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Full text of "Encyclopadische Jahrbucher Der Gesammten Heilkunde"

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ENCYCLOPÄDISCHE  JAHRBÜCHER 

D£E 

GESAMMTEN  HEILKUNDE. 


DRITTER  JAHRGANG. 


üigiiized  by 


ENCYCLOPÄDISCHE  JÄHRBÜCHER 


DER 

GESAMMTEN  HEILKÜNDE 


CNTBB  lUTWIBKÜNG  BEB  HBBBBN 

Hofrath  Prof.  ALBERT,  ^Yien  —  Doc.  R.  RAGIKSKY,  Berlin  -  Geh.  OI  or  M.xl  -Rath  Prof.  A.  von 
BABDELEBEN,  Berlin  —  Prof.  K.  von  BARDELEBEN.  Jena  —  Üoc  G.  BEHREND,  ßerün  —  Prof. 
BENEDIKT.  Wien  —  Prof.  BINSWAN6ER,  Jena  -  Med.  Sath  Prof.  BIRCH  HIRSCHFBLD,  Ldfulc  — 
Br.  A.  BÜM,  Wien  —  Obacittbnnta.  Ü.  v.  CORVAL.  Badan-Bad«n  -  Prof.  EICHHOBST,  Zürich  — 
Prof.  ENGLISCH,  Wien  —  Dr.  BPKNSTEIN,  Berlin  —  Profeemr  EWALD,  Berlin  —  Dr.  Edmund 
FRIKfJRICH.  Dresden  —  Oberstabsarzt  H.  FRUILICH  .  Lnipzig  —  Med.-Rath  Prof.  FOEBBBINGEB, 
Berlin  -  Prof.  GAO,  Berlin  —  Doo.  C.  QUENTUER,  Berlin  -  Med.-Batb  Doo.  ODBTBBBOGK. 
Betlin  -  weU.Sui.-Batta  Doe.P.GUTTIIANK,  Bwtln  —  Prof.  Tb.  HÜSBICABN,  OOMiitai  —  Prof. 
V.  JAKSCFI.  PniK  -  Med.-Rath  Prof.  KISCH, Marienhad  Prftj!;—  Prof.  KLEINWjECHTER,  Ciemowitz  — 
Dr.  W,  KOEliTK,  lieiliu  —  Prof.  J.  KRATTEB,  Graz  —  Dr.  A.  KCTTNER.  iSerlin  —  Geh.  Med.- 
Rath  Prof.  G.  LEWIX,  livrliti  -  Geh.  Med.-Rath  Prof.  LIEBREICH,  Beriin  -  Prof.  IXEBISCH. 
InnabmcK  —  Prof.  LOBENZ,  Wien  -  Doc.  A.  MARTIN,  Berlin  —  Doc.  t.  MBTNITZ,  Wien  —  Doc. 
MÜENZER,  Prug  -  Doc.  Im.  MÜNK.  Berlin  -  Doc.  NECBER,  Kiel  -  Geh.  Med.-Rath  Prof. 
PKI.M.VNN,  Bonn  —  Doc.POSXER.  Berlin  —  Hofr.  Prof.  PREYER,  Wiesbaden  —  Prof.  v.  REU.SS, 
Wien  -  Doc. L.  BIESS.  Berlin  -  Prof.  BOSENBACH,  BrMlaa -  Dr.  0.  BOSENBADM,  B«rUn  -  Doo.  Th. 
BOiiBNHBIM,  Berlin  -  Dr.  BOSDf,  Bartlii  -  Fmf,  aäXÜWL,  KtaigilWff  —  Dr.  Bldi.  iCHMALTZ, 
Dresden  -  Dr.  M.  T  SCHNIRER,  Wi.  n  -  Dr.  H.  SCHOENHEIMER ,  Berlin  -  Dr.  Freih<>rr  von 
SCHRE.VCK  NOTZING,  München  Piui.  SCHUEi^LER,  BerUn  -  Dr.  Jul.  SCHWALBE,  Berlin  — 
Prof.  SEKLKJMÜELLEB,  Halle  a.  d  S.  -  Prof.  SONNKNBÜEG,  Berlin  —  Doc-  STEINER  Frelh. 
PFUNGBN,  Wien  —  Prof.  UFFELMANN,  Boatock  —  Obeiarst  WBENBK,  Boda  —  Stiege  vu 
lM.-BMh  WEBNICH,  Beriin  -  Xtl«.  Batb  Prof.  WINTBBNITE.  Wlra  -  PMf.  JoL  WGLFP. 
Berlin  —  Stabnm  «.  D.  WOLZKNDOKFF.  Wiesbaden  -  Doc   M.  v.  ZBISSL,  WI«B  —  Prof. 

ZUuUJüN,  Jena  -  Prof.  ZLELZEB.  Berlin 

HERAÜS6E6BBBN 

VOM 

PROF.     ALBERT  EULENBORG 

Ur  BBU».  W..  LOnoWSfBANB  M« 

Dritter  Jahrgang 


Mit  zahlreichen  lllustretionin  in  Holzschnitt 


WIEN  UND  LEIPZIG 

Urban  &  Schwarzenberg 

1893. 


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Nachdruck  der  in  diesem  Werke  enthaltenen  Artikel,  sowie  üebersetzung 
derselben  in  fremde  Sprachen  ist  nur  mit  Bewilligung  der  Verleger 

gestattet. 


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A. 


Abbazla.  Es  n««»  nnn  g«miie  mstooroIogiBelie  Beobaehtungtik  Uber 

diescTi  l^limntischen  Wintercnrort  vor,  wcilldM  den  Zeitraum  TOn  mehr  als  nohfl 
Jahren  umfit-isen.  Aus  diesen  Aufzeichnungen  ergiebt  sich  nach  Oläx: 

1.  Uass  die  mittlere  Jahrestemperatur  Abbazias  höher  ist  als  jene 
der  anderen  öeteneieliieehen  Winteratationen ,  welohe  swar,  wie  Q6n  vnd  Areo, 
unter  demselbea  Breite^rade  wie  Abbaaia,  aber  im  Binnenlandc  gelegen  sind. 
Das  Temperaturmittel  Abbazias  beträgt  13-9oC.,  wfthiend  für  CHJra  12*6»  C, 
Arco  12'4')  C.  und  Ories  11'40C.  verzeichnet  wird. 

2.  Daas  die  mittlere  Jabrestomperator  Abbariaa  jener  der  RiTiera  di 
Ponente  näher  steht  als  jener  von  Görz,  Arco  und  Gries.  Die  Temperatardifferens 
zwischen  Nizza,  Savnna  und  Abliazia  betragt  nur  0*9 — 10°  C,  während  zwischen 
Abbasia  und  (iörz  ein  Unterschied  von  l"3oO,,  Arco  l'ö^C.  und  Gries  -'"o^C.  besteht. 

3.  Dass  in  Abhazia,  ähnlich  den  au  der  Riviera  gelegenen  Orten,  die 
Temperatarextreme  geringer  sind  als  in  den  genannten  Cnrorten  des  Binnen» 
landes.  Das  Hazimnm  d(-r  Temperatur  war  in  Abbazia  32*8*'  C. ,  das  Minimum 
—5-60  0.:  es  betrug  somit  die  grösste  Difterenz  38-4o  C,  für  Savona  37-.io  C, 
Porto  Mauriziu  aö-T^O.,  Alassio  33-2oC. ,  San  Remo  32«  C. ,  dagegen  l'Ur  Gries 
44*8«  C,  Gdn  42  2«  G.,  Areo  39*  G.  Abbada  ist  somit  im  Winter  wirmer  nnd 
im  Sommer  kdbler  als  Arco,  Göns  und  Gries. 

4.  Das-^  die  tiefsten  Temperaturen,  welche  in  den  .lahren  I.SSG — 1891 
in  Abbazia  beobachtet  wurden ,  nicht  wesentlich  niedriger  sind ,  als  jene  von 
Kiasa  nnd  Cannes.  Das  absolute  Temperaturminimam  von  Abbazia  betrug  — 5*8°  C  , 
jenes  von  Cannes  — 5"  C.,  jenes  von  Nina  — 4*6*G. 

l>er  Luftdruck  ist  in  Abbazia  ein  hoher  und  entspricht  vollkommen 
jenem  der  Curorte  an  der  Kiviera.  Der  mittlere  Barometerstand  betrug  in  den 
Jahren  1886—1891  in  Abbazia  760*5  Mm.,  während  für  Nizza  der  Luftdruck  mit 
760*9  Mm.  verseiebnet  ist.  Als  weitere  Mittelwertbe  ei^lten  sieb  ftlr  den  Dnnst- 
druck  9  48°;  ,,  die  relative  Feuchtigkeit  77°  die  Niederschlagsmenge  1728  Mm. 
und  die  Zahl  der  Schneetaire  betrfigt  4.  Die  relative  Luftfeuchtigkeit  und 
die  Kegenmenge  sind  in  Abbazia  wesentlich  höher  als  an  der  Kiviera  und  aament- 
lidi  flbertriflft  die  Niederschlagsmenge  jene  der  italienisdien  Orte  am  mdir  als  das 
Doppelte.  Aieb  die  Winterstationen  Sfldtirols  sind  viel  troelcener  vnd  Qörz  allein 
erreicht  die  Niederschlagsmenge  Abbazias,  dagegen  flllt  in  letzterem  Orte  viel 
seltener  Schnee  als  in  (Irirs,  Arco  und  (lörz. 

Die  vorberrseheudeu  Windrichtungen  sind  in  Abbazia  Nordost  uud 
Sfldost,  and  swar  ist  der  erster«  vorwiegend  in  den  Monaten  Januar  nnd 
Februar,  letzterer  in  den  Monaten  October,  November  und  December.  Nor  selten 
erreicht  die  Windgeschwindigkeit  pro  Seoonde  böbere  Werthe. 

Enoyciop.  Jahrbücher.  III.  1 


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ABBAZIA.  —  ACCUHÜLATOBEN. 


Ahbazia  besitzt  durch  die  umfrehenden  Berfre  einen  ausrcichendeu  Schutz 
gegen  rauhe  Wiode.  Dieser  Curort  vereinigt  teruer  allo  i^igeoscbaften  dea  KliBten- 
klimM  nad  seiobnet  «ich,  sowie  die  Gnrorte  der  itoliealsehen  nnd  fransAsiselieii 

Riviera,  durch  Gleichrafissigkeit  der  Temperatur  und  hohen  Barometeri^tand  aiU| 
unterscheidet  sich  aber  von  den  genannten  Orten  durch  einen  höheren  Fenrirtig" 
keitsgehalt  der  Luft  uad  eine  weit  grössere  Niederj^uhlagsraeoge. 

Lit«ratiir:  AMstlicb«  HitUMHaBieen  mni  Abbesi«.  Von  Pr»f.  Dr.  Jnlrä«  Olas. 

]  H<  ft    Ai  i  i/i  i  als  klimatisrhe  Winteistation,  ibn  hygieniacfaea  und  BMtaorologischen  Ver^ 

haltnisse.  Wieu  und  Leipzig  l'^^-i.  KiicL 

Accumulatoren.  Der  Wunsch ,  elektrisclie  Arbeit  autKpeichern  zu 
können ,  um  dieselbe  zu  jeder  Zeit  und  aa  jedem  Orte ,  unabhängig  von  einer 
elektriseheo  Batterie  oder  DynemomMohine  verwerthen  cu  kOnneUf  hat  xnr  Ent- 
deckung der  Accumulatoren  oder  elektrischen  Sammle  *  geführt.  Da  sieh  aber  /.ur 
Verwirklichung  dcM  idealen  Principes,  beliehif^e  Klektricitfitsnienpen  als  solch  o 
aufzubewahren ,  Mittel  und  Wege  bis  beute  noch  nicht  haben  tinden  lasHcn ,  hu 
müssen  wir  uns  an  dem  Ausweg  bequemen ,  elektrische  Arbeit  zuvörderst  einmal 
in  eine  andere  Form  der  Arbeit,  in  ebemisclie,  übersufflbren,  aas  der  wir  dann 
wieder  bei  Hedarf  elektri^^che  Kraft  zurückzugewinnen  im  Stande  sind.  Ks  lassen 
sich  nämlich  die  l'roduete  einer  durch  den  Strom  bedinirten  chemischen  Zer- 
setzung, unter  Umständen  eine  gewisse  Zeit  hindurch,  aulLewahreu;  und  jedes- 
mal, wenn  an  dem  betreffenden  Substrat  dieser  ehemisohe  Proeess  denselben 
Gang,  aber  in  am^^ckehrter  Riehtnng  nimmt,  liefert  die  ehemisehe  Zersetsang 
viee  versa  elektrii^^he  Arbeit. 

Dies  sind  in  den  Grnndzügeu  die  Vorgänge,  die  im  Accumulator  statt- 
haben: die  innere  Eänriebtung  desselben  nnd  die  Art  ihrer  Wirkung  bemht  in 
ihrem  Prineip  auf  folgenden  von  PlantIk  imerst  mitgetheilten  Tbatsachen: 

Verbindet  man  zwei  in  verdllnnter  Schwefcls.lure  befindliclie  IMeiplatten 
mit  den  Polen  einer  elektrischen  Batterie,  so  verwandelt  sieh  die  am  4-  Pol  befind- 
liebe  Platte  unter  dem  Kintiuss  des  iu  der  Schwefelsäure  frei  werdenden  Sauer- 
stollto  in  Bleisnperoxyd ;  am  negativen  Pole  wird  WasserstofTgaa  frei.  Hat  man 
den  Strom  eine  •gewisse  Zeit  durch  die  Bleiplatten  hindurcbgesehic'Kt,  i>  <ind  «iie- 
Hclben  uaeli  der  I  ntcrbrechunir  de-i  Strome'»  in  rJemein^chalt  mit  ihrem  Elektro- 
lyten, der  Schwefelsäure,  selbst  aU  Strumquelle  zu  benutzen. 

Die  Bieiptatten,  die  man  in  der  olien  geschilderten  Weibo  selbst  sn 
Stromgebem  gemacht  hat .  nennt  man  polarisirte  Platten .  den  von  ihnen  ge- 
wonnenen Strom  ,  den  P-darisationsstrom.  Während  dicker  in  'riiiltifrkeit  ist, 
nehmen  die  nunmehr  im  Innern  de.s  Accnmulators  sich  abspielenden  chemischen 
Vorgänge  dun  umgekehrten  (üaug.  Das  Bleisuperoxyd  wird  wieder  zu  Bleioxyd 
redneirt.  An  der  negativen  Platte  bildet  sieh  unter  dem  Rinflnss  der  Sehwefel- 
säure  eine  oberfliebliehe  Schicht  von  Bleisulfat.  W^ird  jetzt  nochmals  ein  elek- 
trischer Strom  durch  das  so  verilnderte  Klemcnt  hindurchtre^chickt .  so  wird  das- 
selbe vom  neuen  geladen,  indem  das  Bluiuxyd  au  der  positiven  Platte  wieder  in 
Bleisoperoxyd  Euraekverwandelt  irird,  an  der  negativen  Platte  dagegen  wird  das 
Bleisulfat  zu  feiozertheiltem  Blei. 

Je  öfter  man  nun  solch  ein  lUcielement  ladet  \un\  wieder  entladet, 
desto  grössere  Mengen  von  elektromoiurlHcher  Kraft  wird  dasselbe  in  sich  auf- 
snnehflMn  im  Stande  sein.  Diese  Fihigkeit  wird  noeh  besonders  erhöht,  wenn 
man  den  Strom  aneh  in  umgekehrter  Riehtung  durch  das  Element  schickt  (..das 
Bilement  wird  umgeladen").  Den  '^'anzcii  Pmcc'^s  des  Ladens  und  de^i  Und.idcns 
nennt  man  die  Formirunfr  des  Accuinulators.  und  das  Prineip  dieses  Vor^jange* 
muss  man  darin  suchen ,  dass  immer  grössere  Mungeu  der  ursprünglichen  Blei- 
platten in  die  vorher  gesehilderten  ehemisehen  Proeesse  hineingex^n  werden, 
wodurch  die  sogenannte  active  Masse,  d.  h.  die  arbeitsfäh^  Ifasse  des  Accu- 
mulators  vermehrt  wird.  Natürlich  ^rcht  diese  Filhi^'keit  eines  Accumulators, 
elektromotorische  Kraft  in  sich  aufzuuchmeu  (seine  Uapacitätj,  nicht  ad  inünitum 


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ACCDMÜLATOREN. 


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weiter.  In  dem  Augenblick,  wo  die  ganze  Müsse  der  IHeiplattcn  in  active  Masse 
übergeführt  ist ,  zerfallen  die  Platteu  in  »ich  selbst  uud  die  Lebensdauer  des 
AeeomnUlors  ist  dahin. 

Für  die  Praxis  kommt  es  nun  darauf  an ,  das  PLAMTK'sche  Verfahren, 
das  sehr  umstJitidlii-h  und  kostspielig  iät ,  einfacher  zu  gestalten  Faukr  erreichte 
dieses  Ziel  dadurch ,  das^  er  die  eine  Platte  mit  Mennige ,  einem  Gemisch  ver- 
adiiedener  Bleioxyde ,  die  andere  mit  BlelgUute  belegte.  Diese  Armiruair  bewirkt, 
dass  sich  ^rlcieh  hei  der  ersten  Ladung  eine  grosse  Menge  activer  Ma:«äe  bildet, 
wudureh  der  PLAKTB'sobe  FonDirongsprocess  erheblich  verbilligt  und  Terein- 
facht  wird. 

Der  hauptsächliche  Worth  des  Accumulators  liegt  darin,  dass  die  n 
ihm  enthaltene  Btromitirke  beliebig  entnommen  werden  kann,  so  dass  also  ein 

Aeeamulator  mit  8  Amp.  Stunden  Capaeitftt,  entweder  in  i-^  Stunden  mit  einer 
StromKt.Irko  v<in  1  Amp.  mler  in  einer  hfllheii  Stunde  mit  einer  Stromst.1rko  von 
16  Amp.  eulladea  werden  kauu.  In  grösiierün  Betrieben  werden  freilich  für  die 
maiimale  Stromleistang  eines  Aeeumalators  stets  bestimmte  Grenzen  festgestellt 
und  ein  Aeeumaiator  nie  fiBr  eine  setner  Grttsse  nicht  entspreobende  Stromstftrke 
dauernd  beansprueht. 

Das  Laden  der  Accumulatoron  ist  ebenfalls  in  sehr  vers:;h!edener  Art 
möglich;  wenn  man  annehmen  wollte,  dass  der  Aeenmulator  den  ganzen  Strom 
wiedergiebt,  der  sam  Laden  auf^^ewandt  wird  ,  so  kOante  man  ihn  auf  8  Amp. 
Stunden  laden,  entweder  mit  O  l  Amp.  in  80  Stunden  oder  mit  2  Amp.  in 
4  Stunden.  Auch  hier  liat  die  Erfahrung  die  fUr  die  rerschiedeuen  Grössen 
zweckroilsüigeu  Greuxeu  festgestellt. 

Die  versebiedenen  Aeeumulatorformen ,  die  bi4  jetzt  hergestellt  sind, 
suchen  es  mit  mehr  oder  weniger  Erfolg  zu  erzielen,  dass  1.  <li(<  dpacitAt  im 
V'erhilltni.ss  zur  OberHäche  der  Platten  sehr  gross  ht ,  und  dass  2.  die  vom 
Accumulator  gelieferte  Strommenge  der  zum  Luden  aufgewandten  möglichst  nahe 
kommt.  Es  schwankt  dieses  Goteverhftltnis) ,  der  empfangenen  und  wieder- 
gegebenen Kraft,  zwischen  75 — 90' o.  Abhängig  sind  diese  Verhältnisse  von 
vielen  Factoren,  von  denen  hier  nur  die  Fe-(tigkt'it  der  Platten  und  ihrer  Fiil- 
luDgen  (der  aetiven  Massej  und  die  Sicherheit,  das  die  active  Masse  weder  beim 
Laden,  noch  beim  I^ntladeu  aus  den  Bieiplatteu  herausfallea  kann,  erwähnt 
werden  sollen.  Für  die  zu  medieintseben  Zwecken,  zur  Galvanokaustik  und  zur 
Beleuchtung  benutzten  Accumulatoren  kommt  es  weniger  auf  eine  absolut  hohe 
Oapacit.1t  bei  kleinster  Form  an  und  weniger  auf  das  l'rincip,  nach  denen  die 
Accumulatoren  eonstriiirt  sind,  als  darauf,  dass  die  stets  aus  mehreren  Accumu- 
latoren hergestellte  Aecumniatorbatterie  1.  gleiebmXssig  und  zuverllsRig  arbeitet; 
2.  dass  sie  lange  Zeit  nnbenut/t  stehen  bleiben  kann,  ohne  Stromverluste  zu 
haben;  '.>.  dass  zweekent.sprecliende  Vorkehrungen  eine  Oxydation  der  ver- 
biudenden  .Metalltheile,  die  durch  Verdunstung  des  Llektrolyteu  bedingt  werden 
kann,  verhindern.  Durch  Vernachlässigung  dieser  Vorsichtsmassregol  kann  die 
Brauehbarknt  des  ganzen  Aeenmulatora  in  Frage  gestellt  werden. 

Diese.  Punkte  entseheiden  allein  (Iber  die  Braui'libirkeit  eines  Accumu- 
lator« und  die  Frtilllung  dieser  Hediiigiiugen  würde  selbst  finem  .\c  Mimulator  von 
geringerem  GüteverLiiltni.ss  uud  mit  geringerer  Capacitilt  den  Vorzug  vur  auieroa 
geben,  welebe  die  vorgenannten  Anforderungen  niebt  erfttllen. 

Die  eben  erwähnten  Fehler  zu  umgehen  ist  aber  durchaus  nicht  ein- 
fach;  bei  vieh>u  Formen  Ist  es  sogar  kaum  möglich;  und  erst  in  der  letzten 
Zeit  ist  es  gelungen,  Accumulatoren  zu  coustruireu,  die  all  den  genannten  An- 
forderungen entsprechen:  erst  diese  stellen  einen  wirklieh  entsobiedenen  Fort* 
sehritt  den  früher  gebrauchten  Batterien  gegenüber  dar. 

F/in  iiieht  zu  unterseh.ltxendes  Verdienst  hat  sieh  wie  überall,  wo  oh  galt, 
die  Elcktricitiit  medi*  inis<"hen  Zwecken  dienstbar  zu  machen,  die  Firma  W.  A. 
Hirse hmauu,  Uerliu,  auch  bei  der  Gonstructiou  der  Accumulatoren  erworben. 

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4 


ACCDMULATORBN. 


Ifh  habe  die  von  hier  bezogenen  Aecumulatoren  seit  Monaten  benutzt  und  kann 
demgemftsa  aus  eigener  Erfabruog  bestätigen ,  da<«a  es  uuumebr  nacb  uueudlioh 
viel«n  BemflhiingeD  gelangen  tot,  «H  die  unprflngliebeii  FehlerqnelIeD  sn  be- 
seitigen, die  lange  Zeit  den  Gebrauch  der  Aecumulatoren  nicht  gerade  empfehlens- 
wertb  erscheinen  liesi^en.  Die  «renannte  Firma  liefert  jeUt  Apparate ,  die  allea 
billigen  Anforderungen  gerecht  werden. 

Von  all  den  im  Oebraneb  befindlicben  Systemen  ^gnet  sieb  das 
TcDOK  äche  am  meisten  zu  medicini>ichen  Zwecken.  Ein  naeb  diesen  Principien 
von  W.  A.  Hirsohinann.  Berlin,  trelianter  Accumulator  besteht  aus  Bleiplatten, 
die  ähnlich  angeordnet  sind ,  wie  die  Kuhlen  und  Zinke  eines  b^lemeutes.  Einer 
den  positiven  Pol  bildenden  Bleiplatte  stehen  swei  negative  Platten  gegenüber, 
so  dass  TOtt  der  podtiven  Platte  beide  Seiten  sur  Wirlcnng  kommen.  Um  grossere 
Flüchen  zu  erzielen  werden  zwei  positive  Platten  zwischen  drei  negative,  drei 
positive  zwisehen  vier  nejativo  und  sofort  {restellt.  l>ie  po-^itive  Platte  besteht 
aus  einem  Bleigitter,  resp.  Bleinelz,  das  gleichsam  in  einem  legten,  viereckigen 
Rabmen  aufgespannt  ist.  In  die  Ifaseben  dieses  Netses  ist  meelianiseb  eine 
mittdst  einer  neutralen  Flflsrigkeit  plastisch  gewordene  Schicht  Mennige  dn< 
gepresst.  In  gleicher  Weise  ausgelührt.  nur  etw.Ts  si-hwiirhcr,  Kind  die  nefrativcn 
Platten,  welche  mit  Bleioxyd  ausgelüllt  sind.  Ab  Elektrolyt  betindet  eich  zwischen 
den  Platten  verdunste,  ebemisdi  rdne  SdiwefUslnre.  Diese  aber  war  es,  welche 
dnreh  den  flassigen  Znstand,  in  dem  sie  bis  dato  verwendet  wurde,  den  Gebraneh 
der  Aecumulatoren  so  undankbar  erscheinen  Hess.  Denn  einmal  wird  durch 
die  VerdunstunfT  der  SSure  die  ganze  l'mfrebunfi:  der  Platten  befeuchtet,  wodurch 
Ableitungen  geschaffen  werden ,  die  einen ,  wenn  auch  für  den  Augenblick  ge- 
ringen, SO  doeb  im  Lanfe  der  Zeit  reebt  erbeblieben  Verlnst  an  elektriseber 
Kraft  bedingen.  Daun  aber  können  bei  dem  Transport  der  Aecumulatoren  durch 
die  Lockeninp  der  Platten  und  das  Herausfallen  der  activen  Masse  neue  Schä- 
digungen hervorgerufen  werdeu,  die  weitere  Stromverluste,  unter  Umständen  bis 
rar  ünbranchbarkeit  des  Aoenmnlators  setzen. 

Bs  ist  gelungen,  diesen  l'ebelständen  dadurch  vorzubeugen,  dass  man 
die  Schwefelsaure  an  Kies^Is-lure  gplMiiiden  hat.  Durch  Hinzufdiriingen  von  Asbest 
wird  nunmehr  der  PJektrolyt  auf  eine  hier  nicht  niiher  zu  erörternde  Weise  aus 
einem  flüssigen  zu  einem  festen,  gelatinösen  Körper,  der  nach  dieser  Umwand- 
lung die  Platten  so  dicht  umgibt,  dass  niebt  nur  jede  Versebiebung  derselben, 
sondern  auch  das  Herausfallen  der  activen  Masse  auf  diesem  rein  mechanischen 
Wege  verhindert  wird.  Khenso  wird  jedes  reberfliesseu  von  FltlS'^igkeit  und  jede 
Verdunstung  derselben  auf  diese  Weise  unmöglich  gemacht,  wodurch  alle  Metall- 
tbeile  vor  Ozydation  gesehatzt  werden.  Dabei  steht  das  Flillmaterial  in  sdnem 
jetzigen  festen  Zustand  der  flOasigen  S.iure  in  keiner  Weise  nach. 

Welch  hervorragenden  Einllus-*  die  ehen  besprochenen  Diuge  auf  das 
ganze  System  haben,  geht  am  besten  daraus  hervor,  dass  die  Aecumulatoren  zur 
dauernden  Bointznng  fttr  medicinisebe  Zwecke  Oberhaupt  erst  brauchbar  wurden, 
naebdem  man  auf  diesem  oder  ibnliebem  Wege  jene  Fehlerquellen  zu  vermeiden 
gelernt  hatte.*} 

Will  man  nun  mit  Aecumulatoren  praktisch  arlietten  ,  so  ist  ein  Haupt- 
crforderniss,  dass  man  immer  Gelegenheit  hat,  dieselben  in  zweckentsprechender 
Wnse  sn  laden.  Bis  lassen  sieh  bierzn  verwenden:  Elemente,  Thermoslulen, 
grossere  Aecumulatoren  und  endlieh  Dynamomaschinen  von  grösseren  Releuehtungs* 
anlagen.  Es  sind  jedoch  diese  Mittel  zum  genannten  Zwecke  nicht  gleichwerthig. 
Die  Benutzung  vou  Elemeutou  und  Thermusäulen  zum  Laden  erfordert  viel  Mühe, 
Zeit  und  Kosten,  denn  sie  mnss  mit  grosser  Sorgfalt  ausgefttbi^  werdw.  Ausser- 
dem zeigen  bdde  maneberlei  Fehlerquellen,  die  sieh  spiter  bei  der  Verwendung 


*)  Anderweitige  Aocnirnlatnren,  dio  sich  ß:1eichfa11s  giit  1>e\vulirl  hüben  SOUeDi  sind 
in  Gebrauch  von  der  Firaia  Reiniger,  Uebbert  «.S:  Schall  in  Erlangen. 


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ACCUMÜLATOREN. 


5 


der  Accomulatoren  g:elteDd  machen  und  eventuell  deren  glänze  Brauchbarkeit  in 
Frage  stellen  können.  *)  Deshalb  sollten  nur  dort  Accumulatoren  zur  Benutzung 
kommen,  wo  eine  grössere  Elektricitätsquelle,  d.  h.  eine  zu  Beleuchtungaz wecken 
dienende  Dynamomaschine,  zur  Verfügung  stobt.  Wo  dies  nicht  der  Fall  ist, 
muBs  man  sich  dazu  bequemen,  den  Accumulator  jedesmal  zur  Ladung  nach  der 
nächsten,  grösseren  Centrale  zu  senden.  Wem  dies  zn  umständlich  ist.  der  tbut 
jedenfalls  besser ,  eine  der  bisher  üblichen  primären  Batterien  zu  benutzen  als 
die  Ladung  durch  Kiemente  oder  Thermosäulen  selbst  vornehmen  zu  wollen.  Von 
der  Centrale  aas  wird  das  Laden  des  Accumulators  einfach  in  der  Weise  vor- 
genommen ,  dass  man  irgendwo  vor  einem  Brennkörper  den  Accumulator  ein- 
schaltet, durch  den  mau  dann  den  Strom  so  lange  hindurchgehen  lässt,  bis  sich 


Fig.  t. 


Stationäre  Acumulatorfii-Hatteiie  zur  Ii«ieur)itUDg  und  Galvanokaustik. 

im  Innern  desselben  eine  energische  Gasentwicklung  für  das  Ohr  bemerkbar 
naacht.  Die  brennende  Lampe  ist  der  Beweis  dafür,  dass  der  Strom  wirklich 
den  Accumulator  passirt.  Das  liaden  wird,  wenn  eine  centrale  Elektricit:lts<iuelle 
zur  Verfügung  steht,  nach  (i  — 12  Wochen  erforderlich.  Für  Galvanokauslik  sind 
1—3  Zellen  (2—6  Volt)  nötbig. 

Die  Spannung  richtet  sich  nach  der  Grösse  der  in  Anwendung  kom- 
menden Schlingen  und  Brenner,  für  sUnimtliclie  Brenner  ausreiehend  sind  H  Zfllen 
(6  V<ilt}.  Die  Abscbwftchung  geschieht  zweckmässiger  Weis«  durch  einen 
Rheostaten.    Für  kurze  Schlingen  und  Brenner  genügen  4  Volt  (2  Zellen).  Für 

♦)  Neuerdings  wurden  die  Thermosäulen  etnpfoh'en  von  Dr.  Thorner,  Ueatsche 
Med..Ztg.,  1893,  pag.  i:U. 


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6 


ACCÜMÜLATOREX.  -  ACHILLODYNIE. 


kleine  Brenner  selbst  1  Zelle.  Stets  sollte  der  Strom  durch  einen  Rheostaten  ab- 
geschwächt werden  können .  da  die  Brenner  eine  »ehr  verschiedene  Stromstflrke 
gebrauchen,  und  es  wünsclienswerth  ist,  dass  man  jede  Art  von  Brenner  in 
gleicher  Inteusitilt  erblühen  lassen  kann,  Ks  ist  eine  unangebrachte  Sparsamkeit, 
den  ziemlich  wohlfeilen  Bheostaten  fortzulassen.  Wenn  auch  nur  eini^cmale  ein 
Brenner  wegen  zu  starken  Stromes  durchglüht ,  so  ist  von  Krsparniss  keine 
Rede  mehr. 

Für  Ik'leuchtungsinstrumente  Ut  eine  Spannunjr  von  8 — 12  Volt  er- 
forderlich, 12  Volt  sind  im  Allgemeinen  au^ireiehend.  Auch  hier  ist  ein  Rheostat 
zn  benutzen. 


Fig.  8.  Fig.  3. 


Kleine  trausiiortable  .AicumulHtorcn  Uatterien  zur  JJeleudituug  und  (ialvaiioknustik. 

Die  Anordnung  der  Accuniulat<»ren  in  den  Hatterien  soll  eine  derartige 
sein,  dass  stets  sümmtlicbe  Zellen  hintereinander  geschaltet  sind  und  sie  nie  um- 
geschaltet werden,  auch  nicht  beim  Laden.  Kf  ist  das  deswegen  nöthig,  weil  die 
Unischaltungen  viele  Verbindungen  erfordern,  die  hier  immer  ah  Fehler<iuellen  wirken, 
weil  durch  derartige  Mjinipulationeu  eine  ungleiche  Abnutzung  der  Aecumulatoren 
bedingt  wird,  die  be.sser  vermieden  wird.  Wenn  der  Strom  sJlmmtlicher  Zellen  zu 
stark  ist,  so  kann  er  durch  einen  Ikheosiaten  leicht  regulirt  werden. 

Was  die  Dauerhaftigkeit  eines  Aecumulators  angeht,  so  kann  darauf 
ja^creehnet  worden  ,  das.s  er,  wenn  das  Laden  richtig  geschieht,  und  er  ungeladen 
nicht  lange  Zeit  stehen  bleibt,  er.  2— 3  Jahre  brauchbar  ist.  Nach  dieser  Zeit  ist 
eine  Neufüllung  wUnschenswerth  ,  jedoch  noch  nicht  unbedingt  erforderlich. 

Zum  genaueren  Studium  der  einschlägigen  Verhältnisse  empfiehlt  sich: 
Fr.  C.Heim,  Die  Einrichtung  elektrischer  Beleucbiungsanlagen  für  Gleichatrom- 
betrieb.  Oskar  Leiner,  Leipzig  l«y2.  Arthur  Kuttner. 

Achillodynie.  Mit  diesem  vorläufigen  Ausdruck  wird  von  Albert  ein 
bisher  noch  nicht  be.schriebener  Symptomeneomplex  bezeichnet,  dessen  Eigenthümlich- 
keit  darin  besteht,  dass  das  Geben  und  Stehen  durch  heftige  Schmerzen  unerträglich 
wird,  während  beim  Sitzen  und  Liegen  jeder  Schmerz  vercehwindet.  Der  Schmerz 
wird  gerade  an  der  Insertion  der  A«  hillessehne  empfuu'len.  Hier  findet  .sich  auch 
ein  objeetives  Symptom :  eine  kleine  (Jeschwulst.  die  den  Eindruck  macht,  als  sei 
die  Insertion  der  Achillessehne  verdickt;  diesem  (Jesehwulst  zeigt  dieselbe  Hiirte  wie 
die  Sehne  und  ist  auf  Druck  wenig  empfindlieh.  Mitunter  erhält  man  auch  den 
Eindruck ,  nU  sei  der  Knochen  selbst  neben  der  Sehne  beiderseits  etwas  auf- 
getrieben. Die  Schmerzen  sind  ungemein  Lartnilckig,  trotzen  warmen  Biidern.  kalten 
l'mschlUgen,  Jodpin.selungeu,  Einreibungen  von  grauer  Salbe.  Die  Auanine.se  ergiebt 


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ACHILL0DYN1B.  —  AKBOHEOAUB. 


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in  der  Refrei  keine  beHondtTcn  ätiologischen  Anhaltspunkte  ;  in  einem  von  Albekt 
beobachteten  Falle  ,  in  dem  Knochenauftreibnng  bestand ,  exacerbirte  das  Leiden 
parallel  mit  den  Ezaeerbationeii  einer  Oonorrhoe.  —  Nieht  gans  flberoilistlmmeiid 
mit  der  Achillodynie  Rind  die  früher  von  Kaykal  (1883)  und  Kiemusson  (1884) 
als  f^Gellulite  ptrücndineuse"  der  Achillessehne  besehriehonen  EntzUnduiiirs- 
SüStiiide;  ferner  die  von  Pitha  erwähnten  partiellen  Rupturen  und  die  partiellen 
BvoUdonen  der  Inaertionspartie  der  AdiilleMehne.  In  einem  Falle  letzterer  Art 
•dll  die  Achillotenetomie  einen  glänzenden  Rrfolg  gehabt  haben.  (Wiener  med. 
Presse;  Med.  Post.  1893,  Nr.  2.) 

AchyrdntBS  SSpSra  L.,  rauhe  Spreublame,  eine  in  Ostindien  und  im 
tropischen  Asien  überhaupt  vorkommende  Ainarantacpo .  wird  schon  in  den  Nif^- 
bantas  als  ein  abführendes,  die  Verdauung  beförderndes  Mittel  beschrieben,  die 
Eingeborenen  Indiens,  sowie  die  europäischen  Aerzte  daselbst  wenden  das  Mittel 
als  Dinretieum  bei  Wassersnehten  an.  1  Unie  (S5'0)  der  Pflanze  wird  in  10  (850*0) 
Unzen  Wasser  15  Minuten  lang  gekocht  und  von  der  Abk<ichun?  werden  1  bis 
2  Unzen  ('.'?5  0 — 70*0  (  dreimal  tflglich  {regoben.  (I'harmacopeia  of  India.)  T.  A.  WisK 
rechnet  Achyrantes  ajtpera  zu  den  kräftigäton  Brechmitteln.  Die  Samen  werden 
Ton  den  Eingeborenen  gegen  Hnndswuth  nnd  den  Naehwehen  von  Sehlangen- 
bis-cten  angewendet,  diu  Wur/cl  zu  einer  Pasta  verrieben  gegen  HombanttrDbnngen. 
Alkaloid  konnte  in  der  Pllanze  bis  Jetzt  keines  entdeckt  werden. 

Literatur.  B.  ächachardt  ia  Gotha.  MittheiluDgen  überneaere  Arzneimittel. 
PentaclM  »ed.  Wochenrchr.  1893,  paf.  779.  Lonbisch. 

AQäthin,  ab  >iouralgicum  emptbblen,  ist  nach  seiner  chemischen  Consti- 
tution Sali<^l-  nnd  Hetbyipbenylhydraaon  (C;  .  OH .  CH  =  N .  N .  (CH,)Os  He)  nnd 
wird  doreh  Condensation  von  Salicylaldebyd  mit  x-Methylphenylbydrazin  gewonnen. 

Es  stellt  weisse  Blättchen  mit  schwachem  Stich  ins  Grünliche  dar,  die 
geruch-  und  geschmacklos,  in  Wasser  unlöslich,  in  Alkohol  und  Aetber  löslich 
sind  nnd  bei  74«  C.  scbmelzen.  Das  Mittel  wnrde  von  E.  Rosbnbadh  ,  Ebvlino, 
Jeax  Schmidt,  L.  La<<i  kk,  Loumnthal  (sämmtlich  Aerzte  zu  Frankfurt  a.  M.), 
bei  Isf  bi:H  .  rlieinnatischen  KrkraukuTiircn  .  bei  Supraorbital neuralgien ,  auch  nach 
Intluenza  in  (iabcn  von  0  5  Grm.  2 — 3mal  versucht  und  soll  in  einigen  Fällen 
gewirkt  haben,  in  denen  Sallcylsäure  erfolglos  war.  Das  Mittel  scheint  erst  naeh 
mehrtägiger  Darreiehnng,  nachdem  4*0 — 6*0  verbnneht  sind,  also  eumnlatiT  su 
wirken,  dabei  ist  die  Wirkung  eine  der  Sallcylsäure  Ihnliehe,  unter  Steigerung 
des  Appetits  tritt  vermehrte  Schweisssecretion  auf. 

Literatur:  £.  Kosenbaum,  Agathiu,  ein  neues  Antinearalgicum.  Deatt^che 
med.  Zeitong.  1892.  50  nnd  93.  Lotblseb. 

AkrOmegaiie  (vergl.  Real-Eneyetopldie,  Bd.  XXI,  pag.  582;  XXIV, 
pag.  29).  Die  easnistiso he  Literatur  hat  eine  ziemlidi  bedeutende  Vermehrung 

erfahren.  Ks  wurden  weitere  Ffllle  mitgetlieilt  von  Roi.lestox,  Bkrklky,  Rctti.E, 

BUttY  ,    Ka.NTHACK,  Al'l'LKVARD,   BlCNAMI  ,  STEMBO  ,   PKI,  .     LlTTHACKIt,  TsiSCH, 

Tanzi  (2;,  DucHESNEAü,  MuttßAV ,  ÜOBüON  Bhüwx  ,  FitATXicu.  Die  Zahl  der 
besohriebenen  Fälle  steigt  damit  fast  auf  das  Doppelte  (von  18  auf  35).  *) 

Aetiologiseh  bemerkenawerth  ist  der  Fall  von  Pel,  wobei  es  sich  um 
ein  heftiges  psyehi.«<'he-t  Trauma  (zur  Zeit  der  MenHtrn.'ition .  bei  einem  früher 
gesunden,  nicht  hereditär  belasteten  Mädchen)  handelte;  seit  Entwicklung  der 
Akromegalie  bestand  gleichzeitig  Amenorrhoe.  Symptomatologiseh  ist  das  häufige 
Vorkommen  von  Geh  im  Symptomen  hervorzuheben,  psychische  Depressions- nnd  Ezal« 
t.-itionfi/nstände ,  Spraclistflrung ,  lleinianopsie  mit  Atrophin  nervi  optici  (in  den 
Fällen  von  KuTTl^K  und  Tanzi I,  Exophthalmus,  Strabismus  e.rt.  ,  Nysta-rnins  nnd 
einfache  Atrophie  der  Papillen  (Bionami),  Zuckergebalt  des  L  rius  (Buky,  lioLLEcjTüN, 

♦)  In  (l'T  hf>n  rrsrhiencncn  Althan<llnng  von  Coli  ins  (veri;!.  antra)  werden 
hA  Beutiuc'htungen  zusaiuinengestclit,  wornnter  jedoch  wohl  viele  zweifelhafte. 


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8 


AKBOKBGAUB.  —  ALDOXIMB. 


Hübrat).  In  dem  Babt*8oIm»i  FaUe  ergmb  die  Autopsie  eine  gnwie  weidie 

Geschwulst  an  der  Gehirnbasia,  die  sieh  von  Oinasma  opticorum  bis  zum  Kleinhirn 

er9tre<*kte  (Gliom) :  Chiasma  and  Tractus  waren  durch  die  Geschwulst  comprimirt. 
Thyreoidea  vergrössert,  in  jedem  Lappen  eine  Cyste;  Thymusdrüse  persistent.  In 
einem  anderen  zur  Section  gekommenen  Falle  (Ddch£SN£au)  bestanden  gleichzeitig 
Mefa  die  Bneheinnngen  prognaalver  Hvskelatropliie  an  Annen  und  Beinen,  was 
Ddohbsnrau  zur  Aufstellung  einer  „My  opathie  acrom^galtfjue"  veranlasst. 
Die  Section  erjrab  ausser  den  Veränderunpren  des  Skelets  und  der  Haut  eine 
VergrösseruQg  der  iiypopbysis,  der  Thyreoidea  und  Thymus.  Die  Amyotropbie  wird 
von  Ddchbbnbaü  anf  Compressen  der  Bflekenmarksnerven  bei  hoehgradiger  Ver* 
dieknng  der  Wirbel  bezogen. 

Die  pathn!o<riscb*'  Anatomie  der  Erkrankunfj  erführt  eint'  fernere  Be- 
rwclierung  durch  die  Arbeit  von  Marie  und  Maeinesco.  An  den  Spitzen  der  (xlied- 
massen  fand  sieh  Hyperplasie  der  Papillen  nnd  eine  bedeutende  Hypertrophie  der 
Haut;  das  Bindegewebe  verdickt,  aueh  Oberall  an  nnd  in  den  Nerven,  wodnreh 
die  primären  Ae^te  diTselben  degenerirt  sind:  eentralwiirts  nimmt  diese  Deprene- 
ratinn  mit  der  Abnalmie  des  Bindeprewebes  ab.  An  Mundhrthle,  Nase,  Kehlkopf 
uud  Luiirohre  einfache  Pacbydermie  durch  ZelieniDtiltratiun.  llalssympathicus, 
besonders  dss  unterste  Ganglion,  ansgesproeben  sklerotiseb.  Im  Gebim  Ter- 
mehrunp  der  Neuroglia.  Die  Follikel  der  Thyreoidea  hyperplastisch,  cystisdi. 
viel  H;lm'i;:lnhiTikryitaIle  enthaltend.  Aueh  in  der  (llnndul.i  t'ituitnria  Hyperplasie 
der  Follikel,  die  Gefässe  sklerotisch.  Die  constantc  Hypertrophie  dieser  Drüse,  Uber 
deren  Function  allerdings  niebts  bekannt  ist,  sind  die  Verfasser  geneigt,  als 
einen  wesentlichen  Befund  bei  Akromegalie  zu  betrachten ;  vielleiebt  ist  diese  Drflse, 
ebenso  die  Thyreoidea  liestimmt  ,  ir''wisse  für  das  centrab'  Xi-rvensystem  deletär 
wirkende  Substanzen  uusehildlich  zu  machen,  während  die  Auhäufunf;  dieser  ."Sub- 
stanzen bei  functioneller  UntUchtigkeit  der  Drüsen  durch  fortwährende  Keizuug  die 
Ctewebsbyperplasie  daselbst  veranlassen  würde. 

Literatur:  Kollpstoii,  i'usi-  af  <i'i->i)iff/iili/.  British  med.  .Tnnrnal.  '^ö.  Oitober 

1890,  pag.  957.  —  Barkley,  A  ccue  uf  acromeyaly  iit  a  negress.  John  Uopkm'a  Uosp.  Ball. 

1891,  Nr.  16.  —  Battl«,  A  ease  of  aeremegalp.  British  med.  Joonwl.  28.  Win  1891. 
pap.  ti97.  —  Bnry,  A-minrriithj.  Ihid,  30  Mai.  pap  IIT'*  —  Kunthack,  A  cane  of 
acruineydltj.  lliiii.  .hili ,  pa«.  188-  —  Appleyard,  Acnntit'ytilif.  Ibid.  ÜÜ.  Deceinl»er, 
pag.  l;^54.  --  1'  i  g  n  u  in  i.  I  Ii'  oi^si  fvazioiu  di  ncromegalia.  Balletino  dells  Soc  Lancisiana  d«gU 
espedali  di  Eon».  X,  H«fi  3.  —  Marie  nod  Mariaesco,  .Sur  l'anatomie  patkologique  de 
Paeromigalif.  Archiven  de  tnM.  exp^rimentale  «t  d'anat.  path.  Juli  1891,  IT.  —  Arnold, 
Akromegalie,  Parby.ikrio  od.  r  (<-iiti~  7.':<  ^  lii  iti ultc  zur  path.  Anat.  iii;d  ullprin.  Patho- 
logie. 1891.  —  JStcmlio,  Akroraejrulie  und  Akruniikrie.  Petersburger  med.  Wucheu.scbr.  1>91, 
p»g.  45.  46.  —  Fei,  Kin  Fall  von  Akrniutigalie  in  Folge  von  Schnscl^.  Berliner  klin.  Wochen- 
schrift. I^IH,  Nr.  H.  —  Litihaner,  Ein  Fall  von  Akromegalie.  Deatacbe  med.  Wochenschr. 
ISIM,  Nr.  47.  ~  Tschisch.  Ein  Fall  von -\kroniegalie.  Petersburger  med.  Worheiischr.  18!U, 
Nr.  49.  —  Tanzi,  lfm  rani  di  ncrotnrgulifi  Rivi.sta  clinica  Is'.M,  Heft."».  —  Duchesneau, 
Contribution  ä  l'dtude  anatomique  et  cUnique  de  l'acromegalie.  Paris  189^.  —  Murray, 
Aeromegahj.  British  med.  JoamSI.  27.  Febrmur  1892.  —  Oordon  Brown,  Aeromegatg.  Ibid. 
215.  April.  —  Fratnich,  Ein  Fall  von  Akroniegali».  Allgem.  Wifner  med.  Zeitung.  1^-'^; 
Vh  caao  d'acromet^alia.  liivista  Yeneta  di  iScieuxe  med.  189^.  —  J.  Colli ns,  Aciumtyalij. 
Journal  ^  nerv,  anä  menial  düease  1893.  Enlenbnrg. 

AkrOinikriS  (von  dtx^o;,  spitze  nnd  klein),  soll  im  Gegensats 

sn  Akromegalie  die  abnorme  Verkleinerang  der  Endtheilo  der  Kxtremitilten  bedeuten. 
Der  Name  wurde  vouStkmbo  vorj^eschla^en,  der  einen  hierhcrsrehöri^en  Fall  l)esehrieb 
Akromegalie  und  Akromikrie.^  Petersburger  med.  Wuchouschr.  1891,  45  uud  46), 
der  flbrigens  mit  den  Erscbeinnof^n  der  Selerodactylie  viel  Gemeinsames  darbietet. 

AldOXimB.  Durch  Einwirkung  vun  liydruxylamiu  auf  Aldehyde  ent- 
stehen dnreb  Austauseben  des  Sanerstoffatoms  unter  Wasserabepaltung  die  als 
Aldozimo  bezeichneten  organischen  Verbindung  i  ,  welehe  beim  Koehen  mit  Sals* 

fi.ture  wieder  in  Hydnixylainin  und  ihre  Aldehydcomponenten  zerfallen.  Die  aus 
Acetaldehyd  und  ßenzaldehyd  gebildeten  Aldoxime,  da^  Aothylalduxim, 
C|H«KO,  und  das  Benzaldoxim,  CeH{,CHNOH,  wirken  bei  FrOseben  betlnbend 


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ALDOXIME.  —  ALUMNOL. 


9 


nnd  Uhmend  uttd  rufen  bei  Kauincbea  Veränderungen  der  Blutkörperoheii  hervor, 
in  daneii  ein  »eilt  randtlindiges ,  stark  gllnsendw  Körnehen  oder  mebrere 
Bolehe  in  einer  blassen ,  hämoglobinfreien  Partie  auftreten,  Alterationen ,  die  auf 
Schrumpfung  von  Hnnin^rlobin ,  veranlasst  durch  Abspaltung  von  Hydroxyl.imin, 
hinweisen,  da  dieses  ähnliche  Veränderungen  erzeugt.  Gleichzeitig  kommt  es  zu 
BraunfArbung  des  Blutes,  das  jedoch  nicht  immer  spectroBkopiseh  den  Methämo- 
globinetretfen  selgt,  nnd  schon  nach  relativ  kleinen  Mengen  erfolgt  Bftmoglobinnrie. 
Toxische  Dosen  bewirken  Mattigkeit,  Dyapnoe,  Speichelfluss ,  Verlangsamung 
der  Athmung  und  Herabsetzung  der  Temperatur,  gleichviel  ob  Meth.'lmoglobin- 
bildang  eintritt  oder  nicht.  Gegen  Benzaldoxim  zeigen  Hunde  grosse  liesistenz. 
In  den  Harn  geht  Benxaldoxim  nicht  unverändert  über;  dagegen  hat  dieser 
Bensaldehydgerneh  nnd  die  gepaarte  Sdiwefeliture  wird  stark  vwmehrt. 

Uteratnr:  Scheidemann,  ÜsImt  dM  Variialten  einiger  Eydrox ylaminvorbin- 
dangen  im  Tl.ierkörper.  Königsber;^  l>^d2.  H  u  s  e  m  a  ii  n. 

AllylSUlfOCarbamid  rnno^inamin),  O,  H,N,  S,  ein  Additionoproduet 
von  Seufül  (ächwet'eluyanallyl;  luit  Aiumouiak,  bei  74°  C.  schmelzende  Krystalle, 
lOsUeh  in  Wasser,  Alkohol  nnd  Aether,  wnide  von  Hans  t.  Hbbba  als  ein  Mittel 
empfohlen,  welches,  subcutan  injicirt,  an  krankliaften  Geweben  eine  loeale  Reactioa 
ohne  Mitbctheiliguug  (it^  OüHtHmmtnrjrain-^mus  zu  erzeufren  fähig  ist.  Nach 
V.  Froscuaukk  soll  Allyläulf()carl)amid,  Thieren  subcutan  einverleibt,  diese  gegen 
Infeetion  mit  baeillftren  Contagicn  immnnisiren.  v.  Hbbra  fand  das  Mittel  wirk- 
sam l>ei  Lupuskranken,  ferner  aar  Erweichung  von  Narbengewebe,  snr  Ver- 
kleinerung bestell ciider  Drdsentunioren,  zur  Aufhebung  von  rornealtrübungen,  anch 
soll  es  die  lie.-torption  von  in  die  Gewebe  gesetzten  Exsudateu  bewirken.  Zuarleich 
bewirkt  dan  Allylsulfoearbamid  Steigerung  der  Diurese,  Hebung  des  Appetites 
nnd  eine  bemerkenswwthe  Euphorie  der  damit  behandelten  Patienten. 

Der  V<'rlauf  der  Keaction  ist  folgender:  Meist  2  Stunden  nneh  der 
Injeetion,  oft  auch  später,  tritt  im  Inipusherde  llüthung  und  Seliwelliing  der 
erkrankten  i^artie  ein;  die  Intensität  der  iieautioa,  welche  in  erster  Linie 
von  der  Grosse  der  Dosis  abhängt,  steht  ftbrigeos  im  umgekehrten  Verhält- 
nisse zur  Fvxtensität  des  Krankheitsproiu  s.  Die  Schwellung  kann  so  heftig 
werden  und  sieh  po  r.-Hch  entwickeln  ,  dans  Epidermis  und  seihst  Papillarkörper 
platzen  und  obertläehliche  Hautrisse  zu  Stande  kommen,  es  erfolgt  keine  Bläschen- 
bildung, keine  Transsudation  serös-eitriger  Ftfluigkeit,  kein  Fieber.  Die  Höbe  der 
Beaetion  dauert  4 — 6  Stundm ,  naeh  weldier  Zeit  dieselbe  allmätig  tnnOThalh 
24  Stunden  aM.liift.  Der  durch  Injeetion  der  alkoholischen  Lt^snng  erzeugte 
Schmerz  dauert  nur  kurze  Zeit,  die  Kesorptiou  erfolgt  so  rasch,  dass  schon  nach 
einigen  Minuten  knoblauchartiger  Geschmack  im  Muude  auftritt. 

Das  Allylsulfoearbamid  wird  in  alkoholisdier  LOeung  snbentan  injieirt, 
und  zwar  in  allmälig  steigender  Dosis.  Von  einer  15procentigen  Lösung  wurden 
Anfangs  2  —  3  Tlieilstriehe  einer  pRAVAz'schen  Spritze  (0-(i:^> — 0  045  Oriu.  Allyl- 
sulfoearbamidj ,  in  der  3.  Woche  eine  halbe,  in  der  4. — 5.  Woche  eine  ganze 
PKATA2*8die  Spritze  (0'15  Orm.  Allylsulfoearbamid)  injieirt  Diese  Injeetion  wurde 
zweimal  wöchentlich  in  der  luterscapularregion  des  fiiickens  vorgenommen.  Zwei 
bis  drei  Monate  liindtireli  erfolgt  Itei  den  Patienten  die  eingangs  erwähnte  typische 
Keaction;  selieitit  der  Patient  gesättigt,  so  setzt  man  nur  2 — 3  Wochen  aus, 
wonach  er  wie  früher  reagirt. 

Literatur:  H.  ▼.  Hebra,  Ufliber  die  Wirftnag  dss  Allylsolfocarbanldes  (Thio- 

sinniniii^  b»-i  suIh  Mtam  r  EinvcrleibnnfC.  Vortrag,  gehalfen  boim  II.  internat.  drrmatolog  ConRress 
ia  Wien.  Anhiv  i  hirmul.  u.  Syph.  l^li^.  Moii:itshf>fif  f  pnikt  ÜiTinafol  ZU.  Loebisch. 

Alumnoi.  Unter  diesem  Namen  empfohlen  N.  Hkintz  und  A.  LlKUflECHT  ') 
ein  Aluminiiimnalz  einer  NaphthoLsulfosäure,  welches  ö'^/q  Aluminium  und  15^.  q 
Schwefel  enthält,  als  Adstringo-Antisepticum. 

Das  AIuiiinoniild<^t  ein  woi.-x  f:  <i(if'r  srbwach  röthliche.',  nicht  byproskipi.<rhoF!  Pulver. 
Lusuugeu  vuu  4U  und  mehr  rrocout,  mit  hcissero  Wo-sser  bei  eilet,  bleiben  beim  Krkalten  klar. 


10 


ALUMKOL. 


In  Alkohol  löst  es  sich  mit  blauer  Farbe,  jedoch  schwerer  wie  im  Wasser;  es  i*t  lÖRlich  in 
Glycerin,  unlöslich  in  Aelher ,  giebt  mit  Eisenchlorid  eine  blaue  Farbong  und  färbt  sich  an 
der  Luit  dorch  Oxydation  «twaa  dankler,  ohne  jedoch  hierdurch  an  eeiner  Löelichkeit  und 
Wirknunkeit  «liisBbttiMiD. 

Die  Ltoungen  nagirai  sohwaeh  aaner,  Allen  Eiweies  nnd  LeimUfsnngen, 

die  Niederacbllge  Utoen  sich  aber  im  Ueberschuss  von  Ki weiss  und  Leim  wieder. 
Durch  diese  Eiprenschaft  vernia«;  das  Mittel  mit  dem  eiw eissreichen  Gewebsaafte 
in  die  Tiefe  zu  dringen,  und  da  das  Alumnol  sich  in  eiterigen  Secreteu  löst,  ist 
eine  Verstopfung  eiterprodnetrender  Ginge  und  Hdhlen  dnreh  Alamno!  ans- 
geseblosf^cn 

Die  aritlKcptischen  Eigeuscbaften  des  Mittels  wurden  bakteriolnfrisch,  die 
adstringireude  und  gefässverengende  Wirkung  mit  0'01%igea  Lösungen  am  Mosen» 
teriam  des  Frosches  geprOft  Erst  öVoi?®  Lösungen  bewirken  Reizung  der  Sebldm- 
beut,  10*/oige  Anltcnng.  Als  Adstringens  soll  sich  das  Alumnol  von  allen  anderen 
Adf-tringentien  dadureli  untersclieidt  ii,  das-j  es  nicht  nur  obcrflJlchlich  wirkt,  sondern 
wegen  der  Löslieh keit  des  Körpers  in  überschüssigem  Kiweis.s  auch  in  die  Tiefe 
2U  driugeu  vermag.  Directe  Einspritzung  von  Alumnol  in  die  Blutgefässe  bewirkt 
Tbrombose  der  Gefkree  und  des  Heraens.  Eine  Giftwirkang  des  Alamnols  ist  bei 
d^n  medlenmentOsen  Dosen  und  Concentmtionen  ausgeeehlo.S9en.  Nach  Iflngerer 
Susserlicher  Application  konnte  AInminium  im  Ham  nioht  aufgefunden  werden, 
auch  erwies  sieh  derselbe  stets  normal. 

Anwendung:  1.  In  der  ehirnrgisehen  Praxis:  Als  Spfllmittel  in 
0*6 — 2%iger  Lösung;  zur  Aetzung  von  Fistelgingen  in  10 — 20"  jiger  Lösung;  bei 
torpiden  Geschwüren  in  Ii — 0"  o'gc  Lösungen  nnd  Salben.  2.  In  der  gynäko- 
logischen Praxis:  Als  Sptllmittel  nach  Operationen  in  der  Baiichhöhlo 
0*6 — 0"1  "  f, ige  Lösungen ;  bei  Endometritis  gonorrhoica  In  2 — 5°, giger  Lösung 
oder  in  10 — 20Voigen  8tsbeben.  3.  Inder  Dermatologie  wurde  Alumnol  von 
Ohotzrx  *-)  in  mehr  als  l'.'illen  versucht,  u.  zw.  a}  als  AluniuoJum  purum  bn 
exulcerirten  Erosionen,  /'/r>'s  ninlh  und  Abscessen  zum  Reinigen  der  Wunde; 
bj  als  10 — 20"  „igei  Alumnolstreupulver  i^mit  Tolcuni  venet.  und  Amylum  aa.) 
bei  Balanitis,  Eezem,  Verbrennungen  geringeren  Grades,  Wundnaht,  c)  1 — 5o  gige 
Alumnollösungen  bei  nässendem  und  bei  pustulösem  Eczem,  Gesichts.teiie,  Drtisen- 
anschwelluTiL'-.  I'rtthritis;  </)  2  5  —  10"  ^i^^er  Ahimnnl>.piritus  zur  Nachbehandlung 
von  Eczem,  ^Sycosis,  Favus;  Psoriasis  des  Kopfes  und  Gesichtes;  e)  2^j^ — ö, 
10  und  20%ige  Alumnollanolinsalbe  bei  den  eben  erwähnten  Processen,  «leb  bei 
Ürtthriti»  infectioaa.  Ferner  wird  es  in  Form  von  Firnissen,  von  Guttapereha« 
pflastennull  bei  Eczem ,  Erythemn  e-rsudatirum.  Prurigo ,  Psoriasis ,  Lupus  und 
von  1 — 10°  .  i^en  Aliimnolgolatinest&bchen  bei  Entzündungen  des  Cervix  uteri 
und  in  Fistelgilngeu  augewendet. 

Perlfollieulftre  kirsehkerngrosse  EntzOndungen  schwanden  naoh  sub* 
entaner  I  ujection  von  0*5  Grm.  einer  l^/^igen  Alumnollösung.  4  Tu  der  otia- 
trisehen  Praxis  wirkte  es  ]tn  f  ifi'fi's  media  purnluttn,  theils  als  Pulver,  theils 
als  Lösung  applicirt,  günstig  (Bki£u£K  j.  5.  In  der  opbthalmologisehen  Praxis 
beobaehtete  Wolffbbbo  ')  bei  Applieation  dniger  Tropfen  einer  10"  o  igen  Alnmnol- 
ISsung  auf  das  Auge  HyperXmie  der  Gonjunctiva  der  Kinder,  Auftreten  von 
Rauhigkeit  an  der  Oberfläche  der  letzteren,  weissliche  Gerinnsel  in  der  Ueherganga- 
falte  und  iu  den  Winkeln.  Ditse  Gerinnsel  treten  sehr  deutlich  bei  Application 
einer  4''/0igeu  Lösung  iu  ein  von  Tbränen  schwimmendos  Auge  (z.  B.  Blennupharo- 
spasmus)  auf,  cugleioh  bOrt  die  Tbrinensecretion  für  einige  Minuten  völlig  auf; 
diese  Thrflnenpausc  Iflsst  sich  zu  rntersuehunj:en  .  zu  Einträufeln  von  Atr<>])in 
benutzen.  W'oi.FFF.K!  G  benutzte  die  4^'  ,,ige  Aluinncdlösnuir  zur  Reinigung  di  r  liiiide- 
haut  vor  dem  Einträufeln  von  Aryen'tim  nitricum.  Bei  länger  andauernder  Ein* 
Wirkung  der  Aluntnolumsebllge  tritt  hiufig  Cbemoeis  der  Conjunctiva  bulbi  und 
etwas  Lidödem  ein. 

I-iteratur:  ')N  Heintzund.\.  L  i  iI»  r  <•  (  h  t ,  Aluninot.  ein  iiete  s  AiNtrinpo-Anti» 
septicum.  Berliner  klin.  Wucht  nschr.  4ti. —   )  Chol  Ken,  Alumnol.  ein  iieueä  Mitt«!  gegen 


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ALUMNOL.  —  ANALGEN. 


11 


Hantkrankheiten  und  Gonorrhoe.  Berliner  klin.  Wochenschr.  1892,  4^.  —  ")WoIffberg,  Zur 
Prophylaxis  des  Aagentrippers  der  Ei'wachseneu  und  zur  Therapie  der  Bleuuurrh.  aeouatoram. 
TbM»p.  Mooataobr.  J8tt.  12.  Locbiseb. 

AnagyriS.  Von  der  io  Sudiraokroich ,  Algier ,  Itaiiea  uud  Griechen- 
Imad  eiDheimliehen  Leguminom  Anagyria  foetida  L.  dienen  die  hOehit  un- 
angenehm rieebenden  Blätter  in  Südeuropa  als  populäres  Abführmittel  an  Stelle 
der  Senna.  In  nrieclicnlMinl  filliren  Hie  frLTadcz»  den  Namen  Pseudosenna  (Pseuiio- 
giuamekl).  Auch  die  8amen ,  in  Italien  Faygixolo  della  Madonna,  l  lito  della 
Madonna,  Fava  Itipina  oder  Fava  inversa  genannt,  wurden  trüber  mcdiciuiscb 
ab  PoTgane  oder  Emetoeathartienni  benntst,  sind  aber  auch  als  giftig  nnd  in 
grossen  Dosen  letal  wirkend  bekannt.  In  Algier  haben  sie  mehrfach  den  Tod 
von  Soldaten  verursacht.  Die  IMIanze  selbst  heisst  dort  Lahurno  fetido  oder 
FaseoLaria.  Daa  früher  in  den  lilälteru  vermuthete  Catbartin  oder  Cytisin  ist 
nicht  in  ihnen  enthalten ,  dageg>en  enthalten  die  Samen  neben  fettem  Oele  nnd 
Harzen  ein  stnrk  jriftipen  Alkaloid,  Anagyrin.  dessen  Elementarformel 
(Ci^Ha^NOa  nach  Hkai.k.  Cj,  11,^  N  O^  nach  Hardy  und  (iALLOisl  mit  derjenigen 
des  Cjtisins  nicht  Ubereinstimrat,  wie  auch  die  sonstigeu  Eigenschaften,  z.  B. 
die  LQ4iehkeit  in  Aether,  abweichen.  Das  Anagyrin  wirkt  auf  Fr(taehe  naeh  Art 
des  Curare  und  tödtet  zu  0'12  Grm.  subcutan  Kaninehen.  Die  Vei^ftungs- 
er.'^cheinun^cii  liei  Sfitif,'-»  thi(  rcn  bt  stoben  in  Lilbmun?,  Zittern,  leichten  Mii^kel- 
zuckun;^en.  Hy|)fr:iniie  der  (  »liren  und  der  Kin<reweide ,  bei  Ilülmern  in  Munkel- 
atarre,  wiederLolten  tetuuiHcbeu  lirämpfeu  und  Kieuudürer  Lähmung.  Ana^yriu 
geht  rasch  in  den  Harn  Aber. 

Literatur:  Reale,  Gazz.  chim.  1''87,  Faso.  0  und  7,  pnfr-  3<J7.  —  Hardy 
nnd  Galloia,  Coinpt.  rend.  1888,  CVII,  p«g.  247.  —  Cantani,  Manita/e  di  FarmucoL 
IV,  pag.  43!9.  —  VandeUoer,  (her  eytisin».  QrotAtgan  1890.  11  u  s  e  m  a  n  n. 

Analgen,  ( )rtbo-Aetboxy-ana-MonobenznyIamiilocbinoIin  (C,  II  , .  ()C,  II , . 
NH  .COC^  .  N  .),  ein  Chinoliuderivat,  wurde  von  (i,  Loebkli.  uud  Gkrh.  N.  Vls 
als  Analgeticum,  welches  ngleieh  antipyretische  Eigeusebaften  besitzt,  empfoblen. 
Die  theoretischen  Erwägungen,  welehe  zur  synthetidcben  Darstellung  dieses  Mittels 
führten,  sind  folg'ende:  Im  Phenacetin  —  Para-Aethoxyacetylamidohenz«)!  ist  das 
Wirksame  die  Amidofmippc ,  welche  dureh  Einfiibrun-r  der  sauren  Acetylg:ruppe 
ihre  giftige  Natur  einbüsst.  Analog  diesem  Verhilltuisse  dts  Plu  iiacetins  zum  Benzol 
haben  nun  die  Verfasser  sunlchst  eine  Verbindnng  eonstitnirt,  das  Ortho-Aethoxy- 
ana-Acetylaraldochinolin ,  welehe  sieh  zum  Chinolin  gran/.  ao  verhält,  wie  das 
Pbenaeetiti  zum  Benzol.  Im  Analf^en  ist  jedoch  überdies  der  Aeetylrest  der 
NH3-Gruppe  durch  den  wirk-^amereu  Beuzoylrest  ersetzt.  Als  Kern  der  Verbindung 
haben  wir  im  Analgen  des  antipyretische  Gbinolin  statt  des  indifferenten  Benzola 
im  Phenacetin.  Das  Analgen  ist  ein  weisses,  in  Wits-er  fast  unlösliches  und  voll- 
kftranien  «rewebit  aeklo-ises  Pulver,  schwer  biHlieh  in  kaltem  Alkohol,  leichter  in 
heissem  Alkohol  uud  in  verdünnten  Säuren ,  schmilzt  bei  208"  C.  Nach  Thior- 
yersaeben  von  Loebbll  und  Vis  wird  es  im  Magen  durch  die  Säure  des  Magen- 
saftes geltet  nnd  bereits  hier  aum  .Theile  unter  Wasseranfnahme  in  Benzoesäure 
nnd  Ortbo-Aethnxy-ana-Amidocbinolin  gespalten.  Letzteres  findet  sich  im  Urin  an 
HarnsiUire  ireluniden  .  bereits  1/3  —  1  Stunde  nach  dem  Einnelimen ,  wodurch  der 
Harn  blutroth  gefärbt  wird.  Durch  Zusatz  von  kohlen.saurem  Natron  bis  zur 
alkalischen  Reaotion  schlägt  die  Farbe  in  Gelb  um  (Unterschied  gegenOber  Blut 
im  Harne).  Das  Aethoxy-Amidochinnlin  zai^t  auch  eine  beträchtliche  hamstture- 
lösende  Wirkunff.  Nachdem  an  Thieren  die  Niehtjriftif^keit  des  Analfren  erwiesen 
war,  wurden  die  ersten  therapeutischen  Versuche  an  BAumlkr's  Klinik  ausgeführt, 
wobei  sich  ergab,  dass  das  Analgen  in  Gaben  von  1 — 2  Grm.  bei  Erwachsenen 
antifebrile  Wirkungen,  ähnlich  denen  des  Phenacetins,  zeigt  und  auch  neuralgische 
Schmerzen  günstig  hn  intlüsst.  Die  Temperatnrerniedrigung  erfolgte  unter  Schweisscn. 
Angewöhnung  des  Organismus  an  das  Mittel  selbst  bis  zum  vöUigeu  Versagen  der 


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12 


ANALGEN.  —  AKGIOM. 


Winknng  trat  bald  eia.  Sehr  heftige  öchmerzea  bei  einer  UUftgelenksentzUnduDg 
wurden  dnnh  SH)  pro  die  in  Dosen  von  0*5  gemildert.  Das  Mittel  wurde  Uber« 

dies  vodTbedpel,  Köpfen  und  P.  Kedlle  (Inaugural-Dissertation,  Berlin  1892) 
bei  den  verschiedensten  Neuralgien,  bei  Arthritis  urica j  Mtukelrbeumatiemiia, 
bifiber  mit  ziemlicbeiu  Erfolge  benutzt. 

AU  Einzelgabe  bei  ErwachBenen  0*5  pro  die,  3  0,  sclbat  5*0. 

Literatur:  Georg  Loebell  ttod  Cferh.  N.  Vis,  Bas  Analgen,  ein  neaes 
NarTinam.  Dsntscbe  med.  Vodunsobr.  1692,  d4.  Loebiseb. 

AnylOfll  (vgl.  I,  pag.  468).  Darunter  versteht  man  theila  fiäcbenhaft,  theiis 
geeebwa1fltfi)rmig  sieb  entwiekelnde,  mdst  angeborene  gutartige  Neubildungen,  die 

der  Hauptmasse  nach  aus  ne  u  g I>  i  I  <i  c  r  e  n  R  I  u  t  e f :l s s e n  bestehen 
und  dalier  unterHchieden  werden  von  jenen  (Jescbwlilsten,  welche  auf  Erkrankung, 
resp.  abuormer  Ausdehnung  der  Wandungen  von  venösen  y^Varices)  oder  arteriellen 
Oefitoen  mit  consecatiTer  Schlängelung  und  Kn&nelung  derselben  (Aneurysma 
drsoidmm)  bernben. 

Mnn  unterscheidet  zwei  Hauptformen  von  Angiomen:  die  Teleangi- 
ektasie und  den  T v  vior  ca  v^r  n  o s  u  s.  Die  T  e  1  e  a  n  f?  i  e  k  t  a  8  i  e  ''tz ao;, 
otYyeiov  tAzxGi;)  ist  die  häufigste  Form  des  echten  Angioms  und  kommt  entweder 
in  mebr  ftichenbafter  Ansbrdtnngf  su  weleber  ancb  die  Muttermale  (Naevus  vas' 
culosus)  gehören,  oder  in  einer  sieb  mebr  nach  der  Tiefe  entwiekelndeo  massigen 
(JeHchwulstlorm  vor.  Sie  besteht  ans  einer  Neubildung?  von  sehr  stark  «resehlan- 
gelten,  erweiterten  Capillareu  und  Uebergangsgefässen,  » eiche,  in  der  flachen 
Form,  wesentlich  die  Oefftsse  des  PapillarkOrpers  der  Haut  betrifft,  wibrend  bei 
den  massigen  Teleangiektasien  reich  entwickelte  Blutgefissnetze  feinster  Art 
in  Form  von  kleinen  Lapjx'ben  im  Bindegewebe,  Fettgewebe  und  ebenso  um 
Haarbälge  und  Talgdrüsen  angeordnet  sind,  üas  Wachstbum  der  plexiformen 
Angiome  gebt  nach  A.  v.  Wimwakter  so  vor  sich,  dass  immer  neue  Gefäss- 
beslrke  in  den  Wueberungsproeess  bin^ngesogen  werden«  der  mit  selüger  Um- 
bildung in  der  GeOisswand  beginnt,  worauf  SproBsenbildung  nachfolgt.  Das  vor* 
handenc  Gewebe  wird  von  der  Gefilssneubildung  mehr  und  mehr  durchsetzt  und 
verdrängt.  Gewöhnlich  äodet  man  da  uud  dort  iiundzellen  und  junge,  oft  pig- 
mentirte  Bindegewebszellen  swiseben  den  Geftsawinkeln.  Die  Geftssendotbellen  sind 
bisweilen  auffällig  verdickt. 

Hir  .^itz  isf  vornehmlicli  die  Haut,  seltener  die  Sehleiniluiut  <k1it  die 
seröäen  Uberllächeu  inuerer  Grgane,  als:  Leber,  Milz,  Niere.  Sie  treleu  einzeln 
oder  multipel  auf  und  erreichen  sehr  verschiedene  Grössen.  Am  häufigsten  kommen 
sie  vor:  im  Gesieht,  am  Kopf,  Baneb,  Rflekmi  und  anf  der  Haut,  seltener  an 
den  Extremitäten.  Die  Teleangiektasien  sind  meist  angeboren  oder  entwiekeln 
sich  bald  uaeh  der  (!eburt.  In  vielen  Fällen  lässt  sieh  Erblichkeit  nachweisen. 
Die  flachen,  resp.  liächenhaften  Teleaugiektasiea  stellen  ruude  oder  unregel- 
misaig  begrenzte,  zuweilen  von  kleinen  Punkten  umsAumte,  meist  scharf  eon- 
tourirte  r(»the  «der  bläulicbrothe  Flecken  dar,  von  der  Grösse  eines  Flohstiches 
bis  zur  Ausdehnung  einer  Gesichtshälfte.  Die  Haut  ist  glatt  oder  derb  ,  oft  mit 
Lanugobärcheu  besetzt.  Meist  erheben  die  Angiome  sich  bcetartig  Uber  das  Niveau 
der  normalen  Haut  Doreh  FIngerdmek  lassen  sie  stob  fast  niemals  volistindig 
entleeren.  Beim  Sohreien,  bei  Bewegungen  werden  sie  intensiver  roth,  schwellen 
iluhr  an.  Die  massigen  Teleangiektasien  bilden  rundliche,  oft  deutlieh  gelappt 
aiizufiihlende,  uuter  der  Haut  sitzende  Tumoren  von  der  Grösse  eines  Haufkorus 
bis  zu  der  eines  Apfels.  Die  Haut  darüber  ist  selten  normal,  meist  verdünnt, 
blasig  durebsebeinend,  von  GefUssen  durebzoRW,  dnnkelroth,  blaurotb  verftrbt, 
die  Haare  zuweilen  hypertrophisch.  Diese  Angiome  lassen  sich  etwas  comprimiren 
und  selnvclleti  bei  bestimmten  Einwirkungen  stärker  an.  Zuweilen  machen  die 
1  eleangiektusieu  etwas  Breuueu,  Jucken;  die  Hauptbeschwerde  ist  die  cosmetische 
Störung,  die  sie  verursaoben.    Dooh  kOnnen  durah  Uleeration  der  Hantoberfläcbe 


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ANGIOIL 


13 


Erysipele  nnd  ticferprrcifcnd»'  EntzUndimp-eT)  entRtehen.  Tieffrreifende  Teleang-i- 
ektasien  köoneu  zu  Atrophie  des  Augapfels,  zur  Zerstörung  von  Muskeln  und 
Knochen  führen,  indem  die  Gewebe  untmr  der  fortiebeiteiiden  GeAnneabfldnng 
schwinden.  Gel^ntlicbe  Blutunfren  konnten  n«eh  Uleeratioiien  oder  Traumen 
bei  Kindern  lebensgefährlich  werden.  An  Alles  dies  muss  man  umsomehr  denken, 
je  rascher  die  Telcanirielctasie  wSehst.  Einen  Fall  von  Eiterung  und  Gangrän 
eines  Angioma  der  Orbita  nach  Typhus  beobachtete  Panas. 

IHe  »weit»  Art  des  eehten  Angioma  bildet  die  eayernOse  Angiom, 
die  ca  verllöse  Venengeschwulst  (Tumor  cavernosus) ,  welche  eine 
dem  Corpus  rnvernofium  ähnliche  Structur  besitzt,  venöses  Blut  führt,  schwellbar 
ist  (daher  von  den  Franzosen  2'umeur  erectile  benannt),  zumeist  sich  nach  der 
Geburt  entwiekdt  nnd  stets  nnr  mehr  in  Geeehwolatform  ersebeint.  Das  Strom« 
dieser  Geschwülste  ist  ein  Maschc-nnetz  von  bindegewebigen  Balken,  welche  Hold- 
rüiime  umschlieascn.  deren  Wflnde  mit  Venenepithel  l>fklridet  sind  und  in  welchen 
zumeist  venöses  Blut  circulirt ,  daher  auch  ihre  bläuliche  Färbung.  Nur  in  sel- 
tenen Fällen  münden  auch  grössere  arterielle  Gefässstämme  in  diese  GeAss- 
geechwnlst  «n,  wodureh  dann  die  Farbe  n^r  in's  Hetlrothe  Ibergdit  und  die 
Oeschwulst  selbst  ein  leichtes  Pulsiren  zeigt.  Man  könnte  sie  daher  noch  unter- 
abtheih'n  in  vcnö«;-  und  arterioll-cavernöse  Anfriome.  Je  nachdem  das  binde 
gewebige  Balkeu-  und  Mascheuwerk  dünn  oder  mehr  massig  vertreten  ist,  fühlt 
sieh  eine  soielie  eavernOte  Geschwulst  mehr  weieb,  flaumig  oder  derb  an.  Zu- 
weilen ist  an  der  Peripherie  •  in  ■  Ivapsel  vorhanden  oder  die  Geschwulst  gebt 
ohne  Orenze  in  das  normale  (iewebe  ülu  r.  Sio  ntellen  himbeerjihnliche,  höckerige, 
zuweilen  auch  pilzartig  gestielte  Tumoren  von  stahlblauer  Farbe  mit  unveränderter 
oder  mit  gleidifalls  gefilrbter  Haut  dar,  welche  sieh  dnreb  Drtdc  verkleinem, 
sttweilen  vollständig?  zum  Verschwinden  bringen  lassen.  Je  naeh  der  dünneren 
(»der  derlieren  Beschafrenheit  des  Stromab  i-t  die  Consi^tenz  mehr  weicli,  elastisch 
oder  mehr  derb,  fast  hart.  Compriniirt  man  die  rniirebiinf;,  so  srhwillt  da.s  caver- 
nöse  Angiom  in  Folge  der  venösen  Stauung  stärker  an.  Ebenso  ist  ihr  Fullungs- 
grad  Mn  versehtedener  beim  Liegen  und  Stehen,  beim  Schreien,  im  Schlafe,  bei 
der  Verdauung  (LOCKB),  nach  Genuas  von  Alcoholica,  Gewürzen  etc.  Manches 
caverno-jo  Anpriom  wird  aufTallend  schmerzhaft,  ohne  dass  immer  ein  directer  Zu- 
sammenhaug  mit  Nerven  nachgewiesen  werden  kann.  Sie  kommen  meist  erst  in 
den  ersten  Lebensjahren,  aber  aueh  nodi  später,  suweilen  naeh  Tranmen ,  zur 
F. II t Wicklung.  Sie  wachsen  sehr  langsam,  bleiben  oft  stationär.  Knorpel  und 
Kniichen  werden  vom  vordrin°;enden  eavernösen  Anfrioni  usurirt,  weichere  Gewcb,' 
verdrilnfft  oder  durchsetzt.  Im  (iesicht  greifen  sie  nicht  stlten  durch  die  ganze 
Dicke  der  Wange ,  der  Hachen  wand ,  breiten  sieb  in  der  Mundschleimhaut  aus. 
Bezüglich  der  Prognose  gilt  das  Gldehe  wie  für  die  tiefgrdfenden  Teleangiektanen. 
Rs  ist  noch  darauf  hinzuweisen ,  dass  sie  am  Schftdel  nach  Perforation  der 
Knochen  in  das  Cnvum  crniiii  hin<'in wuchern  i^rmnen. 

Die  Art  der  Entwicklung  ist  noch  nicht  gauz  aufj^eklilrt.  Rokitansky 
gab  an,  dasa  das  eavemOse  Gewebe  urspranglieh  eine  nur  mit  GewebsflflssigkMt 
oder  Lymphe  ^cfllllte  ßindegewebsneubildnng  sei,  welche  erst  nachträglich  mit 
Blut  {retüllt  wird.  \'iRriin\\  plaubt ,  dass  zuerst  im  Nacbbar{rt'webc  der  caver- 
nösen  Goijchwulst  UrauulatioD  auftritt  und  dass  das  granulirende  Gewebe  neue 
Gef&sse  erzeugt,  welehe  ektatfoeh  werden  und  das  Zwischengewebe  zur  Atrophie 
bringen,  woraus  dann  der  cavernöse  Habitus  entstehe.  Rindfleisch  ist  der  An- 
sicht, dasH  das  eavernfise  Gewebe  sich  aus  jedem  mit  Rlnt^''ef':ls-<('ri  versehenen 
Gewebe  entwickeln  könne,  und  bezeichnet  die  Eiitwickhinfj  der  cavernösen  (ie- 
schwulst  als  cavernöse  Metamorphose,  entstanden  durch  eine  tibroide  Degeneration 
des  eapillftren  Abschnittes  der  Blutbahn.  Wahrscheinlich  sind  sie  der  Hehrzahl 
nach  ur^priiriglich  Anla<rcn  cavernöseu  Gewebes  oder  aus  plexiformen  Angiomen 
unter  K.rw  citerunjr  der  <iefiisse  zu  einem  netzförmig'  verzweigten  Ganfrwerk  nnd 
unter  Abplattung  der  Endothelien  eut^^taudeu  i^A.  v.  Winiwarteu).  Die  caveruösen 


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ANOIOM. 


Angioiue  kouimeu  vor  in  der  Haut,  dem  Interbautzellgewebe  uud  der  Schlttim- 
baut,  am  biofigiten  im  Geaiebto  und  dem  Sebidel,  seltener  lu  den  Mnekeln, 

Knochen  und  den  iuneren  Organen.  Sie  werden  aber  an  den  EztremitlUen  Öfter 
beobachtet,  als  die  Teleangiektai^ien. 

Was  den  Verlauf  der  Anfriome  tlberhaiipt  unlängst,  so  tritt  Seiten 
Naturbeilung  eio  (durch  apoutane  Ulceration  und  übliteratioo  der  GeHlsse  durch 
BlDl;gerinnnng,  oder  Umwandlang  der  eavemOaen  Anglome  in  C^«len),  in  den 
meisten  Fftllen  beobachtet  man  ein  weiteres  fortschreitendes  Wacbstbam. 

Vielfach  k<imnit  anf^iomilhnliclie  Get";ts8cntwicklun^  in  anderen  Neu- 
bilduDgeii  vor,  so  im  Myxom,  Lipom,  Fibrom,  Sarcom,  Carcinom.  Diu  Blut- 
geftsse  bilden  gewissermaasen  das  Strome  flir  das  Oeeebwulstgewebe.  Man  apriebt 
dann  von  „Angiosareoma"  oder  „Myxoma  teleangiektode>?",  ..cavernosum".  Docb 
werden  diese  (icschwtilstformen  mit  Ürclit  nicht  zu  den  Anirionien  frerechnet  und 
demzufolge  auch  nur  unter  den  betretteudeu  Geschwulsiabtheilungen  besprochen. 

Die  Diagnose  der  einfaeben  Angiome  ergiebt  sieb  aui  den  früheren 
Bemerkungen,  wdobe  aneb  die  massigen  tiefgreifenden  Teleangiektasien  von  den 
cavernösen  AiiLnomen  unterscheiden  lassen.  Kine  g^rftssere  Scliwii-ri^keit  ist  e«, 
dagegen  zuweilen,  diese  einfachen  Angiome  von  Conibinationsforuiea ,  resp.  von 
anderen  sehr  gefässreicheu  Geschwülsten  zu  unterscheiden.  Die  Thatsache  des  Au- 
geborenseins  des  Tnmors,  ihre  langsame  oder  sebnelle  Entwleklnngsweise ,  das 
Alter  des  Patienten,  die  Besebaffisnheit  dos  Tumors,  Excision  kleiner  Partikel 
u,  Ae.  m.  können  immerhin  genng  Anhaltspunkte  znr  Stellung  einer  richtigen 
Diagnose  geben.  Im  I'ebrigen  ist  bei  rasch  wachsenden  massigen  Teleangiektasien 
nod  earernOsen  Angiomen , ohnehin  operatives  Bingrdfen  geboten. 

Behandlung.  Rasches  VVaehsthum  und  eosmetisebe Störungen  sind  die 
beiden  llauiit^TÜnde,  weiche  dii'  Üi  haiuilunp,  re.sp.  Beseitigung  der  Ari^rionie  iiuth- 
wendig  machen.  Es  kommen  hierfür  in  l'rage :  1.  die  gänzliche  Ktitternun.,'  des 
Angioms,  2.  der  Verschluss,  resp.  die  Verengerung  der  blutzuführenden  tief!t>se, 
3.  Narbenbildung  innerhalb  des  Angioms,  4.  Blntgerionung  bemrkende  Mittel, 
5.  die  Zerstörung  de<<  kranken  Gewebes  im  Angiom. 

l.Zur  fiänz liehen  Entfernung  des  Angioms  ist  d.ss  railicalste 
und  zwuckmässigste  Vorfahren  die  Excision  mit  dem  Messer.  Flache  rcie- 
angiektasen  werden  je  naeh  Sita  und  Form  ausgesebnitten  und  die  Wnndrflnder 
sofort  durch  -lattf  Naht  geschlossen,  tie&itzende  entweder  nach  vorheriger  Spal- 
tnnir  der  (leckeiHleti  Haut,  oder  wenn  diese  seiher  erkrankt  ist,  mit  derselbeu 
vorsichtig  aus  dem  normalen  Gewebe  auspräparirt ,  dann  die  rcstirendon  (ielilss- 
strfinge  unterbunden.  Hierauf  Sebluss  der  Wunde  durch  exacte  Etagennäbte.  Diese 
genügen  unter  Umständen  auch  für  sich  allein,  um  naobtrXgliehe  Blutung  sicher  su  stillen. 
Als  Wutidverliand  empfiehlt  sich  ein  kleiner  einf.ichcr  .Iodoformcolli>dium- Watte- 
verband, welcher  eine  aseptische  Wunde  Iiis  zur  Heilung  aseptisch  zu  erhalten 
vermag  und  zugleich  etwas  cumpriaüroad  einwirkt.  Doch  dürfen  —  wenigsteus 
aaob  meinen  Erfahrungen  —  SeidenAden  dann  nieht  su  frOb  entfernt  werden, 
wei'  die  Wumleii  unter  dem  Jodoformcollodiumverband  auffällig  reixlos  erhalten 
bleiht  ii.  Jo  nach  dem  Sitze  und  der  Ausdehnung  der  An;;ionie  kommen  plastische 
Operati<men  in  Frage,  für  welche  natürlich  die  gleichen  Gesetze  giltig  sind,  wie 
flberhaupt. 

Um  die  Blutung  möglichst  einzuschränken,  ist  es  nach  meiner 
Erfahrungen  nfltziich,  Seidenfadenschiingen  durch  die  umgebenden  Weichtheile 
zu  legen.  Diese  werden  entweder  provisorisch  festireknUpft  oder  nur  wilhrend  der 
Excision  vom  Assistenten  straft*  angezogen  und  dienen  dann  auch  noch  bei  der 
Maht  sum  leiehtoren  Aneinandersieben  der  Wundrftnder.  Ich  ha*i«  mit  diesem 
einfaeben  Verfahren  wiederholt  auch  andere,  enorm  gef.issreiclic  Ceschwülste  des 
Oberkiefers,  der  Zunge  u.a.  in.  ohne  nennenswerthe  Blutung  cxstir[)irt.  .^ollle 
in  einem  Falle  die  Blutung  nach  der  E.\cisiou  sehr  betrilehtlich  sein,  s  >  kaun  die 
Wunde  mit  Jodoformgase  tamponirt  und  erst  awei  Tage  später  genftht  werden. 


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ANGIOM. 


15 


Die  rnterbinduu?  der  (Jaroti.t  communis  hei  Kindern  auszufiihioii.  was  A.  v.  WiNr- 
WAUTEu  bei  der  Esstirpatioa  grosser  Aogiume  ia  der  Nähe  des  Auges,  der 
Parotisgegend.  TorsehUgtr  und  aoeh  neuerdings  von  Casblli  anflgefUhrt  warde, 
halte  ieh  nicht  fflr  geraehtfertigt.  —  Bei  Behr  ausgedehnten  Angiomen  itt  öfter 
wiederholte,  partlelli;  Rxstirpation  von  Keilen  mit  naehf  il-render  Naht  iiiid  Com- 
pression  etiiplolileti  worden.  Die  Krfolge  dieses  Verfiihrens  sind  niclit  immer 
ermutliigeud ;  nur  auHniiboisweiae  gelingt  es  so,  ausgedehnte  Augiome  zu  eutlerneo, 
weil  xnw^len  die  Narbe  sofort  wieder  angiomatfls  verändert,  das  faeiast  von  sahl- 
reiehen  neuen  GefilKsvn  durchsetzt  wird.  Abgesehen  davon  ist  das  Ei^bnlss  aaeh 
in  cosmeti^eher  Hinsicht  meist  nieht  »ehr  günstig.  ludess  ist  man  in  manchen 
Fällen  gezwungen,  sich  auf  dieses  \  ertabren  zu  beschränken. 

Die  Blnt^nittng  durch  Liqmr  Ferri  setquichlortUi  oder  mit  EiseDchlorid- 
wattetampons  ist  absolut  an  verwerfen,  weil  ne  fast  stets  nachtrBglleh 
Eiterung  und  eine  1.1ii,!r<T  dauernde  Sel)orfali>t(is-;nTi;?  setzt. 

lu  jileieher  Wci.^e  muss  ieh  die  Anweuduug  dtr  i.(ij?atur  zur  Absch  nürunj?, 
Abbindung  von  Angiomen  absolut  verwerfen.  Sie  ist  eine  unnütze 
und  Überdies  nicht  ungeAhrliehe  Quälerei  und  passt  nicht  recht  in  das  Gebiet 
der  modernen  aseptischen  Chirurgie:  auch  die  Abtragung  der  Angiome  mittelst 
des  Prahteera-jetir.^  vun  Mais^onnki  VF,  dder  mittelst  eines CHA.s.>^Aif.\Ao'sebenEera8eur8 
kann  ich  nicht  empleblen.  Anders  steht  es  mit  der  Abtraj^^ung  mittelst  einer 
galvanocaustisehen  Qlflhschiiage.  Dieselbe  kann  bei  leicht  abgrensbaren 
Angiomen,  aber  auch  /.iir  partiellen  Esdnon  bei  ausgebreiteten  Angiomen  benutzt 
werden.  Doch  gelingt  es  dabei  keineiweg^  immer  sicher,  die  Blutung  zu  vermeiden. 
Die  oben  angegebene  Exeisiou  unter  Anwendung  provisorischer  Nahtschlingen  wirkt 
meines  Erachtens  sicherer,  ormöglicbt  überdies  stets  die  Naht,  was  gerade  bei 
diesen  cosmetischen  Operationen  wichtig.  (Betreft  der  Anwendnngsweise  der  gal- 
vanischen Schlinge  vergl.  man  die  hetrelfenden  Abschnitte.^ 

Die  Alitragung  mit  dem  Thermoeauter  ist  noch  schwieriger  durehfiilirl»ar ; 
dieses  Instrument  eignet  sich  besser  für  eine  der  unten  folgenden  Behaudlungs- 
methoden. 

2.  Der  N'erschluss.  respective  die  Verengerung  der  blut- 
z  n  f  fl  h  r  e  ml  (•  n  (Itif-lsse  hat  in  den  meisten  Fillien,  in  welchen  er  bisher  ver- 
sucht wurde,  Ii  e  i  u  e  ii  Erlolg  auf  das  Verschwinden  der  Angiome  gehabt. 

3.  Um  durch  Vernarbung  den  Schwund  des  Angioma  herbei- 
auftthren,  hat  man  Vaccine,  eiterbildende  Substanaen  verschiedener  Art  einwirken 
lassen.  Die<«">;  Verfahren  ist  nicht  zu  empft'lileii. 

Mit  nu'lu-  IJercehtigung  können  parenchymatöse  Injei-tioium  von  .Sub- 
stauzen,  welche  theils  eoagulirend,  thoils  gefässverengeud,  theils  entzünduugserregend 
oder  nur  entattndungserregend  einwirken  (wie  Tannin,  Carbolsäure,  Argenfum 
nitricum,  Ergotin  u.  A.),  angewendet  werden.  In  einzelnen  F.lllen  ist  hiernach 
Erfolg  erzielt  worden.  Lndens  gilt  fUr  die  <  oagulatioo  (I)  herbeiführenden  Substanaen 
da>iselüe,  was  im  Folgenden  angegeben  wird. 

4.  Blutgerinnung  bewirkende  Mittel.  Vorzugsweise  ist  hierzu 
Liquor  Fcni  s'si/uic/tforfifi  benützt  worden  (PitAVAZ,  Lai.lkmand).  Man  giebt 
die  Vorselirift ,  ilii'  rni^^t-Kiing  des  AiiL'i'»ms  mit  den  Fingern  oder  mit  einer 
elastischen  ßiude  genau  zu  eomprimiren,  dann  unter  streng  a.septi8chen  Massregeln 
mitteist  PfiAVA^'scher  Spritze  langsam  2 — 3  Tropfen  einzuspritzen,  die  kleine 
Wunde  mit  Jodoformcollodium  zu  bestreichen  und  erst  nach  dnem  weiteren  kurzen 
Zeiträume  die  Compri  ssion  zu  lösen  und  einen  Watteverband  darflbcr  zu  legen. 
Je  nach  der  Grosse  des  Angi^ms  soll  das  gleiche  Verfahren  in  der  gleiclien  Weise 
gelegentlich  an  anderen  StelU  n  wiederholt  werden.  An  der  Eiostichstelle  entsteht 
io  Folge  der  Goagntation  eine  Hftrte ;  snweiten  spSter  eine  Eiterung,  unter  welcher 
das  (\tagulum  eiimiiiirt  wird.  Allmfllig  soll  vollkommene  Schrumpftmg  erzielt 
werden.  Trotz  aller  \or<icht8massregeln  sind  jedoch  h  i  e  r  l>  e  i  Todesfälle  vor- 
gekommen, indem  sich  die  Coagulation  bis  zum  ilerzeu  ausdehnte  oder  zu 


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16 


ANGIOM. 


Embolien  führte.  Wenifrer  ]2:efährlic'b  wird  die  Methode  in  der  Modification  von  Kosfr, 
welcher  vorher  ausgekochte,  mit  EisensesquichloridlösuDg  getränkte  BaumwoUenl'ädea 
dnroh  das  Angiom  dnrcbzaziehen  anempfaU.  Die  Qerinoseibilduog  soll  sich  hierbei 
■ni*  «of  die  alehito  UmgebnDg  der  Flden  beadirlnken.  JodoformeoUodininverbaiid. 

Sebald  sich  die  Fäden  lockern,  werden  sir  aiiKjrozof^cn.  Es  entsteht  eine  raflssige 
entzündliche  Koaction,  welelit'  schliesslich  zur  Sebniuiptunfr  führt,  v.  Wi.vnvARTKft 
aab  sehr  gute  Kesultate  mit  der  Anwendung  dieser  KoäEK'scheu  Füdeu,  hält  sie 
für  mig^hilieh  nad  beeonden  fBr  massige  Teieangiehtasien  geeignet.  Beim 
Dnrohcieben  der  Faden  mittelst  gekrUmmter  Nadeln  muss  auch  die  Umgebnog 
oomprimirt  werden.  Ausserdem  sind  Injectionen  von  Alkohol  (.S<'Hwalbk),  Ueber- 
osmiumsäure  (v.  Winiwarteb)  empfoblen  worden.  Letztere  bringt  da»^  Angiom 
aar  Hnmifieation,  eignet  sich  aber  wegen  der  SehwarsArbnng  der  Umgebung  nicht 
fDr  die  Anwendung  im  Gesichte.  Auch  für  die  (}efäbrlicbkeit  der  Elektrolyse 
zur  Coajrnlation  des  Rlutes  in  Angiomen  gilt  dax  Gleiche  wie  für  die  Injectionen 
von  Liquor  Fern'.  Die  gelegentlich  enipi'olilene  Massage  verdient  keine  Nach- 
ahmung. Die  äcaritication  bat  nur  bei  flachen  Teleangiektasien  und  den  soge- 
Danntoa  FenennUem  Erfolge.  Nach  der  Searifleation  soll  ein  antiseptiseher  Verband 
angelegt  werden. 

5.  Die  Zerstörung  des  Gewebes  der  Angiome  kann  entweder 
mittelst  der  Glühhitze  oder  mit  chemischen  Aetzmittelu  gescbeben.  Für  die  Anwen- 
dnng  der  Glflhhitie  eignet  rieh  in  vorzüglicher  Weise  der  Thermoeanter  von 
Paquelin.  Man  wendet  ihn  theils  nur  an  oberfliehlicher  Einwirkung,  theils  zu 
Stichelungen  (Tgnipunctur)  an.  Let/.t«T<'  können  anch  mit  einer  glühenden  Nadel 
ausgeführt  werden.  Die  Instrumente  dUrlen  nur  rothglUhend  sein,  da  hierbei  besser 
Blutungen  vermieden  werden  wie  bei  stärkerer  Hitze.  Während  der  Anwendung 
wird  das  Angiom  eomprimirt.  Nachher  mnss  aneh  hierbei  mn  antisepüsoher  Verband 
angelegt  werden.  Jodoformcollodium  eignet  sich  am  besten  zur  Deckung  der  ver- 
sehorften  Partien.  Bei  grusser  Ausdehnung  des  Angioma  wird  die  Cauterisation 
mehrmals  in  entsprechenden  Zeiträumeu  wiederholt.  Die  nach  der  oft  vollkommen 
eiterlosen  Abheilung  bleibenden  Narben  sind  meist  sehr  geringfügig,  später  oft 
nicht  mehr  au  erkennen.  Als  Aetzmittel  sind  zu  gleichem  Zwecke  früher  vielfaoh 
Chlorzink-  oder  Arsenikp.-isten  gebraucht  werden.  Doch  sind  sie  heutigen  Tages 
wohl  mit  Keeht  gänzlich  verlassen  worden.  Man  tupft  jetzt  meist  cunceutrirte 
Chromsflare^  die  Mono-  und  Triehloressigsänre  oder  ranchende  Salpeterslure  mit 
Asbestpinsel  oder  Holzstäbcben  auf.  Dadurch  setzt  man  momentan  einen  Sehorf, 
welcher  sich  in  einigen  Tagen  abl">st.  Doch  eignen  sich  diese  Mittel  nur  für  gana 
kleine  oberflfichliche  Teleangiektasien.  Sic  la.ssen  übrigens  auch  hierbei  zuweilen 
im  Stich;  dann  bemerkt  man  nach  Abstossuug  des  lederartigen  Schorfes  sofort 
wieder  anfflllig  dunkel  pigmentirte  od«>  blanrothe,  stark  vascnlarisirte  Granulationen, 
welche  in  kurze  r  '/cit  wieder  das  Angiom  präsentiren.  Das  kann  sieh  «"ifter  wieder 
holen,  w.'ihrend  die  Excirion  mit  folgender  Naht  das  Angiom  sofort  aicher  und 
rasch  bci^eiligt. 

FOr  die  sogenannten  Fenermale  hat  man  naeh  dem  Vorgange  von  Padli 
die  T.ntowirung  fStichelung  mit  Nihnadeln  und  naehfolgendee  Einreiben  von  Farben, 
wie  BieiweisB,  Ziinnoher  u.  a.  m.)  angewendet 

Literatur:  Abjfesehen  von  den  pehränchlichen  fit-hrhücliern  der  Chirur^i«'  !<ei  der 
deutsche  Leser  anf  den  jrleiihen  Ali^chnitt  von  v.  Hofmnkl  in  der  zweiten  Autlitje  iler 
Rea]*lSD(^clnpädie,  besonders  auf  die  bctretlenden  Capitel  in  ii*r  Bearbeitung?  Ijucke's  ,,l)ie 
Lehre  yon  den  tieschwülsten  ia  anatomischer  nod  klinischer  Beziehaog",  in  Pitha  and  Bill- 
rotli'tt  Handbneh  der  allfemelnen  and  gpecietlen  Chirurgie,  II,  1.  Abth.,  Brlan^n  1869. 
jKif:  JlT.  und  «of  die  betn'ffenden  (^ipifil    in   iler  Arbeit  A.  v.  Winiwart«T"s  .,Die 

chirurgi^clieu  Krankhaitsn  der  Haut  und  des  Zellgewe!»««",  Lief.  der  Dentschen  Chirurgie, 
Stuttrari  1><J2.  verwieasB.  lii-scnuJera  letztere  Arbeit  enthält  ein  sebr  ^rrosseK  anafllbrUches 
Verzeichniss  der  fresammten  einscblägif^en  Literatur  bia  zum  Jahre  189U.  Aus  neaerer  Zeit 
ist  noch  uacbzutrup  ti ;  Panas,  Atii/iomr  aipsii/e  et  sHppurc  de  l'orhite  dans  le  cours  de 
Ia  Jilvre  tijplinidc.  Congri's  franfai.s  de  Chirurgie.  Pari.*)  li»9l.  Revue  de  chirnrg.  18*J1,  Nr.  ,o. — 
Gas  eil  i,  Unterbindang       Carotis  communi«,  dann  der  Carotis  externa  in  swei  Fallen  voa 


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AKaiOM.  —  ABTIDOIA. 


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enormem  Ani/ioiiin  cm  emosum  des  Gesichtes  mit  nachfolgender  Ignipanctur  des  Angioms 
Heilang.  VUL  ConcrMso  della  aocieta  italiAoa  di  cbirorgU  tonaUwi  4  Borna  dal  jib  «1 
S7  Octolm  1891.  BwinB.  wnd.  1891.  Oct  m.  Nov.  —  Lflek«,  Bin  Fall  Aigtoma  oriiauu 
ind«rHig1iiDon-H81i1e.  DentM^ZettMAr.  tChir.XXX,  Heltlii.2.  ]|ax  Sclittller. 

Antidite  (vwgL  Real-EneyeloiiRdia  2.  Aufl.,  Bd.  I,  pag.  89).  Es  kann  Mnem 

Zweifel  unterliegen ,  dass  das  als  Gegengift  vielfach ,  besonders  bei  Intoxicationen 
mit  Ptlanzen^ifteD  benutzte  Tannin  in  einer  anderen  Weise  verabreicht  werden 
musfi,  als  es  gegenwärtig  gewObnIieb  geschiebt.  Während  das  Tannin  die  meisten 
nnv«rbiiBd«ieB  Alkaloide  ftlH,  fet  es  veradiiedenen  AlkaloidnlnB  g«g«iiaber  kein 
Fällongsmittel.  Besonders  gilt  dies  für  verdünnt»  I^aoogeD  solcher  Salze ,  wie 
sie  den  Patienten  «rewf'ihnlieh  in  die  Hände  kommen.  So  wirken  z.  B.  2^3  und 
7>/j<>  oigc  Tanninlösung  nicht  auf  P/oigeMorphinbydrochloratlöBUDg  ein,  während 
concentrirte  Horpbinsalfatlösung  dadaroh  leicht  gefällt  wird. 

Nach  Palck  nnd  Kiefer  geben  verdtlnnte  (2i/.<>  'o>^)  TanninlOsnngen 
Fflllunprcn  in  diluirten  I.ösungeo  von  Brechweinstein ,  HöHen^tcin .  Bleiacctat 
und  -Nitrat.  Kupfer  und  Zinkacetat.  Dioritaliü ,  Antipyrin ,  ThalliiiHuIfat .  Coi- 
chioin ,  sowie  der  .Salze  von  Atropin ,  Brucin ,  Codein ,  Muscarin  und  Veratrin. 
Es  kdnnen  also,  da  v<m  den  nwiften  Alkaldden  die  Salse  allein ^  nieht  aber  die 
unverbundenen  Alk.-iloide ,  Craaehe  von  Intoxieationen  werden ,  und  da  bei  den 
Aikaloide  enthaltenden  Pflanzen  jene  im  Magen  za  Hydrochlorid  werden ,  Tannin- 
lösungen  nur  in  einer  äasserst  beschränkten  Zahl  von  Vergiftungen  von  Nutzen 
sein.  Aneb  findet  im  Hagen  sweiftileohne  bei  der  Hehriahl  der  von  Tannin  er^ 
zeugten  Flllnngen  eine  WiederanflOsung  dieser  statt ;  nur  Colchicin-  und  Digitaleln- 
fällungen  werden  in  0'25''  o'ger  Salzsäure  nicht  aufgelöst  Bei  mehreren  Fällungen 
wirkt  aber  auch  ein  reberachuss  von  Tannin  lösend,  so  wird  die  Fällung  mit 
Brechweinstein  durch  das  löfache,  das  Digitalinpräcipitat  durch  das  SQfache  von 
Tannin,  die  Niedersehlige  in  Kupfer»  nnd  Zinltaeetat,  in  Atropin,  Codeni, 
Strychnin  und  Veratrin  durch  noch  geringeren  Uebersohuss  von  Gerbsäure  ge- 
löst. Nur  d.is  Colehicinpräcipitat  iTist  sich  im  Tannin UberschuRse  nicht  auf,  wohl 
aber  leicht  iu  Alkohol.  Auch  andere  lannate.  z.  B.  von  Digitaleln,  Aconitoxin, 
Atropin,  Colchiein,  Conün,  CyUsin,  Morphin,  Nicotin,  Strychnin  nnd  Veratrin  lOsen 
sieb  (suni  Theil  sehr  leicht)  in  Spiritu.s.  so  dasä  sich  bei  ihnen  die  Anwendung 
gerbstofThaltigen  iJothweines  und  der  auf  das  T.inniu  folgende  innere  Oebrauch  von 
schweren  Weinen  oder  Cuguac  als  Excitans  verbietet.  Man  kann  inde^s  den  Werth 
des  Tannins  als  Antidot  bedeutend  dadurch  erhöben,  dass  man  mit  ibm  Natrinm- 
aeetat  oder  Natrinmbiearbonat  miseht,  wodurch  nicht  allein  die  in  verdQnnter 
Salzsäiin'  wieder  aufgelösten  Tannate  aufs  Nene  :iiis;^ef!tllt ,  sondern  auch  eine 
grosse  A  tizahl  .*^t(>fVe  prfleipitirt  werden,  welehe  Tannin  allfin  nieht  fällt.  So  ent- 
stehen durch  Vermischung  von  J'anniu  und  Natriumbicarbonat  auch  Fällungen 
mit  Sublimat,  Knpferoblorid ,  Kupfemitrat,  Kupfersulfiit,  Knksulfat,  sowie  mit 
Selxen  von  Aporoorphin  ,  CocaYn ,  Couiin  ,  Cytisin  ,  Nicotin ,  Physostigmin ,  Pilo- 
carpin .  Solanin  und  Str\chnin.  T  eberschfissiges  ßicarbonat  löst  die  Fällungen 
von  CodHn,  Cytisin,  Solauiu,  Nicotin  und  Physostigmin  wieder  auf.  Setzt  man 
Natriumaeetat  an ,  so  tritt  die  Fällung  bd  allen  erwähnten  lletallsalsen  mit  Ana- 
nnhme  von  Silbernitrat  nnd  bei  allen  erwihnten  organisehen  Verlnndnngen, 
Dig^taleYn  und  Pby.so8tigmin  ausgenommen,  ein. 

Als  chemisches  Antidot  ist  das  Ooldclilorid  besonders  bei  solchen 
giftigen  Stoffen  vorgeschlageu ,  in  denen  ein  giftiger  Eiweisskörper  das  wirksame 
Prindp  darstellt.  Man  glaubt  darin  ein  Antidot  des  Sdilangengillea  (s.  d.)  ge- 
fanden zu  haben ,  doch  scheint  nach  den  umsichtigen  Versuchen  von  Kanthack 
es  wenig  zuverliissi? .  da  es  zwar  bei  augenblicklicher  localer  Anwendung  die 
Wirkung  iuoeulirten  Schlangengiftes  zu  verhüten  vermag,  aber  bei  der  locaieu 
Behandlung  von  der  Cobra  gebissener  Thiere  niemals  lebensrettend  wirkt.  Jeden- 
falls i^t  von  interner  oler  nitriivenöser  Anwendung  dieses  Antidots  zum  Zwecke 
der  Vernichtung  des  in  das  Blut  ttbergegaagenen  Proteotoains  des  Schlangen- 
£nc>-clop.tJalirbäoher.  KI.  2 


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16 


AMIIDOIA. 


giftes  niobts  zu  erwarten;  durch  Eänqnritnuig  schwacher  Goldchloridlfltungen  in 
die  Venen  wird  der  Eintritt  des  Todes  bei  Vergiftong  mit  Schbuigengift  weder 

verhütet  noch  verzögert. 

In  Ihalleber  Weise  trte  das  CtoMohlorid  ist  ssh«»  in  ftrflherer  Zdt  das  K  « I  i  n  m- 
hypermanganat  bei  Sdilangenbissen  verwendet  worden,  fflr  dessen  loeale  An» 
Wendung  bei  Klapperschlangen  neuerdings  Babesr  auf  Grand  von  \)  ^tin^ti^r  verlaufenen 
FAUen  plaidirt.  Man  soll  die  Bisswnnde  and  das  ganze  entzündete  Gewebe  tief 
inddixen  nnd  die  Wanden  mit  15*>/oiger  Solution  auswaschen  und  gleichzeitig 
die  fiisswnde  mit  eiaeaa  Krens  von  bjeeHMeo  mit  derselben  lAvmg  nmgeben. ') 
Dasselbe  Mittel  empifiehlt  KOBSA  *)  bei  Vergiftung  mit  Blansflure  und  Cyankalium, 
um  diese  in  ungiftige  CvansJlureverbindungen  (iberzufahren.  Reim  Menschen  soll 
0*3 — 0'5%ige  Lösung  zu  ^  3  Liter  in  geeigneten  Filllen  verabreicht  werden.  Bei 
Thieren  erfolgt  nnter  reehtBeitiger  Anwendung  Lebensrettnng  selbst  naeb  Blau- 
säure^aben,  welche  die  tödtliche  Gabe  nm  das  Zehnfache  (Ibertreffen.  Nicht  ohne 
Bedeutung  scheint  die  von  l'ngam  aus  mehrfach  empfohlene  Anwendung  des 
Kaliumpermanganats  bei  acuter  Phosphorvergiftung.  Bekanntlich 
sind  die  Oxydationsstufen  des  Phosphors  Blmntlioh  weniger  giftig  als  der  elementare 
Phoqibor,  am  wenigsten  giftig  die  bOobste  derselben,  die  Orthophospborstare.  Zu 
letzterer  wird  der  Phosphor  durch  Übermanf!:an8aures  Kaliuui  oxydirt,  wobei  srleich- 
zeitig  unter  dem  Einfliisse  der  ('hlorwa^<8e^^!tort■s.1ure  des  Mafjensaftes  Kalium-  und 
Manganchlorid  iu  nicht  gittigeu  Mengen  sich  bilden.  Thierverüuche  von  Bukai 
und  KORANTI  beslitigen  die  glnstigen  Effisete  von  0*S — O'SVoiSon  Lösungen 
bei  Hunden,  deren  Magenschleimhaut  selbst  1^  0  Kaliiimjtennanganatlösungen 
ohne  Schaden  ertrJifjt.  Hei  Menschen  hat  man  selbst  nach  Anwendung  von  '»  I"  oiger 
Lösung  gute  Resultate  bei  Intoxication  mit  grossen  Mengen  Phosphor  erzielt. 

JedenfaUs  wird  es  angmMSsen  sein,  da,  wo  die  Vergiftung  frühzeitig  zur 
Kenntniss  dee  Antes  gelangt,  der  Anwendung  des  Kaliumpermanganats  die 
Magenausspfllnng  vorauRgehen  zu  lassen.  Diese  hat  in  der  neuesten  Zeit 
nicht  bl08  zur  Beseitigung  der  in  den  Magen  eingebrachten  Gifte,  sondern  aucb 
zur  Behandlung  der  entfernten  Vergiftung  rationelle  Verwendung  gefunden.  Seit- 
dem sieb  die  Bedeutung  der  Magenseblmmhant  fPr  die  Aussebeidung  versebledeaer 
Alkaloide,  namentlich  des  Morphins,  herausgestellt  hat,  aber  auefa  fflr  organische 
Gifte  dargethan  ist  liegt  es  nahe,  bei  acuten  Vergiftungen  die  Wiederaufnahme  der 
im  Magen  ausgeschiedenen  Giftmeogen  iu  die  Circulation  durch  rechtzeitige  Au^i- 
spulung  an  Terbindem.  Alt^  bat  die  lletbode  bei  Vergiftung  mit  Seblangengift 
mit  dem  Erfolge  angewendet,  dass  die  Veigiftungserscheinungen  durch  längere 
Zeit  fortgesetzte  Magenausspfllungen  wesentlich  verrinirt'rt  wurden.  Bei  manchen 
Vergiftungen  wird  mau  aber  bestimmt  neben  der  Magenscbleimbaut  und  mehr 
als  diese  die  Darmschleimbaut  als  Abscheid ungsorgan  fttr  Gifte  in's  Auge  fassen 
mOssen.  Es  gilt  dies  namentlieb  für  die  ehroniseben  MetallTergifkungen.  Die 
günstigen  Effecte,  die  man  in  manchen  F.lllen  von  Ilydrargyrose  von  Abfiihr 
mittein,  insbesondere  von  fHeum  Ricini .  gesehen  hat,  stehen  vermuthlich  mit 
der  Beseitigung  ausgeschiedenen  (Quecksilbers  in  Verbindung,  obschon  hier  auch 
mn  UhuI  des  Effeets  auf  die  Entfernung  stagnirender  Darmgesobwflrsseorete  su 
bezieben  ist. 

Von  Erregungsmitteln  bei  soporöseu  Zuständen  und  ("oUaps  ist  neuer- 
diugs  das  Stryohnin  mehr  und  mehr  eingebürgert,  z.  B.  für  sich  oder  in  Ver- 
bbdung  mit  Älkobol  bei  Verletzungen  dureh  giftige  Schlangen.  ^)  An  Stelle  des 
Hkrotozins  ist  bei  Vergiftungen  durch  narkotisdie  Mittel  (Cbloral,  Urethan. 
Amylenhydrat ,  Paraldehyd")  nach  Thiervcrsuchen  das  Coriamyrtin  i-^.  d.> 
empfohlen  worden.  rntersuchunL'eii  Koitkn  s  '1  (Iber  den  Antagonismus  der  Hirn- 
krampfgifte und  der  uarcotischen  (iehirngifte  ergeben,  dass  es,  wie  übrigens 
sebon  dureh  ältere  Versndie  bekannt,  unmOglieh  ist,  dnrob  Pikrotozin  oder  Coria- 
myrtin  die  narcotisirten  Thiere  dauernd  aufzuwecken ,  dass  sie  aber  die  Dauer  des 
Schlafes  abzukürzen  und  ausserdem  den  gesunkenen  Blutdruck  und  die  herabgesetzte 


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ANTiDOTA.  —  ABSENOPHAGIfi. 


19 


Frequenz  und  Tiefe  der  Athmung  zu  steigern  rermögen.  Coriamyrtin  wirkt  in 
dieser  Beziehnn?  energischer  als  Pikrotoxin  und  aoheint  deher  theoretiMh  den 

Vortag  vor  diesem  zu  besitzen. 

Literatur:  ')  Kiefer,  Tannin  al.s  Gegengift.  Dias.  Kiel  1892.  —  *)  KautLack, 
CSitoride  of  ifold  as  a  remfdy  of  cobra  poiaon.  Lancet.  11.  .June  1892,  pajf.  1196.  — 
*)  Bftrber,  J>ie  Behandlung  von  Kiappwchlangenbi— n  mit  abarmanganMurvm  Kali.  Therap. 
XoBatKfar.  VI,  pag.  211.  —  *)  Koiia,  Kaliam  permaaganicom  als  Oegwmittd  htA  Cjran- 
v«rgiftnngeti.  Ebenda.  VI,  pag.  549.  —  *)  Bökai  und  Koran  vi.  Ebenda.  VI,  paR.  159; 
Hajaos,  pag.  323;  Erdös.  pag.  562.  —  ")  Leineweber,  lieber  die  Eliminatiuu 
aabeataa  injidrter  Arsneinittel  durch  die  Magenschleimhaut.  Göttingen  1883.  —  '')  Alt, 
üntersnehungen  über  die  Ansscbeidnng  de»  Schlangengiftes  dnrch  den  Magen.  MttndMlMr 
med.  WocheuBchr.  1H92,  Nr.  41.  —  *)  Lander  Brunton,  Remarka  on  snake  venom.  Brit. 
med.  Juiim.  3.  Jan.  1891,  pag.  1.  —  *}  Küppen,  PikrotBKin  iBd  Coriamyrtin  alj  OoUap»> 
mitteL  Arch.  f.  exper.  PathoL  XXIX,  pag.  327.  Hasenann. 

AntiSpaSmin.  Dieser  Name  wurde  von  Prof.  Dehme  einem  Präparate 
gegeben,  welches  eine  Verbindung  von  1  Molekül  Nnrce'innatrinm  mit  ?>  ISfnlekülen 
Natrium  Halieylic,  darstellt  und  etwa  50°/ a  Narceln  enthält.  Wegen  ihrer 
geringen  LOeUehkdt  wurden  bhlier  Nnnehipräparate  nur  selten  venneht.  Das 
Antispasmin  stellt  nun  ein  weisaliches,  etwas  hygroskopisches  Pulver  dar,  welches 
sich  in  WaHser  Rehr  leicht  zu  ein»?r  schwach  gelblich  geförbten  Flüssigkeit  löst. 
Die  Kohlensäure  der  Luft  wirkt  nach  einigen  Tagen  zerlegend  auf  die  Verbindung 
ein,  indem  ein  Theil  des  Alkaluides  ausHUlt,  das  Präparat  ist  daher  vor  Feuchtigkeit 
nnd  Luft  gesehotst  anfsabewahreo.  Nndi  ftersOnlieber  MtttheÜong  von  Dbmmb 
an  E.  Merck  wirkt  das  Antispasmin  bei  Kaninchen  erst  BU  1  Gm.  pro  Kgrm. 
Thier  absolut  letal,  in  kleinen  Gaben  von  1  Cgrm.  bis  1  Dgrm.  ist  es  für  Kinder 
ein  absolut  nnsch&dliuhes  Sedativum  und  Uypnoticum.  Demme  versuchte  es  bei 
Tuans  eonvuUiva  in  jener  Oabe.  Schwere  KencUinstenaniiUe  erfordern  O'l  bis 
0'2  Grm.  pro  die.  Rp.  Antispasmlnt  X'O.  Aquae  amygdalar.  omar.  10*0. 
1 — 2mal  täglich  15  Tropfen  mit  Himbeersaft  oder  Zuckerwasser,  bei  Pertussis» 
von  Kindern.  AI«  iSedativum  bei  Ilu.Hten  Erwachsener  in  folgender  Formel:  Anti- 
gpaamint  0-5,  Aq.  dest.,  Spirit.  vini  Cognac,  Sirupi  Mororum  au  30*0.  D.  8. 
3mal  VkgXith  1  EsslOlFel  voll  zu  nehmen.  Das  Mittel  ist  bisher  von  anderer  Seite 
nieht  versneht 

Literatur.  E.  Merck  (Darintitadt).  Beliebt  über  das  Jahr  189^.  Loebiseb. 

Antithemiill  (Plienylb7dnsin.Uvnlinaure),     H^, .  NH .  N  = 
=  C  ^^^^  ~  CH,  —  COOH ,  von  NIOOT  (Les  nonv.  rem^.  1887,  pag.  103)  als 

Anlipyretienm  empfohlen,  wurde  von  H.  DfiOBMBB  an  Thieren  nnd  an  gesunden 

und  kranken  Menschen  neuerdings  geprüft.  Die  Giftigkeit  des  Phenylhydrazios 
wird  dnreh  die  \'i>rhindung  mit  Lftvulinsäure  nur  wenig  gemildert.  Das  Mittel, 
welches  in  Gaben  von  I  Grm.  die  Temperatur  im  Latife  von  4  Stunden  um  2*^  C. 
herabsetzt,  zeigt  sehr  unangenehme  Nebenwirkungen,  welehe  auf  den  lähmenden 
ESnilnss  des  Antithermins  auf  die  Vasomotoren  auraeksnlllbren  sind;  bei  ge- 
schwiichten  FVrsonen  wäre  das  Mittel  nur  mit  grosser  Vorsicht  anwendbar. 
ÜROb.NKK  verabreichte  da^  Mittel  bei  Phthisis  [mlmoHUin  und  bei  Morb,  Brigittii 
in  Gaben  von  0*2  (inu.  täglich  3mal  in  Oblaten. 

Das  Antithermin  stdit  farblose,  in  kaltem  Wasser  unlOsliehe,  in  beissem 
Alkohol  und  in  Äetber  lösliche  Krystalle  vom  Sehmelzpunkt  lOS«  C.  dar.  Der 
heiss  bereiteten  öprocentigen  alkohoHscbeu  Lö.^ung  von  Antithermin  kann  man 
beliebig  viel  Wasser  zufügen,  ohne  dass  eine  AusMcheidung  desselben  statthat. 

Literatur:  H.  Drobner  (Lemberg),  Ueber  A  n ti tb e rmin.  Wiener  med.  Pr. 
1892,  Nr.  14  n.  15.  Loebiack. 

Arsenophagie  ^vergl.  Keal  -  Encyelopldie  2.  Aufl.,  Bd.  I,  pag.  G86). 
Die  Sitte  des  Arsenikessens  besehrinkt  sieb  gei^nwärtig  auf  die  nOrdliehen 
Theile  von  Steiermark,  namentlich  sind  die  Besirke  Hartberg,  Lampreeht,  Leoben 

2» 


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ao 


ABSEMOPüAGIK 


lod  Obergeising  Sitz  der  Arsenikesser,  wfibreod  im  Sudeu  der  Steiermark  nur 
m  der  Oep^end  von  Pettau  die  Unsitte  existirt.  rehprall  anderswo  kommt 
Arsenophagie  nur  vereinzelt  vor.  1d  Baiern,  wohin  der  erste  Schriftsteller, 
welcher  der  Arsenikeaser  gedenkt,  Thilbnius^),  diese  verlegt,  ist  Arsenikesien 
nicht  flblieh,  wenn  es  nieht  etwa  in  grtsster  Heimlidikeit  betrieben  wird.  Auch 
in  Steiermark  wird  Arsenik  jetzt  nur  im  Geheimen  benutzt,  so  da^s  e>«  nicht 
auffallen  kann,  wen»  fremde  Aerzte  bei  teniporiirem  Aufenthalte  davon  nichts 
ooustatiren.  Die  Thataache  der  Existenz  der  Arsenophagie  iu  .Steiermark  ist 
sebon  1822  dnrdi  einen  Oeriehtifdl  beaeugt,  in  welehem  eine  Preispreehnng 
wegen  Giftmordes  daieli  Annen  erfolgtei  weil  mau  annahm,  dass  der  Verrstorbene 
Arsenikesser  g-ewesen  sei.*)  Völlig:  sicher  festgestellt  wurde  sie  I861'  dureh 
E.  ScuÄi<'KB der  zaerst  iu  dem  L'rin  eines  steirischeu  Arsenike^sers  die  An- 
wesenheit von  As  ehemiseb  ntehwies,  nnd  zii  gleicher  Zeit  wurden  aueh  auf 
Ann^rnng  Vestas  von  den  AmtsSrsten  in  Stdermark  ofßcielle  Berichte  er- 
stattet, die  M-enio^^stpna  die  vielfach  ^"-eftus^^erten  Zweifel  (Iber  die  Existenz  der 
Arsenopha;2;ie  jranz  beseitigten.  18  7.'»  ntellte  Dr.  Kn.vi'P  *)  der  in  Graz  ta;;enden 
Naturforscberversammlung  zwei  Arseuikesser  vor,  die  coram  puUico  Arsen  und 
AnriiMgment  Versehrten.  1888  konnte  Knapp  acht  derartige  Arsenikesser  beob- 
aehten  und  Hans  Büchner  in  dem  Harne  von  vier  dieser  Arsenophagen  As 
constatiren,  dessen  Menge  in  einem  Falle  snorar  0  02.'»  Orni.  betrug. 

Dass  der  habituelle  Genuas  des  Arsens  keine  .'Schädigung  der  Gesund- 
heit bei  den  steirisehen  Arsenessem  hervorbringt,  aueh  wenn  er  mehrere  Deeen- 
nien  fortgesetst  wird,  beweist  der  Gesundheitszustand  der  acht  von  Knapp  und 
Büchner  untersuchten  Giftesser,  welche  sämmtlich  gesunde  rüstige  Mftnner  »dine 
jegliche  somatische  oder  psychische  Störungen  uud  tilebtige,  Heissige  Arbeiter 
waren,  und  daas  sich  unter  ihnen  ein  66jähriger  Mann  befand,  der  schon  von 
seinem  30.  Lebensjahre  an  Arsen  eonsnmirte.  Mehrere  Arsenikesser  sind  be- 
kannt, die  ein  hohes  Alter  (75,  selbst  81  Jahr)  erreichten.  Die  vf»n  Einzelnen 
als  Effect  der  Arsenikalien  hingestellte  Verminderung  der  Oe^chlcclitspotenz 
wird  an  den  steirisehen  Arsenikessern  nicht  beobachtet;  in  maucheu  Eftllen 
sehetnt  geradesu  das  G^^theil  stattBufindeu.  Ebensowenig  kommen  Arsenik- 
Uhmnngen  vor. 

r>ie  Annahme,  driss  die  Arsenophagen ,  um  die  erwiinsehten  ^\  rl<iin^'eu 
zu  erzielen,  stetn  eine  Steigerung  der  Dosis  bedürfeu ,  ist  irrige.  Einzelne  Arsunik- 
esser  setzen  später  geradezu  die  Menge  der  einzunehmenden  Arsenverbindung 
herab.  Allerdings  sehMnen  auch  bei  vollständigem  Aufhören  der  Arseniksnfuhr 
Inanition.Herscheiuungen  aufzutreten ,  die  sieh  in  grossem  Unbehagen,  allgemeiner 
Schw.lche  und  Mattigkeit  finssern.  Zu  v<dlkommener  Imniunititt  ;;egen  Arsenik 
konkmt  es  auch  bei  den  steirischeu  (iiftessern  nicht;  vielmehr  liegen  Meobach- 
tnngen  schwerer  und  selbst  tOdtüeber  Arsenvergifltungen  bei  solchen  vor,  die  im 
Bausch  grössere  Quantitäten  zu  sich  genommen  hatten.  Da^s  flbrigens  für  den 
nicht  an  Arsen  Gewöhnten  toxisebe  Mengen  von  den  Oiftessern  verschluckt 
werden,  beweisen  jene  öffentlichen  Vorstellungen  in  (iraz,  bei  denen  0'4  Grm. 
arseuiger  ^nre  genommen  wurde.  Das  Gift  wird  gepulvert  und  mit  Brod  oder 
Speck  genommen ;  Einzelne  trinken  Schnaps  darauf«  Andere  vermeiden  Fett  oder 
Flüssigkeiten,  besonders  Wasser.  Die  Zwischenr.Mume  /wi^dieu  den  einzelnen  Ein- 
nahmen .>!chwanken  zwischen  2,  .'i.  8 — 14  Tagen.  Mau  L^cniisst  entweder  arsenige 
SSure  oder  das  vom  Volke  als  Hitterich  i>der  HUttrach  bezeichnete  Auri- 
pigmcnt,  das  in  der  Bogel  10 — 20,  mitunter  selbst  30*/o  vsenige  Säure  ent- 
hält. Das  Gift  scheint  zum  Theile  ans  den  in  f^teiennark  zahlreichen  Glashflttcn 
und  aus  Materialw.i.irenhandlungen  besogen,  theiis  von  hemmsiehenden  Hausierern 
geliefert  zu  werden. 

Bei  den  leisten  Erhebungen  konnten  Arsenikesserinnen  nieht  eonstatirt 
werden,  doeh  wird  die  Existenz  solcher,  die  Arsenik  aus  kosmetischen  Bäck- 
dchten  nehmen,  von  steirisehen  Aersten  fortwährend  behauptet.  Als  Veranlassung 


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ARSENOPHA(;iE. 


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dor  (iewöhnniifr  der  Männer  an  das  (iift  ist  der  Wunsch,  gesund  und  kriltti? 
zu  werden  und  schwere  Arbeiten  mit  grösserer  Leichtigkeit  ausführen  zu  künuon, 
die  .bsvptsiehliehste.  Von  maneheD  wM  Anen  gegen  Athembesehwerden  (Atthmm, 
Emphysem)  genommen .  Vereinzelt  bat  der  Glaube,  dasH  Arsen  gdgen  Ansteekong 
bei  Typhus  und  anderen  Infectionf*krankheiten  wahre,  Anlass  zur  Hewöhnung 
gegebeu.  Bei  Kinzelnen  ist  Steigerung  der  sexuellen  Potenz  Absicht  des  Arseno- 
phageu.  Wie  man  aber  in  Steiermark  Uberhaupt  zum  Arseuesseu  gekommen 
■ei,  ist  Biebt  mebr  xu  ermitteln.  Die  Venniifbnng  von  Habik*),  m  von 
Pferdewärtern  und  Fuhrleuten,  die  berabgekommene  Mähren  durch  Arsenik  auf- 
zurichten verstanden,  sieh  ableite,  bedarf  der  weiteren  Begründung.  Allerdings 
werden  auch  in  Steiermark  die  Pferde  mit  Arsenik  gefuttert,  und  die  Pferde- 
kneebte  geniewen  des  Gift  In  Oeeellsebsft  mit  IKiglieherwelse  beben  die  selion 
im  16.  und  17.  Jabrbnndert  Arsen  gegen  Kreaklieiten  vertreibenden  Kftnigaeer 
OlitltenkrHmer  den  ersten  Anlas«  dazu  gegeben. 

Ein  i'eudaut  zu  den  Arsenessern  in  Steiermark  geben  die  Arsentrinker 
dee  Fleekes  Wbitbeck  in  Westcumberland ,  welcbe  des  Bterk  eraenbältige  Wasser 
des  ans  den  Biackeonbe  Monntains  entspringenden  Finsses  Wbltbeek  ebne  Sebaden 
zu  allen  ihren  Speisen  geniessen  und  dabei  ein  hohes  Alter  erreichen ;  doeh  ist  die 
dadurch  /ugcführtc  Arscnmenpe  viel  geringer  als  die  von  den  Steiermflrkern  genom- 
mene. Fremde,  «iie  das  Walser  von  Wbitbeck  geniessen,  bekommen  anfangt)  Trockeu- 
beit  im  Mnnde  und  Seblnnde,  gewObnen  sieb  aber  aneb  bald  aiü  dessen  Consnm.  *) 

Das  Dunkel  fiber  die  Möglichkeit,  sieh  an  grosse  to.\i8che  Dosen  von 
Arsenikalien  zu  gewöhnen,  eine  Thatsache,  die  umso  auti'iUliger  wird,  als  nach 
dem  Gebrauche  viel  kleinerer  medicinaler  Dosen  hftutig  Erscheinungen  chronischer 
Vergiftung  sieb  geltend  machen,  ist  bisher  nicht  getlehtet.  Ifan  wird  su  efaier 
Aufklimng  nicht  eher  gelangen,  bis  mau  eine  genügende  Tlieorle  der  Arsen» 
Wirkung  zu  Stande  gebracht  hat.  fJegen  die  eine  Zeit  lang  von  vieleji  .\erzten 
adi'yitiite  sogenannt«'  Schwingungstheorie,  welche  die  Arsenwirkimg  von  der 
Verbrennung  der  arseuigen  Siiurc  zu  Arsensäure  und  der  IlUckverwandiung  dieser 
zu  arseniger  Sinre  und  der  fortgeseteten  Schwingung  des  Kaoerstoffes  ableitet 
(vergl.  Real-Kncyclopadie  '2.  Aufl.,  I,  pag.  6^^),  sind  von  verschiedenen  Seiten 
I5edenken  geltend  geuLicht.  Wenn  aneb  nicht  in  Al»rede  gestellt  werden  kann, 
dass  ausserhalb  des  Körpers  das  Gewebe  von  Pflanzen  und  gewis.sen  thierischeu 
Organtbeilen  oxydirend  auf  anen>ge  SAure  und  redueirend  auf  Arsensinre  wirkt, 
80  ist  diese  Kigeuschatt  doch  nur  bestimmten  Geweben  eigenthUmlich  und  fehlt 
z.  B.  dem  Iiiute ,  ;iu;  li  den  Muskeln  und  dem  <ieliirne.  Dagegen  ist  der  wirk- 
liche Nachweis  einer  Veränderung  von  arseniger  Säure  in  Arsensäure  und  um- 
gekehrt innerhalb  des  tbierischen  Organismus  bis  jetat  nicht  durch  die  Harn- 
analyse bestätigt.  Sieber  erseheint  naeh  Arsensäurepräparateii  auch  die  grOeste 
^Tenge  als  unorganische  arsensaure  Verbindung  wieder.  Ein  Theil  aber  ver- 
wandelt sich  Cob  cnnstant ,  bleibt  /u  erweisen)  in  eine  orgnuiscbe  Verbindung, 
die  erst  nach  Zerstörung  der  organischen  Substanz  des  Harnes  durch  Schwefel- 
wasserstoff fllllbar  Ist.  Der  Umstand,  dass  die  Arsensiure  und  ihre  Verbindungen 
nur  halb  so  giftig  sind,  wie  die  arsenige  SAure  und  deren  Sal/e,  würde  aller- 
dings den  tiedanken  nahe  legen,  dass,  wenn  ein  (bisher  aber  mit  Sicherheit 
nicht  nachgewiesener^  l'ebergang  der  aiseuigeo  Säure  in  Arsenüäure  im  Tbierkiirper 
stattflndet,  vielteiebt  eine  Besehlenniguug  dieses  Uebergangs  bei  den  steiriücben 
Arsenopbagen ,  die  fast  sAmmtllch  In  fViseber  Luft  angestrengt  arbeiten  und 
viel  consumiren,  das  Zustandekommen  der  Gewöhnung  erkl.Hre.  Auch  die  bis- 
her untersucliteii  (irg:ini.-oben  Arf-enverbinduugen  stehen  der  arsenigen  Saure  an 
Giftigkeit  nach  und  kommen  vielleicht  bei  der  Gewöhnung  in  l-'rage.  Ob  gleich- 
Bell%  aneb  die  Elimination  der  Arsenikallen  bei  den  Arsenlkessem  eine  ge- 
steigerte ist,  bedarf  noch  der  Untersuchung. 

Literatur:  M  Thilenins,  Med.  thir.  Bfinerktingen.  Frankfurt  a.  M.  1h il*.  — 
*)  Schallgruber,  Med.  Jahrb.  d.  osterr.  Staates.  Gnu  I8:i2,  I.  pag.  %.  —  ^}  Schaler, 


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AB8EN0FEAGIB.  —  A8BPTI80HB  WUNDBEHANDLUNG. 


Die  Areenikesser  la  Steiermark.  Sitzongsber.  der  Wiener  Akad.  1860,  XLl.  paR.  573.  — 
*)  Knapp,  L'eber  Arscnikesaer.  Tagohl.  der  Naturforscber-Ver;*.  in  Grai  1875,  pag.  60; 
Wienw  aUgem.  med.  Zeitang  1875,  Mr.  39.  40.  —  *)  Mmfik,  Ü9hw  AnenikeMer.  Wieiwr 
UiB.  WoelMOidir.  1898,  Nr.  9,  10.  —  *)  Yarrl.  Hnseatsnii ,  Toxlkol.  paf .  882. — 
^  K.  H.  Körner,  f>m  Ißkemedeln  fnln  fifftiolng.  kern,  och  tnrik-itlogiskt  .synpunkt.  1880, 
pag.  4.  —  *)  Hosemann,  EnriMeoes  and  Hypotbetiwbes  vom  Arsen.  Deutsche  med. 
W«dMDnhr.  1882,  Nr.  60,  51.  Evienamn. 

AsStprOl.  Unter  dieseiu  Namen  empfehlen  Stacklbb  und  DUBIEF 
ß-Maphtola-monosnlfonsaireB  Galeinm  (C^o     .  ßOH  .x80s),Cft  zum 

innerlichen  Gebraaohe  bei  einer  Reihe  von  Krankheiten  iutertidgen  UrBprun^^es. 
Das  Asaprol  stellt  ein  weisses ,  neutral  reagirendes  Pulver  dar ,  Ifi«!icli  in  1  bis 
5  Theilen  Wasser  und  in  ungefähr  3  Theilen  Alkohol.  Die  bakteriologische  Prüfung 
dea  Mittels  ergab,  dass  es  in  geringer  Conoentration  den  Bottillonculturen  zugesetzt, 
dae  WadiBtliiiiD  von  Gholenbadnen ,  vob  Stg^pk^loeoceu»  auretuij  Anfbrax-  und 
TVpbuBbacillen  herabsetzt  und  sie  bei  höherer  Concentration  tndtet.  Das  Mittel 
wird  vom  Verdaiiungstract  gut  vertragen,  geht  rasch  in  den  Harn  über  und  wirkt 
nor  wenig  toxisch.  Die  tödtUche  Dosis  ist  0*5  pro  Kilo  Thier.  Das  Mittel  wurde 
bei  Hheanuitismos,  inflnenn,  Oieht,  Antiirax,  Anginen  in  Oaben  1 — 4  Gm. 
«ngebUoli  mit  gnten  Erfolge  venrertiiet. 

Literafnr:  Slackler  Pt  Dnbief,  Sole  nur  quelques  experiences  relatives  h  iine 
aoltUion  de  naj/htol  pur.  Bull.  gen.  de  Therap.  30.  mars  l&Öd.  —  Stackler,  Xote  »ur 
raaafirot.  Ibidem.  16.  jvfai  1892.  Ywgl.  «neb  Tbeiap.  Monateh.  1892.  pag.  603. 

Loeltisch. 

Asboiin,  ein  alkoholisches  Destillat  von  Kienruss,  welcbeä  von  Bracünnot 
gegen  TubereuloBe  Terwendet  wird.  Dnaaelbe  stellt  eine  gelbliche,  sirupartige 
Flflasigkeit  dar,  welehe  naeh  Bkbal  mid  Dibvighis  Breoncnteebin  und  Homo- 
brenieatoobin  entfallt.  (Phamiae.  CentralhnUe.  1898,  png.  587.)  Loebiaeh. 

Aseptische  WundbShandlung.  Nachdem  seit  Anlaug  der  Siebziger- 
Jahre  die  antiseptiedie  Wnndbehaadlnng  flberall  Aneriiennnng  nnd  Anwendung 

gefunden,  nachdem  sie  alsdann  ihre  dominirende  Stellung  nahezu  zwei  Jahr- 
zehnte behauptet  hatte,  vollzog  sich  im  Laufe  der  letzten  Jahre  alitnälig  der 
Uebergang  von  der  antiseptiscben  zur  aseptischen  Wundbehandlung,  und  wenn 
auch  dem  LiSTRfi'seben  Verihhien  mit  seiiiea  TielfiMhea  Ifodlfioationen  anr  Zeit 
noeb  eine  grosse  praktiscbe  Bedentnng  beigelegt  werden  mnss,  so  eneheint  ea 
doch  durchaus  wahrscheinlich ,  dass  die  Zukunft  der  A^tepnis  geh('>rt.  Nieht  80ll 
das  Verdientil  Listkr's  gcsehmillert  werden,  denn  er  hat  den  Weg  vorgezeichnet, 
welcher  besehritteu  werden  musste,  um  im  laugäameu  Vorscbreiten  dahin  zu  gfr> 
langen,  wo  wir  angenblieklieb  stehen,  aber  das  Bessere  Ist  eben  der  Feind  des 
Guten  und  so  geschah  es,  dass  wir  unter  Fortlaasnng  der  dem  antiseptiseh«! 
Verfahren  anhaftenden  Fehler  sehliesfilicli  zu  der  principiell  vorsebicdcnen  asep- 
tischen Methode  gelaugten  und  damit  den  ersten  Gegnern  IjISTKK  s,  welche  unter 
der  Devise  ^no  LitUrism  no  Carbtdüm"  dem  grossen  Manne  Opposition  machten, 
weit  nAber  stehen  als  letsterem  selbst. 

Um  zu  sersteben,  wie  sich  diese  bedeutsame  W:indlun;r  vnllz'Mr,  mflssen 
zunächst  die  zweitellosen  Schwachen  der  antiseptisclien  Behandlung  iier\  orgehobeu 
werden,  denn  lediglich  das  Bestreben,  die  letzteren  zu  beseitigen,  hat  zum  Ersatz 
der  Antiseptik  dnreb  die  Aseptik  gefDbrt. 

Nachdem  gewisse  Mikroorganismen ,  resp.  deren  Fnisetzungsproducte  als 
Ursaclie  der  Wundinfection,  nachdem  ferner  die  bacterientödtenden  Kigenschaften 
der  Carbul.saure  erkannt  waren,  zog  daraus  Li.STEß  die  Nutzanwendung,  indem 
er  sieh  bemllbte,  alle  in  die  Wunde  gelangten  Noxen  dnroh  (^bolUlsung  au 
vernichten  und  vor  späterer  InfiM^on  die  Wunde  durch  rmhUllnng  mit  earboli- 
sirten  Verbandstorteu  zu  scLdtzen.  ClcichzeitiL'  wurde  Alles,  was  direet  «'der 
indirect  mit  der  Wunde  etwa  in  Berührung  kommen  konnte,  vor  der  Operation 
desiniicirt,  so  besonders  die  Instrumente,  Schwämme,  Seide,  sowie  Catgutfiiden, 


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A8EPTJ8CHB  WUNDBEHANDLÜNG. 


83 


die  Hände  der  Aerzte,  die  Körperoberääche  des  Patienten,  zum«l  in  der  ^*ilbe 
des  OperfttioiMgeUetes  wd,  on  die  in  der  Lnfl  enthaltenen  Keine  mnelildlkdi  sn 
machen,  empfahl  Listkk  dun  Carboispray.  welcher  während  der  Operation  nnd 
de8  Verbandwechsels  die  Wunde  als  feiner  Nebel  umgab.  Mehrfach  eingel  e?rte 
Drains  sorgten  für  genügenden  Abfiuss  des  in  Folge  der  chemischen  Wu  nd- 
reisung  reichlich  gelieferten  Secrets.  Sobald  letzteres  die  Oberfläche  des  durch 
eine  impenneable  Sehielite  abgeeeliloBaenen  Verbandes  erreidite,  wnr  ein  Verband- 
wechsel erforderlich ;  die  Drains  wurden  entfernt ,  wenn  bei  gflnttigem  Verlauf 
die  Seeretion  nach  Ablauf  von  3 — 5  Tagen  aufgehört  hatte. 

Die*  Erfolge  waren  jeder  bisherigen  Behandlung  gegenüber  so  hervor- 
ragend, dass  man  annlebst  die  eomplieiTte  Tedmik  nnd  andere  Sehattenseiten 
mit  in  den  Kauf  nahm,  aber  knam  hatte  die  neue  Methode  überall,  zumal  in 
Deutschland,  Eingang  gefunden,  alt  n«n  die  Kotbwendigkeit  gewisser  Aende- 
rnngen  erkannte. 

Die  Kostspieligkeit  und  UmstäDdlichkeit  des  Verfahrens,  die  fttsende 
Wirkung  der  Terdllnnten  CSarbolsInTe ,  welehe  nicht  nnr  eine  flbermlmge  Seere- 
tion .  sondern  auch  Erytheme  der  Wundtimgebung  und  Eczeme  an  den  Händen 
der  Aerzte  veranlasste ,  vor  allen  Dingen  aber  die  Giftigkeit  der  Carbolsäure, 
welche  schwere  Collapszustände,  ja  Todesfälle  ^ur  Folge  hatte  —  die  Unbequem- 
1k»hkdt  der  Sprayapparnte,  der  unangenehme  Gerueh,  welebrnr  die  Aente  derzeit 
nahezu  gesellschaftsnnfthig  machte  —  dies  Alles  führte  bald  dain,  dass  man  sieh 
lebhaft  bemühte,  die  genannten  rnzuträglichkeiten  zu  beseitigen. 

Die  Bemühungen  der  Chirurgen,  den  soeben  genannten  Lebelstilnden  Ab- 
hilfe SU  Tersehaffen,  bewegten  sieh  in  swei  Riehtungen,  sie  bezogen  sieh  1.  auf 
den  Ersatz  der  Carbolslure  durch  ein  wenigw  irrilirendes  und  ungiftiges  Anti* 
septieum :  2.  auf  Vereinfachung  der  Technik. 

Die  Bewegung,  welche  die  Carbolsiiurc  durch  ein  weniger  schiidlichcs 
Mittel  zu  ersetzen  sich  bemühte,  spielte  sich  vornehmlich  in  Deutschland  ab.  Au 
der  Spitse  stand  aunlehst  Biohabd  Volkmann  der,  obwohl  unbedingter  Au' 
bänger  der  LiSTBB'selieu  Methode,  suerst  klar  und  deutüeh  auf  die  Fehler 
derselben  hinwies. 

In  den  aus  der  UALLE  scbeo  Klinik  stammenden  Arbeiten  Vülkmann  s  ') 
sowie  seiner  Sebfller  Ranrb*)  und  Obnzkbb  *)  wird  suerst  der  grossen  Intozieations- 
ge&hr  unter  Anführung  eincK  Todesfalles  dun-h  Carbohergiftung  Erwähnung 
getban :  es  wird  aussesprochen  ,  dass  unter  der  Einwirkung  der  starken  Carbd- 
resp.  Chlorzinklösung  die  Wunde  irritirt  werde ,  dass  es  in  Folge  dessen  unter 
Starker  Wundseoretion  und  Auftreten  des  sogenannten  aseptischen  Fiebers  zu 
moleenlarem  Zerfkll  der  Gewebe  an  der  WundoborttMie  und  zur  Resorption  ver- 
schiedener  homologer  Cmsetzungs-,  sowie  Zerfallsproducte  komme.  Zur  Ableitung 
des  Secrets  ist  aiicb  für  Volkmanx  die  Drainage  unentbehrlich  .  aber  er  macht 
gleichzeitig  darauf  aufmerksam,  dass  jedes  Drainrohr  nicht  nur  eine  vollendete 
prima  intewtio  Terbindere,  sondern  aueb  als  «n  in  der  Wunde  liegender  Fremd- 
körper dieselbe  unnftthig  reize;  er  fahrt  ferner  als  V'orzug  des  THiKRSCu'seben  *) 
Salicylverbandes  an  ,  das»  in  Folge  geringerer  Wundreizini^'  hei  Anwendurg  der 
äalicylsäure  die  starke  äecretion  aufgehört  und  seitdem  der  Verbandwechsel 
seltner  geworden  sei,  so  dMS  In  einseinen  Fillen  die  Verbinde  bis  zu  10  Tagen 
liegen  konnten. 

Leider  waren  die  Resultate  des  Salieylverbandes  nicht  sicher  genu;r. 
um  den  Carbolverhand  zu  verdrängen.  Aehnlich  erging  es  mit  <len  Thyninl-. 
Bor-,  Benzoe-  und  anderen  Verbänden,  auch  die  .seinerzeit  vielgepriesene  J>ublimat- 
behandlung  kann  als  Terfeblt  betraditet  werden ,  denn  sie  wirkt  nicht  minder 
giftig  und  irritirend  als  die  Carbolsäure.  Nicht  ein  einzige-i  der  vielen  Mittel, 
welehe  ftir  das  Oarbol  eingeführt  wurden ,  hat  das'^elbe  dauernd  verdriui^'en 
können .  besonders  seitdem  man  sich  daran  gew  öhnt  hatte,  letzteres  in  schwüchereu 
Losungen  und  geringerer  Menge  zu  verwenden.  Alle  Versuche,  welehe  auf  die 


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ASBFTXSCHB  WONDBBHAIVDLUNG; 


Btadiafiiiig  eines  antiseptiseh  gleidiwertbigen ,  aber  weniger  ■ehidliehen  Mtttdv 
liinauitiefen ,  babeu  nur  ein  Antlseptioam  geliefert,  dem  bei  voreiehtiger  An- 

wendanp:  ein  bleibender  Werth  für  die  Wundbehandlunfr  beiznlefren  ist .  nämlicb 
da3  Jodoform.  Von  MoSETiG-MooRHOF  zuerst  empfohlen ,  schien  es  eine  voll- 
ständige Kevolution  in  der  Wundbebaodlnng  berbeifttbren  sollen^  bis  aucb 
law  wieder  die  groaee  Intozieationsgefalir  snr  Vonieht  mahnte  nnd  seine  An« 
wendnng  auf  GeschwOre  und  solcbe  Wunden  beHcliränkte,  welche  naeb  primftrer 
Tamponade  durch  Secundftrnaht  oder  Uberhaupt  per  seoundam  zur  Heiiunfr  jre- 
langen  sollten.  Zudem  scheint  die  vielfach  bestrittene  antituberkulose  Wirkung 
des  Jodoforms  festsnstehen ,  sehen  diese  Eigensehaft  siehert  demselben  einen 
daueraden  Werth. 

So  hatten  die  bisherigen  Erfahrungen  mit  den  ver-^chicdensten  Stoffen 
so  der  Erkeantnisä  geführt,  dsas  ein  uogiftiges,  die  Wunde  nicht  reizendes 
Antisepticam  naoh  wto  vor  dn  pium  deaiderium  bleibe;  dazu  kam  noch  die 
fernere  Wahmebmnng,  daas  man  die  baeterienttldtende  Wirkung  der  Mittel  weit 
flberscbitzt  habe.  Der  erste  Stosa  in  dieser  Richtung  wurde  wiedemm  von 
der  VOLKMANNschen  Klinik  geführt,  wo  Uaxke  lf^74  bei  typisch  ver- 
laufenden Fällen  unter  dem  LiäTKU-Verbandc  in  absolut  aseptisch  erscheinenden 
Wunden  Finloissbaeterieo  fand.  Volkmann  selbst  insserte  sieh  dahin,  dass  die 
autiseptiscbe  Technik  die  Entstehung  .«ipecißscber  Zersetzungsprooesse  nieht  immer 
völlig  verhindere,  ja.  dasK  sich  die  Anwesenheit  von  Mikrnc<»ccen  fast  regel- 
mfl^sig  selbst  in  ausserordentlich  günstigen  Fällen  coustatiren  Hesse.  Wkichsel- 
BAüX*)  Stellte  Versnehe  an,  weldw  ergaben,  dass  die  Csrbotsinre  in  der  ge- 
brindilieben  Verdflnnnng  nidit  immer  im  Stande  seif  Baeterien  an  tOdten, 
Thieb.sch  ga>)  f(ir  die  S.ilieylsflnre  dasselbe  zu  und  Salkowski  wies  nach  .  dnss 
letztere  die  Ffluluiss  nur  verzögern,  nieht  aber  aufheben  könne.  Das  Gleiche 
wurde  in  der  ICieler  Klinik  für  die  dort  gebräuchliche  Borsalicyllösung  nach- 
gewiesen und  alle  diese  Bdianptnngen  sind  durch  neuere  Üntersnehnngen  bestfttigt 
oder  etginst  worden. 

Weitere  auftallende  Beobachtungen  machte  man  in  der  Kieler  Klinik, 
wo  seit  1881  Torf ver bände  in  Gebrauch  waren.  Dieser  Torf  eignete  sich  selbst 
in  unpräparirter  Form  ffDr  Verbandaweeke,  als  Dauerverband  angewandt  heilten 
darunter  die  Wunden  ^ehr  gut,  und  doch  war  durch  die  L'uteräuchungen  von 
GafFKV  ")  fostpreslellt ,  daas  dieser  T'>rf  viele  entwicklungsfähige  Keime  niederer 
Organismen  enthalte,  dai^s  er  uicht  hinreichend  autiseptische  Eigenschaften  besitze, 
uro  die  Entwicklung  von  Baeterien  za  hindern.  Wenn  es  in  den  grossen  von  Baeterien 
wimmelnden  Torfjpolstem  nieht  su  Zersetsungen  kam,  so  war  dies  wesentlieh  der 
Porosit.'it  des  Torfes  zuzuschreiben,  welche  ein  sehneUes,  jede  Fiulniss  verhinderndes 
Austrocknen  der  Verbünde  beförderte. 

Mach  all  dem  Vorstehenden  muss  es  nur  Wunder  nehmen,  dass  mau 
nieht  sehen  frflher  anstatt  immer  naeh  neuen  ungiftigen,  aber  doeh  wirksamen 
Mitteln  zu  suchen  ,  den  Glauben  an  die  Nothwendigkeit  der  Antiseptica  verlor, 
zumal  bekannt  war,  dass  LäwsOX  Tait  und  Küberlk  «dine  Benutzung  irgend 
eines  Antisepticum  die  schönsten  Erfolge  erzielt  hatten.  Dies  geschah  zunächst 
merkwQrdigerwebe  nieht  und  erst  einige  Jahre  spiter  führten  gewisse  Ariwiten 
auf  technischem  Gebiete  zu  der  Erkenntniss,  dass  das  Geheimniss  des  eUrur- 
:ris<hen  Erfolges  lediiTÜch  auf  grösster  Sauberkeit  und  Reinlichkeit  beruhe,  erst 
dann  luaehtc  man  wirklieh  den  Versuch,  die  schädlichen  Nebenwirkungen  der 
Antiseptica  durch  Aufgeben  dieser  selbst  zu  beseitigen.  Dies  fiel  in  die  Zeit  der 
Arbeiten  R.  Koce's  ttber  die  Aetlologie  der  Wundkrankbeiten,  die  Untersuehnng 
pathogener  Organismen,  Ober  Desinfection  etc.  und  diese  Arbeiten,  suwie  die  von 
ihm  ausgehenden,  zumal  auf  die  Sterilisation  sich  beziehenden  Vorscblairo.  sind 
fUr  die  Entwicklung  der  aseptischen  Wundbehandlung  von  grosser  Bedeutung 
gewesen.  Denn  gleiehaeitig  mit  den  Arbeiten,  welche  sieh  auf  die  Wirksamkeit 
der  Antiseptica  und  den  Ersata  der  GarbolIMung  sowie  der  earbollsirten  .Verband- 


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ASEPTISCHE  WmnOBEHANDLÜNG. 


25 


stoöe  bezo^-^en,  hatte  man  auf  teehniachem  Gebiete  sich  bemüht,  eine  VereintachuDg 
des  compliüirten  und  kostspieligen  Lister- Verfahrens  herbeizuführen.  V.  Bruns  ^<>), 
BiDDBB,  Trehdklbibübo  boklnipAen  saniobs^  die  Nothweiidigkeit  det  Ar  den 
Operateur  in  maneher  Beziehung  höchst  lastigen  Sprays,  welchen  man  ar- 
sprOnglieh  für  etnen  der  wiebtigaten  Tbeile  dea  entisflptisehen  Appentes  ge- 
halten hatte. 

Es  varde  nachgewiesen ,  daas  dnfeh  xentiubte  Carboldämpfe  ^e  wenigen 
in  der  Lnft  enthaltenen  Fänlniaserreger  wedor  ni  tSdten,  noch  von  der  Wunde 

fernzuhalten  seien.  Damit  verloren  alle  Sprayapparate  verschicdfiister  ("onstnietion 
ihre  Bedeutung,  und  dies  umsomehr,  aLs  man  erkannte,  dass  die  Luftiulectiun 
der  CoDtactlnfection  gegenüber  von  geringer  Bedentang  sei.  Auch  an  Stelle  der 
Gnrbolgue  waren  gut  nbsorUrende,  aber  bHUgtre  VerbandatoIRs  getreten,  so  die 
Jute,  entfettete  Watte.  Werg^,  Torf,  Moos,  Holzwolle  etc.,  welche  mit  irgend  einem 
autiseptiaclien  StotV  imprä^nirt  unter  Weglassung  des  von  IjiSTEtt  empf<»hlenen  Silks 
fernerhin  allgemeine  Verwendung  fanden.  Um  sodann  die  Wunde  möglichst  ungestört 
an  laaaen,  bemflbte  man  sieb,  die  Verbinde  aelten  an  wediaeln. 

Wieder  war  Volkmann  ,  welcher  zuerst  auf  die  Vortheile  lang- 
liegender  \erbflndp  aufmerksam  machte,  TniKRScn  folo^te  ihm.  aber  die  princi- 
pielle  Durchftlhrung  der  DauerverbAnde ,  welche  wu  möglich  bis  zur  vollendeten 
Heilung  liegen  sollten,  BtBBmt  ans  der  Kieler  KlinOt.**)  IMeae  Dancsrerblnde 
sind  für  die  F^infUhrung  der  aseptischen  Methode  inaofem  von  Bedeutung,  als 
ihre  weitere  Vervollkommnung  die  directe  Veranlassung  zum  Aufirt'l'<Mi  der  anti- 
septisehen  Irrigation  wurde.  Die  Dauerverbände  sollten  die  Heilung  tUf  r  för  eine 
prima  intentio  geeigneten  Wunden  ohne  Verbandwechsel  erreichen,  dazu  erschien 
eine  Aendemng  der  von  L18TBB  dngefBbrien  Drainage  erforderlieb ;  denn  xweeks 
Entfernung  der  Gummldraina  war  unter  allen  Umstinden  ein  baldiger  Verband- 
weebsel  nothwendig. 

Alle  Bemühungen,  an  Stelle  der  (iummidrains  resorbirbares  Material  z\x 
aetaen  oder  die  Seerete  dnreb  natllrliebe  OelAinngen  ( Weiebttenaeanile ,  offisne 
Spalten  etc.  ' )  abzuleiten,  führten  an  mangelhaften  Resultaten.  Es  stellte  sich  bei 
diesen  Versiiclieu  heraus,  dass  eine  vollendete  Heilung  ohne  Verbandwerh-d  nur 
durch  Aufgeben  der  Drainage  zu  ermöglichen  sei.  Dieses  Aufgeben  der  Drainage 
und  jeder  anderen  Abflussgelegenheit  setzt  die  Abwesenheit  einer  grösseren 
Seeretanaammlnng  innerbalb  der  Wunde  voraoa.  Nun  wiesen  wir,  dast  die  anti- 
aeptlsche  Irrigation  die  Wundflächen  zu  starker  Secretiou  anregt,  Hlllt  dieser 
chemische  Heiz  fort .  so  liefert  die  Wunde  bei  hinreichender  Blutstillung  durch 
Ligatur  und  nachträgliche  Compressiou  entweder  gar  kein  oder  sehr  wenig  Secret, 
im  Allgemeinen  jedenfalls  nnr  so  viel,  als  ohne  Naebtbeil  in  der  Wunde  verbleiben 
kann,  wenn  während  der  Operation  nicht  mehr  Keime  hinein  gelangten ,  als  der 
Organismiis  vorinöge  seiner  vitalen  Zellcncriric  fiberwältigen  kann,  l'm  also  die 
Wundsecretiun  einzuschränken  und  damit  die  Drainage  tIberflUssig  zu  machen,  musste 
zunftebst  die  antiseptisebe  Irrigation  aufhören.  Letztere  glaubte  man,  obwohl  das 
Tertrauen  an  derselben  derzeit  sdwn  ausserordendieh  ersohOttert  war,  nur  dann 
vollkommen  aufgeben  zu  dürfen ,  wenn  durch  bessere  Vorkehrungen  als  bisher  das 
Eindringen  von  KntzOndungserregern  während  der  Operation  mit  grösserer  Sicher- 
heit verhindert  werden  konnte. 

Von  nnn  an  lag  der  Sebwerpunkt  der  Wundbebandinng 
in  der  Prophylaxe.  Die  ersten  in  dieser  Hinsicht  wichtigen  Vorschläge 
stammen  au«  dem  Jahre  1882.  damals  wurde  die  allgemeine  Benutzung  der 
sogenannten  aseptischen  aus  einem  Stück  gearbeiteten  Instrumente  empfohlen, 
welche  übrigens  als  Mefaset  und  Meaaer  sebon  lange  vorber  im  Gebraueb  waren. 
Man  betonte  ('odaun  die  Zweckmässigkeit  gesonderter  Räume  für  Operationen 
in  frischen ,  chmuisch  entzfludeten  und  septisch  inficirten  Geweben  und  legte 
grösseres  Gewicht  als  zuvor  .uif  einfache  Inventarisirung  und  Hinrichtung  der 
Operationszimmer;  es  verschwand  jeder  überflüssige  Zierrath,  es  begann  die  Zeit 


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ASEFTISCHB  VUirDBREANDLUNQ. 


der  glatten  Winde  mit  abgerundeten  Beken,  der  «teniemen  FawbOden  ete.;  an 
Stelle  des  frflber  gebränehliohen  Blech-  oder  Messin^eschirrs  traten  die  leichter 
sauber  zn  haltenden  Glasapparate,  z.  B.  Eiterbeck(>n.  Irrigatoren,  Güsse,  Instru- 
mentenschaleD  und  Tischplatten.  Dann  erst  folg^  im  Jahre  1883  das  Aufgeben 
der  antiseptiwhen  Wnndirrigation ;  damals  wurden  die  Garbol-  and  ähnlichen 
LOsmigen  snniehat  dnreli  doppeltfiltrirtei  und  deatOHrteB,  spiter  doreh  gekoehtea 
Waaser  ersetzt  ,  welches  sich  zumal  nach  Zosatl  VOn  O'ßo  „  Kochsalz  alf?  völlig 
indifferente  SpdlflflsBifrkeit  bewährte.  Zur  selben  Zeit  fand  —  auch  wohl  zuerst 
in  Kiel  —  die  von  Koch  eingeführte  Sterilisation  durch  strömenden  Wasaerdampf 
a,uf  Verbandetolfe  Anwendung,  welehe  nnnmebr  naeb  direeter  Bedeeknng  der 
Wnnde  mit  Jodofonn^aze  die  vordem  gebräuchlichen  antiseptischou  Verbandstoffe 
ersetzten.  In  Ähnlicher  Weise  wurden  Instrumente,  Seide  sowie  Tupfmaterial  durch 
strömenden  Wasserdampf  oder  durch  Einlegen  in  kochendes  Wasser  keimfrei  gemacht. 
Naeb  all  den  soeben  erwibnten  Vorarbeiten  entatand  sweeks  strletor  Dnrehflihrung 
der  aseptischen  Wundbehandlung  im  Jahre  1885  in  Kiel  ein  besonders  eingeriebtetes 
Hospital  und  seit  jener  Zeit  fand  die  Methode  znnflchst  an  dieser  Stelle,  einijre 
Jahre  später  auch  in  anderen  deutschen  Hospitälern  Eingan;r ;  besonders  bat  sich 
die  V.  Berg  MAXI«  sehe  Klinik  während  der  leuteu  Jahre  der  Sache  mit  Energie 
nnd  Erfolg  angenommen.  Unter  den  deutsebco  Gynäkologen  bat  merst  Fbitsgh  >*) 
Im  Jahre  1887  auf  die  Bedeutung  der  aseptiscben  Wundbehandlung  hingewiesen. 

Somit  existirt  die  letztere  bereits  seit  nahezu  10  Jahren,  ihre  erste 
praktische  Durchführung  war  Folge  derjenigen  Arbeiten,  welche  sich  mit  £iu- 
sehrinkttttg,  re»p.  Abeebaffang  der  Drainage  besebiftigt  batten  nnd  sie  beginnt 
aut  dem  Tage,  wo  man  zwecks  Herabsetzung  der  Seeretion  Jede  direete  Ber(ih- 
mng  der  Wunde  mit  einem  Antisepticum  aufgab  und  an  Stelle  der  antiseptischen 
Irrigationsflüssigkeit  sterilisirtes  Wasser  setzte.  Erleichtert  wurde  dieser  Uebergaug 
dnnb  die  damals  bereits  bekannte  Thatsache,  dass  trotz  der  Benutzung  anti- 
aeptiseber  Mittel  anbem  eonataut  Baeterien  fn  normal  etaeheinenden  Wunden, 
sowie  in  den  umhüllenden  antiseptischen  Verbandstoffen  gefunden  wurden;  dass 
man  die  schönsten  Heilungen  unter  Verbänden  erreichen  konnte ,  welche  ent- 
wicklungsfähige Keime  enthielten  und  dass  die  gebräuchlichen  Antiseptica  in  den 
flbUdien  Losungen  niebt  im  Stande  seien,  diese  Keime  an  Teroiebten. 

Nachdem  die  uns  interesairende  Frage  ihre  Lösung,  wie  vorstehend  ent- 
wickelt, bereits  während  der  .lalire  18>i.5  HG  in  Kiel  gefunden  hatte,  sind  viele 
die  Angelegenheit  klärende  und  fördernde  Arbeiten  erschienen,  welche  wesentlich 
aar  Vwbrdtnng  der  Methode  l»eigetragen  haben.  So  maebte  Schlanob  ")  1887 
auf  Grund  eingebender  Untersnebnngen  die  Oberrasebende  MittheUnng,  diws  die 
derzeit  noch  fast  fiberall  gebräuchlichen  antiseptischen  Verbandstoffe  (Jodoform-, 
Bor-,  Carbol-,  Salicyl-  und  Sublimatpriiparate  i  in  dem  Zustande,  wie  man  sie  auf 
die  Wunde  zu  bringen  pdegte  ,  nicht  frei  von  Bacterienkeimen  seien.  Es  wurden 
sodann  die  in  der  v.  BBBOMANN^aehen  Klinik  gebrtuehlieben  Snblimatverbinde 
auf  ihre  autibacteriellen  Eigenschaften  hin  geprüft  nnd  dabei  stellte  Schlange 
fest,  dass  dieselben  nicht  befähigt  seien,  eine  Zersetzung  des  Wiindsncrets  im 
Verband  zu  verbindero.  —  In  einer  späteren  Arbeit  Uber  die  Eiu Wirkung  der 
Wnndmittel  anf  den  menseblieben  Organismus  fahrte  Sbxorr  ans,  dass  jedes 
Antimycoticum,  welchen  Namen  und  welche  Zusammensetzung  es  auch  habe,  ein 
Gift  sei  und  eine  zweischneidige  Waffe:  er  bestätigte  ferner,  dass  die  Anti- 
septica iu  den  gebräuchlichen  Lösungen  ihren  Zweck  nicht  erfüllen ,  d.  h.  die 
in  eine  Wunde  gelaugten  Pilze  nicht  tödten  —  sie  steriiisiren  somit  die  Wunde 
niebt  Daa  hatte  aueb  sebon  ROhmbll  im  Jabre  1885  naebgewiesen ;  er  ver- 
impfte der  Wunde  während  der  Operation  entnommene  Gewebspartikel  und  con- 
statirte  Bacterienentwieklung ,  einerlei,  ob  die  Wunde  mit  SublimatlrKimg  irrlLrirt 
war  oder  nicht.  Zu  älinliehen  Ergebnissen  kamen  später  Tavkl^^),  welcher  die 
in  den  Drains  enthaltenen  Goagnla  antiseptiseh  behandelter  Wunden  nntersuehte 
—  sodann  Wblch,  Stähbli     u.  A.  —  lieber  die  Hiufigkeit  des  Vorkommens 


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^SEPTISCHE  WÜNDBEffANDLüNO. 


27 


niederer Ol^aniHmen  in  dea  antiseptincb  und  aseptiHch  behandelten  Wunden  haben 
nenerdingiB  Lang  und  Flach  ^'■'j  vergleichende  Versuche  angestellt  und  die  grössere 
LdttuBj^Uiielceit  der  eseptisehen  Hetiiode  aueb  in  dieeer  Riebtniig>  oongtatiit, 
denn  die  Zahl  der  positiven  Resultate  war  bei  letzterer  um  ein  ErheUidieB 
geringer  als  bei  antiseptisch  (mit  Sublimati  behandelten  Wunden. 

Ohne  Zweifel  steht  es  nach  all  dem  Vorstehenden  absolut  fest,  dass 
nicht  pilzfreie  Wnnden  Bebt  oft  einen  dmdumB  nonnnlen  Verianf  nehmen  —  wie 
stimmt  das  mit  der  Pilztiieorie  ?  ZnnielMt  bandelt  es  sich  wohl  zumeist  nm  nn- 
schädliche ,  nicht  pathogene  Formen,  und  wenn  eine  gewisse  Zahl  der  letzteren 
wirklich  eingedrungen  sein  sollte  ,  so  gehen  sie  im  Kampfe  mit  der  vitalen  Zell- 
energie zu  Grunde.  Denn  dass  letztere  eine  grosse  Rolle  spielt,  ist  ganz  zweifei- 
loa  nnd  Volkmahn  bat  Reebt,  wenn  er  bebanplet,  „der  menaebliebe  KOrper  ist 
kein  KeagenzglSschen ,  in  welches  Agar-Agar  und  ein  Impfstoff  gethan  wird, 
sondern  hat  seine  Krftfte,  durch  welche  er  in  die  L.i?e  gebracht  wird,  mit  anderen 
Organismen  fertig  zu  werden".  Er  muss  um  so  leichter  mit  ihnen  fertig  werden, 
je  weniger  innere  Inralte  cbeniiseber  oder  pbysikalieeber  Art  das  normale  Ver- 
halten der  Zellen  stören.  Aus  dieser  Betrachtung  gebt  unmittelbar  die  physio- 
logisclic  Bereoliti^uug  der  ftseptit^ehen  Wundbehandluu{r  hervor,  denn  sie  ist  der 
antiseptisebeu  gegenüber  das  weitaus  schonendere,  die  Zellkörper  am  wenigsten 
sebfidigende  Verfaluren.  Das  lehrt  sehon  die  lussere  Besichtigung  versehieden 
behandelter  Wanden,  denn  naeb  der  Irrigation  mit  stärkeren  Carbol-,  Ohlorabk- 
oder  SaMimatUienngen  zeigen  die  vorher  frischrothen  fiewebc  v'm  verändertes 
Aussehen,  sie  werden  bräunlich,  etwa  geräuchertem  Fleisch  ithnlich,  oder  zeigen 
einen  zarten  grauen  Belag;  dagegen  ändert  selbst  eine  laug  andauernde  Irriga- 
tion mit  gekoehtem  Wasser  das  normale  flrisehe  Aaseeben  der  Wundfliebe  hi 
keiner  Weise.  Demnach  konnte  das  Resultat  der  oben  erwllinten  ünftersnebangen 
Ton  Lang  und  Flach  durchaus  nicht  Wunder  nehmen. 

In  jüngster  Zeit  ist  auch  ein  in  dieser  Beziehung  sehr  iuteressanter 
anatomiseher  Naehweis  von  Roktschswsky geliefert  woiden,  der  znr  Anf- 
kllmng  der  Frage,  welchen  Kinfluss  die  gewöhnlichen  antiseptisebeu  Mittel  auf 
die  Wundheilung  hatten,  eine  lUnhc  von  V^ersuchen  an  Huodeu  und  Kaninchen 
mit  Sublimat  (l  :  1000),  Carbolsüure  (3:  100)  und  Normallr.Huug  (O-Tö«  o  Koch- 
salzlösung) anstellte.  Es  wurden  jedesmal  bei  demselben  Thicre  bestimmte  Stellen 
heidw  Vorder^  oder  ffinterbdne  an  der  Bengeseite  unter  den  gewObnUdieD 
Cantelen  vorbereitet.  An  der  raslrlen ,  mit  Seife ,  Sublimat  und  Alkohol  desinfi« 
cirten  Stelle  wurde  die  Haut  mit  einem  schmalen  Messer  durchstochen,  eine 
Wundü  in  der  darunter  liegenden  Muskulatur  hergestellt  und  nuu  an  der  einen 
Seite  dieselbe  mit  Hilfe  einer  sterilisirten  Spritze  mit  der  NormatlQsnng ,  an  der 
anderen  Sdte  mit  Sublimat-  oder  Carbollüsung  ausgespült  und  darauf  die  Hant- 
wunde jronflht.  Nach  Verlauf  von  1,  3,  ö.  7  und  11  Tafrt'ii  schnitt  RONTSCHRWSKV 
die  entsprecheuden  Stellen  der  Muskulatur  heraus  zweck«  mikroskopischer  Unter- 
snehung.  Der  Vergleich  beider  Wunden  ergab  Folgendes:  Dw  aseptische  Wunde 
zeigt  von  Anfing  an  weniger  ZmtOmng  der  Gewebe,  das  Wegrlnnea  der  zer- 
störten und  wachsarlig  veränderten  Muskelfasern  ist  hier  viel  weiter  fortgeschritten, 
als  in  der  Sublimat  oder  Carbolwuude.  Die  Karyokiuese  erscheint  am  frühesten 
und  ist  am  meisten  ausgesprochen  in  der  aseptischen  Wunde,  schon  nach  3mal 
24  Stunden  in  yoller  Entwicklung,  wir  finden  grossen  Zellreiebtbmn  nnd  sehon 
naeb  3  Tagen  beginnt  das  Oratnilutiousgewebe  sieh  in  Bindegewebe  zu  difleren- 
ciren  .  während  in  der  Sublimatwuude  zur  seihen  Zeit  von  jungem  Bindegewebe 
uoch  keine  Spur  zu  linden  uud  von  karyokineti.schen  Figuren  fast  gar  nichts  zu 
sehen  ist. 

Bei  den  mikroskopischen  Bildern  aus  älteren  Wunden   wiederholt  sieb 

ganz  d;H<L'lbe.  das  aseptische  Xarbengewebe  ist  iiumer  viel  weiter  fort.:res('hritten. 
resp.  viel  älter  als  bei  den  antiseptisch  behandelten  Geweben  uud  während  erster« 
nach  7 mal  24  Stunden  schon  ganz  vernarbt  ist,    findet   man   in   der  Sublimat- 


28 


ASEPTISCHK  WUNDBEHANDLUNG. 


wunde  ausser  dem  GrauuUtionsgewebe  uoob  kein  Narbevgewebe  ^Fig.  -iy  5,  6). 
Sodunn  ist  die  »septische  Narbe  im  Verg^leiefa*  mit  der  utiseptiflehen  leidtor  «a 
Zellen,  letztere  liegen  viel  näher  aneinander,  ziehen  sieh  nicht  so  sehr  nuammen 
und  machen  die  aaeptiaohe  Narbe  danerbafter  als  die  antiaeptisohe. 


^  FUt.4. 


FIK.A. 


MiukeUascr 


KooliHLi<rua<lR  (o  76  "„)  7  Tiftt  naeh  dar       SaUUnatwui  !'   i  m  m<  t  Tic« 

Verwundoni;.  Verwuudang. 


oacli  dar 


VIsf.  6. 


G-raiittlationsi^iw  Miulcelfaser 

Kar^iikitu'so 

Cai-boiwuude  (a :  800)  7  Tage  nach  iler  Verwundung. 

Nach  diesen  oinleitendeiv,  die  historische  Entwicklung,  die  physiologische, 
sowie  auatomisehe  Berechtigung  der  aseptiscbeu  Wundbehandluoic  betretenden 
Bemerkungen  geben  wir  Aber  zur  Beschreibung  der  Methode  »elb-st.  Es  iät  die  Aut- 
gabe derselben,  alle  entaflndnngaerregenden  Kdme  von  der  Wunde  m((gliebst  fem 
zu  halten.  Wenn  man  bedenkt,  dass  diese  Keime  Oberall  vorhanden,  dass  sie 
unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  für  unsere  Sinne  gar  nicht  wahrnehmbar  sind, 
so  wird  es  einleuchtend  sein,  wie  grosäc  äcbwierigkeiten  es  bereiten  muss,  das 
Bindringen  derselben  in  die  offene  Wände  sa  verfaiodem,  sie  von  dem  Inventar, 
dem  Patienten  und  Personal ,  kurz  von  all  den  Menschen  iiiul  Ditiiren  fern  zu 
halten,  welche  während  der  Operation  direct  oder  indircct  mit  der  Wunde  iti 
Berührung  kommen.  Dazu  gehören ,  zumal  in  Hospitälern ,  ganz  besoudere  Ein- 
richtungen, welche  für  das  Anhaften  von  Unreinlichkeit  jeder  Herkunft  die  denk- 
bar geringst»,  fllr  die  Besntignng  derselben  aber  die  günstigste  Gelegenheit 
bieten.  Natürlich  lüsst  sieb  di^-s  auf  verschiedene  W'eise  erreichen  und  bestimmte 
Vorschrifti'n  für  eine  fllierall  giltige  und  zweifellos  beste  Hospitalseinriehtung  kann 
es  nicht  geben.  Nur  darüber  ist  man  sich  vollständig  einig,  dass  weite  Zer- 
strenung  der  Kranken,  Separirnng  der  septiseben  Patienten  von  den  übrigen, 
möglichst  staubfreie .  sowie  einfach  gebaute  und  inventarisirte  OperationsBimmer 
durchaus  erforderlich  sind.  D.-l'*  F'rincip  der  Sauberkeit  steht  obenan  .  wie  man 
diese  am  besten  unter  den  jeweilig  gebotenen  Verliältnissen  erreicht,  bleibt  inner- 
halb gewisser  Grenxen  der  Neigung,  dem  Gesdimaek,  der  peenniiren  Lage,  den 
Ibealen  Beaiebnngen ,  mit  denen  der  Einzelne  zu  rechnen  hat ,  Uberlassen. 

Das  erste  für  die  Durchführung  der  aseptischen  Wundbehandlung  be- 
stitnnite  Hu.ipital  «-ntstand  1H85  in  Kiel,  und  wenn  die  dortigen  Einrichtungen 
auch  durchaus  nicht  al.>i  mustergiltige  hingestellt  werden  solleu ,  so  mögen  sie 
doch  als  Beispiel  conseiinent  dnrebgefDbrter  aseptischer  Prophylaxe  hier  Br- 
wihnung  flndeo. 

T'm  zniiilelist  durch  Zerstreuung  der  Kranken  eine  mögliclist  grosse 
Kciulichkeit  des  Hospitals  und  damit  eine  Herabsetzung  der  lufectiousgcfahr  her- 
belzufahren,  sind  für  die  Aufstellung  von  102  Betten  vier  getrennte  Häuser  und 


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ASEPTISCHE  WUNDBEHANDLUNG^ 

« 


29 


zwei  Baracken  bestimmt.  Die  erste  und  zweite  Abtheilun?  mit  fi5  Betten  sind 
in  Kiel  untergebracht  in  drei  iinusern  und  einer  Baracke;  die  dritte  Claaüe  mit 
circa  40  Betten  l>etindet  äich  im  Vororte  Gaarden. 

üeber  die  Einrfelitiiiier  der  Kieler  Hänier  sei  Fo^ndei  beriehtot:  Im 
Parterre  (Fi?.  7)  des  Haupthauses  befinden  sieh  etliebe  Zimmer,  ftlr  Unter- 
svehnngeii,  Operationen  etc.  bestimmt,  nimlich: 


1.  Entkleidnngssimmer,  in  welchem  der  Kranke  sieh  unmittelbar 

vor  der  rnteraiicliiinp:  seiner  Kleidungsstücke  —  soweit  erf<irderlieli  —  entledig: 
nwch  werden  Iiier  bei  neu  eintrefl'enden  l'atienteji  etwa  vorhandene  Wunden, 
Geschwüre,  Fisteln  etc.  gereinigt  und  sodann  die  Kranken  mit  einem  provisoriKch 
angelegten  Verband  in's  (TntersiichnngsBimmer  geführt. 

2.  Ambulanz  und  T  n  t  e  r  s  u  c  h  u  n  ^sz  i  m  m  e  r.  Hier  entwidcelt  nich 
der  grosse  Verkehr  des  'l'ap-e'^.  Kranke  werden  nntersuehti  Verbände  gewechselt, 
eyentoell  auch  kleinere  Operationen  ausgeführt. 


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30 


ASEPTISCHE  WCNDBEBANDLU.NG. 


3.  Je  ein  Zimmer  ftir  Operationen  in  frischen  und  chronisch 
entzündeten  Geweben.  Septische  Fälle  werden  in  eiaer  für  dcrartij?e 
Kranke  bestimmten  Baracke  operirt.  Durch  diese  räumliche  Trennung  der  drei 
Ilaupt^ruppen  chirurjiischer  Krankheiten  ist  die  Möglichkeit  der  Uebertra^un«r 
von  einem  Fall  auf  den  anderen  nahezu  ausgeschlossen,  •  besonders  da  auss^jrdem 
noch  ein  besonderer  Raum  für  Untersuchungen  bei  Urogenital-  und  R ec tal- 
krank heiten  zur  Disposition  steht  —  eine  Einrichtung ,  welche  die  übrigen 
Räume  vor  Heschmutzung  mit  Roth ,  Urin ,  Trippereiter  und  ähnlichen 
Dingen  schützt. 

4.  Ein  Bureau,  ein  Warteraum  und  Untersuchungszimmer  für  (»rthopä- 
dische  Fälle.  Hier  befinden  sich  allerhand  Apparate ,  werden  unblutige  Opera- 
tionen, Brisemeuta  etc.  ausgeführt. 


Fig.  8. 


Verbandtisch   Instr.-Tisch  Abfallsöffmmg  f.  gebrauchtes  Wass« 


Man  kann  ja  über  die  Xothwendigkeit  so  'vieler  getrennter  Räume 
streiten,  in  manchen  Hospitälern  und  Kliniken  mag  es  überhaupt  unmöglich  sein, 
so  viel  Raum  für  die  angedeuteten  Zwecke  zu  schaffen  ,  aber  die  Zweckmässig- 
keit einer  derartigen  Vertheilung  wird  Niemand  leugnen  können. 

Das  in  dem  soeben  beschriebenen  Kieler  I'rivathnspital  durdigcführte 
Princip  getrennter  Operationsräume  hat  bei  den  Neubauten  chirurgischer  Anstalten 
in  den  letzten  Jahren  Nachahmung  gefunden ,  soweit  dies  mit  den  Zwecken  des 
l'nterrichts  sich  vereinigen  Hess.  Die  im  Jahre  1891  vollendete  chirurgische 
Klinik  zu  Oöttingen ,  z.  B.  hat  3  Operati<»n3räume  für  klinische,  poliklinische 
und  septische  Kranke,  ein  besonderer  Raum  für  hochascptische  Fälle  fehlt, 
dagegen  ist  ein  für  theoretische  Vorlesungen  bestimmtes  Auditorium  vorhanden, 
welches  weitab  vom  klinischen  Operationsraum  liegt. 

ScHoNBOHN  ^- 1  hält  das  Vorhandensein  vt»n  4 — 5  getrennten  (^pcrations- 
räum»^n  für  sehr  wUnschcnswerth  ;  dies  ist  bei  den  Verhältnissen  einer  klinischeu 


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ASBFIISCHE  WUNBfiEHAUPLUMtt. 


31 


Lebranätalt  kaum  erreiohbar  nnd  M>  mtlawn  im  IntefOMe  der  Studirendeu,  welche 
doch  schliesslich  alle  Operationen  gehen  sollen  ,  die  verschiedensten  EiniK:riffe  bei 
inficirtea  und  nichtinficirten  Kranken  in  demselben  Raum  und  gelegentlieh  auf 
demselben  Tisch  aus^ftihrt  werden.  Das  iit  ein  Naehtheil  der  den  Lehrzweckeu 
diMendeo  KUnikeii  gegeanber  privaten  «nd  oonmntiulen  Hospittlem ,  wahiie 
wesentlich  nur  för  Heilzwecke  da  sind.  —  -  Mikulicz  2»)  hat  in  der  neuen  Klinik 
zn  Breslau  ausser  dem  mit  Operationsvorkehrun^en  versehenen  Hörsaal  2  Zimmer 
für  aseptische  und  septische,  sowie  kleinere  poliklinische  Operationen  eingerichtet. 
—  TBBifDUiBiiBOB&**)  nehit,  ea  aei  nidita  dag«g«i  eininweadeii ,  wenn  ein 
Olfenfliehea  Krankenbana  oder  Privatapital  mehrara  Opecafekniaiuiimer  beattae, 


OperationMaal  der  T&binK^  Klinik. 

erklirt  dies  aber  im  Interesse  des  kliniaehen  Unterriolita  fttr  unzweckmn.Hsi^.  be- 
fürwortet dennoch  jretrennte  klinische,  polikliniwdie  und  septisehe  Oporations- 
räume.  Auf  ähnliche  Weise  äussert  sieh  Brctns**),  auch  er  hat  im  Interesse  des 
Unterrichts  beim  Nenban  des  Operationasaalea  in  Tflbingen  auf  weitere  Abatm- 
derung  verzichtet  und  glaubt  die  Gefahren ,  welche  das  Vorhandensein  nur  eines 
Operationssaales  mit  sieh  brinp^en  mOchte ,  durch  rifjoröse  Handhalmniz:  der  Anti- 
septik  und  Aseptik  sicher  bekämpfen  zu  können.  Ein  besonderer  liörrauin  tllr 
theoretische  Vorlesungen  befindet  sich  auch  in  der  Tübinger  Klinik.  Kleinere 
atidtiaebe,  Kreia-  und  PriTathoapitller  diaponiren  im  Allgemdnea  nur  Über  einen 
Operati onsravm,  doch  auch  hier  macht  sich  neuerdings  das  Bestreben  geltend, 
mindestens  für  hochaseptische  und  septische  Fälle  gesonderte  Zimmer  zu  beaitxen. 


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32 


ASEPTISCHE  WÜNDBEHANDLUNG. 


Ftlr  den  Privatarzt ,  der  bald  hier ,  bald  dort  in  den  Hftuseru  seiner  Patienten 
operirt,  bat  natdrlicb  die  soeben  erörterte  Frage  keine  Bedeutung,  da  die  ver* 
MltniMniinig  MlteD  Torlcomiiieiidc&  Opermtione»  im  eifeneo  WohnhjtnM  eine 
nach  jedesmaliger  Bennteug  erentnell  mebifaeh  in  wiederiiolende  grflndlidie 

ReinigUD§r  gestatten. 

Ueber  die  Principien ,  nacb  denen  die  Uperationsräume  —  möge  mau 
deren  nur  einen  oder  mehrere  haben  —  an  erbanen  sind,  herrscht  vollkommene 
Einigkeit.    Das  ZSmmet  soll  genflgend  Ranm,  Ueht  nnd  Lnft^  i^tts  Daeken, 

Thoren  und  Wände,  ohne  flberflOssige«  ITnlzwerk  und  Zierrath ,  abj^ernndetä 
Ecken,  feste  FusabOden.  einfaches  und  mötrliehst  weni;;  Inventar  haben  —  kurz 
so  eingerichtet  sein,  dass  InfectionsätoAe  schwer  haften  bleiben  und  ieicbt  beseitigt 
werden  kOnnea.  Zur  Vwansobatiliebimg  einer  derartigen  Biariehtang  diene  die 
nelienstehende  Abbildung  eines  Operationszimmers  im  Kieler  Privatbospital  (Fig.  8). 

Sofern  »8  sich  um  klinische  Institute  handelt,  sollten  für  die  Studirenden 
besondere  Eingänge  vorhanden  sein,  welche  unter  Umgehung  des  Operations- 
platses  anf  die  Sitzplitae  flihren  (s.  Fig.  9). 

Aaffallenderweise  finden  wir  in  allen  neueren  Operationssälen  noch  die 
alten  Waschtische  mit  Kippschalen  und  Abflusaröhren  .  obwohl  dieselben  den 
Anforderungen  der  modernen  Aseptik  durchaus  nicht  entsprechen.  Empfehlens- 
werth  dagegen  dürfte  folgende  iunrichtung  sein.  Das  Wasehgeschirr  steht  auf 
einer  frei  ans  der  Wand  herrwragenden  Glasplatte,  das  gebranebte  Wasser 


Flg.  10. 


wird  anf  den  gegen  eine  Bodenversenkung  sehrig  abfallenden  Fnasl)oden  gegossen, 

wo  es  sich  sammelt ,  nm  alsdann  dnrch  ein  weites  Glasrohr  nach  aussen  ra 
gelangen :  hier  füllt  es  zunächst  in  einen  Triehter  nnd  von  da  in  die  Aulfang- 
rühren des  Canalsystems  (Fig.  10). 

Bei  den  Vorbereitnngen  snr  Operation  sind  wir  anm  Tbeil 
noeb  auf  die  Benutzung  antiseptisdier  Mittel  angewiesen,  doch  ist  ihre  Verwendnng 
dnreb  die  moderne  Sterilis-ition  auf  ein  sehr  bescheidenes  Ma^s  eingeengt  worden. 

Das  Krauken  personal  ist  anzuhalten,  hinsichtlich  der  Körperpflege, 
Kleidung  und  Wäsche  sich  besonderer  Reinlichkeit  zu  befleissigen.  Dies  bezieht 
sieh  Tomebmiieb  anf  die  Binde,  welebe  |a  in  direete  Berflbrnng  mit  der  Wände 
kommen  mtissen.  Je  weniger  Finger  an  die  Wunde  gelangen ,  desto  geringer  die 
von  dieser  Seite  herrflhrende  Infectionsgefahr.  daher  ist  tlumlichste  Kinsehränkung 
der  As.sistenz  geboten ,  meist  genügt  je  eine  hilfeleistende  Person  für  die  direete 
Assistenz  md  Darreichung  der  Schwämme,  Tupfer,  Fäden  etc. 

Die  Vorschriften  für  die  Reinigung  der  Hände  sind  verschieden, 
manche  Chirurgen  halten  eint'  eigentliche  Desinfeetion  vor  der  ()j)eration  für  über- 
fltlSBig.  ihnen  genügt  wiederholte  Reinigung  mit  Seife,  sterilisirteu  IJoizfaserbUndeln 
oder  Bürsteu  in  abgekochtem  Wasser.  Zur  Entfernung  der  im  Seifenbade  erweichten 


« 


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ASEPnSCHB  WUNDBEHANDLUNG. 


33 


oberflächlicheu  Kpidermiaschüppchen  ist  es  zweckmässig,  die  Hände  mit  eiaem 
gekochten  iiandtuche  scharf  abzureiben.  Die  HulztaserbUndel  werden  nach  einmaliger 
B«Botnniflr  als  werfbloses  lUterial  weggeworfeo ,  de  siiid  ans  dem  Grande  des 
Bunten  vorzuziehen ,  welohe  zwar  Ungafe  Zeit  im  Gebraneh  bleiben ,  aber  dafür 
auch  vor  jeder  Wiederbenutzung-  ganz  ausserordentlich  sorgsam  in  Carbol-  oder 
Sublimatlösung  deainficirt  werden  mttssen.  Eine  besondere  Desinfection  der  Hände 
findet  somit  vor  der  Opertlioii  im  Allgemdnen  ntoht  stnt^  rie  wird  jedodi  erfop* 
der  lieh  anmittelbu  nach  jeder  im  Laufe  des  Tages  etwa  stattgehabten  BerUhrnng 
infectiöser  Stoffe,  um  alle  haften  gebliebenen  Keime  sofort  zu  vernichten  ,  bevor 
sie  Gelegenheit  landen,  sich  in  den  Unebenheiten  der  Haut  fester  einzunisten. 

Anderen  Aerzten  genügt  die  vorstehend  beschriebene  einfache  Methode 
der  Fingerreinigong  nieht.  FOBBURont*')  liest  die  Hlnde  naeh  grtlndlieher 
Reinigung  mit  Seife,  Bürste,  Wasser  zunächst  eine  Hinnte  in  mindoKtens  80o  gigem 
Alkohol,  sodann  in  1 — 2*  '(,oiger  Sublimat-  oder  .So/^iger  CarboUösung  deslüfieiren. 
Aehnlich  sind  die  von  der  BfiBOMANN'schen  Klinik  ausgebenden  Vorsohriften. 
HiKüLTCZ  seift  die  Rinde '  snniehst  drei  Hinnten  lang,  derinfleirt  sodann  eine 
halbe  Minute  in  3 "/oiger  Carbol- oder  » '2  Vooi8*f  8'*Wimatlö8ung  und  reibt  sohliesB- 
iich  die  Kagelfalze  mit  lOo  'oiger  Jodoformgaze  ab.  Alle  Methoden  sollen  nach 
neaesten  Untersuchungen  eine  sichere  Sterilisation  nicht  ^^arantiren,  die  Erfahrung 
aber  lehrt  täglich,  dass  jede  der  vorstehend  besehriebenen  Vorbereitungen  genügt ; 
als  dnflMhstes  YerlUhren  verdient  die  medianisdie  fieinigang  im  Seifenbade  mit 
nachfolgendem  Abreiben  in  sterilisirten  Tüchern  den  Vorzug.  Die  w.lhrend  der 
Operation  entbldssten  Vorderarme  sind  in  gleieher  Weise  zu  behandein  wie 
die  Hände. 

Das  minnliebe  Hilfspersonal  ist  wihrend  der  Operation  bekleidet 

mit  leinenem  Rock  und  Schürze,  theilweise  sind  auch  Gummischttrsen ,  Gummi« 
Stiefel,  leinene  Beinkleider  und  Kopfkappen  in  Gebrauch.  Die  Frauen  sind  hoch- 
geschürzt, tragen  hohe  Stiefel,  sowie  Schürzen  aas  Gummistoö'  oder  Leinwand. 
Fflr  hinrdehende  Suberkeit  der  ldnen«i  Beklddnngsstfleke  vird  die  herkSmm- 
liebe  Bearbeitung  in  dmr  Wlsehe  genügen ;  sehr  vorsichtige  Lente  halten  ansserdem 
eine  Sterilisation  in  strömendem  Wasserdampf  für  nothwendig  —  auch  wieder  eine 
tlberfiüssige  Complication  des  ursprünglich  so  einfachen  aseptischen  Verfahrens. 
Wie  sollten  sich  wohl  pathogene  Keime  in  einer  Wäsche  halten,  welohe  mindestens 
90  Minuten  in  koehendem  Wasser  liegt ,  sodann  mit  Kaliseife  bearbvtet  nnd 
sddiesslieh  bei  hoher  Temperatur  getrocknet  wurde?  Höchstens  könnte  eine  Ver- 
nnreinfgnng  heim  Transport  aus  der  Trockenkammer  in  den  Operationssaal  statt- 
finden. Aber  dafür  giebt  es  doch  saubere  Körbe,  saubere  Finger  und  für  die 
Anfbewahrung  sanbere  SchrXnkef  Die  OnmmistoA  werden  at^eseift  nnd  hernaeh 
mit  6*/oiger  CarboUösung  desinficirt. 

Fflr  die  Vorbereitung  des  Patienten  gelten  im  Allgemeinen  noch 
die  alten  LisTKu'schen  Grundsätze;  er  bekommt  ein  warmes  Vollbad  am  Tage 
der  Aufnahme,  eventuell  am  Abend  vor  der  Operation  ein  zweites  Bad;  sogleieh 
hernaeh  Rasiren,  Seifen,  Bflrsten,  Aetherisiren ,  Desinfieiren  (2>— 6*/oige  Oarbol- 
lOsung)  der  zu  operirenden  K^^rpergegend,  welche  Nachts  vor  der  Operation  mit 
einem  2 — S^  olgen  Carbolunisclil.ig  bedeckt  bleibt.  Unraittelbar  vor  der  Operation 
nochmals  Seifen,  Bürsten  Aetherisiren  und  Abwaschen  mit  CarboUösung  (^'^ygigc 
fttr  Kinder,  b^/oigo  fOr  Brwaehsene). 

Diese  Reinigung  findet  ausserhalb  des  Operationszimmers  statt.  Der  Patient 
wird  sodann  in  ein  Badelaken  gelitillt  und  .  nach  Bedeckung  der  zu  operirenden 
Körpergegend  mit  einer  carbolisirten  Serviette,  in's  Operationszimmer  gebracht. 
Bd  Eilfällen  und  in  der  Privatpraxis  Verden  gewisse  Abweichungen  unvermeidlieh 
sein,  doeh  anch  dann  sollte  man  sieh  bemtheo,  die  oUgen  Vorsdiriflen  mOgUehst 
innezuhalten.  So  wird  man  in  der  Privatpraxis  oft  auf  das  Vollbad  verzichten  und 
sich  mit  um  so  sorgsamerer  Reinigung  und  Desinficirung  der  za  operirenden 
Kiirpergegend  begnügen  müssen. 

Enoyclop.  Jahrbbeber.  III.  3 


34 


ASEPTISCHE  WUNDBEHANDLUNG. 


Seit  EinfübruDg  der  aseptischen  Instramente,  welche  möglichst 
aas  einem  StahlstUck  gearbeitet  sind,  andernfali»  aber  einen  8(i;;enannten  aseptischen 
Verschluss  besitzen,  ist  die  Reinigung  und  Reinhaltung  derselben  ausserordentlich 
erleichtert.  Diese  Instrumente  werden  nach  jedesmaliger  Renutzung  sorgsam  im 
warmen  Seifenbade  gereinigt  und  durch  viertelstündiges  Kochen  keimfrei  gemacht, 
sodann  abgetntcknet  und  fortgelegt.  Vor  jeder  Operation  abermals  mechanische 
Reinigung,  viertelstündiges  Abkochen  der  in  eine  Serviette  eingeschlagenen  Instru- 
mente im  Kochtopf  and  Einlegen  in  eine  mit  */j%iger  Carbollösung  gefüllte  Schale. 
SCHIMMEF.BIISCH  empfiehlt  für  das  Abkochen  der  Instrumente  l^  oige  Sodalösung, 
wodurch  das  Rosten  derselben  vermieden  werden  soll ;  dies  Verfahren  hat  vielfach 
Eingang  gefunden.  An  Stelle  des  Kochtopfes  construirte  Schimmklbüscii  für  den 
grösseren  Betrieb  einen  eigenen  Sterilisationsapparat  fs.  Fig.  11),  welchen  man 
zur  Zeit  in  den  meisten  Kliniken  Deutschlands  sieht.  Die  Instrumente  werden  in 
Drahtkörbe  gelegt,  sodann  in  den  mit  Sodalösung  gelüllten  Kessel  gestellt  und 
nach  der  Herausnahme  aus  der  koeheuden  Sodalösung  in  Schalen,  welche  mit 
l'/o'gcr  Carbolsodalösung  gefüllt  sind,  gebracht. 

Fig. 11. 


Drahtkorb 


."^clialo  mit 
CariioUöauniC 


Zu  dem  Sterilisator  gehört  ein  Sndabehälter  mit  Sanduhr  und  Maass. 

Ausgenommen  von  der  vorstehend  beschriebenen  Sterilisation  im  Koch- 
topfe oder  Apparate  von  ScHiMMKi. BUSCH  sind  die  Messer,  welche  im  kochenden 
Wasser  stumpf  werden.  Kür  dieselben  genügt  sorgsame  iiifchanisehe  Reinigung  im 
Seifenbade,  Abreiben  mit  einer  gekochten  Serviette  und  unmittelbar  vor  der 
Benutzung  mit  Alkohol  und  gekochter  (iaze. 

Zum  Abwischen  der  Wunde  wflhrcnd  der  Operntinn  sind  Schwämme, 
GazebAusche  oder  Tupfer  zu  verwenden;  am  best»n  eignen  sich  ohne  Frage 
die  Schwämme,  aber  das  Material  ist  tlieuer.  weil  im  Interesse  der  Sauberkeit 
jede  Wiederbenutzung  ausge.sehbiH.sen  sein  sollte;  der  eiiiiual  gebrauchte  Schwamm 
muss  vernichtet  werden.  Da  das  Material  unter  längerem  Kochen  oder  Sterilisiren 
im  strömenden  Wasserdamjtf  ausserordentlich  leidet,  ist  man  auf  eine  meehanisch- 
ohemische  Reinigung  angewiesen.  Der  frisch  bezogene  Schwamm  wird  ausgeklopft, 
wiederholt  im  warmen  Seitenbade  abgewaschen  ,  24  Stunden  in  eine  Liisung  von 
Kali  hyi>prmaiH)<in.  (1  :  6UÜ)  gelegt,   sodann  mit  reinem  Wasser  ausgewaschen  und 


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ASEPTISCHE  WÜNDBEHANDLÜNG. 


35 


in  eine  heisse  l'^  oige  Soltiti'o  natr.  auhmlph,^  zu  der  man  8"  0^0«  reine  con- 
centrirte  Salzsilure  jsresetzt  hat,  gethan,  bis  er  in  circa  10—15  Minuten  weiss 
geworden  ist.  Hierauf  spült  mau  die  Schwämme  nochmals  längere  Zeit  in  gekochtem 
Waaser  aus,  hebt  sie  in  2"  „igcr  Carbollösung  auf  und  le:<t  sie  zum  Auswässern 
12  Stunden  vor  der  Operation  in  ateriliairtes  Wasser.  Wer  Gazebäusche  oder  Tupfer 
vorzieht,  kann  letztere  in  kochendem  Wasser  keimfrei  machen,  Desinfectionsapparate 
verschiedenster  Construction  leisten  dasselbe. 

Gaze  zur  vorilbergchendeu  oder  dauernden  Tamponade ,  sowie  zur 
unmittelbaren  Bedeckung  der  frischen  Wunde  wird  durch  Kuchen  oder  in  einem 
besonderen  Apparate  «terili-}irt.  Es  ist  am  sichersten ,  die  für  jede  Oparation 
erforderliche  Gaze  nd  hrtc  zu  prilpariren ;  man  kann  den  mit  einem  fest  schlie^sendea 
Deckel  versehenen  Kochtopf  wflhread  der  ganzen  Operation  broicln  lassen,  Ver- 
bandgaze hineinwerfen  und  nach  Bedarf  mit  einer  sterilisirten  Kornzango  heraus- 
nehmen, in  kaltem,  gekochtem  Wa-^scr  abkühlen  und  aUdaun  verwenden.  Dies 
emptiühlt  sich  besonders  für  die  Privatpraxis;  für  den  annähernd  feststehenden 
klinischen  Tagesbedarf  können  grössere  Mengen  durch  Kochen  keimfrei  gomicht 
und  in  sterilisirten,  das  heilst  abgekochten  Glasgefässen  aufbewahrt  werden.  Freilich 


Fig. 12. 


Tran8)K>rtAble8  Cat(;ut^i!raai).  , 
Daj(!4«1be  wird  mit  oinem  finmmiHtopfea  a,  der  in  liiiinpf  wie  da«  GlaBgofä^n  rf  «iterillfiirbar  ist, 
vernfhloagen.  Diis  Cutgiit  ist  auf  Kolieu  «.  c,  aufjjcwlckelt ;  die  Endcu  der  Fällen  sind  durrh 
eine  Glasplatte  j  gefithrt,  w«lch«  iu  die  obere  OetVnung  de«  Gefässe«  eingeleKt  iai. 

giebt  es  auch  verschiedene  Arten  von  SterilisatDren  für  die  Herstellung  keimfreien 
Verbandmatcriales  und  BehJlller  f.lr  die  Aufbewahrung  ilersi-lben.  S(;niMMKiiRnscH 
empfiehlt  einen  von  L.-M  tk.nsciilaokk  construirteu  Apparat,  welcher  mit  und  ohne 
automatische  Kühlv<trrichtung  zu  haben  ist.  Als  Concurrenten  sind  K ATSCH  in 
München,  Mi'nckk  in  Berlin,  sowie  KiKTSCUKL  und  Hknnkhkri}  aufgetreten.  Für 
den  grossen  klinisolien  Bedarf  mitpren  die.s  empfehlenswerthe  Kinricbtungen  sein, 
das  kleine  Hospital,  .sowie  der  praktische  Arzt  können  dio-selbon  vollkommon  ent- 
behren. Es  existiron  noch  manche,  besonders  für  den  Geltrauch  des  praktischen 
Arztes  construirte  Sterili-jatoren ,  ««infachere  und  coniplicirtc  Apparate,  in  denen 
gleichzeitig  Ini^truniente ,  sowie  Verbandstoffe  keimfrei  gemai'ht  werden  können; 
es  geht  damit  schon  ähnlich  wie  seiner  Zeit  mit  den  vielen  neu  erfundenen  anti- 
septischen Mitteln,  wer  sie  alle  durehprobiren  will,  mag's  thun,  sie  einzelu  herzu- 
zählen oder  gar  zu  beschreiben,  hat  einstweilen  keinen  Werth. 

Wer  zur  hi^ratur  oder  Naht  Catgut  bpnützen  will,  kann  dasselbe  nach 
einer  von  SciiiMMKLBii.Sf'M  gegebenen  Vorschrift  sterilisircn  : 

1.  Sterilisation  der  (Jlaxbeh.llter     ,  Stunden  in  Dampf  CFig.  12). 

2.  Aufwickeln  der  CntgutHldeu  auf  die  Glasrnlle,  respective  die  Glasplatte. 

3.  Eutft;tten  des  fetthaltigen  Rohcatgute?  durch  Aufgiessen   von  Aetlier 
nnd  243tflndige3  Stehenlassen. 

3* 


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36 


ASEPTISCHE  WUNDBEHANDLUNG, 


4.  Aufgieflsen  des  SublimatalkohoU  Dach  Abgiessen  des  Aetbers.  Der 
Snbliinatalkobol  bat  folgende  ZusammeDsetzung :  Suhl.  10  0 ,  Alk.  absol.  800*0, 
Aq.  dest.  200-0. 

5.  Erneuern  des  Sablimatalkobols  nach  je  24  Stunden.  Frühestens  nach 
zweimaliger  Erneuerung  ist  der  Desinfectionsprocess  beendet. 

6.  Abgiessen  des  Sublimatalkohols  und  Aufgiessen  des  gewöhnlichen 
Alkohols.  Je  nachdem  man  ein  etwas  starres  oder  weiches  Catgut  wünscht,  nimmt 
man  den  Alkohol  fast  absolut  und  rein  oder  man  setzt  Glyoerin  bis  20"  o  zu.  Die 
GeOisse  müssen  stets  gut  verachlossen  gehalten  werden. 

Das  ist  wohl  ein  sicheres,  aber  auch  zweifellos  sehr  coraplieirte^  Ver- 
fahren; für  kleinere  Anstalten  und  den  praktischen  Arzt  ist  es  daher  vorzuziehen, 
bereits  sterilisirtes  Catgut  zu  beziehen,  welches  u.  A.  die  Firma  A.  Hellwig, 
Berlin,  in  ausgezeichneter  Qualität  liefert.  Man  entnehme  den  Originalflaechea 
anmittelbar  vor  der  Operation  soviel  Material,  als  voraussichtlich  während  der- 
selben benutzt  wird,  lege  dasselbe  in  eine  mit  Alkohol  gefüllte  Schale  und  vernichte 
den  eventuell  übrig  bleibenden  Theil. 


Fig.  la. 


Sterilisirte  Seide  findet  besonders  für  die  Naht,  zuweilen  auch  als 
Ligaturfaden  Verwendung,  auch  hier  kann  der  Zweck  durch  einen  der  verschiedenen 
Sterilisatoren ,  einfacher  aber  durch  Abkochen  der  Fäden  erreicht  werden.  Im 
ersten  Falle  sind  Aufbewahrungsbehälter  erforderlich,  im  letzteren  Falle  kocht 
man  das  erforderliche  Quantum  vor  oder  während  der  Operation  in  gleicher  Weise 
wie  vordem  von  der  Gaze  beschrieben.  Bis  zur  Verwendung  in  der  Wunde  liegen 
die  Fäden  gleichwie  da.s  Catgut   in  derselben   mit  Alkohol  gefüllten  Glasschale. 

Die  Wundirrigatiou  ist  seit  einigen  Jahren  wesentlich  einge-ichränkt 
worden,  es  gab  Zeiten,  wo  Patient,  OperationHtisch  und  auch  das  ärztliche  Personal 
überschwemmt  wurden  —  das  war  zu  viel ;  neuerdings  wird  von  Einigen,  zumal  von 
Landkrer*'),  gar  nicht  mehr  gespült  —  das  ist  zu  wenig;  die  goldene  Mittelstrasse, 
dem  Wenigen  etwas  näher,  das  ist  das  Kichti^'o,  doch  mit  einigen  Einschränkungen 
zu  Gunsten  Landerf.r's  und  Anderer,  die  lange  vor  ihm  sohon  ebenso  handelten. 
Kleine  Wunden  in  frischen  Geweben  nach  kurz  dauernden  Operationen  auszu- 
waschen ist  in  der  Tbat  UbertlUssig,   insoferue  haben  Laxderer  und  seine  Vor- 


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ASEPTISCHE  WUNDBEHANDLUNG. 


37 


glDger  Recht.  Nach  grösseren  und  langdaueroden  Operationen,  besonders  in  chronisch 
entzündeten  Geweben,  ist  zwecks  Beseitigung  liegen  gebliebener  Staubpartikelcben, 
Fadenreste,  Gewebsfetzen  etc.  die  aseptische  Irrigation  das  schonendste  und  sicherste 
Verfahren,  um  diese  tlberflUssigen  Dinge  aus  der  Wunde  zu  beseitigen.  Dazu  be- 
dienen wir  ODS  der  gekochten  0'6%igen  Kochsalzlösung,  an  deren  Stelle  Tavel 
eine  Lösung  von  272"  ooip^m  Natr.  carh,  und  7^/s%oigem  Natr.  hydrocJdorn-. 
empfohlen  hat.  Man  benutze,  wenn  irgend  möglich,  nicht  die  schlecht  zu  desinti- 
cirenden,  bislang  gebräuchlichen  Irrigatoren  mit  Schläuchen  und  Spitzen,  sondern 
leicht  zu  sterilisirende  Glaskanneu.  Zwar  sind  die  Gummischläuche  durch  Kochen 
keimfrei  zu  machen ,  doch  leiden  sie  bei  dieser  Procedur  sehr  und  müssen  häufig 
erneuert  werden.  Zum  Sterilisiren  des  Wassers,  dem  man  vorher  das  entsprechende 
Quantum  Kochsalz  zusetzt,  kann  jeder  Kochtopf  benutzt  werden,  nach  halbstündigem 
Kochen  bleibt  der  Topf  circa  eine  halbe  Stunde  ruhig  stehen  und  das  abgeklärte 
Wasser  kann  in  die  Glaskanne  gegossen  werden.  Für  den  grösseren  Bedarf 
klinischer  Zwecke  seien  folgende  Vorkehrungen  erwähnt : 


Fig.  14. 


WaBsersterilisation. 


Der  WassersterilisHtor  von  Fritsch  enthält  einen  durch  Bunsenbrenner 
erhitzten  Kessel ,  die  Abkühlung  gcscliieht  durch  eine  mit  der  Wasserleitung  in 
Verbindung  stehende  Kühlschlange  (s.  Fig.  In  der  Kieler  Privatklinik  wird 
folgender  Apparat  benutzt:  In  einem  besonderen  Kaume  befindet  sich  ein  Herd, 
auf  diesem  ein  gro.s3or  Kessel  ('s.  Fig.  14j,  in  dessen  Deckel  ein  Wattefilter 
zwecks  Abfangen  der  groben  Unrcinlichkeiten  des  lieitungswaascra  angebracht  ist. 
Nach  2-48tündigem  Kochen  bleibt  das  W.isser  etliche  Stunden  bis  zur  voll.'*tändigcii 
Abklärung  im  Kessel  stehen,  wird  sodann  nach  OetTnuug  des  AbHus.»jhahneH  in 
ein  kleinere^»  Gefitss  gethan  und  in's  Operation.'^zimmer  gebracht. 

Neben  all  den  vorstehend  erwähnten  Dingen  ist  der  Reinhaltung  des 
Zimmerinventars  besondere  Sorgfalt  zuzuwenden.  Operationstisch,  Gummi- 
decken, Schürzen,  Glas-jchalen,  Gla.sti.sehe  werdeu  mit  grüner  Seif«  und  heissem 
Wa.«isor  gereinigt,  hernach  mit  5'^  ,>iger  Carbollösung  abgewaschen.  Als  weiche 
Unterlage  für  den  Patienten  belindet  sich   auf  dem  Operaticmstische  eine  2  Cra. 


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38 


ASBFTISCEB  WUNOBBHANDLDNO. 


dieke  FUtdeeke,  welebe  hin  und  wieder  doreh  Abkochen  slerilieirt  werden  kann. 

Anf  dieser  Filzdecke  liegt  eine  allseitig  weit  aberhftngende  dünne  Gumroidocke, 
darauf  der  nackte,  in  ein  reines  Leinenlaken  frchitlltc  Patient.  Als  Nackenrolle 
dienen  in  leinene  Beutel  gestopfte  Holzfaser-  oder  JutebUudel,  welche  sich,  ebenso 
wie  die  Filzdecke,  durch  Einlegen  in  kochendes  Wasser  leicht  sterilisiren  lassen. 

Die  Ansehftnnngen  Uber  die  Sehldiiohkeit  der  Lnfkkeime  haben  sieh 
im  Laufe  der  Jahre  wesentlich  geändert,  und  wenn  es  auch  geboten  erscheint, 
dieselben  nicht  ganz  ausser  Acht  zu  lassen  ,  so  ist  ihre  Bedeutung  doch  gering 
gegenüber  den  von  der  Contactiutcctiuu  ausgehenden  Gefahren.  Uebur  die  Zweck* 
loeigkeit  der  Sprayapparate  ist  bereits  an  anderer  Stelle  die  Rede  gewesen,  man 
hat  dieselben  bekanntlich  ganz  aufgegeben.  Auderercttts  wflre  es  zu  weit  gegangen, 
wollte  man  die  in  der  Luft  des  Operationszimmers  cnflinltcnen  Schndliclikeiten 
gar  nicht  mehr  berücksichtigen.  lu  Hospitälern  mit  künstlicher  Ventilation  oder 
Lnftheisnng  kann  die  nnr  durch  eine  Oeffnung  einströmende  Lnft  dnreb  Anbringe 
eines  aogereuchteten  Gazefilters  vor  dieser  Oeffnnng  von  Staub-  und  8ehmata>> 
partikelchen  gereinigt  werden  (s.  Fig.  8).  Wo  die  baulichen  Einrichtungen  eine 
derartige  Vorkehrung  nicht  gestatten,  ist  es  zwtckniSssig,  ii.'ich  voraufgegangener 
sorgsamer  Reinigung  und  LUltuug  die  Wilude  des  Upcrutiouszimmers  durch 
Abrwben  mit  einem  nassen  Tuebe  anzufeuehten ,  sodann  aber  jede  ttberflUssige 
Loftbewegung  tn  Yerhlndem,  um  erneutes  Aufwirbeln  von  Staub  Stt  vermeiden. 
In  Privathftupern  muss  das  für  die  Operatiou  bef^timnitc  Ziüinier,  wenn  irgend 
möglich,  schon  einige  Stunden  oder  Tags  vorher,  nach  Fortschaäuug  aller  über- 
flüssigen HAbel,  Vorhänge  etc.  gereinigt,  sodann  eirea  eine  Stunde  vor  der 
Operation  durch  Abreiben  der  Wiinde,  Deeke,  des  Fnssbodens  mit  nassen  Tflehem 
mflgliehst  staubfrei  irtinacht  werden. 

Hinsichtlich  der  AusfOhrung  der  aseptischen  Operation  sind 
besonders  folgende  Punkte  beachtenswerth :  Je  schneller  man  operirt,  je  wcuiger 
Finger  die  Wnnde  berOhren,  desto  geringer  die  meidianlsehe  Irritation^  sowie  die 
Gefahr  der  Contactinfeetion.  Daher  sollte  man  von  vornherein  grosse  Schnitte 
fahren ,  um  rasch  in  die  Tiefe  eindringen  zu  können  und  sich  .  wie  bereits 
vordem  erwähnt,  mit  geringer  Assistenz  begnügen.  Für  die  Blutstillung  ist  durch 
Ligatur,  Torsion  und  nadifolgeode  eventuell  die  Operation  seltwelse  anf  einige 
Mitiuten  unterbrechende  Compreasion  an  sorgen.  Es  ist  sehr  zweckmässig,  diejenigen 
Wundabschnitte ,  in  denen  man  momentan  nicht  beschäftigt  ist,  vorübergcliend 
mit  sterilisirter  Gaze  zu  bedecken.  Als  Unterbindungsmaterial  benutzen  die 
Einen  Catgut,  die  Anderen  sterilisirte  Seide;  letztere  bleibt,  wenn  auch  nicht 
immer  dauernd,  so  doch  sehr  lange  als  Fremdkörper  im  Gewebe  li^n  und  kann 
verschiedene  rnbequemlichkeiten  veranlassen  ,  ersteres  wird  rascher  resorbirt,  ist 
daher  vorzuziehen  ,  besonders  seitdem  es  mit  Sicherheit  sterilisirt  werden  kann. 
Vor  Beendigung  der  Operation  ist  zunächst  zu  entscheiden,  ob  die  Wunde  sieh 
fBr  eine  primtro  H«lung  eignet.  Wenn  dieses  der  Fall  ist,  tritt  an  nns  die 
weitere  Frage  heran,  ob  die  Wnnde  drainirt  oder  durch  die  Naht 
v  o  1 1  k  o  m  m  0  n  abgeschlossen  werden  soll.  Letzteres  erseheint  im  Interesse 
der  vollendeten  prima  intentio  als  das  Wünschenswerthere.  Je  grösseres  Vertraueu 
der  Chirurg  zu  seiner  gesammten  aseptischen  Prophylaxe  hat,  desto  aeltmer  wird 
er  sieb  veranlasst  sehen,  zu  drainiren.  So  ist  denn  an  vielen  Orten  die  Drainage 
bei  allen  für  die  prima  iuientii)  geeigneten  Fällen  giinzlich  aufgegeben,  während 
manche  Chirurgen,  z.B.  V.  Bkrcmanx  und  neuerdings  Kochkü,  die  Drains  bei- 
behalten haben.  Letzterer  empfiehlt  dieselben  weniger  als  ^icherheitsvcutil  gegen 
etwa  vorgekommene  Wnndlnfeetlon,  er  hält  sie  al>er  zwecks  Ableitung  des  inner- 
halb der  ersten  24  Stunden  sich  ans.iinuu'lndcn  Blutes  für  uothwendig  und  nimmt 
dieses  Vortheiles  halber  «it  ii  Nuclitlicii  eines  nach  Ablauf  des  ersten  Tages 
erforderlichen  Verbandwechsels  in  den  Kauf,  verzichtet  somit  auf  die  Heilung 
tniter  dnem  Vorband.  Wer  Anhänger  der  Drains  Ist,  bedient  au  dem  Zwecke 
eines  deealdnlrten  Knochen*,  Gnmml-,  Metall-  oder  Olasrohres,  wer  dieselben  fOr 


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ASEPTISCHE  WÜNDBEBANDLÜNG. 


39 


überflüssifr  hJllt  ,  näht  die  Wunde  in  der  pag'.  43  angegebenen  Weise  zusammwi. 
!Pro  und  Contra  soll  hier  nicht  weiter  erörtert  werden.  Verfasser  steht  auf  der  Seite 
I>erjenigeD,  welche  niebt  dniiüren  und  wird  die  folgenden  Fregfen  wesentiidi  von 
dieaem  Studpnnkte  ans  erörtern. 

Nun  giebt  es  aber  manche  Wnnden,  welche  nicht  in  ganzer  Ansdehnuog 
geschlossen  werden  »iürfen .  weil  eine  primilre  Heilung-  unwahrscheinlich  oder 
nnmöglich  ist.  Auch  hier  siiu]  die  Meinungen  Uber  die  Art  des  Wund  verschlusses 
verschieden;  die  Einen  empfeiilen  wiedernm  Drainage,  die  Anderen  das  Einlegen 
TOD  Oazestreifen  oder  Anfüllen  der  ganzen  Wunde  mit  sterilisirter  Gaze,  worauf 
eventuell  einige  Tage  »pnter  die  Seeondirnaht  folgen  kann,  in  der  Art,  wie  fraher 
von  Kocher-'*)  angegeben  wunie. 

£s  ist  ganz  unmöglich,  das  Gebiet  der  für  die  prim&re  Heilung  geeig- 
neten und  nicht  geeigneten  Fälle  gegen  dnander  scharf  absngrenzen,  jedoch 
darf  man  im  Allgemeinen  wohl  sagen,  dass  der  ersteren  Kategorie  alle  Wnnden 

angehören,  welche  unter  unseren  H.Inden  in  frischen  Geweben  entstanden,  bei 
denen  durch  Ligatur  und  ( 'ompressiou  eine  genilgeiide  Blutstillung  erreicht 
wurde  uud  wo  der  Scbiu8s  der  Wunde  ohne  all/.u  starlie  Anspaunuog  der 
deckenden  Haut  gelang. 

Bei  sn  stark  gespannter  Haut  ist  die  Ernährung  der  Wnndränder,  an» 

mal  in  der  Umgebung  scharf  angezogener  Nillit»',  gefährdet,  ea  kann  da  leicht  zu 
Rand-  oder  Nahtgangräii  mit  dcnuirkircndcr  Kiterung  und  somit  zur  Vereite- 
lung der  prima  inltntio  kommen.  E-«  ist  dies  eine  bislang  uicbt  genügend 
beachtete  Ursache  aseptischer  WnndentiQndnng.  Es  sind  also  drei  Bedingangea 
erforderlich :  die  Wnnde  mus»  unter  unseren  Hilnden  entstehen,  die  Blutung  sorgsam 
gestillt  und  die  deckende  Haut  nicht  all/u  stark  gespannt  gein,  im  L'ebrigen  mag 
man  es  mit  einer  grossen  oder  kleioeD ,  mit  Haut-,  Weicbtbeils-  oder  Knocbca- 
wnnden  so  tiimi  haben,  sie  alle  dgnen  sich  bei  aseptlseher  Behandlang  für  die 

Auch  frische  Höhlen-  oder  Spaltwuudeu ,  wie  sie  nach  Exstirpation  von 
Knochengeschwfilstcn ,  manehen  Exarticulationen ,  Teno-  und  Myotomien,  sowie 
nach  Osteotomien  entütehen,  eignen  sieb  für  die  gleiche  Behandlung,  nur  muss 
man  in  diesen  Fällen  den  KnodienspaU,  resp.  die  starrwandige  HOhle  mit  ^at 
anffliien  lassen,  es  kommt  alsdann  an  der  Heilung  unter  dem  feuchten  Schorf, 
welcher  bereits  vor  vielen  Jahren  Lister  und  Vot.iojwx  Krwithtumg  thaten  und 
die  neuerdings  besonders  wieder  von  SCHKDE  -'")  in  Erinnerung  gebracht  worden 
ist.  Die  vorstehend  genannten  drei  Bedingungen  werden  bei  einer  grossen  Zahl 
aller  operativen  Fälle  an  erfüllen  sdn,  so  bei  fast  allen  nicht  in  unmittelbarer 
Nahe  der  Körperötfnutigen  liegenden  Gc>rli\viil>t«  ii ,  bei  Amputationen,  mancheu 
Resectionen,  Muskel-,  Nerven-,  Sehnen-  und  pl  isti^^chen  Operationen,  bei  Heraio- 
tomien,  Radiealojterationen  der  Hernien.  HydrixiL-le  etc. 

Bei  Verletzungen  liegt  die  Saebu  anders,  der  verletzeudo  Gegen- 
stand war  ebenso  wenig  aseptisch,  wie  in  den  meisten  Fällen  der  zunächst  von 

Laienhand  angelegte  Deckverband,  daher  sollte  jede  in  Behandlung  gelangende 
Verletzung  mit  Vorsieht  beiirfheilt  werden;  sie  ist  nicht  immer  inllcirt,  aber  sie 
könnte  es  sein.  Dies  gilt  besonders  für  Wunden  mit  gequetschtou  Rändern,  stark 
zertrflmmerten  Geweben,  eröffneten  Gelenken  oder  Sdinenscheiden ,  sowie  fDr 
eomplieirte  Fraoturen  mit  grosser  äusserer  Wunde.  In  all  diesen  Fällen  wird  die 
Wnnde,  wenn  nr.tliig  in  Narkose,  erweitert,  sowie  nach  Entfernung  etwa  ge- 
löster oder  ge(iuetscljier ,  /ernialmter  (Jewebstheib*  und  Kndchensijlitter  durch 
BespUlung  mit  sterilisirtem  Wasser  gereinigt  und  in  ganzer  Ausdehuung  oder 
theilweise  mit  sterilisirter  Oase  angefollt.  Um  allzu  starkes  Auseinanderweichen 
der  Rflnder  zu  v.rhindem,  kimnen  einzelne  Nähte  zweck.s  Annäherung  der 
Wundrfinder  an^elcL't,  eventuell  :iu<'li  olterer  und  unterer  Wundabsohnitt  in  kuiaer 
Ausdehuuug  durc-li  teste  Mabt  vereinigt  werden. 


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40 


ASBPTIEMJHC  WÜNDBEffANDLüW}. 


Die   TÄmpons  liegen    2 — 4   Tage;    haben  sich   bis   dahin   keine  Ent- 
sflndungsersoheinaogen  eingestellt,  zeigen  sich  nach  Eutieruung  des  Verbandes 
die  Binder  weder  gerOdiet  aoeh  geMhwoIlen,  tat  keine  Eiterung  eingetreten, 
80  dürfen  wir  nach  Entfernung  des  Tampons  die  Heilung  durch  Anlegung  einer 
Seeundärnaht  iu  ganzer  oder  theilweiser  Ausdehnung  der  Wunde  beschleunigen. 
Sind  aber  EntzUndungserseheinungen  da,  trat  locale  oder  allgemeine  Keaction 
ein,  M  bleibt  die  Wunde  nntOrtieh  offon,  der  Tampon  wird  geweobaett 
eventuell  durch  Anlegung  neuer  Oefinungen  für  Abflu?»  aller  Seerete  gesorgt* 
Unter   solchen  Verhältnissen   ist   man  meistens  auf  Secundilrheilung  angewiesen, 
höchstens  lässt  sich  dieselbe  in  einem  weit  späteren  Stadium,  bei  guter  Granu- 
Inlion  der  nidit  mehr  eiternden  Wunde,  nach  Abschabnng  der  Granulationen 
dnreh  AbUtonng  und  Nnht  der  Wmidrlndw  nbkOraen. 

Dies  soeben  beschriebene  Verfahren  der  Tamponade  mit  eventuell  früher 
oder  später  folgender  Seeundärnaht  ist  der  vordem  für  derartige  Fälle  üblichen 
Drainage  vorzuziehen.  Jedoch  hat  letztere  noch  ihre  Anbänger ;  in  dem  Fall  wird 
die  tmegaam  geeloberte  Wunde  looker  genäht  and  cum  Thmle  nneh  Anlegung 
passender  OegenHffnungen  mit  Gummidrains  versehen,  welche  für  den  Secret- 
abfluss  sorgen.  Bei  günstigem  Verlauf :  Entfernung  der  Drains  nach  2 — 4  Tagen, 
bei  auftretender  Entzündung:  Ueffhung,  Reinigung  und  Tamponade  der  Wunde, 
tventoeil  mit  gleiehzeitiger  Beibehaltung  der  die  Seerete  abfObreoden  Drains. 

Die  obigen  Sätze  gelten  fttr  alle  Yerletsnagen  mit  Ausnahme  IHaoher, 
8charfrandi};cr  FL-nitwiinden  ,  DurcLstechungsfracturen  und  klelnkalibriger  Scbuss- 
wunden.  Bei  letzteren  wird  man  nach  Ileinigung  der  umgebenden  Haut  etwas 
steriiisirte  Gaze  oberflächlich  iu  die  Schussöffnung  hiueinschiebeu  uud  einen 
Oenerverband  darüber  legen;  meist  Icann  derselbe  lingere  Zeit  liegen,  nur  bei 
auftretenden  Ent/.ündungserdcheinungen  ist  natürlich  eine  frühere  Entfernung 
nothwendig.  Die  Durchstechnnü^!?-  oder  complicirten  Fracturen  mit  kleiner  äusserer 
Oeffaung  sind  ähnlich  zu  behandeln,  hier  ist  Aussicht  vorhanden,  dass  während 
de«  momentanen  Klaflens  der  Hautwunde  keine  Infeetionserr^er  in  die  tieferen 
Gewebe  eindrangen,  daher  erscheint  das  Debridement  solcher  Wunden  nicht  er- 
forderlich. Man  reinige  nach  Schutz  der  blntenden  Stelle  durch  provisorisch  auf 
gelegte  Gaze  die  äussere  Umgebung,  lege  sodann  etwas  .«terilisirten  Verbandstoff 
auf  die  Hautölfnung  uud  darüber  den  immobilisirenden,  resp.  Streckverband.  Aber 
die  Wunde  bleibt  offen,  genflht  wird  sie  unter  kmnen  ümatinden;  de  ist  oft 
nach  der  Entfernung  des  ersten  Verbandes,  der  eventuell  Wochen  lang  unberührt 
bleibt ,  geheilt.  Bei  frischen .  scharfrandigen  Haut-  oder  oberflächlichen  Weich- 
theilswunden  lassen  sich  etwa  eingedrungene  EntzUndungserreger  durch  reichliches 
Bespülen  mit  gekochtem  Wasser  und  Auswischen  mit  aterilidrten  Schwimmen 
oder  Tupfern  ziemlich  sicher  entfernen;  die  Erfahrung  jedenfalls  lehrt,  dass  der- 
artige Wunden  nach  fi  sti  r  Naht  gewöhnlich  prim.lr  heilen,  wenn  man  im  T'ebrigen 
vor  und  während  Anlegung  der  Naht  nach  aseptischen  Grundsätzen  handelte. 

Bei  «outen  Entzündungen  wird  man  die  zwecks  Ableitung  der 
EntsandnngBprodnete  ansgieUg  angelegten  Incisionen  wdt  offen  halten  und  mit 
Pterilisirter,  rcsp.  jodoformirter  Gaze  anfüllen.  Waren  GegenßfTnnngen  erforderlich, 
8(1  kann  die  Ableitung  durch  dieitlhen  mit  Hilfe  eingelefjter  Gummidrains  oder 
Gazestreifeu  gesichert  werdeu.  Zur  Keiuigung  der  Wunde  siud  auch  hier  des- 
inficirende  LMnngen  im  Allgemeinen  nicht  erforderlieh,  sie  sind  swecklos,  weU 
sie  in  die  tieferen  gleichfalls  schon  infioirten  (iewebe  nicht  eindringen  kOnnen 
and  an  der  Oberfilcbe  weit  weniger  leisten  uls  der  eingelegte  .lodoformgpase- 
tampon.  Es  genügt  daher  reichliche  Auswaschung  mit  reinem  Wasser. 

Wthrend  aomit  alle  Wanden,  welche  in  aeut  entsflndeten  Geweben  anter 
unseren  Händen  entstehen,  unbedingt  offen  bleiben  und  tamponirt  werden  müssen, 
liegt  die  Sache  für  O  p  e  r  a  t  i  o  n  s  w  n  u  d  e  n  in  chronisch  entzündeten  G  e- 
weben  durcliaus  nicht  >ii  einfach.  lU  handelt  sich  da  im  We3entli<'lien  um  die 
chirurgischen  Tubcreulosen  der  Knochen,  Gelenke  und  Drüsen  oder  um  Nekrosen 


-  V 


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ASEPTISCHE  WUNDBEHANDLUNG. 


41 


steh  »cuter  Osteomyelitis.  Die  tubercuIöBen  Drüsen  können ,  sofern  es  sich  am 
eeatrale  Verkisung  oder  Vereiterung  baadelt,  wie  andere  Tumoren  bebandelt  und 
üe  Wunden  f  ntoh  Entfernong  der  TwgrÖaaertoo  DrOsen,  durah  (iesto  Naht 

geschlossen  werden.  Gerade  hier  sind  die  Resnltata  recht  gfloatige.  Ist  aber  die 
deckende  Haut  von  Firttelpräng^en  durchzog^on  oder  p^ar  untorminirt  und  preschwflrig 
geworden  ,  so  muss  die  Wunde  jedenfalls  zum  Tbeil  oiTen  bleiben  und  mit  Jodo- 
fonngaae  gefüllt  werden,  bis  zu  gelegener  Zeit  die  Anlegung  einer  Secundärnabt 
mSgtieh  endieint.  Geleahneeetienen  wegen  TuberkiloBe  sind  eehr  Tersehieden  iv 
beartheilen.  Bs  giebt  deren,  welche  grosse  Aniaieht  auf  primire  Heilung  bieten, 
das  sind  besonders  jene  meist  älteren  Fälle  ,  wo  es  sich  weder  um  ausgedehnte 
periarticuläre  Granulationslager,  noch  Abscesse  bandelt,  wo  der  Process  viel- 
mehr in  der  Rflekbildang  begriffen  iit  nnd  man  innerhalb  der  Epipbysen  nnd 
dcKtruirten  Gelenke  abgekapselte  enridse,  resp.  toberkoIOse  Herde,  in  der 
GeUnkumpebung  bindepewebijre,  znweilen  von  Fistelp'flnpren  durchzogene  Schwielen 
findet.  Diese  letztgenannten  Formen  der  Gelenktuberkulose  eignen  sieb  meist  fUr 
die  primire  Heilung  in  ganzer  Ausdehoang,  wenn  nur  alles  Erkrankte,  enriOee 
Herde,  rauhe  GelenkkOrper,  Sehwielen  tanunl  Fiilelglngien,  grlndUeh  entirpirt 
wurde.  Unter  solchen  Verhältnissen  wird  die  Wimde  nach  vollendeter  Kesection 
reichlich  mit  gekochtem  Waaser  ausg^ewaachon  ,  um  alle  etwa  lie<ron  g'eblicbencn 
tuberkulösen  Reste  zu  beseitigen,  sodauu  die  Blutung  durch  Ligatur  und  eventuell 
nnehLOrang  der  abeehnttrenden  Binde  dnrdi  10 — 15  Minuten  danmde  Oompreaeioii 
gestillt  und  nunmehr  in  ganser  Anadehnang  durch  die  Naht  vereinigt.  Besonders 
beim  Knie-,  Hand  und  Ellbofren-,  aber  auch  bei  allen  anderen  Gelenken  ,  selbst 
nach  Resectio  coxae  sehen  wir  derartig  beiiandelte  Wunden  in  überraschend  kurzer 
Zdt  mir  Hellang  gelangen.  Anders  sind  die  weieheren,  sehwammigen  Formen  der 
Gelenktuberkulose  zu  beartheilen ;  von  Rflekbildang  des  Proeesses  ist  hier  keine 
Rede,  der  Körper  hat  A-a^  Ttiberkelgift  noch  nicht  Uberwunden,  es  ist  den  vitalen 
Kräften  bi.slanf^  nicht  mö;Tlicb  gewesen  den  Krankheitsherd  zu  isoliren,  daher  die 
Gefahr  der  locaieu  iiecidive ,  welche  umso  bedeutender  erscheint ,  Je  grösser  die 
panrtienllrai  Ablagerangea  nnd  Abeeesse,  je  wahrseheinlieher  die  bereits  er- 
folgte tuberkulöse  Infeetion  der  umgebenden  Musculatur  ist. 

Man  kann  ja  nach  ß^rUndlicher  Beseitigung:  alh^s  Kranken  auch  hier  ein- 
mal, besonders  am  Kniegelenk,  primäre  Heilungen  erleben,  wahrscheinlich  ist  dies 
nieht  und  daher  liesser,  je  naeh  den  loealeii  Yerhlltnissen,  die  Wnnde  in  ganser 
Ausdehnung  oder  tbeilweise  mit  Jodoformgase  an  füllen,  resp.  zu  drainiren. 

Erst  der  weitere  Verlauf  inuss  zeigen,  ob  eine  Beschleunitrun^r  der 
Heilung  durch  spätere  Naht  angebracht  erscheint  oder  nicht.  Einschaltend  sei 
hier  nochmals  hervorgehoben,  dass  bei  allen  chirurgischen  Tuberkulosen  das  io 
Gase  eingestreute  Jodoform  als  antitnberkaUfses  Spedfienm,  statt  der  einfneh  ge- 
kochten oder  Bterilisirten  Gaze,  Verwendung  findet.  Die  Jodoformgaze  wird 
am  besten  in  der  Weise  herfrestellt,  dass  man  in  pekochte  Gazestreifen  aus  einer 
Glasbttobse  mit  durchlöchertem  Deckel  etwas  Judutorm  dUnn  einstreut.  Man 
kannte  vom  theoretisehen  Standpnnlrte  gegen  eine  derartige  Verwendung  des 
■ieht  Bterilisirten  Jodoforms  Einwendungen  erheben,  aber  die  Erfahrung  zeigt,  dass 
es  auch  in  nieht  sterilisirter  Form  ein  kräftiges  AntiRepticuni  ist,  welches  weder 
infectiös,  noch  bei  vorsichtiger  Verwendung  je  toxisch  wirken  wird. 

Ausgedehnte  alte  Nekrosen  mit  erheblichen  periostalen  Knochen-, 
sowie  parostalen  Sehwielenbildungen  kommen  in  neuerer  Zeit  reeht  selten  in 
Behandlung,  weil  die  jungen  Acrzto  gelernt  haben,  den  entsflndeten  Knochen 
durch  frUhzeitifre  Anfmeisselunfr  oder  Anbohrunff  vor  ausfredehnter  Seqnestrirung 
sa  bewahren,  immerhin  aber  werden  den  Chirurgen  noch  hin  und  wieder  der- 
artige Falle  vorgefiBhrt  und  dann  eignen  dich  dieselben  gewöhnlich  nieht  tta  die 
primäre  Heilung.  Letztere  kommt  nur  in  Frage  für  periphere  Sequester,  wo  naeh 
Abmeisselunfr  der  periostalen  NculiiMuiitr.  Exstirpation  der  Schwielen,  Entfernung 
der  Granulationen  und  des  todten  Knochens,  keine  Höhle  bleibt,  suudern  die 


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42 


ASEPTISCHE  WUNDBEHANDLUNG. 


abgelösten  und  mobilisirten  Weichtheile  direot  auf  den  Knochen  gele^  werden 
können.  Hier,  wo  die  Eiterung  meist  gering  und  nicbt  fötid  war,  gelingt  die 
Reinigung  der  Wunde  durch  reichliche  BespUlung  mit  ausgekochtem  Waaser  in 
dem  Masse,  dass  eine  primäre  Heilung  möglich  erscheint;  daher  ist  fester  Ab- 
schluss  der  Wunde  durch  die  Naht  zu  versuchen ,  er  wird  meistens  zu  einer 
wesentlichen  Abkürzung  der  Heilungsdauer  führen.  Anders  liegt  die  Sache  bei 
centralen  Sequestern ,  nach  deren  Entfernung  eine  grosse  Knochenhöhle  zurück- 
bleibt, selbst  wenn  die  Todtenlade  und  Schwielen  in  grosser  Ausdehnung  fort- 
genommen wurden.  Die  Versuche,  auch  hier  Heilungen  durch  Aufüllung  der 
Höhle  mit  Blut  zu  erreichen,  sind  meist  fehlgeschlagen,  die  Ant'Ullung  mit  kleinen 
decalcinirten  Knochenstückchen  oder  Catgut  hat  nicht  bessere  Erfolge  aufzuweisen. 
Die  Höhle  muss  durch  langsame  AnfUllung  mit  Juugem  Gewebe  und  Uebernarbung 
des  letzteren  zur  Heilung  gelangen.  Je  kleiner  die  Höhle,  desto  rascher  der  Er- 
fol»,  daher  die  RemUhuugen,  die  Kuochenhöhlen  zu  verkleinern.  Fei  es  durch  Ein- 
stülpung benachbarter  Haut-  oder  Hautmuskellappen,  sei  es,  wie  von  Lücke*") 
und  ÜIKU'^')  empfohlen,  durch  Einlegen  gestielter  Periostosteophytenlappen,  welche 
der  deckenden  Todtenlade  entnommen  werden.  Die  durch  derartige  plastische 
Hilfsmittel   verkleinerte  Wundhöhle   wird   mit  sterilisirter   oder  gekochter  Gaza 


Fig.  15. 


taniponirt,  erst  wenn  sieh  nach  mehrfach  erneutem  Verbände  frische  Granulationeu 
im  Grunde  der  Wunde  zeigen,  darf  daran  gedacht  worden,  durch  Transplantation 
von  Hautrttückchen  den  Rest  der  tiefen  (ieschwUrsflflche  rascher  zur  Heilung 
zu  bringen. 

Wenden  wir  uns  nun  nach  Erledigung  der  Frage ,  unter  welchen  Ver- 
hältnissen in  ganzer  Ausdehnung  genäht  oder  taniponirt,  resp.  drainirt  werden 
soll,  wieder  dem  eigentlichen  Gebiet  der  aseptischen  Wundbehandlung,  nämlich 
denjenigen  Fällen  zu,  welche  ohne  Anwendung  von  Drains  oder  Tampons  zur 
primären  Heilung  unter  einem  Verbände  gelangen  sull'-n.  Nach  V(»llendung  des 
wesentlichen  Theil«  der  Operation,  nach  der  Blutstillung  und  eventuellen  Reinigung 
der  Wunde  mit  gekochtem  Wasser,  sollen  die  Wundränder  mit  Seide  oder  Catgut 
vereinigt  werden.  In)  Allgemeinen  legt  man  die  Hautlappeii  über  die  WundHäche 
und  vereinigt  die  Känder  durch  Knopf-  oder  fortlaufende  Nalit.  Während  der  oft 
langwierigen  Nahtimkffung  sickert  meist  noch  etwas  Blut  nach,  auch  bleibt  gewöhnlieh 
ein  wenig  Luft  in  der  Wunde;  beides  sucht  man  durch  energi-cho  Compression  von 
allen  Seiten  her  gegen  das  Endstück  des  noch  nicht  vemäht-n  Wundabscbnittes, 
kurz  vor  Vollendung  der  Naht,  aus  der  noch  vorhaudeuen  offenen  Stelle  hervor- 
zudrängen. 


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ASEPTISCHE  WDNDBEHANDLÜNG. 


43 


Neuerdings  ist  ein  Verfahren  beschrieben  worden,  durch  welches  mit 
grösserer  Sicherheit  Luft,  IMut,  Serum,  WaHser  etc.  vollkommen  aus  der  Wunde 
entfernt  werden  können,  ^''l  Dabei  wird  vor  Anlegung  der  Naht  die  ganze  Wunde 
mit  gekochter  Gaze  angefüllt  (Fig.  15).  Darüber  sorgsame  Vereinigung  der  Wund- 
rftnder  bis  auf  einen  zunächst  offen  bleibenden  Spalt,  aus  dem  das  Ende  der  ein- 
gelegten Gaze  herausgeleitet  wird  (Fig.  16),  nachdem  auch  hier  zwecks  späterer 
Vereinigung  2 — 3  Fäden  durch  die  Wundränder  gelegt  waren.  Nunmehr  wird  durch 
einen  oder  mehrere  in  Gaze  gehüllte  Schwämme  oder  durch  Krüllgaze  die  Wunde 
von  allen  Seiten  gegen  die  noch  vorhandene  Ocffnung  comprimirt. 

Was  sich  inzwischen  an  Blut  und  Secret  angesammelt  hatte,  wird  in  di« 
Gaze  hinein- ,  eventuell  bei  stärkerem  Druck  durch  den  noch  vorhandenen  Spalt 
nach  aussen  gedrängt.  Sobald  kein  Blut  mehr  aus  dem  in  der  Oetfnung  liegenden 
Endstück  der  Gaze  hervordringt,  zieht  man  unter  andauernd  mässiger  Compression 
auf  alle  bereits  durch  die  Naht  geschlossenen  Wundabachuitte  die  Gaze  heraus. 
Gleichzeitig  mit  der  Gaze  dringt  aus  der  Wunde  der  Rest  noch  darin  vorhan- 
denen Blutes ,    sowie  alle  noch  innerhalb  derselben    befindliche   Luft  hervor. 


Fig.  16. 


Schliesslich  werden  die  schon  vorher  durchgelegten  Fadenschlingen  vereinigt  und 
damit  die  Wundränder  in  ganzer  Länge  aneinander  gelegt  (Fig.  17).  Während 
aller  vorHtehend  beschriebenen  Manipulationen  bleibt  der  im  Anfang  auf  die 
Wunde  gelegte,  mit  Gaze  umhüllte  Schwamm,  resp.  die  KrUllga/.e  unverändert 
in  derselben  Lage.  Dies  ist  erforderlich ,  um  erneutes  Ansaugen  von  Luft  zu 
vermeiden. 

Zur  Zeit  der  antiseptischen  Wundbehandlung  wurden  an  einen  guten 
Verbandstoff  zwei  Forderungen  gestellt;  er  musste  zunächst  die  reichlich 
durch  die  Drains  hervordringenden  Secrete  rasch  absorbireu  und  »(»dann  das  vom 
Verband  aufgenommene  Secret  vor  Zersetzung  bewahren.  Dazu  eigneten  sich  die 
verschiedensten  Stoffe,  vor  allen  Dingen  die  von  Lister  empfohlene  Carbolgaze, 
ft  rner  entfettete  Watte,  zuerst  von  v.  Bruns  eingeführt,  Jute,  Torf.  Moos,  Säge- 
spähue  etc.,  alles  gut  absorbirendes  und  nach  der  l'räparation  mit  einem  der 
vielen  Antiseptica  die  Zersetzung  erschwerende-»  Material  ,  welches  in  Form  von 
Ballen,  Kissen,  Binden  oder  Tolsteru  um  die  Wunde  gelejct  und  gegen  aussen 
durch  eine  luftdichte  Sehicht  abgeschlossen  wurde.  Je  länger  die  Verbände  liegen 
und  je  niclir  Wund^iccret  sie  in  Folge  dessen  aufnehmen  sollten,  desto  massiver 
mussten  sie  f-ein.  Daher  kamen,  zumal  seit  Finführuiig  der  Dauerverbände, 
ausserordentlich  dirke  und  gros.se,   oft  recht  unförmliche  Verbände  in  Gebrauch. 


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44  ASEPTISCHE  WUNDBEHANDLUNG. 

Das  Alles  ist  seit  der  aeuen  aseptischen  Aera  anders  geworden.  Die 
Mehrzahl  der  Wunden  liefert  kein  nennenswerthes  Secret  und  selbst  wenn  ein 
Wundspalt  offen  blieb  oder  ein  Drainrohr,  resp.  Gazestreifen  eingelegt  wurde, 
fehlt  die  Wundsecretion  entweder  ganz  oder  ist  gegen  früher  jedenfalls  minimal. 
Nur  wenig  frisches  Blut  pflegt  an  die  Oberfläche  zu  treten  und  für  die  Auf- 
nahme desselben  genügt  ein  die  Wunde  allseitig  wenig  Uberrageuder  dünner 
Verband. 

Dieser  die  Wunde  direct  bedeckende  Verband  muss  absolut  keimfrei  sein 
und  da  ist  es  einerlei,  ob  dies  durch  besondere  Apparate  oder  Kochen  erreicht 
wird,  ob  man  sterilisirte  Gaze.  Watte,  Schwflmme,  Moos,  Holzpolster,  Torf,  Jute 
oder  was  immer  an  gebräuchlichem  Material  nimmt.  Der  Verband  soll  unter 
massiger  Compression  auf  der  Wunde  fixirt  werden.  Dazu  genügt  für  kleine  Haut- 
wunden schon  das  Ankleben  eines  kleinen  Gazestückchens  mit  Photoxyllin ,  bei 
etwas  grosseren  Weichtheilswunden  ist  es  hinreichend ,  einen  Ballen  Krüllgaze 
durch  Heftpflasterstreifen  zu  fixiren.  Derartige  Verbände  sind  z.  B.  bei  Her- 
niotomien ,  kleineren  Geschwulstoperationen  und  Verletzungen  ausreichend.  Nach 


Fig.  17. 


grösseren  Eingriffen  dagegen  lege  man  mehrere  Handvoll  Krüllgaze  oder  wahrend 
der  Operation  gebrauchte,  hernach  mit  Gaze  umwickelte  Schwämme  auf  die 
Wunde  und  befestige  diesen  Deckverband  mit  einer  Cambricbinde.  Eine  Sterili- 
sation der  letzteren  und  etwa  noch  darübergelegter  Fixations-  und  Streckverbände 
ist  nicht  erforderlich ,  wenn  man  sich  zum  Princip  gemacht  hat,  gebrauchte  Stoffe 
nicht  wieder  zu  benutzen.  Sollte  in  die  oberen  Schichten  des  Verbandes  noch  blu- 
tiges Secret,  wie  solches  besonders  bei  drainirten  und  tamponirten  Wunden  vorkommen 
kann  ,  dringen ,  so  wird  es  alsbald  eintrocknen  und  damit  fehlt  den  jedenfalls 
nur  spärlich  in  dieser  Verbandschicht  vorhandenen  Keimen  jede  Gelegenheit  zur 
Entwicklung. 

Das  Austrocknen  der  Verbände  ist  in  dieser  Hinsicht  von  grosser 
Bedeutung:,  daher  hat  man,  der  von  Kiel  seinerzeit  ausgegangenen  Anregung 
foIgiMid ,  uie  früher  überall  gebräuchliche  luftabschlicssende  Schicht  ganz  fallen 
lassen.  So  sind  denn  die  eigentlichen  aseptischen  Verbände  ausserordentlich  klein 
geworden,  sie  bestehen  aus  dem  sterilisirton ,  die  Wunde  direct  in  möglichst 
dünner  Schicht  umhüllenden  Stoff,  welcher  mit  Photoxyllin.  Pflaster  oder  einer 
Binde  fixirt  wird.  Darüber  kommt  hfichstens  zum  eventuellen  Schutz  des  Bett- 
zeugs und  zur  Unterpolsterung  von  Schienen  etc.  gewöhnliche  Watte,    wie  man 


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ASEPTISCHB  WUNDBEHANDLDNO. 


45 


•ie  aus  jeder  Fabrik  bezieben  kann,  die  aber,  wie  bereits  erwähnt,  niemals 
wieder  benutzt  werden  darf.  Eine  SteriliBation  üt  aas  den  vorhin  genannten 
Gründen  nicht  erforderlich. 

üeber  die  Menge  des  auf  die  Wnnde  zn  paekenden  YerbniidatdKw  rind  die 
Meinungen  verschieden  ;  wer  wenig  Werth  darauf  legen  will,  kann  das  Bischen  Gaze 
eventuell  pleichzeitif?  mit  den  Instrumenten  für  Jede  Operation  kochen  und  dadurch 
keimfrei  machen.  Wer  aber  vorzieht,  die  Wunde  mit  dicken  aseptischen  Schichten 
XU  umhüllen  —  und  das  sind  meist  Diejenigen ,  welobe  sich  von  der  Drainage 
noeh  Hiebt  halien  trennen  können  —  ftr  den  lind  iweeks  Sterilisation  grOBserer 
Mengen  eigene  Apparate  erforderlieh ,  wie  sf)l''he  von  SCBIHMBLBüSCH  für  den 
Bedarf  sowohl  einer  grossen  Anntalt.  des  ))raktir»chen  Arztes  angegeben  worden 
sind.  Letzterer  mUsäte  ausserdem  noch  zum  Autl>ewahren  der  einmal  steriliairten 
Stoffe  ^nen  aseptieehen  Bebüter  anaebaflisn,  deren  e«  Tenehiedene  giebt,  obwohl 
ein  gewfihnlieher  Glashafen  ausreichen  möchte.  Die  nftheren  Angaben  darüber, 
sowie  Abbildungen  findet  Jeder,  welcher  sich  dafür  interessirt,  bei  Schimmelbüsch. 

Die  vorstehend  beschriebene  Einfachheit  der  Verbände  ist  ein  grosser 
Yorsng  des  aseptisdiffli  Vet£direiM;  jeder  looale  Hantreis  fehlt,  die  nnter  den 
antiseptiseben  Stoff«  so  bänfig  entstehenden  Eeseme  und  Erytheme  dnd  ver- 
sehwnndcn ,  die  Teclinik  weit  einfacher  und  vnr  allen  Dingen  machen  die 
Konten  nur  einen  kleinen  Bruchtheil  desjenigen  aus,  was  in  dieser  Beziehung 
früher  verlangt  wurde. 

Hinsichtlich  der  Naebbebandlnng  ist  wenig  za  sagen.  Man  verfibrt 
naeb  allgemein  anerkannten  Regeln;  mbige  Lagerung,  wlbrend  der  ersten  Tage 

knappe  Kost,  Sorge  für  regelm.lssige  Stublentleerung.  Um  die  Eintrocknung  des 
eventuell  an  die  OljerHilehe  des  Verbandes  getretenen  Secrets  zu  be8chleuniK«*n. 
ist  freie  Lagerung  des  operirten  Körpertbeilä,  soweit  angängig,  zu  empfehlen. 
Vorseitige  Entfernung  des  Verbandes  ist  nur  bei  starken  Sebmersenf  Blutungen 
und  Entsflndnngserscheinungen  erforderlich;  in  letzter  Hinsicht  sind  nasser  AU- 
gemeinhefindrn  und  Kör|)ertemperatur  eventuell  Schwellungen  der  Haut  an  den 
Grenzen  de»  \  erbandes  und  Druckempfindlich keit  der  zugehörigen  Drüsen  zu 
boMditen.  Das  sogenannte  aseptisehe  Fieber,  welebes  ftüher  in  nabesn  swei  Drittel 
aller  Fälle  beobachtet  wurde  (Volkmann),  tritt  jetzt  bei  kaum  einem  Viertel  sämrot- 
liehei-  Hehandelten  auf,  wiederum  ein  Bewein  dafür,  dass  die  aseptisehe  .Methode 
der  antiseptischen  gegenüber  das  weniger  irritirende  Verfahren  ist.  Wenn  nicht 
irgend  eine  besondere  Indication  für  frühere  Entfernung  des  Verbandes  vorliegt, 
findet  diese  etwa  statt  am  7. — 10.  Tage  naeb  Gesehwntotezstirpationen,  Hernie- 
tomien,  WeicbtbellsTerletzungen  u.  Ae.  bei  Gulenkresectionen  naeb  15— 20  Tageui 
bei  A  mjMitaf innen  nach  10 — 14  Tagen.  Im  Allgemeinen  erreicht  man  vollkommene 
Heilungen  in  kürzerer  Zeit,  als  mit  dem  antiseptischen  Verfahren.  Etwas  anders 
msebt  sieb  die  Saobe  bei  tamponirten  oder  drainlrten  Wunden,  da  bier  sweeka 
Bntfemnug  der  Drains  oder  Verkleinerung  des  Tampons  «n  Verbandweebsel 
sebon  am  2. — 4.  Tage  nothwendig  wird. 

Ein  derartiger  Verbandwechsel  musa  natürlich  unter  allen  Cautelen  voll- 
zogen werden.  Es  ist  im  Allgemeinen  niobt  erforderlieh ,  bei  dieser  Gelegenheit 
die  Wunde  mit  sterillsirtem  Wasser  sn  irrlgiren.  Man  entfernt  die  Drains,  resp. 
den  Tampon,  reinigt  die  Wundumgebung  mit  angefeuchteter  Gaze  oder  Watte, 
legt,  wenn  erforderlich,  von  Neuem  sterilisirto  Gaze  oder  Drains  hinein  und  darüber 
den  Verband  in  der  triiher  beschriebenen  Weise. 

Naeb  vollendeter  Heilung  wird  sum  Sebuts  der  jungen  Narbe  etwas 
Photoxyllin  oder  Zinksalhenmull  aufgelegt.  Bei  kleineren  oberflächlichen  Narben- 
pesehwüren  oder  granulirenden.  auseinundergewiehcnen  Nahtstellen  sind  abweeb- 
selnd  mit  Salbenverbftndcn  Kochsalz-  oder  Carbolcouipressen  am  Platz. 

Literatur:  ')  R.  Volkmann,  üeber  den  antisepti.schen  Occiusivverband  und 
Beinen  F.iiitiiK-  unf  den  IleiUingsprocess  der  Wiiiuleii.  ^'unl^ll.  klin.  Vortr.  11.  —  ^)  (ienznier 
n.  VolkmauQ,  Ueber  »ept.  and  ampt.  Wundfieber.  Samml.  klin.  Vurtr.  II.  —  ')  Uanke, 


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4H  ASEPTISCHE  WUNDBEHANDLUNG.  —  ASPERGILLUS  IM  OHR. 


Ueber  dag  Thynol  «to.  Samml.  Uin.  Vortr.  IL  —  Thiaricli,  Kiiaiaehe  ErgebniiM  der 
Lister'schen  Wnndbebandlnng  und  fllwr  denf^ramts  der  Ckrbolgltm  dtir«1i  SaUeylsaon.  Samml. 
klin.  Vortr.  I        ')  v.  31  os  e  t  i  g- M  oo  r h  o  f  ,  Der  .Todof  iniivrilimii   .Smiml   k!.  Vortr  ,  III. 

—  ")  Weichselbaam,  Kritik  der  WundbehandlangsmetlioiicD.  Wiener  med.  Presse.  XVll, 
10.  il.  *)  Nsvber,  Yondill^  sar  Beseitigung  der  Drainage  fdr  alle  fKaehen  Wiind«B. 
Kiel  1S84.  —  •)  Nenber,  Studien  über  die  Bedentunp:  des  Torfmull«  als  Verbanclmaffrial. 
V.  Lgb.  Archiv,  XXVIII,  lieft  .i.  —  Gaffky,  Uebsr  antisept.  Eigenschaften  des  lu  der 
Esmarch'schen  Klinik  ala  Verbandmittel  benutzten  Torfmulls,  v.  Lgb  Archiv,  XXVIII,  IltfltJ}. 

—  **)  T.  Brnos,  Fort  mit  dem  Spray.  Berliner  klio.  Wocbenschr.  1880,  Nr.  4:^.  — 
**)  Nevber,  Technik  der  antisept.  Wnndbebandlang  nnd  des  Danerrerbandes.  Kiel  1883.  — 
")  Nenber,  Die  aseptisclio  Wuniitiehniiillnnp  in  meinen  rhir.  Privathospitiilern.  Kiel  I88*>.  — 
'■)  ^chi  mmel  b  Usch,  Anleitung  zur  asppt.  Wundbehandlung  Berlin  189;^.  —  ")Fritsch, 
Sterilisalionstopf  für  das  Operation.sziminfir  etc.  Centralbl.  f.  Chir.  189 ).  —  '*)  bchlange, 
üeber  sterile  VerbandsUiffe.  Vcrbandl.  der  Dentachen  Gesellach.  f.  Chir.  lsS7-  —  '*)  Kttmmell, 
Wie  soll  sich  der  Arzt  die  Hände  desinflciren?  Centralbl  f.  Chr.  ISS6,  Nr.  17.  Kümmell, 
Ueber  Contact-  und  Lnliinfection  in  der  praktischen  Chirurgie.  V>  rhandl  d  I  »•  utsi  Ik-h  Gesellsich. 
f.  Chir.  löäö.  —  Tavel,  Die  i>terilität  der  aatisepUsch  behandelten  Wanden  unter  dem 
asept.  Yerb.  Oorrespondenzblatt  f.  Schweizer  Aerste.  1892.  —  ^*)  Stabil i,  n«>ber  Mikro- 
organismen unter  dem  antisept.  Zinkverbande.  C^-ntralbl.  f.  Chir.  IS'^l.  -  '*)  Lang  und 
Flacli,  Ueber  die  Sterilität  asepti.<4ch  und  antisepti.seh  behandelter  Wunden,  v.  Lgb.  Arch. 
1892  —  *•)  Rontsche  wsky,  Ueber  den  Rinfluas  der  antiseptischen  Mittel  auf  die  Wund- 
heilang.  Peterabnrg  189:^.  —  König,  Die  madicinischea  Neabanten  in  Göttio^o;  chir. 
Klinik.  Klin.  Jahrb.  III.  —  ")  Schönborn,  Der  nene  Operations-  nnd  HSrsaal  der  chir. 
Klinik  zu  Würzlinrg.  Klin.  .T.ihrl).  III.  —  '^i  Mikulirz,  Die  lieutiir.'  Chirurgie  und  der 
chir.  Unterricht.  Klin.  .lahrb.  IV.  —  '*)  Trendeleuburg,  Ueber  isolirang  in  Chirurg. 
Kliniken.  Klin.  Jahrb.  IV.  —  Brnns,  Der  nene  Opncationssal  der  chirnrg.  Klinik  sn 
Tübingen.  Klin,  .Tahrb.  IV.  —  "*)  Fürbrinjior,  Unter«urliun<:en  ü'mt  die  Da.<äinfeetion 
der  Hände  des  Arztes.  Deutsche  med.  Woehenschr.  1S9B  —  "'')  LiMidiT  -r  reber  troikene 
Operationen.  Deutsche  G^.sollsch.  f.  Ciiir.  18S^.  —  Kocher,  l^-ln-;- i  it.ichaten  Mittel 
snr  Eruelnng  einer  Wnndheiinng  durch  Verklebnng  ohne  Drainröhreo.  Öamml.  klin.  Vortr. 
Nr.  2*^4.  —  Schede,  Ueber  die  Hellnng:  der  Wunde  nnter  dem  fenehten  Blntsehorf. 
Arch.  f.  klin.  Chir.,  XXXIV.  —  »^Lttcke.  Zur  o.steopl;»sti..  hen  Nekrotomi-.  Ci-iitralbt.  1S92. 

—  Bier,  üsteopl.  Nekrotomie  etc.  v.  Lan?enl>.  Arch.  XLlil.  —  '•)  Neubor,  Kurze 
Beschreibung  der  aseptischen  Wnndbehaadloug.  Kiel  1S92.  —  Ana  eigenen  Schriften  sind 
einige  Stellen  wörtlich  wiedergegeben,  die  Abbildungen  den  oben  genannten  Schriften  entnommen. 

Nenber. 

AspergiilUS  kn  Ohr.   (Ver^l.  Reat-Encydopadie.  II.  Anfl.,  Bd.  II, 

00  )  Darch  üntersuchiinfr  von  Filllcn  von  Otomycosen  konnte  SiFJtBNUANN 
die  Kcriiitiiissi'  \itn  den  I'ilzbildunticn  im  Ohre  wcsontüeli  l)pr('icli('rn  und  nnmeiit- 
lifh  crvv:iIiiieii!*wtTth  Ut  die  bisher  noch  von  keiner  Seite  auge^febene  Tbatsaclie, 
da88  der  Aspei-gillun  nidulans  im  muntiehlicben  Obre  eine  Mycose  hervorruft. 
Der  betreffende  Pils  ist  xnerst  von  Bidau  in  den  „Beitragen  zur  Biologe  der 
Pflanzen  von  Coh»,  Bd.  III  .  Tief r  .3"  bescbrieben  worden,  unter  dem  Namen 
Steni/inafoci/iitf.9  rndnlanit.  Du*  Waclisthnni  de.s  rilze.s  orfol^rt  am  bo.stvii  bei 
:1Ö — 42^  C.  und  fructiticirt  in  dieser  Temperatur  scbon  nach  20 — 24  Stunden. 
Der  Rasen  entwiekelt  eieli  ganz  wie  bei  den  fibrigen  Aspergillen;  bei  der 
Fructification  nitnmt,  vom  Centrom  naeb  der  Peripherie  fnrt-;<'hreitend,  der  weisse 
Schimmel  eine  ziinäeli.st  hellgraue,  dann  prrdnlich-  bis  schiniit/.lirjrr.uie  Farbe  an. 
Die  FrtK'httriifi^er  sind  oft  verzweigt  und  verhoL'cn  und  .sind  erheblieb  kleiner  als 
diejenigen  der  Agpergillus  niger.  Vom  Aspi  i-ijUlus  fumigatuä  unteittehddet  sklli 
der  AtperffiUu»  ntdulan»  dnreh  die  bd  der  Reife  helleren  and  viel  längeren 
Sterigmen  und  weiterbin  dadurch,  dass  sie  in  diesem  Staditim  nur  locker  anhaften. 
T'eber  den  ('onidientr,iL'"ern  fiiuleti  sieli  iioeh  l'orithet'ien  mit  sport-nbiilti^iMi  ,\sei 
und  SlKüKNMAN.v  ist  aul  tiruud  seiner  Beobachtungen  zur  Annahme  geneigt,  dass  das 
Perithedeim  des  Aspt-rgiflusnidulan»  bereits  frflber  schon  im  Ohre  gefanden  worden 
Ist  und  dem  bereits  früher  besehrieVtenen  Otomycen  pnrpureuH  von  WRRnsK  and 
Bornett  entspri('l)t.  Allfniitttrs  deckt  sich  die  He-ehreibiintr  der  periannten 
Forseber  nicht  genau  mit  derjenigen  Fiuam's  und  Llnuts,  welcher  ci>eufall8 
Cnltnrversnohe  mit  A^pi  njUluA  nidulans  gemacht  hat ;  aber  Im  Wesentlleben 
besteht  doeh  eine  grosse  Uobereinstimmnng.  Der  AspertjUlus  mthihns  wurde 
von  SrKRKXMANX  in  .'i'Sfi'' der  F;1lle  trefnrulen  und  erreichte  simiit  den  Frncent- 
satz  de»  Aspergillu»  ßavus.   Weiterbin  faud  Siebenmann  ausser  den  bereits 


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ASPERGILLUS  lU  OHR.  —  AUÜENHEILMITTEL. 


47 


bekannten  und  bescbriebenen  Gattungen  ein  bisher  noch  nicht  beschriebeoes  kldnei 
Penicillium ,  welches  seiner  Kleinheit  und  Zartheit  we°:en  Penicülium  mintmuri 
geoanot  wird,  feruer  einen  Pil^,  der  mit  dem  Nameu  Afucor  septatus  belegt 
wDrde.  Das  PenietUium  mtnimunt  bmtelit  ans  kleinen  runden  Conidira,  welche 
mit  ihren  fr'wch  getriebenen  Schläuchen  aneinander  bftn^eii .  isolirt  farblos 
und  einfach  contourirt  erscheineu.  Die  Friiehttraprer  enden  nicht  in  Kolben, 
sondern  gleichen  dcnjenigea  von  Pericilltum  glaucum.  Der  Mucor  septntus, 
weleber  mit  keiner  der  bekannten  Speeles  identisch  ist,  erschdnt  in  seinem  Myoel 
farblos,  theiis  mit  spiralfSnnigen  Ai^reibiuigen.  Die  Sporangientriger  haben  ^dit* 
braune  Farbe .  starke  WJlnde  mit  stellenweise  dunkleren  und  verdickten  Stetten» 
Die  Verzweigung'  ist  traubig'.   Das  Sporangiiim  ist  briluuliclifrclb.  kugelig. 

Reziiglich  der  klinischen  Erscheinungeu  dürften  sich  wesentlich  neuere 
Beobachtungen  und  Tbatsaohen  kaum  anfahren  lassen.  In  der  von  Siebenmann 
gegebenen  Analyse  wire  bemerkenswerth ,  dass  die  Otomycoae  in  den  letaten 

Jahren  überh.nipt  abnimmt,  eine  Beobachtung,  welche  sich  mit  meinen  Erfahrungen 
auch  decken  würde.  Ein  Einfluss  der  .lahrcszeitcn  auf  die  Entwicklung'  der  Oto- 
mycose  Hess  sich  nicht  feststellen,  dagegen  spieieu  iocale  Ursachen,  und  uament- 
lieh  das  Eüngieseen  von  Oel,  Glyoerin  and  anderen  Fetten  in  den  ftnsseren  Oeh5r- 
gang  ätiologisch  eine  Hauptrolle.  Auf  Grund  eigener  Beobachtangen  kann  loh  die 
Angabe,  wonach  (>{f»myco><is  besonders  bei  sfdchen  Leuten  sich  entwickelt,  welche 
in  dumpfigen ,  wenig  gelüfteten  liüumen  wohnen ,  bestätigen ;  Siebbnmann  fand 
namentlich  nnter  den  Erkrankten  Ltndlente  nnd  Girtner  nnd  glaubt  als  Erklärungen 
graod  heranziehen  za  kOnneD,  dass  in  Bauernstnben  auf  dem  Ofen  irgend  welebe 
Baum-  und  Feldfrilchte  dauernd  deponirt  sind,  welche  den  Ohrpilzen  ein  günstiges 
Nflhrniaterial  nnd  gute  Vegetatinnsbedingnngen  liefern.  Im  Allgemcineu  krmnen 
die  rilzwu«'h(  rungtn  .selbst  bei  grosser  Ausdehnung  lange  ohne  jedes  krankhafte 
Symptom  bestehen;  nur  beim  Bindringen  der  Pilze  in  die  Tiefe  der  Hant  nach 
vorheriger  Maceration  der  Epidermis  kommt  es  zu  entzündlichen  Proeeesen  im 
äusseren  ( JelMlrgrinire,  -wclelie  sieh  \  nn  der  einfachen  Otitis  i  .rt,  riin  ;nis  anderer 
Ursache  im  Wesentlichen  nicht  unterscheiden.  V  ielfach  bestellt  starkes  Uhrjucken, 
Ansflnss  sert^ser  oder  schleimig  eiteriger  FIflssigkeit  ans  dem  Ohre,  Schmerxhaftig- 
keit  und  geringe  Schwerhörigkeit.  Bezüglich  der  Bebandlnng  wftre  den  bisherigen 
Methoden  kaum  iri.'end  »'twiis  Neues  liinzuzuf(l'.reri :  .im  besten  bewährt  sich  immer« 
hin  noch  unter  den  vielen  empfohlenen  .Mitteln  der  Alcohol  ohsolittns ;  Sikbkn"- 
MANX  empfiehlt  die  von  Ük/^ui.d  angegebene  Methode  mit  2%igcm  Salicyialkoliol. 
Der  Mcohcl  ahaolutua  wird  nach  vorheriger  Reinigung  des  Äusseren  Qehörganges 
2 — 3mal  täglich  in  denselben  eingegossen  und  etwa  1.5  Minuten  im  Ohre  Iiel.is.sen. 
Der  S.ilicylalkoliol  wird  'M\r.\\  tilglieh  in  derselben  Weiso  angewendet,  nai'luliMii  das 
Ohr  mit  einer  4*^/oigeu  Borsiiurelösung  gereinigt  war.  Von  sonst  noch  empfuhleuen 
Mitteln  nennen  wir  Sublimatalkohol  0*01 : 10*0,  Natt,  auhtulf.  0  2 :  30*0,  Acid. 
huriei  und  Jodoform  aa,  Aeid.  horiei  nnd  Zinci  oxydaL  an  Einpnlrerungen  in 
den  äusseren  Gehdrgang. 

Literatur.  F.  Sieb  enmann  ia  Basel,  Nene  botanische  and  kliniücbe  Beitrage 
BW  Otonjoose.  Zeitschr.  f.  Ohrealik.  ih89,  XIX,  pag.  7.  —  Lindt,  MlttheilniigeB  Aber  einige 
pethologisehe  SchiBunelpilse.  Archlr  f.  azp.  Patli.  n.  Flumn.  1886.  b.  Baginiky. 

Augenheilmittei.  im  XXIV.  Hände  dieser  Encyclupüdie  wurde  auf  pag.  395 
kurz' des  FInoreseeTns  Erwähnung  gethan.  Es  wurde  zuerst  von  PplüoRS*) 

1^82  zu  physiologischen,  später  im  Jahre  1888  von  Straub 2)  und  1889  von 
Tii(iM.\ij.A  'i  zu  diaL'iuistisehen  Zwecken  verwendet;  seitdem  sind  darflber  Arbeiten 
von  Fromm  und  (iK0Exuuw<i,  zuletzt  von  Nieden^i  vtrniVentlieht  worden.  Man 
wendet  entweder  das  FluoresccYnkalium  oder  das  Fluorescinnatrium  au ;  ersteres 
ist  voranaiehra;  das  Flnoreeein  ist  kein  Farbstoff,  sondern  ftrbt  erst  nach  vor- 
bergohender  Oxydation  zu  Fluoroscelki.  Man  wendet  am  besten  2*>/oige  Lösungen 
an.   Da  die  genannten  Salze  schwerer  erhältlich  sind,  kann  man  sich  folgender 


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48 


AÜGENHEILMITTEL.  —  AUBICULA. 


Verschreibang  bedienen  :  Up.  Fluoresce'in  0*2,  Xatr.  carb.  0  35,  Aqu.  dest.  10. 
YerdüuDte  Lösungen  «lud  im  durch  fallenden  Lichte  citronengelb ,  im  auffallendeD 
hdigrilii;  die  Homluint  wird  daber,  d«  ale  vsm  nntorgnuide  die  dunkle  Papille 
und  Iris  hat,  grfln,  die  Bindehaut  mit  ihrer  Wttaeea  Unterlage  gelb  gefärbt.  Die 
Färbung  tritt  nur  an  solchen  Stellen  ein,  an  denen  dag  Epithel  fehlt  und  darauf 
beruht  die  vorzügliche  diagnoatiache  Verwendbarkeit  des  Mitteis.  Man  träufelt 
fliaeo  Tropfen  der  Lderag  ia  den  ffindebutBeek  ein,  nach  einigen  Seennden  iit 
die  Pftrbnng  eingetreten,  womuf  man  den  flberflflsaigen  FarbatdF  mit  Innern 
Wapser  wegsplllt.  Nach  längerer  Kinwirknng  diffiindirt  sieh  der  Farbstoff  in  die 
Umgebung,  selbst  in  die  franzr  Cornea ;  nach  drei  Stunden  ist  die  F,1rbiin^  wieder 
vollständig  geschwuudeu.  Das  Mittel  wirkt  absulut  uicht  reizend  auf  das  Auge. 
Zu  Demonatrationasweeicen  iat  ea  vorsttglidi  geeignet,  aber  aneh  dem  praktiMben 
Arzte  wird  es  die  Diagnoae  erleiebtern ,  da  Defecte,  welche  mit  Lupe  aod  seit* 
lieber  Ueleuchtun«?  kanra  sichtbar  sind,  mit  (Iberraschender  Prägnanz  hervortreten. 
Besonders  beben  sich  die  dendritischen  (ieschwUre,  Uber  deren  Form  man  ohne 
Firbung  keine  reebte  Vorstellung  erhält,  selir  aebOn  ab,  wie  ieb  wiederholt  gesehen 
habe.  In  diesen  Fällen  habe  ieb  aneh  daa  Tiolette  Pyoctanin  mit  Vortbeil  ver- 
wendet und  zugleich  mit  FluoresceYn  eingeträufelt,  wodurch  sehr  schöne  Doppel- 
i^rbungen  zu  Stande  kommen,  violette  Linien  mit  grüner  Einfassung.  Zur  Beur- 
tbeilung  der  von  Tag  zu  Tag  eiutretenden  Veränderungen  kann  es  kein  besseres 
Mittel  geben. 

Bei  ungeberdigea  Kindern  mit  phlyctänulären  Geschwüren  kann  der  minder 
Geübte  leicht  erfahren,  ob  das  Geschwür  regressiv  ist  oder  noch  progressiv,  nur 
in  letzterem  Falle  tritt  Färbung  ein.  Entferuung  vun  fremden  Körperu  aus  der 
Hornhaut,  falle  aie  aebwer  an  sehen  sind,  wird  erleiebtert.  da  sie  rieb  mit  einem 
grünen  Hofe  nmgeben. 

NiKDEN')  macht  darauf  aufmerksam,  dass  die  recidivin  ndc?  Keratitis,  die 
nach  traumatischen  Epithelialverlusten  auftritt,  indem  das  neugebildete  Epithel 
wieder  auafAllt,  leicht  durch  Flaoresoelnf&rbung  erkannt  and  dann  dnreb  den 
Qalvanoeanter  geheilt  werden  kann. 

Fhohlich  ")  empHehlt  zu  gleichen  Zweck(«n  das  Aescorcin,  das  aus 
der  Kinwirknng  von  Natriiinihydrat  auf  Aeseuletin  entsteht  und  weder  zur  Gruppe 
der  Anilinfarben,  noch  /.um  Fluuresciu  gehört;  es  färbt  in  10 —^O^  oigcr  Lösung 
E|rftheldefeete  und  Loekerangen  pnrpnrrotb;  die  Firbnog  tritt  aogldeb  dn  nnd 
ist  nach  2—'^  Minuten  wieder  verschwunden.  Daa  Aesoorein  diffundirt  nnr  soweit 
als  die  den  Defeet  umgebende  Partie  geloekert  ist,  also  weniger  wdt  als  das 
Fluorescetn. 

Da  man  Anti«eptiea  an  der  Cornea  nieht  dureh  genOgeod  lange  Zeit 
einwirken  lassen  kann,  wendet  DB  WflCKBB  Glasschälchen  an,  die  den  künstlichen 

Augen  ähnlich  sind  und  die  man  unter  die  Lider  schiebt.  Durch  eine  in  der 
Mitte  angebrachte  Ueflnung  füllt  man  bei  Hückenlage  des  Krauken  die  autiseptische 
Flüssigkeit,  die  man  nun  beliebig  lauge  mit  der  Cornea  iu  Contact  lässt.  Sie 
maehen  keine  Belftatigong  und  lassen  sieh  selbst  bei  Kindern  anwenden. 

Literatur.  ')  Pflüger,  Zar  Emährnng  der  Cornea.  Klin.  Monatslil.  f.  AiiLr  r  lik. 
Itö2  —  ')  Straub,  Fluorescinfarbang  ais  ein  diaguostische«  Hilfsmittel  für  ilorabaat- 
•rkrankangen.  Centralbl.  f.  prakt.  AngenheHk.  18^  —  *)  Thomalla,  Ueber  die  Firbmg  dar 
erkrankten  ilomhaut  mit  FliMiriM  iu  um!  Verwendurii:  dieser  Färbung  bei  ."Stellung  von  DiaK-msen 
nnd  Ditt'erentialdiagnoseu  Greilswulil  ( Vutralbl.  f.  prakt.  Auet  iilik.  lss;t.  —  *)  Fromm 

nnd  (iroenouw.  üeber  die  4liagn<>Htiscbe  Vorwcntlbarkeit  der  Fluon'si -  intarlinng  bei  Augen- 
erkrankungen  Arch.  f.  Aagenhk.  iHÜi.  XXII.  —  Niedeo,  lieber  den  Werth  der  Fluoresceln- 
farbuii?  lür  diei  galvanocaostiache  Bebandltmr.  Centralbl.  t'.  prakt.  Angenbk.  Hai  1891.  — 
•)  Friihlich,  Aescoicin  als  diacno^tiscber  Fartstuir  Arrli.  f  A<i>:enhk.  ISir^,  XXIV,  •}.  — 
')  de  Wecker,  Di  l'antisep»ie  com^eue,  Arch.  d' Ophthal m.  LQ^i^i,  Xll,  4.  Beuss. 

AuriCUla.  (Vergl.  Real  Kncyclopadie.  II.  Aufl.,  Bd.  II,  pag.  267  und 
Bd.  XIV,  pag.  .'iGG.)  Der  Ohminschel  ist  in  neuerer  Zeit  etwas  mehr  Aufmerksam- 
keit zugewendet  worden,  suwohl  vou  Seite  der  Auatumeu,  als  auch  ganz  besonders 


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AU  Rice  LA. 


von  manchen  Ohronftrzten.  wolchi-  die  Deformitäten  flcr  Ohrmu-iclu'l  jr<*nauer  sttulirt 
und  beschrielttn  haben.  Hesnnders  HnreL-^piul  tilr  L'i  wisse  anatomische  Studien 
bezüglich  der  Ohrmuschel  wirkte  eine  I'ublii'atiuii  des  Authropobgeu  Kmil  Schmidt 
Aber  Vererbung  individndl  erworbener  Bigensehaften ,  in  der  er  den  Nachweis 
erbringen  zu  können  vermeinte,  das^  tine  Mis>>bildung  des  Ohrlü]  j) -Ii'  ns  bei  einem 
Kindel  als  VenTbiinpr  seitens  der  Mutter  gedeutet  werden  mdsste,  da  die  Mutter  einen 
ganz  ilhnlichcu  Dctect  an  dem  Ohre  der  gleichen  Seite  bes&ss.  Wenn  wir  absehen 
von  dieser  interessanten  und  wiebtigen  Frage,  wdobe  von  WErssacANX,  His, 
Oscar  Israel  im  entgegengesetzten  Sinne,  von  Ornstbix  hingegen  bentittigend 
beantwortet  wnrde,  hat  sie  di»ch  zu  neueren  anatomischen  und  vergleichend- 
anatomiscben  Studien  Veranlassung  gegeben.  Die  Ohrmuschel  entsteht  bekanntlich 
beim  Embryo  aus  einer  Anzahl  von  Höckern ,  welche  diu  Ränder  der  ersten 
Kiemenfurebe  begrenien.  Naeh  His  befinden  sieb  beim  Mensehen  seeha  solcher 
Höcker,  welche  um  die  Ohrmuschel  hemm  einen  Ring  bilden  nnd  allnifllig  eine 
Umwandlung  in  die  nhrmnscliei  erfahren,  so  d«ss  aus  dem  ersten  Höcker,  dem 
Tuberculuin  tia(ficum,  der  Tragus,  aus  dem  zweiten,  Tuöerculum  a/Uicum,  das 
Cru3  helicis,  ans  dem  dritten  die  Helix,  ans  dem  vierten,  dem  Tuherculum 
anthelicutj  dit-  Anthelix.  aus  dem  fünften,  dem  Tubtreuluni  antiti (np'cu „i  ^  der 
Aiititrn'„'iis  wird:  der  srelistr  ntTi'k<'r  verwUchst  mit  dem  Eckwnlste  des  l'nter- 
kieterbogcns  und  hier  bildet  sich  das  Ohrläppchen.  Im  weiteren  Verlaufe  der 
Entwiekinng  treten  an  der  Anthelix  die  beiden  Scbenitel  auf.  His  tbeilc  nun  die 
ganze  Ohrmuschel  in  drei  grossere  Bezirke  ein:  1.  Das  Oberobr,  welches  Uber 
dem  Cr  IIS  Ii'-Iicix  gelegen  ist,  2.  das  Ilinterohr,  welches  aus  den  Camlae  hcUcis 
und  iiiiihiJin's  best«-ht  und  bandartiir  hinter  der  ('Hnelia  herabsteifrt.  und  3.  das 
Unterohr,  das  unterhalb  der  (.'(»ncha  liegt  uud  ührliippchen ,  Autitraguä  und 
Ineüura  infertraffiea  nmfasst.  His  bezeichnet  als  Area  praelobulari»  den  vorderen 
Theil  lies  Unterohres,  welcher  durch  den  Sulcm  in-uehif.uJin-is  vom  eigentlichen 
Lcbiilus  L'etrennt  ist.  her  unter  detn  Antitragus  liegende  haken fr>rnuge  Knorpel 
streiten  heisst  JJuijida  auriculae  und  ist  eine  unmittelbare  Fortsetzung  der 
gesammten  Knorpelplatten  des  Hinterohreg;  mit  der  Spitze  naeh  vorn  gewendet, 
dient  sie  bei  ihrer  Lage  in  der  Wnrzel  des  Ohrlüppehens  als  Skelet  desselben; 
es  darf  d;(h.  r  d;is  Ohrliippehcn  nicht  als  völliir  knorpellos  besseiehnet  werden, 
da  08  in  der  Linnul.i  eine  knorpelige  Stütze  besitzt. 

