ-
liche Individuen und Sittiationen mit s'ilchen zum Inhalt. (M>chlecbtliehes Scham-
gefühl besteht nur gegeuUber Personen des eigenen , nicht des anderen Geschlechtes.
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SEXUALE l'ER VERSIONEN.
655
Das w r i b 1 i c Ij e n d t' Weib verhfilt sich in jeder Roziehunp: gerade
entgegengesetzt. Es fühlt »idi geschlechtlich als M aun. Daher gefällt es sich
io männlicher Art zu kleiden und zu geberden ; es Hebt Kundgebungen von Mutb
und mftnnlieher Oesmnnng; ei liebt männliche BeMhältigangea ud Spiele, sein
Interesse erwecken nur weibliche Künstler, weibliche Statuen seinen ilsthetischeu Sinn,
weibliche IJilder seine Sinnlichkeit. Der wolllistifro Traum des weiblichen Urnings
bat nur Situationen mit weiblichen Individuen zum Gegenstand.
Von grosser Wichtigkeit för die Diagnostik nnd für die forennaohe Be-
urtheilung der l'rninge ist auch die Art der Gesohlechtsbethätigung.
Diese ist mannigfach. Es '/u:hi Willensstärke Individuen, die es sich mit platoni-
scher Liebe genUgen lassen, andere greifen aus (jrüudeu, welche auch den Nicht-
uming den Coitns vermeiden lusen kOnnen, bot Onanie. Am häufigsten wohl be-
steht der geschlechtliche Act in einfacher Umarmung, Liebkosung, auch Betastung
der rifiiit.Tlien, wflcliL- IL-indlunsren bei reizbaren Individuen genfljjen. Ejarulation
und damit volle }re-cliie<-litli«'lic Befriedi^'unjr zu erzielen; bei weniger reizltaren
besteht der Gehchlechtiiact iu Manustupratiuu durch die geliebte Person , iu
mntudler Onanie, oder in Ooitnsimitation awisehen den Sehenkehl,* in die Aehsel-
hohle u. dergl. (Moll). VerhAltnissmitssig selten sdieint — ud das ist diagnnstisch
wichtig — eigentliche Pfiderastie d. i. Immissio ppni'ft in nnuvi zu sein. Diese
Art der Gcschlechtsbefriedigung kommt nach v. K&afft Eüinü nur bei sittlich
defeeten UmiDgeo vor. Dies geht aneh ans einer Stelle jenes interessanten
Schreibens des Grafen Cajds an C.vsi'ER hervor, welches dieser unter der Auf-
schrift: ..Selbstbekenntnisse eines Päderaston" veröffentlicht hat. Daselbst heisst
es: „Sie nitisson auch nicht glauben, wir trieben Päderastie. Nie habe ich das
gethan und verab.scbeue mit Vielen, Ja den Meisten diese Neigung. Wir befriedigen
TOB durch Kossen und gegenseitiges Anfassen der Seham; oft ist der Beia so
gross , das.s die Samenergiessung durch die reine Umarmung erfolgt. Allwdings
leugne ich die Pilderastie bei einigen ausgearteten hässlichen Menschen nicht,
diese kaufeu auch manchmal den Genuss von Leuten, die sich dazu hergeben und
kommen eben su Ueberreisungen , wie so viele bei den Frauen dazu kommen."
Ueber die Art der Befriediguniir der weiblichen Urninge ist ziemlieh
wenig bekannt. Sie besteht wohl in Amor leshicits mit Verwendung' einer ver-
grösserten Clitoris oder künstlicher Priape, in mutueller oder solitärer Ouanic.
T. Rkafft-Ebing unterscheidet vier Entwicklungsstufen oder Erscheinungsformen
dieser krankhaften Veranlagung:
1. Die psyehosexuale Ilermaphrodisie. Es bestehen noch Spuren
lieteroaexualer Geschleehtsempfindimg.
2. Die eigentliche Homose&ualitüt. Es besteht blos Neigung zum
dgenen Geschlecht.
3. Effeminatio und Viraginität. Das ganze psychische Sein ist
der abnormen Ge-ichleehtsenipfindung ent'^precheiiil geartet.
4. Androgyuic und Gynandrie. Die Körperform nähert sieb der-
jenigen, wdeher die abnorme Geschlecbtsempfindung entf>pricht. Niemals iMStdien
UebeiglQgB zum Hermaphrodismns, sondern die Zeuguugsorgane sind vollkonnnen
did^nsirt ^Mannweiber und weibische M<1nner\
Was die Hiluti^'keit des Vürkoimiiens dieser Perversion anbelangt, so
sagt CAJi ä: y^AMÜ 10.000 Seeleu mag wohl nur eine solche arme höchstens
kommen**, während Clbiohs deren Zahl viel höher sehätst In „Memnon** (1868)
behauptet er, in Deutsehland lebten unter etwa 2000 Seelen oder 500 erwach-
nenen Mflnnem durehsehnittlieh Je ein erwachsener Urning, in „Kritische Pfeile"
(1S80) rechnet er t<ogar auf je 800 Seelen oder auf 200 erwachsene Männer
je einen oonträr Sexualen.
Immerhin liegt aber hier eine höchst beachtenswerthe Naturerscheinung
vor, und die Bestrebungen auf Abänderung der bestehenden gesetzlichen Bestim-
mungen, durch welche der Homosexuale noch immer gleich bedroht ist, wie der
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SEXUALE PERVEBSIONEN.
verkommene Pflderast, sind nmaomehr gerechtfertigt, als heute die mediciniMÜie
Wissenschaft mit voller Sicherheit den mit anjfcborener contrJlrer Sexualempfindung
Behafteten von dem durch sexuelle Excesae zur päderastiscbcn Bethätigung des
OeidileflbtatriebeB gesunkenen betoroaexnalen Wflstling za seheiden vermag. Die
Vorsehllge jenes höheren conträrsexnaleu deutschen Staatsbeamten, dessen Ante-
biographie v. Krafft-Ebint; »«i zner-^t in einem besonderen Aufsatze „Zur con-
tritreti Sexualempfindung" veröfl'entlicht hat, auf Abänderung des §. 175 des
deutäcLen Strafgesetzbuches verdienen die vollste Beachtung, wie denu die^e
wiaaenwdMftliehen Erkenntnisse hoffBotlleh aneh im nenen eben in Verlinndlang:
stehenden Csterreiohischen Stra^esetzc zum Ausdruek gelangen werden.
h) Die erworbene contrüre Sexualempfindung. Tarxovsky's
und V. Kuafft-Ebinct's abereinstimmeude Erfahrungen lassen keinen Zweifel
darflber, dass die eontrire Sexualempfindong aneh als erworbene krankhafte Er>
scheinung sich vorfinden kann. Aneh die erworbene Form findet sieh nor bei
belasteten Individuen.
Diese sind mit früh und stark sich regendem Sexualtrieb behaftet. Dadurch
kommt es frühzeitig zu excessiver Masturbation und eonseoutiv zu Neurasthenia
taBU4dü* Das jdzt erst in das sengongsfiUiige Alter eintretende Individnnn hat
in Folge der sexuellen jugendlichen Excesse eine bereits stark gesunkene Potenz
und reizbare Schwäche. Die Coitnsversuche mit Personen des anderen Geschlechtes
scheitei'u in Folge dieses dcrouten Zustandes des Nervensystems. Damit sinkt
aneh die bei Onaaisten ohnehin sehwaehe Neigung sum Weibe anf den Nnllpvnkt.
Die fortbestehende Libido verlangt aber nadh Befriedigang. Das Individuum
fallt entweder zur solitaren Onanie zurück oder es gelangt zur FtestialitAt oder
gelegentlich auch zum Verkehr mit dem eigenen Geschlecht, wobei passive und
mutuelle Onanie die der bisherigen Gepflogenheit am meisten adäquaten Acte
sind. Daraus entwiekeU ndh allmilig auch Neigung snm eigenen Geschleehte nnd
Erregbarkeit durch dasselbe, sowie Gleichgiltigkeit und schliesslich Abneigung
gegen das andere Geschlecht. In diesem Stadium gleicht der geschlechtlich Ent-
artete dem gezüchteten Päderasten ; er fühlt sich auch gleich diesem dem anderen
Hanne gegenflber als Mann ; «r llbt active Piderastie. Hier ist sogar noeh Rtldc-
bildnng der Neurose und Küekkehr zur normalen Sexualität möglich.
Wenn aber bei solchen gezfiehteten coHtrilr Sexualen keine iKlckbildung
eintritt, dann kann es zu dauernder Umänderung der psychischen Persönlichkeit,
zur bleibenden Verkehrung des Gesehleohtstriebes, zur vollkommenen „Eviration
nnd Effetttinatkm** kommen, wie v. Krafvt-Ebimo diesen Proeess gans beseleh-
nend nennt. Der Kranke erfilhrt eine vollkommene Wandlung seines Charakters,
seiner Gefühle und Neigungen ; er ist eine weiblich fühlende Persönlichkeit ge-
worden. Dieses geänderte Fühlen kommt nun auch iu der Art der Geschlechts-
bethätigung zum' Ansdrnek; er Ist pasdver Pftderast geworden, ein Mann, der
nnr noeh in der Rolle des Weibes dn sexuelles Fuhlen bekundet.
Für das Verstflndniss dieser sexuellen Mutation sind die Mittheilungen
Beard's ") und Hammond's von Wichtigkeit. Ersterer berichtet vou Individuen
im Kaukasus, die lange vor Eintritt des Greisenalters der Attribute der Mann-
barkeit verlustig werden, indem ihnen die Barthaare ausfallen, die Stimme dünn
und hoch wird , Körperkrafl und Energie abnehmen und die sexuellen Organe
atrophiren : sehliesslieh gewöhnen sich solche Männer weiiiliche Sitten und Ma-
nieren an und verrichten weibliche Arbeiten. Die Pueblo-Indianer züchten sich
für ihre religiösen Ceremonien sogenannte „Mujerados^, entmannte, zu Weibern
gemachte Männer durch häufige Martnrbation und fast continnirliches Reiten auf
unge<5atteltem Pferde. .Ms durch excessives Kciten erworbene (gezüchtete) Effe-
mination wird auch die Erscheinung der „Auandrier" und „Gy nandrier^*
bei den Scythen der sogenannte gWahiuinn dw Scythra", aufgefiust**), von
dem aehon Hebodot und Hippoksates berichten. „Sie hielten sieh für Weiber
und legten Weiberkleider an."
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SEXUALE PBRVEB8I0NEN.
657
Nach V. Krafft-Erinv; giebt es auch noch einen höchsten Grad der
sexuellen UmzUchttintr , eine wahre „Metamofpfiosift sr.ruah's", bestehend in
vollkoDimener Umänderung des Peräonlicbkeitsbewuüätäeins. Diese kann sich nur
auf Grand von Paranoia entwickeln.
Er unterscheidet daher folgende Stufen dieser Geschlechtsmetamorphose :
1. ^^tufe : Einfache Verkehrung der Geschlechtsempfindtinf? ; 2. Stufe: Eviration
und Defemination; 3. Stufe: Uebergang zur Metamo>jJiosis aexualis pdi-anoica
(dnreli eine geradem eindg dastehende Aatobiographie [BeobaehtnngO^J belegt);
4. Stnfe: CSomplete MefamorphMÜ sexualü,
n. Die perveree Bethätigung des (heterosexnalen) Geaehlechte-
triebes.
Das Wesen dieeer PerrerBion des Geeehlecbtetriebee ist das Bestehen
geschlechtlicher Zuneigung zum anderen Geschleehte (heterosexuale, also normale
(ieschlechtsempfindunfr s bei perverser Art der Bethfttigrung des Geschloehtstriebes ;
pervers ist die geschlechtliche Befriedigung dadurch, dass sie in anderer als den
Zwecken der Nator entspreehender, d. i. anf Fortpflansnng abiielende Weise
wfolgt. Alle hierher gehörigen abnormen Aensserangen des . OeaeUechtstriebcs
werden von v. Krafft-Euixg in drei Gruppen jretheilt, denen er die zutrelTenden
Bezeichnungen Sadismus, Masochismus und Fetischismus gegeben hat.
1. Der Sadismus. Man versteht darunter mit Wollust verbundene
Aele von activer Oransamkeit und Oewaltthfttigkeit. Die Bcaeielinung ist gewihlt
nach dem berlJehtif^ten französischen Romanschriftsteller der Revolution;«zeit
MaKQUIS de Saük, dcsKeii olwcöne Romane von Wollust und Grausamkeit triefen.
Der Zusamiueiibang zwischen Wollust und Grausamkeit ist schon seit
langer Zeit bekannt gewesen und sehriftsteUeriseh behandelt worden, so von
Novalis, Görres, Alfrkd de Mlsset q. A, Wissenschaftlich hat zuerst Blüm-
Böüer "'} die Fra^re behandelt und in neuerer Zeit hat namentlich Lombroso !
sahireiche Beispiele fUr das Auftreten von Mordlust bei hochgesteigerter Wollust
beigebraebt Noeh innerhalb der Brette des PhjBidogiBehen stehen die niebt
seltenen Fälle von wollüstigem Beisaen, Kratsen, Zwicken wahrend des Ooftns.
Die-:e pliysi<ilo?ri^fhen Erscheinungen vermitteln uns auch das Vrrständnias (Är
die zu erörternden pathologischen Aeusserunjcen des Sadismus. ''^)
V. KRAFFT-Eiii.Nü erklärt die Combiuatiou von Wollust und Grausamkeit
psyehologiseh aus der Analogie des Zornes mit der Liebe; beiden Liebe und
Zorn, sind die st.1rksten Affecte und es ist dadnreb begreiflich, dass die W iln t
zu llandliiniren treibt, die sonst dem Zorn adftquat sind.*") Das stärkste Mittel
der Zoruesäiisserung ist aber die Zufügung von Schmerz. Von solchen Fällen der
SehmerxzufUgiing gelangt man zu jenen, wo es sn emstlichen Htsshandlungeu,
snr Verwundung und selbst zur Tödtang des Opfers kommt. ''■^) Der Trieb zur
Grausamkeit ist hier t-Iten in's Masslose gewachsen , während zugleich in Folge
detecter nioralischer Gefilhle alle Hemmungen entfallen oder sich zu schwach er-
weisen. Derartige monströse sadistische Handlungen haben beim Manne , wo sie
viel hiofiger vorkommen als beim Wdbe, noeh eine sweite starke Wursel in dem
physiologiseben Verhältnisse der Geschlechter zu einander: im Oesehlechtsver-
kehre kommt normaler Weise dem Manne die active, die aggressive Rolle zu,
während das Weib sich passiv , detensiv verhält. Unter pathologischen Verhält-
nissen kann nun aber aneh dieser aggressive Charakter der männliehen Liebes-
werbuog in's Masslose wachsen und su einem Drange werden , sich den Gegen-
stand seiner Hegierdeti schrankenlos zu unterwerfen bis zur Vernichtung, Töd-
tun? desselben (Lustm<»rd , Je nach der Macht des sadistischen Triebes und der
Stärke der noch vorhandenen Widerstände, welche last immer durch originäre
elhisebe Defecte^ erbliehe Belastung oder moralisehes Irresein herabgesetst sind,
entsteht eine lange Reihe von Formen , welche mit dem sehwersten Verbreehen
beginnt und bei läppischen Handlungen endigt.
Bncydop. Jahrbücher. III. 42
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Ö58
SEXUALE PEEVERSIONBS.
Dier^e Formen des Sadismus sind:
a) Der Lustmord. Zahlreiche Altere und neuere Schriftsteller, wie
Metzger «'5), Fecebbacb Lombboso Gaüstbr«^), Brodardel««) u. A.
bringen Beispiele'') MhenaeHelier Kordthntea auf dieier krankbnft - erotischen
Basis. Zerfleiscbung des Opfers , Herausreissen der Genitalien oder anderer Ein*
geweide. Trinken von damjjfendem TMut, ja selbst Verzehren einzelner Stticke
Fleisch kennzeichnen diese Acte hüchäter sadistischer Käserei (Mordlust gesteigert
bis nur Anthropophagie). Es kenn hierbei das Stoprum auch gaos unter-
bleiben und das sadistische Verbrechen allein als Ersata fllr den C<dtns auftreten
(LoMBROSO's Fall Verzeni).
h) Die Leichenschändung. Hier findet die geschlechtliehe Betrie-
digUDg an (weibliehen) Leichen statt. Die zügellose geschlechtliche Begierde
sieht in der Vorstellang des eingetretenen Todes niefat nnr k^n Hindemiss,
sondern in vielen Fallen wird auf unzweifelhaft krankhafter Basis der Leiehe
vor dem leitenden Weibe der N orzu^^ ireirebeti • ') und in anderen die Leiche
nicht nur missbraucht, sondern mibshaudelt und zerstückelt (der classische Fall
des Sergeant Bertrand).
c) Die M i s s b a n (1 1 n n ir von Weibern (M ä d c h e n s t e c h er,
Geis<leri. Den Liistinurdern nahe stehen jene ungeheuerlichen Individuen, denen
Vei letzung des Uptera ihrer LUdte und der Anblick des tliessenden Blutes Reiz
nnd GennsB ist. Mabqiiis db Sadb ist das berOohtigste Bdspiel dieser Verbindung
von Wollust und Grausamkeit. Oer Coitus hatte für ihn nur einen Reiz, wenn
er den Gefjrenstand seiner Lüste bluti^r steehen konnte. Seine höchste Wollust war
es, nackte Freudenmädehen zu verwunden und dann ihre Wunden zu verbinden.
Briebke de Boismont erzählt von einem Capitän, der seine Geliebte
swang, jeweils vor dem sehr häufigen Coitus sieh Blut^pel ad pudenda su setaen f
TaIIMOWSKV "''') berichtet von einem Arzte, der, sobald er Wein {getrunken hatte,
den er sclileebt vertrujr, durch einfachen Coitus seine Geschlechtslust nicbt mehr
befriedigen konnte, sondern, um die Befriedigung herbeizuführen, mit einer Lanzette
in die Nates der Pnella steehen oder schneiden mnsste. Dbmub '") tlieilt die Ge-
schichte des HAdehenstechers von Bozen und jene des Mftdehenschneiders von
AufTsburg mit, welche zahlreiche Miidchcn fLetzterer eingestandenermassen über
50) bluti? gestochen oder geschnitten hatten, mit dem jeweiligen Kllecte der
geschlechtlichen Befriedigung, wenn sie das Blut fliessen sahen. ^ (Weitere Fälle
bei V. Krapft-ICbing und Holl.) In diese Kategorie gehören aueh jene gar nieht
so seltenen Fälle von activer Geisselung, wo Männer Prostituirte bewegen , sieh
von ihnen HH<;elliren und selbst blutig verwunden zu lassen.
d) Besudtung weiblicher Tersoneu. Bisweilen äussert sich der
perverse sadistisebe Trieb, Frauen an besehädigen, veräehtlteh und demtithigend
zu behandeln, in dem Drange, dieaeltten mit ekelliaften oder beschmutzenden
Dinjfen zu besudeln Kotli, rrin '. Arndt '•'), Tai;\o\vskv. P,\so.\ r. ''"i bcricliten Fälle
von so ekelhaft-widriger Art der Gesehlechtsbetriedijruug. Aestbetisch weni^rcr \ cr-
letzend ist der von v. I^rafft-Ebixg erzählte Fall eines Offlciers, dessen sadi^tiäches
Oelflste im Einölen einer naekten Puella puUha bestand.
In meines Erachten» vollkommen richtiger Wttrdigung von psychologisch
oft schwer verständlichen Handlunirea und Beschädigungen von Frauenzimmern
spricht V. Kr ÄFFT- Ebing die Vermuthuug aus, dass gewisse Fälle von Schädigung
der Kleidung weiblieher Personen (z. B. Bespritzen mit Schwefelsäure, Tinte eto.)
in der Befriedigung eines perversen Sexualtriebes wurzeln. (Bi^ekop* sex. 8. Aufl.,
ej Der symbolische Sadismus. Als solchen bezeichnet V. Krafft-
Ebing jene Formen, wo der sadistisebe Trieb der Ausübung von Gewalt oder
Demflthigungen an weibtiehen Personen dureh eimm seheittbar gau Binntawa
läppischen Act (Abschneiden der Ilaare ein(.s Mädehems, P>inseifen des Oesiehtss,
sicli anbeten, die Stiefel lecken lassen u. dergl.) befnedigt wird.
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SBXUALE F£BV£BSIONEN.
669
f) Die K D a b e II IT 0 i s 3 e I u D g. Der Sadismus äussert »ich endttdi aneh
noch als wolKlstiof empfundene Cirausamkeit an beliebig'en lebenden Objectcn,
namentlich an Kindern und Tbiereu. Dabei kann das Bewusstsein bestehen, dass
der grausame Act eigentlich gegen Weiber gerichtet ist, und nur in Ermanglung
dieser avf das nächste erreiehhare Object (Sohfiler) gr^ft; es kann aber aneh
der Zastand des Thäters ro beschaffen sein , das^ der Dran;^ nach grausamen
Handlungen allein . vun wolliisttit^en liefruntfen begleitet, in s Bewusstsein tritt.
Die erste Art ist belegt durch Alhekt sj =') Fälle, wo wollüstige Erzieher
ihre ZOg:liiige ohne alle Veranlassung «nf den entbUlssten Podex pritoehten, die
Zimte dnreh jene Vorkommnisse, wenn Knaben beim Anblick der Zflchlignng von
Alters2"cnossen sofort sexuell erre-rt und dadurch sonrar in ihrer weiteren Vitn
nexualis bestimmt werden, '-j (v. Krafft-Ebing, Psycliop. sex. 1893, Beob. 37, 38.)
g) Sadistische Aete an Thieren. In sabireiehen Fallen benlltaten
sadistisch perverse Männer anr Potenslrung oder Erregung ihrer Wollust den
Anblick des Sterbens von Thieren oder die Marternno: derselben. riei-^]ii< lc hierfür
erbringen v. IIof.mann (Prostituirtc belegten einen sadistischen Thiermarterer mit
dem Spitznamen „licDdlberr'"), Lombroso, Maktegazza u. A.
k) Sadismus des Weibes. Natnrgemflss ist der beim Manne bäuflge
Sadismus beim Weibe recht selten, weil der eigentlichen Natur des Weihes zuwider-
laufend. Wissenschaftlich beobachtet sind bisher nur zwei Falle '^v. Krafft-Fjun'c»
und MOLL;. In der Geschichte Haden sich Beispiele von hervorragenden Frauen,
deren Herrsebsaeht , Wollust und Gransamkelt die Annahme einer sadistischen
Perversion nahelcfrt (V'aleria Mossalinii, Katharina von Medici) und schon die
antike Mythe crz;Uilt xnn „blutsau^enden Frauen". Einen tbats.tclilich beobachteten
Fall von „weiblichim Vampyrismus" beschreibt v. Krafft-Küixg (Beob. 42). Ein
verheirateter Mann stellt sich mit zahlreichen Schnittwunden an den Armen vor.
Er giebt Uber den Ursprung derselben Folgendes an : Wenn er sieh seiner jangeUf
etwas nervS^eu Frau nilhern v/olle, mflsse er sieh erst einen Schnitt am Arme
beibringen. Sic sauge dann an der Wunde, worauf sich bei ihr eine hoch-
gradige sexuelle Erregung einatelle.
2. DerHasoehismas. Erist das Gegenstück des Sadismus, v. Kbafft-
RniXG hat diese Bezeichnung naeh den bekannten Schriftsteller Sachkr-MasOCH,
d(T in niebrereii seiner Romane diese perverse Art der Liebe dichterisch ver-
herrlicht, eingeführt. Er versteht darunter eiue eigenthUmliche Perversion der Vila
sexualis, welche darin besteht, „dass das von derselben ergriffene Individuum in
seinem gesebleehtliehen Fahlen und Denken von der Vorstellnng beberrseht wird,
dem WMllen einer Person des anderen Geschlechtes vollkommen und unbedingt
unterworfen zu sein, von dieser Person herrisch behandelt, ^edemUthigt , miss-
haudelt zu werden. Diese Vorstellung wird luit Wollust betont".
Die häufigste Form des Hasoehismns ist:
<i} Die p H s s i v e F l a g c 1 1 a t i o D. Dieses ist ein Vorgang, weleber gemgnet
ist, durch meclianischc Keiznnir der (ies.lssncrven reflectorisch Ercctionen auszulösen.
Diese Wirkung der Flagcllation wird von geschwächten Wüstlingen dazu benutzt, ihrer
gesunkenen Potena nacbiuhelfen. Diese Perversität (in diesem Falle niebt Perversion)
ist ungemein häufig. Die passive Fiagellation der Masoehisten dagegen ist als ans
der orieinflren Vorstellung der knechtischen rnterwcrfiinu' unter den Willen des
Weil)es hervurireiran;;en, eine ihrer Sexualemptindunj^ :idä<iuate, auf ibueu natürlich
erscheineude Gesehlechtsbefricdigung gerichtete perverse Handlung (eine Perversioo;.
Zur Untersehmdung der passiven Fiagellation als Perverdon oder Per*
veraität dient Fol^rendes:
1. Der Trieb zur Fiagellation ist heim Masoehisten fast immer ab origine
vorhanden.
2. IMe Fiagellation ist beim Masoehisten in der Regel nur eine von den
vielen und verschiedenartigen Misshandlungen, welche im Vorstellungskreise des
Masoehisten als Phantasien auftauchen und oft verwirklicht werden.
42*
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S£XUAL£ F££Y£BäiON&N.
3. Die ersehnte FUgellatioii wirkt beim Masochisten oft gar nicht apluKh
disisoh, wenn es ihm nAmlich nicht gelingt, sieb durch den bestellten Vorgang
die Illusion der ersehnten Sitaation, in der Gewalt des Weibes zu sein, zu ver-
sebnffen, so dase ihm dae mit der Prooedar beauftragte Weib nnr ale das exeenti^e
Werlueng seines eigenen Willens ersulieint.
Zwischen Masochismus und cinfacbem Flageliantismus besteht .«oniit ein
analoges VerbAltniss, wie zwieoben conträrer Sexualemptiudung und erworbener
Päderastie.
Der Maseehismvs bat eine geringe foreodsehe Bedentang; er iit dagegen
von hohem psychnlo^cischen und anthropologischen Interesse. Die reiche Casuistik,
die interessanten Autobiographien von Masocbisten und die geistvollen Erklärungs-
versuche des Masochismus v. Krafft-Ebing's, welche in seiner Pnychoyathia
texualis niedergelegt sind, werden daher von jedem Ante mit growem Interesse
im Originale nachgelesen werden.
Hier sei nur noch kurz bemerkt, dass man nodi folgende weitere Arten
des Masochismu» unterscheiden kann :
/>) Der 8ymbi)lische Masochismus. Die vom Masochisten ge-
wünschten und bestellten Vorgänge haben rein symbolischen Charakter und dienen
gewissermassen nnr znr Markirnng der ersehnten Sitnatien. (Sieh anbinden,
hinauswerfen lassen n. dergl. Komitdien). Endlich giebt es auch einen ideellen
(platonischen; .Masochismus ^■'') , wobei die psychische Perveraion ganz auf dem
Gebiete der Vorstellung und Phantasie '^^) bleibt und keine Verwirklichung der-
selben ▼ersneht wird (v. Kbafft-Bbino, Beob. 49, 53, 57, 58). "j
e) Larvirter Masoehismns. Befriedignng im Siobtretenlassen. In
den meisten Fällen von Masochismus spielt das Treten mit den FUssen als ein
naheliegendes Ausdrucksmittel des Cnterwerfungsverhältnisses eine Kolle. Daraus
entwickelt sieb eine wahre Vergötterung des Fusses and des (Frauen-) Schubes
(Fnss- nod Sehnhfetisehismus).
^e andere Art des larvirten Masoehismns ist die sexndle Befriedigung
dnreh ekelhafte Handlungen. So sind zahlreiche Fftllc constatirt, in denen Manner
durch die Seerete und sogar die Exeremeute von Weibern , deren Anblick und
ÜerUhrung sie aufduchen, in sexuelle Erregung versetzt werden (Tardieu s
„Reniflenn** und Taxil's „Stereoraires** gehdren hierher).
d) Hasoehismas des Weibes. Als ideelle ErsebelnnDg der poten-
zirten Unterwfiriigkeit des Weibes unter den Willen und die Herrschaft des
Manne-», somit ah Steigerung des physiologischen Verhältnisses beider Geschlechter
in s masslos Sc lavische mag der Masochismus des Weibes nicht gerade selten sein.
Als Perversion des Triebes mit dem Drange naeh einer entspreehenden Betbfttignng
ist die Erscheinung gewiss äusserst selten. Der einsige wissenschaftlich beobachtete
Fall ist jener Fall v. Kkafkt-Ehlvj's (Beob. 72), wo bei einem MAdohen OelOste,
gegeisselt zu werden, aiit'jri'treteu .sind.
3. Der Fetischismus (Fetischliebe). Nach dem Vorgange von Bi.net '^■*)
nnd LOHBROSO hat v. Kbafft-Ebimg die Vorliebe für einzelne bestimmte physisehe
oder auch psyehisehe Obaraktere an Persnuen des entgegengesetzten Geschlechtes
Fetischismus genannt (SchwäntM n und Anbeten einielner Kftrpertheile , selbst
Kleidungsstücke, auf Grund sexueller Dränge).
Ausser diesem physiologischen Fetischismus giebt es aber auch einen
pathologiseh-erotisehen, der ein hohes kliniseh-psjebiatrisehes, aber aueh ein foren-
sisdies Interesse darl irt< t Wie der Sadismus zu Mord und Körperverletzung
ausarten kann, so kann der Fetischismus zum Dieb-^tahl und selbst zum Kaub der
betreffenden geliebten Gegenstände, des Fetisch, fuhren (Schuhe, Handschuhe,
Tasehenttteber, Blumen, Haarloeken u. s. w.).
Es ist ungemein schwer, den pathologischen Fetischismus vom physio-
logisehen scharf abzngrenxen. Zutreffend dürfte die Ansiebt Binst's sein, n^tM
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SEXUALB PKRVBBSIOIVEK.
661
im Leben eines jeden Fetischisten ein Ereigniss anzunehmen ist, welches die Be-
tonung gerade dieses einzigen ESndniekee mit WoUiutgvfllhleD detenuinirt bat".
Die Fetischisten zerfallen in drei Gruppen:
n) Der Fftiseh ist ein Tb eil des weiblichenKdrpers. Wie
innerhalb des physiologischen Fetischismus Auge, Hand, Fuss und Haar die bevor-
zugten und meist verehrten KSrpertheile sind, so aneli anf patholo^sebem Ge-
biete. Auf dieser krankhaften Basis kann es dahin kommen, dass neben dem
auserwfihlten Körportheile alles Andere am Weibe verblasst und der sonstige
sexuelle Werth des Wt'ibe.«* auf Null herabsinkt, so dass statt des Coitus seltsame
Manipulationen um Fetiscbgegeostande zum Ziele der Begierde werden.
Ungemein xablrdeb sind sowolil die pbyriotogiseben Handeehwftrmer, wie
die pathologischen ^11 andfetischisten", für welche letztere nur mehr dieser
eine Kftrpertheil des Weibes esistirt. An die Handfetischinten würden sich natiir-
gemäsa die Fussfetischisten anreihen. Seltsamer Weise ist jedoch die Schwärmerei
für den naekten Fase des. Weibes sebr selten, dagegen findet deb blnfig die
Verehrung für den bekleideten I uss, der Schuh- und Stiefelfetiscbismus, welcher
in der Mehrzahl der F:tlle tmchweisbar niasochistischen Charakters ist. Neben
Auge, Hand und Fuhi> spielen oft auch Mund und Ohr die Rolle des Fetisch.
Sehr zahlreich sind die Uaarfetischisten, welche in dem unwider-
etelilieben Drange naeb der Befriedignng ibree Yerlangena an eriminellen ,|Zopf-
abschneidern" werden. Die Criminalistik hat schon vielfaeh Oelegeabeit ge-
habt, sich mit diesen seltsamen Schwärmern zu befassen.
4/ Der Fetisch ist ein Stück der weiblichen Kleidung,
Oegenstandafetieehmns. Dieso* Kleidergfttzendientt inssert sieb darin, dass
entweder flberbaapt das l>ekleidete Weib dem nackten vorgezogen wird, eine Brsohei-
uung, der wir in mehreren Krankengeschichten v. Krakft Ehing's begegnen, so
bei seinem berühmten Masochiaten, der sich von einem bekleideten Weibe be-
reiten lässt — equus eroticas — oder dass eine bestimmte Art der Kladung zum
FetiBob wird. (In Seide gekleidete Fnn eto.)
In weiterer Entwicklung kommt es dahin, dass die Aufmerksamkeit und
sexuelle Begierde so sehr anf ein bestimmtes Kleidun;.'sst(lck coneentrirt ist, dass
die lustbetoute Vorstellung dieses Kleidungsstückes sich gänzlich von der Gesammt-
Torstellong des Weibes loslöst nnd selbständigen Werth gewinnt. Das ist der
eigentliche „Kl eider fetisch Ismus". Es handelt sich hierliei dft um Stücke
weiblicher Leibwäsche, die durch ihren intimen Charakter besonders geeignet sind,
sexuale Associationen an sie zu knüpfen (Corset, Strumpfband, Schürze, Hemd,
ünterrook, Nachtjacke). Oefters besteht dabei ZentSrnngsdrang gegen den Fetisch
(Sadismas am unbelebten Object). .Sebr bivfig ist der Tasehentoeh- und
Sc h uh f et i s c h i 3 m u s der wegen des unwiderstehlichen Dranges, sich die
Gegenstände der sexuellen Begierde anzueignen, zu zahlreichen Eigenthumsrer»
letzungen fuhrt.
e) Der Fetiaeh ist ein bestimmter Stoff. Solehe Stoffe sind
▼or Allem: Pelzwerk, Federn, Sammt, Seide. Man muss wohl annebmen . dass
gewisse Tastempfiudunfren (Kitzel) bei hyper.lsthotischen Individuen veranlassend
für die Entstehung dieser Art des Fetischismus sind. Dieser S to ff fe ti Schis-
mas findet sieb blutig bei Maaoebisten. (Vergl. den Inhalt SACBBH-HASOOH'sdier
Romane, wo der „Pelz" eine so bervorragende Bolle als erotisches Element spielt.)
Damit ist das Gebiet der eigentlichen .sexuellen Parfl^thesie erschöpft.
Es giebt aber noch einige häutiger vork<»minende gesehlechtliclic ^'erirrungen,
welche namentlich wegen ihrer foreusischen Bedeutung hier noch kurz besprochen
werden sollen.
m. Anderweitige gcsehleobtliehe Verirrnngen.
1. DieThiersebändnng (Bestialität). Dieselbe entspringt, so wider^
lieh nnd monströs sie jedem ästhetisch fühlenden Meosehen erscheinen muss,
keineswegs immer psycho patholog!>chen Bedingungen , sondern kommt hei tief •
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SEXUALE PSRVERSIONEN.
Stehender Monlitit und groBsem gesehleehtllelien Drangt venu sugleieh die natiV'
gemftsse Befriedigung erschwert ist, oft genug, sowohl hdm Uinnern wie bei
Fraaen, als widernatürliche Gescblechtsbcfriedi^'iing vor.
Männer missbraucben weibliche Thiere, nameutlich Stuten, Eselinnen,
Kilbe, Ziegen, Bande, «ach Hennen, Gänse u. dergl. ; Weiber treiben Unzneht
mit mtnnlieheu Thieren, nunentlidi Hinideii. Im Alteithtinie wo die Beitialitilt
schon .«ehr verbreitet war, wurde der heilige Bock oder Pan von den Frauen
durch Sodomie vt-rehrt ; es ist möglich, dass die Schlaiitren im Aesculaptempel, welche
auch in den iiauseru aU Spielzeug der Frauen gehalten wurden, gleichfalla sodomi-
tisehen Zweekoi dienten. Die rOmieehen Franen waren wegen Sodomie berflehti|rt.
Was den geistigen Zustand der ThierächHnder anlangt, so sind dicMelbea
manehinal Schwachsinnige , Epileptiker , wohl auch ab und zu Geisteskranke
(ScUAU£^'äT£lXj gewesen; allein die grosse Mehrzahl dieser Sodomiten sind
momliiek ttefttehendO} aber geistig gesunde Menaehen, bei denen es deb aueh
keineswegs um irgoid einePenrersion des Triebes handelt Tabdibu, v.Maschka
ROSBNBAÜM "'\ Ki'WALKWSKY »*) U.A. theileu interessante Fülle .lieser Art mit.
Damit uicht zu verwech.seln i.-;t die T h i e r »j u il 1 e r e i auf (jrund von
Sadiämuä, die sich als mildere Ausdrucks weise des perversen sadistischen An-
triebes znr GransamlEeit findet und stets nur hei geistig Entarteten vorkommt.
2. S t a t u e n .s (> h ä n d u n g. Dic^^e den Oflbntlichen Anstand verletzende,
lur Befriedigung des (ieschlechtstriebe.s unternommene Hamlliiii<r kam sowohl im
Alterthume, wie auch iu unserer Zeit mehrlacb zur Beobachtung. Moreau hat
zahlreiche Falle ans alter und neuer Zeit gesammelt. Sie rufen wohl immer den
Eindruck des Pathologischen hervor, wie die Geschichte jenes jungen Mannes,
der eiae Venus von Praxiteles zur Hefriedigung seiner Lflste brauchte, und der
Fall des Clisypbus, der ira Tempel zu Samos die Statue einer (iöttin schändete,
nachdem er an einer gewissen Stelle ein StUck Fleisch angebracht hatte. Nach
V. KLbapft-EIbing (1* P*?* dürfte es sieh um Mensehen mit abnorm starker
Libido bei mangelhafter Potenz oder fohlender Gelegenheit zu normaler Cresebleehts-
befriedigung handeln.
Dasselbe muss fttr die sogenanuten „Voyeurs^^ angenommen werden,
Uensehen , welche so ^iseh sind , dass sie sieh den Anblick dnes Gkiitus zu
▼erschaffen suchen, um ihrer eigenen Potenz aufzuhelfen, oder beim Anblick eines
erregten Weibes Orgasmus und Ejaculation zu bekommen (vergl, Cokfi(;non\
3. Das Exhibitioniren. Männer pUegen mitunter, wie zahlreiche
Filie darthnn, ostentativ vor Personen des anderen Gesehledites ihre Genitalien
zu entblössen und Verstössen so in grOblieher Wdse gegen Anstand nnd (MItaitliehe
Sitte. Es handelt sich dabei, man kann auf Grund der bisherigen Casuistik " — loo j
wohl sagen, ausnahmslos um Menschen mit angeborenen oder erworbenen geistigen
Schwächezustünden (Idioten, marastiscbe Greisej, oder um solche ludividueu, wejche
sidi zeitweilig in einrnn Znstande getrabten Bewusstseins befanden (transitorisehes
Irresein, gdstige Dfimmerzustilnde).
Als eine Art ideeller Exhibitionisten sind jene meist jungen, sexuell sehr
erregbaren Burschen zu betrachten, die sieh damit vergnügen, die Wände Olfeut-
lieher Aborte mit Bildern mlnnlieher und weiUieh«r Genitalien zu hesndehi.
Eine besondere Kategorie von Exhibitionisten wird durch Epileptiker ge-
bildet, bei denen das Exhibitioniren nhiic M^tiv als eine im])ul8ive Handlung er-
folgt, die im Sinne einer krankhatten <ir::aiii>chen Nöthiirung sieh den N'ollzug
erzwingt. Auch bei >ieuraätheuikern kommt es impulsiv zu exhibitiouistischcn Acten.
Eine Varietftt der Exhibitionisten stellen die sogenannten «Frottenrs**
4Ut, Mensehen, die im Volksgedränge ihre Genitalien entbUtosen und an den Matea
von Weibern reiben.
Die Gesichtspunkte für die f o r e n s i s c h e B e u r t h e i 1 u n g der sexuellen
Perverdonen und Perversititen ergeben sich aus dem Dargelegten ziemlich von
selbst, nachdem in der vorliegenden^ dem knapp zugemessenen Kanme Reehnung
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SEXUALE FEBTEBSIONEN.
tragenden, gadrlngtoo Dantellmg die farendielie Seite tlinnliehat berflekeieiitigt
worden ist. Im üebri^en muss auf die ausgezeichnete Darlegung v. Krafft-
EbiXG S in seiner Psychoftathia sexualis, Abschnitt V: „Das krankhafte
Sexualleben vor dem Criminalfo r um" aU der für jedea Arzt uoeDt-
behriidieii Qnmdlage snr riehtigen BemrUieilnog Ton Sezualdeliotea verwiesen werden.
Lit6ratar: ') Parent>DaeliataI«t, Prostitution daiui la tille de Paris ISSl.-^
D6«enr«t, La midecint des pmsion». Paris 1860- — *)Tardiaa, De« aUcntats aus
moeur». 7. Mit, 1878. — *) Casper, EUn. Novelleo. 1863. — *) Morean, De» aberra-
ti.,1,-. 'ii' ' ' - Tiiris IS'-n. — *) Lomhroso, GescLlechtstrieti und Verbrechen iu
iiurea gegenseitigen Beziehuugen. (Joltdammer's Arch. XXX. — ') Taruuwskj*, Die krank*
haftan ErBCbeinangen des Geschlechtäuiiines Berlin 1886. — *) B a 11 , L<i folie iroH^ue.
Paris l^^sg. — *) Serieux, liecherchts cliniqiies sur lex anonuilies de rinttixct sexuel.
Pari.s 18-Ö. — liiiuiiaond, Sexuelle Impotenz; ülj€rs. von Sal linder. Berlin 1889. —
") V. K raf ft-Ebinf?, pKi/chvp<ithi<t .scruuUs. S. Aatl., Stuttgart 1693. ■') D u r ü 1 b e,
Lehrbueb der Psychiatrie. 4. Aafl., ätattaart 1>!90. — Derselbe, Lehrbuch der gerichtl.
Psychopathologie. 3. AoH., Stuttgart 1892. — **) Bmmingbaas, Psychopathologie. —
'■) V. Hofmann, Lehrb. der gerichtl. Med. ö. Aufl., Wien 1^93. — '*) II a t'na n , Annalea
nitilico-psychol. 1885. — '*.) L«ntz, Bull, de la i*oc. de miJ. Kjeaie de Belgiqae. Nr. 21. —
*•) Legrand du Sanlle, La fulie dcvant les (ribnuaux. — Derselbe, Annal. d'hyg«
pabl. 1868- — Derselbe, Annal. nieilico-psychol. 1876. — *') Ultzmann, Ueber mllnn-
liche Sterilität. Wiener med. Presse. Ib78, Nr. l. — ") Derselbe, \}t\>Qv Potentia generandi
tf i-,-inidi. Wiener Klinik. 1885, Hett 1. — ■ ) Jloreau, a.a.O. -— -') Maadsley, Phy-
siologie und Pathologie der Seele; äbers. von Böhm. — Hirscbsp rong, Berliner Uio.
Wodiensehr. 1866, Nr. 38. — **) Lombroto, Der Verbrecher; eben, tob Frhnkal. —
•*) Uarc. Die CJeisteakrankheiten etc.; tbmi. von Ideler. — Kirn in v. Hascbka'a
Handb. der gerichtl. Med. IV, pag. 374. — "''J Lascque, Lex Krhibitionistes, Union
med. 1871. — ' ') v, Krafft-Ebing, Lehrb. der gerichü. Psychopathol. 3. Aull., pag. lül;
▼ergl. dessen Feych. nex. 8. Aufl., pag. 40. — ") Casper, Oeber Notbzncht nnd Paderaati«.
Canper's Yierteljahrssehr. ffir gerichtl. Med. 18-52.1. — "*) Derselbe, Efiaisehe Novellen.
l^>V.i. — ) C a spe r- L i ni a n . ITanilh. der gerichtl. Med. 8. \ut] , Berlin 1890, I. - ''i Karl
Heinrich Ulrichs, Verfasser der ächrilten „Vindex", „Inclusa"*, „Vindicta-*, „Forniatrix",
«Ar» spei", „Hemnon" nnd „Gladins fkirens*, „Kritische Pfeile". Forschungen über da» Rätbsel
der mannmännlichen Liebe. Schleiz Istj!} — IS'-O. — " ) (iriesinger, Arch. für Psych. I. —
") Westphal, Khenda. II. — 'i v. K ra f f t - K l»i n g , Psifcltoputhia sfxnuUii. 8. Aull., Stutt-
gart 189^. mit einer grossen .Anzahl eigener Beobachtungen und hochintere.'tsanter Autobio-
graphien von rriiiuKen, pag. — 35^. — Derselbe, Nene Forschungen auf dem Ge-
biete der r^'tihojntthia »exuali». Stuttgart 1890. Diese den Haaochlsmus nnd Sadismus
liftrefleiidiii Forschungen .siml mit den neuen Atitlaj;cn der pMi/rfiopiit/iid si\r,i,ilis vereinigt.
Daselbät auch die voliätaudigen Literatnraugabcn über die bisherige C a h u i s ti k derüomo-
laxaalität, pag. 284—285. Grossere Alihandlungen und zu.samnienfassande Arbeiten sind
ausser den schon angeführten : " ) Gley, Revue philosoph. Is^l, Nr. 1. — *") S h a w und
Ferris, Journ. of nervous and mental di.seuse. 18''3. — *') Bernhardi, Der Unmismu^.
Berlin 18f^2. — *'| Chevalier, De i iurtr-inn dt l' intftinct sexiul. Paris 1>^65. — **)Ritti,
Gas. hebd. de nü. et de chir. 1878. — **) Tamassia, Kivista speriment. 1878. — Lom-
broso, Arch. di Psydi. 1881. — Charcot et Magnan, Areh. de Neuro!. Iw2. —
*'') Moll, Die contnire S'exualempfindung. Berlin 1891 (höchst interessante .Angaben über das
Lehen und Treiben der Urninge und I'aderaüten). — *■) Chevalier, Areh. de l'aothropol.
criminelle. V ii. VI. — Renas, Abermtimix du suis iji'm'nique. Annal. d hyg. publ. ISSti. —
Sanry, ^Uude cliniqn»' sur la jolie ht'redüaire, ij^. — Broaardel, Gas. des höp.
1886 und 1867. — Tilier, L'instinct sexuel eher Vhomme et ehez leg antmnux. 1889. —
*•) Carlier, Les iltu.r jn-'i.-iititi 1887. - ■*) L a c a s s a n e, Art. IV-Jt-rastie iu Dict.
«neyclop. — Vibert, Art. Päderastie in Dict. m^d. et de chir. — '^j v. Krafft-Ebing,
Zur oontritron Sexnalempfindnag. Friedr. Blftttar fOr gerichtl. Med. 1891, psg. 385. — Beard,
Sexnelle Neorasthenie. ■") Hammond, Amer. Jouin of Neurology and P.<ych. 18S2. —
Nysten, Dict lie med. 11. tdit., Paris 1858 (Art. Ecinttion et mahtdie des Seif thes). —
'' I Maraudon, De lu muliidie dts Sci/thcs. Ansal. uMleO'Pljreh. Ib77. — "'j Blnmröder,
Ueber Irresein. Leipzig lS3ci. — **) Lombroio, Verzeni * Agnoletti. Borna 1874. —
*') BInmrSder, Ueber Lust nnd Scbmern. Friedrelch's Magasin für Seeleakunde. 1^30. —
••) Schulz, Wiener med. Wiicheiisclir. !n')9, Nr. 49, bt-ric'htet über einen M uin, dernuriu Zornes-
stimmuug den Coitus vollziehen konnte. — ''jLoubroso, Der Verbrecher, ubersetzt von
Frankel, berichtet pag. 18 ff. aber analog« Vorkmnmnisse bei brünstigen Tbier^-n. —
*■") Metzger, (ierichtl. Areneiwissenschaft , herausgeg. von Rem eh — Feuerbach,
Acten mässigc Darstellung merkwürdiger Verbrechen. — ' *) Lombroao, Geschlechtstrieb und
Verbrechen in ihren gCf^enseitigen Beziehungen. Gultdammer's Arch, XXX. — Gauster
in V. Maschka's Uandb. der gerichtl. Med. IV, pag. 489. — Losögne, Brouardel,
Motet, Der Proeess Ueneaclou. Annal. d hyg. publ. 1^81. — '*) A. Spitzka, Ueber den
FnnMomürder von unütechapel. The Journ. of nervous aod ment. disease. 18^8. — Kiornan,
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664
BEXUALE PERVEBSIOMfiN. — SOPflOBA.
The meJical Standard. l'-i88. — Brierre de Boi.snumt, (laz. mi'd. 18ö'i. — ■')Taxil,
La Prostitution contemyn-aint , p«^. 171 (Gaechichta eines PnJaten, der sich jeweils eine
Proititairte als Leiche heiriditeii iMw). — **)Taniowak7, IM» knnkhftftea Brnbeinnofln «te.,
MC. 61. — '*) Dem nie, Buch der Verbrechen. — Kraus», Phvsirdogie des Verbrechens.
Iw4> — Coffignou, La corruptiou a Paris. — **J A rn d t. Viertcljahrsschr. für gerichtl.
1M.N. F. XVII, Heft 1. — ' ) Pascal, Igiene dell' amore. — Albert, Friedr. Blätter
fllrtBri^tl. Ued. 188*J. — v. Uynrkovechky, Pathologie und Therapie der nubmliehen
Impotens. 1889, pag. 8<i- — Mantegaaza. Fisioloyia del piaeere. — '*) Vergl. M SMun,
J. J. RouBseüu's Kr.uikhritsgeschichte. Leipzig 1889. - * j Chatelaiu, L<t /»Iii iJe J. J,
Housstau. Neuchütel ISlHJ. — **) Binet, Bevue antbropol. XXIV (\.AiHOur npirituali^it'^
im Gegensaue zn „Atnoitr phatiqu^). — *')0. Zimmermann, Die Wonne des Leids.
Leipzig 1885. — Mantegazza, Antbropol. Studien. 1880. — Binet , />« I-'a(i.-r/iigme
(lans l'amour. Revue pbilosoph. 1S87. — " j Zippe, Wiener med. Wochenschr. 1879. Nr. ^ i. —
Rosenbaura. Die Lnst.seuche. 5. Aufl. , \H*SZ. — **j Sc b a u e u st e i n . Lehrbuch der
gerichtl. Med. Z Antl., Wien 1875. — "*) t. Maschkn, Handbach der gerichtl. Med. III.
png. 188. — ••) Kowaleirsky, Jahrb. Ar Pftych. VII, Heft 3. — ••) Pelatira, Uelw
Pornopathiker. Arch. di Psych. VIII. — "') S c h n c h a r d t , Zeitschr. für Med cinallieamte.
1890, lieft 6. — Lusegne, Union mt-d. 1>77. — '•'") Laudier, Annal. d'hyg. pul>l.
1878, Nr. ICt). — Kautzner, Gerichtsarzll. Fälle. Mittbeilungen des Vereines der Aeiz'e
in Steiermark. Gras 1892. — Li n a n . Vierteljabrsscbr. fiir gerichtl. Med. N. F. XXXVIII,
Heft 2. — Weitere Literatur: '"")Casper, Impotetttia et sterilitas ririlis. Mfinchen 1890. —
•**) Leonpacher, Psychische Impotenz. Contnire Sexualeniptiudung. Frimlr. Hl. fiii g:erichtl.
Ued. 18B7. — ""j Frank, Geschlecbtsverbrechen und Tödtang. Vierteyahrsschr. für gerichtl.
Med. XLVIIf, p«g. 200. — ***) Loinbroso, Ineesto. Lombroso's Arch. Ym, pag. 519. —
' I r.arnier, Annal iThy^- pnM. XVITI. — "") Ko-valewsky, 1%-ber Perversion des Ge-
.schlechtssinnes bei E|)ileptiJiern. Jalult. für Psych. Vll. — Lacas.sagne , L'n aliem' en
com-. 1S87. Lyon med. Nr. 51. — P ug I i e se, Stupro, sodomia ed omiciilt". Lomhroao's
Arch. VUL — "^J Basdragbi, / delitti di libiäiM n$i patzi. Lombroso's Arch. IX. —
"•) Hftrsn, Zur sauirnen Psychopathie. Zeitsehr. fOrMedieinalbeamte. ISSS. — "') Thomsen,
F.heuila. jia?. 7:J. — ""')Trocbon, f'n m- <!', r!iii.i!i''i>!siut. Arch. de rüritbropol. crim. III,
Kr lese, Beitrag zur Lebre von der coutraren äexualemptindung iu kliuisch-forensiscber Be-
siehnog. Diss. Wfirxbnrg 1889. — "*> v. Krafft-Ebi ng, lieber Neurosen und Psychosen
dnrch sexuelle Abstinenz. Jahrb. für P^ych. VIII. Heft 1 n. Ü. — Rotzen. Friedr Bl.
fttr gerichtl. Med. l>'.tu, pag. 419. — ' } Z i »• r 1 , Ebenda, pag. 448. — Freyer, Zeit-
schrift für Medicinalbeamte. 189", pag. 273. — " ) S t e p ha no ws k v, Zur Lehre vom Morde
aas Lnstgefühl. CentralbL iUr Nervenheilk. und Psych. 1891. — ">) Birnbacher, Ein Fall
von eontiftrer Seznalempflndnng vor dem Strafgericht. Friedr. Blltter für gefriehtl. Med. 1891.
liaz. 2. — F. ('. Miill. r, Ehflnda, imt. 279- — '-'") H. Rerbey, >v,„» ri»v< can-
»cieitce. AOerratioii du .seu^ ;/ritit'il. Gaz. bebd. IsyO, Nr. Ii*. — '-') Hospital, (Krieute
obtenatioH de folie trotiqin'. Annal medico-psycb. 1^91. Nr 1. — '*-) v. K ra f f t- El» iag.
Zur conträren Sexualemptlndung. Friedr. Bl. für gerichtl. Med. 1891, pag. HS5. — *") C. Laker,
lieber eine besondere Form von verkehrter Richtung (Perversion) des voiblicben Geschlcirbts-
triebes, Arch iiir < .yn. I-^l», XXXIV, Heft 3. -- '■'•) Leo Wacbholz, Zur Ca.suistik der
sexuellen Verirrungeu. Friedr. Bl. für gericbtL Med. 1Ö92, Heft 6, pag. 431. — C. Seydel,
Die Benrtheilniiff der perversen Sexaalvergehen in fino. Viertdjabrsschr. fBr geriditL Med.
3.Fal*e. i893, V. Arft 2. pag. 273. ^ratter.
SophOrS. Eine Reihe von Giftgewftchsen enthält die in tropischen und
subtropiseben Ländern der alten und neuen Welt vertretene Onttung Sophora,
die besonders dadurch vou Intere.sse ist, dass die »inzcliieii Arten dieser Leprii-
iniiio-t'iiLr.'ittuiiir vurschiedrne Wirkung besitzen und StoiV,' -r.-inz verscliiodciuT Art
enthalicit. Am wenigsten ^iltig scheiueu die ziiiu (•ellilarlieu büiiutztcii unaut-
geeeblosBenen Knospen einer japanisehen Art, Sophoro /"jn^nica, die sogenannten
c h in e s i .sc h e u Gelb beeren, die nach Fohstkr eiu Glycosid enthalten, das
beim Spalten Isodulcit und einen den) Qiiercitrin lihniiehen Körper liefert, der ji doch
mit (^iiereitrin und Kutin nicht identisch ist. Nach älteren Angaben sulieu alle
Tbeilc dieser Sophora Oathartin enthalten, und zwar angeblich in so grossen
Mengen, daaa die Vtnarbdtaiig des sehr brauchbaren Hölzes Kolik und Diarrhoe
und der Genus.s von Wasser, in welche.'! Hiüthen dieser Sophora hineiutleleu. die-
•selben Krseheinunfren lierv (itriiien soINmi. Kvkm.vn fand 1Ö87 ein Alkaloid
in der l'llan^e, worüber >>;ihereö nicht luiigetlieilt i>t.
Unter dem Namen Upa» bidjx sind die sehr bitteren 8amen einer
auf den Molukken, in Jnvn und Ceylon, auch in verschiedenen Theilen Australiens
vorkommenden i>uphora, Üophora tomenfosa L., auf Java beisannt. Sie
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SOPHOBA. — SPfiCIFIäOUES BLUTGEWiCHT.
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galten früher für ein Specificuni gegen Cholera und gegen lotoxieationen dareh
giftige Seethiere. Ans ihmn hat GRKSffOFF ein Alkaloid isolirt, das in seinem
ohemiaohen Verhalten, uameutlicb auch in Bezug auf Löslich keitsverhältnisse, mit
dem Oytisin (s. d.) grosse Aebnliehkeit besitit und Tielleieht damit identimA
ist Nach Plügge-) bewirkt es centrale Paralyse, hebt zuerst die Willkflrbewe»
gung, dann die Reflexerrejrbarkeit , darauf die Reizbarkeit der peripheren Nerven
und zuletzt die der willkürlichen Muskeln und des Herzens auf. £s tödtet bei
Warmblütern durch Atbemläbmuug.
In Texas und Neumexieo alstiran ^ftige Sophoraarten, die sieh besonders
dmreh die bwansehende Wirkung ihrer Sanmi auszeichnen. Als solche werden
Sophorn sppcioftn und Sop/iorn f* e c n n difl or n genannt. Von den
Bohnen machen die Indianer Gebrauch Berauschungsmittel ; eine halbe Buhne
soll nnsinnige Heiterkeit, von mehrtigigem Sehlafe abgelöst, bervorrnfen, eine
ganse Bohne soll den Tod herbeiführen können. Aus den Bohnen ist von II. C.
Wood ^"1 mittelst dc-i STA.«: OTTO'schen Verfahren«? ein tlüchtig'cs tlil>;>;iires Alkaloid
i.süiirt, das sich in Wasser und Alkohol leicht, in Aether weniger leicht löst und
krystaliisirende Salze giebt, die sich mit EisenchloridlOäung blutroth färben. Das
bei FrOsehen die Reflexthxtigkeit berabsetsende und oentral Itbmende Alkaloid ist
für Hunde wenig giftig, wfihrend es Katzen zu 0*2 durch Athemlähraung tödtet
und zu 0*03 in mehrstündigen Schlaf versetzt. Das-i das WooD sehc Alkaloid
nicht mit Cytiain identisch ist, gebt aus der Beschatieulieit des Alkaloids und aus
dem Verbalten gegen Bisenehlorid hervor.
Literatur: ') Ru Lenthal, Sjfftopt. plant. iliaiAor., \t&g. 1030. Husemann-
Hilger, Pflanxenstoffe, pag. 1048. — Alkaloide von Sophofa tomentosn. Nederl.
Tfjdschr, voor Pharm. Hot. 1891, pag. 350; Arch, der Pharm. 18*H. pag. 561. — *) Wood.
Amcr. Journ. Pliiirin (4). L, pag. 4>^J1. Rotlirock. Pharm. .Totirn. Transact. 1880, pag. (364.
Kalteycr und Neil, Amer. Joorn. Pharm. Iä86, pag. 05; Pharm. Ztg. 18S6, Nr. 96,
736. Th. Hnsemann.
SpecifiSCheS Blutgewicht. Das speeißsche Gewicht des Blutes ist,
wie tidi dies von selbst versteht, schon finbseiti]? Gegenstand der Untertnebnng:
l^esen. Schon Datt^) bat im Jahre 18.31) Angaben Aber diesen Gegenstand
veröflentlieht und RKCijUKRF.r, und Rodier haben in ilireii berühmten ..T'nfer-
suehnnfren über die Zusanimen.setzung des Blute.s im fjesundcn nnd kranken
ZuHtaudc'' *; auch die Dichtigkeit des Blutes eingehend gewürdigt. Während aber
frOber an Untersnehungen der Blntdiebte, die stets mit PjrknometeRi vorgenommen
wurden, grössere Blutmen<;eu erforderlich w.iren , sind in neuerer SSdt Methoden
erfunden worden, welche Bestimmungen der tra:rli<'hen Grösse auch dann ^est.Ttten,
wenn nur wenige Tropfen Blutes zur Verfügung stehen, und erst dadurch siud
Dicbtigkeit^bcstlmmnngen am Blote in die Reihe der kliniselien Untersnelinngs-
metboden eingefllbrt nnd Untersuebungeu in dieser Riohtnng auf breiterer Basis
ermOgliebt worden.
Methode. Die Bestimninn? de» Kpeetfisehen Gewichtes des Blutes kann
in verschiedener Weise ausgeführt werden :
1. Directe Bestimmung im Capillarpyknometer. *) Als Pyknometer
dicDt eine circa 12 Cm. lange und 1 ' ^ Mm. weite, an beiden Enden verengte
Oapillare , die etwa O'l Ccm. Fliissi;,'keit f:is<t. Dieselbe wird naeh subtiler
Reinigung mit Wasser, Alkohol und Aether zun.lehst genau frewofreu (die benutzte
Wage muss noch >/|o Mgrm. exact angeben und \ so Mgrm. zu schätzen erlauben),
sodann mit destilUrtem Wasser von 38' 0. gefallt , insserlieh abgetrocknet und
wiederum gewogen ; die Differenz beider Zahlen eririebt das Gewiebt der in der
Capillare enthaltenen Wassermcnge. In dieses ('apillirpyknnmeter wird nun der
durch Einstieh mit einer schmalen Lanzette gewouueue Blutstropfen eingesaugt
und die blutgefullte ( apiilare von Neuem gewogen, der Quotient aus dem Gewiebt
des Blutvolumen dividirt dureh das vorher bekannte Gewicht einer gldcbgrossen
Menge Wassers ergiebt danu das speeihaehe Gewicht des untersuchten Blutes,
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SPBOmSCHBS BLÜTOEWICHT.
Nach dem Oelmqelie nflaieii dk CtpiUareo mit TordOnnter Kalilaage, Watser,
Alkohol and Aetber gereiiilgt werden. Durch wiederholte ControlaDtenoehugen
an Kochsalzlösungen, sowie an Blut, das diirclt Vcn.icscction »cwonnen wurde
lind dessen Dichtigrkeit durch ein fjrosses PyknomettT bestimmt werden konnte,
ist nacligowie»en , dass die capillarpyknometriscbe Untersuchung exacte Resultate
liefert (der griisste heobaehtete Fehler betmir 1*04045 — 1*0396 = 0*00085).
Mit dieser Methode haben, ausser Verfasser selbst*), noch PbIPBS*),
ßüMPF*), EyKMANN^), Sophie SchOLKOFF^) und GraWITZ ') gearbeitet.
2. Indireote Bestimmung durch Suspension eint s Blutstropfens ia
einer anderen Flflseigkeit von bekanntem ipeeiffsehen Gewicht:
a) Nach RoT: Tropfen des zn nntersnehenden Blutee werden in Probe*
dUssijrkeitcn (Glyeerin- oder Gumnulöstin;r n. s. w.) von bekannter Dichtigkeit
eingebraeht ; diejeuifje Flüssif^keit , in welcher das Blut schweben bleibt, ohne
aufzusteigen oder abzusinken, giebt das specifisebe Gewicht des Blutes an.
Hit dieser Methode haben Llotd Jonbsi»' Devoto**), OopJOfAifi«)
und SlBSL**- '••) gearbeitet.
?i) Nach Albeht IlAMMERScnLA(; Ein Tropfen des zu untersuchenden
Blutes wird in eine Mischung von Chloroform und Benzol eingebracht; das Blut
vertheilt sieh in dieeer Misehang nieht, sondern bleibt als Tropfen erhalten, nnd
man t/t nun solange Chloroform, beziehentlich Benzol zu, bis das ßlutkugelchen
eben schwimmt , ohne auf'zusteisren oder unterzusinken. Das specitische Qewieht
der Chloruformbcn/.olmischung wird dann mit einem Aräometer be:>timmt.
Hammebschlag hat nachgewiesen, dass in dieser Weise Resultate von
genttgender Exaeth«t gewonnen werden kennen.
Mit dieser Methode haben ausser Hammekschlag selbst nodi
Glogxer ' Oi Hock und Schlesinger so. 21 ) und Stkix --) gearbeitet.
Verhalten des specifischen Gewichtes des Blutes bei
Gesunden. Naeh der übereinstimmenden Angabe aller Antoren, die mit saver>
lÄssigen Methoden gearbeitet haben, ist unter normalen Verhältnissen, abgesehen
von Diirerenzen, die durch d.ts {iesetiki'lit bedingt sind, das specifische (iewicht
des Blutes eine unnähernd constunte Grosse. Eatspreohend seinem geringeren
Gebalt an rotben Blutkörperchen und an HfimogloMn hat das Blut der Frauen
ein etwas niedrigeres spedfisehea Gewicht (im Mittel etwa 1*056) als das der
Mflnner (im Mittel etwa 1'050); dagegen finden sich bei Personen desselben
Geseblecbtcs nur freritif^e Abweichungen letwa bis i 0*0()3 von der Mittelzahl.
Durch Einwirkungen \ erjüchiedener Art erfährt zwar die Blutconcuntration vor-
übergehende Aenderangen, so dnreh Nahrungs- nnd FlOssigkdtsznfnhr , starke
Schweissabsondemng u. s. w. , aber in der Norm werden diese Schwankungen
schnell wieder ausgeglichen. Es gelang z. H. dem Verfasser nicht, durch Auf-
nahme von 1 Liter physiologischer Kochsalzlösung das Gewicht seines Blutes fflr
Iflnger als V4 Stunde unter dem Dnrebsehnitt zu erhalten. Verfasser hat ferner
im Laufe eines Jahres eine grosse Zahl von Bestimmungen an sieh selbst vor-
genommen iiiid gefunden, dass w.lhrend die-ies Zeitraumes sein Hliitgcwicht nie
unter 1'056 absank und nie fibcr I tUil.' ansticLr; durchschnittlich fanden sich in
deu Morgenstundeu etwas höhere Werthe, als während des übrigen Tages. Aeha-
liohe Resultate hat HAmiBBSCRLAO mitgetheiU.
Von Glogni-r und Eyk.maxx sind an Tropcnbewohnem Untersuchungen
angestellt worden; die Kestilf.-ite des letztgenannten Autors stimmen mit den oben
angegebenen Zahlen volikomraeu Uberein, Glüuner fand bei einem Theil der
untersuehten Personen niedrigere Ziffern.
Auch der Ort der Blutentnahme scheint auf dessen Diehte nur von
gerinjrem EinHu>s zti <ciii . wie speciell hierauf gerichtete rntersuchungen von
Sophie .SrnoLKoFF beweisen; das Gleiche ;^ilt von dem Füllungsgrad der Haut-
gef^sse. Ein anderes Verhalten macht sieh geltend , weun durch vasomotorische
Eindttsse weite GeOssgebiete cur Contraction oder zur Erweiterung veranlasst
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SFEGIFISOHES BLÜTGEWICHT.
667
werden. Gbawitz, der hierüber eiogebende Stadien gemacht hat, fand, dass auf
Reiniii(? dar Vasomotoron (darcb «in kaltes Bad, pa^diiaehe Eitngvmg eto.) eine
Eindickun? des Blutes fnlptc, w.lhrend umgekehrt durch Lähmung der Vaso-
motoren I durch ein beis-^cs Bad oder Amylnitriteinathmung^ eine Verdünnung des
Blutes erzeugt werden konnte. GBA^vlTZ führt diese Erscheinung auf einen, vom
Gefitostonns abhängigen Aostaoaek von FIfladgkttt zwischen den Gkftssen und den
Geweben zurück.
Verhalten de«! speci fischen Gewichtes des Blutes unter
pathologischen Verhältnissen. Aenderungen der speciüschen iSchwere
des Blotes kdnnen auf Tersebiedene Weise zn Stande komnen. Da die rotken
Blutkörperchen der schwerste Bestandtheil des Blutes sind , so ist es klar, dass
eine Verminderung ibrer Z.ibl im Bhite d.is Gef^animtbUit speciflseb leiebfer machen
mus!), da ferner die rotht n Zellen vorwiegend aus Hiinioglohin be^tebon und ihrem
Gehalt au dieser Verbindung ihr hohes Gewicht verdanken , so niuss das spo-
cidscbe Gewicht des Blutes aueb dann sinken, wenn dessen Gehalt an rothen
Blutkörperchen zwar normal ii^t, diese letzteren aber abnom arm «Q Hlmoglobin
sind, r'mgekehrt mnss das Gewicht des Blutes steigen , wenn Hyperglobulin
besteht. Das Blutplasma hat zwar ein wesentlich niedrigeres specilisches Gewioht,
als das Gesammtblnt (nacb Hauuebscblag im Uittel 1*030) , dennoeh ist es
selbstverstAndlicb, dass Aendemngen seiner Concentration gleichfalls einen Einfla«s
auf das Gewicbt des (Jcsnmmthlutes haben. Ob die Anwesenheit fremder Stoffe
im Blute an sich in deutlicher Weise seine Dichte beeinflussen kann, erscheint
zweifelhaft — die von Einzelnen behauptete Gewichtserhöhung hei Icterus ist vrtn
anderer Seite geleugnet worden — , dagegen gelingt eS| experimentell dureb Ein*
ftlbmng solcher Stoffe, welche die cndosmotischen Verbiltnisse im Gefksssystcm
modifieiren, di<' I'.lutdiebte zu verändern (Grawitz).
^^ach dem eben Gesagten erscheint es nur nai Urlich, dass sich die gröbsten
Abweiehnngen von der Norm bei der Gblorose finden, wobei ja der Hämoglobin«
gehalt des Blutes zuweilen enorm herabgesetzt gefunden wird, und dass hierbei,
wie neuere rntersuchungen des Verfassers und vieler anderer Autoren überein-
stimmend gelehrt haben, das Verhalten des specilischcn (iewichtes des Blutes dem
Hämoglobiogehalt desselben genau parallel geht, während es sich von der Blut-
kOrperebenzahl in weiten Grenzen unabbingig zeigt
■ Speciflaches
j Gewicht
; 1 .1 !iioj;l<iliin-
gfhalt iu l'roo.
nach Fleisch!
' Zahl der rothen
Blutkörperchea
SpedflBches
Gewicht
Hänioplohin-
Kehalt in I'roc
nach F 1 e 1 8 c b 1
Zahl der rothen
Blutkürperchea
1-035
30
3,364.000
1039
40
3,352 000
im
35
1-1 141
•10—45
35
1044
45-50
3.096.000
1038
35
1-044
50
42oaooo
1039
35-40
ii.448.Ü00
Die Herabsetzung des specifischen Gewichtes des Blutes bei der Chlorose
ist oft eine sehr erhebliche. }»is auf 1035^ ja .sogar 1*030; mit fortschreitender
Besserung steigt dann, entsprechend dem zuuehmeudeu Hämoglobingehalt, auch
das Gewiebt des Blutes wieder an und erreioht mit erfolgter Heilung die Norm.
Es scheint, dass in diesen Fällen Bestimmungen des Blu^ewichtes , die ja leiebt
in völlig exacter Weise atisfülirbar sind, den genauesten Massstab für den Grad
der Erkrankung und die Fort-schritte der Heilung abgeben.
Auch bei allen anderen Formen der Auftmie wird, sobald eine Verarmung
des Blutes an Hämoglobin vorbanden ist, ein Absinken des speeifisehea Blut-
gewichtes beobachtet, so nach Aderlässen (Becqi'EUEL und RoniEU) und anderen
Blutverlusten, hei sichweren AniUnien und bei Cachexien versebicdenen Ursprung! s.
Aaflfallend sind die Ktsultate, die bei Fhthisikeru gefuuden werden. Iis
hat sieh nimlieh herausgestellt, dass niebt selten gerade die schwersten FftUe von
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8P£ClFIäCHEä BLÜTG£W1CBT.
Lnagensohwindsucht ein normales, ja tbeilweiae sogar ein relativ hohes Blut-
gewicht zeipren. Die Erklftrunp für diese Tbatsache ist theilweise vielleicht in der
Annahme zu suchen , das9 die Anämie solcher Kranker nicht sowohl in Oligu-
ehromimte und Oligocythämie bettdit, Bondem dass in FMge der Comiib|^oii
die Gesammtblutmenge vermindert ist, theilweise aber kommt wahraoheinlieb noeli
ein SweiteH Moment in Frage, welches soffleiob eingebender gpwilrdiL't werden floll.
Es wurde oben schon erwähnt, dass eine Veni;ehrun^ der rothen Blut-
körperchen im Blute das apecitischc Gewicht des letzteren erhöhen mus.^. Eine
solche Hypergtobnlie tritt onn ttberaU da ein, wo in Folge von Cirealations-
störungen der Blutatrom über ein gewisses Mass hinaas verlaogsammt wird, und die
IJeobacbtnng'en zahlreicher Autoren lehren, dass nur ganz e-erinjrfüw'ige Stauungen
erforderlich sind, um das venöse Blut abnorm reich an Blutkörperchen zu machen.
Die Folge dieser „globnUteen Stase" ist ein Anstelgen des speeifiseben Oewiehtes
des Blutes in allen FSIIen, in denen die Circulation iu der Peripherie verlangsamt
ist. Wie hohe Grade die Biutconcentration erreichen kann, beweist eine Mittbeilnng
von Krehl (Deutsches Arch. f. klin. Med. XLIV"), der in einem Falle von
Stenose des Osiium pulmonale am Äderlassblut ein specilläches Gewiebt von
1-071 fand!
Diese Erscheinunfr. die bei Herzkranken gar nicht selten gefunden wird,
deutet darauf hin, dass bei dem Bt >ti'lu n \ <)n Circnlationsstöninf^en , wie solche
ja auch in vielen Fällen von Lunt^eutuberkuluse bestehen, diu Unteräucbung einer
in der Peripbere gewonnenen Blutprobe keinen Aufseblnss tiber den Znstand des
Oesammtblutes glebt und deshalb werthlos ist.
Die oben .Tufo'estellte Regel , dass bei der Chlorose und den meisten
Anämien das specitische Blut.^ewicht dem Häniuglubingehalt des Bltttes parallel
geht, erl«det nach Untersuchungen von Hamuebscblao nnd Sieol ^se Aus^
nabme b« der Anämie der Nepbritiker. In Folge der bydrimischen Besehaffen-
heit des Plasmas wird n.lmlich in diesen Füllen häufig die Dichte des Blntes in
höherem Grade erniedrigt, als dem Iliinio^'lobingehalt entsprechen wdrde.
Hammebschlag , S. SciiuLKUKF uud 8TK1N prüften den Einäuss des
Fiebers auf die Blntdiebte, erhielten aber widerspreehende Resultate.
Endlieh haben wir nooh na erwAbnen, dass Schle.';ingf.r in Fällen von
Pempbifriis. sowie nach Verbrennungen da* f-peei fische Gewicht des Blutes erhöht
fand, wie er annimmt, in Folge der Exsudatiou eiweisshaltiger Flüssigkeit aus
dem Blnte.
Verhalten des speeifisehen Gewichtes des Blntplasmas.
Nach einer von Hammerschlag angegebenen Methode kann das specifiscbr Gc-
wicht des Plasmas in folirender Weise bestimmt werden : in ein kurzes Capillar-
rohr von 1 — 2 Mm. Weite wird zunächst eine dreiprocentige Lösung von oxal-
sanrem Kali oder Natron eingeeavgt ; diese Lösung wird wieder entfernt nnd der
an der Wand den Röhrebens anhaftende Rest genügt, nm das sn nntersuehende
Bliit, das dann in das Röhrchen eingesandt wird, nngerinnbar zu machen. Man
lässt nun die blutgefUUtc Capillare, nachdem man ihre Oetl'nungeu mit Wachs
verseblossen hat, anfreeht stehen , bis die Blutkdrperehen sieh abgesetst haben,
dann wird das Röbrchen knapp oberhalb des oberen Endes der Blutkörpereben-
schiebt abgebrochen. Die Dichte des so gewonnenen Plasmas wird nach Hahmer-
SCHLAG's Methode ^s. oben) bestimmt.
Nach Untersuchungen an Gesunden fand Hammersculao das spccifische
Gewicht des normalen menseblieben Blutplasmas im Mittel = 1*030 (1*029—1*032).
Die an zahlrei<hen Kranken vorgenommenen Bestimmungen ftthrten an folgenden
Resultaten : Bei der Chlorose ist das spceillscbc (Jewicbt des Plasmas normal,
von einer iiydrämie kann also hei dieser Krankheit nicht die Rede sein. Bei
Anftmien ist es gleichfalls in der Regel normal und nur dann berabgesetst, wenn
die Annnii«> durch starke Rlutvcrln<-tc ent<tauden ist, oder wenn Oedeme bestehen.
Bei Tuberkulose und maligoen Tumoren ist es nur dann berabgesetst, wenn die
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SPECIFISCHES BLUTGEWIGHT. — SP1MNEN6IFT.
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Krankheit zu Caebexie hoben Grades geführt htt BA leConiS war M unr in
zwei Fitllen erhöht. Bei fieberhaften Erkrankungen war es verschieden, meist
etwas herabgesetzt, am häufigsten bei intermittirendem Fieber. Bei CiroalatioBt-
atSrnogen w«r es nieiDals erbolit (auch dann nieht, wenn — offenbar dnrdi
globalOse Staae — die Dichte des Gesammtblutea erheblich gesteigert gefunden
wurde), meist normal, in einigen Fallen herabp-esetzt ; der Eintluss verminderter
Diurese schien dabei hervorzutreten. Bei Nephritis war die mehrfach beobachtete
Herabsetzung des specitischen Gewichtes an das Vorhandensein von Oedemeu
gebnnden, wftbrend der Orad der Albaminorie ohne Binflnss darauf war.
Literatur: ') Rollet, Physioloj;ie des Blutes, in Hermann'.s Handbuch. l^'^O —
Becq.aerel o. Bodier, UotenachangQQ über die Zosammensetsang des Blutes. Deutsch
▼OB BfaenmaBii. Eriangen 1845. — *) Biehard Sehmalta, die ünteraoehang des speci-
fischen Gewichtes des menschlichen Blutes. Deutschrs Arch. f. klin. Med. 1890, XLII. —
*) Derselbe, Das Verhallen des specitischen Gewichtes des Blutes bei Kranken. Deutsche
med. Wochenschr. Ib'Jl, pag. 16 und Verhandl. des X. Congr. f. innere Med. Wiesbaden 1891. —
^) Erich Peiper, Das specifische Gewicht des menschlichen Blutes. Centralbl. f. klin. Med.
1891, Nr. 12. — •) W. Rumpf, Aikalimetriacbe Untersucbangen des Blutes bei Krankhelten.
Centralbl. f. klin. M,d. IPOl. pag. 24 und Dissertation. Kiel 1891. — ') Eykmann, Blut-
untenuchnngen in den Tropen. Yirehow's Arcb. 1891, CXXV. >- Sophie Scholkoff,
Zw SeBBtnin des ipeettaebeB Oevidites des Blatas unter physioIogtodieB und pathdlogisdien
Verhältnissen. Dissertation. Bern 1P92. — ') Ern st G ra w i tz , Klinisch-experimentelle Blut»
untersuchuuiren. Zeitschr. f. klin. Med. 1892, XXI. — Lloyd Jones, On thc Variation»
in the »j>ecißc gravUy of tkt Uood in htaltk^ Jonm. of Physiol. VIII, pag. 1. — ") Der-
selbe, Further obatrvationt on th* ^»dße gravUj/ qf the blood in heu Ith and ditea$e.
IMd. XII, pag. 4. — Bevoto, ÜeMT df« Diehta des VlnU» unter pathologischen Tsr-
hältni.i^sen. Zeit.srhr. f. Hrilk, XI paff. ,; — ,3. — Monckton Copeman, Report on the
specific gratity of the Olvoä in de.seu«e. Brit. med. Jonm. 24. Jan. 189L — ") Ottomar
Siegl, Ueber die Dicht« des Hintes. Wiener klia. Wochenschr. 1892, psg. 33. — ") Der-
selbe, lieber eine Verbes.sernng der Rov'schim Methode zur Blutdichtebestinimung und damit
anRestellte Untersuchungen bei Kindern. Präger med. Wochenschr. 1892. — Albert
Hammerschlag, Eine nene Metbode cur Bestimmung des specitischen Gewichtes des Blutes.
Zeitschr. f. klin. Med. XX, pag. 4— 6. — ") Derselbe, Ueber das Verhalten des speci-
flsebea Gewichtes des Blutes Ib KraakheiteB. Ceatralbl. f. kUn. Med. 1891 , pag. 44. —
*•) Derselbe, Ueber Hydrämie. Zeitschr. f. klin. Med. XXI, pag. ,5 — 6. — Glogner,
Ueber <la.s specifische fJewicht des Blutes des in den Tropen lebenden Europäers. Virchow's
Arch. CXXVi. pag. 1. — ") Hock und Schlesinger, Blutuntersuchungen bei Kindern.
Centralbl. f. klin. Med. 1891, pag. -Iß. — Schlesinger, Ueber die Beeinflussung der
Blnt- und Semmdichte durch Vi-rändernngen der Haut und durch externe Medicationen. Vir-
chow's Arch. CXX.X. — Heinrich S t i ii , Hinatoustiisch« Untersuchungen zur KeBBt*
niss des Fiebers. Centralbl. f lüin. Med. 109;:^. Biehard Sehmalts.
Spinnengift (Vergl. Real Encyclopädie, 2. Aufl., Bd. XVIII, paf. 506.)
Zu den giftigen Spinnen gehört nuch eine diMitsche .'^pecies , (' fi i z a cant h i h m
nntrix, die sich auf dem K x-lnnber;; in Bonn und im Odenwald findet und
deren Biüs neben einer leichten Schwellung als unmittelbare Folge heftigen
brennenden Sehmeri hat, der sieh nieht blos auf das gebissene Glied bcaehrinkt,
sondern auch Uber benachbarte Körpertheile sieh ausbreitet und tagelang anhält. ')
Das giftige I'rincip des Spinncngiftes wird wohl bei säramtlichen Gift-
spiunen auf ein Toxalbumin ^^oder mehrere) zurückgeführt werden müssen. Die
Arbeiten von Kobebt (nieht von Brieobs, wie irrthflmlieherweise angegeben ist)
beweisen, dass ein phlogogenes Toxalbumin bei einzelnen Thieren sieh nicht blos
in dem Kopfe, sondern in den ganzen Weiehtheilen findet. Besonders ist dies bei
Latrodectus luifuhris der Fall; aber auch junge Kreuzspinnen (Epeira d la-
de ma L.j enthalten in ihren Weicbtheilen ein solches Gift , das in älteren
Krensspinnen sieh nieht findet
Die Frage, ob es in Neuseeland versehiedene Arten giftiger Spionen
giebt, ist noch nicht entschieden, und es ist sehr wohl tnöirlifh, das,-< die mannig-
fachen Farbenvarietäteu des sogeuanuteu Katipo für besondere Arten gehalten
sind. Sehen Mlnnehen nnd Weibehen des an der Seeküste sehr häufigen Katipo
Beigen grosse Differenzen. Das Weibchen ist weit grOssw und hat auf d< r Mitte
des sdiwarzen Körpers einen bellorangerothen Streifen, der mitunter gelb einge-
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SPINNENGIFT. — STRYCHNIN.
fasst ist . während ruanchmal das Roth im Centrum sich ausweitet , so das« eine
kreuzartige Zeicbnang entstellt; andere haben rotbe und weisse Flecken längs
der Rinder des rothen Streifsiis. Das Mlnnchen hat eine aebnule gelbe Linie
auf dem Rücken, gewöbnlicb auch eine gleiche, aber weniger deutliche an 1)eidcn
Seiten. Der Name KHti]io f,,Nacbtsteelier" ist dem ThitTc beifrelegt , weil die
hpiniie zu dun nächtliclieo Thieren gehört und bei Tag nur beiä.st. wenn man
sie molestirt. Die einheimischen Neuseeländer scheinen durch den Bisä mehr
affioirk su werden als die Enropler, doeh wird «neh bd letsteren selb«! mehr^
monatliche ?>krankung beobachtet. -) Man schreibt dem Katipo keineswe^rs blosse
locale, cntzünduugserregende Wirkung zu, vielmehr soll das Gift auch allgemeine
Anästhesie und Paralyse bewirken, die seibät Monate währt. ^)
Literatur: *)Bertkaa, Sitatmgibw. der niederrlieiB. Geselladi. 1891. peg. 88. —
-) .T. W. K i r k , Lyon» and Blains Circular isiiii, pag. ; Proceed. of tlie Welliagton Field
Naluralists Club. 18 I»ec. 16H9. — '•) James Hector, Ebenda, pag. 22.
Tb. Hnsemano.
SplanCtanopt086, s. Enterop tose, pag. 248.
Spondylolisthetisches Becken, a. Beek en, pag. 96.
StaarOperatiOn, «. Cataracta pag. 122.
Stachelbecken, s. Becken, pag. 104.
Stauungeniere, ». HamcyUnder, pag. 394.
StrangulaUOIISileue, e. DarmetenoBe, pag. 193.
StryChnin. (Vergl. Real-Encyclopadie, 2. Aufl., Bd. XIX, pag. 249.) Als
atryebninbaltige Drogen sind ^n eoehinebineeisehes Speeifienm gegen Lyssa,
Sehlangenbi.ss und Lepra, das Hoang-nan, und ein in Afrika in ähnlicher Weise
wie die Calabarbohne zur Uelierfdhriinir der Zauberei l»eiiiit/,te3 Gotte.sirerieht<irif"t,
M'bouuduu, zu nennen. Das lioang uau ist ein Gemisch von Realgar, Alaun und
der der falseben Angnstnrarinde äbnlleben, vorwaltend bmeinbaitigen Rinde von
Strychnos GauUheriana. Das M^bonndon, auch unter den Benennungen Akazga,
Ikaja , Ka\* bekannt, ist der Stamm von Stri/c/inos Icaja. der naeh IIkckkl
Strychnin und Hrucin, nach Fkasek ein eigentbUmliches, dem Strychnin cbemi.sch
nabe verwandtes Alkaloid, Akazgin, enthält und dessen sieb aaeb die Monbuttu's
zur Bereitung ibres Pfcilgiftes bedienen.')
In Rezufr auf die DitTereuzen der Wirksauikcit <b's .'^trychnin^; bei ver-
»ehiedenen Thieren lilsst sieh aiid» nach den neueren, sehr surg'-samen L'nter-
äuehun;;eu, bei denen das Gift äubeutau applicirt wurde, nicht bestreiten, dass
sie erbebllcb sind. So beträgt die relaüv letale Dosis fttr Weissfisebe 6 bis
12 Mgrm. , für Frösehe 2 — 4 Mgrm. , flir Hühner 1 — 2 Mgrm. , für Kanineben
0*5 — U tj Mgrm,, für Katzen ()"75 Mgrm. tmd für Hunde <>-47 Mtrrni. F.-? ist
daher die Toxicität keineswegs davon abhängig, ob die Thiere (Jaruivoren, Uuiui-
voren oder Herbivoren sind. Selbst einzdne Frosebarten weiehen in Bezng auf
die Beeinflussung von einaiulrr ah, z. B. der gegenüber Ilana esculenta sehr
empfindliche italienische Jh'scixjlossui^ jiictiis.*) Die h-tale (labe i>t iiieht (Iberall der
Empfindlichkeit gegen das Gift proportional und liegt keine.sweg8 überall nur ein
Drittel höher als die krampferregendo ; so können Frösche bisweilen 2 — 2*5 Mgrm.
flbersteben, wftbrend sie schon naeh O'Ol Mgrm. und selbst naeh 0*006 Mgrm. in
tetanische Krämpfe verfallen. Die grösste rnempfindlichkeit unter den Wirbel-
thieren zeigen die Kin<rclii,i(ter und die Tagraubvogol des Stillen Oeeans. Sehr
unempfindlich sind die Weinbergschnecke und die Gastropodcn , völlig immun
Flnsskrebfl und Wasserkäfer.
Von besonderem Intere.s.se ist der Einfluss des Alters auf die Intensität
der Gittwirkun^' , der sicii smv ili! lici irrasfre^sendeii als \>v\ carnivoren .Sftuge-
thiereu äussert. Bei ueugeboreuen ivanincheu ist z. B. die minimal giftige und
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STBYCHNTN.
«71
die miaimal lotale D')sis Husserordentlich Loch, dann nimmt die Kmpßndlichkeit
bis zum 10. Tage scbnell und von da ab bis zum 60. Tage langsam ab. Das
VerbiltniBS beider Dosen ist in den verschiedenen Zeltrftamen «ehr diffisrent;
während beim neugeborenen Kaniocben wegen der hoben Resistenz g4^en Br-
stickung (lit; minimal letale Ho^hI-: das ITfiiehe der Kramj)fdü.si^ l»etrllgt , braucht
letztere bei illtereii Tiiiereti nur wenig (um 40 — ÖO" Überschritten zu werden,
um den Tod herbcizutübren. Analoges Verhalten zeigen Katzen, Hunde, Meer-
sohweinehen nnd Hlnse.
Von den Wirkungen des Stryebnina auf die ein7,elnen Constitnentien
des Organismus ist der delctäre EinHus^ auf die Lfukoeyteu hervorzuheben. Dieser
ist 80 stark, dass die weissen Biutktirperchen jodeäuial mit dem Tode des Ver-
snebstbieres ebenfalls absterben, wahrend s. B. bei Vergiftung dareh Cyankalium
und Curare die Lenkoeyten Überleben. Auf die Erythrocyten wii^ Strychnin
wenig ein. '
Bei Fröschen erzeugt Strychnin Diabetes, am .stärksten und nachhaltigsten
bei Herbstfröscben, nicht bei Sommerfröscben und bei eutleberten Fröschen ^) ; die
Menge des Olyeogens in Hnskeln nnd Leber wird dadnreh betraehtlieb herab*
gesetst. ')
()b><t'hon das (iehirn von Strychnin relativ wenig aflicirt wird und das
Bewusstsein bei Stryehuiuvergiftung regelmässig erhalten bleibt, lässt sieb doch
experimentell bei Thieren direete Beeinflnssang der psyehomotorisehen Centren >*)
nachweisen, die je nach dem Stadium der Strychnin Wirkung bald excitirend, bald
depriiiiircnd i-t. Kommt es nicht zu tetatiischeu AnfilUen, so tritt «-(»nsfant l^tei'j-ening
der Erregbarkeit der Hirnrinde ein ; sind diu Gaben dagegen hinreicheud, um Tetanus
herbeizuführen, so folgt anf das Stadium der erhöhten Erregbarkeit ein solches
der Herabsetzung und selbst der Vernichtung der Erregbarkeit. In dem Stadium
der Ilyperexcitabilität flndert sich ühnlich wie beim Atropin die jjhysiolog^ische
Abgrenzuritr der einzelnen motorischen Centren ; die lieizung eines (.'entrums setzt
sieb aui die benachbarten L'entren fort und die physiologisch unwirksamen Grenz-
gebiete erhalten die physiologisdie Kraft der Centren. Znr Hervorrofong der Hemi-
epilepeie gentigen während der Strychninwirkung weit geringere Ströme als
unter normalen Verhilltnissen. D;hs die Strychninkrämpfe vom Gehirn iiti-ililKiiiLnir
sind, beweist deren Auttreten in den Extremitäten nach Durebschneiduug des
oberen Habmarkes; gegen periphorisehe Entstehung zeugt deren Ausbleiben nach
Stiyehnineinspritzung in amputirte Extremitiiten.
Bei der trewrdinliehen Strychnin Vergiftung wird dem Leben gewöhnlich
durcti die tetaniseben Aiit".llle ein Ziel gesetzt und die Vergifteten gehen in diesen,
sei CH aäphyctiHch , sei es durch respiratorische Lähmung zu Grunde. Dass der
Err^ung Paralyse folgen kann, beweist der Zustand von Thieren, bei denen man
beim Einsetsen der tetanisehen Anteile kiinstliche Respiration einleitet, wonach
die Zuckungen allmitlig .'»chwäeher und die Thiere bald völlig bewegungslos
werdeu, so da^s nur das Herz fortschliigt nnd nur die durch die künstliche
Atbmung hervorgerufenen Bewegungen ausgeführt werden. Dieses paralytische
Stadium kann dureh zeitweise Strychnininjeetionen beliebig verlängert werden,
wobei die Thiere jr-^nz enorme Dosi n Strychnin ertragen , ohne dass der Tod
eintritt. W.Hhrend demselben sind die sciisibUn Merveu auch durch starke elektri.sche
Ströme nicht erregbar, ebenso wenig die motorischen, obwohl sie Impulse vom Centrum
her ttbM'tragen können; die Pulszahl ist verringert, die Pulsenrve erhöht, der
Blutdruck gesteigert. Asphyxie bewirkt keine Steigerung des Blutdruckes, sondern
Abfall ; auch die clektrisehe Heizung sensibler Nerven tiibrt keine Blutdrucksteigerung
herbei. Die Temperatur ist in l'^olge verriugerier W armeabgabe gesteigert ; Cocala
führt keine weitere Erhöhung herbei. ") Man bat dieses Stadium gewöhnlieh als
Curarewirkung des Strychnius aufgefasst , weil es meist zu completer L ihmung
der Nervenendigungen kommt.'-; l>(»eb existiren wesentlielie riifersehiede . auch
verliert beim Eintaucbeu des galvanischen Frosehpräparates in Strychuiulösuug
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STBYCHNIM.
der Muskel viel «her seine Reizbarkeit als der Nerv. ♦) Auch scheinen in Bezug
auf die Lflhmunp der Nervenendigungen Differenzen der Thierspecies zu existireu. ^^j
Sicher sind bei der gewöbniichen tetanisoben Vergiftung die peripheren Nerven-
endiguDgen oidit gdxhmt, aondero hflehstmia Ihre Erregbarkeit Temiindert mnd
anch bei enormen Doeen iut als Tudesonaebe centrale, nicht periphere Paralyse
anznst'Len. Ob man ausser der tetanischen und pnralysirenden Strychninvergiftung
noch eine besondere, durch sehr kleine Dooeu hervorgerufene, manchmal nicht als
Prodromatotadinm dos Tetanus, eoBdeni isolirt auftretende Form oder Periode des
Stryehniamns, die dch durch unTolIständige Contracturen und Zittern der Mnskeln
bei herabgeaeteter SendbiUtlt eharakterisirt , ansunehmen hat, mag dahingestellt
bleiben.
Daas die Functiunöstörungen des Rückenmarkes nicht von der durch däa
Stryefaain bewirlcten starken GtoflsaTerengemng abhingen, geht danns hervor,
dass die YHrkung auf das vasomotorische Centrum und die davon abhängige
Stoi^erunp: des Blutdruckes stets später als die Steigerung der Kcflexerrc^barkeit
eintritt, ^^j Dagegen geht eine starke £rreguug des Athemcentrums fast constant
dem Anftreten der Krlmpfe voravf , ohne daia es jedoch möglich ist , die Er-
regung der Medulla oblongata als Ausgangspunkt der Krämpfe anzusehen , da
in tiefer Chloralnarcose Strychnin Tetanus ohne voraufgehonde Athembeschleuni-
gunjr erzeugt. Auch auf den Herzmuskel übt Strychnin erregenden Einlluss aus;
Ligatur der venösen Sinus erzeugt bei stryohninisirten Fröscheu keinen Herz-
stillstand und intraoardial applioirtes Stryehnin hebt den eingetretenen HenstiU-
Stand wieder auf. Bei colossalen Dosen kommt es lur Lähmung des vaso-
motorischen Centrums und des Athemcentrums. möglicherweise auch des Herzens.
Dass die Leber ein Organ ist, in welchem sich das Strychnin localisirt,
beweist die Thatsaohe, dass in den mdsten tSdflioh verlaufenen Vergiftungsfälien
nnd ebenso bei Thierversuchen die Leber weitaus die grOaaten Stiyehninmengen
liefert. Allerdings kommt ein anderes Verbilltniss heraus , wenn man das Ver-
hältniss der Organe zu ihrem Ulutreicbthum in s Auge ta^st. Nach iBSEN ist,
wenn man das gefundene Strychnin auf je 100 Grm. berechnet, die relative
Menge dee Stryohnins im Blnte nnd in den ▼orwalteiid die Elimination des Stryeh>
nins besorgenden Nieren doppelt so gross, wie in der Leber und der in Bezug
auf die absolute Strychniumenge, aber auch in Bezug auf den Blut>?eha]t mit der
Leber gleichen Brustorgane. Die Angabe, dass Strychnin im Gehirn und in den
Kerreneentren ttbeihanpt in grösseren Mengen als in anderen Organen auftrete,
wird durch die neueren Untersuchungen nicht gestilt/.t. Dass die Nieren mitunter,
besonders bei Tbieren nach sehr rapide eintretendem Tode oder in sehr «späten
Zeiten protrahirter Vergiftung nur sehr geringe Strychninmengen enthalten , hat
nichts Aufnilliges; ebenso sind Differenzen bezüglich der Leber nicht unmöglich.
Fflr einen Einflnae der letsteren beim Strychniamns aprieht der Umstand, daas
entleberte Frösche auf weit geringere Strychninmengen reagiren als normale, be-
sonders wenn man das Gift von einer Darmschlinfre absorbiren lässt.
Dass das Strychnin den Organismus unzersetzt verlässt, ist umsoniehr
ansnnebmen, als die Anssehmdung nieht allmn mit dem Harn, sondern auch mit
dem Speichel und der Galle, vielleicht andi mit dem Schweisse geschieht. Die
Au8?cheidun:r durch den Harn bcfrinnt ungemein rasch ; selbst nach medieinalen
Dosen \J-b Mgrm. subcutan) kann beim Menschen schon in 30 Minuten Strychuiu im
Harne nachgewiesen werden. Bei vergifteten Menschen und Thieren gelingt der
Naehweia sehen viel frSher, naeh Wolff*«) beim Menschen nadi ^,4 Stunde,
nach Ibsen bei Kaninchen in 2' bei Hunden in ') Minuten. Beim Menschen ist
die Ausscheidung dureh den Harn nach einer einmaligen medieinalen Dosis in
24 Stunden, nach mehreren Gaben in 2 — 3 Tagen voUeudet. Bei Thiurcn kaun
50 Procent des eingefUhrten Stryehnins ans dem Urine wieder dargestellt werden ;
eine als Oxydationsproduet des Stryehnins (bei Behandlung mit Kaliumpermanganat
entstehende) bekannte Sflure, dieStrychninsänre, findet sieh nach Einführung
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STRTcmnu.
673
von Strydiiiui im Harne niefat, wihrend sie in diesem bei direoter £2nfllluf«n|f
von 2 — 4 Hgrm. stets nachweisbar ist.*') Die Menge des im Harn vorhandenen
Strychnins ist manchmal «rrösser, als die in der Leber vorhandene.^-) Dass Strychnin
der Fäalniss Wochen und selbst Monate (in einem Berliner Falle 11 Jdonate)
hindoreh widwstelit, ohne vOlIig destniirt zu werden, ist erwieien; doeh gilt die
Niehtserstörbarkeit in faulenden Materien nur für einen relativ beschränkten
Zeitraum . da in spilt exhumirten Leichen mitunter der Strychninnaebweis nur
schwierig, in Magen und Leber qualitativ und in anderen Organen gar nicht
geführt werden kann.
An Stelle des fruher zum physiolofrisclien Naeiiweise benutzten Frosehes
bedient man sich jetzt in gerichtlichen F.lllen wegen deren grösserer Empfindlich-
keit junger weisser Miiuse, bei denen schon 0*0012 — 0*002 Mgrm. die charak-
teristische ätrychuiu Wirkung erzeugen. ■^^)
In der Belumdlong der StryelininvergiftDng ist Chloml das mveriissigste
Mittel , das selbst dann noch lebensrettend wirken kann , wenn die Athmung
bereits stillgestanden hat und durch künstliche Athmung wieder hergestellt wurde. -*)
ürethan, Paraldehyd und andere Uypnotica wirken bei Thieren ebenfalls
lelransrettend , mttssen aber in grosseren Mengen beigebraeht verden, die oft
sehleeht einzuführen sind. (legen die Anwendung von Chlorofiaminhalationett
spricht der rmstand , dass dif* Xarkose häufig Stunden lang fortgesetzt werden
muss und damit die Bedingungen gegeben sind, unter denen die t(idtliche Nach-
wirkung des Chloroforms und anderer Anästhetica zu Staude kommt. In Wirk-
liebkdt finden sieb in der llteren Literatur zwei Fllle, in denen plOtsUoher,
unerkltrlieber Tod einige Tage nach der glUekUehen Chloroformbehandlung des
Strychnismus eintrat. Das von Gaguo-') empfohlene Stickoxydnl bat diesen
Nachtheii nicht, ist aber meist nicht bei der Hand.
An Stelle der mehr nnd mehr verlassenen Anwendung des Strychnins
bei Lähmungen (nur bei Kinderlähmung benutzt man Nux vonii'ca noch jetzt
mit Erfolg )i,-it yich das Alkaloid ein ncnc-i Oebranchsgebiet in der Behaudhmg
von acuten und leben^igefilhrlichen Schwächezustündeu den Ct ntren der Athmung
und der Circulation erworben. Der Grund dazu liegt in dem üben bereits ange-
führten Nachweise der Steigerong des Blntdmekes nnd der Herzthätigkeit einer-
seits nnd der Athcmbewegung anderersats durch nicht toxische (medicinale) Strych-
ninmengen. Als Erregungsmittel der Athmung tibertrifft nach Wood und Ckrxa -'^)
Strychnin bei chloralieirten und morphinisirten Thieren an Sicherheit der
Wirkung das Atropin nnd Coeain. Das Mittel passt aber nieht nur bei Ver^
^'ittuiigen mit narcotischen Stoffen zur Beseitigung drohender Lebensgefahr, bei
Asphyxie und Synoope in der Chlorofnrmnarcnse rOiBScN) , bei Schlangenbiss,
gegen den es in Australien und Indien mehrfach Empfehlung gefunden, sondern
auch hei Collapszuständen im Verlaufe acuter und chronischer KrankheiteOi
z. B. Sonnenstich (Barfdtb), bei Herzsehwttehe in Folge aeuter Lnagenaflfeetionen
(mit gleichzeitiger Sauerstnffinhalation), b^ acutem Lungenödem im Gefolge von
Herzkrankheiten Hau krs 1 1 o x ) .
Weitere ausgedehnte Verwendung bat Strychnin neuerdiogs auf Empfehlung
von LüTON'^, bei Alcohoiiamus aeutM und ckranieu», besonders aueh bei
Delirium tremi-ns nnd bei periodischer Trunksucht zur Entwöhnung gefunden.
Inwieweit hierbei die stimulirenden Effecte oder die durch Strychnin herbei-
geführte üefässzusammenziehung im Gehirn als Ursache der günstigen Effecte
anzusehen sind, steht dahin. Sicher ist das erste Moment vorwaltend in Betracht zn
ziehen bei der von Brunton empfohlenen Anwendung kleiner Dosen (0*3 — 0*6 llgrm.)
als llypnotioum bei l'cherarbeitung. Der Nutzen grösserer Dosen l' — ^3 Mgrm.)
in verschiedenen Kallcn von Asthma (Maysi ist in der Üeeinllussung der
Medulla obloncfuta zu suchen. Makaüliaxo emptiehlt Strychnin bei Herzerweiterung,
die durch mehrtigigen Gebrauch völlig verschwinden soll. Bbnbdigt rtthmt es
bei Chorea major und Ihral^sü agitana,
En^dop. Jahxbfielier. III. 43 '
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674
STRYCHNIN. — 8ÜG0ESTI0N.
Literatur: Barth Alemy, Aud* »ur 1e Hoäny-nän. Boll. d«tMrap. AoM )5,
1881* I'ag. ll>7- — *) Heckcl ii. S c Ii 1 a gden ha uf fe n , y»urtfle.s inhercJa- iliiml'jues et
jthf/siolo[^iifuf'f/ ,\iir /(■ Mliotiii'iiiii, fioifioti (l't'/>reui'e den Galmnui.--. Vergl. Husemann und
Hilger'i l'tlan7eiistoffe II, pap. l.-iüG. Encydopäd. Jahrb. JI. pag. 558. — *) F. A. Falck,
Toxikulogi.sehf; Untetsuchungen über Strychnia. Vierteljahrsschr. f. ger. Med. Is74, April,
Juli, pag. 193, \t. — *) Fodera, SutP azione jmralizzaute delln stricnina. Ann. di Chim.
Not. 1o91, pag. Ü 59. cotuportawf »to ji.siofo'jini (1(1 Dismyfosnus pictus. Ibid. Febbr. Ls92,
pag. 101. — U«ckel, Ri»i»tanct den animatix ü l'action de certaina ^ittona. R«t. des
Sc. nat. appl. 1892, Nr. 1. — *) F. A. Palek, Uabar deo Btnflnss d«e Altm« aaf die Wirkm«
>1.s Stryr.hnins. Itlüfrer's Arch. ls<4, XXXIV, pag. 531: IB'^'i. XXXVI, pa- f.^,-). Lau (Fal.k),
b«itrag zur Wirkung des Strychuinü. l>iss. Kiel löSö — ■,! Maure I, ^it tinn liu .- iiljutt: de
atrycknine «ur /<* Itucmijte-i. Bull, de thtrap. Mars 1892, i)ag. 259. — -) Langendorf,
Untermuchung ttber die Zackerbildnag in der Leber. Arch. f. Anat. u. Physiol. Abth. ls8ö, Suppl.-
Bd., pag. -.>69. Oerloff, üeber den Strydurindialietei. Kiel 1888. — *) Demant, Ueber den
Einfluss di'.s .Strycliiiins nnd Curare aui lU-n GlycogeBRellBlt der Leber. Zeit.schr. f. pliy.siol.
Cliemie. 186Ü, X, pag. 441. — '"^Biernacki, Ueber die EinwiAang des ätrychnina auf
das Oroaahiru. Therap. llonatafa. Aai;. 1890, pag. 422. Fodera, Aeione deth tMtnina aui
riHtri jtsirhomotori. Arch por le Sc. med. 1892, XVI, Nr. 2, pag. 201 — ") Peichert,
Kj-pir. i»vc.>tif/(ili'jii.s on it t Uiiu actione o/ xtrychnine. Tliorap. Gaz. Marz-.hmi 1892. —
*') Vuipian, De l'aition tfuexficent les fortt« doses ih nfn/rhniiic nur la motricitf des
ner/t. Compt. read. 1882, XCIV, Nr. 9, pag. 555, 18 — ") Poulesen. Ueber die lähmende
Wirkung de» Strychnins. Nord. med. Ark. XXI, Nr. 10. — •*) Cooty, Sur la premi^re
j.,'f,'.„/t i/e /(/ .ytnjchniuisatiou CMtiipt. r«-nil. Suc. Binl. 1SS3, pajr. (il 1. — '*) Denys, Zur
Kenntnis.s der Wirkung des Suycliuiii.s. .Arcli. f. exp. Path. ISS.i, XX, pag. 3U7. Schüuiugh,
Ueher die Wirkung des Strychnins aaf den Kreislauf. Dis-s. Kiel. — '*) Brun ton n. Caih,
Bartholom. Hosp. Rep. 1.SS2. XVI. pag. 230. Lazzaro. Sulle vtodifii azione ■•^Hbite d< } cuore
per inßucnsa della siricniua. Ann. di Chirn. I>ept. ISSS, pag. 1H4. — '") Ibsen. Uebf»t das
Verhalten des Strychnins im Organismus Vierteijahrs.schr. f. ger. Med. Ib9~. S F.. IV,
Hett — '-'*) Boger, Action du /oie 9ur la itrychnine. Arch. de phyeiol. 1892, Nr. 1,
pag. 24. — **) Kratter, ünterancfamig über die Abtebeidung Ton Strychnfn durch den Harn.
Wiener nu-d. Wochenschr. 1^82, Nr. S — \\\, — ") Wolff , Einige Falle von Stryrlmiiiver-
giftnng. Herlin iss?. — v. lia u t e n f e 1 d , L'elier die Aus.scheidung deis ?iry< hniu.s. Dor-
pat 18^. L)ragendorff, Die Abscheidnng des Strychuin.s. Pharm. Zeitschr. f. Russland.
1884, pag. 765, 777. — ") Dixon Mann, On the rate of absorption and eiimination in
dtrijchui'i jtoi.^'inhii/. Med. Chronicle. Mai 18,89. — ■^•') F. A. Falck, Beitrag anm Nachweia
de" .^Irycliniii!^. Vi.Tt.'lJalirsdir. f. L-er. .Med. 1S^4, XLI, pag. 345. — '*) Cohn, Kiii Fall
von äirychninvergiftang mit glücklichem Aasgange. Tberap. Honatsh. Dec. 1887, pag. 481. — '
'*) Gaglio, /{ protorido tVazoto nelP «iw^enamento eon la »trienina. Ann. diChln. Mano
]F.*^S, pag. 175. — ^ ) Wood. Sfri/rhttiin- nx n re.-fdruturi/ stitnulant. Vlrchow's Festschr.
1891, pag, 381. Wood und Cerna. The cßtct of dnnjs Uwf other agtncie« upou tiit rt.spi-
rutui y moi ementj<. Joum. of Phys. 1S92. XIII, pag. S70. - L u t o n , AlcuoUxmr et atrychnine.
Bull. gen. 15. .Juin 1882, pag. 473. — Benedict, Strychnin als Antiapaaticum. Wiener med.
Blatter. 1 89ü, N r. 33. H u s e m a n n.
Subcutane Infusion, s infusiou, pa^. 427 ff.
Suggestion, Suggestivtherapie. Psycbi.'^cbL' Behaudluii^. Nach-
dem die Keal-Knoyclopfldie und did Jabrbflcher (vrr^l. EncyclopSdisehe Jahrbfleber,
Hd. I lind II, die .\rtik(l ,.Suiiir»'.stivthcr.ii)ie" vou v, CoRVAi.i bcri'its aiisfQhrliebe
narstellinifren über dou 11 ypnotisiini.s und >ciiu' tlu'r.-jpoiiti.-chf Verwerthunir f;e-
bracht haben, kann die Aufgabe dieses Nacbtr.-ii^tij nur in einer Itlr^änzun«; der
»cbnii vurliegenden Beridito durdi einen Ueberblick ttber die neuere Literatur,
besonders des verffjsngoien Jabres, besteben.
Die letzten PnhlicationtMi auf dem ficbiete der Sujrfrestion lassen sich nach
ihrem Inhalt ointheilcii in t b c o r e t i s i« b e re>])eetive psyeholofjiscbe , zusammen-
faȊeude und therapeutische Arbeileu. Die He.sprechuug der Jourual-
artilsel bat vorzngsweise die Faehzeitsehriften zn bertteksiebtigen. Am
Scblttsse di's Referates wird ein kurzer Ueberbliek Aber neuere suggestiv-
tberapcuti.'^elie Arbeiten Av^ Verfassern l'latz linden.
Der bekannte Physiologe W. Wl.ndt hat ueuerdings in einer psycbo-
logisehen Studie seine Auffassung von dem Wesen der Suggestion mit gut heilt. Er
veratcbt unter Suggestion Association mit gleicbzeitiger Einengung des Bewusst-
seiii.*» auf die dnrcli die .\'<-nci:iiioii :iii-ore-Jt< n A'i'rstellun^ren , sd das« wider-
-^treliende stelisehe Verbihdun;:eu nicht zur Wiri<iin,ir ir^'bmijen. Aciinlieb wie im
l räume die Dissociution der psychiselieu Dynanii.Nmeii eine intensivere Gefühls-
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SUGGESTION.
675
betunuug der Vorstelliini^en zur Folge hat, ähnlich rafen die wirksam werdendea
ütAi» im hjpnotisehen Zustande eine gesteigerte Reaction hervor. Einseitig an-
gespannte Hirnth.ltigkeit ist enor^n^cher wirksam und geht Hand in Hand mit
einer vermin<ierten Errecbarkt'it anderer Ilirntbeile. Die F]mi>fiudunfrsstUrkü
der suggerirten Vorstellung kann ecbliesslieh den Charakter der ^Yirk lieh keil
annehmen. Der Befehl, eine Handlung vorsnnehmen, erzeugt snnlohst die Vor-
Stellung? tlersclbi'ii. darauf in Fol{?e der festen Associatiou des (lesichts- und Wort-
hildrs mit den Muskelenipfinduniren den Triel» . die fttr die Handlung,' nötliigen
ilewe^uugen auszuführen ; dieser Trieb nimmt scbliesälicb bi^ zur Unwiderstebliob-
keit zu, je nachdem die Hemmungswirkun^ der im normalen Zustand associirteu
Gegenvorstellnngen abgesebwieht odw anfgebobMi ist Die Willenshandlung wird
Kur Triebhandlung^ die active Anfmerksamkeit ist »nf die Stufe des i)a3sivon
Wnllens herabfresetzt. Wie schon früher v. Hentivkgn'I '"l. so weist neuerdings WllNDT
darauf bin, da&s iui Zu.stande des eingeengten liewusstseins uiclit der Wille, sondern
die willkflrliehe aetive Aufmerksamkeit eingescbrilnkt , respective aufgehoben sei.
IJas apperceptive Vermögen für Iii. pulse von aussen ist gehemmt. Die Darlefiiin;?
Wi ndt's bietet trotz ihres bypothetisehen Charakters eine sieh den Thatsacheu
verbültnissmAssig gut anpassende Lmsehreibung. Sie verdient eingehendste ISe
rflcksicbtiguog trots einer grossen Reibe nnsehwer na^nwwsender Irrtbfimer,
besonders im polemischen Theil seiner Arbeit. Er kann sieh nicht entschliessen,
der Sii^Tire-tion auch als experimenteller Methode für die PsyelHdoirie cinijire Me-
deutung zuzumessen, wojiegen ihm die thcrapeulisehe Anwenduuf? des Hy|)n<»ti<iiuis
isegeuäreicb und für die Zukuult vielversprechend erscheint, besonders auf dem
Gebiete functioneller Kerrenleiden. Ueber die viel discntirte Frage der Oefilhr*
tiebkett äussert sich Wl'M*T fol^endermassen : ,,lJic Hypnose und Suggei^tion ver-
einiu'en. wie so viele andere Heilmittel, in sicli die Eiireiisehüften des HeilmitteU
und des hcbiidigenden Eingrifies. Nun bleiben Morphium und Arsenik darum nicht
weniger Heilmittel, weil ihr gewohnbeitsmässiger Genuss schwere iäehfldigungen
der ( W suadheit mit sich fubrt** Mit Recht verurtbeilt WüNiyT das Hypnotisiren
ilrztUch uniresehulter Diltltnnfen.
Mit den Erscheinungen dts llapportes in der Hypnose be^ellät'titrt sich
eine sebr umfassende Studie MoLL i». ^} Wenn die Symptome des Kapportes
(Isolirrapport, pwsOnlieher Einfluss ete.) bisher den wiehtigsten Stutzpunkt fOr
die Lehre vom animali>clien Magnetismus darboten, so wird im Gegensatz zu
dieser Anseliannnp durch zahlreiche, vielfach variirtc Experimente in der gen:umten
Schrift der zwingende Nachweia für die autosuggestive, respective psychische >>atur
dieses Phänomens geliefert. Ein historisehes Seitenstflek su dieser Untersuchung
bildet eine vom \ < rfasser dieses Referates mit besonderer Herücksiehtigung der Sugge-
stiousiehre bearbeitete und lieraiisL'eui'lMMie Krankenueseliiehte HKirHF.XHACH'.s ' , in
welcher die im Sinne der Lehre des animalischen Maj^nctismus f^edeuteten üJversucbe
ebenfalls auf Fehlerquellen und uobewnsste Suggestion zurückgeführt werden.
Spitta's Analyse der Schlaf- und Traumsnstände In xweiter stark er-
weiterter Auflafje wird von allen Anhängern der hypnotischen Forschung besonders
freundlich anfVen<>ninien werden a's werthvolles Nachschlafrewerk. Leider steht
der Verfasser mit ^einer Aullassung der hypnotischen Erscheinungen, welche er
durch kflnstlioh erregte Einseitigkeit des Bewusstseins auf abnormer Basis zu
t rkliiren sucht, auf einem veralteten Standpunkte. Weder die Arl)eiten der Pariser
Schule, noch die tre-nmmte Literatur der Xancyer Schule, deren Titelaufzilhlun^; allein,
wie DKä:SOiK'i» ') Bibliographien zeigen, eiuen Hand ausfüllen kann, sind von
Spitta btrücksichtigt oder auch cur in den Quellenangaben erwähnt! Ein be-
dauemswerther Mangel, der den Werth des Buehes erheblich beeinträchtigt!
Die weitreichende Bedeutung psychischer I'linflüsse in der Entstehung und
Heilunfr von Krankheiten behandelt STKrMi'F.r.L • ' i» seiner lieetoratsrede. Er be-
dauert, dass die wissenseliaftliche Heilkunde in eigeuthümlicher iielau^cnheit sieb
lange Zeit der Anerkennung und dem Studium gerade dieser Thatsaehen ferngehalten
43*
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SOGGESTION.
babe. Naeh s^ner Mwoimg Isaaeo rieb viel leicbter nnd prldser die Einflflaae seelteihar
ErreguDgen auf nDBere Körperlichkeit feststellen als umgekehrt die Abbttngigkelt
der Bewu8stseinRzu9tJlnde von kf^ryx-rlii-hen Verfimlerunfren. ,:t)ie blosse Anjrst
vor eiuem Mag'enleideu kann alle sabjectiven Eiuptindun^ea eines solchen hervor-
ruten ; durch die Furcht vor einem Herzfehler können alle subjectiven Erschei-
Bungen dcssetben ontsteben. Immer ist hier die VoTstellitng de« Primire , der
körperliche Zustand die nothwendige Folgre. Nicht von eingebildeten Krankheiten
dürfen wir also sprechen, sondern von Krankheiten, die durch Einbildunff, d. h.
durch Vorstellungen , entstanden sind. Wie weit die Beeintiusäung dea Körper-
lieben darob das Vorstellnngsleben leieben kann, ahnt Derjenige nicht , der diese
Einilüsse nicht eingebend -tudirt bat. So kann die VorsteUang der Lähmung
schliesslich zu wirklicher Lähmnn.i;, die Vorstellung einer erwarteten Empfindung
zur Hallucination führen.^' Ungemein gross erscheint Strümpell die
Bedeutung der Vorstellungen für dieHeilung von Krankheiten.
Die Vorstellnng der sieber gefundenen Hilfe kann die angstvolle Anftegang des
Bewosstseins und auch alle hierdurch entstandenen körperlichen Folgezustftnde be-
seitigen. Diese therapeutische Wirksamkeit des psychischen Factors kann sich
natürlich allen son.stigen ärztlichen Hilfeleistungen beigesellen. Die Macht der
VtHTStellnngen ist die gefthrlidiste Waffi), welehe dem sogenannten Oarpfnseher-
tbum in seinem Kampfe gegen die wissenschaftliobe Heilkunde zu Gebote steht,
..(■ine WartV, die nicht eher an Wirksamkeit einbfls.sen wird, als bis die zunehmende
geistige Volksbildung ein allgemeines Verstäodniss für diese Verhältnisse ermög-
liebt'*. drsOifPELL empfidilt warm die Anbahnung einer rationellen psyehiBohen
Therapie (naeh den Geriebtspnnlcten Rosbnbach's *) und eine dem entspreehende
psychologische Vorbildung der Medicinstudirenden. Dagegen vertritt auch dieser
ausgezeichnete Neuropathologe noch immer die längst widerlegte , veraltete , bi.s
zum Ueberdruss erörterte Anschauung, das^i die Hypnose nichts Anderes sei, als
dne kflnstlieb berrorgernfene sdiwere Hysterie und malt das Gespenst der GeAbr-
liebkeit öfterer Hypnotisirung su Heilzwecken in lebhaften Farben aus.
In derselben Bahn missverstiindlicher AulTas-sung des Wesen.s der Suggestion
bewegt sich die populäre Broschüre des Klinikers Professor Schultzb '■') in Bonn. Ab-
gesehen davon, dass diese kleine Arbeit nieht einen dnaigen neuen oder fruchtbaren
Gedanken eutbilt, sondern eine blosse Wiederholung zusammengestellter und theil-
weise widerlegter Sätze anderer .\iitoren , behandelt sie keinen der erwähnten
Gesichtspunkte erschüptend und ermangelt, ebenso wie die Arbeit Stri mpell's,
jeglichen Nachweise« durch casuistischea Material. Man vergleiche mit diesen
BroBchltren s. B. die Werke Rinoibb's oler BBRNHBUi'd, die, wie a. B. aneb
Verfasser diesen, jede ihrer positiven Behauptungen durch ein umfassendes Material
an Experimenten und Krankenge-»chichten begrilndet haben. Wenn berufene Ver-
treter der medicioischen Wissenschaft den Anforderungen der empirischen Beweis-
methode SO wenig Rechnung tragen, so darf man rieh nieht wundem, a. B. Aber
die salüupsychologischen Bonmots dt s Herrn SCHMIDKUXZ •) und Genossen. Forel
bezeichnet das Psychidogi(>\verk dc'^ Letzteren mit vollem Meclit .-tls eine ..kritik-
lo.se, unreife Schrift, die allseitig abtällige Beurtheilung erfahren hat ". Das gilt
in noch höherem Grade von dem neuesten Werke desselben Autors, seiner gemein-
fassUeben Darstellung des Hypnotismus. Wie kann man ein solebee Werk ttber>
haupt ernst nehmen, wenn der Verfasser „des grimmigen Ernstes vergessen und
^ieh zum Besehlnss an heiteren Weisen erholen will". Ausi'dhrungen , wie die
darautl'olgenden (pag. 244 j, gehören in ein Commersbucb, aber nicht in ein Lehr-
buch, auch wenn es populfir geschrieben ist.
Einen erfreulichen Gegensatz /n diesen .\usla.ssungen bildet die dritte
Auflage der bekannten „experimentellen Studie auf dem Gebiete des Hypnotismus"
von V. Krafft-Ebixg. Dieser bereits aus den zwei ersten Autiageu genugsam
bekannten Krankengeschichte hat der Verfasser ein kurzes Resnmö über seine
seitherigen Er&bmngen auf dem Gebiete der Suggestion und Suggeetionstberapie
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SUGGESTION.
677
hinzugofdpt. V. Krafft-Ebing fasst das Wesen der Hypnose auf als einen sohlaf-
artigen Zuütaod, io dem man zwei Gradstufeu unterscheiden kann, die der „Scbiaf-
trankenheit und die dei Schbfes". Der eotoebeidende ÜDtenehied zwisehen beiden
ist damit gep:eben , dasa der Hypnotisirte im ersteren Zustand der Apperception
der Vorofänfre in der AiiHr?enweIt nicht verlustig ist, *=ich alles mit ihm in diesem
Zustande V'orjfegaii^eneu Linterher erinnert, da ja sein Selbstbewusstsein keinen
Augenblick verloren gegangen war. Im hypnotischen Schlaf dagegen, der ein
Boheinbar natttrlieher oder ein eomaartiger oder dn somnambniiamnsartiger enn
kann, fehlt wahrend seiner Dauer das Bewusstseiu der Aussenwelt und die Fähig-
keit der Beeintlu.ssunfr durch Reize tlesselben. Nach dem Erwachen besteht
Amnesie. In dem Zustande der Schlaftrunkenheit dürfte nach dem Verfasser
wobl Jedermann verietst werden kOnnen bei günstigen aeeliseben und Aassen-
bedinipingen, und zwar um so leichter, je willens- und denkkrSftiger das betreffende
Individuum ist. Der tiefe hypnotische Schlaf dagegen ist bei nnr etwa 15%
Versuchspersonen zu erzielen.
Das hypnotisdie Verbreeben beschrflnkt neb im Gegensatze su der pupu-
Uren Meinung im Ganzen auf das Laboratorium, während beräts die Anzahl
unsittlicher Attentate auf im tiefen hypnotischen Schlaf befindliche Personen eine
iiuinhafte irewordon ist. In der posthypnotischen Suggestion verbrcclieriscben In-
haltes .sieht V. Khafkt-Ebino keine Gefahr, mit der Gesellschaft und Justiz zu
rechnen sn haben. Einmal gelingen derartige Suggestionen hOehst selten in der
für die genaue Durchführung des rerbrecherischen Planes nothwendigen Weise,
(v, ScHR. I , andererseits lassen sie verhältnissm.'i-jsiy: leicht den ititelleettiellen
Urheber des Verbrechens eruireu. Uebrigens macht der Automatismus des Handelns
die bdividnen noeb dnrdians nicht bestimmnngsunfthig. Auch in den neueren Pro-
eeesen erwies sieb jener Zwang, den man durch Hypnatisirnng zu erkiflrai verfnefate,
regelmässig als Autosuggestion oder Wael)sug^''esti'in seitens eines r>ritteii. Da aber
immerhin die Möglichkeit solcher verbrecheriseheu Ausnützung vorliegt, so sind
gesetzliche Bestimmungen am Platz, dass die Hypnotisirung nicht anders als zu Heil-
nnd wissensdiaftUeben Zwecken geduldet werde, und zwar nur von geprflftcn Aerzten.
Ein im tiefen hypnotischen Zustande ßeiindlicher darf im Sinne des
Gesetzes als willenlos betrachtet werden. Die Handhaben des deutschen Straf-
gesetzes fUr solche Fälle finden sich in den ^.48,52, III, 15^, IGO, 17Ü, 182, 240.
y. Krapft-Ebinq empfiehlt die therapentisehe Anwendung der Hypnose
wann. Sie ermöglicht eine zielltewusate willkürliche Hervorrufung von Stimmungen,
Strebungen. Ge(l;uikenrichtiiiigen und körperliclien Zuständen. AlIerdinL'-s kann
man bei functionellen ."Störungen Erfolg erwarten. Die Hypnotisirung ist besoudera
dann anzuwenden, wenn die Wachsuggestion (der moralische Einfluss des Arztes
anf den Kranken) niobt ansreieht. Oflnsttg zn beeinflussen sind naeh der Er-
fahrung der Verfassers: Charakteranomalien in Folge fehlerhafter
Erziehung, Beschränktheit und Aberglauben, zur zweiten Natur
gewordene Gewohnheiten, kränkhafte Bedürfnisse (z.B. Alko-
kolism'ns, Morphinismus), Stimmungen undGefflhle, femerKrank-
heitsz ustände, die das Prodnet autosuggestiver Einflüsse dar-
stellen (Lähmtingen der Hysterischen etc.). „Ks handelt sieh aber hier-
bei nicht um das Ausreden von Einbildungen , wie der Laie meint , nicht um
Leistungen der Logik und Dialektik, sondern um complicirte psychophysiologische
Vorginge, die nur der psyebiatriseh und neurologiski gebildete Arzt verstehen
und mit Aussicht auf Erfolg beeinflussen kann." — Verfasser bedauert, dass es
heutzutage noch hervorragende Aerzte giebt. welche aus l'nwis-ienlieit oder Vor-
urtheil die Ihatsachen der hypnotischen Suggestiou ignoriren und damit auf eine
Heilpotenc von grosser Bedeutung zu ihrem Schaden nnd Derer, welche bei ihnen
Hilfe meh» , verzichten. Yia Allem glaubt v. Krafft Ering nicht, d.is< der
Arzt, wenn er auch nueh so grosses Ansehen habe, im Stande sei, durch den
autoritativen Eiutluss im Wachzustaudo alleiu auto»uggestive Lähmungen ohne
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e78
äüGGESnON.
Weiteres zu beheben oder auch die gestörten FuDOtiooen des Schlafes, der Men»
straation, der Cireoktioii ete.
Fflr den bypnotisehen Zustand ist es ebarakteiistiseh, daas in ihm Nerven -
peliiete behcrrschbar werden, die im w;ir>hen Zustande snichem Einfluss nicht oder
nur indireet und unviUkdinrnrn erreichl»ar Rind. Für die directe Beeinfiussun? der
Leiblicbkeit lictert diu experimentelle ätudie des Verfassers geradezu clasäiscbe
Beitpiele (Erseugnog loealer Erytheme und Blaaen, Ton Temparatnrrerindernngmi
dnreh Sn^gestion).
Vm eine Dauerwirkung- der durch Snirsrestion erzielten Erfolge zu erreichen,
ist die individuell angepasste Redactioa und Curaulirung der
Sitzungen oßthig. Aneh kann der Kampf der Fremdsuggestion gegen den
autosnggestiven Widerstand ein langer und mllhaamer sein Dem bekannten aaao-
ciativen Verfahren der Nancyer Schule ist unter den verschiedenen Proceduren zur
Erzeugung der Hypnose der Vorzug zu geben, l'ngünstige Folgewirkungen sind
durch geeignetes Erwecken zu vermeiden; da:$äelbe muss auf rein psychischem
Wege unter Snggerirang posthypnotiiohen Wohlbefindens geschehen.
Die Frage der Leistungsßlhi^'keit hypnotischer Behandlung betrachtet der
Ver^isser noch als eine offene. Auf dem Gebiete der I'.syohiatrie sind tQA
Vornhereiu keine grossen Erfulge zu erwarten, uud zwar:
1. „Weil psychisch Kranke nur ansnahmsweise in jener geistigen Ver-
fassnng der Aufmerksamkeit. T'nbefangenheit, GemtithRruhe und Willenskraft sind,
die cum r;eliii;ren der Hypnose überhaupt erforderlich ist;
2. weil viele psychische Erkrankungen auf organischen Veränderungen im
Gehirn beruhen und die psychische Behandlung doch nur funetionelle Störungen
beseitigen kann;
8. weil gewisse* Symptome f'wenn auch nicht gerade nachweisbar die
Foljre oriranischer Veränderuni^en im psychischen Mechanismus) so fest fundirte
Phänomene sind, da^ä &ie suggestiv kaum uugreift^ar erächeineD.*^
Dagegen ist theoredseh bei den Psyehoneurosen (fnnetionellen
Psychosen) ein Erfolg hypnotisch suggestiver Einwirkung zu erwarten, sobald
Krankheitshewusstsein vorhamieu ist iiiul Eigtrin-r zur Hypnose überhaupt besteht.
Der herrschenden psychiatrischeu l erminulogie entsprechend wäreo nach V. K&afft-
EIbing folgende Störungen fDr diese Behandlung geeignet: die KelancholiA
sine delirio, das Heer der Nenropsyehosenf speclell Hysterie, Hypo-
chondrie, Neurasthenie, Psychose in Form von Zwangsvor-
stellungen, der A 1 k 0 h o 1 i s m u 8 , Cocainismus, C h I o r a 1 i s ni u s,
Morphinismus, Nicotinismus, psychische Impotenz, couträru
Sexualempfindnng; femer nnter den symptomatis^eo körperlidien St5mngen :
Agrypnie, Anorexie, Obstipation, Neuralgie.
Ueber die Neurasthenie vergieiehe man die monographische Dar»
Stellung am Schlüsse dieser Arbeit.
Uncugänglieh für Suggestion bimben naeh v. Krapft-Ebino : Whrk*
liehe Epilepsie (wohl suginglieh ist die Hysteroepilepsie), Athe-
tose, Paralysis agitans.
Dagegen bietet die hysterische Neurose in sulchen Fallen, in denen
die Hypnotisirung gelingt, ein dankbares Feld und lässt »ich dauernd heilen.
Am Sehlusse des Buehes beriehtet der Verfasser eine besonders spreehende
Skizze eines Falles von Fft/ Sterin (gravis, der in circa Monaten durch
Suggestion peheilt wurde. Ein und zwei .lahre nach ICntlassung wird Patientin
als ein Beispiel dauernder Heilung durch Suggestion in biiih<'nder Gesundheit den
Besnehern der Klinik vorgeetellt. Unter den beseitigten Syniptomen sind hervor-
zuheben ein 14tägiger deliranter Dimmerzustand, elassisehe A n-
fJllle von H y s t e r 0 e p i 1 e ps i e 'nrc de cerce, gm/ids mouninrntfi. ptriode
du dth're/ und S u i e i d v e r s u e h e. .Sogar eingehende l'ntersuehung nach Ütig-
matft /»//itfrioe föllt bei der zweiten Vorstellung negativ aus.
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SUGGESTION.
679
V. Krafft-Ebinü's ausgezeichnete Arbeit bedarf eioer Empfehlung nicht ;
dte Brginznnfr dureh das S^niwapitel in der 3. Auflage wird ueherlieh zn einer
Allgemeinen Würdigung der Suggestionstherapie beitragen.
Erwälhneriswerth von netuTen Schriften erscheint ferner iler Vortrag des
Dr. Robert Üinswanoer iKreuzlingen, Constanz; auf dem IX. Congresse fUr
innere Mediciii zu Leipzig (1802}. Im Gegensatze zu den durch sorgfältige Beot>-
aehtung und Naehbeol^ehtung gewonnenen Sehlussfolgernngen v. KRAFFT-EeiirG's,
glaubt BixswANViF.ri nur an eine temporälre Wirkung der Saggestion bei Hyste-
ri sehen und will niemals eine Radiealheilung gesehen haben. Er hat si<'h in
einem J:'alie vou Neurasthenie bemltht, durch nächtliches eiustündigeü äuggu-
rirenlasten (von 10 — 11 t'br) Schlaf su ersielen, was allerdings gelang. In einem
anderen Falle wirklicher Hysterie erzielte Hixs\vax(;er nur vorUbergebend
Besnernng. Nach den Aufstelliinjrcn seiner im I »hrif^fii sehr ver-itfindigen BroschUro
scheint H. Bi.sjiVVANcjEK doch eine zu geringe Erfahrung zu besitzeu, um darauf all-
gemein giltige Sätze aufbauen zu k((nnen. So glaubt er, dass die suggestive
Methode dureh die Untieheriieit der Wirkung eine allgemeinere Anwendung in
der ärztlichen Praxis nicht finden, sondern nur in den Händen einzelner Specialistea
bh ilun werde, dass die Elektrotherapie verhältnissmässig viel präcist«r wirke und
im Geginsatze zur .Suggestion eine absolut sichere physiologische Wirkung besitze.
Uebrigens ersebeint uns der Schritt von den elementaren physiologischen Experi-
menten sn der Ausdehnung, welche heute die verschiedeneu Arten des elektrischen
Stremc^ zu Htil/wrckeu gewonnen haben, dfK'h ein wenitr zu gross zu sein, un>
ohne Weiteres einen Vergleich mit der Suggestion zuzulassen. Auch vou deu
gewiegtesten Elektroth»apenten wird bereits heute zugegeben, dass ein grosser
Theil ihrer Heii«rfolge (nach Möbius vier Ffluftel , nach Bulkkbuhg ein FttaftelX
auf den snbjtctivcii Factor der Olllubigkeit zurnckziifjilircit <ei . und soweit bis
jetzt rontrolversiiclic unter Ein und Ausschaltun;r dir Suggestion vorliegen,
spreeheu dieselben iu viel höherem (jrade für die ]\litwirkung , rcspective den
alleinigen Einfluss der psyehiseben Faetoren in der Elektrotherapie, als auch ex<
treme Anhilnger der Suggestionslehre im Voraus vermutheten.
Wie BiNSWANGKB. so hat auch der Neurologe P^wald IIkcker i-) (Wies-
baden) sich veranlasst gesehen, seine Erfahrungen auf dem Gebiete des Hypno-
tismus in einer kleinen Schrift niederzul^en. Seine Erfahrungen haben ihn zu
einer unumwundenen Anerkennung des Werthes der Suggestion hingeführt. Ein
solches rrtheii darf" umsoweiiitrer ignorirt werden, als Hkcker dureh seine Special-
arbeit auf dem Gebiete der Nervenheilkuude bereits seit 2ö .lahren geiiöthiit war,
die psychische Behandlung (Suggestion im wachen Zustande; fortwährend aus-
anflben und in eingehender Weise kennen tu lernen. Seine AnsfDhmngen nun
schlies-sen tich im Ganzen eng an Bkkkhrim'.s und FORBL's Forschungen, unter
Mittbeilung von 10, theilweise recht interessanten lvrankengeschi<hten.
So beseitigte Heckek durch Suggestion Neuralgien (Tic doulou-
reux), peinliche Zwangsempfindungen, Parästhesien, Lfth-
muDgeu, Krampfsustünde (Hysterie). .Schwächezustände (trau-
matische Neurosen, Neurasthenie). Auf einigen Gebieten übertreffen
die Erfolge der Hypuosugxestiou die liesultate anderer Behandlungsmethodeu
des Autors beiweitem, z.B. in einem Falle idiopathischer Athetosc (ent-
gegen der Meinung y. Krapft-Ebixg's), bei eireulatorisehen Störungen
(Ma l a d ie du dottte a vf c d ir c d n f " u '• h r r] , wogegen das Verfahren
gegen echte, epileptische Anfälle wirkungslos blieb. Lehrreich sind die
Beseitigung neurasthenischer AugstzustAude in Folge Züsch welleus der
Nasenschleimhiute , dureh suggestive Beseitigung der CoogesUon, der Erfolg bei
Arhythmie des Hersens, kalten Händen und Fussen, die suggestive Rflgelnng
ge 8 1 <"i r t e r D a r m t h ä t i g k e i t , Zwangshandlungen und Z w a n l' s h e m-
muugen. Hecker hält in Uebereinstimmung mit den meisten Vertretern der
Nancyer Schule die Hypnotisirung fttr ganz unschädlich, wenn man sidi hütet, mit
uiym^L-ü Ly Google
680
SUGGESTION.
Patienten experimentellen Missbrauch zu treiben und die Methode der Indivi-
dualität des Patienten anpasst; ja sogar filr gefahrloser, al8 hundert andere ärzt-
liche Eingriffe und Verordnungen. Bei der Kuhe und Geduld, dem Zeitaufwande,
welehe die Snggttilivtiierapie erfordert, wird diemlbe Toramaieliflieh in den Binden
der Specialisten bleiben, ähnlich wie die Chirurgie, die Orthoptdie, die Elektro-
und Hydrothcraj)ie Xntbwcndig- aber erscheint es Heckkr, „dass jeder Arzt «ich
eine genügende Keuutni»» von den Leistungen der Suggestionstherapie verschatit,
um als ebiUeber Mann seinen Patienten etets das Beste ratiian an kOnnen".
Aehnlieh wie Uecker •^elau.^'^te Grossmann ") auf dem Wege der Selbst»
beobachtunjsr zur vollen Würdijrun;? der Sup^rc^tionsstbcrapic : er bekennt sich offen
als Anhänger der Nancyer Schule und hat in zwei tiruschUren casuistisches Material
mit günstigen therapeutischen Erfahrungen verOffentlieht. Die eine seiner Sehriften
theüt die Erfolge der 8oggestionsthe»pie bei Infi venia mit. Dabei handelt
es sich vorwiegend um Absuggerirung lästiger Symptome (bei 82 Personen : , wie
Schlaflosigkeit, AppetitstOrungen, neuralgiaehe Affeotiouen,
subjective Beschwerden, Regelung des Stuhlganges durch Sugge-
stion. Daneben wendete Grobsmakn aber aaeh Medieamente an.
Die zweite Schrift desselben Verfassers berichtet 12 Krankengeeehiehten,
welche den Heilwerth der Suggestion bei nicht h y s t e r i s c h c n L ä h m u n ge n
darthun, z. B. bei Hemiplegie nach Apoplexie, Lähmungeu der Kehlkupfmasculatur,
Enuresis nocturna ete.
Das Interesse, welehes dm* Inhalt der beiden Brosehttren als Bestätigung
der Erfahrung anderer Beobachter verdient, würde jedenfalls noch erliolit <lurch
eine heisere formelle Ausstattung derselben, denn sie sind wenig ühersiehtlieh ge-
schrieben (Mangel au Absätzen, gesperrt Gedrucktem, keine Tabellen etc.) !
Untersaehnogen Aber den Hypnotismns tfaeilt Hebold'*) in der Zeit-
schrift ffir Psychiatrie mit. Es bandelt aldi dabei nm Beobachtungen an einer
Hysterisehen. Die verschiedenen Symptome wurden vom Verfasser erfolgreich
mit Suggestion und Austaltsbehandlung beseitigt. Einmal gelingt es auch durch
Auflegen eines StOek Papiers, das in der Hypnose als Senfpapier bezeiehnet
wurde, auf den Torderarm ein Erythem an erzeugen. Indessen scheint uns d'.v<rr
Versuch nicht slrenir genug controlirt zu sein, denn es fehlt die Angabe der
reberwachung, wählend si<'h die Ilöthung bildete. Die Suggestion des Brennens
mit dem Glttheiseu bleibt ohne Ertulg, ebenso gelingt es nicht, auf die Bewegung
der Pupillen durch Suggestion einzuwirken. Die Transfertversnehe Binet's
und die F ein w i r k u ng von Med i c am e n te n (Lüvs !) fallen negativ aus.
Dagegen gelingt es dein Verfasser, durch constante Wiederholung der Suggestion
in etwa fs — lü Tagcu die Abstossung einer Warze zu produeiren. Aber
auch bei diesem Versuche ist in der Anordnung keine Garantie geboten gegen
mechanische betrügerische Nachhilfe zu Zeiten mangelnder Ueberwachung. Kine
erhebliehe ))eiderseitigc P". i n s e h r Jl n k u n g der 0 e s i e h 1 8 f e 1 d e r versehwimlct
unter dem Einflüsse der Suggestion (durch Tafeln ilhistrirt). (Dieser nunmehr
wiederholt nachgeprüfte Versuch wurde 18U0 auch von Kitzmanx i') in Zürich
erfolgrMch aufführt.) Im Weeentliehen bieten Hbbold's Experimente eine
wenn auch unvollkommene, aber im Ganzen gelungene Wiederholung der Beob-
achtungen V. Kr.akkt - Eiti.VG S. Zwar glaubt HKBOLn keine dauernde Heilung
einer so schweren Erkrankung, wie die grosse Hysterie, dui eh Suggestion
erzielt zu haben, wohl aber eine andauernde gflnstige Wirkung auf das Befinden
der Patienten ; kein anderes Behandlungsmittel kann nach ihm bei dieser Er-
krankung sich mit der Sugfre^tion messen.
Dr. FkküI), der bekannteste L'ebersetzer des Bernheim sehen Werkes,
hat nunmehr auch die Keucn Studien des Nancyer Gelehrten auf dem Gebiete
des Hypnotisnms dem deutschen Publicum zugftnglich gemacht In dem vorliegen-
den umfangreichen Werk (380 Seiten i hat Bernueim ") seine klinischen Vortrüge
Uber Suggestion und ein grosseres Material an Krankengeschichten (im Ganzen 103)
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SUGGESTION. 681
als Fri^Siizunpr seiner früheren Arbeiten vernfTentlicbt. Neben zahlreichen inter-
essaDt(>n historischen Daten lierücksichtijrt diese Schrift besonders die Rolle der
Suggeätioa iu der Kutätehuog von Kraukheitun, die Einwirkung im wachen Zu-
stande, die AutoBuggtetioa ; der Yerauoh einer psyehologisehen Analyae des Wesens
der Suggestion in Anlehnung an dM Werk von Hakb Tckb erseheint uns von
Bernheim nicht weit und scharf genu? durchffeführt zu sein, wiewohl die allge-
meiueo Ciruudliaieu hierzu richtig gezeichnet sind. Um so betMer gelungen ist der
kliniaofae Tbeil, weleher Alles das eothllt, wu fflr den Snggestivtherapenten
iriehtig ist. Hier erscheint BbrnbkiH als unübertroffener praktischer Psychologe. £r
bat zahlreich*' Versuche unternommen, die Sugge.Htion in larvirter Form anzu-
wenden. Ergab z. B. einem Schlatlo^en unter der falschen Bezeichnung : Sulfoual
gewdbnlichea Was^er, worauf tiefer Schlaf eintrat. Er heilte Fälle von nervöser
Aphonie dureb Elektrisiren an der Vorderfliefae des Halses, oder dnreh
blosse P a 1 p a t i o n mit der Versicherung, die Stimme komme wieder. Auch
mit anderen greifbaren Verfahren (Massage, Hydrotherapie, Homö-
opat hie, Suspension, Magnete, ]Jetalle,ScheiDoperationen) verband
Bbbkhbim in rflbmenswerther Vielseitigkeit die Suggestion. Mit fieeht protestirt
der NancytT Kliniker gegen die ihm gemachte rnterstelluug, Alles sei Suggestion,
z. B. in der Kl< ktro- und Hydrotherapie. Neben der unbestreitbaren
Wirkung bestimmter Mittel auf die Funetiouen spielt aber auch die Suggestion,
der subjective Factor, eine noch vielleicht hingst nicht genug gewürdigte Rolle
im Heilproeess. Das Wort „Hypnose" sollte naeh Berkbedi ersetst werden
durch „suggestiblen Zustand", oder wie ich vorgeschlagen habe, durch den
Ausdruck „suggestiver Zu^itand'". In meinem Vortrage „Teber Suggestion
und suggestive Zustftude" "*j \^uuteu ausführlich besprocheuj habe ich mich folgeuder-
massen bierflber ausgesprochen :
„Die Verwandtschaft der Hypnose zum Schlaf unterscheidet sich wesentlich
TOB den erörterten Bezielmnfreii. Ks giebt nänilieli » ine Hypnose ohne Schlaf, eine
Hypnose mit wirklichem Schlaf und eine Hypnu^^e mit der Einbildung geschlafen
au baben.^
Das Wort ^.Hypnotismus** ist allerdings von xrtni; = Schlaf abgeleitet,
weshalb noch heute die Ansicht allgemein verbreitet ist, Schbnf sei /uid (leliniren
der Suggestit n uothwendig. Ich habe viplfach die Erfahrung gemacht, dass Patienten
die Existfcuz der Hypuoäe nicht ancrkeuueu , so lange sie posthypuotische Er-
innemsg an die Torgflnge in der Hypnose besitsen. Diese Meinung ist unrichtig.
Wenn Schlaf auch günstig pr;uli>|i nirt zur Objectivirung der Suggestionen, insofern
er eine Dissociation der psychisclicn Dynamismeu herbeiführt, so ist er dennoch
nicht DOtbweodig, und wirklicher Sdii.-it im Sinne posthypnotiscber Amnesie tritt
etwa nur bei einem Sechstel aller Hy{)notisirten ein. Aber auch dann, wenn s. B.
im tiefen Somnambulismus die Erinnerungsbrüeke zum waeheu Zustand abgebrochen
ist, handelt es sil'h nicht immer um Schlaf im strengen Sinn des Wortes. Denn
die Soninaniliuien sind («ft wachen (icistes, sprechen, gehen, lUliren complicirte
Haudluugen aus, kurz sie bieten keineswegs das Bild des Schlafes. Dennoch aber
glauben sie, in ihren wachen Normalsustand surttokversetst, geschlafen zu haben.
Solche Patienten tauschen sieh aber aueli über den Zustand, in dem sich ihr Gehirn
befand. Sie zeigen mitunter nach dem Erwachen Erinnerungsdefecte , die ihnen
selbst uubekanut bleiben, (iewöhnlich lege ich derartigen Zweiliern die Frage vor,
„wie lange glauben Sie geruht zu haben Sobald ich nun die Antwort erhalte:
5 — 10 Minuten, wahrend in Wirkliclikeit .SO oder ^10 Minuten verflossen sind,
weiss ich bestimmt, dass ein soleher yruber rrtheilsfehler in der Zeitbestimmung
einen Zustand eharakterisirt. der sieh wesentlich vom wachen Normalzustand uuter-
Bcheidet. Wenn man nun ferner einer wachen Versuchsperson die Augen herunter-
drückt, oder ihr die Arme erhebt, indem man ihr versichert, dass sie dieselben
nicht herunterlassen kann, und ihr durch Affirmation die Ueberzeugung beibringt,
sie folge einem unwidersteblieben Zwange, so handelt es sich ebensowenig um
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682
SUGGESTION.
wirklichen Schlaf, wie bei den vorher erwähoteu Erscheinungen. Dennoch ist die
Person bypnotisirt, sobald sie wirklieh nicht mehr im Stande ist, den Arm hemnter-
anbringen oder die Augen zu öffnen. Das Wort „Hypno8e-' ist also im Grunde
anglfU'klieh gewählt; denn <>s lipzcichnct weder den eigentlichen Kernpunkt, noeh
den Umfang der Suggestiousphäuomeue deutlich genug.
Bei der Erörterung der einzelnen schon in den früheren Arbeiten dieses
Werke« nnaflihrlieh beafffoeheiiMi Symptomen der Hypnoee geht Bbbnhxim aoeh
auf die suggestive Analgwio obwohl es schon in einer namhaften Anzahl von
Fällen gel untren ist, dieselbe fllr kl<*inere Operationen erfoIf-Teich zu
benutzen, glaubt bEüMiKiM nicht, dasti sie dazu berufen sei, da» Chlor u türm
an ▼erdrftngen. Die Antosaggestion im waehen Zustande mit dem Inhalte der
bevorstehenden Operation ist oft stärker, als die Fremdsuggestion nnd iHcintrachtlgt
die Tiet'e der Hypnose. Daher empfiehlt es sieb, die Operationen in der Hypnose
unvermuthet vorzunehmen. Mitunter wird während einer solchen Operation der
Schmerz tranmhaft verarbeitet, aber nach dem lirwaeben nicht erinnert
So erwftbnt Berkheim etoe Patientin, welcher dnreh dne 15 Minntra
dauernde C>peratif»n ein AhsecMs «geöffnet und entleert wurde. Beim Einirelien mit
der Sonde in die tiefen (iewelie stie«s die Patienten einen Schrei aus, nnd äusserte
Sebmerzeu, die sie dem Kneipen einer xs'aeLbariu zuschrieb. Die Suggestion, zu lachen,
verfing nicht, ab«r postliypntitifch völlige Anmeaie. Immerhin hftlt Bebmbbiii es
für nöthig, daes der Hypnotisirtnde wibrend der Operation fortwährend bd der
Kranken bleibe und suggerirt.
Verfasser giebt zu, dass die Suggestion ein fast ausschliesslich functionelles
Heilverfahren bildet. Aber das Feld der blos fanetionellen Erkrankungen, in denen
keine organische Verlnderung besteht oder diese mindestens von der fanetionellen
Erkrankiin<r il^err.'iL't w ird, ist rin weites. Manche Schaden z. B. ein psychisches
Traumai wirken auch mehr auf die Fnncticn. als auf das Organ. „Eine Therapie,
welche im Staude ist die Fuueiiou wiederherzubtelleu , indem sie die psychische
Erscbfltternng oder die schmerzhafte Bmpflndmig in ihrer Wirkung aufhebt, welche
von einer Stelle der Peripherie auq^ht «nd die Störung unterhalt , wird eben
darum eine höchst wirksame Therapie frenannt werden dürfen. Die Metirzahl aller
Neurosen unterliegt z. Ii. diegier Tsychothcrapie. Ein Kranker habe z. B. einen
Schmerz im Bein in Folge eines Falles , dieser Sehmerz wirkt durch dnen cere-
bralen oder cerebrospinalcn Reflexaet auf die motorischen Nerven des Beines und
erzen^rt eine C< ntraetur. Die Suggestion kann nun den Schmerz auflieben oder
dej-seu WahruehnuiDg verhindern ; es ist verständlich , dass sie auf diesem Wege
die Enttjtchung der redectorisehen Contractir verhindern kann. Ks kann aller-
dings die Contractur den Schmerz flberdauem und in Folge einer rein spinalen
Reflezthfttigkeit fortbestehen. Es beh.'ilt dann die durch das Trauma erschtttterte
excimotorische Leistung des Kilekeumarks ihre abnorme Functiorisweisf bei, selbst
wenn der Schmerz veischwundeu ist, oder e^ kann vorkommen, dass der peripherische
motorische Kerv den Weg zur Norm von seinem Reizungssustand aus nicht wieder
findet. Aoderemale erzeugt das l'rauma eine motorische oder sensitive Lähmung
von cerebraler, spiii:iler nder peripherisi her Herkunft. Dann ist es das motorische
oder geut^ible Kiudcneentrum des Gehirn.i, welches sieh in Folge der ceutripetalen
Wirkung des Traumas iu seiner Thätigkeit gelähmt zeigt, oder die Schuld liegt
an den grauen VorderhOrnem des Rttckenmarkes oder an den peripheiisehcn
Nerven, welche die ihnen zukomnieudcn Reize und Impulse nicht weiterleiten,
können. In diesem Falle tritt wieder die 8ui;t.M<tiou ein: sie stachelt das Scelen-
organ zur Hemmung oder Bahuung auf, hemmt den Keizungszustand der exci-
motorischen Zellen des Harkest, weleher der Contractur zu Grunde liegt und setzt
den Muskeltonus auf sein n 'rmales Mass herab; sie erhf'iht die verminderte Thätig-
keit des cereliralen und --piiialeu Centrums, sowie der j)eripherisclien Nerven ; sie
schickt den Muskeln jeues Mas.s von Innervation zu, welches zur Wiedererlangung
der verlorenen Fähigkeit nothwendig ist, sie steigert oder stellt die Erregbarkeit
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^ SUGGESTION.
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der äatbeBiogeoen grauen bubstauz ber und belebt so die erloschene Sensibilität.
Die gesammte Tbltigkeit des OrgaDismas, die von den Nervensellen angeregt und
durch LeituDgsfasern auf Organe übertragen wird, ist nämlich in gowiaaeui Hasse
der bewussten oder unbevrufistcu Th.'itiirkt it der psychischen Organe antorgeordnet ;
die Heele regiert und der Körper gehurcbt.
Wenn die Suggestion auch keine directe Wirkung auf die organische
Lision aasflbt, so kann sie diese doch indireet modifidran, indem sie die
Fimetion m(»dificirt. S«> beseitigte Bern'HKIm in Füllen von Tuberkulose die
Sehl a t'l 0 8 i g k e i t , stellte den A])pt>tit wieder ber, beruhigte den Husten-
reiz, unterdrückte die Bekleuimung, das Seiteusteeheu etc. 80 bracbte
die Suggestion wenigstens Linderung, vo sie nioht heilen konnte. Aber in manchen
Fftllen ^« Inn^' es dem Verfasser sogar, durch die günstige Verlnderung des Bodens
seine AViderst.indskraft ore^en die eiridrintrenden Mikroben tu erbiihen und auf
diese Art die i:lutwickluug der Krankheit zu verlangsamen, wenn auch nicht zu
verhindern. Mehr leisten die Arzneimittel in vielen Krankheiten auch nicht Es
ist ein in der Therapie allgemein befolgter Satz, dass da, wo die Krankheit
selbst unerreichbar ist z. B. bei Typhns). ihre Symptome behandelt werden.
Die 11 y s t e r i e," besonders die eonviilsivc Form, i>;t naeb BkknheiM
fast durchweg der äuggetitiun zug.lnglieh. Ult erneuern die durch zufällige ilutdere
Kindrflcke, durch Empfindnugassoeiation erweckten Antosoggestionen die Symptome
und der Kampf muss vun Seiten des Arztes mit Beharrlichkeit und Geduld fort-
gesetzt werden. Man bedenke aber: Nielit das Wort des Arztes brinfjt Heilung,
sondern der £influ8s auf das Gehirn des Patienten. Wu das Wort
nieht anstricht, gelingt es rrancbmal der Erregung, diesen Einflnss sn gewinnen.
Die Furcht, die Eioscbüchterung kennen aber auch als Gegen suggeatioaen wirken
und KTftnipte Husirscn. Wenn soUhe Anfillle bei ävr Ilyjjiioti-^irung entstehen, so
sind sie nicht dem Verlalirt n au sifli, sondern der Aufregung der l'eraon zuzuschreiben.
Man zieht also im Allgemeinen sanfte eindringliche Ucberredung vor und wird bei Au-
wendnng foreirter Mittel diese drr Individualität des Falles anpassen mflsscn. Wftbr« nd
Bkrnheim Hysterie auf erblicher Basis fQr ein schwer (l(r Snggest'on *u-
gangliches Gebiet betrachtet, war er andererseits so glUcklieb , eine Reihe von
Hysterischeu durch .Su<;^estiou dauernd ohne KUckfall heilen zu können. Die
Kenrasthenie nnd Hypochondrie bieten einen verhftltnissmSssig nngflnstigen
Boden für suggestives Vorgehen; die erbliche Neurasthenie hält BbBNHKIM
fiir unheilbar, wahrend die Symptome der erworbenen Neurasthenie sieh suggestiv
beseitigen lassen.
In einer grossen Anzahl von echten Epilepsien versuchte BebnH£UI
die Suggestivtherapie, im Ganzen erzielte er keine merklichen Besnltate. Nicht ein-
gewurzelte Chore« lässt sich mit Suggestion beseitigen, wogegen schwere Falle
und solche mit erblicher Hasis (juoad Sugfrestivtherapie eine zweifelhafte Prog-
nose bieten, aber mitunter duih auch ganz bemerkeuswerthe Ueilresultate ergeben.
Besonders wirksam zeigt sich die Suggestion bei den mannigfaltigen
Formen der Neuralfrien 'auch durch Neuritis und H he u m ati s m us\
S e h re i b k r a ni p f . und den zahlreichen, nicht in den Fiahmen bestimmter Krank-
heitsiormeu passenden 6>mptomgruppen , liautbyperästhesien, Anästhe-
sien, Migrineformen, Visceralparisthesien ete.
Bei Faralysi» agitan» ist nach Bbbnhejh kein Erfolg zu erwartiu.
Die M i> r j) h i u m s u ch t litsst sieh, wie Verfasser glaubt, allerdings am
schnellsten in einer Anstalt heilen, w<ibei die Suggestion ein wichtiges l'nter-
stützungsmittel werden kann, in der l'rivatpraxis wird, wenu es sich nicht
nm wirklieh Geistesgestörte handelt, flir die mitunter sehr erfolgreiche Soggestiv*
therapie stets die Beihilfe der l ingebung des Kranken ntUhig sein. Aehnlich sind
die Aussichten beim .\ 1 k o Ii o 1 i s m u s ; A n s t a 1 1 s b e h a n d 1 u n g übertrift't auf
diesem Gebiete im Durchschnitt die Erfolge der Privatprazis. Eintritt in die
HSsaigkdtsvereiDe ist in allen Fullen zu empfehlen. Die klinischen Beobachtungen
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684
SÜGGESTION.
des vorliegenden Werkes umfassen 1)* Ffllle traumatischer Neurose,
von deoen durch Suggestiou (larvirte Wacbäuggestion oder bypootisches Verfahren)
9 gtnilieli gebeilt, 8 gebcfsert wurden, wabiend 1 Fall keinen £rfolg zeigrte,
BFftllevon Hysterie mit ErSrnpfen, wovon 3 gebeilt und 6 gebessert wurden,
6 Beobachtungen hysterischer Beschwerden, die dem suggestiven
Verfahren wichen , 2 geheilte C h o r c a f il 1 1 e , 7 Krankengeschichten
verächiedeneu Inhalts (Tetanie, Genital ueurosea, Psychoneuroseu
[Neurastbenie?] nnd Alkobolismus) mit vollstiindigea und nnvonstlndigen
Erfolgen, ferner 30 Beobaehtungen neurastbenischer Beschwerden
/'von denen jedoch einige sich auch als „hysterisch" bezeichnen lassen i, mit
17 üeilungeu und Iii Beaäerungtn, ausäcrdem nervösartbritische Symptome
(3 Besserungen, 2 Heilangen) bei 5 Personen. Bemerken wertb sind 10 Be-
obachtungen von Neuralgien, welehe sämmtlich durch Suggestion geheilt
wurden . 3 Fälle g «' h e i 1 1 e r r Ii c u ui a t i a c h e r A f f c o t i c n e ii . Den Uef chluss
des Buches machen die Beschreibungen suggestiver Beseitigung von Spiual-
nffectioneu, Störungen nach organischen Erkrankuugeu (Typhus,
Tuberkulose, Pneumonie, Dysenterie, Gallensteinkolik), Men-
struationsbesebwcrden, sowie Heilungen durch üfagneto- und Uetallo»
tberapie, in Form Inrvirter Suggestion in Anweudunir gebracht. Es braucht
wobl nicht bervorgehoben zu werden, dass keines der in dieser Arbeit erwähnten
Werke mehr dasu geeignet ist, die Intensitit der Suggestivwirkunjir «nd ihre Be-
deutung in der Praxis in richtiger Weise sn beleuehten, als das leiste Werk
Bbbnheim's.
Schon «He letzte, sowohl P.'<ychologie wie Anwendung der Suggestion
gleicbmässig umfassende Schrift hat uns zur Therapie hingeführt. Dieser wichtigen
Seite der Suggestionslehre sind eine Reihe von Arbeiten gewidmet, die sidi in
verschiedenen Journalen zerstreut finden. Zu den wichtigsten unter denselben
gehört das Beferat Bixswan(;kr's und v. KuAFFT-KrtiNG'.s ^'^j : ,,U e b e r d i e th e r a-
peutische Yerwertbung der Hypnose in Irrenanstalten." BiNS-
WANOKB glaubt, dass die Suggestionstherapie im Sinne der Naneyer Sehnle
bei der Mehrzahl der Geisteskranken erfolglos geblieben sei und stützt
seine Meinung (iur<'li einen Feberblick (ll»er nahezu s?lninitlic}ie Bericlite in der
Literatur, aus denen wir hier Einiges mittheilen wollen, so weit in den früheren
Arbeiten der Real-Encyclopädie nicht schon darauf Bezug genommen wurde. Wie
FOBBL, 80 glaubt VAN Bedsn diesem Referat infolge, dass jensdts der Greaie
der ,,Neurose" ein Erfolg von der Suggestion nicht erwartet werden dflrfc: ,.di('
Snggpsli\ tlicrapie isl von dem Aiii^enblicke an ohnniüchtig oder nur von
palliativer Wirkung, wo der Kranke an die liealitiit seiuer subjectiven Sensationen,
seiner Hallneinationen glaubt, sobald er seine ,.schwarse" Idee für begrllndet hllt*'.
Dagegen erzielte mau völlige Heiluug in Zuständen von Melancholie und
„psychische r H y p e r a 1 g i e'', welche bei N e u r a s t Ii e n i k e r n . On a n i s t e n,
männlichen Impotenten als Folge- und Begleitür»chetnungcn ihrer Leiden
aufbraten. Gflustige Resultate veneidmet derselbe Beobaekter bd Ol au st ro-,
Agoraphobie, Onomatomanie, Goprolalie und verwandten Erschei-
nungen. Wo es nicht gelang, die krankhaften Ideen völlig zu entwurzeln, wurde
wenigstens in manchen Füllen den Kranken die Herrschaft Uber sich selbst wieder-
gegeben und der Eintluaa der Zwangsvorstellungen unterdrückt durch Zurilck-
drtngung der krankhaften Impulse.
Die günstigsten Erfolge von allen Beobachtern erzielte VOISIN'») durch
Zwangshypnose. Kr vcrm Ki-litc Ht .iller Oei>teskrauken .inf seiner Klinik zu
bypnotiäiren, allerdings bedurfte es oft ciues grossen Zeitaufwandes (2 — 3 Stunden),
um die Hypnose zu erzielen. Ausserdem bedient VoisiN sieh der physikalischen
Mittel in ausgedehntem Masse. Die Suggestion wird von ihm immer erst in der
zweiten Sitzung, -^nbald tictVr .^chlaf erzielt ist. zur Anwendung gebracht, und
zwar zunächst immer nur gegen eine krankbalte Vorstellung oder gegen die
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SÜGGESnON.
686
Hallucinatioii eines Sinnee. Nach geeebebener Sng||;e8lion nrass man den Kranken
V « — ' o Stunde riibi<r schlafen lassen. In beeonderen Fällen I&ast VOISIM die
Patienten 12 — 2.j Stunden schlafen, ja hallucinJrende und erregte Kranke sogar
mehrere Tage. Binswanger schätzt die Zahl der von VoisiN Hypnotisirten in
dem 10jährigen Zeitranme anf mehrere bnndert Fille, awdfelt aber daran, daas
dieQnllerei des VerBnebsobjectea wiriclich dem Erfolg entspreche. Im Sommer 1889
giebt er eine Zusammenstellung von 22 Fällen: bei 19 derselben soll völlige
Heilung stattgefunden haben. 3 vorübergehend Ticheilte wurden rückfällig. Hierzu
treten nach BiNäWANtiER'd Referat noch 4 weitere Fälle von Heilung aus dem
Jabre 1889 , im Ganzen also S6 Pille mit positivem Resultat. Bei
1') Fällen ausgeprägter Geistesstörung acuten Charakters sollen 12 von VOISIN
detinitiv ^jeheilt und ^5 vordbergehend gebessert sein. Unter 12 geheilten Kranken
sind 3 zweifellos als hysterisch bezeichnet. Die mit Suggestion in dieser Weise
bekimpften 8M(rungen sind folgende: Lasterhafte Instinete (Onanie,
Stehltrieb, Cnfolgsamkei t , L iederlichk eitj, Anfälle von acuter
Manie, T r u n k s u e h t, Morphinismus, l i e ni e l n n c h o ^ iq n f. II a 1 1 u-
cinationen, Selbstmordideen und -Versuche, Stupor, Nahrungs-
verweigerung, chronische Nervosität, erotische Wahnideen,
Hypoehondrie, Angstsnstlnde, bysterisehe Besebwerden und
Schlaflosigkeit. In gewissem Sinne bestätigten Burkhardt's Erfahrungen
an 14 Fällen aus dem Jahre 188H die Meinung Voisix'.s. Kr glaubt, dass
bestimmte Formen und Symptome der Psychosen mit Suggestion sich bebandeln
Hessen. Brtakd*^) dagegen hat wie POREL vielfaeh versnobt, Geisteskranke mit
Wahnideen einzuschläfern, war aber niemals so glücklieb, irgend ein Resultat bu
erzielen ; ein I hcil seiner Patienten behauptet, den Schlaf vorgeUasebt au haben,
um dem Dräogen des Arztes nacbzogeben.
In umfassenderer Weise brachte B^billon'*) die Suggestion anr An-
wendung. Unter 360 Kranken befanden sieh 155 bysteriaebe. Er vertritt
den Standpunkt, dass das Suggestionsverfahren gegen die Gesammtheit der
hysterischen Kraukheit'^erscheinungeri augezeigt sei, im (Gegensätze zu der Ansicht
Gbasset's, Forkl sj, liiAöWANGEii's, welche in der Suggestion nur ein symptoma-
tisches llittel erblieken. Bei 20 Pillen von Epilepsie gelang es ihm, mit
Suggestion die Zahl der Anfälle zu vermindern : bei einigen will er sogar H^iung
erzielt haben. Ebenso berielitet Bekili.ox rasche Heilungen, respeetive namhafte
Besserungen bei 4 Melancholischen, in 3 Fällen von Dipsomanie,
bei 5 Horphinomanen, in 11 Fällen von Zwangsvorstellungen
(darunter 1 Fall von perverser Sbx Emphg). Auch bei Kindern hatte
er mit Suggestion namhafte Erfolge zu verzeiehnen, so bei 22 Beobachtungen
von / n r n I, t ! ne n f la n ri n a e . liei 2 Fällen v o n I n e <i n t i n e n z d i; s
Darmiuhalts bei Tag und Nacht, in 2 Fällen von Blepharospasmus,
in 12 Fftllen von Chorea, in 4 Pillen von unwidersteblicbom
Drang cur Onanie, bd 3 Fällen von Stottern. Die Berichte Berillox 's
gemessen , abgesehen von einaelnen ausführlichen Krankengesehiehten , nicht den
Vorzug genauer Darstellung.
Aus seiner Znsammenstellung siebt Bdiswanobb den Schlnss, daas in
der Kategorie unfertiger psy e h o p a tbischer Zustände mit isolirten
Krankheitserscheinungen die Zwangsvorstellungen und Zwangs
empfind un gen, welche in Verbindung mit bestimmten äusseren Umständen
und Begebenheiten auftreten, das hoffnungsreichste Gebiet der Suggestivtherapie
fttr den Psychiater Uldeo. Im Uebrigen ist nach BiiwwANeiEB die Hysterie
das ausgiebigste Feld für Suggestivheilungen welcher Ansicht Referent sich nicht
anschliessen kann). Ebenso stimmen wir liixswAX(iER nicht zu, wenn er gelegent-
liche unangenehme Nachwirkungen der öfteren Wiederholung des hypnotisohen
Verfahrens in die Sehnbe sdbiebt (geistige Müdigkeit, vermbderte geistige Arbeits-
flhigkdt). Dass solehe Erscheinungen allein das Prodnet von Autosuggeationen
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686
8Ü60BSTION.
nndf davon habe ieh mich neaerdinga dareh eiaen Controlvenneh Oberaeugt.
Nachdem ich eine Taube im Allgemeinen mit dem Verfahren bekannt gemacht
hatte, Hess ich sie f^lcli niif eine Ottomane leg'en und die Aiifren Kchliesison. Ob-
wohl ich nun ab*ichtliclj keine w eiteren Manipulationen vornahm , glaubte die
Patientin, dass ihr fortwährend suggerirt werde und befand sich in Folge des
„Ktarkend auf sie ansgefibten EinflnsBes** wegen nach dem Erwachen nicht got.
Sie klagte Uber eingenommenen Kopf, Sehwindel etc. Wie kann nan daran ein
Verfahren pehuld sein, das in "Wirklichkeit -rar nielit ansrewendet wurde? Wie
dieser Fall, so dürften sich auch die lieuimchtungen Binswaxuers bei geeigneten
Controlrersnchen durch Autosuggestion erklären laRsen.
Hei Anerkennung der scharf kritischen Methode scheint uns Hixswax(jer
in seiner im Ganzen ablehnenden llaltunir Joch tilier da^ erlaubte oder bcrechtiirte
Ziel hinauszugehen. Aber eine Gegnerschaft, wie die hier gebotene, dürfen die
Anhänger der Suggestiouslebre dankbar annehmen; denn neben der sonst bei
kaum irgend einem anderen Gegner au findenden GrOndliehkeit in der Venirbehung
des umfassenden Materials entli.llt sein Referat auch zahlreiche Anregungen und
Winke, welche volle Hcrficksichtiirimir \enliciien und den Wcrtli seiner Besprechung
zu dem einer echten Kritik im wahren Sinuc des Wortes erheben.
BiMSWAKOBR's Corrcfercnt v. Krafpt- Ebing steht auch in der
Anschauung von der Verwerthnng der Suggestionstherapie bei Fsyehoaen und
Neurosen wesentlich auf dem Boden der in seiner oben erw.lhuten Schritt mit-
getheiltcn Grundsiit/e uud ist wenig.stens in liezug auf die Neurosen durch eigene
Erfahrung sn einer günstigeren Meinung gelangt wie RiyswANGBB.
Als Haoptanfgabe der Psychotherapie erscheint ihm die Bekflmpfnng der
autoftuggesti\ cn VorgHnge durch zielbewusste (Jefrenwirkung des Arztes. Unler-
stutzeiul sind: die ablenkende, lebhalt Gemiith und Verstand in Anspruch
nehmende Wirkung anderweitiger Vorstellungen, zuweilen auch ein
plötzlich die suggestive Hemmung im Rindengebiet lösender Affect.
Nicht selten gelingt es allmllig auch der .'ir/tlichen Suggestion , den Hemmuugs-
einfliiss der Autosug.ircstinn auf das lliiidcuccutrum zu loekern und durch u-Icich
zeitige Gymnastik, Massage, Elektrisirung jetzt wieder mögliche Muskel- und
lunervationsgefflhle und BewegungBanschauungcn zu schaffen. Die Uebersicht des
Correferenten Uber die Casuistik wiederholt grösstcntheils schon die von BlNS*
WANOEB erw.thnten FJllle . welche durch cinijre neuere Bt*ol)achtungen erg?inzt
sind. So hat nach dem Referat des VcrfaH<crs Ldi (viaX(( ) einen Fall chronisch
sich gestaltenden Wahnsinns mit Ausittzen zu systematischem Delirium bei
einem 2 7jährigen Manne beobachtet. Erfolgreiche Absuggerirung der Wahnideen.
Grosse Ilypnottoirbarkeit und Suggestibilität. Dauernde Genesung nach
wenigen Sitzungen.
Ferner heilte ausser den oben schon Geuauulen ÖfcitiLAS-') eine hysterische
Psychose» Bubot eine hysterische Manie in 3 Bf onaten (tiefes Engourdissement),
naeh 2jfthriger Krankheit'^dauer.
Ferner erzielte L.a.L)AME-'i allmiütg durch Su^^Lrestiou (Jenesuuir bei einem
Fall von AI ko/io/ iftin II ff r Ii r o )i i c ft n. Bei einer zweiten, ebenfalls daran
leidenden Patientin Misserfolg. Dagegen wird von demselben Forseher ein
Potator (seit 15 Jahren) mit Dipsomanie nach einer Reihe von Sitsungen
völlig geheilt.
l'eber M « r j) h i n i s ni u s , II ij st c r i a gravis. Hypochondrie,
Neurasthenie werden auf Grund der schon in diesen Jahrbuchern von
COBVAL erwihnten Casuistiken im Ganzen günstige Resnltate berichtet.
Eine für das Wesen der Suggestivwirk untr besondere lehrreiche Arbeit
haben neuerdings Jo.SEF Bret'KR und SiGMrxn I kkit» ") iroücfert. Sii» behandelt
den p 8 y e h i s e heu Mechanismus hysterischer 1 ' h ii n o m e n e. Die
Autoren haben in den verschiedenen Formen und Symptomen der Hysterie
den ursftchlichen Zusammenhang der veranlassenden aceideutelleu Vorginge und
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SUGGESTION.
687
der pathologischen Ph.'inuniene aufzudecken versucht. Wenn das Krankenexamen
diesen Vorfang: nieht klarstellt^ besonders bei fehlender ErinnemniPt so hypnoti»
siren die Beobachter den Patienten und wecken in diesem Zustande Erinnerungen
an jene Zeit, wo das Syraptoni zum ersten Mal aultrat. In dieser Weise konnten
die scheinbar idiopathischen Leistungen der Hysterie auf solche veranlassende
Momente sttrflekfttbren, fthnlicb^ wie die traumatiaehe Hysterie sieb ableiten Iftsst
aus dem Unfall, so x. B. Keural^icn der verschiedeosten Art von oft jHhrelan>;er
Dauer. C o n t r a e t u r en und Lahmungren. hysteriaehe Anfülle und
epilcptoide (Jonvnlsiouen, Petit mal und ticartige Affectionen,
danerndes Brbreeben und Anorexie bis zur Nahrun gsverwei gerung,
die versebiedenartigsten Sehstflrungen. Folgende Bdspiele erklilren
den ZuBatnu)enhan<: :
iMiich riiterdrüekunp: eine-* selinierzliolien AfVecte'< lieim Ivs^^eu ent-teht
Uebelkeit und Erbrechen , welches al.s hysterisches Erbrechen Muuate andauern
kann. Oder : Eine Mntter spannt, um ihr sehlafendes Kind nicht an weekeUf alle
Willenskraft an , sieh ruhi;^ zu verhalten ; in Folge dieses Vorsatzes macht sie
ein schii.Mlzfiult's ( JeriiiD^ch mit der Zuusre, worau!« bei Wiederholung sich ein Tic
entwickelt, der als Zungenschnalzeu jahrelang jede Aufregung begleitet.
Oder es beriet dne symbolisebe Veranlassung fttr das patbologisehe
Phänomen, trie beun Gesunden im Traum. So gesellt sich zum seelischen Schmers
eine Neiiralirie, zum Affect des niMralischen Ekel> das Erbrechen. Piesc Anlasse
für das Auftreten von hysterischen Symptomen bezeichueu die Autoren als
psychische Traumen. Diese Traumen mUs.sen als Erlebniss jedoch zur Geltung
kommen, können ein grosses Traama bilden, oder sich aus Partialtraumen,
gruppirten Anlflssen zusammensetzen, deren Summirung erst die pathogene
Wirkunsr erzielt. Au<'h die Erinnerunir an die Art der Traumen wirkt als Fremd-
körper pathologisch. Die Autoren haben nun gefunden, dass die einzelnen hyste-
rischen Symptome fio?leieh und ohne Wiederkehr verschwanden, wenn es gelungen
war, die Erinnerung; an den veianlas.sendcn Vorgang ZU voller Helligkeit zu
wecken und damit aueh den bcfrleitendcii AtVoct wachzurufen, wenn der Kranke
den Vorgang in niö;:lichst ausfiihrlielicr Weise schilderte und dem Atfeet Worte
gab. Dagegen halten sie aßectloses Erinnern für wirkungslos. Der psychische
ProeesB muss in »tatuvt naacendi gebracht werden. Dabei treten die Reiz-
erscheinu ngcn. Krämpfe, Neuralgien, Hallucinationen noch
einmal in voller Intensität auf und versehwinden dann f(lr immer. HiNET ^''i und
Delkoeuf haben schou auf die Möglichkeit einer solchen Psychotherapie hin-
gewiesen. Aehnlich kann im wachen Bewusstsein ein erneuerter psychischer
Sehmerz noch nach Jahren Thränen auslösen.
Wii-hti^" i-^t e-. ob auf das at^iclrendc Erciirni-^ eiier;risch rea;rirt wurde
oder nicht , mit den Willküren und unwiUkUrliehea Keliexeu , in denen sieh
erfahrungsgemass die Affecte entladen. Wenn diese Reaction (z. B. Weinen) in
genügendem Ausmass erfolgt, so eehwindet dadurch «n grosser Theil des Affects
(sich austoben, ausw.einen !). Wird die Reaction iinu rnnickt . so bleibt der AlVect
mit der Erinncrunfr verbunden (z. H. Itei einer unvcrf;"ltencn Meieidijruuir . Krän-
kung). Der A f f e c t ut u s s nach dieser Anschauung a b r c a g i r t werden
durch die Tbat, durch Worte, durch Weinen. Im anderen Fall beb Alt die Er-
innerunir an den ^'o^fall affective BotOnuiiL^. Beim normalen Menschen
jed<ich wird der Alfcct alt;rcscli\\ .ulii »tder zum Verschwinden gebracht, einmal
durch die Curreetur anderer widersprechender) Vorstellungen, durch Leistungen
der Association, durch Abbiassen der ErinnerungsvorstellungeD etc. Bei den Hysteri-
sehen jedoch treten diese im wachen Zustand entweder flberhaupt nicht oder nur
summariscli vorhandenen Vorstellungen mit ungewOhnlieher Frische auf, sobald
sie in der llypnuse ^-cwickt wcnlcn.
So beobachteten die Autoren, da.ss ätiologi.seh wichtige Eriuucruugen
nach 15 — 2öjährigem Bestände noch eine erstaunliche sinnliche Starke und
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688
äUGGESTlON.
InUctheit aufwiesen, und bei ihrer Wiederkehr mit der vollen Aflectkraft Bttoer
Erlebnisse auftraten. Snk-he Erinnenmgen betrachten die Autoren als ungentl-
geud abreagirte Iraumen, denen die Reproduction in Zust&nden unge*
hemmter Awodation verwigt blieb. Dieselben entsteben , wenn die Nstar des
Trannut eine Keaction ausschloss (unersetzlicher Verlust einer geliebten Penon)
oder wenn die sdcialen Verhältnisse eine Reaction unniö;jlifh machen, wenn man
gewisse Dinge vergessen will, und ausserdem, sobald die Natur der Zustände,
in denen sich die Individuen momentan befinden, die Keaction unmöglich macht
Oibmender Sebreek, abn<»nne payeblaehe Zustlnde etc.). Alle diese Omppen rw
Veranlassungen entbehren der associativen Verarbeitung. Die hier mitgetheiltan
Erfahrungen legen den Heobaehtern die Annahme einer Spaltung des liewusstseins
nahe, welche in rudimentärer Weise bei jeder Hysterie bestehen soll (Doppel-
bewuMteein). Wie Binbt und Janbt, so beaeiehnen Brsdkb und Frbdd die ge-
nannten „hypnoiden** Bewusstseinsxnstftnde als das GrundphSnomen
der Hysterie. Diese hypnoidcn Zuj^tJtnde stimmen darin mit der Hypnose öberein,
dass die in ihnen auftaucheuden Vorstellungen sehr intensiv sich äussern, aber
Ton dem Associativrerkehr mit dem tlbrigen Bewusstseinsinbalt abgesperrt sind.
Bestehen solebe bjrpodde Znatlnde sdion vor dw maidliwtai Erician»
knng, 80 geben sie den Boden ab. auf welchem der Affect die pathogene Er-
innerung mit ihren sumatischen Folgeerscheinungen ansiedelt. Wenn z. B. ein
schweres Trauma oder eine mühevolle Unterdrückung (z. B. des Sexualaflfects)
bei dnem sonst tttim Henseheo eine Abspaltung von Vorstellungsgruppen bewerk-
stelligt, so ist dies nach der Anschaauu^'^ der Autoren der Mechanismus der
psychisch acf|nirirten Hysterie. Zwischen den Extremen dieser beiden Formen
lassen sie eine Keihe gelten, innerhalb welcher die Leichtigkeit der Associatixn
bei dem belTeffbnden Individuum und die AflheigrOsse des Tranmas im entgegen-
gesetsten Sinn varÜren. Die Producte der b]rpnoiden Zustände ragen als hysterische
Phänomene in's wache Leben hinein. Dieselbe Erfahrung wie bei den hysterischen
Dauersyniptomen wiederholt sich bei den hysterischen Anfllllen. In der dritten
Phase der Attitüden passionelUs liegt nach dieser Anschauung die hallucinatorische
Reprodnetion einer Erinnerung bloss, weldie für den Ausbmeh der Hysterie
bedeutsam war, oder an Geschehnisse, £o dunb das ZusammentretTen mit einem
Moment besonderer Disposition zu Traumen erhoben wurden. Auch hier tietretfen
die Erinnerungen Traumen, die sich der Erledigung durch Abreagiren
od« dnrdi assoelative Deokarbdt enfetogen babm. Die raotorisehen Hiftnomene
lassen sieh auffassen als allgemeine ReactioneftHrmen des die Erinnerung beglei-
tenden Affectes oder als directe Ausdnicksliewegungen dieser Erinnerung. Während
das hysterische Dauersyniptom einem Hineinragen des zweiten Zustandes in die
sonst vom normalen Bewusstseiu beherrschte Körperinnervation bedeutet, zeugt
ein bysterisdier Anfall von einer böhereo Organisation dieses Zustandes und be-
deutet frisch entstanden einen Moment, in dem sieh das Hypnoldbewttsstsein der
gesummten Existenz bemächtigt bat.
Die neue von Freud und Bhelkk vertretene Methode der Psychotherapie
hebt nun „die Wirksamkeit der ursprünglich nicht abreagirten Torstellnng dadurch
auf, dass sie dem eingeklemmten Affeete derselben den Ablauf durch
die Rede gestattet und Ijrinjrt sie zur a s s o e i a t i v e n C o r r e c t u r , indem sie
dieselbe in s nurmale Bewusstsein zieht (in leichter Hypnose) oder durch ärztliche
Suggestion aufbebt, wie es im Somnambulismus mit Amnesie geschieht^'.
Mit dieser für die Anstellung neuer Versnehsreihen werthvoHen und
deswe^' n lu tfihrlicher behandelten Darlegung wollen die genannten Verfasser
nur den Mi' •lianisnius der liysteriselien Phänomene, nicht aber die Trsachen der
Hysterie unserer Keuntuisä näher gerückt haben. Uewissermasäeu als praktischen
Beleg BU diesem Oedankengang beriehtet SiGHOND Fbbüd») in der Zeitsebrift
fir Hypnotismus einen Fall hypnotischer Heilung liy sterischer Sym-
ptome mit Bemerkungen Aber den Gegenwillen. Die Heilung betrifft eine
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SDGOBSnON. 689
BytUrique ^oeeanon, w«1ebe bei- d«r Geburt ibres ersten nnd dmiseh ibree
zweiten Kindes in ibren Bemübangen, das Kind zu nnhren, gehindert wurde durch
peinliche Erscheinttiigmi, Erbrecben derNahruugi Aufregung, Scblaf-
losigkeit etc.
Fbbcd führte mehrfache Hypnosen berbei dureb Fixirenluseo and Ein«
reden der Symptome des flebkÜM; sni^tiye Beeeitignng des Widerwiltons der
Befürchtungen und kSrpcrIichen Erscheinungen. Vollstftndijier Erfolg. DieFurcbt
vor dem 8 it ii ? sr e sc h ä f t , deren sich die Patientin vielleicht nicht einmal
bewusst war, wotUr die Gelegcnbeitsursache vielleicht in der Erregung vor der
ersten Entbindung oder in der ErBcbVpfnng naeb derselben gefunden werden kann,
ruft bei der Hysterischen ein Benebmen hervor, als ob sie den Willen hätte, das
Kind auf keinen Fall zu P.lu^en , und dieser Wille producirt jene subiectiven
Symptome, welche eine Simulantin angeben würde, um dem Säuggeschäft zu
entgehen ; da jedoch der Gegenwille der bewussten Simulation in der Beberrsohung
des Körpers tlberl^n ist, so ruft er andi eine Reibe objeetiver Zdeben am
Verdaoungstract hervor, welche die Simulation nicht herzustellen verma?:.
Ik'i einer N e u r a s t h c n i 8 c h e u hiltte dieselbe Furcht die lebhafte Vor-
Btellung der möglichen Zwiüeheufalle und Gefahren erzeugt; sie hätte mit Zaudern
und Zweifeln das Sauggesebift vielleiebt dnrobgeflBbrt oder aber, wimn die Oontrast-
▼orstellung die Oberhand behalten hätte, es ganz unterlassen. Bei der Neurasthenie
wird die krankhaft gesteigerte Contrastvorstellung mit der Willens-
Vorstellung zu einem B ew ubs tseinsact verknüpft und erzeugt die
auffallende Willenssebwftebe der Astiienilcer ; die Oontrastvorstdiung zeigt sieh
hier aueb auf die Erwartang besogen als pessimistisebe Neigung und
kann dureli AsKoeiation mit zufftllifren Empfindungen zu mannigfachen Phobien
Anlast fjeben. Wiihrend ein gesundes Vorstellungsleben die Contrastvorrttellungen
gegen meinen Vorsatz, unterdrückt und von der Association auBScblieast, bietet
der Statui nervotu» der Nenrastbenie nnd Hysterie dne Tendens snr Yerslammnng,
aar Herabsetzung des SelbstiiewaMtseias, au wekte Stimmangsftrbnng die pein-
lichen Cojitrastvorstellungen passen. Sie gewinnen nach Freüd's Meinung die
Oberhand, weil die Erschöpfung nur diejeuigen Tbeile des Nervensystems betriü't,
welebe die materiellen Orundlagen der cum primiren Bewusstsdn assoeiirten Vor-
Stellungen tind; die von der Associationskette des normalen Ich ausgeschlossenen,
die ?t'hernuiteii und unterdrllckten Vorstellungen sind nieht erschöpft und fiber-
wiegen daher im Momeiito der hysterischen Disposition. Mitunter erweist sieh die
begleitende Contrastvorstellung als stärker und gelangt zur Körper-
inneryatien. So sind die bysteriseben Delirien der Nonnen in den Epi-
demien des Mittelalters, die aus schweren Gotteslästerungen und in ungezügelter
ICrotik bestanden, zu erklären, go die Gassenbübereien sonst wohlerzogener Knaben.
Die unterdrückten und mühsam gehemuiteu V orstel 1 nngsreihen
werden bier in Folge einer Art von Gegenwillen in Aetion um-
gesetzt, sobald die Person der hysterischen Erschöpfung verfallen ist. Daber
der diimnnisclie Zu<r in dtT Hysterie, dort nicht zu können, wo die Kranken am
sehnlichsten wollen und das Gcgentbcil von dem zu thun , um was sie gebeten
sind, daber jener Kitzel , das Sebleohte zu thun , sich krank stellen zu müssen,
wo sie sebnliebst Gesnndbdt wflnseben. Dieser Drang betrifil oft die tadellosesten
Charaktere. Po ist der Tic der Koprolalie und Eeholalie zu erklären. Während,
wie selion erw.ihnt. bei der N«'urasthenie krankhaft gesteigerte Contrastvorstellung
und Willensvorstelluug zu einem Bewusstseinsact verknüpft werden, findet in der
Hysterie bei der Neigung snrDissoeiation des Be wusstseins eine
Absonderung der Contrastvorstellung; Htatt; sie wird ausser
Association mit dem Vorsätze gebracht und besteht unbewnsst , für den
Kranken isolirt. Fkeud bezeichnet die Leichtigkeit, mit der sie durch Innervation
dea Körpers objectivirt, ebenso wie im normalen Znstande die Willensvorstellung,
als exquisit bysteriseb. Wenn die bier mitgetbeilten AusfObrungen FfiBDD's sieb
Baojdop. Jahrliäolitir. III. 44
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690
SUGGESTION.
«loh Bidbt tm Totten Umfange bei weiterer Naohprflfinig als beweiskräftig erweisa«
SoUtan, 80 zeigen sie doch in geistvoller Weise einen neuen, vielleicht fruchtbaren
Weg für die Erforschung; der psychischen Thfinumene in der Hypnose und
Hysterie mit der Autdctit «ueh auf AenpaatiMhe Erfolge.
Von anderen, ebenfalls in reneliiedanen Zeitaebriften zerstreuten Artikeln
Uber Suggpj=ti'in möpe hier nur noch der Vortrag Erwähnung finden, den Dr. 8cHt5TZE'*)
i'Kösen) in der Balut'DlogiscIitn (iosollschaft hielt, betitelt der Hypnotismus
in der Wasserheilanstalt. Uedner spricht der Psychotherapie dieselbe Ue-
reebtigang m wie der medioaneotOaen Behandlang, hilt daa riehtig angewendete
Hypnotisiren für unAcbftdIich, verlangt, dass das Suggestionsverfahren Gemeingut
aller staatlich approbirten Aente werde und besonders in den Wasserheilanstalten
ausgetlbt werde.
Yen 77 Patienten kmuite 8caOTZB 6 gar niebt beeiaflniaenf bei
30 Kranken wurde das Leiden nur wenig gebessert , obgleieh ihr bypnotiMsber
Zustand ein vollkommener war und 42 wurden geheilt.
Diese 77 Personen waren ausschliesslich Anstaltspatienteii. Bei Alko-
holismus sah der Verfasser keinen dauernden Erfolg, wohl aber bei schwerer
Sehlaflosigkeit) bei Isohias, Neuralgien, leieliter Helaneholie,
Hyperhidrosis, nervösen Eesemen, Higrftne, allgemeiner Er-
nährungsstörung, Asthma nervosum, Odontaigie und sogar
Amenorrhoe. Nach Ansicht Schützes eiguen sich die Austaltspatienten mit
ebronlaehen Leiden fast immer für diePsyehotherapie. Auaserdem hat der Anstalts*
erst die Beobachtung der Wirkung, die Conirole der Lebensweise und etwaiger
Autosuggf'^tionen mehr in der Hand. ..Wenn von der Anstalt ans der Roden lilr
den Hypnotismus mehr geebnet wird, wenn von hier aus das l^ublicum den .Hegens-
reicheu Einfluss der Psychotherapie kenneu lernt, dann hat weiterhin der praktische
Arzt in Stadt und Land ein leiehtes Handeln.** Scbützb sieht eine grosse Gefahr
in der ausschliesslichen Beschäftigung mit der Hypnose, nämlich die Einseitigkeit,
dagegen glaubt er, der praktische Arzt brauclie mir die Fertigkeit in der Technik
zu beKitzen und solle die opeoulationen den Physiologen und Philosophen Uber-
lassen. Das heisst mit anderen Worten, nur das Handwerk der Suggestion soll
der Arzt sich zu eigen machen. Das erseheint uns als ein grosser Irrthuni. Denn
psycliologische Kenntnisse, .sowtdil ge-^tützt durch umfassende?* (heurelisehes Stu-
dium, wie durch genügende Erfahrung, sind geradezu uueriässliche Vorbedingung
fllr die richtige psychologisebe Diagnose, das heisst für die Erkenntniss der Eigen-
art des Patienten und fflr die Mögliehkdt, die Form, des Verfahrens ihm anau-
passen. Gerade in diesem Punkte liegt das Heheimniss der Erfulge ; gewiss würden
Beknheim, ForEL und Ku.\i KT-Klil\G nicht ihre grossen Erfolge auf diesem
Gebiete erzielt haben , wenn äie nicht gründlich geschulte Psychologen wären.
Jedem Speeialstndium kann der Vorwurf der Einseitigkeit gemacht werden und
doeh wird Niemand bezweifeln , dass z. B. ein Speeialist tilr Augenleiden im
Ganzen mehr Aussieht auf Heilerfolgf hat, wie der in der .Viigenheilkunde nur
mit dem Nothwendigsten vertraute praktische Arzt. Da.ss ganz besonders Anstalten
und Erankenhiuser geeignet sind zur Ansttbung des Suggestionsverfahrens, sehon
wdl man dureh den Verkehr mit Patienten untereinander eine gflnstige suggestive
Atmosphäre schaffen kann , wird Niemand bezweifeln. In der Privafpraxis aber
wird der Specialis! dem praktischen Arzte in der .\nwendung des V'erfahrens
stets Uberlegen bleiben, und zwar zu Gun.sten .seiner I^atieuteu.
, Denn einmal erfordert die Hypnotisirung besondere, ruhige, aum Seblaf
geeignete Räumlichkeiten , besonders sorgfältiges Eingehen auf den Seelenzustand
des Patienten und iicImmi <li*r individuell angepassteii Technik einen Zeitantwand,
den ein einigermasseu beschäftigter praktischer Arzt gar nicht für den Einzelneu
in regelmässiger Wdse erübrigen kann — ganz abgesehen von den fUr jedes
Speeialstndium nothwendigen Anforderungen an die Literaturkenntuiss. Hiernach
unterliegt es keinem Zweifel^ dass der praktisohe Arzt gegenüber dem Suggeetions-
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SUGGESTION.
691
tpeeimlisten stets im Na<dif]iefl snn wird, wiewohl es aueh ans zweckmässig er-
scheint, das9 die Gritndlagoi der ßnggestioiialehre im medieinisehen Unteniebte
eine Heimatsstflttc tinden.
Aut die Arbeit von MuäiNü ^'j, der unter Anderem eine rheumatische
Miiskellähmnn^ artienllren Ursprunges durch Suggestion heilte und bereits
bei 400 Patienten die Hypnose anwandte, sei hier nur hingewiesen. Seine Reanttato
bestätigen die Lehre (ior Nancyor Sphiile in allen wesentlii'hfn Punkten.
Im Gegensätze zu dieser Auflassung ist Hitzig ^''J noch immer Anhänger der
Farber Sdiule gebliebeo. In adnem Vortrage „Sehlafattaken und hypnotisehe
Suggestion** theilte er auf dem Psyehologenoongresse in London (Augast 1892)
einen Fall mit von t r a n ni a t i sc h e r Tlysterif mit Sc hlafan füllen. Für
klinische Zwecke wird Patient durch pliysikiilisclie Mittel hypnotisirt. Suggestion
eompleter linksseitiger llemianästhesie und einer concentrischen Geaicbtsfeldein-
sehränkung gefingt. Ausserdem uutersuehte Hitzig die nntritlTen Vorginge
während und nach den Schlafperioden.
Ueber die Anwendune: der Suggestion bei Trinkern handelt eine
Schrift des Londoner Arztes Lluyü Tu&ey. Derselbe suggerirte Totalabstineuz
von allen aikoholisehen Getränken. Er behandelte 31 Fälle (20 Männer nnd
11 Frauen).
Ke.sultat : Oeheilt seit über 2 Jahren 3, noch in Hehandlun^' , aber gut
gebend 5, rjlckfallif^, wieder behandelt mit wahrscheinlicher Heilung 4, bleibend
gebessert 4, keine Wirkung bei 3, rückfällig nach kurzer Bes'ierung 11.
FORBL betont diesen Erfolgen gegenOber die besseren Reenitate der
Trinkerheilanstalten. So berichtet der dritte Jahresbericht der Heilanstalt EUikon
35<*',| Heilnncen und 29'* wesentliche I?esseran?en. wobei cj5 sich meist um recht
schwere Fälle handelte. Nach Fobel's Ansicht darf die Suggestion uieht als lleihuittel
auf diesem OeUete verworfen werden, darf aber nleht in einen Gegensatz snr
Heilanstalt gebraoht werden, sondern mu88 mit den Mitteln derselben eouH
binirt werden.
Eine lebhafte Controverse ist in den letzten Jahren entbrannt Uber die
Mitwirkung und Rolle des suggestiven Factors in der Elektro-
therapie, wovon schon die Versammlnng der Elektrotiiwapeuten im Jahre 1891,
sowie neuere Arbeiten Zeno:niss ablcfren. Möiätus ^'*) h.tlt den Heilwerth des elektri-
schen Stromes t'llr sehr problematisch und sclireilit vier Fiinftcl ;illcr elektrothcra-
peutischen Knül^re der Suggestion zu. Der ursächliche Zusiunmunhang zwischen
Heilverfahren und Bes»ernng Ist naeh seiner Anschaonng nicht gen (tgend erhärtet.
Inhaltlieh sind diu Heilerfolg;e der r'sychotlierapie dieselben wie diejenigen der
Elektrotherapie Immerhin hält Moun dio Elektrieität dennoch fttr ein kaum
entbehrliches Mittel psychischer Behandlung.
Gegen Möbius wendet sieh hauptsäehlidi Fribdländbb , welcher die
Wirksamkeit der Suggestion in der elektrischen Behandlung nur anf die Neurosen
zu beschränken sucht. Auf die sieh anschliessende Discussion, in welcher BENEDIKT,
MDi.LKR, LnwKNKKi,!», LAviUJSH U.A. sich gcgctt MÖBIUS Wenden, sei hier nur
aufmerksam gemacht.
Ansftthrlieh und in verständiger Abwägung der beiderseitigen Stand-
punkte behandelte Eüi-f,nbüRG <i) diese Fraj^e in einem Vortrage vor der
HuFELAN'n'schcn Gesellschaft. Mit kritischer (ü'rechtifrkeit erkennt er das grosse
Verdienst der durch Möbius gegebenen Anregungen an und ist der .Meinung, dass
MÖBIUS theilweise Reeht hat. Nach Eulbnburo's Meinung sind etwa ein Flinfitel
der elektrotherapcutischen Erfolge auf Suggestion oder auf psychische Vermittlung
zurtlckzufilhren. Im Ocircnsatze zu der unverhohlenen Abneigung, weiche die Vor-
kämpfer der Elektrotherapie der Suggestionstherapie auf dem gL'nannten fongresse
gezeigt haben, betont Eulbnburo die Wichtigkeit der gesammteu psyehiächen
Behandlungsmethoden, unter denen die Suggestion nur einen speeiellen Zweig
darstellt, wenn dieser aueh unter Umständen au ihrer wirksamsten Inear-
44*
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SU06B8T10N.
nation werden kann. Seine unserer Meinung nach durchaus zutreffenden Ans-
föliriinirRn schliesst EuLKN'ni'RO mit dem Hinwois auf eine rat ioneile Elektro-
therapie und eine rationelle Fsyehotberapie nach richtig gewählter
individiuiliiirindar Mettiode und in teohnigeli ToUkommeDster, Mcbgemässer
Zur experimentellen Entscheidung dieser C<introverso durch Versuche,
welche die Suggestion ein- und ausschalten, hat in dankenswerther Weise Delpkat
die Anregung geliefert. Wenn nach seiner Autl'assaug MuBius noch bis jetzt nicht
graflgend «inwandfreie Bewdae fBr »eine Betraebtnngen erbracht hat, ao bestitijirt
er doch die MoBius'scben Ansichten f(lr gewisse periphere Paralysen, die soge-
nannten „S chla f 1 ä hm u n g e n" (während des Schlafes entstandene Druck-
paralysen). Von 87 derartigen Fällen wurden durch Delpuat 3.3 Patienten
mit dem faradiMbeUf 28 mit dem galvaniiehen md 26 nur aebdnbar behandelt,
das heisst Dblpbat that, als ob er alle gew5lnlieben Elektrisationsmassnabmea
vornähme, aber ohne wirklichen Strom SU bentltim. In folgenden drei Sfttsen
resumirt Delprat seine Resultate :
1. Es ist kein bemerkenswerther Unterschied im Hdlwerthe der beideu
elektrisdien Metboden als vorhanden m consiatiren.
2. Der wirkliehe Heilwerth derselben ttbenragte in nichts den der
Pundoelektn'satlon .
3. Der suggestive Effect bat nichts mit der directeu Wahrnehmung des
Stromes zn thun; wäre dies der Fall, so bitte der Erfolg in all den Pillen ein
grosserer sein mflssen, in denen man sich wirklicher Ströme bediente.
In der neuen Aiifla*re seines Werkes „Die Elektrotherapie" sucht SPER-
LING den von den Elektrotherapeuteu zu fordernden Beweis des ursiichlichen
Zusammenbanges zwischen Heilung und Elektrisirung unter Ausschluss der
Suggestion damit in nmgehen, dass er den Werth dieser Heilmethode in der
Medicin noch bedeutend höher stellt, wenn die Elektricität ein besonders wirk-
sames Mittel abgebe , um der Suggestion das Eindringen in die Psyche zu er-
leichtern. Allerdings bleibt es sich für den praktischen Erfolg gle.cbgiltig, wodurch
man heilt, aber nicht fttr die wIssensohafUicfae Analyse des HeUproccises. Damit
würde die elektrische Behandlung auf die stufe eines jener lahlreiehen Mittel
ht'r,ili;rescfzt werden, womit man das eigeiitlielio Agens, die Suggestion" , ver-
scbleiiTii kann. MoLL^*) geht soweit, die pj 1 e k t r o t h e r a p i e als wissen-
schaliliche Heilmethode Uberhaupt nicht anzuerkennen.
Diese Bemerkungen mögen genngen, um eine wichtige gegenwärtig noch
offene Frage zu streifen. Die Elektrotherapeuten , welche au* der Genese ihrer
Heilwirkungen die wissenschaftliche Bedeutung der Elektrotherapie folgern, werden
in Zukuuft die Suggestion und ihre Mitwirkung eingehend zu berücksichtigen und
womöglich durch geeignete Versaebsanordnung anazusebalten haben.
Zu den Mitteln der larvirten psyehiseben Behandlung gehört nach der
Lehre der Naiieyer Schule aueh die Anwendung des Magneten, l'nd wenn BRNEDIKT *'")
neuerdings iu seiner Arbeit: „Maguetotberapie und Suggestion*' wieder
einmal eine speoifisohe Magoetwirkung bei Versuchspersonen, die von der Wir-
kaug nichtB wnssten, gefunden au haben glaubt, so blähen so veveinielte poritive
Berichte doch in Bezug auf ihre Beweiskraft besonders im Vergldch mit den
zahlreichen negativen Versuchen fraglich.
Äehnlich wie BKUNJiP.iM deu Magneten , bezeichnet Masshalaxüo *' i die
Ii^ectionen des BB0WN*S6QUABo'scben TestikelMftee und der PAUL'schen Nerven-
snbstans als ein neues Capitel der Suggestionstherapie.