Phy«iolugi8eli  wird  die  Ulirmuschel  des  Menschen  als  ein  rudimeutares 
Organ  anfgefasst,  welches  bei  der  Einbusse  der  Beweglichkeit  fnnetionell  fast 
bedentungslfM  ist  und  obschon  die  klinischen  ErfahrnngCD  zu  Gunst*  ti  lieser  Auf- 
fassung verwerthet  werden  mfls-icii.  Ii.it  Schwaluk  doeh  auf  (irund  anatotnisehcr 
neuerer  Untersuchung  den  Nachweis  erbringen  können,  dass  die  Ohrmuschel  des 
Menschen  nur  theilweise  reducirt  erscheint  nnd  dass  sie  bei  ihrer  fein  entwiekelten 
Form  am  Menschen  noch  physiologische  Aufgaben  haben  müsse.  Welcher  Art 
dieselben  sitiil.  werden  weitere  ir»'naiierr  Ciitcrsnclniniren  und  ]?e'>h;ielitUML'"en  ergeben 
müssen.  An  Theorien,  hier  erklärend  naehzulieltVii ,  fehlt  es  bekanntlich  nicht: 
Politzer  ist  schon  lange  der  Meinung,  dass  die  Ohrmuschel  durch  Reflexion  von 
Sehallwellon  in  den  Äusseren  Oehfirgang  wesentlich  zur  intensiveren  SchallempGndnog 
beitragt  und  auch  Mach  h.tit  die  Ohrmuscheln  für  aeustisch  immerhin  wichtige 
Organe,  indem  sie  Hesonatorcn  für  liöhcre  T«'.ne  sind,  deren  Wirkung  theilweise 
von  der  Stellung  gegen  die  Schallrichtung  abhängt. 

Von  gewissem  Interesse  ist  weiterhin  die  durch  Gradehioo  nnd  Pbtroma 
Ryle  hervorgehobene  Thatsache ,  dass  bei  (Jeisteskranken  und  Verbrechern 
Deformitiit<-ii  d'T  niirmnschel  in  relativ  grosser  Zahl  vorkommen,  ieienfalls  hiludger 
als  bei  nurmalcu  Individuen  und  dass,  während  bei  letzteren  nur  unwesentliche 
Abweichungen  vorherrschen,  wie  z.  Ii.  einfach  angewachsene  Lippchen,  anf  das 
Läppchen  fortgesetzte  Ftnua  teaphofdea  n.  8.  w. ,  bei  Geisteskranken  nnd  Ver- 
breehern IiingeL'en  sehr  bedeutende  Mis'^bildungen  zu  constatiren  sind,  ao  z.  B. 
weit  abstehende  Ohrintischeln,  Asymmetrien  der  Einpflanzung,  auf  die  Wange  ver- 
Eacyclo]).  Jahrbücher.  III.  4 


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50 


AÜRICÜLA. 


läugcrtes  Lflppchen  u.  s.  w.  Die  Abnormitäten  der  Ohrmuschel  sind  prewöhnlich 
bilateral,  zuweilen  auch  blos  unilateral,  letztere  im  Allgemeinen  häufiger  auf  der 
nebten  Seite,  nnd  swar  sowobl  bei  Männern,  wie  bd  Franen,  mit  AnsnAbme  der 
abstehenden  Ohren,  weiche  bei  Männern  viel  häufiger  linksseitig  ^ind.  Gradrnigo 
findet  refrelmflssiffe  Ohrmnsebeln  bei  normalen  Männern  in  56'2-'  ,,,  bei  normalen 
Frauen  in  Öö'ÖOyo,  bei  gülsteskrankeu  Männern  in  .SB'ö^/o,  bei  geisteskranken 
Frauen  in  46^'«  und  bei  Verbrechern  nur  in  2&'2^i^.  In  ftbnliober  Weise  zeigen 
aidi  die  Beenltate  der  Beobnebtnogen  Pstrona  Etlb's  im  8tnfip;efibigniMe  m 
Zlirieh ;  es  wurden  100  Gefarp:ene  untersucht,  bei  denen  alle  ohne  Ausnahme 
Abnormitäten  der  OhrmuHehel  in  den  versehiedenston  Arten  erkennen  Hessen,  so 
dasB  dieselben  immerhin  als  gewisse  Degen erationazeichen  unter  Liustiindeu  auf- 
gefasst  werden  iclhinea.  Selbstveretilndiieh  ereoheint  namentlieb  die  Gombinatioa 
mit  noch  anderen  Bildungsfeblem  fDr  die  Beurtheilung  von  besonderer  Bedeutung, 
wenn  auch  für  den  Zusammenhang  selbst  eine  bisher  dureh  wissenacbafUicbe  Grilnde 
gestützte  Erklärung  nicht  gegeben  werden  kann. 

Literatur:  EmlliHchiuidt,  Ueber  Vererlmnp  individaell  erworbener  Eifren- 
schaften.  Bericht  über  die  XIX.  allgemeine  Versammlung  der  deutschen  authro|»tdn^M>'  Inn 
Gesellschaft  zu  Bonn,  6.-10.  AngDst  1868.  Correspondenzbl.  d.  deatsuhen  Ges.  f.  Aatbr. 
November  lf88.  —  Oscar  Israel,  Angeborene  Spalten  des  Ohriappcbens.  Ein  Beitrag  sor 

Vererbungslehre.  Vircliow's  Arch.  1890,  CXIX,  pag.  241.  —  W.  His,  Znr  Anatomie  des  Obr- 
lajipchens,  Arth.  f.  Anat.  n.  Phys.  Anatom.  Abth.  1889,  Heft  5  u.  ö,  pag.  .'iol— 3CKS.  — 
Si  hwalbo,  Das  Darwin'sche  Spitzohr  im  nien.<ichlichen  Embryo.  Anat.  Anzeiger.  1889,  IV. — 
Derselbe,  Inwiefern  ist  die  menschlicbe Übrioaschel  ein  mdimentires  Organ?  Arch.  f.  Anat 
n.  Phys.  Anaf.  Abth.  Snpplementbd.  1889.  —  Gradenigo,  Obmascbelentwlelclnng  bei 
Menschen  n.  Sanfjethiwn.  Zeitsehr.  f.  Ohrenhk  \1X,  ]  '^S.'.  -  T)(  t  -  >  Iti..  Z'ir  Mnriiholopie 
der  Ohrmti-'i  hi'l  bei  gesunden  und  geisteskranken  Meuächeu  und  Delinquenten.  Arch.  f.  Ohrenhk. 
1890,  XX.\,  ii  ip.  230.  —  Derselbe,  üeber  Formanomalien  d.  Olirmaschel.  Arch.  f.  Ohrenhk. 
Ib91,  XXXll,  i.afr  2U\.'  nnd  ls\^2.  XXXni.  pag.  1.  —  Petrona  Byle,  Teber  Bildungs- 
anomalien  der  Ohrmuschel.  Ding,  inaug.  Zürich  1891.  Ii.  Baginskv. 


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B. 

Bäd.  Febcr  die.  Kinwirktinp-  des  Hades  auf  die  erkrankte  Haut 
sprielit  sich  E.  8aai,fh.i>  im  Gcfreiisatze  zu  der  von  nianolicn  I^ermatolog'en  auf- 
gestcUteu  These ,  dass  bei  Hautkrankheiteu  von  der  Auwendung  von  Wasser 
Abstand  |ir«nomin6ii  werden  raflme,  dabin  ans,  daas  bei  dner  ganzen  Reibe  Ton 
Dermato>  II  «Iii  Budcr  indicirt  erscheinen.  Die  wesentlichste  Wirkung  des  Bades 
auf  die  erkrankte  Il.-iiit  ln-slelit  darin,  das«  eine  Erweichung  der  Epidt-rmis  und 
der  ihr  auila<reniden  fremden  Substanzen ,  das  heisst  des  Schmutzes  sowohl  wie 
der  Krankbeit.4produote,  der  Sebuppen,  Borken  nnd  Kroateii  eintritt;  tetam  dient 
das  Bad  ala  sebUtzende  Ilfllle  bei  ausgedehntem  Epidermisverlnst  und  Geaebwfln» 
hilflungen.  Ausserdem  ist  das  Rad  als  Vehikel  für  medicamentose  Stoffe  ein  Heil 
mittel  erste»  Hanges,  das  speciell  iu  Form  zablreieher  natürlicher  Quellen 
eclatante  therapeutische  Erfolge  aufzuweisen  hat.  Die  Berechtigung  der  Bäder 
ergebt  sieb  also  bei  allen  Fillen,  «o  wir  eine  maeerirende  Wirkon^  beabdebtij^en, 
wo  wir  eine  N'erminderung  von  Infiltraten  hervorrufen  wollen,  ausserdem  wo  wir 
calmirend  auf  die  Haut  einwirken  wollen.  rVinlraindieirt  im  Allgemeinen  erscheinen 
Bider  bei  Hautkrankheiten  im  acut-cutzündlicheu  Stadium.  Beim  chronischen 
troekenen  Besem  er«ie1en  Bider  bftnfig  sehr  gnte  Erfolge.  Eines  der  hervor- 
ragendsten  Symptome,  die  immer  wiedcrkdiraide  Bildung  von  Schuppen,  wird 
durch  das  warme  Bad  beseitigt,  besonders  wenn  demselben  nuMlicanuMitiHt'  Stoffe, 
speciell  Alkalien,  Seifen  verschiedener  Art,  Thecr  und  ähnliche  Mittel  hinzugefugt 
werden  oder  geeignete  Stoffe,  namentlich  Schwefel,  in  den  natürlichen  Quellen 
%*orbanden  sind.  Manebe  Patienten  mit  obronisdtom  Beaem  vertragen  alierdingn 
kein  Wasser,  ebenso  dann,  wenn  das  Eczem  das  acut-entzündliehe  Stadium  noch 
nicht  überschritten  bat.  Bei  Neigung  zu  reeidivirendem  Eczem  übt  die  Seeluft 
und  das  Seebad  schädlichen  Eintluss.  Bei  i'soriasis  kommen  Tbeerbfider  und 
Sebwefelbftder  mit  Erfolg  aar  Anwendung  und  beobaebtet  man  bei  hartnlelngen 
Fallen  von  Pson'dst.-.  rnhjaris  in  relativ  kurzer  Ztat  an  den  Schwcfelthermen 
Heilung,  in  demselben  Masse,  wie  dies  auch  bei  Arne  riiUjaris  und  Furunculosis 
gilt.  Bei  der  letzteren  Erkrankung  kommen  auch  Bfider  mit  Zusatz  von  anti- 
aeptiacben  Mitteln,  BSder  von  flbenoangansaurem  Kali  oder  Snblimat  in  Betraebt 
Dieaelbe  gote  Wirkung  von  Bädern  mit  Antiseptieis  kann  man  auch  bei  Pem- 
phigus, be>nn(lers  wvww  er  Kinder  betrifft,  beobachten.  Die  Scliildlichkeit  der 
Seebäder  und  auch  der  Flussbiider  bei  Personen,  die  zu  Furunculose  neigen,  ist  wohl 
dadurch  bcdiugt,  dass  ihre  Haut  der  iuvusion  von  Schmutz,  respective  Eitererregern, 
die  im  Heere  und  in  den  Flflssen  vorbanden  sind,  leiebter  augingUeb  ist  als  eine 
normale  Haut.  Bei  Prurigo  des  Kindesalters  sind  warme  Bider,  besonders  wenn 
sie  in  prolongirter  F<>rni  al<  Tlieer-  oder  Schwefelbäder  zur  Anwendung  kommen, 
von  günstigem  Eiullu.Nsc,   da  sie  die  bestehenden  Infiltrate  und  KuÖtchcu  mehr 

4* 


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52 


BAD. 


oder  wenifjcr  zum  St'hwiudeii  bringen  und  gleichzeitig  den  .Juckreiz  uud  da'« 
secundAre  Eczein  mindern ;  mehr  kühle  Bäder  von  kur2er  Dauer  mit  oder  ohne 
Zusatz  von  Stirke  oder  Kleie  wirken  auf  das  erste  Stadium  der  Prurigo,  die 
ürtioaria,  ausserordentlich  beruhij^end  ein.  Das  permanente  Wasserbad  wird  mit 
NutztMi  bei  ausgedehnten  Vcrhreuiiuriireu  oder  bei  mehreren  über  den  K<'»rper 
verbroileteu  gescbwürigcn  Trocesseu  zur  Anwendung  gezogen.  Bäder  üben  einen 
beruhigenden  Einflnss  bei  vielen  Fftllen  von  Hautjucken,  das  als  nervös 
beaeiebnet  wird,  hier  schallen  einfache,  lauwarme  protrahirte  Bäder,  besonders 
aber  Tlieerbäder,  bedeutende  LindcrunL'.  Reim  Herpes  tnnsumnit  wird  man 
von  Bädern  Abstand  nehmen,  da  durch  etwaige  losgelöste  Schuppen  andere,  bisher 
gesunde  Stellen  befallen  werden  können. 

Aueh  Lasbab  bekimpft  das  Axiom,  daas  man  die  Eozeme  nieht  mit 
Bädern  behandeln  ddrfe.  Ob  frisch  entstanden  oder  durch  Jahre  umherfreschleppt, 
sind  seit  einer  Ivcilie  von  Jahren  v<m  La!<^.\r  die  Kczeme  einer  Bäderenr  niiter- 
zogeu  worden  und  ausuahmslod  mit  dem  denkbar  günstigsten  und  sichtbar  nur  au.s 
dieser  Bebandinngsweise  herrQbrenden  Erfolge.  Selbstverstftndlich  aber  ist  ee  mit 
dem  Bade  allein  nicht  getban.  Seine  Indicationen  beschränken  sieh  auf  die 
Be-^chatTiini;  der  Wnndreinliehkeit ,  auf  die  Entfernung  sordider  und  parasitärer 
Haltungen  uud  die  Beförderung  der  Hesurptiou  \  ausserdem  kommt  ihnen  Linderung 
der  Spannuog,  des  Juokens  und  der  Sehmersen  an.  Alle  flbrigwi  Eh-fbrdernisse 
der  Dermatotiieraple  mQssen  neben-  nnd  hinterher  Brftlllung  finden.  Speeiell  betont 
auch  T-iAssAiJ,  dass  N  e  n  n  do  r  f ,  Aachen,  Sehinznaeli.  Baden,  Mehadia 
nnd  amliTc  Si-hwrlflljüder  •reiren  epidermidale  Ilautlci  ien  .  alle  Sool<iuellen  bei 
lnliltrutinuH/.uständcu,  aber  aueU  alkalische  und  Akratuthcrmen  gegen  verscliiedene 
Flechten  wirksam  sind  —  durch  HinanfBgung  efaier  kuna^rereehten  Localbehand- 
lung  wird  die  dermatolo^jische  Wirkung  dieser  Badeorte  erheblich  gewinnen. 

Ri  /fijrlich  der  Hä  derwi  rk  u  n  beim  chronischen  Rheumatis- 
m  u  s  hebt  Luimanx  bct>undors  die  Moorbäder  hervor.  Die  aus  dem  Franzenabader 
Moore  bereiteten  Bäder  enthalten  3%  schwefelsanres  Eisenoxydul  nnd  bis  l*/a^'o 
freie  SehwefelKäure  Eine  direete  Einwirkung  dieser  Stoffe  auf  den  rheumatischen 
Proce*;«  ist  wohl  kaum  anznnebnicn  ;  es  stobt  aber  fest,  dass  das  M(>i)rbad  nur 
in  F()lL,'e  eines  Gehaltes  an  freier  Schwefelsäure  und  Mineralsulzen  einen  so 
intensiven  Heiz  auf  das  Hautorgan  ausübt,  dass  dadurch  nicht  nur  vorUbergeliende 
Aendemugen  in  der  Blutvertheflnag  herbdgertthrt  werden,  sondern  aueh  der 
ganze  Stoffwechsel  due  machtige  Anregung  erfährt.  Fördert  diese  Wirkung  aber, 
wenn  aneli  indirect.  die  Anfsaiifrun-r  ebnmiseher  Enl/rmdmiirsj)rndnete,  so  •rewinnt 
sie  für  die  Behandlung  des  chronischen  Rheumatismus  auch  insoferne  grosse 
Bedeutung,  als  den  bei  längerem  Bestehen  der  Erkrankung  sieh  entwiekelnden 
Krnährun^rsstörungen  ent^refreuirewirkt  wt-nlfii  mu-^s.  Oertlieli  wirken  die  Moor- 
l>äder  bei  rln'Hiii:iti<<'}icn  A tliciifincn  ähnlich  wie  heissc  Bri'iiur.si'lilaire.  Si-*  ver- 
ursachen eine  reichlichere  Blutzutulir  nnd  damit  eine  stärkere  Uurehfeuchtun^  der 
erkrankten  Gewebe,  wodurch  die  Schmelzung  chronisch  entzündlicher  Ablagerungen 
bewerkstelUgt  und  deren  Enttounng  aus  dem  Organiamua  angebahnt  wird.  Diese 
Wirknn}?  thdlen  die  Moorbäder  mit  anderen  Bilderarton  ,  biefoti  aber  vor  diesen 
mancherlei  Vortheile.  Das  Constitnens  des  Moorbades  sind  PHanzcnn-ste  und  andere 
organische  Substanzen,  die  als  schlechte  Wärmeleiter  ihre  Temperatur  uur  langsam 
an  die  Umgebung  abgeben.  Der  Moorbrei  kühlt  langsamer  aus  als  gewöhnliches 
Wasser  oder  eine  einfache  Sa1zlö>iun<;.  liisst  den  Badenden  aber  auch  die  Wärme 
nicht  so  intensiv  emplindon ,  wird  daher  unter  sonst  l^Ii  idier)  rmständen  eine 
geringere  Aulregung  des  Nerveusystems  hervorrufen.  Das  ermöglicht  aber  nicht 
nur  eine  längere  Badedaner,  sondeni  audi  eine  leichtere  Anwendung  hOherar 
Temperaturen,  ein  Umstand,  der  gerade  bei  Behandlung  des  Rheumatismus  in  die 
Wairschale  fallen  muss.  Im  All;;cmcinen  wird  das  Moorbad  von  Hheumattkern 
nieht  nur  sehr  gut  vertragen,  s  indern  aueli  dort,  wo  eingreifende  Verfahren  keinen 
Mutzen   oder  gar  Verschlimmerung  bnichten.   Solche  Verfahren  sind  die  heisse 


BAD. 


53 


Douchc  im  warmen  IJade ,  licsuiidcrs  wenn  unmittelbar  darauf  noch  eine  forcirte 
Massage  t'ulgt,  die  Kaltwa.'iserLieliandluDg  uud  auch  die  Seebäder.  Diese  Bebaudlungs- 
arten  dgnen  sidi  nnr  für  krifkige  Constitotionen  and  robuste  Katuren  mit  ToUkonunaD 
geanndem  Nervensystem.  Hingegen  wird  eine  Muurbadecar  für  Altere  Leute, 
nfrv(^8e .  sehr  reizbare ,  in  ihrer  Ernlthrun?  herunter^ekomnieno  nnd  anämische 
Individuen  augezeigt  sein,  ferner  für  Frauen,  bei  denen  gleichzeitig  Störungen  in 
der  Genitalicphflre  vorhanden  sind.  Hierbei  bilden  auch  eompenrirte  Hersfebler  keine 
absolute  CoDtrftindication.  Sehr  günstige  und  schnelle  Erfolge  werden  beim  chroni 
seilen  RluMiinati^^imis  erzielt,  wenn  man  die  l!ade<'iir  in  zw  erkni;l<si}rer  Weise  mit 
mecbanisclier  Hehandlunfr  verbindet.  Moorbilder  und  Massage  er;;änzen  sich  getren- 
seitig  in  ihrer  Wirkung ;  die  Elektricitilt  kann  ebenfall»  mit  Nutzen  angewandt 
werden.  Neben  der  Biderbehandinng  kann  die  entspreehende  Mineralwasserenr 
einhergehen.  Anflmi^chen  tmd  schlecht  gen.-ihrlcn  Kranken  giebt  man  alkalische 
und  eisenhaltige,  kräftigen  Individuen  alkali-clie  .Mineralwässer  mit  Nutzen. 

Leber  die  Wirkung  der  Seebäder  hat  Lixdemanx  mehrfache  Vor- 
soehe  angestellt,  die  ihn  tu  folgenden  Resultaten  ftthrten:  Der  Pals  wird  nach 
Wannenbädern  mit  Meerwasser  verlangsamt,  und  /war  weit  intensiver  als  nach 
gleichtemperirten  Süsswasserbädern.  Der  pulsv  irlangsamonde  Kintliiss  de-;  See- 
wassera  trat  zumeist  ö  Minuten  bi.t  '  ^  b^tunde  uacb  dem  Bade  am  deutlicbsteo 
üum  Vorschein,  hatte  1  Stunde  nach  demselben  nur  um  ein  Geringes  abgenommen 
und  war  3  Stunden  nach  dem  Bade  in  der  Mehrzahl  noch  vorhanden,  wfihrend  naeh 
SflsswaPserliJldern  der  Puls  dann  meist  beschleunigt  war.  Bei  einem  dureh  Zusats 
von  kiinstliehem  Seesalze  bis  zn  lO  "  ,j  Salzgehalt  verstärkten  Seewasserbade  war 
die  l'ulsvtrlaiigsamung  besonders  ütark  ausgeprägt,  bezüglich  der  PuLscurven  war 
die  Verkleinerung  der  Pnlsenrve  als  Ansdrook  fttr  die  Oeftsseontraetion ,  sowie 
die  spater  stark  erhöhte  Pulscurve  mit  krSftig  ausgeprägter  primärer  Elastieitftts- 
welle  :ins^^ppr.1ffter  nndi  den  Sechädern  als  nach  den  Süsswasserbädern.  Bei 
kflhleu  Seebädern,  für  Kinder  angewendet,  wurde  die  Pul.scurve  viel  unregel- 
mSssiger  als  naeh  gleiehtemperirten  Sllsswaaserbftdem.  Der  Blntdrnek  xeigte  sieb 
sofort  nach  dem  Seebade  erniedrigt,  doch  war  meist  im  Verlaufe  der  ersten 
Stunde  naeh  dem  Bade  der  frühere  Stand  erreicht  und  tibertroffen  ,  so  das-j  als 
schliesslieher  KflVct  der  Seebäder  eine  Blutsteigernug  zu  eoustatiren  war ,  aber 
nicht  wesentlich  verschieden  wie  nach  SüHHwasHerbädern.  Der  Pulsverlangsamuog 
entsprach,  wenn  auch  nicht  so  eonstant,  eine  Verminderung  der  Respirationsfreqnens. 
Sofort  nach  den  Seebädern  war  die  Hespirationsfrequenz  stets  erhöht,  doch  trat 
bald  eine  riiikehr  ein.  Mit  der  IJespirationsverminderun!;  ginjr  auch  stets  eine 
merkliche  Vertiefung  der  Athcmztige  einher.  Bezüglich  der  Körpertemperatur 
seigto  sich ,  dass  diese  um  einige  Zehntel  sich  höher  zeigte  als  naeh  den  Sflss- 
wasserbädern,  auch  dann,  wenn,  wie  nach  kalten  Bädern,  eine  Temperaturerniedri' 
fiung  eintrat.  Im  Gegensätze  hierzu  verhielt  sieb  die  Hauttemperatnr.  Dieselbe 
war  fast  in  allen  Fällen  nach  den  Stisswasserbädern  rascher  erhöht  und  schneller 
der  Stand  vor  dem  Bade  erreicht  und  Ubertroffen  als  nach  den  SeewasserbSdern. 
Naeh  den  Seewasserbildern  zeigte  sich  Verfeinerung  des  TastgefDhles.  Phjmiolo^seh 
lassen  sich  diese  Versiu  h^ergebnisse  so  erklären,  dass  der  Salzgehalt  im  Seewasser 
wie  ein  intensiver  Hautreiz  wirkt,  welcher  refleetoriscb  auf  d«  m  We^'o  der  sensiblen 
Nerven  eine  starke  Erregung  des  Vagus  uud  Gefässncrvencentrums  im  Kücken 
marke  veranlasst.  Die  Bader  in  der  offenen  See  verhalten  sieh  Ahnlieh  wie  kflhie 
Vollbäder  mit  S.  cwasser.  Nicht  allein  die  KUte,  sondern  auch  der  Salzgehalt 
ders(dben  bat  eine  Ptil<\ crl-inir^amnng  geraume  Zeit  nach  dcni  Bade  zur  Folge. 
Die  unmittelliare  wie  bleibende  Wirkung  der  Seebäder  bezeichnet  LiNüKMANN 
dahin:  Kräftige  Erregung  mit  nachfolgender  Kräftigung  des  Heraens  nnd  dw 
Cireulation,  besonders  der  Hantcireulation.  Der  Unterschied  der  Wirkung  des 
k.ilton  Flu>-sbades  und  kalten  Seebades  liegt  darin ,  dass  hei  letzterem  zn  dem 
Kältereize  noch  der  Hautreiz  des  Seesalzes  hinzutritt.  Hierdurch  wird  die  letlcc- 
toriscbe  Hemmutigswirkung  auf  das  Herz  durch  den  Vagus,  sowie  die  energisch 


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54 


BAD.  —  BAKTSRIBN. 


presiloriüebe  Wirkung  durch  Erregung  der  Cjrefäasnerven  verstärkt,  eine  iebbattere 
WtniMMtenung  in  den  der  Eatit  angrenzendeD  Oewebeo,  besoaden  der  Mnskel- 
lebicht,  bald  aber  eine  intensivere  RQckkehr  den  Blutes  zur  Haut,  eine  stärkere 

Reaction  erzielt.  Diese  letztere  Wirkunfr  wird  im  Set'li.idp  l)(>sonders  begünstigt 
durch  den  Wellenschlags,  welche  als  kr&ftige  Uautt'riotion  analog  der  Badeabreibang 
reactionübefördernd  wirkt. 

Literatur:  Edmnnd  Saalfeld,  UderbeliaBdlnog  bat  den  Hantkraakbeiten. 

Verhandinnpen  der  1-}.  «iffontl.  Versammlnng  d>  r  Balneolopischen  Geaellflchaft.  Berlin  — 
Oiicar  Lassar,  liuderbehacdlung  d.  Kczeme.  Iliidcm.  —  (inMtav  Loima  n  n,  Zur  Therapie  d. 
chronischen  Bbeomatisnii:».  Therap.  Monatsh.  Mai  \b\l2.  —  Lindemann,  Uebcr  die  Wtlkang 
des  tfeenrasMfa.  VerhandJonKen  der  fiabieologiscben  Qeselischaflt.  Berlin  Kiseh. 

Bakterien,  wie  im  vorigen  Jahrgänge  dieewr  Jahrbfleher,  beginaen 

wir  auch  diesmal  d'w  S(  hildcrun?  der  im  Jahre  lRf2  •jenKu-hten  Fortschritte 
auf  (lein  (lebiete  der  Hakterieulcbrc,  insofeme  sie  die  allgemeiuo  Morpholugio, 
Biulugie  und  Methodik  betreffen,  mit  der  Besprechung  der  Strnctur  der 
Bakterienfelten.  Nils  Sjöbbino  >)  bat  an  MUzbrandbaeillen,  an  «nem  Henbaeillna, 
einem  Vibrio  und  mehreren  Mikrococcenarten  Untersuchungen  Uber  die  Structur 
der  Bakterien  ze  I  le  n  ,iii}?e.stellt  und  konnte  zweierlei  Krirner  nachweisen. 
Die  eine  Art  lagert  ta^t  immer  in  der  Peripherie  an  der  Innenseite  der  Membran 
des  Stftbohen«  nnd  ftrbt  sieh  besonders  intensiv  mit  Oarbolmagentaroth ,  die 
andere  Art  von  Körnern  färbt  sich  mit  Carbolmethylenblau  besonders  gnt; 
es  sind  (lies  mehrere  kleine  Körner,  die  in  t'iiicr  j^lflnzonden  Masse  liegen, 
welche  sammt  den  eingeschlossenen  Körnern  von  dem  Übrigen  Protoplasma  dilfe- 
renzirt  zu  sein  seheint,  deh  zu  grösseren  Klflmpchen  zusammenballt,  die  dann 
weiter  n  einem  oralen,  im  Centram  liegenden  Körper  zusammentreten  können, 
den  Verf.  als  Zellkern  auifasst.  Dieselben  Verbflltnisse  linden  sich  auch  beim 
Vibrio  und  bei  den  untersuchten  Coerenarten.  Ans  diesen  nenhaclitiin'.rcn  srhiiesst 
Sjuduino,  dass  im  Hakterienkörper  wie  in  jeder  anderen  Zelle  zwei  Bestandtheile 
m  untersehdden  sind:  Kern  and  Zellleib,  die  aber  niebt  immer  von  einander 
diflferenzirt  sind.  Die  Anordnung'  d<>r  ftrbbareo  Substanz  innerhalb  iles  Kernes 
stellt  sieh  bald  derjenigen  der  ruhenden  Kerne  der  ludifren  Zellen  Hualn^r,  bald 
nAhert  sie  sich  derjenigen  der  mitotischen  Kerne.  An  eiuem  aus  dem  Trinkwasser 
isolirten  niebt  patbogenen  Hikroorganismns  konnten  Tbahbosti  nnd  Galbotti*) 
die  Anwesenheit  Arbbarer  Körperohen  im  Innern  der  Bakterien  be>-tiltigen. 
Sie  konnten  aber  auch  die  Bedeutung'  dcrsrllicn  für  die  Reprodiictinnst'ilhigkeit 
de^  Hacteriums  nachweisen.  An  Flii<cliltrillieeuUuren  dieses  Hacteriuuis  bei  37" 
konnton  alle  Entwickluugsperioden  des.selbca  verfolgt  werden,  in  der  ersten 
Periode  prlsentirt  sieh  dieser  Mikroorganismus  in  Form  eines  kurzen  Stftbebens, 
welches  .nieh  gleichmilssig  und  intensiv  mit  Safr  uiin  f^rbt :  in  einer  folgenden 
Periode  erscheint  der  Bacillus  Ifinfrer  und  f.irbt  sich  noch  immer  jrleichmässig 
nnd  intensiv  mit  8atrauiu,  bald  aber  beginnt  or  die  iSafrauiutUrbuug  nicht 
mehr  gleiehmässig  aufitnnebmen,  sondern  es  zeigen  sieh  inmitten  dner  blAseeren 
Farbe  intensiv  geflirbte  Theile,  Kör|)«rehen,  die  sich  längs  der  Peripherie  des 
SUtbehens  anordnen.  In  einer  uoidi  ferneren  Periode  verlassen  dic'^e  Körperchen 
die  I'eripberie  des  Stübchcns.  um  sieh  im  Innern  in  Kranzform  anzuordneu. 
Diese  Kränze  sind  eiförmii;  und  liegen  mit  ihrer  Längsachse  in  der  Richtung 
der  Längsachse  des  BaeiUns.  Qleiehseitig  b^nnt  die  in  ihnen  befindliehe  helle 
prolopIa*matische  Substanz  eine  leichte,  aber  intensivere  FJlrbunu'  anzunehmen 
als  der  Rest  des  Stilbi-hens.  Im  Laufe  der  Kntwieklunf;;  bilden  die  homoo^enen. 
intensiv  gefärbten  Krunzfurmen  elliptische  Ringe  im  Innern  des  Bacillus.  In  der 
letaten  Phase  der  Entwiekinng  platzt  die  Hflile  des  Stftbebens  und  llsst  die 
elliptischen  Formen  austreten,  welche  in  len  alten  Bouilloncultnren  und  jun^^en 
Agarculturen  vorwiegen.  Von  diesen  ovalen  Formen  erfolirl  dann  die  Hilckkebr 
in  s  bacilUre  Stadium.  Da  mit  liUcksicbt  auf  das  morphologische  Verhalten  des 
erwlhnten  Bakteriums,  ferner  mit  Rtteksieht  auf  die  grosse  Affinität  der  in  ihm 


BAKTERIEN. 


55 


enthalteiuMi  f-irliburen  Substanz  für  Safranin ,  mit  Kücksicht  ferner  auf  die  c(»n- 
aUntc  Huiheufolge  der  verschiedeneii  EDtwiekluDgsphaäen ,  auäguäcbluäsen  werdeo 
kann,  dam  es  sieb  vm  Sporenbildan;  handelt,  nimmt  Verf.  an,  daas  man  ee 
inrklioh  mit  einer  Kerntheiliin?  zu  thun  bat. 

Dass  die  Sporenbildung'  durch  verschiedene  KintlUfi^e  verhindert 
werden  kann,  ist  bekannt.  Phisalix  hat  nun  gezeigt,  dasj)  es  gelingt,  durch 
Wirme  die  sporenbildende  FAbIgkeit  des  Milcbrandbaeillns  anfiEobeben  und  diesen 
aaporogenen  Zustand  heroditir  an  maehen.  ZUehtet  man  mehrere  Generationen 
von  Milzbrandbacillen  (indem  man  von  einer  Cultur  auf  zwei  weitere  Glftser  über- 
impft u.  8.  w.)  bei  42",  su  verliereu  die  Milzbrandbaeillen  die  Fähigkeit,  Sporen 
SU  bilden.  In  den  ersten  Generationen  kann  diese  Fähigkeit  durch  Uebertragung 
anf  80*,  sowie  dnreli  Passiren  dnreb  den  Organismus  einer  Maus  noeb  leicht 
wiedergewonnen  werden,  in  den  späteren  Generationen,  etwa  von  der  vierzehnten 
ab,  bilden  »Ich  nur  noch  rudimentäre  Sporen,  die  namentlich  ihre  Widerstands- 
fähigkeit gegen  Hitze  verloren  haben.  Durch  Züchtung  auf  geeignetem  Nährboden 
ist  es  aber  Phisaliz  *)  gelangeu,  Cnltaren  an  enuelen,  die  wieder  Sporen  bilden, 
deren  WiderHtandsfiUiigkeit  gegen  Hitze  zunahm. 

Im  Spreewasser  bat  0 1  nthkr  '')  eine  neue  Art  K  o  m  m a  b a  e  i  II  e  n 
gefunden,  die  er  aU  Vibrio  atjuaiilia  bezeichnet.  Dieser  \ibriu  verdUsaigt 
die  Gelatine  gleieh  den  bis  nun  bekannten  vimr  Kommabadllenarten  (Cholera- 
vibrio, PnrsLBB's  Kommabacilius,  der  DsNMBKB'sehe  Vibrio  und  der  Vibrio 
MBTSCH.vikokf ) ,  unterscheidet  sich  aber  von  ihnen  in  zwei  Punkten.  Krstens 
wichst  er  in  der  Stiehcultiir  aus-?ehlie.sslieh  oberHäfhIich,  scheint  also  ein  stilrkeres 
EbnerstoffbedUrfniss  zu  haben  als  die  übrigen  Arteu ,  zweiten»  bildet  er  auf  der 
Geiatineplatte  kreisrnnde,  wie  mit  dem  Cirkel  ansgesehnittene  Golonien  mit  gans 
glatten  Rändern,  welche  braune  Färbung  und  ein  ansserordentlicb  fcingekörutes 
GefUge  zeigen  und  erst  später  ihre  seharfen  Contouren  verlieren.  Im  Honillon 
wächst  er  fa^tt  gar  nicht,  hingegen  sehr  gut  auf  Agar  bei  Urutteniperatur,  die 
Nitrosoindolreaetion  zeigt  er  nicht.  In  frischen  Onltaren  hat  er  eine  typisebe 
Kommaform,  bildet  keine  Sporen  und  trägt  wie  die  anderen  Arten  einen  Geissol» 
faden  an  dem  einen  Knde.  Pathugeiie  Kigenschafteu  seheint  er  nicht  zu  be:^itzen. 

Die  Einwirkung  äusserer  A  g  e  n  t  i  e  n  auf  die  Bakterien 
soll  hier  nur  insoferne  besprochen  werden,  als  sie  nicht  direct  iu  den  Bereich 
der  Desinfeetion  gehSrt,  worflber  bei  diesem  Sehlagworte  naehsusehen  ist 
HnCHHBB')  hat  gemeinRchaftlich  mit  Fkaxz  MiNCK  irntersuchnngcn  fiher  den  Ein- 
fluss  de«  Lichtes  auf  in  Walser  suspendirte  Bakterien  angestellt.  Dieselben 
beziehen  sich  auf  den  'i'yphusbucillus ,  auf  den  Bacillus  coli  comm.,  auf 
Cboleravibrionen ,  auf  den  Bacülus  ptfocjfaneu»  and  veraoliiedene  Fanlniss* 
bakterini.  Ks  ergab  sich,  dass  das  Lielit  auf  die  genannten  Bakterienarten, 
wenn  dieselben  im  Wasser  suspendirt  sind,  einen  gewaltigen  vernichtenden  Kin- 
fluss  ausabt.  In  einem  Wasser  z.  B.,  das  zu  Beginn  des  Versuches  eirea  lUU.OOO 
Keime  vom  BaeiUua  eoii  eomm.  pro  Knbikeentimeter  enthielt,  waren  schon  naeh 
einstflndiger  Exposition  bei  direetem  Sonnenlichte  fiberhanpt  keine  Keime  durch 
das  Plattcnverfahrcn  nachzuweisen:  in  der  dunklen  ('«>ntn»lprobo ,  deren  Tem- 
peratur utigefillir  die  gleiche  war,  h.itte  die  Bakterien/.ahl  in  der  nämlichen  Zeit 
sogar  etwas  zugenommen.  Ditfuses  Tageslicht  wirkt  selbstverständlich  schwächer 
als  directes  Sonnenlicht,  aber  auch  hier  war  im  Verlaufe  einiger  Stunden  stets 
eiue  bedeutende  Abnahme  der  Keimzahl ,  oft  ein  völliges  \'er  <  hwinden  der 
Keime  na'-hzuweisen.  Bi'CHNKli^l  erklärt  dieses  liesultat  dadurch,  dass  bei  im 
Wasser  suspendirteu  Keimen  jede  einzelne  Bakterieuzelte  vom  Sonnenlichte  ge- 
troflbn  wird,  während  bei  froheren  Versuchen  Aber  diesen  Gegenstand  Massen' 
eulturen  gebraucht  wurden ,  wobei  die  oberflächliche  Schicht  die  tieferen  gegen 
den  Lichteinfluss  schützt.  Dass  dem  so  ist.  beweist  folgende  Versuchsani>r(iiuin{r : 
Gewöhnliches  alkalisches  Kleisehpcptonagar  wird  zuerst  durch  Kochen  vertiu.s.sigt. 
auf  40°  gekühlt,  dauu  mit  einer  Bakterienart  reichlich  beschickt,  die  Aussaat 


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56 


BAKTBRIEN. 


gleicbniäst^ig  vertbeilt  und  das  Agar  in  eine  (ilasäohale  mit  Uiluderu  ausgegosseu. 
Nach  eingetretener  ErstarruDg  befeatiirt  man  ein  Krens  oder  BueliBtebeii  »as 

schwarzem  I'apier  an  der  Unterflflcbc  der  mit  d<>in  /.u^ebririgen  Deckel  und  mit 
einem  rin^rförmifrt'n  (Jummibande  verschlnsBenen  Ajrarplatte  und  oxponirt  letztere, 
die  Unterdäcbe  uacb  oben  gerlubtet  für  1 — 1'^,  Stunden  dem  direclen  oder  tUr 
5  Standen  dem  diffusen  Tagesliehte.  Nneh  dieser  Zeit  tiberlSsst  man  die  Platte 
an  einem  dunklen  Orte  ihrer  P3ntwieklvng.  Nach  24  Stunden  erscheiuen  dann 
die  auf}rekl«'i»tcii  liiH-lHt.-iTicn  vollkommen  sc!i;irf.  {jcliildct  von  den  zur  Kntwicklung: 
gelangten  IJakterieucolonien ,  wahrend  der  {juiizl-  Übrige  Tbeil  der  IMatte  steril 
bleibt.  TAH  dem  Einflüsse  des  Lichtes  auf  die  liakterieu  beisebiU'tigte  sich 
femer  Kotl.iar>).  Er  nntersuehte  diese  Binwirkang  auf  in  Agar  oder  auf  Kar- 
toffeln gewachsenen  Bakterien  (Pruduji'osvs,  finrilla/*  jtseudoanthraciK,  Sara'na 
aurniitinca  ete.).  Kr  konnte  einen  hemmenden  EinHuss  des  SoiincnliclitcH  auf  das 
NVacbstbum  dieser  Bukteneu  uuebweiüeu,  der  aber  niclit  sehr  bedeutend  war.  Es 
bAngt  dies  vielldebt  mit  der,  wie  Bucrnrr  eben  xcigte,  ungeeigneten  Versuebs- 
anordnung  susaoimen.  Von.  den  farbigen  Strahlen  erwieäeu  »ich  die  \I'>Ietten  am 
meisten  hemmend,  wenn  auch  weniger  als  das  weisse  Snnnenlieht.  Mei  kwfirdiger- 
weiHC  fand  Kotljak,  das.s  die  violetten  Strahlen  die  Sporulatiou  de^  ßavülus 
pseudoantkraeis  begfluFtigen.  Chmblrwsky*)  stellte  Untersuchungen  Aber  die 
Wirkung  des  Sonnen-  und  des  elektrisehen  Liehtes  auf  Eiter* 
h  a  k  te  r  i  e  n  an.  Diese  rntersuehungen  ergaben,  das.s  beide  Tiiebtarten  das  Wachstbum 
der  Kiterbakterien  lienunen.  Nach  sechsstiindiirer  llinwirkunir  vermoebto  das  Sonnen- 
licht diese  Mikrourgauiämen  zu  tödten.  Ks  betiiueu  aijer  nic-bt  nur  die  ebemiscbeu 
und  Lichtstrahlen,  sondern  aneb  die  WArmestrablen  eine  entwieklungsbemmende 
Wirkung.  Sämnitliehe  Strahlen  des  eli  ktrischen  und  Sonneuspectrums  mit  Ausnahme 
der  Infrarotben  halten  eine  Waelisthum  hommeude  Wirkunir.  Von  den  verschiedenen 
Eiter bakterien  zeigte  sieb  der  Stuphi/lococcus  pyoyeues  aureus  am  widerstands- 
fähigsten. Mei  diesem  war  kein  üntentehied  in  der  Wirkung  der  versebiedenen 
Theile  de»  Spe(rtrums  wahrzunehmen.  Beim  BaniUua  pyocyaneus  wirkte  das 
Liclit  .iueb  verlangsamend  auf  die  Bewegung  de-^selhen.  In  Bezug  auf  die  Farb- 
stoÖaut'uabnie  konnte  kein  merklieber  l"nter»ehied  nachgewiesen  werden,  nur  beim 
Sfnpitylovoccus  ptfojp.Ma  alhiu  wiesen  diejenigen  liakterieu ,  die  vom  Lichte 
nicht  beeinflusst  wurden,  eine  intensivere  Flrbuog  auf.  Das  Lieht  wirkt  aneb 
auf  die  Nübrniedien ,  indem  es  dieselben  fDr  das  Waebsthum  der  Bakterien 
weniger  geeignet  macht.  Der  Sfap/n/ftirfimts  pyogeV'S  aunms  und  nfhus-,  sowie 
der  ßncilius  iiijo-yaueus  vertlUssigeu  uuter  dem  Eiulius.so  des  Liehtes  weniger 
die  Gelatine.  Aneb  die  Pigmentbildung  wird  durch  das  Sonnenlieht  beeinträchtigt. 
Ferner  sclieint  auch  die  Virulenz  der  Eiterbakterien  unter  dem  Einflüsse  des 
Lichtes  eine  Almalnne  zu  erleiden. 

SiKENA  und  Ai.KSSi''J|  haben  den  Einfluss  der  Austroeknung  auf 
manche  patbogene  Mikroorganismen  (Cholera-,  Milzbrand-,  Typbus-,  Hotz-, 
Schweine-,  Rotblaufbaeillen  und  Pneumoniecoecus)  studirt,  indem  sie  Sddeu- 
fiiden .  die  in  Bouilloncultureu  oder  in  Aufscbwemmnngen  dieser  Bakterien  in 
Wasser  getaucht  wjtrtn.  in  Ileatrensgläser  frebracht  Ijaben,  welche  zum  Theile 
mit  derjenigen  Substanz  gefüllt  waren,  «leren  Lintluss  man  untersuchen  wollte, 
wie  s.  B.  Schwefelsäure,  Chlorkalk.  Es  ergab  sieh ,  dass  die  Austroeknung  einen 
starken  vcrnichfenden  Eintlu-^  auf  die  Bakterien  ausübt,  und  zwar  ist  diese 
bakterientridtende  Wirkung  der  Wasserentziehtjn'.?  aus  di'ti  b;ikterieiilia!tig<  n  Medien 
zuzuschreiben.  Je  raseher  und  vollständiger  diese  Was.screutziebung  geschieht, 
desto  rascher  und  grflndlioher  ist  aneb  die  AbtOdtuug.  Das  Sonnenlicht  tödtet 
selbst  die  widerstandflibigsteo  Bakterien.  Momomt^*)  untersnehte  im  PASTEDB'sehen 
Liiboratoriinn  die  Wirkung  der  Austroeknung,  der  Luft  und  des  Liehtes 
auf  MilzbrandbaciUen  und  gekinirte  d.ibrj  /n  t"nl>renden  Krgebnisscn  :  jiic  im  getrttck- 
neten  Blute  entbaltcueu  Spören Ireieu  .MiUbraudbacilleu  können  liinger  als  tio  l  äge 
bei  gewAbnIieher  Temperatur  am  Leben  bleiben.  Sie  widerstehen  einer  Erwärmung 


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BAKTERIEN. 


57 


von  mehr  als  1'  Stunden  auf  02".  !>!»'  sporenfroion  Milzbrandbakterien,  die  in 
Bouilluu  gezüchtet  werden,  leisten  der  Austrueknung  viel  weniger  Widerstand  als  die 
im  Blote  entbaltenen.  Die  Lnft  Insaert  nur  eioen  geringen  Einflnn  «nf  die  getroek- 
oeten  Bacillen,  indem  dieselbea,  ob  sie  nun  der  Luft  mu<  rsetzt  oder  vor  der- 
Pelben  geschtltzt  lileiben ,  absterben,  ohne  vorher  »'iiif  Al)naliiiie  ihrer  Virulenz 
gezeigt  zu  haben.  Die  spurent'reiun ,  ausgetrockneten  Milzbraudbacillen  geben 
untw  dem  EinfliiRse  des  SonnoilieblBa  viel  rascbor  in  Ornnde  ab  unter  don  Ein- 
flonae  des  diffusen  Liobtes ,  und  swar  sind  die  aus  Cnlturen  stemmenden  StAbcbeo 
viel  weniL'cr  \vi(l<'rstandrtf^lhi<f,  als  die  auH  dem  Blute  Bei  Lieht  trägt  aueh  die 
Lut't  zur  Alitoiltuii;r  der  trelrncknctfii  H.icillen  bei.  Das  l>ieht  allein  ohne  Luft 
hat  auf  fcuelite  Baeillen  nur  wenijjf  Einlluns,  hiu|<egen  wird  die  Einwirkung  der 
Luft  auf  feuebte  Baeillen  dureb  den  Einfluss  des  Liobtes  sebr  gesteigert.  Fenebte 
Milzbrand Iiacillcn  {;ehen  unter  dem  Einflüsse  des  Liebtes  und  der  Luft  zu  Grunde, 
<>hne  dass  ihre  letzten  Cnlturen  ihre  Virulenz  ein?eb<H>;t  hätten.  S.iwohl  die 
feuehteu  als  aueh  die  getruekneteu  Milzbrandstübelien  widerstehea  viel  kürzer 
der  Einwirkung  des  Liebtes  und  der  Luft  als  die  8i)oren ;  troekene  Sporen  ver- 
tragen sehr  lange  di<>  Einwirkung  von  Lieht  und  Luft ,  ohne  ibre  Vimleni  su 
verlieren  und  abzusterben.  Feuchte  Sporen  widerstehen  .«^ehr  Innere  dejn  Eitiflusse 
des  Siiniietilielites  bei  Abhaltun;r  der  Luft.  Sic  sterben  ;ibcr  viel  rasehcr  ab, 
wenn  sie  gleiehzeitig  unter  dem  Einrius.se  des  Lichtes  uud  der  Luft  stehen,  ohne 
vorher  eine  Abnahme  ihrer  Giftigkeit  su  zeigen. 

Schmidt*-)  hat  den  Ein  fluss  der  Bewegung  auf  da-* Wachsthum  und 
die  Virulenz  der  Bakterien  untcr-iiiclit.  Die  Bewef^^unfT  wurde  tlieils  durch  einen 
Schüttelappar.-it,  theils  mit  der  iland  bewerkstelligt.  Die  in  Leituuga-,  destillirtem 
oder  RteriliRirtem  Wasser  geschflttelten  Bakterien  wnrdt'n  naeb  dem  Sobfltteln  au 
Krilleiilturen  \ erwendet,  welche  mehrere  Tage  lang  bei  Zimmertemperatur  gehalten 
und  alle  '1\  Stunden  untersucht  wurden.  Da-i  Schiittehi  mit  dem  Api)arate  erfi^ab 
nur  auf  den  l-'i.NKLKK-I'uiok  seben  Bacillus  und  ein  cinzigesiual  auf  den  Milzbrand- 
bacillus  einen  hemmenden  Eiuilu^s,  wobei  aber  die  Giftigkeit  des  letzteren  nicht 
beeinträchtigt  wurde.  Beim  Schütteln  mit  der  Hand  erwies  sieb  das  Waehstbum 
des  Staphylococcus  jnj<Kjfnes  ct'treus  fast  jfanz  aufgehoben;  (la>jeniore  der  im 
Lcitunfrswasser  entiialteticn  Bakterien  bedeut»'nd  gehemmt,  wiilirend  lieim  Typlius- 
baeillus  eine  Waehsthumshenimung  nicht  wahrzunehmen  war.  Es  ergaben  diese 
Versuobe,  dass  der  Einflora  der  Bewegung  des  Wassers  bei  der  Selbstreinigung 
der  FIfl.sse  meist  über-il..ity t  worden  ist;  nacli  Sä-h.  wäre  eher  der  bedeutende 
Wasserdruck  im  Stande,  die  Meiifre  der  einzelnen  Bakterien  zu  vernichten  oder 
ibre  Giftigkeit  aufzuheben.  Wahrseheiulicher  ist  die  Annahme  von  Blcuneu,  daas 
b«  diesem  Vorgange  der  Einfluss  des  Liebtes  ^ne  bedeutende  Rolle  spielt. 

FOBSTBB  >*)  hat  Untersnchungen  Aber  die  Bntwieklung  der  i)  a  k  te ri  e n 
bei  niederen  Temperaturen  anire-«tellt.  (relegentlich  der  rnfersuehunf? 
einer  Art  von  Leiichtltakterien  t'and  er,  dass  dieselben  die  Eif^enschaft  besassen. 
bei  Eistemperatureii  nicht  blos  gleich  den  anderen  Bakterien  am  Leben  zu 
bleiben,  sondern  sie  waren  im  Stende,  wenn  sie  auf  gflnsttgem  Näbrmateriale  in 
Fehmelzendem  Eise  bewahrt  wurden .  als«»  auf  0°  zu  wachsen  ,  Lieht  zu  geben 
und  sich  zu  vermehren.  Veranlasst  durch  diese  'riiatsache  suchte  F<>i;STKR  nach 
Bskterieu,  die  sich  ähnlich  verh»lteu  und  fand  nur  wenige  Arten,  die  bei  0"  zu 
wachsen  vermAgen ;  von  diesen  aber  sind  einige ,  die  sieh  in  unserer  täglichen 
rm^ebung,  .«o  z.  B.  auf  Nahrungsmitteln,  befinden.  Ebenso  fanden  sieh  Bakterien 
mit  der  gleichen  Ei;r«'nsehaft  in  grosser  Zahl  an  der  ( ►bertlaehc  wie  im  Darme 
von  .SUsswag.serliseheii  und  besimders  reichlich  im  Wasser  der  Js<»rd-  uud  Suidersee 
und  auf  f>ee6schen.  Besonders  zu  erwühnen  i-st  noch,  dass  die  Bakterien,  welch« 
sich  bei  0^  eu  vermehren  im  Stande  sind,  nicht  nur  im  Winter,  sondern  aneb 
wflbrend  iler  warmen  .Jahreszeit  in  den  deichen  Substraten  enthalten  sind  Diese 
Thatsaclic  ist  von  Wichtii^keit  fiir  die  Kenntniss  der  Aufbewahrung  von  Nahrutiirs- 
niittelu,  ferner  auch  in  hygienischer  Beziehung,  da  mau  ja  bekanntlich  Wasser 


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68 


BAETBBIBN. 


zum  Zwecke  der  bakteriologischen  Untersuchung  in  Kis  verpackt.  Da  aber  auch, 
wie  erwähnt,  Bakterien  in  verschiedenen  Trinkwassersorten  zu  tinden  sind, 
so  liefert  oft  unter  solehen  ümstlnden  die  Versendung  mnneher  Wusersorten  in 

Eis  oder  das  biRweilon  geübte  Aufbewahren  derselben  im  Ktihlraume  ffir  die 
bakteriologische  Untersuchung  eine  Fehlerquelle,  an  deren  Bestehen  bis  jetzt  noch 
nicht  gedaeht  worden  ist. 

Was  die  Lebencilnsserungeii  der  Balcterien  betrifft,  so  Ist 
snnäehat  von  der  Be  w  d  ir  I  i  <- h  k  c  i  t  bekannt,  dass  dies<^>lbe  zumeut  bei  BaeiUen 
vorkommt,  doch  sind  ;iui'h  sebou  Mikrocoecen  mit  Ei;rL'n]»ewejriinfrcn  bekannt. 
Einen  neuen  ähnlichen  Organismas  beschreibt  Carl  Menue'*)  unter  dem  Namen 
MtkroooecuB  agüü  cUrtui;  er  fand  denselben  in  einem  Erbseninfns.  Die  Be- 
wegung dieeer  Mikroorgmniamen  im  hingenden  Tropfen  ist  eine  demliefa  lebhafte, 
wenn  man  von  jungen  Oulturen  Theilchen  in  ein  gllnsti^cs  Medium  wie  Bouillon 
eintrS^rt.  Dt-r  einzelne  Coccus  sebwimmt  etwas  zittertid  bebende  durt'b  das  rJesicbla- 
feld  meist  in  gestreckter  Hahn ,  liur  selten  in  einen  Winkel  zeitlich  abbiegend, 
aueh  SU  sweien  und  mehreren  Haufen  fahren  sie  lebhafte  Bewegungen  aus.  Der 
Motor  des  Rakterinms  ist  eine  Geissei,  die  man  sehr  leicht  nach  dem  Löfflkb- 
Rchcn  ^'l■^f;lbr^'Il  sichtbar  uiacben  kann.  .lodtT  rnccus  träfft  nur  eine  (JiMssel, 
die  etwa  seclismal  üü  lang  ist  wie  der  Durehuicsser  ihres  üenitzera  und  auü'üllig 
gleiobmassig  und  zierlich  gewunden  eraelieint.  Bei  einem  Zusätze  von  15  Tropfen 
einer  l^'  oif^en  Natriumbydratlösun^  auf  16  Ccm.  der  LöPFLEB'scben  Beize  ftrbt 
sich  die  (Irissel  am  dciitüfhsten.  Charakteristisch  für  das  Waobstbiim  dieses 
Mikroc»rtrani8mus  ist  die  Hildun;?  eines  gelben  {'iirmentcs,  welche  Kif^cnsebaft  aber 
ausfällt,  wenn  die  Culturen  uubeliehtet  waren,  lu  letzterem  Falle  steht  die  Wacbs- 
thumsenei^e  der  der  belichteten  Culturen  in  keiner  Wdse  naeb,  doeh  bleiben 
dieselben  vollkommen  weiss  und  nehmen  erst,  wenn  sie  läng:ere  Zeit  dem  Tages- 
liehte  an^pesetzt  waren,  allm.lliir  dif  Pi-rmcntbildun^r  auf.  —  Rcwefrliehe  8ar- 
cinen  sind  bis  uuu  u«ub  nicht  bekaunt.  Zum  ersteumale  besehreibt  MauUBA 
eine  solehe,  die  er  aus  einer  Aseltesfltlssigkeit  gezflehtet  bat  und  die  et  Sareina 
inohiJis  nennt.  Dieselbe  zeig't  bei  Farbmifr  mit  der  tinfaehen  LiTKLERseben 
Heize  deutlichp,  zahlreiche  (ieisseln,  die  meist  in  der  Weise  znrtlek<;ebo<ren  sind, 
dass  sie  an  beiden  Enden  mit  dem  Ktirper  des  Hacteriums  zusammenzuhängen 
scheinen,  so  dass  mau  die  Bakterienkörper  mit  feinen  Ringen  besetzt  siebt, 
welehe  etwa  den  doppelten  Dnrehmester  des  Mikroorganismus  selbst  haben.  B« 
frelan°:  anch ,  die  Sareinen  auf  dem  von  I''\\i.CKRNHKI\"  an^e^rebonen  Ifeiiinfus  zu 
zUehten.  Schon  am  zweiten  Tage  zei;rten  f<ieli  darin  sehr  deutliche  und  zahlreiche 
Paekete  nebst  Uiploeoeceu  und  Tetraden,  welehe  in  lebhafter  Heweguug  wareu. 
Die  Bewegung  der  Paekete  wuchs  in  den  folgenden  Tagen  und  dauerte  fast  10  Tagew 
Einen  Uebergang  zur  Hespreehung  einer  anderen  Lebensiussernng  der 
Bakterien,  nflmlicb  der  F  a  r  b  st  o  f  f  b  i  I  d  ii  n  g ,  bildet  der  von  Oermano  be- 
sehriebene  Bacillus  memö  ra  naceun  a  m  ethysticus  mob  il  i  s.  Es  ist 
dies  ein  violetter  Badllus,  den  Oebmano^^  in  der  Luft  entdeckt  hat;  derselbe 
wächst  bei  Zimmertemperatur  gut  und  nicht  bei  der  des  Thermostaten,  und  ist 
lediuflii  li  aerobiseh.  Das  Wachstbura  auf  versehiedenen  N:lhrb<Mlen  ergiebt  anfangs 
ungetiirbte  CoIrMiien  ,  die  sich  allm/llig  violett  filrben  und  endlieb  eine  intensive 
Färbung  annehmen,  t^r  bildet  Membranen,  ist  lebhaft  beweglieh,  verlliissigt  laug- 
sam die  Gelatine  und  ooagulirt  die  Hileh.  Ueber  den  bereits  vielfach  untersuebten 
Bacillus  j)  xj  o  c  }/  n  neu  s  liegen  neuerdings  mehrere  Uutersuehungen  vor, 
KOHKFII I  bat  aus  Patikenliiibleneiter  einen  lun  i/'uft  j.iioryntifus  gezdchtet ,  der 
dem  Bacillun  pi/uci/aneits  %  von  GeoSARD  entspricht.  Die  FarbstufTüildung 
dieses  Baoillus  war  Intensiver  als  die  der  ftlleren  Stämme  x  und  %  und  zeigte 
namentlieh  eine  viel  intensivere  Hildung  von  braunrothem  Pigment'Pyoxanthin, 
in  filteren  (Jelatine  und  Honilloneultiiren.  Die  ireringere  Pigmentprodnetlon 
bei  den  iiUereii  (  ulturen  ist  auf  die  Fr.schöpfung  zurückzuführen.  Auf  Kar- 
toffeln eutwickeite  die  Cuitur  aus  Uhreiter  reichlich  rothbraunes  Pigment,  das 


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BAKTERIEN. 


59 


bald  io  dunkelgrüne  Farbe  Uberginir,  während  die  älteren  Ciilturen  gelbrothe« 
bis  graurothes  Pigment  erzeugten.  Albuiuineulturen  ergaben  duruh  12  Generationen 
ilnoresdrende  Farbstoffe ,  wlhrand  aaf  Eigelb  roatbrannes  Pigment  (Pyozantbin) 
sieb  bald  und  reioblieh  bildete.  Eine  wesentUehe  Veränderung  der  Farbstoff- 
production  durch  Erhitzung  von  Rouiiloneiilturen  auf  oT"  konnte  nicht  erzielt 
werden.  Auf  2°/oigem  Peptunwasäer  und  stcriiisirtem  menschliohcn  Speichel  trat 
dentlioh  ezeliisive  Erzeugung  von  blauem  Pyocyauin  ein.  Dass  die  pigmentbUdende 
Fonetion  des  Baeiüu»  pyceyanmu  ^benao  wie  andere  Dakterienfunetionen  keine 
umwandelbare  iat ,  sondern  dnreh  die  verschiedenen  EinflüKse  geändert  werden 
kann,  haben  neuerdings  PnisALix  und  Charrin  nachfrewiesen.  Durch  die  ayste- 
matiscbe  Erwärmung  der  Gultur  des  Bacillus  pyocyaneus  ist  es  ihnen  gelungen, 
denselben  seiner  pigmentbildenden  Bigensehaft  an  berauben.  Zn  diesem  Behafe 
zOchtet  man  denselben  in  successiveu  Generatiunen  bei  42'.  Schon  lu  ;  ii  r  vierten 
Generation  zeigt  sich  der  Nährboden  bereits  vollständi!.'  r:irl)lu.s.  Üurcli  Teber- 
traguug  dieses  so  veränderten  Bacillus  anf  lleersobweinchen  und  durch  weitere 
üeberimpfung  der  Organe  der  letsteren  anf  weitere  Tblere  gelingt  es,  den  Gul- 
tnren  dw  iweiten  nnd  dritten  Generation  noch  die  grflne  Farbe  wiederzngebeu, 
nicht  aber  bei  denen  der  vierten  Generation.  Ok.>\s.\rü hat  nachgewiesen,  dass 
die  lluorescenzbiliiendo  Eigensichaft  des  lidcillu.s  pi/act/t/nfits  vom  (lehalte  des 
Nährboden.H  au  i*hosphateu  abhängt.  Da  einerseits  die  Fluoreticeuzbildung  meist 
in  Bouillon  und  weniger  anf  naiflriiehen  Medien  auftritt,  da  ferner  dieselbe, 
wenn  sie  in  der  Natur  vorkommt,  sieh  meist  in  Prodocten  organischer  Provenienz, 
Eiter,  Speichel.  Kßrperflüssigkeit  etc.  zeigt,  so  nimmt  Gkssarp  an,  dass  da.s 
Auttreteu  von  Fluoreiicenz  im  Wasser  datür  spricht,  dass  die  Verunreinigung  des 
Wassers  thierisdien  Ursprunges  ist  und  dass  die  Verunreinigung  eine  frisehe  sein 
muss,  da  sonst  die  flaoreecenzbildende  Bigensehaft  verloren  geht.  Untersuchungen, 
die  Oai^koti  an  mehreren  clironiogenen  Bakterien  angestellt  hat.  haben  ergeben, 
dass  die  Eigenschaft  derselben,  Farbstoffe  zu  bilden,  nicht  untrennbar  an  das 
Leben  der  Bakterien  gebunden  ist,  da  diese  Organismen  unter  gewissen  Bedin- 
gungen fortleben  kOnnen,  ohne  das  fOr  sie  eharakteristisehe  Pigment  lu  prodn* 
ciren.  Die  Bedingungen,  welche  die  Farbstoffbildung  beeinflussen,  sind  im  All- 
gemeinen dieselben ,  die  auf  alle  librigen  Fiinctinnen  derselben  Bakterien  einen 
ungünstigen  ICintluss  ausüben.  Doch  vcrmogeu  die  ehromogenen  Mikroorganismen 
naeh  einiger  Zeit  sieh  an  die  nngfinstigen  BinflOsse  an  gewöhnen,  und  nehmen 
dann  H(>lbst  unter  diesen  ungünstigen  ßedingungan  die  Farbstoffbildung  wieder  auf. 
ViRux I  hat  die  Beoli.K-litung  gcinaeht,  dass  im  destillirten  Wasser,  welches  einige 
Zeit  steht,  nicht  selten  gelbe,  grüne  oder  rotbe  Färbungen  auftreten,  welche  entweder 
dnreh  Bakterien  oder  von  diesen  erzeugten  Pigmenten  bedingt  werden.  Diesbezügliche 
üntersudiungen  haben  xur  Zaehtung  eines  ehromogenen  Baeteriums  giirfUhrt, 
welches  Verf.  Ii  aci  litis  a  u  r  n  u  f  i  (t  n  u  s  nennt  und  welches  einen  in  Wasser 
und  Alkohol  löslichen,  schönen  gell»eii  FarbstolT  bildet,  den  er  mit  dem  Namen 
Aurantio-Lutein  belegt.  Ein  zweites  l'igment,  welches  ebenfalls  im  Wasser 
Ideht  IttsUch  ist,  bezeichnet  er  wegen  seiner  grttnen  Farbe  als  Aurantio- 
Chlorin.  Ein  drittes  Pigment,  welches  das  Wasser  braun  förbt  und  durch 
Säuren  geröthet  wird,  wird  von  dem  Mikroorganismus  geliefert,  welcher  sieh  dem 
Mikr  oco  <'  c  II n  cyaneus  von  äCHRuTBE  sehr  nähert.  Schliesslich  hat  Veif. 
ein  viertes  Pigment  gefunden,  welches  vom  Baeiltu»  fluoregcen»  liqu«- 
faeienM  geliefert  wird.  Die  ersten  drei  Pigmente  erwiesen  sieh  ftlr  den  Orga- 
nismus un^eh:^dlich ,  das  letztere  erzeugte  Itei  sterilisirter  Lösung  eine  giftiee 
Entzündung,  die  rasch  /um  Tode  führt.  Einen  anderen  rotheu  Farbstoff  er- 
aeugenden  Bacillus  hat  Okaua  aus  Fussbodenstaub  geztlchtet.  Bs  ist  dies  ein 
Bacillus  von  der  Grosse  desjenigen  des  malignen  Oedemes  mit  leicht  abgerundeten 
Enden,  der  in  alten  Rouillonculturen  lange  .Scheinfäden  bildet  und  der  ebenfalls 
eine  le!)harte  Heweglichkeit  zeigt,  die  diin'h  (Jeisselu  zu  Stinde  kommt,  deren 
Filrbung  nach  der  LoFFLER  sehen  Methode  sehr  gut  gelingt.   Die  Bacillen  selbst 


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60 


BAKTBBTEN. 


sind  farblo8,  doch  erzeugen  sie  auf  den  Nährböden  eine  schöne,  weinrothe  Farbe, 
weshalb  Verf.  fttr  sie  den  Namen  Bacillus  rubtUm  vorschlagt. 

Eine   andere  merkwürdige  LebeoflAoisertnig  der  Bakterien   iit  das 

Le  nebten.  Von  neuen  T'iitersuchun^en  Uber  diesen  riefrmstand  seien  die 
Irapfveriäuebe  erwähnt,  die  lUi^sEl, i  mit  (JlARl'S  j)atlK<;renem  Lt'ut'li(l)aeillu8 
augeätellt  hat.  Er  impfte  eine  24  Stunden  alte  Meerwa^serbouilloucultur  vier 
grrosBen  Eiemplaren  von  Palaetnon  terratua.  Als  er  naeh  seeha  Tagen  die 
geimpften  Exemplare  in's  Diinkelzinmser  brachte,  trat  kein  Leuchten  ein;  als  er 
aber  eine«  derüdlten  auf  die  Hand  uulim,  trat  bald  riiosplioresfin'u  auf.  welchem 
durch  den  ganzen  Körper  zu  difl'uudireu  schien  und  den  LmriHS  des  Körpers 
gani  deuUieh  .siebtbar  macbte.  Aneb  im  Waseer  zeigten  die  Tbiere  nur  dann 
Anflenebten,  wenn  sie  gesUirt  wurden.  Mikronkopische  Untersuchangen  des  Ge- 
Wflie?  eines  \  erstorbtiien  Tliieres  auf  Bakterien  ergaben  ein  negatives  I\esultjit. 
Ebenso  bliebeu  die  anj^ele^^ten  I'latteneulturen  steril.  Das  pliUzliche  Aufleuchten, 
nur  wenn  die  Thiere  gei^tört  werden,  scheint  darauf  hinzudeuten,  dass  dieses 
Leacbten  mebr  oder  weniger  von  der  liaskelbewegnng  abbingig  ist;  jedenfalls 
lebrt  der  Ver^iu  li .  dass  d<  r  IIh  IIIh-  in  einem  solchen  Masse  durch  das  Gewebe 
verbreitft  werden  kann,  dass  liictdiireli  ein  Aufienehten  entsteht;  patlintjene  Eigen- 
schatten konnten  aber  nicht  uaehgewieticn  werden.  KvKMAKM  beschreibt  eine  neue 
Art  von  Lfrnebtbakterien,  Fhotobaetennm  yava  renne,  welcbe  er  auf  den  zu  Batavia 
zu  Markte  kommenden  Seefinehcn  regelniiUsig  Vinfand.  Uieselben  bilden  anl'ilnglicb 
einzelne  lenclifctuif  Tunkte,  die  sich  binnen  wenigen  Stunden  (Iber  die  <  »hertl.'icbe 
der  Fische  auslireiten  und  dieselbe  schliesslich  durdiwegs  leuchtend  macheu,  ho 
dass  man  bei  ihrem  Lichte  Doch  im  Ab>tande  von  mehreren  Decimetern  Buch- 
staben und  Ziffern  der  übr  deutlich  erkennen  kann.  Bei  der  in  dem  indiseben 
Klima  rasch  eintretendeu  Verwesung  ist  au  den  am  Abende  intensiv  leuchtenden 
Fischen  Pcbon  am  folgenden  Margen  die  I'hosplioreseenz  ganz  verschwunden. 
Das  Leuchten  wird  durch  kurze,  bewegliche  btübchcn  erzeugt,  an  deuen  mit  der 
L^iFPLBBWben  Methode  Geisaeln  nachzuweisen  sind  und  die  auf  den  gewöbnlieben 
Nährböden  ganz  gut  wachsen.  Die  Farbe  des  Lichtes  ist  blaugrdn  und  weisslich. 
»')—  1'2  Stunden  nach  Anlage  der  ('ultur  ist  das  Lieht  am  intensivsten.  Am  "J.  —  Tage 
tritt  bereits  eine  bedeutende  Absehwächuog  desselben  ein.  Das  Wacbsthums- 
optimum  liegt  zwischen  28  und  38^  die  Temperaturgrenzen  fUr  die  Licht- 
entwieklung  sind  —  20  und  +  45^  Wird  die  Phosphoreseenz  durch  Erwftrmung 
auf  oO"  zum  Verschwinden  gebracht,  so  kehrt  sie  bei  Abkühlung  wieder ,  wXbrend 
5  Minuten  andauernde  Erwärmung  auf  tJO"  die  Hakterien  xi'AWu:  t'xltet. 

WKi.tii  und  NcTTAi^ haben  bei  der  Scction  eines  l'htluisikera,  der  ein 
mit  der  Aussen  wdt  an  zwei  Stellen  der  vorderen  Brustwand  eommunicirendes 
Aneurysma  der  Aorta  eutcenden»  hatte,  acht  Stunden  nach  dem  plötzlichen  Tode 
massenhaft  (laslda-ien  an  den  verschiedensten  Stellen  des  rnterliautzellgewel)e,s 
und  in  deu  Urgaucu  gefunden.  Die  Gasbildung  war  durch  einen  im  Ulute 
gefundenen  Kapselbacillus  bedingt  (Bacillut  aerogenea  capsulatm) ,  der  unter 
gewöhnliehen  UmstKnden  fittr  Thiere  nicht  patin^^  ist.  Wird  aber  das  Thier 
bald  nach  dir  intravenösen  Injeetion  von  0-5 — 7  Ccm  der  Culturfltissigkeit  ge 
tödtet .  so  findet  eine  rapide  Vermehrung  der  Mikroorganismen  und  Bildung  vou 
Gasblasen  statt.  ScHOW  hat  in  der  mediciuischcu  Klinik  in  Kiel  in  einem 
eystitisehen  Harn  einen  kurzen  Bacillus  mit  Eigenbewegungen  gefunden,  der  die 
Eigenschaft  hatte,  auf  den  verschiedenen  Nfthrböden  Gasblasen  zu  bilden.  Diese  gas- 
producircnde  Eigenschaft  zeigt  sieh  auch  in  einer  Harneultur.  Das  gebildete  (Jaa 
scbcint  Kohlensaure  zu  seiu.  Nach  Besserung  der  Cystitis  unter  dem  Eiullusse 
der  eingeleiteten  Behandlung  versehwanden  auch  die  Bacillen  ans  dem  Harn. 
Dieser  von  Scnow  als  ( 'ix  coliarillus  oprogenf»  veaicae  beieiehnefe  Mikroorganis- 
mus selieint  identiscli  zu  sein  mit  dem  von  EisKNI.OHR,  Ki  Kl.V  bei  Ko/pitiM 
einölt ijsemntoHa  und  von  .li  Lirs  ScilMTZi^Elt  bei  Cystitis  g«'lundenen  Bacillus; 
ein  Beweis  fBr  die  ätiologische  Bedeutung  desselben   bei  der  Cystitis  ist  von 


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BAKTERIEN. 


61 


keinem  (1*;r  Antoren  bis  nun  erbracht  und  hilt  aneh  Sohnitzlbr  entgegen 
8CH0W  diese  Frage  noch  für  eine  offen«'. 

Ueber  Stoffwechselpruducte  von  Mikruurganismeu  iiat 
SOHMARUOA'^  eingehende  üntersnelinngen  angestellt.  Namentlieh  etudirte  er  bei 
lfthlreich(;n  liaktorienarten  dii-  in  den  Nfthrbödcn  im  Laufe  ihres  Wachsthums 
rntstfliciiilfii  ntart'on^vt'rilnderunjren.  Alle  von  ihm  untersuchten  ziomlich  zahl- 
reichen Hiikterienarten  ztiu'tt'n  bei  ^rünstif^t'n  KriL-Uiruni^sverbältuisseu  alkalincbu 
Stoffwecbselproductu ;  die  Bildung  von  sauren  l'ruducti'u  im  Sinne  Fbtruschky's 
findet  niebt  statt  Die  Menge  der  Stoffweehselprodnete  wftehst  oder  was  dasselbe 
sagt,  die  Kxistenzbedingunp^en  fflr  faenltative  Aerobieu  Kind  ^Unstii^er ,  wenn  in 
Kr»uillon  oder  Asrar  der  Alkalif^f-halt  ein  kleinerer,  in  Gelatine  dasfep'n  ein  mn<-*ig 
grösserer  ist.  Die  Zufuhr  von  äaiierstotr,  besonders  durch  Sauerstoff  ühürtrajftnde 
Sttbetanaen,  wie  dne  aotehe  in  kleinen  Mengen  angewendete  Rosolsflnre  ist,  steigert 
in  ßduillen  und  Gelatine  die  Menge  der  Stoffn-echselpruduete ,  ist  somit  flir  das 
Wachsthum  frcwisser  Mikroorganismen  Pf^rderlieh.  In  A^rar  hat  Rosulsäure  zuiiM'ist 
einen  das  Wacbsthum  schädigenden  Kintluss.  Bekanntlich  bat  Lüffleu  die  von 
ihm  entdeckte  Methode  der  Fftrbuug  der  Geissein  und  Hullen  von  Bakterien  mit 
den  Stoffweehselprodueten  in  Zusammenhang  gebraebt.  Naeh  den  Untersuehungen 

von  SoMMARI'GA  bt'-Jtelif  ein  s'ilcher  Ziisanimeiihanir  ni<'lit,  s  tiidern  es  müs-^en  die 
in  den  L» 'KFr.KK'scli! n  Heizt n  ert'orilerliclieii  Zii-;lt/.o  von  Alkali  oder  Spuren  mit 
der  uufjieichartifren  Zut^aniuicuset/uug  des  Iiüllt:u-  und  (ioissclprotoplasmas  zusanuuen- 
bftngen;  die  Httllensnbstanz  kann  somit  nieht  eine  ehemisehe  Verbindung  sein, 
sondern  jeder  Beize  muss  ein  anders  ausammenir^  setztes  Protoplasma  entsprechen. 
Iwanow  -^**)  hat  an  Thifrofhrir  tninh  von  Duclaux  ,  dem  Barlüiis  .fu/zfi/is, 
haupt8<1cblich  aber  au  Mil;sbraudbacillen  die  Frage  der  Bildung  tlUcbtiger  ääurcn 
studirt  und  kam  asu  dem  Resaltate,  dass  diese  Sfturen  als  Produote  der  Lebensthfltig- 
keit  der  Bakterienzellen,  gewissermassen  als  Secretionsproducte  derselben  anzusehen 
sind.  Man  tindrt  immer  die^ielben  Sfturen  bei  den  versehiedenea  Bakterien  ohne 
Rücksicht  aut  die  Art  des  Nahrmediums. 

Das  Studium  der  von  den  Mikroorganismen  abgesonderten 
Fermente  erfuhr  im  verflossenen  Jahre  durch  die  Untersuehungen  von  Fbrmi**) 
eine  neue  Ff^rderun^r.  Ff.rmi  richtete  seine  Untersuchnnpcn  hauptsächlich  auf  die 
diastatischen  und  Inver^ion^tVrmcnte  und  {relanfTte  zu  fol-renden  intere<s;niten  Resnl 
taten:  l'nter  38  neuen  Bakterieuarteu  besitzen  nur  folgende  11  eine  diastatische 
Wirkung: :  Rothe  Hefe,  weisser  Hefebaetllus,  jener  der  gelben  Milch-,  Sfr^^ptotkrix 

nJbtt.  r/'o/riftii,  (if//fi/(t-f?(iva,  tliffi'o,  'J'/u-7fr//i)fln  '  i'iii/i  ras/i/iii,  Acfnionn/C'/i  hoviHf 
Photobacteriuni  und  Mikrocoi'i-iis  der  Mastitis  der  Iviihe.  IMe  fid^rendcn  11  bilden 
Aciditiit :  (h'-lfnm  Incti.s,  iJacilliis  der  Frettcheuseuche ,  Bacillus  der  blauen  und 
der  gelben  Milch,  B.  viscosux,  Ji.  jiho^phoresceas,  Bacillus  des  Sohweioerothlaufes, 
ß.  eavietfia  von  Rbibqbr,  Baeillus  der  Hilehsfture,  Baeillm  der  Mastitis  der 
Kilhe  und  Vibrio  Mctschnikowi.  Die  Streptothrixarten  und  ActinomyciM  erzeugen 
alle  mit  Ausnahme  von  Strrptothri  r  rnrti<  a  ein  diastatisches  Ferment.  Viele 
Mikroben  secerniren  eiu  diastatisches  Ferment,  ohne  Aciditiit  zu  bildeu,  so  z.  h. 
alle  Streptothrixarten  und  der  B,  mnseoides,  andere  wiederum  erzengen  Aeidttftt 
ohne  diastatische  Wirkung;  zu  besitzen.  Auf  eiweissfreien  Nährböden  <'r/rii?t  kein 
einziETcr  der  iiiit<'rsn('}iten  Bacillen  auch  nur  eine  .Si)ur  von  diastatisi-hi  in  Ferment. 
Keines  der  Glycoside,  mit  denen  e.\perimentirt  wurde,  ist  von  den  genannten 
Bakterien  in  Zimker  umgewandelt  worden.  Von  62  verschiedenen  Mikroorganismen- 
arten invertirten  blos  der  Kieler  Bacillus  und  der  B,  megaterium  den  Rohr- 
zucker und  unfrefiihr  20  bilden  Acidit.1t.  Die  Cultnren  von  Streptothrix  reag;iren 
sftmmtlicb  leicht  alkalisch.  Von  iV2  untersuchten  Mikroor^anismenarten  bilden 

ein  proteolytisches  Ferment  ca.  24 

„  diastatisehes  Ferment  20 

„  Inversionsferment  „  2 

von  62  Mikroben  besitzen  also  ein  Enzym  46 


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62 


BAKTERIEN. 


Von  diesen  46  Arten  bilden  ferner 

bl08  das  proteolytische  I-Vrniont  10 

„      „   diastatiscbu  Ferment  13 

swei  Farmeote  18 

Drei  Fermente  (ein  protcolytiscbea ,  ein  diMtfttisehes  und  ein  InveraioMformeBt) 
bildet  der  }i.  megateriiivt.  bestimmte  Beziehnnfren  zwlBcben  der  Bildiiti^'  der  einzelnen 
Funneoto  und  der  Bildung  von  Säuren,  von  Figmeot,  der  Beweglichkeit  und  seines 
morphologischen  Aufbaaes  konnten  nicht  AafgeAmden  werden.  —  Dmb  gewisse  Bak- 
terienarten, wenn  sie  in  Milch  wachsen^  awei  Fennente  oder  Enayme  eneagen,  dn 
labäbniiehes  und  proteolytisches,  dem  Trypsin  verwandtes  Ferment  ist  bekannt. 
Es  trifft  dies  im  Allgemeinen  für  die  Bakterieuarten  zu ,  welche  die  Gelatine 
verflllsBigen.  Das  tryptiscbe  Ferment  ist  bereits  aas  den  Bakterienculturen  isoltrt 
worden.  Cohn  *«)  ist  es  nun  gelungen ,  auch  da»  lahlhnUebe  Ferment  von  dem 
proteolytischen  zo  trennen  und  in  einer  annAhernd  reinen  Form  xu  isoliren.  Ein 
Labferment  wird  von  allen  verflüssigenden  BaklericiiHrten  erzeugt,  doch  waren 
QA  hauptsächlich  Organismen ,  die  Conn  aus  dem  Bahm  einer  benachbarten  Milch- 
wirthsehaft  erhielt,  von  denen  er  dieses  Ferment  annlhemd  rein  darstellen  konnte. 
I  ii)  WacliHthum  von  3  oder  4  Tagen  in  Bfilch  war  ^'eiiii^end  .  um  eine  grosse 
MniiT*'  dieses  Fernientps  zu  ^ehen.  Am  raschesten  wird  dassdlie  bei  einer  iiiflssig 
niedrigen  i  imperutiir  erzeit^^t ,  hinj^^egen  scheint  das  proteolytische  Ferment  bei 
einer  höheren  Temperatur  sich  besser  su  bilden.  Das  nach  einer  eigenen  vom 
Verf.  eingeleiteten  Methode  erhaltene  Lab  seheint  etwas  langsamer  an  wirken  als 
das  im  Handel  bezogene.  Bei  einer  Temperatur  von  ^3 — 75°  wird  dieses  Lab 
zerstört:  die  Temperatur,  bei  der  die  Zerstörung  eintritt,  hängt  natürlieb  von 
der  Dauer  ihrer  Einwirkung  ab.  FüKkkk^^}  hat  aus  vertiüssigten  Gelatiueculturen 
von  Gholerabaeillen  durch  Alkohol  eine  Substanz  gefllllt,  deren  wilsserige  LOeung 
nach  Art  des  Labs  frische  Milch  bei  37°  nach  kurzer  Zeit  zum  Oerinnen  braehte. 
Diese  Substanz  ist  ein  Pepton.  Ks  liiKkt  sich  dieses  Knzym ,  auch  wenn  stcri- 
lisirte  Milch  mit  Cholerabacillen  geimpft  wird;  bei  Erhitzung  auf  GO"  wird 
es  unwirksam. 

Was  nun  die  Bildung  giftiger  Stoffweebselprodnete  betrifft, 

so  ist  vor  allem  der  wichtigen  Entdeckung  von  Pktri  und  Maassex*-)  zu  gedenken, 
welche  gefunden  haben,  dass  die  Bakterien  des  Seliweineroihlaufes  in  gewissen 
KährbÖden  sowohl  mit  als  auch  ohne  Zutritt  von  Sauerstoff  reichlich  Schwefel- 
wasserstoir  erzengen.  Dieses  bildet  sieh  gleidi  im  Beginne  des  Waehsthoms  der 
Ciiltiir  in  reichlicher  Menge  und  ist  als  ein  Product  des  Lcbensprocesses  der 
Hothlanfbakterien  anzusehen.  Der  Sehwefelwasserst«ifT  (ritt  stets  in  soloheu  Nilhr- 
b^>deu  auf,  welche  sehwefelhaltige  Verbindungen  enthalten,  deren  Schwefel  theil- 
weise  oder  ganz  durch  Wasserstoff  aus  neutraler  Quelle  herausgenommen  werden 
kann.  Die  Bildung  von  naadrendem  Wasserstoff  lasst  sich  nothwendig  als  eine 
Fol^'e  der  Spaltung'  IkicIi  znsammenfresetzter  oriranischer  Verbindungen  oder  als 
die  Folge  eines  0.\ydatiniispr<»ces,sL's  jjewisser  Körper  aulia.ssen  .  unter  denen  die 
stickstoffTreien  Kohlenstod'verbindungeu  au  erster  Stelle  zu  nennen  sind,  welche 
dabei  für  das  Wachsthum  der  Bakterien  verwerthbare  Stoffe  liefern.  Pbtri  und 
Maassex  dehnten  ihre  diesbezdfrlichen  Untersuchungen  auf  alle  im  kaiserlichen 
(Jesnndlieitsamte  belindliehen  Bakterien  aus  und  es  stellte  sich  dabei  die  uner- 
wartete Tbataache  heraus,  dass  sie  alle  dieses  Gas  zu  erzeugen  im  Stande  sind. 
Eine  reichliche  Sohwefelwasserstoffbildung  fand  sich  z.  B.  vor  in  Culfuren  der 
Stäbchen  der  M:inscsepii<  aniie .  der  Diphtheriebacillen ,  der  Bacillen  der  Tauben- 
diphtherie, des  Milzbrand-,  Kntzbacillus ,  des  von  Pfeiffer  gefundenen  Kapsel- 
bacillus,  der  Bakterien  der  HUbnereholera  und  der  Frettchenseuehe ,  der  Komma- 
baoillen  der  asiatischen  Cholera,  des  Vibrio  Metschnikowi,  der  Spirillen  von  Finkles 
und  Miller,  des  Typhusbaeillus.  des  Baeälus  enterüidis  von  Gäbtnbb.  Eine  etwas 
geringere  Sehwefelwa.sscrstoffbildung  zeigten  die  pathogenen  Coecen.  z.  B.  die  ver- 
scbiedeneu  Staphylococcen  aus  Eiter,  die  Streptococcen  des  Erysipels,  der  Druse  ete. 


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BAKTEItlEN. 


63 


Auch  die  Tttberkelbacilieu ,  sowohl  die  der  menschlicbeu  Tuberku1(>^<e  als  auch 
pinz  besonders  die  Bacillen  der  Vo^reltiiherkiilo^e  zeigten  die-so  FftliiL'kcit.  Da  die 
ciuer  anat-rubeu  ZUebtuag  zugäogliebeii  liaktericu  uuter  äoleben  Verbältuisäeu  gauz 
besonders  reiehlieh  Wasserstoff  erzengten,  und  swar  sum  Tbeil  aaeb  aaf  friseb  dem 
Tbicrleibe  entnommenem  Näbrmateriale ,  war  die  Vermutbun^  gerechtfertigt,  dass 
dieses  f^iftige  Gas  bei  Bakterienkrankbeiten  eine  bis  dahin  fast  gilnzüch  ver- 
kannte wichtige  Rolle  spielt.  Darauf  abzielende  spectroskopiscbe  Blatuntersuchungen 
warm  denn  aneh  in  mebreren  Fillen  von  Erfolg  gekrönt.  Sebon  wiederbolt  baben 
Heobaebter  von  Sebwefelwasserstoffvergiftnogreu  auf  die  grosse  Aebniiebkeit  ge- 
wisser dabei  auftretender  Erscheinungen,  mit  denen  septie.lniiHcher  hingewiesen 
und  der  nmpekebrte  Verpleieli  lie^rt  insbeBondere  bi'im  Sebwriiierothlanf,  bei  der 
MAugesepticämie  und  bei  vielen  anderen  Bakterienkrankbeiten  auHäerordentlich 
nabe.  Die  Reibe  der  Bakteriengifte  eraebeint  demnaeb  dnreb  ein  eebr  beaebtens- 
wertbes,  weit  verbreitetes  Glied  bereiehevt  ta  sein,  dessen  AutTindung  berufen 
sein  dürfte,  uielit  nur  manche  Lticke  in  unserer  Kenntnis»  über  die  bei  gewissen 
Bakterienkrankbeiten  im  Körper  sich  abspielenden  Vorgänge  auszufüllen,  sondern 
aaeb  eine  Aussicht  auf  etwaige  praktisebe  Massnabmen  im  Hinbtiek  auf  die 
Heilang  oder  Verhfltung  solcher  Krankheiten  au  eröffnen.  • —  Um  die  Frage  zu  lösen, 
ob  die  foxisebeu  Baktericnpr-Hlucte  Zersetzungsproduete  der  Eiweisnkrtrper ,  die 
den  Bakterien  zur  Krn:lhriin>;  dieuen,  sind  oder  ob  die  Mikroben  die  Eigenschaft 
besitzen,  dieselben  aus  einfachen  Stötten  synthetisch  zu  erzeugen,  hat  GuiNOCHET  ^^j 
den  LÖFPLBR'seben  DipbtberiebadUus  auf  duem  eiweiasfreien  Ntbrbodea  (Harn) 
gezDchtet  und  gefunden,  dass,  wenn  man  Meerschweinchen  sowohl  diese  Culturen 
als  auch  den  von  den  Bakterien  befreiten  Urin  einspritzt,  sie  unter  denselben 
ErschetnuDgen  zu  Grunde  geben  und  dieselben  Veränderungen  aufweisen,  wie  die 
mit  Dipbtberieealtnren  von  Bouillon  geimpften  Controltbiere.  Es  stammt  also, 
nach  GülNOCHET.  das  Toxin  des  Diphtheriebacillus  nicht  nothwendiger  Weise  von 
Eiweisskörpern.  Aueb  erj^ab  die  Urineultur  keine  der  (Ibliclien  Eiweissreactionen. 
Indess  der  Harn  ist  ein  viel  zu  complieirter  Nftbrbodeu ,  der  sich  für  derartige 
UnterBuebungen  wenig  eignet  und  der  ja  auch  In  normalem  Zustande  Spuren  von 
Eiweiaa  entbalten  kann.  Ueberdies  ist  ^  wie  Abnadd  und  Gbabein  **)  mit  Recht 
hervorhoben  ,  jedes  Bacterinm .  jedes  Protoplasma  ein  EiweisskcJrpcr  und  in  der- 
artigen Culturen  degenerirt  ja  immer  eine  gewisse  Anzald  von  Einzelorpranismen. 
Auf  einem  Nährboden ,  der  nur  aus  Asparagin  oder  Gelatine  und  mineralischen 
Substanzen  bestebt,  bal)en  Abnaüd  und  Gharrin  den  BaciUus  pi/oci/aneu»  ge- 
züchtet und  gefunden,  dass  derselbe  unter  anderen  Stolfen  eine  Diastase  erzeugt, 
die  sieb  der  (Iruppe  der  luwiMsskiirptr  l)edeutend  näbert.  Nach  Untersuchungen 
von  Gamalkia      ist  das  Diphtheriegift  als  Nucleo-Albuuiin  anzusehen. 

Olby  und  Chabrik^")  betonen  die  Mnitiplieitftt  der  Eigen- 
•ebaften  der  von  den  Bakterien  erzeugten  löslieben  Prodncte. 
So  er/eu?en  die  in  Alkrdiol  lösliebcn  Toxine  drs  /{nril/j/s  pi/oct/nnen.i  nur  eine 
geringe  \erlang.samung  der  llerzaetiun.  w.lbrend  die  in  Alkobol  unlüslieben  I'ro- 
ducte  eine  bedeutende  Verlungsaniung  der  Herzthätigkeit  vergesellschaftet  mit 
allgemeiner  Lübmung  verursachen.  Wieder  du  Beweis,  wie  sebr  noch  unter  der 
collectiven  Bezeiebnung  :  lösliche  Baktcrienproducte,  von  einander  grundverschiedene 
chemische  Körper  mit  verschiedenen  physiologiacben  üligenscbafteu  zusammen- 
geworfen werden. 

Bribgbr  und  Wassermann vermochten  das  Auftreten  von 

T o X a I b u m i n  e n  im  m e n s e  Ii  1  i c b e n  Körper  nachzuweisen.  8o  gelang 
es  ihnen  in  einem  Falle  von  Abdonunaltyphus .  der  unt^'r  schweren  Gebirn- 
symptomen  letal  geendigt  hatte,  eine  Substanz  aus  den  inneren  Organen,  lieber, 
Milz,  Nieral  zu  gewinnen,  welche  ein  grauweisses,  in  Wasser  gelbliches, 
Idebt  lOsllebea  Pulver  darstellt  und  die  bekannten  Eiwdssreactionen  giebt. 
Diese  Substanz  tödtet  Meerschweinchen  bei  intraperitonealcr  Injection  schon 
in  Dosen  von  ü'l  binnen  3  Tagen.   Die  Erscheinungen  und  die  anatomischen 


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BAKTEUIKN. 


Yerfliiderunirini  wnrt  ti  dif-ifllipii.  wie  die  hei  Mecr-iclin-tMiichen  durch  Injection  von 
5  (Vm.  l>Int>i'ruin  :m<  der  rv|ilnis!t'i i  lio  lierv(ir;r»'riitiMifn.  Auch  an  i'inem  zweiten 
letal  verlaiiieiieu  Typhustallc  iiuuutcu  hiu  uus  dem  Milzextracte  eine  giftige  Sub- 
sUns  darstellen.  In  mnem  Falle  von  Diphiberie  konnten  die  Verff.  ein  Tosalbnniin 
in  der  Leiehe  nachwei^'(Ml ,  das  aas  dem  keimfreien  (>eiohenblute  i^cwuuuoqo 
Serimi  todt«'te  naeli  subcutanen  Injecti"nen  Meerschweinehen  unter  denselben 
Erscheinungen ,  wie  sie  vom  Üipbtbtriegifte  bekannt  sind.  In  einem  Falle  von 
Erysipel,  der  mit  einer  aonten  Nephritis  oomplidrt  war,  erwiee  sich  der  Urin 
in  Dosen  von  0  *2  Cem.  tOdtlieb;  diese  (iifti<rkeit  schwand  wieder  mit  Eintritt  der 
(fen^'snno'.  —  Hierher  frchnrcTi  :\w]\  die  rntersiichiiniren  von  Grifkiths.  "•")  I>err*elbe 
konnte  aus  dem  Harn  von  Mascrnkranken  ein  sehr  ffifti?es  Pturuaiu  darstellen, 
dusHen  Ziisammenset/ung  Cj  H.,  Ng  NU«  und  welches  bei  Katzen  unter  Tomperatur- 
stMgernngr«»  bis  auf  40^  den  Tod  binnen  36  Stunden  herbeiführte.  Aneh  aus 
dem  Harn  von  Keuchhu»(oukraoken  gewann  er  ein  Ptotnain  von  der  Formel 
0.  H,,N(L.  Aus  dem  Harn  von  Erysijiclkr.iiikcti  stillte  er  ein  Ptoniaiu  dar. 
welches  iu  einer  weiHsen  in  rhombischen  Phittcheu  krystaiiiüireudeu  Substanz  be 
Steht,  die  in  Wasser  von  sehwaeh  alkalischer  Reaetion  lOslich  ist  nnd  die  Zn- 
»ammen^etzuDg  C|,  H,-  NO.,  zei<:t.  Ihre  toxischen  Hi^'cnsehaften  sind  sehr  bedeutend. 
Sie  tTzeiiL't  hefti}?es  Fieber  und  (ödtct  die  Thiere  Imuiomi  18  Stunden.  GuiKFiTHtJ '''i 
möchte  diese  Substanz  aU  Erysipelin  bezeichnen.  Aucii  bei  Pnerperaltieber  tiat 
er  aus  dem  Harn  eine  weisse  krystalliniäche,  in  schwach  alkalischem  Wasser 
lOsliehe  Substanz  Ton  der  Znsammensetxung  C«,  Hi,  NOj  darstellt,  die  sehr  toxiseh 
wirkt  und  binnen  12  Stunden  Hunde  tndtct.  Nach  den  Untersuchungen  von  Hankin 
nnd  \VEsnROi>K  "'i  verma?  auch  der  Milzbrandbacillus  ein  proteolytisches  Eeriix-nt  zu 
erzeugen,  welches  auf  Proteinkörper  derart  einwirkt,  dass  es  dieselben  zersetzt  und 
Albumosen  bildet.  Die  so  entstehenden  Albumosen  haben  aber  keine  immnoisirende 
Wirkung.  Der  MilzbrandluioillaB  kann  aber  auch  diu  et  ohne  Vermittlung  einer 
I)i"stase  eine  aiidt  rc  AKMiiiinsc  »TzciiL'cn.  welche  N'ertV.  in  ri  lativ  reinem  Zustande 
dadurch  erhalten  konnten,  dass  sie  die  liacillen  iu  einer  Lösung  von  reiuem  i'epton 
zflcbteten.  Diese  Albumose  vermag  selbst  iu  sehr  kleinen  Dosen  Ratten  nnd 
Mllusen  eine  Immunität  gegen  die  ITihsbrandkrankheit  an  verleihen.  Hei  Thieren, 
die  für  Milzbrand  empfänglich  sind,  erzeugt  dieselbe  in  gewöhnlichen  D  wen  keine 
Vertriftiinir-erscheinungen.  Hei  solchen  al»i  r.  die  eine  relative  Iminunitiit  u'e;ren  die 
Älilzbrauükrankheit  besitzen,  wie  z.  Ii.  Kaileu,  Frösche,  Krebse,  wirkt  die.se  Albu 
mose  als  ein  eneri?isehes  Gift. 

Dasg  die  Virulenz  der  Bakterien  eine  iuconstante  Grösse  ist,  welche 
durch  verschiedene  fiusserc  Kinlhis-c  variirt.  ist  bekannt.  Dureli  rnter.snchunsren  von 
Cu.^RKiN  und  RouKT  ^'j,  die  auch  von  Phusalix  bet^tätigt  wurden,  ist  nun  erwiesen 
worden,  dass  Bakterien  sehr  rasch  in  wenigen  Minuten  in  ihrer  Vimlenz  geschwieht 
werden,  wenn  sie  in's  Blnt  vorher  der  Sehutsimpfong  gegen  dieses  Baeteriuni  iinter- 
zo'4'enen  Thicrc  t'in;rcf(Jhrt  werden,  anderseits  hat  Frl.  T-  kmn-ki  <■  )  im  PastKüR- 
Bchon  Institut  nachgewiesen,  dass  das  abgcschwilchtc  Milzhraiui:ritt  im  Organismus 
eines  wenig  empfänglichen  Thiercs  (Kaninchen/  seine  Virulenz  wiedergewinnt, 
wAhrend  im  Organismns  empfindlicher  Thiere  (^Mäusc)  diese  Erhöhung  der  Vimlens 
geringere  Gmde  erreieht,  so  dass  die  Vaccine  nie  die  völlige  Giftigkeit  der  Mila- 
brandbacillen  erreicht. 

Was  die  V  er  breit  uug  der  Bakterie  u  betriüt,  so  hat  SaxfkUCE**) 
Untersuchungen  Aber  die  im  Erdboden  verschiedener  Herkunft  vor- 
kommenden Bakterien  angestellt.  Von  ai^roben  Bakterien  fand  er  meistens 
einen  von  Ki.Kiv  hi  schridicnen  rinrinn.t  ji-<i  iif1o  -  oiili  nutt nuihi/m'  8t)vv<ihl 
in  Krde,  als  auch  im  Strassen-  und  Zimmerstaub,  sowie  in  den  Filces.  Dieser 
liacillus  erzeugt  ein  ähnliches  Kraukheitsbild  wie  der  des  malignen  Uodema,  unter* 
seheidet  sich  aber  morphologisch  von  diesem  durch  seine  geringere  Kttrte  und 
den  Mangel  der  Sporenbildung.  In  Culturen  entwickelt  er  reichlieh  ein  stinkende« 
Gas.  Nur  selten  konnte  im  Erdboden  der  von  Njkolaier  und  Glarnieri  gefundene 


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BAKTERIEM. 


65 


Streptoeoeeu»  sepUcus  nwhgtmieun  werden,  im  Ztamersteab  dagegen  fand  deh 

häufig  der  Streptococcus  arpticus  liquefaciens  Bahes ;  beide  verlieren  rasch  ihre 
Virulenz.  In  einem  Viertel  der  Fälle  (21-  von  SOmalj  fand  sich  der  Haeillus 
des  malignen  Uedems  allein  oder  mit  dem  früher  erwähnten  Bacillus  des  i'seudo- 
Odems  in  den  nüt  Erde  geimpften  Thieren,  doeh  geht  ans  den  Unterroehnngen 
des  Verf.  bervor,  dass  der  erstere  noch  viel  öfter  im  Boden  vorhanden  ist.  Der  Tetanna- 
bacillns  verursachte  unter  80  Fallen  von  ImpfuDgen  mit  Erde  von  versehiedener 
Herkunft  nur  ömal  den  Tod  des  Versochsthieres.  Verf.  fand  aber ,  dass  in  jenen 
Bodenproben,  die  nur  nodi  den  Baeillns  de«  malignMi  Oedems  m  entihalten 
eebeinen^  der  TetaDosbaeillas  regelmAsiig  enfbalten  war;  ebenso  häufig  wie  im 
Boden  Hess  sieh  der  Tetanuserreger  in  den  FJlees  von  ^leersehweinchen  nach- 
weisen. Den  Bacillus  des  Tlausehbrande.s  hat  Verf.  nicht  aus  der  Erde  gewinnen 
kouueu ,  wohl  aber  ein  ühuliches  Bacterium  ohne  pathogeue  Eigenschaften.  — 
R.  Schwarz  beaohilftigte  sieh  mit  äer  Frage,  ob  ^e  Tetanasbaoillen  dnreh  die 
Lnft  mit  dem  Staube  verschleppt  werden  können,  ferner  bis  zu  welcher  Höbe 
sie  sich  erheben,  und  schliesslich,  ob  sie  danii  wieder  auf  den  Boden  und  die 
Wände  abgelagert  werden  können.  Zu  diesem  Zwecke  wurden  150  Com.  Kehricht 
mit  ebensoviel  Wasser  uod  30  Oom.  unreine  Gelatineenltnren  von  Tetannsbaeillen 
vermengt ,  trocknen  gelassen  ,  das  so  erhaltene  Material  pulverisirt  und  gleicb- 
mlSSig  auf  den  Hoden  eines  kleinen ,  hierzu  prew.thlten  Locales  auf^^estreut.  In 
entsprechender  Weise  wurden  in  verschiedener  Höhentiftche  Schalen  mit  sterilisirter 
Nährgelatine  in  dem  Kaume  angebracht  und  der  Staub  sodann  aufgewirbelt.  Von 
der  naebtrBglicb  verflflsstgten  Gelatine  wurden  dann  Cnltnren  angelegt  und 
Untersuchungen  angestellt.  Es  konnten  schon  nach  3,  4  Tagen  TctanuebaciUen 
in  den  Culturen  nachgewiesen  und  positive  Thierversuche  erzielt  werden.  Nach- 
dem nun  auf  diese  Weise  der  L'ebergaug  der  Tetanusbacillen  in  die  Luft 
naebgewiesen  war,  wurden  in  solehe  Loeale  mehrere  Kaninoben  eingestellt,  welche 
man  am  Ilücken  mit  14 — 16  Ccm.  grossen,  Ms  in  die  oberfl.'ichliche  Muskelschicht 
reiclicndeii  Substnnzverliisten  versah  und  dar.inf  der  am  Boden  liep^ende  Staub 
aufgerührt.  Mehrer«  von  diesen  Kanincheu  starbeu  au  typischem  Tetanus.  Es 
lehrten  ferner  die  Yersodie  von  Sohwabz  ,  dass  die  Tetanussporen  sieb  auob  im 
Boden  und  den  Winden  ablagern  können,  woraus  sieh  die  praktiaehe  Oonsequens 
ergiebt,  bei  Vorkommen  von  Tetanus  nicht  nur  den  Fussbodon,  sondern  auch  die 
Wiliide  des  betrertVnden  Krankenzimmers  gründlich  zu  desiuficiren.  Ueber  die 
Verbreitung  von  Mikroorganismen  im  thierischen  und  meu sch- 
lichen Körper  liegen  wenige  CTntmvuehungen  vor.  Qlbt  und  Chabbin^') 
haben  den  Bacillua  pyoe^neus  in  den  DrUsen  einee  Schweines,  das  an  Broncho- 
pneumonie jrcstorben  war.  gefunden,  ebenso  im  Blute  eines  Hundes,  also  nicht 
nur  in  der  Ausseuwelt,  sondern  auch  im  lebenden  Thiere.  In  2  Fällen  von 
Schwangerschaft  im  4.,  resp.  3.  Monate,  bei  denen  In  Folge  von  Variola  oon- 
Abortus  eingetreten  war,  konnte  Adchk  im  Blute  und  in  der  Leber  des 
einen  Fötus  den  Strepfornm/-,-  jii/rxjfUf^.v ,  in  denen  des  zweiten  den  Stapliifln- 
coccus  aureus  in  Beinciilt iir  iKicbweiseu.  Beide  Frauen  starben  26,  resp.  82  Sluudeu 
nach  dem  Abortus  und  bei  der  Section  fanden  sich  im  Blute  und  in  den  inneren 
Organen  dieselben  Mikrooi^anismen  wie  in  den  Föten.  AdchA  glaubt,  dass  es 
sich  hier  um  einen  Durchtritt  der  Bäk'  r i  n  dnrrli  die  Plaeenta  der  an  Variola 
erkmnktcn  F'rauen  handelte.  fJALlPPE  ^"j  liat  .ilicr  nju  liprcwicsen,  dass  auch  bei  ganz 
gesunden  Föten  Mikrourgauismeu  zu  linden  sind ,  welche ,  da  sie  sich  auch  im 
Hoden  und  im  Samen  finden,  direet  ohne  Theilnahme  des  mtltterlioben  Organismus 
in  (Iis  Ei  hineingel  in-i  sein  können.  —  Dammän  hat  Untersuohnuf^en  (Ibor  die 
in  der  Maut  norm.ilcr  Weise  vorkommenden  Mikroorganismen  angestellt  und  konnte 
folgende  Arten  ziihleu : 

1.  Ein  bewegliches,  an  den  Extremitäten  abgerundetes  Stäbchen,  welches 
er  Baeillua  epidermidi»  eapsulaiu»  nennt,  auf  der  Oelatineplatte  Golonien  von 
leiebt  bläulidier  Farbe  liefert  und  auf  Kartoffeln  in  Form  mnea  wmssen  atanb- 

Ba«yolop.  JabrbBolier.  in.  5 


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66 


BAKTERIEN. 


:irti;reii  Belages  wächst  und  einzelne  Gasblasen  erzeugt.  Dio  Cultureu^  namentlich 
diejenigen  auf  Gelatine,  besitzen  einen  eigentbUmlichen  Geruch. 

2.  Einen  B,  gdatinonUf  ein  eehr  bewegUehes  mit  einer  Ktpsel  ver- 
sebenes  Stäbclien,  welches  anf  Gelatine  Golonien  liefert,  die  von  einer  geUtinOami, 

darehBichtigen,  fnrbloäen  Substanz  nmgeben  sind. 

3.  Einen  B.jiuorescens  epidermidiH ;  das  sehr  bewegliche  Stäbchen  ver- 
fltlBsigt  die  Gelatine  aohon  naeh  2  Tagen,  obglaeh  die  Golonien  au  dieser  Zeit 
noch  kaum  siebtbar  sind.  Es  enengt  in  den  versebiedenen  Nibrbfldea  eine  eigen- 
tbflmlichc  Fluoresccnz. 

4.  Eiuen  Bacillus  luteua  liquefacienis ,  lerner  einen  Stajj/ii/lococcus 
ßav^aeensj  ein  runder  oder  ovaler  Coccus,  welcher  die  Gelatine  rasch  verflüssigt. 
Sebliesslieh  einen  Mikrococcus  ßaveaeeH»  tubaidtns,  welcher  sich  in  der  Gelatine 
in  Form  kleiner,  gelblicher  ('(»lonien  entwickelt,  ohne  den  NJthrboden  su  ver- 
flüssifren.  —  Bei  dieser  (Jelegenheit  seit'n  hucL  die  rntfrsuchiiiigcn  von  Was.S- 
Muxn  Uber  die  Durcbgftugigkeit  der  Haut  tUr  Uakterion  erwähnt. 
Er  fand,  dass  aveh  die  gesnnde,  unverletste  Hant  des  Mensehen  und  derThiere 
für  Mikroorganismen  dnrehg.liigig  ist,  und  zwar  bildet  di(>  Eingangspforte  für  die 
Bakterien  der  \{:i\\m  zwischen  Haarschaft  und  IJaarscheide .  biugeiren  vermitteln 
nach  ihm  die  liaarbalgdrUsen  und  die  Schweissdrilsea  die  Infectiuu  nicht.  Das 
Einreiben  der  Bakterien  naeb  yennisebong  mit  IjaiH>Un  madit  keinen  siebtlldiea 
Untersobied  in  der  Schnelligkeit  des  Eintrittes  der  Infeetion. 

Betreffend  die  A  u  »  s  c  h  e  1  <1  u  n  g  der  B  m  k  t  r  i  e  n  aus  d  <■  m  K  ("i  r  j)  e  r 
haben  Peknice  und  Scaoliosi  "^'i  intcresHante  rntersiicliungen  angestellt.  Sie  landen, 
dass  naeh  Einspritzung  von  Keiucultureu,  der  Slapltylucoccus  pi/oyei»e.s  aureus, 
der  B.  pyocyanmta^  der  B,  »ubiüi»  nnd  der  Mikracoecus  prodigtomt»  auf  melireTen 
Wegen  ans  dem  Organismus  ausgeschieden  werden.  Fast  immer  gelangen  sie 
durch  die  (Jalle  und  den  Harn  in  die  Aiissenwelt.  Es  kann  alicr  auch  die  Aus- 
scheidung durch  die  Nasen-,  Mund-,  Trachea-,  Magen-,  Darm-,  L'terus  und 
Vaginalsehleimbaut  stattfinden.  Aneb  in  die  Mileh  und  in  den  Satnen  verml^n 
die  Bakterien  zu  gelangen ;  in  manchen  Fällen  konnten  sie  auch  in  pleuralen 
und  ])eritonc.ileii  'rranssuilatni,  ja  sdgar  im  Li</uor  cerihrosjtiniil is  nachgewiesen 
werden.  In  einer  Versuchsreibe  konnte  der  Uebergang  des  B.  fu/itilis  von  der 
Motter  aof  den  Fötus  constatirt  werden.  Was  die  Zeit  betriü't,  wann  die  Aus- 
scbttdung  b^innt,  so  seigt  es  sieb,  dass  sehen  4 — 6  Stunden  naeb  dem  Ein> 
dringen  iu  den  Organismus  die  Aussebeidting  beginnt  and  bis  zum  erfolgten  Tode 
der  Thieri',  wenn  es  sirli  nm  pathogen«-  Mikroorganismen  handelt,  amlaiiert.  Hin- 
gegen wird  die  Ausscheidung  bis  24 — 4b  Stunden  verzögert,  wenn  nicht  patliogene 
Bakterien  injieirt  wurden.  Ghromogene  Bakterien,  wie  Prodigiosns  nnd  der  B, 
pyociinneHn.  erzeugen,  auch  nachdem  sie  ans  drni  Organismus  ausgeschiedea 
worden,  ihre  Farlt^toft'c.  Die  ausgeschiedenen  Milzbraudliacillen  zeigen  ihre  Viru- 
lenz unvermindert.  lÜDgegen  ist  die  Giftigkeit  der  ausgesehirdenen  L'yocyaneus- 
stsbeben  rtwas  verringert.  In  den  ^len,  in  welehen  die  eingespritslen  Bakterien 
im  Harne  naehgewieseo  wurden,  waren  die  Nioren  stets  verlndert,  nnd  swar 
gleichgiltig.  ob  es  sich  nm  pathogene.  oder  um  nicht  pathogene  Bakterien  handelte. 
Diese  Nierenver.-lnderungen  stellen  sich  sehou  vor  dem  I'eliergange  der  Bakt>  ri<'n 
in  den  Harn  ein  und  bestehen  aus  localen  iuteusiveu  Kreislautsst(»rungen  uud 
degenerativen  Zustlnden  der  Nierenepitbeüen.  Es  sebeint,  dass  diese  Verindernngen 
den  üebergang  der  Bacillen  in  den  Harn  ermöglichen.  In  manchen  FftUen  kommt 
es  zu  einer  häniorrhagi.sclien  ( Jlonierulonephrilis ;  der  Sfop/n/focornis  aureus  da- 
gegen erzeugt  eine  metastatisehe  Mephrilis.  Die  Zeit,  die  vom  Eindringen  der  Hak 
terien  in  das  subcutane  Zellgewebe  bis  zu  ihrem  Auftreten  im  Blute  verstreieht,  betriigt 
4 — G  Stunden.  In  manchen  Organen  konnten  die  Bakterien  früher  entdeckt  werden 
als  im  Blute.  Im  subeutaiien  Zellgewebe  an  der  Impfstelle  l»leihl  der  Prodigiosus 
bis  zu  10  Tagen,  da^re^'i  ii  der  Ihiriihts  suhtih's  bis  zu  Ta^'cn  lel)end .  also 
länger  als  die  Ausscheidung  dauert  Sie  können  au  der  luiptstelle  vom  Bindegewebe 


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BAKTBRIBN. 


67 


abgekapselt  lange  liegen  bleiben ,  ohne  auf  das  AUgemeiubetindea  des  Tbieres 
irgend  einen  Einflass  aauofiben.  Auch  Enbiquezc')  fand  bei  seinen  Unter- 
soohongen  Aber  die  Aassebeidung  der  Bakterien  dnrdi  den  UriOf  da»  es  nament- 
lich die  Stäbchenzellen  der  Tnhuli  contorti  sind,  durch  welche  die  Ausscheidung 
stattfindet.  Der  ITeberjrang  der  Hakterien  iu  die  Harnwege  war  nacii  ihm  unab- 
hftngig  vun  der  Function  der  Glomeruli,  nämlich  der  Wasserabscheiduug.  Inter- 
essante Unteranebangen  am  Lebenden  Aber  die  Aussebeidnng  des  Tetanns- 
baoillns  dnrch  die  Nierenseoretion  hat  Rri  scrkttini '^3)  angestellt.  Es  handelte 
sich  um  2  F/llle  von  tranmatischem  Tetanus  beim  Menschen ,  die  mit  dem  Anti- 
toxin von  TizzoNi  und  Cattani  gebeilt  wurden.  Im  ersten  Falle  wurde  der 
Urin  in  dner  xiemlieh  vorgerflekten  Krankbeitsperiode  am  5.  Tage  gesammelt 
und  in  der  Dosis  von  5  Ccm.  Thieren  eingespritzt.  IMe  Tbiere  seigten  naeh 
9  Ta^'on  sflmmtlicli  das  vollst.Hndige  Hild  des  experimentellen  Tetann>i ,  an  di-m 
sie  auch  zu  Grunde  ginfjen.  Im  zweiten  Falle  wurde  d-ij^o^en  der  Harn  fast 
beim  ersten  Auftreten  der  Tetanuserscbeinungen  am  2.  Kraukbeitatage  aufgefangen 
and  Minsen  und  Kanineben  nnter  die  Hant  gesprittt  SftmmtUebe  Tbiere  starben 
unter  sehr  heftigen  Tetannssymptomnn,  die  ersteren  nach  24,  die  letzteren  naeh 
3(5  Stunden.  Von  srns^pm  Interesse  ist  die  That-ificlu- ,  dass  der  Urin  desselben 
Individuums  am  ö.  Kraukhoitstage,  nachdem  4  lujectiunen  von  Antitoxin  gemacht 
worden  waren,  in  denselben  Dosen  wie  in  den  froheren  Versneben  weder  bei 
Minsen  noch  bei  Kaninchen  irgend  dn  krankhaftem  Symptom  hervorriefen.  Ks  wird 
also  zwcifcllo'i  das  in's  Hlut  fl hergegangene  Gift  snm  grossen  Tbeile  durch  die 
Niereosecrtrtion  aus  dem  Körper  ausgeschieden. 

Zur  Methodik  übergehend  seien  zanlchst  die  Arbeiten ,  die  t  i  n  e- 
torielle  Darstellnng  der  Bakterien  betreffend,  in  Kitrse  vorgefllbrt. 
Kühne**)  empfiehlt  das  Malachitgrdn  in  Anilinöl  gelöst  als  eine 
ausgezeichnete  A  u  s  z  i  e  h  u  n  g  s  f  a  r  b  e  des  Fuchsins  ,  Methylenblau  und 
Krystallviulett  aus  Schnitten.  L'm  Tuberkelbacilleu  und  die  zu  ihrer  Gruppe  gehörigen 
Bakterien  anniehst  naobzuweisen,  genttgt  es,  die  16 — 20  Minuten  in  kidtom  Oarbul- 
fuchsin  gefärbten  Schnitte  in  Alkohol  abans|)iil('n  mul  in  eine  concentrirte  Lösung  von 
Malachitgrün  in  Aiiilinöl  zu  (Ihi-rtrairen.  .h-  naeli  dir  Itickf  des  Sclinittp-;  i-^t  die 
Ausziebung  des  Fuch^in^  aus  dem  Gewebe  in  15 — 30  Minutea  vullcndet,  wiilirend 
die  Baelllen  die  Farbe  halten.  Llsst  man  die  Schnitte  24  Stunden  und  länger 
in  dem  Oel,  so  wird  dadurch  die  Bakterienflrbung  nicht  gesehldigt.  Alle  flbrigen 
nicht  zur  Tuberkelbacillenirruppe  gehörigen  Mikroben  ontfarlieti  sich  dagegen  zu- 
gamnien  mit  dem  Gewebe.  Kine  grosse  Anzahl  von  ihnen  wird  indessen  zum 
Festhalten  der  Farbe  gebracht,  wenn  man  die  mit  (jarbolfuch^in  gefärbten  Schnitte 
nicht  direet  aus  dem  Alkohol  in's  Malaehitanilioöl ,  sondern  vorllnfig  in  reines 
Anilinöl  bringt  und  sie  dann  nach  vollst.Hndiger  Aufhellung  auf  mindestens 
1  Minute  in  Terpentinöl  überträgt.  Wird  jetzt  der  Sehuitt  in  Malachitgrün- 
anilinül  ausgezogen ,  so  halten  die  Bakterien  das  Fuchsin  fest.  MiUbrandbacillen, 
Mlnsebaeillen  und  die  verschiedenen  Mikrococcen  nehmen  diese  Flrbung  an, 
wlhrend  dies  bei  den  zur  Gruppe  der  llühnercholera  gehörigen  Bakterien  nteht 
der  Fall  ist,  die  sieh  indessen  naeh  demselben  Verfahren  mit  Methylenblau  filrben 
lassen,  l'eberhaupt  schlecht  zu  differenzireu  mit  Malaeliitgrdn  zeigten  sieh  nur 
die  llotzbaeillen.  Bine  sehr  gute  Seite  des  Vcrfabreus  ist  die  Möglichkeit,  damit 
«ine  Tollfltlndige  Entfärbung  des  Gewebes  naeh  Art  der  GBAH'sehen  Methode  an 
erzielen,  wobei  auch  durch  sehr  lange  Ein wirkiins:  des  MalaehitgrUns  keine  Ent- 
färbung der  H.ikterien  eintritt.  —  Btkaiintlieh  mis.sglückt  oft  die  Entfärbung 
nach  der  GKAu'schen  Metbode  bei  dem  Entfärben;  entweder  bleibt  das  Prä- 
parat diffus  violett,  oder  wenn  dass^be  an  stark  entftrbt  wurde,  sind  die  Bakterien 
nicht  zu  sehen.  Die  Schuld  der  Misserfolge  vertheilt  sieh  wohl  auf  alle  Stufen 
der  Färbung:  Zun.-iehst  k'unnit  das  ( Jeiitianaviolett  in  übertliissigen  Tropfeu  mit 
dem  Schnitte  iu's  Jodjodkalium,  dasselbe  bildet  darauf  einen  überHUssigen  Nieder- 
sehlag,  weleher  häufig  nicht  eher  dem  Alkohol  nachgiebt ,  bis  auch  die  Bakterien 

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BAKTBRIBM. 


M  gut  wie  ganz  entfärbt  sind.  Um  diesem  Uebelstiinde  abzuhelfen ,  muss  man 
erstens  du  Prftpent  naeh  dem  OentianaTiolett  nnd  vor  dem  Jodjodkalinm  aas- 
Bplllen ,  zwßiteos  die  Entfärbung  etwas  ruhiger  durchfuhren.  Zu  diesen  beiden 
Zwecken  bat  RoTKix das  Anilinwasser  als  klare,  die  Anilinfarbo  lösende  und 
als  Beize  wiikende  Flüssigkeit  empfohlen.  Die  Schnitte  uder  diu  Deek^laspräparate 
Minuten  oder  Stamleik  lang  in  Anilinwasser  -  Oentianaviolett  gefärbt ,  dann  in 
reinem  Anilinwaiser  yon  der  flflssigen  Farbe  abgeepQlt,  mit  JodjodkaUam  bebandelt, 
kttainen  viel  l.luo^er  straflos  in  Alkohol  liegen  bleiben  als  die  nach  dem  prewöhn- 
lieben  GuAM'schen  Verfahren  ^efllrbten  und  kommen  rein  und  zierlich  heraus, 
auch  wenn  sie  mehr  als  3  Minuten  in  der  Jodlösung  verweilt  hatten.  —  Für 
Mikroorganismen,  welehe  sieh  naeh  der  GsAH'sohen  Methode  nieht 
färben,  empfiehlt  Nicoli  e '  ein  Verfahren,  welches  auf  der  Eigenschaft  des  Tannins 
beruht,  das  auf  den  Präparaten  fixirte  Methylenblau  unl^^slirli  /u  mnchen.  Die  in 
Alkohol  gebarteten  Scbuitte  werden  1 — 3  Minuten  in  Lofflkh  scheui  oder  Kühne- 
sebem  Blan  geftrbt,  naeh  Abspulen  im  Wassor  mit  einer  lO^/oigen  TanninlOsung 
bebandelt,  deren  Wirkung  eine  momentane  ist.  Knn  folgt  Aussplllang  im  Wasser, 
Entwässerung  in  absolutem  Alkohol,  Aufhellung  in  Nelkendl  und  Einschliessen  in 
Xylolbalsam.  In  so  gefilrbten  Schnitten  /eipen  die  Bakterien  eine  intensiv  blaue 
Färbung,  während  die  Gewebe  nur  leicht  getarbt  sind.  Will  man  noch  mehr 
differenriren,  so  kann  tnan  naeh  der  Blauikrbnng  dne  lelobte  Entflirbang  in  mit 
einigen  Tropfen  Essigsiture  versetztem  Wasser  vornehmen,  man  kann  auch  Doppel- 
filrbungen  z.  R.  mit  in  Tannin  gelöstem  Eosin  vornehmen.  Mittelst  dieser  Methoden 
wurden  vorzügliche  Kesultate  erzielt  bei  äcbnitten  vou  Kotz,  Typhus,  HUhner- 
ebolera,  Nogeholera,  bei  Baeillen  des  weiohen  Sehankers  von  ünna.  —  Die 
MöLLER'sche  Methode  der  Sporenfftrbnngr  hat  sieh  naeh  Fotii  ')  sehr  gut 
bewährt  und  besitzt,  nach  diesem,  vor  allen  andern  die  Vorzllfrc  der  Kiiifaehheit 
und  Zuverlässigkeit,  doch  haben  sich  die  von  Mkller  an  diese  Methode  go- 
kuUpften  Hoffnungen,  dass  dieselbe  zu  einer  directen  Messung  de«  Reaistens- 
grades  der  Sporen,  sowie  zu  diagnostiseben  Zweeken  wird  verwertbet  werden 
können,  nieht  in  dem  gewUnschten  Masse  erfüllt.  —  Sträuss  gicbt  ein  neues 
Färbungsverfahren  für  (!  eissein  in  lebendem  Zustande  an.  Man  bringt 
einen  Tropfen  aus  der  Culturtlüs:iigkeit  auf  ein  Deckgiäschen,  vermengt  denselben 
mit  einem  Tropfen  der  FnebsinlOsnng ,  die  mit  3—4  Tropfen  Wasser  verdünnt 
ist,  bedeckt  sofort  das  Gläschen  und  untersucht  so  rasch  .tls  m5^:lich.  Man  siebt 
dann  die  rothfrefärbten  Stlbchen,  von  denen  viele  noch  iclx  nd  geblieben  sind  und 
in  lebhafter  Bewegung  sich  betinden.  An  einem  oder  beiden  Enden  sieht  man  die 
blassrotb  gefärbten  Qeisseln ,  entlang  derselben  eine  Reihe  von  dunkelroth  ge- 
fkrbtea  KOmdien.  Ausserdem  findet  man  im  Pripaiate  aneh  abgelöste  ßeisseln, 
die  frei  in  der  Flüssigkeit  herumschwimmen.  Diese  Methode  hat  sich  bis  imn  nur 
bei  Cholerabacilleu .  biini  Vibrio  ai-icida  von  Gamalki.\  uud  beim  FiNKLER- 
PRIUK  sehen  Kommabaeillus  bewährt,  nicht  über  bei  anderen  beweglichen  Bakterien. 
—  Zum  Nachweis  von  Tnberkelbaeillen  werden  einige  neue  Verfahren 
angegeben.  So  benutzt  AbBNS  als  FärbeflUssigkeit  eine  mit  Chloroform  versetzte 
alk(>h(dische  Fuchsinlüsung ,  zum  Entt'firbcn  einen  schnell  bereiteten  oder  einen 
bekannten  saksauren  Alkohol  (HCl  lU  O,  Aqu.  desl.  2Uü,  Alkohol  Ü6»  <,  730).  Die 
PHrbung  gesehiebt  in  folgender  Weise:  In  einem  Ubrglase  wird  dn  hirsekom- 
grosser  Fuchsinkrystall  mit  S  Tropfen  absolutem  Alkohol  Qbargossea  oder  man 
nimmt  gleich  3  Tro|)fcn  einer  gesättigten  alkoholischen  Fuch^iiilr-nnir.  I)i(si'lbe 
wird  mit  2  —  3  Ccm.  ('hlorolurm  versetzt,  es  entsteht  eine  TriibniiLr  der  L(»uni;,  die 
mit  dem  Abscheiden  vou  tioekigem  Fuchsin  sich  zu  klären  beginnt.  In  die  ge- 
klärte IjOsung  bringt  man  das  Deckglas  fttr  4 — 6  Hinuten,  Iftsst  dann  das  Chloro- 
form verdunsten  und  entfür'  i  in  .ilzsauren  Alkohol.  Sohnitte  werilcn  ans  abso- 
lutem Alkohol  in  die  Clilur.'l<irnitüch>inlösun.<r  übertragen  und  cbciitalls  l  bis 
(>  Minuten  gefärbt,  mit  salzsaurem  Alkohol  entfärbt,  dieser  mit  absolutem  Alkohol 
ausgezogen,  worauf  dann  in  verdflnutem  Methylenblau  naehgefärbt  wird.  Besonden 


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BAKTERIEN. 


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eignete  sich  das  Chloroformmetbylenblau  far  Färbuog  von  Bakterien  in  Milcb. 
Rabm  oder  anderen  fetthaltigen  Substanzen.  Man  brinfrt  z-  R.  eine  Oese  Milch 
mit  Wasser  verdünnt  auf  das  Deckglas,  Uberträgt  das  getrocknete  Deckglas  in 
Ghloroformmetbylenbton  (12 — 16  Tropfen  geefttUgten  atkoholisehen  Hetbylenblan 
und  8—4  Cem.  Chloroform),  ftlrbt  4 — 6  Minuten,  läsat  dann  das  Chloroform  ver- 
dunsten, spült  das  anhaftende  Methylenblau  ab  und  untersucht.  —  T  in  die 
Tuberkclbacillen  in  Präparaten ,  die  aus  MiiLLBR'äch -r  Flüssigkeit  stamnieo,  zu 
färben,  hat  Letolle<^o;  folgendes  Verfahren  eingeschlagen:  Die  Sebnitte  werden 
znnidhst  mit  Hänuitoxylin  geflürbt,  nm  die  Kerne  dnrxitstellon ,  dann  in  Wawer 
reichlich  abg:ewaschen ,  hierauf  für  eine  Viertelstnnde  in  eine  ^e-^.'lttiijti'  Rubin- 
löRun?  in  "20  -if^'em  Carbohvasser  gebracht,  1  Minute  lang  in  deatillirtem  Wasser 
gewaschen,  eine  halbe  Minute  in  abaolutum  Alkohol  gehalten,  dann  folgt  5  Minuten 
langer  Anfentbalt  in  einer  JodgrflncarbollOsnng  (1  Orm.  Jodgrfln  in  100  Orm. 
2°  i^i^rem  Garbolwasser) ,  AbspOlen  in  absolutem  Alkohol  bis  zar  gewünschten 
Entf:ir!)iing:,  Aufhellung:  in  Bergamottc'l ,  Einschluss  in  Xylol.  — -  Ein  sehr 
einfaches  Verfahren  zum  Naebweise  der  Tuberkclbacillen  im 
Antwurfe  hat  P.  K&uniANN  angegeben.  Er  bedirat  noh  snr  BSntftrbung  der 
Bakterien  dnfaob  Btedenden  Wassers,  in  welebem  die  mdsten  Bakterien  rascb 
ihre  Farbe  verlieren,  nur  der  Tuberkelbacillus  dic-^i-Ibo  liln^'ere  Zeit,  /.uweilen  über 
5  Minuten  ,  zurückhält.  Das  Verfahren  ist  l'(iI;roiHi('3 :  Das  auf  dem  Deckglase 
angetrocknete  Sputum  wird  in  der  üblichen  Zeit  m  t  heissem  Carbolfuchsin  gefärbt, 
dann  wird  das  Deekgllaehen  1 — 8  Minnton  in  dedendem  oder  98 — 99«  hei^eem 
WiHscr  hin-  und  horgesebwenkt.  Man  kann  nun,  falls  man  keine  Contrastfärhuncc^  n. 
die  st  lir  ;rut  ;rt'liii'„'cn.  wnnseht,  ohne  weiters  im  Wasser  nntersuchon  und  liudet 
die  Tubcrkelbacilleu  dunkclrotb  auf  grauweisslichem  Grunde.  Zur  Erleich  t  i.-  ru  n  g 
der  Tnborlcelbaeillenfftrbnng  hat  Ali-Oohbn'*)  einen  kleinen  Apparat 
angegeben,  der  aus  einer  Glimmerplatte  besteht,  die  in  einen  Metallrahmen  ein- 
gefasst  ist.  Pas  Decko-läschen  wird  so  auf  die  Platte  jrelegt,  dass  ein  kleiner 
Randtheil  desselben  einen  in  der  Glimmerplatte  augebrachten  Ausschnitt  Uberragt. 
Nachdem  die  Farblösung  aufgetroptt  ist,  wird  die  Platte  Uber  eine  kleine  Flamme 
gehalten,  bis  entere  su  dampfen  beginnt.  Man  verm^det  dadurch  alle  Unannehm- 
Uebkeiten,  die  eventuell  bei  der  Erwärmung  entstehen  können.  Ii.kewitsch  •♦) 
bedient  sich  mit  l'rfolg  der  Centrifugalkraft  cur  Auffindung  der  Tuberkelbaeillen 
in  der  Milch  uad  im  Sputum. 

Eine  praktiseho  Fftrbnngsm ethode  für  mikroekopiaehe 
Präparate  giebt  Wladislaw  SwiATECKi an.  Die  zu  untersuchende  Flüssigkeit 
wird  auf  einem  Objectjrlase  in  dünner  Schichte  ausj^ebreitet ,  nach  Austrocknmiir 
und  Fixirung  wird  das  Präparat  mit  einem  Streifen  reineu  Filtrirpapieres  bedeckt 
und  daranf  die  entsprecbende  Farblösung  getröpfelt.  In  den  Fällen,  wo  eine 
Iflngcre  Einwirkung  der  Farblösnng  nothwendig  ist,  bedeekt  man  das  Priparat, 
um  das  Austrocknen  zu  vermeiden,  entweder  mit  einem  Ohjectträger  oder  man 
stellt  es  unter  eitie  Glasglocke.  Nach  der  Färbunjr  wird  das  Filtrirpapier  sammt 
der  FarblöHung  abgespritzt,  das  l'räparat  abgespült  und  untersucht.  Auch  Scbnitt- 
präparate  können  anf  diese  Weise  geßlrbt  werden,  nur  ist  es,  um  das  Ankleben 
des  Fliesspapieres  an  das  Pr.'lparat  zu  verhindern,  zweckmässifr,  den  Schnitt  vor- 
läufig mit  einem  I )eekf;läsehen  zu  fiherdoeken  und  erst  darauf  das  Löschpapier 
sn  legen.  Die  V Orzüge  der  Methode  bestehen  darin,  dasi  erstens  ein  sehr  geringer 
Verbraueh  der  Lösung  stattfindet,  zweitens  Sehltehen,  Ubrgläser  n.  dergl.  voll- 
kommen entbehrlich  sind,  drittens  wird  die  Lösung  gleiebzeitig  filtrirt,  wodureb 
Niederschläge  im  i  Arti  fncN-  verniieden  werden,  viertens  wird  die  andere  Dber- 
liäche  des  Deckfi:läsohcns  mit  der  Farbe  nielit  beschmutzt.  -  -  SAitouitArn  i  hat  liie 
LusTGARTEN'äche  Färbungsmethode  für  rubcrkelbacilleu  ausserordentlich  geeignet 
gefunden,  namentlieb,  wenn  es  sieb  darum  handelt,  dieselbe  in  Organparanebymeo, 
c.  B.  der  Leber,  naehzuweisen. 


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70 


BAKTERIEN. 


Wa-?  ilie  ZUchtunjr  der  Ilakterien  betrifft,  so  sei  vor  Allem  betreff* 
der  N  ä  h  r  b  ö  d  e  ii  erwilhnt,  dass  Woli.nv  "*)  eint-  Methode  anp:e^«'ben  hat,  e  i  w  e  i  8  8- 
baltige  Näbrbüduu  auf  kaltem  Wege  zu  BteriliHiren.  Eb  gescbieht 
dies  vennittolst  des  gewöbnliobeo  AetiiyU^ers.  Der  snsgepreBste  aod  mtt  10*/» 
Aether  versetzte,  oder  durch  kaltes  10*^0  Aother  enthaUendes  Wasser  extrabirte 
Saft  von  feiiiprehackten  Muskeln  oder  Fleisch,  Leber.  Lunpe,  Mritreti.  sowie  Hlut, 
Harn,  Milcb  u.  dergl.  halten  »ich  in  ge8cblo.m'ueu  Gefässen  beliebig  lange,  meist 
siemlich  onTerändert  und  kOnnen  alle  diese  Flflasigkeiten  nach  geeigneter  Kllrung 
nnd  Decantation  oder  Filtration  direet  als  NAhrlAsung  oder  durch  Znsatie  coneen- 
trirter  (33"  c)  Ajrarlösong  oder  enncentrirter  'l.'i — 20" CU-latinelrisunpr  zur  Be- 
reitung:: von  festen  Nährböden  verwendet  werden.  Mau  bat  dann  nur,  nachdem 
die  Klärung  erfolgt  ist,  den  Aetber  zu  eutfernoo,  was  am  besten  dadurch  genebieht, 
dass  mao  die  NtbrbOden  in  gerAnmigen  und  mit  Watte  verstopften  Kolben  auf 
35 — 40*  erwirmt  und  unter  den  Re<'ipienten  einer  Luftpumpe  setzt.  Nach  erfolgter 
Entfernung  de.s  Aethers  sind  die  FKlssi^^keiten  entweder  für  sieh  oder  mit  Ziiaatz 
von  Agar,  eventuell  etwas  äudalü.sung  direet  als  Niihrbüilen  zu  gebrauebcu;  sie 
entbalten  das  Elweiss  com  Uotersehiede  von  den  dnreb  Hitae  sterilisirten  voll» 
stäntÜL'  III  (1  unvermindert.  Kin  N.-mhtheil  dieser  so  bereiteten  Nährböden  ist  ihre 
dunkle  Fiirbnnjr,  die  sieh  ohne  tieferfreheiule  Zorsctznnpen  nicht  itndern  liisst, 
doch  sind  sie  in  der  He^rel  in  nicht  zu  dicken  Keageusgläsern  noch  durcbsicbtig 
genug,  um  als  M&hrlOsungen  dienen  su  können. 

In  Verfoignng  des  Gedankens  von  Wollsy  ist  es  A.  Rbiksch  gelungen, 
aus  Milcb  einen  festen  nnd  durchsichtigen  Nährboden  herzustellen .  in  welchem 
sowohl  das  CaseYn.  als  alle  übri^ren  sich  in  der  Milch  betindlichen  SuJ»staii/.eTi  ausser 
Fett  in  gelöstem  Zustande  entbalten  sind.  Die  Herstellung  gchcbieht  in  folgender 
Welse:  500 Gem.  frlsebe  Knbmitch  werden  in  einem  vemcbliessbaren  Seheide- 
trichter mit  rOGrm.  NaOH  0-2«  „  fS  oCcra,  einer  Auflösung  von  400  Grm. 
Na  OH  im  Liter)  versetzt,  ?ut  durcbjrpselnlttelt  nnd  4H  8tnii<len  bei  einer  Tem- 
peratur von  ungefähr  18^  C.  aufbewahrt.  Während  dieser  Zeit  bat  bicb  dus  Fett 
als  eine  dieke  Rakmsehieht  an  der  Oberflaebe  der  PUtosigkeit  gesammeit.  Die 
unter  der  Kabmschicht  befindliche,  schon  ziemlich  durchsichtige  FIflfsigkeit  wird 
nun  in  einen  zweiten  Scheidetriebter  gebracht  uud  zur  Entfernmür  der  letzten 
Spuren  des  Fettes  mit  L'.^OCcm.  Aether  ge-chfittelt.  Nach  IS  Stunden  hat  sieh 
der  Aetber  von  der  klaren,  nur  bei  aulfalleudem  Lichte  opalisirendeu  Flüssigkeit 
getrennt.  Letztere  entbllt  titmet  den  llilebbestandtbeilen  (AlkalieaseTn,  Zueker  und 
S  i!/e)  noch  eine  betrflebtlicbe  Menge  Aetber  gelöst.  Zur  Entfernung  desselben  wird 
die  Flfl.ssifjkeit  in  einem  perftumifren  sterilisirten  Kochkoiben,  dessen  OefTnunff  mit 
Watte  verscbloason  wird ,  auf  C.  erwärmt  uud  unter  den  Keeipienten  einer 
Wasserstrabiluftpumpe  gebracht,  wo  naeb  3 — 4  Stunden  der  Aether  verdampft 
ist.  l'm  die  so  hergestellte  sterile  und  fettfrde  Uileb,  die  als  solche  schon  an 
Stelle  j'.iiuillnii  als  lldssiger  Nährboden  verwendet  wenlcti  kann,  zum  l'rstarren 
zu  briujjen,  \ erfährt  man  auf  fol;rende  Weise:  2  Tbeile  diesir  entfetteten  Milch 
werden  mit  1  Theil  einer  3 — 40/oigen  sterilisirten  Agarlösuog  bei  eiucr  Temperatur 
von  circa  50*  C.  gemisebt  nnd  in  sterile  Reagensröbrebea  vertbeilt.  Naeb  mebr- 
tlgigem  Aufenthalte  im  Brntsehranke  können  die  durch  etwaige  Luftkeime 
inficirten  Röhren  ausgeschlossen  werden,  was  ilbri^rens  bei  surpfältigem  Arbeiten 
nur  bei  4 — ö^/o  der  Kidirun  der  Fall  sein  wird.  Der  auf  diese  Weise 
erhaltene  Hilcbagar  ist  völlig  durebsicbtig ,  bellgelb,  bei  auffallendem  Liebte 
sehwaeh  opalisirend.  Andererseits  kann  man  die  fettfreie  Milch  direet  mit  l\  .>°'o 
gevuherteni  A<rar  versetzen.  21  Stun  ien  Itei  Zimmertenij)eratur  dijreriren ,  dann 
2 — 3  Stunden  im  Dampftupf  erbitzeu  uud  filtriren.  Das  Alkalicaseln  fällt  beim 
Erhitzen  nieht  aus  (erst  beim  AnsAuern  des  NAbrbodens  findet  eine  FAllung  statt), 
jedoch  wird  der  Nährboden  in  diesem  Falle  bedeutend  dunkler  geHlrbt,  da  eine 
Caramelisirutiir  des  Milchzuckers  eintritt  und  vielleiidit  nm-h  das  CaseYn  nicht 
ganz  unverändert  bleibt.    Der  auf  kaltem  Wege  hergesteilte  Nährboden  besitzt 


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BAKTBSn^. 


71 


einen  höheren  N.lhrwerth  als  dit-  g-ebr.luchlicheii  Fl<^isL•hwa.Hsernilhrböden.  —  Fm  die 
ünsicburbeit  der  Nuutraliäirung  dos  NährbuuiiluD  mittelst  Lackmuspapier  zu  ver- 
meiden, empfeUen  Pbtri  und  Maassbn»),  die  Aelditftt  des  Fieieehsafles  dvrdi 
Titriren  mit  */io-Normallauge  zu  ermitteln ,  einmal  mit  empfindlichem  blauen 
Lackmuspapier,  bis  eine  sehwaehe  Verstärkung  des  blauen  Farbentonea  stattfindet, 
dann  mit  Pbeoolphtbaleio.  Da  das  Alkalitätsoptimum  fUr  die  meisten  Bakterien 
twildien  diesen  beiden  Ponlrten  liegt,  m»  tat  es  leidit,  den  gflnstigen  AlkalisasAts 
nach  Cabiiccentimetern  Normallauge  pro  Liter  zn  beatinunen. 

Schutz  "*')  empfiehlt  folprendes  Verfahren  zur  raschen  Rereit  unfr 
von  Agar-Agar.  Zu  1500  Ccm.  Wasser  werden  18  Grra.  Agar  zugesetzt  und 
das  Ganze  in  einem  eisernen  nicht  zugedeckten  (jefässe  auf  einer  freien  Flamme 
30  Hinnten  lang  stark  gelcoeht  Der  wlbrend  des  Koehens  an  der  Oberfliclie 
anftretende  weisse,  dicke  Schaum  muss  entfernt  werden.  WUhrend  des  Koebens 
werden  der  Misehung  2  Grm.  LiKmo'sohes  Fleischextract  zngffiipt.  Nach  Ablauf 
der  genannten  Zeit  wird  das  Gefiiss  vom  Feuer  entfernt  und  langnum  auf  60*^ 
abgekflhit.  Nnn  setzt  man  10  Orm.  Pfptonum  steeunif  6  Grm.  C9i1oniatriam  und 
den  ganzen  im  W.i^  «  r  aufi^ «'lösten  Inhalt  eines  Eies  so.  Die  alkalische  Roaetion 
der  Misclnnig  wird  <iurth  allniilliden  Zusatz  von  SalzsUure  neMtrnii>?irt,  und  zwar 
am  besten  vor  Einbringung  des  Eies.  Nach  der  Neutralisation  wird  das  Gefäas 
wieder  anf  die  Flamme  gesetzt  nnd  5 — 10  ICinnten  gekocbt.  Nun  iHrd  die  Ltenng 
dnrob  feines  Pütrirpapier  iiltrirt.  Ist  die  filtrirte  FIflssigkeit  nieht  ganx 

klar  und  durchsichtig,  wird  ein  P^iweiss  zugesetzt  und  bis  zur  Gerinnunf;^  desselben 
gekocbt.  Am  Ende  der  IVoeedtir  bleiben  lOOu  ('ein.  des  Nfthrbodens.  Hie  iranzo 
Procedur  bis  zur  l'iilluag  in  Eprouvetten  kann  in  einer  Stunde  aufgeführt  werden. 
DayaIiOS  ^1)  bat  die  von  Stbbnbbbg  in  die  Bakteriologie  eli^efllbrte  Coeosmiloh 
snr  Unterscheidung  mancher  Bakterienarten  verwendet.  Er  öffnet  die  Nuss  anf  die 
gewohnliche  Art.  gierst  die  FIflssigkeit  in  ein  Gel'flss  und  verthoilt  sie  auf  Reagens- 
gläser, die  er  diseuntiuuirlich  im  Dampf  sterilisirt.  Auf  der  reinen  Cocosmilch 
wachsen  Rotabaeillen  besser  als  in  Bonillon,  sebr  raseh  entwiekeln  sieb  femer 
Dipbtberiebacillen,  der  linc.  pi/oci/aneus,  Staphyloeoccen ;  hingegen  wachsen  anf 
diesem  Nährboden  nicht  oder  nur  sehr  sehlecht  Cholcrabacillen,  Milzbrandbacillen, 
Gonococcen,  Streptococcus  pt/otjfitifs.  Für  die  Unterscheidung  des  phusbacillus 
vom  üiic.  coli  communis  eignet  sich  die  Coeosmilcb  sehr  gut.  Ersterer  bildet 
ntmlieb  naeb  24 — 28  Stunden  einen  sebmntsig- weissen  SatE,  der  den  gröesten 
Tbeil  der  ("nncavit.'lt  wie  mit  einer  ddnnen  Schicht  überzieht,  die  beim  Schiltteln 
spiralig  autsteigt,  liei  Färbung  mit  Carbolfuehsin  findet  man  Stäbchen  mit  ab- 
gerundeten Enden  und  bellen  Zwischenräumen  an  einem  oder  au  beiden  Enden. 
Beim  Bac.  coli  eommuni»  ist  der  Bodensatz  klein,  kaum  linsengross,  strohgelb. 
Bei  Färbung  mit  Carbolfuehsin  zeigt  sich  der  Hacillus  bald  als  länglicher  MUcro« 
coccus,  bald  als  Stäbelicu  njit  einetn  hellen  Fleck  in  d<'r  Mitte  oder  ;ini  l'.iide.  Längere 
Fäden  wie  beim  l'yphusbacillus  findet  man  hier  nicht.  —  An  ätelle  der  Kartofi'cl 
gebranebt  G.  DE  I^Oi{EHBlM'>)  Macaroni  als  festen  Näbrbodeu.  Man 
versebafit  sMi  mlfgliehst  weisse  Hacaroni,  die  6  Hm.  im  Unrehmesser  und  ein 
Caliber  von  3  Mm.  haben.  Dieselben  werden  in  Stticko  von  4*5  Cm.  zerknickt  und  In 
ßterilisirtc  He.igirijlä.scr  gethan.  In  die  Reagirgläscr  thnt  man  su  viel  Wasser,  dass 
es  1  Cm.  Uber  das  Macurouistück  steht.  Die  Maearonistüeke  werdeu  jetzt  so  lange 
gekodit ,  bis  sie  angescbwoUen  nnd  weicb  sind ,  wozu  ungefilbr  eine  Viertelstunde 
nothwendig  ist.  Das  Wasser  wird  jetzt  vorsichtig  ab^egosgen ,  die  Reagirgläser 
werden  mit  Wattepfropfen  ver-jchen  und  in  der  gewöhnliclien  Weise  im  Damptstrom 
sterilisirt.  Wenn  die  Macaroui  fertig  sind,  haben  sie  eine  leicht  gebogene  Form, 
aucb  wenn  sie  vorber  ganz  gerade  waren.  Sie  sind  fast  ganz  weiss  und  baben 
eine  mattglänzende  Oberfläche.  V'or  dem  Kartoflielnährboden  in  Reagirglttsem 
hat  der  MacMmnin-ilirboden  einiire  \  ortheile.  Er  ist  schneller  darzustellen  und 
beschmutzt  nicht  die  Innenseite  der  Heatrir^läser,  wie  es  die  KartoÖelstiicke  durch 
herausgefallene  Stärkeköruer  oft  thun.   Die  Uberiiüche  ist  ebener  und  weisser. 


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72 


BAKTBBIEN. 


Cnltaren  toh  ebromogen«!!  Bakterien  auf  Iboaroni  abd  aebr  hflbaeh  und  inafamctiv, 

weit  sie  sich  \oii  der  weissen,  ebenen  Unterlage  sehr  gat  abheben.  Scbliesslieh 
lassen  sich  die  Macaroninährböden  zum  Dia^nosticiren  Terachiedener  Bakterien 
verwenden.  Es  giebt  nämlich  Bakterien,  welche  zwar  auf  Kartoffeln,  aber  nicht 
aof  Maearoni  waobsen. 

Um  beim  Studium  solcher  Bakterienarten ,  deren  Cnltur  anf  den  kUnst- 
licbeu  Nilhrbuden  bislang:  nicht  ^^reliiiifren  war.  nicht  auf  (ielatine  und  Agar 
angewiesen  zu  sein  und  auch  di<  unbequeme  und  unzuverlässige  Art  des  Ver- 
dünncns  dureb  Verstreichen  uuigeheu  zu  können,  bat  Drossbach  ein  Verfahren 
anagearbeilBt,  welebas  in  einfaohater  Weiae  die  Verwendnng  jedea  festen  Nlhr^ 
bodens  gestattet.  Die  Methode  besteht  lediglich  darin,  dass  die  Verdünnung  nicht 
im  Nährboden  selbst ,  sondern  vorerst  mittelst  keimfreien  Wassers  vorgenommen 
wird.  Hierbei  hat  man  dafür  zu  sorgen,  dass  die  angewendeten  Wassermengen 
reebt  gering  sind.  EMeae  Verdflnnnngen  gieiat  man  nnn  anf  die  in  paasenden 
Schälchen  mit  sehr  niedrigem  Kande  aus^elfrcitcten  Nährboden  ,  z.  H.  erstarrtes 
HUhnereiweis« ,  Bhitaeriim.  Si-idcnlriin  .  Kleber,  PHanzenalbumin  u.  dcrü:!.  m.  Man 
Tertheilt  durch  Hin-  und  iierneigeu  und  stellt  die  Schälchen  horizontal  unter  die 
Oloeke  einer  krftftig  wirkenden  Luftpumpe.  Arbeitet  diese  gut,  so  ist  die  dttnne 
Waiaenehiebt  bald  verdanpft  und  man  bat  darauf  an  aehten,  dasa  der  Nährboden 
nicht  ganz  austrocknet.  Die  im  Wasaer  vertheilt  gewesenen  Keime  befinden  sich 
nun  aus.^chliesslieh  auf  der  Oberfläche  des  Substrates.  D.i  liier  alle  Colonien  an 
der  Obertiäcbe  liegen,  so  gestattet  dies,  dieselben  in  iltrcn  ersten  Anfängen  zu 
beobaehten.  Dnreh  den  Widerstand  dee  Subatratea  nieht  bebindert,  ist  das  Waeba- 
tbum  ein  recht  cbarakteristisebes  und  beaon  li  rs  nicht  verflüssigende  Arten,  die  im 
Substrate  oft  «chleclit  gedeihen  .  wachsen  auf  der  Oberfläche  leicht.  Ein  anderer 
Vortheil  dieser  Oberilächenoulturen  ist  durch  das  bequeme  Abimpfen  gegeben. 
Ein  fernerer  Voribeil  ist  dnreh  das  leichtere  Zftbren  dieser  oberflftdilieben 
Oolonien  gegeben. 

Eine  ganz  bestimmte  Beschaffenheit  des  Xilhrhodens  behufs  Frleirhterung 
der  Diagnose  der  Mikroor^^anismen  haben  Col'LlN  und  Bevax  angegeben.  Sie 
gebrauchen  einen  Nährboden,  bestehend  aus  : 

Fleiaeheztraet   6  6rm. 

Pepton.  9ice.  (aUnm.)   10  „ 

Glycerin   ^2» 

Wasser   1000  „ 

Agar   l*5»/o. 

Dieser  Nährboden  giebt  bei  Impfung  mit  Staphylococctts  pyogenes  aureus 
eine  eharakteristische  Heaction.  Auf  diesem  Sulntrat  zeigt  die  Stricheultur  des 
besagten  Mikroorgani.«mu8  schon  nach  2  Tatren  deutliches  Waehsthum,  nach  3  bis 
4  Tagen  beginnt  der  Nährboden  trübe  zu  werden  und  am  Ende  des  5. — 6.  Tages 
hat  die  ganze  Nihrmaase  dn  weisses,  undttrehsiobtiges ,  gidobmiaaigea  Anaseben, 
wie  wenn  sie  mit  Tapioca  versetzt  wilre,  welebes  an  der  Oberfläche  mehr,  gegen 
den  Ornnd  weniger  au'^^resprochen  ist.  Diese  Verilndernng  der  Farbe  und  der 
Durchsichtigkeit  ist  nicht  bedingt  durch  das  Wuchsthum  das  Mikroorganismus  in 
den  tieferen  Sehiehten,  sondern  dureb  eine  chemisehe  Verflndemng  in  Folge  der 
Einwirkung  der  bakteriellen  Prodnete.  Andere  Mikroben  erzeugen  keine  Ibnliehe 
Veränderung. 

Während  bis  nun  zur  bakteriologischen  Untersuchung  last  ausschliesslich 
alkaliiehe  Kahrsubstrate  verwendet  wurden,  maeht  Q.  Schlüter  darauf  aufmerksam, 
daas  manche  Bakterien  aneb  anf  aanrenNährböden  wachsen.  Er  verwendete 

hierzu  entweder  die  gewöhnliche  Nährgclatine  oder  eine  Abkoehung  von  Hausen- 
blase mit  ciMein  Znsatze  von  I  L'.'»  Pepton.  si«*e.  und  l  'Jö  Kuehsalz  auf  "iöo  (irm. 
Wasser,  die  dann  beide  mit  veisichicdenen  .Säuren  in  >eröchiedeneu  Conccntralions- 
graden  versetzt  wurden.  Die  Versuebe  ergaben,  dass  eine  ganze  Anzahl  von 
Bakterien  anf  saurem  Nährboden  wäebist,  theilweise  sogar  sehr  gut,  dass  aber 


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BAKTBRISN. 


73 


eine  gewisse  Grouzo  des  Säuregrades  nicht  überschritten  werden  darf,  wenn  man 
noch  WaehstJiain  errdeben  wHI.  Di«Mr  mOgliehe  Maziiualatiiregehalt  dee  Nthr- 

bodens  ist  für  die  eiDselnen  Bakterien  ein  sehr  veraehiedener.  Der  einzige  Spalt- 
pilz, der  bin  keinem  dar  anfrewandten  S.1»rc?rade  gewachsen  ist,  ist  der  Erysipel- 
coccus.  Höchst  interessant  ist  aber  die  Thatsache^  dass  der  Milzbrandbacillus 
aneb  nocb  bei  einem  Sftoregehalt  dei  Nihrbodens  von  0'2Vo  MilebBaare  und 
0*20  „  Alaun  noch  besser  nnd  aehndler  als  aaf  nentralem  Nährboden  wflehst. 
Auch  die  Virulenz  dieser  auf  saurem  Nährboden  gewachsenen  Bacillen  ist  unver- 
ändert geblieben.  Zu  den  Hakterien,  die  auf  saurem  Nährboden  wachsen,  zählen 
noch  der  T}'phusbacillus,  der  Uacilius  der  blauen  Milch,  der  Bacillus  der  Htthner- 
ebolera,  der  FRiKDLÄiiDBR'sdie  PaenmoniebadllaB  ete.  —  Um  die  Gnltorpiatten 
wShrend  dieses  Waehsthunies  bequem  mit  Immersionssystemen  studiren  zn  können, 
empfiehlt  Lk  kfktt ''*)  das  Korn'scbe  Plattenverfahreii  auf  das  Deckglas  zu  über- 
tragen. Um  eine  solche  Aliniaturplatto  aus  JSährgelatiue  herzustellen,  bringt  mau 
mittelst  Platinflse  oder  Pipette  eine  kleine  Menge  ans  einem  mtt  dem  Impf- 
material besehiekten  (ielatiner^hrchen  auf  ein  Deckglas  und  streicht  aus,  die  Ränder 
des  Üeckfrlas<'.s  freilassend.  Das  letztere  wird  iinu  sofort  (bevor  die  (Gelatine 
eintrocknet;  in  derselben  Weise  wie  beim  „hängenden  Tropfen'*  mittelst  Vaseline 
anf  den  bohlen  Objectträger  gebracht.  Zur  Herstellung  von  Agarminiaturplatten 
ist  das  Verfabren  mutatis  mntandis  dasselbe.  Statt  der  Vaseline  bedient  man 
sieh  bei  Oebrauch  des  Brutschrankes  des  Canadabalsaros. 

Ein  v(»n  Koch  an^rejrebenes  Verfahren  zur  fiewinnunir  von  I'eiu- 
cuituren  der  Tuberkel  bacillen  und  anderer  pathugener  Bak- 
terien ans  Sputum  besehreibt  Kitasato :  Die  Patienten  werden  angebalten, 
das  durch  wirkliches  Husten,  nleht  Räuspern,  des  Morgens  ansgestossene  Sputum 
in  sterilisirte  Doppelschälchen  zu  entleeren.  Das  Sputum  muss  nun  sofort  weiter 
verarbeitet  werdou.  Eine  aus  den  tieferen  Theilen  dea  Rospirationsaipparatea 
stammende  Sputumfloeke  wird  mit  sterilisirten  Instrumenten  isoUrt  und  in  mindestens 
10  mit  steriiisirtem  Wasser  geflillten  Sehllohen  naeheinander  sorgfältig  g(*waschen. 
Zerreisst  mau  nun  in  den  letzten  J^cliJnchen  unter  sterilisirtom  Wanst-r  die  Sputum- 
floeke und  nimmt  aus  der  Mitte  derselben  einen  'riieil  ,  um  ein  mikro.skopisches 
Präparat  anzuiertigun ,  so  kann  man  sieb  leicht  überzeugen,  ob  nur  Tuberkel- 
beelllen  in  demselben  enthalten  sind.  Sehr  oft  ist  dies  der  Fall,  und  genOgt  es 
dann,  eine  sotohe  aus  der  Mitte  der  Flocke  entnommene  Partie  auf  Glycerinagar 
oder  Blutserum  zu  Ijrinp-en,  um  Reinculturen  von  TulH  rkelbaciilen  zu  erhalten. 
Diese  aus  Sputum  angefertigten  Betnculturen  unterscheiden  sich  nun  (besonders 
im  Anfange  des  Waehsthums)  in  ihrem  Aussehen  etwas  von  den  ans  tuberknlitoen 
Organen  angelegten  Culturen.  Sie  bilden  zwar  ebenso  wie  die  letzteren  erst  natdi 
circa  2  WiM-lien  die  ersten  Coloiiicii,  allein  diese  bieten  anfangs  einen  völlig  ver- 
Bchiedemn  Anblick.  Sie  erscheinen  als  kreisrunde,  rein  weisse,  undurchsichtige 
Flecke,  die  sieh  Uber  die  Obertläche  des  Agars  erheben.  Dabei  sind  diese  Colooien 
feueht,  glänzend  und  glatt  (fast  wie  die  Colonien  der  weissen  Hefe),  während  die 
aus  Orfranen  frewonnenen  Tuberkel bacillencolonieu  von  Anfang  an  trocken,  matt 
und  {refailet  ersclieinen.  Allmälig  verschwinden  diese  Unterschiede,  so  dass  nach 
cirea  4  Wochen  eine  Dill'erenz  zwischen  den  aus  Sputum  und  den  aus  Orgauen 
angelegten  Culturen  nicht  mehr  wahrgenommen  werden  kann.  Die  ans  gesehlossenen 
Lungencavernen  angelegten  Culturen  verhalten  sich  genau  so  wie  die  Sputumculturen. 

Zur  Z  Ii  <•  b  t  II  u  g  von  anaerctben  Bakterien  sind  neuerdings  einige 
Behelfe  angegeben  worden.  Ooata  bedient  sich  folgender  Vorrichtung:  Man  zieht 
dn  mit  Nährgelatine  oder  Nähragar  gefülltes,  mit  Wattepfropf  sterilidrtes  Reagens- 
rohr am  Halse,  diebt  unter  dem  Wattepfropfe,  dureb  eine  Gebläslampenflamme 
euerer  und  iJlnger  als  d.is  Hohr  von  liilionir.s  aus;  dabei  findet  keine  Verflüssigung 
der  im  Heaffens;rlas  bctindli'-licii  Nahrbfnirn  statt.  Andererseits  zielit  man  ein  kleines 
Glasrobr  so  in  eine  lauge  Capillaro  aus,  dass  einige  (Jentimeter  der  ursprUug- 
lidMu  Weite  zurflekbleiben  und  der  oapillare  Tbdl  längw  als  das  Reagensrohr 


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74 


BAKTBRIIEN. 


ist.  Dasselbe  wird  durch  die  Flammo  eterilisirt,  nachdem  man  den  Wattepfropf 
in  das  Kohr  (den  weiteren  Theilj  hioeingesetzt  bat.  Mit  dem  Capillarrohre  impft 
man  dann  die  in  enltirirenden  Baicterien  in  die  im  Rea||:ensrobr  enthaltene  Nlhr- 
Idsnng,  die  durch  lauwarmes  Wasser  verflUssi^  ht.  Dann  Terbindet  man  den 
weiteren  'I'heil  des  Capillarrohres  mit  dem  Gaseutwicklun^sapparate  fWasserstoff, 
Kohlensäure  etc.^.  Taucht  man  nun  das  capillare  Ende  bis  zum  Boden  des  Reagens- 
TohreB  dn,  so  entwiclceln  «eh  reiehlieh  kleine  Oaabllaehen,  welehe  theils  aer* 
pUtsen,  theiU  aber  Sohanm  bilden  und  die  Luft  im  Innern  des  Rohres  allmälig^ 
austreiben.  r)er  Schaum  g'ebiufrt  bald  durch  die  cti'jrc  Stelle  hin  in  den  oberen 
Weiteron  Theil.  Dann  nimmt  man  das  liasit'itunjjcsruhr  heraus  und,  wrllirend  noch 
Schaum  im  oberen  weiteren  Theile  zurückbleibt,  macht  man  die  enge  Stelle  mit 
Hilfe  der  Flamme  in.  Dabei  wird  der  Sehaom  noeh  wdter  naoh  der  Mflndnng 
des  Reagensrohres  vorgetrieben  und  es  tritt  keine  Luft  in  das  zugeschmolzene 
Kohr  hinein.  Während  der  Gasleitung  kann  man  einen  Wattepfropf  am  Capillar- 
rohr  anbringen,  um  das  Hincintreten  von  Bakterien  aus  der  Luft  zu  verhindern. 
Der  Vortbeil  dieses  Apparates  besteht  darin:  Man  Icann  sieh  denselben  ohne 
besondere  Kosten  be<iuem  anfertigen ,  wenn  man  ein  Rea^rensrohr  mit  Nflhr- 
bodeu ,  ein  Stück  Glasrohr  und  eine  GebiHslainpe  hat.  —  Ki^rt-ne  Apparate  zur 
Züchtung  von  Aoaeroben  haben  auch  TfiAMBiäTi  ^"j  und  Kaukn  angegeben.  —  Ein 
bequemes  Verfahren  für  die  anaerobe  Zllehtai^  der  Bakterioi  in  Flüssigkeiten  haben 
aneh  Pbtbi  nnd  Maassbn**)  angegeben.  Sie  bedienen  sieh  hierzu  ans  einem  Stflek 
geblasener,  spritzflaschenähnlicher  (J('f;is-;e  .  vim  denen  die  kleineren  cylindrischp, 
die  grösseren  die  Fonn  von  F.ui.knmkvkr  hcIicu  Kölhclien  haben.  Das;  auf  den 
Boden  reichende  Rohr,  welches  zum  Einleiten  des  Wasserstotles  dient,  ist  so  um- 
gebogen, dass  beim  Sehrlglegen  der  Geftase  seine  Mllndang  von  der  Cnitur* 
flttssigkeit  nicht  bedeckt  ist,  nnd  so  das  lästiL'^c  Schäumen  vermieden  wird.  Zum 
Verfchlufis  des  Ziilcituiijrsrohres  nach  beendi;ctfr  Wasserst« i(Vdurclik"itung  dient  ein 
Glasstab;  dasselbe  liegt  während  des  Durchloitens  in  einem  weiteren  Rohre  und 
kann  ohne  vorherige  Unterbrechung  des  Oasstromes  in  den  anfahrenden  Onmmi- 
sehlaneh  eingeschlossen  werden. 

Dai  bislicrijre  Verfahren  den  I'lattcnfjicsm  ns  hat  den  Nai'htheil.  dass  man  die- 
jenijrcn  Ürfjjanismen  aus  einer  Mischung  dcr.sclben  nicht  isoliren  kann,  welche  nur  bei 
Bruttemperatur  gedeihen,  weil  die  Agarplatten  im  Brutapparate  in  wenigen  Stunden 
anstroeknen.  Max  Dämmen"')  gebrandit,  nm  diesem  Uebelstande  abanbelfni,  tnr 
Isolirung  pathogener  Mikroorganismen  aus  Eiter,  Sputum,  Exsudaten  etc.  folgenden 
Apparat.  !>  bestellt  aus  <'iiit'r  fJlasplatte  vdn  l.'jrni.  im  (^»uadrat,  auf  welche 
eine  dünne  riugl«irmige  Gummipiatte gelegt  wird  von  II  Cm.  innerem  und  l>t  Cm. 
Äusserem  Dnrebmessw.  Innerbalb  dieses  Gnmmiringes  st^t  ein  Sehilehen  von 
1*6  Cm.  Hdhe  und  lOy, — 11  Gm.  Durchmesser;  letsteres  wird  bedeckt  von  einem 
solrlien  von  2  Cm.  H<">!tc  nnd  12  Cm.  l)urchmesi<er.  Es  erhellt,  dass  dieses  aaf 
dem  Gummiringe  fest  auhicgt.  Dieses  äussere  Schälcheu  wird  mittelst  eines  Gummi- 
bandes, wie  man  es  ähnlich  fUr  Brieftaschen  verwendet,  mit  der  Glasplatte  zu- 
mmmengehalteo.  Das  innere  Sebftlehen  wird  in  obligaler  Weise  sterillrirt  nnd  mit 
dem  geimpfton  Agaragar-Nflhrboden  beschickt,  dann  inmitten  des  Gummiringes 
aulVcstellt .  mit  dem  grösseren  Schälcheu  (ilierdcckt ,  dann  iinisjiirtct  man  das 
Ganze  mit  dem  Gumnubaudc  und  übergiebt  es  dem  Brutschranke.  Da  nun  doch 
allmXlig  noch  Wasser  verdunstet,  so  hAlt  man  den  inneren  Raum  zwiseben  den 
beiden  .schalen,  initteli-t  einer  Spritzflasche  vorsichtig  Wasser  einträufelnd,  feucht, 
wn.hirih  die  relative  Feuchtigkeit  dieses  Raumes  stets  lÜO"y„  betrügt,  SO  daSS 
das  Wasser  des  Mährsubstrates  nicht  verdunsten  kann. 

Nbkcki  weist,  gestutzt  auf  Versuche,  die  in  seinem  Lahoratorlnm  dnreh- 
geführt  worden ,  auf  die  Bedeutung  gleichzeitiger  Einwirkung  xwder  Mikroben 
auf  d;)s  gleirlic  Nrihr  ii'istiMt  bin,  wdbei  ein  neues  Product  entsteht,  das  keines 
der  beiden  Spaltpil/e  lur  sich  allein  zu  bilden  vermafr  und  empfiehlt  zur  näheren 
i*>forächuug  der  Misehiufectiouen  und  Symbiose  das  Studium  der  Mischculturen. 


BAKTEHIEN. 


75 


Ein  Schüler  Nf.ntki'.-;,  M.  V.  ScHRF.inKH hat  denn  auch  Untersuchungen  Uber  diesen 
Gegenstand  au;,a'stcllt  und  zunächst  Misehculturen  von  DiphtberiebaciUen  mit 
Streptoooeoen  angelegt  nnd  studirt.  Es  ergab  sich,  dass  in  solehen  Himheultoren 
die  Streptococcen  die  in  Reinculturen  entätebende,  optisch  inactive  Milchsftare  ent- 
weder gar  nicht  produciren  oder  diese  entsteht  und  zcrlaüt  in  Links-  und  Rechts- 
milchsäure .  wobei  erstere  von  den  Diphtheriebacillen  cousumirt  wird.  Der  aus 
filtrirten  Mischculturen  gewonnene  Alkobolniederschlag  erwies  sich  bei  Tbier- 
verraehen  viel  Tirolenter  eis  die  ans  Reinealtnren  von  DiphtherfetweUlen  gewonnene 
Albamose. 

Litcratnr:  ')Nil8  Sjobring,  Uober  Kerne  und  Theilangen  bei  den  Bakterien. 
Cf;ntrall>l.  1.  Hakt.  XI,  Nr.  4.  —  ')  A.  Tramhusti  und  G.  rialeotti,  Neuer  BeitraK  zum 
Studium  der  inneren  Stnictur  der  I!;ikterien.  Centralbl.  f.  Hakt.  XI.Nr.ü^l  —  ')  l'liisalix, 
TraiumÜNtiun  hiriditaire  de  caracteres  acquin  par  le  bacülu*  anthracis  «oim  l'inßuenc4i  d'une 
tempirature  dygginisique.  Acad.  des  sdencei.  21.  Man.  Semaine  mM.  1892,  pai;.  120.  — 

Pili  Sil]  ix,  hf'ffi'iieratiitn  ir/ii'ritni'ntalv  de  ht  jtrupri^l»' spm-ix/i  m-  che  le  harillii.s  unthra- 
ci«  it'itilii  iitipotogriie.  Acad.  des  stienrcs.  ^."j.  Juill«  Semaine  med.  lb'J2,  jmg.  31-1.  —  )  Carl 
Guntlier,  Leber  eine  neue  im  Wa.s.ser  gefundene  Kontuiabacillenart.  Deut.schc  med.  Wo -  lienschr. 
1892.  Kr.  114.  —  ')  H.  Buchaer,  Uebwr  den  £influss  des  Lichtes  aof  Bakterien.  Centralbl.  f. 
Bakt.  XI,  Nr.  )>b-  —  •  )  H.  Bnchner,  üeber  den  Einflnss  de»  Lichtes  anf  Bakterien.  Centralbl. 
f.  Bükt.  XII,  Nr.  7  — —  ")  E.  Kotljar,  Zur  Kn»<:e  iiher  den  Kinllu>s  .Ics  Lirliies  auf  l'.ikl.'i  ii-n. 
Wratäcb.  18U2,  Nr.  40.  —  P. C Ii ui e le  wsky,  Zur  FraK«  über  die  Wirkung  des  Öunnen- 
und  elektrisclien  Lichtes  anf  die  Biterbaktarien.  Wratach.  1892,  Nr.  20.  —  **^)  S.  Mirena  e 
G  A  I  f  s  s  i ,  liißiii  !,zti  ilil  i/i.s.scr'i)iinift)  Sil  taliiui  unerofMrganiiO'ii  pntofietn.  La  rif.  med. 
IF'.CJ,  Nr.  14 — 1">  —  "JA.  Moni  out.  Actum  de  hi  demeation,  tle  iah- et  de  In  lumitre 
hl  Ixi'ti'riilif  churbtmneuife.  Ann.  de  l'iu.stitut  Pasteur.  It^'.'^i,  Nr.  1.  —  '-)  Schmidt,  Ueber  den 
fiiotiaaji  der  Bewegung  auf  das  Wacbathum  nad  die  Vlrnlens  der  Uikroben.  A.rch.  f.  Qyg. 
1111,  Heft  3.  Centralbl.  f.  Bakt.  Nr.  22.  —  **)  J.  Po  rater.  üeber  die  Entwiekinnf  von  Bakterien 
bei  nieder,  n  Temperaturen.  Centralbl.  f  Bakt  XII,  Nr.  n  —  '*)  Menge  Carl.  T'eber  einen 
Mikroeoccu»  mit  Eigenliewepnnpen,  MiLrococcutt  ut/ilis  Citren«.  Ceiitr.iibi.  f.  Bakt.  XII,  Nr.  2 
bis  H.  —  ")  G,  Maurea.  l'eUer  eine  bew«giidie  Sarcine.  Centralbl.  f.  Bakt.  XI,  Nr.  18.  — 

Kd.  (iermano,  her  Bacillus  membranaceus  amethysticiia  mohiltM.  Centralbl.  f.  Bakt.  XII, 
Nr.  15.  —  '  )  Kohrer,  Uelier  die  Pigmentbildnng  ßacilltis  pifori/(tupit>i.  Centralbl.  f.  Bakt, 
XI,  Nr.  11.  —  Plii.salix  et  Cliarrin,  AhoHtiun  pcfsifltiiili  di-  In  funcHim  cliritmoi/inc 
du  bacilU  ptfocyanique.  Soc.  de  biol.  ;^5.  Juia.  Bull.  miA.  1692,  pag.  lU^Ö.  —  C.  G«ssard, 
Sur  la  fanction  ßuorewiffht«  des  mierobes.  Ann.  de  l'inatitnt  Paatenr.  1892 .  Nr.  12.  — 

Galeotti.  I.i'-irctic  l>i<ihi<iiclie  soprn  alcmii  hnticrii  cronint/i  iii  (Te/ii  dt  Laurcit).  — 
Luijuiiilorio  ili  put.  i/in.  <iil  Ii.  Iii.st.  tiup.  in  l'ireiizc.  —  KU.  med.  18!*ii.  Ni.  lt)*>).  — 
*')Yiron.  Sur  <pi' l'jncs  iini!i<  t  r.s  colorantes  üiiluf/Icf,  pruduiti  pnr  des  bactcriaaUs  (iniis  le$ 
ttmx  dUftilUes  uiedictiiales.  Acad.  dea  aciences.  25.  Janvit r.  Boll.  med.  Nr.  9.  —  K..  ükada, 
TTeber  einen  rothen  FarbstolT  erzeuKt>nden  Baclllt»  ans  Fa^shodenstanb.  Centralbl.  f.  Bakt. 
XI,  Nr.  1.  —  H.  L.  Rusnel.  liii|ifnii^.sver.-iiiclie  mit  (iiaril's  [lathoiieneni  Lern  litliaeilltis. 
Centralbl.  f.  Bakt.  XI,  Nr.  Iti.  —  C.  Ei  j  k  ui  a  n  n,  Lichtgeveude  Bakterien.  Gen.  Tijd^elir.  vour 
Nederl.  Indie.  Deel.  XXXII,  AÜeTering  4.  Batavia  en  Noordwijk.  1892,  pag.  109—115.  Centralbl. 
f.  Bakt.  XII,  Nr.  19,  pag.  (»56.  —  »^)W.  Welch  and  (!  Nuttal,  A  r/nn  producing  lUicillm 
fBaeiltus  aerogeiies  ciipsultilus)  aipahle  uf  rapid  denloppiun  nt  in  the  bloud  -  rf.vÄtV.i  a/ler 
deaih.  John  Hopkin  s  Hospital  Ballei in.  18"J;i,  Nr.  24.  Hyg.  Rund.sch.  1^9:.',  Nr.  '^\,  pag.  «127.  — 
'*)  W.  Schow,  Ueber  einen  gaabildenden  Bacillna  im  Harne  bei  Cyatitis.  Centralbl.  t.  Bakt  XII, 
Nr.  21.  —     E.  T.  Sommarn  ga ,  Ueber  StoifVecbBelprodncte  von  Ilikroorganismen.  Zeitschr. 

f.  Hy;ri<-n>v  XII,  r?  lieft.  —  I  \v  a  n  u  \v  .  Sur  In  jit  uduetion  des  ii'  idc.s  vulntilts  damt  Ich 

cuituic«  du  bncillf  <  Jinrlunmi  n.r.  Aun.  de  l'in^^titiit  l'astenr.  Nr.  2.  —  Claudio  Permi, 
Beitrag  cum  ätudium  der  v<iri  den  Mikroorganismen  abgesonderten  diastati<«chen  und  Inversion** 
fermentp.  Centralbl.  t.  Bakt.  XII,  Nr  20.  —  *')  H.  W.  Conn.  Isolirung  eines  „Lab" -Fermentes 
au«  Bakteiieiieiilturen.  Centralbl.  f.  Bakt.  XII.  Nr.  7  -8.  -  A.  P.  Fukker,  IJelwr  ein  durch 
(.^holeral»arilleii  pt-hildetes  Kii/yni.  I)t  iilsrhe  med.  Wiichensclir,  1892,  Nr.  5U.  —  R.  J.  Petri 
und  A.  Uaasseo,  Lieber  die  Bildung  von  üchwefelwaaseratoff  durch  die  krankheitaerregeuden 
Bakterien  unter  besonderer  BerficksichtigQBg  de«  Scbweinerothlanfe:*.  Centralbl.  f.  Bakt  XI, 
Nr.  1» — 10.  —  "'')  Guinochet,  Sur  la  toxinr  du  bacilU'  d<  la  illplih'rir.  Soc.  de  binl,  28.  Mai. 
Semaiiie  niid  18'.'2,  pag.  222.  -  -  Arnaud  et  Charrin,  l'unnatiini  di.s  to.riiif.s.  Soc  de  biol. 
4.  Juin  .'^emaine  med.  1892.  pag.  2ii0.  ^  Jtiamaleia,  Action  d<.s  ferni'ut.-:  .•iolufdr.-.-  aur  It 
poison  diphieritigwi.  Smc.  de  biol.  20.  Fivrier.  Semaine  mid.,  pag.  75*  —  Gley  et  Charrin, 
MuUipUeiti  den  efeta  des  tojthtes.  Soc.  de  biol.  2f».  Nov.  i^emaine  mkd.  1892,  püg.  480.  — 
•')  L.  Brie^ref  U!iii  \.  Wassermann,  Beobachtunjren  iiber  da.s  .\ultretrii  von  Xuxalliuniinen 
beim  MeuKchen.  Charite-Aun.  18^2,  Jahrg.  XVll.  Centralbl.  f.  Bakt  XII,  Nr.  20,  pag.  7:^5.  -~ 
'*)  A.  B.  Oriffitha,  Les  ptomalMts  datiaqndque»  tnaladies  imftetieuses.  Acad.  dessciences. 
29.  Fevr.  —  "*)  A.  B.  G  r  i  f  f  i  t  h .«  ,  J'timHnnes  crtraitctt  de«  uriin  -y  dnns  Vi'rysiprle  et  dnti.s 
la  jiiire  put-rpirale.  Acad.  dessciences.  31.  Ott.  1692.  —  *  )  E.  Hank  in  et  F.  E.  Wesbrook, 


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75 


BAKTEBIEN.  —  BECKEN. 


Sur  Us  albumOMg  et  tu  tozalbuminett  sfcretSen  pur  le  baciUe  c/iarbonneux.  Annal.  de  l'in- 
stitat  Postenr.  Nr.  9.  —  *')  Charrin  i  t  Fin  tn  i',  A/fi'iuuitivn  <lfs  virus  danx  Ir  .-ninj  des 
vaceiniB.  Soc  de  biol.  2.  Jaillet.  Semaine  med.,  pag.  ;^(i8.  —  ")  Pbisalix,  Ättinuation  de» 
mienh»  dan»  VwrfftmUme.  Soe.  da  blol.  17.  IMe.  Samaiii«  mM.,  pag.  512.  —  ^  Ttiklisaki, 

Rechtrchex  mir  la  rirulence  de  la  bnctSridif.  Ann.  de  Tinsfitut  Pasteur.  Nr.  7*  —  **)  Sanfelice, 
Contributo  allo  »tiidio  dei  hutterii  patoyeni  aerubi  td  >umi  robi  che  ai  trovano  constanUmente 
ntl  ttrrmut.  Annali  del  inMituto  d'igiene  sperimentalu  della  R.  Universitu  di  Boan.  1892, 
I  (bvov.  Miie),  Fase.  iV.  Hyg.  Bandschan.  Nr.  20,  pag.  874.  —  **)  B.  äehwari,  SuUa 
diffMone  ddU  »pore  del  Mono  per  mezzo  d^aria.  Areh.  per  le  ««iense  loedieb.  XY, 
Kr.  19.  ("entralbl.  f.  Bakt.  XI,  pap.  097.  —  *')(iley  et  Charrin,  Les  hnhituts  drs  Diicrohen. 
Soc.  de  biol.  18.  Juin  äemaine  mid.  189:4.  pag.  25^.  —  Auche,  Pa^xaye  den  micrubtH  ä 
t rarer/t  le  pUtfienta  de»  femmes  enceintee  atteinte»  de  variole.  Soc.  de  biol.  3.  Dkc,  Semaine 
med.  1892,  pap.  490.  —  **)  Galippe,  De  la  pr^setui  d' <■  micvohtK  r/rnr.v /«/o«/u«.  Soc.  da  biol. 
10.  Di^i-.  St-niaiiie  iuim!  1S9:^,  pap.  ."jU4.  —  G.  W.  Da  m  ni  a  u,  J'relimiiuirif  Note  on  »ome  micro- 
onjdiiii'me  of  niirvnil  .skiu.  Hrit.  med.  Journ.  l(j  July  1892.  —  B.  W'asmuth,  üeber  Durch- 
gängigkeit  der  Haut  für  Mikroben.  Centralbl.  f.  Bakt.  XII,  Nr.23— 1^.  —  B.  Pernice  e 
6.  ScagHoii,  Sulla  eliminazione dei  batterie  daW organvmo.  hu rifonn. med.  Nr.  97 — ^98.  — 
*')Enriqnez.  De  ViUtminatinn  des  mir  rohes  par  Vitrine.  Soc.  de  hol  .^11.  Janvier.  Semaine 
med.,  pag.  40.  —  Aleasandro  Ilm  8  ch  e  1 1  i  n  i ,  Leber  die  Aus.selicidang  des  Tetanusgifte« 
(luich  die  NiereiisL'cretion.  Deut.-cbe  med.  Wochenachr.  1892,  Nr.  16.  —  ")  H.Kühne,  Das 
Malachitgrün  als  Ausziehnngäfarbe.  CeDtralbl.  f.  Bakt.  XI,  Nr.  24>  —  ^'^)  Engen  Botkin,  Ein 
kleiner  KuiD*  zur  Gram'scben  3Ie(hode  der  isoHrten  BakterienfÜrbnng.  Certralbl.  f.  Bakt.  XI, 
Is'r.  8.  —  Nirnllc.  Mi'tfiode  de  rnJicrrhe  des  wicruorgiiiii.imes  ijui  nr  sr  rnlorenl  jinn  ji'ir 
le  vroc^di  de  Gram.  Ann.  de  l'iostitttt  Paatenr.  Nr.  11.  —  *')  Foth,  Zur  Frage  der  Spuren- 
ftrbaiig.  Centralbl.  f.  Bakt.  XI.  Nr.  9—10.  —  '^)Stratis,  Sttr  mn  proe4di  de  eoUtration  A 
V^tat  viraitt,  de»  eile  de  certaiur.s  futcti'riis  Dfihilis.  Smc  de  biol  IR  .luin.  Srniaine  ni6d. 
I89;i,  pajr.  —  *•)  ArenH,  Ein  einlacher  Nai  liwci.s  von  Tuberkellianlltn  durtli  Färbung 

nebst  einer  Angabe  zur  Färbung  von  BlUkterien  in  fettreichen  Substanzen.  Centralbl.  f.  Bakt. 
XI,  Nr.  1.  —  *'')  Lei  Ulla,  Techniquepour  la  coloratüm  rapide  de«  bncillev  tubereuleux  eur 
lespike»  ayant  sijottmt  dane  le  liquide  de  Maller.  Oac.  bebdm.  1892,  Nr  22.  —  **)  P.  Kanf- 
mann,  Ein  einfache.««  Verfahren  zum  Narliwcisf  i!«r  TnbtTkolbatMllca  im  .\u-wiufi'  Oniralbl. 
f.  Bakt.  XII,  Nr. 4— 5.  —  Ch.  H.  Ali -Cohen,  Zur  Technik  der  TuberkelbaciUenfärbung. 
Berliner  klin.  Wochenachr.  1892,  Nr.  23.  —  K.  II ke witsch.  Bin  nenea  Verfahren,  die 
Tnberkelbacillen  in  der  Milch  perlsurhtiecr  Küho  zn  finflen,  Wratsch.  189'2.  Nr.  '^1.  -  "')  K  Ilke- 
witsch,  Ein  neues  Verfahren,  Tuberkelbacillt-n  im  Sputum  nauhzuweisen.  Wratsch.  1H92, 
pag.  796.  —  "•)  Wladislaw  Swiatecki,  Eine  praktinche  Karbungsmethode  der  mikrosko- 
piacben  Präparate.  Centralbl.  f.  Bakt  XII,  Nr.  7—8.  —  '^*)B.Saboaraud.  ^uelquee  faite 
r^tif»  h  la  mithode  de  eoloration  de  Lustparten.  Ann.  de  Tinetitot  Paatenr.  Nr.  3.  — 
R.  Wolny,  Auf  kaltem  We^o  sterilisirt«-  tiweis,'<haltiKe  Nalirbiiibn.  Centralbl.  f.  Bakt. 
XI,  Nr.  :J4.  —  A.  Reinsch.  Auf  kaltem  Wege  .sterili.sirte  eiwcisshalti;.'«  NahrbÖdea. 
Centralbl.  f.  Bakt.  XII,  Nr.  1.  —  '"■')  R.  J.  Petri  u.  A.  Mua.ssen,  Ueber  die  Hi-r.  itung  der 
Nährbouillon  f.  bakteriologische  Zwecke.  Arb.  aus  dem  k.  Gesundheitsamte.  1892,  VIII,  Nr.  2  — 
")  John  L.  Schutz,  A  rapid  method  of  mnkiiuj  nutrient  agar-aijur.  (Bull,  of  tbf  Julini 
Hopkin's  Hospit.  ISB;:^.  Nr.  ^4.)  —  '  )  J.  N.  Üaväla,  Coutrihiirion  al  entiidin  tiel  (vpia  de 
coco  como  media  de  cultivo  de  di/erentee  girmenen  patogenos.  Crünica  mödico-q^uirurgica  de 
la  Habana.  1892,  Nr.  II.  Centralbl.  f.  Bakt  XII,  Nr.  21,  pag.  766.  —  O.  de  Lagerw 
heim,  Macarnni  als  fe.st>r  Niihrboden.  Centralbl  f.  Bakt.  XI.  Xr.  5.  —  Paul  Dross- 
bach, Au.s  der  bakteriologiscbeu  Praxis,  (Centralbl.  f.  Bact.  XII.  ,  Nr.  19.)  —  '*)  W.  31. 
L.  Coplin  and  D  Bcwan,  A  fest  reartion  for  the  ciilture  of  fbe  mierocoecus  pyogeues 
aurw*  (Med.  Record.  1892,  II,  Nr.  3.)  —  ''^)  0.  Schlüter ,  Daa  Wachatbom  der  Bak- 
terien anf  saurem  Nfthrlioden.  Centralbl.  f.  Bakt.  XI,  Nr.  19.  -  Lickfett,  Das 
Koch'sche  Platti'n vcrf.ihn'U  auf  ila~  Drekfrlas  uIh  i ti .i;:en.  Deutsi  lie  mi'd.  Wocheiischr.  l'^92, 
Nr.  45.  —  ''')  S.  K^tasato,  Gewiunuug  von  Reincultureu  der  Tuberkelbacillen  uud  anderer 
pathogener  Bakterien  ans  dem  Spotan.  (SSeitaebr.  f.  Hygiene,  XI,  pag.  441—444.)  — 
■-)  M.  O^ata,  F.infailie  Bnktorienmlf nr  mit  verschiedenen  '!as.'i!.  C'-ntralbl.  f.  Bakt.  XT, 
Nr.  üO.  —  '^')  Arualdo  Trambusti,  lieber  einen  Apparat  zur  Ciiltur  der  anaernben 
Mikroorganismen  anf  festem  durchsiebtigen  Nährmittel.  Centralbl.  f.  Hakt.  XI,  Nr.  20  — 
hndwig  Kamen,  Eine  einfache  Cnltarscbale  für  Anaeroben.  Centralbl.  f.  Bakt  XII, 
Nr.  9.  —  *')  B  J.  Petri,  Bin  1)eqneme8  Verfahren  fdr  die  ana«robe  Zficbtang  der  Bakterien 
in  Fliis<it,'ktitf'ii.  Arb  aus  dem  k.  Cesuiiilbv itsamte.  Is9"^.  Vlll.  Nr.  -  Max  Dahmen, 
l.^olirutig  pathogtiuer  Mikrourganismen  au.s  Eiter,  Sputum,  Exaudaten  elc.  Centralbl.  f.  l'akt. 
XI,  Nr.  4.  —  '  )  M.  Neueki,  Uebar  Uiaobcnltnren.  Centralbl  f.  Bakt.  XI,  Nr.  8.  — 
*^*)  M.  V.  Sc h rc  i d  er.  Ucber  Miaehooltaren  von  Streptococcen  und  den  Diphtberiebacillen. 
Centralbl.  f.  Hakt   XII,  Nr.  9.  T.  Scbnirer. 

BBCkGn.  \'iirlic;reiidt'r  Artikel  ist  eine  l">L'':iiiziiii;r  iin>l  < 'ompletinini,'  des 
im  Jabre  lbt?ä  iui  11.  llaudc  [pag.  4Üö;  der  Keal-Kiicyclopildie  erscbicneueu  Artikels 
„Becken". 


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BECKEN. 


77 


Das  knöcherne  Berken.  Wir  waren  binher  irewohnt,  die  Heckeii- 
niMusse  als  coostaute  GrÖKseu  auzuseben,  Walcueu^)  aber  wies  vor  Kurzem  nach, 
d«S8  diese  Anechauung  bezüglich  der  Conjugata  vera  eine  unrichtige  sei.  Er  faod 
oimlieb,  dass  die  Ltoge  dieses  Maasae«  durah  die  Kdrperhaltnng  verindert  wwde. 
Legte  er  eine  Hochschwangrere  in  der  Weise  auf  den  Untersaebnngstisch,  dass  bei 
mfl^si'.'  erh('thtern  Oberkörper  die  Kniee  so  weit  ah  möglich  ffog^en  den  I^eib  huraiif- 
pt'halten  wurden,  so  verkürzte  sich  die  Coujuyata  diaijonaUi* ,  verlängerte  sieh 
dagegen,  wenn  man  nun  ein  Polster  unter  das  Kreuz  legte  und  die  Beine  so  weit 
als  möglich  über  den  Untersuehun^'^ti^ieh  nach  abwslrts  hiln>re:i  Ii  -.  Während  des 
Senkens  der  Kniee  fiililte  man  deiitlieh  das  Zurückweichen  de-i  Promontoriums. 
Bei  Heben  der  Kuiee  und  Kntt'crnuDg  des  Polsters  stellt  sich  sotort  wieder  das 
frahere  Maas«  her.  Er  nahm  diese  Versnehe  an  6  Weibern  mit  mäsisig  verengtem 
Becken  vor  nnd  fand,  dass  die  Verftnderliehlceit  der  Länge  der  Conjugata  dia- 
(ji)hnJis  I*  —  1."!  Mm.  hetrn«^.  Kr  schlie-ist  daraus,  die  Conjtnjdtn  at'at/onnh'H 
.sei  in  vielen  Killlen  eine  um  eirea  l  ('ni.  variable  Grosse,  ausgenommen  vielleicht 
bei  ankylotischem  Hecken.  Das  (ileicbe  wies  er  am  Becken  einer  weiblichen  Leiche 
nach  (Fbodoboff  Klun"),  der  diese  Verraehe  naeheontrotirte ,  meint,  diese 
ErHcheinang  beruhe  darauf,  das«  der  Beekenrini;  bewe^irlich  sei.  Das  lU  isacral- 
geienk  sei  ein  beweirliehes  und  zwar  ein  Sehraubenfrelenk .  (Ie-'><en  Drehpunkt 
1  Coi.  hinter  dem  hinteren  Haude  des  2.  Kreuzbeiuwirbelkorperg  liege.  Die  Lage 
dieses  Drehpunktes  erlclftre  die  VeTtnderlichkeit  der  Conjaijata  v«ra.  Letztere 
mflsre  läD;;er  werden,  wenn  die  Symphyse  tief  stehe  und  kurser,  wenn  die  Sym- 
pliyst-  naeli  oben  bewe-rt  werde.  Hei  normalem  und  ull^jemein  zu  weitem  Heeken 
variire  die  Com jnifuta  *v'/f/-Läoge  in  verschiedenen  Laji^en  um  ö  Mm  ,  bei  enjccm 
seihst  bis  um  10  Mni.  Bei  der  ConJuyaUt  ihogvtiolü  sei  dirt^c  Ditleienz  «twas 
bedeutender.  Einen  Thefl  der  VerlcOrsnng  des  Maasses  —  0*5  bis  1  Mm.  —  flihrt 
er  auf  die  Schiebung  im  Gelenke  von  vorn  nach  hinten  und  einen  weiteren 
—  0'7  Mm.  —  auf  die  Klastieitilt  des  Heekenrinfrc*  zurück.  Gleichzeitif?  fand  er, 
dass,  entHprecheud  der  eintretenden  Verkürzung  der  Conjugata  vern  ^  eine  Ver- 
längerung der  Transvem  erfolge,  allerdings  aber  nur  in  sehr  geringem  Grade 
(nm  1  Mm.).  Das  gleiche  Thema  behandeln  Zaleski 'j  und  Mbhk'^),  ohne  aber, 
so  weit  sich  ans  den  tcursen  Referaten  entnehmen  Iftsst,  weseotlieh  Neues 
zu  briugeti. 

Baybrthal*')  machte  die  Entdeckung,  dass  bei  späteren  Geburten,  im 
Vergleiche  zum  Maassbefunde  bei  der  ersten  Geburt,  die  Beekenmaasse  am  1  Om. 

und  mehr  zunehmen.  Den  Grund  dieser  Erscheinung  sucht  er  im  allfremeineu  Wachs- 
tliume  der  Frau,  sowie  in  den  EinHfls.sen  der  .Sehwun^^erschaften ,  Geburten  nnd 
Puerperien  auf  die  Ueckeuorgaue  uud  deren  Umgebuug. 

HAiiSB  und  ZakrzbwskiV)  fanden,  gestatzt  auf  184  an  Sehwangeren 
Torgenommenen  Untersuchungen,  dass,  entsprechend  der  hiiuliger  vorkommenden 
reehtsseitij^'en  Skolio-r  der  \\'irbel.säule ,  liuk.^skfdiotisehe  Heeken  weit  hänfi^'cr 
zu  linden  sind,  als  reclitsäkuliotiscbe.  Damit  ttbereinstimmeuU  sind  die  Angaben 
Fallot's*),  dass  das  Beeken  in  der  Regel  asymmetriseh  sei  nnd  der  höehste 
Punkt  des  Schambogens  häußger  nach  links  als  nadi  rechts  sehe.  Glelehseitig 
hellt  er  hervor,  flass  die  Kenntniss  der  Orossenverhftltnisse  des  Sehambogeus 
tiichlUsse  auf  die  Weite  des  H»  ckeneunales  ire-stattc. 

Nach  Halandin  ,  giebt  es  zwei  Typen  des  normalen  Heckens,  daS  eine 
mit  hoeh  nnd  das  andere  mit  niedrig  gelegenem  Promontorium.  Letzterer  Typns 
."^teht  dem  normalen  eigentlich  etwas  ferner.  Bei  sonst  ganz  gleichen  Darehroessvrn 
des  Brckeinfrangcs  besit/.t  das  Heeken  mit  iiiedriir  gelcfrenem  Promontorium  ganz 
andere  räumliche  Verhältnisse,  als  jenes  mit  hoch  gelegenem  Promontorium,  ein 
Umstand,  der  bezflglich  des  Geburtsmeehanismus  des  Kopfes  bisher  noch  keine 
Beaehtnng  gefunden  hat. 

Hezilfjiieh  des  Hacenbeckens  fand  in  d<"n  letzten  Jahren  namentlich  das 
Becken  der  Slavin  eine  eingehendere  Beachtung,  ^»ch  äcuHuTTKB^oj  sind  unter 


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78 


BBCKBN. 


deutschen,  estbnischen,  polnificben  und  judiscben  Frauen  bei  den  deutächuii  iiud 
Mlliiitwbeii  die  grössten  BeektnmatiMN)  su  finden,  kMner  sind  letztere  bei  den 
Polinnen ,  am  Ueinsteu  bei  den  Jadinoen.  Die  längste  Conjuffota  vera  hnt  die 

Estliin,  dif  kflrzf^ste  die  Jüdin,  zwischen  diesen  steht  die  Deutsche  und  die  Polin. 
Am  bedcuterid.sten  ist  der  Ahstand  der  Spinne  bei  der  Deutschen.  I)ie  neekenneijjimg 
ist  am  grosäteo  bei  der  Dcut^cheu ,  hierauf  ful^t  der  Keilio  n.ieh  die  Polin, 
Jfldin  und  Bstliin.  Die  Deatsebe  nnd  Bstbin  besitzt  das  am  starlcsten  ent* 
wiekelte  Recken,  die  Jüdin  daf^egen  das  am  weni;;sttn  entwickelte  und  kleinste. 
G.  RltN'<!E brinfft  die  Mittelwerthe  von  150  weiblichen  rn^si-ächeii  Hecken  und 
entnimmt  aus  ihnen,  dsm»  es  etwas  kleiner  iHt  ald  das  der  Deuttseben.  ÜEXNlG 
findet,  dass  bei  der  weissen  und  der  moogoliseb-amerikanisebeu  Race  der  sehrä|re 
Durclmiesser  nie  so  lange  ist,  als  der  quere  des  Einganges.  Bei  den  slavisehen 
Weibern  verhält  es  sieh  d5ip:ef!ren  unifrekehrt.  Auch  bei  den  antochthonen  Australierinnen 
und  den  Slldsee-lnsulanerinnen  ist  der  schräge  Durehmesser  glei<rh  dem  queren 
oder  noch  grösser.  Das  Becken  der  SUdHee-Insulanerinueu  unterzog  PaocauwNiCK 
eingebenden  Studien. 

Ariu  thnot  Lan'ei*)  stellt  die  ßohauptmig  auf,  da^s  die  charakteristisobe 
Weite  des  weibliehen  Heckens  eine  hereditäre  Kiprenseh.-ift  sei.  Ursprünslieh  sei 
das  weibliche  Hecken  gleich  dem  männlichen  gewesen.  Ks  best<tud  nur  ein  Typus. 
Im  Laufe  der  Zeiten  starben  jene  Weiber ,  die  kein  weites  Bseken  trugen ,  als 
sur  Fortpflanzung  nicht  recht  passend,  aus,  so  das«  schliesslich  nur  scdehe  mit 
weitem  Hecken,  wie  wir  es  heute  linden,  /iinirkbliebeii.  Die  rniwanJhnm  des 
ursprünglichen  schmalen  Beckens  in  das  weibliche  weite  ist  auf  den  Druck 
rfleksnieiten,  den  die  Fmdit  in  den  letzten  Schwangerschaftsmonaten  in  einer 
unendlichen  Reibe  von  Generationen  auf  das  Becken  ausflbte.  Anklang  fand  diese 
Hypothe><c  in  der  i^itzun?  der  Loudi)ner  Obstetrical  Society  bc^Tciflieher  Weise  nicht. 

B  ee  k  e  n  ni  e  s  s  II  n  fj.  l'nter  Jenen,  die  im  Verlaufe  der  letzten  Jahre  die 
Beckenmessung  ganz  besonders  cullivirten ,  ist  in  erster  Linie  Skutsch  '"J  zu 
nennen.  Br  eonstrnirte  swei  Beokenmesser.  Der  erste  besteht  aas  dem  s.  g. 
ScHULTZB'seben  Brette,  wekdies  mittelst  eines  Leib»:Urte]s  so  befesti^^t  ist,  dass  es 
den  SfthiOi"  anff'riorrft  superwreg  und  der  Symphyse  aufniht.  Der  Mitte  des 
Brettes,  entsprechend  der  Vorderwandsmitte  der  Symphyse,  sitzt  eine  Motall- 
kapsel  auf,  an  der  sieb  swei  Stablschlitten  befinden,  die  nach  entspreebend  ver- 
schubenen  Deckeln  zwei  Bleistflbe  aufuehmen.  Die  beiden  Bleistäbe  werden  nach 
einander  auf  der  Metallpl-ittf  befestiirt,  mit  den  Fingern  an  die  Kiid|)unkte  der 
Transversa  j^eführt  und  hierauf  in  uuverilnderter  Halfun;.'  ab;;eni)ninien.  Werden  sie 
nun  nach  Entfernung  des  ganzen  Apparates  wieder  an  die  IMatte  befestigt,  so  zeigt  die 
Entfernung  ibrer  bdden  Bndoi  Ton  einander  die  Lftnge  des  Querdurehmessers  des 
Beckoneinganges.  In  gleicher  Weise  können  beliebige  Durchmesser  des  kleinen 
Heckens  «remes^en  werdeu.  Dieser  Heckenmesser  ist  so  umstilndlieh  zu  a])pltciren  und 
8u  complieirt,  dass  er  in  Folge  desseu  keine  Verbreitung  fand.  Sein  zweiter  l*clvimeter, 
eonstrnirt  naeb  dem  Principe  des  WBLLBNBRROH'seben,  ist  ein  Tastersirkel,  dessen 
einer  Ann  aus  einem  biegsamen  Bleistabe  besteht.  Bei  Messung  der  Con/t/gata 
vfi-n  kommt  der  nirlit  Itiejrsanie  Arm  auf  das  Promontorium  und  der  bleierne  Arm 
auf  die  Mitte  der  V'orderwaud  der  Symphyse.  Die  Stellung  der  beiden  Arme  wird 
mittelst  einer  FlQgelschraube  fixirt  und  wird  dann  an  dem  am  Instrumente  bcHnd- 
lioben  Haassstabe  die  Entfernung  der  Branchen  abgelesen.  Hierauf  wird  das  Instrument 
entfernt,  auf  die  gleiche  Zahl  eingestellt  und  die  Entfernung  der  .Armspitzen  von 
einander  direkt  alf^'emessen.  In  gleicher  Weise  wird  die  Dicke  der  Sym|)hy.se  ab- 
gemessen. Lie  Ditfereuz  der  Längen  dieser  beiden  Maasse  ergiebt  die  Länge  der 
Conjugata  vera.  In  ilbniidier  Weise  kann  die  Transversa  genieiwen  werden,  indem 
suerst  an  der  einen  und  dann  an  der  anderen  Seite  der  unnachgiebige  Zirkelarm 
an  den  Endpunkt  der  Transversa  und  der  Hlciarm  .m  der  (Mitspreclienden  Stelle  der 
äusseren  Decke  —  dem  Endpunkte  der  vcrliingerten  I  rausver.sa  —  dieser  Korperseite 
aufgesetzt  wird.  SCHAüTA      empfieblt  wohl  den  letztgenannten  Beckenraesscr,  doch 


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BECKEN. 


79 


hebt  Landkrer  1'''  riditifr  hervor,  dass  die  mittelst  seiner  gewonnenen  Maasse 
grössere  Fehlerquellen  aulweiseu,  als  bei  der  alten  Digitalisessung.  VVu  möglich 
noch  eomplieirter  als  Skotsch's  erster  BeekAnmesaer ,  dahor  tHr  die  Praxis  gans 
unverwendbar^  ist  der  Pelvimeter  Küstnbr's  der  anr  Mearang  der  Neigmig  dea 
Beekens  verwendet  werden  soll  (Kt  sTFR  ' 

Rpztlfrli<'h  des  (iiierdtirchmi'ssers  des  Beekeneintcau;^es  macht  IvEHRKR-'^j 
darauf  aui'uierksaui,  dass  dieser  iJiameter  in  geburtshilHieher  Ueziehung  nicht  in 
Betracht  kommt,  sondern  ein  anderer  kleinerer  querer,  derniher  der  Symphyse 
steht,  da  nur  in  letsteren  der  Lfingendarehmeaaer  des  sich  quer  einstellenden 
Fruehtkftpfea  zu  lieiren  kommt.  Die  L}lng:e  dieses  „geburtshilflichen  Qtierdurch- 
messers'^'  vermag  man  in  der  Weise  abzuschätzen,  dass  man  za  der  Entternung 
der  beiden  pnlsirenden  Arteriae  erurnle»  dicht  am  Ltgammtum  Poupartii  13  Mm. 
hinzuzählt.  IxvERAKi»!  bestimmt  in  höchst  complicirtcr  Weise  mittelst  Rechnungen 
die  LiiiifTf  der  <_'nii juijafa  rtm.  Zuerst  misst  er  die  Cuujinjdta  diaijonalis  und 
den  einen  Uiameter,  der  von  der  grösston  Coovexität  des  Sacrums  zum  unteren 
Rande  der  Symphyse  geht  (Dj.  Aus  diesen  zwei  Zahlen  wird  durch  Berechnung 
der  Rotatioasiodesc  des  Sacrams  dareh  die  Proportion  0.  d. :  100  =  D. :  z  gefunden. 
Hierauf  wird  die  Lllnge  der  Conjugata  erterna  und  die  Dicke  der  Symphyse 
(mittelvSt  eines  eiircntni  Instrumentes'  bestimmt,  worauf  dann  erst  die  Lünge  der 
Conjugata  vera  auf  dem  Wege  einer  ßerechnuDg  sichergestellt  wird. 

Die  manchen  Ortes  übliche  Messung  der  Gonjutjata  vera,  wobei  die 
Spitze  des  Mittelfingers  auf  das  PromoDtoriiim  und  die  Spitze  des  Zeigefingers  der 
Mitte  der  Flinterwiuid  der  ."Symphyse  aufruht  und  die  zwei  Finf^er  nach  beendeter 
Messung  in  gleicher  ätelliing  hervorgezogen  werden,  worauf  die  KntferouDg  beider 
Fingerspitzen  mit  dem  Maaasstabe  direet  abgemessen  wird,  empfiehlt  Bboom^') 
unter  Angabe  einiger  Modiiieationen.  Letztere  beruhen  darin,  dass  die  Knnssende 
die  linke  i^eitenl.'iL^e  einnimmt,  die  Kttekenseite  des  Zeigefingers  der  Innenwand 

der  Symphyse  autniht  n.  der;.'!,  m. 

Die  dirccte  Mus.sua^  der  (Junjtitjata  vera  mittelst  des  Zeigefingers  von 
den  Banchdeeken  her  bei  der  Niehtschwangwmi ,  ein  Verfahren,  das  bereits  vor 
40  Jahren  von  OftED£'<)  angewandt  wurde,  empfehlen  neuerdings  wieder  Kbllt  **) 

nnd  Bani>l  -'^i. 

(leber  das  Verbältnisä  der  Länge  der  einzelnen  Hecketimaasse  unter  einander 
(so  namentlich  das  Verhalten  der  Spinae-Bntfernung  zur  Länge  des  Qoerdareh- 

messers  des  Einganges  und  das  Verhalten  der  Conjugata  diagonalts  zur  Oon- 

jt/ijnta  vf-rn)  bei  normalem  Becken  und  bei  Recken  verschiedenartiger  Verenjrerunp: 
publicirt  HowBLL  Pebshing^*'}  eine  Arbeit,  die  auf  Messungen  skeletirter 
Becken  fusst. 

Hier  einsuraihen  wftre  eine  Arbeit  KOstnbr*s      welehe  die  Besiehungen 

zwischen  Uterus-  und  BeckeneinganRsaclise  behandelt.  Die  Ergebnisse  derselben 
lauten  dahin,  dass  diese  beiden  Achsen  bei  der  normal  ^nbanten,  stehenden  Hoch- 
graviden  meist  zusammen  fallen,  eher  noch  liegt  die  üterusachse  etwas  mehr  nach 
hinten.  Bei  liegender  Hochsobwangerer  liegt  letitere  Aehse  noch  häufiger  nach 
hinten.  Das  \'erlialten  der  üterusachse  anr  Beokenaehse  aieht  in  praktischer  Be* 
liehnng  keine  Conseqncnzcn  nach  sieh. 

Ueber  die  Anatomie  der  das  Becken  auskleidenden  und  nach  unten  zu 
versehliessenden  Weichtheile  liegen  zahlreiche  wichtige  und  interessante  Arbeiten  vor, 
SB  deren  Besprechnng  aber  hier  der  Raum  gebricht.  Deren  Verfasser  sind :  Vbit 
Ereich"),  Dorav  '").  Beruy  Hart     .  .Tohnstox  Symixqion BARßorB"). 

WBH.STER  3^),  MAB£Y  "j,  HaDKA        DlCKlMSON         Mo.  GiLLICODT  ")  Oud  EDWAED 

Kkvnolds  '"j. 

Beekenfehler.  Was  die  Frequenz  des  engen  Beckens  anbelangt,  so 

versucht  Pfi  nd  ^o',  diese  für  Milnelien  zu  bestimmen.  Unter  1199  Geburten  fand 
er  115  Fäll''  9  .'>'^'^  ,j.  während  He('KKU  seinerzeit  die  Frequenz  nur  auf  i  r)>^ "  „ 
bestimmte.  \  ou  den  115  Fällen  entfallen  auf  Verengerungen  L,  IL  und  111.  Urades 


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BECtvEN. 


70-1,  26-0  und  3-6« V  1"  -7  7%  der  enpren  Beeken  la?:  Rachitis  zu  (irunde. 
Rkynulds*>)  bestimmt,  um  den  Vorwurf  zu  entkrftfteii,  dass  die  Seltenheit  des 
engen  Bethens  in  Nordamerika  nw  rnnf  einer  VeniMhllssigung  der  Beckenmessung 
beruhe,  geatfltst  auf  die  üntenaeboog  von  181  Fällen ,  die  FreqoenE  des  engea 
Beekens  in  Nordamerika  auf  0-6«»  „  (~  •*  Fülle). 

In  Bezug  auf  die  Aeiiolo<rie  des  «'iiiren  Beckens  liefrt  eine  I'ublieation 
WiEüOW's  *'•)  vor.  Nach  Wikdow's  Ansicht  ist  daa  enge  Becken  iu  seinen  ver- 
sehiedeoen  Formen  sehr  binfig  der  Ansdrnck  einer  Anomalie  des  Gesammtorganis- 
mns.  Unter  35  FflUen  engen  Beckens  fand  er  imal  rretinismus,  lOmal  ;:It  i -h- 
zeitige  Anomalit-n  des  Skelets  ''darunter  abnorme  S<'bildell»ilduufr  ,  Tnial  sehr 
kleinen  Krirperwuchs,  llmal  Anomalien  der  Generutionsorgane  und  3mal  gleich- 
zeitig ein  grosses  Stmma.  Einen  einsehligigen  Fall,  in  dem  das  enge  Becken 
gleicbfails  al-t  Degeneiationszeiehen  aufzufassen  war,  theilt  Trkub^^)  mit.  Bei 
mangelhafter  Entwicklung  der  (Genitalien  fand  sich  gleiehzeitig  ein  allgemein  ver- 
engtes  Becken  ausgesprochen  infantilen  Charakters. 

SCHAUTA  **)  versucht  die  einzelnen  Formen  der  Beckenanomalien  nach 
deren  Siiologiaehen  Momenten  su  elassifieiren.  Er  stellt  fünf  soleher  Glassen  auf, 
und  zwar  folgende:  I.  Anomalien  in  Folge  von  Entwicklungsfehlem  (das  allgemein 
gleichmässig  verengte  nicht  racbitiselie.  das  einlacb  platte  nicht  raehitisebe,  das 
allgemein  verengte  platte  nicht  rachitische,  das  enge  trichtertVirmige,  das  fötale 
Beeken  oder  Liegbeeken,  das  anomale  Beeken  in  Folge  mangelhafter  Entwicklang 
eines  nnd  das  in  Folge  mangelhafter  Kntwiekinng  beider  Kren/'"  iuiiiigel  und  das 
gespaltene  Becken).  2.  Anomalien  des  Beckens  in  Folge  von  Erkrankung  der 
Beekenknochen  (Rachitis,  O^teomalacie ,  Neubildungen,  Fractur,  Atrophie,  taries, 
Nekrose).  3.  Anomalien  der  Verbindung  der  Beekenknoohen  nntor  einander,  und 
swar  a)  so  feste  Verbindung,  Synostose  (dw  Symphyse,  einer  oder  beider  Kreus- 
darmbeinfngen,  des  Kreuzbeines  mit  dem  iSteissbein ) .  />j  zu  lockere  Verbindung 
oder  Trennung  de«  Zusauimeuhauges  (Lockerung  und  Zerreissiing  der  Bu-ken 
geleuke,  Lu.xation  des  Steissbeinesj.  4.  Anomalien  des  Beckens  durch  Krnnkbeiteu 
der  belastenden  Skelettheile  (Spondylolisthesls,  Kyphosls,  Skotiosis,  Kyphoskoliose, 
Anomalien  der  Versehmel/.ung  des  letzten  Lendenwirbels  mit  dem  ersten  Kreuz- 
beinwirbel, sowie  def  letzteren  mit  den  Hüftbeinen  .  n.  Beekenanoraalion  durch 
ivrankheiteu  der  belasteten  Skeletthelle  (Co.\itis,  ein-  und  beiderseitige  Schtnkel- 
kopftuxation,  ein-  oder  beiderseitiger  Klnmpfnss,  Fehlen  oder  Verkümmerung  einer 
oder  beider  unteren  E.vtremitSten).  Diese  Classißcation  zeigt  wohl  das  Bestreben, 
die  pbysioloiriscbe  Basis  einzulialten,  doch  wird  sie  durch  die  erzwun_'ene  Sehemati- 
siruog  zu  einer  steilen,  den  natürlieben  Verhältnissen  zuweilen  wider^preebenden, 

im  Verlaute  der  letzten  Jahre  wurde  der  Gedanke  angeregt,  ob  das  enge 
Beeken  irgend  einen  Elnfluss  auf  die  Entstehung  des  Gesehleehtes  der  Prueht 
ausiibe.  Der  Erste,  der  nach  dieser  Riehtung  bin  Studien  anstellte,  war  Of.n'- 
HAl  SKX  ^^'1.  dem  weiterhin  Aiir  i  KLi»  "  j,  DoHUX  '  Tai.hkrt  i  und  Eisknhaut  '  'i 
folgteu.  Alle  diu  (Jenaunteu  stimmeu  darin  Ubereiu ,  dass  bei  engem  Becken  der 
schon  normaliter  bestehende  Knabenabersebuss  noch  gesteigert  werde.  Naeh  Dohsn 
ist  das  (tesehlechtsverliiiltniss  der  Neugeborenen  in  Deutschland  folgendes: 
lue,  Knaben  zn  lOO  Miideben.  Nach  DoHRX  steigt  die  Zahl  der  Kn.ihen  bei  engem 
Be<-ken  auf  1(M_)  ;>,  naeh  AliLFKLD  auf  ISH  (bei  raehitisehem  Beeken  sogar  auf  1^0), 
nach  Olshadsen  sogar  bis  auf  147.  Eisenhart  konnte  dieses  Anstelgen  des 
Knabenflbersehusses  bei  osteomalaeisehem  Beeken  nioht  nachweisen.  Mir  Ist  es 
vollktimmen  nnverstUndlich,  wie  so  man  Befruehtungsvorgllnge  und  längst  abgelaufene 
Kno<'henerkrankungen  (denn  das  emre  Beeken  ist  Ja  in  der  l'eberzahl  der  Ffllle 
das  i'roduct  der  letztereuj  mit  ciuaudcr  iu  eine  Wechselbe/ieliuug  bringen  kann. 
Bei  dem  osteomalaolsehen  Beeken,  bei  dem  die  Krankheit  der  Knochen  in  der 
Regel  noch  tlorirt,  könnte  man  noch  am  ehesten  an  eine  solche  Weehselbeziehung 
denken,  gerade  hier  ist  al)er  an  eine  solche  naeh  MrsRN-TtART  nieht  zu  denken.  Damit 
fUlt  auch  diese  ganze  Hypothese  in  ihr  Nichts  zu^ammeu. 


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BBOKBN,  81 

Im  diagDOitiMher  Boiiehim;  ist  bosflglieh  der  krtiteii  Jahr»  nielit  yiol  la 
vermelden.  Fallot'i*)  macht  daranf  aufmerksam,  dass  die  OiOuenverhlltaiase  dee 

Sch.imbogeng  Kdckschlüsse  auf  die  Weite  des  Heckencanalea  gestatten.  Einem 
engen  Becken  entspricht,  ausfrenommen  bei  dem  kyphotischen  Reeken,  eine  Raum- 
bescbr&nkang  im  Beekeneiugange  und  der  Buckenenge.  Balandin  wieder  bebt 
hervor,  daas  der  xweite  der  von  ihm  gefQDdenen  beiden  Typen  dee  normalen 
Beekens,  jenes  mit  dem  tiefttehenden  Promontorium,  hinfiger  bei  den  engen  Beeken 
sn  finden  sei. 

Bekanntlich  hängt  das  Urtbeil  Uber  die  Prognose  der  Geburt  bei  engem 
Beeken  in  erster  Linie  von  der  genauen  Keontniss  der  Beekenmaaase  und 

der  Crösse  des  FmchlJcopfes  ab.  Leider  lässt  sich  nur  die  Oonjugata  vera 

annähernd  genau  messen ,  die  queren  und  schrägen  Durehmesser  vermögen  wir 
nur  approximativ  abzuschätzen.  Letzteres  gilt  in  noch  höherem  Mattae  von  den 
Durchmeaaern  de»  Fruchtkopfes.  Um  diesen  L'ebelatlnden  wenigstens  theilweiae 
absohelfen,  prflft  P.  MOllkr**)  sehon  frtthaeitig  wfthrend  der  Gravidität  das  Yer- 
hältnisH  des  Fruchtkopfes  zum  Becken.  Er  verfährt  dabei  derart,  dasa  er  zuerst 
den  Halstheil  und  die  Hinterhauptsgegend  der  Frucht  von  aussen  durch  Palpation 
aufsucht.  Dies  gelingt  leicht.  Dann  drückt  er  den  ungefähr  iu  die  Mitte  ein- 
gestellten Kopf  haaptslehlieh  vom  Oeoipnt  her  atlmKlIg  in  der  Riebtung  der  Beeken* 
aehse  in  den  Beckeneaaal  hinein.  Er  lässt  den  Kopf  von  aussen  von  einem  Gehilfen 
fixiren  und  «Mmtroürt  von  der  Vagina  her,  ob  tlvr  Kopf  wirklich  tiefer  tritt,  ob 
er  das  Promontorium  pasäirt  oder  ob  nur  eine  Rotation  desselben  stattfindet.  Bei 
bedeatenden  meehaniaehen  Missverhftltnissen  laaat  sich  Iddrt  eonstatlren,  wie  der 
Kopf  mit  der  grOaaten  Periplmie  Über  dem  Beeken  stehen  bleibt,  ja  sogar  die 
Gegend  oberhalb  der  Symphyse  hervorwölbt.  Die  Daner  des  ansgellbten  Druckes 
beträgt  1  —  1'  ,  Minuten  und  ist  die  angewandte  Kraft  keine  sehr  grosse.  Der 
Widerstand  ist  individuell  sehr  veröchicdcu.  Manchmal  ist  es  nöthig,  die  Schwangere 
SU  narkotisiren.  Eine  derartige  Bestimmung  der  riumliehen  MiasTerbiltniase  awiaehen 
Beeken  und  Kopf  ist  namentlich  dann  wichtig,  wenn  es  aioh  um  eine  eventuell 
einzuleitende  FrüliLrtburt  liandelt  und  insbesondere  dann,  wenn  man  über  die 
Schwangerschaüsdauer  nicht  im  Klaren  ist.  Scheint  die  künstliche  FrUhgeburt 
indidrt,  ao  wird  das  yerfahm  alle  8 — 10  Tage  wiederholt  und  dann  operirt, 
wenn  sieh  der  Kopf  eben  noch  in  das  Beeken  eindrücken  Iflast.  Der  richtige  Zeit- 
punkt zum  Operiren  liegt  dann  vor,  wenn  der  Kopf  sich  nur  so  weit  in  daa 
Becken  eindrücken  lässt .  daas  er  die  Symphyse  noch  um  1  Cm.  Uberragt.  Das 
untere  L'terinsegment  behindert  dieses  mechanische  Verfahren  nicht.  Mit  Gefahren 
ist  dieses  Verfahren  nieht  verbunden.  BbOhl  der  das  HOLLBR'sehe  Verfahren 
weiter  verfolgte,  fand ,  daas  sich  unter  normalen  Verhältnissen  des  Beckena  der 
Kopf  in  der  Regel  so  tief  eindrücken  lässt,  dass  nur  ein  geringer  Theil  seines 
Umfaoges  über  der  Symphyse  zu  fühlen  ist.  Ein  autfallend  abweichendes  Verhalten 
spricht  fnr  eine  Beekenanomalie.  Bei  weitem  Beeken  nimmt  die  Eindrfldtbarkeit 
des  KopttM  mit  vorschreitetider  Gravidität  zu,  da  der  hemmende  Einfluss  der  Grössen- 
aunahme  desselben  durch  ein  Tiefertreten  flbercompensirt  wird.  P.ci  cngcni  Recken 
dagegen  nimmt  sie,  eutsprecbeud  der  Graviditätsdauer,  ab.  ivann  man  den  Kopf 
auch  nur  annähernd  zur  Hälfte  in  den  Beckencanal  eindrängen,  so  lässt  sich 
annehmen,  dass  die  Geburt  bei  guter  Moskeltlifttigkeit  spontan  verianfen  werde. 
Eine  geringere  Findrilckliarkeit  beweist  jedoeh  nieht  nothwendig,  dass  die  Geburt 
Kunsthilfe  erheischen  werde  und  lässt  sich  in  dem  Falle  ein  bestehender  Zweifel 
eher  in  gutem  Sinne  deuten.  Isur  dann,  wenn  der  Kopf  trotz  dem  angewandten 
Drucke  sieh  Aber  die  Symphyse  bedeutend  vorwftlbt,  kann  man  sieher  annehmen, 
dass  ihn  selb.st  eine  bedeutende  Webeuthätigkeit  nicht  durch  das  Becken  bringen 
werde.  Hier  ist  dciiitiacli  sofort  die  Frühgeburt  einzuleiten.  Rathsam  ist  es  aber, 
aie  auch  da  einzuleiten,  wo  der  Kopf  eindrUckbar  ist,  aber  nur  mit  einem  iäeg- 
mente,  welehea  dner  Hälfte  des  Kopfes  bedmitend  nsclisteht,  da,  wie  erwähnt, 
die  Eindrflekbarkeit  des  Kopfee  bei  engem  Becken  mit  vorsetmitender  Gravidität 
Eacgrdbpw  JahrUeher.  in.  6 


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82 


BECKEN. 


abDimmt.  Im  Gedächtnisse  zu  behalten  ist,  dass  der  Kopf  bei  en^em  Hecken 
in  der  er^teu  Gravidität  nur  in  einem  Drittel  der  Fälle  in  das  Becken  eintritt 
nnd  fast  nie  den  Eingang  desselben  Ubersehreitet,  sowie  dau  dies  bei  wieder- 
holter Schwnn^endiaft  in  noch  weit  höherem  (ürade  stattfindet  nnd  sich  mit  der 
Zahl  der  Schwniifrerso|i;if(eii  rapider  steigert.  Oestfltzf  atif  ein  Material  von 

715  Geburten  bei  eii^jeni  Becken  aun  der  Bemer  Klinik,  versucht  KuMMEa''*^,  die 
Prognose  bei  engem  Becken  festzustellen.  Er  findet,  daas  die  Prognose  bei  der 
sweiten  Geburt  am  ^nttigsten  ist,  weil  bier  der  Widerstand  der  Weiebtlieile 
durch  die  erste  Geburt  pchon  {rebrochen  ist,  andererseits  aber  die  für  die  Geburt 
ungtlnsti^en  Genital  Veränderungen,  wie  sie  niehrfaehc  Geburten  bedingen,  bei  Zweit- 
gebärenden noch  nicht  so  stark  ausgebildet  sind ,  wie  bei  den  anderen  Mehr- 
gebärenden und  aneb  der  Fruebtkopf  noeb  niebt  so  gross  geworden  ist,  yrie  bei 
späteren  Geburten.  Die  Mortalität  der  Hebrgebärenden  ist  eine  höhere,  als  die  der 
Primiparen.  I'nrallel  «iainit  ist  die  Operationsfrequenz  bei  Pluriparen  eine  höhere, 
als  bei  Primiparen.  Umgekehrt  ist  das  Mortalitätsprooent  bei  den  Früchten  Primi- 
parer  ein  höheres,  als  heA  denen  Ploriparer. 

Wohl  in  das  Capitel  der  Prognose  der  Frueht  bei  engem  Beeken  fallen 
cinifre  Arlieiten.  welche  das  Verhältniss  gewisser  Durchmesser  des  Fruchtschftdels 
und  des  inütlerlielien  Schädels  behandeln,  x.  Sai.kowski  • '  sucht  wegen  l'nmöglich- 
keit  einer  directen  Messung  des  Fruchtkupt'cs  durch  Messung  des  Kopfes  der  zwei 
Tage  alten  Neugeborenen  das  Verhältniss  swisehen  dem  Kopfe  der  Pmebt  nnd 
dem  der  Mutter  an  eruiren,  um  dadurch  die  erwähnte  LQcke  wenigstens  einiger- 
massen  atiszufüllen.  P>  findet,  dass  der  Schädel  der  reifen  Frucht  eine  anf- 
fallende  AehuU  :  keit  mit  jenem  ihrer  Mutter  besitzt,  namentlich  in  der  Ausbildung 
der  £Mieitdb«iobOeker,  und  dass  in  der  Ifebrsabl  dw  Fälle  die  Diameter  bü«m- 
poraU»,  hiparietalü  und  mibocciitito-hregmtUicus  von  denselben  der  erstgebärenden 
Mfltter  um  .'»  und  5  5  Cm.  .'iltwcichen.  Der  Sehitdcl  der  frühgeborenen  Frucht 

zeigt,  je  grösser  letztere  ist,  eine  desto  grössere  Aelinlichkeit.  Der  Diameter 
bi'par letalis  erreicht  am  frühesten  seine  Grosse.  Der  Diameter  bitemporalia  zeigt 
eine  geringere  Gleiebmäsugkeit  und  hält  mit  dem  Wachsthume  des  biparielalit 
nicht  immer  gleichen  Schritt.  BacUB*")  andererseits  wieder  ist  der  Ansieht,  dass 
die  Aehnlichkcit  zwischen  dem  Schädel  der  reifen  Frucht  und  jenem  seiner  .Mutter 
nur  für  die  hintere  Scbädelhälfte  gelte.  Gleichzeitig  studirte  er  auch  die  Form- 
verändernogen,  die  der  Fruebtkopf  dureh  den  Durchtritt  dareb  das  normale  nnd 
enge  Bocken  erführt.  Diese  rinforinung  des  Kopfes  besteht  in  einer  that^ächlichen 
GrOssenabnahme  desselben  ,  die  alier  dnreli  eine  Abtlji<'hun;r  des  (iehirnseliädels 
compensirt  wird.  Wegen  der  grö.sjjoren  Anzahl  von  Nähten  und  der  Weite  der 
grossen  Fontanelle  ist  die  Grössenabnahme  am  Vorderschädel  bedeutender,  ab 
am  Oehimschädel.  Sie  ist  demnaeb  am  kleinen  sehrägen  und  am  kleinen  queren 
Durchmesser  am  ausgeprägtesten.  Bei  regelmässigem  Hecken  und  normal  grossem 
Kopfe  wird  letzterer  in  seinem  Durehtritte  nicht  durch  das  kn«u'herne  Hecken 
gebindert ,  sondern  durch  die  letzteres  auskleidenden  Weichtheile ,  uud  zwar  im 
Eingange  und  Ausgange.  Die  Grössenabnahme  des  Kopfes  in  der  Querriebtnag 
entsteht  wabnMsheinlich  im  Be<-keneiii<range ,  jene  des  kleinen  schrägen  Dareh- 
messers  lungegen  im  Ausgange.  Jede  Ktirin  des  engen  Beckens  giebt  dem  Kopfe 
eine  bestimmte  Umformung.  Hei  eintach  plattem  Becken  wird  der  kleine  (^uer- 
durehmesser  hochgradig  verengt,  bei  allgem^  ▼erengtem  platten  dagegen  der 
grosse  qwte  Durchmesser  und  ausserdem  noch  der  gerade.  Ed  diesen  Form^ 
vcrengernn;;en  wird  auch  das  V«dumen  des  Kopfes  vermindert,  und  zwar  in  Folge 
der  .Möj:lieiikeit  des  Ahflnsst-s  des  Hintes  und  wahrscheinli<'h  auch  der  Cerebro- 
spinaltiUssigkeit.  Wo  dies  uiciit  geschehen  kann,  wie  bei  der  Gesicbtslage,  kommt 
statt  dessen  eine  ansgleiehrade  Vwlängemng  des  Kopfes  in  der  Riebtang  der  die 
Znsammen pressung  kreuzenden  Durchmesser  zu  Stande. 

Nahe  stehend  der  H.ÄCKER'sehen  Arbeit  ist  jene  Cohxstein's '''),  die  sich 
damit  beschäftigt ,  nachzuforschen ,  welchen  Einflass  schwächerer  oder  stärkerer 


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BECKEN. 


83 


Druck  anf  die  nicht  comprimirten  Schfldeldurebmesser  ausübt.  Bei  Compression  im 
geraden  Durchmesser  bleibt  der  quere  unveriludert  in  5*>  q  ,  wird  länger  in 
liOo/o  oder  kürzer  in  25^0'  BOo/q  aller  FAlle  ist  bei  Verkürzung  des  geraden 
DnrehiDeiMn  mn  0'25 — 1*S  Cm.  dne  Verlangening  des  qnereo  niebt  naehtralBbar, 
Der  biparietale  Dar^messer  nimmt  im  Milte!  nur  um  0*18  Ctn.  ab.  Die  Ver- 
längerung des  queren  Diamrti^rs  hflngt  von  der  Kopfform  und  der  Stärke  des 
Druckes  ab.  Bei  Druck  auf  den  queren  Durchmesser  bleibt  der  gerade  in  50% 
der  Fälle  unverändert.  Wird  der  gerade  and  quere  Darohmesser  eomprimirt,  so 
Bimnit  der  lenkreehte  an  Linge  sn.  Hubbat  kam  so  xiemlioh  sa  den  ^eiehen 
Ergebnissen ,  denn  er  fand ,  dass  sich  der  Kopf  bei  Ci>mpression  des  geradea 
Durchmessers  nicht  im  queren,  sondern  im  senkrechten  verlltrii^erc. 

Aknott  '•'')  hebt  hervor,  dass  die  Kinder  der  indiauerinneu  im  Mittel  um 
ein  Pfund  leiebter  sind,  als  die  der  Europierlnnen,  in  Folge  dessen  bei  ihnen, 
wenn  ein  enges  Bocken  m.fsHigen  Grades  da  ist*  die  Geburt  kanm  ersehirerfc 
irtrd.  Aehnlich  vprhflit       >iich  hei  Zisrcnnerinnen. 

Was  die  Therapie  des  engen  bcokens  anbelangt,  so  bewegt  sich  dieselbe 
in  den  letalen  Jabren,  abgesfllieB  ▼on  «nigen  neu  eingeschlagenen  Wegen  (von 
denen  speciell  noeh  CrwAhnnng  gemaebt  werden  soll)  bezüglich  der  häufigst  vor- 
kommenden Formen  do-s  en^'cii  Heekena.  leirier  immer  nop]i  in  dorn  Hannkreise,  wann 
die  künstliche  Fnili;rt'burl ,  wann  der  Kaisi-r.schnitt ,  wann  diu  zerstUfkeiudou 
operativen  Fingriffe  iudicirt  sind  und  ob  letztere  nicht  durch  den  jetzt  so  günstige 
Resnltate  ergebenden  Kaisersebnitt  zn  ersetzen  seien,  trotxdem  dem  nflebtern 
Denkenden  scbon  längst  klar  sein  muss,  dass  die  Grenzen  der  Indicationen  der 
einzelnen  operativen  P^ingritTe  nicht  so  haarscharf  gezogen  werden  kfinnen  und 
dieselben,  so  weit  sie  eben  ziebbar  sind,  schon  längst  gezogen  wurden.  Es  rächt 
•ich  der  Gebt  des  Sebematisirens,  der  hineingetragjn  wurde  in  die  Indioationen 
znr  Yomahme  operativer  Kingriflc  bei  Gegenwart  des  engen  Beckens. 

So  weit  aU  iiiflit  von  den  oiiizclncii  Formen  des  cii^en  Beckens  gesprochen 
■wird,  sondern  nur  von  der  Therapie  des  en^en  Beckens  überhaupt,  wäreu  folgende 
Publicationen  zn  nennen.  Zu  erwähnen  wäre  nur,  dass  unter  diesen  die  deutsehen 
die  Mehriahl  bilden. 

Ramdohr  "0)  plaidirt  bei  mä<sig  verengtem  Becken  für  ein  exspectatives 
Vcrfaliren.  Loxc.akkr  *  ')  ist  für  die  Auwendung  der  hohen  Zan^e,  ebenso 
iNUKKäLEV.  '^'■^)  Letzterer  empfiehlt  die  Aehsenzugzango,  führt  sie  nicht  zum  Ziele, 
80  Ist  eventuell  sii  perforiren,  aber  nieht  zu  wenden.  Aneh  Sloan  >*)  Ist  für  die 
Zange  und  nur  dann  für  die  Wendung,  wenn  hiersu  eine  specielle  Indicatioa  vor- 
liegt, wie  beispielswei.se  ein  Prolapsun  de^  Nalielstrange«.  eine  Plncpnia  praevia^ 
eine  Gesichtslage,  ein  Vorfall  des  Nabelstrauges  oder  einer  Extremität,  wobei  das 
O»  oeciput  oberhalb  der  engeren  Beekenhftlfte  liegt  Gbapow  legt  die  Ausgangs- 
sänge  erst  dann  an,  wenn  der  Kopf  ganz  im  kleinen  Becken  steckt,  der  Mutter^ 
inund  erweitert ,  das  Was«er  abgeflossen  ist  und  eine  bestimmte  Indication  von 
Seite  der  Mutter  oder  I^Viidit  vorliegt.  Die  holie  Zin;:;e  ist  nach  ihm  dann 
angezeigt,  wenn  der  Kopf  mit  .seinem  grössten  Durchmesser  in  die  enge  Stelle  des 
Beekens  eingetrieben  wurde,  um  die  Natarkrftfte  nu  unterstHtaen.  Die  Wendung 
ist  bei  Primiparen  mit  mittlerer  Beckenenge  nur  dann  angezeigt,  wenn  eine  absolute 
Indication  vorlicfrt.  soM!^t  ist  der  sj)ontane  Verlauf  abzuwarten.  Wurde  die  Wendung 
vorgenommen,  so  richtet  sich  die  Trennung  derselben  von  der  Extraction  nach  dem 
Yoili^;enden  Falle.  Hkonicb  >>)  ist  für  das  Zuwarten,  nieht  aber  fflr  die  Wendung. 
Naobl^')  dagegen  ist  bei  engem  Becken  ohne  Unt^rseheidung  dessen  Form  (ob 
platt,  allgemein  gleiclimässig  verengt  oder  allgemein  verengt  platt)  für  die  Wen- 
dung sowohl  l»ei  Primi-  als  bei  Pluriparen,  ohne  darauf  zu  warten,  bis  der 
Muttermund  vollständig  verstrichen  ist,  selbstverständlich  aber  in  dem  fttr  die 
Wendung  gflnstigen  Zdtpunkte.  Bodsqobt  "v)  geht  noeh  weiter  und  wendet  scbon 
in  der  Schwangendiaft  anf  den  Steiss  und  will  diese  rectiticirte  Fruohtlage 
nittelst  Bandtgen  fixirea.  Hierauf  soll  die  Frühgeburt  eingeleitet  oder,  wenn 

6» 


84 


BECKEN. 


Letzteres  versäumt  wurde,  späterhin  die  Zange  angelegt  werden.  LeOPOLD-Löh- 
MANN  tlberlässt  die  Geburt  bei  allgeiuein  verengt-plattem  Beciceo  bis  zu  7*5  Cm. 
vnd  bd  plattem  Ms  so  7*0  Gm.  Conjugata  veraj  w  lange  es  aieh  am  mittel- 
grosse  reife  Früchte  handelt,  den  Naturkräften.  Wird  ein  operativer  Eingriff 
durchaus  nötbig,  so  ist  die  Wendung  und  Kxtraction,  beziehungsweise  die  Zauge 
uad  Perforation  vorzunehmen.  Bei  ungünstigem  Ausgange  für  die  Frucht  ist 
das  niebst«  Mal  die  kflnstUdie  Frflhgebort  einsolaitno.  ffio  Freund  dar  kflnst- 
lioben  Frflbgeburt  ist  ScHÖNBBBO  >*) ,  nnd  swar  bei  einer  Läuge  des  kflriestea 
Diamoters  von  7  5 — 7  Cm.;  unter  diesem  Maasse  soll  die  Sectio  caesarea  vorge- 
nommen werden.  Auch  Fi!ll^LI^•G '"),  Löhlein und  Duhun  sind  (bei  einer 
Conjugata  vero^Länge  von  8 — 7  Gm.)  für  die  Frühgeburt,  ebenso  wie  Lawson 
Tait'*)  (bei  einer  Conjugaia  v0ra>Länge  yoa  3~8Vs  Zoll)  and  Ahlvkld'«) 
(der  deren  untere  Grenze  bei  einer  Conjugata  yera-Länge  von  7  Cm.  sieht). 
Calüerim  '■)  setzt  die  untere  Grenze  der  einzuleitenden  Frühgeburt  bei  rachiti- 
schem Becken  auf  eine  Conjugata  vera-Uka^  von  7*5  Cm.  fest  und  als  obere 
Grense  bei  niebt  raebitisebem  engen  Bedien  aaf  8'5  Gm. ,  dodi  bebt  «r  hierbei 
hervor,  dass  nach  seiner  Erfahrung  deren  Ergebnisse  für  die  Frflehte  kein  günstiges 
sei.  LÖHI.KIN  zieht  die  künstliche  Frühgeburt  der  Sectio  caenaren  vor,  weil  das 
Mortalitätiiproccnt  bei  ersterer  Operation  immer  noch  ein  günstigeres  ist  als  bei  der 
zweitgenanoten  fvie  S'2 : 8'6).  Ijbopold-Kobn  ist  der  Ansicht,  dass  die  kflnstliebe 
Frühgeburt  bei  allgemdn  Teren|^plattem  Beeken  bis  7*5  Gm.  Conjugata  vera^  bei 
decken  ohne  ([iiere  Verengung  bis  zu  7  Cm.  Conjinjatti  vern ,  in  der  bis 
3ü.  Si'hwaiiger.schaftswoche  angezeigt  sei.  8ei  dieser  Zeitpunkt  verstrichen,  so  habe 
man  auf  die  Maturkräfte  zu  warten  und  bleiben  diese  aus,  so  komme  die  Weu- 
dnog  and  Ezbraetien,  respeetive  Zange  and  Perforation  aar  Spraebe. 

Bei  der  noch  immer  ziemlich  lebli  iftcn  Disoossion,  ob  der  jetzt  gegen 
frfiher  so  auflallend  gtinstige  Resultate  abgebende  Kaiserschnitt  der  Craniotomie, 
namentlich  aber  dieser  bei  lebender  Frucht  vorzuziehen  sei,  neigt  sich  die  Mehr- 
xabl  der  nambafteren  Gyaikologen  dodi  niobi  dahin ,  die  Büedo  caeaarea  der 
Craniotomie  unbedingt  vorzuziehen  und  nntersdieidet  liei  dem  Kaiseraeboitte  die 
bedingten  und  unbedingten  Indicalionen. 

PsAiiciKU-LEoroLü '"j  meint  mit  Kecht,  dass  die  Craniotomie,  selbstver- 
stindlich  unter  strengsten  aseptischen  Cautelen,  denn  doch  weit  bessere  Resultate 
als  der  Kaisersobnitt  ergebe,  da  sie  die  Hntter  weniger  geflibrde.  Ebenso  spriebt 
sich  Lkoi'oli)"")  aus,  dass  man  denn  doch  noch  nicht  die  Sectio  caesarea  an 
die  Stelle  der  rerforation  der  lebenden  Frucht  stellen  könne.  In  nahezu  gleicher 
Weise  drückt  sich  Wvdkk''")  aus,  indem  er  sagt,  man  sei  noch  immer  nicht  so 
weit,  dass  die  Sectio  caesarea  die  Graniotomie  der  lebenden  Fraeht  ersetaen 
könne.  Der  Werth  des  Kaiserschnittes  sei  nicht  zu  überschätzen  und  bleibe  diese 
Operation  vor  der  Hand  nnch  eine  klinische.  Die  besten  Chancen  gicbt  noch 
immer  die  Craniotomie  bei  lebender  Frucht.  Das  Gleiche  äussert  Gottscualk.  'i) 
Nach  Griffith  Swaimb  *>)  ist  die  CraniotoBÜe  nicht  an  umgehen.  Sie  UA  wenigw 
gefährlich  als  der  Kaiserschnitt.  Ed  dner  Conjugata  vera  von  3 — 4  Zoll  bt  bd 
lebender  Frucht  die  Zange  oder  Wendung  vorzunehmen  ,  die  Craniotomie  jedoch 
nur  bei  abgestorbener  l'nicht  und  st  i  sie  das  ultimiim  refagium.  Ist  die  Conjugata 
vera  kürzer  als  3  Zoll,  so  soll  die  Sectio  caesarea ,  aber  nicht  die  Craniotomie 
vorgenommen  werden.  EasBBS^*)  hilt  die  Perforation  gleichfalls  für  weniger 
<.<  t  ilirüch.  Vielleicht  wird  in  Znkisft  dmnal  dieses  Verhältniss  ein  umgekehrtes 
und  dann  etwa  die  Stctio  caesarea  vorzuziehen  sein.  Bis  jetzt  sei  dies  noch  ni<  ht 
der  Fall.  Nach  PiiiLiprs '''j  ist  die  Craniotomie  gegenüber  der  Sectio  caesarea 
nicht  sa  verwerfen.  Beblin  raeint,  der  Eaisersehidtt  sd  swar  nach  Anafübrong 
and  Resultaten  erneut  und  rehabilitirt,  doch  sd  es  noch  immer  nicht  au  der  Zdt, 
ihn  gänzlich  an  die  Stelle  der  ViTklciiicriingsniierationen  zu  setzen.  Er  nifts-;(>  bis 
auf  weiteres  noch  eine  Ausuahmsoperation  bleibeu.  Auch  HrOE'^'')  erklärt  ihn  aU  eine 
noch  immer  gefiihrliche  Operation.  E.  v.  Braun-Febnwald  und  K.  v.  Hebzfeld 


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BECKEN. 


85 


sind  der  Ansieht,  dai^s  die  Craniotomie  der  lebenden   Frucht  nur  dann  durch 
den  relativ  indicirten  Kaiserschnitt  ersetzt  werden  kann,    wenn  die  Mutter  <\icn 
im  Interesee  der  Frucht  selbst  verlangt.    Da  bei  einer  Länge  der  Conjucjata 
Vera  von  Uber  8  Om.  viele  gut  entvk^elte  Frflchte  mittelst  der  Wendnog  oder 
Zange  entwickelt  werden  können,  darf  die  Greue  fOt  den  relativ  indicirten  Kaiser- 
schnitt nicht  willkdrlich  ansp^edebnt  werden  und  erscheint  ein  solcher  operativer 
Eingriff  bei  einer  Länge  der  Conjugata  vera  von  8'ä  Cm.  und  darüber  als  ein 
gewagtes  Spiel  mit  dem  Leben  der  Matter  zu  Gunsten  der  Fmeht.   Bei  einer 
Coiiiinjata  vera  von  über  6  Cm.  wird  aber  auch  weiterbin  die  Craniotomie  als  ein 
indicirter  Eingriff  erseheinen,  wenn  es  nicht  möglich  ist,  ohne  nef/ihrdung"  der 
Mutter  die  Frucht  zu  extrabiren  oder  wenn  die  Aussichten  auf  das  Lehen  der 
Fracht  geschwunden  sind.  Der  eonservative  Kaiserschnitt  wird  daher  nur  sehr 
selten  an  die  Stelle  der  Craniotomie  gesetst  werden  können.  Aaeh  Piskaöbk««) 
heisst  den  Kaiserschnitt  nur  dann  isrut,  wenn  bei  Gegenwart  g^Unstigor  .tus.^erer 
Bedinfjun^en  für  die  Vornahme   dessellten  die  Oewiiuninfr  einer  lebenden  Frucht 
per   vios  naturales  auch  bei  längerem  Zuwarten  nicht  zu  erwarteu  steht ,  die 
Matter  jedoeh  dringend  ein  lebendes  Kind  wnnseht,  nach  wenn  sie  die  Gefahren 
des  Kai^ersehnifcies  Icennt.   Im  Principe  ist  er  dafDr,  den  Kaiserschuitt  nur  bei 
Pluriparen   vorziinfhmen ,    wenn   die    vorangegangenen   (iehurten    todte  Kinder 
ergaben.  Bei  Primiparen  käme  er  nur  dann  in  Betracht,  wenn  sich  schon  im  (ieburts- 
b^one  Zdehm  einer  starken  Collnmdebnnng  und  drobender  Uterusruptur  ein- 
stellen. In  allen  anderen  Flllen  ist  die  Perforation  der  lebenden  Frucht  nicht 
nur  angezeigt,   sondern  geradezu  PiKK-ht  de^  Arztes.   Nach  Grapow '*'•)  ist  l«ei 
abgestorbener  Frucht  möglichst  bald  zu  [icrforiren  und  bei  lebender  dann,  wenn  die 
Mutter  sich  in  Gefahr  betiadet  und  ittziere  weder  mittels  der  Zange,  noch  mittels  der 
Wendung  rasch  beaeitigt  werden  kann.  Der  Kaisemehnitt  bei  relativer  Indieation 
ist  nnr  dann  berechtigt,  wenn  er  keine  grössere  Mortalität  im  Gefolge  hat,  als 
andere  geburtshilfliche  Operationen,  als  Geburten  überhaupt  haben.  Dies  ist  aber 
bisher  nicht  der  Fall,  denn  die  künstliche  Frühgeburt  und  seihst  die  I'erforatiou 
ergeben  heute  noch  immer  bessere  Resultate,  als  der  Kaisersehnitt.  Wegen  relativer 
Indieation  darf  letzterer  Eingritf  nur  bei  Verheirateten,  die  ein  lebendes  Kind 
wünschen  und  denen  die  Gefahren  der  Operation  auseinandergesetzt  wurden,  vor- 
genommen werden,  bei  Ledigen  dagegen  nicht.   Nicht  viel  anders  äussert  ^ieh 
J.  Taber  Johnson.       Ebenso  ist  fittr  die  Craniotomie  trotz  der  jetzigen  guten 
Reealtate  des  Kafsersehnittee  Donald.      Weniger  wondert  dies  v.  BLAiec  **)  und 
Gaularo       die  gleicher  Ansieht  sind,  da  bekanntlich  die  Franzosen  keine  grossen 
Freunde   des    Kaiserschnittes  sind.    Als  tintero  Grenze   der  Fruchtzcrstilekelung 
nimmt  er  eine  Conjuynta  vera-L&nge  von  4  Cm.,  eventuell  selbst  noch  eiue  kürzere 
Lange.  Bei  weniger  gesohiekten  Operateuren  seist  er  die  untere  Grenze  bei  einer 
Lunge  der  Conj»gata  vera  von  6  Cm.  fest.   Klbwitz      hnlt  den  Kaiserschnitt 
für  unbedingt  angezeigt,  wenn  die  (.'onjuf/fifa  vpra  auf  6  Cm.  her.ibgesunken  ist. 
Bei  Primiparen  ist  die  Operation  im  AUgemelueu  nicht  zu  machen,  bei  Pluri- 
paren  nur  dann,  wenn  anderweitige  Hilfe  noeh  keine  lebenden  flehte  ersäelte. 
Baenes     ist  nur  fUr  die  absolute  Indieation  dea  Kaisersehnittes,  sonst  aber  für 
Craniotomie.    Sror  z '"')  meint,  bei  plattem  und  allgemein  vereiiütetti  necken  sei 
bei  einer  L;in;r«'s    der  ('nnjufjntn  di'ncjonahs    bis    inchi.sive  0  ("in.   die  kilnstiiche 
Frühgeburt  in  der  IJö.  Woche  angezeigt,  lutra  partum  warte  mau  zu.  Trete  aber 
eine  Gefahr  fttr  Mutter  oder  Frucht  ein,  so  greife  man  cur  hohen  Zange.  Bleibt 
die  Anwendung  der  letzteren  resultatlos,  so  sei  zu  perforiren.  Die  Sectio  eaeaarea 
sei  hier  zu  verwerfen.    Bei  einer  L.Inge  der  (^oi,  jiKjata  (Iia(/oiiah'.<  von   7  Cm. 
sei  die  Wahl  zwischen  I'erforation  und  Kaiserschnitt  der  Muttor  zu  Uberiassen. 
Unbedingt  indieirt  sei  dagegen  die  Sectio  caesarea  bei  einer  Beekenverengerung 
4.  Grades. 

Anilercrst  its  ist  aber  auch  die  .Anzahl  jener  Hyn-Ikologen ,   welche  dem 
Kaiserschnitte  weitere  Grenzen  ziehen  wollen,  keine  so  geringe.  Nach  HüFiiAXN 


86 


BBOKBN. 


ist  die  Sectio  caesarea  ebeaso  berechtigt ,  wie  die  Craoiutumie  und  Watu£W'  *<^) 
molDt,  die  Sectio  caegarea  sei  der  Graniotomie  vomudebeii,  anagtnommen  bei 

todter  Frucht  und  relativ  weitem  Recken.  Detersianx  * ')  erwartot»  das»  die 
ptinsti^rn  Picsiütate ,  die  der  Kui.sersrlinitt  jetzt  er.irielit ,  hoHen  lassen ,  d.-iss  die 
FerCuratiuu  in  Zukunft  »ehr  eiogescbränkt  werden  dürfte.  Gegen  die  Craniutumie 
bei  kbender  Fmebt  «ad  Air  den  Kaisersobuitt  spreekeo  sich  IIortoombrt  i"»), 
Rbadmaw»*),  Caruso  Hbadows'«*),  Wbtduch^«*),  Hdbdooh  Cahkbok 
Lebedeff  108*^  BusEY »")  und  Candela'"^},  sowie  SÄN'OERio^)  aus.  Noch  weiter 
gehen  D.  von  Velitz""),  Dohronranow  '  "j  uud  MuB&AY  ^^^j,  die  deo  Kaiser- 
sibuitt  der  Craniotoniie  Uberhaupt  vurziebeu. 

DObbssbn  "*)  maebt  diuraof  anfmerksam ,  daaa  die  GebartaencbwwQnff 
bei  dem  allgemein  verengttn  Beoken  nieht  allein  auf  den  räumlichen  Missverhiilt- 
nissen  beruhe,  sondern  auch  von  der  Weheusehwadie  .  die  hier  davon  herrdhre, 
das8  eine  mangelhafte  Uterusmuskulutur  da  sei ,  entsprechend  dem  auf  einer  in- 
fantUen  Entwicklungsstufe  stehen  gebliebenen  Becken.  H&nfig  6ndet  sieh  gleich- 
zeitig eine  aun'allenilu  Hi<i:idität  der  Weichtheile  und  cioo  Enge  des  Intruitus. 
Er  rathet  bei  dieser  Beokenditrorujitiit  im  Alltrenieineu  ein  ex-äptetatives  Verfahren 
an  und  glaubt ,  mau  tiolle  nur  dann  activ  tingreifen ,  wenn  eine  Hinterscbeitel- 
beiueiostelluDg  da  sei,  wenn  der  KabcUtraug  vorgefallen  sei  und  sich  nicht 
reponiien  lasse  oder  wenn  eine  Querlage  da  sei.  Er  empfiehlt,  die  Zange  su 
versuchen,  eventuell  zu  pcrforircu,  niobt  aber  zu  wenden.  Die  Frühgeburt  sei 
dann  angezeijjt ,  wenn  früher  todte  Früchte  geboren  wurden.  Hei  ])!att('m  Hecken 
indicirt  eine  Läuge  der  Cunjutfata  vera  von  b'ö  Cm.  absolut  deu  Kai^erhchuitt. 
Betrftgt  die  Linge  der  Conjuyata  vera  &*5— 8  Cm.,  so  ist  die  Perforation  der 
S  '/f>  caesarea  vortüsiehen.  BetrSgt  sie  dagegen  7—8-5  oder  8  5 — O  ö  ,  so  ist 
die  Frühgeburt  nur  dann  einzuleiten,  wenn  die  früheren  Geburten  reelitzeitijr 
UDgUuBtig  verliefen.  Am  Ende  der  Scbwaogerscbaft  ist  bei  noch  ballotireudem 
Kopfe  die  Wmidnng  anf  den  Fuss  xa  madien  nnd  die  Extraetioa  sofort  anxu- 
sebliessen.  Eventuell  ist  der  nachfolgeodo  Kopf  sn  perforiren.  Steht  der  Kopf 
schon  zu  fest  im  Heciten  oder  tritt  eine  bedeutendere  Dehnnnfr  des  unteren  Fterin« 
Segmentes  ein,  so  ist  die  Zaiiire  zu  applieiren.  WiXTER'**)  verhült  sich  bei  l'ri- 
mipareu  mit  plattem  Becken  exj^pectativ ,  weil  die  Nebenfactureu  —  Stärke  der 
Wehen,  Kraft  der  Banebpresse,  das  Zurüeksiehen  des  Uterus  Uber  die  Frueht, 
die  durchschnittlich  geriD^«  'irösse  der  Frucht  —  ein  Durchtreten  des  Kopfes 
oder  wenigstens  die  für  die  leichte,  hohe  Zange  günstige  Kopfstellimg  erwarten 
lassen.  Die  Wendung  ist  nur  dann  vorzunehmen ,  wenn  ein  Vorfall  des  Kabel- 
stranges nnd  ein  solcher  irreponibler  der  Eztremititen  da  ist,  wenn  dne  permanent 
ung(insti;re  Kopfdnstellung  besteht,  oder  wenn  ein  absoluter  CtebartSStillstand  da 
ist.  Der  Kopf  nuiss  aber  bewe;^]ich  sein,  l'.ci  Thiriparen  dajregen  soll  man  nicht 
langv  warten  und  bald  auf  den  Fuss  wenden ,  weil  der  Eintritt  des  l^opfes  un- 
wahracheinlich  ist.  Die  Berechtigung  zum  Kaiserschnitt  beginnt  erst  bei  einer 
Conjugata  vera  von  7  Cm.  E.  V.  Bbaun-Fbrnwald  und  v.  Hbrzbbbg>i*)  sind 
der  Ansieht,  da>^8  hei  plattem  Beeken  die  Wendung  noch  bis  zu  einer  Länge  der 
C<>i>  jii  (jiifa  rrra  von  8  Cm.  relativ  gute  Erfolge  ergebe.  Kventuell  könne  die 
Zunge  auch  noch  gute  Resultate  haben.  S.  Sloa.n  ^^"^^  weudot  bei  diesem  Becken 
auch,  nnd  zwar  bis  an  einer  Conjugata  r«ra-LAnge  ron  2'/4  Zoll.  Zuweilen  aber 
applieirt  er  eine  eigene  Zange  an  den  hoch  oben  im  Beckoneiogange  qucrstehea- 
den  Kopfe  und  eomprimirt  letzteren  mit  dem  Instrumente  von  vorn  nach  hinten, 
um  ihm  zu  ermöglichen,  die  enge  Stelle  zu  passireu.  Auf  diese  Weise  will  er 
die  Craniotomie  umgehen.  In  Ähnlicher  Weise  geht  Longakeb^^^  vor.  Bis  sn 
einer  Conjugata  vera-Lftnge  von  3^'«  Zoll  applieirt  er  die  Aeh-^enzugzange,  wenn 
die  Wehen  sehwach  sind.  Die  Wendiinir  beschrfhikt  er  auf  Fälle,  in  denen  das 
Hinterhaupt  oberhalb  der  engeren  Beckenhülfte  liegt,  in  denen  ein  KabcUtr&ug* 
prolaps  da  ist  u.  d.  m. 


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BECKEN. 


67 


£.  V.  BaAUN-J^'KRNWALD  uod  C.  V.  Herzbebo^i*)  bestimmen  als  Grenze, 
bU  sa  welcher  bei  «llgemeia  gleichmässig  vereagtem  Becken  noch  die  Wendaog 
▼orgenommen  werden  kann,  eine  Linge  der  Oonfugata  vera  von  8  Gm.  Samuel 
SLOAN^'*)  nftebt  bei  stark  allgen.ein  verengtem  Recken  einen  Zanfrcnvcrsuch, 
wenn  dieser  nichts  nützt  ,  so  craniotuoiirt  er  sofort  und  verwirft  die  Wendung 
unbedingt.  KlESfi'-*)}  bestätigt  die  Lehre  I.itzmann's,  dass  bei  allgemein  gleich- 
miBsig  verengtem  Beeken  die  Linge  der  Conjugaia  vera  nicht  unter  8  Om,  sinkt. 

lonerhalb  der  leisten  Jahre  aind  vier  neue  Behandlnngamethoden  hm 

engen  Becken  aufgekommen. 

Die  erste  ist  das  HüFM£i£K'sohe  Einpressen  des  Schädels 
in  das  Beeken,  nm  den  Dnrehtritt  des  Eopfes  dvroh  die  ver« 
engte  Conj ugata  vera  zu  nnteratütsen.  Torgenommen  wird  dieser 

Eingriff  in  der  Nnrkusc  nach  abgeridS.^ciion  Wftssern  und  liei  xorstrichener 
Cervix,  und  zwar  dann,  wenn  Wehenschwäche  da  ist  oder  eine  ludication  zur 
Geburtäbeendigung  vorliegt.  Dass  dieses  Verfahren  eiue  gewisse  Vorsicht  er- 
fordert, erweisen  die  von  Hübet  pnblidrten  Fllle.  Es  waren  deren  5,  8  be- 
trafen allgemein  verengte  Recken  platter  Form  und  2  nur  geringe  Beekenverenge- 
rnngen.  Von  den  5  Fffiolitcn  kamen  nur  2  lebend  zur  Weit.  In  einem  Falle 
fand  sich  eine  Gehirnhämurrbagie  und  in  einem  Falle  eine  Fractur  des  hinter- 
liegenden Scheitelbemes ,  9  andere  F&tle,  in  denen  dieses  Verfahren  angewandt 
wurde,  tbeilt  Holowko"")  mit.  Auch  DChrsssn"*)  empfiehlt  dieses  Verfahren. 

In  hr.ch.st  ingeniöser  Weise  umgeht  PROCHnwxicK  hei  cn^eiii  Rcckoii 
die  Einleitung  der  künstiicbeu  Frühgeburt  auf  die  Wei^e,  dass  er  das  Wachsthum 
der  Frucht  in  der  letzten  Sehwangerschaftazeit,  durch  Einhalten  einer  bestimmten 
EnlxiehnngsdiSt  von  Seite  der  Mutter,  einsehrlnkt.  Die  Dilt,  welche  die  Gravide 
einhalten  inuss  ,  entspricht  beiläufig  jener  bei  Diabetes  tlblichen ,  nur  dass  noch 
mehr  FlUsäigkeiten  entzogen  werden.  Diese  Diat  mwss  dureh  6  -8  Wochen  liindurch 
strenge  eingehalten  werden.  Der  Ktiect  dicHCS  Regimes  ist  der,  dass  die  Frucht 
wohl  mager,  fettarm,  mit  weniger  festen,  leieht  versehieblidien  Ropfknoehen 
geboren  wird,  aber  sonst  reif,  gesund  und  widerstandsfiUiig  ist,  wie  sonst  eine 
ausgetragene  Frucht.  Eine  unter  der  erwähnten  Diilt  gezogene  Frucht  kann, 
schon  der  Anoabme  nach,  leichter  das  enge  Becken  passiren,  als  eiue  unter  den 
gewOhnliehen  Verhiltnissen  herangewachsene.  Bestätigt  wird  dies  doreh  die  Ver- 
suche Pbochowmick's  nnd  Jener,  die  seine  Versnehe  nadimaehten.  Nach 
PROCHOWNICK  schlugen  dieses  Verfahren  VON  Brehm '^r)^  SvtKciCKV  ■-"), 
HoFMAXN'-'  )  und  DoxATH  i-'")  cin.  Bisher  sind  11  einschlägige  Fälle  bekannt. 
Alle  dieselben  betrafen  Falle  von  engen  Becken  (platte,  platte  rachitische,  all- 
gemein glelehmluig  und  nngleiehmässig  verengte),  mit  riner  Lftoge  der  Conju- 
gata  diogonnliH  von  9*8 — 11*7  Cm.,  in  denen  die  früheren  Geburten  entweder 
sehr  schwer  spontan  zu  Knde  gingen,  oder  zerstückelnde  Operationen  erheischten, 
oder  die  kfinstliobe  Frühgeburt  nothweudig  gemacht  hatten.  In  allen  diesen 
Fflllen  gingen,  nach  EinfBbrvng  der  P&ocHOWNTCR'sehen  Diät,  die  Geburten  viel 
leichter  als  son^t  von  statten  nnd  kamen  die  Früchte  nicht  nur  lebend,  sondern 
gediehen  die  Kinder  späterhin  ganz  gut.  Die  Längen  diesor  Früchte  entsprachen 
der  Isorm  (50 — 52)  und  schwankten  die  Gewichte  der  Früchte  zwischen  2250 
bis  3060  Grm.  Das  PKOCBOWNiCK'scbe  Verfahren  muss  demnach  als  eiue  sehr 
werthvoile  Bereicherung  dw  gebnrtshilfliehen  Therapie  bezdchnet  werden. 

Wie  bereits  oben  erwähnt  wurde,  machte  Walciter vor  Kurzem  auf 
die  Veränderliclikt  it  der  Länj^e  der  Conjuj^afa  bei  versehiedenen  Körperhaltungen 
aufmerksam.  Bald  darauf  nies  Mkuk  nach,  dass  die  Variabilität  der  Conju- 
gatalänge  bei  einfach  plattem  nnd  raehltiseh  plattem  Beeken  mehr  ausgesprochen 
sei ,  al»  bei  norniaUm  und  allgemein  zu  weitem  Becken.  Das  Gleiche  fand  be- 
züfjlich  der  Varialiiüiät  des  queren  Durchmessers  Kl?:i\*^'!.  Bei  normalem  und 
allgemein  vercugtem  Becken  soll  sich  die  Transversa  um  1  Mm. ,  bei  plattem 
dagegen  nur  nm  0'5  Mm.  verlängern.  Walch£B^*>)  versuchte,  sdne  Entdeeknng 


88 


BBCEDBET. 


prftktiach  m  verwerthea  und  gelang  ihm  dies  in  einem  Falle.  Einer  Dritt- 
gesohwlngerten,  b«  der  die  nraite  Geburt  BÜtMst  der  Perforation  beendet  wer- 
den nilMte,  wurde  bei  so  weit  als  möglich  nach  abwärts  hangenden  Beinen  ein 
Polster  unter  das  Kreuz  gelegt.  In  dieser  Lage  verl.liigerte  sich  die  Conjugnta 
diagonalis  von  10*3  auf  11*1 — 11*2.  Auf  diea  hin  wurde  von  dem  Plane  der 
^nMtang  der  Fmbi^^bart  abgestanden  und  beaehloesen,  die  reebtceitige  Gebort 
abzuwarten.  Die  Tersoa  gebar .  d te  erwähnte  Lage  einnehmend,  rechtzeitig  binnen 
15  Stunden  ein  lebendes  Kind.  In  einem  zweiten  Falle,  in  dem  eine  Becken- 
endiage  da  war,  verlängerte  sich  die  Conjugata  diagoneUü  von  10' 1  auf 
11-0  Cm. 

Die  Sy mphy seotomie.  Bekenntlieh  war  es  Sioaült  in  Paris,  der 

1768  auf  den  Gedanken  kam,  bei  engem  Becken,  um  dem  (l;tm:ils  ko  gefflreh- 
teten  Kaiserschnitt  aus  dem  Wege  zu  gehen,  den  8yiuj)hyfienrti'hnitt  vor/unehmen, 
um  dem  Fruchtkopfe  den  Durchgang  durch  das  Becken  zu  ermüglieheu.  im  Jahre 
1777  ftthrte  Sioaült  die  ven  ihm  ersonnene  Operation  an  einer  SOjftbrigen 
rachitischen  Soldaten-Frau,  Namens  Souchot,  aus,  angeblich  mit  bestem  Er* 
folge,  wie  es  sich  aber  spJlter  horausstellte,  mit  sohr  zweifelhaftem,  da  die  Person 
von  der  Operation  her  ihr  ganzes  weiteres  Leben  liindurcb  eine  Blasenscheideu- 
fistel,  sowie  ^ne  Knoebenfistel  nnd  ein  ungemein  ersefawertfli  GehTermOgen  davon 
trug.  Ueber  den  Werth  und  Unwerth  dieser  Operation  eetflemmte  ein  sehr  leb- 
hafter literarischer  Streit,  dessen  F^nde  bis  in  den  Anfang  unseres  Jahrhunderts 
hineinreichte.  Sihault  fand  nicht  viele  Nachahmer ,  denn  diu  meisten  der  nach 
ihm  Operirenden  errangen  keine  günstigen  Resultate.  Das  von  Baodelocqoe  dem 
Aelteren  ^*^) ,  dem  berttbmteeten  Geburtshelfer  seiner  Zeit,  ansgesproehene  Ver- 
dammungsurtheil  Aber  diese  Operation  war  der  Grund ,  dass  die  Sympbyseotomie 
aus  der  Praxis  der  Pariser  Geburtshelfer  und  damit  Uberhaupt  von  der  Bild- 
fläche verschwand  (Siebuld  ^^^j.  Die  Symphyseotomie  galt  bis  in  die  jüngsten 
Tage  hinein  bei  uns  als  eine  operative  Verirrang,  als  ein  verpönter  operativer 
Eingriff.  In  Italien  dagegen  wurde  im  Verlauf  der  letzten  Jahre  die  Operation 
der  Symphyseotomie  von  Morisani  in  Neapel  neuerding;«  aufgenommen  und 
cultivirt.  Jüngst  wieder  trat  er  mit  24  Fällen  vor  die  Oetrentlichkeit.  Alle  diese 
I^lle  betrafen  hoehgradige  Beokenverengerungen,  die  eigentUeh  den  Kaiserschnitt 
indicirt  hätten  und  liefen  sie  sämmtlieh,  sowohl  für  die  Hlltter,  als  die  Rinder, 
glflcklich  aus.  Er  rtlhmt  dieser  Operation  nach  ,  dri^^s  sie  gegenüber  dem  Kaiser- 
schnitte relativ  leicht  vorzunehmen  sei  und  weit  weniger  (iefahren  involvire. 
Gleichzeitig  hebt  er  hervor,  dass  die  vollkommene  Heilung  ohne  weitere  dauernde 
flble  Polgen  binnen  wenigen  (bis  14)  Tagen  eintrete.  Hobisani  fand  an 
Pinard  i^")  in  Paris  einen  Anhänger,  der  selbst  schon  3  Fftlle  mit  glinstigem 
Ausirangc  für  Mutter  und  Kiiul  operirte.  Ausser  Pinard  operirte  nur  noch 
PoKAK^  und  Tarnibk  i^i*;,  und  zwar  ebenfalls  mit  (ilUck,  Je  einen  Fall  in 
Paris.  In  Dentaehland  operirten  bisher  Leopold  i«o)  in  Dresden  2  Fille, 
FbbüMD- MüLLKRHEiM in  Strassburg  1  Fall,  Wehle  "■')  1  Fall  und 
ZwFiFF.Li^^i  in  Leipzig  1  Fall.  Aus  Ungarn  theilt  einen  operirten  Fall  D.  V. 
Velitz^^*)  in  Pressburg  mit. 

Nach  PiNABD'*')  wird,  entsprechend  der  Mitte  der  Vorderwand  der 
Symphyse,  eise  srakrechte  Indsion  in  der  Linge  von  8 — 10  Cm.  gemaeht. 
Dieselbe  reicht  nach  unten  bis  oberhalb  der  Clitoris  und  nach  oben  bis  über  den 
Ansatzpunkt  der  Mi/.scttft  rccti.  Hierauf  werden  die  Atnuculi  recfi  im  oberen 
Theile  der  Wunde  auseinandergedräogt ,  um  dem  Finger  Zutritt  zum  prävesicalen 
Baume  zu  sehaffen,  damit  er  die  Blase  sehUtze.  Naoh  genauer  Feststellung  der 
Medianlinie  wird  nun  die  Symphyse  in  mehreren  ZUgen  von  oben  nach  unten 
und  Villi  vorn  nach  hinten  incidirt.  Nach  Durehtrennung  der  Symphyse  ent- 
ferueu  sich  die  Schambeine  von  selbst  ein  wenig  von  einander,  im  >iothlalle 
kann  m«i  diese  Erweiterong  dnrch  den  seitliehen  Zug  zwder  Oebitfen  an 
den  Obersehenkeln   nnterstatzen.    Die  Burchtrennnng  des  Ligamentum  sub- 


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BECKEN. 


89 


pubicum  geschieht  zuletzt.  Man  versucht,  dasselbe  erst  mit  dem  Finger 
zu  forciren  und  legt  nur  mit  Reserve  das  Messer  an.  Man  hört  nicht  eher 
auf,  bis  es  gelingt,  den  Finger  mit  Leichtigkeit  zwischen  den  Schambeinen  in 
flirer  gancm  Hohe  darebzufilhren.  Selbst  daaii  mnn  mea  lidi  vor  jedem  gebnrts- 
bilflichen  Versuche  durch  eine  vorsichtige  Abdoetion  der  Oberschenkel  ver- 
gewissem ,  da«8  die  Durchtrennung  wirklich  eine  vollständige  ist ,  dass  vorne 
kein  Uindernisa  zurttckgebiieben  ist,  welches  die  Frucht  mit  Gewalt  zu  über- 
winden bfttte,  d.  h.  das«  die  SehnmbeiDe  um  4 — 6  Cm.  you  efnnnder  getriebm 
worden  sind.  Naehdem  man  A€lx  ttbenengt  hat ,  dass  der  Weg  firei  ist ,  dass  die 
vorderen  Ligamenta  mcro-iliaca  eine  erhebliche  Erweiterung  gestatten,  wird 
die  Wunde  provisorisch  antiseptisch  versorgt  und  wird  nun  geburtshilflich  ein- 
gegriffen, d.  h.  es  wird  entweder  die  Zange  angelegt  oder  gewendet  und  extra- 
hirt  Leopold**^)  empfiehlt,  das  lAgamentum  armiatum  an  lehonen,  nm  etner 
hcftifren,  aus  dem  Bulbus  der  Clitoris  ansjt^chcnden  Rliitnnf^  auszuweichen  und  zum 
Schutze,  sowie  zur  Coutrole  der  Blase  in  letztere  eiuen  (Jatheter  einzuführen.  Gleich- 
zeitig meint  er,  dass  es  nicht  nötbig  sei^  die  ganze  Symphyse  zu  spalten,  da  die 
horisontalen  8ehamheinlste  schon  naeh  halber  oder  dreiviertel  Dnrditrennang  ihrer 
oberen  Enden  auf  3  Cm.  weit  von  einander  treten.  Nach  bemideter  Eztraetion  äex 
Frucht  drücken  die  beiden  Assistenten  die  liollhüfjel  so  fest  gegen  einander,  dass 
sich  die  G denkenden  wieder  berühren.  Mit  Silberdraht  oder  stärksten  Seiden- 
faden werden  die  Gelenkienden  gleiehseitig  mit  den  W^ehtheilen  an  einander 
gezogen  nnd  vemibt  nnd  die  Wände  oberfiftchlich  ▼eradriosBen.  Zum  Schiasse 
wird  ein  fester,  mit  Schnalle  vergebener  sehr  breiter  Ourt  nm  das  Beeken  gelegt, 
der  täglich  fester  angezogen  wird.  Er  bleibt  3  Wochen  liegen. 

MOBISAM  ^^')  bestimmt  als  oberste  Grenze  der  Operation  eine  Länge  der 
Conjugata  wra  von  8*8  Gm.  und  als  unterste  eine  Lftnge  der  Conjugaia  vera 
von  6*7 — 7  Cm.  Lropoldi*^)  ^^^^  Kaiserschnitt  und  die  Symphyseotomie 
nicht  als  Concurrenzoperationen.  Erstere  Operation  habe  nach  ihm  da  zu  beginnen, 
wo  letztere  aufhöre ,  mit  anderen  W' orten ,  dass  in  Zukunft  fUr  den  Kaiserschnitt 
nur  die  Fille  von  absoluter  Bedkenenge  f  Conjugata  vera  von  6  Gm.  und  da- 
runter bei  reifer  ausgetragener  Frueht)  übrig  bleiben  dürfen.  Nach  seiner  Auf- 
fassung dürften  daher  die  Fälle  von  relativ  indieirtem  Kaiserschnitte  in  Zukunft 
durch  die  Symphyseotomie  ersetzt  werden. 

Auch  die  deutschen  Operateure  heben  hervor,  dass  die  Operation  relativ 
Ideht  sei  nnd  die  Festigung  des  Bednna  relativ  rasdi  abtrete. 

Tebcr  .•ibnf)rme  Geburtsniechanismen  des  Kopfes  bei  Gegenwart  eines 
engen  Beckens  wird  im  Verlaufe  der  letzten  Jahre  nur  zweimal  berichtet. 

KuHXi*'J  erwähnt,  dass  unter  2002  Geburten  der  BaKisKY  sehen  Klinik 
die  extramediane  Einstellung  nnd  Geburt  des  Kopfos  19mal  vorkam.  Es  han- 
delte sich ,  wie  begreiflich ,  um  in  der  Conjugata  vera  verkürzte  Becken  und 
betrug  die  Lilnge  dieses  Mfias^ies  8 — 9'5  Cm.  7mal  war  das  Becken  rachitisch,  fimal 
allgemein  verengt  und  2mal  be^^tand  Lumbosacrailordose.  £r  meint,  dass  eine  Prä- 
dispoeition  zu  dieser  Einstellung  in  dem  Abweichen  des  Eopfiss  auf  die  eine  Darm- 
beinschaufel  liege.  9  dieser  Fälle  beobachtete  er  genau.  In  allen  diesen  passtrte 
der  Kopf  die  linke  Heckenhillfte.  .^mal  stellte  sich  der  Kopf  in  Deflexionsstellung 
leichtesten  Grades  ein,  die  sich  2mal  wieder  ausglich.  In  diesen  3  Fällen  stand 
der  Kopf  in  I.  Position.  Der  Eintritt  in  das  Becken  erfolgte,  zumeist  im  schrägen 
Dnrebmesser ,  so  dass  bei  II.  Position  nnd  Flexion,  wosu  steh  in  dieeen  Flllen 
mehrfach  auch  Neigung  des  Kopfes  gegen  die  hintere  Schulter  gesellte ,  das 
Hinterhaupt  an  das  Promontorium  zu  liegen  kam  und  der  SchUdel  dann  durch 
Kotation  um  seine  senkrechte  Achse  und  kurze  schraubcuictrmige  Bewegungen  um 
dasselbe  herum  in  die  Beckenhöhle  getrieben  wurde;  bei  I.  Position  und  weitem 
Querdurchmesser  in  gleidier  Wei.se ,  lu  i  verkleioertwn  Querdurch niesser  jedoch 
leicht  in  l)efli  xi<iiisstellung,  wobei  das  \  (iiderhanpt  zuerst  in  die  HeckenliHble 
trat.   Spontan  verlief  die  Geburt  5mal,  2mal  war  die  Zange  und  Perforation 


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90 


BBCKEN. 


DÖtliig.  Die  Geburtadauer  war  nur  in  einem  Fallu  wesentlicli  verläugert.  Eine 
ausgesprodiene  Deflexioawteiluug  ist,  offenbar  des  geriD^o  Raumes  wegen,  der 
dem  Kopfe  nr  Diapoiitioii  steht,  bei  extnmedi«iier  Stellmig  liisher  noeh  nieht 
beobaehtet  wordeu. 

GloCKNKB  ""j  beobachtete  in  3  Fällen ,  in  denen  das  Becken  bei  einer 
Lftnge  der  Conjugata  diagonalis  von  lO'ö  einmal  ein  einfach  plattes,  zweimal 
ein  nngleiehmAssig,  aber  nameotlieh  io  der  Conjugata  vera  Terengtes  mit  eieer 
Linge  der  Comjugota  diagonalis  von  9*7  und  9*9  war,  eine  Einstellung  im 
■rcradtn  Durchmesser,  das  Hinterhaupt  uach  vorn,  der  Kopf  in  starker  Flexions- 
stellung.  jKur  bei  Fassirung  der  Conjugata  vera  drehte  sich  die  kleine  Fonta- 
nelle etwas  ssitlidi  *  nm  sofort  wieder  naeh  Tome  curOokzukehren ,  als  die  engste 
Partie  des  Bcekens  pasairt  war.  Die  Frflehte  wof^en  2780—3320  Orm.  Eine 
kam  scheintodt  und  wurde  nieht  mehr  zurückgebracht.  Eine  Geburt  verlief  rasch, 
die  zwei  anderen  waren  verzögert  und  erheischten  einmal  die  Zange.  Dieser 
Geburtämeehanismus  ist  sehr  t'eiten.  Ich  beobachtete  ihn  nur  einigemale. 

ScHAQTA  flbOTtrigt  die  Gonstmetionen,  die  seiner  Zeit  Bbbiskt  ersann, 
um  die  FormverSnderunp«  n  des  kypbotisehen  Bcekens  ansohanlioh  zu  machen, 
mit  demselben  Vortheile  auf  die  anderen  einzelnen  Arten  des  «?ngen  IVckens. 

Uevwood  Smith  ^^^j  coastruirt  ein  beuken  aus  einer  plastischen  Masse, 
die  es  ihm,  in  gleldier  Weise  wie  bei  deeateinirlen  Beeken,  ennOglleht,  die  vw 
sehiedenen  Formen  des  engen  Beekens  an  UnCerriehtssweeken  darsnstelleo. 

Die  seltener  vorkommenden  Formen  des  engen  Beekens. 

Zwergbecken.  In  den  letzten  Jahren  wurden  einige  einschlägige  l'älle 
pnblifirt,  in  denen  der  Kaiserschnitt  vorgenommen  werden  mnsste.  St.  Bbadn 

BKmBAB[>T  >^'') ,  Braun  1*^).   In  einem  Falle,  dem  von  HoTTiKairoN      ,  trat 

wfthrend  des  Kreissens  eine  Tterusruptur  ein. 

Trichterbecken.  Die  stattliche  Keihe  24  solcher  Becken  beobachtete 
Flrischmann  1*').  Er  thdlt  diese  Beekenform  —  abgesehen  von  der  dnroh 

Kyphose  bedingten  —  in  drei  Gruppen.  Die  erste  wird  von  den  einfaehen  Trichter- 

l)«'<'ken  pebiitlet.  I'ii-  \'(rf'ne-ortuiL'  betrifft  nur  den  H»('ken,'iu<'frfiiiir  und  zwar 
im  queren  oder  geraden  Durchmesser  oder  in  beiden.  Die  zweite  Gruppe  umfasst 
Becken,  die  auch  im  Eingange  verengt  sind,  doch  prUvalirt  die  Verengerung  des 
Ausganges.  Hierher  sAhlen  die  allgemein  verengten,  die  platten  und  die  allgemmn 
verenfrten  platten  Trichterbecken.  Die  dritte  Gruppe  stellen  die  infantilen  Becken 
dar.  lU'zllglich  der  Diaeniise  in  vivo  kommt  der  allgemeine  Habitus,  die  Äussere 
Lt*  keumei<8uug  und  die  Austastung  des  Beckens  iu  Betracht.  Auß^lllig  ist  eine 
starke  Convergens  der  Genitoeraralfahen,  Sehmalheit  der  Haften  nnd  der  GesSsa- 
gegend,  sowii-  zuweilen  eine  Verminderong  der  Beckenneigung  und  der  I.ii';;h.il- 
lordose.  \'<m  Wichtigkeit  ist  die  Messung  der  Entfernung  der  Sitzbeinhrieker,  dos 
geraden  Durchmessers  der  Beckenenge  und  des  Abstaudes  der  Sitzbeinstachcl. 
Wichtig  ist  aneh  das  Troehanterenroaass ,  da  sehr  hanfig  im  Vergleiche  zu 
dem  Hausse  der  Spinae  und  Cristae  zu  klein  ist.  Die  Austastung  ergiebt  eine 
starke  Cniivcrgenz  der  seitlichen  Beckeuw.Hnde ,  Annäherung  der  Spinae  und 
TuluM.t  der  Sit/.kiKK'lien  und  Vereu'-'erung  des  Schambogens.  Das  Kreuzbein  ist 
oft  autialleud  schmal,  oben  nach  hinten  zurückweichend,  mit  seiner  Spitze  sich 
der  vorderen  Beckenwand  nihernd.  Manchmal  finden  sieh  eine  leiebte  schnabel- 
förmige 6e{>taltnng  der  Symphyse  und  st.irk  entwickelte  Sjtinae  tscitii.  Das  Triehter- 
heekcn  ersehwert  häufig  die  (Ji-burt.  Der  Kopf  I)leil»t  über  den  Sitzbeiustacheln 
stecken  und  die  Wehen  erlahmen.  Es  scheint,  dass  iu  vielen  Fällen  von  s.  g. 
seeundirer  Wehensehwiehe  bei  in  d«r  Beekenhdhie  steekendem  Kopfe  Ans- 
gangsbesebränkungen  da  sind.  H&ufig  erfordert  dieses  Beeken  operative  Interven- 
tion.  n.mu'ntiieh  die  Zaii^'c.  Letztere  erzeniit  leicht  Seheidein erletzungen,  die  aber 
auch  bei  sp  intaner  (Ichurt  entstehen  können.  Besonders  gefährdet  sind  die  den 
Sitzbeinstachcln   uud  den  aufsteigenden    Sit/.beiniisten   ents]irechenden  Abschnitte 


BECKEN. 


91 


der  Vagina.  Verzögert  sich  die  Geburt,  so  ist  das  warme  Vollbad  augezeig-t. 
Wichtig  ist  es  hier,  daas  die  Kreisseude  die  knieend-kanernde  Stellang  eionehme. 
Mlltieii  diisM  Mittel  niehtB,  bo  nraas  die  Geburt  mdi  kfbiBtüeli  beendet  werden, 
findet  die  Zange  groeee  Wideratflnde,  so  toll  ihre  Anlegung  in  einem  anderen, 

für  den  Einzelnfall  gOnstigeren  Durchmesser  versucht  werden.  Vers.sgt  sie  .iiich 
dann,  so  ist  bei  Getabr  der  Mutter  der  Kopf  zu  verkleinern.  Die  starke  ('"Ui- 
proüäion,  die  der  Kopf  im  Beckeuausgauge  erleidet,  gefährdet  dai»  Leben  und 
wahrBeh^nlieh  aneh  die  geistige  Entwieldung  dee  Kindes. 