Der b t/tf , lahrgang der „Kevue de rhypnotisme'" bietet verhrlltnissmässig
wenig Artikel, weiche einen nambatten Fortschritt in der Lehre von der Suggestion
und ihrer Anwendung dantellen. Hier mSgen nur Erwähnung finden die erfolg-
reiche Anwendung der Hypnose in der Zahnheilkuude durch Dr. Lako-
BBBG«^) (Skofde, Schweden) cur Eneugung der Anästhesie in 7 Fällen«
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SU66BST10N.
683
die snggefttive Heilung hartnäckiger Obstipation dorcli Bknard. Prof.
Lbmoinf, •-') (IjilltM erprobte den von Li'V?; erfiindonen rotirenden Lerchen-
Spiegel zur H erbeifühninjc der Hypnosen bei Hysterischen. Hr erzielte auf diese
Weise rasch tiefe Hypnosen, in denen durch Suggestion die Beächwerden beseitigt,
respective gebeeserk werden. BfeRiLLON'^) berichtet 6 Fille von Morphine-
manie, die erfolgreich von ihm mit Suggestion bebandelt wurden, einen Fall
von u n 8 1 i 1 1 b a r e m K r b r eche n bei einer Schwanj^eren mit ebenfalls gilnsligem
Resultat. DuiiOMPALLiEB ''i), Gibert'^-} und VoisiN'^j heilten durch psychischen
Einflu'tfii Chore«.
Einen werth vollen Beitrag lieferte van Rentkrghem i Atnaterdam) mit
einer I'hIk Ib-, welche 2<) mit Suggestion behandelte Fälle von Me nstrua tions-
sttirungeu zusammenfasst , 9 Fälle von Amenorrhoe (bei Chlorose, psy-
chischem Shoek, infantilem Uterus, Intermittens) , 10 Beobaehtnngea von
Menorrhagie (bei ehroniseher Obstipation, Seleroae, Neorastheiüe , Animie,
Herafehter, Melaneholie, Hysterie), 4 Fülle von dysmenorrboiecher
Menorrhaf-'ie und ;{ l'.tlle von Dysmenorrhoe.
Die Hehandlungsrcäultate sind iulgende:
in Procentea
Misserlolg 5 = 19-2
Besserung 7 = 26*9
mit späterer Nachricht . . 12 = 46*2
Heiinng ' ohne »pitere Naehrieht . . 2 =7*7
mit Hecinve 4 = 15*4
Die Anzrihl der hypnotischen Sitzungen schwankt zwisehen 1 und 43,
wobei etwa - j der Patienten mehr als 10 Bebandlungen nöthig hatten. Die HOrg-
fältigen Aufstellungen van Bentbrghem' s erscheinen fUr Nachprüfung dieser
Verenehe sehr ermathigend.
Seit dem 1. October 1892 hat aaeh Deatschland eine Faehzeiti^cbrift
für .. H y p n o t i R m n s . S n g g c s t i o n s t h e r a p i e und S ti g g e s t i o n s 1 e h r e"
erhalten , deren Mitarbeiter die bekaunte^ten Forscher auf diesem Gebiete sind.
I^elbe erftfRiet Forbl''') mit einer vortreflriiehen Arbeit Aber „Suggestionaldire
nnd Wissenscbaft". Im AnsohloM an Claude Hkrnabd und Burdach behandelt er
die Beziehung der Seele ztim Gehirn . des flehirns zu den körperlieben Organen
und bezeiehnet das Snggestiren als ein Experimentiren mit dem lebenden functio-
nirenden Gehirn und den Wechselbeziehungen seiuer objectiv von uns betrachteten
Pnnetionen und dem inneren Ausdruck derselben im Subjeetivismus (Bewusstsein)
des Hypnotisirten. Der Verfasser weist dem Studium des Hypnotismus eine ganz
bestimmte Stellung zu unter den verschiedenen Methoden und Zweigen der Psycho-
logie. Dieser Experimentaimethode, bei der z. 6. allerdings ebensowenig in greif-
barer Weise die Mlfgllehkeit besteht, einen Untersehied anaunehmen swisefaen
Gebirnpbysiologie und Psychologie, wie bei dem Studium der normalen und patlio-
logischen Sprache, die Wissenschaftliehkeit abzusprechen, wie das noch heufi' ver-
sucht wird, ist nach Forel geradezu unglaublich. Die Suggostiouslebre , deren
greifbare Resultate wissenschaftliche Nutzanwendung in der Heilkunde gefunden
haben , welehe sieh als eine auf wisaenseliafttidie Brkenntniss fussendc Eanst,
Krankheiten zu heilen, auffassen l.'Ssst , greift tief in das Leben der Mensehheit
hinein ; sie bat — ähnlich darin die Kvolutionslehre — Verknüpfungen mit allen
Zweigen des menschlichen Denkens, Fuhlens und Wollens.
lieber den kflnstlieh verlängerten Schlaf, besonders bei der
Behandlung der Hysterie, Epilepsie und Hysteroopilepsie berichtet Wettkkstkand*^
(Stoi-klioltii 1 tu iit re Heoba<-htungcn. Er betont den Wertli des wohlthueuden er-
quickenden bchlatcs auf die Functionen des NerveDsystems überhaupt und glaubt,
dass dessen heilbringende Wirkung zu wenig gewürdigt werde. So Hess er eine
Hysterische unter dem Einflüsse der Suggestion vom 17. Oetobw bis 20. No-
Tcmber desselben Jahres, eine andere Hysterisehe vom 3. bis 14. Januar, eine
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SUGGESTION.
dritte l'atientin mit epilepsieähnlichen (?) Anftllen vom 5. Milrz bis
S.April desselben Jahres, einen Gutsbesitzer mit Epilepsie mehrere
Wooben, eiue dritte hysterische Dame von Eode März bis Eode Juai des-
selbra Jähret tdilafen. Die hysteritohen Besehwerden, 8«hmersea
und Lähmungen verschwinden unter dieser Behandlung, auch nachdem sie
vorher der Pnjrpestion allein Widerstand geleistet hatten. Der epileptiaehe Patient
hatte zeitweise Jahr nach Entlassung noch kleine Sehwindelaalälle, die T,epi-
lepsielliBliebeii** vonohwandM dauernd. Immerhin Hast sieb aas der Un-
•icherbeit der Diagnoten ftlr die Epilepsie kein bestimmtes Betttltat aus jene»
zwei Fällen jrfwinnen. W«lil über ddrfeu wir WETTF.RsraAXn fflr seine thera-
peutische Anregun{? dankbar sein : die Nahrung wird von den schlafenden ]\itienten,
ohne zu erwachen, zu bestimmten stunden genommen. Die Ausleerung stellt sieh
pflalctlleh au dem saggerirteii Ztitpimkte ein. Je nagestörter der Sehlaf , desto
besser ; in einem der erwibnten Fälle trat ein activer Somnambulismus auf (auto-
matiscbe Handlungen). Gegen die Rpontane Entstehung desselben dflrfte man erfolg-
reich mit Suggestion vorgehen köuneu.
In ausfllbrlieher Wdse tbeilt VAR Ebdbn*') in derselben Z^tsobrift
seine durch umfassende therapeutische Erfahrungen gestfltzten Ansichten über die
„Grundlagen der 1' > y c b o t h c r h p ie" mit; er besehrankt sich im Wesent-
lichen auf die praktische Seite des liypnotismus. Unter I'sycbotb er apie ver-
steht VAN Keden jedes Heilverfahren, das sich psychischer Agentien bedient.
Unter diesen psyebiseben Agentien nimmt die Suggestion die erste Stelle
ein. Therapeutische Hypnose ist durch Suggestion erzeugter Schlaf. Der „H y p n otis-
mus" aber Inv-eichnet nach ihm eine Reihe Jibiinrmer psychischer I'h.'lno-
menc, die mit der Therapie nichts zu thuii haben, sei es, dass sie spontan
auftreten oder dass sie experimentell erzengt werdmi. Die Arbeit van Bbokn's
trägt .sehr dazu bei, die Lehre von der praktischen Anwendung der Slggestion
auf dem breiteren linden der psychischen Behandlung im Allgemeinen anzusiedeln
und in WechseibeziehuQg zu bringen zu den sonstigen Mitteln dieses Verfahrens.
OBOSSMAKir *% der Redaetenr der genannten Zeitoehrift, wiederholte den bekannten
ntAiD'sebea Versneb, die ausgebliebene Milehieeretion bei uner HutteTf die
zum crstcnm.-il ;rcbnren hatte, durch Suggestion wiederhersustelleu , was aueb in
.zwei iSitzungen mit blfibcndem Erfolge gelnuir.
Bei Myociüuic hatte Scholz (iiremeu; durch hypuotische Suggestion,
welebe die Goneratration der Vorstellungen begfinstigte, Eifolge an beobaehteu.
orYong*^") (Haag) versuchte 32 melancholisebe Kranke zu
hy p n o t i s i r e n. Ks handelte sich dabei um sn/cnMunte elementare Melan-
cholien, bei welchen noch keiue Wahnideen, kein Selbstanklagedelirium oder
Verfolgungswahn sich entwiekelt hatten, welche sieh bundgaben dureh Seblaf-
losigkeit, unniotivirte traurige Angst, Präeordialangst, Un-
fähigkeit zur B e 8 c h il f t i g II n ir. T h e i 1 n a h m s 1 <> i k i" i t . ( ; e f li h 1 1 o s i g-
keit ihren N'erwandteu gegenüber. Bei 15 I^ersonen waren die Versuche
erfolglos, bei 17 gelang die Hypnose (= Wenn nach 6 Sitzungen
keine Hypnose eintrat, wurde die Behandlung abgebroehen. In einigen Fällen 1m-
ntttste OB YOXG Opium und Sulfonal, um die psychische Ruhe leichter her-
zustellen. Der Verfa.sser spricht vorsichtig als Hesume seiner Erfahrungen den
Satz aus, dass die Möglichkeit für psychotherapeutische Behandlung
bei Melanebolie nicht ausgeschlossen sei. Von einer direct gegen die Krank-
heitssymptome bei Melaneholisehen gerichteten Suggestion sah der Verfasser nie
einen l>folg; nur dann trat ein solcher ein, wenn es der Suggestion gelang,
prolongirteu .Schlaf zu erzeu^i n.
in dem zweiten Heft der Zeitschrift fttr Hypnotismus theilte Verfasser
dieser Jahresdber siobt^O den Verlauf einer Geburt in der Hypnose mit.
Da dieser Fall /u den ersten derartigen Beobachtungeu in Deutschland gehört,
so theiie ich ihn hier im Auszug mit: Verfasser wurde am 17. November lt>Ul
uiym^L-ü Ly Google
SUGGESTION.
m
von eitler 'J'ijilhricren tresunden Erstsrrbarenden besucht, welche in 8 — 10 Tagen
ihrer Entbindung entgegensah und wünschte, dass die Geburt in Hypnose, d. b.
fUr ihr BevuBStaein ohne Schmerzen vor sich gehe. Auf den Rath des Verfassers
liess lieh Patieotin mehrmals vor Bintritt der Geburt hypaotiareo , um ihre
Empfönglicbkeit festzustellen und zu erhöben. Siebenmalio:e Hypnose mit Somnam-
bulismus und postbypnoti scher Amnesie. Am 27. November, Abends 7 Uhr, die
ersten leichten Wehen, die am 28., 4 Lhr Nachmittags, stärker werden. 11^ a Uhr
Naehts Hnttemrand dreimarkstflekfross, Kopf im Beekenefaigang. 9 Uhr 45 Minuten
Nachts Muttermund vollatündig erweitert, Wehen sehr schmerzhaft, Patientin
Mcbreit und stöhnt. 3 I hr Ilypnotisirung (BERXHEtJi'sche Methode). Scbmerz-
äusseruugen verschwinden bis auf leichtes Stöhnen, d Uhr 5 Minuten Blasen-
sprung. Bei jeder neuen aehmerzhaftn Wehe wird Fortdauer des Schlafes
Sttggerirt Als der Verfasser bei einer dauerhaften Wehe dies einmal nnterlless,
lebhafte Schmerz-lusscrungen, 3 T'hr 15 Minuten passlrt der Kopf die Recken-
enge, 3 Uhr 45 Minuten steht er im F^eckenaustrang. Da die Wehen schwächer
werden , werden stärkere Wehen und Mitpressen suggerirt. Sofort werden die
Weben linger und so stark, da» ein Dammriss an beflBrehten ist. Daher sieht
Verfasser vor. die Geburt langsamer zu beendigen. 4 Uhr 12 Minuten s hueidet
der Kopf durch, 4 Uhr 15 Mitniten wird die Naehtreburt in einer Wehe heraus-
befördert. 4 Uhr 18 Minuten wird Katalepsie suggerirt und Anästhesie oonstatirt.
4 Uhr 20 Uiouten wird die Ereissende geveekt, naehdem Euphorie anbefohlen
ist. Patientin erwacht, blickt verwundert um sich und j^iebt aOf sie habe keinerlei
Schmer/ empfunden, sie erinnere sich aber, das.s ihr „etwas Rundes und Warmes"
abge?an;j:en sei. Also erhaltene Tast- und Wilrmeemptiiidiing. Gesundes Kind
weiblichen Geschlechtes. Mutter erholt sich schuell, nach einigen Wochen völlig
gesund. Die vorstehende Beobaehtong lehrt ebenso, wie ihnliehe Krfabrungen in
Frankreich, dass es möglich ist, bei genügend vertiefter Hypnose
n den W^eheoschmerz fttr das Bewusstsein der Kreissenden per Suggestion
zu beseitigcu ;
b) das Verhalten derselben, die Körperlage, Haltung des Gliedes ete. in
einer flir den (ieburtsverlauf zweckmftssigen Weise zu regeln;
ci die Wehenthäti^'keit siifr^'e^iiv zu verst.'irken oder absusohwKchen durch
Einwirkung auf die Action der willkürlichen Muskeln.
Der damaligen Auflforderung des Verfassers zu weiteren Untersuchungen
Aber die praktisehe Bedeutung der Suggestion in der Geburtshilfe naeh dieser
Riehtung ist inzwischen Dr. Tatzel "2) in Essen nachgekommen. Er h y p n o-
tisirte ebenfalls ert'olfrreich eine Gebärende, die vor der Geburt wieder-
holt von ihm eingeschlätt-rt war und erzielte durch Suggestion Schraerzlosigkeit
und Einwirkung auf die Wehenthlltigkeit Aueh das Wochenbett dieser Patientin
nahm einen normalen Verlauf. Tatzrl hält das Wirkeh der Suggestion
in d e r (J (' im r t s h i 1 f e in der Zukunft fllr ungemein segensreich, neben
den erwähnten Vortbeilen hält er die ebeutalls vou mir beobachtete und von ihm
bestJItigte bedeutende Verkürzung des Geburtsactes fflr einen nicht zu unter-
sehAtsenden Vorzug.
Bereits im II. Band der Encyclopädisehen Jahrbticher hat v. Coicval
in seinem Referate auf mein damals im Erscheinen begrillone-t Werk ,.Die
Suggestionstherapie der krankhaften l'Jrscheiuungcn des Ge-
seh lenkt SS { n nes** *") hingewiesen. Bei der grossen Bedeutung, welche gerade
suf diesem Gebiete der Suggestion zukommt, erscheint uns eine Ergflusnng der
vorlftuiigen Hemerkiingeu im vnri'.ren Jahrgänge noihwendig.
Um dem Onanismus, der in den meisten Fällen vou Geschlcchtsver-
irruog und Geschleehtsschwiehe eine ursilchliche oder begleitende Rolle spielt,
vorzubeugen, ist, wie in dem 2. Capitel meiner Sehrift ausgeftthrt wurde, eine ver-
Titlnfti;re. sicli dein ^'e-jchleehtliehen Knt\vickltni;r-'i)rocess anpassende sexuelle
Erziehung anzurathen. 6io ist als der wichtigste Tbeil der l'sychotherapie aozu-
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696
STTGOESnON.
sehen. Lebenswtise und Diät sind entsprechend zu regeln (Mässigkeit im Alkohul-
geouss). Zweckmässige Verbinderuagsapparate, Meiden der Einsamkeit, gesunde
geistige Nahrang, rationelle TnrnflbiiBgen (grOaeere MarseliMstungeii) , eventudl
loeale Behandlung (Phimosisoperatioo) and hydrotherapentisehe Proeednreo ergänzen
die specifische Suggestivtherapie. Correctur unrichtiger Vorstellungen in der
Hypnose und im Wacbzuatand, Ablenkung der Aufinerksamkeit (Studien . welche
die Potens licfabielien, eventuetl aaeh Hedieanente). Anf den psyebnehen Tbeil
dee aexuellen Meehanismus Ifisst sich in der Hypnose leichter und naebbaltiger ein-
wirken, wie im wachen Zustande. Ahf^chwilchung der KrinnerungHbilde r, Be-
kämpfung der Willenssfhwäebe und patliulogischen Autosuggesti<m<'u sind zweck-
mässig in der Uypaose vorzunehmen, ebenso wie Erzeugung der Potenz tUr den
CoitnB. Ohne Hentellnng «nee geregdten Oeeehleehtsverkebres ist naeb meinem
Dafürhalten die Bebandlung der Onanisten namentlich in schweren Fftllen aus-
sichtslos. Alistinenzgeltlbde ffUiren meist zu Rückfällen, ebenso Abstinenz unter
dem Zwang äusserer Verhältnisse. Das gilt vom männlichen Geschlecht, für das
«eibliebe nur in FlUeu besonders starker Libido.
Von 20 mit Sacffipestion bebaadelten Fällen (darunter 9 vom Autor be-
ricbtet) wurden:
in Prui.> iUt n
Gebeilt mit spaterer Naebriebt • • • l 13 =65
(kheilt ohne spätere Naebriebt . . . 3 j
Vollständig gebessert 6 =25
Vorübergehend gebessert 1 =r 5*0
GiuslicLer Misserfolg » . 1 = 5'0
30 = 100
Von 20 Onanisten (wobei die Fnlle vou Satyriasis and Nymphomanie
eingerechnet sind) kamen 11 in Somnambulismus, (> in Hypotaxie. bei M Patienten
Ist kein Stadium angegeben. Die Anzahl der Hypnosen ditlerirt zwitfcben 3 und
152 Sitzungen. Unter 20 Ftllen wurden 10 voUstAodige Heilungen mit späterer
Naebriebt, und 3 obne spätere Naebridkt, also im Gänsen 13 Heilungen ersielt.
Dazu kommen noeh 3 dauernd gebesserte mit späterer Nachricht. Hiemaeb wird
die Wiihrseheinliebkeit , durch hypnotische Suggesti«tn von Onanie oder sexueller
t'eberer regbar keit befreit zu werden, ausgedrückt in Bezug auf dauernde Heilung
dureb 65*/o' ^ Wabisebelnliebkeit dnes Erfolges tiberbaopt ist naeb dem vor-
lieg^den Material 90" q.
Der Ucbersichtlichkeit wegen wurden die 2 Fälle von Satyriasis und
Nymphomanie, bei denen ebenfalls die Onanie eine Hauptrolle spielte, in der
Bereebnong zu dem Onanismns gezäblt.
Bei der Apathie, welche schwere Onanisten allen Eindrfleken gegenüber
zeigen, ist auch die Suggcstibilitiit sehr herabgesetzt, aber die Prognose ist trotzdem
günstig zu stellen, wie meine Krlahrungen lehren. Bei etwa vorhandenem Krethis-
mus präparire mau die Patienten durch grössere Bromgaben für die Hypnose.
Je mehr die onanistisebe Gewobnbcnt als Ausflnss erblieber Disposition
oder einer bestehenden Psychopathie aufzufassen ist, umso schwieriger wird die
therapeutische Aufgabe, und umso infauster die Prognose. So handelt es sich bei dem
einzigen völligen Misserfolg um einen Schwachsinnigen, und bei der eiuzigen vorüber-
gehenden leichten Besserung um eine ausgesprochene erbliebe Disposition, da der
Vater eben&Ils Ooanist war und eine Reihe sonstiger Belastungssymptome vorlagen.
Einen Fall von MeJtiivhi)h'n tunsturhafortn mit beginnendem Sehwach-
sinn uius.ste ieh als ungeeignet zur hypnotischen Heliandlung abweisen. Die Onanie
wutde länger als 30 Jahre betrieben, es bestand eine Lereditiire Disposition ; das
Alter der Patientin, ihre Zerstreutheit, ihr gdstiger Verfall eontraindieirten die
Anwendung der Hypnose.
Ohne die Hypnose als I 'niversalniitlel für Onanisten zu betrachten, glaube
ich doch aus den die theoretischen Darlegungen beätiltigeuden praktischen £r-
L. iyu,^cd by Google
SUGGESTION.
Ö97
fabningen sdiliesaen xu dürfen , dass in Bezug auf Sicherheit und Scbnelligkeit
der Wirkung, sowie in Bezug auf Dauerhaftigkeit des Erfolges keine andere
therapeutische Methode bei sexueller Uebererregbarkeit Ähnliche Resultate auf-
nvctoeii hat 80 wenig wir die tonttigeii Besliättel »Is notliweDdige Ergänzung
entbehren kdnnen, so nothwendig eraeheint mir die Anwendnog der Suggestion
gewisnermassen alf speeifisches Mitti-l, indem krankhafte Symptome des Vorstelhings-
und I rielislebcns auf ihrem eigenen Gebiete corrigirt werden können , bei Er-
sebeiuuDgen .sexueller lebererregbarkeit besonders in Form des OnanismuH iudicirt
sn sein. Fflbren andere Mittel und Methoden nieht suin Zid, so mnn eine Yer-
siehtleistung auf die Suggestionstherapie ans Vorurtheil und ünkenntniss als eine
nnTerantwortiiehe Unterlaesuogssttnde von Seiten des Arztes gegen seinen Patienten
betraehtet werden.
Die fnnetionelle Impotenz besonders aus psyehiseher ürsaebe
bietet ebenfalls der psychischen Behandlung einen eminent gttnetigen Boden. Die
übrigen Pehandlung^methoden , welche neben den locale« Stftrungt-n auch die in
der liege! vorhandene Neurasthenie zu berücksichtigen haben, übergehe ich hier.
Um den Einduss der erregten Gehirnthätigkeit auf die Hemmungsnerven
fDr die Ereetion zu beseitigen — denn darum handelt es sieh in der Regel bei
psychischer Impotenz — kann man handgreifliche Proceduren als larvirte Waeh-
Suggestion zur Anwendung bringen. 80 s. B. dureh den BEOWN-S£QüAfiD'sehen
Uodenextract.
Sehon der gesebleehtliebe Ursprung des Mittels erweckt Hoffnungen und
steigert die Erwartung des Patienten. Die ganze Aufmerksamkeit wird auf den
kranken Theil gelenkt und durch die nerven errcirende und schmerzhafte lujection
bedcuttnd erhöbt. Der Patient macht die Erfahrung, dass an ihm etwas vorgeht;
sein Glauben wächst; das GebeimnissvoUe der Wirkung des verjüngenden Saftes
regt die Pbimtasiethlltigkeit in lebhafter Weise an. Bedenken wir nun, dass der
cerebrale Theil des Geschleehtsactes in fast allen Flllen von Impotenz in Mit-
leidensehaft gezogen ist . wenn er nicht die alleinige T'rsache abgiebt ! Es hlsst
sich alfio nicht die Möglichkeit bestreiten , dass jene Factoren die psychische
FunetionsstGruDg aniigleiehen und manehe Fälle von Impotens voUstindig heilen
können. Hierfür s|)recheu auch s< usii^rt Mittel der Maskimng unseres p^eho-
therapeutischen Eingreifens im wat-linn Zustande.
Gelingt es z. B. dem Patienten, die Erectionsfahigkeit seines Gliedes zu
demonstriren , so ist der erste Schritt zur Heilung gethan. Das Selbstvertrauen
des Patienten wird daduroh in stärkst« Weise anger^. Faradisatton der Oeni*
talien . Bougirung mit stärker werdenden Hetallsonden , welche 10 — 15 Minuten
lietren bleiben. Argentum und Tannin , Snppositorien in der Urethra posterior,
Klysliere u. s. w. rufen Steifimg des Gliedes hervor. Alle diese Mittel nehmen,
wie das BBOWN-SifcQOARD'sche , die Psyche des Patienten zum Angriffspunkt und
demonstriren die Grundsätze der p?iychischen Behandlang im wachen Zustande,
die wir in der Hehandliing der sexuellen Hypor.'lsthesie auseinandergesetzt haben.
Furcht, Misstrauen, Aberglauben, Hoffnungslosigkeit, hypochondrische Stimmung,
bietmi oft als Ursadien der psychiseben Impotenz unflberwindiiehe Schwierigkeiten
dar. Der Erfolg bei solehen Patienten hingt ganz von riehtiger Individnalisimng
und von dem Sdliarfblidk des Arztes ab. Man muss versuchen, dahin zu wirken,
dass der Patient sich nicht unaufhörlich mit sich bcschfiftigt, dass er sein Leiden
und etwaige Misserfolge gieichgiltig aufnimmt. >iutzlo8e geschlechtliche Aufregung
(s. B. bei Verlobten) ist streng zu vermeiden. Jedes gewaltsame Vorgehen von
Seiten des Patienten p.iralysirt das Erection^centrum nur noeh mehr. Gemflthsruhe
ist das wesentlichste Ertbrderni<s für den Kranken.
Man hüte sich auch davor, das Bestehen einer wirklichen Krankheit
hinwegdisputireu zu wollen. Man wird den Zustand dadnreh nur versehleehtern.
Die Aul^be des Arztes besteht darin , einen wohl durehdaehten Plan bei dem
Patienten zum Zwecke der Heilung zur Ausfttbrnng zu l»ringen. Kalte Abreibungen,
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698
SUGGESTION.
Bider, innere Mittel und Incale Behandlung mtlsaen den HeilpUn larviren. Der
Patient muss den Eindruck gewinnen , dass die anffewcndeten Mittel ihm helfen.
Zeitweise Abstinenz ergänzt zweckmässig diese Verordnungen. Patienten, die durch
mngestreo^ geistige Beeebifligung impotent geworden sind, mflasen ihren Beruf
leitvdM aufgeben. Für solche ist ein Landaufenthalt zu empfehlen. In anderen
Fullen wird man den Rath ertheilen , den Coitus halb im Kauseh zu vollziehen,
in der Erwägung, dass der Alkohol lähmend auf die Geistesthätigkeit einwirkt.
Regelang des Gescbleehtsverkebra spielt ancli eine Rolle. £<ne passende Ehe ist
in allen Fällen ein vonllgliehes Vorbengnngsniittel gegen Impotenz.
Die VerwerthunfT der Oehirnfunctionon zu Gunsten der Heilung geschieht
o) durch die Vorslellungstherapie im wachen Zustande, dereu specielle Ver-
werthbarkeit <Ur die Impoteuz im Vorätehenden mitgetheilt ist; bj durch die
Suggestionstherapie.
Die Vor-^tellungstherapie berücksichti^'^t das Urtheilsleben des Patienten,
die cnordinirende ThUtifrkeit, und -^etzt seinen Willen, seine Aufmerksamkeit, seine
Urtbeiiskraft in Bewegung. Suggestionen dagegen haben die besondere Neigung,
die betreffende Vorstellung in eine Httdluag nmsusetsen. Je mehr nun die
GeliimthAtigkeit dlssociirt ist^ je weniger der eontrolirende Hemmung-sapparat des
Gehirns in Thätigkeit gesetzt wird, umso grösser wird diese Steigerung der ideo-
motorischen. ideosousitiven und idei»senKoriell<'n Reflexthätigkeit , d.h. die Sugge-
stibilitAt. Au sich i^t es hierfür gleicbgiitig, ub tjchlaf besteht oder nicht, wenn
auch zugegeben werden muss, dass trotz I)emer1cen8werther Ausnahmen der Sehlaf
die Aufnahmefähigkeit fOr Buggestionen im Allgemeinen erhöht.
Die Wachsuggestion, d. h. die kritiklose Aufnahme und Verarbeitung
einer Vur.steliuug, bezeichnet immer schon eine Abschwächung der associativen
und Oontrastvorstellnngen oder rine Erhöhung der intraeerebralen Reflexerreg-
barkeit, d. h. sie lässt sieh, streng genommen, schon als Hypnose deiiniren. Das
steigende Mass der Gläubigkeit setzt zuuelnncnde AlHchwilehung von T'rtheil und
Uebcrlegung voraus. Die Heilerfolge, welche mit Hilfe der Einbildungskraft bei
Impotenten erzeugt werden, zeigen schon die der Hypnose cigeathdmUclie Gehirn-
gefiugigkeit, bilden also als Suggestionen im waohen Znstande labil den lieber-
gang zur Hypnose.
Die Kcxuellcn Functionen sti hen in einem abhängigen Verhältuiss von
der Gehirnrinde. Vorstellungen, WUuscbc, Bilder sexuellen Inhalts verursachen
gesehleehtliehe Aufregung, sehwBehen die Wirkung des Hemmungseentrums ab
und verursachen durch Einwirkung auf das Erectionsci)ntrum jene bekannten
vasomotorischen und motorischen Vorgänge . welche die BhitfüUung des Penis
veranlassen. Das suggestive Heilbestreben wird hiernach in der Stärkung solcher
Vorstellungen beruhen , welche den sexuellen Erethismus hervorrufen , und zwar
durch Almhwtehung gewohnheltsmftssig assoeiirter und patiioiogiseh erstarkter
Gegenvorstellungen (L'rsache der p.sychisehen Impotenz), sowie durch Steigemng
ihrer peripheren Kraftentfaltnnir (l'.inwirkung .inf Kreetion und Ejaeulation). Schon
durch deu Wegfall, die Abt^cbwilehung , die Dissociation „der das Gleichgewicht
haltenden organisch arooeiirten Gpgenyorstellnngen" (Forbl) wird die sujrgerirte
Vorstellung allmilehtig. Der hierdurch erleichterte Umwandlunpsprocess einer
Vorstellung in Emptindung (Libido sexualisj nnd Hi-weL'ung entzieht sieh aller-
dings iu seinem MeehanismuH vollständig der Beobachtung. Um nun aber eut-
wedw die oft Jahre lang bestehende, also eingewurzelte Herrschaft des cerebralen
Hemmungseentrums Uber den sesuellmi Medianismus zu vernichten otler dureh
Viirstellungsreize die geschwächten Gcschlechtsfnnetionen zu erneuter Bethätigung
anzuregt n . dazu pcnii-ren nicht eine <ider einige hypnotisehe Sit/.nnjren , wie so
viele I^atienten glauben , sondern der ungehemmt wirkende Vorstellungsreiz der
Heilsuggestinn mnss so oft und so lange ^it wiederholt werden, bis dureh die
cumulative Wirkung seine Intensität und Dauerhaftigkeit gesichert cr.schetnt, bis
er vom Gehirn automatisirt ist. So darf ein Impotenter, dem die Ausführung
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SUGGESTION.
699
des Coitus erst einmal in Folge der Sufgeativbehandlung fjelungen ist, nur als
Reconvaiesccnt betrachtet werden, erst das wiedcrbülte, retrelmässige gewohnheits-
müssige Gelingen des Geschlechtsverkehrs macht die iJcilung detinitiv. Diesen
Gmndaitien mms aaeb die Behandloagsdaaer und Yorauasafce folgwi. Mit vollflni
Beelkk weist Rixgikr<) darauf bin, daas in keiner mediciniachen Diseiplin der
Hang, die Hehandlutig abzubrechen, so ausgesprochen ist, wie in der hypnotischen.
Der Patient erwartet Wunder, und wird in der Regel enttäuscht. Die Einfachheit
des Verfahrens entsprielit nieht seinen Erwartungen. Ferner treten die ersten
Bessern n^esymptome oft unmerklich, unbewusst für den Patienten ein, im Gegensats
Itt der deutlicheren Wirkung physikalischer und medicamentriser Heilmethoden.
Dazu sind manche Patienten geneigt, z. H. das häufige Eintreten sexueller
Dränge und von Ercetiuneo in der ersten Zeit der Suggestivbehandlung anderen
Ursaehen snansehreiben. Der cansale Zusammenhang der Hdlnng mit der Bag-
gesUvbehandlung entzieht sich vollkommen • dem Einblick des Patienten , und oft
ist es nur der constante zeitliche Zusammenfall der Besserung mit den Sngf^estiv-
behandlungen, welche die wirkliche Anerkennung der psychotherapeutischen Wirkung
veranlassen. Ein seitweiliger Ausfall oder Abbruch der Behandlung klirt sololie
Fntienten in der Hegel auf. Denn sobald sie auf eigenen Füssen stehen sollen,
erkennen sie erst die Stütze, welche ihnen die Sii-ri^estion darliot. Im (ianzen
möge mau den Grundsatz botulgcn, Patienten mit chronischer Impotenz nur dann
mit Suggestion zu behandeln, wenn dieselben gewillt sind, die Behandlung nicht
vorzeitig absnbnehen. Denn dadunA stfrken sie Ihr eigenes Misstranen* und
ersebweren durch Autosuggestion eine Wiederholung des Verfahrens.
Wie die Casiiistik dieses Capitels der vorliegenden Schrift zeigt, wurden
von 18 Patienten (wuruiiter 6 Patienten des Verfassers)
in TmcAnten
Geheilt: a) mit späterer Nachrieht Aber den |
Verlauf 4 10 = 5Ö-5Ü
bj ohne spätere ^^achricht ...61
Wesen tlieh gebessert (mit Beddiv) . . 1 = 6*56
Leicht oder vorflbergehend gebessert . 2 = 11*11
Misserfolge 5 = 27-77
18 — 1(1000.
Von 18 i'atienten kamen 6 in äomuambulii^mus , 5 in Hypotaxie und
3 in Somnolenz, l>ei 2 Personen gelingt die Hyimnse nieht, 1 Patient wurde im
wachen Znstande behandelt und bei einem ist kein Stadium angegeben ; keine
einzige Person weibliehen Geschleehtes kam zur Üehaudlung. Die Anzahl der
Sitzungen schwankt zwischen 1 und Ö6. 10 Patienten wurden geheilt. Die Aus-
sieht, bei funetioneller oder psychischer Impotenz einen Krfolg durch suggestiv«
therapentisehes Vorgehen zu erzielen, wird dureh QO^/q nach den vorliegenden
Ilesiiltaten aiHüp irili-kt. Daher ist zu liertlcksichtigon, dass in einifren F.lllen eine
re,;relrei-ljte Behandlung nicht vorgeuun)meii werden konnte und dass andere bei
der 10rf>)lglosigkeit sonstiger Heilmethoden als aufgegeben oder wenigstens besonders
schwer anzusehen waren.
Fa->t alle Impotenten (nach FObbrikger alle, ohne Ausnahme) sind
Neurastheniker und als solche sehwieri:? in Hypnose zu bringen. Die gesteifrerte
Emptänglichkeit für Autosuggestionen — eine Folge der reizbaren Schwäche des
Gehirns — darf direct ah Symptom der Neurasthenie acgesehen werden. Die
hemmende Zwangsvorstellung »sexueller Leistungsfähigkeit setzt als eingewurzelte
Auttisug/C'^tioii besonders (l.iun flm fremdsug?es{I\ cii Kingrillen wirksamen Wider-
stand eutge^ren , wenn es nicht gelingt, da« psyeiiisehe Verfahren s(» zu maskiren,
dass das Gehirn trotz des vorhandenen Misstniuens darauf anbei.'-st, oder wenn
der bei den meisten Nenrasthenikern constant oder zeitweise vorhandene psyehische
Kretlii^mns die nötliigc Concentration der Aufmerksamkeit und den Eintritt des
hypnotischen Zustandes Uberhaupt verhiudcrt.
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700
SUGGESTIUN.
Nach den vorstehenden Atisffihriingen unterliefrt es keinem Zweifel mehr,
daäs die Siifrpestivbehandluiifi: liei ps\chiM("her und functioneller Impotenz uftthipren-
falls iu der liypnoüe aln wirkdamstcü Verfabreu der Psychotherapie indicirt ist uod
in dar Thenpie d«r Impotenz flberluinpt von nnn nn tinen breiteran Raam und
eingehendwc Rerticksiditigun^ beansprnehen darf, als ihr bisher eingerüurat wurde.
Von hervorrag-euder Wichtigkeit ist die Sug-prestivhebandlnnfr filr die ver-
schiedenen Erschein ungstormen der sexuellen J'arfiathesie geworden. Die Heiluu^s-
anMteht durch pt^ychisebe Behandlung hingt direet ab von der richtigen dia-
gnostischen Abwflgung des erblichen Moments im Verglfich zu den oceasionellen
Schädlichkeiten der Hrziehun?. Ks besteht a priori mehr Wahrscheinlielikeit. das«
die durch Sugfcestion wirklich {relicilten Falle im Wesentlichen den Fruprung der
Perversion accchsoriseben Schftdliehkeiten verdanken, als auf der anderen Seite
fdr die llSglicbkeit, dun die Suggestion im Stand« sei, das Resultat einer origi-
nären Gehirnanlage 2u corrigireo. Dabei ist anzugeben, daas die aehidUelien
Erziehunpseinflüj'se auf dem Hodtn einer erworltenen oder ererb en allg:emeinen
Deuropatbiächen Dit>pohition wirklieb die patbologiäche liicbtung des üe«chlecbts*
triebcs dauernd bestimmen können. Also das ZuBammeDtrefTen dieser zwei Kaetoren
spielt in der aberwiegenden Hehrzahl der Fille, wie in dem genannten Werk
von mir naeb«i:ewie><en winde, die deleiilre Rolle. Die Vnraus^ajs^e hÄnpt ab von
den Ursachen der Entstehung; gegen ererbte C 'nstitutionelle Anomalien, wie solche
auf ditsem Gebiete voikommen können, ist die Suggestion machtlos, das Product
der fendehnng dagegen llsst sieh durch entgegengesetzte Erziehung eorrig«ren
auch bei angeborener neuropathischer Disposition. Diese Sitze werden bestitigt
durch die therapeutischen Resultate Anderer und mir.
Bei 32 mit Suggestion behandelten Füllen sexueller i^arüstbcsiu waren
folgende Resultate zn verseidinen:
in Proccnten
Misserfolge 5 = 15'62ö
Leicht Gebesserte 4 = 12 Ö0Ü
Wesentlich Oebesserte 11 = 84*875
Geheilte: a) mit später» r N.ichrieht . . . . 10|
b) ohne spätere JS'aohricht .... 21 ~
100-UL'O
Von 32 Patieuien waren unempftnglich für Hypnose 6 Personen, in
Somnambuliamus kamen 8, 13 gerietben in Hypotazis, 3 wurden somnolent; zu
3 Fällen ist von den Autoren der Grad der Empfingliehkeit nicht mitgetheilt.
Ueber ein Drittel der Fülle wurde v^Ulig geheilt, nilinlieli 12 Frille
von 32 ; uud zwar konnte bei 10 Geheilten der Erfolg als bleibend durch weitere
Beobachtung constatirt werden. Bei mehreren Patienten erstreckt sich die Beob-
aehtungsdauer Aber Jahre hinaus. Ein Kall konnte sogar von Kbafft-Bbino
zwei Jahre beobachtet werden, und Verfasser hatte Gelegenheit, einen entlassenen
I'atieiiten im (Janzen 2 .lahre und 4 Monate zu verfolgen. Vier andere Patienten
konnten vou den Autoren länger als ein Jahr im Auge behalten werden und eine
etwas grossere Zahl von Fällen länger als ein halbes Jahr.
Die Oewisscnhaftigkeit dieser Art der Ilenbaclitung und die sorgfältige
Registrirung von Kiirkt;il!«'ii , wie sie in aniii rcu Zweigen der Therapie kaum
peinlicher angetroltun wr^rden dürfte, berechtigen dazu, aus dem vorhandenen
Material annähernd sichere Sehlflsse Aber die Ileilungsaussiohten bm sexueller
Parästhesie zu ziehen. Die Wahrseheiniichkeit eines Erfolges mit Su^estion wird
durch TO^'o ausgedruckt, diejenige der Heilung dur«h34''o. Aber man möge im
Ganzen derartige Tatienteu auf eine iJlngere lU-liandlungsdauer vorbereiten. In
einem Falle hatte ich 14 2, in eiuem anderen 204 hypnotische Sitzungen nöthig.
üeberhaopt durfte es sieh als zweckmässig empfehlen, die Heilung dadurch dauer-
haft zu machen, dass man die Gt heilten propbylactiscb alle 8 oder 14 Tage etwa
ein Jahr lang hypnotisch forthehaudelt und für regelmässigen Gesobiechtsverkehr
Ly Google
SUGGESTION.
701
Borge trftgt. Man mö^e immer berücksiehtigen , dass die Behandlungsdauer
eingewurzelter Gewohnheiten abhängig ist von dem Zeitnem, weloheo die Ver^
irruDg zu ihrer vollen Ausbildung benöthigte.
Auch in deu schwersteu FäUeu gelia^t die Beseitigung onaniBtisdier
NeigODgen nnd der sexuellen Hjrperistheftie. Bei Contrirsexualen tritt In der
Begel nach eiuer gewissen Behandlungsxeit ein Zustand geschlechtlicher Neutralität
ein, indem die Patienten gleichgiltig gegen hnmosexiiclle Reize geworden sind,
aber noch unempfänglich bleiben für das Weibliche. Mit dem Eintritt den
geregelten nonnalen Oeselileohtsrapportes, der naeb mdner Ansieht eine Conditio sine
qua non für die Heilung ist, verschwii! Jen die suiiAcbst vorhandenen Unlust-
gt-nthle im Lnufe der Zeit völlig, die i'hanlasie des Patientieti wird alliiiMliu
ans^prucbslühiger und erregbarer für weibliche Heize, uud im Uehergaugsstadiuni
psychosexualer Hermapbrodtsie muss durch die äusseren Verhältnisse dafür Sorge
getragen werden, dass das Prodnet suggestiver Zllehtnng allmiUg die eingewuraelte
Neigung compensirt. Die seelischen Rudimente des Lddens verblassen immer mehr
und veranlassen nur da RUckfnlle, wo zeitweise nicht in normaler Weise befrie-
digte sexuelle Dränge von Neuem die Herrschaft Uber den Patienten gewianeD
und gewissermassen der alten Neigung neues Material sufilbren, mag diese homo-
sexueller, algolagnistiseher oder fetii^chistischer Natur sein. Wenn, wie wir früher
in unserem Werk ausfilhrten , die Ert'eminatio eine Folgeerscheinung diT Homo
Sexualität ist, so kann logischer Weise die geschlechtliche Umgestaltung im äinue
eines männlich fühlenden Individuums nicht spurlos an dem Seelenleben des
betreffenden Patienten Torfa^;ehen, wenn aueh sugegebsn ist, dass derartige
seeundäre Cbarakterveränderungen im Sinne eiuer Abschwftchung vielleicht erst
in Jahren sieb faeransbildcn und immer längere Zeiträiunie erfordern. Die Lehre
von der contrilreu Sexualemptindung und ihrer Ueilungsmöglichkeit ist noch zu
jung, um bierflber naeh praktiseben Resultaten ein ürtheil au erlauben.
Wenn he\ conträrer Sexualempfindnng von Heilung gesprochen wurde,
HO igt darunter immer eine relative Heilung zu verstehen. Denn eine absolute
Heilung würde eine vollständige Beseitigung der Homosexualität, auch ihrer Er-
innerungsbilder nnd dner bei manehen Patienten episodisch auftretenden ItOrper-
liehen Rflekwirkung derselben, voraussetzen. Das aber liegt niebt in der MOglieh-
kcit II onh( blieben K("»nnenH. Mnn darf zufrieden sein, wenn diese Bilder verblassen,
zu un^ehiidlichen Rudimenten werdfii , und wenn das (icschlechtslebeu in die Bahn
regolmiissiger naturgemilsscr Iktbätiguug geleitet ist.
Aus einer kflrzlieh ersehienenen Schrift des Verfassers „üeber
Suggestion und suggestive Zustände" mfigeii hier einige die Ausfüh-
rungen V CouvAi/s I in den Encyclop.'idipiehon Jahrbüchern, I und II) ergänzende
Bemerkungen Uber Hypnotiairbarkeit Platz linden.
Naeh meinen bisherigen ESrlUimngen sehien mir die Kntheiinng in drei
Grade die beste zu sein; sie sehlieest sieh auch am engsten der in diesem Auf-
sali dargelegten Auffassung von dem Wesen der Hypnose an.
Grad I ist als Somnolenz zu bezeichnen. Die Sugge-;tibiIitU ist partiell
für bestimmte Acte erhöht, ohne wesentliche Beeinträchtigung der Apperceptiou
und des Bewusatsdns.
Orad II wird zweckmässig Hypotaxie benannt. Unfilhlgkeit, trotz ener-
gischer Willensanstrengung bestimmten Suggestionen zu widerstehen. Apper-
eeption für Vorgänge der Aussenwclt vermindert. Keine oder nur partielle Amnesie
nach dem Erwachen.
Grad III wird dureh den Somnambulismus gebildet. Neben der Wider-
standsfähigkeit gegen Suggestionen besteht Amnesie oder Empflnglicbkeit für
Haliucinatiunen oder beides zu;,'leicli.
Um die oft sehr hartnäckigen Schwierigkeiten in der Hypnotisirung zu
Überwinden, empfiehlt sieh die unterstützende Anwendung chemiseher nnd physi-
kalischer Hilfsmittel: Uebrigens besteht ein in der Literatur nirgends genug ge*
wflidigter Unterschied in der Empfihigliehkeit für suggestive EinHüsse bei geistig
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SUGGESTION.
hoebentwiokelton nnd dnlbelmi Lenten. Elnfaeb« ungdelirte, an patsiven Gehorsam
gewohnte Gehirne (i. B. bei Landleuten, Soldaten. Dienstboden, Arbeitern etc.) sind
leicht zu beeinflussen. Sie schlafen schon, ehe sie merken, wa-* nnan beabsichtigt. _8ie
tbun und glauben, was man ihnen suggerirt'^ (^Fokelj. Gewöhnlich erzielt man
auch bei Urnen tiefere Hypnosen. Dalier ist die Safrgestion fttr künisehe und
pollkliniselie Behandlung, wenn man ihr Wesen richtig verstanden hat und ihre
keineswegs leichte Technik völlig beherrscht, ein vorzUji^^liches Mittel. Man braucht
gar keine Umatflode su machen, keine Erkllrangen zu gel en, man kommt mit
wenig Worten mlllielo« nm Ziel. Bei gebildeten nnd sicepüsehcn Personen —
woxn so viele Nervenleidende zu reohnea sind — verfkngt ein sokiiet Vor-
gehen nicht. „Ein nberle?:ener Ton imponirt ihnen nicht, den Brustton der Ueber-
zeuiriinir finden sie litcheriich" TvAN' Kkdkn). .'^ie können sich der Kritik nicht
eathallen und ea fällt ihnen schwer, den nöthigen Zustand geistiger Passivität in
sidi berxastellen. Heist haben sie aneh in Folge falseher Yorstellnng von dem
Verfahren kein besonderes Vertraaen zn der Sache , die nach ihrer Meinung ein
Attentat auf ihren freien Willen bedeutet und die f^eistige Unabb.lnorifjkeit ver-
mindert. Es regt sich ein Getühl des Widerspruchs und dazu tritt oft genug die
nnbewnsste Antxwnggestion, nioht hypaotisirt werden an kOnnen. Das gilt gana
besonders von Personen, die an Nevrasthenie nnd Hypoehondrie leiden. Aneh vortreff-
liehe Kenner des Ilypnotismus, wie VAN Eedex und Bf.rnhf.im, sprechen ^ich ftber
solche Fülle zurückhaltend aus. Man muss also das l'nabh.'lnfri^koitSL'efilhl iler l'ersou
schonen, die öuggestibilitfit nicht höher steigern als nöthig, wenn man zn ärztlichen
Zwecken eine Snggeation ansflbt. Intelligenten Kranken wird man eine kurze Anf-
klirung geben mttSiWlIber das Wesen des Verfahrens. Man muss ihnen beweisen, dass
es sich nicht um eine Bewusstseinszerschmctterun/r handelt, wie BENEDIKT glaubt,
sondern zunächst nur um Herstellung eines passiven Ruhezustandes, in dem sie
noch selbst im Stande rind, das Verfahren an beobaebten nnd an eontroliren. Die
Halbgebildeten dagegen, welehe ihre Unwissenheit oft dnreh um so knhnere Be-
hauptungen zu ersetzen suchen, emplielilt vw Bedbw vorerst moralisch zu erziehen.
Aber auch hier ist die Schouunjr des riuibliüngigkeitsgefühls ein Haupferforderni.«s.
Nachstehend folgen einige demselben Aufsatz entnommene tabellarische
Daten Aber die Emplkngliehkeit fflr den hypnotischen Einflnss nach der obigen
Eintheilung in drei Grade:
Hypnotisi rb ar k e i t nuf Hrnnd Internationaler Statistik ohne RUclcsicht auf
Geschlecht, Gesundheit und Alter). Vom April 1^Ü2.
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H.vi>o-
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Soinnam-
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2Ö57 i 4aiti : 1313
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14
5
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6
7
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48
29
519
Dr. Vnr.WDKa (YönkiSpinz) br efl. .Mitthoi'.
Dr. Lloyd Ti'kev (Londoo) biieä. MittheiL
n n « n ^2. gedr. Berieht)
I)r. "\Vktih;-ikam> ( St<h kliolm ) ln ipfl. Mitth.
Dr. Bkioklmann d'aiierburn) iiriell. Jlittb.
ms \
1880 1 Dr. LiKBKAiT[/r (Nancy) brieflühe
1S<80 ( Jlittlicihintr
Dr. pKnoNNKT (Algier) briefl. Mittheil.
Dr. Neilsox (Canada) briefl. Mittheil.
Dr. N'>\.\i (Haiiiburi.) briefl. Mitlheil.
Dr. VAX Ki.xti;kohku (Amsterdam) gedruckt.
Dr. V. CoavAi. (Baden-Baden) briefl. MittheD.
Dr. iiMTZi.ER (Wien) briefl, Mitlheil.
Dr. RixiiiKK (Schweiz) briefl. Mittbeil.
Prof. F.»KKL (Ziiriclit bri.:-«. Mitthfii.
Dr. V. SciiKENCK - NuTZixu (Mönchen) bis No*
vember 1890
Dr. V. ConvAL (Baden-Baden) 2. briefl. Hittlieil.
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SUGGESTION.
Hjpnotiiirbarkeit mit PmeMtveriiiltBiaMa (inteniational).
Bis zum November 1880 stellen sich die in München gewonnenen Resultate
(kanptalchiich Stadtbevölkerung und gebildete Stände) nn 240 Personen wie folgt:
Refraoür 29 « 12 08" ,>
Sonmolens 42 = H 50 „
Hj[K.ti.xis 100 = 41-57 „
Soin«anibu!i.sniua . 69 — 28-65 n
2i0 Pttaooen lOODO*^/«
Damit vergKohen, stellen sieh dIeReraltate inNaney (Li^baolt), Amster-
dam (vAK ni:NTKl:..il!:>! 1 iiml *
wir r.il
Liebeault
bei 1011
Penonen
rtr
0
Liebeault
bei 753
Peraonen
"in
van
Renterichem
bpi 17»
Personen
Ringier
b«i 821
Personeil
Schrenok-
Notzinp; I
bei 240
Personen
%
2'67
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lr)G2
7-97
10-1 19
63-21
18-73
3-93
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79-77
II 24
5-43
724
5149
34-84
WH»
17-50
4167
28-75
1 99*99 1 10000
100-00 1 lOOOO
lOOHK»
Naeli den Ton mir angefertigten Torlänfigen Znsammenstellnngen Unt
sich (international) die Hypnotisirbarkeit von im fianzen 8705 Personen verschie-
dener Nationen durch folgendes Zablenverhftltniss ausdrücken :
Refractär • 519 = 6"/,
.Somnolenz 2557 —
Hypotaxiä 4316 =
Somaambulism as 1313 =
29
49;
15 „
8705 = lOO'/o
In Bereehnung auf 8705 Personen verschiedener Nationen blieben vClIig
nnempfänglich nur 6" n, in Somnoleuz kommen 29" ,, in llvpotaxi^ 19" ,,, in
Somnambulismus 15*%. Zwischen mftnulichom und weiblichem Geschlecht ist kein
nennenswerther Untersebied. Das hoben Alter bietet im Ganaen eine etwas
geringere Empfilnglicbkeit, w&brend die Zahlen der frOhesten Jngend nieht ganz
die des mittleren Lebensalters erreichen.
Meine speciell in MilnelieTi bis zum 1. November 1 -^I^O f(lr Personen
beiderlei Gcäcblecbt^, aller Altcnsstuten, ohne liiiek^icht aut Gcüundhüit und
Krankheit gewonnenen Resultate ^ben 12-08% Refraetftre, wobei aneh Geisles-
kranke eingerechnet sind. 17-5*' 0 kommen in Somnoleuz, 41*67° 0 in Hypotaxia
und 28-7.')'' r. in Somnambulismus. Bemerkenswerth und meine oblfjjeti Ausfflhrunfren
bestätigend , ist die hohe Zahl von Somnambulen, 34%« welche Hinoiek (Com-
bremont le Grand in der Sehweix) in der Landbevfflkemng erhielt. Wenn aueh
die Resultate nordiscljer Länder (England und Schweden, Holland) anflkllend mit
dem Diirehschnitt der internationalen Ilypnntisirbarkeit übereinstimmen, so dürfte
doch nach meiner allerdings bis jetzt noeli nicht mit ZifFern zu belegenden Meinung
die Empfänglichkeit südlicher Völker eine höhere sein. Die kindliche Stufe der
geutigen Entwleklung, in der noeh manehe Naturvölker heute verharren, erhobt
von Vornherein ihre Disposition. Dazu kommt die lebhaftere glühendere Phantasie
der Südländer, welehe so leicht in's Abenteuerliehe streift, ihr reizbares Tempe-
rament und der z. H. in Indien, der Wiege des liypuotismus , vorhandene Hang
aur Ruhe und Besebanliebkeit. Indem ieb mich auf diese tedfglieb als Anregung
aufzufassenden Bemerkungen beschränke, will i h aurh liier auf eine noeh niobt
genOgend .«tudirte Seite der jungen liypiiDtischen I^'orsehiing hinweisen.
Ucber die viel erörterten (ietahren des Hypuotismu.s tührte ich in diesem
Aufsatz und in einem früheren Vortrage "'■) aus, dass ich in einem Jahr in München
als Geeundheitsbesehldigungen bei niobt weniger als 6 Personen, welehe als Medien
bei den bypnotiseben und spiritistischen Versuchen von Laien gedient hatten,
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beobachten konnte, und swar: mlnnlicbe und weibliebe Hysterie, oeuropsthische
Symptome, niebrtflpifre Somnolenz, Anfalle etc. T'eber die Gefahren dilettantischer
äaioaspieiereien mit dem Ilypnotismus heisat es in der citirten Schrift zum Sohlusa :
„Dieae hier mitgetheilten Gefahren (vergl. Fobel, Nutzen und Gefahren
des HypBOtiMnii«. Hflnebeaer med. Woebansebr. 1889, Nr. 38) sind aber wait
drohandar, als z. B. die 8o°:enannten , ans frflher erörterten Gründen meiit aof
das Laboratorium heschrilnkten , verbrecherischen Sufr^estinnen , oder als die in
einzelnen Fällen durch verkehrte Proceduren erzeugten Schäden. Da der Hypno-
tismns dn Mittel xar Urattimaiun; des NerveaayatoniB ist, so darf er einsig uad
allein von Aerzten an;?ewcndet werden, oder doch von solclien Gelehrten, welche
Aber die erfurderliehen pbysiolo^igchen , zum Studium der Psycholoj^ie niithiiren
Vorkeuntuisse verfügen. Um den Missbrauch durch die Laienmagnetiseure abzu-
stellen, Blad gesetzltehe Beetimmungen Aber die unbefugte Ansfibung der Heil-
kvnda aOthig'* Alle AffentUehea Vorstdlaagaa, sowie die Öffentliehen Sitinagea der
Gesellschaften ftlr Magnetismus mflssen streng verboten werden. Ein wesentlicher
FortHchritt in liicaer Ik'ziehung iet bereits gesehebeu durch die BcHcblussfassunfr
der auf dem internationalen Congresse für ilypnotismus in Paris anwesenden
Aerste, wooaeb in allen Lladern dabin gewirkt werden «oll, dass 1. alle Öffent-
lichen hypnotischen Seh.iustellungen dnreb die Behflrden verboteu werden: 2. die
]>raktiRche Anwenduiif; des Hypnotismn« zu therapoutiscben und wissen.schaftücben
Zwecken gesetzlich geregelt werde; 3. ea wUuscbeuswerth erscheine, das Studium
nnd die Anwendung des Hypnotiamns im medieinisdien Unterriebte su berfidc-
siebtigen.
Den wirklichen Tebelstflnden. welche heute noch der Ilypnofismus bietet,
dürfte jedoch vielleicht am ehesten abfrehoifcn werden , wenn man in richtij?er
Abschätzung der positiven und negativen Seite einmal dahin gelangt, den factischeu
Notsen des Hypnotismus fflr die Peyebologle nnd Therapie aueb durah die ofBeiellen
Vertreter der Wissenschaft ()f)jectiv gewürdigt und allgemein anerkannt zu sehen.
In die.sem Fnlle würde sich die gesetzliche Kecrelnog, ebenso wie fOr die An
Wendung gewi.ss^er Medicamente, von selbst ergeben."
Keben der Suggeatiirbdiandlung krankhafter Brsebeinnngen des Oe-
seblecbtssinbeg beschäftigt sieb die neuere Literatur vorwiegend mit der Rolle der
Siifr^t'^ti"" i" der X e u r a s t h e n i e. Alle neueren Arbeiten widmen der p^yehisehen
liehandlung einen mehr oder minder breiten llaum in der Therapie des {genannten
Leidens. Verfasser dieses Referates hat in dem gegenwärtig im Erscheinen be-
griffenen Sammelwerk Uber „Nenrastbenie** (berausgegeben von Dr. MOllbb) eine
Uebersicht gegeben Aber die Literatur und Casuistik naeh dem gegeuwirtlgen
Standpunkt der Frage.
Während Beard, Ziemssi^n, Arndt, Lehr, Strümpell, Bouveret,
RosBNBACB, KocB, RosBMTBAL, JOLLT In ibreu Speelalwerken mdir der iodireeten
negativen oder hirvirten Form der psychischen Behandlung tbeilwei>e unter Ver-
kennung der hypnotischen Snpfjestion das Wort reden, würdigen die Arbeiten von
KRABPBLLN', LtiWENKELU, Hoi.ST , LaüFEXAUEH , BkLüELMANX , Sf HMTZLKR,
V. Kkafft-Ebing , Mumus, Hirt, v. Corval, Bbrnhrim, Berillun, Forel,
BouBDON, VAM BsDBK, Wbttbbstrand, Toisin, Hbckbr u. A.*) die Bedeutung
des suggestiven Factors im Sinne der Nancyer Schule. Ein abschliessendes I'rtheil
Iflsst sich heute noch l»ei den Widersprüchen der verschiedenen AiiturtMi nicht
abgeben. Darüber jedoch stimmen alle Forscher, denen eine genügende Kriahrung
auf diesem Gebiete an Gebote steht, flberein, dass die Su^estion ein vortraffliebes
Mittel gegen viele Syniptume der Ni iir.i-thenie abg^iebt. Dauernde Resultete lassen
sieb nur durch unendliche Geduld, sich frle eh bli-üu'nde Fnergie und consequente
DurcbfUhrung des Deilplaues erzielen. Vielfach gelingt die dauernde Beseitigung
*) Die Literaturnach weise fär alle einzelnen der genannten Anioien fimlet man in
meiner Bearbeitung dieiter Frage in dem Sammelwerk von Müller.
Ly Google
SUGGESTION.
706
von Symptomen. Stets wuQdet sich die Suggestion nicht direct gegen die Diatbese,
BOndeni Stola geg«n dM «nnilne Symptom, z. B. die SolihifatOniiig, du ünlustgeflhl,
die Appetitlosigkeit f die Zwangavoriteilung ete. Aber die Zurflckfahrung z. B.
des Schlafes, des Appetits, dor r!ew('jrnn;r>»hif*t zur Norm wirkt unzweifelhaft auf
die (^Tpstiirten : ErnährunjJTsbedinfjunt^en der Xervenzeilcn ebenso zurück, wie auf
die Ernährung anderer Körpergewebe. Die KUckwirkuug auf die allgemeine 1- unc-
tionethitigkeit rnaeht sieh Behliesslieh sogar objeetir bemerkbar, dnreh bltthendere
Gesichtsfarbe, me^abare Zunahme dos Körpergewichtes, wie ich sie in einigen
Fflllen von 7 — 1') Pfund im Laufe der Behandlung beDbachten konnte. Die
Suggestivbuhandlung Neurastbeniscber ist lediglich ah zweckmässige Ergänzung
anderer Heilmeliiodeii atifsiifissseii und bietet unter ümständen aueh ein vortreffliches
UnterstfltsoDgsmittel . andere Heilmethoden durchzufahren.
Die Mittel der p-jycliisehfn Einwirkung im wachen Zustande lassen sich
eintheilen in a) die directe V^orstellungstherapio, bl die indirect
oder negativ wirkende psychische Behandlung und cj die larvirte
Psyehotherapie.
Zardirecten Vor stellungsth era pi e im wachen Zustande gehören:
die eingehende Untersuchung des Kranken, der persönliche Rinfluss des Arztes,
Erweckung von Hoffnung auf Genesung, sowie Erzielung einer activen Theil-
uabme des Patienten am Heilproeess, dnreh Gewöhnung an Cknisequenz, Ausdauer
und an die Durchführung eines bestimmten Heilplanes^ ferner dureh Sohulung
und Stählung der Willenskraft , Hebung des Selbstvertranens etc., dazu ^ehilren
ferner auch heftige psychische Erregungen (z. B. energische Zurechtweisung;,
peycbisebe Ableitung und Zerstreuung, freudige Eindrücke, Beruhigung und Haas-
haltnng. BeligiOser Znsprueh und Musik können in tinxeloen Fällen e!)enfalls
von Nutzen sein.
Wenn man von der psychischen Prophylaxe und g e i s t i g e n
Erziehung absieht , so liegt der Schwerpunkt einer indirect oder negativ
wfarkenden psyehisohen Behandlung in der Abhaltung von Sehidüebkdten
für das Nervensystem im Allgemeinen, sowie in der günstigen secundiireu Rück-
wirkung' eines besBerndcn Eintliis^es auf die Constitution. Die Hy^^ient- des Nerven-
systems (Kuhe, Arbeit uud Abwechslung der Thätigkeit\ die Anstaltsbebandlung^
Landaufenthalt, Reisen, Bergwanderungen (Sportübungen etc.), Wechsel des Berufes
der Umgebung des Kranken, eventuell Bettruhe, ferner Regelung der geistigen
Beschäftigung, der psychi«chen Diiit (r.ectflre, wisHenschaftlichen oder künstlerischen
Arbeitj, Zerstreuunj; uud Aldialtunj.'- seliädlicber Sinnesreize fStrassenlflrm, grelles
Licht etc.), wirken alle in dem genannten Sinne bei nothwendigcr Individualisirung
aueli auf diu psyebiiebe Verhalten der Neurastbeniker surflek neben ihrem speeiellen
Zweek flir das körperliehe P» linden.
Die larvirte P s y <• Ii o t h e r a p i e setzt den Glauben des Patienten
in Bewegung durch mcdicamentuse, meehauiscbe, elektrische oder mystische Hilfs-
mittel, welche selbst ohne specilisehe Wiikung nur dadurch einen Einfluss auf
den Zustand des Patienten üben, dass sie den subjcctiven Factor zu Gunsten der
Heilung in Anspruch nehmen. Das GehcMuniss der Curpfuseher beruht in der
Regel auf derartigen, die Phantasie der Kranken stark erregenden Mani-
pulationen.
Zu diesen in der Behandlung der Neurasthenie nnerlAssliehen Mitteln
und Metboden der Psychotherapie im wachen Zustande tritt die Snggestioa im
hvimotischen Zustande nach den früher erörterten Grundsätzen, wo die Anwen-
dung der genannten Methoden nicht zum Ziele führt.
Man kann mit vollem Recht behaupten, dass mit Ausnahme der Geistes-
kranken die Hypnotisirung der Neurastbeniker für jeden Sul -tinnstherapeuten
die sebwierigste Aufgabe darstellt und an sein Können erhebliche Ansprüche macht.
Die Aufmerksamkeitsstörungen , das mitunter bei der Neurasthenie ge-
sdiwiebte Appereeptious vermögen, die zu intensive loansprucbnabme der Vor-
Sncyclop. JahrUleh«r, III. 4.)
Digiiized by Google
706
SUGGESTION.
Btellungstbätigkeit durch KrankheitserscbeinuDgeu , die oft tief eingcwurzelteD
pathologisoben Autosuggestiooeu (Zwaogsvorstollaogen und EmpfinduDgeD), ferner
die Ingitiieh« Erwartnng und unbewnMte Abneiging und der hsrtnlcUg«,
ebeofalls onliewusste Widerstand gegen diese Art der Beeinflussung, wozu die
chronifche iScblaflosigkeit leider so häuli^r hinzutritt , erschweren in eminenter
Weise das Herbeiführen der Hypnose bei Neurastbenikeru, so dass in zahlreichen
Fällen der Arst genOtUgt Bein wird« in den pbjBikaUBdien und ehemiaohen
Hilfsmitteln seine Zuflucht zu nehmen oder ein andweB, am besten iurirtes Ver-
fahren der Psycliotht'rapie einzuschlagen.
Ganz verwertiicb scheint mir ein plötzliohes shockartigea Vorgehen und
flboliaapt jede Fascination oder psychisohe Uebermmpelung der Neurastheniker,
wodnreh das obnefain erregbare OentralnerTensyttem noeh mehr erregt nnd somit
geschädigt wird. Ein zu schnelles Suggeriren des Schlafes ist ebenfalls zn ver-
meiden, weil es Otfrenvorstellungen erzeugen kann. Man verzichte bei der ersten
Sitzung auf einen durchschlagenden Erfolg, sondern benutze sie, dem Astheniker
nnr das Verfahren zu demonstriren , man erzeuge einen passiven Rnbecustand,
den der Patient wachend an sich beobachten kann. Hit der häufigeren Wieder-
holung des Verfahrens, das seiner Einfachheit wegen zunächst in der Regel Ent-
täuschung hervorruft, nimmt die Empfänglichkeit zu, und die Wirkung der
BehädUeben Antosn^sesHonen llsst allmälig naeb. 8dion das bemhigende Vor-
gehen wirlEt auf manohe Patienten wohlthnend; macht man sich dazu die Regel,
jeden neurasthenisclien T'.itienten , auch wenn er nicht schläft, eine halbe Stunde
auf dem Sopba (natürlii li unter müglichster Ausschliessung des Straasenlärms oder
sonstiger Störung) bei verdunkeltem Zimmer uod angemessener Temperatur regel-
mässig ruhen zu lassen, wobd von Zeit sn Zeit die Seblafenggestton, sowie die
fbwapeutiBChe Einwirkung zu wiederholen ist, so wird man in manchen hart-
näckigen Fällen durch Consequenz und Ausdauer allmälig Erfolge erzielen.
Gewöhnlich tritt sehr bald ein Somnolenzstadium ein, womit auch die Aussicht
auf einen snggesÜTen tberapentiseben Effect zunimmt. Die unbegründete Furcht,
das Misstrauen und die falschen Vorstellungen über den Modus prooedendi, 8owit>
über den hypnotischen Ztistand selbst, mit denen die StiL'irestionstberapetiten noch
täglich in der Praxis zu kämpfen habt n, legen dieser Form der psychisctieu Be-
handlung die grössten Hindernisse in den Weg.
VAN Ebobn legt es in ykUm Fällen nur darauf an, einen Zustand von
Somnolenz zu erzielen, der gewissermassen nichts mehr ii<t als ein passives Sich-
niederlegen mit geschlosi^enen Augen , eine Art innerlicher Concentration , „um
die psychische Energie (das ideoplastische Vermögen j in grüs^ter Kraft wirken
ZU lasBen^. Naeb ihm hat in ebronischen Fällen die Genesung mehr Aussiebt
auf daueruden Erfolg, wenn der Sehlaf sdir leieht gewesen war. Dagegen
empfiehlt tr den tiefen Schlaf al< unser hervorragendstes Hilfsmittel bei Mtlan-
cholie , Asomuie, bei Zuständen von Unruhe und Erregtheit. Durch taetvollen
und geduldigen Training ist es ihm gelungen, in den letzten 5 Jahren Schlaf-
mittel ganz zu entbehren, was bei dem grossen Andrang der Patienten zu
VAN Bbden's Klinik bemerkenswert}! ist.
Er bezeichnet seine Resultate als vorzüglicli. Dieselben erhielt er jedoch
niemals durch autoritative Suggestion, sondern nur durch uueudliche Geduld und
sieh immer gleieh bleibende Eaergie, die sich audi dnreb Misserfolge nieht ab-
sebreekeniässt. van Erden vemmthet, dass man jeden Neurastheniker heilen könne,
wenn man sich ihm ausschliesslich widmet, so dass man ihm fortwithrcnd helfend
zur Seite stehen und ihn leiten mflsste. Aber die persönliche Leistungsfähigkeit
des Arztes hat aneh ihre Grenzen, eo dass man auoh aus diesem Grunde manebe
Leiden niebt heiieo kann, die man eigentlich doeh ftlr lieUbar hält. Bei dieser
Gelegenheit will ich die theraptMitii^cbe Casuistik VAN Rf.nterghkm's , des Mit-
leiters jener Klinik in Amsterdam, wcni^'stens «Twillinen, van Rknteiujuem
bebandelte in den Jabreu 1887 — LSö'J 40 iSeurastheuiker , wovon 17 geheilt
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SUGGESTION.
707
(= 56*68%), 12 bedeatend gebessert (= 39*99«;o) nnd 3 nur TorObergeheud ge-
bessert wurden (— 3-33«/o).
L'uifasaeude Studien über die therapeutischo Wirksamkeit der Suggrestion
bei Neurasthenie stellte Brrnbeim an. Wenn sich dieselbe auf angeburene,
fehlerlitfte Bildung des Nervensystems bezieht, ist wenig Aussicht auf dauernden
Erfolg. Bbrnhrdi glaubt, das« die Suggestion die beeondere nervaee Erregbar-
keit, wie sie den Roden ftlr die Neurasthenie abgiebt , nicht beseitigen könne,
wiewohl sie im Stande sei. die krankhaften Auswüchse zu unterdrücken. Die
Heilungen sind nach ihm umso leichter durch Suggestion zu erzielen, je weniger
das Uebel eingewurzelt und je weniger es zur festen Gewohnhdt des Ner^en-
systems geworden ist.
Von 30 Fällen heilte Rkrnhkim 17, erzielte bei 12 Personen bedeutende
Besserung und bei 1 eine vorübergehende. Das entspricht in Procenten aus-
gedrflfllLt: Hdlmig 56*68 , bedeutende Besserung 39*99%, leiehte Besse-
rung 3*88*/o.
Meine eigenen therapeutii^ehen Resultate bei 40 Neurasthenikem (31 HlBBer,
9 Frauen) ergeben folgend« ErfolgziftVrn :
Völliger Misserfolg bei U Persouen (= 22*5° j), leichte oder vorüber-
gebende Besserung bei 7 Patienten (=s 17*5%), bedeutende Besserung erzidten
18 (= 82'5<» o), Heilung erzielten 11 Peräouen (= 27-5%).
Die Hypnotisirbarkeit diesir 40 Nervenschwachen bleiJit hinter dem im
vorigen Paragraphen erwähnten Durcbschnittsresultat der interuationalen Statistik
zurttek. Es blieben refractlr 4 (= 10'' o gegen 6% der internationalen Statistik),
in Somuolenz kamen 9 (= 22*5% gegen 29<> o ^- internat. St.), in Hypotazis
16 (=: 400 0 ^egen 49% d. internai St), in SomnambttUsrnns 11 (= 27*6% gegen
15» 0 internat, St.).
Die höhere Zahl der Somnambulen erklärt sich vielleicht dadurch , dass
laUrMche EypnotiMrangsversnehe an einzelnen Individuen Torgenommen wurden,
so dass der Somnambulismus sich erst allmälig entwickelte.
Diese Ziffer für RefractJlre stimmt nahezu mit der WetterstRäNd's ilber-
eiu. Letzterer zählt 12*'^oi ich 10%, welche Zitier sich bei weniger geübten
Suggestionstherapeuten nnd bei nur ein oder swdmaligem Versueh bedeutend
erhöhen dürfte. Nach dem Vergleich der therapeutischen Kr ultate verscliiedener
Alltoren (22H Fälle im G.'inzen)*} sind 31" „ Misserfuige der Rebandlnng ztt
erwarten. Im Ganzen ist aber wohl zu berücksichtigen , dass vielfach die Un-
empRlnglichkeit fUr hypnotisehe Einwirkung die Ursache des Misserfolges abgiebt.
Die Durehsehnittszabl der bypnotis^ien Sitzungen b« mMuem Material von 40 Per-
sonen (als Minimum 1 Sitzung, Maximum !>8 Sitzungen) belfluft sich auf 20. Im
Ganzen b'ts^t sich in r«>bereinstimmunfr mit der Ansicht van Kkkrx's eine pro-
gressive Annahme der Iksäerungen und Heilungen coustatireu. Dieser ziüermässige
Naehweis ist eharakteristiseh ftir die Bneripeloeigkeit der Nenrastheniker, weldie
gern die Behandlung ablirceben ; andererseits bestätigt er die Erfahrungen
mancher Autoren , dass dauernde Resultate mit Suggestion bei Neurasthenie nur
durch unendliche Geduld, sich stets gleichbleibende Energie und consequente
Durcbftlbrung des IleilpUnee gewonnen werden kdnnen.
Die Allgemeinbebandlung bleibt der ol>erste Omndsatz in der Therapie
dieses Leidens (Regeluntr der hygienischen Faetoreu , Ruhe, Schlaf, Bewegung),
In der psychischen Spb.lre sind die Anomalien des Fühleus und
Vorstellens ^bei Augstzuständen, Stimmungen, Zwangs vorstel-
1 Qngen),fem0rdie8tOrttngende8Triebleben8(NahrungB-,Gesehleehts>
trieb) nnd Wollens (Energielosigkeit) besonders flDr die psyehisehe
*) Eine nähere zifrermissi^ Be^ändnnR dieser Angaben unter BeifllgtiDg eines
grüneren Matrrial.^- an Krankrngesillir-hti'n und Talielltni ist für eine bf^onilere Arbeit vor-
behaltm. Der Plan und Umfang dieses Referates erlaubt eiue ausfUbrlicbe Mittheilung der
Casnistik nicht
45*
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708
suoeEsnoN.
BehandtuBg geeignet. Hingegen leisten die ApperceptionsutOruiigen, aus-
gesproehene hypochondrische Zustände dtsr psyehisehen Einwirkung
und dem Gelingen der Hypnose hartnäckigen Widerstand , so unentbehrlich aneh
hier die Beruhigung auf psyrliiHcliem Wege gein n)ag. Bei n e u r a s t Ii e n i 8 c h e n
Psychosen können wir nur insoweit Erfolg erwarten, als die nervösen Be-
»ehwerden gegenflber den rein psyehopathiaeben in den Vordergrund treten. Erb-
liehe Anlage erschwert in allen FAllen die Behandlung, mnn mim hier mit
temporSren Besserungen . mit der Erleichterung und Linderung der Symptome
zufrieden sein. Die Suggestion ist ebensowenig wie irgend ein andt-re^ Mittel im
Stande, angeborene Defeete dee Nenrensyatems anssngleiehen.
Kin weiteres sehr gOnstiges Gebiet stellen die Schlafstörungen der
Neurasthenie für den p<^yr-h{s!>hen Eingriff dar. Fast alle Autoren berichten
auf diesem Gebiet gleichiuäs^ig Ert'njge.
Unter den gastro inte stinalen Symptomen sind am häutigsten
die Verlnderungen dw peristaltiieben Darmbewegungen und tub-
jective Empfindungen von Seiten des Magens oder Darms erfolgreieh
mit Suggestion behandelt worden. Bei wirklicher Atonie kann die Suggestion
allein nicht zum Ziele führen, wiewohl chronische Obstipationen wiederholt
auf hypnotiadiem Wege beseitigt worden sind. Massage und Eleictrieitftt sind
hier nnenfbehilieh. Auch auf vasomotorisebe Erschein u ngen hat man das Suggestiv-
verfahren angewendet , indem man die p s y c h i s c h e u 1' r s a e h e n dafür zu
beeinflussen suchte. So gelang Beseitigung der Herzthiitigkeit bei Tach y cardie,
Steigerung der Blutzufuhr zu den Händen und Füssen, Einwirkung auf
das ereetile Gewebe der Nasensehleimhant, Regelung des Eintritts
und der Dauer d e r Erection (bd funetioneller Impotenx), femer Beein-
flussung der Menses ete.
Unter den sensiblen Symptomen sind die Parästbesien des Lebens
und die Asthenopie als augftnglich ftlr die Suggestion besonders an erwihnen.
Bei Hy p e r a (' s t h ( <i a retinae beobachtete ich einen Misserfolg. In 4 Fftllen
konnte ich Zunahme des Körpergewichtes in Folge der suggestiv geregelten Er-
nilhruug beobachten.
Unter den Seeretionsanomalien ist nur die günstige Wirkung
von Suggestionen bei Speiehelfluss und Hyperhidrosis bekannt geworden.
Beobacbtungen fiber den F.influss der Suggestion auf die N i e r e n t h t i g-
keit liegen bis jetzt nicht vnr. H<n den motorisehen Krsrheinungon wird mau
zweckmässig die psyehische Ursache derselben durch Suggestion bek&mpfeu können.
Aber aueh hier sind andere Heilfaetoren (Gymnastik, Massage) uneutbehrlieh.
Dass auch die Respiration durch Suggestion geregelt werden kann,
zeigen zahlreiche Berichto von suggestiven Heilungen des Asthmas.
Damit sind die wichtigsten Symptome erschöpft, welche nach den bis
jetat verliegenden Erfahrungen für die Suggestivbebandtung das dankbarste Gebiet
abgeben. In schweren Fflllen von Neurasthenie wird die Combination des
Suggestivverfahrens mit anderen Methoden der I^hundlung unentbehrlich sein.
Im Ganzen l)I('i')t aber der wirkliehe therapeutische Erluig durch Sug:;estion auf
mitteise hwere und leichte Neurasthenie formen buschriinkt , während
bei schweren Formen die Anstaltsbebandlung unentbehrlich ist und die Suggestion
nur den Verlauf durch Beschwichtigung einzelner Symptome hemmen kann.
Literatur: ') Wundt. HypnutiHmu»! und Siiirfrc-iliDU, in l'hilosophi'iche Studieu.
Leipaig (Kugclmaun) 1^92, VII], Hi-lt 1; teiner um Ii separat er-( liieiieii Kag«lmann. 1892. —
•) V. Ben t i V <<g n i , Die Hypnose und ihre civilrcclitliciie ludcuiunj;, fi liriften der Ge^ifllscli.
Ar «zper. Psych. IV. S<ück, Leipzig 1890. — ^) Moll, Der Kapport in der Hypnose. Schriften
der GMellsch. fUr p^ych. Forsebnni!;. Leipzig. Abel, 1892, Heft H 4. — *) Reichenbach,
Ein .schwerer sciisiiiv ^:olnuaul^>nI^;^ Krankheitsfall, prhcilt aussf hlicsslirli niittrlst ninfacher
Anwendung dertiodelxe des Ode.s, horaus^geg. niitbrsonderer Herucksi. ht isrung der .'^ugp<'ätions-
lehre. B>arbeitet von Dr. Freib. v. Schren f k - N »tzing. Leipzij; 1^9], Al>ei. — "):>pitt;t,
Di«' S< lil;if- und Tranmznstäiide der nienscLlichfU i^cele mit liesioiiderf-r Berücksichtigung ihre.s
Veriiuliiiisses zu den psvcbischen Alienationen. 2. Aufl., Frcilmrg !?iel>eck. — *) Dessoir,
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SUGGESTION.
709
Bililiographie des nicdernfn Hyiinotismus. Berlin 1*^88, Dinicker; hierzu Erster Nachtrag.
Ebenda 18'Jo, Duiu ker. — t r ü m ji e 1 1 , „Ueber iVte Entstehung und Heilung von Krank-
heiten durch Vorstellungen." Rede beim Aalritt des Pron-c-torats. Erlangen 181*2, Junge. —
M Rosenbach, ,Ueber {»ychiftdi« Therapi« innerer Krankheiten." (Suiiml. klin. Vortrüge.)
Berlineir Xlinik. Berlin. Jnlt 1890, FimW. — *) Sehmtdknnz, Der Hypnotismas in ge-
nieinfusslicher Darstellung. Slutt};.irt Is91, Zimmer's Verlag. — v. K ra f f t- E b i n g . Eino
eTtperiirientelle h^ludie auf dem (iebiete des Hypnotismus. nebst Bemerknngrn über Suggestion
un<l Suggestionsiherapie. Aufl., Stuttgart 1892, Enke — Robert Binswanger,
Ueber die Erfulge der Sugge-stionstherapie. Wiesbaden 1S9:2. — ") Hecker, Hypnose und
Suggestion im Dienflte der Heilkunde. Wiesbaden 18SI3, Bergmann. — ") Grossmann, Die
Ertolge der Suggetitionstherapie (Hypnose) bei Influenza. Berlin 189;^. Brieger. — '*) Der-
selbe, Die Erfolge der SngKestionetherapie (Hypnose) bei nichthysterischen Lähmungen.
Berlin I9i*2. Brieger. — **) Hebold, Untersochnngea Ober den Hypnotiflmaa. Allg. Zeitaehr.
fiir Psych. TOn I.aehr. XXIX, H.-ft 1 u. pag. 71 ff.. Berlin J892, Reimer. — R i t z-
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für Schweixer Aerzti Jahrg. XX. — *') Bornheim, Neue Studien über Hypnotismoa,
Suggestion und Psychotherapie, übers, von Sigm. Freud. Leipsig und Wien 1892, Frans
Dratike. — **)HakeTnke. _6eF»t and KKrper." Studien nbnr die Wirkung der Einbildungs-
kraft. Deutsch vmii Kiinitrl J. J( :ia I ^^-^. Fischer. — ' i. J! i ii .s w a n g e r , „Ueber <lie thera-
peatiache Verwerthuog der iiypno&e in Irrenanstalten." Therap. Monatsh. Män u. April IQdZ,
Vertag von Springer. — **)TanBeden, ^üelwr ZwantnTnrBtetlnngfla.* Bev. de l'hyptt. 4. nnn.,
Juni 1^9 Nr. 12. pag. 270 ff. — *•) Voisin , Rev. de l'hypn. /{. annee , ]ft-^9. p;ig, :^,55 und
pag. I.IO tl. und 4. annee, l>^t>0, Nr. 8, pag. 244. — '') Burckhardt, Mainou i/i: Sajitv de
Fii'tarf/ier, exercice de J«*«/. 39. rapport annuel. NeuchiUel ISH^^, Volfrath & Co. — '•') ßri and,
Bev. de l'bypn. 4. annie. imi, ür. 5, pag. 139. — '«) B«>^illo°> '^id. 5. annee. Oct. 1890,
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P^chosen und Neurosen. Wiener klin Woehensf hr, 1S9], Nr. 4H. — '*) Locojaiiü, Annali
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pag. 243. - - Delboeuf. Le wagnrtinne animal. Paria 1889. — Freud. Ein Fall
von bypnotiscier Heilung, nrbst Bemerkungen über die Entstehung hysterischer äymptomo
durch den Gegenwillen. Zeitaehr. Ar Hypn. Berlin 1892, Brieger, Heft 3 n. 4. — ") Schatse,
Hypiii'ii^nius in der Wasserheilanatalt. Deutsche Med. -Ztg. 2 Mai ls92. Nr. 35. — *-) Mo sing,
Zur Würdigung der Suggestivtherapie Wiener med. Pre.sse. 18l'2, Nr. 2. — H i t z i g,
Schlafattaquen und hypiioti.sehe Suggestion. Berliner klin. Wochetisehr. 1892, Nr. 38. --
Lloyd Tuckey, The Value of iiypnotism in Chronic Alcoholism. London 1.SH2, J. A.
Curshill : rel. von Korel in Zeitschr. für Hypn. 1692, Heft 3. — Mubiu.«, Ueber neuere
elektriitherHpeuti-chc Arlieiten. Schniidt'.>< Juhrh. der ges. Med. C'CXXXVll, pag. 65. —
Friedländer, Ueber die Suggestionswirkungen in der Elektrother^tpie, Neurol. Central*
blatt. 1889, I, pair. 349- — Elektrotherapentisehe Streitfragen. Heranagegeben
von Edinger, Lanier, .Asr-h und Knoblauch. Wiesbaden, Bergoiann. — *') Eulenburg, Elektro-
tliei;i[.ie und Suggcstiou.stlierapie. Berliner klin. Wuchenselir. 1892, Nr. ."^ u. 9. — Delprat,
I eher den Wertii der elektrischen Behandlungen bei Sehlafiähmnngen. Weekbl. v. h. Nederl.
Tidschr. V. Geneesk. 12. Nov. XÖ9Ü, II, Nr. 2,0; »ef. in Zeitschr. für Hypn. 1893. Heft -i. —
") S per ling (Pierson), Elektrotherapie. 2. Aull., Leipzig IS93. Abel, pag. 223 ff. — ") M oll,
Ist die Elektrotherapie eine wis.sen.'ctiafiliche Heiliii< tli<Mi.' ^ Berliner Klinik. Nov. 1.n9I,
Fi«cher. — Benedikt, Magnetotherapie und Suggei^tion. Neurol. Centralbl. 15. März 1893,
Nr. 6> — '**) Maiaalango, Ueber die Injectionen des Brown-Sequard 'sehen Testikolaaftea und
der Constanten Paul'sehen Nervensubstanz, ein neues Capitel der Suggestionstherapie. Schmidt'.^
Jahrb. 19. März 1893. — *') G o m er-.San d b e r g , Apjilicutions de /'hi/pn. tlans l'tirt den-
tiiirr. Rov. de l'hypn. G. annee, Mai lS!»2, Nr. 11. — *-) Benard, O/jutruction intestinaie
(U nature hystirique guirie jmr Sugge^ition hypnotique. Ibid. 6* annee, Juni 1893, Mr. 12. —
Lemoine et Joiro. Le htfpnotismi pur de» miroir» rotoHf» dans le traitement dt
Phjftterir. Ibid. Sept. 189)! ■ — ") B i- r i 1 1 o n , Le trailimiiit psifcfiotli/rnju ti' ii/n' li, !,i mor-
phittonianie. Ibid. 7. ann6e, Nov. ls<)2, Nr. 5 u. ü; v« rgl. ;iuih .Marot, Morphinoinanie et
tUffgestioH ffu^ri-son dutant de troi.s ans t t demie, "Mi. Fevr. J893 — *') Du m o n t pallier,
Observation de chorte t/writ /lar lu therapeutique auggeatice. Ibid. Dec 1''92. — '-') G ibert,
Clior^e jfui'rie jxir la smiyrstiuti u Vi'tat de veiUe. Ibid. Dec. 1892. — •") Voisin, Traite-
ment chun'iforme f li/pi'mnnie . i/in'ri.<on pur In nui/ytstion lii/pnotique. Ibid. Jan. 1>>93. —
^) van Bentergbein, Troubles de la tuenatruation traiU'ejt j>ar la «uggeation. Ibid. Sept.
1892. — **) Forel, Snggestionslehre nnd Wissenschaft. Zeit<>chr. für Uypnotismus, Sugges-
tionstherapie, Suggestioniiiehre nnd verwandte psychologische Forschungen, redig. von Gr>>.s3-
mann. Berlin 1892, Brieger, Heltl^3. — W e 1 1 e rs t r and . Ueber den künstlich ver-
längerten Schlaf, besonders bei Behandlung der Hy.sterie, Epilepsie und Hysteroepilepsie.
Zeitschr. Irir Hypn. Is92, Heft 1. — *') van Eeden, QrnndxQg» der Psychotherapie. Ebenda.
1892, Heft 2 u.'3. — G roBsmann, Suggestion nnd Miiehaecretion. Ebenda. 1892. Heft 2. —
**) Sckols, Casnistische Mittheiluagen ttber änggestionatherapie. Ebenda. 1692, Heft 5 a. 6. —
710
SUGGESTION. — SVPHILläTHERAPXE.
de Yonpr, Die SuggestiV.ilität lifi Mclanrliolio. Ebenda. 1802, Heft 5. — *') v. SehrcDck-
Notsing, Eine Gebart in der Hypnose. Ebenda. 1892, Heft 2. — ") Tatzel, Eine Geburt
)b dar Hypnose. Ebenda. 1892, Heft 7- — ") Scbrenek-Notsing, Df« Soggastf rai-
fkitnpie bei krankliaftfn Er^chpinunpen des Geschlechtssinnes, mit besonderer Berncksichtignng
der ooDtrftren Sexualeiuitliudung. Stutigart 1892. Enke. — Derselbe, Ueber Saggestioa
Qod 8ugge.stive Zustände. München 181)3, Lehmann. — Derselbe, Die gerichtliche Be*
daatOBg und miwbiftiicliliche Anwendniig des Hypnotiamn«. Vortrag, gelwlteii in der psych.
OcBaHseh. am 14. 1889. — **) Hflller, HSbbHd, t. Sobranek-Notsing a. A.,
Handbnch der Neurasthßnie. Leipzig 1893. Vogel. Vergl. den letzten .Abschnitt; T. Schranck-
Notsing, Die psychische and suggestive Behandlung der Neurasthenie.
Frrih. S«hranek«Notsiag.
SymphyseOtOniie, a. Beeken, pacr. 88.
SymphysemerrelsMng, ibid., pag. 104 ff.
Syphilis des Henmuskcls, s. Herzkrankheiten, pag. 417.
SypiliiiStiierapie. So mannigfaeh in vielen Capiteln der Syphilis der
Widerstrelt der Meinungen ist, so gelien doch in keinem die Anachauung;en der
verBchit dem'ti Autoren so weit ausoinander , wie in dcrajenigren, we'ches sich mit
der Bebaudluug der iu Rede stoheudeu Erkrankung befaast. Weder Uber den
Zeitpunkt^ in welehem die medieamentOae Behandlung einsetsen soll, Q«eh welehes
der ^c^tn die Syphilis Üblichen Mittel dabei zunftelist anzuwenden fld, ttoeh Uber
die Dauer der Behandlung selbst ist bisher eine von allen Aerzten angenommenei
gk'icbmä^isiee Anschauung erzielt worden.
Heine Absiebt ist ea, in diesen Zeilen, aoweit der mir gegönnte Raum
es gestattet, einen kurxen Abrisa der jetit herraohenden Ansehannng Ober die
Behandlung'- der Sypbili.'« zu liefern, dabei aber mit ScbSrfe den von mir Beibat
eiugeuoninienen .*^t:indpnnkt zu betonen.
Etneiu jeden Arzt wird sich zunacht^t immer der Wunsch auiUräugen,
eine infcetiAse Krankheit flberhanpt nicht znm Anabrueh gelangen an lasaen,
sondern dieselbe, wenn möglich, im Keime an ersticken , d. h. wenn irgend Jemand
sich einer Infection welcher Art immer ausgesetzt hat. durfh therapeutisclie Mass-
nahmen irgend welcher Art die Entwicklung des Ivrankheitskeimes in dem
betreffenden mensehllelen Kffrper bintansuhalten. In Bezog auf Syphilis haben
rieh alle darauf hinzielenden Veranehe bisher als ohnmächtig erwiesen. Das Ein-
zige, was der Arzt zu thun verni.ng, wenn sich Jemand nach einem Coitit.-i im-
purii.i «n ihn wendet und das betreffende Individuum eine Erosion an .seinen
Geschleehtstheiku « der nu irgeod einer anderen Körperstelle darbietet, an welcher
er vermothet, SypbiUsgift aufgenommen zu haben, ist, dasa der Arzt die betreffende
Stelle mit irgend einem Aetzmittel in ausgiebiger Weise zerstOrt. Wenn nach
einer derartigen Aetzun;; thatsächlicb keine Entwicklung von Syphilis .stattfindet-,
80 beweist dies aber noch immer nicht, da.sH dies die Aetzung erzielte, weil wir
nicht in der Lage sind, den Beweis za erbringen, dass an der geätzten Stelle
thatslchlieh Syphilisgift aufgenommen wurden war. IZa ist also eine derartige
Aetzunfr nicht-» Anderes, als eine Vorsielitsmassregel , für deren Werthschfitznug
uns jeder Mass-stab fehlt. Wir werden dieselbe jederzeit aust Uhren . weil sie für
den unsere Hilfe Suchenden keinerlei Kachtbeil mit sich bringt. Ihr einen gros.-^cn
Nutzen zuzupehreib- u, werden wir aber, da uns hierfür alle theoretisehen Anhalts-
punkte fehlen, bei gewissenhafter Ueberleguug wohl kaum in der Lage sein.
Wenn wir duri-h Aualogiesrhillsse eine diesbezügliche Anschauung Olr
die Syphilisthcrapie gewinnen wollen, so werden wir durch die Versuche, welche
Uler das Rotzgift und die Vaccine vurliegen, sagen mflssen, da«8, wenn thataleh-
lich an irgend einer Ktim rstelle .^yphili <rift deponirt wurde, wir nieht darauf rechnen
dürfen, durch kurze Z* it n.Hc!) der Inteeiin)i vorL'enonin ene Aetzung ein günstiges
Kesultat in Bezug auf die Verhinderung der Entwicklung der Syphilis zu erzielen.
Aetzungen erodirter Stellen werden am zweekmilssigsten mit ao^'/oiger
Lapisldsung oder 20** ois^ Carbolwasser vorgenommen. DieLOsuug der genannten
PrSparate dringt tief in das Gewebe ein und wird durch eine auf diese Weise
8TPHILT8THERAPIB.
711
vorgenommene Aetzung kein so intensiver Heiz ausgeübt, &U mit dem Lapisstifte.
Darob Aetzung mit dem Lapisstifte wird ein nur oberflächlicher Sohorf gesetzt,
Hilter welebem ea leMit rar Seoretverhaltong kommt, dtndi welche eiii inten-
siver Reiz auf die benachbarten Lymphknoten gesetzt wird und sind Fälle
bekannt, wo durch eine derartige mit dem Lapi.astifto uusirotdhrtc Aetznnp: dio
Vereiterung der der AetzungssteUe benachbarten Lymphknotou bedingt wurde. Zu
40r«ÜgeD PrftventivitsaiigeB liest sieh eiieh geos gut du Olabeiaen venreaden.
Eine weitere Fra^e wäre es nun, ob es nleht gelingen kOnnte, wenn
schon die erste Erscheinunfi: der Syphilis «n einem Individuum zn verzeichnen
ist, nämlich wenn ein syphilitischer Primäraßect mit Sicherheit zu diagno-stieiren
iit, dnrcb die AussebneiduDg desselben den Anabnieh der AUgemeineraeheinungen
der Syphüis blntansobelten. üeber diesen Punkt geben nun die Aosehannngen
der verschiedenen Schulen und der versehiedenen Aerzte weit auseinander. Die
Mehrzahl der Autoren ist aber zur Anschanunfr gelangt, da-^s die Ausschneidung
des syphilitischen Primära ifectes selbst mit den dazugehörigen indolenten, multiplen,
geschwelUen Lymphknoten nicht im Stande ist, den Ansbrneb der allgemeinen
Syphilis hintanzuhalten.
In jflngsttT Zeit haben I. NKr>fAN'N und sein Assistent Kf tXRiEi» nach-
gewiesen, dass das Blut von Individuen, welche mit einem syphilitischen Frimär-
afKect behillet sind, schon eine wesentliehe Verringerung dee Himoglobingehaltes
seigte, wihrend die Anzahl der rotheii Blutkörperchen nicht abgenommen hatte.
Diese Thatsache, sowie die Impfvprsuche von RÄRF.Nsi'inwr, . F. Herra u. A.
beweisen dass der sypliilitiscLe Priniäraflect der erste Ausdruck der syphilitischen
Allgemeinerkrankung ist und dass daher eine Ausachneidung dmelben, sowie der
nflehatgelegenen mnltipien gesehwellten LymphknotMi nicht im Stande sein kann,
irgend elnmi Ginfluss auf den weiteren Verlauf zu (Iben, weil zu der Zeit, wo wir in die
Lage kommen, mit Sicherheit den syphilitischen Primilraftect zu diagnosticiren, die
gesammte Blutiuasse schon erkrankt ist. Wurde diese Anschauung aber nicht durch
die rntersQchnng NBUVAXN'd eine nene Sttttse bekommen haben, so wire es doeh
schon durch die Scctionsergebnissc Fournier's und durcli von mir und Hokqvvitz
ausgeführte rntersuchungen fiber die Lympljirt'ni-^-^e der Cionitalien erwiesen, dass
zur Zeit, wo wir einen syphilitischen Primkratleot mit Sicherheit diagnusticiren
kAunen, schon Lymphknoten im Becken, welche für den operativen Eingriff nicht
mehr errdehbar sind, syphilitisch erkrankt sein können, so dass wir nicht mehr
in der Lage wären , durch eine Operation das Weiterschreiten des Syphilisgiftes
hinfanzuhalten , wenn wir uns auch zu der unrichtigen Anschauung bekennen
wtlrdnn, dass der syphilitische PriuiüruUtct nur eine locale Erscheinung sei, von
welcher ans erst das Gift weiter in den Organismus hineingesehleppt wird.
Wir sehen also, dass die lJutersucliimgen der letzten Jahre uns gelehrt
ba^M-n, dass wir eine Priiventivbehandlung der Syphilis durch Ausschneidung des
Priraäratfectes nicht zu Oben in der Lage sind.
Ein anderer Weg der Prftventivbehandlung, nämlich die Aufsaugung des
Giftes durch Injeetion von QnecksilberprAparaten in die indolenten, geschwellten
Lymphknoten oder gar durcli Durditrcnnun^r der Lymphbahnen hintanzuhalten, hat
sieh gleichfalls als erfolglus liewiesi?:!. Man hat daher seit jeher Verstiehc gemacht,
den Ausbruch der Syphilis dadurch zu verhitton, dass mau sofort, wie der sy p Li i Ii tische
Primiraffeet dlagnosticirt war, Herenrialpräparate verabreichte.
Diese Behandlung nannte man die Privwtivallgemeinbehandlung. Leider
erfreut sich dieselbe auch heutzutage noch einer regen Anhängerschaft.
Aber die erfahrensten Aerzte auf unserem Specialgebiete, wie F. üebba,
H. Zkissl, SroatOND, Bärkkspadno, Diday, Kaposi, Nbüvaxn und Andere, sind
mit Kntschicdenheit gegen diesen Vorgang zu Felde gezogen. Sie haben nämlich
mit Recht behauptet, dass, wenn man die Syphilis su einer Zeit su behandeln
♦) Wianer klin. Wodienschr. i8H3, Nr. 19.
uiym^L-ü Ly Google
712
STPHIUSTHERAPIE.
begittBe, wo dieselbe noch keine ErscbeinuDgeu an der Haut oder Schleimhaut
hervorgenifeii faal, datB draii der ganse Veriaaf der Syphilis ein nnregelmässiger
werde und data die Kranken dann Ton viel sehwereren und bartniokigeren Br-
s'cheinun?:«'!! bcfalI<Mi wrrdcii, dass Oberhaupt die Datier der Syphih's eine lüng^ere
wird, als wie wenn man mit einer All{;emeinhehati'ilunjr erst dann beginnt, wenn
fiich Allgemeioertjchcinangen der Syphilis an dem Kranken gezeigt haben.
loh glavbe, daae die nngOnatigen kliniaehen Brfahrani^ dasa führen
mllasen, eine medicamentOse Prftventivnllj?eineinbebandIoog anf das Entschiedenste n
verwerfen , und dass wir einzig und aUeiii dann die Syphilis zu behandeln anfanfjen
werden, wenn dietselbe bereits Allgemeiuerscheinungen am Körper hervurgerul'en bat.
Wir werden ans daher znnidist darauf heachrlnkenf den ««ypbilitisehen
Primflraffect rein local zu behandeln, wenn es nothwendi^ ist, um die Reinigung
des zerfallenen Primäraffeetes leicht vornehmen zu können, die Dorsalineision oder
die ( 'irenracision ausfuhren, und den Primiirafteet durch Aufstreuen von Jodoform
oder Enrophen, welches letztere sich wegen meiner Geruchlusigkeit als sehr gutes
Ersatamittel ftlr das Jodoform erweist ^ snr Ueberhäatang su bringen traebten.
Nachdem wir das Geschwür mit einem der j;eiiannten Priparate in dünner
Schichte bestreut haben, lafSMcn wir über dasselbe ein dflnnes, in 2% Carbol-
wasäcr getauchtes Wattebäu^chchen autlegen.
Naehdeni wir uns dahin ausgesprochen haben, dass die PriTentivallgemein-
behandlnng der Syphilis zu verwerfen ist , wird es Mch nun darum handeln , zu
erörtern, ob man die nll^'cmein gewordene Syphilis tiberhan[it brliandfln soll ntid
wenn man ^ie Itehandelt . in welchem Monientc mit der ik-haudlnng begouaeu
werden soll und mit welchen I'rüparaten dieselbe durchzufahren sei?