Das  schräge  verengte  NARGKLE'sche  Becken.Eine  Arbeit  über 
dieses  Becken  liegt  aus  der  Feder  Hkrmax\s  ^^^)  in  London  vor.  Die  charakteri- 
stischen Veränderungen  in  der  betrelleudea  Kreuzdarmbeiufuge  sind  durch  eine 
intrn-  oder  eztm^nterine  Caries  bedingt.  Letztere  ist  begleitet  von  einem  surSek- 
bleilien  des  Wachsthum!«  des  KreuzbeinflUgels  durch  Zerstjtmng  der  Knorpelsub- 
stanz  lt.  s'.  w.  iiiui  liliift  H-h!iess!icii  in  eine  Ankylose  ans.  XebensJlchlieh  sind 
die  Fragen,  ob  hierbei  zuer.st  der  Knochen  oder  die  Synovialmenibran  befallen 
ist,  ob  sich  aaerst  das  Wacbsthum  verändert,  oder  ob  die  Aukylosiruug  voraus- 
geht. Die  Gestalt  des  Beekens  flberhanpt  wird  dareh  drei  Momente  bedingt,  das 
Körpergewicht,  die  Wirkung  der  Muskeln  und  Ligamente  und  durch  die  ange- 
borene Teiiden/  der  Knoehen,  in  ilirem  Wachsthume  eine  hestininite  Form  und 
Gestalt  uuzuiiehuien.  Das  erste  Moment  kommt  wenig  in  Betracht,  wichtiger  ist 
das  zweite,  das  wichtigste  das  dritte.  Bei  dem  NASGSLB'sehen  Beeken  ist  die 
Widerstandsfähigkeit  der  Knochen  nicht  beeinträchtigt,  wie  bei  der  Rachitis  oder 
O^^teomalacie.  Weiteren  FinfliisH  auf  die  (Jostalt  haben  Bliitziifiilir  und  übermflssigcr 
oder  ungleichmässiger  Gebrauch  der  Glieder.  Diese  EinÜUsse  fallen  bei  den 
NAE6BLB*S'^ben  Beeken  w^.  Anderersmts  rind  fttr  letzteres  der  Dmek  der  KSrper- 
last  und  der  Gegendruck  von  Seilen  der  Pfannen  von  grossem  Einflüsse.  Das 
Beeken  ist  unsymmetri'^eh.  In  Ffilge  dessen  (üWt  das  K(lrpergewicht  seitlieli  der 
Mittellinie.  Dadureb  wird  das  (ileichgewieht  d<  r  verschiedenen  Kräfte  gt  stört 
und  erhält  jene  Seite,  auf  welehe  das  Gewicht  nicht  drüekt,  das  Uebergewicht. 
IMe  Symphyse  wird  nach  der  nieht  belasteten  Seite  und  dadureb  die  Pfanne  der 
überlasteten  Seiten  nach  vorn  und  der  Mittellinie  verzogen.  Nebok  diesen  ver- 
änderten Drnekverliiiltni-sen  treten  alle  (ihrigen  Momente,  welche  einen  Einflusa 
auf  die  Gestaltung  des  Beckens  ausUbeu,  bei  dem  NAKUKLE  schen  Becken  iu  den 
Hintergrund.  Die  Gestaltsentwlcklnng  des  NABOKLB'sehen  Beekens  basirt  anf  dem 
Zurückbleiben  des  Knodienwachsthume!*  an  dem  Flügel  des  ().■*  mcrum  und  der 
Sui»'rßcifn  (iiiricitht n's  des  Darniheines.  .Auf  der  ankylotischen  Seile  wird  diireh 
den  Druck  nach  oben  durch  das  Femur  eine  weitere  Compre.ssion  des  schon  ver- 
kürzten Darmbeines  berbeigetübrt  und  auf  der  gesunden  Seite  ein  stärkeres  Aus- 
wirtotreten  der  Pfanne  nnd  geringere  Compression  des  Darmbeines,  geringer  als 
auf  der  kranken  Seite,  ja  selbst  geringer  als  bei  gesundem  Beeken.  Die  Ver- 
längerung der  lleopeetinallinie  in  ihrem  ScliHnibeintheile  auf  der  ankyl"sirten 
äeite  ist  die  Folge  der  Wirkung  zweier  Kräfte.  Die  Pfanne  zieht  das  eiue  Kode 
naeh  dem  hinteren  Tbeile  des  Beekeos,  wtbrend  das  vordere  dnreh  die  Liga» 
mente  der  Sehamfuge  iu  entgegengesetzter  Uiehtung,  d.  h.  nach  der  ge-iundeo 
Seite  Inn,  gezerrt  wird.  Das  Grundlegende  der  (lestalt  des  X.vEnELK'schen  Heckens 
ist  daher  die  geringere  Breite  des  Darn;-  und  Kreuzbeines  der  einen  Seite  und 
nieht  die  einseitige  Ankylose  der  Kreuzbeinfnge.  Matthews  Doncan  ><^^)  dagegen 
hAIt  das  NAEOELB'sche  Beeken  eher  für  eine  angeborene  Mia.obildung,  als  fUr  das 
Prnduet  eines  K  ranlcheitsprocesses.  Das  Fehlen  des  lieosaeralgelenkes  scheint  ihm 
die  Hanptsaehe. 

Ein  einschlägiges    Beeken ,    das  aber  erst  auf  dem  Sectioustisch  als 
solebes  erkannt  wurde,  bespraeh  Ahlfbldi**).  Die  Trägerin  desselben,  die 

bereits  früher  G  Geburten  unter  Anwendung  der  Zange,  Perforation  und  ein- 
geleiteter Frühgeburt  überstanden,  zeigte,  ausgenommen  eine  tiefe,  narbige  Ein- 
ziehung, entsprechend  der  tiefereu  Fläche  der  rechten  Kreuzdarmbeiufuge,  keine 


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BBOKBN. 


irig^ndwie  neaaeaswerthea  AnomalieD  des  Körperbaae^.  Auob  die  innere  Unter- 
Bttchung  des  Beckens  ergsb  kein»  so  gravireode  Anomalie,  wie  sich  eine  Bolcbe 
später  heransstellte.  Es  fand  sieh  ein  betriehtUelies  Herwndrtngea  der  rechten 

Bockenwand  in  die  Beckenhöhle,  starke  Verkürzung  der  DiMantia  spinarutn  ischii 
und  Annäherung  der  Tubera  ischii  auf  8  Ciu.  Diagnogticirt  wurde  ein  schräg 
verengtes  Becken  mit  besonderer  Verengerung  des  Beckenausganges.  In  Bezug 
auf  die  Anamnese  wire  so  erwlbnen^  dass  die  Frau  Angaben  maohte,  die  anf 
einen  eariösen  Process  des  Beckens  in  früher  Jugend  schliessen  Uessen.  Es  wurde 
in  der  34.  oder  35.  Woche  die  Frühgeburt  eingeleitet.  Die,  wie  sich  nach  der 
Geburt  herausstellte,  46  Cm.  lange  und  2770  Grm.  schwere  Frucht  stellte  sich 
in  II.  Bchadellsge  auf  das  Beeken  aof ,  drelite  skdi  beini  Eintritte  in  die  III. 
und  ging  in  dieser,  hierbei  aber  absterbend,  dnreh  das  Becken  dorch.  Die 
Mutter  erkrankte  puerperal  und  starb.  Das  Becken  prflsentirte  sich  als  ein  aus- 
gesprochen NAEGELE'sches.  Ks  war  schrälfr  verschoben  und  veron{rt  und  zei|?te 
einen  Mangel  des  rechten  KreuzbuinOUgels  bei  gleichzeitiger  Synostose  dieser 
Kreusdarmbeinfiige.  Zeiehen  eines  flberstandenen  eariflsen  Proeesses  fitnden  sieh 
nicht  oder  nur  so  nnbedentend,  dass  man  nach  dem  blossen  Beckenbefunde  die 
Ureache  der  DiÜormitftt  in  einem  primären  Defecte  d(>s  Kreuzbeinflii^relri  ^'oaucht 
hätte.  Auch  GkiffITH*'^)  tbeilt  einen  einschlägigen  Fall  mit.  Das  i^ccken  stammte 
von  einer  20Jihrigen  Person,  die  mittels  der  Craniotomie  entbunden  wurde  nnd 
18  Tage  danach  st^rb.  Sie  war  eine  Tertiipara.  Die  früheren  zwei  Geburten  waren 
Stcisssreburten  und  inusste  der  nachfoItrciHlr  Ki»j)f  perf'nrirt  werden.  Dhs  I^echen 
seigtc  eine  rechtsseitige  Synostose  der  Kreuzduruibeinfuge  und  war  der  entspreoheude 
Kreuzbeinflagel  mangelhaft  entwickelt.   Anamnestisch  war  nichts  su  eniiren. 

Weiters  wird  aneh  ein  Fall  von  Schönbkrg  mitgetheilt.  Der  Fall 
betraf  eine  25iährige  Frau ,  die  im  !•.  Lebensjahre  Ifln-rere  Zeit  hindurch  an 
einer  linksseitig'en  Hüfterkrankuri^r  ^'elitten.  In  der  (ie^rend  der  linken  Spin.  post. 
sv^.  iL  fand  sich  eine  dem  Ivuochen  adhiirireude  >tarbo  und  hatte  hier  im  Ver- 
laufe der  froheren  Rrankhdt  eine  Biterfistel  bestanden.  Die  erste  Geburt  dauerte 
4  Tage,  war  sehr  schwer  nnd  musste  mittels  der  Zan^e  beendet  werden.  Die 
Frucht  war  todt.  Die  Frau  ver-Jäunitc  den  zur  Ijnleitnn;;  der  Frühgeburt  be- 
stimmten Termin  und  kam  am  normalen  Schwangersuhaftccnde  kreissend  in  die 
Ohristianiaer  Geblnuistalt  IHe  venOgerte  Geburt  wurde  mittels  der  Perfbratioa 
beendet,  doch  muss  hierbtt  der  üterus  zerrissen  worden  seinl,  da  die  Frau  unter 
den  Zeichen  einer  rter\isrnptur  starb  und  letztere  auch  bei  der  Section  gefunden 
wurde.  Das  Becken  war  ein  ausgesprochen  NAEGELE'sches  mit  links-^ritiLTr  "Synostose 
des  Kreuzdarnibeingelenkes  und  bedeutendem  Defecte  de«  linken  KreuzbeiutlUgels. 
Das  Beeken  ist  insofeme  ein  sehr  instrnetives,  als  die  Verengemng  der  linken 
Beekenhälfte  bis  zum  Beekenausgange  herabreieht,  was  sonst  selten  vorkommt. 
Das  Hecken  war  klein.  Dt*r  Durcliü'atm"  df*^  Kopfes  durch  das  Becken  erfolgte 
in  folgender  Weise:  Im  Geburtsbegiune  {^teilte  sich  der  Seheitel  mit  der  grossen 
Fontanelle  naeh  links  und  vom  ein.  Bei  der  Extraetion  kam  die  Stirn  naeh  vorn 
nnd  reehts,  also  mit  dorn  LfUi^sdurchmesser  in  den  grösseren  schrägen  Doreh- 
messer.  Ebenso  tr.it  der  I{umpf  durch  das  Becken  ,  der  Hdeken  nach  rechts  go- 
kehrt. Ohne  Zweifel  wohl  ist  der  cariöse  Froees.s,  der  sich  in  frUber  Jugend 
abspielte ,  als  das  ätiologische  Moment  der  Beckendeformität  anzusehen.  Dadurch 
kam  es  snr  Synostose.  Fflr  diese  Entstehung  spricht  aneh  der  Umstand,  dass 
das  Darmbein  der  kranken  Seite  nicht  naeh  hinten  und  aufwärts  verschoben  war. 

Q  H  erve  IM- n  L'tes  Beeken.  Ferimta"'^)  tbeilt  mit,  dass  die  Paduaner 
Klinik  in  ihrer  Sammlung  ein  querverengtes  Becken  besitzt,  dessen  Anamnese 
aber  unbekannt  ist.  Es  ist  ein  ansgesprochenes  ROBBRT'sehes  Beeken,  das  viel 
Aehnlichkeit  mit  dem  KiRCHHOFFEK'schen  besitzt.  Die  Conjuifa'"  >•■  ra  misst 
1 1*8  Cm.,  di»'  rrrinsvrrsa  TS  Cm.,  die  beiden  ><rlir:ij;eu  S-")  uimI  Cm. 
Beide  Kreuzdarmbeiufu^^en  »lud  verknöchert.  Das  Kreuzbein  ist  utruphlüch,  ein 
Fitigel  desselben  mangelt,  der  andere  ist  verkOmmert. 


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BECKEN. 


93 


SAnATiER'^M  in  Tjvnn  macht  einf  ganz  eigenthttraliclie  Mittheiluno:  Er 
beschreibt  ein  Becken  ,  dessen  Ubrif^^os  Skelet  fehlt  und  über  dessen  An;imno.se 
nichts  bekaoot  ist ,  das  eine  beiderseitige  Synostose  der  Kreazdarmbeiufugeu, 
ohne  Spvr  ^ner  stettgtAindMMii  EnMIiidong  «ifwdtt,  aber  k«iiie  quere  VereiiKe> 
rnn?  zeigt,  weil  die  Kreuzbeinflügel  nicht  atrophisch  sind.  Das  Becken  präsentirt 
sich  als  ein  gleichmässig  verengtes.  Die  Synostose  beiderseits  ist  eine  vollkomnriene 
und  datirt  aus  der  Kindheit,  nicht  aus  spftterer  Zeit,  als  das  Weib  scbou  er- 
wachsen war.  In  Anbetraeht  deaseo ,  dass  das  Krenabdn  eine  gerade ,  geetreekte, 
infantile  Fora,  glaubt  er,  dase  das  leiden  aus  den  enten  Lebensjahren  her 
rührt  und  raehitisclier  Natur  war.  Die  Ossificationskorne  der  KreuzbeintiUgel 
konnten  sich  weiter  entwickeln.  Abgesehen  von  der  Entwicklung  der  Kreuzbein- 
flügel ,  unterscheidet  sich  das  Becken  vom  querverengten  dadurch ,  dasa  deaaen 
Krevabein  nicht  in  dae  Beelcen  eingeranicen  ist.  Raehitisehe  Anklinge  sdgt  das 
Becken  angeblich  r.ielit.  Die  Maasse  der  oberen  Beckenenge  betragen  10"  11  und 
12  Cm.  statt  11  "12  und  13  Cm.  Die  bisher  Itckannten  querverengten  Becken 
sind  nach  seiner  Ansicht  in  zwei  Gruppen  zu  scheiden.  Zur  ersten  Gruppe 
zählen  die  s.  g.  ROBBBT'schen  Beeken,  die  spontenen  Umprangs  sind  nnd  doh 
durch  ein  Kiusinken  des  Krenzbrinr^  in  das  Becken  charakterisireu.  Durch  das 
Einsinken  des  Kreuzbeines  werden  die  (icicnksligamento  gezerrt  und  erzeugen 
weiterbin  eine  adhäsive  Gelenksentzttuduug ,  die  zu  Ankylose  führt.  Die  zweite 
Gruppe  bilden  die  RoBBRT-DüBOis'sehen  Beeken ,  die  tranmatisehen  Ursprunges 
sind.  Beekenbrttehe ,  Gelenksentsflndnngen ,  und  awar  meist  eiterige,  ziehen 
AnkyloRe  und  dadurch  Atrophie  der  Kreiizbeinflfi^el  nach  sich,  wodurch  d;is 
Becken  zum  ijuer\ crcn|,'ten  wird.  Hier  sinkt  das  Saerum  nicht  in  das  Becken 
hinein  uud  geht  die  Gelenksentzündung  der  Atrophie  der  KreuzbeinflUgel  voraus. 
Zu  diesen  swei  Omppen  kirne  noeh  eine  dritte  hinan,  die  bisher  nnr  dnreh  ein 
Exemplar ,  und  zwar  das  des  von  ihm  eben  erwähnten ,  repriseatirt  werde.  Hier 
sei  das  Kreuzbein  ni<'ht  einiresiinken ,  die  KreuzbeintiUgel  seien  nicht  atrophisch, 
doch  bestehe  eine  beiderseitige  Ankylose,  lu  Folge  dessen  sei  das  Becken  nicht 
querverengt. 

Auf  den  unbefangenen  Leser  macht  e^  unwillkdrlich  den  Eindruck, 
daH.s  bei  dem  vrtri  .'^.\BATIF,R  beschriebenen  Becken  die  .'^yno^tose  beider  Kreuz- 
darnibeinfugen  eintrat ,  als  das  Individuum  bereits  erwaeiiscn  war,  da  es  nuglaub- 
wOrdig  erscheint,  dass  sich  die  Knochenkerne  des  kindlichen  Beckens  normal 
wtAtw  entwickeln  kOnneo,  wenn  einmal  eine  Ankylose  der  Krensdarmbeinfuge 
eingetreten  ist.  Als  Gegenbeweis  dieser  Anschauung  den  Umstand  entgegenzu- 
stellen .  das-i  kein  Zeichen  einer  EntzUndun^r  zu  sdicn  ist .  halte  ich  nicht  für 
stichhältig,  da  solche  trotz  bestandener  EutzUudung  gauz  gut  maugela  können. 

Das  eoxalgisehe  Beeken.  Den  Einfluss,  den  Erkrankungen  des 
Hüftgelenkes  auf  die  Form  des  noch  nicht  entwickelten  Beckens  ausüben,  bespricht 
TH\('(it\''  Eine  Coxalf.'ie  im  ersten  oder  zweitm  Stadium  der  Erkrankung, 
ohne  bestehende  Eiterung,  erzeugt  keine  Formveränderuug  des  Beckens.  Im 
dritten  Krankheitsstadinra  ist  der  ESnfluss  auf  die  Formverindemog  des  Beckens 
desto  bedeutender ,  je  lioger  die  Supnration  dauert  und  wenn  hierbei  die  kranke 
Extremität  nicht  oder  nur  wenig  verwendet  wird.  Coxitis.  cntniilirirt  mit  ^ncr.)- 
coxalgie,  erz<'ugt  ein  schrji-ri»vales  Becken  mit  Syno-stose  der  Krt'uzdarmlu'int'iijio. 
Dkmblin  '^"^  publicirt  eiue  Arbeit  Uber  das  eoxalgisehe  Becken  und  theiit  in 
deFselben  drei  einschligige  Fille  mit,  in  denen,  wie  dies  meist  der  Fall  ist, 
die  gesunde  Beckenbilfte  die  verengte  war.  In  einem  Falle  musste  bei  einer 
Conjufjntn  r^rrt-Lftngc  von  !^  Cm.  trotz  rechtzeitig  eingeleiteter  Frühgeburt 
perforirt  werden.  In  den  beiden  anderen  ging  die  Geburt  spontan  zu  Ende.  Er 
bespricht  in  seiner  Arbeit  die  Umstinde,  die  es  veranlassen,  dass  die  Verengerung 
der  einen  Btckcuhülfte.  sowie  die  eoiisccutivc  Synostose  der  Kreuzdarmbeinfuge 
znweilen  in  die  kranke  Seite  fällt.  Tritt  Heilung  der  Coxitis  ein.  ehe  noch  das 
gebeilte  Bein  verkürzt  wurde,  so  folgt  nur  Atrophie  der  kranken  Hilfte  mit 


94 


BECKEN. 


^^eiguog  des  Beckens  nach  vorn.  Kommt  die  Heilung  erst  im  zweiten  Krankbdta- 
Stadium  zu  Stande,  als  das  Bein  in  Abduction  und  Auswärtsrotatiun  stand,  also 
verkOnt  war,  so  neigt  aioli  das  Beeken  gegen  die  ankyloairte  Hflfte  und  wird 
die  höher  ;rcle{rene  gesunde  Beckenseite  abgeplattet.  Erfolgt  die  Heilung  der 
Coxitis  mittel-*  Hüftanlvvlose  im  dritten  Stadium,  bei  abdueirtem  und  einwärts 
rutirtem,  somit  verlängertem  Beiue,  so  erhebt  sich  bei  Gehen  und  Stehen 
die  kranke  Sdte  gegen  die  gesnnde.  Dies  bringt  aber  aneh  die  Abplattung 
dtr  kranken  Seite  mit  sich.  Die  Verknöcherung  der  Kreuzdarmbeinfnge 
findet  stets  auf  der  eompriuiirtt-n  ,  dai  heisst  abgeplatteten  Seite  statt ,  demnach 
unter  Umständen  auf  der  gesunden .  unter  L'mstAnden  aber  —  allerdings  zwar 
•eltener  —  anf  der  kranken  Seite.  Aus  seinen  Zusammenstellungen ,  die  41  Ge- 
barten nrnfassen,  ist  tu  entnehmen,  dasa  die  Gdiurt  16mal  reehtieitig  war, 
ittuA  war  sie  eine  kanstlich  frühzeitige,  4nial  wurde  die  Extniotinn  ^'emaelit, 
7mal  der  Forceps  angelegt,  7mal  wurde  gewendet,  Inial  wurde  der  SchJidel 
verkleinert,  liual  wurde  die  Frucht  zerkleinert,  Imal  wurde  ciisarirt.  Von  den 
20  Muttern  starben  8.  Dies  entspriebt  der  beben  MortalitiltszifliBr  von  15*/o* 
Von  den  Früchten  worden  29*/o  unreif  entwickelt  und  erlagen  80»  o  dersclhen. 
Eine  spontan  zu  Ende  gegangene  npl)iirt  hei  schrilL'  ovalem  eoxalgischen  Ik-eken 
beobachtete  G.  Braux.  ^***)  Es  bestand  eine  Ankylose  des  rechten  Hüftgelenkes 
mit,  wie  es  sebeint,  oonseentiver  Ranmbesebrlnknng  gesmiden  Beekenb&lfte 
und  einer  Länge  der  Conjugata  vera  von  8*6  Cm.  Die  Frucht  wog  2850  Orm. 
und  war  IS  Cm.  lang.  Die  Frau  hatte  schon  frdlier  einmal  spontan  ireljoren. 
In  einem  nahezu  gleichen  Falle,  in  dem  alter  die  Kaumbeschritukung  der 
gesunden  Beckeuhälfte  eine  viel  bedeutendere  war,  machte  Kascukaroff  "'^}  den 
Kaisersebnitt  mit  glflckliefaem  Ausgange  Ar  Mutter  und  Kind. 

Schräge  Verengerungen  des  Bockens  bedingt  durch 
andere  patbolo fische  Processe.  Von  Yerongernngen  dieser  Arten 
liegen  einige  interessante  Mittheilungen  vor. 

Sehrage  Versebiebung  des  Beckens  in  Folge  einseitiger  Luxation  des 
01)er<ehcnkels.  Einen  solchen  Fall  theilt  G.  Bkaü.v  »ö»)  „lit.  Der  Fall  betraf  eine 
4"-'jiUirip:e  Quartipara,  die  in  ihrem  9.  Lebensjahre  eine  reclit-jseitiire  Hiit'tL'-i'lenks- 
luxation  erlitt.  Die  Kaumbesehränkung  der  rechten  Buekenbüllte  war  eine  miissige, 
da  die  lebendguborene  Fruebt  2900  Grm.  wog.  Wegen  Schiefläge  und  Nabel- 
strangprolaps  musste  die  Wendung  und  Bxtraotion  vorgenommen  werden.  Be- 
deutend mehr  deform  war  das  Bocken  in  dem  Falle,  der  L<»HLEIN>'»)  unter  die 
Hftnde  kam.  Die  .3f>j:lhrige  Primipara  7pi<rte  eine  seit  1  !>  .Tahren  bestehende 
Luxntio  obturatoria  des  linken  Hüftgelenkes  und  war  die  linke  Beckenhälfte 
so  enge,  dass  rie  nur  ^en  Reeessus  darstellte,  sn  dem  links  neben  dem  Promon- 
torium kaum  2  Querfinger  emporgeftthrt  werden  konnten.  In  Folge  dieser  be- 
deutenden Raumbeengung  des  Beckens  musste  der  Kaiserschnilt  vorjrenommon 
werden,  der  jedoch  für  die  Mutter,  sowie  für  die  reife  Frucht  glücklich  ablief. 

Gonalgiseh  nenut  Klaus das  Beeken  dann,  wenn  es  dureb  eine 
frttbzeitig  aoquirirte,  einseitige,  reebtwinklige  Kniegelenksankylose  eine  specifisehe 
OestaltveraiifiiTiin-T  erfnhrt.  Das  Becken  wird  zu  einem  schrflgovalen  mit  charak- 
teristischen EigentbUmlichkeiten.  Der  Beckeneinirantr  ist  schräfroval.  Das  stumpfe 
Ende  des  Ovals  liegt  au  der  Pfauuengegeud  der  kraakeu ,  das  spitze  an  der 
KreuBdarmbetnfhge  der  gesunden  Seite.  Die  Darmbeinsebaufel  der  gesunden  Seite 
und  ihr  Kamm  stehen  mehr  sagittal,  auf  der  kranken  mehr  klaflfend.  Der  Scham- 
bogen der  kranken  Seite  ist  stark  abiretlacht.  Die  Knochen  der  erkrankten  Seite 
zeigen  in  Folge  der  Muskelatropbie  eine  starke  Atrophie.  Das  Promontorium  ragt, 
je  naeh  der  mebr  ritzenden  oder  mehr  gdienden  Lebensweise,  naeb  der  gesunden 
oder  kranken  Seite  hin.  Das  gonalgisehe  Beeken  stellt  demnach  gleiobsam  einen 
niederen  Grad  des  coxalgisclien  dar. 

Eine  schräge  Verschiebung  des  Beckens  in  Folge  einer  in  früher  Jugend 
vorgenommenen  Amputation  eines  Beines  beobachtete  Skgeth.  ^''^)  Die  Betreffende, 


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BECKEN. 


95 


nm  die  es  sich  gehandelt  hatte  ,  war  eine  25jfthri{j;'c  Erstp^eschw.lnjrerte ,  der  im 
12.  Lebensjahre  die  Unke  L'nterextremitit  knapp  am  Hüftgelenke  amputirt  wor- 
den war  nnd  die  im  9.  Omvidititimoiiate  an  einer  Pneumonie  starb.  Die  reeliie 
(der  gesunden  Unterextremitftt  entspreobende)  Beolcenhalfte  war  verengt.  Es  be- 
stand ojfrentlich  kcino  Schambeinfuge,  da  das  innere  Ende  des  linken  O.s  puhia 
um  Ü'ö  Cm.  tiefer  stand ,  als  das  rechte.  Dom  entsprechend  stand  das  rechte 
0»  innominatum  höher,  als  das  linke  und  der  rechte  äiubeinhöcker  um  2  Cm. 
Aber  dem  linlcen.  die  reehte  Pfanne  in  der  Höhe  der  linken  Spina  uoAM<?tca 
inferior.  Das  ganze  Os  inwmimahnn  war  nach  rechts  gewendet,  wobei  der 
vordere  Theil  abgcknirkt  war  nnd  mit  dem  rflokwärtigen  beinahe  einen  rechten 
Winkel  bildete.  Die  beideu  Oasa  imbis  waren  ausserdem  nicht  vollkommen  aus- 
gebildet, das  linke  hatte  einen  Defeet  von  1*/}  Cm.,  so  das«  sie  sieh  nicht  nur 
ihrer  verschiedenen  Höhenlage  wegen  nicht  vereinigten,  sondern  auch  durch 
einen  Zwischeoranm ,  entsprechend  dein  Defecte,  getrennt  w.iren.  An  der  l'ilek- 
seite  hingegen  standen  in  Folge  der  Drehung  des  rechten  Os  innominatum  nach 
rechts  die  beiden  Darmbeinkämme  in  gleicher  Höbe.  Oer  Beckenausgang  bildete 
ein  nnregehnlssiges  Rhomboid  in  Folge  der  Abweiehnng  des  Krensbeines  naeh 
rechts.  Auch  dieses  Becken  bildet  ein  Analogon  znm  coxalgischen.  In  Folge  des 
eioKciti/en  Druckes,  den  das  Berken  wegen  Fehlens  der  einen  rnterextremität 
zu  crleideu  hatte,  musste  die  gesunde  Beckenhälfte  verengt  uud  dadurch  das 
ganse  Becken  sehrftge  verschoben  werden.  IMeser  Fall  ist  ein  umso  wiehtigerer, 
als  bisher  nur  ein  solcher  bekannt  war,  jener  nämlich,  den  seberselt  die 

LaCHAPELLE  i"' t  erw.'lhnte. 

Von  einem  Becken,  das  in  Folge  Fractur  der  Knochen  zu  einem 
sehrige  verengten  wnrde,  soll  weiter  nnten,  wo  von  den  Beekenfiraetaren  §»• 
sproehen  wird,  Erwibnnng  gemacht  werden. 

Eine  sehr.'i;,'.?  Verengerung  des  Heckens  in  Folge  von  .Sklerodermie,  die 
bislier  iiodi  nie  gesehen  wurde,  wird  von  ToRfiOLEK'"»)  mitgetheilt.  Die  rechte 
untere  Extremität,  im  Hüftgelenke  normal  beweglich,  zeigte  eine  ausgeprägte 
Contraetur  im  Kniegelenke,  wihrend  der  Fuss  sich  in  Pes  «^tdAM-Stellung  be- 
fand. Die  ganze  Bxtremit.tt  war  auffallend  dünn ,  atrophisch.  Vom  Ges-isse  und 
der  Lei.stenfalto  an  war  die  Haut  diffus  gerr»thet  nnd  schilferte  sich  die  l-'piderinis 
ab.  Weiter  abwärts  war  die  Haut  dunhelbiaun  gefärbt  uud  mit  Pigmouttiecken 
bedeckt.  Die  Haut  war  so  straff,  dass  sie  sieh  nur  an  wenigen  Stellen  von  ihrer 
Unterlage  abheben  liess.  In  der  Kniekehle  fand  sich  eine  bereits  harte  unnach- 
giebige Frilte.  .Am  rnterselienkel  war  die  j>eriramentartige ,  harte,  sprride  l']]>i- 
dermis  atrophisch  nnd  dem  Kudcheii  üherall  fest  anhaftend.  Das  Unterhautzell- 
gewebe und  die  Muskulatur  waren  geschwunden.  Am  Fus^e  war  die  Haut  wieder 
normal.  Wegen  Wehenschwftohe  wnrde  der  Forceps  angelegt  nnd  eine  lebende, 
reife  Frucht  entwickelt.  Die  linke  Beckonhälfte  war  abgeplattet  und  im  Räume 
beengter.  Der  linke  Sitzbeinh<3cker  stand  höher  als  der  rechte  ,  die  Scharabeinfnge 
war  etwas  nach  rechts  verschoben ,  die  linke  Linea  innominata  gestreckter. 
Dieses  Becken  hat  offenbar  die  Bedeutung  eines  gonalgisohen.  Der  von  reohts  her 
stärker  wirkende  Druck  comprimirte  die  gesunde  Beekenhälfte  nnd  madite  da> 
Becken  zu  einem  m.'isHiir  schrliir  ovalen. 

Ein  schräg  verengtes  Becken  mässigen  Grades  mit  Yerrilekung  der 
rechten  Beckenhälfte  nach  oben  und  hinten  und  consecntiver  Ranmbeengung  der 
rechten  Hälfte,  angeblieh  mit  Ankylose  der  rechten  Krensdarmbeinfage,  bei  dem 
aber  die  Geburt  spontan  zu  Ende  j^ing,  thcilt  FleiäCHMANN mit,  ohne  aber 
über  die  Aetiologie  etwas  Bestimmtes  sagen  zu  können.  Ueber  die  Publication 
von  Bddin  —  „ibwr  un  bassin  oblique  ovalaire"  —  ist  mir  nichts  Näheres 
bekannt  Ans  der  Pnblieation  Rbtnold's  i")  dagegen  Usst  sieh  nicht  entnehmen, 
um  was  fQr  eine  schräge  Beekenvert>nge^aIl^f  ee  sieh  handelte.  Sie  miM  jeden- 
falls eine  solche  sehr  geringen  Grades  gewesen  sein,  da  sich  die  gewendete 
Frnobt  leicht  extrabiren  liess  und  lebend  kam.  Die  Mutter  blieb  gesund. 


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96 


BRÖKEN. 


Nach  Hbnnig  zerfallen  die  Folgen  der  einseitigen  Coxitis  in  die  der 
Ankylose  (scbrä^^  Verengung,  Verkürzung  des  schrägen  Durchmessers  der  kranken 
Hilft«,  Kleinerbleiben  des  Httftbdnee)  und  in  die  der  Verrenkang  des  Sehenkel- 
kopfes. Die  Folgen  der  Amputation  eines  Obersclienkels  bestehen  nach  ihm  nur 
in  einer  Atrophie  der  ihrer  Extremität  beraubten  Beckenhälfte,  nicht  in  einer 
Verengerung,  und  zwar  in  Folge  der  ausser  Tbätigkeit  gesetzten  Muskelgruppen. 
Letsteres  ist  entoehieden  nnriehtig,  irenn  die  AmpaUtion  in  die  frtthe  Jugend 
fUlt  nnd  das  Individnnm  weiterhin  mit  einer  Krtlcke  geht,  der  Druck  daher  ein- 
seitig nur  auf  die  goBunde  Beekenh&lfte  fUlt,  wodoreh  diese  schrig  verschoben 
werden  muss. 

IKe  Arbdt  Chambbblbnt's  die  Uber  den  Einfloas  angeborener  oder 
erworbener  Atrophie  der  ünterextremitäten  anf  die  Sefawangereehaft  und  Geburt 

(und  dadurch  auf  das  Becken)  handelt,  ist  mir  unerreichbar  und  das  Referat, 
das  mir  über  dieselbe  zu  (lebote  steht,  so  mangelhaft,  dass  ich  aus  letzterem 
uichtd  zu  entnehmen  vormag. 

Das  Lnxationsbeeken.  Bestiglicb  desselben  liegt  nur  eine  knrae 
Mittbeilung  Hennio^S'^^)  vor.  Er  erwähnt  einen  einschlagigen  Fall  bei  einer 
Vir'To  und  besehreibt  ein  Beckenprftparat.  Hei  beiden  Becken,  die  der  Gruppe  der 
angeborenen  beiderseitigen  Luxation  angehören,  findet  er  die  bekannte  Form- 
und  Lageverindemng,  nftmlieh  starke  Neigung,  steile  Dannsehaufeln,  eine  wenig 
verkarste  Gonju^ata  und  bei  der  Lebenden  eine  anfliillende  Verlingnmng  des 
Stammes  freerenüber  der  Kürze  der  Ünterextremitäten. 

Das  sponiiylolisthetische  Becken.  II.  VON  Mever ''^i)  entnimmt 
aus  einem  ihm  vorliegenden  Präparate ,  dass  es  eine  Spondylolisthesis  ohne  Tren- 
nung im  Wirbelbogen,  ohne  Spondylolysis  gebe.  Ans  diesem  Pripsrate  lasse  sieh 
nämlich  ersehen,  dass  zu  einer  Zeit,  als  die  einzelnen  Kreuzbeinwirbel  noch  ge- 
trennt waren,  der  erste  Kreuzbeinwirbel  in  seiner  VerbindiuiK-  mit  dem  zweiten 
um  einige  Millimeter  vorgerutdcht  sein  uiusste.  Ermöglicht  wurde  dieses  \''>r?-leiteo 
dnreh  den  geringen  Widerstand  der  sehr  sehwaehen  ProcesBi  obliqui  s,,i»  riore$ 
des  zweiten  Kreuzbeinwirbels  und  hervor-jerufeu  durch  eine  abnorme  Haltung  der 
Wirlieisiiule.  Bezfitrlich  der  Aetioloirie  der  iSpondylolysis  (ob  nämlich  die  Spalten 
im  VVirbelLü;ieu  ein  I  itium  primae  fonnationis  oder  Folgen  einer  Fractur  sindj 
entscheidet  er,  dem  vorliegenden  Präparate  an  Folge,  in  einem  Falle,  dass  die 
Ursaehe  in  einem  Vitium  primae  formationis  gelegen  sei.  Die  Frage,  wie  die  Ver- 
längerun?  der  Portio  interarticularis  entstehe,  beantwortet  er,  gleichfalls  an  der 
Hand  eines  Präparates,  dahin,  daas  diese  Verliinf^erun^  wohl  dun-h  Fortsetzunf? 
der  Knochenbildung  in  die  Substanz  des  fibrösen  Stranges  biuein  entsteheu  köuue, 
welcher  die  getrennten  Bogensttteke  miteinander  verbinde,  dass  sie  aber  in  dem 
beschriebenen  Falle  durch  Reizung  hervorgerufen  sei,  welche  die  unteren  Processi 
ohJif]iii  des  \it'rtf'n  Lendenwirbes  auf  den  Bop^entheil  des  fünften  J^endenwirliels 
ausübten  ,  nachdem  sie  mit  dem  Bogentheile  durch  V'orwärtsgieiteu  des  Kurper- 
iheiles  des  fanften  Lendenwirbels  in  Berflbmng  gekommen  waren.  Die  patho- 
logisch-anatomisehen  Veränderungen  am  vierten  und  fünften  Lendenwirbel  seines 
Prilparates  sprechen  nach  seiner  Annahme  für  drei  versehiedenc  /.eiträume  der 
Bildnn:;  einer  Sjxindybdisthosis.  Nämlich:  1.  Das  einfache  Verhältnis»,  der 
zweiseitigen  Spaltung  der  Portio  interarticularis  des  fünften  Lendenwirbels  mit 
normalem  Oontaetverhalten  der  Procesti  tMigui,  als  pridisponirende  Missbildung. 
2.  Pseudearthrose  zwischen  dem  BogenstUcke  an  dem  Kdrpertheile  des  fünften 
Lendenwirbels,  d.  h.  der  Processi  ol>firjui  snj^eriorrs  und  der  Procfssi  ohlitjui 
sacrales.  3.  Psbudo&rthrose  des  vierten  Lendenwirbels  mit  dem  Bogentheile  des 
Ainften  nach  Vorwflrtsgleiten  des  Kffrpertheiles  dieses  letzteren.  Dabd  ist  der 
Zeitraum  1.  w<ihl  nur  allmäli^r  in  den  Zeitraum  2.  flbei^angen  durch  Wirkung 
des  Druckes  der  Wirbelsäule.  Der  Zeitraum  2.  kann,  wenigstens  soweit  es  das 
Vorrücken  des  Körpers  annreht,  plötzlich  durch  äussere  Gcwaltciuwirkung  in  den 
Zeitraum  3.  Ubergegaugen  sein. 


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BECKEN. 


97 


Nach  Tbkub^*')  ist  die  Spondylolysis  nichts  Anderes,  als  ein  prädis- 
ponirendes  Moment  ftlr  die  Ppondylolisthfsis.  Dort ,  wo  entere  ist ,  kann  durch 
eine  langwähreude ,  durch  eine  plötzliche  starke  Belastung  4er  Wirbelsäule  oder 
dureh  ein  Tnnm«  dne  SpondylolisthesiB  zu  Stande  konmeo.  Dun  die  Spondy- 
loHstiieeis  bei  Weibern  viel  btnfiger  Torkomnt  als  bei  Ifftnnem  (von  letiteren 
sind  mir  4  F.HIe  bekannt),  beruht  darauf,  dass  bei  ihnen  durch  die  Schwanger- 
schaft eine  jrrfisHcre  Belastunfr  besteht  und  dass  bei  ihnen  die  Rcsistenzfilhigkeit 
der  Üi/ndefmwüis  interarticularis  abnimmt,  weil  sie  durch  die  Gravidität  an- 
lehwillt  nnd  weieher  wird.  Znweilen  nag  aneh  eine  geringere  Festigkeit  der 
Bandmasse  zwischen  den  beiden  Wirbelbogentbeilen  als  Folge  do.^  zarteren  Baues 
(li's  Skeletes  als  jirädispftnirendes  Eiitsteliungsnioment  der  Spoudylolisthesis  mit- 
wirken. Dort,  wo  Deviation  vor  der  Gravidität  eintrat,  kann  mau  wohl  letzteres 
voranssetzen.  Die  gedehnte  Bandmasse  ossifldrt  naeh  nnd  naeh,  so  dass  sie  eine 
Twllngerte  Portio  inierarttculari»  bildet,  bisweilen  mit,  bisweilen  ohne  Reste 
einer  mit  B.uulnirifs^e  anfrefUlIten  Spalte  ini  iiiterartictiliircn  Bogentheile.  Dadurch 
wird  der  fUulte  Lendenwirbel  stark  vcriiingert.  Eine  weitere  secundäre  Folge  der 
Wirbelkörperverscbiebung  ist  folgende.  Der  Wirbel  wird  flacher  und  bei  hoch- 
gradiger Brlvankiing  sehUesslieh  gekniekt.  Andi  der  erste  Saeralwirbel  erleidet 
an  seinem  oberen  Ende  eigenthflmliche  seenndftreTerAnderungen.  In  hochgradigen 
und  alteu  Fällen  wird  schliesslich  dag  ganze  anatomische  Bild  durch  die  Com- 
bination  von  Knochenabsohleifung  und  Osteopbytenbilduog  unklar.  Auch  Iseo- 
GBBAüBB^*')  ist  ihnlieher  Anrieht.  AniMssIieh  der  Besohreibnng  eines  neuen 
Spondylolisthetischen  Beckens  wwlhnt  er,  so  häulifj;  luterarticnlärspalten  der  Wirbel- 
bogen gefunden  zu  haben,  d.i'is  er  es  fftr  wahrscheinlich  hält,  dass  diese  Spondy- 
lolysis  eine  häufige  Ursache  der  äpondylolI.sthc8is  sei. 

Zwischen  Lamblia*)  nnd  Neuosbaoer kam  es  zu  einer  lebhaften 
Diseossion  «her  die  Aetiologie  des  spondyloUstiietisohen  Beekras.  Lambl  greift 
NitnKHAiFii's  Theorie  an.  der  zu  P'olge  das  Gleiten  der  Wirbel  immer  im 
extrantrriiialtn  Leben  stattlinde,  ohne  dasa  hierbei  eine  primitive  Dyskrasie  oder 
Erkrankung  der  Knochen  mitspiele.  Er  beharrt  auf  seiner  (der  HiTG  EN 'sehen) 
Theorie,  dass  die  primlre  ürsaehe  der  Spondylolisthesis  die  Hydrorrhaehis  sei, 
wihread  Nei  gkhai  kr  seine  Ansichten  vertheidigt, 

Geburtsfilile  bei  spondylnli^thrtischem  Becken  thcilen  Lomhard 
Mkola'"^),  Thomas  1«"),  Zimmer  )  und  Fibnig  mit,  doch  siud  kaum  alle 
diese  Fälle  Terlisslieh,  da  die  Trägerinnen  dieser  angebtieh  spondylolisthetisehen 
Becken  am  Leben  blieben  und  bei  der  Diagnose  sehr  leicht  Fehler  unterlaufen. 
Sicher  erwiesen  ist  nur  der  FiRXHi'schc  Fall,  in  dem  die  Mutter  auf  den  Seetious- 
tisch  kam.  Zufällig  gefundene  spondylulisthetische  Becken ,  die  kein  geburtshilf- 
liches Interesse  besitzen,  erwähnen  Nelgebauek  Uewitt  und  Tabgett  i"!"), 
sowie  H.  Mbteb."*)  Nbuobbaüxb  entdeekte  ein  spondyloBstfaetiaehes  Beokem, 
de'tsen  Trägerin  seehs  Wodien  früher  eine  nieht  ansgetragene  Fmebt  leiebt 
geboren  hatte. 

Das  kyphotische  Becken.  BekaontUch  fasste  Brkisky  das 
kyphotisehe  Beeken  ats  dne  seenndäre  Veränderung  in  Folge  primärer  Ver- 
krflmniui^  der  Wirbelsäule  auf,  ein  Entstehnngsmodus ,  den  man  ftlglich  als 
spinogenen  bezeichnen  kann.  Dieser  Auffassung  stellt  FRi:r\it '  eine  andere 
Hypothese  gegentlber,  in  der  er  als  das  primäre  Moment  ein  Stehenbleiben  des 
Beekena  anf  infantiler  Bntwi^dtlungsstufe  annimmt  und  die  Kyphose  als  das 
Secundäre  aosieht.  Dem  infantilen  Skelete  fehlt  die  normale  Lordose  der  Lenden- 
wirbelsäule und  dadurch  ein  vor.springendcR  Promontorium.  Entwickelt  sich  auch 
später  die  Lendenwirbelsüulelnrdose  nicht  oder  nieht  gehörig,  so  bleibt  das 
Beckeu  weiterhin  wenig  geneigt  und  behält  die  geringe  Querspannung  des  Fötalen. 
Soll  ein  soleher  Menseh  stehen ,  so  mnss  sieh  die  Lradenwirbdsänle  mehr 
nach  hinten  krtimmen  und  der  Korper  mehr  nach  vornüber  gehalten  werden. 
Die  nächste  Folge  der  mangelnden  Lendenwirbelaäulelordose  ist  aber  ein  abnormer 
Encyolop.  Jahrbücher.  III.  7 


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98 


BECKEN. 


BelastungamechaniBmus  der  Leudeuwirbel  uud  des  ersten  Kreazbeinwirbels.  Bei 
avfirwditer  Stellong^  ftllt  normaler  Weise  die  KOrperlaat  aof  die  Inmbalen  und 
Inmboeacralen  Gelenke   der  Lenden  Wirbelsäule   und   werden   die  Wirbelkörper 

niur  vorUberjfebend  bei  starktr  Beujrung  dea  Rumpfes  zur  Uebernahme  und  Fort- 
leitang  der  Runipfla^t  verwundet.  Geschieht  dies  dagegen  bei  infantil  gestellter 
Wirbelsäule  dauernd,  so  werden  die  Wirbelkörper  übermässig  belastet  uud  werden, 
wenn  ihre  £ntwiekliiog  niebt  eine  besonders  krflftige  ist,  «Ilmllig  eomprimirt, 
wodurch  es  zu  einer  leichten  bogenfftrmigeu  Kyphose  der  Brust-  und  Lenden- 
wirbelsäule kommt.  Bei  traumatischer  Einwirkun;r  oder  in  Folge  von  Dyskrasien 
kann  es  jedoch  auch  zur  Zerstörung  der  durch  die  Kyphosü  Übermässig  belasteten 
Körper  der  Leadenwirbelsllnle  kommen,  wodnreb  sich  dann  ein  Gibbns  bildet. 

Gegen  diesen  p  o  1  y  k  o  l  i' n  e  n  rrspriinir  der  WirbelsäulediflTorraitftt,  der 
des  weiteren  zur  Biidinifr  des  k\ pliotisehen  Beckeus  führt,  wendet  sich  Tkki'H.  ^''") 
Seiuer  Ansieht  nach  ist  das  durch  äpoodylitis  entstandene  kyphotiscbe  Becken 
kein  Kinderbeoken.  Es  findet  nnter  dem  Einfinase  einer  im  EindesnUer  ent- 
standenen Kypbose  die  Wtiterentwieklniiir  des  kindlioben  Beekens  in  einer  vom 
Normalen  abweichenden  Biehtuufr  statt.  Alle  Beckenveriinderunjren  hangen  haupt- 
sächlich vi>n  der  activ  durch  Muskel.'ietinri  hervurgebrachteii  eoinpensatnri^ehen 
Krümmung  (der  Lordose)  ab.  Letztere  i.st  dazu  bestimmt,  die  durch  die  Kyphose 
bewirkte  Verlagemni;  des  Schwerpunktes  naeh  vorne  sn  eorrigiien.  Der  ^nflnss 
der  Schwere  ist  hier  von  gerin^^erer  Bedeutung.  Die  Veränderungen  des  Krem» 
beiues  sind ,  elienso  wie  die  durch  diese  bewirkten  weiteren  Ver.lnderungen, 
Folgen  der  starken  compeusatorischen  Lumballordose.  Die  Rotation  der  Hüftbeine, 
welche  die  Triohterform  des  Beekens  vernrsaeht,  entsteht  seeundtr  dnreh  eine 
compensa torisch  verminderte  Beckenneiguni?.  Dadurch,  dass  in  Folge  verminderter 
Beckeiniciirung  das  Hauptgewicht  der  Ahdniiiinalurgane  auf  den  Darmbeinen 
ruht,  werden  diese  nach  aussen  gedrängt.  Die  Folge  davon  ist  wieder  eine  Dre- 
hung der  Sitzbeine  nach  innen.  Tbeub  nähert  sich  daher  in  seinen  Ansichten 
Uber  die  Aetiolopie  des  kyphotisehen  Beckens  der  Ansehannng  Bbbiskt^s,  nur 
dass  er  die  Hauptrolle  bei  der  DiiTormation  dieses  Beckens  nicht  einfach  der 
mechauischen  Wirkung  der  Rumpflast  zuschreibt ,  sondern  das  Hauptgewicht 
auf  den  Muskelzug  legt  uud  den  Druck  der  Eingeweide  auf  die  Beckenscbaufeln 
stark  hervorhebt  Als  Beweis  fflr  die  Richtigkeit  seiner  Ansehanunf^  Uber  die 
Entstehung  des  kyphotisehen  Beckens  erwähnt  er,  dass  er  das  Becken  eine« 
l^jährigen  Knaltens  mit  starker  Luuibosacralkyphose  und  l)estruction  des  5.  Lenden-, 
sowie  des  1.  und  2.  .Sacralwirbels  untersuchte  und  an  demselben  alle  Ver- 
änderungen des  kyphotischen  Franenbeckens,  aber  nicht  jene  des  infantilen  fand. 
Als  weiteren  Beweis  theilt  er  «nen  Fall  mit,  in  dem  eine  Sljlhri^  Fran  nüt 
rudimentären  inneren  Genitalien  ein  infantiles  Becken  trug,  die  Wirhcls.lule- 
krümmuugeii  aber  normale  waren.  Enger  noch  scheint  sich  CAJUtONELLl  ^'^) 
Bk£1SKv's  Anschauung  anzuschliessen. 

SOLGBR-BüBL^**)  stellt  als  Itiolo^sehes  Moment  in  «rster  Linie  die 
Tuberkulose  des  Kindesaltcrs  hin.  Als  charakteristisch  fflr  die  höheren  Grade 
dieser  Beckcnanomalie  hebt  er  den  kurzen  ( »berki'irytcr ,  die  langen  Arme  und 
das  Freiliegen  der  äusseren  Geuitalieu  hervor.  Die  Menstruation  pdegt  sich 
bd  Trägerinnen  soldier  Beeken  spit  eintsustelleii  imd  naregelmftssig  sn  ssin. 
Aus  den  5  Fällen,  die  er  sah,  will  er  entnehmen,  dass  Vorderhauptslagea 
auffallend  hSutig  vorkommen .  und  zwar  deshail) .  weil  die  Drehung  der  kleinen 
Fiintanelle  nach  vorn  durch  Mangel  an  Kaum  erschwert  werde  und  das 
liiutcrhaupl  wegen  seiner  grosseren  Breite  sehlechter  i'latz  in  dem  engen  Scham- 
bogen finde ,  als  das  schmftlere  Vorderhanpt.  Aehnitoh  spricht  sich  Obamfnxt  ***) 
aus.  Der  Kopf  stelle  .sich  gewöhnlich  mehr  oder  weniger  quer  und  nicht  gerade  iä 
das  Becken  ein,  selten  aber  drehe  sich  das  Hinterhaupt  nach  vorne,  sondern 
meist  nach  hinten.  Zuweilen  trete  der  Kopf  nur  durch  die  hintere  Beckenhälfto 
(die  vom  durch  die  Sitsbeinstadiel  und  hinten  durch  das  Krenabcin  begrenzt  ist) 


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BECKEN. 


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aus.  Diese  Art  des  Durclitrittes  des  Kopfes  bebt  auch  BKSWiä  hervor.  £r- 
leiehtert  werde  aber  die  Gebort  dadnreb  etwas,  dau  sieb  die  Conjugata  vera 

intra  partom  durch  die  Verschieblichkeit  des  Ileosaeralgelenlces  etwas  veriftogejre. 

Brewis  räth  in  Foljre  de«  erwflhuten  Durchtrittes  des  K'^pff-;  an,  wenu  man 
die  Zange  anlege,  luUsse  inaa  mit  dieser  den  Kopf  in  der  Iiichtung  mich  hinten, 
gegen  das  Perineum  berausleiten.  Allerdings  aber  werde  dabei,  wie  begreiflich, 
der  Damm  leksht  lerrissen* 

Mitthcilunpren  ühvr  ficburtsfilllc  bei  kyphotischem  Hecken  liegen  mehr- 
fach vor,  so  jene  von  HiKST  -'^-j,  G.  Hkaux  "•  ),  IJußKOw -''J* BüDiN -"j.  Li:SK 
EvEBKE^O'j,  Di.NCA.N  2«*";  uod  Fritsche. -"'j  Eio  kyphotiscbes  Becken,  das  er 
bei  «ner  53jäbrigen,  auffallend  kleinen  Person  fand  und  das  nebenbei  ein  swer^ 
h.tft  kleines  war,  beselureibt  ToRGGLEB*")  und  WscsCHBiDEK  ein  einseblfln^iges 
Beckenprilparnt. 

Leber  die  Compiicatioueu  von  Kachitis  und  Kypliose  schreibt  GoEXZE  'i'), 
benebangsweiae  Uber  das raiAitisebe  kypboskoUotisebe  Beoken.  Et  weist 

nach,  dass,  wenn  zur  Raebitis  eine  Kyphose  oder  Kyphoskoliose  binantritt,  die 

rachiti<f'lit'ii  V»'rbii(lunfrcn  des  Heckeiis  abgrsehw.'icht  uml  iim^rcilmlcrt  worden. 
Diese  Lmanderuufi^en  Längen  in  ihren  (Jradeu  von  dem  (iru  ic  und  Sitz  der  Ivypbosc, 
sowie  von  dem  Grade  der  Rachitis  ab.  Das  rachitische  Hecken  wird  rund,  selbst 
triehterfiDrmig,  im  Eingange  relativ  erweitert  und  im  Ausgange  rerengt  mit  Ter* 
minderter,  doch  noch  deutlieli  vorhandener  ra«  hiti^  -lior  Querspannttug.  Je  naoh 
dem  der  Charakter  eines  solrhcn  Bt'i  kcns  mehr  der  k\  [)lioti>»chen,  beziehungsweise 
kyphotigch-skoliotischen  Form  zuneigt,  wird  auch  der  Durchtritt  des  Kopfes  mehr 
im  Eingange  oder  im  Ausgange  ersobwert.  Nebel'")  macht,  ansebliemend  an 
die  Mittheilung  zweier  ein.sehliigiger  FiUe,  darauf  aufmerksain,  daas  die  durch  die 
Kyphoskoliose  in  Folge  der  eingetretenen  Schwangerschaft  sieh  entwiekclnden 
€irculatioDsstörungcn  nicht  leicht  zu  nehiucn  sind  und  e-t  angezeigt  sei,  sobald 
de  einen  bedrublicben  Charakter  aonehuien ,  die  Schwangerschaft  möglichst  bald 
kUnstlieh  si  unterbreoben,  das  beisst  den  Abortus,  respeetire  die  Frflbgeburt  ein- 
znleiten  oder  den  Kaiserschnitt  —  die  PoRRo-0|)('rati'm  —  vorsuuebmen,  weil 
es  sonst  geschehen  kann,  dass  die  (iravide  unentbiinden  stirbt. 

Das  Schaltwirbelbecken.  Da  diese  Beckcnditlbrmität  seinerzeit 
im  Artikel  Becken  niebt  erwftbnt  wurde,  so  mOge  sie  hier  eine  kurze Bespreebung 
erfahren. 

Der  ö.  Lendenwirbel  kann  die  vor!<chiedcHsten  Variationen  zeigen,  nämlich 
alle  Uebergänge  von  der  Form  des  rein  lumbalen  bis  zu  jener  eines  vollkommen 
ttbersdiUssigen,  sacralen  Wirbels.  Ebenso  kann  andi  der  1.  Kreuzbeinwirbel  gans 
oder  tbeilweise  auf  einer  oder  auf  beiden  Seiten  den  Charakter  eines  Lendenwirbels 
annehmen.  Wesentlich  altcrirt  wird  die  Beckenform.  wenn  die  Assimilation  asym- 
metrinch  ert"olgt,  das  hei.sst  auf  einer  Seite  stilrker  entwickelt  ist  als  auf  der 
anderen,  oder  auf  letzterer  ganz  fehlt  oder  wenn  bei  ..ymmotrischer  Aüsimilatioa 
das  Promontorium  hoeb  steht. 

Bei  asymmetrischer  Assimilation  kann  der  asymmetrisch  entwickelte 
Wirbel  der  letzte  Lendenwirbel  oder  (was  häufiger  der  Fall  ist  i  der  erste  Kreuz- 
beiuwirbcl  sein.  Die  Asymmetrie  besteht  darin ,  dass  ein  FlUgel  auf  einer  Seite 
mehr  oävt  weniger  vollkommen  entwickelt  ist,  während  er  auf  der  anderen  Seitb 
fehlt  oder  weit  8ch\N.ielicr  entwickelt  ist.  Der  besser  entwickelte  Flügel  tritt  seit- 
lieh mit  dem  1  )arnil)einc ,  nach  unten  mit  dem  FIflgel  de>  nUehstcn  Kreu/.hein- 
wirbels  in  Contact  und  ist  daselbst  mit  dem  anliegenden  Knochen  verschmolzen 
oder  durch  eine  Knorpel  fuge  von  ihm  getrennt.  An  der  Seite,  an  der  der  FlUgel 
mangelhaft  entwickelt  ist,  knin  ein  tbellweiser  oder  Tollkommener  Ersatz  dadurch 
gebildet  werden  ,  dass  der  FItIgel  des  nächsten  Sacralwirhels  sieh  stUrker  ent- 
wickelt und  dem  riiditnentären  gleichsam  eutgegenw;leli,-it.  Da  lileibt  das  Beekcn 
symmetrisch.  Geschieht  dies  aber  nicht,  so  sinkt  der  Wirbelkörper  nach  der  minder 
«ntwiekelten  Seite  hin  herab,  da  er  hier  mangelhaft  nnterstfllzt  wird.  Consecutiv  mnss 


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BECKEN. 


sich  eine  nach  dieser  Seite  convexe  Skoliose  der  LendenwirbelsÄule  bilden.  Die 
Seite  der  geringeren  Entwicklung  erleidet  einen  stärkeren  Druck,  der  sich  in  der 
Abplattung  der  betreübDden  Beekenhülfte  tod  dw  PfaniM  ans,  in  der  Yeraebiebang 
des  Darmbeinee  unöh  hinten^  aowie  oben  und  in  der  Veraobiebnn^  der  Symphyse 

nach  der  entfre^jenpesetzten  Seite  äussert.  Die  VerilndfriinsreTi  sind  hier  dieselben 
wie  bei  primiirer  Skoliuge,  nur  ist  die  Skoliose  hier  nicht  eine  primäre,  sondern 
eine  eecuudäre  in  Folge  der  mangelhaften  Unterstützung  des  asymmetriaeben 
^rbela  anf  der  Seite  der  mangelhaften  EntwieUnng.  IMe  YeradiietNing  der 
beiden  Beokenhälften  an  einander  wird  desto  bedeutender  sein ,  je  weiter  und 
bildsamer  das  Becken  zur  Zeit  der  ersten  Belastung  war.  Ganz  besonders  wird 
sie  hervortreten,  wenn  das  Becken  nebenbei  ein  rachitisches  ist. 

SymmetriBohe  Assimilation.  Liegt  nidit  die  ganse  Wirbelslale  rotf  so 
kann  die  Entscheidung  Hcbwierig  sein,  ob  der  Wirbel,  um  den  das  Erentbein 
länger  ist,  ursprünglich  der  Wirbelsäule  zukam  oder  o]>  d:is  Kreii/bein  um  einen 
Wirbel  mehr  bat.  Für  die  erstere  Auuahme,  s.  g.  obere  Assimilation,  spricht 
der  Hoebstand  de«  Promontorinms  über  der  Beckeneingangsebene  und  das  Per* 
ristiren  der  Bandsdhdbe  swisohea  dem  1.  ond  2.  E[rewbeinwirbel.  Fflr  die  zwdt» 
Annahme,  s.  g.  untere  Assimilation,  spricht  das  Vorhandensein  der  Cnrmta 
corci/fff'u  an  dem  letzteu  mit  dem  Kreuzbeine  verHehinulzenen  Wirbel.  Aber  auch 
bei  einem  Kreuzbeine  von  nur  fünf  Wirbeln  kann  der  oberste  ursprünglich  der 
LeadenwirbelsAnle  angehört  lialwii,  wlhrend  der  ttbersdiflssige  sebon  in  das  8teis8> 
bein  fllwrgetreten  ist.  Diese  Anomalien  verändern  die  Beckenform  nur  dann,  wenn 
dabei  das  Promontorium  hoch  steht,  der  rroniontnriumwinkcl  aber  weniger  ent- 
wickelt ist.  Bei  wenig  entwickeltem  Promontoriumwiukel,  das  heisst  bei  fehlender 
LendenidrbelBtntelordose,  sind  aber  dann  die  gidehen  Verhtitnisse  da,  ans  denen 
Freund,  wie  oben  erwähnt,  die  Entstehung  des  kyphotisehen  Beckens  dedndrt. 
Thatsäehlieh  zeigen  auch  solche  Becken,  wenn  nicht  andere  Complicationen  stftrend 
einwirken,  mehr  oder  weniger  den  ('harakter  des  kyphotisehen. 

ScHAUTA  *^^)  legt  den  Becken  mit  einem  Kreuzbeine  von  sechs  Wirbeln 
den  Namen  Assimilationsbeeken  bei  nnd  meint,  dass  äw  Name  Sehalt- 
wirbelbeoken  strenge  genommen  einer  anderen  Gruppe  von  Becken  zukomme, 
und  zwar  solchen  Becken ,  bei  denen  Einschiebungen  von  rudiment,'iren  Wirbeln 
vou  hinten  her  zu  tiuden  seien.  Meist  handle  es  sich  hierbei  um  die  Einschiebung 
eines  Bogens,  jedoeh  ohne  KOper  oder  eines  Bogens  mit  sehr  radimentlr  ent- 
wickeltem Körper,  Spondyloparembole.  Diese  wahren  Solialtwirbelbeeken 
harren  noch  einer  griindliehen,  eindrehenden  l^eurtlieihing. 

Das  oKteomalakischc  Becken.  Bezüglich  der  Verbreitung  der 
Osteomalaeie  und  des  EinÜusaes,  den  die  Gegend,  sowie  der  Boden  anf  die  Ent- 
stehung dieses  Leidens  vielfaeh  ansObt,  liegen  einige  Hittheilungen  vor.  SchÖr- 
BKUG-'^)  erw.nhut,  dass  bis  zum  Jahre  1887  in  Norwegen  nur  drei  Fälle  von 
osteonialacischem  Becken  bekannt  waren  und  Aunott  -'  i,  «la-is  das  Leiden  in 
Ostindien  häufiger  vorkommo  als  die  Rachitis  und  Uberhaupt  Limmer  als  in  Europa. 
Hohamedanerinnen  erkranken  angeblieb  sehr  hlnfig  an  Osteomalaeie,  seltener 
dagegen  Hindu* Weiber.  Letztere;  sind  nicht  dauernd  an  das  Uhus  gefesselt,  wie 
erstere  und  bewegen  sidi  mehr  im  Knien.  Kkukeh^'")  hebt  hervor,  dass  die 
geographische  Verbreitung  dieses  Leidens  eine  sehr  ungleichmässige  sei.  TuoaN*^') 
macht  die  höchst  interessante  und  wichtige  Mittbeilung,  dass  die  Abhängigkeit  der 
Osteomalaeie  von  der  Oertliehlceit  dne  schwankende  sei  und  fahrt  als  Beweis  an, 
da<s  in  der  Gegend  von  Aschersleben  die  Osteomalaeie  h.1ufiger  vorkomme  als  früher 
und  Gummersbach  —  bekannt  durch  die  vielen  KaisersL-hnittr  Winckel's  sen.  — Jetzt 
lange  nicht  mehr  so  reich  sei  au  Osteomalaeie,  als  zu  Zeiten  Winckel's  sen.  Nach 
Gallia^o)  soll  die  Hehrsahl  der  Osteomalaklschen  der  Turiner  Klinik  aus 
GcL'enden  stammen,  deren  felsiger  Boden  arm  an  Kalksalsen  ist.  GelpkB"*), 
der  die  Aetiologie  der  Osteomalaeie  in  grüudlicher  Weise  zu  erforschen  sucht, 
findet,  dass  das  Wasser  in  den  Gegenden,  in  denen  die  Osteomalaeie  endemisch 


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ist,  einen  normalen,  Stellenweise  einen  hriheren  Kalkgehalt  besitzt.  BezUf^lich  der 
geologischen  VerhftUniMe  äussert  er  sich  nach  Prof.  Scuuid  dabin :  Als  befallen 
▼on  Osteomalaeie  ersoheint  das  Gebiet  der  jongen  Kettengebirge  Europas,  Alpon 
und  ApeauBMi  mit  j^osehloM  deijenigen  Gebiet«,  welche  mit  ans  diesen  Gebirgen 
stammenden  Schottcrmassen  flberdeckt  sind ,  frei  d.i;?e?en  die  alten  Tafelländer 
nnd  abrasirten  Faltengebirge  im  Norden,  Nordwesten  nnd  Nordosten  £aropaa  mit 
Einschluss  ihrer  Diluvialgebiete. 

Hbtbb***)«  Kbhrbb***),  Zwbifsl**«)  nnd  Fehlinq**^  meinen,  die 
Osteomalaeie  sei  durchaus  nicht  eine  ausschliosäliche  Proletarierkrankheit,  wie  man 
dies  bisher  angfenommeii  habe,  und  Kehrkr  hebt  ausdrücklich  hervor,  dasa  scblecbto 
Ernäbrungs-,  sowie  Wobnuugsverhältnisse  und  andere  Schädlichkeiten  in  etwa 
iHnem  Drittel  der  Fille  sieher  aussnsohliessen  seien. 

Wesen  des  Krankbeitsprocesses.  W.  Mbtbr  "*)  entnimmt  aus  einem  Falle 
nicht  puerperaler  Osteomalaeie  auf  Orund  «einer  mikroskopischen  und  clicini^chcn 
I'ntersuehungen ,   dass  efl  sich   bei  dieser  Erkrankunj^  nicht  um    einen  entzünd- 
lichen Trocess,  sondern  nur  um  eiue  Eatkalkung  der  alten  Kuoch-^u  haudle.  Auf 
die  TOB  y.  Jaxsch  naehgewiesene  Terminderte  Alkaleaeens   des  Blntee  legt 
FsBLiNG-")  keinen  Werth,  da  sie  wohl  xaweilen  nachweisbar  war.  ia  anderen 
Fällen  dagegen  nicht,  während  ihr  Wixckkl^'«),  genützt  auf  die  Beobachtung 
zweier  Fälle,  duch  eine  Bedeutung  eingeräumt  wissen  will.  Auch  auf  das  Verhalten 
des  Harnes  legt  Fbhlikg**')  knn  Gewicht  nnd  hält  es  fOr  nnznverlisslioh. 
KKiiKKR2»o)  stellt  die  Vermuthung  auf,  ob  nicht  etwa  dieser  Krankbeitsproce.49 
Wirkung  osteolytischer  Bakterien  sei,  eiue  Anschauung,  der  sich  auch  Solowij  ^si) 
zuneigt.  Baumann  '-j  fasst  den  Process  als  direct  infectiöson  auf  und  Tßuzzi  ä^') 
will  aus  dem  Blute  Osteomalakiscber  einen  speciiischea  stapbyloooccenartigen  Pils 
gesflchtet  haben.  Fehling  ***)  hilt  die  Osteomalade  ftkr  eine  krankhafte  Reisnng 
der  Vasodilatatoren ,  die  dnroh  krankhafte  Thätigkeit  der  Ovarien  reflectoriseh 
auf  den  Sympathiciisbahnen  zur   Auslösung  gelangt.    Unter  dem  Einflüsse  der 
venösen  Stauungahyperiimie  des  Knochens  kommt  os  zuerst  zur  Auflösung  der 
Ealksalae  nnd  dann  snr  Einsehmelcnng  der  KnodiensnbstanB.  Die  üternsadnexen 
sind  dabei  hyperftmiscb,  das  Parenchym  der  Ovarien  bt  zwar  unverändert,  doeh 
ist  eine  erhöhte  Th:ltigkcit  derselben  anzunehmen ,   womit  auch  die  (ihergrosse 
Fruchtbarkeit  der  Kranken  übereinstimmt.  Er  fasst  den  Process  demnach  als  eine 
Trophoneimfle  anf  und  findet  den  Beweis  fQr  die  Richtigkeit  seiner  Ansieht  in  dem 
Umstände,  dass  die  Castration  den  Pfoeess  snr  Heiinng  iiihrt.  Nicht  die  Steriiisimng 
der  Kranken  wirke  heilend,  sondern  die  Entfernung  der  Ovarien,  da  durch  letztere 
die  mit  der   (Ovulation   im  Zusammenhang   stehenden  vasomotorischen  Vorg.ingo 
—  die  Trophoneuro.se  —  beseitigt  werde,  EijsENHAkt  -      Wenn  auch  iluFMEiKü 
in  einem  Ton  ihm  operirten  Falle   die  von  Fehling  snpponirte  Alteration  der 
Ovarialgefässe  —  einen  besonderen  Reiehthnm  der  Gefässe  und  Erweiterung  der- 
selben —  nicht  antraf,  wenn  auch  aus  neuester  Zeit  Fälle  von  Schauta-"  !  und 
QutmOT  ■^ä'*;  —  auch  ich  beobachtete  einen  solchen  —  mitgetheilt  werden ,  in 
denen  nach  Vornahme  des  Kaiserschnittes  ohne  Entfernung  der  Ovarien  Besserung 
und  vollständige  Genesung  des  Leidens  folgte  und  die  FSHLiNG'sehe  Hypothese 
manche  Ei^renthümlichkeite»   dieses  Processes ,   namentlicli    dessen  merkwtlrdige 
geographische  Verbreitung ,  nicht  aufklärt ,  so   ist  sie  duch  als  ein  wesentlicher 
Fortschritt  zu  begrUsseu,  da  sie  uns  durch  die  operative  Entfernung  der  Ovarien 
an  die  Hand  geht,  die  Krankheit  sn  beheben,  mag  die  Kranke  gravid  oder  nieht 
gravid  sein.  Dass  sich  die  von  Fkiii.ixc  anempfohlene  Therapie  bewährt,  dafflr 
sprechen  zahlreiche  Fälle,  die  in  den  letzten  . fahren  publicirt  wurden  - 

ScHAiiTA-^")  meint,  dass  sich  nicht  alle  Fälle  vou  Osteomalaeie  fiir  die 
Castration  eignen,  denn  snweilen  wirke  das  Aufhören  der  Gravidttftt  an  «ich  schon 
als  heilender  Factor.  Ist  die  1  Il^r  lIlkung  erst  in  der  letzten  Schwangerschaft 
aufgetreten,  so  mdssc  man  nach  (icr  (Jehurt  noch  eine  Zeit  warten,  oh  die 
Erkrankung  weiter  vorschreite  oder  sich  bessere.  Geeignet  für  die  Castration  sind 


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BBOKBN. 


Falle  von  progredienter  Erkmlrang,  dfe  längere  Zeit  naeh  d«r  leteton  Qebirt 
noeb  fortbestehen  und  deren  Heilung  oder  Bessertin?:  auf  anderen  Weg:en  nicht 
gelinpt.  Stfknukkg  theilt  mit,  einen  Fall  v(tn  Osteoraalacie  mittelst  Plmsphor 
geheilt  zu  haben.  Von  einer  Lösung  von  Ü  Uö  Phosphor  in  50  Grm.  Ol.  jecoris 
reiebt  er  tiglieb  1  KaffeelOffisI.  Der  Hämoglobingebelt  stieg  nneh  4  Monaten  auf  90*/f 
und  erreiehte  nach  ll  Monaten  100%«  Die  Heilunj^r  erforderte  eine  Behandlung:  in  der 
Dauer  von  40  W(K'lien.  Marocco-'-)  wirft  die  Fraf'e  auf.  ob  es  nicht  des  Versuches 
-wertb  wäre,  bei  der  Osteomalacie  die  elektrische  Behandlung,  und  zwar  den  oon- 
Btanten  Strom  anzuwenden,  da  derselbe  nadi  Tkdkschi  bei  Baebitis  gut  wfarkmi  toH. 

LöHLnN*"}  macbt  anf  die  Flezibilitnt  des  osteomalaclecbeQ  Beoken 
wieder  aufmerkfam  und  theilt  zwei  einschlJljripre  (leburtsfillle  mit. 

TnoRN-'*)  hebt  hervor,  das-j,  als  er  wejreu  Osteoraalacie  bei  einer  Nieht- 
graviden  die  Castration  vornahm ,  die  Gewebe  eine  Maeicb  zeigten ,  wie  mau  sie 
nur  in  puerperalen  Zuatasde  antriot.  Dabei  waren  die  Adnexen  des  Utems  Uberans 
stark  vascularisirt  und  deren  Geftsse  nnrerbSltnissmiMig  weit.  Aneb  der  Uterna 
war  sehr  blutreich. 

ScHURlG>'^j  erwähnt  eine  bisher  noeh  nicht  beobachtete  Beckeomissbil- 
dnng.  Er  maebte  bei  etnem  Beekep,  welches  den  Charakter  der  Osteomalacie  darbot, 
wehren  abj<oluter  Gebärunmöglichkeit  den  Kaiserschnitt.  Die  Operirte  starb.  Eine 
mikroskdjiisi'ht'  rntor>U('hiinfr  «t;,--;!!».  da<K  keine  O-teonialaeie  vorlag,  sondern  eine 
parcnehymatöse  EutzUiiduug  der  Knochen  der  WirbelsiUiIe  und  des  Beckens,  welche 
den  Knochen  dieselbe  Weichheit,  Nachgiebigkeit  und  Biegsamkeit  verlieb,  wie  dies 
Bonst  nnr  der  Osteomalaeie  dgentbflmlieb  ist  Dabei  waren  aueh  die  Knorpel  in 
den  EntzUndung.sprore.s8  mit  einbezogen  worden,  so  dass  von  ihnen  nur  dnxelne 
Rudimente  zurück ;;eblieben  waren. 

Das  angeboren  defeote  Bocken.  Pikulnü  ^*^')  beobachtete  cinea 
Oebnrtsfall  bei  seltener  Beekendifformltftt.  Das  Krensbein  war  abnorm  kurs.  Es 
lie88  nur  zwei  Zwischenwirl  i  Ix  heibon  erkennen.  Das  Steissbein  fehlte.  Das  Becken 
hatte  den  Ch.'irakter  eines  einfach  quer  verengten  Trichterbeekcus.  Ausserdem 
bestand  ein  A/tu.s  cestibularis  und  ein  Defect  des  rechten  Serratus  anticus 
major ^  sowie  des  rechten  Rippenbogens.  Die  Geburt  verlief  normal. 

DasStaehelbeeken.  FbomhBL**')  maebte  hm  «ner  Zwdtgebärenden, 
deren  erste  Cebtirt  mittelst  der  Craniotomie  beendet  werden  musste  und  die  ein 
plattes  rachitiselies  Hecken  mit  einer  Con  jinjntn  /v  r^^z-Liinfre  von  7  Cm.  trug, 
den  Kaiserschnitt  mit  glücklichem  Erfolge  für  Mutter  und  Frucht.  Die  Conjugata 
wra  wurde  ausserdem  dnreh  dne  staebelförmige  Exostose,  die  von  der  Hinter- 
wand der  Symphyse  ausging,  noch  weiter  verengt.  Ein  Stachclbecken,  das  zufällig 
bei  der  Seetion  einer  57  Jahre  alten  Frau  L'^efniiden  wurde,  erw.ihnt  F.  L.  Nru- 
QEBAUEK^*'^).  Bei  der  an  Lungenphthise  gestorbenen  Frau  stand  der  atrophische 
eebmale  und  dflnne  ütems  avfllsltond  boeb  and  war  ganz  ungewOhnHeb  stark 
antetlcctirt.  Die  Cervix  war  durch  ein  strangartigcs  Gebilde,  welches  von  einer 
Duplieatur  des  Pcritnnennis  iilxrzft'rcn  war  und  den  Doiijrlas  in  zwei  Hälften 
theilte,  mit  dem  Promoutoriuiu  verbunden.  Dieses  halbbleistiftdieke  Band  t^infr  von 
der  Spitze  einer  stecknadelförmigen ,  etwa  1  Cm.  langen  E.vostose  aus,  die  dem 
Promontorium  aufsass.  Aneserdem  fand  sieb  ein  medianes  Golobom  der  hinteren 
Muttermundslippe  und  etwa  2  Cm.  oberhalb  des  freien  Saumes  der  hinteren  Mutter- 
mundslippe eine  tiefe  Delle,  von  deren  Grunde  jener  Narbenstraug  al),iring.  Der 
Fall  ist  daher  analog  dem  Fisciikl's  ^''^j  Durch  Verletzung  des  l'eriostcs  des 
Promontoriums  und  der  gegenaberliegenden  Hinterwand  des  üterns  kam  es  aar 
Verwachsung  der  beideji  einander  gegenilberliegendcn  wunden  Stellen  und  weiterhin 
zu  einer  Kxostosenbildung  des  Promontoriums.  Wahrscheinlich  wurde  diese  Verletzung 
wie  im  Fl5>CiiEli'.sehen  Falle  durch  eine  vorausgegaugene  Zangengeburt  hervorgerufen. 

Beckentumoren.  Innerhalb  der  letzten  sieben  Jahre  wurden  zahlreiche 
Fälle  pnblicirt,  in  denen  die  Geburt  dureb  den  Beekencanal  durch  Beckentumoren 
ganz  unmOglieb  gemacht  oder  doeh  sehr  bedeutend  ersebwert  wurde. 


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B£CK£N. 


TOPORSKI  ^"0)  erwähnt  einen  Fall,  in  dem  ein  metastatiscbes,  der  linken 
Kreuzboinhälftc  aufsitzendes  Knofhencarcinoni  die  Perforation  erheischte.  Theil- 
HABEK  -^')  sah  eine  spontane  Uterusruptur  eintreten ,  weil  ein  vom  Kreuzbeine 
aoBgebendea  Saroom  das  BeckenlumeD  verl^^.  Malcolm  McLbah-''^)  legte  die 
Zange  nn,  weil  ein  von  der  Innenseite  des  0»  tZeum  aiugehendeB  Oiteosaroom  die 
Geburt  erschwerte.  Bald  darauf  starb  die  Frau.  Der  Tumor  war  inzwischen  zwei- 
niÄnnskopforross  {geworden.  G.  Brai  n  -^'^)  machte  wegen  eines  gleichen  Neuprebildes, 
das  vom  linken  absteigenden  Schambeinaste  ausging,  den  Porro.  Mutter  und  Kind 
bUeliett  am  Lebeo.  FiscHtB***)  legte  die  Zange  an,  weil  ein  von  der  lintoi 
Bynchondrasis  »acro-iliaea  entsprinjj^endes ,  apfelgrosses  Fibroid  die  Qebort 
erschwerte.  Er  rettete  Mutter  und  Frucht.  Bab^ss^  machte  den  Kaiserschnitt  wegen 
eines  Eneboudromes,  das  von  der  rechten  Kreuzdarmbeiafuge  aasging.  Die  Mutter 
genas,  die  Frucht  kam  lebend.  Wegen  grosser  EnodientnmoriB  machten  den 
Kalaerselmitt,  beriehnngeweiie  aneli  den  Porro:  LawsON  Tait**«),  Cbiaba'*'), 

KraSSOWSKY  VAX  DER  MEIJ -(i»,    HOWAKD   KELLY-««),    OLSHAUSEN Und 

SviKCfCKV.  ■-"-)  Zwei  Fülle  von  Beckentunioren  rrw.Hhnt  auch  Vailt.e. Eine 
vom  Kreuzbeine  ausgehende  Exostose,  die  den  Tod  der  Mutter  und  Frucht  uach 
Bieh  80g,  erwflhnt  Kamps.  ESoen  Fall  der  so  leieht  an  Ubersehenden  Verdieknng 
der  hinteren  Sympbysenwand  theilt  Ahlfeld  ^^^)  mit.  Die  Auftreibung  war  balb- 
walnusR^^rnsj».  Die  erste  Tit^burt  verlief  spontan  und  kam  die  Frucht  todt.  Die  zweite 
Geburt  erforderte  den  Forceps,  die  Frucht  kam  wieder  todt.  Dritte  Geburt  spontan 
beendet,  Frueht  wieder  todt.  Vierte  Gebnrt  Querlage,  Wendung,  todte  Fmeht 
FOnfte  Geburt,  künstliche  Frflbgebnrt,  Querlage,  Wendung,  abermals  todte  Frucht. 
Die  Mutter  starl)  im  letzten  Puerperium.  Einen  Fall  eines  von  einem  Sitzbeine 
ausgelienden  Uateos&rcoms ,  der  aber  keine  Gebärende  betraf,  erwfihnt  Malcolm 
Mc  Lean 

Beekenverengernngen  in  Folge  Toransgegangener  Frao- 

turen.  Im  Verlaufe  der  leisten  Jahre  wurden  nur  vier  einschlägige  Fälle  bekannt, 
von  denen  aber  blos  drei  ein  geburtshilfliches  Interesse  besitzen.  Edward 
W.  J£NKS  '-'^')  theilt  einen  Fall  mit,  in  dem  eine  Frau  2  Jahre  nach  der  ersten 
Geburt  eine  Beekenfractur  in  der  Gegend  der  rechten  Kreusdarmbeinfuge  erlitt  und 
glacklich  (Jberstand.  Als  sie  spfttw  wieder  gravid  wurde,  ging  die  Geburt  in 
Folge  einer  Knochenauftreibung  an  der  Bruchstelle  ( wahrscheiulich  fand  eine 
Verschiebung  der  Brucbenden  statt)  spontan  nicht  zu  Ende.  Nachdem  angeblich 
versucht  wurde,  die  Gebart  mittels  der  Zange  und  des  Kephalothryptors  zn  beenden, 
wnrde  eisarirt  Die  Frau  starb  im  Poerperium.  Seetion  wmd»  keine  gemaeht.  Der 
zweite  Fall  i.st  jener  Saint  Mni'r.iN\s  Bin  löjflhriges  Mildehen  wurde  durch 

ein  herabstürzendes  Fels-st  Ork  in  der  iintfrcn  Rflckenfretrend  treffHUen,  worauf  es 
zwei  Jahre  schwer  krank  war  und  eine  duucrude  KückgratäverkrUnimung  davon- 
trug. 5  Jahre  danaeh  wurde  die  Person  gravid  nod  mittels  des  Kaiseieehnittes 
entbunden.  Die  Cunjugata  vera  mass  3*6,  ^  JHU.  sacrocot^.  links  3  und  rechts 
4  Cm.  AutTallend  war  eine  starke  Einbiegung  am  Rtleken  gegen  da.s  Kreuzbein 
lun  und  eine  abnorme  Krümmung  des  letzteren.  Dabei  bestand  ein  hochgradiger, 
Ids  zn  den  Enieen  herabreiefaender  Hängebaueh.  Im  Yerlanfe  der  zweiten  Gebort, 
die  2  Jahre  spiter  stattfand,  trat  spontane  Cterusruptur  ein.  Es  wurde  darauf  der 
Kaiserschnitt  vorgenommen,  dem  die  Person  erlag.  Die  Seetion  er<;ab  eine  Fraetur 
des  Kreuzbeines,  die  mit  einer  Lux.ation  des  linken  Ileo-sacralgeleukes  complicirt 
war.  Consecutiv  hatte  sich  die  ganze  Wirbelsäule  nach  der  Beckenhöhle  zu  gesenkt. 
Den  geraden  Dorehmesser  des  Beekeneinganges  bildete  niebt  die  Verbiudangslinie 
des  oberen  Symphysenrandes  mit  dem  Promontorium,  sondern  mit  dem  unteren 
Rande  des  Lendenwirbels.  Mar.'^  stiess  zufälli;.'  bei  der  Seetion  einer 
50jährigen  1^'rau,  die  nie  geboren,  auf  ein  in  B'olge  von  Fraetur  schräg  verengtes 
Becken.  Das  rechte  Darmbein  war  in  vertiealer  Riehtong,  dicht  neben  der  Erenz- 
darmbeinfuge,  gebrochen.  Das  rechte  Sehambein  and  der  aufs tri^  nde  Ast  des  Sitz- 
bdnes  derselben  Seite  waren,  das  erstere  sriner  ganzen  Länge  naeh,  in  zwei 


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104 


BBCKEN. 


breite  Lamellen  gespalten,  die  in  der  Gegend  des  rechten  Tuberculum  t'leo- 
pubicum  dorob  einen  Callas  fest  mit  einander  verbanden  waren  und  nach  links 
nt  8  da,  wdt  klafliton.  Dm  linke  Sduunbem  war  in  der  Ifitle  seines  boriiontaleB 
Astes  quergebrochen.  Die  Frau   war  vor  13  Jahren   von   den  Trilmmem  eines 

einstürzenden  Gebäudes  versL-hUttet  worden.  Aeusserüch  fand  sich  das  rechte  Darm- 
bein nicht  normal  gestellt.  Die  Vagina  erschien  in  Foge  Enge  des  Sobambogens 
stark  verengt.  Bb  böekeriger  Widerstand  an  der  reehten  und  vorderen  Seite 
der  Vagina  erschwerte  die  innerliche  Untersuchung.  Die  Verbildnngnn  de8  Beckens 
leitet  Mars  theils  auf  das  Trauma,  theüf  auf  den  Muskelzno:  zurück.  Eine  sehr 
interessante  und  wichtige  Mittbeilung  betreffend  einen  Fall  von  beckeufractur 
inaekt  NbD6BBAüee  Eine  20jährige  Fran,  die  8mat  und  das  letste  Mal  vor 
7  Monaten  geboren,  stttrzte  bei  Schenwerden  der  Pferde  ans  dem  Wagen  so  ungltiek- 
lieb,  daas  ihr  beide  R.lder  der  einen  Wag^enflcite  Uber  den  Unterleib  ginpen,  wobei, 
wie  es  heisst,  das  Mittelstück  der  vorderen  Beckenwand  herausgebrochen  wurde. 
Die  ersten  4  ^\  ocheu  nach  der  Verletzuug  lag  die  Kranke  bewegungslos  uud 
konnte  weder  den  Rnmpf,  noeh  die  Beine  bewegen.  6  Woehen  naeh  der  Ver^ 
letmng  fing  die  Kranke  allmälig  wieder  zu  gehen  an.  Als  Nbookbaueb  die  Fran 
sah,  waren  14  Wochen  seit  der  Verletzung  verflossen  und  war  die  Frau  im 
3.  Monate  gravid.  Der  Gang  war  schmalspurig,  wie  bei  tiefsitzeoder  Kyphose, 
aber  nieht  anffallend  wiegend.  Eine  Rnmpfverkflrznvg  bestand  nicht ,  wohl  aber 
eine  llbertriebene  Geradhaltung  des  Oberkörpers  bei  deutlich  verminderter  Bedien- 
neigung und  einer  Art  arkuflrer  Totalky|)b(ise  der  Wirbelsäule,  ülinlicli  dem  Senk- 
rücken. Das  Becken  war  milssig  trichterfcirmig  verengt,  das  rronioutorium  uner- 
reichbar. Bei  der  Untersuchung  per  vaginam  fand  sich  linkerseits  eine  Dlastase 
der  Vorderwand  des  Beekeas,  e&m  Fraetnr  des  linken  borisontalen  Sehambeinastes 
nnd  eine  solche  des  Tlamus  dfsvfndens  dicht  vor  dem  aufsteigenden  Sitzbein- 
aste, Diese  Diastasc  der  Knochenfragmente  mass  oben  0'5,  unten  etwa  1  Cm.  Ausser- 
dem fand  sich  eine,  aber  durch  einen  üppigen  Gallus  vereinte  Fractur  recbterseits. 
Die  Brnoblinie  streifte  beiderseits  die  innere  Peripherie  des  Foramen  ohuratum* 
Bei  bimanueller  Palpation  fühlte  man  leicht  recbterseits  die  Knochennarben,  sowie 
den  Gallus  uud  links  die  Diastase  mit  den  freien  KinM'lienstümpfen.  Letztere  w.iren 
mit  einander  durch  einen  Bindegewebsstrang  verbunden ,  der  sich  bei  gewissen 
Stellungen  der  Beine  anspannte.  Bei  Gehen  der  Fran  bewegten  sich  diese  Knochen- 
stOmpfe  altemirend  uach  auf-  und  abwärts.  Diese  Bewegnngen  sab  und  fohlte 
man.  Da  bis  jetzt  kein  Fall  bekannt  ist,  in  dem  ein  is<dirte«  Herau.sbrechen  eines 
Stückes  .IIIS  der  vorderen  Beckenwand  ohne  irleiclizeitige  Fractur  (respective 
Kreu/.beiuiructurj  oder  Gelenksprengung  in  der  hinteren  Beckenringhälfte  stattfand, 
so  nimmt  Nbcqcbaubb  an,  dass  dne  gleiebseitige  LSsion  einee  oder  beider  Ileo- 
saeratgelenke  mit  bleibender  Hypokinese  da  waren.  Die  Kranke  entschwand 
NKtHihiKAiiKK  weiterhin  aus  dem  Gesiebte.  Dieser  Fftlle  ist  bisher  der  einstge  in 
seiner  Art  bekannte. 

Naeh  Schauta  betrügt  die  Frequenz  der  Beekenfiraetnren  0-8%  nll«r 
B^acturen  überhaupt.  Es  bricht  nacli  ihm  am  hüu^l^^sten  das  Schambein,  dann  folgt 
in  der  Freipienz  das  Darmbein,  Sitzbein  und  endlich  das  Kretizl)ein.  Meist  findeu 
sich  mehrere  Fracturon  in  Combination.  Da  Fraeturen  des  Beckens  an  sich  schon 
sehr  selten  sind ,  Überdies  wegen  der  schweren  Verletzuug  eine  sehr  ungünstige 
Prognose  eigeben ,  einlebt  es  sieh  von  selbst ,  dass  Gebnrtsersohwerungen  dnreh 
auf  diese  Weise  verengte  Becken  zu  den  grössten  Rarltitten  zflhlen. 

Zerreissungen  des  Beckens,  respective  Zerreissiingen 
der  Symphyse.  DÜHBSJSEN -•-}  wendet  sich  gegen  die  allgemein  verbreitete 
Ansieht,  dass  die  Prognose  der  Sympbysenvereitemng  eine  nngttnstige  sei.  Man 
darf  na*  h  ihm  die  Fülle,  die  mit  allgemeiner  Sepsis  oder  Pyilmie  verbunden  sind, 
liier  nicht  heranziehen,  da  bei  die.st  n  die  I'roL'nose  nicht  von  der  Syniphysenver- 
eiterung  abhängt,  sondern  \<in  den»  AUgtuieinieiden.  Gelingt  es,  das  Puerperalfieber 
erfolgreich  zu  bekämpfen,  su  erfolgt  bei  ^ymphysenvereiterung  Heilung,  falls  dem 


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BBCKBN. 


105 


Eiter,  sei  es  durch  Incision.  sei  es  durch  spontanen  Aufbruch,  freier  Ablluss  ver- 
scbaö't  wird.  Erfolgt  aber  nach  Beseitigung  der  verachiedeneu  puerperalen  AÜ'ec- 
tionen  keine  Entieernnif  des  in  den  Beokencjpeienken  Torhendenen  Eilen  ^  so  tritt 
auch  dann  noch  der  T  kI  ein  in  FoVse  seenndArer  Pyämie  etc.  In  allen  tJbrigen 
Fällen  von  isolirter  SyinpbyRenvereiterung,  ma^  dieselbe  auch  auf  Pyämie  beruhen, 
ist  die  Prognose  durchaus  günstig ,  falls  man  frühzeitig  iooidirt.  l'eberlässt  man 
dagegen  die  Ericrankang  der  Natnr,  so  erfolgt  nur  selten  Heilung  durch  Anf- 
brechen  des  Absoessea,  sondern  im  Allgemeinen,  in  70* 9 der  FftUe  der  Tod. 
Die  I'rsachen   der  Symphy8envereiteruii{r  sind  nach   ihm  Pyämie  (metastatiscbe 
GelenkseutzUndun^),  Infection  (nicht  septischer  Naturj,  ausf^ehend  von  einer  Scheiden- 
vande  (die  Infectioo  unter  Umständen  erst  im  Wochenbette  eintretend)  und  Tuber- 
knlose.  Bei  erfolgter  Sjrmphysenmptur  sprieht  m  in  den  ersten  7  Ta^en  bestehendes 
Fieber  an  und  für  sich  noch  nicht  für  den  Eintritt  einer  Vereiterung.  Dasselbe 
kann  auf  der  Resorption  des  unzersetzten  Blutextra vasates  beruhen.  Länfreres  Fieber 
jedoch  mit  dauernder  Scbmerzbaftigkeit  und  Zunahme  der  Schwellung  au  der 
Symphyse  zeigt  eine  Vereiterung  des  Blutextravasatee  an.  Die  Vereiterung  der  niebt 
rnptnrirtcn  Symphyse  kaun  leicht  Obersehen  werden.  Bei  Fieber  im  Woehenbette 
ohne  auffindbare  Ursache  sind  daher  auch  die  Beckensympbysen  ?enau  zu  unter- 
suchen. Die  Incision  mache  man  möglichst  frühzeitig,  um  Scnkuu^sabscessen  vor- 
snbeugen.  Sowohl  bezüglich  der  Heilnngsresultate,  als  der  Schnelligkeit  der  Heilung 
sind  die  FflUe  von  Symphysenvereiternng  mit  Inoision  besser  daran,  als  dicyenigen  von 
Symphysenruptur  ohne  Vereiterung:,    die  manchmal   nur   in   eine  unvollkommene 
bindegewebige  Vereinigung  auslaufen.  Für  diese  Fülle  schlägt  DÜHUSSEX  die  An- 
frischung  der  Schambeinenden  und  ihre  Vereiniguug  durch  Knocheuuaht  vor.  Den 
AntaRS  cn  diesen  Anseinandersetsnngen  gab  ein  Fall,  in  dem  DOhhssbn  bei  einer 
Pluripara  die  Zunge  anlege  und  mühsam  nur  die  enorm  verbreiterten  Sehnltem 
entwickelte,  wobei  er,  trotz  Fixation  des  Beckens,  die  Symphyse  zerrisa.  Zu  erwähnen 
wäre  no'-h.  dasH  Dlhrssen  für  manche  Fälle  eine  Prädisposition  zum  Eintritte 
der  Sympliysunruptor  annimmt,  die  dnroh  eine  vorhandene  pathologische  Brsohlaffiing 
des  Gelenkes  bedingt  ist  Weiterhin  meint  er,  dass  es  sicher  viele  Fälle  spontaner 
Symphysenru[)tur  gebe.  Olshai  sen'  -''^)  und  Vkit  ^'•)  bezweifeln  diese  angebliche 
PrädispoHitiou ,   während  (ir.>»sERow -'f  )   eine  durch   die  Schwangerschaft  hervor- 
gerufene bedeutende  Auflockerung  der  Beckengeleuke  annimmt,  die  so  hochgradig 
sdn  kann,  dass  dnreh  das  eonseentive  BewegUehwerden  der  Beekenknoehen,  bei 
nnr  roässiger  Schmerzbaftigkeit  der  Gelenke,  das  GebvemOgen  vollständig  verloren 
gehen  kann.  S(»lcbe  t'ällo  darf  man  nicht  mit  einer  Oelenkssprengung  verwechseln. 
Olshaisen  ''"^  bebt  ganz  treflend  hervor ,  dass  die  incision  nicht  immer  uube- 
denklieh  sein  durfte,  da  man  ja  niebt  inisen  könne,  ob  sieh  schon  Eiter  im 
Gelenke  gebildi  t  liabc,  oder  ob  es  sich  nicht  um  einen  Bluterguss  bandle.  Dass 
bei    ungewr'bnlicher    Schulter  breite    und    schwerer    Entwicklung   die  Synipliyse 
gesprengt  werden  könne,  bestätigt  Martin    •)  aus  eigener  Erfahrung.  Einen  solchen 
Fall  tbeilt  auch  Achenbach       mit.  Reut  ^'"»)  theilt  einen  Fall  mit,  der  vielleicht 
als  ein  solcher  an  deuten  ist,  in  dem  eine  Pridisposition  snm  Eintritt  einer 
Ruptur  bestand.  Ex  juvantihus,  das  heisst  aus  dem  prompten  Erfolge  eines  Becken- 
gürteli.  der  mehrere  .Monate  bis  zur  definitiven  Heilung  ;:etragen  wurde,  diagno- 
sticirte  er  in  einem  Falle  eine  AuÜockerung  der  linken  Kreuzdarmbciufuge.  Die 
Symptome  waren :  von  der  Hafte  ausstrahlende  Sehmencen,  Unfähigkeit  zu  gehen, 
sich  zu  drehen  und  sich  von)  Sit/.en  zu  erheben.   Er  glaubt,  dass  diese  seltenen 
Fälle  von  andauernder  Autinckcning  der  Artieulati^in  vielleicht  später  zu  Rn{)turen 
der  Cielenke  Veranlassung  geben  können.  Um  welches  Geschlecht  es  sich  in  diesem 
Falle  handelte,  ist  mir  unbekannt,  da  mir  nur  ein  knrses  unvollkommenes  Referat 
zu  Gebote  steht.  Einen  nicht  gana  klaren  Fall  von  Symphysenruptur  theilt  Bbtz 
mit.  Im  7.  (!r;iv'r1if;it-jnioiia(e   -jtfir/te .    obne  sieh    einen    weiteren  Sehaden  anzu- 
thun ,   eine  Krau  .'>   I  reppenstulen     Ik  r;ih     Die  (Jeburt  trat  rechtzeitig  eiu,  nur 
waren  die  Wehen  schwach,  in  Folgo  dessen  sich  der  (Jeburtsverlauf  verzögerte. 


106 


BECKEN. 


Die  Kreissende  befand  sit-b  in  der  Scitenlage  und  der  Kopf  war  beroits  geboren, 
als  eine  ilausgenossin  fest  auf  den  Damm,  respective  den  Bebauenden  Kupf  drückte 
und  die  HeitMimme  Oftera  abflutend  am  Kopf  rim.  Naeh  dnem  krlftigen  Roeke 
war  der  Kopf  da,  doch  hörte  hierbei  die  Gob-ireude  tin  Knichen  und  ftthlte  starke 
Schmerzen  in  der  Symphyse.  Dasselbe  wiederholte  sieh  bei  der  Extraction  der 
Scbulteru.  Ah  die  Frau  am  14.  Tage  das  Bett  verliess,  konnte  sie  nur  sehr 
•eh wer  unter  Mithilfe  zweier  StOeke  gehen.  £&  bestaDden  Schmerzen  im  Kreuze 
und  in  der  Sympbyie  und  ftioetionirte  des  rediie  Bein  nnr  mangelhaft.  Trots 
spilter  angelegtem  Beckengflrtel  und  trotzdem  flieh  keine  Continuitütstrennung  des 
Beekens  nachweisen  liess  ,  trat  doch  keine  vollständige  TTeilun^r  mehr  ein.  Betz 
meint,  dass  durch  den  vorausgegangenen  Sturz  eine  Lockerung  der  Beckeu- 
gelenke  herbeigelBhrt  wurde,  die  dn  prAdispooirendes  Hvnient  dnsn  adiaf,  dats 
dnroh  den  sonst  belan^osen  meohanisolten  Eingriff  intra  partam  das  Beeken 
gesprengt  wurde. 

Selten  nur  wird  die  Symphyse  bei  einer  Wendung  und  Extraction 
gesprengt.  Einen  derartigen  Fall  theilt  Lbnnamoir  mit.  Wegen  beetehender 
riacenta  praevia  wurde  btt  stehender  Blase  gewendet  and  darauf  sofort  extrahirt. 

Beide  Operationen  gingen  leicht  vor  sich,  auch  vernahm  man  kein  Krachen.  Sofort 
danach  begann  die  Kranke  zu  fiebern.  Im  Verlaufe  der  Erkrankung  kam  es  zu 
Abscesseu  und  zur  Vereiterung  der  Symphyse.  Der  Eiterherd  der  Symphyse  wurde 
erOflbet  und  entleerten  sich  hierbei  Knorpel-  nnd  Knoehentheile.  Die  Kranke  genas. 
Kicht  unbedingt  unmöglich  ist  es,  dass  hier  keine  Ruptur  der  Symphyse  erfolgte 
und  die  Vereiterung  derselben  nur  eine  Theilerseheinung  der  puerperalen  Erkrankung 
war,  doch  legt  die  sofort  eintretende  hohe  Temperatursteigerung ,  sowie  der  Ab- 
gang von  Knorpel-  nnd  Knoebentlienen  die  Vemmthnng  nahe,  dass  die  Symphyse 
gesprengt  wunle.  Eine  Zerreissung  der  Symphyse,  hervorgmifen  durch  eiue 
Wenduu;,'  und  Extraction  —  jedneb  niebt  von  mir  vorgenommen  —  beobaebtete 
ich  vor  Kurzem.  Die  Kranke  starb. 

Eine  Symphysenzerreissung ,  ohne  Sebald  des  Arztns,  hervorgerufen 
dnroh  gans  eigenthamliebe  ZwisehenfiUIe,  erwihnt  Habscbnsb  Die  Zangen- 
operation  war  eine  leichte,  als  die  in  der  Nareose  befindliche  Kreissende  aufsprang 
und  sieb  zur  Seite  warf.  Das  Bild  danach  war  furchtbar,  die  Harnröhre  am  ersten 
Tage  uuauiliudbar.  Es  wurden  '6  Nähte  durch  den  Knochen  mit  sehr  starkem 
Silberdraht  gelegt,  doeh  riss  bei  LOsong  der  Sebenkel  der  «ne  gUtt  dorch  und 
die  zwei  anderen  rollten  sich  auf.  Eiue  zweite  Naht,  theils  mit  Stide,  fhrils  mit 
4£Reb  geflochtenem  Silberdrahte,  hielt  JaTin.  Es  trat  (ienesung  ein. 

Faux  -^^)  zerriss  ein  verengtes  Becken  mittels  der  Ta UN iek' sehen  Zange. 
Die  Ifntter  genas.  Ebenso  sprengte  Hange  dn  enges  Beeken  mit  der  Zange. 
Die  Matter  starb  knnc  darauf.  Auch  Reut  ^*^)  sprengte  das  Beeken  mit  der 
ZaiiL'e  Schuld  dar.nn  trug  der  Tnistand,  dass  die  Frucht  9  Pfund  wotr.  Trotz  .•inf-lng- 
lich  liubem  Fieber  kam  es  zu  keiner  Vereiterung.  Nach  8  Muuateu  ging  die 
Frau  noch  auf  KrUckeu,  doch  genas  sie  schliesslich.  Zwei  Jahre  später  gebar  sie 
wieder  und  diesmal  leiebt,  sowie  glOeklieh,  doeh  gab  sie  an,  bei  Dnrohtritt  des 
Kopfes  einen  heftigen  Schmerz  in  der  Symphyse  gefttblt  zu  haben. 

GdLINski  )  publieirt  einen  Fall,  den  er  als  puerperale  Entzündung 
der  ScbamAige,  sowie  beider  Ilüftkreuzbeingeleuke  bezeichnet  und  den  er  olfeubar 
nicht  als  erzeugte  Beckenmptnr  anfgefasst  wissen  will,  trotadem  es  sieh  nm  nichts 
Anderes  als  um  eine  solche  bandelte.  Er  legte  bei  einer  leieht  fiebernden  Primi- 
para mit  normaletii  Bicken  wegen  schwacber  Wchcti  bei  tiefem  Kopfstande  den 
Forceps  an  uud  entwickelte  angeblich  leielit  eine  todte  Frucht.  Tags  darauf 
Schmerzen  in  der  Sympbyse  und  beiden  Kreuzdarmbein  fugen.  Weiterhin  kam  es 
sur  Vereiterang  der  Sympbyse.  Die  Eäterhöhle  wurde  eröffhet  und  ansgesdiabt. 
Die  Kranke  genas. 

II.WA.TIA  i<  t:  I  zcrriss  zwei  Becken  mit  der  Zange.  Iter  eine  Fall  ging 
letal  aus.  Im  zweiten  Fall   trat  Heilung  ein.    Er  eröü'uete  den  Eiterherd  an  der 


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BECKBir. 


107 


SympbTM,  spOlto  ihn  aus  und  tamponirte  ihn  mit  Jodoformgue.  Er  steht  aaf 

dem  für  ihn  beneiden swerthen  Standpunkte,  dasg  die  Symphysentrennnng'  nur  dann 
vorkftmmt ,  wenn  dadiirfh  oin  Lnru.^  minoris  resistentiae  Geschäften  ist ,  dass 
die  während  der  GravidiUit  durch  Uebernälirang  aufgelockerten  Gelenke,  sei  es 
in  froheren,  sei  es  in  dem  betreffenden  Weefaenbette  dnreh  ii^nd  ein  Hinderniss 
sich  nicht  zur  Norm  zurUckgebildet  hnbeu.  Begtut^  wird  das  Zustandekommen 
der  Trennnn«;  durch  platt-,  rrsprctive  allgeniein  verengte  nicht  rachitische  Becken 
Qod  Zaugenoperatiunen.  Bei  i^'rauea  Uber  20  Jahren  kommt  die  üumplicatioa 
Öfters  vwr,  nls  bei  jüngeren.  Alte  Primipnren  neigen  besonden  dnsn.  Die  Prognose 
hingt  bei  sonst  gesunden  Individuen  von  der  rechtzeitig  gestellten  Diagnose  und 
der  geciirneten  Therapie  ab.  Vor  Allem  sind  alle  Verletzungen  der  Weichtheile  durch 
Naht  zu  schliessL'ii,  um  eine  Infection  zu  verhindern.  Weiters  ist  zu  desinfieircn  und 
der  Jodot'urmgazetampon  einzulegen.  Tritt  pyämiscbes  Fieber  ein,  so  ist  der  Abäccäd 
weit  SU  erOfltaen  nnd  naeh  den  allgemeinen  ehirargisehen  Kegeln  sa  liehandeln. 

OestOtzt  anf  meine  Er&brung,  bestärken  mich  diese  mitgethdtten  FUle 
nur  noch  mehr  in  meiner  Ansehauuntr  .  da.««  die  Beckenruptur  immer  nur  die 
Folge  eines  vorgenouimenen  uperativeu  Eingrilles  ist,  ausgenommen  vielleicht 
dncelne  Falle,  von  denen  mir  aber  bisher  keiner  bekannt  ist.  Ebenso  sehe  ieh 
wie  froher,  die  Zerreissun;;  des  Beckens  al^  eine  sehr  schwere  und  gefährliche 
Verletzung-  an,  wenn  an<  b  in  neuester  Zeit  die  Ansieht  lanoirt  wird,  dass  dem 
durchaus  nicht  so  der  Fall  sei. 

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BBCUEH. 


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BEOKKK. 


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V.  Gen.  1885,  Nr.  94-  C  f.  G.  1S.S7,  pag. 78.  Zweifel,  A.  f.  G.  1887,  X.\XI,  pag.  m.  Gustav 
Braun,  Wiener  klin.  Wochen.schr.  IHS-^,  pii)?.  2  Jahresber.  1>;>:<9,  II,  pag.  153.  Charles, 
Jonrn.  d'acc.  1890,  Nr.  20.  C  f.  G.  18«J1,  pag.  4lti.  Münchmeyer,  A.  f.  G.  1890,  XXXVII, 
pag.  ,U2.  Howard  Kelly,  A.  J.  o.  0.  189t).  pag.  225.  Ramdohr.  A.  J.  o.  0  I-Uu,  pag.  l.su. 
Bohrman,  Diu.  inang.  Erlangen  1800.  Jahreeber.  189;if,  Y,  pag.  l&l.  Lehmann,  Dias, 
inaag.  Beriin  1891.  Jahreaber.  1992,  V,  pag.  188.  Pinard,  Ann.  da  Gyn.  Fkbr.  189ii. 
Sfhmidf.s  Jahrbücher  1S91,  II,  pag.  40.  RoBenberg,  A.  J.  o.  0.  1^9-4.  pag.31!».  — 
'■-')  Muret.  Berlintr  klin.  Wochen.srhr.  Nr.  17  und  18.  —  '"J  Holowko,  Tlierap.  Monatsb. 
1891,  pag.  605.  C.  f.  G.  1892,  pag.  •.i:j2.  —  Dühr.ssen.  „Berliner  Klinik".  Febr.  188». 
C.  f  0.  1889,  pag.  726.  —  Prochownick,  C.  f.  G.  l.>89.  pag.  577.  —  Brehm, 
Pateraburg.  med.  Woebenschr.  1>'.*0,  XV,  9.  —  Swiecicky,  Wienerraad.  mtttr.  1890, 
22.  —  Hofmann,  Th«>r;ip.  .Mor.atsb.  Febr.  Ib92  —  '""l  Donath,  Nedcrl.  Tijd.  v.  Gen. 
L^9I.  I,  Nr.  18.  Jahresbtr.  169^,  V,  pag.  190.  —  "»)  Walcher,  C.  f.  G.  1889,  pag.89Ü.  — 
«»0  Merk.  Di«8.  inang.  Wttr«b«iy.  1891.  Jabteaber.  1892,  V.  pag.  79.  —  "*)  Klein,  Z.  f. 
G.  u.  G.  1891.  XXI,  pap.  74.  —  Walcher,  5IeJ.  Correapondenzbl.  des  Württemberg,  arztl. 
Laiid»^8vereines.  l'-90,  LX,  Nr.  5.  C.  f.  G.  18l>U,  put'  8!5.  —  «igault,  „Discours  sur  lea 
avantagei  de  la  sect.  de  la  qrmphyHO  etc.''  I'arin  177 Yergl.  auch  „Riscit.  de  ce  qui  s'eat 

rw  ä  la  facultä  de  Paria,  an  sujet  de  la  aectiou  de  la  sympfayaa  des  oa  pab.,  pratiqute  aar 
femme  Sonebot."  Paria  1777.  —        Bandeioc que,  L'aat  dei  acconebem.  n.  Bd. — 
)  Siebold,  „Versuch  einer  Geschieht.-  dor  (Jcbiirtshilt'e."  Berlin  1815,  II,  pag.  503.  ÜJiselbbt 
findet  sich  diese  Episode  ausführliih  beschrieben.  —         0.  Morisani,   i^eiue  Jolate  ein- 
schlagige Publication  findet  sieb  in  den  Annal.  de  Gyn.  April  1892.   Vtrgl.  auch  i>pinelli, 
Anual.  de  Gyn.  Jan.  1892.  —         PinarJ,  „Trois  cas  de  symphysöotomie."  Soc.  obste tr.  de 
France.  21.— 23  Apiil  1892  und  Wiener  m.d.  Fresse.  1892.  pag.  453.  —  '»')  Porak,  Acad. 
de  med.  19.  Juli.  Hemaine  nieilic.  1892.  Nr.  37.  —  '   )  Tarnier,  „LIu  eis  do  symphyseutumie." 
Lab.  mW.  4.  Juli  1892.  —       Leopold,  C.  f.  G.  Ib9;i,  pag.  5Öö.  — i'reonti-Mttiler- 
keiiB,  C.  f.G.  1882,  pag.  588.  —  "*)  Wehl«,  C.f.  G.  1892,  pag.  (S22.  —  »«)  Zweifel, 
C.  f.  G.  1892,  pag.  8.57.   —   ■*')  I).  V.  Velitz,  C.  f.  G.  1892.   pag.  777.  Eine   „Revue  über 
Symphyseotomie"  publicirt  .Schnirur  in  der  Wiener  med.  Pre.s8e.    1892,  l>ag.  1.Ö52.  Morl- 
sani'a  frühere,  ebenfalls  die  .Symi)li\ seotomie  herrührende  Publicationen  finden  sich  in  Anuales 
de  Gyn.  Paris  1881.  XVI.  pag.  44u  und  Annali  di  Ostotr.  1881,  pag.  615,  1886,  p-g.  345 
und  1888.  pag.  448.  Vergl.  aach  Caruso,  Annali  di  Ostetr.   1882,  Nr.  4.  C.  f.  G.  189;^, 
pag.  891.  Harri.s,  The  New- York  Journ.  of  Obstotr.  and  Gyn.  189^,  pag.  9tj3.  Desforges. 
^Htslor.  und  krit.  Unterauchangen  ttber  die  Symphyseotomie."  Tböae  de  Paria  189)^.  (Frau* 
aösiscb.)  C.  f.  G.  1892.  pag.  920.  —  »«)  Pinard,  loe  nlt.  dt  —  *«•)  Leopold,  ioc.  nlt. 
cit.  —  '«•)  Morisani    Ine.  cit.  —        Leopold,  C.  f.  G.  1892,  pag.  58ü  und  1322.  Vergl. 
ferner  noch:  Harris,  A.  J.  o-  0.  1892,  pag.  432.    —         Kehn,  Prager  Zeitschr.  f.  Ueilk. 
IX,  Heft.  Ü.  C.  i.  (i.  ls-9,  pag.  '^llj.  —  »»")  Glöckner,  Z.  f.  G.  u.  G.  1890,  XVlll,  pag.  3ü5.  — 
Scbaata,  Müller,  1869.  I,  pag. 284— 470.  —        Ueywood  Smitii.  Brit.  Gyn. 
Jonm.  1890.  VI.  pag.  117.  —  »»•)  St.  Brann,  Przeglad  lek.  1S88,  Hr.  34.  (Polnisch.)  C.f. 
G.   lÄs!).  pag  711.  —   '"»Reinhardt,   Diss.  inaug.  Berlin  1888.  Jahresber.  18«9,  II, 
pa^r.  135.  —     J  Braun,  (.f.G.  1890,  pag.  309.   —         Hnttington,  Med.  Age.  18&b, 
Nr  \).  Jahiesber.  1889.  II,  pag.  134.  —       Fleiaebmann,  Prager  Zeitacbr.  f.  Heilk.  IX, 
Heft  4  n.  5.  C.  f.  (i.  18nS,  pag.  743    —   '"i  Hermann,  Transact.  of  the  Obstetr.  Soc.  of 
London.  1887,  XXVIII.  pag.  0.  —        Matthews  l>uacan,  Transact.  of  the  Obstetr.  Soc.  of 
London.  18,^7,  XXVIII,  pag.  27.  —  '"^1  Ahlfeld,  Gvu.  Cougr.  1890.  Hl,  pag.  283.  C.  f.G. 
1889,  pag.  541.  —        Uriffitb,  Transact.  of  tbe  Obstetr.  äoc.  of  London.  ibb7,  XXVIII. 
pag.  84.  —  ***)  SchSnberg,  Norak.  Hag.  f.  Ligevidensk.  4.  B.  1887.  II,  p>g.  1.  Sokmidt'a 
Jahrb.  IS'^7,    I,   pag.  IG4.   Jahresber.   1888,   I.   pag.  115.  —  "*)  Fcrruta,   „Studii  di 
obstelricia  e  gyut  celogia,"  Mailand  1890.  C.  f.  (i.  1891,  pag.  Ü27.  —        Sabatier,  Lyon.  med. 
8.  Dec,  lS8i».  C.  f.  (i.  l^lMj,  pag.  (i54  und  Ber.  X.  Congr.  C.  f.  G.  1890,  pag.  128.  --  Tracou, 
,Der  Eiofiuss  der  Hdftkrankheiten  auf  die  Form  des  Becken».''   .Monographie.   Lille  lüHi). 
(Pransfisiscb.)  A.  J.  o.  O.  1890,  pag.  1038.  -         Demelin,  Gaz.  dea  höp.  1890,  Nr.  III, 
pag.  1025.  C  f.  G.  IMll,  pag.  059.  —  "■•)  G  lüaun,  C.  f.G.  189ii.  pag.  :^48.  —  Kasch« 
karoff,  C.  f.  ü.  löbO,  pag.  275.  —       U.  Braan,  Wiener  klin.  Wochenschr.  l8öÖ.  Nr.  27, 
C.  f.  G.  1889,  pag.  216.  —  "*)  Lfthlein.  GynikoL  Tagesfragen."  Heft  I,  Wiesbaden  1890, 
pag.  1.  —         Klaus,  „Das  gonalgii-ch  schräg  vorengta  Biikin,  m  hst  einer  Zusammenstellung 
der  bisher  veroüentliehteu  Falle  von  sehrag  verengten  Bec  ken."  l>iHs.  inaug.  Heidelberg  1890. 
0.f.  G.   1891,  pag.  660.  Jahresber.   1892,   V,   pag.  löb.   —    '"  l  Segeth,  C.  f.  G.  1887, 
pag.  434.  —  "*)  Lachapelle,  Prat.  des  accouch  labor."  Tom.  I,  Paria  1821.  pag.  305.  VergL 
aneh  Farr4,  Oa&  heb.  20. Febr.  1885.  Mir  onarreicbbar.  —       Torggler,  C.tG.  1889, 
paff.  612.  —  »*)  Flaiaohmano,  Präger  med.  Woehenaehr.  1886,  pag.  367.  C.f.Q.  1886, 


L.i^u,^cci  by  Google 


110 


BECKEN. 


p«l(.  367.  —        Bad  in,  Ann.  de  Gyn  1891.  XXXV,  png  383.  Jahrttber.  1^.  V,  pa?. 

J8-1.  -  '■')  Roynnld.^,  A.  .1.  o.  0.  ISOO,  pag.  Tn't  —  ll.-nnig,  C.  t  G.  IS"^?.  |>ag.  1-19. 
-Uebcr  die  Folgen  der  in  der  Kindheit  erworbt'iieti  iit  ltniuchsstörans  einer  HUfte  für  d<i8 
Wacbathom  de»  Becken»."  Beschreibung  de.s  Beckens  eine:«  Jün)i:ling8  mit  eioer  Lnxatio  coxiticA 
dfxtra  nnd  fcleichzeil if^cm  Gilibns.  Trotzdem  ist  das  Bcckeu  nicht  verschoben  und  nnr  halb- 
seitig atrophi.sch.  C.  f.  G  1891.  l>:ig.  217.  Vergl.  auch  Kol't'er,  —  C  f.  (i  18^8.  pag  60.  — 
•'*)  Ch  am  l)relen  t ,  Ann.  dn.  <i  vn.  IMtii.  pag.  8'j.  Jahrt".!>er.  I  S'Jl.  I  V,  pa?,  —  '""1  Uennig, 
C.  f  ü  im.  pag.  ÜU.  —  "")'  H.  V.  Meyer,  A.  f.  G.  1887.  X.\X1.  pag.  8'i.  -  '"j  Treub, 
Nederl.  Tijd.  YerloBk.  en  Gyn.  Jahrg.  I.  Heft  2.  C.  f.  O  1890.  pag.  20.  —  **')  Neagr«b«ner, 
A.  f.  G.  18S9,  XXXV,  pag.  H57.  Vergl.  auch  „A  Nfw  rnntritnition  to  the  Histm-y  a-ul  Ktiobgy 
<if  I?pondyIoli8the8is.  By  F.  L.  N  eu  g  e  ba  ue  r.  Translated  by  Fancourt  Ii  a  r  ii  o«  etc."  Brit. 
Gyu.  Jouru.  1888,  IV,  pag.  371.  —  Lanibl,  Mem.  de  I«  Soc.  rasse  de  Med.  a  l'Untr. 
Imp.  de  Var^ovie.  (BnniMb.l  Wanchan  1881^,  1,  1  u.  I,  2,  pag.  i^.  —  *"'•)  Neogebaaar, 
Lambl,  loc.  nlt.  dt.  Vergt.  auch  Brit.  Gyn.  Jonm.  1890.  VI,  pag.  135.  —  '"*)  Lombard, 
l'oston  med.  und  .snrjr.  Jdiirn.  S.  Aiipust  1885,  j  ag.  1*,!»  C.  f.  6.  188&,  pag.  79S.  —  Meola, 
Biv.  intern,  di  med.  e  chir.  1665,  Nr.  5.  C.  f.  ü.  Lstö,  pag.  109.  Thomas,  Nod.  Tijd. 

V.  Gen.  1&S5.  Tb.  II.  C.  f.  6.  1886,  pag.  864.  —  Zimmer,  Dls^s.  inaug.  Erlangen  18H7. 
Jahre  ber.  18S-8.  I,  pag.  116.  —  ""^l  Firnig.  N.it.-Versamml.  IS^r,  C.  f.  G.  l>-8t;,  pag  -18:^  — 
'^')  Neugebauer-Hü  Witt,  Brit.  Gyn.  .Imirn.  Is90,  Vf,  p.ig.  IHö.  —  Targctt. 
Transact.  ol  the  Olwtetr.  Soc.  of  London.  189^,  XXXIII.  pag.  108.  —  "•^)  H.  v.  Meyer,  A.  f.  G. 
1S»7.  XXXI,  pag.  f4Ü  —  Heugebauer,  A.  1.  G.  1889,  XXXV,  pag.  857.  Vergl.  noch 
Feilerer,  Hflncbener  med.  Woehentohr.  1887,  Nr.  19.  pag.  354.  C.  f.  G.  pag.:Ä99,  — 

)  Breisky,  Z.it^Hir.  der  Ges.  der  Aerate  in  Wien.  18R5.  l.Hefr.  -  Freund, 
(>ynaknliiL;isihe  Klinik."  Strassburg  1085,  1,  pag.  1.  —  "'")  Treub,  „Uech-rches  sur  le 
büssin  ty|il)iitique  etc."  Leyden  1889.  C.  f.  G.  1>>9.  pag.  387  und  Nederl.  Tijd.  vo  u-  Verl.  en. 
Gyn.  I,  lleH  4  und  HI.  Heft  3.  C.  f.  G.  1>^9I.  pag.  lk!7  und  ls[)4,  pag. 458.  Vergl.  auch  Neu- 
gebauer,  C.  f.  (i.  l">-9.  pag.  6").  —  "'")  CarbonoUi,  Uiviara  di  ostetr.  e  ginec.  1890, 
Nr.  7.  C.  f.  G.  l^'J],  pag.  536  Vergl.  auch  A.H.  Freeland  Barbour,  „ l)«t'orniity  in 
Relation  to  Ostetrics  etc."  Edinburgh  and  London  lsS5.  —  Saiger- buel,  A.  f.  6. 
1890.  XXXVIII,  pag.  52?i.  —  Cbampney,  Brit.  Gyn.  Joam.  18H7.  II,  pag  581  und 
Transact.  of  the  «)l)st,:(r.  Soc  of  London.  l«-7.  XXVIII.  pag.  :w^">3.  —  -'")  Brewis,  Trans- 
«itl.  of  ihe  Ubstetr.  Öuc.  ul  l-Minliurgh.  18.88,  XIII,  jtag.  3*^  Vergl.  auch  K  iinb  med  Joam. 
Febr.  ls,8i,  C.  f.  O.  18H9.  pag.  hn--  -  "*)  Hirst,  Med.  News.  Fhilad.  18-7,1.  pag  51".— 
'  -)  G.  BraoD,  Wiener  kUn.  Wochenschr.  issH.  Nr.  34.  —  *  *)  Bnrkuw,  Wratach  189u.  ^5- 
pag.  556.  Jabresber.  IWK),  IV,  pag.  isi.  —  Bndin,  Compt.  read.  Suc.  Mol.  ISj^H.  8.  5, 
V,  i)ag.  -  I,").    —    -'  *)  Luk.»*,    N*\v  York.  med.  Journ.  lN'»9,    1,  pag  —   -'■)  Kverke, 

Berliner  klin.  Wocheuscbr.  1^Ü0,  pag.  39 i.  —  Duncan,  Transact.  "f  the  tfbstelr.  Soc. 
of  Edinburgh.  1891,  XVI,  pag.  14^.  —  '^')  Fritscbe.  Disa.  inaog.  Berlin  1890-  Jahresber. 
1892.  V,  pag.  H6.  —  *■')  Torggler,  A.  f.  G.  I88.5.  XXVI,  pag,  t'«».  -  »"  )  Wc -sc  h  c i d e r, 
A.  f.  G.    l.sy^,   XLII,    pag.  2.39.   —  (ioot/.o.   A.   f  G.    18S",.    XXV.    pag.  . 39  5 .  — 

Nebel.  C,  f.  (i.  pag.  8S8.  —         l'ic  Literatur  ubtir  das  S  c  h  u  1 1  w  i  r  b  el- 

beck e  n  ist  tulgende :  Birnbaum,  A.  f.  G.  1805,  XXV,  pag.  422  Bockahammer ,  Zeitschr. 
f.  rat.  Med.  III.  R..  XV.  pag.  3  4,  9.  G.  Brann,  Wiener  mel.  Wochenschr.  Jnnt  1857. 
Dürr.  Zcitschr.  f.  rat.  M-'l.  Iii  H,  VIII,  pag.  ).  Freund,  „Gyn  ik.il  Kiitiik.-  Stra.ss- 
b  irg  IsSt,  I,  pag.  1.  (i  t'genbauer,  Jeu.  Zeitschr.  ls;3,  VII.  Hecker.  .Monatssthr.  f.  Ue- 
bur  .skund.-  t  ti .  VII,  par.  11.  Hub),  „Iiis  schräg  verengte  Bocken."  Leipzig  185'.^.  Meckel, 
.Uandbucb  der  menschlichen  Anatomie  ctc  "  II,  pag.  6'J.  —  Meckel,  .\rch.  f.  Anat.  u. 
Phys.  1877.  Ro.senberg,  Mori»h.  Jahrb.  1876,  I,  pag.  83.  —  Schau  ta,  Müller, 
Stuttgart  18'*9,  II,  pag.  4l7.  Letztgenauiiter  Publitation  ist  m*-ine  kurze  AusL-iuander.-elzung 
entnommen.  —  Schön berg,  Kliniak.  Aarbog.  \SÖ7.  U.  t.  G.  lb-^8.  pag.  493.  — 
»")  Arnott,  Transact.  oftbeObstetr.  Soc.  of  Edinburgh.  1S85,  X.  pag.  9.  —  *••)  Kebrer, 
l>ents<hc  med.  AVorhfMis.  hr.  I«^-!!,  49.  ■^'")  Tborn,  T.  f.  G.  18|lt,  pag.  S,.'8.  —  Gallia, 
-Stiid.  (Ii  (,>tetr.  .■  gyn.  etc."  Mailand  1690.  (Italienisch  )  C.  f.  1^91.  pag.  63.5.  —  -"IGelpke, 
('..tromala.  i.  im  Krgolztbale  etc."  Basel  iMil.  C.  f  G.  1^91,  pag.  1016.  —  Meyer, 
l>iss.  inaug.  München  18''9.  0.  f.  G.  1890,  pag.  436.  —  Kehre  r,  Deutsche  med.  Wochenachr. 
IS89.  49  und  C.  f  G.  1>S9,  pag.  732.  —  «")  Zweifel,  C.  f.  G.  ls^<».  pag.  731.  —  Feh- 
ling, A.  f  <;.  18<<u,  XXXIX,  pag.  171.  —  >  W  Mcy  r .  lM>s.  maug.  München  18.89. 
C.  1.  G.  1,n9u,  pag,  436.  —  Fehling,  Ber.  X.  Congr.  0.  f.  H.  1^9lJ,  pag.  8.  — 
'^'H  Winckel,  Tranaaet.  of  the  Amer.  Aaaoc.  of  Obstetr.  mnd  Gyn  Philal.  1890,  pag.  243. 
Jahresber  1892,  V,  pag.  197.  —  -"')  F»«hling.  Her.  X.  Congr.  C.  f.  G.  I^IK),  pag.  8.  — 
"  )  Kchror,  C.  f.  G.  ISf^,  pag.  731  und  liuut.-dic  med.  Wochenschr.  18-^9,  49.  —  *")  So- 
lowij.  C.  f  G.  1S92,  pag.  74.J.  —  -'"')  Baumann.  liiss.  inau^'.  Hasel  ls89.  C.  f.  G.  J889, 
pag.  871.  —  "  )  Truzzi,  Annali  di  Onteir.  e  Gin.  18ül,  Nr.  10.  C  f.  G.  If9i,  pag.  574.  — 
»")  Fehling,  (iyn.  Congr.  1n8>^,  II.  pag.  311.  A.f.G.  1888.  XXXn,  pag.  506.  C.f.O.  1889, 
pag.  .',30  und  732;  b'JH,  p  ig.  72-  ü  r.  X.  Congr.  C.  f.  G.  pai;.  8.  A.  f  G.  189l>,  XXXIX, 
pag.  171.  —  Eisenhart,  Deutsches  Anh.  f.  klin.  Med.  1.^92,  XLIX,  2,  3,  158.  — 
Hofmeier,  C.  f.  G.  1891,  pag.  226.  —  "  •)  Schauta,  Wiener  med.  Wochen.schr.  18!H), 
Nr.l9.  — "*)  Gu6niot,  L'aboille  m.d.  I.x  F.hr.  1892.  C.  f.  G.  1892,  pag.  775.  —  "»)  Fälle 
von  Oateomalacie  und  Porro-Üperatiou,  nachfolgendes  Schwinden  der 


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BBOKBN. 


III 


Ost  eo  m  a  1  a  c  i  I' :  K  1  e  i  n  w  a  »■  h  t  •■  r ,  Z.  f.  G.  u.  G.  1SS6,  XII,  paj?.  id^iS  Kissel,  Diss.  inang. 
Freibiirg  18SS.  C  f.  G.  18S9.  paR.  5G<1.  —  Fehling.  C.  f.  G.  1888.  pag.  4:^7  ;  1890,  pag.  5U3, 
Bor.  X.  Congr.  C.  f.  0.  1890,  pag.  8.  C.  f.  O.  1890.  pag.  73.  A.f.  G  1888,  XXXII, 
P  ig.  506.  1890,  XXXIX.  pag  171.  Beancamp,  A.  f.  O.  1889,  XXXVI,  pag.  358.  Bau- 
manu,  Disj--.  iuaiiL'.  Hasel  IS'^!).  (\  f.  U.  1891,  pag.  6(5.  Zwei  fei,  C.  f  G.  18^0,  pag.  :^ö. 
Löhlein,  I)<Mits(he  med.  Wocbenschr.  iN'Jl,  Nr.  2.  „Gyn.  Tagesf ragen.'"  Isyl,  llelt  2,  pag.  107. 
Chrobak,  Jahrei<btr.  1892.  V,  pag.  191.  Koffer,  Jahresber.  1892,  V,  pag.  194.  Runge. 
A.  f.  G.  1891.  XLI,  pag.  116.  Everke,  Dentsche  med.  Wochettschr.  1892,  Nr.  4.  Vergl.  auch 
E  h  r  e  n  J  o  r  t  e  r ,  A.  f  G.  18*^.5,  XXVI,  pag.  1:^5.  Bezüglich  de.*«  conservati  ven  Kaiser- 
i^chnitleä  mit  gleichzeitiger  Castration  und  ii a c h f ul g e u d e m  Schwinden 
der  Osteomalacie  vergl.  £.  t.  Braan,  Przeglad  lek.  Krakau  1891,  pag.  217.  (Polnisch.) 
Jahiwber.  1892,  V.  pag.  191.  SolowfJ,  C.f  0.  1892.  pag  745.  BexQglididarOsstratioii 
bsi  N  i  c  h  t  gravi  d  an  behufs  Heilung  der  OHteomalacie  ver^  Fehling.  C.  f  G. 
laSS.  pag.  4^7.  18'^o.  pag.  7.5,  öOd,  7^2.  Ber.  X.  Congr.  C.  f.  G.  1890.  pag.  8.  A.  f.  G.  XX.\il, 
p;»g.  50ti.  1890.  XXXIX.  pag.  171.  Müller,  C.  f.  G.  1889,  pag.  73:^.  Koffer,  „Bdtr.  z. 
Ueb.  o.  Gyn.  Herrn  Altred  üegaretc"  Stuttgart  1890,  pag.  51.  Müller,  äoffa,  .Beitr. 
snrOeb.  n.  Gyn.  Herrn  Alfred  Hegar  etc."  Stuttgart  1890.  pag.  79.  Sehanta,  Wiener 
med.  Wochensrhr.        ».  Nr.  19.  Haumann,  I)isH.  inaiig.  Bi.scl  IS^I».  C.  f.  G.  pai:.  871. 

äippel,  ü.  f.  G.  18!*J,  pag.  584  Mensinga,  Internat,  klin.  Bundschau.  1890,  Nr.  4ti. 
C.  f.6.  1891,  pag.  244.  Traszi,  Annali  di  o«tetr.  e  gln.  1890.  C.  f.  G.  1891.  PHT.  574. 
Ber.  X.  Conpr.  V.  f.  G.  1S90,  paj.  6,  Annall  di  ostetr.  e  j;iu.  1891,  Nr.  In.  C.  f.  G.  1892. 
pag.  .>74.  11  Ol  meier,  C  f.  G.  IsiU,  pag.  22-1.  E.  v,  ßrauu,  C.  f.  G.  18'Jl,  pag.  .V.«.  Thorn, 
f.  G.  IS'Jl,  paK.  8:;8.  0.  v.  Velitz,  Z.  f.  G.  u.  G.  1892,  XXIII,  pag.  321.  Löhlein, 
Deutsche  med.  Wochenschr.  1892,  Kr.  10.  C.  f.  6.  1892,  pag.  42a  ,Oyn.  TagesfrageA  «to.« 
1891,  Heft  II,  pag.  107.  Vergl  sehUeealich :  Hatten,  Med.  age  1885,  Nr.  9.  C  f.  G.  1885, 
pae  812.  —  ")  Sehanta,  Wiener  mfid.  Worhfnschr.  iS'i  »,  Nr.  1'.«.  —  Sternberg, 
Wi.  n.  r  klin.  Wocbenschr.  1891,  Nr.  17  u.  ZU.  C.  f.  G.  18;a.  pag.  817  und  1892.  pag.  '-58.  — 
•*•)  Jlaroccu,  Virh.  d.  X.  intemat.  Congr.  sn  Bariin.  III.  pag.  100.  Jahreabcr.  18!»2,  V, 
pag.  195.  —  '  I  Lohloin.  „Gyn.  Tagesfragen  etc."  1891,  Heft  2.  pag.  107.  —  *")  Thorn, 
C.  f.  O.  )8'.<!,  i)a>:.  t.^o.  --Bezüglich  der  Osteomalac  ie  bei  Kinderu  vergl.  Hermann, 
Dis.t.  iriau^.'.  .München  1888.  C.  f.  G.  18!lü,  pag.  435  und  Hennig,  C.  1.  (r.  18!tt  i  pag.  55  >.  — 

Öchurig,  C.  f.  G.  1890.  pag.  247.  —  Piering,  Zeitschr.  f.  Uöilk.  X.  C.  f.  G. 
1889,  pag.  878.  —  Frommet,  Mttnehenermed.  Woehensehr.  1888.  29,  pag.  49.  Jabresber. 
1839.  II,  1).»^'  !•)"  —  -•«")  Neugebauer,  Her.  X.  Congr.  C.  f.  G.  18!»  ),  pug.  IM)  — 
'*')  Fitichel,  Keal-Knny(lt>padic.  II,  pag.  521 1,  Note  147.  —  ")  Toporaki,  Dis.s.  iuaug. 
Brealan  1884.  C.  f.  G.  IhH').  pa^:.  42S.  —  »•')  Theilhaher.  M unebener  med.  Wochenschr. 
1886,  Nr.  12.  C.  f.  G.  188t>.  pag.  712  —  .Malcolm  Mc.  Lean,  A.  J.  0. 0.  1865>, 
pag.  521.  —  **»)  G.  Braun,  0.  f.  G.  jS'ii),  pag.  85»i.  —  Fischer,  Zeitiehr.  f.  Oebarts- 
hei  f.- r  und  Wiuiil.irzte  jsstj,  XXXVII.  lüi.  4.  f.  G.  ISS?,  pai:.  8"i.'>.  —  ''l  Bar,  Hev. 
ob.Mtetr.  et  gyn.  April  1891.  C  f.  ü.  Iöü2,  pag.  63.  —  Lawson  Tait,  ßrii.  Gya.  Journ. 
ias7,  II,  pag.  61.  —        Gbiara,  Ref.  t«i  Bartlett.  A.  J.  o.  O.  1887,  pag.  989.  — 

Krassovsky.  A.  f.  G  I«88,  XXXII.  p.ig.  282.  —  van  der  .M  e  i  j .  .V.'l->rl.  Tijd. 
voor  Verlosk.  en  <iyn.  .laiirg.  I,  Heft  1.  C.  f.  G.  1>M»,  pau'.  7.i(i.  -  j  lluwani  Kelly, 
Med.  and  Surg.  Rep.  Philadelphia.  2."».  .T.m.  ISÜO,  pag.  lUJ.  C.  f.  G.  1891.  p;ii;.  ."14  und  A  .i . 
0.0.  Iö90,  pag.  225  und  242.  —  Ohlahausen,  C  f.G.  1890,  pag.505.  —  "'J  Sviecicky, 
Ga«.  lek.  1890.  pag.  1009.  (Polnisch.)  JahreAber.  18^1,  IV,  pag.  «)4.  —  »")  Vaille,  „Ueber 
Beckeuenge  in  Folj."-  von  Tumoren  der  lieckenwande.-  (Französisch.)  Paris  1891.  C.  f.  G.  Is'.»l, 
pag.  Nl3.  —  Kampe,  Münchener  med.  Wochenschr.  188s,  pag.  3,")l.  Jahr  sber.  IsHit,  11, 
pag.  1,51.  —  .\hlfeld,  «Berichte  und  Arbeiten  etc."  Leipzig  18S7.  11,  pag.  Iu4.  — 
***J  Malcolm  Mc.  Lean,  A.  J.  o.  O.  18'^9,  pag.  7m8.  —  Edward  W.  Jenks,  New 
York  Med.  Journ.  3.  Oct.  1.885.  G.  f.  (i.  18S5,  pa«.  >32  und  Transact.  of  the  Amer.  Gyn.  Soc. 
18>  ),  X,  pag.  172.  —  -  ■'■I  Saint  Moni  in,  .Tourn.  d'acc.  I,S8.5.  Nr.  I.^  u.  M.  ('.  1".  G.  l.'-yij, 
pag.  112.  —  «•»)  Mars.  A.  f.  G.  1689,  XXX VI,  pag.  28».  —  )  F.  L.  Neugebaue  r,  C.  I. 
O.  1892,  pag.  9R  —  >")  Sehanta.  Maller,  1889.  II,  pag.  391.  —  Dtthrasen, 
C.f.  G.  I8SS,  pag.  813  und  A.  f.  G.  1859.  XXXV,  pag.  89.  —  *  ^)  01s  ha  u  se  n  .  C.  f.  G. 
1888,  pag.  ,S14.  —  -'*)  Veit,  C.  f.  G.  18S8.  pag.  814.  —  )  Gusserow,  C.  t.  G.  188^. 
pag.  814.  —  ■  ")  Ohlshansen,  loc.  ult.  rit.  —  ''■')  Martin,  C.  1.  G.  1888,  pag.  814.  — 
'^"^  Achenbach,  Dias,  inaug.  Berlin  18S8.  Jabresber.  18S ),  II,  pag.  137.  Dieser  Fall 
scheint  derselbe  zn  sein,  den  Dtthrssen  erwähnt.  —  Kemy,  Arch.  de  Toeol.  1889, 
Nr.  4.   .lahre-sber.    18'<  i.    Hl,   paj;.  Uli  »''")Betz.   Mem.irah.  "i^^s  —  .i.  N.  T.  XXXIII, 

1»  pag.  1,  Vlll.  10.  Juhreäber.  1888,  II,  pag.  138.  —  **')  Lenuander,  Verhandl.  d.  Med. 
Ges.  in  Upsala.  1891,  XXY.  C.  f.  G.  1892.  pag.  457-  —  '*■)  Marsch n er,  C.  f.  0.  1892, 
pag.  Ü22.  —  '"^1  Faux,  Ballet,  de  la  S  k-.  Oh^tctr.  Brit.  Gyn.  .Tourn.  1SS3.  IV,  pag.  418. 
Amer.  Journ.  oi  Med.  Sc.  188.S.  Med.  U.cord.  1888,  .14,  "pag.  59;J.  Jabresber.  1889,  II, 
pag.  110.  —  Hance,  A.  .1.  o.  <)  1890,  pag.  182.  —  Kemy,  Arch.  de  Toeol.  1^89, 
Nr.  4.  Jabresber.  18'»0,  UI,  pag.  163.  —  Gulinski,  Gas.  lek.  1887.  Nr.  42.  (Polnisch.) 
C.  f.  O.  1888,  pag.  494.  —  HaTajewics,  ttberaetst  von  Bosenberg,  Wiener  med. 
Blätter.  1891.  Nr.  7—9  0.  f.  G.  1891.  pa^'.  t;05.  Verel.  noch  Mc.  Nanghton.  Brooklyn.  Med. 
Jonm.  1890,  pag.  218.  Jabresber.  1891,  IV,  pag.  223.  XleinwÄchter. 


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112 


BENZANILID.  -  BLEI. 


Benzanilid,  C,,  .  NH  C;  O,  ein  dem  A  c  e  t  a  n  i  l  i  d  (Antifeb  rin)  ;;Ioich 
coDstroirtes  Mittel,  wurde  schon  von  Caun  und  llKi'p  (s.  Real-Encyclopädie, 
Bd.  XXI,  pag.  587)  diesom  aneh  thenipeotiaob  ihnliob  wirkend  gefanden.  L.  Gaxtd 
bat  nun  das  Mittel  bei  Erwachsenen  und  Kindern  in  grosserem  MeMBtabe  ver* 
sucht.  Eh  wirkt  dem  Antifi'brin  sehr  ähulich  als  Antithermiciim :  ea  erzeugt  ebeii- 
falls  Cyanose  der  Schleimhäute;  vielleicht  dass  es  den  acuten  Gelenksrheumatismus 
beBoadöre  bedntnmt,  keineefallt  mehr  ab  laHcylsanree  Katron.  Dae  Ifittet  eoll 
weniger  toxisch  wirken  wie  Acetanilid.  Es  wurde  Erwaehsenen  in  Gaben  von 
0*2 — 0*5  pro  dosi  und  2*0 — 4*0  pro  die  verabreicht. 

Litaratnr:  Laigi  Cantn  (Pavia),  La  Bansanilida«  Biforma  medi<;a.  189.^  — 
DwitflolM  ltod.-2tK.  18 ^2,  88.  L  o  e  h  i  s  c  h . 

BenZOnaphthol,  beuzoesaures  ;^-Naphthul,  C,  .  COO .  Cj« U7, 
warde  von  T70N  und  Bbrlioz  als  AntiBepUeam  des  Darmeaaals  an  StoOe  des 
Betels  (salii^lsanres  ß-NaphthoI)  empfohlen ,  weil  es  weniger  glAig  als  dieses 

wirken  soll.  Verf;leicht  man  dio  Ziisammonsctzan^?  beider  Präparate  ,  dann  kann 
der  l'nter.scbied  der  Wirkurif;:  dtr^elheii  mir  durch  die  der  Benzüi>säure  {gegen- 
über der  der  SalicyUfture  gegeben  äeiu,  iudem  das  j^-Naphthol  beiden  gemeinsam  ist. 
BsRNiTT  fand  das  HHtel  bei  Magen-  and  DarmkrankheKen  der  Rinder  wiricsam. 

Da.s  rSenzonaphthol  stellt  ein  weisses,  geruch-  und  gesehiuackloses  Pulver 
dar,  in  10.000  Theilen  Wasser  löslidi ,  iu  Alkohol  und  Aether  chcnfalls  sehr 
wenig,  am  leichtesten  in  Chloroform  löslich.  Die  Theorie  der  Wirkung  ist  die- 
sdbe  wie  fBr  das  Salol.  Von  dem  ebenfalls  erst  im  Darme  spaltbaren  Benao- 
naphthol  soll  das  ß-Naphthol  im  Darmeanal  als  Antiseptionm  xnrflckbleiben, 
wJlhreud  die  fii'nzDf's.tnre  als  Hippiir^iinre  zur  Ausscheidung  gelangrt.  Das  Mittel 
wird  in  mehreren  wiederholten  Gabeu  von  0-5  als  Pulver  in  Oblaten  gegeben. 
Erwaehseue  vertragen  bisÖ'O,  Kinder  im  ersten  Lebensjahre  0  04 — 016  pro  die, 
im  1. — 8.  Lebensjahrs  6mal  tiglieh  0*2,  im  4. — 7.  Lebenijahre  1*5  pro  die,  im 
8. — 14.  Lebeosjahre  2*0  pro  die.  Die  volle  Wirkung  tritt  erst  nach  4 — 5  Tagen 
Otti  doch  muss  man  zuweilen  neben  Benzonaphthol  uoeh  Styptica  geben. 

Literatur:  Vvon  iV:  Berlioz,  Nuuv.  Antiseptic  puur  Tintestin.  Semaino  m^d. 
1^91.  53.  —  Allg.  med.  Centr.-Ztg.  1891.  91.  —  M.  Beraitt,  B.  bat  Uag«n-  and  Dara- 
kraakbeiteo  der  Kindar.  Wiener  med.  Presse  i892i  5t.  Loebiseh. 

BenZOSOl,  Beozoylguajakol  (veigl.  Real-Eneyelopidie^  Bd.  XXIV,  pag.  99) 

wurde  von  M.  PlATKOWSKi  '1  bei  Dialu-tes  meUitus  versucht  und  er  fonstatirte  in 
mehreren  Fällen  Abnahme  des  Zuckergehaltes.  Nach  A.  Jolles^J  zeigt  der  nach 
Benzosol  entleerte  Harn  eine  Linksdrehung,  hierdurch  kann  die  recbtsdrehende 
Eigenschaft  eines  Znekerhames  eompensirt  und  flberoompensirt  werden,  so  dass 
trotz  der  dtireh  die  Roductionsprobe  und  durch  Titration  mit  Fehlixg's  Lftsung 
napbwt'isl)aren  und  be:<tiinmbaren  ZiK'kernuMiire.  der  Harn  bei  der  polarimetrisohen 
liestimtniiug  keiue  Keehtsdrehung ,  eventuell  auch  Linksdrehung  zeigt.  Da  das 
Benzoylguajakol  im  Darme  in  Bensoesänre  nnd  Guajakol  serlegt  wird,  so  wird 
im  Harne  eut-spreehend  der  resorbirteu  Benzoesäure  die  Hippursiiure  vermehrt| 
überdies  .mcb  <i,is  Guajakol  darin  naehweisbar  sein.  Zum  Nachweise  des 
Guajakuls  wurde  eine  mit  verdUuuter  Schwefelsäure  versetzte  Probe  destillirt; 
das  Destillat  gab  mit  einigen  Tropfen  stark  verdünnter  EisenchloridlOsnng  die 
fOr  Guajakol  charakteristische  Bothftrbnng.  Livnlose  war  im  Bensosolhame 
nicht  Torhanden. 

Literatur:  ')  Marian  Piatkowaki  (ans  der  Klinik  des  Prof.  Koixzynski  in 
Krakau),   Ueber  die  therapentiBche  'Wirknng  des  BenzoHols  bei  der  Znekerharnruhr.  Wiener 

klin.  Wijrli'  iisflir.  1*^9',',  r.l.  —  ')  A.  .Tolley,  Uebt-r  die  Fehlerquellen  bei  der  polarimetrisqhaa 
bestiiuiuung  dea  Harnes  uach  Eiutühruug  von  Uen/.usol.  Wiener  med.  Presse.  i^93i  9. 

Loebiaoh. 

Blsi  fvergl.  Real-Encyclopädie.  2.  Aufl.,  III,  pag.  44).  Von  besonderem 
Interesse  fUr  die  Aetiologie  der  lUe  i  v  e  rg  i  ft  u  ii  g  ist  die  Sicherstellung 
der  Thatsache ,   duss  chronische  Bleivergiftungen  auch  durch  Kugeln ,  welche 


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BLEI. 


118 


längere  Zeit  in  dem  OrgaDismas  verweilen ,  anter  besonderen  Yerh&ltniMeo  her- 
▼orgerofen  werden  können;  doch  scheint  dasa  nothwendig  za  Min,  ä»M  die 
Kvgel  nieht  in  tote  zur  EinkapBelnog  gelangt,  sondern  in  kleine  Splitter  zerfällt. 

Wie  lange  es  dauern  kann,  ehe  die  Rleivergiftiingserscheinungen  sieh  einstellen, 
zeijct  ein  Fall,  wo  17  V'o  Jahre  nach  dem  Eiudringen  einer  in  äusserst  kh  ine  Splitter 
zerspringenden  Kugel  in  den  Kopf  der  Tibia  Bleikoliken,  saturnine  Auäuiie  und 
Tremor  entatsnden.  In  der  R^l  wird,  wie  ältere  Fälle  von  Bleiaffeetlonen  nneh 
Schrotschassen  erwiesen,  die  Intoxieation  viel  frflher,  meist  In  den  ersten  Wochen 
der  Verfriftuns",  ehe  die  l'/mkapselung  vollendet  ist,  eintreten,  doch  bleiben  auch 
solche  Fälle  ausserordentliche  Paritäten  gegenüber  dem  Zurückbleiben  von  Schrot- 
kOmem  im  Organismns  ohne  oonseentive  Bleivergiftung.  Das  späte  Auftreten 
läset  sich  nur  dadurch  erklären .  dass  die  die  Kugelfragmente  im  Knochen  um- 
^ehlies^^ende  Narbe  nach  und  naeh  sich  vascularisirt  und  gleichzeitig  das  metallische 
Blei  sich  theilwei><e  in  eine  in  Wasser  oder  in  alkalischem  Wasser  lösliche,  daher 
resorptionsfähige  Verbindung  umwandelt,  die  natürlich  leichter  zu  Störungen  Anlass 
gi6bt,  wenn  glelehseitig  bestehende  Nierenetömngen  die  BUnrination  beldndem, 
aber  aueh  bd  normalen  Kliminationaverbältnisaen  in  so  grossen  Mengen  zur  Re- 
(üorption  gelangen  kann,  dass  Koliken  und  Anaeraia  aaturnina  retnultiren.  Oh  es 
sich  dabei ,  wie  die  Untersuchungen  Lbwin's  0  wahrscheinlich  machen ,  um  Blei- 
oxydhydrat nnd  Bleiearbonat  oder  um  eine  organiaehe  BleiTerbindnng  handelt, 
steht  dabin.  Auf  Letzteres  deutet  die  Thatsache,  dass  auch  bei  chronischem 
Saturnisnius  der  direetc  Nachweis  des  Blcii«-^  durch  Schwefelwasserstoff  oft  nicht 
gelingt,  während  er  nach  Zerstörung  der  organischen  Substanz  mit  Salzsäure  und 
Kaliumohiorat  gelingt.')  Dass  Bleikugeln  dadurch,  dass  sie  häufig  in  den  Mund 
genommen  werden,  an  ebronisdier  Bieivergiftnng  fähren  kttnnea,  ist  dntck  meh« 
rere  neue  franzflsisehe  Beobachtungen  eonstatirt.  Bei  einem  in  Cayenne  internirten 
Jäger  führte  das  Halten  eiuer  Bleiknfrel  im  Munde  bfbufs  rascheren  Ladens  zum 
Schutze  gegen  den  Angriti'  wilder  Thiere  sogar  zu  Parese  der  unteren  und  zur 
completen  Extensorentähmnng  an  dw  oberen  Extremität. 

Die  bei  älteren  Autoren  mdirfaoh  vorkommende  Angabe,  dass  Frauen 
weniger  leicht  an  chronischem  Saturnismus  erkranken,  als  Männer,  ist  entschieden 
irrig  und  scheint  ihren  Ursprung  darin  zu  haben,  dass  frflher  die  Frauen  bei 
den  Arbdten  in  BIdwdsifabriken  weniger  eztensiy  nnd  intensiv  beeebäftigt  wurden. 
Den  besten  Beweis  fflr  die  grossere  Disposition  des  weiblichen  Geschlechtes  liefern 
die  neuesten  Beobachtungen  Oliveu's  ""j  auf  den  Biciweissfabriken  von  Newcastle 
upon  Tyne.  Hier  weist  naiiientlicli  diu  Statistik  in  dem  Hospitale  der  Stadt, 
in  welchem  unter  135  Bieikrunkeu  4U  Frauen  unter  23  Jahren  waren,  wäh- 
rend Icein  Mann  unter  83  Jahren  an  ehroniseliem  Satomismns  erkrankte,  anf 
die  Prädisposition  der  Frauen  hin.  Ausserdem  geht  diese  daraus  hervor,  dass  in 
den  Newcastler  Fabriken,  in  denen  die  alte  holländische  Methndc  der  Bleiweiss- 
fabrikation  noch  im  Gange  ist,  eine  eigenthUmliche  subacute  Form  des 
Saturnismns  bei  jungen  (18 — 23jäbrigen)  Arbeiterinnen  vorkommt,  die  bei 
männlichen  Arbi  itt  rn  nicht  beobaehtet  wird.  Dieser  subacute  Saturnismus  eharak- 
terisirt  sich  dadurcli,  dass  schon  nach  wenigen  Wochen  Kolik,  Ver^t^tpfun^ .  Kr 
brechen,  Kopfweb,  Schmerzen  in  den  Gliedmassen  und  SebstöruDgeu,  daun  wenige 
Tage  später,  gleichviel,  ob  ärztliehe  Behandlung  eingeleitet  wurde  oder  nicht, 
Gonvnlrionen  auftreten  und  plotzlieher  Tod  im  Coma  erfolgt.  Man  wird  Itaum 
fehlgehen,  diese  Form  des  Saturnismus  mit  Olivkr  als  acute  Toxämie  aufzufassen, 
da  iu  der  Mehrzahl  der  Fälle  Albuminurie  fohlt  und  bei  der  Section  nur  Hydrämie 
und  Anämie  des  Gehirns  sich  tiudet  und  die  Zahl  der  rotheu  Blutkörperchen 
deutliehe  Abnahme  erfahren  hat.  In  manehen  Vällva  kann  die  Anämie  auf 
Menorrhagie  nnd  profuse  Menstruation  bezogen  werden  oder  wird  wenigstens  dureh 
diese  erschwert,  in  anderen  besteht  Anämie  trotz  normalen  Verhaltens  der  Kata- 
menien.  Zu  dem  häutigen  Auftreten  von  Menorrhagien  bei  Arbeiterinnen  in  Blei- 
weisefabriken,  das  Ouyer  Ini  der  Hälfte  aller  Anbeterinnen  constatirte,  kommt 
laejiqlBi».  MhrbftolMr.  III.  8 


114 


BLEI. 


bei  BchwaDgeren  ArbeiterinDea  noch  der  sebr  bäuügc  Aburtua  als  ein  gewisser- 
nuMBea  enehwerendes  Moment  flir  dM  weibHehe  Gesehleobt  biniu.  Für  die  Bnt- 

Bobeiduu^  ih  r  IVa^e,  ob  diese  häufigen  Aborte  direoter  Wirkung  des  Bleies  za- 
Kuschreilitii  sind,  liefet  Material  nicht  vor.  doch  spricht  der  rnistand,  dass  die 
Kiuder  bleikraiiker  Frauen  IrUbzoitif?  au  Leber-  und  Nierenatrophie  zu  Grunde 
geben,  für  diese  Anschauung.  Bei  der  subacuten  Bleiintoxication  findet  sieb  Blei 
im  Of^ini,  Leber  und  Mieren;  die  Menfe  desselben  int  aber  nor  gering.  Im 
Gehirn  fand  Oliver  nur  0*03,  in  der  Leber  0  04  Grm. ;  die  Milz  enthielt  relativ 
nahezu  ebensoviel  wie  die  Leber,  die  Niere  etwa  das  Grosshirn  2^  jraal  so 

viel  wie  das  Kleinhirn.  Im  Gehirn  kann  das  Blei  fehlen ;  in  einem  Falle,  wo  ein 
MIdehen ,  dna  40  Tage  in  der  Fabrik  gearbeitet  hatte,  an  eolamptiseben  Zuflllen 
tu  Grunde  ^ing,  wurde  nach  Oliver  Blei  im  Gehirn  nicht  aufgefuiuliMi.  so  dasB 
also  eine  directe  Ver^riftnn^'-  des  Gehirns  als  iTMiehe  der  OehirneraoheinttOgen 
und  des  Todes  hier  mit  Bestimmtheit  ausgeschlossen  war. 

DasB  hti  eiironhebem  Satnmiamns  das  Blei  sehr  lange  im  Organismon 
▼erwdien  kann,  seheint  die  Thatsaebe  zu  erwmsen,  dass  mehrere  Jahre  naeh 
dem  Auffreben  des  seliildlieheii  Berufes ,  der  die  Imprägnation  dos  Körpers  mit 
Blei  verursacht,  Kecidiven  von  Mleik'dik  auftreten  können,  ohne  dass  neuer  Oontact 
mit  Blei  stattgefunden  hat.  In  einem  von  Bkrmiahdt  mitgetheilten  Falle  dieser 
Art  war  der  Genuss  grosser  Mengen  Flüssigkeiten  (Bier)  m^ioherweise  die 
Unadie  des  Rückfalls. 

Von  den  Symptomen  der  Bleiveririftunfr  ist  der  Blei«Mum  des  Zahn- 
f i ei scbran d es  als  ein  von  Vielen  für  pathuguomoniscb  erachtetes  Symptom  in 
enter  Linie  zu  betrachten.  Dass  er  in  einzelnen  FAIIea  fehlt,  ist  tieher  ,  und 
namentlich  vermisst  man  ihn  nach  Olivf.r  htnfig  bei  der  oben  als  subaeuter 
Satumisnius  liezeidineten  F(tnn  der  Bleiverfriftunir.  Sieher  ist  es,  drjs-:  er  in  sehr 
acuten  Fällen  von  Bleiacetatvergriftung  uicht  selten  beobachtet  wird.  Oliver  hat 
ihn  bei  einer  solchen  schon  am  1.  Tage  der  Intoxication  auftreten  gesehen  und 
Schmidt  *)  eonstatirte  bei  «ner  inneren  Vergiftung  dureb  Bleicarbonat  enthaltende 
weisse  Schminke  am  3.  Tage  Auftreten  russschwarzer  Fflrbunjr  des  Zahnfleisches 
und  öchwarz^rauer  Flecken  der  Wanf^enHchlcimhaut,  die  6  Wochen  anhielt.  Die 
Zeit,  in  welcher  ein  Blcisauui  nach  Aufboren  der  Bleizufubr  bei  Arbeitern  in 
Bleiweisftfabriken  versehwindet,  sehwankt  zwischen  8  Tagen  nnd  6  Monaten. 
IlUufi^  kommt  bei  Bleiarbeitem  neben  dem  gewöhnlichen  Bleisaum  noeli  eine 
schmale  l)l;nic  Linie  am  Gaumenran<ie.  die  von  Sehwef'olblei  auf  dem  Zahnticiseh 
herrührt,  vor.  Mitunter  eomplieirt  r^ich  der  Bleisaum  sowohl  bei  acuter ,  als  bei 
chronischer  Vergiftung  mit  Gescbwürsbildung  im  Munde.  In  dem  oben  erwähnten 
Falle  von  Schmidt  bildeten  Sttmiatitis  und  tiefe  Oesebwttre  in  der  Wangensebleun- 
haut  neben  Koliken  die  Hanpterscheinnng^eu  der  acuten  Intoxication.  und  auch 
bei  chroniseher  Vertriftunj?  ^eben  naeh  Olivkr  dem  .\ut'treten  des  Bleisaumes 
nicht  selten  Höthung  und  Anschwellung  voraus  und  es  entwickeln  sich  Geschwüre 
im  Mnnde,  die  seihet  linger  dauern,  als  der  Bleisanm.  Stsdmak  ^)  bat  phlyetinnlMB 
Gesehwäre  im  Mnnde  ond  namentlich  an  den  Wanden  in  Folge  des  Gennasei 
bleihaltigen  Trinkwassers,  nii'ht  selten  olme  deutlichen  Bleisaum,  auftreten  ge- 
sehen. Bei  Personen,  die  den  Blei^aum  nicht  zeigen,  lässt  er  sich  durch  Jod- 
kalinmbehandtnng  nielit  eraeagen. 

In  Hinsiebt  anf  Yerwecbslnngen  des  Bleisaums  mit  thnlieben  Fftrbnngen 
am  Zahnfleischrande  i.st  zu  bemerken,  dass  verschiedene  anorganische  Verbindungen 
solche  hervorrufen  können.  Wiederholt  ist  ein  solcher  nach  Anwendung  von  Bi's- 
mutum  suimüi'icum  auf  Wundtliichcu  zu  antiseptischen  Trockenverbänden  beob- 
aehtet')  nnd  bei  der  ebroniseben  Vergiftung  von  Thieren  mit  Wismntsalzen  eriillt 
man  regelmXsdg  analoge  VerOlrbnngen  in  der  Mundhöhle,  wie  bei  ßleivergifUinf. 
Nach  Lkmoine  ""1  ist  auch  Borax  einen  Uhnliehen  graublauen  Zahnfleischsauai 
zu  erzeugen  im  Stande,  wenn  dieser  in  grossen  Dosen  (20  pro  die)  mehrere 
Monate  verabreiebt  wird.   Die  AfFeetion  combinirt  sich  hier  ebenfalls  mit  Rfitiie 


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BLBI. 


115 


und  AnschwelluDg  des  SUbotieidches ,  sowie  mit  vermelirtor  Speichelabsonderung', 
sehwindet  aber  leiefator  als  der  BleiMnm,  ao  dan  «r  bei  AofliSreii  der  Znfnlur 
oder  selbst  bei  blosser  Verminderung  dieser  in  Monatsfrist  anfbürt.  Bei  Thierea 

kann  auch  Ziiiksulfal  einen  ähnlichen  Rleisaum  hervorrufen.  Krankhafte  Be- 
schaiTeubeit  der  Zäboo  und  des  Zahnfleisches  befördert  das  Auftreten  des  Borax» 
Saumes. 

Als  diagDOStisohes  Hilfsmittel  Bleivergiftitnir  l^ano  der  Bleinaek* 
weis  auf  der  Haut  in  manchen  F.'illen  dienen,  insoweit  dadurch  der  Contaet 
der  Haut  mit  Bleiverbindungren  darj^ethan  wird.  Rleiablafrerunp  in  der  Haut  zum 
Zwecke  der  Elimination  findet  nicht  statt.  Man  erhält  Schwärzung'  mit  Schwefel- 
ammoninm  nur  an  unbedeckten  Tbeiien,  am  stilrksten  an  Fingern,  Hftnden  und 
Vorderarmen ;  nach  Entfernung  dcg  äussorlieh  anhaftenden  Bleien  auf  mechanischem 
Wege  hftrt  die  Rcaction  auf.  Schlnsrt  sie  fehl,  so  wird  man  sie  auch  in  den  fol- 
genden Tagen,  vorausgeKctzt,  da.s.s  der  Kranke  weiterem  Contacte  mit  Bleivorbia- 
düngen  nicht  aasgesetzt  wird,  nicht  erhalten. 

Inwieweit  die  von  Ouybe  eonstant  bei  Personen,  die  schwere  BleikoUk 
durchgemacht  hatten,  beobaohtete  T'ngleichheit  der  Pupillen  und  des  Radiaipnhes 
zu  diagnostischen  Zwecken  verwerthet  werden  kann,  bleibt  weiteren  Unter- 
suchungen zur  Entscheidung  vorbehalten. 

Fttr  die  Pathogenese  der  Bleiarthralgie,  die  genau  dem  Bilde 
der  von  BlNBDiCT  anfgeatellfcn  Wuraelneuralgie^)  entspricht,  sind  L'nter 
STiehunfren  vim  SrrKct.iTZ  (Iber  Hecintlussung  de>*  Kilckenmarkes  bei  Thieren  durch 
chronische  Bleivergiftung  von  Interesse.  Stieglitz  constatirte  analoge  Veränderungen 
in  den  Vorderbörnem,  bänfig  mehr  oder  weniger  starke  Krkranknng  der  hinteren 
Wnneln,  haaptsAeblieb  in  Degeneration  der  Mark.scheiden  bei  Integrität  das 
Achs('tic\  Hilders  bestehend,  aus  welcher  nc-chrMnkutig  des  Processen  es  sich  auch 
erklilren  lärmst,  ilass  Anüsthesio  oder  ilherhaupt  Strirunjr  in  der  Wahrnehmung 
sensibler  Eindrücke  bei  Saturnismus  nicht  hüuiig  vorkommen;  doch  hat  ja  Tan- 
qUBBBL  DBS  Plakchbs  eine  Anaesth^na  safumina  als  besondere  Form  der 
Bleivergiftung  l»L-irhrieben. 

Dass  de  als  Enc  e  ph  a1  o  jki  fh  i  <i  sa/urntnn  insgemein  zusammen- 
gefasstun  Störungen  nicht  blos  unter  den  bekannten  Formen  des  Coma  und  der 
Eliili psia  »atumtna  anftreten,  ist  dnroh  xahlrdohe  neuere  Beobaebtnngen  erwiesen. 
Olivkr  hat  vielfach  hysterisebe  Convulsionen,  mit  Anflstbes^ie  verl)undcn,  als  aus- 
schliegsliehe  Uleiallection  constatirt ,  die  Kr.1mj)re  nahmen  allmJllig  au  lit  t  ti^'keit 
zu  und  führten  nicht  selten  in  kurzer  Zeit  den  Tod  herbei.  Dass  die  Kritrapfe 
auch  ohne  Albuminurie  und  Nierenaffection  auftreten  können,  ist  anzweifelhaft. 

Ueber  das  Wesen  der  Bleiamaurose  sind  die  Ansebaunngen  noek 
oieht  vAllig  aufgeklftrt.  Die  irnabhängigkeit  des  Leidens  von  Albuminurie  und 
Nierenaffection  ist  in  einzelnen  Fällen  sichergestellt.  In  einem  derartigen,  ohne 
jede  Albuminurie  verlaufenden  Falle  bandelte  es  sich  um  Neururetiaitis  optica 
deaeendenB ,  die  ganx  das  Aussehen  der  Neuroretinttis  albumtnurica  hatte  und 
im  Laufe  von  lo  Wochen  in  eine  in  Atrophie  abklingende  Cntsflndungspapille 
deh  yerwandelte.  i') 

Eine  eigcnthümliche  saturnine  Augenaffection  ist  die  von 
ScHBOXDBR ^ -)  beobaditele  ffe mianopsia  »aturmina  ohne  hemiopisehe 
Pnpillenreaetion,  die  sieh  bei  einem  wiederholt  an  Bhakolik  und  Bleiarthralgie 
erkrankten,  auch  an  Parästhesien  leidenden  Maler  plötzlich  mit  Kopfschmerz, 
Schwindel,  Schwerhörigkeit,  Sehschwiiche ,  Herabsetzung  der  HeHexerregbarkeit, 
der  Tast-  und  SchmerzempHndlichkeit,  Pare.se  der  unteren  Aeste  des  linken  Facialis 
vnd  der  linken  oberen  und  unteren  Bztremitftt  einstellte.  Der  fragliche  Symplomea- 
complex  wdst  anf  eine  circumscripte  Isebämie  der  rechten  Hirnhemisphiro  Im 
Gebiete  der  Art.  optica  h nh'ruLi r/s  und  der  ,1//.  lenticnlostriatn  liin. 

Auch  Störungen  des  Geächmacke.s  können  eine  Theilerscheinung  des 
Baturnumus  chronicus  büden.  Dabei  kann  es  sich  um  das  Ausfallen  einer 

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116 


BLEI. 


bestimmten  Geschmacksempfindung,  z.  B.  für  sauer,  oder  am  vollständige  Ageuata 
s  aturnina  j  wobei  eine  seifenartige  GescbmaclcsemptinduDg  nach  Gesohmacks- 
cmgern  tob  allen  vier  Qnaüttteii  reenliirt,  bandeln.  Das  Gefühl  aof  der  Zunge  kann 
dabei  ziemlich  iotact  bleiben. 

Di«'  P^'rag'e,  ob  08  eine  wirkliche  saturnine  fticht  (Real-EncyelopÄdie, 
Bd.  III,  pag.  607)  gebe,  miiss  nach  den  neueren  Beobachtungen  englischer  und 
französischer  Aerzte  unbedingt  in  dem  Sinne  bejaht  werden,  dass  chronische  blei- 
kranke Arbeiter,  die  bereits  an  Kolik  oder  sribst  an  eharakteristiieher  Bl^paralyse 
leiden,  mit  aasgesprochener  Anlnde,  an  typisehen  Qiehtanf^llen  mit  Ablagerung 
von  Uraten  in  den  Gelenken  erkranken  können,  ohne  dass  Excesse  in  der  Diät 
stattgefunden  haben  und  ohne  dass  irgend  welche  prämoiiitorische  Symptome 
Toraosgehen,  wie  solche  vor  dem  Eintreten  gewOhnlieher  GichtanflUle  beobaehtet 
werden.  Die  gewöhnlichen  Vorläufer  der  Arthritis,  wie  Hamgxies,  asthmatisehe 
Beschwerden ,  Hilmorrhoiden ,  Iscliias ,  Hautaffectionen ,  werden  nur  höchst  aus- 
nahmsweise bei  Arthritis  saturuina  beobachtet,  dagregen  kommt  häutig  Albuminurie 
vor,  deren  Vorbandensein,  wie  die  bei  Bleikranken  dieser  Art  rasch  sich  ent- 
wioketnden  NierenverindeniBgen  nnd  wie  das  frfllneitige  AaAreten  von  ESndo- 
earditia  bei  ihnen ,  g-eradezu  etwas  Charakteristisches  für  Bleipricht  haben  kann. 
Der  astheninche  Charakter,  den  die  meisten  F/llle  dieser  Art  zeiL'-en,  ist  vorwaltend 
anf  die  ungünstigen  Lebenaverbältnissu  der  Bleikranken  (Arbeiter;  zu  bezieben 
und  maebt  sieh  bei  günstig  sitnirten  Kranken  nloht  geltend.  Bin  weitwes  Kriterinm 
der  sataminen  Gicht  ist  darin  gegeben,  dass  die  AntAll«-  weit  häufiger  siud  nnd 
bei  jedem  neuen  Anfalle,  die  im  ersten  Jahre  zwei-  bis  dreimal,  spitter  zahlreicher 
auftreten,  neben  den  Gelenken  der  grossen  Zehe  und  des  Fuüues  auch  die  grösseren 
Gelenke  hu  Hitlddensohaft  gezogen  werden,  so  dass  bei  späteren  AnftUea  das 
Bild  dem  eines  allgemeinen  Gelenkrhenmatismus  gldeht.  In  der  Zwisohenseit 
bleiben  die  Gelenke  nicht  iniact,  sondern  werden  durch  die  harnsauren  Ablagerungen 
deform.  Dass  die  Tophi  nich  nicht  blos  an  den  Gelenken,  sondern  auch  nicht  selten 
an  den  Ohren  bilden,  ist  auch  bei  der  saturnineu  Gicht  nachgewiesen.  Die  saturnine 
Gfeht  ist  in  England  am  htnflgsten,  weniger  hinfig  in  Frankreieb,  am  seltensten 
in  Deutfi-hlund ;  die  davon  betroffenen  Arbeiter  sind  nicht  selten  habitnelle  Alko- 
holisten, doch  ist  dies  in  etw.i  der  Hälfte  der  Fülle  nicht  nachzuweisen.  F.inzelne 
Tbeile  von  England  scheinen  eine  Ausuahme  zu  machen.  So  giebt  Olivku  an, 
dass  in  Neweastle  npon  Tjme  trotz  des  eonstanten  Vorkommens  von  klmnen, 
jedoch  nicht  hyperämi^ichen  Nieren  bei  Bleiarbeitern  Gicht  nicht  vorkommt,  lieber 
die  Frag:e,  wie  das  Blei  die  fri<"liti.sehe  T'iathe-e  schalTe ,  hrit  die  experimentelle 
Forschung  bisher  völlige  Klarheit  nicht  j,a'sehadt.  Das  Verhalten  der  Harnsäure 
int  bei  Bleikranken  verschieden,  mitunter  vermindert  (bei  gleichzeitiger  Zunahme 
des  Barnfarbstoffes,  womit  vielleicht  der  satvmine  letems  in  Connex  steht),  nach 
OUVBR  hHufifrer  vermehrt. 

Jedenfalls  ist  die  schädliche  Einwirkung  des  Bleis  auf  die  Nieren  ein 
Moment,  das  die  Hemmung  der  llarnsäureausäcbeidung  auf  dem  gewöhnlichen  Wege 
und  ihre  Retention  in  Blnt  nnd  Ablagemng  an  anderen  Körperstellen  sn  erklären 
geeignet  ist,  doch  kommen  saturnine  Gelenksatfectionen  mitunter  aneh  vor,  ohne 
dass  ein  Symptom  für  die  pathologische  Veriindennif^  der  Niere  spräche,  und 
andererseits  ruft  interstitielle  Nephritis  bei  Nichtbleikranken  gicbtlsehe  Phäuomene 
niemals  hervor.  Ob  aber  das  Blei  vermehrend  anf  die  Hamsäurebildung  durch 
direete  Wirkung  anf  den  Stoffwechsel  wfarkt,  wie  WiLKS  annimmt,  oder  nach  der 
Ansicht  von  Lancerfal'x  und  DtTKWOiiTH  durch  Verinittlunj^  des  NervonsystemflS 
oder  nach  Lorky  s  Vermuthunfr  durch  F.inwirkun^'  auf  die  I.elier,  ist  nicht  aus- 
gemacht. Von  Interesse  für  den  Praktiker  ist  Ubrigous  dio  Beobachtung,  dass  die 
Darreichung  von  Bleipräparaten,  z.  B.  BIclzncker,  gegen  Blutungen  bei  Arthritikeini 
schwere  Gichtanf^Ue  auslösen  kann  und  dass  Artbritiker  schon  durch  klebe  Mengen 
von  Blei  Erscheinungen  des  Satumismus  bekommen  kOnnen. 


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BLEI. 


117 


Eine  eigenthümliobe  Prodromale rscheinang  der  Arfhri'fin  sa'uminn  Ist 
das  Auftreten  umfaD^reioher  Desquamation  der  ßlase  und  Ureteren  ohne  eigent- 
lioln  Urethritis,  das  sehoii  10  Tage  yor  dem  Anfalle  statUiabeii  kann  und  mü 
diesem  fast  spmlos  Tersehwindet. 

In  Rezug  auf  die  Erkrankung  der  Niere  durch  Blei  Ui  zu 
bemerken,  dass  die  vi«  Prevost  und  Bi.vrt  (Encyclop.  Jahrbücher,  Bii.  I.  pag.  101) 
bei  ohrooisober  Vergiftung  von  Kaninchen  eonstatirten  Kalkoonoremente  auch  bei 
normalen  Thieren,  obsehon  Haltener,  ▼orkommen.  Die  bei  ehnmiseh  vergifteten 
Thieren  sn  eonstatirenden  Verflndeningwi  der  Nieren  besteben  naeh  Stirglitz^*) 
bald  im  Untergänge  einer  kleineren  Anzahl  von  Gloinenirn ,  bald  in  Trdbung, 
Schwellung  und  schlit'-slich  Degeneration  der  Kpithelien  der  gewundenen  H;irn- 
canälchen,  bald  in  begiuuenden  iuterstitiellen  Ver&nderuugeu  (reichliche  Vermchruag 
der  Kerne  um  die  Harneanaiehen  und  die  Oefilsse).  Heist  innd  aber  alle  drei 
Typen  dieser  Veränderung  combinirt.  Selten  finden  sich  arterioAcIorottsohe  Processe 
an  den  Nierengefflssen.  Das»  sich  bei  Thieren  die  typische  Bleiachrumpfniere  des 
Menseben  nicht  findet,  erklärt  sieh  offenbar  ans  der  kurzen  Zeit,  die  bei  den 
ebroniseh  vergifteten  Tbieran  bis  snm  Tode  verfllesst. 

In  therapeutiseber  Bedehnog  ist  die  Anwendung  des  eonstanten 
Stromes  zur  Entbleiung  des  Organismus  bei  ßleikranken  als  ein  Verfahren  zu 
erwSlhripn.  das  durch  Sknjmola'^:  und  3rhakini  hI-:  hr.clist  znverlilssig  und  selbst 
die  Jodkaliumtberapic  au  Sicherheit  der  Wirkuug  UbertreÜ'eod  bezeichnet  wird. 
Die  lletbode,  1>oi  weleber  Jeden  Morgen  10  Minnten  lang  der  oonstante  Strom  in  der 
Weise  benfitzt  wvdf  das«)  man  während  der  ersten  Hälfte  der  Sitsang  den  positiven 
Pol  auf  die  Zunge  und  den  negativen  in  das  Epijra^triuin,  in  der  zweircn  Mfllfte 
erstercn  an  die  Seite  der  WirbelsJlule  und  den  negativen  auf  d  i.s  Abdomen  applieirt, 
mutis  3 — 4  Monate  augewendet  werden.  Schon  nach  3 — 4  Tagen  tritt  Blei  im  Harne 
nnf;  die  Anssebeidnng  nimmt  in  den  ersten  vier  Wochen  so,  qAter  allmllig  ab. 
Handelt  es  sich  nur  um  Bleikolik  oder  Bleiparalyse,  so  ist  die  Ueilung  complet; 
bei  Kachexie  mit  Albuminurie  ohne  deutliche  Gofässveränderungen  tritt  h 'trächt- 
licbe  Besserung  des  Allgenieiubetindens  und  Verringerung  der  Eiwei^ausächeidung 
ein ;  dagegen  ist  das  Yerfabren  hei  Eneephalopatble  mit  Arterlosoleroje  erfolglos. 

Zur  Prophylaxe  der  Bleiaffeetion  rlth  Midba  snr  Reloigtiog  der 

Hände  der  Arbeiter  in  ßleiweissfabriken ,  Maler  u.  s.w. ,  die  namentlieh  vor  der 

Mahlzeit  nothwcndig  ist,  A  m  mon  i  u  m  t  a rtr a  t  zu  verwenden. 

Literatur:  ')  Küster  ond  Lew  in,  Ein  Fall  von  Bleiversiftnng  durch  eine  im 
Enoehen  steckende  Kasel.    L«ng«nb.  Arch.  Jabiläumsheft.  1892,  XLIII,  pag.  221.  — 

•)  Fonqne,  IntoTirnfii»!  ]>hivthii]ue.  Gaz.  des  höp.  1892,  Nr.  21:  Pens,  Des  c,>li<jurs  shiies. 
1887,  Montp. ;  Bouijuet,  (iaz.  lies  höp.  22.  Dec.  ISÜl.  —  ')  Oliver,  An  tnialyliail  ntul 
cliniail  i.rnminatioh  of  had  poisoniuij  in  its  acute  manifestations.  Med.-chir.  Transact. 
1890i  LXXUI,  pag.  53.  Giüstonian  Lecturu  on  Uad  poüoning  t»  ita  acute  and  chronic 
manifutationt.  Brit.  med.  Jonm.  1891,  March  7,  14.  21,  i!8.  —  *)  Schmidt,  Znr Symptuma* 
tologie  der  acut-n  P.lci Vergiftung,  ("entnilhl.  f  klin  Med.  l^jlfj,  Nr  2S.  —  ')  ."^iHdraaii. 
Vlctration  of  ihe  tnnuth  n.s  a  si/inplom  >>/  lemi  junsoning.  Lancof.  26.  Sfipt.  {"^'.tO.  — 
Koeher,  Arch.  f  klin.  rhir  18Si,  XXIX,  pag.  470  Dalche  und  Villejean.  ItfU. 
exp.  9ur  In  toririt,  de  brnmuth.  Arch.  gun.  de  med.  Aoftt  18Ö7,  pag.  129.  Bull.  gen.  de 
therap.  15.  Nov.  18^8.  30.  —  ')  Lemoine,  J,\s4ri  gingival  consieutif  i'i  Vingestion  du 
borax.  Bull.  gön.  HO.  Mai  18Ü2.  ■ —  "l  Miura,  I  r^lier  die  Bedeutuni;  des  Bleinachweises  auf 
der  Haut  Bl«)kranker.  Berliner  klin.  Wochenscbr.  1<S9J,  Nr.  44.  —  *}  Erb,  Krankheiten  der 
periphenm  Narren.  2  Aa6.,  pag.  63.  —  '*0  8ti«icHtB,  Biae  «xperinantelle  üntenraelinng 
über  Blf'iverpiftniip  .^r<h,  f.  P^yrhiatr.  l-(i2,  XXIV,  pat:  1 .  -  "'1  Hütnfisch,  VoW-r  Fure- 
phaiopathiu  natitrninii.  Kiel  IS'M. —  Lehuiaiin,  Ein  Fall  von  .s<  hwerer  chroniscUtir  Blei- 
intoxication  mit  besonderer  BtTueksiehtiguug  der  Eticephalopathie  und  Retiniti<<.  Berlin  1^'jO.  — 
")  Schroeder,  Vorftbergehende  Ger«braiw«üieinnBgeB  bei  chronischer  Blei  Vergiftung. 
Berlin  ls90.  —  '*)  Dreiicb,  Zwei  seltene  FSlIe  von  Blemrgiftung.  Wilrzhurg  H9n.  — 
")  Vergl.  L  a  Ii  a d  i e -  La  gr  a  V  <• ,   /.'i  i/unftr  satitruhit.   Union  m^d.  Nr,         iT,  — 

")  Schroeder,  lieber  VrethrUi^t  urica  bei  cbron.  Blei vorgiftung.  Deutsche  med.  WochenscUr. 
1892,  Nr.  9.  —  '*)  Semmola,  Du  traitemeHt  radieat  du  taturnitme  dkron,  par  Vfiimination 
du  plumh  pur  /..f  uriiirs  .wi/.v  rinHuence  dtt  eowont  coHttant.  Oas.  d«!  k6p.  1892,  Nr.  128. 
Gai.  med.  de  Paris.  Nr.  52,  pag.  üif?.  Hosemann. 


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118 


ÜLEILÄUMUNG. 


Bleilähmung  'vcr-l.  IJ.al-Eneyclopndii' .  2.  Aufl.  .HI.  p;ifr.  113).  Hin- 
sicLtlicb  der  Patbogeuese  der  Bleiläbmung  i.st  uian  iu  dea  letzteu  Jahren 
im  Allgemeinen  mehr  geneigt,   die  AffectiMl  «Is  Folge  peripherer  degenerativer 
Kmiritii  aufzufassen  nnd  von  Einielnen,  wie  Fran  Dkibrinb-Klüsifkr  ^)  nnd 
PRRVOt-T  und  BiNET  -  ,  wird  sie  frcradezn  den  Ncuritiden  toxischen  Urspruiiprs  zu- 
jjfzählt.  Kr  fjcheint  d.nfilr  nauu'iitlich  die  Thats.iclie  zu  sprechen,  dasa  die  Mohrzahl 
der  neueren  ObduetioDen  mit  typischer  Bleilftbnuuig  bcliaiieter  Personen  Veriiuderuugen 
im  Rflokenmark  nieht  ergeben  haben.  JHm  beweist  indeRS  niebte  gegen  das  Yor^ 
faandenaeia  Mlcher,  denn  es  ist,  wie  Erb")  betout.  scbr  wohl  denkbar,  ,,d«S8  dag 
Blei,   das  zunfiehst  immer  nnr  eine  heilbare  atrophische  Läbmunjr  verursacht, 
nur  eine  mikroskopisch  nicht  nachweisbare  Funtiotinstörung   im  Ceutralorgan  er- 
zeugt, als  deren  peripberisdi  siehtbare  Wirkung  einerseits  Anfbebung  der  mo- 
torischen Fun(>tion,  änderet  seit«  tropblscfae  Störung  der  betroflisnen  motoriseben 
Nerven  und  Muskeln  erscheint".  Es  fehlt  aber  auch  nicht  ganz  an  Beobachtungen 
wirklieber  KUckeuniarksveränderungen  bei  Bleikranken.    lu  einem  von  Fishkk*) 
aus  dem  New-Yorker  Bellevue-IIospital  mitgetheilten  Falle  eines  Malerü,  der  nach 
mebrjibrigem  Besteben  von  Satvmismus,  der  sieb  durch  Koliken  nnd  snnebmende 
typische  LSbmnng  des  Vorderarms  mit  Abschwftcbunir  der  faradischen  Erregbarkeit, 
bei  IntegritSt  der  Supinatoren ,    Atifhelmnjr   der  farudischen   und  Verminderunpi: 
der  galvanischen  Erregbarkeit  der  Muskeln  der  liaud ,   der  Interossei   und  des 
Opponens  pollicis,  jedoch  ohne  Entartnngsreaetioni  seblieislieb  aneh  ata  Epilepsia 
»atumtna  charakterislrie  und  wo  der  Tod  durch  Morbus  Brighti  eintrat,  fand 
»ich  ausser  der  Aflectiou  der  Nieren  und  Ilerzhypertrophic  mäs.si<re  Atrophie  der 
Vorderbörner,  besonders  an  der  einen  i?eite,  wo  auch  die  \'order8eiteu8trän};e  er- 
griffen waren,  deutliche  Sclerose  an  verschiedeneu  Stellen  der  GoLL'schen  Säule, 
Verdickung  der  Meningen  und  der  Blutgeftsae  am  LissAOBB'seben  Strange  nnd 
Degeneration  der  vorderen  Nervenwiirzeln.  Atieh  die  neuesten  Versuche  an  Thieren 
sprechen  dafür,    dass  FMei  Veränderun-^cD  im  Hliekenmark    zu  8etzen  im  Stande 
ist.  Stieg  Iii  TZ  "j  cout<tatirte  bei  Tbiereu,  bei  welchen  er  durch  Verstäubung  von 
Bleisneker  ebroniseben  Stttumismus  mit  Paralyse  eraeogt  hatte,  in  5  Fällen  gnns 
exquisite  Alterationen  in  der  grauen  Vordersflule  des  Rückenmarks,  bald  ejcquisit  ent- 
zflndlicbei\  I'rocess,    wie  er  der  spinalen  Kinderlähmunjir   sich   zur  Seite  stellen 
llaat,   bald  Atrophie,   stets  verbunden  mit  äusserst  reichlichem  Auftreten  von 
Yaenolen  in  Gnnglienzellen ,   bald  nnr  die   fragliebe  Vaenolenbildung ,  eonstnnt 
aber  degenerative  Processe  in  den  Nerrenwnrzeln  und  in  den  peripberisehen 
Nerven.    Allerdings  ist  es  hingst  bekannt  —  und  in  dieser  Beziehung  bestätigt 
auch  Stik«;litz  die  früheren  Beobachtungen  an  Thieren  vollst.'lndig  — ,  dass  die 
Lähmung  bei  Thieren  nicht  jene  eigeotbUmlicbc   circumscripte  Localiaation  zeigt 
wie  bdm  Henseben  und  dass  dadnreb  bis  zu  einem  gei^sen  Haasse  die  Znllssig- 
kmt  der  Uebertragung  dieser  Beobachtungen  auf  die  Pathogenese  der  Bleilähmung 
beim  Menschen  beeinträchtigt  wird.  Indessen  lässt  sich  das  ei;^cnth(lmliche  elective 
Verhalten  der  Faralysis  Hoturnina  beim  Menschen  mit  der  Tbatsache  in  Ver- 
bindung bringen ,  dass  die  Bleilflhmang  stets  fanctionell  zusammengehörige  Mos- 
keln  befällt  (Remäk)   und  dass  die  am   meisten   angestrengte,  beziehungsweise 
Uberan;r('>^trenf,'te  Muskelgruppe  am  frühesten  der  Sch.ldlichkeit  unterliegt  und  der 
Lähmung  vertallt.  Diese  von  MoBlL'S'')  für  die  atypische  Eocali.sation  der  Para- 
lygis  saturnina  bei  Fetlenhanern  in  den  Muskeln  des  linken  Daumenballens  und 
In  den  Muskeln  des  Interosseu»  prtmus  herbdgezogene  Erkibnng  findet  eine 
Stutze  durch   die  bekannte  Tbatsache,    das»  die  Bleil.lbmung  bei  Linkshändern 
die  linke,   bei  liechtsli.ltidern   die  rechte  Hand  zuerst  oder  answhliesslich  befällt. 
Datis  die  seltene  Lähmung  der  Unterextremitiiten  durch  Blei  bei  Personen  ,  welche 
ihre  Beine  durch  Märsehe  Strapaziren,  häufiger  vorkommt,  zeigt  ein  neuerer  Fall 
von  einem  Jäger,   der  durch  das  gewohnhcitsin/is^iLie  'Irafreii  einer  Bleikugel  im 
Munde  bleikrank  und  lahm  in    den  Beinen    wurde.  ',     Bei  Kindern,    bei  denen 
L'eberaustrengung  bestimmter  Muskelgruppeu   nicht  so  wie   beim  Erwachseueu 


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BLEILÄHMUNG. 


119 


hervortritt,  finden  sich  ebenfrills  atypische  Formen  der  Bleilähm  im  «^^  mit  starker 
BeeioträchtiguDg  der  unteren  Extremität.  Dass  überhaupt  die  Beiue  nicht  selten 
bei  BloUfthmnog  nütafficirt  werden,  beweisen  die  Beobachtungen  voa  Wbbbbb^), 
d«r  in  7  lUlaB  ▼on  Bleiaflbetioiieii  6iiial  apastiaehe  LAhmiing  der  Beine,  die  aidt 
2raal  mit  SeDfliMlititaatOran^en  verband,  Imal  Schwäche  mit  VerIlI^^t  der  Patrllar- 
eehnenreäexe  nnd  nnwiUkflrliohe  Zaokangea  und  Imal  uncompUcirtc  Schwftche 
oonstatirte. 

Auf  alle  FlUe  sind  Hbrigraa  die  Degenerationen  der  peripheren  Nerven 

bei  der  Rleilähmung  weit  ansgesprochener  als  die  spinale,   die  bei  einer  von 

JoLLY  ^)  mitgetheilten  Section  sich  auf  geringe  Abnahme  der  Ganglienzellen  nnd 
das  Vorkommen  einzelner  klumpig  gewordenen  Gauglienzellen  beschränkte. 

Literatur:  •)  D^jerine-Klampke,  De«  polifm^vrites  en  giniral  et  de«  para- 
Ijften  et  (itrti/ihii.t  satiirriitie.s  rn  purtiruHer.  Paris  1889. —  ')  Prevost  nnd  Binet,  Recherchea 
tx^iimtntalea  itur  l'intoxication  aatumine.  Bev.  SouM.  Üct-Nov.  1889>  —  *)  Erb,  NeoroL 
Cantralbl.  1883.  WS-  431.  —  *)  Fiiker,  Ltad  poUtming  wifh  tpedal  re/ermee  to  ihe 
tpkuUcord  and pertphenil  nerve  lesions.  Amcr.  med.  Jonrn.  Jnly  1892,  paj?.  51.  —  ^)  S  ti  egl  itz, 
Eine  experimentelle  Studie  tilicr  Bleiverffiftung  mit  besonderer  Berücksichtigang  der  Ver- 
iLnderungen  am  Nt-rvensystem.  Arch.  f.  Psychiatrie.  1892,  XXIV,  H.  1,  pag.  1.  —  •)  Moe> 
blas,  Centralbl.  f.  Nerveabeilk.  1886,  I,  pag.  6.  —  ^Fouqaö,  Intoxieation  flombime» 
Gas.  des  H&p.  1892,  Nr.  21.  —  ')  Webber,  Satumine  paralystea.  Boston  Jown.  1891, 
Oet.  22.  —  ')  Jolly,  Anen-  und  BtottUimwic.  Deotseh«  lled.-Ztg.180S.  Nr.  100.  pag.  1174. 

Haaemana. 


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c. 

CsnCrOin  nennt  Adamkibwicz  eine  von  ihm  dnreh  NentralinreD  des 

Neurin  (Trimethylvinylaramoniumoxydhydrat)  mit  Citronenpäure ,  Sättigen  der 
wässerigen  25°  ^ igen  Liisung  dieses  Salzes  mit  b°  ^igeT  Carbolsäurelösung  und 
Zusatz  der  doppelten  Wassermooge ,  dargestellte  Flüssigkeit.  —  Die  erhaltene 
NormallOfliiBir ,  welehe  «r  als  Oaneroin  I  beieiehnet,  giebt  mit  gleichen  Thmlen 
Wasser  verdünnt  das  Cancroin  II  und  mit  der  zweifachen  Menge  Wasser  ver- 
dflnnt  das  Cancroin  III.  Dieses  Cancroin  soll  nach  Adamkiewicz  die  specifische 
Wirkung  enthaltea,  im  krebskranken  Organismus  eine  Anzahl  von  im  Krankhaita- 
faerfle  iMfindliehea  KTehesellen  «btntfldlett,  wodurch  «•  so  Schwund  dar  krebsigen 
Infiltration  kommt«  welcher  entweder  durch  Resorption,  durch  entzündliehe  Eiterung 
oder  durch  necrntische  Ab^tossung  eingeleitet  wird ;  überdies  wirkt  das  Mittel 
schmerzlindernd  und  de.'^odorisirend.  Die  roberlcgungen  und  Versuche ,  welche 
Adamkiewicz  bei  diesem  Heilversuohe  des  Krebses  leiteten,  sowie  die  Erfolge 
dieecB  Vermichce  hat  er  in  dem  nnten  eitirten  Werke  aoeftthrlieh  dargestellt.  Er 
vertheidigt  zunächst  die  Lehre  von  der  parasttiren  Natur  des  Krebses  gegenOber 
der  CoiiNiiKiM'sohcn  Theorie  von  der  Entstehung  des  Krebses  aus  Bchlummernden 
Embryonulzelieu.  Wohl  laud  Adamkiewicz  in  den  Krebszellen  keinen  speciöscben 
Mikroorganismns ,  avoh  gelang  es  nicht ,  tünea  solchen  anf  den  gebrioohlichen 
Nlhrböden  zu  züchten ;  hfaigegen  fand  er,  daas  Garoinomiiartikelehen,  vom  lebenden 
Menschen  frisch  iiml  unter  aseptischen  Cautelen  entnommen,  eine  rasche  tiidtliche 
Wirkung  enttalton,  wenn  man  sie  bei  Kaninchen  durch  Trepanation  dem  Gehirn 
einverleibt,  auch  bei  Implantation  in  die  Bauchhöhle,  doch  in  diesem  Falle  unter 
weniger  heftigen  Erseh^nngoi.  Adamribwioz  folgert  hieraus,  dass  in  frisebem 
Krebs^cwebe  eine  toxisehe  Substanz  vorhanden  sei,  welche  spedfisdi  auf  die 
Centren  des  verlängerten  Markes  einwirkt.  Es  gelang  ihm,  diese  giftige  Substanz 
aus  Krebsgeschwülsten  in  wässeriger  Lösung  zu  erhalten,  wobei  sie  ebenfalls  ihre 
specifische  Natur  bewahrt.  Der  in  dieser  Losung  befindliche  spedfischc  Giftstoff  wird 
von  Adamkiewicz  als  Cancroin  bezeichnet.  Die  Implantation  von  Krebssubstans 
in's  (Jeliirii  kann  als  charakteristische«  Keagens  zur  Fc-tstdlung  der  krebsigen 
Natur  einer  büsartigen  Neubildung  benutzt  werden.  Auf  die  gütige  Natur  des  Krebs- 
gewebee  baut  Asahkikwicz  die  Hypothese  vom  parsflitiroi  Ursprung  desscHiea. 
üntersuchungen  der  geimpften  Gehirne,  in  denen  der  Krebsparasit  gedeiht,  fahren 
zur  Annalime,  dass  der  Krebsparasit  nur  im  lolicudijrcn  Ofi^'anismtis  zur  Entwick- 
lung LMlaiiirt ,  die  Krebszellen  sind  selbst  diese  Parasiten,  denen  Adamkiewicz 
den  >iamc'u  Coccidium  narcolytuH  giebt.  Das  toxi.sche  Product  dieses 
Coeeidium  ist  das  Cancroin,  es  ist  in  dem  Stoffwechselproduet  desselben  rathaltea, 
und  kann  daher  als  Alexin  gegen  Krebs  und  somit  zu  Si  lmtzimpfungen  verwendet 
werden.  Da  über  der  Krcbssaf't  in  der  nt'Uhigen  M<  ii;^'t_-  nicht  leicht  zu  beschaffen 
ist,  suchte  Adamkiewicz  nach  einem  Surrogat  desselben.    ¥a  zeigte  sieb,  dass 


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CANCROIN.  —  CANGOÜRA. 


121 


panr  frisches ,  noch  nicht  der  Fäulniss  verfallenes  Leiehen^ewebe ,  vom  Gebirn 
der  Kaninohea  aus,  dieselben  Vergiftangserscheinungen  erzeugt,  wie  das  dem 
Lebenden  eatnommene  Oareinomgrewebe;  dangeniSn  atdit  also  das  Gift  dee  Leiehen> 
maskels  nahe  dem  des  Krebses.  Da  nun  die  einsig  wirksame  Baae  daa  lUadNn 
Leichengewebes  das  Chol  in  ist,  aus  dem  durch  Wasserabspaltung:  Neurin  ent- 
steht, so  prüfte  Adamkiewicz  die  therapeutische  Wirkun«:  dieser  Basen  bei  Krebs, 
wobei  er  fand,  dass  die  Einverleibung  des  Neurin  in  das  krebskranke  Gewebe 
die  AbtOdtnng  einer  Anaabi  von  Krebeiellen  im  KranUitttsberde  bewirlct.  Daranfhb 
stellte  er  die  Eingangs  erwShnte  eitronensaure  NeorinlOtnng  dar,  welelie  von  nnn 
an  das  künstliche  Präparat  Cancroin  darstellt. 

In  den  25  Fällen  von  Krebs,  deren  HeiluDg  ädaukiewicz  versuchte,  wurde 
eine  aolehe  in  keinem  Fklle  enielt.  Das  Caneroin  wurde  in  geannde  Pnrtien  in 
der  Nälie  der  kranken  Organe  subcutan  injieirt.  Man  beginnt  mit  der  Lösung  III 
und  injieirt  langsam  ziinftchst  0*2.t  Ccm.  der  Flüssigkeit.  Diese  Dusis  wird  täg- 
lich um  0  25  Ccm.  gesteigert,  bis  sie  10  Ccm.  beträgt.  Bei  dieser  Tagesdosis 
verbleibt  man,  so  lange  e3  die  Natur  dea  apeeielten  Fallen  erfordert.  Ob  man  zu 
den  LOanngen  II  nnd  I  sebreitet,  und  in  weleher  Weiae  man  dieaelben  deairt, 
hängt  von  der  Individualität  des  einzelnen  Falles  nnd  von  den  durch  das  Cancroin 
hervorgerufenen  Keactionen  ab.  Die  Einspritzungen  selbst  sind  nicht  unbedenk- 
lich, indem  sie  äbolich  dem  Tuberkulin  gewisse  allgemeine  Intoxicationserscheinungen 
erzenen.  Der  ProeesB  an  der  Krebsgeaebwnlat  selbst,  den  Adahkibwics  als 
Ileiluntrsvorfjanfi-  durch  Rückbildungsvorgänge  auffasst ,  wird  von  anderer  Seite 
als  Folge  einer  besonderen  Reizung  und  Entzündung  der  Krebsgeschwulst  gedeutet. 

Literatur:  A.  Adamkiewicz,  UntarauchnDgen  über  den  Krebs  und  das  Priaoip 
Miser  Bebandluag.  Kit  4  lithograpb.  Tafeln  mä  4  Tafeln  in  Ltehtdraek.  Wien  1893,  Brau» 

mtiller.  Sifihe  auch  die  Vorträge  und  Demonstrationen  von  Adamkiowicz,  sowie  die  be- 
züglichen Discussionen  in  den  Sitzungen  der  k.  k.  Gesellsch.  der  Aerzte  zu  Wien.  Wiener 
med.  FresM.  188S.  paf.  «71  «.  A.  Loebisch. 

CäligOUl^.  Ein  eigenthUmliches  Gift  tiudet  sich  in  einer  anscheinend 
zur  Familie  der  Connaraceen  gehörenden  Liane,  die  an  Fluasnfem  in  feuchten 
nnd  warmen  Waldniigen  von  San  Snlrndor  Torkommt  Die  Samen  dienen ,  mit 
Maismebl  su  einer  Paste  gemacht,  zum  Vergiften  gef.^hrUeber  Thiere.  Vögel  fressen 
die  Samen,  ohne  dadurch  vergiftet  zu  werden.  Hühner  sind  auch  gegen  Extracte 
bei  Subcutaninjection  sehr  wenig  emptindUoh ;  auch  sollen  Uerbivoreu  weniger 
empfllnglicb  gegen  dag  Oift  sein  als  Oamivoren.  Das  Oift  ist  besonders  interessant 
durch  das  grosse  Intervall,  das  zwischen  der  Einführung  des  Giftes  und  dem  Auf« 
treten  der  Symptome  verstreicht.  Sowohl  bei  subcutaner  als  bei  interner  Einführung 
kleiner  Mengen  bleiben  die  Thiere  zwei  Tage  gesund  und  verfallen  dann  in  rauscb- 
ibnlicbe  Znfillie  mit  Taumeln,  Heulen,  Wntbansbraehen ,  nnwillkflrlidiem  Ab- 
gange von  Harn  nnd  KoA,  verkriechen  sich  in  dunkle  Beben,  sind  höchst  ängstlich 
und  zeigen  grosse  Steigerung  der  Sensibilit.1t,  dann  kommt  es  zu  RcissanfäUen  mit 
starkem  SchHumen  des  Mundes.  Die  Zunahme  der  Speichelsecretion  hillt 
mehrere  Tage  au,  während  deren  der  Hund  momentan  das  Bewusstsein  verliert 
nnd  erst  in  6 — 8  Tagen  oder  noeh  spftter  sebwinden  adtw^e  eintretende  epilepti- 
fornie  Anfälle.  Werden  grosse  Dosen  subcutan  injieirt,  so  tritt  in  2 — 3  Stunden 
Erbrechen ,  Stnblg.ing  und  Zittern  ein .  zugleich  entsteht  starke  Vermehrung  des 
Speichels,  dann  wankender  uud  taumeluder  Gang,  au  welchen  sich  vollständiger 
Verlust  der  Willkflrbewegung  seblieaat :  hieranf  treten  eigenthtlmliobe  Bewegungen 
des  Kopfes  und  der  ExtremitHtcn,  schliesslich  Convulsioneu  mit  Oeffncn  des  Mundes 
und  Pupillenerweitening  ein.  An  die  sich  vielfach  wiedorholenden  KrampfaufäUe 
schliesst  sich  ein  eomatöscr  Zustand,  in  welchem  der  Tod  nach  11  — 12  Stunden 
erfolgt.  Die  Symptome  lassen  das  Gift  den  Uirnkrampfgifteo  und  dem  Physostigmin 
nnhestebend  ersdieinen. 

Literatur:  Bensen,  Oh  a  nett  poi$on.  Pharm.  Jonin.  Traamit  28.Hay  1892, 
pag.  HasemanD. 


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m 


CATARACTA. 


Cataracta.  Seit  der  Kinführung  der  Asepisig  in  die  Augrenheilkand© 
hat  man  sich  daran  gewöhnt,  die  meisten  üblen  Znfille  im  iieilungsverlaufe  der 
StfturoponitioneD  doxdi  nungalhrnftos  Meptisehea  Vorgehen  sa  erklären.  FrOher 

schrieb  man  die  BSatllsAlingen  der  Cornea,   Iria  und  Chorioidea  verschiedenen 

Operationsfehlcm  znr  Last ,  die  Wunde  durfte  iiiclit  zu  ^rross  nein ,  denn  eine 
grosse  Wunde  iclafft  leichter  und  heilt  schwerer  aU  eine  kleine ,  aber  auch  nicht 
au  klein,  denn  sonst  könnte  die  Quetschung  der  Cornea  dureh  die  austretende 
Linse  Sehaden  hrinfen;  die  Iritexeision  masete  ausgiebig  sein,  da  der  Staar  bei 
der  Entbindung  die  Iris  (|uef8ehtt';  Linsenreste  mussten  vor  Allem  deshalb  entfernt 
werden,  damit  sie  nicht  durch  den  Cuntact  mit  der  Itegenbogenhaut  KntzUndung  der 
letzteren  hervorrufen  u.  s.  w.  Heutzutage  glaubt  man  sich  fast  Alles  erlauben  zu 
können,  wenn  man  nur  ansreiehend  aseptiseh  sn  Werke  geht.  Es  sind  dadnroh 
unsere  Ansichten  über  dio  StaaroptTationcn  west  iitlii'h  altorirt  worden  Und  es  ist 
nioht  ohne  Interesse ,  die  Methoden  derselben  in  dem  Lichte  der  neoen  Ldire 
Hevue  passiren  zu  lassen. 

Das  leiste  Jahr  hat  vor  Allem  3  Arbeiten  gebracht,  welehe  sieh  mit 
diesem  Gegenstande  besehlftigen :  Ton  Haab  Puchs  und  Landolt.  *)  Während 
die  beiden  Ersteren  ihre  eigenen  Ansichten  und  Erfabrunfren  kundgeben,  bat  Lamiolt 
eine  Art  »»ciilistisehe  En(jU«"te  einlxTufen,  indem  er  an  die  bekanntesten  Ophthalmo- 
logen Fragebogen  versendete  und  die  Antworten  in  einer  hiicbst  lesenswurtben 
Arbeit  snsammenstellte. 

Ueber  die  Frage,  wann  man  (dne  senile  Cataract  operiren  soll, 
sind  die  Ansichten  R>'hr  petheilt.  Früher  war  die  einzige  Autwort:  sobald  die 
CSataraeta  reif  ist.  iieif  waren  die  Cataracten  aber  dann ,  wenn  die  Trübung 
d«r  I4nse  eine  ToIlstSadige  und  wenn  das  Stadium  der  Quellnng  vorflber  war. 
Dies  waren  objectiv  nachweisbare  Kennzeichen.  Jetzt  hiilt  man  sich  mehr  an 
den  Begriff  der  Reife,  ohne  auf  die  Durchsichtigkeit  oder  rndurebsiebtigkeit  einen 
so  grossen  Werth  zu  legen.  Keif  ist  der  Staar  dann,  wenn  der  Zusammenhang 
zwischen  Linse  und  Kapsel  ein  so  loser  geworden  ist,  daas  nach  Eröffnung  der 
letsteren  sieh  die  erstere  ohne  ZnrflekhMsnng  von  an  der  Kapsel  adhirirenden 
Bindenresten  ausstreifen  lissi  Dafür  giebt  es  aber  nicht  immer  sichtbare  Merkmale. 
Namentlich  gehf^ren  ausser  den  reifen  Staaren  im  früheren  Sinne  lang  bestehende 
Staare,  die  nicht  mehr  fortschreiten,  besonders  bei  ülteren,  über  GU  Jahre  alten 
Individuen.  „Es  gehören  hieriier  vorzugsweise  ausgedehntere,  gelbe,  respeetive 
gelbbraune  KerntrUbungen  mit  relativ  durehsichtiger  Kand/one  (banptsiehtich  bei 
Myopie  vorkommend  i,  ferner  intensive  schalige  Trübung  der  hinteren,  zum  Theil 
auch  der  vorderen  Corticalis,  während  die  Kernzone  uoeh  wenig  oder  gar 
nicht  getrübt  ist,  und  endlich  reichliche  Durchsetzung  des  gesammteu  Linsen- 
Systems  mit  gestrichelten  nud  punirt-,  respeetive  kleineren  flAchenf^rmigen  Trü- 
bungen ,  zwischen  weldien  sieh  noeh  vMlig  duiehsiohtige  Linaentheile  befinden'' 
(Alfeei)  Gräfe). 

Andere  operiren  dagegen  jede  Gataraeta,  mOge  sie  reif  oder  unreif  sein, 
mOge  das  Individuum  welehes  Alter  immer  besitsen,  und  lassen  sieh  meist  nur 
von  einer  gewissen  Hdhe  der  Sebstörung  oder  von  dem  Zustande  des  zweiten 
Antres  beeinflu?'son :  die  znrflckbleibendcn  1  .iiHt-nrest»'  sollen  entweder  r^orbirt 
werden  oder  werden  dureh  eine  Nachoperatiou  entternt. 

Viele  jedoeh,  welche  die  spontane  Reifung  nieht  ahwartem  und  doeh 
keine  unreife  Cataraeta  operiren  woltmi,  nehmen  die  kOnatliehe  Reifung  dureh 
Discission  oder  nach  F(»RSTKii  durch  Massage  vor:  mit  oder  ohne  Irideetomie, 
durch  die  Cornea  oder  mittelst  eines  Spatel-;  direct  auf  der  Linse. 

Der  Schnitt,  den  die  AMeisteu  mit  dem  Gu.vkk  .sehen  Liiiearraesaer  aus- 
fuhren, wird  gew<lhnlieh  naeh  oben  gemaebt.  Hanehe  wählen  den  unteren  Horn- 
hautrand.  Der  Sehnitt  naeh  unten  bietet  manche  Vortbeile,  doch  disponirt  er 
mehr  zu  Trisvorf'.Ulen  und  kann,  wenn  eine  Irideetomie  gemacht  wird,  in  Bleu- 
dungserschoinungen  Veranlassung  geben. 


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4 


CATARACTA. 


123 


Die  derzeit  niei-^t  umstrittene  Fragre  ist  die,  ob  mau  mit  oder  ohnelri- 
d  e  c  to  m  i  e  operiren  äoli  ?  Bekanntlich  wurde  die  alte  Lappeuextraction  stets  ohne  Iris- 
anaaehneidung  ausgeführt  and  ein  derartig  operirtes  AugO|  welches  ohne  Zufälle 
geheilt  ist,  bietet  natarlieh  das  Ideal  eioce  Reraltatei  dar.  Aber  das  Resottat 
wird  in  vielen  Fällen  durch  Einklenminng  oder  Vorfall  der  Iris  getrttbt;  es  muss 
diese  dann  doch  exeidirt  werden,  manchmal  erst  am  zweiten  Tape,  da  der  Vor- 
fall nicht  immer  unmittelbar  nach  der  Operation  eintritt.  Auch  bietet  die  runde 
Papille  erfabmngBgemlaa  fllr  das  Eedresnltat,  die  Sehsehirfe,  kdneriei  Vortbeile. 
Freilich  Laften  der  Iridectomie,  die  sogleich  mit  der  Eztraetlon  gemacht  wird, 
auch  Kachtheile  an,  unter  denen  vor  allen  die  Blutungen  ans  der  Iris  sn 
nennen  sind. 

Diese  mancbmal  schwer ,  ja  gar  niebt  so  stillenden  Blutungen ,  die  das 
Operationsfeld  ▼erdecl^en  nnd  sn  KapseleröAinng  im  Finstarn  swingen,  sind  niebt 
nur  bflebst  unangenehm ,  sondern  können  selbst  das  Operationsresultat  in  Frajre 
stellen.  Referent  hat  sieh  daran  {rewnhut ,  bei  sehr  alten  Leuten,  tlberhanpt  wo 
solche  Blutungen  zu  tun  hten  »ind,  wenn  möglieh  die  iridectomie  einige  Wochen 
▼oranssnsebieicen.  Allerdings  hat  diese  Zweltbeilung  der  Operation  ihr  Hissliehes 
nnd  iSsst  sich  nicht  immer  in 's  Werk  setzen,  aber  man  mnss  LandOLT*)  beistimmen, 
wenn  er  erkli'lrt.  ..dass  die  Extraction  nie  leichter,  angenehmer,  ja  »eradezu  ver- 
fUhrerineher  ist,  als  an  einem  Auge,  an  dem  frUher  einmal  eine  Iridectomie  gemacht 
worden  ist". 

Die  Mehrzahl  der  Operatenre  ist  fttr  die  Operation  mit  Iridectomie;  von 
denen,  welche  beide  Methoden  liben,  will  ich  die  Ansicht  von  F'üCHS  '  i  anffihren  : 
„Die  Operation  mit  Irideetomie  ist  diejenige  Operationamethode ,  welche  leichter 
auszufUhreu  ist  und  weniger  Gefahren  mit  sich  bringt,  weshalb  sie  sich  fUr  die 
grosse  Mebrsahl  der  Falle  am  besten  eignet  Ein  eigentUeb  ideales  Resultat  liefert 
freilich  nur  die  Operation  ohne  Iridectomie.  Das  Auge  Sieht  nach  derselben  ganz 
unversehrt  aus,  woran  sich  allerdin{?s  der  «ach verstand i{je  Arzt  mehr  erfreut  als 
der  Patient,  dem  es  ja  uur  auf  das  äehvcruiogen  ankommt.  Dieüe  Operation  ist 
gleichsam  eine  Lvxnsoperation,  welche  man  sieh  in  vollkommen  gflnatlgen  Fällen 
erlauben  darf." 

BetretTs  der  K  a  p  s  c  1  c  r  ö  f  f  n  n  n  ,  die  mittelst  des  feinen  Häkchen*, 
der  Fliete  oder  der  Kapselpincotte  ausgcfUhit  wird,  ist  nur  der  Vortheile  zu  gc- 
dtnken,  welche  die  Anwendung  concentrirten  künstlichen,  namentlich  des  elek- 
trisehen  Lichtes  fllr  diese  fiune  Proeednr  mit  rieb  bringt. 

Die  Aussptllungen  der  vorderen  Kammer,  an  denen  nicht  viele 
Augenärzte  mehr  festhalten,  Hessen  sich  höchstens  als  Mittel  zur  Herausbeförderung 
von  Liosunresten ,  nicht  aber  aln  antisoptichu  Procedur  vertheidigen.  Nach  den 
Untersnehnngen  von  NufiL  nnd  Oornil  *)  sind  alle  in's  Ange  gebrachten  Losungen, 
selbst  sterilisirtes  Wasser,  dem  Endothelium  der  Hornhaut  schädlich.  Man  wird 
sie  deshalb  als  unnütz  nnd  j^cfilhriich  am  besten  bei  Seite  lassen. 

Ueber  die  Nachoperationun  (Iridectomie,  Iridotomie,  Linearextraction, 
Usenticni)  nnd  deren  Gofllbrlidikdt  sind  die  Ansichten  sehr  getbeilt  Während 
ESnaelne  die  Discission  fast  allen  Bztractionen  nachfolgen  lassen,  sind  Andere 
wieder  sehr  .InfjstHch ,  vermeiden  die  Operation  möglichst  oder  führen  sie  nur 
mit  grösster  Vorsicht  aus.  Wie  Landoi.t  rÄth ,  müssen  wir  bei  der  Discission 
noch  sorgßiltiger  die  antiseptischon  Kegeln  beobachten  als  bei  der  Extraction  und 
die  Macbbebandinng  erheischt  dieselbe  Versiebt  bei  beiden  Biogriffen.  Zeigt  sieh 
Glaskörper  in  der  Wunde,  so  serstOrt  man  ihn  nach  Knapp's  Vorgehen  am 
besten  mit  dem  Cialvanocauter. 

Verband.  Diejenigen  Operateure,  welche  nach  der  Operation  keinen 
Verband  anlegen  oder  welehe  Extraetionen  ambnlatoriBch  ansfäbren,  haben  bis 
jetst  wenige  Nachahmer  gefunden.  Es  wird  immer  am  gerathensten  sein,  das 
Ange  mittelst  eines  nicht  moU'stirenden  ,  »ut  sterilisirten  Verbandes  zu  schützen 
und  durch  einige  Tage  beide  Augen  zu  verbinden  j  nach  dem  Belieben  des 


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124 


OATABACTA. 


Operateurs  kann  der  Verband  daiiu  in  verschiedener  Weise  ausgeführt  werden. 
FÜCBS  bedeckt  dts  Auge  mit  Gaze  und  Watte  and  hält  diese  nur  mittelst  der 
ABLT'sebeii  FflMtentreifen  fest  Zar  VemMidanir  von  VarMbiebviig  wifd  ein  ia 
einem  mit  Flanell  gnt  gepolsterten  Rahmen  beflndlicbeä,  ^robmasehiges  Draht- 
gitter  über  dem  Auge  mittelst  um  den  Kopf  geführter  Bändchen  befestigt. 
Fuchs  rühmt  die  Leichtigkeit  des  Verbandes  im  Sommer,  den  Schutz  des  Auges 
gegen  etwaige  Berflbnmg  der  Haid  und  die  Yemieidiing  Jeden  Dmekea  auf  daa  Auge. 

Die  Proceduren,  welche  Lahdolt  im  lateresae  der  Aaepeia  ynd  Antl- 
aepria  empfiehlt,  nind  folgende : 

Die  Hände  des  Operateurs  werden  mit  heissem  Wa^Kor ,  Seife ,  DUrste 
nnd  Nagelrftumer  gereinigt,  das  Fett  dureh  absoluten  Alkohol  entfernt  und  sie  dann 
mit  einer  starlmi  aatiae|itiadien  Ltonng  sterUltirt  (s.  B.  Sublimat  1 : 1000  oder 
500;  Quecksilberbijodür ;  Listerin,  id  est  eine  Mischung  von  Eucalyptol,  Menthol 
und  HorsSure ;  Resorcin  etc.).  Will  nnan  sie  trocknen,  geschieht  es  mit  einem  sterili- 
Birten  Tuche  und  mau  steckt  sie  in  sterilisirte  Handschuhe  (Leinwandsäckchen 
ndt  oder  ebne  Danmea)  und  siebt  diese  erst  ans,  wenn  man  die  Instramente  er* 
greifen  will  oder  man  operirt  mit  nassen  Händen. 

Die  V  e  rh a  n  d  gege  n  8 1 .1  II  d  e  (Watte,  Binden,  TropfwJisser,  das  w.lhrend 
der  Operation  uüthige  Wasser)  werden  in  einem  CHAUBKULA.su'schen  Ofen  mit 
Waswrdampf  r<Hi  ISO*  ateriti^rt«  ebenso  Lidhalter,  Sonden,  Spritsen  o.  dergl. 
Betreib  der  Anwendung  von  troekener  Hitse  für  die  schneidenden  Instru> 
mente  macht  Landoi.t  aufmerksam,  dass  dieselben  bei  einer  Hitze  von  Ober 
120*  leiden,  und  dass  die  Temper;itur  im  Innern  der  Sterilisatiousöfen  oft  höher 
sein  soll,  als  sie  die  Thermometer  auäsun  anzeigen.  Kochende:)  Wasser  hält  er 
fOr  kein  absolut  sieheree  Antiseplioum,  da  gewisse  pathogene  Keime  aneb  bei 
100"  ihre  Leliensf^higkeit  nicht  yerlieren.  Fflr  das  beste  ebemisch  wirkende 
Mittel  erklärt  Lankoi.t  d.is  Oxveyanfinerksilher  in  einer  L^Jsung  von  1  :  Hi»)  oder 
1 :  200;  man  lässt  die  Instrumente  mindestens  40  Minuten  darin  liegen  und  giebt 
^e  dann  in  sterilisirtes  Wasser. 

Ch IRRST  empfiehlt  in  neuerer  Zeit  dnfaches  Cyaoqueeksilber  (10  Ifinuten 
in  l°/j,iger  Lösnng,  \v(irMiif  die  Instniniente  in  eine  Lösung  von  1:  1.500  ge- 
bracht werden  ,  da  stiirkere  Lösungen  vom  Auge  nicht  vertragen  werden).  Das 
Ozycyanquucksilber  soll  nicht  so  leicht  ganz  rein  zu  erhalten  sein  und  in  diesem 
Falle  den  Stabl  angreifen. 

Viel  schwieriger  ist  die  Desinfection  des  Operationsfeldes.  LandolT 
warnt  vor  Allem  vor  der  zu  energischen  Reinigung  des  Conjunclivalsackes ,  da 
man  durch  mechanische  oder  chemische  Reizung  leicht  den  für  Mikroorganismen 
gflnsttgen  Boden  und  ttberhaupt  fflr  EntsQndnng  nnd  Eiterung  günstige  Bedin- 
gungen schaffen  kann.  Man  wasche  das  Auge  mit  einer  dasselbe  wenig  reisenden 
Flüssigkeit  gründlich  aus.  Dazu  werden  empfohlen  Sublimat  1  :  5000  von  Sattler, 
Quecksilberbijodür  1  : 20.000 ,  welches  weniger  reizend  sein  soll,  von  Panas, 
Aqua  ohlorata  von  Scbmidt-Rimpleb,  Cyanquecksilber  1 : 1500,  dem  eine  gewisse 
Qiiantitflt  KoebsaUUtoung  beigegeben  ist  (1 : 7000).  Als  an  und  fflr  sieb  aaeptiaeb 
und  nicht  reizend  eignen  sieh  zur  mechanischen  Reinigung  coueentrirte  Boralure* 
und  ph\'si()logiH<'he  KochsalzlTMung  oder  sterilisirtes  Wasser.  Mittelst  eines  Irri- 
gateurs  sind  diese  Flüssigkeiten  wohl  am  besten  anzuwenden,  lia  empfiehlt  sich, 
diese  Proeedur  schon  sm  Vorabend  der  Operation  ausauflUbren ,  darauf  einen 
antisept^bcn  Verband  ananlegen  und  sie  unmittelbar  vor  der  Operation  noeb 
einmal  vorzunehmen. 

Untersuchungen  von  Hildebbanot^)  und  Bi^nukim*^)  haben  ergeben,  dass 
es  dureh  kein  Antiseptieum  gelingt,  die  Bindebant  au  sterilisirea.  Doeh  konnte 
nachgewiesen  werden,  dass  Anwendung  von  Antiseptieis ,  im  Oegensatse  an  der 
mechanischen  Reinigung  durch  blosse  Aseptica ,  die  Keime  verminderte  und  da.«8 
wir  durch  diese  Verniindeninir  das  Auftreten  odtr  wenigstens  die  Sehwere  irili- 
scher  Proees.se  beschränken.     Bkumikim  macht  auch  auf  die  bacterienfeindliche 


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CATARACTA.  —  CHEMISMUS  IM  THIERKURPEB. 


125 


Wirkung  der  Thränen  aufmerksam;  Staphylococats  pyofjenes  aureus  wird  durch 
dieselben  in  grosser  Zahl  veraichtet;  Micrococcus  prodigioaug  dagegen  gar  aicht 
beeinfiasst. 

Bcflondere  AnfnerkBamkeit  Terdienen  die  Thränen  wege,  jedenfallB 

soll  man  sie  mit  einer  der  genannten  Lösnogen  ausspritzen.  Haab  \i  findet  hierbei 
öfters,  als  man  planbon  sollte,  Verschluss  oder  Vereuperuo^  derselben  und 
verödet  deshalb  die  Tbränearöhrchen  am  Tage  vor  der  Operation  derart,  dass 
er  die  galvanoeanstieebe  OitdnelilinRe  etwa  6  Mm.  weit  in  dieselben  einfUirt 
und  dann  den  Strom  sehlieest.  Will  man  keinen  dauernden  Verschlusa  halten, 
was,  wie  Haab  meint,  dort,  wo  er  überhaupt  angezeigt  ist,  das  Beste  ist,  so 
fuhrt  man  den  Canter  nur  in  da»  Anfangsätiickcheo  ein  and  man  kann  nachher 
mit  dner  eoniseben  Sonde  den  Verscbloss  wieder  lOaeo.  Ansserdem  staubt  er 
Jodoform  in  den  inneren  Winkel,  auf  die  Wunde  und  in  den  Goojunetivalsaok. 

Scbliesslicb  darf  nicht  vergessen  werden ,  dass  man  neben  der  loealen 
Antisepsis  auch  die  all;xemeine  Körperpflege  des  zu  Operirenden  nicht  vernach- 
lässigen darf,  und  dass  auch  der  Operateur  sich  selbst  so  aseptisch  als  möglich 
maeben  soll,  s.  B.  dnreb  Deeinfeetion  TOn  Kopf>  und  Barthaar. 

Literatur:  ')  0.  Haab,  Bemerkungen  zur  Staaroperation.  Dentschniann's  Bei- 
trige  zur  Augenheilk.  1881,  liL  Heft.  —  E.  Fachs,  J>ie  naaen  Methodea  der  Staaroperatioo. 
Vortrag,  gehalten  am  16-  Dm.  189S.  Wiener  klia.  Woeheaselir.  1893,  Nr.  2.  —  ■)  B.  Lande It, 

Der  gegenwärtige  Stand  der  Staaroiieratiun.  Dentschmann's  lifitrrifr-'  zur  Augenheilk.  lS9:i, 
VI.  und  VII.  Heft.  —  *)Nuel  etCornil,  De  l'endothilium  de  la  chuinhrr  atilMeurc  Arch. 
d'ophthalffl.  1890.  —  *)  K.  Hildebrandt,  Experimentelle  Dntersnchun^'en  über  Antisepsis 
bei  der  Staaroperation.  Dentschniann's  Beiträge  znr  Augenheilkunde.  1893,  VJ II.  Heft  — 
*)  Jacob  Bernheim,  Ueber  die  Antisepfis  de«  Bindehautsackes  nad  die  bakterieafeindliche 
Bigansehaft  der  ThriBan.  Ibidam  1893.  Till.  Heft,  Beut  i. 

ChftiSZiOn.  Dbütschvann  widerlegt  die  von  Tangl  anageeptoebene 
Ansiebt,  dasa  daa  Cbalaxlon  als  eine  I^ooaltuberknlose  aufzufas.sen  sei.  Der  Erkran- 
knngsprocess ,  um  den  es  sich  beim  Chalazion  handelt,  ist  eine  chronische  Ent 
zttndung  einer  MEiBOM'schen  Drflse  mit  Wucherung  der  DrUsenepithelien  und 
coDsecutiTer,  cbroniseber,  entzllndUeber  IttfiHration  des  umgebenden  Bindegewebes: 
eine  Adenitia  et  periadenitia  Meibomtana  chronica. 

Die  im  Chalazion  vorkommenden  „r{iei=enzellcn"  entbehren  jeden  Clüir.ikters 
einer  „Tubcrkclriesenzt  Mc*',  sie  sind  verschmolzene  Conglomerate  der  gewucherten 
FoUikelepithelicu.  „Ott  verwandelt  sich  der  ganze  Zellinhalt  eines  Acinus  in  eine 
einzige  „Rieeenselle**,  ein  andermal  in  deren  melurare;  werden  dann  die  Aeini 
durch  die  überwuchernde  Rundielleninfiltration  des  umgebenden  Geweben  aus 
einanderjredrflnpt,  so  findet  man  flfter  entweder  eine  oder  mehrere  Kiesenzellen" 
als  Centrum  eiues  KuOtcheuä,  das  ausserdem  aus  Rund-  und  Epitheloidzellen  aut- 
gebaut  ist.  Niemala  aber  kann  dn  derartiges  Knffteben  einen  Tuberkel  vortänseben ; 
es  trägt  unter  allen  Umständen  in  seiner  Form  und  seinen  Elementen  den  Stempel 
seines  Ursprunges  ans  dem  Drflsenacinns  und  seiner  Umgebnngssooe  mit  Capillar- 
gefässen." 

Tangl  bat  in  seinem  Gbalazion  spirlidie  Tuberkelbacillen  gefunden. 
DbütSCHmakn  gelang  dies  nie,  aueb  das  Impfresultat  bei  Kanineben  war  in  fünf 

untersuchten  F'iUlen  ein  negatives. 

lu-.i  T.scuMAXX.  der  Tanol's  Hefunde  nicht  anzweifeln  will,  meint,  dass 
Letzterer  keinen  typischen  Fall  von  Chalazion,  sondern  einen  chalazionähnlichea 
Knoten  bei  Tuberlsulose  der  Conjunctiva  vor  sieb  gebabt  babe. 

Literatur:  Deatschmann,  Zur  Pathogenese  des  Chala/.ion.  Beiträge  znr  Augeo- 
heüknnde,  henosgegeben  von  DentKchmann.  1891,  XI.  Heft.  —  Taogl.  Ueber  die  Aetiologie 
des  Ohakudm».  Beitrag«  zur  patbologisehsn  Anatoarie  ond  nur  allgiBMiinsn  Patbologie. 
189a  IX.  R««i«. 

ChBinisnillS  im  ThlSrkdrpSr.   Man  versteht  darunter  die  Oesammt- 

b<rit  der  chemischen  Procese,  welche  im  Thierkörper  ablaufen.  Im  Einzelnen  sind 
aie  schon  in  der  Keai-Encyclopädie ,  2.  AudagOf  in  den  Artikeln  Oxydation, 


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126 


OHBMTSHÜS  IM  THIBRKÖRPrat. 


XV,  pag.  122,  ReductioD,  XVI,  pag.  495,  Synthese,  XIX,  pag.  306,  ge- 
wardigt  wordeo,  doch  scbeiDt  bei  dem  Inrnnandergnälini  diesw  ▼ersehiedMieii  ProeesM 
eine  smainiiieiifMMBde  üebenieht,  welebe  von  der  Bedeutung  und  dem  Umfange 
jedes  einzelnen  dieser  Processe  eine  Vorstellung^  liefert,  gerade  hier  am  Plritzc. 

Von   den   chemischen  Leistungen   des  Thiorkörpers   bekommen    wir  am 
ehesten  eine  Vorstellung,    wenn  wir  diu  Einnahmen   und  Ausgaben  des 
ThierkOrpers  ihrer  QunlitAt  naoh  vergleiehen,  d.  h.  die  Zuaammen* 
Setzung  der  Bestandtheile  der  Nahrung ,  beziehungsweise  des  Thierleibet  mit  d«r 
ZoBammensetzuna-  dorienigen  Stoffe  vergleichen,   welche  den  Thierkörper  mit  den 
Ausscheidungen  i^Ausathmungsluft,  liaro,  Koth  u.  A.)  verlanden.    Da  findet  man 
dmn,  dass,  vom  Waeier  und  den  Selsen  abgesehen ,  die  in  den  Einnahmen  und 
Ausgaben  in  gldeber  Weise  anxntreffen  sind,  die  Hanptbestnndthei  1  e  der 
thierischen  Nahrung        <'r;r;inisclien,  hoch  zusaninieiigesetzfen  und  niedrig 
oxydirten  Verbindungen  hestohcn  ,    den  E  i  w  o  i  ss  k  ö  r  pe  r  n  ,    den  Fetten  und 
den  Kohlehydraten,  wiihreud  wir  iu  den  Ausscheidungen  vorwiegend 
Stoffen  beg^nen,  welche  entweder  gar  keine  organisehen  mehr  sind,  wie  die 
Kolllensiure  und  das  Wasser ,  oder  sich  gleichsam  auf  der  (^renze  zwischen  An- 
organischem  und   Organischem   belinden,    wie   der  Harnst<itl',    das  Biamid  der 
Kohlensäure,  der  ausserordentlich  leicht  iu  Kuhleusäiire  und  Ammoniak  zerfallt.  Nun 
ist  schon  beim  Chemismus  der  Atbmung  (vergl.  Eneyel.  Jahrb.  II,  pag.  68) 
entwickelt  worden,  dass  jeder  tbierische  Oiganismus  der  stnndigen  Zufuhr  von. 
Sauerstoff  zur  rntorhaltung  seiner  Eebcnsprocesüc  bedarf.  Bei  den  Wirhelthieren, 
welche  rothe  Blutkörperchen  in  ihrem  Blut  führen ,  tritt  der  Sauerstotf  der  Luft 
in  lockere  chemische  Bindung  an  das  Ilämoglobin  der  rotben  Blutkörperchen. 
Das  arteridle  Blnt ,   welches  mit  Sanerstoff  tut  gesättigt  ist,  erleidet  auf  dem 
Wege  bis  zw  den  Capillaren  keinen  irgend  erheblichen  Verlust  seines  SaiKTstoff- 
gehaltcs.  während  das  venöse  Blut  einen  erheblicben  Mindergebalt   an  Sauerstoff 
gegenüber  dem  arteriellen   aufweist.    Aus  letzterer  Thatsache  ergab  sieb  der 
Schlnss,  dass  der  Yerbraueh  des  Blntsauerstoffs  auf  dem  Wege  durch  die  Gapillar^ 
bahn  erfolgt  (ebenda,  pag.  77).  Dass  dieser  Vorgang  nicht  im  Capillarblnt  selbst 
stattfindet,  -sondern  vielmehr  ans  diesen  der  Sauerstoff  in  die  .sauerstoffarmen  nnd 
koblonsilurereichen  Gewebe  diffuudirt,  beziehungsweise  voo  den  sauerstoffbedUrftigen 
Geweben  gebunden  wird,  in  denen  er  verbraucht  und  dafülr  Eohlensiure  gebildet 
wird,  dass  also  der  Ort  der  Oxydationen  nnd  Zersetsongen  in  die  Gewebe  sn 
verlegen  ist,    scheint  sieh  aus  der  Erfabrun^r  von  HOFPK  Seylek zu  ergehen, 
wonach    mit   leicht   oxyd.iblen  Stoffen,    Zucker   oder  Milehsftiire   versetztes  Blut 
selbst  bei  Körpertemperatur  kaum  oxydirend  wirkt,   weder  eine  wesentliche  Ab- 
nahme seines  Sauerstofl^,  noch  Zunahme  der  COs-Bildnog  zeigt,  wobt  aber,  wie 
Müller  -)  geseigt  bat ,  wenn  das  mit  Zocker  etc.  versetzte  Blut  kUn.stlieh  durch 
ein  frisch  ausgeschnittenes  „überlebendes'*  Organ,  z.  B.  die  Niere  oder  den  Muskel, 
geleitet  wird,  also  allseitig  mit  dem  Gewebe  in  innige  Berührung  tritt.  Endlich 
spricht  dafür  die  Beobachtung  von  PflüGSB*)  und  Obrtvann,  wonach  SalsfrOscbe, 
deren  Blnt  durch  V«P'^>>^9®  KochsalslOsung  ersetzt  ist.   annähernd  so  viel 
Sauerstoff  verbrauchen  und  CO,  bilden,  als  nurniale  liiutf'ilhrentie.  Man  bezeichnet 
diesen  Sauerstolfverbraucb  und  die  CO.i -Bildung  Inden  (Jeweben  wohl  als  innere  „Ath- 
mung  oder  Gewebsatbmung''''.  Dies  mit  der  Eingangs  angeführten  Zusammensetzung 
der  Ausseheidnngen  aus  dem  Thierkörper  snsammengehalten,  hat  man  seit  Latoisibr 
I  17.^^5)  ziemlich  allgendn  den  Sata  aufgestellt,  dass  in  den  tbierischen  Organismen 
durch  den  in  den  Lungen  aufgenommenen  .'^anerstotT organische  Substanz  verbrenne ; 
dass  durch  die  Verbrennung  der  eingeführten  Nahrung  die  organischen  Stoffe 
immer  hühat  oxydirt  werden,  bis  sie  der  Hauptsaebe  nach  als  Wasser,  Rohlen- 
Binre  nnd  Harnstoff  aus  dem  Körper  austreten.   Auch  diese  Oxydation  muss  der 
Hauptsache  nach  in  den  (Jewelien,  '.-•enatier  in  den  Ocweltszellen  vor  sieh  gehen, 
welche  dem  vorl)eiströmeudeu  Capillarblnt  den  für  ihre  Zersetzungen  unerlässlichen 
Sauerstoff  entziehen. 


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CHEWSMDS  IM  TBIBRKÖBFBR. 


187 


WaA  nun  das  Material  dieser  Oxydationen  und  den  Ort  dieser  Um- 
Betzungen  anlangt,  so  ist  zaoftcbst  berTorzobeben,  dasa  auob  in  den  Oeweben  die 
ebemisebea  UmseUnngeB  durch  die  Tbttigkdt  der  Zellen  eingetütet  werden.  Ans 

der  in  die  Gewebsinterstitien  gesetzten  Lympbef  welche  anaser  den  Bestandtheilen 
des  Blutplasma  n(»t'h  die  aus  dorn  Darm  resorbirten  Näbrstoffe  enthält,  nehmen 
die  Gewebszellen  je  nach  ihren  chenti-^cben  Atiinitiiten  Stoffe  auf,  um  sie  weiter« 
bin  dnreh  die  jeder  Zelte  dgene  und  in  den  yersebiedenen  Oeweben  yersebleden« 
artige  Tbfttigkeit  mit  Hilfe  des  dem  Capillarblut  von  den  Gewebszellen  entzogenen 
Sauerstoffes  zu  verarbeiten.  Dass  iiidess  nieht  die  Affinitäten  des  Sauerstoß'es  allein 
die  Processe,  welche  im  i  hierkörper  ablaufen,  beherrschen  ,  dafUr  spricht  eiuiual 
das  Vorkommen  von  KOrpem  im  Harn,  die  wie  die  Harneäore  Ideht  weiter 
ozydirt  werden  könnten,  sodann  der  nnverinderte  Uebergang  von  Stoffen  in  den 
Harn,  welche,  wie  das  Brenzeateebin  (\  11^  fllOX ,  sonst  mit  grosser  Begierde 
Sauer.«t()tT  aufnehmen,  w.'lhrend  auf  der  anderen  Seite  die  .sehr  schwer  oxydirbaren 
Fette,  das  Paluiitin,  Stearin,  Uleiu,  im  Thierkörper  vollständig  unter  Bildung  von 
CO,  nnd  H3O  serlefrt  werden.  Endlieh  treten  sogar  Rednctionsprodnete,  wie  das 
ürobilin,  mit  dem  Harn  ans  dem  Körper  heraus.  Einer  solchen  Verbindung  von 
Oiydations-  nnd  Reductionsproceseen  begegnet  man  indess  auch  ausserhalb  des 
Organismus ;  bei  Verbrennung  von  Holz  bei  ungenügendem  Zntritt  von  Sauerstoff 
bilden  sieb,  neben  CO.,  nnd  HoO,  aaeb  Kohle  nnd  andere  Rednetionsprodnete. 

Ausserhalb  des  Thierkörpers  erfolgt  die  Einwirkung  des  Sauerstoffes,  wie 
bekannt,  »  rst,  wenn  die  verbrennliehcn  Stoffe  bis  zur  Entzündungstemperatur  erw.irmt 
werden ,  die  bei  ver.schiedenen  brennbaren  Stoffen  verschieden  i^t .  zumeist  aber 
hoch  über  der  Kürpertemperatur  gelegen  ist;  auf  Bolohe  Tempi raiur  kann  der 
ThierkOrper  seine  ozydablen  Stoffe  niebt  erheben.  Zur  Erkttrong,  wodureh  die 
Zerfalls-  und  Oxydationsprocesse  im  Thierkörper  zu  Stande  kommen,  mui^s  man, 
da  sich  die  Bedingungen  der  Aus.senwelt  von  den  im  Körper  herrschenden  nur 
dadurch  unterscheiden,  dass  mau  es  in  letzteren  mit  Zellen,  also  mit  Organismen 
n  thnn  hat,  die  rJltbselhafte  Ursache  der  Oxydationen  in  der  Organisation  des 
Thierkörpers  suchen.  Naeh  neueren  interessanten  Erfahrungen  von  .Tacquet*") 
wflre  das  die  Oxydation  vermittelnde  Agens  fdr  ein  Irt.i^lielie.s  Ferment  oder 
l'Lnzym  anzusehen.  Was  aber  auch  immer  die  Ursache  der  Stoffzersetzuug  sein 
mag,  so  lassen  sieh  die  bisher  gemaehten  Erfahrungen  aber  den  AUnnf  der  Zer- 
setanngsproeease  etwa  so  susammenfassen :  bei  den  Stoffxersetiungen  im  Thier- 
körper erfolgen  ffir  frewöhnlieh  keine  einfachen  O.xydationeu ,  sondern  es  spalten 
sieh  eomplicirte  cliemi.sche  Verbindungen  in  ihre  Componenten  (Di-SKoeiation),  ent- 
weder geradeauf  ohne  Zutritt  eines  Stofi'es  (einfache  Spaltung;  ,  oder  unter  Auf- 
nehme von  Wasser  (bydrolytisehe  Spaltung)  oder  unter  Aufnahme  tou  Sauerstoff 
(oxydative  Spaltung);  daneben  können  noeh  allerlei  rednetive  nnd  synthetisehe 

Proeesse  vorkommen. 

Danach  steht  jedenfalls  so  viel  fest,  dass  im  thierischen  Organismus 
SpaltungB-  nnd  Oxydationsproeesse  nebeneinander  herlaufen.  Don  entspreehend 
werden  die  organischen  Stoffe  nicht  sofort  in  die  letzten  Eodproduete  zersetat, 
vielmehr  fiinJct  die-^'r  rtliergang  allmälig  durch  Mittelglieder  statt,  Zwischen- 
producte  der  Kückbildung  oder,  wie  man  sie  wohl  nennt,  der  regressiven  Meta- 
morphe, die  man  auch  in  wechselnden  Mengen  in  verschiedenen  Orgauen  und 
Geweben  aniriffit.  Eine  knrae  Zusammenstellung  der  im  Thiwkdrper  swiseben  dem 
Ei  weiss  und  dessen  Endproduct,  dem  Harnstoff,  vorkommenden  N-bsItigen  Mittel- 
glieder ergiebt  bezüglich  des  Verbiltnisses  ihres  N  zum  C  Folgendes: 

Biweiwstoffe  eotbalten  I  Atom  N  auf  3'/,  Atome  C 

Leimstoffb         „   l  „  „   ,   3V,  „  „ 

(ilyi  "Cüll  cnthiilt  1  „  ,„2  „  « 

Kreatin,  Kreatinin  entlialteii  ....  1  „  n    »    IVb  n  « 

Harn»äar«  entUlU  1  „  »    »    IVt  n  1, 

AllantoYn        „   1„„„1  rp 

Harnstoff       ,   1  „  ,    „  „  „ 


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188 


OHBHISlfüS  IM  THZERKOBVBK. 


In  dem  Masse ,  al»  die  einzelnen  Glieder  dieser  Reibe  an  Kohlenstoff 
verarmen,  werden  sie  an  StickstoÖ'  und  zugleich  an  Sanerstoft'  reicher.  Von  den 
iwiadiMi  EiwelM  und  Harnitoff  gdefenm,  jedenfalls  aehr  sahlreiehen  Ifittel» 
gliedern  kennen  wir  bislang  nur  wenige,  doch  geben  diese  uns  einigen  Anfscbluss 
Aber  die  Art,  wie  die  Bildnnp'  des  Harnstoftes  zu  Stande  kommen  kann.  Leucin, 
Glycocoil,  Asparagins&ure  und  Ammoniaksalze  sind  höotist  wahrscheinlich  als  Vor^ 
•tnfeii  des  HarastoAes  hn  ThierkOrper  «utiiselieft;  denn  fahrt  man  die  enrtUiDte& 
StofRs  in  den  Körper  ein,  so  treten  sie  nicht  als  solehe,  sondern  in  Form  von 
Ranistoff  mit  dem  Harn  heraus.  Da  nun  Leucin  und  Asparaginsäure  im  I>.irm 
durch  Einwirkung  des  Panereasferments  auf  die  KiwciHskörper .  Ammoniaksalze 
durch  Fftulniss  der  Eiweisstcörper  im  Darm  entstehen,  so  iat  es  wohl  gerecht- 
fertigt» antonehmen)  dass  diese  im  Darm  gehildeten  Stoffe  naeh  ihrem  Uebertritt 
in  die  Körpersftfte  weiterbin  in  den  Geweben  sich  sa  Harnstoff  umsetsen.  Und 
zwar  ist  die  Bildungsstätte  ftir  den  Harnstoff  in  die  Leber  zu  verlegen.  Wir 
haben  gelegentlich  des  Harns  zwei  Körper  kennen  gelernt,  das  Xanthin  und 
Hypoxanthin ,  welche  sieh  von  der  Hamslnre  durah  dnen  Hindergehalt  von  1, 
resp.  2  Atomen  0  im  Molekül  untefsoheiden ;  es  dürften  daher  das  Hypoxanthb 
und  Xanthin  in  der  Reihe  der  rejjre'^siven  Metamorphose  unmittelbar  vor  der 
Harnsäure  rangiren.  Da  die  Eiwei.sskörper  1  Atom  N  auf  3 '  o  Atome  C\  der  Harn 
Stoff  aber  1  Atom  N  auf  nur  ^/  j  Atom  0  enthält ,  so  müssen  bei  der  Abspaltung 
des  HamstoffiBS  vom  Eiwmsa  N-freie,  O-haltige  Prodnete  entstehen.  Was  wird  nnn 
aus  diesen?  Auch  sie  werden  mit  Hilfe  des  Sauerstoffes  ebenfalls  durch  eine  Reibe 
von  Zwischenstufen,  in  denen  der  0-Gehalt  immer  grosser,  der  C-Gehalt  immer 
kleiner  wird ,  zumeist  wohl  bis  zu  den  Endproducten ,  Kohleut>äure  und  Wasser, 
sersetit.  Ist  indess  die  Menge  dieser  naeh  Abspaltang  des  Harnstoffes  vom  Bi  weiss 
entstehenden  N-freien  Stoffe  grosser,  als  nnter  den  jeweiligen  Bedingungen  im 
OrganlHunis  an^'e^rifTen  werden  kann  ,  so  wird  dieser  IJeberschuss  M-ahrsehoinlieh 
in  Eett  umgebildet  und  als  solches  abgelagert.  Die  Beobachtungen  Vikchow's*) 
über  die  fettige  Degeneration  der  eiweissreiehen  zelligen  Elemente,  sowie  von 
Hopps-Setlbr  und  von  VoiT*^  haben  es  wahrs^eiiiUeh  gemaeht,  dass  ans 
dem  zerfallenden  Ei  weiss  eine  kohlenstoffreiche  Substanz  abgespalten  wird. 
Docli  fehlt  es  noeb  an  zwingenden  direeten  Beweisen.  Ffir  eine  nnlglicho 
Bildung  von  Fett  aus  Eiweisskörperu  spricht  eiumaj  die  Bilduug  vou 
Fettwa^  (Adipocire,  aus  palmitinsaurem  und  stearinsanrem  Kalk  beetdiead)  in 
eiweisshaltigen  Oeweben  langsam  verwesendtt  Ldehen,  femer  die  Tbatsache,  dass 
Kühe  bei  einem  an  Fiweissstoffen  reiclieren  Futter  auch  fettreit^here  Mileh  gt  ben. 
Indess  ist  nicht  auszuschliessen,  ob  nicht,  da  üUweissnahruug  den  Ulycogengebalt 
der  Leber  erhobt,  erst  dureh  das  ZwisehiMigUed  des  Glycogen  bindoreb  sieh  ans 
Eiweiss  Fett  bilden  kann,  ist  es  doeh  nunmehr  ausser  Zweifel,  dass  ans  Kohle* 
hydraten  Fett  entsteht.  Einfacher  gestalten  sieh  die  Zer-^et'/iingsvorgänge  bei  den 
Kohlehydraten.  Der  von  aus.sen  eingeführte  oder  auch  durch  die  Wirkung  des 
Mund-  und  Bauehspeicbels  auf  die  Amyiaceen  gebildete  Zucker  tritt  als  solcher 
hl'«  Blut  über.  Mit  dem  Blute  den  Organen  sugeftthrt,  wird  er  dann  verhMtnIss« 
mJI^Rig  rasch  zu  COj  und  II.  0  zersetzt.  Fdr  die  directe  Oxydation  des  Zuckers 
sprieht  die  schon  von  Kk(?xaiilt  und  Hkisf.t  •;-  ronstatirte  Thatsaehe,  dass  nach 
Einfuhr  von  Amyiaceen  oder  Zucker  mit  der  Nahrung  von  dem  eingeathmeteu 
Sauerstoff  ein  eriieblieh  grosserer  Tbeil  in  der  Form  von  Kohlensture  wiedar- 
erscheint,  als  bei  Fleischnahrung.  Werden  aber  Kohlehydrate  im  UcbersehttSS, 
in  erheblich  gnisseren  Mengen,  als  zur  Deckung  des  Bedarfes  erforderlich,  zu- 
gcftihrt,  HO  frägt  es  sich ,  werden  auch  sie  volLst-lndig  dem  Sauerstoff  zur  Beute, 
oder  können  sie  sieh  in  irgend  einer  Form  im  Körper  aufspeichern?  Diese  Frage 
aufkttwerfen  ist  man  umsomdir  berechtigt «  als  die  Erfahrungen  rationeller  Vieh- 
zucht gelehrt  haben ,  dass  bei  einem  I'ebersc  Inns  an  Kohlehydraten  im  Futter, 
vorausgesetzt ,  dasü  dieses  die  den  Bedarf  deckende  Eiweissmenge  enthält ,  bei 
Günsen,  Enten,  Schweinen,  Kühen  und  Schafen  ein  reichlicher  Fettansatz,  M&stung 


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CHEMISMUS  IM  THIERKORPER. 


129 


endelt  wird.  Man  hftt  daraus  auf  Fettbildung:  aus  Kohlehydraten  gesohlossen  und 
für  ilire  Möglichkeit,  ja  ihre  Wahrschcinlichkt  it  ausserdem  die  Erfahrung  geltend 
gemacht,  dasä  die  l'ettarmeu  Carnivoreu  bei  Zusatz  von  Kohlehydraten  zur  Isah* 
rang  msetsen,  sowie  die  Thataeehe,  daaa  Bienen,  welohe  ansseUieeslidi 
Zucker  erhalten,  WaobB  XQ  produoiren  fortfahren,  einen  Stoff,  der  den  Fetten 
nahe  steht.  Indes-i  hat  man  hei  der  eine  Zeit  lang  vorherrschenden  Neigung,  jede 
Fettbildung  im  Körper  auf  Spaltungen  der  Eiweissatofic  zurückzuführen,  die  eben 
erwilinten  Erfahrongen  nielit  so  gedeutet,  ala  spriehen  sie  fBr  Bildung  des  Fettee 
aas  Kohlehydraten,  vielmehr  sie  dahin  erklärt,  dass  vermöge  der  stofflichen  Fähig» 
keit  der  Kohlehydrate ,  bei  gleichzeitiger  Verabreichung  mit  Eiweiss  die  Zer- 
setzung des  letzteren  zu  beschränken,  also  eiweissersparend  zu  wirken,  der  Ein- 
flnsa  der  Kohlehydrate  auf  die  Fettbildung  nur  ein  iudirecter  sei,  insofern  sie 
leieliter  als  die  Biwmisatoffe  unter  die  Bedingungen  des  Zer&Us  geriethen  und 
dadurch  die  N-freicn  Spaltungsprodacte  des  Eiweiss  vor  der  Zerstörung  schützten. 
Nun  sind  aber  neuerdings  bei  Omnivoren  (Schwein)  von  Soxhlet  Meissl  ") 
u.  A. ,  bei  Herbivoren  (^SchafJ  von  Hknneueeo  bei  Vögeln  (Gaos)  von 
B.  Schulze  ^^j,  endlich  bmm  Camivoren  (Kund)  von  J.  Hdnk  und  Rübnbr 
so  grosse  Quantititen  von  Fett  zum  Ansatz  gebracht  worden  ,  wie  solche  weder 
durch  da-;  ans  dem  zer'^ctztcn  Eiweisn  ahspaltbare  Fcft,  noch  durch  das  Nahrungs- 
fett  hätten  geliefert  werden  können;  für  die  Entstehung  eines  Theiles  von  dem 
unter  jeoen  Bedingungen  angesetzten  Fett  mflssen  sioberlich  die  Kobleliydrate 
als  Quellen  in  Ansprueh  genommen  werden.  Zur  UeberfUimiig  der  O-nrmen  und 
0-reichen  Kohlehydrate,  z.  R.  Zuoker  Cq  Hj,  0 ^  in  die  C-reichen  und  0  armen 
Fette,  z.  H.  Olein  C-,;  11,^^  0«  ,  muss  zunächst  eine  kräftige  Reduetion  (O-Ent- 
ziehuDg)  und  weiter  eine  Condeusation  mehrerer  reducirter  KohiehydratmolekUle 
SU  einem  einsigen  Molekttl  in's  Spiel  treten. 

Die  Fette  können,  so  sdiwer  sie  sich  sonst  dureh  ozydirende  Agentien 
zersetzen  lassen,  im  Organismus  einer  vollständigen  Auflösung  zu  COj  und  11^  0 
unterliegen,  woferu  sie  nicht  im  Ueberschoss  zugeführt  werden.  Die  Annahme, 
dass  die  Fettbildung  «berwiegend  auf  das  mit  der  Nabrung  ttbereehflasig  zuge- 
führte  und  im  Körper  nicht  zersetzte  Fett  zurückzuführen  ist,  ist  fOr  den  Pflansen- 
fresser  von  Vornherein  nicht  wahrscheinlich ,  weil  die  bedentende  Fettablagerung 
bei  der  Mästung  und  die  so  erhebliche,  durch  die  Milch  erfolgende  Fettaus- 
scheidung zu  dem  Fettgebalt  der  pflanzlichen  Futtermittel  in  keinem  Verhältniss 
Steht,  ausserdem  die  Thierfette  von  anderer  Besehaffisnheit  sind,  als  die  Fette 
des  Futters.  Daraus  folgt  aber  nicht,  dass  mit  der  Nahrung  Oberschflssig  einge- 
führtes Fett  nur  indirecte  Bedeutung  für  die  Fettablagerung  hat .  wie  dies  eine 
Zeit  lang  angeuommen  worden  ist;  das  Nahrungsfett  sollte  in  gleicher  Weise  wie 
die  Kohlehydrate  leiehter  der  Zersetzung  anheimfallen  und  dadurch  die  Spaltungs- 
prodncte  des  Eiweiss,  aus  denen  Fett  sich  bilden  kann,  vor  dem  Zerfall  schützea. 
Den  flberzpiiireiidpn  gegentheiligen  Beweis  haben  LebRDEFF  i*)  und  .T.  Ml'NK  *') 
geliefert;  nach  reichlicher  und  längere  Zeit  fortgesetzter  Fütterung  eines  Mundes 
mit  Hammelfett,  beziehungsweise  RQböi,  kam  ein  Fett  zur  Ablagerung,  das  dem 
Hammelfett,  beziehungsweise  Rttböl,  ehemiseh  weit  ähnlicher  war,  als  dem  nor- 
malen Hundefett.    Damit  ist  der  directe  Uebergaug  des  Nabrungsfettes  in  die 

Zelleo  des  Thierkörpers  sieher  erwiesen. 

Zu  den  Oxydationsvorgängen  gehört  ferner  die  Bildung  der  Schwefel- 
Sture.  Alle  Eiweissstoffs  enthalten  ausser  0,H,0,N  aaeh  S  im  Molekfll;  dieser 
Schwefel  wird  bei  der  Zersetzoog  des  Eiweiss  vom  RiweissmolekUl  abgespalten, 
unterliegt  weiterhin  der  Oxydation  zu  Schwefels.lnre,  die  in  Form  von  Sulfaten 
(zum  kleineu  Tbeil  au  aromatische  Substauzeu  gebunden)  mit  dem  üarn  aus  dem 
Körper  austritt 

Von  anderra  Oxydationen  seien  erwähnt :  die  der  flflehtigen  fetten  Sftnren 

(Ameisen-,  Essig-,  Butter  .  Capronsfture  u.  A.),  sowie  der  organischen  Säuren 
(Milch-,  Citronen-.  Aepfel-,  Wein-  und  Bornsteinsfture)  zu  COa  und  HjO,  sowie 

SDoycIop,  Jahrbücher.  III.  9 


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190 


CHBHTSKÜS  IM  TBIEBKÖBPBB. 


deren  Alkali-^alzo  7.11  Ho  0  und  Na  CO^,  welches  in  den  Harn  übertritt ;  ferner 
die  Oxydation  de»  Alkuhols  und  des  Glycerins  ebenfalls  zu  II3O  und  CU3,  die 
dM  Bensol  sa  Phenol,  des  Bensylalkoliol,  Bencaldehjrd,  der  2iwumtr  und  Mandel' 
aiiure  sn  Benzut'säara,  des  Tannin  zu  Gallaiaäure. 

Der  Cbeniisnins  des  l'hit  rlcl  ens  erscheint  somit  als  eine  Summe  von 
Oxydatiuns-  und  Spaltungsprocuä^en ,  im  Wesentlichen  als  ein  analytischer  Vor- 
gang ,  vermöge  dessen  die  hoeh  iBMunmengeeciEten  und  niedrig  oxydirten  Be- 
■tandtbeile  des  Thierkörpers,  besielinngsweiae  der  von  aussen  in  ihn  aufgenom- 
menen NahrunfT  in  finfadi  zusammengesotzto  und  hoch  oxydirte  Verbindunjren : 
Harnstoff,  Kohlensäure,  öcbwefels&ure  und  Waaaer  zerfaiieo  und  als  solche  ans 
dem  Körper  entfernt  werden. 

Allein  neben  dieeen  Proeesien  linden  aneb  die  nmgekebrten  Vorginge, 
synthetisebe  und  Rednctionsprocesse  statt,  und  gerade  die  neueste  Forscbnng  hak 
den  Kreis  unserer  dit-sbezöglichen  Kenntnisse  wesentlich  erweitert.  Bcnzo^'siture, 
innerlich  gegeben,  verwandelt  sich  nach  Wöulek  ä  Entdeckung  im  Urgauismus 
nnter  Pnaninf^  mit  OlyeoeoU  und  Aastritt  der  Elemente  dee  Wassers  in  Hippor- 
sfture;  ebenso  nach  Baumamn  Phenol  CeH,,.OH,  innerlich  ge^'tbcu .  unter 
Taarnng  mit  Schweftlsilure  und  Austritt  von  Wasser,  in  Phenolschwcfelsflure, 
C,  Hj.O.HSOs.  Die  Leber  verwandelt  den  ihr  vom  Darm  durch  die  Pfortader 
anströmenden  Zucker,  gleichfalls  unter  Wasserentziehnng,  in  Glycogeu.  Ammoniak- 
salse, s.  B.  das  Carbonat,  in  den  KOrper  eingefUirt,  lieben,  ebenfalls  nnter 
Wassereiitziebung,  in  Harnstoff  über.  Man  bezeichnet  solche  Substanzeti,  insofern 
sie  durch  Wassirt'nlziehung  entstehen  und  wiederum  unter  Aufnahme  von  Wasser 
leieht  verändert  werden,  als  Anhydride.  Auf  der  anderen  Seite  werden  in  den 
Darm  eingefObrte  feste  Fettsftnren  (Oel  ,  Pahnitin-,  Stearinsinre)  im  Organiamns 
unter  Paarung  mit  (ilycerin  zu  den  entsprechenden  Neutralfetten,  nnd  zwar  aucb,' 
ohne  dass  mit  den  fttten  i^iUiren  <rlei<'hzeitijr  Olycerin  gegeben  war.  indem  der 
Körper,  wie  bei  der  Hippursilurebitdung  das  (ilycucoU,  hier  dag  Glycerin  selbst 
hergiebt;  su  gelaug  es  J.  MüXK^")  naeb  liiugerer  reieblicber  Fflttemng  eines  ab- 
gemagerten Hundes  mit  den  festen  Fettsäuren  des  Hammeltalgs,  nieht  diese, 
sondern  (neutrales)  Hammclfett  am  Körper  des  Hundes  zur  Ablagerung  zu  bringen, 
und  bei  «'inem  Menschfn  mit  einer  Lymphtistfl  nach  NCrabreichiinir  von  Fett- 
säuren das  entsprechende  Iseutralfett  in  der  austliesseuden  Verdauung!>lyuiphü 
(Gbylns)  naebanwmen.  Es  sind  noch  andere  ayntbetisebe  oder  Rednctionaprooesse 
als  im  Thierkörper  vor  sich  gehend  erkannt,  so  die  sebon  berflhrte  Umbildung 
der  Kohlehydrate  zu  Fett  im  Thierkörper. 

Aber  selbst  wenn  unsere  Kenntnisse  nach  dieser  Rlebtung  noch  weiter 
snnebmen  M>llten,  so  viel  stebt  fest,  dass  die  synthetischen  nnd  Rednotionsprooesse 
im  TbierkOrper  gegenflber  den  analytischen,  den  Spaltungs-  und  üxydations- 
processen ,  (juantitativ  zurflcktreten.  Ma-r  auch  durch  Synthese  im  Thierkörper 
Bildung  complicirt  zusammengesetzter  Verbindungen ,  wie  z.  B.  des  (aus  6  Ele- 
menten bestehenden )  Hämoglobin ,  zu  Stande  kommen ,  immerhin  bedarf  es  dazu 
des  Vorhandenseins  organischer  Substanze»  (znr  Bildung  des  Hlm(^lobin:  der 
Eiweisskörporl :  ein  Fall  von  Aufbau  einer  organischen  Substanz  aus  rein 
anorganiseheni  Material  im  Thierkörper  ist  (wenn  wir  von  der  nildun;r  des  an 
der  Grenze  von  Organischem  und  Anorganischem  stehenden  ilarnstoties  aus 
Ammoniaksabsen  abseben)  bisher  nicht  condtatirt.  Noeb  weniger  vermag  der  Thier- 
körper die  wiebtigsteii  M  int  r  organischen  nultlifile :  Kiwciss.  Fette  und  Kohle- 
hydr.'ite.  ans  .Anorganiscliciii  autziiliauen .  \  ii  lnichr  kehren  iliirch  das  Leben  der 
Thiere  jene  complicirt  zusammeugesctzteu  organischen  Stotle  wieder  zu  einfachen 
anorganischen  Verbindungen:  Wasser,  Kohlensäure,  Ammoniak  und  Scbwefel- 
sfture  zurflck. 

Wenn  nun  so  der  Thierkörper  seine  organischen  Bestandtheile  zerstört, 
ohne  dazu  befilhifrt  zu  sein,  sie  wieder  aufzubauen,  so  frajrt  es  sich,  wo  entstehen 
diese  wichtigsten  organischen  Cuuätituentien  des  Thierkörpers:  die  Eiweisdkörper, 


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CHEMISMUS  IM  THIEBKÖRPKR.  —  CHLOROFORM. 


131 


die  Fette  und  Kohlehydrate,  primSr?  Einzi°:  und  allein  in  der  jrrünen,  chlorophyll- 
haltigen  l'tiaDZCDzelle.  Kg  führt  uns  dies  auf  die  schon  vuu  Justus  v.  Likbig 
(1840)  in  den  HauptzUgen  sehnrf  erkannten  Untenehiede  im  Chemisnraa  swisehen 
Thier  nnd  Pflaoze.  Auch  in  den  Pflanzen  verlaufen  fermentative  Prooesse  und 
nachfolgende  Oxydatidnen ,  doch  nur  sofern  Rio  kein  Rlattgrfln ,  Chlorophyll  ent- 
halten und  von  der  Sonne  nicht  belichtet  werden.  Sobald  das  Sonnenlicht  die 
grUneu  Pflaozentellen  bestrahlt,  ändert  sich  der  Chemismus  der  Ptlaoze:  die  ^yo* 
thetisehen  nnd  Bednctionaproeeeie  treten  in  den  Vordei^ond,  während  die  Spal- 
tun|?s-  and  0^dntioniTOr;;iln^c  jenen  L'o^enüber  zurficktrcfen  und  von  secandArer 
ßt'deutuni?  werden.  Der  Aufbau  pünimtliclier  or»aiii8elien  ,  N-freien  Stoffe  erfolgt 
unter  dem  Eiuliuss  des  Sonnenlichtes  in  den  grünen  i'tlauzenzelleü  aus  den 
Moleetllen  der  Koh1en«anre  CO, ,  oder  bener  ihres  Hydrates  H,  00, ;  die  Auf- 
nahme Ton  COj  seitens  der  Pflanzen  aas  der  Atmosphflre,  dem  Boden,  dem 
Wasser,  (Ins  >ie  durch  die  Wurzeln  sehopfen  ,  die  Verarheitun^r  dersclbon  auf 
synthetischeui  Wege  in  mehr  oder  weniger  compliuirte  organische  Verbindungen 
ist  die  eigentliehe  Basis  fBr  das  Bestdien  der  Thiere.  Dureh  die  Einirirlcnng  des 
Chlorophylls,  welches  einen  Theil  der  rothen  und  gelben  Strahlen  des  Sonnen^ 
lichtes  absorbirt,  auf  da»  KohlensÄurehydrat  wird  letzteres  rediicirt.  O,  in  Frei- 
heit fiesetzt,  wilhreiid  C  zum  Aufbau  des  l'<lanzenk«irpers ,  in  erster  ijinie  der 
Kohlehydrate,  sodann  der  fetten  und  ätherischen  Oeie,  sowie  der  organischen 
Sinreo  verwendet  wird.  Die  Eiweissstoffe  wie  die  anderen  N«haltigen  Stoflb 
(Aspara^in.  Srdanin  etc.)  bauen  die  Pflanzenzellcn  auR  Ammoniak,  salpetriger  oder 
Salpetersflure  auf,  die  sie  als  solehe  oder  als  Salpeterverbind uniren  aus  dem 
Boden  oder  dem  Regenwasser  aufsaugen ,  den  in  das  Eiweissmolectll  eingehenden 
Sebwefel  höchst  wahreeheinlich  ans  den  im  Boden  weitverbreiteten  sehwefelsaaren 
Salzen.  Die  Keduction  der  Kohlensaure  H^CO;j,  der  Salpeter-  nnd  salpetrigen 
Sflure  IlNn  uiid  HNO  .  der  Sehwefelsilure  H,_,  Sf>,  i^t  mir  der  er^'te  Schritt  des 
verwickelten  rHunzenehemismus;  um  aus  den  Heductionspiudiieten  die  organischen 
StoflTe  za  bilden,  daza  bedarf  es  umfangreicher  Synthesen,  über  deren  Ablauf 
sieh  nnr  mehr  oder  weniger  begrOndete  Vermnthnngen  aafstellen  lassen. 

Litoratur:  ')  FI  n  pp  e  -  oy  1  c  r  ,  ^Ic.i -(-}if>ni.  rnteis.  1^66.  1.  p;i<r.  l'?!!  — 
Müller  und  Ladwig,  Her.  d.  aäcbs.  Ges.  d.  Wisj«.,  matb.-physik.  Cla«se.  lötli^,  pag.  14Ü.  — 
^  Pfiagrar.  dMsSH  Areb.  VT,  pag.  343;  XIY,  pai;.  630.  —  A.  Jacqnet,  Arf  hiv  f.  ezp. 
Pathnlop.  XXIX.  pap.  i^Öf].  —  *)  Virchow,  des-eii  Arch.  I.  pag.  yj;  IV,  pag.  2.81;  VIII, 
pag.  Ö38.  —  '•')  Vergl.  U  <»  p  p e  ■  S ey  le r'«  Phy.siul.  Cliciii.  ISSl,  IV,  pag.  lUO^-  —  ")  Voit, 
Ztisanitneniitellung  in  Ilerniann's  Handb.  d.  Physiol.  VI,  Tli.  1,  pag.  —  ')  Regnault 
und  Roisei,  Jteeherchea  sur  la  respiration.  Paris  184^.  —  Soxhlet,  Zeitschr.  d.  land- 
wirtbseb.  Yerein«  in  Bayern.  1881,  An|?0!<tbeft.  —  *)  Meissl,  Zeitaehr.  f.  Biologie.  XXII, 
pag.  —  '"i  Hcnin^berg,  ebenda,  XVII.  y.i^.  ^'.1.5.  —  ")  Sclnil/.e.  Landwirth.sch. 
Jabrb.  IS"^::*.  pag  .')7.  -  '*)  J.  M  ii  n  k ,  Virchow's  Anhiv.  ("I.  pa;:;.  l.jO.  —  ' ')  Rubner, 
Zeit.schr.  f.  Biologio.  XXIII,  pag.  21!^.  —  ")  Lebednff,  Ontralbl.  f.  d.  med.  Wj^s.  1882, 
Nr.  8.  —  .1.  Münk.  Vircbow-.s  Archiv.  XCV.  pag.  416.  —  '«)  Fr.  Wohl  er,  Ueb-rsetzung 
von  Berzeüus' ThitTcbeinie.  Dremieu  18H1.  pag.  37ti  u.  441.  —  '")  Baumann,  Pflüger's  Archiv, 
XII,  iiag.  tW;  XIII,  pa-.  :JS5.  —  '^)  J.  Münk,  Arrli.  f.  (Anat.  u.)  l'hysiol.  188:1  pag.  273; 
Yirchow's  Archiv.  XCV,  pag.  437 i  J.  Münk  nnd  Rosenstein,  Vircbow's  Archiv,  CjLXlJI, 
pa^.  255.  —  Vergl.  noch  die  Literatur  der  Artikel  .Oxydatioa",  „Bedndion"  nnd  „Synthese". 

J.  Mank. 

Chloroform.  Hokaniitlif'h  wird  bei  der  Disonsaion  tlber  die  Ursache 
des  Ohlorot'ormtodes  bei  ^t'arcoseu  auch  die  chemiBche  Hesehall'enheit  des  Chloroforms, 
namentlieh  dessen  leiehte  Zersetsnng,  welebe  zur  Entstehung  von  COGU,  Kohlen- 
stoffozyehlorid  (E'hoi^^en^as : ,  fuhrt,  in  1<ttr:icht  •rezogen.  Da  aber  die  Gegenwart 
de^  Phosfrenfjases  in  ( 'liloroforni  .lich  sclxui  ilureh  den  .nifTallend  stechenden  (lerueb 
bemerkbar  macht,  (.'hioroformtod  aber  hiiuliji;  in  Fällen  beobachtet  wurde,  in  denen 
das  Chloroform  allen  Anforderungen  der  Pbarmacopoe  entsprach,  so  war  man,  um 
jene  Fllle  in  ericllren,  in  denen  anseheinend  weder  der  Chirurg,  noeh  das  nareotisirte 
Individuum  für  den  Chloroformtod  verantwortlieh  gemacht  werden  konnten,  geneigt, 
als  I  rstache  desselben  bisher  nicht  nachweisbar«'  Verunreinisrun^en  des  Chlorororma 
anzunehmen.  Demgemäss  erscheint  der  V' ersuch  Pictet  s,  das  Chloroform  durch 

9* 


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132 


OHLOBOFORtf. 


Umkrystallisiren  in  der  Kälte  von  etwaigen  Verunreinigungen  zu  befreien  und 
daä  so  gereinigte  Chloroform  der  ärztlichen  Anwendung  anbeimzustellen ,  wohl 
gerechtfertigt.  Raoul  Pictbt  braebte  du  von  ihm  dargestellte  Prlparat  ab 
Vhloroformium  medtctiiale  Pictet  in  den  Handel.  Um  nan  die  I^Hge 
zu  btautworten,  ob  eine  etwaige  bisher  nicht  bekannte  Verunreiaignng  des  Chloro- 
forms einen  oachtheiligen  Kiutlusfl  auf  die  Narcose  habe ,  führte  R.  Dü  BOIS* 
RKyxo.NDi)  mit  den  Rttekatiaden  von  der  Reetlfieatioa  des  OMorofbrmB  Thier- 
versnehe  aas,  aus  deren  Ergebnissen  wir  die  folgenden  Sehlasssätze  hervorheben : 
1,  Ad  Oestait  der  Pulswelle  und  Frequenz  der  Athnning  war  kein  rntersehied 
zwischen  der  Wirkung  des  Rückstandes  und  des  Cfdorofürmiuin  medicinaU  Pictet- 
zu  büuierkeu.  2.  i^er  Blutdruck  iat  in  der  grossen  Mehrzahl  der  Fälle  im  Augen- 
blieke  des  Athmangsstillstandes  hoher,  wenn  Ohlorcfarmium  mediemale  als  wenn 
Rückstand  inhalirt  wird.  3.  Die  Zeit,  innerhalb  deren  die  Einathmung  zam  Stillstände 
der  Atbmung  führt,  ist  hei  Anwendung  des  Rückstandes  bedeutend  kürzer  als  beim 
Chloro/ormium ,  medtcinale  y  und  zwar  verhalten  sich  die  Zeiten  durehschnittlich 
wie  7  : 11.  Demnaoh  fallt  R.  DD  Bois-Retmomd  den  Yonog  des  krystallisirten 
Cblorofurms  fflr  die  ärztliche  Verwendung  nidit  durch  die  ausgeschiedenen  Un- 
reinlgkeiten,  sondern  auch  duroli  die  Wirkung  für  direot  crwicscii.  Gegcnübi  r  den 
obigen  Mittbeilungen  führte  jedoch  Schacht -j  in  der  pharmaceu tischen  Gesellschaft 
zu  Berlin  aus,  dass  eine  Zersetzung  des  Chloroforms  nieht  wegen  der  fremden  Bei- 
mengungen desselben,  sondern  dnroh  das  Niohtvorbandensdn  von  Alkohol  bedingt 
wird;  er  hält  das  Cldoroformtum  medicinale  Pictet  für  ein  gute  Handelsmarke, 
welche  jedoch  ebenso  wie  jedes  andere  Cliloroforni  der  Zersetsung  dureh  Luft  und 
Licht  unterliegt. 

An«h  BiLTZ  *)  neigt  dnreh  direote  Versnehe,  dass  alkoholfreies  Ohloroform 

der  Apothekeu  und  aikoholfrnes  Chloroformium  medieinalt  Pictet  in  gleicher 
Zeit  die  bekannte  Zersetzung,  welche  mit  dem  Auftreten  von  freiem  Chlor  beginut. 
erlitten.  Die  Kectiücatiou  des  Chloroforms  durch  lüllte  stellt  nach  Biltz  immerhin 
eine  Verbessemng  der  Rwndaistellung  des  GMoroforms  dar,  deren  Werth  hanpt- 
sftchlich  auf  medioinisehnn  Gebiete  gesucht  werden  muss ;  in  Besng  auf  die  Halt- 
barkeit ist  jedoch  ein  bevorzugender  Unterschied  zwischen  dem  PiCTET'schen 
Chloroform  niid  dem  gewiihnlichen  nicht  zu  finden  .  beide  Präparate  sind  der 
bekannteu  Zersetzung  am  Lichte  in  gleichem  Masse  uuierwurfeu.  Bis  nun  ist  der 
hohe  Preis  des  Chluroformium  medietMde  PicUt  ein  Hindemiss  für  dessen  Ver- 
breitung. Von  ärztlicher  Seite  spricht  sieb  0.  Houenemsbb*)  ftlr  dasselbe  aus, 
während  es  DB  Rkcbtsrs  bei  Nareosen  keineswegs  besser  fand  als  sonstiges 
reines  Chloroform. 

Bezflglieh  der  Ton  Operateuren  gemaehten  Erfahrungen,  dass  duteh  das 

Chloroformbren  bei  Gaslicht  sowohl  an  Kranken  als  Gesunden  nieht  unbetridit- 

liehe  Str.rungen  des  WohllM-lindens  auftreten .  haben  L.  EiSFA'I.OHR  und  Cr,AT:DIO 
FOKMi  I  durch  Versuche  gezeigt,  da-^s,  wenn  Chloroform  durch  die  (iasHamme  streicht, 
dasselbe  unter  Bildung  von  freiem  Chlor  und  Chlorwasserstutlsüure  zerlegt  wird, 
ond  swar  war  der  Promillegehalt  der  Lnft  an  Salzsinre  mindestens  doppelt  so  hodk 
als  der  an  Chlor.  Es  ist  daher  zweifellos,  dass  es  bei  mangelhafter  Ventilation 
in  einem  Operationszimmer  zu  einer  allmitlig  eintretenden  Anbitiifung  dieser  Gase, 
namentlich  in  der  Nähe  des  Operationstisches,  kommen  kann,  welche  gosundheits- 
sehädlieh  wirkt.  Phosgengas  konnte  beim  Dnrehgange  von  Chloroform  dordi  die 
Gasflamme  niebt  aufgefunden  werden ;  sollte  dieses  tll>erhaupt  in  der  Flamme 
entstehen,  so  müsste  es  durch  das  beim  VerlurennangBprocesse  entstehende  Walser 
sofort  wieder  zersetzt  werden. 

Pbtbuschky  zeigte,  dass  das  Chloroform  nicht  nur,  wie  schon  BaBBUl& 
angegeben,  während  der  Nareose  die  alkalis«^  Reaetion  des  Blntes  herabsetit, 
sondern  dass  es  bei  der  todtlichen  Vergiftung  die  Alkalescenz  der  gcsammten  K^rper- 
sfifte  vollkommen  aufhebt  nnd  meistens  sogar  eine  deutlieh  sa  ur  e  Reaetion  derselben 
herbeiführt.  Die«  lässt  sich  an  der  Leiche  durch  Untersuchung  der  serösen  FlUssig- 


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CHLOROFORM.  —  CHLÜROSIS. 


133 


keiten  mittelst  Lackmuxpapier  nachweisen,  auch  im  Blute,  wenn  man  glattes  Lack- 
muspapier bentUzt  und  dasselbe  naeli  jrendfrendem  (^ontact  mit  dem  Hinte  in  g^enau 
ueutraleiu  Wusser  abspült.  Doch  kumtut  diese  Säuerung  der  Kiirperüiifte  als  Gift- 
Wirkung,  lo  wdt  bis  jetst  eoostatirt,  auch  dem  Aetber,  der  SalzaiDre,  der  Blna* 
•fture  nnd  dem  Arsen  zu. 

Literatur:  ')  R.  d  n  Bo  i  s -R  ey  mond  ,  Thierverauche  uiit  den  RürkständeTi  wm 
d.  Rectitication  (1.  Chlorofonus  durch  Kälte.  Therap.  Monatsh.  1892,  21.  —  •)  Schacht.  Biltz 
in  der  Sitzang  der  iiharmacentischen  Ge.sellscbaft  in  Berlin  vom  4.  Febru^ir  1S92.  Pharm. 
Centralhalle.  189^,  80.  —  ')  0.  Hohenemser,  Chloro/ormiummedicinaU  }*icUt,illinehnt9t 
med.  Abhandlnngeii.  1892*  IV,  3.  —  *)  de  ReehterB,  Narcosen  mit  Chtorof.  mtdfe.  Pietet, 
Presse  m6d.  bele;?.  1892,  5.  —  Ludwig;  Eisenlnhr  iiml  Plundio  Formi.  Die  'Act- 
setzunnsprodiiete  des  Chloroforms  b»?i  Chlorolormirung  in  mit  Flammen  erleuchteten  Räumen. 
Arch.  f.  Hygiene.  XIII,  Heft  2.  —  '  I  J.  I'etrnachky,  Deber  die  Einwirkung  des  Chloroformsf 
nnd  anderer  Gilt«  auf  die  alkalische  Beaction  der  Köipeiaifle.  Dentache  med.  Wochenschr. 
1891.20.  Loebisch. 

ChlOroformnaChwirkungen.  Luthkr  i  i;<  bort  hloroformnacbwirkungen. 
MUnchener  med.  Wochenschr.  1893,  Nr.  1)  gelangt  bezüglich  des  Vorkommens 
TOD  Eiwdss  nnd  Gylindem  im  Harne  naeh  CbloroforminbaUtion  zu  folgenden 
Reraltaten : 

1.  Ks  besteht  eine  völlifr«'  rcberein:^timmun°:  de.s  klinischen  Bildes  mit 
den  ehemischen  und  mikroskopiacbeu  Uet'uadeu.  Wenn  keine  Cbloroformnachwir- 
kangeo  eintraten,  wie  Uebelkdt,  Erbreeben,  leterns  ete.,  dann  war  aneb  im  Harne 
niebts  Abnorme«  nachweisbar. 

2.  Vor  (liT  Nrirkose  wurden  all«'  llarno  bis  auf  einrn  (Voi  vnn  abnormen 
BestandtbeiU'ii  hetundeii.  In  diesem  einen  Fallr.  wo  eine  Spur  Eiweiss  nachweisbar 
war ,  traten  die  heflig.sten  Nachwirkungen  ein  und  zeigte  dementsprecheud  auoii 
der  Urin  die  größten  Verttuderongen  dw  Nieren  an. 

3.  Albuminurie  und  Oylindrnrie  geben  meist  Hand  in  Hand  und  ver- 
schwinden naeh  ktlrzerer  oder  Iftnf^erer  Zeitdauer,  meist  in  wenigen  Tazen.  Ebenso 
lange  halten  manche  klinischen  Symptome  von  Nachwirkung  an,  als  da  sind 
Troekenbeit  der  Lippen,  Durstgefuhl,  Behleehter  Oeaebmaek,  Nadigeeehmaek  von 
Chloroform,  Appetitlesigkeit ;  nnd  wenn  leterns  da  war,  so  fiüit  anch  dessen 
Ende  damit  zu^aninnMi. 

4.  Die  Cylinder  aiud  meii^t  hyaline,  bezieh uagsweiso  gekörnte,  seltener 
Epithel-  nnd  Waebseylinder. 

Ldthbb  stellt  biemaob  folgende  Tbesen  anf: 

1.  Chloroform  ist  auch  bd  nnr  kurz  dauernder  Narcose  im  Stande, 
deutlich  wahrnehmbare .  wenn  auch  vorübergehende  V('r.1nderun3:en  der  Nieren 
berbeizufUhren.  Sein  liebrauch  ist  daher  zu  beschränken  auf  die  Fälle,  wo  es 
notbwendig  ist;  die  blosse  Natsllebkeit  «nd  Annebmiiebkdt  soll  niebt  an 
seiner  Anwendun;r  führen, 

2.  Vor  jeder  voraussichtlich  lilnfrer  dauernden  Nareo>?e  muss  der  Harn 
des  zu  Cbloroformireuden  untersucht  werden.  Niercuerkraokungen  geben  viel  mehr 
dne  ContraindicatioD  gegen  die  Nsreose  ab  als  die  meist  mit  Uarecht  gefflrcbteten 
Hersfehler  (mit  Ausnahme  der  fettigen  Entartung  des  Hersmuskels,  und  diese  kann 
man  nur  vermnthen,  aber  nieht  dia<;nosticiren). 

3.  Ganz  besonders  sind  die  Narcoseu  der  Schwanfreren  und  Wöehueriunen 
dnxusebränkon.  Als  Mittel  zur  Bekämpfung  der  eclamptischen  Anfälle  ist  das  Chloro- 
form absolut  SU  verwerfen,  weil  die  Dauer  der  Narkose  meist  eine  so  grosse 
sein  muss,  und  weil  die  Nieren  Eelamptiseher  fast  ausnabmslos  patbologiseb  ver- 
findert  sind. 

4.  Es  steht  zu  erwarten,  dass  die  Anwendung  gelinder  Diuretica  von 
wohltbätigem  Einflüsse  auf  die  Chloroformnaebwirknngen  sein  wird. 

E  u  1   n  b  u  r  g. 

ChlOrOSiS.  l?  l  e  i  c  b  s  u  h  t.  i  Ver-l.  Keal  Encyclnpädie.  11.  Aull.,  Bd.  IV, 
pag.  210  und  Eucyclopäd.  Jahrbücher.  Bd.  I,  pag.  149.)    Unter  den  uioht  sehr 


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134 


CHLOBOS^IS. 


zahlreichen  Mittlieihin^on  der  letzten  zwei  Jahre,  weif  he  die  Patholoorie  der  Chlorose 
behandeln,  änden  sich  verscbiedeoe  ADdeatuogeOf  welche  das  Wesen  der  ErkrankuD^ 
voD  einer  primlren  Stömiig  der  M^;ea-  und  DarmtliäHgkeit  ableiten  mfleliten. 
So  weist  Pick  auf  die  Htnflgkeit  von  Magenaffeetionea .  und  zvar  besonders 
Zuständen  von  Atonie  «ud  E<'tasie  des  MajreiiH,  bei  der  Krankheit  hin  und  halt 
es  dementsprechend  für  naheliegend,  bei  einem  Theil  der  Falle  die  Aiiwe-äenheit 
TOD  Producteo  gestörter  Magcuverdauung ,  alau  eine  A  u  to  i  u  to  x  i  ca  t i u  u  als 
ein  die  Cblorose  noterbaltendee  Atioloxiselies  Moment  ansasehen.  Er  glaubt  diese 
Anschaiiuni!:  durch  therapeutische  Versuche  g:estUtzt  /u  haben,  indem  er  bei  16 
chlorotisehcu  .Mädchen  ,  po^ren  deren  Krankheit  Mon.ite  lanp  fortfresetzte  Kigen- 
tberapie  vergeblieh  gewesen  war,  metbudisehe  MagenausspUlungeu  anwendete 
ud  hierdnreh  Oiwrrasehend  schneite  Heilung  erreiclite.  Aebnlieb  gute  Erfolge 
eriiielt  er  in  Besug  auf  die  Magenbesebwerden  durch  eine  (denn6drende)  Behand- 
lung mit  Creosot. 

Dieser  AuffaHsun-r  stehen  jedoeh  andere  Krfahrun?iMi  «re^-enflbcr.  So  neien 
hier  die  Angaben  von  Kktiiekö  •)  über  18  Fälle  von  reiner  Chlorose  verschiedenen 
Grades  rtrwlbntf  bei  welehen  Beobachtungen  bezflglirli  der  Im  Darm  stattfindenden 
Plulnissprocesse  angestellt  wurden:  hierbei  zei^iten  in  14  Fallen  die  Aether- 

8C  Ii  w  e  f  e  1  s  ii  11  r  e  n  des  Harnes  keine  V  e  r  in  c  h  r  u  n  fr ,  sowohl  vor  wie  wflhrend 
und  nach  der  Eisenbehaudlun;r.  Kauach  wird  in  den  Darm  Störungen  der 
Chlurotiscben  nur  eine  Fulgeerscheinung  des  Gruudleideus  gesehen. 

In  Besug  auf  den  bei  (Sitorose  festtustellcnden  Blutbefnnd  bestiltigen 
einige  neue  Angaben  die  Erfahrung,  dass  hier  neben  der  Verminderung  des  Ilftmo- 

globiii^irehaltes  auch  die  Abnahme  der  R  I  u  t  k  ö  r  p  e  r  e  h  e  n  z  a  h  1  dentlicli  zu 
sein  pllegt.  Bei  KJ  Chlorotischen,  deren  Hliit  v.  Limhkck  i  untersuehte,  fand  »ich 
diese  Oligoeythämiu  neben  der  Oligochromiimic  in  der  Weise  ausgesprochen,  dass 
der  Blutbefund  demjenigen  anderer  Anämien  gegeuQber  fOr  in  keiner  Wdse 
cbarakteristiseh  erklftrt  wird. 