E« «nterli^t gar keinem Zweifel, dass eine grosse Ansahl von Syphilis*
filllen ohne eine Jedwede Behandlung zur dauernden Heilung gebracht werden
kann. Wir wissen aber, dass selbst 20 — .'50 Jahre nach der lufection, es mag
nun eine medicauieutose Behandlung durchgeführt worden sein oder nicht, doch
noeh Syphiliareeidive anftreten kOnnen. Die Erfahrung 6m letiten Jahnehnte,
ieh weise nur auf die Mittheilungen von Folrnikh und NbUUAKN hin, haben
aber gezeigt, dass gerade solche Individuen, welche einer ausgiebigen Fie-
haudlung zur Zeit ihrer ersten Sypbiliseruptinn unterzogen wurden , in geringerer
Ansahl von SpAtformen der Syphilis befallen werden, als solche Individuen,
welehe crar keiner oder einer nngenflgenden Bdiandlung untersogen wurden. Dieee
Thatsaehe w*ird uns dazu ffihren nifh-^en, mit Entschi» denheit einen jeden Syphilis-
krank*'n einer entspreidienden Behandlung zu unterziehen. lOs wird fieli nur darum
handeln^ den Zeitpunkt zu beätinimen, iu welchem wir mit Medicauienten ein-
greifen sollen.
Die Erfahrung liat uns und zahlreiche andere Aente gelehrt, dass
schwere Erscheinungen der Syphilis in spittercr Zeit namentlich an solchen
Kranken aufzutreten pdegeu, bei denen die ersten Eruptionen der Syphilis an
der Haut und an der Sebleimbaut ausserordeutlieh spirlieh gewesen. Es wird
dies ein Fingerseig sein, dass wir traebten werden, in der ertöten Zeit der
Syphiliseru{)tion atif der allgemeinen Pcdrckung und anf der Sehleinihaut der
Entwicklung der Syphili^producle kein Hindernis^ durch thcrapeulisehe Eingritfe
entgegenzustellen , sondern das8 wir eine gewisse Zeit abwarten werden, bis wir
sehen, dass keine neue Erscheinung an den genannten KOrperstellen au Tage
tritt, sondern vielmehr die schon vorhandenen sich spontan rückzubilden anfangen.
In diesem Monjcute erst wenien wir die C^uecksilberlieliandhing aufnehmen.
Eine Ausnahme von dieser allgemeinen Kegel sind wir nur verpdichtet
dann eintreten an lassen, wenn von Seiten hochwichtiger Organe an unser thera<>
peutisches Handeln eine Antorderun^'- gestellt wird, d. h. wenn während den
Eruptionsstadinms der Syphilis hettiire Kn[)fsi'hin< r/t'ti auftreten oder eine Iritis
spprifica zu Stande kiüne, so würden wir sofort zur Application von t^u^ksilber-
prüparaten schreiten.
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SYPRILISTBERAFfB.
713
Da die Kranken, welche der Melirzahl nach die i^ehwerwiefcende Bedeutung
der Sypbiliserkrankun^ kennen, schwer dazuzubriogeo sind, durch mehrere Wochen,
wenn sie schon an ihrem Kftrper einen Avssehlag sehen, ohne medieamentOse
Behandlnng sn bleiben, wird en sich empfehlen, schon frOhieitig JodprAparato zu
veral "reichen. Dieselben äussern nämlich einen }?ünBti^en Rinflnss auf die Rück-
bildung^ der vorhandeneu ErscheinuniL'en und habea wir una durco Hunderte von
Fällen ttberxen^, dass die Jodpräparate, wenn aneh weit lan^mer als wie die
Quecksilberpräparate, doch mit präciser Sicherheit die Ersoheinungen der Früh-
peri<ide der Syphilis zum i^chwinden bring^en. Ich verabreiche daher, wenn die
consecutiveii l'-rscheiüuiif;eii .schon 14 Ta^e bis 3 Wochen bestanden, und d^e
Kranken aut eine Behandlung dringen, Jodpräparate, ht unter rein expectativer
Behandlung oder unter Anwendung von Jodprtparaten eine Rflckbildnng der
Erscheinungen zu Stande gekommen, dann halte ich es an der Zeit, die Queck-
»ilberjiräparatc in Wirksamkeit treten zu lassen. Durch ein derartiges Abwarten
erreichen wir für den Kranken zwei Vortheile. Es reicht nämlich eine sehr
geringe llenge von Merenr hin, nm die noch vorliandenen Symptome snm
Sehwinden zu bringen, und ausserdem nnd wir dann in der Lage, noch längere
Zeit, nachdem die Krsi-heiniiniren treschwunden '^ind . die (jueeksilberpräparafe
dem Kranken einzuverleiben. Von welcher Wichtigkeit dies ist, erhellt wieder
HU8 Untersuchungen von Nbuvann, welcher nachgewiesen hat, dass selbst
lange Zeit noeh, naehdem für unser Auge die Syphiliserscheinungen an einer
Haufstelle geschwunden sind, an derselben doch das Mikroskop noch ihr einstiges
Vorhandensein nachzuwei^sen in der Lage ist, und Jedermann wird es wohl ein-
leuchten, dass es von Wichtigkeit ist, auch die letzten Reste der von der Syphilis
hervorgerufenen Infiltrate durch eine länger dauernde Behandlung xum Sehwinden
zu brin^ren. Es Wird aber sich gewiss zweckmässiger erweisen, eine länger dauernde
I5eli:iTidIiiTis' niit (>necksi!l)f>r]>r;i[)araten dadurch zu erreichen , das.s man mit der
Anwendung des t^i^ecksilber» möglichst spät beginnt, als dadurch, dass man früh-
zeitig Queelnilber anwendet und es dann ohne ünterbreehuug lange Zeit fortgebrauchen
läset. Die Erfahrung lehrt nämiieh. dass auoh bei syphilitischen Individuen, wenn
man Quecksilber zu lange Zeit anwendet . die Ernährung derselben unglJnstig
beeiriflusst wird. I'-s ist daher zweckmässicrer . die Behandlung so einzurichten,
dass man die Einwirkung des (Quecksilbers auf den Organiemus dadurch ver-
längert, dass man die Behandlung sn einer Zeit einsetsen läset, in der die Er-
scheinun|?eM von selbst schon rückgängig wurden. Man ist dann im Stande, viele
Wochen hindurch nocfi das (^hici-ksilhcr anzuwenden, nachdem die Erscheinungen
für unser Auge geschwunden sind, und so noch Krankheitsreste zu treffen, welche
wir nur durch die mikroskopisdie Untersoehung noeh naehsuweisen in der Lag«
sind. Wir wirken bei solchem Vorgehen durch lange Zeit auf den Organismus
mit unseren Queck-^ilherpr-ipuraten ein. nachdem «chnn die Erscheinungen f(lr unser
Auge ;rtschwunden sind. Hingegen würden wir die gleiche Menjrc des Mercurs
gebrauchen, um die ErscheinuDgea der Syphilis für unser Auge zum Schwinden
zu bringen, wenn wir gleich das erste Auftreten derselben mit Queeksilberpräparaten
bekämpfen würden. Wenn wir das letztere thäten, so hätten wir schon 40 oder
mehr Tage das Quci-ksilher verabreicht, und wenn wir dann die Queckailber-
behandlung noch weiter fortsetzen wollten, so würde sich gewiss der Organismus
des Individuums in der Hehrzahl der Fälle gegen einen weiteren Gebrauch des
gleicllbn Mittels ablehnend verhalten. Durch das vou nn< ein<^eschla;rene Vorgehen
erzielen wir al^o deit irr^s'^en Vortheil. dass wir den Kranken zu einer Zeit, wo
die Erscheinungen der Syphilis, die für unser Auge noch sichtbar .sind, schon
schwanden, noch unter der Einwirkung unseres mäelitigsteu Antisyphiliticums
halten können.
Was die Frage anlangt, in welcher Form man das Quecksilber dem
Körper einverleiben soll . so gehen auch hier di«- Meinunfren noch immer aus-
einander und wird namentlich in den letzten zehn Jahren von einer grossen Anzahl
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714
STPBILISTHERAPIE.
von Aerzten der sabeutaneD Injection des Quecksilbers vor der Schraiercur der
Vorzug Sieben. Dass die Einreibuogdcar voa allea BebaQdluog^methodea mit
Queokrilber die wirksamste und energisebeste ist, weldie nicht nur doreh ilire
Einwirkung auf den GesammtorgaDismus, sondern auch «Is ffrtliehes Mittel einen
gflnstigen Einiiuss auf den syphilitiHch erkrankten Organismus ausübt, wird allseitig
anerkannt. Eine Moditication der Scbmiercur bat in jQn^ster Zeit Welandbr
angegeben. Derselbe lässt nimlieh 6 Gramm der grauen Quecksilbersalbe mittelst
eines Spatela in der gimehen Ordnnng wie bw der Sebmierour «vftragen, hientnf
wegen der Reinlichkeit den bestrichenen Theil mit einem Tuch einwickeln und
d^a Bett aufsnchen. Bei Ta^ können die Kranken berumo'eheti. Wrlandse sah
von dieser Behandlung in ISd Fällen gute Resultate und nie Eczem.
Desaen iingenehtet wurde seit jeher, da rieh gewisse Verhftltniese ergeben
können, die die Ausfttbrung einer Sdimiercur unmöglich machen, ein Ersatz
Klr dieselbe gre^neht und ein solcher in subcutaner Injection löslicher Queck-
silberpräparate gefunden. Diese letzteren sollten nun in neuester Zeit durch
die Injection unlöslicher Quecksilberpräparate ersetzt werden und hat »eh mit
Vortheil die Metbode geltend gemaehtf die lOtUdien und unMieliebon Queeksilber*
Präparate nicht mehr subcutan, sondern intramusculär zu injiciren. Nur das frraue
Gel von Lang wird ohne Naohtheil für den Kranken und ohne Abscessbildung
zu bedingen subcutan injicirt.
Die Injeetion nnlOsUelier Queeksitberpräparate iat tiiatsftehUeb eine braneh-
bare Methode, hat aber den Nachtheil, dass, wenn sich nach einer solchen die
nnanprpnehmcn Xe])eneipTnsehaftcn des Quecksilbers, wie S.ilivation. Diarrhoe etc.,
bemerkbar machen, wir es nicht in der liand haben, die weitere Aulsaugung des
Queckailben Ten dem erzeugten Queckailberdepot aus au verbindero. Wir dnd
dalier niebft in der Lage, wenn wir irgend ein unlOsltehes Qnecksilberpräparat
intramusculftr deponirt haben, die beginnende Salivation oder rjjnofivitis zu be-
seitifren oder zu mildem, weil von dem Quecksilhordepot aus immer neue Quanti-
t.lteu Quecksilbers dem Organismus zugeführt werden. Das einzige .Mittel, eine
eingetretene Queeksilbervergiftung in Folge der Anwendung dines nuKMiehen
Quecksilberpräparates zu Inseitigen, ist die Entfernung desselbeu durch einen
chirurgischen Einprritf. Wenn »ueh, wie es thats.'lelilidi der Fall ist. nur bei e'nem
verschwindend kleineu Percentsatze von mit uuiüslichen Präparaten behandelten
Kranken sieb derartige unangenehme Ereignisse einstellen werden , so ist selbst
der geringste Percentsatz genügend, um den Arzt zu yeranlaseen, nur seilen
diese Methode der {>tieeksilberverabreiehitii;r in Anwendung zu ziehen, um^omehr.
als diese Methode die einzige ist, bei welcher in der nioderneu Zeit <»ogar mit
Tod endende Quecksilbervergiftungen zur Beobachtung kamen.
Wenn man daher das Quecksilber subcutan injiciren will, so wird es
sich immer empfehlen , sich der löslichen Präparate zu liedienen. Nur werden
wir jetzt eine grossere Dosirung. als wie sie zunftehst von F. HBBBA und LRWIN
empfohlen wurde, in Anwendung ziehen.
Lassar, Hobotitz und Lükasiewicz haben in einer grosseren Beob-
aehtungsreihe 0'03 — 0 0.') Grm. injicirt. Nach meiner eigenen Erf/thrung kann
ieli lte«trUigen, dass ich in solrlu-n Füllen , wo ich mich dieser Applicationsweise
bedieute, ohne Nachtlieil fiir dtii Kranken günstige Resultate erzielte. Ich glaube
aber, dass, da wir im Vorhinein nicht wissen können, welches Quantum eines Queck*
silberpriparates von einem bestimmten Kranken ohne Nacbtheil vertragen ^ird,
wir nicht gleich mit einer so grossen Dosis von O OH oder gar (> 0") Grm. beginnen
SoHen. sondern halte ich es fflr zweekniässigcr, zuerst mit 0-( r_> Grm. zu beginneu
und wenn diese D(*siä gut vertragen nurdo, in entsprechenden Zeiträumen von
3 bis 4 und 8 Tagen endlich bis zur vollen Dosis von (>'05 Grm. hinaufzugehen.
HoKoviTZ hat. was ich ebenfalls bestätigen kann, einen kleinen Zusatz von abso-
lutem Alkohol zur SnMimatlosiinir zweck m.'lssiger als wie den Zusatz von 1\nf)\.
»alz gefunden und sind thatsitchlich die Sublimatinjectiouen mit einem Alkohol-
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SYPBILISTHERAPIE.
715
Zusatz weniger schmerzhaft, als wie wenn wir dem Sublimat Chloraatrium zusetzen.
Zu diesem Zwecke verschreibt man : Sublim, corronv, 0*20 — 0*60 , Spirü. vin.
rectißc. 2 oO, Aq. fönt, dest. 10 0,
Derartige hoebpeveentige SibümatUtannfen btben den Vortheil, dase bmb
gleich wie bei den unlöslichen Quecksilberpräparalen nur eine geringe Anzahl
von Injectionen zn mschen braucht. Wenn aber einmal die Aufsaugfun^ dieses
Quecksilberquantums erfolgt ist, so wird, wenn man nicht neuerlich einspritzt,
kein nenea Quantum aufgesaugt werden kSaneit nnd so werden die etwa ent-
standenen unangenehmen Erseheinnogen der Qneeksflberintozieation rieh nieht
steigern kOnnen.
Sollte ein Individuum aus äusseren Grtlnden oder wegen zur Eezem-
bildung geneigter Haut die Sehmiercur nicht ausführen können, oder wegen einer
boehgradigen EmpfindUehkeit flBr eine Injeetionstberapie nicht geeignet sein, seine
Verdauungsverkseuge aber sich als intact und tolerant erweisen, so kann in ein-
seinen FflUen die innerliche Medication in ihre Rechte treten.
Als allgemeine Anhaltspunkte Hessen sich für die verschiedeneu Applica-
ttonsmethoden des Qneeksilbers folgende Kegeln snsammenstellen : Wo sie aas-
fnhrbar ist, namentlich wo sie von «nem gesehuiten Wirter durchgeffihrt werden
kann, verdient die Kinreibiinfrscnr wegen ihrer raschen, sicheren Wirksamkeit
und wegen ihrer localcn Einwirkung auf syphilitische Ettiorescenzen vor allen
anderen Methoden den Vorzug. Namentlich Ausgezeichnetes pflegt die Einreibungscur
bei lange bestehenden, die Zongen- od«r Wangeosdbieimbaat betreffenden syphi-
litischen Erkrankungen zu leisten , mögen dieselben der Frllh- oder Spätperiode
der Syphilis angehören. Oft nah ich, und auch Folunif.r macht darauf auf-
merksam, dass solche Kranke, welche vergeblich durch Jahre hindurch wegen
der beseiebneten Affeetionen ^ner Queeksilberpilleneur oder einer IigeeHonsenr
unterzogen worden waren, unter der Einrttbnogsenr von diesen sie äusserst
belästigenden Ersrheinungen befreit wurden.
Wo die Einreibungscur sich nicht durchführen lässt oder die an sie
gestellten Erwartungen nicht erfallt, wie es namentlioh zuweiien liei Affeetionen
des Oentralnervensystems der Fall ist, da treten die snbentanen Injectionen nait
lösliehen Quecksilberprflparaten in ihre Korbte , und kann ich nur die Ansicht,
welche RKXKr>l("T mir ircgcnUber mfindlicb vertreten hat , bestätigen und einer
diesbezüglichen Mittliciluug von iloBOVixz ivecht geben, dass in einzelnen Fällen
▼on Odiirosyphilis die Injeetionsmethode sur raschen Heilang führte, während
eine voransgegangcne zweckmässige und schulgerecht durcbgefflhrte Sehmiercur
ein negatives Resultat lieferte. Was die Trsache hierfür sein mag, dass, wie
durch die Harnanalyse in einem Falle von UoBüViTZ nachgewiesen wurde, das
Queeksilber von der allgcmdnen Bedeckung nidit reewbirt wird, entzieht ridi bis
jetit Tollständig nniierer Reortbeilnng. Man kann nur die diesbesflgliehen klinisehen
Thatsaehcn feststellen.
Fdr ie'eiitere Fillle und namenilieh dann, wenn der Kranke nieht unter
coQtinuii lieber Aufsicht des Arztes sein kann, empfiehlt sieb die innerliche Be-
bandlong mit Quecksilberprflparaten. Besonders Günstiges pflegen die Quecksilber*
prüparate, inneriidi verabreiclit, bei AtlVi-ticnen des Larynx zu leisten, nnd zwar
ist es hierbei angezeigt, Calouu I in Pulverlorm in entsprechender Dosis zu appli-
cirtn. Sonst ziehe ich es vor, 0 04 — O'Oö Grm. Frotoj'oduretum hydraryyri im
Vo-laufe eines Tages in Pillenform zn verabreiehen.
Gute Resultate kann man durch Einwicklung mit grauem Queeksilber-
pflastor, hei welclier ja ebenfalls ^'rrwpc Quantit.Htcn (Quecksilbers in den Körper
aufgenommen wrden. erzielen. Nel)enhei mag hier noch das CalomelpHaster von
QuiNqUAUD erwühnt sein, wulchcs in einem handgrossen StUcke auf die Milzgegend
appHeirt wird.
'^elb-itverst.'iiidlich wird m.in bei allen Allgemeinbehandlungen auch noch
auf die iocaie Behandlung der einzelnen syphilitiseben Erscheinungen Rfleksicht
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716
-Vriiil.L^TÜtKAFiE.
Debmen. Wir werden daher Papeln ad aymm mit der vou Zkissl modificirtcn
LABAKA^UE scben Pasta oder mit grauem Püaster zur Abtrocknung, L'eberbäutung
und VerUdneruDg zu bringen traehti». Zerfalleiide Papeln oder epitheliale Trfl-
bnngren an der Zange werden wir durch Besprayen mit Jodoformätber , womit
ich sehr >rufe Resultate erziele, zu beseitipren trachten. Da der .lodoformfltber
wehren teines (kTtiches für Kranke sehr unanircnehni ist. so werden wir. sol»ald
der gewünschte EÖ'ect erzielt ist, die betreticaden Stelleu eutweder mit Lapid iu
Snbstana oder mit gleichen Theilen Jodtinetar und Olyeerin oder Jodglycerin
behandeln Papeln «u der Hoblhand nnd an der Fusssohle Warden wir durch
macerirende Bäder und Application von grauem Pflaster einer rascheren Resorp-
tion zazufUhreu trachten.
Qneeksilberränebwnngen haben heate wohl vollständig als Heilmittel iliro
Gdtnng verloren nnd nur ausnahmsweise wird man das Quecksilber in Form von
Soppositorien dem Kr^rper einzuverleiben trachten.
fileirlizcitiir mit den «^rwilhnten t,|ueck.silbcreureu wird man , wenn nicht
das (^ueeksiU-er durch den Verdauuugstract einverleibt wird, Jodpräparate ver-
abreichen. Von diesen wurden in neuerer Zeit Jodol und Europhen empfohlen.
Die mit Europhen bebandelten Fülle sind aber no^ nicht zahlreich <:renu«:, um
zu einem absehlies'jenden Urtheil gelanfjen zu kfinnen. Jndol hat Hieli liishi^r fiir
die Allgemeinbehandlung der Syphilis nicht einzubürgern vermocht; da^ Jodo-
form, innerlich augewendet, bei luetischen Neuralgien Gutes geleistet. Nbcvann
hat es in Oelemulsion mit gutem Erfid^ ^e^ren die allgemeinen Kr.scheinunsen der
Sypliilis ang-ewendet. al)er aiieli in die-er F<trm bat es bisher sich keinen stin-
digen Platz unter den Antisyphilitieis erworben.
Es wird jetzt au uns die Frage herantreten, wie lange eine Behandlung
der Syphilis dnrehgeftthrt werden soll, d. h. wir werden uns die Frage vorlegen
mdssen : sollen wir nur die jeweili^ren Symptome behandeln oder sollen wir aueh
während der reeidivtreien Zeit deni Kranken Antisypbilitiea verabreichen?
Während vou den meisten Vertretern der Wiener Schule die »ympto-
matisehe Behandlung der Syphilis empfohlen wird, haben Fot-bnikr. Nbissbe nnd
Andere die chronische intermittirende . d.h. durch Jahre hindurdi fortgesetxto
Bohandluufr der .'^yiiliiliskrankcn ^'■elclirt und hat diese Lelire zahlreiche Anhflnger
fretunden. Den einmal mit Sypiiilis inlicirten .Menscbeo wird bei dieser chronischen
Behandlung der Syphilis durch Jahre hindurch mit kurzen Unterbrechungen der
Cur abwechselnd Quecksilber und Jod verabreicht, ob sieh nach dem Sehwinden
der ersten All^emeinerscheinungen Recidive gezeigt haben oder nicht. Während
FoURXiKR eine Bchandlungsdauer von 3 — 4 Jahren urgirt, verlangte MAUTixKAr
eine 5 Jahre dauernde und trat Dkms Dl'MONT endlich für eine unbegrenzte
Fortdauer der Behandlung der Syphilis ein.
Wenn es auch zur GenOgc bekannt ist, dass bei einer rein sympto
matiächen Bebundhin^'- der Syphilis Rccidivcri sehr häufi;r vorkommen , so siud
doch bis jetzt mit der chronischen iutermittireudeu Behandlung der Syphilis in
dieser Richtung keine besseren Resultate erzielt worden. Mir selbst ist eine
Reihe von Kranken im Laufe der Jahre cur Beobachtung gekommen, an welchra,
trotzdem sie 5 und C Jahre oontinuirlich behandelt wurden , dennoch die
schwersten Erscheinun<rcn der Syphill'^ auttraten. Ich imh. dass von einem 5 Jahre
behandelten Manue seine Frau inticirt wurde und dass eiu 0 Jahre behandelter
Mann endlich seiner Gehirnsyphilis erlag. Mit Recht haben sieh Syphilidologen
von so grosser Erfahrung wie SkjmüND, Diday, KAPOSI, Caspary u. A. gegen
die chronische Bebandlunfrsniethode ausircsprodien nnd bc(i«tit . dass ein soiehe«
Vorgehen unuöthig und in physLsuher Beziehung schüdlieh sei.
Die bisher bekannt gewordenen Resultate dieser Behandlungsmethode
mttssen entschieden gegen dieselbe einnehmen. Kaposi"') meint mit Recht, dass
•) Patbuiogiu uud Tlierapi« der Sypbilis. .Sliiugart i^^l, pag. 4l»3-
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STPHIU8THEBAPIE.
717
die „horrend grosse Zahl von syphilitiBdien Gehirn- und Nervenkrankheiten,
welche nach Focrmkr's Angaben in Frankreich vorkommen, wo die protrahirte
I^rhandliin^ vielfach üblich, und nach seinen Erfahrnnnren in den Lflndern , in
welchcu nicht vun vornherein systematische lounctions- und Inject iouscuren
beliebt sind, nondem dilatatorisehe Intembehandlnngen, Anlaas gehen, darüber
nachzudenken, ob nicht bdde diese Momente als Ursaehe dieser aaffallenden
Thatsache zu beschulditsen wären".
Da es nun bekannt i>it , dass , wenn auch durcli citu' antisyphilitische
behaudluug die Symptome der Lues zum Schwinden gebracht werden, die Bvpbi-
litisebe Diathe«e des betreffenden Kranken doch in der Rei^l nieht getilgt ist.
so lasse ich , wenn schon alle Symptome der Syphilis geschwunden sind . noch
l.tnjrere Zeit Joilprilparate frcbrauchen. In der Refrei lasse ich die Jodbehandlung
6 W<u'hen , lüuu'^tens ein Jahr fortsetzen, wenn keine ueuen Erscheinungen der
Syphilis aul treten. Kommen aber solche zu Tage, so wende ich zunftcbst Jod
weiter an, und wenn die Symptome an langsam oder gar nicht fehwinden, greife
ieh wieder auf Mercur zurflck , wende ihn aber in möglichst geringer Quantitit
an. Haben Kranke, wie dies vorzukommen pflegt, zu (^huu-ksilberpräparaten ein
grosses Vortrauen, »o kann man sie wahrend dieses halben oder ganzen Jahres,
wenn aneb keine neuen manifesten Symptome der Syphilis auftraten, wenn sie sonst
krAftig und gesund sind, ausnahmsweise einen Cyclus von 10 — 12 Einrwbttngen
machen lassen. Es ist ja durch Versuche von F. Hkt^ra und H. Zktsst- genflgend
bekannt geworden, dass von gesunden Individuen Quecksilbereinrcibaagen in
grö.sserer Anzahl ohne Nachtheil vertragen werden können.
Idi bin bisher mit den naeh der geschilderten B^andlnngtmelhode et-
sidtea Resultaten zufrieden , und hat der lange fortgesetste Gebrauch der Jod-
pripsrate den Kranken bisher nie geschadet.
Was den Ans.fcprueh Foiknikr's und anderer Autoren anlangt, dass
schwere Erkrankungen des Centrainerveosystems am häufigsten bei gar nicht oder
nnsnlinglieb behandelter Syphilis bpobacbtet werden, man ich demselben ent-
gegnen , dass ieh leider auch }m Kranken , die sdir energiseh und Sfhr lange
behandelt wurden, doch derartige Erscheinungen der Syphilis auftreten sah.
man weiss . dass unmittelbar nacb dem ScIiwind^n der Syphilis-
symptonie nicht auch schon die syphilitische Diathcse beseitijrt ist, wird man
lebhaft wUnnchen mttssen, die Behandlung der Syphilis auf längere Zeit auszu-
dehnen, als bidicr im Allgemeinen flblieh war. Und dies erreicht man dadureb,
dass man die Naturheilung nfltzt , nnd nachdem diese f:chon Erspriessliches
geleistet . erst auf die niedic^imentr.se Behandlung übergeht. Selbstverständlich
können bei einer ein halbes oder ein ganze« Jahr fortgesetzten antiluetiscbeu
Behandlung die Mercurprftparate nur eine untergeordnete Rolle spielen. Anti*
syphilitica i)berhan])t, im Besonderen aber Quecksilberprllparate ohne veranlassende
Ursache durch Jahre zu veralireieben , also einen nur vermutheten Feind gans
nnnötbig bekftmpten ■ — nuiss als naehtheilig bezeichnet werden.
Wichtig ist es zu entscheiden, ob ein Mensch, der mit Syphilis iulieirt war und
von Erscheinungen frei ist, heiraten darf oder nicht In dieser Resiehung besitzen
wir leider keinen einzigen Anhaltspunkt, welcher uns mit Sicherheit erkennen
Hesse. d.is> ein Individuum dauernd v(»n seiner Syphilis befreit sei: nur lehrte
die Erfahrung , dass in der Hegel ein mit Syphilis infieirtes Individuum, wenn
dasselbe durch ein Jahr frei von alten Erscheinungen der Syphilis geblieben ist,
fnr immer von seiner Krankheit befreit zu sein pflegt. Man kann daher, wenn
eine zweijährige, von Reddiven freie Zeit verflossen Ist, dem Syphilitischen die
Heirat gestatten. Vor der Heirat mag man den von Didav geiibten Cebraneb.
eine Schmiercur zur grö-sseren Sicherheit durchführen zu lassen , beobachten , da
wir wissen, dass eine rationell geleitete Sehmiereur einem Gesunden keinerlei
Kachtheil bringt, und weil, wenn die Syphilis nur latent wäre, das „Symptom^,
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718
STFHIUSTHERAPIE.
wi« tkik JHday anidrfleki, toradittr typUHtisdw Kinder m teogen, dnroh die««
Sdunierour getilgt werden kann. Hat ein Syphilitischer Ieicht8iuniß:er Weise frflh-
zeitig eine Ehe eingegangen und seine Frau inücirt und geschwängert, so wird
es sich während der Schwangerschaft der Frau empfehlen, dieselbe einer energi-
edien BdiandluDg mit Queckdlber nnd Jodpräparaton in nnteniehen. Eb vird
dann in vielen Fällen gnlingnn, uieht nUein während der Sehwnngnrsehaft schon
die Frau von Erscheinungen der Syphilis zu befreien, sondern man wird aueh in einer
grossen Anzahl von Fällen ein lebendiges und von Syphilis freies. Kind zur Welt
kommen sehen. Hnt die Gattin eines syphilitischen Hannes ein syphilitisehea Kind
gelKwen oder «boitirt) eo wird ee sieh bei der niehsten Sohwangersefanft empfehleii,
die Frau selbst dann einer energischen Cur zu unterziehen , wenn keine Erschd-
nungen der Syphilis an ihr zu beobachten waren. Bemerkt mag werden, dass die
Erscheinungen der Syphilis, namentlich der syphilitische Primäraäect, selbst bei
einer ener^sdiem natiqrphUitiselieii Gar an sehwaaKeren Wdbem deh langsamer
nirflekbilden, t. Zeisal.
T.
Tachykardie, ä. Herzkrankheiten, pag. 417.
Tannin, 8. A n t i d 0 1 a, pag. 17 ; Darminfusion bei Cholera, pag. Iö2| 186.
Taschenbesteck verb a n d t .i f< e h e n\ Das Ta8cheu)ie«teek , so wie
es, ohne wegeatliche Aenderung, nahezu Jahrhunderte hindurch dem praktischen
Ant als Yademeeam gedieot luitte, «ntq^bt ebensoweniir irie setn taSuM Ikn.
Anforderungen der neueren Chinir^e, nnd beide, Tasche wie Inhalt, wurden det-
halb durchgreifenden Umwandlungen unterworfen, die indessen einen allseitig voll-
kommen befriedigenden Abschluss noch nicht erreicht haben.
Die von aitersher gebräuchlichen Mesiier und Bistouri mit Holz-
griffen und Honuebalenf mit ibren Eeken, Winkeln, 8|Hilten und BMiUgkeiten
machten auch bei grOsster Sorgfalt ein Reinigen im ebirn^schen Sinne , d. h.
ein Keim(reiniaeben, nnmöglich. Es kam darauf an, sie — wie überhaupt alle
chirurgischen Instrumente — möglichst einfach zu ge-
stalten, alle nnnfltsen Verxiemngen wegzulassen , alle
winkeligen VerÜeAmgen, sowie alle feinen SiMlten nnd
blinden Enden zu meiden, ihnen glatte, ab^irernndete
Flächen zu geben und, wo es anging, die Inätrumente
aus einem einzigen StUck fertigen zn lassen. Zuerst
bemfibte man sieb, die Messer der Anti«, besiebnngswMse
Aseptik anzupasst n und in entsprechender Weise um-
7.u}<ndern. Mac Ewf.N' machte mit den Vollheften den
Anfang; Esmarch führte sie 1880 in Deutschland ein;
Nbdbbr 1) flbertrng das Prineip auf alle Instrumente, und
bald schlössen sieb Chirurgen und Instmmentenmaeher
die.seu Bestrebungen an. Man stellte die Messer an? einem
StUck her und versah die Hefte mit Längsriuuen, welche
ein sicheres Halten der Instrumente ermöglichen und gleich-
zeitig das Gewicht derselben verringern. Wird das Skalpell
nicht aus einem Stück gefertigt , dann muss die EJinge
hart in den metallenen Gritl" einfrelnthot werden.
Das vom Skalpell Gesagte gilt in noch höherem
Grade vom Bistonri. Ein naeb Art der Tasebenmeaser
xuaammenklappbares Instrument gestattet eine genügende
Desinfectinii überhaupt nicht, und ebeusowenig l.lsst sich
der Kaum zwischen den Schalen mechanisch sicher reiuigeu
amui !. skaii tii« Wie «ie gder trookuen. Es kam darauf an, dem Bistonri metallene
Schwalbe in Petersburg , _ , ^ ' . . ,
lieiKt; e Skalpell naefi Griffe ZU geben und das Ganze so einzurichten, daas
^' einerseits die Kliii;re vom Griff nnd andererseits^ die beiden
Schalen des Griries mit Lcichtifrkeit von einander getrennt und wieder zusammen-
gefügt werden konnten. Die Zerlegbarkeit des Instrumentes in seine Theile und
der Stofl^ aus dem sie gefertigt, mnsste eine sieben Desinfeetion — Kochen in
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720
TASCHEMBESTBCK.
lYoigor SodalOrang — , ein grlUidlielieB Troekenreiben und damit Sebots vor Roet
gewähret). Gelang es weiter, den GrilT so einzurichten. er das Einsetzen
verschiedener Klinfrcn gestattetf , ohne den festen Halt der Klinge zu beein-
trächtigen, dann konnte das Uistuuri das Skalpell ersetzen und bot zudem den
Vortheil, dasa die eingesetsten Klingen beim Niehtgebraoeb, sumal beim Transport,
gwebtttst Bind.
Aerztc und Fabrikanten liribt'ri sieb Itenidlit. diese Auf;ra)te in (Iberaus
mannigfacher Weise, mehr oder weniger volikummen, zu losen, und ao gro&a ist die
Zahl der in den letzten Jahren auf den Harkt gebrachten „aseptischen^ Bistouris,
dase eine BeBebreibvng aller nnmOgUeb bt. Die Vorfttlming weniger Beispiele mag
daher geniigen.
Flg. 98
Bei dem von OfTSCH-i angegebenen Bistouri (Fig. 98) ist das metallene
Heft fdr jede Klinj^e verwendbar. Die Sehalen dos Griffes sind mit LiinfrHbohl-
rinueu versehen und am hinteren Ende, wie die scbeerenförmigen Instrumente,
dnreb abgerundeten ZapfenverMblose verbanden und leiebt ansdnandersanehmen
und wieder zusammenzufQgen. Oeffnen und S( hlit-ssen der Klinge erfolgt durch
einen Scbieber . äbniieb denen , wie sie bei den Scbieberpincetten frebr.luchlich
sind. Die Zerlegung des Instrumentes in seine Tbeile ist nur möglich bei recht-
winkeliger Stellung der Klinge und gani nadi vorn gebrachtem Schieber.
Fifj. »9. Fig. tOO.
Das von Schuitt erfundene Bistouri (D. R.'P. 41.739) besteht ans iwei
einander gleichen, den Griff desselben bildenden Schalen, in denen sich Je an
«nem Ende ein knopfincbähnlicber Selilitz befindet, wilbrend das entgeirenjrcsetzte
Ende mit einem cyliudriscben , gegen das Ende eingeteilten Stift verseben ist.
Die Zusammenstellung dieser beiden Platinen mit zwei Klingen erfolgt, indem
man auf je eine Platine eine Klinge setzt , wie Fig. 99 veransebanliebt ; dann
TASCUENB£STECK.
721
lei?t man die Schalen so aufeinander, dass die Stifte, welche die Klingen trap'en,
durch die liundim«: der Schlitze treten, und verschiebt nun die Schalen in ihrer
Läogitricbtung, hk die Stifte in den engeren Tbeil der Schlitze eingetreten sind
(Fig. 100). SeUieMt man nadi erfolgrter ZnsunmeiiBtellaiig eine der beidea KUngwi
oder beide , so kann das BiHtouri nieht zerlegt werden , also auch nicht während
des Gebrauches in der Hand auseinanderfallcn. Die Feststellung der Klingen in
geöffneter wie geschlossener Stellung wird durch eine kleine Verschiebung der
Sehalen in ihrer Lingsriehtnng Iddit bewerkstelligt. Die Klingen sind festge-
stelltf wenn die beidoi Sehalen sich eintnder voUstfindig decken.
Naeh demselben Sy-<tpm hat Schmitt auch ein e i n faches Bistouri her-
geätellt, dessen Klinge in gleicher Weise eingesetzt, festgestellt and herausge-
nommen wird.
Die alten, einst so beliebten Lansetten sind entweder gans fortgefkllen
oder sie werden, wie die Skalpells, massiv hergestellt (vergl. Fig. 107).
Wie die Bistouri, so mnssten auch die Scheeren und alle scheerenartigen
Instrumente: Kornzangen, Gefässkletumen, Nadelhalter, im Sinne der Antiseptik
geftndert werden, da die bisher übliehe Verbindung der S^eerenarme eine Rdnignng
gans nnmögUeh maehte. Es kam also darauf an, alle diese Werksenge derartig
Fig. 101.
einxnriehten, dass sie mit Leichtigkeit in ihre einselnen Theile zerlegt und wieder
snsammengefUgt werden konnten. Gittsch w.nhite zu diesem Zwecke statt des alten
Seheerenscblosses den „abgerundeten Zapfen verschluss"; Collin ') ver-
sah den männlichen Scheerenarm mit einem Stift oder Zapfen (Fig. 101), der in
einer entsprechenden Oeffnnng des weibliehen Armes eingreift nnd als Ih«hpvnkt
dient. Das Zusammenhalten beider Arme gesehieht durch ein fingerförmiges Metall-
Btück , welches, von dem weibliehen Arme ausgehend, sich um d«a männlichen
heruniächlingt.
Encyclop. Jabrlücher. III- 40
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722
TASCHENBE^TECK.
Von hoher Vollkommenheit i«t der, nach Walch er's Angrabe, von
Tretter iV: Scheercr hergestelltü „aaeptische Patentverschluas" (Fig. 102). Die
niäuulicbe äcbeerenbälfte (A^ trügt einen festen 8tilt (o/, dessen freies Ende
nieikopfarti^ angeatandit ist Die weibliche Zaagenbtlfte hat snr Anftwbme des
Stiftes einen Schlitz (b)f der ao seincni Ende kegelförmig erweitert ist, wodurch,
nachdem beide Hälften zusammengesteckt sind . beim Sohbessen des Instrumentes
die nietkopfartige Verdickung des Zapfens in die obere couische Elrweiterung des
Sehlitzee ein^rflekt end ein AnaeiDMderfellM oder AuseiBanderDehnieii der beiden
Hälften verhindert v^ird. Beides ist, ebento wie das Znsammenfügen , in Folge
einer besonderer Einrichtung nur in einer ganz bestimmteD, dlireh die pnlEtirleo
Linien angegebenen Stellung der Arme möglich.
Dieser Verschluss gewährt ebenso ein leichtes Zerlegen und ZuBsmiiieB-
setseo, wie einen festen Züsammenhalt der beiden Sebeerenbfllften ; die SUiogen
lassen sich mit Leichtigkeit schirfen, und endlieh ermöglicht der gUtte SohlitB
und der runde Schraubzapfen eine ^rilndiiche Beinigung.
Fif. IM.
Auch die Pi ncetteu , namentlich die Lutcrbinduugspincetten, bedurften
dringend der Aendening. Man gab ihnen abgerundete, giatte FMehen, machte die
Gebisse stampf und den Schieber leicht abnehmbar; die beiden Pincettenhälftea
wurden unten durch ein einfaclii'^i Scli!"'>- derartig verbunden , dass sie ebenso
leicht getrennt, wie wieder verbunden werden konnten. So verfuhr Walcher und
unabhängig von ihm SCHWABE (vergl. Fig. 106). Die lustrumeutenmacher lieferten
eine grosse Zahl serlegbarer Fineetten, aber sie befriedigten nieht reoht, weil sie
nicht gl lü L iid sicher arbeiteten. Der neueste von Walchkr angegebene und
oben beschriebene „aseptische Patent-Verschluss'' ist ebenfalls bei den Pinoetten
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TASCU£NBE:jT£CK. 723
•
verwerthet (Fig. 103 und dürfte an Einfachheit und Sicherheit alle ähnlichen
Vorrichtungren (Ibertreften, Zur Feststellung^ tr;l?t der eine Arm an der Innenfläche
einen Ansatz, welcher in eine entsprechende Ausfeiluug des anderen Armes eingreift.
Ein whr fBblbarer üebelstand der l^herigen T«sehenbaBteoke war das
Fehlen eines X adelh alters. Derselbe war fUr die Tasche zn gross und
fand er keinen Platz. Nachdem nun die Naddhaltor 7.> r\c;sUnT genuMht und der
Aseptik gemäss eingerichtet waren, gab man ihnen auch die fflr das Taseheo-
besteek pasiende GrMae. So liew Bbaatz seinen Nadelbalter dem Tascbeninstra-
mentarinm einfo^ren, und die Firaia Hirtel lieferte eigen» fBr die Verband-
tasche bestimmte Hnlfer. Nach Angabe des Dr. T.\rscH M hat Beyer in Mdnchen
einen Nadelhaltcr frefertipt. der in .meiner Oef^talt der PEAX schen Klemme .thnelt,
der aber trotz seiner geringen Grosse durch execntriache Uebersetzung der Kraft
erhebliebe Oewaltanwendnag gestattet. Oareh Trennang der einen Stange (Flg. 101)
Fig. 103. VUt. 104.
ist ein Hebelarm erzielt, mittelst dessen die Nadel sehr fest und sieher gefassC
werden kann. Das mit Zink beleste Qebiss läuft nach vorn ziemlich spitz zu, so
dass sich Nadeln von beliehifrer Krflmmun? verwcndfii l.isscn. Das Auseinander-
nehmen des Halters ^resehieht dadurch , datis man die auf dem ungetheilten Arme
belindliche i'eder mit dem Daumennagel etwa.s in die Höhe hebt und sie recht-
winkelig snr Längsachse des Instromentes stellt Der ursprflngUeh fBr Operatioaen
an den Augen bestimmte Nadelhalter von Sand hat die Grösse und Form einer
Pincette und nimmt in Folfje dessen .«ehr weui^r Raum ein. Auch bei diesem
Instrument ist das Princip der excentrischen Kraftübertragung in Anwendung
gebraeht und der Sehlnss der Gebisse wird dareb Uebergrcifen eines Federknopfcs,
Ihnlidi wie bei der alten GBABBl^BB'sohen Pincette, errei(>bt.
Der Taschen <■ a t b e t e r fnllt am besten ganz fort and wird dareh einen
KiliATON'schen Kautschukcatheter ersetzt.
46*
724
TASCHENBESTECK.
Ein besonder schwieriger Punkt ist die Ausrüstung: des Besteckes mit
Nfthmaterial. Braatz'm glaubt nach dieser Richtung hin in seinem Besteck durch
seinen Nadelhalter ffir Hagedomnadeln, mit einer Auswahl von diesen und geraden
Nadeln, mit MetalUlraht in ausgiebiger Weise gesorgt zu haben, v. Beegmann
rüstete ein von ihm angegebenes Besteck mit dem Goz'schen Nähinatrument
(vergl. I. Ergftnziiijgsband, Naht) aus, in einem anderen Besteck liegt zwischen
den Griffen des Nadelbalters eine Spule mit Nähseide. Sehr handlich und leicht
mitzufuhren ist Vomel's ..aseptischer Nähmaterialtrilger" , ein durch Zinndeckel
geschlossenes, etwa kleinüugergrosscs Flllschchen (I. Ergänzungsband, pag. 511,
Fig. 63) mit Seide oder Catgut. Jene wird aufgerollt in den Behälter gebracht,
1 Stunde in 5^ o Carbolwasser gekocht. Catgut wird mechanisch gereinigt, auf-
gerollt, in das Glas gebracht, 24 Stunden in 4o/oo Sublimatwasser gekocht und in
1^ SublimatwaKser aufbewahrt. Ob trotzdem aber das Näbmaterial unter allen
Umständen asepti-^ch bleibt?
Fig. 105.
Die Firma Härtel in Breslau hat ein kleines F.tui mit Jodoformseide
und Nadel in den Handel gebracht, das sieh ausser dem eigentlichen Besteck
beijuem in einer Tasche uuterbriugen läsät. Trettor Scheerer fertigen
besondere kleine Nähbesteeke an , die neben den nothwondigsten Instrumenten
(1 zerlegbarer Nadelhalter, 1 Arterienklemme, 1 aufgebogene Scheere, 1 Oehrsonde,
2 Pincetton), 1 GlasbUlse mit aseptischer Nähseide in Carbollösung , 1 Gl&shdlse
mit Catgut in Sublimatalkohol, 9 gebogene Heft- und 8 Umstechung^nadeln ent-
balteu. Auch Maxdkl *') hat ein Nähbesteck in Nickelinkasten angegeben , aber
dasselbe ist zum Mitführen in einer Kleidertasche zu gross. Seide und Catgut Iftsst
er auf Glasstäbchen wickeln und in Keagen.sgläsern aunjewahren, die am besten durch
einen Rautschukstöpsel verschlossen werden. Diese einlache Vorrichtung ist wohl
die empfehlenswerthesto und hat auch wohl weiteste Verbreitung gefunden. Auch
die Nadeln werden am besten in Reagensgläsern von enUiprechender Grösse und
Krtimmung untergebracht.
Das Besteck, der für die Instrumente bestimmte Behälter, war der
zeitgemässen Aenderuog nicht minder bedürftig als diese; mit der alten Leder-
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TASCHENBESTEC'K.
781
tascbe war Ubeihaiipt nichta aiizufauj?en, man scbafTte sie daher einfach ab, setzte
an ihre Stelle metallene Kästchen (Etuis) aus Neusilbt-r oder Aluminium und
schuf im Wesentlichen vier verschiedene Formen. Diese Verschiedenheit ist
dadurch bedin^rt , dnss man einerseits die KSstchcn mit besonderen La^erungs-
vorrichtnng'en f(!r die Instrumente versah oder nicht; anderer-^eits dadurch, dasa
man zur Ausrflstung' Skalpelle uder Histouris wählte. Die Laf^ervorrichtungren
bestehen theils in metallenen, mit Einkerbungen versehenen Stephen, wie sie vordem
schon bei anatomischen und grösseren chirurgischen Hestecken ttblich waren,
theils in Vertiefungen und Erhabenheiten der inneren Deckelwand , welche der
Gestalt der hier lagernden Instrumente (Scheeren, Zangen, Halter) entsprechen.
Fehlen diese Lagerungsvorrichtungen , so versieht man das leere Kilstchen mit
einer Watteschieht , auf der die Instrumente gebettet werden. In beiden Füllen,
d. h. mögen die Instrumente auf Stegen oder auf Watte liegen, werden dieselben
durch querlaufende Metallbilgel festgehalten. Metallkasten, Stege, Bügel können
durch Kochen in Wasser desiuficirt werden. Die für Skalpelle eingerichteten
Fig. 106.
Bestecke müssen eine Länge von nicht unter 15 Cm. haben und erreichen dadun-h
ein erhebliches Gewicht, so dass das .Mitführen in der Hoirktaschc unbequem wird.
Diesem Uebelstande wird durch Herstellung des Kastens ;ius Aluminium einiger-
massen abgeholten. Nebeiistebendo Ab))ildu»geu bringen die verschiedenen Ein-
richtungen zur Anschauung, wie sie von der Firma Trott er Scheerer in
Tuttlingen geliefert werden. Fig. l (>.'>, Besteck nach v. Uf.kgma.w : 150 Mm.
lang, 80 Mm. breit. Die Instrumente ruhen auf Stegen. Fig 106, Besteck von
gleicher Grösse mit Watteeinlage und Bügel, enthaltend: '.i Skalpelle, l scharfes
Häkchen, 1 scharfen Lntlel mit Spatel, 1 Hohlsonde mit l'nterbindungsnadel,
1 Knopf- und 1 Karteiililattsonde, 1 Hakenpineette, 1 zcilei'bare l'nterbindunga-
pincette inach Schwall;,, 1 zerlegbaren Nadelhalter, 2 Scherren, 1 Arterienklemme,
1 Spule mit Nilhseide und 4 Heftnadeln. Der Inhalt des vorigen ist derselbe, nur mit
dem Unterschiede, dass es an Stelle des Nadelbalters, der Spule mit Nüliseide und
den 4 Heftnadeln das (li>x'. che Nfthinstrument enthält. Da^; in Fig. 107 abgebildete
Besteck ist 105 Mm. lan^ und öf) Mm. breit: es euthitlt 1 zerlegbares Doppel-
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726
TASCHENBEÖTECK. — THIERISCHE GIFTE.
biatouri, 1 massive Lauzette und 1 Nadel nach Moou, 3 Sonden, 1 Unter>
bindungspincette , 1 Scheere und 1 Doppellöffel, Bbaatz lefft mit Recht Werth
auf die Wundhaken. weil man ohne dieselben bei Blutungen ans der Tiefe übel
Fig. 107.
daran ist. Wflblt mau ein für Skalpelle eingerichtetes Be.steck , dann bietet die
AusrUstuu^r desselben mit genügend grossen metallenen Wundhaken keine
Schwierigkeit.
Literatnr: ')Nenl>ei'. Die aseptische WuncDiehaiuUnng in meinen chirurgischen
Privathospitalem. Kiel IS^ij. — *) Gut seh, Illustrirte Monatsschrilt für ärztliche Polytechnik.
1886. — Cüllin, Journal de mt-decin et de chirargie prat. Juui 1887. — *) Tan.sch,
Ein Nadelhalter für das Tasfhenbesteck. Müuchener med. Wochenschr. Nr. 50- — *)Braatz,
Mein chirurgisches lietalltaschenbe»teck Illu&trirte Monatsschr. f. ärz'l. Polytechnik. 1889,
Heft 10. — *) Mandel, „Instrumentenkästen". Beilage zum .,Aerztlichen Geueralanzeiger.*^
16i-9, Nr. 37. Wolzendorff.
Teleangiektasie, s. Angiom, pag. 12.
TelephOnSOnde, s. Schussverletzungen, pag. 63G ff.
Temulin, s. Lolium, pag. 48O.
Thierische Gifte. rVergl. Rcal Encyclopädie, 2. Aufl., Bd XIX, pag. 608.)
Zu den giftige Repräsentanten liefernden Abtheilunpen des Thierreiches gehört
nach neueren Beobachtungen auch die der Saurier oder Kidechsen , von denen
allerdings schon früher einzelne Arten , aber mit Unrecht , als giftig gefürchtet
wurden. Noch jetzt stehen in Südeuropa und im Orient verschiedene harmlose
und durch das Vertilgen von Insecten geradezu nützliche, durch einen an ihren
Zehen befindlichen Haftapparat charakterisirte Eidechsen . die man unter dem
Namen Geckos zusammeufasst, im Gerüche der Giftigkeit. Dahin gehören ausser
dem gemeinen Gecko der Mittclmeerlruider , Asculn/io'fis fn.'icicularis Daud.
( Plati/fJacti/lus jnurali.ii JJum. et Bibr.j, der in einzelnen Gegenden Italiens den-
selben Namen wie die bekannte Giftspinne Tarantula führt, auch Plulydactylu»
guffatus Cui\ und vittatus Cuv. in Os^tasien, sowie Ih/odactt/lufi lobatus in Egypten,
welches Thier man als L'rsache von Lepra und anderen llautauHaclilJtgen betrachtet,
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IHIEBISCHE GIFTE. — THROMBOSE UND EMBOLIE.
727
die durch Eindringen des an ihren Zehen haftenden klebrigen SAllei entitehMi
sollten. In Westiudien gilt der Speichel von Sphaen'odacti/li/.f •^pufator Cuv. für
giftig und auf Madagascar bildet eine Geckoart, Racoessa jimbriata Daud.,
einen Bestandtheil zur Pfeilgiftbereitung. In Suriaam wird eine als Froscbschlange
(Kwft-kwapflneeki) beMtehnete Eideehieoftrt , die sieh anf den Abtritten aufhalten
und deren Biss in das Gesäss tödtlit'he Folfrcn haben soll, geftlrchtet, doch fand Hässklt
bei diesem Thiere weder (liftzilhn»', nncli (Jiltdrüsen. Solche finden sich dafjcgen bei der
in Mexiko und auch in den der nurdamerikauiscbeu Union augehOrigen mexicaDiücheu
Gebieten vorkommenden Km ateneideehse, Htioderma kcnrläum Wiegm. Die
Gila 7fionsfer genannte Eidechsenart erreicht eine Länge von fast 80 Cm., wovon
jedoch die IliSlfte auf den Schwanz kommt, ist oben braun, mit breiten rüthlichen
Flecken und zahlreichen gelben Punkten, geschuppt, am Bauche glatt, an der Sohnau-
zenspitze mit glatten Schuppen versehen und hat Kiefer- und Gaumentflhne, von
denen die ertteren ähnlich wie die Giftzübue der Sohlangen mit einer vorderen,
tiefen, bis zum Sockel reicheudeu Ftirche versehen sind. Verbdrorte FSlle, in denen
CüUaps und Tod durch den Biss dieses Thieres ungeachtet einer stimoUrendea
Behandlung iu wenigen Stunden erfolgte, liegen vor.
Das Gift der tropiseben Bkolopender ist nach den von Bacbolisr')
in Coehincbina gemachten Studien eine klare oder nur sehr leicht opalisirende Flüssig-
keit, die sich in Wasser hist und sauer reairirt. Mikroskopisch l.t-isen sich darin
kleine Körnchen und Kiste von Epithciialzellen nachweisen. Die Bissstelleu iu der
Haut des Menschen stellen sieh in der Regel als zwei gans feine Blutpankte, von
entatfndlichem Oedem umgeben, dar. Der Biss ist sehr schmerzhaft, heftig brennend,
mitunter aus-iitrahbrnl, dorh bissen die Sehmerzen in einijren Stunden nach; das
Hieb sehr rasch entwickelnde entzündliche Oedem hiUt ott einige Tage an. Mit-
unter kommt Herzklopfen, Beklemmung und l'ulsbeschleunigung, niemals Fieber vor.
Die neueren BeobaiditnngMi fiber die unter dem Namen Tsetse bekannte
Gift fliege von Centraiafrika*) bestätigen die früheren Angaben von Living-
STONE. dasK der Stich dieser Diptere dem Menschen nicht schade, während alle
UauHthiere (Kind, Schaf, Knel , Kameel, Hund) dadurch zu Grunde gehen. Auf
die wild lebenden Thiere (Zebra, Antilope, Büffel) soll sie nicht giftig wirken,
ebenso nicht auf Zi^en und Elepbanten. Inwieweit diese eigenthttmliehen Immuni-
täten mit der Vermuthung, dass die Tgetse nur durch Febertragang septischer
Stoffe toxiseh wirke, in Einklang zu bringen ist, bedarf genauerer Untersuchung.
Literatur: ') Barringer. Tfic reuumons rtptilts af thf luitfrl Stüter, nith
the treatmcnt of uounds infiicteil Ijij thein. IsSlI. — •) Bacholier, Lc scolopendre et ta
pi^re ; de» accidtnts qu'elie determine dies Fhommg. Paris 1887. — ^) L a b o u 1 h <• n e,
Bali, de l'Aead. de in*d. 1888, Nr. fü. Hose mann.
Thierische Wärme, s. Eigeuwärmoi pag. 233.
Thrombose und Embolia. (Mit Berücksiehtigu ug der neueren
Arbeiten über die Blutgerinnung) Die Lehre von der Thrombose und
Embolie wurde schon vor längerer Zeit zu den bestgekannten Gebieten der
allgemeinen Pathologie gerechnet. Durch die berühmten Untersuchungen von
ViBCHOW 1) war flllr die ErtEllmn; der wiehtigen hierhwgdiOrigen Voi^pänge der
Grund gelegt . auf dem weiterhin mit der Methode der unmittelbaren Beobaeh-
tung des lebendigen Vorganges Oohnheim-) so erfolgreich weiterbante, dass
die Theorie der durch ihrombose und Kmbulie hervorgerufenen Circulations-
8t5rungen ihrem Absehluas nahe sehien. Diese Aoffaeaong konnte umso berech-
tigter erscheinen gegenüber der werthTollen Ergänzung, die dra Untersu(*bungen
der Pathologen (unter denen besonders noch Zajin wegen »einer Arbeit Uber
die Bildung des weitisen Thrombus zu nennen ist) durch die Erforschung
der Bln^erinnung au^« physiologiseh^ehemischen Geriehlapnnktra von A. Bchuiot
und seinen Schülern zu Theil wurde. Und doeh mu88 man einrAumen, dass
dieser Absohnitt der Pathologie von der Thrombose und Blutgerinnung aueh heute
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728
THROMBOSE UND EMBOLIE.
noch nicht zum vorläufigen Abschluss gekommen ist. T'morosttaltend auf die patho
logische Auffassiin;:: der Thrombose wirkte namentlich die Erkenutniss von der
Bedeutung der lUut plätte he n für die Tbrombenbildung, die wir Bizzoz£ko
EBSBtB and SCBimuLBüBra *) in «ntar Linie verdankeB. Hi«r reihen weUera
ezperimentell patbologiaehe und pathologisch-anatomische UnterBachungen an von
BAUMGARTEN' •) , LrUNlTZKYS), ZiEOLER ''). Hlava»"! T/iWIT"), LaKER^-),
Hanau Aschüff u. A. , die in der bejieichneteu Uicbtuug und in anderer
Binrielit die Vorgänge bei dw Tbrombenbildnng aufbellten. Dasn kam, daas aueh
die KenntniBS der physiologisch-chemiBdien Factoren der Blutgerinnung unter
fortgesetzter re.irer Retheiligong der Dorpater Schule fA. Schmidt, Köhler"),
Heyl 1"), Kalvchenuach »^), Strauch i"), Sachseni>ahl i'-'i, Jakowicki u. A.)
und durch die Arbeiten von der letzteren unabhängiger Forscher (Ua&imak£>t£n --),
WooLDRiDQB**), £. Fbbond*«), Hallibu&tom Bomne>*), Abtbu8 vnd Paou*'),
PKKELHABINO*^) 0. A.) erheUiefa vertieft und erweitert wurde. Die eingehende
Bearbeitung der Thrombose von Weigert in der 2. Auflage der h'eal-Encyclopadie
der gesammten Heilkunde (1889, Bd. XiX, pag. 038 — 648} berücksichtigt bereits
einen erhebliehen Tbeil der dnroh die genannten Antoren vertretenen neueren
ForschuutrserfrebuisKe ; doch ist fiorade in dem vierjährigen Zeitraum seit Abeehlnas
jenes Ueborblickes eine lleilie btMieutungsvoller l'ntersuebun*ren hinzugekommen,
welche über wichtige mit der Thromboge und Blutjrerinnung zusammenbiUifreude
Fragen grössere Klarheit verbreiten. Hieraus ergiebt sich die Berechtigung, an
dieser Stelle eine snMnmenfatnende Darstellung des gegenwirtigen Standes der
Theorie der Thrombenbildang zu unternehmen, wobei auch die mit der Thromboso
in ihren Ursachen nnd Fölsen vielfach zusammenli.tnfrende Embolie zu berdck-
sicbtigeu ist. Die praktische Bedeutung dieses Theiles der i'athologie ist nicht
geringer, als sein wiseenschaftliehes Interesse ; sind doeh die hier in Betracht
kommenden Vor^ränirc an dem Verlaufe und Ausiran;,' der vensehiedenartiirsten
acuten inid elirnuisrlien Kninklieiteii wes"ntli<'Ii bi'tln'ili.^r . eine Tiint-^nelie . dit>
sich allerdings liiiuliger der Erfahrung des p.^thologi^cheu Anatomen , als des
Klinikers aufdrängt.
i. Die lU u t ;r e r i n u u II in i Ii r e r Ii e z i c h u n g zur T h r u m h o s e.
Entspreclieiid der Herleitnn<r der I5ezeiehnunir Tlir<>i)ilto«e von ;i-:'">;<. '^Oi'-v,
gerinnen;, durttc man auf Grund der früher allgemein herri-chcnden pathologi.-*cheu
Ansehannngen dieselbe im Gegensats sur postmortalen Bildung der sogenannten
L ei c Ii e n fr e r i n n s e I als eine innerhalb der (;ef;isse iL > !i In inli ii Kr.rpers ein-
tretende IJlutgeriniiui»^' bezeiebnen. Nachdem dureli die lu kaniiten rnlersueliunoren
von Zaun für den „wcit^scn Thrombus'' das Haften der farblosen blutkörpercheu
an der veränderten Odiksinnenillehe als erste Anlage der PAropfbildung hin-
gestellt war, ergaben die Untersuchungen von Hatem-») und Bizzozero^), dass
ThrombenbildunfT und Fibriiifr<riiinnn.ir vom dritten Fornibestandtheil des Blutes,
den soi:cn;innten Hlutplättehen, abhan^n^^ srj : und Kükkth und Schim.mklui seil ")
giugen dann soweit, dans sie jede iieziebuug der l'ibriubildung zu den Blut-
plättchen verneinten, während sie die pathologisehe Tbrombenbildung im Wesent*
liehen auf die ,.Conglutination^' der Blutplnttehen zurückführten und bdianpteten,
dass die dureh Kiiiüllirune Hlntkr.rperclien zerstörender Substanzen oder sogenannter
Fibriufermente erzeugten Blutgerinnsel innerhalb der Gefüsse lebender Thiere mit
den eigentlichen Thromben im pathologischen Sinne nicht in eine Linie gestellt
werden könnten. Ms ist ge<ren diese Auffassung geltend gemaebt worden , dass
gerade unter j)atholo,!rischen Verliältnis^en stet> neben den Bliiti)l.'ittehen aueli
farblose nnd rotlie Blutkörperchen an (b-r l'lropfliildun^' belheiligt sind, während
iu Thromben von irgend erheblichem Umfang Fibrinbilduug regelmässig uachwois-
bar ist. Selbst wenn letstere einen secundären Vorgang darstellt, hat sie doeh
solchen Antheil au der Weiterentwi<-l<Inntr der Thrombose, dass eine BerOck-
siehtigung der Blutgerinnung die uothwendige Voraussetzung für eine befriedigende
uiym^L-ü Ly Google
THB011B0S£ UND EKfiOLIE.
729
Theorie der Thrombenbildun?: unter pHtholngischen VerhRltnissen bildet. Es kommt
hinzu , dass frewisf^e Formeu der Tbrouibose im Anschlüsse an schwere toxiseho
und iui'ectiö^e Blutveräuderuagea , die Aaalogie mit den oben berührten experi-
mentell eraeogten Blvligeriiuiiingen lebr daIm legen. Geben wir sn, dess für
dto grosse Mehrzahl der Tbromb^nbildongen pathologischen Ursprunges das Haften
k?lrperlicher Bluthcstandtheile, und zwar vornehmlich der Blutpl.lttchen, dir erste
Anlage bildet uud räumeu wir ein, dass Pfröpfe von geringem Umfange (z. B.
Capillartiironiben) anBseblieealieh von PIftttelien gebildet werden ktanen^ eo mflesen
wir ftos den eben angefDbrten Gesichtspunkten doch daran festhalten, das» die
Thrombose einel'fropfbildunginnerhalb derGefässe des leben-
den K r p e r H darstellt, die im Wesentlichen aus einer Verbin-
dung des lluttens körperlicher Blutbestaudt heile mit Blut-
gerinnung besteht.
Nach der bekannten Theorie von A. ScBKXDT*) geht die auf der Fibrin-
bildung beruhende Blutperinnung aus dem Zusammenwirken von drei Substanzen
hervor; das Fibrinogen (ein Globulin) ist im Blutplasma gelöst, die fibrino-
plastisehe 8ubBtans nnd das Fibrinferment sollten beide ans dem Zer-
fall weisser Blutkörperchen hervorgehen. In seiner neuesten Publication wird
da-* FihtinfVrmcnt als „Thrombin" bezeichnet, seine in den Blutzellen ent-
haltene Vorstufe als „l'r o t h r 0 ni b i n". Die ,,z ym o p 1 as t i s c h e Substanz"
ist das Paraglubulin, dessen Vorstufen (Cytoglobiu und PrilglobulinJ aus den
Blntsellen stammen. Das Paraglobulin soll nach A. Schmidt in Fibrinogen fiber>
gehen k(>nnen. Hauuabsten wies dann nach, dass der Zusatz reiner Fibrin-
fernientir)<iung zu einer Lösung \on Fibrinogen Fibrinbildung hervorruft, also
ohne Gegenwart vuu Serumglobulin. Freilich gab der genannte Autor zu , dass
die Gegenwart des eben beaeiehneten Eiweisskörpers die Fibrinbildung begünstige,
er könne aber in dieser Hinsieht dnreh andere EiweisskArper und besonders aueh
durch Kalk salze ersetzt werden.
Eine von den bisherigen Theorien durchaus abweichende Auflassung ver-
trat WoOLDBIDOK '-^J ; nach derselben sind im Plasma alle Substanzen vorhanden,
um Gerinnung ohne Mitwiricung von Formelementen des Blutes au bewirken.
Die Blutgerinnung ausserhalb des Korpers erfolgt durch die W e c hsel w i r k u n g
zweier Fibrinogene im Plasma ohne Mitwirkunir von Fibrinferment. Indem
wir in Betrcfl der nähereu Begründung dieser Ilypotliese auf die Uriginalarbeiteu von
WooLDRiDGB verweisen können, ist hier der Ort, auf ein Experiment des eben-
genannten Autors hinzuweisen , das für die hier besprochenen Vorgänge von Be-
deutun^r und llbcrhanpt von erheblichem paf linluLri^clien Interesse ist. Wofil.DRIDOE
stellte aus dem frischen Orgausaft der TbymusdrUse, des Hodens, der Lymph-
drüsen wflsserlge Aussage her, aus denen durch Essigsinre ein Niederschlag er-
halten wurde, der (nach Auf1(>sung in einer Salziflsung) in den Kreislauf lebend«
Thiero gebracht, nmfiln;rli('li(' (ierinnselliildungen bewirkte, welebe öfters den Tod
in kürzester Zeit lierlieitillirten : den hetreiVeinl» ii Körper nannte Wooldkilxie
G e w e bs t i b r i n 0 g e n. Diese Substanz wirkte nun freilich keineswegs constaut,
ja, sie konnte je nach ihrer Uenge und nach dem Znstand der Versuebsthiere
entgegengesetzte Einwirkung auf das Blut ausüben , z. B. auch die Gerinuungs-
fSihigkeit des Blutes aufiielien sogenannte negative Phase der Fibrii:ogenwirknn".' !.
Die pathologische Bedeutung der eben erwäbuteu Beobachtungen vuu Wüoldkiduk
ergiebt sieh aus dem Vorkommen von mnltiplen Thrombosen in Fällen, wo im
Gefolge traumatischer oder krankhafter Organ veriindcrungen das Hineingelangen
im Zerfall lielliullieher Paren<"hymzel|en in die Blutbahii nai^h^rewieseii wurde.
Von bes(milerem Interesse ist in dieser llielitung die von SciiMoUL ■'^'i entdeckte
Embolie von i'laceutarzellcn in der Luui^e bei Kc la m p s i e. Hier ergab
die anatomisehe Untersuebung das Vorkommen ausgedehnter iibrinbaltiger Thromben,
in grösseren Gefüssstümmen fPfortader), namentlich aber in den feineren Gefassen
zahlreicher Organe (Leber, Niere, Gehirn, Lungen). Dadurch erhielt der bereits
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730
THROMBOSE UND £MBOU£.
bekannte Befund herdförmiger Necrosen und repressiver Verflnderun^^en in den
Nieren und in der Leber an Eclampaie Verstorbener (PiLLiRT Lubäi;.sch '-^ u. A.)
eine wahrscheiniielie Erklärung. In Beziehung auf die hier behandelte Frage muss
nodi harvorgehobea -werden^ dasB Ton SCBMOBL die die Bla^perinanng enengende
Wirkung dea Gewebssaftes ans der fneehen Placenta naeh Analogie der er-
wähnten Versiiclie von WooldRTDGE exjjerimentell ticuicsen wurde.
Dassdie Wirlssamkeit der in die lilutbalin gebrachten, (ierinnung erzeogenden
Gewebssäfte verschiedenartige Deutung zultldst, liegt auf der Hand. Es wäre denkbar,
dasB in den -wirksamen Oewebssiften ein ans den Gewebesellen stammendes Zer>
fallsprnduct enthalten ist , das in Constitution und Wirkung dem Fibrinferment
oder wahrscheinlicher noch dem Zymojjen des letzteren gleicharti? wäre Es ist
aber auch denkbar , dass die Fibrinbildung erst durch Einwirkung jener Sub-
stanzen anf die farblosen Blutkörpereben und mdglieherweise die Bln^Uttdien,
also durch Bildung von Fibrinferment aus den letsteren au Stande käme.
Hier •;chliesst «ich nocli die zuerst von SiLBERMANN hervorgehobene
Bildung multipler , meist capillärer Pfropfe im Anschluss au verschiedenartige
Sehildliehkeiten , denen der zerstörende Einflnss anf die rothen Blut-
kOrperehen gemeinsam ist« an. Es handdt sieh hierbei namentliiA um die
Befunde nach gewissen Vergiftungen (Snblimatvergiftun-;, Arsenik-, Phosphorver-
gifnin'/i und ferner naeii ausffedehnten Verbrennun^ren der iUisseren Haut. Wir
kummen bei Besprechung der Embulie auf diese Frusre zurück.
In den neneren, auf die Faetoren der FIbrinbildnng besflglieben Unter-
suchungen tritt die Bedeutung der Kalk salze des Blutplasma fflr die
Blutgerinnung hervor. Krücke hatte bereits vor lanürerer Zeit nachgewiesen, dass
in der Asche des Fibrins immer Calcium vorhanden ist, neuerdings haben dann
Hauxarstkn , Green 8«), E. FsBimo*») den die Fibrinbildung fördernden
Einflnss der Kalksalze hervorgehoben. Besonders wichtig waren die Untersuchungen
von AUTHUS und PAfiES-"), durch welche gezeigt wurde, dass man die Gerinnnng
den Blutes ausserhalb d< s Körpers durch Znsatz von Substanzen, unter deren Kia-
tluss unlösliche Kalkverbindungeu entstehen {z. B. durch Oxalate und Fluoride),
vollBtftndig Terhindem kann. Die eben genannten Autoren kamen su dem Resultat,
dass das Fibrin eine Calriiim Verbindung des Fibrinogens sei.
Ein für die Theorie der hwr tM S[irneheiien V<jrg.1n?e bedeutungsvoller Fort-
sehritt scheint angebahnt in den Arbeiten von LiLiENFELD und Pkkelhari^g
Aber die Beziehung zwieehen der Blutgerinnung und den NucleTnen. Von dem
erstgenannten Autor wurde festgestellt, dass die Blutplättchen NucleKn enthalten,
auch wurde von ihm aus Leukoeyten und anderen Zellen eine Substanz ge-
wonnen, die das Nucleiu enthielt. Ein Spaltungsproduct derselben Leukonuclein)
rief iu gleicher Weise wie das Fibriufermeut Gerinnung hervor und erzeugte
intravaseullbr ausgedehnte ThrombenbUdung. Entgsfengeeetat wirkte ein sweites
Spaltungsproduct jener Substanz i'Xucleohiston), eine A I b u m <> s e , die Liliknfsld
„Histon" benennt: dieselbe besitzt einen gerinnungshemmenden Kinfluss auf das
Blut. Zu einem ähnlichen Resultat kam Whiüut ^ J bei Fortsetzung der Versuche
von WOOLDSIDOB ; er wies die Ansseheidung der Albumose im Harn naeb (sogenannte
Peptonurie). Naeh Pbkelharixg 2») ist das Fibrinogen eine N uc 1 e o a 1 b um i n-
k a 1 k V e r b i II d u n . welrbc durch Kalkabgabe an das Fibrinogen die als Fibrin
bezeichnete Kalkeiweissverliindung entstehen liisst. Das Nucleoalbumin, das dem-
nach als das Zy mögen des Fibrinferments aufzufassen wäre, entsteht bei
der Blutgerinnung unter gewdbnliehen Verblitnissen aus ^ner regressiven Yer^
ftnderung der im Blute enthaltenen Körperchen farblose Blutkörper, Blutplättehen,
wahrseheinlicli auch aus den Stomata der farbigen Elemente); unter Um-
ständeu können aber auch Nucleoaibumine anderer Herkunft (aus den Zellen der
Thymusdrüse, des Hodens, der Milchdrüse, der Placenta) als Fibrinf^rmrat
wirken. Ausserhalb des ThierkOrpers werden die verschiedenen Nucleoalbuntine
leieht zersetzt , so bei Anwesenheit von fttiiem Alkali , aneh bei einer
uiyiu^L-ü Ly Google
•THBOMBOSE UKD EMBOUE.
731
Temperatur von 60" C. (coa^ulirt wird das Nudeoalbamin der BlatkOiper-
cben bei 65^ (" , wiihrtud das Fibrinogen bei 56" C. gerinnt). Beider Zersetzuni?
wird eioerseitii >i u c 1 e 1 n oder dessen Spaltimgsproducte, andererseits A 1 b u m o s e
firei. Der lebende Thierkörper bedtsk bis zn einem gewissen, nach der Thierart
und walirsi heinlieh aoch indlvidnell ungleichen Grade die F&higkeit, Kucleoalbumin
und l'il>rinft'rnu'nt zu zersetzen . wobei die frebildete AHmniose von den Nieren
ausgeuebiedeu wird. Mögliciierweise getit diese Wirkung? in erster Linie von den
Gel'ässendothelieu aus, denen bereits B&(jC£E die Function, das Blut iOssig zu
erhalten, snschrieb. Einer xn grooaen Nndeoalbnmin- oder Fermentmenge im krei-
senden Blut gegenflber kann die Grenze der Leistungifthigkeit dieser Schutzein-
richtung tibersehritten werden; es kommt dann zur Thrombose in einer kleineren
oder grosseren Zahl der Geiässe. Es ergiebt sich aus dieser Autlassung, dass ver-
schiedenartige Einwirkungen die Gerinnnngitfllhigkeit des Blatea aufheben kOnnMi.
So crkl.irt z. B. Pekelharing die vun IlAYriiM T entdeckte Thatsacbe, dass
durch Zusatz eines das Set-ret der Miinddrtiseu des Mlutegels eHthaltenden Flüssig-
keit das Blut, und zwar auch innerLaib dts lebenden Thierkörpers, gerinnun{r»-
unfähig gemacht werden kann, durch den conservirenden Einimn aof die körper-
lichen Blutelemente, doreh wekdien die Bildung von Nneleoalbamin verhindert
werde. ThatsiU'hlicIi steht fest, dass nach Zusatz von Blutegelextract die Form
der sfinst so ra^i-h ver.-inderlichen r.lutj)l!Utcheu autVallend lange erhalten bleibt.
Andererseits wird das i' lüssigbleiben des Blutes nach l'eptonzusatz (Öcuuiüt-
MOhlhsim von Pbkelharino darauf snrllekgefohrt, das« die Albnmose eine
Verbindung mit den Kalksalzen eingehe, durch welche Utztero der Fibrinbildnog
entzogen wurden: thatsftehlieh kMun Peptnnplasnia durch Zusatz vou Kalksalzen
zur Gerinnung gebracht werden. Ohue weiter auf die Erklärung anderer die Ge-
linnung hemmender Einflüsse einsngehen, sei hier noch hervorgehoben, dass
natartich auch eine Zersetzung des Fibrinogens die Gerinnnngsfilhigkmt aus dem
Blutplasma stammender Flüssigkeiten aufheben muss. eine Bemerkung, die auf
pathologischem (ubiete durch das Flüssigbleibeu gewisser an Fibriulerment und
Kalksalzen reicher Exsudate (Eiter) illustrirt wird. In Bezug auf das Vorkommen
der Thrombose unter pathologisdien VerhAltnissen findet möglicherweise «ne
sonst auflfflllige Erfahrung ihre Erkllrnng aus der Wirksamkeit der besprocbenen
gerinnun-rshemraenden Einflüsse. Während die Bildung von Thrombeu in den
grossen Venen und im Herzen, im Anscbluss an secundäre AuiUuien Im Ver-
lauf ersehöpfender ehroniseher Krankheiten sehr häufig ist (sogenannte mar an«
tische Thrombose) und auch bei Chlorose höheren Qrades nicht selten beob-
achtet wird l'Rüitv •'^ , kommt bei jeticn schwersten anftmischen Zuständen, die
man unter dem Namen der progressiven perniciösen Anämie zusammen-
fas9t, die Thrombose so gut wie gar nicht vor, und selbst das Leichenblnt aeigt
hier nur geringe Neigung snm €lerinnen. Ob hierbei eigentbflmlidie Zersetzungen
im Blutplasma oder worauf die bei solchen Kranken nachgewiesene Peptonurie
hinweisen würde < der Gehalt des Blutes an Albnmose eine KoUe spielt, das l&sst
sich zur Zeit nicht entscheiden.
II. Zusammensetzung und Bildungsart der Thromben.
Fnter den im Thrombus enthaltenen körperlichen Klemenfcn nehmen die
Bluti)liittchen die erste Stelle ein. Die Frage, ob diese (iebilde im Sinne von
Bizzo/.KRü ^) als der „dritte Formbestandtheil des normalen Blutes^ aufxufassen,
ist Gegenstand einer lebhaft geftthrten IMscnssion gewesen, in der namentlich
LöwiT ") die Ansicht vertrat, dass die Flittchen nicht präformirt wären, sondern
erst im Gefolge von Blutveränderunsren durch chemische Eintlilssp . mechanische
Insulte ent.ständen. Nachdem iu neuester Zeit durch Beobachtung der Circulation
im FledermaosflOgel (BizzozBRO, Lasek die Existens der Blutplftttohen im
circulirenden Blut unter I'mständen erwiesen wurde, wo die Mitwirkung schädigender
Eiuttttsse der bezeichneten Art auszusehliessen war , ist fast allgemein die Auaieht
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732
TflROMBO.SE UND EMBOLIE.
Bl2Z0ZER0's angenommen worden. IlinHtcbtlich der kritischen Zurückweisung der
von LöwiT zu Gunsten seiner Auffaaaang verwertbeten experimentellen Beob-
Mhtangen kann hier aaf die Arbeitüi Ton Ebbbth und Scbimmblbusch v»A
be«ondera auf di« jflBgste PablimticHi tob BmOBBRO verwiesen «erden. Mit
Recbt hat (Ibrigens Wf.I(;krt hervorgehoben, dass die Frage nach der Präexisteiiz
der PIftttcben im normalen Blut t'tir ihren Anthtil :m der Tlirombonbilduag au
Bioli ohne Bedeutung ist, da nach den Ergebuis^eu der experimentellen und patho-
logiaeh-anatomiBeben Beobaehtuogeo die Plftltebeo als eonstituirende Bleiiieate de«
Thrombus auch dann gelten mQssten, wenn sie wirklieb erst im Gefolge der die
Thrombose hervorrufenden Störung entstünden. IHe lilutpUUtclien des menschlichen
Blutes sind liämoglobinfreie , kreisförmige oder clliptibcbc iScbeibebeu von circa
3*0 (A Dnrelmiesser. Naeh EBBtTH und Sohimhblbosch sotlen sie normaler Weise
im axialen Tbeil des Blatstromes mit den rothen Blutkörperctien fortbewegt werden,
wälironil f^ie in Folge von Strom verlangsrimuiig oder bei Wirbelbildiin^'en gleich
den farblü.sen liiutkorpercben in der piasmatisclu n Kand/cone sicli ansauiiiielu. Ob
hierbei, wie Eueutu angenommen, die Leichtigkeit, der Piilticbeu eine iioUe spielt,
ist fraglieh, seitdem anf Orond neuerer Beobaehtnng den Piftttelien ein liolies
speeiflsehes Oewiebt zugeschrieben wird i scaiBFBRDKCKEit). Leicht zu beobachten
if^t dagegen bei mikroskopischer rutersuehuug von Blut>tropt'oii die Nei^'ting der
Plättchon zur Verklebung untereinander und mit den Übrigen körperlichen Blut-
elemeoten; daliei erleiden sie Gestaltverlluder ungen ; flüters differenzirt sieh an
den Scheiben eine periphere körnige Zone gegen das übrige hyaline Plasma.
Pei der Beobachtung des Plutstromes leheniier Tliiere fanden IOukrth und
Sciii-MMKi.iii .-CH, dass nach Verletzung der (iefasiwand in \ tTbin>i»ng njit Verlang-
sam ung dos Blutstromes die in der Kandsebicbt uufgeuäufte» Blutplättohrn
mit den verletzten Stellen der GeOlsswand verkleben. Sind die Zerstörungen der
Oefilsswand ausgedehnter, so nimmt <lie Anhittfung der Pblttcliea immer mehr
zu, eventuell }>\< zum \'erschlus'< des Lumens, wobei liie verklebten Pliittelien
sich weiterhin in eine homogene Masse verwandeln (hyaline Thromben; und
sehliesslich aueh kOrnige Metamorphose erleiden können. Dass die PIStteben»
häufen farblose und rothe Kiemente ein.sehlies.Hen können , wird von EuEBTH als
ein zufililiges Krei;,'niss nufgefaast , ohne das- iliesm KlennMiten eine Bedeutung
für das Zustandekommen der Throm'ii»se eingeräumt wird. Die Fibrinbildung
Stellt sich nach den genannten Autoreu aU ein seoundtlrer Gerinnungsvorgaug
ein, wofiHr aneb die Tbatsaobe spricht, dass die FibrinfUden sich an die Ober*
HUcbe der Plittehenhaufen ansetzen, ohne in ihr Innere-i einzudringen. Aueh für
pathologische Verhflltuisse ist auf (Jruml der mikroskopisclien rntersuchun;r
geeigneten Leiohenmaterials nicht zu bezweifeln, da.s.s die lilutplattcbeii bei der
ersten Anlage und der Fortbildung der Thromben eine wesentliche Bedeutung
haben. In den zarten golatiurt-sen Auflagerungen , die man bei besinnender
Eüdoe.'irditis öfters .-in den Herzklap}>en findet, iiisst sieh z.B. an L'iit gehärtetem
Material die Zu^sammensetzting aus wohlerbalteuea i'liiltcben 8ehr deutlich erkennen;
auch in amfänglicberen und illtereu l'hromben sind meist noch umfdugliehe Tb^e
als aus verklebten PiSttchen bestehend nachweisbar. Es ist jedoch hervorzuheben,
dass man nicht selten in den der Wandtl.lclie des Blutraumes zunächst gelegeneu
Lagen des Thrombus. aNo dort, wo oHenl»ar die erste Anlaire s(.iUtaiid, .so dichte
Aubilufungeu farbloser Blutkörpereheu i^mituuter vou Fibriiifadeu durclisetzij autriüt,
dass hier die von Zahn *) zuerst begründete Auffassung, nach welcher die Thromben-
bildung durch Haften farliloser Blutkiirperehen an veränderten Wandstellen ein-
geleitet wird, sieh als die einfachste l)eutiitig des that'ilebliehen Befundes auf-
drängt. Ks kommt hinzu, dass auch experimeutelle Erfahrungen (\oa Luwit u. A.)
für die Berechtigung der Ansieht sprechen, dass nicht ausscbliesslieh den Blnt-
pUttehen, sondern unter Umständen aueh den farblosen Blutkörperehen eine
tbrombeiibibb'nde Bolle zukommt. Dass die eben erwähnten Blntelenu-nte aber
auch in denjenigen Fallen, wo die i'iiittchenhauleu deu ersten Anfang der Thromben-
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TBBOMBOSE liUD EUBOLIE.
733
bildunp bezeichneten, ftlr die Weiterentwicklung derselben sehr erheblich mitwirken,
ergiebt sich aus ihrem Antheil am Anfban ir^nd umfänglicher Thromben. Das
eben Gesagte bezieht sich auf die weissen und gemischten Thromben.
Die enteren besteheo ans dem erwähnten Terklebten Blotplftttebenmassen , an«
farbloseu Blutkörpern und Fibrin ; sie sebliesseo übrigens fast immer, auch wenn
sie dem unbewaffneten Antre weisä oder blassgelb erscheinen, wie das Mikroskop
zeigt , rothe Blutki'trperchon ein. In den gemischten Thromben rinden sich die
blassen und die farbigen Lagen entweder in unregelmilssiger Vertheilung, oder
sie wechseln in regetmSssiger Abgren£nng (gesehiolitete Thromben). Die eben
erwähnten Cnterschiede waren l-ln^st bekannt, die feineren Stmeturverhilltnisse
der hier besprochenen Thromben sind jedoch erst in neuester Zeit von Aschoff '*)
Itlargestellt worden. Die von dem eben genannten Autor nachgewiesene Kegel-
mlssiglceit in der Anordnvng der wesentlidiMi BeetnndtheOe der weissen nnd
gemischten Thromben ist unzweifelhaft auf ihre Entstehung zurückzufahren, sie
giebt dadurch eine Grundlaire zur Bestimmung des Antheils der einzelnen Ele-
mente an der Tbrombenbildung. Aschoff zeigte, dass die weisse Substanz der
Thromben ans einem System ninder odw pl*tter Balken besteht, deren centraler
Grandstoelc ans Blntplättchen, deren Peripherie am Lenkocyten besteht;
durch die WEioERT'sche Fibrinfärbungsmethode lässt sich an der Grenze der
Blutpl.lttchenlagen. zwischen ihnen und dem aus farblosen Blutkörperchen
gebildeten Saum der Bälkcheu ein feinfaseriges Fibrinnetz nach-
weisen. Das swischen den eben beschriebcDeii Balken Aeibldhende LflekenqrBtem
kann in verschiedener Weise ausgefällt sein. Oeflen enthält dasselbe diohtgedlibiigte
rothe Blutkiirperchen ; andererseits liesre^rnet man Strängen mit einem dichten
Fibriunetz verbundener weisser Blutkörperchen, die gleichsam guirlaudenartig von
einem Balken des Grvndstoekee snm anderen neben. Die Lfleken zwischen ihnen
können wieder durch rothe Blutkörperchen ansgefdllt sein; ferner findet man
auch dichte Fibrir.nctzc. in deren Lflcken nur vereinzelte körperliche Blutelemente
vertheilt sind , die wahrscheinlich ursprünglich mit Serum gefullteu Hohlräumen
entsprechen. So wechselnd die Art der AusftlUung der besprochenen Hohlräume
sdn kann, so constant ist der beschriebene Ornndstoek, so dass Aschopf den>
selben als typisch fIDr den weissen Thrombus hinstellen konnte.
Auch im gemischten Thrombus lässt sich die mit einem „Korallenstock"
oder Badei-chwamm verglichene Anordnung der aus den Plättchenmassen und den
secondar sieh ansetsenden Lenkooyten nnd Fibrinftden gebildeten Balken erkennen.
Der Aufbau der ersten Hauptbalken erfolgt in regelmftssigen Abstftnden, die ent-
weder nach der von Zahn vertretenen Auffassung durch die Wellenbewe-
gungen des Blutes bestimmt werden und den Knoten- und Kuhepunkten der
Schwingungen entsprechen, oder aber nach der von Köster gegebenen und von
A8CB0FF niher begrflndeten Erklärung auf der physiologisch schon yorhandenen
FaltenbilduDg der Gefässwand beruhen, indem letztere gleichsam die Fnsspunkte
für die Hauptlamellen des Thrombus darstellen. Die rein rothen Massen des
gemischten Thrombus bilden die Ausfüllung zwischen den primären wandständigen
weissen Thromben, welche als Stromwehre wirken, nnd iwisehen denen dann aus
dem stagnirenden Blut berdts intra vitam Gerinnung eintreten kann. Die an den
rothen preronnenen Massen oft hervortretende Schichtung ist durch vielfache, wirbel-
artig von den Grundbalken des weissen llirombus ausgehende lamellöse Ausläufer
bedingt, ii& gleich Wasserpflanzen in der Richtung des Stromes gebeugt sind.
Aua diesem fönblick in die Structur des Thrombus erklirt sich auch ein Öfters
besprochener Befund , die an der Oberfläche weisser oder gemischter Thromben
nicht selten in Form feiner wellenartif^er Linien hervortretende Hiff- oder Rippen-
bildung und das Vorkommen uetzartig vertheilter Zeichnungen an der der Gefäss-
wand sttgekehrten Fläehe des Thrombus. IMe erstcren stellen die Spitaen und
Ränder der in den Blutstrom hineinragend«! Lamellen, die letzteren Ihre Ihm-
punkte «g der GefUssinnenfläche dar.
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734
THROMBOSE UND EMßULIE.
Für (iie Anlai,'(' des besprochenen 8chwamniarti?en Raue^ des Thrombus
Ut demnach die VerklebuDg der tilutplättchenmasscn wesentlich, wot)ei es ^teich-
giltig seia kaon, ob der erste Aostoss dureh eine ausschliesdlich aus Blutplätteken
betteh«ad6, mit der Gefkarinikenftlehe verklebte Lage gegebeo wird, oder ob
sich die Plättchenbalken an t^ine primäre, von Leukocyten und Fibrin «rebildete
Gerinnungsschicht ansetzen. Im alimäligen Wachsthume bilden die IMattchenbalken.
indem sie zusammenkleben, ein verzweigtes Gitterwebr im strömenden Ulut; nun
wird aa dieseo Barrieren alles leiebt baftende Material, in enter Linie die
Plättehen nnd die Leokoeyten abgelagert , während ili den Zwischenräumen das
Blut anlange in Bewegung bleiben und anhaltend neues Material absetzen kann,
bis durob das Wacbstbum der Balken die Lücken geschlossen werden und der
Blntstrom zum Stehen kommt Je naehdem dieser Stillstand frflher oder später
erfolgtf können grössere oder kleinere Blotmassen dngesehlossen werden. Man
kann sich leicht vorstellen , dass in den einzelnen Fällen so verschiedenartige
Blut.strüiDiiiiirsvt rliilltiiisse in Fol^e örtlicher oder allgemeiner Veranlassungen zur
Geltung kommen , dasi^ sich hieraus die Unterschiede in der Zusammensetzung
der weissen und gemisehten Thromben erklären. Namentlieh ist es aueh leiebt
begreiflieh, dass sieb bSofig an weisse oder genu^chtc Thromben seenndlr nm-
fängliche, reichliche rothe Blutk<irper einschliessende OerinnunL'en :iir«chlies«en
(sogenannte fortgesetzte Thromben), weuu durch das tbrtgescbrittene
Waebstbom des „autoebthooen'' Thrombus Lnmina verlegt werden oder sonst
Verlangsamnngen der Blutströmung entstehen (z. B. dureh Herzschwäche i.
So sehr wir auf (irtind eigener Nachprüfung die thatsJtchlichen Befunde
von AsCHOKF best:lti;;en müssen, so mochten wir doch dem Antheil der intra-
vitaleu Fibrinbilduug eine grössere Bedeutung einräumen. Die von AscuoFF
selbst herroi^diobene innige rtamliebe Beziehung zwisebeo den Pibrinfiden and
den Leukocyten legt eine Deutung im Sinne der oben besprochenen Blutgerinnung^-
theorie sehr nahe. Wenn durch regreaiive Veränderungen der an die Plnttchen-
balken angeklebten Leukocyten Fibriut'erment entsteht, so würden die verschieden-
artigen fibrinhaltigen AnsflllUnngsmassen in den Hohlräumeo des Gmadstoekes der
weissen Thromben sich aus solcher Fermentbildun^ erklären lassen, weldie, je
nachdem Bhitpla-^nia oder mthes Blut in den Lilckeii \ nrlianden war, farblose
oder farbige Geriunungsmasäen erzeugen nuis8. Die Annahme eines Znsammen-
hanges zwischen der Leukocyteuaubäufung und der Fibrinbildung im Thrombus
wird, abgesehen von den bereits berflhrtea Befanden, die mindestens mit ihr dnrehans
verträglich sind, noeh durch gewisse B'ormea geschichteter Thromben
unterstutzt. Wenn auch gerade die Erklärung der Schichtung durch die von
AäCUOFF gegebenen Nachweise fUr viele Fälle in befriedigender Weise gegeben
ist, so bieten in bestimmten gesehiehteten Thromben die Lagen eine Zusammen-
setzung, welche auf die Mitwirkung besonderer Factoren hinweist. Wir meinen
jene öfters in gnisseren Venen gefundenen Thromben, welche ans re^jelmä^sig
coucentriäch geordneten Lagen farbloser und rother Massen bestehen, von denen
die ersteren durch reichlichen Gehalt an L*eukocyten auffalten, während in den
rothen Sehiditen aus dem Yerhaiten der farbigen BlntkSrperehen deuttieh er-
kennbar ist, dass dieselben allmftlig, mit dazwischen liegenden Zeiträumen in
der Weise entstanden sind, dass zuerst die der Wand zunächst gelegenen rothen
Tbeiie und dann schubweise die mehr nach dem Ceutrum zu abgelagerten auf-
traten. In Alteren Thromben dieser Art ist in der Nähe der Wand berate eine
fortgeschrittene Pigmentmetamorphose der rothen Blutkörperchen in Verbindung
mit dem Auftreten pigmenthaltiger farbloser Zellen erkennbar , wiihrend die
zwischenliegenden Schichten alle Uebergänge bis zu den woblerbaltenea rothen
Blutkörperchen im Centmm des Thrombus darbieten. Dieser BeAind iSest deh
orklftren, wenn man davon ausgeht, dass in Folge der Anhäufung von Lenkoeyten
in den farblosen Partien eine Cierinnung erzeiiiremle Fermeutwirkung auf die
Kandzoue des strömenden Blutes stattfand, die zur Bildung eines rothen Gerinnsels
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TimoMBOSE UND EMBOLIE,
735
ftlhrtt', an welches sich dann wieder Hlutplflttchen und Leukocyten ansetzten, von
deuen dann weiterhin eine gleiche Fermentwirkung ausging. Durch die regel-
mässige Aufeinanderfolge dieser Adhäsione- und Gerinnungjproeesse entsteht aus
einem wandstlndigeii eia das OeOBalamen venehlienender Thrombits wa regel-
mlMiger SoUelitung.
III. Ursaeben der Thrombose.
Fassen wir anf Grand der besprochenen (Jntersnchnngen die Hanpt-
gvsiebtspunkte für die Pathogenese der l'hrombose zusammen, so ergiebt
sich , dasH hier zwei Verh<^ltui88e in erster Linie zu berticksichtiL'on i=iind : die
VeranlasHun;; des Haftens und Z usain in e n k 1 e ben s körperlicher Ele-
mente deH uuruialeu Blutes und die Ursachen der Bildung fester Snbstansen
im lebenden Blut dnreb Gerimnnngr.
In der erstbezeiehneten Richtung kommen als wichtigste Factoren in
Betracht: 1. Veränderungen der Gefflsswand. welelie die Adhäsion in
den Kandstrum gelangter Blutelemente an der GeßissiDneuti^iche begünstigen.
2. Die Stromverlangsaman;, dnndi welehe die Anhftnfang jener Elemente
im Randstrom /.» Stande kommt. Dass die Waudverinderang eine Zeit lang als
die wichtifrste I rsache pathologischer Thrombenbildungen angesehen wurde, er-
gab sich als eine Folgerung aus der oben berührten BRüCKE .seheu Hypothese
von der gerinnungshemmenden Function des lebenden Endothels, gana besonders
aber erhielt diese Anffinsnng diatsiehUehe Belege dnieh die UDtersnehungen von
Zahn*) Aber die Bildung der weissen Thromben.
Da das Hineinfrelangen gröberer Fremdkörper in die Blutbahn unter
natürlichen Bedingungen selten vorkommt, so wurde natürlich diese experimentell
▼ielfiseb verwerthete FremdkOrperthrombose in pathologiseher Hinsidit
durch die Thrombenbildung an krankhaft veränderten Stellen
der (J c f ii s si n n e n f 1 .1 c h e an Wichtigkeit weit tibertroffen. Ob nun bei dieser
ursächlichen Beziehung zwischen GetUsswandveriinderung und Thrombose der
Wegfall dnes biologtsdben Factors in dem eben angedeuteten Sinne das Wesent-
liche darstelle, oder ob hier haaptsäcblich physikalische Verhältnisse maasgebend
sind, (lartlher ii^t bi.s jetzt etwas Sicheres nicht festgestellt. Das^ eine der j^latten
Endothelaiiskleidung ganz oder theilweise beraubte, und bei tiefer eindrinj^ender
Gewebszerstörung öfters auch unregelmässige Vorsprünge und Buchten darbietende
Wandflftehe für das Haften der Blutplattehen ganstige Bedingungen bieten muss,
ist an sich klar.
F>s kommt liinzu, dass durch ein Experiment von Frki nd nachgewiesen
ist, wie selbst für die Gerinnung des Blutes ausserhalb des Körpers die Adhäsion
an der InnenflSehe des fQr die Aufnahme des flOssigen Blates bestimmten Behllt-
nisses von Bedeutung ist , indem in einem GlasgefiUs , dessen Wand mit
Vaselin ausgestrichen wurde , das Blut flüssig erhalten wenlen konnte. Mit der
Annahme, dass die erhöhten Keibungswiderstände an der krankhaft veränderten
Gefässwand von Bedeutung für die erste Anlage des Thrombus sind, stimmt sehr
vrohl ^e von BBBitTa und SCHlMif BiiBDSCH *) naehdrOcklieh hervorgehobene That-
saehe, dass die Anklebung der Plättcheu selbst an hochgradig veränderten Stellen
der Gefässwand ausbleiben kann, sobald die Blutströmunfr eine energische ist.
In den meisten neueren Arbeiten über Thrombuse ist die früher etwas
dnseitig betonte massgebende Bedeutung der GefiUuwandveränderungen insofern
eingeschränkt, als anerkannt wird, dass ihre Folgen in der Bogel erst in
Verbindung mit einer V e r 1 a n g s a m u n g der BlutstrOmung zur
Geltung kommen. In den älteren Arbeiten über Thrombose wurde der Stillstand
des Blntstaromes als eine wesentliehe Bedingung der Thrombenbildung angesehen;
ea bedurfte erst der bekannten Experimente von Sssitlbbbn und BAUUGASTBir
um zu zeigen , dass eine ruhende Blutsänle swisohen awei Ligaturen rieh voll*
ständig flttssig erhalten kann.
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796
THKOMBOSE UND EMBOLIE.
Da«8 die oben besprochenen weissen und gemischten Thromben aus einer
plötzlich zum Stillstand gebrachten Blutsäule gar nicht entstehen können , ist
selbstverständlich, da die Ansammlang der Haufen von BlutpUttehen und farb-
losen BlvtUrpereheo die Fortdauer eieer BlatttrOmwiir voraueelit, weil Mhon
die Menge der aus dem Blut abgesetzten körperliehen Elemente einem grosseren
Blutqnantum entspricht. Diese Voraussetzung wird vollstÄndig bestfltiprt durch
die Tbatsacbe, dass die weissen Thromben sich am häutigsten an suichen
StelIeD bilden, wo die Ürsaehen einer Ordioben StromTerlengMiming leieht.
nachweisbar sind . «> z. B. in den IKrxohren, in den Ausbuchtungen iwisdien
den Trabekeln. Kommt dagegen ein Thrombus durch rasch ein-retretene völlige
Hemmung der Blutbewegung zu Stande, so bildet sich das rothe Ge-
rinnsel, welches aas den durch fibrin verklebten körperlichen Bltttelementen
in ihrer natttriiehen Hieebmig l>eateht. Deas die gemlaehten Thromben ana
dem Zusammenwirken beider Bedingungen der Thrombenbildnng hervorgehen,
indem die rothen Partien derselben durch rasche Blutgerinnung im schwam-
migen Grundbau eiues weissen Thrombus oder als Fortsetzung eine« solchen
in Folge der Ton ihm anagehoiden Terlegnng dee Strombettes entstellen, wnrde
oben besproehen.
Die Gefilsswandveränderungen, die in Verbindung mit der Stromverlang-
SOTnnng zur Throrabenbildung führen, können verschiedenartigen Ursprunges sein.
Dass in dieser fiichtung auch acute Entzündungen der GeülSäwaud eine
RoUe spielen, indem de snr ZerstSmng des Endothels und selbst zn tiefer-
greifendem Zerfall des Gewebes der Intima führen können, i^^t nicht zu be-
zweifeln; auch ist es klar, d&sa besonders auf die Gefflsswilnde (Ibergreifende
infectiöse F'rocesse von Bedeutung sind. Ftlr die Venen würde hierbei wegen
der geringeren Widerstandsßihigkeit ihrer Wand namentlich das Uebergreifen
fortsehreitender eiteriger und veirfauehender Entsflndnngsprooesse ans ihrer Um-
gebnng zu berlicksichtigen sein, fttr die Arterien und auch für die Herzinnen-
flftohe die Festsetzung au» der Blutbahn stammender infectiöser Mikroorganismen
i^uicerOse Eudocarditis, emboliscbe EndarteriitisL Bei aller Anerkennung der eben
berflhrten ätlologiaehen Momente ist es doeh entschieden einseitig, wenn in nenerer
Zeit dw infoetitfse Ursprung, wie das von einigen französischen Autoren
( VAiii'KZ '•^'^ 11. A.) geschieht, als allgemeine Grundlage der Thrombose hingestellt
wird. Ks handelt sich dabei im Grunde um jene längst aufgegebene Auffassung}
die jede Veneuthrombose als eine „Pliiebitis" ansah.