Von  sonstigen  wichtigeren  klinischen  Symptomen  der  Clilnr  tHe  .seien  die 
V  e  n  e  n  t  h  r  o  m  b  o  s  e  n  hervorKeholieii.  welche  die  neueren  l'rl.ihriiiii^t  n  fortfahren 
häutiger  als  früher  bei  der  Krankheit  /u  beol»aehten.  So  konnte  l'Hu\:\  *)  'Jl  Fälle 
(Uwunter  die  Hftlfte  neu),  welche  diese  Complieation  teigen,  xusammensteiien.  Hierbei 
vertheiltc  sich  der  Sitz  der  AfTection  so,  dass  6  Fülle  eine  Thrombose  der  Hirn- 
sinns, die  übrigen  eine  Venenthrombose  der  rnterextreinitfUen  zeigten.  Die  Throm- 
bose scheint  in  jedem  Stadium  der  Chlorose  auftreten  zu  können,  auch  tiohoa 
naeh  kurzem  Besteben  derselben  (einmal  schon  naeb  einem  Monat).  Im  Allgemeinen 
bevorzugte  sie  die  si'hweren  Krkrankungflformen  mit  starker  Rlutverfinderung.  Be- 
gflnstigeiid  w  ;ir  eine  mit  refrelm.'i.-Jsiger  Muskelanstrongung.  bes(mders  der  Heine  i  Stehen. 
Gchan)  vcrbuudeue  ik'.'<chilfti^ung ;  Gele;:enheitsur,<ache  wurde  h.'iurig  ei»  Ibrcirter 
Marsch  oder  sonstige  excessiv«  Muskelarbeit.  —  Die  PhlegmaKie  der  Uuterextremitäten 
begann  xunilehst  mit  Vorliebe  links  (unter  13  FAtlen  9mal),  was  aus  der  Neigung 
zur  Obstipation  und  der  daher  von  den  unteren  Tbeilen  des  Colon  ausgehenden 
Conipres<ion  abfreleitet  wird;  in  ♦»  Füllen  war  sie  sehlies-«lich  doppelseitig'.  —  Kinijre 
Male  wurde  der  Eintritt  der  Thrombose  durch  vorau-sgebende  Temperatursteigerung 
(38-5— SD'O)  angekündigt. 

Pathogenetisch  leitet  Pbost  die  Thrombosenbildung  von  der  Alteration 

der  (iefnssendothelien  an  den  Stellen  starker  Reibung  and  von  der  Veränderung 
der  Hiulmischun^''  ab.  In  Heziiir  auf  die  .Mri^rliehkeit  einer  infectiöseii  Grundursache 
hat  er  Oulturversuche  mit  dem  Blut  von  4  Chlorotischen  angestellt ,  3  davou  mit 
negativem,  den  vierten  mit  zweifelhaftem  Erfolg.  Mit  mehr  Wahrscheinliohkeit 
möchte  VT  die  C:rundursaebe  in  einem  durch  Muskeltbätigkeit  irelieferten  scbädlieben 
Extractivstoff  sehen. 

Einen  frnten  Heleg  für  llitufigkeit    und    Sitz   der   bei    Chlorose  w.ahrzii- 
nehmcuden  a u ii m is e h en  Herzgeräuscbe  giebt  eine  von  Bakus")  neuerdings 


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CHLOROSIS. 


135 


gelieferte  klein«*  Statistik  :  Fiiter  205  Fällen  einfacher  Chloro«e  waren  dieselben 
in  115  vorhanden  und  fehlten  in  i^O,  and  zwar  waren  sie  hörbar 

nur  an  der  Herzbasis  im  66  Fällen 

»an  Heraepitie  „18  „ 

an  der  Basis  und  Spitze  „24  „ 

„     „  Spitze  und  ;im  Kücken  22  „ 

Dabei  wird  besonders  die  letzte  Kategorie  betont,  bei  welcher  das 
Ckrftaseb  aneb  am  linken  Angtdus  »capulae  gebOrt  wnide,  was  im  Allgemeinen 
als  charakteristisch  fQr  das  bei  Mitralinsufficienz  za  hörende  Geräusch  angesehen 
wird.  Hiernach  ist  hervorzuheben,  d&m  dan  anämifiche  GerAuscb  eventueU  alle 
Cbaralitere  des  orgaDischen  Blitralgeräusches  zeigen  kann. 

Eine  SbnUebe  Statistik  entwirft  Richardson  ■)  für  das  bei  der  Obloiose 
zu  hörende  Halsveneugeräusch.  Unter  180  ^iseben  FiUen  oblorotiseber 
Mäd  hen ,  bei  denen  der  fiAmoglobingeluüt  im  Blnt  anter  50%  der  Korm  betrag, 
witrd«  coastatirt 

kein  Halsveoeugerinseb  iu  ö'J  Fällen  =  49'4o^o 

dasselbe  nur  anf  der  reebten  Seite  .    .    .    „  60    „     =  38*8% 

»  »  «  »  li"ken  „  .  .  .  „  11  „  s=  61«,o 
„      auf  beiden  Seiten  >i   20     „      —  II  I*  q. 

Gleichzeitig  konnte  eine  gewisse  Beziehung  zwischeu  dem  Auftreten  des 
Monnengerlnei^es  und  dem  Hamoglobingehalt  de»  Hintes  festgestellt  werden. 

Für  die  Bdiandlnng  der  Cblorose  fabren  di*'  neuesten  Heobachtungen 
damit  fort,  den  grossen  Eisen  dosen  vor  den  früher  üblichen  kleineren 
den  Vorzug  zu  geben.  Vou  den  einzelnen  Eisenpräparaten  ilndeu  sich  in  den 
letsten  Jabren  speciell  empfohlen  das  Protojoduret  ferri,  das  Eisenoxalat,  das 
Ferr,  carbonui,  «aeeharat.  ete.  Aneb  die  snbentane  Anwendung  des  Eiseos 
findet  weiter  ihre  warmen  I-.obreflner.  5Jf)  hält  Magagnt dieselbe  für  weitaus 
das  be«te  Mittel,  um  die  bei  Chlnrosr  vt  rinindt'rf e  Thiltigkeit  der  hämatopoetischen 
Organe  (zu  denen  er  Leber,  Milz  und  Kuoeheumark  zählt)  anzuregen.  Als  Vortheile 
der  Hetbode  fBbrt  er  an :  die  Sebonnng  des  Magendarroeanalee ;  die  gleiobmissige 
Einwirkung  auf  sAmmtlicbe  blntbildende  Organe  (wiiirend  das  vom  Darm  ans 
resorbirte  Kisen  besonders  auf  die  Leber  wirken  soll);  die  Möglichkeit,  grössere 
Dosen  einzuführen;  die  Schnelligkeit  der  Wirkung  und  die  Vermeidung  von 
Obstipation.  Von  Eisenealzen  bevorzugt  er,  neben  dem  Ferr,  cüncum,  das  Fbit, 
pyr&phoitphor.  cum  Amnion,  ckriv. ;  als  Dose  empfiehlt  er  tSglicbe  Injection  von 
0-2 ;  in  der  Mebriabl  der  FJÜle  sah  er  naeb  50 — 100  Injeetionen  die  Heilung 
eintreten. 

Neben  der  Anwendung  des  Eisens  und  ähulich  wirkender  Mittel  hebt 
y.  HössuN*)  für  die  Bebandinng  der  Ohiorose  die  Wiebtigkelt  der  Hetboden 

hervor,  welche  durch  energische  Anregung  des  Stoff Wechsels  eine  Vermehrung  des 
Häuiof?lobinp:ehalteH  im  Blut  herbeizuführen  im  Stande  sind,  nilnilieh  der  Hydro- 
therapie und  der  Massage.  Da  erstere  hier  durch  starkeu  thermischen  Nerven- 
reis wirken  soll,  ohne  viel  Wirme  %n  entstehen,  so  ist  die  knrse  Anwendung 
niedrig  temperirten  Wassers  (kalte  Abreibung,  Hrause-^  Voll-  oder  Halbbad),  eventuell 
nach  vorher^'^elii  iider  Wärmestauunfr  (durch  Einpackung  etc  )  am  Platz.  Die  Massajje 
passt  für  die  besonders  schweren  Formen  der  Chlorose,  namentlich  wenn  sie  mit 
starker  Abnahme  des  Körpergewiebtes  eiobergehen  und  wird  am  besten  nach  dem 
Uodns  einer  milden  pLATFAUt'selien  Onr  angewendet. 

Die  zur  Hebung  der  Chlorose  und  der  sie  begleitenden  Verdauungs- 
beschwerden empfohlenen  Maß'enausspUlungen  nebst  der  Anwendung  des  Creosot 
wurden  schon  oben  angeführt.  ^) 

Der  neuerdings  gemaehte  Vorseblag,  Oblorose  nnd  verwandte  AnJUnien 
durch  Aderlässe  zu  heilen  (vergl.  Encyclopäd.  Jahrbücher.  Bd.  I,  pag.  152), 
wurde  bisher  nur  von  weniiren  Seiten  nachgeprüft.  Neu  ist  hier  citK-  MittheiliiTig 
von  äCHUBK&T     ZU  erwähubu ,  welcher  nach  15  Fällen  die  güastige  Einwirkung 


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136 


OHLOR08I9.  —  CHOLERA  ASIATIOA. 


kleiner  Aderl&sse  (Vi — 1  (>rm.  auf  das  Pfund  Körpergewicht)  bestätigt.  —  Eine 
Erkllron^  diew»  gllnstiii^ea  Binflusses  wird  in  einer  anderen  Mittheilung  in  der 
durch  den  Aderlass  hervorgeniffloen  abMtonden  Wirkung  «nf  beetebeode  oon- 
gwtionelle  Zustitndci  der  Sexualor^ane  pres^ucht. 

Endlich  wiederholt  11.  ScBULZ  i^)  kürzlich  die  Empfehlung  des  Schwefel  s 
für  die  Behandluug  der  Chlorose  (vei^l.  Encyclopäd.  Jahrbücher.  Bd.  I,  pag.  152) 
und  mOebte  deo  Natsen  dM  lUtldB  von  ^er  dureb  denen  Bfaifabrung  erreiobten 
Beförderung  der  Eüweine^ation  im  Kftrper  tUeiten. 

Literatur:  ')  A.  Pick,  Znr  Therapie  der  Chlorose.  Wiener  klin  Wochenachr. 
1891.  Nr.  60.  —  ')  R  <•  t  Ii  e  r.s  ,  Beitrags  zur  Pathologie  der  Chlorose.  Inang.-Disa.  Berlin  18M1.  — 
V.  Limbeck.  Notiz  de»  Blutbefundes  bei  Chlorose.  Prager  med.  Wochenscbr.  18dli 
Mr.  10.  —  Proby,  X>e  la  Thrombose  veüMiue  ehez  Ut  CMorotiquea.  Pari«  1890.  — 
*)  Barn,  Clinieal  ohtervotUm»  on  th»  tardiae  bruit*  of  (^loro»it.  Avur.  JoQm.  of  ned. 
Scienc.  Oct.  18'J1.  —  *)  R  i  c  h  ;i  rd  s  n  n  ,  On  hritlf  ih'  diable  in  f'/ilorosh.  Rrit,  iiiod.  .Teurn. 
27.  June.  —  ')  Magagni,  Contributu  alla  rura  drlla  Cloranemia  coUe  injezioni  sottocutanee 
disali  di/erro.  Raccoglit.  med.  20-  u.  30.  Giugno  18!Hl.  —  <>)  v.  Hdsalia,  üdWdi«  Behand« 
hing  der  Anjimie  nnJ  Chlorose  nnd  den  Einfluss  der  Hydrotlierapie  und  Massage  auf  dis  Bliit- 
bildung.  Müuchener  med.  Wochenschr.  1891.  Nr.  45.  —  *)  Schubert,  Die  Behandlung  der  Bleich- 
sucht mit  Aderlässen  und  ^Schwitzbädern.  Wiener  med.  Wochenschr.  1S<<1,  Nr  IS.  — 
^'^Scbücking,  Ueber  Bleichnacbt  und  Stoffweduel.  Ebenda.  l>in,  Nr.  21— ;>3.  —  ")  U. 
Schuls,  ZurBehandluig  derCbloroM  mit  SdiiialU.  BarliDcr  klin.  Woehansehr.  1892,  Nr.  13. 

Biats. 

Cholera  asiatlea.  i.  Hi  storisches.  Seit  dem  Jahre  1883  ist  Europa 

in  der  Oefiihr  frewpsen,  wiederun»  nach  einer  litnfreren  Frist  der  Schaiiplat?,  atir-i- 
gedehnter  Choleraepidcroicn  zu  werden.  Im  Wesentlichen  blieb  die  Seuche  in  den 
Jahren  1884 — 1886  auf  die  südlichen  Länder  Europas  besehrinkt,  wo  es  nament- 
IkA  in  Frankreieb,  Italien  (Genna  und  Neapel)  nnd  in  Spanien  an  verbeerenden 
Epidemien  kam.  Durch  Schiffe  wurde  die  Krankheit  aueh  nach  .Ameiilca  ver- 
schleppt: und  so  brachte  das  Auswanderun^.stuchilT  „Matteo  Bruzzo"  den  Cholerakeim 
nach  Chile  hinüber,  worauf  sich  in  dic;«em  Laude  im  Jahre  188G  die  indische 
Krankbeit  avsbreitete. 

Mittel'  und  Nordeuropa  blieben  bis  zum  Jahre  18*)2  bis  auf  einige  wenige 
Ausnahmen  verschont.  1886  kamen  iirplntzlieh  einige  Cholerafälle  in  der  N.the 
von  Mainz,  in  Finthen  und  Gonsenheim  vor,  deren  Ursprung  unaufgeklärt  ge- 
blieben ist*),  ebenso  in  Bresiaa  und  Budapest.  In  derselben  Zeit  bemebte  eine 
Clioleraepidemle  in  der  Umgebung  von  Triest,  Ober  die  Gedbbb  ausfQbrlieh 
berichtet  hat.  Htircli  italienische  Dampfer  kam  es  von  Neuem  zu  einer  Ver- 
.schleppnnfr  der  Kraiikljeil  nach  Arireiitinien.  1887  erscheint  die  Cholera  in 
Sicilieu  uud  ISl'U  vou  Neuem  in  Spanien. 

ESrsi  vor  wenigen  Monaten,  im  August  1892,  bat  sieb  der  grimme  Feind  an 
der  Kordgren/e  Deutschlands  gezeigt  nnd  dazu  mit  einer  Heftigkeit  und  Wildheit,  dass 
man  die  eutset/.li«die  Angst  des  Laien  wohl  zu  verstehen  mag.  Um  die  genannte  Zeit 
trat  mitten  im  tiefsteu  Frieden  urplötzlich  und  mit  einer  fast  beispiellosen  Schnellig- 
keit in  der  Ausbreitung  in  Hamburg  eine  Choleraepidemie  auf,  wie  man  mit  Reebt 
gesagt  bat,  explosionsartig,  welebe  binnen  drei  Monaten  17.975  Personen  auf  das 
Krankenlager  w.irf  und  iint«T  ihnen  TfU  1  T'ersnnen.  also  42'8-' „  der  Erkrankten 
tödtete.  )  (Jleiclizeitig  mit  Hamburg  erkrankte  das  mit  ihm  in  unmitttdbarer  Berührung 
stehende  Altona  und  bald  wurde,  namentlich  durch  Cbolcrallüchtige  und  Schiffer, 
die  Krankheit  in  wMtere  nnd  weitere  Kr^se  getraf^.  So  sab  man  sebr  bald 
iSngs  der  WasFer.strapsen,  die  mit  Hamburg  in  Verltindnn^'  stehen,  d.  h.  in  den 
Ge'detcii  der  l'Ihe ,  Havel,  Spree.  Oder,  WeiclHol  uml  des  Klieine-»,  CholerafHlle 
auürctea.  Dank  der  Sorgfalt  und  strengen  Ucbcrwachuug  seitens  der  Staats- 
behörden ist  efi  bisher  gelungen,  überall  den  Keim  zu  ersticken  nnd  eine  grossere 
Verbreitung  desselben  zu  verhindern. 

Wie  der  Chfdcrakciin  nach  Haml»iirg  ^^cl.-mL'tc .   ist   bis  Jetzt   niclit  auf- 
geklärt,  l^^s  liegen  dafür  zwei  Möglichkeiti  n  vnr.  Einmal  könnten  russische  Aus 
Wanderer  das  Krankheitsgilt  mitgebracht  habcu,  dcnu  Russlaud  hatte  seit  Anfang 


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CHOLERA  ASIATICA. 


137 


1892  eine  recht  au8o:obrcite  Chnleraepidemie ,  oder  der  Chnlerakeim  ist  durch 
französische  Schiffe ,  vielleicht  aus  Havre,  nach  Hamburg  eingeschleppt  worden. 
Im  April  1892  war  es  nämlich  in  der  Nabe  vuq  Paris,  in  der  Strafanstalt 
Nantene,  ni  einer  Gholeraepideiiiie  gekommen,  wdehe  beld  auf  die  Vorttidte  Ton 
Paris  and  anf  Paris  selbst  ubergriff.  Von  Courbevoie  hm  Paris  wnrde  im  Juli  die  Seuche 
nach  Havre  gebracht,  wo  am  14,  Juli  der  erste  Cholerakranko  verstorben  sein  goll 
und  sicher  scheint  es  jedenfalls  zu  sein,  dass  von  Havre  aus  Antwerpen  durch  den 
Dampfer  „St.  Paul**  angeatoelct  wnrde.  Von  woher  die  Oholera  pKHslieh  in  die  Nlhe  voa 
Paris  kam,  Unt  eich  nicht  einmal  vermuthungswoise  feststellen,  und  es  ist  au  be- 
fürchten, das''  man  hierfiber  niemals  zu  einem  sicheren  Aufschlüsse  gelangen  wird. 
In  unverantwortlicher  und  lächerlicher  Weise  bat  man  das  Herrscheu  der  Cholera 
in  Frankreich  fortzuleugnen  versucht  und  noch  bis  auf  die  letzte  Zeit  hin  viel- 
&eh  nnr  von  einer  choleraihnliehen  Krankheit  gesproehen,  obeehon  Nmia  bereits 
bei  den  ersten  Erkrankungsfällen  KoCfl'sche  Kommabacillen  in  den  Darmcnt- 
leerungcn  nachgewiesen  hatte.  Man  hat  gemeiut.  es  seien  von  einer  Epidemie  des 
Jahres  lbÖ4  Keime  in  der  Umgebung;  von  Paris  verborgen  geblieben,  im  Wider- 
spruch mit  allen  Brmngensehaften  der  Bakterienforadmng  sollte  aneh  der  vw 
breitete  Darmparasit,  das  Bacteriutn  coli  commune,  sich  plötzlich  in  Cholera- 
bacillen  nmgcwandelt  halien,  ja,  man  hat  sogar  versucht,  die  Cholera  in  Frankreich 
von  Hamburg  aus  herzuleiten,  obschon  in  Hamburg  die  erste  Choleraerkrankung 
am  16.  August  vorkam,  während  in  Paris  weit  dem  April  nnd  in  Havre  seit  dem  Joli 
Cholera  herrsehte.  In  Bezug  anf  eine  mögliche  Eänflilir  der  Cholera  aus  Russland  naeh 
Hamburg  muss  hervorgehoben  werden ,  da?«H  unter  den  auswandernden  russischen 
Juden ,  die  in  besonderen  Räumen  in  der  Nähe  des  Hafens  untergebracht  und 
Uberwacht  wurden,  keine  Choleraerkraukuug  vorkam.  Koch  soll  der  Meinung  sein, 
dass  möglicherweise  Wisehe,  welche  mit  Oholerastnhl  in  Bussland  verunreinigt  war 
nnd  in  di  r  Elbe  in  Hamburg  gereinigt  wnrde ,  die  Quelle  der  Ansteekung  ab- 
gegeben habe. 

Während  in  Hamburg  selbst  die  Choleraepidemie  gegen  Ende  October  1892 
ihr  Ende  erreichte,  hatten  sich  mittlerweile ,  wie  bereits  erwähnt,  neue  Cholera- 
herde von  Hambarg  ans  in  der  Nachbarschaft  und  namentlich  längs  der  Ströme 
der  iiunMintscIien  Ebene  gebildet  D.i/ii  kam  der  Ausbruch  der  Seuche  in  Bel'^ien 
und  Holland  und  späterhin  in  Galizien  und  Ungarn.  Bis  zu  dem  Augenblicke,  in 
welchem  diese  Zeilen  niedergeschrieben  werden  (Härsl893),  liest  man  immer 
wieder  von  neaen  und  neuen  Erkrankungen.  Berechtigtes  Aufsehen  maehte  dne 
ausgedehnte  Hausepidemio ,  die  im  Februar  180.3  unerwartet  in  der  Irrenhetl* 
anstalt  Nietleben  bei  Halle  an  der  Saale  auftrat.  Hounruhigendc  Nachrichten  kamen 
von  Marseille,  doch  scheint  es  hier  gelungen  zu  sein,  vielleicht  weniger  der  Seuche 
Herr  au  werden,  ah  vielmehr  die  Sache  in  gewohnter  fk'anaOsiseher  Manier  au 
vertnsehen.  In  Rus^land  macht  sich  die  Krankheit  in  manchen  Kreisen  von  Neuem 
breit.  In  Asien  sellist  wdtlien  Dinleraepidemien  in  heftiger  Weise  fort.  Kurz  und 
gut,  man  befindet  sich  in  Kuropa  auf  einer  Art  von  Kriegsfuss,  hat  jeden  Augen- 
blidc  auf  dn  erneutes  nnd  in  diesem  Jahre  vidlwdit  erfolgreiehem  Eindringen 
und  Umriehgreifen  des  Feindes  gefasst  au  sein,  so  dass  sich  den  bisherigen  vier 
Cholerapa ndemien,  welche  in  den  Jahren  1817—182.3,  lS2t)— 18;?7,  1846  —  1863, 
1865 — 1876  den  Erdball  durchwandert  haben,  möglicherweise  eine  fttofte  Pan- 
demie  anschliessen  wird. 

II.  Aetiologie.  Gerade  die  Hamburger  Epidemie  hat  die  Veranlassung 
dafür  abgegeben,  dass  binnen  wenigen  Monaton  eine  fast  erdrückende  Zahl  von  Journal- 
artikeln  über  di«'  asiatische  Cholera  veröffentlicht  worden  ist.  Man  hat  dieselben 
namentlich  in  der  deutschen  mcdicinischen  Wochenschrift,  zum  Thoil  auch  in 
der  Berliner  klinischen  Woehensebrift  an  suchen.  Leider  steht  die  Zahl  der  Ver- 
Offiantliehnngen  zu  ihrem  wirklichen  Werthe  und  namentlich  zur  Erweiterung 
unserer  Kenntnisse  in  einem  sehr  grellen  MissvcrhJlltniase.  Dieser  Anhiebt  wird 
sich  namentlich  Derjeuige  nicht  verschlieasen  können,  der,  wie  der  Schreiber  dieser 


138 


CHOLERA  ASIATICA. 


Zeilen,  wiederholen tlich  Ciioleraepidemien  als  Arzt  miterlebt  hat ,  und  auch  der 
nicht,  welcher  mit  der  Choleraliteratar  auch  nur  eiaigermassen  vertraut  ist,  wobei 
irir  es  nieht  Tersftamen  wollen,  «of  die  in  ibran  kliniiehen  Thelte  noch  immer 
nnflbatroffene  Daratdlang  von  Griesinger«)  hinzuweisen. 

In  dem  GetOtmnel  widerstreitender  Meiiiun{?en  ist  eine  That-üiche  unberührt 
und  von  allgemeiner  Anerkennung  {reblieben,  nilmlich  die  d  i  a  g  n  o  s  t  i  s  c h e  Be- 
deutung des  Kücu'scben  Komiuabaoill  ua  bei  der  asiatischen  Cholera. 
Wobl  Niemand  wird  es  bentsntege  wagen,  die  Diagnoie  auf  aalatiaehe  Cholera 
mit  Sicherheit  zu  stellen,  bevor  es  ihm  gdangea  Ist,  den  KocH^schen  Komma- 
baeillua  in  den  Ausleerunpen  des  Krauken  nachzuweisen.  Freilich  haben  pferade 
die  Erfahrungen  der  jüngsten  Tage  gelehrt,  dass  dabei  iSchwierigkeitea  erwachsen 
können,  welehe  vordem  wenigstens  niebt  so  sehr  zur  allgemeinen  Kenntnis« 
gekommen  waren.  In  vielen  Fällen  genfigt,  namentlich  für  den  Geflbten,  schon  eine 
mikroskopische  riitcrsnrbiing  des  Stuhles,  weil  derseltte  nieht  selten  fast  eine  Rein- 
cultur  von  KomuKili.irilk'u  daratfllt.  Man  hole  namentiieh  Fleckchen  aus  dem  Stuhle 
heraus,  verreibe  sie  auf  einem  Deckgläschen,  ziehe  letzterem  mehrfach  durch  eine 
Flamme,  fürbe  es  mit  Terdfinnten  Carbolfudidn,  spflie  ts  in  Wasser  ab,  Iroekne  ea 
und  lasse  es  auf  einen  Tropfen  Xylol-Canadabalsara  fallen,  den  man  auf  ein  Ohject- 
glas  gethan  hat,  und  man  wird  die  {jekrilmmten  Haeiilen  leicht  in  dem  Präparate 
erkennen.  In  maucheu  Fällen  sind  die  Bacillen  sparsam  und  werden  namentlich 
dnreh  das  Baeterium  coli  eommun«  so  verdeekt,  dass  der  mikroskopische  Befand 
allein  zweifelhaft  oder  negativ  au*f:tllt.  Man  lege  dann  Platteuculturen  an.  wobei 
sieh  die  Cnlonien  Koniniabaeillen  in  sehr  cliarakteristisehiT  \Veis(^  liervorthun. 
Sie  zeigen  einen  unregelniMssigen  Contur,  vertlüssigeu  sehr  schnell  die  Gelatine  und 
gewähren  bei  mikroskopischer  Untersuchung  ein  kömiges  und  glänzendes  Aussehen, 
wie  wenn  sie  aus  kleinen  OlasstOekehen  xusammengesetst  wiren.  In  der  Hehrsabl  der 
Fllle  ist  die  Diagnose  in  24  Stunden  sicherge^ellt.  Man  bat  freilieh  die  Erfahrung 
gemacht,  dass  in  einzelnen  Fällen  vorübergehend  Kommabacillen  im  Stuhle  trotz 
ausgebildeter  Cholera  fehlen  kouueu,  oder  Fäulnisspilze  im  Darme  können  auf 
der  Platte  so  wnehem,  dass  die  Cholerapilse  erst  naeb  längerer  Zeit  snm  Vor- 
schein kommen.  So  sah  ich  im  vorigen  Sommer  eine  Dame,  welche  anf  der  Heise 
von  I'sris  naeh  Bukarest  an  Frbrechen  und  I)urehfall  erkrankt  war  und  deshalb 
ihre  Heise  in  Zürich  unterbrach.  Mein  College  ü.  WYt»^  untersuchte  bakteriologisch 
den  Stnbl.  Bs  i>ebi«Mii  anfangs  nur  Cnituren  von  Baeterium  coli  eonrnun« 
gewaefasen  bu  sein  und  erst  dureb  immer  fortgesetzte  Untersuchung  gelang  es 
ihm,  am  1.^.  Tage  einige  wenige,  aber  völlig  siebere  Golonien  von  KonunabaciUea 
zu  gewiiiiH>ii. 

Hakteriologische  l'nteräuehuDgen  sind  leider  uoch  nicht  Allgemeingut  der 
Aerste  geworden,  und  so  werden  viele  Aercte  darauf  angewiesen  sein,  die  Stflble 

von  Verdächtigen  an  hygienische  Institute  oder  an  bakteriologisch  geschulte  Aerzte 
au  schicken,  um  dic-ell^en  untersuchen  zu  lassen.  Bei  solchen  Sendungen  achte 
man  darauf,  da.ss  man  die  Probe  des  Stuhles  in  ein  weithaUiges  und  gut 
sebliessendes  Qlasgefltss  mit  Glasstöpsel  bineinthnt,  wobei  man  namentlieb  anf 
das  Vorbandensein  von  Flocken  Bedacht  zu  nehmen  hat;  das  Glas  wird  alsdann 
mit  einem  was-ierdicliten  Stoffe  fest  umhfillt  und  umbunden  und  dann  behufs  Ver- 
seudung  mit  der  Post  in  ein  festes  Ilolzkistchen  mit  Siigespilhnen  gepackt.  Die 
Menge  der  Probe  soll  so  bemessen  sein ,  dass  eine  Eintrocknung  während  der 
Fabrsfnt  nnmöglieb  ist.  Dem  Stuhle  dürfen  keine  Desinlidentien  bmgemisebt  sein, 
well  die■^e  eine  Entwicklung  von  Choleraeulturen  verhindern  würden. 

Zu  einer  sicheren  Erkennnn?  di  r  Kurh'si  hcix  Konini;iliat:ilten  bleibt  das  Änltgeu 
von  Platten«  iilturen  und  spater  von  Stirlu  ulturen  der  t  iiizi;^  sieherf  Weg.  Man  hat  den  Ver- 
sncli  gemacht,  Koch'fiche  Knnimnbnrillen  durch  eine  i  (u-tnischf  itfuitiuii  aut'  soj;<'tMn utt-s 
Cbolerarotb  nacbanweiaen.  Pohl,  Bujwid-}  und  Duahaiu*')  luacliteu  zuerst  darauf  auf- 
nerkaam,  dam  afch  Cholerabarniencnllaren  bei Znsata  von  Mineralsänren  rotb  ftrben.  Brieger  ^ 
wies  dlMea  Farbstoff"  als  ein  Iiidn!i1t>riv;it  nach  i;nil  besonders  einfrehend  hat  Salkowski") 
das  Zastaadekommen  der  Beaotiou  verfulgt.   Die  ErscbeinuDg  ist  trotz  der  gegcntheiligen 


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CHOLERA  ASIATICÄ. 


139 


Behaaptong  TonWeil  deshalb  oho« diagnoittischen  Werth,  weil  aocb  naoobe  aodera  Bakterien 
dieselbe  Reaetion  feben,  s.  B.  der  Deneke'aehe  Kiflespirillii^  der  Miller'ecbe  Hnad^iirilliu, 

der  Fin k  1  e  r  -  P  ri  or'eche  SpirillDS,  der  Emmeri  ch'sche  ßacillns,  der  Vibrio  Met^tnikaff 
nnd  der  liucillus  pyogwes  foetidus  (Ali-Cohen''),  Jadassohn '"),  Pfeiffer"). 

Als  amiiYerliBsig  und  damit  als  vc'rt>')ilt  masB  der  Vermieh  TOn  Laier**)  beulehaet 
irefden,  OboleFacoItnren  als  solche  durch  den  Gemchssinii  sv  erkennen. 

Wir  wollen  nicht  versäumen,  an  dieser  Stelle  daranf  hinzoweisen,  dass  mehrere 
Bacillnn  bekannt  sind,  ■wek-he  dem  Kuch'schen  Konunaliacillus  sehr  älinÜLh  sehen,  so  dass 
sogar  voreilige  Aerzte  gemeint  haben,  daae  dem  Kommabacillns  von  Koch  jede  pathognomooigche 
und  dia^ostiaebe  Bedentang  abgehe.  Zv  dieaen  BaeiHen  gebOren  anawr  dem  Fiskler- 
P  r  i  0  r'sehen  BacillllB,  vdehen  di"  Entdorkor  irrthümlirher  Weise  mit  der  Cholera  nosh-as  in 
Verliiniiun^r  brachten  nud  daher  für  eint  n  Verwandten  des  Koch'soben  Kommabacillus  erklärten, 
der  Muudhühlenbacillns  vonilillor"*),  derKäsespirillus  von  Deneke  '*),  der 
Kotbbacillas  von  Knial'*).  der  Vibrio  MeUchnikoff^^)  lud  ein  vonf  okker**)  im  Hafen» 
Wasser  von  Groningen  gefundener  Spaltpilz.  Anch  berichtet  Fttrbrf n f  er*^,  in  einem  FaHe 
von  ('hdhrd  uuntnis  Komniabarilleii  ^reliinden  zu  haben,  welche  aljer  nicht  mit  den  Koch- 
scben  Kummabacillen  identisch  waren.  Alle  die.se  Spaltpilze,  wenn  üie  auch  in  der  Form  dem 
Koch'scben  Kommabacillns  ahnlich  sind,  unterscheiden  sich  von  Ihm  dnreb  ihr  Moiogisehea 
Verhalten,  d  b.  durch  ihr  Wachsthum  bei  Cultur versuchen. 

Emmerich  hat  den  nnplücklichen  Versuch  gemacht,  den  sogcnanitcn  E  mm  er  i  eb- 
ne h«n  Neapicr  Bacillu»  als  den  Haupterreger  der  Cholera  hinzu.steilen.  Mit  Recht  hat 
man  diesen  Üntersuchnngen  vorgeworfen ,  dass  sie  nicht  mit  der  nothwendigen  Vorsicht  aaa> 
gefBhrt  worden  seien,  nnd  xndem  bat  noch  Weisser**)  d«n  Nachweis  geliefbrt,  dass  diesen 
Spaltpilzen  gar  kein^  BfziehuDKen  zu  der  aaintiscben  Cholera  zukommen. 

In  Be/.n?;  auf  die  Morphologie  des  Koch'schen  Komniabarühis  haben  die  letzten 
Jahre  eine  Bereicliernng  der  Kenntnisse  gebracht,  nämlich  den  Nachweis  von  Geis-selfilden. 
Löffler  hat  eine  Färbungsmethode  angegeben,  welche  zar  Darstellung  von  Geitiselfäden  führt. 
An  den  Koch'.schen  Kommabacillen  erkennt  man,  dass  von  einem  Ende  ans  ein  einziger 
Geissell'aden  ausgeht,  welcher  etwa  die  iio|)pi'lte  Lan^r^  des  Pilzkörpers  erreiclit  !inü  i  ftViilnr  die 
lebhaften  Bewegungen  vermittelt,  welche  frische  Cbolerabacillen  bei  Untentuchuug  im  hängen- 
d«n  Trafen  tefgra.  Beilftnflg  bemerkt,  ^nelten  di«  Cholerabaeillen,  wenn  man  sieder  LBfflei^ 
•eben  ^rbong  nnterwirfr,  zu  pinmpen  Gebilden  anf. 

Wie  filier  dit>  (liafrnostische  ncdeutung  des  Kocil'ficlicri  Koiimiabacillns 
die  Ansicli teil  übereinstimuicud  lauten,  so  dürften  »uch  die  Meinungen  Uber  die 
fttiologisehe  Rolle  dieses  Poraaiton  kaum  getbeilt  sein,  nnd  wir  dflrfen  wohl 
als  gesicherte  ThatsAcbo  .•umelinien,  das-»  es  ki-inr  CIioIerMcrkrankun^'  triebt,  wenn 
nicht  zuvor  der  Korn  sditi  Konimaliacillti-  in  di  n  Ürj^ani.smus  einj^edruntron  ist 
und  in  demselben  seine  Wirkung  entlaltet  hat.  Der  Gedanke,  das^  die  Cholera 
äxaxh  eine  anbekaonte  Sebftdiiebkeit  bervorgerafen  sei  und  derartige  Hedingungen 
in  dem  erkrankten  KSrper  sebnffe,  das«  immer  und  nnr  allein  bei  ihr  die  Komma- 
hacillcn  als  etwas  Hedeutungslopes  zu  wuchern  im  Stande  seien  ,  erscheint  sohon 
an  und  für  sieh  un;flaul»lieh  und  ist  meines  Wissens  ohne  Analo^rie. 

Ks  liegt  selbstverständlich  nahe,  etwaigen  Zweitein  durch  das  Experiment 
an  begvgnen  nnd  begreiflieberweise  wandte  man  sieh  xunlehst  dem  Thierveranehe 
tn.  Von  vornherein  muss  man  darauf  ^efasst  sein,  Schwierigkeiten  zn  begegnen, 
denn   sichere  Beobachtungen    von  ('liolcr.u(rkr:niknii^'  liei  T/  ioren   sind  nicht  be- 
kannt, so  dass  also  der  Tbierkörper  lUr  das  Lhulcragitt  unempfänglich  zu  sein 
aeheint.  In  der  That  haben  denn  auch  Tenroohe  tod  Kocfff  Nicati  nnd  Ribtscm, 
Pfeiffer,  Hubpe  u.  A.  ergeben,  dass  zwar  Tbiere  nach  Einverleibung  von  Cholera- 
baeillen  .«terben,  d.i.ss  man  aber  dabei  das  klinische  Bild  der  a^iatischeu  Cholera, 
wie  man  es  beim  .Menschen  kennt,   vermi^.st  oder  es  doch  nur  ieielit  angedeutet 
findet.  Man  sagt  daher  mit  Hecht,  dass  der  Tliierkürper  zwar  dem  verderblichen 
Einflösse  der  Gifte  anginglioh  iat^  welehe  die  KoCH'sehen  Kommabaeillen  erzeugen, 
dass  aber  eine  eigentliehe  lafeetion  des  Thierkörpers  nicht  zu  Stande  kommt,  und 
damit  inus-»  man  otlen  zugestehen  ,    dass  bisher  der  Thierversuch  keinen  lücken- 
losen  und  biuduudeii  liewois  tUr  die  pathogene  Hudeutuog  des  Kommabacillns 
erbraebt  bat. 

Ans  neaester  Zeit  liegen  nun  aber  auch  Versuche  am  Menschen  vor, 

webhe  —  weniiTstens  naeh  unserer  Auffassung  tind  reberzeugiing  —  zu  zweifel- 
los sicheren  Ergebnissen  geführt  haben.  F>  wird  gut  thun,  sieh  darüber  klar  zu 
Bein,  was  man  zu  erwarten  hat,  wenn  gesunde  Menschen  KocH  sche  Kommabacillen 


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140 


CHOLERA  A8IATIGA. 


▼erschluckt  haben.  Offenbar  werden  nieht  alle  solche  Personen  an  Cholera  er- 
kranken müssen,  denn  jode  aut^edehnte  Epidemie  lehrt,  dass  von  Personen,  welche 
unter  gMcben  ümatlnden  leben,  z.  B.  Mitglieder  ein  nnd  derselben  Familie,  immn 
nnr  einzelne  erkranken,  andere  vollkommen  gesund  bleibeo.  Offenbar  sind  bei  den 
geeand  Gebliebenen  die  Kommabacilien  durch  den  sauren  Ma^enaaft  getödtet  worden, 
oder  vielleicht  gelangten  sie  selbst  lebend  in  den  Dann .  doch  erwies  letzterer 
sieh  alf  widerstandsfähig  genug,  nm  der  Einwirkung  der  Spaltpilze  in  widerstehen. 
Ikalwr  auch  kein  Wunder,  da»  man  in  Choleraorteo  KoCH'sehe  Kommabacilien 
ans  den  •reformteri  KotlimaRsen  o:e«nnder  Menschen  gewinnen  kann ,  wie  dies 
Rümpel  '•')  aus  der  Hamburger  Kpidemie  berichtet  hat.  Es  kann  also  nie  und 
nimmermehr  davon  die  Rede  sein ,  dwi^ ,  wenn  Gesunde  Choterastuhl  oder  Rein- 
caltnren  von  Kommabadllen  trinken,  dksse  stets  und  ▼ielleielit  gar  an  sehwerer 
Ckolera  anatica  erkranken  mUssen,  weil  die  Individualttilt  oder  persönliche  Wider- 
Btandsfftbi«rkeit  ohne  allen  Zweifel  eine  Hauptrolle  spielt.  Es  scheint  uns  wesent- 
licli  darauf  anzukommen,  nicht  wie  oft,  sondern  ob  Überhaupt  nach  der  Aufnahme 
von  KoCH'sehen  Kommabacilien  krankhafte  Brsebeinttngen  lieobaehtot  worden  sind, 
welche  die  Zeichen  drr  isiatisrhen  Cholera  wiedergeben.  Diese  Frage  mnsa  nnseres 
Eraehtens  ohne  jedes  Zaudern  bojabt  werden. 

Koch  hat  bereits  vor  m<;brereu  Jahren  die  Mittbeilung  gemacht,  dass 
.ein  Arzt,  welcher  in  Koch's  Laboratorium  mit  Cholwaoaltaren  arbeitete,  an  Cholera- 
durebfall  erkrankte  nnd  in  srnnem  Stobie  Kommabacilien  hatte,  offsnbar  weil  er 
sich  bei  seinen  üntcrsuchnn^'-en  angesteckt  hatte  nnd  nicht  mit  der  nothwendifjen 
Vorsicht  vorfahren  war.  Im  fran/en  Deutschland  kam  damals  keine  Cholera  vor. 
V.  PKTTKNKOFER  uud  Emmekicu  verschluckten  absichtlich  Bouilloncuiturcn  von 
Cholerabaeillen  nnd  beide  Aerate  erkrankten  «ehr  bald  an  Dorobfall,  weleher  bei 
EmhBRICH  jedenfalls  derart  war.  dass  er  es  fdr  ntUhi^  hielt,  dem  Ratho  von 
V.  ZlEM.'JSKX  ZU  folgen  nnd  den  Durchfall  mit  Opium  zu  bekilmpfen.  V  Pettev 
KOFER  giebt  nun  freilich  an,  dass  nach  der  Meinung  von  v.  Ziemsskx  und  Bauek 
sdne  nnd  Ehmbbich's  Erkrankung  nicht  den  Symptomen  der  asiatiseben  Cholera 
geglichen  habe,  allein  darflber  kann  man  doch  sehr  verschiedener  Ansicht  sein 
und  Jedermann,  der  Choleraepidemien  durch^'-cmacht  hat,  weis-»,  dass  sich  die 
Ansteckung  hinter  dem  Hilde  eines  gewöhnlichen  und  bedeutuug^losen  Durchfalles 
verstecken  kann.  Ftlr  meine  Person  —  das  zögere  ich  keinen  Augenblick  in  der 
offensten  Weise  einsngestehen  —  haben  v.  Pbttbnropbr  nnd  EmiBRiCH  den  glin- 
zendsten  Beweis  von  der  pathogenen  Bedeutung  des  KocH'schen  Kommabacillus 
an  ihrer  Person  •r«'Iiefert.  Soeben  lese  icli .  das-;  Hasterlik '^'j  den  V,  Pktte.v- 
KOFEK  schen  Versuch  wiederholt  hat.  E.s  wurden  bei  vier  Personen  sechs  Experi- 
mente mit  dem  Versehlueken  von  Reineultnren  gemaeht.  Viermal  zeigten  sieh  keine 
Polgen  und  zweimal  kam  es  zu  Kollern  im  Leibe  und  DurehfalK  welcher  mehrere 
Tage  Willi rte.  HaumoaRTRK  ■-■^)  giebt  an,  dass  HornKFdS'TATVK  in  Paris  und  KlkiV 
in  Rromber^  Cholerabaeillen  verschluckt  haben  sollen,  ohue  danach  krank  geworden 
zu  sein,  doch  bedarf  diese  Nachricht  sehr  einer  genaueren  AnfkUlmng. 

Einem  Experimente  sehr  nahe  stobt  die  Erfahrung,  welehe  KOGB  bei 
seiner  Forschungareise  in  Indien  machte .  dass  sich  in  einem  Tank  (Tllmpel) ,  in 
welchem  Wüsche  von  Oholerakrankeii  f^ereiniirt  wurden  war,  Kommabacilien  im 
Wasser  fanden,  und  dass  die  Auwohuer  dieses  Tunkcs  au  Cholera  litten,  da  sie 
von  dem  Wasser  getrunken  hatten,  wShrend  in  der  weiteren  ümgebung  keine 
Cholera  herrschte.  Fernerhin  berichtete  Ouarch -*),  dass  in  einem  Jägerbataillone 
Cholerafillli-  vorkamen,  und  dass  man  bei  rntersuchunjr  dfs  Wassers  in  einer  Kufe,  aus 
welcher  die  Soldaten  getrunken  hatten,  Kommabauillen  fand.  Die  öeuche  schwand 
naehdem  man  den  Soldaten  verboten  hatte,  ans  diurnr  Kufe  ihr  Wassnr  in  enteehmen. 

Wenn  man  sieh  ein  ürtbeil  darflber  bilden  will,  in  weleher  Weise  die  Kocb- 
sehen  Kommabacilien  den  Krtrper  schädifren,  so  dnlnfTfU  Erfahrungren  aus  anderen 
Gebieten  der  Bakteriolojrie  zu  der  Vermuthun?:  hin,  dass  diese  Spaltpilze  <r<  wisse 
Gifte  erzeugen,   welche  theils  den  Darm  selbst  krankhaft  verandcru  ,   thc-ils  den 


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CHOLERA  ASIATICA. 


141 


Gesammtkflrper,  vor  Allem  da8  Nervensystem,  vergiften.  An  Bemtihung-en,  diese 
Gifte  darzustellen,  bat  es  nicht  gefehlt,  aber  diese  Dinge  sind  noch  su  unsicher. 
dM8  wir  ims  mit  tbigen  wenigen  Andentangen  begnflgen  wollen.  HÜPPB  **)  und 
SOBOLL  **)  gewannen,  wenn  sie  Cliolerabadlten  unter  Lufrabscblius  sOchteten,  ein 

Toxofjlobulin  und  ein  Toxopepton  ,  welches  bei  Thieren  Vergiffiin^^serscheinnngen 
hervorrief.  Gamai.kia -"t  stellte  aus  Choleraciilturen  zwei  (Üfte  dar,  ein  Tnxalbuinin 
nnd  ein  Bakterienpruteiu.  L  ud  Alt  -  ^j  endlich  gewann  aus  dem  Erbrochenen 
Ton  Gholenknuilcen  Toxnlbnmine.  Schon  iküher  übrigens  hat  Bbiborr**)  im  StnM 
von  Cholerak  ranken  GadSTWin  gefunden ,  welches  dem  Cholerastuhl  den  eigen- 
tlidmliehen  Spermageriieh  verleiben  soll.  Wir  stehen  zunächst  bei  allen  diesen 
wissenscbaftlicben  Bestrebungen  erst  am  Beginne  des  Wissens  und  dürfen  erst 
von  der  Znlcnnft  nennenswwthe  Fortschritte  erwarten. 

III.  Epidemiologisches.  Nach  den  Anschauungen  von  UouERT 
Koch  ist  der  Krrc^er  der  asiatischen  Cholera  allein  der  KoCH'sche  Kimnnahricilhis, 
welcher  sieh  fant  ausschliesslich  in  den  Darmentleerungen  dos  Cholerakrauken 
findet.  Der  Ansteokungsstoff  haftet  also  an  dem  Körper  des  Kranken  oder  an 
Gegenständen,  weldra  mit  den  Darmansleernngen  dnes  Gholonkranlcea  besehmntst 
and  dadurch  ansteokungsfähig  geworden  sind.  Der  Cbolerakeim  hält  sich  streng 
an  den  menschlichen  Verkehr  und  kann  mit  Erkrankten  oder  inficirten  leblosen 
Gegenständen  reisen  und  wandern  und  Uberall  neue  Ansteekungsherde  abgeben. 
Will  man  also  die  Verbreitung  der  asiatisehen  Gholera  verhaten,  so  hat  man 
sorgfältig  den  persönlich«  n  \  rrkehr  an  überwachen,  Erkrankte  /u  isoliren,  ihre 
Darmausleeriinfren  iiiid  ( Ichranrhsgegenstäude  zu  desiuficireu,  aber  aiicli  den  V^er- 
sand  lebloser  (legeustaude  aus  Choleraorten  zu  überwachen,  welche  eine  An- 
steckung vermitteln  könnten.  Begreifliehorweise  lisst  sieh  «ine  solehe  üeherwaehung 
nur  an  den  ersten  angereisten  Fällen  durehführen,  nnd  ddier  legt  Eoch  mit 
vollem  Recht  ein  .<o  grosses  Gewicht  auf  eine  sichere  Erkennung  der  ersten  F.'llle, 
die  «ich  nur  auf  bakteriologischem  Wege  ermöglichen  lilsst.  Man  hat  diesen 
Standpunkt,  den  auch  wir  ftar  deu  richtigen  halten,  als  denjenigen  der  Coutagio- 
nisten  bezeichnet.  Knüppjil*")  hat  in  einer  Arbdt  ans  dem  Koca'seben  Institut 
eine  Reibe  von  Beispielen  zasammeogebraeht,  welche  die  Richtigkeit  der  eontagio- 
nistischen  Aulfassuti-r  beweisen  sollen. 

Derselbeu  steht  die  Anschauung  der  Loeaiisten  gegenüber,  als  deren 
hervorragendster  Vertreter  mit  Recht  M.  v.  Psttbnkofbr  in  Httnehen  gilt.  IMe 
selben  behaupten,  dass,  wenn  auch  der  KoCH'sche  Kommabacillus  der  eigentliche 
Erreger  der  asiatiscbrn  Cholera  sei.  dieser  nicht  ohne  Weiteres  zur  Erkrankung 
an  Cholera  t'ilhre .  Hondern  dass  er  erst  im  Erdboden  gewisse  Eigenschaften  an- 
nehmen mUsse,  ehe  es  zum  Ausbruch  der  Cholera  und  namentlich  einer  Cholera- 
epidemie  Icommen  könne.  Man  hat  diese  Bedingangen  tiieils  in  üurehlissigkeiten 
des  Bodens,  theils  in  der  Bodenwärme,  thells  im  Stande  des  Grundwassers  ge- 
sucht, auch  noch  unbekannte  VerhrUtniss'^  zugestanden.  Mit  einem  stannenswerlheti 
Sammeläeiss  und  mit  einer  beängstigenden  Gelehrsamkeit  bat  v.  r£TTKNKUFEK 
eine  Unsumme  von  ThatMchen  im  Laufe  vieler  Jahre  gesammelt  und  in  einer 
Reihe  von  Abhandlungen  verölfentlicht .  um  die  localistische  Lehre  zu  stützen. 
Man  muss  freilieb  ziiire-^tetien.  dass  dabei  durchaus  nicht  Alles  kkijjpt  und  manche 
Ausnahme  die  vermeintliche  Kegel  iu's  Wanken  bringt.  Uns  scheint  die  Frage- 
stellang,  ob  Cootagionist  oder  Loealist,  Oberhaupt  eine  durchaus  verfehlte.  Wenn 
auch  nach  nnsimr  Anschauung  niemals  Gholera  entstehen  kann,  ohne  dass  vorher 
Komniabacillen  in  den  Körper  eingedrungen  sind,  so  halten  wir  es  andererseits 
für  ganz  Helbstverstiindlich,  dass  sich  an  solchen  Örten  die  Verhältnisse  für  eine 
schnelle  und  ausgedehnte  Verbreitung  der  Seuche  gUustiger  gestalten  werden,  au 
welchen  Gholoaentleerungen  stagniren,  bei  DurehllsaigkMt  des  Bodens  nnd  der 
Brunnen  und  der  Wasserleitungen  unschwer  ia's  Wasser  gerathen  können  u.  Aohnl.  m. 
Es  Btellen  solche  Umstände  das  dar,  was  wohl  znerst  GBiBSiNQEa  als  mifsursachen 
bezeichnet  bat. 


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142 


CHOLERA  A8IATICA. 


Bei  dem  Streite,  ob  Conta^iuuidt  oder  Localist,  bandelt  es  sieb  keioes- 
wegs  um  rein  theoretiflebe  Diuge,  denn  nach  der  streog  localistiseheD  ADsehAunng 
haben  Ueberwaehviig  des  penAnliehen  Verkehrs,  Desinfeeticii  der  DimDeiilleerBngoa 

nnd  Gebraucbsgre^enatände  keinen  Zweck,  es  kommt  hier  ganz  allein  eine  AssSi* 
nirung  des  Erdbodens  in  Betracbt.  Selbstverständlich  wird  es  auch  demjenigen, 
welcher  mehr  der  cuutagiouistiäcbea  Lehre  zuneigt,  niemals  in  den  älnn  kommen, 
diese  Dinge  fDr  etwas  Olriohgiltiges  in  halten. 

Die  ErfahroQgen  in  den  letzten  Monaten  haben  flbrigens  in  Xnrddenteeh» 
land  mit  kaum  zu  verkennt-iidor  Deutlichkeit  gezeigt,  wie  sich  von  liauiburg  aus 
fast  ausschliesslich  auf  dem  Wege  persdniicben  Verkehrs  die  Seuche  mehr  und 
mehr  in  die  Umgebung  ansanbreiten  snebte.  (%oleraflttehtige  ans  Hamburg  oder 
SehifliB,  die  ans  Hambni^  Icamen,  waren  es  meist,  welehe  die  Krankheit  naeh 
Aussen  verschleppten. 

Man  hat  den  Contagionisten  nicht  ohne  einen  Anflug  von  scheinbarem 
Beeht  vorgeworfen ,  dass  die  geringe  Widerstandsfähigkeit  der  Kommabacillen 
gegen  Eintroeknen  nnd  das  Pehlen  von  Danw-  oder  Sporensnst&nden  sieh  nnr 
schwer  mit  den  epidemiologischen  Erfahrungen  in  Einklang  bringen  lassen.  Zwar 
haben  Ilüi  PE")  und  Zaslein  *-)  behauptet,  Dauerformen  von  Kommabacillen  beob- 
achtet zu  haben,  doch  haben  Keisser  und  Kita^ato  die  Luzuvcrlkssigkeit 
dieser  Angaben  naehgewiesen.  HOppb>>)  will  gefanden  haben,  dass  sieh  die 
Kommabacillen  anders  verhalten,  je  nachdem  sie  bei  Luftabschluss  oder  bei  Luft- 
zutritt gewachsen  sind.  Im  I^arme .  wo  ihnen  die  Luft  tiiaugelt ,  sollen  sie  be- 
sonders toxische  Kigeujieliaften  eutralteti ,  aber  leicht  zum  Untergänge  geneigt 
sein.  Ausserhalb  des  Körpers  d<agegen,  bei  Luftzutritt,  gehen  ihnen  die  toxischen 
Eigensobaften  mehr  ab,  dagegen  kommt  ihnen  grossere  Widerstandskraft  gegen 
ftnssere  SehädUohkeiten  an. 

Grosse  Mciniingsvcrschieileiihciten  tauchen  wieder  ilarflber  auf,  auf 
welchem  Wege  die  Konunabacilleu  in  den  menschlichen  Körper  hineingelangeu. 
Wenn  man  sieh  flberlegt,  dass  dieselben  fast  nirgends  wo  anders  als  im  Darm- 
eanal  angetroffen  werden,  so  sollte  die  Annahme  am  natürlichsten  erscheinen,  dass 
die^e  Gebilde  mit  vordem  infieirten  Speisen  und  (ietnlnkon  dem  Orgatii^mus  ein- 
verleibt werden.  Und  in  Wirklichkeit  behauptet  Koch  ,  dass  namentlich  das 
Wasser,  welches  Kommabacillen  beherbergt,  die  häufigste  Ansteckungs quelle  bildet. 
Mit  gans  besonderem  Eifer  wird  dieser  Annahme  dnreh  die  Loealisten,  nament- 
lich durch  V.  Pettexkofer,  entgegengetreten. 

Mau  wird  nun  selb-^tver^tändlii-li  geiren(ll»er  den  angedeuteten  Wider- 
sprüchen die  Frage  erheben,  ob  man  denn  überhaupt  im  Wasser  Kommabacillen 
gefanden  hat?  Wir  haben  liereits  an  einer  früheren  Stelle  erwfthnt,  dass  KocH 
in  einem  indischen  F  inlc.  an  ilrsNi'u  Ufern  Cholera  berr-;clite ,  Kommabacillen  im 
Wasser  antraf,  und  dass  (iiAKCli  denselben  Fund  in  di'tii  Wa^Jser  einer  Kufe 
machte,  welches  Soldaten  getrunken  batteu,  die  au  Cholera  erkrankteu.  In  dem 
letsteren  Falle  schwand  die  Cholera,  als  man  verbot,  das  Wasiier  weiter  zu  ge- 
niessen.  FräMKbl^*)  konnte  ans  dem  Wasser  des  Duisburger  Zollbafens  Rein- 
cultnren  von  Kommabacillen  gewinnen.  Es  war  hier  ein  Sehitler  an  Cholera 
erkrankt,  dessen  Darnientleerungeu  man  in  das  Wasser  aiis;;o-ehüttet  hatte. 
LuHAiUjCU  wies  Kommabacillen  in  dem  Kielraumwuäser  eines  .Sehifl'es  nach, 
welches  aus  dem  dnrcbsenehten  Hambnrg  hergekommen  war,  nnd  Bibrnacki*") 
stellti'  ans  dem  Wasser  eines  Brunnens,  in  Lnblin  KoCH'sche  Kommabaeillen  dar« 
in  welcher  Stadt  Cholera  herrsehte.  .Vneh  wollen  wir  nicht  versäumen  zu  er- 
wäbuen,  dass  Pas^LALE  ^^j  in  eiuem  Bruuneu  und  in  dem  Erdreich  in  der  Nähe 
desselben  Kommabadllen  ia  Hassanah  fand. 

Begreiflicherweise  hätte  die  Infect  ionstiihigkeit  des  Wassers  einen  sidMMIl 
Beweis  gefunden ,  wenn  es  bei  der  letzten  llanihurtrer  Epidemie  gelungt  n  wäre, 
Cliülerabaeillen  im  Wasserleitungswai«ser  zu  sehen,  aber  alle  Naeht'orschungen  in 
dieser  Richtung  sind  ergebnisslos  geblieben.    Freilich   liegen  epidemiologische 


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CHOLERA  ASIATICA. 


143 


Beobachtiinpon  vor.  welche  deuii  doch  auch  bei  der  letzten  Hamburger  Epidemie 
auf  die  grustc^  Bedeutung  des  Waüt^erii  als  IntectioDsquelle  binweiseu.  Zunächst 
wird  wohl  allgemein  sogestanden ,  dass  bei  der  Hamborger  Wa»8Wleitong  die 
denkbar  skanddAseaten  Zustände  herrseben.  Es  wird  dabei  das  Wasser  der  Blbe 
benutzt,  und  zwar  in  nnfiltrirtem  Zustande,  obgleich  die  Verhältnisse  so  liejsireii, 
dasB  die  Jauche  der  Abzagscanäle  zettweise  zu  den  Schöpfstellea  für  die  Wasser- 
leitung Zutritt  hat.  Uitbin  haben  die  Hamburger  bisher  den  ekelhaften  Gennas 
gehabt,  mit  ihrem  WasswleitungswasBer  ihre  dgenen  Entleerangen  im  Tatdflnnten 
Zustande  wieder  zu  verzehren.  Schon  länger  als  fünf  Jahre  aind  die  Kosten  für 
F'ilterunlafrtn  bewilli;:t  worden  ,  :i1mt  die  Sache  stand  iin  i  blieb  auf  dem  Papier 
und  unbegreitlicbe  Sorglosigkeit  und  unverzeihlicher  Leiehtdiun  Hessen  es  zu  einer 
AusfBhmng  des  Projeetes  nieht  kommen.  Was  bedeuten  die  6 — 7,000.000  Ifark 
für  die  Filteranlagen  gegenüber  den  vielen,  vielen  Millionen  Verlusten,  welche 
die  \ ertloH^etie  Kpidemio  auf  Handelef^ebieton  mit  sieb  gebracht  bat!  Da  nun  das 
Wasser  dasjenige  Mittel  ist,  weiches  sich  über  die  ganze  Ötadt  ausbreitet^  so  er- 
klArt  es  sieh,  dass  ein  infieirtes  Waaser  au  einem  explosionsartigen  Ansbrndi  einer 
Epidemie  fObren  wird,  wie  er  thatsflohlieh  in  Hamborg  vorkam.  In  inimittel- 
barstem Ziisanimenhanjre  mit  Hambnr;r  'ind  nur  für  den  Ortskundigen  trennbar 
Kteht  Altona.  Altona  erfreut  sieb  einer  vortrefflichen  Wasserleitung  mit  Filter- 
anlagen und  in  Uebereinstimmung  damit  kamen  in  Altona  nur  ölti  Cholera- 
erkrankungen  und  8 16  (61*/o)  Todesfillle  vor.««)  Man  will  sogar  in  einer  Strasse 
beobachtet  haben,  in  welcher  die  eine  Häuserreihe  unfiltrirtes  Hamburger  Elbe- 
wasser, die  gepen(lberli<'^'ende  filtrirtes  Leitiuitr-Jwasser  von  Altona  führte,  dass 
gerade  in  der  erstcreu  Choieracrkrankungeu  vorkamen.  Auch  in  Genua  hat  man 
die  Erfahrung  gemacht,  dass  TornehmUeh  in  den  Hinsem  einer  bestimmten 
Wasserleitung  Cholera  auftrat,  in  deren  Znflflssen  Cholerawasche  gereinigt 
worden  war. 

hegreidicherweise  wird  das  Wasser  nicht  die  alleinige  <,/uelle  für  eine 
Ansteckung  bilden,  sondern  wird  letztere  dureh  alle  solehe  Gegenstände  ver- 
mittelt werden  können,  welche  mit  in6oirtem  Wasser  iu  Berührung  gekommen 

Rind  und  einen  günstifrcn  Boden  zum  Wuchern  für  Koniniabacillen  abgeben.  Man 
muss  sieh  dabei  erinnern,  dass  die  Kocii'rtchen  Kommabaeillen  eines  Nährbodens 
mit  alkalischer  iieaetion  bedürfen  und  durch  Süureu  leicht  vernichtet  werden, 
und  dass  sie  auf  feuchtem  Boden  besonders  gut  gedeihen,  dureh  Troekenheit 
aber  bald  SU  Grunde  gehen.  Nach  Untersuchungen  von  Wkvl^'i  hat  man  seitens 
des  Hieres  nur  wenig  zu  fliroliteii,  weil  in  demselben  die  Cholerabacillen  theils  in 
Folge  der  saureu  Keaction  des  Bieres,  theils  durch  noch  uubekannte  ätoH'e,  welche 
das  Biw  eothftlt,  bald  m  Grunde  gehen.  Auch  will  man  flberdnstinmiimd  mit  diesen 
üntersnehungen  in  Hamburg  beobachtet  haben,  dass  nur  selten  Choleraerkran- 
kuno en  unter  l'.icrlirauern  vorkamen.  Auch  durch  Wein  werden  nach  PiCK 
Komuialiaeilleii  schnell  veriiirhtct,  wcsliall)  I'iCK  zu  Chulerazeiten  den  <ienu8S  von 
Wein  und  Wasser  zu  gleichen  Theiieu  anrüth.  Berichtet  wird  noch  aus  Hamburg, 
dass  unter  Clgarrenarbeitern  nur  wenige  Erkrankungen  an  Cholera  vorkamen. 

Ausser  dureh  Wasser  krimien  OhoKrabacillen  namentlich  noch  durch 
iiilch  verbreitet  werden,  welcher  liacilicnhaitifres  Wasser  beigemischt  ist.  Be- 
sonders gross  gestaltet  sich  die  Ansteckungsgefahr  dadurch,  dass  in  der  Milch 
Cbolerabacillen  gut  gedeihen  und  in  der  Regel  wenigstens  keine  Gerinnung  der 
Milch  oder  sonstige  leieht  siehtbare  Veränderungen  herbeiführen.  Freilich  kommen 
davon  auch  Ausnalimen  \  or  So  berichtot  Frankel  dass  die  in  der  Hamburger 
Epidemie  gewonnenen  (Jholcraculturen  Milch  zur  Gerinnung  brachten.  Die  gleiche 
Beobachtung  machte  man  an  Cboleraculturen  in  Paris,  und  Fokkkr  stellte 
aus  Choleraeultnren  ein  Eosym  dar,  welohes  in  der  Miloh  Gerinnung  hervorrief. 

DasR  Kommabaeillen  auf  Gemüsen,  Früchten  und  Fleisch  ge- 
deihen, ist  experimentell  nachgewiesen  worden.  Besonders  gefährlich  können  auch 
Butter  uud  Käse  werden.  —  ^icht  allzuselten  dürfte  eine  Verschleppung  von 


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144 


OBOLBRA  ASIATTOA. 


rholerabacillcn  durch  Insecten,  namentlich  durch  Flie^eu  vermittelt  werden,  welche 
»ich  zuerst  aut  CholeraausleeruDgeo  uud  dann  auf  Easwaaren  oder  auf  die  Lippen 
gesunder  PerBOnon  setsen.  SnnroiiDS**)  konnte  von  Fliegen,  welche  im  Srnstiona- 
nuime  fBr  Choleraleichen  eingefftngen  waren,  Kommabacillen  gewinnen,  und  sehen 
vordem  haben  'V\7.zo\\  und  Cattanf  auf  diese  Gefahr  hingewiesen.  Daraus 
ergiebt  sich,  wie  wichtig  v&  gerade  in  Choleraxeiten  ist,  alle  Speisen  und  6e- 
trinke  ▼ersehloBsen  sn  hniteii  und  dnreh  Drabtaetoe  vor  Fliegen  sn  aehUtien. 

Endlich  sei  noch  besonders  auf  die  grosse  Gefahr  hingewiesen,  welohe 
feuchte,  mit  Choleraontleernogen  besehmutste  Wftsehe-  and  Kleidungs- 
stücke in  sich  beherbergen. 

IV.  Klinisches  uud  Anatomisches.  Am  wenigsten  liabea  die 
Oholeraerfnhmngen  der  lotsten  Monate  daan  beigetragen,  unsere  Kenntnisse  auf 
klinieehem  und  anatomischem  Gebiete  in  nennenswerther  Weise  au  bereichern. 

Die  Dauer  der  Incubationszeit  vermochte  Bantf  in  einigen  Beobach- 
tungen in  zuverlässiger  Weise  auf  36 — 45  Stunden  zu  bestimmen,  und  damit 
stimmen  aneh  gut  die  frQher  erwähnten  Erfahrungen  llbereln,  welehe  neuerdings 
einzelne  Aerzte  bdm  Veraehlneken  von  Choleraenltnren  an  ihrem  eigenen  Körper 
gemaeht  haben. 

Vielfach  ist  gerade  in  der  Hamburger  Epidemie  aufgefallen,  wie  ausser- 
ordeutlich  schnell  der  Tod  den  ersten  krankhaften  Erscheinungen  folgen  konnte. 
Hehrfadi  erkrankten  Personen  mitten  in  der  Arbeit  oder  auf  der  Straiae  nnd 
waren  nach  wenigen  Stunden  verstorben.  Solche  Erfahrungen  lehren  eindringlich, 
eine  wie  grosse  Bedeutung  im  Symj)tomenbilde  der  asiatischen  Cholera  der  All- 
gemeinvergiftung zukommen  kann.  Dabei  verdient  noch  hervorgehoben  zu  werden, 
dass  dnrebans  nieht  immer  die  Schwere  der  Krankhdtsersebdnnngen  mit  der 
Zahl  der  Kommabacillen  in  den  Stühlen  in  Uebereinstimmung  stand.  Wichtig  zu 
wissen  ist,  das.s  aich  Kommabacillen  iior-li  x  icle  Tage  uach  Beginn  der  Erkrankung 
im  Stuhl  zeigen  können.  So  konnte  sie  SiMUONDS  noch  am  achtzehnten  Krank- 
beitstage  nachweilen. 

Daas  itoh  die  OiolerabacUlen  fast  ausfleUienlieh  im  Oarmlnhalte,  hfiebstens 
noch  in  den  Drtisen  des  Darmes  finden,  hat  sich,  wie  nicht  anders  zu  erwarten, 
auch  in  den  Rcnhachtungen  in  Hamburg  als  richtig  bewflhrt.  Nur  Tizzoxi  und 
Cattani  widleu  auch  im  Blute,  in  farblosen  Blutkörperchen  uud  in  der  Sub- 
arachnotdealflOssigkeit  Kommabacillen  angetroffen  haben,  wflbrend  Dbtckb<*)  in 
einem  necroti^^chen  Herde  der  Magenschleimhaut  Kommabacillen  nachwies. 

Nach  den  AngaluMi  von  Drycke  wurden  bei  den  Section<'n  in  Hamburg 
auffltllig  oft  iU5%)  Blutungen  im  Uterus  gesehen,  womit  der  geuanute  Autor  die 
Neigung  eholerakranker  Sdiwangeren  au  Aborten  in  Verbindung  bringt. 

Mehrere  Arbeiten  Hegen  Aber  die  Choleraniere  vor,  doch  kommen 
dieselben  zu  so  entgegengesetzten  Ergebnissen,  dass  man  erst  von  ausgedehnteren 
Erfahrungen  eine  Eiisung  der  Widersprüche  erwarten  kann.  Kf.KHS  hatte  bei  der 
Oholeraepidemic  in  Genua  au.sgedehnle  Coagulationsnceruse  iu  den  Epithelzellen 
der  gewundenen  Hameanfllehen  beobachtet.  Ich  habe  die  Präparate  von  Klbbs 
selbst  gesehen  und  kann  seine  Angabe  als  richtig  bestätigen,  wenn  sie  überhaupt 
fiuiT  licKtfltigung  bedürfte.  Fräxkel^")  und  Simmo.\d.s  konnten  iu  Hamburg 
keine  Coagulatiousnecrose  in  den  Nieren  wahrnehmen ,  dagegen  fanden  sie  einen 
Zerfall  in  den  EpithehEclIen  der  gewundenen  Hameanildien .  welchen  de  auf 
toxische  EUnflflsse  zurtlekfuhrten.  Lbydkn  '^^)  beschrieb  in  zwei  Fftllen  Goagula- 
ti<insnecrosp ,  fand  daneben  al»er  auch  Vcrilnderungen  an  den  Glomcrulis  und 
leitet  beides  von  der  Wa.s.serverarmung  des  L'holerakraukcn  her.  AUFRECHT  i 
endlich  entdeckte  die  Hauptveriiuderung  in  den  Nierenpapillen,  die  sich  mit 
Nierau^lindem  und  £pithdxellen  vollgestopft  erwiesen;  als  Ursachen  der  Vor- 
IndMrnngen  nimmt  er  wieder  toxische  an. 

Nach  dem  eigenen  Zugeständnisä  von  llamljurger  Aerztcn  ''O)  hat  die 
Epidemie  des  Sommers  1892  weder  an  Symptomen  der  asiatischen  Cholera,  noch 


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CHOLERA  ASIATICA. 


145 


an  anatomischen  Veränderungen  etwas  gelehrt ,  was  man  nicht  schon  frnher  ge- 
sehen und  beschrieben  hätte.  Noch  fester  als  vordem  hat  sich  die  üeberzeu^uag 
Bahn  gebrochen,  dass  es  weder  spedfisehe  Symptome,  nooh  Lddienbefiinde  giebt, 
welche  allein  der  agiatisoihea  Cholera  zukämen,  und  dass  eine  siehere  Diagnose 
allein  von  dem  Nachweis  von  Cholerabiicillcn  in  den  Darmentleerunoren  ahhflugig 
ist.  Noch  kürzlich  wurde  aus  dem  Kocu  schen  lustitut  eine  Beobachtung  be- 
eehrieben,  in  welcher  alle  Erscheinungen  der  asiatischen  Cholera  durch  wie  In- 
feeUon  mit  einem  StreptoeoeeiiB  benrorgerafen  war. 

V.  Therapeutisches.  Das  Problem,  ein  Specißcnm  gegen  ariatisebe 

Cholera  «jefunden  zu  haben,  ist  zur  Zeit  noch  nicht  froli'at.  Klebs  **)  steHte  aus 
Cholerabaciilen  einen  Stoß'  dar,  das  Anticholerin,  weichem  specifische  EigenHehaften 
zukommen  sollen,  aber  die  Erfahrungen ,  welche  Manchot  mitgetheilt  hat, 
klingen  einem  vorriebtigen  nnd  nflehternen  Beobachter  dnrobans  niebt  Tertraaen- 
erwet'kend,  und  wir  wollen  mit  unserem  Zweifel  an  der  Heillcfaft  des  ElLBBS^soben 
Anticholerin  nicht  hinter  dem  Beri^e  zurückhalten. 

Berechtigtes  Aufsehen  haben  die  Bestrebungen  des  letzten  .labres  gemacbt, 
den  thierischen  Organismus  gegenüber  dem  Choleragift  immun  zu  macheu. 
Die  ersten  Versuche  in  dieser  Riebtnng  rttbren  von  einem  spaniseben  Ante, 
Fbrran^^),  aus  dem  Jahre  1885  her,  welcher  Gesunden  Bacillenenlturen  von 
Kommabaeillen  unter  die  Haut  oder  in  die  Muskeln  einspritzte,  um  sie  vor  einer 
Ansteckung  mit  ChoUra  aHtutica  zu  schützen.  Allein  diese  Schutzimpfungen 
beben  mit  Recht  durch  Gibibr  nnd  yan  Brvbrorn  <^ne  wohlverdiente  ZurOek- 
weisniig  erfahren,  und  geradezu  einen  empörenden  Eindruck  müssen  der  Schacher 
und  die  Geldgier  herv(»rrnfen,  welclie  Ffrrav  hei  seiner  angebliehen  Entdeckung 
an  den  Tag  legte.  Auch  ein  Landsmann  von  Fekhan,  Tunon  de  Lara'*),  hat  ein 
gleiebfalls  ungflnstiges  Urtheil  über  die  FRRRAN'schen  Impfuogeu  gefällt.  Einen 
wissensebaftlidien  Charakter  nabmen  die  VersaelM  Uber  Sebntdmpfiing  und  Immu- 
nität gegen  aaiatiBebe  Cbolera  erst  unter  den  H.lndeu  von  Gamalria  ^'^^  und 
LÖWKNTHAL  an,  namentlich  aber  müssen  wir  aus  dem  Jahre  1892  die  Unter- 
suchungen von  B&IEGEft,  KlTASATO  und  W.\ääEKMANN  *'^),  von  KLEMFEUEK  '  -j  und 

Lazarus**)  hervorbelwnf  weleben  es  in  der  Tbat  gelang,  Thiere  gegen  eine 
Choleravergiftuiig  immun  zu  machen.  Die  Versuche  wurden  theils  mit  abge- 
sebwiichteii  Cli'iliTaciilturen  ,  theils  mit  dem  Filtrat  von  Choleraculturen ,  theils 
mit  dem  Blutserum  von  Cholerakrankeu ,  auch  mit  Milch  von  Ziegen  angestellt. 
Leidw  betreffen  fast  alle  diese  Versnebe  Tbiere,  nnd  intnewelt  neb  dieselben  anf 
den  Henseben  flbertragen  nnd  welche  praktischen  Erfolge  sich  damit  werden 
erzielen  lassen,  sind  Fragen,  Uber  welche  erst  eiuc  sehr  ausgedehnte  Erfahrung  in 
Zukunft  wird  entscheiden  können.  Ohne  Frage  bewegt  man  sieh  hier  auf  einem 
Gebiet,  auf  welchem  grosse  endliche  Erfolge  zu  erwarten  stehen,  aber  der  Weg 
ist  nodi  lang  und  sebwierig  genug,  bis  ein  sicheres  Ziel  erreiebt  sein  wird. 

Selbst  dann,  wenn  man  1l!>er  ein  sieberes  Spedfieum  gegen  asiatteebe 

Cbolera  verfügte  und  es  ausserdem  noch  gelungen  wäre .  den  Menschen  durch 
Impfungen  gegen  eine  Choleraansteekuiig  iiimiua  zu  maeben  ,  l)!iebo  noeh  iinnior 
als  erste  Aufgabe  der  Therapie  die  FropliyIa.\c ,  und  es  mUsste  in  erster  Linie 
nacb  Mitteln  nnd  Wegen  gesucht  werden,  um  das  Ausbrechen  t^wt  Cbolera- 
epidemic  zu  verhindern.  Man  hat  dabei  einmal  das  zu  berücksichtigen,  was 
wir  früher  bei  Besprechung  der  Aetiologie  als  Hilfsmomente  benannt  haben  (z.  B. 
As«aniruug  des  Bodens  durch  ein  gutes  OanaUystem,  Sorge  für  tadellose  Wasser- 
leitung n.  AebnI.)  nnd  ansserdem  k&men  alle  Hassregeln  in  Betraeht,  um  etwaige 
Kommabaeillen  schnell  und  sicher  zu  tödten.  In  vortrefflichster  Weise  sind  die 
wiehtigsten  Punkte  in  einer  Verordnung  wiedergegeben,  welche  im  Sommer  1892 
von  einer  Cholerucommission  beratben  wurde,  die  in  dem  deutschen  Reiehsgesund- 
beitsamte  in  Berlin  zusammentrat.  Wir  nehmen  keineu  Anstand ,  einen  Theil 
dieser  Bestimmungen  im  Folgenden  wdrtlieb  wiederaogeben  **) : 

Kocyelop.  JahrUletaw  HI.  10 


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146 


CHOLERA  ASIATICA. 


Belehrung  Aber  des  Wesen  der  Cholera  und  des  wthrend  der 
Cholernseit  sn  beobeehtende  Verhalten. 

1.  Der  A nsteckaogsstoff  der  Cholera  befindet  sieh  in  den 
AusleeruKg^en  des  Kranken,  kann  mit  diesen  auf  und  in  andere  Personen  und 
die  mannigfachsten  Gegenätäude  gerathen  und  mit  denselben  verschleppt  werden. 

Solche  Gegenstände  sind  beispielsweise  Wäsche,  Kleider,  Speisen,  Wasaer, 
Hileb  und  aodere  Getränke ;  mit  ihnen  atldn  kann  aneh,  wenn  an  oder  in  ihnen 
nur  £e  geringsten,  fOr  die  natilrlicben  Sinne  nicht  wahrnehmbaren  Sporen  der 
Analeemngen  vorhanden  sind,  die  Seuche  weiter  verbreitet  werden. 

2.  Die  Ausbreitung  nach  anderen  Orten  geschieht  daher 
leieht  snnlehst  dadnroh,  dass  Cholerakranke  oder  kflnlieh  von  der  Cholera  ge> 
nesene  Personen  den  bisherigen  Aufenthaltsort  verlassen,  um  verm^nilieh  der  an 
ihm  herrschenden  (icfahr  zu  entgehen.  Iliervnr  ist  umsomchr  zxi  warnen,  als 
man  bei  dem  Verlassen  bereits  angesteckt  sein  kann  und  mau  andererseits  durch 
eine  geeignete  Lebensweise  und  Befolgung  der  nachstehenden  Vorsiobtsmaasregeln 
besser  in  der  gewohnten  Hinsliehkeit ,  als  in  der  Fremde  nnd  innul  anf  der 
Beise  sich  zu  schützen  vermag. 

3.  Jeder,  der  sich  nicht  der  (»efahr  aussetzen  will ,  dass  die  Krankheit 
in  sein  liaus  eingeschleppt  wird,  hüte  sich,  Menschen,  die  aus  Cholera- 
orten kommen,  bei  sieh  anfsnnebmen.  Sehen  naeh  dem  Auftreten  der 
ersten  ChoIerafMle  in  einem  Orte  sind  die  von  daher  kommenden  Personen  als 
solche  anzusehen ,   welche  niüfjlichcr  Weise  den  Kraiikheitskeim   mit  sieh  führen. 

4.  In  Cholerazeiteu  soll  man  eine  möglichst  geregelte  Lebensweise 
Ittnen.  Die  Erfahr««  hat  geldirt,  dass  alle  Störungen  der  Yerdauung  die  Biv 
kranknng  an  Cholera  Tonogsweise  begOnstigen.  Man  hüte  sich  deswegen  vor 
Allem,  was  Verdauungsstörungen  hervomiten  kann,  wie  Uebennass  von  Essen 
und  Trinken,  (ioouss  von  schwer  verdauliehen  Speisen. 

Ganz  besonders  ist  Alles  zu  meiden,  was  DurchtuU  verursacht  oder  den 
Magen  verdirbt  Tritt  dennoch  Durchfall  ein,  dann  ist  so  frflh  wie  möglieh  trst- 
lieher  Rath  einsuholen. 

5 .  Man  ^-eniesse  keine  Nahrungsmittel,  welche  aus  einem 
Hause  stammeu,  io  welchem  Cholera  herrscht. 

Solche  Nahrungsmittel,  durch  welche  die  Krankheit  leieht 
ttbertragea  werden  kann,  z.  B.  Obnt,  Gemüse,  lüleh,  Butter,  frischer  Käse, 
sind  zu  vermeiden  oder  nur  in  gekochtem  Zustande  zu  geniessen.  insbesondere 
wird  vor  dem  Gebrauch  ungekochter  Milch  gewarnt. 

6.  Alles  Wasser,  welches  durch  Kotb,  Urin,  Kttehenabgänge  oder 
sonstige  Schmutsstoffe  verunreinigt  sdn  könnte,  ist  strengstens  sn  vermeiden. 
Verdächtig  ist  Wasser,  welches  mittelst  gewöhnlicher  Brunnen  fPumpen)  aus  dem 
Unterfrrnnde  bewohnter  Orte  enliximmen  wird,  ferner  ans  Sümpfen,  Teichen, 
Wasserläufen,  i'lüsson,  sofern  das  Wasser  nicht  einer  wirksamen  Filtration 
unterworfen  worden  ist.  Als  besonders  gefthrlich  gilt  Wasser,  das  dureh  Ans- 
wurfsstoftb  v(»n  Oholerakranken  in  irgend  einer  Weise  verunreinigt  ist.  In  BeiUg 
hierauf  ist  die  Aufmerksamkeit  vorzugsweise  dahin  zu  riehten ,  dass  die  vom 
lieinigen  der  Gefässe  und  beschmutzter  WiUche  herrührenden  Spülwäs.ser  nicht  in 
die  Brunnen  nnd  Gewisser,  auch  nicht  einmal  in  deren  Nähe  gelangen.  Den  besten 
Schutz  gegen  Verunreinigung  des  Brunnenwassers  gewähren  msvne  Böhrenbrunnen, 
welche  direct  in  den  Erdboden  und  in  lücht  zu  geringer  Tiefe  desselben  ge* 
trieben  sind  (abe.Hsiuisohe  Brunnen). 

7.  ist  es  nicht  moglieh,  sich  ein  unverdächtiges  Wasser  im  Sinne  der 
Nr.  6  Bu  versehaffiBn,  dann  ist  es  erforderlieh,  das  Wasser  au  kochen  und  nur 
gekochtes  Wasser  zu  geni«MMn. 

8.  Was  hier  vom  Wasser  presagt  ist ,  gilt  aber  nicht  allein  vom  Trink- 
wasser, sondern  auch  von  allem  zum  Hausgebrauch  dienenden  Wasser, 


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CHOLERA  ASIATXCA. 


U7 


weil  im  Wasser  befiDdliohe  Krankheitsatoffe  aueh  dordi  das  mm  Spülen  der 

Kficht  n^vTlthe,  zum  Reinigen  und  Kochen  der  Speisen,  zun»  Waschen,  Fladen  11.B.  w* 
dienende  Wasser  dem  menschlichen  Körper  zufreführt  werden  können. 

Ueberbaupt  ist  dringend  vor  dem  Glauben  zu  warneu ,  dass  das  Trink- 
wMier  «Hein  als  Triger  des  KrankheitsstofliBe  ansiiseheii  sei,  und  dass  man  scboii 
vollkommen  j^eselifltst  sd,  wenn  man  nar  natadelhaftoi  oder  nar  gekoehtes 
Waaser  trinkt. 

9.  Jeder  Cbolerakranke  kann  den  Ausgangspunkt  für  die 
weitere  Aasbreitnng  der  Krankheit  werden,  nad  es  ist  deswegen  ratbsam, 

die  Kranken,  soweit  es  irgend  angingig  ist,  nicht  im  Hause  zu  pflegen,  sondern 
einem  K  r  a  n  k  c  11  h  ri  n  s  0  zu  tiberfreben.  Ist  dies  nicht  ansfiihrbar,  dann  lialte 
man  wenigstens  jeden  unuütbigen  Verkehr  von  dum  Kranken  fern. 

10.  Es  besaehe  Niemand,  den  nicht  seine  Pflicht  dahin  fflhrt,  ein 
Cholerahans. 

Ebenso  besuche  man  zur  Cholerazcit  keine  Orte,  wo  grössere 
Anhiiufungen  von  Meosoben  stattfinden  (Jabrmftrkte,  grössere  I^ust- 
barkeiteu  u.  s.  w.j. 

11.  In  RSnmliebkeiten,  in  welchen  sieh  Cbolerakranke  be- 
finden, soll  man  keine  Speisen  oder  Oetrftnke  zu  sich  nehmon, 
nach  im  eifrcnon  Interesse  nicht  rauchen. 

12.  Da  die  Ausleerungen  der  Cholerakranken  besonders  gefährlich  sind, 
so  sind  die  damit  besebmntzten  Kleider  und  die  Wäsche  «itweder  sofort 
zu  verbrennen  oder  in  der  Weise  wie  es  in  der  gleichzeitig  veruffentliehteo  Oes- 
infeetionsan Weisung  (U.  '■'  und  4)  angegeben  ist,  /.u  d  e s  i  n  f  i  e  i  r  e n. 

1.3.  Man  wache  auch  anf  das  Sorgfilltis^ste  darüber,  dass  Cboleraaus- 
leerungeu  nicht  in  die  Nähe  der  Brun  neu  oder  der  zur  Wasserentnahme 
dienenden  Flussllnfe  u.  s.  w.  gelangen. 

14.  Alle  mit  dem  Kranken  in  BerOhrung  gekommenen  Gegenstände,  welche 
nicht  vernichtot  oder  dcsinlicirt  werden  können  ,  miHsen  in  besonderen  De«nfec- 
tionsaostalten  vermitteist  heisser  Diimpte  uusuhadlich  gemacht  oder  mindcHtens 
6  Tage  lang  ausser  Qebraneh  gesetzt  und  an  einem  trockenen,  möglichst  sonnigen, 
luftigen  Ort  aufbewahrt  werden. 

In.  Dicjcni^ren,  welche  mit  dem  Cholerakranken  oder  dessen  Bett  und 
Bekleidung  in  Berührung  gekumuieu  sind,  sollen  die  Hände  alsbald  desinBciren 
'^11,  2  der  Desiofectionsaowebong).  Ganz  besonders  ist  die)  erforderlich,  wenn 
eine  Verunreinigung  mit  den  Ausleernngen  des  BLranken  stattgefunden  hat.  Ans> 
drOcklich  wird  tioeh  |^  w  a  r  n  t ,  mit  ungereinigten  II  .1  n  d  e  n  Speisen 
zu  berühren  oder  (J  e  fr  e  n  s  t  Jl  n  d  e  in  den  Mund  zu  brinjren  ,  welche  im 
Krankenraum  verunreinigt  sein  können,  z.  B.  Ess-  und  Triukgeschirre,  Cigarren. 

16.  Wenn  ein  Todesfall  eintritt,  ist  die  Lei  ehe  sobald  als  irgend 
moglieh  aus  der  Behausung  zu  entfernen  und  in  ein  Leiehenbaus  SU  bringen. 
Kann  das  Waschen  der  L^iclie  nicht  im  Leichenhause  vorgenommen  werden, 
dann  soll  es  überhaupt  unterbleiben. 

Das  Leiehenbegängniss  ist  so  einikoli  als  möglich  einzuriehtm.  Das  Gefolge 
betrete  das  Sterbebaus  nicht  und  man  betheitige  sich  nicht  an  Leichenfestliehkeitem. 

17.  Kleidiin^rsstiickc .  W.-ische  und  snnstifre  (Jcbrauchsfreocenstände  von 
Cholerakranken  und  Leichen  dürfen  unter  keinen  rin-^tiiniien  in  Benutzung  ge- 
nommen oder  au  Andere  abgegeben  werden,  ehe  sie  desinticirt  sind.  Namentlich 
dflrfen  sie  niebt  undesinficirt  naeb  anderen  Orten  versebiekt  werden. 

Den  Empfängern  von  S e n d u n g e n ,  welche  derartige  Gegenstände  aus 
Choleraortcn  erhalten,  wird  dringend  geratlien ,  dieselben  sofort  womöglich 
einer  Desinfeutionsanstalt  zu  übergeben  oder  unter  den  nüthigeu  Vorsichtsmass- 
r^ln  selbst  zu  desinficiren. 

Cholerawäschi;  soll  nur  dann  zur  Btinignng  angenommen  werden,  wenn 
dieeelbe  zuvor  desinfioirt  ist. 

10* 


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CHOLERA  ASIATICA. 


18.  Andere  Schutzmittel  fjegen  Cholera,  als  die  hier  genannten, 
kennt  man  nicht,  und  es  wird  vuni  Gebrauch  der  iu  Cholerazeiten  regelmässig 
angepriesenen  niedicamentösen  Schutzmittel  (Cboleraschnaps  u.  s.  w.)  abgerathen. 

AnweiBnng  cur  Aaaf tthrung  der  De»infeotioii  bei  Cholera. 
I.  All  Desinfeetionsmittel  werden  empfohlen: 

1.  Kalkmileh.  Zw  Herstollnng  derselben  wird  1  Liter  Mrkldnerter, 
reiner,  gebrannter  Kalk,  eogenannter  Fettkalk,  mit  4  Liter  Wasser  gemisoht,  nnd 

swar  in  folgender  Weise: 

Es  wird  von  dem  Wasser  etwa  ^ «  Liter  iu  daa  zum  Mischen  bestimmte 
OeftsB  gegossen  nnd  dun  der  Kalk  hineingelegt.  Nachdem  der  Kalk  des  Wasser 
aufgesogen  hat  und  dabei  zum  Pulver  lerfallen  tot,  wird  er  mit  dem  Übrigen 
Wasser  zu  Kalkmilch  verrührt. 

Dii'st'lbe  ist,  wenn  sie  nicht  bald  Verwendung  findet,  in  einem  trat  ge- 
seblosseneii  Get'ää.su  aulzubowahren  und  vor  dem  Gebrauch  umzuscliüttelu. 

2.  Chlorkalk.  Der  Chlorkalk  htt  nur  dann  eine  antreiehende  des- 
infieireDde  Wirkung,  wenn  er  frisch  bereitet  und  in  wohlverschlossenen  Geßlssen 
aufbewahrt  ist.  Die  gute  BeschatlVnheit  den  Chlorkalks  ist  an  dem  starken,  dem 
Chlorkalk  eigenthümlichen  Geruch  za  erkennen. 

Er  wird  entweder  nnTermischt  in  Pulverform  gebraneht  oder  in  LOsong. 
Letztere  wird  dadurch  erhalten,  dasa  2  Theile  Chlorkalk  mit  100  Theileo  kalten 
Waitsers  ;remischt  und  naeh  dem  Absetsen  der  nngelOsten  Theile  die  klare  Lösung 
abgeg08HL'n  wird. 

3.  Lösung  von  Kaliseife.  3  Theile  Seife  (sogenannte  Schmierseife 
oder  grflne  oder  sehwane  Seife)  werden  in  100  Theilen  heissen  Wassers  geUtst 

(».  B.  '  j  Kilogr.  Seife  in  17  Liter  Wasser). 

1.  Lösunfr  von  Carbolsäure.  Die  rohe  Carbolsftnre  UM  sieh  nur 
uuvuiikummen  uad  int  dotiwegen  ungeeignet.  Zur  Verwendung  kommt  die  soge- 
nannte „100*,'oige  Carbolsäure*^  des  Handels,  welehe  sieh  in  Seifenwasser  yoU- 
ständig  l(Ht. 

Man  bereitet  sieh  die  unter  Nr.  3  besdiriebene  Löstin}r  vnn  Kaliseife. 
In  20  Thi'ilen  dieser  noch  heimsen  Lösung  wird  1  Tbeil  Carbolsäure  unter  fort- 
währendem Umrühren  gegossen. 

Diese  Litoung  ist  lange  Zeit  haltbar  nnd  wirkt  sehnellw  desinfioirend 
als  einfache  Lftoung  von  Kallseife. 

Soll  reine  CarbolsJluro  feinmal  oder  wiederholt  destillirtej  verwendet 
w  erden ,  welche  erbeblich  thourer ,  aber  nicht  wirksamer  ist  als  die  sogenannte 
„100%ige  Carbolsäure",  so  ist  snr  LOsung  das  Seifenwasser  nieht  nOthig;  es 
genOgt  dann  einfaches  Wasser. 

.'i.  I '  a  m  p  f  a  j)  p  ar  a  t  e.  Oeeifjnet  sind  sowohl  solche  Apparate,  welehe 
für  strömeudeo  Wasserdampf  bei  100'^  C.  eingerichtet  sind,  als  auch  solche,  in 
wetehea  der  Dampf  unter  Ueberdruok  (nicht  unter  Atmosphäre)  zur  Ver- 
wendung kommt. 

6.  Siedehitze.  Die  zu  desinfieirenden  Ge^renstflndf  werden  mindestens 
eine  halbe  Stunde  hinfr  mit  Wagser  ;r"'koclit.  Das  Wasser  muss  während  dieser 
Zeit  beständig  im  Sieden  gehalten  werden  uud  die  Gegeustäude  vollkommen 
bedecken. 

Unter  den  aufgeführten  Desiufectionsmitteln  ist  die  Wahl  naeh  Lege  der 
Umstjlnde  zu  treffen.  Insbesondere  wird,  wenn  es  an  der  unter  4  vorpresehcnea 
lOU^igen  Carbolsäure  mangeln  sollte,  auf  die  unter  1 — 3  angegebenen  Mittel 
snrileksttgreifen  sdn.  Sollten  aueh  diese  Mittel  nieht  tn  besehaffeo  sein,  so  wird 
im  Nothfalle  Carbolsäure  mit  geringerem  Gehalt  von  wirksamen  Stoffen,  welche 
dempem.lss  in  jrrosserer  Menj-'e  zu  verwenden  ist  oder  ein  anderes  wissenschaft- 
lich als  gleiohwertbig  anerkanntes  Mittel  zu  verwenden  sein. 


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CHOLBRA  ASUTICA. 


149 


II.  Anwendung  der  Des  i  n  f  ec  t  i  <•  n  h  m  i  t  te  I. 

1.  Die  flussigen  Abgänge  der  Cbolorakr  anken  (Erbroclienos, 
Stuhlgang)  werden  möglichst  in  GefiUwen  anfgefaDgeo  nnd  mit  ungefähr  glefohen 

Theileu  Kalkmilch  (I,  Nr.  1)  gemischt.  Diese  Mischung  miis^  mindesteiifl  eine 
Stande  stehen  bleiben,  ehe  sie  als  unsehädlicrh  besoitip't  werdoii  darf. 

Zur  Desinfection  der  flüssigen  Abgänge  kaan  auch  Chlorkalk  (l,  Nr.  2) 
benntst  werden.  Von  demeetben  dnd  mlndeeteas  swei  gehftuAe  Eäi«l5irel  voll  in 
Pulverform  anf  ^Z,  Liter  der  Abgänge  hiozazasetzen  und  gut  damit  za  mischen. 
Die  80  behandelte  Flüssigkeit  kann  bereits  nach  15  Minuten  beseitigt  werden. 

S  c  h  Ol  u  t  z  w  :l  f§  H  e  r  sind  in  ähnlicher  Weise  zu  duäinficirea ,  jedoch  ge- 
nügen geringere  Mengen  von  Kalkmilch  oder  Chlorkalk. 

2.  Hinde  vnd  sonstige  KOrpertheile  mllssen  jedeemal,  wenn  sie 
dureh  die  Berflhrung  mit  inficirten  Dingen  (Ansieeruniren  des  Kranken,  beschmutzter 
Wäsche  n.  s.  w.)  in  Rerührun«;  {reknninien  sind,  durch  gründliches  Wasi-licn  mit 
Chlorkalklösung  (1,  >ir.  2}  oder  mit  Carbuldüurelüsung  (I,  Nr.  4 )  deäinlicirt  werden. 

3.  Bett-  nnd  Leibwäsche,  sowie  andere  Kleidungsstttclc«, 
welche  gewaschen  werden  können,  sind  sofort,  nachdem  sie  iMsebmatzt 
tiind,  in  ein  Gefhss  mit  Desinfectifmsflilssi^jkeit  zu  stocken.  Die  Desinfectionaflüsaig- 
keit  besteht  aus  einer  Lösung  von  Kaliseife  (I,  Nr.  3;  oder  Carbolsäare  (1,  Nr.  4). 

In  dieser  Flüssigkeit  bleiben  die  Gegenstände,  und  zwar  in  der  ersteren 
mindestens  24  Standen ,  in  der  letsteren  mindestens  12  Stunden ,  ehe  sie  mit 
Wasser  gespült  und  weiter  gereinigt  werden. 

Wüsche  u.  s.  w.  kann  auch  in  Dampfapparaten,  sowie  dnreh  Anskr»c!ien 
desinficirt  werden.  Aber  auch  in  diesem  Falle  muss  sie  zunächst  mit  einer  der 
genannten  Dednfeetlonsinsriglceiten  (f,  Nr.  8  nnd  -f)  starlc  angefeuchtet  nnd  in 
gut  schliessenden  Gefässen  oder  Beuteln  verwahrt  oder  in  Tücher,  welche  eben- 
falls mit  Desinfectionsflüssipkeit  ang^efeuchtet  sind .  einfreschlagen  werden ,  damit 
die  mit  dem  Hantiren  der  Gegenstände  vor  der  eigentlichen  Desinfection  ver- 
bundene Gefahr  vwringert  wird.  Anf  jeden  Fall  mnss  derjenige,  welcher  solche 
Wäsdie  n.  s.  w.  berührt  hat,  sttne  Hände  in  der  unter  II,  Nr.  2  angegebenen 
Weise  deainficiren. 

4.  Kleidungsstücke,  welche  nicht  gewaschen  werden 
können,  sind  in  Dampfapparaten  (1,  5)  zu  desinficireu. 

Oegenstände  aus  Leder  sind  mit  CarbollOsnng  (I,  4)  oder  ChlorlcallclQsung 

(I,  2)  abzureiben. 

5.  Holz-  und  M  e  t  a  1 1 1  h  e  i  1  e  der  .Möbel,  sowie  ähnliche  Geprenstlnde 
werden  mit  Lappen  sorgfältig  und  wiederholt  abgerieben,  die  mit  Carbolsäure- 
oder  KaJiseifenlöaung  (I,  4  und  3)  befeuchtet  sind.  Bbenso  wird  mit  dem  Fuss- 
boden  von  Krankenräumen  verfahren.  Die  gebrauchten  Lappen  sind  zu  verbrennen. 

Der  r  II  s  s  !i  <)  (!  e  II  kaun  auch  durch  Bettreieheii  mit  Kalkmilch  (1,  1) 
desinücirt  werden ,  welche  frühestens  nach  2  Stunden  durch  Abwaschen  wieder 
entfernt  wird. 

6.  Die  Wände  der  Krankenränme,  sowie  Holstheile,  welche  diese 
Behandlung  vertragen,  werden  mit  Kalkmilch  (I,  1)  getüncht. 

Nach  ;resehehener  Desinfection  sind  die  Krankenrflume ,  wenn  irgend 
möglieh,  24  Stunden  lang  unbenutzt  zu  lassen  und  re.icblich  zu  lüften. 

7.  Dureh  Gholeraausleernngen  beschmutzter  Erdboden,  Pflaster, 
sowie  Rinnsteine,  in  wel<-he  verdächtige  Abgänge  gelangen,  werden  am  ein- 
fachsten durch  reichliches  Uebergiessen  mit  Kalkmilch  (\.  I  i  de^inficirt 

8.  Soweit  Abtritte  im  Hinblick  auf  den  öti'eutlichen  Verkehr  zu  des- 
inficiren  sind,  empfiehlt  es  sich,  täglich  in  jede  Sitzöifnung  1  Liter  Kalkmilch 
(I,  1)  oder  ein  anderes  gleichwerthiges  Mittel  in  entsprechender  Weise  au  giessen. 
Tonnen .  Kübel  u.  dergl. ,  welche  zum  AnflFanfjen  des  Kothes  in  den  Abtritten 
dienen,  sind  naeh  dem  Hntleercii  rejchlielt  mit  Kalkmilch  (1,  1)  oder  einem  anderen 
gleichwerthigen  Mittel  ausseu  und  innen  zu  bestreichen. 


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160 


OEOhBRk  ASIATIOA. 


Die  SHsbrotter  werden  dvreh  Abwaechen  mit  KalioeifeiilOBmif  (I,  3) 

imnigt. 

9.  Wo  eine  genflgende  De«iufection  in  der  bisher  an?eg:ebpnen  Weise 
nicht  ausführbar  ist  (z.  B.  bei  Polstermöbeln,  Federbetten,  in  Ermaug« 
lang  eines  Dampfapparates,  auch  bei  anderen  Gegenstftnden ,  wenn  ein  Hengel 
an  Dei^feetionsmitteln  eintreten  sollte),  aind  die  ta  deeinfieirenden  Gegeottftnde 
6  Tage  lang  ausser  Gebrauch  zu  setzen  und  an  einem  warmen  ,  trockenen  ,  vor 
Reg:en  ^esch fitzten,  aller  womöglieh  dem  Sonnenlicht  ausgesetzten  Orte  grttnd- 
lieh  zu  lüften. 

10.  Gegenstände  von  geringem  Werthe,  namentlich  Bettstroh,  sind  zu 
Terbrennen. 

Die  Desinfection  ist  dort ,  wo  rie  geboten  erscheint ,  Insbesondere  wenn 

Orte,  die  dem  Öffentlichen  Verkehre  zugänglich  sind,  ^cfilhrdct  ('r«clifint>n  oder 
wo  sonst  eine  Infcction  zu  besorgen  ist  oder  stattgefunden  hat ,  mit  der 
gröi<ateu  Strenge  durchzuführen.  Im  Lebrigeu  ist  aber  vor  einer  Vergeudung  von 
DerinfeetioDsmitteln  eindringlieh  an  warnen ;  nnnötbige  and  nawirksame  Desinfeetion 
bedingen  unnützen  Kostenaufwand  und  Tertheuern  die  Preise  der  DeRinfections- 
mittel,  verleiten  aber  auch  das  Fublioam  snr  Sorglosigkeit  in  dem  Gefühle  einer 
trügerischen  Sicherheit. 

Ueinlichkeit  ist  besser  als  eine  schlechte  Deainfeetion. 
Von  Quarantainemnaaregeln,  welehe  das  Venehleppen  der  CSiolera 

verhindern  sollten,  ist  man  in  Nord-  und  Mitteleuropa  mit  Reoht  abgekommen.  Es 
ist  zweifellos.  d;i<-^  strenge  Ab-  und  Einsperrung  die  Verlireitung  der  Krankheit 
am  allersichersten  unmöglieh  macht,  allein  sie  iäast  sich  nicht  durchfuhren,  da 
hentsnt^pe  die  Tersehiedeii«!  lAakst  auf  gegenseitigen  Verkehr  angewieseii  rind. 

Zwar  ist  ee  beim  Ausbraehe  der  Hambarger  Epidemie  vorgekommen,  dass 
man  Clioleraflüehtlinge  aiM  Hamburg  auch  in  deutsche  Orte  nieht  hineinliess  und 
sie  melirfacli  in  iisliiimaner  Weise  zurückstiess ,  das  waren  eben  Aiisfliis.se  einer 
ungebührlich  übertriebenen  Choleraangst.  Man  hat  behauptet ,  dass  seit  dem 
Bekanatworden  des  Kommabaeillog  die  Choterajingst  flberbaopt  zugenMumen  habe, 
allein  Deijeaige,  welehw  die  Gesehiehte  früherer  Choleraepidemien  kennt,  weiss, 
dass  diese  Behauptung  unrichtig  ist.  Tr:1fe  sie  wirklich  zu,  so  wäre  ein 
barer  Unsinn,  denn  selhstverstHndlich  kann  itmn  .sieh  gegen  Kommabacillen,  die  man 
kennt,  besser  schutzeu  als  gegen  L'mstaude,  die  haltlos  und  mystisch  in  der  Luft 
•ehweben.  In  den  Ländern  des  Bfldliehea  Baropas  Bind  die  Vorsehrifteo  dw  Qna- 
rantaine  noch  nicht  überall  aufgegeben,  und  bekannt  dürfte  es  sein,  mit  welcher 
Rücksieht.slnsitrkeit  dieselben  in  Amerika  gegenüber  Hanihnrger  Dampfschiffen 
während  der  vertiossenen  Monate  zur  Ausführung  gelangten.  Wurde  es  doch  da- 
dnreh  fast  nnmdglich,  den  Schiffsverkehr  iwisdien  Hamborg  and  Amerika  fort- 
zusetzen.  Freilieh  gerieth  auch  der  Handel  mit  europäischen  Orten  in  Hamburg 
in'.s  Stocken,  indem  man  keine  Waaren  ans  der  verseuchten  Stadt  annehmen  und 
verbrauchen  wollte,  selbst  solche  nicht,  die  eine  Uebertragung  und  Verschleppung 
des  Cholcrakeimcs  ihrer  Natur  nach  gar  nicht  vermitteln  können,   z.  B.  Kaffee. 

Statt  der  lästigen  and  störenden  Quarantainen  hat  man  mit  Reoht  eine 

Ueberwachnng  des  Eisenbahn-  und  Personen  Verkehres  flberhanpt 

eingeführt.  Auf  den  Eisenbahnen  werden  die  Reisenden  dureli  das  ZiiTspersonal  in 
unbeinerkbarer  Weise  überwacht ,  ebenso  auf  grösseren  Hahnhöfen,  namentlich  an 
Landesgren>:en.  Solche  l'ersonen,  welche  sich  durch  häutiges  Aufsueben  der  Aborte 
oder  wiederholtes  Brbreehen  auffällig  gemaeht  haben,  werden  isolirt  und  auf  einer 
nächsten  Eisenbahnstation  in  Choleraspitäler  zur  Beobachtung,  respective  Behandlung 
gebracht,  l'nzweckmässig  ist  es,  dem  Znjrspersonale  ( »piunipriiparntc  zugeben,  wie 
man  dies  mehrfach  gcthan  hat,  damit  es  sofort  ärztlich  eiusehreitun  kann,  denn  mau 
hat  dadoreh  Oplamvergiftung  eintreten  gesehen.  Mit  Reeht  hat  Bbchbr  **)  auf  die 
grosse  Gefahr  der  Choleraverscfaleppnng  doreh  Rdsende  aufberksam  gemaeht, 


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CHOLERA  A8IATI0A. 


151 


welche  dadurch  outsteht ,  dass  auf  deutschen  Bahnen  die  Entleerungen  iu  den  Ab- 
tritten der  Waggons  dnroh  ein  Rohr  unmittelbar  auf  den  Biseniwbndamm  fallen  nnd 

mm  von  hier  aus  durch  einen  unglllcklichen  Zufall  in  eine  gesunde  Ortschaft 
gerathen  und  diese  anstecken  konnten.  In  der  Schweiz  hat  man  darauf  hin  unter 
die  Kohre  dichte  Bebälter  angebracht,  die  auf  einzelnen  Stationen  gewechselt 
werden,  um  eine  üeberfllUang  und  ein  (Tebersehwappen  zu  verliindeni.  Selbst- 
▼entlndlieh  werden  diese  Behftlter  desinficirt. 

Zweckmässig  ist  ohne  Fra^e  die  Einrichtung-,  alle  Ziifrereisten  bei  der 
Polizeibeliörde  nach  ihrer  Ankunft  auzumelden  und  sie  unbemerkt  zu  überwachen. 
Wenu  ed  richtig  ist,  daüs  auch  Gesunde  in  Choleraorten  entwicklungsfähige  Komma- 
Ikaeillen  in  ihren  geformten  KothbaUen  beherbergen  kSnuen,  liegt  offnibar  die 
Ifögliehkeit  vor,  daas  auch  Gesunde  die  Krankheit  verschleppen.  Dadurch  mag 
e»  sieh  erklaren ,  das«  mitunter  Cholera  mitton  in  einer  gesunden  Umgebung 
auftritt.  Und  daraus  ersieht  man,  einen  wie  grossen  Werth  die  Desinfection  von 
Abtritten  bat,  um  etwaige  Keime  sofort  nnsehldlieh  an  maehen. 

Die  medicamentöse  Behandlung  der  Cholera  hat  noch  keine  glänzenden 
Frirebiiissi'  aufzuweisen  und  namentlich  haben  sich  die  modernen  De s  i  n  f  i  c  i  e  n  t  i  e  n 
bei  innerlicher  Verordnung  ganz  und  gar  nicht  bewährt.  Lowk.ntual  '■'')  und  ilÜPi'K 
glaubten  in  dem  Salol  ein  sicheres  Mittel  gefanden  zu  haben ,  Yvet  empfahl 
die  Anwendung  des  Sublimates,  alle  diese  Dinge  sind  ebenso  erfolglos  ge- 
blieben wie  die  Verordnung  von  MagtHerium  MUeyUeum,  CSarbolsäore,  Greoaot, 
Creolin  «  • ;  u.  s.  f. 

Auf  die  im  Laboratorium  au  Reincultureu  vuu  Chülerabacillen  gewonnene 
Brfabrong  gesUltst,  naeb  weldier  Komroabaoillen  dureh  Säuren  leieht  ▼emiehtet 
werden,  hat  man  vielfach  therapeutische  Versuche  mit  Siluren  gemacht,  ohne  dass 
man  davon  fifier/eiiirende  Erfolge  gesehen  hat.  Pariser  Eospitalärate  haben  die 
Milchsäure  empfohleu. 

Bemerfcenswerfh  ist,  dass  n»n  in  Hamburg  entiebieden  von  der  Verord- 
nung des  Opium  ab-  und  dafOr  die  Anwendung  des  Calomel  (0*02— 0*05,2  stOndL) 
angerathen  hat.  ^'•j  Wir  mflssen  dazu  bemerken ,  dass  wir  selbst  in  mehreren 
Choleraepidemien  bei  ('holeradnrchfall  und  Cholerine  vom  Opium  sehr  ;:;ut6 
Erfolge  gesehen  habeu,  so  dass  wir  in  die  modern  gewordene  Verurtheiiung  deä 
Opinm  nieht  bedingnngsloe  einstimmen  mOehten. 

Unter  den  Behandlungsmethoden  der  letzten  Jahre  haben  nanieutlich  sub- 
ciitane  Infusionen  von  physiologischer  Kochsalzifisnng  (sog.  Ilypoderraoklyse), 
Darmiufusioueu  mit  Tanninlösung  (Enteroklyse)  und  intravenöse  Infusionen  mit 
physiologiscbor  KoehsalzlOsnng  die  Aufmerksamkeit  auf  sich  gezogen. 

Subcutane  Infusionen  mit  physiologischer  Kochsalzlösung 
(O'C,,)  wurden  von  mehr  theoretischem  Standpunkte  aus  besonders  von  Samufl 
angerathen.  Auch  Cäntami  ist  auf  Grund  praktischer  Erfahrungen  warm  für 
dieselben  eingetreten.  Man  fuhrt  sie  mit  einem  Trichter  oder  Irrigator  aus,  dessen 
Ausflnss  mit  einem  Oummisehlauch  armirt  Ist«  der  mit  dner  Hohlnadel  oder  einem 
Troikart  verbunden  ist.  Vortheilhaft  ist  en,  wenu  die  Kinstiohscanflle  seitliclie 
Oetliiuugen  hat.  Die  Salzlösung'  soll  warm  sein  ,  ungefHhr  4(J"  C.  Als  beste  Orte 
für  die  Injectiou  sind  die  lutraelaviculargegend ,  die  Bauchhaut  uud  der  Inter- 
seapnlarraum  an  nennen.  Dagegen  hat  man  die  Sopraolavieulargegond  zu  meiden, 
damit  sich  nieht  etwa  tOdtliches  (ilottisödem  ausbildet.  Stockt  die  Resorption  der 
Salzlcisung,  so  versuche  man,  dieselbe  durch  voröichti^'e  ^Massage  und  Vertheilung 
der  unter  der  iiaut  angcHammeitcn  Flüssigkeit  zu  fördern.  Mit  Recht  legt  Samuel 
auf  eine  ununterbrochene  Infurion  grosses  Gewicht,  so  dass  man  während  eines 
Tages  mdirere  Liter  Salzlösung  infhndiren  kann.  Begreiflicherweise  hat  man  eine 
Wirkung  nur  so  lange  zu  erwarten,  als  eine  Resorption  von  der  Haut  überhaupt 
noch  zu  Stande  kommen  kann ,  in  schweren  algideu  Füllen  mit  aufgehol)ener 
Resorption  wird  man  Nichts  erreichen.  Daher  kein  Wunder,  dass  sich  die  Ham- 
burger Aerste  bei  ihrer  schweren  Epidemie  lieiner  glSnzenden  Erfolge  bei  dieser 


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158 


CHOLERA  A8IATICA. 


Behandlangsmethode  zu  rUbmeo  hatten.  Was  man  mit  ihr  erreichen  will ,  ist 
nBflehwer  mi  rentehen ;  lie  wll  im  Wanerverlost ,  weleben  der  Körper  durch 
Erbrechen  und  Darchfall  erfthrt,  decken,  die  Blateirenlition  enaOff liehen ,  die 
Nierenth&tigknt  anterh«llen  und  dadareh  giftige  Stoffo  «im  dem  KOrper  heniUH 
schaffen. 

Die  Daruiiutusioncn  mit  Gerbsäure  wurden  in  der  verbeerenden 
Epidemie  des  Jahres  1884  von  Camtani  in  Neapel  venneht  nnd  sollen  naeh  den 

Erfabrnogen  dieses  Arztes  glänzende  Erfolge  gebracht  haben.  Cantani  benotite  eine 
Lösun«?  von  5*0 — 200  Aridinn  fnnnicvm  anf  1500—2000  Wasser,  wozu  noch 
20  —  30  Tropfen  Upiumtinctur  und  30*0 — 50*0  Gummi  arabicum  hinzugesetzt 
worden.  Die  Lnsnng  wnrde  auf  38 — 40*  C.  erwirmt  nnd  dnreh  den  bekannten 
HB0AB.'8ehen  Trichter  udor  durch  den  Irrigator  in  den  Darm  einlaufen  gelassen.  Bei 
neu  eintretendrill  Ihirchfall  wurde  die  Darmeingiessung  wiederholt.  Ks  i*<illten  die 
Kooimabacillen  durch  die  Gerbsäure  getodtet  werden.  Daneben  sollte  das  Tannin 
anf  die  Darmsohleimbaut  gUustig  wirken  und  den  Durebfall  bekämpfen.  Auch 
toxisehe  Substanaen  sollten  unsehftdlieh  gemaeht  nnd  der  Waaserverlnst  ersetst 
werden.  Die  Berichte  Uber  die  Erfolge  der  Tannineingiessnngen  lauten  dnrehans 
nicht  flbereinstinmiend  und  man  kann  nicht  sagen,  dass  in  ihnen  ein  snverl&sslges 
Heilmittel  gegen  die  asiatische  Cholera  gefunden  sei. 

Infusionen  In  die  Venen  sind  schon  im  Jahre  1830  von  Hbruann 
nnd  1831  von  DiKFFKNnACH  gemacht  worden,  also  zu  jener  Zeit,  als  die  Cholera  zum 
ersten  Male  ihren  Einzug  auf  deutschem  Hoden  hielt.  Sakwasserinfu.'^ionon  scheint 
Latta  in  Schottland  (1832)  zuerst  ausgeführt  zu  haben.  In  Hamburg  hat  man  von 
dieeor  Behandlungsmetbode  bei  weitem  den  besten  Erfolg  bei  den  schwersten  Oholera- 
ftllen  gesdien.  Kranke  mit  fehlendem  Pnlse,  kaltem  Körper,  tonloser  Stimme, 
vollkommener  Apathie,  wurden  nach  ausgoflihrter  Vcncninfusion  wieder  warm, 
bekamen  Puls,  belebten  und  erholten  sich,  -pra'^heu  mit  Stimme,  kurz,  kehrten 
wieder  zum  Leben  zurück.  Mau  wählte  meist  eine  0'6%ige  Kochsalzlösung 
von  40<C.  und  infhndirto  1500 — 3000  auf  einmal.  Leider  aber  kehrte  häufig 
genug  der  alte  trostlose  Zustand  wieder.  Kine  zweit- .  eine  drittmalige  Infusion 
brachte  oft  immer  wieder  nur  vorübergehenden  Krfolg  Ol»  I>ei  grös.serer  Er- 
fahrung sieb  die  V'^eueuiufusion  als  eine  Behandlungsmethode  herausstellen  wird, 
weiche  die  TodeextfliBr  wirklieh  In  nemenswerfher  Weise  httrunterdrOdct,  Ist 
ahanwarten. 

Audi  in  (It  n  Pariser  Sjiitälern  hat  man  von  der  intrasenösen  Kncbsalziiifa^lön  tute 
Erfolge  gesehen.  Hier  bat  sich  namentlich  Bayern  au  die  Einführang  dieser  Behandlangs- 
methode  grogKe  Vurdienst«  erworben,  der,  belliollg  bemerkt,  der  KoebaablSsaag  noch  iTairitMi 

mi^ricu»!  iV    )  l'inznfüut*'. 

Sehr  t  mptehlenswerth  sind  noch  bei  der  Ik-handlun;;  von  ( ■holerakranken 
warme  Bäder  und  warme  Eiupackuugeu,  um  den  erkaltenden  Körper 
an  beleben. 

Soweit  es  sich  um  die  ßekninpfung  einzelner  Symptome  der  Cholera 
handelt,  können  wir  auf  nnsero  Daratellung  in  Bd.  IV,  pag.  229  der  Real* 

Encyclopädic  verweisen. 

Literatur:  ')  E.  S.  Valentiiiel  a,   Das  Anftrelen  der  Cholera  in  Chile  im 

Jahre  l^--.",.  Diss.  uxm^x.  Berlin  18^11.  —  ')  A.  Pfeiffer,  Die  Chol.r;i1iill.-  in  Fiiitlini  und 
Gonseuheiui.  Deutsche  med.  Wocheudcbr.  1^8ü,  Nr.  51.  —  *)  Tei^l.  Deutsche  med.  Wochenscbr. 
18!^,  pag.  —  ^  Orieeinirer,  lofeetionakrankheiten.  Virchow'g  Handb.  der  üpeciellen 

Pathologi«»  u  Thorapii^.  Krlangon  ISt)  1.  II,  Al>th.  Ii.  i  (\.  Uawjid,  Eine  chinnisrhe  Heuftion 
für  liie  (  hol>-ral>a<  illen.  Zeit.schr.  f.  Hygiene.  1887,  H,  pag  h'i.  —  '  )  K.  W.  l)uii)iani.  Zur 
cheniis(  hen  Heatlion  der  Cholerabakterien.  Zeit«chr.  1.  Hygien  1^--T.  II,  \inz.  '.\M.  — 
Ii.  Brieger,  lieber  die  Entatebong  de«  Choleraroths.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1887« 
Nr.  32.  —  ")  B.  Salkowski.  üelxTdas  „Cboleraroth*'  nnd  daa  Zastandekommen  der  Cholera- 
reaition.  VirchowV  Archiv.  IS*^?.  CX.  pag.  3»>t).  —  ")  Ch.  .\  Ii-Cohen.  Zur  BeLutunp  de."* 
Choleraroth.  Fortseliritt«  d.  Med.  Iss7,  Nr.  17.  —  Jadassohn,  Zur  Kenntnis»  des 
«  hokraroths.  Bre.<«)aucr  arxtl.  Zeitsrhr.  ISsy,  Nr.  16.  —  ")  E.  Pfeiffer,  üebcr  den  Vibrio 
Meist hnikofl"  etc.  Zeilschr  f.  Hygiene.  1s!m>,  VII.  pag.  347.  —  '*)  H.  Lauer,  Zar  Cbolera- 
diagnose.  ßerliner  klin.  Wochenschr.   l^iU',   pag.  —       Miller,   Demoastration  TOn 


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OHOLBBA  ASIITIOA. 


153 


Bacillen  der  HnndhOMe.  Dentsclie  med.  Woohenschr.  1885,  Nr.  9.  —  '*)  Th.  D  e  n  e  k  e ,  ITeber 

eine  neue  den  Choli  ruspirilleii  ahiilii  lu' Spaltpilzart.  Deutsche  iiu'il, 'Wochenschr.  L^35,  Nr.  ü  — 
"')  Kuisl,  Beitrage  zur  Kenatniss  der  Bakterien  in  normalen  Darmtractoa.  Mönchener  ärstl. 
Iiiidligealbl.  Nr.  36  u.  37.  —  **)  A.  P.  Fokker,  üaW  tAuut  dem  OholersbadllBS 
Ähnlichen  Pilz   D.utsche  med.  Wochenschr.  pap.  162.  —  ")  Fürbrin^er,  T&dtlicher 

„choIeraverdactitiKer"  Fall  im  Kranktjnhau.se  Kriedrichshain.  Deatsche  med.  Wochenschr.  1892, 
pag.  76^.  —  Weisser,  Ueber  die  Kmmerich'.schen  sogenannten  Keapler  Cholerabakterien. 
Zottachr.  f.  Bjrviene.  1686,  I,  pag.  315.  —  TJi.  Ramp«!,  BaktwriologiMÜw  and  klinische 
Beftinde  bei  der  Cbolen-Nsdiepideinie  in  ffambnrg.  Deatsebe  med.  WoeheMchr.  1893, 
pag.  IGO.  —  *'■')  Berliner  Conferena  aar  ErurfcrutiK  d«r  Cholerafra^'t».  II,  .lahrg.  Herliner  klin. 
Wochenßchr.  1S85,  Nr.  37.  —  ")  M.  v.  Fetten  kof  er,  Ueber  Cholera  mit  Berücksichtigung 
der  jnn>;3ten  Choleraepidemie  In  Hamborg.  Hänchener  med.  Woebenschr.  1892,  Kr.  46-  — 
")  P.  Hasterlik.  Kerlim-r  klin.  Wochenschr.  1892,  pag.  24*^.  —  ")  P.  Banmgarten, 
Lehrb.  z.  path  Mykologie.  Uraunsthweig  1890,  pag  810.  —  ")  G  u:ir  ch,  Tagblatt  d.  61.  Ver- 
sammlung d.  Naturforscher  u.  Aerzte.  1888.  —  F.  Hüppe,  I  .  l  ur  die  Aotrologic  und 
Toxikologie  Cholera  Mtatiea.  Denteche  med.  Woebenschr.  18^'^,  Nr.  ö3.  —  H.  SchoU, 
üeber  Cboleragift.  Prager  med.  Woeheniirbr.  1890,  Nr.  44.  —  **)  Gamal ela,  Bedterehe» 
ejrpfrimentahs  xur  len  pnixom  du  chdUra.  Ann.  d.  nitMi.  exp.  189'^.  Nr.  iJ.  —  '*)  C.  Alt, 
Tozalhamine  in  dem  Krhrochanen  von  Chnlerakranken.  Dfiut.schp.  med.  Wuchenschr.  1892, 
pag.  954.  —  ")  L.  R  r  i  f  gor .  Zar  KenntniHS  der  Stoffwechselproducte  der  Chol<-rabacilIen. 
Berliner  klin.  Wochenschr.  1887.  Nr.  41.  —  *")  Knüppel,  Die  Erfahrungen  der  englisch-ost- 
indischen  Aerzte  betreffs  der  Choleraatiologie,  besonder«  seit  dem  Jahre  ls83.  Zeitschr.  C  Hygiene. 

1891,  X,  pag.  367.  —  F.  Hüppe,  Ueber  die  Dauerformen  der  SDgeuannten  Kommabacillen 
Fortschritte  d.  Med.  1885,  Nr.  &  —  Zäaleiu.  Archive«  de  biologie  italiennea.  1883.  IX, 
pag.  40.  —  >*)  Neleser.  Zeitsebr.  f.  Hyg.  1888.  lY.  pag.  88.  —  "«i  g,  Kita  im  te.  Die  Wider» 
standsfähigkeit  der  Cholerabaktcrion  gegen  das  Eintrocknen  nnd  geg«in  Hitze.  Zfitsrhr.  f  TTyg. 
I8SS.  IV.  pag.  134.  —  ")  F.  Hüppe,  Zar  Aetiologie  dr:r  Cholera  a.siatica.  Herl.  klin.  Wochen- 
Kchrilt.  1890.  Kr.  9;  Präger  med.  Wochenschr  189"  Nr.  12.  —  0.  Franke  1 .  Nachweis  der 
Cboleiabakterien  im  FlnsawaiMr.  Dentacbemed.  Wochenachr.  1892.  Nr  42.  —  ''^  O.  Labarscb, 
Zar  Epidemiologie  der  aaiatiiicben  Cbolera.  Dentsebe  med.  Woebenschr.  1892,  pag.  978.  — 
*")  E.  Biernack  i.  Die  Choleruvibrionen  im  Brunneuwasst-r.  Dtut.sc  lie  med.  Wochenschr.  1892, 
pag.  957.  —  Pasquale,  (Horn.  med.  \jiel  eacrito  f  della  marina.  1891-  Vergl.  Uffelmann'a 
JiÄreaber.  1891.  —  Walichs,  Die  Cholera  in  Altona.  Deatacbe  med.  Wochenachr.  1892. 
pag.  835  u.  h>19.  —  ")  Th.  Weyl,  Können  rholera.  Typhus  und  Milzbrand  durch  Bier  über- 
tragen werden?  Dcut.scho  med.  Wochenschr.  1892,  pag.  s;^3.  --  A.  Pick,  Ueber  den  Eiu- 
flu.ss  des  Weine»  auf  die  Entwicklung  der  Typhua-  und  Cholerabacillen.  Coutralbl  f  Buktericn- 
knnde.  1892,  XII,  Nr.  9.  ->  £.  FrAnkei.  Zur  Biologie  dea  Kommabacillns.  Dentacbemed. 
Wochensebr.  189;i.  pag.  1076. — **)  A.P.  Fokker,  Ueber  ein  dorcb  Cbolerabaeilten  gebildeeee 
Enzym.  Deut,';r)i(>  h  h«!.  Wochenachr.  1892,  pag.  1 151-  — **)  Simmonds.  Fliegen  und  Cholera- 
ubertragung.  Dtutsthe  med.  Wochenschr.  1892,  Nr.  41-  —  **)  (J.  Tizzoni  u.  J.Cattani, 
Untirsucbungen  über  Cholera.  Centralbl.  f.  d.  med.  Wi.s.sensch.  18>^6,  Nr.  15.  —  *')  6.  Banti, 
Sulla  durata  d^l  periode  d'ineulKuion0  nel  Colera  aniatica.  Lo  Sperimentale.  1887.  — 
*•)  Simmonds,  Choleraleicbenbefnnde.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1892,  pag.  1199.  — 
"'i  'i.  Dl  vckf,  t'fixr  Li-irhenhefnnde  bei  der  Cholera.  inslusondHrf  an  den  Reckenorgai.en. 
Deui.>«clie  med.  Wochenschr.  Is93,  pag.  159.  —  £.  Frankel,  Ueber  Choleraleicbenbefnnde. 
Deutsche  med.  Woebenaehr.  1893.  pag.  157.  —  B.  Frknkel  q.  Simm  onds,  Ceniralbl. 
f.  d.  med.  Wisswnsch.  1SÜ2.  Nr  .")(».  T..  I.eyden,  Uebor  Choleraniere.  Deutsche  med. 
Wochenschr.  Iw'.l2,  pag.  H.ÜU  u.  Zeitschr.  f.  klin.  .M.'d.  18',>.i.  XXll,  pag.  l.  —  '^^)  Aufrecht,  Die 
Choleranephriti.^.  Centralbl.  f.  d.  med.  Wissen.srh  1^92,  Nr.  45.  -  **)  Klebs,  Zur  Pathologie  und 
Therapie  der  Chohm  aniatica.  Dentsebe  »ed.  Wochenachr.  1892.  Nr.  43.  —*^}  CManchot. 
Ueber  die  Behandlung  der  Cholera  mit  dem  Kleha'achen  ADticbolerin.  Dentaehe  med.  Woehenadir. 

1892,  pay.  |(l50  ,1.  Fe  r  r  a n .  Sur  hi  j>raph;/lnjie  du  '•),,di'rit  nu  moyen  de  l'injectioH 
hupudcrnnquix  de  rultttns  pures  de  hnciUe  riryule.  Conipt.  rend.  US-Sö,  T.  CI,  pag.  147.  — 
**)  Gtbierund  van  Ermongem,  /{ccherrheserpirimenialesur  le  ehol^a.  Compt.rend.  1885, 
pag.  470.  Tnnon  de  Lara,  Kl  ('ol^ra  y  la  Vacunaa'on  mdicoUrka.  Sevilla  1885. 
Vergl.  Deut.'-rbe  med.  W'ocheti.'^i  hr.  Iss.j,  pag.  7'^7.  —  **)  N.  Gamaleia.  Sur  hi  vaccination 
pri'iiiiHre  du  rhoh'ra  (i.sintiquf.  Conipt.  rend.  1888,  T.  CVII.  Gaz.  des  höp.  1888,  Nr.  96.  — 

Löwenthal,  Samaine  med.  1888,  Nr.  35.  Acad.  dea  sciencea  .4  Paria.  31.  Dec  J8Ö8.  — 
*^  Brieger.  Kitaaato  n.  Waesermann,  Ueber  Immanitit  nnd  Oiftfeatigung.  Zeitsebr. 
f.  Hygiene.  l^Hi.  XII  j  -il-  Iii.  •-■  '■')  C.  Klcniperer.  Unt>-nrachungen  über  knn.stluhen  Impf- 
fchutz  K'-^'eu  Chülerainluxuation.  Herliner  klin.  Wochenachr.  18H2,  Nr.  32.  hlem.  Weitere 
Unter.Mui  luoigen  über  Schutzimpfung  des  Henachen  gegen  aaiati.><che  Choler.i  Berliner  klin. 
Woebenschr.  1892,  Nr.  50.  —  •*)  A.  Lazarus,  Ueber  antitoxischt  Wirkung  des  Blntaanma 
Cholerageheilter  Berliner  klin.  Wochenschr.  1892,  Nr  15  u.  44.  —  *')  Vergl.  Dentsebe  med. 
Woclirii.-^chr.  1>T'2,  pa;;  7".il.  —  '"')  W.  Becher,  Zur  Clxderaverst  blepputip.  Dentsebe  med. 
Wochenschr.  1892,  pag.  834.  —  *^)W.  Loweuthal,  Kcperiemtii  biologiquea  et  thtirapeutiques 
»ur  leehMra.  Oompt.  n^d.  IHHR,  T.  CVlf.  Nr.  27.  **)  F.  Htppe,  Wae  hat  der  Arst  bei 
Drohen  und  Herrschen  iler  Cholt-ra  zu  thun?  Prager  med.  Wochenschr.  1890,  Nr.  3'?— 1^5.  — 

A.  Yvet,  De  l  emploi  bichlorure  de  mercureetc,  Compt,  rend.  T.  CVII,  Nr.  18,  pag.  6b5. — 


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154 


OHOLEBA  A8IATI0A.  —  CHOLBIIA  (nnltUapoUsailkli). 


*")  Rampf,  Die  Bebudhmf  der  Cholera  in  nefaeu  «llgeiBeiBen  Knnkeiiliaue  so  Hmiliaif. 

pputscho  med.  Wochensflir.  pag.  '^77.  —  '  )  K.  Kntner,  Dip  Behandlnug  der  Cholera- 

kranken in  den  Pariser  Hospitaleni.  Deutsche  med.  Woc honschr.  pag.  797.  —  '*)S.  Samuel, 

Die  Resaltate  der  subratancn  Infasionun  als  Behandlnngsmethode  der  Cholera.  Deatsche  med. 
Wochenschr.  1&87,  Nr.  311.4.  Idem,  Ueber  die  nothwendige  Continuiiat  der  Kubcutanen  Infusion 
bei  BehandloDg  der  Cholera.  DeuteolM  ned.  Vochenschr.  1892,  pag.  881.  —  Cantani, 
Cboloabefatiidloiig.  Beriiner  klin.  Wocheudir.  188S,  Nr.  37.       Hernana  Blcliliorat. 

Cholsni  (sanitfttspoliseilieb).  Die  Cholera  nlhert  sieb  von  bereits 

durch  sie  verseachten  Orten  auf  Wtgtn  des  Verkehrft;  die  Cholera  wird  nur 
an  PlUtzen ,  die  ihr  ©inen  gflnstigen  Koden  pewShren  .  zur  Epidemie  oder 
tritt,  wie  man  Jetzt  den  Vergleich  stellt,  nur  an  Kolcben  Plätzen  j^explosiv"^  aut  j 
die  Cholera  ergreift  disponirte  Personen  mit  grösserer  Vorliebe  und  Gewalt 
als  nndisponirte. 

Diese  drei  I'if";ihrunfren,  wie  sehr  aucli  die  sie  znsatnmenset'/.enden  Einzel- 
heiten eich  vervollkommnet  und  gewandelt  haben  mögen,  machen  heute  wie  vor 
€0  Jahren  den  Grund  au»,  auf  welchem  die  abwehrenden  und  schtttzenden  Mass- 
regeln fassen  können  und  fossen  müssen.  Die  Sehwierifkeiten  bei  ibrer  Doreh- 
führung'  steigern  t-ich  haupts^^ehlieh  dadurch  in's  Immense ,  dass  nicht  allein  der 
cholerakranke,  sondern  auch  der  clioler;i  v  e  r  d  ä  c  Ii  t  i  e  ,  aber  Cholerabaeillen 
beherbergende,  pruducirende  und  tran»puriirende  Mennch  das  Ubject  der  Hanitäts- 
polizeilieben  Fttrsoi^e  bereits  dann  sein  mnss,  wenn  er  zuweilen  selbst  noeb 
kaum  dnran  zu  denken  gezwim^^n  ist,  sieb  irstiieb  behandeln  zu  lassen  oder 
einem  differenti:i!-dia«rnostisclien  Verfahren  zu  unterziehen.  Es  er^riebt  sich  hieraus 
(und  aus  noch  einigen  im  Laufe  der  Darstellung  zu  berührenden  Punkten),  dass 
fUr  das  praküfeb  vorbeugende  Handeln  der  obolemverdftc  htige  Mensdi  der 
diflfieilere  Gegenstand  ist.  Denn  alle  Handbaben,  die  zur  Siehernng  und  Unsehädlieh« 
machunfr  dc^  aN  krank  erkannten  Meufschen  in's  Werk  gesetzt  werden,  sind 
der  Znstinimun;.'  aller  Vcrstilndi.L'en  gewiss;  wiUirend  der  blos  V  e  rd  ;l r  h  t  i  ir  e 
die  Freiheit,  den  von  ihm  oft  bereits  reingezUchtetcn  Ansteckungsstotf  überall  ab- 
snsetzen,  meistens  so  lange  missbranebt,  bis  er  niebt  mehr  aliein  sieb  selbst, 
sondern  anderen  Persönlichkeiten  in  dem  Grade  verdiehti;?  wird,  um  ihm  mit 
einer  entscheidenden  fditferential-diafrno.stischen  Untersuch iino:  näher  treten  zu  können. 

bei  dieser  Möglichkeit  hebt  die  Aufgabe  an,  die  Cholera  planmässig  zu 
bekSmpfen,  so  dass  als  erster  wesenülebwr  Vontoss  die  Ermittlung  des 
Bacillenbefu  ndes  gelten  mnss.  Finden  sieb  eebte  EommAaeillen ,  so  ist 
mit  dem  ('holerakranken  weiter  zu  rechnen  und  zu  verfahren :  finden  sie  sich 
nicht,  so  i.st  der  Chulcraverdäehtiffc  dies  nicht  mehr  und  ein  Kranker  wie  jeder 
andere.  Mag  man  auf  die  i^zum  Theil  der  Erforsehung  noch  harrenden)  admlni- 
enllrenden  und  Hilfsmomeote  der  Cboieraentstehnng  noeb  so  grosses  Qewiebt 
legen  ■ —  im  Hauptmoment  herrseht  nach  der  Riehtunjr  Einstimmigkeit ,  das«  die 
Anwesenheit  des  Kocn'sehen  Komma!  acilliis  unentbehrlich  ist  für  die  Entstehung 
Jedc8  einzelnen  Falles  von  asiatit^cher  (  holera,  und  das  demnach  durch  Ver- 
nichtung dieses  Baeillus  jode  Choleraepidemie  unmöglich  gemaebt  wird.  Eine 
Meinun.L'.sversehiedenheit  besteht  nur  über  den  Punkt,  inwieweit  andere  iTsachea 
neben  detn  Pacillns  für  das  epideniisehe  .Auftreten  der  Cholera  von  Hedeutnng 
sind,  und  auch  dieser  Streit  dreht  sich  vielfach  nur  um  Worte.  Die  eine  allseitig 
auerkannte  Thatsachc:  „Ohne  Kommabaeillen  keine  asiatische  Cholera",  die  durch 
Tausende  von  Einzeluntersuebungen  naebgewiesen  ist,  giebt  nun  fOr  das  sanitita- 
polizeilicho  Vor^'t-lien  eine  ganz  klare  Kichtsehnur:  Der  Kommabacillus  ist  1.  der 
Tr'A'^tT  der  Forlptlanzungsmöglichkeit  der  Krankheit  — ■  al'Jo  ist  die  Fnter- 
brech  uug  seiner  Verschleppung  identisch  mit  deui  Einhalt  der  Cholera- 
versebleppung.  Er  hat  S.  die  grOsBte  Neigung,  sieb  in  aussermensebliehen  Medien 
bestimmter  Art  zu  erhalten  und  zu  v  er  vielfältigen  —  also  wird  die  Be- 
seitigung solehfT  Midien  ihm  die  Macht  zur  Weiterexisfetiz  iiud  Ver\ ielfflUigung 
entziehen.  Endlich  vi.  würden  die  Lebensbedingungen  des  Bacillus  nie  auf  die 
Dauer  in  aussermenscblieben  Medien  erfüllt  werden,  wenn  niebt  immer  wieder 


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CHOLERA  (maititipoliidlieh). 


155 


unter  einer  Vielheit  von  menschlichen  Individuen  sich  disponirte 
finden:  gelänge  e«,  alle  disponirten  Menschen  in  nndisponirte  nttsnaduifliBn,  ao 
wäre  jede  derartig^e  Wsndlnng  ane  Chance  mehr  gegen  die  Beuohenartig 
anftrelende  Cholera. 

I.  Der  Cholerabacillus  im  Verkehr,  seine  Verschlep- 
pungen and  deren  Verhinderung.  Wir  besitzen  die  Möglichkeit  nicht, 
den  Personenverkehr  in  nnserem  Zeitalter  „pOsdioht"  (riehtiger:  „keimdteht**) 
an  gesfaltdi.  Bcp.lsaen  wir  sie,  so  wtlrden  sich  zwei  starke  Parteien  im  sanitSts- 
polizfilichen  Lafrer  bilden  —  die  eine  wfirdc  auf  der  Behauptung  fusson  :  „Keine 
Caiamität  grösser,  als  die  Verschleppung  jener  Keime",  —  die  andere  würde 
sieh  um  den  Omndsats  sehaaren:  „Wir  tragen  den  'V^derstand  g^en  die  Auf- 
rahme eines  solchen  Keimes  theils  in  uns»  theils  ist  ihm  in  unst^TiMi  Umgebungen 
der  Widerstand  bereitet.  Die  Eingchleppnng  einer  Qnantitiif  Cliolerakeime  ist  das 
geringere,  die  Cholerafurcht,  Cholerailucht,  Lähmung  des  Verkehrs  —  das  ist  dag 
grössere  ünglflek.'*  Der  swriten  Partei  gehOrt,  da  sie  glefehaeitig  mit  dw  Wirk- 
lichkeit (also  mit  der  Unmöglichkeit  der  Fernhaltung  des  Keims)  rechnet,  der 
fruchtbarere  nnindsatz  und  die  be'^seren  Aii---jic!iten  des  Erfolges.  Gleicligiltig 
aber  wird  nnd  darf  es  ihr  sicher  trotzdem  nicht  sein,  in  wie  grosser  oder 
in  wie  kleiner  (Quantität  die  Chiderakeime  einem  uuch  völlig  un  verseuchten 
Plats,  einer  noch  gaas  gesunden  Bevölkerung  angesohleppt  werden.  Noeh  weniger 
gleiehgiltig  kann  es  auch  dieser  Partei  und  gerade  i  b  r  sein ,  w  o  die  einge* 
schleppten  Keime  bleiben.  Und  so  entstehen  die  für  die  Zufuhr  derselben 
wichtigsten  Fragen : 

Wer  oder  was  bringt  Cbolorakeime? 

Wie  kann  man  die  letateren  im  Auge  behalten  und  ihre  Ausstrennng 

hindern  ? 

Transporteure  der  Keime  k<>nnen  am  Choleraorte  aufgelieferte  Sachen 
oder  von  dort  ausgegangene  Personen  sein.  Letztere  sind  es  häufiger  als 
entere  —  schon  um  deswillen,  weil  nur  wenige  „Saehen^  in  gans  intime  Berüh- 
rungen mit  choleraverd.lchtigen  Arlieitern ,  Tiieferanten  etc.  (noch  seltener  mit 
cholerakrankenl  kommen.  Uagetren  reisen  nicht  nur  viele  Cholera  v  e  i  d  äc  h- 
tige,  sondern  auch  Cholera k  r  a  u  k  e  in  zicmiiciier  Anzahl,  und  :&war  zu  Wasser 
wie  au  Lande,  mit  Sehiffen,  Eisenbahnen,  Wagen  nnd  selbst  zu  Fuss. 

Man  hat  die  grossen  Erfolge  der  F I  u  sssehiffe r- Bea u  fs  i  e  h  tigung 
gerdhmt ,  da  I  S'.li*  eine  Anzahl  von  weit  über  1,000.000  Persoiienbesichtigungcn 
und  entsprechend  viele  Fahrzeugrevisionen  und  -Desinfoctionen  (zu  einem  allerdings 
reeht  verspäteten  Zeitpunkt  und  naebdem  z.  B.  in  Berlin  bereits  14  eholera- 
kraake  Sehiffer  dureh  die  gewöhnlichen  Strompoliseiorgane  ermittelt  worden 
waren)  von  reichsweLTcn  angeordnet  und  ausgeführt  wurden.  Auf  gegen  fiO.OüO 
Elbschifl'en  wurden  108  Cholerakranke,  11  Cholcraverdnchtige ,  auf  .30.000 
Oderschiflen  7  Cholcrakranke,  3  Cholera verdJlchtige,  auf  circa 26.000  W'eichsel- 
scbiffisn  3  Cholerakranke,  2  Oholeraverdäehtige ,  auf  37.000  Rheinsehiifen 
5  Cholerakranke,  2  Choleraverd.lchtige  ermittelt.  (Genau  sind  die  Summen  160.913, 
resj).  1.3.3,  resp.  18.)  Obwohl  die  Zahlen  der  Kr.niken  und  Verdächtigen  an  sieh 
klein  erscheineu,  so  entbehren  sie  der  Bedeutung  schon  um  deswillen  nicht,  weil 
beim  Weitervorrtteken  des  Sdiiffes  jeder  in  den  Fluss  abgesetste  Oholerastuhl  ete. 
die  Bildung  eines  neuen  Herdes  fortpflanaungsfiihiger  Bacillen  bilden  kann  und 
b(i  der  Wasserentnahme  aus  dem  nflm  liehen  Klnss  thatsächlieh  oft 
genug  bildet.  Ka  rechtfertigt  sich  deshalb  .sicher  die  sofortige  Unterbrechung  der- 
artiger Reisen  und  wohlbegründet  lautet  die  Anweisung  im  §.  7  der  Instruction 
vom  28.  September  1892  ansdraeklieh :  „Jede  aueh  nur  im  Oerings ten 
Grade  cbolerav  er  d.lch  t  i ge  IVrson  ist  s  ofort  vom  Schiffe  /u  entfernen  etc." 
—  „Ausser  dem  Erkrankten  sind  auch  silmmtliclie  übrigen  Personen  von  dem 
Fahrzeuge  zu  cutferucu,  /u  dcsiulicireu  und  zur  Beobachtung  zu  isoiiren.^'  Dass 
bei  den  Meldungen  Fälle  von  Choleraverdaeht  oder  gar  Choleraerkrankung 


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OBOLBRA  (MiiitttapoUtdlicb). 


üborgangeu  worden  wären,  erscbeint  ausgreschlossen ,  da  (§.14  der  Instruction) 
„die  StÄtionsvorstände"  von  jedem  einecblägigen  —  auch  von  jedem  Cholera- 
todesfalle  —  aofort  dem  RddueommiMlr,  dem  kaiaerliohen  Gknandheitsamte  in 
Berlin  nnd  dem  betreffeDden  Kreitphysicus  telegn^khlaehe  Meldung  zu  macbeo  hatten. 

Ausser  der  Verbringunp  der  Kranken  von  den  Schiffen  wurden  diese 
letzterea  in  der  Gesammtzahl  von  circa  80.000  durch  Kalkmilch  desinficirt 
nnd  gereinigt.  Hier  wird  apiter  zn  noterseheiden  sein  swischen  den  wnhrhtft 
segensreichen  nnd  bedentungsvollen  Folgen ,  welche  das  Hinebgraifen  in  die 
heimlichen  Gewohnheiten  desSchiffervoIkes  haben  muss  —  und 
zwischen  den  Früchten  der  sonst  angeordneten  Massnahmen.  Diese  leiden,  sie 
mögen  noch  so  gut  erdacht  sein ,  unter  jenen  Schwierigkeiten ,  welche  durch  die 
eigennrtige  LebeoBweiae  nuf  dem  flottirenden  Boden  fDr  die  Meldung  der  Kmnlc- 
bcits-  und  TodesfUle  entstehen;  fflr  das  Wiederauffinden  selbst  der  Fahrzeuge, 
sobald  man  einen  Verdacht  auf  Cholera  geäussert;  für  di(5  Ermittlung  der  Art, 
wie  man  sich  Wasser  verschafft,  vom  Schiff  aus  seine  Fäcaiieu  absetzt,  mit  wem 
der  Sehiffer  verltefart,  -verliandelt,  Ja  sellMt  mit  wem  er  noeb  die  Naebt  verlier 
auf  seinem  Fahrzeug  ^elclit  uud  geaehlafen  hat.  Hier  kann  die  Cuntrole  des 
Schiffsverkehrs  Erlieltlichcs  Ici-tcn  —  nnch  manche»  Erfahrungen  virl  mehr,  als 
durch  die  blosse  Annahme  einer  sogeuauutcu  „Verseuchuug"'  der  Flusswässer  nnd 
durch  DeeinfeetioDeo. 

Neben  der  Dnrehsoehnng  und  der  Desinfeetion  werden  deshalb  beim 
Schiffsverkehr  besonders  in  Anwendung  zu  ziehen  sein  :  Anstalten  für  Entnahme 
reinen  Wassers  vom  Lande;  Ahorteinrichtungen  fdr  Schiffer,  möglichst  he(|uem 
zugänglich  und  recht  zahlreich,  ebenfalls  auf  dem  Lande  oder  solche  mit  ver- 
sehliessbaren  AbAihrktsten ;  Warnnnfrs-  nod  Meldestationen,  die  den  Sehiffern 
möglichst  Tag  und  Nacht  uiul  nhnc  Zeitverlust  zur  Verfügung  stehen 

Zur  Empfangnahme  der  Meldung  eines  Erkrankten  und  zutreffender 
Weise  zum  ßehufe  seiner  Bergung  waren  1872  auch  die  meisten  Vurkehrungea 
bestimmt,  welehe  im  Eisenbahnverkehr  getroffen  waren.  Wo  wenige  Bahn- 
linien (oder  nur  eine)  vorbeifahren,  ist  mit  dnigen  gediegenen  Anweisnogea  des 
bcfrlcitcnden  Hahnpersonal'^,  der  Statinnsheaniten  und  mit  der  Bereitstellung  eines 
Krankenhau^'i'S  die  sanitJltspoli/.ciliche  Fürsorg-'  erfüllt  (Gesunde  Heisende,  welche 
zugehen,  sind  anzumelden,  wenn  sie  aus  einem  Chuleraort  kommen ;  nicht  zu 
qnarantftniren,  aber  5 — 6  Tage  aof  Choleraverdaeht  in  ihrem  eigenen 
Interesse  zu  beobaehten.  Wasche  nnd  Kleider,  welche  in  dem  CholeraOTt  in 
Oehraucli  gewesen  sind,  würden  zweckni.'lssig  desinticirt  werden,  auch  aus  dem 
Grunde  hauptsächlich,  weil  das  zu  ihrer  einfacben  Rciaiguug  benutzte  Wasch- 
wasser  zu  Herdbildnngen  den  Anlass  geben  kOnnte. 

Die  Srztlicbe  Ueberwaehnng  an  grosseren  ßahohöfon,  resp.  an  denen, 
auf  welche  zwcckniässiij  der  gar  zu  nehr  auseinandergezerrte  Verkehr  (Einfrtlls- 
verkehr)  der  ( Irossstädtc  conceutrirt  wird,  hat  ebenfalls  nicht  den  Sinn 
einer  Quarantäne  oder  überhaupt  einer  Absperrungsmas.sregel.  Die  Aerzte  er- 
fflllen  dnreh  ihre  bestKndige  Anwesenheit  vielmehr  die  Aufgabe,  stets  xnr  Ver- 
fügung der  sich  krank  ftlblenden  Ankömmlinge  zu  sein  nnd  bei  Verdichtigen 
den  'sclhst^eNchiipften  oder  vom  Personal  ge^clmpften'!  Verdacht  zu  zerstreuen 
oder  ilr/4iich  (wissenschaftlich,  soweit  dies  ohne  Baktcrioskopie  möglieh  ist)  zu 
begründen.  Das  Geftthl  fttr  den  Ankömmling  in  einem  fremden  Orte,  sieh  sofort 
unt*  r  der  verantwortlichen  Pflege  eines  Arztes  zn  befinden,  ist  mehr  wohltbnend, 
als  dass  es  einer  Belilstigung  gleich  zu  achten  wftre.  Erfüllt  ^cliun  die  I'nter- 
suehung  durch  den  Arzt  uud  die  Aussprache  mit  ihm  einen  humauen  Zweck,  so 
wird  im  Falle,  dass  eine  Unterbringung  eines  Anköromliogs  den  Umst&nden 
nach  erforderlieh  ist,  die  Hilfsbereitsehaft  dadurdi  sofort  zn  «ner  sani> 
t  ä ts  p  0 1  i  z  e  i  1  i c  h  e n  Massreu'el  ersten  Hanges,  dass  durch  die  Aerzte  sofort 
die  richtigen  r»'l»erfülirini.i^sniassnahnien  für  den  Kranken  ( \'erdächtigen)  wie  ffir 
seine  Effecten  angeordnet   werden.    Kein  Verständiger  wird  in   all  diesen  Vor- 


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CHOLERA  (sanitätspoliMilich). 


157 


kehningen  Sperren,  mittelalterliebe  VerkebrsbescbrtaknDgen  oder  detgleidieo,  noch 
weniger  aneh  polizeilicbe  Scherereien  erblicken. 

Auch  läuft  es  keinem  Gesetz  und  keinem  Gebot  der  Menschlicbkoit  zu- 
wider, wenn  der  Bieenbnhnverkehr  der  allefgrOsstOD  Dnrobsiohtiipkeit 
unterliegt.  Er  wird  dadurch  (auch  nach  neneren  ErfabrunKen)  nicht  ,^pil7.dicbt^% 
aber  er  wird  ung^eftbrlichcr  gestalti-t,  als  wenn  er  Heimlichkeiten  birj^t.  iSolcbe 
birgt  er  thatsächlich  zunächst  in  dem  Sc  b  1  a  i' w  ageu.  Hier  soll  ja  nicht 
geatffrt,  nicht  oaobgesehen  werden;  hier  unterliegt  beiebmntxte  Wftsohe  etc. 
der  Disposition  des  f&r  jede  Begünstigung  lueht  sn  gewinnenden  Dieners ;  hier 
wt  hrt  man  sich  am  meisten  ,  das  benutzte  kostspielif^e  Material  desinficiren  oder 
otVentlich  reiniL'eu  zu  lassen.  Wiihrend  als'i  beim  Verkehr  in  d^n  frewöhiilicheri 
Waggons  (auch  aui  den  Aborten)  der  Mitreisende,  der  Schaöncr,  der  Zugführer 
dem  verdXcbtig  Erlcrsnkten  seine  Anftnerksanikdt  schenkt,  ist  es  für  den  Sehlnf- 
wageureisenden  Kirlit ,  jeder  OefTentliebkeit  nu  entgehen  und  unveroierkt  in  das 
Getriebe  volkreicher  l'lMtze  «nter/.iitanchen. 

Wie  gross  ist  auch  ganz  aligemein  die  Versuchung,  zuerst  und  mit 
Selbstaufopferung  dem  gewollten  Reisezweek  zu  genügen,  des  Oeeehftft  noeh  nb> 
zuwiekeln  nnd  inzwisehen  die  Zeichen  und  Mahnungen  des  sieb  erst  entwickelnden 
Krankhcitsprocosses  .  ja  eine?*  1)oreits  reciit  bedenklich  gewordenen  Zustandes  der 
Oelleiitliehkeit  vorzuentiialten.  Keine  andere  Krankheit  fordert  durch  die  Gerin;^- 
fligigkeit  ihrer  wirklichen  Anfangserächeiuungen  die  Willenskraft  energischer 
Naturen  snm  Widerstande  gegen  blossee  ünwoblsmn  so  heraus;  bei  keiner 
andt  ren  kommt  das  ZuMammenbreehen ,  der  anscheinend  foudrnyante  Reginn, 
das  ilberstiirzte  tndtliche  Ende  in  auch  nur  annähernd  ^rleicher  Hilutifrkfit  vor. 
Hierin  besteben  aber  die  unliebsamsten  Ueberraschungen  der  ünterstaudgewäh- 
renden  wie  der  Behörden.  Ohne  eine  sebarfe  Meldeordnung,  die  In  Hdteis 
nnd  aoderen  Absteigequartieren  luit  Consequens  gehandhabt  wird,  lässt  sich  kein 
Ort  gegen  Cholera  schtltzen.  liarbariseh  ma?  man  immerhin  jene«  Vor^-^ehen 
heissen,  welebea  Vorstände  und  Bevölkerungen  kleiner  Urte  gegenüber  Zureitenden 
ans  Gholerapliitzen  einschlugen,  indem  sie  ihnen  Obdach  und  Aufnahme  nach 
mittelalterlicher  Weise  ginslich  versagten.  Aber  weder  als  barbarisch «  noch 
kleinlieb  kennzeichnet  sich  das  Hestreben ,  die  Herknmmlinge  au^  verseuchten 
Plätzen  zu  kennen,  sie  ohne  alle  Hel.lstigung  in  ihrem  Refinden  einige  Tajre  zu 
beobachten  und  ibuea  im  Falle  der  Erkrankung  mit  einer  geeigneteren 
Unterkunft  sn  dienen,  —  nnd  swar  mit  einer  solchen,  in  welcher  die  Neigung 
de.<4  eingeschleppten  Cholcraerregenn  zur  Bildung  neuer  Herde  am  wahrschein- 
lichsten .  wo  nicht  mir  voller  Sicherheit  für  immer  unterJrtlckt  wird.  Diese  br)h« 
Stellung  in  der  Cbolerapropbylaxe  sind  wir  gegenwärtig  bemUbt ,  für  die  richtig 
eingerichteten  Cholerakrankenblnser  in  Anspruch  su  nehmen ,  von  welchen  — 
wie  von  den  Aerztcn  —  weiter  unten  sn  bandeln  sein  wird. 

Eine  \vi('hti{?e  Sonderaufgabo  war  1872  der  ^Choleracommission  im  kaiser- 
lichen Gesiiiiilheit-^anit"  {gestellt  dnreh  die  Erledifrunfj  der  zahlreichen  AniVaoren 
Uber  die  mögliche  V  e  r  Hch  I  epp  u  n  g  dos  Cholerakeiraes  durch  Waureu 
nnd  Handelsartikel.  Es  durfte  kanm  einen  Oegenstand  Hamburger  Pro 
venienz  ^'e^'cben  haben,  hinsichtlich  dessen  Anfragen  nicht  bereits  an  sonst  be- 
theiligte Ik'Ii>irden  i>o  besonders  aiteh  an  das  I'(ilizei]»r;lsidiuni  in  Rerlin)  gerichtet 
gewesen  wären,  als  die  gedachte  Conimi.ssiun  dieses  i  hema  zu  dem  ihrigen  machte. 
Abgesehen  von  den  bereits  in  der  Jnliverfügung  des  preussiseben  Coltusmini* 
Stenums  als  eventuelle  Tr.Hger  des  Cholerakeimes  bezeichneten  Objeoten  (Leib- 
u  n  d  B  e  1 1  w  Jl  8  c  h  e  ,  gebrauchten  Kleidern,  Hadern,  Lumpen.  Obst, 
frischem  Gemüse,  Butter,  Weicbkäsej  wurden  nahezu  alle  sonstigen 
Artikel  als  nicht  cboleraverschleppend  erklärt. 

II.  Der  0 holerabaeillus  beim  Versenehen  von  Wohn- 
plätzen; Mittel  daf^egen. —  Die  Aussaat  der  Cholerakeime  geschieht 
durch  die  Darmdejeotionen,  demnädist   die   erbrochenen  Massen 


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CHOLERA,  (sanitätapolizeilicli). 


unmiltelbar ;  seine  Ucbergäuge  auf  andere  Medien  erfolgen  mit  Tersehiadraer 
Wahrscheinlichkeit,  mit  der  höchsten  anf  die  Wäsche  der  Kranken,  dem- 
D&cbst  in  das  zu  deren  Spülung  und  Keinigung  benutzte  Wasser.  Wie  letzteres, 
M  kttunen  aneli  tUe  Dejeetionen  unmittelbar  in  Offentlidie  Wa»erUnfe,  Brnnnmi, 
lonstige  Entnahmestellan  fBr  Trink-  und  Gebrauchswasser  und  aomit  auf  viel- 
fache Weise  in  den  menschlichen  Hauslialt  ziirückgclangen ;  sei  es,  dass 
das  verunreinigte  Wasser  zum  Sptllen  von  Gcräthschafteu,  zum  Waschen, 
Baden,  zum  Reinigen  von  Gemflsen  und  Früchten,  zum  Kochen, 
sor  Yerdlliinnns  der  Iflleh  oder  direet  sam  Trinken  verwendet  wird; 
oder  dass  Koramabaoillen,  welche  ja  auf  einigen  Nahrungsmitteln  mit  feuchter 
Oberfläche  sich  längere  Zeit  lebensftlhig  halten,  direet  dahin  und  somit  :uif 
natürlichstem  und  kürzestem  Wege  in  den  Verdauungstractus  eines  emptilugiiohea 
Hensehen  gebracht  werden.  Aueh  die  MOgliehkdt  derVermittlung  dvreh 
Stubenfliegen  ditrfle,  sobald  denselben  allerlei  feuchte  Nalimngsmittel  zu- 
gJinfrlich  Kind,  keineswegs  von  der  Ilaud  zti  weisen  sein.  Sicher  eonstatirt  sind 
jedoch  in  oder  an  Fliegen  die  Kommabacilleu  noch  nicht,  während  ihre  An- 
wesenheit und  ihre  Dauerhaftigkeit  im  Wasser  and  ia  dea  aoaat  anfgefBkrten 
Medien  völlig  awMfelaArei  festgestellt  ist.  Eine  Uebertragnng  der  Bseitlen  dorok 
die  Luft  ist  unwahrscheinlich,  da  die  Luft  nur  trockene  F^acillen  oder  Bruillcn- 
conglomerate  forttragen  oder  fortwehen  niui  anwehen  könnte  und  —  wenigstens 
nach  K.  Koch's  vielfach  wiederholter  und  vertheidigter  Ueberzeuguug  —  die 
Baeillen  gleiefaseitl  g  mit  erfolgter  Austroeknang  nieht  nnrikre 
Wirksamkeit  absolut  verlieren,  sondern  auch  zu  Gruudegehen. 
„Die  Erfahrung-  spricht  dafür,  das-;  der  Infectionsstoff  in  trockenem  Zustande  nicht 
verschleppt  werden  kanu ;  wir  wissen ,  dass  die  Cholera  noch  niemals  durch 
Waaren  anf  dem  Wege  von  Indien  hierher  an  uns  gekommen  ist;  noeh  niemals 
haben  Briefe  oder  Postsendungen ,  auch  wenn  sie  nicht  —  wie  es  jetzt  vielfach 
geschieht  -  durchstochen  und  durchräuchert  wurden,  die  ('li  ijcra  ver!)reitet.  Die 
Cholera  ist  überhaupt ,  wenn  man  den  Ursprung  der  einzelnen  Epidemien  unter- 
sucht, noch  nie  anders  zu  uns  gekommen,  als  durch  die  Menschen  selbst." 

Für  die  spftter  sn  bertlbrenden  Verniehtungsbedingnngea  des 
Choleramikroben  sind  imter  seinen  oonstatirten  Lebenseigeuschaften  noch  wichtig: 
die  Haltbarkeit  seiner  Agar-  und  F'leischpeptonculturen  (auf  länger  als  7  Monate), 
seine  begrenzte re  Haltbarkeit  im  Wasser,  der  Maugel  einer  Dauerform  in 
seinem  Bntwieklnngskrebe  und  sdn  BedflrÄiias  einer  mehr  als  17*  betra- 
genden Temperatur,  sein  geringer  Widerstand  gegen  Säure  f. .sobald 
die  Nährgelatine  auch  nur  eiue  Spur  von  saurer  Keaction  zeigt,  ist  das  Wachs- 
thum des  Cholerabacillus  schon  ein  sehr  verkümmertes'^),  ferner  die  Behin- 
derung seiner  Entwicklung  durch  Alkohol  (10%  der  Nährflüsiigkeit) ,  Eisen- 
salphat  (2Vo),  Alaun  (lVo)>  Oampher  (O'S«/«),  Oarbolsftnre  (0*35 >  Pfeffer- 
minzöl  (0-05 7o),  Kupfenulphat  (0*04 Vo)«  Chinin  (0  02«/«),  Sublimat  (0*001  Vo)» 
Kalkmilch  (s.  unten). 

>«'eben  diesen  lüigeuschafteu  des  eigeutlicheu  lulecti«m.sstofles  treten  die 
Hilfsnrsaohen  fDr  sdne  Verbreitung,  wie  man  sie  in  allerlei  geologisehen 
und  meteorisehen  Bedingungen  hat  finden  wollen,  für  die  gegenwärtige  moderne 
Betrachtung  so  sehr  in  den  Ilinlergnind  dass  sich  von  den  mannigfaltigen  Be- 
hauptungen bezilglichen  Inhalts  nur  die  eine  aufrecht  erhalten  lässt:  es  giebt 
Ortschaften,  deren  Lage  nad  Bodmbesehaffenbeit  fQr  die  Entwicklung  des  Obolera- 
keimes  bescmders  nngflastig  und  andere,  deren  Lage  und  Bodenbescbaffenbeit  der 
gleichen  Entwicklung  besonders  günstig  ist.  Mf>glicher  Weise  lösen  künftige  eiu- 
gehende  hydrologische  rutersuchungen  dieses  Problem  noch  vollkommener  auf, 
als  es  durch  die  bisher  erst  in  spärlicher  Zahl  vorliegenden  bakterioskopischen 
Constatirungen  der  Cholerabaeillen  im  Flusswasser  geschehen  ist. 

l'eber  die  Art,  wie  Wasser  infieirt  werden  kann,  hat  man  die  an- 
selianUehslen  VorstelluDgen  wohl  aus  dem  Schifferieben,  in  welchem  dieFieaiien- 


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OHOLBBA  (nnit&tapolizeUidi). 


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«bsetsnng  und  die  WaBserentnabme  (Nuts-  und  TrmkvuBer)  in  einen 

«'Ilgen  Kreis  zusammengedrflngt  ist,  wie  auf  dem  Lande  nnr  selten.  Allein 
die  llaraburg-er  AVaeserversorgunfrsverhiiltiiisse  ;  und  wohl  nacbtrü^lich  auch  die 
vieler  anderen  Orte,  in  weicben  explüäiousartige  Epidemien  vorgekommen  sind) 
lehren  nnabwdslieh ,  dass  eo  enge  Berttliningen  der  Fäenlieamifnahmeplitae  mit 
den  Quellen  der  Waeserversorgang  häufiger  sind,  als  jemals  vorher  ann:enommen 
worden  ist.  Es  sind  dies  Typen,  wie  die  Londoner  Epidemien  von  1819  und 
lbö4 ,  von  düueu  selbst  die  Gegner  der  Wasserverbreituugstbeurieu  zugeben 
mnBSten,  dass  dnreb  das  mit  Gholerakeimen  Hherladene  Trink-  nnd  NntswMser 
jene  „Expluäioneu"  veranlasst  worden. 

l»ie  Aiutrdiniii.::  der  Wasser-  und  Fftealienwirth«<'li;ift  in  Form  eines 
weit  a use i n a  u d e rgez 0 g encn ,  mit  Z  w isc b eu hc ha  1 1 u nge n  reich- 
lieh Tersehenen  Kreislaufes  ist  also  hier  die  Aufgabe  der  Hygiene  und 
SanitätspolizM.  Keine  unmittelbare  Einmttndnng  von  Sielen  in  FlUaaef  die  dem 
Rttckstan  nnterlie^en,  kein  unbedingtes  Vertrauen  auf  die  „Selbstreinigung", 
noeh  weniprer  auf  die  uncr»ntrolirt  weiter  arbeitende  Filtration,  stetes  Augrenmerk 
auf  die  Wasäerlieforungsstellon  und  das  Wasser  selbst:  das  sind  Mini- 
mal fordernngen,  deren  sieh  keine  mit  der  Beeehaffung  von  Wasser  b^kaste 
Bebrtrdo  entschlagen  kann.  Sie  mtissen  indes>)  inne  gehalten  sein,  lange  bevor 
die  Cholera  in  Sicht  ist.  Naht  sie  er-^t  und  finden  ihre  Keime  im  verunreinigten 
FluBS  bei  niedrigem  Wasserstande  eine  ioidiicbe  Nährlösung  vor,  tritt  als 
Hilfiranaehe  noeh  dasn  eine  gesteigerte  8ommerhitse,  die  den  abkthlmigB- 
bedllrftigen,  von  Durst  gequälten  Mensehen  swingt,  diese  Nährlösung  gierig  m 
Terschlingen :  dann  ist  es  fOr  die  Bethätignng  dieser  saaitätspoliseiliehen  Pflieht 
weitaus  zu  sp.it. 

Aebulicb  trostlos  liegt  die  Aufgabe,  mit  der  Assaniruug  der  Woh- 
nungen vorzugehen,  wenn  die  Proliferation  elngesehleppter  Keime  bereits  be> 

gönnen  hat.  Man  kann  mit  der  Schnelligkeit,  wie  sie  alsdanu  nöthig  sein  würde, 
R.lume  nicht  delmeu.  jahrelangen  Schmufz  nieht  tilgen,  da  nicht  lüften,  wo  keine 
reine  Luft  zu  Gebote  steht  und  kein  iSouneulicht  eiulasseu,  wo  «s  au  den  nöthigen 
Oeffnungen  fehlt.  Man  kann,  wo  das  „Zu  spät"  anerkannt  ist,  nnr  Kranke  io's 
Krankenhans,  Gesunde  in  provisorisehe  Quartiere  rAsyle)  .schaffen  und  in  den  ge^ 
rJlumten  llflusern  \«u  iinL'-enfiL'-endcr  HeschalTenheit  durch  T'mbau  und  Reinigung 
die  begangenen  Fehler  aliniiilig  gut  nuiehen.  Das  enge  Zusammenleben  an  sich 
durfte  übrigens  weniger  durch  directe  Uebertragung  der  Infectiou  als  durch 
Herdbildungen  von  Baeillen  geflihrlieh  werden,  allerdings  ja  dnreb  sehr  reiehliehe 
Bildungen  soleher  Herde  und  durch  ihre  wegen  der  Gedrängtheit  des  Raumes 
sehr  schnelle  Einwirkiiug  auf  die  mitbewohnenden  disponirteu  Menschen. 

Die  Vorkehrungen,  dem  Cholerakrankeuhause  die  Krankea  und 
Verdächtigen  zusufflhren,  mflssen  nieht  allein  den  loealen  Ansohauungen  nnd 
Bedürfnissen  entsprechende  naeh.  Art  und  Bespannung,  sondern  vor  Allem  auch 
vollst.'lridiir  nach  allen  Seiten  s  i  c  h  e  r  ^  e  s  t  e  1 1 1  o  und  ülieraus  prompte  und 
schnelle  sein.  Contraete  mit  Fuhrunteruehmungeo,  Verbindungen  der  amtlichen 
Meldestellen  mit  denselben ,  Bedingungen  in  Betreff  der  Gespanne,  der  Rutscher, 
Krankenbegleiter,  sowie  in  Betreff  des  DesinfeettcHumeebanismas  für  die  Vehikel 
können  gar  nicht  raffinirt  genug  erdacht  und  nicht  scharf  genug  aus^^edrflckt, 
beziehungsweise  unter  Conventionalstrafen  gestellt  werden.  Wo  Feuerwehren 
existireu,  kann  nicht  dringend  genug  dazu  geratheu  werden ,  diese  so  vorzüglieb 
vorbereiteten  Organisationen  zweeks  der  Herbeisehaffteng  von  Aersten,  Wagen, 
HQfemannschaften  etc.  (Drahtweg)  um  ihre  Mitwirkung  anzugehen,  nnd  wäre  es 
nur  in  Form  der  Mift<('Tiut/.nn;r  der  Melder  oder  in  Bezug  auf  die  Vorbildlichkoit. 

Hauswirthe  und  uubetbeiligte  ÖtaatsbUrger  dUrfeu  unter  Hinweis  auf  die 
etwa  vorhandene  Noth  und  Oelkhr  mr  Bergung  nnd  Hflfeleiitnng  auf 
der.Strasse  plotzlieh  erkrankter  nnd  warn  Weitergehen  unfähiger  Per- 
sonal poliaeilieh  aufgefordert  werden. 


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160 


CTOLERA  ^sanitäUpoliMÜichj. 


Sobald  sie  erkiftren ,  dass  für  sie  selbst  erbebliche  Gefahr  vorliege ,  ist 
ein  weiterer  Zwan?  aiis^^cFclilossen.  Bei  A ersten  da^ej^n  erfolgt  formelle 
RequiaitioD  unter  Hioweia  auf     360,  10  St.  6.  b. 

Den  A ersten  kommt  neben  ihrer  InaoBpraehnabmo  ab  Helfer  nnd 
Heilender  die  Bedeutung  Sil,  den  Verdacht  auf  Cholera  zu  schöpfen,  der 
Ortsbehfirde  niitziitbeilen ,  ilm  zu  erw.lp^pn ,  zu  ^uhstantiiren  oder  fallen  zu  lassen. 
Für  die  von  den  städtiacbeu  Körperscbattcn  erodueten  Kran kenbäuser,  denen 
die  verdiehtigen  Kranken  nnter  diesem  Utel  sngefBhrt  werdm,  ftUt  das  Ver- 
daehtsehOpfen  natargemäss  fort;  alle  sonstigen  aufgezahlten  Anijs^ben  der 
ärztlichen  Mitwirkung  bleiben  auch  für  sie  bestehen.  Sie  sind  ihnen  leichter  er- 
füllbar verrnftgre  der  bakteriolog^ischen  Laboratorien,  der  fiirchtloseu  Würter,  der 
tflglicheu  Uebung  des  gerammten  Personales,  des  umfangreichen  lieilapparate-s,  ohne 
die  rie  nfeht  gedacht  werden  kOnnen. 

Auch  wirkt  das  Oholerakrankenbaus  zielgereebter  gegen  die  Fortpflanzung 
der  Infection.  da  es  die  zweckui.tssig'Rten  Vnrk<'liriinfren  zum  Vernichten  der 
Dejectiouen  und  sonstigen  Medien  der  Cbulcramikroben  sich  anzueignen  ge- 
halten Ist.  Unter  diesen  steht  das  Vernichten  der  Fioalien  nnd  dw  in  ihnen 
enthaltenen  Keincoltnren  von  Choleramikroben  mittelst  Durehkochnng  ohenan. 
Bleiben  die  Erfolge  ao  zufriedenstellend,  wie  sie  \on  den  betheili?:ten  Directionen 
bis  jetzt  geschildert  werden,  so  besitzt  mau  in  dieeer  Anwendunfj;  der  Hitzc- 
desinfection  ein  Vernichtungsmittel  ersten  Hanges,  und  die  Krankenhäuser 
vflrden  auf  diese  Wdse  ans  ehedem  gefDrchteten  Heiden  in  Entsenehnngsstitten 
▼on  massgebender  Bedeutung  umgewandelt  sein. 

Aber  gerade  bei  der  Cholera  wünscht  selbst  der  Arzt  und  der  gebildete 
Laie  die  Keime  nicht  blos  da  zerstört  zu  sehen,  wohin  sie  gelangt  sind, 
sondern  anch  da,  wohin  sie  mAglieher  Weise  gelangt  sein  könnten.  Bs 
kommen  neben  den  Ab^rüiigcn  auch  Stechbecken,  Aborte,  Wftsohe,  Kleider,  die 
helfenden  Hftnde,  die  Anzüge  der  Helfer,  Fus.sböden,  Krankenr.lunie,  Dureligänge, 
Flure  in  Betracht,  wenigstens  für  das  populäre  Bedarfnisa,  das  auch  ausser- 
halb der  Desinfectionsanstalten  befriedigt  sein  wilL 

a)  Erbroebfnes  nnd  Stuhlgang  CholeraverdHebtiger  nnd  Gholerakrankcr 
ist  in  Tiefässen  aufzufangen  nnd  in  ihnen  zu  mifichen  mit  ehiem  Kalkpräparat, 
das  nicht  HypR ,  wohl  aber  entweder  Chlorkalk  oder  Kalkmilch,  je  nach  der 
leichteren  Möglichkeit  der  Hescbaflfung,  sein  kann. 

Bereltungen:  Chlorkalk  wird  in  Pulverform  zu  zwei  gehäuften 
Esslöffeln  auf  >/]  Liter  der  Abgftnge  zugesetct  und  flbt  seine  desin6oirende  Wir- 
kung dann  in  einer  Viertelstunde  aus. 

Kalkmilch  ist  die  Mischunir  von  1  Liter  reinem  gehrannten  Kalk 
(Fettkalk)  mit  4  Litern  Wasser,  wovon  1  Liter  zum  Anrüliren  und  der  Kest  zur 
VerdUunuug  dient.  L'mgeschüttelt  den  Abgängen  zugesetzt,  desiuticirt  die  Kalk- 
milch in  einer  Stande. 

b)  In  verunreinigte  und  verdächtige  Aborte  (nicht  Sptllelosets)  ist 

K  alkmilcli  zu  giesncn.  Die  Sitzbrotter  sind  bei  Verdacht  der  Verunreinigung 
allerwegen,  auch  WO  es  sich  um  Spfilcloaets  handelt,  mit  KaliaeifeulösuDg 
zu  deaiuticiren. 

Bereitung:  3  Theile  grflne  oder  sehwarse  Seife  werden  in  100  Theilen 
heissen  Wassers  —  1  Pfund  Seife  anf  17  Liter  Wasser  —  gelöst. 

c)  Fussböden,  auf  welche  unversehens  Stuhl  nnd  Prbrochenes  Cholera- 
kranker  gerathen  int.  werden  durch  Bestreichen  mit  Kalkmilch  dcsinfieirt.  Nach 
2  Stunden  dann  gewöhnliches  Abwuschen  ^^Abscheuern). 

d)  Wäsche  von  Cbulerakranken  steckt  man  in  GefiUae,  welche  reich- 
lieh RaliseifenlOsung  (s.  oben)  oder  Carbolfiflssigkeit  enthalten. 

Bereitung:  In  20  Theilen  der  Kaliseifenlösnng  ist  1  Theil  der 
sogenannten  lOO'/oigen  Carbolaäure  des  Handels  völlig  aufsulösen. 


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CHOLERA  (sanitat.-{)oli/,eilich). 


161 


'  Kleider  ilcr  ('holorakranken  wie  der  Helfer,  welche  waschbar  sind, 
werden  wie  NNlUcbe,  —  die  uicht  wascbbareo  in  den  Apparaten  der  Üesinfections' 
«astalton  —  desinfielrt. 

f)  Die  Hftnde  (Arme  eto.)«  welche  den  Kranken  oder  einen  dw  obigen 
und  sonstigen  Geg't'nHtändo  seiner  näheren  rmeebunfr  berührt  haben,  werden  des- 
inficirt  durch  ^iindlicbes  Waschen  mit  CarboiflUssigkeit  (s.  oben)  oder 
Cblorkalklüsuug. 

Bereitang:  2  TheUe  Ohlorkalk  Utaen  sich  in  100  Theilen  Wssaer  — 
aber  nieht  Tolbtindlg,  so  das»  die  ungelösten  Tbeile  naoh  ihrem  Absetsem 
ni  entfernen  sind. 

Sobald  «ich  die  Abgabe  von  Desinfectioasstoffeo  an 
Unbemittelte  als  wirklich  erforderlieh  heransstellt,  mag  man  solohe  Stoffe 

zur  Abgabe  anschaffen  nnd  naeh  wohl  ausgearbeitetem  Vertbeilongsplan 

bereit  halten;  «her  aber,  um  der  unsinnifjen  Vcr^fnidiin^!:  vnrziili('ii?f'n  ,    n  i  c  Ii  t. 

Wie  Selnilsjjcrren  und  ilbnliche  Hinderungen  von  Zusaiumeiikünftea 
gehandhabt  werden  »ullen ,  muss  rein  der  vernünftigen  Entscheidung  der  0  r  t  s- 
behOrden,  wohl  aweekmftsriger  Weise  naoh  Berathnngen  in  den  Sanitftts- 
eommissionen ,  vorbehalten  bleiben. 

Mit  (ier  V'erliiitunir  von  Menschenansammlung-en  pflegen  prerade 
zu  Chulerazeiten  die  Lucalbehörden  keine  allzugrugse  Mube  zu  haben  \  anderer- 
seits ist  gar  zn  weitgetriebene  Schrotnieit  In  eben  dieser  Richtung  nicht  am 
Platze.  Man  bat  1892  in  Berlin  den  Sedantag,  in  Hflnehen  das  Octobcrfcst  ruhig 
begehen  la'^^^en.  OewiMinlich  ist  die  gedrückte  Stimmung,  die  aMf  vit-lcn  Hevölke- 
rungssebichten  zu  solchen  Perioden  lastet,  selbst  ein  Hegulator  siimmtlicber 
MassenrerguUgungen.  Die  gebrftuehliohen  Sonntagsdebauchen  wflrde  man 
ohnehin  niemals  gans  verhindwn  kOnnen. 

Für  etwaige  S  a  n  i  t  H  t  s  c  o  m  ni  i  h  s  i  o  n  o  n  erscheint  w(»hl  überall  die  V^er- 
niehrun^'  der  ('onii)etenzen  und  eine  reclit  Ituute  Zusammensetzung'  aus  zahlreichen 
intelligenten  Personli<:bküiten  wUnschenswerth,  die  ebenso  opferwillig  wie  besonnen 
sein  sollten.  Ohne  Bedenken  ist  es  nicht»  diesen  GommissionsmitgUedem  die  fUmt- 
liche  Reamtenc]  n  a  lität  beizulegen.  Trotsdem  muss  dies  fiberall  da,  wo  sich 
der  Ernstfall  entwickelt,  d.  Ii.  überall,  wo  sich  ein  Ort  als  „grundverseucht" 
bekennen  muss,  angestrebt  werden.  Es  würde  sich  ja  immer  nur  um  eine  nach 
Wochen  sn  hemesseode  Frist  handeln,  in  welcher  üebergriffe  kaum  su  hSnflgen 
Wlederholnnpen  gelangen  könnten,  und  einer  Verletzung  des  Rechtsbewusstseins 
der  Hevölkeriinfr  bMldiL-"!'  Rtnicdiir  zu  Tbcil  werden  dürft»'.  I>ie  TliMtiirkeit  der 
Sanitiltscommissionen  läuft  m<i>,'li('her  Weise  vielfach  Gefahr,  eine  recht  zersplitterte 
zu  werden  ,  wenn  sie  nicht  durch  umsichtige  Directiven  eines  technischen  Leiters 
geregelt  ist- 

Die  Ortebehörden  rotl8«en  sich  von  jedem  Fall  der  Cholera ,  auch  des 
Choleraverdachtea ,  in  Kenntniss  setzen  und  für  die  Anzeige  derarti^'cr  Fülle  die 
Verptlichteten  bestimmen  und  in  Anspruch  nehmen.  Das  „Inkenutuisssetzen"  ist 
hier  eine  wirkliehe  Thätigkeit  der  genannten  Behörden,  kein  blosses 
passives  „In  Kenntnis'^  tresetzt  werden".  Ist  der  Verdacht  .Irztlich  f wissenschaftlich) 
untcrsneht .  und  der  Fall  su  ffir  die  O  e  f  f  e  n  1 1  i  c  h  k  c  i  t  reif,  so  darf,  Ja  muss 
der  letzteren  freier  Lauf  gelassen  werden.  Je  näher  der  Zeitpunkt  der  i'ubli- 
eatioD  an  den  allerersten  Anfangspunkt  des  Verdachtes  gerflekt  werden  kann, 
desto  sicherer  ist  die  Stellnng  der  Ortspoliieibebörde  nnd  desto  klarer  der  Weg, 
den  sie  zu  beschreiten  hat.  Allein  die  Technik  der  .Aulfindunfr  drs  iibcr  allem 
Zweifel  erhabenen  ClinI(>ratnikrol)en  ist  eine  I  a  ii  a  inr.  Tüchti^o  Methodiker 
haben  für  eine  volistandi;^  gesicherte  Diagnose  Uber  2uKil  2  1  ^Stunden  beansprucht. 
Der  Dringlichkeit  gegenflber,  mit  der  alle  Welt  die  VerOffentliehnng  einer  solchen 
Feststellung'  fordert,  besteht  hierin  ein  grosser  Missstand.  Die  SanitJltspolizei 
kann  dt-ihalb  nicht  anders  handeln,  als  die  theil  weise  Diapnosp  für  die 
ganze  ntditnt  ii .  d.  h.  einen  selbst  nur  mit  leichten  Brechdurchfallerscheinuugen 
Encyclop.  .lahrliüctiur.  III.  11 


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162 


CHüLEKA  (sauitätspolizeilichj. 


Behafteten  und  seine  Umgebungren  r  o  behandeln .  als  wäre  die  BHcillcndiagnoM 
g  1  e  i  (•  h  7. 0  i  t  i  jr  mit  seiner  Ermittlung  perfect.  Hat  man  dann  erst  den  wirklichen 
primären  Fall  in  Händen,  resp.  zur  Publication  gebracht,  so  rechtfertigt  sich  ein 
anaebeiiMiidM  „Zuviel**  in  «Uen  vorlier  baeillenfre!  befandenai  Flllengmi»  von  aelbit. 

III.  Die  Erzielung  einer  persönlichen  Immmiitit  (Weg^ 
fall  der  Empfänglichkeit)  dem  Chnli'rakeim  gegenüber.  —  Dieser 
Sohlussabscbnitt  hat  von  dem  (iliede  in  der  Kette  des  Mechanismus  der  Cbolera- 
isfeetion  xn  hudeln,  welehee  die  Patbolo^en  ab  wichtigstes  schätzten,  die 
pathologisehen  Anatomen  vielleidit  noch  als  wichtigeB  schätzen :  dem  s  io 
der  Choleragenese  (bei  Pkttkkkofku ).  fTPircnflber  dem  von  den  Hygienikern 
(älteren  Styls)  bevorzuL'-tcn  y  gleich  der  s<i;renanntfii  örtlich-zeitlichen  Disposition, 
und  dem  x  gleich  dem  Cholerakeim,  dem  von  den  Bakteriologen  sehr  pro- 
nondrt  auf  den  SeUld  erhobenen  Hanptmomeot  oder  Hanptgliede.  Ist  Ton  dieeen 
Dreien  ein  Glied  an  irgend  einem  Punkte  erfolgreich  ansgesehaltet ,  ge* 
broohen ,  ge8prenp:t.  so  ist  eine  Cholerainfcction  ausgeschlossen. 

Die  Aufmerksamkeit  der  mit  Sauitätsaufgabcn  befa^stun  Kreise  hat  sich 
froher  der  Vermindernng  der  pereOnliehen  Empfänglichkeit  bei 
aentcn  lufuctionsIcraDkheiten  wenig  zugewandt;  vielleicht  mit  Unrecht,  da  die 
Schutzimj)fiinjr  gegen  die  Blattern  ein  so  Schätzenswerther  Erfolg  war,  dass  man 
nach  ähnlichen  Erfolgen  bei  Epidemien  aller  Art,  auch  bei  denen  der  Cholera, 
hätte  streben  sollen. 

Und  dies  «meomehr,  ak  der  Untersehied  der  Vorliebe  der  Cholera- 
infeetion  für  die  Reichen  und  für  die  Armen  eine  so  alte,  eine  grundsätzliche 
CSrfahning  ausmacht.  Hinsichtlich  der  irriisscrcn  E ni  p  t  ;i  n  g  1  i  c  h k  e  i  t  der 
niederen  G  esellschaf  tsclasseu  für  den  Ciiuierakuim  Hess  sich  wobl 
sehon  frflher  erklärend  auf  die  habituelle  Soitplosigkeit  hindeuten,  mit  welcher 
der  Einkauf,  die  Aufbewahrung,  die  Zubereitung  und  Einverleibung  der  Nahrungs- 
mittel und  OetrJlnl<('  in  den  ärmeren  Volksschichten  und  Haushalf uiigcu  hcwerk- 
steiligt  wird.  Hinsichtlich  der  individuellen  Disposition  stellte  sich  die 
Tbatsache,  dass  der  normale  krttftig  Baue  Magensaft  den  Cholerabadnns  ver- 
niditet,  resp.  an  der  Entwicklung  hindert,  der  krankhaft  verftnderte  dagegen 
dem  eingedrungenen  Mikroben  das  Haftrableibea  and  die  Vermehning  gestattet, 
in  den  Vorderfirund  des  Interesses. 

Das  Beispiel  von  Hamburg  legt  es  dringend  nahe,  die  älteren  Annahmen 
diesM  und  flhnlieben  Inhaltes  zu  vertiefen,  sie  in  einigen  Punkten  schon  jetst 
zur  Herlcitnng  einiger  sanitärer  Gebote  zu  maohen,  dagegen  sie  in  anderen 
Punkten  als  watKlhing-^licililrftig  zu  bezcir-hncn. 

8o  wird  C.S  kaum  beunätäudet  werden,  wenn  schon  beute  in  utfentlichen 
Warnungen  gesagt  wird: 

Die  Reinigung  der  Hände  nach  jeder  Berflhrnng  mit  schmutzigen, 
verdächtigen  oder  durch  viele  fremde  Hände  gegangenen  Gegenstände  ist  dringend 
zu  empfehlen. 

Am  leichtesten  nehmen  aber  Lebensmittel  jede  Unreinheit  an,  welche 
an  den  Händen  haftet 

Man  geniesse  kdn  Nahrungsmittel,  welches  aus  einem  Cholera- 
hause  kommt. 

Alles  verdächtige  Wasser  ist  nur  in  abgekochtem  Zustande,  sowohl 
Bu  Trink-,  wie  su  Nutz-  und  Reinigungswaaser  zu  verwenden. 

Vi  r  dt  m  Gebrauch  ungekochter  Milch  ist  zu  warnen. 

Ingh'ichcn  vor  Nahrung^imitteln ,  auf  und  in  welchen  sich  Ubertragunge- 

fähige  Keime  lange  halten  können: 

Butter,  GcmUse,  Obst,  Milch,  frischem  Käse. 

Innerhalb  von  Räumen,  die  Cbolerakranken  und  Verdächtigen  nini  jkuf 

enthalte  dienen  oder  unmittelbar  vorher  gedient  haben,  soll  man  keine  l^pelseik 
oder  Getränke  zu  sich  uehmen,  auch  im  cigeueu  Interesse  nicht  rauchen. 


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CHOLERA  (Banitätspolizeilicb). 


Es  ersiolit  sich  leiclit ,  d.i-s  mit  diesea  Vorschriften  die  Ausübung 
der  Marktpüiizei  eine  uoverktiunbare  FUbiuDg  hat.  Wie  die  Stände  der 
Obst-,  Gemflse-  ete.  Hindier  werden  aneh  die  Bleker-  und  Yorkoetliden  mit 
,,WnmaDgen''  auszurüsten  sein ,  auf  Grund  deren  der  Verklafer  die  Zvrllek- 
nabnie  der  einmal  betasteten  Waare  reclitüdi  verwei^'^rn  kann. 

Die  Zusammenhänge ,  welche  Un|>;stliche  Peräoueu  als  ansteokungs- 
befBrdernde  zur  2jeit  von  Gholeraepidemien  überall  zu  sehen  glauben  und  erfinden. 
Bind  nbllos.  OegenstiUide,  welche  Solehen  jahrelang  bei  ihren,  oft  an  neh  sehr 
unsauberen,  Lebensgewohnheiten  gedient  habeti:  Servietten,  Trinkgeftlsse,  Restecke 
der  Kestaurants  etr..  erscheinen  mit  einenimale  verdiiehtiK  und  werden  der 
Sanitätspulizei  als  Ubjecte  denuncirt,  gegen  welche  unbedingt  eingeschritten 
werden  mOsM.  Aehnliehe  Übertriebene  Vorstellongeii  und  Anfordernngen  werden 
an  das  von  Hand  zu  Hand  wandernde  Geld,  an  Briefe,  Banknoten  etc.  geknflpft; 
die  Individuelle  Vnrbeuprnng  artet  in  völlig  monomaniRcbe  Ideentlucht  aus. 

Ihre  guten  Folgen  hat  sie  trotzdem  darin ,  dass  sie  sonst  sehr  sorglos 
dahinlebende  PerMnen  veranlagt,  rine  vereinfachte  und  geregelte  Lebens* 
weise  su  fahren  nnd  bei  allen,  auch  den  geringsten  Verdanungsstörungen 
ihren  Verdaeht  zu  schöpfen,  sich  auch  vor  schwer  v e rdauliohen 
Speisen  und  jedem  l'ebermass  an  Essen  und  Trinken  zu  hdten. 

Das  Letztere  gerade  ist  der  früher  verkündeten  lieget,  tüchtig  zu 
sebnapsen,  sieh  su  alkobolisiren,  sweifSsIlot  vOTsuxiehen,  und  es  ist  cfo  be- 
sonderes Verdienst  der  (unterm  28.  Juni  1892)  erlassenen  ministeriellen  Anweisung, 
wenn  sie  zum  SchluHH  oagt:  ,,Vom  ricbranch  der  in  Choleraseiten  regelmässig 
angeprieaenen  Cbuleraschnäpse  etc.  wird  abgeratben.'* 

Als  ein  völlig  illusorisebes ,  zweifelhaftes  nieht  all«n,  sondern  direet 
verwerfliches  Mittel,  die  persönliche  Choleraprophylaxr  auszuüben,  be- 
trachtet die  .«^anit:itspoliz( i  der  Gegenwart  das  Verlassen  des  Wohnortes,  die 
Flucht  vor  der  Cholera. 

Fflr  die  Armen  meistens  unausfahrbar,  hat  sie  frtther  als  ein  Schutzmittd 
der  Beleben  gegolten  (vergL  Real-Eneyelopldie,  1.  Aufl.,  Bd.  III,  pag.  255). 
Wenn  8ie  nach  Lage  der  Gesetzgebungen  auch  Niemanden  zu  venchr.tnken  ist, 
80  sollte  diM'h  auf  die  Hedenküehkeit  dies(s  Auswesres.  mittelst  dessen  der  Flie- 
hende nicht  allein  zur  I3ilduug  ueuer  Choleraberdc  unterwegs,  sondern  auch  zur 
Ersengnvg  sehr  bedenklieber  Lsgen  fOr  seine  eigene  Person  den  Anlass  glebt, 
beständig  hingewiesen  werden.  Entschieden  wird  an  Plätaen,  in  welchen  wohl- 
eingerielitetc ,  mit  guten  ,  den  Forderungen  des  Febel«  angepassten  Aerzten  und 
einem  gewissen  Cumfort  ausgestattete  Krankenhäuser  bereits  im  Hetrieb  sind, 
besser  fttr  jeden  einzelnen  Cholerafall  gesorgt,  als  in  plötzlieh  nnd  unversehens 
befallenen  Orten. 

Der  künstliche  Impfschutz  gegen  Cholera,  wie  er  von 
(iAMALKiA  und  Zakslkin,  von  Ferkan,  Bkik(;kr  und  Kitasato,  neuerdings  be- 
sonders von  G.  Klkmi'ERER  au  Meerschweinchen  experimentell  hervorgebracht 
wordra  ist,  erseheint  für  eine  sanitfttspolizeiliebe  Verwerthnng  noeh  nieht  fest 
begründet  genug.  Fi«  wirkten  schützend  eiuerseita  intraperitoneale  Injectionon 
von  2*5  Ccm  zwei^^tündi^r  bei  70°  erhitzte  H  o  ii  i  1 1  o n  c  u  1 1  u r e n  von  l'ihn'o 
C/iolerae,  andererseits  8er  um  von  Kaninchen,  die  durch  intravenöse  Einspritzung 
von  erwärmten  Cboleraeoltnren  immunisirt  waren.  Auch  gelang  es,  Meer- 
schweinchen durch  Einfflhrung  von  4  Cem.  Vibrionenanfschwemmung  in  den 
Magen  'naeli  Snd;i-(>piuniliehandlun;;)  gegen  spHtere ,  <on>t  iiiilu'din.rt  tridtliclie, 
Injectioneu  zu  schützen.  AbgeschwUchte,  zum  Immuuisireu  geeignete  Culturen  er- 
langte KL£MPEBBK  endlich  noch,  indem  er  einen  oonstanten  Strom  vws 
30  Milliampere  24  Stunden  lang  auf  vorher  giftige  Culturen  einwirken  liees. 
Diesen  wi-isen-<eh:iftlich  gestützten  Anfängen  einer  Cholerainimnnisirung  gegenüber 
erscheint  der  I'KKitAN'sche  Vorsehlag  geradezu  phantastiseh  :  man  solle  zur  Pro- 
phylaxe der  Cholera   abgeschwächte  Culturen   von   Kouiniabacillen   in  die 


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164 


CHOLEKA  (sanitau«i)oll»eilich).  —  CHONDRIN. 


Quellen  und  WasBerreservoirs  einbringen,  am  so,  nuter  Beibrin^unsr 
einer  unschädlieben  Cholerine ,  die  Bevölkerang  durch  den  Qenass  eines  derart 
prüptrirtm  Trinkwassers  gegen  die  eehle  Oholera  m  sebfltsen.  Aber  aaoh  gegen 
die  individuelle  bnpfiing  wird  man  so  lange  die  constanten  Bedenkon  aufrecht 
erhalten  müssen,  als  die  Erkrankungsziffer  der  Rcnölkcrimg  nicht  über  S'^'n  be- 
träft nnd  der  persf^nliche  Sithutz  auch  auf  andere  Weiae  nicht  unerreichbar  er- 
scheint. Die  Möglichkeit,  eine  annehmbare  Geätaltung  der  Impfung  zu  erfinden, 
enehflint  sUerdinfa  niebt  «ngeeebtoeaea. 

Die  wahre  Prophylaxe  des  VolIcskOrpers  gegen  das  Einschleichen  der 
Cholera  ist  die  0  e  f  f  e  n  1 1  i  c  h  k  e  i  t.  Keiner  Gunst  des  Bodens  noch  des  Wetters, 
keiner  hygieniacbeQ  Einrichtung ,  keiner  Yorsichtsmassregel ,  die  der  Einzelne  ao- 
wendet,  ist  m  trauen,  wenn  nIebt  dw  cboleraverdlebtige  Menseh  auf  diesen 
Verdacht,  dessen  Ungrund  oder  Begründung,  untersucht  und  von  verantwortlichen 
TIelferri  der  nach  der  einen  oder  anderen  Seite  HachjjemSssen  Behandlung  unter- 
zogen wird.  Daher  ist  die  Abstellung  alles  Verborgenen  die  geweihte 
Waffe  der  Sanitätspolizei;  daher  ist  jedes  Haltmachen  vor  einer  Heimliclikeit 
eebon  ein  FeUer  und  «beolut  mmCbsam. 

Die  Cfbolera  wird  ihrer  Natur  nach  stete  eine  verschleppbare  Krankheit 
bleiben ,  weil  der  ihre  Keime  bcberberirende  und  producirende  MeiH^h  nueh  aus- 
gedehnten und  complicirten  Ortswechsel  vuruebmen  kann.  Sie  ist  wohl  die  Ein 
scbleiehkrankheit  ersten  Ranges  in  allen  Fällen,  in  denen  es  einer 
sUrken  Widerstandskraft  gelingt,  die  nadi  Aussen  dringenden  Symptome  eine 
Zeit  lang  zu  verborgen. 

Die  wesentlichste  Macht  iudesü,  sich  zu  einer  Einsobleichseuchef 
einer  Epidemie  an  entwickeln,  wird  den  mnaelnen  Oholeraflllten  abgeselmitten, 
wenn  rie       Anfang  an  richtig  als  solche  benannt  werden. 

Mehrere  Hiiridert  in  ihrer  Natur  jedesmal  schnell  erkannter,  dann  selbst- 
verständlich auch  demij:ein;iss  ;^'^ewürdigter  in  einen  l'latz  eingeschleppter 
Chulerafälle  bilden  für  denselben  keinen  Ernstfall.  Letzteren  bildet  demgegen- 
Aber,  wenn  nidit  gar  sebon  jeder  einselne  Fall,  so  doeh  jede  Mehrheit 
sieht  in  ihrer  Natur  erkannter  und  dann  demgemftss  auch  nicht  in  ilurer 
grauenvollen  Bedeutung  frewürdiirter  Cholerafillle ;  denn  diese  Bedeutung  besteht 
dann ,  dass  unzählige  und  uncuutrolirbare  Herde  während  des  der  Beachtung 
entaogea  gebliebenoL  Zwisebenraumes  gebildet  werden  konnten  und  in  den  ge- 
sebiebtUob  genau  studirten  Bpidemien  tbatsieblicb  dann  bereits  flberali  gebildet 
waren.  Wernieli. 

Chondrin,  Knurpelleim.  Seit  der  Abfassung  des  Artikels  C  b  o  n  d  r  i  n 
in  der  xweiten  Auflage  der  Real-Kneyelopidie  (Bd.  IV,  1885,  pag.  267)  ist  die 
obemisebe  Natur  dieser  beim  Kochen  der  permanenten  echten  Knorpel  mit  Wasser 
in  Lösung  gehenden  SuVistanz  ermittelt  worden,  ."^chon  C.  Th.  MüRVER  (1888) 
hatte  in  der  tirundsubätuuz  der  Knorpeln  Collagen  oder  leimgebende  Substanz, 
die  bmm  Koeben  mit  Wasser  Sebnenleim  (Knoehenleim)  oder  Glutin  liefert,  in 
Verbindunf^  mit  einem  eiweissartigen  StotTc.  einem  Albumindid ,  ferner  mit  einem 
mucin-  oder  schleiinartiL'en  StofVe.  Ohondromucdid ,  nnd  endlich  mit  einer  cha- 
rakteristischen Säure,  Cliundruitsäure,  und  zwar  letztere  Säure  als  eine  sogenannte 
Aetbersehwefelslure  (beim  Koeben  mit  Mineralsluren  ihre  gnnie  Sebwefelsanre 
als  solche  abspaltend)  erkannt.  Zu  umfassenden  nnd  hOebst  flberrasebenden  Ergeb- 
nissen haben  nun  die  Untersuchungen  von  SrRMIEnEURRG  (1891)  frefdhrt.  Wird 
die  au-»  reinem  hyalinen  Knorpel  besfchenfle  Nasenseheidewand  des  .Schweines  der 
Magen  Verdauung  unterworfen,  so  resultirt  eine  teigige  Masse,  welche  dich  leicht 
von  dem  gleiebseifig  gebildeten  Leimpepton  trennen  lAsst,  in  verdttnnter  Salsslure 
sich  auflt'st  lind  durch  Alkohol  gef,lllt  wird.  Durch  Katronlaui<:e  wird  ans  dieser 
Fjilhinir  die  Chnndr<iitsehwet'els;'iiire  als  Natronsalz  gelost  und  diin'h  Zns.ntz  von 
Kupferacetat  das  Kupfersalz  0,^  H^^^  CiiNSU,;  -f  ^  H,  U  in  Kryslalleu  ausgeschieden. 


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CHONDKIN.  —  CHTMUS. 


165 


Daraus  leitet  sieh  fllr  die,  ebenso  wenifr  wie  andere  Aethersehwefelsiiuren  im  freien 
Zubtaude  darstellbare  Cboudruitschweteisäure  die  Formel  Cj8H27^äO|7 
ab;  diese  lerfUlt  beim  Koehen  mit  Minerelslvreii ,  unter  Aufnebme  von  1  ]I<ä. 
II3O,  in  Ghondroitin,  C,bH,7N0x4,  nnd  Scbwefelsflniei  H,  SO«.  Das  Gbon- 
droitin  ist  eine  einbasische  Säure,  deren  wässerige  Lösungen  ziemlich  stark  saaer 
reagiren.  Kocht  mao  das  Ghondroitin  mit  verdünuter  Salpetersäure,  so  resultirt 
das  Nitrat  dner  Sinre,  Cbondroein,  weldie  alkaliMbe  KupferoxydlOstmir 
(FKHLiNO'sche  Lösung)  reducirt,  nnd  zwar  1  Mol.  Chondrosin,  5*5  Mol.  Cu  0  und 
die  Ebene  dts  polarisirten  Lichtes  stark  nach  rechts  dreht  (+  42oj.  Dass  Chondriu 
beim  Kochen  mit  Mineralsäuren  einen,  nach  Art  von  Zucker,  CuO  reducirenden 
Körper  liefert,  war  bekaoot ;  dass  letzterer  eiue  leicht  zerstitzliche,  stickstoffhaltige 
Kohlehydrataure  sei,  hatte  bereitt  T.  Mbbivg  (1878)  fUr  sehr  wnhneheinUeli 
erkl&rt.  Beim  geHoden  Erwftrmen  von  Oiondrosin  mit  Baiytwaner  bildet  sieh 
Glyouronsäure  und  Glycosamin. 

Auf  Grund  seiner  Versuche  und  weiterer  Erwägungen  schliesst  nun 
ScBifiBDSBBBO,  dsBs  das  Chondfosio  niehts  Anderes  ist,  als  eine  loekere  Verbin- 
dung von  Glutin  (Knochen-  oder  Sehoenleim)  mit  ehondroitsühwefelsauren  Alkalien 
im  Gemenirc  mit  (llutin  selbst.  Es  lag  darnach  der  VerPuch  nahe,  Knochenknorpel 
in  wahre  Knorpel  umzuwandeln.  Dies  ist  iu  der  That  durch  Digeriren  von  Knochen- 
koorpel  mit  Lösungen  von  cbondroitschwefelsaurem  Kali  bei  40 — 50<>  gelungen. 
Dieser  klnstliehe  Knorpel  redndrt  nach  dem  Koehen  mit  Salsstnre  OnO  in 
alkalischer  Lösung,  wie  der  natürliche  Knorpel.  Aus  dem  Resultate  letzteren  Ver- 
suches lässt  sich  schli essen,  das.s  auch  in  dem  natürlichen  Knorj)pl  die  Chondroit- 
schwefelsäure  mit  der  collageneu  Grundsubstanz  nicht  chemisch  verbunden,  sondern 
nnr  darin  eingelagert  ist. 

Literatur:  C.  Th.  Murner,  Zeitschr.  f.  phystol.  OJiem,  XU,  pag.  H98.  — 
Schmiedeberp,  Arth.  f.  exp.  Path.  XXVill,  pag.  355.  J.  Kunk. 

Chorea  laryngis»  s.  Larynxeh  oren. 

ChymilS  (vergl.  Real-Encyelopädle,  2.  Aufl.,  Bd.  IV,  1886,  pag.  301). 

Zur  KtTiiitiiiss  des  menschlichen  Ddnndarmchy mus,  das  heisst  der 
Hesehallenheit  des  Speisebreies  im  menschlichen  lUlnudarm  und  damit  auch  zur 
Kenutniss  der  Verdauung  im  menschlichen  DUuudarm  (vergi.  auch 
Real-Eneyelopädie,  2.  Anfl.,  unter  Verdauung,  Bd.  XXI,  pag.  98,  dieDarmver* 
daunng)  liefern  Macfadyen,  M.  Nencki  nnd  Sirber  (Areh.  f.  exp.  Path.  XXVHIi 
pag.  311^  einen  wichtigen  Heitrag.  An  einer  G2jährigen,  nur  40  Kgrm.  schweren 
Frau  war  wegen  eingeklemmter  Hernie  ein  StOck  des  iu  deu  Blinddarm  ein« 
mflndeoden  nnteren  Endes  vom  llenm  ezeidirt  nnd  ein  Antu  praetematuralü 
angelegt  wurden.  Naehdem  die  Wände  bis  auf  die  Fistel  verheilt  war,  wurde 
Pat.  auf  eine  DiJlt  gesetzt,  die  prr.  Tag  200  Grm.  Brod,  100  Grm.  Fleisch, 
200  Grm.  Griesbrei,  20  (irm.  Pepton,  60  Grm.  Zucker,  100  Grm.  Milob,  2  Eier 
nnd  1  Liter  Bouillou  (im  Ganzeu  10*6  Grm.  N)  bot.  Mittelst  eines  in  die  Fistel 
eingelegten  Sehlauehea  wurde  der  aniBieBsende  Cbymus  gesammelt,  dessen  Tages« 
menge  iu  maximo  550  Grm.  mit  4*9*/0  festen  Stotlen,  bei  dickflüssiger  Entleerung 
nur  232  (irm.  mit  11  •2*  „  Rückstand  betrug.  Der  Chymus  gelangt,  wie  Versnobe 
mit  Einfuhrung  von  Salol  ergeben  haben,  frühestens  nach  zwei  Stunden  bis  in  das 
untere  Ende  des  Dünndarmes  nnd  dann  dauert  es  9 — 14  Stunden,  bis  alles  Salol 
cor  Fistel  ausgetreten  ist.  Der  gelb  bis  gelbbraun  gefärbte  Chymus,  von  fadem 
oder  an  freie  Fetts?turen  erinnernden,  kaum  fauligem  Geruch,  reagirte  stets  sauer 
(durohsehnittlieh  O'I^/q  Säure  entbalteudj,  schloss  gelöstes,  gerinnl)ares  Eiweiss, 
Muein ,  Pepton ,  Dextrin ,  Zueker ,  inaedve  Olhrungs-  und  optlsdi-a^iTe  Para- 
milchsflure,  fltlditige  Fettsäuren,  bauptsiehlich  Essigsäure,  Galleasiure  nnd  Bili- 
rubin ein,  das  an  der  Luft  in  Biliverdin  fiberging.  Die  iTsache  der  saureu  Reaotion 
des  1  Xinudarnichymus  sind  organische  Situren ,  hauptsächlich  Kssigsilure ,  niemals 
balzsäure;  der  grüsste  Theil  der  gebildeten  orgauischeu  Säureu  wird   durch  das 


166 


CHYMÜS.  —  CLÄVI  STPHILITICI. 


kohlensaure  Alkali  des  Darmsaftes  neutralisirt.  In  dem  Destillate  des  mit  Oxal- 
sAure  versetzten  Cbymus  fand  sich  weder  ladol,  noch  8catol,  nucb  Phenol,  »oudern 
■or  EmigBinre;  im  Destillatiororllekatende  die  beiden  MilehsluTen ,  «ber  keines 
der  Gährung^produete  des  Eiwoiss,  auch  nicht  Leuoin  nnd  Tyrosin.  Also  wird 
das  P^iwiM'äs  im  Dünmlurm  durch  Filulnissmikrühen  kaum  zersetzt .  wohl  aber  die 
Kohlehydrate  unter  Bildung  von  organischen  Säuren.  In  den  auA  dem  Cbymus 
«Dgelegteo  Bemcaltaren  fknd  sich  kein  Mikrobe,  welcher  EiwdsB  sersetst,  wohl 
«l>er  solehe,  welche  die  EoUehydrAte,  nnter  Bildnng  von  Aethylalkobol,  den  beiden 
Milchs&uren,  Essigsäure  und  Pcm-Jtoinsänre,  zersetzen.  Das  Ei  weiss  wird  darnach 
erst  im  menschlichen  Dickdarm  unter  Bildiintr  der  aromatisehen  F/iii!ni8S]>roducte 
(ersetzt.  Die  aus  den  Kohlehydraten  entstehenden  organischen  Säuren  sind  es 
Moh ,  welche  die  Efweiaet^rnng  verhindern  nnd  bei  einer  gewissen  OrOsse  sudi 
die  Zersetz» II il*  r  Kohlehydrate  einschränken. 

l>:i  hei  der  oben  {re.sehildcrtcn  Di-lt  mit  I0'i\  Orm.  N  ])r(i  Tai:  der  intier- 
balb  24  Stunden  ausOiessende  Cbymus  uur  16  Grm.  N  einschloss,  so  ergiebt  sich 
daraus  das  wichtige  Resultat,  dass  nur  Vt  vom  Nahrongsdweiss  sieh  der  Ver^ 
dannng  nnd  Resorption  im  Dünndarm  entzogen  bat,  also  in  der  Norm  fllr  den 
Dickdarm  ilhrifr  bleibt,  wftlirend  "  7  des  Nahrunfrsi  iwci^s  vom  Majren  und  Dünn- 
darm verdaut  und  re-nrl>irt  werden.  Volle  6  Monate  hat  Pat.  mit  Ausschluss  der 
Dickdarmverdauuug  gelebt,  dabei  au  Körpergewicht  zugenommen;  zuerst  setzte 
sie  Eiweiss  ans  der  Nahrung  am  Rfirpor  an,  weiterbin  in  dem  Uaasse,  als  sie 
sehwerw  wurde,  passte  sieh  der  Eiweissansatx  mehr  nnd  mehr  der  BIwdssznfnhr  an. 

.T,  Mnnk. 

Clavi  syphilitici.  G.  Lewin  hat  zuerst  im  Archiv  für  Dermatologie  und 
Syphilis,  1893,  Heft  1,  auf  diese  Oebilde  aufmerksam  gemacht,  welche  bisher  theils 

ganz  übersehen,  theils  auch  verwechselt  wurden  waren,  jedoch  für  die  Diagfuose  der 
Syphilis  in  zweifelliaftcn  Fillleii  von  hnbcr  T'xMlciituiiir  sind.  K<  sind  an  Händen  niul 
Füssen  vorkommende  hornarti^a^  (Gebilde,  steckuadelkuopt-  bis  linscngross,  meist 
nnd,  seltener  oval  oder  länglich,  wie  in  die  Haut  eingekeilt,  nach  oben  sieh 
vei^Ongend,  doeh  nur  ausnahmsweise  eonvex  Uber  die  Umgebung  ragend,  ja  aelbst 
mit  concavcr  Oberfläche.  Im  Anfange  ihrer  Entwicklung  blassroth ,  erscheinen 
sie  später  von  mehr  jfelblicher  Ilorntarbc;  anfan;rs  weich,  mit  der  Nadel  zu  zer 
faaern ,  später  zum  Zerbröckeln  hart  wie  Cemcut.  Die  umgebende  Haut  zeigt 
meist  einen  blassröthliehen  Hals  oder  innen  Kranz  von  weissliehen  Epidermis' 
sohflppchen.  In  der  überwiegenden  Mehrzahl  kommen  sie  in  der  Vola  numut, 
selten  in  der  Planta  pedis  oder  an  den  Volar-  und  Seitenflächen  der  Fing'er  und 
Zehen  vor.  In  ihrer  Entwicklung  bildet  sich  zuerst  ein  blassrother,  runder  Fleck, 
der  sieh  allmälig  dunkler  ftrbt  und  aehtiesslioh  in's  Briinnliehe  sehattirt.  Mit 
dem  daranfTolgenden  Erblassen  verdickt  sich  die  Epidermis,  ein  rOthlieher  Halo 
bleibt  noch  eini-j-c  Zeit  nnd  die  IT.uit  stosst  sicli  in  Schüppchen  oder  Laraellen  ab. 

Die  Sympt<tnic  sind  p'rinjr.  Vasomotoriselu'  Stuninixeii  zeigen  sich  nur 
in  Höthung  und  Entfärbung.  Ab  sensibles  Symptom  kummi  iiiitunter  geringes,  noch 
seltener  stärkeres  Jucken  und  Stechen  vor,  die  bei  Clavi  vulgare»  nicht  seltenen 
irradiirenden  Schmerzen  fehlen;  Motilitätsstöran^eii  -leichfiills.  Auch  trophiscbe 
Erscheinungen,  die  sieh  beim  vulfrären  Clavus  in  der  .\tropliie  der  Papillen  und 
des  umgebenden  lUudegewebcH  doeumentircn,  sind  nur  gering  und  doshalb  von  L. 
weniger  beobachtet  wohl  wegen  der  frahzmtigeo  aotisyphilltischen  Cur,  welche  die 
volle  Entwicklung  des  ('fnnis  ayphilit.  hemmte. 

I  •  i  f  f  e  r  c  n  t  i  a  I  d  i  .•!  fr  n  n  s  e.  IMe  Warzen  prominiren  ,  haben  nieist 
Eorklüftete  Oberfläche  und  .sitzen  äusserst  selt'  ii  in  der  Vola  manua.  Die  syphi- 
litische Anamnese  kann  unter  Umständen  den  Ausschlag  geben,  obwohl  Verruca 
glahra  wie  plana  zumeist  Im»  jugendlichen  Personen  vorkommt,  die  bekanntlieh 
aneh  das  Haupteontingent  zur  Syphilis  liefern.  —  Die  Hahner  äußren  sitzen 
selten  an  den  Hinden .  am  seltensten  in  der  Volo  mnnifs.  Im  I'ebrigen  promi- 
niren die  Hühneraugen,  haben  einen  ceutralen  Zupfen  und  erzeugen  meist  irra- 


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CLÄTI  STPHILITIOI. 


167 


dürende  .Schnier/en.  was  Alles  beim  Clavns  syphilit.  fehlt.  —  Die  Schwiele, 
CaUositaa,  ist  mehr  oder  weuiger  breit,  höchst  selten  rund,  uie  scharf  beg^roozt, 
sondern  sieh  peripheriseh  «bflaehend. 

Die  Efflorescerizen  der  Psoriasis  s>/ph  ilitica,  mit  denen  die  Clavi 
wohl  meist  verwechselt  worden  sind,  unterscheiden  sich  von  diesen  durcli  ihre 
braunruthe  Farbe,  ihre  Lage  im  Niveau  der  Haut,  ihre  Bildung  von  Schuppen, 
welche  auf  Terdflnnter  Epidermis  gelagert  sind. 

ICinen  ultsohiten  diagnostischen  Werth  für  Syphilis  können  die 
Clnii  sriithilit,  ebenso  wen!  fr  wie  die  jindereu  klinisehen  Symptome,  Sclerose. 
Exantheme,  Hals  und  Knoeheukranklieit  etc.  beanspruchen,  wohl  aber  einen  hohen 
relativen,  indem  beim  Fehlen  anderer  Symptome  sie  den  Verdacht  aufSjrphilis  anregen. 

Anatomie.  Im  Corium  beobachtet  man  etwas  erweiterte  Gefilssseblingen 
und  Lymplispalten.  In  der  Pars  pfijn'flaris  sind  die  fadenfttrnii^reii  mul  ])apinären 
Erhabenheiten  breiter  und  Llnfrer  und  zei;ren  stellenweise  Verzwei;;iinjjen  und  Ans- 
buchtuugeu.  Mehr  oder  weniger  zahlreiche,  in  die  Papillen  und  das  Jit'te  Maljjiijhü 
dngewanderte ,  aus  den  Gapillarsehüngen  stammende  Rundzelleii  weisen  auf  statt- 
gefundene  entzflndliche  Vorgftnge  hin.  Im  Stratum  granulosum  statt  der  2  bis 
3  Reihen  tlbereinander  {relatrerten  Zellen  4  6  Heilien  derselben  mit  wenip  oder 
gar  Iceinem  tiUssigen  Inhalt.  Die  Zellen  sind  atrophisch  uud  stellen  längliche, 
stark  tiebtbreehende  Streifen  dar.  Stratum  lueidum  ist  meist  nicht  sn  erkennen. 
Einzelne  Tröpfeben  oder  leere  Zellenhüllen  könnten  Raäviku's  jJn*]ues  lihres** 
sein.  Das  Straf uvt  rorn>>>!»  ist  mehr  oder  weni.L'er  hypertrophisch.  Aehnlich  wie  bei 
der  Callositas  sind  die  Horuzellen  {rel*iMct,  doch  .sind  in  den  tieferen  Lagen  noch  die 
Kerne  erkouubar.  In  weiterer  Entwicklung  bildet  sich  eine  ganz  aus  verhornten 
Lamellen  bestehende  Halbkugel.  Zwisehen  den  Lamellen  einxelne  GouTolote  von 
ZeUen  mit  gut  ftrbbareo  Kernen,  Abkömmlinge  den  Hete,  welche  bm  dem  unregel- 
mflssigen  Verhorn unfr-'procoss  durch  schon  verhornte  Zellen  abgesehnfirt  wurden. 
Der  ganze  Proccss  vollzieht  sich  in  ähulieher  Weise  wie  die  Bildung  vuu  syphi- 
litischen Hauthömem  (ef.  Lbwin  und  Hbllbb,  Cfomua  sypkilttiea  in  Unna*8 
Internationalem  Atlas  seltener  Hautkrankheiten.  Hamburg- Leipzig  181)2,  VH.  Voss). 
Schweissdrfisen  worden  in  der  umgebmiden  Haut,  aber  nicht  in  den  Clavi  selber 
nachgewiesen. 

Iii  Betreff  der  Aetiologie  waren  bei  meinen  38  F&llen  beide 
Geschlechter    f^eieh  betheiligt,    dem    Stande   nach    flberwogen    die  PuMae 

puhlirnt'  ,  wie  bei  der  Syphilis  Uberhaupt  im  Alter  von  20 — 20  .lahren 
fl'i'  unter  28  rr:  71*4°  nj-  Die  Con.stilnti'.n  scheint  keinen  ätiologischen  Einlluss 
zu  haben;  wir  uotirten  6  kräftige,  9  mittelkräftige,  9  schwächliche  und  2  sehr 
sehwiehliehe  Individuen  mit  Clavi.  Von  allen  waren  15  ganz  ohne  firtthere  anti- 
syphilitische  Behandlung  geblieben  und  9  einmal  behandelt.  Die  Art  der  voran- 
gegangenen Ciiren  schien  keinen  besiuideren  Kinflu?s  zu  haben,  wir  fanden  Clavi 
nach  subcutanen  Sublimaliujectionen  4mal,  nach  Sehmiereurea  8mal,  nach  Sublimat- 
pülen  und  nach  Sebmiereur  je  Imal  und  nach  Jodkalium  4ma1.  Die  syphilitisehen 
Complientiouen  waren:  Condyl.  lata  allein  5mal,  Lata  und  Exanthem  lOmal, 
Sclerose  und  Exanthem  fimal .  rjoscola  allein  lOmal,  Exantli.  macul. ,  papul.  3, 
nlceros.  1 ,  squam.  2mal ,  Psoriasis  Omal  und  2  Knochenatfectioncn.  Aus  dieser 
Zusammenstellung  folgt,  dass  die  Clavi  am  häutigsten  im  Stadium  der  maculösen 
und  papuldsen  Exantheme  auftreten,  seltener  in  dem  der  sqnamOsen  und  uleerOeen 
nnd  am  seltensten  bei  den  sogenannten  tertiären  Erscheinungen.  In  der  Loeali- 
sation  sind  beide  KTirperseiten  gleich  betht  iliL't .  in  den  meisten  K.illeu  gleich- 
zeitig, was  als  Ausdruck  einer  allgemeinen  Erkrankung  un<l  uicht  als  Folge  localer 
Binflttsse  angesehen  werden  muss.  Der  Anzahl  nach  beobaehtete  ich:  1  Clavus 
8mal,  2  Clavi  5mal,  .3  Clavi  3mal,  4  Clavi  4mnl,  6  und  6  Clavi  je  Inuil,  7  Clavi 
Sroal,  „mehrere  Clavi'*  :^mal. 

Die  Therapie  bestand  bei  alleu  Kranken  iu  meiner  subcutanen  Sublimat- 
Injeetfonseur,  tfiglidi  0*01 — 0*019.  Niemals  kamen  dabei  störende  Unterbrechungen 


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168 


CLAVI  SYPHIUnCI. 


durch  Abticesäe,  Salivation  u.  dergl.  vor.  Bei  23  Krauken  wurden  circa  386  Id* 
jeetionen  ^emaeht,  so  das»  naeh  dnrehsehnittlieh  17  iDjeetionen,  respeotive  0'S04 
Sublimat  die  Clavi  schwanden.  Die  übrigen  syphilitiäolieil  SymptOOM  bedorflen 
hei  15  Kranken  noch  durchschnittlich  je  37  Injectionen. 

Geschichtliche  Skizze.  Die  ältesten  Syphilidologen  des  XV.  Jahrhunderts 
kannten  aehon  die  syphilitischen  Erkrankungen  der  Handteller,  Finger  und  Foss- 
aoblea ;  GuitL.  Rondblbtiiis  ^)  spricht  ¥on  ßsmrae  t»  manAw,  fUM  argummto 
Stint,  morbum  non  est»  curat  um;  Trajan.  PstrONIOS spricht  von  apo.fi/nna(a, 
rhagadiatjnae,  ßssuras,  rimns  et  (iesquamotwne.o  manmn,  pedum  :  KATj.oi'irs 
nennt  Lichenea,  vel  lUiayades  vel  calli  in  ceatigiis  peäum  et  vola  manuuinj 
NIOOL.  Hassa  *)  wwfüukt  ßsmrae  in  volia  manuum  et  pkmHa  pedum  cum  §fuamiä 
euteü  ....  fit  etiam  quaednm  sqtin moettotee,  ASTBOC  schreibt,  d«88  die  Bkür 
g'ades  pelten  bei  -repflcfTter  Unnt  vorknmmen  ,  „contra  rero  id  fnah'  hnud  in- 
f  requens  est  in  iis,  quibus  manuum  volae  pedumque  plantae  »quaUore  et  labore 
üa  oowdewwt  et  eamceantur"  etc. 

Erst  gegen  Bode  des  XVIII.  Jahriranderts  werden  neben  sqaamAsen  Exna- 
thcmen  auch  maculöse ,  papulüse  und  nodöse  an  Händen  und  Fflssen  erwähnt, 
diese  aber  unter  dem  Sammelnamen  Psoria-tis  itnlmnri^  und  plantanfi  zusammen- 
gefasst.  FOURNIER 'j.  Ji  LLiRN  *)  und  Cohn  tadeln  diese  Incurrectheit  mit  Hecht. 
FOüBNlBB  sagt  „Lee  pnpulfiH  ptdmaires  psoriasiques ,  eomm0  on  les  appelle  ä 
tort  und  .Iri.i.iEx  ^Ln  psnn'asi's  palnutire  qu'un  Pa  assrz  tmpruprement 

riommt'  f'ti\"  Alle  diese  Autoren  besehreiben  zwar  dif  verschiedenen  Formen  der 
l'.soriaäiä  nebenbei,  doch  Niemand  claü^iticirt  sie  im  Detail.  Erst  in  den  Vierziger- 
Jahren  dieses  Jahrhunderts  sprechen  franiOslsohe  Syphilidologen  yon  Aortorat 
cornee  und  Syphüis  comie.  BiSTT  soll  sie  sehen  vor  1 829  erw.abnt  haben.  Doch 
weder  Cazkn'ave's „larges  plagues  squamrunfs"  und  die  kleineren  ^de  petiteji 
siirfacfis  de.  la  largeur  d'un  Centime^,  noch  Vidal's  dk  (;assi;i '^j  Si/phth'de 
cornee  mit  oft  schmerzhafter  Palma  und  einem  Aaasehen  „quelquefois  plätreux", 
noch  die  „bouton»  ieailleux"  Davassb's,  welehe  sieb  „aecompagnent  d^un  4kU 
douloureux  de  prurifes,  de  hrulures"  ähneln  nur  wenig  meinen  Clav!.  Auch  die 
Beselireibuntr,  welche  Foi'RXiER  von  den  „pnj>tth  >i  pahnnires  psorinm'quf"  giebt, 
namentlich  da.%ä  sie  »ich  wie  une  tele  de  clou  antulileu  lassen,  trifft  nicht  ganz  zu. 
E.  Cohn  giebt  von  der  Psorins  palmarts  Cornea  folgendes  Bild:  „Es  bieten 
manchmal  die  Papeln  dem  Getaste  eine  grosse  Resistenz,  welche  von  dem  in  die 
Unit  eingelajrerten  Xenplasma  lierrfllirt.  Man  hat  da<  (lefdlil,  als  ob  die  Ein- 
lagerung nur  Kartenblattdicke  hiitte,  manchmal  aber  als  würde  man  ein  Hübner- 
ange  betasten."  Ich  bedanre,  dass  Cohn  hierbei  die  semiotisehe  Bedeutung  niebt 
herrorgehoben  bat.  Was  Kaposi'*)  Uber  Papeln  der  Flaehhand  und  Fnsssoble, 
sowie  V.  Zkissi.  '  •)  fiber  IW>riasis  s>/j>/ii/.  diffusa  sagen,  hat  wenig  Aehnlielikcit 
mit  dm  in  Hede  .stehenden  Clavi.  Hi  tchin.sox  "^j  crwilhnt  ..zahlreiche  kleine, 
erb8cngr<»8se  Flecken  iu  der  Hohlhaud",  Bumstead  und  Taylur  '^j  beobachteten 
die  8yphü.  cutanea  Cornea  Tonllglich  an  der  Planta,  viel  seltener  an  der  Palma; 
auch  sei  eine  innere  Therapie  oft  ohne  Erfolg,  was  unseren  Erfahrungen  wider- 
spricht. DcHiiiNCi  betont  die  Symmetrie  der  (Jehilde,  was  bei  den  Clavi  nicht 
der  Fall  ist.  Ebensowenig  zutretiend  fUr  uuneri*  Clavi  sind  die  Bilder,  welche 
J.  DBSRUBLLKS        J.  JULLIBN  *).  BSBRELY  HiLL       CaMPANA  »i),  ALB.  RBDBR 

G.  Bkbrend  -  '),  Lksser-*),  M.  v.  Zeissl»'  )  von  der  Si/jdidis  comen  geben.  Die 

meisten  Autoren  gehen  tlberhaupt  nicht  auf  dies  wichtige  Thema  ein. 

Literatur:  ')  Guill.  Bon  d leti  ub,  in  Aloy».  Luuiaus'  Aphrodisiacus  sive  de 
Lue  venerea.   hvt^\n.  Batavor.   \TZ^,  pa^.  9J9  C.  —  *)  Trajan.  Petronins,  Ibid. 

pag.  1358  A.  —  •)  Fallopinm,  Iliid  ,  p.ipr.  ^VZ  E.  —  ')  N  i  r.  Miissa.  Ibid..  paR.  4<>  D  Uüd 
p:>p.  III.  —  ')  A  u  g  e  r.  Fp  rr  ar  i  u  8  .  Ih  /)iit/iii(/ii>/i'i.  Lih.  II,  C.  XI,  loc.  cit.  pag.  H:26  C. — 
•)  Ahfx.  Trajan,  Pftronitts,  Luisimis,  jia^'.  I.i.ö^  B.  — ^)A8truc,  De  »nmhi.t  vrnereis 
Parisiis  1738.  pajt. -133,  Jj.  8.  —  ")  \.  i'ournier,  Linons  sur  In  Sif/,fii/is.  Paris  1873, 
puR.  384.  —  *")  Jullien.  Tt'ait»'  profi'jur  t/e.'<  nuil.  n'nt'r.  Paris  I8^G,  piip.  'i04.  Ahregh. 
Des  tnalutiie,''  <!>'  I<i  j>t>iii  iVnin  f  .t  fcs  ini/)ii>:<  fi  s  i,liis  i.-ti>ii>'\  t  (  sur  tmit  ii'iijir>\\-  /<".>*  ilocu- 
ments  pnivvs  titma  les  iegons  rliuifjues  de  M.  JHett.  Paris  lö^iy.  —  ")  A.  Caaenavo,  Tratte 


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CLATI  8TPHIL1TICI.  —  OOMBIHIRTB  STSTEtCEEKRAKKOMGEN.  169 


ife»  Sjff^ilide».  Paris  1843,  pap.  417.  Derselbe,  Lefona  »tir  les  maladte«  de  la  peaii. 
Paris  )'^56.  l'iiK  UM.  Derselbe,  ,!////.>,  .«ur  le-s  niahidie.s  df  la  peau.  I815.  *')  Vidal 
de  C as 3 i s  ,  Tratte  des  mal.  vindt:  1859i  p&g.  38.  —  '*)I)ava8Be,  La  Syphilis,  sm formea, 
mm  uniti.  1866,  pas.  170.  —  ")  B.  Cohn,  Die  Syphilis  irtübrend  der  Periode  ihrer  Initial* 
lind  Frühtormpii  ftr.  Wien  1875,  pag.  101.  —  '*)  Kaposi.  Pafliologie  nii<l  Therapie  der 
Hautkrankiit'iien.  1887.  p«g.  8^5  Derselbe,  Pathologie  und  Therapie  der  Syphilis.  1891, 
pag.  141.   —  '*)  D-  V.  Zeissl.  Lehrbuch  der   ronstitutionelien  Syphilis.   Erlangen  1864, 

r%.  115.  K.V.  Zeissl,  H.  v.  Zeissl's  Grundriss  der  f^thologi«  und  Therapie  der  Sypbilit. 
Aufl.,  Stnttffmrt  1884.  pag.  174.  H.t.  Zeissl,  Lehrhnoh  der  Syphilis.  5  Aa6.,W{en, 
pag.  429  otc.  —  Hntchinsou.  Syphilis.  df;uts(h  von  Kol  1  mann.  Leipzig  18>'8. 
")  Fr.  Bnnjstead,  R.  Taylor,  I'aihol.  und  Ittatm.  of  rener.  diaeaaea.  Philadelphia  1879, 
pag.  531.  —  Loui.s  Dnhring,  l*ractie.  treatüie  of  diseases  of  the  skin.  Philadelphia 
1877.  Trudiiit  par  Dnrthelennj  et  Colon.  Paris  1883,  pag.  621.  —  "*)  -L  Desrunlles, 
Darstellnng  und  Behandlung  der  neuen  Krankheiten  nach  der  antiphlogistischi-n  und  diäte- 
tiscbeu  Metho  le.  Deutt-ch  von  B  u  r  t  h  ar  dt.  In  Behrend's  t^yphilidologie.  Leipzig  1^4,",,  Bd.VI, 
pag.  241.  —  Hill,  üyphili«  and  loc.  contag.  disordres.  London  1868»  pag.  lOü.  — 
R.  Camp  an».  Dei  morbi  »ißlitiei  e  o0Neret.  Genovs  1889,  Parto  prima,  pag.  Ö9.  — 
")  A  1  b.  R  e  d  e  r ,  Patholoirie  nnd  Theiaple  der  venerischen  Krankheiten.  Wien  lS(i8,  pag.  273.  — 
*')  G.  Be  h rcn  d  ,  Lehrbuch  der  Haatkrankheiten.  2.  AnU..  Berlin  188Ö,  pag.  ö82.  —  ^*)  hm6T, 
I^ehrbneh  der  Bant-  nnd  Geschlechtskrankheiten.  Leipsig  1865.  0.  Lewia. 

COCCidiUlll  SarCOlytUS,  «.Canerolo,  pag.  120. 

ColOnibO.  Als  wirkgamn  Princip  der  Colombownnd  (JaUorrkiaa  (Ja- 

hmba)  bezeichnet  HuGO  Scholz  ')  das  in  grösseren  Dosen  breiige  Stuhle 
erzeufrondt'  Herbcrin  ,  ^  ii  llcicht  aiioh  da.'«  C'tlunihin .  den  hohen  Stürkc^rehalt  der 
Wurzel  hält  er  für  die  Wirkung  deruelben,  bei  leichteren  Formen  von  Darmcatarrb 
ohne  glddiMltige  Afltetrtton  der  MagenaebleliDlifttit,  oebenslk^lieb.  BUher  ist  niu 
Colotnbo  in  der  Praxis  zumeist  als  Decoct  verordnet  worden.  Ein  solches  sehmeekt 
aber  trotz,  der  Corrigentieii  selir  bitter  und  i.st  leicht  zersetzlich.  Hi  Go  ScHCi-Z  hat 
daher  statt  de.s  ( 'olomboJecocts  eiue  Colninbotinctur  durch  Extraction  der  staubfein 
gepulverten  Wurzel  mit  reinem  Alkohol  im  Verhältnisse  1  :  10  dargestellt;  dieselbe 
warde  an  Gesunden  und  an  tablreieben  Kranken  dnreh  v.  Wobbbn>Wildb  ")  geprflft 
und  gleich  wirksam  wie  das  entsprechende  Deeoct  befunden.  Die  Vortbeile  der 
Tinctur  sind,  da.ss  sie  sieh  iinbesT<*nzt  lan^c  hält,  ferner  dass  der  ihr  anhaftende 
bittere  Geschmack  sich  durch  Verdünnen  mit  Wasser  stark  herabsetzen  lässt,  ohne 
die  Wirkung  so  beetntraehtigon,  und  dass  die  Tinetnr  billiger  ist  als  das  Deeoct. 
Bei  Durebfilllen  Tiiu  f  nrtir  Oolomho  3"0 — 5"0  3nial  täglich,  jede  Gabe  mit  '  ^  —  1  Glas 
\Va<)ser  verdfhmt.  Ht  i  lu  ftigen  Durchfllllen  wurden  bis  zu  50*0Tinetttr  im  Tage 
ohne  üble  Folarell  verabreicht. 

Literatur;  ')  Hugo  Sthulz,  Ueber  Wirkung  und  Bruiu  lihiirkL-it  der  9t)lombo- 
tinctur.  Therap.  Monatsh.  I81I2,  pag.  62.  —  *)  v.  W  o  l»  e  rn -W  i  1  d  e ,  Unteräuchnngea  fibST 
die  Wirksamkeit  und  Brauchbarkeit  der  Tinetura  Volomba,  Dies.  Greifewald  18UI. 

Loebisch. 

Combinirte  Systemerkrankungen  des  ROckenmarkea  ünter 

dieser  Bezeichnung  versteht  man  die  Erkrankung  mehrerer  Fasersysteme  des 
KUckeninarkes ,  bediufrt  dureh  eine  einheitliche  Noxe.  Per  Name  „combinirte 
SyKtemerkrankungen  des  Rückcniuarkes"  wurde  von  Kahlek  und  l'iCK ')  im 
Jahre  1876  bei  der  Besprechung  dnes  Falles  von  hereditArer  Ataxie  Fsibd- 
BEICH's  in  Vorschlag  gebracht  und  näher  begrflndet. 

Ks  handelt  sich,  wie  man  sieht,  um  einen  anatomischen  He-rritl",  von 
welchem  erst  des  Weiteren  festge.Htellt  werden  muss,  ob  demselben  „ein  ebenso 
genau  zu  umsebreibendes  Krankheitsbild  entspricht,  ab  dw  Isolirten  Erkrankung 
einzelner  Fasersysteme^,  mne  Ansieht,  weldie  Kahler  und  PiCR  ')  bei  der  Definition 
des  Krankheitsbegriffes  aufstellten. 

l'a  f  h  0  I  o  g  i  s  e  h  e  A  n  a  t  o  m  i  e.  Wir  }iaiiei\  im  Klickenmarke  —  ich  folge 
hier  vorztiglich  den  KcBuUatcn  der  üutcrsjuchuugen  Über  secundärc  Degeneration  — 
dru  Systeme  zu  unterseheiden,  die  in  eorobinirtw  Weise  erkranken:  Das  System 
der  H  i  n  te  r  s  t  r  ä  nge  (H.  S.),  welches  nach  den  Ergebnissen  der  Durchachneidung 
der  hinteren  Kdckenmarks'.vurzdii  SiNTiKR,  jiiNGKR-Mü.vJCKii  -  i  zum  grossten  Theile 
gebildet  wird  aus  der  Fortsetzung  eines  Theiles  der  hinteren  Wurzeln,  ein  System, 


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170  COUBINIRTB  STSTBMEBKBANKÜNGEN  DES  BÜOKENMABKBS. 


das  uach  deu  Untersuchangen  Flkcusig's  ^)  aus  vier,  functionell  nicht  näher 
bestimmteD  Fasersyatemen  bestebea  soll  und  von  welebem  als  sicherstehtind  ange- 
sehen  werden  Iubb,  daas  g^ne  Erkmokong  mit  gewissen  SenmbiUtltsstOriuigen 

und  atactinchen  Erschoiriun^en  der  Extremit.lten  zusammenhängt;  das  System  der 
P  y  ra  m  i  d  e  II  b  a  h  n  fP.  S.j.  hcfitchcnd  au«  den  bekannten  zwei  Theilen  ,  der 
Pyramidenseiten-  und  -vorderstraugbabu,  eiu  System,  das  die  mutorischeu  Impulse 
von  der  Hirnrinde  ra  tiefer  gelegenen  Gentren  —  den  Vorderbomsellen  des 
Rflekenmarkes  —  leitet  und  endlich  ein  dritten  System ,  das  der  Kleinhira- 
seitonstrangbahii  n\.8.},  dessen  functionellc  Hedeutunir  Iiis  bciitf  uiicrkaunt 
ist  und  Uber  dessen  auatumisehe  Verhältnisse  die  Acten  keiueöialU  gcäcblosseu 
ersehenen. 

Diese  drei  Systeme  sind  es,  welehe  in  weehselnder  Weise  eomlrinirt 
erkrankt  ^'cfiinden  wurden,  so  /war,  dais  sieh  pathologiMb-aaatomiaeh  vier  ver« 
sobiedene  Typen  crirclicn.  und  zwar: 

a)  Vorwiegende  Erkrankung  der  H.  8.  uuU  1'.  S.  (SißCiirELL,  Eklicki 
nnd  Rtbalkin^), 

b)  vorwiegende  Erkrankung  der  H.  S.  und  K.  S.  (Fraxcotte 

c)  „  „  n  •  ^-  Strümpell,  Münzer«), 
dj        ^                n           »   l*-  S.,    H.  iS.   und  K.  S.  ^^FaiEDRKicu, 

KABLXR-PiCE,  WE8TPHAL,  STRCVPBLLf  ROTIMBTBB,  BROüSSX,  SCBÜliTZB,  DiSJBRINB- 

LAtülle,  Mbnzbl,  Pütnam,  Arnold"). 

Die  Erkrankung  dieser  Systeme  ist  eine  prim.lro,  sie  beginnt  an 
irgend  einem  I^unkte  dieser  Bahn,  um  nun  in  ziiiulich  willkürlicher  Weise 
oacb  auf-  und  abwftrts  oder  nur  nach  der  einen  liiehtuug  lortzuscbreiten ;  einen 
prineipiellen  Gegensata  gegenüber  dem  Fortsehreitra  der  seenndären  Degeneration, 
insofeme  als  die  primären  Systemerkrankungen  in  entgegengesetzter  Uiflituni::  fort- 
schreiten, als  die  seenndären  Degenerationen,  also  die  Erkrankiinir  der  Pvramidcn- 
bahn  aufsteigend ,  die  der  Hinter-  und  Kleinhirnseiteusträuge  absteigend  erfolge, 
wie  dies  Strümpell  <)  annimmt,  kann  man  nach  den  vorliegenden  Angaben  nieht 
anerkenneu. 

Es  handelt  sieh  bei  diesem  Processe  aueh  nicht  um  eine  von  den  (jefflssen 
ausgehende  Erkrankung,  wie  dies  neuerdings  für  eine  Zahl  von  Beobachtungen 
Habib')  annimmt,  zum  Theil  anf  Omnd  der  Untersnehnngen  flbw  seenndlre 
Degeneration  im  Rückenmark  nach  Compreesion  der  Aorta  abdominalis  (Ehrlich- 
Brikgkr,  Singkk,  SiN'UER-Mf  N/i'ii  "\  Sondern  es  ban  lelt  sieh  höehst  wahrschein- 
lieh  nm  eine  ulegeuerative  y )  Atrupbie  des  Nervengewebes  mit  seoundftrer  Wucherung 
des  Stützgewebes  —  8  der  ose. 

Ich  habe  mich  in  dem  Vorangehenden  anf  den  Standpunkt  Jener  Autoren 
gestellt,  welche  die  voriie^^cnden  Erkrankungen  als  syatematisdie  auffassen;  «e  ist 
nun  an  der  Zeit,  den«  Standpunkt^  jener  Autoren  gerecht  zu  werden,  wedche  mit 
Lbydex  "'j  von  allen  Formen  „combiuirter  Systemerkrankungeu^^  nur  die  FüiKD- 
SBlCH'sehe  Ataxie  hier  notergebracbt  wissen  wollen,  alle  anderen  unter  der 
Beeeiehnung  eombinirte  Systemerkrankungen  mitgetheilten  Beobachtungen  dagegen 
zur  diffusen  Sclcroso  reelinen.  Diesen  Standpunkt  lifirrliiidet  LrnhKV  damit, 
dasd  die  Symmetrie  der  Erkrankung  Uberhaupt  charakteristisch  für  Kückeumarks- 
erkrankungen  wäre  und  auch  den  nicht  systematischen  Affeotioneu  der  MeduUa 
»pinalis  xukomme,  dass  ferner  die  Solerose  in  deo  verseliiedenen  F&llen  „eom- 
binirter  Systemerkranknng"  die  (Jrenzen  der  einzelnen  Systeme  mehr  minder 
Ubersclireite  und  dass  schliesslich  diesen  Formen  kein  specielles  Krankheitsbüd 
entspreche. 

So  gewiehtig  aneh  die  angeführten  Grttnde  Lbtden's  erseheinen,  so 

reichen  sie  nicht  ans,  um  die  Lehre  von  den  eombinirten  Systemerkrankungen 
zum  Falle  zn  briiipren  .  niflssen  jedoeli  ein  titiictitijres  Mahnwort  sein  ,  nicht  allzu 
leiobt  Uber  die  aufgeworfenen  Fragen  hinwegzugehen  und  inhbesondere  durch  ein 
genaues  Studium  des  k]inh»hen  Verlaufes  im  Vergleiche  zum  patbologisch-ana> 


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rOMBINIRTE  SYSTEMEHKKANKUNÜEN  DES  RÜCKENMARKES. 


171 


tomir^chen  iU  t'uudt'  dem  «rewiss  liert-ohti^'tpn  Verlangen  nach  eimsr  genauen  klinisohea 
Differeozining  dieser  Fälle  naehzukommea. 

Symptomatologie.  Wir  können,  respective  mUssen  uns  hier  recht 
knn  faasen. 

Von  den  drei  in  Betradit  k"mm«nden  Svi^temen  Ist  nur  die  functionelle 
Bedeutung  zweier,  der  Hinterstränf^e  und  der  Pyramiden li.'ihn.  mindestens  zum  Theile 
sichergestellt,  die  Function  der  Kleiobiruseiteuätrau^babu  jedoch  ist,  wie  bereits 
froher  erwähnt,  bisher  nieht  erkannt  und  so  ist  e«  von  vomhereb  klar,  daas  das 
Bnitreten  einer  Erkrankung  der  KleinhirnHeitenstran^bahn  keine  für  uns  erkenn- 
baren Symptome  vernreaeht.  Wir  miisaen  also  zugeben,  daas  dio  Erkrankung  aller 
drei  Syateaie  ein  gleichea  Symptomeubild  zeigt,  wie  die  Erkrankung  der  H.  8. 
nnd  P.  S.  atldn,  daas  die  Erkrankung  der  H.  S.  imd  K.  8.  mter  dem  Symptomen- 
bilde  einer  Hinterstrangerkranknng  —  also  der  Tahea  domualia  —  nnd  jene  der 
P.  S.  und  K.  S.  unter  dem  Bilde  einer  Krkr.inkuM^-  der  Pyraraideubahn  —  der 
spasti-ichen  Spinal|)aralys<':  —  verlaufen  wird,  respcctivc  falls  die  <rau7,e  motorische 
Balin,  auch  diu  Vorderhurnzelleu  des  liUckeomarkes  erkranken ,  unter  dem  Uilde 
der  amyotrnphiseben  Lateralsderose  (MOnzbb). 

loh  mnss  also  bezüglich  des  Symptomenbildes  auf  die  einfachen  System- 
erkrankunpen  —  Talus  dorsualis  und  spa-itisehe  Spinalparalyso ,  reapective 
amyotrophisehü  Lateralsclerose  —  verweisen  und  hier  nur  kurz  darauf  hinweisen, 
daas  wir,  entspreehend  der  versehiedenen  anatomiseben  Ausbreitung,  zwei  grosse 
Krankheitstypen  unterscheiden  können,  und  zwar  eine  spastisehe  Form,  Stt 
welcher  die  unter  dem  Hildo  der  s+pastisclien  Spinalparalyse  ERii-CuARcoT  vor- 
lanfenden  K.'Ulc  ;?eh>'reii  (vorwiegend  P.S.  und  K.  S.)  und  eine  atac  tische, 
respective  atactisch-paretisohe  Form,  zu  welch  letzterer  die  FRiBDBKicu'scbe 
Ataxie  gehört.  Je  nach  dem  Vorwiegen  der  Erkrankung  in  den  Seitenstrlngeo 
oder  Ilintcrsträngen ,  wird  der  spastische  oder  atactische  Symptomeneomplex  in 
den  Vordergrund  treten:  aber  nur  in  jenen  Fällen,  in  denen  die  Erkrankung  mit 
spastisch-paretisohen  Symptomen  beginnt,  zu  welchen  sich  später  ataetiscbe  Erschei- 
nungen, Bhuensehwaehe,  Paristhesieu  geseUen,  werden  wir  das  Hinzutreten  einer 
Erkrankung  der  Hinterstringe,  also  eine  oombinirte  Systemerkranknng  in  Betraeht 
neben  ddrfen. 

Nimmt  die  Krankheit  den  umgekehrten  Verlauf,  dauu  dürfte  die  DiHereutial- 
diagnose  gegenüber  Tabes  donwUü  sehr  schwierig  sein,  in  der  Hebixahl  der 
Fälle  naeh  dem  gegenwlrdgen  Stande  unserer  Kenntnisse  sn  den  UnmOglieh- 
keiten  gehören. 

li'w  Tn/»'.i  (lorsuah's  nvlhsit  rcchwn  wir,  den  I  ntorsnehungen  über  secun- 
däre  Degeneration  folgend,  vorderhand  zu  dea  einfachen  Systemerkraukungen,  im 
Gegensätze  zu  StbOmpeli«,  welober  entspreehend  im  FLBCBSio'sehen  Angaben,  die 
Tahes  dorauali's  ph<  nf  ill-  zu  den  combinirteu  Systemerkrankungen  zühlt;  ioh 
möchte  jedenfalls  auf  diesr  1  )irl't'rcnz  nieht  allzu  grosses  Hewicht  gelegt  wissen 
und  die  Entscheidung  Uber  dicdo  Frage  der  Zukunft  überlassen. 

Aetiologie.  Eine  bestimmte  Ursaehe  dieser  Erkrankungen  giebt  es 
wahrscheinlich  niclit :  <^  mr)gcn  wohl  hier  alle  jene  Momente  in  Betracht  kommen, 
welche  bei  der  Erkr.inkung  der  einzelnen  Fasersysteme  als  Atiologiseh  bedeutend 
herangezogen  worden. 

Bei  der  Durchsieht  der  Literatur  fallt  auf,  dass  in  einem  Theile  der 
FUle  die  Erkrankung  Im  Ansehlnsse  an  eine  fieberhafte  Affeetion  begann  (StbOv* 
PELL*!.  EFU.irKl-RYBALKIN  *),  MÜXZBE«),  80  dass  man  für  diese  Fälle  den  Schiris-; 
wagen  darf,  dass  eine  den  Körper  in  toto  trertVndf  Schiidliehkeit  als  Endcti'ect 
eine  Erkrankung  mehrerer  sonst  vielleicht  eiu/.eln  erkrankender  RUckenmarks- 
systeme  verursaebt  hat. 

Warum  aber  in  diesen  F&llen  eine  Erkrankung  gewisser  Sytleme  des 
Centrainervensystems  eintrat?  Wir  wis^f>n  es  nieht:  die  Annalnne  einer  eongenitalen 
Prädisposition  enthält  jedoch  —  hierin  müssen  wir  Levdk.n'  voll  zustimmen  —  ein  so 


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172 


COHBINIBTB  STSTEMERKRAIIKÜNGBN  —  OONJÜKCTmnS. 


starkes  luybUscbeB  Moment,  dus  es  vorläufig  besser  ersobeint,  seine  Luwisseuheit 
eiaxiigestdien  als  ni  Mlehen  Hypothesen  Zofluebt  zu  nehmen. 

Betflgtiob  der  Therapie  Terweiae  ieh  auf  das  in  den  d^itehi  qiasHBBiie 
SjrfiialparesB  nnd  Tahea  d^fmtalü  Anseinaiidergwelste. 

Literatur:  ')  K  ahl  or  n.  P ick  ,  Arch.  f.  Phsyth.  IST«,  VIII  —  *)  Siagcr, 
Sitzangsber.  tl.  kais.  Akad.  d.  Wii^aensch.  Wien  l>Sl;  Singer  u.  Münder.  Denksdir.  d. 
kais.  Akad.  d.  Wissensch.  Wien.  18>0.  —  ')  Fitrh.Mip,  NVurul.  Centralbl.  l^iH\,  9.  Jahrg. — 
*)  Str&mpell,  Aich.  £  Psych.  1880.  XI;  Kriicki  n.  Bybalkin.  Arch.  f.  Psych.  1886» 
XVn.  —  *)  Prancotte,  Arch.  de  nenrol.  18*>0  (cit.  nach  .Schmidt*»  Jahrb.).  —  ^  Strflin> 
pell.  Atcb.  f.  Pnvoh.  is^H,  XVII;  ilünzer,  Wiener  klin.  Wochenscbr.  1R9.>.  —  ♦)  Fried- 
reich,  Yirchow's  Arch.  1877,  140;  Kahler  u.  Pick.  I.e.  Nr.  l;  Westphsl,  Aroh.  f. 
Pqreh.  1878,  Vni;  Strfimpell,  I.e.  Nr.»;  Sehvlts«,  Areh.  f.  Psych.  1884,  XIY; 
Broiisse  (cit.  nach  Schmidfs  ,T;i!irl.  i ,  Paris  lK<?'2:  Rfitimeyer,  VirchowV  Anh.  1887, 
CX  :  IX'jerine  Letulle  (cit,  nach  ^^(hn)illt's  Jahrb.),  189<t;  Menzel,  Arch.  1.  l'^ych.  1890. 
XXII.  —  ")  Marie,  J.e^ous  i^ur  It.y  m<i(.„li,s  ilc  la  moelh.  Paris  1892,  pag.  407,  42;i  — 
")  Kbrlich-Ürieger,  Zeitschr.  f.  klio.  Med.  VJI;  Singer,  SitzonsBber.  d.  kais.  Ak«d.  d. 
irisMawh.  1887;  Singer  o.  Mftnser,  I.e.  Nr.  2.  —  >')  Leyden,  ZiitMhr.  f.  Ula.  Ved. 
1892,  XXL  Hllnser. 

ConjUilGtfvitiS.  Dbütbchhank  >)  beobachtete  einen  Fall  von  Blennor- 
rhoe a  nfonaf  oruvi  bei  dem  neunten  Kinde  einer  an  chronischer  Uretbralgonorrhoe 
leidenden,  joden  Hills  von  drni  Manne  inficirten  Frau,  deren  fjftmratliche  vor^eborene 
Kinder  an  echter  blennorrboiseber  liiudebantentztlnduug  gelitten  batten ;  nach  fast 
dreiwAchentlichem  Bestehen  dieser  letzteren  stellt  sich  eine  acute  Kniegelenks- 
entzünduog  ein.  Sowohl  das  Seeret  der  Oonjunetiva  als  das  dnreh  Panetioa  aas 
dem  Kniej^elt'iike  crewf>nnene  entbSlt  Diploeoeoen ,  die  nach  dem  Stande  unserer 
beutigen  Mikroortranisn.enkenntnii-s  ffir  (ionoeoecen  erklärt  werden  müssen.  In 
einem  zweiten  Falle  trat  neben  der  lUtnnorrhom  neonatorum  Otitis  medm,  sowie 
aeute  Entsllndnng  mit  starker  Schwellnnf^  des  rechten  Hand-  nnd  linken  Fnas- 
gelenkes  ein.  Eine  bakteriologigebe  l'iitersuehung  konnte  jedoch  nicht  .stattfinden; 
aueh  tVhlt  eine  solehe  liei  den  Ci  Ffilleu.  die  DKrT.^CIlM.\N\  in  der  Literatur  auf- 
buden  kunnte,  die  aisu  nicht  bewei.seiid  waren  (Poncet  und  (jalezowski,  Debikrbb, 
LccAs,  Pendick,  Zatvobnicki,  Widmabk). 

Das  sogenannte  KBiNiNo'sehe  Verfiüiren  bei  Bebandinngr  des  Traeboms 

besteht  in  t^iglieb  einmaliger  energiseber  Abreibung  der  erkrankten  Bindehaut 
mittelst  eine»  in  Subliraatlö.'«ung  (1  :  l?'»<»Oi  getauchten  Wattebäuscbcbens,  eventuell 
verbunden  mit  Anstechen  und  Ausiiuet-Hcbeu  der  Follikel,  v.  Hippel^)  hat  das 
Verfahren  geprüft  nnd  gefunden,  dass  die  Stftrke  nnd  Daner  der  Abrdbvng 
sieh  naeb  dem  Grade  der  Hyperämie  und  Sehwellnng  der  CoiOnnetiva  richten 
iniHs :  je  '^tJlrker  diese  sind,  de'^to  dherflaehlieher  mu.'»s  die  Wirkung  tdciben ; 
auderer.-jeits  muHS  man  die  Zahl  .  (Ir^-se  nnd  Derltheit  der  Follikel  in  Hetracbt 
ziehen;  je  blutftrmcr  die  ^ehleiuibaut  und  je  hiirtcr  die  Follikel,  desto  stärker 
mnss  man  reiben.  Besonders  bei  diffuser  Infiltration  und  Verdieknng  der  ganien 
Oonjunetiva,  wo  die  Kntleeruug  der  Follikel  unmöglieh  int,  hat  die  Snblimatiwhand- 
lang  nach  v.  Hn  i  Ki.'s  Ansiebt  einen  besonderen  Werth. 

Hei  aeiiteni  Traehnni  sind  die  Abreihungen  sehnierzhaft  und  Cooain- 
eiutrUuteluu^en  angezeigt;  die  heftigen  subjectiveu  Kei/erscheinungen,  welche  bei 
acutem  Trachom  in  Verbind  nng  mit  starker  Schwellung  der  Bindehaut,  bei  ehroni- 
scbem  diuvli  l'Miinn.s  und  Cornealiniiltrate  vorkommen,  werden  dureh  die  ßehand> 
lunjr  li.ild  ;:(lics.<t  rt  oder  iranz  bcM  ifi^'t.  Die  auf  die  ,\breil»ung  folgende  Keaotion 
schwindet  uuttr  kalten  Imtchlügeu  in  wenigen  iStunden ;  ein  dituner,  weissgrauer, 
obcrflflchlicher  Pelsg  erneuert  sich  in  der  ersten  Woehe  nach  jeder  Abreibnng. 
Bei  gefhsparmer  Bindebant  und  harten  Follikeln  ist  die  Reaetion  minimal. 

Die  Behandlung-sdauer  wird  nach   v.  Hippel  gegenüber  den  anderen 
Methoden  bedeutend  abgekürzt ;  am  kürzesten  i.^t  sie  in  frischen  I';illt  n,  ])ei  blut 
reicher  Bindehaut;  bei  veralteten  ist  «ic  viel  langer,  als  die  Doetoren  KEiNllfO 
angeben  (2 — 6  Wochen)  nnd  kann  Monate  lang  wlhren. 


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CONJUNCTIVITIS.  —  CORIARIÄ. 


173 


Bock  •'■)  fand  die  Suhlimatlichandhin;^'  in  friHclicii  Fällen  meist  wirkunprs- 
lo8,  dagegen  vortheilbaft  bei  Üoiuplicatioaen  vou  Seite  der  Cornea,  namentlich 
wenn  Lapis  und  Gaprnm  nicht  mehr  gat  vertragen  werden. 

Neben  dieser  fnedUelMB  gewinnt  die  qierative  Behnndlnagr  de«  Traehome 
immer  mehr  an  Terrain.  Man  schneidet  die  erkrankten  Partien  allenfalls  sammt  einem 
Tbeile  des  Taraua  aus,  man  zerstrirt  die  Follikel  dnreh  Galvanoeaustik  und  Klektro- 
lyse,  man  sticht  sie  mit  der  Isadei  au  und  kratzt  sie  mit  dem  scharlen  Lölfel  aus 
oder  man  qvetaeht  sie  ms,  wem  sieh  die  Meisten  versehieden  gestalteter  Pinoetten  be- 
dienen. Andere  (Daribs  *),  Abadie  ^)  hearbeiten  die  Bindehaut  mit  soharfen  Bflreten 
(„Brossage") ;  „bei  diesem  Reiben  fa-^erf  die  Scbleimhaut  sieh  auf  und  siebt  wie 
gesnpfte  Leinwand  aus''.  Auch  des  Bimssteins  hat  man  sich  bedient  (liSYSEft^).  *) 

Knapp  f),  der  die  Anuebt  vertritt,  man  müme  so  wenig  als  möglich  Tom 
gesunden  Gewebe  zerstören,  hat  um  Ausquetschen  eine  neue  Pinoette,  eine  Roll- 
zange.  an^ef^eben;  die  Spitzen  dieser  Pincette  haben  die  Form  von  SteipTbü^eln, 
deren  Enden  als  Fu-*öplatte  1*0 — 25  Mm.  lange,  1  — 1'5  .Mm.  dieke,  sieli  drehende 
Cylinder  besitzen.  Zwischen  diese  Branchen  fasst  man  (unter  Narcase)  die  Lider 
und  qaetsebt  de  doreb  2 — Snuliges  Duidnieheo  so  uts,  bis  die  Granola  und  der 
Gewebssnifc  vollstSndig  ausgepresst  sind.  Der  Patient  kann  nach  der  Operation  naeb 
Hause  gehen,  er  öffnet  die  Lider,  fühlt  keint  n  Schmerz,  „als  ob  nichts  geschehen 
wftre".  Etwa  eintretende  Keaction  wird  mit  kalten  Umschlägen  behandelt ;  tritt  ver- 
mebrte  Con^estion  nnd  papilUlre  Sehwellung  ein,  so  tonehirt  man  mit  LapislOsnnc^. 

M 1 1 1{  I  TZ  der  die  G  o  nj  unct  ivitis  croupotta  ( „G._  fibrinosa  für 
eine  wohlbercc-htijrte  Krankbeitsspt'cif  s  h.'llt,  bat  bakteriolopisehe  Untersuchungen 
angestellt  und  in  allen  vou  ihm  untersuchten  Fällen  einen  Bacillus  gefunden,  der 
sich  morphologisch  vom  echten  Diphtherieliacillns  nicht  unterscheiden  l&sst,  aber 
grosse  biologisdie  Differenzen  lelgt;  er  nennt  ibn  PseiidodipbtlMriebaeillnB,  llsst 
aber  dahin^^estellt ,  ob  er  mit  dem  avs  der  BaebenbOble  geittehteteo  F^eudo- 
dipbtheriebarillus  identisch  ist. 

Auch  iu  Phlyctaenen  bat  man  bekanntlich  Mikroben  gefuoden  (BuK- 
CBABiyT,  Galbnoa,  Lbbbb,  Sattlbr,  vergl.  fincyclopad.  Jabrb.,  I.  Bd.,  pag.  167). 
Straub**),  der  es  für  schwierig  halt,  dem  Kranken  ohne  Gefahr  für  das  Auge 
Material  zu  entnehmen .  hat  dies  dem  Eczem  der  Umgebung  der  an  GonJ. 
lymphatica  leidenden  Augen  entnommen  und  in  allen  Fällen  weisse,  gelbe  oder 
goldene  Varietiten  des  Staphyloeoeeus  der  Biterung^S  der,  wie  er  mdnt,  wohl 
besser  Stapft  i/lococoui  pyogtoM»  communis  lüesse,  gefunden.  Er  glaubt,  dass  diese 
Mikroben  die  Ursaebe  der  untersuchten  Eczeme  und  Blepliaritiden  warea  und  will 
sie  auch  als  l'rsachen  der  I'hlyetaene  betrachtet  win.sen. 

Literatur:  ')  Deuts  c  h  m  a  n  n,  Arllirilit.  hlt  nnorrhuica  in  Grate's  Arch.  1'.  Oplitliiilm. 
189(),  XXXVI.  1.  —  ')  V.  Hippel.  Beitrag  zur  Fiehaudluu!;  des  Trachoms.  Ber.  d.  ophlhalm. 
OMaUscb.  SU  Heideibers  1Ö91.  —  ")  Bock,  Die  Anwendung  des  Sublimatii  bei  Trachom. 
Wiener  kllo.  Wochenaelir.  1891,  Kr.  37—39-  —  ^  Darier,  TraUement  ehintrffieal  de  la 

ronjunethiU  nrnmth'use.  Paris  1S9].  —  *•)  Abadii'.  Her.  der  (itphthnlni,  G<-'  Il-ii  Ii  in  Paris. 
Ree.  d'ophthal.  1891.  — "J  Sattler,  Die  Trachotn^thandlung  üinat  nnd  jetzt.  Berlin  Is;»! .  ^ 
^  Knapp,  Bemerkuu^'en  zur  Trachombehandlung  durch  .Vusquctschea des  Krankheitsstotfe.s  mit 
einer  RollzanKc  auf  Grund  von  114  aufeinanderfolpcudeu  Fallen.  Arch.  f.  Aagenhk.  1SÜ2, 
XXV.  —  •)  Keyser.  Conjunctiriti»  grantilosa.  Ophth.  Rucord.  X<i.s]iville  lS91.  —  ")  Georg 
Moritz,  Zar  Kenntniss  der  „Coiijuitrtivitis  ßbrino«a".  Dentschmann'H  Beitrage  .\agenhk. 
9  Heft,  l^^'i.  —  Straub,  Ueber  die  Aetiologie  der  sogenannten  scrophulösen  En t zun- 
daagein.  Areb.  f.  Angenbk.  1892,  XXV.  Keu.<3  8. 

Coriaria.  Die  eine  besondere  Familie  bildende  Gattung  Coriaria  besitzt 
mehrere  giftige  Arten,  vou  denen  Coriaria  myrthifolia  X.,  der  in  Hecken  und 

*)  Ks  ist  bekannt,  dass  alle  diese  Proccdnren  nicht  ner.  sind.  Schon  in  der  vor- 
alexandrini.sciien  Periode  war  die  HIepharox.vsis  bekannt,  das  Alireilien  der  Bindehaut  mit 
feiner  Wolle  oder  mit  der  rauhen  Seite  eines  Feigenblattes;  auch  die  rauhe  Haut  gewi.s.ser 
Seethiere  benütste  man  dasu  oder  uansdiabte  die  Bindebaat  mit  dem  Hohlblatte  einer  i>onde 
ab:  wie  Oalen  «nlhlt,  bedient«  man  sidi  aneb  eines  ans  Binnstein  nnd  Gnmini  bereiteten 
CoujrimDS. 


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174 


CORIAm.  —  OORNUTIN. 


Gebüschen  von  Südeuropa  vorkommende,  wefren  seines  starken  Gerbnänre^rehaltes 
zur  LederbereitUDg  dieueode  Myrthensumach  oder  Lederbaum,  Kedoul  (aucb 
Redou ,  Herl»  anx  tannenn  ,  Corro jere)  der  FnuisoMD ,  den  Tod  Tenohiadeaer 
MenMben  versehaldek  hat,  die  entweder  die  Heeren  mit  Maulbeeren  oder  Brombeerea 
▼erwech-it'lt  und  ircnos'^en  oder  die  trctrockneten  HiJittcr,  die  man  betrüpreri scher 
Weise  Seunesblättent  beigemengt  hatte,  als  Tiiee  benutzt  hatten.  Von  den  Früchten 
kOonen  80—100,  vahrBchdntieli  aber  aneb  weniger,  den  Tod  berbeifBlireii ;  tod 
den  Terftlsehten  SeDnesblättem  haben  24  Gnn.  letale  Wirkung  gehabt.  Die  in 
weniger  als  24  Stunden  tOdtlich  verlaufende  Intoxication  charakterisirt  gich  durch 
Anfttlle  von  tonischen  und  clonisclien  allfr»nu'inen  Couvulsionen,  Trismus,  Nausea 
uud  l'Irbrecben.  ^)  Das  Intoxicationsbild  erklärt  sieb  durch  den  Gebalt  an  einem 
1864  von  RiBAK  entdeekten,  stark  giftigen,  glykoeidisehw  Bitterstoff,  Corla- 
myrthin,  das  schon  zu  002  Kaninehen  unter  den  Erscheinungen  der  Him- 
krampfgifte  t<">dtet.  E«  jrleicht  dem  Pikrotoxin  in  seiner  Wirkung  und  bewirkt 
wie  die  808  ein  aus  cerebralen  Erscheinungen  (^omuolenz;  uud  Cunvulsionen,  die  bei 
FrOflolieik  naeh  Rflekenmarkfldnrohiiohneidang  in  den  Vordertbeilen  penisttren  und 
mit  Meteorismna  und  Sehreikraaipf  Terbnnden  sind,  zusammengesetztes  Intoxic^ttiona- 
bild.  In  noch  aus^esproobenerer  Weise  aln  IMkrutcxin  stciiriTt  Curianiyrthin  den 
Blutdruck,  den  es  bei  starkem  Gesunkensein  durch  Chloroform  (»der  Chloral  selbst 
dann  noch  hebt,  wenn  Pikrotoxin  darauf  nicht  mehr  einwirkt.  Dieser  Effect  tritt 
SoBserst  sebnell  und  aneh  bei  Snbentanapplieation  ein  nnd  verlnndet  rieh  mit 
Palsverlangsamung ,  deren  Eintritt  durch  Atropin  verhindert  wird.  Man  hat  es 
deshalb  in  Collapszustilndcn  empfohlen ,  <\och  f«'hlt  bis  jetzt  der  Beweis  seiner 
Heilwirkung  beim  Menschen.  Bei  Coriariavergiftuug  ist  Tannin  nicht  brauchbar^ 
da  Qerbsänre  Coriamyrthin  nieht  fftUt.  Naeh  Massgabe  der  Symptome  wflrden  (Moral 
oder  ahnliche  Mittel  antidotarisch  verwendbar  sein,  doeh  Terhflten  diese  die  KrUspA» 
weit  Wciiii-'cr  iriit  als  bei  IMkrotoxinviTiriftunfr.  -) 

Wahrscheinlich  beruht  auf  eiuem  Gehalte  von  Coriamyrthin  auch  die 
Giftigkeit  einer  Speeles,  die  in  mehreren  tropischen  Ländern  unter  Tersehiedenen 
Yarietiten  vorkommt  nnd  als  Ooriaria  tarmmtosa  Fonter  zu  beselebnen  ist 
Diese  ist  in  Neuseeland  die  am  häufigsten  zu  Intoxicationen  führende  Giftpflanze, 
die  M('n?<fhen  durch  ihre  kcincswcfrs  ungiftigen  Früchte  und  besonders  Schafe  und 
Kiuder  durch  ihr  Kraut  gefährdet.  Sie  bildet  das  sogenannte  Tutu  oder  Tut- 
gift von  Neuseeland,  auch  Tnpa  Kibi  genannt  Belladonna  gilt  auf  Neuseeland 
für  das  beste  Antidot  Am  giftigsten  soll  die  in  H<)hen  von  5000  Fuss  wachsende 
schmalbliltteriße  behaarte  Varietät  ((^nrinria  f/itpiiifulia)  sein.  ') 

Literatur:  ')  Vergl.  Uuscmann,  Toxikolugie,  pag.  ö3;  Pflanxenstoüe.  iiii.  Auü., 
pag.  879.  —  *)  Kdppea,  Pikrotmin  und  CtMrlanyrdiin  alii  CoUapunittsl.  Arch.  f.  e>p.  Path. 

1&J2.  XXTX,  pas  :^27.  —  ')  HuRenann,  Ueber  das  Tut-Gift  von  Meoaedam].  N.  Jahrb.  f. 
Pbarm.  iStjS,  XXV,  pap.  :i57.  Hn  so  mann 

Cornutin.  ein  von  KonKRT'j,  später  auch  von  E.  B(iMni;rj>x -)  aus  dem 
Mntterkorue  gewonnenes,  sehr  giftiges  Alkaloid,  welches  nach  Koukut  den  wirk- 
samsten tberapeutisehen  Bestandtheil  von  Seoale  cormUum  darstellt  Das  Gomutin 
ist  im  günstitrslcn  Falle  selbst  in  frisch  dargeatellten  Mutterkornextraoten  nur  SU 
enthalten.  Der  (Jclialt  d<<  Älutterkomes  an  Cornutiu  schwankt  iranz  ausser- 
ordentlich CS  scheint,  dass  in  manchen  Jahrgängen  und  Ländern  gar  kein  Cornutin 
zur  Entwicklung  kommt,  sondern  statt  dessen  nur  Sphaeelinsiure  und  umgekehrt 
Aueh  ändert  sich  die  Base  in  dem  Hntterkorne  selbst  sehr  raseh,  so  dass  an 
Cnrnntin  s<'hr  reiche  Mutterkornsorten  nach  12  Mcuiaten  kaum  Spuren  davon  ent- 
halten. Das  Cornutin  ist  eine  im  Wasser  unlüsliche  Base,  sie  stellt  ein  röthliches 
oder  gelbliche-s  Pulver  dar  und  bildet  mit  Salzsäure,  Weinsäure,  Citronensäure 
wasserlQsliebe  Salsa.  Das  fmie  Cornutin  ist  aueh  in  Oel  lOslieh,  e«  kann  daher 
aus  Oleum  fifcah)^  con>iifi  nt  hen  Er^'otinin  erlialten  werden,  wenn  man  das  Oel 
sauer  ausschüttet.  Der  feuchten  Luft  und  ilein  Lichte  ausgesotat,  verderben  Cornutin 
und  dessen  Salze  schnell  uuter  Verharzung;   trockeu  uud  vor  Licht  geschützt 


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CORMDTIN.  —  OOBONILLA. 


176 


aufbewahrt,  war  das  Coruiitin  noch  Dach  drei  Jahren  chemigch  tmvOTftndwt  und 
in  seiner  bedeutenden  Wirksamkeit  nn^esehwäeht.  Das  Corniitin  von  KOBERT  i-!t 
weder  mit  dem  Ergotin  von  Wenzell,  noch  mit  dem  Ergotinin  von  Tanket 
identisch,  es  deckt  sieh  tiieilweise  mit  dem,  wu  Drxzbl  als  Hntterkornalkaloide 
(BeboUn  und  Ergotin)  dargestellt  bat  Kobbbt  konnte  mit  Dbnzbl's  Älkaloidltenngen 
schwache  Cornutinwlrkungren  erzielen.  Rei  Thieren  bewirkt  Cornutin  in  ^endgend 
grosser  Dosis  dureh  Va-rusreizurif;  HlutdriirksfeiiTcrnnf^ .  Brcchdiircbf;»!! ,  Speichel- 
fluss  und  Verlangaamung  der  lierzactiou;  war  das  Thier  t>ub  liue  graviditatis,  so  trat 
als  einzige  Wirkung  Ansstossnng  der  Leibesfrneht  in  Folge  von  Reianng  der  im  unteren 
llllekenniarko  gelegenen  Centren  der  Utcrusbewegung:  ein  (Kobert).  Bei  Frauen,  die 
bei  WeheiiHch wache  wfthrend  des  Geburtsaetes  5  Mgrm.  des  Alkaloida  innerlich 
erhielten,  traten  in  34°;o  der  Fälle  ganz  entschieden  und  in  weiteren  26"  o  der 
Ffllle  wenigstens  wahrseheinHoh  heftige  Wehen  ein^  so  dass  das  Kind  mit  grösserer 
Vehemens  als  sonst  nach  aussen  befördert  wurde,  die  Hfltter  selbst  wurden  bei 
dieser  grossen  Dosis  niebt  krank  g'omacbt  rFKHr.iN'o,  Erhari»  ^\  Die  oliifjen 
Angaben  von  Kohkrt  wurden  von  Lkomdas  Lkwitzkv  bestiUigt :  er  fand 
ferner,  da^s  der  Uterus  dabei  nich  rhythmisch  cuntrahirt  und  dasa  es  nicht  zum 
Tetanus  uteri  der  Praktiker  konunt.  In  Dosen  von  ö  Hgnn.  per  es  eingeflUirt, 
bildet  das  Cornutin  eines  der  sichersten  Mittel  zur  Erregung  von  rteruscontraetionen 
sowohl  des  srbw.inircreii  l'lerus  inter  partiivi,  als  auch  des  nielit  mehr  schwangeren, 
aber  schlecht  euntrahirten  Organes ;  besonders  prompt  wirkte  es  auch  bei  Blutungen 
nach  Abort  und  hei  Menorrhagien  in  Folge  ehroniseher  Metritis.  Aueh  Tbohson. 
KnsTNEK,  HuKGK  tr(  ti  n  für  die  Anwendung  des  Prltparates  ein.  Riegel  und 
STRKNfi  '1  /»  i'^ten  ,  dass  das  Mittel  in  Dosen  von  Milligrammen  l>eim  Menschen 
gef^s8vereugc!nd  wirkt.  Nach  Versuchen ,  die  A.  Meißels  «)  auf  Anregung  von 
BöKAV  ausführte,  bewirkt  das  Cornutin  eine  constante  Contractur  der  Gefässe  und 
der  glatten  Huaeulatur  des  Urogenitalapparates;  fx  empfiehlt  es  daher  bei  Blutungen 
ans  Harn-  und  Ooaehleohtsorganen,  bei  Urethritis,  Cystitis  und  hei  Uterusblutungcn, 
ferner  bei  nicht  spastischen  Pollutionen  in  Gaben  von  0  <)1  {tro  die  in  K>inzel- 
gaben  von  2  5 — 3  Mgrm.  Das  Cornutin  ist  von  Gehe  (Dresden^  beziehbar j  1  Grm. 
kostet  d5  Mark. 

Literatni  :  ')  R.  Kolirrl.  Prlicr  die  IifstuinMu-ilf  und  Wirkunpen  des  Mutter- 
korns. Leipzig:  lSsi4,  pap.  4^  K.  Humhelon,  Pharm.  ZeHg.  188"^,  pag.  I(l9.  —  ^)  Er 
bard,  Uebcr  di«^  Wirkung  <'"ruutiDs.  Aus  der  Klinik  des  Prof.  Fehling.  Centralbl.  f.  Gyn. 
1&^6,  20'  —  Leo  n  i  li  a  s  L  e  w  i  t  z k  y .  Beiträge  zur  Pharinakolügie  des  Comutins.  (Rnasisch.) 
Inaug.-Di.is.  Petersburg  ls87-  —  ')  W.  Streng,  Ein  Beitrag  zur  Lehre  von  den  gefas.s- 
verengend«!!  Jliltfin.  Inaug.-Diss.  (lit-seti  18^S  —  *)  A.MeiscilM,  Das  Cornutin  als  wirk- 
SADies  blatstillendea  llittel  bei  Blatungen  der  Harn-  and  tifschlechtsorgane.  Pt^ster  meil.-chir. 
PrtSM.  1P91.  39.  Loebisrh. 

Coronilla.  Diese  Leguuüuuseugattung,  der  Gattung  der  Hedysaroideae 
angebVrig,  enthilt  versehiedene  giftige  Arten ,  unter  denen  die  nenerdings  als 

Herztonieum  empfohlene  bunte  Kornwicke.  Coronilla  vnria  L.  (Encyclopäd.  Jahr- 
bücher. I')d.  II.  pag.  147  I  fWlhrr  niehrfHch  zu  Vergiftungen  Anlas-^  geircben  hat.  So 
führte  der  Saft  des  Krautes  duu  lud  zweier  Kinder  herbei,  die  nach  zwei  Els8löfi*eln 
zuerst  an  üebelkeit  und  heftigem  Würgen,  mit  Magensehmersen  verbanden, 
erkrankten ,  dann  bewusstlos  wurden  und  nach  voraufgeheuden  tunisehen  und 
clonisehen  Krämpfen  in  vier  Stniiden  starben ,  wf»raiif  hiimorrhagisehe  Gastritis 
und  Duodenitis  bei  Integrität  der  unteren  Darmpartien  cunstatirt  wurden.  Diese 
Symptome  können  wohl  mit  dem  Vorbandensein  eines  als  Herzgift  wirkenden 
Glykosides  (s.  u.)  In  Zusammenhang  gebraeht,  nieht  aber  dureh  das  angeblieh 
darin  und  in  einer  anderen  Art.  C.  fw-tula,  enthaltenen  Cytisin  (vergl.  den  betr. 
Artikel^,  das  sieh  nach  van  ok  Moer  J  in  beiden  nieht  findet,   erklärt  werden. 

Neben  dieser  in  ganz  Europa  verbreiteten,  in  Deutschland  als  Peltscben 
oder  Sehafliosen  bezeiehneten  Art,  wird  Coronilla  Emerns  Zr.,  eine  im  mittleren 
und  Btldlicben  Europa  verbreitete,  liei  uns  als  Zierstrauch  hiUili^r  L'^c/ogcne  Art, 
als  emetoeathartiseh  bezeichnet.  Der  wirksame  Bestandtheii  ist  niolit  bekannt. 


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176 


OORONILLA.  —  CÜDOWA. 


Zur  Gattung^  Coronillfi  wird  fj-pg-enwärtii?  ah  Coronilln  scorpiotde» 
auch  die  scorpionskrautähDliche  Ciliederhdlse ,  Arthrolobium  scorpioides  D.  C. 
(Omähopus  gcorpioides  L.J,  gezogen,  eio  sadeuropftischea  Aokeruukraut,  dessen 
SamaDj  der  Gento  beigemengt,  dM  ans  dieser  bermtete  Bier  sehr  bitter  and 
giftig  machen  kflnnen.  Die  Angabe  von  Rebr  and  SchlagdknHAÜPFBH  »), 
dass  in  dieser  Art  ein  von  ihnen  auch  in  C.  vari'n  ,  C.  juucrn ,  ('  ginnen  und 
C  pentaphylla  uaehgewieaeDeä  Giykuaid,  das  nach  Art  des  Digitalins  wirke  und 
bei  FrOsdieii  sehen  xn  1  Mgrm.  fliyrtdisehen  Hersstillstand  ersengC,  ist  nneh  von 
KOBBBT*)  bestitigt  Kaninchen  werden  dnreh  0*013  getOdtet. 

Lit»*rattir:  ')  Seiler,  Ilocker's  Annal.  XXV.  IfeftS,  p:ie.  460.  —  *)  Van  de  Moer, 
Over cjflminc.  Uroningeu  lb9o,  pag.  72.  —  tteeh  uml  .Sc hlagden häuften,  Journ.  Phano. 
T.  Bls.-Lollir.  1883,  pag.  103.  —  *)  Kobert,  Toiikolosie»  pag.  165.  Haaeiaana. 

Coxalgteches  Becken,  a.  Beeken,  pag.  93. 

CraniOtOmie,  bei  engem  Beeken,  pag.  84. 

CreeOltrijOlllfl,  Losophan,  CH,m,(^^^^)*.  Das  bishemur  iasiier 

Uoh  in  Anwendung  stehende  Mittel  wird  durch  Eiuwirkuug  vun  Jud  auf  o-Oxy- 
p  ToInylflinre  bd  Gegenwart  von  Natriomearbonat  erlialten. 

F.arl)lt.s.\  sr'TUchlos.'  Kry.-<t.illna>ifln,  dovon  hniflzpiinkt  I^rS*"  C.  mit  78'3!l"  o  •^od- 
gehalt,  unlöslich  in  Wasser,  in  Alkohol  schwer,  in  AetLer,  B«nxol,  Chloroform  leicht  löslich. 
In  der  Wärme  wird  da.s  Cr«-soUriJadid  auch  von  fetten  Oslen  gelöst  ,  in  verdünnter  Natron» 
lauge  löst  es  sieb  ohne  Veränderung  anf,  durch  coaoentrirte  Kalilösung  wird  es  zu  einem 
grttniichschwarzen,  amorphen  Körper  verwandelt,  der  in  Alkohol  unlü.'^lich  ist.  Das  Präparat 
soll  keine  freien  Pheuole  enthalten:  werden  0  2  '<rni  mit  2ü  Ccni.  Wasser  aosgeaogen,  daaa 
darf  das  Filtmt  durch  Kisenchlorid  nicht  lilau  nd-  r  violett  gefärbt  worden. 

Nach  E.  Saalfeld  war  das  Losophau  von  gün-stigem  Eintlusse  bei  den 
am  häufigsten  vorkommenden  DermatomTcosen ,  dem  Herpe»  tomuran»  nnd  der 

Päyn'nfiis  ivtsicohtr  und  den  durch  Epizoen  bedingten  Erkrankungen ;  ausserdem 
wurden  Erfolge  erzielt  Ixi  der  Behaiidltini^'  von  Prurigo,  in  einigen  Füllen  von 
chronischen  iufiltrirten  Eezenien,  Sycoxit  vulgaris ,  Acne  vulgaris  und  ros(uea. 
In  einem  Falle  von  Sycosis,  bei  dem  die  ganze  Gesichts-  and  Halshant  von 
der  Ejankhdt  Angenommen  nnd  die  Eaat  in  hohem  Masse  reisbar  war ,  trat 
heftige  ent/ündliehe  Reizung  auf.  Rri  einifien  Fällen  von  idiopathischem  l^uritua 
cutaneus  war  eine  {rerin;re  juekMiildernde ,  palliative  Wirkung  vorh.-indeu ;  ohne 
jeglichen  Erfolg  war  das  Mittel  bei  Behandlung  der  Psoriasia  vulgaris  und  bei 
sjrphilitisehen  Primftreffeeten.  Die  Seeret  verringernde  Wirkung  deeselben  in  Form 
eines  Streupulvere  i.st  nicht  bedeutend  und  steht  der  anderer  gebniuehliehcr  Mittel 
nach.  Auf  die  ent/.iludete  Haut  'bei  Ec7.em)  wirkt  das  Mittel  sehr  heftig  ein,  so 
dass  es  mehrfach  ausgesetzt  werden  mussto. 

Anwendung.  In  1 — 2<*  oi^^r  spiritufiser  LOsung  (8  Tbeile  Spiritus 
und  1  Theil  Wasser)  täglich  2 — ^.'^mal  mit  dem  Rorstenpinsel  einzureiben,  oder 
als  1- — 2~:'>''  oige  Salbe  mit  Vaselin  ßav.  oder  mit  Lanolin,  dem  20%  Va9elin 
zugesetzt  war. 

Literatur:  Edmund  Saalfeld,  üeber  Losophan.  Th«r«p.  Ifonatsli.  Oet.  1892. 

LoeliiBch. 

CudOWa.  Die  neue  (;otthoIdquelle  enthAlt  nach  Gbossek  in  1000  Theilen  : 


Doppeltkohlensaures  Natron   0'7060 

Doppeltkohlensaures  Litbion   0*018b' 

Doppeltkohlensauren  Kalk   0*6542 

Doppeltkohlensaure  Mairnesia   0'20.'>4 

Doppeltkohlensaures  Eisenoxydul   0'0391 

Arseuig-^aures  Ei.senoxydul   0'0003 

Sehwefelsaures  Natron   0*1224 

Schwefeisanres  ELali   0  (1.599 

Chjornatrinm   <»-0831 

Völlig  freie  Kohlensäure   1075"4 


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CÜDOWA.  —  CYT18IN. 


177 


Wenn  schon  die  alte  Eugenquelle  den  Ruf  eines  leicht  verdaulichen 
EiBenwassers  sich  errungen  bat,  so  ist  die  Berechtigung  hierzu  bei  der  Gottbold- 
qaell«  noeb  grosser.  WAbrend  die  erstwe  den  volIeD  Tjrpns  eines  allcaliBeb>erdigen, 
äusserst  kohlensäurereichen,  mittelstarken  Eisenwassers  mit  nennonswerthem  Arsen- 
gehalt zei^t ,  {rehört  die  Gottholdquelle  mehr  zu  den  erdig  alkalischen ,  schwach 
Eisen ,  aber  stark  kohlensaures  Lithium  fahrenden  Mineralwässern  mit  kaum 
nennettswertbem  Arsengebalt.  Freie  Kobleosinre  besitzt  rie  nnr  etwas  weniger  als 
die  Ellgenquelle,  aber  inniger  an  das  Wasser  gebunden.  Nach  den  Erfahrungen 
von  G.  Scholz  ist  die  Gottholdquellc :  1 .  Fin  Stomacbioum  für  ereschwAchte  Ma?en. 
2.  8ie  wirkt  gegen  atouiscbe,  chronische  Catarrhe  sämmtUohor  Scbleimb&ute, 
besonders  gOnstig  aber  Im  nerrfleen  Dyspepsien,  ebronisehen  Magen-  nnd  Blasen- 
eatairben.  3.  ^e  ersielt  Beseltigaog  des  Nlwensandes  und  Bekimpfong  der  barn- 
sauren  Diathcse.  4.  Sie  verursacht  f durch  etwas  geringeren  Ghtbatt  an  Koblen- 
aftnre)  fast  niemals  Keizungen  des  Gehirnes  oder  des  Herzens. 