Dass unter Umstinden aneh chronisch-infeetiSse Proeeese bei der Thromben-
bildang betheiligt sein können, ergiebt sich aus der bekannten Entdeckung Weigert ")
über den Diirclibnich tiiberktiiriser Herde in die Lungenvenen mit sich anschliessender
Tlirombeubildung. Hier schliesst sich eine Beobachtung des N'erfassers **) dieser Ueber-
sicht an, durch welche in einem Fall von chrouischer Lungeu- und Urogenitaltuber-
enlose die Entwicklung von Taberkelkn5tehen im Innern ^nes weissen, in Orga>
nisation begriffenen Thrombus des ri « Ilten Herzohres festgestellt wurde. Trotz
alledem wäre es falsch, wenn man das häutige Vorkommen von Thromben in
den grossen Venen and im Herzen entsprechend den Eudstadien der tuberkulösen
Lungensehwindsueht allgemein anf infectiöse ürsaehen beliehen wollte. In der
grossen Mehrzahl der Fälle ist in den betreffenden Thromben ein Nachweis von
Tuberkelbaoillen nicht zu führen. Kh ist wubl aueh in Zukunft die Mehrzahl
dieser Fälle zu den ni a r a n t i s c h e u Thrombosen zu rechnen, fUr welche
Circulationsschwäche und Ernährungsstörungen der Gefässwand zusammenwirken.
Unter den chronischen OefAsswandverlndernngen, die Thromben-
bildung einleiten, sind namentlich die Ernährungsstörungen hervorzuheben, die zur
Usur der Intima führen, wie sie z. B. bei der Arterio^clerose der Arterien und
bei verwandten Formen chronischer Phlebitis, namentlich auch an den durch
entsflndlich-degenerative Processe verftnderten Hersklappen auftreten, wihrend
THBOMBOSB UND EMBOLIE.
737
bei den wandständigen Herzthromben die Schwielenbildong im Myocardium eine
bef?1in8tifrendc Rolle spielt. Die Natur der Ursachen , welche örtliche oder allg'e-
meine Strom verUngdamucg hervorrufen können , liegt so auf der Hand, dass eine
ntliere Betpreehmg denelben «berflflMig ist.
Will nuui, gegenttber den in ihrer ersten Anlage aas dem Haften der
körperlichen Rlufelemente entstandenen Thromben, die von vornherein in Folgte
von Blutgerinnung^ intra vitam gebildeten Gerinnsel nicht mehr zur wahren
Thrombose rechnen , so kommt das auf einen Wortstreit hinaus , bei dem ety-
mologiieb Doeh mdnr der entgegengesetste Standpankt berechtigt wire. Wir
rechnen zur Thromliose auch die durch wahre Blntgerinnnng gebildeten Pfröpfe,
mögen sie nun durch dircctc Einführung von Formentbildnern in die Blutbahn
oder durch Zerstörung von Blutkörperchen eutatanden sein. Auf die in dieser
Riehtnng sieh ergebenden speoiellen ürsaehen dar Thromboae lit hier nioht niher
einsngehen. Ee genflge die Hervorhebung der Thrombenbildnng nach Vergif-
tungen, nach septischen Einflüssen und im Anschluss an Gewebs-
zerfall. Die folgende schematische Zusammenfassung der Ursachen
der Thrombose findet ihre Begründung in den vorstehenden Darlegungen;
sn berfleksiehtigen ist bei derselben die Häofiglceit der Verbindung mehrbeher
nrslehlicher Momente , namentlich swisdien der ersten und »weiten Hanptsmppe.
1. AdhJlsionsthrombose.
a) d nrch Fremdkörper;
h) durch Entzündung der Gefässwand (Phlebitis, Endarteritis,
Endoeaiditis);
c) durch Ernährungsstörung der Gefftsswand (Neerose, fettige
Degeneration, Usur der Intima).
2. S tag n a t i 0 n 8 t h r o m b o s
a) durch örtliche Circulationsstürung (Ligatur, Compression,
Dilatatioii) ;
h) durch allgemeine Cirealationssehwiehe (marantisclie
Thr<>mb.isr\
3. P e r m e n 1 1 h r 0 ni b 0 3 e.
a) durch Zerstörung von Blutkörperu (toxische, septische, in-
feetiSse Ursschen);
h) dnreh Aufnahme von Zymogea des ger innungserzen-
genden Fermentes (Parenehymembolie, gewisse TbiergiAe?).
lY. SeenndäreVerindernngen und Organisation der Thromben.
Die Veränderungen, welche in den Bestandtheilen eines längere Zeit
bestehenden Thrombus eintreten, waren sehen aus fHlheren üntersnehnogen be-
kannt und haben durch die neueren Arbeiten nur in geringem Grade weitere
Aufklärung erhalten. In den farblosen Thrombustheilen tritt eine feinkörnige
Metamorphose oft schon frühzeitig auf. In den Leukocyten ist Kernzerfall
neben körniger Hetamorphoee des Zeilleibes bis zur Umwandlung in eine kern-
lose KDmclienkugel nachzuweinen ; in leukocytenreicben wandständigen Hera-
thromben werden die centralen Theile nicht selten in eine eiterJihnliche Emulsion
verwandelt; in den cylindrischen obturirendeu Thromben der Venen entstehen
wahneheinlleh ans soldien fettig erweichten Stellen die grosseren eanalartigen
Ltteken , dnreh die unter gttnstigen Bedingungen eine Herstellung der CSreulation
eintreten kann fc :i n a 1 i s i r t e r Thrombus). Andererseits ist es bekannt, dass
die fettige Erweich niitr zur Loslösung von Theilen des Thrombus und zur
Verschleppung derselbeu mit dem Blutstrom führen und auf diese Weise zur
embolisehen Verstopfung in der Stromriehtung gelegener entfernter Gef&asgebiete
fuhren kann. Die wahre eiterige Erweichung der Thromben ist stets auf
die Entwicklung von Eiterbakterien suraekzuflthrea. Auch die Blntplättehen
Bneyelop. Jahrbücher. III. 47
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738 THROMBOSE UND EMBOUB.
erleiden eioe köroige Metamorphose, welche dftera sehr bald eiasutreten scheint;
doeh findet mm, wie Welch hervorgehoben hat, nleht ao selten in sehon
langer bestehenden weissen Thromben noch erhaltene Blutplättehen , wobei aller-
dings frute Härtung (Jsublimathärtung) frischen Materials vorauszusetzen ist. Hei
fortgeschrittener körniger Metamorphuse lilast sich der Autbeil der iieukucyten
und Pllttdien nicht mehr erkennen. Zwieehen den, aus diesen Elementen henror>
gegangeneu feinkörnigen Balkennetzen finden sich fibrinöse Masse&i theils
feiufädig mit Einschluss schrumpfender, in Pifrinentmetamorphose begriffener Blut-
körperchen, theils in Form grober Balken und Lamellen, von welchen die
letzteren Öfters die hyaline Umwandlung dureb ilir homogenes starres Aussehen
anzeigen; in diesen Itfassen iXsst sich durch die WEioERT'sehe Firbnng öfters
noch ein feineres Fibrinnetz nachweisen. Wo die rothen Blutkörperchen in dicht-
gedriinglen Massen In;rern , :iUo in den centralen Theileu der rntlieii Gcriiinungs-
thrombeu , kann der i'cätc Zusammenhang der Theiic erhalten bleiben , wobei
die gesammte Hasse dne fiehrnmpfnng erleidet und einen brännliehen Farbenton
annimmt, ganz nach Art der nach Blutungen in den Geweben liegen gebliebenen
oompscteren IMutgerinnsel.
Die früher viel discutirte Organisation des Thrombus, für die
namentlieh die Betbeilignng der vom Thrombus eingeschlossenen und in ihn hin-
eingewanderten Leukocyten einerseits und der festen BindegewebsBellen der Gefäss*
wand andererseits strittig war, wird gegenwärtig von den meisten Patholojren
ausschliesslich auf die von der Gefässwand ausgehende Gewebsneu-
bildung zurückgeführt. Diese AutTassung ist tretfend von Weigert bezeichnet:
„Dass die Organisation des Thrombus genau so wie fOr alle anderen binde-
gewebigen Durchwaehsnngen lebloser fremder oder eigener Tbeile im Körper,
also freuau so wie filr die Gewebsblldung in einem eingebrachten Hollundermark-
stUckcheu, oder wie für die Organisation der tibrinüsen Membran seröser liäute
sieb TerbÜt** Nettgebildete Zellen, die als Abkftmmltnge der Endothelien und der
fixen Gewebszellen des Bindegewebes der GeHlsswand anzusehen sind, rücken in die
Thronibusmasse hinein , treten nuteinander in Verliiiuliinir und bilden so ein
Maschenwerk junger Bindegewebszellen, in dem auch frühzeitig neugebildete, von
den }'asa vanorum mit Blut versorgte Gefässbahnen auftreten. Die Bindcgewebs-
balken und die neuMi Oeftsse sebdnen sieh vorwiegend an den Veriauf der
fibrinösen i^alken des Thrombus zu halten, doeh dringen die jungen Bindegewebs-
clemente auch in die übrigen Theiic des Thrombus ein, und sie nehmen dort nicht
selten körnige Zcrfallsproducte in sich auf. Auch aus den P'asa vasuruiu aus-
gewanderte farblose Elemente betbdiigen sieh an der ZerbrOekelong und For^
Rchatlun^' der rbrombuselemente, tief in der Geftsswand linden sieh mit Pigment
beladene Waiiderzellen. Die compacten rotlieii Tlieile des Thrombus bieten offenbar
dem ivindringen der Neubildung und der Wauderzellen den stürksten Widerstand ;
es tritt auch hier die Aehnlichkeit mit dem Verhalten eines geronnenen Blut-
ergusses Im Gewebe hervor, der in seinen peripheren lockeren Theilen von Wander-
zellen durchsetzt, von neugebildetem Bindegewebe durelnvacli>;en , sehliesslich in
eine pigmentirte Narbe uin?ew:iiidelt werden kann, walirend die eumpaetere Cruor-
maase im Ceutrum häutig als ein derber, schliesslich von Kalksalzeu incrustirter
Fremdkdrper liegen bleibt. Auoh in alteren Thromben tritt öfters mehr oder
weniger ausgedehnte Verkalkung ein. Wenn nach der von Weigert begrflndeten
Theorie einseitige Verminderung des (iewelciwidcrstandes als Veranlassung von
Gewebsneubilduug zu wirken vermag, so lag es nahe, diesen allgemeinen äatz
aueh auf die Ursachen der Organisation des Thrombus anzuwenden. Das ist in
einer eingehenden Untersuchung von Bbkeke geschehen. Aus derselben ergab
sich in erster Linie die Bestitti^un^' der Lehre , welche die organisatorisehen
Wucherungen aut das Knddthel und den binilegewelii;ren Grundstock der Gefftss-
waud ^BaumgautE-\ zurückführt. Angeregt und geregelt wird diese Keubildung
dureb die allgemeine oder Ortliehe Entspannung der Gefässwand, indem
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THROMBOSE UND EMbuLIE.
739
durch sie den Zellen {jünstipfere Lebcnsbedinp:nn»-en , die znr Theilun«: anropren,
geschaffen werden. Neben dieser Veränderung des physiolugischen Gleichgewichtes
der Gewebe, bei welcher die Sebrampfang des Thrombiu mitwirkt, sobreibt Bbnbrb
dem Tbiombns noeh eine irritirende Fremdkörperwi^ung zn, durch welche die
Zellwncherung an?reregt und in bestimmte Bahnen jrelonkt werde. Auf Gruud
bek¬er neuerer Untersuchungen über diu Bedeutung chemotactischer Heize fUr
die Wandemng von Leakocyten ans den Blutgefässen nach dem Orte entzündlicher
B^nn^ wird man die eben berflbrte Wirkung wabraebeinlidiMr Wefae anf die
Bildung positiv chemotactisch auf die Wanderzellen wirkender Zerfallsproduete
im Thrombus beziehen dflrfen. Dasg in uncomplieirten Fällen die Einwanderung
nicht in stürmischer Weise erfolgt, würde sich aus eiuer geringeren Intensität der
betreifonden EinflflBse erkiftren lassen (gatartige, in Abkapselung oder Organisation
ausnrehcnde Form der FremdkörpercntzUndung), während durch Produetion inten-
siver Reizstoffe, wie sie durch im Thrombus eingeschlossene Bakterien veranlasst
werden kann, die massenhafte Einwanderung znr eiterigen Schmelzung des
Tbrombos fDlirt und dem Znstandekommen einer Organiaatron natttriieh hinderlieh
sein mnss.
V. Die Embolie.
Die embuliüche Verstopfung von GefäSien hängt bekanntlich am häufigsten
mit der Loelttsung von Thromben ansammen, von doren in das strömende Blnt
hineinragenden Euden ohne Weiteres oder unter Ifitwirkung mechanischer Einflüsse
Stücke abgelöst und mit dem Blutstrom fortgetragen werden, bi« sie je nach ihrem
Umfange in weiteren oder engeren Aesten eingekeilt werden. Wenn die (Quellen
der Embolie für die grosse Mehrzahl der Fllte in wandttindigen Hiromben des
Herzens, in den Venen der unteren Extremitäten Csogenannte marantische Thromben)
und bei puerperalen Zustünden in den Venen der \veibliehen Genitalien zu suclien
sind, während gelegentlich natürlich die verschiedenartigsteu Venengebiete als Sitü
der Thrombose in Betracht kommen, so ist es ohne Weiteres klar, dass die inner-
halb der Venen des grossen Kreislanfe (mit Einsehlnsa des rechten Hersens) gebil-
deten Embolien, entsprechend der physiologischen Richtung des Blatstroms, in den
Lungenarterien einprekeilt werden. Die Ausnahme, dass im Wurzelpebiet der
I^fortader gebildete Thromben zur embolischen Verstopfung von Leberästen dieser
Vene führen kOnnen , ist ebenfalls ans der normalen Blntdrenlation verstSndlidi.
Aus der gleichen Vor.mssf t/uiijj rnl<:t , da-s beim Sitz einer embolischen Gefäss-
verstopfnng im Oeliirn, in (ier Milz, den Nieren, der primäre Sitz der Thrombose
in der linken lierzhälftc oder in den grossen Arterien Stämmen zu suchen ist.
Wie Cohnheim zuerst gezeigt hat, kOnnen bei offenem Foramen ovale aus-
nahmsweise losgelöste Thrombenmassen mit Umgehung des Lungenkreisianfee
aus dem rechten in den linken Vorhof gelangen und dann iu einem Arterien-
bezirke des f^rossen Kreislaufes Embolie hervorrufen, leinen zweiten Fall hier-
hergehöriger paradoxer lilmbolie hat Litten beschrieben, ferner liegen
hierhergehürige Beobaebtnngen von Zahn vor, aueh Schmorl hat eine Be-
obachtong mitgetheilt, bei weleher es sieh allerdings nicht nm Tfarombmistfleke
handelte , sondern um Theile vm in Fnl;;e von Trauraa zerrissenem Leber-
parenchym, welche einerseits auf dem gewöhnlichen Wege von den l'enae hepa-
tioae aas znr Embolie Ton Lnngenarterienftsten , anderersetts durch das offene
Foramen ovaU su embolisehem Verschluss von Nierenarterienästen geführt hatte.
In Muem neueren Fall von Häuser war zuniiclnt eine Thrombose des
rechten Herzohren -gebildet, die allm-tÜL' in das Lumen des rechten Vorhofs sieh
fortsetzte; das 5 Cm. lange i>tumpt\viuklig abgeknickte Ende des Thrombus reichte
dnreh das spaltartig offiene Foram«n ovale 1 Cm. weit in den linken Vorhof
hinmn. Embolische Herde fanden sieh in diesem Falle in der Hilz, in beiden
Ni*TPn und im Unterlappen der reeliten Lun*e. Nach KrfahrunEren im Leipziger
pathologischen Institut scheiut übrigens diese paradoxe l^orm der Embolie nicht
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740
THROMBOSE UND EMBOUB.
80 ganz selten vorzukommen. Der unten mitgetheilte Fall schlieft sieh insofern
an die eben berfllurte Beobaelitaiig von Haüssr an, als aneh hier die Art das
Uebertritree dea Herstbrombna aea dem kleinen in den groeien Kreislauf direet
naebweisbar war
Der betreffende Fall erl.Hutert ausserdem jene Form von Erabolie, welche
nach V. Recklinuhacsex''«*) auf retrugruden Transport zurUckgefUbtt
wird. Em bierbergeboriges Beispiel wurde von Hbllbb*>) beobaebtet; ea fand
sieb bei einem pri mären Krebs des Darmes ein krebsiger Fttcpt in einem Leber-
venenast , während die Leber Reibst von Metastasen frei war. Dann besebrieb
V. RKCKLixoHAUäEN einen Fall von rückläufigem Trauäport von Geschwulstmassen
aus der Vena erüralü nach den Mierenveoen mit Einkeilung im peripheren Ge-
biet der leteteren. Aehnliebe FlUe sind erwibnt ven Bokomi**), Oohk n. A.
Namentlich wurde auch die vor KinfUhrung der aseptischen Wundbehandlung öfters
beobachtete Entwicklung cmboliHcher Eiterherde in der Leber im Ani^chluss an
eiternde Kopfwuud'^n lür die Annahme einer der uurmaleu lilutströmung entgegen-
gesetiten Art des Transports gedeutet, obwobl hier naeh den Ergebnissen der
mikroskopigehen Unlersuchun<; der pyämischen Leberherde in ihren ersten An*
fingen, die Entstehung durch Weiterentwicklung' in den Lebercapillarcii stecken
gebliebener £itercocceu , die natürlich bei ihrer Kleinheit durch die Luugeneapil-
iaren passiren konnten, wabfsobdnlidier ist. Experimentell hatten M bersits
Maosndib, Oaspabd, Vibcbow, Hbllbr n. A. mit der Frage des rUekliafigen
Transportes be^-ch.Ktiirt. Aus neuerer Zeit sind die Experimente von J. Abxold
durch ihre Beweiskraft ausj^ezeichnet. Der eben ^rcnannte Autur brachte Weizen-
griesköruer in verschiedene Venen des grossen Kreislaufes von Kauiucheu und
Hunden und wies naeb, dass grosse KOmer, deren Hindnvshtritt dureh Ossären
undenkbar war, in die Venen des Herzens, der Leber, der Kieren, der unteren
Hohlader, der Sinns der Dum mattr, der Ochirnvenen hineinprelan^t waren. Die
Stelle der Einspritzung war von Eintluss auf die Vertheilung der letzteren. Nach
Einspritsung in die Vena Juyularü dextra fiinden sieb besonders r^ohKebe KOmer
in der Leber, doch auch in den Nierenvenen; nach Einspritzung in die Crural-
venen enthielten die Nieren mehr Körner, doch fehlten -iolche auch nicht in
der Leber, in den Herzveneu , ja selbst in den iSinus der Dura. Unter den
Bedingungen der retrograden Verdcbleppung haben Heller und v. Recklinghausen
bervorgeboben , daas Rflelurtanungen des Venenblutss In Folge von Bsspirmtions<
6t(irungen in erster Reibe zu berflcksicbtigen seien ; aus den Versuchen von Arnold
geht hervor, dass 8(hon verhflltnissroässig geringe Druckschwankungen för das
Zubtaudekommen des rUckUlutigen Transportes genügen. Äufiallend war die Er-
sebdnung, dass die Kdmeben niebt nur innerfaalb grOeserer, dem Hersen nabe
gelegener VenenstAmme, s< indem auch in klmnenm Aesten in rflekllufiger Riobtung
verschleppt und eingekeilt wurden.
Im Folgenden ist der wesentliclie Hefund einer im Leipzi<?er pathologi-
schen Institut gemachten Beobachtung, welche die ubeu besprochene paradoxe
Embolie in Verbindung mit retrogradem Transport iUnstrirt,
wiedergegeben:
W. B., 57i;ilir. Frau, arc ] FclTuar ] '^If^ \ pr^toilien, war vor lanjrercr Zfit an einem
Carcinom 'Icr I'oi'io rinjiniilis utn i ojierirt (niih<r«; Aiigal>rii über Zeit nml Art der Opera-
tion fehlen).
Au.s dem äectionsbefiind ist hier aar das auf die Thromboae und Embolie Be-
zfigliche anzulührtii :
Herz: etwas vcr^r«)s-f it. Ih r rechte Vorhuf erweitart, er «nthÜt donkl)^ Cruor-
uia^sen, nach deien Entferaoug an der Innenfläche des flerzobn» aioe feinaetsfSnuee dünne
TbrombtislBge erkennbar ist. Am Septum atriorutn findet aieb, «ntapr ecken d den ForamtK
ovale, ein zicnilir Ii df-rher rother Thrnnilin.s niif spärlichen helleren Einlaperunpen ; derselbe
ist von etwas UBregeinia.ssi^ cylimlri.^i her Form, ulier lileistiltstark, ( irca .] Cm. in die HühlunR
des Yorhofes vorragend, mit leitht h'>''keriger Obertiathe. Die.ser Thrombus setzt .sich
in das spaltartige offene Foi: ttrale in den linken Vorhof hinein fort,
in weldien die rothe Thromhasnasse in Form und üarfkng einer kleinen Kirsche Torragt.
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THBOMBOSE ÜND SICDOLIB.
741
Im üebrigsn fcndniiieli an der Heninnenfläche keine Thromben. Klappen zart, ohne Anf-
lagerangen. Im Myocardiuni des linken Ventrikels einige schwielige Streifen. Grosse Uefussa
Ton nonnalem Verhalten. In den Unterlappen beider Lungen mehrfache keilförmixo«
mit der Basis unter die Pleura reieliciide hämorrhagisehe Herde, in den
Spitzen dipspr Infarcte finden sich durch rothe emboligche Pfröpfo vfrochlossene Arterienäste ;
beim AatäcUaeiden der A. puUmnnlis finden sich aach in grösseren Achten derselben, zum
Theil anf den Theilungswurzeln reitend, Pfröpfe. die als TheilstUcke cylindriscber Emboli an
efkeanen alBd; mehrfach haben eich an dieselben frische Thromben angesetxt.
Die HÜB entbleit raehrftiehe (7 — lo), blassgran bis hellg«lb gefUrhte derbe, anm
TbaO loaammenfliessende keilförmige Herde emboliscben ür!!]>runges (bla.^-p InfdrDe).
In der rechten Niere ein erbsengroaaer, trübgraa gefärbter keilförmiger Herd,
dessen Basis nuter der Kapsel liegt, iriüumid die Spitie eben ia die PynmideiinibatanB reicbt;
seine Umgebang ist blutig infiltrirt.
Die Leber vergrösfiert, ihre Zeichnung entspricht einer nicht f>ehr ansgobildoten
Museatnusaleber. Im Lumen einer V.hfjutticu findet sich, dicht an dieKinmtin-
duog in die V. eava inferior reichend, ein federkieldicker rotber, ziemlich
derber Pfropf Ton eylindriseber Form, derwibe ist mit der Intima niebt verklebt.
Stamm der Cava ivfet-ior und Pfortader frei.
Am Uterus fehlt die Portio ntijiiuilis ; das nntere Ende des Cervicaltheiles zeigt
eine Narbe, in welche krebsige Geschwnlstmassen eingesprengt waren, die zum Theil tiefer in die
Utemswand bin^nreicktea. Im unteren Theil der Vagina ein Schleimhantdefect mit inflltrirten
Rindern. In den Yenen des Pltxua pubieiu beiderseits rothe nnd gemischte, mit der Innen-
fläche der Ht fiisse fester verbnnd»-ne Thromben, von denen ans sich fortgesetzte Thrumben
bis in die beiderseitigen Venae iliacae fortsetzen. Die centralen Tl.rombosendfn zeigen uuregel-
mliiige Form, ibr Aneieben eatsprltht dnrebaoa den «mboliieben Tbrombnsstllcken ia Leber,
Hen, Lange. .
Die Deutung de.s Befundes ist nicht zweifelhaft; es handelt sich um eine autuch-
thone Thrombose des Plexu» piibicu» (im Anschlass an Exstirpation eines Cere. uUri
entstanden); von den bis in die Üiaea commuiU» fortgesetzten Thrombnsmasaon
worden Stileire dnrch den Blntstrom verschleppt: einer dieser Pfropfe gelangte retrograd
aus der Caia inferior in eine V- n^' hi/.n/iru. .\Iebrfa<:he Pfnipfe pa»-irten die rechte
Herzhälfte und rieten Lungenembolien hervor, wahrend ein Thrumbosstück in das weit-
offene Fornnien gelangte nnd in den linken Vorhof hineinragte. Der blatstrom im liuken Vorhof
führte dann Theilchen von seiner Oberfläche durch das linke Ostiiim reuosum mit fort und
rief die Embolien in Arterien des grossen Kreislaufes (Milz und Niere) hervor. Auf diese
Welae kam eine sogeatant» paradoxe Emboli« au Staad«.
T'nter den oinboliBchen Gcftlfsverstopfungen, welche nicht durch Thrombcn-
theile, Fonderu durch Pfröpfe aus anderen Quellen veranlasst wurden, bat die
Fettem bulie seit deu MittbeilimgeQ von E. WaüN£S^*j und voa BrsCH das
Intliobe InteresM beansprnelit, da dnreh dieselbe naeh traamatiseber Zerqnetsebung
vcm Fettgewebe tödtlicher Ausgang von Veileteungen veranlasst werden kann.
Auf Grund der weiteren Erfahrungen kann behauptet werden , dass
überall, wo durch traumatische oder pathologische Einwirkungen ein Freiwerden
▼OD Fett etattfindetf die Möglicbkdt Mleber Embolie gegeben ist. Wenigstens
findet man hei der Leiebennntersuebnng biorbergebAriger Fllle (z. ß. nach embo-
lischer Gehirnerweichung , nach jjhlcgmonösen Entzflndungen im Fettfjewebe , wie
Bremer'''^) nachp^^ewiesen . auch im Anschluss an malignes Oedeni etc.),
embolische \'er8tuptuug von Luugencapillarea durch Fett, die freilich ott so
geringe Aasdebnnng zeigt, da«B sie fttr den tSdtlieben Anigaiig lii^t in Betraebt
Icommt. Von speciellem Interesse ist die Mitthuilang Yiucbow's^^) Aber Fett-
emboHe l»ei Eclanipsie, die thiils in den Lungen, theils in den Gefflssen
der Glomuruli der Niere uacbgewieseu wurde. Wie SCBMOBI. "*) gefunden hat, kummt
Pettembolie bei WOcbnerinnen nicbt nnr in Zosammenhaug mit Ee1amp<iie vor,
aondern in awci Fällen von Uterusruptur und bei eiuer an Verblutung gestorber;cn
Puerpera wurde derselbe Tiefund heobachtet. Naeh der Ansiclit von JCiUiEN's ■''^)
sollte das Fett aus der Leber stammen. Schmorl nimmt an, dass bei den Eelamp-
tischen das während der Kraropfanfalle vielfach iosultirte subcutane Fettgewebe
nnd im Pnerperinm Oberbaupt das wibrend des Geburtsaetcs geqnetsebte Fett
des Beelceabindegewebes die Quelle des emholisch verschleppten Materials bilde.
Von Interesse sind die von llArFU ') angestellten experimentellen Unter-
suchungen Uber Luftembolie; sie zeigten, dass nach raschem Einblasen grösserer
Luftmeugen in die Blntbabn ein plOtslicbes Sinicen des Blatdmckes in der Carotis
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THBOMBOSE UND KSIBOUE.
dnCritt, während der Dmek in der Polmonalis anfangs unverlnderfc Uieb oder
gelbst anstieg. Die Wirknag der LnftenboUe wird bauptsAcblich aaf die Ver-
legung der Art. pulmonal fs bezogen ; durch frrössere Luftmengen kann
das üerz bis zur Asystolie au^gedeLot werden. Die Mügiicbkeit, dass gelegentiicb
Lnft in den groiaen KreiaUuir gelangen und den Tod durch Embolia von Him>
ge&aaen verursaehen kdnnoi, ist a priori mxngdben.
Die P a r en c h y m (' m It () 1 i e n wurden bereits oben bei den T'rsachen
der Thrombose berührt. Die erjite hierhergebörige Heubachtung rührt von JÜRUEN3
her, der bei mehreren Fillen von Delirium tremens, neben ausgedehnter Fett-
emboUe, L«berzeUen im reehten Hersen und in den LnngenenpiUnren nadtwiee;
wahneheinlich im Zusammenhang mit Zerreii^sung von Lebergewebe.
Der von Schmüel "*^) verööentliehtc Fall von traumatischer Leberruptur mit
emboliscber Ver(>chleppuDg umfänglicher Leberstückchen ^im rechten Herzventrikel
fand rieh ein fiolehee von 9b Orm.) ist berdts oben erwihnt; ihm sehloia rieh
unmittelbar rine bestlligen h Üeobacbtung v. ZEXKEh's'^-) an. Der zuerst Ton
Klebs in zwei Fällen von Kel;iinj-^ie Lrelieferte Nachweis des Hiiieinirelaii;rens von
Leberzellen (vereinzelt und inzu^ammeuhängeuden IJäufcheu^ in die Blutbahn mit
aaehfblgender Embolie ist von SCHHORL >*) besttttigt, mit der Einschrinknng, dasi dio
Lebeneilen vorwiegend in den Lebervenen, im rechten Herzen, in den Lnngenartorien-
und Capillaren gefunden wurden; vereinzelt (wahrscheinlich durch retrograde
Km))olie> in Vtnen der Niere und des Gehirnes. Besonders beinerkenswerth für den
Isachweis der Bedeutung von Fareuchymemhulien iät die Thatsache, daas Scumokl
in mehr als 20 Pillen von Eolampsie, bei wdehen der Tod entweder wlhrmd
der Geburtsperiode oder kurz naeh derselben eingetreten war, in arteriellen Ge-
filssen und Capillaren der Lungen vielkernige IJ i e ^ c n z e II e n «refunden
bat, die in ihrem morphologischen Verhalten den Epithelknuapen des Zuttencpithels
der Placenta völlig entspraehen. Fttr die Herkunft jener im Lnngengebiet
eingekeilten Zellen aus der Placenta sprach, dais die gleichen Gebilde
mehrfach freiliegend in den interviilösen JJilmiien der Pl;icent;i und iti Venen der
Uteruswand aulgetunden wurden. Wilhrend der that>;it hliche Befund Schmoel s
durch Untersuchungen von Lubauscu ^'^) für eine grössere Zahl an Eclampsie Ver-
storbener Bestfttigung fimd, ist hervonnheben , dass in den Lriehen ans anderen
Ursachen kurze Zeit nach der Entbindung Verstorbener Placentarzellenembolien
in den Lungen nicht aufzufinden waren (Schmarl): es fcheint also nach den bis-
berigcD Krlabrungeu eine specielle Beziehung zwischen dieser Art der i'arenchym-
embolie und der ISetampsie sn bestehen.
Wie ebenfalls oben bei Beapreehnng der neueren Arbeiten über Throm*
bose erw.ihnt wurde, ist von Silbermanx ^'') die tr.dtlichc Wirkung aus-
gedehnter llautverbrenuuugeu auf multiple 'I hr«)QibenbiIdungen in Folge
der durch die Verbrennung herbeigeführten Zerstörung von Blutkörperehen
sttrttekgefHhrt; rine Bestätigung dieser Ansidit ergab sieh aueh aus den Unter-
suchungen von Welti und Salvioli *^'') , dio übrigens der Embolie durch in
den Verbrennungsgebieten gebildete I'lättchenthromben Bedeutung beimessen. Die
ebenfalls von ÖiLBKaMANN betonte Bedeutung capiilarer Thrombosen als Todes-
ursaehe bei versehiedenen Vergiftungen wurde fttr die Sublimatintoxi-
cation in eingehender "Weise durch E. Kai fmanN begründet. Das Wesen
der ."^tiblimatintoxication beruht nach dieser Aullassiing auf einer durch das Gift
bedingten Blutalteration^ welche zur Gerinnung in den Capillarbezirken der Lungen,
der Nieren, des Darmes und der Leber führt : der Tod ist die Folge dieser
CapiUarverstopfnngen. Experimentell suchte Silbebmann die Riehtigkrit der von
ihm vertretenen Meinung durch Einführung von Farbstoffen f'Eosin' in die Cir-
culation veririfteter Thiere zu beweisen ; er schluss aus dem bei dieser Methode
der „Autoiujection" constatirten Ungefärbtbleiben zahlreicher Stellen, besonders
in den Lungen, dem Hagen und Darmcanal auf das Vorhandensein tahlreieher,
durch die Thrombose bedingter Geftsasperren. Falkbmbbbg , der nnter Leitung
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THROMBOSE UND EMBOLIE.
mm
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▼OD March AND «rbeiteto, konnte bei Anwendung der gldehen Hexode Ar die
Vergiftungen das Vorkomiueii intravitaler Gerinnungen nicht bestätigen. Ohne
Hilf die experimentelle Seite der Fr.itre einzugehen , kann hier hervorjjehoben
werden , dass die genaue Untersuchung von zwei Fällen ausgedehnter Hautver-
brannung mit raedi tOdtiiehem Yerlniif beioi Mensehen 0m Leipziger pathologischen
Institut) gans unsweifeUiaft, besonders in den Lungen, die Verlegung zahlreidier
kleiner Arterien und Capillaren nachweisen lies8. Ks handelte sich theils um
Bliit]>Iiltti henptröpfe , theils um letztere in V^erbindung mit Fibriuanüatz ; auch
rothe und hyaline Pfröpfe, die (wie gewisse Uebergangsformen annehmen liessen)
dnrdi Verklebnng von rotben BlntkQrperehen oder von den Stromata soleher
entstanden waren, worden nachgewiesen. Die Reichlichkeit der Gefässverlegungen
war eine derartige , dass die Znrückfillirnng- des tödtlichen Ausgaofres auf die
Störung der Lungencirculation »ehr wahrscheinlich war. Können wir demnach
auf Grund eigener Beobachtung die thatsiebUeben Angaben von Silbbbxann,
Wki.ti Ix stiitif^en , 60 sind doch die Gef^ssverlegungen weniger auf die
Bildung von Tliruniben an Ort und Stelle zu lu-zielien . als auf eine Einkeilimg
im Verbrennungsgebiete durch die Schädigung der Blutelemente entstandener
Pfröpfe aus Blutplättchen, rothen Blutkörperchen; am Orte der FeetsetsuDg kann
dann eine seenndflre Thrombose sieb ansehlieasen. DImo Anlihssnng, die snm
Theil auch för die Gefftssverlegungen bei der Sublimatvergiftung, die namentlich
in den Nieren nachweisbar sind, Berechtigung hat, würde der Erabolie für den
tudtlicheu Ausgang ausgedehnter Verbrennungen und gewisser Intoxicationen
Bedentang auMbreiben. Die Beaiehnng dieser Verftnderungen an den Ursaehen der
Blu^orinDuog wurde oben bei fiespreehung der Tlirombose berflhrt
Literatar: ')Virehow, Oesainmtite Abhamllunircn. 18ü^> pui;. 57. — ')Cohn-
heim, Die embolisehea Processe. 187:^, Vorlesungen über allgem. Pathol. II. — ') Zahn,
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L.iyu,^cd by Google
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nntarial dunh Jas I'onimeu ofth. Dissert. Erlangen 18t*Ü. — G, S c h m ü r 1 . Lelierruptar
mit Varachleppunt; von Lebergfwebe. Deutsches Arch. fttr klin. Med. XLII, pag. 499. —
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giAungen. Dissert. Marburg Is'Mi. Birch^Hirachfeld.
TOXatbUmine, s. fiakterlen, pag. 63.
TrSChOniy Bdumdlaiig, 8. Conjnnetivitit, pag. 172.
TrSHimatiSChS NMirMt, t. ünfallnervenkrankheiten.
Trepanation, h ei Dementia paralytica, pag. 201.
Trichterbecken, s. Beek en, pag. 9o.
TubarSCbWMigerSChafl, s. ExtranterinsehwangerBehAft,
pag. 263 ff.
Tuberkelbacillen, Naclmreis, «. Bakterien, pag. 68, 69; Reincal-
tareo, ibid. pag. 73. lo Herzthrombea, a. Herskraokheiten, pag. 417.
Tuberkulose, des D.irme8, s. Darmstenoae, pag. 189; Daainfeetion
b« Tuberkulose, a. Desiofeetion, pag. 216.
Tumor cavernosus, a. Angiom, pag. 13.
uiyui^Lü Ly Google
u
Ukambin, s. Pfeil^ifte, p»g. 686.
Unfallnervenkrankheiten. NerveoknuiUieiteii naeb UnOllea (tnn-
malische Neurosen). Mit diesem Nameu bezeichnen wir diejenisren Krankheiten
des Nervensystems, welche nach Unfall beobachtet werden und nach unserer Jetzigen
ErkMintniss nicht auf anntonusebe Verlnderongen snmeksnfBbren , demnaeb als
fnnetionelle Störungen aninaehen sind.*)
Die ZusammcnfasBunp: dieser Krankheiten in einem besonderen Artikel
hat nur insofern einen Sinn, als dieselben in Folge des Unfallversicherung8gesetze<
fUr den Arzt, welcher die durch Unfälle jeder Art hervorgerufenen uervüäou
FunetionsstArnngen festnstellen nnd die dadnreb bedingte Seltldignng der Er>
werlMfkhigkeit zu BcbAtzen bat, eine ganz besondere Bedeutaog erlangt haben.
Dass ausser den org-anisch bedingten Krankheiten auch rein fnnetionelle
Störungen von Seiten des Nervensystems nach Untllllen häutig genug vorkouimeu,
ist allgemein anerkannt. Die Bezeiebnnng dieser Affeetionen als „tranmatlsebe
Neurosen'' (Plural) würde daher nicht auf Widerspruch stossen, wenn nicht unter
dersellien Re/»'i('linunpr , im Singular gebraucht, als ,,traumatiselic Neurose"' von
Opp£nh£1H und Strümpell eine Nervenkrankheit sui generis beschrieben
worden wflre, welche nach der Erfabrung zahlreicher Aerzte in Wirklichkeit niebt
«zistirt (Frsuiid**).
Geschichtliches. Auf di u A rtikel R a i 1 w a y - S p i n e rReal-Encyclo-
pädie, Bd. XVI. p.ijr. 400) liess OrPK.SHEiM im Jahre 1H89 eine Uroschllre „Die
traumatischen Neurosen'' folgen, in welcher er einen besonderen Symptomen-
complex unter dem Namen „die tranmatiacbe Neurose** l>e8ebreibt. *)
Er charakterisirt diese als eiu Symptomenbild von nervösen Functions-
störnngen, welches, so verschieden Art und Ort der Läsion sein mögen, in seinen
wesentlichen Zügen dasselbe bleibe, seinen einzigen Hauptsitz in der Grossbiru-
rinde habe, die Psyche, sowie die Oentren fitr MotBitat, SensiUlitIt und Sinne
betreffe und demnach als eine Ametiunelle Krnnkbdt eigener Nator sn becelehnen
sei. (l c. 8. 87 und 127).**)
Wesentlich dieselben Anschauimtrcn vertrat Stri mpell i , mir dass er
neben der „allgemeinen^' traumatischeu Neurose eiue zweite Form, die „locale
tnnmatiaehe Nenroee** ''°**), anfiatellte.
*) Alle anf poban anatomischen Verletzangea das Nerrec^rstams berulienden Nerven«
kranUieiteB sind dalisr von diewr BeapreoIrnnK ansgascUoism.
**) AuL'li in ihr 2 AuHage lif»t man paf. 196: »BeotiKe Anflkssosg von dm.
"Wesen der traumatischen Neurose und rsycliose."
*'*"*') Strümpell scheint an dar AufHtellung dieser eine contradictio in adjecto enthalten«
den localen Form nicht mehr streng festzuhalten, indem er (Lewek) zwar die folgender*
auMan cbarakterisirten Fllle als „locale tranroati^^che Nenrose" bezeichnet : nach Verletzungen,
die nnr ein Glit^d tri'ffon, treten in (ionsellien schwere nervöse Storiiiigi n auf. lüi- sir Ii durch
Anisthasia oder Üyperä»tbe8ie, durih Paresen nnd Tremor kennzeichnen und aof rein centralen
StOrottgaa bemlieD. Dabei kann aneh die P»yclia ver&ndert sein — , aber binaafllgt: p^vflf
jedoch lassen sich die allpenininen traumatischen Neurosen nicht von den localen trennen,
denn man sieht oft, dafs nach nar geringen Verletzungen, die nur ein Glied treffen, die heftigsten
Symptome anftreten, wlhrend omgak^rt oft acbtverara Terietssngan nnr leichters Erltnn«
knngaa JurrormflBn.
UNFALLNEBVENKRAN&UEITEN.
Dieser Aufstellung einer neuen Krankheit hatte selion Cbabcot und seine
Schule lebhaft -widerBprochen, indem er darauf hinwies, dsj» die von Oppkxhkim
u. A. beschriebenen Krankheitszustände sehr wühl in den Kähmen der von ihm
bMdiTiebenen travinatUebeii Hysterie biaeiDpaMteo fvergl. Bd. XVI,
piff. 401).
In Deutsclilaiul war es zuerst Fkiedrich SrniT,T/^r in Bonn, welcher zu-
nftchst in einem Vortrage auf der Wa Uderversammlung sUdwestdeutscher Neurologen
und Irrenarzte in Baden-Baden vom 25. und 36. Mai 1889 (Keurol. Centralbl. 1889,
pafr. 402) die ExisteubereehtigoBg der tnunsetiMbea Neurose als besondere
Krankheit in Frage stellte, indem er auf die L'eberschittzung einzelner als
pathogrnomonisch bezeichneter Symptome uud die Möglichkeit dieselben vorsa-
täuschen hinwies.
OPPBKHBni ^^J^} wandte deh gegen diese Aeusserungen und gldehseitig
gegen eine Besprechung seiner Monographie in der Zeitsebr. f. klin. Med. XV,
Nr. 4. au« der Feder Skf.ligmüller's. Dieser hatte in Oitrxhkim's .'^eh^ift, inso-
fern dieselbe „vornehmlich den praktischen Aerzten einen Leitfaden an die Uand
geben sollte", ein Capitel vermisst mit Anhaltspunkten Ihr die Ennittelnog der
Simniatiott. Oppenheim antwortete darauf mit einer Gegenkritik einer Stelle ans
SeeliomCli.KR's Lehrhnch der Nervenkrankheiten, indem er eine dort angegebene
Methode, Simulation von Zittern naehzinveisen , fdr unbrnuchhar erklärte, und
darauf hinwies, wie derartige Fingerzeige zur Entlarvung von äiniulanten es erklär-
lieh machten, warum die Aente immer wieder „Simntation wittern**.
Hieraus entspann rieh eine lebhafte Polemik zwischen beiden. Um dem
„nach peiner Erfahrunir immer mehr hervortretenden Febel der Simulation wirksam
entgegenzutreten" , machte SsEUGMÜLLER im Juli IbiiU zunächst in einem Vor-
trag im Verdn der Aerste zu Halle den Vorschlag, besondere ünfnllskranken*
hftnser, welche gleichzeitig als BeconTaleecentenhlueer benntst werden könnten,
an errichten (vergl. Bd. XXII, pag. 654).
Die von Skkijgmi llek vertretene Mciminp^ über die Häufigkeit der Sinui-
lution fand alsbald eine glänzende Bestätigung durch Erfahrungen aus der ERB'scheu
Klinik in Heidelberg : JOH. Hofpmann ^) hatte daselbst unter 24 ünCsllverletsten
nur 10 wirklich Kranke, dagegen 6 l'ebertreiber und S Simulanten, d. h. solche,
Wflt'ho ganze Krankheitsbilder simulirten , mithin 33' Simulanten, constatirt.
Gleichzeitig wandte sich Uoffmamx gegen die Anschauungen Oppekheim^s über-
haupt, welcher *^') es an ein^ seharfon Entgegnung nicht fehlen liess.
Diese IHfferenzen traten besonders lebhaft hervor auf dem Berliner inter-
nationalen Congress im Aiifrnst 1890, dessen neurologische Section die Fr.i^'e der
„traumatischen Neurose" als Hauptgegenstand der Discussion aufgestellt hatte.
Fr. Schultze (Bonn) entwickelte als Referent die von ihm vertretenen
Ansichten io einem eiDleitenden Vortrage, weleher, spftter in der VOLKMAim'sehen
Sammlung"') veröffentlicht, mit folgenden S&tzen endigt:
I. Es giebt ver.Hebiedenartige Psychosen und Neurosen, welche durch ein
Trauma zu Staude gebracht werden können j es giebt aber keine einheitliche,
scharf begreozte Krankheitsform, welche man „die traumatisebe Neurose** nennen
konnte; es ist daher besser, anstatt des allgemeinen Namens der traumatisehen
Nenrosen, denjenigen der «peciellen vorliegenden Erkrankung zu gebrauchen.
II. Die Symptome der conceutrischen Gesiehtsfeldeinschränkung und der
Anästhesien bestehen in vielen Fällen von functionellen Erkrankungen nach Trauma
nicht und änd fDr dieselben nicht charakteristisch.
III. Krankheitsbilder, welche man als „traumatische Neurosen" bezeichnet
hat, sind nicht selten und besonder-^ dann, wenn eine periphere Verletzung vorlag,
lediglich die Erzeugnisse der Simulation und Aggravation.
IV. Bestimmte, ffir jeden einseloen Fall gleiehmlssig vorliandene
sichere objective Kriterien für die Unterscheidung von SimnhitiOD nnd Niehtsünu^
lation lassen sieh sur Zeit uoeh nicht aufstellen.
UIVALLIIBRVENKRANEHSITBN.
747
Eine grflndUebe UntenudMiog des GeMUDmUarankheitsbildcft mit bescmdexer
kritischer Wflrdigang der Gkubwttrdigkeit der KnuikeiuHiBaagea miiae dleteo
Mangel ersetzen.
Das Ergebniss der sich an diesen Vortrag aDscblies^endea Debatte war
offenbar das einer starken Ersohfitterong des OPPKNHBiu-STRüMPSLL'sehen Lebr-
gebiades.
Seitdem ist die Frage von der „traumatischen Neurose" und die damit
engverbundene von der Häufigkeit der i^imulation eine brennende Tagesira^e nieht
nur fUr die Neurologen von Faeb, sondern für die Aerzte überhaupt geblieben.
Dieselbe wurde wiederbolt der Gegenstand llngerer Bespreebnngen in irstlieben
Vereinigungen — Versammlung der slldwestdentschen Neurologen und IrrenÄrzte
vom C>. und 7. Juni 1^91, Discussiion im ärztlichen Verein zu Hamburg am
1. December 18dl — und ebenso zahlreicher Verütlentlichungen einzelner Autoren.
IMe Letzteren behandeln bald die ganse Frage, wie die Arbeiten von
FB.8CHCLTZK Lewek"») /^STRÜMPELL), FbbdND vnd DCBOIS ; bald dienen
sie wei^ntlich der Casuistik, wie die Veröftentlicbungen von Roth'"^ k IIitter ^"),
Rbxnsr »"jj FttKüNüundKAYSBR^j, Donath*'), Verhooükn '-ä) undNEUMANN.
Mit der Verengerang des Gesiebtsfeldes im Besonderen bescblftigen rieb die
Aagenftrste Fischer «^0) , König Wilbrakd^*') und ScHMuyr-RiupLBB i«'):
einem etwai^rcn anatomiscben Substrat hat Friedmaxx °- ") nachgeforscht. Die
flbriiren Arbeiten beziehen hieb im Wesentlichen auf die Frage der Simulation, so
die von MuüILS Jis" «»»), Uri'EXUEIM SEELlCiMÜLLEE "«-»»»j, (iüÜNWALD
und König ; besondere Erwibnnng verdienen die ans den medieo-meehaniflehen
Instituten zu Breslau (Dr. HoNiG •*), Nieder-Schflnhausen bei Berlin (Dr. Schütz "»)
und L'ottbu-» (Dr. TnI^•,^t '"^) hervorgegangenen Arbeiten (die beiden erst^renannten
mit statiätiscben liericbten;, von welubea die von HuXiG and Thj£.m ^''^j die
Frage der Simulation ausAllirlk^ bebandda. Hieran sdiliesst sieh eine Abhandlung
▼on Blasiu.s ■') ^^Unfallversieherun^geaetz und Arzt'* allgemeineren Inhalts.
Endlieb hat Ralf VTichmaxn' ) versucht, eine „.Anleitung zur Beur-
theilung der Simulation von rnfallnerveukrankheiten für Krankeneas.<icn;trzte und
Medicinalbeamte'' zu geben, FRKrND '^-) aber „einen Ueberbliok über den gegen-
wärtigen Stand der noeh unerledigten Frage von den sogenannten tranmatiseben
Neurosen^'.
reliersiehtlicbe Zusammenstellungen der bezüglichen Arbeiten finden sieh
von Bruns redigirt in den Schmidt sehen Jahrbüchern, Bd. CCXXX, CCXXXI
und CCXXXIV. "
Diese .schriftlichen und mündlichen Debatten haben sich im Wesentliehen
mit zwii Frafren ^te^chälffigt, nflmlich I. Ist die sogenannte traumatische Neurose
als eine Krankheit sui generis anzusehen? und II. Wie steht es mit der Häufig-
keit der Simulation?
I. Giebtes ein sebarf abgegrenites Krankbettsbild, wel-
ebes wir als „die tranmatisebe Neurose" sn bezeiehnen bereeb>
tigt Bind?
Bevor wir dies« Frage beantworten , erscheint es angemessen , das von
OPP£MHenr entworfene Symptomenbild der sogenannten trauma-
tiseben Neurose irn Auszug, aber mit seinen dgenen Worten wiederzugeben :
Von Sfift'ti der S e n s i Ii i 1 i t !l t : Schmerzen an der verletzten Stelle
oder bei aligemeinen Erschütterungen des Körpers vornehmlich in der Lenden-,
Rfleken* und Kreuzgegend und Kopfschmerzen. Diese Sebmerzoi werdm dureb Be-
. wegungen gesteigat.
Pa r .'l 3 1 h e s i e n , welche von der krankhaft afficirfen Pfvche zu den
t^eltsanisten i hyjioi-lioiulrisrlien l Vorstell niiL'cn verarbeitet werden ; von Seiten der
Sinnesorgane abnorme Kmplindungen : Funkensehen, Ohrensausen etc.
Hyperftstbesien: des Sehnerven (Liebtsehen und Blendungsgefllbl),
des Aeustieus und besonders hAufig der Haut in der vom Trauma betroffenen
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748
UNFALLKEB?ENKilAN&H£ITO.
Gegend, DrackempÜDdliebkeit einzelner Oornfortiltie mit ZoMiniiMDimkMi; «■dlieh
dar eontandirten Gelenke ''Gelenknearoaen).
Anftstbesien, die von besonderer Bedeutung und Wicbtigkeit sind,
mkam dMtalb, w«n ife im objeetiven Naehweise zugänglicher liiid. Die AnSsthesie
entreekt rid in der Mebrzabl der Fälle gleichzeitig auf Haut, SchleimbSute und
SinnpHor{ran«'. Sie tritt auf bald unttr der Form der Ii- miannf^thesia hf/sterica
oder bäutiger alg bilaterale Sensibilititsstörung : die Hemianäätbesie , gewöbnlieb
niebt als absolnte Anlstheeie , sondern als Uypästbesie, die so gering sein kann,
dsM sie Dvr an der Untandiifldsenpfindliehkeit swigehen beiden KOrperbtlften
und der entsprechenden Differenz in der Intensitit der SchmenciMissserangen und
Abwehrbewegangen bemessen werden kann. Auch sind die ehiiebien OeffiUaqnali-
tftten keineswegü immer in gleicher Weise betroffen.
Bemnders ebarakteristiseh ist die beide KOrperbilfteD betbeiligende
Anlstbesie: sie hält sieb weder an den Ansbreitungsbezirk eines peripheren Nerven,
noch entspricht sie in ihrer Wirtlichen Verbreitung der Localisation , wie :*ie bei
den materiellen Erkrankungen des Gehirns und Httckeumarks beobachtet wird. Sie
tritt Dlmlieh auf in Haubenform (Anistbe«ie der Kopf« vad Stimhant) oder
in Puppenkopfform (Anlttheele der Haut des Kopfes, Halaes and der
oberen Brustgefrend i : an den Extremitäten so, dass ihre Grenze mit der Ge-
lenklinie zusammenfäiU ; an der UotereitremiUt als Galon an der AussenflAche
berablaufend.
Von den Anlstbcsien der Sinnesorgane ist die wtehtigste und oonstanteste
die Beschränkung des exeentrischen Sehens, die sogenannte coneentrische Ein«
en^uu'^ des G( sicht^felde^i. und zwar in nnch viel höherem Hrade für die Farben
als für weiss; die cuncentriscbe Einengung betrifft meistens beide Augen und ist
dort, wo es Mch an Hcmiamsthesie bandelt, auf der gefüblloeen Seite stftrker
ausgeprägt. Die schon von FöBSTXB und Wjlbrand berrorgehobenen Ermfl-
dim^'scrsi heinungen werden aueb bei tranmatiseher Neurose gefunden (Kösio **),
Placzek ''--j.
Von Seiten der Motilität: ^'ie vollständige Lähmung,
sondern nar Verlangsamang, fieeohrlnknng der Ezenrsion und der Kraftinaserang,
welclio ih-m Hnskelvolnmen nicht entspriobt; also allgemeine motorische
Schwäche.
I'araple^ie nur in den seltensten Fällen, meist nur Paraparese.
Hemiplegien und Monoplegien finden sieh auf derselben
Seite wie die Kopfverletzung. Die Labmang beschränkt sieh nie auf das
fJebict, wclclics von einem einzelnen Nerven vcrsorpt wird ; ebensowenig lässt sich
die Verbreitung der Uewejruiifjsstorung aus einer directen traumatischen Muskel-
Ubmung erklären ; so ist es fast immer die gesammte Extremität oder selbst die
bdden gleichseitigen Extremititen , welche in Mitleidenschaft gesogen werden.
Vielfach bilden die Schmerzen ein hemmendes Moment fllr die Bewegungen, ebenso
die Kigiditüt der Lendenniusculatur. Trotz der sichtbaren Anstrenjrnn? der Patienten
ist der Effect der Bewegung ein geringer. Diese Form der Motilitätsbebiuderuug
ist aller Wabrscbeinliebk^t nach dadnndi bedingt, dass die Erinnerung fUr
die zur Ausführung einer zwcckndss^en Bewegung nothwendige Vertheilnng der
motorischen Impulse verloren gegangen ist.
Neben rcflectorisohen Spannungen in der Musculatur , welche
ein schmerzhaftes Gelenk umgiebt, kommen auch wirkliche Contracturen vor,
mit dem Keonteieben der bysterlscben Ooniractar (Ghabcot).
Bei Ileniiplegi sehen l.lsst sich häufig der Nachweis führen, dass nur die
b e w u s s t - w i 1 1 k (1 r 1 i e h e Bewejjung aufgehoben ist: Der Kranke ist nicht
im Stande, auf Aufforderung des Willens die Muskeln in Actiou zu setzen, während
hei anderen Bewegungen, die in das Gebiet des unbewusst-gewohnbeitsgemlsa
Ausgefdhrtcn fallen, die betreffenden Maskclgmppen noch fuoctionsfilhig sind
(Krbckb ""j.
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UNFALLN£EV£NKRAI}£U£IT£N.
749
Die gelähmten Muskeln zeigen gewöhnlieh keine Veränderungen , weder
des Volumens, noch der elektrischen Erregbarkeit, noch der feineren Stroctur an
beraaagesobnittenen MuskclätUckcheo. Von dieser Kegel giebt es aber zahlreiche
AnsnahmeD, sieht- nnd measlMuer llnakelMbwiind , Herabsetsong der dektriaoheii
Erregbarkeit, niemals Entartungsnaction, Verlust der Querstreifung, Hypertnqihie
einzelner Primitiv fasern . zuweilen mit Vermehrung der Kerne des Sarcolemms.
Besonders wichtig als Anhaltspunkt für die Unteraachung dieser Lähmnngs-
tarn Tom aof naaterieller Grundlage bernhendw ist die
Art der Gehstörung: Spsstiseh-paretiseher Gang ohne
ausgespr ochenen Fuss- und Patellarcloinis. Als Modificationen dieses Typus :
Gehen mit fast vollständig fixirten Hilttgelenken , Geben durch wechselnde Aus-
und Einwärtsrotatiun in den Hüftgelenken, Gehen mit fast bis zur Horizontalen
nach vom gabeugtesB Kücken.
Paeudoatatttiseher Gang olm« eine Spur von Ataxie in der
Rflokenlage;
GehstOrung wie bei Kieinbirnerkrankungen: Gehen mit
Zittern der Beine, ja des ganzen KOrpers. In yMm FiUen ist der Gang
ganz normal.
Sehr häufig Schwanken bei Augenfussschluss. Die Sehnen-
phänomene sind sehr häutig gesteigert , zuweilen bis zum Clonus. Zittern
tritt öfters nur bei psychischer Erregung ein, während es sonst fehlt; bei ab-
gelenkter Anfmerksamkdt nnd aetiver Bewegung IXsst es nadi oder hbrt Tdlllg
auf. Dasselbe beobachtete man bei Paralysis agüans, welcher das Zittern Über-
haupt in vielen Beziehungen gleichen kann ; es beschränkt sich nur selten voll-
ständig auf eine Extremität oder auf die gleichartigen Extremitäten, sondern zeigt
dne allgemdne Verbrdtnng.
Die Sprache kann ähnlich wie bei hysterischem Matismns (ChabcOT)
vorübergehend behindert sein ; sie ist häufig Teriangsamt oder erfolgt stossweise,
explosiv, stotternd oder häsitirend.
Differen z der Pupillen weite tritt erst bei schwacher Beleuchtung
dentlieh hervor; sie ist aber biufig ohne diagnostisoben Werth, wenn sie nioht
bedeutend ist; sie vermehrt sich im Affect und während eines Angstanfallei^.
Gewöhnlich zeigt sich auch die Pupille erweitert entsprechend der Körperhälfte,
die der Sitz der Schmerzeu und SensibilitätäStürungen ist; aber auch hier giebt
es Ausnahmen. Insulfidenz der Met^ itUemi ist nieht selten (HObschbb**).
Stimm bandlihmung ist bei Gontnsionen des Brustkorbes beobaehtet
worden (Holz*^').
Herz- und Gefässssy stem. Steigerung der Pulsfrequenz
dauernd oder nur vorflbergebend in Folge von ganz geringen (Erzählung der eigenen
LeidensgeseUchte) Anlässen (abnorme Reizlnurkeit des Herzens); bei solehen
Kranken kann sich Erweiterung und Hypertrophie der Ventrikel im weiteren
Verlaufe (nadi zwei Jahren' ausbilden, und ebenso Arteriosklerose, die in zwei
Fällen von Kko.nthal durch die Autopsie nachgewiesen ist. Lehe constatirte durch
spbygmographisehe Untersnehungen Verlnderungen, die den aneb sonst bei Neur"
iuthmia eordü naehgewieseuen entspreehoi, und einige Male „Atonie des Vaso-
motorenee n t r ti m ^ " .
Cyanose und ödematüse Anschwellung bestehen nicht selten an den gelähmten
Extremitäten ; Symptomeneomplex der Retv AnD'seheu Krankheit (KBlflasB
Blutandrang nach dem Kopfe mit ROthung der Haut besehränkt rieb
nieht selten auf die leidende Kr»rperseite ; Hyperhidrosis rP.\(;E}.
Blasen-, Mastdarm- und (i e s c h 1 e c h t s f iin r t i n n e ii. LH'flurie bis
zur Harnverhaltung; nieht selten Siuhlverstopfung ; Abnahme der Salze im Urin.
Abnahme der Potenz bis zu vollstindiger Impotenz.
Psychische Anomalien nehmen unter den Krankheitssymptomen
die bervorragttidste Steile ein nnd bilden den Boden , auf welchem sich die Mehr-
760
TmFALLinSRTBNKItANKHBITIH.
zahl der übrigen entwiekt'lt. Den Kern dieser Seelenstörungen bilden die
Stimmungsanomulien: d'm dauernde Verstimmung offenbart sich im Gesiebte-
mudrook und te mtaeren Weieii.
Die Kranken werden wortkarg, gohetna die Geaaihchaft, suchen die Elft-
samkeit und hängen in dumpf gedrückter .*>t5mtnung ihren traurigen Vorstellungen
nach, welche sich alle um eiueo Mittelpunkt schaareo, Dümlicü die Erinnerung an
d«ii eriebten ünfall und die ans demielben erwa^aendea Folgen.
Diese Depression geht einher mit einem Oefflhl von Angst und Beldem-
mung, das sich von Zeit zu Zeit zu heftigen AngstanffiUen steigert, mit abnormer
Steigerung der Pulsfrequenz. Dazu kommen Zwangsvorstellungen.
Vuu der Melancholie uuterächeideu sich diese Zustände 1. durch die
abnorme Reizbarkeit nnd 2.dareh den bypoebondriachea Cbarakter dw SeelenstOmng.
Ausserdem kann siebOedftebtnisssebwäohei ja beträebtliehe Demens
entwiekeln.
In seltenen Fitlien verläuft die traumatische Neurose ohne nachweisbare
psyohisebe Anomalien.
Ferner sind Anfalle von Schwindel, Epilepsie und Reflexepilepi^ief
sowie Chorea (Schultzk) beobachtet. Typische liyateriselie Anfalle, haUueinatorische
Delirien hysterischen Charakters, sowie Stimmungswechsel hat Chabcot und seine
Schule beschrieben.
Schlaflosigkeit. Der Seblaf wird darob wilde Trinme oder Angst-
snatinde, die besonders Nadits anftreten, gestört, oder es besteht nur
Halbsehlaf.
Zuuflchst soll soglei-^h hier hervorgehoben werden, dass dieser ausser-
ordentlich coraplicirte und vielseitige Symptomuncumplei von vorneherein ein viel
SU vages Krankheitsbild darstellt, als dass es als ein typisches, in doh ge-
schlossenes bezeichnet werden konnte, welches eine ganz bestimmte Krankheit,
„die traumatische Neurose", charakterisirte. Auch die Freunde der „traumatischen
Neorose^ haben bald zugeben müssen , dass die ganze Summe von Symptomen sich
nnr in seltenen Wien miliriekelt findet. Weiter aber liegt eine grosse Anxahl
Sttverllssiger Beobaehtnngen vor, bei welchen diejenigen Symptome gerade stets
gefehlt haben, welchen (>i>PKXHE)M eine pathognomonisehe Bedeutung beianlegen
sich berechtigt glaubte (Frki xd").
Die von Oi'i'iiNüEiM für das gei^chlosseue Krauklieilsbild der truuuiatiächen
Neurose aufgestellten Symptome lerfallen nimlieh in sogenannte*) objeotive nnd
snlileetive. Da Oppbnbbim bd den letzteren die Möglichkeit der Simulation zu-
geben musste, so hat er den grössten Werth auf die vier, als objeetiv bezeich-
neten Erscheinungen gelegt, und zwar auf die Anästhesie, beziehungs-
weise Hypästhesie, die eoneentrisebe Oesiehtseinengung, die
Pulsbes cbleunigung und die psychischen Anomalien.
Wir wollen daher mit einer kritischen Besprechung dieser Symptome
beginnen.
A uästhMie. Oi'PKNHEiM 1") selbst hebt hervor: „Die Resultate der Sen-
sibilititsprafnng rind keineswegs immer klar nnd eindeutig^ nnd gesteht am
S ilin >e der bei%Uchen Erörterungen, dass „namentlieh dort, wo die Redlichkeit
der Kranken angezweifelt werden ninss. man ein endgiltiges rrthcil flber die
Störung der Sensibilität überhaupt nicht gewinnt". Dadurch verliert aber die
eventuell nachgewiesMie OefUhlsstOmng von vornherein die Bedentnng eines
„objeetiven" Symptoms.
*) Ob ein Symptom als objeetiv oder als subjectiv zu ln-zpithnen ist, darttber
herrscht in keiner AVeisc ein«* befiieili^endc Uei ereinstinimun^, wie die lulgeude Besprechung
cur Centime zpigt'a wird. Ist doch Helbxt die Angabe von Schuierz 1 cinj Beklopfen des Rückens
in der H i t X ip schen Klinik (s. d. Gutachten I über L an d ni a n n. (S»? e 1 i );in ttUer'**), Weite»
Beiträge etc , {«g. 10O2j als ein objectives Syiuptom aogesprocheu vorden.
oiyiu^cd by Google
ÜNPALLNERVBMKRAVRHEITBN.
761
Ebenso giebt BiiUNS^^}, trotz seiuer Erfahrungen, welche für die
Häufigkeit von Aottstbesie sprecheu, ohne weiteres ZO) „dass geringfügige Senri-
biliatsstOraiigeii nur mit Vondeht xn benrfbeilea rind; sie kOnnen anf jeden FftU
simulirt werden". Zur weiteren Begründung dieser Anschauung theilt er ferner
mit , dass er von Verletzten , die bereits von nndoren Aerzton auf Sensibilitäts-
BtOniDgeD explorirt waren, schon vor der Untersuchung auf ihre Anästhesien auf-
merksam gemacht wurde.
SCHULTZE »**) hat bei der ersten Zusammenstellung seiner bezflgliehen
Erfahrungen in 23 l'ftllen nur dreimal, bei der zweiten aber in 20 FällMl nur
zweimal und noch dazu sehr wonig sichere Angaben bekommen.
Mit Reeht maeht er darauf aufmerksam, wiesehwer es ist, 8ensi-
bilitätsstOrnngen mit Sieherheit festzustellen.
Diese Unsicherheit ist bedin^rt durch die verschieden starke Aufmerk^j.nm-
keit des l'ntersuehten bei den verschiedenen Untersuchungen (OrrKNiiKiM'» , durch
die Art der Ausführung der Untersuchung und die dabei angewaudieu Mauipuia-
tionen; dureh den Grad von Huhe und Geduld der venehiedeneai Untersueher,
ihre Fragestellung, ihre Kunst, möglichst wenig zu suggeriren und we^/^usuggeriren.
„Im ki-iinte s<»nut sehr wohl bei der Bourtheilung der Sen^ibilitittsprdfung
seitens gleich geschickter und erfahrener Beobachter ein verschiedenes Kesultat
herauskommen.'*
„Dazu kommt die nicht selten wahmdimbare weitgehende Indolenz*)
vif Icr sonst normal erscheinender Individuen {regen Schmerz, natflrlioh auoh Vieler)
welche niemals einen Unfall erlitten haben" (Schultze).
EiSKNLOUK -'' ; , welcher die in Schultzens Klinik in dieser Beziehung
gemaehten Br&hrungni vollkommen bestfttigt, maeht auf die liin% eonenrrirenden
Einflüsse cbroniseher Intoxicationen mit Tabak und Alkohol **) anfinerksam, welehe
iÜuiliche Störungen der Hautsensibilitat bedingen können.
Wie sehr der Symptomeucomplex des chronischen Alkoholisuius dem der
sogenannten tranmatisehen Neurose überhaupt ihnlioh sein kann, hat namentUeh
WiLuiiAXD'"^') hervor-^ehoben. NoN.NE»^:) berichtet kurz (Fall 8) Uber unen
41jährigen Arbeiter, der. imtori^-vhcr Alkoholigt, vom Deck in den Sehiflsr.ium
gefallen war; die Symptome: allj^emeiner Tremor, Hyperhidrosis, plagues weise
Anästhesien, Steigerung der Sehnenreäexe (zweifelhafte), üesichtsfeldeinengung,
körperiiehe Mattigkeit (durehaus nieht eharakterisehe), SpraehstOrnngen konnten
ebensowohl der Ausdrnek des ehronischen Alkoholismus, wie dner tranmatisehen
lieurose sein.
Weiter sind hier die anästbetischen Plaques zu erwähnen , welche bei
oonstitutioneller Syphilis vorsugswmse im Gesiebte (s. Sbbuomüllbb , Lehrbueh
der Nervenkrankhdten. II, pag. 723, Fig. 108), aber aneh an anderen Kffrpw-
theilen vorkommen . sowie die n.ieli Ty]>hiis mii der vorderen Fl iehe des Ober-
schenkels und auch am Vorderarme beubaehteteu ; endlich sind auch die bei Arsenik- ***)
und Blmvergifteten vorkommenden Anästhesien nicht ausser Aeht zu lassen.
Die Behauptung, daas die bei ünfallverletzten naehgewiesenen AnSsthesien
in manchen Fällen nicht als Folgen des erlittenen Trauma, sondern als Erschei-
nungen der pen.'iiiiiteu Intoxicationen oder Infectionen , die schon vor der Ver-
letzung bestanden, anzusehen sind, muss umsomehr an W^ahrscheinlichkeit gewinnen,
je mehr bei genauer Bertieksiehtigung jener sehldliehen Momente sieh herausstellt,
dass eine verhältnissmSsaig grosse Zahl von Unfallverletzten mit Tahak- oder
*) Bei diesem Pnnkf e mörlit«.- it Ii nuf eine von mir seit Jahren beobachtete Analogie
aufmerksam macheu. Bei der rrüfui <r aul (it .schmackssinn pelegentlich jjeripherer Facialia-
lahmuiig>n halie icli Itei Persotien des Arbeiterstandes au.sserordtntlich häufig eine derartige
Torpidität beider Zangenhälften gegen GeschmackseindrUcke constatirt, dass von einer Yer-
gleiebang der gelähmten mit dar normalen Seite flherhaapt keine Rede sein konnte.
**i Thomson. Arch. f, pFychiatrif n. Nervenkrankh. XVIF. pap. 453.
***) Marik, Nervenläbmnngen. Wiener med. Wocheuscbr. l'^Bl, pag. ti5I.
uiyiii^uü Ly Google
752
ÜNFALLNERVENKRANKUEITEN.
Alkoholvergiftung oder mit ponstitutioneller Syphilis behaftet sind Seeligmi'LLER
bat dies wiederholt hervorgebubeu uud nach ihm Scbultze und Albin Hoffmann.
Möbius bestreitet die Wiohtiglceit dieser ätiologischen Momente. Wie stimmen
uhtst teine ErfeluxiDgen , nach welchen „anter den UnfaUoerveiikiMikeii nebt
wenige Trinker sind", mit den in derselben Stadt Leipzig von Albin Hoffmann ■*)
gemachten Erfahrungen, welcher bei 17 Unfallverletzten siebenmal Alkoholismos
coustatirte?
In Beleben FlIleD knnn die AnistlieBie sehen vor der Verletsang be-
standen haben ; sie ineommodirte den Exploranden jedoch ebensowenig wie nftoh
derselben. Nachdem er aber durch die wiederholten ärztlichen Untersuchungen
von der Rentabilität dieses Symptoms Kenntniss bekommen hatte, ist e.s wohl
begreiflich, für ekmi Potator eigenflbsh Mlbitraratiiidifeb , «eoii er gegen die
AnMbminng des Arztes, danelbe sei eine Folgeeneheioiuig dee erlittenen ün-
fillles, nichts einzuwenden hatte.
Die von Ori'KNHEiM i , pag. 105, als charakteristiseh für die trau-
matische ^i'eurose, jeder anatomischen Anordnung spottend, hervorgebobeue Er-
BcMiang, daes die dabei beobaefateten anlsthetiflehen Zonen eine gaai willbflr'
liehe Begrenzung zeigen, läset sieh gewiss in vielen Fällen auf die bisher wenig
gewürdigte Thatsache zuräckfQbren , dass bei manchen Unfällen, z. B. bei Eisen-
bahnzttsammeustössen und bei Verschflttungen , die Körperobertläche gleichzeitig
an den ▼enehiedenaten Punkten verletzt wird; e» ilnd demnach hier aieht die
grosseren Nerven Stämme, sondern die feineren setttiblen Yertwdgungen derselben
iiolirt gequetscht oder sonst wie verletzt worden.
Endlich müssen wir hier noch auf eiue andere Erklärung der liäuiig-
keit der Anästhesien naeh Traumen eingehen, nämlich auf die Annahme von
Hysterie.
Fllr diejenigen nnmlieh, welche der Anschauung Charcot's snstinimea,
dass als die häuiigste Unfallsueurose die Hysterie zu bezeichnen sei, hat die
Häufigkeit der Anästhesien , wie der sogleich zu besprechenden Gesichtsfeld-
dnsebrinkung gar niehts Befremdüdies , weil Jedermann gern sugiebt, dast bei
HysteriBehen beide Erscheinungen sich sehr häufig finden.
Nun hat aber gerade Oppf.nheim einerseits gegen die 15ehauptung
Charcots, dass die traumatische Neurose mit der traumatischen Hysterie sich
decke, auf das Lebhafteste protestirt; andererseits freilich hat er gerade auf
„die sahlreiiAen Cntersndinngen nnd Beobaehtnngen der OHABOOT'sehen Klioik'*
llingewiesen 'Oim'KXHKIm ''^s), pag. 3H und 49 Anm.\ um zu zeigen, dass das Vor-
komuu n v(»n Anästhesien und Oesichtsfeldeinschränkung bei Unfallverletzten nieht
betrtmdeu kunne.
HOBiüa stimmt der Ansebanong Cbarcot^s unbedingt sa, wooaeh die
travmatiscbe Neurose mit der traumatischen Hysterie sieh einfach decken.
Ist diese Anschauung die richtige, !^<> i«t e^ ebenso richtig, dass die
Hysterie bei Männern nahezu ebenso häufig sei als bei Frauen.
OFPltKHBix bestreitet die Hinfigkeit der traunatiaeben Hysterie bei
Hinnem, wenn er in seiner Monographie, pag. 98, ansdrtldclicb sagt: „Mit*
theilungen über typi>«che hysterische Anffllle nach Verletzungen der verschiedensten
Art linden wir besonders in der fVanz("isi sehen Literatur, in den Abbandinngen
t'UAUCOT s und seiner Schule, iu unserer Casuistik, welche sich fast ausschliess-
lieb auf Yerietzungsnenrosen beim männliehen Oesobleeht besieht, sehen
wir dieses Moment in den Hintergrund treten."
In viel enerri-^cherer Weise protestirt Fu. Schcltzk gegen die Ansieht,
dass Hysterie bei Mauneru so häutig sei : „Andererseits nehme man auch manche
dieser Nevrosen nnd besonders die hysterischen nieht allzu tragisch! Gerade der
Arzt kann vielfach dazu beitragen , die Hysterie weiter zu verbreiten und sie
geradezu zu einer Volkskrankheit zu machen. Man h;Us<'h('k' sie nieht aueh nooh
bei Männern gross, sondern Uberlasse sie deu Frauen und Kindern!*'
Diqitizcd by Goo^^Ic
VNFiLLNERVBNERANKHEITBN.
753
Dmselben Standpmikt vertritt SreughOllbh. Er ist naeh seinen Erfah-
rungen der Meinung , dass die Hysterie Oberhaupt , am allerwenigsten aber die
Hystrria ri'rili.f. in den Arbeiterkreisen eine häufige Krankheit sei. Möbius be-
schuldigt ibu und Alle, die seiner Meinung sind, einer ungenügenden Kenntniss
der Hytterie nnd Terdammt die somatisehe Riehtnng der Aerste, welehe
aneh der GflARCOT'^chen Schule noeli anklebe , aber nur wie eine Schale , die
weggeworfen werden wird. Nun, mfige die CHABCOT'aehe Schale diese Sehale
ja festhalten!
Kann Anlstheaie simnlirt werden?
Anf die Sdiwierigkeit, anisthetiache Beairke als solehe fesfiastellen, ist
sehen oben hingewiesen werden. Jeder, der viele Nervenkranke auf Sensibilitäts-
störnnpen untersucht hat , wird zugestehen , wie schwer es hält , namentlich bei
Ungebildeten, sichere Resultate Uber die einzelnen QaaliUiten der GefUblsstörang
zu eriialten. Wenn diese Untersnehnngen nun, die bona ßde» in vollem liasse
vorausgesetzt , schon auf grosse Schwierifrkeitcn stossen , wie viel mehr, wenn
an die Mocrlii'hkpit einer Täuschung durch den Exploranden gedacht werden muss.
Auch UiTKNHEiM ^*^) erkennt diese Schwierigkeiten in vollem Masse an.
So sehreibt er pag. 48 unter Anderem: „Widersprüche giebt es bei jeder Sensi-
bilitfttsprQfnng , kurz ich roaehe mieh anheisehig, jeden Nervenkranken (vielleioht
aueh den Gesundem auf solchen WidorsprUchoi ZVL ertappen, die von den BitaM'
lationsspähern auf Betrug bezogen werden."
Mit dieser Aeu.sserung erklärt er aber selb.st unumwunden , dass der
Werth der Anlstbesie für die Begründung der Diagnose „traumatische Neurose**
nur von geringem Werthe sein kann.
Ein schlagendes Beispiel, wie eine Anftsthesie simulirt werden kann,
theilt Kacine 1^') mit:
Bin Walawerfcsarbeiter in Essen, weleher auf Java als Laaarethgehilfe
Gelegenheit gehabt hatte, Beri Beri-Kranke in grosser Menge zu sehen und zu
Stndireii, nin«.'hte Racixe das Geständniss, wie er. um vom holländi.schen Militär-
dien.ste loszukommen , die nervöse Form der lieri-Heri-Kraukheit mit Erfolg
simulirt habe. Als Racine die Möglichkeit bezweifelte, die hierbei vorkommeudea
AnXstheden zu simnllren nnd stets die Orenzen, die bei der Untersuchung ge«
funden waren, inne ZU halten, da machte ihm der Arbeiter das Experiment vor.
Mit geschlossenen Augen gab er bei wiederholter Prüfung mit der Nadel stets
in der frappantesten Weise die einmal als anästhetisch angegebeneu Partien
wieder an.
Job. Hoffmaxx«'') theilt zwei Fälle mit, in wt lohen Anästhesie simulirt
worden war: In dem cr-Jten Anästhesie der Hand und des Vorderarmes, drei
Querfinger unterhalb der Elleubeuge kreisförmig abschliessend; in dem anderen
complete reehtsseitige llemianftsthesie. In dem ersten Falle wurde die Simulation
erwiesen , in dem zweiten gestand sie der Bzplorand selbst dn : dritte Personen
haben ihm gerathen , die Hemianlsthesie etc. zu simnllren , damit seine Ent-
SchAdigung um so grösser ausfiele.
ScHULTZE hebt hervor, dass gerade von solchen, die sidier nicht simu-
lirten, Sendhilitatsstffrungen nicht angegeben wurden.
Concentrische Einengung des Gesichtsfeldes. Als besondws
werthvolles , weil ohjeetives und nicht simulirbare'^ Symptom der sogenannten
traumatischen Neurose, hat Oi'PEXüEiM von vornherein die coDcentrische
Einengung des Gesichtsfeldes fflr weiss nnd für die Farben
hervorgehoben und trotz aller gegeotheiligen Erfahrungen anderer Üntersttcher
bis jetzt festgehalten.
Auf dem Herliuer Cou»resse sprachen sich gerade Vertheidiger der
trauinatischeu Neurose, wie liiTZiu und Rümpf, dahiu aus, daas sie nach ihren
Erfkhmngen diesem Symptom keine Bedeutung beimessen konnten, weil dasselbe
nur in verschwindend wenigen Fallen (trotz Hnzio's grossem Beobaehtnngs>
Bncyelop. Jabrbftoher. III. 48
Digitizeu l> ^oogle
764
ÜNFiLLLNERVENKBANSHEITEN.
malerial von l Fällen) hatte nacbgewi^eD werden kö^nnen. Ich übersehe die
ebenda von Mendel ausgesprochenen Zweifel an der Richtigkeit der von Oppenheim
verwertheten Untersuchaogareaultate. Auch abgesehen davon erklärte M£Nü£L,
„er «teile dn perimetriBohen Frflfiingen gegenflber «nf einem skeptiaefaea Stand-
punkte^'. SCHÜLTZR bekundete auf dem Congress und bit^ in die neoeeto Zeit seine
I'ebereinstimniung mit Strümpell (und Lewek) in der Meinung , dass dieses
Symptom nicht häutig sein kann. In der ersten Reibe seiner Untersuchungen
fand er nämlich in 20 FAllen daa QeRichtsfeld 14mal normal, in 2 Fällen schien
ee etwai efaDgeeelninkt, in 1 oder S Fillen waren die Angaben vOIiig nnaieher;
in einer weiteren Reihe von 18 Fällen fand sich das Gesichtsfeld 14inal Ar
weiss und die Farben vollständig normal , in den tlbrigen 4 Fällen war das
Besultat der Untersuehuug nicht massgebend^ so dass Schultze „noch weniger
wie fmher diesem Zeieben eine wesentliehe Bedentnni^ fOr die Diagnose eines
dnreh ein Trauma herbeigcfflhrten Nervenleidens zuerkennen kann''.
Auch Eisenlohr hat negative perimetrisobe llesultate gehabt, le^t jedoch
denselben bei der verhältnissmassig kleinen Zahl der von ihm so nutersuchten
Unfallverletzten gegentlber den zahlreichen nnd exaeten Gesicbtsfeldbestimmungen
Wilbband's (s. nnten) beinen besonderen Werth b«.
Für die Häiifi^rkeit der Gef^ichtsfeldeinBebrinkmig waren von vonberein
Benedikt, Möbius und Bruns eingetreten.
Waa MÖBIUS ^'^) anbetrifft, so bat er später diese Behauptung su ein-
gesdirlnkt, dass sie bei Oppbnhbdi's Standpunkt der tranmatiselieii Hysterie
gegentlber bedeutungslos wird.
Er saprt nilnilich: Die dauernde coucoutrisehe dJesicbtsfoldehischränkung
ist, wie Chakcot es stets gelehrt hat, ausschliesslich Zeichen der Hysterie. Man
darf ne bd denen nieht erwarten, die nur an nenraatheniseh hypochondrisehen
Erkrankungen leiden.*)
Brüns constatirte in 7 von 8 Fällen das Symptom in voller Klarheit,
auch noch bei Untersuchungen nach Jahren.
Von besonderem Interesse sind die Mitthciluugen des Hamburger Augen*
anstes Wilbbamd. »■*)
WiLBBAHDf der sich schon frflher fOr das Vorhandensein der Gesiebts-
feldeinschränkunfr n<ich Traumen aus<resprochen hatte, bat unter 29 Beobach-
tungen von traumatischer Neurose sehr häutig die Erscheinung der concentriscbeu
Gesiehtsfeldeineehrinknng aller Grade gefunden; weiter aber im Verdn mit
Dr. Sänger an 60 nerrflsen Individuen umfassende ophihalmolo^iehe Unter-
snchinifren angestellt , au« welchen licrvor^'cht , d:iss derselbe Syniptoiiiencomplcx
der nervösen Asthenopie — insonderheit mehrweniger stark ausgeprägte cou-
eentriaehe Gesichtsfeldbeschränkung ohne ophthalmoskopischen Befund — fflr
alle Formen der Neurosen llberhaupt der gleidie ist; daneben aber fast durch-
gängig Störungen der cotanen Sensibilitftt in der Form von hypalgischen Punkten,
byperästhetischeu Stellen, Zonen herabgesetzter oder fehlender Sehmerzempfindlich-
keit bis zur completen Auüstbesic einzelner Gliedmassen und der ganzen Körper-
bllfte; dasu weitw Störungen der Haut- nnd Sebnenreflexe und endlieh ge,
steigerte vasomotorische Erregbarkeit, wie in der Form von Tuches c^rSraleSy
von leiclitern Krröthen , Neigung zu Ohnmaehten, üerzkiopfen, PrAeordialaugat
und reichlichem Schwitzen sich tinden.
So dankenswerth es ist, dass ein Ophthalmologe von Fach in so ein-
gehender Weise sieh mit der Bedeutung der GesiehtsfeldbeBebr&nkung bei CnCsIl-
verletzten Itescb.tftigt hat, so wird man doch gut thun , weitere rntersuchungen
anderer Augenärzte abzuwarten — s. z. B. unten Scuuidt-Kuü'LEB , welcher in
*) In Jen Fällen von Freund"'), Donath^") und Neumanu"-), welehe daa
Vorhandenaeio von GeBicbtsfeldeinachiänkaiig beatfttigm, bandelte «s sich wohl dvehweg um
tramnatiaelie Hysterie.
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UNFALLKERVENKKANKEEITEN.
vielen Punkten von Wiltirand abweicht — bevor man die WlLBKAND'wshok Ke-
saltate kritisch vurwertbet.
Sollten die WiLBRAMD'schen Angaben aber von anderen Seiten volle
oder aneh nur thdlw«Be BtMtlUigmg fiadeo, so wflrdea aleht nur die eonoratriache
Einiehrftokung des Ge-^icht$;felde.s, sondern auch andere sogenannte objeotive
Symptome, wie die Anästhesie, ornt recht jede Bedeutun<r als charakteristische
Symptome far die sofrenannte traumatische Neurose verlieren. Denn Wilbbamd
sagt avadrileklieh : „Dieser SymptomeneompleK findet sich nun in seiner Geiammt-
beit oder in verschiedener Gruppirung gans in deraelben gleichen Weise bei
allen traumatischen Npiirn-;en , wie hei unseren nervösen Schulkindern, wie bei
erwachsenen Neurastheuikiru, den Hysterischen , Cboreatiscben , kurz wie bei
allen Formen der Neurosen tlberbanpt.*^
Wie soll, abgeselien von anderen Fragen, im gegebenen FaUe festgestellt
werden , ob der Unfallverletzte nicht schon vor dem Unfall nervös war , was ja
bei der vnn Vielen angenommenen Verbreitung der Hysterie etc. auch beim männ-
lichen Geschlechte sehr wahrscheiulich erscheinen mUaste? Wie soll weiter eut-
sehieden werden, ob der Unfallverletzte nieht erst doreli das Ebingen nnd Bangen
während seines Proeesses nervQs geworden ist? — eine MOgtiehkelt, die von
allen Autoren zupregeben wird.
Soll Klarheit Uber diu diagnosti.sche Bedeutung der Gesichtsfeldeinscbrän-
kong fBr die ünfallnervenerkrankangen geschaflt werden, so muss vmr Allem in
flbereinstimmender Weise festgestellt werden:
1. N\V> ist die Orenze zirisohen physiologisehem und pathologisohem
Geaicbtsfeidf ?
2. Inwieweit ist die wühreud der Untorsuehung sich einstellende Er-
mfldnng fOr die Geaiebtsreldeinsehrlnknng verantwortlieh an machen?
Hiertther besteht bis jetzt in keiner Weise Ueboreinstimmnng nntor den
Autoren, selbst nicht unter den Ophthalmologen.
SCHULT/E glaubt im Gegensatz zu OrP£NH£iM, ,,auf das Urtheil erfahrener
Augenärzte gestützt, auf geringe Abweichungen desselben keinen Werth legen su
Sölten, weil Abweichungen der Angaben der Untersuchten innerhalb der Grensen
von 15 Orad noch in da-* Tiebiet der Fehlerquellen fallen".
Wu.BR.AXn daüre;^'eu sagt: „Geringe ci»ncentrische (Jesiclit,sfeldeinsehrän-
kungen sind, wenn sie auch manchen Autoren zu wenig zu iuiponireu seheiueu,
Krankheitszeiehen von dem gleichen ^ptomatisehen Werthe, wie hochgradige,
anmal wenn sie bei Ausschluss aller, das Gesichtsfeld sonst iMeogenden Zustände,
von etitanen Sensibilitätsstörungen und Steigerung der Sehnenreflexe begleitet
aind. Ferner verdient hier hervorgehoben zu werden, dass bei vielen Patienten
die Gesiehtsfeldeinschrflnknng im Lanfe der Beobachtung keine eonstante bleibt,
sondern der (ir.ul der Einaohrftnkuug oder die-^e Uberhaupt Schwankungen unter-
worfen ist. Wie bei jedem nervösen /.ustande im Ail.L'enieinen die KlaL'cn einen
Wechsel zeigen , so kommen bei den traumatischen Neurosen im Verlaute der
Beobachtung Zeiten vor, wo die asthenopischen Beschwerden geringer werden oder
fast veraehwinden, während eine andore Gruppe nervOspfunetioneller StOrnngen
in den Vordergrund tritt. Ferner kann das Geaiehtafdd auf dem einen .\ugo
normal sein . auf dem anderen Auge dagegen eine hochgradige BeschrJlnkung
darbieten. LutcfNucht der Heobachter aber nun gerade das Auge mit dem normal
gebliebenen Gesiditsfeld , dann wird anch in diesem Falle da« Vorhandensein
einer Einaehrinknng ncLnrt w<'rden.''
Aus den vorhergeheiub'n Mittlieilungon ireht hervor, dass die Meinungen
der verschiedenen Untersucher Uber die Häufigkeit der eoucentrischen
Gesichtsfeldeinscbrftnkung bei Unfallnervenkranken ausserordentlich aus-
dnaadergeheo.
Diese Differenz zu erklären, sind verschi(<dene Versuche gemaeht worden,
mehtssagend ist der Erklärungsversuch von OPPiiMBBiH: „Wie ist es nun au
4B*
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756
UNFALLNERVENKRANKHRITBN.
deuten, dass ich das Symptom sehr häutig gefunden habe, Andere, denen eine
grosse Erfahruag zu Gebotö steht — wie IllTZlG — dasselbe uur selten uaeh-
wiMen? Bs Itt tiw EntHmnmkg, der wir hinfig begegnen, daa« an bestimmt«
Krankbeitssymptom von dem einen sehr häaflg, von dem anderen Beobachter aelir
selten gefunden wird. Hie ItiiVerenzcn kennen znfilllige sein , sie können in der
Beschaffenheit den Uutersuchungsraaterialeä liegen , sehr häufig aber beruhen sie
auf dem Umstände, dasa der Eine Mn grosses GewiiAt anf das Symptom legen
so mflssen glaubt, daher in jedem Falle grflndlich und wtederholentlicb nach dem-
selben fahndet, während der Andere, von vornherein demselben weniger Bedeutung
beimessend, sich mit einer einmaligen Untersuchung begnügt und geringeren
Abweichungen keinen Werth beilegt.
Ebensowenig wird die Anaebannng Oppbnbbim's, dass „die Oesiehtafeld-
^neogong bei den funetionelten Neurosen, wie die Symptome dieser fllierhanpt,
von ganz anderen Gesetzen lieherrselit werde. :ils die entsprechenden St(lrungen
bei organischen Uirukraukheiten überhaupt", nur iuäotern als richtig bezeichnet
werden kftnnon, ala ea Idebter itt, den üntersehied swiaohen Garniehtaehen
nnd Beiwr&ehen za markiren, wie das bei den centralen Symptomen so häufig
vorkommt, als anzugeben, wann nun ein schwacher Schimmer zuerst deutlicher
weiss oder farbig i^t, da doch ganz allmi'ilige Uebergiinge wahrgenommen werden.
Im Uebrigen giebt es aber nur eine Physik und eine Physiologie"
(SCBÜI/rZB, SCBMIDT*RniPLSB, 1. G. pag. 564).
Daran können am wenigsten die Angaben Hysteriseher etwas ändern,
bei welchen (WoLLExnKuo) „das Gesichtsfeld auf die Flilche projieirt bei Prttfnng
in weiterer Entfernung nicht die geringste Erweiterung zeigte".
WiLBBAMD nnd ScBMlDivBtitPLKR machen darauf aufmerksam, dasa alle
Ckdohtsfeldzeiehnangen und Angaben nur richtig beurtheiit werden können, wenn
die Grf^sse des Probeobjeetes angegeben wird : Letzterer hfllt auch die Gr<^sse des
Uurchmessers des angewandten Perimeters nicht für gleiehgiltig tür die Beurtheiluug
nnd macht über die Methoden, welche vor Uotersucbungsfehlern sehfltsen können,
Miaflllirliehe Angaben.
Dies flihrt zu der anderen Frage:
Kann Einschränkung des Gesichtsfeldes simulirt werden?
Oppenheim hält diese Simulation tUr unmöglich, ausser wenn, was gewiss
nur ftnsserst selten der Fall sein dttrfte, ein vMüges Vertrautsein mit dem Wesen
dieser Erseheinung, ein sorgfilltiges Vorstadium am Perimeter vorausgesetst
werden könne.
WiLBHANU meint, die Simulation ebenfalls ausscbliessen zu können,
wenn alle den Ophthalmologen zu Gebote stehenden Vorsiohtsmasaregelu ange-
wandt werden.
ScHMiDT-RiMPLER dagegen sagt: ..Die Simulation concentriseher Ge^icht^-
feldeinengungen wurde schon vor Einführung des l'nf.illireHetzes und vor Auf-
stellung der traumatischen Neurose geübt*' und führt aU Beispiel an, dasa er
namentlieh unter den Reeruten, welche reeht hftufig eine eoneentrisohe 6eeiehts>
feldeinengung angeben, im Laufe der Jahre eine ziemliche Zahl von Simulanten
entdeckt habe, d. h. wirkliche Simulanten, die ihre falschen Angaben eingestanden
und als Soldaten nachher voll ihren Dienst thateu. Ja er habe naoh seiner Er-
fahrung den Eindruck, dass gerade die Simulation einer eoneentrischen Oesiohta-
feldmnengnng sehr nahe liegt: „Da die Personen uns überzeugen wollen, dass sie
schlecht sehen, so geben sie bei der peripheren Prfifang des Gesichtsfeldes dort,
wo der herangeführte (Jegeiistand ihnen noch undeiitlicii ist. und sie mehr einen
Lichteindruck empfinden , an , überhaupt Nichts zu sehen, und erst dort, wo sie
das Probeobjeet seharf in seinen Oontonren erkennen, sagen sie, daas es siehtiiar
*) Trotzdem bebauptet Oppenheim'-'-';, pug. 45, die Oeiidltsfeldprfiltaag Mi
„weder eine besonders mühsame, noch eine besonders zeitraubend«'.
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UKFALLMERVENKBANKHEITEN.
757
wird; damit kommt die cunceutriäche GesichtätetdeinenguDg zu Stande." Weiter
theilt ScHHiDT-RiliPLER diien Fall mit, in welchem ooDeeDtrlBebe Oeeiditsfeld-
einscbränkung von eiuem ao „tranmatiseher Xenrose" leidniden Hetalldfeher
simulirt wurde.
Ebenso hat ein anderer Augenarzt Fischer die Möglichkeit der
Simulation zugegeben und erklirt die Art des ZuatandelEOmmenB der Simnlation
80f dass die Simulanten sich am Perimeterbogen einen Grenzpunkt merken, naeh
welchem ^i<> die Angaben machen. Somit stelle sich das aimulirtu Gesieht.-^feld als
ein überaus re;rt Iraflssiges , raeist n«ch allen Seiten ;^leich stark hej^renztes dar,
während Oi'I'KNUKIM ^''^), pag. 44, dasselbe hU ein ausüerurdentliuh unregelmäsaiges
abgebildet bat, welchem man die Willkttr des Bxploranden sofort ansehe.
Als „ein ol.ji < ti\ ts Kennzeichen der tr;niui:itischen Neurose" ist neuer-
dings vnu Konh; " i die leichte Ermüdbarkeit des Gesichtsfeldes
aufgestellt worden, indem er nachwies, dass der von Fükst£K 1877 gefundene
sogenannte „Versehiebuugätypus'* auch bei der tranmatiscben Nenroee
vorkommt. Frkund hat diese Angaben bestiitigt
Bruns und Scbultzb hoffen darin ein nicht simulirbares Criterium erlangt
zu haben.
SCHMIDT-RlUPLER dagegen schliesst seine ausfuhrlichen Darlegungen damit,
diiSB er erklirt, nicht in der Lage au sein, den von KÖNIG gefundenen Ver-
sdiiebnngst7pus als ein objeetive« Symptom der tranmatiseben Neurose ansa-
»kennen.
Als Kesumc der bis jetzt geführten Controverse Uber
die diagnostische Bedeutung der AnSstbesie und der eoneen-
trisehen Gesieht^fcldheschrilnkung für die „traumati.sch e Xen-
ro se" d ü r f e n wir h i n s t el 1 e n, d a 8 h b e i d o S y m p t o m e als »objeetive
und nicht simulirbare Criterien nicht zu bezeichnen sind.
Beiläufig mag schon hier erwähnt werden, dass Anästhesien und Gesichte«
fHdeinMbrinknngea, irie sie bei Unfallverleteten beobachtet werden, an sich die
Arbeitsfähigkeit nur in den seltensten Fällen beschränken.
Weiter ist als ein nicht simulirbares objectives Symptom für die soge-
nannte traumatische Neurose die Pulsbeschleu niguug hingestellt worden.
ScHULTZB legt ein sehr geringes Oewieht darauf, wenn während der
Untersuchung durch die Gutachter die Herzuction gesteigert ist. Gerade bei
Sinmlaiitcn wird ein solches Symptom erst recht eintreten müssen , so dass es
ihm gerade umgekehrt eher gegen Simulation zu sprechen scheine, wenn während
der Untersuchung die Herzaetion eine gleiobmisnge bleibe. Himo legt dem
Überaua häufigen Symptom der krankhaften Beschleunigung der Herzaetion tone
grosse Wichtigkeit bei. Er bestreitet, dass dieselbe sich wochcn- und monatelang
bei taglieh mehrmals wiederholten Visiten des Arztes lediglich als Folge derselben
erhalten kann, und würde sie sogar bei einer grossen Anzahl von Individuen,
wenn sie auf «rinen soleben Rdz wiederholt eintritt, als ein Zdehen von Krank-
heit betrachten.
.h)H. ^oKK^rAN\ hiilt in irebereiustimmnng mit Mendel Beschleunigung
des Pulses in dauernder Weise, besonders wenn bei jungen Individuen sich Arterio-
selerose herausbilde, fDr ein sehr wichtiges Symptom der Krankheit. Vorflber-
gehend bei den I ntersuchungen auftretende Pulsbeschleunigung sei nicht mass-
gebend nach der einen oder anderen Seite ; er habe sie üherliaupt selten beobachtet.
Bkuxs verlangt Beobachtung im Krankenhause , wenn das Symptom
volle Wichtigkeit haben solle; aU sieher vorhanden erwiesen sei es aber von
grossem Werthe.
Damit nicht cufrieden , verlangte SbeliqmOller "^'*}, dass die durch
Missbrauch von Alkohol , Tabak und anderen Ilerzerregungsmittoln entstandene
leichte Erregbarkeit des Herzens volle Berücksichtigung erfahre^ und dass der
Ezplorant auch bei sorgfältigster Ueberwaehnng, die den Qebrandi von Bzeitantien
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ÜNFALLNEBVENKRANKHEITBN.
Tollstftndig ausscbliesst , nahezu diesülbe i^uUfrequeaz zeigt, wie vorher. Nach
seioer EMümmg bildet rieh in Folge der genannten Intoxieettonen *) znA
ohne vorausge^angeneu Unfall eine hochgradige Bmgbei'keit des Herzens aus,
die sich hei joder lebhaftfii köriierlichen Bewegung, vor Allem aber bei jeder
gemttthlichen Errc^un^; sofort als gesteigerte Pulsfrequeas bemerkbar macht. Wie
viele VennlaBsung zur gemttflilieiieii Erregung bnben ftber die ünfnllverletsten
bei dem jetsigen Verfahren in Folge der oft Jahre lang eieh liinriehenden Ver-
bendlnngcn. Dazu ist bei .Simulanten mich die Gewiasenaangst in Anschlag n
bringen, wie besonders Knxui hervorhebt.
iSEfiLiGMÜLLEU thc'Ut zwei Fälle mit, in welchen die gesteigerte Puls-
flreqneni von firoberen Begntaehtem ab „traumatisehe Hersnenrose** anf«
gefaat war.
In dem ersteu Falle, der einen 41jährigen Kiipferttchmied P. F. betrifft,
hatte im Mai 1Ö87 eine Quetschung des linken Goldliugers stattgefunden, welche
die operatiye Entfernung des Fingen nöthig maebte. Orosse Sehmersbaftigkeit
der Narbe, aus welcher 7 nnd dann noeb einmal 10 Konnte naeh der ersten
Operation kleine Ampntationsneurome operativ eiitf«'rnt wurden. -- Allein die
Schmerzen und die EmpHndlichkcit der Narbe bentihen fi»rt neben allgemeiner
Nervosität; eine dritte Kevisiou der Narbe wird von einem chirurgisehen Speoialisten
16 Monate naeh dem ünfall für wahrseheintteb erfolglos erklärt, weit neben dw
allgemeinen Nervnsit.Ht sich eine „tr au raatiaohe Herzneurose" (bis auf
120 Pulse in der Minute gesteip^erte Horzthätigkeit) entwickelt hat, so dass F.
selbst bei den leichtesten Aufseberposten in der Fabrik wegen Unruhe es nicht
ausbauen kann. 8 Jabre naeh der Verletzung wird der Fall SekligxOllbr nr
Begntaehtnng überwiesen.
Die bei Jeder Perübrung empfindliche Narbe (notabene jede Spur einer
2^^('uritia ascendcns fehlt) ist gar nicht empfindlieh, wenn sie durch faradische
Reizung des Streckers oder des Beugers, deren Sehnen mit ihr fest verwachsen
sind, ad mazimnm yeraerrt wird. Die anf 120 PnlaaebUlge gesteigerte Hera-
thätigkeit geht auf das Nonnale, ja Snbnormale herunter (60 in der Minute),
während F. abwechselnd von zwei zuverlässigen Heilg'ebilfen, welche aueh während
der Nacht alle zwei Stunden den Puls zu notiren haben, während 48 Stunden
nnansgesetct, Naebts bei beller Belenebtnng so flberwaeht wird, dass die Möglich«
keity Tabak oder andere Exdtantien zu gebrauchen, durchaus ausgeschlossen ist.