Literatur:  Vas  leintet Cndowa?  Daratellmig  mSam  HeOapparates  snd  Hettg«bi«tea, 
mit  Hervorhebniip  <Ier  prognostisrh  triinsti^'f^n  Imlicationen.  Von  Dr.  G.  Sohols,  geh.  Sanitäts- 
rath, Brunnen-  und  Hatiearzt  in  Cudowa.  (iurlitz  1892.  Kisch. 

Cyanverbindungen  (vergl.  Real-Encyclopädie,  2.  AuH.,  Bd.  IV,  pag.  623). 
Von  Q^anverbindnngen  ist  das  Jodcyan,  CNJ,  dn  ansgesproehenes  Blntgift, 
das  die  rotben  BlutkOrperehen  iowobl  aaseerbalb  als  innerhalb  des  Tbierkörpers 

rmflöst,  die  Selhstreduetion  des  Blutes  fördert  iim1  Methniiioglobin  in  Cyanmethämo- 
jrloljin  ilberfdhrt.  Es  ist  ein  starkes  Protoplasniagift  und  für  Kalt-  und  Warm- 
blüter von  bedeutender  Toxicitiit,  am  meisten  für  die  letzteren,  auf  die  es  jedoch 
viermal  sebwäeber  als  Rlausture  wirkt  Bei  Kaltblfltem  erieagt  es  nur  Libmunge> 
erscbeinungen,  bei  Warmblfitera  boebgradige  Dyspnoe  und  tonisch-cloniscbe  Krämpfe, 
wahrend  deren  Pulslit^chlennieung,  Irregularität  der  Athmung  nnd  maximale 
Mydriasis  eintritt,  öalivation,  Erbrechen  und  grosse  Adyoamie.  Der  Tod  erfolgt 
dareb  Lfibmung  des  Atbemoentrums.  Hämoglobinurie  kommt  nnr  bei  langsam  ein- 
tretendem Tode  vor.  Frosche  sind  weniger  empfindlich  gegen  das  Gift  als  Kroteu 
und  Kreuzottern,  bei  Hatten  ist  die  relativ  letale  Dosis  fast  doppelt  so  hoch  wie 
bei  Katzen  und  1'  .^mal  so  hoch  wie  beim  Huude;  Kanineben  sind  ein  wenig 
empfindlicher  als  Kutten.  Warmblüter  ertragen  subcutan  viel  mehr  Jodcyan  als 
intern.  Auf  das  Hera  wirkt  Jodeym  nfcbb  80  beft^  wie  Blaualure  ein ;  es  erwdtort 
die  Gefitsse  und  setzt  d<Mi  IMutdruok  herab.  In  Concentrationen  von  1  :  5000 
hemmt  es  die  Alkübülgiihninjr ,  ohne  die  \'italität  der  Hofo  /u  zerstören;  bei 
1  :40ou  hemmt  es  die  Keimung  vorübergehend,  wahrend  es  bei  1  :  100.000 
diese  begOnstigt 

Literatur:  Robert,  Ueber  Cyanhämnglobin  und  den  Naekweis  der  Bi>BSiun>i 
Stuttgart  1^)1.  —  Gol.lfarl..  Vfhvr  .I.Hloy:in.  Diss.  Dorpat  Hnsemann. 

CylindrUrie,  s.  Clilnrororiiinaehweis,  pag.  131  und  IIa  rnc}'!  in  der. 

Cytisin  (vergl.  Heal  Eucyelopndie,  2.  Autl.,  Bd.  IV,  p.ig.  702;.  Die  Ver 
giftuDgen  durch  Tbeile  von  Cytüns  Laburnum  baben,  obschou  die  Thatsache  der 
Giftigkeit  des  sogenannten  Goldregens  und  des  Vorbandensdn  des  Cytisins  als 

eines  stark  tnxiselu  n  Alkaloids  in  dieser  Leguminose  allgemein  bekannt  geworden 
ist,  auch  in  dem  letzten  l>eecnnium  nicht  erheblieh  abirenommeu.  Der  Wunsch, 
diche  namentlich  bei  Kindern  liiluligen  luto.xicatiouen  zu  verringern,  wird  nur 
dann  erfüllt  werden,  wenn  man  sieb  entschiiesst,  den  für  Anpflaoanngen  beliebten 
Zierstrauch  durch  andere  uogiftige  oder  doch  erheblicb  weniger  giftiirc  zu  ersetaen. 
Die  liiiuti'i-kcit  der  Cytisusvcrgiftung  geht  daraus  hervor,  dass  nach  der  Znsamnien- 
htellung  von  K.mjZIWIllowicz  i)  in  der  mediciniscfaen  Literatur  seit  1857  sich 
131  Fälle  von  Gytisnsvergiftung  finden,  wozu  ans  der  älter«i  Literatur  mindestens 
noeb  50 — (>0  Fülle  hinzukommen.  Die  Mehr/ahl  der  Vergiftungen,  der  neueren 
sowolil  wie  der  älteren,  betriH't  Kinder,  welche  die  unreifen  oder  reifen  Schoten 
oder  Samen  des  Goldregens,  hilutig  in  Folge  von  Verwechslung  mit  Erbsen, 
genossen  battenj  .doch  sind  auch  zahlreiche  Vergiftungen  durch  Kauen  der  für 
Bnordop.  JUirbttolur.  III.  12 


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178 


OTTISIN. 


SttsshoU  gehaltenen  Wurzel,  ferner  solche  durch  Verzehren  der  Blutben  und 
Bmagen  der  Zwdg«  bei  Kindern  beobschtet  werden.  Brwaebsene  aind  wiederholt 
dadurch  vergiftet  worden,  dass  man  die  Blfltben  von  Oyiüu»  Labttmum  «a  Stelle 

der  Akazienblllthen  ( Robinin  f'^fudncacia)  zur  Aromatisirunp  von  Gebacken  (Eier- 
kuchen, Krapfen)  benutzte,  (laoz  ausnahmsweise  sind  Mpdieinalvprß:iftiingen  durch 
den  Gebrauch  einer  Abkochung  der  BlUthen,  die  im  Oriente  als  Diureticum 
geaehltst  werden,  Torgekonmien.  Von  einer  abriohtlieben  Veiffftnng,  in  welcher 
die  Rinde  in  Fleischbrühe  p:etliaii  wurdf,  ist  in  der  älteren  Literatur  Z'Christison) 
die  Kede.  Bei  weitem  die  Mehrzahl  (1(  r  Verpriftimgen  ftllt  auf  England.  Wie 
geringe  Mengen  zur  Erzeugung  von  Vergiftung  ausreichen,  geht  ans  der  Beob- 
sehtang  bervor,  dan  in  einer  Hllhle,  in  welober  Goldregensamen  sam  Zwecke 
der  chenuächen  Untersvehung  zerkleinert  worden  waren,  das  kurz  hernach  gemahlene 
Buchweizenmebl  trotz  vorh('ri<rer  Reinigung  dt^s  Mühlsteines  Si')i\vindel,  Erbrechen 
und  mehrstündiges  Unwohlsein  bei  verschiedenen  Personen  hervorrief,  -  i  Bei  Kindern 
kann  schon  ein  einziger  Same  erbebliche  Vergiftungserscheinungen  bewirken,  auch 
rdcbt  dasn  das  Kauen  von  3—4  Goldregeoblllthen  bä  Kindern  hin.  Ist  aneh  trots 
der  starken  Giftigkeit  des  Cytisins  die  Hortatitlt  bei  der  Goldregenver^iftung  nur  eine 
unbedeutende  (nach  einer  von  Falck  mitire(hfilt«'n  Statistik  endeten  von  \  Ub  Fällen 
nur  4  tödtlich),  was  sich  leicht  dadurch  erklärt,  dass  die  lutoxication  mit  Brechen 
nnd  DnrchfkU  verlftnft,  wodnreh  die  iriftiKcn  PflansentheOe  blnlig  wieder  fiut 
vollständig  entleert  werden,  so  macht  doch  die  Rücksicht  auf  die  (liofigkeit  der 
Verpiftun»  und  die  kleine  vergiftende  Do.sis  den  Anbau  des  Goldregens  als  Zier- 
strauch bedenklieh  und  die  Warnungen  vor  diesem  gerechtfertigt. 

Anwer  dem  Goldregen,  der  das  Cytisin  nach  den  Untennobnngen  yon 
A.  Hdsemamn  nnd  Habm&  «)  am  reiehliehsten  in  den  reifen  Früchten  nnd  in  der 
Wnrzelrinde  entlifllt,  w.thrcnd  in  unreifen  Schoten  und  HlUthen  nur  kleinere 
Mengen ,  in  den  IMilttern  mir  Spuren  vorhanden  sind ,  enthalten  noch  mehrere 
Arten  Cytisus  das  Alkaloid  und  dürften  deshalb  von  Ziergärten  ferngehalten 
werden.  A.  HusBHAim  nnd  W.  Habmk  eonstatirten  dessen  Anwesenheit  aneh  in 
Ctftisus  tdpiny$,  C.  «upinv«  und  C.  «•hmudtus.  Makmk")  fand  es  spfiter  aneh 
in  Ct/tisus  IVfIdrui.  C.  sfiMstfif'iiIiits,  C.  i  'ijiifnhtM  nnA.  C.  Iiirsnf >i ^ .  während  er  es 
in  C.  (Lemhoti'opis  (J riesebachj  nüjricans  L.  nicht  constatireu  kounte.  CüKNKVl.v^") 
fand  Ö.  eapüatuSf  C.  argeniftu  nnd  C,  ni^tUfolxua  cytisinfrei,  in  O.  nigrtcan»,  0. 
purpureua nn^C, prolifcnis  nur  Spuren,  dagegen  reichlichere Men Lau  in  den  Übrigen 
von  A.  lh\SEM.ANN  und  W.  Mahmk  untersuchten  Arten  und  ausserdem  in  ('.  hlf!i>riis, 
C.  AUchingeri  und  C.  purpinetts.  Raüziwillowicz  wies  Cytisin  in  V.  Adami, 
C.  reUübonetisM  SchaeJ^'  und  C.  ratisbonenn»  ß  mimr,  sowie  in  C.  pol^truklu 
nach,  konnte  aber  das  Alkaloid  nicht  In  G*  uraUnn»  finden.  Vah  de  MOBb'), 
der  Cytisin  ebenfall»  in  C.  nigrirans  auffand,  giebt  es  aneh  als  Bestandthcil  von 
C.  rarrtfiosus  Miirsnx  J,-,  (J.  ramm^isshuus  'l'enore  und  C.  sjn'cfttus  an.  Die  An- 
nahme, dass  Cytisin  nur  in  denjenigen  Arten  Cytisus  vorhaudeu  sei,  welche  den 
von  Gbibsbbach  unterschiedenen  Untergattungen  Encytisus  nnd  Labumnm  g^Oren, 
dagegen  in  der  Untergattung  Lembotropis  fehle,  ist  nach  den  Untersuchungen 
CoRNKViv's  und  VAN  DK  MoKu's  nicht  aufrecht  zu  erhalten,  da  m("tfrlicher  Weise 
zu  bestimmten  Zeiten  das  Alkaloid  in  der  Plianze  fehlt.  Kach  CORNKVIN  geht 
mit  der  Zunahme  des  Gytimns  beim  Rdfwerden  der  Samen  des  Goldregens  Abnahme 
in  den  Blättern  und  Hülsen  Hand  in  Hand.  Die  Blätter  enthalten  im  Mal  Gmal 
mehr  Cytisin  als  im  .luli  und  lOmal  mehr  als  im  August.  Die  An-rabe  Cornkvin's, 
dass  die  vollijr  reiten  trockenen  Schoten  ungit'tigr  sind,  ist  irrig;  selbst  in  den 
überwinterten  Hülsen  ohne  Samen  ist  Cytisin  vorhanden.  Von  den  genannten 
Cytisosarten  ist  bisher  nnr  Cytisu»  Weldeni  Vi»».  (G.  fragran»  Weiden,  0.  »ar- 
mentaceits  Sieb.)  to-xikolo-riseh  in  Befraclit  gekommen ,  insofeme  in  Dalmatien 
nach  dem  Genüsse  der  Hl.ltter  des  Strauches  nicht  allein  Vergiftungen  von  Ziegen, 
sondern  auch  durch  die  Milch  dieser  Ziegen  bei  Menschen  leichte  Intoxicationen 
(Kopfweh,  Schwindel)  beobachtet  wurden.'*)  Den  Blttthen  dieser  im  Habitus  der 


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CYTISIN. 


m 


Cytisus  Laöurmtm  sehr  nahe  verwandten  Art  wird  auch  eiti  betilubender  Geruch 
zugeschrieben.  Ein  anderes  toxisches  Princip  ist  iu  den  Tbeilen  von  Gytisua 
Laburnum  nicht  vorbanden.  Das  sogenannte  Labnrnin  ist  salpetenaures  Qrtbin, 
die  Lftbarnnmaliire  tod  Scott  Grat  iat  ein  Gemeiige  oiganiseher  und 

tinoiganiBcher  S.luron. 

I)as9  d;ii^  Cytisin,  dem  von  neueren  rntersuchern  vergehiedene  von  der 
von  A.  HusEMANX  und  Maemr  aagcgebenen  Formel  abweiebeude  Formeln  beigelegt 
sind,  tieh  mOglieher  Weise  «neh  in  udemi  boteoiseh  verwaadten  Legnminoeen  findet, 
ist  nicht  nnwahrscheinlii-h.  Die  Genera  Cytisas  und  Genista  stehen  eiuander 
nahe,  dass  z.  Ii.  die  letzterwähnten  Cytisusarten,  in  denen  van  dk  Mo  er  Cytisin 
aufgefunden  hat,  von  verschiedenen  Botanikern  zu  Genista  gezählt  werden.  Nach 
VAN  DB  HOBR  enthalten  die  Samen  von  Genista  Hnttoria  L.  geringe  Mengen 
Cytisin,  während  dies  in  den  grünen  Theilen  dieser  Art,  sowie  von  G.  pilosOf 
G.  aiu/ficn  und  O.  gennanini  nicht  nachweisbar  ist.  Zu  den  G(Miisten  gehört 
auch  (Jrotalaria  striata,  eine  javanische  l'tianze,  die  ein  lähmendes  Alkaloid  enthält, 
das  bezüglich  seiner  Beuehnngen  zum  Cytisin  zu  untersuchen  wftre. 

V<m  PABTHKiLt«),  ^  (^tiaiA  die  Elementarfbrmel  Oi,H,«NOs, 
welche  auch  von  Bithka  und  Magelhaes  ")  bestätigt  wird,  beilegt,  wird  Cytisin 
mit  dem  von  Gkhrakü  in  UJfx  ei/rupafus  L.,  einer  zur  Unterfamilie  der  (ieni.staceen 
gehörigen  Leguminose,  deren  Samen,  in  grösseren  Meugen  genossen,  bei  Erwachsenen 
Betäubung,  Mattigkeit,  Seliwindel,  Icalten  Sehweiss  und  Erbrechen  hervorrufen 
isönnen '■■*),  auffrefundenen,  derselben  Formel  entsprechenden  Alkaloide  ülexin*') 
identificirt.  Die  (ileieliheit  der  physiolo-^ischen  Wirkim^r  des  T'lexitH,  welches  nach 
RosG  Braufori) ein  besonders  auf  die  Kespiratiun  wirkendes,  den  Blutdruck 
und  die  Diurese  steigerndes  Nerven-  wid  Mnskelgift  bildet  vnd  das  nach  Pbnwtck 
schon  zu  6  >fgrra.  temporäre  Unterdrflekung  des  Harnes,  Krbrccbca  und  fieber- 
haften />tist;ind  liorheifilhren  kann,  ist  von  KOMRHT  ebenfalls  zur  Identificirun*^ 
beider  Alkaloide  heraugezogen.  Etwas  abweichend  sind  die  Anj^aben  von  Pinet  ^^), 
der  nach  Ulexin  bei  Fröachen  Convulsiuuea  mit  dem  Gepräge  der  Micotinkrämpfe 
der  centralen  Paralyse  vorausgehen  sah  und  bei  Meersehweinehen  (naeh  0  Ol)  nur 
geringe  Somnolenz  beobachtete 

Der  l'nistand  ,  dass  die  fjrllnen  Tlieile  von  Vlfx  curopafUf!  in  England 
und  in  der  ^«ormandio  als  Viehfutter  allgemein  in  Anwendung  gezogen  werden, 
weist  auf  einen  geringeren  Gehalt  dw  BiAtter  au  toxisehem  Aikaloid,  vielleicht  aueh 
nuf  relative  L'nempiindlichkeit  der  Wiederkäuer  gegen  das  Gift  hin.  Auch  dies 
würde  mit  den  Verhältnissen  von  Cytisus  übereinstimnieii.  Cytisin  ist  für  Pflanzen- 
fresser weit  weniger  giftig  aU  für  Fleischfresser,  am  weuigsten  emplindlich  sind 
die  Ziegen.  Es  ist  daher  aneh  denkbar,  äam  diese  Thiere  Cytisns-  und  IHex- 
blitter  in  Masse  verzehren,  ohne  darnach  zu  erkranken,  wAhrend  ihre  Milch 
giftige  Einrenschaften  annimmt  und  davon  ;.'enie>seti(li'  Kinler  verjjiftet.  Oh  man 
daher  die  neuerdings  gedchelieue  Empfehlung  einer  Cytisusart  von  Palma  und  den 
«anarischen  Inseln,  der  sogenannten  Tanaraste,  CijtiHUs prolitjcrus,  zur  Anpflanzung 
als  Viehfutter  flBr  hygienisch  bereehtigt  ansehen  kann,  mttssen  wir  daliingestcllt 
sein  lassen.  Pluogk'")  will  auch  das  von  Grrshofp  aus  den  Samen  von  5o/7Aora 
(omenfosa  L.,  die  früher  bei  den  malaischen  Aerzten  in  Java  als  Specificum  grooren 
Cholera  und  gegen  Vergiftung  mit  Fischcu  in  Anseheu  standen,  erhaltene  Alkaloid 
als  identiseh  mit  Cytisin  ansehen ,  doeh  bedarf  es  bezOglieh  dieses  Alkaloides  noeh 
genauerer  Untersuchungen,  um  so  mehr,  als  das  (!*-nuH  Sophorn  einer  von  den 
Cytiseen  und  (lenisteeu  t^nnz  verschiedenen  <I nippe  der  Leguminosen  angehört. 
Doch  sind  die  pbyisiologisehen  Etfeete  des  GuGSHOFF  scheu  Sophorins  und  Cytisins 
identiseh  nnd  ansaerdem  kommt  den  Alkaloiden  ans  Cytisnt  nnd  Sopbora  eine 
eigenthümliche  Farbenreaetion  an ,  die  loerst  von  van  db  Mobr  beschrieben  ist. 
üeberfriesst  man  Cytisin  oder  Cytisinsalze  mit  einer  Ferrisalzlös-mj;  (am  besten 
10°  0  Eisenammoniakalauuhisuii<r\  so  entsteht  IJuthfärbung  und  werdcfi  dann  einige 
Tropfen  Wasserstullsuperoxydlosung  hinzugefügt,  so  verschwindet  die  Farbe,  \\\n 

V4* 


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180 


OYTisnr. 


später  bmm  Erwärmen  auf  dem  Wasaerbade  in  Blaa  flbenogelieii.  Beim  EiudauipfeD 
sur  Trookae  «of  dem  Waaswbade  bidbt  die  Uane  Farbe  beiteben  und  ktan  Tage 

lan^  unvernndert  aufbewahrt  werden.    Ammoniak  fahrt  sie  in  Rothviolett  Aber, 
das  durch  Siluren  wieder  in  Blau  ziirUckverandert  wird.    Kali-  und  Natronlauge 
zerstürea  die  Färbung.  Mit  Hilfe  dieser  Reaction  lässt  sieb  noch       Mgrm.  Cytisin 
naebweisen.  Hiosiebtlicb  der  ans  anderen  Bopboraarten  ifloUrtea  Alkaloide,  die 
eljcnfallä  mit  dem  Namen  Sophorin  belegt  wurden,  exiatiren  keine  Angaben,  welebe 
auf  Mentit.lt  mit  Cytisin  hinweisen.    Die  in  die  neuere  Literatur  vielfach  fiber- 
gegangene ältere  Angabe  von  Cuevalligr  und  Lassaigxk,  dass  eio  von  ihnen 
Cytisio  genannter  aetiver  Stoff  sich  in  vielen  durch  purgirende  Wirkung  aus- 
gexeichneten  Legnminoeen,  vor  Allem  in  Conmäla  varia  and  fotiida,  aowie  in 
Anayyrts  fueti /a  finde,    bat  mit  dem  r'ytistn  von  A.  TIr'SKMANX  und  Makme  nichts 
zu  tiiun.  Nach  ('hkvaujer  und  Lassaigne  ist  ihr  Stoil'  in  seineu  iius^eren  Eigen- 
schaften dem  Cathartin  ähnlich  und  hat  somit  nicht  die  Charaktere  eines  kryatalli- 
eirenden  Alkaloidee  oder  fiberhaapt  eines  reinen  Pflanzenstoffes,  sondern  die  eines 
etwas  gereinigten  Pflanzenextracte» ,  das  natflrlieb  nieht  den  Namen  Cytisin  ver- 
dient.   Neuere  Untersuchungen  haben  das  Vorkommen  von  Cytisin  weder  in  den 
gedachten  Pflanzen,  noch  in  anderen  Leguminosen  nachgewiesen,  die  durch  analoge 
giftige  Wirknag  anf  die  Möglichknt  eines  Cytisingebaltee  hindeuten  kOnnen«  In  den 
Blättern  und  Blttthen  von  Coronilla  vnria  L. ,  die  wahrseheinlieh  wie  andere 
Corouillaarten  ein  als  Herzgift  wirkendes  Alkaloid  enthalten,  suchte  es  VAN  DE  Mokr 
vergebens.    In  Anagyris  foetida  L.^   einer    zur  Gruppe  der  Podalirieen 
gehörigen  Leguminose  des  Mittelmeergebietes,  ist  ein  dem  Cytisin  ähnliches 
Alkaloid  aufgeftinden,  das  jedoeh  in  seinen  Eigensehaften ,  seiner  elementaren 
Zusammensetzung  und  verschiedenen  Reactionen  von  ihm  abweicht  (s.  oben  im 
Art.  Anagyrisi.  .Mehrfach  hat  das  Kauen  der  Wurzeln  um!  Zweige  der  Bohinia 
l^aeudacacia  L.  und  W  istaria  sinensin  A'utt.  (Glycine  sinensis  CuHj  zu  Ver- 
giftungen Veranlassung  gegeben ,  die  der  Gytisnsintozieation  sehr  fthneln.  Auf 
letztere,  einen  in  Frankreich  und  auch  in  J)eut8chland  zur  Decoration  von  Mauern 
und  Gebäuden  angepflanzten  Kletterstrauch,   wird  die  \'ergiftung  vnn  iM)  jungen 
Mädchen  zurückgeführt,  bei  denen  sich  nach  dem  Kauen  der  Zweige  (vor  der 
Blatbej  in  Mengen  von  1 — 6  Grm.  Hagensehmenen ,  Rötbung  des  Gesichtes, 
Erbrechen,  in  einzelnen  Fällen  mit  Durchfall  eombinirt,  Htnfillligkeil  und  Ein- 
genommenheit des  Kopfes  mit  nachfolgendem  PolIapR ,  Mydriasis   und  Somnolcnz 
einstellten.       Sowohl  diese  .'Symptome  als  der  ;nni'^tiLre  \' erlauf"  di  r  Intoxication. 
indem  sich  sämnitliche  Erkrankte  uuter  Behaudluug  mit  warmem  KaÜee,  T'bee 
und  Frottiren  innerbalb  24  Stunden  erholten,  entsprechen  der  Cytisinvergiftnng,  doch 
konnten  weder  Ottow  noch  v.VN  de  Mokr  eine  Pflanzenbase  in  Glycine  finden. 
Ottow   will  darin  ein  Glyeusid  geCiinden  haben,  dem  er  den  Namen  Wistarin 
beigelegt  hat.    I>cr  bei  uns  uuter  dem  Namen  Acacie  bekannte  Baum  (Robinia 
Bteudacacta  L.),  in  deren  Rinde  and  Samen  van  db  Mokr  kein  Cytisin  finden 
konnte,  enthält  nach  Power  und  Camhier  Cholin  und  zwei  Eiweisskörper ,  ein 
indiiVerentes  Globulin  und  eine  Albuminose,  die  als  d:is  wirk<;inie  Priticij»  betrachtet 
werden.  --)  Li  Uohinia  Sicou,  einer  in  Westindien  und  Südamerika  als  Fischgift 
benutzten  Art  der  nämlichen  Gattung,  ist  ein  von  Cyti.sin  bestimmt  verschiedenes 
Alkaloid  vorhanden  (s.  FIsehgifke). 

Die  GIftigIceit  des  Cytisins  und  seiner  Salze  ist  für  die  meisten  Classen 
der  wirlu  ll'isen  Tliiere  und  silmmtliche  Cla-^scn  der  Vertebratae  fe-iffrestellt.  Carni 
voreu  sind  emptängiichcr  als  Omnivoren  und  lierbivoren ;  Ascarideu  und  Schnecken 
zeigen  Immonitflt,  Hnnde  und  Katzen  erfordern  in  den  ersten  Lebenswoehen  weit 
mehr  Cytisin  als  später.  Es  wird  von  allen  Applicationsstellen  mit  Ausnahme  der 
unverletzten  Oberhaut  aufgenommen  <inil  L'elanirt  sehr  raseh  durch  die  Nieren  zur 
Ausscheidung.  Auch  in  Speichel  und  Milch  seheint  es  uberzugehen.  Auf  die  Blut- 
körperchen ist  es  ohne  Einfluss,  dagegen  beeinträchtigt  es  ausserhalb  und  innerbalb 
des  Organismus  die  Sauerstoffisbgalie  des  Hämoglobins  selbst  starker  als  Stryehnin. 


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cmsiN. 


181 


Die  kleinsten  aetiTen  Gaben  rufen  bei  Tbieren  gerioge  Reisnngseneheinttni^D  deft 
Nerveneyetems  benor,  Terbunden  mit  BesehlenniguDg:  der  Atbem-  und  Tul^zahl : 
bei  g^rösseren  Dosen  kommt  es  bei  Thieren,  welcbe  erbrechen  kimnen,  zu  Vnmituri 
tioneu  und  Erbreeben,  dann  folgt  Athemnotb,  Schwäche  und  allgemeine  Lähmun;^ 
und  schliesBlich  nach  terminalen  Ejrämpfea  oder  ohne  lolehe  Stilbtood  der 
Athaiiing,  wikfead  das  Hen  (bei  ELallblfltern  noeh  ttogere  Zeit),  fortsehtigt.  Die 
Pupille  ist  bei  den  mit  Cytisin  vergifteten  Thieren  nieht  eoastant  verftndert,  blttlig 
anijuigs  verengt  und  später  erweitert. 

In  Bezug  auf  die  physiologische  Wirkung  des  Cytisins  ist  hervorzuheben, 
dass  direete  Wirkung  auf  das  Groeslüm  nicht  stattfindet  nnd  das  Bewnsstsein  bis. 
com  Eintritte  eompleter  Lähmung  fortdauert.  Erregung  des  Rflckenmarkes  und 
der  peripheren  raotorisfhen  Nerven  zeijrt  sich  besonders  bei  V«^p:eln  und  einzelnen 
Amphibien,  bei  Säugethieren  nur  in  mehr  oder  weniger  deutlicher  Rigidität.  Die 
Läbmnng  erseheint  zonidist  als  eine  spinale,  aber  aneh  sdir  raaeh  kommt  es  su 
I^ähmung  der  peripheren  motorischen  Nerven,  die  sich  jedoch  vom  Centruni  zur 
l'eripherie  ausdehnt;  die  Sensibilität  erlischt  nach  der  Motilität  und  die  MtiHkela 
bleiben  noeh  lan^e  Zeit  reizbar.  Cytisin  wirkt  in  kleineu  Dosen  erregend  auf  das 
vasomotorische  Centrum  und  biutdruoksteigernd ,  in  grossen  nach  anfänglicher 
Erregung  auf  ersteres  Ifthmend  nnd  blntdmekheralMetsend.  Aneh  anf  die  peri- 
pheren GefiUse  wirkt  Cytisin  local  contrahirend  und  in  grossen  Dosen  lähmend, 
ofteubar  durch  Wirkung  auf  die  Gefilssnerven  ,  da  es  auf  glatte  Muskeln  nii-ht 
einwirkt  und  z.  B.  local  applicirt,  die  Pupille  nicht  verengt  und  die  IVristaltik 
nieht  steigert.  Anf  das  Hera  ist  Cytisin  ohne  Wirkung.  Die  Temperatur  wird  bei 
Vergiftung  anfangs  etwas  erhöht,  spJltrr  eonstant  hcrahfrt^setzt.  Die  breohenerregcudn 
Wirkunj.'  de-*  Cytisins  int  eine  centrale,  dodi  wird  das  Athemcentrum  stets  frflln  r 
bceindusst  als  das  Brechcentrum.  Die  bei  Cytisinvergiftung  zu  beobaohtendu  Bu- 
teblennigung  der  Peristaltik  hit  sieht  mit  Seeretionsvwmehrung  Terbnnden  nnd 
t^esultirt  aneh  naeh  snvorigw  Opinmwirkung ,  wo  es  die  Uvid  geAlrbten  Dann- 
schlingen rasch  blass  macht.  Schweis^-  und  Speichelnerven  werden  durch  Cytisin 
nicht  gelähmt,  die  Speicbelsccrction,  mitunter  auch  die  Diurese  gesteigert.  Oertliehe 
Entzündung  im  Darme  tritt  nach  Cytisin  nicht  ein. 

Zu  der  Kenntnisa  der  Erseheiunngen  der  Vergiftung  dureh  Goldregen 
beim  Menschen  geben  die  neueren  Beobachtungen  nur  wenige  Beiträge  von 
Bedeutung.  Die  Erscheinungen  treten  meist  in  — 1  Stunde,  mitunter  erst  nach 
2 — 10  Stunden  ein.  Sie  beschränken  sich  in  den  leichtesten  Fällen  auf  bleiches 
oder  livides  Aussehen,  (Jebelkeit,  Ekel  und  Erbrechen,  Sehmerzen  in  der  Magen- 
gegend und  Beschleunigung  des  Pulses  und  gehen  nach  natürlichem  oder  kOnatlieh 
bewirktem  Erbrechen  in  einigen  Stunden  vordber.  -'*)  Mitunter,  jedoch  keineswegs 
constant,  ist  Diarrhoe  damit  verbunden.  In  etwas  schwereren  t^älleu  treten  Schwäche 
in  den  Beinen,  kalte  Sehweisse,  Kälte  der  Haut  und  Meteorismus  oder  Collaps  mit 
langsamem  nnd  kleinem,  manohmat  irregnllrem  Pulse,  Sinken  der  Temperatur, 
Somnolenz  mit  l'npillenerweiterung oder  Pupillen  Verengerung"),  mitunter  auoh 
mit  Delirien  und  Halliieinationon  oder  mit  allgemeiner  Anästhesie  hinzu.  Manchmal 
fehlen  gastrische  Symptome  vollständig  und  es  kommt  zu  Hinfallen  der  Kranken, 
kramp^aften  Bew^ungen  der  Arme  und  B^ne,  aneh  an  Sehinmen  des  Mundes 
wie  bei  Epileptikern  oder  zu  oberfliehlieher  Athmung  mit  Cjranose  der  Lippen 

und  anderer  Köriiertheile.  -'^) 

Die  Intoxicalion  kann  sich  mit  diesen  Symptomen  12 — 24  Stunden  hin- 
ziehen, doeh  bieten  seilet  die  schwersten  Fälle  Aussieht  auf  Ooiesung.  Mitunter 
persistiren  einzelne  Erscheinungen,  z.  R.  die  Mydriasis  (2  Tage  lang),  Durchfälle 
angewfihnlich  lan^'e.  Der  Tod  kann  sehr  früh,  in  — 1  Stunde,  aber  aueh  naeh 
12—24  Stunden  und  selbst  sp.'iter  eintreten. 

Die  Section  weist  bei  der  Goldregenvergiftung  keine  eigenthUmlichen 
Veränderungen  nach.  EntzOndung  des  Magens  und  Darmeanales  sind  nur  ganz 
ausnahmsweise  Befhnde;  in  der  Regel  ist  die  Magendarmsehleimhaut  blass.  Im 


182 


llag^niDbalte  fiodea  sieh  in  der  Kegel  Schoten  von  Cytisua  Laburnum.  Bei  stark 
gefnlltem  Magen  kann  en  vorkommen,  daes  in  Folge  intensiven  Erbieeheua  Ruptur 
der  Mageowanduug  eintritt  und  bei  der  Section  sich  findet. 

Die  Bebandlmifr  der  Cytisoeveri^fttnig  indieirt  in  den  mdsten  FSllen  kein 
Breehmittel,  da  bereits  gendgendee  Erbrechen  beatdit.  In  Fällen  von  Collaps  oder 
Sopor,  wo  keiu  Krliroclirn  ntattfindet,  ist  die  MagenansispQlung  angezeifrt.  van  de 
llOEU  enipüehlt  llolzküble  als  Autidot,  weil  diese  Cytiain  sehr  intensiv  festbftlt. 
In  den  mciitcn  Pftllen  wird  man  sich  auf  die  ftuseere  und  innere  Anwendung 
enrlnnender  and  belebender  Mittel  beeehrlnkea  können.  Rflnetliehe  Reepiration  nnd 
Transfusion  wirken  bei  Thieren  auch  in  schweren  Intoxicationen  lebensrettcnd. 
Tannin  ist  als  chemisches  Antidot  nicht  zu  empfehlen,  du  Cytisintannat  sich  in 
tlberschttssiger  Gerbsäure  löst;  auch  alkalische  Tanuiulöäungeu  sind  auiidotariscb 
nnanTerlisiig. 

Therapeutisch  dienten  die  BIfittcr  von  Cytüus  Lahurnum  früher  als 
Diureticum  und  die  Samen  al«  Emeticum ,  als  welches  sie  jedoch  wegen  der  mit 
der  Wirkung  des  Cytisins  verbuodeneu  und  selbst  bei  nicht  emetischen  Gaben 
hervortretenden  f  starken  Blotdrnckstetgemng  sieh  nieht  eignen.  Ueber  die  von 
IfABllA  und  FLi'tGGK  licfürwortete  Anwendung  des  Cytisins  bei  ArsenictsmM 
acutus  zur  Beseitigung  der  Hypcrfimie  im  Darme  liegen  klinische  Erfahrungen 
bisher  nicht  vor.  KobKRT  emptielilt  Cytisinum  nitricum  in  allen  Fällen ,  wa 
niedriger  lllutdruck  und  Schlaffheit  der  Gefösse  Krankheitszustilnde  bervorrnft 
oder  anttvhilt,  s.  B.  bei  paralytiseher  Migrlne,  Hydrops  nnd  Oedemen,  an^  bei 
Melancholie  und  Abulie  in  Folge  mangelhafter  Versorgung  des  Gehirns  mit  Blut. 
Alan  gebraucht  das  Mittel  subcutan,  indem  man  mit  1  Ms;rni.  pro  die  beginnt  uni 
auf  3 — 5Mgrm. ,  die  in  den  meierten  Fällen  zur  Blutdrucksteigerung  ausreichen, 
steigt.  Als  snbentane  mascimaie  Tagesgabe  wird  lOMgrm.  bezeiobnet. 

Literatur;  ')  Radziwillowicz,  Ueber  Nachweis  umi  Wirkungen  dfS  Cytisins. 
hhs.  Durpat  1887.  Ue'.er  CytUin.  Eobert's  Arb  eiten  ans  d<>in  Dorpater  pharmakol.  liutitat. 
II.  jiag.  56.  -  *)  HnneniaaB,  Toxikol.  Sappl -Bd  ,  pag.  {>H.  —  'JC.  A.  Paick.  Prskt. 
Toxikol  ,  pKp.  :,']!  I  -  ^1  A.Hust^mann  und  W.Marnie,  Z-itsclir.  f.  Cliem.  18i)5,  pag.  161. 
N.  Jahrb.  f.  Pharm.  XXXI,  1.  —  ')  llarnie,  Heber  Wirkuniten  und  Vorkommen  des  Cytisin, 
CföttVackr.  1871,  peg.  224.  —  *)  Coruevin.  De»  plante»  vin^mw^fs.  Paris  1887.  ^''<''  l'em- 
jioUwnnevitnt  pat  quelques  «tpecea  de  Cifthun.  Compt.  rend.  Cll,  Nr.  l.H,  pag.  777.  — 
')  Van  de  Mot«r,  Orfr  rytiaine.  Int  terffift  ran  den  ;jndenregfn  en  orer  df  identität  van 
cijtinitie  1)1  iiluiitr.  Groningen  ISlK)  --  ")  Polak,  Vergiftung  durch  Laburnum.  Wiener 
med.  Presse.  18ü8,  Kr.  9.  —  ")  K.o»teUt»ky,  Med.-phann.  Flora,  pag.  1^54.  —  '"j  Par- 
theil. Ueber  C^'BtB.  Pharm.  Zeitg.  1891.  Kr.  78,  pag.  611.  —  ")  Hagelbae«,  ü«ber 
rvii>iii  Dis>:  (;,,itin{:.n  18i''-i.  Bcilincr  Ber.  1801,  pap.  674-  —  Wr-lborn,  A  contribution 
to  tili  j'li fisi<iliii/irii!  <icl ioii  iit  the  fitdlti  oj  ifor-se.  Pharm  Joiirn.  Transai  t.  (3),  XX,  pag.  360. — 
")  V<  r'r!  uhiT  I  h  xin:  (icrrard  u.  Symons,  Pharm.  Joiirn.  Transact.  (3),  XIX,  pag.  1029» 
XX,  pae.lulT;  Part  heil,  a  a.  0.  —'^*)  Bose  Bradford,  Jonm.  of Phyaiol.  III.  PSam. 
Jonrn.  Transact  (3'.  XX.  pag  1030.  —  Fenwick,  Kete  Remedif».  I  ancet.  Sept.  1887, 
24,  |mg.  t04-  —  "')  Kobcrt,  Ueber  l'lex  eurojjKeun.  Deiit-chi'  in d  Wnihenschr.  189u. 
Nr.  19.  pag  40ti.  —  Pinet,  De  l'action  phy»iologique  dt  l'uU'xine.  Arch.  de  physiol. 
18S7,  Nr.  2,  pag.  89.  —  Plügge.  Alkaloide  von  Sophora  totnentota.  Nvderl.  TijdBchr. 
voor  Pharm.  Nov.  l8iH.  pasr.  H.U).  -  =  '|  Vergl.  Teijsmania.  1891,  pag.  744.  —  L^ouffre, 
Kmpoiso^ttemtut  par  tu  i/h/iinr.  Lyon  mi-d.  IbtU.  Nr.  34.  —  *')  Ottow.  Orer  Ghjcinr, 
Kieaw  Tijdachr.  voor  Pharmacic.  186U.  pag.  207i  '«i3;.i.  —  •"■')  Power  imd  Cum  hier,  Om 
tke  poieonotut  principle  of  Hobinia  l'neudaeada.  Pharm.  Bondschaa.  Febr.  189U,  pag.  29.  — 
'*)  Vergl.  in  Branr  atif  die  phyNiologiscbe  Wirkung  des  Cytinn  d  e  obengenannten  Arbeiten 
von  M  a  r  ni  <j ,  J!  u  <!  z  t  w  i  1 1  o  w  i  c  z  nnd  van  deMoer,  au.s.ifrdfm  ^larnii-,  Neuere  Unter- 
suchungen des  Cyiisinnitratfs.  Uött.  Nachr.  1887,  Nr.  7.  PrevoKt  und  llinet,  Sute  rela.ive 
&  Voction phyaioloyique  de  nitratr  de  cylit^iin'.  Rev.  Snisso Bomande.  18':8,  Nr.  11,  pag.  670.  — 
-'*)  Falle  von  See  Ihorst  und  Piedeldij  in  der  unter  7  genannten  Schritt.  —  Fälle 
von  P.  van  der  fierg  und  Perle  ebendaselbst;  Stepheoson.  Lancet  20- Aug.  1887; 
Brigps.  Urit.  med.  Juum.  Ü.  June  llr-8.i ;  Stewart,  Brit.  med.  Journ.  l.j.  Dec.  188'^.  — 
-'•)  Z.  B.  in  den  Fällen  von  Valience  bei  van  deMoer.  —  *^)  Hinkeldeyn,  Zwei  Fälla 
von  Vergiftung  mit  pytisin  mit  tadllithem  Anagaog«.  Deutacbe  Klinik.  1877,  Nr.  27. 

Huaemann. 


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D. 


DArnCfttSITh.  Ueber  die  Vatndaniig  des  Darmaafkes  bei  aeateni  Danu- 
eatarrll  suchte  «ich  Hoffmann  ))  durch  den  Thierversuch  Gewissheit  zu  yenohaffen. 
Er  fand  beim  llimde  die  diastatisehe  wie  die  invertirende  Wirkung  des  DUnndarm- 
saftes,  jene  auf  Amylum,  diese  auf  Rohrzucker  bezogen,  auch  beim  acuten  Catarrb 
erhalten^  doeh  Behien  die  fermeotative  Wirkung  xeitlieh  hinter  der  des  gesunden 
Saftes  zurüekzuMeiben. 

Zu  der  tiir  die  Diagnose  so  ausserordentlich  wichtigeu  Untersuchung  der 
Fftces  bedient  man  aioh  nach  einem  Vorschlage  von  Uii^BZ^}  mit  Vortbeil  der 
nenerdiDgs  fOr  die  bequemere  and  exaetere  Untersnehnng  nm  8e-  und  Exereten 
so  vielfacb  angewandten  Centrifoge.  In  diese  glebt  man  ebe  Probe  der  Rxcremente, 
nachdem  diese  mit  Wasser,  besser  noch  mit  5*^/|)iprer  Carbollösung,  die  den  lilstigen 
Genich  mildert,  verrieben  ist.  Oben  schichtet  sieh  eine  trdbe,  bakterionwiminelude 
Flüssigkeit  ab,  darunter  Massen  unverdauter  Cellulose,  hierauf  ciu  schwarzer  King, 
der  fast  einsig  aus  llnskelfasMn  bestellt,  daronter  eine  Reihe  sehmaler  Sehiehten, 
in  denen  die  diagnostisch  wichtigsten  Bestandtheile  von  einander  ;resrindert  sind, 
Rundzellen,  Clostridien,  Stärke  ete.  So  gieht  schon  die  makroikopiMche  Betrachtung 
eine  gute  Annebauung  von  der  Zusammensetzung  des  betretfeuden  Kothes.  Mit 
langgespitzten  Pipetten  werden  den  doseinen  SehicÄten  Proben  zur  weiteren  ünter- 
snehung  entuommen. 

Der  Heflind  ("HARCOT-KoiiiN'scber  Kryt-'talle  in  den  PSces  ist  gecif^net, 
in  ätiologischer  Hinsicht  einen  werthvollen  Anhalt  zu  geben,  insofern  er  das  Vor- 
bandensein von  Darmparasiten  wahrscbeinlicb  macht  (Leichtenstbrn  *),  ohne  jedoch 
eine  bestimmte  Art  zn  ehanücterisiren.  Abwesenheit  der  Kiystalle  sehliesst  Para» 
siten  nieht  aas.  Der  Ort  ihrer  Entstehung  ist  der  des  Parasitenanfentbaltes. 

Zur  I*afholoj?ie  der  Kutprids  mtmhranucca  liefert  Kitaoawa*)  einen 
Beitrug.  Er  konnte  in  den  meiubranösen  Ausscheidungeu  drei  Gruppen  unter- 
sebeiden :  LamellOse  Massen,  deren  Omndsubstans  dnreh  Essigslure  etwas  getrflbt 
und  streifiger  wur  li-.  ferner  ebenfalls  lamellöse  Mu.ssen,  deren  Grundsubstans  dvieli 
Kssi^rsäure  eher  sieh  aufhellte,  aeblif-slieh  solide,  strangurti^e.  netzförmig  communi- 
cirende,  oft  mit  gewöhnlichem  Schleim  zusammen  auftretende  Massen,  deren  Grand- 
snlwtans  dnrdi  Essigslure  streifiger  und  nndurohnchtiger  wurde.  Die  OmndsnlwtaajE 
wurde  vorsngswdse  durch  Mudn  gebildet,  Fibrin  liess  sieh  durch  die  WBiOBBT*sehe 

Reaetion  nicht  nachweisen. 

Auch  lliiiiicu  ^)  vermisste  in  seinen  Fällen  Fibrin.  Kr  nimmt  an,  dass 
ein  Gatarrh  der  Schleimhaut  dem  Processe  zu  Grunde  liegt.  Zu  der  Annahme  eines 
Catarrhs  lilit  er  rieh  fttr  bereebtigt  dureh  die  massenhafte  Sehleimproduetion  und 

den  Nachweis  einer  abnormen  Menge  /eiliger  Körper.  Entgo^'en  der  Annahme 
neurasthenischer  Disposition .  behaupten  seine  Patienten ,  erst  seit  dem  Auftreten 
jener  krankhaften  Entleerungen  „nervös"  geworden  zu  sein. 


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184 


DARMCATARRH. 


N«uerun»cn  in  dor  Therapie  des  DarmcatarrhH  werden  sich  natur- 
gomääs  im  WesentUchea  auf  die  Hervorhebung  der  Vorzüge  dieses  oder  jenes 
MediMmeDtM  besehrllnkeii. 

Was  die  Behandlung  der  OoUtU  mmhrawusea  angeht,  so  empfiehlt 
FLBINEB  angelc^rmtlichst  die  Anwendun<r  dor  „Oeleiir"  (s.  „Darminfaaion"^. 

lu  der  üehandlunK  acuter  Darincatarrhe  hat  H.  Schulz  sehr  günstige 
Erfahrungen  mit  dem  von  Auldk  eoiptuhlcaeu  arsenigsaureu  Kupfer  gemacht. 
Man  rerordnet  0*0008 : 120*0— 180*0  Aqua  theeUMMweiae  znent  alle  10  Minuten, 
nach  einer  Stunde  halb-  Us  ganaatflndUoh,  bei  Kindern  die  halbe  Dosis,  bei  Siog^ 
iingen  nur  Tropfen. 

Chronische  Diarrhoen  behandelt  PuLLATäCUfiK mit  kleinen,  warm  ge 
trankenen  Dosen  Karlsbader  Wasser,  in  sehwierigen  FUlen  ndt  reetalen  Infusionen 
mit  warmem  Thermalwasser.    Man  beginne  mit  einer  Irrigation  pro  die  von 
200  Grm.  bei  38»  und  steige  bis  500  Grm.  von  4:5«.  Je  liager  der  Patient  das 
Wasser  bei  sich  behält,  um  »o  sicherer  ist  die  Wirkung. 

Bei  Anwendung  adstriugirender  Mittel  bei  chronischen ,  nicht  oom- 
plieirten  Dflnndarmeatarrhen  rtth  Wbmeb*),  nicht  das  reine  Tannin  zu  geben, 
sondern  gerbsäurehaltige  Mittel,  wie  Extr.  Ratanhtae ,  K.rtr.  CMombo,  Extr, 
Monesiae.  die  besser  wirken  und  nicht  den  Ma;;cn  belästif^en, 

CoLASAXTi  und  DUTTü  '')  haben  das  von  llKiNZ  und  Likbrkcht  dargestellte 
nnd  als  Dermatol  beaeiebnete  nntergallnssanre  Wismathoxyd  in  Dosen  von 
2—5  Grm.  pro  die,  in  Pulvern  von  0-25—0-5  allein  oder  nüt  Opinm  gemifoht 
bei  Diarrhoen  der  verschiedensten  Art  mit  Ite^tem  Erfolge  verwandt. 

Um  abnorme  Zersetzungen  im  Darmeaual  hintanzuhalten  und  damit  eine 
ürsaehe  oder  Gomplication  von  Danueatarrtien  sa  beatitigen ,  bedient  man  aieh 
nattirtleh  mit  Vbrtheil  desinficirender  Mittel.  Ueher  ilire  Anwendung  in  Form  von 
Klysmen  s.  unter  „Darminfusion".  PnAKDix-REArMETZ rühmt  als  zweckent- 
sprechendes, inuerlich  zu  verabrcirlundes  Antisepticum  Bismuthuin  Halicylicum 
in  grossen  Dosen  mit  Magnesia,  pbosphursaurem  Kalk  oder  Naphthol.  Wie  weit 
diese  nnd  andere  Mittel  geeignet  sind,  der  Darmftolniss  entgegrasawirken,  ist 
neuerdinprs  wiederholt  geprfift  worden  an  ihrem  Einfiosse  anf  die  Herabsetinng 
der  Ausscheidung  der  Aether^chwefels.luren. 

Dass  Bcbon  der  Ausfall  der  Salzsäureausacheidung  des  Magens  in  dieser 
Besiebnng  einwirkt,  zeigt  eine  üntersnehnng  von  Wa8B0TZKT.i>;  Vermehrung 
dor  gepaarten  Schwefelsäuren  im  Harne,  mithin  Zunahme  der  Darmfäulniss 
wurde  in  4  F.tllen  unter  fi  liei  Fehlen  oder  erlieblicher  Verminderung  der  .Salz- 
säuresecretion  gefunden.  Auch  Bieknatzki  kommt  zu  demselben  Resultate.  Er 
findet  aneh  bei  Gelbsneht  die  Darmftnlniss  abnorm  gesteigert,  was  onaweifUliaft 
dnroh  das  Fehlen  der  Gallo  im  Danncanale  vernrsaebt  wird.  In  ehroniseher  Obstipa- 
tion liogt  natdrlich  eine  Quelle  erhöhter  DarmRlulniss  (v.  PFt\V(9RX  ^'-V 

Von  der  Diät  ist  die  Darmfäulniss  in  hohem  M-asse  abhiingig.  Die  Ein- 
ftihruug  von  Eiwoi.ss  begUa.stigt  die  Zeräetzuugsproducte  im  Darme,  wobei  das 
vegetabile  Eiweiss  viel  AnlnissfUiigOT  zu  sein  sebeint  als  das  animale.  Bei  der 
Milebnahning  ist  die  DarmfHulniss  besonders  gering.  Kefyr,  in  Mengen  von  lV:i  Liter 
tSglich  genommen .  bcw.thrle  sich  als  ausgezeichnetes  Mittel  zur  Einschränkung 
der  DarmfiluluiN» ,  »eine  Wirkung  beruht  zum  i'heile  auf  dem  Gehalt  an  der, 
ft-eilieh  viel  weniger  intensiv  wirkenden  MilehBftnre.  Dass  noch  ein  andwer  Faetor 
hierbei  vcm  wesentlicher  Bedeutung  ist,  zeigt  Schmitz. Durch  Fütterung  mit 
friseh  gel.'llltem  K.tsestoff  gelang  es  ihm,  die  Aiis-cheidiiiiir  der  Aetherschwefel- 
siUire  auf  ein  Minimum  zu  verringern  und  .selbst  ganz  zu  unterdrücken.  Ursache  sind 
vielleicht  gewisse  im  Kase  enthaltene  Bakterien  (wie  s.  B.  in  analoger  Wdse  bei 
der  Cholera  AethersehwefelMnren  nur  in  minimaler  Menge  gefunden  werden). 

Milchzucker  crgiebt  nach  Schmitz  keine  merkliche  Herabsetaung  der 
Aetberschwefelsäure,  Salzsäure  beim  Menschen  Abnahme  bis  zu  40<*/o* 


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DÄRXCATARRff.  —  DARIIBNTZÜNDÜNO. 


185 


Was  nun  den  Einäuss  der  Arzneimittel  angebt,  so  zeigte  Calomel  keine 
desinticirenden  Einwirkungen  (St£IFF  ^''),  Bikunatzxi).  Natr.  bicarbon.  und  Calc. 
earhon^y  ebenso  wie  Aßüt»  mur,  hemmten  die  Zenetsuog ,  was  weder  Infutum 

Sennne,  noch  Magint.  ßimnuthi  im  Stande  waren.  Dem  Terpentinöl,  Ktmpher, 
Eucalyptol  und  Menthol  kommt  eine  erhebliche  fäulnissmindernde  Wirkung  m;  ftber 
Tannin-  und  Boröäureklystiere  s.  unter  D  a  r  m  i  n  f  ii  s  i  o  n. 

Literatur;  ')  Hoffmann,  Ueber  das  Verhülten  üeH  Duundurmiiaftes  bei  acnteni 
Danneatarrb.  Inaug-Dis«.  Dorpat  1891.  —  ')  Herz,  Ein  Bebelf  bei  dar  nikroBkopischen 
Unttfrsachung  der  Faces.  Centralbl.  f.  klin.  Med.  1892.  Nr.  42.  — *)  Leich  te  n  st ern,  Ueber  die 
Charcot-Bobin'schen  Krystalle  in  den  Fäcen.  Deutsche  med.  Wocbenscbr.  1892,  Nr.  4'-i.  —  *)  Kita- 
gawa,  Beiträge  zur  Kenntni.ss  der  Enteritis  memhrnnacea.  Zeitscbr.  f.  klin.  Med.  XVIII.  — 
*)  B  i  r  8  0  b ,  Deb«r  Enteritit  rnrnnbranaeea  nad  mueota,  Inaog.-DiM.  Berlia  1892.  —  *)  S  c  h  u  1  s, 
Amaif  sMiri'a  Knpfar  bai  aeataa  ErkrankinigeB  das  DarmaB.  Daataeba  med.  Woohaaflahr.  1891 , 
Nr.  10.  —  ^)  Po  I !  ;i  t  s  cb  fk ,  Zur  Behandlung  der  cbronistheu  Diarrboe.  Pracormad.  Wochen- 
schrift. 1891.  Nr.  47.  ')  Weber,  New  York.  med.  Monatsscbr.  Februar  1892.  —  *)  Cola- 
santi  und  Dutto,  Untersucbangen  Uber  die  tlierapmtlMdie  Wirkung  de*  Dermatols.  Berliner 
klin.  Wocbenschr.  189::^,  Nr.  'M.  —  "^')  Dujardin-Beanmetz,  Da  traitement  de  la  diarrhee 
et  de  la  eonsfipation.  Ball,  de  thkr.  1890.  —  ")Wa8batKki,  Ueber  den  Einflntta  von 
Mageiigahrungen  auf  die  Fäiiliii.ssvur>i;ai)g<?  im  Darmcanal.  Ar  Ii.  f.  exp.  Patb.  XXV.  — 
")  Biernatzki,  Ueber  die  Danufäulniss  bei  Niereneutsäudung  und  Ictertu  elc.  Zeitachr.  f. 
klio.  Med.  1891.  ▼.Pfangen,  Beitrilga  aar  Lebra  van  der  Darnftalabs  dar  BIwaiM« 

körper.  Zcitsihr,  f  klin  Mf(\  XXI.  —  '*)  Schmitz.  Zur  Kenntniss  der  DarmfaTihiise. 
Zeitscbr.  f.  pbyaiol.  Uhumio.  XVil.  —  Steiff,  Ueber  die  BeeiuUussuag  der  Darmtauluiaa 
doreh  Anatimlttal.  Zeitadir.  f.  klia.  Ued.  XVL  Tb.  Saaeabaini. 

Darmentzündung.  Aehnliche  Processe,  wie  oie  die  Perityphlitis  dar- 
stellt, nur  nicht  am  Cöcum,  sondern  höher  hinauf  am  Colon  ascendens  spielend, 
bat  WiND6CHSiD>)  beobachtet.  Die  Krankheit  war  an^geseiehnet  dareh  «enten 

lleginn  mit  massigem  Fieber.  In  der  Oegend  des  Colon  ascendens ,  bei  Frei- 
bleiben  der  Fosi^n  iliaca ,  konnte  man  einoti  etw.m  l.'itig;liehen  Tomor  palpiren, 
der  aaf  ein  pcritouitiscbea  Exsudat  bezogen  werden  muante. 

In  dem  einen  Falle  bestand  bartoftekige  Obstipation,  in  den  beiden 
anderen  Obstipation  weebselnd  mit  Dnrehfilllen. 

Tcber  die  Aetiologie  ist  etwa^  Ilestimmtes  nicht  auszusagen,  man  könnte 
h/^chnteu.H  al.«  unter.stilt/ondes  Moment  fdr  da.s  l^ntstehen  der  Coliti.«!  und  Pericolitia 
au  dieser  Stelle  die  liir  die  Fortbewegung  der  FäealmasHeu  etwas  ungünstige  Lage 
des  Coion  aaetmdenM  unehmen. 

Schwierigkeiten  in  der  Beurtheilung  derartiger  Erssheinungen,  und  dies  gilt 
besonder»  auch  fdr  Processe  in  der  Blinddarraregion,  wenn  sie  nicht  gerade  acut  ein- 
setzen, können  diejenigen  Procease  machen,  welche  auf  eine  Actinomycoseinfectiou 
snrOekinflIbren  sind,  and  die  meistens  vom  Brocessua  vermiformis  ausgeben. 
Charakterisliscb  fOr  diese  ist  die  Chronicität  des  V'erlaufes ,  die  diffuse ,  feste 
Infiltration,  spHter  multiple  Fistelbildun°r,  hx^t  völli;;  fehlfnde  DarnKTscheinungen, 
local  bleibende  Keaction  des  Peritoneum.  Acut  entzündliche  Erdcheinungen,  durch 
Miscbinfection  bedingt,  können  die  ohnehin  schwierige  Diagnose  noch  mehr  er- 
schweren. Entsehddend  ist  »atttrlieh  der  Nachweis  der  Aetiaomjeeskllmer  (Lanz 

Das  Verständniss  fllr  den  Zusammenhang  zwischen  Hautverbrennungen 
und  Entzüudunfr,  respcctivc  riccr.ition  des  Daruies  («.  Hd.  V,  pag.  63)  wird  uns 
näher  gerückt  durch  eine  experimentelle  Untersuchung  ilüNTEa's.  ^)  Bei  Ver- 
brennangen  findet  sieb  znwelltn  eine  EntsOndnng  im  Dnodennm,  snwwieii  sugteich 
UIcerntion,  oder  nur  diene.  HUKTBB  fand  nun  nach  Injeetioncn  kleiner  Dosen  (^yh) 
Toliiylendiamid  )i "i  Hunden,  wenn  sie  am  —  7.  Tage  n;ir-li  der  Injection  getödtet 
wurden,  eine  iuteuäive  Entzündung  um  die  EinmUndungsstoUe  des  (Jallengangcs, 
etwas  sehwl^er  vor  der  IleoeOcalklappe.  Auch  pseodo*aleerstive  Krseheiottngen 
seigten  sich,  d.  h.  cirennucript  veränderte  Partien,  die  zonäobst  den  Bindruck 
von  ülceration<'n  machten ,  an  denen  sich  aber  kein  .'^chleimhautdefeet  fand, 
sondern  eine  ei^^euartige  Veräinleruii^r  der  Follikel  und  Zotten,  derart  dass  liie 
peripher  gelegenen  verlllngert  und  geschwollen  waren.   Alle  diene  Proces.se  .sind 


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186 


DABMBNTZÜNDUNG.  —  DARHINFDSIOK. 


zurückzuführen  auf  die  Ausscheidung  einer  schädigenden  Substanz  durch  die 
Galle,  deren  nächst«  Einwirkung  um  die  MOnduag  des  Galleugauges,  dann  auch 
im  OOoniii,  wo  sieh  der  Inhalt  itant,  ttettfand.  In  der  That  konnte  aoeh  Tolvykn- 

diamid  in  der  Galle  nachgewiesen  werden.  Analog  erklfirt  sieb  wohl  die  Folge 
der  Verbrennung  auf  das  Duodenum  durch  Ausscheidung  einer  reizenden  Substanr, 
sei  es  durch  Zersetzung  des  Biotes  oder  durch  Aufnahme  von  der  verbrannten 
Hautstelle  aus. 

BeaUplieli  der  EnteritM  membranacea  e.  Darm o ata rrh. 

Literatur:  ■)  Windacheid,  Dni  FUle  von  Pericolitis.  Deutsch.  Arch.  f.  klia. 
Jled.  1889.  *)  Lanz,  L'eber  PeritypbliHa  actinomycotica.  Correspond«!»!)].  f.  Schwtiaer 
Amte.  1892,  Mr.  lO^ll.  —  *)Hiiater.  Thepathohgy  o/duodmiiit.  Fafhol.  nainut.  1890. 

Th.  Roaeaheln. 

DSrariRftHrilNI.  Abgelten  von  der  gelegeotliehen  Verwendung  der 

Darminfusion  zn  diagnoptischen  Zwecken,  gewinnt  dieselbe  in  therapeutischer  Be- 
ziehung eine  sich  fortwührend  steigernde  Bedeutung ,  einmal  fiir  die  locale  Be- 
handlung von  Erkrankungen  dts  Mastdarmes  und  der  hoher  gelegenen  Darm- 
partien, Bodann  aber  aneh  cor  Errielnng  gewisser  Allgemeinwirknngen  dnreh  holie 
oder  niedrige  Temperatar  der  Eingieesung,  oder  aneh  dureh  ernihiende  oder 
medicament^se  Zusätze  zu  derselben. 

Ohne  daas  hier  auf  die  bereits  im  I.  Bande  der  EncyclopJldischeu  Jahr- 
bücher erörterte  Streitfrage  eingegangen  werden  eoli,  ob  es  möglich  ist,  wie 
Cantani*)  behauptet,  durch  volnminOse  Eingiessnngen  den  Widerstand  der 
BAüHIN'sehen  Klappe  au  flberwinden  ,  mu<:s  doch  jedenfalls  zugestanden  werden, 
das»  die  v<»n  dem  genannten  Autor  empfohlene  „gerbsaure  Enteruclyse",  d.  h, 
eine  Infusion  mit  circa  2  Litern  einer  Vs — ^Vo  Tanninlö&ung,  ein  beachtens- 
wmtbes  Mittel  in  itr  Behandlung  von  Danneatarrhen  mit  bartniekigen  Diarrhoen 
darstellt.  Auch  bei  der  Behandlung  der  Cholera  aaiatiea  will  Cantani,  wie  er 
neuerdinf^s  wieder  herv()r;relioben  hat  2\  mit  den  gerbs.nuren  Ktnerfu  ly^en,  wenn  sie 
frühzeitig  und  consequent  angewendet  werden,  aug.sirordtntlicbe  Erfolge  erzielt 
haben.  Für  die  Anwendung  in  Fällen  von  Dysenterie  empliehlt  es  sich,  dem  Ein- 
lanf  Gummi  arabicum  auzuseticn,  bei  groeser  Sehmersbaftigkeit  werden  Elnlinfe 
von  1 — IVs  Litern  Oel  vorgezogen. 

Der  Zweck  der  l'anuineingiessnngen  ist,  antibaktertell  au  wirken  and 
die  Ptomaine  unKchädlich  zu  machen. 

Allerdings  gelang  es  Roviuui  ^)  nicht,  eine  t^ulnisshemmende  Wirkung 
der  Gerbsänreelysmen  an  dem  Verhalten  der  Aethferechwefelsluren  nadunweisen, 
wie  sieh  eine  solche  z.  B.  fOr  Infusionen  mit  dreiproct uti^en  BorsiareUtoungen 

sehr  deutlich  durch  Herabsetzung  der  Menge  der  AethersehwtlVIsiluren  erkennen 
liess.  Kreilicti  /eisten  sicJ»  bei  Anwendung  der  Borsäure  auch  bedenkliche  Intoxi« 
eutiouserseheiuuugeu. 

GMehwohl  hllt  sieh  Camtani  naeh  seinen  Erfabruugeu  fOr  bereehtlgt 
au  der  Annahme,  dass  es  vermittelst  der  Bnteroelyse  gelingt,  beispielsweise  auch 
den  TijpItKs  n/>i/t'i)u'n(ih'.s  im  frühen  S^tadium  abortiv  zu  gestalten.  Auch  in  einer 
wieder  aus  der  .Mo>i.KR  sehen  Klinik  hervorgegangenen  Arbeit  bestätigt  neuerdings 
Rackuais^),  dass  durch  tanniuhaltige  lufusioueu  Verminderung  oder  Beseitigung 
der  Diarrhoen  beim  Typhus  ersielt  wird.  Beim  Typhus  aber  kommt  wie  auoh 
bei  anderen  fieberhaften  Erkrankungen  die  Anwendung  der  Darminfusion  aneh 
als  an  t  ip  y  r  e  t  isc  heü  Mittel  in  Betracht.  Durch  KinUlufe  von  2  Litern  Wasser 
vüu  circa  ll^C.  bewirkte  Cantani eine  Herabsetzung  der  Temperatur  um 
6 — 8  Zehntel,  die  mehrere  Standen  anhielt.  Zugleich  wird  eine  gOustige  Wirkung 
auf  die  ortlichen  Verhältnisse  im  Darm  (BeseitiguuL'  des  Meteorisraus  etc.)  auage- 
übt, eine  Wirkung,  ilie  durch  Zusatz  v<»n  H  ^5  10  (irni,  (Jcrbsflure  oder  von 
10 — 50  Cgrm.  krystallisirter  Carbolsäure,  eventuell  mit  1 — 2  ürm.  Chinin.  muricU. 
verstärkt  werden  kann.  Dabei  hebt  sieh  meist  aneh  die  Dinrese.  Aneh  Bocmuim*) 


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DABMINFUSION. . 


187 


constatirte  Herabsetzung  der  Temperatur  und  VerminderuD^  der  Tjmiwaie  dweh 
die  Enteroclyse.  In  einem  Falle  von  Darmblutung  nahm  er  bei  dem  collabirten 
Patienten  eine  Kiogiussung  von  beissem  Wasser  vor  und  glaubt  dadurch  iebens- 
rettend  gewirkt  sn  haben. 

In  eigenartiger  Weise  verwendete  Labbat  die  Wirkung  der  Elektrioitit 
in  einem  galvanischen  Klysma  Eine  grosse  Plattenelektrode,  mit  dem  nega- 
tiven Pol  verbunden,  wird  auf  deu  Leib  gesetzt.  In  «  Rectum  wird  eine  Gummi- 
aonde  eiDgefahrt,  wdohe  dureh  eine  metallene  Amkletdung  Im  Inneren  mit  dem 
anderen  Pol  der  Batterie  verbimden  ist,  zugluch  auch  durch  einen  SchUneh  mit 
einem  Irrigator,  welcher  eine  concentrirte  Salzlösung  enthält.  Diese  lässt  er  langsam 
bei  gleichzeitiger  Anwendung  einer  Stromstfirke  von  10 — 50  Milliampere  ein- 
fliessen.  in  einer  Anzahl  von  Fällen  will  er  auf  diese  Weise  Darm  verschluss 
beadtigt  haben. 

Eine  beachtenswerthe  Methode  fUr  die  Behandlung  von  Obstipationen 
bringt  ganz  neuerdings  Fleinkr.  Dieselbe  besteht  in  der  Anwendung  grosser 
Oelklyätiere.  Kleiner  weist  zunächst  darauf  bin,  dass  man  unterscheiden  müsse 
cwiecben  der  atonischeu  Conatipation,  der  hftnfigeren  Form,  wie  sie  aieh  bd 
jüngeren  Leuten  mit  sitzender  Lebensweise,  aneh  ohne  dit^e  Ix  i  älteren  Peraoaen 
findet,  und  die  auf  einer  Sehwflehe  der  DnrmmiHculMtur  litriilit,  und  der  spasti- 
schen Constipation ,  von  welcher  vorwiegend  reizbare.  Neurastheniker,  Hypo- 
ehonder  nnd  Frauen  vät  Uterialcüen  befallen  werden.  Dieae  letstero  beruht  in 
der  Zurückhaltung  feater  Kotbmaaaen  dureh  Darmabaehnitta,  welche  in  Contraetnr 
dieselben  festhalten  nnd  ihre  Fortbewegung  hemmen,  statt  sie  zu  liiuirken. 
Charakteristisch  tiir  diese  Art  von  Constipation  ist  die  Beschaßenheit  der  Stühle. 
Die  Würste  sind  kleinkalibrig ,  stielruud,  oft  nur  bleistift  oder  kleiuliugerdick, 
manebmal  aehr  lang,  oft  aber  aueh  kurz,  ao  daaa  die  Geeammtmoige  dea  Stahlee 
ungenügend  erseheint.  Nicht  so  cbarakteriatiach  aind  die  zeitweilig  entleerten 
kleinen,  kugeligen,  haselnussgrossen  Kothmassen.  weil  sie  auch  bei  der  atonischen 
Form  vorkommen.  Für  diese  spastische  Constipation  erweist  sich  die  für  die 
atoniaehok  Zu^tinde  so  zweekmlasige  Maaaage  ala  nutzlos,  wenn  nicht  aehldlich, 
daaaelbe  gilt  fiir  die  Faradiaation  und  die  Anwendung  der  Drastiea.  Nfltslicher 
sind  warme  Klystierc  von  aromatischen  Infusen  und  Xarcofica  (ITyoseyamu^  und 
Belladonna).  Als  besonders  wirksam  jedoch  hat  sieh  hier,  ebenso  aber  auch  bei 
der  atooiseben  Constipation,  eine  von  Küssmadl  ausgebildete  Methode,  dio  soge- 
nannte Oelenr,  erwiesen.  Was  die  Tedinik  der  Oelinfuaionen  angeht,  so  kommt 
es  darauf  an ,  das  Ocl  möglichst  hoch  in  den  Darm  hinaufzubringen.  Zu 
diesem  Zwecke  nimmt  der  Patient  die  Rückenlage  ein .  wiilirend  sein  Becken 
durch  ein  circa  20 — 2;)  Cm.  hohes  festes  Kissen  in  erhöhter  Lage  unterstützt 
wird.  So  wird  ein  negativer  Dntok  in  der  BaaehhOhle  hergestellt,  der  eine 
aspirirende  Wirkung  entfaltet.  In  dieser  Lage  llSSt  man  circa  4i)0 — 500  Ccm. 
Oel  von  Körpertemperatur  langsam  und  unter  geringem  Druck  (etwa  fiO  Cm. 
Druckhöhej  aus  eiuem  graduirten  Irrigator  eiotliessen.  Das  in  das  Uectum  eiu- 
zuAlhrende  Ansatzstllek  besteht  am  besten  aus  Hartgummi,  Bein  oder  Glas,  hat 
eine  Länge  von  9 — 10  Cm.  und  endigt  vorn  in  eine  gut  abgerundete  fingerdicke 
Olive.  Die  Lichtung  darf  wegen  der  geringen  Ausfiussireschwindigkeit  des  Oeles 
nicht  zu  klein  sein.  Wichtig  ist  die  Wahl  einer  guten  Oelsorte.  Entstehen  nach 
der  Eingiessung  Schmerzen  am  After,  Rectum  oder  höher  hinauf,  so  sind  diese 
auf  die  sehleobte  Besehaffenheit  dce  Oeles  znrttekzuftthren.  Ks  empfiehlt  aieh,  fnnea 
Olivenöl  oder  das  billigere,  aber  durchaus  brauchbare  Molinf\l  oder  Sesaroöl  erster 
Pressung  in  Anwendung  zu  ziehen.  Die  Wirkungsweise  des  Oeles  ist  zunächst 
eine  physikalische  und  kommt  als  solche  schon  im  unteren  Dickdarmabschuitt 
zur  tielluQg,  indem  daa  Oei  feste  Kothmassen  von  der  Dannwaad  loslOst  und 
dureh  die  Bewegungen  des  flflssiu'  gemachten  Kothes  reflectorisch  die  Peristaltik 
anregt.  Weiterhin  wirkt  es  auch  chemisch.  r>ie  in  Wasser  unlöslichen  Be- 
standtheile  des  Kothes,  das  Cbolestearin  und  die  Fette,  werden  gelöst,  die  (ialleu- 


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188 


ÜARMINFUSION. 


harze  (Dyslysio,  Cholalsäure^  theils  erweicht,  theil»  gleichfalls  °:elöst.  Dadurch 
wird  die  Coasistenz  des  angestauten  Kotbes  eine  weichere.  Werden  dem  Dickdarm 
noeh  nnsenetste  Verdanungssifte,  iDibetondere  Oalle  and  panerMtiBehor  S«f%,  sa- 
gefuhrt, 80  wird  au  dem  Oel  Oelaftnre  abgespalten,  zugleich  verbindet  sich  das 
Alkali  des  PancreaHsaftes  mit  Fettsäuren  zu  Seife,  während  Glycerin  frei  wird. 
Diese  Stoffe  aber ,  Fettsäuren ,  Seife ,  Glycerin,  wirken  bekanntermassen  durch 
kräftige  Erregung  der  Peristaltik  evacaireud.  Schliesslich  kommt  nooh  die  Hem- 
mung der  Waeaerresorption  dureli  dae  Oel  in  Bekradit. 

I^ine  Indication  fflr  die  Anwendung  der  Oelklystiere  iflt  abo  gegeben  in 
allen  Zuständen  von  Stagnation  des  Rothes  bis  zum  Cöcnm  hinauf.  Reiz- 
erscheinungen, subjective  Beschwerden,  Koliken,  EntzUndungsprocesse  im  Dick- 
darm, Pr(Nstiti9f  Colitis,  Typhlitis,  taberkoMee  oder  fbroniadh  dysenterisebe  Pro- 
cesse  machen  die  Indication  zur  Oelapplication  nur  dringender.  Auch  bei  mechani- 
scher Behinderung  der  Kcthbewesrunp  durch  Tumoren,  Narben  etc.  ist  sie  ange- 
bracht, nicht  aber  bei  Dickdarmatiectionen  mit  motorit^cben  üoizerscheinungen, 
bei  denen  Dnnndarminbalt  mit  nnseraelsteD  Verdauangasäften  weit  beranter  in  dae 
Colon  gelangt.  Von  besonderem  Nutzen  wird  die  Oelanwendung  sein,  wo  gleicb- 
zeitifje  Mafien affcctionen  dir  Anwendung  von  Laxantien  verbieten ,  ebenso  bei 
anämiäc-heu  und  schlecht  ernährten  Patienten,  wo  durch  Laxantien  dem  Organismus 
noch  nützliche  Näbrstulfe  und  Verdauuugssäfte  entführt  würden.  Man  beginnt  die 
Cur  mit  400 — 500  Cm.  Oel  (bei  Kindern  60«-160).  Tritt  Unruhe  im  Darm  auf 
oder  ist  nach  3—4  Stunden  (eTentoell  nach  abendlicher  Application  am  Morgen) 
noch  kein  Stuhl  erfolo^t ,  so  bewirkt  man  dnreb  ein  Itldnes  Klysma  von  Wasser 
oder  Sternauisintus  Darmentleerang. 

In  gleieber  Weise  werden  die  Oeleinllnfe  Üglieb  wiederholt,  bis  man 
sicher  ist.  dass  das  Oel  auch  am  Ckicum  seine  Wirkung  entfaltet,  bis  also  das 
Maximiitii  der  0<'hvirkunfir  erreicht  ist,  weiches  charakterisirt  ist  durch  Abgang 
eines  Stuhles  von  der  BeschatTenheit  des  DUnndarminhaites ,  also  dQuubreiig  und 
nooh  nnzcrsetzte  Galle  enthaltend.  Dann  macht  man  eine  Pause  von  einem  oder 
mehreren  Tagen,  bis  kein  Oel  mehr  bri  der  DefiU»tion  entleert  wird,  oder  der 
Stuhl  anfangt  trocken  zu  werden,  oder  mehr  als  einen  Tajr  ausbleibt.  Auch  kann 
das  Quantuni  des  Oeles  auf  .JOü  -  2.')0  Cem.  reducirt  werden.  Häufig  genügt 
schliesslich  eine  zweimalige  oder  auch  einmalige  Infusion  in  der  Woche.  Bei 
bettlägerigen  Patienten  kann  man  ffie  Oeleingiessung  Morgens  vomebmen ,  bei 
ambulanten  empfiehlt  es  sich,  dieselbe  Abends  zu  maefaen,  da  es  nothwendig  ist, 
dasB  die  Patienten  nach  der  Infusion  mindestens  1  Stunde  in  Rückenlage  oder 
Va  Stunde  mit  erhöhtem  Becken  ruhig  liegen  bleiben.  Um  die  Wäsche  vor 
Besehmntzong  dureb  mit  den  Flatus  abgehende  kleine  Oelportionen  zu  sehtttaen, 
befestige  man  durch  eine  T-Binde  einen  Wattebausch  zwischen     n  Nates. 

Wir  .sind  schon  jetzt  in  der  Lage,  die  von  Flei.vkk  gerühmten,  gflnstigeu 
Wirkungen  in  ireeigneten  t'iUlen  vollinhaltlich  bestätigen  zu  können. 

Die  sehmorzstilleude  Wirkuug  heisser  Eingiessungen  bei  Affectionen 
der  Cnterldbsorgane  rühmt  Fobbst.  *)  Er  empfiehlt  bei  rechter  Seitenlage  Wasser- 
infuKionen  von  41 — 4.'><*C.  zu  machen,  welche,  wenn  sie  gleich  aufgestossen  werden, 
zu  wiederholen  sind,  bis  sie  längere  Zeit  zurückgehalten  werden.  Sie  haben  sich 
ihm  bewährt  bei  ><ierenkolikon,  Ovarialueuralgien,  Entzündungen  im  Liyamentutn 
latum,  bei  Metritis,  Dysmenorrhoe  ete. 

Eine  andere  wichtige  Bedeutung  gewinnen  die  Darminfusionen  insofern, 
als  die  resorptive  l'ähi^'kcit  des  Mastdarmes  in  Betracht  kommt  einmal  als  Hilfs- 
mittel für  die  Ernährung,  zum  anderen  al.<i  rationelle  Art  medicamentöser  Appli- 
cation. Beztlglich  der  Nibrklystiere  fand  Hdbeb  äxn  der  Diekdarm  twu  äimr 
einfachen  Gioremulsion  nur  wenig  resorbirt,  dass  die  Resorption  aber  weeentlieb 
gcstciircrt  werden  kann  durch  Kochsalzzusatz,  so  dass  sie  dann  der  peptonisirtcr 
Lier  nahezu  ^'Iciehkonimt.  l  ni  jeden  Reiz  zu  vermeiden,  darf  mau  nicht  mehr 
als  1  Grm.  pro  Ei  zusetzen. 


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DABMINFUSION.  —  DARMSTENOSE. 


189 


Auch  verwendet  man  zweck mfisRipr  nicht  mehr  als  2 — 3  Eier  zum  Klystier. 
Der  Darm  ist  selbstversUlDdiioh  1  Stunde  vorher  durch  ein  Waaserklystier 
XU  reinigen. 

IMe  ReflorptioosfUiif^keit  der  Teotolen  SeUeimhavt  fitr  Ssbe  hat  Oiaoha- 

NETZKT")  geprüft,  indem  er  dazu  die  leicht  nachweisliaren  Salze,  Jodkaliuni, 
Hiomkalinra  ,  I^itbium  carbonicuui,  benutzte  uud  ibr  erstes  Erscheinen  im  Speichel, 
ibr  letztes  im  Urin  teststuilte.  Er  fand ,  dass  die  Kesorptiunsfähigkeit  tiir  jene 
Salle  in  venoliiedener  LOsnng  und  Temperatur  mindeitens  so  groes  ist,  wie  die 
der  Magenschleimhaut.  Die  Jodkali amklystlere  worden  um  so  sehneUer  ausge- 
sohieden  (Endreaclion  im  Ham\  je  wärmer  sie  applieirt  wurden. 

Im  AnschluüS  hieran  sei  noch  der  rectalen  Application  von  Abführmitteln 
gedaeht.  Kohlstock^')  prüfte  In  dieser  Beziehung  einem  Vorsoblage  Hillbb's 
fül^rend  Aloin ,  Acidum  cothartinicum  p.  Senna,  Colocynthinum  purum  and 
Citrullin,  die  subcutan  zu  injicircn  sich  durch  starke  Scbmerzhaftig:keit  verbot. 
Der  V^orzug  der  rectalen  Anwenduogsweise  liegt  im  Fortfall  scb.ldlicher  Neben- 
ersebeinungen  und  der  Gewöhnung.  Die  Wirkung  iät  ausgiebiger  als  die  der 
Olyemkiystiere  f  die  ausserdem  noeh  btufig  listigen  Tenesmns  madlien.  Fflr 
leichtere  Falle  empfiehlt  sich  Aloin  zu  0*4 — 0*5  f Aloin  1*0,  Formamid  10-0) 
und  CathartiusJture  zu  ü  (>  lAcid.  catharti'n.  e  S^rinn  3"0.  jhj.  desfi/f.  7'0. 
Satr.  hicarb.  q.  s.  ad  read,  aical.j,  die  keinerlei  >ieiguüg  zu  Verstopfung  biuter- 
iSsst.  Far  schwerere  Fftlle  eignet  sieh  Colocynthin  an  0*4  (Coloeynthini  1*0, 
Alkohol,  Olyeerini  ana  12  0),  femer  Citrnllin  an  0  02  (Citrallini  2*0,  Alkohol, 
(i/i/cen'ni  ana  49 '0).  Die  Mittel  worden  aus  Kade's  Oraoien- Apotheke  in 
Berlin  bezogeu. 

Sehtiesslieh  sei  es  noch  gestattet,  die  der  Infbdon  yerwandte  LafteiB-> 
treibong  in  den  Darm  zu  erwähnen. 

DasK  sie  für  diiigriosfi^Jche  Zwecke  vor  der  Was-ifrciiiiricssimg  unleugbare 
Vorzüge  hat,  ist  im  1.  Bande  der  Kncyclop.  Jahrbücher  bereits  auseinandergesetzt. 
Ein  sehr  bemerkungwcrthei  diagnostisches  Ergebnisa  von  auafschlaggebeuder  lie- 
deutang  hatte  sie  in  einem  Falle  Goodbidob's.  i>)  Bei  dem  47jibrigen  Patienten 
halte  pich  durch  Perforation  eines  Carcinoras  der  hinteren  Magenwand  eine  Magen- 
col<  ntistcl  {gebildet.  Wurde  nun  der  Darm  durch  Luft  aufgetrieben,  so  bl.ihte  sich 
zuerst  das  iS  Hunianum,  dann  sogleich  der  Magen,  erst  viel  später  und  in  geringem 
Mafse  das  Ctteom.  Ucbrigens  wurde  die  Disgnose  dadurch  uotersttttxt ,  dass  ein 
Theil  der  Mageospalflaseigkeit  durch  das  Rectum  abfloas. 

Literatur:  ')  Cantani.  üpber  Darnuultisepsis.  Verhnndl.  des  Congr.  f.  innere 
Med.  I61K).  —  Cantani,  Berliner  klin.  WocheuBchr.  1892,  Nr.  ;}7.  —  »)  Rovijchi, 
Die  .■Vethorschwefelsaure  itii  Uarn  und  die  Darmdesinfettiun.  Zeitschr.  f.  phy.siol.  Chemie.  XVJ, 
Ueft  1  uudii.  —  *>  Backhaus,  Dentache  med.  Wocheaachr.  1889,  Mr.  29.  —  ^)  Caotaai, 
Wilnneentstehan?  mittelst  reichlichen  Trinkens  und  mittelst  kalter  Bnterodjse.  Berliner  ktin. 
Woehenschr.  isfld,  Xr  'ü  -  ")  Bachmiinn,  Now-Vork  med.  Kerurd  1H>0,  Nr.  13. 
')  Larrat,  Uu  tnnttnunt  de  1'ucclu.sion  intottinali'  par  l'^hctficite.  liuUet.  de  l'Acad.  1889, 
XXI'.  — >  ")  Fl  ein  er,  Ueber  die  Behandlung  der  Constipatiou  und  einiger  Dickdarmaffectionen 
mit  jjros.«en  Oelklystieren.  Berliner  klin  Woehenschr.  1893,  Nr.  3  4.  —  '•')  Fore.st,  The  reliej 
o/ pelcic  aiid  ii/xlnoiiiKif  pnin  hij  hot  Colon  iliichrs.  New- York  med.  Uec.  1891,  Mai.  — 
*•)  Hober.  llpher  Nahrkl.vstierc.  Corrcsp.-Bl.  f.  Schweizer  Aerzte.  1S9Ü,  Nr.  —  "i  n|  s(  ha- 
netsky,  Ueber  die  Hesorptionafäbigkeit  des  Mastdarmes.  Deutsch.  Arcb.  f.  klin.  Med.  XLVUl, 
Heft  5.  —  ")  Kohlstock,  Ueber  sabcataoe  nnd  rectale  AavnduDg  von  AbfBhraittdIn. 
f'hariti- Ai.nalon.  XVH.  —  Qoodridge,  Case  of  ffostnheolie  ßatula  trith  rtmark».  Mi, 
med.  Journ.  l>9ü,  Mai.  Ti,  Rosen  he  im. 

D3rniSt6n086.  iJezü^rlicli  der  mehr  chronisch  \ erlaufenden  F'ormen  der 
Darmverengeruug  lua^r  zunächst  eini;.'er  in  fttiolojfischer  Hcziclmng  bemerken.^ 
wertber  neuerer  Mittheilungen  Erwähnung  gethan  werden.  Komg  ^)  leukt  auf  die 
stricturirende  Tuberkulose  des  Darmes  die  Aufmerksamkeit.  Die  Striotur 

war  in  den  Füllen  KiWig'.s  sehr  eng,  ihre  Ausdehnung  in  die  Liinge  zwischen 
0*5  und  ti'O  Cm.  Ot.crhalb  der  Verengerung  fand  sich  der  Darm  erweitert  und 
hypertrophisch,  unterhalb  derselben  eng  und  atrophisch.    Die  Patienten  standen 


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190 


DARMSTBNOSB. 


in  dem  Alter  voo  24 — 33  Jahren,  nur  eine  war  schon  über  50  Jahre  alt,  alle 
blass  und  mager.  Abgesehen  von  den  ständigen  Störungen  der  Stuhlentleeruug 
leiden  die  Knuiken  aa  meirt  aofalltweiBe  «uftreteaden  SchmenfttbuineD,  wUtrend 

deren  sich  der  Leib  auftreibt  und  darch  die  Bauebdecken  wurmartige  Bewegungen 
de3  gefüllten  Darmes  erkennen  Iflsst.  Gleichzeitig  hört  man  plätschernde  und  eigen- 
thUmlicb  musikalisch  klimpernde  Geräusche ,  welche  schliesslich  aufhören ,  indem 
der  Darm  eindokt  mit  einem  Tone,  ^e  er  entotebt,  wenn  FIttssigkeit  mu  einer 
Spritze  entleert  wird :  die  Fäcalflüssigkeit  ist  durch  die  kramp&rtigen  Contraetionen 
des  Darmes  diiroli  die  enge  Stelle  hindurchgedrilckt.  Auch  ausserhalb  der  Anfülle 
war  der  Bauch  meist  aufgetrieben,  bald  tympanitisch ,  bald  an  einzelnen  Stellen 
•tirker  ▼orgetrieben  nnd  beim  Bddopfen  an  dieien  Stellen  eigentbltmlioh  plAtaebemde 
Oertusche  bietend.  König  glaubt«  dass  sich  danaob  mit  grorner  Wahrscheinlichkeit 
eine  stricturirende  Darmtuberkulnse  wird  annehmen  I:is>cn  .  wiMin  sich  die  Darm- 
beschwerden langsam  entwickelt  haben,  oder  auch  nach  iaii^rcrcn  Pausen  in  ver- 
stärktem ftiasHb  wieder  auftreten,  wenn  im  V'urdergrunüe  der  Erscheinungen 
Kolikanftlle  mit  dem  geseUlderten  Bilde  sieben,  sumal  bei  Personen  in  den 
Zwansiger-  und  Dreiasiger-Jahren.  Die  Diagnose  wird  um  so  sicherer,  wenn  die 
Kranken  allmUlig  blass  und  mager  geworden  sind  und  winn  hI«'  anderwfitige 
Zeichen  von  Tuberkulose  bieten.  Indens  scheint  uns  doch  da-^  von  Kumg  gezeichnete 
Bild  sieb  so  sebarf  von  dem  der  ebronisohen  Verengerung  aus  anderen  Ursaoben 
nicht  zu  unterscheiden  ,  dass  die  Diagnose  dort ,  wo  sonst  fDr  Tuberkulose  kein 
Anhalt  ist,  mit  Sicherheit  7.n  stellen  wHre.  Die  Resectioa  der  verragten  Darmpartie 
hat  in  3  von  5  KäUeu  zur  Heilung  geführt. 

Einen  eigenartigen  Fall  von  narbiger  Darmstenose  theilt  Garbä*)  mit. 
Diesdbe  batte  sieb  nnmittetlmr  im  Anschlüsse  an  eine  dnreb  die  Heroiotomie 
gelöste  Inrarceration  einer  Ileumschlinge  gebildet,  mi  1  ihre  Beseitigung  erforderte 
9  Wophcn  imch  der  lleruiotomie  die  lleseetion  einer  -11  Vm.  langen  Darmschlinge. 
Suichü  ^^trictu^cn  künuuu  nach  vorubürgelicndeu  Kiuklemmungun  iu  doppelter  Weise 
eotsteben:  1.  Cirenläre,  sebarf  abgegrenzte  Sebnflrfnreben  mit  klappeoartig  vor- 
springender Schicimbaat,  entstanden  ans  Deenbitalgesebwflren  der  Sebnürrinne  des 
eingeklemmten  Dannes:  .lusserc  oder  peritoneale  Darrast  rieturen. 
2,  Canalförmige  >iarben8trictureu  ohne  .Schleimhautau^klcidung  als  Folge  einer  aas- 
gedebnten  Sebleimbantneerose:  innere  Narbenstenosen. 

Auf  die  ausserordentliehe  Bedeutung  ehroniseber,  |)artiell -peritonitischer 
Processe  für  di«-  Behinderting  der  Defilcation  hat  VlKCHOw  bereits  iSäS  nachdrück- 
lichst hingewiesen.  In  einem  Falte  Bioxnrs -J  gelang  es,  bei  einer  31jilhrigen  Frau, 
die  bei  lOjährigem  Aufenthalte  im  Kloster  eine  vorwiegend  sitzende  Lebensweise 
gefObrt  batte,  eine  Obatipation,  bei  welebw  selbst  stärkste  Drastiea  Stnbl  nicbt  mebr 
erzwingen  konnten,  o))erativ  zu  beseitigen.  Es  zeigte  sieh  bei  der  Laparotomie, 
dass  das  stark  dilatirte  Cofint  frnnsvfrititm  durch  ein  geseliriimjittes  Mesenterium 
im  Anyulus  si/lenious  fixirt  war.  An  der  untsprecheuden  Stelle  hatte  man  durch 
die  Baaebdeeken  bindnreb  einen  kleinen,  karten,  scbmencbaften  Tomor  palpiren 
können.  Die  Durehtrennung  des  Hindernisses  hiüte  einen  glänzenden  Heilerfolg. 

Dass  in  hölitTeni  Alter  maligne  Tumoren  eine  niolit  zu  seltene  Trsache 
für  Darmverenguugun  abgeben,  ist  bekannt.  Dass  aber  das  jUngere  Lebensalter, 
wie  aneb  bei  Garoinomen  anderer  Organe,  niebt  absolut  die  Annahme  eines  Darm- 
krebses verbietet,  zeigt  ein  Fall  Lbgrand's  «),  weleber  einen  20jäbrigen  Mensehen 
betraf.  Bei  diesem  ergab  die  Section  als  rrsarlie  einer  mit  Peritonitis  COmpUoirten 
Darmocclnsion  einen  perforireiulen  liingkrebs  im  .S  lloinnnitm. 

Hierbei  mag  gleich  darauf  hingewiesen  sein .  dass  unter  den  malignen 
GescbwQlsten  nor  die  Oaroinome  dureb  ibre  Neigung,  Darmverengerungen  berbei- 
zufdhren,  ausgezeiehnet  sind.  DifTerentialdlagnostiseh  ist  dies  von  Bedeutung  gegen 
über  den  Sareomen.  Diese  -tellHti  ;:iit  abirretizl»are  Tumoren  dar,  ausgezeichnet 
durch  rasches  \N  aubsthum,  uud  bleiben  verbültuissmftssig  lauge  beweglich.  Sarcume 
entstehen  vorzugsweise  im  3.  und  4.  Lebenojabrzebnt,  meist  bei  mäoniteben  Personen. 


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DARMSTENOSE. 


191 


Charakteristisch  für   sie  ist  die  ausserordentlich  g^erinpre  Intensitüt   localer  Be 
scbwerden  im  Gegensatze  zu  dem  rapiden  Kräfteverfall  und  der  sobnell  eintretenden 
Caehezie,  besonderB  aber  du  Fehlon  von  StenoMoersdieiniuigeii.  Bd  der  frllhseltig 
auftretenden  MetaetasetibildaDg  ist  von  eiaer  Bz8tiri»ation  der  DarmgeadiwidBt 
abnirathen  (Madeldng 

Dass  auch  eine  Maffenerweiterung  zu  vollständi^^era  Darmverschluss  führen 
kann,  lehrt  ein  Fall  von  Mkykr  in  welchem  die  Ectasia  ventriculi  et  duoäeni 
80  enorm  war,  dau  dadurch  der  Hbriga  Darm  oomprimirt  und  das  Dnodennm  im 
letsten  Drittel  abgekniekt  wurde,  was  Ileus  rar  Folge  hatte. 

Häiifio^er  ist  das  umgekehrte  Verhalten,  dass  die  Magwerweiterung  eine 
Folge  der  Duodcnalstenose  ist.  Bei  der  Seltenheit  der  letzteren  sei,  sumal  die 
Diagnose  immerhin  einige  Schwierigkeiten  bietet,  hier  etwas  näher  auf  dieselbe 
eiDgegang«Q. 

BOAS^)  berichtet  Uber  drei  hierher  gehörige  PlUe.  Der  erste  betrifft 
einen  28jShrigeu  Mann,  der  froher  eine  Magenblutung  gehabt  hat  und  seit  einem 
halben  Jahre  alle  2 — ?>  Tasre  etwa  einen  halben  Liter  gelblicher,  bitter  und  fade 
schmeckender  Flüssigkeit  erbricht.  Der  Mageninhalt  war  nur  schwach  sauer, 
gelegentlich  nentral,  enthielt  keine  SalzsftoTe,  verdante  aber  ohne  jeden  Znsats 
Eiweiss  energisch.  Der  zweite  }\itient,  ein  30}ähriger  Mann,  hatte  von  Kindheit 
auf  an  Diarrhoen  und  galligem  Erbrccben  trclittcn.  Aus  dem  anj«eheinend  nicht 
vergrüsserten  Magen  wurde  auch  nüchtern  galtiger  Inhalt  von  neutraler,  respective 
alkalischer  Reaction  and  vorzüglicher  peptisoher  Kraft  entleert.  Die  SÜhle  waren 
von  schmierig-lehmiger,  fast  thoaKhnlieher  Beschaffenheit.  Durch  Magenausspttlung 
trat  Besserung  ein,  der  Mafjeninhalt  wurde  pauer  gefunden.  Der  dritte  Fall  betrifft 
einen  H2j:i}iriir<Mi  Manti,  bei  dein  die  Sondeneinführung  einen  permanent  galligen 
Inhalt  mit  ullcu  Eigeuschafteu  des  Duodenalchymus  ergab,  auch  im  nüchterneu 
Zustande  wurden  50 — 100  Oom.  einer  derartigen  Flllssigkeit  entleert.  Auch  hier 
war  der  Roth  lehmig.  Die  Ursade  in  den  beiden  letzten  Fällen  ist  dunkel,  jeden- 
falls gutartiger  Natur,  im  ersten  ist  sie  wohl  durch  ein  L'Iciig  des  absteigenden 
Astes  bedingt.  Eine  directe  Lebensgefahr  ist  in  dem  Uücktlusse  des  Duodenal- 
inhaltec  in  den  Hagen  nicht  gegeben;  bedenklich  würde  der  Zustand  nur  dann, 
wenn  Abfloss  oder  Bildung  des  pancreatiscben  Saftes  in  Folge  einer  Erkrankung 
des  Pancreas  ixehinderf  wilre.  De-halb  ist  Werth  darauf  zu  legen,  drts?  hei  (iallen- 
rückäuss  in  dun  Magen  aut  die  Gegenwart  von  Pancreassafc  untersucht  werde. 
Therapeutisch  werden  MagenauaspUlungen ,  respective  Entleerungen  der  galligen 
Massen  durch  die  Sonde  am  Platte  sein.  Fflr  die  Diagnose  ist  hervorsuheben, 
das.s  eonstantes  Auftreten  von  Calle  im  Mageninhalte  mit  grösster  Wahrscheinlich- 
keit t'ilr  eine  Steno-ie  im  absteigenden  Schenkel  de.s  Duodenum  spricht.  In  dem 
2sachweisQ  des  pancruatischen  Fermentes  siebt  Boas  ein  Mittel,  i'ancreaskrank- 
heiten  als  stenosirende  Ursache  au  diagnostidren. 

HOCHBAQS^)  hat  sich  in  drei  Fällen  von  Magenerweiterung  nach 

Duodenalstenose,  die  er  beobachtet  hat,  über  die  Aetiologie  durch  die  Section 
Gewissheit  verschafft.  Im  ersten  Falle  war  im  Magen  weder  rjalle  noch Darniinhalt  nach- 
weisbar gewesen.  Die  Verengerung  des  Duudeuum  geschah  unmittelbar  hinter  dem 
Pyloms  durch  eine  fOr  den  kleinen  Finger  nicht  durchgängige  Strietur  dureh  binde» 
gewebige  Adhäsionen,  die  sieh  nach  der  primär  erkrankten  GallenUase  hinOberzogen. 
Im  zweiten  Falle  war  im  Mageninhalte  (lalle  reichlich,  anfangs  neben  freier  HCl 
vorhanden.  Die  Passage  wurde  durch  einen  grossen  Gallenstein  im  Anfaugstheile 
des  Jejunum  verseblossen.  Auch  im  dritten  Falle  machten  Narbenstringe  von  der 
Gallenblase  her  die  Strietur  im  unteren  Theile  des  F^uodenum.  Das  Erbrechen 
war  gallig,  enthielt  alier  stets  freie  IH'l.  Die  diagnostisch  wichtigsten  Merkmale 
für  die  tiefe  Duodenalstenose  sind  reichlicher,  galliger  Mageninhalt, 
auffallender  Wechsel  im  Verhalten  des  HCI-Gehaltes  und  der 
Verdanungstflehtigkeit  des  Magensecretes,  reichliches  Erbrechen, 


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192 


DABMSTENOSE. 


trotz  8orgni(%er  Map^enanf)^^p(llan^ ,  nod  in  AnftiaiieBtiseher  Besiehnng  £r- 

kraukung  der  Gallenwege. 

Das  klioisehe  Hauptinteresse  nimmt  unter  den  hierlier  geborigen  Oegen- 
stilnden  natofgemAss  die  Ileusfrage  Dir  sieli  in  Anspmehf  deren  Staod  sich 

zit'inüeli  prSjrnant  in  den  Verhandlungen  des  VIII.  Conpresses  für  innere  Medicin 
kennzeicbüete.  Lkichtkn'STErn ')  unterscbeidtit  einen  mechan  isciiea  Ileus 
(Unterbrechung  des  Kothlaufes  durch  ein  mechanisches  Hinderniss),  einen  dyn ami- 
sehen, bedingt  dnreh  Hangel  an  Triebkraft,  und  einen  medianiseli>dynamisehea. 
Die  Hauptursacbe  des  dynamischen  (oder  paralytischen)  Ileus  ist  die  acute  oder 
cbronis^chü  Peritonitis,  insbesondere  die  Perityphlitis:  ferner  kann  der  Heus  durch 
Kothobturatiun  des  Colon  in  Folge  priintLrer  Insutlicienz  und  Paralyse  deasolheu 
berbeigefOhrt  werden.  Eine  wichtige  Rolle  spielt  die  Darmllhmnog  bei  Erteugung 
der  definitiven  Kothstase  olin  lialb  von  Stenosen  des  Darnirohres,  in  einer  Keihe 
anscheinend  acut  auftretender  Incarcerationen  ist  dieses  Moment  bedeutungsvoll, 
indem  einmal  ein  unvollständiger  mechanischer  Verschluss  durch  Paralyse 
der  eingeklemmten  Schlinge  bis  zum  Stillstände  des  Kothlanfes  gesteigert  wird, 
dann  die  Darminsufiioiens  als  enten  Yoi^r^ng  der  Strangulation  nach  sieh  sieht 
Pralctiscb  wiehtip  ist ,  dass  eine  Stenose  l.'lnprere  Zeit  latent  bestehen  kann  und 
pKitzlich  dureh  eine  mechanische  Obturation  oder  dnreh  Hinzutritt  einer  Aehsen- 
drebung  Ileus  sieh  einstellt;  der  acute  lleuü  beweist  alt»o  noch  nicht,  dasa  ein 
vnnig  normaler  Darm  eingeklemmt  wurde.  I^e  aente  Ineareeration  einer  Darm- 
sebiinge  geht  in  Fol-jo  der  Circulationsstörun-ren  mit  Paralyse  einher,  wodurch 
totale  StnuuniL'-  dos  Rothes  Stets  herbeigeführt  ist,  auch  liei  nicht  compietem 
mechauischcn  Verschluss. 

Die  Diagnose  hat  die  Aufgabe,  neben  der  Feststellung  des  llena  als 
solchen,  den  Sit/,  des  Verschlusses  zu  specialisiren ;  beim  Oiekdarmverscbluss  sind 
Beilinn  uiul  Verlauf  weniger  aeut.  Erbrechen  erfolgt  spfiter  und  wenig»  r  hilutig, 
Kotherbreeheu  ist  seltener  als  beim  Dünndarmverschluss.  Der  Meteorismus  ist 
zunächst  auf  den  Colonrahmen  beischrankt,  während  beim  DUnudarmversebluss 
besonders  dentliebes  Siebt-  und  Foblbarwwden  sahlreieher  sich  steifender  und 
lebhaft  bewegender  Damisehlingen  lieaehtenswcrth  ist.  Die  anatomische  Ursache 
des  Verschlusses  bleibt  am  Krankenbette  meist  undurchsichtig,  am  exaete^teu 
können  noch  liernien,  Verschliessungeu  des  liectum  uud  luvagiuatioiien  diaguosticirt 
werden.  Das  Zustsndekommen  des  Kotberbreebens  hält  LBiCBTKNSTfiitN  fttr 
g(  ntlgend  erklärt  ilnrch  Rtgurgitation  stagnirender  und  in  Fftulniss  uIh  ru-cgangener 
inlialtsniassen  der  oIktcu  Darmabschnitfe.  Der  Transport  aus  tiefeicn  iJarmpartien 
ist  .seltener  uud  vollzieht  sieh  nach  einfachen  mechanischen  Gesetzen  bei  lebhafter 
Darmperistaltik  und  Unterstützung  der  Bauchpresse.  Indieanurie  (s.  Bd.  V, 
pag.  110)  findet  sieh  regelmSssig  bei  Verseblnss  des  Ileums,  fehlt  bei  einfachem 
\'crs('liluss  des  Oidims.  kann  dagegen  bei  sc  h  w  e  r  e  n  Ineareeratinrisersclicinungen 
auch  des  I lickdaruics  auftreten;  sie  fehlt  bei  sehr  liochlieuendeni  Verschluss  im 
Düuudaruje.  Kiu.-^tlin  '"j  suciitc  der  Losung  der  Frage,  wie  das  Kolherbrechen 
zu  erklaren  sei.  auf  experimentellem  Wege  näher  zu  kommeo.  Er  fand,  dass  der 
Hund  Ileus  nach  Darmcinklemmung  bekommt,  wfthrend  er  der  einfachen  glatten 
Darniftcclusion  gegi-nillfer  eine  erstaunliche  Toleranz  zeigt.  Ks  ergiebt  sieh,  dass 
läculeutes  Erbrechen  zwar  als  blosse  mechanische  l  olge  Her  unterbrochenen  Durch- 
gflngigkeit  des  Darme;«  durch  üeberlsufen  zu  Stande  kommen  kann,  uamentlieh 
bei  hrdierem  Sitze  des  Verselilus^cs.  I)er  eigentliche  acute  licusanfall  mit  seinem 
stürmischen  \'erlaufe.  seinen  charaktcristischeu  I »cpressionser.^i  lRMuungcn  ist  aber 
weit  weniger  abh.*lngig  von  der  Verlegung  der  Passage,  als  von  der  Misshandlung 
des  Darmes  durch  den  Brucbreiz,  die  auf  dem  Wege  des  Ketlexes  mindestens 
dessen  oberen  Abschnitt  in  seineu  zweckmässigen  katastaltischen  Bewegungen 
atdrt.  Die  Frage  der  AntI Peristaltik  hat  KinsTKix  so  gi  jtrUft,  dass  er  Hunden 
grössere  Stücke  des  Darmes  reseoirte  und  in  umgekehrter  Lage  wieder  einn.lhte. 
Die  Thiere  haben  nie  erbrochen   und  ihre  normalen  Filces  entleert.   Die  einige 


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DARMSTENOSE. 


193 


Moimte  spiter  bei  der  Seetioo  oonstutirte  IMbitetion  oberhalb  der  eing^nlbten  Partien 

.spricht  vicllt  ieht  dufOr,  dasH  die  umgekehrten  Darmstücke  unter  dem  physio- 
loiri^iclitn  llt'iz  der  Ing-esta,  weni;?stfns  zeitweise,  antiperi8taIti^i<•l!  frearlicitft  haben, 
daher  oberhalb  der  Nahtstelle  Stockung  des  Transportes  und  Diiatattoa.  In  einem 
Falle  Rosbnstbin's  X),  in  dem  frmlieh  Ilens  nieht  vorlaK,  i»t  das  RethArbreehen 
oiebt  gut  anders  ah  durch  einen  Jfotun  antipertslalticus  za  erklirea.  Ein  sonst 
}r<'siindtT,  9jahri^er  Kun^e .  i]f-^seii  Drfiloatioii  eine  durchaus  rf^o^elmässige  war, 
bclvam  wiederhidt  Anfillio  tetanischrr  Natur  mit  'l'rissiiius  ,  Opisthotonus,  in  denen 
er  geformte  Kothbulleu  durch  den  Mund  entleerte,  während  häufig  gleichzeitig 
per  annm  Stahl  entleert  wurde.  Es  mass  also  von  irgend  einem  Punkte  des 
Darmes  ans  nach  abwArts  eine  peristaltisehe,  naeh  oben  eine  aotiperistaltisehe  Be- 
wegong  statt^i'fnnden  haben. 

UebrigeuH  kaou  gelegeotlich  bei  bestehendem  Heus  t'äculeutes  l^rbrecheu 
sammt  den  llbrigen  Einklemmnngserscheinnngen  ginslieh  fohlen,  wie  in  ebem 
Falle  Tocchabd's  '-),  w<»  die  Diagnose  intra  vitani  unmö-jlich  liatte  gestellt 
werden  künnpn ,  da  der  Leil)  stets  wcicli  .  sclinierzl"^  .  nicht  auffretriebcn  war, 
nur  nach  dem  Essen  und  nie  fiiculente  Massen  erbrochen  wurden ,  und  während 
der  ganzen  Beobachtungszeit  Diarrhoen  bestanden.  Die  Seetion  wies  tan»  Ein- 
klemmung im  untersten  Thmte  des  Henm  mit  Gaogrin  eines  grosseren  Darm- 
stfli&es  nach. 

Eine  andere  für  das  Verstündniss  der  Erscheinunfren  des  Ileus  und 
besonders  auch  für  die  Diagnose  nicht  unwichtige  Frage  ist  die  des  Meteorismus 
und  der  peristsltisehea  ünrahe  oder  der  Bewegliehkeit  der  Dirme.  Bekanntlieb  zieht 
sieh  der  unterhalb  der  Einschnürunii^-fstelle  gelegene  Darmtheil  schnell  zusammen 
nnd  entleert  seinen  Inhalt,  der  oberhalb  gele^'ene  dafregen  dehnt  sieh  durch 
Ansammlung  von  Kothbcstaudtheilen  und  liasen  schnell  aus,  es  kommt  so  zuui 
aligmneinen  Heteorismns.  Der  Darm  zeigt  dabei  in  mehr  oder  minder  langen 
Panseo  peristaltiscbe  Bewegungen  von  geringerer  oder  grosserer  Intensität ,  um 
schliesslieh  bei  vftlligem  Erli'>schen  der  Beweglichkeit  in  einen  L'-elnhmten  Zustand 
zu  verfallen  s.u.  A.  S<'ni>AX«K In  frischen  Fällen  von  8tranguIation,sileus  wird 
man  hei  .sorgsamer  Untersuchung  noch  vor  Ausbildung  de«  allgemeinen  Meteorismus 
auf  ein  anderes  diagnostiseh  wichtiges  Symptom  stossen,  auf  das  v.  Wahl  >*)  und 
seine  Schüler  ein  besonderes  Oewieht  legen.  Nach  ihrer  Lehre  kommt  e.s  in  der 
a^iiresehnfirten  Sehlin^re  selbst  diin-li  Iichindenin^  nnd  rasche  Zersetzung  des 
Inhaltes  zu  rapider  Auftreibung,  Spannung  und  Lähmung  der  Durmaiusculatur, 
es  entsteht  also  ein  ioealer  Heteorismns  in  der  eingeklemmten  Sehlinge, 
welche  dadurch  sowohl  der  Inspeetion  wie  der  Palpation  zugiinglich  wird. 
V.  ZoPXJE  M&NTBDPFBi.  hat  ein  der  v.  WAHL'schen  Lelire  entsprechendes  Schema 
aufgestiillt : 

I.  Strangnlationsiletts. 
Pathologisehe  Veränderung:  Klinisehes  Symptom: 

1.  Localiflirter   Meteurismus ,    Blähung     1.  aj  Asymmetrien  am  Abdomen. 

der  strangnlirten  Sehlinge.  b)  Localisirte  Resistenz. 

2.  Ischämische  Darmlähmnng  der  stran-     2.  Vollkommene  Ruhe  der  der  Hauch 

gulirten  Schlinge.  wand  anliegenden  Schlinge,  keine 

Peristaltik. 

In  diese  Kategorie  zählen : 

1.  Volvulus,  Knotenbildung.  Dreliuntr  um  die  Meseuterialachse. 

2.  Abschnllrung  durch  Bänder  und  Divertikel. 

3.  Incarceratioa  in  präformirte  Oeffaungen. 

4.  Inragination. 

Ba^lop.  JahiMeber.  in.  13 


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194 


DARMSTENOSB. 


II.  Obtarationsileua. 

Patholo^i!5rhcr  Ik-fund:  Klinisches  Symptom: 

1.  Mettorisnnis,  Ijedingt  durch  StauaDg     1,  Nachweisbare  Asymmetrie,  palpable 

oberhalb  de»  Hindernisses.  Resistenz  bei  O.  des  Dickdarmes. 

B«  0.  des  Dflnndarinefl  diffuse  Aaf> 
treibung. 

2.  aj  Keine     erhebliche    CirouUttona»    2.  a)  Perotalük  siebt-  oder  fühlbar. 

sti'.run;;. 

b)  Hypertrophie  der  Darmmuscnlatur        b)  Peristaltik  sehr  lebhaft, 
oberhalb  des  Hinderoisses  bei 
ehroniBchen  Formeo  des  Diek- 

darmes. 

Zu  dieser  Gruppe  gehören: 
1.  Stricturen. 

3.  Drehaog  um  die  Dannaelise. 

.3.  Obstructiou  durch  Neubildung  und  FremdkSrper. 

\.  Compression  durch  Tumoren  etc. 

1\ADER"^)  hat  die  Richtigkeit  der  v.  Wahl  sclicn  Anschauung  durch  das 
Thierexperiment  geprüft  und  bestätigt  gefunden:  allerdings  entsteht  aiieh  ober- 
halb der  BiluehDflning  eine  meteorlstisehe  Anftreibung,  aber  wst  viel  spftter  und 

nie  in  der  Intensität  wie  in  der  einf^cschndrlen  Schlinfre  selbst.  Auch  von  anderer 
Seite  haben  «ich  Hesf jlti?un;reu  dieser  Lehre  kuiuL'-c^'cheu.  8o  {rclaiiü-'  es  unter 
Anderen  Iürael  in  einem  Falle  bei  leisem  lierubertahren  Uber  die  liauchwand, 
die  gebiahte  Schlinge  sn  fühlen.  Die  Operation  bestätigte  die  Richtigkeit  der  Diagnose. 

RosKNBACH  macht  auf  eine  mehr  in  prognostischer,  als  in  diagno- 
stischer Beziehung  wichtifre  FarltstoffrcictiHn  des  ILirne-i  aufnierk-!aui.  Kocht  man 
den  Urin  mehrere  Minuten  unter  beständigem  Zusatz  vuu  i>alpeter;»aure,  so  eotstebt 
*eine  bnrgundwrothe  Färbung,  die  im  durchfallenden  Lichte  manchmal  blauroth 
erseheint  und  rothvioletten  Sebaum  giebt:  dabei  trflbt  sich  die  Flüssigkeit  durch 
ausfallenden  bmunrotheu  Farbstofl".  der  iu  AcIIkt  ir..slich  ist.  Zu  rei<  hliehcr  Zusatz 
der  S.lure  verwaudelt  d;is  Roth  uuter  Aufbrau-;cn  iu  llMtli^ell»  uud  Cielli.  Durch 
Neutralisation  mit  Ammuniak  oder  2sulr.  carbun.  treten  biaurutiie,  sicli  bufurt 
lösende  KiederschUge  auf  und  die  FIflssigkeit  wird  rothbrauo.  Der  Farbstoff 
bildet  sioli  also  nur  in  siedender  Salpeteri^äure.  er  i>t  der  resistenteste  unter  den 
Urincbromogeneii.  In  alliMi  F.lllcn  war  neben  diesem  Färbst«"^'  reichlich  ludican, 
häufig  acetonlildeude  Substanz  anwenend.  iiosix  gelang  us,  den  rotheu  Farb- 
stoff als  Indigrotb  zw  erkennen  und  rein  darzustellen;  neben  diesem  kommt  daun 
noch  eine  braune,  in  Alkalien  Ißsliche  und  dann  nicht  in  Aether  übergebende 
Tcmponente  in  Hetradit.  Diese  letztere  ist  eine  Mischung  von  Indigobraun,  Uro- 
biliu  uud  Mtroproduetcn  des  rhenuLs. 

RosEXBACH  betont  gegeuQber  Ewald ^o},  Abkaham-')  u.a.,  daas  die 
Entstehung  jener  Reaction  nidbt  auf  Zersetzungsvorgänge  im  Dann  cnrflekinf&hren 
ist,  sieht  sie  vielmehr  au  als  Zeichen  des  Zerfalles  von  Organeiweiss.  als  Zeichen 
erschwerter  Kiweisaunisetzuntr.  Nicht  der  Darm  an  sich,  sondern  alle  (Jowebe, 
die  Eiweiss  spulten,  besonders  wohl  Pancreas  und  Dariudruseu,  sind  unter  diesen 
Umständen  Bildner  des  Indigo  uud  der  Muttersnbstans  des  rothen  Farbstoffes. 
Die  besprochene  Reaction  ist  deshalb  erst  in  zweiter  Keihe  Symptom  einer  be- 
stimmten <  Jriranerkrankuti^r :  in  erster  Linie  ist  sie  ein  Zeichen  des  allfremein  ge- 
st<irten  Stoiiwechseis ,  erlaubt  deshalb  auch  mit  grosserer  Sicherheit  einen 
prognostischen  als  änen  diagnostisehen  Sehluss. 

Hei  Vorbandensein  einer  Stenose  des  Darmes  ist  die  Ocolusion  nicht 
vermindert,  so  lange  die  Keaction  angetroHen  wird.  Nach  Operationen  zur  Hebung 
eiuer  F.ntero>teiM'se  zeigt  das  anhaltende  Vorkommen  der  Keaction  das  Misslingen 
der  Operation,  d.  h.  das  Fortbestehen  der  Darminsutlicieuz  au  .  da  beim  Eintritt 


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DARMSTENOSB. 


193 


noraaler  N'erbältnisse  8chon  nach  24  Standen  eine  Abnahme  oder  ein  Venchwinden 
der  Färbung  constatirt  werden  muas. 

Bezüglich  der  Therapie  betont  BoaBtUACB,  daas  man  in  prophylaetisehem 
InteresM  den  Prodromalerscheinungun  mehr  Beachtung  schenken  mass.  Naeh 
seiner  Auffas'^nnjr  kommen  die  EinklemruungRerscheiuun?:eu  Itberhanpl  erst  dann 
zur  Beobacluun;;,  wenn  die  Compensationsapparate  insuffieient  werden.  Abgetjehen 
von  Embolie  der  Arterien,  Brucheinklemmungen,  haben  sich  die  Zust&nde,  die 
zur  Bntwieklong  des  Bildes  des  üens  führen ,  sehon  lange  im  Verborgenen  vor- 
bereitet  und  haben  zu  einer  Ausbilduüg  der  Compensation8einrichtung:en  geführt. 
Das  Bestehen  einer  Darmverengerung  wird  schon  lan-re  vorher  durch  Prodrome 
angezeigt :  Häutige  meteoristische  Auftreibungen,  schmerzliafte  Koliken  mit  Brech- 
neigung, die  nur  geringe  Besserung  selbst  naeh  erfolgtem  Stuhlgänge  erftbrt, 
\N't>ehsel  in  der  Consistenz  des  Stuhlganges  und  Anftreten  von  Diarrhoen  naoh 
den  Anfällen.  Diese  Atta(}uen  sind  nur  vorübergehende  Compensationsatörungen. 
Tritt  nun  eine  Darmstenose  ein,  so  kann  die  Ck)mpen8ation8eiarichtuDg  normal 
ansreiehend  sein  oder  sie  ist  insuffieient;  in  letzterem  Falle  kann  man  relative 
und  absolute  Insufficienz  unterseheiden.  Bei  jeder  dieser  Möglichkeiten  sind  die 
Folgen  des  Darmverschliis.ses  verschieden.  Bei  der  absoluten  Darminsufticienz 
fehlen  paroxysmale  Sehinerzanftille ,  die  durch  energische  Contractionen  hervor- 
gerufen werden,  vollständig;  es  bleibt  nur  eine  dumpfe  ScbmerzhafUgeit  an  der 
erkrankten  Darmstelte  flbrig.  Die  weiteren  Folgen  der  Darminsnffieiena  sind  Er* 
brechen,  Meteorismus,  Anomalien  der  secretorischen  und  resorptiven  Function  der 
Dartiiselileimhaiit.  Schlies-ilich  kommt  e«,  indem  die  Bakterien  die  gelähmte  Darm- 
wand durchdringen,  zu  l'eritonitis.  Die  wichtigste  Indication  bleibt  daher  immer, 
der  Darmlihmnng  vorsubengen  und  sorgfitltig  die  Prodromaleneheinnngen  au 
beaebten.  Die  schwereren  Anfülle  sind  ohne  Abführmittel  mit  Wfirme  und  Mor- 
phium oder  Opium  zu  behandeln.  Gegen  das  Erbrechen  einptlehlt  sich  Cocain 
in  Dosen  von  0  03 — 0'04  Grm.  Den  Durst  bekämpft  man  durch  lojectionen  von 
Wasser  per  rectum. 

CDit.«iCBHAXx geht  von  der  Beobaebtnng  aus,  dass  alle  Formen  des 
Heu«  einer  .*>pontanheilung  ohne  ehinirgischen  Eingriff  filhig  sind.  Tiiter  105  F.lllen 
hatte  er  .'»ö*  Heiinngen.  Kr  verwirft  die  FrUhlaparatomie  aus  diesem  Grunde, 
und  um  so  berechtigter,  als  diagnostisch  dunkle  Fülle  vom  Operateur  nicht  ge- 
nttgend  beherrscht  werden.  Andererseits,  ist  die  Diagnose  piteise  und  klar  au 
stellen,  su  soll  sofort  operirt  werden.  Die  eigentlich  interne  Therapie  tritt  im 
ersten  Stadium  des  Heus  in  ihre  Rechte  :  Aufhebung  der  Nahrnngszufuhr ;  gegen 
den  Durst  Eispilleu  mit  ('ognac ,  eventuell  subcutane  Ivochsalzinjectiooeu ,  vor 
Allem  Opium.  Die  MagenausspUlung  wird  als  Heilung  befttrdemde  Methode  er» 
wähnt,  sie  wirkt  durch  Spannungs Verminderung  im  Hagen,  besoudors  bei  htfher 
oben  im  Dünndarm  gelegenen  Hindernissen,  oft  Oberraschend.  Dann  ist  von 
Werth  die  directe  Function  des  Darmes ,  doch  darf  dieselbe  nicht  im  Stadium  der 
Darmlähmung  oder  bei  schon  bestehender  peritooitischer  Reizung  angewandt 
werdoi.  Statt  der  Eingiessungen  in  den  Darm  sind  Lufteinblasungen,  besonders 
wo  der  Sitz  der  ( iccliisioii  im  Dickdarm  ist,  empfehlenswerth. 

Für  die  .\nwendung  der  Matrenaus-jpdluniren  bei  der  Behandlung  des 
Heus  giebt  Aufrecht zwei  specielle  Indicatioaeu  au:  einmal  sind  sie  in  etwa 
ehi  Pflnftel  der  Fälle  vorzunehmen  bei  Auftreibuog  des  Magens,  fiüls  Brbreeben 
nicht  vorhanden  Ut  oder  plötzlich  sintirt,  wag  durch  geringe  Veradiiebung  des 
Magens,  durch  die  der  O  sophafriis  das  Lumen  des  Fornmni  ofnnphafft>nm  ver- 
legt, erklärt  werden  kanu.  Die  zweite  Indication  ist  das  Auftreten  fäculenten 
Erbreehens. 

In  vereinzelten  Fällen  wird  es  aueh  gelingen,  durch  physikalisebe  Mass- 
nahmen eint  n  ncilerfolg  zu  erzielen. 

So  emi)tiehlt  Kukx  -  j  für  die  Behandlung  der  Darminvagination  die 
Massage,  die  ihm  in  einem  Falle  gute  Dienste  geleistet  bat.    Doch  sei  gleich 

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196 


BARXSTBNOSB.  —  DEMENTIA  PABALYTICA. 


hinzii^efflgrt ,  dass  Warmaxk .  (Ut  aul'  (liest;  Eniptt^hlunL;-  hin  die  Mas«;a^e  in 
einem  Falle  von  ÜHrmuculusion  io  Auwendung  zog,  den  lud  danacli  eintreten 
•ah,  frdilioli  b«i  ein«r  Pnerpera  vom  dritten  Tage! 

Mobuhbe*^),  wdttlier  anritth,  bei  IntuRäUBceptionea  nrant  Waaser*  oder 
Luftinjectionen  zn  versuchen,  warnt,  auf  Grund  von  J.eichenversuoben  und  einer 
klinischen  Beobachtung,  davor,  dieselben  zu  foroiren  oder  zu  grusseui  Druck  an- 
sttvendeo,  da  eine  Zorreiesnng  des  peritonealen  Ueberznges  des  Darmes  zn  be- 
fttrehten  ist.  Dagegen  bat  Hogrrn  ^o)  mit  Erfolg  Wasserklystiere  ans  3  Meter  Höhe 
angewandt.  Diesen  Hess  er  Kohlensäureklystiere  und  15  iiichiiiassage  folgen  oder  blos 
aUe  2— 3  Stunden  wiederholte  COj  -  Klystiere  (Natr.  bicarb.  50,  Acid.  tartar.  60  . 

Auch  durch  Anwendung  der  Elektricität  will  man  Heilung  erzielt  haben 
(Cbispo*'),  SsniOLA  lieber  das  „galvanische  Clysma"  siehe  unter  „Darm- 
in fusion''.  Sehliesslicb  bat  auch  die  Verwendung  des  metallisohen  Quecksilbers 
in  der  Ileustherapie  wiederum  einen  Vertheidiper  gefunden  (Get.ikk i. 

Dass  durch  derartige  tberapeutiacbe  Experimente  ohne  Jede  Indications- 
stelluug  leieht  gesehadet  werden  kann,  beweist  der  Fall  Wabhann's.  Unseres 
P>nebtcn8  kommt  da»  Quecksilber,  wie  die  Massage  und  die  SlektricitAt  nur 
für  diejeniffon  F.'llle  in  Hetracht,  wo  eine  Aureprung  der  Peristaltik  erwiinseht  ist. 
also  bei  Ileus  durch  Darmläbmung  am  normal  weiten  oder  verengten  Organ. 
Bei  ooropletem  Darmversehlnss  durch  locarceration  aber  werden  diese  HiUkmittel 
hOebst  geAhrlieh  werden  können,  und  auch  bei  Obturationen  durch  Fremdkörper 
oder  Gallensteine,  wo  Massa'::e  nnd  Elektrieität  fjelegentlieh  mit  Erfolg  angewandt 
sind,  werden  sie  nur  dann  versueht  werden  dürfen,  wenn  die  Diagnose  g'anz  sicher  ist. 

Literatur:  'J  König,  strictDrirende  Tuberkulose  des  Darmes  uml  .leren  Be- 
handlung; Deutsche  Zeitachr.  för  CLir.  XXXIT.  —  *)  Garre,  Uebcr  eine  eigenartige 
Form  von  narbiger  DamstenoM  nach  fimcbeinklemBimg.  Beitr.  sur  Uin.  CJür.  180^4,  IX,  1.  — 
Biondi,  Un  ca.w  di  enterostenoat  da  mesmttrite  eirrotiea.  Htm  1892,  R  — 
'}  Legrand.  (kdusinn  intestinale  ehr:  t//j  /i'unixe  ile  'JO  m,-.  de  la  soe.  anal,  de 
Paris.  1889.  LXIV.  —  *J  Madelung,  lieber  primäre  DÜnndarmsar.  om^.  Centralbl.  f.  Cüir, 
1892,  ZnL,  30.  —  *)  Heyer.  DaBBiarmverschlnas  dnroh  ICagaaerweitening.  Virchow's  Archiv. 
CXV.  —  ^)  Boas,  üeber  die  Stenose  de-;  Duodenum.  Deutsche  med.  Wochenschr.  J891. 
Nr.  28.  —  *J  Hochhaus,  I'ebcr  ;\lagt'ii.rueiteruii>r  nach  Imodenalsteno.se.  Berliner  klin. 
Wochenschr.  1891,  Nr.  17.  —       Verhaudl.  des  VIII.  Congre.s.ses  für  innere  Med.        '")  Kirs- 

atetn,  EspeiimenteUea  aar  Fathologi«  des  lleaa.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1889,  Nr.  49.  — 
")  Roaenstein,  Eine  Beobachtung  von  anftUsweiaem  Kotherbreeben.  Berliner  klin.  Wochen- 

sehrit'f.  lS8,i,  Nr.  :!4.  -  Tuucliard.  Xotc  sur  im  c<i.i  d'obslructioii  iiitr.stiuafe  avec 
lUarrhie,  absence  de  l  omis^tmcnls  fecaloiihs  etr.  Progr.  med.  1892.  Nr.  5.  —  '•*)  S  e  h  I  a  n  g  e. 
Znrnensflwge.  Archiv  ftirklin.  Chir.  iss;»,  XXXIX.  —  ")  v.  Wahl,  Laparatomie  bei  .\chsen. 
drehnng  des  Dünndarmes.  Centralbl.  f.  Chir.  18t>!»,  Ni.  9  und  Archiv  fttr  Chir.  XXXVUL  — 
»  )  V.  Zü  e  ge  -  M  a  n  t  e  u  f  t  e  1 ,  Zur  Diagnose  nnd  Theraj.ie  des  Ileus.  Archiv  f.  CMr.  XXXVlIf.  — 
'*)  Kader,  Zur  Frage  des  loealen  Meteorismus  bei  innen  r  Durnim  chisiun.  Ebenda.  181*1,  XLll. — 
")  J.  Israel,  Beobachtungen  an  Ileasfälleu.  Berliner  klia.  Wochenschr.  1892,  Nr.  1.  — » 

Roienbach,  Ueber  eine  eigenthlfanHche  FarbatolFbildung  bei  schweimn  Darmleiden.  Ber. 
liner  klin.  Wocbensrhr.  l-^P!».  Nr  1;  ferner  ^Die  pathngeneti.scha  Bedeutung  etc."  Eb.  nda 
Nr.  22  23:  „Noch  einige  Hemerkungcn  etc."  Ebenda.  18UU,  Nr.  26.  Derselbe.  Zur  iSvm- 
ptomatologie  und  Therapie  der  Darminsutiieieui'..  Berliner  klin.  Wochenschr.  1^89,  Nr.  13.  — 
")  Kosin,  Bildung  nnd  Darstellung  von  Indigroth  ans  dem  Harn.  Centralbl.  f.  klin.  Med. 
lSs9,  Nr.  ;>y  und  „Ueber  das  Indigroth  flndimbln)*.  Berliner  klfn.  Wochenschr.  1890,  Nr.  53.  — 
-')  Ewald,  Die  pathologische  Bfd.til iiii^-  d>r  liiirginidern)then  Urinfärbung.  Ebenda.  188'J. 
Nr.  44.  —  *')  Abraham,  Ueber  die  Rosenbaeh'sche  Urintärbung.  Ebenda.  1890.  Nr.  17.  — 
**)  AnfreehC,  Zw  Behandhu«  des  Ilens.  Therapeut.  Honatsh.  1891,  Angnst.  -  Korn, 
Zin-  iielianitlung  der  Darminvagination.  Ebenda.  1890,  October.  —  ")  Warmann,  Ein  Todes- 
lall  nai  ii  Massage  bei  einer  Darmatonie.  p:i)enda.  18'Jl  .  Miira.  —  Mortimer,  On  the 
treatmeitt  of  intu»8UMception  htj  iuj>ctn,ii  m-  injitition.  'iti-/  if.--  dunger».  Lancet.  \^\\{.  May.  — 

Hogreu.  Darmocdnsionen,  behandelt  in  der  Krankenstube  in  Niahen-Kalix  im  Jalire  1889. 
Ref.  in  Hirsch^Tirehow's  Jabreaber.  1890  —  »^Crispo,  Trs  etui  di  oedmiont  inteHinale 
j.rr  I iimurt  feeale  guarite  coW  <h'tiririt-i.  Riv.  Clin  e  rerap.  18liO.  Nr.  »I.  -  -*)  Semmola. 
brit.  med.  Joom.  1892,  20.  Febr.  —  '  Gelpke,  Incarceratio  interna,  Laparatomie,  i-egnli- 
nischei  Quecksilber.  Coiraspondensbl.  Ar  Sehweiier  Aarste.  1889,  Mr.  2.     .^^  K  o  s  e  n  }i  e  i  m 

Dementia  paralytica  ver?!.  Real  -  Kneyclopüdie ,  2.  AnHa^e,  Bd.  V, 
pajj.  l'Jlj.   Die  Unterscheidung  bestimmter  Stadien  im  allgemeinen  Verlauf  der 


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DEMENTIA  PABALYTIOA. 


197 


Dementui  paralytira  gia^  Arflber  gemeinhin  von  dner  sogenannten  elassisehen 

Form  aus.  lUe  classische  Form  sollte  in  4  Stadien  ahlaiifen .  einem  Prodromal 
Stadium,  einem  mclarK'holisch-iiypochondrischen,  einem  maniakniisclifii  Stadium  und 
schlieäälicb  einem  iytadium  dementiae.  Dem  gegenüber  schlagt  Iünswangkk  vor, 
ein  Stadium  prodrom<mtm,  inüttUe,  aenm  und  deeremmti  tn  nnterseh^den.  Im 
Sktdium  prodromonim  ist  tlberhanpt  eine  sichere  Unterscheidung  von  der  Nenr* 
astbenie  nicht  mög'Iiph.  Im  Starlinm  uiitlnlp  treten  die  ersten  cliaraktLristi^f'lieu 
Symptome  ((Jbarakterveranderung,  l rtbeilssubwäche,  Gedächtuissacliwäche,  l^abilitiit 
der  Stimuang,  leiebt  paralytisobe  AnfiUle,  leielite  SpraebgtOrung ,  Hypalgesien, 
rhenmntoide  Sebmosen  und  Parästheden^  refleetorische  Pnpillenstarre.  Wbstpbal- 
sches  Zeichen.  Auf,'enmuskpil?ihmungen  etc.)  deutlich  hervor.  D.is  ^t<t(}inm  armen 
verläuft  scheinbar  bald  unter  dem  Bild  der  .Manie .  bald  uuter  dem  der  Melan- 
cholie oder  Hypochondrie,  bald  unter  dem  der  baliuciuatorischen  Paranoia,  bald 
zeigt  es  Bsaltations- ,  i>epre8don»>  und  hallneinfttwrisebe  Err^nngaEnsOnde  in 
wechselnder  Reibenfolge  nnd  Combinatiou.  Im  Sfadium  decrementl  (besser  wobt 
terminale)  i«t  der  hoehjn'*dige  geistifre  nnd  körperliche  Verfall  das  dominirende 
Symptom.  Dabei  existiren  Jedoch  unzweifelhaft  Fülle,  in  welchen  ein  iStadium 
aemes  Überhaupt  nieht  snr  Bntwielclang  kommt ,  vielmehr  dne  fortaebreitende 
Demens  sieb  ohne  das  Zwischentreten  von  hallucinatorischen  Erregun^s/u.stflnden 
oder  melanebolisch  -  hypoehondrischen  oder  maniakalisehen  Perioden  entwickelt. 
BI^'S\VA^G£R  bezeichnet  diese  Fälle  ab  „einfach-demente  Fornr\  Eine  besondere 
Varietit  ist  auch  die  von  Rottbnbillbb,  Gilles  u.  A.  beschriebene  circuUre  Form« 
bei  welcher  im  Stadium  aemes  Deprasions-  nnd  Exnitationssastände  abweebselo. 

Kine  besondere  ErwJlbnuufr  bedürfen  auch  diejenigen  Fälle ,  in  welelieii 
im  Prddronialstadiuin  oder  luitialstadiuni  ein  isolirtes  Aiisfallssymptom  auftritt. 
{?u  kauu  z.  B.  eine  isolirte  Hemiauopsie  oder  eine  isolirte  aphasische  Störung 
jahreUuig  den  ausgesproehenen  Allgemeinsymptomen  voransgelien.  Die  Gefahr 
einer  Verweehslon«  mit  Herderkrankungen  des  Gehirns  Hegt  in  solohon  Fallen 
ungemein  nahe.  Die  Seetion  liefert  sp.lterhiQ  für  diesen  ei«renarti{^en  Be^rinn  des 
Leideuä  oft  keine  Erklärung,  und  auch  die  mikroskopische  Untersuchung  der 
Hirnrinde  in  der  Gegend,  in  welcher  auf  Grand  des  vermeiutliehen  Herdsymptoros 
besonders  schwere  Veränderungen  zu  erwarten  gewesen  wären,  ei^ab  l)islang 
meist  keine  sju'ciellen  Befunde.  Nur  in  seltenen  Fällen  findet  man  neben  der 
diffusen  Kindenerkrankun^  eine  circumscripte.  besonders  schwere  Kindenerkrankung 
an  der  erwarteten  Stelle.  80  fand  sich  in  einem  Falle,  dcitsen  erstes  hervorstechendstes 
Symptom  eine  sensorisebe  Aphasie  war,  bei  der  spXteren  Seetion  neben  der  all- 
gemeinen Rindenerkrankung  eine  ausgeprägte  Selcrosc  der  linksscitig;en  Temporal- 
windungen. Dieser  Beginn  der  progressiven  Paralyse  mit  scheinbaren  Herdsym- 
ptomen scheint  ganz  besonders  häutig  bei  syphilitischer  Aetiologie  vorzukommen. 

Specielle  Symptomatologie.  (Jeher  die  Papillenreaetion  nnd  den 
ophthalmoskopischen  Befund  bei  Ikmentia  /»aral^ica  haben  Thomsen,  Mobli, 
SiEMKBLiNG,  Sgros.^o  u.  A.  eingcheude  rutersuchungen  angestellt.  Ho  fand  TnoM.SEX 
retiectttrische  Pupillenstarre  in  47'/o  aller  Fälle  progressiver  Paralyse.  Unter  105 
paralytischen  Frauen  fiind  SiBMBRLnio  63mal,  d.  h.  in  eo^^/g  refleetorisehe  Pupillen- 
starre.  Derselbe  hebt  hervor,  dass  mitunter  (in  8°  0)  eine  gans  eharakteristische 
Trübung  der  Sehnervenp.-ipille  und  der  angrenzendt-n  Netzhautpartien  der  Paralyse 
zukomme.  .Mukli  fand,  dass  rellectorisehe  l'upilUnstarre  zuweilen  jahrelang  dem 
Ausbruche  der  geistigen  Störung  vurausgiug.  Wie  weit  die  Beobachtung  einiger 
italieniseher  Autoren  (Hobsblli,  Raooi)  Aber  Umkehr  des  Pupillarreflexes  — 
Erweiterung  der  Pupille  bei  Liehteinfall  —  zutreffend  ist,  muss  noch  dahingestellt 
bleiben.  S.vLCio  legt  ein  Ix'sonderes  (iewicht  auf  die  u  n  r  e  g  e  I  m  ä  s  s  i  g  e  Verzerrung 
der  Pupille  bei  Lichteinfall.  Leber  einen  iutere.saauteu  Fall  von  Erythropsie  bei 
Dementin  parahftiea  hat  L ADAME  beriehtot.  Die  Thatsache,  dass  die  sogenannte 
Migmiiit'  Ophthal iiii<jii>  gelegentlieb  als  Initial-  oder  Prodromalsymptom  der  pro- 
gressiven Paralyse  auftreten  kann,  wurde  zuerst  von  Charcot  hervorgehoben  uud 


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198 


DEMENTIA  PAUALYTICA. 


ist  8('i(dem  manDigfach  bcetiltigt  worden.  Pick  nennt  unter  den  Frülisvmptomen 
auch  die  Hfminnojmin  fnqax,  sowie  das  ScofouDi  .<icillitans.  WKiLESWORTH  heu}»- 
acbtetu  Fälle  von  Dementia  j^taralylica,  in  welchen  jahrelang  Opticusatrophie  den 
psychiHchen  Veiindeniii^  vo^ul^ing. 

Sehr  beni er keus Werth  siod  die  neueren  Untersuehunjreu  Uber  die  Sen- 
«ibilitätsstönmgen  der  Dementia  paralyticn.  Wahrend  die  Berührunfrseiuptind- 
lichkeit  lange  Zeit  völlig  ungesebädigt  bleibt,  ist  Herabsetzung  der  .Scbmerz- 
empfindliebkelt  ein  ungemein  biufiges  Symptom,  und  swar  findet  sieh  diese 
allgemeine  Hypalgesie  zuweiten  schon  in  den  fHlhesten  Stadien  der  Krankheit« 
Auch  ist  der  Localisarionsfrhier  fflr  Berühnin;.'  und  Stich  nicht  .selten  abnorm 
p:ros.s.  Deniontspreehend  siud  auch  die  WEBER'schen  Ta.stkreise  vergrössert.  Auch 
die  Gewichtsächätzung  und  der  Kraftsinu  sind  oft  deutlich  geschädigt.  Auf  dem 
Gebiete  der  höheren  Sinnesorgane  haben  KOBNPtLD  und  Bikelbs  die  Hflnflgkeit 
erbeblioher  GeruchR-  und  (loschmacksstnrungen  nachgewiesen. 

Eine  bedeutsame  Holle  spielen  auch  die  ]jeser4tAriin<ren  der  Paralytiker 
(Rabbas  und  Riegkr,  K.ikn Abgesehen  vou  den  auch  dem  Spuotausprechen  zu- 
kommenden ArtionlationsstAmngen  wird  das  [jeeen  dnreh  Wortrersetzungen  und 
Wortauslassun^en  entstellt.  Ferner  werdeu  einzelne  Worte  in  ir;inz  sinnloser 
\V*'is(»  durch  andere.  iMitfernt  .Ihnlioli  -  klingende  ersetzt,  ntmc  ilas-j  <it"r  Kranke 
dies  Hiueinphaotasireu  bemerkt.  Dabei  zeigt  sich  oft  die  weitere  EigenthUmlieh- 
keit^  dasB  ein  einmal  gelesenes  Wort  im  weiteren  Verlauf  des  Satzes  noeh  After 
dngeseboben  wird,  ohne  dass  es  wirklieh  nochmals  vorkommt.  Aehnliche  Lese- 
störungen  finden  sieh  ausser  bei  Dementin  paralyticn  in  dieser  eharakteristischen 
C'omb'nation  fa.st  ntir  noi-h  bei  DinutUia  senilis, 

ICine  wichtige,  früher  wenig  beachtete  Complication  der  progressiven 
Paralyse  stellen  periphere  Neuritiden  dar.  So  beobaebtete  Pick  bei  einem  Para* 
lytiker  eine  aus';eq»roehene  periphere  Peroneuslähmung^.  Die  patholo^i.sch-anato- 
mischen  rntersuchunfrcn  von  PrxTOK  und  Ooodall,  Colella  ,  FÜR.^tnkr  u.  A, 
zeigen ,  dass  solch«  periphere  ucuritische  Proeesse  relativ  hiiuHg  sind.  Damit 
stfht  im  Zusammenhang,  dass  nenerdings  auoh  Verlnderungen  der  elektriseben 
Erregbarkeit  öfter  gefunden  wurden  (GXBLACH,  Bocolari  und  ßORSABi  o.  A.). 

Kinc  diagnostische  Schwierigkeit  von  ^rnsser  Tragweite  kann  zuweilen 
dadurch  entstehen ,  dii>;s  typisch  hysterische  Symptome  sich  dem  Syroptumenbilde 
der  DemMtiaparaiyt.  supraponiren  (Meschrde,  Smiot,Siuli).  Die Complieation  der 
Dementia  paralytica  mit  Epilepsie  ist  von  sahlreiebea  Autoren  besehrieben  worden. 

Aus  den  eingehenden  T'ntcr.snchnngen  Tarnikr's  gelit  in  BeHtütig^nni;- 
f'rfilierer  Anf;al>en  hervor,  das.s  die  Harnstotlmenpe  d»s  1' r  i  n  in  der  Hegel  er- 
heblich vermindert  ist.  lu  der  Anwesenheit  von  I'eptcm  im  Urin  glaubte  Marro 
geradesn  ein  neues  diagnostisdies  Kriterium  der  Jhmmtta  paralytica  gefunden 
zu  haben.  Der-^clbc  vcrmisste  Peptonnrie  in  keinem  einzigen  Falle.  Aehnlich 
-pricht  «icli  .-inch  Fkon'da  ,  sowie  Meyrr  und  Wfkkr  aus.  Kditkn  fand  bei  5 
unter  14  Paralytikern  Propeptonurie  und  ist  geneigt,  das  Auftreten  der  letzteren 
von  deliranten  Zustünden  abblogig  au  maehen.  Bei  Erregungszuständen  fanden 
Vassale  nud  Chiozzi  in  dor  Mehrzahl  der  Fälle  hyaline  Qylinder.  Dass  Gly- 
co<urie  als  Sym])tom  der  progTe.«.Hiven  Paralyse  auftreten  kann  ,  i<t  schon  länger 
bekannt.  Charpentif.k  hat  einen  Fall  iuteruiittirender  (ilycosurie  bei  Dementia 
jwralytica  beschrieben. 

Sorgfältige  Biutuntersnehungen  verdanken  wir  VassTBR.  Dereslbe  &nd 
bei  Dementia  parahjtica  das  sprcilische  Gewicht  und  den  Hamoglobingehalt  im 
.MiKemeinen  verniindert ;  nach  paralytischen  Anfallen  stiegen  liei de  Grössen  etwas 
an ,  um  dann  wieder  zu  den  früheren  niedrigeu  Werthen  zurückzukehren.  Die 
sphygniugraphiseben  Cnrven  der  Paralytiker  wechseln  je  naeh  dem  Zustand  inner- 
halb der  weitesten  Grenzen.  In  den  Endstadieu  überwiegen  tarde  Curven.  Die 
Puls(Mirve  im  paralytischen  Anfalle  ergiebt  meist  eine  Steigerung  der  Dicrotie 

(ZiKHKNj. 


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DEMENTIA  PAKALYTICA. 


199 


I>if  j^Hlzs.tiiresecretioii  der  Ma^'-en-^  ■lileinihaut  erftlhrt  in  vielen  Fällen 
eine  prugre!<sive  Virminderunji:  (Lklblscher  und  Ziehen^. 

Die  pathologische  Anatomie  der  Dementia  pnralyttca  ist  dureh 
zablreiebe  Untennehungen  wesentUeh  gefordert  worden.  Aus  denselben  ergiebt  rieh, 
d.Ms.s  der  palbolo^iscli  -  aDatomische  Process  in  der  Hirnrinde  keineswesf^  ein  ein- 
h(-itlic-}i(M-  i-^r .  soodern  in  vier  verschiedenen  Hauptformen  auftritt.  Man  beob- 
nehtot  nämlich : 

1.  VerXndernngen  der  Ganglienzellen  selbst  (parenehymatOse  Proeesse). 

2.  Untergang  niarklialtifier  Nervenfasern  sowohl  in  der  Marklei>te ,  wie 
in  der  Kaiuizone.  wie  aiieh  in  den  Netzen  im  Innern  der  Kinde  (TUCZEK,  FaiBD- 
maaNX,  Mkyek,  Kekaval  et  I  argüi  la  u.  v.  A.}. 

3.  Vermehrung  der  Gliasfllen  (Wbigbst  ü.  A.). 

4.  Verftndernng  der  Qeftiswflnde  und  Auswanderung  weiaser  nnd  rotber 

BIutkörpercliiMi  ci^kiff.  DAnoNEx,  Kronthai,  u.  A.\ 

Die  Htzieliiui;:  dieser  versehiedeiieu  i'rocesse  zu  eiuauder,  sowie  ihre 
Digiiititt  festzu8telleu  i^tt  noch  nicht  sieher  gelungeo.  Ks  scheint,  dass  bald  dieser, 
bald  jener  Proeess  die  primftre  und  dominirende  Rolle  spielt. 

Die  pathologisch  ■  anatomische  Untersuchung  der  infracorticaleii  CJehirn- 
ahsehnittr  ist  nn  den  versehiedensten  Stellen  in  Atifrriff  ^«»nommen  worden.  So 
bat  mau  iu  vielen  l'.'Uleu  progressiver  Paralyse  pathologische  Veränderungen  in 
den  Hirnnervenkemen  naehsuweisen  vermoeht  (Lauprnaübr,  IVCBISCH,  Siehrb- 
Lix«,  VoiMX.  MoKniKKR.  AwTowKBATOw).  Eine  grosse  Bedeutung  för  die  Er- 
klfiruc^''  <lis  klinischen  S\ iii]tf "nuMieompIcxf's  der  P/'Diriififi  pftrnf scheint 
auch  den  \  er.lnderungeu  iui  SebhUgel  xuxukommen,  wie  sie  ueuerdings  von  Li^SAUEB, 
Zaoabi,  Bi'Tzelski  nnd  Arfiber  schon  von  Hoffmarn  beschrieben  worden  sind. 
ScHiiTZ  hat  in  den  vorderen  Vierbügelu  und  im  centralen  Höblengrau  analoge 
patholog'isehe  Procos!-e.  namentlich  Faseraii^fall  beobaehtet.  Endlich  sei  nof]i  der 
iietunde  \  iin  Wici.k.xworth  fredaeht ,  welelicr  Muf  der  Ausseniläche  der  Dura 
paralytischer  (iehirue  tibrinöse  Membranen  an^^alagert  sah. 

Die  Aetiologie  der  Dementia  paralyfica  ist  Gegenstand  sehr  Sahi- 
re ieher  Cntersnchunfren  gewesen.  Speciell  ist  eine  enorme  Anzahl  von  Arbeiten 
erschienen  zur  Anfklflrung  der  fUiolotrisehen  Rolle,  welche  Syphilis  mul  Alkoho- 
lisDius  bei  der  Dementia  ^niraliftiva  spielen.  Die  Kesultate  dieser  Arbeiteu  sind 
noeb  ättüsemt  wideraprecbend.  Es  erklärt  sieh  die^  daraus,  dass  einerseits  der 
Kachweis  einer  früher  stattjrehabten  syphilitischen  Infection  oft  sehr  sebwierit;  und 
unsicher  ist  und  andererseits  die  klinische  und  auch  die  patlinlu- i<cl]  aiiati^tiusi-hc 
Abgrenzung  der  l>emeuhn  paral yt i\n  von  der  Hirnsyphilis  in  uiaueheu  Fällen 
kaum  durchführbar  ist.  Im  Allgemeinen  haben  sich  die  Stimmen  erheblich  ge- 
roehrt, welche  der  Syphilis  eine  ganz  dominirende  Stetlimg  unter  den  ätiologisohen 
Faetoren  der  Dtwcntia  parnJyfim  zusprechen.  S'>  fanden  in  Skandinavien  OEiLh 

»U'8  —  7H'  l,  .iKSl'KRSKX   77-*J,   RuHMKLL  TtVS  .  .IaCOB.SOX   5'_>  .   LaHGE   .')  I  .  POX 

TOPPIDAX  .'»2"  0  Syphilitische  uuter  ihreu  Paralytikern.  In  liei;;ieu  sprach  sieb 
GuTLiTS  entschieden  ftlr  einen  Zusammenhang  von  Syphilis  nnd  i'aralyse  aus;  er 
selbst  fand  einen  Procentsatz  vou  7')",,.  Die  Statistiken  von  Kürs.<^aK()\v  ,  Ko- 
sh kvvxikow  ergaben  für  Kussland  einen  fast  ebenso  hohen  l'roeentsatz.  l)ie  araeri- 
kaniscbeu  l'sychiater  divergireu  uoeh  sehr;  so  fand  z.  B.  Sa  vage  nur  20°/e, 
Bankistbb  590/0.  In  Deutschland  ist  die  ätiologische  Bedeutung  der  S3rphilis 
fast  allgemein  anerkannt.  Wenn  in  einzelnen  Berichten  (so  z.  B.  in  demjenigen 
von  SlEMF.RLtXG  .  der  unter  deji  paralytischen  Frauen  der  Charite  nur  in  11*^, 
Syphilis  fsndi  noch  autHillig  niedere  Zahlen  sieh  finden,  so  liegt  dies  otfenliar 
daran,  dass  an  manchen  Orten,  so  z.  H.  gerade  in  Berlin,  genaue  anauinestisehe 
Naehforsehungen  nndurchfllhrhar  sind.  Eine  Znsammenstellung  der  dem  Referenten 
zugänglichen  dentsehen  Statistiken  (uach  den  RiDiRu'schen  Grundsätzen)  er- 
giebt  einen  Proeentsatz  von  fast  «iU"/,,.  Sehr  skeptisch  stehen  die  meisten  fran- 
zösischen l'sychiater  der  Lehre  vou  der  äti(dogischcn  Bedeutung  der  Syphilis  für 


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aoo 


DEXENTIA  PARALYnCA. 


die  Paralyse  gegenüber.  Ddbuisson,  Kegnirr,  Voisix,  Roüjllabd,  CuRiäTiAN  u.  A. 
haben  noch  oenerdings  jeden  engeren  Znuanmenbang  beetritlen.  Aehnlioh  spricht 

sich  Rabow  (Lausanne)  aus.  Doch  scheint  auch  hier  ein  Umschwung  sich  vor- 
zubereiten, seitdem  exacteri'  anamnestische  Krhebuntrcn  »erade  in  dieser  Richtung 
angestellt  werden  (Rkgis,  Morel-Lavalle  et  Beigeres,  Bouchaud  u.  A.j.  In 
Italien  fand  s.  B.  Robojoli  fflr  die  Anstalt  Nooerm  nnr  einen  Prooentsats  von 
30%  SyphlUs. 

Der  AlkohoUsmus  scheint  in  manchen  Lftudern  eine  der  Syphilis  fast 
äquivalente  ätiologisohe  Bedeutung  au  besitzen.  Speciell  haben  in  Frankreich 
ROTJSSBT,  Gawosbt,  Garnibk  a.  A.  die  Bedeutsamkeit  ehronischer  Alkoholezeesse 
hervorgehoben  und  CoiiBEMALE  bat  durch  Experimentalantersuchungen  bei  dem 
Tlüer  den  Zusammenhang  chroniselier  Alkoholintoxication  und  F'aralysc  :ihnliclicr 
Zustände  dargethan.  In  Deutschland  fand  z.  B.  Ascher  für  die  l'aralytiker  in 
Dalldorf  einen  Procentsatz  von  34-7"/g  Syphili«  und  37**  „  Alkoholismus.  Dabei 
ist  allerdings  an  bedenken,  dass  der  aaamnestisehe  und  kliniaohe  Naebwda  des 
chronischen  Alkobolismns  eriieblieb  leiehter  ist  als  derjenige  einfir  stattgehabten 
syphilitischen  Infection. 

Dass  auch  AlkohoUsmus  der  l!Lltera  (Chakcut  et  Dliil)  und  Syphilis 
der  Eltern  snm  Ausbruch  dner  Dementia  paralytfea  bei  den  Naehkommen  fahren 
kann,  ist  durch  /.ahlreiche  Beobachtungen  sicher  festgestellt.  Spedell  ist  bei  den 
Frühfnrmen  der  Dimeutia  paralytica  (\i*t  dem  2;').  Jahre I  stets  an  dif  Mr»irlich- 
keit  einer  cougenitalen  Syphilis  zu  denken  (Stri  mpell,  Bjel.i.\kow,  Cloustöx  u.  A.). 

Als  aehr  zweifelhaft  muss  der  Zusammenhang  angesehen  werden,  welchen 
viele  französische  Autoren  zwischen  Gieht,  respeetive  einer  sehr  nnbestlnuuten 
„arthritischen  Diathese"    und    der   progressiven  Paralyse  angenommen  haben 

(LBMOINB,  PJEHRKT.   CHAKfKNTIKi:  ii.  A.  . 

Vielfach  ist  auch  die  Frage  veutilirt  worden,  ob  je  nach  dem  domiui- 
renden  itiologisehen  Factor  die  Dementia  jmralytica  bestimmte  Eigenartigkeiten 

des  Verlaufes  oder  der  Symptomatologie  zeige.  So  behauptet  s.  B.  Camuset  noch 
neuerdinps.  die  I hnnentio  para/i/tiin  syphilitischen  I'rsjjrunfres  zeicliiu'  sich  durch 
laugsaniere  Entwicklung,  HäuHgkeit  von  Kemissionen  und  Seltenheit  expansiver 
Zustande  aus.  Weder  filr  diese,  noch  fflr  eine  der  anderen  zaldnichen  analogen 
BebauptiiiiiL'en  kt  bis  jetat  ein  aueli  nur  annlhemd  genflgrader  atatistiseher  Nach- 
weis erbracht  wtirilen. 

Die  allere  meine  l'atholof^ie  dar  I'eiunidti  pnral  i/thn  ist  um  zwei 
Experimentaluntersuchungen  und  eine  ansprechende  Ilyputhese  bereichert  worden. 
Die  CoiiBEMALB'schen  Versuche  wurden  oben  bereits  erwfthnt,  Obrdes  setate  die 
Mkni>ki. 'sehen  Kxpeiimente  fort.  Bei  einem  Hund,  der  11  Tage  lang  täglich  auf 
der  < "eiitrifufre  jredrelit  worden  war.  er^ab  die  Seetion  und  mikroskopische  l'nter- 
suehung  Befunde,  welche  denjenigen  der  iJemenUa  parulytica  durchaus  äbulich 
sind.  —  Den  Zusammenhang  der  Syphilis  mit  der  Dementia  fwmh/tica  sueht 
folgende  Hypothese  zu  erläutern ,  deren  erste  exa»  te  Formulirung  wohl  von 
Sthi'MPKLI.  stammt.  r)ie  hypothetischen  Mikroorfranisnicn  der  Syphilis  schädigen  nicht 
als  solche  das  Uewebc  des  CcDtraliiervensystenis,  sondern  sie  erzeugen  durch  ihren 
Stoffwechsel  Toxine,  und  diese  letzteren  bedingen  die  verschiedenartigen  patbolo- 
^Hscli  anatomiseheu  Processe,  welche  der  Dementia  jtaralytica  an  Grunde  liegen. 
Hieniarli  stellt  sich  die  l^emeutüi  jnii-ulytica  al<  eine  durch  Toxine  hervorgeriit'ene 
N  a  c  h  krankheif  «icr  Syfihilis  dar.  soweit  sie  eben  (ihiThaiijjt  mit  Syphilis  /usammcn- 
hängt,  etwa  in  aliuliehem  ^iuue ,  wie  die  postdiphthetisehe  i^;ihmung  eiue  Isaeh- 
krankheit  der  Diphtherie  ist  Jedenfalls  hat  diese  Hypothese  den  Vorsug,  dass  sie 
uns  verständlich  macht ,  weshalb  die  specifisehe  Therapie  auch  in  ParalysefiUlen 
unzweifelliaCt  syj)hilitischcti  I  rsprunfres  meist  völlig  versai:t. 

Die  Dil  lerentialdiagnose  der  progressiven  Paralyse  bietet  uamuntlicb 
Im  Prodromalstadium  gegenttber  der  Neurasthenie  oft  grosse  Schwierigkeit.  Obwohl 
auch  in  den  letzten  Jahren  mehrere  Arbeiten  eingehend  sieh  mit  dieser  Unterschetdung 


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DEMENTIA  PARALTTICA. 


80] 


beaebäfti^t  babeo  (KRAFi-T-EBixo.  Fulsom,  Pick,  Savaue,  Mohavcsik,  Cubistiak), 
▼magt  die  Diagnostik  fttr  manche  Fälle  in  diesisr  Riebtung  nocb  immer.  Rrafft- 
Ebing  betont  mit  Reeht,  da«  ein  rapider  plStslieher  Zasammraliniob  der  pey- 

chiachen  LeistungRfahifrkeit  f(lr  Neurasthenie ,  eine  schleichende  oder  sprunj^weise 
Entwicklimtr  der  Symptonie  mehr  für  I'aralyse  spricht.  Indessen  sind  {^enuficsam 
Ffllle  bekanut,  wo  auch  dies  Kriterium  nicht  Zutritte.  So  bat  Zachku  erst  neuer- 
diogs  dnen  gmt  acut  verlaafenen  Fall  vod  Dementia  paralyUoa  besehrieben, 
ireleber  innerh.ill)  4  Monaten  zum  Tode  führte;  die  Section  ergab  makroskopiscb 
und  inikrusknpisch  einen  für  Dementia  parafifft'ca  charakteristischen  Befund.  Die 
Affectveränderung  im  Beginn  der  Paralyse  kann  derjenigen  der  Neurasthenie 
▼Ollig  gleichen ;  ein  unvermittelteB  Sebwanken  xfrisehen  W^oerltehkelt  und  Heitel^ 
kcit  ist  bei  eräterer  häufiger  als  bei  letzterer.  Sehr  vetdMehtig  fittr  Paralyse  ist 
der  Defeet  der  üsthetiscben  und  ethischen  Oefühlst^ne,  welcher  «einen  Ausdruck  in 
den  Ijekannten  Taetlosigkeiten  de?  beginnenden  Paralytikers  findet.  Andererseits 
ist  fUr  Paralyse  fast  ebenso  pathoguomonisch  in  manchen  Fällen  eine  dem  früheren 
Natorell  des  Kranken  niebt  entspreebende  wdnerlicbe  Begeistemng  fllr  allerhand 
Ideale.  Kbafft-Ebi.\(;  führt  auch  als  beqnemes  Kriterium  an  :  während  der  Para- 
lytiker sieh  oft  in  der  Ang'abe  des  Datums  um  eine  Keihe  von  Ta^en  irrt,  irrt  sieh 
der  Neurastheniker  in  der  Zeitrechnung  böelisteus  um  zwei  Ta^^e,  niemals  um 
mehr.  —  Schlaflosigkeit  und  qnllender  Kopftehmenc  kommt  beiden  Krankheiten 
zu.  bei  Paralyse  sind  beide  Symptome  meist  hartnäckiger  (GOWBBS,  KRafft- 
Ebixg).  .Alle  diese  Verdachtsmomente  gewinnen  erhöhte  Bedeutung,  wenn  es  sieh 
um  einen  früher  syphilitisch  gewesenen  Mann  in  mittlerem  Lebensalter  bandelt. 
Andererseits  ist  gerade  in  diesen  Fällen  auch  stets  an  die  Möglichkeit  an  denken, 
dase  die  sugeaannte  Forme  c^phalalgique  der  Himsyphilis  FODBHIBR^d  vorliegen 
könnte.  Selbst  der  Nachweis  retlectorischer  PnpillenstHrre  genügt  in  solchen 
Fällen  nicht,  die  Dnuentid  ptnalytica  Hieherziistellen,  Beweisend  i'^t  für  letztere 
eben  stets  nur  der  eigenartige  progressive  lotelligenzdetect.  Alle  anderen  Sym- 
ptome lassen  gewöhnlieb  im  Stieb,  wenn  es  auf  die  Untersebeidang  von  Neur- 
asthenie oder  aneli  von  Hirnsy})hilis  oder  von  chronischem  Alkobolismos  (alknho 
listiseher  Pseudoparalyse)  ankommt,  und  auch  der  Intelligeiizdefeet  kann  durch 
die  Hemmung  der  Neurasthenie  und  die  intelleotuellen  Austallssymptome  der  Hirn- 
qrphitis,  respeetive  der  ehronisehen  Alkobolintoxieation  oft  genug  voigetäosebt  werden. 

In  die  Therapie  der  progressiven  Paralyse  ist  neuerdings  in  sehr 
kritikloser  Weis,«  s^haw  .  Battv  TrKK,  Waü.n'EH  i  die  Trcpanatinn  eingeführt 
worden.  Die  naeli  Trepauation  beobachteten  Hemissionen  beweiseu  selbstverständ- 
lieh  gar  nichts,  da  Kemissiooen  bei  der  progressiven  Paralyse  aaeb  ohne  jede 
Behandlung  ungemein  htniig  vorkommen.  Die  antisyphilitisebe  Queeksilberbehaud- 
lung  ist  mchrfüch  wiederum  befürwortet  worden  (Doitrkbkxtk  ,  ZiKHSSBN, 
ZiKHKN  u.  A.).  Ebenso  werden  Vesicantieu  immer  wieder  empfohlen,  s.i  i.  B.  von 
Mkschkde,  Voij;i.\,  Pkitchauu  Daviks  u.  A.  Voisin  berichtet  über  4  geheilte 
Fülle.  Er  wandte  nebenher  kalte  Blder  und  Brgotin  an.  Letztere?  empfiehlt  auch 
Krafkt-Ebinc  ,  Christian  rftth  es  spcciell  im  paraljrtisehen  Anfall  ansuwenden. 
Auch  Tartarus  stiliiatnn  ist  wieilcr  mehrfach  genannt  worden.  BliüNST  gab  den- 
selben in  Dosen  von  1  Grm.  t  neben  40  (irm.  Bronisaizcn !  i ,  stiess  aber  mit  diesem 
Vorsohlag  auf  energischen  Widerspruch.  Am  meiaten  dflrflte  im  Allgemeinen  vaxük 
in  den  letzten  Jahren  die  Jodbehandlung  »ngewundt  worden  sein  rKuAFi  r-KBiNG, 
Taünmwski  II.  A.  :  t-inc  etwas  gri".«;sere  ll-inligkeit  und  vielleicht  auch  litngere  Dauer 
der  l{enlis^il>Il(•l|  ist  Itislang  d.is  ciii/j^ie  Ilcsnltat  der-cnu-n. 

Literatur.  I>ie  vorstelicmkn  Augaben  .stutznn  sich  naniontlich  auf  tulgciiUe  Ab- 
tiandlnofn^n :  Arnaud.  KHni.srhe  und  Btatisti.schc  Betrachtung  über  die  allgemoine  Paralyso 
hoini  Mannn.  .\niia!.  nud  i)syili.  1**S!^.  —  Aschei-,  Ht'itrik>re  zur  Keniitniss  des  Verlaufs  und 
der  A-tiiiluKie  der  allurcrnciueii  Paralyse.  Z<:'it.-iilir  f.  P<yih.  XLVI.  — .\  w  t  <i  w  k  r  a  to  w, 

Hirnntrvenkerue  liei  l>>„ii'n/iit  j^tni/i/tiin.  Neurol.  Cfiitralbl  ]8'J2.  —  1!  an  nister,  .loam. 
Ol  oerv.  aod  nient.  üiiiea.«:».  Iis91.  —  Batty  Take,  ürit.  Med  Joam.  1890-  —  Uinawanger, 
Himsyphilis  und  DemeHtiu  pin-ulyticti,  klinische  und  statistische  Untersuchung.  Festschr.  zn 


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202 


DEMRNTIA  PARALYTICA. 


Ehren  von  L.Meyer.  18^1.  —  Bjeljakow,  taclii/cephalia  et  fiemenitu  jtat'alj/ticu  praecoj: 
in  einea  lUle  von  heredlOrtr  Syphilis.  WjMtn.  p«f«b.  1  iMnvpat.  1890.  — >  BI»eq,  MigraiM 

Ophthal miifue  ff  pnnilyxif  <j>'>i''rale.  Arch.  de  Neuro!.  I8'^9.  Nov.  —  Rouchand,  Annal  m-d  - 
psych.  1891,  Mai.  —  Boccolari  e  Horsari,  Rivi.-ta  »per.  tii  IffU.  1889.  —  B  o  u  h  i  1  a, 
Uadjes  et  Cos.sa,  Annal.  in6d. - p.<yeh.  lb\>.i.  —  Brunet,  Vortr.  auf  der  PRychiaterver^ 
sammlaog  so  Paris.  1889.  —  Batselalti,  Hedicinskoje  obosMiiie.  1890.  —  Camnset, 
Vortr.  auf  der  firaDxD«.  Piycbiatervennuinloiif  r.n  Lyon ,  1891  und  Xote  nur  In  pamli/ste 
y'it.'r.ih-  siiiihilitilpte.  .Annal.  med. -psych.  IF'JI  .  Jativ.,  Fi  vr.  —  <'hari  ()t  et  Dntil.  ^'</r 
un  i(is  ih  piirali/ttie  geti^nile  progressive  ä  <l<but  Irts  prt'rnce.  .An  Ii.  de  Xeurol.  189^.  — 
Chri.><tian,  .\reli.  de  Nenrol.  1887  und  IXvchiaterversanimlun^  v.w  P.iris,  sowie  Annal.  m6d.- 
psych.  1888.  Janv.  --  Clous  ton,  The  Neurones  of'  detelopineut .  Kdinb.  Med.  Joum 
XXX II.  .Juni  LSÜl.  —  Colella,  Lf  ultemzioni  dei  nrrri  prrifertci  tirlla  Fnralini  ijenerale 
prtHjreattrtt  in  rapporto  roi  Inrn  iiin  lci  cfiitrali  di  orii/iiit .  Aiiual.  lii  Nfnirul.  IX.  —  Com- 
bo male,  Vuttr.  aof  der  franzoa.  Psychiaterveraammlaog  zn  Lyon.  1891.  —  Cullerro, 
PaydiiatorvorMiinintQng  sa  Roaen.  1890.  —  Cnylits,  Bvll.  de  Is  Sbc.  de  oiM.  nentale  de 

Belg.  1890,  März  —  Daeon<^t,  riiyt'm^re.-^reure  hi/aloidc  dans  Vi  l'iirafi/sie  ^t'tu'r-ih-  pro- 
yrtssire  t(  /urmatiitn  de/i  raritoli.s  duti.s  le.s  eellules  iiervcuMCx.  Öoc.  de  Hinl,  [S'JO  —  Doutre- 
beute,  P.sychisterversammlung  zu  Kouen.  189<*.  —  FolaOIB,  Transactioiis  ol"  tlie  Aä.soc.  of 
Amer.  Physiciaas  1889  .<ept.  —  Fronda,  Ln  peptonuria  nti  paralitici.  MaDicomio  1892-  — 
FOrstner,  t'eber  periphere  Nearltie  hei  progressiver  Paralyse.  Vortraf  aof  ^fv  «ndvest- 
dentschcn  P.sychiaferwrs.  1891.  —  Kir)cli<-r,  I'fhfr  Kntsifhiinp-  nn  I  .\iir,inir>-yiiiiitiiiiio  der 
progressiven  Paralyse.  Württemberger  med.  Currespondeazhl.  18^^,  Nr.  li*^  —  Gerd  es,  tnaug.- 
Diss.  Versnclie  fibar  paialytisttben  HlödKinn  bei  Bunden.  Berlin  1691.  —  Cieill,  Hosp.  Tidende. 
18!)<;.  —  Oerlach,  Archiv  flir  P^vr-  ,  XX.  3  C  illes,  G.iz.  nit-,!.  .1-'  l'.iris.  l.SiM.  Xr.  lt.  - 
(»arnier,  I'sycliiaterversaniijihui;  zu  Paris.  —  .lullroy,  Vortr.  aulder  P-^yiliiaterver.samm- 
lung  in  Lyon.  1891.  Kirn,  I  i  htjr  Lesesiörnngi-n  bei  paralytischen  und  nirhi  paralytischen 
Geisteskranken.  Di'S.  München  1887.  —  Kraff t-Ebing,  Dementi»  pttrulgtica ,  klinischer 
Vortrag.  Wiener  m« d.  Press««.  1889,46—48.  —  Derselbe,  Festschrift  car  Feier  des  fenfkig- 
jährigen  Juhilänin.s  der  Anstalt  lilcnaii.  Hi'idelliprg  I8!i^.  KroiHhal,  Degeneration  der 
Gela.sscapiilarcn  hei  der  jimpi e.«;siveu  Paralyse  der  Irren.  Neurol.  ("entralld.  189(>  —  Korn- 
feld  und  Bikeles.  IJntei-ui  Illingen  über  das  Verhalten  der  Uautsensihilitaf .  .sowie  des 
Gerncbs-  und  Ge.sthti.acksinn.^^  Iiei  Paralytikern.  Jahrbücher  für  Psvih.  .\1,  i.  —  Koppen, 
.\rchiv  flJr  Psych.  1889.  —  Lemoine,  Vortr.  auf  der  Psy<  hi.«terversaifiniluuit  in  Paris.  1889.  — 
Lissauer.  Deutliche  med.  Wo(  liennchr.  ]bW  .  Nr.  -jt).  -  L  »•  n  h  n  s  (  Ii  <•  r  uml  Ziehen,  Kli- 
nische Untersnchangen  über  die  äalzsanreabscheidang  des  Magens  Geisteükranken.  Jena 
1892.  —  Marie  et  Bonnet.  Vortr.  aaf  der  PoyehiaterversanBilQNg  %n  Lyon.  1891.  — 
MariM,  Arch.  di  Psi'h.  IX.  .Meilhon,  .\nnal.  mei].-p«:yrh.  1891.  —  .M  e  n  il  e  I  ,  Die 
piilhulogi.-iche  .\nalomie  der  l tcimnt in  par-ili/ti'-n  Neiirul.  (Viitralld  l.^'.M.  —  Meschede. 
TherapeutLsche  .MiKheilungen.  Neurol.  Centralbl.  Is^*?  —  Derselbe,  (  eher  hyitcrifomw  Ab> 
falle  im  Veriaul'  der  paralytischen  Geistesstörung.  Verhandl.  der  Natarforscherversanmlnilg  tu 
Bremen.  —  L.Meyer,  /.ar  pathologischen  Anatomie  der  Dementia  pfiralf/tira.  Hevrol. 
Centralbl.  jSlIn.  —  Mey,.]-  nml  Wel.er.  P'']'' >n'irie  hei  />iiti<nf!i  j,iir<i!  .itit  n .  Baseler  An- 
Btaltsbericht.  l8ty.  —  .A.Meyer,  L'ther  Fa.serticbwucd  iu  der  Kleiiihirnrinde.  Archiv  für 
Psych.  XXI,  1.  —  Minor,  üeber  Syphilis  und  Paralffsi»  progrewira.  Wjestn.  p.<«ychiatr.  i 
nevrojKit.  Moeli    Ijeber  die  Pupillenstarre  bei  pnigressiver  Paralyse.  .Vrchiv  für 

Psych.  VIII.  .M  u  re  1  -  La  V  a  1 1  e  e  et  Belii-res.  .Syphilis  nnd  allgemeine  Paralyse.  Paris 
ISSSi.  —  Morse  Iii,  In  snotido  rnso  d'inrrrsiunf  dt(  rc/lfsso  pii/tillurr  in  <in  iilirnfifo 
piiralitico.  Arch.  di  pt>ych.  18*<iti.  —  Uebeke,  Zar  Aetiolugie  der  allgemeinen  forUschreiten» 
den  Pftralyoe.  AIfg.  Zeitschr.  fBr  Psych.  XLIX.  —  Olli  vor,  -1»  nnrt{if*i.t  of  aome  of  the 
oriil,ir  .-'iiiijil'Diis  iifiyerre.d  in  .<'^-'-'>!ht/  fienetal  Pareti--^.  Tran-^act  .\ni-^i  <  »jihilialni.  Sor.  Is8f.  — 
Piek,  l»ie  l)ia>:no-<f  der  progressiven  Paralyse  iu  ihrem  l'n'Jnnn  «Istadimn.  Präger  me<l. 
Wochen.schr.  1>.S!*.  Nr.  41  Derselbe,  Zur  pathologischen  Hi.stologie  d>tr  progressiven 

Paralyse.  Ncurol.  Centralbl.  189t —  Rabot,  Kxtrait  du  rrrueU  imiuff.  de  Vunir.  de  Lau- 
gfttnie  189Ü-  —  Rigis,  Gaz.  mi^d.  de  Paris.  |888.  —  Regnier.  I'upportu  tte  la  nyphili« 
ri'if'lirnh'  avi'r  fii  piirnl'fsie  gtu^rolr.  Keviie  ile  nn'd  I^*-'.r  Hnseioli.  Miiniroiiiie  1891»  ~ 
Kusenthal,  Aphasie  nnd  allgemeine  Paralyse  der  Irren.  Ceutruibl.  lur  Nervenheilk.  1889.  — 
B 0 n i I! a r d ,  Psyebiaterversammtnog  sn  Bönen.  1890-  —  Boasset,  Vortr.  anf  der  Psychiater- 
versamnihinp  zu  l.ynn.  —  R  o  1 1  e  n  !>  i  1 1  e  • ,  Centralbl.  für  N'erveiilieilk   ]bbU.  —  Ituxton 

and  «ioodall,  Brain  IS-i'^i.  —  Schlitz  Aiiatomi.sche  Cutersudiungen  über  den  Faserverlauf  im 
centralen  Höhlengran etc.  Archiv fiir Psych,  XXII.  —  Ders  el  be,  Vortr.  antder  Naturfor.-ichervei- 
Sammlung  in  Bremen.  —  Savage,  Die  Vorboten  der  alluemeinen  Paralyse  der  Irren.  Brit. 
Med.  Jonrn.  1890.  —  Derselbe,  Amer.  Joum.  of  Insaa.  18S8,  Jan.  —  !$hatr.  Brit.  Med. 
Journ  18-lt,  Nov.  und  lS!i,J.  .Fiine.  —  Pen  y  Smith,  Ibiil.  I  slld.  Js  a  1  g  ö  ,  Die  uurcgel- 
mäss'ge  Keaction  der  Pup  hen  Wiener  me  l.  Wo^  hensclir.  1887.  -l  »  u.  lü.  8  k  r  o  s «  o, 
A ngenafTectionen  und  Sehstörangen  bei  der  allgemeinen  Paralyse.  P.sichiatria.  V.  —  .Riemer- 
ling, Statistisches  und  Klinisches  zur  Paralyse  der  Frauen,  Neurr)l.  Centralbl.  18>S,  —  Der- 
.selbe,  Pu]nllenrpaction  und  ophtiialtnoskopischi'r  Befund  bei  L'ciste.'.-kr.uiken  Kranen.  Charile- 
Annal.  l>8t;.  -  S  t  r  u  m  ]>  >•  1 1 ,  Neurol.  Centralbl.  I.\s8,  Nr.  .5.  Tarncr,  Jonru.  i>f  mental 
scieuce.  1889,  Oct.  —  Tbomsen,  Zur  diagno-stischen  Bedeutung  der  Pupillenphauomene. 


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DEMENTIA  PARALYTiLA.  —  DESlNFECTIuX. 


203 


Itpeciell  der  refleclorischt'n  Piipillcnstarre  bei  Gcisteskrinken.  «'haritp-Annal.  IS'-»).  —  Der- 
selbe, Ueber  die  praktistlic  Bedfutunt:  der  Sy])hilis-raral\ selrage.  Allg.  Zeitsclir  für  Pi^ych. 
XLVI.  —  Tiirnowsky.  An  luv  für  Dermatol.  und  Sypliilis.  XXIII.  Heft  i.  —  V  o  i  s  i  n, 
Franzüs.  Psychiaterversammlang  za  Boaen.  1890-  —  Derselbe,  (Jeber  die  Heilbarkeit  der 
allgemeiiMn  Fftralyae  der  Trr«».  Bnll.  g^.  de  t1i6rap.  1889,  Kaf.  — -  Yorster,  SpectilseliM 
Gewicht  des  Blutes  l»ei  Geisteskranken.  Vortr.  aaf  dfr  8udw«;<tde!it';ph''n  Psyrliiaterversamm- 
\xuag.  1892.  —  Vassale  eChio/.  zi,  Riv  sperim.  di  fren.  \V\].  —  Wagner,  Trepanation. 
Amer.  Jonm.  of  Invan.  IrrW,  Jiily.  —  Wigleswort  h,  Brit.  Med.  .luurn.  1689.  —  Derselbe, 
Jonrn.  of  ment.  science.  Iä89.  Oct.  —  Zagari,  Ueber  Veraoderunicen  im  Sehhiigel  bei  pro- 
tmsfAvw  Paralyse.  Nenrol.  Centralbl.  1H;>1.  Nr.  4.  —  Ziehen.  Sphvpniosraphi'jche  Unter- 
suchungen an  (iei.<<teskranken.  Jena  188?  —  Ziem^sen,  Di'-  Sy|ihili<  -io  Xerveii>ystf ms. 
M unebener  med.  Wochenachr.  1688.  —  Zacher,  Ueber  3  Falle  voa  progreiuiver  Paralyse 
mit  Herderkranknngen  in  d«r  Oaptula  inierm.  Arehiv  Ar  Flgrefa.  XIX,  3.  —  Derselbe, 
Ueber  ii  Fälle  von  acuter  Paralyse.  NenroL  Centralbl.  1681.  Ziehen. 

Dermatol  bei  Durrhoea»  s.  Darmestarrh,  pag.  184. 

DssinfBCtiOn.  Der  erheblichen  Menge  neuerer  Arbeiten  gegenflber,  d.  h. 
goh^her.  welche  im  laufenden  Jahr/ehnt  lUHeh  Abschluss  des  Flriränzunir^artikels 
im  „Eneyelopädiächen  Jahrbuch  ',  Bd.  1,  pag.  183 — 197  >  eut^tandeu  diud ,  maobt 
sich  t^nt  beflondera  das  Beddrfniss  geltend,  diese  hersugekommeDen  Errungen- 
-rhatten  g e .-i o  n d ert ,  nai-h  einer  Kintheilang  in  gewissen  6 ruppen,  dem  ITeber^ 
blick  de»  Forscher-J  wie  des  Praktiker-^  zn-rün^rlieher  zu  niaidicn. 

£s  wird  deshall)  im  Naehsteheudeii  zu  handeln  sein  aj  von  solchen 
Arbeiten^  welehe  ein  allgemeineres  theoretisches  VerttSndpiiJs  über  das  Wesen 
der  Oesin fection  su  fordern  unternehmen;  b)  von  der  Vertiefung  der  pbyaika- 
lisch en  Desinfeetionsmefhoden ;  c)  von  der  EiiitlihnuiL'-  m  iuTcr  chemischer 
Df'sintirientit  n  :  >f  i  von  den  r>esintecti<»nsljestrebun,ircn  bestimmter  Infectinnsc  r  re fror n 
und  »peciellen  Kntt^euehungHZ  w  e c  k  e n  gegenüber:  fj  von  der  praktischeu  An- 
wendung der  neuesten  Forschungsergebnisse  an  bestimmten  Plätzen  und 
von  neuen  Anweisungen  xuro  Desinfectionsverfahren. 

aj  Zur  Theorie  und  allgemeiuen  Methodik  der  Üesintec- 
tion.  Die  von  Gbppert^)  angeregten  wichtigen  Fragen  bexflglieh  der  mit  Milz- 
brandsporen  getrinkt  en  Fnden  als  Testobjecte  su  Infeetlons-  und  Desinfeotions- 

zwecken ,  wurden  nach  l.lnfrerem  Schwei<ien  vnn  einem  Vertreter  KuCH'-'cher 
Gedankengänge.  Hkhri.ng '} ,  mit  Lebhaftigkeit  aufgenommen.  Pr.Hei.se  getasst, 
kann  die  Streitfrage  nur  lauten :  Sind  zur  PrUfuDg  der  desinficirendeu  Kraft  des 
Sublimats  zuverlAstiger  die  von  Koch-Bbriung  benutaten  sporenbelilebten  Seiden- 
finden  oder  die  von  GEprErtT  zur  Anwendung  gezogenen  .Sporenemulsioneu  ?  Wollte 
die  erstere  Paitei  sieh  lediglich  mit  ihren  Tei«tobjecten  an  die  Fr.-ige  iler  ])raktischen 
Deäiufection  von  Wii.sche,  VerbandstcHcn  und  anderen  gewebten  Materialieu  idie 
dem  »porenbeklebten  Faden  ähnlichen  Gegenstände)  halten ,  so  wflrde  man  ihr 
die  Herechtigimg  SU  gewissen  ScbiH.ssen  aus  ihren  Experimenten  nicht  abspreehen. 
Werden  dagegen  Verh?Jltni.>»^<e ,  wie  sie  in  Wunden  des  lebenden  Thierorganigmu» 
oder  gar  in  dessen  inneren  Thuilen  vorliegen,  zur  Frage  gestellt,  so  verdieueu 
Gbppbrt's  Einwände  die  grRsete  BcrOeksicbtigang ,  ja  sein  Verfahren,  das  flber- 
schflssige  Sublimat  der  Sporenfäden  durch  Schwefelamraonium  niederzuschlagen, 
mildste  "Jclhst  von  gegnerischer  Seite  anerk.-mMt  werden.  Im  Febrigen  bat  Gpri  KRT  -) 
aber  auch  seinen  bereit.s  aus  den  viirauigeliendcn  Arbeiten  geschlossenen  Ik'haup 
tungeu  mit  grosser  (Gründlichkeit  uoch  weitere  Stützen  zu  geben  versucht.  „Thier- 
infectionen  dareh  mit  Sublimat  behandelte  Milzbrandsporen  treten  auch  dann 
noch  ein,  wenn  auf  kUn.stlicben  Nährboden  der  Culturversiich  mit  sidchem  Material 
negativ  ausf.-ilit."  Diese  Erscheinung  zu  erklJlren ,  liatte  (iKi  i  KltT  darauf  hinge- 
wiesen, dass  möglicherwei.se  im  lebenden  Thierkiirpcr  Kesorptiousvorgitnge  wacbs- 
tbnmsbemmender  Substanzen  sieh  entwickeln,  welche  auf  kfltistliehem  Nährboden 
nieht  zu  Stande  kommen.  Durch  jttngere  Unter^^uchuiigen  erscheint  zun.lchst  be- 
wiesen, dass  ganz  bestimmte  Toni-entrationsgrade  des  Sehweri'lruiuii'niiutiK  er- 
forderlich sind,   um  bestimmte  Wirkuugeu  auf  die  mit  .'Sublimat  behandelten 


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804 


DBSINFECTION. 


Miizbraudspuren  au;»zuUbeD,  daäs  ferner,  alf^eseben  von  der  einfachen  Ausfklluug 
dee  Quecksilbers  aus  der  Lösung,  noch  ein  auder«r  Umstand  in  Frage  kommt.  Das 
Sublimat  geht  nimlieb  mit  der  Snbatanz  der  Spore  eine  VerbinduBg  ein,  weldie 
weit  scliwerer  zerlegbar  ist,  als  da»  Sublimat  ao  sich.  Auch  wenn  et  geUngt,  mit 

dem  F'ftllunf^smittel  in  die  Spore  einzudringen  und  das  Quecksilber  auszuftlllen, 
bleibt  eine  Scbädiguug  der  Spuren  beateben ,  welche  das  Weiterentwickeln  der- 
selben im  Thierk9rpw  beeintrlebtigt.  Somit  mOehte  Gbppbrt  die  Wirkung  des 
Snblimata  auf  die  Spore  mit  einer  Vergiftung  bezeichnen:  ist  letztere  in 
greringerem  Orade  erfolgt,  so  kann  diircli  das  Ausfitllungmittel  noch  wieder  eine 
Entgiftung  herbeigeführt  und  die  Sublimatwirkung  aufj^ehoben ,  der  Spore  ihre 
Weiterentwieklnngsflüiigkeit  also  reetitnirt  werden.  Hit  anderen  Worten:  naeh 
relativ  kursem  Aufenthalt  in  Sublimat  Terliert  die  Milzbrandapore  die  Fähigkeit, 
auf  'ihr  sonst  znsnirenden  Nrthrbnden  anszitkeimen.  Sie  ist  s'iznsügen  schein- 
todt.  Fällt  man  aber  das  Quecksilber  aus  in  ihr,  so  wird  sie  wieder  keimfHhig, 
auch  wenn  sie  Stunden  lang  in  Sublimat  gelegen  hat.  Die  Verminderung  der 
Lebenskraft  der  Spore  macht  somit  wibrend  dieser  Vergiftungen  nnd  Wieder- 
entgiftungen  eine  Folge  versehieilener  Stadien  darob.  Erat  das  letzte  dieser 
Stadien  ist  dasjenige,  worin  auf  die  Spureneinsaat  weder  eine  Cultnr  angeht, 
noch  eine  Tbierinfectiuu  mehr  gelingt.  Ob  aber  selbst  dicHed  Stadium  mit  „Ab- 
todtung"  zu  identifieiren  sei,  bleibt  immer  noch  eine  olfone  Frage. 

Rrhkixo  weist  in  seiner  zusammenfassenden  Arbeit  die  er  unter  vulier 
Verwerthnng  der  umfassenden  Mittel  nnd  Gelegenheiten  des  Herliner  hygienischen 
Institute  fertigstellte,  darauf  hin,  dmi  die  verKcbiedenen  Spsltpilzarten  sieh  ver- 
sdiieden  resistenzkrüftig  gegenüber  chemischen  Einwirkungen  verhalten,  nnd  dass 
spedell,  je  kflrser  die  Zeit  der  Einwirkung  eines  Desinfidens  ist,  desto  grOsser 
die  Mengt'  desselben  sein  muss ,  auch  dass  daneben  der  Desinfectionseffect  dureh 
Anwendung  höherer  Temperaturen  gemeinhin  gcsteitrert  wird.  Horstamniuug  uud 
Alter  der  Culturen  können  ebenfalls  die  Leistungslähi^keit  der  Desinlkieutien 
beeinflnssen.  Diese  letsteren  selbst  werden  in  8  Gruppen  getheilt: 
I.  Metallsalse, 
II.  Säuren  und  Alkalien, 

III.  Verbindungen  aus  der  aromatischen  Keihe  der  organischen  Chemie, 

IV.  FlOsaige,  in  Wasser  nnUtsliche  oän  sehwerlOsliehe  Desinfieientkni, 

\'.  Mittel,  die  im  festen  Zustande  wirken, 
VI.  .Mittel,  die  gasförmig  wirksam  sind, 
VII.  Stoll'wechselproduete  von  Mikroben, 

VIII.  Bakterieutödteude  Körper  des  menschlichen  oder  thierischen  Organismus. 
Ad  I  wird  das  Sublimat,  ad  II  Ralkmileb,  Kalkbrei  (nach  Jäorb),  Natron- 
lauge, Kalilauge   nach  RoKR  i.  ad  III  die  1 — 5^  gige  GarboUösung,  auch  PeaBSON'S 

Creolin  ,  weniger  L\sol,  ad  IV  warmes  Chloroformwnsser  und  Salieylmischnngen, 
ad  V  gewisse  Edelmetalle,  ad  VI  das  Jodtrichlorid  hervorgebuben.  Eine  speoiellere 
Sichtung  der  VII.  nnd  VIII.  Gruppe  ist  einstweilen  noch  vorbehalten  geblieben. 
Sporentragende  Seidenfilden  erwiesen  sich  sebneller  als  durch  Sublimat  durch 
heissc  Wasehlauge  ■  desinlirirt  (für  1^  „ige  Subliniath^sungen  war  eine  Einwirkung 
von  oo,  fur  d.i8  letztere  Hausmittel  nur  von  4  Minuten  Dauer  erforderlich  [!!J; 
2';-*^  Jodtrichloridlösung  leistete  den  Effect  in  b  Minuten).  An  die  sehr 
schlagenden  Heilwirkungen  des  Jodtrichlorids  gegen  Diphtherie  (Tetanns)  schlössen 
si<-h  die  hier  nieht  z<i  reeapitulirenden  hakterientj^dtenden  Eigenschaften  des 
thieriscben  Blutes  aus-crhalb  des  (Jefässsystems  an. 

Eine  8ehr  erbebliche  Widerstandsfilhigkeit  gegen  Desiutieicutieu  kumuu 
dem  sacbarificirendeu  Ferment  des  Pancrea-ssaftos  zu.  Wie  Abbloüs  *)  ansgefnnden 
bat,  ist  diese  i)o«r  (otthi/wofit/uf  bedeutend  höher  als  tYie  „Doiie  antiseptü/ue". 
So  die  letztere  von  Suldimat  :  IDO.OnO.  die  ersten-  .'>  :  lO.itDO:  v<in  Carbid- 
silure  ist  eine  autisepiisehc  Wirkung  bereits  von  ö:  eine  autizynxaischc 

von  5  : 100  zu  erwarten :  ftlr  Jod  stellen  sich  die  Vcrhflltniüüe  auf  3 :  10.000, 


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DESINFEOTIOX. 


beziehun^sweist'  1  :  lt»n.  Clilorolorm .  ('hloral,  Alkohol  ;ib--<i!iitiis .  salicvNaures 
Natron,  Tbymol,  Mentbol,  Jodofonu,  die  alle  aotiKeptiscb  nicht  belaugios  sind^ 
ent&lten  «Btisjmotisebe  WirkoDgen  Doeh  oidit  in  lO"  gigen  LösuDgeo. 

Die  Versnobe  0.  Boer's  wurden  derart  engeitellt,  den  flir  den  Werth 
der  verschiedenen  De>!iiifcctiousniittel  möglichst  matbematisch  genaue  Masseinheiten 
ermittelt  werden  sollten.  Hierzu  wurden  bei  einer  Wärme  von  .".7"  in  sebwach 
alkaliacber  Üuuilloo  mittelst  einer  Platinüse  Uberimpfte  Agaragarcuitureo ,  die  iu 
der  Bouillon  24  Stunden  lanur  Wnehstham  flberlasMn  worden  weren ,  enf 
ihre  Widerstandskraft  gegenflber  Salz-  und  Scbwefelsäiire ,  Natronlauge  nnd 
Ammoniak,  Queeksilberoxycyamid,  Auronatriuincblorat,  Silbernitrat,  arseni^snurem 
Natron,  Carbolsllure,  Creolin,  Lysol,  Malacbitgrila ,  Metbylviolett  geprüft.  \Ea 
wurde  also  das  von  Behbino  nnansgefnllt  entworfene  Sebema  erprobt,  und  zwar 
an  Diphtherie-,  Typhus-,  Cholera-,  Rotz-  und  MilzbrandbacilleD.)  Quecicailbercyanid 
und  MalachitgTHn  erwiesen  sich  bei  dieser  Versnchsanordnunfr  als  anscheinend 
sehr  Uberlegen ;  Creolin  und  Lysol  schienen  eine  bescheidene  mittlere ,  Carbol- 
sftiire  eine  sehr  untergeordnete  Stellung  einzunehmen. 

Die  nnterstfltsende  Kraft  der  Bitte,  welche  von  einigen  Desinfeetions- 
forseliern  Ts.  o.)  als  eine  dem  Fjnfluss  der  specifischen  Wirkung  zu  Hilfe  Itommende 
durcb^ehends  fflr  säu)mtliche  liesinfieientien  angenommen  wurde,  scheint  bei 
manchen  Gruppen  keineswegs  sich  in  der  behaupteten  Sicherheit  zu  üusseru. 
Heidbb  *)  vomoehte  allerdings  Milsbraadsporen,  welchen  eine  36tagige  fönwirknng 
von  55*lffiger  Carbolsftiire  bei  Zimmertemporatur  nichts  anzuhaben  vermochte, 
s'ibald  er  die  Wärme  auf  5,')°  (  •.  erhöhte,  bereits  dureb  itre  rVirlioh.-iiir«^  inner- 
halb 10  Minuten,  darcb  5%ige  Carbolacbwefelsäure  in  6ü,  dunh  ü%ige  Lresol- 
sehmierseife  in  120  Minuten  abntOdteu.  Steigerte  eat  die  Temperatur  auf  76*  C, 
so  konnten  die  entsprechenden  Abtödtuugszeiten  auf  8 — 16  Minuten  eingesehrinkt 
werden.  —  Dagcp:en  erwies  <\ch  für  die  Anwendiin;ren  vr>n  10*  j'grer  Lflsung 
Creolin  l'earson,  ]Eres{lttigtein  Kalkwasser,  l'-'.iiger  Pvoetauiulösun;:  die  Steigerung 
der  Wärme  auf  55°  C.  als  völlig  elnflustilos  und  die  Einwirkung  der  genannten 
Stoffo  als  nicht  im  mindesten  erhöhend. 

Eine  Erhöhung  ihrer  Desinfectionskraft  glaubte  man  von  mehreren  Seiten 
bei  der  Mischuufr  verschiedener  Desiulieientien  >ind  Antiseptiea  wahrirenf>minen 
und  sonaeb  eine  Begründung  gefunden  zu  liaben ,  um  solchen  Desiufectiunä- 
gemischen  (CarbosulfosJiure,  Rotterin,  WeinsRuresublimat)  lebhafte  Empfehlungen 
angedeihen  zu  lassen.  Beuniiei.m"}  fand  am  werthvollsten  solche  Desinfections- 
L'emisehe  ,  welche  ihre  einzelnen  Ingredienzien  in  kleiiu-n .  nicht  toxischen  Dosen 
enthalten  und  dennoch  eine  hübe  Desinfectionskraft  enthalten,  und  tritt  besonders  — 
unter  Betonung  dieses  Kriteriums  und  unter  Verweisung  auf  die  günstigen  Er- 
folge in  der  Yeterinärpraxis  —  für  da.s  ABTUANN'sehe  Creolin  ein. 

Einen  sehr  niassfrcbenden  Beitrag  zur  Theorie  der  Desiufection  lieferte 
(,'RKMKli ")  mit  seiner  Arbeit  über  die  Kesistenz  der  Sporen  gegen  trockene  Hit/e 
und  deren  Ursache.  Er  ging  zunächst  darauf  aus,  den  Wassergehalt  des  Bakterien- 
Imbes  einerseits,  andererseits  dessen  Asohenproduete  näher  kennen  tu  lernen. 
Cultnren  von  Micrococcu»  prodigtosus  erschienen  hierzu  als  geeignetster  (Jnter- 
suchungsgegenstand ;  sie  wurden  —  oline  Verletzung  des  Nährbodens  —  abge- 
streift, bei  1U0<^  C.  bis  zur  Gewicbtsbeständigkeit  getrocknet,  dann  langsam 
verascht.  Die  Waehsthumstemperatnr,  das  Alter  der  Oultoren,  die  Verschiedenheit 
der  Nährböden  bedingte  nicht  unwesentliche  I  nteracbiede  in  der  Trockensubstanz 
und  im  Aschengehalt.  Man  darf  sich  hiernach  nicht  vorstellen,  dass  die  liakterien 
allgemein  einen  typischen  Wasser-  und  Aschengehalt  besüssen,  wie  höber  organi- 
sirte  Pflanzenwesen;  nur  möglichst  gleiche  Culturbedingungen  werden  annähernd 
tjrpisehe  Werthe  zu  Stande  bringen.  Das  Myeel  der  Sdhhnmelpilse ,  auf  ähnUehe 
Weise  untersucht,  zeigte  mindestens  ebenso  reichen  Wassergebalt  wie  die  von 
CuKMKR  uniersuchten  Spaltpilze.  Schimmelj)ilzsporen  abgeerntet  von  einer  Mucor- 
art  und  von  Fenicilliu/n  glnuanuj  zeigten  sich  von  eminent  hohem  Troekengebalt: 


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206 


DE8INFBCTI0N. 


4 — 5iuai  höber  aU  die  Mycelmasae  der  nämlicheu  iSchimuielarten ;  ihr  Aschegehalt 
in  dar  Tlrock«iUDlMtmiif  erfabr  gtoieluseitig  eine  Veniiinderoiig  tnf  thk  Drittel  bU 
eio  Viertel.  Während  nach  frflheren  prleichonnlgen  Versuchen  \on  Lewith  an- 
zunehmen jrewesf-n  war.  dass  der  Tlriind  der  verschiedoiu'u  ne>ist<'nz  der  Sporen 
und  der  »oustigeo  VegetationBfurnieu  zu  suchen  sei  in  eineiu  verscbiedeueu 
Wassergehalt  des  Sporeneiweiases  und  des  Eiweiiaea  der  vegetativen  Formen, 
wird  neh  naeh  Cbemsr*«  Arbeit  die  Antwort  auf  die  Frage:  „Wie  können  die 
Sporen f  trotzdem  auch  der  ihnen  innewohnende  Wa^^^ierprohalt  koin  geringer 
ist.  Bo  hohen  Wilrniegraden  Widerstand  leisten?"  etwas  anders  stellen  K>i  kommt 
in  erster  Liuic  aul  die  Art  und  Weise  der  Bindung  des  Wassers  an.  Mau  muss 
nntereebeiden  swisehen  dem  Wasser,  welehes  die  Gewebe  durehsetst  und 
dem  hygroskopischen  Wasser.  Letzteres  spielt  bei  den  Sponn  die  masa- 
gebendst«'  Rolle.  l)ic  .Sehimmelpilzsporen  sind  die  hygroskopischsten  Wej<en,  welche 
inau  kennt;  sie  nehmen  aus  feuchter  Luft  doppelt  so  viel  Wasser  auf  wie 
das  Handebasr  and  4nial  sovid  Waiser  wie  das  Laminarlagewebe  ans  fiMidIten 
Umgebungen;  sie  enthalten  Uberhaupt  lediglich  hygroslcopisehes  Wasser.  Der 
holic  Widcr-^tand  de-  in  den  Sporen  enthaltenen  Ei\veis><e.s  ^regcn  die  Hitzecoagu- 
lation  dürfte  sich  hieraus  erklären,  besonders  wenn  mau  ausserdem  den  so  geringen 
Aschengehalt  der  Sporen  in  Kechuuug  stellt,  welcher  die  Neigung  der  Coagulation 
ausserdem  noeh  wesentlieh  zu  bedntrftehtigen  geeignet  ist 

Antibakterielle  Wirkungen  seitens  der  Elektricität  sind  «war  melir&eh 
der  (iegenstand  eingehender  Forschungen  gewesen,  habeu  jedoch  zu  praktischer 
Verwendung  sich  als  zu  entlegen  und  incon staut  erwiesen.  Auch  legen  die  bis- 
herigen Forsehaogen  nur  der  Bleittrolyse  die  Kraft  bei,  erliebliehere  bakterieide 
Eintlnsse  auaiutthen.  Eine  Erweiterung  dieses  Forschungsgebietes  bahnten  neuer- 
dings Si'ii.KKR  und  CdTTSTKix  an  ') :  sie  hatten  auch  praktische  Zwecke  liierbei 
im  Auge ,  die  sich  jedoch  mehr  auf  Sterilisirungs-  und  Conservirungsmetti<iden 
richteten,  weniger  auf  die  Desinfectionsfrage.  Eine  grössere  Reihe  von  L^xperi- 
menten  stellten  sie  an  Ol>er  die  Kraft  des  Indnetionsstromes,  die  speeifiselien  Orga- 
nismen im  Blute  von  Thicrcn  ,  die  an  >^e{)tic;imie  und  llilhncrcliolera  zu  Orunde 
gegangen  waren,  abzntödten.  l'nd  zwar  gelang  dies  initteNt  der  Kinwirkun?; 
eines  luductionsstromes  von  l-'Amp. ,  der  5 — 3U  Minuten  laug  auf  derartiges 
Blnt  einwirkte,  aber  nieht  in  allen  Versuchen.  (Die  Unglmehmässigkeit  des  Er- 
folL-^es  möchten  die  Forscher  dem  nnglcichen .  in  den  erfolgreiohen  Versoehen 
höheren  Kisengehalt  des  Blutes  zuschreiben,  da  die  Haktcricntfidtung  aueh  in 
eisenhaltigem  Wasser  gelang.;  Schliesslich  seien  hier  noch  d  i  e  Versuche  hervor- 
gehoben, mittelst  deren  Spilkbb  und  Gottstbin  an  Bakterienenltnren  selbst  die 
bakterienvemiehtende  Kraft  des  Inductionsstromes  erprobten.  Agaroulturen  von 
Prodigiosus  wurden  in  Wasser  aufgcsr-hwcmmt,  welches  mit  einigen  Theilcn  N;lhr- 
bouillon  vermischt  war.  Um  das  Frobegefäss  wurde  eine  Drahtspirale  geführt 
und  dureh  diese  der  Inductionsstrom  (5  Amp.  x  0*4  Volt)  geleitet.  Dieser  Strom 
tOdtete  die  Bakterien  in  21  Stunden.  Wurde  die  Starke  des  Stromes  auf 
12"5  Amp.  1"0  Volt  erhöht,  so  war  der  Äbtödtangserfolg  nach  Verlauf  einer 
Stunde  erreicht.  Die  Wilrmeentwickluug  war  der  Grund  des  auf  die  Bakterien 
ausgeübten  Krfolges  nicht,  da  sie  36*6''  niemals  überstieg. 

Ad  b)  Frosch  nnd  Glarekbach  lieferten  einen  wesentiiehen  Betrag  zur 
Vertiefung  der  physikalischen  Desinfectionsmethoden,  indem 
sie    das   N  crli'iltt  n  Wasserdampfcs   in    Desinfectionsapparaten i   einer  eiu- 

gehendeu  e.\periuteutelien  i'rUfuug  uuterzugeo.  Auf  die  Einführung  der  Danipf- 
desinfeetion  in  die  Praxis  haben  Experimentatoren  nnd  Teehniker  seit  einem 
Decennium  die  grösste  Mflhe  verwandt.  Als  wiobtigster  Fortsehritt  auf  diesem 
(Jcbiete  gehört  neben  der  Zuleitung  des  !>ampfes  v<»n  oben  vor  Allem  die  An- 
wendung von  gespannten  Danipten.  Dneh  wirkte  einer  allgenieineren  l-iiitilhnnig 
dieser  Fortsehritte  die  bisher  etwas  nnvtdikommeue  Beweisführung  zu  (iuusteu 
der  genannten  VerbesAernogen  entgegen.  Frosch  nnd  Clarbxbach  haben  nunmehr 


DE9INFECTI0X. 


mit  einem  Dosinttctii>ii-,apparflt  experimentirt ,  in  welchem  eine  derartige  An- 
bringung vou  Tbermumetern  und  Monumetern  möglich  war ,  dsLns  der  Gang  der 
Temperatar  aaoh  bei  geseblosacBer  Desinfoetivnskammer  gmnx  genau  in  verfolgen 
und  die  /ul.-issuug  des  Dampfes  sowohl  von  oben  wie  von  unten  möglich  war. 
Ks  sollte  iKsondcrs  die  Periode  der  Kindringung  des  Dampfes  in  die  nhjecte 
festgeateUt  werden ,  und  es  zeigte  sich  —  wie  von  vornherein  horvorgehubca 
werden  mnss  —  anf  dieee  die  Form  nnd  Grösse  der  Desinfeetiensksinroern 
obne  Eintliiäs.  Wh»  die  Vertfaeilnng  der  Wirme  im  Dtisinfectinusraume  betrißt, 
so  fand  ilifMlIic  Ix'i  gespanntem  wie  l)ei  nngesp.mntcm  l)ampf  durchaus  gleich- 
miissig  und  ohne  Entstehung  sogenannter  todter  Ecken  statt.  Das  Darapfquantum, 
beziebuDgsweise  die  Strömungflgeschwindigkeit  hat  nur  für  die  Dauer  der  Füllung 
der  Kammer  Bedeutnng.  Isl  die  Foilimg  voHendetT  ao  braneiit  dto  weitere  Dampf» 
zustrOmnng  nur  noch  in  solcher  Reichlichkeit  zu  erfolgen,  das><  die  durch  Conden- 
sation  verbrauclitc  Hanipfmenge  8teti;r  wieder  ersetzt  wird.  Eine  Abkürzung  der 
EindringuDgadauci  wird  erreicht  durch  die  Strömuugsrichtung  den  Dampfes  \(in 
olien  nach  nnten.  Den  Dampf  ateta  von  oben  in  die  Kammer  ein-  und  unten 
wieder  abzuleiten,  ist  daher  rationell.  Unten  wird  aber  bei  dieser  Richtung  des 
Dampfes  auch  die  erstn-hti-  Temperatur  von  100"  C  am  spiUe^tcn  errciclit :  ein 
Fingerzeig,  die  zur  C<>ntruie  der  Dusinfectioo  zu  benutzenden  Maximumthermometer 
an  den  tiefsten  Punkten  (niebt  anderswo  in  der  Kammer,  auch  nicht  in  der 
Mitte  der  C>bjecte  ete.)  anzubringen.  Da  bei  der  geringen  specifischen  'rem|)eratnr 
der  gemeinhin  der  Desiufecticm  anheimfallenden  Dinge  die  Anfdllung  der  Kammer 
im  Allgemeinen  ohne  Eintluss  auf  die  Eindringungsdauer  ist,  empHeblt  es  sich, 
die  Kammern  immer  möglichst  voll  auszufüllen.  Gespannter  Dampf  bewirkt  die 
Herstellung  der  absoluten  Dceinfeetionstemperatnr  von  100^  0.  frflher  ab  der 
ungespannte  Dampf.  I-'ür  Apparate,  die  mit  besonders  voluminrisen  Gegenständen 
beschickt  /.ii  werden  pflegen,  ist  die  Einleitung  des  Dampfes  unter  ' /.„ — '  Atmo- 
spburenüberdruck  /weekeutsprecheuder ;  für  kleinere  Gugeastäode  (^Verbaudstotfe, 
einselne  Wftsebe  und  KleidungsstOeke)  genttgt  der  ungespannte  Dampf  —  eine 
Feststellung,  die  angesichts  der  leichteren  Bedienung  und  der  (iefabrlosigkeit  der 
mit  ungespanntem  Dampf  ;iil)eitcniicri  Aftparate  nicht  ohne  Belang  ist 

Der  Aufsatz  MuNc'Ki<yä beschreibt  eingehend  Vuräudcrungen  am  U^t- 
WALT'schen  (OrSRBBCK  DB  HsiBK'seben)  Stariiisator,  der  dnreh  die  Herstellung 
aus  stark  verzinntem  Kupfer,  Dampfdichtungs-  und  Ventllvorrichtuogen  für  die 
Arbeit  mit  ge^i»anntcii  I ».Impfen  adajitirt  worden  ist.  Die  Eorm  ist  die  eines 
liegeuden  (Jvliuders,  die  Spannung  wird  durch  einen  verstellbaren  liahu  im  Ab- 
zugsrohr erzeugt. 

Das  Thema  der  von  Bi;ddb  im  Verfolg  ftHberer  ähnlicher  Arbeiten  an- 
gestellten Untersuchungen      lässt  sich  etwa  durch  die  Frage  ausdrücken :  „Welebe 

Bedeutung  bat  die  Strfiniunfrsgeschwindigkeit  des  Dampfes,  beziehungsweise  dessen 
Spannung  während  der  einzelnen  Abschnitte  des  Desinfeetionsvorgangcs  in  einem 
gewöhnlichen  Dampfofen  und  welehe  unter  Anwendung  bA herer  Spannungs- 
grade  als  den  bisher  zu  gleichsinnigen  Versuchen  in  Anwendung  ge/,ogeueu?" 
Die  Spannung  des  Dampfes  wurde  in  den  mit  einem  liKCK  seben  Dampfofen  an- 
gestellten Vtrsuchea  bis  zu  30  IM'und  pro  (^uadratzoli  gesteigert  (Manometer 
bestimmung).  Watte,  Qberall  mit  grober  Leinwand  gedeckt  und  in  einen  cubisehen 
Drahtbehalter  gestopft,  wurde  als  Versuehsobjeet  gewählt ;  das  Controltherroometer 
in  das  Centriini  dieser  Wattemasse  eingesenkt.  Ermittelt  wurden  neben  der 
verbrauchten  Danipt'niengc  in  Kilometer  j)ro  Stunde  —  die  l''üllung<dauer"\  die 
„Eindringuug.sdauer  (total/',  die  „Eindringungsdauer  lubsolut/',  die  „Ausgleichs- 
dauer** (in  awei  Perioden),  der  Zeitraum  vom  Anfange  des  Versuches  bis  sur  Er- 
reichung der  dem  Dampfdrueke  eiitspreehenden  Temperatur  innerhalb  des  Objectes. 
Die  Füllungsdauer  I.Usst  sieb  durch  oine  Vorwärmung  des  (»fVns  selbst  wesentlich 
abkürzen  und  constanter  machen ;  ihre  Länge  steht  in  einem  umgekehrt  propor- 
tionalsn  Verhältniss  zu  der  Temperatur  nnd  der  Menge  des  angeleiteten  Dampfes. 


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DESIN'FECTION. 


L'nabhiinfriir  von  ili-r  Fülltin°->«daiier  bSit  sieh  die  totale  KiiKiriiiininfsdaucr.  indem 
sie  um  desto  abgekürzter  erscheint,  je  grösser  die  Üamptäj>annuüg  im  Oleu  ist. 
Von  dieser  hingrt  auch  die  abaolnte  Rindriagunf^daner  in  nalteKii  volteUndinrem 
Parallelismiis  ab.  —  Auf  die  Abschnitte  der  Ausirlcichsdauer  wirkt  die  Ffillungs- 
dauer  insofern  ein ,  als  bei  ('onstanz  (h-r  b-tztcn-n  Viei  dvn  ereiferen  eine  woitans 
grössere  Gleicbmiissigkeit  der  Aus^ieichung^zeiten  zu  beobachten  war.  Kine  leb- 
hafte Dampfströmung  ist  nur  vollstflndig  wahrend  der  (2—4)  Minuten  der 
Fflllnngsdaner ;  während  der  sieh  ansehUewendea  Parioden  des  weiteren  Des- 
infectionsvorganfres  ist  keine  Strömung  nothwendig,  als  dass  eben  die  dem  Des- 
infectionsobjeetc  eiitwt'ichenflL"  Luft  möglichst  unmittelbar  entttTiit  wird.  Wülircnd 
dieser  eigentlic-bcu  iJeainfectionsprocedur  (30 — 15  Minuten;  lässt  sieh  also  eine 
reeht  erhebliehe  Menge  Dampf  ersparen;  wie  gross  die  Bnpamiat  ist,  wird 
für  jeden  Desinfectionsofen  durch  entspreohende  Yorversnche  bestimmt  werden 
mdssen.  Xaelideni  aI<o  .lurli  Rri»DE  der  AnHcbauung  beigetreten  ist,  dass  ge- 
sättigter Dampf,  von  oben  eingeleitet,  dem  DesinfectionsbedUrfuiss  entspricht, 
nimmt  er  fDr  die  Frage  naeh  der  Anwendung  des  gespannten  oder  des  ange- 
spannten Dampfes  den  Gedankengang,  dass  diese  Alternative  unerledigt  bieibeo 
kann  gegenüber  der  Dauer  der  Abh  dtiin^'  iler  vers-ehiedeiieii  pa(b(<!.'enen  Keime, 
da  sie  fUr  diese  keine  wesentlichere  Bedeutung  hat.  Dagejien  besteht  diese  Be- 
deutung überall  da,  wo  es  auf  die  Dauer  des  Eindringens  der  Wärme  in 
die  Desinfeetionsobjeete  ankommt.  Hat  man  einen  grosseren  Dampfkessel  snr 
Verfügung,  der  gespannten  Dampf  hinblnglich  zu  entwickeln  im  Stande  i.^t,  so 
wird  schon  die  Aussiebt,  Kohlen.  Dampf  und  Zeit  zu  sparen,  es  hrtehst  wHnsrhens- 
werth  erscheinen  lassen,  auch  die  Desinfectiouskanimer  so  dickwandig  zu  oon> 
stmiren,  dass  sie  die  Anwendung  eines  nieht  allzu  geringen  Ueberdruekes  gestattet. 
So  dürften  grössere  Krankenhäuser  und  wirkliche  Desinfectionsanstslten  da.s  frag- 
liche VerhjlltniK-^  am  vortbeilhafteston  verwirkliclien,  wilbrend  es  weni^r  rationell  er- 
acbeint,  die  Desiufectionsofen  auf  das  Aushalten  eines  Ueberdruekes  zu  coustruiren, 
wenn  ein  grösserer  Dampfeutwickler  von  vornherein  überhaupt  nieht  sur  Ver- 
fBgung  steht. 

Die  Durcbdämpfunirs-  und  Desinfectionseinriebtungen  von  Sohäffku  und 
Walckhi: ')  Ncrtreteu  ilirersflts  das  roiistrueti«in?*prituMp.  narh  \\elelicm  Danipf- 
entwickler  und  Durcbdampt'uugsraum  separat  eingerichtet  sind,  resp.  der  letztere 
mit  einer  sehen  Torhandenen  Dampfiiuelle  verbunden  werden  kann.  Fdr  den  Fall, 
dasa  die  Dampfkammer  in  die  trennende  Wand  zwisehen  DesinfeeUonsaufnahme- 
raum  und  nesinfeeti<tnsa}>lirft'runL'-^rauni  eingelassen  werden  soll  ,  wird  sie  auf 
beiden  Seiten  mit  Thüren  versehen.  Kine  zweite  .Modilication  dieser  Apparate  ist 
der  eigentliehe  Oesinfectionsranm  innerhalb  des  (runden)  Dampfentwiekler«  ge- 
dacht. Der  Dampf  strömt  von  oben  ein.  Zeitverlust  soll  bei  dieser  Einriehtnng 
möglichst  vermieden  sein. 

Als  eine  .sehr  Heissi>;e  und  auf  grosser  liasis  angelef;te  Arbeit  ist  die  von 
n.  C.  J,  DcNCKKR '  ' )  „I  cber  die  physikalische  Prüfung  der  Desinfectioa  mit 
Wasserdampf"  zu  nennen.  Nach  einer  ausfahrlichen  gesohiehtliehen  Reeapitnlation 
icr  früheren  Forschunj^cn  fibcr  den  Wasserdampf  und  seine  desinficirende  Kraft 
-teilt  er  sieh  zunilehst  auf  die  Seite  Kohrukck  s.  der  mit  der  Con.struetion  seiner 
neuen  und  eigenthümlichcn  Apparate  ('„Zur  Lösung  der  Frage  der  Desinfectiou 
mit  Wasserdampr*.  Deutsehe  med.  Woehensehr.  1890,  Nr.  50)  bezweckte:  die 
Erzeugung  eines  Uberall  gleiehmässig  erhitzten  und  dabei  nassen,  also  gesättigten 
Dampfes  im  De.sinfeetionsraum  ,  eine  sebnelle  und  vollkommene  Verdr.tngung  der 
Luft  aus  dem  Desinfector  uud  den  Desinfcctionsobjecten,  ein  sicheres  Eindringen 
des  Dampfes  in  das  Innere  der  Objecte,  eine  rationelle  Ansnutinng  der  Ver- 
dampftragswlrme  des  Dampfes  zur  MikrobenabtOdtung,  das  Trocknen  der  desinfi* 
cirten  Gegenstände  noch  v<»r  ihrem  Herausnehmen  innerhalb  des  Apparates  selbst. 
,,Zur  DurehfUhruiiL'-  einer  rationellen  Desinfecfi<>n" ,  so  formulirt  DrxcKER  selbst 
seine  bezügliehen  l'ostulate,  „ist  es  nothwendig,  dass  man  sich  während  der  Daner 


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]>ESlNF£CnON. 


209 


desselben  nicht  nur  Aber  die  DamptVerhlltaiMe innerhalb  des  Deeinfeetionsrau  mes, 

sondern  auch  ionerhalb  des  Deriafeetionsobjectes  möglichst  ganan  unterrichtet." 

Pif  Möjrlichkeit  .  dies  auszitffltircn  ,  wird  in  den  folirrndcn  Hauptabschnitten  der 
Abhandlung  klargelegt,  von  welchen  II  die  „Dampüeuchtigkeitsmesser  und  Wärme- 
messer^* ,  III  „Neue  Untersuchungen  Uber  das  Eindringen  des  Wasserdampfes  in 
Desinfsetionsobjeete'*  vorfBbrt.  Die  von  Ddnckbr  eonstrairten  DesinAsetionsoontrol» 
Instrumente  (ad  II)  leisten  Folgendes:  1.  Der  Dampffeuehtigkeitsm&^ser  reagirt 
auf  aus  siedendem  Wasser  entwickelten  l»anipf  von  zunehmender  Temperatur  und 
Feuchtigkeit  in  ganz  besitimmter  Weise ;  2.  dieser  Dampfl'euchtigkeitsmesser  er- 
möglicht es,  während  des  Verlaufes  einer  Desmfeetion  an  erkennen,  wann  Dampf 
bestimmter  Qualität  in  ein  Desinfeetionsobject  eingedrungen  ist.  Hit  Hilfe  des 
DüNCKER'ächen  Hamptteuchtigkeitsmesserj«  und  seines  Würmemesserg  felektrisehes 
Läutewerk;  kann  man  cuutroliren,  ub  die  Vermehrung  der  Dampffeucbtigkeits- 
menge  in  einem  Desinfeetionsobjeete  mit  der  Erwärmung  sdnes  Innern  gldefaen 
Sehritt  halt.  So  wird  es  nicht  allein  ermöglicht,  die  nothwendige  Dauer  einer 
regelrecht  verlaufenden  Dcsinfection  zu  bemessen ,  sondern  auch  eine  fehlerhaft 
eingeleitete  oder  fehlerhaft  verlaufende  Desinfection  zu  unterbrechen  und  zu  corri- 
giren.  Zu  III  (».  obenj  wurden  Versuche  au  möglichst  mannigfaltigen  Varietäten 
des  Desinfeetionsranmes  nnd  seiner  Armirnng  angestellt,  nm  die  praktische 
Verwendbarkeit  der  mit  Signalglocken  versehenen  DuNXKER'sohen  Dampffenehtig* 
keit'^niesser  in  klares  Licht  zu  stellen.  Die  Versuche  sind  durchgehends  sehr 
lehrreich,  aber  —  schon  in  Folge  der  Coustructiou  der  Daniptieuchtigkeitsmesser  — 
etwas  eomplieirt,  so  dass  hier  nur  das  Studium  des  Originals  empfohlen  werden 
kann.  Mit  einem  seiner  Hauptresultate  bestätigt  Dunckkr,  dass  Apparate,  wie 
der  KncH  schc  DumufcyliiiiltT .  dcrt'ii  Wasser-  und  Dampfr  inm  unmittelbar  mit 
einander  in  Verbindung  stehen .  bei  welchen  also  der  Dampf  den  Desinfections- 
ranm  von  unten  nach  oben  durchstreicht,  sehr  nnregelmftssig  arbeiten  undsn 
Desinfeotionszwecken  nieht  an  benutzen  sind.  „Apparate,  in  deren  Desinfections- 
raum  der  Dampf  von  oben  eintritt,  desinficiren  nicht  nur  regelmassiger ,  sondern 
auch  rascher  und  siijhercr''  als  jene.  Doch  gilt  als  Voraussetzung,  dass  man  für 
einen  genügenden  Luftabzug  am  Boden  des  Desinfectionsraunies  gesorgt  und  dem 
Entstehen  von  flberhitstem  Dampf  vorgebengt  hat.  Raseher  als  strömender  Dampf 
von  100 — 103'^  (  ".  dringt  Dampf  höherer  Spannung,  also  auch  höherer  Temperatur, 
in  Desinfeetionsobjeete  ein.  Docli  ist  es  ein  neues  Moment,  welches  DfNCKER  zu 
iiunsten  des  gespannten  ruhenden  Dampfes  (von  107"  tX),  dem  in  der  Desinfec- 
tionsteehnik  (anoh  naeh  Hubppb)  die  Zukunft  gehört,  geltend  macht,  dass  dw 
strömende  Dampf  auch  noch  kostspieliger  sei.  Dies  beruht  besonders  auf  der 
Zeit  und  der  UmstUndliclikeit ,  die  zur  Entfernung  der  .-itmosphäri^scheu  Luft  aus 
den  Desinfectionsräunieu  erforderlich  sind ;  d.os  Vorhandensein  atmosphilriscber 
Luft  im  Desinfector  andererseits  wirkt  auf  dun  Verlauf  der  Desinfectionen  stets 
beeinträehügend.  Hinsichtlich  der  Lnftschioht,  welche  den  lufitroekenen  patho- 
genen  Organismen  (Sporen  anhaftet,  stellte  DnxCKER  schliesslich  noch  eine  Reihe 
von  E.vperinieuten  au.  aus  denen  eine  Wahrscheinlichkeit  erhellt,  dass  die  Wider- 
standsfähigkeit dieser  iveime  möglicher  Weise  au  diese  EigenthUmlichkeit  eines 
eigenen  Lnftmantels  gebunden  ist;  wenigstens  wirkt  der  Inflfreie,  gesättigte 
Dampf  auch  auf  die  i^poreu  am  intensivsten.  Praktische  Einrichtungen  der  Be- 
hälter zu  kleineren  Desinfeetionsobjecten,  die  .Vuswahl  der  l'lJltze,  wo  am  zuver- 
lässigsten die  Temperaturmessungea  vorgenommen  werden,  die  Anbringung  der 
Dampffeuehtigkeits-  und  Wärmeeontrolapparate  im  Inneren  der  Desinfeetionsgegen- 
stände  bilden  den  Sehluss  der  Arbeit. 

Fiir  die  Hr.Huchbarkeit  der  von  Gebr.  ScHMlDT-Weimar  irelieferten  Appa- 
rate (Hest.'indtheile  sind :  Truusportabler  Behitlter  mit  l'ilzeinlageu,  l'nteraatz  mit 
elektrischem  UontroUherniometor ,  transportabler  D.uupfkessel  mit  Deckel,  Füll- 
trichter, Ventil.  Wasserstandsanzeiger,  transportabler  elektrischer  Klingelapparat 
mit  Trockenelementen ,  Dampfschlaueh  zur  Verbindung  des  Dampferzeugers  mit 
Eneyclop.  Jahrbliclier.  III.  H 


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210 


DESINPEOTlüN. 


dem  Desinfector    tritt  sehr  ilberzeusri  Matthes,  Kreisphyaicus  in  Oboroick 
eiu,  der  damit  bei  Int'ectiuagkrankheiten  ia  seinem  ländlicben  Kreit^e  zufrieden- 
stellende  Erfahrnngen  machte.  Die  Grösse  —  von  der  Fabrik  mit  3  bezeichnet  — 
racht  flir  dto  ünttaMngmg  dner  gerollten  RoseluMniuitnitie  ast. 

Die  beiden  bicninter  folg-enden  Reschreib unfrcn  de*<  Kffeotes  von  Des- 
infectionsapparaten,  welche  der  Unsi-hädlicbmachunir  vtm  bedenklichen  ThiiTtlicilen 
dienen ,  haben ,  wenngleich  keinen  unmittelbaren  Bezug  zur  Veraicbtuog  der 
Kntnkheitsenreger ,  so  doeh  fttr  manehe  Sdte  des  pbysikalisehen  DednfeetioDS- 
verfahrens  einen  nicht  zu  untersehfttzenden  Werth.  DrKCKKit  kam  ei^  bei  den 
Dampfkocbversucben  mit  dem  ROHRBECK'scben  Dcsinfi-ctor,  die  t-r  riuf  dem  Berliner 
(Jentral-Öchlacbtbofe  anstellte  zuvörderst  darauf  au,  die  \  eräuderungen,  welchen 
gesnndheitaehldlieheB  Flnseh  ia  jenem  Apparat  unterliegt,  nach  allm  Riehtangen 
klar  zn  stellen.  Die  besondere  Eigenthümlicbkeit  des  Apparates  ist  eine  KflhU 
vorrichtnnp.  welche  eine  (Kondensation  äi'<  l>anipft's  im  Apparat  und  im  An^chlnss. 
hieran  einen  negativen  Druck  zu  crzeu^'cn  ^ro.stattct.  Es  wird  mit  diesen  Vor- 
kehrungen eine  absolute  Sättigung  des  Dampfe»  bezweckt,  auf  der  anderen  Seite 
aber  andi  der  Effeet  enielt,  daas  wiederholte,  nieht  an  weit  getriebene  Condensationea 
des  Dampfes  und  dadareh  die  den  raschen  und  sicheren  Verlauf  der  Durchkochung 
garantircndrn  Druckdifferenzen  bewirkt  worden.  Die  in  die  bis  12  und  lä  Cm. 
dicken  FleischstUcke  versenkteu  Muximalthermumeter  iudicirteu  durcbächuittlioh 
eine  Hitze  von  107*  C.  (zwiaehen  100  und  llZ'b^C):  gleiehmlssig  magerea 
Fleisch  bedurfte  der  ^rOasten  Zeitdauer  zum  völligen  Durehkoehen  2^o  Stuodea), 
welches  bei  durchwachsenem  und  fettem  Flriselie  weit  eher  (1'  ,  Stunde'  zu  er- 
reichen war.  Da  die  Besobatlenheit  des  nach  Kouubeck  behandelten  Fleisches  in 
Bezug  auf  Geniesabirkeitaeigensebaften  Niehta  sa  wttnaeben  flbrig  lieaa  vnd  dodi  — 
wie  Impfveranehe  am  Heersehweinehen  erwiesen  —  seine  infieirenden  Eigen- 
schaften völlig:  verloren  hatte,  darf  man  nieht  anstehen,  mit  DrNCKER  das  Kohu 
liKCK'scbe  \  erfahren  als  ein  derurtipres  anzii.sehen,  dass  dadurch  ^esuudbcitsgefibr- 
licbes  Fleisch  zu  Nabrungszweekeu  wieder  geeignet  gemacht  wird. 

Die  Bägenthflmliebkeiten  des  zur  Verniobiuiig  dea  Aaaea  und  krankhafter 
Thiertheile  be.Ktimmtain  HKXxEHKRiiX  hen  Abdeckerei-  (Kefal-,  daher  Kalill  ?> 
I »csinfectors  bieten  manches  dir  die  physikalische  Vervollkommnunir  der  Des- 
infectoreu  überhaupt  Interessante.  iJer  eigentliche  Apparat  besteht  aiib  .i  Abtiiei- 
langen ,  massiv  in  Sebmiedeeisen  hergestellt ,  so  dass  sie  10  Atniospli.^ren  Druek 
aushalten,  welche  unter  sieh  mittelst  Rohrleitun^ren  verbunden  sind.  Der  ei«reat> 
liehe  Sterilisator,  der  1200  Kprm.  fassen  kann,  ist  mit  doppelter  1 'elicrmanti-lnn* 
verseben  und  erbftlt  seinen  Dampf  von  vurhaudeueu  Damptkcsiielu,  eventuell  auch 
einem  eigenen  Dampfentwickler.  Es  ist  ein  durchschnittlicher  Betriebadruek  von 
4 — 5  Atmoaphlren  (153— 160i*  C.  Temperatur  entapreebend)  voransgeüetzt.  Durcb 
die  Dampfspannunfr  wird  das  Ueberstoigen  des  Lcimwa.ssers .  wie  des  flUssigen 
l'i'ttes  :uis  dem  Steriiisator  in  den  Recipienten  (die  Ahtheilunfr  2)  bewirkt: 
{gleichzeitig  schlägt  sich  iu  Abtbeilung  3,  den  Coudcnsator,  der  Dampf  nieder, 
dessen  wdtere  Bestimmung  ea  dann  iat,  in  Qemeinsebaft  mit  den  neb  entwiekeln- 
den  tlhelriechenden  Gasen  durch  ein  Abd  imptrohr  in  einen  hohen  Sehlot  abge- 
leitet zu  werden.  (Die  für  eine  v(dlstäDdige  Katill  Desinfectionsanlafre  erforder- 
licheu  Käume  zur  vorbereitenden  iierrichtung  der  zu  destruirenden  Thierleicheu 
und  -Theile,  aowle  zum  Anadarren  der  im  Sterilisator  zurttekbleibenden  Reste, 
zum  Lagern  deradben  ete.  kennen  fftr  den  vorliegenden  Zweek  auaser  Betraebt 
gelassen  werden.; 

An  Mkhi.ER's  Sterilisationsapparat,  der  haupts.'ichlieh  für  Verbandstiicke 
und  Instrumente  dienen  soll,  ist  die  Vorwärmung  der  zu  sterilisirendeu  Ubjeete 
praktiaeh  zur  Anwendung  gebraebt ,  wodurch  dieeelhen  vor  zu  atnrker  Beneteung* 
geschützt  werden.  Eintreten  de^  Dampfes  von  oben  und  einige  andere  teehalaehe 
Fortsehritte  theilt  der  Apparat  mit  anderen  bereits  erwähnten. 


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DRSINFECTION. 


211 


Fdr  kleine  Kratikt  iih.-inscr.  Ohdarhans(a!teii  ,  l'alizeiverwabr^ame ,  Her- 
bergen etc..  welche  der  AutV>ibe  gentlgeu  .Hollen,  Kleidungs-  und  Verbandstücke 
zu  desinßciren,  wird  der  Dampfdesinfectionsapparat  nach  dem  System  CoHMBü- 
KlOHNB,  wie  ihn  Skneexg  in  HildMlMiin  eonatntirte,  empfahlen.  Ans  galvani- 
sirtem  Kisenblech  erlisut,  ist  der  Sterilisatinnsraiim  (mit  seitlichem  Zugang:)  gegen 
den  Dampfentwiekler  durch  «  inen  weitmaschifren  Einla^rt'boden  abt>;e«chlo33en.  An 
der  oberen  Decke  betindet  sich  dun  DampfabströmuDgsrohr  mit  einer  Abscheidungs- 
Torriohtnng  fOr  das  OondenMtionswaaser.  Die  ViMtheile  des  Apparate«  liegen  unter 
Anderem  aueh  in  der  Billigkeit  sowohl  seiner  Herstdinng  als  seines  Fenerungs- 
Verbrauches. 

Neben  seinen  sonstigen  Bestimmungen  (Sprayerzeugung,  Inhalation,  Auf- 
tbaueu  von  Höhren  verschiedener  Artj  soll  ein  transportabler  Dampferzeuger  nach 
Hubs'  Prineip  auch  hauptsächlich  fBr  Desinfeetion  dienen.  Mn  in  einem  d<^pel- 
wandigen  Kessel  aiifgehftngtw  massiver  eiserner  Bolzen  von  16  -30  Kgnn.  Ge- 
wicht ,  ausserhalb  glühend  gemacht .  bewirkt  die  Verdampfung  des  langsam  in 
einem  feinen  Strahl  zugcleiteteu  Wassers  in  Form  eines  Dampfstrahles,  der  sich 
aneh  als  HilzbrandabtSdter  wirksam  bewies.  Ueher  die  praktisehe  Verwerthbar- 
keit  der  Idee  stehen  nmfangreiehere  praktisehe  Versnehe  nodi  ans. 

Mf.rkr's^^)  einfacher  und  billiger  Dampfsterilisatnr  wird  gefertigt  aus 
Weissblech  in  Form  eine«  d<)f)pelwandigen  Cylinders  mit  tricliti'rfrirmi^-em  Aufsatz 
und  wird  auf  den  Dampfentwickler  {der  ein  gewöhnlicher  Koclitopf  sein  kann) 
befestigt.  Der  Dampf  dringt  zanlehst  swisehen  den  Doppelwandungen  anfwirts, 
dann  von  oben  her  in  den  inneren  Cylinder  ein  und  verlässt  diesen  letzteren  auf 
dem  Wege  eines  am  Boden  helindlichen  Kohren.  Ein  zweites  Rohr  ffihrt  das 
Condensatiiinswasser  dem  Dampt'entwickler  wieder  zu.  Man  erreicht  die  Temperatur 
von  100'^  C.  in  dem  „inneren  Cylinder"  und  den  in  ihm  zu  sterilisir enden  Ob- 
jeeten  nngefilhr  naeh  40  Minuten. 

c)  Zur  Einfuhrung  (neuerer)  chemischer  Desinf ections- 
mittel.  Eine  ( "ollectivarbeit.  welchem  sieh  auf  viele  ältere  und  neuere  chemische 
Agentien  zur  Desinfeetion  erstreckt,  lieferte  der  k.  k.  österreichische  oberste  Sani- 
tfttsrath  in  Form  eines  Gutachtens,  '^ji  Dasselbe  legt  zunächst  der  Carbolsäure 
«Ue  Maeht  bei.  in  viel  geringere  Goncentration  wirksam  sn  sein,  als  man  dies 
neuerdings  angenommen  hat.  SpccicII  sollen  Mineralnäuren ,  der  Carbolsäure  zu- 
gesetzt, deren  Wirksamkeit  sehr  erhöht  haben.  Als  wirksam  werden  auch  Chlor- 
kalk und  Kalkmilch  aufgeführt.  Die  Ivreosolc  sind,  wie  näher  -tusgefUhrt  wird,  in 
den  mit  ihnen  hergestellten  Gemisehen  das  wirksame  Prineip.  lieber  die  Naeh- 
theile  des  Seifengehaltes  in  den  verschiedenen  Gemischen  wird  bei  diesem  Anlüss 
ansfriiirlieher  gehandelt  und  in  die  Betrachtung  besonders  einbezogen  CreoUn, 
Lysol,  .Solveol.  S(»lut(»l. 

In  seinen  Beiträgen  zur  Theorie  der  Desinfei^tion  geht  UaSCUKK  '-'') 
anf  die  Wirksamk^t  von  Chlor-  und  Snblimatdftmpfen ,  femer  anf  die  eines 
Gemenges  von  Oarbolsinre  nnd  Snblimat  nnd  anf  die  Verwendbarkeit  der  Kalk- 
mileh  ein. 

Die  ehemischen  Desinfectionsmittel ,  welche  einzelne  Forscher  zu  Experi- 
menten damit  anregton,  Uberblicken  sich  —  bei  ihrer  nicht  ganz  geringen  Zahl  — 
wohl  am  bequemsten  in  einer  alphabetisch  angeordneten  üebersieht.  Von  eigenen 
klitiaehen  Bemerkungen  zu  diesen  Desinficicntien  sieht  der  gegenwärtige  Er- 
glDsnngsartikel  ab.  Es  genügt,  einleitend  darauf  hinzuweisen,  wie  einerseits  die 
Darbietung  immer  neuer  Nebenproduete  der  chemiäcben  Fabriken  zu  Des- 
infeetionsversuchen  anregt,  wahrend  anf  der  anderen  Sdte  der  Wunseh,  leeht 
Unige  Deainfeetionsmittd  (besonders  zu  Massendesinfectionen)  an  die  Stelle 
zwar  schon  erprobter,  aber  oft  aneh  in  hohem  Preise  stehender  ilterer  Mittel 
zu  setzen. 

14* 


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212 


DBSIMFBCnON. 


Asaprol  (Monosulfo- 
sanres  ^Naphthol- 
adeinm) 


mplitliolb«Bioat) 


Art  dar  Mftinc_^  < 

Iii  Asaprol:    I.  in  5  Ccm.  ' 
Nährbooillon  auf  wachsende  . 
TyphiM-,  «^len*  nnd  Herpes 
toDi^nrans  -  Fuvsiteii  zu 
015  einwilkieBd  aul  öuphylu- 
floocui  «ad  Milsbnadbuiilleiii 

(Aatifl«ptiflcke  Vitknn«  der  . 

des  li-Naphtholsalitylates  jranz  1 
analos,  jedoch  aicht  wie  tiie»eä 
nacht hcili^o  Nebenwirkungen 
aaf  die  Nieren  entfaltend) 


Autor 


ad  1  Waihsthnni 
wird  Terhindeit : 
ad  2  AUSdtang 

wird  erreirht  (Zeit 
nicht  augegeben) 


Bang«») 


,  TTon  et  B«r- 
lios 


Bisoiuthum  subnHri- 
Oiin  (in  Streuung 
dick  und  dtui) 


Einwirkung  auf  1.  Slaphylo- 
Ofccus  pyogenps  albu.s  ;  2.  Vi- 
brio Chol. .  H.  Typhnsbacillus  ; 
4.  gegen  nicbt  pathogone 
Mikrobeo 


Dicke  Be^itreuiing 
tödtate  die  Keime 
ab  bis  aar  ad  3 


O.  R os«n- 
thal") 


8«r«iMre 


CarbtlliMii 


in  SVgigor  Ldsung  einwirkmid 
aaf  Staphylocuoc-ii  bei  37*  C. 
und  15"  C, 


Pnifnng  auf  eineD  reellen 
Phenolgebalt  durck  7  Aaaly- 
„ChrbolyalTem" 


Carboltittre 


Carbolsfture 


Carbolsäure  in  .>, 
'*>p.  l'*;«igerL6rang 


Eiuwtrkuu^  auf  '^4  i>tunden 
in  BouilKm  gewachsene  Dipb- 
th^ri'  ,  Tyi>hus-.  Cholera-  and 
Milzbrandhakteri^-n 


DeeinfectioB 
1,  reap.  3  Standen 

Ckinaervirungamittel 

ftr  Taawerk, 
Mauerwerk,  Bolsetc 

3  ^Carl">l|iulvcr" 
gao£  ohne  Pbenol- 
gebalt;  4  mit  Ge- 
balt zwischen  2*3 

iu.fl  5-'",, 

Wirksam  in  Losung 
von  1 : 60«) 


Einwirkung  aut  1.  Bac.  pyo-  ail  |  in  60  Miinit»-ii 

cyaneus    in    Boiiillonciiltur ;  noch    kein  Erfol;;: 

ij.  Müabrandsporen  an  Baum-  ad:iin4r>Tagen  noch 
woIlenfHden  keine  Abtödtung 


Einwirkung  1.  uul  &]il/J)r:tii<l- 
Sporen  bei  Iii — 18,  resp.  bei 
37"  C. ;  2.  anl'  ätapbylococcon 
bei  n  nnd  37*  C. 


AbtÖdtuni;  ad  1  in 

5— 7  Tagen,  resp. 

in  2— '6  Standen; 
ad  2  nach  1—3. 
re«p.  3—5  Minuteo 


KaH 


Crotlto  Artmann 


Creolin  Artmann  ' 
in  5*'  ,iger  Lüanng  j 

Crttlin  Pearson  , 


Einwirkung  1.  anf  Dipktkerie- 
baciUen  bei  37^  and  15"  C; 
2.  aaf  Stapkylococcnsfäden  bei 
37«  C. 

Einwirkung  auf  1   Kac.  pyo- 
cyaneue   in  Boailloncalinri 
2.  Milsbranduporen  an  Banm- 
wollenfiiden 

Einwirkung    auf  Stapbylo* 
coooen  bei  37*  C. 


Besinfeotion    ;i>!  I 
necb  30  Jdinuten; 
ad  2  keine  Desin- 
fection 

ad  1  in  tJO  Min.  nock  ' 
keine  Abtikltung; 
ad  2  keine  Ab- 
tttdtong 

Nack  1  Stande  Er-  < 
folg  =  0 


Einwirkuu-  .iiif  ].  Bjir.  pyo- 
cyaneus    iu    liouiiloucnltar : 
X.  HilsbranUspnren  an  Bnam- 
wollfaden 


Creolin  Pearson 
in  5*,oiger  Logung 


ad  1  in  (!< •  Min.  noch 
keine  Alitodlung; 
ad  positiver 
folg  navk  Iii  Tagen  j 

Einwirkung  auf  Staphylo-  I  N:uh  1  Stunde,  resp.  | 
coLcen  bei        u.  bei        C.   !  15  Min.  Abtödtung  I 


Pane") 
Filflinger 


Svoboda**) 


O.  Boer 


H  a  nj  m  e  r  *') 


Pane'-) 


Pane») 


Hammer") 


Pane««) 


Hammer*^) 


Pane") 


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DMinflci«iu 


Ark  dar  Prfiftne  [  BtgBtaiwJer  Prflfttng  ] 


Antor 


BinwirkaBg  l.  auf  misbrnid* 

Spören  an  Fäden ;  '4.  auf  Ty- 
phus- and  Cbolersdejectioneo 
in  57,i««r  " 


(in 


CrMÜi 


Dernatol 


EinwirkoDg  aaf  24  Standen 
in  Bouillon  gewachsenen  Diph- 
therie-, Typhös-,  Cholera-  und 
yi  ilzbrandbakterien 


Dernatol 


DiapMarin 

(Oxychinaseptol  in 

FormMaliyd 

(in  1.  Lösungen  tob 
1 :  lOOO  and 
Ü.  1:25.000 


KohlenȊare 
(llflaiig») 


Kraaole  (iu  Lösud- 
g«D,  die  ein  Gemiscli 

von  ^50  0  meta- 
kreMdtinsaiiiem  Na- 
tron. 500()  Wasser  n. 
250'U  des  zu  unter- 
sndiendea  Kresols 
enthielten) 


1.  VIrkvng  stftiter 

als  Phenol  ;  •>.  Wir- 
kung schwacher  als 
Phenol 


--.! 


Baiaotteliampi 
et  Sngg*^ 


EtnwiricBBf  I.  anf  Staphylo- 
Strennng  dick  eoeeoa  pjogmea  albns;  2.  Yi- 
nnd  dünn)       j  MoChoL;  3.  Typknsbaeinai; 

4.  swei  nicht|iiithofene  Mi- 

ki'ot)en 


Lytol 


Lytol 


Lysol 


Prüfung  mittelst  fiestreuens 
(dicken  nnd  dünnra)  von  Cnl- 

turcn  aus  1.  Staphylococtus 
aureus,  albus  und  Strepto- 
coccus; Hac.  pyocyaneua; 
3.VibrioFinkler-Prior'-  4.  Bac 
Chotera  asiat. ;  5  Bac.  Typhi ; 
(J.  Hill  :iiitlira(  is ;  7.  noch 
mehrere  iiichtpatbogene  Bak- 
terien 

Einirirknnf^en  ant  spnrenfreies 
^la'eriiil ;  Stropto-  ii  Staphylo- 
L-occen,  Bacillen  der  Cholera, 
Diptherie  n.  des  frllnen  Eiten 

Einwirknng  anf  ad  1  Mikrohen 

i]f!t  Speichels;  ad  2  Fleisch- 
wa.<«sergemi9che ;  ad  3  Harn 


(ieuienge   vorschictifiier  Fer- 
mente durch  Druck  der  flüssigen 
Kohlenaftnn  bei  der  FiitraUon 
dnrch  PoneHanfllter 

Einwirkung  anf  I.  verschie- 
dene Mikrooliganismen;  2.  Mils- 
brandaporea  an  Seidenfftden 


Wirksam  (stärkere 
Ltanagen) 


Dicke  Bestreuung 
tttdtete  die  Keine 
ab  bh  anf  ad  3 


£rtblgeadl,3.6.7 
8terilitilttad2,4.5 

Wa*  hsthumsver- 
zugerangen 


O.Boer') 


0.  Rosen- 
tbal"«) 


Blahm 


AbtOdtongeo  innn^  I  Bmn eri  e b  and 
halb  10—45  Min.  [  Kronaeher*«) 


TSdtoag  dnrdi  ad  1 

von  ad  1  in  2  Stun- 
den; bei  ad  \i  durch 
ad 2  Bintanhaltong 
jeder  Zeraetzang ; 
dies  anch  bei  H 

Ganz  aOBserordent- 
lich  hohe  bakterien» 
tödtende  Wirknag 


Abtödtung  inner- 
balb  .'i  Min.  ad  1 ; 
in  &  Tagen  ad  2 


Trillat")  , 


d  ' A  r  s  o  n  V  a  1 ") 


Hammer 


I 


Binwirknng  auf  1.  Milzbrand- 
aperen  an  Fäden;    2.  auf 
Typbne-  n.  Oliolenidejectionen 
in  5V«ig«r  Löaang 


1.  Wirkung  starker 

als  Phenol :  *.  Wir- 
kung   starker  als 
Creolin,  dem  Phenol 
ungefähr  gleich 

Einwirkung  anf  I.  Bac  pjo-  ad  1  in  60  Minuton 
cyaucu.-^  in  Bouilloncaltär ;  I  noch  kein  Erfolg; 
9  miahrnnf?^i.f.ri.n  an  Banui-  i     ad  2  Abtödtung 

nach  20  Tagen 

Wirk8a.qi  (stärkere 
Lösungen) 


Bemonchampe 
etSngg**)  I 


I 


V j  a la v-> 141  ■»'.'»(■II 

2»  Milzbrand<por(>a  : 
wollenladen 


Einwirkung  auf  24  Standen 
in  BoniHon  gewachsene  Dipb- 

tberii'-,  Tyiiliiis-,  < 'li'il'-'ia-  und 
M  ilzbrandbakterien 


Hanner*') 


0.  Beer*) 


214 


DBSmFBCTION. 


LyMi  in  1-,  ^i-  und 
ö%iceQ  Lösnagen 


I 


1^  (O-SV«!«*  L«- 
mag) 


MalaobitgrOii 


I 


Mllir««idiBe 

(«af  seinen  Srbnels» 

punkt  »Twärnites, 
dann  mit  der  halbeu 
G^ichtsmenge  vcr- 
^Naphthol) 


ia  lVo%«r 
LMang 


Nioatil 

(inO-S-l-^VtZu- 
Mts  D.  in  Dlnpin) 


OrthoiilieMlSMlfo- 
•iir« 


_  _Art  d«r  PrttftiaK  

Einwirknng  auf  faulende  Blut- 
gsrinsMl,  auf  Klampen  an« 
BpHliehBÜM  und  Liliatt  von 
Rindsmägen  in  Fialniss 


BigeboiHdw  PrOftang  j 


Autor 


nf  l.  Staph3rlo> 
ooccna  nitrens;  2.  Milxbrand- 

Sporen 


Einwirkiinp  auf  I>aui  rfornien 
von  Spaltpilzen  in    c  h  o  1 1  e- 
lins*  Teraoclien 


Kinwirkang  auf  U-i  stunden 
in  Bonillon  gewadisrae  DipH- 

therie-,  Typhus-,  Oholnra-  and 
Slil/.brandbakterien 

Anweodaog  in  der  cbirargi- 
sdiM  Fnxti 


Unterbrechung  der 
Fiolnias  nacb  Ver- 
lraf<fnigvSt«ad«D 


ad  I   schnelle  Ab-  i 

tödtung   (niinnten-  ' 

weise) ;  ad  '4  noch  i 

nicht  in  3(1  Tagen  * 
Tftliige  Tödtung 

Keimtödtendes  Mit- 
tel .  besonder»  zur 

Desinfection  auf 
Viehhöfen  anwead-  i 
bar  ' 

Stark  wirksam  be- 
raita  ia  LUsiiag  tob 
1:40.000  ! 


Einwirkung  1.  auf  Sfaphylo- 
coccen  bei  ü7"  C.  u.  15*  C. ; 
2.  anf  Xilabrandaponn  bei 
37»  C. 


Biawirkung  auf  1.  Botblanf- 
badllen  ;  2.  Mihbrandaporan 


Einwirkung  auf  1.  Bao.  pyo* 
cyaaens   in  Bonillonenltnr; 

2.  Hilzbrand-pon  n  an  Baan- 
woUeniuden 


Maiaal*«) 


Valpiaa*«) 


Revter*^ 


ü.  Boer*) 


Sehr  gnte  Erfolge  .  Polaillon'*) 


Dcsinlection    ad  1 

nach  10,  resp. 
50  Miiratea;  ad 2 
=  0  noch  nach  drei 
Stunden 

ad  1  EntwicUaogs- 
benninnK  bei  Bidc* 

terien        1 " 
ad  2  nocit  koiuu  Ab* 
tödtung  bei  4'',o  in 
16  Tagen,  Dämpfe 
wirkungslos 

ad  1  nach  60  Min, 
nodk  kein  Brfblg; 
ad  2  AbtMtattg 
nacb  8  Tagen 


Paae») 


Falkenberg*') 


Hammer 


Pftraphenolsalfo- 

siure, 
PtrakreMlauNI»' 

alara 

PtlMSl 


Queoksilberoxy- 
eyaild 


Prüfungen     an  pathogenen 
Mikroorganismen 


Einwirkunp  auf  1.  Bac.  pyi>- 
cyaneus    in    Bouiltoucaltur ; 
2.  Milsbrandsporen  an  Baum» 
woUenfadea 

Kinwirkunp  1.  auf  Milzbrand- 
Hporen  an  Fäden ;  2.  auf  Ty- 
pbns-  und  Choleradejeclionen 
in  b%iger  Lösnng 


Kinwirkuiig  auf  '^4  Sniiidt  n 
in  Bonillon  Rfwacliscne  IHph- 
tberie-,  Typhus-,  Cholera-  und 
Milsbrandbakterien 


Gänsliche  Erfolg- 
losigkeit 


Weiler«^ 


Schwacher  als  Snl-  |  H 
vdol  und  Solutol. 


1.  Wirkung  schwä-  1  Remoiichamps 


eher  als  Lysul  und 
{'iv-üliu ;  '4.  Phenol 
dem  Creulin  über- 
1<*een 

Stark  wirksam  In- 
r<  it.s  in  Lösung  yon 
l:UtO»)0 


et  Sagg»») 


O.  Boer'> 


Digitized  by  G( 


DESINFECnON. 


215 


Deitoflelen« 


I 


Art  d«r  PrtAuc 


Brgabniw  der  PröAiBK 


1- 


RMOroin  in  r/,ieer  I 
Lösung 

SalioyUiure  in 

3°  H     1°  00  Lösung 


Biavirkiuig  bei  37*  C,     |  Naeli  1  Stand«  =  0 


SohwefeMüire' 
Kraitl 


8aliwefli|e  Säire 


F.inwirkunp  1 .  anf  Milzbrand- 
sporen  bei  ;t4'  C. ;  2-  auf 
Typhus-  und  Diphtherifba- 
ctUea  b«i  37'  C;  3.  »uf  Sta- 
phyloeoeeea  Im!  OT*  n.  15*  0. 

Einwirkung  auf  1.  Bac.  pyo- 
cyanean    in    Bouilloiirultur ; 
2.  Milsbnndsporen  an  Baum- 
woUenfäden 


'  Stiytol  (Concentra- 
tion  annähernd 
5%ig) 

!  Solltoll  in  10*/,igw 
LöBung 


Aehnlich  dem  SolvAol 


Einwirkung  auf  Rlnfporinnsel, 
Inhalt  und  Kpitheluias.se  ans 
RiadamlgeB  io  Finlniw 


Aufhalt  iinjrd.  Fätil- 
niss  trat  nicht  ein 


SoIVMl         I  Einwirkang  muf  1.  Bae.  pyo- 

ad  I  03:  100:        cyancns    in    Bouilloncultar ; 
ad  U  5"  «ige  Lösung  ,  2.  Milsbrandspuren  an  Baum- 
i  wellAden 


ESnwirlning  in  LSstmgen  nnf 

Stapliylocficcuscnltnren  bei 
37  '  C.  durch  mehrere  Stunden 


(T»g») 


I 


Slllliaiat  Einwirkung  auf  1.  Milsbrand- 

Mn  1  :20.000  b  und  sporai  bei  15«  und  37«  C: 
:  1 :  lOOD  =  LOmng    2.  Staphytoeocom  bei  15*  C. 

und  37*  C. 


Sulfocarbolsaures 
Zlak  in  r^'^j^iger  Lö- 
Bong 


Einwirkung     auf  Staphyto- 
cocceu  bei  37"  C. 


Tabak  Rothlaufliacillcn.  sporenhal- 

•  (  (  —  Iii  —  'd'  J'^t-     tice  |i:ithiiL'i  iif  Uarillon,  Sujirii- 
Tabakbröhe    Nähr-    phyten  in  ihrem  Wachüthnm 
1  gelatiaen  sngeietst)  '  auf  vertabakten  Nihrböden 
■  beobaohtet .    Ttakterien  der 
Miinilhühb-  «>benso 

a- 

Terpentin  Einwirkung  auf  cbirurg.  lu- 

'  stmmente  eine  Nackt  bindareh 


Antor 
Pane«) 


ad  1  nach  G  Tagen 
noch  =  0;  ad  2  Ab- 
tödtnng  in  7  Min.  ; 
ad  3  Abtödtung  in 
7—80  Min. 

aii  1  in  Minuten 
noch  kein  Erfolg; 
ad  2  Abtödtnng  in 
weniger  als  1  TaK 


Pane**) 


<jalirnng8 Verhinderung  durch  i  2ö  Ccm.  £ü,  in  Liter 
versckiedea  kohe  Zoektie  der  '  BlerwUnw  «ntwlek- 
80,  Inngsbemmend 


Seifenlauge  Einwirkung  auf  1.  Bac  Cho-  ,     Abtüdtnng  kalt 

(1—5  Th.  Wasser)  j  lera;  2.  Bac  Typhi ;  3.  Miia*  i  ad  1—3  in  weniger 

brand.sporeu  '  als  12 ;  wann  (23°, 

I       resp.  .-.O"  C.) 

'  ad  1—3  in  G,  resp. 
•       5  Standen 


Ha  mmer^') 


Linossier^j 


Mo  n  t  »*  t  u  s  (■  II 
und  Caro^'j 


ad  1  Abtadtaag  ' 

nach  10  Minuten ; 

ad  2  Abtödtung  ! 

nadi  12  Tagen  j 


Hammer") 


Haieel"*) 


Hammer*') 


l:1000tOd* 
tete  ätaphylococcne 
in  destillirtem  Waa- 
ser nach  20  Min.  n. 
in  Bouillon  naek 
60  Hin.  noeh  alekt 
in  eämmtlichen  Kei- 
men ah 

Abtödtung  ad  1  in 
180,  resp.  40  Min., 
die  stärkere  Lö.sung 
in  30ttnd:<;0  Min.  : 
AbtUdtang  ad  2  m 
180,  reep.  40  Min. 

Herabset /.ung  der 
Entwicklungsfähig- 
keit nack  1  Stande 

Zweifelhaft  bakte- 
rii'nabtiidtonde .  Bi- 
eber wacbsthnais- 
hemmende  Eigen* 
acbaflen 


ViVlligf  Stprilisation 


Abbott*') 


Pane«*) 


Pane>*) 


Falkenberg  •') 


Schleppe- 
grelP^) 


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216 


D£älKF£CTION. 


DMfa11ef»iu 


Tbiophendijodid 


Art  dar  Prftfnnir 

Einwirkung  Lauf  Bac.  l^pbi, 
Bac.  antbracis,  Tibrio  Chol., 

Streptococcus  pyogenes ; 
2,  Staphylococcus  pyogen,  an- 
reus,  l'yocyaneus  (auch  Mi- 
krococcos  prodigioaus) 


Srgebnln  dar  Piftflny 


Avtn 


Stark  entwicUangs» 
hemmend  auf  alle 
Artenadl;  waoifer 
auf  die  ad  2  und 

iia1]('/.u    iihue  ent- 
wickluugflhemmen- 
dan  Efnllaia  naf  3 


Spiegier''-) 


ThyMOl  in  2*/«, 
LSmuig 


Trioxynettylei 


EinwirkoBg  1.  aaf  Htlsl»rand> 

Sporen  bei  35"  :  auf  Sta- 
pbylococcen  bei  ;-i7,re8p.  15"  C. 


(Aehnlich   wie  Formaldehyd 

in  allen  Wirkuuj?en) 


Brfolg  ad  1  nach 

7  Tagen  noch  =  U; 
ad  Abtudtnng 
nach  HO  Min. ,  reep. 
12Ü  Min. 


Pane**) 


Trillat«^ 


I 


(f  )  Zu   s  p  f  c  i  0  1 1  e  n    K  n  t  s  e  u  c  h  u  u      /,  w  e   k  e  n  mid 


irefrenflber  T>e- 

stimiittun  I  ii »  e c  t  i  o iiBcr  rege  r  ii  wurden  lulgende  Arbeiten  unternouimen  : 
Es  wandten  sich  Charrin  and  Netter**)^  sowie  Pbodst^')  bereits  1890  dem 
Studium  der  MasHnahmen  »rc^'^eti  die  rholern  zu.  Den  Anlass  zur  Verftffentliehun^ 
beider  Arbeiten  pab  d;i?*  erste  Auftreten  der  Cholera  in  dfr  spanischen  Provinz 
Valencia;  doch  waren  die  französisohea  Grenzen  zu  Antang  des  genannten  Jahre« 
gleiehieitig  auch  noch  vom  Rothen  Meere  und  von  Italien  her  bedroht.  Da  das  Oros  der 
geplanten  und  der  Krittle  nnterzoi^nen  Abwehrmassnahmen  nothwendig  In  einen 
anderen  ZiHanimenban'r  •rehftrt.  so  seien  als  .'^pcciflli*  nesinffctionsvorscbblsre  hier 
nur  erwähnt,  dat>ti  1.  au  den  (j renzorten,  welchen  DaniptdcsinteetioDsapparate  nicht 
zur  Verfolgung  standen,  alle  verdächtigen  Effecten  mit  1  :  1000  Sublimatlösungen 
oder  50 : 1000  KupfersulfatMsungen  behandelt  wurden,  dacs  2.  tbeils  diese  letzteren, 
theils  schwflchere  (12  :  lOoO)  Kii])fer8ulfatir)sungen  auch  zur  Desinfection  der 
l'mKebunfri'n  der  Kranken  und  ihrer  W-lsrhe .  beziehiinprswcisc  zur  Hiinde-  und 
6e.sieht9reinigung  \ «)r;re.se-hlagcn  wurden.  Filr  die  Behandlung  der  Kxcremeutu 
erklllrte  man  ebenfulls  die  öO  :  1000  KupfersnlfatKisiing  als  geeignetstes  Desio- 
fidens.  Eine  Ausbildung  von  Desinfeetoreu  wurde  angeregt.  Die  zahlenmliRsigea 
Erfolge  tlcr  I)('>intV(Mi"n-.bf-jfrel)uniren  h'ndt-ii  in  der  zweitgrenaimten  Arbeit  nur 
eine  reeht  liickenbatte  iJar.stclluDg.  —  AU  iu  lierliu  vou  Ende  August  ldU2  zu- 
gereiste Cholerakranke  im  Krankenhause  Moabit  untergebraeht  wurden,  liess  man 
Bunflchitt  deren  Dejeetionen  in  Steckbeeken  mit  Kalkmileb  aufnehmen  und  sie 
demnili-bst  in  den  Aii-ifriissberken  eine  Stunde  lau?  in  Herflhrun^  mit  der  Kalk- 
mileb. Spiitor  Jedooh  liess  der  VerwaltuniTsdirecf^'r  11.  Merkk'*i  von  der  Dampf- 
leitung ein  Kupferrohr  abzwei|;eu,  dasselbe  iu  das  Auägussbecken  leiten  und  am 
Boden  desselben  in  zwei  Spiralwindnngen  hernroflibrea.  Durch  die  auf  diese  Weise 
—  Sanoalu*')  hatte  einen  weit  primitiveren  Apparat  für  die  Abkochung  der 
Choleraexeremente  in  St.  Petersburg  in  Forni  des  Kataraktwasehkessels  zum  Durch- 
kochen unter  Zu'^atz  von  Kalkmilch  angegeben  —  zur  Anwendung  gelangeude 
Hitze  wurden  die  Excrcmcnte  in  4 — 8  Hinnten  zum  Koehen  gebracht.  Der  Oeruch 
hierbei  war  sehr  unangenehm,  su  lan^e  die  Kalkmilch  das  Gemenge  bilden  half; 
er  seliwanil  iialie/n  jranz.  als  Ltisunjr  \nu  Ko/ i  jo  rnin ;/(f.  zugesetzt  wurde. 

Für  einen  etwaigen  zukUultigen  Bedarf  sind  alle  für  Cholerazwecke  in  Aussiebt 
genommenen  Hoabiter  Baracken  mit  diesen  Vorkehrungen  zur  Desinfeetion  der 
Exeremente  armirt.  Uass  die  KeimzerstArung  in  letzteren  bereits  naeh  1 — 2  Minuten 
Kochen  perfect  ist.  bezeugte  P.  Ci  TT>r  \\v. 

Einen  breiten  llanin  iniierlialb  tler  speeielleu  De-tinfectionsbestrebungen 
der  jüngsten  Zeit  nehmen  die  gegen  die  1  über ku lose  iu  Seene  gesetzten  Vor- 
kehrungen ein.  Die  in  unsauber  gehaltenen  Wohnungen  von  TnberknIOsen  sieh  vor- 
(indeuden  Bedenküehkeiten  gaben  OLLIVIER  " ;  N  eranlassnng  zu  N'orsehlSgen,  die  auf 
behördliche  Warnung  und  Hinwirkang  auf  gründliche  Wobnungsdesinfectton  hinaus- 


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DESINFECTION. 


217 


kommen.  Starke  Unterstützung  findet  dieser  Kathscblaf:  (und  melirt'ach  };eäU88erte 
j^leicbsioni^e;  io  den  Experimenten,  welche  (ähnlich  wie  seinerzeit  C0RX£Tj  an  die 
Let»en8zah^dt  nnd  Ortliehe  Yerfbeilung  der  Taberkelkehne  anknflpften.  Stonb«') 
Hess  tuberkulöse  Sputa  drei  Jahre  lang  austrockoen;  sie  hatten  ihre  Infections- 
tücbtigkeit ,  wie  Versuche  an  Kaninchen  hewioHcn ,  noch  nicht  einL'cbdsst ,  ihr 
charakteristisches  Fftrbungsvermögen  sogar  ganz  uugesohwAcht  bewahrt.  VVu  die 
Mittel  der  Fannlie  dies  gestattetea,!  soUteii,  so  rtth  Stone  ,  Speibeoken  ans 
Papiwmatse  henfltat  and  mit  den  Spalls  verbraunt  werden.  Praussnitz 
sieht  —  t  nieiii  nhnlichcn  Gedankengange  folgend  —  ein  sehr  praktisches  FöU- 
material  für  Schwindsuchtsspeibeeken  in  der  Holzwolle  (Packwolle).  Vom  Staub 
befreit,  richtig  geformt,  werde  8ie,  nachdem  sie  die  Sputummasse  aufgenommen 
hat,  der  Herdfeuemog  ttberliefOTt.  (WasserfUinDsr  ist  b  vielra  Punkten  unpraktiseh 
und  naehth«'ilig .  wie  auch  «'in  Clntachten  der  Preasaischen  Wissenschaftlicben 
I)ci»iitatiou  näher  ausfflhrte.  i  Baki>*''  lies«»  in  der  von  ihm  gcU'iteton  Spital- 
Abtheilung  in  Lyon  die  Sputumroasseu  nicht  gesondert  von  den  SpuckuUpfen 
desinfielren ,  wie  die«  in  fhinsOsisehen  Spitälern  angeblich  hfinfig  bewerkstelligt 
werden  soll.  Vielmehr  wird  der  Auswurf  wie  die  Näpfe  in  einen)  mit  kochendem 
Wasner  an}?efUllten  Kisenblechkasten  desinficirt.  wozu  er  besondere  Constructioneii, 
Drabtgetiecbte  etc.  angegeben  hat.  Der  Fu^sboden  der  Scbwindsuehts  Kranken-säle 
soll  reichlieh  nass  gescheuert  und  hirran  mittelst  ParafBntrSnkung  vorgerichtet 
werden.  Naeb  Spbxolbr  kommen  bei  Untersnehungen  Aber  Mittel  zur  Desinfection 
tnberkuh'Ksen  Auswurfes  drei  Factoren  in  Hetracht:  der  Conct  nlrationsgrad ,  die 
Menge  tks  .'innfcwandtcn  De^inliciens  und  dir  Art  seiner  Vertlailun^r  —  die  /.eit- 
liche  Einwirkung  des  Mittels  — ,  die  Eutwicklungsforui ,  in  welcher  der  Bacillus 
abgetOdtet  werden  soll.  Prflfongen,  die  demgremäss  mit  Aseptol,  Creolin  nnd  Lysol 
—  vergleichsweise  aueh  noch  mit  Carbolshirr  an  Tuboikelbacilleu  angestellt 
wurden,  lie>seii  als  eine  chemische  erfolgreich,  das  heisst  vernichtend  wirkende  Ein- 
wirkung die  de.s  Lyscds  in  lO^'.oiger  Lösung  uud  bei  12stUndiger  Zeitdauer  erkennen. 

Die  Desiofeetion  der  Krankensimmer  ist  besonders  naeh  Erkrankungen  an 
Scharlaeh,  Masern.  D i ph th erie,  Typhus  dn sehwteriges  Problem,  und  dies 
um  so  mehr,  als  an  Tapeten  Keinigiingsvorgange  oft  grosse  .'^chlidiLrnngen  herbei- 
führen, (lieber  Brotabreibungen  werden  nlichstens  grössere  Erlahrungsreihen 
publieirt  werden.;  Ks  scheint  deshalb  die  Empfehlung  waschbarer  Tapeten  •'^),  wie 
sie  in  England,  neuerdings  aber  aueh  bei  uns  in  Form  der  „Dentsehen  Gesund- 
heitstapete"  gefertigt  werden ,  wohlhcrechligt.  Mit  Oel  iniprflgnirt  gestattet  das 
geschmackvftll  bedruckte  Papier  die  Abwaschung  mittelst  Carbol-  uud  Subliniat- 
lösungen,  ohne  ua  i<'ri>chheit  der  Farben  oder  an  Haltbarkeit  zu  verlieren.  Aut- 
geklebt ist  die  Tapete  gernehloR,  vorher  hat  sie  einen  linoleumähnliehen  Oerneh. 

Das  Abreiben  der  Wände ,  r<  spective  deren  Befreiung  von  Krankheit^- 
keimen,  mit  denen  sie  naeh  d»'n  sfiebeii  autL^ezilhlten  Krankenkeimen  insbesondere, 
aber  aueh  nach  anderen,  behaftet  sind,  machte  CuoNBRKG'^'j  zum  Gegenstande  einer 
eigenen  Arbelt,  welebe  er  im  hy^enisehen  Institute  in  Rostook  zur  Ansfährnng 
braebte.  Er  maebt  der  ßsMABCH'schen  Brotabreibungsmethode  den  spei  iellen  Vor- 
wurf, dass  das  Brot  leicht  krümele  und  'rheilchen  desselben  an  der  Wand  zurtiek- 
bleiben,  dann  .später  trocknen,  abtallen  nnd  zur  N'erbreitnng  V(»n  Krankheitskeimen 
den  Anlaas  geben  können.  Es  wurden  also  mit  anderweitigen  Materialion,  Schwamm, 
ZundM*,  Waschleder  und  Gummi  Versuche  angestellt.  CrONBERG  infieirte  mittetet  ver- 
ddnnter  Staphylococcenemulsion  sowohl  Tapeten-,  als  mit  Leim-  und  Oelfarbc  ge- 
strichene Wünde  und  wartete  /ur  .Ansteüiinir  der  Versiiehe  die  völlige  Eintrocknung  der 
Emulsion  ab.  Doch  wurdeu  Abreibungen  bei  völliger  Trockenheit  vermieden,  weil 
biwlMH  leieht  inffeirter  Staub  hätte  aufgewirbelt  werden  kOnnen,  der  sieh  nadiher 
auf  bereits  desinficirte  Stellen  niederlä.s.st.  Ein  starkes  Anfeuchten  besdiftdigt 
andererseits  die  meisten  Tapeten  und  macht  auch  andersartigen  Wandpntz 
aoansehnlich.  So  wurde  eine  sehr  mässige  Befeuchtung  nach  dem  Antrocknen  der 
Emulsionen  wieder  hergestellt  und  nun  die  Abrribnngen  mit  den  vorher  genannten 


218 


DESINFECnOK. 


MateriMlien  vorgenommen.  Der  Sebwamm  war  aoter  dloBen  swaifisnot  da«  wirk- 

samste  Abreibangsmittel.  In  allen  5  Fällen  erwleieo  aich  die  abgerieibeUD  Tapeten 
als  völlif.'  entseucht  und  steril.  Da  liei  ölgc-striplMMicn  und  mit  Leimfarbe  angestrichenen 
Wänden  der  Erfolg  weit  weniger  Hicher  erschien ,  räth  Verf.  hier  zu  neuem  An- 
strich, bei  leimfarbegestricbeoeu  Wftnden  zuvörderst  zur  Deckung  mit  Kalkmilch. 

Als  Deeinfaetioiismittel ,  um  Abfall  Stoffe  erfolgreieh  n  babandeln, 
sind  neuerlich  wiederum  Torfprflparate  zur  Anerkennung  gelangt.  Besonders  lobfc 
das  Gutiif Ilten  des  OeslerreicbiHchen  Obersten  SanitiUsrathe'^  ''i  sehr  den  Torfmull 
und  erörtert  mit  gruüser  Gründlichkeit  die  Vorzüge  dcHselbeu  als  ätreumittel  uud 
ClofletflUUongsxusats ,  In  erster  Reibe  auf  dem  platten  Lande.  Sehr  ansfahrlleh 
bandelt  Ober  die  fftulniAswidrigen  Eigenschaften  des  Torfmull  auch  die  (Marborger) 
Dinsertation  von  Kaul  Schködkh.  '- j  Hei  Fleisebgemisclien  in  Filuluiss  ist  ganz 
besoodcrs  die  desodurisirende  Kraft  sehr  hoch  zu  veranschlagen.  Wird  Wasser 
mit  Torf  gcHchttttelt .  so  vermindert  siob  die  Ansahl  der  Bakterien  im  Wasser 
nabezu  um  die  Hälfte.  Torfextraet  behindert  das  Waebstbam  de«  Typhusbaeillns, 
Choleravibrio  und  Staphjflocoeeus  pyogtM»  aureus;  die  letzteren  beiden  aneh  in 
Fäcaliengemiseben. 

Eine  unter  Unü^tändeu  sich  als  recht  bedenklich  erweisende  Brutstätte 
für  Mikroorganinaen  bildet  seinen  pbysikaliscben  Rigenthttmliebkmten  naeb  bei 
oberflficblieber  Heinigang  der  Unternagelraum  ('olturen,  die  aus  dem  hier 
ausgekehrten  Materi.Mle  in  24  F'allen  angelegt  wurden,  liessen  —  neben  niebt  patbo- 
geoen  Bakttiienartcu  — titophylococcus ^yoytneii  aurtfux,  6tt  ejjtococcus  pyoyenes 
und,  seltener,  nocb  einige  Arten  erkennen,  mit  weleben  PftSiKDUSBitBOBB  **)  aneh 
Tbierversuebe  ^nsttilte.  Kr  prüfte  dann  die  bis  jetzt  zur  Hesinfection  der  Hände 
vorgeschlagenen  Mt-thoden  F(  lumixcKH.  OKPrERT'.'^  Clilomn-tboden  ete.lund  möchte 
der  MlKi'Licz-lioij.  iHcben  Metbode  am  meisten  das  Wort  reden.  Sie  besteht  in  den 
einselaen  Vorgängen,  dass  a)  die  Hände  nach  mccbaoiscber  Kntfemiing  des 
niakroskopiaelien  Schmntses  drei  Minnten  lang  mit  wannwi  Wasser  und  Kaliseife 
abgebürstet.  d:inn  ///  30  Seeunden  in  3»^ige  Carbols-Iurelrtsung.  r)  'M)  Seennden 
in  1  :  2000  Sultlimatliisuntr  iretancbt.  die  l'ntemagelrUumt!  und  Nagelfalze  mit 
feuchter  .loduformga/e (Betcuehtung  mittelät5*'/oigerCarbülsiiure)  uusgerieben  werden. 

Auf  die  Desinfeetion  der  Gboleraansleerungen  dureb  Kalkmilch  kam 
Pflhl*«)  svrflck.  naebdem  Ejk.maxx  gegen  die  Wirksamkeit  dieses  Verfahrens 
geltend  geniaebt  hafte,  daüH  w<dil  köustlieb  gezüebtcte .  niclil  aber  v<in  Cholera- 
kranken originaliter  entleerte  Cholerakeirae  durch  dasselbe  ab^^jetödtct  werdeu 
kannten.  Solche  wftblte  nun  PFUHL  so  nenen  Versneben ;  er  goss  Kalkmileh  dem 
Danninhalte  zu  und  mischte  beides  nicht,  aladann  war  nach  einer  Stunde  die  Ab- 
tödtung  der  ClKderaSacilleti  nur  tbeil weise  gelungen.  Wurde  indess  eine  Ver- 
mischung — ■  noch  nicht  einmal  mit  besonderer  .Sdrgfalt  —  hergestellt,  so  waren 
in  weniger  al^  einer  Minute  alle  Keime  abgetödtet. 

e)  Das  flberwi^nde  Gros  praktiseher  Neueinrichtungen  von 
Pesinfeetionsan  stalten  und  neuer  Anweisungen  zum  Desinfeotions- 
V  er  fahren  ist  gegenüber  der  ("bolera  in's  Leben  gerufen  worden.  Bereits 
wurden  die  Darstellungen  von  Nkttkr  und  Cuakln  wie  auch  von  FhuUST**) 
erwftbnt,  denen  sieh  noeh  folgende  anreihen,  in  denen  jedoeh  die  Desinfeetion  nur 
gelegentlich  zur  Erörterung  gelangt.  Dies  ist  der  Fall  in  der  Besprechung  Arn'oi  ld's, 
betrefVeiid  die  sanil.'lren  Institutionen  im  «»rient  ''"'.  die  der-<ell)e  durch  einen 
(^uarantaiue-  und  Desinfuctionsdieust  an  verschiedenen  Punkten  bei  Öuez  und  im 
Persischen  Meerbusen  vervollständigt  wAnsebt.  Von  vorwiegend  historisebem  Interesse 
sind  die  Desinfeetionen  in  der  fUr  die  Mekkapilger  errichteten  Quavantainestatioa 
El  Tor.  wie  dieselbe  von  Kaki  inski  und  Kauffman.n  -)  ges<'hildfrf  wird. 
Zur  De-iinfeetion  der  Kleider  und  der  initgetilbrten  KlVe  ten  der  IMlger  wurde  «-in 
Ii  Com.  grosser  Ofenraum  benutzt,  in  wclcbein  den  zu  dcsiuticircnden  Gegenständen 
ein  Aufenthalt  von  — 25,  eine  Daropfeinwirkung  aber  von  nicht  Uber  8  Minnten 
gewährt  wurde. 


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DB8INFECTI0K. 


219 


iUsLÄ  Vert'atireu  kuuute  üoturt  aU  uawirkdaiu  entlarvt  virerdea,  da  Wachs, 
Paraffin,  Siegellaek  kdne  Spnr  Ton  Sefamoliung,  eingelegte  llUuctinaltiieniKNiieter  sieht 
eiomal  eine  Steigerung  um  Bruchtbeile  von  Graden,  Culturen  verschiedener  Bakterien 
«ich  nicht  im  Gcrinjjsten  becioHiis^t  zeifjten.  Die  Menge  der  zu  drsinticirt'nden 
Gegenstiiude  war  viel  zu  groHs,  auch  wurden  angeblich  desinficirte  nicht  von  den 
noch  zu  desioficirenden  gesondert.  Auch  die  De-siufection  der  Schiffe,  Zelte  und 
Latoinen  muaste  als  eine  mangelhafte  hexeiehnet  werden.  Auf  den  Pilgeradiiffeii 
fehlten  Deainfeetionsvonrichtungen  fast  ganz,  so  dass  demnach  die  Forderang 
mehrerer  grosser  und praktieeber  Desinfectionsöfen  fllr  £1  Tor  sehr  gereeht- 
l'ertigt  erscheint.) 

Das  ComkS  eonaultatif  d*hifgikne,  welches  am  5.  September  1892  eine 

wichtige  Cholerasitzung  hielt,  prüfte  zwar  besonders  die  Angelegenheit  der  Gesttlld- 
hcit*|).1sse  und  der  Einfuhr  chuleraverdächtiger  Gegenstilnde  und  Waaren ,  ging 
aber  auch  auf  die  Organisation  des  Desinfectionadienstes  specieller  ein.  Desinfections- 
apparate,  theils  feste,  theils  fahrbare,  wurden  an  8  (von  den  28  GreoErevisions- 
stationen)  aufgestellt  und  den  modernen  AnfordemngMi  gemäss  aosgertlstet  und 
adjustirt.  Endlich  ver  licnt  Hcachtung,  w.-h  WOLTER  speciell  in  Betrefl"  der  Ham- 
burger Desinfectionseiurii  htuugen  publicirt  hat.  •''^)  An  20  Stellen  der  Stadt,  inmitten 
der  belebtesten  Stadtthoile,  waren  solche  AuHtalten  (in  Turnballen  und  abnlicbeu 
GeMnliebk^ten)  erriebtet,  baoptsBehlieh  aar  Entsenebnng  von  Betten  nnd  Bffbeten. 
K.«  wurde  strömender  Wassirdampf  benutzt;  dtn  Dienst  besorgten  Desiniectoren 
unter  ständiger  /irztlichcr  Autsidit:  iciip  Dosinffctionscolonue  (aun  Arbeitern  be- 
stehend) leiteten  ein  Pulizeibcamtcr  und  ein  liUrgerdeputirter  au.  Üiem  Colonneu 
besorgten  die  Wofannngsdesinfeetion  an  Ort  nnd  Stelle,  sowie  die  Abboinng  der 
Desinfect  i  o  u  h:(  >h'\  ec  t  e . 

Hei  einem  Vergleiche  der  vuu  den  Vereinigten  Staaten  und  von  Frankreich 
zur  Bekämpfung  der  contagiüsen  Krankheiten  angenommenen  Massregeln  (es 
handelt  sich  hinsichtlich  „Frankreiehs**  fast  ausschliesslich  am  Paris)  hemiogelt 
VaLOOüRT*»)  «s  schwer,  dass  weder  die  Ameig^fliebt ,  no<A  der  Transport 
ansteckender  Kranker  durch  rechtsbest.lndigc  ReRtimmongen  geordnet,  noeh  eine 
klare  und  vollständige  DcHinfectionsorduung  erlanseu,  noch  an  das  Bedflrfniss  an  aus- 
reichenden und  zuverliiäsigeu  Anstalten  gedacht  worden  sei.  Auch  die  Wohnungs- 
desinfeetion  Hege  noeh  Tollstttttdig  im  Argen. 

Sehr  befriedigt  Iftsst  sich  dem  gegenflber  Wawrinsky  in  Betreff  der  Stock- 
holmer Uesinfpction  '""i  vernehmen.  Im  Epidemienkrankenhause  hätten  die  Schwefel- 
räucherungen  (1)  vortreftiicbe  Dienste  geleistet,  auch  in  Privathäusern  seien  viele  der- 
artige Desinfeetionen  mit  Erfolg  ansgeführt,  seit  1888  in  986  Fillen.  Allerdings  zeigte 
sieh  nach  386  derartigen  Entseuchungen  bei  Diphtherie  die  Krankheit  27mal, 
nach  4 1  f)  Scharlachentseucluingen  da.^^  Scharlaclilieber  OiiihI  von  Neuem;  früher 
jedoch  a  1 1  e  contagiösen  Krankheiten ,  als  noch  gar  nicht  desinfieirt  wurde, 
riel  häufiger. 

Martin  verlangt  fUr  die  Regelong  des  Desinfeetloasverfabrens  in  Paris  <i) 

einen  einheitlichen  Desinfectionsdienst.  Wenn  (wie  der  Stand  der  Dinge  noch 
is'.'l  war)  neben  l'rivatdesinfectionsanstalten  und  denen  der  einzelnen  Kranken- 
bäuaer  noeh  ein  (»äentliches  Desinfectionsinstitut,  welches  dem  Polizeipräfecten,  ein 
anderes,  welches  dem  Seineprlfeeten  nnterstellt  ist,  existirt,  so  wird  jede  emsthafte 
Ausführung  der  Dcsinfection  verhindert.  Dass  die  Privatanstalten,  so  wie  er  sie 
\orfand.  keine  Sicherheit  der  Ent^eiichiiiig,  wohl  aber  eine  Propaganda  der  Weiter- 
verbreitung von  ansteckenden  Krankheiten  bilden,  möchte  Maktik  verbürgen.  Die 
Wohnungsdesinfeetion  erfolge  dnreh  ein  Personal,  welches  gans  ohne  bindende 
Anweisung  arbeite  nnd  unter  völlig  unzureichenden  Bedingungen.  Man  mnss,  so 
f(»lgcrt  er,  mindestens  verlan.iren.  dass  die  Beschäftigung  mit  Desinfeetionen  unter 
die  der  polizeiliehen  Aufsicht  iinterlieui  nden  (lewerbe  gerechnet,  dass  ebenso  der 
Verkauf  der  verseuchten  Effecten  obrigkeitlich  beaufsichtigt  werde.  Die  Dcsinfection 
solcher  mttsse  obligatorisch,  der  Modus  jeder  Desinfeetion  dnreb  wissensebaftlieb 


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220 


DESINFECTION. 


geprüfte  DesiulectioDSOrdoungen  festgestellt  sein.  (Hier  wird  /um  \  ergleiciie  mehr- 
faeh  die  Regelung  dieser  Dinge,  wie  ine  in  Berlin  bevirlct  ist,  besonders  aneli  die 
neuesten  Uebereinkflnfte  dee  Poliiei|irJl8tdinni8  und  de>  MagistrateSf  die  ans- 
schliesslichc  Wirksamkeit  angestellter,  »peciell  ausgebildeter  DesinfectortMi  ■^e'ü  dem 
1.  August  18U0  nud  Äehnlicbes  einer  sehr  anerkeanendea  Hetracbtung  uuter/.ogeo.) 

Far  Verona  bat  im  behördlichen  Auftrag  Anfang  1891  Natali  '  „Allge- 
meine  Bestimmungen  Ober  DesinftetiiOD  bei  aneteekendeo  Krankheiten**  verfasst. 
welebe  auf  einem  tflcbtigcn  Studium  beispielgebender  Verginge  fussen  Die 
einzelnen  Bestimnnintrt'n  regeln  das  Verfahren  mit  Personen,  Mflbeln ,  Kleidern, 
WitsebestUüken,  S])eiäereüteu,  Fäcaliea  uud  auch  mit  i,.eicheu  in  durchaus  zweck - 
entspreebendw  Weise. 

>^nii.stifre  dureligenrbeitete  und  ausführliche  Deäinfeetionsverordn UQgen 
sind  ebenfalls  niii  specicileni  Fieziig  auf  die  Cboh-ra  «Tlassen  '"'^  Sie  betrugen  im 
Deutschen  Reiebe  ;> ,  in  Preusseu  ö ,  für  SachHen  2 ,  für  Württemberg  ti ,  für 
Bayern  .'i,  Ar  Hessen,  die  bnden  Meeklenburgs  je  3,  Brannseliweig  2,  die  kleineren 
Bundesländer,  einzelne  Regiemngsbeiirke  meistens  l — Hamburg  entfaltete  mit  6. 
Russland  mit  4  Desinfectionsan Weisungen  eine  bi  snndere  Th/lti^keit.  Wie  ihre 
Wiedergabe  an  sieb  unthuulieb  ist,  !<cheint  es  andererseits  auch  zweck m;1ssiger. 
an  dieser  Stelle  selbst  von  einer  kritischen  Uebersicht  und  Vergleichuug  jener 
Verordnungen  absuseben.  Insgesammt  bringen  die  „Veröffentlichungen  dee  kaiserl. 
Gesundheitsamtes"  ihrer  nieht  weniger  als  127. 