In dem zweiten I-^alle, welcher einen ;i4jiihrigen. M-hr kr.'iftifren Pergmann
Namens Landmanu betrillt, war die von anderen Aerzteu diagnosticirte „trauma-
tische lierzneurose'* durch hochgradigen Missbraneb von Tabak und Alkohol
bedingt, die flbrigen Ersebeinnngen von Sebwicbe in den Beinen ete. waren
simulirt. Der p. Landmann arbeitet, seitdem er von Seeligmüllkr ffttr arbeitsp
jf&hig erklärt ist, wieder in derselben Weise wie vor dem rnfalle. ''■*)
Dieser Fall ging also weniger tragisch aus , als die Fälle OprENUEiM's
„von markanten Herzsymptomen, welche alle ungflnstig verliefen**.
Rümpf bat in neuerer Zeit die Aufmerksamkeit der Untersucher auf das
sogenannte MAXXKOrK'Hche Symptom gelenkt. l>iese>^ Symptom beisteht darin, dass
Druck auf einen schmerzhaften Punkt sofort eine Steigerung der Pulsfrequenz
zur Folge hat.
*) Seeligmfiller hat besonders darauf aaftnerksam gemacht, daas nicht nur das
Talakrauclieu, tondi ru nanienUich auch das Tabak kauen (Pri' tiien) ilie neiztliatiRkeit sehr
»cliuell 8toi|:ert. Eia Explorund der medicinischen Klinik in Halle hatte lange Zeit eine allen
Hilteln widerstehende hoch^dige Steigerung der Pulsfrequenz gezeigt, bis er snföUig dabei
ertappt wurde, dass er Tabak k;uitf. Als ihm darauf die M'iflichkeit, dies zu thun. abge-
schnitten wurde, ^ing der l'uls n.ieh einiger Zeit dauernd auf die normale Fretjuenz zurück.
Die von .M (> 1) 1 II s I vom grunt^fi Tisclio aus beliebte ..\ erniehtendo" Kritik
dieser und anderer von Seeligmuller veroflentlichter Fälle erbalt durch diese Thataache
die rechte Belenehtong.
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ÜMFALLM£BV£NKKAMKÜEIT£N.
759
Ueber die diagnostische Bedeutung dieses Phänomens wird erst geurtheilt
werden können, wenn es in einer gössen Zahl von Ffillen , und zwar nicht nur
liei Unfallverletzten, sondern auch bei anderen mit Schmerzen irgendwelchen Ur-
sprungs Bebaftoton nntemicht worden sein wird.
Bis jetzt ist die Zahl der üntenaehungcn noch zu gering, um andere
Schlüsse (lar;iiis zn ziehen, als : ..das negative I^irfrcbniss kann bis jetzt nicht als
ein Gegenbeweis gegen die Richtigkeit von Schmerzaugabe verwerthet werden"
(Schültze).
Endiieh beben wir toh den eU objeeliv beadebneten Symptomen der
trnnmatischen Neurose noch die psychischen Anomalien zu besprechen.
Schon Ericitsex lepjte auf diese einen gro:^sen Werth und nach OprEN-
HGi^ ^^bilden sie den JUuden, auf welchem sich die Mehrzahl der Übrigen £r-
seheinnogen entwickelt". Bs handle eieh ^^nnr aninabmsweise nm Psyehosen im
engeren Sinne , sondern um hypochondrische , melancholische und byeterisobe
psychische Krankheitserscheinungen, die sich miteinander combiniren und TOn denen
bald dieses, bald jenes Element in den Vordergrund trete".
Ebenso iet die Wichtigkeit dieser E^bdnungen befTorgeboben worden
von SteOmpblIi, Lbwbk, Hmao, Bruns und Möbius.
ErsRXLOHR f*') hatte bereits darauf hingewiesen, dass es „gewiss nicht
correet sin, hei allen in Fra^re kommenden Zuständen das Hauptgewicht auf den
psychischen Eindruck , auf die Vorstellung alä vermittelndes Element der resul-
tirenden Krankh^tssymptome an le*en".
ScHULTZE ist nach seiner Erfahrung der Meinung, „dass mit der Diagnose
einer krankhaft verilnderten (Jeiuüthsstimmun^ oder einer wirkliehen Psychose
zu rasch vorgegangen wird". Weiter erinnert er daran, dass auch wirkliehe, zeit-
weilige Depression, wirkliehe Angstznstände mit Henklopfen and Zittern deswegen
bestehen können, weil sich Jemand, dessen urspriingliebe Beschwerden lingst auf-
freh(irt haben, zur Simulation oder starken Aggravation verleiten liess . und sich
nuu zu seinem Sehrecken gezwungen sieht, die einmal angefangene Täuschung
immer weiter fortzuführen''. Hierauf ist sicherlich in vielen Fällen auch die als
Symptom der traumatischen Neurose bezdebnete Seblaflosigkeit snrllekiufYlbren.
TfliEH bält die Hypoebondrie unter den niederen Stilnden für sehr
verbreitet.
SF.ELIGMÜLLER bestreitet dies. Sicher beobachtet man eine melancholiHch-
hypocbondrlsehe Verstimmung bei Unfallverletsten ; diese tritt aber vielfaeb erst
dann ein, wenn Ein-ehriinkung oder Verlust einer ausgiebigen Ivente droht. Die-
selbe melaneholisch-hypoehondrisehe Verstimniunfr sielit man gelegentlich bei unseren
Rentiers im gewöhnlichen Sinne so lange Zeit bestehen, als der Miethsertrag oder
der Zinsgenuss unter der gewohnten Höhe bleibt. In gleicher Weise, wie diese
Vmtlmmnng mit Besserung der VerbSUnisse wieder verschwindet | dürfte aneb
die Hypochondrie der Unfallverletsten biufig aufhören, sobald die BewilUgang
der Rente erfolgt ist fRAcjNE).
Auch das Fehlen der gewohnten körperlichen Bewegung bei der Arbeit
ist wohl in Ansdilag sn bringen, insofern ee einer hypochondriseben Verstimmung
nur günstig sdn kann. Jedenfalls erfordert gerade die Feststellung dieser psyebi>
sehen Anomalien eine ISn-rere Beob.achtung im Krankenhause und ist es unbe-
greiflich, wenn man sieht, ddA» Aerzte, die sich nach ihrer Berufsstellun«: ein-
gebend mit Psychiatrie besebflftigt haben sollten, sieb lediglieh dnreb den „be-
jammernswerthen Eindruck, die weinerliche Stimmung, das trübselige Aussehen**
des Explorandcn bei der einniali^'en Untersuehun^ hestiniraeu lassen, die
psychischru Anomalien der traumatischen Neurose zu diagnosticiren.
Können psyebisebe Anomalien simulirt werden?
Diese Frafre ist unter Anderem von MöBU S in verneinendem Sinne be-
antwortet, weil nach der einstimmigen Erfahrung der Irrenärzte reine Simulation
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76©
ÜNFALLNERVENKRANKHBITEN.
von Psychosen ausserordentiicli selten ist. Bei der traumalischen >ieurose bandelt
es aidt lUier nieht um eigeatlidie PqreiHMeni sondern im Weseutlldieii nar um
StimmttBgBsnonulien, also nm einxelne psychische ElemeotarstfiniDgeit , die sehr
wohl vorjretjiiisoJit werden können. Dia.irn ostisch schwerwiegende Elementarstörungen,
wie IliilliieinationeD, sind in dem Syinpt<imt'nliilde der traumatischen Neurose nir-
gends erwübut; nur dass Oppenheim am öcblusä auf das Vurkommeu von ballucina-
torisehen Delirien hysteriseben Cbsrakters hinwdst.
Besonders hervorgehoben sin*! stnrnngen der Intelligenz und des
Gedächtnisses. Iiier darf wohl der Beweis {refordert werden, ob diese Stö-
rungen nicht schon vor dem Unfall, vielleicht seit Jahren oder gar seit der Geburt
bestanden beben ; aneb organische Himkrsnkbeiten dürfen niebt flbeneben werden.
In Beztig »nf die angebliche Oedicbtnisssohwftehe bat Bönig**)
folgende Krfnlirungen gemacht:
„Auch in solchen Fällen hat die hiugere Kcobachtunf^ Simulation zu
Tage gefordert. Da stellt es sich heraus, dass die Rentencmpfilnger fUr solche
Begebenheiten nnd Daten, die ihnen nur Darstellung ihres Zostandes als sweek-
mflssig erscheinen, bis In die Einzelheiten ein sehr gutes Gedilcbtniä^ haben. Ja
sie gebrauchen meist dieselben Worte und Rcdeweu iungen, die sie vor freraumer
Zeit angewandt habeu, wieder. Dabei sind sie mit ibreu Aeusseruogen sehr vor-
sichtig, um sieh nieht zu widersprechen. Auch wnssten cie, wenn man sieh mit
ihnen während der Blasi>a^e oder den Ucbungen an den Apparaten in ein Gespräch
ein!ie<-i. ilher verschiedene Krlelmis-ie iu den früheren Jahren zu erzählen. Um
die Ktnieif uipiängcr auf das ZsbleugtdäehtDiiis 2U prüfen, empßehlt es sieb mit
ihnen ein Gespräch (Ihtr ihren Jahresverdienst nnd die sirb daraus ergebende
Rente snsuknOpfen nnd man wird ünden, dass sie diese AusrtrehnuDg im Kopf«
sehr gewandt und ;rcnan machen können. Auch wisKcn sie, wie viel Rente sie
bereits erhalten habeti und ob die Sumu;e n it der Ausrechnung übereinstimmt.*'
In eioem Falle, wu der Explorand beim icrnüu vor dem Schiedsgericht u. A.
seine OedlehtniflSBchwlehe zur Oeltnng bringen wollte, trog er den Torgang
sdnes Unfalls und seinen angeblich krankhaften Zustand so klar und deutlich
vor. dass nicht (•cdächtnisssehwäche , sondern GedAehtaiSBSehirfe sn Tage trat
und er mit seiner Forderung abgewiesen wurde.
Paob hat nur dne Abiiahme d«r Fähigkeit, die Oedanken su eoneen*
triren nnd aufmerksam zu bleiben, selbst bei der Unterhaltung, an Unfallve^
letzten wahrgenommen , nicht aber Defecte des Erinnerungsvermögen-^ für Er-
eignisse aus der Vergangenheit. Auch in Folge anhaltender Broaibehandlung,
welche, wie Pauk mit Kccbt hervorhebt, die ganze Symptomeugruppe der allge-
meinen KeryenersehOpfiing nach Cnfkllen zur Folge haben kann, kann Oedlcht-
nisssehwäche sich ausbilden.
Schliesslieh mag erwähnt werden, dass Oi'PKXHKIm sellist znjriebt, dass
es Fälle von traumatischer ^ieurose giebt, in welchen psychische Aaumalieu fehlen
und weiter ssgt er in der zweiten Auflage, wörtlich : „Manchmal kann es schwierig
sein festzustellen, inwieweit die Verstimmung Folge des Cnfalls, inwieweit sie
durch die Nichtbcfriediguog der Ansprüche des Verletzten und seine Nahmngs-
sorgen bedingt ist "
VaüK vermag aus seiner grossen Erfahrung nur einen einzigen Fall von
Psychose (wochenlang bestehende tiefe geistige Depression mit Selbetmordtrieb)
und zwei Fälle von Thorburn (hysterische Psychose bei einer Frau, welche nach
1 Jahr verschwunden war und hysterische Melancholie mit Neigung zum Selbst-
mordj anzuführen.
Wir haben nunmehr die von Oppbxbeiii hervorgehobenen vier Haupt-
syniptouie der trauniatif-ehen Neurose — Anästhesie , Gesichtsfeldeinschränkung,
I'ulsboelileuniirunfr und «■lii-ehc An>«nialii ri — darauf anfre-;ehen, ob dieselben
typisch sind, d.h. ob sie bei rnfallvcrlctzten in grosser llilutigkcit beobachtet werden
und ob sie, wenn angeblich vorhanden, nicht leicht vorgetäuscht werden ktaBen.
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ÜNFALLNBBYENKRANKHEITRK.
761
Die Antwdit aut diese Fragen ist in keinem Falle bejaland ausgefallen.
Nuch weniger stichhaltig aber werden sich die anderen auch von vielen
Freunden der tnunnatiaeben Neurose als weni§;er beweisend anerkannten, snm
Thdl Bubjeetiven Erscheinungen erweisen.
Neben den bisher besprochenen objcctiven Symptomen
sind Dämlich zahlreiche subjective hervorgehoben wurden. Wir
kSnnen hier nur auf einige derselben eingehen.
Als solche sind zu nennen : l.StOruni^en der Verdau u u^, 2. Ab-
mager iin . -y fi b r i 1 1 il r c Z n c k u ti ;r i- n ,1. Z i 1 1 ern , 5. V e r fl n d e rn ngen
der reflectorischeu und 6. der elektrischen Krreg barkeit.
Von den Störungen im Verdauungsapparate sind besonders verminderte
Nahrnngsaufoahme und Erbrechen au erwKbnen.
Die «(>;jrenannte Appetitlosigkeit der rnfallverletzten ist in F.lllen,
w" jeder Anhalt spuukt für diese Krspheinung fehlt, vordUchtig. da ja von Milit.lr-
pdichtigeu längst bekannt ist, dass sie sich durch freiwilliges Fasten körperlich
herunterbringen, um den Eindmek grosser SehwXehe su maehen. Ebenso kSnnen
Erbrechen*), aneh solches von Hlut, simulirt werden. Tympanitis, durch Ver-
schlucken von liuft kiinstlic)) hervorgebracht, sah Page nach Androhung eines
operativen Eingriffe« verschwinden.
Andereradts bat Schultzbi«>) Jn ^nem Falle von Hypochondrie nnd
Neurasthenie bei einem Unfallverletstcn eine chronische Hagenaffection naeh-
gewiesen, wclelip init einem Mangel an nacliwci^barrr SnlzüUure verbunden war.
Im Anschlüsse hieran erwähnte HlTZUi auf dem internationalen Congresse.
dass er in seiner Klinik eine bestinimto Form von Hypochondrie beobachtet habe,
welche als Htfpochondrta gastrica an beseiehnen sei, insofern dieselbe durah
Verindernngen de» Magonmechanismus , sowohl durch Anacidkas , wie durch
J{i/pprnri',fifns /n/ilrorf/lorira, liedingt sein könne. Als dillereutial -diagnostisches
Moment mit Bezug auf das Vorkommeo analoger Zustände bei traumatischer Neu-
rose sei die günstige Prognose dieser Krankheit bei passender Behandlung des
Ornndleidens zu verwerthen.
Obwolil nun "hwe Weiteres zuzugeben ist, dans nach riifall Neurosen
des Magens entstehen können, so ist doch im gegebenen Falle immer zunächst
die wichtige Frage zu beantworten , ob das Magenleiden nicht etwa schon vor
dem Unfälle bestanden hatte. Anderarseits ▼Ire es nicht an verwundern, wenn
hü. Exploranden in Folge der mannigfachen Veranlassungen zu Verdrass und
Aerger wMhreiid ihres meist langwierigen Processes auch ohne jeden traumatischen
Einduss sich eine solche Magenaffection ausbildete. Unser Volk hat fUr diese
Ursache den bezeichnenden Ausdruck ,allen Aerger in sieh hineinfi'essen'*.
Eine allgemeine Abmagerung des Körpers kann die eine oder
andere der genannten Verdauiiagsst^rungen Bur Ursache haben oder aber durch
freiwilliges Fasten hervorgerufen sein.
Locale Abmagerung eioadner Theile des EOrpers, namentlich des
Armes, sind nicht selten durch absichtlichen meh^braueh derselben iMrbeigefnhrt.
Pcsondcrs häufig bcoba» htct man dies nach Luxation des Schultergelenkes. Um
die darnach zurückgebliebenen Str.rungeii der Beweglichkeit zu bessern, wird dem
Verletzten bei seiuciu Austritte aus dem ivraukenhause warm empfohlen, den Arm
fleissig KU bewegen nnd durch leichte Arbeit £U kriftigen. Dieser aber trachtet
nur nach der ihm ,,zustehenden^^ Rente und versetzt, nm den Arm in Status (|U0
zu erhalten, denseilten geflissentlich in permanente Ruhe, durch welche natürlich
Atrophie und Schwerbeweglichkeit schnell gesteigert werden. Solche locale Atro-
phien, z. B. des Daumenbalh»8 und der Interossei, können in Folge von fiüheren
Traumen oder von rheumatisch-arthritisehen Affectionen auch sehon vor dem
*} Carl L»we, Deatrche med. Ztg. 1$91, Nr. 96.
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762
ÜNFALLNERVENKHANKUEITEN.
Unfälle bestanden haben und werden viendebt nunmebr als «igebliehe Folgen
desaelben ausgebeutet.
Die fibrilläreu Zuckungen, welche trüber als Vorläufer schwerer
Hnskel-, beiiehnngfweiee Nervenleiden gedeutet wurden, haben an patbegnostiseher
fiedentung immer mehr eingebflsst, seitdem durcb die Erfahrung festgestellt ist,
dass sie ohne wesentliche Veränderungen im N('rvenriHiskel;ipj)Hratü auftreten können;
80 dauernd bei Keconvaiescenten oder sonstwie Geschwächten und vorübergehend
in Folge von üeboranatrengung des betreffmiden Gliedes*), sowie dureh andauernde
GemUtiubewegungeUf beeondm Angst. Ausserdem wissen wir, weleben bedeutenden
Einfluss knitere Temperatur*'*') anf das HeiTortreten dieses Pliilnomens naeh dem
Eutblössen des Körpers liat.
Das Zittern liuzeluer Glieder, ja aller vier Extremitäten, kann simulirt
werden. Brnbdikt, SbbuguOlleb und neuerdings HöNfO baben eolatante Bei-
spiele von SirDulation des Zittern» mitgetheilt. Es bedarf daber in zweifelhaften
Fällen einer stetigen Beobachtuug bei Ta;r und Naeht in einem wohleingeriehteten
Krankenhause, um in Betreff der Realität dieses Phänomens in s Klare zu kommen.
In Fällen , wo das Zittern das eiudge nervöse Symptom ist« empfiehlt sieh die
von SbblighOllbr angegebene Methode (s. den Fall von HöNlo*^), pag. 426).
Zittern, welche« bei Ausfichlie«snn;^ nnderer fitinlM^risoher Momente, vor Allem des
Alkoholmissbraucbs , auch dann besteht, weim der Unfallverletzte sich nicht in
erregtem Zustande beßndet, ist von bedeutendem Werthe. Tritt es dagegen nur
wfthrend der üntmuebung dureb den Begutachter und erst nach längerer Ent-
blOssnng der Theile anf, so verliert es an Bedeutung (Schultze).
Das Verhalten der Sehnenreflexe giebt nur iu gewissen Fällen
sicheren Aufsohluss über das Vorhandensein einer functionellen Nervenkrankheit
nadt Trauma.
Gegen die Annahme einer solchen und tHr das Vorhandensein von
organischen VtTfindernngen spricht das völlige Fehlen der Patellarreflexe (selbst
nach Anweuduug vuu Jkndkassik;.
Einfache Steigeruug der Sebnenreflexe kann nach unserem jetzigen Wissen
nicfat mehr als ein Zeichen angesehen werden, welches die Diagnose der trauma-
tiseben Neurose wesentlich stutzte.
Zunächst hat Düxcjks nachfrcwiesen , dass jreleLreiitlicli der Kiiitliis^ der
Kälte eine nicht unbeträchtliche Erhöhung der Erregbarkeit hervorbringcu kann.
Eine Steigerung der Reflexe bis zum höchsten Grade kann aber naeh den Untnr-
Buchungen von Longard***) bti gauz unzweifelhaft rein psyebischen Erregnngs-
y.ustrinden anftr< ten. Weiter li.-it Sruri TZK eine erhebliche Steigerung bei
chronischen Krankeu, besonders bei Phthisikern, sowie bei nervOseu Individuen
beobaebtet. Dass bei Neurasthenie die Patellarreflexe sehr häufig gesteigert sind,
ist eine allgemein bekannte Erfahrung; nach LöWBNFBLDf) in der grossen
Mehrzahl der Fälle von spinaler Neurasthenie, und zwar zuweilen in ganz ex-
eessivem Masse , so dass beim Beklopfen des Kuieseheihenliandes nicht blos der
Unterscheukel, sondern das ganze Bein in die Höbe geschleudert wird.
WiLBBAND und SlNOBB ^**) fanden bei der Untersuchung von 45 nwvttsen
Individuen aller Art (s. Tabelle I, pag. 38—53), tulx n Ocsiehtsfeldeinschränkung
und Sensibilitätsst(lrungen, 31mal •Steigeriin'r der Selinenrftlexe. speeiell des Patellar-
retlexes, also in etwa TO*',«. Es ist nicht verständlich, wie Wilurand mit diesen
Ergebnissen seiner Untersnebungen an 45 niebt ausgewählten nervOsen Personen
die neuerdings aufgestellte Behauptung in Einklang bringen will, dass die con-
eentrisebfl Gesiobtsfeldeinschränknog , die cutanen SensibilitätsstOrangen und die
*)8ee1!i7mflll6r, Lehrbnch der Krankheiten des Rttckenmarks o. Gehirns, pag. 220.
I Aair. D ü n e s , l eljc-r das Verhalfen der Sehnenreflex« bei AbkttUnng der KBipei^
oberÜacbe. Inaugaral-Di^s. Bonn IsS^.
**•) Longard, Zeitschr. f. Nervenheilk. BJ. I, pag. ;!0u u. ff.
t) L&wenfeld, Die objectiven Richen der Nenrasthenie. Uünchen 1892.
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ÜNFALLNBRYBKKBANKHBIIXN.
763
Stdgwnng und ÜDgleiehheit der Sehnen- und Hintre6exe eine Trias von groBMm
Wwthe für die Diagnose der traanttlflehen Neiiroso darstellen sollen.
Völlig g^erechtfertifrt (iag:etren ist der Sebluss, den Schültzk aus den
von ihm citirten UDtersacbungen Lonqard's zieht: „Ist aber nacbgewiesener-
maasen eine bisher als enisehieden pathologiseh betraelitete Steigernng der Sehaen-
refleze bei einfacher psychischer Aufregung bei nervösen Individuen vorhanden,
so i^t Iciclit orsichtlich , dass gelegentlich auch bei solchen Mmpclirn ein der-
artiges Symptom nachweisbar sein kann, welche in Angst vor der Eutdeckung
ihrer falschen Angaben dann schweben, wenn sie gerade untersucht werden."
Verlnderangren der elektrisehen Erregbarkeit. Rumff*^^
glaubte ein objectives Criterium fttr das Vorluuidensein einer traumatischen Neu-
rose gefunden zn haben in folgender, von ihm als „traumatische Reaetion der
Musculatur''' bezeichneten und in 10 Fftllen beobachteten Erscheinung: nach
längerem Faradisiren trat ein Iftnger andanerades Wogen tmd fibrillllres Znekea
sowohl in den faradisirten wie in den nicht durchstr&mten Muskete der anderen
Seite auf und Miel) auch nach Aiit hören des Stromes zurück. Diescfl PhJlnomen
ist nach Rl'MI'F nur von WiNbSCHKiü ^^'') in einem Falle von isolirter traumatischer
Lähmung des N. musculo-cutaneut beobachtet worden; aHein in diesem Falle
fehlte die Hanptsaebe, die tranmatisehe Nenrose, durehans. „Die RUHPP'sehe
traumatische Reaetion, scbliesst WiNDScnEm, scheint daher als für traumatische
Ncuro-?e rharakterisliNcli nicht autVcfas-*t werden zu dtlrfeu, sondern ist vielmehr
der Ausdruck einer traumatischen Nerveniäsion.'^
Ausserdem soll naeh Rompf aueh qnantitstive Herabselaang der galva-
nischen Erregbarkeit der motorischen Nerven in hetrachtlichetn Crade vorkommen.
Aneb für diese Wrihrru hnnin^'- fehlt bis jetzt die Bestltijrun;? durch andere Beobachter.
Somit ist die Kxi^tenzberechtigung einer besonderen Unfallnerven-
krankheit, die man als „die tranmatisdie Nenrose** beiddinen konnte, doreh
nichts erwiesen. Denn was bleibt von dem Symptomenbilde der tranmafiseben
Neurose noeli :ils ffststeliend fibrifr, wenn keines der angegebenen Symptome sieh
als mit Si<!herhcit vdrhanden und als nicht simulirhar herausstellt •*
lud selbst zugegeben, die oben genannteu vier Cardinalsymptome,
Störungen des OefQbls, Einschränkung des GeiUohtfifeldea, Pnlsbesehlennigung und
psydiische Auomalien liessen sieh als objeetive Symptome mit Sicherheit erweisen,
inwiefern dürfen die drei erstgenannten nooh als patho;7nnstischc Erscheinungen
einer beistimmten Neurose, der traumatischen Neurose tiguriren, wenn dieselben nach
den Uutersuobnngen Wilbband's bei allen mOgliehen Neurosen sieh nach-
weisen lassen?
Selbst T?RT'N< "'i, der der Aufstollnitjr der tr.-nimatischen Neurose bi-^ber
stets freundlich g»gen übergestanden, musste bereits in seinem vorletzten Berichte
in den ScHMiDT'schen Jahrbttchern zugeben: „Zunächst ist zu betonen, dass der
gröbste Tbeil der Autoren von einer speoifisehen und als Kraakhdtsbild seharf
umschriebenen traumatischen Neurose im Shine von OPPBNHEni und SteOmpbll
nichts wissen will."
Meine eigene Krfahrung in BetretV der Häufigkeit der Hysterie , insonder-
heit bei Männern, deckt sich vollständig mit derjenigen Bczzard's, wenn er
behauptet, dass die Diagnose der Hysterie umsomehr eingesehrlnkt werden wird,
je tiefer wir in die pathologische Anatomie der Nervenkrankheiten eindringen
fthi tili' xhnnhition of fii/sfcri'i />>/ nrtjnnic diseaat» of the nervous System»
Neurol. öoc. ot Londou. Januar 18U0).
EiSBNLOHB '^*) hatte schon Ende 1889, also vor dem Internationalen
Gongress, sieh dabin ausgespr« eben :
„Die dem Trauma als eiiiheitlieh ,L''ef;is,ster Aetinlogie cnt'iirintrenden
Symptome und Kraukheitszustiiude des Nervensystems sind so verschieden an
Art , Grad und Bedeutung , dass die einheitliehe Jdarke , je eher Je besser ent*
femt und man kOnftig gut thun wird, nicht mehr im grossen Styl von der
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UNFALLNEBVENKRANKHEITEN.
traumatiaehen Neurose sn spraohen, sondern die oben besproeliene Sondernng der
Fftlle vorzunehmen."
FuiKDaicu Scui I.TZE aber gelangt am Schlüsse seiner kritischen Musterung
der Symptome der sogeoanoten tranmatiseben Neuroae an folgendem Warnungsrnf :
„Nach diesem Untcrsuchung^frcsultat vermag loh nur die Mahnung anf
da« üriiijrcmisto zn wiederholen , sicli die Störungen ncrv^iger Art nach Trauma
nicht als ein eiubcitiiehos Krankheitsbild vorzustellen. Dadurch, da<4.4 zur Zeit,
wie auf Commando, nach dem Vorgange OPPBNHEiu'd in diesen Ffillen auf gewisse
bevorsngte Eiaselsymptome , nimlieb anf Geaiebtafeldeinaehrinknng und anf
Anlstbesien, untersucht wird, entsteht noch lange kein wirklteh einbeitliehes
Krankheitsbild , eine Krankheit sui freneris."
Den von deu Freunden der traumatisebcn Neurose ihren Gegnern
gemachten Vorwurf der Unkenntniss der Psychiatrie nnd Hysterie werden diese
g^n ertragen, angcfticbts der in zahlreichen Gutachten , welchn auf die AniKihme
einer traumatischen Neurose hinauslaufen, immer wieder zu Ta-re tretendeti Tliat-
sache, dass diese Diagnose vielfach eineu Deckmantel für die Ungründlicbkeit der
Untersaebung und Beobaebtong und zuweilen auch fIBr die Unkenntniss der oin-
faehsten neurologisehen Tbatiaehen abgiebt.
„Meiner Ansieht nach, so Rrhrei'»t n<txi(', beruht der T'mstand. dass sn
bflnfig traumatische Neurose diairnosticirt wird, darauf, dass die zu beurtlieilenden
Fmie weder genügend lauge beobachtet, noch mit der gebürigcn Kritik unter-
sucht werden."
Es erscheint daher dringend ecbuten, den Ausdruck ndie traumatische
Neurose" überhaupt zu streichen, aber aueb die IMuraIf<<rm , „die tranmatiseben
Neurosen", insoferu diese uach dem vielfach herr^jchend ^'^ewordeueii Sprachgebrauch
die Existensbetechtigung der traumatischen Neurose (Singular) prftjudiciren könnte,
gaus SU vermeiden.
Selbst diejenitren , welche wie E:sKNi.n!m •''•) und Hrcvs^-,', j,,^ Vor-
kommen des von UiM'KNHKIM besehriebenen Syniptoineneomplexes als Folge
von Unfällen auerkennen , betouen, dass dieser ausserordentlich selten ist gegen-
Aber anderweitigen leiebtcn Störungen nervöser Art, die mit der traumatischen
Neurose nichts gemein haben als die traiiniatisohe rrsacbe und namentlich gegen-
über der noeli viel grösseren Zahl von Mos loealen StörunL'en nach Trauma, die
selbst jede Spur von byhlerischcn , beziehungsweise hypoebouilrischeu Symptomen
durehana vermissen lassen. Hierher gehören : locale traumatische Neuralgien,
besiehungs weise Ncuritiden, OeU nkneuralgien, locale Muskelatrophien , Gelenk-
traumen und I-ii.\ationeit, Ankylosen, Fraetiireti. Quetsehuniren der Weichthcile u. s. w.
Diese an sieb rein localen Aä'eetionen werden nun allerdings sehr b.tutig
von den Verletzten geflissentlich durch IlinzulUgen von subjeciiven Beschwerden,
wie hartnickigen Schmerzen nnd Sjrmptomen psyehiscfaer, hypoehondrischer,
hysteriseher oder neurasth«iiteher Art zu einer Erkrankung des Oesammtnerven-
systeius ;iiü>e hau seht und von Aerzten , welehe die Tftu>cbnn^ tiberseben, zur
trauuiatischeu Neurose gestempelt. Ik'sondcrs begünstigend für diese Diagnose
ist wiederum der Umstand, welcher sich bei vielen Unflillen, an bei Verschflttnng«'n,
Eingekeiltsein in die Trümmer des zerstörten Eisenbahnzuges u. dergl. geltend
niaeht, das ist die iM u 1 1 i p 1 i e i t ä t der Verletzungen. Iiier wird der
Körper an einer groi^seu Anzahl von Steilen gleichzeitig, aber in versebiedener
Weise oder doeh in verschiedenem Grade ladirt, und diese Mannigraltigkelt der
Folgen des Unfalles imponirt dann weniger wfahrenen Aerzten leiehter ala eine
Gesammterkraukun.ir des Nervensystems, als Neurose, als trauroatiscbe Neurose
oder traumatiselie il\ sterie.
Schon im Kingauge habe ich litTv^ugcbobeu , dass nach Unfällen alle
möglichen functionellen Erkrankungen des Nervensystems beobaehtet worden sind.
Am häufigsten zeigen sie das Bild der Neurasthenie, ungleich seltener das der
Hysterie oder das einer Combination von Neurasthenie mit Hysterie. Leichte
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UNFALLNERVENKRANKUEITEN.
765
psyclii-^ebe Änomalien , die im Wesentlichen als paychisehe, beziehunfrsweise hypo-
chimdrische Verstiraniuno' zu bezeichnen sind, haben, wenn sie (Iberbanpt auf
Realität Anspruch uiacheu können , meiät nicht den Unfall selbst zur Ursache,
sondora die rieh an denselben anaehlieasenden Sorgen um die Wiederiieretellung
der Gesundlieit, beziehungsweise um die entsprechende Entscbfidigung und sehr
oft das Ilan^'pn und IJjingen wiüircnd des oft lange Zt-it schwebenden Enisehädi-
güDgsprocesäea ^'rocesssymptorac, Pagk;. Eigentliche Psychosen sind nur
gans ananahmswerse naeli Unfall beobaehtet. *)
Jedenfalls prävaltrt von den genannten bei uns in Deotacbland und
ebenso in Kng;Iaud J'age) der 8yn);)toiiu>ncomp1ex der Neoraatfaenie , in Frank-
reich, wie es scheint (Charcot), der der Hysterie.
Was das Auftreten von Hysterie nach UnföUen bei Weihern anbetrifft,
so kann dieaea in keinerlei Weise befremden. Denn 1. wird dureh die fQr Frauen
nicht passende Beschäftigung in Fabriken leiebt eine nervöse Disposition geschaffen;
2. •itellen psychische Ursachen, besonders Schreck, anerkanntermaBsen die häufigste
V'uraulaüsung für Hysterie dar und 3. die hy«teriscbea Erscheinungen
können — ein Punkt, der meines Wissens noeb gar keine Beaehtnng gefunden
hat — in Folge organischer, durch den Unfall direct hervorgebrachter Lüsionen
des Genitalapparate.H hervorgeruft u sein. Erat kürzlich coastatirte ein Gynäkologe
10 Monate nach dem Unfall die Residuen einer Blutung in die D JUGi.As'scbe
Falte bei einem jungen Mädchen, welche, früher völlig gesund und blühend, in
unmittelbarem AiMeJilttsa an einen Sprung von dem im Faluren begriflfbnen Motor^
wagen und Fall auf das Pflaster ausgesprochene Hemianästhesie mit Ovarie und
anderen hysterischen Erscheinungen dargeboten hatte. Von anderen nach Unfall
beobachteten Neurosen nenne ich Epilepsie, Chorea und FaraLysis agitana.^* )
Die pathologische Anatomie der Unfallnenrenkrankheiten ist bis
jetzt noch wenig studirt. Hervorzuheben ist aber, dass die bis jetzt gemachten
li>ectionsbefunrle vnu Frikdmaxx 'i'^"^«), SPERLING und Kronthal '«»), beziehungs-
weise Ber^uaudt darin Ubereinstimmen, dass sich am Gefftsssystem histo-
logische Vertnderungen naehweisen liessen.
Die Prognose ist nicht wesentlich nngltnstiger als die derselben Nerven-
erkrankung nicht traumatischen Ursprunges.
Ol'PE.N'HEi.M ''^ ) stellt die l'ro;xn'»se (pinad .Kanationcm Sfhr im^ilnstig: „dass,
80 heisst CS pag. 31, eine vollständige Heilung dieser Krankhcitszustiiude eintritt,
mnas nach unseren Erfahrungen Jedenfalls als selten bezeichnet werden**. Bsüxs
resumirt dagegen : „Die Prognose wird im Allgemeinen günstiger gestellt, als sie
früher bezeichnet wurde." SCHüLTZR sagt: „Mit Anderen atiinme ich darin
Uberein, dasä die Prognose bei Unfallerkrankungen keineswegs so schiecht gestellt
an werden braucht, als das vielfaeh geschieht. Fflr manehe Aente erscheint die
Diagnose der tranmatiaehen Neurose geradezu als ein Todesartbeil ; die von ihr
(ietroflfenen sind rettungslos verloren. Dem ist nicht so; e« irifht auch le'chte
Formen von Neurosen und ich erlaube mir auch die sogenannte milnnliehe Hysterie
keineswegs zu den unheilbaren zu rechnen. Es scheint mir ausserdem viel
richtiger, den Kranken fireundlieh susureden und ihnen wieder Hoffnung und
Selbstvertrauen einzudOssen, ihnen schlieaslich Genesung in Aussicht zu stellen,
als sie mit dem Namen einer fDr gefithrlich gehaltenen neuen Krankheit zu er-
schrecken."
Untsr 29 Fällen, die 8ängbr«>) seit vier Jahren beobachtet hat. befinden
rieh 3, die vOllig geheilt rind, 7 haben so geringe subjeetive Besriiwerden, dass
*) Die Msohe Annahme von Page, pag. 81. dass bei ans in DentBchland der psjr-
oUsche Symptonienconiplcx vorherrsche, erklärt sich darau.s, dass er sein Buch zu einer Zeit
schrieb, wo die O p pen h *• i ni sehen AnsilianiinpMi in Deutschland noch dominirten, bezieliun;<s-
walse durch die Kritik noch nicht in gehöriger Weine beleuchtet und zurückgewiesen waren.
**) Pi« Bailway-spine bat sdion in dem Artikel von Oppenheim, XVI,
pag. 400, eine binrsicbeade Besprecbnng gefunden. Seitdem haben besoadws Dercam**) und
Psge*'^ darüber gtsduiebeo.
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UNFALLNERVENKKANKHEITEN.
sie völlig erworbfjfHhijr sind, bei denen aber objective Störungen noch nachweisbar sind.
11 Fälle sind nur theilweise erwerbsfähig, da subjective und ubjective Störungea vor-
handen rind. Endlich iu 8 Fällen ist keine Bessernog, ja im Gegentbeil bei Einseinen
VenehUmmerinig etngetreteii. Auf Ornnd dieser Brfahmngen warnt SIxobe davor,
die Prognose so aoBsicbtslos und gar so traurig hinzustellen, wie dies von manchen
Beobachtern geschehen ist. Deraellion Meinung ist Kisrnlohij. Uki'NS, I. c, will
keineswegd bestreiten, dasa nicht auch ein Theil der eigeutiicheu schweren Neu-
rosea naeh Traiuna gflnstig Terlavfen kOnne. Bin von Ihm besehrielMDersehwerer
Kraokeri bei dMn aaeh eine Basisfraetur vorhanden war, ist jetit na«b 3 Jahren
wieder fast vollkomnien arbeitsfähig. Dagegen hat er ebenso wie andere Autoren
Kranke nach der Rentenvertbeilung sich verschlimiueru sehen, s. B. gingen zwei
FiUe TOB tnnlehit nebr „loealisirter*' traamatisdier Hysterie alfaniUg bi aeliware
Hysterie Uber.
Ziifli iii decken si<'li die Hcgrifle Krankheit und Arbeitsunfähigkeit, respective
Beeinträchtigung bekanntlich nicht immer, vielmehr kommt in dieser Beziehung
ziemlich viel auf die Dignität und inteusiiiit einzelner ^Symptome an. So wenig
die Neurastbenie nater den Kopfarbtftern obne Writeires dae Lahaalegaag der
ArbeitsAbigkcit und Arbeitskraft zor Folge hat, so wenig ist ancb die Bedentang
der traumatischen Neurasthenie eine so tragische, als man sie naeh eiaielnen
besonders schweren Fällen angenommen hat ^ߣiNHAUD, üUäENLOHii ^'^).
Ansaerdem sind die objectiven Symptome der tranmatisehen Neurose an
und für sieb offenbar weder einzeln Doeh sosammengenommen im Stande, die
Arbeits- und Flrwerbsfähigkeit herabzusetzen, es müsste denn .«ein, dass z. 15. eine
tiefgehende Anästhesie der Hände uud Finger bestände oder dass neben der Kin-
engung des Gesichtsfeldes auf beiden Augen auch eine erhebliche nervöse Asthenopie
Torhaaden wire (Rbinhabo).
Die Therapie der Uofallvcrvenkrankheiten ist dieselbe wie die der
entsprechenden, auf anderen Ursachen beruhenden Nervenkrankheiten.
Auch die von Oppenheim io der neuesten AnÜage seiner traumatischen
Neurosen, pug. 189 n ff., in Yorsebla^ gebraebten Heilagentien , wie Land-, See-,
Wuldaufentiialt, Badecuren in Oeynhausen, Nauheim, Cndowa, Scbwalbach, kalte
Abreibungen, elektri.scher HtriMn , Massage, Ilaarsei! , Anssclineidniig von Narben
bei Keflexepilepsie , Üromprüparate j, Sulfoual und l'araldchyd bei SchlaHosigkeit
und endlich gute Ernährung und psychische Behandlung entsprechen im Weseat-
Ueben dnrehaus dem b«rgebraehten Heilapparat bei nenrastbeniecben Zastinden,
Hypnotisirung und Anwendung des Magneten dem antihysterischen.
Die gegen die neurasthenische Energielosigkeit besonders wirksame psy-
chische behaudluug, verbunden mit Uebuug der noch vorhandenen Kräfte iu berufs-
gemftflser Weise, maeben mit gleiebxeitiger BerOeksiebtigung des vielfaeh hervor-
getretenen Bestrebens der Unfallverletzten, sich durch Uebertreibnng und Simulation
niöglicb>t hohe llenten zu verschaffen . besondere Einrichtungen nöthig , nilnilich
die von Sk£L1umüll£U zuerst in Vorschlag gebrachten Unfallkrankenhäuser
(s. naten).
Im engsten Zusammenbange mit der Frage naeh der Existenzbereeb-
tigimg der traumatischen Neurose steht die I'>age Uber die Häufigkeit der
Simulation^*) schon deshalb , weil jener Symptomen complex ausserordentlieb
*) Page warnt mit Rflcbt freien den aohaltendeD €r«branch ftm Brompr¶teD,
insofern diese geeignet $\w\ , .'^yitu toincnu'rnppe der all(;enii'inen Nervoiiursi liopfnufr.
wie sie ii.uli Unfällen pewuluiüch Im hIkk lit« t wird, wabrscheinlicli naclüheilig zu bceinliussen
und ihr Verscliwindeu /.u hemmen.
) Es ist hier einfach von Simulation die Rede, denn Uebertreibung ist auch Simn-
lation, d. i. Vortäuscbnog einer erhehlieberen Störung des (ifsundhci'Hznstandcs. als wirklich
vorhanden ist. ,I<d(?nfalls oxi.stirt keine scharfe Grenze zwis<'h«m Simulation mid Uolicrtn iluiii^
und die letztere Bezeichnung ist oft missbrancbt worden , wo Simulation oäea za Tage lag,
„weil die Sucht, m flbertreiben, nicht selten ans der Krankheit selber entspringe und snm
KrsnkheitBbilde gehöre«' (Seeligmfiller'*»).
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UNFALLN££Y£NKRANKii£lT£N.
787
leicht vorgetäuscht werden kann. Ein Arzt, welcher nach dem Schema dieser in
Wirklichkeit nicht existirenden Krankheit untersucht und beobachtet, rausB daher
nothweudigerweiäe Gefahr laufen, von Simulanten betrogen zu werden (Skelio-
mOllbb). Jkf uoht wenige Aefite maeben sieh naehweidieh die Diagnoie Mhr
leicht, indem sie scbliossen: in dem vorlie«:enJen FUIe hat ein Trauma Btett-
gehabt; es liegen unbestimmte nenrOee fiesohwerden vor, also handelt es sieh
am „traumatiBehe l^eurose'^
Für die Frage nach der HAufigk^^t der Simnlatioa ist eine Vorfrage von
Wiehtigkeit, ntmlieh die; Beiteht in dem in Betracht kommenden Kreteen das
Bestreben sn simuliren V Xur solche, welche die menschliche Natur im AlIprcmcintMi
nicht kennen , heziehunfrswt ise kein Ver-^tflndniss filr ethische Fragen überhaupt
haben und im Besonderen über die cthii^che Stellung unserer Arbeitorkreise keine
persSnliehe Erfahrung beeitzen, werden diese Frage ▼emeinen. Albin Hoffhann
macht bei der Schilderung der heutigen GeaellMhaft folgende Betrachtung: „Als
ebenfalls hier wichtiges Moment mms ich daran erinnern . dass Sinn für Zuver-
lässigkeit und Treue oft schwankend ist. Wir sind gau% gewöhnt, dass ein .
Arbeiter, ein Kaufmann etwas Terspriobt und es aieht bftlt, sobald es gegen seinen
scheinbaren Vortheil oder auch nur gegen seine Bequemlichkeit ist. Und wird
in den höheren Stenden niclit el)enHo trt'sfindi^t. wenn auch in subtilerer Weise?
Jetzt soll mit eiutni Sehlage der Verletzte ein durch und durch zuverlässiger
wahrheitsgetreuer Mensch sein, so verlangt es das Gesetz." Ja, es wäre in der
That tu Terwnndera, wenn in dieser Welt voll UnsnTerllssigkdt, Untrene und •
Lüge viele Unfallverletzte nicht alle Künste der Lttge und des Betragens auf-
bieten sollten, um eine möglichst hohe Rente herauszuschlagen. Das Bestreben, aus
dem Unfallgesetz in jeder Weise Capital zu schlagen , geht so weit, dass Arbeiter,
welche fem von der Arbelt eine Verletzung erlitten haben, die Saehe so darstellen, als
wäre ihnen der Unlall bei der Arbeit zugcstossen. Ein edlataoter Fall dieserArt (schrift-
liche Mittheilung des Herrn Kreiswiiudar/tes Dr ll0FF>rAXN in Halle) ist folgender:
in l). haben mehrere Bergarbeiter Nachts Stroh stehlen wollen. Einer
derselben, Namens G., stürzte von dem Strohdiemen herab und zog sich eine
Verletsnng des Fusses zu. Nachdem er von seinen Mitstehlem an die Fahrt
geschleppt, wurde dem Aufsichtsbeamten vorgelogen, die Verletzung sei beim An-
tritt der Arbeit entstanden durch Ausrutsehen von der Fahrt (Leiter). UngefJihr
fünf Monate lang bezog der auf Kosten der Kuuppscbaftscasso in der chirurgischen
Klinik geheilte G. Krankengeld. Naeh Jahren kam der wahre Saehverhalt bei
einer Schlägerei an den Tag.
Lai f.nstkin i"* ) theilt einen weniger den Charakter des ofTencn Betruges •
an sich tragenden Fall mit, welcher aber ebenfalls zeigt, wie die Verletzten in
den Versuchen, eine Rmte au erlangen, von ihren Angehörigen auf das Leb-
hafteste unterstützt werden. •
Simulanten hat es zwar schon immer gegeben , aber ihre Zahl hat seit
dem Jahre 1>^72, besoriders abi r seitdem das neue Keichsgesetz . betreffend die
Krankenversicherung der Arbeiter, vom Jahre 18Ö3/S4 in Kraft getreten ist, in
bedenklicher Weise angenommen.'*)
Selbt Lauex.stkin, nach dessen Erfahrungen die Simulation nicht sehr
hfiurit^ ist. hat den ganz bestiumiten Eiudrui-k gehabt, dass der Umstand, dass
jedem Verletzten jetzt sicher eine Kente in Aussicht steht, diesen in der Kegel
veranlasst, den Folgen seiner Verletzung dne weit grössere Aufinerksamkeit su-
suwenden, als froher vor dem Bestehen des ünfallgeseties , wo der Verleiste in
In ersten halben Jabre des Bestehens des nnfftllgemtses in Oesterreich wardeii
Simulation und TVbfrtrpihung ear nicht beobachtet, währeml jetzt allrnälig diese Krscbcinunir
ancli dort aul/.utreten pflegt. Hi^nig^'), pap;. 4^i-{. — lu England ist nach di'n Erf;ihruugeu
von Page (pug. 93) die Simolatfen ebenso häutig als bei ans: n^*^' Jsdodi Im V< iletzang
anbedeatend gewesen, ...... so moBi die Entschidigangasaiuie klein anafalien. Um dieaa
sa coiiöSen, werden die betrfigeriichen Haaipalationen antaniooinSB and es gehört viel
Borallscher Hnth dazu, der Versncliong stt wlderstebea ete."
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768
UNFALLXEKVKNKRANKIIKITEN.
der Regel mehr die Tendeuz hatte, die g^esuuden Kräfte, die ihm geblieben
waren, nach Möglichkeit auszunützen. Dieselbe Erfahrung haben Rumff, Seelig-
mOlleb, Tbibm, Hönig und viele Andere gemaebt.
In draitiseher, aber wabrheit^tnner Weise aobildert Racinb'**) seine
Erfahrungen : „Seit dem Inkrafttreten des neuen ünfallversicherungagesctzp-^ ist
den Aerzten ferner eine merkwüidlge Ersehoinung bekannt geworden, uümlioh
die, dafs seitdem unsere Heiierlulge bedeutend abgenommen haben. Während es
nne frttber (ttete gelang, einen Rnoebenbmeh , eine Distoreion, mne Qneteebung
eines Gelenkes oder dergl. in ktlrzerer oder längerer Zeit wieder zur Heilang zu
bringen, stehen wir jetzt vor der befronidlicben Tliatsache, dass diese Heiluug
uns nicht mehr gelingt. Mag auch objectiv Alles in schönster Ordnung sein,
kdne Dialoeation der Bmebenden, keine Sebwellnog der Gelenke vorhanden sein,
das hilft Alles nicht, der Verletzte bleibt dabei, sein Bein sei zu scbwaeh, er
habe furchtbare Schmerzen darin, kurz, seine Arbeitsfähigkeit sei dahin ('s. unten
den Fall Lieskhehc , ein einfacher, vortrefflich geheilter Oberscheokelbruch soll
noch nach 6 Jahren völlige Erwerbsunfähigkeit hervorrufen).
PixCKB in Halberrtadt, weleber als Direetor des dortigen Stadtkranken-
bauses viel Gelegenheit hat, I'ufallverietzte zu beobaehten , sagt in einem Briefe
an Sekligmi'lt,kr '^"} : „Wie das werden soll, weiss ich nicht: aber das weiss
ich : wenn das so fort geht mit dem Simuüren, so haben wir in 20 Jahren keine
Arbeiter mehr anf den Arbdtsstätten, sondern nur noch Invaliden.**
MÖBIUS giebt zu, dass das Unfallgesctz die Zahl der durch Unfall
Arbeitsunffihigen vermehrt hat, entschuldigt dies aber unter Anderem damit, dass
er fortfährt; Viele, die früher mit Aufbietung aller Kräfte trotz ihrer Beschwerden
die Arbeit fortsetzten, verlangen Jetzt ihre Rente, und das ist ihr Recht." Darauf
ist zu erwidern: Ja wohl, sie sollen aneh ihr Recht haben; wer aber Reehte
beanspraeht, mnss auch Pflichten fibemebmen, und die erste Pflicht ist hier die
w ah r h e i t s g e m ä SS e Darstellung der durch den rnfall hervorgerufenen Be-
schwerden; bei wie wenigen aber findet man soviel Wahrhuitäliebol
Laqdebi^s) erzihlt folgenden Fall: Vier Maurer, die bei einem Hauer-
einsturz in einer Frankfurter Brauerei ganz leichte Contusionen davon getragen
hatten und in einem benaehb.Mrten St.'idtehen D. lebten , beliistii^ten die rieriehte
2 .lahre lang mit ihren Ansprüchen auf dauernde Invalidität, bis endlich eine von
La^uer an Ort und Stelle vorgenommene Untersuchung die Bedeutungslosigkeit
der n»vOsen Symptome (Asthma, Lähmung ete.) feststellte. Der Winkelsobreiber
des Ortes war der Anstifter dieses Verhaltens gewesen. Alle 4 wurden mit ihren
sehr hoheu Invaliditätsan.sprüchen vom Gerichte abgewiesen.
Seelig M ü LLER ^^"^ macht Uber diesen Funkt folgende Ausführungen:
„Die Begehrliehkeit der Unfallverletzten ist eben mit der fttr sie in's Werk ge-
setzten FQrsorge in ersehreckender 'Weise gewachsen, namentlich weil es sicher
oft genug vorgekommen ist, dass notori^^cbe Sinmhititen mit reichen Renten be-
dacht wurden. Der Vorgang ist heutzutage einfach folgender: Eü wird ein Arbeiter
verletzt; aueh wenn er selbst gar nldit daran dftdite, aus der Saehe Capital zu
sehlagen, wird er von seinen guten Freunden dazu überredet: ,,Dn wirst doch
nicht so thflricht sein und Dir das Schmerzensgeld entgehen lassen, da sieh mal
den X. an, von dem wissen wir alle, dass iinn nichts fehlt, aber er hat e-; ver-
standen , ein Doctorattest zu erlangen und nun kriegt er sein Geld und kann
sieh ansmhen, bis es ihm geAllt wieder zu arbmten". *) Dann werden ihm noeh
einige gute Lehren mit auf den Weg gegeben und das Simuliren geht los.''
*) Alb. Hoff mann irrt, wenn er fär alle Fälle die Bebaoutnng aufiiteltt : .In
Vahrbeit ftbit ja doeb d«r immer schlecht, welcher eine Benfe g«wirat.* Er flheraielit, mma
für viele Arl'eiter, welche keine Ln^t haben, ihre Arbeit wieder .iiifznnehnien , die Rente .sehr
erwünscht ist, weil sie im Besitz derselben als Victualienhäudior, Hestaurateure, Uandelsleote
aller Art ein ihnen möhr zni>agende8, nnabhängigss Leben führen können. Diese YerhiltniM«
eiod in vielen Fällen wohl za berftckaichtigen.
ÜMFALLN£RV£NKRAN£H£1TEN.
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HÖNIG macht aufmerksam auf die EinflOster untren und Hetzereien nicht
nur von früheren Rentenempfängern, sondern auch von Winkelconsnlenten. welche
sich von Vornherein einen Procentaatz der zu erlangenden Rente als Bezahlung
aaflmMhen.
Als Zusammenkunftsort, wo die Rentenempfänger ihre Erlkhrangen aos-
tanschen, bezeichnet derselbe die Postg:obäude, wo die Rente ausp^ezahlt wird.
Converi^atioDslexica , populäre Schriften über einzelne Uafallkrankheiten
geben znsammen mit den bezflgliehen Hitthetlungen der (ÜfenlUehen Blfttter (Paqs)
Aber das Vorgdien bei der Sinmlation die erwflniehte Anakunft. Ja es ist zweifel-
los, dass trerioTiene Simulanten auch von den Broachtlren und Schriften von Acrzten
Kenntniss nebnien, Jon. Hijffmann hat es erlebt, dags einer der vou ihm Uber-
fllhrten Situuiautcu von tjeinem Arzte , gegen das Versprechen einer Tantieme von
dn Zehntel der beansprnebten Bntsehldigungssnmme, in der Prodnetion epUep-
tiseber AnHille Unterweisung^ erhalten hatte.
Nachdem der Unfallverletzte sich einmal auf die abschüssipre Bahn der
Lllge begeben hat, kann er nicht wieder zurUck, er mass nunmehr versucheni
die einmal llbeniomme&e RoHe «n jeden Pnrfi duMbsnftlbren. Hientn bieten ibm
die wiederholten Untersuchungen darob Tereehiedene Aerzte, vor Allem aber der
längere Aufenthalt in Krankenh.tusern willkommene Gelegenheit. Hat er schon
durch die wiederholten Krankenexunien und Untersuchungen die Suggestivfrapren,
welche häutig von den iuquirirendeu Aerzten gestellt werden*), seine Kenntnisse
weaentlieb bereiebert, eo kann ibm das Krankenbans, namentlieb aber die Uni-
versitätsklinik , wo er Uber wirklich Kranke ausführliche Vorträge mit anhört
und Demonstrationen an sdlchen mitansieht , geradezu zur Sdiule der Simulation
werden. Ali eiu weiteres Beispiel aus meiner Erfahrung ^ ^ möge folgender
Fall dienen:
Der Hüttenarbeiter L. litt in Folge von Einathmen bleihaltiger Dämpfe
liei seiner Arlx it rechts an aupo^ebildeter . links an lieEriniieiuler BleilHhmung der
oberen Extremität. Dieser in vieler Beziehung interessante Kranke (MUncbener
med. Woehensehr. , 1891) wurde im Juui 1891 sowohl iu klioisohen Vor-
lesungen, wie in einem flrzttieben Vereine von mir mebrfaeh aosfllbrlidi demon«
strirt und dabei besonders auf die für initiale Bleilähmung typische Stellung der
Finger der linken Hand hinfrewiesen. Als derselbe Arbeiter !• Monate spiiter be-
hufs eines Obergutachtens sich mir wieder vorstellte, trat er mit dersellien typischen
Stellung der rechten, namentiidi aber der Unken Hand wie vor 9 IfoaatMi (die
leiden damals allein gelähmten mittleren Finder wurden iu die Hohlband einge-
Bchla^'en. die beiden .1n-«eren aber wie die Horner eines Rehbucks ausgestreckt
gehalten j auf mich los und behauptete, noch in demselben Grade gelähmt zu sein,
wie snvor, obwohl eine Untersuchung sofort nazweifelhaft ergab, dass die Lähmung
bis anf eine ganz geringe Sebwlebe vollständig gesebwnnden war. Und nun sage
; Hunig weist mit Recht darunf hin, ilasä dies dT Weg ist, anf welchem
faliverletzte es lernen, krankhafte Emptiiidniigeii, <lie sie niemals gehabt haben, mit grus.stei'
Oeaanigktit an sehtldem nod rSympt« mcncomplexe, die für ein bestimmtn Knmkbeiti>bild
passen, genaa anzageben. -- Eün Dachdecker mittleren Alters, Potator strennus. zog sich bei
einem Falle vou einer Leiter leichte äussere Verletzungen zu , wurde aber , weil er über
nervöse St-inm^ren klagt«-, iu si Krankenhaus gebracht. Von hier entlassen, machte er Jen <iang
von Tabiachen, die er dort an sehen bäulig Crelegenheit gehabt hatte, nach nnd behauptete
oiclit anders nnd nnr mit grosser Attatrengnng sich fbrtbewegea zn kOnnen. Die auf Yeran-
lassnng von Martin Vogel in Eislc!»en von Sceli gm aller vorgenommene üntcrsnchung Hess
Andeutung; taliiseher Symptome vermissen. Mit seinen Ansprüchen abgewiesen, hat derselbe
dann noch Juhn- lang in >eineni Berufe auf Jen höchsten Dachern nach wie TOr gearbeitet,
bis er an den Folgen des ttbertLa.s8igen Alkohulgennsses au Grunde ging.
•♦) Die gleichen Erfabrnngen machten Mendel, M.Vogel, Blasius*^) tt. A.
Der Letztere erzahlt (pag. .\^) von einem ExpldranJeii : „iiui li < iueui .laiire — • r war in der
Klinik des Dr. Oppenheim gewebten — sah ich ihn wieder iu einem neuen i'rocesse. Und
wilurend er frflber nor aUgemtine Klagen über Sdunersen hatte , brachte er jetst die ganae
Kette der O p pe n h e i m'schen Symptome der tranmatiadien Neorose, GekstSmngen n.a. w.*
Encyclop. JalirbUcber. III. 49
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770
ÜNFALLNER VENKRANKHEITEN.
noch Jemand, die Krankenliftuaer und Kliniktn Mien nieht Scbalea, ja Hoch«
sohuleo der Siiuulation!
Dieae Foim der Simnlation ist nicht selten. Objcetive Enebeinangen
oder subjective Beschwerden , wdohe unmittelbar nach dem Unfall in der That
bestanden hatten, aber ganz oder doch znra grössten Thcile f^ehoben sind, werden
von den Explurandeo sozusagen in Permanenz erklärt und mit einer Staunens-
werthen Naturtreue selbst nach Jahren immer wieder producirt, bezüglich als
Grund ftlr ihre Erwerbsunlllhigkeit bervorgebobeo. Ein sdner Zeit in einer
Zuckerraffinerie beschäftigter, jugendlicher Arbeiter hatte, wohl in Folge schnell-
wechselnder Temperaturen, sich einen chronischen Gelenk- und Muskelrheumatismus
sngezogea mit vernehmlicher Crepitation in einzelnen Gelenken. Nach mouate-
langer Iratlldier Behandlung sind Sebmersen und Bewegnngistömngen gewioben;
der Arbeiter beruft 8ic}i aber darauf, dass er das Knarren in den Gelenken nodi
produciren kann und weigert sich deshalb , unter Vort.luschung von Lähmungs-
erscheinungen, zu arbeiten. Zur theilweisen Entschuldigung solcher Simulanten
ist allerdings anzuführen, dass der von der Arbeit entwöhnte and ausser Uebung
gekommene KOrper In Folge der Monate lang fortgesetsten Rnlie und Pflege nkHnt
selten «fettleibig und damit schwerfällig und ungeschickt zur Arbeit geworden ist.
Würden dieselben in Unfallkrankenhäusern zur rechten Zeit wieder an die Arbeit
gewöhnt, so würden diese Uebelstäude nicht eintreten.
Bei der FrOfung der eubjeetiven Besehwerden der Cnfallverletiung kommt
nadi der Meinung fast aller Autoren die Glaubw Ordigkeit des Explo-
r an den in Pelracht. Es ist daher nicht zu verstehen, wenn Oppenheim bei
der Discussion auf dem Berliner Congresse hervorhob, die ethischen Cigen-
sehnften der Exploranden seien fflr die Häufigkeit der Simu-
lation ohne alle Bedeutung. Um die Olanbwflrdigkeit des Exploranden
festzustellen , dazu kann freilich ein Leumundszeugnis^ tiber sein früheres Ver-
halten allein nicht als massgebend erachtet werden. „Denn," .schreibt Kacixe,
„wenn mau sieht, wie häutig von den besser situirteu , sogenannten anständigen
Leuten den Unfanversicberiingsgesellsehaflen g^nllber in ^ner Weise simulirt
und aggravirt wird, wie man es nicht fttr möglich halten pollte, einfach mit der
Miitiviriin-^' : „ich habe sn l.tti^e Prämien gezahlt, jetzt kann die Geselhi lial't mir
auch mal eine Kente bezablen^", so wird man es leicht verstehen , warum ein
Arbdter sieb fUr die Zukunft sichern and aus seiner Verletzung das grSsstmOg-
liche Capital schlagen will.^^
Viel wichtiger als das von Vielen zu luK-h angeschlagene Leu m und. s-
zeugnisH des Fabriksvorstandes ist eiue Iän.:;ere Beobachtung zweilelbalter Indi-
viduen in einer Anstalt, wie ich sie als Unfallkrankenbaus beschrieben
habe. Denn nur In Verbindung mit einem woblgeeebuiten Wartepwsoiial, welches
den Exploranden Tag und Nacht in seinem ganzen Gebahren beobaehtet, sind
wir Acrzte. die .««mst nöthigcu Einrichtungen vorausgesetzt, im Stande, die wirk-
lichen Kraukheitserseheiuungeu aus dem Chaos der subjcctiven Klageu und Be-
sehwerden herauszusehllen. Bei der grossen Sebwierigkeit der Saebe habe ich
l>ei manoben Exploranden wiederholt den Gedanken gehabt, ,,mit dem müsste ein
erfahrener Arzt incognito eine Zeit lang zn^aninienlt^tn ii und bei Tag und Nacht
dasselbe Zimmer theilen". Auf diese Wei^e würde man jedenfalls auch über die
sittliche Denkweise des Exploranden in's Klare kommen, und das wäre in Bezug
auf die wichtige Frage der Glaubwllrdigk^t, trotz Oppenheim, von der grDsstee
Bedeutung. Es erscheint deshalb durchaus unverständlich, wenn Oppenheim
behauptet, er sei in drei Viertel aller Fülle im Stande gewesen, die Diasrnose
bei der ersten Untersuchung (in der Poliklinik !^ in einer alle auwcseudeu Aerzte
und Stndirende flberzeugenden Wdse zu entwieiceln. Das kann nur ein Arst, der
▼on Vornherein von der absoluten Glaubwürdigkeit der Exploranden ebenso über-
zeugt i.^t , wie von seiner eigenen Unfehlbark^'it. Eines solchen Vertrauens ist
aber gerade das Berliner Material von Unfallverletzten nach den Erfahrungen
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UNFALLNEBYEM&BANKHEIl^.
771
Ton Hendel in keinem Falle wflrdig. Letzterer sagte auf dem Berliner Con-
presse (Verbandl., I^d. IV, pag. 78): ,,Hier (d. i. in Berlin) haben die Kranken
in zahlreichen PoliklioikcD, wie in dem gleichzeitigen ZuBaoimea^eiD in der Charite
reieUieb Oelefenbeit , die inmiiatiMbe Kenrora so stndiren, Aber websbe dne
Zabl derselben recht ^ute Kenntnisse besitzt. *)
In der That ist die H.lufifrkeit der Simulation vorwiegend von denjenigen
Aerzten constatirt, weiche die traumatische Neurose als besondere Krankheit nicht
gelten lassen wollen. Und das kann nach den bisherigen Erörterungen nicht autfäliig
erseheinen. Aber aueb solche, weldie, wie BislirLCRHB und Rbishabd**), da«
Symptomenbild der traumatischen Neurose fflr einzelne Fllle anerkennen, bestAtigen
nichtsde^toweniirer die prrosee Häufigkeit der Simulation und Asrj^ravntirm. Dass
von Chirurgen und speciell von den Aerzten der medico-mechauiseheu Institute
dem Proeentsatze naeb weniger Simnlanten beobaehtet werdra als von Nenro-
patiiologen. liegt oftenbar an der Vendiiedenheit des Materials. Jene erhalten
fa^'t ausRcblifsslich chirurgische, diese nervenleidonde Unf.ilh erletzte zur Begut-
achtung. Ja aus der „Heimstätte für Verletzte" zu Niederschönhausen bei Berlin**)
scheinen Nervenleidende grundsätzlich entfernt und anderen Instituten fiberwieseu
an werden. Nun liegt es ja anf der Hand, dass dilraiigisdie Ldden viel weniger
leicht und darum weniger häufig simulirt werden als Nervenleiden, Wenn Thiem
in Cottbus tmtzdem 10" (j Simulanten ausrechnet, so ist diepe Zahl relativ eine
sehr hohe und möchte in Anbetracht des Materials den 33>,,<>^o '^on UOFKMANN
in Heidelberg mindestens gleiebznstellen sein.
Dieselbe Gefahr, sieb au täuschen, laufen diejenigen Aerzte, welche statt
der tranmatiwhen Neurose die nach CHARCf>T mit dieser völlig identische trau-
matische Hysterie setzen. Zunächst sind die Symptome, welche vorgetäuscht
werden, ja im Wesentlieben dieselben. Sodann aber ist es sattsam bekannt, dass
Hysteriselie darin eine Force suchen, den Arzt ta tinschen, oder sollte ^eser
Zng bei der mfinnliehen Hysterie fehlen?
Wenn tranzö-jisrhe Aerzte hingegen immer wieder betoneu , die Hyste-
rischen seien die wahrheitüliebendston und glaubwürdigsten Peräoneu von der
Welt, so beruht diese Ansebannng anf einer offenbaren Selbsttflnsehnng.
Wer in der CHABCOT'schen Klinik an demselben Vormittage der Vor-
stellung von einem Dutzend Hysterischer heigewohnt und gescheu hat, wie dieselben
während der ganzen Zeit in demselbeu Kaumo beisammen sitzen und die einen die
Prodvetionen der anderen mitansehen, der kann sieh bei all«r Hoebaehtnng fflr
Charcot's Verdienste des Eindruckes nicht erwehren, dass dort in der 8alp6triöre
die Hysterie und damit die Simulation geradezti gezüchtet und ^rro-^'^gezogcn wird.
Und wer es niclit kenut, der sehe sich doeli das famose Buch von LiiYS***)
an, in welchem er die durch die in verschlossenen Gläsern enthaltenen Medica-
mente hervorgebraehten mimiaehen Verlnderongen derselben bysteriseben Frauens-
person Esther auf 24 Photographien wiedergege1>en hat, und lasse sich dann
belehren, dass diese Dame mit der ^t'mrrrjinnfwn rtchfinent meublde'* im Ein-
verständniss mit den Assistenten Alles vorgetäuscht hat, und d&nn lese man, wie
in demselben Buche immer wieder versichert wird: „Hysterische lügen niemala.''
♦) Keiierdinps ni;t(h!e mir ein junger College folgßnde Mittheiinng: Er wohnte als
ilt«r»r Student in i-iDem Mietbhaune unmittelbar, d. h Wand an Wand mit eioem Bogeaaantan
Depot Ton sn begnttehtenden UnfillTerlMBten. Zu FeioeiB Entannen wnrde er wiederholt
pewahr, daj^s diese von tiiuin Ma.«cliiiienl>aner als Lihrer in vielen Einzelheiten der Sympto-
matuloKie der traumatischen Neurose Unterricht emj tiiipen und unter Anderem die i^ehnen-
nefleze praktisch einübten.
**) L(> vertin ^''), pap. 98: » Wie aus der Tabelle gleichfalls ersichtlich i^t, wurden
sar Behandlung ungeeignete Fälle, alsbald nachdem sich dies heransgesteilt hatte, entluien
(r. z. B. Nr. 5 ) u. 51)." Bei Mr. (0 steht pag. 119 bemerkt: „YerschiedeBe ZeicJiea Ton trao>
matiecher Neurose."
Luys, Lfs hnoiions chez te» attjet« en 4tat de VhypnotUmt ete. Paris 1887;
«fr. Seeligmttller, Der moderne Hypnotlamns. Deutsche med. Wochensehr. 1888, Nr. 1 u. 2^
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772
UNFALLNERVENKRANKHEITEN.
Von einem an cbroniHchem Alkoholismus leidenden Buchhändler hörte
ich folgende lehrreiche Geschichte. Als er eines Tages wie gewöhnlich von dem
Director der Klinik hypnollsirt werden toXUm^ kam die Oberin daxn, tun diesen
widitige Mittheilungen aus der Anstalt zu machen. „Wollen Sie einen Augenblick
warten, bis ich den Kranken einge.schliUert habe." „So, jetzt schläft er, reden
Sie.'* Der Kranke, welcher, wie bisher, so auch dieses Mal tiefe Hypnose simu-
lirt hatte, hörte Alles mit au, versicherte aber, als er aus „der Hypnose'^ künst-
lieh wweekt wurde, dem danaeli firagenden Direetor, er habe gar niebts gehört.
Und dieser zweifelte keinen Augenblick daran.
Solche Verirrungen von Aerzten der „psychologischen Richtung" (Mnim s)
geben zu denken! Sicherlich ist die Prüfung des somatischen Verhaltens bei der
groeun Mehnahl dee ünfalWerletsten die nlehefliegende Aufgabe des unter-
suehendeu Antee.
Ja es kann nicht drin^'cnd genug die Mahnung wiederholt werden
(SSELIGUÜLLEitj, dass die Aerzle, bevor sie an die Begutachtung von Unfallver-
letzten herangehen, sich grflndllcbe Kenntnisse in allen Gebieten der Nenropatbo-
logie aneignen, nicht um IKmulaaten m entlarvea, sondern um den wbrklioli
vorhandenen Zustand des Rxploranden feststellen zu können. So habe ich erst
kürzlich die Freude gehabt, einen zum Simulanten gestempelten polnischen Berg-
werksarbeiter durch Feststellung von Eutartungsreaction im Daumenballen des
in Folge von ZriiaMAo^ttm«rtgelfthmtra Armee von diesem Verdaehte zu reinigen —
auch ein Segen der somatischen Richtung!
Möbius und P.ki ns haben die Fn/iililnglichkeit der ärztlichen Krkenntniss
betont. Dieses fiewusütaoiu soll die Aerzte abhalten, einen Unfallverletzten mit
fiestimmtiieit fBr dnen Simdantea m wklAren; besser sei in allen zweifelliaften
FftUen ein „non liquet'* ! Brdms betont ausserdem das Snbjective unseres Urtheils.
Diese Bedenken dnrchaus zugegeben, wird es ebenso von der Gewissenhaftigkeit
des begutachtenden Arztes abhiingcn, inwieweit und wie leicht er sieh bei solehea
unbestimmten Aeusserungen beruhigt. *)
Denn die Frsge der Simulation ist, wie aueh Brüns sugiebt, nidit nur
von wissenschaftlichem Interesse, sondern auch von grosser praktischer Bedeu-
tung, sowohl für das Ansehen des ärztlichen Standes, wie auch ftlr die allgemeinen
Anschauungen von Sittlichkeit und Recht in unserem Volke (Seblighüllkb).
Zunichst um den ans der Simulation für diese erwaehsendw Gefahren
zu begegnen, hat SekliomOllbb die Erriehtuug besonderer Krankenhäuser, der
U n f a 11 k r a n k e n Ii il u s p r, vorge^clilaircn
Die iirztlicherseits vielfach bestrittene Moihwendigkeit und Zweckmässig-
keit solcher Institute hat sich inzwischen durch die Erfahrung der Berufsgenossun-
schuften als eine so drin|^efae Nothweudigkeit erwiesen, dass neben den medieo«
mechanischen Instituten, welche die Behandlung von Unfallverletzten zu ihrer Haupt-
antVabe gemacht haben, besondere KrankenhiUiser für Unfallverletzte von einzelnen
licruigenosscnscbaften selbst bereits errichtet sind, z. B. das „bergmannsheil" zu
Boehum in Westpbalen **) , die von Dr. Schütz i") geleitete „HeimstStte fBr
*i In jt-<ieni Falle ist von hdchster Bedeutung liie Frage, wo, wie oft und wie lange
Zeil der Explontid einer MdiverstindiKeii Unlersnchaag und Beobaehtnof nntenogen wurde.
lu FiilN-ii. wo et: siili ni> ht nur utu leicht festzustellende Läsionen, sondern nm neurasthenische
Oller bysterisclie Kim lieiiiuii^'eti hanii<'lie, hal<e ich eine Begnt.ichtunicr nur dann übernommen,
wenn «lie Explorainlen auf unbestimmte Zeit in meine Privaiklinik, in welcher ein Assistenz-
arzt Wand an Wand mit ibnen woiint, aufgenommen worden. Die Zahl der hier gleichieitig
Iwotmchtetea Unfallverletaten hat nimnafs nelir als 4 betragen. Diese habe ich perRtalich
wenigstens Ümal t;isli Ii gi-sehea ini!! untersucht und erst dann , oft er.st nach .', Monaten
entlasiseii, wenn ich üher die Krajje, nh Simulatiun oder nicht vorlag, vollständig im Klaren war.
Dabei habe ich stets nur auf meine eigenen Wahrnehmungen mein Gutachten gegrücdat.
**) Das projectirte Unl'ullkrankvubaus in Halle wird alle Uufallverletztea der Kna]^
achaftsgenossenschatt womöglich von dem Tage des Unfalls an aufnehmen , so dass die ein«
heitliche Üeobachtuug, welche ich von vnrnhctein ils ausserordentlich wiclitig für die spatere
fieobacliluog in's Auge gelaust habe, dort wirklich erzielt werden kann. Wenn ich mich spater
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DNFALLKBBVENKRAIIKHEITEN.
773
Verletzte" in NiederaebdnhaiireD bei Berlin nnd andere, s. B. etil Unfallkrattkenliaiu
(„Bergmannstrost'' im grossen Maasstabe (Koitenaiiaehlag 700.000 Mark) ia
Halle a. S.. im Bau begriffen sind.
Solche Unfallkrankeuhäuser im grossen Styl, wie das in Halle projeetirte,
werden allen den Anfordernngen gerecht werden können, welebe von irstlieber
und berafsgenossenscbafilicher Seite fUr die Behandlnng und Heilung, wie für di^
Beobaehtung: und nejrutaebtung von rnfallverletzten prestellt sind.
Dadurcb, dass jeder l ufallverletzte von Vornberein von denselben Aerzten
untersucht und beobachtet wird, werden alle die Uebelstfinde wegfallen, welche
die bisherige Diseontinvirlidikcit der ärztlieben Beobaehtnng mit sieb brachte
(SeeliomOllbb, Laübkstein SbbuomOlleb illnstrirt diese UebelsMnde
folgendermasBen :
„Welchen Uebelständen durch die Errichtung besonderer Unfallkranken-
hinaer wirksam entgegengetreten wflrde, davon midi zn flberzengen habe ich in
letzter Zeit wieder volle Gelegenheit gehabt. Vor mir liegt ein Actenstflck Ton
nicht wcni.ircr als 275 Rl.lttern ; es enthJiIt die gutachtlichen Aeusserungen von
10 verschiedenen Aerzten in GcRtalt von u'cht weniger als 20 Nummern. Und
dabei bandelt es sieh um die angeblidien Folgen eines einfachen ObOTsehenkel-
bruches, welcher im Januar 1886 stattgefunden hatte nnd ohne alle Complieationen
in dem Krankciihau^e zu Braunschweig in vollendeter Weine zur Heilung gekommen
war. Nachdem durch die dort behandelnden Aerzte in mehreren (Jutaehten klar ausge-
sprochen ist, da^s es sich, wuvon man sich noch jetzt mit i.eiclitigkeit bei dem Ex-
ploranden flberzengen kann, um einen Trochanterbmeb gebandelt hat, filllt es einem
neuen Begutachter 20 Monate nach dem Unfall e"n. von einem Schenkelhalsbruch
zu phantasiren und darauf die Anuahtiie der ErwLTl)Hunfilhigkeit zu be^rllnden.
Und zwei Jahre nach dem Unfall sieht sich noch ein anderer Begutachter, um
die anf bftmorrhoidalen Stannngen beruhenden Ereuisdimerzen sn erkiftren, gar
bemU8sigt, aus einer nb. faetiseh niemals vorhanden gewesenen grossen Steifig-
keit des Rllckgratsi und anderen Krankheitgerscbelnungen , die er aber im Eifer
überhaupt anzufllhreu vergessen hat, anzunehmen, dass durch den Sturz | E.\plorand
war auf ebener Erde au^^geglitten, als er den Oberschenkel brach) eine Erschtltterung
der Wirbelslule, wie anch des Rflekenmarks stattgefnnden habe. Beitinfig slhle
ich das genaue Studium der vorliegenden Acten auch zur Gewissenhaftigkeit des
bef?utaehtenden Arztes, sn zeitraubend nnd langweilig dat^selbo nicht selten ist.
Muss mir nicht Jedermann Hecht geben, wenn ich behaupte, dass solche umfang-
reieben Aetenataeke und ein solebes Hinziehen eines an sieh einfachen Falles auf
nunmehr b\i, Jahr in einem Unfallkrankenbause ^reradezu ein Ding der Unm5g-
lichkeit sein würden? Ebenso wie viele Köche den Hrei verderben, ebenso gewiss
auch viele Aerzte die klare Einsicht in das Verständniss eines Unfalls."
Aber auch der Simulation wflrden durch die einheitliche Beobachtung durch
dieselben Sachverstandigen von Vornherrin die Wmseln nnterbunden werden, sa>
mal wenn fOr zweifelhafte Subjeete die IfO^ehkeit einer Isolimng wihrend der
Beobachtung vorgesehen wäre.
Das Unfallkrankenhaus soll weiter, und zwar in erster Linie ein Kecon-
valeseentenhans sein.
Der Aufenthalt in den gewöhnlichen Krankenhäusern und Kliniken kann
sich nach der Einrichtung dieser Institute nur auf sn lanpe Zeit erstreckrn, hh
die Verletzten sozusagen aus dem Gröbsten heraus sind. Damit sind dieselben
aber keineswegs genesen nnd noch weniger arbeitsfiUiig. Die blusliehe Pflege ist
in meinen Vorschlägen lediglich auf die SinuilatlOBSVerdächfigien ttcsrhriinktp. so hatte (lies Jen
Grund, dass ich nicht boden doifte, die Ucmfsgenorsenschaften wurden sicli zu so ^russeu
Opfinn, wie sie nunmehr von ihnen $rem gebracht werden, alsbald entschliessen. Die von mir
gemachten Vonichliij^e werden nunmehr weit über mein Erwarten hinaus ihre Verwirk-
Uchang tinden. Ob der Be n d aVche Vorschlagt öffentliche Nervenheiian.stalten zu errichten,
•besso aehnell seine Bealisirang finden wird?
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UKFALLM£fiV£MKBAMKBEITBN.
meist unzureichend. Dieser wichtige Punkt ist nicht nur von den Aerzten, sondern
auch vun den BeroÜBgeDOflMOBchaften längst in's Auge gefawt worden (Sesli6hOllkji,
Blasius).
WcUer Btiminen alle Antoren dariii tlberein, dnes aowobl snr Oenesung,
wie zor Feststellung des Grades der Erwerbsfthigkeit die Beaehiftigung der Recun-
valescenten unter gewerbUeh wie ArstUAh •MbTenltndiger Aufsieht durehaug
nothwendig ist.
„Das mftchtigste Mittel, diese Laote in heilen, muss naeh meinen theore-
tischen Ansiebten sein, dieselben wieder aagemessen an besehlftigen, dnrd Arbelt
sie wieder zu SelbetTertranen QndLeistmigalihigkdt za eraieben** (Auim HoFFBUim).
Aber wo?
Bruns sagt: „Man muss doch anerkennen, das^ in der Wiederautuabme
dar Arbeit vor voller Heiinng der Arbiter eine grosse Sebwierigkeit liegt ; ....
da beisst es volle Arbeit oder irar kL-ine."
Diesen Üesidcrien, welche im Laufe der letzten Jahre sich immer mehr
als dringend herausgestellt haben, kann nur das Untalikrankenbaus in vollem
Hasse gereeht werden; denn weder die gewOhniieben Krankenhftuser, noch anch
die Kliniken kSnnen denselben volle Oenflge leisten; die medieo-maehaBisebeii
Institute aber. ?o vortrcfTIich sie sich für meclianisch-chirurpsch bettbare Leiden
bewährt haben, sind fUr dif :ni funetionellen Störungen des ^'ervenqrstemcs leiden-
den Unfallverletzten nicht ^eci^net.
Zum Seblnss soll die sdion oben mebr&eh berflbrte Fnge der Pridis>
Position für Unfallnervenkrankbeiten noeh einmal im Zosammenbange
aur Sprache ^rebracht werden.
Bereits bei Besprechung der Symptome der sogenannten traumatischen
29enrose haben wir wiederholt darauf hingewiesen , dass dieselben möglicherweise
aneh auf andere fttiologlsehe Momente als den Unfall znrOckgefllbrt w^en können.
Insonderheit waren Tahak- und Alkoholvergiftung', sowie constitutionelle
Syphilis zu nennen. Auf die gro.s>o Aehnlichkeit zwii-chen traumatischer Neurose
und cbronisohem Alkoholismus haben besonders Eisenloub, IS'unne uud Wilbkand
hingewiesen.
Dieselben Momente können auch als prädisponirende für Unfallnervenkrank-
heitcn in Betracht kommen , insofern es nahe liept anzunehmen , dass die Ein-
wirkung eiues Unfalls um so eingreifender sein wird, als die Widerstandsfähigkeit
des Kerveosystems berabgesetst ist
Eine solche Herabsetinng kommt aber durch die genannten Momente
erfahrungsfrem.1^8 zu Staude; ausserdem ist die zum Theile auf deti.selbcn Ursachen
beruhende weit verbreitete ^lervosität unseres Geschlechts hier anzuführen , wie
sie am häufigsten unter dem Bilde der Neurasthenie, seltener unter dem der
Hjrsterie oder Hypo^ondrie aneh bei dem minnlieben Gesebleehte sv Tage tritt.
Wahrend Oppenheim in der Mehrzahl der Falle die Verletzungsneurose
bei vollkommen gesunden , arbeitsfHhi^en und in neuropathlseher Beziehung
unbelasteten Mfinnern sich entwickelu »ah, konnte Albix Huffmaxn in 20 Fällen
von tranmatiseher Neurose nur vier Männer als vorher vollkommen gesund und
unbelastet bezeichnen. Von 17 derselben trugen lo utTtnliar den Stempel der
schweren PrüdiBposition : 3nial war Epilepsie, Tnial Alkoholismu<j vertrett-n.
zwei hatten geistig schwache Kinder, neun waren syphilitisch. Alle diese hatten
von Vorneherein sich fflr ganz gesui^ erklirt. Im Weiteren macht HOFF-
VANN darauf aufmerksam, wie sehwer es hllt, die belastenden Momente heraus-
zubringen, namentlich den Alki linl^rcniiss und die Syphilis, und kommt dann zu
dem Schlüsse: „Mir i?t also ziinaclist wahrsihfinlich . dass in der Re?el die au
traumatischer Neurose leidenden Individuen durchaus nicht vorher gesuud waren,
es bleibt nur (bei recht genauem Nachforschen) ein Brnchthdl unbelastet.^
In Uebereinstimmung hiermit hat SEELlGikiüLLER hervorgehoben , dasa
naeh seiner Erfahrung bei der männlichen Arbmterbevölkerung die Neurasthenie
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UNfALLNEBVSNKBAlf&HfilTEM.
77B
vohl in stetiger Zunahme, die Zahl der mit Alkohol und Tabak Vergifteten dagegen
im rapiden Wachstbum begriffen sei, und in deniseibea Ifaaae als Folgen der
letsteren die Arteriosclerose und die Herzachwäche.
Auch die latente Syphilis verdient alle Beachtung, insofern dureh
leiehte Anllim bei eonttitntionell SypbitttiMheD die Mhwefsten Sehidigangen dM
Centrainervensystems hervorgerufen werdm IcOnnen. So begutachtete ich einen
Fabriksschlosser von etwa 30 Jahren , welcher einige Jahre zuvor , angeblich iu
Folge der hohen Temperatur, iu dem Behälter, weichen er auszubessern hatte,
am Tage oaeh dieser Arbeit bemiplegisch gewofdea war. Da sieh sonst Icefaierlei
Ursache fBr das Auftreten dieser (iehimlinnildidt in so Artlhem Alter nachweisen
Hess, fahndete ich auf Syphilis uud konnte diese nicht nur an dem Kranken
selbst, sondern auch an seiner Frau , die unter Anderem viermal abortirt hattOj
mit Bestimmtheit als Ursache nachweisen. Wenn dieser fttiologisehe Naebwda
aneb an der Bntscbftdignngsfrage nichts taderte, so ist er doch in seiner irisaeii-
sebaftlichen Bedeutung nicht zu untersohfttzen.
Mob 1 T S giebt wfihl zu, da«« tlherhanpt die Zahl der an Hysterie und Neur-
asthenie Leidenden rasch wächst und da^s an den vielen Lnfallnervenkranken sich
in besonders dentiieher Weise die verminderte Widerstandfilbigkeit, die uns SOhnen
der Jetztzeit eigen ist. zeige; die ätiologische Bedeutung der genannten Momente
fflr diese Zutiuliiiie will ir aber nicht ziitrelien. ,.DaRS bei Alkobolisten ein rnfall
das Aetluilibrium dem Nervensystem leichter nimmt, als bei vorher Gesunden, ist
höchst wahrscheinlieh. Nach meiner Erfahrung jedoch sind unter den nnfall-
Tcrletsten Kerrenkranlcen reebt wenige Trinker. Gerade die sebwersten Ffllle von
Hysterie habe ich bei solchen gesehen, die vollständig mftssig waren. Dass Tabak-
gebrauch , eine %veit zurtlekiiegeiide Infecticn mit Syphilis und Aehuliches, eine
Prädispohition für traumatische Hysterie lieferten , ist gänzlich unbewiesen uud
eebr nnwabrsdieinlieb."
Eine genauere Beachtung der bis jetzt nor von Einzelnen hinreichend
gewürdigt" n, prädisponirenden Momente wird zeigen, (»b der L'nfall nicht auch
hier in vielen Fällen wie bei der latenten Hysterie die lioUe eines blossen „Agent
provocateur" spielt. Viele Tbatsaebendtirften sebon jetst fBr diese Anffisssnngsprecben.
Schliesslich soll nicht unerwibnt bleiben, dass neuere Arbeiten, nament-
lich die \on Bl Aalt'S und EBSTEIN'*), die dringende Aufforderung an den Arzt
richten, den Irin der Unfallverletzten auf Zucker zu untersuchen. Dies sollte
alsbald nach dem L'nfall und ebenso im spätereu Verlaufe öfters wiederholt ge-
scbeben. Da das Auftreten von Diabetes in Folge von Tranmen bereits durch
Griesikger (Areh. f. physiol Heilk. N. F., III) behauptet ist, so erscheint es im
gegebenen Falle aosserordeotUch wichtig, ob etwa schon vor demselben Glyeo-
surie bestand.
Die vorstehende Zosammeostellung der jetzt im Sehwange gebenden
Meinungeu Uber rnfailnervenlcrankheitcii konnte leider nur eioe Mosaikarbeit
sein, in welehcr die Ansehauiiniren der einzelnen Autoren vielfach wie sehwarse
und weisse Felder von einander abstehen.
indessen dtirfen wir hoffen, da die Fragen, um welche es sich handelt,
in FInss sind, daas solche Antworten, welche geeignet sind, eine grMsere Klärung
der Thatsacben und damit eine grössere Biniglceit der Meinungen herbeianfllbren,
nicht auf sich warten lassen werden.
Aber — das sei hier noch besonders hervorgehoben — nur von Mit»
tbeiinngen, die sich auf eine ftlr die Leser durchsieht i^^e gfloane Casnistik grflnden,
ist eine Förderung dieser Fragen lu erwarten, nimmermehr vun speculativon
Betrachtungen vom grünen Tinche aus, wflelie w ihl den Sehcin der Autorität in
Anspruch nehmen könneu , aber nicht die befruchtende Kraft der Wahrheit in
sich tragen.
Nachschrift. Soeben lese ich nach Abscbluss dieser Arbeit im Neuro-
logischen Ceotralblatt, 1993, Nr. 9, in dem Bericht über den XII. Congress flir
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UNFAJ<LNERV£NK11ANKH£1T£N.
innere Medicin, der hier nidbt mebr berücksichtigt werden konnte, folgende Au-i-
l»88un>f Stb( MPELL s referift : „T'eber die traumttischen NeuroBen" , pag. 320:
„Ob man traumatisciie Hysterie, ob man traumatische Neurasthenie sage, „Name
ist Sebnll**; Haapteaehe ist Festbtlten an der begrifflichen Deinition; „tranmn-
tieehe Neurosen" eignen sich sehr gut als Colleclivbezeichnung. Eine „^nmatiaebe
Neuroge als be^^ondere KrankbeitsspeeieB enstire nicbt, der eiuelne Fall mtlaee
aber kategorisirt werden."
Literatnr: ') Alexander, Railway-spine oder Simulation? Vierteljahrschr. f.
ger. Med. 3. Folge. IV, 1. pag. lü!t. — ^) Azam, Lt-v troiihh-i sensoriels , organiques et
mot€ur9 con». aux traumatisme» du ctrveau Arch. gen. Mai 1890. pag. 513. — *) J.Bach,
KÜB. Beitrag sor tranMt. Bystarle. Inaof.-Dfai. Breslaa 1893. — *)Bagin8ky, Erkraakim;
des Höronrans hei Railway-spine Bfrliiipr klin. Wochen sehr. 1888. Nr :i ') Bayer, Ein
Fall vun liewQBsllosigkeit nach Korpererschütteruug. Deutsche med. Wochenschr. IS'JI, 'lA. —
*) Th. Benda, Oeffentliche NervenbeilansUlteo ? Berlin 1891, A. Hirschwald. — -j Benedikt,
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N. musetdo-eutaneus nebst Bemerkungen über die Simpfaebe tramaatiaebe Beaetion der
Muxnlatiir. Xrnn l Contralbl. 1892. Nr. 9. pap. VJ'>. — L. Wolff, Vcher \aoasthenia
certbraii« traumatica. 1891. — Wol flberg, Der quantitative Farbensinn bei Unfall-
Urechit68. Wte bei der Bereitung der meitten afrikanisehea Pfeilgifte,
scheint «aeh bei den von den Bogenannten Obi-Mftnnwn (Ohea mm)t denZanberem
der Neger auf H.iiti und don westindischen Inseln, verwendeten Dingen eine
Herzg'il't ein«;cl)liesscnde F'flanze eine Kidle zu spielen. Es \i>.{ keinem Zweifel unter-
worfen, dass die Negerzauberer au8.-<er ihren f,Obis", die die Obi-Mäoner in die
Nihe ihres ans der Welt an sehafliBnden Opfere bringen nnd welehe Gemenge
von Grftbemtaub, Haaren, Zahneu von Haifischen nnd anderer Thiere, BIut|
Federn u. p. w. bilden, auch ein reelle.s Gift, und zwar ein Pflanzengift gebrauchen,
dessen Uosirung sie so einzurichten vt-rstehen sollen, dass sie den Eintritt dee
Todes anf Stenden, Wochen, Monate oder Jahre bestimmen. Dies letztere ist nvr
möglich, wenn sie ein starkes cumulatives Gift besitzen, das, in kleinen Dosen
verabreicht, anfang.s kaum Be'^eh werden macht, aber, indem es s'oh .allmäb'g im
Körper anhäuft, plötzlich tödtlieheu ElTeet herbeiführt. Ein solches Gift enthält die
in Westindien verbreitete Apocynee Urechites su ber ecta Müll. Argov.
(Eehiie» tubereeia Sw,^ J?. Nertandra Chi$.) , ein RUmmstraneh mit hellgelben,
ansehnlichen Plumen , der in seiner Heimat als „SaTanncublume'* oder „gelb-
blUthiger Nachtschatten" bezeichnet wird. Di(> Blumen und sämmtliche grtlne
Tbeile der Pflanze find bitter und scharf und rufen gekaut Anschwellung des
Hnndes und trocken gepulvert und geschnnpft heftiges Niesen hervor. Schon
1878 isolirte Bowrbt ^) ans der Pflanze zwei krystallinisehe Glycoside, die beide
in LiSsungen stark bitter sehmeeken. Das in kaltem Walser jranz unlösliche Glycosid,
Urechitin, ist in frischen Blättern zu '/o o vorhanden. Da.s in 40.000 Th.
kaltem Wasser lösliche Glycosid Urecbitoxiu bringt auf der Zunge neben dar
bitteren Gesehmaekscmpfindnng aneh Kriebeln nnd SehwellangageflUil hervor. Beide
schliessen sich in ihrer Wirkung dem Digitalin ausserordentlich nahe an und rufen
heim Frosche in geeigneten Dosen exfpii-jiten systolischen Herzstillstand und bei Warm-
bltlteru die für Digitalin charaktcrisiischcn Veriloderuugou des Herzschlages und des
Blntdmekes hervor, üreehitin ist stirker giftig als Ureehitozin nnd kann bei
Fröschen selbst zu V40 Mgrm. systolischen Herzstillstand hcrbeiftlhren. Auf die Gefässe
wirken beide Körper nicht cnntrahirend. Bemerkenswerth ist, datis sie bei sub-
cutaner injection erst febr spät ihre Wirkung zeigen, vielleicht in Folge von Ketention
in den Muskeln, während bei intravenöser Application der toxische Effect anf daii
Hera sehr rasch stattfindet. Es liegt somit nahe anzunehmen, dass andi die
SeeligBtller.
780 URECHITES. — ÜTEBÜSBUPTÜR.
cnmolativen Effecte der Digitalis den activen Principien in Urechite» zukommen,
vielleicht mgur in noch höherem Grade . und da es den Obi-M8nnern eben9o»at
möglich ist, wie iii der Nähe ihrer Opfer die sogenauntea Obis, so auch in deren
'SpeiMii kleine Ifeageii der getroekneten CJraoUteeblttter in bringen, so wArde ee
Bich erklaren, dass eie den tOdtlidien Effect für einen lingeren Zeitraum Teram-
ugen kOoneu. -)
Literatur: *) Bowrey, Joam.Cbem.Sac. XXXIII, pag. 252. — ') Stock»
man, Labwat Bep.oftheB. OoH. Physie. Edinb. V, pag. 64. Hasemann.
Urobilm, 8. Harn, pag. 374; Harnfarbätoffe, pa?. 402.
Uroerythrin, s. H :i r n farbstoffe, pag:. 396. — Uroh.lm«tin,
Urorubrohämatin, ibid. pag. 400. — Uroroseia, ibid. pag. 410.
UterUSruptUr. Einer der gembriicbsten Zwiscbenßllle , der weh «Ih-
rend der CJeburt ereignen kann, ist die Zerreissung des rtcriis.
Der Erste, der eineu Fall von spontaner L'terusruptur erwähnt, ist
JkBVLKASBM^) nnd nieht, wie Bobb>) meinte, StalpatüS van deb Wiil. 1584
theiit F&ux Plater und 1593 Fabriciüs Hildaxus dnen Fall mit und Letsterw
citirt auch zwei einschliigigc Reohachtiinst-n CnuxARirs". JA(irES Guh.lemfai"
soll der Erste gewesen sein, der die Uternsruptur erkannte. MadricBAO wies,
wie diee historisoh Bichergeatellt ist, die Ruptur in einem Falle an der Leiehe nneh.
Am den ceitgenOaeieehen Werken Subllib's «), Lbvrbt's *), de la Holtb's •) u. A.
I98st sich entnehmen , das» die Kenntniss der Uterusruptur im XVIII. Jahr
hundert bereits allgemein verbreitet war. Allerdings aber war sie mit der falschen
Anschauung verquickt, dass der Riss durch ausserordeutliche und heftige Bewe-
gungen der Fmeht su Stande komme. Wenn aueh bereits Smbllib eetne Stimme
gegen dieie falsche Anschauung erhob und darauf hinwies, dass der Eintritt
dieses Ereiirni<-i<-^ durch die Gegenwart eines engen Beckens }>ediiigt werde, so
erhielt sich dieselbe duch noch bis in den Beginn unseres Jahrhunderts hinein,
wie sieh dies ans den Schriften 6. W. Stbdi's des Neffen*) entnelimen Usst,
in denen von fillrohterlicben Convulsionen des Kindes und einem von daher au
besorgenden Sprunge der Gebärmutter gesprochen wird. Erst der Autoritit J. C.
BAUDELonii K's des Aelteren»), des gefeiertesten geburtshilflichen Schriftstellers
seiner Zeit, gelaug es, der riobtigeu Auschauuug Uber diu Actiologie der Uterus-
mptvr Balin lu brechen. Er wies die «etive Betheiligung der Fmdit anrflck
nnd Buchte die Ursaehe der Ruptur in einer durch die lan^^e Dnuer der Geburt
oder durch die (iegenwart des engen Beckens l)ewirkten Schwächiin?r der l'terus-
wand. Gleichzeitig unterschied er schon zwischen Zerreissung und Durciireibung
der ütemswand. F. B. Osiakdrb »), der bekannte Gfittinger Geburtshelfer, meinte,
es seien gewaltsame Uteruscontraeüonen bei Gegenwart eines engen Beckens,
welche den rterns , im Momente einer starken Wehe, zum Bersten bringen.
Eine locale Verilnderung als Ursache kiuinc man nur dann annehmen, wenn die
Kuptur im Beginne der Geburt eintrete. Gleichzeitig macht er auf die Gefahr
dw violenten Uternsruptur, die besonders leieht bei der Umdrehung der Fmeht
SU Stande komme, aufmerksam. A. E. SiEBOLD i^) beschreibt die wohl früher
schon von BArnKi.oc (^'e erwähnte unvollständige Tterusruptur , bei der der
PeritonealUberzug des Uterus nicht mit zerreisst, zuerst klar und wahrheitsgemiUs.
In spaterer Zeit, um die Mitte unseres Jahrhunderts, spricht die, namentlieh
von KiwisCH >-) und Scanzoni verfoehtene Prädisposition der Uteruswand zur
Kuptur als -Uinlogisclics Moment eine grosso Rolle. Sie (.iiid ihre scheinbare Be-
gründung darin, da.ss sich der zu>iamniengezo;reiie puerperale Uterus nur sehr schwer
künstlich zerreisscn lä.s.st. lu ein neues Stadium trat die Lehre von der Uterus-
rnptnr, ak 1875 Bakdl'8>*) Werk Uber dieses Thema erschien. Er brachte in
die wirren Anschauungen Ober die Aetiolou'ie der Uterusruptur dadurch erst Klar-
heit, dass er nachwies, dass der Sitz der Ruptur im unteren Uterusaegmente
UT£BUSBUrTUB.
781
liege and sie dnrch UeberdebDnng dieses Tbeiles von Seite des vorliegenden
Friichttheiles zu Stande komme. (Gleichzeitig trennte er die Ruptur scharf von
der Durcbreibung ab. Dass er in seinen Anscbauungen über die topographiscben
VeriilUiiiflse der Ritntdle niebt mit Scbrödbr ttod detaen Sebnle llberanatimmt
und die Rissstelle in die ausgedeliDto Cervix verlegt, während Scbrödsb and
dessen .'^chule in richtigerer Anschauung den unteren Abschnitt des Corpus als
jene Partie ansehen, die bei spontaner Ruptur zur Berstung kommt, mindert
seine Verdienste um die Lehre dieses Capitels der Gebartsbilfe in keiner Weise,
ebensowenig der Umstand, dass er die Eänklemmong der Mnttermnndelippen
zwischen dem vorangehenden Fruchttheile und der knOchernen Beckenwand als
nothwendige Vorbedingung de» Entstehens der Ruptur ansiebt, eine Anschauung,
die gleichfalls von Schbudkr und seiner Schule bekämpft wird. Andererseits aber
darf nneh wieder niebt vergessen werden, daas Bamdl aebon seine Vorllnfer
batte. 6. W. Stein der Neffe i*^) nahm, trotz saner oben angeführten An-
schauungen . an . dass die nicht seltenen Rupturen am Oebflrmutterhalse bei
engem Becken dadurch entst.lnden, dass der Kopf der Frucht, wenn er nicht in
das Beeken eintreten könne, an dem Becken abgleite nnd nnter dem fernem
Webendrange als Keil gegen die Sdta der Cervix wirke, daber denn aneb diese
Rnptnren nie anders, wie an den Seiten des Halses nnd nie bei eingekeiltem
Kopfe vork.'lmen. Andererseits wieder war es Michaelis "M, der hervorhob, dass
die Actiou der Bauchniuskuiatur bei Gegenwart des engen Beckens eher eine fUr
den Utems sebtttzende, als gegentbdHge Wirkung babe. GleiebBcitig war er der
Erste, der in einem Falle das Eintreten dieses ZwisebenfUles voraussab nnd sieb
dabin aussprach, die sjxmtane Ruptur könne auch bei massiger Reckenverengung
vorkommen. Anklänge au die BA^DL'schen Ansichten tinden sieb weiterbin auch
bei Babnbs.!^ Bei aller Anerkennung BAin>L*s Maat sieh niebt leugnen, daas
seine Anschauungen nach einer Richtung hin einseitige amd, da sie die Entstehung
der Ruptur im frühen (iehurtsbeginne, bei Schwangeren und die Entstehung der
Ruptur im Fundus nicht erklären. Nach dieser Richtung hin gebührt Frei nd junj")
das Verdienst, die Aetiologie dieser Rupturen wissengcbaftlich klargelegt zu haben.
Die forensisebe Bedeutung der üterusruptur wurde suent von Putsch**) und
LOEWY 20) gebührend gewürdigt, während Habris^i) als Erster darauf aufmerksam
macht , dass die traumatischen nicht geburtshilflichen Rupturen des sehwanirpren
Uterus eiue weit günstigere Prognose geben, als man bisher allgemein annahm.
In der überwiegenden Mehrzahl der Fllle ist der Eintritt der üterus-
ruptur auf nn mechanisches Missverhältniss zwisehen dem vorliegenden Frucht-
theile iiinl dem Reckencanale zurückztifflhren , gleichgiltig , wodurch das'ielbe
bedingt wird , ob durch ein enges Becken , einen abnorm grosseu Fruchtkopf
(einen Hydrocepbalus), eine ungünstige Einstellung des letzteren, eine (Querlage
u. dergl. m.
Die Austreibung der Frucht ans dem Uterus beruht nur darin, daas die
obere Utcmshulfto (der Fundus und die obere bis zum sogenannten Contmctions-
ringe herabreicheude Partie des Corpus) eine stärkere Muskelwand- besitzt als die
untere, denn wäre die Dieke der Huskelwand allseitig eine gleiche, so würde,
wenn die Wehentbatigkeit wirkt, die Frucht ringsum gleiehmässig comprimirt
werden und krmtite trotz der unteren Oeffnung dea Organes, dem Muttermunde,
nicht exprimirt werdeu.
Dadurch, das« das obere Uteruasegment, und zwar namentlieh der
Fundus, eine bedeutend diekere Muskelwand beeitzt, drängt er im Oebnrtsbeginne
den vorliegenden Fruehttheil , für gewöhnlieh den Kopf, in das untere schwach-
wandi^re. Letzteren wird schliesslich mit der Scheide in einen i^ehlauch um-
gewandelt, der der Frucht nur einen passiven, aber keinen activen Widerstand
entgegenzusetaen vermag. In Folge des Widerstandes, den der Beekenboden
anfangs dem vorliegenden Fruchttheile entgegenstellt, wird das untere Uterin-
aegment nicht blos seitlich nach allen Richtungen hin ausgeweitet (wodurch der
Digitizeu l> ^oogle
782
DTERÜ8RDPTÖB.
Muttermund erött'net und Bobliesslich zum Verstreichen fi^ebracbt wird), sondern
gleichseitig auch stark verlängert. Compensirt kann diese Verllngeruog nur
dadnroli worden, daas das oben Uterinacgment in die HAhe steigt< Uebenin-
stimmend damit finden wir im Geburtsbeg:inne , dass der Uterns schmäler , sowie
lanprer und das« sein Fundus massiger geworden ist. Der vorliefrende Fnirlittheil
wird demnach, um pich kurz auazudrücken, in das untere Uteringefrmeut hinein-
geboren. Das Empwsteigen des oberen Ulerinse^entes, reete das Hineinpeboren-
werden weiterer FmehtabBchnitte in das untere, hat schliesslich seine Cn n/m.
Der FuiiduH vteri ist nach unten zu an das Hecken fixirt, und zwar durch
die Ligninefita rotunda , er kann daher nicht weiter in die Höhe steigen. Der
Beckenboden giebt sohlieaalicb dem Drucke naeb, die Vagina weitet sieb ans
und nimmt in demselben Maase als der Fondus (nntersttltzt dnreh den Draek
seitens des Zwerchfelles) durch f'ontraction seiner dicken Wand einen I>ruck auf
das obere Kisefrment ausübt, die iSijitze des unteren Eipoles in sich .-uif l'nter
normalen Verhältnissen erfolgt bei diesem Vorgänge, trotz der Aus/.erruug des
nnteren Uterinsegmentes, keine Zerreissnng des letsteren, weil der Kopf in das
Fig. 10».
F.C Fundaa Uteri. o..f. Oritlr. intern., i.. oiitk. lAtMii . / /. /<. LIf. itttoiid. d«xtr..
<\ C. Ct'i\i\ Uten, V. S. Luterea Lleriusfjjiimnt-
kleine Ikeken eintritt, wodurch diese Ausweitiinjr und Auszerrunsr behoben wird.
Als weiterhin gUustig kommt noch der Umstand hinzu, dass in dem Masse, als
der Kopf im Becken herabtritt, avdi der Fundus herabsteigt nnd damit eonse-
eutiy dea Weiteren die nmsehriebene Ansseming des nnteren üterinsegmentes
ttberhanpt aufhr^rt.
(iauz anders i^estalten sich die VerliältuisHc , wenn der voranirehende
Fruchttheil in Folge räumlicher Missverhiiltnisse zwischen ihm und dem Becken
(gleiebgiltig ob dies dareh eine Vereogernog des letsteren, eine nngfinstige Ein-
Htellnug des Kopfes, eine ungewöhnliche Grösse desaelbeii, eine Querlage u. dergl. m.
bedinfrt isti nicht gehörig in letzteres eintreten kann, so d.is-? die Geburt per
vias naturales unmöglich wird. Die Geburt geht trotzdem vor sich, aber mit
einem in der Ueberzahl der Fille sowohl fflr die Bfntter als die Pracht angflnstigen
Ausgange.
Es werden immer weitere Abschnitte der Frin lit in das untere l'terin-
segnient hineiufreboreu und stei^rt dementsprechend der Fundus mögrliehst weit
empor, sich gleichzeitig auf das gröbste Mass contrahircnd. Damit Uberein-
Digitizcd by Google
UTERUSRUPTÜR.
783
»timmcDd tritt durch die Rauchdecken die ««ich scharf absetzende Grenze zwischen
dem oberen sich möglichst verdickenden Uterinsegmente und dem Übermässig
ausgedehnten, verdünnten unteren (gebildet von dem unteren Abschnitte des
Corpus unter verschieden weit reichender Mitbetheiligung der Cervii) als quer
oder mehr oder weniger schräg verlaufende Furche (der sogenannte Contractions-
ring) deutlich hervor. Nebenbei fühlt man die stark angespannten Ligamenta
rotunda bei gleichzeitiger Fixation des ganzen Uterus. (Ist, was häufig der Fall,
der Uterus etwas mehr um seine Längsachse gedreht, so fühlt man nur das nach
vorne zu gerichtete Ligamentum rotundum, und zwar zumeist das rechte.) Die
straff gespannten Strängen gleichenden Ligamente lassen sich vom Fundus bis
zu den horizontalen SchambeinäHten verfolgen. Ausserdem wölbt sich das untere
Uterinsegmeot, in welches die vorangehenden Frucbttheile hineingetrieben werden,
deutlich hervor (vergl. Fig. 108 und Fig. 109).
Fi f. 109.
C.Ii. CoutractiousHng, /. r. Ligamentum rotimdiim, o. i. Oriflc. nt. intern., o.e. Oriflc- at. extern.
Schliesslich reisst der untere Abschnitt des Corpus unterhalb des Con-
tractionsringfs an einer durch den Druck am meisten verdünnten Stelle ein und
tritt die Frucht verschieden weit durch diesen Riss hervor. Die Wirkung der
Bauchpre^so wird den Eintritt der Ruptur beschleunigen und befördern , doch
muss der Riss schliesslich auch da eintreten, wo die Bauchpresse nicht mitwirkt.
Wenn auch die gezerrten Muskelfasern des überaus gedehnten unteren Uterin-
segmentes im Hcginne nur alUniilig auseinanderweichen, so tritt doch die eigent-
liche Ruptur immer nur während der Akine einer Wehe ein. Befördert wird der
Eintritt der Ruptur zuweilen durch Körperbewegungen der Kreisseuden , so sah
ihn beispielsweise MOKSBERG 2-) bei Stuhlabsetzen, Hofmkikr-») bei Aufsetzen und
Vors -*) bei Umdrehung der Kreissenden im Bette erfolgen.
Die Uterusruptur kommt namentlich dann zu Stande , wenn die Ueber-
dehnung des unteren Uterinsegmentes eine ungleichmässige , namentlich einseitige
ist. Daher beobachtet man sie bei Schädellagen häutiger an der dem Hinter-
haupte entsprechenden Seite und bei Querlage an der Seite, in der der Kopf liegt.
784
UTERUSRUPTüB.
Die 8cBBöDUt*8che Schale — Vbit'^) — legt entgegeo der BANDL'^eheii
Anscbanangr, der sich auch Fredxd jun ^ej ansehliesst, anf die Einklemmnng
des MattermundsMumes z-wiechen dem voraasgebeodeD Frucbttheile and der
knAdienoi Beekenwand als ein wichtiges, die Raptnr nach sieh siehendw Ifmnent
kein Gewicht. Kacli ihrer Anschauung ist diese Einklemmung für den Mechanismus
der Ruptur an sich gleichmütig. Durch die Kraft, welche das untere Uterin-
t^eginent dehnt, wird der ganze Durchschnittsschlauch nach oben in die Höbe
gezogen, bis die bindegewebigen Befestigungen desselben an der Beckenwand ein
weiteres Emponiehcn uniDOfHch machen. Die von Baitol geanehte Fixation der
unteren Grenze des gedehnten Theiles wird naoh ihrer Ansicht nur zum Theil
durch den Kopf und seinen Druck auf die Cervix hergestellt, in bei weitem
höheren Grade dagegen durch die natürlichen Verbindungen. Wichtig ist es nach
ihr, noch noch daran fertanhatten , daas der obere Theil dce ütcrnakArperg , der
Hohlmuskel, sich nicht unbegrenzt nach oben in die Höhe ziehen kann, weil jeder
derartigen Bewegung die in Folge ihrer gleichzeitigten Contraotinn an sich
gespannten Ligamenta rotunda nur bis zu einem gewissen Grade folgen, um dann
einen definitiven Widerstand xu finden. Ana diesen YerhUtniaRen entnimiai aie,
dan der Mcchaniunna der Entstchnng der üterusruptur auch vollkommen anf
jenea der Zerreissnng der Cervix oder de.^ oberen Vairinalabschnittcs Ubertragen
werden kann. Dasg aber die Cervix und der obere Vaginalabschnitt für trcwrihnlich
nicht zuerst darchreissen , sondern dass daa untere Uterinsegment die Ötelle itst,
die auerst mpturirt, erklirt de daraoi, daaa sich aehon im Beginne der Gebnrtf
noch vor dem Anaeinanderweichen der Cervix, daa nntere üterinaesment avara-
dehnen beginnt.
Isach F&BUND jun. dagegen iat das Zustandukommuu der typischen Risse
dca unteren Uterinaegmentea an die Einklemmnng der Mnttennnndslippen gebunden,
doch wirkt zu dem Znatandekommen des Risses ausserdem auch der bei jeder
Wehe gesteigerte intrauterine Druck mit. Diese Kinklemmmig der Muttermunds-
lippen erfolgt namentlieh hei allgemein vereugtem Heckeu und bei gewissen
Formen des uugleichmäs&ig verengten, nicht leicht dagegen bei dem platten
Becken, welebea gerade Bamdl hervorhebt, höehatena nur bei mlasigen Ver-
engern ng^graden dieses Beckens. Bei Querlagen findet keine Einklemmung der
Mnttermund?*lippen statt . daher kann es bei ihnen nicht zu einer Ruptur de^
unteren l'terinsegmentes kommen. Da, wo man meint, dass wegen bestehender
Qnerlage der Uterus aerreisse, liegt keine aolche Ruptur vor, da bei einer aolohen
das Znatandekommen der Einklemmung der Muttermundslippen unmöglich ist. Dies
kann nur bei Sehieflagen mit tiefem ITerabtreten de« Kopfes geschehen , bei
denen die Möglichkeit der Kinklenimung durch den Kopf vorliegt. Es handelt
sich demnach in solchen Fällen um Schieflagen, nicht aber um Querlagen. Von
den Hydrocephalen kOnnen, flbcrcinstimmend mit seinen Ansehanungea , nach
Frkuxd jun. nur solche mXsaigen Grades mit geringerem Kopfumfange und relativ
noeh entwiekeltcren flachen Schädelknochen die Muttermundslippen einklemmen,
daher eine Ruptur erzeugen, nicht aber hochgradige Formen.
BA2IDL macht darauf aafinerksam , dass namentlieh Mehrgebirende inr
Ruptur ineliniren. FrstgelArende sind im Allgemeinen iregen dieses Ereigniss
geschlitzter, weil ihre I tt rusmusculatur stratfer, daher wider.'itandsfilhiger ist. Das
Gleiche gilt von ihren üauchdecken. Wird bei ihnen das untere üterinsegment
auch stark gedehnt und ausgezerrt, so bietet die Straffheit und grossere Unnaoh-
giebigkeit ihrer Uterusmuscnlatur nnd äusseren Bandidecken doch dnen gewisaen,
nicht zu unterscbfitzeuden Schutz gegen den Eintritt der Ruptur. Dazu kommen
noch bei ihnen andere günstige rnistände in lietracht. Ihre Frflchte sind im
Mittel kleiuer, als die Mehrgeschw.^ugerter und pniseutiren sich dieselben eben-
falls wieder in Folge der grösseren Straffheit des Uterus nnd der ftusseren Banch*
decken seltener in Querlagen. Gerade das Umgekehrte findet sich bd Mnltiparen.
Die Wandungen des unteren Uterinsegmentes sind bei ihnen, ebenso wie die
uiym^L-ü Ly Google
UTERUSRUPIDR.
78&
.niisst ron Baiicbdecken, schlaffer, nebenbei noch besteht eine DiastMe der geraden
Bauchimiskt'ln , ho da>;s das nntfrt^ rti'rinsefrment nicht blos an sich wenigrer
widerstand-jf.lhi^'er ist, sondern nebenbei noch an den äusseren Bauchdecken einen
geringeren Halt flodet. Dabei sind die Ligamenta rotunda von früher her nach-
giebiger nnd werden sehen im Geburtobeginnef ohne erfaebliehen Widerstand
leisten zu krtnnen , stark gedehnt. Alle diese ung-tinstigen Umstände , snwie die
hier anzutreffende ebenfalls nicht fricichgiltige Schlaffheit der Vagina fuhrt er auf
eine mangelhafte Involutiun aller dieser Theile nach vorausgegangenen Geburten
snrtlek. In gleieher Weise nahezu drilekt sieh Fbeünd jnn. anSf der einen
•olohen von früher her ausgezerrten erschlafften Uterus als einen nicht normalen
ansieht. Kr meint . dass die von früher ansgesackte Wand des unteren l'terin-
aegmentes atrophisch »ei. Das Muskelgewebe sei theilweise auf Kosten ueugebiideteu
Bindegewebes m Omnde gegangen and glaubt er, dass diese Atrophie des unteren
Uterfnsegmentes Folge von stattgdnbten, bei froheren Geburten erfolgten» nnvoll-
ständiiTcn Rupturen sei. Winter-*') meint, und gewiss nicht mit Unrecht, dass
der Hydroi'cj)halus schon in der Schwangerschaft eine Prildisptoition zum Ein-
tritte der Huptur schaffe, da er durch längere Zeit hindurch das untere Uteria-
S4^ent an einer nmsehriebenen Stelle avsweite und verdfinne. In gleieher Weise
wirkt der Knpt' ' ei einer sehon in der Sebwangerachaft bestehenden nnd lange
Zeit hindurch anhaltenden queren liaorerung der Frucht.
In den I'illlen, in denen es aus verschiedeoeD, weiter unten auzufilhreudeu
Orflnden nicht aar EinklMnmung der Hnttennandslippen koinmt, wird naeh
Freckd jun. der vorangehende Frachttheil in den oberen Abschnitt der Aber
den Beckeneiniraiiir liinaufirrzerrten V:iirina hiticiui'-fbnrcn und tritt die Zerreissung
in diesem ein, d, Ii. eiue Rujttur des Seheiden^'^Lwulbes -'') , weil diese Partie
dann der meist gespannte Theil des Geburt^schlauches ist. Unmöglich ist eiue
Binklemmnng bei reiner Querlage, bei eiquMt grossem Hydroeephalns, bei Riesen«
frttchten, Fruchten mit Hydropsien, Tumoren n. dergl. m. Nicht leicht mOglieh
ist eine Kinklemmnng bei ])latteii Recken , namentlich itei hochgradigen solchen.
In allen diesen Fällen werden die Muttermundslippen nicht oder nicht leicht ein-
geklemmt, weil der Beckeneiugang den vorliegenden Fmehttbeil nieht aufzunehmen
im Stunde ist nnd sieb der Muttermundsrand über letzteren zu retrahiren Ter>
mag. Es kann sogar nach Frefm» jun. - • l in blosser HiHigebauch ohne Gegen-
wart des engen Beckens aus gleichen Gründen eine Ruptur des Scheideogewölbes
nach sich ziehen.
Die Fälle, in denen der Fundus zerreisst, sowie die, in denen die Ruptur
schon in der Sehwantrerschaft eintritt, selbst in frühen Monaten der letzteren, die
Falle, in denen der Uterus in einem fnlhen Geburtsstadium zerreisst, in denen
daher noch keine Kede von einer exquisiten Auszerrung dt>s unteren Utcrussegmentes
sein kann, Uternsrupturen, denen die pramonitorisehen Symptome mangeln, wurden
von Baxdl theilweise geleugnet, theils in seiner Arbeit kaum berührt. Ks ist nun
allerdings richti::-. dass seit dem Ers<>heiiieu der BAN'DL'.scheu Arbeit Mittliciluniren
Aber solche Fnlle seltener wurden, deshalb \Ms,i sich aber doch nieht behaupten,
dass alle einschllgigen Mittheiluogen aus firtlheren Zeiten unverlftsslich seien, ganz
abgesehen davon, dass auch hente neeh von vereinzelten solehen Fftllen brriehtet
wird. Veit'") spricht sich bezrtglieh dieser FnHe dahin aus, das:^ uns verilttfig
noch jede Erkliirutig (Iber die .Aetiologie solcher Fiiile, in denen die Kuptnr ohne
Debuuog des unteren l terinsegmentes zu Stande komme, fehle. Fkkcxd juD.'s
Verdienst liegt namentlich darin, dass er speciell für diese FftUe eine wissen»
sehaftliche Erklnrung zu geben sucht.
Er fasst diese Fälle nicht als eigentliche Rupturen auf, sondern als ein
Zerplatzen des Uterus in Folge krankhafter V^eränderung der Uteruswand und
abnormer Enge und Unachgiebigkeit des äusseren Ifottermundes. Die Wehen-
Ühitigkeit vermag den resistenten äusseren Muttermund nicht zu erweitem. Das
untere Uterinsegment erreicht das h^hste Mass seiner Ausdehnungsfiüiigkeit zu
Bncyclop. Jahrbücher. III. ^
üiyiii^ed by Google
786
ÜTBBÜSRÜPTUR.
einer Zeit, da der Muttermund noch eng'e ist. Es reisst daher soblies'<Ii(»h bei noch
wenig erweitertem Muttermunde ein. Dieses Ereigniss tritt desto trüiier ein, wenn
dM Utenuigewebe gleidueitig pathologisch Terlndert itt. Es kAnnen nnter sotobea
ülMtllldeii selbst nur SchwangersohaftamilMR diMen Zwischenrall herbeiführen^
und zwar nicht einmal im unteren Uterinsegmente, sondern im Fundus. 1 Nament-
lieh bei diesen Rupturen macht der intrauterine Druck seine volle Bedeutung
geltend. Znwiileii rind ei angeborene Zustände, welche «Uete Raptunm nach aich
^ehcn, wie die HypoplMie des Uterus, und swar entweder aliein an sich oder als
Theilerscheinutifr ^'leichzeitiger anderer Mia.sbildunj^en des l'terus oder des Beclieus.
(Hierher zählen die Rupturen bei niederen Graden der \ erdopplung dei Uterus ^^1,
die angeborene Uterusatrophie bei allgemein gleichmässig verengtem locken
n. detf I. m.) Andere Male Uegt dem Eintritte der Ruptur eine angeborene Stenose
des äusseren Muttermundes oder eine angeborene Atrophie oder Enge der Vaginn
zu Grunde. Eine andere Gruppe bilden jene F.'llle , in denen bestehende Erkran-
kungen des Uterus oder die Folgen abgelaufener solcher den Uterus zu einer Zer-
reissung prädisponiren. Biorher slblt die erworbene totale Atrophie oder die
nur umschrielwne des unteren Uterinsegmentes. Die erstere kann eine Laetationa*
atrophie stMn oder eine Atrophie mit vprschiedonon Allfrenioinerkraukunfren oder
eine Atrophie als Folge vorausgcKHUi^^cuer verschiedener entzündlicher Atlectionen
des Uterus ^wie namentlich bei niederen Graden der Farametn'tia chronica atro-
phiean»). Es kann aber aueh nur das untere Uterinsegment dnreh flberstandeae
oder noch bestehende Processe (wie z. B. ebenfalls durch die Parametntü chro-
nica af rophicann, Ueberdehnunf;en bei früheren Geburten u. derffl. m."^i atrophisch
geworden sein. In anderen Fällen ist das untere üterinsegment durch alte Narben
(sei ep in Folge von flberstandenen Kaiserschnitten **) oder glOeklieh tiberstandener
Uterusrupturen) widerstandsunfähiger als in der Norm. Fernerhin kann die I terns-
wand durch entzündliche Krankheiten — I^uerperalprocesse, Syphilis u. dergl. m.,
durch Neubildungen — Carcinom der Cervix — durch Abnormitäten der
Eiinplantation — Placenta praevia — destrnirt sein. Eine grosse Bedeutung,
rndner Ansicht nach eine etwas xu grosse Bedeutung, vindieirt Fbbund jon. der Un>
nachgiebigkeit des äusseren Muttermundes oder der tieferen Ccrvixabschnitte, die
namentlich l»ei .tltcren Primiparen zu sehen ist, aber auch hei jUnfreren solchen
vorkommt und bei diesen eine Theilerscheinung von Missbildungen und Eutwick-
Inngafehlem und femer als Strietnr des ftusaeren Muttermundes vorkommt.
Bei den hoher oben gelegenen Stricturen des Uterus soll es sieh nm einen
abnormen r vuitractionsvorgnng auf Grund abnormer üUitwickluog des gesammten
Uterus bandeln.
Bei den typischen Kissen des unteren Uterinsegmentes ist der Riss meist
ein querer (Fig. 110) oder sehrlger, der Torne, hinten oder seitiidi sitst. Lings«
risse sind nach Freund jun. gewöhnlich bei Zerreissungen des Scheidengewölbes
zu sehen. Sie erstrecken sich verschieden weit in das untere l'terinsegment hinein,
ja selbst bis über den Contractiousring hinauf. Dies geschieht namentlich dann,
wenn die ganxe Frucht oder dodh ein grosser nmfangrdcher Theil derselben dnreh
die RiasOfihnng getrieben wurde und naehtrfiglich noch Eingriffe behufs Ent*
bindung- per vias naturales gemacht wurden. Die Querrisse sind nicht selten so
umfangreich, dass sie die ganze vordere oder hintere Wand umfassen, so d:i.ss
die beiden üterinsegmente nur an einer Seite nodi miteinander snsammenhängen.
Der I^tss ist verschieden, entweder peoetrirend oder unvollkommen mit
Erhalt des peritunealen Uoberzugcs. Beide Zustünde ab<T. der penetrircnde, sowie
der unv(dlk(tnuneiie Kiss . sind nur verschiedene Grade eines und desselben Pru-
ce^ses. Bei unvollkommenem iiisse tindet sich das Peritoneum am unteren Üterin-
segmente in verschiedenem Umfange abgehoben. Begflnstigt wird dies durch den
Umstand, da.ss das Peritoneum in dieser Gegend der Musculatur nur verschieblich
aufsitzt. Dieser Bluterfruss kann sich scitlieh bis nach der D-innbeinschaufel , ja
selbst bis nach der Niere hin erstrecken, in anderen Fällen wieder ergiesst sich
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UTERUSRUPTUR.
787
das Blut in das Bindegewebe zwischen die beiden Blätter des Ligamentum latum
der betreffenden Seite. Immer ist der Riss ur8prting:Iich ein unvollkommener, der
erst im Verlaufe der nächsten Wehe zum Ri^se des Peritoneums führt. Daher
können sich diese Hämatome auch bei penetrirender Ruptur finden. Der Peritoneal-
riss sitzt stets etwas höher, als der Muskelriss.
Sobald der Riss eingetreten, schlüpft die Frucht theilweise, seltener zur
Gäoze entweder unter den abgehobenen l'eritonealüberzug oder, bei penetrirender
Ruptur, in die freie Bauchhöhle. Der Fundus mit dem oberen Theile des Corpus,
der nun seine Aufgabe erfüllt und die in ihm gelegenen Fruchttheile ausgestrichen
hat, liegt nun leer, mehr oder weniger weit abgerissen in der Bauchhöhle. Nach
Fix. 110.
a FondoB uteri. Bandl'acher Ring. >* BlutArgaes nntor dem Perltonealülierzuee. Peritoneal-
uberzug des Cterus.
der allgemeinen Annahme ist der obere halbabgerissene Theil des Uterus fest
zusammengezogen. Nach meinen Erfahrungen ist er in der Regel erschlafft und
fühlt er sich wie ein dicker, weicher, leerer, schlaffer Sack an. Eine ungünstige
Complication ist es, wenn durch die Rissöfl'nung Darmschlingen in die Scheide
oder gar nach aussen vorfallen. Noch ungünstiger ist es, wenn Darmschlingen
durch die Rissöffnung in den Uterus gelangen und hier eingeklemmt werden.
Das kliniHchc Bild , in allgemeinen Zügen entworfen , ist bei dem Zu-
standekommen der Uterusruptur folgendes :
50»
788
UTERUSRÜPTUa
Wegen des engen Beckens , wegen der aussergewöhulichen Grösse des
Frucbtkopfcs, wegen der uogUnBtigen EinstelluDg des Kopfes oder der bestehen-
den Querlage kann der vorangehende Frndittlieil niebt in den Beekeneanal
eintreten. Entsprechend diesem mechanischen Hindemisse ist die Wehentiifttlg»
keit eine exccssiv energische. Die Uteruscontraetionen sind ungemein krfiftig und
folgen einander rafch, trotzdem aber rückt der vorliegende Fruchttheil nicht oder
nicht gehörig vor. Vergeblich trachtet die Kreissende die Geburt mittelst der
Banebpresse ni beseblennigen. Naeb veraebieden Itngei' Zeit kommt es wax
Bildung einer deutlich siebtbaren , quer oder schräge verlaufenden Leiste , des
Contractiousringes , durch die der Tterus deutlich in zwei Hälften geschieden
wird. Oberhalb der Leiste liegt die feste, obere, massigere Uterushälfte, die in
der Webenpauae erscblaflt, nnterbalb derselben das stark vorgewölbte untere
Uterinsegment, das meist nach der einen Seite bin mebr auflgebaneht erseheint,
als nach der anderen. Es bleibt auch in der Wehenpanse gespannt und ist auch
während der letzteren auffallend schmerzhaft, namentlich bei Berührung. Die
einzelnen Fruchttheile in demselben lassen sich niebt differoiairen. Bei geuaner
Untersnebnng find^ man das ^ne oder beide aaflUlend stark gespannten Liga-
menta rotunda. Die Puls- und Hcipirationsfrequenz ist ^rfstci^jert, die Tem])eratt5r
erhöht. Der fiesichtsausdruck der Kreissenden ist ein aufVallend .'schmerzhafter.
Selbstverstäudlich sind die Wässer bei diesem Zustande längbt früher schon ab-
geflossen. Des Weiteren stdgt der Oontraetionsring rascb in die HObe, wodureb
das obere, fest eontrahirte Uterinsegmunt im Verhältniss ztim bauchig vor-
gewölbten schmerzhaften unteren immer kleiner wird, bis endlich die Kreissende
auf der Hohe einer Wehe plötzlich über einen heftigen Schmerz und das Gefühl
des Zerrossens an einer nmsohriebenen Stelle des unteren üterinsegmentes klagt.
Von diesem Momente an oessirt die Wehenthätigkeit. Die Frau coUabirt und
beginnt zn bluten. Ebenso plötzlich wird der Puls anfTalleud klein , fadenförmig
und sehr freqnent (120 und mehr Schhlgej, \W\ der äusseren Untersuchung findet
man, dass sich eine i'artie der Frucht oder gar die ganze letztere auflallend
deutUeb dnrob die Baueiideeke dnrebtasten Iftsst, und zwar in dem Masse, dass
man jede einzelne Oliedmasse bestimmen kann. Hei unvollkommener Ruptur fühlt
man meist doch noch eine gewisse Spannunir der über der Frucht erhaltenen Theile.
lieben oder Uber der Frucht fühlt mau deutlich den cuutrahirteu oder erschlafllten
Ut«ii8« Cbarakteristiseb ist der innere Untersuebungsbefiind. Während der vor>
liegende Fmehttbeil früher fixirt war, findet man nun das Vaginalgewölbe leer
oder i^t der vorliegende, früher fixirt gewesene Fruchttheil fnanientlich ist dies
bei dem vorlic;r<'iHh ii Arn;e mit der eingekeilten Schulter autl'alleud) so beweglich
geworden , dasü er , kaum mit dem Finger berührt , in die Höhe steigt , worauf
sieb Blnt aus der Sebeide ergiesst. Die Blutung ist in der Regel anfangs eine
heftige und dabei continuirliche. Sp.lterhin , sobald die Herzschwäche zunimmt,
lässt sie nach. In manchen F/ilicn ist die Hlutiint^ eine relativ geringere in Folire
der starken Quetschung der Wuichtheile. Bei unvollkommener Ruptur kann das
ZU Stande gekommene subperitoneate Hilmatom zuweilen von aussen in seinen Con-
touren siebtbar werden. Das Verhalten der Placenta ist verschieden. Sie kann im
Uteruskörper sitzen bleiben, was allerdings seltener der Fall ist, denn meist wird
auch sie ausgetrielten. Zuweilen bleibt sie im unteren zerrissenen Uterussegmente
liegen, wilhrend bie andcremale au der Frucht vorbei nach aussen gelangt. Nicht
gar so selten endlieb tritt sie mit der Fruebt m die BauebbOble.
TbeUweise anders ist das klinische Bild bei hohen Schoidenrissen. Der
an den flnsseren Bauelulccken sich abspielende Vorgang ist hier der gleiche, wio
bei den typischen B.\NL>L'scheu iiisseu (Fheund jun.). Es kommt zur Bildung
des Contractionsringes ebenso wie dort. Die Debnungssymptome stellen rieb aber
bei Laquearrissen im Allgemeinen spiitcr ein, .ils bei Kissen des unteren Uterin-
se^'iiifMiIi's. Wi M iitlich anders aber ist liier der iiuicrc rntcrsiichnngshefund. Der
äussere Muttermund, sowie die nächst höheren Abschnitte des Uterus sind hier nie
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DTERÜSRÜFIÜB.
789
zu erreichen, während man bei der Cervixdehnung immer den Huttermnod oder
mindest einen Saum desselben fühlt. Bei Dehnungen dos Tjaqucar findet man
dieaea in ganz auöallender Weise aasgeweitet, gespannt, verdünnt, in die Höhe
gesogen, bei der Gerrizdehnnng dagegen ist das SeheidengewOlbe nur minig
gespannt oder hfiufig auch nicht, sogar schlaff. Bei beginnender Sclioidwruptar
t^teht der Uteriiafandas böber als bei Germdebnnngen, da er bier böber empor-
steigen kann.
Bei droliender Berstung des Uterus und wenig erOffoetem Muttermunde
dagegen sind die sieh darbietenden Verbtitnine gans andere. Das untere üterin-
Kegment ist st.ark gespannt, es ist auch in der Wehenpause verdUnnt, verlängert
und hei Berührung schmerzhaft. Die Harnblase ist stark in die Höhe gezogen und
coosecutiv besteht iiarndraug oder nicht selten Ischurie. Dabei ist meist die Frucht-
blase erbalten und der Nnttermand wenig erOffbet. Troti der sebeinbar wenig
vorgeschrittenen Geburt sind die Liijano-nta rotunda stark gespannt. Ea bestehen
heftige Schmerzen Uber der Gcfrend der Symphyse. Charakteristisch ist die l'nruhe
der Kreissenden während der Webe, t^in ununterbrochenes Arbeiten des Uterus,
wie bei drobender Rnptnr feblt bier, ebeno andi «ne maricante Aetion der Bauob-
presse. IKe Samme der Ersebeinnngen vor dem Eintritte der Ruptur erreicht niebt
die Höhe jener, die bei eiuer norin.^len Erstgeburt da sind. In manchen Fällen,
namentlich dort, wo die Ruptur schon in der Schwangerschaft ^''i oder in den
eriiten Stadien des (jeburlebeginncs erfolgt, fehlen alle Symptome oder iiudet mau
das untere Uterinsegment bOebstens ansgebnebtet , wie bei einem Cerviealaborte.
Die Ruptur kann uncrw.irtot ohne Vorausgehen prämonitorisober Erscheinungen
eintreten. Ebenso kann hier die Syniptfunatnlncrie nach erfolgter Ruptur eine
ganz andere sein. Manchmal sind alle Symptome da, die charakteristisch sind
fttr die angetretene Ruptur, der plAtslidie CoUaps, die eontiauirüelie BIntang
u. dergl. m. Zuweilen aber fehlen henrorsteebende , snbjective und objeetive Er-
.«cheintin?cn, die bestimmt für eine eingetretene Uuptur des Utems Spreeben, wenn
auch eine Blutung da ist und Collaps eintritt.
Was die Häutigkeit des Vorkommens der Utorusruptur anbelangt, so
beaiflbrt sie Bandl dabin, dass 1 Fall auf 1188 Geburten komme, v. Franks **)
findet 1 Fall auf 3225 Geburten. So viel ist glücklicher Weise sicher, dass dieses
traurige Ereiguiss nur selten erfol-^t. doch ^ind die den Kliniken entnommenen
statistischen Daten nicht vcrlüsslich, da eben diese Institute vorzugsweise von sehr
gefltbrdeten Kreissenden aufgesuebt werden und darunter aucb von soleben, die
bei normalen Geburten die Klinik nicht betreten. Nach Tbask's Daten entfallen
etwa 86*05*/o auf Mehrgcschw.'in^ertc und nur „ auf Erstgeschwängerte,
der Beweis für die Riehtigkcit der oben angeführten theoretischen Annahme, dass
Hebrgeschwängerte vielmehr gefllbrdet sind, als Primiparae. Nach Tbask's Zu«
sammenstellnngen lässt sieb weiterbin entnebmen, dass parallel mit der Ansabl
der vorausgegangenen Gehurton die Gefahr des Eintrittes der Ruptur ansteigt.
Ebenso wichtig, wenn niclit noch wichtiger, als die Diagnose der bereits
eingetretenen Ruptur ist die Diagnose der drohenden, denn erkennt man die
prftmonitoriseben Symptome anr riebtigen Zeit, so kann man in der Kegel dem
Eintritte der Ruptur vorbeugen.
In erster Linie nnissen dem Arzte die t,'eb',irtshilfliclien \'er!i:Utnisse des
Falle-s vollkommen klar sein. Ks mu.ss sichergestellt sein, ob das Becken normal
oder verengt ist und im letzteren Falle die Art und der Orad der Beckenver-
engerung. Liegt der Kopf vor, so muss seine Einstellung genau bestimmt werden.
Ebenso mu-ss bestimmt werden, ob der Kopf normal gebaut ist oder ob nicht
etwa ein n\driM-e]»lialus vorliegt. Ist letzteres der Fall, sr) nuis-i dess^^i (irüsse
appro.\imativ bcstiiiiint werden. Aber auch bei normalem Kopto muss dessen Grösse,
Hirte u. dergl. m., soweit es eben tbunlieb ist, festgestellt werden. Niebt minder
wiebtig ist die Bestimnunr.;. ob, in welcher Weise und wie rasch, respective wie
langsam der Kopf in das Becken eintritt und wie sieb die Wehentbfttigkeit ver-
790
UTERUSRUPTUR.
hält. Schliesslich ist Verhalten des T'tems , beziehungsweise das Verhalten
»eines oberen und unteren Segmentes, aowie das Allgemeinverhalten der KreiBsenden
zu bestimmen.
Eine sehr «no-gisehe WehflnthltiKkeit bei mgwn BeekeD und bcehsMwndem
oder bei bydrocephalischem SebUtl ebne deutlichem Abwärtstreten des Kopfes, eine
solche bei bestehender Querlage, namentlich aber bei tief eingekeilter Schulter
mttsaen Fingerzeige abgeben, den Unterleib genau zu untersuchen. Findet man
wter lolcbmi (Tmstiodoo die ervftbnt« qaer oder Mbrigverlaufeiide Lelite, die
Ligamenta rotunda stark gespannt, ist dal obere üterinsegment während der
Wehe sehr enerfjiach contrahirt . das untere dagegen stark , namentlich einseitig
ausgedehnt, auch während der VVehenpause fest gespannt und schmerzhaft, wird
die dem Contractionsringe entsprechende Furche immer tiefer, rflckt sie sogar
naeb «afwlrts, wird die ober» Utemdillfle Meliier, etoigt die Temperatur an, wird
der Pulfl freqnent und ebenso die Respiration u. s. w., so ist die Gefahr dos Ein-
trittes einer Ruptur imminent und muss getraehtet werden, die Geburt in schonungs-
vollster Weise, ohne die Ueberdehnung des unteren Uterinsegmentes noch mehr zu
steigern, mögliclist raseb sa beenden.
Aber auch wenn der Muttermund noch wenig eröffnet, dabei rigid und
unnaehfriebig ist, die Zeichen einer drohenden Huptur am rnterleibe vielleicht
nicht bemerkbar sind, das untere Uterinsegment dabei aber doch ausgeweitet und
stark gedehnt erscheint, werden wir trachten, die Qebnrt raseb an lieenden, nm
«inor Berstnng des Utems Tonmbengen. In solchen Fällen ist es allerdings blnfig
schwierg zu bestimmen, ob die Geburt rasch künstlich beendet werden muss. da
sich hJlulig nicht entscheiden lässt, ob die Kreiasende bei den weniir ausgesprochenen
Symptomen knapp vor der Beratung des Uterus steht oder nicht.
Wenn einmal die Rnptnr sebon da tet, so ist die Stelinng der Diagnose
nicht schwierig. Auf den ersten Blick schon fällt dem Beschauer der CoUaps der
vollständig wehenlosen Unentbundenen auf. Der Puls ist aurtallend klein, jagend.
Die Temperatur ist abnorm niedrig. Bei der äusseren Untersuchung des Unter-
Idbes argiebt tidi rieb ein ganz ungewObnlieber Befiind. In der Nibe des eontra-
birten oder seblaffien Uteras findet man einen Abschnitt der Frucht oder die ganze
letztere unter den äusi^eren Bauobdecken liegend, sich so deutlich anfühlend, als
ob sie sieh nur unter einem Tuche befllnde. Dabei sieht mau einen continuirlichen
Stärkereu oder schwiichereu Blutabgaug. Der frUher vorgelegene Fruchttheil fehlt,
das SebeidengewMbe ist leer oder ist der Mber eingekeilte Frnebttbetl (namenflieb
gilt dies von der eingekeilten Schulter) , so beweglich geworden , dass er schon
bei leichter Berührung mit dem Finger in die Höhe steigt, wobei sich gleichzeitig
Blut nach aussen ergiesst. Fuhrt man die halbe oder ganze Hand in die Scheide
ein, SU gelangt man ebne Sebwierigkeit an die Rissstelle und Icann bestimmen,
ob sie das untere Uterinsegment oder den Laiinear betrifft, ob der Riss ein
penctrirender oder unvollkommener ist , ob Dflrme in die Scheide eingetreten
sind u. dergl. m. Bei incompleter Buptur kann man zuweilen , wenn sich ein
bedeutendes subperitoneales Hämatom gebildet hat, die Contouren desselben sebon
von anssen hm erkennen nnd fbblt man snweilen doeb noeb eine gewisse Spannung
der Aber der Frucht sich befindenden Weichthcile.
VorHiehtsweisc beginne man immer mit der äusseren Untersuchung und
bestimme aus dieser allein die Gegenwart der Kuptur. Hierauf erst schliesse man
die innere Untersnebnng an. Man entsiebt sieb dadnreb jedem, selbst dem uabo-
recbtigsten Vorwurfe von Seite der Laien und der häufig nicht schuldlosen Hebamme,
die Rnptur durch die innere rntor.suehun^' herVu'iL'eführt zu haben.
Wichtig ist die Bestimmung des Sitzes der Kuptur und der Grösse derselben.
Die Prognose der Mutter ist eine höchst ungünstige. Ist aueh die Zahl
der bekannten Fälle, in denen spontane Heilang der Rnptnr eintrat oder in denen
durch ein entsprechendes Eingreifen das Leben der Mutter irerettet wurde (von
doien weiter unten gesprochen werden soll), eine verhäituissmässig nicht geringe,
UTERUSBUPTUB.
791
80 ist der glückliche Ausgang fflr die Mutter leider doch nur ein Aus-
nabmsfall. In der Regel kommt es ni^ht einmal zu einer Reaction nach der Ver-
letzung. Der Collaps nimmt zu, die Blutung hält eine Zeit an, um später bei
sonebmender Hemehwlohe aufsnbOreo. Fmllel damit verfallen die Krilfto nodi
melir und wenige Standen nach der Ruptur ist die Mutter eine Leiche. Naeh
meinen Erfahrungen ist es in erster Linie der Shock, der den Tod herbeifflllrt|
allerdings mit befördert durch den meist bedeutendea Blutverluat.
Von einer PrognoM boflglioli der FVvelit liwt nieli kanm sprechen, da
letitere bei den typischen Rissen des unteren Uterinsegmentes, ebenso wie bti
den Laqnearrissen in der Regel schon oft vor Eintritt der Ruptur in Folge der
durch die rSumlichen Missverhältnisse lange wahrenden Oeburtsdauer abgestorben ist.
Die Prognose scheint nach Scheideorissen uuch ungünstiger zu sein als
naeh Rissen des unteren Cterinsegmentes. Naeli Schleohta**) ist die Rnptar
der vorderen Wand gefährlicher, angeblich deshalb, weil das Wundsecret keinen
so guten AbHiiss findet. Auch Fleischmann findet, dass vordere Collumrisso
«ine bedeutend schlechtere Prognose ergeben , als vorne sitzende. PiskaObk
dagegen sebeint ans seinen Daten das Entgegengesetale itt endiUessfln.
Die Therapie scheidet sieh in die prophylaetisehe bei drohender nnd ia
die Therapie bei bereits eingetretener Ruptur.
Die propbylactische Therapie ist die wiebtigere. Wir haben es mittelst
ihrer in der Hand, das Leben der bedrohten Ereissenden zu retten. Bei erfolgter
Rnptnr werden wir setbstverstindlieh wohl aneh alle tlierapentisohen HanregelB
treffen, mittelst welcher wir die Kranke zu retten snehen werden , doch wird der
Erfolg zumeist aii<;hleiben.
Die propbylactische Therapie besteht in der raschen künstlichen Geburts-
beendigung unter mOgliehster Vermeidung, das untere flberdelmte Uiemssegment
hierbei einem Drucke auszusetzen. Unter solrlu n Verh<niasen eatfUlt jede Rflok-
Bichtnahme auf das Le^rn der Frucht und werden wir nns daher auch nieht
scheuen, deren Lebeu im Interesse der Mutter zu opfern.
Gestatten es die äusseren Verhältnisse, so werden wir die Kreissende,
naebdem wir ihr Morphium einverleibt haben, narcotlsireii , um die Wirkung der
Bauchpresse aufzuheben und eventuell auch die Energie der Wehm herabiusetien.
Hierauf werden wir zur Geburtsbeendigung schreiten.
Am ratiüuelUten ist es, den Kopf zu perforireu. Bei der kräftigen
Wehenihitigkeit wird das Gehirn hervortreten, der Kopf verkleinert sieh und das
untere Uterinsegment entlastet sieh. Ist letzteres geschehen, so hängt das weiten
Verfahren von den vorliegenden Verhältnissen ab. rntor l'nist.lnden kann man die
weitere Geburtsbeendigung der Natur Uberlaasen. Ist dies nicht zu erwarten, so
muss man den Kopf eztrabiren. Am aehonungsvollsten geschieht ffiea mittdht des in
die PerforattonsOffnnng eingesetzten Fingers. Ftthrt dies nieht sum Ziele, so legt
man die Zange an. Die sofortige Anlegung der Zange ist nicht anempfehlbar.
Das untere Uterinsegment ist hyperexteudirt und stark verdünnt. Legt mau hier
die Zange an und cxtrahirt man, so wird das hyperextendirte untere Uterinsegment
Stark gedrflekt, sowie heraligeserrt nnd »erreiast daduroh naliezu sieher. Von dem
Gebrauehe eines Cephalothr^'ptors oder eines Cnuiioelastes ist absolut keine Rede,
da man bei forcirter Extraction das untere üterinsegment bestimmt zerreisst. Bei
▼orliegcudem Uydrocephalus punotirt man den Kopf mittelst eines Einstiches.
Das Wasser fliegst ab, das untere üterinsegment wird entlastet und die Gefidir
ist behoben. Strengstens verpönt ist ein Wendungsversuch. Das hyperextendirte
untere Üterinsegment wird es nur in den seltensten Fällen vertragen, dass auch
noch der halbe Arm in dasselbe eingeführt werde. Reisst bei der Eiaführung des
Armes das untere Uterinsegment ausnahmsweise nicht ein , so reisst es gewiss
ein, wätan die Frueht umgedreht wird. Fbhlino's«<) Rathaehlag, bei geringeren
Graden der Dehnung des unteren Uterinsegnit nttN den Kopf unter entsprechender
Vorsicht in das Becken einzupressen, ist undurchführbar, da es sich hier um
CTBBÜSRÜPTOR.
unüberwindliche rflumliehe Missverliältnisse handelt, die durrh eine Kinpresauug
des Kopfes nicht behoben werden. HAnsMAMM's*') auiigefuhrter Vorschlag, die
EreiiMiide die KnieeUenlM^pflolagiB mit mOgliehit UefliegeiideD Schultern ein-
nehmen zu lassen , um die Oofahr der drohenden Rnptnr zn mindern , h.11t den
Eintritt der Ruptur gewiss nicht auf. E-i bleibt nichts Anderes Ubri^, als die
Frucht zu zerstückeln. Je nach ihrer Lagerung wird decapitirt oder eviseerirt.
Um jeden Draeh rnif da« untere üterinsegment sn ▼ermeiden, trennt man unter
Leitung zweier Finger bei vorliegradem Halse letsteren mit der DUBOis'schen
Sclu'ere durch. Der Schlüsselhaken ist entschieden zu verwerfen. Der mittelst
seiner angewandte Druck wirkt auf das untere Uterinsegment zurück und zer-
.reisst dieses. Naeb erfolgter Dnrohtrennung des Halses ist die Hyperextenrton
des unteren Utertnsegmentes sofort behoben, da der abgesohnittene Kopf naeh
«ibcu entweicht. Man erfnsst den nahelie^rcudeu einen Arm, extrahirt den Rumpf
und dann den abgetrennten Knj)f, ohne fiircliton zu niüs.sen, den Fterus zu zer-
reiäücu. Bei vorliegender Schulter erüüuei man den Thorax mit der grossen
Seheere, weidet ihn ans , durehstösst hierauf das Zwerehfell nnd wddet aneh die
Bauchhöhle aus. Sehon dadurch, das-s der Fruebtumfang vermindert wurde, wird
das untere Uterinseirment entlastet. Dennoch ist es nielit rathsam, jetzt mit der
Haud einzugeben und auf dem Fuss zu wenden. Man durchtrennt die Wirbelsäule
mit ^r Seheere, wodurch die Fmeht zusammenlclappt. Durch Zog an der unteren
Fruobtbälfte (ausgeübt durch den Finger, den mau auf die untere WirbclKäulen-
hftlfte anft^et/t ) bringt man sieh den Steiss herab und icann an diesem die ITrucht
leicht extrahireu.
Nicht angezeigt ist es, um der drohenden Uterusruptur vorzubeagen, den
Kaiserschnitt vonanehmon, wie dies in einem Falle Losibb'^) mit nng^Oeklidiem
Aufgange für die Operirte that.
Nach e foljrter Ruptur ist es unter allen Umstiinden schon der firztlichen
Klugheit wegen, wie dies auch Veit^'^) ganz richtig hervorbebt, angezeigt, die
Entbindung vorsunebmen, da, wenn die traurige Prognose Oberhaupt in etwas
gebessert zu werden vermag, dien nur auf dum Wege der Eliminatiou der Frudit
geschehen kann. Die I'ic]iti<rkeit dieser Folgerunjr wird aueli dadurch nicht er-
schüttert, dass vereinzelte Fälle bekannt sind, in deneu die Kranke trotz der in
ihrer Bauchhöhle verbliebenen Frucht genas. Die richtige Behandlung besteht
in der Extraetion der Fmeht, eventuell auch der Placenta aus der Bauchhöhle
per vins naturales. Die Kissöffnung, durch die die Fi ucht theilweise oder zur G.lnze
in die FVritonealhnlile trat, ist so gross, dass .sie durch die Eintllhruii-r der Hand
uud die Extractiou der Frucht gewiss nicht vergrös^eri wird, weuu die Liutührung
der Hand, ebenso wie die Extration der Frucht vorsiehtig vorgenommen wird.
Die P'rucht Hegt, auch wenn sie j^änzlieh in die IVritonealhÖhle geschlüpft ist,
der liissirtruun'/ so nalie. das-; iia> Aufsuclien und l'.rfa^sen der Fiisse ab-solut
keiue ächwierigkeiteu bereitet. Sollte auch die i'laceuta in die liaucbhöhle ge-
schlüpft sein, so muss auch sie von dort hervorgeholt werden. Die Fnrdit, bei
Aufsuchen der Frucht und Bxtraetion derselben Darmsehlingen au verletien
oder mit hervorzuziehen, ist eine übertriebene , denn die Darmschlinjren weichen,
wenn man vor.sielitig «>}ierirt , zur Seite aus. In gleicher Weise ;ieht man vor,
weuu die Ruptur eine iinvoUsUludigo und der Peritonealüberzug intact geblieben
ist. Die Gebart mittelst der Zange su beenden, wäre nur in jenen seltenen
Fällen aoge/.i iirt . in denen die Ruptur trotz im Becken tixirtem Kopfe eintrat.
Bei vi>rlitirei!<]ini Kopte, der hier beinahe ausnahmslos be\ve;rlicli ist, beendigt
mau diu Geburt mittelst der Wendung und Kxtractiou schi>nuugs\ oller uud rascher
als mittelst der Zange. Sollte der Kopf, der vorliegt, ein Ilydrocephnlua sein,
so muss er vor der Wendung nnd Rxtraction puuettrt werden, weil man ihn
sonst als nadifol. Brenden nur scliwer entleeren ki>nnte.
Die Irrigation der S<'lieide naeli extendirter Frudit und l'lacenta involvirt
die Gefahr, die desiiulieircnde Flüssigkeit in die Uuucliliolile zu treibeu, es empfiehlt
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UTERUSBUPTCB.
793
sich daher, dieselbe lieber zu nnterlasscu. Besser ist es. sich damit zu beprntlg^en,
Jodoformgaze bis zu der Riääößnung hinaufzufubreo. Die Gaze wirkt dana als
TftmpoB und ^«iebzeitig als Drain. Hierauf wird ein fester CompressiTverlMuid
um den Unterleib gelebt. SchlecBTA^^) desinficirt die Risiwnnde vorsichtig
mittelst Tliymol oder Rnrsiliire und dr.'ln^t dnnn dfii rteruR von aussen licrab,
damit die Wuiidrituder aneinander zu liegen kommen, sowohl um eine V'erklebuug
der Wnndränder zu erzieleD, als namentlich um eine etwaige Blutung zu stillen.
Der herebgedringte Uterus wird einige Stunden bindureh in dieser Stellung mit
der Hand fixirt. Dann werden mittelst der Kornzange Jodoform gazestreifen an
und um die Wunde gepresist. Rei stärkerer Blutung wird die (!aze auch in die
Wunde eingeführt und kommt zwischen deren Streifen ein Drainrohr zu liegen.
Sebliesslieb wird Cervix und Vagina tamponirt und auf den Unterleib ein Eis-
beutel gelegt. Will man vor der Taroponade durchaus desinficiren, so muss dies
vorfit'btig geschphen und die Frau hierbei auf die dem Risse entgegengesetzte Seite
gelegt werden. SCHATZ^') und Kro.nek empfehlco, die Frau nach angelegtem
Compresnvverbande eine balb sitzende Lage einnebmen in lassen, um dem Secrete
einen besseren Abflnss zu ermSglieben.
Eine sehr ungllnstige Complication, die ich in den F.lllen, die mir unter
die llilndi' kamen, nalie/ii ausnahmslos antraf, ist ein« heftige Hlutung, herrührend
aus dem erschiatiten I terus uud der lUnäwuude. Mau wird hier wohl Alles ver-
sucben, um der Blutung Herr zu werden , doeb bldbt in der Regel der Erfolg
aus und geht die Kranke binnen kürzester Zeit zu Orunde. Man kann die eine
llaiul in den I'terns einführen und nach Entft'rnung der im Cavnm liegenden
Coagula den Uterus mit der äusseren Hand kräftig reiben , weiterhin kann man
EisstU^^e in den Uterus einlegen, vielldeht IcOnnte man aneb versnoben eine
Heisswasserinjeetion vorzunehmen. Der Effect ist aber gewObnlieb gleieb Null.
Leoi'OI.I) ■' ' I gi-lit lifi Turissigcii lilntuiigen iihnlich wiu Srm.F.CHTA vor. Er ver-
einigt die Wiiiidriluder derart, dass er den Uteruskcirpt-r mit der Zange herab-
zieht und Jodoformgaze bis in den Fundus, sowie dicht hinter die Rissstelle ein-
legt, worauf er einen fe<>ten Compressivverband anf den Unterleib applieirt, nm den
Ftertis in forcirte Anteversion zu bringeu und zu fixiren. Der Gedanke FLEISCH"
MAXx's beiiufs iStilhing einer heftigen IMiitnng die beiden Arteriae uterinae zu
unterbinden, dürfte wohl schwer durchführbar sein. Ich glaube, dass unter Um-
stlnden die Laparotomie gemacht werden sollte, nm die blnteode Stelle aufznsudien
und zu ver-^nrgen. Allerdings .ilu r kommt hier der (weiter nnten zu besprechende)
Umstand in l^elraeht, d.iss diu La[»aroton'.ie bei eingetretener Uteriisruptnr schwer
überstanden wird. \ j;iT ■ •'J und Frkl'XD jun. '^") sind gleichfalls geneigt, unter
solchen Verhfiltnissen eventuell die Laparotomie vorzunebmen.
Eine zweite unsllnstige Complieation ist der Prolaps der Dirme. Man
muss stets tracbten, dieselben zu reponiren und mittelst des Jodoformgasetampons
zurückzuhalten.
Die Gefahren, denen die Frau naeii Kiniriit der iluptur ausgesetzt ist,
liegen sebeinbar in der nnrolttelbaren Gefalir der Blutung und in der späteren
des eventuellen Eintrittes einer Stpsis, zurückzuführen auf die Hand des Arztes
oder auf die ans dem firnitalsclilauehe in die I'eritonealli(»hle geschlü|)fte Frucht.
Bei oberflächlicher l'etraehtung drüngt sich daher unwillkürlich der Gedanke auf,
sebon um den erfolgten Riss eventuell nicbt noeb zu vcrgri'tssern und um mi^glichst
aseptiiob vorzugeben , auf die Elimination der Frücht und deren Naebgeburtstheil
per vias naturales a jtriori zn verzichten und sofnrt die Laparotomie vorzunehmen,
die Frucht und deren Naebgeburtstheil zu entforncn, den Uterus, sowie die Kiss-
wunde, eventuell auch die Ueritonealhöhle gehörig zu desinticiren und hierauf den
Riss zu vernilhen, oder, wenn dies wegen zu starker Zerfetzung der Rissränder
niclit möglich ist, den Uterus onterbalb der Rissstelle zu amputiren. Damit scheint
allen Indii-ationen entsprochen zn sein. Hie Rlutnng ist dauernd gestillt und ilie
eventuelle Infectionspforie aus dem Körper au-*gcsehaltct. Öehon in vorantiseptiseher
ÜTERÜäRüPTüB.
Zeit (lachte man, der Blutstilhino: wegen , an einen solchen operativen Vorgang,
und tiihrte ihn auch aus. Der Erste , der so vorging , war nach Ülpab^ub ")
LoMfiaOSO in Orleans, der 1775 ia einem Falle, 17 Standen nach erfolgter Rnptar,
die LapArotomie voranbiD und den Riia vernfthte. 1779 wiederholte er bei der-
Bellien Person, als sie neaerlich eine Ruptur acquirirte, die Operation. 1781 kam
dieselbe Frau, nebenbei erw «hnt . reehtzeitip und g-Iücklich ohne Ruptur nieder.
Naeb Mc. Kokmak^'^) war W. Bkickell in New-Orleans 1856 der erste auieri-
kanisehe Anct^ der sieh fttr die Vornehme der Laparotomie nach erfolgter Ruptur
aussprach. Es scheint dies aber nicht richtig zu sein, da bereits aeht Jahre frQber
Tkask '"■'] mit dem gleichen Vorschl«"'*' auftrat. Hrklärlicli i'Jt e<; , dass seit
der antiseptischeu Aera, die uns operative Eingriti'e vurzuoehtueo erlaubt, an die
man Arllher nicht denicen konnte, dieser operative Eingriff nleht selten vorgenommen
wurde und quasi sein Bflrgerreeht erlangte. Der Gedankengang einer grossen
Reihe von (Jyn.lkolofren ist folgender: Bei vollst.lndifrcr Ruptur ist die Laparo-
tomie (laiiu vorzunehmen, wenn die Extraetiou der KnicLt oder l'Iacenta per vias
naturales Schwicrigkeiteu bereitet, die Frucht thuilweise oder zur Gänze in die
Peritonealhöhle getreten ist oder sieh aueb die Plaeenta daselbst beRndet, wenn
eine sehr heftige Blutung' besteht, wenn anzunehmen ist, dass der Riss ein Rehr
s.Tosser und von starken Verletzung'en bef^leitet ist, wenn die Hfinno prolabiren
oder wenn sobliesslich das ganze uoeröfl'uete Ovum in die liauchbühle gelangte.
Nadb vorgenommener Laparotomie nnd Entfernung der Frueht sammt der Plaeenta
werden nach vorausgegangener Desinfeetion die Rissränder geglättet und vernäht.
Die« bat namentlich d.uin zu peschclien, wenn eine heftige Blutung besteht. Sind
die Wundräuder so zerlVt/t, dass eine Vcreinifriinfr der^^elben undurchführbar er-
scheint, so ist, namentlich wenn gleichzeitig eiuu heftige Blutung besteht, die
-Porrooperation, i.e. die Amputation des Uterus vonsunehmen. Zu umgeben ist
die Laparotomie bei incompleter Ru|)tur oder dort, wo der perforireode Rins nur
ein kleiner ist, oder wentj keine gefahrdrohende Blutung besteht. In solchen Fällen
kann man sich mit der Drainage begnügen. Jene, die sich mehr oder weniger zu
diesen Ansehauuugen bekennen, und: Ahes*«), Bonnaibb'*), 6. Braun CoE<^'j,
Fehling'^), Franz «'^), Galahin««), Gbakdin«'), Bkrbt Hart«^), Hanks"«),
Harris "o., Bhaxton Hic ks ■'). Horrocks Howakd Iaii.i.k "♦), Josephson •'■),
KALTENBACH'«), LEE''I, LEOI OLD , LlSK"'*), MALCOLM Mc. J>fc:AX'0}, MEB-
MAX.N^'j, Mc. koaMAK«'-j, OTT*^ '), PaETRILUE PRICE '*•'), UKAÜ'«), liBED*'),
RorTH»^, SchAffsb«*), 8chauta<0), Schlborta »i), Schultz**), Slavjanskt
TiASK'*), ükdkrhill "f;, Wixckel ''•^^) und Zweifel»').
Aus statistischen Daten darzulej^eu , ob die exspecfative oder active
Hehandlun^ der Uterusruptur besneru Resultate ergiebt, daher vorzuziehen ist,
geht nicht gut an. Die Erfahrung des Einseinen, wenn ihm auch ein noeh so grosses
Material zu Gebote stiht, kann hier nie die Hasis einer Statistik abgeben, da
die Ttcrusruptur zu s(](en vorkon nit. Anderirseits wieder ist es misslich, aus
fremden Publieationen , die bliuti^ unvollständig und nicht immer klar abgefas^t
sind, noanfecbtbsre Sehlussfolgerungen zu ziehen, abgeeeheu davon, dass nicht
alle Fälle gleichwerthig sind und viele derselben in die vorantiseptiDehe SMt iUlen.
Aus diesen Grdnden scheinen mir die Schlüsse, die AHES»*), Cok "•), Harris""")
und I':sKA( F.K 1 aus iluen Daten ziehen, nicht unbidinet xerliis.l'pb. Immer-
hin aber macht ea mir in Anbetracht der relativ zahlreichen Fülle aus den letzten
Jahren, die ohne operativen Eingriff gflnstig ausliefen ***) , nnd des Umstandes,
dass von den vielen , cljeufalls aus den letzten Jahren stammenden Pallien . in
denen operativ eingegriffen wurde, nur wenige gtln^tig au&liefeu . diu Kindruck,
dass das ex>pectative Verfahren günstigere Ergebnisse liefertcals, das operative.
Ich glaube übrigens, dass die Verbältnisse nicht so einracb liegen, als
man gemeinhin annimmt. Eine Laparotomie naeh erfolgter Ruptur ist bexflglieh
der Prognose durchaus nicht einer S^rfio caesaiea oder gar einer Laparotomie,
die aus gynäkologischen Gründen vorgenommeu wird, gleicbzuütellen. Wohl tbeil-
UTBBUSRUPTUB.
795
weise auch deshmlb, weil durch den Tebertritt der Frucht, ihrer Nachgebarto*
theil«' lind des .«onstifren rtenisinhalte-! in die Bauchhöhle sepsisorresrende Keime
in letztKenanutes Cavum verschleppt ■»erden, hauptsächlich aber aus eiuem anderen
Grunde. Die plötzlich statitindeude umfangreiche Huptur des Uteruo, die sich in der
Regel an einen lange dauernden «ebweren Oebartaaet anaeblieast, ruft einen sdiweren
Sbook hervor. Derselbe stellt sich momentan ein. Der Collaps ist nicht Folge der
Blutung, wenn er auch spfltcr durch diese gesteigert wird. Er stellt sich momentan
ein, bevor ihn noch die ebeufailti durch die Huptur hervorgerufene Blutung hervor-
xnmfen vermag. Die Kranke bat noeb niebt Zeit gefvnden, boeligradig nnimiieb
in werden nnd schon ist sie collabirt. Es macht den Eindruck, daas die Ruptar
namentlich dann einen schweren Shock nach Rieh zieht, wenn das Organ Iflnfrere Zeit
hindurch in sehr kräftiger, vergeblicher Action begritfen war. Dafür spricht auch
der Umstand, dass in Fällen (von denen weiter* unten Erwähnung gemacht werden
soll), in welchen Giavide dnrab ein Tranra eine Raptnr der Banebdeeken nnd
de.'* l'terus erleiden , diese gewiss ebenso schwere , wenn nicht noch schwerere
Verletzung relativ leicht Uberstehen. Auf diese intra partum entstandene Kuptur
noch eine Laparotomie aufzusetzen, die gieicbfalls ein bchwerer Eingriff ist, heisst
denn 'doeb , dem GesammtorgamBmnB eine in lebwere Aufgabe aufittbflrden , die
derselbe nicht leicht zu lösen im Stande Mt, trotz aller Antisepsis und Asepsis. El
M'ird uns daher nicLt Wunder nehmen, wenn relativ nur Wenige diese I^aparo-
tomie Uberstehen. Ich stimme nach dieser Riebtuog hin mit iNUfiiBSLEV und der
ScBBÖOBB'seben Sebule vtritkonunen flberein, daas das exspectative Verfabren, einige
seltene A usnabnsfUIIe abgerccbnet, dem operativen vorimdeben ist. Zu den Aua-
nahni«f?lllen zahlt der Eintritt der Riiptnr bei absolut zu engem Becken, bei dem
ohnehin die Stctio (iKsnrfa angezeigt ist. Ausserdem mag es in manchen Fällen
(wie dies bereits oben angedeutet wurde;, wenn trotz gut coutrahirtem oberen
(Jterioaegmente eine beftfge Blutung bestebt, die nur ans der Risestelle lierrtihrt,
vielleicht bereehti^t s(in, die Laparotomie vorznnehnu n , um die blutende Stelle
aufzusuchen iitid dauernd lu versorgen. Mir ist bisher kein derartiger Fall unter
die Hände gekommen.
Andbbws>o*), Fobnabi>«') nnd Cos i«») gingen in einielnen Fällen
in ihrem operativen Eimebreiten noch weiter. Sie wollten sieb niebt danut
begnilgen, die Kisgstellc zu vernähen oder den l'terus zu amputiren , sondern ex-
btirpirten das ganze Organ. In keinem dieser F.IÜe aber wurde eine Kranke
gerettet. Frekmann i»"; nahm in einem Falle, in dem die Ruptur in der Vorder-
wand des unteren Abschnittes der Cerviz eintrat, den Kaisersebnitt, aber eben«
falls mit ungllnetigem Erfolge vor. Ki tff.rberg etitniromt aus zwei Fällen,
die er sah. dass die Pro-^nose hier lieileutond gUnstiger ist. als bei höher gelegenen
Hir'Sen. Bei Laquearrissen ist, weun laparotoniirt wird, die Prognose noch un-
gflnstiger , als bei Rissen des unteren IJterinsegmentee. Die Laparotomie aobelnt
demniich bei diesen Kissen unbedingt contraindidrt zu sein (Fhkünd jun. ^'').
Trotz der höchst nnijlinstigen Prognose der l'terusruptur ereignen sich
duch vereinzelte Fälle , in deneu die Betretlende die Ruptur zweimal und noch
Öfters glttcklieb Ubersteht. Fälle iweimal glücklich überatandener Ruptnr sahen
LoiiBBOSO 1'*) nnd Wbnzbl "■). Einen Fall, in dem die Ruptur dreimal glttcklieb
ttberstanden wurde, erwähnt Batti f.hnfr '"), und einen von sogar viermal Uber-
ptandener Kuptur, dessen (JlaubwUrdigkeit zwar angezweifelt, von Byford "*) und
Mi.NDK -'j aber bestiUigt wurde, theilt liOSK'»'; mit. lu den von Albekts
Breüss <i»), Dittkl "«) und Wbnzbl publielrten FMIen flberstanden die Frauen
die erste Ruptur, gingen jedoch an der zweiten zu Grunde. In dem einen der von
WfiNZEL erw.nhnten zwei Fälle Überstand die Fruit nicht nur die Ruptur glück-
lich, sondern machte später noch einmal eine normale Geburt durch. Dasselbe
geschah im Falle LoiiBBOSO's. Einen Fall tob iwdnialiger Üterusmptur bei ein
und derselben Frau theilt auch Dcüois mit. Fälle, m denen die Frauen nach
ttberstandenvr Ruptur weiterhin noch nomwl und gut gebaren, erwibnen Fbanz
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UTBRÜSBUPTÜB.
Grf.kne 1-'), Lawrekcr Mc. Leax 1"), Deutsch und LED£ft£ft ^-"j, aowie
11 ti l i ES 1'-").
Leider dnrehaits nicht so selten sind artifieielle Raptaren. In den meisten
Filllea kommen sie dftdurch SU Stande, dass bei drohender Ruptur und bestebeo*
der Querlatre Wendung'sversuche angestellt werden. Sie sind penetrireude oder
unvollkomiuene , meiner Ansiebt nach aber uocb am che^iten zu eutscbuldigen.
Naeh Fritsch i*«) und LöW7 1") dnd sie in naehhiaein , wenn keine siebere '
Anamnese vorliegt, von spontanen Rupturen nicht an unterscbeiden, da die Grösse
tuid Form des Ris-ses aiu-li )m spontanen Rupturen tii«,« g'leicbe sein kann. In den
Filllen artificieller Ruptiirtn , die mir zu (icsicbt kamen, verniisste ich nie ein
anteuterines Kmphyseoi, wübrend ich ea bei spontanen nie sab. Es cbarakterisirt
sieh dadurch , dass in der Gegend dar Rnptnr die Inssere Decke etwas aufge-
trieben erscheint und I i it r Berlihruu? derselben ein deutliches Knistern zu
fllhlen ist. Kr» kommt dadurch zu Stande, dass der Operateur bei Einführung der
Hand mit Luit in die L'terushöhlo einfuhrt und diese bei Erzeugung der Ruptur
in dss Bubperitoneale Bindegewebe hineingetrieben wird. Die Entstehung dieses
Emphysemes ist bei spoutauer Ruptur nicht denkbsr* da es unerklirlich wSre,
wieso Luft in den rtt-nis käme und von da aus mit (Jowalt unter den Peri-
tonealflberzug des Uterus ;<etrieben würde. Dieses Emphysem hat unter Uui»täudeu
eine nicht geringe diagnostische Redeutuug, da man aus dessen Gegenwart allein
schon bei der Äusseren Untersnehnng des Unterleibes die Ruptur des Uterus er-
kennen Icann.
Noch VDü^r zu entschuldi{;en als die RcrboifUhruny dieser Kisse sind jene
Rupturen , die dann zu Stande kommen , weuu die Wendung; trotz der Leber-
dehnnng des nnterwi Uterinsegmentes oiine Verletzung des letzteren gelingt und
sofurt darauf extrahirt wird. Der dem Fruchtkörper aagelagerte Uterus wird nun
bti der Extraction samnit der Frucht herabo:v.'Zf"rrt luid ^renüjrt dieser Insult, das
hyperexteudirt gewesene verdünnte untere Uterinsegment zu zerreisseu. Die auf
diese Weise CDtstandeuen Risse sind in der Regel Längaris^e. Befdrdert wird ihre
Entstehung, wenn das Promontorium sdiirfer hervortritt, Frsdnd jun.
Ausser diesen zwei Arten violenter Ruptiiren komnicn noch zahlreiche
aiidere vor, die aber den ausgesprochenen Charakter eines Ivuiistlelilers an sich
tragen, ich sah Fälle, in denen der Arzt, statt mit der Hand durch den Mutter-
mund in den Utems einangehen, das Seheidengewölbe durchriss und von hier ans
in die Uterashöhle gelangte und dabei den Uterus rupturirtc. ich sah Durch-
st<>«siiniren der T'teruswand, herl)eiL;eiinirt dtireh einen Zungenlr.tl'i l u. ili rL'l. nj. Luoh*
förmige Rupturen im Fundus spreu'heu nahezu stets für einen Kunstlehler.
Ausnahmswdse kann es geschehen, wie Schuadss ■>*) einen soldien Fall
mittbeilt, dass bei drohender Uterusruptnr durch die Anwendung des Eustklleb-
seken Expressionsverfahrens der rtcrus zerrissen wird.
Niclit gar ^o selten kommt es \"r, dass der Ltcrus nach bereits geborener
Frucht bei uianualer Entfernung der Llaccuta zerrissen wird. Gewöhnlich wird
hier der Fundus durehstossen oder gar herausgerissen. Gbandin i**), Dittbl
Hkktobn ^**). Solehe Verletzungen wurden in der Regel von Hebammen beigebracht.
Eine ganz andere iJedeutun;,'- l»esitzen Uferusrupturen bei Sehwangeren
in Folge eingewirkter nicht geburtshildicher Traumen. Wahrend violente l terus-
rnpturen ebenso wie spontan eintretende im Allgemeinen eine sehr ungünstige
l'ro.;nose ergeben, ist letztere bei Ruptur des schwangeren nicht kreisenden Uteras
in Folire ciimewirkter .lusserer Traumen durch-jchnittlich eine aulValltiid günstige.
Aus einer i'ahelle , die IIaurjs ' ■ zii>aiiiuu'n.«tcllt , ist zu entnelimeu, das-s von
9 Schwangeren (die sich in den letzten Giaviditiltsmonaten befunden;, deueu Baucb-
decken und vordere Uteruswand dnreli Hornstösse von Seite von Rindern auf-
geschlitzt wurden« nur 4 ihr Leben verloren. Aehnllche Fülle, in denen der Uteras
ohne Durchtrennung der Hauclidi cken in Folge eines äusseren Tranmas zerrissen w^urde,
thcilen GKAPOW lllCKlXliUTiiAM > •"}, PUILLIPS i^»*;, FLEXIO l*'), bLAVJANSKV
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UTERUSRÜPTUR.
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mit. In allen (lit-sen Füllen genaaeo die Frauen, trotzdem dib Frucht in die Bauch-
höhle getreten war und die Laparotomie vorgenommen werden musste. Slav-iansky
gah sich HOgar gezwungen, den Porro vorzunehmen, da die vordere Uteruswand
total cerrinen war.
Stich- and Hiebwunden, durch die der schwangere Uterus crSAiet wird,
werden, wie es scheint, dagegen nicht gut ertragen. Meist geht die Verwandete
zu Grunde. Habhis. '*^) Schusswunden des Uterus dagegen solien nach Harris,
wesn sonst kein edleres Organ verletzt wurde, relativ gut ertragen werden.
Literatur: *) ') Abnlkasem, Vergl. Velpeau. „Traüi eompt. de l'art de*
aeeouch. etc.'' Paria löüo- — ') Boir, .Sübea Bächer etc." Wien 1834, pag. 50. — ') II an-
ri c e a n , „ Obgermiionti ete.^ Paria 1725. Observation. XXVI, pag. 23. — S m e 1 1 i e , Cotleet.
of '»/.v. London 17t>4, pag. 435. Collect. XXI, Nr. I, Cap. 4; 4. CoUect. of pnuat. cas. London
1764, Collect. XL, Nr. C, 8, pag. — *) Levret, „L'art des accouch. etc." 17Öl,
§. 106.— *) he la Motte, ^Trai't^ des nceouch. ete." Paria 1765. pag. 596. — »)Smellf*,
L c. — -| (;. W. 8tein der Xeffe, „OoMi. ftr - Iftor), 7. Aufl., 5;. 4G7. — ») J. C. Bau-
deloiiue der Aeltere, ^.\nleitung zur Kntbiiidunjrskun.><t etc." Deutsche Uebersetzung vou
PhiL Fried r. Mecktl. Leipaig 1783, II. pag. ^i^. — F. B. Oaiander, „Handb.
der Entbindungaknnst etc." 2earb. v. J. F. Oaiander. Täbingen 1825, §. 31. — ") A. G. v.
Siabold, „FramBsimmarkrankbeitaii.'' FrankAirt. a. K. 1823, §. 626 nnd §. 629. — Ki>
wisch. .Klinisciie Vorlriga etc." Prag 1851, I., pag. 241. — ") S c a n u i , „Lehrh. d.
Geb. ei< • HÖ7, I, pag. 216- — ") Bandl, „Ueber Ruptur der Gebärmutter und ihre Me-
chanik . ti - Wien 1«70. A. t. G. 1875. Vin, p«g. 542. C. f. G. 1883, pag. 678. — ") G. W.
Stein der Neffe, „Lehre der Gebnrtsh. etc." Elberfeld 1825, L Thl., pag. 231. — '*) Mi-
chaelis, .,Das en^e Becken etc." Leipzig 18G5, II. Aufl. — Barnea.s, „Lertures on
obstetn'cs njitrutxtn.s." ls7(J, pag. .IHij. Vcrpl. auch Kucher, A.J.o.O. ISSl, XIV, pag. 027. —
•») Freund jun., Z. f. G. u.G. 1692, XXUI, pag. 436. — »») Fritach, UUller'a Haadb.
1889, m, pag. 685 and Deatacha med. Woehenadir. 1891, Nr. 51. — **) Lftwy, «Ueber die
fort iisi-che Bedeutung der Utcrusruptur." Disj«. inaug. Breslau 1889. C. f. G. 1888, pag. 519. —
*'j Harris, New- York Journ. of Gvn. and Obstetr. 1893, II, pag, 93. — ) Morsberg,
Hygiea. Miirz 1879. C. f. G. 188»», pas. IG. — ") Hofmeier, C. f. G. 1883, pag. 473. —
") Vors. Norsk. Mag. lor Lag. 3. R. III, C. f. G. 18S0, pag. 46. — Veit. Müller'a
Handb. 18^9. IL pag. 1.52. — Freund jnn., I.e. — ") Winter, C. f. G. 1869,
pa;:. .341. — I Im Verlhufe der letzten Jahre wurden folgende Fälle von Ruptur des
Scheidengewülbes pnblicirt: Bidder, C. f. G. 1893, pag. 41. St.Braun, Przeglad lek.
1^ Kr. 40. C. f 6. 1889, pag. 707. Box all, Tranaaet. of the Obatetr. Soo. of London.
l8fM). XXXI, pas:. 30:?. Dührssen, Berliner klin. Wo. tienschr. 188''. Nr. 1. Daberty, Dubl.
Quart. Journ. 18-12. Mathews Du neun, Tran.sact. of the t)bst'-tr. Soc of London. 1890,
XXXI, pag. 23ü. K verke, Berliner klin. Wochenschr. 189i», Nr. 26. Fehling, Volkmann'»
Sanunig. klin. Vorträge. N. F. 1892, Nr. 54. Freund, Z. f. G. u. 6. 1892, XXiU, pag. 463.
Franz, Dias, inaug Bern 1883. Jalko Grintesaewich, Med. Tfine« and Reg. New-York
aud rhilad'li.liia IS'.ij), XXI. pig. 1Ü6. Hank.s, A.J.o.O. Is77. pag. 272. H u g e n h er g e r,
_T]eber Kolporrhexis in der Geburt." tit. Petersburg 1876. Hepites, Arch. Eouni. de Med.
et de Chir. 1887—1888. C. f. G. 1889, pag. 824. Korth, Diss. inaug. Berlin 1885. Mors-
bach, C. f. G. 18>i.i, Nr. 26. Leopold, A. f. i\. XXXVI. IS'^9. pag. 324. PiskaTek, ,.B. itr.
lur Therapie nnd <'asni.stik der Uterusruptur ntc.'' Wien 1>^S9. Skolow, Verhau<ll. d. Mo.skauer
Aerzt-, 1 F' i rn ir ;-Sj. Sts. hotkin, C. f G. 1890, pag. 939. — Freund jnn.. Z, f.
G. n. G. 1892, XXiiI, pag. 472. Vergl. auch Aubenaa, „Obserc. de geutrotomie etc." Thäse.
Straaaburg 1855 und Carl. Denfsdie med. Wocbenschr. 1891, Nr. 10. — "*) Veit, Mfliler'a
Handb. lSs9, II. pap. l.ö'^. - '■") Freund jun.. loc. ult, cit. ])ag. 481, — Bezüsü'li der
Rnptur de-s I nndus vergl. Brü.se, (' f. (i. 1889, pag. 339. Dickey. Ann. of (iyn. aud
P-d Oct. 1>'.<1 Ihtlnieier, Z. f. G. u, G. 1882. VllL pag. I«>9. Freund, loc. ult. cit.
Henderson, Med. age. 1888, Nr. 22. C. f. G. 1869. pag. 706. Malcolm Mc. Le an, Transact.
of the Amer. Gyn. Soc. 1892, XVII, pag. 357. Piltz, Deutsche Med.-Zig. 1889. pag. 1221.
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18S2. Sv. iak. fort. pag. 56. C. f. 0. 1882, pag. 823. äaurenhaas, C. f. 6. 1889, pag. 339.
Winter, G. f. O. 1889. pag. 340. Sehlottfeld, Ugeak. fbr Lüg. 1879, Kr. 1. O.f. O. 1879,
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»^) Bare et Secheyron, Progr. med 18Ö4, Nr. 50. C. f. G. 1885, pag. 383. FleLsch-
naon, Prager med. Wodienachr. 1885 35, 36. Freund, locnltcit. Herman, Traaaaet
*) C. i. 6. = Central blatt für Gynäkologie. A. f. G. = Archiv für Gynäkologie..
Z. f. O. n. (f. = Zeitschrift für Gebartshilfe nnd Gyn&kologie. Jabresher. := Jahresbericht
über die Fortschritto auf dem Gebiete der Geburtibilfe und Gyn.Tkolugie. Ileran.s-i^f'eeben
V.R. Froninul. A. J. n. < ». .\ nierican Journal of Obstetrics. Mttller'i« Handb. — Handbuch
der G' hurtvliiit*'. Beaii eitt t von Prof. Dr. Fehling otc. fltoranagegehen von Prof. P. Mflller.
Drei Bände. Stuttgart. 1883— Ö9.
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ÜTERÜSSÜFTUR.
of th« London Obstetr. Soc. 1892, XXXIII, pag. 491. Hersfeld, C. f. G. 1889, pa«. 636.
Moldeabauer, A. f. G. 1875, VII, pag. 115. Wenz, Heidelberger Natarf.- Vera. 1890. Ta«»-
Matt, pag 455. Riii;e, Z f. G. u. G. 1878, II, pag. 27. — •*) Falle von üterusrnptnr
bei Unnach^^iebigkeit des Muttermundes oder der tieferen Cerrixab-
schnitte: Tr;iak, Amer, Joum. 18.'>»), pag. 84. Scott, Ivondon. Med ( hir. Tr. XI, Part. II.
£.öttnit>, Deutsche mod. Wodwiischr. 1688. Mr. 2. B«ben, Din. inaug. Berlin 1879. .Di»
Utwonraptor.*' Weber, Pnfer med. Wodiera^. 1881, Nr B8. 31). FeldHann, N«m
ZlitMhr. f. Geb. XXII, pap. 8()4. P. Müller, Naturf.-VerHamml. in Freiburg, 1 883. Tageblatt,
P««. 198. Frans, Dias, inaug. Bern 1883. — **) Marx, A. J. o. 0. 1886, XIX, pag. 1150.
Smjlj, Brit. Gyn. Joum. 1893. VIJI, pag. 87. — '^j Vgl. bezüglich d e r Utemamptarea
vmcb glücklich flberstandenem Kaiserschnitte die LiteratorsnsMimenstellaiig
bei Krukenberg: A. f. G. 1886, XXVIII, pag 4U8. — ") Bezüglicli der üterusruptur
bei Carcinotn des üterns vergl. Arnes, A. J. o. 0. 18:51, XIV, pag. .361. Anvarr,
Joom. de Med. Paris 1889. XVI. ö73. Jahresber. 1890, iU, pag. 132 n. 178. Bousquet.
L'ab. mM. 1889, Vr. 31. 0. f. O. 1890. pag. 68. W. Fremd, Dratiohe med. WotAeasehr.
6. Jnni 1890. Riedinger, Prager med. Wochenschr. 1891, Nr. 15. Bezüglich der üterus-
ruptur bei Uterusmyomen vergl. Lund, ügesk. for lAg. 1889, 4. R., XIX, Nr. 13,
pag 275. Jabntber. 189Ö, III, pag. 154. Patton, Brit. med. Jonro. 1888, I, 901. Jahresber.
1689, II, paf 168,— ••) Besftglicb des Eintritte« dersponianen üterusruptur
b«i Gegenwart einer Ptaeenta praevia vergl. Blfnd, Dias, fnaug. Stramburg 1892.
C. f. G. 1893, pag. 90. Depaul, Caz. des hop. 1874. Nr. ;^9. W.Freund. Deut-chft ni-d
Woeheuschr. 5. Juni 1880. Lomer. C. f. G. 1891, pag. i>16. Lustgarten, Wiener med.
Preeee. 1876, Nr. 431. Oiterbind, ^Ueber J?M|ifHra uteri." Dias, iaaag. Grairavald 1884,
pag. 17. — '•') lleznglirli der spontan eintretenden Uterusrupturen im Ver-
laufe der früheren Graviditätsmonate hei Gegenwart von Wehen oder ohne
solche vergl. folgende Pnblicalionen : Arnes, A. J. o. 0. 1881, XIV, pag. 361. Butruill.
et A. Godefroy, Bull. mbd. da Nord. Lille 1^7. Jahresber. 1888, I. pag. 119. Cootagne,
hym mM. 1882, Nr. 43—46. 0. f. 6. 1883, pag. 343. Dicke j, Ann. of Gyn. aad Ped. Oct.
1891. .St. Braun, Praeglad lek. 18;^. Nr. 41. (Polnisch.) C. f. G. 1889, pag. 706. Harvey,
Transact of the Obstetr. Soc. of London. 18S(j, XXVII, pag. 191- Hofraeier, C. f. G. 1881,
pag. 619. Ingerslev. llosp. Tid. 1879, Nr. 5. C. f. G. 1879, pag. i>86. Köttwitz, Deutsche
med. Wochen-sdir. 188S, Nr. ^. C. f. G. 1888, pap. 55ü. Dnnn. Transact. of the Obstetr. Soc.
of London. 18Sü, IX, pag. 65. Green, Brit. med. Journ. 14. Sept. 1889. Jabresber. 189<J, HL
Freund. Z. f. G. u. G. 1892, XXIII, pag. 453. Munde, A.J.o.O. 18S2, XIV, Snppl.-Bd.
pag. ö. Mann. C. f. 6. 1881. pag. 377. Sabin, New- York Med. Journ. Aug. 1879. C. f. Q.
1880, pag. IsfO. Sarebl. Wrataeh. 1886, Nr. 3. (Bossiecb.) 0. f. O. 1886, pag. 303. Simpson,
Glaagow. med. Joum. 1866. Sanrenhaus, V.f.G. 1889, pag. 339. Swayne. Transact. of
the Obstetr. Soc. of London. 1837, XXVIII. pag. 21^. Thomas, A.J.o.O. IS-S^. XV, Suppl.-
Bd., pag. 4. Patton, Brit. med. Journ. 1SS8, I. 9 »1. Jahresber. 18S9, II, pag. 162. Runge,
Z. I. ü. u. G. 1878, II, pag. 27. — V.Franke, Wiener med. Presse. 1865. ffr. '44 S.
Vetfl. ausserdem Harris, A.J.o.O. 1880. XIII, pag. . '^02 und 1881, XIV, pag. .375. Dun,
Transact. dt" the O.stetr. Soc. of London. IS68, IX, pai;. tlV l»!-' altere Literatur tiiuiet sich
in Fleetwood Churchill, „On th* tlieor»( atui praxut oj mniu-i/er^ etc." London 1866,
pag. 522. — «<) Traak. Amor. Jörn, of med. Sc. 1846. pag. 104, 36:-$ nad 1856. pag. 61.
Veigl. auch Garrigues, Med. Ree. 10. März 1888, pap 2Hl. C \. V, 1 «3««. pag. 61. —
Schlecht a, Frauenarzt. 1891, Heft 6 a. 7. — **) Fleischmanu, Zeit.schr. f. Heilk.
VI, pag. 5>87. - PlakaCak, SammL Ufa. Varl. Wien l'<89, II. Jahresber. 1890, III,
pag. 181. — **) Fälle von spontaner Uternarnptur bei Gegenwart eines Hydro-
cephalos ans den letzten Jabren: Tbeoph. Parvin, Transact. of the Amer. Gya.
Soc. 1879, III, pag iiO/;. Croom, The Obstetr. Journ. of Great Brit. and Irel. März 1880.
Nr. 85, pag. 138. C. f. G. 1880. pag. 237. Arnes, A.J.o.O. 1881. XIV, pag. 361. F-ll 1,
19, 34, 51, 70 seinar Tabelle. Hofmeler, C.f.O. 1883, pag. 473. Winter, C. f. G. 1887,
pag. 7.Ö. Leopold, C. f. G. IS88, pa? l^l und „Verband!, d. Deutschen Geseli«cb. f. Gyn.**
II. Coni;i. Leipaig 18SS, ^^^.tli. Foatana. Annali di Ostetr. März 1888, i>ag. t)3<f. Wie-
don, C. f. G. 1889, pag. 501. Herzfeld, C. f. G. 1889, pag. 636. Vergl. aus-ser.hm noch:
Scbucbardt, .Ueber die Schwierigkeit der Diagaose nod die Häufigkeit der Lterosruptur
bei fStaler HydrocepbaHe." Dfaa. inaug. Beriinl884. Cf.G. 1884. pag. 774. — «*) Fehliag,
Volkmann's Sammlung klin. Vortr. IRC^, N. F., 54. Vi ri:l auch Davi.s, Med. News.
Philad. 1887, I. 156. Jahreaber. 1888. I, pag. 1^0. — *') II a u »m a n n , Beriiuer klin. Wochen-
schrift. 1882, Nr. 3><. — *•) Lomer, Cf.G. 1891, pag. 9T5. Fälle von drohender
Bnptnr theileu Hofmeier, Z. f. G. u. G. 1878, III, pag. 3U5 und Freund jun., Z. f. G.
n. 6. ISici, XXIIJ, pag. 496u. 5:>2, sowie Stein, Wiener med. Blätter. 1891, Nr. 40, mit.
V.ri;!. aus.serdem noch: Kucher, A.J.o.O. 1881. XIV, pag. 6ü7. — Veit, Müllers
Uaudb. 1889, II, pag. 16^. — *')Scblechta, Wiener med. Blätter. 1891. Nr. 20. C.f.O.
1891. pag. 778 tind Franenarat. 1891, Heft 6 «.7 — *') Schats, Cf.G. 1883. pag. 079.—
**) Kroui r, C. f. G. 1S84. pag. 3b9. — ») Leopold, A. f. 6. 1889, XXXVI, pag. 3Ä4. —
**> Fleischmann, Cf.G. 18Stt. pag. 342. — ") Veit, loc. ult. cit. — Freund jaa.,
loc alt. Ctt. — ''J Duparqae. .. ///^/. cumpl. dtn thchinires et ritpt. de l'iit. du imj. et
duperin.ttc." Paris 1839.— Mc. ILormafc, A. J.o.0. 1888, XIU, pag. 322. — *') Iräsk.
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UTEUUSRÜPTL R.
799
Amer. Joorn. of Mod. Sc. 1848, pag. 104. 383 and 185ti, pa«. 81. — Ameg, A. J. o. 0.
1881, XIV, paff. 361. — ••) Bonnaire. AkIi. da Tbeot. Mal. JanilSDl. O.f.O. 1392,
pag. ;i4. — "») (). Braun, Wiener klin. Wonhrnschr, 1890, Nr. 50. C. f. G. 1891, pag. 101.—
Coe, Joum. of the Amer. Med. Aasociat. ö. Aug. 1891. C. f. G. 189:^, pajt. ^^73 —
**) Fehling, Volkmanu's Samml. klin. Vortr. IH9Ü, N. F.. Nr.54. — *-) Franz, C t G,
1885, pag.öS. — Galabin, Brit. Gvu. Journ. 1887, II, pag. 4.äl. — *') Grandia, Med. Ree.
19. Mai 2 1887. C. f. G. 1^88. pag. ;;i7U — ") Berrv Ilart, Tranaact. of the Edinburgh
Obstetr. iSoc. 1890, XV, pag. 1%. — *») Hank.s, Med. Ree. 19. Marz I8S7. C. f. G. 1883.
pag.270. - '")Harri8, A.J.o.O. 188"), XIU, pag.80^ — "jBraxton Uick», Traasact
ef tbe Obatatr. Soc. of Londoa. 1987, XXYin, pag. 213. Bilt. Gyn. Jonrn. 189?. II.
pag. 421. — ") Hnrrocka, Transact. of the Obstetr. Soc. of London. 1687, XXVIII.
pag. 213. — ") Howard, A.J.o.O. IbK), XIIl, pag. 802. — '*) J a i 1 1 e , Therap. contemp.
18t*7, VII. Jahresber. 18HS, I, pag. 120.— Josephson, Hygiea. 188S, L, 9, pag, 574.
Schmidt« Jahrb. 1888, IV, pag. 157. — '*) Kaltenbach, C. f. G. 188:3, pag. t>77. —
Lee, Med. Ree. 9. Mär« 1887 C. f. G. 1888, pag. 270. — ") Leopol.i, 0. f. G. 188a
pag 421 und A. f. G. 1889. XXXVI, pag. 324. — ") Lusk, Med. Ree. 19. Marz 1S87. C. t.
G. I8&8. pag. 270. New- York Med. Jouni. 14. Sapt. 1888. Schmidts Jahrb. 1890. 1, pag. 4t). —
•*) Maleolm Mc. Lean, Mad. Bac. 19. Min 1887. C. 1 G. 1887, pag. 532 und 1883,
pag. 270. Trnn.sact. of the Amer. Gyn. Soc. 1892 XVII, pag. 357. — Mermann, A. f.
G. 1891, XXXIX, pag. 452. — Mc.Kurmak. A. J. o 0. 188Ö, XIII, pa>;. 33:^. —
•0 Ott, C. f. G. 1893, pag. 124. — *»*) Partridge, Med. R. r. Ül. Marz 1887- C. f. G. 1888,
pag. 270. — Price, A.J. o. 0. 1889. XHI, pag. 1089. -- **) Read, A. J. o. 0. 1889,
XXII, pag. 1087. — Read, MawYork med. Jonrn. 9. Nov. 1889, pag. 505. C.f.G. 1890.
pag. fjTtj — Reuth, Brit. Gyn. Jonrn. 1887, II. pag. 121. ""') Schäffer, Münchener
med. Wochenschr. 1889, Nr. 4 etc. C.f.G. löSV, pag. 893 und 18yu, pag. 71. ~ "^jSchauta,
Internat, klin. Rundschau. 1891, Nr. 51. C.f.G. 1892, pag. 387. — •') Schlechta. Wieaar
med. Blätter. 1891. Nr 20-23. C.f.G. Is91, pag. 778 und Frauenarzt. 1891, Heft u u. 7. —
**) Schultz, Orvosi Hetilap. 1891. Nr. 15, 17, 19. (üngarisch.) C. f G. I,^'.t2, pag. 2'i —
Slavjansky, C.f.G. 1893. pag. 124. — »*) Trask, Amer. Journ. of Med. Sc. 1848,
pag. 104; 185«), pag. 81. — *0 Undarkill. Tranaact. of the Obstetr. Soc of £dinb. 1891.
XV. pag. 15^. _ Win ekel , „Lehi*. d. Geb. etc« Leipsig 1889. pag. 564. — ") Zweifel,
J.elirl. d. Geb. etc." .Stuttgart 1892. IH. Aufl., pag. 494. — Arnes, A. J o. 0. 1831,
XIV, pag. 301. — Coe, Med. Ree. 2. Nov. 1889. pag. 478. C. f 6. 1890, pag. 744. —
Harris. A. J. o. 0. 1880, XIII, pag. 816.— "») Piskaöek, Samml. klin. Vortr. Wien
1889. Jahresber. 1890, III, pag. 181. — Fälle aus den letzten Jahren, die bei
exspectati ver Behandlung günstig ausliefen: Alberts, Berliner klin. Wochen-
fcchnlX. 1.88U, Nr. 1.*., A.ssaky, Couipt. rend. Roum. de med. et de chir. 1887 C.f.G.
1888. pag. 415. Baudl, .lieber Ruptar etc." Wien 18 '5, pag 106. Barry, l>abl. Journ. of
Med. Sc Mftrs 1892, 0. f. G. 1893, pag. 296. Baataki, Areh. Ronm. de mM. et da cUr.
1887— ^^8. C.f.G. 1889, pag. 822. Blundell. Transact. of the Obstetr. Soc, of London.
1878. XX, pap. 99. ßattlehner, C. f. G. 1883. pay. 678 und 1884, pag 375. G. Braun.
C. f. G. 1891, pag. 599. R. v. Braun, (". f. C. 1893, pag. 273- Buxton, Med. Ree. Philad.
1887. I, 103. Jahresber. 1888, I, pag. U9. Carl. Deutsche med. Wochenschr. 1891, Nr. 10.
C.f.G. 1891, pag. 561 u. 777. Dixon. South Pract. Mai 1879. C.f.G 1879, pag. 499. Do-
leriM, Ann. de Gvu. 1^^4 jia^- 3S1. FelHenreich. A. f. G. 1881, XVII, pag. 491). Franz,
C. i. G. Ib85. pag 64. Freund jun., Z. f. G. u. G. 1892, XXIll. Frommel. C. f. G. 1880,
pag. 416. Gilbart, New-York med. Jonrn. 1. Wkn 1881, pag. 246. C. f. G. 1884, pag. 576.
Gillete, A.J.o.O. 1884, XVII, pag. 1087. driife, C.f.G. 1880. pag. 014. Greene.
Transact. ol the Amer. Gyn. 8oc. 1868, XIII, paj?. :;>u9 und A.J.o.O. 1883. XXI, p»g, iu.")l.
Gneniot, Merc, med. 1890, Nr. 31. C. f. G. 1891, pag. 512. Goziorovsky, Przeglad lek.
1876. Nr. 28. (Polnisch.) C.f.G. 1884. pag. 375. Hanks, A.J.o.O. 1881. XVII, pag. lOäd.
Hecker, C.f.G. 1881, pag. 224. Hofmaier, C.f.G. 1883, pag. 473- Jenkina. Virchow
H i rHch's Jahresber. Is7ö u. Gla.sgow. med. Journ. Marz 1892. (' f G. 1892, pag. -161. Jakins,
AuBtral. med. Journ. 15. Nov. 1686. t . f- G. 1887, pag. 311. Klein, Urvodi Hetilap. 1890,
Nr. 40. (üngarisch.) C.f.G. 1891, pag. 299. Krön er, C.f.G. 1884, pag. 369. Kupferbarg,
Ufinchener med. Wochenschr. 1892, Nr. .') Hchmidt'H Jahrb. 1893, II, pag. 57. Lehmann,
"Weekbld. Ned. Tijd. v. Geneesk. 187(3, Nr. 2l). C. f. G. 1884, pag. 375. Leopold. „Verhandl.
der deuti-chen (ie.s. f. Gyn." II. Congr. Leipzig 1888, pag. 212 und A. f. G. 1889, XXXVI,
pag. 338. Lihotsky, C.f.G. 1889, pag. 587. Lopes, Progr. ginec. Valencia 1888— 89.
ni, pag. 454. Jabresber. 1890, III, pag. 28ft. Mangiagalli, Aonali di Oatetr. Oet. Not. 1882.
Cf. G. Is83, pag. 300. Mann, C.f.G. 18'<1, pag. 378. Malcolm Mc. Lean, A.J.o.O
1888, XXI, pag. 401 und C.f.G. 270. Morsbach, 1880, pag. 611. Morsberg, Hv^iea.
Marz l,s79. C. f. G. 1880, pag. 46. Munde, A. J. o. 0. 1892. XXV, pag. 815. Raklu, Chicago
med. Jonrn. and Exam. Dec. 1878. C. f G. 1879, pag. 334. Reiss, Wiener med. Wochenschr.
1882, Nr. 22. C.f.G. 1883, i>ag. Iti8. Richter, Deutsche med. Wochenschr. 1892. Nr. 45.
C. f. G. IM »3, pag. 2-16. Riedinger, Prager med. Wochenschr. IS91, Nr. 5. C. f. 1>9:^,
pag. 443. Prager med. Wochensclir. 1892, Nr. 19. C.f.G. 1892, pag. 444. Roso, Chicago
med. Jonn. and Exam. C. tG. 1877. pag. 316 nnl 1878, pag. 168. Schlachta, Wianar
»ad. Bl&ttar. 1891, Nr. 20— 23. C.f.6. 1891, pag. 77a Schlaisanar, Ugaak. för Lig.
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SO)
ÜTEBnS'RUPTUR.
im-i, Nr. 14 n. 15. C. f. G. 1882, pag. 351. Sc h 1 ot t f eld, Ugesk. for Läg. 1R79, Nr. 1.
C. f. G. 1879, pag.207. Schmaus. C. f. G. 189S>, pag. :i8. Sokolow, C. f. G. l>«4, pag. 84.
Sonden, Hygiea. Ang. 18-83, C. f (J. Is-'j, [lafr. 1>4. .-^ o r n ni i a t u i k o w , Med. Rundschau.
JnU 18:0. (Rassisch.) C. f. G. 1881, pag. llü. Winckel. -Die kuoigl. UiiiversiiütskUoik etc."
L6ipctKl892. Wilson, Brit. med. Jonra. 1887, I. 1S17. Jabresbar. 1888, I. ptg. 122. —
lOBj Fälle aus den letzten Jahren, in denen die Laparotomie vorgenommen
wurde und Genesung eintrat. 1. Die U issöf fn ung wurde n i c h t v e r n il h t : Coe,
Jouni. i.f the Amer. med. Assoc. 8. Aug. 1891. C. f. G. 1892, pa>r. 273. CriKhton, Brit.