Literatur:  'l  Bi  hring,  Die  Suliliiiuidr.ict'  und  Hirr  Geppert.  Deutsclie  mt  1. 
Wocheuschr.  1891,  Nr.  29,  3U.  —  J.  G  epper  t ,  Dii'  Wirkimg  des  S>nbliinatps  anf  Milz- 
brandRporen.  Ebenda.  Nr.  :i7.  —  Behring.  Uelior  Dcsinfectiun,  DwiDfectionsmittel  und 
Dr'sinri'r  tixnsnietlindeii.  Aus  dem  hygienischen  Institute  der  Universität  zu  Berlin.  Zaitscbr.  f. 
liy^.  IX,  llt'lt  8.  —  *)  Ahe  Ions,  Actio»  ttr»  antiifplitfirrs  .•mr  h  j\ime»t  meeharafiant  tht 
paniri'iia.  Semaine  med.  1891,  Nr.  15.  )  0.  Buer,  I  el>  r  die  Leisliingsfähigkeit  mehrerer 
chemischer  Desinfectionsinittel  bei  einigen  ftir  den  Meuscbeu  pathogenen  Bakterien.  Zeitscbr. 
f.  Byg.  IX,  pa(7.  479  <r.  —  *)  Hefder,  Die  Wirinaaik«it  von  Deslnfeettonsrolttela  bei  höherer 
Tempsratar.  Centrall)!.  r.  Hakt.  IX,  Nr.  7.  —  "')  Bernheim,  r.lier  Dessfnfeclionsjremisrhe. 
Dentsehe  med.  Wochen.silir.  Ib91,  Nr.  8— 9.  —  ')  E.Cr  am  er.  Die  Ursache  der  Hesisteoz 
lier  Siiuren  gegen  trockene  Hitze.  Ans  dem  hygienischen  In.^ititute  in  Marbarg.  Areh.  f.  Hyg. 
XIII,  Heft  I,  pag.  7i.  —  Spilker  «ad  Gottstein»  Qeber  die  YemichtiiDg  von  Milcro- 
Organismen  durch  die  Indnction.selektricitlt.  Centralbl.  f.  Bakt.  X,  Heft;-),  4.  —  '*)  Frosch 
und  CInrenhaeh,  üeher  «las  Verhalt.-n  des  Wa.'^serilainpfe.s  im  Dcsinfei  tioii^apparnte.  Zeir^-rhr. 
f.  Hyg .  IX,  Heft  1.  —  ")  U  Miiacke.  Ein  neuer  Apparat  %uni  Steriiisiren  mit  strumendeiu 
Wanerdampf  bei  geringem  üeberdrack  und  anhaltender  Tenperatnr  von  101  — lU'.^^  im  Inneren 
des  Arlieit.'^raume^  mit  Vnrrii  htnng  zum  Trocknen  der  sterilisirten  Gegenstande.  CentralM.  f 
Bakt.  VIII.  N"r.':;;0.  —  "l  V.  Rnd<ie,  Versuche  iilter  die  Bedeutung  der  Spunnnnps- und  Sti-ömiiii>r-- 
geschwindigkeit  des  Dample«;  bei  De.xinfection  im  i'ampfapparate.  Uge-kr.  t.  Laeper.  XXV. 
Nr.  ^iäff.  —  ''V  Dnncher,  Bampfkochvereuche  mit  dem  Bobrbeck'schen  Desiotector  auf  dem 
Berliner  Centnl-^chlaehthofe.  Zeit«ehr.  f.  Fleiiteh-  n.  Milch-Byg.  Jahrg.  II,  Heft  Sj.  —  Der- 
selbe, Die  physikalische  PrtiflUl^'  der  DesiiifectiDii  mit  Wa.'^s,.n!anipt.  Deutsche  med.  Ztg. 
1892.  Nr.  85 — 91.  —  "*)  Matth  es,  l>ie  Iiurchlührung  der  Desinleclion  lioi  Intectionskrink« 
heit«-n  in  liLndHehen  Kreisen.  Zritschr.  f.  3Iedic!oaII>eamte.  Nr.  19.  —  Monographie 

ät>er  HennehergV  KaiUII-l}e8iofcctor.  IH^y^.  —  Hehler,  Ein  neaer  Sierilisationsapparat. 
München'T  meil.  Worhen.schr.  1891.  Nr.  18.  —  "0  DcsinfectituLsapparat  von  A.  Seakingin  Uilde.e- 
heim.  «je.Hunillieits  Ineenieur.  IhOl,  Nr.  1-4.  -  " )  S  .  Ii  a  Cte  r  n.  W  a  1 1-  k  r ,  Diiri  hdainplunps-  eir. 
Einrichtnngen.  —  '')A.  Lübbert,  Der  traospoi table  liampl'erzeuger  von  W.  Rothe  «V  Co.  iu 
Güsten.  Fortsebr.  d.  Med.  X,  Kr.  6.  — '")  Merke,  Ein  billiger  und  einfacher  Dampf«teri1liator. 
Berliner  klin.  Wocliensclir  X'^'XZ,  'Sr.  'M.  '  )  Gutachten  de.s  k  k  Ol  er-ten  .'•anitatsrathes  über 
die  Wirkung  und  .\ iiweiidlp  irk-  it  neuerer  Üesinfeclionsmittel,  (»t-sterr.  t^auitatswesen.  Jahrg.  IV. 
Beilage  zu  Nr.  —  •'  )  Masi  hek.  Beiträge »nr  Theorie  der  Deeinfection.  Ref.  i.  Centralbl. 
f.  Bakt.  XI,  Nr.  jjö.  —  A.  ü.  Abbutt.  (.'orronve  snblimate  aa  «  timn/ectant  against  the 
.Htaphi/ltH'occHfi  pifOfteiiPH  attreutt.  The  Johns  Hopkins  Hospital  Bnlletin.  1891,  Nr.  12.  — 
••')  It '■  um  II  cha  III  ps  t-t  .-^ u  cir ,  L'aeide  phdiuque,  f"  rr>'i>!ait  ,  t  h  /i/sol;  etude  coutfiaratiic 
tie  leur  uction  aar  (iitt  r^  luicrooryauitme«.  Wonvement  liy^ienuiue.  K'^ÜO.  —  '"')  A.  d  .^rson- 
val,  Anwendmg  UfisBiger  Koblenratir«  zor  raechen  l'iltrirung  nnd  Sterili.^irung  orgattiacher 
Flüssigkeiten.  Compt.  rend.  CXII.  •*)  Linos.<*ier,  Action  <lv  t'ariile  xnl/uretute  ttur  qurl- 
que«  chntHpiiiuoiis  ii'J>'i  irins  ii  ni  jKtrtirulief  fitr  les  leriiffs  nlcoholiifin'i.  Ann.  de  Tinütitut 
Pastenr.  1891.  Nr.  —  ')  J'ane.  SulU  eondisione  che  ino-lilunii-i  il  pot>i>  nntistttiru  dl 
aicune  w»ta»zt.  Ann.  dell'istit.  d'igiene  »periment.  dell' uoivers.  di  Roma.  1890.  II.  — 
PollailoB,  Un  nouret  antieepthjue  le  mict'oehline.  Semaine  m£d.  1891,  Nr.  ij;^.  — 


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DESINFErTloN.  —  DIÄT. 


•'')  Schleppegrell,  Terpentiue      a  germicide  andantitieptic.  Med.  new^.  1891,  Nr.  22. — 
H.  Weller,  Untersuchung  des  sogenannten  Ozalins.  Chem.-Ztg.   l8fM,  Nr.  15  n.  18.  — 
')  Bang,   Asajirnl.    Ktf.  im  Chetn.  R([iet.  X\'I.  ")  Etniiipriih.    Oxychiuaseptnl  oder 

Diapbteriu,  ein  neue»  AniiMpticum;  Kronacber,  Da«  0  (D.)  in  der  chirurgiüchen  Praxi». 
Mflnebener  med.  Woetaenndir.  1892,  paf.  8%  ff.  —  *")  Haoiffler,  Ueber  di«  dMinfIdnnd« 
Wirkung  ili-s  KtpsoI?«  nnil  die  Herstfllung  neutraler  wässt-rigfr  Kresi>ll;>siiiitrf(i.  Arch,  f.  Hjg. 
XII.  Hfft  4.       ■'■')  Der.selbe,  Das  iianili.lir^  Thpnia.  Arcli.  f.  Hyg.  XIV,  Heft  1.  Mai  sei, 

Solutnl  I  und  I-ysol  in  der  Urojigdeisinfectiois  !'.  i  lin«  r  thiorärztl.  Wochenschr  181)'^.  Xr,  H34. — 
Alf.  Uontefasco  uiid  Or.  Caro,  Sui  jwtere  dtttiufcttante  dtUa  liteita.  liiviKta  intemas. 
d'ijHme.  Aqbo  IT,  Ftscic.  10^11.  —  B enter,  Ueber  Desinfeetion  von  Scblaehibftnsera 
Ull  i  Viehhöfen  mit  Lysol  Arth,  f  animal  Xabrungsmittelk.  Vif.  Nr  5.  —  ")  0.  Ri'seuthal. 
Leber  da.s  Derniatul.  TUilincr  klin.  Wucheoschr.  1891i  Nr.  tdO.  —  ■'■)  Ed.  Spiegier.  Ueber 
das  bakteriologische  Verhalten  de.s  Tiopheodijodid.  Centralbl.  f.  Bakt.  XII,  Nr.  tj.  —  E.  Swo- 
lioda,  Ueber  den  Oesinl'ectionswerth  VOD  sogenMiltteni  Oarbolpulver.  Cheu.-Z'g  XV.  — 
■')  A.  Tri  Hat.  Ueber  die  antiseptischen  Eigenscbaften  des  Pormaldehyds.  Ref.  im  Cheui. 
lJtl«'t  XVI.  —  C.  Vulpius.  IJrlier  das  Lv.sul  und  dessen  Verwendbarkeit  in  der  Chirurgie, 
fieitr.  z.  klin.  Chir.  1891.  Vlll.  —  * )  A.  Fa  lkenberg,  Tabak  aod  Bakterien.  Wratscb,  1891, 
Xr.  15.  ~      Charrin  et  Netter,  Le»  mesurts  pri9»  etmtre  let^vi&a.  Ann.  d'byjf.  pobl. 

e  da  möd.  It'g.  1890.  IX.  —  **)  Proust.  Mrsurrs  rir  profilnihi  rif  roiifre  le  choh'rii  it' p'ii/xf 
tu  1800.  Hev.  dhyg.  1n!H),  Nr.  5.  —  "j  Merke.  Die  Behaiidiuug  der  ClKderadejeLtiont'n  im 
8tidti»chen  Krankeuhau»e  Moabit-Berlin.  Berliner  klin.  Wochenschr.  {^W'i,  Nr.  38.  —  '  j  San- 
galli,  Apparat  aar  Sterilisirung  der  Auswurfstoffe  (Fäcalien  etc.)  der  Cholerakrankcn.  Ebenda. — 
*•)  Ä.  OliTier,  Menuren  d'hiiqitnv  fi  pi-endre  dam  len  hamtalionti  eontre  In  projMf/afion 
de  la  h'/j'',-r, .■/>,«■  Ami.  .l'liy<r'.  pnbl.  ft  d<i  ni.'-d,  leg.  1S<I2,  TX.  -  '■)  A.  K.  Stnnn.  If'Ay ////■ 
»puta  ttthei  culiius  patii  nl^  shoidd  hf  iIcKtroiied  f  Amer.  Journ.  ul  med.  soiences.  March  1691. — 
W.  Prausnita,  Dit  Verwendung  der  Holzwolle  (PackwoUo)  aU  Füllmaterial  für  Spuck- 
Bäpfe.  Münchener  med.  Wochenschr.  18!ll,  Nr.  48.  —  *")  Bard.  Desinfertinu  ih's  rrachoirs 
dfn  tuhevcuteti.r  et  pfinpirtnf/f  de«  sallfs  lio.<pitnIit'res.  Bov.  d  hyg.  189ü,  Nr  1.  •  '  )  Wasch* 
bare  Tapeten.  Rrf.  in  dir  hygienischen  Runchi  hau.  Jahrg.  Is9l.  pag.  211-  ')  ('ronberg 
iMalmü),  Zur  Desinfectiou  von  Wobnongea.  Arcb.  f.  Uyg.  XIU,  Heft,  3.  —  Karl  ächroodar, 
Ueber  die  desiafleirende  and  ftolntsiividrlge  Wirlrang  des  Torftnnllt.  Dias.  Harburg  1891.  — 
'•).ros.  Pr e  i  nd  1  s b p  r  iTi- r .  Zur  Kenntniss  der  Bakterien  de.«  Unternagplraiiines  und  zur  De.«- 
Infection  der  Bande.  Wit  ii  1891.  —  ■')  Pfuhl,  Die  Desinfectinti  der  Cboleraauslcerungen  mit 
Kalkmilch.  Dcntseho  nieJ  W.iclipnschr.  189^,  Nr.  H9.  —  *l  L.Arno  nid,  Lcv  in.ttitiiiiotiM 
)Utnitairt9  en  Orient.  Revue  d'byg.  189;^,  Nr.  1.  —  J  ustyn  Karliuski,  Qaarantaine- 
Rtndien.  Wiener  med.  Wochenschr.  Is91.  Nr.  .50.  'il,  52  nnd  ]«92,  Nr.  1.  2.  —  *^  Paul 
Jvanfmanii.  Dir  (^uaraiitaiiirs;  ii  juu  KI  T.ir.  Berlin  |S!).'.  —  ■'')  F.Wolter.  Zur  ( 'holeia- 
epidemie  iu  Hamburg.  Berliner  klin.  Wochen-Hchr.  189;iJ,  Nr.  36.  —  *')  M.  de  Valcourt, 
J/MNrM  mnitairt»  adojUrent  anr  hUitlS'Vni»  et  en  Fra»ct  ftour  combattre  Ui  propiiffation 
ih"  mafadieM  roiittiqifiisf'M.  Rev.  d'hyg  1890.  Nr.  II.  (Dasselbe.  Seniaine  med.  1890.  Nr.  46  )  — 
)  II.  Wawrinsky,  fhii  desinjWlion  i'ftn-  xmittij.^<ininia  .tjitkilouiar.  Au«  der  Hygiea  rel". 
in  Hyg.  Rundschau.  1891,  pag.  354.  —  ')  A.  .1.  Martin,  Lex  nenir-s  de  düinfeclion  ü 
Faris.  Bev.  d'byg.  1891.  Nr.  ti.  —  Natal i,  Sorme  generali  per  le  desiufeziom  mite 
malettie  tHfeUhe.  Verona.  Härs  1891  (Ref.  in  Hyg.  Bnadaehaa.  1891.  peg.  t}89).  —  *')  Ver- 
Offentlicbongen  des  kaiaerl.  Oasnndbeitsamtea.  Jahig.  XYI,  pag.  9,  lü.  Wem  ich. 

Desinfbetioiismlttel  b«  choien,      i48ir.,  p«?.  leo,  216,  318. 

Diftt.  F.  HIB8CBFBLD  bat  dureh  Vemiohe  naehi^wieseD,  dMs  eine  ver- 
minderte Ern.1hrungr  die  Herzarbeit  erleichtert,  dass.  je  liäiifigcr  unrl  je  grö.sser 
die  Mablzcitt'ii,  desto  jrrftssere  Ansprflehe  an  die  Leist uugsfiihi^keit  des  Herzens 
j^^estelU  werdeu,  uud  zeigt  uuu,  da8.s  eine  Verminderuug  der  ErnilhruDg 
bei  Herskranken  die  Diärese  steigert.  Daraaf  bernbe  die  Wirksamkeit  der 
KARKLL'schen  Milehdlfft  bei  Oedemen,  denn  bei  Verabreichung^  von  Supi)c'.  Schab- 
rieiscli  und  Eiern  trat  dieselbe  Wirkunjf  ein.  wie  auf  einen  haUnn  Liter  Milch 
jiro  die.  Auch  die  Erfolge  der  OEBTELsehen  Methode  der  xuriuiaderten  FlUssig- 
keitssuftihr  seien  der  verminderten  Nahningsaufnahme  znxmoliniben.  HiRSCHFBhD 
gelangt  bei  seinen  Untersuebnngeu  zu  folgenden  Sehlnsesitien : 

1,  Eine  Vermindernn?  der  Ernährung  verringert  die  Herzarbeit  nnd 
kann  dadurch  in  Fällen  von  Conipensations.stftrungeii  j^e.steigerte  Diurese  liervor- 
rnfen.  Beschrfinkung  der  Elüssigkeitszut'uhr  bewirkt  mciät  nur  eine  Verringerung 
der  ürinansseheidung.  Bei  sehweren  KreislanfttOrangen  ist  eine  derartige  Ver- 
minderung der  Wasseraafnahme,  ohne  das8  gldehaeitig  die  NabrungssnAihr  herab- 
gesetzt wird,  überhaupt  nielit  durchnihrbar. 

2.  1d  Folge  reichlicher  Eruährung  bei  ungealigender  Muskelthätigkcit  wird 
bänfig  im  Organlsmns  eine  ttberreiehe  Menge  BInt  angeltinft,  welche  sich  besonders 


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m 


DIAT. 


in  den  (iefügsen  des  Kopfes  und  Kumpfes  ansammelt  und  auch  zur  HeravergrOuernDg 
Anlass  j!:t"'H'ii  kann.  Die  Tlierapie  der  hieraus  ontspringonden  Beschwerden  muss 
Hich  daher  in  erster  Linie  auf  Beseitigung  der  reichliehen  Blutmenge,  in  zweiter 
auf  die  Empfehlung  mässiger  Muskelthätigkeit  richten. 

Besflgfieh  der  diltetimhen  Behandlang  der  Magenkrankheiten  stelU 
HiRTZKA  folgende  fünf  Kostorduun^cn  auf: 

1.  Keine  MilehdiSt,  1'^, —  I>iter  Milch  des  Tagres.  Wasser/.wieback  oder 
englische  takes.  Ala  Ersatzmittel  der  Milch  empfiehlt  sich  Mischung  dersellten  mit 
Kalkwaaser,  Thee,  die  sterilisirte,  eoudensirte  Miteh  oder  Bnttermileh,  Magermilch ; 
au<dl  Knmys  und  Kefir,  aber  nieht  bei  Ulenskranken. 

2.  Milfli.  Bouillon,  rohe  und  g'anz  weiche  EitT  und  ebenso  Riweiss.  das- 
selbe auch  fein  geschlagen  oder  fein  gequirlt,  Wasserzwieback  uud  englische 
Cakee;  Beefsteak ,  Filetfleisch,  wird  in  Worfeln  geschnitten,  in  eine  breithaUige 
Flasehe  gethan,  etwas  Salz  und  zwei  EssIOflU  Wasaer  hinsngdUgtf  die  Flaeohe 
dicht  verschlossen  mid  im  Wasser  durch  2 — 3  Stunden  jsrekocht ,  der  Saft  wird 
dann  ab^eprossen  iiml  in  Kuuillon  verabreicht.  I>ie  LRUBF.-KoSENTHAl/sche  Solution 
ist  ebenfalls  sehr  nahrhaft ;  sie  wird  aus  fettl'rcicm .  fein  zerhacktem  Rindtleisch, 
das  im  PAPiN'sohen  Topfe  naeh  ZnuitE  von  Aeid.  hydroehtor.  24—86  Stunden 
gekocht  hat,  hergestellt.  Von  bedeutendem  Nnhrwerthe  sind  auch  die  Pepton- 
prAparate ,  weldie.  vorflber<reheii(l  u'<'braiirlit .  das  Fleischeiweiss  völlip-  ersetzen, 
dasselbe  gilt  von  den  Hemialbuminuseu.  Kmptehlenswurth  i^t  der  Zusatz  von  Gelee, 
Aspik,  Gallerten,  die  ans  leimgebenden  Substansen,  Kallmkopf,  Kalbs-  nnd 
Sehweinsfdssen,  Ochsenmaul  und  Schwanz  gewonnen  werden. 

3.  Bfniillon.  dflnnfllissifrr  Tapiocasuppe,  gekoehte.s  Kalbsbriesel  (Thymus- 
drüse^,  gekochte  Taube  und  junges  Huhn,  Milehbrei  aus  Tapioca  oder  ^^iit 
gekochten  Kartoffeln,  Kartoffelpun  e  ohne  Fettzusatz,  mit  Bouillon  oder  Wasser  zur 
Pnrtoeonsistenz  versetzt. 

4.  Thea  rein  oder  mit  Zusatz  von  wenig  Milch,  geschabter  Schinken, 
roh  oder  gekocht,  Sehnen  werden  sorgfAltig  aus^'eschicden,  auch  darf  der  Schinken 
nicht  zu  trocken,  nicht  stark  gesalzen  oder  ^cewUrzt  sein,  am  besten  eignen  sich 
Prager  Schinken  ;  gesehabtes  Lendenfleiseh  ^Fiiet),  auch  solches  fein  gehaekt  nnd 
roh,  Keetsteak  (abgelegen*  in  Bouillon<alt  nnd  frisehester  Butter  leicht  ; englisch i 
gebraten.  Kartoflelpun-e  mit  Wasser  oder  Mileli  zul»erfit<'t  .  fein  gebaekter  und 
durchsiebter  Spinat,  naturell  zubereitet  und  genau  so  behandelter  uud  bereiteter 
Hiliptdsalat  (Kochsalat),  Zwiebaek  oder  geröstete  Senimelsohnitten ,  ebensolehes 
Weissbrod  oder  altbackenes  Weissbrod,  wodurch  das  Amylnm  aveb  im  Brodinnem 
in  Dextrin  verwandelt  wird,  oder  nur  Brotrinde,  natürliche  Säuerlinge  wie  Oless* 
bübler,  Krondorfer,  Biliner.  Horszi  k.  Selters. 

5.  Fische :  Hecht.  Schill,  kleine  Forellen,  blau  gesotten  Kind :  Beefsteak, 
Filet,  Roastbeef,  mehr  englisch ;  Huhn  nnd  Taube  gebraten ;  zartes,  junges  Wild : 
Piebhuhn.  Keh.steak,  Krhfilet  oder  Rücken:  dann  Kalbssteak  oder  Rücken.  Nieren- 
braten mit  Aiissclilu-s  der  Xieren  und  Haut;  von  riemCisen  Reisbrei,  Carottenp«r»'e, 
Spargel,  amerikanische  birneu,  Aupfel  gedunstet  oder  als  Mus,  auch  ganz  leichte 
Mehlspeisen :  Maecaroni,  Biscnitstange,  Bisenittorte,  Reis-  nnd  Grieskoeh,  eventuell 
mit  Apfelsincnsaft. 

Tc^'t-r  dir  Aiiwenihin^r  der  Masteuren  I.»ei  ehronisi-hon  Hrkrankiin^rfn 
der  weiblichen  >e.\ualorgane  berichtet  Akkxdt  ausführlich,  üerselbe  hat  dabei  die 
Methode  Weir  Mitchkll's  und  Playfair's  einer  Modification  unterzogen.  So  hat 
er  auf  die  Entfernung  aus  der  gewohnten  Umgebung  nnd  auf  UeWflIhrnng  in 
eine  Anstalt  nur  dann  Werth  gelegt,  wenn  der  nervOse  Zustand  iregenOber  dem 
Genitalleiden  iranz  besonders  in  den  VordcriLTund  trat.  Wenn  Ahknkt  die  Masteiir 
in  der  Wohnung  der  l'atienten  vornehmen  iiess,  so  verlangte  er  helles,  geräumiges, 
leioht  zu  loftendes  Zimmer.  Die  Wilrterin  muss  flink  und  freundlieh  sein,  sie  muss 
massiren  und  elektrisircn  können  uml  bei  steter  Liebenswtlr^gkflil  ein  bestimmtes 
Aaftreten  haben.  Di«  Absonderung  der  Patienten  ist,  wenn  sogenannte  schwere 


DIÄT. 


223 


Hysterie  voriianden  ist,  fftr  die  erste  Zeit  streng  durehcufttbren,  der  Resuch  von 

Freunden  und  Verwandten  ist  erst  zu  prestatten  ,  wenn  das  Kraft}?t'f(lbl  sich  ein 
stellt,  das  Allgemeinlicfimlen  sich  gebessert  und  die  Esslust  anhaltend  rv^c 
geworden  ist.  Abexdt  hat  die  Patienten  selten  länger  als  3 — 4  Wocliou  iui  Betto 
gelasBen.  Die  Besseniiig  des  gynlkologisehen  Orondieidens  und  die  Znnebme  des 
Körpergewidites  diente  hier  als  Richtschnur.  Stundenlanges  Liegen  auf  der 
riiaisel'<ngtie  und  Bettruhe  w.Hhrcnd  mehrerer  Sfiiiideii  des  Tages  ist  anfangs 
unerlääslich.  Die  Massage  wird  anfangs  zwei-,  später  dreimal  des  Tages  augewandt, 
in  der  ersten  Zeit  leicht  und  nur  eine  Viertästnnde  Isng,  ailmälig  steigt  man 
mit  der  Kraft  und  Zeitdauer.  Nicht  in  allen  Fällen  ist  die  Massage  nothwendig, 
ja  zuweilen  ist  sie,  so  lici  hypcrilsthetisehen  und  hyperalgischen  Kranken,  unmftg- 
lich ,  aufh  die  Eloktrieität  wird  von  manchen  byperästbetischcn  Individuen  nicht 
vertragen.  Die  Torschriftsmässige  Durchführung  der  Milchdiät  macht  anfangs 
ansserordentiiebe  Sehwicrigknten,  wenn  Patientin  der  festen  Ueberaeugung  ist,  ihr 
Magen  vertrage  keine  Milch;  indes«  gelingt  es,  fast  jede  Kranke  daran  zu 
gewrihnen.  Eine  Vorbereitungsi-ur  ist  nicht  nf^thwendig,  man  steigt  wäbrond  der 
Cur  selbst  mit  dem  (Quantum  der  Milch,  der  mau  Caeau,  leichten  Thee,  Racahout  etc. 
susetsen  kann ;  das  Quantum  Hileh ,  das  jede  Patientin  binnen  34  Stunden  au 
sich  nehmen  soll,  betrügt  2 — 3  liter.  Die  gewöhnlichen  Mahlzeiten,  Frahstttck, 
Mittag  und  Abendbrot  werden  regelmässig  eingehalten,  mit  dem  Wachsen  des 
Appetites  werden  die  einzelnen  Fortionen  vergrössert;  fast  Alle  gewöhnen  sich  au 
das  Vieleaaen,  und  treten  einmal  MagenstOrnngen  auf,  so  laast  man  1 — 2  Tage  nur 
MilehffiJlt  gebrauchen  und  der  kleine  Zwisohenfalt  ist  erledigt.  lu  mancheu  Fällen 
wirken  nasse  Einwieklnngen  und  kalte  Abreibungen  günstig,  docb  wo  Anämie 
vorhanden,  ist  jede  Hydrotherapie  c<»ntraindicirt.  Die  Anwenduug  der  Arzneimittel 
ist  nicht  immer  zu  umgeheu.  Schlafmittel  sind  selten  nötbig;  als  gutes  schlaf- 
bringendes Mittel  dient  oft  ein  starkes,  sogenanntes  echtes  Bier.  Ein  Bemhigungs^ 
mittel  bei  nächtlicher  l'nruhc  ist  der  kalte  Umschlag,  Abfflhrmittcd  braucht  man 
nicht,  der  .Stuhlgang  regttlirt  sich  meist  von  selbst,  im  Gegenfalle  ist  Massage 
der  Därme  gUustig. 

Arxndt  hat  die  Hastenr  bei  22  Patientinnen  angewendet  und  dabei 
folgende  Beobacbtnngen  geni.icbt:  Ist  es  möglich,  die  Massage  vorsehriftsmässig 
anzuwenden,  S"»  ist  bereits  nach  einigen  Tagen  eine  bedeiiteiule  ZiiriHbiiie  des 
Appetites  bemerkbar,  die  Stimmung  wird  eiue  bessere,  die  UarüUienge  bedeu- 
tend vermehrt  und  die  anfangs  bestehenden  hysterischen  Symptome  schwinden. 
Nach  einer  Woche  bat  die  Patientin  gewöhn  lieh  einige  Pfunde  an  Gewicht 
zugenommen.  Wurde  naeh  circa  14  Tagen  der  Fettansatz  bedeutend,  dann  wurde 
anch  d;is  genommene  Milehqiiantuni  auf  die  Hillt'te  oder  Zweidrittel  rediieirt  und 
fortan  die  Milch  abgerahmt  gereicht,  dann  ein-  bis  zweimal  des  Tages  bis  zu 
einer  halben  Stunde  sehwedische  Heilgymnastik  angenwandt.  Wenn  der  Fettansats 
nicht  bedeutend  ist,  Allt  diese  Veränderung  in  der  Diät  fort.  Wenn  die  Abmagerung 
eine  bedeutende,  so  ist  es  vortheilhaft .  die  Patientiu  reeht  lange  im  Hette  zu 
halten.  Was  als  Wirkung  der  Mastcur  besonders  in  die  Augen  liillt,  ist  das 
Kriftigerwerden  der  Musenlatur  des  ganzen  Skelettes.  Dass  die  Blntmenge  qualitativ 
und  (|uaiitit,itiv  verbessert  sei,  zeigt  die  Rötbe  der  sichtbaren  Seblelmbänte ,  der 
Puls  wird  vi'Ihr.  kr.-iftiger:  die  Menstruation  zeipt  sieb  bei  Individuen,  die  oft 
lange  Zeit  amenorrhoisch  waren.  Mit  der  Hesserung  oder  dem  Schwinden  der  Blut- 
armuth  geben  auch  die  nervösen  Symptome  von  Neurasthenie  und  Hysterie  zurück. 
Damit  hat  sich  bei  manehen  Patientinnen  wieder  normale  Libido  texualit  ein- 
gefunden. Ferner  werden  während  und  kurze  Zeit  nach  der  Mastenr  in  fast  allen 
Füllen  die  Meiistruationsintervallo  vergrössert;  sie  werden  besonders  lang,  wenn 
die  Patieutiu  autiallend  au  Kürpergewicht  zugenommen  hat.  Die  Abschwelluug  des 
Uterus  bei  ehronisoher  Metritis  beträgt  oft  2— 3  Cm.  in  vier  Wochen.  Diesem 
•Mit^])richt  auch  die  Abnahme  der  Uterussecretion.  Eine  weitere  gtlnstige  Einwirkung 
der  Mastenr  Ist  das  Schwinden  der  Dysmenorrhoe.  Die  auoMrordentliehe,  resorptions- 


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224 


DIÄT.  —  DIAPHTERIN. 


befördernde  Kraft  der  Mastcur.  unterstfitzt  von  Masnage  und  vorsichtiger  Anwendung 
des  faradiscben  Strome,  giebt  sieb  durub  Abnahme  von  parametritischen  und  peri- 
mvtritisebeii  Exsndaton  kond.  In  Finen  von  RetrofUado  uteri  ßxtU. ,  aowto  bei 
Tabensacken  brachte  die  Mastcur  wesentliche  sytnptoauitische  Erleichterung.  Ein 
gflnstigeg  Resultat  lieferten  ferner  die  sehwercn  I'oniien  von  nieiclisiioht.  die  eich 
im  Aoschlass  an  die  Entwicklung  und  an  das  Wucboubett  herausbilden,  feroer 
Ewei  Ftlle  von  Wandernfere. 

Literatur:  Zur  diätetischen  ß«handlang  der  Herzkrankheiten.  Von  J>r.  F.  Hirse  Il- 
feld. Berliner  klin.  Wochen-schr.  189'^,  Nr.  35.  —  Oiediätetiticke  fiebandlang  derHa^enkrank- 
beiten.  Von  Dr.  Emerich  Hertzka.  Wiener  med.  Presse.  \S94.  Nr.  25— 29.  —  Uftber  Maatearen 
nnd  ihre  .\nwendung  bei  rhronisclieii  Krauklieiien  ■U  r  wi  ililii  hen  Sexnalorgane.  Von  Dr.  Arendt 
(Vortrag  aaf  der  M.  Maturfoncherversammlungj.  Ttaerap.  Monateh.  1892,  Nr.  l.  Kiioh. 

Diapllterin,  Oxychinaseptol,  eine  VorbiDdung  von  1  Hol.  Uxychioolin 
mit  1  Hol.  phenolsulfonsaurem  Oxychinolin,  wnrds  von  Emmerich')  auf  seine 
bükterientödtende  Wirkung  untersucht  und  von  KboNACTBB*)  fflr  die  obirorgisehe 

Praxis  als  Antiseptieum  empfohlen. 

Da-s  Diaphtciin  bildet  in  rtMnem  Zustande,  ans  Waaser  krj'ftallisiri  ,  durchsichtige, 
bernsteingHlbe ,  sechseckige  .Säulen  des  hexae;onalen  Systems,  die  bei  sö"  C.  schmelzen  nnd 
gepulvert  sich  in  gleichen  Theilen  Wasser  lösen.  Die  Verbindung  ist  bei  lOU**  C.  best&ndig, 
-weit  Aber  200*  C.  tritt  Abspaltung  von  Phenol  und  OxychiBolin  ein.  INe  wKsseriK«  LQsug 
Riebt  mit  Eisenchlorid  eine  blauf^riine  FärbnuR,  welche  auf  Ztisttz  von  j^alzsanrc  in  Gelb 
um.Hchlagt.  Nach  Znnatz  von  Natriumcarbonat  im  UeberHchass  scheidet  nich  ü\yohinulin  an«, 
während  Phenol  in  Losun;;  bleibt.  Das  Diuphterin  ist  auch  in  Terdünnteni  Alkohol  Ifislioh,  ia 
•bcoluten  Alkohol  nnr  in  der  Wirme  leicht,  so  dass  es  sich  h^im  Erkalten  sum  grtssten 
Thsibi  «ifldsr  abecheidet. 

IMe  bakteriologiBcbeo  Ventiobe  Escmbsich's  ergaben ,  dam  sehon  eine 

0"3"/oige  Lösung  von  Oxycbinaiepfcol  genfigt,  um  den  Stap/t  i/loroccus  pyotj.  aur, 
in  '  1  Stunde  zu  vernichten  .  sojar  0*L'"  ßige  Iv<'isunfren  tiklteten  Staphylococcen 
in  1  Stunde;  demgemilKS  kann  es  iu  Bezug  auf  bakteriuuvernichtende  Kraft  den 
am  stärksten  wirkenden  Aotiseptieis,  wie  Pbenol,  Ly»ol,  Krekel  ete.,  an  die  Seite 
ge.'ftellt  werden,  tibertrifft  sogar  manche  derselben.  Uebwdies  ist  das  Diapbterin 
ein  relativ  uTi  triftiger  KOrper,  Meerschweinchen  ertrugen  die  siihcutane  Injection 
von  5  Ccu).  einer  5'\,igen  Lösung,  und  2  (?rm.  Diapbterin  in  4  Ccm.  Wasser 
gelöst  in  den  Magen  gebracht,  ohne  merkbare  Störung. 

Rrokacrkb,  der  das  Hittel  in  der  ebirurgisebeo  Praxis  bei  Geeebwflren 
aller  Art,  bei  Verbrennungen,  Phlegmonen,  Auskratzungen  u.  8.  w.  versuchte,  bllt 
die  IL-Judlialiiiiig  des  in  Wasser  vollkoninien  klar  löslichen  Mittels  für  eine  bequeme. 
Nicht  vernickelte  Instrumente  laufen  durch  Berührung  mit  Diaphtenn  schwarz  au, 
so  dass  sieb  zur  DesiofeeUon  der  Instrumente  wie  bisher  Carbolsinro  empfidiit. 
Die  Süssere  Ilautbedeckung  wird  nur  wenig  entfärbt,  nur  die  Nägel  der  Hände 
fSrben  sieh  sehwaeh  frelblicb :  dcrartiire  Nicdt'r-<i'h!;iiri'  lassen  sieh  jedoch  mit 
Wasser  leicht  abwaschen ;  nach  vorherigem  Gebrauche  von  Sublimat  sind  die 
Niederschläge  intensiver.  Das  Hittel  wurde  in  '  — 2*^  gigen  wässerigen  Lösungen 
angewendet;  zur  Wundbehandlung  empfiehlt  sich  zumeist  die  GoneentrafioB  von 
'  j  —  1"  ,,.  Dabei  verhalten  sieh  die  Wunden  und  ihre  rmgebung  reizlos,  nur  in 
wenigen  l'iillni  klagten  Patienten  im  ersten  Moment  ilber  geringes,  sehr  bald 
versehwindeudes  Brennen,  die  Wuudtiiichen  reinigen  sieh  rasch  ,  (iranulatiuu  und 
ITeberbftalung  folgen  bald. 

Bei  Ohren-  nnd  N  asen  a  f  fe  c  t  i  o  n  e  n  wurle  das  Diapbterin  von 
lii'iiUKK '\  und  zw.ir  bei  ehronisclien  Otorrlioen  fiitiiien  Charakters,  bei  eiterigen 
raukenhöhlenenUcUnduiigen ,  bei  Uzaeneu  versueht.  In  den  Gehörgang  wurden 
Losungen  von  0'5— l  'V«,  in  die  Nase  schwächere  von  0*1 — 0'*2<* ,  injicirt,  in 
Paukenhöhl«;  und  Nase  wurde  das  Hittel  auch  in  Tul verform  ohne  Beimengung 
insiiftlirt.  Die  liesultate  waren  namentlich  bei  fi'itiden  Formen  sehr  gute.  In  der 
zahniirztlichen  l'ra.\is  wendete  Hamkchkr'  '  .'^'^ige  Lösungen  /ur  Ausspülung 
nach  Zahnextractionen  bei  Alveolarpyorrhoe  mit  gutem  Krfolge  au. 


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BIAPHTERIN.  —  DIOSCOREA. 


225 


Innerlich  wurde  das  Mittel  von  Dr.  Okfele  bei  Gelenkrheumatismus 
der  Kinder  von  guter  Wirlcuog  befunden.  Tagesdosen  Uber  0*5  Grm.  erzeugten 
OhramoBen.  Eb  wurde  in  folgender  Fomel  Teimbnidit:  IHapktermiO'6y  Spirtt, 
vini,  Cognac,  Äq.  napk.,  Syr.  »mpl,  SS  20*0.  HD8.  Sttflndlieh  1  EnUIfliel 
zu  ndimen. 

Literatur:  ')  K,  Emmsrich,  Oijchuiueptol  oder Diapbterin,  »in  neaes  Anti- 
septicum.  MSuebaoer  m«d.  Woelienaehr.  1882.  —  *)  Kronaeliar,  Du  Oxyebtnaasptol  in  der 

cUrargischen  Praxis.  Ibidem  —  Rohrer,  Diaphterin,  Correspondenzbl.  f.  Schweiz.  Aerzte. 
1892,  Nr.  22.  —  ^)  H  a  m  e  c  h  e  r ,  Diaphterin  in  der  zahnärztlichen  Praxis.  Deutsche  Med.» 
Z<^itg.  1892,  pag.  1072.  —  ')  Dr.  Oefele,  firiellielM MittheOmig M E. Merek.  Herckfa Berieht 
über  das  Jfthr  1892.  Danutadt  1893.  Loabieoh. 

DiMCOfSS.  In  venohiedenen  tropischen  Ländern  werden  verschiedene 

D  i  s  o  r  e  a  a  r  t  e  n  wcp^en  des  grossen  GrlmUi"^  (16 — 23  Percent)  ihrer  unterirdischen 
Knollen  an  äut2mehl  als  Nahrungspflanzen  cultivirt.  So  die  als  Yamswurzel  bekannte 
Dioacorea  alata  L.  {Üb  tum  alatum  Des  f.),  deren  Knollen  ein  Gewicht  von 
15 — SO  Kgmi.  eireiehen,  anf  den  Holnkken  nnd  in  Ostindien,  Dioseorea 
glabra  Roxh.  (D.Batatas  Decaisne)  in  China,  Dioacorea  cinna- 
momifolta  Hook,  in  Brasilien,  I).  hiilh  ifera  L.  in  Neu-Caledonlen  und  auf 
den  Antillen  u.  a.  unter  dem  Kamen  Igname  bekannte  Arten.  Von  der  letzt- 
genannten Speoies  sind  in  den  weatafrikaaisdien  firaniQsiseben  Golonien  dieLnft- 
xwiebeln,  welche  gich  daran  in  grosser  Zahl  entwickeln ,  als  giftig  verrufen.  Sie 
sollen  namentlich  Vergiftungen  bei  Weidethieren  hervorrufen  und  bei  ihrer  reichlichen 
Entwicklung  an  Weideplätzen  für  die  Viehzucht  geradezu  ein  bedeutendes  Hemmnins 
sein.  Anf  den  Antillen  betraehtot  man  dagegen  auch  die  Lnllswiebeln  nidit  für  giftig 
und  auch  in  Nenealedonien  ieat  man  afo^  jedoeli  erst  nadk  gehörigem  Answaachen. 
Nach  T'ntersuchungen  von  Heckel  und  Sciilagdenhaufken  ')  enthalten  sie  ein  in 
Wasser  und  Alkohol  losliches,  stark  bitter  schmeckendes  Glykosid,  das  bei  Fröschen 
Lähmung  und  Tod  hervorbringt.  Zwei-  bis  dreistündiges  Eintauchen  der  in  Scheiben 
geaehnittenen  Knollen  geaflgt  indeas  nr  völligen  ESntgiftnng.  In  den  nnterirdiaehen 
Yamsknollen  ist  das  giftige  Glykosid  nieht  TÜ^ia&den.  Nach  Wray  und  Holmes') 
dit-nt  der  Saft  der  Knollen  von  Dioscorea  htmuta  Iii.  als  Zusatz  zu  dem 
Ipoh- PI  eilgifte  der  Eingeborenen  von  Perak,  dessen  Hauptingrediens  der  Saft  von 
Antiarü  toxicaria  ist.  Aach  die  Achielknollen  der  ehinesieehen  Dioacorea  ent- 
halten ein  bittere«  Glykosid.«) 

Ii  i  t  e  ra  1 11  r ;  E.  Heckol  nn'l  Schlaprdenhauffen,    Sur  deus  plant  m  ali- 
itniitiii  ifM  ralonidle.'i  jteii  connuea  ( Diuncurta  bulbij'era  L.  und  Tacca  invulucrata  Sehn,  et 
Thon.).  Ith-:,  des  Sc.  appligueet.  1892,  Nr.  4,  5.  —  *)  Holmes,  6'ome  medicinal  productg 
/rom  the  Strait*  Settiements.  Pharm.  Joum.  Transact.  181»2.  Nr.  12,  pag.  388.  —  Meink, 
Dioteona  Batata«,  Anxer.  Joura.  Pharm.  1893,  Nr.  3,  pag.  122.  Hu  semaon. 


Bnerckp.  Jalirbaeber.  IIL 


15 


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E. 


Ectaunpsia.  seit  dem  Braeheineii  des  HaopUrtikels  in  der  II.  Auflage  der 
Real-Encyclopädie  vom  Jahre  1886  ist  auf  dieeem  Gebiete  hanplsBehlieli  von  gyiil- 
kologiflcber  Seite  eifrig  gearbeitet  worden. 

Aetiologie.  Die TaAUBE-RosBNSTSiK'scbe  Theorie,  welclie  die  eclampti- 
aeheii  AnfUIe  aus  einer  Drneksteigenrag  im  arteriell«n  Systeme  und  eonseentivem 
OelilrnOdem  erklären  wollte,  ist  zur  Zeit  wobl  allgemein  verlassen.  Konnte  schon 
frflher  aus  ihr  weder  das  relativ  seltene  Vorkommen  der  KclampHie,  noch  der 
ausgesprochene  Zusammenhang  mit  dem  Gestatious/.ustaude  erklärt  werden ,  so 
mosste  sie  in  neaerer  Zeit  vor  einer  genauen  Prüfung  ihrer  Fundamente  zu- 
saiomensinken.  Stohpf  seigte,  dass  der  arterielle  Droek  keioeswegs  immer  erböbt, 
sondern  vielmehr  meist  erniedrigt  ist.  Auch  das  Oedem  de»  Gehirnes  findet  man, 
wie  Olshai  skv  hemerkt.  keineswegs  regelmässig  ;  nach  rasch  aufeinanderfolg'enden 
Anfällen  sieht  mau  daä  (iehiru  bisweilen  so  trocken,  dass  man  „eher  von  Sclerose 
als  Ton  Oedem  spreeben  kann". 

Die  Intozicationstheorie  scheint  zur  Zeit  die  meisten  Anhänger  zu  haben. 
Nierenveränderuntren  findet  man  fast  stets,  aueh  Albuminurie  pfleirt  fast  nie  zu 
fehlen  (ÜLi^uAUäEN,  Stumpf,  Fehling}.  Ueobachtungen  wie  die  von  Stypinski, 
welcher  In  90^«  seiner  Fälle  kein  Eiweiss  im  Harne  fand,  stehen  so  ▼ereinsdt 
da,  dasB  ihnen  Iceine  praktisehe  Bedeutung  beisomessen  ist. 

Dureh  welche  Stofi'e  die  toxisclie  Wirknnpr  hervorgebraeht  wird,  steht 
noch  nicht  fest.  Sti  mI'F  fand  liei  der  l'ntcrsuehiinjr  der  (Jewebe  in  denselben 
wenig  oder  gar  keinen  Harni>tot}'.  Aueh  Thierexperimenie  haben  ergeben,  das« 
weder  der  HarnstoiF,  noch  sein  Isomer,  das  kohlensaure  Ammoniak,  eelampsie- 
artige  Krämpfe  hervorzurufen  vermag. 

Eine  frewiehti^re  Stütze  fand  die  lutoxieHtionstheorie  in  den  Versuchen 
vodTarnikk  und  Chambkklknt,  welche  zeigten,  dass  das  Blutserum  Edamptiscber, 
Thieren  injicirt.  giftiger  ist,  als  das  Blatsemm  gesunder  Kreissender,  wlhrend 
die  Giftigkeit  <I  ll  irms  verringert  ist,  und  zwar  zeigte  sich,  daas  die  Tozidtlt 
des  Serums  zu  der  «It's  Harnes  in  umgekehrter  Proportion  stehe. 

Dass  jedeufalls  bei  Into.xicationen  eclampsieähuliche  Zufälle  eintreten 
können,  zeigte  Oi^shausen  an  dem  Beispiele  der  acuten  SabUmatvergiftung ;  die 
hierbei  anftreteaden  AnAlle  kOnnen  sich  in  kurzen  Intervallen  wiederholen  nnd 
unter  Umständen  Kelampsie  vortäuschen. 

Die  Hamu üTsMA'sehe  Anschauung,  welche  die  Kclampsie  auf  eine  Alteration 
des  Ireterlumeus  durch  den  schwangeren  Lterus  und  dadurch  bedingte  Urin* 
retontion  snrflekftthrt,  hat  dnreh  Seetionsbefunde  keine  Stfltae  erhalten,  man  findet 
sie  ausserordentlieb  häufig  nicht  (Olsbavsks  unter  25  Fällen  7mal  nicht,  12mal  ein» 
seiti?,  4mal  beiderseitig'),  l'ebrijrens  felilcn  noch  exaete  An^-abon  dardber.  wie  sich  der 
Ureter  bei  den  Leicheu  nicht  eclamptischcr  Wöchuerinneu  verhält,  was  zur  Be- 
nrthalnng  der  Bedeutung  dieser  Veränderungen  bei  Eelampsie  sehr  wlehtig  wlre. 
Nur  KUNDBAT  und  GoLUBERG  haben  in  neuerer  Zeit  wieder  auf  die  Compresrion 
der  Ureteren  als  Ursache  der  Eelampsie  hingewiesen. 

OsTHOKK.  dem  sich  Lanto.s  auschliesst,  sucht  die  l  r^ache  der  Eelampsie 
in  eiuer  ungewuhnlieh  starken  Innervatiou  des       si>lanchnivitH ,   die  von  den 


ECLAMPSIA. 


227 


Bewefrun;ren  des  rtcriis  ausgeht  und  auf  die  Vasoeonstrictoren  der  iSicren  und 
des  Centralnervensystems  einwirkt  Diese  Theorie  erscheint  wenig  durch  reelle 
Grandlagen  gestützt,  insbesondere  erkULrt  sie  nicht  diejenigen  FftUe  TOn  Eelampdic, 
welche  in  der  Sehwangenehaft  und  im  Woohenbette  «aftreten. 

Auf  Lähmung  des  Plexus  coeliacus  sucht  0.  Schäpfbr  die  Erscheinungen 
der  Krankheit  ziirflckziifilhren ,  indem  er  sich  darauf  stfltzt.  dass  oxperiracntell 
durch  Zerätörung  dieses  sympathischen  Ncrveugetieohtes  eine  Reihe  von  Symptomen, 
welche  auch  bei  Edampde  Torbtnden  sind,  hervorgerofen  werden  könnten. 
Als  TTrsaebe  der  Llbmung  nimmt  er  Ptomalbintoxieation  in  Folge  Invasion  Ton 
Baeterien  an. 

Als  lofcctionskranlcheit  wiini  die  Pjolampsle  zur  iCeit  von  nicht  wenigen 
Antoren  anfgefiiist.  Seit  den  Auslassungen  von  D^lobb  nnd  DoLteiSf  welch 
Letzterer  tlbrigens  von  seinen  frBher  Irondgegebenen  Anschaaangen  zurOokgekommen 
20  sein  scheint,  hat  man  sieb  von  vcrsehicfjrnen  Seiton  bemüht,  auf  bakterto- 
logischem  Wege  das  über  der  Krankheit  sciiwebende  Dunkel  zu  lichten. 

Blanc  fand  im  Urin  Eclamptischer  regelmässig  einen  Bacillus,  welcher 
bei  Thieren  eelampsieartige  Erschmnnngen  machte.  Er  war  1  ^  laog^  2  breit, 
hftufig  zn  zweien  aneinandergelagert.  In  der  Mitte  zeigte  er  ein  stärker  ge- 
färbtes, rundes  Körperchen.  Bisweilen  zeigrte  er  Zwei(heiliin;r  ('Diploeofeenform). 
Auf  Gelatine  gezüchtet,  bildet  er  kleine  runde  Punkte,  den  Nährbuden  verllUssii^end. 
Die  Erveheinnngen  »ollen  bei  graviden  Thieren  intensiver  anftreten  als  bei  nicht 
trächtigen.  In  den  Geweben  fand  sieh  der  Badllus  nicht.  Ob  Hlaxc  Reinculturea 
seines  Baeillus  ^^ehabt  liat ,  mnss  immerhin  zweiA-lhaft  crscbcinen ,  da  er  die' 
Methoden  der  bakteriologischen  Züchtung  nicht  vollkommen  beherrscht,  insbesondere 
auch  Platten  nicht  hergestellt  hat.  Ais  Erreger  der  Eelampsie  macht  seinen  Bacillna 
jedenfalls  das  Fehlen  in  den  Geweben  verdftchtig. 

F\'.  r;F  zfiehtete  ans  einem  weissen  Infarct  der  Flacenta  einen  Mikrofonciia, 
der  bei  n  ii  nach  einseitiger  Nephrectomie  cclanip-jirartii^e  Erscbeinun;jen 
machte.  >«aeh  doppelseitiger  Kephrectomie  erliegen  die  Thiero  ohne  Convulsiooen, 
bei  intacten  Nieren  entstanden  nnr  leichte  Erscheinungen  von  Nephritis.  Später 
stellte  er  ans  den  weissen  Infareten  der  Flacenta  sechs  verschiedene  Coccenformen 
dar.  welche  sflmnitlieh  parenchymatöse  Nephritis  erzeugen  können.  Er  irlaubt, 
dass  bei  der  Eelampsie  die  Stotl'wecbselproducte  dieser  Mikroorgauismeu  das  Wirk- 
same sind,  so  dass  die  Krankheit  als  PtomsYnftmie  anfAufaswu  ist.  Der  Bin- 
fluss  der  Schwanjrerschaft  ist  nur  ein  prjIdi.tpoMirender,  durch  die  auf  endometri- 
tisflior  r?asis  ent^<tehendeu  weis><en  Infarete  der  I'lacenta.  FavEB's  dberrasohcnde 
Befunde  bedürfen  jedenfalls  noch  der  Bestütigung. 

Hbroott  konnte  aus  dem  Urin  Eclamptischer  einen  Baeillus  zflehten, 
der  bei  trftehtigra  Kaninchen  nach  zwei  Tagen  eclampsiesrtige  Erscheinnngen 
machte.  Die  rntrrsiichiintr  des  Blutes  und  der  Gewebe  lieferte  ein  negatives 
Resultat.  Er  friaubt,  dass  d«'r  Bacilbi<<  in  der  Niere  jriUijJre  StotTsveehHelprndnete 
und  durch  den  Einduss  derselben  auf  diu  nervösen  Centraiorgane  Eelampsie  erzeuge. 

Kaltenbach  sprach  »ich  aus  allgemeinen  Orttuden  für  die  infeetiAse 
Nator  der  Eelampsie  :\n<i  und  veranlasste  mehrwe  üntersnchnngen ,  wdehe  m 
widersprechenden  Resultaten  führten. 

ü£Ki»Eä  stellte  bei  zwei  Leichen  Eclamptischer  23';2,  resp.  14  Stunden 
nach  erfolgtem  Tode  aus  Nieren,  Lunge,  Aortenblnt  und  Leber  einen  Bacillus 
dar,  der  sich  für  Ratten  und  Mäuse  sehr  virnlent  erwies  und  den  Tod  unter 
tonisoh-elonisehen  Zncl.iütLrcii  bewirkte,  eine  Wirkung,  welche  durch  hohe  Morphium- 
gaben  paralysirt  werdcui  konnte.  Der  Bacillas  ist  1 — 3  y.  lang,  '  s  y.  breit,  gedeiht 
auf  Agar,  Bouillon,  Gelatine,  die  letztere  verflOssigend.  Er  zeigt  lebhafte  Eigen- 
bewegnng  im  bängendM  Tropfen,  legt  sieh  in  laugen  Fflden  zusammen.  Er  filibt 
sieh  endst.'lndi^,  entfärbt  sidi  naeh  I'iR.am.  Die  Wirkung?  fasst  Gkrdes  als  durch 
Toxine  bedingt  auf.  Er  kommt  zu  dem  Sehlussc :  „Der  Eclampsiebarilliis  ist  die 
alleinige  Ursache  der  Eelampsie  und  liudet  sich  bei  keiner  audcreu  Krankheit." 

15* 


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ECLAIIFSIA. 


HOFHiBsnut  nntenop,  ghidi&lls  mnf  Kaltbnbaoh'8  VaraalMamg,  diese 

[Untersuchungen  einer  genauen  Nacbprtifung ,  sowohl  durch  eigene  Zflcbtang  von 
Leichen  Eolamptischer  als  durch  Versuche  mit  Gkri>p:.s'  eipfenen  Culturen.  Er 
kommt  zu  dem  Resultate ,  dass  es  sich  dabei  keineswegs  um  einen  neuentdeckten 
Mikrootganismnt  bandelt,  sondern  lediglieh  vm  dne  Sjrfelart  des  RAD8fE*selien 
ProteUM  rulgans,  eines  der  wichtigsten  Errej^er  der  Fäulnies  in  Leioliein. 

Seiner  Kritik  der  GERDES'schen  Befunde  sebliesst  sich  HÄGLER  an. 

Eine  Gombinatioa  von  urämischen  und  bakterielleu  Momenten  als  Ursache 
der  EicUmpde  vird  von  H.  Nidiunn  (SepsiH)  und  J.  Veit  (Oonorrhoe)  vermuthet 
Einer  nosfllhrlicben  Beweisflthning  haben  die  betreflenden  Autoren  bisher  ihre  Ver- 
muthungen  noch  nicht  unterzogen,  jedoch  sind  ihre  Angaben  in  mancher  Beziehung 
hemerkenswertb.  Neumanx's  Angchaniinfren  finden  übrigens  eine  Stütze  dtirch  die 
Untersuchungen  von  Cümbemalk  und  Ble,  welche  bei  Eclampsie  aus  dem  Blute 
Streptoeoeeen  vnd  Btaphyloeoeeen  darstellen  konnten. 

Eine  den  modernen  neuropathologischen  Anschauungen  angepasste  Theorie 
stellt  V.  Herff  auf.  Er  weist  darauf  hin,  dans  die  Krämpfe  bei  Eclampsie,  Urämie, 
Epilepsie  an  sich  keine  wesentlichen  Verschiedenheiten  bieten.  Um  sie  zu  Stande 
kommoi  an  lassen,  bedarf  es  dner  „eelampüsehen  LabUitftt*'  („eelamptisehe  Erregbar- 
heitsstnfe",  Landois)  der  Orosshimrinde  auf  Grund  einer  neuropatbischen  Belastung, 
welche  sowohl  angeboren  als  erworben  sein  kann.  Erworben  kann  diese  eclaraptische 
Labilität  werden  durch  Intoxication ,  Infection ,  Erkrankungen  des  Gefäss-  oder 
Nervensystemes  und  die  „physiologischen  Gestationsreize" ,  nameutlich  bei  Erst» 
gebirenden.  Bi^llrtwlrd  doreh  diese  Theorie,  so  geistvoll  sie  ist,  nieht  eben  viel. 
Die  „eclamptische  Erregbarkeitsstufe"  ht  im  Grunde  genommen  nichts  Anderes 
als  der  dunkle  Beprriff  der  „Disposition'*  zur  Krkrankunfr,  jener  Punkt,  an  welchem 
bisher  noch  immer  unsere  Kcuutuiüd  aufgehört  und  die  Speculation  begonnen  hat. 
Uebrigens  wird  man  die  von  v.  HssfF  vorsproehene  Analyse  dieser  Hypothese  an 
der  Hand  von  Thatsachen  mit  Spannung  erwarten  dürfen,  da  sie  zur  Zeit 
noch  wenig  gestützt  ist.  Auch  GoLDBBRO  sprieht  sieh  für  allgemein  nervOse  Ein- 
flüsse als  Ursache  der  Eclampsie  aus. 

Pathologlsebe  Anatomie.  Erst  in  netterer  ZeÜ  Ist  es  gelnogen, 
bei  iSeetionen  Eclamptischer  charakteristische  Merkmale  an  finden,  welche  deutlich 
zeigen,  dass  der  Krankheit  ein  in  den  venebiedensten  Organen  sieh  abspielender 
Process  zu  Grunde  liegt. 

Noch  wenig  studirt  sind  die  Vorgänge  in  der  Placenta.  Dass  indessen 
aneh  hier  ein  reger  Krankbdtsproeess  stattfindet,  beweisen  die  von  Sohmobl  anerst 
besehriebt  nen ,  dann  von  LrnARSCH  beetitigten  Embolien  von  grossen  Flneentaf' 
seilen  in  die  vcrschiedenstt'n  Organe,  Gehirn,  Lungen,  Leber,  Nieren. 

Die  bekannten  Nierenveränderuugea  wurden  besonders  von  P&UTZ 
und  LuBABSCH  eingeheod  studirt.  Dieselben  sind  keineswegs  immer  sehr  aus- 
gesprochen. Entzflndliche  Erscheinungen  kOonen  vollkommen  fehlen,  fettige  De- 
generation ist  indessen  ."ehr  häiifiir.  R(>i  ;rerinjrer  Veränderung  des  Nierenparenchym? 
tindet  mau  bisweilen  hochgradige  Bildung  von  Cylindern,  die  au  starker  Dilatation 
der  Uarncanälchen  fQbrt,  so  dass  sie  offenbar  als  meobanisohes  Hindemiss  der 
Urinabseheidnng  wirken  (Psorz).  Im  Uebrigen  finden  sieh  sowohl  die  paren- 
chymatOsc  als  auch  die  interatitielle  Form  der  X('])hritis  nicht  selten,  beide  meist 
in  geringem  (irade,  letztere  auch  als  typische  atheromatö.se  Schrumpfniere  (Davis). 

Die  Veränderungen  der  Leber  kennen  wir  genauer  erdt  durch  Arbeiten 
der  lotsten  Jahre,  besonders  von  Scbmosl,  JObobns,  Papillom  und  Ain>nr,  PBon, 
Li  BAHFCH,  PiLLET  uud  Dblaksobms,  doron  Resultate  theHweise  doroh  v.  Huvr 
und  Qerues  bestätigt  wurden. 

Der  geringste  Grad  der  Veränderungen  in  diesem  Organe  wird  dargestellt 
durch  leidite  Entaftndung  und  Verfettung.  In  sehwereren  Pillen  finden  wfar  aas- 
gedehote  hämorrhagische  Herde,  durch  welche  fast  das  ganze  Organ  senrtArt 
werden  kann.  Aneh  das  Parenchym  ist  betheiligt:  in  kleinen  FibrinpfirOpfen  von 


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ECLAMPSIA. 


829 


ueUftrinigw  Bsn  sind  PcrtOEel  toii  Lebenelfon  mnpendiri  In  d«r  Umgebung 

dar  h&morrba^iscben  Herde  findet  sich  häufig  kleinzellige  Infiltration.  Die  Betbeili- 
^nng  des  Lebergewebes  wird  aucb  durcb  die  Embolie  von  Leberzellen  in  die 
verscbiedenstea  Organe,  besonders  Gehirn,  Lungen,  Nieren,  bewiesen.  Zur  Er 
klärung  müssen  anoh  in  den  hAmorrhagiscben  FflUen  entzflndlicbe  Vorgänge 
angenommen  werden,  wolllr  eowoM  die  ven  Kumdkat  und  Padtb  angegebenen 
Fille  von  eigentlicher  typischer  Hepatitis ,  als  aucb  die  nach  Prütz  in  der 
Umgebung  der  hilmorrbagiscben  Herde  auftretende  kleinzellige  Infiltration  sprechen. 
Wie  mau  die  Blutungen  als  Folge  von  Thrombosen  im  Pfortadergebiute  erklären 
80II  —  wie  fhuaSsiaeiie  Autoren  wollen  —  eneheint  nnTentindiieh.  Wo  wir 
derartige  TbrotubenbilduDg  finden,  ratlosen  wir  dieselbe  viel  eher  als  Folge,  denn 
als  Ursache  des  Proccsses  in  der  Leber  aufTassen. 

Das  Gefässsy Stern  ist  ziemlich  stark  alterirt.  Im  Herzen  tiaden  wir 
Blutungen  in  die  Hnsottlatiir,  drenmscripte  Nekroeoi  und  die  bei  den  anderen 
Organen  beschriebenen  Gewebsembolien  von  Leber-  und  Plaeentarzellen  (Lubarsch  1. 
An  den  kleinsten  Gefjissen  zeigen  sich  Verändemogen ,  welche  besonder«  durch 
Continuitätätrennuugen  des  Endothels  cbarakterisirt  sind  (S(HM0RI>).  Hierdurch 
kommt  es  dann  je  nach  dem  Blutdrucke  in  den  betreffenden  Gefässen  und  dem 
Widerstände  der  Media  und  Externa  tu  Erweiterungen  der  kleinsten  Gefiisse 
(Varieen  und  Aneurysmen)  oder  lu  Hämorrhagien. 

Im  Gehirn  zeigen  sich  fast  immer  hftmorrhagische  Herde,  in  den 
meisteo  Fällen  nur  punktförmige  Blutungen,  diese  können  jedoch  auch  zu  grösseren 
bSmorrbagisehen  Herden  anwaehsen  (in  5  unter  87  Pillen  bei  Olshaüben); 
Pfannf:n>tikl  sah  beide-}  nebeneinander,  einen  grOseeren  hBmorrbagifleben  Herd 
und  einen  Varix  iui  linken  Thahimus  i>j)f/r>is. 

Als  mehr  zufälligen  Befund,  wie  ViRCUOW  zeigte,  seheu  wir  iu  den  ver- 
sebiedenstea  Organen  Fettombolien.  Bei  den  heftigen  Bewegungen  der  Kranken 
und  der  mehr  oder  weniger  fordrten  Entbindung  kommt  es  oft  zu  ausgedehnten 
Quetschungen,  besonders  des  Fettgewebes  unter  der  H;iut  und  in  der  Umgebung 
der  Beckenorgane,  so  dass  auf  diesem  Wege  das  Fett  in  die  BlutbaUn  und  dadurch 
cur  Embolie  nach  den  verschiedensten  Organen  kommt. 

Auftreten  und  Statistik.  LOhlbin,  weleher  sieh  sehen  früher  nm  die 
EelampsleforschuDg  grosse  Verdienste  erworben  hatte,  suchte  sieh  durch  Umfrage 
an  allen  grossen  Kliniken  deutscher  Zunge  über  die  Nosologie  der  Krankheit  zu 
orientireu.  Sein  Material  umfasst  52328  Geburten  mit  325  Eclampsiefällen ,  so 
dass  also  auf  161*01  Qeburten  eine  Erkrankung  kommen  würde.  Diese  verthetlen 
sich  ausserordentlich  verschieden ;  denn  während  z.  B.  in  der  Berliner  Charit^  auf 
67  Geburten  eine  Eclanipsie  kam,  zeigten  die  Wiener  Inftitnte  nur  auf  318  einen 
Fall  der  Erkrankung.  Die  hieraus  resultirende  Durchschnittszahl  von  1  :  161*01 
Iftsst  jedoch  keinen  Scbluas  auf  die  Häufigkeit  der  Krankheit  maebeu ,  weil  in 
die  Kliniken  viele  bereits  erkrankte  Frauen  wegen  bereits  ausgebroehener  ESelampsie 
reeipirt  werden.  Unter  Berücksichtigung  dieses  Momentes  reducirt  sich  die  Zahl 
auf  einen  Eclanipsiefall  Itei  .3:^0  02  Geburten.  Nach  GOLDBERO  kam  in  der  Dresdener 
Frauenkliuik  1  Erkrankung  auf  133  Geburten. 

Auf  die  seitweise  Hinfung  von  Eelampsiefllllen,  welehe  zuerst  von  D&lobb 
beobachtet  war,  machte  Olsh&DSEN  von  Neuem  aufmerksam.  Eine  EMclärung  für 
diese  Erseheinung  steht  noch  aus^  jedenfalls  sind  Witternngsverhältnisse  n.  dgl.  nicht 
zu  beschuldigen. 

Das  Auftreten  der  Eelampaie  in  der  Sehwangerschaft  seheint  nach  Stumpf 
bedenteod  häufiger  an  sein,  als  man  gewühnlieh  annimmt.    Da  durcb  den  Anfall 

U'teruscontractionen  ausgelfist  wenlen  .  so  pflegt  bei  der  Ankunft  des  Arztes  die 
Geburt  in  der  Kegel  schon  im  Gange  zu  sein ,  so  dass  gewiss  mancher  Fall  als 
in  der  Geburt  ausgebroebene  Eclanipsie  aufgefasst  wird ,  dessen  beginn  in  diu 
Gravidität  fällt.  Dafür  spricht  auch  die  von  vielen  Seiten  gemachte  Beol>achtuog, 
dass  die  EUnder  Eclamptiseher  auffallend  klein  su  sein  pflegen. 


23U 


ECLAMPSIA. 


Symptome  und  Vorlauf.  OlshaüSEN  macht  auf  gewii^st- eigenartige 
Prodrome  aufmerksam,  wie  Kopfschmerzen,  Mageuscbmerzen  uud  Krbrccbeo.  Die 
letxteren  sind,  vielleicht  nach  Analogie  mit  anderen  Intoxicationen,  als  eine  Aus- 
adiddang  des  Oift«t  aof  die  MagoDtebleimhant  anfsnfaaten.  Aneh  AnutoroM  s^gte 
sieh  einmal  als  prodromale  Erscheinung^.  Der  Anfall  selbst  setzt  manchmal  mit 
einer  Aura  ein,  z.  B.  einem  Gefühle  des  lUrabfallcns  au-<  der  Höhe.  Für  diese 
Aura  und  selbst  für  den  Beginn  der  Krämpfe  besteht  uach  dem  Anfalle  uicbt 
immer  Amnesie. 

Die  Symptomatologie  der  Eelaropsie  ist  besonders  von  Stcmpf  in 
einer  ausführlichen  kritischen  Darstellunf?  bereichert  worden.  Der  a!lL''t'meine  Stoff- 
wechsel ist  nach  ihm  bei  der  Eclampsie  stark  in  Mitleidenschaft  gezogen,  wie 
die  üntersnehung  des  Crins  ergiebt.  Ei  weiss  fehlt  fast  niemali  Im  Harne;  der 
Gebalt  an  Alburoen  steij^t  unmittelbar  nach  dem  Einsetzen  der  Anflille  rasch  an 
(bis  i*"5  '  I  I  und  fällt  im  Wochenbette  ebenso  schnell  wifdcr  ab  'steile  Curve).  Auch 
zeigte  8icb  bei  regelmfl«.«iger  UnterHuebnn;;  dei  Urins  Eclamptischer  auf  Zucker, 
dass  dieser  ein  selten  fehlender  liarnbestandtheil  bei  der  Krankheit  ist.  Dabei  bietet 
der  Urin  eine  starlce  Aeidittt,  bisweilen  findet  sieh  Aeetunnrie.  Die  Zoekerearve  gebt 
der  Eiweisseurfc  parallel,  rasehes  Ansteij^en  nach  Beginn  der  Anfälle  und  ebenso 
schnelles  Abfallen  im  Wochenbette.  Bisweilen  tritt  leterut*  auf;  die  Chol.lmie  wird 
offenbar  hervorgerufen  durch  die  starken  destructiven  Veränderungen  in  der  Leber- 
snbstanz.  In  solchen  Fillea  fand  Stdmpp  im  Harne  und  in  den  Geweben  der  Ldehe 
aueh  Leucin  und  Tyrosin. 

Die  P  n  I  s  f  rc  <|  II  «•  II  z  int  in  der  Hegel  erhobt  TlOO  120  Schlftfre  in  der 
Minute^}  vor  jedem  Aufalle  steigt  sie  plötzlich  au,  um  nach  dem  Cessiren  des» 
selben  wieder  abzusinken.  Mit  dem  Finger  an  der  Radialarterie  kann  man  auf 
diese  Weise  den  herannahenden  Anfall  leiebt  erkennen.  Die  Spannung  im  Arterien» 
röhre  ist  dabei  keineKwc«:^  trh(">ht,  sondern  meist  verringert. 

Auch  die  T  e  m  p  e  r  a  t  u  r  ist  nuist  etwa.s  h<tlitr  als  in  der  Norm,  steigt 
aueh  noch  durch  deu  Auiall  selbst  weiter  uui  einige  Zehnlei  Grade.  Nicht  selten 
treten  wirkliehe  Fiebertemperatnren  auf. 

l'nter  der  .'iusseren  Haut  findet  man  in  besonders  ungünstig  ver- 
laufenden Füllen  bisweilen  multiple  eireumscripte  Rlutiiii;ren. 

Auf  dem  üebiete  des  Nervensystems  ist  aui  aulidlleadsten  die  starke 
Erhöhung  der  Reflexerregbarkeit,  welebe  sieh  sowohl  in  der  Verstärkung  des 
PatellarKebnenreflexes,  als  der  siimmtlichen  Hautreäexe  geltend  macht;  die  geringste 
Manipulation  mit  d<  r  Krankon  kann  einen  Anfall  auslösen,  der  Stich  der  I'kavaz- 
seheu  ^i'adel,  ja  Bogar  die  einfache  Berührung  des  Körpers  können  mit  sofortigem 
Auftreten  der  Convulsionen  beantwortet  werden. 

Unter  den  Naehkrankheiten  der  Eclampsie  durfte  das  Andanem  der 
NiercnaflVetioii  die  hilufipf-te  .sein,  l'nter  den  24  8  überlebenden  Frauen  der  LöH- 
l.Kl.NM-hen  Statistik    kam   es  liL'mal  vor.    nur  in  der  Hftlfte  der  Fälle 

bündelte  es  sich  indessen  um  wirkliche  chronische  Nephritis. 

Von  hoher  praktischer  Bedeutung  sind  die  nach  Eclampsie  auftretenden 
Psyehosen,  welche  nicht  selten  sind  ir)  'J4'\  der  Teberlebenden,  Limi^EiN).  Sie 
stellen  lir^ninicrs  die  acuteu  Formen  der  Erschöpfunfrspsyehoseu  dar,  Manie. 
Melaueholiu,  halluciuatoriscbe  Verrücktheit  etc.  Nach  Orshausen  liegt  in  der 
Kegel  zwischen  dem  Erwachen  aus  dem  Coma  und  dem  Efaitritt  der  Psychose 
ein  Tag.  Da  mit  dem  Cessiren  der  Eclampsie  und  der  Beendigung  des  Ge-nta- 
tions/.ustandes  die  BetiinLMiiiL'cn  der  Erliohinjr  sehr  L^linsti^r  werden  .  so  ist  der 
Ausgang,  wie  IkI  den  puerjaTalen  l'syelio.scn  Überhaupt,  nieist  in  Heilung. 

Von  8onätigeu  Complieatiouen  verdieueu  die  Öehluekpneumonie  und  die 
bei  Eclampsie  besonders  häufigen  septischen  Erkrankungen  noch  bräonders  Erwähnung. 

Prognose,  Von  den  M2.'.  Eclainp.siefälleii  der  LoHUEQN'schen  Zusammen- 
stellung erlagen  (>'.'>,  also  1  i»  ,,  der  Krankheit  selbst,  ausserdem  weitere  17, 
also  .'>*22<'/u ,   an  Complieatiouen.    ULi>HALSK.\   hatte   unter   l'UÜ  EclampsiefäUen 


ECLAMPSIA. 


231 


50  Todesfälle,  also  eine  Sterblichkeit  von  25«  o-  An  einigen  Kliniken  zeigen  sich 
autfallend  günstige  Ziffern ,  z.  B.  in  Bonn  (J.  Veit)  2  Todesfälle  unter  66  £r- 
krankniigeii.  Im  Allgemeinfin  hat  rieb  die  Progitofle  4«r  Belampde  in  den  IMon 
Jahren  in  erfreulicher  Weise  gebessert,  waa  wohl  nieht  mit  Unreolit  auf  die  Ana» 
bildoDg  der  Therapie  zurdckcrefährt  werden  ma^. 

Als  Anhaltspunkte  für  die  Stellung  der  Prognose  im  Einzelfalle  sind  ausser 
der  Häufigkeit  der  AnfUle  und  der  Tiefe  des  Coma  in  neuerer  Zeit  verschiedene 
Angaben  gemaebt  worden.  Stumpf  legt  besonderen  Werth  anf  die  Temperatur.  Bldbt 
dieselbe  nach  dem  Aufhören  der  Anfälle  hoch,  an  soll  dies  ein  sieherea  Anzeichen 
für  den  zu  erwartenden  letalen  Ausgang  sein.  liesunders  wichtig^  ist  nach  Oi.shadsen 
die  Beschaffenheit  des  Pulses,  dessen  zunehmende  Kleinheit  und  Frequenz  aU 
Signum  mali  oroinis  gelten  muss.  Ebtreiender  letems  ist  nieht  immer  als  besonders 
scshUmmcä  Zeichen  aufzufassen,  wie  von  vielen  Seiten  angenommen  wird. 

Therapie.  Die  Frage  nach  der  Behandlung  der  Eclaropsie  hat  in  den 
letzten  Jahren  rege  Bearbeitung  gefunden,  und  zwar  im  verschiedenen  Sinne. 
Sowohl  in  allgemein  therapentisdher ,  als  in  gebnrtsbUflidi-operatIver  Beridinng 
wurde  der  Gegenstand  —  wie  die  Verbessemng  der  Statistik  leigt  —  nieht  ohne 
Erfolg  in  Angriff  genommen. 

Die  zufolge  der  TKAL  BE-KosKNSTKiN'scben  Theorie  auf  eine  Herabsetzung 
des  Blutdruckes  ausgehenden  Massnahmen  sind  von  den  meisten  Seiten  aufgegeben 
worden.  Nur  gana  yennnselt  wird  noeh  der  Ad<fflasB  empfcdilen  (Clarrb,  Mbagoah, 
Voigt,  Aly). 

Sehr  bedenklich  .sind  diejenigen  Mittel,  welche  durch  directe  Einwirkung  auf 
das  Herz  eine  Herabsetzung  des  Blutdruckes  bewirken  sollen,  80  vor  allen  Dingen  das 
von  amerikaniseben  Autoren  lebhaft  naeh  dem  Vorgänge  von  Pbabn  nnd  Bon> 
empfohlene  Vfratrin  (OfiTMANN,  Jewett,  Fordyck  Bahker,  King,  Tbimble  u.  A.). 
Bei  der  hohen  Wichtigkeit,  welche  die  Erhaltung  der  Kraft  den  Herzmuskels  für  den 
Ausgang  der  Krankheit  hat,  ist  die  Anwendung  eines  Mittels,  welches,  wie  kaum  ein 
anderes ,  eine  giftige  Wirkung  auf  die  Cireulation  bat,  sidierlieh  ala  bedauerliehe 
Verirmng  an  bezeicbneu.  VIdeber  su  rathen  ist  die  starke  Wirkung  auf  die  Diaphorese, 
mehr  zur  qualitativen  als  zur  quantitativen  Entlastung  des  Kreislaufes.  Nicht  darauf 
kommt  es  an,  dass  das  Volum  der  circulirenden  Flüssigkeit  und  damit  der  Blut- 
druck verringert  wird ,  vielmehr  auf  die  Entfernung  eines  möglichst  grossen 
llieiles  der  sebidliehen  Snbstanaen  ans  dem  Krdsiauf.  Indessen  wird  von  Olbhaübbn 
mit  Recht  darauf  hingewiesen,  dass  bei  bereits  ausgebrochenen  Krämpfen  jede  um- 
ständliche Procedur  mit  den  Kranken,  wie  warme  Bäder,  Einwicklungen  etc.,  zu 
vermeiden  ist,  so  dass  also  diese  Art  der  Behandlung  weit  eher  prophylaktisch 
bei  wihrend  der  Schwangerschaft  anftretender  Albuminurie,  denn  therapentiieh 
gegen  die  bereits  ausgebrochene  Eclampsia  zu  empfehlen  ist. 

Di'ii  dankbarsten  An<^^rilT^«punkt  für  die  medicinische  Therapie  bei  aus- 
gebrocheuen  Convulaioneu  bietet  noch  immer  die  erhöhte  Betlexerregbarkeit. 
Hier  muss  durch  Narcotica  in  grossen  Dosen  eine  Herabsetkiing  der  ReHexe  er- 
rdeht  werden.  Die  tiefe  Nareose  durch  Chloroform  oder  Chloralbydrat  erfreut 
sich  noch  immer  verbreiteter  Anwendung;  indessen  ist  besonders  die  erstere  wegen 
ihrer  Umstäii(i!ichkeit  mehr  fUr  Kliniker  als  fitr  die  Praxi.s  des  beschriftigten 
Arztes  geeignet.  In  neuester  Zeit  ist  nach  der  Empfehlung  von  ü.  Veit  die  tiefe 
Morphiumnareose  mit  flberrasohendem  ESrfolge  angewendet  worden.  Man  beginnt 
mit  der  Maximaldose  von  0  03  Grm.  und  steigt  innerhalb  24  Stunden  bis  O  l 
oder  «rar  0"3  (Jrm.  Dabei  ist  natürlich  sorgfältig  auf  das  N'erhalten  der  Pupillen 
und  der  Herzaction  zu  achten.  Bei  beginnendem  Lungenödem  ist  die  Behandlung 
aosKUsetzen.  Die  vorsflgliehen  Resultate  O.  VBfT*s  haben  allerorts  zur  NaehpraAing 
des  Verfahrens  ermuntert ,  und  wenn  auch  nirgends  der  gleiche  Erfolg  wie  auf 
der  Bonner  Klinik  ern  iolit  worden  ist.  so  ist  doch  die  Methode  sehr  zu  empfehlen. 
Die  subcutane  Murphiumapplication  ist  die  einfachste  und  fUr  die  Kranken 
schonendste  Form  der  li)inleitung  einer  tiefen  Narcose.  Freilich  ist  es  sehr  schwer 


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23S 


ECLAIIPSIA. 


SM  beortbeileD,  waoo  die  Nareose  tief  genug  ist,  bftutig  lebrt  ein  neuer  AnfaU, 
4a«  nodi  grOoMitt  Domo  «rforderlicli  afaid.  J.  TUT  aopfichlt,  4iai«ik  Aofall  tkn- 
«•rtm  BDd  erat  dann  erneute  Morphiumgabcii  zu  appliciren. 

Die  Behandlnn^  der  Eclampsie  mit  Narcoticis  hat  indeesen ,  so  gQnstig 
sie  auf  den  Verlauf  der  Krankheit  bei  der  Mutter  einwirkt,  einen  sehr  naob- 
tbeOigen  Eioflaaa  anf  die  Fmebt.  Nidit  aalten  daht  man  die  Kinder  in  tiefer 
Nareose  geboren  worden,  nicht  zum  Schreien  zu  bewegen,  während  Atbmung  und 
Puls  intact  sind.  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  das^  manche  Frucht,  die  sonst 
erhalten  werden  könnte,  unter  dem  ßiuflusse  der  Narcotic«  intrauterin  abstirbt. 
Küdeiaen  darf  bei  nnaerer  modernen  gebnrtdiil^lien  Anadiaanngaweise ,  welehe 
daa  Leben  der  Mutter  weit  liOher  atellt  ala  dae  der  Frucht,  danua  keine 
Indication  zu  Unterlaianng  einee  für  die  Mutter  lieilaamen  Verfidirena  ge- 
sogen werden. 

Die  geburtshilflichen  Massnahmen  zerfallen  in  prophylaktische  bei 
bealdiender  Albuminurie  in  der  Sdiwangeraeliaft  und  in  therapeutisebe  gegen  die 
auagebroehenen  Anfalle. 

Die  geburtshilflich-prophylaktisclicn  Massnahmen  können  nur 
auf  eine  vorzeitige  L'uterbreuhung  der  Schwangerschaft  gerichtet  sein.  Die  Au* 
aiehten  Aber  die  Berechtigung  dieser  Eingriffe  gehen  weit  auseinander.  Wihrend 
die  Einen  betonen,  dass  auch  die  Icflnatlieh  crzeu-^ten  Wehen  den  Ausbruch  der 
eclamptischen  Ant'itlle  veranlassen  können,  selieti  die  Anderen  in  ihnen  das  sicherste 
Mittel  zur  Verhütung  der  Anfälle.  Am  weitesten  in  dieser  Beziehung  geht  wobi 
LOMSR,  der  bei  Frauen,  weiche  Eclampsie  flberstandeu  haben,  wenn  von  Neuem 
Sehwangerscliaft  mit  Nephritis  eintritt,  den  Icanatliehen  Abort  Anleiten  will.  Im 
Allgemeinen  ist  daran  festzuhalten ,  dass  die  Schwangerscbaftsnephritis  ungleich 
häufitrer  ist  als  die  Eflampsie.  und  dass  nicht  alle  F.llle  von  Alhnmmuria  gro' 
vt'darum  zum  Ausbruche  unserer  Krankheit  fuhren ;  dass  ferner  die  vorzeitige 
ünterbredinng  der  Sebwangereehaft  Ic^ne  siebere  Oewlhr  für  die  Yerbtttung  der 
Belampsie  bt,  und  dass  diese  Operation  durch  den  sehr  protrahirten  Verlauf  noch 
immer  eine  relativ  grosse  Gefahr  der  septischen  Infection  bietet.  Wir  sind  daher 
nicht  berechtigt,  Muttor  und  Frucht  zu  gefährden,  letztere  vielleicht  geradezu  zu 
opfern  zu  Gunsten  einer  sehr  swdfelhaften  prophylaktlseben  Massnahme.  Wenn 
auch  E.  Cohn  das  Leben  der  Frucht  schon  durch  die  Verftnderungen  der  Placenta 
in  der  Sebwanfrerschaft  filr  so  irefilhrdet  IiiUt .  dass  man  keine  Rücksicht  darauf 
zu  nehmen  braucht,  so  steht  dem  der  linstand  cntj^e^en ,  dass  doch  immer  ein 
nicht  geringer  Theil  der  Früchte  lebend  geboren  wird. 

Die  geburtshiiflieb-tberapeutisehen  Massnahmen  gehen  von  der 
Erfahrung  aus,  dass  mit  Beendigung  der  Geburt  die  Anfülle  aufzuhören  oder 
wenif?stens  seltener  zu  werden  pHe;;en.  Man  sucht  daher  die  Geburt  möglichst 
zu  beschleunigen.  Eine  Meinungsverschiedenheit  besteht  nur  darin,  wie  tbeuer 
dieser  Vortheil  erkauft  werden  darf. 

Diejenigen  Eingriile .  welche  ohne  Gefahr  für  Mutter  und  Kind  unter- 
nommen werden  können,  «lud  stricte  indieirt,  so  die  Zanore  am  tiefstcbenden  Kopf. 
Auch  der  künstliche  l^lasensprung  in  der  ersten  Geburtsperiode  wird  lebhaft 
empfohlen,  da  er  besonders  bei  Mehrgebärenden  sehr  zum  Portsehritt  der  Geburt 
beiträgt  (V.  Hbbff,  Olshausbn);  bei  Erstgebärenden  freilieh  ist  dieser  Eingriff 
ein  zwi  i^clmeidi^rcs  Schwert,  da  er  hier  ebens(t  eine  V^erlangsamung  wie  eine  Bo- 
scbleuuigun;;  der  Erweiterung  des  Muttermunden  Ijrwirkt  ii  kann. 

Anders  verhält  es  sich  mit  denjeuigeu  Entbiuduugsmethodcu  ,  welche  je 
nach  Lage  der  Dinge  eine  mehr  oder  weniger  grosse  Gefahr  fflr  die  Mutter  in 
sich  sehliessen;  hierher  gehören  der  Kaiserschnitt  und  die  foreirte  Ent- 
bindung per  \  t  a  s  naturales. 

Der  erstere  ist  jedenfalls  dann  indicirt,  wenn  die  Mutter  bereits  in  der 
Agone  ist,  das  Kind  aber  noch  lebt.  Dieser  Fall  wird  verbältnissmJlasig  selten 
eintreten,  da  nach  den  Versuchen  von  CHARPfiNTiBR  durch  die  urlmisehe  Intoxl- 


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ECLAMPSIA.  —  EIGENWÄRME. 


283 


eation  der  Fötus  früher  petödtet  wird  als  die  Mutter;  er  kann  aber  iu  Fsllen. 
in  denen  der  Tod  durch  Uirubäniürrbagie  u.  dgl.  erfolgt,  wohl  möglich  werden. 

£Une  andere  Würdigung  verdient  die  Operation  daoD,  iraDn  sie  bei  noch 
anerOibetou  Oerriz  ledigUoh  sv  fieanüirmg  dM  QertrtioMMrtaiidea  uoteraoninieB 
wird,  wie  Halbertsma  und  bedingter  Weise  V.  Herff  empfehlen  Iiier  muss  in 
Betracht  gezogen  werden,  dass  Ah  Sectio  caesarea  trotz  der  wefentliehen  Verbesserung 
der  Prognoae  doch  noch  immer  eine  gefährliche  Operation  ist  und  nur  in  Anstalten 
unter  gflostlgen  V«riii1tniaMn  vorgenommen  wird ;  dabei  ist  die  errdohte  Be* 
sobleunIguDg  der  Geburt  eine  relativ  geringe,  da  der  ectamptische  ProeeM  an 
sieb  die  Wehentbätigkeit  erhöht,  so  dass  die  Geburt  in  der  Regel  spontan  rasch 
verläuft.  £)8  kann  daher  leioht  pasairen,  dass  bei  beabsichtigtem  Kaiserschnitt 
wfthreod  der  Vorbereitungen  cur  Operatton  die  Gebort  von  selbst  xn  Ende  gebt. 

Ton  DüHRS^EN,  dem  sieh  v.  Hkbff  ansdüiesst,  werden  bei  noch  nidit 
vollkommener  Eröll'nung  dcfi  Muttermundf^s  zur  raselien  Entleerung  des  Uterus 
die  tiefen,  bis  auf  den  iScbeideugrund  gehendt  ii  Ctrvixincisionen  empfohlen,  durch 
welche  der  Muttermund  derartig  erweitert  wird,  dass  nunmehr  die  Frucht  dureh 
Zange  oder  Wendung  entwickelt  werden  kenn,  bt  die  Gerviz  noeh  niebt  ver- 
strichen, so  wird  Kic  vor  der  Operation  durch  Einiegnng  eines  Colpenrjmters  in 
den  Mutterhals  nach  Mäcrrr  dilatirt.  Die  Methode  ist  jedenfalls  nur  in  der  Hand 
des  speeialistiseli  geschulten  Gynäkologen  berechtigt,  der  jederzeit  eine  gefährliche 
Blatnn?  ans  den  Cervizwnnden  su  beberrseben  vermag.  Aneb  tet  zu  bedenken, 
wie  Mcht  durch  die  geschaffenen  Ris.'ie  eine  Infection  der  Parametrien  Htattfindeo 
kann.  Andererseits  »ind  DüHRS^EN's  eigene  HesiiUatf  'unter  26  Fällen  sammtliche 
Mutter  lebend,  nur  2  Kinder  todt)  derartige,  dass  eine  ausgedehnte  Prüfung  des 
Verfabrens  selir  erwttaaeht  wire.  Zur  Zeit  liegen  noeh  an  wenig  Brfabmngen 
vor,  um  ein  abeebliesaendes  Urtbeil  au  Allen. 

I.iteratnr:  Blanc,  An h.  de  tocol.  Lyon  m^d.  1889  und  1891.  XVI  n.  XVIT  -- 
(Jlarke,  Med.  Newa.  21.  Sept.  1889,  pag.  —  Charpentie  r,  Juurn.  de  meti.  de  Brüx. 
1887,  Nr,  2^.  —  E.  {'ohn,  Zdtschr.  för  (reb.  XIV.  —  Combemale  uu.l  Bu6,  Soci6t6  de 
Biologie  de  Paris,  Sitzunjr  vom  19.  März  189i.  ■ —  Davis,  New  York  raed.  Joorn.  1891, 
March  —  Dährssen,  Arch.  f.  Gvn.  XLII  u.  Verliandl.  der  Berliner  geb.  Oesellsdi..  Sitz, 
vurn  >.  Januar  1892.—  Favre,  VinhowsArch.  CXXIII  u.  CXXVII.  Fehling,  C.  f.  G. 
18^2,  Nr.  51.  —  Uerdes,  C.  f.  G.  ItjfiZ,  Nr.  20;  Ufincbeoer  med.  Wochflnachr.  189^,  Nr.  22; 
Beatsehe  med.  Woohenschr.  Nr.  26.  —  Qoldbert;,  Areb.  fBr  Oyn.  XUf.  —  Higler. 
C.  f.  n  1892.  Nr,  51.  —  Halbertsma.  Nederi.  Tijdschr.  v.  Geneesk.  18S9,  Nr.  15  und  Ver- 
handlungen  des  X,  intern -it.  med.  Congresses  zu  Berlin.  1890.  —  Bergott.  Le  progn'-i  m6d. 
1892,  Nr.  27  und  Discassion.  —  v.  Herff,  Berliner  Klinik.  Hft.  32;  Münchener  med.  Wochen- 
Mhrifl.  1891.  Nr.  5;  C.  f.  6.  1892,  Nr.  12.  —  Hofmeister.  Fortschritte  der  Med.  1892, 
Nr.  22r.  —  Kaltenbach.  C.  f.  G.  1892,  Nr.  2ii.  —  Knndrat,  K.  k.  G«sell8ch.  der  Aerzte 
in  Wien.  Sitzuns  vom  2i-{.  Oct.  I89l.  —  Lantus.  Ar  :h.  für  Gyn.  XXfl.  —  1/ o  h  1  e  i  ii, 
/eitscbr.  für  Gyn.  XIII;  Verhandl.  der  4.  Versammlung  der  deutschen  Geaellsch.  für  Gyu.  zu 
Bonn  1891  (Arch,  fttr  Oyn.  XL);  Oynäkol.  Tagesfragvn.  Wieebaden  1891.  Hft.  2.  —  Loner, 
Ges,  f  (icb  in  Hamburg,  Sitzung  vom  12.  April  18'.l2.  —  T.iiliarsch,  ('orrespondenzbl.  des 
allg.  Mecklenburger  Aerztevereines.  18^2,  Nr.  142.  —  lloauhan,  .lourn,  of  Amer.  med, 
assoc.  1890.  Aug.  23;  Amer.  med.  news.  1887.  -  Olshausen,  Zeitschr.  für  Geb.  XXI  ;  Sammlung 
klin.  Vorträge.  N.  P.  Nr.  39  nnd  Verhandi.  der  Beriiuer  med.  Geaellsch.  Sitsungen  vom  20.  Jänner 
1892.  (Dfwnssioo).  —  Ost  hoff,  Sammlnng  klin.  Vortrlge.  Nr.  266.  —  Papillen  and  Audi  n. 
Bulletins  de  la  .snci<n''  .inafnitiiiiuf'  lio  Paris.  HIM,  —  P  f  .i  n  n  en  .s  t  i  e  I,  C.  f.  G.  1^87.  Nr.  38.  — 
Pill  et  and  De  1  u  n  s  o  r  ui  e,  Bulletins  de  ia  societ«;  anu  toniiijue  de  Paris.  1)^92.  —  Prntz,  Diss. 
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Schmorl,  Verhandi,  des  GynäkologencoDgr.  za  Bonn  1886.  —  Stampf,  Verhandi.  des  GyD&- 
kologencongr.  tn  Hänchen  1886;  Mönehcner  med.  Wochenschr.  J887,  —  Stypinski,  Gazeta 
lelnrska,  IH!^*;,  Nr.  !t.  —  G.  Veit,  Sammlung  kliii  Vurtniire.  Nr  H04.  — 'j.  Veit,  Handb. 
der  Oeburttfh,  11,  jiag.  195tf-  —  Virchow,  Berliner  klin.  Wochenschr.  188Ö,  Nr.  HO.  —  Vorgl. 
Bunerdem  die  Verhandi.  des  interoat.  med.  Cosgr.  an  Washington,  1837,  der  anerik.  Oes.  f. 
Gyn.  wn  New-York  188«  und  der  Ges.  f.  Gyn.  so  Chicago  1889.  SchOnheimer. 

Eigenwärme,  auch  tlncrisi-he  Wilrmc  jrpririnnl.  Von  dieser  nicht 
nur  allgemein  hiuluf^isch  interossaiitcn ,  sondern  we^en  der  Heziehunjren  zum 
Fieber  ab  der  abnormen  Ueberschreituug  der  EigeuMärmecoustauz  und  wegen 
der  BeeiehuDgeo  zur  Antipyrese  als  den  Verfahren,  die  abnornie  hohe  Körper- 
wirme herabxtidrfleken ,  gerade  den  Arzt  direet  angehenden  Eigenachaft  des 


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EIGENWARME. 


SäupretbieTcs,  eine  hohe  Temperatur  zu  besitzen  und  inuerhalb  der  Breite  des  (Jenunden 
dieselbe  conetaDt  zu  behaupten,  kt  nur  gelegentlich  der  „Hydrotherapie** 
(Real-Enoyelopädie,  2.  Aufl.,  Bd.  X,  pag.  10)  und  der  „Eigenwirmeregu- 
lirnng**  (Bd.  XXI,  pmg.  615)  beillsfig  die  Bede  gewesen,  daher  mne  knn» 
/jisarnmenfafl-sende  Darstellung,  wel«lie  die  wMentlieliea  tbeMteUielieD  ünterligea 
liefert,  am  Platze  sein  dürfte. 

So  lange  die  Säugetbiere  und  Vögel  leben ,  zeigen  sie  eine  von  der 
UmgebvDg  innerhalb  weiter  Grenzen  nar  wenig  ebhlngige  Blntwirme  oder 
Körpertemperatur,  die  man  aneb  als  ihre  Eigenwftrme  bezeichnet  Man  hat 
früher  die  Thiere  ihrer  EigenwSrrae  nach  in  Warmblüter  und  Kaltblüter  einge- 
tbeilt  ]  zu  letzteren  rechnete  man  die  sich  kalt  anfühlenden  Reptilien,  Amphibien, 
Flsehe  nnd  sinnntliebe  wirbellosen  Thiere.  C.  Bbromank  (1847)  hat  indeas  ge- 
seigt,  da8s  auch  die  Temperatur  der  sogenannten  Kaltblüter  stete,  wenn  auch  nur 
um  weniire  Zehntel  (!r;ule,  die  Temperatur  des  Mediums,  in  dem  sie  sich  befinden, 
ttbersteigt.  Der  eigentliche  Unterschied  zwischen  Warm-  und  Kaltblütern  besteht 
darin,  dasa  die  Warmblüter  ihre  Eigenwärme,  gleichviel,  welches  die  Temperatur 
des  sie  umgebenden  Mediums  ist,  gldehviel,  ob  sie  sieh  am  Aeqnator  oder  in  den 
gemässigten  Zonen  oder  endlich  in  den  Polargegenden  befinden,  innerhalb  erstaun- 
lieh enger  Grenzen  festzuhalten  vermögen.  Dagegen  entbehren  die  scfS-enannten 
Kaltbluter  dieser  Fübigkeit ;  ihre  Temperatur  schwankt  mit  der  des  Mediums,  in 
dem  sie  leben,  auf  und  nieder;  ist  aber  steta,  mindestens  um  einige  SSehntel  Orad 
hoher  als  die  des  Mediums.  Man  nenot  deshalb  die  Warmblllter  besser:  Thiere 
mit  c  0  n  s  t  a  n  t  e  r  Temperatur  oder  gleichwar  nie,  homoiotherme 
Thiere,  und  diu  Kaltblüter:  Thiere  mit  variabler  Temperatur 
oder  weehsel warme ,  poikilotherme  Thiere. 

Man  misst  die  Körpertemperatur  der  Thiere  am  besten  so,  dass  man 
enipfindlielie  Thermometer  in  gegen  Abkühlung  geschützte  Körperhöhlen  ein- 
führt und  dort  si>  lange  liegen  lässt ,  bis  die  QueckrJÜberHiuile  einen  eonstauten 
Stand  zeigt,  was  meisluus  10 — 15  Minuten  erfordert.  Man  kaun  hierzu  den  Mast- 
darm oder  bei  Weibern  die  Vagina  benutzen.  Beim  Menschen  bildet  bei  an  den 
Thorax  fest  angelegtem  Arm  die  Achselhöhle  eine  solche  geschlossene  Höhle,  in 
welcher  sich  die  Ttmperaturmessungen  leicht  und  bequem  ausführen  lassen.  Die 
so  ermittelte  Eigenwärme  beträgt  beim  Menschen  im  Mittel  37*3**  C. 

Wesentlieh  hOher  ist  die  Eigenwftrme  der  Vögel;  sie  betragt  hier 
41*5— 42»  C. 

nie  Kigenwilrme  de-j  Menselieti  zeitrt  wie  die  Puls-  nnd  Athemfreqnenz 
und  die  Menge  der  COo  Aushauchung  eine  tägliche  Periode.  Am  Morgen 
am  niedrigsten,  ä6-8*>  C'.,  steigt  sie  bis  10  Uhr  auf  37' 1»  C.  und  sinkt  von  da 
ab  bis  Mittag  ein  wenig  (37'0<  C),  ste%t  dann  wieder  und  erreieht  gegen  3  Uhr 
Nachmittag  ihren  höchsten  Stand,  M7'5'' C.  Von  da  ab  sinkt  sie  sncccssive ,  ist 
Abends?  8  Uhr  auf  MV  ^J^C,  Abends  Jl  I'hr  auf  Seoo  und  fällt  in  der  Nacht 
bis  auf  C.    Diese  Schwankungen  sind  hauptsächlich  von  der  Nahrungsauf« 

nähme  abhängig :  sie  sind  daher  an  hungernden  Menschen  weniger  deutlieh  wahr- 
zuuehmen  und  gestalten  pich  anders,  wenn  die  Hauptmahlzeit  auf  eine  andere 
Zeit  verlegt  wird.  Die  Steigerung  der  Temperatur  nach  der  Nabrungpaufnabme 
ist  durch  das  Verdauungsgeschäft  (s.  spiiter;  bedingt.  Nahruugseutziehung  hat 
Absinken  der  Körpertemperatur  kaum  sur  Folge ;  bei  längerer  Inanition  sinkt  die 
Temperatur  erst  in  den  letzten  Tagen  vor  dem  Hungertod,  den  man  bei  Singethieren 
bei  circa  30°  C.  hat  eintreten  "eben. 

Ferner  schwankt  die  Eigenw.irme  mit  dem  Alter:  Neugeborene  zei^ren 
eine  höhere  Körpertemperatur  als  Erwachsene,  in  den  ersten  Tagen  371'^,  dann 
uur  37*7*,  allein  sie  besitzen  zugleich  eine  geringere  Resistenz  gegen  niedere 
I  mgebungstemperaturen  als  Erwachsene.  Weiterhin  sinkt  die  Eigenwärme  ab, 
hält  sieh  aber  bis  zu  5  Jahren  um  ('.  herum,  filllt  in  den  späteren  Lebens- 
jahren,   um  etwa  im  10.  Jahre  die  Durehschuittshöhe  von  37*3  C.  zu  erreichen. 


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EtosinrijaB. 


895 


Zwischen  dem  40.  und  50.  Jahre  sinkt  die  Eigenwärme  vou  37'3*>  bis  su  37*1^ 
ab,  nm  vom  70.  Lebenjabre  ab  wieder  auf  87*4—37*5*  m  «teilten. 

Das  Oeschiecht  bat  keinen  nachweisbaren  Einfluss  auf  die  Eigenwirme. 

Den  mächtigsten  Kinfluss  auf  die  Ei^enwänne  übt  die  Muskelthätig- 
keit,  die  Körperbewegung  und  ArbeitsieistuDg.  Beim  Menschen  steigt  durch  an- 
strengende kOrpwUebe  Arbeit  oder  doreb  Lanfen,  Springen  ete.  die  Ki^onwlrme 
um  0-5  —  1*.  Daher  und  bei  der  Krankheit,  welche  mit  fast  dauernder  krampf- 
hafter Zusammenziehung  der  Kf'irpermnski  ln  einherfreht,  beim  Tetanus,  die  höchsten 
Temperaturen  beobachtet  worden,  beim  Menschen  bis  zu  44**.  Sind  schon  Tempe- 
raturen von  43')  lebensgefährlich,  su  tritt  bei  44c  stets  der  Tod  innerhalb  sehr 
kurzer  Zeit  ein.  Umgekehrt  ninkt  wihrend  dee  SehlafeB,  also  bd  mögliehster 
Muskelrnbe^  zngleieh  mit  der  Pals-  und  Athemfre(|uenz  und  der  Grön^e  der  CO]- 
Exhalation,  auch  die  Eigenwärme.  Auch  die  Thätigkeit  der  Drflsen  und 
Muskeln  des  Darmcanals  bei  der  Verdauung  geht  nach  Zuntz  und 
V.  Mbring  mit  (Steigernog  der  O-Anfnalnne  and  COs-Ausseheidung  und  somit)  der 
Wärmebildnng  einher,  dsher  rflhrt  anm  Theii  die  Zunahme  der  Eigenwirme  bei 
der  Verdauung. 

Temperaturtopugraphie.  Nächst  der  allgemeinen  Kürpertemperatur 
itttercsrift  ans  die  Temperatur  der  Mnselnen  Organe  und  Gewebe  ^  die  soge- 
nannte Temperaturtopograpbie.  Was  snniebst  die  Blntwarme  anlangt,  so  ist 

dieselbe  in  verschiedenen  Gefässprnvinzen  verschieden:  w.ihrend  sie  im  Aortenbltit 
des  Hundes  :^H•4^  bctnltrt ,  ist  sie  in  der  I'lortader  zu  35* "4",  in  der  Lebervene 
zu  gefunden  worden ,  in  der  unteren  liohlvene  zu  39-5''   und  im  rechten 

Herzen  su  SB'H^.  Dass  die  höhere  Temperatur  des  ans  den  grossen  Unterl«bs> 
drüsen  abtiie.<4seDden  Blutes  nieht  nnr  vou  der  gegen  Abkühlung  so  gescbtltztett 
Lage  dieser  Organe,  sondern  von  der  l'hJltifjkeit  der  Drüsen  ,  von  den  in  ihnen 
stattfindeuden  chemischen  ümsetzungen  abhängt,  ergiebt  sich  aus  den  ßeob- 
aehtungen  vou  Cr«.  Bbrkard,  der  bei  einem  gefütterten  Hund  das  Blut  der  Pfort« 
ader  und  Lebervene  2 — 3"  wärmer  fand  als  bei  einem  hungernden  Thiere;  bei 
einem  gut  gefütterten  Hund  bctniir  einmal  die  Temperatur  in  der  Lebervene  'll".^", 
der  höchste  Werth,  der  Uberhaupt  beim  Hund  beobachtet  worden  ist.  Im  rechten 
Ventrikel  ist  die  Temperatur  im  Mittel  nm  O'S«  höber,  als  im  linken;  nach  Cl. 
Bernabd  soll  dies  auf  Abkühlung  des  Blutes  durch  die  Lungenventilation  zurttck- 
y.uführen ,  nach  Heidemiaix  zum  Theil  dureh  die  direete  Anlagerung  der  hoch 
teniperirten  lieber  an  den  rechten  Ventrikel  bedingt  sein  ,  wJlhrend  der  linke 
Ventrikel,  rings  von  Lungengewebe  umgeben,  mehr  der  Abkühlung  ausgesetzt  i>t. 
Die  oberfliehlich  gelegenen  Venen  des  Kopfts  und  Halses,  welehe  der  direeteu 
Abkflhlung  so  sehr  ausgesetzt  sind ,  zeigen  dementspreeheud  eine  sehr  niedrige 
Temperatur,  häufig  nnr  3(5-;')".  die  Cruralvene  :'.7  2". 

Da  das  iilut  zu  allen  Organen  tliesst  und  wiederum  von  allen  Orgauen 
sbetrömt,  so  sollte  msn  erwarten,  dass  durch  die  so  bewirkte  WBrme-Zn-  und 
•Ableitung  ein  Ausgleich  der  Temperatur  der  Organe  stattfindet.  Indess  ist  dies 
nicht  vollsfiindig  der  Fall ;  vow  dm  Drüsen  ist  es,  seit  der  I^^ntdeekunfr  C. 
LrnwKi'.s  ilH5l!  an  den  Speieheldrüsen,  bekannt,  dass  ihre  Temperatur,  sobald 
die  Drflsen  energisch  arbeiten,  um  1  — 1*5^  die  des  zuführenden  Blutes  übersteigen 
kann.  In  Uebrigen  hingt  die  Temperatur  einer  jeden  Körperrtelle  ah  von  dem 
Verhflltniss  der  Grösse  der  Wärracbildung,  beziehungsweise  Wlrmezufuhr  zw  der 
ihres  Wämu  Verlustes.  Es  soll  deshalb  ein  jeder  dieser  Paetoren  f;esondert 
betraehtet  werden.  Vorweg  sei  gleich  bemerkt,  dass  die  Temperatur  der  geschlossenen 
Körperhöhlen :  Mastdarm,  8ebeide,  Blase  nm  0*5 — 0  8*  die  der  dureh  die  ftusswe 
Haut  gebildeten  Aohselböhlc  übersteigt.  An  der  nusseren  Haut  beobaebtet  man 
sr.jrar  Temperaturen  von  3;i"  bis  hin  ih  zu  27<'  C,  auf  der  Nasenspitse  und  den 
Ohrläppchen  nach  Kuxkul  bis  hinab  zu  23<*  C.  . 

Wärmeausgaben.  Ans  der  Phydk  Ist  bekannt,  dass  die  Wärme  sieh 
sowohl  dureh  Strahlung  als  dureh  Leitung  fortpflanzt.    Die  Wärmel^tung 


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236 


£IG£NWi.RM£. 


Ton  einem  Theil  des  Körper»  zum  anderen  oder  von  einem  Körper  zu  einem 
EDderen ,  ibn  unmittelbar  berührenden  geschieht  nach  dem  NfiWTOil'schen  A  b- 
kOhlnngsgesetz,  wonaeb  die  in  der  Zeitofaklrait  flberKebeade  WlriDenieofe  vm 

80  grösser  ist,  je  grösser  der  Qaerachnitt,  je  kOrser  die  Bahn,  welehe  die  Wirme 
zu  durchstreichen  hat ,  je  dichter  also  der  KOrper  und  je  grösser  endlich  die 
Temperatarditicrcnz  ist.  Dieses  Gesetz  gilt  innerhalb  Temperaturen  bis  zu  40"  C, 
Man  unterscheidet  darnach  gute  und  schlechte  Wärmeleiter;  zu  ersteren  gehören 
die  Hetelle,  zu  letsteren  die  Köqier  von  melir  lockerer  porOeer  BeselwffBBheit : 
Luft,  Hol»,  Stroh,  Wolle,  Haare;  mittelmftssige  Wärraeleiter  sind  die  wasser- 
reichen thieriscben  Gewebe.  Die  Strahlung  unterscheidet  sich  von  der  Leitung 
dadurch,  dass  dabei  die  FortpÜanzuug  der  Wärme  nicht  von  Theilcben  su  Theii- 
ehen  stattfindet,  eondem  dareh  ainnlieh  wabmelimbare  Rinme  bindareb,  nnd  swar 
erfolgt  die  Strahlung  der  Wärme  nach  denselben  Gesetzen  wie  die  Bewegung  des 
Lichtes  und  in  der  He;2el  durch  die  Luft  liindnrch  .  welche  selbst  ein  sehlcchfor 
Wärmeteiter  ist.  Endlich  kann  ein  Körper  Wärme  durch  Veränderung  seines 
A^sregatsttstande»  Teriieren,  wenn  er  a.  B.  ait  dem  festen  in  den  flOssigen 
oder  ans  dem  flOssIgen  in  den  gasfönnigen  Zustand  flbergeht,  indem  bierbei  eine 
gewisse  Wärmemenge  gebnnden,  „latent"  wird.  Allen  diesen  Warmeverlusten  ist 
der  Thierkfirper  dauernd  ausgesetzt.  Mit  jeder  Exspiration  findet  eine  Waa«er- 
verdunstuiig  von  der  Lunge  aus  statt ,  nicht  ständig  aber  dueb  bäutig  wird  von 
der  Bant  aus  in  Form  des  Sebweisses  Wascer  abgedunstet.  Fortwäbrend  verliert 
der  Thierkörper  durch  Strahlung  und  Leitung  von  seiner  Oberfläche  Wärme  an 
die  ibn  umgebende  minder  temperirte  Luft,  und  zwar  ist  dieser  Wiirmeverlust  um 
8u  grösser,  je  grösser  die  Temperaturdifferenz  zwischen  der  llautubertiäche  und 
der  Atmosphlre  ist.  Endlieb  werden  nicht  ganz  nnorbebliebe  Wärmemengen  dasu 
verbrauebt,  um  die  Einnahmen  des  Körpers  ,  die  Luft,  die  Speisen  umi  Getränice, 
welche  fast  durchweg  niederer  temperirt  sind  .  als  der  Körper  ,  auf  die  Körper- 
temperatur zu  bringen.  Die  8umme  aller  dieser  Abkühlungen  ist  um  so  bedeu- 
tender, je  grösser  die  Oherflftche  des  Körpers  und  der  Temperaturunterschied 
zwischen  dieser  nnd  der  Anssenlnft  ist,  je  mehr  Wirme  also  der  Körper  dnreb 
Strahlung,  Leitung  und  Verdampfung  verliert.  Die  Gesammtmenge  der  von  einem 
Thier  abgegebenen  Wärme  kann  man  mitteist  des  Galorimetcrs  bestimmen. 

Das  Wassere ulurinieter  von  Dulong  besteht  au8  einem  Metallkasten,  in 
waldMa  das  lebend«  Thier  hinein^esetzt  wird ;  diaaer  Kaslea  ist  von  eiaea  grüssereu  am- 
Bchtosseo  nnd  der  Raum  zwischen  beiden  mit  einer  gemessenen  Menge  Waaser  ansgefUlt.  Von 
dem  kleineron  Ka.mcn  geht  eine  Röhre  ab,  welche  die  Wand  d^s  grösseren  darvhsetzend  nach 
aussen  inüiulet  und  durch  wliln'  das  Thit-r  l.ut't  einsaugt.  l)as  dio  Luft  al)fährende  Rohr 
verlauft  in  zahlreichen  ächlangenwiudangen  innerhalb  der  (zwischen  den  Kaatenwaaden  he- 
flodlieheo)  Wa'mrxchfeht  nnd  ^ebt  an  letalen  ihr«  minn»  ab ;  «bmo  die  Winde  des  Innen- 
knstenfi  an  das  Wn-ispr  dif  W  arme,  welche  das  Thiff  duicli  v'^trahlUBg,  Leitnnp  etr.  verloren 
hat.  Zur  Verhütung  »ii-r  WarnualiKabe  seitens  d.s  .\u-i>ciika-ii'n«  an  die  Luit  umsieht  man 
denselben  zweckmässiger  Woise  noch  mit  einem  Mantel  und  tuilt  di-ii  Z wigchenrauni  /.wischen 
Mantel  und  Kasten  oiit  acblecbten  Wärmeleitem  (\Verg,  Wolle,  liaarej  aus.  Aas  der  Tenps* 
ralnrznnalinie  der  Wamersehicht  von  bekannter  Menge  lilsst  sich  die  Wänneabgabe  leicht  in 
W  iL  r  in  e  e  i  n  h  fi  i  t  e  n  oder  Calorifs  berechnen,  i  ruitin»  eine  C'alorie  derjeni);en  Wärmenieniif 
entspricht,  welche  erfurderlich  i.st,  uui  l  Liter  (Kilu)  Wasser  von  0"  auf  1'  C.  zu  bringen;  mau 
bezeichnet  diese  grosse  oder  Kilocalurio  mit  Ca.  Fdr  manche  Fftlle  ist  ch  bequemer,  als  Ein- 
heit eine  kleinere  Grösse  zu  haben,  /..  B.  die  Wärmemenge,  welche  1  (irm.  Was.ser  nm  1*  C. 
erwärmt,  und  bezeichnet  letztere  zum  llnterschie<le  al.s    ^.kleine  oder  Grammcalorie"   oder  ca. 

.\l.H  genauer  und  lür  Untersnchunnen  bequenn-r  babeii  sich  die  L u  1 1  calo  r i  ra  e  t  e r 
erwiesen,  vi«  sie  von  d'Arsonvai,  Roseuthal,  Rahner  construirt  worden  aind;  hier  he- 
findet  sich  swisrhen  Innen-  nnd  Aassenkasten  anstatt  des  Waaiers  Luft,  dsrsn  Ausdehnung 
durch  die  vnm  Vcr-<nf  lisfliii-r»'  ab^reirnlii-no  Warme  direct  gemessen  wird;  disSS  Apparats  be- 
dürfen einer  Graduirung  durch  eine  con.stanic  Warnmiuelle. 

Mittelst  des  Calorimeters  läs^tt  sich  die  Wärmeabgabe  des  ganzen  Thteres 
f Ur  eine  bestimmte  Zeit  ermitteln ;  um  vergleichbare  Wertbe  an  gewinnen,  redneirt 

man  sie  auf  die  K r^rperLM-wichtsrinlieit.  Naeh  den  eorrigirten)  BeHtimmnngen  von 
Di  LONG  und  I)Ksri;KT/.  (I.wakkkt,  Sknvtoh,  KiCHfiT,  RoBNER  u.  A.  giebt  an 
W.irme  ab  per  Kilo  T  Ii  i  e  r  u  n  d  1  .St  u  u  d  c : 


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BI6ENWÄBME. 


237 


....  1-5  „ 

 101  , 

Kind  (7  K^m.)  

....... 

 11-3  „ 

 19-0  . 

 34-6  , 

Meersrhweinclien  ... 

.  .  .  .7-5  „ 

 35-7  , 

DarauH  folgt :je  kleiner  das  Thier,  am  so  grösser  ist  dessen  Wärme- 
abgabc. £8  ist  dies  auch  leiebt  za  Tentehen.  Kimmt  man  den  Thierkörper  aU 
Kogel  «n,  80  wiehat  bekaoatlieh  die  Oberfliehe  einer  Kogel  mit  dem  Qoadfot, 

während  ihr  Inhalt  mit  dem  Cubus  zunimmt.  Eine  Kngel,  deren  Inhalt  achtmal 
so  viel  bclr.lgt  ah  der  einer  anderen,  hat  nur  eine  viermal  so  grosse  Oberfläche, 
oder  mit  anderen  Worten:  je  kleiner  die  Kugel,  um  so  relativ  grösser  ist  deren 
Oberflflebe.  Das  Olelebe  trifft  fDr  den  unregelmlseig  gestalteten  TbierkSrper  so; 
je  kleiner  das  Thier,  je  geringer  dessen  Körpergewicht,  desto  grosser  ist  ver- 
hältniasmässig  dessen  Ohirfläche.  nnd  da  die  WürmeabijrHben  zu  vier  Fünftel 
(s.  später)  auf  ÖtraLlung  und  Leitung  von  der  Uautoberääche  zurflckzuführeu 
sind)  so  mflssen  sie  vm  so  faSber  aosfallen,  je  kidner  das  Thier.  Dem  entspre> 
ohend  ist  der  WlrmeTerlnst  der  Ente  4  mal,  der  der  Taube  7mal,  der  des  Sperlings 
fifigar  22mal  so  gross,  als  der  de^  Menschen.  Auh  dem  Ti/irnliclien  Clrunde  ist 
selbst  bei  derselben  Speeles  (Mensch)  die  Wärmeabgabe  verbältoissmässig  um  so 
grösser,  je  junger  und  kleiner  das  verglichene  Individuum  ist. 

Quelle  der  tbierisehen  Wirme.  Da  nngeaebtet  der  stftndigen 
Wärmeausgaben  der  Körper  der  Säugethiere  eine  constante  Temperatur  tlber  das 
Medium,  in  dem  die  Tliierc  leben,  behauptet,  muas  nothwendiger  Weine  in  ihm 
selbst  eine  Wärmequelle  vorbanden  sein,  welche  jenen  unablässigen  Wärme  Verlusten 
die  Wage  hält.  In  der  That  wird,  wie  Latoi8ISB(1777)  xnerst  seharfsinnig ent- 
wiekelt  hat,  die  Wärme  im  Thierkdrper  selbst  erzeugt  bei  oder 
besser  durch  die  chemischen  Prnccsse,  welche  sich  dauernd  in 
ihm  abspielen  und  welche  zum  Zerfall  der  organischen  Körper-  und  der 
Nabmngsbe^ndtbdle,  in  letoter  Instani  so  Wasser,  Kohlensäure,  HamstofT  nnd 
^chwefelhäore  führen.  Der  Stoffwechsel  des  HiierkOrpon  stellt  sich  in  Form  Ton 
Oxydation^-  und  Spaltungsprocessen  dar,  und  dass  insbesondere  bei  ersteren  eine 
reichliehe  Wärmebildung  statthat,  ist  bekannt.  Die  in  den  verbrcnnlichen  Körper 
oder  Nährstoffen  einerseits  uud  im  Luftäauerdtotl  andererseits  augebäufteu  chemi- 
seben  Spannkräfte  (potentielle  Energien)  werden  mit  dem  Momente,  wo  jeoe  sieb 
mit  diesem  verbinden,  frei  und  werden  in  lebendige  Kräfte  iinr/oHCtzt,  die  beim 
ruhenden,  d.h.  nicht  arbeitenden  Menschen,  fast  vollständig  aU  Wärme  auf- 
treten. Es  ist  demnach  die  thierisehe  Wärme  nichts  anderes  als 
die  Verbrennungswärme  der  dnreb  den  inspirirten  Sauerstoff 
verbrannten  Eiweisse,  Fette  und  Kohlehydrate;  je  mehr  Kohlen- 
sHure  und  WasHcr  gebildet  wird,  je  mehr  Eiweiss  zu  Harnstotf  zerfallt,  desti» 
grösser  ist  die  Wärmebilduug,  So  viel  Wärme  bei  der  Verbrennung  eiuer  Sub- 
stanz ausserhalb  des  Körpers  entsteht,  genau  ebensoviel  muss  bei  der  Oxydatioa 
innerhalb  des  ThierkOrpers  gebildet  werden,  und  swar  glriehvitl)  ob  die  Oxydation 

direet  oder  er-<t  durch  Zwischenstufen  hindurch  biS  SO  den  Bndprodoeteo  erfolgt. 

So  entstehen  bei  der  Verbrennung  von 

1  (irm.  Wasserstotr  zu  Wasser      .......  34"5  Ca  (nach  Favre  und  Silbermann) 

1    „    Kohlenstoff  8«  Kohlmsäurs   8'1  „  „        „        „  „ 

1    „    Eivsiss   .  .    5*8  ,  (»ach  Babaer} 

1    „    Biweira  iai  Körper   (nuh  Abng  von 

'  ,  Grm.  gobüdetin  Hamatof)  ....  41  „  „  „ 

1    ,    Zucker   4*1  «  (nach  v.  Rechen berg) 

1    „    Pott   9*3  n  (aacb  Stohatann). 

Ist  aber  in  der  That  die  gebildete  Wärme  nur  die  Verbrennungswärme 

der  im  Körper  stattfindenden  ehemischen  Processe,  in  erster  Linie  der  Oxydationen, 
so  muss  die  Grösse  der  gebildeten  Wärme  durch  die  V'erbreunungswärme  der  im 
Körper  zersetzten  Bestandtheile  gedeckt  werden.    Während  nun  die  älteren  Ver- 


EIGENWASIfB. 


suche  von  DirLONc  und  Desprktz,  sowie  die  von  (Iavarkkt  stdt.s  einen  Fehl- 
betrag der  aus  der  Verbrennung  der  ioi  Körper  verbrauchten  Stoiie  berecbneteo 
gOgenflber  der  thfttaiehltoli  g«bildeteo  WinnmDenge  vm  25 — 10%  «rgelwn  hatten, 
liefern  neuere  Versuche  von  RuBNßu  den  Beweis  dafflr,  dasa  die  Vcrbrennun«:8 
•Wärrae  der  im  Körper  oxydirten  Stoffe .  aus  der  exspirirten  Kohlensaure-  und 
Wassermenge  sowie  aus  der  ausgeschiedenen  üarnstotfmenge  berechnet,  die  in 
der  gegebenen  Zeit  vom  Thier©  thatsiehlich  gelieferte  Wärmemenge  hinreiehend 
genaa  deekt. 

Eine  nicht  (iiibeträchtliche  WärmpmonL'e  entsteht  im  sonst  ruhendeu 
Thierkörper  durch  Umsetzung  von  mechauischer  Arbeit  in  Wärme. 
Die  meehmaische  Arbeit  des  Herzens,  welche  den  Blutkreislauf  nntarhilt,  wird 
aom  grtaiten  Theil  dnreh  die  Widentinde  innerhalb  des  Kreisluifet  eoneamift 

und  erscheint  in  Gestalt  von  Wärme  wieder:  die  mechanische  Arbeit  des  Herzens, 
deren  Gesammtprösse  für  den  Menscheu  von  Zlntz  zu  i;().000  Kilo^rammmeter  = 
=:  48  Caloricu  veranschlagt  wird,  kommt  dem  Korper  als  Wärmeeinnahme 
sn  Oute. 

GrOsseder  Wärmebildung.  Ein  erwachsener  Mensch  von  70  Kgrm. 
producirt  nach  einer  Berechnung  von  v.  Helmmoltz  (184Gj  in  i?  J  Stundi  n  etwa 
2400  Wärmeeinbeilen ;  diese  Wärmemenge  würde  ausreichen ,  um  seinen  Körper 
(die  speeifisehe  Wftrme  deeselben  im  Mittel  sn  0-83  angesetst)  von  0*  auf  40*  C. 
sn  erheben.  Da  nun  die  Temperatur  des  Körpers  sich  constant  erhält,  so  muss 
ebensovit«!  Wärme,  als  g^ebildct  wf)rdcn,  ;nich  zu  Verlust  gehen.  FIs  verliert  also 
der  Mensch  rn  24  Stunden  2400  W^ärmeoiuheiten.  Wie  vertheilt  sich  nun  diese 
Wärmeabgabe  auf  die  einzelnen  Posten ,  wie  gestaltet  sich  die  Wärmebilanz 
des  Henaeben?  Es  läset  sieb  berechnen^  daas  anf  Strahlang,  Leitung  nnd  Wasser* 
Verdunstung  von  der  KOrperoberflftche  rund  80»  ^ ,  auf  Verdunstung  von  den 
Liiniron  circa  12°  ^,  de^  Wnrmrverlustes  entfallen;  der  Rest  von  7"  q  vertheilt  sich 
aut  die  Abgaben  behufs  Erwärmung  der  Athemluft,  der  Speisen  und  Getränke 
auf  Körpertemperatur.  Diese  Biianzanfttellungen  gelten,  ebenso  wie  die  Seliätxnng 
der  OrOsie  der  Wärmebildnnif  nur  fttr  den  ruhenden  Menschen. 

Naclistehpnil"  Rerechnunp  iIt  W  ä  r  m  e  b  i  I  a  n  7.  för  Jen  rtiheDdSB  Menschen 
nach  den  Ermitteluogeu  von  v.  lleltuhultx,  Duloiig,  Vierordt  aufgestellt,  mug«  als 
Beispiel  di«MB: 

1.  Warmeoinnahmen.  Aus  der  tägüchen  Nahnug: 


IIU  ürm.  Eiweisa  4öi  Ca 

100    p    Fett   930  „ 

250    n    Koblehydrate  1026  „ 

240t)  Ca' 

2.  Wartneausgaben. 

Zur  Erwärmnag  der  Speisen  und  Getränke   RO  Ca 

n  „  t<   Athemlnft  (zu  10"  C.  angrenommen)  .    100  „ 

500  Gnn.  WaHscr,  von  lii-n  laintc.'u  vpnlunst>n     ...    ilOO  ^ 
Strablnng,  Leitung  aod  Wasserverduaatung  vou  der  ans- 

serea  Haut   1950  ^ 

^.'410  Ca 


V  e  r  t  h  e  i  I  II  n  LT  ;i  ii  d  A  ii  s  I  c  i  c  Ii  ii  n  ?  der  Wärme.  Mic  fhoinischcn 
l'roeesse,  welche  die  t^uelle  der  tbierischeu  Wärme  .«iud,  verlauten  in  den  ver- 
sebiedenen  Organen  und  Geweben  mit  wechselnder  Intensität^  ziemlich  lebhaft 
schon  in  den  Drosen  nnd  am  stärksten  in  don  Muskeln  bei  deren  Thätigkeit. 
Wenn  nun  iinjareachtet  dessen  im  Innern  des  Thierkörpers  die  Temperatur  iinr 
wenig'  variirend  gefunden  wird,  st>  rührt  dies  daher,  dass  das  zu  allen  und 
von  alleu  Organeu  strömende  I31ut  vermöge  seiuer  grossen 
Strömungsgeschwindigkeit  (die  Umlaofazeit  des  Blutes  beim  Menschen 
ist  SU  nur  23  Secunden  berechnet)  die  Te  m  ]>  >  ratnr  mehr  «der  weniger  zur 
Ausgleiehnufr  bringt:  je  schneller  das  lilut  einen  riieil  des  Thierknrpcr-4 
durchströmt.  Je  mehr  Blut  in  der  Zeiteinheit  eiu  Organ  durchsetzt,  desto  wärmer 
eraeheint  dieses  ceteris  paribus.  Es  liängt  dies  damit  susammen,  dass,  je  mehr 


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BIOBNWlmrE. 


239 


Blut  in  der  Zeiteinheit  zugeführt  wird,  ein  desto  reichlicherer  Krsatz  für  die  be- 
ständigeo  Wärmeverluste  st^ttfindea  kano.  Am  meiätua  Wärme  giebt  die  äussere 
Haut  ab,  deren  WimebildaBg  selbst  nur  gering  ist;  daher  findrt  man,  obwohl 
ihr  stets  reichlich  Wnrtne  von  dem  sie  durohströmenden  und  ana  dem  Körper- 
ionern  herkommenden  Blut  zugeföhrt  wird,  auf  der  Haut  die  geringste  Tempe- 
ratur, die  unter  Umätändea  bis  zu  15**  C  weniger  aIh  die  der  geachlussenen 
KOrperbOhlen  und  des  Blute«  betragen  Icann  (s.  oben).  Zwiseben  dieser  relativ 
katten  ,,KiDdeQSehiebt^'  und  dem  Iiinerun .  von  ROSBNTHAL  treffend  „Kern  des 
Thierkörpers"  genannt ,  in  dem  sieh  die  tit'iehste  und  eine  fast  i-nnstante  Tem- 
peratur tindet,  liegt  eine  schojale  intermediäre  Zone,  in  welcher  die  Temperatur 
von  aussen  nach  innen  ansteigt  Die  Temperaturdifferenz  swiseben  Rindenschicht 
und  Rem  ist  um  so  grosser,  je  geringer  die  Girenhitionsgesehwindigkdt,  und  nmgekdurt. 

Regulation  derKigenwärnie.  Die  Lehensiimcesse  bei  den  Homoio- 
tliernien  können  nur  bei  eonstanter  Temperatur  oder  bei  Schwankuujjen  derselben 
innerhalb  .sehr  enger  Grenzen  stattliuden.  Nun  schwankt  aber  die  Temperatur 
des  Mediums,  in  dem  de  leben,  die  der  Luft  innerhalb  weiter  Orensen  auf  und 
ab,  es  wird  sonach  auch  ihre  W<1rmeab;rabe  betriehtUohen  Schwankungen  nnter- 
worfen  sein.  Es  fra<rt  sieh  daher,  welche  \  (»rkehrnnfren  sind  im  (»rfranismus  zum 
Sehutz  gegen  erhöhte  und  erniedrigte  Auäueutemperatur  getroffen  ':'  A  priori  sind 
zwei  Maglidilceilmi  denkbar:  entweder  der  vermehrten  oder  verminderten  Wirme- 
abgabe paest  sieh  die  Wirme|iroduction  genau  an  oder  die  letztere  bleibt 
mehr  oder  wenijrer  unverändert,  und  es  kommt  die  WflrmeeonRtanz  durch  Regu- 
lation, durch  entsprechende  Moditicirung  der  Wärmeabgabe  zu  Stande.  Thatsäcb- 
lich  werden  zunächst  die  Wärmeabgaben  seitens  der  äusseren  Haut,  welehe  rund 
viw  Fflnftel  des  gesammten  Wftrmeverinstes  bilden,  besehrankt,  büdehnngsweise 
gesteigert  und  erst,  wenn  diese  Regulation  nieht  atisreieht,  die  Wtrmeprodnetion 
herabgesetzt,  beziehungsweise  vermehrt. 

Die  zunächst  stärkere  Abktlblung  der  Hautoberfläche  bei  erniedrigter 
Aussentemperatur  ist  mit  einem  subjeetiven  Prostgefflhl  verbanden,  welehes 
von  der  Haut  auagebt,  d«ren  glatte  Mnakelfasem ,  Mm.  ai-rectores  püi^  sieh  in 
Foljre  der  Külte  zusammenziehen,  die  sogenannte  „Gänsehaut"  erzeugen  und 
damit  die  Haut  straO'er  machen,  das  Volumen  der  Haut  verringern.  Ausserdem 
eontrahinm  sieh  die  kleinen  Blntgeftsse  der  Haut,  es  fliesst  dnreh  die  Hant  in 
der  Zeiteinheit  eine  erheblich  geringere  BIntmenge,  nnd  damit  ist  die  wirme- 
abgebende Öberdilehe  \ errinsrert,  es  wird  weniger  Wilrme  nach  aussen  :i>)i,'etrehen. 
Ferner  stockt  bei  Killte  die  .SchweisRabsonderung  und  die  Wasserverdiuistun^  von 
der  Haut,  welche  sonst  erhebliche  Wärmemengen  latent  macht.  Die  Eiuschiebung 
des  Unterhaatfettpolsters ,  einer  sehleeht  wirmeleitenden  „isolirenden**  Schiebt 
zwiseben  die  Haut  und  das  Körperinnere  besehrlnkt,  wir  schon  C.  BERGMANN 
treffend  hervorgehoben,  die  Wechselwirkunsr  zwischen  l)eit]en  vorzugsweise  .Tuf 
das  circulirende  Blut.  Das  l'nterhauttett  ündct  sich  gerade  bei  den  in  i^olarzonen 
lebenden  Menschen  (Kskimos,  Lapplftnder)  zu  eolossalen  Sehiehten  entwiekelt.  Die 
Wlrmeabir.-ihe  \<)n  der  Haut  wird  noeh  dadurch  herabgesetzt,  dass  die  Thiere  im 
Winter  eine  dichtere  Kleidung'  anlegen,  sich  mit  schlechteren  Wilrmeleitern  nni- 
gebeu.  Der  Mensch  kleidet  sieh  bei  Kälte  wärmer  ,  er  legt  die  Wilrme  schlecht 
leitende  Wollstoffe  an,  bei  den  Thieren  werden  zum  W^inter  die  Haare,  der  Pelz, 
respeetive  die  Federn  diehter.  Diese  sohteehten  Wirmeleiter  spielen  dadnreh  eine 
Rolle,  dass  an  der  Haut  gewisserm.issen  eine  stehende  Luftschicht,  nach  v.  Pkttex- 
KOFKR  von  2h — 3()  "C. ,  erzeufrt  wird,  welche  die  Abkühlun«,'  in  srleicher  Weise 
beschränkt,  wie  die  stehende  Luftschicht  zwischen  den  Doppelfenätern  die  Ab- 
kflhlung  unserer  Wohnriume.  Soll  dieser  Schutz  aber  wiriuiam  sein,  so  mQssen 
Haut,  Haare  oder  Federn  troi  1  eti  sein:  wird  der  Pelz  nass,  so  hört  der  Schutz  auf. 
Indessen  scheint  auch  dieser  durch  das  Fettpolster .  beziehungsweise  durch  Be- 
deckung der  Haut  gelieferte  Schutz  gegen  Abkühlung  bei  sehr  starker  Differenz 
zwischen  Hant-  und  Aussentemperatnr  nieht  ansnir^ehen,  die  Wirmeabgabe  nach 


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240 


EfGirirwÄitinü. 


aussen  steigt  an,  und  zur  KrhHlttiug  der  Temperaturconätanz  muss  nun  auch  die 
WärmebilduDg  dem  enUprecbeud  zuQehmeo.  In  Fulge  der  gesteigerteo  Zer- 
Mtmng  und  OzydatioB  im  K(hrper  maeht  sfoh  tin  stirkeras  MahrangslMtdllrAiiss 
geltend;  iietinetiv  nehnieD  die  Menschen  io  den  Polanonen  ständig,  im  gemässigten 
Klima  nur  im  Winter  mehr  Fettspeisen  zu  sich ;  die  Fette  sind  ausgezeichnete 
Wftrmebildaer,  indem  ihre  Verbrennungswärme  reichlich  doppelt  so  gros«  ist,  als 
die  der  Eiweisse  (Us  in  Harnstoff)  und  Kohlehydrate.  Eadlleli  tritt  bei  Kälte 
nndi  A.  Löwr  nnf  dem  Wege  des  Reflexes  Mnskelzittern  und  Maskeispannnng 
auf,  auch  bewegen  sich  die  Thiere  in  der  Killte  lel)hafter  als  bei  warmer 
Aussentemperatur ,  bei  der  Contraction ,  welche  gleichfalls  mit  Vermehrung  der 
CO,-Bildung  einhergeht,  sind  die  Muskeln  Herde  einer  beträchtlichen  Wärme» 
bildnng.  Aber  abgesehen  Ton  der  mit  der  Mnslcelbewegnng  nnd  HasicelBpnnnang 
verbundenen  gesteigerten  Wärmebildung  wirkt  nach  ZUNTZ  nnd  PflOOBB,  somal 
bei  kleinereu  Sängern ,  die  K.tlte  als  Heiz  auf  die  Hautnerven :  in  Folfje  dieses 
Reizes  kommt  es  auf  uervü»cm  Wege  zu  einer  Steigerung  der  chemischen  Pro- 
eesae  im  Hnelcel  nnd  damit  aneh  sn  Termehrter  Wftmie1»ndnng. 

Steigt  die  Aussentemperatur,  so  erschladen  die  Maskelfasern 
der  Haut,  die  lUutgefHgse  der  Haut  erweitern  sich,  es  findet  nun  seitens  des 
reichlicher  zuströmenden  Blutes  eine  erhöhte  Wärmeabgabe  statt.  Die  Haut  wird 
fenelift,  die  Sehweissdrflsen  beginnen  an  seeemiren,  weiterhin  bricht  profuser 
Sehweiae  ans,  der  Sebweira  verdampft  nnd  maebt  eine  grosse  Wirmemenge  latent. 
Es  kommt  in  erster  Linie  der  Schweissaeeretion  eine  bedeutende  Kolle  für  die 
Regulation  der  Fip<'nw,1rme  /u.  Je  heisser  und  trockener  die  l^nft ,  desto  mehr 
Schweis»  wird  abgesondert  und  desto  mehr  Wärme  wird  durch  den  verdunsteten 
Sebweisa  dem  Körper  entaogen.  Femer  legt  der  Menaeb  bei  bober  Ansaen- 
temperatur  leichtere  Kleidung  an ,  mit  Beginn  der  wärmeren  Jahreszeit  verlieren 
die  Thiere  ihr  diehtis  straffes  Winterhaar.  Ahoresehen  von  der  so  bewirkten 
Steigerung  der  Wärmeabgaben  des  Körpers,  nimmt  auch  die  Wärmebildung  ab: 
das  NabrungsbedflrfalH  ist  geringer,  in  bissen  Klimaten  nebmen  die  Meneben 
weniger  Fett  an  sich  ,  aurh  verhalten  sieh  Menschen  tind  Thiere  bei  hoher  Anssen- 
temperatur  möglichst  riihi^'  und  bilden  bei  gerinircrer  Muskelthätigkeit  auch  weniger 
Wärme.  Endlieh  wird  bei  hoher  Aussentemperatur,  abermals  dureb  Vermittlung 
der  Hautnerveu,  die  Wärmebildung  in  den  Haskdn  herabgesetzt. 

Grensen  der  Wärmeregnlation.  Die  eben  gesebilderte  Begnlation 
besteht  indes»  nur  innerhalb  ^rewisser  Grenzen  nach  oben  und  unten.  Schon  der 
Aufenthalt  in  einem  Medium,  dessen  Temperatur  der  de.s  Körpers  nahe  kommt, 
also  von  circa  37 — 40"  C.  ftlhrt  zu  grossen  Beschwerden;  besonders  wenn  die 
Luft  für  ibre  Temperatnr  fenebt,  d.  b.  mit  Wanerdampf  nabean  gesättigt  ist. 
Alsdann  kann  der  Thierkörper  weder  dnreb  Strablnng.  noch  durch  Ijoitung,  noch 
durch  Verdunstung  Wärme  abgeben :  es  steigt  somit  seine  Fiigenwärme  nnd 
zwischen  4.^  und  44**  C.  ti'itt  bei  tehr  gesteigerter  Puls-  und  Athemfrequenz 
(WXrmedyspnoe)  der  Tod  unter  Knmpfen  ein.  Treten  an  der  Steigerung  der 
Eigenwirme  in  Folge  hober  Umgebungstemperaturen  noch  andere  wärmebildende 
Einfitlsse.  wie  stark«'  Muskelactionen,  oder  Heliinderung  der  W.HrmeaMcitung  von 
der  Haut  in  Fol^^e  zu  starkor  Bekleidung  hinzu,  so  können  Temperatursteigerungen 
bis  zu  44'^  C.  und  zumeist  der  Tod  eintreten,  wie  beim  Hitzschlag  (Sonnenstich), 
der  Albeiter  anf  feiern  Pold  oder  Soldaten  anf  dem  Harsebe  befftllt. 

Iii  einem  Dampfbad  von  (30*  .starben  Katzen  und  Kaninchen  nach  4  Stenden,  in 
heisser  Luft  von  Hunde  .schon  nach  '/j  Stunde.  Aber  auch  zu  grosjie  Kalte  wirkt  in  Folg« 
dar  allsn  raieUiehen  Wärmeabgabe,  die  nicht  durch  eine  entsprechende  Steigerang  der  Wlnae» 
pradnetfOB  eunpeiisiTt  wird ,  auf  SäugsthUfe  delstär.  Dareh  Sintamshen  in  Eiswaaser  kann 
man  im  Lanfl»  Ton  wenigen  Stunden  die  Temperatur  von  Kanlndien  bis  anf  20"  C.  1rarsb> 
.setzen,  dann  erlischt  <iio  Athmung;  luiiipf  man,  wenn  die  Temperatur  auf  25"  gcnnnken  ist, 
die  Thiere  in  höhere  Temperaturen,  ao  kunnen  sie,  zumal  bei  Unterhaltung  künstlicher  Ath- 
■nog,  allmälig  ihre  Eigenwärme  wiedererlaogMl.  Bin  Hund,  dessen  Temperatur  39*6*  betraf, 
verlor  nach  Colin  durch  Eintauchen  des  Rnrnpfes  und  der  Beine  in  Wasser  von  16"  pro 
Stunde    — 4°  und  nach  7  Stunden,  als  äeinc  Temperatur  auf  20"  gefallen  war,  trat  der  Tod 


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EIÖENWÄBUB. 


241 


»in.  Aufenthalt  in  kalter  Luft  wird  von  den  Thieren  besser  vertragen,  als  im  pleicli  tempe- 
ririeo  kalten  Wasser,  weil  letzteres,  ein  besserer  Wärmeleiter  als  die  Laft,  schneller  und 
niehUeher  W&rme  entzieht  »Ii  die  Luft. 

Nach  Bedecken  der  ganzen  Hantoberfläche  oder  des  grössten  Theilos  der  Haut,  bei 
dem  sogenannten  Ueherfirniüsen  derHaat  hat  man  bei  Warmblütern  zumeist  tödtlicben 
Aassang  ^e^ehen  :  der  Ausfall  der  Hantathmnng,  beziehungsweise  die  Retention  liypnthe- 
tischer  (nicht  naohgewieMuer)  schädUobar  Stoffe  in  Folge  unterdräckter  flaatathmong  kann, 
wio  erwieaeB,  sieht  die  TJimehe  dee  Todes  sein.  Boienthel  und  Laiehkewitseli  kebea 
gezeiRt,  dass  bei  Iheilweiser  Fimissnng  der  Hantoberflache  di»  danmter  liegenden  Hautgefänse 
stark  erweitert  sind  und  nun  in  kalter  Umgebung  bedeutend  mehr  Wärme  abgelten  als  gleich 
grosse  ungetimisste ;  daher  siokt  die  Körpertemperatar  allmälig  tiefer  und  tiefer  aud  bei  20" 
tritt  der  Tod  ein.  Wurde  der  tUMtmftssige  Wibrmeverlnst  der  geflnuMten  Kaninchen  durdi 
Umhüllen  derselben  mit  schlechten  Wlrmeleitem  (Watte)  verbfitet,  so  sank  die  EigeowboM 
nicht  utul  die  Thiere  blieben  am  L'  ben :  ebenso  wenig  zeigen  sich  abnorme  Endieinilll|ieil| 
wenn  man  solche  Thiere  in  einem  auf  20 — ^5^  C.  tenperirten  Baum  hält. 

Naeh  V«rletcnngen  des  Rflekenmftrkes  und  ▼erBohiedener 
Hirnthüile  (Pons,  Peduncnll,  GrOM-  and  Kleinhirn)  hat  man  bald  Stdgemng, 
b,il<l  Sinken  sowohl  der  ( M'sainmtfemper.Htur  als  der  localen  Temperatur  pjesehen. 
die  nach  Kosexthal  auf  vasomotorische  Eioflüsse,  d.  h.  Erweiterung,  beziehungs- 
weise Verengerung  der  Gefässe  und  dadardi  bedingte  gesteigerte,  beziehungsweise 
▼eningurte  Wiraoeabgabe  sorfloksafBbren  ist;  an  dem  Sinken  der  Temperatur 
nach  Rtlekenmarksdurch^chneidnDg  mag  zum  grossen  Thoil  auch  der  Ausfall  der 
hauptsflchiichstcn  (Quelle  der  Wflrmeproduction,  der  Muskelbewc^iinp'.  Schuld  sein. 
Ein  directer  Kiulluäs  auf  die  Wärmeproduction  ist  von  Ott,  liiCUET,  sowie  von 
Aborsobn  und  Sachs  nnr  naeh  Lisionen  des  Streifenhflgels  and  des  basalen 
Marklagers  nacht^ewiesen. 

Nach  Ei;lk.\bitr(;  und  Laxoois  enth.tlt  auch  die  Convexitftt  der  Hirn- 
rinde des  ScbeiteUappeus  in  der  Umgebang  der  Kreuzfarcbe  (Su/cua  ci'uciatns), 
wo  aneh  die  erregbaren  RIndenfolder  and  die  sogenannte  Fflhlsphftre  gelegen 
rind,  thermiseh- wirksame  Rindencen treu  für  Vordeiv  nnd  Hinterbdn 
getrennt.  Zf  r-^trirnn;:  diesf-r  Rinflrnparti«'  hei  Hunden  hat  Stelgenmg  der  Temperatur 
der  contralateralen  Extruinitiiteu  um  mindestens  1*  uod  darüber  zur  Folge,  während 
chemische  Keizung  ^Autlegen  eiues  Steinsalzkrystalles)  zuuftcbst  Absinken  der 
Temperatur  bewirkt.  Die  Reisnng  dieser  Gentren  lässt  bei  eurarlsirten  Thieren 
in  Folge  Contractinn  der  mittleren  und  kleinen  Arterien  nach  Stricker  in  den 
grossen  Körperarterien  den  Hliitdruek  stark  an^teifren.  Diese  Rindencentren  machen 
es  erktilrlicb,  dass  bei  psychischer  Erregung  da.s  (iefässcaliber  und  die  Teuipe- 
ratnr  beeinflaBst  werden  kfinnen,  wie  dies  beim  plötslieheo  Grrflthen  nnd  Er- 
blassen der  Fall  ist. 

In  verscIiieilHnon.  mit  bedeutenden  Teniperatnrötei>rerMirj-en  '  inlier'jrohenden 
Krankheiten,  namentlich  beim  Starrkrampf  (^Tetanus)  und  bei  lafectiuuskrank- 
heiten,  ist  unmittelbar  naeh  dem  Tode  ein  sebnelles  Ansteigen  der  Temperatar 
beobachtet  worden  bis  zu  45*4"  C,  dem  höchsten,  bei  einem  an  Tetanus  yer- 
storbenen  Mensehen  eine  Stunde  nach  dem  'J'ode  von  Wunderlich  gefundenen 
Werth,  die  sogenannte  p  o  s  t  m  o  r  t  a  1  e  T  e  m  p  e  ra  t  u  r  s  t  e  i  g  e  r  u  n  g.  Es  beruht 
dieselbe  auf  einer  Fortdauer  der  Wärmebildung  uoch  während  einer  gewissen 
Zeit  naeh  dem  Tode,  wahrsebeinlieb  ist  aach  die  naeh  FiCK  ond  Schiffbb  mit 
der  Todtenstarre  der  Muskeln,  respective  mit  der  Gerinnung  des  Blutes  verbundene 
WärmoentwickluniT  daltei  betlieiligt.  Andererseits  ist  in  Folge  di  r  sistirten  Hlut- 
circulation  eine  der  wesentlichsten  Quellen  der  Abkühlung  des  Körpers  beträcbt- 
lieh  herabgesetzt;  der  todte  Körper  mnss  daher  bedeutend  weniger  Winne  ver- 
lieren als  der  lebende .  in  welchem  der  Blutkreislauf  lebhaft  Tor  doh  geht, 
cndlieli  ffillt  auch  der  Wflrmeverlast  an  die  Luft  in  den  Lungen  nnd  durch 
Wasser  Verdunstung  fort, 

Winterschlaf.  Unter  den  Sin^hieren  haben  seftweilig  inconstante  Körper- 
temperatar: Murmeltbier,  Sielicusi  lilutVr,  Has»  liiutiis ,  Ijrel ,  llaiustcr,  brauner  Uär,  Dacbs, 
Zie«el,  Fledermaus.  Sie  verfallen  bei  niederer  AussonteinjM  ratnr  (-f-  5  bis  — 8"  C.)  in  einen 
lethargischen  Sehlaf,  den  sogenannten  Winterschlaf.  Die  Zahl  der  Athemziige  beträgt  beim 
Mnrmelthier  7~-H.  hei  der  Haselmaos  9— lO.  ond  auch  die  Uentbätigkeit  ist  dementsprechend 
i-Incyclop.  Jabr'jiicber.  IIL  lg 


242  EIGENWÄRME.  —  EIS. 

Teriangsamt ,  ihre  Frequenz  beträgt  24 — 36  in  der  Minate.  Bei  einer  Aussentemperatur  von 
!•  beträgt  die  Eij^enwärme  derselben  nur  3 — 5",  so  d&s?  sie  sich  ganz  kalt  anfühlen.  Wahrend 
des  Winterschlafes  nehmen  diese  Thiore  kein«  Nahrung  zu  sich;  ihre  Sanerstollaufnahme  ist 
nach  Bexnault  and  Reiset  aaf  '/■»  deijenigen  U-Menge  radocirt,  welche  wahrend  dea 
WiMhens  die  nemale  ist,  nnd  von  diesen  anfgenotauenen  Sanerstoff  enefaeiat  mir  '  — Vt 
ia  der  auspeschiedenen  CO.  wieder,  der  respiratorische  Quotient  betragt  nur  O  l  d  ös.  Da 
bei  der  niedrigen  Eigenwärme  der  Thiere  ein  nur  aust^erurdentlich  geringer  Verlust  vun  Wasser 
la  DaaipiRmi  statÜBdet,  so  nehmen  die  Thiere  noch  an  Gewicht  zn ,  indem  sie  '  — des 
«afjpaomaienen  SanerstofliM  im  Körper  aufspeichern.  Im  Frälgahr  erwachen  sie  abgemagert, 
mit  Tersehrtem  Fett.  Ebenso  erwachen  Winterachlftfer.  sobald  die  Temperatur  der  Umgebung 
erhüllt  wird  uder  durch  äussere  Reize  aller  .\rt.  Mit  di-iii  Kriva-  lit  n  strit't  ilirc  Körperwärme 
schnell  an  und  errei'-ht  binnen  wenigen  Stunden  das  Muxiniuui,  wie  vor  dem  Kinsrhlafen. 

Wäruiebildung  bei  Arbeitsleistung.   Alle  bisherigen  Betrach- 
tungen Aber  den  Wärmebauf>halt  de«  Thierkdrpers  galten  nur  für  den  Fall  des 

(abgesehen  von  der  zar  Unterhalt uiii^^  den  Lebens  erforderlichen  Thätigkeit  der 
Athem-  und  TTer/musculatur)  ruhenden  Körpers,  in  welchem  also  fast  die  ge- 
sammte  chemitjche  Spannkraft  (V'erbreuDungswärme)  der  eiugeiUbrtea  Nabrang, 
respeetive  des  sereetsten  KOrpermaterialee  in  Wirme  llbergefahrt  wird.  Wenn 
nnn  der  Thierkörper  meebanische  Arbeit  nach  aussen  leistet,  so  wird  naeb  dem 
Gesetz  der  Krh.iltun^   der  Kraft   ein   Theil  dieser  Verbrennunpr^wärme  in 

meehunisehe  Arlicit  verwandelt.  Fiir  die  der  thieriseheii  Maschine  in  mancher 
Uinsicbt  iibnlicheu  Verhältnisse  uuserer  Dampfaiascbiueu  bat  es  sich  ergeben, 
dass  theoretiseh  h^iebstens  ^/g  der  dem  Keeselwasser  mitgetbeilten  Wftrme  in 
Arbeit  verwandelt  werden  kann  ,  '  ^  ^ehen  als  freie  Wftrme  nnbenutzt  fort ;  in 
der  Praxis  wird  sofjar  nur  '  \n  der  durch  die  Verbrennunp^  der  Kohle  erzeugten 
Wärme  io  Arbeit  verwandelt.  Erbeblieh  ^(lustiger  als  die  Dampfma^cbiuen  ist  in 
dieser  Betiebunf  der  Thierkdrper  angelegt,  da  dieser  naeb  v.  Hblmholtz  20«  o> 
nach  FiGK  und  ZOHTZ  in  maximo  Üb^io  seiner  Verb  renn  ungswftrme  in 
Arbeit  umsetzen  kann.  Verrichtet  der  Ktirpcr  Arbeit,  so  sind  .luch  seine 
Wärmeeiunahmen  erbeblich  vergrüssert,  wie  schon  aus  der  Zunahme  der  CO«- 
Aushauchung  und  der  Eigenwärme  bei  der  Muskelthätigkeit  hervorgeht. 

Literatur.  Die  Literatur  bis  1982  findet  sich  gesammelt  in  J.  Rosent1ial*a 

Bearbeitung  der  „Thierischen  Wärme"  in  L.  Hernianirs  H.mdliui  Ii  d'  t  F'liv>i(il.  IV.  2.  Theil, 
pag.  2d9— 45::^.  —  1883.  B.  Üauilewsky ,  Wärmeproductiim  und  Arbeitsleistung  dns  Meaacben. 
Pfliger's  Aichiv.  XXX,  pag.  175.  H.  Senator,  Einfluss  der  Erwärmnng  auf  Kreislanf, 
AthmuDp  null  Ha*  rialisondernn!:.  Du  Archiv.  Snppl.  Festschrift,  ymfr.  1^7-  —  1884-  M.  S  m  i  t  h, 
Warniehildung  des  tluitigen  iluskels,  üii  IJois'  Archiv,  pa^'.  R.  (ieigel.  Wärmeregula- 

tion und  Kleidung  Archiv  fiir  H\ i:  11.  patr  '^\^.  Ch.  Hiebet,  KinÜnss  des  Hirns,  Compt. 
rend.  XCVill,  pag.  827.  —  1885.  M.  Blix.  Wärmebildong  und  Arbeitsleistaug.  Zeitachr. 
ffirBiol.  XXX.  pag.  190.  Danilewskv,  Calorische  Werthe  der  NfthrstoffI».  PflIlger'R  Ardiiv. 
XXXVT,  iKiir.  -SM).  E.  Aronsohn  und  J.  Sachs,  Ebenda.  XXXVII,  pa-.  2:t.'  Ch.  Riebet, 
Ebenda,  pa^:.  ti:^l .  Kaudnitz,  Du  Bois'  Archiv,  pag.  347.  Kulenburg,  Ebenda,  pag.  566. 
A.  Christ  iani,  Einfluss  des  Hirnes;  thermische  t'eutren.  Ebenda,  pag.  .'j7:J.  Ch.  Riebet, 
Calorimetrische  Untersuchangen.  Arcb.  de  Physiol.  Nr.  7  a.  8.  —  1886.  Eröss.  Temperatur 
der  Nengehorenen.  Jahrb.  für  Kinderheilk.  XXIV,  pag.  189  Lnkjanow,  Wftrmebildnng  und 
.\rl  I -l.  istung  des  Mnakels.  Du  I5iiis'  .\r«'hiv.  Suppl.,  pa>r,  IlT  1S87.  A.Masje.  Wartnc- 
ätrahluug  des  menschlidien  Ki^rpers.  Yircbow's  Archiv.  CVIl ,  pag.  17  u.  "MiT.  Langlois, 
Oalorimetrie  beim  IfenselMo.  Joam.  de  l'anat.  et  physiel.  ZXIIt,  Nr.  4.  —  1888.  Knnkel, 
Temperatur  der  menschlichen  Haut  Zeitschr  für  Biol.  XXV,  pag.  .55.  Sawadowski,  Ther- 
mische Centren  im  Hirn.  Med.  Centralbl.  Nr.  b  Iiis  10.  —  iHH\i  Ch.  Riebet,  Regulation. 
Compt.  rend.  CIX,  Nr.  5.  J  Rosen  t  ha  1,  Calorimeirie.  Du  Bois"  Archiv,  pag.  1,  23,  39. 
Znnta  and  A.  L&wy ,  itegalalion.  Ebenda,  pag.  558  and  Pfiügcr's  Archiv.  XLVI,  pag.  189»  *— ' 
1890.  d'Arsonval,  Lnftcslorimeter.  Arch  dephysiol..  pag.  G 10  n.  781.  Oddi,  BiaÄt» 
der  Temperatur  auf  Ga-swei  bsd  .Ardi  r  ]<■  si  .  med.  XIV,  pag.  •l*i;j.  —  1891.  M.  Rn  bner, 
Marburger  Festschrift  und  Berliner  kliu.  Wochcaschr.  Nr.  2ö.  .T.  Kosentbai,  Calorimethe. 
Biol.  Centralbl.  Nr.  15  n.  16  nnd  Berliner  klin.  Wochenschr.  Nr.  22  a.  27.  J.  T  e  r  e  g ,  Die 
Lt^hre  von  der  thieri.'^chen  Wärme,  Herlin  {Monofrraphie  i  Haie  W  Ii  i  i  >■ ,  Thermii?che  Centren. 
Journ.  uf  Physiol.  XII,  pag.  -  1892.  (xui  e  rma  u,  Thermische  iiiruriadencentrea.  Diasert. 

Boatock.  N.  Zuntz,  Bmührnng  dea  Henena.  Dentiche  med.  Wochenschr.  YIII  (Henarbeit). 

J.  Mnnk. 

Eis.    Wenn  aueli  rnttT-iichimiren  iiher  den  (iehalt  des  Kise.i  an  unorga- 
nittcüeu  uud  organischen  ötuüeu  uameutlicb  im  Vergleiche  mit  dem  Gehalt  dieser 


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243 


Stoffe  in  dem  Wasser,  ans  welchem  das  Eis  gewonnen  werde,  von  froherer  Zeit 

(lioiiiNET,  Ddfouk,  Bollky  u.  A.)  vorliegen,  so  ist  die  hygienische  Prüfung  und 
Beurtheilunfr  des  Kises  d<ich  eine  AntVahe,  welche  sich  erst  die  heutij^e  Richtung' 
der  Hygiene  gesteilt  bat.  Die  V'erweDduag  von  in  Flüssigkeiten  direct  hioeinge- 
worfenen  Risetfleken  zur  Heretellnng  kohlender  Getränke,  fwner  der  fameiliebe 
Gebraueh  von  EisstUckchen  bei  Affeeüonen  der  Mundhöhle  und  des  Kaohens,  bei 
acutem  Magencatarrh  .  hei  Hilnioptoc  machen  es  zur  PHicht .  das  Eis  auf  seine 
chemische  BesehafVtnbeit  uud  auf  einen  etwaigen  Gehalt  an  pathogenen  Haktcrien 
zu  prüfen.  Allgemein  ist  die  Erfahrung,  dass  beim  Gefrieren  von  Flüssigkeiten, 
welche  Salae  in  Losung  enthalten,  der  in  Bis  gewordene  Theil  derselben  einen 
verminderten  Salzgehalt  zeigt.  Diese  \"('rmlnderun.ir  des  fixen  Rflckstanden  des 
ursprtlnglichen  Wa-sers  kann  bis  zu  i"^  im  Else  herali^^chen.  So  fand  Horpon'i- 
UiFÄEDLZZi  im  Wasser  des  Cauales  „La  Peileriua"  in  Turin  vor  dtm  Ge- 
frieren 460*8  Hgrm.  ROekstand  im  Liter  und  im  Schmelzwasser  des  Eises  ans 
diesem  Canale  nur  8"0  Mgrm.  Rückstand.  Jedoeli,  wie  IIkyroth  am  Spree- 
Wasser  zeigte,  werden  bei  Entstehung  des  Kises  nicht  alle  Hestandtheilo  des 
Wassers  in  gleichem  Masse  zurückgewiesen  uud  es  ist  autliiUig,  dass  die  organi- 
sehen  Stoffe,  insoweit  dieselben  in  der  Oxydtrbarkeit  ihren  Ausdruck  finden,  so- 
wie der  Ammoniakgebalt  sich  im  Vergleich  su  dem  Gehalto  an  gelösten  Sailen 
wenig  oder  gar  nicht  nn  der  Verbesserurifr  des  ReinÜchkeit-zustandes  bethci- 
ligen ,  indem,  wie  dies  auch  frühere  He(»liaehter :  RrTFildr-:!: ,  Wakkrn.  zeii^ten, 
an  unorganischen  Bestandtheilen  sehr  arme  Eissorteu  ganz  an-iehulicho  Mengen  von 
Ammoniak  und  Albnminoidammoniak  enthielten.  In  einem  Falle  von  Eisvei^ifknng 
in  Washington  fand  Orlando  •  Brown  O  OS  Mgrm.  Ammoniak  und  0  09  Mgrm. 
Albnminnidammoniak  im  Liter  Schmelzwasser  des  vcrdflchtigcn  Kises.  IIh.t.s  und 
NiCHOLS  zeigten,  dass  das  Eis  zuweilen  mehr  organische  ^Substanz  enthalten 
kann,  als  das  an  gleicher  Stelle  gesammelte  Wasser. 

Schliesslich  bestätigte  neuerdings  Hf.vrotii  ,  dass  beim  Gefrieren  des 
Wassers  die  im  Wasser  bedndliehen  orjrünisclien  Sulistanzen  viel  weniger  ausge- 
schieden werden,  als  die  Salze  der  unorganischen  Siluren.  Auch  das  Verhalten 
nicht  patbogener  und  pathogener  Bakterien  beim  Gefrieren  war  Gegenstand  zahl- 
reicber  Untersuchungen  (A.  v.  Frisch,  C.  Fräkksl,  Beüddbn,  Bordoni-Ufpebddzzi). 
Dabei  ergab  sieh,  dass  beim  Gefrieren  des  Wassers  allerdings  bis  90°  ^  der  darin 
brtiiidüehen  Bakterien  ausgeschieden  werden,  dass  jednch  die  Mikroorganismen, 
uud  zwar  sowohl  die  unschädlichen  Wasserbakterieu ,  wie  die  pathogenen  Arten, 
den  natOrliehen  Gefrierproeess  nnd  selbst  eine  längere  Aufbewahrung  Im  gefrorenen 
Zustande  »hne  Aufhebung  ihres  Fortpflanzungsvermögens  und  bezichvngSW^M 
auch  ohne  Einbusse  ihrer  Virulenz  ertragen  können  (  ITk^  imth).  Die  eitererregenden 
Staphylo-  und  Streptococcen  widerstehen  selbst  langer  Einwirkung  niederer 
Temperatar,  ebenso  die  Erreger  des  Sehweinerothlanft.  Ziemlieh  leidit  werden  die 
Haeillen  des  Milzbrandes  und  der  Kanbehensepticamtc  getödtct.  Beztlglich  des 
Verhaltens  des  Kiui'^teises  gelangten  i>r  Cr  at  x  und  spflter  IIkvroth  zum  Urtheile, 
dass  das  Kunsteis,  wenn  es  aus  dem  gleiehen  verunreinigten  Wasser,  wie  das 
Natureis  hergestellt  wird,  dem  letzteren  nichts  voraus  hat.  Wie  man  in  der 
Hygiene  eine  Trennung  swiseheii  Trink-  nnd  Nutzwasaer,  soweit  nur  thunlieb, 
vermeidet,  sr»  soll  auch  das  fdr  die  versdiiedeuen  Zwecke  des  Gebrauches  darge- 
stellte Eis,  wenn  es  dabei  zur  uuiiiittelliaren  I?enihrung  mit  N.ihrung.H-  und  fie- 
nussuiittelu  oder  Speisegeriltheu  des  .Menschen  kommt,  von  der  gleichen  reinlichen 
Besehaffenheit  sein,  als  wenn  es  fOr  den  Gennss  bestimmt  wire.  Die  Kunstcis- 
fabrikation  beruft  sieh  hflufig  darauf,  dass  sie  aus  cherolseh  reinem,  d.  h.  destil- 
lirtem  Wasser  das  Kis  liir-;trlli'.  Als  solrlics  wird  alier  zumeist  ("ondensations- 
wasser  vom  Daropfmasehiueubetrieb  verwerthet,  welches  häutig  durch  die  Berüh- 
rung mit  Hasehinentbeilen  verunreinigt  ist,  Hetboto  konnte  im  Kunsteis  eine 
Ölige  Beimengung  nachweisen.  —  Es  muss  daher  das  Eis  genan  nach  demselben 
Gesichtspunkte  wie  das  Wasser  selbst  l»eurtheUt  werden,  selbst   tu  technisohen 

ir»* 


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244 


EIS.  —  ELEKTfiOTBOPlSMüS. 


Zwecken  dienendes  Eis  soll  frei  von  organischen  VerunraiaigungMl  und  patho^enen 
Bakterien  sein ;  die  Eissorten  des  Handels  sind  einer  periodiaeli  wiederkehrenden 
Uotersuchun^  zu  unterwerfen. 

Die  cbomische  Uaterduchung  von  Natar-  oder  Kunsteis  geschieht  in 
der  Wmse,  dau  man  einen  Eiablook  in  «n  Tneh  wiekelt,  mit  dem  Hammer  ser- 
theilt,  einige  Stflcke  in  ein  Becberglas  bringt  und  sie  dann  im  Wasserbade  schmilzt. 
Das  durch  das  Schmelzen  erhaltene  noch  kalte  Wasser  wird  nach  den  für  die 
Uatersucbuug  des  Wassers  geltenden  Kegeln  geprüft.  Zur  bakteriologischen 
Prufang  sieht  man  einige  wie  oben  entnommene  Biastflekehen  dnreh  die  BnnBen- 
flamme  und  wirft  sie  in  ein  sterilisirtes  Külbchcn  mit  Wattepropf.  Nach  15  bis 
'40  Minuten  ist  genügend  Schmelzwamer  vorlianden,  um  Piatten  wie  bei  der 
Wasseruuterducbung  giessen  zu  können. 

Literatur:  Fränkel,  lieber  den  Baklerienf^ebalt  des  Eises.  Zeitschr.  f.  Hygiene. 
I.  —  B o  rdo  n  i  - U  f  f  r  0  daazi ,  Diebiologis(  he  UntcrsncliuLu:  des  Eises.  Central bl.  f.  Bakterio- 
logie. II.  —  A.  fieyrotli,  Heber  den  B«inlichkeitazastand  des  oatärlicbes  und  kansUicben 
Baes.  Ariieiten  am  den  kalaari.  Geenadheltsaiate.  IT.  OBatfcUt  «ablrsieh»  An^tban  aas  der 
Uterea  Uterator).  — K.B.  Lehnana,  Die  Methoden  der  praktiKben  Ey^bm».  Wiesbaden  1890. 

Loebiaeh. 

Elsen,  8.  Chlorose,  pag.  136. 

Ekzeme,  UäderbehandUmg,  s.  Bad,  pag.  52. 

Elektrolyse.  Eine  im  letzten  Jahre  von  E.  Pebbegaux  erschienene 
Arbeit  aetit  die  von  mir  im  Jahre  1890  ▼erOffbotliehten  ünteranehnngen  Aber  die 

physiologische  Wirknng  der  ElektrulvHe  am  thierischen  Gewebe  auf  Gmnd  sorg- 
fältigster Experimente  fort.  Pie  Resiilt;ite  PerreGAüx'  bestätigen  meine  damaligen 
Angaben  mit  Ausnahme  weniger  Punkte  von  untergeordneter  Bedeutung  fast 
dnrehgehends.  Die  geringen  Verschiedenheiten  in  unseren  Resnltateo  sind  flberdlM 
mit  liemlidter  Siebo'lieit  ane  der  venehiedenartigen  Anordnung  unserer  dieriMsllg- 
Ueben  Versnehe  zu  erklären. 

In  dankens werther  Weise  hat  Perreoacx  aber  ausserdem  noch  seine 
Ari)eit  dadurch  erweitert,  dass  er  die  Erscheinungen  der  Kataphorese,  des  I^eitungs- 
widerstandea  im  Gewebe  und  der  Winnebildung  aufs  Genaueste  stndirt  hat.  Die 
ganio  Arlieit,  die  hier  in  ihren  Einzelheiten  zu  besprechen  nicht  der  Ort  ist,  zeigt 
von  der  ^r(Hsen  Snrjr-jamkeit  ihres  Verfassers,  der  uns  für  das  nächste  Jahr  die 
Resultate  seiner  L  utersucbungen  am  lebenden  thieriscben  Gewebe  in  Aassioht 
gestellt  bat 

L)es  Weiteren  brachte  uns  das  vergangene  Jahr  aneh  dnen  neuen  Vereueb, 
das  jiraktischc  Wirkun^sffebiet  der  Elektrolyse  auszudehnen.  E.  MkTSB  Sebllgt 
vor,  die  Spinae  de.s  Septum  narium  elektrolytisch  zu  behandeln. 

Die  näheren  Details  über  diese  Bebandlungsweise ,  die  in  der  Berliner 
Gesellsehaft  fiBr  Laryngologie  anm  ersten  Haie  mitgetheQt  wurden,  liegen  bis  beste 
gedruckt  noch  nicht  vor. 

Literatnr:  E.  Perreganx,  Untersuchungen  über  die  in  tndten  tbierischea 
Geweben  vom  galvanischen  Strome  bedingten  elektrolytischsn  Veränderungen.  B.  Scbwabe, 
B««n892.  Arthor  Kaltner. 

Elektrotropismus.  M;iii  siTsteht  darunter  die  von  TIk.rmaxn'  EUerst 
ln'schriebene  KijErensfhaft  frewisser  im  Wasser  lebender  Thicre ,  sieh  durch  einen 
eonstanteu  elektrischen  Strom  in  ihrer  Stelluug  und  iu  der  Richtung  ihrer  Bewe- 
gung beeinimMon  zu  lassen.  Diese  von  Hkrmann  zuerst  an  Kaulquappen  nnd 
Fisohembryonen  beobaehtete  Erscheinung  wurde  in  der  Folge  auch  an  anderen 
Thierarteu  experimentell  studirt ,  ohne  dass  es  bisher  möirlieh  gewesen  w.lre,  für 
die>(w  anHcdeinend  isolirt  vnn  den  flbrifren  elektrophysiolo^isehen  ErsclK-itinngen 
dastehende  I'iiäuomen  eine  genil^^ende  Erklärung  zu  geben.  Neuerdings  haben 
K.  Blasius  und  F.  Schwbtzbr  („Elektrotropismus  nnd  verwandte  Bnoheinongen", 
Arch.  f.  d.  «res.  Phys.  Bonn  LTII  :  Uber  den  Gegenstand  eine  grossere  experi- 

mentelle Arbeit  veröffentlicht,  die  den  Zusammenbang  des  Elektrotropismus  mit 


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ELEKTR(  iTROPISMÜS. 


245 


anderen  elektrophysiologischen  Erscheinungen ,  und  spcciell  mit  den  krampf- 
erregenden und  krampfstillenden  Wirkungen  bestimmt  ge- 
richteter galvaniaclier  Ströme,  deutlich  hervortreten  lassen. 

Die  Ymmhe  imTden  im  physikjüisehen  Inttitate  der  BerUner  Cnivenitlt 
mit  Constanten  Masch inenströoien  von  108  Volt  Spannung  (durch  Anschluss  an  die 
Berliner  allgemeinen  Elektricitätswerke)  hergcHtellt.  Als  Trog  diente  ein  oben 
offener,  mit  Paralfiu  getränkter  üolzkastea  von  70  Cm.  Länge,  7*4  Cm.  Breite 
QDd  7*S  Cm.  TidSB.  Oer  Strom  floei  in  der  Llngsriebtung  doreb  nnd  wurde  darch 
obere  Elektroden  na  Zinkblech  zu-  nnd  abgeleitet,  die  nur  w  enig  kleiner  als  der 
Querschnitt  waren  und  durch  die  ganze  Lfinge  des  Knsten.s  beliebig  verschoben 
werden  konnten.  Am  oberen  Ende  der  Zinkplatteo  wurden  etwa  12  Cm.  lange 
Bleefareifen  eo  angelOtbet,  dass  die  freien  Enden,  auf  den  Winden  des  Troges 
ruhend,  die  Polplatten  trugen.  Der  Querschnitt  der  Wasterschicbt  betrug  dureb- 
schnittlich  4 — 6  Cm.  Zur  Wiib'rstandsrcfriilirung  benutzten  die  Verfasser  eintn  von 
W.  A.  HiRsCHMAX.v  angefertigten  Compressiunsrheostat,  wobei  der  durch  einen  mit 
Zinkvitriollösung  gefüllten  Kautschukschlauch  hindurchgebende  Strom  durch  all- 
mlUges  ZneammendrHoken  dieaes  Seblanebee  (mittelst  dner  Klemmeebraabe)  fast 
bis  aaf  Null  herabgesetzt  und  umgekehrt  durch  langsames  Aufschrauben  ohne 
BpmngfOrmiges  Ansteigen  bis  zu  seiner  vollen  Höhe  verstärkt  werden  konnte. 

Bei  den  Versuchen  an  Fischen  (jungen  Bachforellen,  Goldliscben  u.  8.  w.) 
Stellte  sieb  sofort  eine  Einstellung  der  Fisebe  gegen  den  poutiveD  Pol  berans. 
Beim  Schlüsse  eines  ganz  schwachen  Stromes  stellten  aich  die  Tbiere  mit  dem 
Kopfe  gegen  deu  positiven  I'ol.  blieben  dann  ruhig  liegen  oder  schwammen  bisweilen 
vorwärts,  immer  in  der  liichtung  gegen  die  Anode.  Bei  etwas  stärkerem  Strome 
erfolgte  die  ^wtellnng  mebr  mekwdse,  mit  einigen  krlftigen  Sebfdmmbewegungcn 
gegen  den  positiven  Pol  bin ;  beim  Oeffnen  blieben  die  Thiere  erst  einige  Seennden 
ruhig  und  schwammen  dann  wieder  durcheinander.  Hei  noch  st.irkerem  Strom  drehen 
sich  die  Fisehe  in  die  positive  Einstellung,  beweisen  Hieb  bastig  norb  etwas 
vorwärts,  werden  dann  ruhig  uud  legen  sich  bewegungslos  auf  den  Kücken,  die 
Atbmnng  bOrt  anf  oder  wird  sebwaeb  nnd  nnregelmXssig.  Daas  man  es  bier  mit 
einer  Betäubung  oder  Einachläfer ung  durch  den  absteigenden 
Strom  7,u  thun  liat,  erhellt  daraus,  dass  die  Tbiere  ohne  Reaclion  sich  rollen, 
kneifen,  aut  den  itückeu  legen  lassen.  Sobald  man  sie  aber  quer  zur  Stromrichtung 
stellt  oder  gar  völlig  nmdrebt,  so  dass  sie  aufsteigenden  Strom  bekommen, 
80  werden  sie  sehr  erregt,  scbiesseu  auf,  winden  und  krümmen  sieh  und  dreben 
sich  schliesslich  wie'ler  mit  dem  Kopfe  gegen  die  Anode,  worauf  sie  von  Neuem 
in  tiefen  Schlaf  verfallen. 

Die  Verfasser  bezeichnen  den  unter  dem  direeten  Einflüsse  des  Stromes 
M  Stande  kommenden  Zustand  als  Qalvanonareose;  den  Znstand  naeb  dem 
Aufboren  des  Stromes,  wobei  die  Thiere  scheinbar  noch  längere  Zeit  in  denselben 
Zustand  der  Hube  verfallen,  aber  schon  durch  die  geringste  nerdlining ,  durcli 
leises  Geräusch,  leichtes  Zittern  des  Tisches  u.  s.  w.  aus  dem  Schlafe  erweckt 
werden,  als  Hy  pn  ose.  Analoge  Beobaebtnngen  wurden  bei  vielen  anderen  Fiscben 
gemaebt;  auch  wurden  Versuche  mit  querer  und  lothrechter  Diirehstrumung  dar- 
gestellt, wobei  die  Fisebe  wohl  einigermassen  betiUibt  wiirdou.  aber  mit  Vorliebe 
immer  bald  wieder  die  positive  Einstellung  anzunehmen  strebten.  Gleich  Fischen 
zeigten  aueb  Salamander  die  positive  Einstellung  sebr  deutlieb ;  bei  Pritoeben  bewirkt 
der  absteigende  Strom  einen  an  die  Galvanonarcose  der  Fische  erinnernden  ]{uhe- 
ZUStand,  wilbrend  aufsteigender  f^troin  dagegen  spastische  Sehwiiiinibewf>gang,  Streck- 
zuckungen  und  schliesslieh  Tetanus  hervorruft.  Auch  Krebse  zeigen  deutliche  Fr- 
scheinungen  von  Elcktrotropismus,  drehen  sich  bei  aufsteigendem  Strome  langsam 
um  und  bleiben  in  absteigender  Stromriebtung  liegen  oder  krieeben  vorwftrts,  aueb 
gerathen  sie  durch  einen  langsam  absinkenden,  absteigenden  Strom  leicht  in 
Hypnoge.  Versuche  mit  Kntteu ,  Mäusen  (ausserhalb  des  Bades)  u.  s.  w.  lieferten 
bisher  keine  genügenden  Kesultatc. 


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216 


ELBRTROTROPISUUi«.  —  ENTBROPTOSB. 


Vergleichende  Versuche  mit  AcoumulaturbattcrieQ  ^voa  7  7  0  Volt  Spannung) 
«rgftben  genan  dieBelben  Besoltate  iHe  beim  MaaehiBeBakrome ,  nainenttidi  aaeb 
hier  die  EraeheinuDgen  der  Galvanonarcosef  Htm  Fallen  auf  die  Anodeoseite  ond 
bei  laogBMDem  nnd  stetigem  Absinken  des  Stromes  die  Erscheinungeo  der  Hypno<t-. 

Uni  den  Eintlnss  der  ( 'entralorfjane  auf  das  Zustandekommen  der  Er- 
sehe inungen  kennen  zu  lernen,  wurde  an  decapitirten  odereuthirnteu 
Fieeben  operirt,  wobei  rieb  die  Wirkung  im  WeaentUeben  unverändert  seigte; 
erst  nach  Zerstörung  des  ROckennarlcea  wurde  (bei  Fisebenl  die  Dauerwirkung 
des  Stromes  inhibirt.  wurden  nur  nofh  Schliessunpfs-  und  Oeffnungszuckungen 
beobachtet.  Bei  abgekühlten  'i'hieren  (Fische,  Frösche)  fanden  die  Verfasser 
imidiere  Nareotisirung  doreb  den  galTaiiiroben  Strom,  aber  sugldcfa  aaeb  sebeinbar 
erbOhte  Errc  (^barlceit  in  aufstei^'cndeu  Strome.  Bv'i  eurarisirten  Fröschen 
werden  die  Erregungserscheinun^'en  im  aufsteigenden  Strome  schwaeher  (kein 
Tetanus);  beim  strycbnisirten  Frosche  machte  sieh  der  beruhigende  Kinfluss 
des  absteigenden  Stromes  geltend,  der  Tetanus  löste  sieb  während  des  .struuiea 
aus,  trat  aber  naeb  der  Oeflfnnng  wieder  ein  —  im  aufsteigenden  Strome  dagegen 
wurde  der  Strychnintetauus  noch  womöglich  gesteigert,  doeb  wurde  der  Froseh 
anob  hier  bald  ersdilalVt  und  meist  dauernd  nncrrcjrbar. 

Die  Verfasaer  resumiren  ihre  Ergebnisse  in  fulgcudeu  Gatzen  :  I.Elektro- 
tropismus  läaat  aieb  bei  vielen  Tbieren  naebweisen,  besonders 
leicht  bei  Fischen.  3.  Die  Wirkung  des  constanten  Stromes  nnf 
lebende  Organismen  ist  abhängig  in  erster  Linie  von  dessen 
liichtung  (wobei  wir  aber  auch  die  loeale  Polwirkung  nicht  vergessen  dUrfeu;. 
Hei  Wirbeltbieren  und  aneb  bei  vielen  niederen  Tbieren  wirkt 
der  absteigende  Strom  meisten«  bernbigend,  der  aufsteigende 
errejrt'nd.  3.  E  le  k  t  r  o  t  r  o  j»  i  «  nin  s  und  verwandte  Erscheinungen, 
wie  G  a  1  V  a  n  0  narco  se  ,  galvanischer  Schwindel  (Fallen  auf  die  Seite 
der  Anode  etc.)  sind  bedingt  duroh  die  Dauer  des  cuustanten 
Stromes,  sie  sind  niebt  das  Resultat  der  plötsliebon  Strom» 
sebliessung.  4.  Bei  den  untersuchten  Wirbelthicrcn  wirkt  der 
eonstante  Strom  sei  es  nun  beruhigend,  r e h pe c ti v e e r regen d 
oder  sei  es  wirklich  richtend  —  vor  Allem  auf  das  Central- 
nervensystem.  Wie  weit  daneben  noch  andere  Faetoren  in  Betraebt  kommen, 
bleibt  nocb  sn  untersuehen. 

Eine  Theorie  der  Erscheinungen  des  l'Ifkfri>tr(ij»!'^iiiiis  lässt  sich  einst- 
weilen noch  nicht  ^ebcn;  doch  sprechen  die  Vertaiüäer  die  Hypothese  ans:  fyD^t 
absteigende  Strom  lähmt  die  Hirnf unetion  und  unterdrflekt  die 
Reflexbogen«  der  aufsteigende  erhöbt  die  Function  des  Hirns 
und  de^i  oberen  Rtlekenmarkes  und  erlelehtert  die  Reflezflber* 
Iragung.'' 

In  einer  „therapeutisi-hen  Aumerkuug'^  heben  die  Verfasser  hervor,  das« 
es  nahe  liege,  aneb  am  Henseben  die  „beruhigende"  Wirkung  des  absteigraden 
Stromes  su  pmltiren  oder  Additiou  v<in  medlcamentöser  und  elektrischer  ßeein- 
fluKsiinir.  z.U.  (Miloral  und  alisteigender  Strom  als  Beruhigungsmittel,  Strychuiu 
uud  uul'steigender  Strom,  wo  eine  Keizuug  nöthig  ist;  sie  tilgen  aber  dämpfend 
binsn:  ,.Man  maebe  sieh  niebt  zu  grosse  Hoffnungen!"  Aneb  ratben  de  (wie 
schon  früher  O.viMi  s  und  Lkuuos  mehr  auf  die  Stromrie btung  an  aehten, 
jedoch  trotzdem  die  Pol  Wirkung  im  Auge  zu  behalten.  Ruleabnrg. 

EncephaJopathia  satiirnina,  s.  Biel,  pag.  115. 
Enteritis  membranacea,  s.  Darmcatarrb,  pag.  isa. 

Enteroklyse,  s.  oa  rminfnsion.  pag.  151. 

EnteroptOSe     (Glk.na  Rüsche  Krankheit).    Seit   Ule.Naud  im 
Jahre  1885  seine  erste  bezOgliehe  Pnblication  erscheinen  Hess,  in  der  er  die 


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BNTEROPTOSE. 


247 


Enteroptc^^e,  eirx'ii  ('')m])lox  von  fttiolngisoh.  patholo^'isph-an:itomi.sch  und  klinisch 
sehr  ditlerenten  Ernebeinungen,  als  eine  „Enttte  morbide'^  bezeichnete,  ist  viel 
dtfttber  gestritten  worden,  mit  welchem  Recht  dies  Krankheitsbild  construirt 
worden  itt.  Dfo  Getehiekliehk^t  der  IVaiuoaeii  in  der  prignanten  Namenbildung 
bat  durch  dietM  plastische  Bild  die  Aufmerksamkeit  weiterer  Kreise  für  eine 
Reihe  von  Krankheitserseheinun^en  waclifrenifen  ,  die  zeitwellig  uicht  genftprend 
erkannt  oder  nicht  genug  beachtet  wurden.  In  Frankreich  hat  man  dann  der 
„Maladie  de  Olbnabd"  grofiaes  Inteream  eB^egengebraeht,  wofHr  die  Ansahl 
franzÖBischer  Publicationen  spricht ,  während  in  Deutschland  bis  xnr  Pabllcation 
EwaLD's  1890  die  ein  sc  b  lag  igen  Mittheilungen  sehr  selten  sind. 

Die  graduell  sehr  verschiedenen  Verlagerungen  des  Situs  der  Baucbeiu 
gewelde  haben  sich  schon  lange  bei  Obdnetionen  bemerkbar  gemaeht,  und  man 
hat  schon  lange  vor  Glknard  von  einer  EsQumoL'schen  Sehlmge  gesproehen, 
womit  das  bogenförmig  herabhängen fle.  stark  ersohlafTte  Colon  tronsrerftitm  gemeint 
war.  Arndt  macht  z.  B.  bei  der  Erwähnung  des  Uerabsinkens  dos  Colon  fram' 
veraum  bis  auf  die  Symphyse  darauf  aufmerksam ,  daas  Koprostase  mechanisch 
berabxerrend  und  dureh  den  andanemden  Reis  der  atagoJrenden  Maasen  ehronieeh 
entzilndlich  und  bypertrophirend  wirke,  dass  diese  Erscheinung  hauptsächlich  bei 
nervösen  Mensehon  gefunden  werde,  und  zwar  bei  Frauen  öfter  als  bei  Männern. 
Mir  selbst  sind  bei  Ubductionen  Geisteskranker  diese  Zustände  als  sehr  häufig 
aufgefallen,  so  dass  es  nicht  Wunder  nehmen  kann,  daas  man  xdtweise  daranf, 
ähnlich  flbertreibend  wie  hei  den  Wirkungen  der  Roproetaaen,  ^e  Aetidogie 
paychischor  Erkrankungen  aufbaute. 

Das  Neue  bei  Glknaku  ist  die  Beziehung  einer  Anzahl  ueurastheuischer 
nnd  dyspeptiseher  Znatftnde  auf  diese  Verinderung  des  Situs,  die  Betonung  einer 
ganz  besonderen  lläutigkeit  und  die  therapeutische  Seite  des  Gegenstandes.  Aller- 
dings dr.Hnirt  sidi.  wie  Fw.M.n  ganz  richtig  bemerkt,  neben  den  Zweifeln  an  der 
Bere.ehtigung ,  eine  selbständige  Krankheitsgruppe  daraus  zu  bilden,  der  Ge- 
danke auf,  dass,  wenn  man  bisher  unter  „nervöser  Dyspepsie^^  diu  Reibe  von 
Symptomen  fnnetioneller  Störung  ohne  oiganisehes  Substrat  nnterbraehte ,  jetat 
nothwendigerweise  ..diejenigen  Fälle ,  in  denen  man  eine  klinisch  nachweisbare 
Abweiehiing  von  der  Norm  in  der  geschilderten  Weise  findet,  nicht  mehr  in  das 
Gebiet  der  nervösen  Dyspep.sio  gehören ,  sondern  aus  demselben  ausgesondert 
werden  mflssen". 

Zu  diesen  Erscheinungen  gehören  einmal  rein  gastrisch  nervöse  Sym* 
ptonie,  die  auf  einen  gestörten  Betrieb  der  Magenverdauung  hinwei-^en  :  Appetit- 
mangei,  lieiashuager,  schlechter  Geschmack  im  Munde,  saures  Aafstossen, 
Dmek  nnd  Aufgebllbtheit  im  Epigaatrinm,  OefBhl  der  langanmeren  Magenrer^ 
dannng  etc.  Zu  diesen  Symptomen  gastriseher  Neurasthenie  gesellen  sieh  in 
sehwereren  P\'lllfii  die  l>-rlieinungen  gestf^rtcr  Darmfnnctinn  :  Obstipation,  wech- 
selnd mit  plrit/.lichen  Durchlällen,  Ansauimlung  von  lästigen  Gasen,  Aufgetrieben- 
heit  des  Abdunicu,  kollernde,  geräuschvolle  Peristaltik,  Abgang  schleimiger  oder 
membranOaer  Massen  mit  den  harten  brOeketigen  Ftoes.  In  diesen  Stadien ,  wo 
die  Störung  der  Function  zu  catarrhalischen  Erscheinungen  gefflhrt  bat,  wird  ea 
zuweilen  sehr  schwer  sein,  Frsache  nnd  Wirkung  zu  unterscheiden  :  hat  man  es 
eoncretenfalU  mit  einem  chronischen  Darmcatarrh  und  auf  allgemeiner  Schwächung 
beruhenden  nervösen  Erscheinungen  an  tiinn,  oder  hat  die  irreguläre  Innervation 
des  Darnies  mit  theils  selineekenbaft  träger,  tbeils  beschleunigter  Peristaltik 
allmälig  zu  eatarrhaliseher  Erkrankung  geführt?  Jedenfalls  -iiud  die  Patienten  in 
diesem  Zustande  recht  herabgekommeu :  wechselnde  Stimmung,  zu  depressiven 
Affeeten  neigend,  mflrriaehe  Gtemflthaart  vorherrschend,  Eoergieherabsctzaug, 
schleehter  Schlaf,  eingenommener  Kopf,  schleehtes  Aussehen,  atarlce  Abmagemng, 
starkes  Krankheit-tLrefilhl,  Klel»en  an  allen  egttistischen  Vdrstcllunfren,  sd  da««  die 
Patienten  überhaupt  nur  noch  Alles  in  Beziehung  zu  Darm  und  Magen  setzen 
und  thun. 


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948  niTEROFTOSE. 

T'nteniacht  man  das  Abdomen  und  Epifrastrium  solcher  Leute,  so  findet 
man  nach  Glknaed  begonders  häofig  fühlbares  Pulsiren  der  ßaucbaorlA  in  der 
0«g«nd  dM  Epigaatrinnif  und  bei  gvnuierain  ZufShlen  efaien  qoergelagertoo  Stmg, 
der  von  links  nach  rechtR  zieht,  einen  Theil  des  Colon  transversum  (linke  llUfte 
in  contrahirtem  Zustande'  darstellt  und  von  (tLKNarD  als  Corde  coliqu^  trann- 
verte  bezeichnet  wird.  Die  rechte  Hälfte  des  Colon  transversum  sinkt  in  der 
Gef^nd  der  Fiexura  eoUrn-kepaiica  benmter  wegwi  Sehwieha  der  fixirenden 
Rnndcr,  besonders  iMlAgamenium  colico-hepatieumf  während  die  linke  Hälfte  durch 
(las  Li/fOT)ifiifinn  (fnstro  rnficn ii>  fixirt  erhalten  bleibt,  rmschlafrstelle  zwischen 
Colon  at<cen(J('ns  und  transi  ersu m  sammt  der  benachbarten  Partie  des  Quercolon  prola- 
biren  und  ziehen  schräg  vuu  uuteu  nach  oben,  wo  sich  durch  festere  Auheftung 
der  linken  C(4oohllfte  eine  leMile  Knidcan^  «od  eventoeU  Kotbstaanng  entwiekelt 

Bei  der  Lockerung  der  Fixation  des  Quercolons  hat  CS  nun  aber  nicht 
sein  bewenden .  sondern  «  s  tritt  allm/lli»  eine  jrnissere  Senkung  des  dureh  sein 
Mesenterium  tixirteu  DUundarme^i,  eine  Verlagerung  des  Magens  und  der  Leber 
nach  unten  nnd  eine  Lageverftndenrog  der  Miere  dam«  weleber  Zustand  dann  in 
seiner  Allgemeinheit  Splanchnoptose  genannt  wird. 

(Jerade  der  Niere  und  ihrer  Locomotion  sehenkt  Glkxari"  seine  ganz 
besondere  Aufmerksamkeit  und  giebt  eine  UntersuchuugAmethode  mit  verschiedenen 
Knnstgriiito  an  sam  Zweek,  die  DIagnoee  anf  Ren  mohüi»  siefaensmtenen. 

In  dieaen  Untennehnngimetboden  ist  nichti>,  was  nicht  von  Seiten  inn«rer 
Kliniker  langst  fretibt  worden  "A'ftre.  Was  das  Verh.'lltniss  zwisehen  Enteroptose 
und  Nephroptose  betriflft,  so  ist  die  erstere  ohne  die  zweite,  die  zweite  aber  nicht 
ohne  die  erste  möglich.  Glknard  sah  diese  Zustünde  Uberwiegend  beim  weib- 
liehen Oesehleeht  nnd  beeehnidigt  in  nnfteblleber  Besiehnng  sehleebte  Woeben- 
bette,  Abortc,  Schwangereehaften  in  häufiger  und  schneller  Wiederholung,  locale 
Peritonitiden.  trauniatische  Ursaehen.  Wirkiintr  der  ehronisehen  Verstopfung.  Sehr 
häufig  ist  Gastrectasie  von  ihm  gefunden  worden:  sie  entsteht  durch  Herab- 
treten des  Dünndarmes  nnd  Ansjiannnng  des  Faüceau  ßbreux  (Arteria 
mmenterica)  des  Mesenterium,  der  die  Ansmflndnng  des  Duodenum  in  das  J^nnnm 
comprimirt.  wi>dureh  iiidirect  Anstauung  von  Pfintentis  im  Matren  hervorgenifen 
wird.  (Diese  Anschauung  ^cheint  ebenso  hinfällig,  wie  die  Annahme  einer  Com- 
pression  und  temporären  Oedusion  des  Duodenum  (Pan  deteendenaj  durch  die 
bewegliehe  dwloeirte  rechte  Niere.) 

Im  Uebripen  erseheint  die  Diagnose  der  Gastrectasie,  auf  die  blosse  Her- 
vorrufunfr  des  Suei-iis.Hiuiis^'cr.'hisches  i Clapotajre  •  basirt,  nicht  genügend  gestOtst. 
Die  drei  Stadien,  die  Gi-knakü  unterscheidet,  sind: 

1.  Oastrisehes  Stadiam  (mit  Auftreibnng,  Sehlftfrigkeit ,  Anfstoesen  ge> 
ruchloser  Gai^e.  unre^elmäSSigem  Stuhlgang,  im  weiteren  Verlauf  mit  Steigemog 
der  Säurebildnng ,    Sodbrennen  und  epifrastriseheni  Sehmerz). 

2.  GastriHch-nieso;,'astrisches  Stadium,  gekennzeichnet  durch  längeren 
Naehgeschmack  der  Speisen,  Sohlaflosigkeit,  Verstopfung,  Abmagerung. 

3.  Mesoga>triseh-neura8theni8ches  Stadium,  wobei  ^'raue  StOhle,  elnge* 
noninieiier  Kopf,  trilbo  Stiiiiniiiii;ren  und  das  franze  Heer  <|iia!vi>!ler  nerN'''f=pr  Er- 
seheinuugen  vorkommen,  die  der  eniptindliehe  und  miicblige  l  uttrleibsncrveu- 
bezirk  auszulösen  ptiegt.  In  diesem  Stadium  gleichen  die  Patienten  eher  Carcino- 
matfisen  oder  Taberknldsen,  als  funotionell  Erkrankten. 

Glknard  spricht  von  einer  Str^rung  des  intestinalen  Gleichgewichtes  bei 
seinen  Kranken  '^Sfuf/qnp  int'  stiinih)  ;  er  will  in  jranz  besonders  aHspresproehenen 
Füllen  gesehen  haben,  dass  die  Leiter  den  Desceusus  mitmacht,  und  zwar  findet 
er  in  148  Fällen  32mal  Hepatoptose,  während  die  Müs  nur  2mal  in  dieser  Zahl 
daran  thoilnalnu. 

Ein  Hanptijewielit  le<rt  er  .luf  die  Diät :  speeiell  lilsst  er  Milch  und 
AlkohoUca  vermeiden,  wahrender  Eier  4 roh  ,  leichte  Fleischspeisen,  Theeoder  Kaffee 
mit  wenig  Milch,  geröstetes  Brod  und  Säuerlinge  zum  (letränke  gestattet. 


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ENTEROPTOSE. 


849 


HinHichtIi<-h  der  Fherapie  dieser  Veränderungen  und  der  daraus  resul- 
tireoden  Seurasüieuia  tiyspeptica  Hchlägt  nun  Glenarü  folgende  MassnabmeD 
vor :  ein  Leibgürtel,  analog  dem  von  ihm  als  diagnostiscttes  Hilfsmittel  gebrauchten 
Handgriff  («angle  pelviMin«),  hebt  die  berabgesiinkenen  Inteetina  nnd  gielit  fluten 
aanlhernd  normale  Lage.  Daneben  entleert  er  die  Darme  durch  grosse  Gaben 
von  Mittelsalzeu  in  rein  purgativer  und  desinficirender  Absicht  und  nntersttitzt 
dieäe  Medication  durch  roborireude  diätetische  und  gymnastische  Behandlung,  durch 
Elektrotiierapie  aar  ErhOhang  dea  Tonna  der  Baneh-  nnd  Daminraaonlatar.  Wie 
wir  sehen,  untenebddet  sich  dieses  Verfahren  kaum  von  dem  auch  bei  uns  von 
Landau  u.  A.  gegen  Ilängebauch  und  dessen  Besch  werden  geübten  Massn-golu. 
nur  dass  i>p«cicll  die  rein  mechanische  Therapie  durch  UUrtel  beim  Uängebaucb 
eine  iriel  gHiflsere  Indioation  hat  als  bei  dieaen  Kranken,  bei  denen  dttrobnvs 
nicht  die  innere  Ptose  ihren  Ausdruck  im  Abdomen  pcndulum  zu  finden  braucht, 
im  Gegentbcil  vielfach  ein  eingj'fallencs  Abdomen  besteht,  welches  srhon  der 
zweckmässigen  Application  einer  guten  Bandage  grosse  Schwierigkeiten  ent- 
gegensetit. 

Wie  man  aber  aaeb  Uber  den  6LiNABD*sehen  Optimianna  beaOglieh 

dieser  therapeutischen  Resultate  denken  mag,  was  Jedorh  das  klinische  Bild,  das 
er  uns  entworfen,  anbetrifft,  so  ist  natürlich  aut  pathologiaoh-anatomisohea  Beweis- 
material der  Lage  der  Sache  nach  nicht  zu  rechnen. 

Die  Zahl  sdner  Befände  ist  ganz  klein,  nnd  auf  ^ne  BewdafBhrnng  fUr 
seine  Theorie  durch  den  Erfolg  der  Therapie  werden  wir  uns  doch  nicht  einlaasen. 

Mit  Recht  hat  Ewalu  die  klinische  Seite  seiner  Ausführungen  einer, 
wie  es  scheint,  berechtigten  Kritik  unterzogen^  indem  er  sich  zur  Demonstrirung 
der  Varlagernng  von  Colon  nnd  Hagen  dar  Anfbifthnng  derselben  dnrdi  Lnft 
mittelat  des  CSebläses  bediente.  Bei  diesem  Verfahren  kam  er  zu  folgenden  Beob- 
aehtungen  'Berliner  klin.  Wr>olicnschr.  l^^OO.  Nr.  12).  Wälhrend  da»*  Cn/m/  frana- 
vf>rsum  bei  uortnalcr  Lagerung  nach  der  Aufblähung  wie  ein  Wulst  von  links 
nach  rechts  zwischen  Sohwertfortsatz  und  Nabel  herüberzieht,  so  sieht  man  bei 
Enteroptose  dasselbe  in  der  Hohe  des  Nabels  oder  unterhalb  desaelben  sieh  wulstig 
markiren.  Bei  der  AnfuUung  des  Magens  mit  Luft  kann  es  bei  geringem  Tief- 
stand des  Magens  ('2 — 3  Fingerbreit  unterhalb  des  Nabels,  dii' (ircn/.c  der  grossen 
Curvatur)  zunächst  zweifelhaft  erscheinen,  ob  es  sich  um  Gastroptose  oder  um 
Vei^rflasening  des  Magens  (Megalogastrie)  handelt ;  jedoch  bei  Stand  der  grossen 
Curvatur  tiefer  unten  und  Il<  r.ti  trtiten  der  kleinen  Curvatur  etwa  bis  zur  Mitte 
/wischen  Schwertturfsatz  und  Nabel,  wobei  das  Epigastrium  eine  EinsenktiriL' 
bildet,  während  der  Magen  iuftkisscnartig  aufgetrieben  sich  hervorwölbt,  kann  es 
nieht  aweifelhaft  erseheineni  dass  Gastroptose  mit  oder  ohne  Vergrössernng  des 
Magens  besteht.  In  diesem  Falle  fllblt  man  meist  deutUoh  in  der  Tiefe  des  Epi- 
;r.Hstrium  das  Pancrea'«  als  rundlichen  Stranir,  den  Gf^äNABD,  naeh  EWALD  (Usch- 
lich,  als  Corde  coliqnc  transverse  angesprncticii  hat. 

Katy.  hat  durch  Autopsie  ein  Bild  einer  allgemeinen  Euturoptose  erbalteu 
und  diesen  Befiind  (I.  e.)  besehrieben:  er  ist  im  Allgemeinen  an  denselben  Sehlflssen 
gekommen  wie  Glknard  ,  hflit  das  von  ihm  aufgestellte  Krankheitsbild  fflr  eine 
berechtigte  Einheit,  und  nimmt  an.  dass  jede  palpable  Niere,  wie  das  auch  von 
KUTTNEft  behauptet  worden  ist,  pathologisch  sei.  Auf  den  Grad  der  Dislocation 
wirken  dann  diese  oder  jene  bcgtinstigenden  Paetoren  ein  nnd  fOr  das  Znstande- 
kituinicn  der  Nit-rendislooation  fehlen  noch  die  erschöpfenden  Erklärungen.  Viele 
r.c-^i'li \v(  rdcu  tilhrt  er  gleich  Lini»nf.r  c.)  auf  die  meist  daneben  l)estehende 
Mageuerweiterung  zurück,  die  mit  Gastroptose  verbunden  das  Fancreas  palpireu 
ISsst  und  gleich  Ewald  glaubt  er  nicht  an  die  Corde  eolique  trausverse  und  hält 
diesen  Wulst  Dir  das  Panereas. 

Hinsichtlich  der  Genese  der  Oastrectasie  ^relien  die  Meiniingen  .«ehr  weit 
auseinander.  Haben  Einige  die  disbicirte  Niere  für  die  iTsache  der  (iastrectasie 
gehalten  (Malbka.nc,  ScHi  TZ,  FiS(  ukr-BknzüN  ,  BAttTKL.-sj,  so  bestreiten  dies 


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260 


SMTBROPTOSB. 


OsER,  Ewald,  Ledue,  Landau  und  Dbummond.  DerLetzle  spricht  sich  abrigens 
gegen  die  Binfigkeit  der  Erwetterong  dee  Magens  ans,  da  er  in  8 1  Nierendisloeationen 

keine  Gastrectasie  beobachtet  hat.  LiTTBN  bat  die  Gastrectaeie  häufiger  als 
Nephroptose  gefunden  und  hält  daher  die  erste  für  die  Ursachf  der  zweiten, 
weichen  Standpunkt  er  allerdings  selbst  bald  aufgegeben  hat,  und  einige  Forscher, 
wie  Nothnagel,  Qlincke,  Lbdbb,  Ewald,  Lihdnbb,  sehen  nur  enie  Coineideuz 
der  Erscheinungen  darin.  Erwähnt  mag  nun  aueh  noch  werden,  dass  von  Lbdbk 
und  Ewald  die  DiaguuKc  Erweiterung  bestritten  tiiul  vielmehr  der  Zustand  ange- 
nommen wird,  den  wir  als  Megalogastrie  bezeiebiieu.  i(Ji>KNAhD"s  Gastroptose 
Sans  dilatatiou  gastrique,  die  nach  Cüilleret  durch  Zug  des  prolabirten  Darmes 
am  Lig,  pylori  eoUeum  entsteht.) 

lioider  sehen  wir  uns  genfithigt,  noch  einige  Worte  auf  die  Nierendislo- 
catioii  zu  verwenden,  obgleich  wir  damit  das  Capitel  der  Wanderniere  stark  be- 
rühren. LiNDKHR  hat  für  jede  b.  oder  6.  Frau  bewegliche  Niere  angenommen, 
was  KuTTNBR  für  nicht  an  hoch  g^ffeo  hält.  Derselbe  hilt  mit  Dbümmomd 
leiehte  Anomalien  für  angeboren,  woliir  auch  die  relative  Hilufigkeit  bei  kleinen 
Kintierii  und  i'iingen  Mäd<'hen  sprii-ht:  alle  prädisponirenden  Momente  sind  nur 
Gelegeuhtiitsursachen ,  die  vorhandene  Fehler  stärker  ausbilden.  Zu  diesen  prä- 
diaponireadeii  Momeoten  bat  man  neben  Schwangerschaften  und  Geburten  (e.  f.  WtLiXBr 
Wabnbck  und  Lindneb's  Nierendisloeation  bei  NnlUparen)  das  SdinUren  der 
Frauen  und  Mildi  lien  besonders  gerechnet  rFisrnKR-RKN/'i>.v,  MCm.ek  Warnkck, 
Wkiskku).  Die  ScliAdiichkeit  des  Sehnlirens  liegt  in  der  Verstärkung  der  Zwerch- 
feliexeuräionen  dureh  Kaumbeschränkung.  Du  die  rechtsHcitige  lien  mobilia  viel 
hftnfiger  ist,  so  mass  man  mit  Kottnbb  (\.  c.)  nach  Schwund  der  Fetdupsel 
einen  respiratorisch  wirkenden  Druck  des  unteren  Leberrandes  auf  den  oberen 
Nierenabschnitt  nnnehuien  (HoiXF.Ti.  Wahrend  Landat  ein«'  Fixiruiig  der  Niere 
während  der  Respiration  annimmt  und  Kuttneu  wenigsteus  die  Fühlbarkeit  der 
normalen  Ezenrsionen  l)e8treitet,  hat  Isbabl  behauptet,  die  normale  Niere  wire 
respiratorisch  fOhlbar.  Zu  denken  giebt  es  jedenfalls,  dass,  wie  Kuttnkr  angiebt, 
l'atienten  mit  reHjiir.'itoriscli  e))eii  fdlilli.irer  Niere  ohne  jeden  anderen  Mefund 
Riagen  äussern,  die  sich  nur  auf  diese  Anomalien  beziehen  können.  Die  französi- 
schen Autoren  halten  im  Allgemeinen  die  Enteroptose  für  das  wichtigste:  CoiLf 
lerbt  betont,  dass  ohne  Enteroptose  Iceine  Nephroptose  (Nephroptose  naeh  Sehwnnd 
der  FettkH])sel  y)  und  Frbr^l  meint,  dass,  wo  Ren  mobtlit  gar  keine Erseheinungen 
macht,  der  ProlajiKUs  inf^xtfnnrum  vielleicht  fehlt. 

Sehen  wir  uns  noch  die  von  Klttner  gegebenen  Verhäkuiäüzahleu  an, 
so  finden  wir ,  dass  er  unter  100  Kranken  mit  Nierendisloeatioo  94  Weiber, 
6  Männer  fand.  Die  rechte  zeigt  viel  häufiger  Disloeatiun  wie  die  linke,  und  rind 
beide  dislocirt .  so  ist  es  die  rechte  stark,  die  linke  wenig  die  linke  ist  besser 
befestigt  und  die  rechte  hat  den  Druck  der  Leber  auszubauen  j.  Der  Magen 
stand  mit  seiner  grossen  Cnrvatnr  79mal  2 — 3  Finger  unter  dem  Nabel  und  bei 
70  zeigten  sich  dyspeptisehe  Besehwerden  in  Gestalt  von  Appetittosigkttt,  leichter 
Cardialgie  nnd  ( >listipation. 

Wa.s  die  Wirkung  der  Hand.Tgen  betrifft,  st»  tiiuiet  KiiTTNER,  dass  bei 
aller  Individualisirung  die  gaätri.scheu  Beschwerdeu  zuweileu  schlimmer  werden, 
was  auch  Likdnrr  beobaehtet  hat,  wAhreud  Babtbls  und  Fiscbbb>Bbn20M  das 
Geg<titlieil  bcli.iupten.  Unsere  ehirurgisobe  Zeit  hat  natürlioh  auch  gegen  die 
Nephroptose  auf  Mittel  gesonnen :  wenn  wir  nun  aneb  d.ts  von  Kkpplku  vorge- 
scblageue  Mittel  der  Nephreetomie  als  zu  heroisch  verschmiiheu,  so  verdient  doch 
Beachtung,  dass  die  von  Hahn  vorgeschlagene  Nephrorrhapbie  (cf.  Fbank)  in 
einem  guten  Brucbtheil  Lmt«  Resultate  geliefert  haben  soll. 

Re^umiren  wir  die  wesentlichsten  Punkte  : 

1.  Die  Enteroptose.  von  V'ielen  als  entite  morbide  bestritten,  ist  ein 
Complex  von  secundüren  Erscheinungen  von  verschiedenem  (irade,  Umfang  und 
Ursprung  und  darf  nur  als  Sammelbegriff  gelten. 


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ENTEROFTOSE.  » 


251 


2.  Dieser  Complcx  ist  bei  den  Kraueu  häutiger  als  bei  den  Miiiintrn  und 
seine  wesentlichsten  organischen  Erscheinungen  sind  Coloptoae,  Gastroptose,  Nephro- 
ptoee;  das  HMenterinm  des  DUnndannee  erfUnrt  gletehralls  Debnangen,  ebenso  wie 
bei  Frauen  der  Prolapsu»  uteri  als  hierhergehörig  Sil  betraehten  ist. 

3.  Diese  Knleroplo«!e  im  ( li.KN'AKii  si'lien  Sinne  cnmplicirt  sieh  mit  Er- 
nährungsstörungen oder  ist  die  Folge  von  solchen;  diese  Störungen  betrefl'en  be- 
sonders das  Nervensystem. 

4.  Die  Reiserscbeiuungen  im  Nerrenaystem  sind  als  refleetorisebe  Läh- 
mungen oder  Reizungen  aufzufassen  und  sebon  der  ilteren  Sebnle  niebt  fremd  gewesen. 

5.  Nach  Glk.vard'S  Schilderungen  und  Zahlen  muHS  die  Entcrnptose  in 
Frankreich  recht  häulig  sein,  hier  is(  sie  jedeiifulls  viel  seltener  und  daher  das 
Bedürfniss,  einen  hesniulereii  Namen  dafür  zu  bilden,  nicht  vorhanden  gewcBen, 

6.  Die  Therapie  betont  besonders  leichte  Diät,  gutsitzende  Bandage, 
salinisebe  AbfQhrmittel  in  purgirender  Dosis,  Antifennentatlva,  und  eioe  besooders 
roborirende  Lebennweiso  THydrotherapie ,  Elektrotherapie,  Gymnastilc,  Massage, 
cf.  ZABLDDOWSKr,  Berliner  iclin.  Woeheusehr.,  18i>0,  pag.  435). 

Literatur:  *)Glenard,  Applirntion  df  1a  »t^tliode  natureHe  >)  l'nnnli/se  de  In 
dijspepsie  uerveuae;  de  Venti'roptosf  Lyon.  med.  Mars  188Ö.  —  ^)  Derselbe,  h'ntt'i'optune 
et  neu rti.sflit'nif.  Societ«^  med.  des  liöp.  de  Pari.s.  188'i,  15.  Mai.  —  A  jtropir.s  il'itii  ras  de 
nettrasthittie  ga*lhque  (EuUroptMe  traumatiquej.  Province  luid.  1887i  7.  April.  —  *)  Kxpoge 
aommaire  du  traitement  de  Peni^rt/pto»e.  Lyon.  mM.  1887.  Jafn  et  Juillet.  —  *)  i>e  Pen* 
ti'rojifosf,  ronfereiire  faite  ä  Vh6pilnl  de  Miif^fn/ifiii  Alger,  Li/on  U-  27 -hinvii  r  /S"^.''  PreBse 
med.  beige  Brüx.  1889.  —  ')  Fereol.  Üe  I  tnttioptose.  Bnli.  de  la  soc.  med  des  hup.  18S7, 
5.  Jauvier  et  1888.  12.  Nov.  —  ')  de  SanctiM,  Sulla  mulattia  de  (iUnard.  Otorn.  inter- 
nasion«!  della  science  med.  Febr.  1888.  —  '')Cnilleret,  Etüde  cUnique  nur  Vtntiroptose 
oft  matadie  de  GtAiard.  Qnx.  de«  liöp.  22  Sept.  IB'^S  et  Nr.  105,  1889.  —  »)  Chiron,  De 
rentt'rnptusc  eh-.  I'ninii  ineil.  1:^0.  Dec.  1  "-^S.  —  "t  Puiin  elot.  De  l'enti^roptuxe.  Paris 
1889.  —  ")  Dnjardin- beaametz,  2ieuraathinte  yfisirtquc  et  leur  traitement.  Lefone 
de  l'hup.  Cochin  in  „Tbe  tfaera{»eatfe  gazette".  15.  Jan.  189().  —  ")  Trastour,  Am  äee 
tfjuilibrt»  du  venire:  t'uternpluaiqueit  et  dihjt>'s.  Paris  1>S9.  Semaine  med  7.  Sept  lsB7.  — 
F.  V.  Chlapowsky,  Nowiny  lekerfkie.  Nr.  \i,  Pozuaii  1889.  —  Ewald,  Xnurasthrnia 
dyapeptica.  Cnrn  l  auf  dem  IV,  ConRre.s-i  für  innere  Med.  Berliner  klin.  Wochen.schr.  Is84, 
Mr.  21.  —  Müller- War  neck  ,  Ueber  die  widernaiürlicbe  Beweglichkeit  der  rechten  Niere 
nnd  deren  Zmamnifnhang  mit  Magenerweitening.  Reriinar  klin.  Wochenechr.  1877,  Nr.  30-  — 
'  *  Ewald,  üeber  Enieroptosp  und  Wanderniere.  Ebenda.  Nr.  12».  l'i  —  ")  Diacoaalon  über 
Ewalds  Vortrat,'.  Ebenda.  1890,  346,  412.  435.  —  ")  Ku  tiner,  Ueber  palpable  Nieron. 
Ebenda.  189*'.  Nr.  15,  lö,  17.  —  Leonhard  Krez.  Zur  Frage  der  Enteroptose.  Mün- 
Cbener  med.  Wocbenschr.  1892,  Nr.  35.  —  Adolf  Ott.  Glenard'sehe  Krankheit.  Prager 
med.  Wochenschr.  1892,  Kr.  46.  —  ")  Hnfachmidt,  Zur  PatboloRio  und  Therapie  der 
Enteroptose.  Wiener  klin.  Wocbenscbr.  189'.^,  Nr.  52,  2  u.  .i.  —  "l  Lindner,  Münchener 
med.  Wuehenschr.  1882,  264  und  285.  —  Derselbe,  J)ie  Wanderniere  der  Frauen.  Neu* 
Wied  1888.  —  **)  Leiehtenatern.  Ziemsaen,  Vn,  609.  —  **)  M ann.  Bin  naoer  Beltragr 
7-u  der  Lehre  von  den  Wandcraf|anen.  —  Litten.  Ueber  den  Zu^tanimenhang  von  Er- 
krankungen de.s  Magens  mit  Lagevcranderunfcen  li'  T  rechten  Niere.  (Referat  von  Dippe.) 
Schmidt'»  Jahrb.  ls8V,  CCXVL  pag.  252:  VL  Congr.  tm  innere  Med.  1887  —  *')  Landau, 
Heber  Dislocation  der  Leber.  Dentscbe  med.  Wocbenachr.  1885.  754.  —  **)  Beraelbe,  Die 
Wanderleber  nnd  der  Hingebaneh  der  Franen.  fiertin  1885,  Hinehwald.  —  '*)  Derselbe, 
Die  Waniierniere  der  Frauen.  Neuwied  18^8.  —  '*)  Keppler,  Die  Wanderuit-re  nnd  ihre 
chirurgi.sche  Ik-handlnng.  Lanpenbeck's  Archiv  für  klin.  Chir.  1879.  XXIll,  pag.  520.  — 
'■")  Chrobak,  I'eber  den  Znsammenhang  zwischen  Hysterie  nnd  beweglicher  Niere.  Ref.  von 
Berwinkel.  Schmidt'a  Jahrb.  !S71,  OXLIX,  pag.  146.  —  ")  Oser,  Die  Ursachen  der  Magon- 
erweiterung.  Wiener  Klinih.  1S81,  pag.  l.  —  Rollet.  Pathologie  und  Therapie  der  be- 
weglichen Niere  Erlangen  1866.  —  '*)  Schütz.  Wanderniere  und  Magenerweiterun;?.  Präger 
med.  Wocfaenaciir.  Ib8ö,  pag.  i«.  —  *^  Senator,  Einiges  über  die  Wanderniere,  besonders 
ihre  Aetiologie.  Cbar.-Annal.  VfiT,  pag. 309.  —  Weisker,  Pathol.  Besiehnnge»  der 

Nierenbändor  zur  fJallenblase  nnd  ihren  .^iisftihninfrstranccn.  Sehmidt's  Jahrb.  CrXX.  pag.  249.  — 
*' )  Dernelbe,  Ueber  den  sogenannten  iDlraabiioiuinellen  Druck.  Schmidt  s  Jahrb.  der  gcs. 
Med.  CCXIX,  pag.  227.  —  ")  D.  Drummond,  litnmrka  on  thv  clinical  asptcf  <>/  muvahle 
kidney.  Lancet.  18.  Jan.  1890,  paf.  121.  —  Malbranc,  Ein  complicirler  Fall  von  Jlagen- 
erweiterang.  Berliner  klin.  Wochenitchr.  18f0,  Nr.  28.  —  Fiacher-Benson,  Dissertation. 
Kiel.  ^  *'(  Biiilleret,  J:)i/<'r"iiti).^i  pofitji'terpcrttle  it  trunmnfirjKi  mwc  nephro/itosi  u 
trumieme  degr4,  (iaz.  des  hop.  li^bÖ,  pag.  Utiö.  —  **J  tlnteruptose  iraniiiatique.  Ibid.  1888, 
pag.  941.  —  **)  Entiroptoee  puerp&ale.  Ibid.  1888,  pag.  911.  (19Ab«re  Literatnrdetaila  Ikbar 


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852 


ERTERdnOSB.  —  BRYTHBOHBLALOIB. 


Wanderniere,  Wanderleber  und  Wandermilz  siehe  unter  den  betreffenden  Artikeln.)  — 
**)  FrftBk,  DmitMhe  med.  WodMitsdir.  1889,  II.  Georg  Boicabmom. 

Erythromelalgie.  seit  de  in  Anfanf^e  der  Siebziger-Jahre,  zu  welcher 
Zeit  WEiii  Mitchell  die  erste  Beacbreibung  eräcbeioea  Hess,  hat  sieb  die  Aaf- 
merksftDkmt  der  Aente  dem  interessanten  Phlnomen  der  Erythromelalgie  in  stets 
waehsendem  Masse  zugewendet.  1878  erschien  eine  genauere  Skizze  des  Krank< 
heitsbÜded  von  dtMiif^elhcn  Verfasser,  der  schon  damals  in  der  Lage  war  Beob 
acbtuagen ,  tbcils  fremde,  tbeils  eigene  mitzutheileo.  Vervollstftndigt  wurde  das 
Material  1880  durcb  die  Arbeit  von  Lannoib,  welcher  noch  5  Fälle  hinzufügen 
konnte.  Die  dentsehen  Pnbliealionen  sind  immer  sehr  sparsam  gewesen ,  nnd  fin 
eigenthflmlicher  Zufall  war  es,  dass  Gerhardt,  SEXATcut  und  Berxhardt 
1892  zu  gleicher  Zeit  Aber  eioschlftgige  FAUe  berichten  und  dieselben  demon- 
striren  konnten. 

Wenden  wir  uns  nnn  su  der  Besehreibnng  der  Krankheit,  so  enthält 

der  Name  schon  die  bei  weitem  wichtigsten  Symptome :  Rstbang  der  GUedmassen 

unter  heftigen  Schmerzen.  Dirne  IvrscheiiHuipren  setzen  meistens  acut  ein,  eventuell 
sogar  mit  leichten  Fieberersebcinungen  oder  im  Gefolge  starker  Anstrengungen. 
Bevorxiigt  sind  die  Uflnner  von  dieser  Erkrankung  und  hti  diesen  die  unteren 
ExtremitAten.  Hit  der  RAVNAUO'schen  Krankheit  hat  die  Erythromelalgie  das 
meistens  syninielrische  Auftreten  ^remein,  die  heftifren  Schmer/.cn  und  den  chronisch 
Uber  unbestimmte  Zeiten  ohne  Nei^riiii;;  zur  Ileilunf;  sich  liiiizichenden  Verlauf.  Trügt 
die  symmetrische  Asphyxie  den  Stempel  des  Gefässkrampfes,  so  gleicht  dies  Krauk- 
heitshild  den  der  Angioparalyse,  oder  besser  gesagt,  der  liyperlmisehen  FInzion ; 
dabei  müssen  wir  es  nach  dem  gegenwirtigen  Stande  unseres  Wissens  dahinge- 
stellt sein  lassen ,  *>)>  es  sieh  dabei  um  Lähmung  der  Vasoeonatrictoren  oder 
Heizung  der  Vasodilatatoreu  bandelt.  Das  Alter  der  befallenen  Patienten  scheint 
meistens  das  mittlere  gewesen  an  sein ,  doch  bleibt  sn  herflekslehtigen ,  ob  alle 
(es  sind  jetzt  im  Ganzen  gegen  80 — 33  Fflile  in  der  Lid  riittir  gesammelt)  dahin 
gehören  mi<l  ob  nicht  inanehe  von  älteren  fatholofren  als  ehroiiisehe  persistirende 
Erytheme  gezählten  Fälle  hierher  gehören.  Hat  doch  schon  ganz  mit  Hecht  die 
um  1828  in  Frankreich  epidemiscli  aufgetretene  „Akrodynie"  in  ihren  Erschei- 
nungen einen  Autor  wie  Sinatob  an  die  Erydiromelalgie  erinnert,  wenngleich 
er  sie  absolut  nicht  identificirt.  Es  ist  zweifellns.  d.-iss  die  Erscheinungen  an  den 
einzelnen  F/illen  stark  ditl'erirt  h.-ihon,  sd  dass  mit  Iveelit  vftn  Ki;LEN'BL'R(i  daran 
erinnert  wurde,  es  müsse  wegen  der  Verschiedenheit  der  Kraukheitsgeschicbten  und 
des  <^enbar  central  bedingten  Krankheitsproeesses  die  Erjrthromelalgie  nur  als 
Symptom,  nieht  als  KrHnkheit8be<rrifr  ^reiten. 

Zweifellos  drängen  sieh  auch  hier  zum  Ver;;kiilie  die  ei^enthdmlichen 
\  eränderungen  heran,  die  Nothnagei^  bei  einigen  anstrengenden  manuellen  Be- 
sehftftigungszweigen,  Bernhardt  bei  Frauen  im  klimaeterisehen  Alter  besehrieben 
haben,  und  die  in  Schmerzen,  Blässe  und  Starre  der  Extremitäten  besteben: 
f'iKRHARnT  m.-ielit  auf  die  Zufrehörifrkeit  zu  dieser  jrrossen  Gruppe  nerv?^.«or  Er- 
krankun;_'eii  aufmerksam,  die  von  Schi:i.zk  als  Akroparüsthesien  bezeichnet  seien, 
und  vergleicht  XoTUNAGEi/scbe  Erkrankung  und  Erythromelalgie  etwa  mit  spasti- 
seher  nnd  angioparalytiseher  Form  der  Higrine.  Ist  mit  solchen  Vergleiehen  auch 
nicht  viel  gesagt,  zumal  wenn  es  sich  um  nicht  ganz  aufgeklärte  Krankheiten, 
wie  die  Hduicranie,  hari(it-lt.  so  dienen  sie  doch  dem  Verständniss  durch  Ansiehung 
einer  allgemein  bekannten  Krscheiuung. 

Abgesehen  davon,  dass  Röthnng  und  Schwellung  die  insseriieh  sieht* 
barsten  Zeichen  sind ,  giebt  es  noch  als  charakteristisches  Merkmal  den  neural- 
gischen, än-serst  i|ii;ileiiden  Schmerz,  der  meistens  in  paroxysmalen  Sehühen  auf- 
tritt, durch  Somme.bilze  vermehrt,  durcb  Application  von  Kälte  weitaus  herab- 
gcsetst  wird.  So  geben  viele  Kranke  das  Eintauchen  der  Hftnde  od«  Fttsse  in 
kaltes  Wast^r  als  das  einzige  Linderungsmittel  an,  wodurch  eventuell  nur  kune 


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ERYTHROMELALGIB. 


Abhilfe  gebracht  wird,  jedodi  80,  d«M  der  Sehmen  io  Konem  varstirkt  wieder- 
kehren kann. 

Vielfach  ist  eine  deutliche  Hyperästhesie  der  Umgebung  der  Nägel  be> 
merkt  worden,  eo  deas  diese  nur  nnter  grosaen  Setimersen  geeehnitteD  werden 
konnten,  auch  das  Aaflegen  von  Bettdecke  ete.  ftls  aehmeriliAft  i^mieden  wurde. 

Es  verdient  dabei  bemerkt  zu  werden,  dum  es  sieb  meistens  um  Menschen  oline 
nachweisbare  nearopathisehe  Diatheae  handelte  und  dass  die  inneren  Orgaue  in 
den  kierber  gesihlten  reinen  Finen  gesund  waren,  gleichwie  der  Urin  niemal« 
krankhafte  Beimengungen  zeigte.  Dagegen  sebeint  die  Beniibilitlt  and  epcoiell  die 
Empfindung  für  Wflrnie  und  Kalte  etwas  herabgesetzt  od^r  verlangsamt  gewesen 
zu  sein  (cf.  (iKRHAUDT  S  Kranke,  bei  »1er  z.  R.  auch  tfictilc  Heize  an  den  Füssen 
nicht  ganz  deutlieh  empiunden  wurden).  Was  die  i  umperatur  der  befallenen  Haot- 
partien  anbetrifft,  «o  iet  dieselbe  gegenüber  den  normelen  mesa-  und  fttblbar  um 
einige  Grade  gesteigert  gewesen;  auch  sah  man  in  den  erkrankten  Regionen  die 
Venen   stärker  gefüllt    und   das  Unterhautbindetrewebe   etwas   geschwollen  und 
verdickt,  was  besonders  au  den  Fingerbeeren  auttici.  Die  Nägel  waren  trophisch 
mebr  oder  weniger  verändert,  die  Heat  neigte  in  SehweiBsbildung  in  loeo  morbi, 
während  sie  an  den  gebunden  Stellen  durch  mechanische  Reize  iMcht  das  Symptom 
der  DcrmoL'raphie  zei;rte  TSenatorK  Knochen  und  Gelenke  waren  aber  ni'-ht  i^e- 
schwollen  und  letztere  gut  beweglich ;  nichtsdestoweniger  zeigte  sich  bei  manchen 
Patienten  Beeinträchtigung  der  groben  Kraft  und  höher  zu  den  Gliedmassen  hin- 
anfstrahiendes  Qefllhl  von  Tanblwit.  LiebUngsstelien  der  Erkrankung  sind  an- 
näebst  Füsse ,  und  zwar  Knöchelgegend ,  Fussrücken ,  Kniee  (vordere  Partie  bis 
zur  TuheruititaH  tibinr}  ,    Il.lnde   und   Ellenbogen  (Olecranon.)    Das  Vorhiiltniss 
zwischen  Männern  und  Frauen   ist  etwa   1  :  3  (Senator).   EigeutbUmlich ,  und 
sonst  wobt  nicht  besebrieben,  sind  die  rffthliehea  KnOteben  Aber  den  Oelenken, 
die  au  einzelnen  Stellen  auftreten  und  verschwinden,  um  an  anderen  von  Neuem 
aufzutaueben,    Aetiologisch    wichtig   scheint   in   einzelnen  Fällen   langes  Stehen, 
Kälte-  und  Nässeeinwirkung  gewesen  zu  sein ;  hei  mauuhen  scheint  Sommerwärme 
den  Proeeas  an  f&rdero,  wihrend  der  BBRKBARor'sehe  Fall  beeonders  auf  windiges 
Wetter  reagirte.  Hier  und  da  wird  lieriehtet,  dass  die  Erseheinungen  zur  Zeit 
der  Mt  iiHi  'j  am  ausgesprochensten    wären.    Kitlenbiirg   erwähnt  (Berliner  klin. 
Wochenschr.  18!)2,  Xr.  48),  dass  bei  einer  seiner  Patientinnen  sich  das  JL«iden 
an  eine  Entbindung  angeschlossen  hatte. 

Der  letsterwähnte  Fall  gehOrt  flbrigens  so  denjenigen,  wo  sich  noch 
andere  Zeichen  eines  centralen  Krankheitsproecsses  mit  den  Symptomen  der  Ery- 
thromelalgie  verbinden  :  hier  war  es  eine  nuiseulare  Dystrophie  der  Oberarm-  und 
Schultergürtulmuscnlatur  nach  Kub  sehem  Juvenilen  Typus.  Auch  Weir  MITCHELL 
l»eriehtet  Ober  einen  Fall,  in  dem  sieb  Mnskeiatrophie  nnd  Qflrtelsehmens  sn  den 
anderen  Erscheinungen  gesellten.  In  dem  ET'LKNBDB0o6KftUARDT'.schen  Falle 
sehlos«  sich  nach  Verschwinden  von  Köthe  und  Sehmerz  an^  den  Fxtrcmitlten 
und  unter  Blass-  und  KUhlwerden  derselben  ein  progredientes  psychisches  Leiden 
an ,  welches  mit  aligem^ner  motmrisebar  Sdiwiehe ,  Kopf-  und  Orakykscbmerzen, 
Schlaflosigkeit,  SehwindelgelBblen.  taumelndem  Gang,  Angstgefflhlen,  Intelligens- 
und rM'd.lehtnissabnahme  verlief  und  bei  dem  die  opbthalmoskopisclie  rntcrsiichimg 
einen  Tuvv>r  rerehri  sehr  wahrscheinlich  niar^hte.  IlEXOCii  hat  i  l>erliiier  küu. 
Wochenschr.  1892,  Nr.  46;  einen  recht  interessauteu  Fall  mitgetheilt;  derselbe 
bot  folgenden  Verlauf:  Stark  abgearbeiteter  Mann  der  höheren  Stände  erkrankt 
im  Bade  an  linkseitiger  Parese,  welche  fast  ganz  verschwand  und  nur  noch  eine 
deutliche  Hemihyperhidrosi-*  der  linken  Seite  zurdckliess.  Nach  etvva  C.  Monaten 
heftige  Kutbung  und  Schmerz  des  linken  Fusses  Uber  einige  Monate  hinaus ; 
kurze  Zeit  darauf  Zustände  von  Anginn  pectoris,  Albumen  im  Harn  nnd  Exitus. 

Solehe  und  ähnliehe  VSMo  legen  dem  Beobachter  den  Ci  I  n'  cn,  dass  es 
sieh  um  centrale  I'rsaeben  hei  unserem  Leiden  handelt,  sehr  nalie  :  will  man  aher 
die  Erythromelalgie  als  selbstäudiges  Krankheitsbild,  nicht  als  Symptom,  auf- 


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254 


BBTTHROMELA  LGIE. 


faSMD,  80  müssen  alle  diese  Fllte,  bei  denen  nach  erythronielaIg::.sc]ien  Prodromen 
tiefe  centrale  Leiden  sich  etabliren ,  aus  der  Casuistik  ausscheiden  und  nur  die 
einfachen,  uucoaiplicirteo  Fälle  dahiuzftblen.  Wenn  nach  einer  centralen  Parei^e 
auf  der  befftllonen  Seite  die  Zeieben  Tasomotoriuher  Parese  und  tropbiseher  Stömng 
aicb  leigen,  kano  nwn  doeh  onmOglieh  das  weniger  miehtige  Kranlcheitsbild  znr 
Benennung  beranziehen. 

Eine  andere  Saehe  ist  es  natürlich  .  wenn  die  Krscheinungen  von  Ery- 
tbruuielalgie  den  anderen  centralen  Symptomen  weit  voraoeilen,  und  besonders 
wo  sie  das  einsige  Symptom  oea trater  Erkrankung  bleiben;  in  FltleUf  wo  das 
Symptom  das  einzige  ist,  oder  als  soh'hes  crsebeiot,  mag  es  als  die  Krankheit 
gelten,  in  anderen  Fällen  muss  man  sieb  seiner  nin  symptomatisohen  Katar  voll 
bewasst  sein. 

Dass  es  eich  bei  der  Erytbromelalgie  um  eine  central  bedingte  Angio- 
neurose banddt,  »t  aueb  von  massgebender  Säte  anerkannt  worden:  dasa  die- 
selbe zuweilen  nur  symptomatisch  zu  wägen  ist,  darf  umsoweni^er  aufTallen,  als 
die  UezeiehniniL'"  Ja  eine  rein  symptomatische  ist  und  unserer  Phantasie  im  patlin 
logisch-auatouiischeu  Sinne  volle  Freiheit  IftsAt.  Ob  wir  uns  die  Ciefiläsverengerer 
gelähmt,  oder  die  Geßlsserweiterer  gereizt,  oder  oocb  die  trophischcn  Fasern  in 
Contribntion  gesetat  vorstellen,  trägt  znr  Vermebmng  unseres  Verstlndnisses  niebt 
we<eiitlieh  bei:  entzündliche  KrscheintinL'cn  fehlen,  wo  aber  die  Anfji^iparalysc 
ausi^'cli.st  wird,  darüber  bestehen  nur  Hypothesen.  So  denkt  sich  Sf.N'ator  die 
letzte  Lisache  der  Erfecheinungeu  entweder  im  verlängerten  Marke,  im  Sympathicus 
oder  aueb  im  Grosabim.  Die  erste  Stelle  bat  dabei  entsebieden  die  meisten 
Cbaneen,  da  die  Erythromelalgie  ja  zweifellos  zu  den  symmetriseben  KranUidls- 
erschein  im  fren  ••ehört  und  hier  die  Filden  für  Gefitssinnervation  als  in  einer  grossen 
Centralstellu  zusammen  lauten.  Erschciuuogea ,  die  eine  Erkrankung  der  Gcfaäs- 
nerven  voraussetzen  lassen,  bat  man  seit  langer  Zeit  und  mit  Bedit  auf  die  bier 
lie^^enden  (iei.i.scentren  bezogen.  Dass  die  Symmetrie  eber  aus  der  Oertliebkeit 
der  MtdiiHa  uhloufjafn  odtT  des  Kilekeninarkcs  zu  erklären  ist,  als  aus  der 
Hypothese  einer  Polyneuritis  der  Getassnerven,  wie  SENATOR  hypothetisch  in  Er- 
wägung gezogen  hat  unter  Hinweis  auf  die  zuweilen  beobachtete  Symmetrie  bei 
der  Polyneuritifl,  dürfte  wobl  ebne  weiteres  klar  sein.  Leider  sind  wir  in  der 
traurigen  Lage,  diese  Annahme  nur  durch  Analogie  stützen  zu  müssen,  da  wirk- 
lich ziehende  patholoc.isch-.inat<tmisehe  Nachweise  nicht  vorlieiren.  Indessen  hat 
die  letzte  Zeit  bei  der  Ka\n'ai  d  sehen  Krankheit,  bei  Maladie  de  Morvaii  und 
bei  Syringomyelie  so  triftige  patbologiseb-anatomisebe  Beweisstocke  geliefert ,  dass 
an  Wesenheit  der  organischen  Vorbedingungen  dieser  Krankheiten  niebt  gezweifelt 
werden  kann.  Es  wird  :il-;r.  wohl  hald  auch  für  die  Erythrnmelalgie  und  ihren 
lücua  niorOi  der  letzte  Heweiü  erbracht  werden.  Eule.xbi  betont,  dass  diese 
Knmkbeitsanstftnde,  au  denen  er  noeh  den  von  Grasset  und  Rauzibs  be- 
sebriebenen  Syndrome  bulho-tneduUaire  reebnet,  die  in  eigenartiger  Weise 
Störungen  der  Sensibiiitiit  mit  \  asomotorisehcu .  seeretorischen  und  tro|-.hischen 
Symptomen  vereinigen,  zu.-«amraengehüreii ,  nnd  dass  sie  \valirs<'heinlicli  in  die 
seitliehe  und  biutere  graue  Substanz  (Kcgion  der  Seiten-  und  Hinterhöraer;  des 
Halsmarkee  au  verlegen  sind.  Vor  Allem  betont  er  mit  Recbt  den  trophisohen 
Charakter  auch  der  Erythromelalgie  und  RAVXAUD'tdIien  Krankbeit,  die  allein  dareh 
Gefässkrampf  oder  -Lähmung  nicht  zu  erkliiren  sind. 

nie  Prognose  des  Leidens  ist  im^ilnstig  für  die  vidlkonmienc  Wieder- 
herstellung; denn  reine  Fälle  scheinen  bi.sher  wohl  zoitwei.su  benierkenswerthe 
Besserungen,  ja  aeitweises  Versebwinden  der  Ersebeinungen  bis  au  pldtsliobem 
paroxysmalen  Auftreten  erreiebt  sn  haben,  niemals  aber  dauernd  geheilt  worden 
zu  sein.  Dagegen  ist  die  Prognose  nicht  un^(lnsti<jr  (jnoad  vt'tmii.  diejenigen  F.llle 
abgerechnet,  wo  das  Leiden  nicht  als  selbständiges  Ivrankfaeitsbild ,  soudsrn  als 
Vorllnfer  oder  Begleitersebeinung  eines  ernsteren  centralen  Proeesses  auftritt;  in 


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ERVTUROUELALGIE.  —  EXTRAUTBBIN-SCUWANGERSCHAFT. 


255 


diesen  wird  Mtflriioh  die  Pragoose  dareh  die  Ghanoeo  der  anderen  Erkranknng 

beetimmt. 

Leber  die  Therapie  der  ErytbromvUlgie  ist  noch  Einiges  zu  sagen.  Zu- 
nftebat  klnen  die  Mittel  in  Frage,  die  den  Kranklieitaproeess  sn  beieitigen  in 

der  Lage  waren ;  dass  nach  dieser  Richtung  die  ganxe  Scala  pharmacologisoher 
Mittel  in  Anwendunjr  gekommen  sind  die  Itfi  suU-hen  aussichtsluscn  Kranlcheiteti 
ihre  VerwenduDg  zu  finden  pflegen:  die  Eisen-  und  Arsenpräparate,  die  roborirendeu 
Ämara,  die  Valeriana  und  Belladonna  etc.,  ist  erklärlieb.  Zuweilen  soll  Arsen,  wie 
es  ja  aneh  sonst  sich  seigti  auf  den  Allg^mdnsDstaad  und  Ernftbrnng  |?Onsti^  gewirkt 
kaben,  sonst  hört  man  nicht  viel  von  pbarraneologlHcher  Therapie  und  ihren  Er- 
folgen reden.  Zu  den  therapeutiselicn  .NL'iMitien.  die  auf  den  KrnnkheitsproceKS 
als  soleben  zu  wirken  suchen,  luuss  mau  zweifellos  aueb  die  Elektrieität  rechneu, 
als  Hauptmittel  refieetorisob  anf  die  GefUssspblre  tu  wirken.  Von  Anwendnnur 
des  faradigchon  Strumi  -;  -oll  Di  chknm  bei  Bebandlung  der  obt  r« n  Extremitäten 
einen  vollen  Krf'>|;r  ;relialtt  haben.  Auch  .Senator  rühmt  der  Application  der 
Elektrieität  (hier  scheint  der  cuustante  i>truui  wirksam  gewesen  zu  scinj  wenig- 
stens Linderung  des  Znstaades  naeb.  Bd  eonstantem  Strome  wflrde  wohl  am 
ehestens  die  Galvanisation  am  Sympatblens  oder  die  spinale  Applieationsmethode 
in  Frage  kommen. 

Als  Linderungsmittel  sind  Murpliiuui,  (  Idoral  und  diu  m<idernen  Xervina 
viel  angewandt:  unter  den  letzteren  rühmt  Gekhauüt  AntipyriU;  Senator  Anti- 
febrin,  welehes  letstere  wegen  seiner  eigentbflmliehen  Wirkung  anf  die  Geftsse 
speoiell  bei  protrahirtem  Gebrauch  auch  als  Heilmittel  versueht  werden  könnte. 
In  gleichem  Sinne  auf  die  Gefilsse  ist  ja  auch  bereits  das  Ergotin  versucht:  ob 
mit  Erfolg  ist  mir  nicht  bekannt,  in  einem  selbst  beobachteten  Falle,  der  aber 
Btt  den  Idehteren  gehSrt,  bat  es  bisber  noeb  niebt  gewirict 

Literatur:  >)We{r  Mitchell.  Philadelphia  med.  Times.  1872.  pa^.  81  u.  113.  — 
")  IdeiD ,  Aineric.  .Tnurn.  of  the  niml.  Science.  I87fi,  LXXXI,  pag.  1.  —  '^T-annois,  Fara- 
ly»ie  va^omotrire  »/cv  rrtrimites  an  Krijthi  omilithjie.  Paris  1880-  —  *)  See  1  i  gm  ü  1 1  e  r, 
Lehrb.  der  Krankheiten  des  Nervensj'sfemps.  1882.  —  *)  Voodaut,  Jonm.  of  nerv,  and 
meutal  diseases.  1884,  Oct.,  pag. 627.  —  ')  Anchö  «t  L6pinais«,  Renie  de  mid.  1890, 
pajr.  1049.  —  ')  Morican,  The  Lancet.  1889.  5.  Januar.  —  ')  Gerhardt,  Deutsche  med. 
Wn,  li,  nsHir.  18!tii,  Nr.  30. —  Berliner  klin.  Wochen-schr.  189-J.  Nr.  4"..  (Kall  von  G  crhardt, 
Senator,  iiernbardt.)  —       K Ulenburg,  Berliner  klin.  Wovheniichr.  189'^.  Nr.  48. 

6.  Rosenbaum. 

Exodyne,  in  Amerika  als  .\ntipyreticum  und  Antineuralgicum  angepriesen, 
ist  naeb  einer  Analyse  von  (ii)i-i>MANN  rPharm.  Zeitg.  1892 ,  ö  i  ein  Gemenge 
von  Acetanilid  (i^O"  „),  Natriumsalicylat  und  Natriumcarbonat 

Loebiflch. 

Extrauterin-Schwangerschafl.  e e t  0  p  i  s  e  h  e  Schwangerschaft. 
Diis  Hutbahu liebe  AnMcbwellen  der  Berielite  über  ectopische  Schwangerschaft  könnte 
SU  der  Annabme  verftthreSf  dass  diese  perverse  EUnsertlon  im  Verlaufe  der 
letzten  Jahre  in  rapid  sunehmender  Häufigkeit  ^folge.  In  den  FR03CMilL*8ehen 
Jabresberichten  werden 

aus  dem  Jahre  1887    00  Fftlie 

r             n    125  „ 

„     „       „    1880    122  „ 

»     »      »    18^*0   185  „ 

„     »      «    18»1   123  „ 

besprochen. 

Diese  Zahlen  siud  nur  appro.\imativ  :  ich  kann  sie  nielit  contrHlliren,  da 
mir  die  betrctt'unden  Literaturstellen  nicht  alle  zur  Einsiebt  zugänglich  siud. 


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266 


BXTRATfrBRIN-SOHWAMOERSCTAVT. 


Meine  eigenen  Zahlen  haben  sich  in  den  einzelnen  Jahrgängen  in  fol- 
gender Progression  entwickelt : 


Im  Jahre  1873   2  Fftlle 

„  „     1877    1  FUl 

n  »      1878    1  » 

«  n     1879   1  „ 

„  „     1881   2  Fälle 

„  „     1882    1  Fall 

«  »     1884   1  „ 

„  „     1885    8  FiUe 

1886    ^  »1 

n  n      1^^7   5  „ 

n  »     1SS6   Z  „ 

»  n      1889   8  „ 

«  I)     1890    6  „ 

n  »     1891   i4  » 

„  »     1892   9  « 

„  „     1898  bis  Mlrx   5  „ 


ZnmranieD  ...  60  FlÜe. 

Zu  obiger  Annahme  bereehtigt  keine  Veränderung  in  den  Generatlons- 
ofo-anen  der  Frauen  unserer  Ta^e,  auch  ist  eiue  neue  Form  der  Erkrankung  der- 
selben nicht  anzunehmen.  Die  Zunahme  der  Bevtilkeruog  der  civilisirten  Länder 
genttgt  nicht  als  Erklärung.  Eine  aolche  liegt  lediglich  darin,  dass  neben  der 
▼erbesBerten  üntenoehnngawdae  die  Bntwieklnng  der  Laparatomieteehnik  und  die 
erweiterte  Erfahrung  uns  erlaubt ,  beute  selbst  da  die  Bauchhöhle  dem  Auge  frei 
zu  le^en ,  wo  die  Diagnose  aaoh  nar  mit  Wahrscheinlichkeit  auf  eine  eotopiaehe 
Schwangerschaft  hinweist 

Aetiologie.  Trots  der  Fülle  von  Beobaehtnngen  ectopischer  Schwanger 
•ehaft  sind  wir  betraft  der  Aetiologie  deraelben  genao  genommen  nur  wenig 
vorwärts  prekommen. 

Mir  »cheint  der  Grund  hicriUr  darin  zu  liegen,  dass  die  Physiologie  der 
Sdiwängerung  Oberiiaopt  anch  bente  noeh  namentlieh  in  dem  Punkte  eine  Hypothese 
ist,  an  welebem  Orte  der  physiologische  Cootact  swisehen  Spermatozoen  nnd  Ei 
t'rf(»l?t.  Die  Annahme  WyiiKR's  dass  das  Cavnin  nttn-i  der  normale  Ort  dieses 
Contactes  sei,  hat  '^fhr  viel  für  »ich.  Der  Mechanismus  der  l'eberfflhrunfr  des 
Eies  aus  dem  Uvarium  durch  diu  Tube  zum  Cavum  ist  jedenfalls  noch  streitig; 
wird  sie  von  dem  Cilienstromf  wird  sie  von  der  Peristaltik  der  Tabe  bewirkt? 
Wenn  der  Contact  zwischen  Ovum  und  Sperma  nur  im  Gavujn  uteri  erinlLrt'n 
könnte,  so  wilre  die  ectopi^che  KntwickluQfr  nur  unter  der  Voran ssctzun fr  d<  nkhiir. 
dass  das  im  Cavum  geschwängerte  Ei  wieder  in  eine  Tube  gelaugt,  weun  aläo 
eine  sogenannte  ,,innere  Ueberwandernng"  statthätte.  FOr  das  Vorkommen  einer 
solchen  „inneren  l\^borwanderun^'>'  des  Eies  beim  Wdbe  ist  neaerdings  wieder 
in  Wydf.k  ein  (lbi'rzeng:ter  Vertheiilitri  r  aut'fretreten.  Dennoch  miiss  man  wohl 
J.  Veit  und  Wkhth  in  ihrer  abweisenden  Kritik  des  WvDKK'schen  Beweisraateriales 
Recht  geben  Nach  meiner  Auffassung  ist  es  für  den  Werth  desselben  verbäugnissvoU, 
dass  der  Nachweis  des  Corpus  luteum  in  demselben  fehlt  nnd  daas  das  Präparat 
selbst  vlnvr  Nachprüfang  nicht  mehr  sngänglich  ist,  die  beute,  nach  der  Ent* 
Wicklung  iinsert  r  citischlflirisren  Kenntnisse,  die  Sache  aufkl.Hrcn  könnte. 

Die  unmittelbar  nach  dem  Contacte  mit  dem  Sperma  auftretende  Schwel- 
lung des  Ries  ftihrt  sofort  eine  solche  Volnmznnabme  desselben  herbd,  dass  es 
höchst  wahrscheinlich  fiberhaiipt  nicht  mehr  /,u  einer  Ortsveräuderung  dcMClben 
kommt.  Jedenfalls  kennen  wir  keine  Hewcisc  für  dif  Wunderniir  des  scliw.infrcrcn 
Eies,  so  dass  die  Hypothese  vou  Sifpel,  dass  das  auschwoUtinde  Ei  iu  der  Enge 
des  Canales  sitzen  bleibe,  schon  dadurch  haltlos  wird. 


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EXTBADTERIN-SCHWANGEBSCHAFT. 


257 


Die  „innere  Ueberft  anderuDg"  des  Eies  bei  der  Frau  ist  als  ein  zunächst 
unverständlicher  Vorganf2r  zurückzuweisen. 

Dass  das  Ovum  des  einen  Ovarium  durch  das  Ostium  abdominale  der 
anderen  Tube  eintreten  und  normal  in  das  Cavum  uteri  gelangen  kann ,  die 
^äussere  Ueberwanderung",  ist  so  oft  durch  pathologische  Präparate  bewiesen,  dass 
die  Ausfuhrungen  von  Hasse  *)  nur  eine  sicher  willkommene  Bestätigung  waren. 

Ein  hübsches  Beispiel  für  die  äussere  Ueberwanderung  bietet  folgende 
Beobachtung : 

Frau  W.  (Tabelle  meiner  eigenen  Beobachtungen  Nr.  58),  33jährige  Vlpara,  erkrankte 
bei  ihrer  Menstruation  (4.  Decembcr  lt^92)  unter  Htarken  Gliederschmerzen.  Am  12.  Januar  1893 
trat  eine  nterine  BIntung  auf,  die  bis  Anfang  Februar  andauert.  Anfangs  Januar  ist  eine  Haut 
abgegangen,  die  Patientin  in  Spiritus  verwahrt  mitbringt,  als  sie  sich  am  1.  Februar  1893  zur 
Untersuchung  meldet.  Die  kräftige  Brünette  sieht  leidend  aus,  mässig  anämisch.  Leib  nicht  druck- 
empfindlich. Heller  Percuasionsschall.  Scheide  weich,  Uterus  vergröasert,  weit ;  ausgesprochene  Livi- 
dität  der  sichtbaren  Genitaltheile.  Kraftiges  Pnlsiren  der  Uterinae.  Hinter  dem  Uterus  und  neben 
ihm  eine  apfeIgros.<;e,  längliche,  elastisch  anzufühlende  Geschwulst,  auf  welche  die  linke  Tube 
deutlich  Übergehend  gefühlt  wird.  Rechte  Adnexe  etwas  vergrössert,  schlaff,  nicht  näher  zu 
differenziren.  Eine  Ansammlung  von  Flüssigkeit  im  Douglas  nicht  nachweisbar.  Die  abgegangene 
Haut  stellt  einen  Ausguss  der  Uterushöhle  dar:  Decidua  uteriit».  Diagnose:  Gravid,  extra- 
iiterina  tubaricn  sini^tr.  von  1 — ii  Monaten.  Es  bleibt  fraglich,  ob  das  Ei  abgestorben  und 
ob  BlntergusR  in  die  Bauchhöhlu  erfolgt  ist. 

Laparotomie:  4.  Februar  1893.  In  der  Bauchhöhle  viel  frisches  Blut,  spärliche 
Gerinnsel.  Das  Netz  blutig  imhibirt.  Der  linkssieitige  apfelgrosse  Tumor  ist  in  grosser  Aus- 
dehnung mit  dem  Netze  verwachsen.  Es  gelingt,  ihn  zu  isoliren,  ihn  in  die  Baucbwunde  empor- 
zuheben, zu  versorgen. 

Die  rechten  Anhänge  sind  ebenfalls  allseitig  mit  ihrer  Umgebung  verwachsen. 
Lösung.  Die  rechte  Tube  ist  atretisch,  ihre  Ampulle  zu  einem  pflaumendicken,  schlafi  gefüllten 
Sack  ausgedehnt.  Das  rechte  Ovarium  reichlich  normal  gross.  Der  Tubensack  wird  angeschnitten, 
enthält  flüssiges  Blut,  seine  Wandungen  papierdünn.  Die  Schleimhaut  durch  alte  Entzündung»- 
procepse  verödet.  Entfernung  auch  der  rechten  Anhänge,  t^chlu.««  unter  Zurücklassung  von  Ex- 
sudatsL-hwielen  in  der  Ausdehnung  eines  3  3farkstücke.s  am  Dünndarm  und  Mesenterium,  welches 
dem  linksseitigen  Frucht.sacke  angehaftet  hatte.  Die  Tumormassen  sind ,  soweit  im  Donglas 
zwischen  den  Därmen  erreichbar,  entfernt  worden.  Das  teritoneum  viscerale  und  parie- 
tale in  grosser  Ausdehnung  blutig  imhibirt.  Operationsdaner  13  Minuten.  Beconvalesconz 
ohne  Störung. 

Das  linksseitige  Präparat  ist  7  Cm.  lang,  grösster  Umfang  12  Cm.  Oberfläche  rauh, 
doch  nicht  fetzii;.  Die  dicke  Tube  umzieht  das  in  die  Länge  ausgedehnte  Ovarium.  In  diesem 
am  peripheren  Pol  eine  haselnussgrosye  Cyste  mit  dünner  Wand  nnd  kömigem  breiigem 
Inhalte;  kein  Corpm  luteum.  Im  Uebrigen  noch  mehrfache,  mit  klarem  serösen  Inhalte 
gefüllte  Follikelräume.  Die  Tube  ist  im  ampuilären  Theile  .spindelförmig,  fast  zwei  Daumen  dick 

Fig.  18. 


0,st.  rubao 
abduniinali? 


Ost^tubae 
utecinnm 


Ovarium 

Gravid,  tubar.  aintfltr.  (Fr.  W.  Xr.  58 )   Aeunsere  Ueberwanderung. 

angeschwollen.  Zwit-rlien  den  strotzend  gefüllten,  ülier  ihre  Unigchuug  hervorragenden  Fimbrien 
ein  altes  derbes  Blutgt-rinnsr'!.  Das  Lumen  bleistiftweit.  Das  utorine  Eude  und  der  Ist/imiiJi 
luboe  sind  normal  in  Wandstärken,  Falteubildmig  und  Epithellx-kleidung.  Der  Canal  verläuft 
mehrfach  gewunden.  Die  Ainpiilln  tithiie  ist  prall  ausgefüllt,  durch  ein  hart»»»,  der  Form  des 
Raumes  angcpa.-5stes  (ierinnsul.  das  sich  sc  harf  Stegen  den  Isthmus  absetzt,  nach  dem  Fimbrienende 
in  die  dieses  füllende,   etwas  lockere  Cruormasse  übergeht.    Nach  Entfernung  des  Gerinnsels 

Encyclop,  Jahrbüclier.  III.  J^'J 


DigitizGL.  >  ,  .o 


m 


EXTRAÜTERIN-SCH  WA  NG  ERSC  H  AFT. 


wird  di«  InnaDdAdia  des  HoblraoaM  gmisgUtt  gefaadea  bU  auf  eine  etwa  grosohengroBM 
Flldie  an  dm*  dem  Overimn  angewandten  Seite,  wo  die  Wand  sottig  ranh  encheint,  mit 

inniger  DIlrcl<^t•l/,un!;  von  Blutgeriunseln.  Die  uiedriiren,  dii  ht  7.us;iiiiiiienh;iiis<'ni]pn  Fald  a  Jurch 
die  BlotunK  zu  Uetritn«:  nmgewandelt.  Gegen  das  OstiiiiH  abdominale  heben  sich  die  iongita- 
diualan  Fulten  wieder  dentlicli  ab.  Die  Wand  ist  papierdttnn.  Di«  Hnskeleehicbt  atxopbiieb, 
die  gaiuM  Wand  blatdorch^atsL  Das  grona  Blotgäriiuiaal  iit  von  OborioBaottm  dudttatat. 


Fig  19. 


Ovrchsefaaltt  dnnh  Flgor  IB. 

Zusammenhängende  Eitheile  oder  ein  FOtVS  nicht  nachweisbar.  — >  In  dem  periphnrcn  Pol  des 
0?Kriam  der  rechten  Saite  liegt  ein  groasee  Corpu»  luUwm  verum.  Dia  Tuba  dextra  zeigt 
eine  alte  schwielige  Yenracbsnng  des  Otüum  abdominale.  Die  Tnbenwand  atrophisch ,  die 

Schleimhaut  verödet.  Es  muss  t-iiu-  äussere  Ueberwanderung  des  im  rechten  Ov;irium  gereiften 
Eies  durch  das  0«Uum  abdominule  tubm  ainistr.  aogenommen  werden,  da  die  rechte  Tube 
augensdieinliob  schon  seit  libieorer  Zeit  atretinch  und  verödet  gmreaen  ist  Di«  Besdirtibiing 

dar  Deeidiitt  utn-itm  siehe  weiter  unten  pag.  'il'i. 

l'ntor  welchen  Umständen  kommt  es  zur  ectopiscben  Eiinsertion  ? 

Sehen  wir  ab  von  ganz  hypothetischen  Voraussetzungen,  wie  z.  U.  dass 
gewisBe  StSrniigen  in  oirftii'')  Sehreek  und  Shook  oder  Ersehttttcrang  des  Lelbea 
post  coitum  den  bei  der  Fr»a  an  sieb  noch  hypothetischen  Motus  perixtalticas 
Uihup  beeinflussen  sollen,  so  erseheint  die  nächstlieisrende  Ursaehe  eine  mechanische 
Behinderung  der  i'ortbeweguug  des  Eies  bis  zum  Eileiter  und  im  Eileiter  selbst, 
Verlagerung  des  Eäenttoekes,  peritoneale  Erkr»nkang,  abnorme  E^twieklung,  Ab- 
koickun?,  Äbschnflmng,  Divertikclbildnng,  Sehleimbnuterkranknng  od»  Nenbildmig 
im  Eileiter. 

Gewiss  ist  zuzugeben,  dass  Jede  einzelne  derartige  Behiuderung^  im  Einzel- 
fkUe  eine  gewisse  Rolle  spielen  kann.  Ucberäcbauen  wir  aber  grössere  Beobacbtuugs- 
reiben,  so  begegnen  wir  kdner  derselben  in  annäbemder  ConstaniL  AaffnUend 
h.lufig  ist  namentlieh  der  Eileiter  in  vollkommen  normalem  Zustande  bis  zum 
Fruchtsacke.  Xueh  b.'lutijrer  erklflren  »ich  die  p'csammten  Veränderungen  als  das 
Ergebniss  eben  der  ectopiscben  Eieinbettung.  Unter  meinen  60  Beobachtungen 
waren  19  mit  nterinen,  18  mit  tnbaren  und  22  mit  ovarialen  Erkrankungen, 
endlieb  fand  sich  fa.st  in  allen  das  Peritoneum  in  dnem  mehr  oder  weniger  starken 
IMzZttStand.  Diese  patlinl'^j-isi-lien  V^erilndenitirfn  nifl-;<en  aber  in  ihrer  Mehrzahl 
mindesteus  als  durch  die  bchwangerscbaft  gesteigert  bezeichnet  werden. 

Das  möebte  ieb  besonder«  FaiTSCH^)  gegenüber  betonen,  der  anf  die 
Pelveoperitonitis  dn  so  grosses  Gewieht  in  atiologiaeher  Beziehung  legt  Die  FiUe 
von  vollständigem  Fehlen  der  Peritonitis  sind  die  in  den  ersten  Stadion  beob- 
achteten, z.  B.  Fall  1'.'  und  1  meiner  'l  abelle.  Je  weiter  die  Schwanirersehaft 
entwickelt  ist,  um  so  rcgelm.lgsigcr  und  au.sgcbreiteter  linden  wir  Peritonitis. 
Gewiss  wdst  die  Anamnese  der  ectopiseh  Sebwangeren  oft  anf  flberstandene 
GenitalcrkrankuDg  hin,  worauf  neuerdings  Encistrom     Gewieht  legt. 

Wenn  wir  aber  das  nteriue  Ende  der  sdiwanireren  Tube  untersuchen 
können,  mo  linden  wir  geradezu  aulVallend  häutig  das  Epithel  erhalten,  eine  reich- 


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BXTRAUTERIN-SCBWAXGERSCHAFT. 


259 


lichere  Gefhssentwicklimjj,  die  namentlich  anrh  die  Musenlarisi  durchsetzt,  oft  kleine 
rcehymosen-  oder  Kundzellenanhaiifung:  in  der  Unifrehniiir  der  Oefils^L-.  Kraflieinuu^ea, 
die  auf  eine  progressive  Entwicklung  eines  Keizeffectes  hinweisen,  .sind  nicht  belege 
für  ^roBi«die  Proeesu.  Wir  mflasen  annebmen,  dan  oamentliob  die  htnfigato 
Fonn  tubarer  Erkrankangi  die  cHtarrlialiscbe,  in  der  Tabengchloimbaut  ebenso 
aiishoilt,  wie  in  anderen  Schleimhautg^obieten,  Erfolgt  die  Heilung:  bei  den 
eatarrbaliscbeo  Erkrankungen  spoutan ,  so  rattsaea  wir  weiter  zur  Ebre  unserer 
tberapentiaeben  Beatrebangen  «nnebmen,  dast  aaeb  die  anderen  Erkrankungsformen 
bei  geeigneter  Beliaiidlun^  ausheilen  können.  Helene  dafür  glaube  ich  In  meinem 
Material  ^eiuitr'-am  x,u  besitzen.  Namentlich  bei  f'rischt'n  Fflllen  g'elinjart  es,  die 
Rückbildung  zu  erzwingen,  während  die  chronischen  und  unter  diesen  besouders 
die  Falle  von  chronischer  Gonorrhoe  der  Tube  sich,  wie  wohl  allgemein  anerkannt 
wird,  abBondorlieb  bartnickig  erweisen. 

Solche  werden  dann  auch  nicht  sebwanger,  nicht  uterin  und  nicht  extra- 
«terin.  Die  Kn(;s'i HnM'schen  F.llle  waren,  soviel  ich  sehe,  auch  relativ  frische. 
Dennoch  behaupte  ich,  dass  die  Mehrzahl  der  Frauen  so  zu  sagen 
kliniseh  gesund  gewesen  sind  su  der  Zeit,  als  sie  von  der  per- 
veraon  Sehwangersebaft  befallen  worden. 

Ich  hatte  7  NuIIiparae  zu  verzeichnen  mit  relativ  nicht  zu  langer  Dauer 
der  Ehe  bis  zur  Entwicklung  dieser  Schwan» erschaft.  23  öiutl  nach  einem  Intervall 
von  bis  zu  2  Jahren  nach  ihrer  letzten  Geburt  wieder  schwanger  geworden,  mehr- 
fach lagen  nur  wenige  Monate  zwischen  den  beiden  Graviditäten,  der  intra-  und 
exteanterinen,  dne  batte  das  Rind  noch  an  der  Brast 

Wenn  man  die  Sebwierigkdt  der  Entwicklung  des  eetopiaehen  Frnebt- 

lialtcrs  lictrachtet.  60  liegt  e.s  auch  schr-n  ans  diesem  (Jriindc  nahe,  anzunehmen, 
dass  nur  ein  relativ  gesunder  Uberflächenabschnitt  der  Bahn  des  Eies  zum  Caoum 
uteri  für  die  Eiinsertion  »ich  eignet.  Mögen  dann  Erkrankungsprocesse  der  ver- 
sobiedensten  Art  vorausgegangen  sein,  dieselben  mllssen  sieb  nabesu  wieder  ad 
integrum  zurückgebildet  haben,  wenn  sieh  aus  ihnen  für  das  Zustandekommen  der 
Schwangerschaft  nicht  überhaupt  ein  absolutes  Hindorniss  erp;eben  soll:  Der 
betreffende  Nährboden  muas  annäherud  gesund  und  entwick- 
lungsftbig  sein. 

Nebmen  wir  an,  dass  das  Cavum  vteri  der  pbysiologisebe  Ort  der 

Begegnung  von  Ovum  und  Spermatozoen  ist,  so  entsteht  die  ectopischo  Schwan}?er- 
scbaft  vielleicht  dadurch,  dins  das  Sperma  ansiiahir.sweise  über  die  rterushi'dile 
hinaus  vordringt.  Bei  der  lluudin  und  dciu  Kaniucheoweibchen  bildet  das  die 
Regel,  wie  wir  seit  IjOTt's*)  Beobaebtnngen  wissen.  Bei  diesen  Tbiereu  entwiekelt 
sich  das  Ei  pliy.siolofriseb,  ebenso  wie  in  dem  kloinen  Cavum  auch  in  der  Tube, 
welche  durch  die  re;relmil3si;,''  mehrfach  };eschwfln?erten  Ovula  perlschnurartig 
ausgedehnt  wird.  Für  die  Frau  ist  der  bestimmte  Beweis  fUr  ein  physiologisches 
Vordringen  des  Sperma  in  die  Tobe  niebt  erbraebf.  Liegt  es  niebt  nabe,  anin- 
nebmen,  dass  eetopisebe  Schwangerschaft  bei  der  Frau  eben  dann  entsteht,  wenn 
li'iorliaupt  das  Sperma  über  das  ('ar>/i;i  iifrri  hinaus  \ordrin°:t?  Ich  will  diese 
Hypothese  nicht  weiter  verfolgen,  nicht  weiter  ausführen,  dass  gewiss  nicht  immer 
in  solchen  Fällen  die  Ovula  auch  zur  Entwicklung  gelangeu  müssen,  wie  das  ja 
sieber  aaeb  niebt  bei  dem  Contaete  im  Uterus  gescbiebt;  aneb  mOebte  ieb  niebt 
weiter  darauf  eingehen,  dass  der  Weg  für  das  Sperma  nach  der  Tube  etwa  durch 
die  vorausgegangene  Erkrankung  geOffnet  sein  krmnte:  so  lange  wir  die  Phy- 
siologie der  Schwängerung  nach  dieser  iiiehtuug  nicht  kennen^ 
bleibt  aneb  die  Aetiologie  der  eetopisoben  Binnistung  in  Dankel 
gebflilt.  Aneb  FBrrSCH  bekennt  sieb  zu  dieser  Ansehauung. 

Localisation    der    ectopisehen    Schwangerschaft.  Wir 

wissen.  da«s  die  Insertion  des  Eies  auf  dem  ganzen  Wes'e  vom  ireborsteneu  Follikel 
bis  zur  Einniünduugsstelle  der  Tube  iu  das  Cavum  erfulgeu  kauu. 

17* 


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260 


EXTRA  UTERIN-SCHWANGERSCHAFT. 


Die  ovarielle  Insertion  muss  als  gesichert,  wenn  ancb  als  selten, 
anerkannt  werden.  Wir  verlang'en  für  die  Anerkennung  einer  Ovarialschwanger- 
schaft  den  Nachweis  de'^  intacten  Verhaltens  beider  Tuben  und  des  anderen 
Ovariuras.  Neben  den  Fällen  von  Leopold,  Walter  und  Anderen  entspricht  der 
Fall  40  (Fig.  20  und  21)  und  Fall  60  meiner  Liste  und  ein  Fall  von  Mackenbodt 
(Fig.  22}  dieser  Forderung. 

Frau  G.  ans  K..  55  Jahre  alt,  seit  ihrem  17.  Jahr  menstruirt,  jetzt  unret^lmässig,  lange. 
Hat  zweimal  geboren,  1872  Oraviditax  extranter.  nach  Vjähriger  Pauäe.  Unter  schwerem  Krank- 
sein  sind  erosne  Massen  Eiter  per  vaginam  entleert  worden.  Es  wird  eine  exspectative  Be- 
handlnog  ninf^eleitet.  Patientin  fühlt  nnter  mhiger  Bettlage  den  Leib  allmiilig  dünner  werden, 
bis  dann  nur  noch  ein  auch  für  die  Patientin  fühlbarer,  kindskopfgrosser  Tnmor  bemerkbar 
war.  Jetzt  seit  7  Jahren  Menorrhagien ,  Abmagerung.  Im  Sommer  1891  wurde  bei  Patientin 
Curcitwmu  colli  diaguosticirt  und  sie  behnfd  Operation  an  mich  überwiesen. 


Fig.  20. 


GrKvid.  ovarica  sinist.  (Fr.  G.  Nr.  40.) 
ScA  Srhwaugerttrhaftasack.  r  Tub.  sin.  Ao  Lig.  ovarli  ■ioiat. 

•5.  Juli  1891.  Massig  gut  genährte  Frau,  leidend.  Grosser  Tumor  bis  in  die  Nabel- 
höhle, halt,  knollig,  unbeweglich,  Uterus  liegt  darüber,  gross  verwachsen.  Carc.  colli  mit 
Vorziehnng  nach  links,  hier  frei. 

Laparotomie  am  '.Ml  Juli  ISIU.  Die  Eröffnung  de*  Leibes  ergiebt  starke  Verwacb- 
suugeu  des  N>-t7.es  und  der  Darme  mit  dem  Tumor.  Der  letztere  strausseneigross,  wird  verhiüt- 
nissmässig  bticht  aus  eiu-'m  diinnen  ick  ausgelö.st.  der  nach  Isolimng  als  zur  linken  Tube 
gehörig  erkannt  und  ur  terliunden  wird.  Dadurch  ist  der  Uterus  nach  oben  beweglich  ge- 
worden und  es  wird  nun  die  Freimachung  nach  rechts  begonnen,  wobei  die  Tube  und  das  Ovariom 
mit  gewonnen  wird.  Nach  der  Bla.senfülluug  macht  sich  im  Lig  l<it.  sin.  eine  kräftige  arterielle 
Blutung  bemerkbar.  Bei  der  Unterbindung  der  linken  Adnex«  macht  es  Schwierigkeiten, 
die  Infiltration  im  Collum  vollständig  herauszuziehen.  Fernerhin  vollzieht  sich  die  Um- 
suumung  ohne  Schwierigkeiten,  nachdem  die  stark  gefüllte  Blase  wieder  entleert  ist.  Nachdem 
«chliesslich  noch  einige  kleine  Nachtrugssuturen  gelegt  sind,  werden  die  Fäden  nach  der 
Scheid«'  durchgezogen  und  das  PerituniMim  darüber  fortlaufend  und  mit  Knopfnähten  ge- 
.schlo^sen.   Oelschwamm :  Schluss. 

In  der  Reconvalesccuz  entleert  sich  unter  geringen  Erscheinungen  ein  Scheiden- 
ab.scess.  Genesung  vollkommen.  Letzte  Nachricht  1'  .Jahr  p.  op.  Euphorie. 

Die  primäre  Abdominalschwangerschaft  wird  von  der  tiber- 
wiegenden Mehrzahl  der  Gynäkologen  als  noch  unerwiesen  betrachtet ,  trotz  der 
Fälle,  welche  noch  neuerdings  SutiTiIN  in  der  Zeitschr.  für  Geb.  u.  Gyn.,  Bd.  XXII, 
mittheilt  In  den  franzdsischeu  Lehrbüchern  wird  sie  noch  erwähnt,  ebenso  wird 
sie,  wenn  auch  als  zweifelhaft,  in  dem  .so  vortretllichen  Lehrbuch  von  LUSK  erörtert. 


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EXTH  A  UTERI  N-SCH  W  ANÖ  EBSCH  A  FT. 


Wenn  wir  &h  Voraussetzung  für  die  Diagnose  der  primären  Abdominal- 
Bchwangerscbaft  den  Nachweis  eines  völligen  Gesundseins  und  absoluter  Nicbt- 
betheiligung  der  Ovarien  und  Tuben  fordern  müssen,  und  ferner  den  der  Placenta- 
bildung  im  Peritoneum,  so  scheinen  die  Fälle ,  welche  Keik  auf  dem  internatio- 
nalen Gynäkologencongress  1892  in  Brüssel  mittbeilte,  allerdings  als  die  ernten 
derartigen.  Lässt  die  Beschreibung  kaum  Zweifel  zu,  so  bleibt  allerdings  der  E)in- 
wand,  dass  eine  Controle,  wie  sie  durch  die  Autopsie  geboten  würde,  glücklicher 
Weise  für  die  Kranken  nicht  statthatte.  Das  Ausserordentliche  der  Sachlage  und 
die  Thatsache ,  dans  alle  früheren  Beobachtungen  schliesslich  der  zersetzenden 
Kritik  nicht  Stand  gehalten  haben  ,  niHge  entschuldigen  ,  wenn  wir  erst  weitere 
Beobachtungen  abwarten  wollen,  bevor  wir  die  primflre  Abdominahchwaugerschafc 
durch  die  Rci^'scheu  Fälle  als  völlig  gesichert  anerkennen. 


Llthop&dion,  welche«  in. dem  Ovarlnlscbwangersrhaftx-Sack  (Fig.  so)  17  Jahre  elii):eB(.h1o$Bea  l&g. 

Secundäre  Abdominalschwangerschaften  sind  nicht  selten,  wie 
wir  bei  der  Krftrterung  der  verschiedenen  Arten  des  Ausganges  der  Tubarfchwanger- 
schaften  noch  zu  erwühncn  haben  werden.  Ich  zilhie  hierzu  nur  diejenigen  Fülle, 
bei  denen  das  Ei  oder  der  Fiitus  lllngore  Zeit  in  der  Bauchhuhle  verweilt  hat,  die- 
jenigen ,  bei  welchen  die  Operation  vorgenommen  wurde  im  Anschlu^s  an  die 
Katastrophe  des  L'ebertrittes  der  Frucht  und  die  Ruptur  -  oder  sogenannten 
Abort  — ,  diese  (Jebilde  in  abdomine ,  werden  unter  den  (icsichtspunkteii  dieser 
Entwicklungsphase  der  K.vtrauterinschwangerschiifi  uulzuführeu  nein. 


EXTRADTERIN-SCHWANGERSCHAfT. 


Ein  Beispiel  hierfdr  ist  Nr.  3  meiner  Liste. 

Nr.  H.  Frau  S.,  Jahre  alt,  hat  vor  15  Jahren  leicht  geboren.  Im  Wochenbett  gesand. 
Stets  regelmäHsig  menstruirt,  die  ReRoI  ist  niemals  ausgeblieben.  Vor  7  Jahrer>  eines  Tages 
ohne  wahrnehmbare  Veranlassung  Uuterleibs.sRbnierzen ,  die  nach  Anwendung  von  Blutegeln 
schwanden,  innerhalb  14  .Stunden,  ohne  dasa  Patientin  bettlägerig  wurde.  Seitdem  Verdickung 
in  der  rechten  Seite.  Da  Ende  October  1877  Behinderaug  in  der  Arbeit  dadurch  verursacht 
wird,  dringt  Patientin  auf  Entfernnng  der  fau-stgrossou  Geschwulst,  unter  welcher  der  Utems 
retrovertirt  liegt. 

Fig.  8«. 


i 


OvarialscbwanRerschaft  (Beob.  von  Mackenrodt). 

C>%-)iriaItnbe.  f  Ovarium.  ^' H' FruchtaackwHnd.    r  .^mnion-Chorion.  öVCorp.  luteum.  '>7"0stinm 

tubae.  I''  Placenta.  Fii  Kruphtrauni. 

Laparotomie  am  15.  November  1877.  Her  steinharte  Tumor  inseritt  breit  auf  dem 
Psws  mnj.  äext.  Veriäor>r"ng  d4'r  Insertion.sstelle  mit  Seidenladen.  Beide  Ovaiien  und  Tuben 
uormai.  Ungestörte  Reconvnlesitnz.  G  Wochen  später  Abgang  der  gesammtcn  Ligaturnias^e 
durch  einen  Stichcanal  der  Hauchwunde.  —  Der  Tumor  (Fig.  ä3)  bi steht  ans  den  verkalkten 
Eihäuten  und  enthält  einen  verkalkten  Küius  von  4  Monaten  mit  der  verkalkton  Placenta. 
(Zeitschr.  f.  Geb.  u.  Gyn.  1878.  III.) 

Nr.  9.  Frau  R.,  33  Jahre  alt,  bat  2mal  geboren,  zuletzt  vor  2  Jahren,  hat  im  De- 
cember  1883  nur  um  4  Tage  verspätete  Menstruation.  Seitdem  Schmerzen.  Im  Januar  1884 
regelmässige  Metises.  Im  Feliniar  angeblich  Abort. 

Laparotomie  am  11.  Marz  1884.  Es  wird  ein  Tumor  der  linktnTube,  9*5  Cm.  lang, 
5  Cm.  breit,  4  5  Cm.  dick,  enif<'rnt,  hinten  oben  eine  4  Cm.  lan^c  Ri.'-sstelle.  Die  Tube  ist 
mit  geronnenem  IMnt  gefüllt.  Uuter  der  Tube  liegt  frei  auf  dem  Peritoneum  das  Skelet  des 
5  Cm.  langen  Fötus,  Saccus  plt'iirne,  pericariiii  et  jteritonei  erhalten,  ebenso  die  Gelenk- 
verbindungen (Fig.  'i^).  Ungest<>rte  Reconvalcscenz.  (Vergl.  VIII.  internat.  Coogresa  Kopen- 
hagen 18*^4  und  Czempin.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1886,  Nr.  1^7.) 

Nr.  Frau  K.,  51  Jahre  alt.  IVpara,  zuletzt  1862.  Nach  zehnjähriger  Pause  im 
Sommer  187^  gravid.  Januar  1873  Eindsbewegungeu.  Im  Mai  Abjrang  fleiHchuhnlicher  Uasgen. 
die  ausserbtilb  des  Uterus  liegende  Fricht  wird  lebend  in  «ler  gebui tahiltlicheu  Universitäts- 
klinik diaguusticirt.  Patientin  verweigert  die  Operation,  das  Kiud  .stirbt  ab  und  Patientin 
wird  längere  Zeit  an  Peiilomtis  behandelt.  —  November  1885  bittet  Patientin  um  Befreiung 
der  in  der  letzten  Zeit  zur  l'nei  träglichkeit  gesteigerten  Schmerzen. 

Laparotomie  am  17.  November  1885.  Der  mumiticirte  Fötus  licet  frei  in  der  Bauch- 
höhle und  entspricht  in  seiner  Entwicklung  einem  reifen  Kinde.  Dannschlingen  ziehen  zwischen 
Extremitäten  und  Rumpf  hindurch.  Eisack  enthält  stinkenden  Eiter  und  Detritus,  umschlossen 
von  der  rechten  Tube.  Im  rechten  Ovarium  die  Spur  des  Corpus  luteum  veruw.  Ungestörte 
Reconvalesceiiz.  (Czempin.  Deutst  he  med.  Wocheuschr.  ISStl,  Nr.  ".^7.) 

Nr.  14.  Frau  M.  S. .  35  Jahre  alt,  Vpara,  znlc(zt  vor  "^Jahren  entbunden.  Seit 
einem  Jahre  Endometritis.  Patientin  hat  sich  für  schwanger  gehalten,  obwohl  die  Menses  nicht 
ausgeblieben  sind.  Zunahme  des  Leibes 

Laparotomie  am  20.  Oetober  188ß.  Auf  dem  tief  im  Becken  liegenden  grossen  Uterus 
liegt  der  dem  5.  Monate  eutsprecheude  Fötus,  dessen  Übertläche  mit  dem  Netze  verwachsen 


EXTRAUTERlN-SneWANGERSCHAFT. 


263 


ist.  Zwischen  seinen  Extremitäten  ziehen  sich  Darmschlingen  hindurch.  Sitz  des  Eies  in  der 
linken  Tube,  die  halbfaustgross  einen  eiterhältigeu  Brei  amschlies<5t.  Das  linke  Ovarium  be- 
steht aus  einem  Conglomerat  hydropischer  Füllikel.  Drainage  des  Douglas.  Ungestörte  Heilung. 
(Czempin,  Zeit.schr.  f.  Geb.  w.  Gyu.  XIV.) 


Fig.  23. 


Secnnd&re  AbdominalacbwaogerEchaft:  Litbopädion.  Fr.  S.  Xr.  3  meiner  Liste. 


Ueberwiegend  häuHg  ist  der  Sitz  des  Eies  in  der  Tuba.  Hier 
überwiegt  ganz  absolut  der  in  der  Ampulla  tiibae.  Von  meinen  57  Fällen 
tiibarer  Gravidität  waren  52  ampulläre,  1  interstitiell,  aber  auch  bei  den  5,  welche 
als  istb misch  angesprochen  werden  können,  sass  immer  das  Ei  halb  in  dem 
Ampullenabschnitt. 

Warum  die  isthmische  Form  so  selten  gegenüber  der  ampullären  er- 
Kcheiut,  dürfte  seine  Begründung  wohl  in  der  Enge  des  Canales,  dem  Fehlen  der 
Falten  und  der  geringen  Durchsetzung  der  Wand  mit  Gewissen  haben.  Es  er- 
scheint nicht  ausgcschlosHon.  dass  es  sich  bei  manchen  der  als  interstitiell  berich- 
teten Falle  um  Schwangerschaft  in  einem  unvolJ kommen  entwickelten  üterushorn 
gehandelt  hat. 

Die  AmpuUii  tubae  mit  dem  Wirrsal  ihrer  gefilssdurchsetzten  Falten  ist 
der  gegebene  Platz  für  den  Aufenthalt  des  Eie?,  welches  hier  sowohl  dem  Cilien- 
.strom,  al.H  dem  Motus  p^ristalticus  (?)  entrückt  ist  und  einen  entwicklungsfähigen 
Nährboden  ftndet. 


264 


EXTRAÜTERIN-SCHWANGERSCHAFT. 


Em  überraschendes  Bild  scbeiabarer  Tuboabdominalschwangerachaft  bot 
Nr.  55  meiDer  Tabelle  (Fig.  25).   Das  Ei  sass  auf  der  Fimbria  ovarica  frei 


Tabarachwangenchaft.  Skclet  dos  aiio^etretenen  Fötut  auHM>n  auf  dem  Sack.  Das  Fr&parat  habo 

ich  in  Kupeubagen  1H84  denionstrirt. 

auf,  sein  Nährboden  war  Anipullenschleimbaut.  Die  übrige  Oberfläche  des  Eie^^ 
war  in  Blutgerinnsel  gehüllt,  ohne  mit  den  benachbarten  Theilen  in  inniger  Ver- 
bindung zu  stehen. 

Fig.  25, 


Oraviditaa  tubo-abdomiiiali>i  (Nr.  55  meinir  eigenen  He<iV.nrlitunK'>n.)  cOvarium.  C/Corpua 
lateum.  Ji  Isthmii!«  tiiba«.  Ai  Aini>iilU  tubnn    if  Ha<>mutania  iiTni>iillaf>.  /'  Fimbria  ovartca. 
Kinbryo.  '     ClLinriouzotteu.  -ii«  Amnion,  t'i'  l>i?tterb]a*e. 

Fran  Z.  (Tab.  55),  'J^jahriKe  Vpara.  hat  ihr  letzte.s  Wochenbett  im  April  1891  tiber- 
»tanden,  nach  Tmonatlichcr  Luctatiou  rffrelniassip  mcnstruirt  Letzte  Kegel  am  2.  Mai  1S92.  t?cit- 
dem  bestehen  heftige  ScbnK'r/.LU  in  tb-r  recliten  ;?eite.  Patientin  i.st  aul  Wanderniere  behandelt 


EXTRAUTERI  N-SCHWANGERSCHA  FT. 


265 


wofden,  bis  «n  20.  Juni  in  meine  BehandlaDg  eintrmt.  —  Zierliche  kleine  firünette.  Leib 
nidit  auftrieben,  nfctat  dniekempllBdlieh.  Beebte  Niere  in  attii  nonuli.  Introitus  vaginae 

weit,  .^cheiiie  schlalf.  mit  tilutigem  Schleim  beduckt.  Portio  imrepelmässig,  qaergespa)ten.  Uterus 
normal  in  Grös»e,  Cunsistenz  und  Ikwexlichlceit.  fluduiuetritis  und  Erosionen.  Diu  rechten 
Adnexe  b&bnereigroas.  weich,  sehr  empfindlich;  die  rechte  Tobe  deutlich  und  in  ihrem  Ver- 
lauf \m  zu  dieser  Masse  zu  fShIen.  Adnexa  siuistr.  gesund.  Nach  der  Untersachung  an- 
dauernde Schmerzen ,  schwerer  Collaps.  Der  Dou^la^  erscheint  in  geringer  Ausdehnung  mit 
Flüssigkeit  gefüllt .  der  Tumor  rechLs  unverändert.  —  Die  bia  dahin  in  suspenso  gehaltene 
Diagnose  wird  nunmehr  auf  Gravid,  extrauterina  fubarica  dextr.  gestellt,  mit  Baptur  und 
Blaterguw  In  die  Bnnobhlihle. 

Laparotomie  am  22.  Juni  1F92.  Die  Bauchhöhle  enthält  reichlich  flüssiges  Blut,  in 
der  Tief'*  viel  altes  Blnt,  nhne  Spur  einer  Abkapslung.  Der  Tnmor  der  rechten  Adnexe  wird 
ohne  Mühe  heraus^etu.stet.  Das  im  Blutgerinnsel  eingebettete  taubeneigrusse  Ei  fällt  an  der 
Anseenfliche  des  Tumor  ab.  Dieser  besteht  ans  Ovarinm  und  dicker  Tube.  Oieselbea  w«rd«n 
Iridi  isolirt,  mit  3  Ligaturen  abgebunden  nnd  abgelSst.  INe  Adnexa  links  gesnnd  bis  auf 
einen  grossen  Follikel,  der  ein  walnusscrosses  Gerinnsel,  wie  einen  Pfropf  enthalt.  Entfernung 
der  Gerinnsel,  Ahschluss.  Das  Neiz  und  das  Peritoneum  parietale  und  viscerale  blutig  im- 
UUrt  Dauer  der  Operation  9  Minuten.  BeoonvaleaceilB  ohne  Störung.  —  Das  Präparat  be- 
steht ans  Tube  mit  zugehj>ri<;em  Ovarinm  und  ein«B  et«»  GwAcbentliokeD  Ei,  welches  xwisohea 
Fimbrienende  und  Üvarium  inserirt  gewesen  ist. 

Die  (ic.xammtgestalt  de.-<  Tumors  kommt  dadurch  zu  Stan  le,  dass  die  Tul»  post- 
homlSnnig  um  das  Ovarium  gedreht  erscheint.  Das  Ovarinm  ist  dem  Uterinende  sehr  viel 
niher  als  dem  Fimbrienende  gelagert,  ist  stark  TergrBsseri  nnd  hat  eine  rauhe ,  sum  Theil 
von  Schwarten  belegte  Oberfläche,  die  nnch  einzelne  fnllicul.ire  Erhebunt?en  zeij^t.  Auf  dem 
Durchschnitt  tiiidet  ^ich  ein  nicht  .sehr  mächtig  entwickeltes  Corpus  lutium,  dem  centralen 
Pol  des  Ovarium  ^''nähert. 