Bwd. Journ. 1867, I, 1331. Jahresber. 18'*'s, I, pa - 1 H*. Favro. Rev. de la Suisse romandft.
1886. Nr. 10. C. f. 0. 1887, pag. 279. Jo^sephson , IJygiea. 188.^, IX, C. f. G. 188«, pag. 534.
Lederer, Präger med. AVochenschr. 1857, Nr. 15. C. f. G. 1887, pag. Hl Nissen. Norsk.
Mag. for Lag. 1891, VI, Nr. 1, pag. 51. Jahresber. 1891, IV, pag. 208. 2. Die Rissöffnuog
wnrde vernäht: Contagn«, Lyon. mid. \Qf<2. Nr. 43— 46. C. f. G. 1883. pa«. 34!^.
Pehlinp. Volkmann's Samml. klin. Vortr. 1892, N. F., Nr. 54. Freund, Deutsche med.
Wocbeuschr. 5. Juni 1890. Freund juu., Z. f. G. u. G. 1892, XXIII. Frau/., C. f. G. 1885.
pag. 62. Henard, Merc. m6d. 1890, Nr. 23. C. f. G. 1891. pag. IfJG. Josephson, Hvg. 1889.
L, 9. pag. 574. Schmidts Jahrb. 1888. IV, pag. 157. King. Lancet. Ih. März 1884,
pag. 473. C. f. 0. 1884, pag. 720. Köttnitz, Deotscbe nied. Vochcuehr. 1888. Nr. 2. C. f.
G. 1882, pag. 552. Leopold. C. f. G. 1888, pag. 421. Müller, C. f. G. 1883, pag. •'TM
3. Porrooperation: Coe, Med. Ree. 2. Nov l^b9, pag. 478. C. f. G. 1890. pag. 744. Fou-
tana, Annali di Ostetr. März 1888. C. f. G. pag. (532. HalbortRma, Weekbld. van hetNederl.
Tijd. voor Genee.sk. 18S0, Nr. 36. C. f. G. 18«], pag. 67. Kehr«^r. C. f. G. IH^^g. pag. .502.
M e r m a n n , A. f. (i. 1 XXXIX, pag. 452. S 1 a vj a n 8 k y , Wrat.^ch. 1885, Nr. 49. (Huasisch.)
C. f. G. ISStj, puK. :,>22. l'uderhill, Edinb. med. Journ*. Oct. 18!Ki. G. f. G. Is91, pag. 778.
Edinb. med. Joarn. äept. 1691. C. f. G. 1892, pag. 759. Warten, C. f. G. 1893. pag. U4.
VidamaDn-Krassoirski, C. f. G. 1886, pag. 694. Wiedow, 0. f. G. 1889, pag. 502.
4. Operation iu den Referaten nicht in den Details angeführt: Hart, Joarn.
de med. et de chir. Juli 1877, XLVIII, pag. 323. C. f. G. 1877. par. 229. Piltz. Med. Press
andCirc. London 1-^9. XLVIl, 164 Jahresber. 1890,111, pair. IT'-. Padow, Hygiea. 1889,
LL Jahresber. 1890, III, pag. 183. Read, A.J.o. (J. 1889, XXII, pag 108. Thivard, Bull,
de l'Acad. de mfed. de Paris. 1890, II, 3, XXIV, 210. Ann. de Gyn. 1890. XXIV, 385.
Jahre^bir. IS'.tl, IV, pag. 2UG. Vincent, B;ill. med. du Nnnl. Lille 188«<, XXIII, 123.
Jahresber. 1889, II, pag. 159. Fälle, in denen die Laparotomie aasgefäbrt wurde
and die letal verltefen. 1. Die BissSffnnng wvrd« nicht verniht: Godron,
Brit. Gyn. Journ. 1893, VIII. pag. RS. Peters, C. f. G. 18'^9. pag. 166. Winter, C. f. ß.
1892, pag 15. 2. Die Rissüfluung wurde veruiiht: Black, rit Louis Med. and Snrg.
Journ. Jnni is;y. C. f. G. 187!>, pag. 499. Blind. „Beitr. zur Aet. der Ruptur während der
Schwangerschaft and der Gebort." Dis8.inang. Strassburg 1892. C. £, G. 1893, pag. 90. Bnn-
Baire. Arch. de Tocol. Mai, Jnni 1891. C. f. 6. 1892, pag. 34. 6. Brann, C.f. G. l,8s[».
paj:. ;V1. Wiener klin. Wochenschr. is^'.i, Xr. öii. Jahnsher. 1>'J0, III. pag. 177. St. Braun,
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Masson, Dubl. Joiiin. of med. Sc. Marz 1887. C. f. G. 18>i7, pag. 727- Brit Gyn. .loum.
188«. IU, pag. 91 . Pre wo, C. f. (i. l>-tj. pag. 222. Pr ice, A. J. o. l). l>s;t. XXI), pag. 189,
Sänger, C. f. G. 1*^'.'2. pag. 663. Scliaffer, Münchener med. Wochenschr. ls.S9, Nr. 42 u.
43. G. f. C. paL'. 8!<:>. H. nard, Le raercndi med. 1890, Nr. 23. Jahresber. 1^91, IV,
]>ag. 2i '7. .\usLMiif; nii lit aii;:«'L:. bi n. J a r im! y n .s k i , Journ. f. Gi b. ti. Fr. l'rt- r.^burg 1>S9.
(Russisch.; Jahresber. 1890, III, pag. 177. Ausgang nicht angegeben. 4. Operation iu den
Referaten nicht in den Details angeftthrt: Fischer, C. f. O. 1892, pag. 575.
Garrigucs, Med. Ree lO. Marz 1"~8"^, pag. 2sl. f. (J. l'-^ ', pag 61. Harvey, Transnet.
of the 01).>tetr 8o<;. ot London. 188'', XXVII, pag, UM. 11 i; ward. Transact. of the .\mer.
(»vn. 8oc. 1881, V, pag. N'i Kaltenbach, C. f. G. Issi, pa<r. ti77. van der Meij, Ned.
Tijd. v. Verl. en Gyn. I, Uelt 3. C. f. G. 1891, pag. 301. Morisson, Brit. Gyn. Journ. 1887,
II. pag. 411. Bend, A. J. o. 0. 1839, XXII, pag, 1088. Riedinger, Prager med. Wochen-
aehrift. 1891. Nr. 15. C. f. G. 1892. pag. 444. Schanta, Internat, klin. finndeeban. 1891,
ÜTERUSRUPTUR.
801
Nr. 51 n 5:.*. r. G. 1892, pag. 387. Sohle chta. Wiener med. Bläfter. 189 . Nr. 20-28.
C. f. G. IBUI. p.»K. '>'>>. Frauenarzt. 1891, Holt 6 u. 7. — Ingerslev. Hosp. Tid. 1879,
Nr. 5 u. I88u. Nr. :> >. i\ f. G. 1881, pag. 270. — '*») Sc hröd er-Vei th , Müller'.s flandb.
d. Geb. 1889. n. pag. 163. - A ndre wb, Lancet 23. Aftr. 1887. C. f. 6. 1888. pag. 200. —
>•)) Fornari, H RMCogHt. med. 1681, Nr. 12. 13. Cf. 6. 1881, pag. 399. — '«^ Coe, A.
J. o. 0. 1891. XXIV, pag 587. — '•'») Freeman, Lancet. 1^7. Dec 1884, pag. 1148. C f .
G. 1885, pag. 315. — Kupierberg, Münchener med. Wochen.schr. 189^. Nr 5. Schmidt'«
Jahrb. 1893, II, pag. 57. — "') Freund jon., loc. alt. cit. — "*) Lombroso, Duparque,
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A. J. 0. O. 1892, XV, pag. 373. — '") Battlehner. C. f. G. 188;}, pag. Ü78 und 1884.
p^f. 375. — Bylord. A. J. o. 0. l^TS, XI, pag. 396. - Munde, ('. f, G. 1878,
pag. 188. — Roae, Chicago med. Joar». andExam. Aug. 1876. C. f. 6. 1877, pag.31Ö.—
'») Alberte, Berliner Uto. Woeli«iiMbr. 1880. Nr. 45. O.f.O. 18dl. pag. 48. — "^ßrenit.
Wiener med. Blätter. 1883, Nr. 24. C. t 6. 1883, pag 501. — i-'») Dittel, C. f. G. 1892.
pag. 888. — Wenzel. A. J. o. 0. 1^2. XV, pag. 373. — '^O l^ttl»oi8. Velpeau, „Trait.
compl. de l'acc. etc." Paris 1835. — »»•) Frans, C. f . G. 1885. paflT.fö. — "*) Greene,
A. J. 0. 0. 1886, XXI, pag. 1051. — '**) Lawrence, Brit. mad. Joam. 1865, VoLH.
pag. tiOl. — '«^ Mc. L««tt, A.J.0.0. 1888, XXI, pag 401. — "») Deutsch, C. f. Ö.
1889, pag. 1235. — '**) Lederer, Prager nieil. Wochenschr. 1H87, Nr. 15. C. f. G. 1887,
pag. til5. — "*) Hepitea, Arch. Roam.de mod. et de cbir. ]887— 88. ('. f. Q. I6tid,
pag. 824. — Fritach. Ii aller'« Handb. 1889, m, pag. 685 tud Deataehe med. Woekea-
schrift. 1891, Nr. 51. — Löwy, „Ueher die forensische Bedeutung der Utemsrnptur.'*
Diss. inaug. Breslau 1^88. C. f. G. IHS'^,' pag. 519. — Freund jun , Z. f. G.u. G. 1892,
XXI 1 1. — Schnians, C. f. G. 189^, pag. 130. — Grandin, A.J.o.O. 1.^91, XXIV.
C.£.G. 1891. pag. 63b. — '»^ Dittel. C.f.G. 1892, pag.888. — Hektoen, A.J.o.O.
1808. XXVI. pag. 69. — Harris, NewwTork Jonm. of Oyn. and Obstetr. 1893. III.
p«g. 93. ~ ■•') Grupow, C.f.G. 1891. pag. 915. — Hirkinbotham, Transact, of
the Obstetr. Soc. of London. 1878, XX, pag. 96. ~ Phillipa, Tranaact of the Obstetr.
Soc. of London. 1^91 , XXXn, pag. 375. — Plenio, C.f.G, 1885. pag. 737. —
»«) Slavjansky. Wratsch. 1885, Mr. 49. fRu.ssisch.) C.£G. 188G, pag. Vergl. aus.««er-
dem noch Sntngin, Joarn. f. Geb. Q. Fr. Peterebarg 1889, pag. Ibl. (Rassisch.) Jahreaber.
189<.), III, pag. 133. Neugebaucr, C.f.G. 1890. BeiL Bsr. tbar den X. interaat. Congr..
pag. 88. — Harris, loc, ult. cit. Kleinw&cbter.
Anyclop. Jakrbüeber. ni.
51
V.
Venenthromb08e, bei cbiorosu, i>ag. 134.
Veratrin, bd EUanpeie, pi«. 231.
Vwnonta. Die nntor dem Namen BtAjitjor am Senegal ab Fiebermittel
geiehitste und wiederholt als Surrogat der Ipeeaonanha empfohlene Wurzel von
Vcrnonin n i 1/ r i f i a n n f>h'r. pt Hirne enthält ein durch Tannin Clllhares
Glykosid von der Formel Cm H^« 0; , V'ernonin, welches örtliche Paralyse und
systoliacbea Herzstillstand nach Art des Digitalins, das jedoch das Vemonin
an Stlrlce der Wirkung SOmal ttbertriflk, eneogt. Ab Hengift steht Vemonin
in der Familie der Synanthereen, der die Pflanze angehört, niebt alleittf da aneh
einige Arten von Enpatorium nach Art des Digitalins wirken.
Literatur: Meckel und Sch 1 ag d en h a u l't'e d , Sur le hatjitjor (Vernonia
tügrüiann (>. el H.j <le VAfrique oceidentah et sur sun principe €tctif, la vernomHe. Owapt.
nnd. 1889. GVJ. Kr. 20. pag. 1446. Arob. d« pbysioL 1889, Kr. 6. pag. 135.
Hnsemana.
VibratSr, s. Meebanotherapie, pag. 490.
Vibrio aquatiüs, s. Bai^terien, pag. 05.
Virulenz, der Bakterien, pag. 64.
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w.
Wärmebildung im ThierkOiper, s. Eigenwärme, pag. 237 fl. —
Wtrmeeinheiten, ibid. pag. 236. — Wirmeregaliriiiig, pag. 239 ff.
Waisenpflege, seitdem die Erkenntniss von den Vortbeüen und Män-
geln, weldie beiden ArteD dwWaiBenpHege anhaften: einwseits der Unterbringung
in flogenannte Kostpflege, andererseits der gemdnsebaftlieiien AvMehuig in
Waisenhäusern, überall durchgedrungen ist, haben die maasgebenden Kreise
bei den Behörden der frrösBeren Communen (»pcciell Frankfurts a, M., Ilamburgra,
Berlins und anderer Grussatädte) keine Gelegenheit vurUburgeben lassen, um beide
Systeme naeh der gflnstigeii Seite xn eatwiekeln und aussnbilden.
Die l'eberf^abe YW wwaiaten Kindern an die Kost pflege ist unter
der Voraussetzunfr als eine unzweifelhaft glückliche und naturgemässe Lösung der
Aufgabe zu betrachten, wenn es gelingt, die Unterbringung in einem wohlgeord-
neten, bygieniseh eingwiobteten und geleiteten Baoshalt su bewirken. In dieser
Besiebung verdienen die in Frankfurt a. H. gemaehten Erfabmngen (sie stutzen
sich auf eine mehr als drei88i?j.1hrige Dauer) beannders betont zu werden, indem
CS hier in der Macht des Pflegeamtes lag, für neu aufzunehmende Waisenkinder
„eine ganze Reibe höchst vortrefflicher und zur Erziehung von Kindern sehr
geeigneter Pflegeeltern in niebt an ten gelegenen Orten nn&ufinden**. Zn diesen
Vortheilen wurde auch gerechnet, dass sebwiebliebe und tcränklicbe Kinder,
be^^onders solche , denen nur eine vorbereitende (stärkende) Pflege fehlte, um sie
am Unterricht und an sonstigen geistigen VorzUgen der gemeinsamen Erziehung
tbeilbaftig werden so bissen, sieh in der Familiennrngebang viel sebneller erbolten.
Die Kinder fühlen sich unverkennbar behaglicher in dieser Umgßbnng. im leben*
digen Kreise einer Familie, wo sie früh an Alles f^ewohut werden, was das Leben
von praktischer Seite mit sich bringt und später unvermeidlich von ihnen fordern
wird. Allein sehen diesen zagestandenen Vonflgen der Kostpflege gegenüber
darf niebt flberseben werden, dass sie banplslebUeb sufareffen aof Iftndllebe
Umf;cbun?en. Wenn die Berichte aus Frankfurt a. M. , die am fUierzeug-testen
für das System auftreten, mehr als 10 zum Theil recht wohlhabeude und meisten»
landschaftlich sehr bevorzugte Orte in allernächster Nachbarschaft namhaft machen
kflnnen, in deren Iftndlicben Pflegestitten die Kinder mit Liebe anfgenommen,
andh alle Pflegeeltern von dem steten Bestreben geleitet werden, die Kinder gnt
zu verpflegten und ilirc Vorrrzichun^' lnl)enswcrth zu leiten, so hänort hier nahezu
jedes ausschlaggebende Momeut vom Charakter der Umgebungen im Grossen oder
von der allgemeinen Wohlbabenbeit in der Lebensbaltung oder von der Denk-
weise der Bevölkerungen ab: von sehr individuellen Zügen also, von denen es
fast selbstverstilndlich erscheint . dass in statistischer Form Wiederj^aben solcher
Erfahrungen fast gar nicht existiren. — Dass sie in Berlin nicht ganz mangeln,
51*
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804
WAISENPFLEGB.
beweist die Vermehrutifr der für diesen Behuf »ufgesuehten Ortsobaften , deren
Zahl bereits zu Anfang: der Neunziger-Jahre auf gegen 600 C41t6} gestiegen war.
Ea überwog die ADzahl der auf diese Ortschaften vertheilten Kostplieglioge auch
weht imbetrichtiHsh di^fliiige der in Berlin nntergelinMliten : „Die OesMDmtcahl
der durchschnittlich tfiglich in Kostpflege befindlichen Kinder betrug 1889: 401.S.
davon in Berlin (vorwipfrcnd woiblieheu Geschlechts) 171>4, ausserhalb Berlins 2219."
Die nSchste Auf^icht Uber die auswärtigen Kostpflegen fuhren (fUr Berlin, wie
vohl nahezu auanahmsloa allerorten) die OrtsgeistB^on oder die BBigenaMiiter,
OrUvorsteher, Lehnr. Fllr die Koetpflegw innerhalb der Stadt seibat fungiren die
durch (403) Waisenpflegerinnen anteratateten (316) GemeindeweiaenTitiie (gegen
1200 Mitgliedori.
Allein auch die sorgtUltigste und in noch so häuliger uud unermüdlicher
Wiederholung geübte AvfUeht kann einen principaleo Hwogel dee Koetpflege-
eystems nicht vQUig ausstreichen, das ist der (in den Grosittldten selbst und
auch in deren Vor- und Nachbarorten) sich parallel mit dem »ewerbliehen Zuge
der LebensauffassaDg immer schärfer entwickelnde Drang innerhalb der in Betracht
kommenden ^OlkmnngMdaaaen , alles nnd jete Betrüben vom GesiditRpnnkte
dee yerdienena, der wir^sdbaftlieiien Berechnung, der reellen Rinnahme zu sobfttsen,
zu l>erechnen und zu verstehen. So werden auch die Waisenkostgeber immer
llherwictrender — wenigstens in Nord- und Ostdeutschland — von dem Trieb
geleitet, durch das Kostgeld oder durch Nutzung der Arbeitskraft des Pfleglings,
sieh materiene Vorthdie sn sehaflbn, wenig beirrt doreh Serapel, ob dadurdi die
gute Verpflegung und die Entwicklung der Waisen beeinträchtigt wird. Der
Hinblick auf die von Zeit zu Zeit drohende Aufsicht ist es betrübend häufig
allein, der die Pflegeeltern davon zurückhält, die vorgeschriebenen, aber schon
deehalb immer nnr reeht sohematisehen, Grensen in llberaebrdten. Dadureh
aber steht der dgeotlidie innere Vortheil der Kut^tpfleiire in beständiger Gefahr,
auffreopfert zu werden; der Vortheil, auf die Individualität der Kinder
eingehen zu können, die Möglichkeit, die Charaktere und die Fähigkeiten vieler
Kinder in der Weise zu entwickeln, wie es wQniehemiwerth and gerade bei den
im ipiteren Lehgn oft sehr vereinselt dastehenden Waisenkindern sogar' mehr als
wünachenswerth ist. Die Ausserachtlassung dieser Seite ihrer Pflichterfüllung durch
die WaisenkoBtpfleger droht aber umsomehr, je kärglicher das Kostgeld bemessen
werden uiusa. Gerade für arme Waisen ist daher im Allgemeinen namentlich
innerhalb der Städte, aber aneh in lindliehen Gegenden, mit diehier, gedringt
wohnender, industrieller Bevölkerung die Kostpflege etnsnsdhrftnkeD, die Ersiehnng
in eigenen geschlossenen Waisenanstalten vorzuziehen.
In deutschen Städten war in früheren Zeiten fast allgemein durch die
VerwaltuDgsordnungen eine Abgrenzung der Waisen, deren Eltern (nach modernem
Ausdmek) den UnterstfltsnngswohnsitB nieht besassen oder dieses Rechtes
theilhaftig waren, eine grundlc^'ende Massgabe bei der Einrichtung der Waisen
anstalten. Sidclie Kinder, denen der ruterstHtzungrswohnsitz nicht zukam, auch
solche, die nur zeitweise uuterzubringen waren, waren die Waisenhäuser oft gar
nieht verpdiehtet oder gar direet behindert, anfsnnehmen ; selbst die Armenlmter
sahen sich in die Nothwendigkeit versetzt, andere ünterbringungsstätten vorzu-
gehen. Ks littst sich ohne Zwischenfragc beurtheilen, wie li.lutig dle^ser (oft noch
in verstärktem Gewicht durch Stiftungsbestimmungen ausgeUbtej Druck, der sich
auch in der Vom geltend machte, dass hier und dort nnr bestimmte Religions>
geseUsehaften oder Bcvölkerungsciassen (Bürger, Soldaten, Beisassen ete.) die anf-
zunehmeiiden Waisen liefern durften, eine gedeihliche Entwicklung der geschlossenen
WaiKenanstalleii verhindern musste. T^nd doch lilsst sich die Gesaromtheit der
Vortheile, welche die^e Einrichtungen bieten könneu und bieten sollen, nur in
Anstalten von einem gewissen Umfange erreichen, in denen das dienende
Personal z. ß. beständig angewies(>n und corrigirt wird von leitenden PsTSMien
httherer Bildung, welche in der Anstalt Wohnung haben; in denen eine sweek-
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WAISENFFLB6E.
mAssig geordnete KrankenpOege durch sachkundige Wärter ermSglieht ist; in denen
ein ständig anwesender — allein fllr die Anstalt verpflichteter und in
ihr reaidirender — Anstalts&rzt seinen conti nuirltoben Einflusa bei der Regelung
eilet wichtigen bauliehen nnä Verpflegungsfragen geltend SMofat.
In wenigen Arten sonstiger AnitiHea sind die Grundsätze der Hygiene,
und im Krankheitsfälle die sofort eintretende ilrztliche Ftlrsorge von 3<»
entscheidender Wichtigkeit wie in Waisenhiaseru , schon hus dem naheliegenden
Grande, weil vor ihrem Eintritt in die Anstalt die Waisen in nicht unbeträoht-
liehea Anthwlai dürftig entwiokelt, wter lugllDetigen LebenfTerhiltnisBen ver-
kfimmert (selbst verkommen), aneh nüt erblichen KrankbeitsaolafMi belastet sind.
Was Honstige Punkte der hygienischen Anlage und ^ines wohlgeordneten
betriebes anlangt, so bedürfen die in allen Internaten zu beachtenden hier nicht
der Wiederholung. Besonderes Gewicht wird neoerdinge auf hinreidiende Oarten-
und Spielräume, auf regelmässige Ausilage, auf Verbindung der WidsenhAuser mit
Lehrwerkst Jlttcn. Fortliildungsschulen, Praparandensehulen, auch je nach Bedfirfniss
und Gelegenheit mit höheren Unterrichtsanstalten , und auch darauf gelegt , dass
die geordneten Waisenanstaiten ilire Pfleglinge nicht allzufrüh entlassen, was sich
ans der vielfadi beobachteten Langsamkeit der EntideUnng bei vielen Waisen»
hindern von selbst begründet.
Dass als die wichtigste Lebensaufgabe, ganz besonders der Knaben,
der Schulunterricht angesehen wird, erscheint gerechtfertigt, wubei sich das System
▼ielleidit am erfolgreichsten bewährt hat, welches den Lelurplan der anfstsigenden
GUssenfolge in vollständiger Parallelität mit den Anforderungen des Lehr-
planes der Gemeindesehulen gestaltet. Wo die Einrichtungen von entsprechender
Grösse sind, werden eigene Sohulhäuser, die von den Alamnenwohnungen räumlich
ganz getrennte Räume aar Brfttllang des Unterriehtes enthalten, mit beeonderem
Naehdmeke an empf^len sein.
Eine vorwaltend hygienische Tendenz bewährt neben der pädagogischen
ganz besonders die Mauptwaiscnaustalt der Commune Berlin: die VVaisen-
erziehungsauätalt zu Kummelsburg — schon als die erste der städtischen
Anstalten, welche aus dw Eingeaebloesenheit und der damals stark Terdorbenen
Luft der Grossstadt hinaus in's Freie verlegt wwde.
auf dem äusserst freigebig bemessenen Terrain von Ar 'fflr
zunächst ÖUO Waisenkinder) begründet, auf vortreti'lichem Bauterrain iu Einzel-
gebittden fttr je 60 Insassen ausgelegt, seit 1887 an die Wassnrieitnng an-
geschlossen, ist dirae Anstalt vortrefflich geeignet, gesundheltliehe GmndsitM sa
bewähren und ihre L'tifen F()I;,'en zu demonstriren.
Bewegung und Heschilltigung im Freien, letztere in Gestalt von Garten-
arbelten, Leibesübungen, reichliches Baden mit Schwimmunterricht tragen
dazu bei, die krifligeren Knaben bei beater Gesnndheit >u erhalten. Das mit
der Erziehungsanstalt verbundene Kinderkrankenhaus nimmt nicht allein
die der Austalt ilbcrL'ebenen Knaben in KrankheitsfiUlcn zur Heilung auf, sondern
nähert sich dem Charakter einer ,^Iutirmerie" durch seine zweite Bestimmung:
sehwichliehe, krftnkliehe, Im Waehsthum zurOekgebUebene Waisenkinder, die sonst
ausserhalb der Anstalt ihre Versorgung haben — namentlich auch derartige
M.Hdchen — aufzunehmen. Der iu der Anstalt wohuende Arzt erfdllt
durch sciue hcätändige Anwesenheit in hervorragender Weise eine prophyhictische
Aufgabe, indem er — mit ganz bedeutenden Erfolgen — die ganze Lebensweise
der Zöglinge, die in derselben tiegenden Wirkungen auf die Kdrperentwieklnng
und die Gesundheitszustünde überwacht, auf schädliche Einflös.se aufmerksam macht,
Verbe-isernngen vorsehlflgt und weitsichtige Schutzmassnalunen anordnet (die Sterb-
lichkeit hat noch niemals ein Procent erreicht).
DieWohltbat, eine aussergewShnliehe Krftftlgnng ihrer Gesund-
heit zu erreichen, wird ebenfalls, wenngleich in beschränkter Zahl, den in von
der Stadt Berlin verwalteten Waisenanstalten untergebrachteu Kindern zu
WAISENPFLEGE. — WEUEN.
Theil, VOD denen in steigender Anzahl C21, 23) geeignete in See- oder 800 1-
bäder gesandt werden. Von sonstigen besonderen gesundheitlichen Massnahmen,
die eine sehr günstige Wirkung aaf den Gesundbeitaznstand der Waisenkinder
(nneh im aogenanDten Watoendepot und ia d«r Berliner Koetpflege) anaflben, ist
die zahnärztliche CeberwHchung und Behandlung zu enriümen, die gegen
eigentliche Zahnkrankheiten, wie beim Zahnweehsel vnd SteUnngMOOmaUeo , in
ausgedehnter Weise zur Anwendung gelangt.
Im Groeaen geschieht die ärztliche Behandlung der jüngeren wie der
wholpffiehtigen Waiaen durch die Besirkaarmen trete auf Reqaidtiott der Oemeinde-
waisenrAtbe. Schwere and langwierige Krankheiten bedingen die üeberweianng
an ein Krankenhaus.
Die schulpflichtigen Waisenkinder auf ihre Augen und etwaige
Abnormitäten derselben an unteranohen, erseheint aneli «u praktisehen
Gründen (Regelung der Anforderungen seitens der Schule, Wahl de« kOnftigen
Berufes etc. 1 dringend angezeigt. Einmalige Wiederholunf^ solcher UnterBUcbuns'en
im Jahre dürfte fUr diese Zwecke ausreichend sein. Interessante t^gebnisae stellten
aich aber auch naefa antiiropologiaelier und eiiniinnlpsyefaologiieher Richtung heraus,
ala man vergleiehsweise die AngennntersttehnDgen in Berlin in der Wdee ans-
dehnte, dass einerseits die normalen Waisenpfleglinge in dem Hause zu Rnmmels-
hwTir, anderer.-'eits Zöglinge des Erziehungshauses für verwahrloste Knaben diesen
Untersuchungen unterzogen wurden.
Die moraliaeh intaeten Waisenkinder leigten (naeh einer fBr mehrm
Jahre angestellten Durchsohntttserhebang) in 67% Smmetropie, in 14o 0 Hyper^
metropie, in 6*^ 0 Myopie, in 13* „ Astigmatismus; die Erziehungshaua-
zöglinge in 62*« Emmetropie, in 6% Hypermetropie , in 11% Myopie, in
18** 0 Astigmatismus. Die ersteren liatten in 98 q, die sweiten nnr in 98<>/o g^te
Sehsdiirfe. Von den ersteren hatten drca 4*0 einerseits Hornbautfleeke,
andererseits 4°/o den pigmentarmen Hintergrnnd des Auges: Rildimgsfehler, deren
Vorkommen sich bei den verwahrlosten Knaben auf 0'6 , respective auf
161% der (186j Augen herausstellte. So zeigten die Knabeu der Zwangs-
eniehungsanstalt eine weniger gute SebsehXrfe, mehr Bitdnngsfehler und «nen
grosseren Antheil von Kurzsichtigkeit. Die Untersuchungen werden fortgesetzt,
um womöglich eine irrosse, den angeregten Fragen nach allen Richtungen dienende
Statistik neben den schon erwähnten praktischen Fingerzeigen zu gewinnen.
FUr die Hftdehen zieht die Berliner Waisenpflege bis jetst das Kost-
unterbringung.sverfahren vor. Naeh der Confinnation (welche bei krllUger ent-
wickelten Mildc'hen naeh vollendetem 14., bei weniger gut gediehenen nach voll-
endetem 15. Lebensjahre bewirkt wird) werden dieselben in Dienststellen unter-
gebracht. Für das Weiterfortkommen der Mädchen sorgt die Waisenverwaltuog
bis anm 18. Lebensjahre. Sobald ein Htdchen in Stellung gebraoht wird, tritt
es hiermit gleichzeitig unter die Aufsicht des W^aisenrathes , weleher Uber den
Fleiss und die F'ührung des Exptleglings zunfleh«t nach Ablauf von vier Wt>chen,
dann regelmässig in sechsmonatlichen Abschnitten an die Waiseuverwaltuog zu
berichten hat.
Von unzweifelhaft segensreichem Erfolge hat sich auch die Vorkehrung
erwiesen, beim Stellenweeliscl (der Miidchen aus einer Dien.ststelle in die andere,
der Knaben aus einer Lehre in die nlichste; während der Zwischenzeit Wieder-
aufnahme in die cur Verfügung stehenden Dependenzen (Waisendepot, beziehnogs-
weise Ertiehungsanstalt) und damit Obdach und Sehnts sa gewähren.
Weraieh.
Wanderniere, s. Enteroptose, pag. 250.
Wehen. Die wenigen Jahre, die seit dem Ersehdnen des Artikels
Weben verflossen, brachten nicht viel in dieses Capitel einsehlagendes Neues.
Dieses Wenige soll in Folgendem seine Besprechung finden.
WEHEN.
807
Dembo ^) fand, wie erwilhnt, in der Subserosa des oberen vorderen Ab-
Mbnittes der Vagioa (dcü Kaaiocbeoäj in der nächsten 2säbe des Uterus zahl-
rache GangUengrappen , dnrdi derni (elektrisohe) Seisiing«n atorkCf sowie
allgemeine GoDtractionen des ganzen Genitalrohrea enMOgt werden, während
Reizung anderer Theile der Vagina und des Tterus nur locale Contractionen
hervorrufen. Kaschkaküff 2), der Dsmbo nacbcontrolirte, wies nach , dass diese
allgemdnen Contractionen des OenitalroliTes aneh dann erfolgen, wenn die
erwUinte Partie der Vagina nur mechanisch gereizt wird (d. h. wenn Me aneb
blos mit der nicht eingeschalteten Elektrode berflhrt wird\
ACCONCI *) studirte an Thieren den physiologischen \'erlaiif der Wehen-
tbfttigkeit. Als graphischen Ausdruck der Weben erhielt er eine Curve. Diese
Onrven wiederholen neb rbytbnuseb, so lange der Utem unter dem tegelirenden,
coordinirenden Einflüsse des cerebrospinalen Systemes steht | werden jedoeb
ganz unregelmässig, atypisch, sobald der Uterus nur von seinem eigenen Nerven-
system abhängt, nach Ausschaltung aller seiner Verbindungen mit dem cerebro-
spinalen Systeme.
Die alte Hypothese, der zufolge der Eintritt der ersten Wehe
auf den Druck, den die Frucht auf das untere üterinsegment ausübt, zurückzu-
fahren ist, wird neuerlich wieder von Gikin'), allerdings in etwas modificirter
Weise, hervorgeholt. In der ersten Zeit der Gravidität ist das absolute und
speelfisebe Oewiebt der IVuebt ^n selir niedriges, das spedfisobe Qewiefat dts
Fruchtwassers dagegen ein relativ hohes. Späterhin dreht sich dieses Ver-
hältniss um. Das Fruchtwasser verliert an specifiscbem Gewicht , die Frucht
dagegen nimmt an specifiscbem und absolutem Gewichte bedeutend zu. Dadurch
flbt die Frnebt einen bedeutenden loealisirten Dmek anf den unteren UtemB>
abschnitt aus. Dieser Druck wieder übt auf den Uterus einen ähnlichen starken
Reiz aus, wie die Mittel zur Einleitung der Frühgeburt. Damit Ubereinstimmend
tritt bei vorzeitigem Absterben der Frucht die Geburt nicht sofort, sondern erst
2 — 3 Wochen später ein. Innerhalb dieser Zmt nimlieb nimmt mit der Haeer^on
der Frucht das speeifisebe €towioht der letzteren an. Auf gleicher ütsaebe beruht
der Eintritt der vorzeitigen Geburt bei der Cholera. Das Fruchtwasser nimmt an
Menge ab und eonsecutiv wird das Gewicht der Frucht ein relativ hohes.
Bezüglich der Formverhältnisse des kreissenden Uterus
liegt eine Publieation Tor, welebe die bisbeiigeo Ansehannngen modifieirt. Der
wdt verbreiteten Anrieht naeb verktlrzt sich während der We he der Uterus im
queren Durchmesser, während er gleichzeitig im Tiefendurchmesser an Dicke
annimmt. An der Hand seiner klinischen Beobachtungen und gestützt auf die
Horiaontalsehnitte Baxboqb's*) führt Pbhung«) den Nachweis, dass während der
Wehe der Längs- und Querdnrohmesser zu-, der Tiefendurchmesser dagegen ab-
nehme, der Uterus sich daher während der Wehe abplatte. Die Streckung der
Frucht, die Scüuodkk seinerzeit darauf zurückführte, dass sich der < 'ontract ons-
ring jedesmal nur so weit eröffne, um einen Tbeil der Frucht durchzulassen,
wird dadnreb bervoi^erafeB , dass rieb der Uterus abplatte. Doreb diese Form-
Veränderung des Uterus findet die Frucht in ihrer frllberen gekrümmten Haltung
keinen Raum mehr und muss sich strecken. Mit zu dieser Streckung der Frucht
trägt der Umstand bei, dass die Placeuta während der Wehe an der vorderen
und hinteren Wand itarlc in das Uternseavam vorspringt, woduroh der Ranm nur
noch mehr beengt wird. Hoffhbinz') fBgt als weiteres Moment, welches die
Verlilngerung der liitugsdurehmeHser des kreisKendcn Uterus niitbedingt , den
Widerstand an , den die nach abwärts vorrückende Frucht an den mütterlichen
Geburtswegen tindet.
Babbodr>) maeht darauf auAnerksam, dass die sehönen Gefrierdurcb-
sehnitte einer Kreissenden SÄ.\[X(;BR'ä ") zwei auflfallende Erscheinungen zeigen.
Hier, itn sogenannten ersten Geburts-itadium schon, steht die utern-ve>ica]e Um
schlagrjtalte des Peritoneums l'- Cm. oberhalb der byuipiiysc und die Blase,
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WEHEN.
trotzdem sie nur wenijdr Harn enthalt, I f Om. Uber derselben, trotzdem man
bisher annahm, das^ diese Emporzerrung der Blase erst im sogenannten zweiten
Gebnrtastadiuffi eintrete. Wintkr's Medianschnitte werden von den Anhängern
Scbr0db*8 fVr «iaen aeiMrUelMB Btwtis dw Riditigkdt der Annahm«, dass die
Oenrix bis anm normalen Qraviditfitsende erhalten bleibe, angesehen. In Fall I
ist die Grenze zwischen der glatten , bis zum inneren Muttermunde reichenden
Deeiduaauskleidung deä Corpus und dem an Krypten und Muoosafalten reichen
Oervix selir dentlieh. Die Cofrpaawand ist handbreit nnter dem Fnndns am
■ttricaten i8 Mm.i und nimmt gani allmälig bis zum inneren Muttermunde
bis auf 4 Mm. Dicke ab. Der Contraetionsring ist, da die Wehenthiitifrkeit noch
keine kräftige war, nicht ausgesprochen. Damit libereinätimmend ist der innere
Muttermund nnr wenig anaeinandergezogen und die Ablösung der Eihäute anf
das untere Cterinsegment beselntnkt. Im II. FkUe dag^en ist das untete
rterinscfrtncnt in seiner Wanddicke dem Fundu.s gegenflber mehr verdünnt (wie
2 Mm, zu 7 Mm.,(. Die hintere Lippe ist Rtilrker verzogen, die Eröffnung hier viel
weiter vorgeschritten als vorne. Im unteren Uterinsegment sind die Eihäute schon
theilweise abgelöst (vorne 4*5 Gm. und hinten 1 Cm, vom inneren Muttermunde).
Das Amnion steht noch, das Chorion dagegen ist bereits zerrissen.
So ziemlich übereinstimmend damit spricht sich Pestalozza au8. An
der Hand von Präparaten und einem Gefrierdurchscbnitte erörtert er die sieh im
und am Uterus wihrend der sogenannten Britffnungsperiode abspielenden Vor-
ginge. Gebärend ist die Frau, wenn sieb der obwe Theil des Cerviealeanalee zu
erweitern beginnt und sich die Eihäute um das Orißdum intrrnum herum ab-
lösen. Nach verstrichener Cervix erweitert sich der äussere Muttermund zuerst an
der hinteren Lippe, duuu an den seitlichen Partien und schliesslich au der vorderen
Lippe. Das Missverbiltniss zwiseben der Fliehe der abgelösten Bibiute und
ihrer Haftfläche an der Tteruswand ist auf die Dehnbarlcdlt der Eihäute, sofHe
auf die Kctractivität der l'teruswand, welche sich in der sogenannten Eröffnungs-
periode verdünnt , in transversaler Richtung gedehnt und in verticaler verkürzt
wird, sebliesslieb auf die theilweise Tersehiebung des ganzen Saekes naeb unten
ohne Ablösung (ermii^lieht durch die naefagiebigen Adhäsionen in der l^feanungs»
schichte) zurückzuführen. Die Verdfinnmif; des unteren Cterinsegmontcs ist nach
ihm als ein rein mechanischer l'roceas anzusehen, der gewöhnlich nur während der
Geburt stattfindet, wenn es auch möglich ist, dass dieselbe bereits in der Gravidität
in Folge des excentriseben Druekes des Eäes (zu «ner Zeit, wo die aetive Hyper-
plasie des Uterus bereits aufgehört hat) beginnt. Der lamellöse Bau der Uterus*
wand ermöglicht das Zustandekommen der Verdünnung durch Verschiebung. Auch
die Gefäss vertheil ung ist derselben günstig. Die Verdünnung des unteren Uterin
Segmentes ist die Bedingung für die Erweiterung des Muttermundes. Je grösser
iene, umso schneller erfolgt diese.
Nadi Harrour ' I wiril wahrend der s'>frcnannten zweiten Oeburts-
periode das Peritoneum vorne etwas aus dem Becken herausgehoben und hinten
in die Höhe geschoben. Der Blasenhals ändert seinen Platz nicht, dagegen
wird ein Theil der Blase in die BauehbOble naeh oben versehoben. Wtiirend der
Webenpause zeigt der Uterus eine gewisse Plasticitit, ähnlich wie in der
r.r.-n idit.'it. mit dem Unterschiede aber, da.^s er sich in letzterer der Wirbelsäule
und dem knöchernen Becken anpasst, während der sogenannten zweiten Geburts-
periode dagegen dem Fötus. In dem Retractionszustande wird die Uteruswand
S. kOrzer und dicker, aber nicht im ichen Grade Während sich der yertieale
Umfiin;.' um ein Dritte! vrni iiuiert. wird die Wand bis zum Vierfachen verdickt.
Der uutcre Abseliniu der vunlereu Uteruswand ist vor dem Geburtsbeginn dünner
als die übrigen Theile and nimmt diese Verdünnung während der (Geburt tu.
In entspreehender Weise verdünnt sieh auch die hintere Utemswand. Die Orena-
linie zwischen dem verdünnten Abschnitte und den nicht verdünnten Theilen des
Uterus bleibt auch ohne Contraction sichtbar und sollte deshalb Ketractions-, nicht
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WEHEN.
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aber Contractionsring' irenannt werden. Hat ein Friiclittbeil diese Grenzlinie
pafisirt, so wird <iuf ihn keine Muskelthätigkeit seitens dieses verdünnten Ab-
schnittes ausgeübt. Während die vordere Vaginalwand während der Gebart ihre
Lftnge nnd Dieke sieht Tertadert, wird die rlleliwirtige um meiir als dM Doppelte
verllngert und dementsprechend verdflnnt. Die Frucht wird in der mgenannteB
Bweiten Geburtsperiode durch Streckung der Wirbelsäule verlängert.
\V£RTU nimmt tür den Uterus eine allseitig beginnende Contraciion
an, ohne aber die vob Ifaneben, wie nameDtlidi von Schatz vertretene An-
•ehaannf drr peristaltiscben Form der Contraction völlig ▼on- der Hand zu
weisen. Seine Ansieht über den NiitzefTeet der Uteruscontractionen und der Bauch-
pressu läuft darauf hinaus, dai^s die Uteruscontractionen vor Allem die Erört'nung
des Uterus bewirl^en. Hernach kommt voob ein Tbml der aufgebrachten Kraft
in die Ddinun^ der nadi(^ebigeD Gewebe^ welche die Verbindung swisehen Uterus
und Becken herstellen , in Verwendung;. Die Bauehprcsse dagegen arbeitet ohne
Kraftverlust für den Zweck der Austreibung und ist bei gleicher Grösse des
Uterus- uud Baucltdrucke«i deshalb in Bezug auf expulsiven Effect dem Uterus
entsehieden ttberlegen. IMe Uauptfunetion der ütemseontraetion besteht wflhrend
der Austreibung darin, dass sie eine geir^lte Bauehpreue unterhält, die unter
der Herrseliaft der retlectorischen Erre^junf!' in weit stärkerem Mar^se anp:e8pannt
wird, als es der Willenskraft möglich wäre. Ferner wird durch die in Spannung
versetste Uternswand hindnrdi der Banehdraek leiehter unges^mllert auf de«
üterurinbalt flb«rtragen. Der duroh die Gontnetion erzengte Zug naeh oben
erleiclitert endlieh das Abwärtsgleiten des Fnichtkftrpers an den Wandungen dos
UteruKsehlauehes. W'KitTH weist daher naeh iScuuoüEu's Beispiel der BauehpresSO
in der Austreibung der Frucht eine Ubergruss« Rolle zu.
Blanc entnimmt aus seinen Uinisehen Untersnehungen , dass es ein
genau differenzirtes unteres Uterinsegment nnr in den letzten Sohwangersehafts-
monaten, im 8. uud 9. und vielleicht im 7. nnd da nur bei Primigraviden, ^ebe.
Es bildet sich aber stets , wenn Uteruscontractionen eintreten , unabhängig von
der Sehwangersehaftsdaaer. Oberhalb des nntwon Uterinse^mentes kommt es
dann zur Bildung des Coutimetionsringes. de Sbionbux findet, wie er aus
dem I^efundc seiner Präparate sehlicsst , dass dris untere l'terinse^jment seinem
anatonuscheu Baue nach unzweifelhaft /um Uterus gehört und dass es sich durch
seinen Bau von der Oervix abgrenze. Im 5. Graviditätsmonate ist es au der
Hinterwand des Uterus noeh nieht entwiekelt uud vorne nur sehwaoh angedeutet.
Einen eigcntlicheu Contraetlonsrtng an der Grenze zwischen unterem Uterinsegmente
und Corpus fand er nicht, sondern nur eine allniälige Verdünnung^.
Ganz im Gegensatze zur allgemein angenommenen SCHRoDER'achen An-
sieht von der Persistenz des inneren Muttermundes bis sum Oeburtsbeginn stellt
sich in einer schönen Arbeit Heilmann Der sogenannte liANDL'sche King,
der ('ontraetionsring, ist der innert- Muttermund. Deciduagew('l)e kann .sich auch
aus Cervixmucosa bilden. Die Deciduabildung der Cervix erfolgt erst iu späterer
Sebwangerschaftszeit. Zur Entscheidung der Frage des Sitzes des inneren Mutter-
mundes am normalen Orsviditfttsende siebt er, da am Weibe diese Frage nieht sn
Iflsen ist . den nicht graviden und graviden Uterus der Fledermaus heran , da
die liier zu findenden Verhitltnisse des Uterus eine vollkr>ran)ene Analoirie /um
Befunde des Weibes darbieten. E^ findet sich bei diesem l'biere das sugeuuunte
untere Uterinsegment so, wie es bei dem Weibe sn treffen. Ist. Die Zugehörig-
keit dieses si mi mnit n unteren Uterinsegmentes zum Corpus ist nach den ana-
tomis<-hen lüldi rii Itci der Fled'irmaus einfach unlialtbnr. Sehen grob-anatomische
Verhältnisse zwiugeu zur Auerkennuug einer Deeidua in der Cervix. Mikru-
skopiseh lassen sieh alle Phasen der Umwandlung in Deeidua wahrnehmen. Das
Os ini^mum MOllbr's ist ein Os intemum spurium und wechselt seinen Platx,
d. h. es wandert allmfllig weiter naeh nl^wärts. Diese seine anatomisclie An-
scbauung bringt er mit seiner Theorie über die Entstebungsursaehe der ersten
blO
WEHEN.
Wehe jrut in Verbindunfr. Dh-s normale '^chwan.rersohaftsende wird dann erreicht,
weou die Erweiterung und Debuung der Cervix bis zu den tu der Höhe der
Va^nalimertioo befiadlieheo Ganglien (dem Oanglion eermeaU FsAMKKilHiuau'fl)
vnrgescbriiten ist. Diese Ctaii^n werden nim gtnait and IOmh dadnreh den
Eintritt der ersten Wehe aus.
Ueber die S c h w a n g e r s e h a f t s w e b e n äussert sich Braxton Hicks
dahin, daas sich der Uterus die ganze Gravidität hindurch in regelmässigen Inter*
vnllon von 5 — 20 llinntan eontrahiiC. Diew Contnetionen dnaem 3—5 Minntra.
In den ersten 4 Graviditatsmonaten bedarf es einer combinirten Untersuchung , um
diese Weben nachzuweisen. Spaterhin genfigt das Auflegen der Hand auf den
Unterleib. Diese intennittirenden Contraetionen haben den Zweck ^ die Uterus-
vftoen ihres kohlenslnrereiehen Blntes sn entleeren nnd ist es wahrseheinlieh
diese Kohlensäure, die sie hervorruft.
N a e h s; e b u r t s w e h e n. Nach Fehling ''' i erreicht der Uterus in der
Xaehgeburtsperiode die gr(isste Abplattung. Zu erwähnen wäre, dass in jüngster
Zeit in England Uber den Mechanismus der Lösung der Plncenta eine neue Hypo-
tbese aufgestellt wird. Die Ursnehe der LAsnng der Plaee&ta lie^ darin , dnss
gich die Plaoentarstelle ausdehnt , während die Placenta , in der der Blut-
krei.slauf unterbrochen ist, dieser Ausdehnung nicht folgen kann. Die Lösung
der Placenta liudet immer während der der Contraction folgenden Krschlaä'uag
des Utems statt. Bbbrt, Haet^*), Babboür**). Zdistagsi) fand, dass es ausser
dem DuNCAN'schen und SCHULZE'sohen LAsnngsmodns der Ptaeenta noeh einen
dritten gebe, der frleichsam einen T'ebcrfjang von dem einen znm anderen dar-
stellt und den er den gemischteu nennt. Hs ist hierbei die Placenta mit der
Uterinflflche zusammengeklappt und breitet sich darttber der Eihantnek, mehr
oder weniger mit Blut gefallt, ans.
Innerhalb der letzten .Inbre wurden mehrfache Versuche an;rp>*tt'IIt , die
W e h e n t h ä t i g k e i t mittelst der (ialvanisation zu erregen. Nach Bayer
benüthigt man die coutractionserregende Wirkung des constanteu Stromes. Des-
halb verwendet man labile Strffme mit Unterhreehnngen , eventuell VOLTA^sebe
Alternativen oder intermittirendes Galvanisiren. Meist genUgen schwftehere Ströme
(h\B zu 20 — '2:^ M. A. I. Die positive indifferente Elektrode ist eine grosse Platte,
die active negative wird durch ein kleines, in den Üervicalcanal gebrachtes
SehwSmmehen gebildet, das mit einem dnreh ein Drainrohr isoUiten Silberdrahte
in Verbindung steht, der an den Leltnngsdraht befestigt wird. Der Effect der
Galvanisation ist aber kein verlässUcher , zuweilen stösst man auch auf torpide
Uteri , die nicht rcafjiren. In anderen Füllen erregt man wohl Wehen , doch
halten diese nicht dauernd an. Soll diese Methode der Welienerregung zum Ziele
fahren, so mnss sie Iftngere Zeit hindurch in Anwendung gebraeht werden.
Freund jun.^^ brachte den constUDtett Strom in anderer Weise in Verwendung.
Von dem Standpunkte des Connexes, in dem die Hnistwarzen zu dem Genital-
üvstemo stehen, ausgebend, construirte er den sogenannten elektrischen Schropf-
kopf, wobei der active Pol mit der Mammilla nnd der indifferente als Platte auf
dem Unterleibe liegt. Ein gläserner Schr^^pfkopf trigt eine eingelassene Metall-
hülse, in deren Innerem sich ein befeuchteter Schwamm befindet, der der T?rust-
warze aufruht. Der Schröpfkopf steht mit dem Leitungsdrahte in Verbindung.
Die Stromstärke beträgt 6 — 7 M. A. Nach seinen Erfahrungen icann mau auf
diese Weise, doch rnntm es nicht der Fall sein, Wehen erregen, die aahaltend
bleiben. Amaxn sah jedoch keinen Erfolg. Auch Moli.ath's Ergebnisse
scheinen keine s-anz verlässlichen gewesen zu sein. .Mittelst abwechselnder kalter
(Ögradigerj und heisser (3ögradigcrj Wassereiuspritzungen (l* ^ — 2 Liter) in die
Vagina bei einer Fallhöhe von \ — 1^ Meter (in einer Sitxnng diel Eiasr
Wasser) will SCHRÄDER -") die Wehenthätigkeit mit Erfolg erregt haben, ebenso
auch LoMKii-"). Nichts Neues gajrt S<h.\tz wenn er erwähnt, dass man
mittelst Darreichung von Ergotin Wehen erregen kann, der Effect aber auch
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W£H£N.
8U
ausbleiben könne. Nach Merz ^ ') soll daa Ghinin innerlMÜb der ersten drei Gravi-
ditfitBrnonate im Stande sein. Wehen auslösen zu können. Spaterhin soll dieses
Mittel keine Welieu erregen. Ich kann dies nicht bestätigen. Bkrtrand
•prioht sich in der gleichen Weise aus. Pslzsb fand in der Injection von
60 — 100 Gnu. Glyoerin swiseiieii ütenis und Eibiiitflii ein niiMhldliebea und
sieheins HIttal, eine andauernde Wehenthntigkeit auszulösen.
AU einen thats.Hchlichen Fortschritt muss man es hegrUssen, da^s uns
die letzten Jahre ein Mittel brachten, welches die abnorm heftig werdenden
SebwaDgeraehaftawelien niedersndraeken im Stande ist, d.h. dieWebentbitig-
kcit aittirt. Bs ist dies das Extractum Vtburni prunifoUi. Mittelst diesoB
Mittels vermag man gar häufig die vorzeitige Schwangerschaftsunterbrechung
aafzahalten, vorausgesetzt, daas die vorzeitigen Weheu nicht allzu stürmisch auf
treten und nicht bereits das ES Terietit ist. Schatz '*) vermnthet, dass die Wir-
kung dieses Mittels auf einer Reizung des uterinen Itemmangseentrams oder einer
vorübergehenden, kilnstlich herbeigeführten Lähmung des uterinen motorischen
Centrums beruht. Die Wirkung des Mittels entfaltet sich sowohl bei lebendem,
wie bei abgestorbeoeoi Ei. Im letzteren Falle kann man das Ei noch muuate-
lang im üteras sartlelcbalten. Bei pUttslieh anftretender heftiger rorseitiger
Wehenthitiglceit kann das Mittel abw nllerdings nicht mit dem Opium conenr-
riren. Gereicht wird es zu 3 — 4 Grm. pro die längere Zeit hindurch und muss
die Gravide das Bett hUten (Co&dbs'^). Fbbeman ^'j empfiehlt zu gleichem
Zweeke die Tinetura OeUemii und giebt von derselben alle S Stondea 6 bia
30 Tropfen.
P'orsehungen fiber das Verhalten der Körpertemperatur
während der Geburt nahm Glöckner vor. Erfindet, daas die Temperatur
bei Primiparen meist erhöht ist nod dass das Maximum der Temperatursteigerung
in das £nde der segenannten ErtMbni^periode ftllt. Alle Momente, welehe den
Geburtsverlauf verzögern, dispontren zum Eintritte von Fieber während der Geburt,
deshalb ist das Fieber häufiger und höher bei Primi- als bei Pluriparen. Wieder-
holtes Ansteigen von Puls und Temperatur ist als ein prognostisch ungünstiges
Zeichen aufzufassen. Naeh Wintbb Idstet der Uten» bei seinen Ckmtraetionen,
wie jeder andere Muskel, Arbeit und erzeugt dadnrtth Wirme, die Anfangs loeali-
sirt ist, sehr bald aber durch die Hhitcirctilafion dem tranzen Körper mitgetheilt
wird. Diese erhöhte Temperatur wird durch vermehrte Wärmeabgabe — schnelleres
Athmen und Entblössung — regulirt. Sie betrflgt 37'4<>. In der sogenannten
Anstnubnngsperiode ist sie niedr^w, als in der sogenanuten HSrOftiungsperlode
und in der 8o<renanten Nachgeburtsporiode. Anders verhält es sich mit dem Fieber
wahrend der Geburt. Es giebt zwei Arten desselben, gesteigerte Wftrmebildun^;-
durch Übermässige Thätigkeit des Uterus und der anderen Körpermuskelu und
Fieber als Folge von Infeetiou. Bei Fieber erster Art, bei dem die Temperatur
bis Uber 39* steigen kann , tritt post partum immer Temperaturabfall ein. Bei
MnUiparen mit normalem Becken und nachgiebigen Weichtheilcn ist es selten.
Kelativ am häufigsten tritlt man es bei engem Becken, weil hier sehr kräftige
Wehen nöthig sind, um die Geburt in beenden. Der Puls ist in der Regel
entsprechend der Höhe der Temperatur. Das Fieber, das auf Infeetion beruht,
charakterisirt sich dadurch, dass die Geburt lange dauert. Selten nur stellt es
sich bei stehender Blase ein, zumeist nach abjretlfMsenen Wässern. Winter meint,
da es sich um Fieber handle, deneu aus zersetzteu Stotfeu entwickelte Ptoniaine
SU Gründe liege, dass diese Fieber Intoxieation«>, aber niebt lufeetionsfieber seien.
Bei diesen Fiebern seien zwei Formen zu unterscheiden. In der ersten steigt die
Temperatur langsam bis anf SS*')", fällt, wenn die (iebiirt lange dauert, wieder
etwas ab, um von Neuem zu steigen. Die Temperatur hält sich zwischen 38'0 — 38*5^
SehllttelfrOste sind selten. In der »weiten Form steigt die Temperatur jäh an,
f^llt bald darauf langsam ab und steigt neuerdings an , um wieder zu sinken.
In den Remissionen kann die Temperatur bis sur Norm sinken. Selten hftU sie
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WEHEN.
sich dauernd um SO'ö''. Die Temperatur kann bis auf 40" und mehr steigen.
Zuweilen hält das Fieber auch nach der Geburt noch an. Nicht so selten sind
SttbllttelfriMe, thclls als InHialsymptoni des Fiebers, Cbeils wa Beginn einer nenea
Fieberbewegung. Post partum treten sie am binfigston nach operativ beendete«
Geburten und intrauterinen Injectioneii auf. Sie markiren die Incorpnration
grfls8(;rer Mengen toxischer Stoffe. Zuweilen machen sich die ZerHetzungBproducte
durch einen sUsslichen, ekelerregenden Geruch bemerkbar. Der Puls wird dureh
die Intoxieetion sebr stark besdilemiigt, so dass sein V«rbalt«i der Tempemtar
gcfrentlber ein incoDgraentes wild. Je grOsser diese Incongruenz , desto schwerer
ist im Allgemeinen die Intoxication. Der Puls steigt häufig früher als die Tem-
peratur. Bezüglich der Diagnose infectiöses Fieber gegenüber dem iunctionellen
glebt es folgende Hericmale: Tympania uteri nnd das Abgehen stinlcender Zer-
setsnngqirodncte, Temperatur Uber 39» und tiber 40°, SchfittelMste, grosse In-
fonprruenz zwischen Puls und Temperatur. Langaiiflauernde Geburten mit Wehen-
scbwftche und frühzeitigem Blaseuspruoge deuten auf Infeetion hin. Das Fieber
aus abnormer Webenthitigkeit ergiebt fflr die Mutter eine absolut günstige Pro-
gnose. Das fimetionelle Fieber erbelseht aar ein abwartendes Verbalten , das in«
feetiOse dagegen eine möglichst rsRche Entbindung. Auch Hansen '*) untersebeidet
zweierlei Fieber. Ein solches, nur durch schwere Oeburtsarbeit hervorgerufen,
das eine gute Prognose abgiebt und ein durch Intectiou bediogtes. Nach Ols-
HArsRN**) ist, da auf Temperatarsteigernngen wtbrend der Gebart bis anf 39*
ein normales Puerperium folgen kann, die Entscheidung zuweilen sehr schwierig,
ob ein Infeetionsfieber vorliegt oder nicht. Das functionelle Fieber scheint er
darauf zurückzuführen, dass der Muskel an Arbeitsleistung bebindert wird. Nach
VsiT ist der Temperatnrabfall in der sogenannten Anstreibungsperiode auf
iussere Momente mrUekanlllbren, Sdiweissseeretion nnd Yerdunstnng n. daf^. m,
Martin *") meint, dafs Temperatursteigerungen allein nur eine relatiTO Bedeutung
besitzen, zur Beurtlieiliin^r müssen auch die Pulsverhältnisse herangezogen werden.
Truzzi meint, gestützt auf seine Beobachtungen bei eingeleiteten Frühgeburten,
dass b^ leiehter septiseber Infeetion die Weben sebr stfirmiseb werden, bei
schwerer dagegen eine vollständige Wehenlosigkeit eintrete. Auch AccONCi
scheint ähnlicher Ansicht zu sein und glaubt, dass beginnende Sepsis abschwächend
auf die Webeutbätigkeit einwirke. Damit übereinstimmend beben beide, Truzzi
nnd AOOOHCI, den anfiallenden ümstand hervor, dass in vorantiseptischer Zeit ein-
geleitete Frabgebvrteii rascher und sehneller mm Abseblnss kamen, als dies heate
der F'all ist. wo die Wehenthätigkeit eine viel weniger energische i.st. Damals
war Itei diesem Eingrific eine Infeetion eine gewohnliehe Zu;rabe und in F'olge
dessen wurden die Wehen kräftig und energisch. Heute, da wir antiseptisch vor-
gehen, AUt dieser Faetor weg und sind die Weben daher sebwieber.
Nach AfiELiN*^') bat die Intermittens ksiaea merklichen Einflnss auf die
Wehentbätigkeit. Dasselbe .scheint vom Typhus zu gelten (Fleming**).
Nach B£RRY Hart bildet die Wehentbätigkeit eine sebr ungünstige
Complieation, wenn eine Hitratstenose bestebt Die Gefahr li^ darin, dass selum
im Beginne der Wehentbätigkeit ein dilatirter schwacher linker Ventrikel, eine
Congestion der Lungen, ein dilatirtes reehtes Herz da ist und d.-ihei eine mangel-
hafte Compensation. Die i'rognose hängt von dem (irade, welchen die IHlatation
des recbteu Herzens erreicht bat uod von dem Eintritte der Kudocarditis ab.
Undentliebkeit oder Tersebwinden des ersten Tonee nnd Absebwichnng dee Ge-
rittsebes deuten auf grosse Gefahr für den Gebnrtsverlauf hin. Die Therapie besteht
in einem möglichst ruhigen Verhalten der Kranken, in Darreichung von Stro-
pbantus, eventuell ist zu chloroformireu. Digitalis und Ergotio dürfen nicht gegeben
werden. Treten gefahrdrohende (^reuIationsstOrongen ein, so ist Stropbantns si
■^vWu. es ^iod trockene SebrApfköpfe auf die Herzgegend zu appliciren, eventuell
ist eine Veuaesection vorzunehmen. Auch Owen Marknes.< sieht die Gefahr
in der venösen UeberfUllung des Herzen.s. Das rechte Herz kann das Blut nicht
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in die Artena pulmonalü traiben. Die Gefahr hangt in ihrer GHtaee von der
bleuten dert'n oder geringeren Energie des Herzena ab. Ballantvxe fan.l die
Pulscnrve im sogenannten ersten und zweiten Geburtastadium normaler als in der
pravidität. Der Puls ist wobl klein, aber nahezu reg^ulär, es findet sich eine gute
Arterienspannong. Erst in der sogenannten dritten GelmrtBperiode wird die Pals-
welle Rohr schwach , d. b. es zeigt sich Herzschwiehe. Markay ^'^'^ plaidirt btt
Herzkrankheiten fttr eine vorsiobtige Aethemarkose, eventuell fQr Chloroform und
Venaesection.
Unansgiebi ge Wehenthitiglceit. Originell ist der Gedanlte
FsROüSSON*S , durch ein therapeutisches Vorgehen prophylactisch dafür Ell
gorfren, dass die Wehentbatigkeit ihrer Zeit krftftifr sei. Zti liein Hebufe reicht er
lAngere Zeit hindurch in der Schwangerschaft oder knapp vor der Geburt Strychnin,
und zwar zu 1 — 4*5 Mgrm. pro die. Wenn der Muttermund rigide ist, lAsst
er anseerdem die letzten 8 — 10 Tage der Sebwangersebaft iweimäl des Tages
Vaginaldouchen mit 40*5' heitisem Wasser vornehmen. Durch dieses Verfahren
sollen die Wehen kräftig und ausdauernd werden. Geburten , die sonst bei
der Betreffenden 18 ätuuden andauerten, sollen dadurch auf 8 Stunden abge-
kttrst werden.
Eine Ansebawing Aber die Aetiologie der Wehen seh wäche , die bei uns
nicht viel Ant-rkennunp finden dürfte, ist jene Clark b's ''"). Nimmt die Krei-sende
längere Zeit hindurch dieselbe Lage ein, so tritt Wehenscbwäobe ein, und zwar
in Folge des eonstanten Dmekes, den die IVnelit anf die vmsehrieliene Stslle der
Uternswand ausObt. Aebnlicber Anriebt ist Oakbioues. Naeh VJOOOBOtJX
kann selbst eine nur relativ gerinp-e Menge Harne« in der Blase Störungen der
Wehentbätigkeit nach sich ziehen. Nach Kixo vermag eine zu kurze Nabel-
schnur das Gleiche hervorzurufen. Die dadurch bedingten schwachen Wehen
werden sofort regniirt, wenn man die Krnasende ans der bbrisontalen Lage in
die sitsende bringt. Die Kreissende hat überdies selbst das Bedürfniss sich auf-
zusetzen und ist diesem stattzii£r«^lien. Hcfckstadt meint, dass der Utertis
arcuatus oft Wehenschwäche und schmerzhafte Wehen nach sich zieht. DüUBSäEN
glaubt, dass der erscbwerte OeborlsTerlanf bei allgemein verengtem Beeken nieht
allein Folge der mechanischen MissverhSltniase swischen Beckencanal und Froeh^
köpf sei, sondern dass daran auch eine mangelhafte Entwicklung der rterns-
muskulatur Schuld trage, die der auf kindlicher Entwickhiu^sstufe stehen geblie-
benen Beckenfonn entspreche. Deutsch t^^) beobachtete eiueu Geburtsverlauf eines
Falles, in dem f^flber wegen Uternsroptnr die Laparotomie gemaobt worden war.
Den Wehenmangel , sowie die starke atoniscbe , der Ctobnit sieb anschliessende
Blutung fuhrt er darauf znrttek, dass der Uterus mit den Bauehdecken ver-
wachsen war.
BdNBR'^^; maobte die WebensehwBobe älterer Primiparen zum Gegen-
stände eines speciellen Studiums. Sie kann eine absolute und primäre sein. Wahr-
scheinlich entsteht sie in Folge eines gewissen stattgefundenen Kilokf^anges in
der Innervation und Nutrition des Uterus durch seine lange vorangegangene Un-
tbätigkeit und durch die Functionsstdrung des gesammten Genitalapparates in
Felge des in kUrserer oder Ubigertr Zeit heraorttekenden Kllmakterinms. Obarak-
teristi.^ch ist das Anhalten der Wehensdiwäebe während der ganzen Daner der
Geburt. Cousecutiv folgt Verzögerang des Geburtsactes, Erschöpfung und Gefllhr^
dung der Frucht. Erdmaxn.
Naeh Schatz**) bat die dnreb Seeale hervorgemfone Webe die Form
der normalen. Dieses Mittel steigert die Wehe nicht, sondern vermehrt nur die
F"'requenz der Wehen. Wird dicst» Frequenz eine zu gross»' , so wird (anf der
Curve; die Kratt und Huhu der Wehe geringer, die Wehenpause dagegen höher.
Für die Darreiehnng dieses Mittels spriebt sieh m bedingter Weise Donghdb**)
aus. Er will es nur dann gegeben wissen, wenn es ans irgend einer Ursache
inertia laborum besteht und nichts einer sofortigen Beendigung der Geburt im
814
WEHEN.
Wege steht. Auch ACCOXCI ''^ i steht dem Ergotin nicht feindlieh gegenflber,
ebensowenig wie Christian ^-), der seine Stimme gegen die taldcbe Annahme
erhebt, daas die Dureiobung des Ergotins den Tod der Fmeht herbeiführe,
während TBOimos'*) sadi totetsouamter Riohtong hin enigegeageaetster Mei-
nung ist. Thompson'*) versuchte das Cornutin, war aber mit dessen Wirkung
nicht zufrieden. Es schien ihm die Wehenthätigkeit nicht zu steigern, eher
schien es nooh bei atouisobeu Blutungen zu wirken. Wfirmer empfiehlt dieses
Mittel K08TNSB Die wirknuie Deels ist 9*5 Mgrm. Seiner leiehten Zertetilioh-
keit wegen wird dieses Mittel in sterilisirter LOenng in sngesdunolieiMn Glat-
röhrchen (a zu 2'5 Mgrm."^ aufbewahrt. Das Chinin muss es sieb immer noeh
gefallen lassen, als wehenbeförderndes Mittel xu figuriren. — Scott Gokdbs '^),
BtBTBAHD*«). — Der Ipeeaennnha, dem Oelsenrinm, dein Ooetin, dem Plloonrpiaf
dem Chloral, dem Antipyrin und der Ustüago maidü sebreiben eine wehen-
befördernde Wirkung Merz«»), Freeman Wagner pHTi.iprs^2\ Roth"»)
und SwiEClCKl zu. Nach I'inzani j hoII dagegen da» Antipyrin einen hem-
menden Eiutiu88 aut die Wehenthittigkeit auäUbeu. Den cousianteu Strom zur
Verstlrfcnng der Wehen empfehlen Batbb^*) vnd Avann Erstorer hebt her-
vor , dass darch den eonatnnten Strom der rigide Muttermund anfgelookert und
erweicht werde, so dass er sich dann leichter öffne. Für heisse Vaginalinjectionen
plaidiren AccoNCi '"^) und FkbocssoN'*) und fttr heisse Bftder Acconci''^'} und
MONcmiBTBB Letsterer llsst den heiisea Bfldem fisnehte Einwielilnniren
folgen und ausserdem noeh die Vagina htÜM «isspfllen. Ersten r empfiehlt ausser
dem noch die unvollkommene Chloroformnarcose und einen Compressivvcrl.ind
des L'nterleibes. Roth reicht bei rigidem Muttermund im Geburtsbeginne
Chloralhydrat und dilatirt den Muttermund direct mit dem Finger, ein jedesfalls
nieht anempfehlenswerthes Verfahren. DObbsssn*') sehliesslieh maeht, wenn
ihm die Geburt nicht rasch genug vorschreitet , seine bis zum ScbeidenansatM
reichenden tiefen Cervixincisionen. Runge handelt die iinzureichende Weben-
thätigkeit nahezu ebenso ab , wie ich dies im Artikel Weben getban habe,
nur dass er von „primSrer'* und ^^seenndärer** Wehensdiwiche sprieht, wih-
rend sich die unzureichende Wehenthätigkeit in ,,scbwaehe Wehen** und ^fWeiien-
schwilehe'"' sclicidc. Auch seine Therapie stimmt mit der von mir angegebenen
überein, nur dass er 1101.^.^6 Vaginaleinsprttzuugen anempfiehlt, die ich für voll-
stftodig wirkungslos halte und dass er sich scheut, Ergotin zu reichen, welches
ieh ohne Nadttheil fBr Mutter nud Fmeht gebe.
Feber den zu sehnellen Geburtsverlauf liegt eine Arbeit
ÖTBASäÄiANN's'' ) vor, die aber nichts wesentlich Neues bringt.
Abnorm schmerzhafte Wehenthätigkeit. Fälle abnorm schment-
hafler Wehen in Folge von m Iranern Nabelstrange wollen King**) und Felkih**)
und solche wegen Oegenwart eines Uteru» areuatu» will HOckstädt*'') ge-
sehen haben.
Die Narcuso empfehlen ÜmTa und Allwkigut ^'^j. Auob Bandonin '•*^)
ist f&r eine ioldie, dodi nur HBr efaie oberflflchliehe mit Chloroform, ebenM»
Baldwim der ansdrttekUeb hervorhebt, dass das Chloroform keine Neigung in
Blutungen po.'*f partum hervorruft. Auch Porak cbloroformirt, aber nicht vor
vollsUindiger Erweiterung der Cervix und litsst nach eingetretener Narcose nur
dann wieder Chlorufurm einatbmen, weuu die Weben beginnen. Hüwald zieht
dem Chloroform den Aether vor. W. Scott**) empfiehlt in der sogenannten
I. Geburtsperiode Chloralhydrat imd Morphium und in der sogenannten II. Chloro-
form, weiterhin reicht er in der sogenannten III. Geburtsperiode ]>ei Personen,
die zu Blutungen incliuiren, Seeale und Strychnin. Cuaiqneau ist ebenfalls nur
ftir eine oberflSehliche Narcose. In der sogenannten Anstreibungsperiode r^eht
er ('hioralhydrat. Zuweilen leistet l'O Antipyrin gute Dienste, ebenso das Coenin.
i nvcriilüslic'h dagejren sind Aether. Morphium. Kromftthyl . das Lustgas und
die Hypnose. Clakk ist gegen die Chloroformnarcose, ebenso Wättkins"^),
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WEHEN.
815
der denelben vorwirft, dass sie die Weheaschwilche und uach der Gebart Blu-
tungren hervnrnife. Auch Donhoff ''^ behauptet , dass das Chloroform läbmeud
«uf die Webentbfltigkeit eiuwirke und die Wehenpausen verlängere, trotzdem aiu
seinen Mittbeilnng^en nieht xa ontnelimeii ist, daas dadurek die Mfltter, die er als
Veniiehsobjecte verwendete und ebensowenig deren Frücht durch das Cllloroform
eint-n Schaden erlitten hätten. Gleicher Ansicht wie Dönhoff ist Hendrixson 'oo,.
Nach Dl HESSEN ist die Nareose wohl bei Krarapfwehen und Tetanus uteri
angezeigt, contraindicirt dagegen, wenn Sepsis da sei. Dolbris und DüBOis
piiiaeln wilirend des ganien GebnrtsTerlavfee die Oervlx, die Taginalwinde , so-
wie die Vulva mit einer 4 o eigen CocainlOsung: gehörig" ein, dadurch wird die
Geburt viel weniger sehmerzbaft, ohne das« die Wehentbätigkeit irgendwie alterirt
wUrde. Bous^let ii^icirt, wenn der Kopf zum Durchscbneidea gelangt,
in jede groese SeliamHppe eine halbe Sprltse ein«* 5% igen GoeainViettng.
HlLUSGHER und SwiECiCKi 1°^) empfehlen die Anwendun<r des Lustgases.
Oeandix "«) reicht Chl"ralliydrat mit Antipyrin. Teber die Wirkung des Anti-
pyrins gegen den WeheuHchmerz sind die Ansichten getheilt. Zufrieden mit
dessen schmerzstillender Wirkung ist Sielski ^*'') , der es so 1*0 giebt and
eventndl die Dosis repetirt van Wikelb der 1*5 in Verbmdniig mit ^Mt.
ammon. nrnmnt. reicht und diese Dosis eventuell zweimal wiederholt, lobt das
Mittel gleichfalls. (Tleichen LnbcK ist Chocppe'"') und Fauchon "«j. .Ione>"M
and Seeliümann ^^•) geben das Antipyrin als Clysma und sind mit den Erfolgen
sofHeden. Das Clysma enthält 2*0 Antipyrin und wird 1— Smal applidrt Die
^nstige Wirkung soll 1 — 2 Stunden anhalten. FaüGHON"*) giebt Antipyrin
gteiclueitig mit Cocain und verleibt es der Kranken auf dem Wege der suTh
entanen Injectiou ein. Die Mischung ist folgende: Antipyrini Ju, Cocaint
kffdroehlor, 0*04, J<f. dest. 4*0. MlSRACHl der es per os, per rectum
oder snbcntan g^ebt, meint, dass es kein gebnrtshllflidies Anlstheticnin wie das
Chloroform sei. wcihl aber die Schmerzen mildere. ArvART> und Lefeuvrk ' "■')
sprechen hieb dahin au.s , da.ss das Antipyrin srbmcrzstlllcnd wirke, aber nur
Tordbergehend, und dass es fraglich sei, ob diese Wirkung nicht etwa blos auf
Suggestion liemhe. Gar häufig sei die Wiricnng eine negative, Jedenfalls sei
sie aber eine ineonstante und kdone dieses Mittel mit dem Chloroform nieht
ooncurriren.
Nicht zu wundern ist es, dass die Hypnose, der so viel übertriebenes
Ittteresse entgegengebracht wird, auch dasu in AuBfnuch genommen wird, um
die Gebärende über ibre Webenschmerznn unbewusst hinUberzubriugcn. lieber je
einen Fall, in dem die ( Jcb/lrcnde liypnotiHirt wurde und die <;»'t)urt ohne Bewusstsein
überstand, berichten Mk.^^nki , Fanton Verriek"^; und Ot t 'i"). Li vs 'Ot
tbeilt sogar drei einscblügige Fälle mit. Famton >-^) macht allerdings darauf
anfmerksam, dass, wenn die Wehen einmal begonnen haben, die Suggestion er-
ff>lgIos bleibe. Auvard und SRCfiF.vuoN '^2^ heben wieder hervor, dass man wohl
die Kreisvendc hypnotisiren und ilir dadurch die Schmerzen der Wehen mildern
könne, dmus aber die Wirkung iucoustant sei und zuweilen auch ganz au.sbleibe.
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(ieburtwhuKc, herausptgi'liRn von Prof. Dr. M ii 1 1 e r , Erlangen 1>.S9: Z. f. (i. u. G =
SMtschrilt tUr tiebnrtshälle und Gynäkologie; A. f. G — Archiv für Gynäkologie; A. J. o. 0. =
AaiaricaB Joonat of ObstetricB; Jahresber. — Jahresbericht über die Fortschriite auf dem
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Nr. 21_; C. f. G. 1891. pag. ädiL — Pelzer. A. f. G. 1891, XLI. pag. 22iL — ^Schatz,
C. f. G. 1888, pag. a9ö und Gyn. Congr. 1888. II, pag. \2L — ") Cordes, Annal. de Gyn.
1884. pag. 265j Jahresber. 1889. II, pag. 72 nnd Brit. Gyn. Joum. 1888, IV, pag. 12L —
•*) Freeman. A. J. o. 0. 188s, XXI. pag. fi.H. — *''\ Glöckner, C f. G. 1891. pag. 21^ und
Z. f. G. IL G. 1891. XXI, pag. 3ßfi. — *•) Winter, C. f. G. 1891. pag. m und Z. f. G. u. G.
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»*1 Olshausen. C. f. G.'TkU. pag. 219. — »*) Veit, C. f. G 1891, pag. — ") Martin,
C. f. G. 1891, pag. 22LL — *') Truzzi. Ga*. med. ital. Lombard. 1887: C. f. G. 1888,
pag. 4ßi — **) Acconci, „Ueber üteroscontraction etc." Tnrin 1891 (ital.); C. f. G. 1892.
pag. 143. — ") A b e 1 i n , Arch. de Tocol. 1891 . XVIII. pag. 43j Jahresber. 1892. V,
pag. äü, — *•) Fleming, Transact. of the Obgt«tr. Soct. of Edinb. 1899. XIV. pag 149. —
**) Berry Hart, Transact. of the Obstetr. Soct. of Fxlinb. 1888. XIII. pag. 9^ 1889. XIV,
pag. U2 und Edinb. Med. Joum. Aug. 1889, XXXV, pag. UOi Schmidts Jahrb. 1890. L
pag. IIÜ — ♦*) Owen Markness, Transact. of the Obstetr. Soct. of Edinb. 1890, XV,
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hv Cookie
WEHEN. — WÜRZELNEURALGIE.
817
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Nr. tifi ü. »jsj Jahi^ster. 1891. IV, pag. l»i — "=) Baldwin, Columb. Med. Journ. Is90 bia
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ratire tie.* dirers di/rnts tinenthrlnjitett employen dann tes itrcuuchementH uaturel " These de
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18.^9. pag. ISj C. f. (;. Itvs9, pag. 70j. — Seeligmann, Dissert. inaug. München Is^il ;
C. f. G. I8r)0. pag. SM» — ••^) Fanchon. Bull. gkn. de therap.; Brit. Gyn. Journ. ls.s«^. IV,
pag. 4:^7. - "V Mi Brach i, Arch. de Tocol. Juli Issa, pag. 5M5 ; Jahresber. Is90. III,
pag. ÜL - ^ Auvard und Lefebvre, Therap. Gaz. ; Brit. Gyn. Journ, l^^'^it. V, i»ag. 143
und Bull. gen. de tlierap. Oct. 18SS: C. f. G. 1689, pag. 24>>. — [^Mesnet, La Sem. med.;
l:rif. Gyn. Jonrn. 1n>8, III, pag. i^lL — iÜl Fan ton, Arch. de Tocol. Febr. 1890; C. f. G.
189(>. pag. tüil — Verrier, Arch. de Tocol. XVIII. pag Jahresber. ls<J2 , V,
pag. iiii und Annal. de Gyn. et d'Obstetr. XXXIII. pag. 4(i2 ; Jahresber. 1^91, IV, paig. 9a. —
«'") On Annal de Gyn.' et d'Obstetr. Nov. 1891, pag. 374; Jahresber. Is9vi, V, pag. UB. —
Luys, Journ. de med. de Paris. 2L Dec. 1 8^0 : A. J. o. 0. 1891, pag. 1^3. — Fan ton,
Arch. de Tocol. Febr. 1^90; Jahresber. 1891, IV, pag. <i5^ — Auvard und Sech eyron,
Arch. de Tocol. 18-^8, ü7— 4u, 78— 104,14ü— 176; Jahresber. 1889, II, pag. 29.
Klein Wächter.
Wiener Rettungsgesellschaft, s. Krankenpflege, pag. usL
Wundbehandlung, aseptische, s. aseptische Wundbehandlung^
pag. 22-
Wundirrigation, ibid. pag.
Wurzelneuralgie, ^atumine, s. Biei, pag.
Encycli>p. Jahrliui.her. III.
Liyij^L-ü Ly Google
X.
Xylol. Unter Xylolen oder Xylenen ▼«ntoht man in der Tecliaik der
kflnBtUoheii organiMheD FartMtofi!» «igeireiideCe, im StoliikohlratheerM vorhaadene
aromatiMlie Verbindungen, welchen die Formel C», H,« oder C« fCHg), =
Dinethylbe n z o 1 zukommt. Man kennt drei isomere Xylole, welche sämnitlioh
&rbIoM, bd 136 — 143'^ siedende Flüssigkeiten bilden und von denen im 6tein-
kobleniheeröl das Metaxytol flberwiegt. la ihrer Wirkung atimmen die Xylole mit
dem Tolaol im Wesentliehen llberein. Das Intuxicationsbild setzt sieb aus Reizungs-
und Lähmungserscbeinunpen zusammen, wobei letztere überwief^en. Am ^'iftiirstpu
wirkt ürthoxyiol, am wenigsten giftig Paraxyiol, am stärksten erregend Metaxjiul.
Die lihmende Wirkung ist aaent aaf das Gehirn (Betftubung mit lebhaften Re-
flexen) gerichtet, dann aaf das Rflekenmark (Anfhebvng der Reflexe und Aolatiiesie),
hierauf auf das veränderte Mark und zuletzt auf das Herz. Die Exeitations-
erscheinunpren ('Tremor, Zuckungen, Mydriasis, Hyj)ersecretionen) stehen mögr-
lioherweise mit der Bildung von Xylenoleu in Verbindung, die sich im Organismus
ans den Xylohm, am meisten ans dem Paraxylol, bilden. Der grOsste Theil
wird an TolasiOM oxydirt nnd eneheint als solche ün Harn.
T/iteratur: Curci, AzioM* « trtm^fortnazioni xiteni »rfT orrja n f.sihf. . Ann.
di Chitu. lä'M. Luglio, pag. l. Husemann.
I
z.
ZimmtSälire. Ug — CH = CH— GOOH, PhenyUcrylsäure, wurde m
Form der iotravenHaen Injeetion voa A. Lamdbbbb als ein die Taberknlose stark
beeinflussendes Mittel zur Behandlun? derselben empfohlen. Da wir die Tiiber-
kiil">>?e /umeist in einem Stadium in Behandlung bekummen, in dem e.s sich schon
um necrobiiiüe V'erkäsungon baudelt, besteht der gttnstigste Ausgang, den wir
herbeiflBhren könneo, dario, daas die tnberkiiUieen Proeeese in solide Narben nm-
irewundelt werden. Da aber die tuberkulösen Processe wenig Neigang liaben, in
2Sarben fiberzugehen, ist es Auffrabe der Therapie, eine mit einer Narbe ab-
schliessende EntzUodung künstlich herbeizutühren. Versuche, in tuberkulösen Herden
dureh parenchymatöse Injectionen Depots sebwer IflsUeher, antiseptiseh wirkender
Stoffe — Jodoform, Btsmuthum suhm'fric, Salicylsiore — anzulegen, befriedigten
niebt. Landerer lernte nun den Perubalsam als ein vorzügliches Antituborkulosum
kennen. Ks kommt aber diesem Mittel keine Spur von „Femwirkung'' wie etwa
dem Jod oder Quecksilber zu.
Die Ueberlegnng, dass die tnberknUisen Herde auf embotisehem metasta-
tiscbem Wege entstehen, regte Laxdeher zu dem Versnche an, auch das Heilmittel
auf demselben We{re an die kranken Stellen zu bringen, und er verwendete zu
diesem Zwecke intravenöse IigeotioneD von Perubalsamemulsion, bisherigen Er-
fahrungen entspreehend , sollten die in den Kreislauf gebraehtöi corpnsenlSren
Elemente gerade an den erkrankten Stellen des Körpers abgelagert werden. Th§ir
sJlehlieh frelang es mit Hilfe intravenöser Perubalsaminjectionen, die in den Ijungen
des Kaninehen» betindlichen Tuberkel baci Heu zu vernichten und künstliche Processe
in den Lungeu der Kanineben an erzeugen, dureh welehe die Ausheilung tuber-
kulöser Proeesse herbeigefllhrt wird. Die kUnisehe Behandlung mit Pembalsam
ergrab in 120 F.lllen v«m äusserer Tuberkulose den Werth des Mittels für die
i'Muservative Heliatidluii-r fungiiser Processe , welciie namentlich durch parenchy-
matöse injectionen von I^erubalsamemulsion zum Schrumpfen gebracht werden;
in 23 Flllen von innerer Tnberknloee waren die Ergebnisse immerhin solehe, dass
Landbeek eine günstige Wirkung der intravenösen Pernbalsamiiueetion annehmen
SU dürfen glaubt.
Weitere Versuche ergabeu uuu , dass von den Bestandtheilen des Peru-
balsams der geschilderte Heileffeet der Zimmtsftnre sukommt; die Wirkungen
dieser zeigten sich viel intensiver und die unangenehmen Nebenerscheinungen
bedeutend frcrin'^'cr als beim Perubalsam Aueh die ZimnitsJlure wird als Eidotter-
emulsion nach lulgender liereitungsweise angewendet: Acidi cinnumylici 5"0,
Ol. amyffdal. lO'O, ViteUi ovi 1, ISol. nafr. chlorat. (0"7" „), ij. s. ut jiat
Emvlno lOO'O. Nur für die Behandlung des Lnpus erwies deh eine alkoholisehe
Lösung mit Cocainzusatz zweckmässiger : ./Ictü. dnnamylici, Cocain, muriat. aa. 1*0,
Spir. vini 20*0, S. Zur Injeetion. Von dieser Lösung werden je 1 — 2 Tropfen in
52»
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ZIHIITSlüRB. — ZWEROBBCKEN.
die Knötchen eingespritzt ; in einer Sitzung werden je nach Bedarf bis 10 Bin«
spritzungen gemacht, und zwar wird wöchentlieb eine Sitzung abgehalten. Die Emnl-
8ion ist für den Gebrauch alkalisch zu machen, ca gescliieht dies mit 25"^ ^ Natronlange,
und zwar wird immer nur so viel Emulsion alkalisch gemacht, als in den nächsten
Stunden gebraucht wird. Kühl aufbewahrt hält sich die saure Emulsion 6 — b Tage,
steriliriren llast eie sieh nielit, doeli hat Lamobbrb nie dne B«kterienentwielclang in
ihr beobachtet. Zur Injection wird in der Kegel der linke Arm, und zwar eine Vene
der Ellbogenbeuge, benutzt; gründliche Desinfection des Operationsfeldes und Sterili-
satioa der lostrumeute uneriässlich. Die Menge des zu Injicirenden beträgt im
Allgemeinen von 0*1 bis l'O der 5*/o Zimmtsänreemulsion, die mittlere Dosi«, die
zuuitist in Anwendung kommt, sehwankt zwischen 0*3 — -0 6 Ccm. In der Reget
wird man wiichentlich zweimal injiciren. Unmittelbare Folgen soll die Injection,
wenn sie richtig gewählt ist, gar keine haben ; am Abend des Injectionstageä oder
am nächsten Tag stellen sich bei manchen Kranken Unruhe, Abgeschlagen beit,
seUediter Sdilaf nnd leiehter KopfiMbmers eb. IHe Dauer der Behandlang sollte
in leichten Fällen nicht unter einem Vierteljahr, in schweren Fällen '/< — ^ ^ Jahr
betragen, wobei 2 — 4wuchentliche Pausen, nachdem der progressive Charakter
der Krankheit geschwunden, nameutlich bei Aufenthalt in guter Luft immer-
hin thnnlieh sind. Die eigentliehe Brholang tritt erst einige Zeit naeh vMliger
Beendigung der Injeotionen ein. Die Ergebnisse der Behandlung von li^ Füllen
innerer 'rtil>erkulü8e , sftmmtliche in ambulanter Behandlung, lassen, da die Zahl
der Fälle viel zu klein ist, einen Scbluss darauf, in welchen Fällen ein Erfolg
Ton der Zimmtaäarebebandluog noch so erwarten iat, mebt liehen. Doch gelangt
Landerbb zur Seblnssfolgemng, dasa örtliche Einwirkung der Zimmtsiore die litt-
liehe Localisation der Tuberkulose zum Rtickgang und auch einen beträchtlichen
Tlieil der inneren Tnberkulose zur Ausheilung zu bringen vermag. Die intra-
venöse Injection der Zimmtsäure ist „bei genügender Vorsicht" unschädlich.
Die ZimmtalaTe Ifaidet rieh in Peni< nr.d Tolatalsam, imStonxirad in i(«wis9en
Sort> 11 \ II Ben/.ocban, Qynfkftiich erhält man sie durch Kocbeii v ii Heuzaldelivtl mit K-ni^;-
aftnreanh^drid und trockenem Natrinmacetat : sie bildet färb- und geruchlose Krystalle von
133* Schmelzpinikt, die bei 290* ttmeraetat destilliren, in kaltem Wasser aehwer löslich sind.
Fttricblorid erzenpf in iJor I/iiKiintr einen golhen Nied^^^^('hla!^ von zimmtsanrem Eisenoxyd.
Das in Wasser leicht lu.slicbe zin)iut»aare Natrium hat die Kigenachalt, Cotleia
aafimlSMii and flad«t dMhalb als Coffeimim'Natnum einntmjfUtum medicinische Aaweadang.
Literalnr: A. I, anderer. Die Rihandlnnp der Taberkii!os(> mit Z i rantslnrei
lidi-icig, J. C. W. VoRel, 1^92. — E. Kirch hoff, Therap Mouatsh. Mai Ib'J'i.
Loebiseh.
Zuckerproben, s. Harn , pag. 376.
Züchtung, 8. Bakterien, pag. 70 (f.
Zweizellenbad, a. Uydroelektrisehe Bäder, pag. 422.
Zwergbecken, e. Beelcen, pag. 90.
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I
Verzeichniss
der in diesem Bande
SMte
H
Achyrante:« us^iuia L
. . 7
. . 7
. . 8
. . 9
. . 9
Aiiacyrls
. . 11
11
. . 12
. . 17
. . 19
. . 19
. . 19
. . 22
. . 22
Af-ei»tische Wumlbcliandlung . . .
. . 2si
. . 46
47
. . 48
Bad
. . 7Ü
. .112
. . 112
Blei
. . 11^
. 11^
. . 120
. .121
enthaltenen Artikel.
Sdto
Ctttaneta 122
Chalazion 125
Chemismus im Thierkörptir 125
Cliloroform 131
€nitofofSmiBMchwirkiiiiK«& 133
CIiIorosiB 133
Chulura aaiatica 136
Cholera 154
ChondriD 164
Chorea iaiTugi« 165
Chyrnns 165
Clavi sypbilitici 166
Coccidium äarculylus, s. CuOTOin . . . 1(39
Colombo 169
Combioirto SyRtonmrknuikniigni dea Rilcken-
marks 169
CoujuDctivitis 172
Coriaria 173
CoTJiQtin 174
rnronilla . . 175
Ciixalfcipchi's Becken, .s. Hocken .... 176
Craniotomie 176
Creroltrtjodld 176
Cndowa 176
('yitnverliindungen 177
Cyü odrurie, s.C'blorülormoaehmiB u. IIa rn-
cylindar 177
Qrtiabi 177
Darmcatairil 183
Parmentzfindnng 185
DarminfusiüU 186
Darmstomose 189
Dcmantia paralytica Hi6
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Seit«
DemMtol 203
DMinfteam 203
Dwinftettownittal 22\
Diät 2:^1
Diapbteriii 224
DioBCOTM 285
Eclampsia 226
Eiguivim« 233
Eis 242
BiMn, 1. GUoroM 2i4
EksMM, 1. Bad 244
Elektrolyse 244
Elektrotropisnms 244
Encephalupathia satarnina, s. Blei . . . 24G
Bntarltis miBlirauMea, •. Dumoatanli . 246
EitmklyM, ■. DaminAuioii 246
Enti>roptn-<pi 246
Erythrumelalgie 252
Ezodyn« 256
Extranteria-SeltwaBgeinNhaft 255
Farbnngsmethode, 8. Bakterien . . . .291
r ettliildaog, 8. Cbemismiu im Tbierkörper 291
Fieber 291
Filiebgift a03
FiBclirtlte 306
FInorescein, ». Aag;enheiimittel .... 305
Flnssvernnreinigung 305
Formalin (Formaldebyd) 315
Fraetnmrbliide 316
Fnraiilnl des insssrsn OASiiangef . . 322
Galvannranstik 325
Gastrektasie, a. Enteroptose 328
GehirakranklielteB BS^
Geliiraobsrfllelie 334
Gf-rbsaars 353
(iiiht 353
Gicht, satarnias, S. Blei 357
Giftpoliasi, Gift?erkekr 357
GilleK de la Toorette'ache Krankheit . . 363
GK>nurd'M-he Krankheit, s. Eateroptoae . 364
(ioldchlorid, s. Antidot» ....... 364
Gypsvarbud, s. Fraetnrvarliiiids . . . 364
Hämophilie 365
Halnderma, s. Thisriselie Gifte .... 367
Harn 367
Hamabscheidong, Hanuecretion .... 377
Harocylinder 381
Hurnfarbstoffe HU"»
Hautkrankheiten, s. Bad 413
Heb«rden'9che Kaoten, s. Gicht .... 418
Hemianopaia aatunina, s. Blei . . . .413
Herzkraakkeiten 413
HdrprttfanK 418
Seite
HSrrohre 420
Haminsnbstanssn, s. Hani 421
Hydnutünin ^1
Hydroelektrische Bäder 422
Hypodermoklyse, s. Darminfuäion . . . 422
Hysterisehei Fieber, s, Fiebsr 422
lekthyol 423
' Tlens, 8. DarastSBOse 426
Ilidie . .426
bpAndivti 426
isdieaniurie, s. Damstsnose ...... 426
Indigofarbstoffe, s. Harn 4-26
Inducirtes Irresein, 8. Psychische Infection 4";|7
Infiieion, sabcatane 427
Jodcyao, s. G^TerbisdiuigeD 417
Iridectomie 437
Kaiserschniti s Hecken n. Kklampsie . 438
I Ealiamhypermanganat, s. Antidota . . . 438
' Kdnfng'sches Verfahren, s. Conjaoctivitis 4^8
' KetoiM 438
Keloxime . 43S
Kinder! yeiene 439
Kiuilerlahmang, s. Gehirnkrankheiten . 4^2
KoebsalzlnAisioii 452
Kocli 'scher Commabadllas, s. Cholera . 452
Kohlfiiiixy'l Vergiftung 452
Kutlii)rbrecheD, a. Damutenose 453
, Krebs, s. CaiKtroiB 453
Kresolpitparat« 453
' Krankenpflege, freiwillige 454
Kriitengift 475
Kupfer 475
Kyi^totisehes Becken, s. Beeken .... 477
LaboraiD, LabnniiiMsiiire, -8. Cjtisin . . 478
Larynxfhorea 478
Larynxsclerom . 479
Lolch (LoUam) 4^0
Losophaa, s. Crestdtrijodld 481
Lnftcalorimeter, s. Bigenwirme . . . .481
Lun?pnkraiikh<»iteu 481
Luxationsbeeken, s. Becken 485
iy*ol 485
Magenansspfiltmg 486
llagenf'rwi'itfninir 4^
I Magenkrun'jltL-iten 486
I lialaehitgrün, s. Bakterien 480
I Uasern 486
Massage, s. Mechan otherapi« 489
MaBttureii, s. Diät 489
Mechanotherapie 489
Melanin, s. Harnfhrbstoffe 493
Meilithsäure 493
; Methämoglobin 493
Digiiizca by CjOü^Ic
823
Seite
Milcli und Milchsecretion (physiologisch-
cheiui$>ch ) 493
Milelw&ara SOO
MilitarsanitätHper.sonal (dentldm) . . 500
IJi.-äihcnllurcn, s. Bakterien 531
Mitralstenose, s. Herzkrankheiten . . . 531
Uittdohnlbetloom 531
Morits St 535
Morphinniinjecfionen 535
>lorvan'sche Krankheit 536
Myrrholin 536
)(i)irb9d«B, s. Bakterim 537
Nahtnenralgi« 537
Narbenslenosen 537
Karcein, s. Antispasmin 537
NepliTitii, ■. Hwncgrliiidar 537
Nephroptose, i. Entaroptose :>37
Neuralgien b'^'i
Nea8ser'sch«jr Farbhtoti', s. Uamfarbstoffe 537
Nierenepitheüw 537
MttroprasaidMtxliiiii 537
Nordveoenroito 537
Ol er>chenkelbruch, ». Fractturverbände . 564
Ubi-Gift, s. Urechitea 5Ö4
Obstipation 564
Obturationsilcus, s. Darmstenooo . . . . 'wl
Oelklysliere, s. Darminfusion 571
Ubreneit«riuig, s. Uittelohraffectionen . .571
Olumasehel, s. A«ii««ia . 571
Ostooinaladsehos Bsdcsn, ■. Bodun . . 571
Ostseebftder, 8. Nordseecnrorte 571
Otomykosc, 8. Aspergillus im Ohr . . . 571
Ovarialtube, s. Extranterinschwangerscbaft 571
Ox«lBiiir«v«i]giftniig 571
ÜsjliiflMgloUn 5T2
Ozongehalt 572
Paralysis agitaiis 573
Paroxysmale Pulsation 574
PorU 583
Pericolitis, s. Darmentzündung .... 584
Pfrityphlitis, s. DanaentsüDdiug • . . 584
Pfeilgifte 584
Flwiole 585
PUyktaeneii, i. CoqJnaetiTitii 585
Plinsphorvrrpiftung 685
Phosphorvergiftung (acute) 587
Phthise, 8. Nordseebäder 594
PbyBostigmiiivorgiflaiig 594
Filiganin 595
FlsiDTaeikraDkiiiitMi, s. Longoakrankheitop 595
Paeninonie 595
Prodw»wniek'sdi«a Varfidmn 595
Propeptonnrie 595
I Seit«
Pseudofitiber. s. Fieber 596
Fieadolanktai«, a. Fiebar 595
I Fayohlaehe bfeetioii 595
' Ptoniaine 599
(|uarantaine 601
Querverengtes Becken, s. Becken .... 601
Rhanmatisnraa tiOl
Rückenmark 601
I Bü(kfallfieljer, s. Fieber 601
j Salamandergift, s. Krötengift 60*^
SalallaekTcrgiftang, a. Fiidigift .... 602
SaBuuritwTersin, a. Kmakanpflcg« . . . 602
Saniiätsper-nnül (Militär-) 602
Sapocarbol, s. KreKolpräparate 609
Saturnismus, s. Blei OOS
I ScbaltwirbelbeekMi, a. Beekaii tiOS
' Scharlacb 602
Sclilan ppriErift '507
ächlüsselbeinliruch,' s. Fractnrverbände . Olü
I Schrägverengtes (Naegale'scbes) Beckea,
I a. Baekan 610
Schalgesnndhnitspflega 610
Schussverletzungen 624
Schwarzwaldcurorte 644
I SehwefalkohlaDatoff 645
Schwefelsftan 646
Schwefelwasi^eistoffvaigiftlUig 646
I Schweixermühle 647
• Seopolanitt 647
I Seorpioneagift 648
^ ScrophnluHe 648
I Seebäder, s. Bad u. Nordseebäder . . . 648
Senecio 648
Sexnal« PerraTBioaett 648
Sophora 664
Specillscheä Blutgawickt 665
Spinuengift 669
Splanchnoptüse, k. Enftaroplaaa .... 670
SpondylaUathatiate Baohwi, a. Baekan . 670
Staaropcration, 8. Catariet 670
Stachelbecken, s. Becken 670
Staonngsniere, s. Hamcyliuüer 670
Stnngtdationaileiia, a. DanaataiMMa . . . 670
Stiychnin 670
Subcutane Infusion, s Infusioa .... 674
Suggestion, Sugge»tivtherapie 674
I Symphyaeotomie, s. Beckea 710
I SymphjraaBsamiaaiiag 710
Syphilis, s. Handuaakkaitan 710
Sypliilistherapie 710
Tachykardie, s. üerzkrankheiten .... 719
Tanaia, a. Antldota 719
Taaohanbaataek 719
L.iyu,^cd by Google
Sdto
Seite
72b
802
Telephonsoode, Schnssverletsangen
726
726
MM • _ f m • IV
726
802
ThiPriscnn Wärme, s. Eigenwärme . . .
727
Vibrio aqnatilia, s. Bakterien
727
8U2
744
803
744
803
Traumatische NenroM, ■. UofaUnerven«
806
744
Wehen
806
744
Wien« BottangigeMllMlutft, s. Knuiken«
. » • _ _m « _ "n m
744
817
TnliarsrhwariiterH ehalt, s. BStnntarin-
WuiK^hehandlniic, s, «septiscbe WvDdbe-
744
744
817
Tnbarknlose d«8 Danns, a. DumtesMe .
744
817
744
Xvlol
tkanibin. s, l'tcil(;ute
745
819
745
820
779
820
780
ZwviMUenbftd, •. flydroelektrisclM Bid«r 820
780
820
780
Druck Ton ü'>ltlit:b Uintol & <'<>niti. in VVi>-ii, I., Ausu>iini'r>ti:a«>- Ii,
Digitized by Google
I