Die  Tube  ist  aiu  uterinen  Ende  nicht  verändert.  Auch  der  grösste  Theil  der  Am- 
pulle ist  normal,  riogßn  das  Fimbrienende  schwillt  die  Ampnlle  an  und  nimmt  am  Inftindi- 
bul  un  wieder  an  \  oliiineii  ab.  Das  Fimbrieneinle  n^cheint  offen.  Die  Fimbrien  sind  /niii  Theil 
unverändert,  zum  Theil  mit  Schwielen  aus  geronnenem  Blut  bedeckt.  Das  Fimbrienende  ist 
schmal  in  die  Liege  gesogen  durdi  die  IVmiHiB  «wsriea,  die  Boeh  mit  daai  Ovariam  in  T«r> 
bindnng  steht.  Die  Fitnhrin  »rarica  ist  sehr  breit  entwickelt  und  Mtgt  ein«  BttldMlföniligt 
Vertiefung,  auf  welcher  das  Ei  gesessen  hat. 

Auf  dem  Durchschnitt  erscheint  der  periphere  Theil  der  Anpulle  von  einem  Hämatom 
•rfiillt  nnd  auagedehnt,  durch  welches  sich  siüilreiche  Falten  der  ToMniehleimbant  als  schein« 
bare  Scheidewinde  hindnrebxieben.  Der  Rest  de«  Tubeneanalea  ist  normal  Schleimhaut  und 
auch  das  Flimmerepithel  erhalten.  Itie  mikniskopi.sclie  ünter.-inrhntis;  erfriobt  ,  da.s-;  in  dem 
Bindegewebskörper  der  l  imbrut  uiurua  Deciduazelleu  vorbanden  sind.  Die  Epithelien  der- 
selben sind  in  der-<elbcn  Weise  verändert .  welche  der  BeHexabbildnng  der  TabnudllalmllMlt 
•ntspricbt,  d.  h.  kleiUi  nnidliih,  mehrschichtig. 

Fine  jranz  absonderli'-lie  Form  tuboovarialer  Schwangersi'haft  ««nt wickelt 
sich  bei  dcu  Fällen  von  gugeuannter  Ovarialtuba,  bot  denen  Uvarialliublräume 
foflieiiliTein  oder  cystomatöifen  Ursprunges  mit  der  Tube  so  verwmehaen  ihid, 
duB  jene  mit  dem  Lumen  dieser  eommnnieiren.  Unter  meinen  60  FUlen  finden 
sich  5  hierLer?oh("»ri<re.  Dann  sind  zwei  MAirlic.hkeiton  bis  jetzt  constatirt.  Das 
Ei,  welches  einem  in  der  Wand  des  ovarialcu  Hohlraumes  i^eleprcnen  Follikel 
entstammt,  wird  in  diesen  entleert,  hier  ^ettehwängert  und  kommt  da  zur  Ent- 
wieklung.  Ein  Roleber  Fall  ist  der  in  Fi?.  29  abfrebildete.  Oder  das  Ei  Icommt 
aus  dem  ovariaien  Hohlraum  noefa  in  die  Tube  und  wird  bier  ge.'icbwfiogert.  Ein 
Beispiel  hiervon  ist  Fig.  26.  (Meine  eigenen  5  Fülle  sind  in  extenso  in  der  Zeit- 
schrift für  Geb.  und  Gyn.,  Bd.  XXV,  beschrieben.) 

Nr.  51.  Frau  L..  28  Jahre  alt.  seit  dem  14.  Jahre  menstmirt,  seil  9  Jahren  ver- 

heinitet ,  )i;it  'M\\'.i\  geboren,  darunter  1  Almrt  im  4-  Monat.  l>ie  letzte  Entiiindiin^:  <Tfolt;te 
vor  U  Uonaten  schwer,  aber  spontan.  Im  Wuchenbett  lange  bettlägerig,  nährte  nicht  und  ist 
seitdem  hrank.  Uenses  regehnlnsig  vom  3.  Honat  poet  partum,  nicht  ausgeblieben.  Bei  der  Aaf- 
nahme  am  'i.  Miir/.  Is9x.'  giebt  die  magere,  schwer  leidend  au-isehende  Frau  an,  da.«?."«  sie  vor 
6 — 8  Wochnn  nucb  einem  F;ill  Sehmer/.-u  iiul  beiden  Seilen  de.s  Leibe.s  bekommen.  Seit  Mitte 
Januar  besteht  ein  mäs,siger  eontinnirlieher  Hlutabgang,  .seit  Mitte  Feliruar  heftige  Schmerzen 
beim  Uriniasfen,  Verstopfang  und  ununterbrochene  Leibscbmeraen.  Schwangerschaft  wird  in 
Abrede  gestellt.  —  Der  I^eib  euthftlt  einen  bis  snr  NabelhShe  reichenden  harten  Tnmor,  der 
sich  au.s  der  rechtes  Beckenhälfte  zu  entwirkeln  scheint.  Danaben  dumjifer  Porcn^si<insschall. 
Der  Uteru.s  nicht  vergrö.ssert ,  weich  und  liegt  hinter  der  Symphyse  etwas  nach  links  ver- 
schoben an  der  grossen  harten  Masse,  welche  rechts  das  .^chi  idengewfllhe  herabdrängt.  Unti  re 
Peripherie  die.ser  Geschwulst  uneben,  anscheinend  fest  im  Becken  verwachsen,  ijcheide  schlaff, 
nicht  aufgelockert,  blas^.  Die  linken  Adnexe  werden  nicht  mit  Deutlichkeit  dnrchgeflhlt. 


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266 


EXTRA  UTERIN-SCHWANGERSCHAFT. 


Brüste  schlaff,  ohne  Milch.  Allgemfinhefinden  sehlecht,  gering«,  aber  gleiche  Temperatur- 
steigernng,  kleiner  Puls.  110.  —  Wahr.<(cheinlichkeitsdiagDOse :  Cystoma  ovarii  dextra  mit 
BIntergnss  im  Anschlas8  an  den  Fall  vor  2  Monaten. 

Laparotomie  am  h.  Mdrz  1892.  Die  Bauchhöhle  ist  mit  altem  Blut  angefüllt,  neben 
altem  frisches  Gerinnsel,  freies  Blut.  Der  grosse  Tumor  ist  mit  Därmen,  Uterus  und  Becken 
innig  verwachsen ,  die  ßcrstnng  ist  dicht  über  dem  Boden  des  Douglas  erfolgt.  Sehr  schwie- 
rige Auslösung  der  Geschwulst,  die  ganze  Beckenhöhlc  ist  wund  und  zerfetzt  Aua  der  Wund- 
tiärhe  un*l  auf  der  hinteren  Flache  des  Ligntnentum  lutuni  blutet  es  wie  aus  einem  Schwamm. 
Ausgiebige  Matratzennaht ,  nachdem  der  Tumor  mit  einem  grossen  Theil  des  Ligamentum 
unterbanden  und  abgetragen  ist.  Die  linken  Adnexe  normal,  Ausräumung  der  Blatgerinnsel 
soweit  als  thunlich.  Dauer  der  Operation  27  Minuten.  —  Patientin  erholt  sich  alsbald  nach 
der  Operation  derart .  dass  von  der  verordneten  Kochsalzinfnsion  Ab8tan<l  genommen  wird. 
6  Stunden  post  operationem  plötzlich  Dy.spnoe,  Tod.  Bei  der  Scotinn  werden  circa  200  Grni. 
frisches  Blut  in  der  Beckenhohlo  gr'funden .  ohne  dass  eine  bestimmte  (Quelle  erkennbar.  Na- 
mentlich ist  der  Sitz  der  Gesehwulst  und  die  Beckenhöhlenwand  überall  sicher  versorgt.  Ex- 
treme Anämie. 

Fig.  ^6. 


Ovarialtiibe.  Grav.  tubarira.  (Fr.  Lyr.  Xr.  51.) 

"ut  Ostium  uterinum  tubae.  oia  Ostium  abdomin.  tubae.  Co  Cyatis  ovarii.  O  Ovarium. 

Corp.  luteum.  .Sc*  ijcbu-aiigera'-bufte!<ack. 

Das  Präparat  besteht  aus  zwei  deutlich  dilferenzirbaren  Massen,  einem  kleinen,  an 
dem  dicken  nterincn  Tubenende  erkennbaren,  der  Tube  angehörigen,  und  einem  etwa  2  faust- 
gruiisen,  in  deren  Wand  das  Ovarium  sich  befindet.  Beide  gehen  ineinander  auf.  Die  Tube  ist 
in  dem  uterinen  und  inthmischen  Theil  normal.  Schleimhaut  mit  Epithel  bedeckt.  Dann  .schwillt 
die  Tube  zu  reichlich  Walnussgrösse  an.  Hier  liegt  der  Eisaek ,  ganz  mit  Blut  durchsetzt, 
mit  der  verdünnten  Tubenwaml  durch  derbe  Gerinnsel  innig  verßlzt.  Ein  Fötus  nicht  nach- 
weisbar. Nach  Abspüluns;  der  Gerinnsel  von  der  Tubenwand  wird  das  klaffende  periphere 
Eude  der  Tube  freigelegt.  Durch  diesen  kleintinj^erdicken  Theil  der  Tobe  dringt  die  Sonde  in 
den  grossicn  Sack  ,  der  der  Ma-sse  «los  Ovarium  angebort.  Die  Oeffnung  tritt  wie  ein  Höcker 
auf  der  inneren  Oberfläche  der  Höhle  hervor  und  die  Fimbrien  scheinen  in  der  Wand  des 
Sackes  aufzugehen.  Aus  dem  Ostium  ubilottiinule  hängt  ein  Gerinnsel  in  den  Sack  hinein. 
Diese  mannsfanst<rrosse  Hfihle  ist  ganz  mit  Blut  gefiillt,  ilas  geronnen  der  Wand  lose  anhaftet. 
Entsprechend  dem  Ovarium,  w»^lches  sich  auf  der  im  Uebrigen  rauhen  zerfetzten  Obertiäche 
des  Sackes  abhebt,  tritt  auf  der  Innenfläche  ein  Wulst  hervor,  etwa  4  Cm.  von  dem  Ostium 
tubae  afM/ominale  entfernt :  dassellje  enthalt  ein  hasclnussgrosses  Corpus  luteum,  das  aber  nicht 
nachweisbar  mit  der  Höhle  eommanicirt.  Das  Ovarium  ist  im  Uebrigen  nicht  wesentlich  ver- 


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EXTRAUTEKIN-SCHWANGER.SCHAFT. 


267 


grdnert,  von  kleiiMD  Follikeln  darchaeist.  Die  Oberflitobe  des  Ovarinaw  gtlit  in  di«  Cysta 
•nf.  Die  Wand  ist  ührixens  derartig  mit  Blnt  dnretasettt,  dasa  eine  weitere  DiffereminiBf  der 

^ackwandunpen  nicht  in'i!:lii  li  ist.  —  Diaiimse:  Orarinltuba  dejrtt  n,  Crrnriil .  tuhm  ica  ampuUarin 
(ifxtrn,  hehriotncitis  VI.  Hliitnng  im  Kisack  nij<J  in  dem  grossen  cystiscben  Raum  ile«  Ovarinm. 
Kesorptiiin  dt  s  Fötus.  Ruptur  des  cystischen  Ovarialcaekea  durch  das  naebtrftgliek  «fgwaiw 
Blot,  vielleicht  im  An^cliliiss  an  fincn  Fall.  •) 

Zu  den  ^^anz  atypischcu  Füllen  rlcr  Eiinsertion,  welche  KüEBERLK  beob- 
achtete (primäre  HauchböbleaschwaDgersebatt  nach  Amputatio  lUeri  inyomatOBi) 
und  welehe  von  MOllkb  alt  Bntwickluag  in  einem  Brndisaek  (Allgem.  Wiener 
med.  Zcit-:clir.  1862.  Nr.  2!»)  beschrieben  sind,  kann  ich  einen  neuen  hinzufügen, 
den  mir  der  behandelnde  Arzt  Dr.  WK.VDLKEt  zur  VerfilfTunjEr  «teilt.  Kr  hat  naoh 
Ejcstirjjatio  uteri  vaginalis  wegen  Carcinoin  Schwangerschaft  iu  dem  Tubenende 
beobaehtet,  welche  in  das  SeheidengewMbe  eingenftht  war  nnd  regelmisup  eine 
Art  von  Menstruation  gezeigt  hatte.  Nach  zweimaligem  Ausbleiben  der  Regel 
erfolgte  Abort.  Wkndi.er  entfernte  daa  £t  ans  dem  erweiterten  nterineu  Tuben- 
ende. Patientin  genas. 

Entgegen  der  Annahme  einer  flberwicgenden  Disposition  der 
linken  Tube  gegen  die  rechte,  habe  ich  84mat  das  Ei  in  der  rechten  nnd 
unr  23nirtl  in  der  linken  f!:efiindcn. 

Anatomii'  den  Ris.icko'^  bei  cctopiseher  Kl  Insertion. 
Wir  wissen,  du>.s  die  Einbettung  dcH  Eies  alsbald  zur  ßildung  einer  D ecidua 
tuhae  fohrt.  Das  Ei  senkt  sieh  swisehen  Tvbensehleimhaatfalten ,  diese 
noiscbliesscn  (s.  Sofort  erscheinen  diese  Falten  verdickt,  et  tritt  in  ihnen 
eine  massenhafte  (Jt'liissiiciibilduüp"  auf.  Die  Faltencapillaren  erweitern  sieh,  sie 
werden  zu  den  intcrvillöseu  Hltumen,  welche  die  in  die  Obertläube  eindringenden 
Zotten  nmspflien.  Bemerkenswerth  Ist  ihre  im  Vergldeh  zu  den  analogen  nterinen 
Verhlltui.s.sen  uureirelmSssifre  Füldunjc.  .\n  der  dem  Ei  zuf?ewandten  Seite  der 
Falten  wird  d.i<  ♦•itiscliichti;.'-^  Epithel  vielschichtijr.  die  Zellen  erscheinen  vi'rjfinirt, 
abgerundet.  Die  Kerne  werden  grösser,  zeigen  Furchnn^^aproeesso  An  der  dem 
Ei  abgewandten  Seite  bleiben  die  Faltenepithelien  einschichtig  erhalten  und  sind 
plattgedrOekt.  Nicht  selten  siebt  man  mehrere  Falten  anfeinandergedniekt,  so  dass 
scheinbar  mehrfache  .Membranta<fen  entstehen.  Fig.  27  zeigt  ein  solches  Bild  ans 
dem  Präparat  Nr.  51)  mein«  r  Tabelle. 

Die  dem  Ei  anliegenden  Epithelmassen  nehmen  zum  Theil  die  Zotten  auf, 
sie  stellen  die  Deeidua  reflexa  dar.  Eine  völlige  Umsehlieesnng  des  Eies 
scheint  im  (Jegensatz  zur  uterineu  Kefiluxa  nicht  zu  Stande  zu  konnten.  Der  der 
Haftstelle  abgewandte  Theil  bleibt  nnbedeokt.  Das  Faltenende  umsftumt  das  wach- 
sende £i  wie  ein  hoher  Wall. 

Die  bindegewebige  Masse  der  Falten  nimmt,  wie  man  nach 
einigen  Präparaten  vermuthen  mois,  erst  später  an  der  Wucherung  Theil,  so  dass 
die  Provenienz  der  I^i  iMdnazellen  selbst  nooh  fraglich  erscheint. 

Im  prägnanten  tiefrensiiz  zu  der  nterinen  Deeidua  erfolgt  die  Hildnng 
der  tnbsren  nur  im  Bereich  der  Churionzotten.  Ein  weiterer  Unterschied  besteht 
darin,  dass  sie  sieh  herdweise,  in  Gestalt  lose  snaammenbiagendor  ZellhaafiDn,  ent> 
wickeln  und  eine  snsammenhSngondo  Membran  anscheinend  nicht  zu  Stande  kommt. 
I.*!t  es  erst  zn  einer  Entwiekhin?  einer  frit;ilen  IMaeenfa  ^rekommen,  .«o  zeigt  diese, 
soweit  sie  bi.s  jetzt  bekannt,  keine  wesentliche  Verschiedenheit  von  der  uterinen. 

Die  Mnsoulatnr  der  Tnbenwand  verludert  sich  am  deutlichsten, 
ja  oft  überhaupt  nur  an  der  Stelle  der  Eiinsertion.  Während  die  uterino  Muscu- 
latur  wticbert .  pm^rressiv  sieh  entwickelt ,  wird  die  in  dem  betrelTenden  Tuben- 
abschnitt  zu  einer  fuoctiunsunfäbigen  tiewebslago.  Viele  MuekelbUodel  atruphirea 
unter  dem  Dmek  des  wadisenden  Eies,  asdere  werden  auselnandeigedringt.  Die 
Kerne  erseheinen  tinetionsnnfilhig,  ihr  bindegewebiger  Sttttzapparat  unentwickelt. 

*)  Einen  »linlicben  Fall  litt  J.  Veit  beobachtet,  vergl.  Schiffer,  Zeitsehr.  f.  0«b. 

n.  r.yn.  XVII.  pnp.  l!'..  Hirr  iifsf.ind  die  ('ommunicatioB  der  schwangsren  Tsbe  mit  dem  Corptit 

luttitni  ceniiH,  in  welches  die  Zotten  eintauchen. 


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268 


EXTRA  ÜTERIN-SCHWANGEBSCHAFT. 


Vielfach  Hnden  sich  Spuren  frischer  capillarer  Blutuagen  in  Form  von 
Pigmentscbollen,  auch  bei  intact  herausgenommenen  Tubenpräparaten.  Das  Peritoneum 
der  Tube  ist  zuweilen  nur  wenig  verändert ,  zuweilen  in  einem  Wucherunga- 
zustaod,  der  sieb  in  Mebrscbicbtigkeit  und  Volumzunabme  der  Zellen  ausspricht. 
Diese  Reizerscheinungen  treten  ähnlieh  wie  bei  allen  sonstigen  peritonealen  Ver* 
Änderungen  hervor. 

Im  Gegensatz  zu  diesen  Veränderungen  am  Sitz  des  Kies  finden  sich  in 
den  übrigen  Abschnitten  der  schwangeren  Tube  nur  unwesent- 
liche Spuren  bei  der  tubaren  Kiinsertion.  Selbst  die  in  der  Tube  dem 
Ei  gegenüber  liegende  Wand  kann  fast  intact  sein,  abgesehen  von  den  Wirkungen 
des  Druckes  des  wachsenden  Eies.  Jedenfalls  nimmt  das  uterine  Ende  viel  weniger 

Fig.  27. 


ImtcliHi  hiiitt  durcL  die  Wand  der  Tuba  Lei  Eiinnertion  in  der  Tuba. 
1  Sei'Oi'a  uud  Muscularis  der  Tubeuuand.  //  Zu^amiiuiiigedrurkte  Falten.  Iii  Chüriou.  />'  Blut- 

ergu»«  im  Ki. 

als  das  abdominale  daran  Thcil.  Nur  das  Fiml)rienende  ist  fast  immer  stark 
aufgelockert,  hypertrophisch.  .Stets  bleibt  die  Tubonwand  als  solche,  wenn  auch 
nur  als  eine  diiuue  Membran  nachweisbar,  talls  sie  nicht  durch  Ruptur  ge- 
sprengt wird  bei  der  Endkatastrophe. 

l>ie  .\urtbuchtung  der  Wand  findet  sich  /.uweilon  in  der  Form  eines 
Divertikels,  das  .sich  ebenso  si-hrolV  an  der  Wand  von  seiner  Umgebung  absetzt, 
wie  die  Deeiduabildung  in  der  Schleimhaut. 


£XTßAUT£RIN-SCHWAN6£RäCUAFT. 


289 


Nicht  immer  gelingt  es,  das  FUmmerepithel  in  der  fihri;2^L'n  Tube  nach- 
zuweiaen;  dasselbe  geht  sicher  oft  bei  dem  weiteren  Verlauf  zu  Grunde,  wenn 
es  nicht  schon  durch  frühere  Erkrankungen  zerstört  gewesen  ist.  Auch  der  Inhalt 
der  Tobe  abseits  des  Eies  kann  dn  pathologiseher  TereiiiMlt  sah  ioh  hydro- 
irfsehen  Tnbeninlialt,  Eitra  und  Bliitaii8aiDiDlmnge&. 

Die  Gestalt veränderttOg  des  mit  dem  wachsenden  Ei  beladenen 
Ovidnct  h&ugt  in  erster  Linie  von  der  Art  der  Eiinsertion  ab.  Ist  die  Ampulle  der 
Sitz  des  Eies,  so  i^chwillt  dieselbe  kolbig  an.  Der  Theil  der  Wand,  welcher  das 
Ei  trAgt,  wird  verdiolEt  darob  die  Entwfeklnsg  an  der  Stelle  der  Serotina.  Ist 
das  Lig.  latum,  welches  als  Mesosalpinx  dient,  normal,  so  dient  es  zu  einer  Art 
von  StielhiIdiiTi2:  und  gestattet  dem  Tumor  eine  Beweglichkeit,  welche  ib^m  der 
nicht  verwachsenen  Ovarialtumoren  gleicht.  Vorbestandene  parametritische  IsarbeD 
behindern  eine  eolehe  freie  Entwiekinng.  Dabei  wird  der  Tumor  in  das  Becken 
hineingeaogen  und  krümmt  sieb  postliomartig  um  die  durch  das  straffe  Lig.  ovant 
festgelegte  Keimdrüse.  Dann  enthält  der  Wiiclifruii(,'sreiz  in  der  peritonealen 
Hölle  und  der  Druck  de^  wachsenden  Tumors  die  für  diese  ebenso  wie  für  die 
gestielten  SehwangcrKehultcn  uötbige  Vurbediugung  zu  peritonealen  Verlötbungen, 
anmal  wenn  es  absataw^e  an  an&ngs  nnerhebliehen  Blutungen  kommt. 

Bei  weiterer  Bntwieklnng  der  Sohwangersehaft  kommt  es 

zu  Abknickung  des  Lumen,  Verlängerung  des  Canales,  Drehung  und 
Schlängelung  des  ganzen  Eileiters.  Das  Fimbrienende  bleibt  in  der  Kegel 
geötfnet,  wenn  auch  das  Ustium  durch  den  Druck  des  wachsenden  Eies  zusammen- 
gesohoben,  durch  Apposition  an  die  niehstgelegene  Wand  des  Beekens  Teriegt 
erscheint.  Dadurch  erkbirt  sich  dw  so  häufige  Befund  von  Blutung  aus  dem 
Ostium  und  Atiatritt  des  Eii!s.  respective  dos  Fötus.  Vorlöthung  des  Ostiums 
durfte,  wo  sie  sich  findet,  ein  KUckbiidungsvorgang  nach  dem  Tode  des  Eies 
sein  und  im  Anseblnss  von  Blutungen  an  Stande  kommeo. 

Ein  einziges  Beispiel  für  die  DisloeationsIMi^keit  der  ampnllftr  gesehwftn- 

gerten  Tube  bildet  folgendes  Beispiel  von  nahezu  Smaliger  Stiettorsion 

des  Eisaekes  mit  dem  daran  haftenden  Ovarium. 

Nr.  57-  Kr.  Gr.  kam  am  16.  Januar  1R(>3  in  meine  Behandlung.  Die  31j&hrige 
Patientin  giebt  an,  seil  Jahren  Schmeraen  in  der  linken  Seite  gehabt  zn  haben.  Sie  bat  in 
lijährigrr  Ehe  ömal  frehoren,  zuletzt  limal  vorzeitig.  Sie  will  bis  auf  Leibschmerzen,  deren 
UrMche  dankel  ist,  stets  gesund  gewesen  sein.  Die  Schmerzen  haben  seit  'Z  Wochen  derart 
das«  Patientin  arbeitaimfilliif;  ist.  Die  Menses  sind  aageblioli  refSlittiasig  gewesen, 
zuletzt  s  Ta>;e  vor  der  Operation.  Ab);an<r  von  Coafriiiis  oder  menibranAseu  Fetzen  ist  von 
der  intelligenten  Patientin  nicht  beol>achtet  wurden.  Nach  anderweiter  erfolgloser  Behandtang 
dringtcn  die  SchmerMII  sar  OpSnliOB,  als  deren  Qoelle  die  Oeschwnlst  vom  Hansarzte  und 
von  der  Patientin  aogsqirodMa  «erden  wsi.  Bei  der  Aofnahme  eischien  Patientin  in  kobem 
Grade  dnrch  die  SelinenMn  ertebSpft.  In  der  linken  Beckenrofte  lag  die  nabesn  sweifsnst' 
Ijro.^se  Ge.schwulst,  deren  Berührung  in  liohem  Grade  empfind  lieh  war.  Der  Uti-rus  hatte  etwa.s 
mehr  als  normales  Volumen,  lag  unbeweglich  rechts  von  dem  Tumor  an  die  Beckenwand  ge- 
drängt, die  reebten  Adnexe  erschienen  normal. 

Ivaparntoüii.-  am  IT.Jannar  1^!»3.  Hei  Eröffnung  des  Leibes  erscheint  das  FeritoaeUD, 
das  Netz  und  dii-  l»:iri:ie  blutig  imbibirl.  Blutiger  Ascites  in  grosser  Menge. 

Die  Ge  >  l.wuLst  tüllt  die  linke  Beckenhälfle.  Sie  ist  allseitig  mit  Darmscblingen, 
Utams,  Beckenwand,  hinteren  Flüche  des  Ligamentum  latum  innig  verklebt.  Bei  der  Lösaag 
dieiMr  Verwaebanogen  triit  die  raube,  brenn  nnd  blansdiWJirx  geAtbte  OberUlebe  der  Masse 
hervor.  l)ie  Ge><chwulst  i-t  '.^mal  fest  nm  ihr<n  Stiel  gednht,  dieser  ist  dadurch  za  einem 
testen  Knoten  geworden,  der  dem  LigamentHtn  latum  innig  aufsitzt.  Das  Ligamentum  selbst 
ist  blatig  nnterlanfen,  ndematös  verdickt.  Die  Unterbindung  muss  in  dem  Knoten  selbst  vor- 
genommen wenlen,  da  der  Versuch,  denselben  dnrch  Zurückdrehen  der  Masse  aufzulösen,  durch 
die  Brächigkeit  de»  Gewebes  bedenklieh  wird.  Der  torqnirte  Stiel  wird  durchstochen ,  mit 
dneai  Faden  doppelt  unterbunden.  Die  Ablosui  -:  erfolirt  diclit  an  i!i  r  ( hwul.st, 

Die  Bühle,  aus  welcher  die  Geschwulst  ausgelost  worden  ist,  zeigt  starre,  blutig 
inflltrirte  Wandungen.  Der  betrelTande  Tbeil  der  ObeHlftehe  des  Uten»,  die  der  Oesebwnlst 
anliegenden  Absßhnittß  der  Darmwand,  be.-nndcrs  vom  Rectum,  das  hintere  Blatt  des  Lif/amrntum 
latum  sind  dnrch  fibr<>so  blutige  .><  hwielen  bedockt,  an  denen  Fetzen  der  Geschwulst  ober- 
fUehliöh  haften,  die  dadurch  entst mdene  starrwandige  Htthle  blutet  nieht.  Die  Wandungen 
Verden  erat  durch  die  nachdrangenden  Därme  lusammengeBcheben. 


EXTRAÜTERINSCHWANGERSCHAFT. 


Rechte  Adnexe  f^sand.  Abschlns^.  12  Hinuten. 

Das  Präparat  (Fig.  28  und  29)  besteht  aus  den  linken  Adnexen  und  stellt  einen 
13  Cm.  langen  nnd  H  Cm.  breiten  ländlichen  Tumor  dar.  Tuben  und  Ovarien  .sind  stark  blutig 
imbibirt ,  die  Tube  i.st  S-förmig  gegc-hlangelt  (wie  eine  Bauernpfeife),  stark  ausgedehnt.  Das 
Fimbrienende  ist  nicht  atretisch ,  die  Fimbrien  .«ind  ungewöhnlich  lang ,  massig  nnd  breiten 
sich  strahlig  auf  der  Aussenseite  der  Geschwulst  ans.  Im  AmpnIIentheil  ist  die  Tube  etwa 
gän seoi gross ,  darin  liegt  ein  reichlich  hühnen-igroFser  Eisack.  Die  derben  Eihüllen  sind 
ringsum  der  Innenwand  der  Tube  innig  angopasst,  ohne  mit  ihr  verlöthet  zu  sein.  Bei  dem 
central  gerichteten  Theile  d»;3  Eies  sitzt  die  etwa  fünfmarkstttckgrosse  entwickelte  Placenta, 
Btark  mit  Blut  durchsetzt,  ebenso  wie  die  ganze  Wand  der  Tube  den  Kisark  enthält. 

Der  Inhalt  besteht  aus  ein(T  blutigen  Uasse :  Detritus,  unveränderte  Blutkörperchen. 
Fetttrijpfchen,  Cbolestearin-Blutkry.stalle. 

Von  einem  Fötus  ist  keine  i>pur  aufzufinden. 

An  der  medianen  ii^eite  des  Eisackes  liegt  ein  dickes  Blutgerinnsel,  in  welchem  die 
riaceota  zu  diffeienziiea  ist. 


Fig,  28. 


Tubamchwaugertcbaft.  Stieltorsion.  (Nr.  AT,  Fr.  Hr.; 


Fig.  29. 


£i  gefüllt  mit  Detritus.  UafUialoiua  füll,  ovaiii. 

Durcb»<chnitt  durrh  Präparat  Figur  SS. 


Das  uterine  Ende  der  Tube  ist  ebenfalN  kolbig  verdi«  kt ;  es  enthält  festgeronnenes 
Blut.  Die  Tubenwand  ist  überall  dünn,  die  Mn.-eulatHr  hochgradig  {.'fschrumpft ,  die  Muskel- 
faserzoll  kerne  tinctionsunfähig.  Das  Ovarium.  das  mit  il^-r  TuImj  lest  und  in  schwer  nachweis- 
barer Grenzlinie  verwachsen  ist,  ist  huiin*'nMi?ro«s.  entlialt  ein  Uuiniituni,  dessen  Abgrenzung 
von  dem  eigentlichen  Ovarialgcwebe  zunärhst  nicht  i;«'lingt.  Das  (iauze  ebenso  wie  bei  tor- 
fjuirten  Ovarien  mit  Blut  durch.setzt,  ungeei^uet  lur  Jede  (einem  mikroskopische  Durchsuchung. 


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EXTRArTERIN-SCHWANGERSCHAFT. 


271 


Verhältnissmäflsi;;  selten  lunter  meinen  57  F;tllen  tubarer  Schwanger- 
schaft llnial)  ist  der  dem  L  i  (j  a  m  e  ntu  m  latuvi  zugewandte  Theil  der  Tube 
der  Sitz  des  Kies.  Dann  kann  es  zu  einer  Divertikelbildunf^  zwischen  die  Blätter 
des  Liyameut'tin  latum  kummen.  Die  lockeren  MaHclienräume  können  sich  bis  in 
den  Beckenboden  hinein  unter  dem  Peritoneum  entfalten  ,  so  dass  sie  ein  reifes 
Ei  extraperitoneal  aufzunehmen  vermögen.  Das  Ovarium  kommt  bei  die«en  intra- 
ligamentaren  Schwangerschaften  abseits  zu  liegen;  mehrfach  habe  ich  es  auf 
dem  Apex  der  Geschwulst,  einmal  sogar  auf  der  vorderen  Fläche  derselben 
angetrofien. 

Dieselben  Veränderungen  wie  anderweit  in  der  Tube  finden  sich  bei  der 
Kiinsertion  in  dem  interstitiellen  Theile  der  Tube,  der  tubouterinen 
Form  und  bei  der  im  rudimentär  entwickelten  Uterushnrn.  Diese  werden  nach 
C.  Rüüe's  Beobachtung  dadurch  di'fferentiell  charakterisirt ,  dass  bei  der  inter- 
stitiellen Schwangerschaft  dir  Fmulnft  uteri  nach  der  anderen  Seite  hinUber- 
gedrängt  wird  und  nahezu  senkrecht  zu  stehen  kommt,  während  bei  Schwanger- 
schaft im  rudinientären  Nebeuhorn  dieses  seitlich  abgebogen  ist  und  durch  die 
von  seiner  Spitze  abgehende  Tube  kenntlich  bleibt. 


FIr.  30  A. 

G 


G 


Sfofache  Vcrgrisgvriinj;.  I>e(itluii  uteri       Gravid,  tubaria. 
fve.  T>t'rjduHzellen  l>  Ürüsen.  «  Qefiis^e. 

Eigeuthümlieh  genug  nehmen  sich  die  F.llle  interstitieller  Schwanger- 
schaft aus ,  bei  denen  sich  das  warbsende  Ei  aus  der  Tube  auf  dem  normalen 
Wege  nach  dem  Cnvum  uteri  hin  entwickelt.  Kommt  es  dabei,  wie  z.  B.  in  dem 
Fall  von  Bachk-Emmkt  '^j,  schliesslich  zu  einer  secundären  intrauteriueu  Gravidität 
mit  physiologischer  Ausstossung  j>er  vias  naturaU^,  so  stellt  sieh  darin  unbedingt 
der  überraschendste  Ausweg  aus  den  Schwierigkeiten  eetopischer  In.sertion  dar. 

Die  Anatomie  des  Frncht.sJickes  bei  Ovarialschwangerschaft  ist  bis  jetzt 
nur  darin  festgestellt ,  dass  wir  in  seiner  Wand  die  Spuren  ovariellen  (Jewebes, 
Follikel,  PFLüGF.u'sche  Sebliiuche,  korkzicherartig  gewundene  Gefässe  finden ,  die 
Aussenfläche  wird  von  mehrfach  geschichteter  Albuginea  gebildet.  Die  Innenfläche 
zeigt  eine  Art  von  Deciduabildung.  Grosse  geschichtete  Deciduazellen  mit  gewaltig 
entwickelten  Geffi^isen.  ohne  da.^s  wenig.stens  in  den  beiden  mir  zugänglichen 
Fällen  eine  Serotinabildung  zu  unterscheiden  war.  Der  Fruchtsack  war  mit  Blut 
gefüllt,  die  Wandung  durch  den  Inhalt  zum  Theil  zertrümmert.  In  meinem  Fall 
(Nr.  40)  war  das  zum  Lithopädion  umgebildete  Kind  1 1>  Jahre  in  dem  Sack 
getragen  worden. 


272 


EXTRAÜTERIN-SCHWANGERSCHAFT. 


Die  Fälle  von  primärer  Abdominalschwanperschaft  erscheinen,  wie  ich 
schon  vorhin  andeutete,  immer  so  problematisch ,  dass  ich  hier  darauf  verzichte, 
des  Näheren  die  nicht  einwandfreien  Befunde  der  Autoren  zu  kritisiren. 

Unter  den  hinreichend  bekannten  Veränderungen  in  den  tlbrigen  Becken- 
eingeweiden und  im  übrigen  Körper,  welche  die  ectopische  Insertion  begleiten,  bean- 
spruchen diejenigen  im  Uterus  unser  besonderes  Interesse.  Der  Uterus  erscheint 
durchfeuchtet,  sein  Volumen  nimmt  zu,  wie  E.  Frankel  (Berliner  Klinik,  1890) 
mit  Becht  betont  hat,  in  der  Form  einer  allgemeinen  Hypertrophie,  im  Gegensats 
zu  dem  prävalirenden  Wachsthum  des  Corpus  bei  intrauteriner  Schwangerschaft. 
Die  Entwicklung  der  uterinen  Dccidua  hat  für  uns  einen  eigenen  Werth ,  weil 
ihr  nach  Wydek's     Ausführungen  eine  so  hohe  Bedeutung  fUr  die  Diagnose  der 


Fig.  30 


Dfe.  Decidaazt-Ilfn.    O  Oerdmo.    P  DrÜBPn. 


ectopischen  Schwangerschaft   beigelegt  werden  muss.    Sicher  erscheint,   dass  die 

Entwicklung  der  sympathischen  uterineu  Decidua  constant  ist.  Oft  geht  aber  diese 

Umbildung  nicht  mit  der  Kegehnilssigkeit  vor  sich ,   wie  man   nach   den  vielen 

Abbildungen  der  Prüparale  schlieaseu  möchte,   welche  al»  vollkommener  AuRguss 

des  Cavum  zur  Untersuchung  gekommen  sind.   Ich  selbst  habe  erst  in  dem  oben 

pag.  257  berichteten  Fall  58  meiner  eigenen  Beobachtungsreihe  ein  solches  Exemplar 

einer  zuKammenhängenden  Dccidua  zur  Untersuchung  bekommen. 

Das  rra|iarat,  das  aus  dem  Uterus  au^ppstosson  nnd  von  der  Fran  mitgebracht 
wurde,  ist  nur  s<hwach  lilntip  p»*farl)t.  Ks  Iteseht  aus  zwei  nicht  znsammeiihäneendun .  etwa 
pleich  grossen  Membran  fetzen,  die  zusammen  etwa  die  (inisse  eines  Handt-Ilers  haben.  Sie 
haben  auf  der  einen  Seite  eine  wulstige,  faltenreiche,  aber  jrlanzend  ;:latte  Oberfläche,  während 
die  andere  ijeite  rauh  und  zertetzt  aussieht.    Ihre  Dicke  ist  sehr  ver.'^ch  eden ;  sie  schwankt 


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EXTBAUTERIN-SCHWANGERSCHAFT. 


273 


zwischen  Papierüicke  und  mehreren  Hillimetorn.  Gegen  das  Licht  gehalten ,  erscheinen  die 
dünnen  Stellen  braungell),  die  dicken  dunkelbraun  und  schwarz.  —  Mikroskopisch  nntersocht 
erweist  sich  das  Präparat  als  ein  Gewebe ,  dessen  Zellen  den  interstitiellen  des  Endometrium 
sehr  ähnlich  sind.  E«  findet  sich  keine  besondere  Anordnung  dieser  Sellen ,  an  manchen 
Stellen  sind  sie  dorch  kleinere  und  grössere  Gewebslücken  von  einander  getrennt.  Es  sind 
keine  Drusen  vorbanden ,  dagegen  ziemlich  viele  blutleere  Gefässe  mit  dttnnen  Wandungen. 
Die  am  makroskopischen  Präparat  wulstig,  aber  glatt  und  glänzend  erscheinende  Seite  der* 
selben  lädst  auch  mikroskopisch  einen  buchtigen,  aber  scharf  abgegrenzten  Rand  des  Gewebes 
nach  der  «inen  Seite  hin  erkennen,  ohne  dass  derselbe  etwa  mit  Epithel  überzogen  wäre.  Der 
Rand  des  Präparates  nach  der  entgegengesetzten  Seite  hin  ist  dagegen  zerfetzt  nnd  unregel- 
massig.  —  Die  Zellen,  aus  denen  das  Präparat  besteht,  befinden  sich  in  verschiedenen  Stadien 
der  Wucherung  nnd  sind  durchschnittlich  grösser  als  normale  interstitielle  Zellen  des  Endo- 
metrium, doch  erreichen  dieselben  an  keiner  Stelle  die  Grösse  der  eigentlichen  wohlgebildeten 
Deciduazellen. 


Fig.  SO  C. 


bei  selbe  Schnitt.  SOOfacbe  VerKröMeruDg. 
htc.  Begiuneude  Dociduazellenbilduug.  D  Orüsencanal. 


Die  durch  Auskratzung:  gewonnenen  Präparate  und  die  Bruchtheile, 
welche  wir  aus  dem  Ab^e^an^euen  zur  Untersuchung  bekamen ,  zeigten  häufig 
eine  fast  iiisulüre  Deciduabildung,  zwischen  mehr  oder  weniger  ausgedehnten  Ab- 
schnitten eines  lediglich  stark  gereizten  Endometrium.  Neunmal  ergab  das  Curette- 
ment  geradezu  negative  Resultate ,  während  die  Laparotomie  die  octopische 
Schwangerschaft  mit  Sicherheit  nachwies.  In  diesen  Fällen  nehme  ich  an ,  dass 
frühzeitige  Circuiationsstörungen ,  namentlich  zur  Zeit  menstrualer  Congestion, 
capiUare  Blutungen  auch  in  der  uterineu  Schleimhaut  verursachten,  und  dass  hier- 
durch schneller  Zerfall,  partielle  Abstossung  und  Regeneration  herbeigeführt  wurde. 
Der  Zeitpunkt  der  rogressiven  Metamorphose  in  der  uterinen  Decidua  deckt  sich 
bekanntlich  nicht  constant  mit  dem  bestimmter  Veränderungen  im  Fruchtsack,  so 

£ncyclop.  Jahrbücher.  III.  18 


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S>74  BXTRAUTERIN-SCHWANGER;SCUAFT. 

da'?»  wir  weder  aus  dem  Auftreten  iiteriner  Rliitunfren.  noch  aus  dem  Abganpr  der 
Decidua  auf  den  Fruchttud  oder  die  beginnende  anderweite  Störung;  in  der  Ent- 
wicklung Bcbliessen  dürfen. 

Die  BbrigeD  Vertndemngen,  welehe  die  Mtoplaehe  Sehwangenebaft  Mmuc- 
balb  des  Frnebtbalters  verursacht ,  »ind  hinrdehMid  b«luimt,  um  an  dieaer  Stelte 
einer  eingehenden  Erwfllinun;r  zu  bedürfen. 

Wir  wissen  aus  zahlreichen  Ueiäpielcu  '-'J ,  dadä  neben  der  ectopiscbeu 
Sohwnngenebftft  sich  gleichseitig  eine  intrnnteiine  entwielceln  keaii  (vergl.  Gutz- 
W'ILLER,  Ein  Fall  von  gleichzeitiger  extra-  und  intrauteriner  Gravididit.  Zntiainmen- 
stellung  und  Betrachtuii;;:  derartiger  Fälle.  Archiv  f.  (lyu.  XLIII,  pag.  223).  Dax 
Vorkommen  von  ZwilliugascbwaDgeracbafteu  in  einer  Tube  ist  durch  daa  Präparat 
von  Carl  Ruob  bewieeen.  Seit  Puich'b  Pnblieationen  sind  die  Fillo  von 
wiederholter  eetopifleher  Sebwingemng  derselben  Penron  mehrfach  Iteriehtet,  so 
nenerdinga  von  Leoi-oi.d  Mevek  (Hospital  Tidende.  1890,  Bd.  VIII,  Nr.  27, 
pag,  677  —  <)b2),  von  HoiSLEUX  auf  dem  Congress  der  deutschen  fWnilkoIotren 
18U1  und  von  MackbnuüOT  in  der  Berliner  Gesellscliatt  tilr  Ueburtsbilfe  und 
Gyn.  1892,  8.  Januar,  J.  Vbit  ebenda.  AndereneitB  liegt  kein  Gmnd  vor,  daes 
Frauen  nach  Erledigung  ihrer  ectopischen  Schwangerschaft  nicht  wieder  intra- 
uterin concipiren,  ide  solion  das  bekannte  Beispiel  de$  Falles  von  Lkqtzbll*') 
bewiesen  hat. 

Verlauf  der  ectopischen  äch wangurschaft.  Ueber  die  Au4- 
gftnge  der  eotopisehen  Entwioklong  hemebt  kaum  wne  Differeai  der  Aneehiunngen. 
So  Hehr  auch  die  Zahl  der  Beobaobtnngw  gewaobsen,  in  denen  die  Kinder  bis  zur 
vollen  Reife  gediehen  ,  immer  noch  ist  dieses  Ereigniss  versL-hwindcnd  selten 
gegenüber  der  triihzeitigen  Unterbrechung  der  ectopischen  Gravidität.  Diese  müsseu 
wir  auch  heute  noob  als  die  Regel  ansehen.  Es  privallrt  der  Eintritt  der  Ter* 
htngniesToUen  Katastrophe  in  den  ersten  drei  Monaten.  Naeh  meinen  eigenen 
Beobaebtnngen  erfolgte  sie: 

Im  1.  Monat  15m«l 

2  .    •    .        .  16 

n  jj   n 

jj^'  n   

«  ^*  «  -4 

»  _•  "   -  n 

«  *•  n   ^  » 

»  ®'  1»   ^  w 

i>  ^'  »»   _•  

~  60mal. 

In  einem  Fall  nur  wurde  bei  lebender  Frucht  eingegriffen,  2mal  waren 
(Ii«'  Kinder  bis  zum  normalen  Endtermin,  respective  darüber  hin.iu«,  getragen 
worden.  Sie  wurden  erst  12,  respective  li^  Jahre  später  durch  Laparotomie 
entwiekelt 

Was  ist  die  Ursache  dieser  Ersebeinnng?  Unzweifelbaft  kann  die  Fmeht 

bei  eetopiscber  Schwangerschaft  durch  alle  diejenigen  Processe  zum  Absterben 
gebracht  werden ,  die  wir  als  Ursache  des  Fruchttodes  bei  Schwangerschaft  in 
utero  beobachten,  wie  sie  ja  auch  andererseits  völlig  normal  sich  cntwickeiu  kann. 
Häufiger  lieg^  anseheinend  die  Ursache  der  Unterbrechung  in  einer  Störung,  wdebe 
durch  OeHisszerreiHsung  und  Blutung  an  der  Einnistungsstelle  durch  utimittelbar 
einwirkende  Traumata,  ungewöhnliche  Kräften twicklunj:,  bei  körperlicher  Arbeit, 
bei  Defäcatiou,  bei  Cobabitation ,  bei  ärztiicheu  L'uter.suebungeu  und  therapeuti- 
schen Bemflbttngen  entsteht.  Sieher  entwiekelt  sieh  die  Uuterbreehung  viel 
bftnfiger  als  u n vermeidliohe  Folge  ans  der  physiologischen 
I  n  e  (>  n  g r u e n  z  zwischen  dem  wachsenden  Ei  und  dem  Frucht 
halt  er.  Die  Folgen  dieser  locougruooz  können  sich  verschieden  gestalten.  Bis 


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EXTRADTERIN-SCHWAKOBRdCHAFT. 


275 


vor  Kurzem  oabm  mau  au,  dass  das  Et  seinen  Fruchtbalter  sprenge.  Der  Vorgang 
Mlbst  fahrte  entweder  lediglich  in  einem  Spnlt  in  dieser  Halle,  oder  das  Ei  kam 

dabei  selbst  zur  Herstung,  80  dass  der  Amnionsack  austrat,  oder  wenn  anoh 
di('fl<»r  ]);irst.  dann  Fruchtwas^ser  und  Fntu^t,  unter  mebr  oder  weniger  ausgiebiger 
Blutung  bald  in  die  freie  Bauchböble,  bald  in  ein  Nutzwerk  von  Pseudomem- 
bnuien,  oder  bei  Bergung  in  der  nnteren  Peripherie  aneh  zwisehen  die  Blitter 
des  Ligamentum  latum  gelangte.  Die  weiteren  Folgen  dieser  Kuptaren  kennen 
wir  zur  Geufl'rc,  ich  brauche  darauf  wohl  nicht  weiter  einzupehen ,  mir  einen 
Puukt  möchte  loh  an  dieser  Stelle  noch  erwähnen:  Mehrfach  besteht  die  Aunahme, 
dass  bei  intraligamentärer  Eutwiekluug  die  Gefahr  der  Kuptur  verhältuissmftssig 
gering  iet:  in  der  That  gelten  die  FflUe  intraligamentärer  fintwieklnng  alt  be- 
sonders gflnatig,  namentlich  in  dem  Sinn,  daKs  der  so  erweiterte  Fmchthalter 
anch  die  au^i^etra^ene  Frucht  aufzunehmen  im  Stande  sei. 

In  7  von  den  11  Fällen  meiner  Tabelle,  bei  denen  es  zur  intraliga- 
mentlren  ßitwieklong  gekommen  war,  ist  Abort  und  Beratung,  gerade  so  wie 
sonst  in  Folge  der  Insnffieienz  des  Fruchthalters  entstanden.  Ea  kam  zur  Ent« 
Wicklung'  ziiniiehst  extraperitonealer  ITämatome,  die  spfiter  ihrer-^eits  barsten,  80 
dass  auch  hierbei  gchliesaiieh  das  liiut  sich  unter  Durchbrechuug  der  peritoniti- 
Bchea  Schwielen  in  die  Bauchböble  ergoss,  zunächst  Himatocele,  dann  fireier 
Blttei^nss  In  die  BauehhShle  entstand.  In  einem  Fall  mnss  ieh  allerdings  be- 
kennen ,  dass  die  mehrfache  üntersucliunp  bei  Gelegenheit  einer  Demonstration 
sicher  die  l'rsache  dieses  Hers^anfres  wurde.  F.henso  wie  hier,  muss  ich  auch  t'iir 
mehrere  andere  Fülle  von  Kuptur  iu  meiuer  Liste  bekeuneu ,  dass  diese  nicht 
immer  eine  spontane  war. 

Die  Ruptur  ist  aber  Noher  nieht  der  gewöhnliche  Ausgang  tubarer 
Gravidität,  sieher  ist  der  Vorgang,  welchen  WERTH'")  als  tubareil  Abort 
bezeichnet  bat,  der  weit  häutigere.  >iach  Weeth's  Auffassung,  der  sich  besonders 
J.  Ywn  angesehlosseUf  treten  In  Folge  der  Hyperextenston  des  Fruebtbalters  Con- 
traetlonen  in  dessen  Wand  hervor,  welehe  das  Ei  nach  Analogie  des  betreffenden 
intrauterinen  Vorfranires  von  seinem  Sitze  lösen  und  durch  das  Oati'um  tnhnf 
abdomiiuih'  in  die  Hauehhöhle  befördern.  V' ElT  geht  sn  weit,  hierbei  wie  am 
Uterus  die  Bildung  einer  Art  von  Contractionsring  zu  cunstruireu,  indem  er  auf 
den  Wall  des  Oatium  abdominale  hinweist,  hinter  welehem  sieb  anseheinend  die 
Masse  des  Eies  und  du-  si«-  um-ipftleiide  Blut  anstaut,  ehe  diese  Masse  es  SU  einer 
völligen  Erweiteruuf?  des  stellvertretenden  Muttermundes  briugt.  Ieh  kann  diese  Auf- 
fassung nicht  theilüu ;  der  Vorgang  der  Entleerung  dea  Eies  durch  das  Ostium 
abdommale  ist  allerdfogs  sehr  hftnfig.  Neben  10  Fällen  sogenannter  spontaner 
Ruptur  unter  meinen  .06  sind  19  solohe  von  Abort,  wenn  wir  diesen  immerhin 
prägnanten  Ausdruck  beibehalten  wollen.  verzei<'!nu't . 

Die  Betrachtung  der  Wand  der  i'ube  bei  diesen  Fällen  lässt  mich  aber 
die  Möglichkeit  einer  nenneos werthen  Thätigkeit  der  musou- 
llren  Sehieht  in  derselben  durdians  bestreiten.  Die  Muskelfasern  sind  fnnetions* 
unfähig,  sie  sind  durch  den  Inhaltsdruck  auseinandergezerrt ,  ohne  dabei  hyper 
trophisch  zu  sein.  Im  (Jegentbeile  zeigen  sie  unverkennbar  Spuren  der  Atrophie, 
ihre  Kerne  sind  tinctiunsunfähig,  es  ist  ausgeschlossen,  dass  sie  eine  active  Rolle 
bm  diesen  Vorgängen  spielen.  Aber  ni<^t  allein  diese  eonstante  Beschaffenheit  der 
Mnscularis  spricht  nach  meiner  Ansicht  gegen  die  Werth -VBIT'sche  Erklärung. 
Auch  die  schii-ht weise  Anordnung  der  Gerinnsel,  welche  eine  appositioneile  Ent- 
wicklung erkenuen  lassen,  spricht  dagegen,  endlich  auch  die  Betrachtung,  dass, 
■dbst  naehdon  die  Ruptur  erfolgt  ist ,  doch  no^  Blut  ans  dem  natarliohen  (Mfieium 
hermnafliesst,  wie  in  dem  46.  Falle  meiner  Tabelle  (Fig.  31  und  32). 

Fran  Am.  (Nr.  •If»),  ^38  Jahre  alt,  :5m;il  gohnn  ti,  znlotzt  vor  5  Jahren,  im  Wi.rhen- 
bett  angeblich  vollkommen  gesund.  Seit  dem  l;*.  Jahn-  menstruirt,  zuletzt  vor  I  Wothen. 
Patientin  hat  seit  Jahren  an  profusem  FlttOr  gelitten,  ^^ie  giebt  an,  dii.ss  sie  vor  einem  Viertel- 
jahre bei  einer  körperlichen  Anstrencoag  ein  Geftthl  von  Berstong  im  Leibe  gehabt.  Darnach 

18* 


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276 


EXTRAUTKRIN-SCHWANG  ERSCHAFT. 


sei  sie  ohnmächtifi:  gewordeo,  seitdem  habe  sie  Sdimerzeu  iu  der  linkeu  Seite  des  Leibes,  die 
sich  allmälig  Uber  den  ganzen  Leib  ausgebreitet. 

Fig.  81. 


Gravid,  tubarica  ampnllnrie.   n  Kuptnrntelle,       ScbwaCK-rsrhaff^sack.  "  Oriflc.  tnbae 
abdominale,  n  Hämatom,  das  aus  dem  Tubencuda  herau»sieLt. 


Fig.  S2. 


t^nerscbnitt  durch  rrät<arat  Figur  31. 


1.  Deceraber  1891.   Anämische  Frau.  Leib  nicht  aufgetrielirn.   Uterus  nach  rechts 
verdrängt  durch  eine  derbe  Muss>$ ,  web  be  die  linke  Deckenhälfie  t'iillt.   Die  derbe  ConsiateuK 


EXTUAÜTERIN-SCHWANGERSCHAFT. 


277 


der  Geschn^lat  fällt  auf,  dieselbe  scheint  nabe«r«glich  verwachsen ,  in  welche  die  Tabe 
tillergebt.  Endometritif,  chronische  Erosionen. 

2.  December  1891.  Laparotomie.  Im  Curnm  peritonei  massenhafte  alte  nnd  friBche 
Gerinnsel ,  ancb  freie«  Blut.  Die  Geschwulst  gehört  der  linken  Tube  an.  Nachdem  die 
fest  adhärenten  Darmschlingen  abiereschoben,  gelingt  es,  den  Tamor  mit  dem  darunter  liegenden 
Ovarium  zu  lösen  und  mit  einer  Masse  alter  Gerinnsel,  die  sich  aus  dem  Oatium  tubae  ah- 
tiominale  t-ntleeren,  zu  entwickeln.  Versorgung  in  5  Absätzen.  Fötus  nicht  nachzuweisen.  Die 
rechten  Adnexe  werden  aus  den  ziemlich  festen  Verwachsungen  abgelöst.  Da  sie  im  Uebrigea 
normal  erscheinen,  wird  auf  ihre  weitere  Entfernung  verzichtet.  Blutung  steht,  Schloas  der 
Bauchhöhle.  OperattonsiJauer  11  Minuten.  Patientin  macht  eine  ungestörte  Reconvale-scenz  durch. 

Das  Präparat  besitzt  eine  allseitige,  verhältnissmajisig  glatte  Oberfläche.  Das  zuge- 
hörige Ovarium  fehlt,  ebenso  das  uterine  Ende  der  Tube,  welches  wie  abgerissen  erscheint. 
Gegen  den  Uterus  hin  ist  die  Tube  weit  geöffnet ,  aus  der  Oeffnnng  scheint  eine  feste  form- 
lose Gerinnselmasse.  Der  Eisack  ist  in  der  Ampulle  entwickelt  ,  deren  Wand  bis  5  Mm.  dick 
i.^t.  Die  obere  Tubenwand  ist  an  eioer  Stelle  gepUtzt,  ein  Zapfen  der  Gerinnselmasse  drängt 
sich  ans  der  Rissstelle  und  setzt  sich  in  ein  kugeliges  Gebilde  fort,  welche:;  aber  auch  nur 
ans  Blntgerinnseln  besteht.  Das  Fimbrienen  le  ist  gleichfalls  auseinandergetrieben,  durch  einen 
Zapfen  reinen  geronnenen  Blutes,  welcher  sich  aus  der  Oelfoung  vordrängt  und  mit  der  Ge- 
rinnselmas.ee  des  Eisackes  in  Verbindung  steht.  Dieser  Zapfen  ist  auch  hier  durch  uppositionells 
Gerinnung  von  Blut  entstanden  nnd  nicht  etwa  durch  Contraction  der  Tubenwaud  angepresst. 
Auf  dem  Durchschnitte  zeiitt  die  Geriniif^elmasse  der  Ampulle  die  schon  oft  beschriebene  Con- 
liguratinn,  aber  ohne  Aninionshöhle.  Massenhafte  Chorionzott«n. 


Fig.  33. 


Die  vielf.ich  berichteten  Contractionen  dea  Fruchth.ilter"?  mit  den  Schmerz- 
anOillen ,  welche  als  Symptome  der  drohenden  Berstung  oder  dea  drohenden 
Abortes  erscheinen  sollen,  k.mn  ich  nicht  als  Beweise  für  die  Thflti-^keit  der  Tuben- 
muBciilatur  gelten  lassen.  I);i3  Hitrterwerden  des  Fruchthalters  erklilre  ich  als  ein 
Symptom  der  Füllung:  desselben  durch  extravasirtes  Hlut,  die  .Schmerzen  entstehen 
in  dem  peritonealen  l'eberzuiö:. 

Der  Abort  kommt  dadurch  zu  Stande,  dass  die  zart- 
wandigen  neu  {gebildeten  Gefässe  ander  Eiinsertionsstelle,  denen 


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278 


EXTRAUTEKIN-SCHWANGEHSCHAFT. 


die  Stütze  einer  kräftig  entwickelten  Musculatur  und  eines  wirkungsfUhigen  binde« 
gowebigen  Netzwerkes  fehlt,  zerre  issen.  Selten  erfolgt  die  dadurch  veranlasste 
Blutung  alsbald  in  deletflrer  Menge.  Das  Extravasat  sorgt  zunächst  selbst  für  eine 
Blutstillung.  Genügt  die  Gefässzorreissung ,  um  die  Ernährung  des  Eies  zu  ver- 
nichten, dann  tritt  Rückbildung ,  Resorption ,  auch  Lithopädionbildung  und  damit 
eine  Art  Heilung  ein  ;  in  anderen  Fällen  wird  damit  der  Zerfall  eingeleitet.  Mehr- 
fach wird  bezweifelt,  dass  der  Fötus  in  der  Tube  zur  Resorption  gelangen  könne. 
Einen  solchen  Vorgang  müssen  wir  aber  unbedingt  annehmen ,  da  wir  so  oft 
EitrUmmer  in  einem  abgeschlossenen  Fruchtsacke  (indnu  ,  au  dem  auch  die  Spur 
der  Berstung  fehlt,  welche  z.  B.  von  Veit  gelegentlich  gesehen  worden  ist. 
Mehrere  meiner  Präparate,  am  prägnantesten  vielleicht  dus  in  Fig.  28  abgebildete, 
lassen  an  dieser  Thatsache  keinen  Zweifel  zu.  Wiichst  das  Ei  weiter,  so  treten  früher 
oder  später  neue  Blutergüsi^e  auf,  wie  solche  übrigens  auch  nach  dem  Fruchttode 
eintreten  können.  Diese  durchdringen  das  Ei,  ähnlich  wie  wir  es  bei  uterinen  Aborten 
sehen,  bis  unter  das  Amnion  (Fig.  3'A,  34,  35,  36).  Die  Blutmassjcn  drängen  sich  wie 


Fig.  84. 


blauBchwarzc  Buckel  in  die  EihOhlo  und  rcduciren  deren  Lumen  auf  ein  Minimum, 
80  dass  der  Fötus  eompriniirt  wird.  Schliesslich  durchbrechen  sie  auch  das  Ei, 
besonders  wenn  die  Blutung  in  einem  sehr  frühen  .Stadium  der  Entwicklung  zu 
Stande  kommt-  Das  Blut  reisst  das  Ei  von  seiner  llflttHiiche  ab.  oft  sieht  man 
Chorionzotten  da  und  dort  noch  festsitzen,  begegnet  man  kleinen  EibruchstUckcheo 
verstreut  in  der  Masse  des  Hämatom,  dessen  Gerinnsel  dadurch  die  compacte, 
eigenartige  derbe  Beschafl'enheit  erhalten,  die  .1.  Vkit  mit  Hecht  als  charakteristisch 
für  drts  Blutgerinnsel  bei  tubarer  Scliwangerschaft  bezeichnet  hat.  Das  Wesentliche 
aber  ist,  dass  diese  Blulmassen  mit  dem  Ei ,  respective  seinen  Trümmern  durch 
das  nachfolgend  aus  den  angeri.ssenen  Gefässen  unter  hohem  Drucke  ergossene 
Blut  in  der  Richtung  des  oÜ'enen  Jjumens  der  Tube  vorgeschoben ,  heraus- 
geschwemmt werden. 

Frau  Co.  (Taliollc  Nr.  41),  '.iS  Jahre  alt.  seit  dem  14. -lahre  menstruirt.  Nullipara. 
Letzte  Repe!  Anfangs  Mai.  ;!  Jahn'  steril  vcrheiralft.  .\in  S.Juli  Erlirechen  .  Schmerzen  im 
Leibe,  Ohumachten,  so  dass  Futieutiu  4  "Wochen  lan>:  das  Iktt  hüten  niasste.  Diese  Anfalle 
haben  siih  verschiedene  Male  wiederholt.  Mitte  .Seiitember  ist  angeblich  eine  Haut  aus  den 


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EXTRA  UTERIN-SCHWANÜERSCHAFT. 


279 


(Jenitalien  entlfiert  worden,  unter  heftigen  Schmerzen  nnd  starken  Blutnngen.  Da  Patientiu 
sich  von  den  undauemden  Schmerzen  nicht  erholte  und  zunehnif'ode  hedrohliche  Schwäche- 
znstände  eintraten,  konirot  si«  September  1891  zur  Aufnahme.  Hochgradige  Anämie,  Portio 
conisch,  Muttermund  grUbchenfürmig  eng.  Abdomen  durch  einen  mannskopfgrcssen  Tumor  aus- 
gefüllt. Vor  diesem  wird  bei  combinirter  Untersuchung  der  etwas  vergro-sserte  üterns  nachgewiesen. 

:^0.  September  1891.  Laparotomie.  Der  Leib  wird  durch  einen  ungefähr  mann»- 
kopfgrossen  Tumor  an.sgefüllt  gefunden.  Derselbe  ist  mit  dem  Netz  fa.st  allseitig  verwachsen. 
Nach  Ablösung  desselben  berstet  die  Geschwulst  und  entleert  mit  massenhaft  alten  Gerinnseln 
den  Fiitujä,  welcher  dem  4.  Monate  der  Entwicklung  entspricht  Der  Sack  wird  als  den  rechten 
Adnexen  angehörig  erkannt.  Dieselben  sind  mit  allen  Nachbarorginen  innig  verwachsen.  Ein 
Theil  musa  im  Collnm,  Me.socöcum  und  dem  unteren  End«  des  Dünndarmes  zurückgelassen 
werden,  da  seine  Liisung  ohne  Verletzung  des  Darmes  undurchführbar  er.scHeint.  Bei  dem 
weiteren  Verlaufe  der  Ablösung  ergiebt  sich,  »lass  die  (Juschwulst  zum  Theile  in  dem  Ligu- 
ntentum  Uttum  sinixtr.  geseasien  hat.  Hier  wird  sie  vollständig  ausgelöst.  Der  Defect  blutet 
stark  parenchymatös,  so  dass  die  Blutung  hier  dnrch  eine  Matratzennaht,  welche  den  Uterus 
nach  links  in  der  hinteren  Fläche  des  Uijamentum  Intuni  anfnäht,  gestillt  werden  nuLss. 
Das  rechte  (»variura  ist  vergrö.<sert,  mit  dem  Cöcnm  innig  verwachsen.  Niimentlich  legt  sich 
der  Froc.  vermiformis  derartig  über  die  Geschwulst  des  rechten  Ovariums,  da.Hs  er  mit  dieser 
Geschwulst  seii)st  entfernt  uud  «-infich  unterbunden  werden  musi.  Der  Sitz  des  Ovariums 
am  Cöcnm  wird  durch  fortlaufende  Catgutfäden  vernäht.  Die  InnenHäche  der  Bauchhöhle, 
überall  mit  den  fest  anhaftenden  Resten  der  Sackwand  bedeckt,  blntot  nicht  mehr.  Abschliiss. 
Genesung  ohne  Störung. 


Fig. 85 


Gravid.  tubaricB  ampull.  Fr.  R.  Vr.  3<<. 


Der  Tumor  ist  fast  vollkommen  rand,  von  einer  mehrblatterigeu  Schale  einge- 
Hcfalossen.  An  zwei  Stellen  sind  Netzreste  mit  dem  Tumor  in  Verbinilung.  An  einer  Stelle 
ist  der  Tumor  breit,  rupturirt  und  gewährt  hier  einen  Einblick  in  das  Innere.  Dasselbe  stellt 
eine  plattgedrückte  Huhle  dar.  deren  Wände  —  Chorion  und  Amnion  —  dnrch  darunter  ge- 
legene Blutextravasate  knollig  vorgetrieben  sind.  An  einer  Stelle  sieht  man  die  Placenta  der 
Wand  noch  anhaften  und  in  Verbindung  mit  der  15  Cm.  langen  Nabelschnur,  an  welcher  der 
gut  gebildete,  Cni.  lange  Fötus  hängt.  Auf  dem  Durchschnitte  ze  gt  sich  die  Wand  des 
Tumors  bis  4  Cm,  dick,  von  geronnenem  Blut  reichlich  durchsetz'.  Diese  Wand  grenzt  sich 
nach  Innen  durch  die  Eihnute,  nach  Aussen  dnrch  die  äu.ssere  Umhüllung  des  Tumors  ab. 

Die  äussere  Wand  i>t  von  dicken  (Jefässen  durchzogen,  sin  i<t  mehrschichtig,  die 
äussere  Schicht  lasst  sich  abschalen.  Darunter  liegt  die  innere  .Si  hicht ,  welche  mit  dem 
Tumor  innig  und  unzertrennlich  verwachsen  ist.  Die  äussere  Schicht  ist  durch  eine  lang  ge- 
sogene, ziemlich  gerade  Fissur  getrennt,  welche  der  Abtragungsstelle  vom  Liijameutum  Uttum 
entspricht.  Auf  dem  Gipfel  des  Tumors  liegt  d.is  deutlich  markirte  uSene  Fimbrien^nde  der 
Tube,  welche  sich  durch  eine  Glas.sondo  etwa  *.*  Cm.  breit  ccntralwärts  uud  auf  der  Tumor- 
fläche verlaufend,  verfolgen  lasst.  Dann  geht  sie  otlVu  in  den  Schwanger.-'chaftssack  über,  ist 
aber  nach  innen  durch  die  Gebilde  des  Eies  verschlossen.  Der  Schwangerschaftssack  ist  in 
der  Ampulle  entwickelt.   Die  .uisserstc  l'mhüUungsschichte  entsprirht  ilen  Blättern  dt-s  Lir/a- 


280 


EXTRAUTERIN-SCHWANGERSCHAFT. 


mentum  latum,  Kwischeu  welchen  das  Ei  sieb  in  der  ansgedehnteu  Tobe  entwickelt  hat.  Vom 
Uterinenende  ist  nicht«  zu  erkennen.  Da»  Ovarium  enthiUt  das  Corpus  luteum. 

Frau  B.  (Tabelle  Nr.  36).  33  Jahre  alt,  seit  dem  17.  Jahre  menstrairt,  vor  8  Jahren 
Geburt,  angeblich  normales  Pnerperinm.  Vor  6  Jahren  ein  Abort.  Patientin  ist  am  Ende  des 
Jahres  181X)  wegen  Endometritis  behandelt  worden.  Die  Schleimhaut  wurde  damals  dnrch 
Abrasio  entfernt.  Eudometriti«  chronica  interttitialig.  Darnach  Menses  regelmässig,  angeblich 
ohne  jemals  vollständig  zu  cessiren.  Jetzt  haben  sich  heftige  Schmerzen  in  der  rechten  Seite 
eingestellt.  Anäiniscbe  Blondine.  Leib  nicht  drackemptindlich.  Der  nicht  vergrösserte  Uterus 
liegt  links  hinter  der  Symphyse.  Davon  zu  differenziren  ein  grosser  Tumor,  der  die  rechte 
Beckenhälfte  nnd  den  ganzen  Doaglas  aosfälU. 

12.  Februar  1891.  Laparotomie.  Die  Goschwulst  lässt  sich  ans  ihrer  innigen  Ver- 
bindung mit  der  hinteren  Uterus  wand,  dem  Boden  des  Douglas  und  der  hinteren  Fläche  nnd 
mit  einem  grosfen  Segment  zwischen  den  Blättern  des  Lif/amenlum  latum  dext.  auslösen. 
Nach  hinten  scheint  keine  feste  Verbindung  zu  bestehen.  Schliesslich  im  letzten  Augenblicke 
berstet  die  dflnne  Hülle  und  entleert  alte  Geriansftl  und  mit  ihnen  den  kleinen  Fötus.  Der 
auf  zwei  Fan<4tgr<isse  ausgedehnte  Tumor  enthält  einen  nur  etwa  2  Cm.  grossen  Fötus  und  ist 
ganz  mit  Blut  gefüllt.  Dts  rechte  Ovarium  liegt  nsben  der  Tobe,  scheint  gesnnd,  must  alier 
zur  Stielbildung  mit  entfernt  werden.  Das  Hake  Ovarium  in  Schwielen  eingebettet  im  Uebrigen 
nicht  ver^rössnrt.  Die  linke  Tube  normal.  Dauer  der  Operation  9  Mimunn.  Geaesung  ohne  Störung. 

Flg.  3Ö. 


Gravid,  tuliarira  nmpullaris.  Haeniatomn  sacci  et  ovuli. 

Das  Präparat  (Fig,  35  u.  36)  ist  mannskopfgross,  vielfach  eingerissen.  Das  Ovarium 
i.st  erheblich  vergiüssert  ,  hat  eine  platte  Oberfläche,  ist  mit  der  unveränderten  Fimbria 
Ovarien  in  Verbindung.  Auf  dem  Dnrchschnilte  werden  Follikel,  sowie  ein  grosses  Corpiut 
luteum  gctrollen.  Am  abdominalen  Ende  der  Tube  sieht  man  die  wenig  veränderten  Fimbrien, 
weUhn  das  etwa  daumenditk  durch  einen  Coagulumzapfeu  aufgetriebene  Ostium  abdominale 
umgeben.  Der  besagte  Zapfen  besteht  aus  einer  harten  Biutgcrinn-selmasHe.  die  auf  dem  Durch- 
schnitte keinen  weiteren  organisirten  Bau  erkennen  lässt.  Dieser  Zapfen  ist  als  peripherer 
Pol  de.«!  gleichfalls  geronnenen  blutigen  Inhaltes  des  Eisackes  anzu.'<elien.  Diese  Gerinnsel- 
niasse  des  Eisacke:^  zeigt  mehr  nach  dem  Kern  zu  einen  aof  dem  Durchschnitte  organisirten, 
an  einer  Stelle  placentaartigen  Ban.  Diese  orgauisirte  Masse  Eihäute  siod  durch  eine  appo- 
sitioneile coagnlirte  Blutmiis.se  ullmälig,  durch  Wachsen  der  letzteren,  von  der  Sackwand  ab- 
gehoben worden ,  auch  die  Auftreibung  des  Ostium  abdominale  ut  auf  die  allmälige  Ver- 
gnissernng  des  Snckinhalles  durch  schubweise  Blutunpen  nnd  appositioneile  Gerinnung  des 
Blute.s  zurückzutühreu.  Auf  dem  Durchschnitte  sieht  man  im  Kern  der  (ierinnselmasse  die 
vielfach  durch  Blutergüsse  nnter  das  Amnion  zn>*ammen}:eschobene,  buchtenreiche  Amnionshöhle. 
Gegen  den  Istliums  setzt  sich  der  Eisack  sehr  schroff  ab,  es  macht  hier  die  Tobe  eine  Knickung 
nach  oben,  .sie  erscheint  in  ihrem  weiteren  Verlaufe  wenig  verändert.  Das  Lumen  ist  offen 
und  mit  der  Sonde  bis  an  den  Eisack  zu  verfolgen.  Auf  dem  Durchschnitte  erscheint  die 
Tnbenschleimhaut  normal.  .Alle  Obertiachen  des  Präparates  —  ausser  Ovarium  —  sind  fetzig, 
mit  Schwarten  und  Fädeu  bedeckt  und  zeigen  die  Spuren  inniger  intra  abdomen  entHtatdener 
Verwachsungen.    Die  Wandstarke  iles  Sackes  schwankt  zwischen  2—5  Mm. 


EXTRAUTERIN-SCHWANGERSCHAFT. 


Nur  selten  kommt  es  zu  Blutansammlun^  uterinwflrts  von  dem  Ei. 
Regelmässig  füllt  sich  das  meist  viel  kürzere  abdomin&le  Ende,  aus  dem  die 
•ntan  Eitrmvante,  die  iazwisehen  gfinmnen  sind,  in  die  BauehhOble  geaoiiobea 
werden.  Ist  das  Ostium  abdominale  mit  der  Nadibanehaft  verlöthet,  wie  z.  B. 
bei  der  Ovarialtube,  so  füllen  sich  zunächst  die  angreschloBsenen,  dadurch  gebildeten 
Rlume.  Jetzt  kann  os  durch  den  Inhaltsdrnck  zur  Blutstillunj?  und  auch  zur 
Heilung  kummen.  Aber  auch  diese  Räume  werden  gesprengt,  das  Blut  orgiesst 
aieli  in  die  freie  Baneliliffhle ,  me  in  den  Pillen,  bei  welefaeo  das  Oitium  tubae 
abdominale  frei  endigte.  Je  nach  der  Enerffie  der  Blutung,  je  nach  Sitz  und 
Grfisse  des  Eies  mnss  das  dadurch  entstehende  Bild  differiren.  Besonders  wechselt 
je  nach  diesen  Vuraussetzungen  die  passive  Rolle,  welche  der  meist  gut  markirte 
Saum  des  Ostium  selbst  dabei  spielt. 

Nach  meinen  Beobachtungen  endet  mehr  aln  ein  i)rittel  der  eetopiachen 
Sehwanfrerschaft  durch  Fruohttod ,  Blutung  in  den  Eisaek  und  Resorption;  die 
grossere  Hälfte  endet  durch  Blutung  in  den  Eisack  und  weiter  durch  Blutung 
an  dem  0»tium  ivhas  abdominal«  in  die  Bauchhöhle.  Nur  da,  wo  der  Weg 
versperrt  ist,  kommt  es  sar  Rnptnr  des  Fmehtsaekes. 

Nur  selten  führt  die  Blutung  sowohl  bei  Ruptur,  als  bei  Abort  unmittelbar 
zur  tödtlichen  Anämie.  Häufiger  entwickelt  sich  diese  aus  den  wiederholten  Nach- 
schüben der  Blutung.  Es  wäre  gewiss  verfehlt,  wuUte  man  angesichts  dieses 
letzteren  Vorkommnisses  allsn  viel  Oewieht  anf  die  gelegeotliehen  Fllle  von 
Oenesung  nach  derartigen  Blutungen  legen.  Gewiss  kOnnen  ftttob  erbebliehe  Blnt- 
ergllsse  und  mit  ihnen  ffltale  Gebilde  von  dem  IVritoneiim  völlig  resorbirt  werden. 

Wir  besitzen  in  den  ciassischen  Untersuchungen  LcOi'OL.D  ä  '^^)  dafür 
unbestrntbare  ezperimentale  Belege.  Aber  ganz  abgesehen  davon,  dass  diese 
Oenesung  in  der  Regel  ein  langwieriger  Proeess  ist,  dflrfea  wir  nicht  verkennen, 
dass  e.s  anfangs ,  selbst  nachdem  die  Gefahr  de»  Shocka  überwunden  ist ,  nicht 
zu  übersehen  ist,  ob  nicht  verhängnissvolle  Nachsehühe  drohen  iiiid  wenn  selbst 
diese  Geiahr  glücklich  vorübergeht,  inwieweit  Zerfall  und  Vereiterung  mit  Be- 
stimmtbeit  ausgesehlossen  werden  dürfen. 

Wahrscheinlich  nicht  so  selten,  als  man  bisher  annahm,  ist  der  vorzeitige 
Fruehttod  mi(  KN-sorption  des  Fßturt  un<l  dann  des  Eies.  .Meist  komtnt  es  dabei 
noch  nach  dem  i  ode  des  Fötus  zu  Blutungen.  Unter  meinen  60  Beobachtungen 
finden  sieh  14,  bei  denen  dM  Blut  nieht  aus  dem  Eäsaek  ausgetreten  ist.  Bei 
anderen,  welche  durch  gewaltsame  Eingriffe,  RepositionsmanAver  des  vermeintlieh 
retrotlectirt  liegenden  schwangeren  Uterus,  ein;ri'hf>nde  Beinflhunircn  hei  Narko^en- 
Untersuchung  zur  Feststellung  der  Diagnose  geborsteu  sind,  bei  denen  auch  das  Blut 
durch  das  Ostium  tuhae  abdominale  ausgetreten  ist,  entzieht  sich  naturgemäss  der 
BeurtheUnng,  inwieweit  hier  der  Verlauf  sieh  gestaltet  bfttte  ohne  solehe  Bingrilfe. 

Diese  Fälle  sind  zuerst  nach  einer  bestimmten  Richtung  hin  gesammelt 
von  Jacouy  2')  anf  Veranlassung  Veit's  !.  Aus  meiner  eigenen  Tabelle  könnte  ich 
eine  grössere  Reihe  hinzufügen,  in  denen  es,  wie  in  der  von  Jacoby  zusammen- 
gesucbten,  kflrzere  oder  längere  Zeit  naeh  dem  Absterben  der  Fmebt  doeh  noeh 
zu  Blutungen  und  dadurch  nachtriglich  zu  einer  Art  Katastrophe  gekommen  ist. 
Andererseits  weisen  Fülle,  wie  der  von  C.  Ri'dE  und  Er.niN';  ^^^ambei^L  und  Anderen 
darauf  hin,  dass  hierbei  dieselben  Umbildungsvorgänge  sich  hnden,  wie  bei  den 
bis  zur  vollen  Reife  getragenen. 

Ausgangsweise  der  eetopisehen  8oh wnngerschaft  Die 
vielgestaltigen  Formen  des  Ausganges  der  ad  terminum  oder  doch  nahezu 
ÄUsgetragenen  eetopisehen  Schwangerschaft  darf  ich  wohl  unerörtert 
lassen.  Die  Zahl  der  lebend  Geborenen,  das  heisst  aus  dem  extrauterineu  Eisacke 
entwickelten  Frflehte  wichst,  ohne  dass  aber  das  proeentuarlsohe  Verhiltniss  zu 
den  anderen  Ausgangsarten  sich  wesentH -Ii  verschiebt. 

Unter  mehr  als  '-'00  F.'Ulen ,  welche  die  Sammelstellen  literarischer  An- 
gaben (die  periodischen  Zeitschriften  aller  Länder,  für  Deutschland  besonders  das 


BZTBAUTBRIM-SCHWAKOBRSCHArT. 


Oentralbltttt  filr  GynAkoIogie,  die  FBOUMBL'wbeii  Jfthiesberiolite  Air  GyiUlkoIogie 
und  die  Jahraeberiehte  von  Yibchow  und  HisacB)  bk  Sude  Juli  1892  in  dem 

Zeiträume  von  1800— •  1891  ans  der  geRammten  Literatur  re^igtriren,  habe  ich 
boincn  hierhrrfrehrtrig'en  neuen  Fall  verzeichnet  gefunden.  Mehrfach  ist  die 
Diagnose  des  lebeuduu  Kindes  wohl  guatellt,  die  Eotbiuduug  aber  verzögert  worden, 
thrils  in  Folge  des  WidereUndee  der  Fnven,  theils  mit  Rflekrieht  uif  die  teeh- 
nischen  Schwierigkeiten  der  Operation  bei  lebendem  Kinde  und  intactem  Pineentar- 
kreislauf.  Litbop.1dionbildun<^ ,  Mumiiication  am  hftufigsten,  bald  lan^amer,  bald 
ecbncUer  verlaufender  Zerfall  und  Vereiterung  bilden  die  gewöhnlichen  Endresultate. 

Amb  ^  lelteoe  seenndlre  Abdonunalsehwaagersohaft,  bei  weleber  das 
intaote  Bi  oder  der  vdlUg  losgelöste  Fötus  neben  seinem  Frucht«acke  liegt,  seien 
hier  nur  erwShnt.  Im  weiteren  Verlaufe  auch  der  normal  verlaufenden  Schwanger- 
schaft fehlt  selten  eine  auf  das  lieekeu  luealisirte  Peritonitis.  Der  dem  Fruchtsacke 
anliegende  Tlieil  des  Beckeubauchfelles  rcagirt  auf  den  lieiz  desselben  mit  den 
oben  besebriebenen  Vertndeningen.  Ans  ibnen  gebt  in  der  Regel  in  den  spfttenn 
Stadien  der  Schwangersebaft  eine  adblsive  Entzündung  hervor,  welehe  schliesslioh 
den  Fruehthalter  vrdlig  zw  umspinnen  vormag.  Die  Holle,  welch»'  diese  Membranen 
bei  der  weiteren  Ausdehnung  des  Fruchthalters,  bei  der  Ruptur  und  dem  Abort 
spielen,  brauche  leb  wohl  hier  des  Writeren  nieht  zn  erörtern. 

Ueber  das  proeentnarlsehe  Verhalten  der  versebledenen  Aasginge  giebt 

die  mit  grossem  Fleiss  zusammenfrestellte  Tabelle  von  SCH&UTA  Auskunft.  Sie 
enthält  241  FiUle,  in  denen  das  Ei  sich  selbst  Uberlassen  wnrde.  Dabei  erfolgte: 

Uuptur,  Blutung  in  die  freie  Haur-hlirdile    ....  128mal 

Ruptur  mit  liäniatoceleubildutig.  Peritonitis.    ...  22  „ 

DoTchbruch  in  den  Darm   34  „ 

„         „  die  Blase   9  „ 

„       dureh  die  Bauehdeckea   b  „ 

»           n      n   Scheide   4  „ 

Ansstossang  doreh  den  Utems   6  „ 

Incarceratiou  (Ileus)   4  „ 

LitbopAdion  ohne  Besehwerden   !> 

Zusammen    .  241  mal 

leb  füge  .')  solche  Fälle  ans  meiner  Tabelle  hinzu ,  alle  5  starben  an 
Anämie:  bei  3  wurde  die  Ruptur  aut  dem  Seetion.stisehe  festgestellt. 

Die  Symptumatolugie  der  ectupischen  Schwangerschaft 
hat  unzweifelhaft  mit  der  Zunahme  wohl  oonstatirter  Beobaehtungen  erheblieh  an 

Klarheit  gewonnen.  Wir  wissen,  dass  aaoh  bei  ^Ctopiscbcr  Insertion  des  geseliwän- 
gerteu  ICies  diesellie  Reihe  der  Veränderungen  sieh  herausbildet,  welehe  wir  bei  der 
intrauterinen  kennen.  Aufhören  der  Circulation  uud  Menstruation,  Umbildung,  besonders 
vermehrte  Qeftssversorgung  der  Naohbarorgane  und  der  Bmstdrflse,  I'igmentirung, 
Fettentwioklung  n.  s.  w.  Die  Wahrnehmung  der  kindlichen  Herztöne  und  Be- 
wegungen,  die  Ta.stung  der  Frucht  sind  auch  bei  der  F.xfrauterinsehwangersehaft  die 
sicheren  Zeichen  der  Schwau^erschaft.  Nur  selten  kommt  es  aber  zu 
regelmässiger  Entfaltung  der  normalen  Schwangerschafts» 
Symptome.  Gerade  darin  sehe  ich  aneh  beute  noeh  die  nieht  beseitigte  Sehwierig- 
kcit  der  Diagnose,  dass  in  der  Mehrzahl  der  F.llle  die  delet.Hrc  Wirkung 
d  e  r  e  (•  t  u  ])  i  .s  c  h  e  n  I'  n  t  w  i  c  k  1  u  n  g  hervortritt,  ehe  die  natürliche 
Reihenfolge  der  Symptome  sich  au.s/ubildcn  Zeil  hatte  und  dass  so  sehr 
häufig  alte  Erkrankungsspnren  und  frische  locale  Verflnderuugen  sich  hinsugesellen, 
um  das  klare  Symptombild  zu  verwirren. 

(Jerade  fJlr  die  ersten  \\'<tehen  und  Monate  der  ectopisehen  Sehwanircr- 
seliut't  fehlen  uns  nicht  selten,  ebenso  wie  bei  den  normalen,  prägnante  Symptomen- 
complexe,  während  in  anderen  Füllen  heftige  Schmerzen  und  die  Gesammtheit 
der  peritonealen  Befindungratörungen  ron  Anfang  an  die  Schwangere  qnllen. 


EXTRAÜTBRIN-8CHWAN6ER8CHA  FT. 


283 


lu  alleo  Stadien  der  Suhwangerscbaft ,  nameatlicb  aber  iu  den  ersten 
Mouten,  kann  es  su  den  peritonitisohen  SelinierMB,  lu  Anlmie  niid  Collaps 
kommen,  welche  eine  regelrecht  verlaufende  Sebwangeraohaft  nur  eehr  auBDahms- 
weise  conipliciren.  Gewöhnlich  lind  sie  die  Symptome  von  RÜptor  oder  Abort 
oder  von  dem  Kruchttod. 

Obnu  auf  diese  beiiaunteu  Thatäacheii  uäber  oiuzugehen ,  will  ich  nur 
auf  das  sehwankende  Verhalten  der  Henstrnation  noeh  hinweisen. 
Trotzdem  wir  annehmen  müssen,  das^  es  in  allen  Fällen  zur  Umbildung  des 
Endometrium,  zur  DcciduaentwickluDK  kommt.  (l(lrf<'ii  wir  nicht  zweifeln,  das» 
uicbt  selten  doch  scheinbar  typische  Menstruation  während  der  {ganzen  Zeit  ecto- 
pisdier  Schwangemhaft  auftritt.  Diese  Menses  sind  allerdings  meist  weder  in 
Qualität,  noch  in  Quantität  völlig  normal.  Es  bedarf  aber  sorgfältiger  anamne- 
stischer I<>helmngen  ,  um  darüber  Klarheit  zu  schaffen.  Die  Menses  kehren  ,  so- 
weit meine  Beobacbf  uigcn  reichen,  besonderR  in  stdcben  Fällen  in  nahezu  typischer 
W«se  wieder,  wo  das  Kind  frühzeitig  abstirbt.  Diese  atypischen  Blutungen 
seheinen  oft  jede  Mfigliebkdt  einer  Sehwangersohaft  ausxusehliessen  oder  täasehen 
den  Abort  eiuer  intraaterinen  Oraviditilt  vor,  namentlidi  wenn  die  Menses  swar 
verspätet,  aber  seblie^slich  doch  .mscheineud  normal  eingetreten  waren. 

Diagnose.  Nicht  wenig  werden  die  Schwierigkeiten  der  Erkennung  in 
den  ersten  6 — 8  Woehen  dadureh  erhöht,  dass  die  Ergebnisse  der  Sdileimhaut- 
nntersuebung  unzuverlii^Aig  werden,  sobald  erst  uterine  Blntungen  eingetreten  sbd 
und  die  Decidua  jed(  nfall>4  liäufiger  in  kleinen  FetMOi  als  in  xnsammenhflngeoder 
Membran  abgehoben  haben. 

Ich  bekenne  rQekhaltlos,  dsss  eine  relaliv  nicht  kleine  Zahl  von  Sehwanger^ 
Schäften  aus  den  ersten  2  Monaten,  welche  meine  Tabelle  enthält,  mieh  durch 
solche  Lugleiehmässiirkfit  des  Menxtrii.itioii'^verlaufes  lange  irreführte  und  mir 
nur  die  Wahrscbeinlichkeltsdiagnose  gestattele.  Wenn  ich  dann  auf  die  vielge- 
stalteten Bilder  hinweise,  unter  denen  Ruptur  und  Abort  sich  einleiten,  so  gUube 
ich  damit  genügend  die  Schwierigkeiten  angedeutet  an  haben,  welche  sich  unter 
Umständen  auch  heute  noch  der  Diagnose  der  eetopisehen  Sehwangersohaft  ent- 
gegenstellen. 

Können  wir  einen  gradatim  wachsenden  Tumor  von  weicher  Consistens 
nehen  dem  Uterus  fahlen,  haben  wir  Zeit,  Uterus  und  Tnmor  in  ihrer  Entwick- 
lung zu  oontroliren ,  können  wir  eine  uteriue  Deeidua  nachweisen ,  in  welcher 
jede  Spur  von  Chorionzotteii  WvnKk  sclies  Zticheni  fehlt,  dann  wird  auch  in 
frühen  Stadien  die  Diagnose  ge^iicbcrt,  selbst  ehe  es  uns  gelingt,  die  Frucht 
selbst  feetinstellen. 

Die  Unklarheit  der  Anamnese  einersdts,  anderersdts  die  Symptome  früh- 
zeitigen Fruehttodes  und  die  Firscheinungen,  welche  Abort  und  Ruptur  begleiten, 
können  uns  aher  auch  heute  uocli  grosse  diagnosti.sche  Schwierigkeiten  bereiten, 
so  dasa  namentlieh  im  ersten  und  zweiten  Monate  die  Diagnose  eine  Wahrscheiu- 
lichkeitsdiagnose  bleibt.  Hinlig  maeht  sieh  die  eetopisehe  Schwangerschaft  über- 
haupt cr.ut  dann  bemerkbar,  wenn  die  Endkatastropbe  hereinbricht.  Die  I'lötz- 
lichkeit  derselben  ist  allerding!«  eharakteristiseh  genug:  )«  T.\1T  will  die  Mfli^lieh- 
ktiit  der  Diagnose  erst  in  diesem  Stadium  anerkennen.  Ich  nUichte  besonderes 
Gewidit  auf  den  meist  absatsweisen  Verlauf  der  Schmersen  nnd  des  anSmIseben 
Gollapses  legen. 

Wenn  zur  Stiitze  der  llehauptung.  da.ss  unsere  Di.iL'in'-^e  der  Frli!ist:idi('n 
ectopiseher  Seliw;tnger>eliat(  in  der  neueren  Zeit  wesenllielie  Furlsehrittc  gemacht 
hat,  darauf  hingewiesen  wird.  das>  die  Frauen  ein  unbestimmtes  Schwangerschafts- 
gefnhl  haben ,  daas  unregelmäsMige  Blutungen  und  Schmersen  sieh  anstellen ,  so 
finde  ieh  gerade  in  dieser  Angabe  ebenso  viele  Quellen  der  Täuschung.  Es  i.st 
eigenlhilndieh  geniitr.  du^s  die  Krkraiikungeu  der  Adnexa  sehr  häufig  dieselben 
Symptomencomplexe  verursachen,  rypisehe  Heispiele  dafür  anzuführen  ist  wohl 
jeder  beschftftigte  Gynäkologe  in  der  Lage.  Das  unbestimmte  Sehwangersohafts- 


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284 


EXTRA  OTBRIN-SCHWANOBRSCHAPT. 


gefUbl  macht  sieb  nicht  nur  als  häufiger  Vorbote  der  Cessatiun  bemerkbar,  ea 
gebSrt  gerwle  n  den  8yiBi»tomeii*irtnte«r'N«tfbH(iongen,  so  den  (^rodiaebett  Sr- 
nihningwtöningeD  des  Oenitalappanile«,  besonders  der  Entzflndungen  der  Adnexa^ 
ebeoto  die  unregelraflssigen  Blnt.ibf;Jln«:e.  die  Schmerzen  und  der  fieberlose  Verlaaf. 

Auch  die  Thatsache  vurausgo-ranj^eiicr  Gonitalerkrankun^eu  wird  mit 
L'nrecht  zum  Zwecke  der  Uestärkung  einer  Vermuthung  auf  ectopiäche  Eiinsertioa 
verwandt.  RliniMli  völlig  geeande  Fraoeo  vrerden  ebenao  leicht  eetopiaeli  Mbwanger 
wie  solche,  die  genitalleidend  WAWi;  dass  diew  aber  vni>  ihrem  bezOglichen 
Zustande  wieder  aniifihernd  genesen  sein  nuls-'en ,  glaube  ich  (iben  geaflgend 
dargelegt  zu  haben,  da  sonst  eine  Eieiubettung  schlechterdings  unmöglich  ist. 

Ueber  die  Tastbefunde  brauohe  ich  wohl  weitere  Bemerlcnogen  nicht 
hin/uzufUgen.  Nur  selten  treffiBD  wir  bei  tubarer  Schwangerschaft  die  spindelförmige 
Fmbildung  der  Tube.  Verlagerung  und  Verklebung  mit  den  benachbarten  Becken- 
eingeweiden sind  jedenfalls  bei  weiterer  Entwicklung  der  Schwangerschaft  die 
Regel.  Die  Versuche,  die  einzelnen  Organe  bei  der  Untersuchung  su  trennen, 
fttbren  nur  su  oft  su  Ruptur  und  Abort.  Es  wird  von  einigen  Seiten  grosses 
Gewicht  auf  die  Consistenz  der  Gesehwulst  gelegt.  Gewiss  ist  Weichheit  und 
Succulenz  des  Fruchthaiters  charakteristisch  ,  neben  den  immerhin  derberen,  wenn 
auch  ihrerseits  schon  aufgelockerten  Nachbarorganon.  Coutractionea  im  Frucbt- 
haltw  habe  ieh  nie  gefllhU.  Das  Hirt«'rwerd«n  deisellwn  sehiebe  ich,  wie  oben 
angedeutet,  auf  AusfOllung  des  ilohlraumes  durch  Blutcr^^Usse.  Wob]  aber  liabe 
ich  öfter  Pontractionen  in  niclit  schwjtnp^erem  fterus  dabei  verfolfren  können. 
Die  Veränderungen  in  der  ConsiKtenz  der  Geschwulst  kann  ich  diderentiell  dia- 
gnostisch als  charakteristisch  anerkennen. 

Eine  verwerthbare  sioltere  Handhabe  für  den  Austritt  bilden  sicher  die 
HJtmatomc.  respei  tive  die  H.lmatocelebildung.  Die  ersterc^  Knrm  halM  ich  selbst 
durch  eine  J{eihe  von  Beobachtungen  klinisch  und  di;i^no'*ii!^cli  zu  stützen  gesucht 
(Zeitsohr.  f.  Geb.  und  Gyn.  VIII).  Es  muss  aber  mindcsten.s  auti'dlli;;  erscheinen, 
dass  ieh  unter  ÜO  Fällen  eetopischer  Schwangerschaft  nur  einmal  die  Hllmatoeelen- 
bildung  bei  intraligamoitlrer  Entwicklung  naehiuw^en  vermochte. 

Nr.  33  (Tabelle).  Frau  Kl.,  27  Jährt«  alt,  mit  15  Jahren  mpn.struirt,  nnropi-lmässig, 
letzte  Regel  15.  Üctober,  nachdem  sie  8  Wochen  .insgebliebeo.  Damals  sollen  anch  Stiicke 
abgegangen  sein.  Patientin  hat  «or  einem  Jahre  yihon  einmal  alrartirt,  obwohl  die  An^be 
nicht  gonan  an  controUren  ist.  Seit  etwa  H  Wochen  haben  sich  heftige  Sdinan«!  in  Leibe, 
besonders  rechte  onteB,  nnd  Mit  dieser  Zeit  anch  Mntifcer  Ansflnae  einjuestellt. 

BcIuikI  am  H I .  <  N  rolx  i-  IS'JO  :  Kriil'iiire  .  leidcnJ  ausselifnuif  Fran.  I.eih  nicht  auf- 
getrieben, iii(ht  tiruckeuijiliutilich.  Der  L'ttrus  von  normaler  Grösse,  etwas  weich,  gegen  die 
Symphyse  gedrangt,  recht.<s  hinter  ihm  ein  harter,  fanstiooeeer  Tonor,  der  das  Becken  aos- 
Allt  nnd  tief  in  das  Lig.  latuin  hineinragt  und  als  Hämatom  angesprochen  wird.  Die  Tabe  geht 
in  die  Geschwulst  auf.  Nachdem  die  Patientin  mehrfach  in  Narcose  untersucht  worden,  hat  sich 
die  GLSihwulst  deutlich  verkleinert,  ihre  Con.sistenz  ist  weicher  geworden.  Weiche  Ma.<;sen  scheinen 
das  Becken  aasanfallen.  £8  ist  ttozweifelbalt  eine  Baptnr  eingetreten.  War  vorher  die  Diagaoaa 
einer  eetopiscben  Sehwangersehaft  aweifelhaft .  m>  erecbeint  nnnmehr  da«  Vothandensein  einer 
aolchen  wahrscheinlicher.  Patientin  cnllaliirt  im  Verlaufe  der  folgenden  '.^4  StnniltMi,  so  dass  am 
I.  November  18UU  zur  Laparotomie  geschritten  wenb  n  nms.-i.  In  der  iiauchhotile  ma-isenhatt  altes, 
geronnenes  nnd  tlussiges  Hlut.  Der  Tumor  ist  );elior.stoit,  die  Ge«chwalst  sitzt  in  dem  Lty. 
kttttm  daetr,  und  wird  aua  diesem  ausgelöst.  Es  bleiben  iu  dem  Lig.  latttm  tlextr.  alte  Gerinnsel, 
weldw  nicht  ohne  Hübe  ansgeränmt  wenlen.  Das  Ligament  wird  in  der  Tiefe  mit  Calgatfäden 
versorgt,  il.eu.su  der  L'tenia ,  dessen  OhertlacliH  mit  der  (ieschwul,>t  verklebt  erscheint.  Das 
rechte  Uvarium  sitzt  oben  auf  der  Geschwulatmasse  und  wird  mit  diesi-r  entfernt.  Linke 
Adnexe  gesand.  Operatioasdaner  12  Minuten.  Patienlin  filienrteht  den  Eingriff  flberrasdiend 
leicht.  UnResfitrtc  Reconvaleecenz. 

Der  Tumor  (Fiff.  ii?)  ist  or«nKegro.ss ,  gleichniassig  ovi<l  entwickelt,  an  der  iu  das 
Lig.  laltim  hinein  sehenden  Oberfläche  belind^t  sich  eine  daumendicke  Rnpturstelle,  die  nicht 
mehr  gana  frisch  ist.  Dan  sngehdrig«  Ovariom  ist  hfidterig,  nicht  sehr  vergrössert  nnd  hat 
ein  Corpu»  luteum.  Der  Tnmor  ist  in  der  Anpnile  entwickelt ,  reicht  bis  an  das  Otttum 
itlri  iiniiii ,  die  Fimbrien  sind  dem  Tiini'ir  };I.itl  und  au'^sirahlend  an;:elajrert.  Da.f  Osfi'uin 
uterttium  und  der  Isthmus  .sind  massig  verdickt,  aber  iu  der  Länge  vollständig  erhalten.  Die 
ganze  Tamorobertiacbe  i.st  glatt.  Auf  dem  Durchschnitte  seigt  sieh,  dass  der  ateriuwarts  vom 
Tnmor  erbalicue  Tubencanal  zwar  leicht  sreknimmt,  aber  sonst  intac*  ist.  Gegen  den  Tnmor 
iat  dieser  Canal  durcii  eine  vorgelagerte,  circa  ü  Mm.  dicke  Falte  getrennt.   Die  Tumorwand 


EXTRAÜTERIN-SCHWANGERSCHAFT. 


285 


wt  gleicbmässig  verdickt,  2— 2'  ,  Cm.  stark ,  besteht  im  Wesentlichen  aus  harter  Gerinnsel- 
masse,  welche  nach  aussen  von  der  dünnen  Tubenwand,  nach  innen  von  Eihänten  begrenzt  ist. 
An  einer  Stelle  findet  sich  zwischen  beiden  reichliche  Choriomnasse  placentaartig  angeordnet. 
Das  Ontium  aMominale  i.st  normal  weit,  sein  Canal  ist  eine  klein«  Strecke  noch  auf  der  Tumor- 
oberfläche laufend  zu  verfolgen,  er  ist  von  dem  Ki  durch  eine  dicke,  membranöse  vorgelagerte 
Falte  getrennt  (Fig.  38).  Erst  mehr  nach  der  Mitte  der  Tube  zu  betheiligt  sich  auch  die 
andere  Hälfte  der  AVaiid  an  der  Bildung  des  Schwangerschafta^'ackes,  während  bis  dahin  das 
Ei  scheinbar  in  der  einen  Wandliälfte  eingebettet  erscheint,  in  Wirklichkeit  ist  es  zwischen 
mehreren  Falten  derselben  Seile  der  Tabenwand  eingebettet  (Tul)€nhernie?), 

Fig.  37. 

C.lut. 


Qrav.  tubar.  intralieaninntosa.  Hämatom-l^uelle  an  der  PlacentalHtelle,  an  welcher  die  Berstung 
eintrat  und  da«  Itint  zwischen  die  Blätter  des  LIg.  tat.  gelaugte.  {Ft.  K.  Nr.  53). 

Mikroskopischer  Befund:  Der  Peiitonealiiberzug  der  Tube  tind  auf  dem  oberen  Drittel 
der  Tnmorol>erfläche  erhalten.  Die  Grenze  wird  hier  durch  parallel  geordnete  Bindegewebs- 
fasern gebildet.  An  anderen  Stellen  ist  Peritonenm  vorhanden  und  zeigt  die  schon  früher 
beschriebene  Pigmentirung  und  Vielschichtigkeit,  vereinzelt  auch  stärkere  Aufquellung.  Am 
Schwangerschaftssacke  ist  meist  eine  dUnne  Schicht  peritonealer  Zellen  zu  sehen,  am  Ostium 


Fiß  3«. 

Ost.  tub  al^lon. 


Das  Knde  der 

ober-*n 
Tubenwand. 


Tubencanal 

abdominale  zeigt  es  gnisgere  Regelmässigkeit  und  annähernd  normales  Verhalten.  Die  Grund- 
substanz des  Peritoneum  ist  jotloch  in  allen  Thei'en  der  Tube  aufgelockert.  In  der  Tabenwand 
tindon  sich  zerstreut  entzündliche  Veränderungen,  besonders  im  ganzen  uterineu  Ende,  al.H  klein- 
zellige Infiltrationsherde,  am  häufigsten  aber  nahe  am  Uterus,  ebenso  an  der  Sackwand ,  aber 
spärlicher.  Das  Ostium  ahdomiuule  ist  dagegen  gänzlich  frei  davon.  lu  der  gauzt-n  Tut)e  ist 
die  Wand  aufgelockert,  am  wenigsten  im  uterincn  Ende,  mehr  am  abdominalen  Ende  und  am 
meisten  in  der  Sack  wand.  Das  Gewebe  des  ulerinen  Drittel.^  und  des  abdominalen  ist  in  der 


886 


EXTRAUTERIN-SCUWANGEKäCUAFT. 


Tindionsfähiijkeit  nur  wenig  alterirt ,  in  der  Sackwand  je^loi  ]i  snnl  ilie  Stromazellen  virlfaih 
nur  undeutlich  gefärbt.  Der  Gefäsaapparat  zeigt  am  UterinentJo  massige  Erweiterungen.  Au 
einzelnen ,  mit  einer  dünnen  Wand  aDs^-nklt  idetm  zvigen  sich  cigenthiimliche  Veränderungen 
der  Endotbelien,  an  einer  Seit«  der  Wand  Hiud  sie  regelmä».sig  einschichtig,  aber  anfgequnllpn 
tmi  erscheinen  die  Kerne  näher  aneinander  gerückt.  An  der  anderen  Seit«  der  Wand  siud 
sio  aller  vielschichtig,  in  ihrer  Form  erbeblich  verändert  gewuchert.  Aehnliche  Veränderungen 
linden  sich  bei  vielen  Gefäawn  der  Sackwand.  Die  Lumina  sind  hier  aonerordentlich  erweitert, 
ancb  tcbehien  die  Oeftaee  yermehit,  sefgen  im  Groben  ^elfBcli  eine  papilläre  AnorilBang. 
Dif  T.yniphspaKen  sind  weit,  vermehrt,  erscheinen  manchmal  masrhenartig,  wodurch  das 
Gewebe  an  diesen  Stellen  einen  zerri.Hacnen  Anblick  gewiibrt.  Im  Fimbrienende  sind  die  Ge- 
f&Me  noch  nächtiger  als  in  der  Sackwand.  Sie  sind  mpi.<<t  dnrch  dicke,  muüculüse  Wandungen 
amgrseichnet.  Die  findotbelien  eiiid  faiit  gar  nicht  verändert.  Die  Gefässe  machen  somit  einen 
normalen  Eindmck.  Die  BlntextraTasatlon  iet  im  nterinen  Ende  nnerheblich.  Sie  wird  jedoch 
naher  der  Suckwand  und  in  derselben  .sehr  aU'-K*'de)int ,  .^^o  da.s.s  an  vielen  Stdien  dM  QefllM 
zertrümmert  ersclieint.  Im  abdominalen  Enrle  fehlt  sie  ganz  und  gar. 

Andererseits  fand  ich  die  Hildunj^  einer  Hftmatocele ,  al^o  einer  im  l'eri- 
tuneum  abgekapselteu  ülutmasse  nur  5mal  so  deutlich  ausgesprochen ,  dass  sie 
mit  Sicherheit  diagoOBtieirt  werden  konnte.  (In  den  bdden  ersten  Fillen^  die  ieh 
nis  Assistent  der  FrauenlcUmk  1875  beobaebtete,  worde  die  Hämatoeele  durch  die 
Versuche,  Uetroßf.rio  Htfri  gravidi  zu  reponiren.  gesprengt,  als  ich  die  Kranken 
sab.)  In  zwei  Fällen  handelte  es  sich  um  eine  Verlagerung  des  Beckens  durch 
den  myomntSs  degenerirten  Utems,  anter  den  du  nns  dem  OHium  aMtminaU 
ansflieuende  Rlnt  gelangt  war. 

Nr.  2'^  (vergl.  Orthmann,  Zeitschr.  für  Geb.  nnd  Gyn.  XXI.  Fran  R.,  26  Jahre 
alt,  seit  lU  Jahren  verheiratet,  2inal  geboren,  zuletzt  vor  U  Monaten,  bei  der  zweiten  Forceps. 
Jm  14.  Jahre  menstroirt.  Letzte  Menatraation  am  20.  Mai  1868.  Ende  Juni  nach  grosser  An« 
stnagnag  Kri^pfe  im  Leil>e,  nachdem  die  Veoaes  8  Tage  ansgeblieben.  Patientin  giebt  an, 
daas  sie  krank  geworden,  AngstgefSbl  rieb  eingestellt  habe,  aber  bei  Besinnung  geblieben 
sein.  Kein  Fieber.  8  Tage  >-ii,iirr  erneuter  Anfall.  .Seitdem  Stärkerwerdea  des  Leibes,  llitte 
Juli  nach  Gebrauch  von  einem  Secalepniver  geringe  Blutung  mit  Abgang  von  kleinen  Fetzen. 

20.  Job!  1888.  Bei  der  anämischen  Blondine  wird  ein  Tumor  geftiaden,  der  Ue  in 
die  Mitte  zwischen  Nabel  und  Symphyse  reicht,  prall  elastisch  nnd  leicht  lieweplich  ist. 
Uterus  augenHcli«inli(  h  aus  dem  Becken  emporgehoben,  gegen  die  Geschwulst  nicht  deutlich 
abgrenzbar.  Das  hintere  ScheideuKewülbe  durch  einen  Tomor,  der  den  fftlllMWI  Dooglta  ao»- 
füUt,  prall  gespannt.  Hier  Fluctnatioa  nachweisbar. 

21.  Jnni  1888.  Pnnetion  de«  Tnmors  mit  dem  Troicart  von  der  Scheide  ans.  Ea 
werden  500  Ccm.  dunkelbraunen  Blutes  entleert  .  dii>  ')<  iVminir  mit  dem  geknSpfteu  Messer 
erweitert.  Hierauf  wird  das  Collum  bis  /.um  Orijicium  int.  nach  hinten  gespalten  und  dann 
dnrch  den  in  den  llterns  eingeführten  Finger  ein  walnussgrosser  Myomknoten,  der  in  der 
vorderen  Wand  sitzt,  entfernt  Der  Cervicalcanal  wild  mit  3  Mähten  geachloMen,  die  Wunde 
im  hinteren  Scheidengewülbe  umsäumt,  drainirt. 

Laparotomie  am  iiO  .'uü  1^88.  Die  S<  beide  winl  desinti.irt,  Drainage  vorher  ent- 
fernt. Es  ergiebt  sich,  dass  die  DiU-mc  vielfach  untereinander  verwachsen  sind,  swischrn  ihnen 
zahlreich«  Blntgerinnael ,  überall  die  Symptome  frischer  Peritonitis.  Der  Tomor  ragt  Ms  dni 
Finger  breit  unter  den  Nabel;  zwischen  den  verwachsenen  Dannschlingen,  die  die  Wand  des 
Tumor  bilden,  dringt  der  Finger  leicht  in  eine  gro.s.se  Hiihlc,  die  frisches  nnd  altes  Blut  ent- 
hält. Bechta  liegt  darin  die  erweiterte  und  verdickte  Tube  mit  dem  rechten  Ovarium.  Beide 
werden  mit  dem  Fioger  leicht  abgelöst  und  entfernt;  die  Wandangen  der  Höhle  collabiren 
nicht.  Die  parenchymatöse  Blutung  aus  der  starren  Wandung  wird  mit  Ol.  Terebinthinae  ge- 
stillt, <iii-  Darme  zu^animenL'eilrtickt ,  so  da>s  die  Iliihl"  in  den  ]>oi!i,-l;is  kiititiit  und  nun  n^il 
der  DraiuugeöA'nuug  im  hinteren  ächeidengewülbe  in  Verbindung  gesetzt  werden  kann.  Patientin 
iebert  allmälig  ab  nnd  gesondet 

Der  Tumor  i.st  das  rechte  Ovarinm  nnd  die  Tube.  Die  Entstelnsnu'  der  Ilämatocele 
muas  auf  eine  aus  dem  üstium  abihniinnli  Inhnt-  iiexti\  erfolgte  Blutung  zurückgotuhrt 
werden.  Die  Tnbo  ist  8  Cm.  lang,  4 — 5  Cm.  breit  nnd  dick.  Obertlächo  der  Tube  und  da.s 
Ovarinm  stark  blutig  imbibirt,  massenhaft  mit  fibriniieen  Strängen  bedeckt.  Das  uterioe  Ende 
der  Tnbe  normal ;  im  weiteren  Verfattf  wächst  aber  die  Tnbe  allmälig  en  der  oben  angeicebenen 
Grosse.  I'ie  Waudung  verdickt,  mit  hämorrhagischen  Herden  bedc  kt  Na  h  dem  O-itium  ah- 
Uomiiiaie  nimmt  der  Umfing  wieder  ab.  Ein  Theil  des  das  Lumen  eiiiuehmeuden  Gerinusela 
ragt  ans  dem  Ostium  abdomhude  hervor.  Das  Blutgerinnsel  ist  ringsum  von  der  Tultcnwand 
um.schlossen  und  fiillt  das  Lumen  bis  etwa  1  Cm.  vom  Uterusende  nnd  liegt  hier  der  Tnben- 
wand  locker  an.  Fimbrien  deutlich  zu  erkennen.  .Schleimhantfalten  gehen  noch  eine  Strecke 
weit  in  das  Lumen  der  Tube  liincin.  (hariuni  vergrösscrt,  mit  hydropiscben  Follikeln  und 
massenhaften  Adhäsionen  bedockt.  An  einer  Stelle,  wo  das  Blutgerinnsel  der  Wand  besonders 
fest  ansnhaften  sebeiat,  sieht  man  annächst  dl»  Tnbenadildmhant  Tollkoamea  In  grone 
Deddnaaellen  nmgewandelt  Oberllächenepithel  ist  vollkommen  geachwnnden. 


Digitized  by  Güü 


EXTBAUTERIN-SCHWA1I6ERSCHAFT. 


287 


Im  weiteren  Verlaufe  sieht  man ,  dasg  sich  diese  Schit  ht  voll  Deeiduazellen  um- 
ichlägt  and  sieb  anf  der  Oberfläche  forUeut.  Neben  dieser  UmscblagssteUe  iat  das  Blut- 
l^ninel  fest  mit  der  Mmenlatiir  verbanden.  An  diese  sehllesst  sieh  dasselbe  sttaichst 

in  (jesfalt  einer  Fimbrienschicht  mit  eiDL'olajrerten  weissen  Blutkörperchen.  Etwas  davon  ent- 
tt-rnt  nach  der  Mitt<i  zu  treten  die  er.sten  Chorionzotten  auf  welche  theils  längs,  theiU  quer 
getroffen  sind.  Die  Muskelwand  hypertrophisch,  sowohl  was  die  Muskeln  selbst,  als  ancb  wat 
das  iatraniiiBCol&r0  Gewebe  betrifft.  Daneben  vielfache  Rundzellen  und  Hamorrhagien. 

Qrnvid.  tubarica  ampull.  dextr.,  Peritonitis  ehr.  Haeniatocele,  Myoma  intra- 
murale  cervicale. 

In  dem  anderen  Fall  (Cl.,  Nr.  34)  war  die  schwangere  Tube  intraligatuentär  entwickelt, 
es  bestanden  FoIUbelblaiatome  im  (hrarinm  und  eine  ebronische  PelveoperitODltis. 

Dagegen  war  26inal  frei  liegende  Blutmasee  in  der  Bauch- 
höhle zu  constatiren,  dai^s  cWcsv  ahcr  nur  nelir  hediDguDgswdse  naoligewiesen 
wird,  darüber  besteht  kein  Zweifel  unter  den  FaebgenoHseii. 

Bei  der  Ruptur  verschwindet  der  Sack,  beim  Abort  bleibt  er  allerdings 
anfiUlend  verklmnert  nnd  enehlaflt  für  die  Taatang  whalten.  Inwieweit  dann 
Hflmatooele  oder  eine  Hftmatombilduii^  erkennbar  wird  und  der  Befund  des  freien 
Bluterg^usses  in  die  Bauehiifihle,  will  ifh  nieht  weiter  erörtern.  Bei  dem  letzteren 
ist  mir  in  den  ersten  Tagen  das  Verschwinden  jeglichen  PercussionsHchalleü  am 
Abdomen,  im  Berelcli  des  ergoaeenen  Blutes  anfgefallen.  Je  Iftngere  Zeat  swiBcben 
Katastrophe  und  Untersuehnng  Terflieest,  vm  so  schwerer  gestaltet  sieh  die  Diagnose, 
da  die  Kesorptionsvnr^an;re ,  eventuell  anch  die  Peritonitia  nnr  an  aohnell  die 
Klarheit  des  Ta.stbefundes  vernichtcu. 

Die  Diagnose  des  Fruchttodes  und  der  damaeh  eintretenden  Verände- 
rongen  kann  lediglich  im  Anaehlitts  an  eine  einigermaaaen  dnrehiiehtige  Anamnese 
gemaeht  werden.  Fälle,  wie  von  Lifhopftdionbildung,  den  ieh  oben  beaehricben 
habe,  Fifr.  werden  stets  der  Diagnose  entrllekt  bleiben.  Ebenso  erfolglos  bleiben 
unsere  palputorischon  Bemühungen  bei  Fällen,  wie  in  dem  von  mir  1884  in 
Kopenhagen  demonstrirten ,  wo  das  Skelet  dei  Tiermonatliehen  POtns  nnter  der 
Tube  lag  und  die  ,\namnese  unklar  war,  ja  die  Möglichkeit  der  Schwängerung 
überhaupt  in  Abrede  gestellt  wurde.  Siehe  oben  pag.  201.  Fifr.  24.  Niitiir^reni.lsa 
beseitigen  bei  eintretender  Abscedirung  die  abgehenden  fötalen  Theile  jeden  Zweifel 
über  die  Natur  dest  Leidens. 

Ieh  halte  mich  aueh  heute  su  dem  Ausspruche  bereehtigt«  dass  die 
r)iagnoae  der  eetopisehen  Sc  h  w  a  n  g  e  r  s  e  h  a  f  t  für  die  Fälle,  in 
denen  nieht  d  a  s  W  a  e  h  s  t  Ii  u  ni  des  F  r  u  c  Ii  t  h  ;i  1 1  e  r  s  :i  u  8  s  e  r  h  h  1  h  des 
Uterus  beobachtet,  die  intrauterine  Deeiduabildung  ohne  nach- 
weisbares Ghorion,  oder  die  Frucht  selbst  zur  Wahrnehmung 
gekommen,  eine  Wahrscheinliehkeitsdiagnose  ist.  Das  trlflft  be- 
sonder« für  die  ersten  6 — 8  Schwangerschaftswochen  zu.  also  gerade  für  die- 
jenige Zeit,  in  welcher  am  bAufigsten  die  mit  Kecht  so  gefUrchtete  Kata- 
strophe eintritt. 

Kine  Dia^^nose  der  Art  des  Fruch t hal tera  durfte  nur  aus- 
nahmsweise und  nur  bei  der  tubaren  Insertion  möglich  sein,  wetiu  wir  den  T'eber- 
gang  der  Tube  in  die  gro-sse  iMasse  unter  besonders  günstigen  L  uistünden  zu 
erkennen  vermögen.  Da  aber  in  der  Regel  vom  3.  Monat  an  die  Verlöthung  der 
Tnmoroberfllehe  sieh  entwickelt,  von  diesem  Termin  an  die  gestielten  Schwanger^ 
Schäften  immer  seltener  werden,  so  schwindet  andi  fttr  sie  mehr  und  mehr  die 
Möglichkeit  einer  solchen  Differenzirung. 

Prognose.  Eine  Froguose  für  das  Kind  kommt  nur  ausnabmswci»io 
in  Betracht.  Den  wenigen  FiUen  normaler  Entwicklung  und  rechtzeitiger  Befreiung 
lebender  Kinder  stobt  eine  .so  erdrückend  grosse  Zahl  von  ectupi^^clien  Schwantrer- 
sehrifteu  mit  ex!r;iut<'riii  Ifbcn-f'flhigeu  Früchten  ge^'i-tiflbcr.  dass  wir  es  immer  als 
einen  glücklichen  Zufall  lietruehten  mUssen,  wenn  die  Schwangeren  gerade  zu  diesem 
Zeitpunkt  cur  Feststellung  des  Befundes  nnd  zur  Hilfeleistung  kommen.  Versuche, 
nahe  dem  Endtermin  befindliehe  Frauen  mit  ROcksicht  fflr  das  Kind  n  entbinden, 
schlagen  nieht  nur  in  dieser  Hinsieht  fehl,  sie  bedingen  ancb  durch  eine  FttUe 


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288 


EXTBAÜTBRIN-SCHWANOERSCHAFT. 


von  Zufälligkeiten  in  der  Bogel  eine  unsnlisaige  GefiUirdang  der  Kutter;  aie  sind 
so  unterlassen. 

Weieatlieh  aoden  stellt  sfoh  die  Prognose  der  Mutter.  Eserseheint 

mir  unzulässig ,  beute  noch  auf  die  alten  Zusammenstellangen  aus  der  Literatur 
zurUckzu^eifen.  Auch  die  so  classisohe  Arbeit  Hecker's  ist  durch  die  gänzlich 
verschobene  Einsicht,  welche  uns  in  den  letzten  10  Jahren  in  dieses  eigenartige 
Cspitel  der  Pathologie  erwachsen  ist,  als  erledigt  anzusehen.  Die  Prognose  der 
eetopischen  Sehwangersdiaft  rnoss  vidmebr  naeh  den  Prinoipien  betrachtet  weiden, 
welche  Schacta  in  seiner  vorhin  citirten  Arbeit  befolgt  hat.  Er  hat  aus  den 
letzten  15  Jahren  241  t^illio  mit  spontanem  Verlauf  gesammelt,  davon  »ind 
75  geheilt,  166  gestorben,  von  385  Fällen  mit  ärztlichen  Eingritfen  sind  294 
gdMilt,  91  gestorben. 

Es  stehen  sieh  also  die  in  der  Literatur  naehweiabared  Zahlen  so  gegen- 
über, dass  bei  spontanem  Verlauf  von  241  :  31'2<'  ©  genasen,  68*8<'  o  starben, 
während  bei  operativer  Hilfe  von  385  :  76*6%  genasen,  23'4Vo  starben. 
Ich  habe  versneht,  diese  Robe  von  Sgbadta  ans  der  Tageslitantvr  bis  snin 
Jnli  1892  zu  erginsen,  damaeb  erf^bt  sieb,  daas  bei  164  Pillen  eetoplseber 
Schwanircr-jcliat't ,  bei  welchen  ich  aun  einer  Oesammtzahi  von  108  in  dic?ier  Zeit 
publicirten  die  Originale  einsehen  konnte ,  24  nicht  ü))crirt  wurden .  von  denen 
10  ohne  Operation  gene^n  sind,  14  starben  —  während  von  130  Operirteu 
109  nach  der  Operation  goiasen,  81  starben.  Addiren  wir  diese  Zahlen,  so 
ergiebtsieh ,  dass  unter  265  exspectativ  behandelten  Fällen  36*9^0  genasen ,  631o/o 
starben,  von  5I5  operativ  behandelten  Fnllen  76-7" >  genasen,  23'3*>  o  starben. 

Die  Prognose  der  eetopischen  Schwangerschaft  erscheint 
demnach  heute  als  eine  wesentlieh  günstigere,  anter  dem  Bin- 
flnsB  der  verbesserten  Diagnose  und  der  veränderten  Tb erapie. 
Wir  mdssen  daran  festhalten,  dass  die  cotopisclie  Schwangerschaft  nur  selten  ein 
lebeudcs  Kind  ergiebt,  dasa  der  Ausgang  in  unscbädlicher  Rückbildung,  Litho- 
pädion,  Mumification  ebenfalls  selten  ist,  dass  es  am  häufigsten  zum  Absterben 
des  Eies  doreb  Blatnng  im  Fruebthalter  kommt.  Da  diese  entweder  aar  Entleerung 
(le^  niutes  in  die  ßauclibilhle  durch  da^  Tiibenostium  (sogenannter  Tubenabort) 
fuhrt  oder  zur  Ruptur  der  Tubencontinuitat ,  d.  h.  Bcstung  der  Tube  nach  der 
Bauchhöhle  oder  nach  dem  Lig.  laUrn ,  dann  ausnahmsweise  die  Blutaug  zum 
Stehen  kommt,  die  Majorität  dieser  Fllle  vielmehr  dnreb  Verblutung  oder  Pni- 
tonitis  bei  spontanem  Verlauf  zu  Grunde  gehl,  ho  uiUssen  wir  die  eetopisehe 
Schwan^erseliat't  ^'leichwerthifr  einer  frefahr\ o]!pn  Neiibiklunfr  ansehen  und  bc- 
handelu.  Der  weitere  Schlusä  kaun  dauu  nur  der  seiu,  dass  die  Prognose  durchaus 
von  der  rechtzeitigen  Erkenntnis«  abhängt  und  folgerichtig  von  dem  darauf  basirten 
Bingreifen.  Worin  s<rfl  dieses  Eingreifen  bestebM?  Vorweg  sei  bemerkt,  dass  wir 
bei  lebender  reifer  Frucht  diese  zu  entwickeln  wohl  als  die  gegebene  Aufgabe 
ansehen  nitlssen.  Die  Möglichkeit  ist  erwiesen:  Die  Furcht  vor  der  Placenta  ist 
unberechtigt,  wenn  wir  entweder  den  i^ack  in  toto  auslösen  und  seine  Basis 
unterbinden,  oder  eveotualiter  die  anfahrenden  Geftsse  isolirt  versorgen  oder 
naeh  dem  Betspiel  älterer  Operateure  den  an  die  Baudiwand  angenlbten  Saek 
ausstopfen. 

Die  Versuche,  das  ectopisch  inserirte  Ei  in  situ  zu  tödten  und  dadurch 
der  Resorption  entgegen  au  fDbren,  sind  erst  in  der  neueren  Zeit  wieder  mit  einer 
gewissen  Bereohtignng  anfgenommen  worden.  Eine  solche  Berechtigung  kann  elien 

nur  dann  anerkannt  werden ,  wenn  bei  diesem  Vordrehen  die  Kilekbildunu:  des 
Fruehtlialters  mit  8ieherheit  nieht  nur  t^hne  unmittelbare  (iefahr  fiir  die  Frau, 
souderu  auch  ohne  ein  zu  langes  Sicehthum  bewirkt  wird.  Von  diesem  Gesichts- 
punkt ans  verdient  unzweifelhaft  der  von  Franz  v.  Winkel  **)  neuerdings  wieder 
aufgenommene  Vorschlag,  durch  Morphiumeinspritzungen  die  Frucht 
zu  tfidten.  voHe  Beachtung.  Ihm  fielb<t  ist  es  in  einer  geradezu  tJberraschenden 
Weise  gelungeu,  von  7  Fällen  6  auf  diesem  Wege  zu  rascher  Heilung  zu  führen. 


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EXTRAUTfiRIN-SGHWAUGEBSCHAFT. 


ScboD  finden  sieh  da  und  dort  Mittheilun{?on  gleich  günstiger  Beob- 
achtungen anderer  Facligenoaaen.  Zu  einem  abschliessenden  Urthcil  genügt  das 
vorliegende  Material  noch  nicht.  Ich  habe  zwei  Bedenken  aus  der  Trafung  meines 
eigenes  Bf  aterlalfl  »nf  die  MOgUehkeit  dieser  Bdiandlnogsmetliode  entoonunen :  Die 
Fälle,  in  denen  wir  die  Frucht  lebend  antreffen,  sind  verschwindend  selten  im 
Vergleich  zn  denen  mit  abgestorbener  Frucht.  Dann  aber  sichert  der  F^ruehttod, 
wie  wir  vorhin  erörterten ,  nicht  vor  Blutung ,  Berstung  und  aller  Arten  Ubier 
Folgen.  So  benchtungswerth  demnach  die  bieherigen  Mittheilangen  Aber  die 
WlMKBL*se]ie  Morphiumbehandlnng  sind,  bleibt  doch  abmwarten,  bis  weitere 
E2rfnhmngen,  besonders  da.^  letztgenannte  Bedenken,  sieh  als  unzntrefiend  erweisen. 

Das  andere,  das  gleiche  Ziel  anstrebende  Verfahren,  ist  die  Elektro- 
therapie. Mit  einer  grossen  Zahl  meiner  Fachgenossen  theile  ich  wohl  diu  weit- 
gehenden Zweifel  an  der  Verwendbarlceit  des  elektrisehen  Stromes  für  diesen 
Zweck.  Werden  nammtliidi  in  Frankreich  diese  Zweifel  laut,  so  sehen  wir,  dass 
besonders  unter  unseren  amerikanischen  und  russischen  Collegen  sich  viele  Stimmen 
zu  seinen  Gunsten  erheben.  Die  Elektropuuktur  wird  auch  von  Uberzeugten  Elektro- 
therapeutikem  verworfen:  die  Hebrsahl  wendet  den  podtiTen,  einzelne  den  nega- 
tiven  Strom  an.  Nicht  blos  die  Unklarheit  der  Wirkung  erscheint  uns  als  ein 
Hinderniss  für  die  weitere  Verbreitung  dieses  Verfahrens,  nachhaltiger  wirken 
jedenfalls  die  von  TUTTLE-*)  U.A.  ausgesprochenen,  von  sehr  Vielen  jedenfalls 
getheilten  Zweifel ,  ob  es  sich  auch  in  all  den  vielen  günstigen  Fällen ,  welche 
mitgetbeilt  werden,  wirklieh  nm  eetopisehe  Sehwangersohaft  gdiandelt  hat.  Ver- 
einzelt wird  der  üebertritt  sogenannter  interstitieller  Sehwangenebaft  in  das 
Carum  uteri,  die  EntM-icklung  der  ectopischen  zur  utorinen  Schwangerschaft  als 
Erfolg  der  Elektrotherapie  gerUhrot.  Die  betreäeuden  Beobachtungen  erscheinen 
niebt  dnwandfrei;  so  daas  wir  flir  diese  Art  von  Wirkung  doeh  wohl  erst  flbei^ 
sengende  Belege  erwarten  dürfen. 

Mit  wachsender  Erfahrung  kommen  Diejenigen  unter  uns,  welche  sich  den 
von  Tait  und  Wkktu  ^"j  prineipiell  formulirten  Gesichtspunkten  anschliessen, 
dabb,  dass  wir  als  dasVerfabren  bei  ectopischer  Sehwangersohaft 
die  Ezstirpation  des  intaeten  oder  einen  jtthen  Anagang 
drohenden  Fruchtsackes  bezeichnen.  Wie  ich,  werden  auch  Andere 
f<chon  vor  J.  \  hit  in  dieser  Weise  operirt  haben.  .1.  Veit  gebUbrt  sicher  das 
Verdienst ,  in  präeiser  Weise  die  Forderung  für  diese  Therapie  der  ectopischen 
Sebwangersehaft  weiter  motivirt  an  haben.  In  der  That  ift  die  Aussehllang 
des  Fruchtsackes  in  der  grossen  Mehrzahl  durchführhar.  Ja  es 
stellt  sich  heraus,  das«  auch  die  Versorgung  der  Placentalstellc  immer  geringere 
Schwierigkeiten  macht.  Man  kann  sie  unterbinden,  indem  man  von  der  Peripherie 
her  immer  weiter  greifende  Ligaturen  einlegt ;  neuerdings  findet  ein  Vorsehlag  von 
Olshausen  die  zufahrenden  Arterien,  also  namentlich  die  Spermatioa,  in  eontl- 
nuitate  zu  unterbinden,  mehrfach  Nachahmung.  Es  handelt  sich  dabei  wohl  in  der 
Kegel  darum,  eine  Massenligatur  in  das  Li(/.  infuitdibulo-pelvicmn  zu  le<reii. 

FUr  die  relativ  seltenen  Fälle  unlösbarer  V^erwacbsung  des 
Fruditsaekes  mit  den  anliegenden  Organen ,  bleibt  das  Einnähen  des  Saekea  in 
die  Bauchwunde,  Tamponade  des  Sackinnenraumes  und  nachträgliche  Versorgung 
der  IMaeentrilstelle.  oder  die  Eröffnung  eines  Ausflussloches  mit  Drainage  nach  der 
Scheide  und  Verschluss  des  Sackes  nach  oben,  wie  ich  vor  II  Jahren  in  London 
anf  dem  VIl.  internationalen  medieinisehen  Gongress  vorgeschlagen  habe.  Daa  von 
FbitSCH  a.  a.  O.  wieder  allgemein  empfohlene  Verfahren ,  den  Sack  nur  zn  ent- 
!•-(  ren  nach  Einnähung  in  die  Banohwundoi  mnss  als  ein  teehniseher  Rfleluehritt 
bezeichnet  werden. 

Ganz  analog  haben  sich,  soweit  ich  aas  der  Literatur  sehe,  die  Ansichten 
hezflglioh  derjenigen  FftHe  entwickelt,  in  denen  es  sieh  um  abgestorbene,  ge- 
schmolzene oder  durch  Blutergüsse  zertrümmerte  Fruchteäcke  bandelt.  Es  gilt 
den  kürzesten  Weg  einzuschlagen,  auf  welchem  man  zum  Herd  der  JLnfect<fOn 
Encyclop.  Jahrbücher,  III.  J9 


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290 


£XTRAUT£Rm-SCHWANG£RäCHAJ:T. 


gelangt.  Oft  genug  OfTnet  Bich  frflhzeitig  ein  Ausweg  spontan ;  in  jedem  einzelnen 
Fall  Ijlcibt  zu  entscheiden ,  ob  die^ter  Weg  anoh  fUr  die  gründliche  Angrinmnng 
gangbar,  oder  ob  ein  neuer  zu  eröüneu  ist. 

Fflr  diese  Art  der  Bebradlung  dee  faitneten  Fmehtbniten  wird,  flo  riel 
ich  sehe,  die  Uebereinstimmung  der  Facbgenossen  »ich  rasch  entwickeln.  Zwei feU 
hafi  erscheint  heute  noch  eine  solche  typische  Therapie  für  die  Fr'ill«^ ,  in  denen 
unter  Abort  oder  liuptur  eine  Blutung,  Hämatoeele  und  freier  Bluter^us? 
entstanden  ist,  welche  zu  Collaps  und  deletärer  Anämie  geführt  hat.  Die  Mög 
liehkeit  der  Oenesnng  darf  nieht  in  Abrede  gestellt  werden.  Bei  vorhandenen 
Verwachsungen  kann  es  nach  Ilämatocelebildung  zum  Stillstand  der  Blutung 
kommen ;  das  Blut  kann  sieh  zwischen  die  Blätter  des  Lig.  lafnm  ergiessen, 
das  so  entstandene  Hämatom  kann  sich  resorbirea  oder  in  uugefährlielier  Weise 
entleeren.  Einen  Anbaltspanltt  fOr  diesen  Verlauf  haben  wir  in  der  Regel  nieht. 
Nachschübe  aus  dem  Fruchtsack  selbst ,  oder  aus  den  Adhäsionen ,  Berstung, 
freier  Ergnss  in  die  Bauchhöhle.  Aiiilmic,  Peritonitis  drohen  stets  im  Hiiiterfmuide. 
Im  besten  Falle  genesen  die  Kranken  nach  gefahrvollem  langen  biechthum,  wenn 
man  diese  FUle  sieb  selbst  flberlässt.  Ich  habe  31mal  b^  frischen  Blutungen  in 
die  Banohhffhle  operirt:  26  genasen;  6  starben,  Smal  habe  ieh  nidit  operirt,  diese 
5  gingen  alle  zn  Grunde. 

Ist  e<*  nun  an  sich  unzweifelhaft  chirurgisch  richtiger,  blutende  Gefilsse 
aufzusuchen  und  /u  versorgen,  so  drängt  die  Erfahrung,  welche  eich  in  der  schon 
oben  eithrten  StatistilE  anssprieht,  dahin,  aneh  bei  diesen  Kranken  dem 
operativ«  11  Vorgehen  vor  dem  expectativen  den  Versag  angeben. 

Wir  -jähen,  dass  in  der  grossen  Zusammenstellung  von  Schapta  und  mir 
nach  operativer  Hilfe  23'37o  Gestorbenen  zu  76'7°/o  Genesenen,  gegenüberstehen. 
Lesen  wir  dann  weiter  die  Kranicengeeehiehten  dieser  Oeetorbenen  naeh,  so 
ei^ebt  sieb,  dass  die  Mehrzahl  unverkennbar  zu  spät  operirt  worden  ist.  Inwie- 
weit mangelhafte  Technik  an  dicken  TodcHf.tllpn  mitgewirkt  haben  .  entzieht  sich 
bei  der  Neuheit  des  Verfahrens  der  Laparatomie ,  in  einer  mit  Blut  gefüllten 
Bauchhöhle,  jeder  Berechnung.  Um  so  prägnanter  dürfen  wir  aber  aus  dem  vor- 
liegenden Material  den  Seblnss  stehen ,  dass  aneh  fttr  die  Ftlle  von  Blntung  im 
Auschluas  an  eetopisehe  Sehwangerseliaft  die  Laparatomie  als  das  typisehe  Ver- 
fahren anzuerkennen  ist. 

Wenn  immer  möglich,  soll  der  Fruchtsack  auch  hierbei 
entfernt  werden.  Nnr  wenn  das  nndurehführbai'  enebeint,  bleibt  die  Ver- 
nähung  des  Fruehtsackes  mit  der  Baucbwunde  und  die  Drainage,  welehe  ich  oben 
schon  für  itic  K;illc  von  nnaberwindlicher  Verwaohsnng  des  Saekea  bei  lebender 
Frucht,  aiiu'ctührt  habe. 

hh.iratur:  ')  Anh.  f.  Gyn.  XV.  —      Arcb.  f.  Gyn.  XLl,  pag.  -  =)  Ges.  f. 

Geb.  u.  Gyn.  XXIV.  —  Zeit.schr.  f.  Geb.  u.  (ivn.  XXII.  —  ')  Freund,  EdinbufK  med. 
Joam.  lP8a.  —  ^)  Zink«.  Amer.  Joorn.  of  Obstotr.  Februar  1890.  pag.  128.  —  ')  Fritack. 
Barieht  fiher  di«  gynikotoftucben  Oparationen  d.  Jahncanges  —  *)  Zeitsehr.  f.  Oeb.  n. 

Oyo.  XXIV.  —  ")  Zur  Anatomie  und  Physiulnpie  des  ('mix  uteri.  Erlangen  187'-i.  — 
"0  Demonstrirt  in  der  Ges.  f.  Geb,  u.  Gvn".  zu  Htrlin.  l^!»!  ,  X.  23.  —  ")  Orthmann, 
Zeitsehr.  fttr  6»b.  nnd  Gyn,  Bd.  XX.  —  '*)  Simon.  Dis.s.  inang.  Bttriin  1885.  ~  '»)  New- 
York  Obstetr.  soc.  1891.  —  '*)  Arch.  f.  Gyn.  XXVIII.  —  '»)  Browe,  Amer.  Gyn.  Soc.  1891, 
VI,  pag.  4Jt;  zuktÄt  von  Rosthorn,  Wiener  kliu.  Wochenschr.  1890,  Nr.  2^!.  —  '*)  Gaz. 
ob.stetr.  1^57.  Nr.  ;il.  —  Dias,  inaug.  (»rthmanii,  Tübingen  und  Kiew,  Stuttgart, 
18ll»3.  —  "*)  Beitrage  aor  Anatomie  und  cur  operativen  Behandlaog  der  EixtranterinachwaBger- 
Bcbaft.  Stattgait  18<i7.  —  *■)  Zeitsekr.  f.  Geb.  n.  Gyn.  XXIV.  —  *^  Arek.  f.  Gyn.  XVm, 
pag  53.  —  ■')  Dis.'j.  inaug.  Berlin  18iK).  *")  Beitrage  zur  Oasuistik,  Prognose,  Therapie  der 
ExtrautarinfichwaiiL;i  i-cliaft.  1891-   —  Deutsche  Ges.  f.  Gynäkologie.  Halle  18::*9,  II. 

Amer.  Journ.  lä  <  -tetr.  Januar  l'^itn,  pag.  l.j.  —  *')  Ausser  a,  a.  O.  Ijecturen  o»  rctopie 
pr^Mnee  and  jh/i  k-  haematorele.  Bimiingham  1888.  —  Beiträge  aar  Anatomie  nnd  aar 
opefativen  Behandlung  der  Extrauterinschwangerscbaft.  Stuttgart  1887.  —  Oentiebe  nnd. 
Wockeaadir.  1885,  Nr. 8— 10.  A.  Martin. 


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F 


Färbungsmethode,  ■.  B«kterien,  pa^.  67ff. 

Fettbildung,  s.  ChemismiiR  im  Thierkörper,  pmg.  129. 

Fieber  (vergl.  Real-Eucyclupädie,  2.  AuH.,  lid.  VII,  pag.  171).  üelinirt 
man  das  Fieber  als  liObere  Einstellung  der  Eigenwarme  Ober  die  Normal- 

temperatnr  hinaus,  so  ist  damit  ausgesagt,  dast^  von  all  dm  manDlgfaltigen,  helni 
Fieberprocess  beobachteten  Störungen,  die  dtr  EifrenwÄrme  in  den  Mittelpunkt 
zu  stellen  sind,  üamit  sind  die  anderen  öiöruugeu  weder  geleugnet,  noch  aich 
schleehthin  ah  Gonsequenzen  der  Wirmeznnahme  hingestellt.  Es'  ist  nnr  dem 
ursprDn  ^Hellen  Hegriffe  gemäss  ff  ehr  in  fcrhi-is  von  f erver  e ,  brennen)  die  Er- 
hitzung des  Körpers  iu  dou  Vordergruiul  pcbracht ,  ge;?eiiüber  dea  Cireulationa  , 
VerdauungH-  und  nervösen  Störungen,  die  sieh  sonst  finden.  Alle  auJeren  Störungen 
sind,  soweit  sie  nicht  directe  Folgen  der  böbereo  Tcmperatureinatellung  sind, 
doeb  um  sie  grnppirt,  diese  letztere,  die  Tendenz  zur  Innehaltnng  einer  höheren 
Temperatur,  giebt  ihuen  allen  erst  Signatur  und  Charakter. 

Das  Fieber  gehiirt  also  den  Zuständen  der  Hyperthermie  an. 
Um  dies  richtig  zu  würdigen,  iat  es  uuerlil^^slich,  sich  die  Eigonthumlichkeiten  der 
nuderen  Formen  von  Hyperthermie  vor  Angeo  zn  halten.  Mit  Unreeht  bat  man 
bereits  als  Verdauungsfieber  die  schwadie  Wftrmezunahme  bezeichnet,  die  während 
der  \'('rdauung  durch  erhöhte  Vcrbrenriunsr  eintritt,  in  der  dritten  Stunde  etw.-i 
beginnt,  bis  zur  10.  ötunde  sich  steigert,  um  bis  zur  24.  Stunde  allmiilig  zum 
ftuheren  Stande  abzufallen.  —  Weit  stärker  ist  die  Hyperthermie  dnreb  starke 
M askelaetion.  Sie  ist  1>ekanutlich  bei  jeder  intensiven  oder  andauernden 
MuskoltliJltigkeit  nachweisbar,  bei  Sclinelllilufern  kann  die  Temperatur  so^r.ir  um 
H".  d.  h.  bis  40  5  steigen.  In  diesen,  wie  in  allen  analogen  Fällen  bat  al)er  die 
Hyperthermie  die  ganz  schart  ausgeprägte  Kigenschaft,  in  der  Ruhe  schon  nach 
kurzer  Zdt,  naeh  1 — 9  Stunden  wieder  zur  Normalwftrme  surflekzudnken.  — 

Das  Gleiche  gilt  von  der  Wärmestau nng  nach  VVarmwasserbädern, 
Dampfbädern,  römisch-irischen  Bädern.  Einer  Erhöhung  der  Eigenwärme  auf  38" fi 
bis  39*5  im  liade  und  bald  nach  demselben  kann  sogar  nach  einer  Stunde  eine 
Erniedrigung  unter  die  Normalwärme  folgen. 

Die  Folgen  dieser  künstlichen  Wärmesteigerung  sind  für 
die  Fieberlehre  vrtn  grossem  Interesse.  Sie  bestehen  in  stdir  'j-esteigerteni  Eiweiss- 
zerfall  mit  V'ernulirnng  der  Harustotlausscheidung,  iu  Steigerung  der  llcrzaction 
und  Pulsfrequenz,  Zunahme  der  ArteriendilatatioQ  nod  Wärmedyspnoe ,  d.  h.  Er- 
höhung der  Sauerstoffisufnahme,  der  Kehlensänreausgabe ,  Vennehrung  und  Er- 
schwerung der  Athemzfige.  Bemerkenswerth  ist,  dass  bei  dieser  Hyperthermie 
keine  thermische  Hyperästhesie  nachweisbar  ist.  Trotz  starker  Erwärmnng  des 
Gesammtorganiamus  und  der  ganzen  Körperobertiäehe   spcciell  briugt  eine  plötz- 


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292 


FIEBEH. 


liehe  Abkühlung  keine  FrostempfindiiDg  hervor,  ini  Gegentheil  werden  kalte  Ueber- 
giessuDgen  in  heissen  Bädern  gut  ertragen  ,  gelbst  ein  mehrfacher  Wechsel  von 
heissen  Dampfhädern  mit  kalter  Doache,  YoUbäderü  und  Piscineo.  Das  Nerven- 
eyttem  wird  dardi  wirmeite^enide  Bider  ermfldet,  ersehliflft  Wird  der  Ifemeli 
alsdann  nach  geringen  Graden  der  Wflrmestaunng  derselben  wieder  entzogen,  so 
tritt  nunmehr  starke  Diaphure.se  ein  .  dadurch  Wasserverlust  mit  OOnseCtttiTer 
RcHurptioQ  disponibler  Flüssigkeit  auch  bei  Wassersuchten. 

Bei  weiterer  Steigerang  der  l^genwlrme  hingegen  auf  44 — 46*,  d.  h. 
auf  für  den  Menschen  schliesslieli  nnertrl^ehe  Temperaturen  nehmen  Kopfschmerz, 
Menommenheit,  Schwindel  immer  mehr  zu ,  bis  die  Gefahr  entsteht ,  dass  unter 
Ohnmacht  und  Krämpfen  und  unter  Bewoastlosigkeit  durch  Uerzinsutficienz  der 
Tod  dntritt.  Analog  liat  bd  Thieren  der  Venmdi  ergeben,  dun  bei  Steigerung 
ihrer  Eigenwtrme  auf  ertrigÜclie  Temperaturen  für  kvraeZeit  nach  turbnlenteii 
Erscheinungen  alsdann  ein  Abfall  der  auf  42-  4t"  in  die  Höhe  jrebrachten 
Temperaturen  bis  zur  Norm,  ja  unter  diese  bis  auf  3r."  erfolgt,  und  dass  Tage 
hindurch  alsdann  die  Wärme  auf  diesem  subuurmaleu  Grade  bleibt.  Lang- 
danemde,  wenn  aaeh  weniger  bohe  Steigermgeii  im  Wirmekaaten  bringen  jedoeh 
langsames  Absterben  in  5  —  6  Tagen  hervor,  unter  fettiger  Degeneration  von 
Her/.  Muskeln.  Leber,  Niere  bei  Verminderung  der  Kohlenaanreansacheidang  und 
starker  Abmagerung. 

Der  Hitisehlag  l>ernht  auf  einer  Gombiaation  der  bdden  bisher  ge- 
dachten Temperaturstoigernngen,  der  durch  museuläre  Wirmeproduction  und  der 
durch  unzureiehende  Wflrmeabgabe  bei  Aufenthalt  in  wasserdampfgeschwflngerter 
Luft.  Da»  Bild  des  Hitzschlages  ist  bekannt.  Die  Herzthätigkcit  wird  sehr  sttir- 
miscb,  dabei  aber  der  Puls  zuletzt  äusserst  leer,  die  Pupille  starr,  eng,  die  an> 
fange  sehr  heftige  Sehweisseeeretion  Tersiegt,  dem  leiehten  Zneknngen  im  Qealeht 
folgen  später  schwere  allgemeine  Convulsionen ,  bis  unter  Wiedererweiterung  der 
Pupille,  stertorösem  Athnien,  völliger  Pulslosigkeit  der  Tod  erfolgt,  meist  bei  einer 
Mastdarmwärme  von  43 — 44°,  bisweilen  aber  auch  soboo  bei  40 — 42^  Kommt  es 
nnr  bis  nnm  Stadium  leiehter  partieller  Zuoknngen ,  so  kann  rehttiT  rasehe  Br- 
holnng  eintreten,  unter  sclinelleni  Wiederabfall  der  Temperatur,  reichlicher  Schwelm- 
seeretinn.  Oft  bleibt  jedoch  eine  hochgradige,  reiabare  Schwiche  des  Uersmns- 
keU  zurück. 

Wihrend  nach  dem  Tode  fast  immer  die  Bigeawirme  rasdit  aEakt, 
so  giebt  es  seltene  AnsBahmsOUe,  in  welchen  sie  sogar  noeh  knne  Zeit  steigt 

auf  4  1,  sogar  bis  45'8^  bei  Tetanus  und  55  Minuten  hindurch,  auf  42 — 13'M)ei 
Hitzsdilag,  Iservcn-  und  Infectionokranklieiten.  Es  sind  dies  Fälle,  bei  denen  auch 
im  Leben  die  sogenauuteu  hypcrpyreti.scheu  Temperaturen  beobachtet  sind.  Man 
ist  genügt,  diese  postmortale  Temperatnrsteigernng  anf  knne  Fort- 
dauer der  Witrmebildungsprocesse  bei  plötzliohem  Versiegen  d«r  Wirmeabgabe 
durch  Stillstand  der  Hauteirculatinn  zu  erkl.lren. 

Die  Uebcrsicht  Uber  die  Erscheinungen  der  Hyperthermie  verschiedenen 
Ursprunges  ergiebt,  dass  eine  Aneahl  nothwendiger  SeenndSrersehetnungen  mit 
jedweder  Hyperthermie  verbunden  sind,  auch  mit  jeder  kuradanemden.  Bs  sind 
dies  (»esonders  T;iehyeardie  und  Wärmedyspnoe .  also  Einflflsse  auf  Herz-  und 
Athmnngsaction.  Charakteristisch  für  alle  diese  Fftlle  von  Hyperthermie  ist  aber, 
dass  alle  diese  Erscheinungen,  die  Temperaturzunahme  mit  all  ihrem  notbwendigen 
Zubehör  sofort  wieder  sehwindet,  aoliald  nnr  phyukaliseh  ein  ansreiehender  Wlrme- 
abfluss  möglich  gemacht  ist.  Die  Wftrme,  die  incdir  producirte  oder  aufgehäufte 
Wärme  (iies.st  s^hr  rasch,  besonders  mit  Hilfe  der  Schweisssecretion  und  der 
Schweissverdampfung  in  wenigen  Stunden  bereits  ab,  ja  kann  selbst  subnormalen 
Temperaturen  wieder  Plata  machen,  sobald  die  physikaltsehe  HOgHehkdt  nur  ge- 
geben ist.  Dadurch  wird  die  verhflngnissvolle  Kette  ,  dass  Erhöhung  der  Eigen- 
wärme an  sieh  wieder  eine  F>rhöliunfr  des  Stolfweehsels  bedintrt ,  die  ihrerseits 
wieder  zur  Temperaturerhöhung  führt,  durchbrochen.   Dieses  rasche  Zurück- 


FI£BBB. 


293 


pendeln  zur  Norm  ist  all  diesen  Fltleii  von  Hyperthermie  el^en.  Wo  dieses 
Zurtlckpendeln  physikalisch  unmöglich  gemacht  ist,  da  bleiben  aber  auch  die 
Folgen  doH  andauernd  erhöhten  Stoffumsatzea  in  Abmagerung,  Gewebsdegeneration, 
Gewiobtmrlntt  dnrehans  nieht  am. 

Definirt  man  nun  das  Fieber  als  höhere  Einstellung  der  Eigenwirne, 
BO  ist  damit  jener  Zustand  von  Hyperthermie  bezeichnet,  bei  dem  unsere  Eigen- 
wärme nicht  blos  einen  hciheren  Stand  einnimmt,  sondern  auch  trotz 
der  physikalischen  Möglichkeit  des  Abflusses  behauptet.  Nieht 
ivaaere  pliysikaluMbe,  sondern  innere  pbysiologisehe  Hlndeniisee  stehen  also  hier 
6tm  Znrllckpendelu  der  Eigenwarme  zur  Norm  entgegen.  Wird  aber  hier  künstlich 
durch  Oberniflssige,  bewältigende  physikalische  Kräfte,  Killte  z.  H..  die  Eigenwärme 
heruntergebracht,  so  pendelt  dieselbe  wohl,  befreit  von  diesem  übermässigen  KiuHusa 
alsbald  wieder  sarflelc,  snrllek  dann  abw  immer  wieder  aar  Fieberwirme, 
nicht  mehr  zur  Kormalwärme.  Ist  demnach  Fieber  die  resisteute  Hyperthermie, 
80  ist  die  nahe  Verwandtschaft  und  die  unter  gewissen  Umständen,  und  besonders 
bei  sehr  kurzer  Dauer  des  Fiebers  schwere  Unterscheid uog  desselben  von  anderen 
Hyperthermien  ausgesprochen.  Nur  die  Resistena  der  Hyperthermie 
begründet  die  Diagnose  Fieber.  Zum  thermometrischen  Nachweis  der  objeetiven 
Tempcratnrerhi'ihung  ist  daher  noch  die  Datier  und  dit>  ilt  ^istenz  zur  Sicherstolluug 
der  Diagnose  unentbehrlich.  Hei  an  sieh  ephemeren  Fieberanfällen  kann  daher  die 
Feststellung  auf  Schwierigkeiten  stossen.  Man  ist  alsdann  geneigt,  jede  Ausserlich 
nnmotivirte,  ans  Mnskelaetion  und  Wirmeetanang  nieht  hervorgehende  Hyperthermie 
als  fieberhaft  zu  betrachten.  Ist  solche  Annahme  in  der  llberaus  grossen  Mehrzahl 
der  Fälle  auch  praktisch  richtig,  so  ist  sie  doch  wissenschaftlich  unziirei^-bend 

l'seudofieber  (Scheinüeber j  könuen entstehen  durch  starke  Haiitwallungen, 
besonders  dareh  Congestionen  an  Gesieht  nnd  Kopf,  mit  Wirmegefahl  nnd  Kopf» 
schmerzen,  wie  sie  bei  H  y  s  t  e  r  i  s  e  h  f  n  nfter  vorkommen.  Ist  objective  Temperatur- 
erhöhung in  der  AcbselbiHile  iKicliwrishar.  Sd  Iniiidolt  es  sich  um  ein  hysterisches 
Fieber,  wenn  nicht  um  ein  Pseudulieber.  Der  Schein  eines  Fiebers  kann  noch 
gesteigert  werden,  wenn  dem  Uitzeparoxysmos  ein  Froetanfall  vorangeht.  Es  giebt 
Personen,  deren  Haut  so  empfindlieh  ist,  daas  aie  durch  firisehe  Bettwäsche, 
durch  Uebergang  in's  Freie  aus  warmen  Zimmern  und  .Ihnlichen  kleinen  Kälte- 
attatjuen  einen  heftigen  Frostanfall  mit  starkem  Z:lhneklaj)perii  von  halbstflndiger 
Dauer  bekommeu,  der  alsdann  von  einem  Hitzuanfall,  meist  ohne  Schweiss  gefolgt 
ist.  Von  diesen  Anfällen,  die  gar  nieht  selten  bei  kräftigen  Männern  an  bobaebten 
sind  und  trotz  des  Alarmes  oft  nicht  einmal  von  Schnupfen  gefolgt  sind ,  gilt 
gleichfalls  die  obige  Unterscheidunsr.  Ergiebt  das  Thermdmeter  Tempcratnrzunahnie 
in  der  Achselhöhle,  so  handelt  es  sich  um  ein  nervöses  Fielier,  wenn  nicht  um 
ein  Paeudofieber.  Thermische  Hyperästhesie,  lebhaftestes  FrostgefObl  kann  fehlen, 
kann  vorhanden  sein ;  entscheidend  für  Fieber  oder  F.seudoßeber  ist  allein  der 
Nachweis  der  T*'mpi'ratiirerhriliiinir  hier  sowohl  wie  beim  psychisoheu ,  beim 
Uretbrallieher  und  dem  bei  (iallensteinkolik. 

Üetretls  der  Fieberätiologie  ist  die  alte  Unterscheidung  zwischen 
essentiellen  nnd  symptomatischen  Fiebern  als  gana  unwesentlich  von  den  neneren 
Autoren  gänzlich  fallen  gehissea.  Auch  auf  die  von  Volkmank  eingeführte  Unter- 
scheidung zwischen  Fehns  niwph'X  und  mi.rtn  wird  wenig  Rücksicht  genommen. 
Unentbehrlich  aber  ist  bei  Würdigung  aller  Fieber,  insbesoudere  der  experimcuteU 
doreh  Infusion  in's  Blut  herbeigeführten  Fieberformen,  dass,  wie  Bbrohann  schon 
vor  langer  Zeit  gefunden,  geringe  Mengen  einfachen  destillirten  Wassers.  '•>  (V-m. 
])eini  Krinini'ln>n  IxTcits  genilgcn,  um  Fielier.  woiin  auch  schwachen  Orade^.  Iier- 
vorzurufcu.  Von  dieser  liasis  aus,  von  der  Thatsache  also  aus,  dass  die  geringe 
Läsion  des  Blutes,  welche  aus  der  unmittelbaren  Mischung  desselben  mit  destil- 
Urtem  Wasser  bervoi^i^ht,  schon  bereits  zur  Fieberproduction  genttgt,  mflssen  alle 
directen  Blutinfusiduen  und  wohl  auch  zum  Tb«^  die  subcutanen  Infusionen  be- 
urtheilt  werden.  Kochsalzlösung  von  0'ü'*/o  ist  eine  indiflfvrentere  Flüssigkeit. 


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294 


FfBBBR 


Hier  bewirken  erat  10  Ccra.  eine  schwache  Temperatursteigenmir.  ab<?r  iramerhio 
eotsteht  sie.  Halteo  wir  ferner  im  Auge,  dam  schon  eine  regeluQüssige  Dursteur 
•UabendUehe  FiebenxMwlNitioiien  rnn  1"  hervorbringt,  nd  data  die  direete  deber- 
leitnng  von  VAnt  aus  der  ^4*^.  cruralis  in  die  Vena  erurtUü  bei  Hunden,  mit 
ümgehunpr  hImo  des  Capillametzea  allein  bereits  schon  Tempcratiiren  bis  42-3 
aetst,  so  sieht  mau,  durch  wie  leichte  Veränderungen  Fieber  erzeugt  werden  kann. 

Weittragende  Hoffnnngen  wurden  für  die  FielMrItiologie  anf  daa  Pi  brin- 
ferment  gesetEt,  seitdem  Rdxlberg  ^)  angegeben  hatte,  daas  freies  Fibrinferment, 
in  Fo  geringen  ^lenfren  .  dasB  nicht  frleicb  Hlutgerinnung  entsteht ,  in's  Blut  ge- 
bracht, coustant  heftiges  Fieber  hervorruft.  Da  beim  Zerfall  von  Leucocyten 
überall  Fibrinferment  entstehen  sollte,  so  sohien  diese  Genesis  eine  sehr  hfiafige. 
Dem  gegrallber  bestreitet  HASUfBBSCBLAG  die  MOgliehIceit  der  Barirnng  dner 
Fiebertheorie  auf  das  vermeintlich  constante  Vorkommen  des  Fibrin ferraentes. 
Oft  fehlt  trt'iis  Fibrinferment  trotz  des  Fiebers  bei  Tvfibiis,  Pneiimonio,  rieuritis, 
Tuberkulose,  oder  ist  nur  in  verschwindender  Menge  vorhundiu,  oit  ist  es  im 
Gegentbeil  in  (ieberloaen  Kranlcheiten  vorhanden. 

Da^s  auch  andere  Fermente  Fieber  erzeugen  können,  ist  schon  illr 
ScHMiKDKBKRO's  Histozyoi.  für  das  Pepsin  und  Pancreutin  angegeben.  Weitere 
Angaben  betretls  des  Fermentfiebers  liegen  vor  von  iiUü;»c>Y.  '^j  Derselbe  hat  als 
Pyretogenin  ein  ans  der  Bierhefe  gewonnenea  Ferment  bezeiebnet,  welefaes  aber 
vom  Invertin  versehieden  sein  sollte,  und  welches  in  einer  Menge  von  weniger 
als  '  .  ^fjLrrra.  pro  Kilo  Tlii  r  in  den  Kreislnuf  eines  Hundes  ■rehraclit .  den 
beftiiisten  typischen  Fieberanlall  hervorruft.  Dasselbe  ilussert  sich  im  Aof^teigen 
der  licelumtemperatur  um  2^,  des  Pulses  von  luii  auf  130,  der  Athemfrequenz 
von  25  auf  46 ,  nach  continnirltehem  Zittern  von  inständiger  Daner.  Die  Br- 
ftcheinuttgen  erreichen  etwa  in  i  Stunden  ihren  Höhepunkt,  worauf  sie  allmätig 
nachlassen ,  bis  sie  in  der  10  Stunde  völlig  aufhören.  Eine  (^»mmiflsion  der 
mediciuischeu  Akadeuic  zu  Paris  ^ScuiTZBNbiüKGEU bcKtütigte  wohl  die  in 
hohem  Grade  iiebererregende  Eigenschaft  dieses  Pjrretogenin ,  ateilte  aber  im 
Gegensatz  zu  RouiSY  fest ,  dass  dai^selhe  alle  Eigenschaften  des  Invertin  liabe, 
mit  dem  Hefeferment  aisu  aU  identisch  zu  erachten  sei. 

Eine  ausführlichere  Untersuchung  über  das  Kermcntfieber  bat  H. 
Hildebrandt  *)  verOflfeutlicbt.  Kr  untersuchte  Pepsin,  Chymosiu  (Labferment),  Invertin 
(Hefeferment),  Diastase,  Emulsin,  llyroi^io.  Toxisch  waren  alle  diese  Stoffe.  Hnnde 
starben  sehon  nach  Kinverleibiin;:  von  O  l-  0*2  Grm.  Pepsin  oder  Invertin  pro 
Kilo  Hund  unter  betrJtchtlichcr  Tt  inperatiir^tcigerung  um  2"  bei  Erhöhung!:  der 
Wärmeprod  uction  wie  der  Wärmeubgube.  PathologiRch-anatomisch  konnte  er  mit 
Hilfe  der  Selbstfftrbung  dureh  Indigoearmin  ausgedehnte  Thrombosirungen  der 
kleinen  RlutgefiUse  in  verschiedenen  Organen  (Darm,  Nieren.  Lungen)  nachweisen. 
Diffuse  und  circnniseriptc  Hilmorrhagieii  fanden  sich  aueli  vielfaeh  in  Sehleim- 
häuten und  tscrosen  liiiuien.  Diese  Fcrmeutwirkungen  schienen  von  Thieren,  die 
im  Thermostaten  Überhitzt  wurden,  besser  flberstanden  zu  werden. 

Zu  dieser  im  pharmakologischen  Institut  au  Breslau  gemachten  Arbeit 
sind  ganx  neuerdings  weitere  Arbeiten  ans  deni^elben  Institut  in  frleielier  Iliehtung 
hervorgeu-anfrcn.  Fii.kiink  ■'■)  selbst  sairt  in  einem  kurzen  einleiieudeii  Aufsatz: 
„Zur  l'^rage  nach  dem  Heilwerth  des  Fiebers",  dass  er,  um  dem 
therapeutischen  Werthe  des  Fiebers  niher  an  treten,  ein  nnschldliefaea  und  daher 
am  Meuiichen  verwendbares  Pyrogenin  gebucht  habe ,  ein  Mittel ,  welches  Fieber 
und  nichts  als  Fiel>er  erzeugen  sollte.  Mit  ihm  sollte  nun  probirt  werden  zu- 
nächst am  Thiere,  dann  am  Menschen,  ob  mit  künstlichem  Fieber  therapeutisch 
Brauchbares  geleistet  werden  könne,  ob  sich  also  der  antipyretischen  Methode  fdr 
gewisse  ticU  rlds  '  oder  nicht  geutigend  fieberhafte  Krankheiten,  z.  B.  bei  S\  plulis, 
eine  pyrcti-^i  hi/  Methode  ent^reirensetzcn  Hesse.  ( Veriressen  wir  nieht.  dass  mit  den 
Schwitzcuren  insbe^iouderc  und  mit  der  g.iiizen  alt*  n  niet.'is\  nkritii-ehen  Heil- 
methode ein  ganz  ;lhnlieh(s  Ziel  verbundtn  war.   iJelerent;.   Da   sich   der  nach 


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FIEBER. 


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Sknator  mit  Glycerin  bereitete  Eiterauszn^,  das  sterilisirte  Heuiafua  nach 
ZUNTZ  uud  Abunüon  ,  der  Pyocyaaeus  u.  A.  nicht  ausreichend  brauchbar  dazu 
erwiMen  bitten,  habe  er  sich  an  die  hydrolytischen  Fermente  tn  diesem 
Zweeke  gewandt. 

Dieser  Einleitung  von  Fi  lehne  folgt  nun  ebenda  ein  Aufsatz  von 
JOTTKOWITZ  und  HiLOEBRANDT  *>;  über  üinigü  pyretiäche  Verauche,  im  Wesent- 
liehen  Aber  das  nach  Züntz  und  Arünson  bereitete,  durch  Erhitzen  auf  100^  G. 
sterilirirte  Heninfns.  Wohl  erfiebt  die  sabevtane  Injeetion  von  0*06  des 
offenbar  der  Reihe  der  Albumosen  angebSnniden  PWiparates  in  etwa  6 — 10  Stunden 
eine  Temperatursteigerung  von  1^  bis  1"5,  doch  bOsst  dasselbe  alluiillig  seine 
Wirksamkeit  ein,  und  stärkere  Dosen  erzeugen  leicht  intensivere  Loeaireizung. 
Die  Versnehe  mnssten  dann  gans  eingestellt  werden,  da  Herbst-  nnd  Winter- 
liemnfuse  sieh  nicht  als  brauchbar  erwiesen. 

In  einem  dritten  Aufsatz  von  H.  Hildkur  an'DT  :  „Weiteres  über 
hydrolytische  Fermente,  deren  Schicksale  uud  Wirkungen, 
sowie  Aber  Fermentfestigkeit  nnd  Hemmung  der  Fermentationen 
im  Organismus"  handelt  der  Verfasser  zunächst  Uber  die  pyretisehe  und 
eheniotnctische  Wirkung  der  Fermente.  Ka  sich  die  hydrolytlKclien  Fermente  zwar 
als  Fieber  erzeugende ,  aber  auch  gleiehzeitig  als  höchst  toxische  Sub«tany>eii  er- 
wie^ieu  hätten,  indem  die  Thiere  selbst  nach  kleinen  Dosen,  wenn  auch  mitunter 
erst  naeh  Wochen  unter  den  Zeichen  einer  Degeneration  lebenswichtiger  Organe 
zu  Crunde  geben,  so  hätte  nur  das  Labferment.  das  Ohymosin  als  das  mindest 
toxische  in  Betracht  kommen  können.  Hei  allen  hydrolytischen  Fermenten ,  dem 
Chymouiu  wie  Emulsia  und  luvertin  zeigten  sich  aber  alsbald,  dass  dieselben 
zu  den  chemotaetisehen  Substanzen  gehören  nnd  da«s  die  subcutane  Injeetion  der 
Fermeutlösungen  von  einer  ungemein  ^^tarken  localen  Entzündung  gefolgt  ist.  — 
Ik'trerts  der  (Ihrigen,  für  die  Fieberfrage  nieht  weiter  in  Betracht  kommenden 
Beobachtungen:  „Ueber  den  Eintluas  des  Syzytjium  'lambuLunani  auf  die  Saehari- 
licatioa  iu  den  Geweben''  und  auf  „die  Untersuchungen  Uber  Immunität  gegen 
hydrolytische  Fermente**  mnss  auf  das  Original  verwies«!  werden. 

üeber  das  En  tzündangsfieber  hat  Samcki, ')  folgende  Versuche 
mitgetheilt.  Die  Verbrühung  der  oberen  Hälfte  der  Kauinchimohren  und  also  des 
Blutes  mit  Wasser  von  64"  C.  auf  3  Miuuten  hat  gar  keinen  unmittelbaren  Eiuiiuss 
auf  die  Bluttemperatur  ansgeflbt.  Ebenso  ist  ans  anderwdtigen  Vwsaohen  belcannt, 
dass  von  gelähmten  und  anästbetischeu  Theüen  am,  kurz  von  Theilen  aus,  deren 
nervi'iser  Zusammenhang  mit  den  Centralorganen  unter])roehen  i<t.  <lenm>fli  Fieber 
bei  deren  EutzUudung  hervorgerufen  werden  kann.  Das  Fieber  verdankt  also  auch 
einer  unmittelbaren  nerv  Seen  Fortieitnng  nicht  seinen  Ursprung.  Aus  seinen 
Untersuchungen  Uber  „Entztindungsherd  und  Entzflndungshof^'  geht  aber  hervor, 
dass  lu'iin  Fntzündungstieber  Fieber  und  Entzündungsödem  mit  einander  gleichen 
.Schritt  halten.  Das  Fieber  entsteht  nachweisbar  nicht  vor  dem  Auftreten  des 
Oedems  im  Ohre,  es  folgt  seiner  F^ntwicklung,  erreicht  mit  ihm  seine  Höhe,  um 
nach  seinem  Schwunde  auch  wieder  allmftUg  abzufallen.  Noch  mehr;  sticht  man 
das  EntzUndungsödem  an  und  zieht  es  in  kleinen  Mengen,  schon  in  Mengen  von 
Cgrm.  mittelst  wohlgereinigter  Injectionsspritzehen  auf,  so  kann  man  bei  Uebor- 
tragung  dieser  minimalen  Mengen  in  das  Uhr  ganz  gesunder  1  biere  ein  gar  nicht 
unerhebliches  Fieber  von  l*5o  0.  in  wenigen  Stunden  erzeugen.  In  dem  betref- 
feoden  Ohre  zeigt  es  sich  alsdann,  wie  schwach  phlogo;iren  solche  OedemflUssigkeit 
wirkt  und  in  wie  kurzer  Zeit  tla<-rlhc  resorliirt  wird,  ohne  mehr  als  eine  ganz 
schwache  lujection  zu  erzeugen,  indess  aber  die  Flilogogeuie  so  unbedeutend 
ist,  ist  die  Pyrogenie  schon  bei  minimalen  Mengen  eine  erhebliche.  Dabei  seheint 
noch  die  Stauung  und  Zurflekhaltung  des  Oedems  im  Bindegewebe  einen  tempe- 
rirenden,  m.'lssigenden  Kinfluss  auf  die  Pyrogenie  zu  erzeugen.  Es  gelang  nflmlich 
Sami  el  in  mehreren  Fallen  \<in  einseitiger  Verbrdhung  mit  EntzUndungsödem 
und   consecutivem  Fieber,   dadurch   ein   erheblich   höheres  Fieber  zu  erzeugen, 


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296 


FIEBER. 


dass  er  das  Oedem  anstach,  seinen  Inhalt  mittelst  einer  Spritze  aufzog  und  in 
das  andere  gesunde  Ohr  einspritzte.  Das  Fieber  stieg  nun  bei  demselben  Thiere 
müt  Uber  die  finfaere  HOhe,  obadKm  die  «beolate  Oedemmenge  im  KOrper  gar 
nicht  vermehrt  war;  die  ReBorption  war  jetxt  nur  erheblieli  doroh  die  bessef« 
Vertheilan?  erleichtert. 

Von  immer  grösserer  Wichtigkeit  fitr  die  Fieberätiologie  zeigt  sieh  Jede 
st&rlcere  Lliion  rotber  Blutiellen,  welebe  mehr  oder  minder  nv 
QythtaiolTM,  ja  aoeh  nnr  nir  AblOsnnü:  dee  rotiien  Farbetoffes  von  den  rotiien 
Blotzellen,  zur  HämofrlolünJlmie  führt.  Weit  (Iber  die  obenerwähnte  Einftlhrung: 
von  reinem  Wasser  hinaus  wirken  die  Einsjiritzunf^en  von  Glyeerin ,  von  {fallen- 
saureu  Salzen,  die  Transfusion  heterogenen  Blutes,  ja  auch  nur  heterogenen  Serums 
und  xahlreiebe  Gifte  (Arsen-  und  Antimonwassentoff,  eUorsaure  SalEO,  Horehel- 
gift  Q.  A.).  Ja  bei  den  letsteren  bedarf  es  nicht  immer  der  unmittelbareil  Bin- 
•pritsung  in  das  Blut.  Rondern  auch  die  Einbrin°:un?  unter  die  Haut  .  ja  in  den 
Verdauungsapparat  iu  hiulüuglich  grossen  Mengen  genügt  oft  schon ,  um  durch 
Zerstörung  der  BlQtk<)rp«reben  und  Losung  des  Farbstoffes  Fieber  herTonnrafen. 

Insbesondere  aber  ist  die  periodische  Hämoglobinämie .  respec- 
tive  Hflmo^^lobiniirie  we^'rn  <lor  Prumptlu'it  der  damit  auftretenden  KieberaufilUe 
neuerdings  nn-lir  umi  iiulir  (ie^enstand  der  Aulmerksamkeit  geworden.  Der  an- 
fallsweise  erfolgenden  Eutleeruiig  eines  mehr  oder  weniger  von  Blutfarbstoflf  dunklen 
Urins )  der  aber  rothe  BInteellen  selbst  nur  vereinselt  enthält ,  geht  ein  gans 
regnlftrer  Fieberanfall  voraus.  Häufig  werden  die  Anfälle  durch  einen  recht  kräf- 
tigen Fieherfro^t  eiiifrtleitet  mit  nachfolgender  Hitze ,  wobei  lO"  und  darüber 
mittelst  des  'i'hermometers  gemessen  werden  können.  Auch  zahlreiche  subjective 
Eleberbeeehwerden  fehlen  dabei  nieht.  Das  Ende  dieses  bald  nor  eine  halbe,  bald 
mehrere  Stunden  daucruden  Anfalles  bildet  ein  heftijrer  SehweisH.  Von  der  Un- 
refrelm!isfsi<rk<'it  des  Typus  ab;re.sehen,  hat  der  Anfall  in  der  IVilci^ion  seines  Ver- 
iaiift  s  selbst  eine  ^ewi>i8e  Aehnlichkeit  mit  dem  Malariarieber.  Da  bei  Personen,  die 
an  dieser  Krankheit  leiden,  jede  stärkere  Muskolaostrengung  und  auch  so  leichte 
Brkaitangen,  wie  sie  durch  das  Hindnsteeken  von  Händen  oder  Füssen  in  kaltes 
W'.iMser  eiitstt'bcn .  ausreichen ,  um  einen  reg*ulären  Fieberanfall  unter  Loslnsnn? 
des  ll.lniofrlobin  von  den  hlntkrirperchcn  zu  er/JMi.s'eii ,  so  ist  das  Studium  des 
Fieberanfalles  und  Verlaufes  hier  iu  wUuseheuswerthester  Weise  beim  Menseheu 
möglich.  Bei  diesem  Stndinm,  ebenso  wie  bei  dem  der  künstUeheo  Hämog^obinämie 
der  Thiere  stellt  es  sich  heraus,  dass  der  Or^^anismus  sich  des  im  Blntd  gtiOst 
circulirenden  Miimniil  il.iiis  zunrtehst  <ihne  Krankheit.serscheinnn<ren  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  entledigen  kann,  indem  die  Schlacken  der  Blutkörper  von  der  Milz 
aufgenommen  und  verarbeitet  werden,  der  Blnt&rbstoff  hingegen  von  der  Leber. 
Brat  wenn  die  Menge  des  freien  Hämoglobin  ungefähr  ^/gQ  des  im  Gesammtblute 
vorhandenen  nintfarfistnllVs  ilberstei-jt,  führt  di<'s.  r  Hrad  von  H.lmoprldbinflmie  zum 
Krankheitsantall  unter  llämo'rlobinurie.  Hei  .L'erinircreu  Men^'cn  ist  aueb  die  physio- 
logisch grosse  liegenerationskraft ,  welche  den  rotheu  lUutkörperchen  eigen  ist, 
leicht  im  Stande,  sowohl  die  zertrflmmerten  BluftOrperehen  wieder  sn  ersetaeo, 
als  auch  die  farblos  gewordenen  Gebilde,  den  Schatten,  wieder  zu  restanriren.  Durch 
welches  Moment  speeiell  In  !  diesem  ^ranzen  Vorgranfre  aber  L'^-rado  das  Fieber 
erzeugt  wird,  die  Wärmezuuahmc  und  auch  der  Frost,  ist  unklar. 

Ein  merkwürdiges  Fieber  ist  von  Pel^)  18)^5  als  ob  ronisches  ROek- 
fallsfieber  oder  Psendoleukämie ,  später  1887  vtm  Khstf.in  *)  als  chronisehcs 
RüfkfallsHchcr,  eine  neue  Infeetionskraiiklicit  L'^''<i-liildfTt  worden.  Es  ist  dies  jeden- 
falls ein  Kilekfalllichcr,  welches  absolut  mit  llei'urrens  nichts  zu  tlinu  hat.  Ks  hat 
nnr  diese  Aehnlichkeit  mit  ihm,  dass  es  sieh  durch  13  —  Utägige  Fieberanfälle 
und  10 — lltägige  Apyrexie  cbarakterisirt ,  bei  welcher  letzteren  die  Temperatur 
sogar  8ubn(»rnial  werden  kann.  Im  Fa-tiirium  aber  sMclt  die  Temperatur  auf  41'> 
und  darüber.  Wjihrend  der  Antiille  trilt  ein  Alil.ill  ilrs  Kcrperfri-wichtes  um 
mehrere  l'fund  ein,  während   iu  der  Apyrexie  ein  Wiederansteigen  desselben  an- 


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FIEBER. 


297 


nihernd  bis  zur  tirsprtlDgrlichen  Httlic  erfolgt.  Dabei  etwas  Apathie,  etwas  Kopf 
sehmerz  aueb  in  der  Apyrexie,  keine  Leberschwellanfr .  wälhrend  die  im  Anfalle 
gotchwolieoe  Milz  auch  in  der  Apyrexie  nie  völlig  zur  Norm  zurückkehrt. 
Ohne  Anonmlien  im  Blute  ieie:te  sidi  bei  hoher  Temperatur  ein  sehr  fteqneater, 
luaserrt  aehwacber  Puls ,  so  dass  der  Tod  durch  Herzschwäche  öfter  zu  bevor- 
stehen schien  .  dazu  beschleuniprte  Athrming  ohne  alle  Anomalien  im  Respirations- 
«pparat.  Die  ohne  jede  nachweisbare  Ursache  auftretenden  Fieberantälle  waren 
weder  dnreh  Chinin  nooh  dnreh  Arsenik  oder  Antifebrin  sn  Btilleo.  Tod  erfolgt 
nnter  Anfireten  von  Oedem  and  Decnbitna.  Die  Seotion  ergiebt  harte,  maligne 
Lymphome  der  versehiodenen  L;  mphdr(l-;enfrrnppen,  Infarcte  in  Nieren  und  Milz, 
VertVttun^'en  im  Myocardium,  in  den  Skeletmuskeln ,  Nieren  und  Leber.  Nach 
den  übereiuätimmenden  Sectiunsresultaten  dürfte  wohl  die  Krankheit  als  eigen- 
thttmlieber  Verlanf  des  malignen  Lymphoms  in  betraehten  sein.  —  Weitere 
Falle  wurden  beobachtet  von  6.  Völckehs  '^^  „lieber  Sarcora  mit  recurrirendem 
Fieberverlauf",  liier  eiu  Fall  von  Sarcom,  wahrscheinlich  von  den  retrnperitonealen 
Lymphdrüsen  ausgebend  mit  einem  ganz  ähnlichen  Fiebertypus  und  tüdtliobem 
Verlanf  ienerhalb  10  Monate.  — 

HAD8ER")  „ISn  Fall  von  ehronisdiem  Kaekfallfieber*  beobaehtete  bei 

analogem   reeidivirenden  Fieber  einen  Tumor  im  Epigastriam,  den   man  ohne 

8eetioD  als  ein  Sarcom  der  mesenterialen  Lymphdrüsen  diatrnostioirte. 

Im  m  e  u  sc  h  1  i  c  h  e  n  Irin  fand  Bixet'"-)  eine  Substanz,  welche  die 
Körpertemperatur  von  Meerschweinchen  zu  erhöhen  vermag ,  besonderä  im  Uriu 
Kranker,  snmal  Phthisiker,  aber  anch  in  dem  von  Oesnnden,  immerhin  in  geringer 

Menge.   Es   waren  Temperatursteigerungen   von  1 — 20  C. ,  mit  Ablauf  in  4  bis 

')  Stunden  am  stärksten  bei  tubereulöseii  Meersehweinehen,  aber  auch  bei  jungen 
'i'hicren  und  siln^^eiiden  Weibchen,  wenn  ain'li  hier  jreringer  constatirbar. 

'J'üMASKLLl will  eiu  Dutzeuil  Fülle  vou  Febris  i  cte  r  o  -  ha  eina~ 
t urica  e  ehinino  behandelt  haben.  Er  bestreitet,  pemioiOses  Fieber  mit  Hlmo- 
globinurie  bei  Malariak ranken  gesehen  zu  haben,  auch  bat  er  keine  HiUnogleblnarie 
je  bei  Gesuiuieii  In  nhachtet,  welche  prophylactiach  kleine  riiinindusen  «renommen 
hatten.  Er  glaubt  auch  nicht,  dass  etwa  der  cuntrahireude  Eiutiuss  des  Chinin 
auf  die  Milz  das  Halariagift  in  den  Kreislauf  treiben  und  dadureb  Mne  pemi- 
eiöse  Interiiiitteus  orceugeu  kOnue.  Die  Aetiologie  ist  also  noeh  sehr  unsieher. 
Tliera])ciiti>eti  müsse  man  aber  sofort  das  Chinin  nussetsen,  wenn  man  das  Loben 

des  Kranken  nieht  aufs  Spiel  setzen  wolle. 

üANciOLriii::  und  Couumk.nt  haben  baktcrienfreien  Gewebssaft  eine.s 
amputirten  Armes,  der  in  Folge  syphiUtiseher  Arterienerkrankung  bis  Uber  den 
KUbogen  ncerotisch  geworden  war,  in  die  Venen  von  Kaninchen  und  Hunden 
injifirt  utnl  damit  fin  rapides  Ansteiiren  der  Terajieratur  erzielt.  Aueh  maelilt-n 
sie  'rcstikt  l  (iureli  vdr.sichtiges  Abbinden  der  Samensträuge  mittelst  elastischer 
Ligatur  neeiotiäch  und  sehnitten  die  Testikel  mit  dem  Thermocauter  ab.  Von  der 
keimfrei  gewonnenen  Gewebsflflssigkeit  bewirkten  2*5  Cm.  beim  Heersehweinehen, 
4  Cm.  beim  Kaninchen,  5  Cm.  beim  Schan)oek  und  Hunde  Temperatursteigeruugen, 
die  in  .'i'  ;  stunden  ihre  Höhe  erreichten,  dann  rasch  wiedf-r  ablieleu.  Mit  dem 
Gewebs.safto  desselljcu  ,  aber  normalen  Theiles  eines  iSchaf  b»cket>  lässt  sich  kein 
Fieber  hervorrufen.  Die  in  den  neerotisehen  Zellen  enthaltenen  pyretogenen 
Stoffs  kennen  vermittelst  Alkohol  gefHUt  und  in  Olyeerin  20 : 100  geltet  werden. 

Das  hysterisohe  Fieber  kann  nach  Sarbo '*)  als  conti nuirliches 
Fie})er  und  als  blosser  Paroxysmus  auftreten.  s()w<ihl  bei  der  einfachen  Hysterie 
aU  auch  bei  der  Ilysteroepilopsie,  bald  mit  m.'lssigen,  bald  mit  hoheu  Tcutperaiureu. 
Das  Fieber  ist  als  ein  ftanetionelles  sn  betraehten ;  aueh  wo  dasselbe  einen  Complez 
scheinbar  schwerer  Syniptntnc  I»e;:leitet  (Pseudomeniugitis ,  Peritonitis,  Typhus) 
haben  die  letzteren  damit  nicli!>  /u  thun.  Das  hysterische  Fieber  kommt  plötzlieh, 
schwindet  oft  plötzlich,  hat  eine  Dauer  von  Tagen  bis  Monaten.  Ausser  dem  wirk« 


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298 


FIBBRB. 


licht'u  Fieber  mit  Temperattirstei^erung'en  ^iebt  es  nooh  liysterische  Sobeiiifieber 
mit  lacbycardie  und  subjeutiver  Uitze  alleiu. 

Uttber  den  Fieberproeees,  seine  ErsebeinnnipeB,  seinen 

Verlauf,  sein  inneres  We-^cn  ^in>l  fol^^endo  Mittbeiluagen  za  erwihoeii: 
F'.  Krals  kommt  bei  I  ntersuchungen  tlber  den  respiratoriscben 
Gaaauiitauscb  im  Fieber  uaob  dem  von  Zlntz  und  OEPPJcaT  angegebenen 
Verfabren  lu  dem  Besultate,  daas  die  febrile  Steigerung  des  SanentolTeonnune 
höchstens  20°  ,  der  Norm  betrigt»  dam  die  früher  angegebenen  hohen  Zahlen 
für  die  Kolilfn^Jlnreausfiihr  wesentlich  auf  Rechnung  der  gesteigerten  Muskel- 
tbätigkeit  zu  s^etzen  sind.  Der  relativ  geringen  Erhöhung  de»  Sauerütuffverbraucheä 
entspricht  auch  die  Vermehrung  der  KuhlensAureausscheiduug.  Der  respiratorisehe 
CoefBdeat  ist  aaeb  im  Fieber  nur  vom  derseitigen  Emibrungnrastande  ablibigig. 
Die  Erhöhung  des  O-Verbraneties  und  der  COs-Abgabe  erklärt  sieh  durch  den 
gestei<.'(Tten  Hiweisszerfall,  wfihrend  fflr  gleichzeitige  Steigerang  des  Fettzerfailes 
kein  auäreiuhcudur  Grund  vurliegt. 

6.  Gatallbro  und  8.  Riva  Rooco^')  giebt  auf  Grund  seiner  Stoff- 
w  ec  h  se  1  u  n  t  er.s  u  chungen  an:  Wohl  ist  im  Allgemeinen  der  respiratorisebe 
(Jaswechsel  im  Kii  her  erliöht ,  aber  die  \'('rnu'linnig  ist  nicht  grösser,  oft  sogar 
geringer  aU  bei  einem  gesunden  Individuum  mit  guter  Ernährung,  nur  dass  im 
Fieber  wie  im  Hunger  der  Verbrauch  grösstentheils  auf  Kosten  des  Kdrpers  statt- 
findet. Im  Hungersustande  ist  Stoffwechsel  wie  Selbstverbrennung  auf  das  waXig- 
lichste  Minimum  rt-ducirt,  im  Fieber  aber  erhi"»ht.  8(»gar  höher  als  bei  gut  genährten 
(iesnndcii  kann  der  Stirkstuirvcrlirnuclj  sich  gestalten,  während  die  Stickstoff- 
auaselieidung  unabiiitii^ig  von  der  l'emperatur  schwankt.  Auch  Wasserverbrauch 
und  KOrpergewiebt  balten  mit  der  TemperatnrbSbe  nidit  gleieben  Sehritt 

A.  LowY  ermittelte  den  Gas  wechsel  fiebernder  Menaehen  dahin, 
das«  Steigerung  d«w  Sauerstoffverbrauelios  in  d(Mi  meisten  F.Hllen  zu  constatiren, 
dass  derselbe  hücli^jtens  51*8%  ü^^r  Apyrexie  hinaus  betrflgt,  doch  sehr 
schwankend  und  oft  gering  ist.  Niebt  die  alieointe  Temperaturbftbe  hat  Binflnss 
auf  den  O- Verbrauch,  wohl  aber  die  gesteigerte  Hnskelactiou  in  Folge  von  Frösteln 
und  verstflrkter  Athmun^'stliiUigkeit  in  Fn'(|uen»  und  Tiefe.  Seiner  Berechnung 
nach  war  in  seinen  Fallen  die  Melirzersetzung  vorzuf,'s\vt  i>c  durcb  gesteigerten 
Eiweisszerfalt  gedeckt  worden  ,  während  der  Fettbesland  uur  wenig  angegriffen 
worden  sei. 

B I  u  t  d  ru  (•  k  in  e  s  s  uttge  n  im  Fieber  fiBhrte  Hekiimaxn  »)  unter  RiEOSL's 
Leitung  ans.  Die  l'ntersuchnngen  wurden  mit  v.  Bäsch"  Sphygmomanometer  an 
18  Fieberkranken  i  Dipbtberitis,  Pneumonie,  Typhus  etc.;  augestellt.  Ueberall  ergab 
sich  ein«  mehr  oder  minder  starke  Herabsetzung  des  Blutdruckes,  der  nach 
Beendigung  des  Fiebers,  wenn  auch  nicht  sofort,  sieb  wieder  erhObte,  flbrtgens 
auch  wätir<  !i  i  der  Dauer  des  Fiebers  die  Temperaturschwankungen  im  umgekebrten 
Sinne  mitmucbte. 

Langlois  und  lilcUBT  haben,  von  dem  Gedanken  geleilet,  dass  toxisebe 
Proeesse  ehemische  Processe  sind  und  als  solche  in  ihrer  Wirkung  von  der 

Temperatur  abhilngig,  folgende  eigentlillndiclie  Versuche  angestellt :  Durch  Cocain- 
dosen  Itci  Hunden,  steigend  von  (>  Mirrtn  i>ro  Kilogramm  Mund,  lassen  sieh 
unter  Steigerung  der  Muskeleontraelionen  iVmperalurerbubuugen  von  40 — 44*7*  C. 
in  4o  Minuten  erzielen.  Dann  tritt  ein  wahrer  epileptischer  Anfall  ^n,  am  so 
leichter,  je  warmer,  um  so  sptter,  je  abgekflhlter  das  Thier  ist.  Bei  42*4*  Blnt» 
wärme  irendiren  »i  Mj^rm  .  um  Cutivulsionen  zu  er/engen,  duri-h  die  dann  die 
Temperatur  noch  auf  43"  stieg,  bei  ;i'J'5"  Kigennärmo  genügten  kaum  Mgrm. 
Die  beiden  Forscher  sind  ans  ihren  Unteranehungen  zu  sehliessen  geneigt,  dan 
die  Verbindung  der  toxischen  Substanzen  mit  dem  Nervensystem  bei  hftheren 
Temperaturen  eine  v<d!-f;indigoro  und  innigere  wird. 

Betrefl's  .ler  W  ä  r  m  e  e  e  n  t  r  e  n  im  (H  liirn  lu-l.t  Isaac  ( »TT )  in  Easton 
I.  Penusylvauieu)  zunächst  seine  Priorilalsreelite  in  Bezug  auf  die  Entdeckung  der 


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FIEBER. 


299 


WAniuM-entren  im  Tbierhirn  hervor  and  benfitzt  eine  Aniahl  möglichst  einwands- 
freier  Fälle  von  ('ifhirnkraukhcitcn  zum  Nachweise  entsprechender  Localisationen 
im  Menscbenhirn ,  vermöge  deren  er  ein  KoLANDO'ache«  und  ein  SYLVi'sches 
Wftrmecentrum  gtatairt. 

J.  Ott**)  verMTantlieht  weitere  ITntomuehnngen ,  ans  denen  er  folgende 
Schlllsse  zieht :  Das  Würmecentnun  in  der  grauen  Substanz  dee  vorderen  Theiles 
des  dritten  Ventrikel-*  ist  mit  dem  Centmm  thermo-poh/pnoicum  anderer  Autoren 
identisch,  da  die  Polypnoe  als  eine  Function  des  Wärmeceutrums  angesehen 
werden  mase,  von  dem  «na  thermolytiflehe  Centren,  das  heiast  vasomotoriaehe, 
respiratorische  Scbweissdrtisencentren  mit  dem  Erfolge  ^'troizt  werden  können,  daas 
dadurch  eine  vernii  lirtc  Wilnueahgabe  herbeiiTefilhrt  w  ird.  Naeh  OTT  SoU  ca  flber> 
haupt  6  Wärmecentreu,  2  cortieale  und  4  basale  ^eben. 

Halb  White  unterscheidet  ein  tbermogenetisches  Nervencentrum 
im  Corpus  tttriatum ,  ein  therniotactischea,  regnlirendea  in  der  Hirnrinde ,  ein 
thermnlytisi'hfs  in  der  ^fetlulla  ohlonfjnfo .  Das  ihcrmopenetische  Centnim  steht 
iu  Verl»indung  mit  den  Muskeln,  das  thiTuiolyiische  mit  den  OeCiiss-,  Soliwcisa- 
und  Kettpiratiunsnerven.  Alle  drei  Centren  können  rellectoriseli  erregt  werden.  — 
Im  xweiterwihnten  Anfaatse  hat  Wbitb  Versnehe  an  den  Corpora  ttriata  der 
Kaninehen  angestellt,  bei  denen  er  nach  einer  Normaltemperatur  von  38*3— 89*4* 
nach  Verlet/.unjren  des  Stroifenhügels  nach  einigen  Stunden  Stcij^erungon  um 
2i,|<>  0.  unter  höchstem  Temperaturstande  nach  16  Stunden  und  vollen  Abfall 
erst  naeh  62  Stunden  aah.  Im  Gegeosatse  zn  Ott  sah  er  oadb  Terletaaag  dea 
Tiinlatnus  optieiiM  und  dea  Kleinhirn«  keine  Temperatnrerhfihnng,  nach  Verletiung 
di  r  <trii'^shirurinde  im  oberen  vorderen  Bezirke  nur  geringe,  im  vorderen  hinteren 
Abschnitte  unregelmüssige  und  rasch  wieder  schwindende  Temperaturerhöhungen. 

UooLiNO  Moiäso  - operirte  wegen  der  grossen  Temperaturschwaukungcn 
dea  Kaninebens  nicht  an  diesem  Tbiere,  sondern  an  Hunden.  Er  fand  nach  Ver- 
letzung der  Rind«' .  df  >t  Vorderhirns ,  des  Corpus  stn'atum  ,  der  Tkafami  optici 
wohl  eine  vorüberirehend«*  bütrHehtlichf  Tomperatursteigerung  um  2'',  doch  aber 
nach  Zerstörung  .sogar  des  ganzen  mittleren  Theiles  des  Gehirnes  Abtail  der 
Erhöhung  wieder  um  2*  und  selbst  unter  die  Norm,  sogar  schon  naeh  einer 
Stunde.  Auch  l.lsst  sich  die  Tciiiptraturerhöhung  nach  all  diesen  Himlisionen 
durch  t'ocaiueinspritzung  auf's  Neue  lu'trilchtlicli  steigern  Nach  Mosso  steht 
die  Lehre  von  den  thermischen  Centren  noch  auf  sehr  unsicheren 
Grundlagen.  Er  ist  geneigt,  zweierlei  Arien  von  Fiebergencse  zu  statuiren, 
die  dne,  nnabhing^g  vom  Nwvenaystem,  s.  B.  naeh  Injeetiun  des  Stophylococcns 
aureus,  di(;  andere,  abbttngig  vom  Nervensystem,  naeh  aehweren  Blutverlusten 
und  nach  Cocain. 

Caxtaxi sprach  in  seiuem  Vortrage  über  Antipyrese  auf  dem 
internationalen  medicinischen  Congresse  in  Berlin  ans,  daas,  wie  Piqftre  wohl 
vorflbergebende  Meliturie,  nicht  aber  bleibende  Ziieki'rh.irnriihr  hervorruft,  so  kann 
der  Kiufluss  gewisser  Xervencentren  wohl  eim'  voritlH'rL'elH'utb'  Teuiperaturstfigeriing 
hervorbringen,  nicht  aber  dauerndes  oder  aussetzendes  Fieber  erzeugen.  Klinisch 
ist  ea  wohl  zwelfelloa.  meint  er  an  einer  anderen  Stelle,  pag.  153  1.  e.,  daaa  nicht 
alle  Fieber  auf  gleiche  Art  und  in  gleichem  Masse  das  Brennmaterial  des  Körpers 
in  ATHpriic!)  nrhinrii  :  es  -chciut,  dass  in  irewissen  Fichfrii  mehr  gewisse  Krtrper- 
gewebe,  iu  audercn  uielir  andere  anget:riiren.  verbrannt,  verbraucht  werden,  was 
wohl  von  der  Art  der  inticirenden  Mikroben  abhilngt.  >iur  auf  diese  Art  sei  es 
zu  erkllren,  dass  die  Folgen  dea  Fieherprooesaes  ao  veracbieden  aind  in  den  ver- 
schiedenen Krankheiten.  So  geben  in  den  Malariafiebern  und  im  acuten  Gelenks- 
rheumatismus zunJlelist  in  LT'wser  Menge  die  mtheu  Blutkörpereheu  unter,  weshalb 
der  Kranke  nach  uberstandeuer  Kraukheit  höchst  anämisch  bleibt.  8o  leidet  im 
Typhua  vorwiegend  die  Mnscalatnr  und  in  zweiter  Linie  sogleich  das  Nerven- 
system, weshalb  der  Kranke  aus>jerordentlich  schwach  uud  m.iL'er  wiid  und  die 
Ausscheidung  des  Verbrauchten  und  daher  auch  die  Gewicbtsaboabm«  des  Körpers 


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300 


FIBBIS. 


noch  in  der  ersten  Woche  der  Keconvalescenz  fortdauert,  ja  oft  sogar  relativ 
Steigt.  In  der  Tuberkulose  leiden  gewöhnlich  alle  Gewebe  und  Organe,  der  ganze 
Körper  tdimmpft  sutammeii)  sogar  das  Hers  wird  kleiner  und  die  Geltae  en|r«r; 

nur  das  Nervensystem  hält  sich  oft  recht  gut  und  scheint  in  einseinen  Fftllen 
vom  hectischen  Fieber  gar  nicht  angegriffen  zu  werden  :  der  Kranke  bewahrt  oft 
seine  ganze  nervöse  Energie,  arbeitet  geistig  weiter,  macht  Pläne  für  die  Zukunft, 
geht  bis  so  seinen  leisten  Tagen  bemm  nnd  stirbt  oft  anf  Reisen.  Es  i^ebt  aneh 
FielNirf  in  denen  der  Körper  bei  geringerer  Temperatur  mehr  verliert  als  bei 
anderen  mit  hoher,  und  endlich  ir'wht  «'3  noch  Fieber,  die  >i('h  unter  Fiemissionen 
und  Intertuidsionen  mit  geringer,  zeitweilig  mit  hoher  Temperatur,  durch  Wochen, 
ja  Monate  Iiinschleppen ,  ohne  den  Gesammtkörper  verhäitnissmässig  anzugreifen, 
in  denen  das  Organeiwdss  grOsstentheils  Tersdiont  nnd  nur  das  eirenUrende  Biweiss 
verbrannt  werden  muss.  Bei  dieser  Darstellung  Cantani's'  ist  doch  nicht  genügend 
auseinaudergehalten,  dass  doch  jede  Fieberursaehe  in  unscrt  ni  OrL'anismiis  nicht  allein 
Fieberureache  i.><t,  soudern  aueserdem  direct  frUher  oder  gleichzeitig  Läsioneu  der  ver- 
sebiedensten  OewelM  veranlasst,  so  das  Plavmodium  tntUarfae  %.  B.  direete  Zer^ 
stArungen  der  rotheu  Rlutkörpereben.  Neben  dieser  verir^chiedenarligen,  directen 
priniUren  Gewebslftsion  durch  den  Infectionsstoff  tritt  aber  alsdann  noch  eine  zweite, 
im  Wesentlichen  gleiche  Störung  auf,  welche  wir  als  Fieber  bezeichnen  und  zu  deren 
Unterlmtt  die  dirceten  Gewebsllsfonen  allein  lüelit  im  Geringsten  ansreiehea  wttrden« 
Ist  doch  das  Verbrennungsmaterial,  welehes  dnreh  die  grössten  Mahlceiton  geliefert 
wird,  nicht  ausreichend,  ein  irgendwie  in  Betracht  kdmmendes  Vcrdauiingsfieber 
hervorzurufen,  wie  sr»llte  da  die  ^reringe  Zerstörung  der  rolhcin  Blutkörperchen 
zur  Hitzereactiou  bei  der  lutermittens  oder  Liämoglobinämie  ausreichen  ? 

N.  ZtTNTZ  und  A.  LÖWT  kommen  hei  der  Bespreebtng  der  Wirme» 
regulatiou  beim  Mensehen  zu  folireiiden  Resnltalea:  Oft  sehon  bei  mflssigen,  aus- 
riahmslos  bei  stärkeren  Wilrmeentziehungen  sinkt  unsere  Körpertemperatur.  Das 
wichtigste  Kegulationsorgan  ist  die  Haut  durch  reUectorische  Verengung  der  Haut- 
gefässe  und  Vermindwnng  der  Wirmesbgabe  durch  den  RSltereic.  So  lange  es 
zu  keinen  tonischen  oder  clonischen  Muskeloontractiom  n  koinnit  Muskelspannong, 
Zittern  ',  bleibt  die  Warmeproduction  unv(>r;irulert.  Die  damit  verbundene  .•Steigerung 
des  Stoflverbranches  kann  bis  loO"/,,  betragen,  ohne  doch  ein  weiteres  Sinken 
der  Körpertemperatur  verhindern  zu  können. 

WtNTRRNiTZ<7)  „UeberWftrmereguIation  und  Fiebergenese"  Bohreibt:  Die 
Blutgefässe  der  Haut  beginnen  sich  bereits  im  Fieberinvasionsstadium  zu  verengen, 
ehe  eine  Temperaturstfigerung  wahrzunehmen  ist.  Mit  dem  Fortschreiten  der 
(jclässcontractiou  steigt  auch  die  Temperatur  an.  Der  Frost  beginnt  erst,  nachdem 
die  Temperatur  bereits  einige  Zeit  im  Ansieigen  begrüFen  und  die  Oeftsseontraetion 
der  Haut  das  Maximum  erreicht  hat.  Und  umgekehrt  geht  dem  Sinken  der  Körper» 
(emperatur  die  Krwt  iternng  der  HautgcrüsHc  voran.  Mit  dem  Maximum  der  GeHiss- 
erweiterung  sinkt  dann  die  Körpertemperatur  wieder  zur  Norm  und  unter  die  Norm. 

KosKMTHAL  fand  mit  seinem  Luftealorimeter,  dass  im  Stadium  des 
Temperaturanstieges  die  Wärmeausgabe  stets  vermindert,  eine  Vermehmng  der 
W;irmeprodnction  nicht  nachweisbar  ist.  Auch  auf  der  Fieberhöhe  gieht  ol^t  die 
Haut  des  Thieres  und  des  M<  nscheii  weniger  Wilrme  ab;  erst  Ix  i  lilngercui  He- 
stehcn  des  Fiebers  erreicht  die  Fieberabgabe  wieder  ihre  frühere  Höhe,  um  beim 
Fieberabfall  —  auch  beim  kflnstlichen  durch  Antipyrin  —  su  dnw  grosseren 
Steigerung  der  Wflnneausgabe  flberzugehen. 

Die  u  r  a  1 1  f  Fra<rc  nach  dem  H  c  i  I  w  e  r  t  h  e  des  Fiebers  wird  nmer- 
dipgs  immer  energischer  aufgeworfen.  Die  alten  Autoritäten  werden  vielfach  citirt. 
HiPPOKRATES  mit  seinem  Worte :  Quo  natura  veryit,  eo  tendere  oportet,  ßossicsi : 
(,>ii<>s  infni/i.jii  -.///(  .<*  remetlia  non  cttrant,  fibrfn  curat.  Auch  Bokuhave: 
(Jnifl  est  filnis.'  /',•>/  nntitntp  iirltnUii  ''nniniicii  ml  p.rprll mdinn  st i nnilnnt 
infi.nt'intniti .  Noch  viele  andere  kömiten  citirt  werden.  i\eiue  Fra;re,  dass  diese 
der  alten  Tcle<'logie  sieh  niiberndc  .•Anschauungen  betreffs  des  Fiebers  .sowohl  wie 


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FIEBER. 


3ül 


betreffs  der  Entzündang  dnrfh  darwinistisclie  Ideen  neuerdinfrs  wieder  in  die  Höhe 
gebracht  nind.  Als  allgemeine  Natarerscheinuog  will  ein  ueueäter  Schriftsteller 
Uber  das  Fieber,  M.  Ukbz  dasselbe  sogar  bis  su  den  Pflanzen-  und  Elementar- 
oTfanismen  verfolgen  und  HefoaeUen  fiebernd  geniMht  haben.  Der  fiebernde 
Organismus,  meint  er,  ist  ein  Staat  von  fiebernden  Zellen.  Durch  septische 
Infection,  auch  durch  mechanische  Heize  konnte  er  die  Stoffwechselvorgäng'e  der 
Hef'ezellen  zu  fiebernden  machen,  liiuduog  und  Freiwerden  des  Wassers  des  Zcll- 
protoplasmas  riebt  er  fBr  dns  Wesen  des  Fieber«  nn. 

A.  M.  DocBMAKN*«),  der  das  Fieber  als  Ausdrodt  der  Heilkraft  der  Nator  « 
betrachtet,  triebt  an  .  dass  mit  Curare  vergiftete  Ratzen  ,  wenn  deren  Wärme  im 
Wärmekasten  sich  auf  mehr  als  40°  erhöht,  viel  tichueller  «ich  von  der  Wirkung 
des  Olftn  befreien  sollen  als  bei  normaler  Tenpcnttttr,  trols  der  Unterbindung 
der  (Jretheren. 

Die  Patbolnor-ie  hat  in  ihrer  langren  Gcschiehte  zu  viel  diir<-h  Theorien 
irelitteii,  als  dass  sie  nicht  mit  ntlchternster  Prüfung  an  die  unisiclitijrstc  Erwägung 
und  Situderuug  der  Thatdacheu  gehen  sollte.  Wir  müssen  uubefangenc  Beobachter 
der  Natur  bleiben,  selbst  wenn  die  darwinistisdie  Betrachtungsweise  hier  etwas 
beweisen  könnte ,  was  gar  nicht  der  Fall  ist.  Auch  dass  Rcfus  von  ErassOS 
etwa  p.  (^hr.  das  Heber  für  ein  grosses  Heilmittel  erklärt  hat,  von  dem  zu 
wüuächen  wäre,  dass  mau  es  künstlich  erzeugen  könnte  (ÜÄäKRS  Geschichte  d. 
Med.  I,  pag.  338),  darf  uns  ebenso  wenig  gefangen  nehmen,  als  moderne  An- 
schannngen  vom  reinigenden  Feuer  (Pflüger].  Nur  eine  grosse  Thatsache  können 
wir  zu  Gunsten  de.<  Heilwertbea  des  Fiebers  anführen,  das  ist  die :  Fieberhafte 
Krankheiten  haben  die  Tendenz  zum  raschen  Verlauf  und  Ablauf, 
sei  es  zum  Tode,  sei  es  zur  Selbstheilung  und  in  erheblich  hohem  Prooentsatze 
znr  Selbstheilung.  Dies  gilt  gans  besonders  von  den  Infeetionskrankheitw.  In- 
fectionsnrsachen ,  die  kein  lebhaftes ,  continuirlichefl  Fieber  erzeugen ,  werden 
chronisch,  oft  von  lehenslänglieher  Dauer,  wie  Syphilis,  Lepra.  Andere,  wie  die 
Cholera,  die  liuudswutb,  verlaufen  zwar  rasch,  aber  sehr  schwer.  Das  intermittireude 
Malariafieber ,  das  remittirende  Fieber  der  Tuberkulose  raeht  auoh  sur  rasehen 
Kntscbeidung  nicht  aus.  Hingegen  führen  Krankh^ten  mit  continuirlicbem 
F'ieber,  wie  Masern,  Scharlach,  Poeken,  Pneumanie.  Typhus  ahrl .  und  e.rnrith. 
rasch  zur  Selbstheilung  oder  zum  Tode.  Die  Selbstheiiuug  kann  bei  keiner  Krank- 
heit stattfinden,  wenn  niebt  die  Krankbeitsnrsadie  entfernt  oder  unsebidlfeh 
gemacht  ist.  einseinen  dieser  fieberhaften  Krankheiten  findet  naohwmsbar  im 
Fieber  eine  Z  e  rs  t  ö  r  u  n  g  der  Frsaehe  statt,  so  die  der  S[)irochaetc  Obermeirri 
in  der  Heeurrens.  In  den  meisten  anderen  wird  der  lufectiousstotV  aber  gar  nicht 
abgetödtet,  sondern  wird  vollständig  wirksam  für  jeden  empfänglichen  Menschen  vom 
Körper  losgestOMen,  von  einem  Körper,  der  aber  nun  doch  seinerseits  immun  geworden 
ist.  muss  also  eine  Umpräg ung  der  Gewebe  stattgefunden  haben.  Ob 
aber  nicht  das  Fieber  eine  blosse  Folge  dieser  Umprägung.  dieser  grossen 
Stolfwechsehtürung  ist?  Dass  das  Fieber  selbst  nicht  von  souveräner  Bedeutung 
dabei  ist,  dafOr  spricht  der  ünistand,  dass  die  Dauer  der  Immunität  gar  nicht 
von  der  Höhe  des  Fiebers  abhängt.  Auch  leichte  Fülle  von  Scharlach,  Masern, 
Variola  mit  geriii^'em  Fielier.  gewähren  für's  Leben  Immunität.  Dass  aber  nun 
gar  hohes  Fieber  ein  günstiges  Zeichen,  die  rasche  uud  intensive  Reinigung 
durch  Feuer  für  den  einzelnen  Krankheitsfall  ein  gutes  Omen  wäre,  hat  noch 
Niemand  an  behaupten  gewagt  der  AogensdHun  spricht  auch  au  deutlieh  dsgegen. 

Es  wird  also  der  Zukunft  zu  überlassen  sein,  ob  es  rathsam  sein  wird, 
irgend  welche  fieberlose  Krankheiten  ,  also  etwa  Syphilis,  Lepra  dureli  ein  Fieber 
erzeugendes  Mittel  zu  einer  ticberhaften  umzugestalten.  Weiter,  ob  ein  derartiges 
kflnstliehes  Fieber  wesentliche  Yortheile  g^nfllwr  der  HTperthermie  böte,  die  sieh 
jetzt  schon  durch  die  diaphoretiaehen  Gnren,  die  sogenannte  metasynkritische  Heil- 
metbode erzielen  lassen,  endlieh  ob  es  Mittel  giebt,  welche  Fieber  und  nichts  als 
Fieber  erzeugen,  im  Uebrigen  aber  völlig  unschuldig  sind. 


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FIEBER. 


Wlbreod  die  salutäreo  Seiten  den  Fiebers  noch  ioimer  strittig  sind,  liegen 
die  deletftren  auf  der  Hand.  Auf  der  Hand  liegt,  das«  dnreh  die  Verbrennnng 

des  Körpers  bei  hftherer  Blotwftrme,  bis  42<'  statt  37^.  ein  stärkerer  Consam  des 
Körpers  stattfinden  tnma,  ein  Conaum,  der  durch  die  Verbindung  mit  der  grleich- 
zeitigen  Inanition  eine  ganz  erhebliche  Reduction  des  Körperuiaterials  und  der 
Körperkräfte  hervorrufen  mass.  Als  unmittelbare  Folgen  der  erhöhten  Körperwärme 
treten  Taebyeardie  and  Wirmedyapnoe  ein,  also  StOnmgen  sweier  edir  lebentwiehliger 
Functionen.  Die  Gesammtmusculatur  des  Körpen,  wetefae  ihrerseits  die  HUfilie  des 
ganzen  Kr»r pergewichtes  ausmacht  und  das  Blut  in  seiner  Znsanimen<«etzung  mtlsseo 
beim  Fieber  um  so  mehr  leiden,  aU  in  Fulge  der  Inauitiun  und  der  mangelhaften 
Verdavang  die  Wiederitentellnng  des  Körpers  die  stirkste  Einbasse  erleidet.  Der 
Schaden  in  Folge  eines  hohen  oder  langdauernden  Fiebers  int  Bieber,  der  Vortheil 
problernntiseb.  um  so  mehr,  als,  wie  oben  erwilbnt,  die  fieb?rliaften  Krankheiten 
bei  hohem  und  niederem  Fieber  in  gleichen  Zeiträumen  heilen,  respective  Immunität 
hinterlassen  könoen.  So  ist  denn  bei  aller  alten  theoretischen  Zuneigung  fdr  das 
Fieber  praktisoh  immw  Antipyrese  geflbt  worden,  nnr  in  sehr  versehiedeaeoi  Masse. 

Selbstverständlich  sehen  wir  dabei  ganz  von  jener  Antipyrese  ab, 
wo  es  niöfrlicb  ist  ,  mit  dem  Fieberproeesse  aueh  die  F  i  e  b  e  r  u  r  b aeh  e  zu  ver- 
bannen. iJass  es  nützlidi  und  not  h  wendig  ist,  die  Malaria  mit  ihrem  Fieber 
dnreh  Chinin  sn  bekämpfen  und  den  acuten  Gelenkrhenmatismus  mittelst  SsUeylsiore, 
wird  der  grösste  Fieberenthnsiast  unserer  Tage  nicht  bestreiten.  Die  Abneigung 
gegen  das  Chinin  als  freien  einen  Eingriff  in  den  Wil|e;i  (iottes  gehört  einer 
fremden  Weltanschauung  au.  liier  sprechen  wir  lediglich  von  Jener  Antipyrese, 
welehe  nichts  mit  der  radioalen  Verniehtuog  der  Krankhatsursaehe  zu  thun  liat, 
sondern  nur  mit  der  Bekämpfung  des  Fiebers  als  Symptom,  als  Folge- 
zustand. Sollen  wir  hier  das  Fieber  gehen  lassen?  Ist  die  Bek.lmpfung  rathsam  und 
mit  welchen  Mitteln  ?  Die  radicalen  Ansebauunf^cn  Uweiirioht's  ,  „dasa  kalte 
Bäder  nicht  antipyretisch  wirken,  dass  antipyretische  Mitt^;!  zwar  antipyretiiich 
wirken,  aber  für  den  Kranken  nieht  nfltsUeh  seieo,  dass  die  hohe  Fieberteuipwatur 
nicht  nachtheilig  im  Fieber,  sondern  nützlich  sei",  diese  radicalen  Anschauunsseu 
haben  keinen  Heifall  gefunden.  Bei  Hehandlunf;  des  Abdominaltyphus  wird  das 
kalte  Bad,  in  mehr  oder  minder  curroctor  Durebtilbruug  der  BfiANü'schen  Methode 
sehr  hoch  gesehfttst,  sowohl  wegen  seiner  antipvTotisehen  Wirkung  in  Herabsetsung 
der  Eigenwärme,  als  auch  we^^en  seiner  anre^renden  Wirkung  auf  die  Bant, 
respective  die  Hautnorven  und  dadureb  niittelliar  anf  das  pe-ammte  Nerven- 
system. Dass  bei  dem  lang  dauernden  Fieber  des  Abdominaltyphus  auch  eine 
frühzeitige  Bekämpfuug  der  Inanition  von  grösstem  Eindusse  ist,  wird  allgemein 
anerkannt.  Viel  getheilter  sind  die  Stimmen  Uber  die  ebemisebenAnti- 
pyretica,  soweit  dieselben  nicht  wie  Cliinin  und  Salicylsäare  im  Malariafieber 
und  (ieleiikrbeumatisnnis  die  Causah'ndieation  zu  erfüllen  vermögen.  Von  neueren 
Untersuchungen  Uber  diese  chemischen  Antipyretica  wären  zu  nennen:  (jOTTUEB  ^'), 
der  mittelst  des  RoBNEB'seben  Galorim^rs  beim  Kaninehen  ermittelte,  dass  Chinin 
die  Witrmeproduction  bei  normalen  Thiereu  um  8 — l>^''  o  verminderte,  bei  der 
durch  Hirn-Jticb  gestcitrerten  Körperwärme  um  400  ^  ( Jleielizeitijr  i-^t  die  Wärrae- 
abgabe vermindert.  Antipyrin  hingegen  vermehrt  die  Wärmeabgabe  bei  normalen 
Thieren  um  O'ö^/o,  naeh  Gehimstich  bis  55Vo,  bei  gleichzeitiger  Vermehrung  der 
Wirmeproduetion.  Beim  normalen  Thiere  wie  bdra  gesunden  Menschen  wird  die 
Temperatur  viel  schwerer  als  beim  Fiebernden  berab;resetzt  .  die  iJegnlation  ist 
enerjrisi'lnr.  Antipyrin  eignet  sieb  mehr  IHr  die  einmall^'^e  llerabdriieknng  bober 
Temperaturen,  wo  die  gleichzeitige  Steigerung  der  Verbrennung  ohne  Bedeutung 
ist,  Chiniu  fttr  Iftngeren  Gebrauch.  Eine  eingehendere  Behandlung  dar  Wärme- 
regulation im  Fieber  und  unter  der  Einwirkung  der  Antip}  i  ( tira  ist  von  Richard 
Stkrn^-:  jreliefert  worden.  —  G.  OüDO '^j  bilit  bei  den  lifkaiinten  Antipyreticis 
(Acotanilid,  Methylacctauilid,  Paraoetphenitidin,  Acetylpheuylhydroxiu,  Acetoani-nidin, 
Phenoldimetylpyrazolon,  Anilin,  Phenol,  Resorein)  den  BeuEinkern  fttr  die  Ursadae 


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FIEBER.  —  FISCHGIFT. 


303 


der  antipyretischen  und  .-iur'b  der  «ntaloo:en  Effecte.  Statt  der  schleppenden,  un- 
baudiioben,  ehemiscbeu  Hczuicbuungen  sind  kürzere  Bezeichaungeu  für  die  viel 
gebnnebten  voter  den  «bemisehen  Antipyretids  in  die  Praxis  flbergegang^en ;  so 
der  Name  Äntipyrin  für  das  ohi^e  Phenoldimethylpyrazolon,  Antifebrin  fflr  Aceta- 
nilid,  Kairin  für  da«  Oxychinolin.'Uliylliydrdr,  Tlialliti  filr  das  Tetrabydroparacbin- 
anisol.  Das  Urtbeil  über  alle  diese  cbemiscbeD  Antipyrctica  gebt  meist  dabin,  dass 
dieselben  wohl  mehr  oder  minder  ihrer  Speeialaufgabe,  Herabdrflelraog  der  Tem- 
peratur genllfren,  aber  dass  sie  als  geftbrUohe  toxiaohe  Mittel  anza<icben  sind  und 
dasH  ihnen  ein  günstiger  Kinflnas  auf  den  Geaammtverlauf  der  Krankheit  nicht 
nachzurühmen  ist.  hie  Kranken  starben  nn?efShr  in  demselben  Proceotsatze  nach 
wie  vor,  nur  jetzt  bei  niederer,  statt  sonst  bei  höherer  Temperatur. 

Literatur:  *)  Bde1b«rf,  Areh./.  ezp.  Path>  XII.  —  *)  Bonssy,  8ttr  la  pa- 

thofft'nie  de  hi  fii  i  rf  ;  sufßstancrs  calorighit«  et  ffifjorigenes  d'origine  mikrobii'nne ,  pi/reto- 
yinie  tt  jriguri<ieuii .  Gaz  d,  höp.  Nr.  31-  —  *)  Scli  ützcn  l>erge  r,  Sur  un  tiarnil 
dt  Routtfff  Ttchei'chef  experimenlales  siir  Iti  patholoi/ie  de  la  Ju  cfe.  au  nuin  de  la  ruiii- 
miuüm  eomposie  dt  A.  Gauthier,  Uayan  ttc,  —  *)  H.  Hildebrandt,  Zar  Keaatniaa  der 
pbjrriologfschAn  Wirkunif:  der  hydrolyttsebeB  Fermente.  Virob'>w*8  Areb.  OXXf.  p«s.  1.  — 
*)  Filehne,  Zur  Frage  nacli  Jetn  Heilwertlie  d^.s  Fiebers.  Virchow's  .\rch  CXXXI.  pa^  1.  — 
*)  Jottkowitz  u.  Hildebrandt,  Ueber  einige  pyretiHcbe  Verauclie.  U.  U  ild  e  b  ra  ndt, 
Veiteree  Iber  hydrolytigchc  Fermente,  deren  Scbickaale  und  Wirknaj^ea,  sowie  Aber  Ferment- 
festi^rkoit  iini!  rfoninirnifr  ricr  K<Tnu'ntrttionf»n  im  Orp.ini.smas.  Virchow's  Arcb.  1H93,  CXXXI. — 
')  S  a  in  ue  1 ,  Eiitzündiiutjslierd  und  KritzumlunKshot.  Virchow  s  Arch.  ISÜD,  CXXl,  pag.  273.  — 
Pel,  Pseudoleucumie  oder  chronische.^  Rückfallsfieber.  Berliner  klin.  Wochenschr.  1887, 
Nr.  35-  —  Ebetein,  Das  cbroniacbe  Kückfallsfleber,  eine  neue  Infectionskrankbeit.  Ibid. 
Vr.  31,  45.  —  **)  H.  Haramereeblag,  üeber  die  Besiebonxen  des  Pibrinfermentee  mr 
Entstehung  de.s  Fi-lnis.  An^h.  f.  exp.  Patb.  XXVIT,  pag.414.  —  ")  Voickers,  lieber  Sarconi 
mit  recnrrirendi^u)  Fieberv^rlaufi'.  Berliner  klin.  Wochenschr.  1889.  Nr.  30  und  Hauser, 
Ein  Fall  von  chronischem  Kückfallsliehcr.  Ibid.  Nr.  31.  —  ßinet.  Recherches  sur  unt 
sub)t(nnct  thermoyine  de  l'urine.  Kevue  med.  de  la  Suiese.  Rom  1691,  Nr.  10.  —  '•')  Toma- 
seil i.  La  intosstieatione  rfhiica  o  j'thhrr  ittaro-etnaf urica  da  chinina.  Gaz.  lombarda.  1889, 
Nr.  5.  pag.  4G.  —  Gangolphe  u.  Courmt  nt.  !>e  In  ßt ne  rmtsecutire  <V  l'obliterntion 
WMciUaire  sans  intercention  mikrobitnne.  Arch.  de  mM.  exp.  1891,  Nr.  4.  —  Sarbo, 
Ardi.  f.  PSycb.  XXIII,  pag.  886.  —  '*)  F.  Krane,  Vebcr  den  reepiratoriaeheo  Gasanttanseb 
im  Fieber.  Zeitschr.  f.  klin.  Med.  XVIIl,  pag.  160.  —  Cavallero  S.  Riva  Rocco, 
Contrihutti  nlln  studio  dt(  jtroce.sso  feltrile  rirerrhe  es/ierimniluli.  Hivi.sta  clinic.  1890, 
Nr.  4.  -  -  '~)  .A.Löwy,  StoffwechseluntBrsuchungen  im  Fieber  nrni  bei  LungenaffectioDen. 
Virchow'e  Arcb.  CXXVi,  pag.  218  —  ")  Beiobmann,  Ueber  das  Verhalten  des  arteriellen 
BlDtdmekes  im  Fieber.  Dantsdw  med.  Wocbensebr.  1889,  Nr.  38.  —  "'O  Langloie  n.  Biebet, 
J>e  l'iiißi<eh<  e  di  hi  tfinpirtAwrt  intei  uf  sur  lc\  roi,vulsions.  Arfli.  df  Phys.  I,  '4.  —  ')  Is:iac 
Ott  in  Easton  (Penn.sylvanla):  Jleat  centre«  i»  mui».  Brain.  XI,  pag.  433  —  J.  Ott, 
The  thermo-polyjmoeir  centre  and  thtmMrinxi«.  Jonm.  oftbe  nerv,  diseases.  XIV,  Nr.  4  n.  5  — 

Haie  White,  Thr  theorij  of  ptjrexin.  Amer.  Jonm.  November  1890.  Ders. :  The  efccl 
upun  ihe  hoilelit  teiiifrrtilure  of  lexiom  itf  the  rorpora  striata  nud  thalamus  opticus.  Joarn. 
of  Phy.s.  18^0,  XI,  Nr.  lü.  —  '^')  llgolino  Mosso.  Die  Lehre  vom  Fieber  in  Bezog  auf  die 
cerebralen  Wänuecentren.  Arch.  f.  esp.  Path.  XXVI,  pag.  316.  —  Cantani,  Ueber  Anti- 
pyreee.  Internat,  med.  Coagress  m  Berlin.  I,  pag.  Ibi.  —  **)  N.  Znntz  n.  A.  LSwy,  Ueber 
die  Wärmeregulation  1)eini  Menseben.  Anh.  f.  Aiiat.  u.  Physiol.,  Ablh.  f.  Phy.s.  1889.  pag.  ;i5S.  — 
•'')  Win  lern  itr,  Utber  Wärmeregulation  und  Fiebergenese.  1^  Vortrage.  1890,  pag.  115. 

Rosen t ha  1.  Die  Warmeproduction  im  Fieber.  Biol.  Centralbl.  XI,  Nr.  18.  Berliner  klin. 
Wochenschr.  1891,  Nr.  d4-  —  *  )  M.  Herz.  Unter-suchongen  über  WÄrme  uud  Fieber.  1893.  — 

Dochmann,  Fieber  al.s  Ausdruck  der  Heilkraft  der  Natnr.  Wiener  med.  Presse.  Is89, 
Nr.  13.  14,  Iti.  —  ^'i  üottlieb,  Kalorimetrische  Untertiuchnng  über  die  Wirkungsweise  des 
Cbioia  und  Äntipyrin.  Arch.  f.  exp.  Patb.  XXVIU,  pag.  167.  —  ")  Riebard  Stern,  üeber 
des  Verhallen  der  Wftrmeregniation  Im  Fieber  nnd  unter  Binwirlning  von  Antipyfatiste. 
Zeit.ichr  f  klin.  Med.  1H91,  XX.  pup.  63  —  ")  Oddo,  IteJuzinne  tra  la  eonstituxiwM 
clinicu  e  IK^iinu   flsiidoyica  äci  compasti  della  serie  aromat,  üaz.  clioica  Ital.  IX. 

Samuel. 

Fischgift  i  vergl.  Real-EncycIopAdie,  2.  AuH..  p.N<r.  237).  Die  AbbAngigkeit 
der  r  u  s  M  i  s  (•  h  0  n  S  :i  1  z  fi  s  c  h  V  c  r  Of  i  f  t  n  n  ^  von  bestimmten  pathogenen  Mikroben 
wird  neuerdings  von  Abustamow  behauptet.  Der  dafür  angeftlhrte  Umstand, 
daas  das  Fleiseh  der  Stemhansen  nnd  Laehae,  nadi  mlehem  er  da«  Eintreten  von 
Yergiftangseracbeinungen  beobaehtete,  keinerlei  FAtllDiaaerscheinunu'cn  darbot  und 
von  gntem  Geschmack  war,  i.st  von  prerinirer  Bedeutung,  da  auch  das  dem  iSalz- 
iischgifte  analoge  Wurstgift  sich  in  Würsten  fiadeu  kauu,  welche  in  ihrem  Aus- 


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FISCHGIFT. 


sehen  Verändcrungcu  uiubt  zeigen.  Daas  flbrigeDS  in  Bezug  aut  die  Salzung  ein 
etwas  Btt  leiflhtet  DnnlidningeDadii  des  Flelsebei  su  rflgen  war,  wird  von  Ardstamow 
selbst  zngegebea.  Nor  dureb  diesen  Tinstand  ist  es  meh  erklärlich ,  das«  das 
Fleisch  von  zahllosen  lebenden  Mikroben  durchsetzt  war,  die  bei  ricbtifrem  Salz- 
gehalt wühl  nicht  fortexistirt  haben  wOrden.  Nach  Abustamuw  gaben  die  irag- 
liehen  Mikroben  Cnlturen,  die  denen  der  TyphnsbadUen  sebr  Abnlieb  anasabeOf 
docb  lieeaen  sieb  sowohl  zwiseben  ibnen  und  wirklieben  TyphrnbadHen ,  ab 
zwischen  den  Mikroben  de^«  Lachses  und  des  Accijienfter  sffifutus  deutliche  Unter- 
schiede teststellen,  wenn  man  die  Sticheultnren  und  die  (lelatine  verflüssigeoden 
Eigenschaften  verglich.  Es  handelt  sich  übrigens  um  Bacillen,  die  beim  Lachse 
dicker  and  llDcer  als  im  Stemstörfl^be  sind.  Diese  DiAsrens  ist  allerdings 
intereasant,  würde  sich  aber  dadnrek  erkUren,  dass  die  betreifenden  Fischarten 
ans  verschiedenen  Geg-enden  stammen,  und  es  fehlt  der  Nachweis  völliir,  dass  sie 
wirklich  bei  Fischen  pathogeue  Zustände  erzeugen.  Fäulnissbaicterien  sind  diese 
Mikroben  allerdings  nicht,  insoweit,  als  sie  nie  ttble  OerOebe  entwiekeln.  JedeofiiUa 
aber  sind  sie  von  soleker  Entwicklungsfähigkeit,  dass  die  in  dem  Fleiaebe  von 
Ardpeiiffer  stfÜatiis  vorhandenen  Raeilleii  sich  auch  in  Sehnittprüparaten  der 
Leber,  Milz  und  Niere  der  unter  dem  durch  das  giftige  Sterlettieisch  erzeugten 
betiannten  Symptomencomplex  zu  Grunde  Gegangenen  nachweisen  lieasen.  Zwingend 
fnr  die  Annabme  pathogener  Badllen  ist  aber  weder  der  Umstand,  daas  man 
unter  einer  grossen  Menge  zu  gleicher  Zeit  gefangener  und  unter  ganz  gleichen 
Bedin^'ung-cn  eingemachter  Fische  immer  nur  vereinzelt  giftige  Exemplare  antriflPt. 
noch  derjeuige,  dass  die  Kraokbeitssymptume  sich  von  Tag  zu  Tag  auch  dann 
Steigern,  wenn  vom  genossenen  Fisebe  im  Magen-  nnd  Darmeanale  niebts  mebr 
naebgeblicl>en  ist.  Bei  der  Wurstvergiftung  ist  es  mehrfach  vorgekommen,  dasa 
nnr  einzelne  Würste  derselben  Rauchkammer  zu  Vergiftungen  Anlass  fraben.  in- 
sofern sie  eben  nicht  alle  gleichmässig  von  liauch  durchdrungen  wurden ,  und 
bei  den  betreffenden  Fischen  ist  in  dem  Naehweise,  dass  sie  nicht  gehörig  mit 
Sals  impHIgnirt  waren,  jedenCrils  ein  Factum  oonstatirt,  aus  welebem  wir  daa 
Zustandekommen  einer  Zersetzung,  die  ohne  das  Auftreten  f'4iik'r  Fftulniss  ver- 
läuft, erklären  können.'  Steigerung  der  Vergiftungserscheintin^reu,  ohne  dass  man 
im  Magen-  oder  Darmeanale  noch  Reste  des  Giftes  nachweisen  kann ,  hat  man 
aber  aneb  bei  Vergiftungen,  bd  denen  das  direete  Einwirken  von  Mikroo^anismen 
ausgeseblossen  ersebeint,  beispielsweise  bei  der  Intoxieation  dnreb  Amanita  hd- 
boM,  gesehen. 

Dass  es  übrigens  auch  Fftlle  gibt,  wo  weit  dringenderer  Verdacht  bezüglich 
der  Abhängigkeit  des  Effects  giftig  wirkender  Fisebe  von  Infeetionsproeeesen 
besteht,  beweiRl  ein  neuer  engliseber  Fall  von  Vergiftung  durch  Bflchsen- 

Sardinen,  nach  deren  Genuss  der  Tod  eines  iresunden  Officiors  unter  den  Er- 
gcheinungeir»  \on  mali;::nem  i>edcm  in  25  Stunden  erfolgte.  Die  auti'allend  rasche 
emphysematöse  l^iuluiss  des  Verstorbenen  und  der  Umstaud,  dass  Fragmente  der 
faulra  Leber,  auf  Meersehweineben  verimpft,  malignes  Oedem  erseugten,  lassen  an 
eine  milzbrandige  Affection  denken.  Demungeacbtet  fanden  sich  weder  in  den 
Sardinen,  die  auch  auf  Thiere  giftijr  wirkten,  noch  in  dem  von  dem  Verfrifteten 
Erbrt)ehunen  pathogene  Bacillen,  während  ein  icrystallisirendes  und  starli  wirikcndes 
PtomaTn  darans  erhalten  wurde.  *) 

In  Bezug  auf  die  Verbreitung  des  sogenannten  Fugugiftes  in  den 
verschiedenen  T  e  t  r  o  d  "U  a  r  t  e  n  Japans  ist  zti  erwähnen,  das»  nicht  aile 
Tetrodonten  giftige  Eigenschaften  besitzen.  Willig  uugiftig  ist  Tetrodon  cutaneim. 
Die  giftigsten  Arten  sind  Tetrodon  chrysojja,  T.  pardalisj  T.  vermxcularit  nnd 
T.  poecilonotu» :  dagegen  sind  T.  rubripe»,  T,  porphyrmn,  T.  stietonottu  und 
7'.  rivulatua  weniger  giftig.  Das  (iift  ist  vorwaltend  in  den  Eierstöcken  vor- 
handen, die  zur  I>aichzeit  weit  toxischer  als  zu  anderen  Zeiten  sind.  Bei  den 
giftigsten  Arten  tindet  sich  das  Gift  auch  im  Hoden ,  Jeducb  in  weit  geringerer 
und  Bum  Th«i  sogar  nur  in  minimaler  Meuge,  wihrend  es  bei  den  weniger  giftigen 


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FISCH«  il  FT.  — 


FLUSS  VERUNREINIGUNG . 


ä05 


Arten  im  Hoden  überhaupt  nicht  nachweisbar  ist.  Aehnlich  verhalten  sich  Leber 
und  Einfrcwcidc,  während  in  den  Muskeln  auch  bei  der  j^ifti^sten  aller  japanischen 
Kuguarteu ,  T.  chrifnoi>8 ,  kein  Gift  vorhanden  ist.  Minimale  Giftmengen  linden 
sieh  aaeh  im  Blate  toh  T.  ehryaops  und  T.  pardcii»,  Hinsiclitiioli  d«r  Beeiiio 
fluHSung^  (\v<  I'u^u^ftes  darch  Kochen  hat  sich  herausgestellt,  dus  die  4  bis 
8  Stunden  dauernde  Einwirkung  der  Siedehitze  die  toxische  Action  auch  dieses 
Fiscbgiftes  erst  abschwächt  und  später  völlig  aufhebt;  auch  die  frischen  Eier- 
stöcke werden  doidi  laoget  Kodien  ungiftig.  Taeahashi  oDd  Inoko*),  deoeii 
wir  die  neuesten  Studien  Aber  Fugugift  verdanken ,  haben  in  zwei  Fällen ,  in 
df-ncn  der  Geniiss  von  Tetrodonten  tödtliche  Intoxication  unter  den  charakterisHschen 
Liibmungserscbeinungen  herbeigeführt  hatte,  das  Gift  durch  die  bei  Fröschen  her- 
vortretende CnntrewirkuDg  des  wässerigen  Extraots  im  Magendarminhalte  ,  Blut, 
Harn  und  selbst  in  der  Perüonealflflssigk^t  naebgewieseo. 

I,  i  t r  :i  t  u  r  ;  '  t  Arustamow,  Ueber  die  Natur  des  Fi.schtriftcs,  Wratiidl.  1891« 
Nr.  19.  Therup.  Monatuh.  Juni  ld9;j,  pag.  {i)j4.  —  Stevenson,  roUomny  by  eardüte»; 
tt  toxie ptomaine.  IMt.  med.  Jonen«  17. Bm.  1802i  pag.  13S6.  —  ')  Takahashi  und  Inoko, 
Uittfaeil.  der  med.  Facaltät  sa  Tokio.  1892,  Nr.  fto,  Bd.  I,  pag.  37.  Hnaoiaanii. 

Fischgifte.  Zu  den  bisher  untersuchten  Fischgiften  kommt  noch  dne 
Papilionacee  des  tropischen  Amerikas,  liohinia  Nirm/,  die  zerflossen  von  den 
Caraibeu  und  anderen  wilden  Völkerschaften  zur  Betäubung  von  Fischen  benutzt 
wird.  Naeh  einer  Unterradiiing  von  Qboffbot  and  SCHLAODENHAiiFFBir  ent- 
hält sie  ein  krystallinisehee,  in  Alkohol  leidit^  in  Wasser  fast  gar  nicht  lösliches, 
in  sehiH'eweissen  Krystallen  zu  erhaltendes  Princip .  das  in  htU-hst  minimaler 
Men^e  Finche  verfriftet.  Wasser,  das  davon  1  :  1,000. f)t  M  i  in  alkoholischer  Solution 
beigemengt  enthält,  ist  für  Fiäcbo  bereits  toxisch.  Auch  für  Frösche  und  Kauinchen 
ist  dieser  noeh  nfth«»  an  nntersnehende  Stoff  giftig;  die  Ersehdnnngen  rind  ge> 
steigerte  Reflexerregharkeit  and  rapide  Pulsverlangsamung.  Andere  Fisehgifte  des 
tropischen  Amerikas  sind  -Tncquinia  nrmillaris  eine  Myrsinee.  die  we^en  der 
Verwendung  ihrer  getrockneten  Früchte  zu  Armbändern  in  Westindien  als  Bois 
hraeeltt  (Armbandbaam)  beseiehnet  wird,  nnd  Surjania  leUdvt  8t.  Hü,,  ein 
■Strauch  aus  der  Familie  der  Sapindaceeni  von  welebem  man  die  Giftigkttt  dee 
Honigs  der  Lecheg:uaaawespe  abldtet,  dessen  toxisehe  Wirkung  St.  Hilai&b  an 
sich  selbst  erprobte. 

Literatur:  K.  üeoffroy,  Sur  lu  Hobinia  Stcou  el  moh  priticiite  uctif.  Joarn. 
do  FbamL  Nov.,  pag.454.  Husemann. 

Fluorescein,  8.  Augenheilmittel,  pag.  47. 

Flussverunreinigung  (vergl.  den  Artikel  AbfalUtuffe  in  Bd.  I 
der  Bncyelopädtseben  Jahrbfleher,  spec.  pag.  18).  Dass  das  Wasser  eines  staric 
verunreinigten  Flusses  —  das  „Wie"  der  Verunrtunignng  sei  aaniehst  in  sweite 

Reihe  «restcllt  —  diejenifren  Mensehen  ('„I  feranwohner"),  welche  es  geniessen  oder 
im  Haushalt  als  Nutzwas-fer  verbrauchen  .  an  ihrer  Gesundheit  schiidijrcn  mU.S9e, 
ist  eine  allgemeine  Annahme,  deren  Behauptung  ebenso  volksthümlich ,  Ja  selbst- 
verstindlieh  ist,  wie  ihr  exaeter  Beweis  eomplieirt  and  sohwkarig.  Von  den  grOnd- 
lichen  und  weitumfassenden  Arbeiten  der  1868er  „River  PoUntlon  CommiMioa'' ^) 
an  bis  zu  den  l'reisarl»eitpn ,  die  auf  sflehsisehe  Veranlassung  unternommen  wurden 
und  den  schätzenswerthen  Discussionen ,  welche  der  Deutsche  V^erein  für  öffent- 
liebe  Gesundheitspflege  auf  seinen  Oongressen  in's  Leben  gerufen  hat*),  ist  die 
fra^iehe  Beweisführung  unablässig  von  umsichtigen  und  gewissenhaften  Forschem 
in  Angriff  iPren<imnien.  auch  unletiL'b.ir  i.'('t''>rdert  worden,  jedoch  ohne  den  erhoflften 
Erfolg:  mittelst  einer  lückenlo.-seu  .'^clilus-itHl^^erung  aus  dem  Maass  oder  der  Re- 
sebafliNiheit  der  Verunreinigung  zu  dem  Grade  der  Schädliehkeit  zu  gelangen, 
oder  in  den  erstrebten  Gleiehungen  wenige  oder  dnige  unbekannte  OrOssen 
statt  unzähli;rer  zu  haben.  Nicht  wenig  wird,  wie  gleich  einleitend  hier  betont 
werden  darf,  die  so  oft  in  Angriff  genommene  Aufgabe  noch  vwdunkelt,  ja  ver- 

Encjrdop.  Jahrbücher.  III.  2U 


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306 


FLÜSSVEROMREIKIGÜNO. 


wirrt  durt-h  die  eif^cnthümlichen ,  sueben  in  ihren  Ant:inf<cn  «rxperimeutell  ent- 
hüllten Vcrwandluagea  des  Flusawassers ,  durch  welche  dasselbe,  wie  man  sagt, 
eine  „Selbetreioigaiig*'  sieh  lautet. 

Schon  UQter  Festhaltun^  dieser  Punkte  gelangt  man  zu  der  Noth wendig- 
keit, jede  Flus^verunreinigrunff  als  eine  zeitlich,  örtlich  und  gradwcis»^  verschiedene, 
als  relative  aufzufassen.  Zwingend  gebt  dic^e  Aullassung  auch  hervor  aus  der 
Art  der  Vemnreioiguiigeii :  solche  dnrdi  Abwässer  tod  Fabriken  nnd  sol^e, 
welche  die  Hnos-,  Cluset-  und  sonstigen  Abwisser  mensehlicher  Wohnnngen  suni 
Trsprunge  hahen.  Da  die  Heziehun^en  zur  Wasscrmenpfe  des  Fius-'es,  zu  seinem 
GefAlle,  zur  Bcächattenbeit  seines  Bettes,  zu  seinem  (^uersehnitt ,  der  Bewegung 
snnes  Inhaltes,  zum  hOchsifln  und  niedrigsten  Wasserstande,  kurz  su  dem  ge- 
sammten  „Regime"  des  Flnsses  neuerdings  durch  ausgeiteieluietB  Monographien 
analysirt  und  jreschildert  worden  s-ind,  wird  et*  zum  Verstllndniss  der  neuesten 
Arbeiten  auf  diesem  (iebiete  ^enüfren,  auf  die  mit  dem  S!initiltsi)olizeilichen  (Jebiet 
unmittelbar  zusaromouhilngenden  Fragen  einzugehen  und  die  auf  der  allgemeinen 
Reditslage  b^rflndeten  Vcrwaltnngsvorschriften  nnd  polueiliehen  Anforderungen 
an  die  Reinhaltung  der  FlOsse  zam  Schluns  jener  Reeapitulatlon  anznftlgen. 

W;i>;  die  SelbstreinipTung^  der  Wasserlüufe  anlatiirt.  uo  i-^t  als  eiue  solche 
nur  mit  \  urbebalt  die  A  blagerung  der  achwebeudeu  Unrein igkeiteu,  wieviel  sie 
dem  Anschein  nach  auch  in  schnellfliessenden,  mit  flachem  Bett  Tersehenen  StrSmea 
leisten  mag,  aufsnfaeseD.  Jedenfalls  können  selbst  die  in  grösseren  Tiefen  abg«^ 
setzten  Schmutz-  und  Stickstcfic  lici  jedem  Kiufveten  von  Hochwasser  von  Neuem 
mit  dem  Flusswasser  vermischt  werden.  Aber  auch  dort,  wo  sie  vom  Hochwasser 
nicht  in  die^ev  Wei.se  wieder  aufgesucht  werden,  bedürfen  sie  einer  längeren 
Zeit,  um  sam  Nihrboden  fDr  pflanzliches  Leben  an  werden,  die  einaig  stich- 
haltige Verwandlun.s:  aus  Rch.ndlicher  ((kulMtder)  in  unschädliche  organische  Sub- 
stanz durchzumachen.  Inzwischen  bleiben  sie  bei  ihrem  Ladern  an  untiefen  Stellen 
der  Luft  und  der  Sonne  genügend  exponirt,  um  auch  durch  Ausdunstungen 
die  Athemlaft  der  Anwohner  cn  venM^eobtem.  Was  von  experimenteller  8eite 
zur  Aufklärung  der  Selbstreini^rungsvorgänge  geschehen  ist,  leitet  —  vom  mecha- 
nischen ,  wie  vom  chemischen  Ausg^angspunkt  lier  —  auf  die  Redeutunfj  des 
Bakterienlebens  im  ntrömeudeu  \V.-i^»er  hin.  Ucberlässt  man  verunreinigte 
Wässer,  ohne  sie  erst  zu  filtrireo,  in  hoben  Gläsern  sich  selbst,  so  treten  neben 
der  Klärung  durch  Abnnken  der  suspendirten  Stoffb  Ozydationsvoigänge  ein, 
ijnter  deren  KinHuss  einmal  die  or°:anische  Substanz  in  Kohlens.lurc  und  Wasser 
unifrewandelt  wird ,  und  (U^ren  zweite  Hauptwirkun^'  d.as  Ammoniak  betritit.  An 
seine  Stelle  tritt  —  auf  dem  Wege  des  Uebergauges  in  salpetrige  Säure  — 
Salpetersäure  in  immer  steigender  Menge.  *)  Von  Nebenumständen  ist  es  ab- 
hängig, ob  die  salpetrige  Silure  als  Zwischenstufe  sich  etwas  länger  hält  oder 
nur  vorflherircliend  und  in  minimalen  Menffcn  beobachtet  wird  :  das  Enderpebniss 
ist  jedenfalls  die  totale  \  erlirennung  des  Ammoniaks  zu  Salpetersäure,  die  l^itri- 
flcation,  eine  Mioeralisirung  in  dw  Vollständigkeit,  dass  sämmtlieher  Stick- 
stoff des  Ammoniaks  beim  Experiment  sich  quantitiUiv  in  Form  von  Salpetersäure 
wiederfinden  l.tsst. 

Vor  dem  näheren  Einrieben  auf  das  eigentliche  Wesen  dieser  Sauerstoff- 
wirkungen verdienen  die  Unterschiede  Erwähnung,  welche  —  wie  ja  fast  aus- 
nahmslos so  auch  hier  —  zwischen  dem  Experimentiren  im  Wassergeffess  und 
den  Hergängen  im  ^ros.sen  natürlichen  Strombett  statthaben.  Zunächst 
wirkt  das  reiche  pflanzlich«'  Le}»cii  an  den  Hftndern  und  auf  dem  (Irunde  der 
FlUs.sc  nachtbeilig  ein  auf  die  L'eberciustimmung  der  quautitativ-aualytischen  Er- 
gebnisse. Die  Wasserpflanzen  bemichtigen  sieh  des  AmmoniakstieIntofliBS ,  wie 
der  Salpetersäure  und  ihrer  Salze  frern  als  unentl»ehrIichor  Nährmittel.  Dadurch 
werden  dem  in  der  Selbstreini^run;:  lieirritlVnen  Flusswasser  nicht  unerhebliche 
Menden  —  besonders  auch  des  I  mwandlun^sproductes  —  entzogen,  so  dass  man 
au  offenen  Gewäs^^ern  recht  häufig  nicht  im  Stande  ist,  den  gesammten  Stick- 


FLUSSVEBUNBEIKIGUNG. 


307 


fttofnbetng  dos  ursprllii^^lichtn  AmnoaiakH  später  in  Foarm  der  Salpetersäure  nach- 
znweisen.  Auch  die  Ahnnlmie  der  zersetzungfsfithipren  org:anischen  Substanz  crlpidct 
im  otl'eDun  Wasiäerlaut'  Stüruiigeu,  wie  sie  das  V^ersucbsgefäsa  nicht  kenut:  wena 
in  FlttMen,  die  stark  von  Al^en  besetst  siod,  die  letzteren  abiterben,  so  kOnnen 
ihre  organischen  Bestandtheile  zum  -rrosson  Tbeil  in  das  Wuser  übergehen  nnd 
dieses  auf  beschränkte  Strecken  mit  einem  neuen  Zusi-hiiss  orL'anischor  Substanz 
bereichern.  Dies  sind  jedoch  ersichtlich  nur  quantitative,  keineswegs  principielle 
Unterschiede  des  Versuches  im  Kleinen  und  des  Herganges  in  der  Natur. 

Allein  es  fehlte  bis  vor  Karzern  nieht  an  Stimmen  aus  dem  natnririssen- 
schaftlichen  Lager,  welche  der  AufTassong  das  Wort  redeten :  in  der  freien  Xatiir 
vollzöge  sich  jene  Oxydation  milteist  de^  Luftsauerstofies  einfach  durch  die  Be- 
rührung der  Wasseroberfläche  mit  den  ijuftschichten ,  durch  die  Bewegung  des 
StrQmens,  aneh  dnreh  den  Wind  oder  die  Sonnenbestrablung  oder  dnreh  alle 
diese  Factoren  in  ihrem  Zusammenwirki-n.  Zu  Gunsten  dieses  Mechanismus  liess 
sich  inde-is  bei  seiner  .Nacbahtiiuii^  durch  das  Esperiment  auch  nicht  eine  wirk- 
liche Tbatsacbe  erhärten.  ^>chUttelte  man  unreines  und  abgeklärtes  Wasser  (ähn- 
lieh wie  es  in  der  Natur  die  Bewegung  des  Stromes  oder  noch  energischer,  wie 
es  etwa  die  Bewegung  des  WaKserfalles  tbnt)  mit  Luft,  so  dass  der  Sauerstoff 
dcrscll)en  mit  der  Berührungsfläche  des  Wassers  in  stundenlangen  Contact  kam, 
leitete  man  Sauerstoff  oder  selbst  Ozon  durch  derarti^'es  Wasser,  so  wurde  die 
Kitritication  darin  durchaus  nicht  beschieunigt,  es  schien  ira  Gegentheil  der  Ver- 
brauch des  dargebotenen  Sauerstofite  ein  weitaus  venögerter,  kttmmerliober  zu 
sein,  und  die  Selbstreinigung  wurde  in  allen  ihren  Einzelheiten  und  Phasen  er- 
heblich aufgehalten.  ') 

Dieselbe  Verzögerung  findet  andererseits  aber  auch  dann  statt,  wenn 
man  —  es  geschah  ursprünglieh  in  der  Absieht,  die  Reinigung  kflnstlieh  zn 
fördern  —  allerlei  Feindseligkeiten  gegen  die  kleinsten  Organismen  im  Wasser 
untorniiiimt.  I.-mire  schon  kennt  man  eine  Reihe  von  Keimen,  die  im  Walser  — 
sciltst  in  dem  an  Nährstoffen  anseheinend  ganz  armen,  auch  in  dem  mit  Sauer- 
stoff Überladenen,  im  atark  bewegten  und  im  sunneubcstrablten  Wasser  —  ihre 
Lebensfiüiigkeit  nicht  einbttssen.  Hehrere  Arten  der  Bakterienkeime  wider^ 
stehen  den  sehirfsten  Mitteln  der  Desinfection  mit  Ausnahme  der  Siedehitze,  die 
allerdings  —  gehörig  an;rc\\ endet  —  ausreicht,  um  jeder  IJakterienthätigkeit  ein 
Ende  zu  setzen.  Merkwürdig  verhält  sich  nun  aber  jedes  im  Processe  der  Selb.st- 
reinigung  begrifFena  Wasser,  welehes  mit  bakterienllhmeoden  oder  bakterientödtenden 
Mitteln  behandelt  wird:  es  setzt  nümlieh  der  Vorgang  der  Selbstreinigung  plötz- 
lich aus.  Man  kann  seine  rnterbrechuiii^:  ;inch  gradweise  verfolgen.  T^illimungs- 
artige  Zustände  der  hier  in  Frage  stehenden  Wasserspaltpilze  werden  bewirkt 
dnreh  Chloroform.  Setzt  man  soidies  dem  Wasser  zu,  so  tritt  eine  Verzdgernng 
des  Sauerstoffverbrauehes  und  der  Nitrifieation  ein,  so  lange  der  Ifthmungsartige 
Zustand  der  Bakterien  datiert.  Kocht  man  das  in  der  Umwandlung  begrilTcne 
Wrisser  durch,  so  dass  alle  Bakterienkeime  darin  getödtet  werden,  so  erreicht 
man  eine  vollkommene  Sterilisirung  der  Flüssigkeit ,  mit  ihr  aber  auch  gleich- 
zeitig unausbleiblich  das  vollkommene  Aufhören  jeder  Selbstreinigung.  Derartiges 
aller  Mikroorganismenthätigkeit  beraubtes  Wasser  behält  seine  organische  Substanz, 
beh;l!t  sein  A  tiimoiiiak ,  mag  es  noch  so  energisch  mit  Sauerstoff  oder  Ozon  in 
mechaui.'jche  Berührung  gebracht  werden.  Dagegen  setzt  der  Nitriticatiousprocess 
▼on  dem  Moment  wieder  ein,  sobald  ein  Znsatz  von  nieht  gekoehtem,  unreinen 
Wasser  wiederum  frische,  ozydirende  Bakterien  in  die  Mischung  einführt:  nach 
Ablauf  der  erfahrungsroftssigen  Zeit  ist  der  Umsatz  des  Ammoniaks ,  das  Ver- 
schwinden der  organischen  Substanz  vollbracht. 

In  das  „Wie^'  dieses  letztereu  Vorganges  haben  die  Experimente 
Bokohnt's^)  mit  formaldehydsaurem  Natron  und  Glyeerin  klarere  Einblieke  er- 
öffnet. Das  erstere  Salz  spaltet  schon  beim  Kochen  mit  Wasser  Formaldehyd 
ab)  von  dem  man  annehmen  darf,  dass  grttne  Pflanzenzelleu  daraus  Kohlehydrate 

20* 


308 


FLÜSSTBBDMBBIMIGDKO. 


SU  bildeu  vennögeD.  Wenn  die  lebende  Zelle  im  öUüde  üt,  jene«  Salz  zu  spalten, 
80  wird  eine  LBmmg  von  formaldehTdediwefligMiirem  NstriAi  dirdi  dazin  vege- 
tirende  Algen  an  organischer  Substanz  fortschreitend  Xrmer  werden.  Dieses  Ver- 
armen Hess  »ich  an  den  abnehmenden  Rednctionsvcrmrtgen  gregen  Permanganat 
schon  nach  einigen  Tagen  nachweisen ,  gleichzeitij^  tülllen  sich  die  Zellen  der 
Algen  (Spirogyra  nittda)  mit  Stärke  an.  Auf  10  Grui.  der  Alge  wurden  in 
10  Tagen  11&  llgrm.  des  Satoes  eonanmirt.  Aneli  Olyeerin  wurde  In  i^eleher 
Weise  verwandt:  10  Grm.  Spirogyra  nitida  verbrauchten  in  5  Tagen  66  4,  in 
lU  Tagen  168  Mgrni.  Glycerin,  während  sie  auch  hier  die  Stärke  in  den  Chloro- 
pbyllbändern  anhäuften.  Controlversuche  ohne  Algen  ergaben  keine  Abnahme 
bdder  Snbstansen. 

Unerl&sslicbe  Vorbedingung  für  die  Aufnahme  organischer  Substanzen 
auH  verunreinigtem  Wasser  durch  Algen  ist  jedocli .  wie  Hokokw  betont,  das 
Gesundbleibeu  derselben.  Kränkeln  nie  oder  werden  aie  während  deti  Vur- 
sucbes  erbeblich  geeiOrt,  so  cessiren  die  Vorgänge.  Beim  Kränkeln  nnd  AlMterben 
scheidet  rieh  organisdie  Snbstans  ana  den  Algensellen  ab. 

Hiernach  wird  es  auch  begreiflicher,  dass  eine  lebhafte  Bew^nng,  das 
DiirehseliUtteln  als  solches  eine  Verlatiirsanuing  des  selbstreinigenden  Processes 
zur  Folge  haben  mu88,  da  es,  wenu  auch  nicht  als  bakterientödteudes  Agens,  so 
doeh  als  Störung  dar  Bakterienarbeit  eingreift.  In  ilirer  Gesammtbeit  führen 
indess  die  Versoebsreilien ,  wie  die  Erfahrung  im  Grossen  auf  das  Schlussergeb- 
niss,  dass  es  eine  unmittelbare  Oxydation  der  Wasserbestandtbeile  nicht 
giebt,  dass  vielmehr  die  Nitritication  und  Mineralisirung  des  in  der  Selbstreinigung 
.iMgriffenen  FInsswassers  in  nahesn  ToMkommeiier  Parallele  sieh  ToDaieht 
mit  der  Oxydationstiiitigkeit  der  darin  sich  auslebenden  Spaltpilae.  Besonders 
wichtig  wird  den  neuesten  —  wenn  auch  noch  spärlich  vorhandenen  —  Ent- 
deckungen und  Nachweisungen  pathogener  (Typlius- und  Cholera)  M  ikroben 
gegenüber  diu  Frage,  wie  grossen  Widerstand  diese  letzteren  bei  dem  Vorgange 
des  „sieh  Auslebens"  den  nnsebidlieheren  oxydirendenHlkroben  entgegen- 
anstellen  im  Stande  sind.  Im  Allgemeinen  erscheinen  die  letzteren  geiade  im 
Nährboden  des  FIussw:i>;-ier3  an  Concurrenzf.lhigkeit  jenen  (Iberlegen  zu  sein. 
('.  Fkä^'KKL  bat  die  auüdrücklicbe  Angabe  gemacht,  dass  er  aus  dem  Hafeuwas^er 
von  Ddisburg  a.  R.,  in  wetebem  ibm  der  Nachweis  von  CSholeiabaeiUen  gelungen 
war,  bereits  naoh  2nial  48  Stunden  keine  Kommabacillen  mehr  iflebten  konnte. 
Bei  in«  C.  Wassertemperatur  und  im  sterilisirten  Wasser  sterben  gerade  diese 
Mikroorganismen  ebenso  selmell  ab.  IIürPE''i  dagegen  hatte  zu  beobachten  Ge- 
legenheit, dass  iu  eiuem  sehr  verunreinigten  Wasser,  welches  bei  16 — 20°  Tem- 
peratur gehalten  wurde ,  rieb  unter  stindiger  Abiuüuae  ihrer  Zahl  (nnd  ihrer 
Infeetionstttohtigkeit)  die  letzten  Kommabacillen  doch  nocb  am  10.  Tage  des 
Versuches  recognosciren  Hessen,  —  Die  Nachweise  von  Typhusbacillen  in  Fluss- 
wässern stehen  zwar  an  Zahl  Uber  den  binsichtlicb  dea  Cbolerakeimes  gelieferten, 
sie  leiden  jedoch,  was  aneh  seitens  der  franaOsisehen  Bakterienforseber  (Chaittb- 
MEssE  und  WiDAL,  H.  ViNCKNT,  LoiR  Und  TflOiNKT.  Dr  Mesnil,  Pouchet  u.  A.) 
bereits  an  sebiltzbareni  Material  für  diese  Seite  der  Verunreinigiingsfrage  beige- 
bracht wordeu  ist,  noch  immer  unter  einer  gewissen  l'nsicherheit.  Dies  muss 
uns  auch  verhindern,  gerade  an  dieser  Stelle  auf  die  Frage,  inwieweit  Selbst- 
reinigwigsvorginge  den  Typhuskdmen  gegenOber  ihre  Haeht  entfalten,  näher 
einzugeben. 

Was  die  Verilndeningen  in  der  Zusammensetzung  der  Flusswässer  anlaugt, 
80  sollen  nach  neueren  1.  utersucbungeu  von  Low  'j  die  Oxydationen  der  orga- 
nischen Substanzen  schneller  vor  sieb  geben  (die  Voi^nge  der  Selbstreinignng 
also  begflnstigt  werden)  durch  Anwesenheit  der  Hicarbonate  von  Kalk  und 
noch  mehr  von  Magnesia.  Eine  Scbildigung  der  hauptsilehllcbsteu  Vertreter  der 
Flussvegetation  —  neben  Algen  kommen  Oscillarien  und  Euglenen ,  Diatomeeu, 
Spirogyren  und  Zygnemeaarten  in  erster  Linie  in  Betracht  —  durch  ^a  Ueber- 


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s 


VLUSSVEBDNREINIG  UMG. 


309 


maass  an  gelOlten  organischeu  StotTen  ist  nicht  za  befürchten,  da.  wie  LöW 
und  RoKORNV  p-ofuTulcii  haben,  diese  Was.acrbewohner  t-vM  absterben.  I)e/iebiin;j8- 
weise  ihre  Thiltigkeit  einstellea ,  uacbdem  das  Wasser  mit  Uber  1 :  1000  orga- 
oiscben  Nähntoffen  beladen  ist.  Winterkftlte  dagegen  bedingt  im  Allgemeinen 
das  Aufhören  jener  Thitigkeit  nicht.  Ifaehtlos  ist  letztere  jedoeb  den  gröberen, 
makroskopiseh  iiceb  sichtbaren  oder  gar  voluminösen  ürirciniirlccitrn  (Kotbballen, 
faulenden  Kiii'hen.ibfilUen  etc.i  gegenüber  und  auch  dann,  wenn  die  Wasser- 
menge, welche  das  Flassbett  passirt,  zu  gering  ist. 

An  diesem  Punkte  des  Problems  setzen  die  Brfabron^en  von  Pbtticx- 
KOKER  ein,  welcher  —  angesichts  der  .3456  Millionen  Liter  Wa-sser,  die  mitteUt 
der  Isar  aueh  ^x  i  deren  niedrigstem  \V:i>^sersfande  t.'i;;lich  an  der  Stadt  Mllnelien 
TorbeigefUbrt  werdüD  —  uhne  liedenkeu  die  Einleitung  de^  berechneten  Inhaltes 
der  Hflnchener  Siele:  pro  die  351.120  Kgrm.  Harn  nnd  46.680  Kgrm.  Koth 
(zusammen  20.440  Kgrm.  organiseber  StoflTe)  in  den  genannten  Fluss  befürwortete. 
Man  selie  nJlnilieh.  wie  der  greife  Gelehrte  ausführt,  einem  Wa'^ser,  welchem  man 
in  diesem  Verhältniss  Harn  und  Filco«  zusetze ,  eine  Verunreinigung  gar  nicht 
au ;  auf  einen  Liter  kommen  dann  nicht  mehr  als  G  Mgrm.  von  Fäcalien  her- 
rlihrender  StoiTe.  Die  thatstcblieh  gemaehten  Beobachtungen  sprBeben,  selbst  als 
sie  bei  besonders  niedrigen  Wasserstlnden  der  Isar  ausgefllhrt  wurden ,  eine 
durehaus  ilhnlielie  S|)raclie.  Hei  Preising  (.3.'!  KIni.  unterlialb  München)  bei 
niedrigem  Wanserstande  gcsehopftes  iKarwasscr  war  dasselbe ,  obwohl  schon  jetxt 
auf  nneontrolirharen  Wegen  die  Hftlfle  aller  PSoalien  Hflnehens  der  Isar  suge> 
führt  wird,  klar  nnd  mit  nicht  mehr  <>r>;aTiise}ien  Bestandtheilen  belastet,  als  da« 
oberhalb  Münchens  gesehöpftc.  und  st  lb-jf  hri  htiiininiüL'  '7  Kim.  iiiitci hrilb )  w.ir 
von  einer  Flussverunreinigung  im  gebriiuehlichen  Siuue  nichts  zu  con.slatiren.  Denn 
auch  hier  war  von  einem  Uebcrschuss  au  organiseber  Substanz  nichts  nacbza- 
weisen,  und  es  bestund  Tollsfftndige  Oesehmaek-  nnd  Gemehtongkeit.  Bakterien 
wurden  im  unteren  Flusswanser  (I'"'reifting)  etwas  mehr  als  oberhalb  Münchens  gefunden. 

I>ie  Symptome  der  Flussverunreinigung  sind  aber  neben  trüber  Be- 
Bchaflfenlieit,  üblem  Geruch  und  (ieschmack  und  der  Vermehrung  der  orgauischen 
Stoffe ,  aueh  das  Absterben  grösserer  Wasserpflansen  und  Wasserthiere,  das  Vor« 
handensein  nachwdslich  giftiger  Stoffe,  eventuell  auch  die  Verbreitung  epidemiseher 
Erkrankungen  l.tngs  der  Flussl.iufe.  S^lehe  Thatsaeben  stellte  v.  Pkttkxkoffi?, 
was  die  Isar  angeht.  voUdUlnUig  in  Abrede,  '^j  Beim  Zustandekuuiuieu  der  Flu.ss- 
▼ernnreinigung  rieth  er,  nieht  hnmer  die  Flealienvernnreinigung  in  den  Vorder^ 
grund  an  rfleken,  da  ihr  doch  wchtlich  die  Selbstreiniguagsvorgftngo  am  siebt- 
liebsten  entgegenwirken ,  sondern  mindestens  das  gleiche  Augenmerk  ZU  richten 
auf  die  gewerblichen  und   industriellen  Verunreinigungen. 

Im  Einklang  mit  dieseu  Hinweisen  steht  das  auf  sehr  sorgfältigcu  Kr- 
mittlnngen  fussende  ebemieebe  Outaehten  Hbnrv  Roscob's  '*'),  welcher  an  den  — 
schon  vor  der  1870er  Plusscomtiiissiun  so  vielgenannten  —  Flüssen  Mersey  und 
Irwell  seine  rntersuebungen  an>'tellte.  Von  allen  g  e  w  o  r  Ii  I  i  e  Ii  e  n  Betrieben 
sind  die  VVoilwüsehcreieu,  i'upieri'abrikeu ,  Gerbereien  (und  überhaupt  alle  Haut- 
nnd  Fellwerkshetriebe)  die  fOr  die  Vernnreinigung  der  Flösse  mittelst  der  Ab- 
wrissrr  btdfiik liclisten,  Bci  Bleiehwerken,  bei  der  Ammoniumsullatfabrication  und 
eheiiiisclMn  Fabriken  ver-rliiedeuer  I'roduetioiiszweige  wirkt  il.i-  Al)l.isseii  von 
Kalkschlamm  und  mauehen  giftigen  8tolVen  besonders  .str»rend  i  wahrselieinlieli  aueh 
durch  das  Behindern  der  Selbstreinigungsprocessej.  Bei  den  Kattundruckereiea 
und  Seidenfkrbereien  sind  die  ßedenkliobkeiten  geringer  geworden  seit  BinOlhrnni^ 
der  künstlichen  Farbstoffe,  welche  im  Vergleich  zu  dem  ehemaligen  F.lrbeproccss 
(mit  Krapp  u.  Aehnl  ■  bi-deutend  weniger  Verunreinigungen  veranlassen 

FORSTEK  (I'laucn)  knüpft  an  die  Gutachten  an,  welelic  er  sühou  trüber 
als  chemischer  Sachverstündiger  Ober  die  Verunreinigung  durch  Einleiten  der 
Abwasser  in-  Flusslauf  abgegeben  hat.  Die  für  die  kleinen  Flttssohen  dci  Voigt- 
landes in  Betracht  zu  nehmenden  Verhältnisse  haben  ein  gana  besonderes  In- 


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310 


FLÜSSYERÜNRBINIODNG. 


teressc.  Die  pro  .Secunde  nur  2  Ccm.  Wasaer  bei  Plauen  vorbcitühreade  Elster 
musä  tii^licb  mehr  aU  1000  Ccm.  Abwässer  voa  Fabriken  aufoebmen:  eiu 
VarbAItitiw^  welebes  Iftogst  sa  Foiderangen  Yon  ELÜnahigenf  beaonden  bei  FXr- 
hereion,  Wollwäschereien  u.  Aehnl.,  geführt  hat.  Die  Abwässer  von  Darmsaiten- 
fabriken und  Vt'rmessinfrsjin stalten  werden  besonders  bespr'ielien :  sie  enthalten  in 
lOO.OUO  Tbeileu  oft  zwischeu  800  und  yOO  Tbeile  Truclicnsubstanz  mit  über 
400  Tbeilen  PotUsebe ,  deren  Beseitigung  die  grössten  Schwierigkeiten  bieten 
kann.  ^Im  Tebri^en  werden  dem  NAHNSBN'aeben  und  dem  NSCMANN'aehen  Kllr- 
verfabren  gewi^iSf  Vortlieile  uachL'-t'rfllimt.) 

Durch  das  Mai^eubat'te  ihrer  Wucherungen  ruft  die  chioruphylUose  Be^- 
giatoa  alöa  oft  groatie  Missstflnde  hervor.  Ihr  Auftreten  sebmnt  weniger  an 
stftdtisobe  Sptt^aucben,  ata  an  die  Abwässer  von  Zneker-,  Stärke-,  Snl- 
f i t c cl  1  u  1  0 8 e fabriken  und  von  Bierbrauereien  frebunden.  In  Bezug  auf  den 
StoffVccIisol  dieser  Alfrcnnrt  bersclit  in  den  Arbeiten  von  Winogradsky  einerseits 
und  von  il.  äcHUKiB  ^- j  andererseits  ein  scbarter  Widerspruch,  dessen  Lösung 
Bieber  von  mehr  als  tbeoretisehem  loteresoe  ist,  da  —  wie  Schreib  darlegt  — 
man  nur  dann  eine  rationelle  Reinigung  der  betreffenden  Abwässer  wird  vor» 
uebnien  kTumen  .  wenn  {yenau  fesf^restellt  sein  wird , .  welebes  die  liäbrstoffe  der 
Beggiatoen  m  d  fioustii^'er  eldurojjbyllfreier  Or^anisuien  sind. 

Eine  Studie,  die  sieh  besonders  auf  die  >S  c h iid  1  ich k  e i t  der  Gas- 
entwicklung und  aof  den  Fi  seh  seh  ad  en  seitens  verunreinigter  Flfls-w 
richtete,  hat  Sf.rgkaxt  an  Mersey  und  RibbI  ausgeführt. '3)  Die  Ausdünstung 
schädlii'htT  (iase  in  derartii;en  Fliiss-rebieten  erliflht  die  Disposition  ttir  Typhus, 
Diphtherie  und  Scharlach;  die  Schädiguugen  der  Fischzucht  werden  in  bekannter 
Weise  geschildert.  Die  Hauptquellen  der  Flnssveranrnnigungen  sind  llberall  da 
schwer  zu  verstopfen,  wo  es  sich  um  sehr  massenhafte  industrielle  Abwässer 
und  um  iineoiürniirbare  Wege  für  HäuserefHnvien  (Gossen,  wilde  Glosetwirth- 

sebaft  ete.)  handelt. 

Einen  möglichst  exacten  We^  zu  Fortschritten  bei  der  Vorabseliiltzung 
der  zu  erwartenden  Flnssveruoreinigungcn  wies  Baumkister  in  seinen  Arbeiten 
besonders  im  „Yed^leieb  von  Flussverunreinigungen".  Er  geht  von  der  Anfstellong 

eiiie^  V  e  r  11  n  r  e  i  n  i  fr  II  n  ir  s  0  o  e  f  f  i  e  i  c  n  t  e  n  ans .  und  drtickt  diesen  — 
indem  <t  mit  il  die  W.is>icruienfre  des  Flusses  beim  niedrigsten  Wasserstande 
in  Cubiktueter  pro  lag ,  n)it  v  die  mittlere  Geschwindigkeit  des  Flusses  in 
Metern  pro  Secunde,  mit  E  die  Zahl  der  das  Flassnfer  bevölkernden  Bewohner 

bezeichnet  —  durch  die  Formel  ^  ,  - — -  aus.   Bei  der  Berechnung  muss  der 

L  (1  4-  c)  " 
ziffermassige  Antheil  der   ihre  Fäcalien  ]>laumässig  in  ein  in   den  Fluss  mün- 
dendes Canalnetz  bringenden  BevMkemng  besonders  ermittelt  werden;  ihm 

entspricht  in  der  Formel  das  e,  dem  vollständig  durchgebildeten  Schwemmsystem 
die  1.  .m  Stelle  deren,  wo  Städte  mit  reiner  Abfuhr  in  Frage  kommen,  0  gesetzt 
wird.  l>ie  Selbstreinigung  erfolgt  auch  naeh  Baumeister  umso  leichter,  je  grösser 
die  Wassemienge  und  je  grösser  die  Geschwindigkeit  des  Flusses  ist.  Aber  auch 
unter  den  sonst  gilnstif;sten  Bedingungen  dürfte  „5"  die  niedrigste  Grenze  sein, 
weh'he  von  dem  < '(H  tlicicnteii  erreielit  werdfii  muss.  um  f'analwasser  unmittelbar 
in  den  Fiuss  hiueinleiten  zu  dürfen.  HKK-Kiel  hat  Baümkisteu's  Formel  als 
Ausdruck  der  Selbstreinigung,  dagegen  zum  Ausdruck  der  Verunreinigung  viel- 
mehr die  rmkebrung  derselben,  ^^^-^"'^^  empfubUn.        Besonders  wird  darauf 

aufmerksam  zu  macheu  sein,  dass  die  Ursachen  der  Selbstreinigung  eincrseit^i 
nicht  etwa  blos  in  verschiedenen  Strömen,  sondern  in  verschiedenen  —  auch 

kleineren  —  Abselinitten  des  nämlichen  Stromgebietes  verschieden  sein  können, 

aneli  im  Lauf  der  Zeiten  Aenderiuigen  iinterworfi-n  sind.  Hierin  lag  wliI  vor- 
neiiiiilieh  der  (iriiiKl,  weshalb  ein  im  kaiserl.  (iesundbeitsamte  ausgearbeitetes 
Gutachten   darin  gipfelte,    Untersuchungen   in  Betreif  der  einzelnen  deutscheu 


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FLUrfSVERUNREINIGÜNG. 


311 


Ströme  auf  ihre  Selbstreinigongs-  und  VoninreiniofUD^scoeflicienten  als  nicht  xweok- 
eatsprecbend  uad  nicht  genügend  aussichtavoll  zu  bezeiobnen.) 

Der  Ervflhnung  bedarf  endlfeh  an  diesar  Stelle  noch  jener  Wechsel, 
welchen  das  Flnsswasser  (wenn  auch  smne  Umsetsang  ond  Selbstrdnigung ,  wie 

bereits  erwähnt ,  im  Winter  nicht  zur  I'nterl>reclinn?:  und  Ruhe  kommt)  in  den 
ver.schi«'dt'nen  Jahreszeiten  durchzuniaohen  hat.  Im  Sommer  herrscht  nach 
alten  Erfahrungen,  welche  L.  l'FKiFFKK  und  EiSKiNLOHH  ^'j  spociell  an  der  Isar 
bestätigten,  meistens  ein  hoher  Wasserstand  und  dne  relative  Abnahme  der 
unorganischen  l^C'^tandtheile,  eine  Vermehrunp:  der  organischen  im  Flasswaaaer; 
jene  beruht  anf  dem  stärkeren  Ziiziiiro  di-^  f iruiidwassers  l>ei  trockenem,  diese 
anf  der  l'eberladuug  des  Uberliachenwasüer.s  mit  organischen  Sabstauzen,  die 
durch  RegengOsse  dem  Flass  beigemischt  werden.  Im  Winter  nnd  im  Herbst 
tritt  die  erwähnte  stilrkere  Beimenj^un^  anor{?anischer  Stoffe  (als  Folge  den  niederen 
Wasserstandes'  mit  h(»h<>in  AhdarnpfwidtTstand,  holuMn  Clili>rL'<'tirilt  ete.  ein.  wobei 
gleichzeitig  der  SauerstoÜ'verbrauch  ein  wesentlich  abuehnit  nder  zu  sein  pflegt. 
Zur  Voraicbt  mahnen  Pfeiffer  und  Eisenlohr  noch  besonders  in  Bezug  auf 
Deutung,  von  Gerflehen.  Faulende  Algenmassen  und  Beggiatoaoolonien ,  die  mit 
Ai/uti  (If.sfifhifa  verschlossen  gehalten  wurden ,  vorbreiten  —  gerade  wenn  die 
Kfinlniss  einsetzt  —  l  iiien  diin-hdrinirendon  (vollständig  an  in  Zersctaung  begriffenen 
Fiicalien  eriuuernden;  AmLiiuniuk^e.stank. 

Schon  ans  den  versohiedeoen  Richtungen,  in  denen  sich  die  Forschungen 
ftber  die  Selbstreinigung  bew^  haben  und  auä  der  nahezu  unendlichen  Mannig- 
faltiirkrit.  in  welcher  die  v<'runreini,L'cnden  Stofie  eiii('r<<  its  das  niedere  Pflanzon- 
lebeu  bceiuliuHsen  ,  andurerseita  durch  dieses  selbst  wieder  einer  Zersetzung  und 
Umsetzung  unterliegen,  als  deren  Ergebniss  wiederum  gans  neue  Probleme  d«r 
gegenseitigen  Beeinflussung  auftauchen,  geht  das  Eine  mit  Sicherheit  hwvor,  dass 
von  einem  rniv«'rsalniittel  zur  Klärung  und  rnschädlichmachung  der  veninroini- 
gendun  Abwjls.-er  und  Beimengungen  nicht  w(dil  die  Rede  sein  kann.  Es  wird  im 
Hinblick  hierauf  das  HäuHgerwerdeu  individuaUsircudcr  Abhilfcvurscbläge  und 
das  Znrflcktreten  der  verallgemeinernden  Vorschläge,  den  Flnssverunreinigungen 
an  steuern,  verständlich. 

Der  letzteren  (iruppc  gehört  noch  der  Vorschlag  an,  welchen  Wkbster 
ans  der  Voraussetzung  herleitete :  Der  elektrische  Strum  vermöge  sowohl  die 
suspendirteo,  wie  die  gelösten  organischen  Stoffe  abzusebelden.  Von  den  als  Biete- 
troden  dienenden  EisenpLitten  (0*6 — 1  Zoll  dick  und  6  Fuss  lang)  werden  in 
einem  Tanal  2.5  Paare  angclirrn-lit ,  an  denen  die  zu  reinigenden  Abwässer  in 
einer  Menge  von  8000  Ualloueu  pro  Stunde  vorfiberlaufen.  In  Salford  betrügt  die 
pro  die  „gereinigte"  Wassermasso  10  Millionen  Gallonen,  der  Arbeitsaufwand 
400  indicurte  Pferdekräfte,  die  Kosten  fär  Anlage  und  Betrieb  sind  recht  be- 
tr.lchtlich.  Fchcr  den  Modus  des  Beinigungsvorganges  sind  zwischen  Webster 
und  .1.  Caktkk  Bkij.  -",!  McinungsditTrrcnzcn,  besonders  Aber  die  specielle  Frage, 
ob  sich  au  den  den  positiven  l'*>\  bildenden  Eisenplatten  Eisenhypuohiorit  bilde, 
entstanden.  Naehweisen  lässt  sich  dieses  jedenfalls  nicht;  dagegen  konnte  fest- 
gestellt werden  die  Entwicklung  von  Sauer  iiui!  Wa-sseratoff,  wenn  die  Abwfisser 
viel  Chloride  enthielteti  auch  von  (.'hior.  Was  tjcii  h.iktcriologischen  Erfolg  betrifft. 
SU  8(dleD  5  Millionen  Baktericukeime  des  ursprunglichen  Abwa.ssers  sich  nach  der 
Reinigung  nnd  durch  dieselbe  auf  600  im  Gubikeentimeter  vermindern.  Bereits 
am  nächsten  Tage  aber  (!)  machte  sieh  eme  Vermehrung  bis  anf  den  frflheren 
Gehalt  bemerklich. 

Etwas  iiniriitisti^'cr  noch  stallten  sich  die  \acliprilfiinL;-J('r<rcl»niss('  heraus, 
zu  denen  beziigiich  der  Abwässerreinigung  mittelst  Eiekiricitat  Cl.  FKiiiii  ge- 
langte. >i)  Die  Versuche  wurden  auf  der  Hflnehener  Elektroteehnisohen  Veraoehs- 
station  angestellt.  Hinsichtlich  des  Metalls  zu  den  Elektroden  erhielt  das  Eisen 
entschieden  den  Vorzug,  und  zwar  in  Fr>rm  der  auch  von  Wkh.-^tf.r  angegebenen 
tiacben  Platten.  Doch  war  die  reinigende  Wirkung  eines  Stromes  von  0*42  Amp. 


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312 


FLU88VBRUNRBINI6ÜN0. 


auf  1  Liter  Caoalwaaser  bei  Istflndiger  Dauer  eine  geringere  als  die  von  1°^ 
Kalkwasaenusatz,  die  Kosten  des  elektrischen  Verfahrens  dem  gegenOber  viel  hfther 
nl«  die  der  Behandlang  mit  Kalk. 

Ferrozon-  (Kif<envitriol ,  Ferrisulfat.  Thonerdcsnifat ,  Kohlenstoff  nnd 
iinliekannte  Theile,  Iiifiisoriencrdp  V*  und  I'nlarit-  (Eisenoxyduloxyd,  Thonerde, 
Magnesia,  Kieselsäure,  Kaik,  Kohle,  Alkalien;-Einwirkuug  bilden  das  sogenannte 
Polnrife-  oder  „Intemntionnle  System**  der  AbwSaierreinigang.  Die  ^rknng  dieses 
Systems  wird  sehr  zu  Gunnten  desselben  von  J.  Carter  Bell  mit  der  Sandfiller- 
reinignng  in  Ver^'-Icich  ^'(><^i-tzt:  dass  sie  eine  d e s i nf icirende  nieht  sein  kann, 
erhellt  aus  der  Aufzählung  der  Chemikalien.  ^*') 

Ueber  die  nütaliehe  Wirkung  des  Kalks  sind  noeh  theils  nnbedfaigtsn- 
stimmende,  theils  in  verschiedenen  Punkten  dissentirende  Stimmen  laut  geworden. 
Schreib,  der  mit  vrr-icliiiHicn  peniiscbten  AI)w?is8(Tn  Versuche  anzustellen  (yp\o<rrn 
heit  hatte,  kuuiiiit  zu  dem  Schluss ,  dass  die  Keinifrunir  niit  Kalk  die  nitmlichen 
Erfolge  habe  wie  Kalk  mit  (Eisenvitriol-,  Tbouerdesulfat-  und  Kieserit-)  Zu- 
sitxen.  »*) 

Anf  Kalklxnmengungen  (neben  ihren  meelianisclien  Ei^enthamlichketten) 
beruhen  die  verschiedenen  Klarsystoine.  wie  sie  in  verschiedenen  deutschen  Städten 
die  Reinigung  der  Ciosetabwässer  durch  liieselung  ersetzen  sollen :  Üas  Kockncik- 
Rothe-,  ScRVARTZKOPFF^sehe  System  nnd  ihnen  ähnliche.  Chemisch  nnd  bakterio- 
logisch prüften  das  erstere  Proskal  kr  und  NOCHT  mit  dem  Resultat  dass  die 
KlArun?  der  Jauche  eine  volIstiliuli}?e.  die  KntfcrniuiET  iI*t  trclösten  fiiiiliii'jsf/llii^en 
Stoffe  aber  eine  unvollständige  sei  (die  organischen  stiekstuliliiiltigen  Substanzen  ver- 
minderten sich  nur  um  36,  die  Oxydirbarkeit  nur  um  44 „).  Auch  in  Besng  auf 
die  Desinfeetion  im  eigentlichen  Sinne  konnte  nur  ein  ungentigendes  Ergebniss 
festgestellt  werden. 

Eine  veririeicheude  Hesprechunfr  der  fjcnanntcn  und  der  l\nrKNKR-RüTHK- 
seheu  Klürmethoden  hatte  1Ia(;ema.nn  (Dortmund)  zu  veranhtalieu  (jelegenheit,  da 
die  Dortmunder  Kläranlage  principiell  auf  dem  HOLLBB-NAHNSSN'sehen  Tief- 
brunnensystem  beruht.**) 

Beim  Sciiw  vrtzkoim-  f'scImmi  Verl'ahron  kommt  es  auf  die  penaue  Ver- 
mengung der  zu  reinigenden  Eftluvien  (menschliche  und  KUchcnabgänge)  an  mit 
Kalk  in  erster  Reibe,  sodann  mit  Hagnesiumsulfat ,  gelöstem  sogenannten  Labn- 
phoq>hat  und  Magoesiumoblorid.  Ein  Schlussact,  in  welchem  das  geklärte  Wasser 
noeh  ein  Torffilter  passirt ,  ermöglicht  die  Zusammenmenfrun;?  des  Torffilter- 
materials  mit  tieui  ali-rest-t/teii  und  iretrockneten  Schlammniederschlag,  woraus  die 
Hersteilung  von  Poudrette  erfolgt.  Auch  hinsichtlieh  der  obigen  in  zweiter  Keihe 
augesetsten  Chemikalien  kam  dd^  Uotorsueher  (Proskadbr)  eu  dem  Sehlnss.  dass 
die  Magnesiaverhindungen  die  Wirkung  des  Kalkes  eher  beeintnlehtigeu.  -'  i  Im 
rdtrifren  war  ili<'  Kliiriinir  eine  liefriedijreu'ie.  die  HeseitigunjJT  der  stiek^totVli.iltiL'cn 
Substanzen,  speeiell  des  Ammoniaks,  eine  ungenügende.  Die  Turftiltratiou  dient 
nur  dasu,  die  fäuloissfähigen  Substanaen  am  Uebergange  in  Fänlniss  länger  sn 
hindern.  Der  als  Kiedersehlag  sieh  absetzende  Schlamm  ist  (bakteriol<»;risrli  auf- 
gefasit  so  trut  wie  irar  nicht  desinfieirt .  die  irekl.irte  Jauche  ist  vorülH-r;ri  lit'iid 
keimfrei,  nacli  dem  i  orlliltrationsaete  aber  wieder  sehr  reich  an  Mikroben.  i'Ki»s- 
KAUER  betont  auch  seinerseits ,  dass  die  desinlicirende  Wirkung  dieser  Keinigungs- 
methode  fast  ausschliesslich  dem  Kalkzusatz  zukomme. 

Kn\K;  -  I  möchte  die  Fälle,  In  denen  der  Kalk  einen  Erfolg  haben  rauss, 
von  denen  der  gegentheiÜL'cn  Wirkuntr  '^ftreiint  wissen.  i><v(eres  trete  mit  Sicher- 
heit nur  dann  ein ,  wenn  in  dem  zu  kliirendcn  Schmut/wasser  hinreichend  lie- 
standtheile  vorbanden  sind,  die  mit  dem  zngesetzten  Kalk  schwerlösliche  Ver- 
bindungen einu'ehen.  Einen  Ucber.'^ehuss  an  Kalk  (in  der  Praxis  wohl  kanm  ZU 
verhflten)  schulditrt  KuMi;  an  .  dem  in  der  Klarung  betrritfcneu  Al)\vasser  ni'^ir- 
licherweise  sogar  organische  Stolle  zufügen  zu  können  in  Folge  der  Zerstörung, 
welche  das  Kalkwasner  anf  Gewebitelemente  und  Fasern  ausüben  mnss.  Dabd 


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FLUSSVERUNREINIGUXG. 


313 


besitzt  dann  aber  die  von  den  Hakterio!o<ren  nicht  ^jeleuffnete  baktericide  Wirkuni? 
des  Kalkes  den  zweifelhaften  Werth,  nacbzulassen,  sobald  freier  Kalk  nicht  mehr 
▼orh«nden  ist,  8o  dm  die  BakterieofMbolt  dw  gvklflrteii  WasBen  «neli  nur  so 
lange  und  nieht  Unger  anh&lt.   Stark  fimlende  Wässer  bedarfen  deshalb  noeh 

einer  bcsondcrt'n  Naclidei^infcction ,  die  Koxrr,  in  der  Durchlüftung  und  der 
A  n  r  e  i  c  h  e  r  u  n  iJT  mit  S  a  u  e  r  8  t  o  1 1  ^'i  tunden  hat.  M  iefren  diese  Lüftunpsmethode 
hat  sieh  später  äCHUJOB  --;  gewandt  und  den  FäUuugänietboden  besonders  die 
dofaehere  AnweDdbarkeit  und  die  habere  Billigkeit  vindioirt.) 

Zur  Reinigung  gewerl^lieiier  AbwäRser  haben  A.  und  P.  ßursiNB  E i sen- 
su Ifat  wieder  in  Cur»  zu  bringen  gesucht,  fUr  dessen  billige  ilersteüung  ihnen 
ein  besonderes  Herstellungäverfabren  gelang.  Diese  Art  einer  KULruug  der 
Wasser,  besondere  von  WoUwiBeherden,  Stärkefabriken,  Farbwerken  stammenden, 
ist  dem  Kalkverfahren  gegenflber  nicht  nur  bedeutend  wohlfeiler,  soodem  das  mit 
Kiseri'Jiilf'.it  gereinigte  Abwasser  ist  auch  vciUig  geriieli-  und  farblos,  ganz  klar, 
neutral  reagirend  und  bildet  nicht  —  wie  das  mit  Ivalk  geklärte,  grosse  Mengen 
organischer  Substanz  in  Lösung  haltende,  alkaliseh  reagireude  Kalkwasser  — 
einen  jeden  Moment  wieder  sum  Finlalisansbnieb  neigendm  Heid.  Der  Eisen- 
sulfatniederseblag  habe  den  Vortheil,  sich  sehr  raseb  absnsoheiden  und  eine  sebr 
prompte  Entfernung  der  Fette  zuzulassen. 

Endlich  fanden  uuch  ganz  neuerdings  ihre  Empfehlung  ganz  alte  Klärungs* 
metboden,  Wiedas  einfaebeTbonreinii^ungsverfahren**)  dnreh  dbMollsns, 
welcher  die  Abflusswäsaer  einer  Kammgarnspinnerei  mit  500 — 800  Grm.  Fett- 
substanzen auf  den  ('ubikmeter  mit  Ziis-itz  von  1  CJrm.  Thon  'verdflnnt  durch 
circa  20  Ccni.  Wanserj  auf  den  Liter  der  futtgetrUbten  Flüssigkeit  zur  Klärung 
brachte.  Die  Ifenge  der  im  Liter  dadurch  prJicipitirten  Sinkstoffe  kminte  auf  je 
0-7  Grm.  bereebnet  werden.  Eine  sehr  einfaehe  Anwendung  des  Torfs  wurde 
durch  Paglianm  empfohlen-'');  das  zu  reinigende  (Closot-) Wasser  wurde  in  eine 
mit  Torf  gefilllte  (Jrube  geleitet.  Kliirung  der  Jauehe  und  Verwendung  der  ab- 
sorbirtun  btotiu  im  Torf  zu  landwirthsuhaftliubeu  Zwecken  sollen  diu  sehr  gUnstigen 
Polgen  gewesen  sein. 

So  lange  die  Losung  der  Aufgabe,  die  Flüsse  rein  zu  halten,  auf  einem 
trotz  aller  Forseher.irbeit  so  primitiv  gebliebenen  SUiudpunkt  verharrt,  wie  der 
jetzige  es  ist,  wird  auch  die  Frage  nach  der  Herkunft  der  Uaualwässer  und  nach 
seiner  gendgendeu  (liesorgniose  aussobliessenden)  Reinigung  nur  dureb  eine  ebemisebe 
und  bakterioskopisehe  Untersuchung  desselben  von  Fall  zu  Fall  unter  Berttck- 
siehtigung  de<  gesannnten  Flu<sregimes  und  aller  sonst  in  Hetraeht  kommenden 
localen  \'erhi'lltnisse  beantwortet  werden  können.  Dies  ist  schon  für  die  Urtheil- 
schöpfung  im  Pr  i  V atrecbt  ein  sehr  unsicherer  Standpunkt  ^''):  Der  unterhalb 
liegende  Uferbewobner  wird  rieb  diejenigen  Einleitungen  in  den  Flnss  gefisllen  lassen 
müssen,  welche  das  Maass  dos  „GemcinOblicben'^  nicht  Obersehreiten,  möge  die 
Zuleitung  in  einer  Vermehrung  der  Wassermasse  oder  in  fremden  Beiniengiiugon 
bestehen ,  wobei  es  noch  nicht  einen  berechtigten  Einspruch  begründet,  wenn  die 
absolute  Verwendbarkeit  des  ihm  suflieswnden  Wassers  au  jedem  beliebigen  6e- 
branelie  eine  Beein  ;  n  l,iigung  erOllirt.  Dagegen  hebt  die  Berechtigung  zum  Ein- 
spruch an.  wenn  das  „Maass  de-^  ( Jenieiudhliclien"  (iberschritten  wird;  dies  ist 
eine  Bedingung,  die  leichter  erkennbar  ist  bei  der  quantitativen  äeite  (Flussaus- 
tretung)  ah  bei  der  qualitativen  (Einleitung  von  Stoffen,  welebe  eine  Schädigung 
des  Unterliegenden  bedingen).  Da  dem  Unterliegenden  der  Naebweis  der  Eigen- 
tbumssehildigung  nach  sonst  geläufigen  Heeht>normen  <tbliegt ,  kann  diese  sehr 
erheblietie  (ireiizen  erreicht  und  liltersehritteii  haben,  ehe  das  „Uesohädigtsein" 
zu  <incm  Erkenntnis»  und  zur  Abstellung  fiihrt. 

Koob  ungleieb  misslieber  aber  steht  in  Folge  so  arbi- 
trärer Maassstibe  wie  des  „Gerne  Infi  blieben",  der  „Sehäd  igung" 
u  n  <1  bei  dir  ungemeinen  Divergenz  der  Abhilfevorschläge  die 
.'>ani  tätspo  I  ize  i  und  die  Gesetzgebung  da. 


314 


FLUSSVERUNREINIGÜNG. 


In  England  droht  das  betreffende  nach  Gjährigcr  Vorarbeit  erlassene) 
Gesetz  von  1876  hohe  Strafen  an  gegen  die  Einleitung  von  Abwässern,  welche 
l^wiBse  Stoffs  ttber  eine  gans  bestimmte  Hense  hinaus  entbalten.  Die  Indnttrie 
wies  eine  ihr  durch  die  Stntoi  sugefllgte  unverhältniB8mässi°:  ^ross  erscheinende 
Hinderung  und  Scbildifruu^  nach,  —  und  bereits  1886  erjrinj;  das  neue  (resetz, 
welches  die  Einleitung  auch  verunreinigter  Wässer  in  die  Flussläutc  gestattet, 
sofern  nur  gewisse  Grenzzahlen  der  verunreinigenden  Stoffe  nicht  Überschritten 
■ind,  die  je  naeh  den  Gebrauehasweelcen  de«  Flnsges  beredmet  und 
festgesetzt  werden. 

Frankreich  hat  zwar  in  der  The<irie  den  Weg  der  gesetzlichen 
Regelung  und  verfügt  in  sanitätspulizeiliclur  Hinsicht  auf  dem  l'apier  Uber  eine 
Menge  von  Sebntsmassref^ln  und  prophylaetiseben  Bestimmungen.  Wiesehr 
indess  deren  Anwendung  und  Ausführungen  dieser  GetietzeBvorschrifteu  (deren 
nähere  Erortcniii;,'  deshalb  aueh  hier  erübrigt)  im  Ariren  liegt,  lehrt  die  Ge^ehiehte 
der  Seineverunreinigung  und  ein  Blick  auf  die  ebenso  verzweifelten  wie  vergebens 
gebliebenen  Anstrengungen,  welelte  die  unterliegenden  Ortsebaften  gegenflber 
den  ans  Paris  sie  fllierflttthenden  Verunreinigungen  gemacht  haben. 

Dass  die  Schweiz  schon  wegen  der  Hinstellung  eines  einfaclien  Zweckes 
fden  Fisehzuehtschuty-es)  mit  ihrem  Bundes^gesetz  vom  18.  Juli  l.'^.s»»  einen  FrlVtlg 
verspreebeuden  Weg  verfolgt,  muss  zugegeben  werden.  Doch  liegt  es  andererseits 
wob]  in  der  Eigenart  der  dortigen  StrOme,  das«  der  Sebuts  der  Gesnndbmts- 
iuteressen  vorl.lulig  nicht  so  dringend  schien  —  und  in  vorbildlieber  Weise  dürfte 
jenes  (Ji'setz  desbalb  weniger  «einem  materiellen  Inhalt  nach,  als  liezüglieh  seiner 
Ausführung  hinzustellen  heiu.  Die.se  fusst  niunlich  auf  dem  Vorgehen  der  wirli- 
lieben  Saebverstlndigen  (bei  der  Zweekbegrenzung  aussddiesslicb  Cbemiker) 
und  scbliesst  sonach  jene  Missgriffis,  welche  von  Veriraltangsorganen  leiebt  bei 
der  Schwierigkeit  der  Fragestelliin^r  nnd  der  A)»liill'e  lieir.ingen  werden,  au«. 

linden,  was  deshalb  gleich  hier  augeiJchlo.'«8eu  sein  mag,  geht 
zuniehst  u ur  darauf  aus ,  seine  fischreichen  Flttsschen  und  Flflsse  vor  bezüg- 
liobeu  Verunreinigungen  zu  sebfltsen  und  bat  diesen  begrenzten  Zweek  (direb 
eine  ministerielle  Verfügung)  sebarf  gefasst;  die  Erfolge  ersebeinen  auob  bier 
einstweilen  zufriedenstellend. 

In  Preussuu  bestimmte  ursprünglich  diu  Allerhöchste  Cabiuetsordre 
vom  24.  Februar  1816,  betreffend  die  Verbfltung  der  Verunreinigung  der  sebiff- 
und  flossbaren  Flüsse  und  Canftle,  wörtlicb  Folgenden: 

...Auf  Ihren  Herielit  vom  IS.  d.  M.  setze  Idi.  zur  Verhütung  der  Ver- 
unreinigung der  Sellin-  und  llossbaren  Flüsse  uud  Caniile,  hierdurch  fest,  dass  .  .  . 
Oberhaupt  Niemand,  der  sich  eines  Flu.Hses  zu  seinem  Geworbe  bedient ,  Ab- 
gange in  Koleben  Massen  in  denFluss  werfen  darf,  dass  derselbe  dadurob, 
nach  dem  Urtfaeile  der  Provinzial-Poliseibebörde,  erbeblieb  verunreinigt 
werden  kann.'' 

Zur  Zeit  existiren  zwar ,  als  auf  den  Gegenstand  lU  zug  habeud ,  Vor- 
sebriften  der  Gewerbeordnung  und  baupolizeiliebe  Vorscbriften  in  siemlieber  Ansablf 
al.er  als  allgemeine  Direetiven  für  die  auständigin  Behörden  (die  Be- 
Zi r  k  s  r  e  ;s  ]  r  rn  n  g  e  ii^  nur  dit-  Im/ jiglielien  IJeehtsgnindsJitze  tiiid  jene  ministe- 
riellen Erlasse,  die  sich  auf  die  Gutachten  der  „Wis-seusehaftlichen  Deputation 
für  das  Medicinalwesen**  bdm  Ministerium  der  Medieinalangelegenheiten  grflndeten. 
IHe  weiteren  Pfliebten  der  Verwaltungsbehörden  in  dieser  Be/ieluing  sind  in  einem 
Urtheile  des  Oberv»Twaltnngsgeriebf<'s  vom  1.'».  April  IsS'^  l  des  Näheren  ausgeführt: 
..Die  nffenfliehen  Strrini(>  sind  in  allen  ihren  drei  intcirrirtMideu  Uestandtheilen  — 
dem  Was.ser,  dem  Iktte  und  dem  Ufer  -  der  Fürsorge  nicht  der  Ortspolizei- 
bebdrde,  sondern  d<>r  Landespolizeibehörde  anterstellt,  und  zwar  bestebt  die 
Zuständigkeit  der  letzteren  überall  da,  w  ■  e<  .;irli  überhaupt  darum  handelt,  den 
Strom  in  cinrr  pnlizeilieh  zu  überwaehenden  ,  durch  das  ötlVntliehe  Interes.^e  er- 
forderten Verfassung  zu  erhalten.    Mebt  nur  die  Sicherheit  uud  Bequemlichkeit 


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FLUSSVERUNREINIGUNG.  —  FORMALIN.  315 

der  Scliiftfahrt  gelif^rt  hiernach  dem  Gebiet  der  Landespolizei  ,  sondern  .  .  . 
gerade  auch  die  1' e  b  e  r  w  ;i  c  h  u  n  fr  der  ö  f  fc  n  1 1  i  c  Ii  e  n  Ströme  in  sani- 
tärer Beziehung,  die  Feruhaltuug  jeder  dem  i'ublicum  uacbtbeiligen  Ver- 
unreinigung und  «ndorerseiu  die  Besttmmnng  iber  die  Beauteunff  90mtUober 
Ströme  zur  A  u  f  u  a  h  tu  e  u n  r e  i  u  «■  r  A  b f Iflsse  fallen  in  den  Krain  der  Reobte 
und  Pflichten  der  Landcspolizeibehörde." 

Auch  im  Königreich  Sachsen,  wo  —  wie  bereits  hervorgehubeu  — 
aoBserordentlicb  grlindliebe  loeele  Vorerbeiteo  sur  Verfügung  sUudeo,  entbalten 
das  Wiebti^'ste  die  nestioimungen,  durch  weldie  die  betreffenden  Behörden  ange- 
wiesen werdi'ii,  in  v  n  r  bc  u  gr  p  iid  c  r  Weise  zti  wirken.  Genauere  und  für 
jeden  Fall  zutrefl'eude  Churakteri»-tiken  und  Merkmale,  nach  welchen  die  Fluss- 
verunreinigung  als  solche  unzweifelbaft  vorbanden  dedarirt  wird,  hat  man  auch 
hier  Seitens  der  Centralbebörden  an  geben  noch  unterbwien.  Jedoeb  riehert  hier 
das  Bestehen  einer  bezilplichen  ,.T ecbnisch e n  Deputation"  innerhalb  der 
obersten  Landesverwaltuu^'slK'börde  (welche  dif  IJecursinstanz  bildet  ji-der.fall.s 
eine  gewis-sc  Einheitlichkeit  weuigstens  in  der  Durchführung  der  Ver- 
ordnungen. 

Literatur:  ')  „First  liipnrt  of  the  Cumtnif:sionerK  djipointed  in  J'^HS  tu  intjuire 
into  the  bevt  meaut  o/ preveHtitty  ihe polltttion  of  rivera.''  Ueliers.  von  Beich.  Berlin  1871.  — 
*)  Verbandi.  dea  dentvcheo  Vereins  f.  Sflinitl.  Oesandheitspfle^  m  Breslav  1886  und  sa 

Leipzig  IS'.'l.  --  •')  W.  Fleraons.  rrli.r  da-;  Veilialtt-n  "ii-r  ßaktorion  im  I!ninneiiwas-ser. 
Zeitschr.  1.  Uvp.  pap.  —  *)  E.  Salkowski,  Ufber  die  Üxydatitjnsvürgangc  im  Wa-s^er. 

Verhandl.  der  deiiischpu  G«  s«!Nch.  f.  titlVntl.  (Jesiindheitspflege  in  Bsflin.  18"?t),  pa«;.  93.  — 
')  liiikorny,  Einige  Versuche  über  Abnahme  de.s  Wassers  an  organischer  Substanz  durch 
AlgfinvepHaii- nen.  Arcb.  f  Uyir.  XIV,  Uel't  —  Ilüpjie,  Die  Choleraepidcmi«'  im  Ham- 
l>nip  15' tliiK-r  kliii.  Wochensulir.  Ih'JS.  ]iap.  iS,-i.  —  ')  0.  Liiw,   Zur  Frafrc  der  S.  lhst- 

reinigung  der  Flu-ss«.  Aich.  f.  Uyg.  XII,  lieft  3.  —  '')  M.  v.  P et ten kufer,  Zur  Selbst- 
reinifTTiDg  der  FittM«.  Aich.  f.  Hyg.  Ebendaselbst.  —  *)  Derselbe,  üeber  Selbstreinifniig 
*\cr  Flüsse.  Aul"  der  Naturforscherv- r.-.  ia  Halle  IRfU  vorftclragen.  Pul»li<  afionen  in  der 
iJt  utM  hen  lued.  Wutlien.-chr  1891,  Nr. -IT.  —  '  )  Henry  IJoscoe,  Ueber  die  Verunreinigung 
d.  Hii->f  Mersey  u.  Irwcll.  Chem.-Ztg.  XVI,  pag.  309.  —  ")  Purster,  l! eher  Abwässer.  Bb«B« 
daselbiir.  XV.  pag.  VM>2.  —  '*)  H.  2!»chreib,  Ueb«r  die  durch  Abwässer  in  Flussläufen  Ter> 
nrvacbten  Algenbildnngen,  wie  Keggiatoa,  lieptomitos  etc.  Bbendaselbst.  —  Edw.  Sergeant, 
Thr  jiolliilion  of  riit  fx  nith  sj,f  i,il  n  firinrc  to  Ihr  Mvr.^fii  miil  liibhi.  The  l'raciitioner. 
Ib'Jl,  Jan.  —  '*)  K.  ßanin  eisJer,  Vergleich  von  FIuK.sverunrcinignngen  und  '•)  Eingabe 
des  deatjicheu  Vereins  f.  ölfentl.  Gesundheitspflege,  betreffend  Untersachnugen  Uber  die  Selbst- 
reinigung der  Flüsse.  Denlselie  Vierleljahn-sclir.  f.  öffentl  Ctesnnilheilsiitif'irc  XXIV,  fleft 
pag.  4^)7  n.  471.  —  "^1  ris(  her,  lUti  rat  riber  14  und  15  in  dir  liyg.  Ruudscluu. 
pag.  Iij-Jl  -  ■  )  L  l'li  )it4  r  und  I,.  Eisenlohr,  Zur  Fru):«  der  Selb>treini;;Hng  dtr 
Flttsse.  Arch.  f.  üyg.  XVI,  Hell  —  Büsing,  Artikel  -Flussverunreiniguag"  in  Dan- 
mer's  Handwörterbuch.  Stuttgart  1891,  pag.  Sf56.  —  W.  Wobster.  Reinigung  von  Schänitz- 
und   Abwa.ssern.  Ref.   in  Hyg.  Rundschau.  pag.  ;575.   —        J.  ('arter  Hell.  Heher 

Fluhsverunreinigun^  und  die  Reinigung  der  Abwasser  durch  Elekfricitat  und  andern  Methoden. 
Ebenda,  pag.  37»).  —  Claudio  Fermi.  I  .dir  die  Reiiiigiinq  der  Abwässer  durch  die 
Elaktricität.  Aus  deiu  hyg.  lustitut  in  Miincbeu.  Anh.  f.  Hyg.  XIII,  Heft  2.  —  König, 
Zur  Rlärnng  der  Wa?smeJnignngsfrag.\  Cbem.-Ztg.  XV.  png.  54".  —  H.  Schreib,  Zur 
Abwit.-si'rrfilHVnny-rrai:!'  Khii:da,  ]>a^r.  i.lüt  —  -''l  II.  l'ro.skaucr  und  Xix  lit.  l'eber  die 
chemische  und  bakteriologische  Untersuchung  der  Kläranlage  (äystem  Röckner- Bothe)  in 
Potsdam.  Zeitschr.  f.  Hyg.  X,  Heftl.  —  '*)HBgemann,  Der  gegenwirtigis  Stand  und  die 
verschiedenen  Sysd  nie  di  r  Reinigung  der  Abwa.'^-i  r  etc.  Zeitschr.  f.  Med. -Beamte.  1891,  Nr.  2 
bis  1.  -  -"  )  B.  l'roskauer.  Hie  Reiiiicung  vuu  Schniutzwä.ssern  nacli  dini  System  Sehwarta- 
kopff  (Berlin).  Zei«s<hr.  f.  Hyg.  X,  Hell  1.  —  *')  A.  u.  P.  Buisine,  Sur  It'^Ho-dtion  dea 
eaux  itnluntrielle«  et  <ie»  eaux  d'igout.  Compt.  rend.  CXIl,  pag.  875.  —  J.  de  Mollens, 
Reinigung  der  FabrIkwSsser  durch  Anwendung  von  Thon.  Chem.-Ztg.  XV,  pag.  525.  —  **)  L. 
Pagliani,  R.f.  in  der  Hyg.  Rundschau.  18^:*,  pa?.  4I'J.  —  ^'^|  Anlat"-  (..Cntaclittn")  zur 
Rundvcrtugung  des  Min.  d  Hinern  vi)m  5.  Juni  16T7,  diese  selbst  und  die  Rundverfugung  vom 
1.  September  lb77.  Abgedr.  u.  A.  in  Wcrnich^s  Zusammenstellung  der  gilligen  Med.-Gesetse. 
1890,  Jf.  AuH.,  pag.  rt.  —  Die  saninitlilhen  be/,jiglichen  Giitaehtcn  der  wis<?enscha(t- 
lichen  Deputation  linden  sich  zusammengestellt  iu  Vierteljahrsscbr.  f.  gerichtl  Med.  etc.  ibt'i, 
SnppI.>Heft.  Wernich. 

Formslin  rpormaldehyd).  Mit  diesem  Namen  wird  ein  neuerdings  von 

SrnKRIXO  tu  den  Il.iiidel  ^^ebrachfes .  etwa  4<)"  ,ifjes  Fortn.nldehyd  hczrirbnet. 
Das  „Formalin**  hi  eine  \\ääS6rigu  Fitibi^ii^keit,  mischt  sich  iu  allen  Verhältuisiiien 


316 


FOEMALIN.  —  FRACTURVERBÄNDE. 


mit  Wasser  und  soll  (nach  Versuchen  von  Lorw,  Aronson,  Beklioz  und  Trillat) 
ein  aoHgezeicbnetes  Desioficieus  und  Antiseptioum  sein.  Lflsst  maa  dasselbe  mit 
od«r  ohne  Anwendnnf^  von  Winne  rerdampfen  nnd  die  Dlmpfe  auf  Watte,  Gase, 
Binden  und  andere  Verbandstoffe  einwirken .  so  ^chl:i(;t  sich  das  Formalin  auf 
diesen  als  Parafornialdehyd  (Paraformalin)  in  fester  Form  nieder  und  8terili«'irt  sie. 
Beim  Verdunsten  spaltet  sich  das  niedergeschlagene  Paraformalin  wieder  in 
Formalin  mud  wirkt  nan  auf  seine  Umgebung  antiseptisch.  Bereits  in  Verdflnnung 
▼on  1 :  SO.OOO  bringt  Formalin  die  MilsbfwndbaeiUen  nnd  in  Verdflnnnng  von 
1  :  1000  die  Milzbrandsporen  nach  einer  Stunde  zum  Absterben :  es  wirkt  also 
annUhernd  tilcich  stark  wie  Sublimat,  dem  es  aber  wdjjcn  der  Ungiftigkcit  vor- 
zuziehen ist.  Forroaliaverbuuiistoti'e  müssen  in  gut  verschloüseuen  Gefässen  auf- 
bewahrt werden.  Zur  Herstellung  steriler  awptiseher  Verbandmaterialien  wird  aueb 
Formalin,  von  Kieselguhr  aufgesaugt,  mit  bestimmtem  Gehalte  als  „Form.'iHth"  in 
de«  Handel  trcbracht.  Zum  Rciniiren  der  Hände,  der  Schwiimme  und  anderer 
Materialien  siud  Formalinlösungeu  von  circa  l<^;o  Gehalt  zu  bonutzen.  Auch  zur 
Deeinficirnng^  von  Gegenatinden  aller  Art,  sowie  von  Zimmern  nnd  aonatigen 
Räumen  (Stftllen,  Eisenbahnwagen  etc.)  ist  Formalin  vortrefflich  geeignet,  wobei 
entweder  das  40°  „  Formalin  durch  Krbitzen  zum  Vcrdainpfen  jrcbracht  oder  noch 
wirksamer,  das  Formalin  in  1 — i'  oigcr  Lcnung  mit  einem  beliebigen  Zerstaiihnngs- 
apparate  auf  die  zu  desintieirendcu  üegenstäude  unter  Druck  applicirt  wird. 

Fracturverbände.  nie  Hehandiuug  der  Knochen  brüche  an  den  unteren 

Giiedmassen  „im  Fmhergehen"  (vergl.  Kncyclop-idi'iehe  Jahrbücher,  Bd.  II,  pag,  691), 
wie  sie  nach  dem  Vorbilde  Hessing's  von  Hauboudt  llECSäXEK  ^j  und  Kuause  ^) 
geflbt  wird ,  hat  aueb  in  der  lotsten  Zeit  eine  weitere  Entwicklung  erfahren. 
Vorzugsweise  hat  KOBSCit  *)  dem  Gegenstande  volle  Aufmerksamkeit  geschenkt, 
indem  er  auf  Harpklebfa  s  Klinik  zuerst  die  weitaus  meisten  zur  Aufnahme  jrc- 
kommenen  Fälle  von  Fntersehenkel-  und  Knöchelbrüchen,  später  aber  auch  com- 
plicirte  Fracturen  und  OberschenkelbrUche  nach  Hessing  scheu  (irundsätcen 
behandelte.  Er  bediente  sieh  des  „ambnlatorisohen**  Gypsverbandes 
und  folgte  dabei  im  Allgemeinen  den  von  Krause  gegebenen  Vorschriften,  wich 
jedoch  in  einigen  Punkten  mehr  oder  weniger  von  denselben  ab.  Nach  Krah.se 
werdeu  (^ucrbrUche  circa  ü  Tage  lang  auf  der  T-Schiene  gelagert,  Schräg-  und 
Spiralbrflehe  mit  dem  Heftpflaster-Zngverbande  behandelt  nnd  dann  in  Oyps  ge- 
legt. KoK.scH  konnte  bei  Schrägbrtlchen  im  unteren  und  mittleren  Drittel  des 
Unterschenkel-;  ileii  Zugverband  iiieht  aiiwcTi  len;  theiN  war  das  untere  Fr.sgmpnt 
ZU  kurz,  tbeils  klagten  die  Kranken  über  unertrilgllclie  Schmerzen  im  Kniegeleuk, 
thdb  binderten  Quetschungen  der  Haut  und  Blasenbildung  das  Anlegen  der  Heft- 
pllasterstreifen.  In  diesen  Füllen  bediente  er  sieh  dw  BsBLT^sehen  Gypshanf- 
schienen  mit  Su-jpensirm.  „l^oll  der  Verletzte  in  den  Stand  gesetzt  werden,  umher- 
zugehen iintl  sieb  dabei  aiicii  wirklieh  auf  das  gebrochene  Glied  zu  -it'itzen  .  <o 
mu.ss  der  Gypsverbaud  .sich  so  genau  allen  Umrissen  des  Gliedes  anschmiegen, 
dass  er  dessen  Form  wie  ein  Modell  wiederg^ebt,  andererseits  darf  er  unter  keinen 
Umstanden  den  allergeringsten  Druck  auch  nur  an  einer  kleinen  Stelle  ausüben  : 
er  würde  dann  nicht  ertragen  werden  und  schildlich  wirken"  nvHAT'SKi  V.<  kommt 
wesentlich  darauf  an ,  das»  der  Verband  das  Glied  iu  dorjeuigeu  Dehuuug  uud 
Stellung  erhält,  welehe  man  ihm  dureh  Zug  und  Gegenzug  bei  der  Einriehtnog 
des  Bruches  und  während  der  Anlegung  des  Verbandes  gegeben  hatte.  Das  sollte 
nun  iVt'ilicIi  der  fiypsverbaiid  l  iirentlieli  \ on  jeher  thuti  .  allein  er  that  es  ot't 
genug  nicht  oder  doch  in  unziiieiel.endem  Masse,  zumal  l>ei  ( »berscbenkclfracturen. 
Bruns ')  hat  durch  genaue  Mtssungcn  festgestellt,  dass  sofort  mit  Abnahme  des 
Streekapparates  und  mit  Aufhören  des  von  demselbea  ansgetlbten  Zuges  die  Ex« 
tremität  sich  wieder  verkürzt,  und  dass  diese  Verkürzung  innerhalb  de.s  übrigens 
vollkommen  kutisfgereebt  liegenden  (iyjMverbamb  s  allmfllig  zunimmt.  IMesebrnm- 
pt'ende  Extremitiit  drängt  uud  schiebt  den  \  crbaud  aufwärts  gegen  du.s  Becken, 


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FR  A  CTUR  VERBA  N  DE. 


317 


drückt  ^ejjen  die  Mnskelmasse  der  AdduL-tnren  v.nd  verursacht  Ulcerationcn  und 
Sehuierzen ,  äo  dass  man  von  dem  drückenden  Kande  des  Verbaades  mehr  und 
mehr  abzunebmeo  gezwungen  iat,  bis  der  hinreichend  fest  gewordene  Callas  eine 
weitere  Vertdiiebnog  hindfirt.  Ein  genau  der  Oberflftebe  des  OUedet  sieh  aU' 
seblieMender  Verband  bildet  einen  Hohlcylinder  von  wechselnder  Weite ,  so  dass 
eine  Verschiebung:  des  darin  einfjeschlossenen  Gliedes  der  Liin^re  nach,  d.  h,  eine 
Verkürzung  de»  Gliedes  durch  diese  Einrichtung  verhindert  werden  uiüsste.  Allein, 
da  die  Waebtheile  sieh  nieht  nur  versehieben  und  Terdrftngea  iMsen,  sondern 
auch  an  Volumen  abnehmen,  so  kann  auch  der  beste  Gypsverband  den  die  Ver- 
kflrziiiifr  herbeiführenden  Kräften  erfnl^'reiehen  Wider-^tand  nicht  leisten.  Soll  daher 
bei  Uberscbeukelbrüchen  eine  Verkürzung  verhütet  werden ,  so  muss  der  Gyps- 
verband  mit  einem  Zugverbnnde  ▼eigeseUsehaftel  werden.  Diee  die  Lehre  von  Bamis. 

Die  alten  Gypsyerbinde  waren  dgentlieh  nichts  «eitmr  als  ringsgesehlossene, 
cylinderf(»rnii<re  Beinladen,  die  aus  matini^fadicn  HrllndeM  einen  wirksann-n  Ziiij 
nicht  ausilhcn  konnten.  I »ie  SKi  TlN  schcn  Lehren  waren  unlte;i(!htet  {geblieben  und 
Niemand  dachte  daran,  den  Kranken  umhergehen  zu  lassen ;  im  Gegeutheil,  nach 
den  Vorsobriften  der  Scbnle  mnssto  der  Kranke  woobenlan;  mit  erbobener  OUed- 
masse  still  liegen.  Man  machte  ferner  den  Verband  in  der  Re<?el  viel  SU  massig 
und  zu  schwer,  man  versah  ihn  meist  mit  einem  dicken  Wattepolster,  und  wenn 
dasselbe  zusammengesunken  war,  su  lüftete  und  lockerte  sich  der  Verband  umso- 
mehr,  als  allmftlig  auch  die  Weiehtbeile  atropbirton  nnd  nnn  eine  ergiebige  Zug* 
Wirkung  erst  recht  nnmOglieb  war.  Kracsk  gestattete  allenfalls  eine  dttnne  Watte- 
schicht, aber  KiiitscK  verwirft  auch  diese  und  legt  den  Verband  unmittelbar  auf 
die  leicht  gefettete  Haut.  Das  hatte  freilich  auch  schon  Adbluann  getban  und 
sich  dabei  der  ScuLTBTf  scben  Streifen  bedient,  aber  er  dachte  ebensowenig  an  einen 
„ambniatorisehen''  Oypsverband  wie  Brüns,  der  ebenfalls  die  Wattevnterlage  ver- 
wirft, weil  „durch  das  allmftlig  eintretende  Zusammensinken  der  Watte  der  Ver- 
band selbst  lockerer  und  auf  dem  Gliede  verschiebbar  fjeniacht  wird'"'. 

Der  nach  den  Vorschriften  von  KüAUäE  und  Kuu^cu  angelegte  Gyps- 
verband  fibt  dadnreb  eine  disirabirende  Wirkung  ans,  dass  er  sieh  unten  gegen 
die  Malloolen,  den  Fussrücken  und  die  Ferse,  oben  gegen  die  Condylen  und  die 
vordere  Klflchc  der  Tibia  stemmt.  Die  Ausdehuuug  dieser  FI;lcheu  verhindert 
einerseits  eine  schädliche  Wirkung  des  Druckes  und  andererseits  schliesst  die  ge- 
rade hier  vorhandene  Annntb  an  WMditbeilen  eine  erbebliehe  Abmagerung  ans. 

Was  die  Frage  betrilft,  wann  Im  gegebenen  Falle  dar  fttr  das  Anlegen 
des  ambulatoridchen  Verbandes  ;rUnsti;rste  Auirenblick  geko:iuuen  ist,  so  gilt  als 
all^remeine  Ke*^el,  dass  man  niclit  eher  dazu  schreiten  soll,  als  bis  eine  Zunahme 
der  i^ehwellung  mit  Sicherheit  ausgeschlossen  werden  kann.  Das  zu  bestimmen, 
dient  neben  sorgfMtiger  Beobachtung  eine  wiederholt  Tonunebmende  genaue 
Messtng  B<  i  einfachen  Querbrttchen  und  bei  Schrägbrfleben  mit  geringer  Nei- 
gung zur  \'erschiebun? ,  ohne  wesentliche  Schwellung,  wird  sofort  reponirt,  der 
Unterschenkel  zwischen  Sandsäcke  gelagert,  eine  Eisblase  aufgelegt  und  bei 
etwaiger  sebmenbafter  Gontraetlon  der  Benger  eine  Morphiumeinspritzung  (O'Ol) 
gemacht.  Tritt  weitere  Schwellung  nicht  ein,  so  wird  am  Abend  des  ersten  Tages 
der  \'erl>and  vn  ritr  Wiirzfl  der  Zctien  bis  liaiidhreit  oIhtIl-iH»  des  Knies  un- 
gelegt und  am  anderen  Morgen  beginnt  der  Kranke  seine  Gehversuche  mit  Hilfe 
eines  Wärters  oder  eines  Laufstuhles. 

Das  Kniegelenk  steht  in  leiohtor  Beugung,  um  der  Zusammenslebung  der 
Wadenmusculatur  entgegenzuwirken;  das  Fussgetenk  in  rechtwinkeliger  Dorsal- 
flexion.  Beide  Stellunfren  sind  aiu'h  deshalb  nrithi?,  um  beim  Gehen  da^  Ik'in 
besser  nach  vorn  bringen  zu  können.  Damit  der  Verband  bei  möglichst  geringem 
Glewicht  doch  genügend  fest  sd,  wird  sur  Verstärkung  jederseits,  sowie  vorn  nnd 
hinten  eine  Scbusterspansehiene  eingefUgt;  letstere  folgt  der  Achillessehne  und 
läuft  bis  zu  den  Zehen.  Koksch  bedient  sieh  nur  n  i  c  h  t  jrestärkter  Binden,  weil 
durch  die  Appretur  „die  Erhärtung  des  Gypscs  um  Stuuden  und  Tage"  aufge- 


318 


PBACTÜRVERBÄWMB. 


halten  werde,  eine  Angabe,  die  durch  meine  Krfahruniren  in  diesem  rmfanye 
nicht  bestätigt  wird.  Für  einen  luittelgrosseu  Manu  sind  20 — 24  Meter  einer 
Hallbind«  von  12 — 16  Cm.  Breite,  siir  Imprignirnng  einer  Binde  von  6  Meter 
Lange  und  15  Cm.  Breite  Rind  350  Gnn.  Gyps  crforderlidl.  Ein  solcher  Verband 
iit,  troeken,  noch  nicht  1  K^rm.  aoliwer  und  kann  aueh  von  schwachen  Kranken 
getragen  werden.  Jeder  Zug  und  Drack  mu8s  beim  Anleihen  der  Binden  ver- 
mieden, Umeehllge  vod  Falten  dlirfen  bei  den  ersten  Lagen  nicht  getnadit  werden, 
mnn  mnas  dahw  hftufig  abschneiden  und  von  Neuem  in  anderer  Richtnntf  be- 
ginnen ;  am  <i}»eren  Kunde  wird  durch  ein  dünnes  Wattepolster  die  Reibnncr  des 
erstarrten  Verbandes  verhindert.  Dem  (iliede  mnss  vor  Heginn  des  Verbamles 
die  erforderliche  Stellung  gegeben  werden,  denn  eine  Aenderung  ist  während  der 
Anlegung  der  Ojrpebinden  nicht  cnllssig,  da  sonst  Druclc  entsteht  Man  denlce 
also  bei  Zeiten  daran,  dass  der  FmA  in  rechtwinkeliger  Dorsalflexion  £>tehen  musB. 
Die  Verbände  bleiben  nur  10 — 1  4  Tage  liegen,  damit  durch  M.-is-jage  und  pa.ssive 
Bewegungen  Atrophie  der  Muskeln  und  Steifigkeit  der  Geleuke  mit  Sicherheit 
verbatet  werden  kann;  flbrigens  aber  treten  diese  nnangenebmen  Folireznstände 
anch  ohne  öfteren  Verband weehsel  nnr  flusserst  selten  nnd  in  geringerem  Grade  ein. 

Bei  K  n  ö  I- )i  (>  U)  r  Ii  (■  h  e  n  waren  die  Erfolge  sehr  nnirieieli :  .iii.-JLTcdehnte 
SpUtterung  der  Malleolen  heilte  sehr  günstig;  einfache,  mit  umfangrciclur  H.imier- 
zerreissang  verbundene  Fflile  wieder  heilten  sehr  ungünstig  in  Val^usstellung.  In 
den  ersten  8  Tagen  wird  das  Bon  auf  einer  WATSON'sehen  Sebiene  gelagert  und 
rait  Jfasxage  und  feuchtwarmen  Umschlagen  behandelt,  dann  fi»lgt  in  extremer 
Varnsstellung  des  dornalflectirtcn  Fusscs  der  anibnlnt<irisehe  (iyp'^verband.  welcher 
bis  zu  den  Condylen  der  Tibia  reicht  uud  alle  Tage  gewei  hsclt  wird.  Ein- 
laehere  KnOebelbrttebe  werden  schon  nach  24  Standen  eingegypst. 

Complicirten  Knochen brüchen  gegenüber  galt  es  zuoiolrat,  mit 
der  Vdrstfllnng  7,u  brechen,  dris-^  eine  Wunde  an  den  unteren  (iliedmassen  nur  in 
liegender  Stellung  heilen  kuuue.  Kooscu  ging  daher  anfaugn  nur  zagend  vor, 
bis  sich  allmllig  folgendes  Verfahren  herausbildete.  In  einfaehen  Fftllen  wird  der 
Verband  naeh  2.  in  Bcbwerercn  nach  6 — 7  Tagen,  wenn  die  Granulationsbildung 
licir^nnt,  angelegt.  Die  Wundhrthle  wird  mit  Jodofnrmgaze  aiisgcfjtopft,  die  Wnnd- 
riiiiiier  eventuell  prdvisoriseh  mit  Seide  zijs:imnitMige7,o;xcii  .  der  Tampon  heraus- 
geleitet und  Uber  einem  .JodoformgazebaUHch  der  Gypsvcrband  angelegt.  Soweit 
derselbe  mit  Secret  dorohsetst  ist,  wird  er  mit  Jodoformgaze  bedeckt;  stirkere 
.Seeretion  macht  eine  Erneuerung  des  Verbandee  nothwendig.  Bei  Quetschungen, 
Abschürfungen.  Blasenbildung  wurden  n;ieh  Keinignng,  Kasiren .  Dc-iinfei-tion  und 
Abtragen  von  Epidermisfetzen  die  wunden  Stellen  rait  3^;oiger  ilölleasteiulösung 
bepinselt,  dann  leicht  mit  Bumuihum  »uhnttrieum  bestrwtt  und  dann  folgt  Aber 
einem  Jodoformgasebausch  oder  auch  unmittelbar  auf  die  entblOsste  Cutis  der 
Gypsvcrband. 

Endlich  übertrug  Kor.sch  den  atubiilatorischen  (lypsverband  auch  auf 
OberscbenkelbrUcbe.  Er  ging  von  der  Erwägung  aus,  dass  der  auf  blosser 
Haut  angelegte  Gypsvcrband,  indem  er  sich  unten  gegen  die  Malleolen,  den 
Fussrflcken  und  die  Ferse,  oben  gegen  das  Tuber  Ischit  anstemmt,  auch  eine 
t'iir  Femurfracturen  ausreichende  Distraetion  ausüben  müsse,  und  nach  einigen 
mehr  oder  weniger  unbefriedigendeu  Versueheu  verfuhr  er  in  der  Weise,  da8>i  er 
sich  eines  4  Mm.  starken  Drahtes  bediente,  der  an  dem  aus  Bandeisen  bestehenden, 
mit  Jute  und  wollenem  Zeuge  gepf^Istcrtcn  Ücckcnriuge  angenietet  ist.  Bildet  der 
Draht  scliist  den  Sitzring,  dann  wird  derselbe  durch  ein  umgelegtes  Stflek 
Blech  verstärkt. 

Die  Anlegung  des  Verbandes  geschieht  erst  7 — 8  Tage  nach  der  Ver- 
letzung, weit  bis  dahin  der  Zug  des  M.  ileop«oaa  zu  stark  ist,  um  von  dem 

Gypsverbande  überwtmden  werden  zw  können.  Die  Kranken  bleiben  also  0  bis 
7  Tage  lang  im  Zu-rvcrbande.  dann  wcriicti  unter  Extension  die  (Typsbindeii  von 
dem  rechtwinkelig  dorsalilectirtcn  FiHst  an  in  mehreren  Lagen  bis  handbreit  untcr- 


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FRACTÜKVERBANDE. 


319 


halb  des  T"her  Iscini  anjrelefrt,  der  Sifzriug  fest  gegen  das  Tiihcr  ^^t'drfickt,  die 
»eitliclj  herablaut'eudeD  Drähte  nach  dem  Gliede  und  unterhalb  der  Mailooieu  parallel 
dem  äussere  and  inneren  Fussrande  rechtwinkelig  gebogen*  Die  noh  «i  das 
benäta  leiebt  eiege^rypste  Glied  noflebmiegende  Sebiene  wird  nun  mit  weiteren 
Gypsbindcnlag'en  bcfoHlifrt.  Heim  Anleu;!'!!  des  letzten  ri:in»e<  ist  der  Verband 
schon  hart:  der  Kranke  wird  /u  iiett  ^retragen  und  kann  nach  12  ätundeu  mit 
Hilfe  vun  Krückcu  oder  Stöcken  gehen. 

SehädliclikeiteD,  welche  ans  dem  Umhergehen  fBr  deo  Bmnbrilehigen  er- 
wachsen könnten,  bat  KORSCH  nie  beobaebtet.  Im  Beginne  sind  die  Kranken  ängst* 
lieh,  aber  bald  fr^winnen  sie  Vertrauen  und  lernen  das  kranke  Bt-in  jrebrauchen. 
Mässiges  Uedem  der  Zehen  und  das  Getühl  der  Ermüdung  »chwindeu  bald,  wenn 
das  verletzte  Glied  beim  Stts^n  boeb  gelagert  wird.  Die  Zehen  werden  in  Watte 
gebullt  und  mit  einer  Cambriebinde  eingewiekelt ,  besiebnn|r^*^iso  mit  einem  un- 
dnrebläsiii^ren  Stolle  umhUllt. 

Vor  der  Behandlunfr  der  Brüche  mit  testen  Verbänden  and  wochenlanger 
Bettruhe  hat  diese  Metbude  erhebliche  Vorzüge.  In  Folge  der  besseren  Versorgung 
mit  EmIhmngsBaft  wird  die  Callnebildung  beseblennigt,  die  Heilung  kommt  frOher 
7.11  Stande.  Was  die  sonstigen .  mit  der  freien  Bewegung  verbundenen  Vortheile 
betrifft:  Genusa  der  frischen  Luft,  Vorbeugung  von  Hypostase,  bessere  Stimmung, 
geringe  Pflege  etc.,  so  bedarf  es  einer  weiteren  Ausführung  nicht.  Atrophie  der 
Muskeln  und  Steifigkeit  der  Oelenke  stellen  sieb  bei  Untersebenkelbrileben  selten 
nnd  in  st'lir  gerin^'em  (irade  ein.  Dasselbe  teilt  bei  Obersehenkelbriiehcn  mit  Bezug 
auf  den  rnterselienkel  und  das  Fiissgelenk  :  dagegen  war  in  allen  FiilK'ii  eine 
bedeutende  Atrophie  des  M.  t'xlensor  cruris  quadrtcepft  und  eine  erhebliche 
Steifigkeit  im  Kniegelenk  vorhanden.  —  Trotz  der  mancherlei  VorzQge  dieser 
If^iode  mnss  ieb  die  Anwendung  desselben  doeh  Jedem  widmathea,  der  in  der 
Behandlung  der  Knoi-henbrüche  sieh  nicht  schon  eine  grtissero  Erfahrung  erworben 
bat  und  der  die  Teelinik  des  G yjjsverbandes  nicht  vollkommen  beherrscht. 

Hcs.si.Nu  selbst  hat  eine  neue  „Vorrichtung  zur  ambulanten 
Bebau  dl  ungseb  wer  erkrankter  Gliedmasaen  nnd  Rflekenknoeben** 
ersonnen,  welche  nach  seiner  Meinung  geeignet  ist.  auch  in  der  Kriigsehirurgie 
der  Zukunft  eine  hervorragende  liolle  zu  spielen.  Diese  Vorrichtung  besteht  im 
Wetientlichcn  aus  stählernen  Körben  oder  Gestellen  ,  tolgt  den  i'rincipien  seines 
Hflisenapparates  und  wird  unter  ,fVerbjlnde"  ausführlich  beschrieben  werden. 

Die  Zahl  der  verschiedenen ,  fttr  S  c  h  l  U  s  s  e  l  b  e  i  n  b  r  ü  c  b  e  ersonnenen 
Verbände  erreicht  ikiIiczu  die  Höhe  von  hundert  und  l)ewei.st ,  dass  bislang  ein 
allen  Ansprüchen  genügender  Verband  nicht  gefunden  war.  Die  einst  so  berühmten 
Verfahren  von  Dksai;lt  und  Vki.pkal  sind  längst  ku  blossen  L'ebuogsstücken 
der  Verbandourse  geworden,  nnd  aneb  unter  den  neueren  Verbänden  dnd  alle 
di^enigen  nicht  /u  empfehlen ,  zu  denen  als  nothwendiger  Bestandtheil  die  Be- 
festigung des  Arme«  am  Brustkasten  nnd  die  ringförmige  Einwicklung  des  letzteren 
gehört.  Mag  ein  Verband  auch  sonst  den  3  wichtigeu  Anzeigen  genügen  ,  d.  b. 
den  nach  unten,  innen  und  vom  gesunkenen  Arm  nach  oben,  ansäen  nnd  hinten 
SU  sieben  oder  zu  dringen  und  ihn  in  dieser  Stellmig  featauballen  — ,  so  ist  doch 
die  enge  nnd  oft  sehr  ausgedehnte  Umwicklung  des  Thorax  für  jeden  Kranken, 
zumal  für  Frauen  »ehr  lästig  und  bei  Lungen-  und  Herzleiden,  sowie  bei  erheb- 
lichen RUokgratsverkrttramungeu  überhaupt  nicht  anwendbar;  andererseits  ist  die 
Befestigung  des  Armes  am  Thorax  nieht  dem  Zwecke  entipreehend ,  wml  die 
Athembewegungen  sieb  auf  die  Bruebenden  Übertragen  nnd  ein  Versehieben  der- 
selben hervorrufen. 

Der  SAYRBsche  Verband  (vergl.  Heal-Kncyclopädie,  II.  Aufl.,  Bd.  XXI, 
Art  Verbände)  ist  an  Einfachheit  nnd  Branebbarkeit  allen  seinen  Vorläufern 
flberlegen,  allein  er  ist  doch  nicht  frei  von  Milngeln .  W.  v.  BCnombb  wirft  ihm 
mit  Kecht  vor,  dass  auch  er  den  Arm  mit  -^ehriig  kici.sfrprmigem  Gange  am  Thorax 
befestigt,  dass  die  in  sitzender  Stellung  des  Kranken  angelegten  Streifen  im  Liegen 


FRACTÜBVERBANDE. 


ersohlaflfen  und  dass  endlich  der  Verband  von  Anfanj^  an  bis  zur  völligen  Heilung 
auf  blo88er  Haut  getragen  werden  muss. 

V.  BüNGNER  hat  die  Zahl  der  Schlflsselbeinverbände  noch  um  einen  ver- 
mehrt, aber  derselbe  ist  so  einfach ,  so  zweckentsprechend  und  dabei  so  leicht 
anzulegen,  dass  er  als  eine  Bereicherung  anzusehen  ist.  Er  besteht  aus  elastischen 
Streifen  und  lehnt  sich  an  die  Verbftnde  von  Scymanowskv  und  Fischer  an. 
Der  elastische  Zug  war  vorher  schon  mehrfach  verwerthet:  so  hat  Landkrkr  in 
die  SAYRE'schen  Streifen  ein  elastisches  Sttkk  eingefügt  und  Sattehthwaite  hat 
sich  der  MARTix'schcn  Binden  bedient,  aber  beide  befestigen  den  Arm  am  Thorax. 
Peirck  legt  um  jede  Schulter  einen  mit  Sammt  überzogenen  Kaut«chukschlauch, 
von  denen  der  durch  die  kranke  Achselht^ble  laufende  die  Form  eines  Keilkissens 
hat;  beide  Ringe  werdeu  am  Kücken  (Fig.  39)  durch  2  elastische  Gurten  ver- 
bunden, welche  die  Schultern  nach  hinten  ziehen.  Der  kranke  Arm  ruht  in  einer 
kräftigen ,  mit  Riemen  und  Schnallen  versehenen  Leinwandlade ,  welche  für  das 
Olecranon  einen  Ausschnitt  hat  und  vom  an  dem  Schulterringe  der  gesunden 
Seite  mit  einem  Bande  befestigt  wird.  Diese  Lade  dient  theils  als  Mitella,  tbeiU 


Fig.  3».  Flg.  40. 


zum  AngriÜspunkte  eines  elastischen  Gurtes,  welcher  vom  Vorderarm  aus  um  den 
Ellenbogen  herum,  schräg  über  den  Kücken  hinauf  zum  Schulterringe  der  kranken 
Seite  fuhrt  un<l  den  Elleubogen  in  der  gewünschten  Stellung  fenthält.  Der  wag- 
rccbt  um  den  Thorax  laufende  Riemen ,  welcher  den  Arm  heranzieht ,  wird  am 
besten  fortgelassen. 

Zu  dem  v.  Bi  XGXEft'.Kchen  Verbände  bedarf  es  nur  einer  dreitheiligen 
T-Binde  ^Fig.  40)  und  einiger  Sicherheitsnadeln. 

Das  60  Cm.  lange  und  4  Cm.  breite  Querstück  der  Binde,  mit  welchem 
drei  120  Cm.  lange  und  10  Cm.  breite  Längsstreifen  so  verbunden  sind,  dass 
der  mittlere  senkrecht ,  die  beiden  seitlichen  etwas  schräg  auseinanderweichend 
von  demselben  abgehen,  wird  um  die  gesunde  Schulter  gelegt  und  hier  befestigt, 
indem  das  Ende  desselben  durch  eine  gewöhnliche  Schnalle  gezogen  wird  (s.  Fig.  42). 
Der  mittlere  und  ein  seitlicher  Längsstreifen  ,  Fig.  41a  und  ö)  liegen  an  der 


y  Google 


FRAOTDRTEBBÜiNDE. 


821 


Hinteridte  der  gMondeii  Schulter,  der  andere  eeitliehe  LiBi^streifen  (Fig.  42  c) 
auf  der  Höhe  der  letsteren,  alle  der  kranken  Seite  zugewendet. 

Man  ergreift  nun  zunächst  den  Mittelstreifen  (Fig.  41  a),  führt  ihn  flber 
den  Rttoken  weg  durch  die  Achdelhöble  um  den  oberen  Theil  des  Oberarmes  der 
kranken  8dte  herum  nnd  daranf  anm  Ausgangspunkt  snrtlek.  Hier  wird  das 
^ndenende  angesteckt.  Anf  dieee  Wmse  wird  der  kranke  Arm  direet  nach  hinten 
gezogen.  Darauf  wird  der  untere  Streifen  'Fig.  41  i)  ebenfalls  Aber  den  Rücken 
weg  und  in  gleicher  Richtnnfi:  um  den  Oberarm  der  Itrankcn  Seite  herumgeführt, 
aber  so,  dass  er  den  untersten  Theil  desselben  umgreift  und  um  den  Ellenbogen 
genranden  wird«  um  dann  ebenftUs  anm  Aiugangapiinkt  surttekrakebren.  Auf 
diese  Weise  wird  der  kranke  Arm  theils,  wie  vorher,  nach  hinten  gezogen,  theils 
angehoben.  (Der  zweite  Streifen  h  wird  also  genau  wie  der  erste  Streifen  an- 
gelegt, nur  dass  er  statt  um  den  obersten  Theil  des  Oberarmes  um  den  uutersten 
Tlml  desselben  und  um  den  Ellenbogen  an  liegen  kommt.) 

Der  obere  nnd  letzte  Streifen  endlich  (Fig.  42  c)  geht  als  Mitettatonr 
nach  vorn .  tinterstfltzt  das  Handgelenk  und  geht  darauf,  die  Hruehfragmente 
niederdrückend,  über  die  Fracturstelle  und  die  verletzte  Schulter  hinweg  an  die 


Rückseite  der  letzteren,  um  hier  (s.  Fig.  41c)  an  den  beiden  ersten  Streifen  a 
und  h  befestigt  au  weriflen ,  wodurish  diese  in  Ihrer  Lage  so  sloher  ftdrt  werden, 
dass  ide  sich  in  keiner  Weise  verschieben  können. 

Der  Verband  zieht  die  Schulter  der  verletzten  Seite  nach  hinten,  oben 
und  aussen;  er  übt  diese  Wirkung  in  jeder  Stellung  des  Körpers,  er  gestattet 
die  ambulante  Behandlung,  denn  er  kann  sowohl  flber,  als  unter  denKleidsni 
getragen  werden ;  er  läsat  den  Thorax  frei  nnd  befestigt  den  Am  der  kranken 
Seite  nicht  an  demselben.  • 

Man  legt  den  Verband  bei  der  Stellung  de»  botretTcaden  Armes  an,  bei 
welcher  die  Disloeation  am  Schlflsselbttn  nnd  an  der  Schulter  vollständig  ausge- 
glieben  ist  Der  erste  Gang  des  Verbandes  mnss  so  stark  angesogen  werden, 
dass  der  mediale  Rand  des  Schulterblattes  so  weit  der  Wirbelsäule  genähert 
werde,  dasM  der  Abstand  beider  Sehulterblätter  von  dieser  wiederum  der  gleiche 
ist.  Auch  die  scheinbare  Verläugeruug  des  Armes  der  verletzten  Seite  muss  nach 
Anlegung  des  sweiten  Ganges  yoUstindig  beseitigt  sdn.  Unmittelbar  naeh  der 
Verletzung  wird  der  VerlMuid  anf  blosser  Bant  angelegt  und  Ueibt  durdisdinitt- 
Bnoyelop*  JatarMMMi.  III.  21 


FIk.  41. 


Ff  f.  4t. 


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322      FRACTÜRVERBÄNDE.  —  FURUNKEL  DES  ÄOSSGREX  GKa(  »R  iANüES. 


lieh  bis  zum  zehnten  Tag^e ,  d.h.  bis  zur  befrinnenden  Consolidatif)n  Ta;^  nnd 
Nacht  liegen.  £s  ist  zweckmässig,  an  d  e  n  Stellen  des  Arme:i  der  verletzten  äeite, 
wo  der  Verband  anliegt,  eine  Wattebinde  nntersolegen  nnd  ebenso  dfe  Bmehatdle 
mit  Verbandwatte  zu  polstern.  Ist  der  provisorische  Callas  gebildet  und  eine  Ver- 
schiebung,' der  Brucheuden  nicht  inebr  zu  fürchten,  dann  wird  der  Verband  für 
die  Nacht  abgenommen  und  nur  noch  am  Tage ,  und  zwar  Uber  den  Kleidern 
getragen,  so  dass  dem  Kranken  das  Verlassen  der  Wohnung  ermöglicht  ist.  Nach 
l^nng  des  knorpeUgen  Callm  siehert  der  Aber  der  Kleidung  getragene  VerbMid 
ausreichend  die  Feststellung  der  ßruchenden;  für  die  Nacht  wird  er  mit  einer 
einfachen  Mitella  vertauscht  und  der  Klicken  des  Kranken  noch  eine  Zeit  lang 
dnrch  ein  Rollkissen  unterstützt,  damit  die  verletzte  Schulter  möglichst  nach 
hinten  sinke. 

Ein  und  denelbe  Verbnnd  kann  sowohl  an  der  rechten,  wie  an  der 

linken  Seite  des  Körpers  verwandt  werden:  die  Selinalle  des  Quergurtes  der 
T-Binde  kommt  nur  auf  der  einen  Seite  vorn,  auf  der  anderen  hinten  zu  liegen. 
Der  Verband  ist  in  swei  Grössen,  fflr  Erwachsene  und  fttr  Kinder,  vorräthig  beim 
Instromentenmaoher  Holshaner  in  llnrbnrg  im  H. 

Litt  ratiir:  ')  Harbordi,  Eine  neue  Schiene  zur  Behandlung;  von  rdxTschtnkel- 
brttchen  ohne  dauernde  Uettlage.  Dcnlsche  med.  Wochenschr.  1889, Nr. 37. pkg* 7ti4.  —  'jHoasner, 
Uebsr  Bebandlang  der  Oberschenkelbräche  im  ümbergeben.  Bbsada.  1890i  Nr.  58.  —  ")  Fedor 
Kranse,  Rritrage  zur  Behandlung  der  Kncuhenbrnche  der  unteren  (i!irilin;iss-pn  im  Unilur- 
gehen.  Ebenda.  IHDI,  Nr.  13.  —  *)Feod<>r  Korsch,  üeber  die  Beliandlunj;  der  Uulersclieukel- 
brüche  im  Umherpehen.  Charite  -  Anual.  Jahrg.  XVII.  —  Derselbe,  .\iis  der  thir.  Klinik 
des  Herro  6ob.  Ober-Medicinalrath  T.  Bardeleben.  Ueber  den  ambaUtoriscben  Verband  bei 
KnoclienbTttchen  des  Unter-  nnd  Oberschenkels,  sowie  bei  eomplicirten  Brficben.  Berliner  klin. 
■\Vochenschr.  1893,  Nr  —  ')  Victor  v  Bruns,  Handb.  <ler  <  liir.  Praxis.  Tübingen  1873, 
pag.  1331.  ■ —  *)  Pcirce,  Illu.str.  Monats.'rhr.  der  ärztl.  Folvteciinik.  1887.  jiag.  157.  — 
Wolzendorff,  Handb.  der  kleinen  Chir.  II.  Aufl.,  1889,  pag.  I«3.  —  ')  <>.  v.  Büngner, 
Ueber  die  Behandlung  der  SehlttHselbeiabrüche  und  eiaen  neuen  Verband  für  dieselben.  Deutsch« 
med.  Wochenschrift.  181*2,  Nr,  Ji3.  W  o  1 1  e  u  d  o  r  f  f. 

Funinkel  des  äusseren  Gehörganges.  (Vergi.  Reni-Enejreiopidie, 

2.  Anfl.,  Bd.  VII,  pag.  372.)  Die  Ansebauung,  dass  die  Furunkel  des  üusseren 
Gehörganges  ebenso  wie  die  auch  an  anderen  KttrperstelU-n  auflrott  iiden  Furunkel 
durch  die  Invasion  von  pyogcuen  Staphyloeuccen  entstehen,  hat  durch  eine  Reihe 
neuerer  Arbeiten  erbeblieb  an  Sioberbeit  gewonnen  nnd  nicht  sowohl  die  kliniBehe 
Beobachtung  Aber  die  Infeetion  de&  Furunkel»,  al;«  L'auz  besonders  die  &kennt- 
niB.s  der  eitererrofrenden  Spaltpilze  liaben  erhebliche  ViTilnderun^eii  unserer  bis- 
herigen Anschauungen  Uber  die  Furunculose  de«  äusseren  (iehürgange^  und  die 
Furunculone  im  Allgemeinen  herbeigeführt.  Bisher  wurden  für  die  Genese 
der  Furunkel  versehiedene  Momente  herangesogen,  meehanisehe  und  ohemisehe 
Reize,  Erkältungen,  Nerveneiuflfli'.'<e,  und  man  unterschied  idiopathische  und  sym- 
ptoinati^iohe  Furunkel ,  zu  welchen  letzteren  man  die  Fiirurieulose  hei  Diabetes, 
chronischer  Indigestion  u.  s.  w.  rechnet«.  In  neuerer  Zeit  hat  uun  gauz  besonder» 
ScHiifiiELBDSCH  danuf  hingewiesen,  dsss  das  consUnte  Vorkommen  von  Staphylo- 
oocous  awrett»,  albus  nnd  eitreus  in  den  F^irunkeln,  wie  es  bereitH  frOher  sdion 
vi'ii  <  »C'-Tox  ,  KosKNUACH  ,  P.\S<ET .  CxHRE  11.  .\ .  ('(instatirt  und  noticrdiiiLrs  von 
ihm  bestätigt  wurden  ist,  von  besonderer  Bedeutung  ist  für  die  pHthogeucti>iehe 
Auffassung.  Allerdings  ist  der  Befund  von  Staphylococeen  in  den  Furunkeln 
a1i«n  noch  niebt*  beweisend ,  dass  sie  nueh  die  dirrete  Drsaehe  derselben  sind^ 
zumal  ja  diese  Staphyloeoecusart  auch  bei  vielen  pustul'isen  Hautkr.Tnkhcitcn 
gefunden  wurde,  ohne  dass  .sie  frerad«-  die  I  rsarlic  Klr  die  Krkraiikun);en  ali 
gaben.  Aber  von  Schimmei.bi.^i  a  angestellte  impfversuche  am  lebendcu  Meuschen 
Hessen  den  Beweis  erbringen,  dass  die  pyogenen  Stapbyloeoeeen  wirklieh  die 
Crsaehe  der  Furunkel  abjreben.  Bereits  vorher  hatten  Ö.\rrk  durch  Versuche  an 
sich  selbst  und  eheii-o  Him  kmart  den  Lileichen  Nachweis  orlirrirht.  l)er  F.rstore 
erzeugte  au  beinern  Arme  durch  Einreibungen  von  Stapliylucuecencuituron  einen 


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FURUNKEL  DES  ÄUSSEREN  GEHURGANGES. 


32Ü 


Carbunkcl,  der  Letztere  neben  Impeti^opusteln  einen  Furunkel.  SciiiMMEr.RüSCH 
gewann  zunächst  aus  einem  Obrfurunkel  Culturen  vun  iitaphyLococcwi  aureus  und 
albus  anf  Agar  und  Gelatine  nnd  rieb  von  den  Reineoltoren  eine  erbaengrone 
Men^e  auf  die  Aussenseite  der  linken  Wade  eines  lOjährigen  Knaben.  An  der 
betreffenden  Stelle  entwickelte  sieh  ein  typischer  Furunkel.  In  einem  zweiten 
gleichen  Versuche  ergab  sich  ein  annähernd  gleiches  Keaaltat.  Ist  somit  durch 
diese  beiden  Versuche  der  Zusammenhang  zwischen  Furunkel  und  Staphylococcen 
geliefert,  so  bedurfte  es  immerhin  noeh  der  Aofklimng,  in  welcher  Weise  die 
Infection  erfolgt.  In  dieser  Beziehung  sind  auch  die  Untersuchungen  von  ScuiMMEL- 
BDSCH  Min  ein!?er  Bedeutunpr.  Zunächst  ergab  die  mikroskopische  Untersuchung 
von  Hautschnitten,  welche  von  dem  zweitun,  sogleich  nach  dem  Versuche  ver- 
storbenen Patienten  entnommen  waren,  daas  Verletsnngen  an  der  Haut  nirgends 
vorhanden  waren ,  dass  weiterbin  die  Haare  in  St^iphyloeoceen  eingehtillt  waren, 
und  daas  dieselben  zwischen  dem  Haarschaft  und  der  necrotischen  und  infiltrirten 
Wurzelscheide  lagen.  Die  zugehörigen  Talgdrüsen  waren  meist  frei  von  Coccen 
nnd  elwngo  die  SohweissdrOeen  nnd  ihre  Ansfllbrungsgäuge.  Erschienen  letztere 
mitericrankt,  was  aeitwellig  Iteobaehtet  wurde,  so  machte  es  den  Ebdruclc,  ala  ob 
die  Erkrankung-  erst  spilter  und  seeundiir  erfolt^t  w.'lre. 

(ianz  gleiche  Ht'nhaf htungen  konnte  SniiMMKLHUscn  an  beim  Lebenden 
excidirten,  npuntan  cnLstundunen  Furunkeln  machen.  Auch  hier  war  das  Stratum 
comeum  unversehrt  und  die  Goeeen  lagen  dicht  um  die  Wollhaare  herum.  Dem- 
nach ergiebt  eich  durch  die  mikroskopische  Untersuchung,  dass  zunächst  für  die 
Infection  eine  Verletzung  der  Haut  nicht  nfithig  ist  —  wenigstens  ist  eine  solche 
niemals  gefunden  worden  — ,  dass  weiterbin  die  Schweissdrüsen  unbetbeiligt 
bleiben;  es  bleibt  daher  ftlr  den  Infeetfonsmodus  die  Annahme ^  dass  beim  Ex- 
periment durch  das  Roiben  die  Coccen  neben  den  Haaren  in  die  Haut  eingepresst 
werden,  und  da^is  -iie  nicht  blos  in  dit?  trichterförmige  Erweiterung  des  Haarbnlges, 
sondern  theilweise  noch  über  den  Hals  des  Haarbalges  eindringen.  Die  Abwesen- 
heit der  Staphylococcen  in  den  AusfUhrungsgängon  der  Schweissdrüsen  durfte 
sieh  vielleioht  durch  die  korkrieherartige  Besehaffenheit  derselben  erkUren  lassen, 
wodurch  den  Coccen  der  Eintritt  in  dieselben  erschwert  ist.  Die  Intactheit  der 
Epidermis  lilsst  es  auch  verstehen  ,  warum  beim  Experiment  nicht  phlegmonöso 
Processe  zur  Entwicklung  gelangen,  Trocesse ,  welche  nach  den  klinischen  Beub- 
aehtungen  jedesmal  dann  entstellen ,  wenn  im  Anschlnss  an  Hantwanden  In- 
feetioneii  einsetzen.  Uebertragen  wir  nun  diese  durch  das  Experiment  und  die 
anatomischen  l'ntersuehungen  gewonnenen  Ertahrungen,  nach  deneu  demnach  zur 
Bildung  des  Furunkels  2  Momente  nöthig  sind,  einmal  die  pyogenen  Staphylo- 
coeeen  auf  der  Hantolwrfliche  nnd  weiterhin  das  Moment  dw  Einreibung,  auf 
den  am  lebenden  Menschen  vorkommenden  Ohrfurunkel,  so  lel  klar,  daw  auch 
für  diese  die  bt  iln:  IrsMilHMi  herangezogen  werden  kennen:  das  Herumkratzeu  im 
äusseren  Gehörganfr  mit  sehmutzigen  Finsrern  oder  mit  unsauberen  Instrumenten  zum 
Zwecke  der  Rciniguug  der  Ohren  und  dergleichen  mehr  erfüllt  alle  postulirtea 
Bedingungen  fttr  die  Erzeugung  eines  Fnmnkels,  nnd  ist  erst  einmal  die  Infeetion 
erfolgt,  so  ist  die  Möglichkeit  einer  weiteren  ausserordentlich  leicht  gegeben. 

In  .thnlieher  Weise,  wie  eben  angeführt ,  kfmnen  chemisehe  Substanzen, 
in  den  Gehürgaug  eingebracht,  Veranlassung  zur  Furunkclbildung  im  Uusseren 
GehSrgang  geben:  nimmt  man  die  infeetidse  Entstehung  für  alle  Fälle  von 
Furunkel  au,  so  ist  es  in  der  That  schwer,  fflr  diese  durch  ohenüsche  Einwirkung 
entstehend«Mi  Furunkel  eine  genflgende  Erklärunir  zu  geben,  umsomelir,  als  irerado 
eine  ganze  lieibc  von  hier  in  Frage  kommenden  Substanzen:  Chlurwasser,  Jodo- 
form u.  A.,  welche  Veranlassung  zur  Ohrfurunculuse  geben,  sehr  energische  Ge^oa< 
Wirkung  g^n  die  Bakterien  besitzen.  Ob  nun  diese  sonst  antibakteriell  wirkenden 
Mittel  in  dem  .'iusseren  Oeh^rgang  durch  die  Auflockerung  der  Epidermis,  lediglich 
also  in  Folge  ihres  ehemisch  wirkenden  Reizes,  den  Hoden  fflr  die  Aufnahme  der 
Staphylococcen   geeigneter   machen,  ist  bis  jetzt  nicht  klar;  diese  Annahme,  ist 

21* 


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884 


FDBÜNKBL  DES  AOSSBREN  GEHÖRGANOES. 


indess  Dicht  von  der  Hand  za  weiseo,  ebenso  wie  die  Furunculose  bei  Eiterungen 
des  Mittelohres  ihre  Erklärung  finden  dürfte  durch  die  Einwanderung  der  aus  der 
Pankenholil«  nmoh  aoBsen  gelaagendeD  SUpbyloeoMen ,  uacbdem  «neb  hier  die 
Epidermis  des  äusseren  GehSrgMgee  —  sei  e«  dareh  vieles  Ansapritsen  oder  dudi 
den  Eüter  selbst  —  an  einzelnen  Stellen  vorher  macerirt  worden  war. 

In  therapeutischer  Beziehung  haben  die  vorhei^ehendea  Untersuchungen 
irgend  welebea  Nnteen  nieiit  erlmiebt ;  die  entibakteriell  wirkenden  Mittel  lialMii 
auf  den  Process  keinen  wohlthätigen  Einfluss,  können  denselben  weder  abkflrzen, 
noch  knnnrn  sie  irgendwie  prophylaotiscb  wirken;  im  Geo:entheil.  viele  reizen 
die  Haut  des  äusseren  CfehOrgangea  nnd  eröffneD  die  Wege  zu  neuen  Infectionen. 
Die  Beliandinng  wird  deeluüb  stete  eine  symptomatische  sein  müssen  nnd  in 
dieser  Benehnng  nnd  too  neueren  Ifittefai,  «dolie  enpfiiUe«  wovdeo  sind,  tu 
nennen  die  essigsaure  Thonerde  und  das  Menthol.  Ich  bemerke  auf  Grund  ans- 
}riebif;er  Versuche ,  da«8  ich  einen  erheblichen  Nutzen  von  beiden  Mitteln  nicht 
gesehen  habe.  Die  essigsaure  Thonerde  wurde  nach  dem  Vurgange  von  Zaufal 
neaerdlogs  Ton  Oboscb,  Aumas  und  Szbnss  empfolileii.  Oboscb  will  Bsoh  stOnd« 
ludien  Eingieesnngen  von  vkffiidi  yerdOnnten  Lösungen  von  essigsaurer  Thonerde 
in  den  äusseren  Gehrirgang  ausgezeichnete  Erfulfre  gesehen  haben ;  Furunkel, 
welche  noch  fest  waren,  sollen  ohne  Eiterbildung  verschwinden ;  solche  mit  bereits 
beginnender  EiterbDdung  dureh  Bindieknng  des  ESters  und  dnrob  Resofptimi 
heilen.  Das  Menthol  in  30Vs>gBn  Losungen  wurde  von  Gholkva  empfohlen.  Fest 
gedrehte  Wattewieken ,  getränkt  mit  diener  Lösung,  werden  in  den  Gehörgang 
einfreschohen,  nach  24  Stunden  durch  neue  ersetzt  nnd  die  Behandlung  wird  bis 
zur  vuUstündigen  Heilung  fortgeführt.  Vou  beiden  angeführten  Mitteln  ist  das 
Menthol  flbetbanpt  zn  venneidea,  es  wirkt  eher  sehldlich  als  nfltsUeh;  es  reist 
die  Haut  des  äusseren  Gehffrganges  ausserordentlich,  und  ich  habe  FftUe  gesehen, 
in  denen  der  Schaden  grösser  war,  als  der  Nutzen.  Cnschuldiger  wirkt  die  essig- 
saure Thonerde,  wenigstens  wird  sie  gut  vertragen,  reizt  den  Gehffrgang  nicht 
nnd  der  ftimneiilffse  Froeess  gelangt  anf  dieee  Wdse  snr  Ansbeilnng.  Eine  allge- 
meine antifurnnonlffee  Wirkung  kommt  dem  Mittel,  wie  bereits  Akton  und 
.*^ZF,NES  hervorhoben,  nicht  zu.  die  anderen  vielfach  empfohlenen  Mittel  keine 
besseren  Hesultate  aufzuweisen  haben ,  so  ist  deshalb  das  Mittel  zur  symptoma- 
tischen Behandlung  doch  immerhin  zu  empfehlen,  am  besten  nach  der  von  BOBOW 
gegebnen  Vorsehrift:  Alam.  aeet  1*0,  Plnnub.  aeet  6'0,  Aq.  destillat  100*0.  Da- 
von werden  stflndtich  10  Tropfen  erwärmt  in  den  Gehörgang  eingeträufelt. 

Literatur;  C.  Schimmel  buflch ,  Ueber  die  Ursachen  der  Farankel.  Arch.  f. 
Ohrenhk.  XXVII.  pag.  252.  —  Garri,  Zur  AetioloRie  acut-eitriger  Entzündungen.  Fortachrftta 
-!er  Med.  1885,  Nr.  6,  pag.  165—173.  —  I5orkh;irt,  Monatsh.  f.  prakt.  Dermatologie.  Ham- 
burg l(s87,  Nr.  10.  —  Longard,  Arch.  f.  Kinderhk.  1887.  —  Loawenberg,  IL  laternat. 
Otolog.  CongresR.  Mailand  1880.  —  Zanfat.  Wi«n«r  BMd.  FrsaM.  18S3.  Nr.  44.  —  Oboleva. 
Therap.  Monatsh.  III,  1SS9,  pag.  26i  —  nro.sch,  Berliner  klin  Wochenschr.  T^^R  XXV. 
pag.  18.  —  Anton  und  Szenes,  Prager  med.  Wochenschr.  1889,  Nr.  33-  —  Grünwald, 
Munchener  med.  Wochenschr.  1891,  Nr.  9.  —  Bronner  und  Hartmann,  Bericht  über  die 
Verhandl.  der  otolog.  Sect.  anf  der  6'^.  Versamml.  deatacher  NaUurfonober  in  Heidelberg.  Arch. 
f.  Ohrenhk.  1890,  XXIX,  pag.  97  und  98.  B.  Baginsky. 


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G. 


CMvSIMHtSliStik.  Dnnh  den  gnmtm  Anfiehwung,  welehen  «U«  Elektro- 
teehtiik  in  den  letzten  Jahren  genommen  hatf  hat  aneh  die  Constraetion  der  m 

galvanoctustischcn  Zwecken  dienpndcn  Apparate  einen  so  erheblichen  Fortschritt 
gemacht,  dass  die  Anschaffung  und  Verwendung  dergelben  eine  viel  alljjcnicincre 
werden  konnte.  Mit  der  öfteren  Benutzung  der  in  Frage  stehenden  Methode  luuäste 
natllrlieh  aueb  das  Uitheil  flbflr  den  Werth  derselbea  efai  pndMrei  werden.  Und 
80  haben  sieh  die  Anschauungen,  die  BardbLBBBK  in  der  II.  Auflage  diews  Werkes 
im  Jahre  1886  entwickelt  hat,  mittlerweile  eine  allgemeine  Geltung  verschafft, 
die  sie  wohl  damals  nicht  so  unbedingt  gefunden  haben  mögen.  Denn  damals 
glaubte  man  noeh  an  all'  die  Vorzüge,  welche  der  Oalvanecanstik  bei  ihrer  Ein- 
ftthmi^  In  die  Praxis  nachgerühmt  wurden;  heute  dagegen  weiss  man,  das» 
BARDELEBENf  mit  gutom  Recht  jene  so  gerllhmton  Verdienste  des  elektrischen 
Brenners  für  illusorisch  erklärte ;  lässt  sich  doch  nicht  einmal  eine  sichere  Gewähr 
dafür  übernehmen,  dass  galvanokaustische  Operationen  ohne  Blutung  und  ohne 
Sepsto  Terianfen.  Deehalb  hat  «berall,  wo  nleht  gana  beiondere  loeale  Yerliftltniaae 
vorliegen,  das  Messer  dem  Galvanocauter  den  Rang  abgelaufen.  Aus  dem  hoch- 
geschätzten Relbstsl.tndigen  Instrument ,  mit  dem  dereinstens  ganze  Gliedmassen 
abgesetzt  wurdeu,  ist  der  Brenner  zu  einem  Hilfswerkzeag  zweiten  Ranges  geworden. 

Dahingegen  haben  neh  neuerdinge  diejenigen  Speoialisten ,  die  haupt- 
sächlich im  Innern  von  Körperhöhlen  zu  arbeiten  haben,  der  Galvanocaustik  für 
ihre  Zwecke  bemächtigt  und  durch  dieselbe  ihre  Operationen  in  Hals  und  Nase,  in 
Auge  und  Ohr  etc.  zu  einer  hohen  Vollkommenheit  geführt.  Da  die  allgemeinen 
ohimigisehen  Prindplen ,  die  lltor  die  OalTanoeaustik  in  Betracht  konunen,  bereita 
im  yn.  Bande  dieses  Werkes  abgehandelt  worden  sind,  und  eine  speeielle  Ausein- 
andersetzung, wann  und  wo  diese  Methode  zur  Anwendung  kommen  soll,  sich 
zweckmUssig  immer  bei  der  Besprechung  der  betreffenden  Krankheitsbilder  selbst 
findet,  so  will  ich  hier  nur  noch  eine  Bemerkung  allgemeiner,  mehr  historischer 
Art  eineebalten. 

Wie  so  vielen  therapeutischen  Methoden  drohte  auch  der  Oalvaooeaastik 
eine  Weile  hindurch  das  Geschick  ,  ein  Opfer  des  Optimismus  ihrer  Bekenner  zu 
werden.  Diese  sahen  so  viele  Vortbeile  an  und  in  ihr,  dass  sie  alles  Mögliche 
und  UnmOgliehe  brannten,  und  natttrlieh  riehteten  de  viel  ünhdl  an.  Die  oft 
arg  gesehldigten  Patienten  gingen  dann  nach  der  Beendigung  der  sogenannten 
Cur  zu  anderen  Aerzten,  und  diese,  die  nur  die  traurigen  Verwüstungen  sahen, 
die  der  Breuner  angerichtet  hatte,  verurtheilten  die  ganze  Methode,  obgleich  doch 
nieht  die  Methode,  sondern  nur  ihre  kritiklose  Verwendung  zu  Terdammen  war. 
AUmilig  erst  ist  Klarhmt  In  diese  Frage  gekommen  und  BRiaClBsr  gebührt  das 
Verdienst,  dass  er  dem  Missbehagen,  das  weite  Kreise  schon  lange  über  das  lin^iunigc. 
handwerksmftssige  Brennen  empfunden  hatten,  kräftigen  und  energischen  Ausdruck 


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326 


GALVANOCAUSTIK. 


verlieb.  Heute  ist  man  stob  wenigstens  darüber  klar  geworden,  dass  man  bei  der 
Anwendung  dir  Galvanocaustik  nicbt  vorsicbtig  genug  zu  Werke  geben  kann. 
Man  bat  gelernt,  dass  man  nicbt  mebr  wegen  irgend  einer  barmlosen  Parästhesie 
die  ganze  PharynxscbleinDbaut  in  eine  barte,  trockene  Narbe  verwandeln  darf; 
man  bat  gelernt,  dass  man  tumorenartige  Verdickungen  der  Nasenscbleimbaut, 
anstatt  sie  zu  verbrennen,  abtragen  muss,  aucb  wenn  das  etwas  grössere  Ad- 
fordeningen  au  die  Gescbicklicbkeit  des  bebandelnden  Arztes  stellt.  Damit  werden 
aucb  die  traiir'gen  Folgeerscbeinungen  in  Obr  und  Rachen  seltener  werden ,  von 
denen  diese  wüsten  Eingriffe  so  oft  gefolgt  waren.  Und  erst  jetzt,  nachdem  diese 
Erkenntniss  Gemeingut  aller  ernsten  Aerzte  geworden  ist,  können  wir  diese  Metbode, 
die  niebr  denn  jede  audere  eine  kritische  ludividualinirung  erfordert ,  als  eine  segens- 
reiche betrachten. 

Zur  Erzeugung  der  für  die  Galvanocauntik  erforderlichen  Stromstärken 
kommen  bei  dem  beutigen  Stande  der  Technik  drei  Elektricität«iiucllen  in  Betracht : 

1.  Galvanische  Elemente  und  Batterien, 

2.  Accumulatoreu, 

3.  die  von  Dynamctmascbineu  gelieferten  Ströme  bober  Spannung. 

Die  galvanisclien  Elemente  sind  wohl  sämnitlicb  für  die  Galvanocaustik, 
wenigstens  versuchsweise,  in  Anwendung  gezogen  worden.  In  der  Praxis  einge- 
führt und  bewährt  haK'u  sieh  aber 

nur  die  Zinkkoblceleniente  mit  ^ 
einer  Füllung  von  Chrom.s'lure  und 
8ehwefel.'*ilure  Um  von  einem  der- 
artigen Element  einen  genügenden 
t^tarken  Strom  zu  orbalten,  ist  es 
erforderlich,  Elemente  mit  einer 
grossen  ZinkoberflUche  und  einer 
mindestens  doppelt  so  grossen 
Kobleni»berHilche  zu  wühlen,  damit 
auf  diese  Weise  die  F'olarisation 
im  Element  verbindert  wird.  Ferner 
muss  man  darauf  achten,  da^s  eine 
mitglicbst  grosse  FlUssigkeitsmenge 
vorbanden  ist ,  weil  die  Constauz 
und  ."^tromstürke  nicht  nur  an  der 
Oberfl.lche  der  Elektroden,  «(mdern 
—  und  nicht  zum  wenigsten  — 
\onder  Mengeder  zur  I  nterhaltung 
des  ehern ischen  Processes  erforder- 
lichen Substanzen  abhflngig  ist. 

Es  ist  deswegen  schwer, 
leicht  transportirbare  galvanocau- 
j*tiscbc  Batterien  von  gnter  VVirk- 
h-amkeit  herzustellen ,  denn  die 
grosse  FlUssigkeitsmenge  erfordert 
grosse  (iefjtsse  und  somit  liegt  es 
in  der  Natur  der  Saehe,  dass  eine 
gute  Batterie  aucb  zieuilieh  schwer 
und  umfangreich  sein  mum.  Dauer- 
haft und  zur  angestrengten  Be- 
nutzung geeignet  bleiben  nur  Elemente  mit  ungefilhr  3 — 4  Liter  Füllung  und 
Flächen  von  4(tO  Cm.  KohlenoberflUcbe  und  ungeOlhr  200  Cm.  Zinkfläche  (siehe 
Fig.  43  und  44  . 

Bezüglich  der  Zahl  der  Elenieute  ist  zu  bemerken,  dass  für  Brenner  und 
kurze  Si-hliti;.'eii  2  Elemente  genügen  ,   für  gros.sc  Sehlingen  sind  4  Eb'mente  er- 


i^t&tiouäre  gulvanucaustiMcbe  Bdttrrifl  mit  8  Elementen. 


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GALVANOCAUSTIK. 


327 


forderlich.  Sind  2  Elemente  vorhanden ,  so  goll  jedes  nicht  unter  3 — 4  Liter 
Füllunfj;  erhalten,  bei  4  Elementen  sind  2 — 3  Liter  ausreichend,  jedoch  muss  es 
möglich  sein,  die  Elemente  zu  vier  hintereinander  oder  zu  zwei  parallel  geschaltet 
verwenden  zu  können. 

Die  zur  Füllung  der  Elemente  benutzte  Flüssigkeit  besteht  aus: 
75  (irm.  Chrorasäure, 
25    „     Rchwefelsaurcm  Quecksilberoxyd, 
200    „  Schwefelsäure, 
1000    „  Wasser, 

oder  aus: 

125  Grm.  chromsaurem  Kali  (»der  Natron, 
25    „     schwefelsaurem  Quecksilberoxyd, 
250    „  Schwefelsaure, 
1000  Wasser. 

Die  zuerst  aufgelUhrte  Lösung  ist  die  empfehlenswerthere,  da  sie  weniger 
Neigung  zum  Abscheiden  der  Chromalaunkrystalle  zeigt;  es  fehlt  der  Lösung 
(durch  Verwendung  der  Chromsäure)  die  grüsste  Menge  des  schwefelsauren  Kali, 

das  sich  bei  der  Mischung  II 
in  L(")3ung  befindet.  Es  er- 
halten sich  bei  der  Lösung  I 
die  Kohlen  rein  und  die  Ober- 
Hiiche  der  Zinkpole  bleibt  stets 
metallisch.  Die  ZufUgung  des 
schwefelsauren  Quecksilber- 
oxyds soll  nicht  unterlassen 
werden,  da  es  das  zur  gleich- 
raässigen  Abnutzung  des  Zink- 

poles  nöthige  Quecksilber 
liefert  und  unnöthigem  Ver- 
brauch von  Zink  vorbeugt. 

Ueber  den  Gebrauch  von 
Accumulatoren  bei  galvano- 
caustischen  Operationen  e. 
unter  „Accumulatoren". 

Die  Verwendung  der  von 
Dynamomaschinen  gelieferten 
Ströme  für  die  Galvanocaustik 
ist  diejenige  Methode,  welche 
als  die  beste  bezeichnet  wer- 
den muss.  Bei  Anlagen  zur 
Erleuchtung  von  Stfldten  und 
grossen  Etablissements  ist  in 
Jedem  Augenblick  ein  Strom 
zur   Verfügung   von  absolut 

T«D«portai.ie  iiatt^rio  lür  Uaivanouau«iik  «.it  i  Elementen,  coustanter  Wirkung  und  unbe- 
dingter Zuverlässigkeit.  Es 
erfordert  die  Verwendung  dieser  Ströme  einen  metallischen  Widerstand,  der  derartig 
zu  wählet!  ist,  dass  Intensitäten  bis  zu  25  Amp.  zur  Benutzung  stehen,  ein  zweiter 
kleinerer  Rheostat  schwächt  den  zum  Bronner  geführten  Strom  weiter  ab,  da  das 
vorher  angegebene  .Maximum  in  den  meisten  Fällen  zu  hoch  liegt.  Mit  diesem  sehr 
einfachen  Instrumentarium  ist  man  im  Stande,  jederzeit  ohne  irgend  welche  l'mstände 
und  ohne  Sorge  um  den  Strom  galvanocaustisch  operiren  zu  können;  und  das 
beliebig  lange,  ohne  bffun'hten  zu  müssen,  dass  die  Quelle  der  Elektricität  versiegt. 

Dass  diese  Methode  noch  wenig  Verbreitung  gefunden  hat,  liegt  daran, 
dass  Privathäuser  bis  jetzt  noch  selten  mit  den  Centraianlagen  verbunden  sind. 


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888 


GAL7A1I00ATI8TEK.  —  OBHIBNKRANKHBITBN. 


Wo  eine  derartige  £iimchtuDg  möglich,  wird  sie  aämmtUche  Elektricitfttsquellen 
TtrdrängeD,  vcmii^resetit,  dan  auf  tlM  «nsgiebige  Avweiidfliig  ävt  Gtlranocaastik 
m  reehnen  ist. 

Neben  der  Wahl  zur  Stromquelle  erfordert  die  Wahl  des  Handgriffes, 
de8«en  man  sich  zur  g:alvano<;austis(*ben  Operation  bedienen  soll,  eine  gewisse 
Aufmerksamkeit.   Der  alte  BBDN^'äche  Handgriff  wird  wohl  ueuerdings  nur  noch 


Flg.  4». 


Bnfkolwr  EmigM  für  fdVMUMsiutlidlM  BreDn«r. 


selten  angeschafft,  weil  er  zq  unhandlieh  nnd  zu  compact  bt:  bei  den  OperatioMB 
in  Nase  und  Ohr,  wo  man  durch  einen  etilen  Eingang:  das  Licht  in  das  Innere 
der  Körperhöhle  senden  muss,  ftlng^t  derselbe  zu  viel  Licht  auf.  Eine  grössere 
Verwendung  finden  die  Handgriffe,  die  Scuech  und  ich  selbst  (Fig.  45  und  46) 
angegebeD  babeo.  WXhrend  Schegh  swei  Tersehiedene  Instrumente  benntat,  je 


Flg.  4». 


Handgrilf  fiir  galvanootnatlMb«  Scbneide!>chlins;i'ii  und  Brenner  n»eh  Dr.  A.  Kuttaer. 

nachdem  er  die  Schlinge  oder  einen  festen  Ansatz  einzuschalten  wünscht,  ist  der 
von  mir  construirte  Handgriff  für  beide  Zwecke  zu  gebrauchen;  eingehendere 
Detaila  Aber  beide  Handgriffe  habe  ich  in  der  Berliner  klln.  Woehensobr.  1688, 
pag.  770,  mitgetheilt. 

Die  Ans.ltze  f(lr  die  Jeweiligen  Organe  in  ihren  verschiedensten  Modi* 
ficationen  finden  sieh  in  jedem  Catalog  der  einschlägigen  Geschäftsllrnien. 

Arthur  Ku  ttner. 

GaStrektaSie,  s.  Enteroptose,  pag.  248. 

Gehirnkrankheiten  (vergl.  Encyclopädische  Jahrb.  m.  I.  pag.  27S~i.  im 
Anschlüsse  an  die  gelegentlieheu  Erfolge,  welche  die  Hirnchiriir^'')e  bei  Hirn- 
tumoren zu  verzeichnen  hatte,  ist  auch  eine  umfangreiche  Literatur  Uber  die 
Symptomatologie  nnd  Diagnostik  der  Gehirntumoren  hinzugekommen.  Die 
diagnoetiseho  Bedeutung  der  Stauungspapille  für  alle  Hirntunwen  i<t  all- 
gemein  anerkannt.  Nur  hat  sieb  ergeben,  dam  bei  B  a  1  k  e  n  tumoren  dieselbe 
apeciell  öfter  vermisst  wird;  während  z.  B.  OrpF.NU£iM  in  d2^/o  aller  seiner  den 
versehiedensten  Theilen  des  Grosshfans  angehörigen  Tumorftlle  disgnostiseh  ver- 
werthbare  Verändemngen  am  Augenhintergrunde  fand,  ergiebt  die  Statistik  von 
GiESE,  da.sH  in  8  unter  I  .'5  Fallen  von  Balkcntnmors  Stannngspapille  fehlt.  Speeiell 
gefährlich  ist  die  Verwecli^lung  der  Stuunng-tpapille  mit  der  I^o/}tll/ti'<  al/>i/minnrii  ftj 
sowie  derjenigen  der  chronischen  Alkohol-  und  Bleiinto.xicatiun  (Wermckk,  Oppen- 


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OEHIRNKRANKHEITEN. 


329 


HKIM,  A.  Westphal);  auch  bei  Dementia  paralytica  kommen  zuweilen  Ver- 
ftoderuDgen  der  Papille  vor,  welche  denen  des  Hirntnmore  völlig  gleichen.  Dass 
die  Stanungspapille  bei  Htrotamoren  oft  sehr  spät  eintritt  —  namentlich  bei 
eztraeerebral  fliebenhaft  hn  SehtdoUnmni  lieh  anabreitendem  OeaehwUliten  — ,  ist 
lingrt  bekannt.  Stets  geht  die  ophthalmoskopische  Veränderung  den  Sehstöningen 
voraus.  Eine  sehr  tlbersichliche  Eintheilnng  der  letzteren  hat  neuerdings  HiBSCHfiKBO 
gegeben.  £r  nnterscheidet : 

1.  YorBbergshende  AnlUIe  von  Erbihidang,  respeetive  Amblyopie;  die- 
■elben  treten  meist  6 — 8mal  am  Tage  anf  waA  dnoern  1 — 2  Hinuten  Zuweilen 
wiederholen  sie  sich  mit  geringen  Pausen  den  ganzen  Tag  hindurch  und  erreichen 
eine  Dauer  von  — 1  Stunde.  Die  Grenzen  des  Gesichtsfeldes,  namentlich  für 
Fttben,  aind  dnbrf  den  grOssten  SohwinkmgVD  nnferworfen.  Anoh  tranaitorische, 
beminoopiscbe  Defecte  kommen  vor. 

2.  Dauernde  cerebrale  Sehstörungen ;  diese  theilt  man  zweckmässig-  weiter 
ein  a)  in  Ausfallssymptome,  bedingt  durch  Unterbrechung  der  Sehnervenbahn  an 
irgend  einer  Stelle  und  b)  Hemmungssymptome,  bedingt  durch  eine  dauernde 
DrMkwirkung  auf  die  Sebnervenbnhn  m  iigeod  «iner  Stelle.  Die  letatgensnaten 
nnteraeheiden  sieb  von  den  sub  1  genannten  Torflbergehenden  Anfällen  durch  ihre 
Constanz  und  beruhen  auf  der  Druckwirkunfr.  welche  die  Geschwulst  unabhängig 
von  ihrer  BlutfttUnng  dauernd  ausübt,  während  die  vorübergehenden  Erblindnngs* 
anfUIe  wahTuebelnlieh  auf  Volnmaehwankungen  des  Tmnon  In  Folge  weehielDder 
BtntfBtte  und  anf  entspreohenden  8ehwankungen    des  Himdrnekes  beruhen. 

3.  Dauernde,  intraocular  entstandene  Sehatörungen ;  diese  beginnen  in 
der  Regel  mit  einer  Vergrösserung  des  blinden  Fleckes ,  welche  oft  schon  sehr 
früh  nachzuweisen  ist;  später  kommt  die  Gesichtsfeldeinschränkung  und  zuletzt 
die  H«mbtetsung  der  centralen  Sehsoliirfe  hinzu. 

Die  topisohe  Diagnostik  der  Himgesehwiilste  hat  besondere  Fortschritte 
nicht  aufzuweisen.  Doch  verdient  die  Beobachtung  von  Bruns  Beachtung,  wonach 
bei  S  t  i  r  n  hirntumoren  eine  ganz  ähnliche  Ataxie  wie  bei  Cerebellarerkrankungen 
beobuehtet  werde.  Da  bei  Tumoren  in  der  RoUAMDO'aohen  Region  diese  eerebeUnre 
Ataxie  fehlen  soll,  so  wflrde  überall,  wo  dies  Symptom  vorliegt,  die  Diagnose 
nur  zwisehen  einem  Tumor  der  Frontalregion  und  einem  solchen  des  Kleinhirnes 
(respective  der  Vierhilgel)  schwanken.  Bbuns  giebt  als  ditferentialdiagnostische 
Herlanale  bdnfs  Entscheidung  zwischen  dieien  beiden  Hftgliobkeiten  an,  dssa  bei 
Cerebellartumoren  Lfthmungen  zu  fehlen  pflegen,  Stauungspapille  frflher  eintritt, 
Kopfschmerz,  Schwindel  und  Erbrechen  besonders  heftig  sind.  Indess  sind  diese 
Anhaltspunkte  pehr  unsicher.  In  zwei  von  mir  beobachteten  Fällen  eines  Stirn- 
hirntumors war  die  Fähigkeit  zu  Rumpfdreliuogen  und  in  geringerem  Masse  auch 
diejenige  zu  KopfSdrehungen  naoh  der  entgegengesetzten  Seite  erhebUefa  ein- 
geschränkt, erheblicher,  als  man  es  bei  anderweitig  localisirten  Tumoren  zu 
beobachten  pflegt.  Die  zuerst  von  .Tastrowitz  aufgestellte  und  neuerdings  von 
Oi'i'ENUBiM  in  gewissem  Umfange  bestätigte  Behauptung,  dass  bei  Kranken  mit 
Stimhimtumoren  besonders  hftnfig  „eine  gewisse  humorialisehe ,  läppisehe  Art  im 
Heden  und  Benehmen"  zu  Tage  trete,  ist  schwerlich  stichhaltig. 

Die  BRisTO\vE'.«chen  Angaben  Ober  die  charakteristischen  Symptome  der 
Balken  tumoren  sind  von  GiRSR  grösstentheils  bestätigt  worden.  Letzterer  stellte 
13  Fälle  zusammen.  Als  charakteristisch  ergab  sich 

1.  die  Häufigkeit  von  Hemi-  und  Punparesen  (lOmsl  unter  18  FUlen), 

2.  die  tiefe  Störung  der  psychischen  Fnoetionen  (llmal), 
das  Frelbleibcn  der  Ilirnnerven, 

4.  bis  zu  gewissem  Grade  auch  die  relative  Unerheblichkeit  der  All- 
gemeinerseheinnngen  (abgesehen  von  der  psychiaohen  Störung) ;  so  fand  sieh  Kopf- 
sehmerz  nur  6mal,  Erbreeben  nur  3mal,  Krftmpfe  und  Staunngq|is|^lte  je  5mal. 

*)  Ah  aod  an,  nicht  stets,  dürften  wohl  aneh  intraocnlare  DrackschwankoDgen 
«ine  Bolls  »pioleo. 


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330 


GEHIBNKRANKHEITEN. 


Für  Geschwülste  in  der  HjrpoiriiyBisgegend  ist  neuerdings  als  cbarakteristi- 
scbes  Symptom  auch  das  Auftreten  von  Myxödem  nebfn  Opticusatrophie  etc.) 
angegeben  worden.  Es  muss  dahingesteUt  bleiben,  wie  weit  sich  diese  Angaben 
«k  wstntkoä  enreteea  weiden. 

Mehrfach  ist  aneh  Uber  die  Yenrerthbarkeit  emersetts  der  Oertliehkdt 
des  s)>{)ntanen  Kopfschmerzes  und  andererseits  circumscripter  Percussionsempfind- 
licbkeit  des  Schädela  geschrieben  worden,  rnzweifelhaft  ist  zunächnt .  dans  die 
Localisation  des  spontanen  Kopfschmerzes  ganz  uubtircchenbar  und  daher 
dlngooetiieb  werthlos  ist  Die  Oettiiehkeifc  des  Pereussionssehmenes  ist  meist 
als  diagnostisch  werthvoller  angeselm  worden.  Offbnheiu  nimmt  mit  Recht  an, 
dass  dieselbe  gewflhnlieh  auf  Osteoporose  der  inneren  Tafel  der  Schfldelknochen 
beruht.  Es  soll  nun  nicht  bestritten  werden,  dass  Uirntumorou  oft  zu  Druok- 
atrophie  der  Schldelknoehcn  und  daher  anch  oft  zn  einer  ihrer  Lage  ungefthr  ent- 
spreebenden  Percussionscmpfindliohkeit  fuhren,  indess  lA«8t  in  der  Praxis  dies 
.'Symptom  selir  hihitig  im  Stich,  indem  auch  an  Punkten,  welche  der  Lage  des 
Tumors  in  keiner  Weise  entsprechen,  Percussions-  oder  Druckempündlichkeit  sich 
findet.  Die  Auswahl  kann  in  solchen  Fällen  ungemein  sehwierig  werden.  Auch 
habe  leb  mehrfach  bei  Tnmoren  ein  elgenthflmliehes  Wandern  nnd  Springen  der 
Percussionsempfindlichkeit  beobachtet.  Bruns  hat  öfter  über  dem  Tumor  tynipaniti- 
.schen  Percussionsschall  und  Brutf  put  felS  beobachtet  und  bezieht  beides 
auf  diu  von  der  Gesehwulst  hervorgerufene  Knocbenusur.  Hierzu  sei  nur  bemerkt, 
dass  Imde  Symptome  gelegentlich  aneh  bei  Dementia  paralytica  beobachtet  werden. 

Ein  eigenartiger  Syniptonieneomplex  entsteht,  wenn  diffuse  Geachwulst- 
massen  sich  nn  dir  li.i^is  des  Schridf'ls  VD-nehmlieh  oxtradural  in  den  Knochen- 
eanälen  sich  eutwickelu,  durch  welche  die  Ilirnnerven  die  Schädelböhle  verlassen. 
Es  handelt  lidi  um  das  Bild  fortschreitender  multipler,  basaler  Hirn> 
nervenlflhmnng.  Bald  ist  dieselbe  auf  eine  Sehldelhllfle  besehrBiikt,  bald 

doppelseitig    (UNVEBBIGHT  ,    DiNKLBB,    STSBNBBKO,    ADAMKIBWICZ  ,  MSMDBL, 

Fuchs  u.  A.). 

Eine  Gehirnkrankheit,  deren  klinisches  liild  noch  sehr  schwankt,  deren 
Selbständigkeit  jedoeh  nach  den  neueren  Erfahmngai  kaum  mehr  besweifdt  werden 

kann,  ist  der  erworbene  idiopathische  Hydrocephalue  t'nternue 
der  Krwaehsenen.  Derselbe  tritt  sowohl  in  einer  .'leuten  wie  in  einer  chronischen 
Form  auf.  Nameutlich  EtcuHoaST  und  Oi'I'E.nuf.im  verdanken  wir  sehr  iustructive 
Beobachtungen.  Der  J^tient  des  ersteren,  ein  23jilhriger  Student,  erkrankte  acut 
unter  Iieftigem  Fieber  und  meningitisehen  Symptomen  (Nackenstarre,  Augenmuskel- 
l.thninngen,  Sonui<dfn/  Weiterhin  sehw.-ind  das  Fidtr  und  naeh  dreimonatlichem 
scliwankt ndem  Verlaule  trat  der  Tod  ein.  Der  F.ill  Oij'KM1KIM';>  tiiiisehte  das 
Bild  eines  Hirutumors  vor  und  verlief  ehrouirfch ;  4  Jahre  lang  stand  die  ivrauk- 
heit  vollständig  still.  In  anderen  Fällen  ist  Heilung  mit  Defeet  (dauernden  Läh- 
mungen) beobachtet  worden.  Referent  kennt  einen  Fall,  dessen  Verlauf  äieh  Aber 
LS  Jahre  «Tstreckt :  die  Initialsyniptimie  waren  epileptische  Insulte  und  Intelligenz- 
defecte.  Mitunter  überwiegen  die  Erscheinungen  halbseitig.  Die  chronischen  Fälle 
können  in  yollsfändigo  Demeos  ausgeben.  Syphilis  seheint  keine  ätiologische  BoUe 
XU  spielen.  Die  Ditferentialdiagnose  gegenüber  gewinsen  Formen  der  Dementia 
paro/t/tica  kann  mitunter  sehr  schwicriv  worden.  I)ie  bislang  vorliegenden  Seetions- 
beriehte  weisen  keine  oder  geringtügige  nieningitische  Processe,  aber  sehr  hoch- 
gradigen llyJioccphalua  internus  auf.  Granularependymitis  ist  bald  vorhanden, 
bald  nicht.  Sorgfältige  mikroskopiscbe  Dntersnchungen  der  Himrbde  stehen 
noch  aus. 

Das  Vorkommen  h.lmorrhagiseher  acuter  Encephalitis  im  Gefolge  von 
Influenza  ist  öfter  beschrieben  worden  ^Komg^dukk,  v.  Hülst  u.  A.).  Die  Lehre 
vom  HiruabscoRs  verdankt  Jansen  einen  werthvollen  Beitrsg.  Derselbe  hat 
5000  in  der  Tu  i  liii' r  Obrenklinik  /.nr  Heobaehtung  gekommene  Falle  von  eitrigen 
oder  entzttndücheu  Processen  im  Mittelohr  susammengesteilt.  Davon  fahrten  7  an 


GBHIBNKBANKIIBITKN. 


331 


HinmbsceMen ;  4  lagen  im  Kldnliirnf  8  im  Temporallappen.  In  4  Fällen  bestand 
angleieh  Sinuathrombose.  Viermal  stand  der  Abecess  in  diieetem  Zugammenhange 

mit  dem  Eiterungsherde  im  Ohre.  Die  Erkrankuug  begann  stets  {ranz  plötzlich 
mit  Kopfschmerz,  mit  dem  sich  4 mal  direct  Erbrechen  verband.  Bei  den  Kleia- 
hirnabseessen  fand  ridi  stets  aneh  eme  mehr  oder  weniger  ausgeprägte  Naeksn- 
steifigkeit.   Diagnostisch  ▼eriiert  dies  Symptom  sehr  an  Werth,  da  es  auch  bei 

extradiirnlen  Eiteranfamitihinfren  in  der  hinteren  Schadcljrnibe  auftritt.  Fieber 
kann,  wenn  plilebothrombotiselie  J'roeegse  nicht  vorhanden  sind,  fehlen.  Piils- 
verlaug8amuug  war  nur  selten  zu  coustatiren.  Desgleicbeu  fehlte  Pereussious- 
empBndllehkeit  an  der  dem  Abscesse  entspreehenden  Stelle  der  Sehideloberfliehe. 
Referent  möchte  auf  Grund  einer  kfirzlicben  Erfahrung  geradezu  vor  Verwerthnng 
einer  etwaigen  I'crcussionsempfiiidlichkeit  warnen.  Ein  20jilhri}rer  Kranker  mit 
rechtsseitiger  Otitis  media  jjuruienta  bot  die  Symptome  eines  Kleiuhiruabsoesses. 
Da  Aber  der  linken  HinterhanptMehnppe  eine  äusserst  ansgesproohene  Dmek- 
nnd  Percussion.serapfindlichkeit  und  auch  ein  intensiver  spontaner  Schmerz  bestand, 
80  schlug'  lieferent  trotz  der  ^^rössoren  Seltenheit  eines  «rekreuzten  .Auftretens 
otitischer  Absccsäe  die  linksseitige  Trepanation  vor.  Dieselbe  blieb  erfulglos. 
Die  Seetion  ergab  einen  bis  an  die  Dura  reichenden  rechtsseitigen  Kleinhirn- 
abscoss.  Auch  das  Terbalten  der  Pnpillen  giebt  keinen  sicheren  Anfiiehltiss  Uber 
den  Sitz  de.s  Ahseessc-i.  So  fand  z.  H.  Jansen  einmal  die  Pupille  auf  der  Seite 
des  Abscesses  weiter,  wahrend  uTr^rekel)rt  B.agissky  und  (!li:ck  in  einem  Falle 
von  Schlftfeulappenabscess  die  gleichzeitige  Pupille  enger  fandeu. 

Die  sabireioben  Arbeiten,  welehe  in  den  lotsten  Jahren  Uber  Hirn- 
sypbilis  er.'iehieuen  sind,  enthalten  zumeist  pathologisch  anatoniisetie  I'nter- 
suchungeu.  In  kliniseher  Ik'ziehun;r  bedürfen  namentlich  zwei  Thatsachen  der  Er- 
wähnung. Ks  iät  dies  erstens  das  Scbw^anken  gewisser  schwerer  Symptome  bei 
Hirnlnes.  So  hat  Ref.  sehon  1887  darauf  aufmerksam  gemaeht,  dass  bei  der 
^«ypbili tischen  Devicntin  iinrahjticn  das  WESTi'HAi/sche  Zeichen  im  Verlauf  einer 
Inunetion.scur  versehwinden  kann.  Dasselbe  beobachtete  ich  neuerdin;rs  \w\  einem 
Fall  von  llirnlues.  Aus  anderen  Beobachtungen  (SiEMEKLl.NG  u.  A.)  scheint  ber- 
Torzugeben ,  dass  auch  ohne  Inunctionscur  die  Störungen  der  Sehnenphänomene 
nnd  auch  Pupillea-  und  Bnlbärsymptome  mannigfaehen  Schwankungen  unter» 
worfen  sind. 

Eine  zweite  wichtige  Erfahrunfr  bezieht  sich  auf  das  Auftreten  der  here- 
ditären Syphilis  des  Gehirns  in  vorgerückteren  Jahren.  Es  scheint,  dass  heredit^ire 
Syphilis  doch  auch  in  den  Dreissiger-Jahren  noch  an  speeifischen  Processen  im 
Gehirn  ftlhren  kann.  Einen  sehr  eharakteristiscben  Fall  dieser  Art  bei  einer 
SOjäbrifren  Frau  hat  z.  B.  Charcot  neuerdings  mitgetheilt. 

Interessant  ist  auch  das  Verhalten  der  aufänglich  gesunden  Pupille  bei 
manchen  Oenlomotorinslähmnngen  qrphilitischen  Ursprungs,  welehe  mit  gekreuzter 
Hemiplegie  combinirt  sind.  Ich  habe  bereits  mehrfach  beobachtet,  dass  trotz  theil- 
weiser  oder  fast  vollständiger  Heilung  der  Oculomotoriusläbmunfr  und  der  Hemi- 
parese  unter  '<pecifischer  Behandlunfr  im  Laufe  der  nJlehsten  Jahre  eine  Liclitstarre 
der  gekreuzten ,  anfänglich  geäuudon  Pupille  —  ohne  weitere  Symptome  — 
fuch  einstellt. 

Die  cerebralen  Kinderl. Ibmungen  sind  von  Sachs  in  einer  aus- 
führlichen Monographie  behandelt  worden.  Es  standen  demselben  225  F.-UIe  zur 
Verfügung.  Er  betont,  dass  dieselben  viel  häutiger  sind,  als  gewöhnlich  ange- 
nommen wird.  So  kamen  s.  B.  in  einem  amerikanischen  Hospital  (for  the  Rup- 
tured  and  Crippled)  auf  142  Spinallähmuugen  91  cerebrale  Kinderlähmungen. 
Die  meiste?!  fallen  in  die  drei  erslen  Lebensjahre.  In  I5G  Fällen  lag  llemiplefrie, 
in  89  Diple:?ie,  in  I*araplegie  vor.  Bezüglich  der  intra  partum  entstehenden 
eerebralen  Kinderlähmaugen  glaubt  Sachs  annehmen  zu  durfeu ,  dass  die  Zauge 
selbst  weniger  oft  das  ursSebliche  Moment  abgiebt  als  die  langdanemde  Com- 
presiion  des  kindliehen  Schädels  in  den  mfitterliehen  Weichtheilen.  Infeetions- 


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332 


GEHIRNKRANKHfilTEN. 


krankheiten  spielten  nur  in  20%  der  FftUe  eine  Rolle.  Convalsionea  sind  im 
InitialsUdiam  des  Leidena  sehr  häußg,  und  oft  eDtwickelt  sich,  wie  bekanot,  im 
AmoUaas  an  die  eerelmil«  KilideflibmaBg  eine  obroniseb«  Epilepsie.  Andereneits 
hält  Sachs  daran  fest,  dasa  zuweilen  aaeh  epileptisehe  Anfälle,  indem  aaf  der 
Höhe  der  ConvuUionen  Blutgefftsszerreissuno^en  eintreten ,  Anlas»  zu  cerebralen 
Kinderlfthmungen  geben.  Betheiligung  des  Facialis  konnte  Sachs  in  ungefähr  20<^  o 
Miner  Fälle  feststellen.  Typische  motoriBohe  Aphasie  fand  sieh  in  20  Fällen,  and 
svnr  auffällig  oft  aneh  mit  linlnNitiger  Hemiplegie  verbnnden  (Smal).  In  8  FiUen 
Hew  lieh  Hemianopsie  nachweisen. 

Contracturen  fand  Sachs  in  T-^^o  aller  FjlIIe.  Sie  betreffen  am  Arm 
hauptsächlich  die  Flexoren  und  Pronatoren,  am  Bein  namentlich  die  Flezoren  und 
Addaeloren.  Gborentiedie  Störungen  fanden  rieh  SOmal,  athetoide  Bewegungen 
83mal,  Hitbewegnngen  27mal,  Nystagmus  Smal.  Schwere  Idiotie  wurde  in  88*/« 
aller  Diplegien ,   in  60°  o  Paraplegien  und  in  13'\,  aller  nemiploe:i<'ri  con- 

statirt.  Der  Grad  des  Intelligensdefectes  ist  durchaus  nicht  stets  der  Schwere  der 
Lähmung  proportional. 

Die  patiiologiadi-MMtomiselien  Befttnde  stellt  Sachs  in  folgender  Tabelle 
zusammen : 


Sectionsbefund 

Gruppe  I.  Intrauterin  «it- 
•tauidane  Lihmangm. 

Gross«  corsbral«  Delbets  («cht«  PormosplaUsn). 

latranterin  entstandene!  RlntUBgsa. 

Agen esis  rortiml . 

Grupp«  II.  öebarts- 
lähanngen. 

JUeniogeale  Uäinorrhagie  (nur  selten  iutracerebrale). 
FolffSSllst&nde :    Meningo  -  J'^ncephalitis  chronica,  Meross, 
Cy»ten,  Atrophieo  (Porenrephalira) 

Gruppe  TU.  Acnto  po?t  par- 
tum erworbene  Lahniungeu. 

Hämorrhagie  (meniDfreale,  selten  nnr  intracprebrale),  Eniholie, 
Thrombose   (bei   marantischen   Zuständen   und  g«legentlich 

nach  Endarteriitis  syphiliiica). 
Folgoznstände  dieser  vasoalirea  I^iisionaB:  Cysten,  SrweU 
drang,  Atrophie,  Scleroee  (dllRise  vnd  lobirs). 
Metiingilis  chronica. 
Hydrocepbalos  (selten  alleinige  Ursache). 
Primirs  Bnetphalitls  (Strämpsll)? 

Die  Agenesia  cortiealis  zeigt  t-icb  makroskopisch  nur  in  dem  niederen 
Typns  dee  FurdienTerlanfeB  (Freiliegen  der  Innda  Bmlii,  Conflniren  der  Havpt- 

fnrchen  etc  mikroskopisch  ist  sie  dnrch  Defecte  der  Rindeuganglienzellen  eharak- 
terisirt.  —  Für  die  Häraorrhagien  macht  Sachs  namentlich  die  von  Reckling- 
HAUSEN  beschriebene  fettige  Degeneration  der  Gefässwände  bei  Kindern  verant- 
wortlieh. Die  Thrombosen  sind  selten  anf  hereditäre  Lnes  su  besiehen,  vielmehr 
ist  wahrscheinlich  meist  an  eine  marantische  Thrombose  kleiner  cerebraler  Venen 
zu  denken.  Die  Ausbreitung  der  secund/lrt  ii  Sclerose  ist  auch  bei  kleinen  primären 
Henlen  oft  sehr  gross.  Sachs  ist  geneigt,  lUr  den  Intelligenzdefeot  und  die  chro- 
nische Epilepsie,  welche  die  cerebrale  Kinderlähmung  so  oft  begleiten,  speoiell 
dieee  seenndäre  Soleroae  verantwortlieh  in  maehen.  Die  Seierose  kann  deh  an 
jede  vasculäre  Lflsion  anschliessen ,  die  Atrophie  und  Porencephalie 
wflrde  sich  nach  Sachs  ebenso  wie  Cystenbildung  weitaus  am  häutigsten  auf 
Hämorrhagien  zurUckfUhren  lassen.  Sachs  begründet  dies  damit,  dass  die 
Atrophien  nnd  Cysten  nor  in  den  seltensten  Fällen  hinaiebtlieh  ihrer  Ansdehnnng 
einem  bestimmten  Arterionbezirk  entsprechen.  Diesem  Argument  dürfte  weder  gans 
Stichhältig,  noch  in  den  Tbatsacben  ausreicbead  begrflndet  sein  (Fälle  von  Dahsac 
et  Dbny  u.  A.). 

Die  MeningitU  (^ronica  kann  gleichfalls  das  klinische  Bild  der  Him- 
lähmnng  der  Kinder  hervorrnfoi ;  rie  tit  das  Resultat  einer  im  ft1lliesl«i  BUndes- 

alter  günstig  verlaufenen  cerebrospinalen  oder  auch  Convexitätsmeningitis.  Der 
Poliencepliaiith  acuta  Ötkümprll's,  respective  der  primären  Encephalitis  acuta 


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GEUIRNKRANKHEITEN.  333 

4 

dieses  Autors  mif<Rt  Sachs  nur  geringe  Bedeutung  b«i.  £r  Mibst  lut  dieselbe 
oiem&ls  pathologisch-anatomiBch  nachwelden  können. 

Mit  grossem  Recht  betont  Sacbs,  dsss  in  vielen  Fillen  tod  Epilepsie, 
Chore*  imd  Bamenflieh  Athetoee  die  sn  Ornnde  liegende  Cerebnlilmon  flbeneheii 

wird,  weil  die  Hemiparese  zu  leicht  ist.  Die  halbseitige  Steigerung  des  Sehnen- 
phänomens  kann  zuweileu  das  einxige  Zeichen  sein,  doioh  welches  die  organische 
cerebrale  Läsion  sich  verrätb. 

Sehr  bemerkenswerth  iet  aneh  die  Arbeit  von  Adobt  Aber  Porenoephalie. 
Oeraelbo  stellt  100  Fälle  von  Porencephalie  zusammen  (1888).  In  16  Fflilen 
handelt  es  sich  um  Föten  oder  Kinder  unter  einem  Mouat.  48  Fälle  kommen 
auf  die  18  ersten  Lebeni^jabre.  Als  Ursachen  der  Porencephalie  führt  er  an:  £nt- 
wieklungshemmung  ,  hochgradigen  Hydrocephalus,  Embolie  oder  eine  sehwere  Bin- 
anämie.  Ein  einheitliches  klinisches  Bild  ergiebt  sieh  ans  den  larZelt  in  der 
Literatur  vorhandenen   120  Fällen  nicht. 

Eine  sehr  bemerkenswerthe  Complication  der  Gehirnkrank- 
heiten, welche  der  Diagnostik  grosse  Schwierigkeiten  beretten  kann,  ist 
nenerdings  mehrfaeh  beiohrieben  winden,  nftmlieh  die  Ocnnpllention  einer  oi^ani- 
schen  Oehirnerkrankung  mit  hysterischen  Symptomen.  Nachdem  schon  Charcot  und 
Blzzahd  vor  längerer  Zeit  aof  diese  Ck>mbination  aufmerksam  gemacht  hatten, 
haben  jetzt  namentlich  Schontual,  Pick,  Lbbkb,  OprENUsiM  u.  A.  einschlägige 
Fälle  mitgetheilt.  So  kann  s.  B.  ein  emboliaeher  Erweiehnngsherd  eine  danemdo 
Sehstörung  als  AusfallserKcheinung  hervorrufen  und  zu  dieser  organisch  bedingten 
Sehstörunx  kann  vorübergehend  eine  hysterische  Sehstörung  hinzutreten  ,  deren 
functioneller,  respective  hysterischer  Charakter  schon  daraus  hervorgebt,  dass  sie 
dnreh  Suggestion  su  beeininflsen  ist.  Auoh  einen  Fall  hysteriseher  Ophthalmo* 
plegie  hat  Pick  bei  einer  congenitalen  Himerkranknng  beobaehtet.  Das  AnftreCen 
hysterischer  Krämpfe  bei  organischen  Hirnerkrankungen  —  namentlieh  Tumoren  — 
ist  gleichfalls  ab  und  zu  beschrieben  worden.  Der  bekannte  Satz,  dass  die  Hysterie 
jede  organische  Uirnerkraukuug  vortäuschen  kann,  lässt  sich  also  auch  umkehren : 
snweilen  tiaaehen  organlMbe  Himerkranknngen  eine  Hysterie  vor. 

Die  Localisationsdiagnoetik  hat,  abgesehen  von  den  oben  angeführten 
Thatsachen  ,  weriiir  Fortschritte  zu  verzeichnen.  Die  diagnostische  Bedeutung  der 
von  WfiUMCKK  zuerst  angegebenen  hemiopiscben  Pupillenreaction  (Ausbleiben  der 
Reaetion  anf  LiehteinfiiU  von  der  hemlanopiseben  Sdte  ab  Merkmal  von  Lisionen 
der  Opticosbahn  zwischen  Chiasma  und  Vierhttgeln)  ist  durch  die  Fälle  von 
Leydkn,  Derccm  u.  A.  sichergestellt  worden.  In  dem  LKYDKNschen  Fall  ergab 
die  Section  Erweichungen  im  Hirnschenkel  und  Traclus  opticus,  im  DSKCUM'schen 
eine  Geschwulst  im  Pulvinar  des  SehhUgels.  —  Die  Beziehung  des  Thalamw 
opticus  an  den  Ansdmekabewegangen  wurde  mehrfaeh  dnreh  patholo{^aehe  nUle 
belegt;  doch  haben  auch  entgegengesetzte  Ansichten  Vertreter  gefunden  (Kok- 
XILOw).  —  Als  eine  bis  jetzt  ziemlich  isdlirt  dastehende  Beobachtung  mag  auch 
der  Fall  Edingek's  erwähnt  werden,  in  welchem  eine  lierderkraukuug  des  Gehirns 
(Bflmorrbagie  im  Nucleus  extsmus  des  Thalamus  opticus  and  im  Pnlvinar)  neben 
Hemihyperästbesie,  Hemiathetose  und  Hemianopaie  heftige  spontane  Schmerzen  in 
der  gegenflberliegenden  Körperhälfte  hervorgerufen  zu  haben  scheint;  das  Vor- 
kommen central  entstandener  Schmerzen  war  seither  meist  bestritten  worden. 

Literatur:  .Anton,  Zur  Kenntnis.s  der  Störnngeo  im  Oberflächen wachsthnm  de» 
menscbliclien  Grosshirns,  Zeitafbr.  für  Heilk.  1888.  —  Audry,  Leg  jiortiut/ijKilit^.  R-voe  de 
med.  1888.  —  Adamkiewicz,  Wiener  med.  Wochenachr.  1889.  —  Baginaky  and  Gluck, 
Ein  Fall  von  gshcUtsai  SeUlfenlappenaheoeas.  Vortr.  In  der  Berlinsr  med.  Oeiellseh.  88  No* 
vember  1891.  —  Bonisßon,  Bull,  de  la  Soc.  anat  de  Paris.  1890,  .Tanv.  —  Bruch,  The 
Polydinic.  Philadelphia  lbS8  (Ref.).  —  Buchhulz,  Beitrag  zur  Kenntoiss  der  Uirngliome. 
Arch.  für  Rsych.  XXII.  —  Charcot.  i'n  cas  de  gyphilis  ciribrale  Mriditaire  tardips. 
Bull.  mid.  Vdah  —  Campbell  Clark,  Com  o/  mffxoedsma  wUh  timw  of  the  brain. 
Bdiab.  Ksd.  Joars.  1891,  Uay.  —  Dana,  TSimor»  of  the  third  ventrMe  with  rejwrt  of  a 
COM  Stmomn  ofthe  third  ventn'rle  und  i>j>ticostn'iitc  reffion,  Journ.  of  nerv,  and  meth.  disease 
1892  n.  Msd.  Bscord.      1,  Nr.  öO.  —  liercum,  Tumor  of  the  thalamua  more  especially  of  Ute 


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834 


OEHIBNKRAHKHBITEir.  —  OBHIRNOBERFLiCHB. 


puMnar  pretenHnff  WemkiMff  pdjM  reaetton.  Jonra.  of  nerv,  tnd  ment.  dimma.  1890.  — 

Dinklar,  Zur  CasuisHk  der  multiplen  Himnervenlälimnnp:.  Deutsche  Zeitschr  für  N>rv»*nheilk. 
I,  5  u.  b.  —  Erben,  Nene  Beiträge  znr  Kenntniss  lier  Ifcticxe.  Wiener  med.  Wochensihr.  18^0. 
(Die  ErböhuDg  der  Sebnenphänomene  nach  Apoplexien  mit  secundurer  Degeneration  wird  anf  eine 
Hyper&mid der  gekreaEten graoen Sabstanx sarftckgefabrt)  —  Eicbhoret,  üeber des erworbeneo 
idiopafMeehen  HydroeephiiSut  intemu»  der  ShnraeheeneD.  Zeitschr.  fBr  kltn.  Hed.  1891  •  — 
Edinger,  (lit^l  t  «s  central  entsfehfndc  Si  hm-'r/.en ?  Deulache  Z>itsclir  für  Nervenheilknnde. 
1891.  —  Freud  und  Rie,  Klinische  btudie  über  die  halbseitige  Cerebrallähmang  der  Kinder. 
Wien  189L  —  Fnchs,  Wiener  klin.  Wochenschr.  1890.  -  Giese,  Zur  Cssaistik  der 
Balkentnnior>-n.  Arch.  für  Psych.  XXIII.  —  HirschberR,  üeber  Seh^tÖrunKen  duich  Hirn- 
geschwtilste.  Neun»!.  Centralhl.  1891.  Nr,  15;  Centralbl.  für  Angenheilk.  1890,  Nov.  —  Jansen, 
üeber  otitiscbe  Hirnabscesso.  Berliner  klin.  Woohen.^clir  ISlM  ,  Nr.  —  Knapp,  The 
palhology,  diaynonü  and  trtatment  of  intraci'anial  grotcth.  Uoeton  lb91.  —  Knies.  Ueber 
die  centralen  SIBmngen  der  willkSrlicheii  Angenmnekeln.  Areb.  fttr  Angenkeilk.  XXIII,  — 
Kiril*".  ew.  Zur  Casuistik  der  Erkrank tuitr-  n  ili  -  Tfiahmnis  optinis.  Congress  zu  Mo«ikau 
1890  (Ref.  Neorol.  Centralbl.  1891).  —  Komil.iw,  Ibid.  —  Konigsdorf.  Ein  neuer  Fall 
Ton  acuter  hämoirbagischer  Encephalitis  wahrend  der  jetzigen  Intluenzaepideinie.  Deutsche 
med.  Wochenschr.  189^,  Nr.  9.  —  Leyden,  Ueber  die  hemiopische  Pupillenreaction.  Ebenda. 
18J".i,  1.  —  Lovett,  Sixty  eaat»  of  cerebral  paralytis  in  ehildrcn.  Boston  Med.  and  Snrg. 
.lonrn.  18">8,  —  Hendel.  Neuro).  Centralbl,  1890i  pa.e  491.  —  Nnyes,  IIeriiiari'»psi;i.  N<'w 
York  Med.  ßecord.  1891.  (Der  tiefere  Theil  des  Caneon  soll  dem  oliereu  Tbeil  der  eDtgegea> 
geeetiten  Netshant  eotapreehea.)  —  Conolly  Norman,  Porencephaly.  Brit,  Med.  Jonro. 

1890.  —  Oppenheim.  (Teber  einen  Fall  von  crworbrncni  idiopathischen  ll'/drorrphnlus 
infernu.s.  Cliariti'-Aunal.  18lt0.  —  Derselbe,  Zur  Fat Imbif^ic  lit^r  (Trosshirngeschwül.ste.  Arch 
für  Psych.  XXI  u.  XXII.  —  Df^raelbc,  Casuistischer  licitrag  zum  Oapttel  der  Uirnchirurgie. 
I>eatscke  med.  Wochenschr.  1890.  Nr.  27.  —  Osler,  The  cerebral  paUie»  of  childreu.  UeU. 
News.  Philadelphia  1888.  —  Piek,  üeber  die  Comhination  hysterischer  nnd  organisch  he» 
diagter  Sti3rungen  in  den  Function*-!!  des  ,\ug(S.  Wiener  klin.  Wochenschr.  1892.  —  Schön- 
thal, Beitr.  zur  Symptomatologie  der  Hirntumoren.  Berliner  klin.  Wochenschr.  1891.  — 
Sachs,  Contribution  to  the  pathology  of  itifaittile  cerebral  palsiej/.  New  York  Med,  Joam. 

1891.  —  Derselbe,  Die  Ilirnliabmungen  der  Kinder.  V^olkmanu'scho  Vorträge.  4G  n.  47.  — 
Sjachs  und  Peterson,  A  uttniij  of  rerrbral  {laLties  of  e<irly  Uff,  basrd  iijmu  an  annh/si.* 
of  HO  cases.  Joum.  of  nerv  and  mciit.  diseases.  1S90,  May.  -  Seymour  J.  Sharkey. 
Acute  primary  cerebral  injiammation  produeing  hemiplegia  and  other  forme  of  paralyai«. 
Laneat.  31.  Oet.  18^1.  —  StrUmpell,  Ueber  primAre  aeote  Encephalitis.  Deotsehea  Arch. 
für  klin.  Med.  XLVII.  -  Sternberir,  Mehrfache  halbseitige  Ilirnnervenlähmungen  durch 
Krebs  der  Schädelbasis.  Zeitschr.  lur  klin.  Med.  XIX,  Hft.  5  n.  6.  —  Tb.  Schmidt,  Beitrag 
snr  Lehre  von  der  Poreocephalie.  Inaag.*Din.  Jena  1892.  Ziehen. 

G6hirn0b6rflftf^6.  Daa  Studimn  der  Topographie  der  Oehirnoberfläolie, 
die  durch  die  Fnreben  ihre  Charakterlatik  erhält,  hat  im  letzten  VierteUahrhundert 

ausser  dem  roin  anatomischen  Int«*re8>*e  mantii;-'f;ieh  an  Bedeutung^  gcwonruMi. 

Vor  Allem  ist  die  Ijchn-  0.\Li.'ri  von  der  Ijucalisation  der  GeLirulune- 
tionen  in  anderer  Form  zur  Geltung  gekommen  und  dadurch  8ind  die  anatomi- 
schen Details  für  die  Physiologie  und  die  topisehe  Gehimdiagnostik  wichtig 
geworden  und  .mdcrerseita  bat  trotx  ihrer  Unvollgtfindigkeit  diese  Lehre  eine  her- 
vorragende Hodcutiinjr  fiir  die  ("Jeliirncliinirfrie  {jewonnen. 

ist  liier  nicht  der  Ort,  weder  die  culossalen  LUckeu  der  Physiologie 
der  Qehimoherfllehe  hervorsnheben,  noch  eine  Kritik  der  sahllosen  Tragsehlüssef 
welche  aus  den  klinischen  und  experimentellen  Facten  ;r<'7j';.'en  werden,  zu  flhen. 
Nur  eine  Lücke  will  ich  andeuten.  Daniil  dl»-  Resultate  der  Exijerimentalpliysio- 
logie  für  die  l'hy.>»iologie,  Tathologie  und  Chirurgie  des  ineoscblichen  (Jehirnes  ver- 
wendbar sei ,  mu$8  der  Sehlüssel  gefunden  werden ,  um  die  Furcbenspraehe  des 
TIdergehirns  in  jene  des  mensehHehen  au  tibenetaen,  nnd  umgekehrt.  Diesen 
Schlösse!  hoffe  ich  im  l^anfe  dieser  Abhandlunj?  zu  liefern. 

l  >:izii  war  vor  Allem  nöthi<r,  durch  ( »rienJirunfir  an  Querschnitten  festzustellen, 
oh  ein  iiuulitalivei-  Unterschied  zwisehou  Menschen-  und  Thiergehiru  bestehe  und 
ob  eine  Heterotopie  der  Kinselorgane  stattfindet.  Die  Orientimng  mit  Hilfe  der 
grauen  Suhstan/  der  t'en(ral{ranglien  erwies  mir,  dass  weder  das  crstere  noch 
das  letztere  der  Fall  sei  Es  finden  zwar  durch  relative  Exeesse  der  Entwick- 
lung oder  durch  Aplasien  Verschiebungeu  statt ,  aber  keine  Lageveränderuug.  Man 
kfaiDinerte  sich  aus  theologischen  Rfleksiehten  vergebens  an  die  verschiedensten 
DiflTerensen  um  einen  wesentlichen  Unterschied  awischen  Thier-  und  Menseheiige- 


6BHIBN0BBRFLÄCHB. 


335 


hirn  zu  tinden ,  bis  man  endlich  aut  einen  wesenlliobeD  (!)  Unterscbied  kam, 
nSmlieb  —  anf  das  Fehlen  des  HiDterhoniB.  Dann  hitte  aber  rom  theologiaeh« 

anatomischen  Staodpankte  entweder  die  Höhle  oder  deren  Inhalt  —  nämb'oh  ein  Stttek 
Plexus  r/tor/'on/pus  —  der  materielle  KeprJlsentant  der  Seele  sein  mflasen.  Die 
Hüble  kann  es  nicht  sein,  folglich  mUsste  es  der  Inhalt  sein.  Der  Flexna  chorioi 
deu»  ist  aber,  wie  leieht  so  erwdsen  ist  (siehe  Vibohov*8  Arehir,  B.  59)  ein  Drüsen- 
organ,  dessen  Zweek  offenbar  die  Regalirong  des  Oehimdruekes  durah  Absonde- 
mng  oder  Aufsau^un^  ist. 

Um  aber  die  scheinlmr  total  verschiedenen  Furchenbilder  der  Primaten 
einerseits  und  der  Übrigen  1  hierda^äen  andercrseit»!  und  die  verschiudenou  Bilder 
der  letzteren  unter  «n  einheitllehes  Bild  an  bringen,  mnsste  dnerseits  die  Sneht 
vermieden  werden ,  voreilig:  die  Schemata  für  grössere  Gruppen  anzustellen ,  und 
musgte  anderernieits  manche  Lehre,  die  mit  dogmati-icher  Hartnäckigkeit  l)eibe- 
halten  wurde ,  beseitigt  werden.  Besonders  viele  wichtige  Irrtbümer  Broca's  in 
seiner  berühmten  Arbeit  Aber  die  limbisehe  Fnrehe  wurden  von  den  Ifeisteni  der 
italienischen  und  franzOsisehen  Sebule  mit  derselben  Unbedingthdt  au(reeht  erhalten, 
wie  die  dort  auffrespeicherten  ;rros-eti  Wahrheiten. 

Ich  gin^  von  d<'r  Methode  aus ,  am  menschlichen  Gehirne  jedes  Detail 
in  seiner  morphologischen  Bedeutung  erkennen  zu  wollen,  überzeugt,  dass  dies 
durah  sorgf&ltiges  Studium  der  ver^eiehenden  Oehimaualomie  und  durah  das  Stu- 
dium exotischer,  besonders  niederer  Racen  und  durch  die  Analyse  der  Gehirne 
abnormer  Menschen  7.u  erreichen  .sei.  Ich  hahe  mich  nicht  getäuscht. 

Auf  diesem  Wege  stiess  ich  auf  drei  Grundgesetze,  durch  die  die  mannig- 
fachen Bilder  unter  allgemeine  Gesetze  gebracht  werden  konnten. 

Der  ernte  methodische  Grundsats  lautet:  man  mUssc  beim  Studium  einer 
Furche  von  demjenigen  Typus  derselben  aii.sgehen,  welche  mögliehst  alle  Elemente 
enthJUt,  welche  von  ihr  bei  den  verschiedensten  Thicrclassen,  inclusive  der  Prima- 
ten  rorhanden  und  („Idealfnrehen**). 

Der  sweite  Grundsats  lautet:  man  mflsse  anderersdts  jede  Furehe  in 
ihre  Theile  zerlegen  ,  weil  jeder  dieser  Theile  ftlr  sich  atiftreten  und  versschwin- 
den  und  jeder  ffir  sich  mit  Theileti  anderer  Furchen  sich  verbinden  kann,  so  dass 
seine  urHprUnglichc  Zugehörigkeit  unklar  wird. 

Drittens  kaon  sieh  jede  Furche  und  jeder  Furehentheil  durah  Parallel- 
furchen  verdoppeln  und  vermehren,  wenn  swischen  ihr  und  der  näehsten  oder  dem 
Gehimrande  eine  stark  entwickelte  Windung  existirt. 

AU  viertes  fundamentales  Geschehniss  ist  die  ^ietzbildung  anzusehen, 
welche  dadurch  au  Stande  kommt,  dass  sich  parallele  Seoundlrfnrehen  bilden  und 
Haupt-  und  Secundirfnraheu  durah  Qnerftste  verbunden  sind. 

I.  Innere  Flftche. 

Wir  wollen  die  Schilderung  der  Gebirnoberfläobe  mit  der  inneren  (me- 
dialen) Fläche  beginnen  und  zunichst  von  dem  Gehirne  des  Pferdes  (s.  Fig.  47) 
ausgehen.  *! 

Man  sieht  um  den  Ttogeii  des  Haikens  ''(\\  den  Gewiilbebogen  {fri/}uts 
fornieaius,  Gj'j  geschwungen,  ßekanutlich  ucunt  man  das  vordere  Bogenstück 
des  Balkens  das  Knie  desselben  und  das  hintere  Ende  desselben  das  Spleninm 

und  deshalb  nennt  man  auch  das  vordere  Ende  des  (jyrnn  fornicatus  den  Knie- 
theil  desseMien  und  das  hint<'re  iMide  desselben  die  l'n,-^  rf'trosjtlcnfrn .  Den  Gj/rus 
f&rnicatus  grenzt  beim  i'ferde  (s.  Fig.  47)  oben  eine  Furche  ab,  die  a\»  Fissur a 
eallosa  margtnaliit  fem)  beseiehnet  wird. 

*)  Ick  habe  ilie  Figuren-  aus  d«r  vargleic  henden  Anatomie  vorzugsweise  der  berühm- 
ten Abhandhnii:  von  Tnrner,   The  eonrotutions  of  tlie  hrain   (Journal   of  Anatomy  und 

Pbysiiiliniiv.  (Ii  ioIm  i-  |<  -III  mit  .Acmlcrung  der  Bczeiclinuiij^cn  ontnoninipn,  weil  die-e  ausirezeich- 
neten  Bilder  den  Fachmännern  gelautig  sind  und  die  Darlegung  meiner  Auä'üssang  dadurch 
orleiclitert  wird. 


336 


GEHlßNOBERFLÄCHE. 


Wir  können  sehon  beim  Pferde  zwei  Elementen  dieser  Furche  eine  Neben- 
bezeicbuung  geben,  nAmlieb  den  vordersten  nacb  vorn  convexen  Bogen  als  den 
Kniefteil  denelben  (g  oder  cm,jj,  und  den  hintenten,  naeh  hioten  oonvcocen  Bogen 
dondben  als  Arcus  retrospUnious  (rs  =  cnto),  IHwe  beiden  Fnrehenttmle ,  oder 
anch  nur  eine  derselben,  kdanen  bei  fnrebennraran  Tliieran  die  gnnie  Fnr^ 
vertreten. 


Fig.  17. 


Wenden  wir  uns  nun  der  inneren  Fläche  fs.  Fig.  48*)  des  typiiehen 
Menschen  zu,  so  sehen  wir,  dass  dieselbe  in  ihrem  Ziig^e  von  vurno  nach  hinten 
am  Qoadratlappen  ( Q  aufbört ,  Begrenzung  zwischen  Üyrus  fornicatus  und 
sdner  oberen  Umgebung  sn  sein,  nber  ndt  eiMn  QMmate,  der  in  die  inaaere 
Flielie  eindringt,  d<Hi  Qoadxnflnppen  naeli  Vom  von  dem  Pnraoentndlnppen  trennt***) 


Flg.  48. 


Oer  retrospleniale  Tbeil  der  Furche  tritt  hier  als  Stiel  der  gabelförmigen  Hinter- 
liauptefiirelie  anf,  deren  eine  Zinke  die  Fistwra  ealcarma  (ec)  bildet  ^  wihread 


*)  Diese  Fig.  48.  sowie  die  spatere  Fig.  53  geben  ein  Schema,  das  neben  dem  Schema 
des  Xypot  durch  dttnn«  Stridie  und  Ponktlinien  die  nngewAhnliehen  und  atyplat^sn  Tor^ 

komiuisse  umlt-ntet. 

**j  lu  der  Figur  irrthüuJicli  mit  i"  bezeichnet. 

***)  In  dieser  Figur  Ist  der  FarMsntnUappeD  dueb  die  Bndutaben  Ä  nnd  B 
beseidinet. 


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GEHIRNOBERFLACHE. 


337 


die  andere  Zinke  den  Cunins  (Cu)  vom  Quadratlappen  oder  Präcanias  trennt. 
Ich  schlage  vor,  blos  für  den  intercunealen  Theil  die  Bezeiobnunf^  als  äussere  Finsura 
parxeto-occipitalis  (po)  beizubehalten. 

Wir  können  jetzt  die  Fissura  callosa-margtnalts  in  weitere  Theile  zer- 
legen. Ausser  dem  KniestQcke  ((f  oder  cmg)  und  dem  Arcus  retrosplenicm  {rsp) 
haben  wir  noch  einen  pr.lfrontalen  und  einen  subfrontalen  Theil  und  den  cen- 
tralen ,  welch'  letzterer  den  Gyrua  paracentralis  vom  Gyrua  forntcatus  trennt. 
An  vielen  Gehirnen  von  .Menschen  setzt  sich  die  Fissura  calloso-marginalis  nach 
hinten  fort  und  trennt  auch  den  Lobus  quadratus  vom  Gyrus  forntcatus.  Diese 
Fortsetzung  bildet  dann  den  präcunealen  Theil  der  Fissura  calloso-marginalis. 

Rei  anderen  menschlichen  atypischen  Gehirnen  setzt  sich  die  Fissura 
calloso-marginalis  in  den  Stiel  der  gabelförmigen  Hinterhauptsfurche  fort  und 
klärt  so  die  Bedeutung  desselben  als  Arcus  reirosplenicus  der  Fitsura  calloso- 
marginalis  auf*'  (s.  Fig.  49).  *) 

Fig  4». 


Oefters  erscheint  beim  Menschen  eine  vordere  Secundärfurche  des  Arcus 
rrtroKplenicus ,  welche  sich  nach  vorne  ein  Stück  unter  dem  Lobus  quadratus 
fortsetzt  oder  selbst  den  typischen  vorderen  Theil  der  menschlicheu  Fissura 
calloso-m a rg inalis  erreich t. 

In  Fig.  50,  welche  die  innere  Fläche  der  rechten  Gehirnhälfte  S  c  h  i  m  a  k's 
durstellt,  sehen  wir  die  Fissura  calloso-marginalis  in  derselben  Vollständigkeit 
wie  beim  Pferde ,  während  die  beiden  Zinken  der  Hinterhauptsfurche  (cc  u.  po) 
von  dem  etwas  kflrzeren  Arcus  retrosplenicus  (rsp)  getrennt  sind  und  auch  unter- 
einander uicht  zusammenhängen. 

Der  Ausdruck  Fismira  cdUuno-marginali.i  pas.st  für  die  cumpicte  Furche  nicht  und 
ich  schlag«  den  An.<<drnek  Gewölbsfurche  (Fisaiiru  .tupra/oniicata/  vor. 

Mit  der  vollständigen  Furche,  wie  wir  sie  beim  Pferde  und  in  Fig.  49 
und  50  sahen,  ist  aber  das  Bild  der  Idealfurche  nicht  abgeschlossen.  Wir  sehen 
bei  allen  halbwegs  furchenreichea  Thieren  Queräste  abgehen,  welche  den  medialen 
Rand  des  Gehirnes  erreichen  oder  (Iberschreiten  und  öfters  von  dem  Haupt- 
bogen (cmj  durch  kloine  Windungszflge  abgetrennt  sind.  So  sehen  wir  beim 
Menschen  die  beiden  Zinken  der  Hinterhauptsfurche  (cc  und  po)  abgehen,  ferucr 
zwei  Queräste,  welche  den  Quadratlnppen  i  P%  Fig.  48)  in  drei  schmale  Windungen 

*)  Diese  Kitfur  stelH  die  innere  Fläclie  des  Gehirnes  eines  Raubmördern  und  Ge- 
wohnheitsdieben (:^chiniak)  dar. 

Kncyclop.  Jabrbüclier.  III-  22 


338 


GEUIRNOBERFLÄCHE. 


theilen  und  die  in  atypischen  inenar.hlicheu  Gehirnen  sich  als  zur  Ccwnlbsfnr'lu- 
gehörig  erweisen,  weiters  dfii  (^Uierast,  welcher  den  Paracentrallappen  nach  hinten 
abgrenzt  Wir  sehen  beim  I'lerde  (Fig.  47)  ebeafalls  eine  Füaura  yarieto-occi- 
püali»  (po)  in  iiDsereiii  Sinne.  Bei  RaobtUen«  und  sneh  bd  anderen  Arten 
(i.  B.  der  Schweine,  F\^.  51 1  tritt  eino  andere  Querfarche  auf,  welche  als  Ftssura 
cruciata  (er)  bezeichnet  wird  und  beim  Menschen  mehr  oder  minder  rudimentär 
[s.  Fig.  4b  {cT)\ ,  selten  vollständig  den  Paracentrallappen  nach  vurne  abtrennt. 
Atteli  die  innere  FiMtwra  mpraarbäedü  [(so)  a.  Fig.  47,  48]  ist  all  ein  aolelier 
senkrecht  abgehender  Ast  dvt  Qewölbafarebo  annudien,  obwohl  er  nur  ansnahms- 
weise  (s.  Fig.  60)  direet  naammenliingt. 

Flc.M. 


Man  siebt,  die  Idealform  der  CaUoMHnaiytMlü  besteht  eigentlich  ausser 
der  eompleten  Gewölbsfnrehe  wie  heim  Pferde,  noch  ans  einer  Beiher  vie  die 

Speiehen  einer  Turbine  sieh  verhaltenden  Querästen  ,  und  man  wird  jetzt  eine 
grosse  Summe  verschiedener  Formen  als  inoomplete  Variationen  dieser  Ideal- 
furche  erkeuuen. 

Wiehtig  ist  noch  die  Erörterung  einer  Forohe,  die  in  Fig.  47  mit  cm* 

beeeichuet  ist  und  die  bei  dem  Pferde  auch  als  complete  Parallele  zur  Calloto* 

marginalis  erscheinen  kann.  Sie  ist  beim  Menschen  im  emliryonalen  I>eben  vor 
banden,  um  dann  meist  wieder  zu  verschwinden ;  doch  sind  beträchtliche  Reste 


Fl«.  61. 


derselbeu  besonders  im  vorderen  Tbeile  häutig  vorhanden  und  auch  im  spienialen 
Theil  des  Oyrus  fornietUu»  angedeutet.  Bto  trennt  versoUedem  OtfanänflA  dea 
Oyru»  fomicatus  und  rersehwindet  beim  Mensoben  wegtm  der  Aplasie  dea 
Oemehsorganes.  *) 

♦)  In  der  vergleichenden  Anatomie   wird   der  liinitie  Theil  (lies^er  Secnadilftucbe 
öften  ab  Fisaura  hifipocattipi  bezeichnet.  Doch  wird  dieselbe  Bezeichnung  öfters  anob  ftr 


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6BHISN0BERFLÄCHB. 


339 


Es  Ut  hier  nicht  der  Fiats,  auf  diese  Furche  (cm'j  näher  einzugehen.*) 
Bevor  wir  die  Fnrehen  der  medialen  Fläche  vetlMsen,  sd  noeh  bemerlctf 
dass  die  Gewölbsfurehe  in  verschiedenen  Abschnitten  auch  obere  parallele  Sccundär- 
furchen  aufweist.  Dazuzurecbnen  ist  beim  Menseben  die  sagittalo  Furche  des 
(^uadratlappens ,  ferner  eine  sehr  häufipre .  nach  dlien  eoncave  Furche  im  l'ara- 
oentrallappea  uud  eia  bis  zwei  Secundärturcheu  im  präfrootaleu  Theile.  welche 
bftufig  mit  der  HauptAirehe  sanmnienhliigen. 

Aoeh  beim  Pfade  geht  (s.  Fig.  47)  eioe  der  Gewölbsfurehe  parallel  voa 
der  Fissur a  paneto-oce^italü  (po)  ab,  die  jedenfalls  bis  an  die  Paracontral- 
gegend  reicht. 

II.  Aeasaere  Fläche. 

Für  die  Orientirung  au  dieser  Fläche  in  der  \  er^leiebenden  Fiirchen- 
anatoniie  ist  jene  in  der  Thierauatomie  als  sylvische  Forche  (sj  (s.  Fig.  52  Hunde- 
gchim)  bezeichnete,  beeonden  wichtig.  Dass  diese  dem  hinteren  aufsteigenden 
Sehenkel  der  sylvisehen  Fnrehe  der  Primaten  entspreche  [s.  Fi^.  53  (t)}^  ist  allgemeiB 
anerkannt.  Diese  Furche  hängt  bei  manchen  Thiereu  mit  keiner  anderen  zusammen ; 
l»pi  vielen  derselben  aber  mit  der  fiir  osmatisehe  Thier«  niass2:elietiden  Fissura 
rliinalis  {rkj,  \^l'"ig.  52j  i.  e.  dem  äusseren  Thcile  der  limbischen  Furche  von  BkoCA. 
Ueber  dieser  Furehe  wir  Ib  dem  Gehirne  dee  Hundes  (Fig.  53)  drd  Furehen 
gewölbt,  welche  die  vier  Urwindungen  von  Lbdubt  und  Gratiolbt  (I — Vf)  von 
«nander  trennen. 


Man  hat  diesen  drei  Farehen  nnpaeeende  Namen  gegeben.  Die  oberste  vnrde  gaas 

uii/.wci  kmässip  als  Fisfmni  Int»  ruf it  ln'zoi(  bii"f ,  weniger  unpasseiKl  von  den  englischen  Aaa- 
toimn  als  Fijf.siirn  ninHalis.  Die  miltlcrf»  und  untere  Furclic  wurden  als  Fi.s.yume  tmprasyl- 
picae  bezeichnet,  und  zwar  die  nittlere  ul.«  Fisgura  gupraKylvkae  superior,  wenn  dio  untere 
vorhanden  ist,  und  ah  .saprasylvlca  schlecbtvegt  wenn  die  untere  fehlt.  Die  untere  wurde 
in  Istxtersa  Falte  supruylvica  genannt. 

Ich  bezeiehne  die  drei  Fureben  als  obere,  mittlere  und  untere  LBlfRBT'eeho 

Furchen  (Is,  Im,  Ii),  und  zwar  beim  mittleren  und  unteren  Bogen  wesentlich  nur 
den  obersten  Kuppenbogen  derselben,  auf  deren  Sehnen  die  sylvisehe  Furohe  ^f) 
senkrocht  steht. 

Auf  das  mannigfache  Verhalten  dieser  Furehen  und  ihrer  einseinen  Beekand- 
theile,  auf  ihre  Repriseutanten  im  Primatengehime  kommen  wir  sptter  surltek. 

jene  Fnrcbu  gctioiuinen,  welche  den  (Ji/run  Uiiipocamjii  vuui  f!chlafelap]>en  trennt,  und  den  wir 
später  als  temporalen  Tfaeil  der  Fissura  rkinali»  kennen  lernen  werden.  Oft  hängen  diese  beiden 
Furchen  bei  Thieren  zasammen,  ))e3onder8  wenn  letztere  vom  rhinalen  Systeme  abgetrennt  ist. 

♦)  Siebe  z.  B.  öber  dieses  Thema:  1.  His,  Unsere  Körperrorm.  Leipzig  1875. 
2.  Uichalko wicz,  Entwirklungs^eschichte  des  Gehirnei!.  Leipzig  1877.  3.  Cunnin^ham. 
The  compltU  ß»9ure«  of  the  human  cerebrum  etc.  (Scliriften  der  Royal  Irish  Academy.  XXlV.; 
4.  Znckerkandl,  Ueber  das  Rieebcentnini.  Stuttgart  1887. 

22* 


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840 


oehirnobbrflAche. 


Wir  wenden  uns  qud  eioem  typisohea  Bilde  der  ftuseeren  Jj'llche  des 
mciiächlioben  Gebiraoit  (8.  Fig.  53)  zu.*) 

Totumgebend  flir  den  ESodmok  das  Bildes  beim  Firiiiuitengeiürn  flber- 
baapt  ist  die  von  der  Nahe  des  oberen  bis  in  die  Nabe  des  unteren  Randes  von 
oben  ncd  hinten  nach  vorne  und  unten  verlaufende  RoLANDO'scbe-  oder  Central- 
furcbe  (cj.  Schon  die  oberflächliche  Betrachtung  l&sst  diese  Furche  in  drei 
SDsamiDenbiiigeiide  Fureben  zerfallen,  die  wir  als  oberen,  mittleren  nnd  nnteren 
Theil  (c,,  c^,  cJ  bezeichnen.  Sowohl  naeb  vorne  als  naeh  hinten  erscheinen  zwei 
mit  der  RoLANDO'schen  oder  centralen  parallele  Fureben ,  wovon  die  vordere  als 
praeceotralis  (pc)  und  die  hintere  als  retroceutrale  (rc)  bezeichnet  werden.  Die 
Windangen  zwiseben  der  Centralfurobe  nad  ihren  Parallelen  werden  als  Omtral- 
windongen  beteiehnet ,  nnd  iwar  die  eine  ab  TOfdere  (A)  nnd  die  andere  als 
hintere  (B). 

Die  präcentrale  Furche  fpc)  gilt  als  hintere  Grenze  des  Stiralappens 
und  von  ihr  geht  meistens  eine  Furche  ab  in  der  Richtung  vor-  und  abw&rts, 
die  als  awtite  Stimftirehe  (ft)  beieiebnet  wird.  Dieee  Furche  kann  aneb  dnreh 
ein  Windnngsstflck  von  der  prftoentralen  getrennt  sein ,  oder  diese  durchdringend 
in  die  vordere  Centraiwindung  einstralileQ  und  selbst  bei  atyiiisehea  Qehimea 
mit  der  Ccntralfurche  communiciren. 


Fitr.  SS. 


Mit  der  zweiten  Stirnfurche  beil<'luti>;  parallel  vorläuft  beillnfig  in  der 
Höhe,  wo  das  obere  mit  dem  mittleren  Drittel  der  Cenlralfurche  zusammenstöast, 
eine  Furche,  welche  als  erste  Stirnfurche  (J'J  bezeichnet  wird.  Auch  diese  Furche 
kann  bw  atypischen  Oehimen  in  den  Torderen  Oentrallappen  eindringen  nnd  selbst 
mit  der  Cen^alfurche  communiciren. 

Man  bezeichnet  die  Stirnwindung  zwischen  dem  medialen  Rande  und  der 
ersten  Stirnt'iirche  als  erste  Stiruwindung  ( ,  jene  zwischen  der  ersten  und 
zweiten  Stiruturche  als  zweite  Stirnwindung  (F^)  und  jene  zwischen  der  zweiten 
Stimfurebe  und  dem  nnteren  Bande  als  dritte  Stimwindong  (FJ,  Bs  können  in 
der  aweiten  nnd  dritten  Stimwindnng  Seenndftrfüroben  anfltreton  ober  nnd  nnter 

*)  Ich  habe  auch  in  dieser  schemutüschen  Figur  muglictaät  Alles  aufg«nominea, 
was  man  an  den  veraehiedenea  menachlichen  Gehirnen  findet.  Die  meist  TOikemmeadiia  Fwaen 

sind  durch  die  dick>^ii  Union  gekenn7.ei(  linet .  wahrend  dorch  feine  nnd  ponktirta  Liniea 

secundure  uud  atypische  Vorkommirsse  augudentet  .sind. 


<j£;HUUIOB££FLÄCH£. 


341 


der  zweiten  Stifnforcbe  nnd  so  die  zweite  nnd  dritte  fitirnwindung:  in  je  zwm 

Windungen  zerlegten  ,  wobei  zu  bemerken  ist ,  dass ,  soweit  bis  jetzt  beobachtet 
wurde,  die  Zweitheilunfj  nur  in  der  einen  oder  der  anderen  Windun?  erfulprt. 

Von  ganz  anderer  principieller  Bedeutung  sind  die  Secundurlurdjen,  diu 
swifldMii  der  entea  Stimfnrclie  and  dem  oberen  medialen  Rande  anftreten  und 
die  ich  mit  dem  Bachstaben  9  (Fig.  53,  54,  55)  bezeichne.  Meistens  sind  es  zwei  kleine 
Furchen,  die  hintereinander  parallel  mit  dem  medialen  Rand  verlaufen,  durch  ein 
WindnngBstflck  gctreunt  sind  und  nach  hinten  nicht  in  die  vordere  Centralwindunj^ 
eindringen.  Oefters  sind  die  beiden  getrennten  Sttteke  vereinigt,  dringen  nach 
hinten  in  die  Centraiwindung  ein  und  confluiren  an  atypischen  Gehirnen  manch» 
mal  als  vollHtilndige  Furche  mit  dem  oberen  Drittel  der  Centralfurche.  Oefters 
setzt  sich  diese  Secundärfurche  mit  ihrem  vorderen  Theile  gegen  eine  Furche  vor, 
welche  parallel  mit  dem  vordersten  Theile  des  medialen  Randes  verläuft  und  von 
EbbrstAllbr  als  Fü$uira  fronttHnar^fy»/^  (fm)  bezeichnet  wnrde. 

Von  den  übrigen  Furchen  des  Stirnlappens  werden  wir  spflter  sprechen, 
wenn  wir  die  Fismra  fosme  Si^h'i'i  abhandeln  werden.  Ich  will  hier  nur 
noch  beniorken,  dass  bald  im  oberen  Drittel  der  vordereu  Centralturche  blus 
ein  kleiner  dellenartiger  Eindmek  eleb  befindet,  der  sieb  bald  an  einer  Qaerfnrehe 
entwickeln  kann,  welche  ein  (iberc^  Drittel  der  prieentraleil  Fnrche  darstellt  und 
mit  den  tlbrigen  Theiien  der  F'urche  znsammenfliessen  kann.  Aus  dieser  Dolle 
kann  sich  auch  eine  dem  oberen  medialen  Rande  parallele  Furche  entwickeln  und 
dieie  kann  wieder  mit  der  Oentralfürebe  oder  mit  der  ^Fnrehe  oder  mit  bmdea 
znsammenflieaien ,  wie  bereits  bemerkt  wnrde.  Die  hohe  prindpieQe  Bedeutung 
dieser  O-Furche  fflr  die  vergleichende  Anatomie  werden  wir  später  erörtern. 

Als  weitere  Varietät  bemerkenswerth  ist  eine  Verdoppelang  der  Para- 
ceutralfurche. 

Im  ParieUlIappen  bildet  (s.  Fig.  58,  54,  55,  59)  die  Fisimra  mter- 
pariftaU»  (ip)  das  hervorragendste  Foimdement  Sie  besteht,  wie  Ssbnof  anerst 
betonte,  ans  drei  BogenstUcken. 

Der  unterste  und  vorderste  Theil  derselben  stellt  eine  erste,  vordere 
Parallelfnrehe  zum  anfttdgenden  Sehenkel  (a)  der  FCatntra  fomiae  Siflvn  dar  und 
bildet  das  untere  Drittel  der  Ftssura  retrocentralia  (rc). 

Sie  kann  una>»hflnfiig  davon,  ob  sie  mit  dem  mittleren  Bogen  der  /''/.w/m 

mterparietalis  zusammenhängt  oder  nicht,  eine  mit  der  Centralfurche  parallele 

Fortnetsung  naeh  oben  haben,  welche  sich  selbst  bis  in  die  HOhe  des  medialen 

Randes  fortentwiekeln  kann  nnd  so  das  mittlere  nnd  obere  Drittel  der  Fuwura 

refrocenfrnh's  darstellen.    Diese  iwei  oberen  Drittel  der  FttBUra  rHroc^ntmlts 

können  miteinander  verbunden   oder  von  einander  getrennt  sein.    Ebenso  kann 

das  mittlere  Drittel  mit  dem  unteren  zusammenfiiessen  oder  nicht.   Es  kanu  aueh 

vorkommen,  dass  das  mittlere  Drittel  eine  eelbstotlndige  VerUngening  naeh  unten 

erfailt,  welche  d  iitn  eine  vordere  Secundärfurche  (rc^)  des  unteren  Drittels  der 

Retrocentral furche,  i.  e.  des  unteren  Drittels  der  Interparietalfurcbe  darstellt. 

Eh  kann  überhaupt  zu  einer  Verdoppelung  der  mehr  oder  minder  vollständigen 
Ratrooentralfbrclie  bei  atypisdiea  Gehirnen  kommen  and  dann  selbst  mit  einer  Yerdoppelanfr 

der  Prtcentralfanlip  znsamnenfallen  Wir  haben  dann  im  rentrainn  Thpil  dos  Gehirnes  fünf 
parallele  Querfurchen  und  es  wäre  Hcliwieri;; ,  zu  <!Ut»cheiden ,  welche  vun  ihnen  als  rentral- 
ftuehe  anzusehen  sei,  wenn  uidit  der  EitiMimitt  der  Fisaura  ealloso-marf/iiml i.s  (vmt  in  die 
äussere  Fläche  ein  eotschetdendeB  Merkmal  abgeben  wärde.  Dieiienife  Ct<ierfarche ,  die  an* 
nächst  vor  dem  genannten  Eiusclinttte  lio^t,  ist  die  Ceatmlftnehe.*) 

*)  Andererseits  kann  es  bei  atypist  hen  Gehirnen  vorkommen,  dasM  die  l|uerfurcben 
venehwinden  nnd  so  der  hervorapringendste  Charakter  de»  Primatengelilmee  verlor-'n  geht. 
Das  ist  z.  B.  in  einer  Gehirnhälfte  ein«-«  jfeisto.-äkranken  Kpileptikers  der  Fall,  die  Turner 
(„Ifuman  ccrebrnm  iritli  a  retnarkahhi  inoiii/ifd  fronfo-iiuriitnl  lol)e'',  .Toum.  of  Anat  and 
riiysii'l.  1890,  XXV)  befichreibt.  Ein  ."tlinliches  Bild  findet  rian  auf  Taf.  VIII  im  lifrvorrapuden 
Werke  von  Oiacoraini  cerrelli  dei  microce/ali" .  Turin  1890).  wahrend  ein  iUtoten- 
gebim  von  Hing  aisin  i  (Internat.  Zeitsehr.  fär  Anat.  nnd  Phys.  1890,  VII,  Heft  5)  nad 
eines  bei  Giaeomini  (Taf.  II)  eine  ükst  ansscblienUeh  qaere  FordionanordnuBg  seigt. 


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342 


GBHIRNOBBBFLlCHB. 


Der  mittlere  Bogen  der  Interparietalforehe  (tp^)^  welche  das  Seheitelbim 

des  Menschen  in  den  oberen  (P^)  und  in  den  unteren  (PJ  Sehatel-  oder  ParieU!- 
läppen  thoilt,  kann  mit  dem  vorderen  oder  hinteren  Drittel  aotammenflieBaeD  oder 
von  jedem  derselben  getrennt  sein. 

Im  oberen  Soheitellappen  befinden  meh  mit  dem  medialen  Rande  parallele 
SeeondftrAirehen  (s.  Fig.  hS) ,  die  mit  den  Buehstabea  l,  beseiehnet  sind  und 
denn  Bedeutnng  später  erörtert  worden  wird. 

Der  hintere  Thcil  der  Iiiterparietalfurche  fipp,  FIl'.  ')3  j  i^t  um  He- 
trichtliches  dem  medialen  Kande  genähert,  verläuft  in  der  Flucht  in  den  oben- 
genannten Seenndlrfiireben  knapp  anter  dem  Einsehnitte  der  Fiatwra  parüto- 
occipitalis  (pd)  und  endet  knapp  hinter  diesem  Einsehnitte  mit  einer  queren 
Furche  der  sogenannten  horizontalen  Ilititerliaiipt'^rnrehe  f/io).  Oefters  setzt  sie 
sieh  (8.  Fig.  b'i)  Uber  die  letztere  hinaus  zu  einer  Furche  ml  =  fort,  welche 
mehr  minder  parallel  mit  dem  oberen  nnd  hinteren  medialen  Rand  des  Hinter- 
hauptes veriftuft  und  der  sogenannten  Ftuura  medio-lateralia  des  Thierbims 
entaprieht. 


Fig.  M. 

cm 


Wir  wenden  uns  nun  dem  Temporalhim  zu. 

Wir  finden  hier  vor  Allem  eine  Fnrebe,  welebe  mehr  minder  mit  dem 
liorizontalen  und  aiilsteifrenden  Schenkel  der  Fi'.tsnra  toasn^'  Si//rii  jiarallol  Ifiuft 
und  als  erste  Schläfen-  oder  Teniporalfurehe  ifj  bezelehnet  wird.  Sie  bildet  die 
hintere  und  untere  Abgrenzung  der  ersteu  Schläfen-  oder  Temporalwiudung  (Ti). 
Naeh  oben  gegen  den  Parietallappen  ist  diese  Windung  niebt  oder  sehr  nndentiieh 
dureh  Secundflrfarchen  vom  zweiten  Soheitellappen  abgegrenst. 

An  niedrif;  stehenden  Cehirnen,  z.B.  einem  ohinesis<hen  s.  Fitr.  54  *\ 
verläuft  eine  der  ersten  parallele  Furche  (^3),  welche  die  zweite  Temporal-  oder 
SeblSfenwindung  (T.,)  naeh  unten  und  hinten  abgrenzt.  Dieselbe  ist  beim  typiseheo 
Mensehen  viel  unrej^elmässiger,  vielfach  zerrissen  und  in  der  Richtung  nach  untea 
abweiebeiid.    sie  liejrt  auch  zum  Theile  an  der  unteren  Fläche  des  SchläfelappeDS. 

Wiehti^  ist  hier  noch  eine  (  Jrenzfurche ,  welche  entweder  unabhängig 
besteht,  oder  auch  eine  Fortsetzung  der  zweiten  oder  auch  der  ersten  Schläfcn- 
fnrehe  darstellt  und  die  naeh  hinten  allenfalls  etwas  naeh  unten  eonvex  ist  Die 
Tangente  dieser  Furche  nach  oben  verlängert,  trifft  den  medialen  Rand  knapp 
vor  dem  E'nsehnitt  der  f'i^s>/ra  pnrt*'ti>-i>crii>it(ih'>t  ffx)}.  Wir  bezeiehnen  die>ie 
Furche  als  die  von  Weunickk  [s.  Fig.  54  ir).  Sic  grenzt  den  T'arietallappen 
TOm  Hinterhaupt  ab  und  wird  daher  aoeh  als  Fissura  parieto-occij>italü  externa 
bezeichnet.  Ihr  unteres  Ende,  wo  es  deutlieh  ist,  markirt  den  hinteren  Grenz- 
pnnkt  zwischen  Parietal-  und  Temporallappen. 

«)  S  „Drei  Chineseneebime"  (daMlbst  Fig.  U).  Med.  Jahrb.  Wien  1887. 


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GEHIRNOBERFLÄCHE. 


343 


Vom  hinteren  unteren  Theile  dea  Temporallappens  geht  ganz  constant 
beim  Menschen  eine  Furche  ah,  welche  mehr  oder  minder  parallel  mit  dem  unteren 
Rande  des  Occipitallappens  verläuft  und  die  ich  zuerst  beschrieben  und  als  Fissura 
temporo-occipitalia  (to,  8.  Fip.  53)  bezeichnet  habe.  Sie  ist  identisch  mit  der  Ftasura 
ecto-lnteralis  felj  der  Thieranatomie  und  ist  zweifellos  eine  reine  Hinterhaupta- 
furche.  Sie  kann  entweder  Relbstständig  sein  oder  von  der  zweiten  oder  auch 
von  der  ersten  Temporalfurche  ausgehen  und  es  besteht  eine  grosse  Neigung  zu 
einer  oberen  oder  unteren  Secundärfurche  (s.  z.  B.  o',,  Fig.  55).  Ich  habe  diese 
Temporooccipitalfurche  auch  als  dritte  Occipitalfurche  (o^)  bezeichnet. 


Fig.  55. 


Zur  Vervollständigung  der  Occipitalfurchen  sei  noch  bemerkt,  dass  aus- 
nahmsweise, z.  B.  in  dem  Indianergehirn  (Fig.  55  *)  von  der  hinteren  Grenze  des 
Parietal-  und  Temporallappen.s  eine  Furche  gegen  den  hinteren  Pol  des  Hinter- 
hauptes abgebt,  welche  als  zweite  Occipitalfurche  (o.,)  bezeichnet  werden  kann. 
Auch  für  diese  Furche  existiren  Secundärfurchen  und  es  kann  vorkommen,  daas 
die  Secundärfurche  vorhanden  ist  und  die  Hauptfurcho  fehlt.  Im  Chiuesengehirne 
(s.  Fig.  54j  sind  die  drei  Hlnterhauptsfnrchen  und  somit  die  vier  llinterhaupts- 
windungen  deutlich  vorhanden. 

Wenn  die  genannten  drei  Hinterhauptsfurchen  vorbanden  sind  mit  oder 
ohne  Sectindärfurchen  und  wenn  diese  Sagittalfurchen  durch  mehrfache  Quer- 
äste verbunden  sind ,  dann  entsteht  ein  complicirtes  occipitales  Furchennetz, 
was  besonders  an  atypischen  Gehiruen  auffüllt.  (In  den  Tafeln  meines  Buches: 
„Anatomische  Studien  an  Verbrechergehirnen'"',  Wien  1879,  finden  sich  solche 
Netze  sehr  ausgiebig.  Bei  atypischen  Gehirnen  kommen  solche  cetaceenartige  Netz- 
bildungcn  auch  im  Stiruhirn  zu  Stande.) 

Kehren  wir  jetzt  zu  Fig.  52,  welche  die  äussere  Fläche  des  Hundegehirns 
darstellt ,  zurück  und  wir  wollen  es  versuchen ,  die  Furchen  und  Furchentbeile 
desselben  mit  denen  am  menschlichen  Gehirn  zu  identiticiren. 

Betrachten  wir  zunächst  die  uut  erste  der  drei  Urwindungs-  oder 
LEDRKT'schen  Furchen  (Ii).  Sie  besteht  aus  drei  hier  /usammeuhängenden 
Theilen.  welche  bei  anderen  Thierspecies  auseinandergerissen  oder  blos  in  kleinen 
Kesten  vorhanden  ist  oder  auch  ganz  fehlen. 

Zunächst  interessirt  uns  der  hintere  absteigende  Schenkel  f<J  **),  welcher 
als  die  vjtrdore  der  zwei  hinteren  Parallelfurchen  zur  Fismra  St/lvit  (s)  erscheint. 
Ks  kann  keinem  Zweifel  unterworfen  sein,  dass  dieselbe  als  erste  Temperalfurche 
{ti)  aufgefasst  werden  muss. 

*)  S.  „Beiträg«  znr  Anatomie  der  Gohirnoberfläche."  Med.  Jahrb.  Wien  1S88.  Da- 
selbst Lst  aneh  das  oben  (Fig,  6o  und  Fig.  49)  erwähnte  Gehirn  von  Schiniak  beschrieben. 

**)  Durch  einen  Irrthum  in  der  Zeichnung  fehlt  der  Index  und  ist  blos  t  vorbanden. 
S.  auch  Fig.  5(1  (Kiitzenhirn). 


344 


OBHIBNOBBBFLÄCHB. 


Der  vordere  absteigeade  Sobenkel  stellt  die  biotere  der  beiden  vorderen 
Parallelfarclien  sur  Fiatura  Bylvn  (»)  dar  und  entspricht  daher  dem  unteren 
Drittel  der  Betroeentralfnrehe  (re)  des  meoscblichen  Oehlme. 

Der  mittlere  Bohren  trennt  die  dritte  Parietalwindung  des  Hundes  von 
der  vierten.  Sie  verschwindet  heim  Menschen  bis  auf  kleine  undeutliche  Secundär- 
furchen  im  zweiten  Scbeitellappen  und  sie  zeigt  auch  bei  Tbieren  die  grösste 

Tendern  ra  fehlen. 

Bei  der  Katze  (s.  Fig.  56)  sehen  wir  eigentlioh  bkw  das  vordere  (ro) 
nnd  hintere  (YJ  Bogensttick,  während  das  mittlere  (lij  kaum  angedeutet  ist. 

Die  mittlere  Ledret  sc  he  Furche  (l^  ist  als  aus  vier  Tbeilen 
beitehend  nnsneeben.  Znnlebst  ist  ein  von  hinten  nnd  oben  naeh  vorn  nnd  ohan 
abeteigender  Sehenkel  in  Betracht  zu  ziehen,  der  mit  der  ersten  TemperalAirehe 
(t,J  und  mit  der  FUsura  Sylvii  parallel  ist.  Ks  kanu  keinem  Zweifel  unter- 
worfen sein .  dass  dieser  Theil  der  mittleren  LEURKT'schen  Furche  der  zweiten 
Temporalfurche  des  Menschen  (t^j  entspricht  (siebe  Fig.  54}  und  dass  die  obere 
Spitae  diese  Sebenkels  einem  Grenspnnkte  swiseben  Parietal-  nnd  Temporal- 
lappen entaprieht. 

Bin  zweiter  Theil  dieser  Furche  nchliesst  sieh  der  vorgenannten  an,  ver- 
läuft in  hohem  Grade  quer,  mit  der  Concavität  nach  vorn.  Dieser  Theil  der 
2.  LBüBBT'seben  Fnrobe  (s.  Fig.  56)  entaprieht  der  Fnrebe  von  Wärnickk  (w)^ 
i.  e.  der  äusseren  Parieto-OeeipitaUurche  des  Menschen  (s.  Fig.  53).  Der  obere 
Bogen  mit  der  Convexit.lt  vorwaltend  nach  unten  und  vorn  trennt  die  obere  Hälfte 
des  Parietalbirns  von  der  unteren  Hälfte  und  ents])ricbt  dem  mittleren  Tbeile  der 
Fissuru  interparietalta  des  Menschen,  da  nach  dem  frflber  Gesagten  die  untere 
Parietalwindnng  des  Mensehen  aus  den  unteren  iwei  Parietalwindungen  des  Hundes 
soMmmengeaetst  ersebeiot. 


Flg.a«. 


Wichtig  ist  nun  der  vordere  alrateigeude  Sehenkel  von  C  Fig.  52) :  er 
bildet  die  vordere  der  zwei  vorderen  Parallelfurchen  zur  F>M.mrn  tSi/fvit  und 
entspridit  daher  t«»p().trrapliisch  dem  mittleren  (CntJ  und  unteren  (dj  Drittel  der 
Centralfurehe  des  Meuseheu. 

Diese  letastore  Behauptung  wird  Vielen  als  ein  Jeu  efeaprü  ersohdnen 
nnd  im  ersten  Momente  auf  Unglauben  stossen.  Doch  gehört  sie  zu  den  best 
eon«tatirten  Thatsaeben  der  verfjleiehenden  ( M'hirnanatoinie.  Vor  und  über  diesem 
Furchenscbenkel  liegt  der  UyiuH  siymoidiUH  des  Hundes  und  in  diesem  die 
sogenannten  psyehomotoriseboa  Centren.  Ebenso  kann  man  sieh  llbeneugen,  dass 
in  den  Querschnitten,  die  parallel  mit  ihm  gemacht  werden,  die  Nester  der  grossen 

motorisehen  Zellen   von  Hktx  lii'irt'ii. 

Man  sieht  die  Kigentliiimliehkeit  der  zueitcn  LKüRKT'fiche»  Furche,  dass 
ihr  mittlerer  B«)geu   beim  Meuseheu  {iiuj   sich  mit  Vorliebe  mit  dem  vorderen 


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GEHIRNOBKKFLÄCHE. 


345 


Booßen  der  dritten  LKrRF/r'schen  Furche  des  Thicres  verbindet  und  mir  in  seltenen 
Fällen  besteht  an  atypischen  Menschengehirnen  ein  (juorast,  welcher  die  Inter- 
parietalis  mit  der  Centralfarche  zusammeafliessen  lässt. 

Um  dM  6diiokBal  und  die  Bedratang  der  obena  LKDBEi'eehen  Fnnibe  (Is) 
zu  verstehen,  mllggen  wir  eine  Idealfarche,  welche  alle  Theile  der  genumten 
Forehe  enthält,  aufsuchen  und  con^truiren. 

Eine  solche  Idealfurcbe  tiuden  wir  bei  TrichecJitm  rosmarus.  Wir 
sehen  (s.  Fi^.  T)?)  diese  Fnrehe  vom  hinteren  Pole  —  mit  ^er  irarzen  üntei^ 
brec-hun^  im  paricto-uccipiUleD  GrenqpeUete  —  bis  snm  vorderen  unteren 
Pule  dt  s  stirnbiras  verlaofen,  wo  sie  sogar  mit  der  Fütura  praaylmoa  (p») 
zuBammeutiiesät. 

Am  vorderen  Bande  des  Stirnbiras  ist  diese  Furche  identisch  mit  der 
Fiuura  frcnlo-marginalü(fin)  des  Ifensdienhims  (vngl.Fig.63  n.  67).  Am  olMren 

Rande  des  Ptirnhirns  repr.Hsentirt  diese  Furche  die  cp-Furche  des  Menschen  und 
die  obere  Corouarfurche  des  Thierhirns  i'co,  =  o).  Sie  durehschreitet  dann  das 
bei  TirchfchuH  rosmaru.s  niclU  scharf  abgegrenzte  Ceutraigebiet  und  bildet  die 
obere  LsüBKT'sehe  Fnrehe  (t,)  des  ParietalUms  und  die  virtnelle  Fortsetinng 
stellt  die  ollere  oeeipitale  (ir/  =  Oj)  oder  medio-Iatersle  Fnrehe  dar.^ 


Fig.  57. 


Im  Hirne  des  S  t  i  e  r  s  (Fig.  58)  ist  hingegen  diese  Fnrehe  in  der  Gentraigegend 
nnterbroehen.  Sie  geht  nach  vorn  als  obere  Coronarfnrche  (co,  —  ^)  snm  vorderen 
Kando  des  Stirnhirns  .  um  dort  die  Ft'ssura  fronto-margmalt»  an  reprisentiren 
und  endet  vorn  über  der  Füsura  praestflvica  anterior  (pSa), 

Im  Parietalhim  reprisentirt  sie  die  obere  LsDKvr'sehe  Fnrohe  (l^  nnd 
geht  als  erste  oeeipitale  fo^ }  oder  medio-Iaterale  Furche  bi^  zum  hinteren  Stirn- 
ende.  Der  oeeipitale  Tbeil  bat  noch  eine  obere  SeeundArfarche  (oj.**) 

*)  Der  fientralo  uml  parieto-teraporalo  Theil  dieses  Gehirne!*  lat  oomplicirt.  Der 
hintere  Theil  ^t^}  der  unteren  L«>u  ret'schen  Furche  (IJ  ist  aligotrcnnt,  besteht  aas  2  .^tüikcn, 
wovon  das  notere  längere  mit  der  Fitsura  Sglvii  (h)  commuDicirt.  Dafdr  liäogi  der  mittlere 
Bogen  von  mit  der  lotttleren  Lenre fachen  Farehe  dort  cmanmen,  wo  letatere  ihre 
zwfi  altsti  lulrn  Theile  ^/r  und  <J  aliscndet.  Die.sf  luittlcre  L»;  u  r<;  t'sdie  Fnrehe  sendet 
eine  zweit«^  (mipitule  Furche  (o.,^  zum  Hintcrhaupte.  Die  teniporo-uccipitale  Furche  [o  t=  el) 
tat  iflolirt.  Di«  Centralftirche  ic,  und  r„>  sind  wenig  entwickelt,  hingegen  ist  hier  die  Fissum 
praerenlralis  (pej  enorm  ausKettildet  und  hängt  mit  1^  lud  <r.  zasammen  und  schickt  »wet 
sugittale  Furchen  naoli  vom,  die  wohl  als  Rndimente  der  I.  und  2.  Stirnfurche  (f^  uni/^j 
ansniehen  siml 

**)  Wir  kommen  auf  üieiKUi  wichtige  Uebirn  noch  zurUck. 


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GEHIRNOBERFLÄCHB. 


Kehren  wir  zum  Hnndegehiro  (s.  Fig.  52)  zurück ,  so  sehen  wir  diese 
Furche  vom  oberen  Drittel  der  Centraifurche  (i'..)  hinter  der  Fi.<tsura  cntciata  (cr) 
bis  zum  hinteren  und  unteren  occipitalen  Pol  verlaufend  und  am  Scbeitelhirn  die 
obere  LEOREx'sche  Furche  (I,)  und  rtlckwärts  die  Fissurn  niedio-lateralü  (ml) 
repräsentiren. 

Suchen  wir  nun  die  Theile  und  Spuren  dieser  oberen  Idealfurche  beim 
Menachen  auf  (s.  Fig.  53). 


FlK-  58. 


Von  hinten  nach  vorn  gehend,  haben  wir  zuerst  die  —  nicht  constante  — 
Fissura  medto-lai^ra/is  (ml=.o^).  Daran  schliesst  sich  der  hintere  Theil  der 
Fissura  interna n et al im  (ipp).  Dahinter  kommen  die  sagittalen  Secundftrfurchen 
der  ersten  Parietalwindung  (l,).  Letztere  können  durch  saglttale  Aeste  der  Retro- 
centralfurche  bis  in  die  hintere  Centraiwindung  reichen.  Auch  im  oberen  Drittel 
der  vorderen  Centraiwindung  können  solche  sagittale  Secundärfurchen  weitere 
Spuren  unserer  oberen  Idealfurche  repräsentiren.  Weiter  nach  vorn  folgen  dann 
die  'j<-Furche  und  die   Fiasura  fronto-marr/i'nalit*  als  weitere  StUcke  derselben. 

Für  die  Richtigkeit  dieser  Auffassung  des  hinteren  Drittels  der  Inter- 
parietalfurchc  und  der  accundärcn  Furchen  der  ersten  Scbeitolwindung  spricht  das 
linke  (Jehirn  des  Raubmörders  Francesconi  Ts.  Fig.  59).  Dort  sehen  wir  die 
genannten  Theile  zusammenfliesseu ,  parallel  mit  dem  medialen  Rande  verlaufen  und 
nach  vorn  virtuell  in  eine  sagittale  Secundärfurche  des  oberen  Drittels  der 
hinteren  Centralwindung:  Ubergehen. 

Aehnlich  ist  das  Verhalten  der  anderen  Gehiruhnlfte ,  an  der  sich  die 
Fis.iiira  medio-latemh's  noch  dircct  nach  hinten  auschlies^t. 

Zu  dieser  oberen ,  mit  dem  Marginalrande  parallel  verlaufenden  Ideal- 
furche, deren  Parietaltheil  die  obere  LKURET'sche  Furehe  bildet,  gehören  vier 
t;  u er f  0 rt  Sätze.  Der  hinterste  stellt  die  Fi.osura  fion'zontn/i.'i-occipäalts  (ho) 
dar.  Der  zweite  Qucrfortsatz,  der  vielleicht  bbis  beim  Menschen  existirt,  ist  das 
obere  Drittel  der  Fis.ium  rrtroceDtralt's.  Der  dritte  das  obere  Drittel  der  Fissura 
ri'iUralis  und  der  vierte  das  obere  Drittel  der  Fissura  prafir.entrafis  (pc).  Auch 
der  letztere   kommt  vorwaltend   am  menschlichen  Gehirn  in  Betracht.    Die  drei 

*)  Auch  iu  früher  citirtcn  Indiandnr^ehirn  {».  Fig.  55)  ist  die  mit  dem  Medialrande 
von  der  Centralfurchfi  l>is  zur  horizontalen  Hinterhauptsfurche  (hof  verlaufende  Furche  (ip> 
als  parietaler  Theil  lier  oberen  Iilealfurche  ünzuseheu.  wahrend  der  obere  Bogen  der  mittleren 
Leuret'sthen  Furche  eigentlich  verschwunden  i.-(,  da  der  sagittalo  Rogen  des  inittlerea  Theiles 
der  Rctroventnilfurcho  oft'enhar  /.or  dritten  Leuret'schen  Furche  nnd  virtuell  zur  ersten 
Temjmralfnrclifl  gehurt. 


Di 


OBHJBNOßEBFLÄCHB. 


347 


letsten  Querfortsltce  mnd  am  meniohliehen  Gehirn  gewObnIiob  tod  der  Sagittal- 
farehe  getrennt. 

Die  zweiten  und  vierten  Queräste  der  oberen  Idealfurchen  sind  ;uich 
beim  Mensclieu  nicht  constant  und  sind  quasi  obere  Quertbeile  von  unterhalb 
gelegenen  Qnerftereben,  mit  denen  sie  snuunmeohftngeii  oder  von  denen  tie  getrennt 
sind.  Nur  die  drei  Theilc  der  Centralfurehe  de*  Frimatenj^ehirna  sind  /usammen- 
hün^'^end  und  mit  böebat  seltenen  Ausnabmen  an  einer  Stelle  darob  ein  Windangih 
stück  getrennt. 


Bemerkenswerth  ist  das  Gehirn  des  Seebären  (Fig.  60).  Hier  senkt  sieh 
die  /'Y'.'.vMm  cructafa  (er)  ,  welche  ja  die  Fhsnrn  //rorr^nfrofis  der  Innen- 
fliobe  darstellt ,  tief  in  die  äusaere  Fläche  ein ,  80  dasä  wir  hier  eine  Fiasura 
praecentralis  (pc)  haben,  wie  sie  selbst  beim  Menseben  selten  so  aasgebildet  ist 
Ich  mass  hier  bemerken,  dass  ich  gerade  beim  Bären  mich  durch  mikroskopigcbes 
Studium  von  Querschnitten  (Iberzeuprt  hatte,  daas  meine  AufTassunp:  der  Fissi/rn 
cruciata  und  der  zunächst  dahinter  gelegenen  Querfureben  correct  ist.  Nicht  leicht 
bei  dnem  anderen  Nicbtprimaten  ist  die  Centralfurcbe  so  gut  markirt  wie  hier,  und 
man  siebt,  dass  bd  diesem  Ctohirne  das  obwe  Drittel  der  Centralfnrebe  (cj  mit 


Flg.  M. 


der  sweiten  LBORBT'seben  Pnrebe  verbunden  ist.  Bei  anderen  Ranbthieren,  z.  B. 

der  Katse  und  dem  Hunde  (n.  Fi°:.  56  und  ni')  ist  wieder  dieses  obere  Drittel  fc,^ 
mit  der  ersten  Lki  UKT'sohen  Fiirehe  fl.)  verbunden.  Wo  kein  atipresproehener 
Gyrus  iiitjnionietits  (/«jj ,  wie  in  Fig.  56,  52,  6ü  vorbanden  ist,  erschoint  die 
Centralfarebe  hOebst  mangelhaft,  anklar  oder  fehlend.  Man  mnss  die  Oentralwin- 
dnagen  in  diesen  Fällen  in  Zukunft  durch  mikroskopische  Untersuchung  oder 
ans  der  Orientirong  am  Sehldel  —  sagittalea  Niveau  der  hinteren  Hälfte  der 


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GEHlBHOBEEf  LACHE. 


vorderen  Fontanelle  —  constatiren.  Die  Orientirung  in  Fig.  57  and  58  aus  den 
Kiementen  der  vorderen  absteigenden  Seheokel  der  LifiUJUBT'aehen  Fnrehea  dttrfte 
exaet  sein. 

Wir  hallen  ftttber  von  einer  oberen  Coronarftirehe  (co,)  gesprooben, 
weidie  snm  Syiteme  der  oberen  marginalen  Idealfurcbe  gehört.   Die  Autoren 

sprechen  aber  noch  von  einer  anderen  Furche  als  Coronarfurche ,  die  ich  zum 
Unterschiede  :ib  untere  Coronarfurche  bezeichne  (cOij.  Am  lehrreichsten 
aind  jene  Gehirne,  wo  beide  Farcben  bestehen,  z.  B.  beim  Stierhiru  (s.  Fig.  58). 
Die  natere  CkironarAivehe  Hast  sieli  aber  aneh  an  Jenen  Oelümen  ala  aoiehe 
erkennen,  bei  denen  keine  obere  Furche  besteht.  Erstore  hat  nAmlich  die  Tendenz, 
«US  der  Contralregion  abwärts  zu  verlaufen  und  daher  vom  oberen  Marginalrand 
sich  um  SU  mehr  zu  entfernen,  je  weiter  sie  nach  vorn  driugt  (s.  Fig.  52,  56, 
Fig.  58  ete.).  Sie  reprlaentirt  die  erste  Stirnfarebe  (ft)  des  meascUiehen  Oehirnes 
und  unterscheidet  sieh  von  der  letzteren  meist  dadurch,  dass  bei  der  unteren 
Coronarfurche  der  centrale  Theil  {;nt  cntwickt^lt  ist ,  wfthrend  der  frontale  Theil 
gewöhnlich  sehr  kurz  ist.  fiekauntlich  dringt  die  erste  Stirnfurche  beim  Menseben 
nnr  in  atypischen  Flilen  in  die  vordere  Oentratwindnog  (A)  ein  nnd  flieist  dann 
häufig  mit  der  Gentralfnrehe  zusammen. 

Die  untere  Coronarfurche  häng^t  bald  mit  der  ersten,  bald  mit  der  zweiten 
LKURKT'sehcn  Furche  zusammen.  Sie  kann  alter  auch,  wie  Fig.  60  zeigt,  gar  nicht 
rüclcwÄrts  in  die  Centrairegion  eindrino^eii. 

III.  Fi.sfiura  r/iinalis  und  Fissurafossar  S  y  /  v  i  {. 

Wir  wenden  uns  nun  der  äuHsereu  Finsura  Limbica  von  Broca  oder 
der  Fittura  rkinalü  von  Tobnbb  an  (rh).  Wir  sehen  sie  bei  Eekydena  hyitinx 
(s.  Fig.  61)  in  voller  Entwicklung.  Sie  grenst  im  Oehimmantel  ab,  nnd  zwar 
erstens  vom  Riechkolben  f Ii),  respective  Riechl.ippen,  zweitens  von  der  Fossa  Sylvn', 
verläuft  dann  unter  der  Fissura  Üt/lrn  (n) ,   mit  der  sie  oft  zosammenhüngt, 


# 


trennt  dann  den  äusseren  Hantel  vom  Oyrua  hippocampi  (H)  nnd  gdit  weiter 

nach  hinten  über  die  J'anprirungslinie  der  Fiasura  retroaplenica  hinaas  snm  Pole 
des  Hinterhauptes.  Wir  kilnncn  die^c  Furche  in  fol;reude  Thcilc  trennen :  Der 
vorderste  Theil  entspricht  der  Kiechfurche  des  Menschen  (oj) ,  welch  letztere 
jedoeh  beim  Menseben  kone  Fortsetzung  bat. 

Zweitens  können  vir  das  weitere  Stück  bis  sum  Niveau  der  Fiuura 
Si/lrii  in  zwei  Tlieile  zerlej^eii,  ohne  eine  scharfe  Crenze  zwischen  ihnen  angeben 
zu  können.  Den  vorderen  Theil  dieses  Stückes  bezeichnen  wir  als  den  frontalen 
Theil  der  Ftxsura  rhinaUs  (rh,),,  und  den  hintereu  als  den  centralen  [rhej.  Den 
Theil,  welcher  den  Sobläfelappen  des  Tbieres  vom  Gyrun  hippooampi  trennt, 
bezeioluen  wir  aU  tnupor.-ilcn  frh,)  und  denjenigen,  der  hinter  dem  Niveau  der 
Itssura  retroa/jUniiu  liegt,  als  occipitalen  (rk,,)' 


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GBHIBNOBERbLACHE. 


Damit  ist  iinR  die  Identificirnng  der  RhinalAirohe  mit  den  betnffBiiden 
VorkonamnisHcn  am  menschlichen  Gehirne  erleichtert. 

Wir  wollen  zuerst  die  hintere  Hälfte  in  Betracht  ziehen.  Der  Temporal- 
Uppeo  am  nnteren  Winkel  der  beiden  enten  TemporalwiDdnngen  entwiekelt 
sich  beim  Ifenedien  zur  mfichtigen  dritten  Temporalwindnnp,  welche  den 
Gyrus  hipporampt  und  den  Uneufl  (V)  nach  nnten  und  innen  verdrilnjrt.  Dio 
Furche,  welche  dea  Teinporaliappen  an  der  unteren  FUche  des  meuscblicheu 
Gehirnes  vom  Gynu  hippocampi  abtrennt,  ist  in  der  Rege!  serrimen,  indem 
sie  im  vorderen  Tlielle  naeh  Missen  ansbengt  nnd  mit  den  Furchen  des 
Hinterhaiii)ts  nicht  zusaranienhäng't  und  in  der  Re^pl  vorn  den  Hand  des  Schläfe- 
lappeus  nicht  erreicht,  llftufiger  an  atypischen  als  an  typischen  Gehirnen 
(s.  Fig.  53  u.  02)  existirt  aber  eine  sagittale  Furche,  welche  den  Schläfelappen  in 
Miner  ganzen  Anedehnnng  vom  Oyrus  hippoeampi  trwnt  nnd  selbst  mittelst 
eines  kleinen  Furrhenstttekes  (a),  welches  von  Wilder  als  Fissura  amygdalina 
bezeichnet  wurde ,  den  vorderen  Rand  durchdringt  und  so  von  der  Fi$9ura  fottae 
Sylvii  durch  kein  VVindungssttlck  getrennt  ist.  ^■ 

Fig  61. 


Es  kann  also  keinem  Zweifel  unterworfen  sein  .  das*<  diese  dritte  Tem- 
poralfurche dem  temporalen  Antheile  ' rh,)  der  lihinalfurche  de<  Thieres  entspricht. 
Sie  iiiesst  in  den  Fällen,  wo  sie  gut  ausgebildet  ist,  gewöhnlich  in  derselben 
Flueht  mit  der  Fiasura  eoUateralis  (el)  snsammen,  nnd  letstere  reprisentirt 
daher  unzweifelhaft  den  oecipitalen  Theil  der  Rhinalfurche  (rhj.  In  Figur  62, 
welche  die  rechte  innere  GehiruHilche  des  MädchenuKirders  Hiifro  Schenk  dar- 
stellt, ist  diese  Fissur  deutlich  als  temporaler  Antbeil  der  Fissura  rhinalis  des 
Thieres  zu  erkennen  nod  ebenso  der  oeeipitale  Antheil  (rhj^  als  Repräsentant 
der  Fittura  eolUUeraUty  welche  den  Oyrus  lingualisfLg)  vom  Oyru»  fwdformu 
I  Fs)  trennt.  I>icses  Gehirn  repräsentirt  auch  eine  Confluenz  der  Rhinalfiirchen  mit 
dem  hinteren  Antbeile  der  inneren  limhischen  Furche  durch  die  Confl'.ie.nz  mit  der 
Fissura  rttrusplenica,  respectivc  dem  Stiele  der  gabelförmigen  Hinterhauptsfurche. 
Bei  Tliieren  kommt  die  Conflnens  der  Rhinalforehe ,  respeetive  des  temporalen 
Tlieiles  derselben  mit  der  Fissura  colloso-Tnarginalis  vor,  und  dic.^  ist  vielleicht 
—  nach  einer  Fiiriir  lici  (  i  nningh.xm  —  beim  menschlichen  Embryo  öfters  der  Fall. 

Die  hintere  Hälfte  des  frontalen  Antheils  und  der  centrale  Theil  der 
Füaura  rkinalia  erwuttem  sieh  beim  Mensehen  cn  einer  tiefen  HOhlnng,  die  an 
der  Oberfläche  einen  tissurähnlichen  Spalt  darstellt,  in  welchen  der  beim  Thiere 
zunäclist  Uber  dicken  Tlictlen  der  Khin;ilfiirehe  gelegene  Theil  des  Hirnmantels 
versenkt  wird  und  die  iuselwinduDgeu  repräseotirt. 


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360 


OBHIBlfOBERFLlOHB. 


Lehrreich  in  dieser  Beziehung  ist  das  Hirn  des  Schafes  (siehe  Fig.  G3). 
Wir  sehen  dort  eiae  Furche  (S)^  die  in  der  fronto- centralen  Gegend  parallel  mit 
im  Füaurarkinali»  Uaft  nnd  das  Bild  der  Rhinalfarehe  auch  iiuofem  naelwluiit, 
als  auch  sie  einen  Fortsatz  nach  oben  und  hinten  sehiekt,  welche  aosusagen  als 
oberer  getrennter  Fortsatz  der  Fi'ssurn  St/lvü  erscheint,  dessen  unterer  Theil 
mit  der  Fissura  rhinalis  zusammeuhäugt.  Wir  kunueu  diese  Verdopplungsfurche 
der  Fiuura  rhinalt»  als  Repriaentantea  des  horiaontalen  Theilea  der  Fimtra 
fossae  Sylvii  <k8  Menschen  ansehen  und  das  zwischen  beiden  Furchen  gelegene, 
gefaltete  StOek  des  Gehirnnantels  (la)  als  Reprflaentaaten  der  InselviodiiBgen 
betraehten. 

Denken  wir  tuia  diese  Windnng  untergetaucht,  so  haben  wir  ein  com- 
pletes  Bild  der  Verhlltnisse  des  Menschen,  nnd  wir  wiaen,  dasa  wir  den  horiion- 
talen  Theil  der  Fissura  foasae  Sylvii,  soweit  sie  den  Spalt  der  Höhle  darstellt, 
als  Kepriisentanten  des  fronto-oentralen  Theiies  der  Rhiualiurebe  des  Thieres 
anzusehen  haben. 

Die  BUnalAirehe  des  Thieres  sendet  meist  dort,  wo  die  dgentliehe  Rieeh- 
foiehe  («{^  abgeht,  einen  zweiten  Ast  gabelfnrn  iiach  vorne  gegen  den  Pol  des 
Rtirnlappens.  Broca  hat  diesen  Ast  fltlschlieh  :tU  die  Centralf urcbe  des  Thieres 
angesehen,  während  sie  de  facto  der  äusseren  Fissura  sayraorbitalis  entspricht 


und  an  den  menschlichen  Gehirnen  als  Fissura  frontal is  externa  (fe)  bezeichnet 
ist.  Am  'rhier;rebirne  filbrt  sie  frewiihnlich  den  Naiuen  Prflsyhiea  jis.)  nnd  sie 
wird  von  mir  als  Fraesyicica  anteiiur  {{js^  bezeichnet.  (S.  Fig.  53,  51),  60, 
68,  56  ete.) 

Letztere  Unterschudung  habe  ich  deshalb  vorgenommen,  weil  bei  vielen 
Thieren  die  Fissura  rhinalis  noch  weiter  hinten  einen  Fortsatz  in's  Stirnhirn 
sendet,  den  ich'  als  Fissura  praesylvica  posterior  (ps^j  bezeichne.  Derselbe 
sehiekt  gewöhnlich,  naehdem  sein  BlntrittsstUek  in's  Stirnhim  vertieal  verlanft, 
einen  BVntsata  naeh  vorne  nnd  oben,  der  mir  als  Repräsentant  der  sweiten  Stirn- 
fnrebe  des  Menschen  ^f..)  imponirt. 

Am  klarsten  spricht  tiir  diese  Ansidit  das  (U'hirn  des  Stieres  [s.  Fig.  58 
(pSp  uud  fij\-  Wir  sehen  durt  in  sagittaler,  hurizoutuler  Richtung  eine  Furche 
verlaufen,  welebe  von  hinten  ans  der  Centralwindnngsreglon  tief  In's  Stirn  bim 
verlauft  und  mit  einer  Fissura  praesyhica  posterior  zusammenhingt.  An  der 
Hedeutung  dieser  Sagittalfurclie  als  zweite  Sttrnfurehe  dürfte  kaum  ein  Zweifel 
seiu,  und  wir  können  daher  nach  der  Analogie  an  atypischen  Meuschcugehirnen 
das  vertieale  Stttek  der  Fuaura  pruesylvica  posterior  als  den  Reprfs«itaiite& 
des  unteren  Drittels  der  Fiiuura  praecerUralis ,  die  mit  der  Fiuura  fostae 
SjfloH  zusammenfliesst.  ansehen. 

Als  eine  Speeialität  des  mensi'lilii-lit'ii  (iehimes  sind  zwei  Fortsetzungen 
[(s'  uud  s"y  8.  Fig.  5yJ  der  Fitisura  junnut'  ISyUii  in  die  dritte  Stiruwindung,  die 


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geiüi;nobi;i!FLache. 


351 


f^ewöhnlich  als  horizontale  Aeste  derselben  bezeichnet  werden ,  anzusehen ;  sie 
kommen  dadurch  zu  Stande,  dass  da«  untere  cyliadriacbe  Randatüek  des  thieriscbea 
StirnbiraeB  doreh  die  miebtige  Entwicklung  det  aasodatoriscben  Spraeborganes 
neb  zu  einer  Doppelsobling«  verkrUmmt  und  so  Bweimal  lozusaf^n  deo  oberen 
Rand  der  g:euannten  Fnrche  emporzieht. 

Manehmai  erscheint  am  unteren  Rande  der  dritten  Stirn windiiiif^'  ein 
dritter  Kiuschnitt  («"'j  der  Fissura  fussae  Sylvii ,  welcher  als  hinterster  Theil 
der  Fittura  praesyleica  anterior  dea  Tbieres  ansmeben  ist.  Diese  letstere  ersebeint 
am  typischen  menscbliehon  (lehirne  von  der  FoHna  Sj/li-n  ^tnant  und  meist  in  zwei 
Theile  zerrissen.  An  atypischen  menscbliclicii  <:ehirnen  vereinigen  sich  öfter» 
beide  Theile  mit  dem  tetztguna unten  Einachnitte  und  diese  vollständige  Furche  (/ej 
bXngt  dann  mit  der  Fissura  fotaete  Sylvü  znsammen  und  stellt  also  deutliob 
die  Fissura  praeaylviea  anterior  des  Tbieres  dar. 

IV.  Orbitalwindung. 

Wir  beben  somit  mit  Ausoabme  der  Orbitalwiudung  sämmtUohe  Furchen 
besebrieben.  Letztere  liegt  am  menseblieben  Oebirne  (s.  Flg.  64)  grOistentbeils  an  der 

Basis  des  Gehirnes  und  ist  nach  aussen  durch  die 
mkf'ff  )  bezeichnete  Furche  und  nach  innen  von 
der  Kiechfurcbe  (oj)  begrenzt;  uacb  vorne  Hieast 
sie  mit  dem  vorderen  Rande  des  Stimpols  sn- 
sammeu  und  nach  hinten  bildet  sie  mit  dem 
scharfen  Rande  die  hintere  Grenze  des  Stirn- 
lappens  an  der  Uasis. 

Beim  Tluere  liegt  sie  swiseben  den 
frdher  genannten  sw^  Endzinken  Fiesura 
rhiualis. 

Die  Orbitalwiadiin»  'Ohj  ist  in  sehr  un- 
regelmässiger Weise  durchfurcht.  Meistens  ext- 
stirt  eine  )-(-fttnnige  Purobe  (<^J,  welebe  an- 
deutet, dass  die  Orbitalwindnng  eigentlicb  ans  den  drei  Fortsetzungen  der  drei 
Stirnfureben  besteht. 

V.  Die  Grundformen  des  äusseren  Gebirnbaues. 

Wir  können  den  eingangs  erwähnten  Grundgesetzen  der  vergldebenden 
Furchenanatomie  ein  weiteres  hitiziiftijren.  WirkiMinen  n-lnilich  den  Satz  aussprechen, 
dass  dem  Bau  der  äusseren  Fläche  der  Vierwindun;^stypus  zu  Grunde  liegt. 
Im  Parietallappen  des  Hundes  ist  dies  schon  von  Leurbt  und  Gbatiolbt  erkannt 
worden.  Wir  finden  diesen  Vierwindnngstypns  im  Stirobim  sebon  beim  Triehe(^» 
ro.tiiiaruf>  und  beim  Stier  (s.  Fig.  57  und  58)  angedeutet  und  ebenso  im  Gehirn 
des  Narwal  (s.  F\^.  65).  wo  wir  die  drei  rrwindnno;9furchen  jedenfalls  das 
centrale  Gebiet  Uberschreiten  und  in  das  Stiruhiru  eiudringeu  sehen.*) 

Am  eminentesten  ansgedrttekt  ist  dieser  Vierwindungstypus  des  8tim- 
birns  an  jenen  atypi.schen  mensobUoben  Gehirnen,  in  denen  die  o-Furche  aus- 
gebildet ist.  Nur  derartige  Gehirne  repr.lsentireri  einen  wirklichen  Vierwindungs- 
typus, weil  die  ^-Furche  einer  Urwindungsfurche ,  nämlich  einem  Theile  unserer 
marginalen  Idealfurebe,  deren  eonstantester  Repräsentant  die  obere  LnJBRT'sohe 
Furebe  im  Parietallappen  ist,  entspricht.  Wenn  der  Vierwinduogstypus  durch 
eitle  Verduppelunggfurche  in  der  zweiten  oder  dritten  Stirnwindnng  sn  Stande 
kommt,  ist  er  nur  ein  scheinbarer. 

Der  Viorwiodungstypu»  des  Occipitalhirn.s  kommt  bei  Thieren  häufig  vor. 
Gans  eminent  ersebeint  derselbe  im  Stierbim,  femer  bd  Tricheohua  rotmanUf 


'  I  l>uri  h  (las  bogeiifünnitri?  Zii>  iiniiu  iitlit  -^^-Mi  def  /'V.VAMtvj  i  ri,,/irtrr<ili,^       i  mit  (Jer 
2.  L  e  u  r  e  t'äcben  Furche  des  Narwals  int  der  Vierwiuduugstypus  des  üinterliaupte^  weniger  edataat. 


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352 


6E  H 1 RNOBEH  F  L  A  < '  HE. 


beim  Schafe  und  ist  auch  an  vieton  meaaehUehea  Gehirnen  dentiieh  Anagedrtlekt 
(8.  Fig.  58,  57,  6a,  54). 

Wenn  wir  Ton  der  Innenseite  ansgebeDd  ans  dae  Qehini  Uber  der  Achse 
des  Corpus  caUasum  (Ce)  aufgebaut  deDken,  ao  kdonen  wir  uns  daweibe  au 
einer  Reibe  von  Walzen  f^cbildet  vorstellen. 

Die  erste  Walze  besteht  aus  dem  (ii/rus  forniratua  (Ofj  mit  einem 
soboabelförmigen  Fortsatz  nach  hinten,  dem  Gyrus  lingual U  (Lg)- 

Die  aweite  Waise  Uldet  an  der  InnenflMehe  die  Innenfllehe  des  Stim- 
hima  +  Paraoentrallappen  (Pa)  -f  Quadratlappen  (Q)  -\-  Cuneas.  Zu  dieser 
zweiten  Walze  geb<5rt  an  der  Aussentläehe  der  über  der  o-Fiirche  geleg-ene  Theil 
des  Stimlappens  +  oberster  Theil  beider  Central windungeo  +  obere  HAlfte  der 
ersten  ParietalwindoDg  und  jener  Th^  der  ersten  Parietalwindnng  Oberhaupt, 
der  ttber  dem  hinteren  Drittel  der  InterparietalAirehe  liegt  +  jenes  Theiles  des 
OeMpitallappens.  der  über  der  Fissura  vifdio  lnternltH  (m^       oj  lie^t 

Die  dritte  Walze  besteht  aus  dem  unteren  Theile  der  ersten  Stirnwindung, 
weiters  aas  dem  unteren  Theile  des  oberen  Drittels  beider  Ceotralwindungen,  ferner 
ans  dem  unteren  Thdle  der  oberen  Pwrietalwindmig  nnd  ans  der  sweiten  Oed- 
pitalwindnng. 

Fif.as. 


Die  vierte  Waise  besteht  ans  dor  sweiten  Frontalwindnng,  dem  mittleren 
Drittel  beider  Centraiwindungen ,  der  oberen  HMfte  der  sweiten  Parietalwindon^ 

nnd  ans  der  dritten  Occipitalwindun?. 

Die  fUofto  Walze  besteht  aus  der  dritten  Frontalwiadung ,  dem  unteren 
Drittel  der  beiden  Oentralwindungen ,  der  unteren  Hflifte  dw  swwten  Parietal- 
windnng nnd  der  vierten  Hinterbanptswindnng. 

Als  vordere  Abbiegung  der  vierten  nnd  fQnften  (vielleieht  auch  der  dritten) 
Walze  ist  der  Orbitallappen  anzusehen. 

Formal  kann  der  ganze  .SchUU'enlappen  als  geschweifte  Abbiegung  der 
vierten  nnd  fünften  Waise  angesehen  werden.  Ob  vom  Bntwieklnngsstandpnnkte 
ans  nmgekebrt  die  dritte  und  vierte  Oeei])italwindung  als  hintere  Fortaetsung  der 
vierten  und  ftlnfteu  Walze  inclusive  des  Temporallappen-'  angesehen  werden 
mUsseu,  ist  eine  strittige  Frage.   Formal  können  die  zwei  untersten  Hinterhaupts- 


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GEHIBNOBBBFLlCHE.  —  GICHT. 


353 


windngtB  and  der  Schltfelappen  als  swei  Zweige  der  viertea  und  fünften  Waise 
angesdien  werden. 

Alle  unter  der  Fhsura  rhinalin  beim  Thiere  geleprenen  Theile  bilden  die 
sechste  Walze  mit  dem  Kiecblappen  an  der  vorderen  Spitze,  mit  den  Gebilden 
der  Fo8»a  S^mi  unterhalb  des  frontalen  und  eentralen  TheOes  der  genannten 
Farehe  und  mit  dem  Gyru»  hij^tocampi  nnd  Gyru»  fuaiformia  fF»)  am 
hinteren  Ende. 

Diese  AuBeinanderlegung  in  Walzen  wird  von  Vielen  als  ein  Jeu  d'esprit 
angesehen  werden.  Dem  ist  aber  nieht  so.  Es  ist  ein  Grandsatz  der  Biomechanitc, 
dass  eine  eylnidrisehe  Anlage  beim  Wachsen  sich  biegt,  in  einer  oder  in  verschiedenen 

Ebenen.  Da.^  thut  auch  die  Chorda  beim  Wachsen  des  frchirns.  Die  bla8enf9rmigen 
Auswüchse  machen  diese  verborgenen  V'erlflnfreriirio:en  mit  und  entwickeln  nieh 
zu  verbogenen  Walzen.  Die  ursprünglichen  Blasen  und  die  Walzen  wachsen  aber 
dnrdi  Erhebnng  mehrerer  Blasen  nnd  Walsen  nnd  diese  stellen  die  Idealwalsen 
dar,  welche  von  Tdealfiirehen  begrenzt  werden. 

Wir  haben  zum  Schlüsse  noch  die  Frage  der  Abgrenzung  der 
Lappen  im  Thiergebirn  zu  erörtern  uud  hier  gilt  es,  die  verhängnissvolle,  aus 
falschen  phrenologiscben  Anschauungen  herv  orgegangene  Lehre  Broca's  ans  der  Welt 
sn  schaffen.  Der  berOhmte  franaösisehe  Anatom  hat  am  Thiergehirne  den  grOssten 
Theil  der  übrigen  Lappen  zu  Gunsten  der  parietalen  gebr.ind^^phatzt. 

Es  war  vor  Allem  die  Ansicht  allgemein  verbreitet,  dass  der  Occipital- 
lappen  der  Thiere  unter  den  Primaten  weder  durch  Furchen  innerhalb  desselben 
g^kennzmehnet,  noeh  dureh  solche  von  den  ttbrigen  Lappen  abgetrennt  sei.  Wir 
finden  Jedoeh  an  der  äusseren  Fläche  al.<;  Binnenfurchen  die  Fissura  medto-late- 
rnUs  und  ecio-JnterfiU»  und  besonders  bei  den  Ungulaten  noch  eine  mittlere 
sagittale  Üinterbauptäturche  und  als  Grenzfurche  die  zwei  absteigenden  Theile 
der  aweitea  LBDBBT'sohen  Fmrehe,  nämlieh  das  der  Fiamra  parüt<HH!G^nt(dü 
externa  (w)  entsprediende  nnd  das  als  Fiuura  tempmralia  »leunda  beieiehnete 
Stück  der  letzteren. 

An  der  inneren  und  unteren  Fläche  finden  wir  weit  verbreitet  die 
Fiuura  retrtupltniea  als  Abgrenzungsfarehe  nnd  den  oocipitalen  Theil  der  Fvtsura 
rhinalü  als  Repräsentanten  der  Fissura  cnllntftralis  des  Mensehen. 

Aneh  die  Filsum  pariPto-occijiitiiJ is  i'iifprna  in  unserem  Sinne  und  die 
Fismrn  rnlrnrtna  finden  hitutig  mehr  oder  minder  deutliche  Repräsentanten  im 
Thiergell irue.  Als  erstere  mUääen  wir  Furchen  ansehen,  die  vom  Hdhenniveau  der 
Fissura  rstrospleniea  in  unserem  engeren  Sinne  naeh  hinten  nnd  oben  verlanfen 
nnd  als  ReprMsentanten  der  sweiten  jene  Fnrehen,  welche  im  gleieben  Nlvean 
sa^ttal  nHi-)i  hinten  verlaufen. 

Der  Temporallappen  ist  häutig  beim  Thiere  genügend  abgegrenzt,  wenn 
man  ^h  ^ne  Unie  von  der  Spitze  der  Fissura  Sylvii  sn  den  Spitzes  jener 
zwei  Absehnitte  der  dritten  nnd  sweiten  Urwindungsfnrehe  denkt,  welehe  mit 
der  erstgenannten  parallel  vcrlatifen. 

Die  zwei  Centraiwindungen  sind  oft  durch  die  als  Theile  der  Centrai- 
furche vuu  mir  erkannten  FurchenstUcke  markirt,  wobei  jedoch  die  Abgrenzung 
naeh  hinten  nnd  vom  beim  Thiere  selten  deutlieh  ausgeprägt  ist. 

Im  .Stirnbirn  der  Thiere  int  gerade  die  oberste  Ürwindnngsfurche  stärker 
markirt  ah  heim  Menschen,  wiüirend  die  Ausbildung  der  SD^-enannten  ersten  und 
zweiten  Stirnfurche  mangelhaft  ist.  Die  äussere  SupraorbitaUurche  (fc)  ist  hin- 
gegen beim  Thiergehim  als  Fissura  praesylviea  anterior  (psa)  besser  ausgebildet 
als  beim  Mensehen.  Benedikt 

GerbsSure,  Infusion  bei  Cholera,  pag.  152,  186. 

CHcht.  Arthritis  urica  (vergl.  Beal-Encydopädie ,  U.  Aufl., 
Bd.  Vin,  pag.  398  und  EncycIopAdische  Jahrb.  Bd.  I,  pag.  284).  Ueber  das  Wesen 
der  chemisch-physioiogisehen  Vorginge,  welche  bei  d«r  Oiebt  sur 

Encyclop.  Jahrbücher.  III.  23 


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GICHT. 


Ablageniiig  und  veränderten  Ausscbeidun^  der  Harnsäure  und  hürngauren  S«Ize 
fahren ,  spricht  sich  auch  in  den  letzten  Jahren  eine  Reihe  von  Mittheilun^en, 
zum  Tbeil  im  Anschlun-s  au  die  älteren  Angaben  von  Gakuuü,  Ebstein  q.  A.,  au». 

iBterenut  ist  ranlehst  die  H3rpotbe8e,  durch  welche  Robbmts*)  die 
Erklärung  dieser  Vorgänge  anstrebt.  Er  geht  davon  aus,  dass  die  Harnsäure  im 
Urin  und  Blut  in  der  Form  der  vierfach  harnsanrcn  Salze  (Q  ti  ;i  d  r  ii  r  m  t  e  1  vor- 
handen ist.  Diese  haben  die  Eigenschaft,  in  Gegenwart  von  koblensHuren  und 
phoaphonauren  Alkalien  sieh  in  doppelt  hamsaure  Salze  (Binrate)  zu  ver> 
waDdeln.  WfthrcDd  in  d«  N<»m  die  Qnadnirate  dnreh  die  Nieren  nnverändert 
ausgeschieden  werden,  nimmt  Roberts  an,  dass  bei  der  Gicht  (in  FoI<:e  eines 
krankhaften  Einflüsse'^)  diese  Salze  a  u  s  s  »•  r  ?  c  w  (Iii  n  I  i  c  h  lanfre  im  Blut 
verweilen  und  sich  dort,  bei  der  reichlichen  Anwesenheit  vou  koblensaurem 
Natrium,  in  Binrate  umsetzen.  Diese  sind  im  BlutMrum  fast  unlOslieb,  daher 
auch  durch  den  Urin  schwer  ansseheidhar ;  sie  hilufen  sich  in  Folge  desi^en  im 
Blut  an.  bis  sie  in  einem  gegebenen  Augenblick  sich  k  r  y  s  t  a  11  i  n  i  s  c  h  (in  den 
Gelenken  oder  an  anderen  Orten;  ausscheiden:  so  wird  der  Gichtanfall  erklärt. 

Diese  Ansdiaanng  hat  Robebts  tn  sttltten  gesueht  durch  eine  Reihe 
von  Versuelien  flher  das  Verhalten  von  Harnsftnre  und  L'raten  ansserliath  des 
Körpers  gegen  Blutserum  fauch  Synovia),  respectivc  eine  das  Blutserum  nach- 
ahmende „No  r  mal  flüssig  keit"  (wässerige  Lösung  von  ü^ö",,,  Natriumchlurid 
und  0*2%  Natrium- Bicarbonat).  —  Die  Ergebnisse  waren  den  fUr  den  Organismus 
hypothetiseh  angenommenen  Verhiltnissen  analog:  So  erwies  sieh  Natrinm^Biomt 
in  Blutserum  und  Normalflflssigkeit  beinahe  unli^slich :  ebenso  änderten  sieh  einige 
Präparate  von  incnistirten  gichtischen  Gelenken  durch  Behandlung  mit  diesen 
Flüssigkeiten,  selbst  nach  monatelanger  Einwirkung,  niubt.  —  Dagegen  wurde 
Harnsäure  von  Normalflassigkeit ,  Blntsemm  und  Synovia  leicht  auf^Ufst  (als 
Quadrurat),  aber  nach  einer  gewissen  Zeit  (in  Biurat  Ubergehend)  in  nadelfSrmigen 
Krystallen  wieder  ansgescliicdcn  :  noch  schneller  lösten  sieh  Quadrurate.  —  Be- 
schleunigt wurde  hierbei  die  Losung  (der  HarnsUurc,  respeetive  (^uadruratc)  durch 
gesteigerte  Alkalescenz  der  Flüssigkeit,  und  ihre  Umsetzung  und  Auascheidung 
durch  höhere  Temperatur  und  besonders  durch  Steigerung  des  Ilamslnregebaltefl. 
—  Von  zugesetzten  Salzen  waren  fllr  die  Ausscheidung  beschleunigend  Natrium- 
und  Kalksal/.e.  ohne  Wirkung  Salze  von  Kalium,  Lithium  und  .Magnesium,  ver- 
langsumeud  Chlorkaliuui. 

Längere  Untersuchungen  Uber  HarnsKureausscbeidung  bd  Ocannden  und 
Gichtkranken  hat  ferner  E.  Pfkifkek  angestellt  und  neuerdings  dabei  auch 
namentlich  berücksiehtijrt .  dass  zur  Bestimmung  der  ( Jesamiutaus^cheidiin?  der 
Harnsäure  die  bisher  Übliche  HElNTZ'sche  Methode  (mittelst  Salzsäure)  als  unzu- 
verlässig erkannt  ist  und  nur  die  SALKcywKi'sohe  (mit  salpetcrsanrem  Süber) 
branchbar  erscheint.  Unter  Anwendung  ietsterer  hat  er,  wie  er  in  einer  susammen« 
fa,«Henden  Mittheilung 'i  kürzlicli  ausfuhrt,  neu  bestätigt,  d.iss  fmit  Gakrod)  bei 
dem  Gichtkranken  eine  Verminderung  der  H  a  r  n  s  .'i  u  rea  u  s  s  c  h  e  i  d  u  n  g 
gegen  die  Norm  besteht.  Doch  ist  dieses  Verhältniss  (wobei  Berücksichtigung  dcji 
Alters,  Berechnung  der  Harusäuremenge  auf  100  Kilo  KArpe^wicht  n.  A.  betont 
wird)  nur  im  frischen  Stadium  der  Krankheit,  und  zwar  in  den  freien 
Pausen  zwischen  den  acuten  Anfallen  deutlich,  während  bei  der  chronischen 
Form  der  Gicht,  mit  ausgesprochenen  Ilarusäureablagerungeu,  die  Harnsäureaus- 
scheidung  vermehrt  gefunden  wird.  Die  Harnsäurebfldnng  ist  nach  Pfbtffek  im 
acuten  Stadium  als  nicht  vermehrt,  dagegen  im  chronischen  Stadium  als  gesteigert 
anzunehmen.  —  Gleichzeitig  findet  sich  aber  in  beiden  Stadien  die  H  ar  n  s  tof  f- 
a  u  s  s  c  h  e  i  d  u  n g  vermindert,  so  das-;  der  (lesammtstofTwerhsel  sich  als 
schlecht,  kachektisch  kennzeichnet.  —  Eine  Harosäurestauung  (im  Sinn  von 
Garbod  u.  A.)  kann  nach  Allem  nicht  angenommen  werden. 

Ms  hanptsncblichesCharakteristicumfiHrden  Gichtkranken  erklärt PfKIFFER 
die  „leichte  Ausscheidbarkeit^'  der  im  Urin  enthaltenen  Hamsänie.  Die 


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GICHT. 


355 


„freie"  oder  ,,lose  gebuDdene"  Ilarnsfture  wird  dabei  nach  der  Ldelitigkcil 
taxirt ,  mit  welcher  die  duri'h  SalzsUurc»  fällbare  Harnsäure  dem  T'rin  mittelst 
FiltriruDg  durch  ein  mit  reiner  ilarnsAare  bedecktes  Filter  eutzogeu  wird.  Wäh- 
rend dies  beim  Gesunden  für  100  Ccm.  Urin  erst  bei  höheren  Mengen  (2 — 3  Grm.) 
Hamaftnre  ge«ehieht,  soll  dasselbe  in  den  msistra  Pillen  yon  Gieht  sohon  bei 
Quantitäten  von  0*2 — 0*5  Grm.  eintreten,  am  auffflllig-aten  bei  Anwesenheit  harn- 
saurer Nierensteine.  Im  frischen  Stadium  der  Gicht  soll  während  und  unmittelbar 
naeh  den  acuten  (lichtaufällen  die  ilarusäure  im  Urin  ganz  oder  grösstentheiLs 
gebunden,  in  den  gesunden  Pnnsen  meistens  ganz  oder  fast  gnns  frei  sein. 

Ftlr  die  den  acuten  Giehtanfall  zusammensetzenden  Beschwerden 
(EntzünduiifT,  Schmi-rz '  sieht  Pfkiffer  nicht  die  un!r>sliche  Harnsiiuro  (GAHttOD), 
sondern  im  Gegcntheil  lin  Ähnlicher  Weise  wie  l'IbäTClN,  vergl.  Eaoyclopädisobe 
Jahrbfleher,  Bd.  I,  pag.  284)  die  gelöste  Hnrnsftnre  als  Scbidlicbkeit  nn. 
Er  weist  diaranf  hin,  dass  subcutane  Injeetion  einer  Aufiiehwemmnng  von  unge- 
löster Harnsäure  erst  nach  längerer  Zeit .  wenn  beginnende  Lösunj?  anzunehmen 
ist,  lleixcrscheinun^en  macht,  und  dnan  letztere  durch  Einführung  von  Alkalien, 
welche  die  Lüsung  erleichtern ,  beschleunigt  werden  können.  Hiermit  steht  die 
dureh  neue  Hamsftnrebestimmungen  bestitigte  Erfahrung  im  Einklang,  dass  im 
acuten  Glcbtanfall  die  HarDBAureausHcheidun^  nicht  vermindert  (Gärbod),  sondern 
vermehrt  ist.  —  Nach  Allem  g;laubt  i'FElFFKR  den  acuten  Gichtanfall  am  besten 
zu  deßuiren  als  „einen  durch  gesteigerte  Alkalescenz  des  Blutes  und  der  Säfte 
bewirkten  Resorptionsvorgang  von  Harnsivremengen,  welehe Torber 
in  Folge  von  mangelhafter  Alkaleseenz  der  Körpersflfte  oder  von  SAuernngs- 
Processen  abtrela°rert  worden  waren". 

Die  im  Vorstehenden  betoute  Auflassung,  dass  in  der  leichten  Ausfäll- 
bark^t  dnm  Tlidles  der  im  Urin  enthaltenen  Harnsäure  einCharakteristicum 
fDr  die  Gieht  liege,  ist  von  gewiehtlgen  Smten  bestritten  worden,  namentlidi 
vou  KdtsKRTs')  lind  von  Ebstkin  ' i ,  welche  nach  umfangreichen  eigenen  Unter- 
suchun^'^ri'ihen  diese  N  i-rhilltnisse  theil.s  in  ähnlicher  Weise  bei  (Jesunden  ,  theils 
in  sehr  ineonstanter  Art  bei  Gichtkranken  ausgesprochen  gefunden  haben.  — 
Naeh  Pfriffbr  sind  swar  diese  Dtflbrensen  snm  Thdl  auf  die  Versuebsanordnung 
und  die  Wahl  der  Kranken  zurückzufilhren ;  doch  bleibt  die  vorliegende  Vtt^ 
immerhin  noch  weiterer  Diseussion  bedürftiir.  Allerdinfrs  hat  auch  eine  Reihe  von 
Beobachtern  I'friffkr's  Angaben  bestätigt  (vergl.  z.  B.  Nr.  5  und  10). 

Unter  Letzteren  ist  CSambrbr*)  su  nennen,  ans  dessen  Mittbeilnng  im 
Uebrigen  erwähnt  sei,  dass  er  far  die  ErklAmng  des  Wesens  der  Gicht  sich  der 
Annahme  einer  II  a  r  n  s Ii  ii  r  e  r  e  t  e  n  t  ion  anschliesst ,  dabei  aber  hervorhebt, 
dass  die  tägliche  Quantität  der  letzteren ,  um  die  Bildung  der  Harnsäureablage- 
rungeu  zu  erklären,  eine  nur  minimale  zu  sein  braucht.  —  Derselbe  stellt  in 
Bezug  auf  die  Aetiologie  der  Gieht  den  obronisehen  Alkobolismus  obenan, 
wobei  die  Monge  des  täglich  genossenen  Alkohols  keine  grosse  zu  sein  Ivaneht; 
einen  Gichtkranken,  der  nie  Spirituosen  genoss,  will  er  nicht  gesehen  haben. 

Von  anderen,  die  Aetiologie  der  Krankheit  betreffenden  neuen  An- 
gaben sei  eine  Mittbeilnng^)  angeführt,  welehe  die  Arttbere  Annahme,  dass  die 
Gicht  sich  vorzugsweise  auf  die  jüngeren  Kinder  vererben  soll,  nach  Prüfung 
an  '.i2  Füllen  für  zweifelhaft  erklärt:  I2m:il  war  das  ält-^ste  Kind,  (Jmal  das 
jüngste  Kind  und  14mal  mehrere  Kinder  ohne  deutlichen  Unterschied  der  Geburt 
befatlen.  Nur  schienen  allerdings  die  jüngeren  Rinder  frühzeitiger  and  mit 
schwererer  Form  zu  erkranken.  —  Eine  andere  Mittbeilnng')  erklärt  das  Vor- 
kommen der  (licht  bei  Frauen,  unter  Anführung  von  12  bezflglieben  Kranken- 
geeohichten,  Ulr  weniger  selten,  als  allgemein  angenommen  wird. 

In  Bezug  auf  den  Zusammenhang  von  Arthritis  mitLuugen- 
tuberkulose  bestätigt  8okoi>Owsei *)  die  bereits  von  anderen  Beobaobtem  fest- 
gestellte Thatsache,  dass  auf  Gmnd  der  barnsauren  Diathese  tuberkulöBc  Lungen - 
processe  sich  entwickeln  können,  welehe  sich  dureh  iliren  protrahirten  Verlauf, 

23* 


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356 


GICHT. 


dvreh  don  ICangel  an  Fieber  und  durch  aufTallcnd  geringe  subjective  Beschwerden 
auszeichnen  und  somit  im  Allgemeinen  die  Ctiaraktere  der  „fibrösen  Form"  der 
Lungentuberkulose  tragen.  —  Umgekehrt  entwickelt  sieb  aber  auch  nicht  selten 
irthiiliiebe  IMatteee  tnf  dem  Bodw  einer  geheilten  oder  sehr  chronisch  ver- 
laufenden Lungentuberkulose.  Den  Omnd  hierftlr  sieht  BOKOLOWSKt  hanptslehUoh 
in  der  reichlichen  Zufuhr  beträchtlicher  Eiweissmen^en ,  besonders  der  Milch, 
bei  :^o1cheD  Kranken  und  den  daraus  sich  häufig  entwickelnden  Verdauungs- 
ätöruDgeu. 

Aus  der  SyatploinatoloKie  der  Oieht  erinna«  Pfbiffbr^  an  die  söge- 
naniiteo  „HEBESDEN'Rchen  Knoten"  (erb8enförmi<re,  durch  Knochenwnoherung 

hervorgebrachte  Verdickungen  am  Gelenk  zwischen  2.  und  3.  Fingerpbalanx)  und 
die  Streitfrage,  ob  diese  als  Zeichen  der  Arthritis  aufzufassen  sind.  Er  schliesst 
sidi  der  bejahenden  Antwort  neuerer  Beohaoihter  an.  Naeh  seinen  Brfahmngen 
beginnt  die  Affectiun  mit  einer  allgemeinen  Anschwellnng  der  betreffenden  Ge- 
lenke, meist  mit  Schmerzhafti?:keit  verbunden ;  sie  kommt  am  häufigsten  jenseits 
von  50  Jahren  und  bei  Frauen  vor,  oft  ist  Erblichkeit  nachweisbar;  im  l'rin 
fand  sich  bei  den  bezüglichen  Fällen  das  für  Gicht  charakteristische  Verhalten 
der  Hamtlnre.  Dass  die  in  Frage  stehenden  Personen  oft  keine  OiehtanflUle 
gehabt  hatten,  ist  nicht  von  entscheidender  Bedeutung.  Pfeiffer  hllt  daher  das 
besprochene  Leiden  für  ausschliesslich  orichtischer  Natur;  er  stellt 
dasselbe  als  charakteristisches  Symptom  neben  die  typische  Erkrankung  des  Gross- 
sehengelenkee  und  schiigt  fDr  dasselhe  die  Besdebnung  ,^Giebtf Inger** 
vor.  Er  betont  noch,  dass  bei  den  durch  chronischen  Gelenkrheumatismus 
erzeugten  Deformirungen  der  Finger  die  hier  ergriffenen  Gelenke  ausnahmslos 
vorschont  bleiben. 

FUr  die  Behandlung  der  Gicht  stimmen  auch  die  neuesten  Beobaehter, 
trets  abweieb«ider  Anstauungen  fl1>er  das  YOTbaUnn  der  Hamslure  im  giehtisehen 

Körper,  bis  zu  einem  gewissen  Grad  in  der  Bedeutung  llberein.  die  der  Verab- 
reichung: von  Alk  allen  beipeleg:t  wird,  dureli  welche  die  abnorm  sieh  aiHscheidende 
Harnsäure  „gebunden"  werden  soll.  —  Auch  dass  diese  Verabreichung  am  boitcn 
in  Form  von  Trinkwässern  gestiebt,  ist  demlieb  allgemdne  Annahme.  Von 
gewisser  Seite  ist  zu  diesem  Zwecke  neuerdings  bes<»nders  das  WiesbadeiuT 
Giehtwas'-t'r"  'mit  doppeltkohlensaurem  Natrium  vtrsct/ter  Wiesbadener  Koeh- 
bruunen)  eiupfuhku  wurden.  '<>)  Doch  wird  die  Anwendung  desselben  ^wic  auch 
der  künstlich  oorrigirten  Brunnenwässer  flberbaupt)  von  einer  Reihe  von  Beob- 
achtern au  Gunsten  der  natttrlichen  Quellen  zurflekgewiesen  ;  es  wird  dabei  betont, 
dass  es  sich  bei  der  Behandlung:  der  harnsauren  Diathese  nicht  nur  tim  Ver- 
minderung: der  Aciditflt  der  Körpersflftc  und  des  Krina ,  sondern  besonders  um 
Lüsuog,  Diluiruu^  und  Entfernung  der  harnsaureu  Salze  handelt.'')  —  Unter 
den  natttrlichen  Quellen  wird,  neben  Vichy  und  anderen  allgemein  bekannten 
Brunnen,  neuerdings  auf  das  Fachinj^^er  Wasser  besonderer  Werth  SPle?t. 

In  Bezug:  auf  die  diätetische  Behandlung:  der  Gicht  sind  die  oben  anse- 
iührten  Angaben  Pfeiffer'»,  wenn  sie  allseitig  bestätigt  werden,  geeignet,  der 
eiweissreiehenKabrung,  wdehe  froher  wegen  der  Besorgniss  einer  Steigerung 
der  Hamsäurebildung  im  Allgemeinen  bei  der  Krankheit  verpönt  war,  bei  ihr  das 
Wort  zu  reden.  Da  nadi  die<eii  Ausführung:en  <iiit'  etwaige  Vermehrung  der 
eireulireuden  Harnsäure,  weun  nur  für  nöthige  Hindung  derselben  gesorgt  wird, 
dem  Körper  keine  Gefahr  bringt,  auf  der  anderen  Seite  aber  die  Verminderung 
der  Hamstoffaussebeidung  ein  dauerndes  Daniedwliegen  des  Stiekstoffweebsels  bei 
dem  Gichtkranken  beweist,  so  erscheint  hiernach  die  reichliche  Zufuhr  von  Albnmi- 
naten  (neben  mögliehster  Beschränkung  der  Kohlenhydrate,  welche  die  Bildunir 
freier  Harnsäure  begünstigen  können)  bei  der  Ivraukheit  indicirt.  —  Doch  hat  die 
Hebraahl  der  Beobachter  sich  dieser  Anschauungsweise  bisher  nieht  angesdilosten. 

Von  sonstig«  II  Medicanienteu  wird  neuerdings  die  Milchsäure  zu 
2*0  Grm.  tiglich,  wiederholt  3  Wochen  lang  gebraucht,  als  Prophylactieum  gegen 


GICHT.  —  GIFTPOLIZEI.  GIFTVERKEHR. 


357 


die  GiclitaDfälle  freriihmt  i-),  ferner  der  frObseitige  Gebraaeh  von  Jod  und  seinen 
äalzou  besonders  empfohlen.  ^) 

Ancb  ist  die  Elektricitftt  zur  Beförderung  der  Rückbildung  gich- 
tiscber  Loealerkranknngen  Angewendet  worden:  80  sah  H.  Mbtbr)*)  gttnitigen 

Einfluss  der  peroutanen  Galvanisation,  ausser  bei  anderen  oberfläcb liehen  Ge- 
Hchwülaten ,  auch  bei  arthritischen  Ablaprerunfrcn  in  den  Extensorenschoiden  der 
Hände.  Ferner  ist  zu  diesem  Zweck  die  Eiufuhruug  von  Lithium  in  den  Körper 
anf  dem  Wege  der  „etektrimdien  Endosmoee*  venueht  worden.  Dnreh  Vor* 
versuche  wurde  constatirt,  daes  ein  Mensch,  welcher  die  eine  Hand  in  ein  Gofftss 
mit  Litbiumchloridl^Btiii^ ,  die  andere  in  ein  solches  mit  Kocbsal^Iösune:  tauchte, 
während  Ersteres  mit  dem  positiven,  Letzteres  mit  dem  negativen  Pol  eines 
elektrischen  Stromes  verbunden  war,  naoh  einigen  Standen  Lithiam  im  Urin 
zeigte.  Dureli  dieselbe  VerBuchsanordnung  wurde  bei  Besteben  von  sobmerzhaften 
pichtischen  Anschwellunfren  der  Fingergelenke  schnelle  Abnahme  von  Schmerz 
und  Schwelluog  erreicht.  Weitere  Erfahrungen  Uber  solche  Erfolge  sind  ab- 
zuwarten. 

Lit»ratvr:  ')  Roberts,  A  eontribution  toth$  ^emütrif  of  Oout.  Mmä.'tikirvrg. 

Transact.  l><9r>.  LXXIII.  pag.  .H3<».  —  ')  E.  Pfeiffer,  üeber  Harnsäure  und  Gicht.  Berliner 
klin.  Wucheimhr.  Is92,  Nr.  Ib.  17.  19,  2U  und  22.  —  Vergl.  auch:  Dorsel  he,  Die  Natur 
and  Behandlung  der  Gicht.  Verbaodl.  des  VIII.  CongreMes  f.  innere  Med.  Wi^-sbaden  1889, 
pag.  166.  —  Derselbe,  Die  Gicht  und  ihre  erfblgreidie  Behandlnng.  II.  Aufl.,  Wiesbaden 
11591.  —  ■)  Roberts.  On  Pfeiffer' a  Uat  for  latent  Gout.  Lanoet.  1890,  Jannar  4.  — 
*)  K  1)  s- 1  e  i  n  ,  Heiträge  zur  Ltehre  von  der  hurii.-imrcti  Diatliese.  Wic'sbaden  1891.  —  C  amerer, 
Zur  Ltfhre  von  der  Uamsüure  und  tiicbt.  Ueut.^che  med.  Wocheuschr.  1881,  Nr.  10  a.  11.  — 
*)  Tylden,  Hertditf  ofOrntt.  8t.  Bartholom.  Hospit.  Reports.  1890,  pag. 268.  —  Banden, 
Diathis''  ifiitttfu^fi  rfifT  Iii  femme.  Gaz.  hebdomad  1891,  Nr  'V.\.  —  *)  Sokolowski, 
Einig«  Bemerkungen  über  den  Zusammenhang  zwischen  der  ai tliritisrhen  Diathese  und  der 
Lungentuberkulose.  Deutsch.  Arch.  f.  klin.  Med.  1891,  XLVII,  pag.  ,%8.  ~  ®)  E.  Pfeiffer, 
Gicbtflnger.  Berliner  klin.  Wochenacbr.  1891,  Nr.  15-  —  *")  Mord  ho  rat.  Zur  Diagnose  nnd 
Behandlnnir  der  Gicht.  Yerhavdl.  doe  X.  Congreaaes  f.  ianere  Ifed.  ▼iesbaden  1891,  pag.  443. 

"l  Fürst,  Künstlich  rorrigirte  oder  natürliche  Mineralwässer  in  der  Therapie  der  „ham- 
>*anren  Diathese".  Deutsche  Med. -Ztg.  ]>^9l,  Nr.  73  u.  74.  —  '*)  B6renger-  Ferand,  Xote 
sur  l'euijiloi  de  V neide  lactique  cumme  moi/en  prophylactique  des  (ittaqnes  de  Goutt«.  Boll, 
de  Therapie.  1891.  -U.  Decemb.  —  ")  M.  Meyer,  Ueber  die  Zertheilung  von  Geschwülsten 
durch  percutane  Galvanisation.  Berliner  klin.  Wochenachr.  ISIMJ.  Xr.  80.  —  '*)  Edi.-^on. 
l'eber  Versnche  zur  Heilung  gichtischer  Ablagerungen  durch  Anwendung  der  elektri>chen 
Endoamoae.  Wiener  med.  BUtter.  1890,  Nr.  34.  —  Variot,  Nouveau  traitement  dt  la  (inutte 
par  Edigan.  Gas.  mÜ.  de  Paria.  1890.  Nr. 49.  Riess. 

Gicht  .satiiriiitic,      Blei,  p;i^'.  1  Iti. 

Giftpolizei,  Giftverkehr,  lu  den  meisten  Ciilturländcrn  sclircibeu  die 
Laiideagesetze  vor ,  welche  besondere  Gcnebiuigiiugea  zum  ilaudel  uuU  Vorkehr 
mit  Giften  erforderlich  sind  nnd  au  welchen  Zwecken  Gifte  uod  ihnen  Shnlich 
SOhSdlicb  wirkende  Sub.stanzen  nicht  in  der  Industrie  ani^owundt  werden  dürfen. 

F.illcn  die  letzteren  Bestimmungen  meistens  in  den  Bereidi  der  Nahrunurs- 
uiittel-  und  der  ibaen  verwandten  Gesetze,  so  gehören  auf  der  anderen  Seite  die 
den  Schädigungen  dnrch  mangelhafte  VerkftUflibeinfsichtiguDg  entgegenwirkenden 
Vor.schriften  im  cunreren  Sinne  dem  Kreise  der  Medicinalpolizei  en.  Dieae  bestimmt 
zuniielist  die  Vorsicht-sinassrefreln,  welche  f(lr  die  Aufbewahrung  und  .Ahiralie  der 
directeu  (iifte  iu  den  Apotheken  bei»l)achtet  werden  müssen:  (Iii-  Minriehtutig 
der  GiftkammerD,  Ilauptgiftsehräuke,  liilfs-  oder  Neben-  (Auxiliar  ;  (uft^chrilukchen, 
die  Festij^keit  und  den  Versehlnaa  der  Gif^refflsse,  die  Giftsif^nfttaren  auf  den 
leizteren.  wie  auf  den  Innen-  und  Ausseiiil  iiren  der  .^ciirilnke  und  Kümmern,  die 
(«ift-seheine  (Kevcr.sei  bei  der  Abfjabe  und  ilir  Formalitilten  tilr  diese  wie  filr  die 
Verpackung,  die  Kintragung  in  fortlaufend  zu  fubrendc  Uittbiieber,  aus  welebeu 
unter  Anderem  hauptsflchlich  die  PeraAnlichkeit  des  Ablangenden  und  des  Ver- 
abfulgers  des  Hifte-i  ersichtlich  Bein  rauss. 

l'iir  (liMitsebe  und  niitteleuropaisclie  VcrlifUlnisSö  haben  sii'h  die  nach* 
8  eheuUeu  Auturderungcu  als  probugiltig  herausgestellt: 


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GIFTPOLIZEI.  GIFTVERKEHR. 


Dirccte  Gifte  dürfen  lediglich  inabgesehlosBeneo  Rftnmen  innerhalb 
fester  GefUsse  aufbewahrt  werden. 

Die  Oeflase,  welche  Gifte  enthalten,  sind  in  yersehlonenea  Behilt- 
niaBcn,  nnd  cwar  derart  aufzustellen,  dags  jede  der  fuuf  Arten  Gifte  in  einem 
besonderen  verschlossenen  BehaltnisKe  stellt .  sie  sind  mit  einjrebrannter  oder  in 
Oelfarbe  ausgeführter,  ihrem  Inhalte  entsprechender  Signatur  in  Weiss  auf 
schwarzem  Grande  Sil  versehen. 

Der  Phospkor  muss  in  rtarken  Oläaem  aufbewahrt  werden,  die  mit 
pl.tscrnem  Stöpsel  vcrsehlossen  und  reichlich  Wasser  enthallend,  in  Kapgeln  aus  Eisen- 
blecli  mit  Sand  umschüttet  einzustellen  und  so  innerhalb  (unes  feuersicheren  Mauer- 
üchrankobens  im  Keller  hinter  versohlossener  eiserner  ThUre,  gänzlich  ieolirt  von 
allen  flbrigen  Mitteln,  avfsnbewahren  sind. 

Fflr  jede  der  fünf  Arten  Gifte  ist  besondereK  Dispensirgreräth  zu 
beschafTen .  welss  anf  sohwars  sn  signiren  und  bei  den  betreflfienden  Giften  anf- 
zube  wahren. 

Die  ftlnf  Arten  der  direeten  Gifte  dflrfen  nur  gegen  Gift  seheine 
verkauft  werden  und  nur  die  sur  Vertilgung  von  Ungesiefer  dienenden  Zuberei- 
tungen auch  an  Personen,  welche  nicht  zu  den  sogleich  aufzuzahlenden  (Tcwerbe- 
treibenden  zühlen,  wenn  solche  Personen  dem  Verkäufer  als  zuverUtssig  bekannt 
oder  durch  die  zuständige  Ortspolizei  legitimirt  sind.  Andere  Giftpräparationeu 
dflrfSsn  aber  nur  abgegeben  werden  an  (in  gleicher  Weise  legitimürte)  Kauflente, 
Apotheker,  Fabrikanten,  Eflnstler  oder  Handwerker,  die  solehe  Waaren  au  ihrem 
Gewerbe  benöthi^en. 

Die  Giftsobeiae  (Giftreverse)  mUsseu  vom  Verkäufer  mit  Nummer  und 
Untorsehrift  versehen,  in  ein  ordnungsmSssiges  Gift  buch  eingetragen  und 
flbersichtlich  aufbewahrt,  auch  mit  dem  Giftbuche,  welches  alle  Daten  des  Gift- 
eeheines abschriftlich  und  übereinstimmend  ZU  enthalten  hat,  den  etwaigen  Be- 
Visionscommissionen  vorgelegt  werden. 

Alle  Güte  müssen  der  abholenden  PersSnliehkeit  (niemals  jedoch 
Kindwn  und  unsuverlisaigen  Erwadwenm)  im  festen,  gut  verschlossenen,  ver- 
siegelten .  mit  dem  Namen  des  Giftes,  dem  Zusatie  „Gift^'  und  drei  schwarzeu 
Kreuzen  versehenen  Gefitsson ,  niemals  in  Papierhüllen,  ausgehändifct  werden. 

Ferner  lässt  die  Medicinalpolizei  (von  gewerbepolizeilichen  Beschränkungen 
abgesehen)  ausserdem  m  den  meisten  Ländern  den  Tblerärsten ,  welche  för  den 
Gebrauch  in'  der  eigenen  Praxis  Gifte  führen,  und  den  ärztlieben  Hausapotheken 
eine  Berücksichtig'unjr  aniredeihen.  AuRtlnh-klicber  (icnchn  if^nnL'en  zum  Handel  mit 
Giften  bedürfen  nicht:  Besitzer  von  Berg-  und  Hüttenwerken,  welche  Gifte 
gewinnen,  Besitzer  chemiseher  FabrikMi. 

Was  nun  die  Definition  des  Begriffes  „Gift"  anlangt,  so  liegt  die 
Schwierigkeit  weit  weniger  auf  demjenigen  Theilgebiete  der  (iifte .  welche  als 
dirccte  G  i  fte  allerwegen  benannt  und  anerkannt  werden  (Tab.  ß  der  dcutscbeu 
Arzneibücher  und  Pbarmakopöen).  Es  gehören  hierher : 

1.  Alkaloide  und  deren  Salse:  Aconitin,  Atropin,  Cantiiaridhi, 
Goniin,  Digitalin,  Strycbnin.  Vcratrin  und  ähnliche; 

2.  Arsen  und  dessen  Verbindungen  :  Arsensäure,  arsenige  Säure,  arsenik- 
haltige  Anilinfarben,  arsenhaltige  sonstige  Farben  (Auripigment ,  Kaiser-  und 
Mitisgrfln,  Papageigrün,  Realgar,  Scheersehes,  Sehwedisdies  und  Sehweinftoter 
Grfln,  Wiener  Grttn),  ferner  Cosme'sdies  Pulver,  Ftiegenpapier,  Fliegenwasser  etc. ; 

3.  Cyanata  fßlausSure  und  deren  Salze,  blausänrehaltige  Stoffe), 
Cyanquecksilber,  Oyankali,  Cyanzink,  Fiittermaodel-  und  Kirschlorbeeröl  \ 

4.  Phospbor  und  die  daraus  bereiteten  Ungeciefergifte ; 

5.  Queck  Sil  her  Verbindungen  (nicht  das  regulinisebe  Qneekdlber), 
also  atzendes  Quecksilberchlorid  oder  Sublimat,  rothes  und  gelbes  Jodquecksilber, 
weisses  (^uecksilberpr.Hcipitat,  rothes  Quecksilberoxyd  .  salpetersaures  Quecksilber- 
oxydul ,  priieipitirtes  Quecksilberoxyd,  basisch  schwetelsaures  QuecksilberoJtyd. 


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6IFTP0LIZEI,  OIFTVERKEHR 


359 


VoD  differuuten  Stotfeu,  deren  Aulbewabrung  und  Abgabe  besonderen 
ItesdiflnkuDgeD  untenrorfea  m  werden  pflegt,  seien  genannt: 

a)  Alkalien,  Laugen,  wteKalinm,  Aetxkali,  Aetskalllange,  Natrinm, 
Aetsnatron ,  A  e  t  z  ?)  n  t  r o  n  I  <i  u  g:e . 

hl  Mildere  Alkaloide  und  deren  Salze:  Morphin,  Codeln,  Narceln 
und  llbnliuhe. 

c)  A  ntiroonTerbindnngen,  in  erster  Reihe  Breehwdnsteb  nnd  Spieas- 
glaosbutttr 

<i  I  H  1  e  i  Präparate  und  bleihaltige  Farben,  nU:  Rlcicssit^ ,  Bleiglätte, 
Rleigelb ,  Uleiweiss ,  Bleizucker ,  Jodblei ,  Mennige  und  die  Chrumverbindungen 
(ehromsaares  Bleiosyd,  Chromgelb,  Chromoraogei  Chromroth). 

ej  Brom  vcrbindangeOf  Bromkali  u.  a. 

/ i  V'(in  sonstigen  Drogen  ( respective  deren  K^^iiren  ,  Extrakten, 
Pulvern,  isüftou,  Tincturen ,  Weinen):  Anacardia,  Aq.  amygdalarum  amararum, 
Aq.  Laurocera«!,  Cantbarides,  Cardol,  Gbloroformiam,  Cbloralum  bydrat.  crystall., 
Euphorbinm.  Faha  calabariea,  Faha  St.  Igaatüf  FoUa  Belladonnae,  Pol.  Digitalis, 
Fol.  Hyoscyami,  I'ol.  Strammonii,  Fol.  Toxicodendri,  Fructus  Colocynlhidis,  Fruct. 
Sabadillae ,  fJutti,  Herba ,  Aconiti,  H,  cicutae  virosae,  H.  conü ,  H.  gratiolae, 
CreoBotuni,  Natron  Huntonicuni,  Mitrobeozolum,  Oleum  Sabiuae,  ül.  sinapis,  Opium, 
Radix  Relladonnae,  Rad.  Hellebori  viridis,  Rad.  Ipecaenanhae,  Rhixona  Veratri, 
Sautoniuum,  ^^emen  Cocculi  iudici,  Sem.  Colcbiei,  Sem.  Hyoscyami,  Sem.  Stram- 
monii,  Sem.  Stryrlmi,  Snnimitates  Sabinae,  Tubera  Aconit!,  Tab.  .Talapae. 

Diese  bet'iig  wirkenden  Stoffe  (sowie  die  ihnen  übnlichen)  dUrfen  nur  in 
eigenftt  Riameo  oder  in  abgeschlossenen  dgenen  Behältern,  jedoch  keinesfalls 
Knsammeo  mit  einem  der  directen  Gifte  (ad  1 — 5),  sogleich  in  festen  (Stand-) 
(iefilHsen,  die  eine  mit  Oelfarbe  ausgeHlhrte  oder  eingrebraiintc  Signatar  — 
roth  auf  weissem  (»runde  —  zu  filhreo  haben,  aufbewalirt  werden. 

Ihre  Abgabe  geHcbiebt  zwar  ohne  Giftscheiu,  aber  nur  an  Personen, 
welche  als  snverlissig  bekannt  oder  l^timirt  tind  (resp.  nur  auf  Irztliehes 
Recept)  und  jedenfalls  unter  guter,  den  Namen  des  Stoffes  tragender  Umhnllung. 
Kifie  Ausnahme  machen  die  eoneentrirte  Aetzlaugc ,  die  eoneentrirte 
Schwefel-  und  Salpetersäure,  welche  nur  iu  festverächlossenen  Getilssen  unter 
Giftbezeiehnuog  and  (in  Quantitftten  von  unter  500  Grm.)  gegen  ordnungsmässigen 
Giftsehein  absngeben  sind. 

l'jne  grosse  Lüeke  im  Bereiche  der  geschilderten  Vorsichtsmassregeln 
bildet  der  internationale  Gift  verkehr  insofern,  als  Jedermann  sich  unter 
Voranssetzung  geeigneter  Verbindungen,  z.  B.  aus  England,  unbegrenzte  Quantitäten 
der  cehflrfsten  Steife  und  selbst  direeter  Gifte  versehsffwi  kann.  Eine  Regelung 
ist  öfter  verlangt  worden,  steht  indess  noch  aus. 

In  den  iJlndern,  in  welcheu  —  wie  in  Preussen  —  der  (Jirthaadel  au 
eine  pulizeiiichc  Concession  gebunden  ist,  haben  locale  BeuUrfuisse  (Uber  welche 
dann  die  Stadt-  nnd  Kreisanssehflsse ,  nnter  ümstAnden  aoeh  die  Landrftthe  zn 
beenden  haben)  oft  ganz  besonders  strenge  Anfsicbtsbestimmangen  erforderlich 
gemacht,  haupts.'ichlich  um  den  Vertrieb  der  Gifte  und  indifferenttn  Stoffe  auf 
dem  Wege  des  Klciudrogisten-  und  Materialwaarenhaudels  uuüchädlicher  zu  ge- 
stalten. In  dieser  Hinsteht  verdiMe«  als  bospielgebend  besonderer  Eririttinnng 
die  Specialvorschriften  far  die  Rhanprovins  nnd  fOr  Pommern ,  besonders  aber 
aneh  die  für  Schleswi°:-Holstein. 

In  solchen  Special  Vorschriften  wird  dann  das  Halten  besonderer  VVaa^r- 
»■chalen  (auch  Gewichte),  eigener  Löffel  ete.  fflr  jede  Art  differenter  Stoffe,  auch 
Aofbewidurangsweiseo,  Verpaeknngen,  Abgabebesehrinknngen  in  der  Weise  spceifi- 
eirt,  dass  dieselben  den  über  directe  Gifte  bestehenden  nahekommen.  Auch  werden 
neuerdings  in  solchen  allgemeinen  (Provinzial  )  Polizeiverordnungen  Verbote  bezüg- 
lich der  Verwendung  giftiger  Farben  ausgesprochen,  auch  die  Herstellung  bedenk- 
licher Verpackungen  zn  Nahrangs-  und  Gennssmitteln  aasdrfleklieh  nntersagt  und 


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300 


OiVTPOLIZBr,  OIFTVBBKBHB. 


▼orj^hrieben  f  wie  weit  Oifte  (und  wdehe)  cum  Gebrauche  gegen  Ungeziefer 
abfegeben  werdm  dflrftn. 

In  Frankreich  hat  mau  bereits  von  frflberer  Zeit  her  die  Gesetzgebung 
gepren  Gifte  in  einen  innigen  Zusammenhanp:  mit  der  NabrungHmittel-Hygiene 
gesetzt.  Auch  1890  berieth  das  Görnitz  coasultatif  d'bygiene  publique  vor  dem 
Abaobnitte  C:  Verkehr  mit  Giften  und  Geheinunitteln  —  spedell  noch  über 
„Flrbniif  von  Kinderspielaeng  mit  fiftiffeB  Stoffn**  nad  flb«r  „Färbemittel ,  die 
bei  Bonbons,  Zuckerwerk,  Fruehtois,  Kuohenf(lIIun;;en.  Liqaeuren,  nicht  angewandt 
werden  dflrfen".  (rleichzeitig  erstrecktun  nich  die  Erörtemogen  auch  Uber  das 
Verbot  gewisser  Zusätze  zum  Wein  und  zum  Bier. 

In  Deutschland  ist  die  Materie  der  Gifte  in  Farben,  welche  bei  der 
Herstelliinir  von  NabmagpHnitteln  nnd  deren  VerpaeknagieR ,  ebenso  bei  Oenam* 

mittein  selbst  und  deren  rmhflllunpen ,  ferner  auch  bei  einer  grossen  Reihe  von 
GebrauehsgeffenHtftnden  zur  Anwendung  frel.infrtPii ,  durch  sehr  umfassende  Vor- 
bereitungen und  be^ouders  auch  durch  die  Ertahruugen  bereichert  worden,  welche 
man  mit  dem  ersten  besflgliohen  Erginnragageaetie  snm  Nabrnngsmittelgeeetie 
(vom  14.  Mai  1879)  gemacht  hatte.  Dasselbe  war  6  Jahre  —  \nm  l.  Mai  1883 
ab  —  in  Kraft  gewesen,  als  es  am  1.  Mai  1HH8  ersetzt  wurde  durch  das  in 
allen  Punkten  viel  detaillirtere  und  besonders  auch  mit  Rücksicht  auf  die  Straf- 
fillligkeitsbestimmiingen  und  die  strafbare  PersQnllebkeit  viel  sebtrfer  gefasste 
Gesetz  vom  5.  Juli  188  7,  die  VerwendunggeBondheitssebfidlicber 
Farben  bei  d  e  r  H  e  r  s  t  e  11  u  n  ^  von  N  ab  ru  n  ^smitteln,  Genussmi  tteln 
und  üebrauchsgegen  ständen  betreffend. 

1  Gesandheitsächädlichc  Farben  dürfen  zur  Herittellung  von  Nahrung;»-  umi  G«- 
Bnmittaln,  welche  zum  Verkaufe  bestimmt  Riad,  nicht  verwendet  werden. 

GeaaDdbeitasckadliche  Farben  im  Sinn«  dieser  Bestimmong  sind  dit-jenigeo  Farb- 
•ti^  nnd  Farbiobereitangen ,  weleh«  Antimon,  Anen,  Baryon*),  Blei,  Cadminn,  Chrom*), 
Knpfer,  Quecksilber'*"''),  Uran,  Zink,  Zinn,  Gunmiipulli,  Konilün    ';,  Pikrinsäure  enthalten. 

Der  Reichskanzler  ist  ermarhtigt,  nähere  Vuri<chritten  ul)er  da.s  b<^i  der  Feststellung 
des  Voriiandensi-ins  von  Arsen  nnd  Zinn  anzuwendende  Verfahren  zn  erlassen. 

§.2.  Zur  Aofbewahmag  oder  Verpackung  tob  Nahrang»^  nnd  Qenusmitieln, 
wetelie  tum  Tt-rltanAi  beottant  nnd,  dflrÜBn  Gefibn»,  Vabttlongea  odar  SdratabodeckoDgea. 
zu  AoTcn  Uerstellnng  Farboa  dor  im  $.1,  Abaats  2  beaeiebnetea  Art  verwendet  aind,  nicht 
benatzt  werden. 


Ant  die  Verwendnng  von 

schwefelsaurem  Barynm  (Schworapath,  blanc  lixef  ), 
Baiytl'arblacken,  weiche  von  kohlensaurem  Baryum  frei  sind, 

('il!IMI!l)\\  il, 

Kupier,  Zinn,  Zink  und  deren  Legirungen  als  Metallfarben, 
Zinnober. 

Zinnoxyd. 

SchwflVlzinn  als  Mujivguld  f  i, 

sowie  auf  .allo  in  Glasmassen,  Glasuren  oder  Emalli  eingebrannte  Farben  and 
auf  den  ianoron  Anstrich  von  Gefamen  au  waaNrdichten  Stoffen 
findet  diese  Bestimmnn^  nicht  Anwendonfr. 

§.      Zur  Hfistellunp  vr>u  ki>.-;ti)eti>rlii  n  MittflnvTl   (Milteln  zur  Reinipnu?  ,  Pfleire 


odor  Fkrbungftf)  der  Haut,  «les  ÜMarey  oder  der  Aiundhulile  k  welche  zum  Verkaufe  bestimmt 
lind,  dArfeu  die  im  §.1,  Absatz  2  bezeichneten  Stoffe  nicht  verwendet  werden. 


Auf  scbwefelsaure^t  Barynm  (Srhwcr.-^path ,   blanc  fixe).  Schwefelcadmium ,  Chrom* 


oxjrd,  Zinnober,  Zinkoxyd,  Zinnuxyd,  Schwefelzink ,  sowie  auf  Kupfer,  Zinn,  Zink  und  deren 
Legirangen  in  Form  von  Pnder  findet  diese  Bestimmung  nicht  Anwendung,  ffff) 


*>  Anch  ^^chwerspath,  Chromoxyd,  Zinnober  sind  in  Znknnft  verboten. 
**}  Synonym:  Pitonin ;  Dinitrokresnl  —  das  im  Eniwurl'e  vorkiim  —  ist  pe.strichOB. 
***)  Ob  die  Möglichkeit  des  Uebergangea  der  Farbe  in  den  Inhalt  vorhaaden  ist, 
macht  keinen  Unterschied.  Das  Verbot  trifft  auch  die  Anssensetto  der  Paekong. 

t)  Die  .Atisnaliniei:  sind  im  Interesse  der  Miintpapierlabrikation  gomaoht. 
tf)  Zu  welchen  imi'-s  WohlLrerü« Ii-  nicht  zu  rcchn'U  nind. 
tttj  Hier  nia«.ht  es  k<  im  n  l  iifrrs<  iiied,  ob  die  Stntle  zur  Färbung  des  Mittels  vor* 
wandt  werden,  oder  ob  die  Farbgebung  erst  —  wie  bei  den  Uaarfärbnagsmittoln  —  bei  Ver- 
wendung auf  den  menschlichen  Körper  eintritt. 

tttt)  Wegen  der  Scbwerlfislichkeit  dieser  Stoffe. 


GIFTPOUZBI,  GIFTVBRKEHB. 


361 


§.  4.  Zur  Herstelluuj;  von  zum  Verkaufe  brstiiumten  Spielwaareo  (einschliesslich  der 
Bilderbogen,  Bilderbücher  und  Tusi  Ii  färben far  Kinder),  Blnmentopfgitteni  ond  känatlichea 
ChristlNlanien  dürfen  die  im  §.  ] ,  Absatz  '4  bezeichneten  Farben  nichl  V6rwwidet  WWdra. 

Auf  die  in  §.2,  AhfuXzZ  bezeichneten  StoAe,  sowie  auf 


Schwefeiantimon  und  SchwaiMcftdiniinii  ftif  nibunittd  d«r  GnnmiaiMM, 
Bteioxyd  ia  Firnin, 

Bl«iwaiu  all  BwtüidtlMll  dai  ■ogwiamitoa  Waduguns,  jedoeh  mir,  aoteiM 
diiMlbe  Biclit  «ia  6«wIditstlMil  in  100  0«wle]itsth«neii  d«r  KatM  niekt 

flbdivteigt, 

cbromaaures  Blei  (für  sich  oder  in  N  ^rbindung  mit  sdlweMMimai  HaQ  als  Oal« 

oder  Lackfarbe  oder  mit  Lack-  oder  FirnissttbAnnig, 
die  In  Wasser  anlöslichen  Zinkverbindun^en,  bei  Gnmmispielwaaren  jedoch  nnr, 

soweit  sie  als  Farlienüttel  der  (i iimminiaK>4H ,  als  Oel*  oder  LaokJiMrbOft  odar 

mit  Lack-  oder  i^'iruisa&berzag  verwendet  werden, 
alle  in  Glasuren  oder  Bmaila  eiofebraiiataii  Fkrboc 
tindct  diese  Btsf imninng  nirht  Anwendung. 

Soweit  xur  üeratellang  von  äfpielwaaren  die  in  den  §§.  7  und  6  beseichueteu  liegen» 


atänd«  Tenreodet  werden ,  Andea  anf  lebrtere  ledigUdi  dt»  Vorschriften  der  §g.  7  nid  8 
AavenduD? 

5.  Zur  Uei-stcllung  von  liucli-  und  Steindmck  auf  den  in  den      2,  H  und  4  bezeich- 
neten Gegenständen  dUrlen  nar  solche  Farhfm  nicht  verwendet  werden,  welche  Arsen  enthalten. 

§.  ti.  Toscbfsrben  jeder  Art  dürfen  als  frei  von  gesondheitsschiftdlichea  Stoffen,  be* 
siehuDgswelae  giftfrei  niebt  irerkanft  oder  feilgehalten  worden,  wenn  sie  den  Vorschriften  im 
§.4.  Abiatz  1  und      ni'  ht  entsprechen. 


7.  Zur  Herstellung  von  »um  Verkaufe  bestimmten  Tapeten,  Mi>helstotfen,  Teppichen, 


StOlTisn  zu  Vorhängen  oder  Bekleidungsgegenständeu ,  Masken,  Kerzen,  sowie  kftostllehMI 
Bfilttern.  Binnen  nnd  brachten  dürfen  Farben,  wtdche  Anen  enthaiten**),  nicht  Ter* 
wendet  werden. 


Auf  di-  N'i't wenduni,'  arsenhaltiger  R'izen  oder  Fixinng-mitttl  zum  'Aw-ck«  dcd 


Furbens  oder  B<;dtiickcn8  von  üespinnsten  oder  Ueweben  ündet  diese  Bestimmung  nicht  An- 
wendung. Doch  dürfen  derartig  l>earbeitete  Gi'spinnste  oder  Gewebe  zur  Herstellnng  der  im 
Absatz  i  bfzeicbneten  Gegenstände  nicht  verwendet  werden,  wenn  sie  das  Arsen  in  wasser- 
löslicher Form  oder  in  solcher  Menge  enthalten,  dass  sich  in  100 Ccm.  des  fertigen  Gegen- 
standes mehr  als  2  Mgrm.  .Ar.*en  vorfinden.  Der  Reii;h8kunzler  ist  ermächtigt,  nahfro  Vor- 
idiriften  über  dis  bei  der  Feststellang  des  Areengehaltes  ansnwendende  Verfahren  zu  erlassen. 


§.  8.  Die  Vonebriften  dei  §.  7  finden  anch  anf  die  Hentellong  von  zum  Yerimnfe 


bestimmten  Schreibmaterialien  ,  l,amfn>n-  nnd  Lichtschirmm.  sowie  Lichtman.sfhotten  Anwen- 
dung. Die  Herstellung  vun  Oblaten  unterließet  deu  liestimmungeu  im  §.1,  jedoch  sofern  sie 
nicht  zum  Genüsse  bestimmt  sind,  mit  der  Massgabe,  dass  die  Verwendung  von  achwefobaaram 
Baiynm  (Scbwerspath,  Blanc  fixe),  Cbromonjrd  und  Zinnober  geitattet  ist. 


§.  9-  Arsenbaltige  Wtswne-  und  Leimfarben  dilrfen  znr  Herstellms  dea  Anstriebes 


von  Fnssliodeu.  Decken,  \\"iinili'ii,  Tlni  <  n,  I"en.sr.Hr  il^  r  Wöhr.-  ndnr  (losrhäftsraume,  von  Roll-, 
Zog-  oder  Kla]ipladen  uder  Vorbangen  vun  Mubeln  oder  si>iisti);eu  häuslichen  Ucbrauchsgegen- 
■tSnden  nicht  verwendet  werden,***) 


S.  1".  Auf  die  Verwendung  von  Farben  ,   welche  die  im  S-  1-   Absatz  2,  bezeich- 


neten .Stoffe  nicht  als  con.«tituirende f)  iJestandlheile,  sondern  nur  als  Verunreinigungen,  und 
zw  ar  liorhsti'iis  in  einer  il'-uge  enthalten,  wel' >irh  liei  den  in  der  Twhuik  gebräuchlichen 
Darstellungsverfahren  nicht  vermeiden  liest,  linden  die  Bestimmungen  des  §.  — Ü  nicht 
Anwendung. 

$.  11>  Auf  die  Färbung  von  Pelzwaaren  findet  dieses  Gesetz  nicht  Anwendung. 

^.  12.  [ätnifbestimmungen,  die  sich  auf  die  Hersteller,  boziehung!« weise  Aufbewahrer 
nnd  Verpaeker,  wie  auf  die  Verkäufer  beziehen,  bis  150  Mark  oder  Haft.] 

id.  lieben  der  im  §.  12  vorgesehenen  Strafe  kann  anf  Einsiebung  der  verbots- 
widrig hergestellten,  aufbewahrten,  verpackten,  verkanften  oder  feilgehaltenen  Gegeaatftndte 
erkannt  werden,  ohne  Unierschied,  ob  sie  dem  Verurtheilten  gehnren  oder  nicht. 

Ist  die  Verfolgung  oder  Verurtheilung  einer  bestimmten  Person  nicht  ausf&brbar, 
10  kann  auf  die  Einziehung  selbständig  erkannt  werden. 

§.  14-  L)ie  Vorschriften  des  Gesetzes,  betreileud  den  Verkehr  mit  Nahmngsmitteln, 
Gvnossmitteln  und  Verbruuchagegeiistnnden  vom  14.  Mai  1Ö7U  bleiben  nnberfthrt.   Die  Vor- 


*)  Bezieht  sich  nur  auf  die  .Malkasten*  —  ^Colorirfarbon*  —  „Honigfarben"  fOr 

Kinder. 

**)  Fuchsin-  nnd  Aniliutärbeu  sind  oft  arsenikhaltig. 

***)  Strafbar  iit,  wer  die  Verwendung  veranlaast;  euch  der  Han«eigenth  ttmer 

rttcksichtlicli  seiner  ei^'enen  Hänriie. 

t)  Iias  heisst  nothweudiKe,  nicht  ohne  Veränderung  des  Charakters  der  Farbe 
durch  lonitigo  Stoffe  sn  mibetituirende. 


362 


GIFTFOLIZEI,  OJFTVERKEHB. 


schrillen  ia  den  iti  und  17  ilesseUieu  tindeu  ancfa  bei  ZowideihanJIun^'oa  ^fsen  die  Vor- 
SObliA^D- dfs 'ge|(«nwärti|cen  Gesetzes  Anwendung. 

§.  15.  i)iei«s  Gesetz  tritt  mit  dem  I.Mai  1888  in  Kraft;  mit  demselben  Tage  tritt 
die  kaiserl.  Tenwdnang,  betr.  die  Yervtadang  giftiger  Farbea  vom  1.  Mai  1882,  ausser  Kraft. 

Unter  den  betiieilig-ten  Oewerbetreibeoden  sMieii  Koemetiker,  Spiel-, 

Gummi-  and  ZuekerwaarenfabrikaDtea,  Conditorea  und  Gonfi^^eure ,  daneben  aber 
auch  besonder»  Ta p e  t  e  n  fabrikanten  und  -händler  in  erster  Ueihe.  Hei  diesen 
sind  es  ab«r,  wie  besoudera  hervorgehoben  zu  werden  verdient,  nicht  die  Her- 
Btellnngsmanipnlationen  Allein,  welche  Ooatmventionen  gegen  das  Olftgeeets  ent- 
halten. K8  fügen  vielmehr  die  Tapesierer  zur  Beseitigung  des  Hausungeziefers 
dem  Tapetenkleister  an  manchen  Orten  SchweinfurtcrsTfln  hinzu  ,  wodurch  die 
Gesundheit  der  Bewohner  solcher  Zimmer  in  gleich  hohem  Grade  gefährdet  wird, 
als  fraoB  die  betreffenden  Fabrikanten  entgegen  dem  §.  7  des  Geeetsea  Gifte  zur 
Herstellung  der  Tapeten  selbst  verweodet  bitten. 

Als  eine  tief  empfundene  Lücke  in  der  zur  Prophylaxe  von  Metall- 
vergiftu  n}^en  bestimmten  nrsetzgebun}r  ausfüllend  und  we^en  seiner  genauen 
Bestimmungen  nach  mehreren  Seiten  beispielgebendes  Gesetz  sei  endlich  hier 
angeseblossen  das  Oesetx  vom  36.  Juni  188  7,  den  Verkehr  mit  blei- 
nnd  sinkhaltigen  Gegenständen  betreffend. 

|.  I.  Ess-,  Trink-  und  Kr.rh_'oschirre.  s-nwie  Fliissigkeitsaia--ii'  tlürfcn  niclit 

1.  ganz  oder  theihveise   aus  Ulei   oder  »-iner   in  ICH.)  Gewichtstheilen  mehr  aU 

10  Gewicbtstbeile  Blei  euthaltenden  MetallleKirung  hergestellt, 
2<  an  der  Innenseite  mit  einer  in  100  GewichtHtheilen  mehr  als  einen  Gewichts* 
fheil  Blei  enthaltenden  UetalllegirnnK  verzinnt  <>J«r  mit  einer  in  100  Gewichts- 
tlii  ilt'ii  nudir  als  10  Gewiclitstiieih'  Blei  enthnltt'nd'-n  Metallles'rung  <;Blötliet. 
3.  mit  Email  oder  Glasur  versehen  sein,  welche  bei  halbstündigem  Kochen  mit 
einem  in  100  6ew!ehtstli«i1«n  4  Geviebtatheile  Essigsftnre  enthaltenden  Basis 
an  den  Iftzferen  Blei  abpfbrn, 

Auf  liesi  hirr  und  Flussigkeit.sma.s.se  aus  bleitreiem  BritanniMmetall  findet 
die  Vur^(-ll^ift  iu  Ziller  2,  betrellend  des  LoHnw  kein»  Anvsndnng. 

Zur  Hemteliang  von  Drackvorrichtnngm  snm  Aasseliank  voa  Bier,  sowie 
von  Siphons  iVr  Icohlensinrebältlge  Getrilnke  nnd  von  Mftalltheilen  für  Kiiidar« 

sau<rfla.schen  dürfen  nur  SleUillIegienuifret)  verwomlct  werden ,  w<  Iche  fa 
lUU  Gewicht8(h*^ileu  nicht  mehr  als  einen  Uewichtätheil  Blei  enthalten. 

^.  2.  Zur  HerBtellanj;  von  Mundstücken  fSr  Sangflasehen.  Sangringe  nnd  Waisen- 
htttchen  darf  Mei-  oder  zinkhaltiger  KantHchuk  nicht  verwendet  werden. 

Zur  Herstellung  von  Trinkbechern  und  von  Spielwaaren,  mit  Ausuahm:;  der  massiven 
Bille,  darf  bleihaltiger  Kaii'sch  ik  nicht  verwendet  .sein. 

Zn  Leitungen  für  Bier,  Wein  o  ler  £äsig  dürfen  bleihaltige  Kantschukschlauche 
nickt  verwendet  werden. 

;;.  H.  Of'schirre  nnd  Gefä«se  zur  Verfertijrnnp  von  Getränken  nnd  Frucht "acken  dürtVn 
in  denjenigen  Theileu,  wetcks  bei  dem  bestimmangsKemääsen  oder  voiaus«Dsehendea  Gebrauche 
mit  dem  Inhalte  in  nnmittelbare  Berllkmng  kommen,  nickt  den  yorsehriflan  des  $.  1  snwider 
kergwtellt  sein. 

Conaarvsnbflcbsea  masmn  auf  der  Innenseite  den  Bedingungen  des  %  1  entsprechend 
kei^gestflllt  sein. 

Znr  Aafhewahmng  von  Getranken  dürfen  Gefasse  nicht  verwendet  sein,  in  welchen 
sich  Rückstände  von  bleihaltigem  Sckrote  befinden.  Zar  Packung  von  Schnupf-  und  Kautabak, 
sowie  Käse  dürfen  Metallfolien  nicht  verwendet  sein,  welche  in  100  Gewiobtstkeilen  mehr  als 
einen  Gewichtsthoil  Blei  enthalten. 

§.4.  Mit  (ieldstrufe  bis  zu  150  Mark  mler  mit  Halt  wird  hi  straft: 

1.  wer  Gegenatande  der  im  §.  1,  ^,  Ab»t<  1  aaU  ;j ,  ^  4,  Abaats  1  and  '4, 
beseichneten  Art  den  daselbst  getrofttnen  BesHmmnngen  snwider  gewerbs- 
mä,ssic  hiT^tcllt : 

2.  wer  (iegenstande ,  welche  den  Bestimmungen  im      1,  §.2,  Absatz  1  und 
und  §.  H  zuwider  hergestellt,  aafbewabrt  od«r  verpackt  sind,  gewerbsmissiff 
verkaoft  oder  feilhält ; 

3.  wer  DmckTorrichtangeu ,  welche  «len  Vorschriften  im     1,  Absats  3.  nicht 

entsprechen,  zum  Ausschank  von  Hier  oder  bleihall  ige  SchlAnfke  SUT  Loitnug 
von  Bier,  Wein  oder  Essig  gewerbsma>si>?  verwendet. 

§.  5.  Gleiche  Strafe  trifft  Denjenigen,  welcher  aar  Vcrlertigung  von  Nakmags-oder 
Gennssmittcln  bestimmte  Mühlsteine  unter  Verwendung  von  Blei  oder  bleihaltigen  Stoffen  an 
der  Mahltlache  ber^iiellt  oder  derartig  beigestellte  Mahlsteine  znr  Verfertigoog  von  Nahrung«- 
nnd  6enn8$mitteln  verwendet. 


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(ilFTPOLlZEJ,  GIFTVERKEHR.  —  GILLES  DE  LA  TOURETTE'*che  KRANKHEIT.  303 


§.  6.  Neben  der  in  den  §§.  4  tmd  5  vorgeaelienen  Strafe  kann  anf  Einziehoog  der 
Gegenstiliide ,  we)ebe  den  betrefttaideii  Yonehriften  zuwider  hergestellt,  verkauft,  feilgehalten 
oder  Terwendet  Bind,  sowie  der  vorschriftswidrij;  hf-rpostellten  Mühlsteine  erkannt  wrr  lrn. 

Ist  die  Verlolgung  oder  Verurtheilunp  einer  bestimmten  Person  nicht  anstiilirbar, 
SO  kann  anf  die  Einziehung  selliständig  erkannt  werden. 

§.  7.  Die  Vorschriften  des  Gesetzes,  betreffend  den  Verkehr  mit  Nahrungsmitteln, 
OenuRsmitteln  nn:i  Gcbranchsgegeuständen ,  vom  14- Mai  1870  (R.  6.  BI.  pag,  I4ö)  bleiben 
unlitTührt.  Die  Vursriirilten  in  den  16  und  17  desst'llx  n  lind)-!!  Hueh  bei  ZavideritaildllUlg«ill 
gegen  die  Vorscbriiteu  des  gegenwärtigen  Gesetze«  Anwendung. 

%.  8.  Dieses  Geseis  tritt  am  I.  Ootober  1888  in  Kraft. 

Wie  weit  der  raifang  doa  Industriegebietes  ist,  welches  dem  Gesetze  vom 
25.Jiiui  1887  untersteht,  beziehunjrsweiae  wie  gross  der  Kreis  von  Gewerbe- 
treibeudeu,  dem  dureh  dasselbe  vom  Bleiverbraueh  beilsame  Beschränkungen  aul- 
erlegt weidm,  erhellt  anii  folgenden,  beeonden  aueh  fflr  die  AnsÜDlirangabeitiiii- 
niingeD  xma  Gesetze  eraicfaüieh  wichtigen  [/( hcraiehten. 

l^nter  die  Bestimmnngen  des  Gesetzes  vom  25.  Juni  1887  fallen  (seit 
dem  1  üctüber  18«8;: 

§.  1.  Teller,  SehflsselB,  Lölbl,  Becher,  Kannen  ans  bleihaltigon  Legimngeo,  Flflssig' 
keitsnius»e  (sammtliche  MaHse,  welche  heute  r.  B.  die  Destillateure  zum  Aus- 
schank von  Siiiritnuseii  benutzen),  BiergiiUer  mit  Metalldeckelu,  wie  sie  in  jeder  Glashandlang 
stehen,  die  beliebten  StelngoikrOge  nit  Hetalldeokeln,  die  fiiit  ananahnial««  «itqmclMiDde 
Legimngen  enthalten. 

§.  1  -'.  SimiBtliche  sogenannten  rerslnnten  Koehgesehirre,  die  weinan  Metall» 
j>:e.s('hirre  jeder  Käche  (WHsscrschÖpfer,  Theekesse),  Kasserolen,  Fischkocher,  BledllOflU,  Reibe» 
eiiiten,  kurz  die  Mehrzahl  der  »eissen  blanken  Metallgeräthe  der  Küche) 

Ferner  jedes  von  einem  Klempner  gelöthete  Gerüth,  da  WeissUeidt  sieh  ttieht 
andeis  ah  durch  Löthen  für  den  praktiscliea  Gebranch  dichtes  Usst. 

§.  H.  EmaiIHrte  und  ghsirte  Oeschirre.  Hierher  gehört  sowohl  emailUrtes  Bisen« 
gesehirr  —  wie  gus.seiserne  TüptV,  Pfannt  n  elf  — ,  einaillirtes  Blechge.schiir  —  Eimer,  Kessel, 
Mllcdigerässe  etc.  — ,  endlich  gla.sirtes  irdenea  Geschirr  u.  s.  w.,  kurz  die  fremdartigsten 
Gegenslände. 

§.  1  ^.  a)  Die  Metalltheile  der  Bierdrnckleitnngen, 

h)  die  sogenannten  SiphonversclilüSHo  für  Selterswa.siser  und  Brauselimonaden, 
■  •)  3Iet;illruhren  und  Ver.sihlu.s.se  an  Kinderaaufrflascheu. 
Kautschukgegenstünde ,  wie  äangflaschenpfropfen ,  Sangringe,  Warzenhatchen, 
Trinkbeeheir,  Spielwaaren,  Kaatsehnkschlinehe  Ar  Bier,  Wein  nad  Etaig,  wdöhn  theila  blei» 
frei,  theils  blei-  und  zinkfrei  sein  .'-ollen. 

§.  H.  Unter  Anderem  mit  Bleiglasur  verHehene  Thongefä8.se. 

§.  i  •.  In  Weissblechverpacknng  im  Handel  beHndlicho  trockeuo  und  Teuchte  Con- 
serven,  sowohl  pflanzlicher  wie  thierischer  Art,  s.  B.  condensirte  Milch,  Kindermehl  jeder  Art, 
Fleischoonserren  (Oomed  Beefetc),  C^es  aller  Art,  Fische,  wie  Appetit-Silds,  Delieateas« 
hAringe  etc.,  Krebse,  Hummern,  Krabben,  Gemü.<e  u.  s.  w 

%  '6  '^.  Unvorsichtiges  Flasrhenreinigeu  mittelst  Schrot  unter  Zurücklassuag 
von  hrotrttekstftnden  in  den  FlasdieB,  also  aneh  von  Bleistrolfea  an  der  inneren  FUUdie 
der  Flasche. 

Die  Verpackung  von  Schnupftabak ,  Kautabak ,  Käse  in  mehr  als  l^g  Blei  ent- 
haltende Zinnfolie. 

§.  5.  Das  Anagiessea  von  schadhaften  Mahlsteinen  mit  Blei. 

Ottraus  ergfebt  sieh,  dass  etwa  folgende  Gewerbebetriebe  auf  die  Be- 
folgung der  neu  c  n  gesetzlichen  ßestimmungeo  ihre  Aufmerksamkeit  richten  müssen. 

Zu  I.  Ziungiessereien,  Verzinnungsaastalten,  Klempnereien  (besonders  betreffs 
derLöthung),  BlechbüchHen-  und  Kästenfkbrikanten ,  Emaillirwerke ,  Töpfereien,  Fabriken 
für  Bierdruckgeräthe,  sowie  aik<  Verkaufsgescbilte  nnd  Hindier,  welche  Oegenstindn  der  ein* 
sehlsgenden  Art  feilbieten  oder  verkaufen. 

Zu  §.  2.  Gnrnmiwaareaükbrifcen  asd  Haadlnngen  mit  derartigea  Eneognissen,  also 
am  Ii  Handlungen,  welche  derarUge  Spidwaaren  feilhaltan;  letatere  dlriha  au  bleihaltigem 
Kautschuk  nicht  bestehen. 

Zu  ^.  H.  Conservenfabriken  und  sämmtliche  Geschäfte,  welche  Hulche  verkaufen;  die 
Strafbarkeit  des  Zawiderhandelne  trat  aber  zofolge  des  Eingangs  erwähnten  Ergäaznngsgesetzes 
erst  mit  dem  1.  Ociober  1899  ein. 

Fenier  Tabak.''-  und  Cigarrenfabriken  wl»  Handlungen;  Käsereien  nnd  Kteehand- 
langen,  Bier-  und  Weinbandluugen  u.  dergl.  m. 

Zn  §.  5  nnd  6.  Mthlen.  Wem i eh. 

Gilles  de  la  Tourette'sche  Krankheit,  vou  gilles  de  la  tou- 

BETTS  (1885),  Chaboot  Und  GuofON  wurde  vor  einigen  Jahren  eine  nervttse 


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364 


GILLES  DB  LA  TOXTBBTTriebe  KRANKHEIT. 


~  OTPSyBRBAND. 


Affection  besohriebeu ,  die  sich  durch  incoordinirte  (ohoreurtige)  Bewe- 
gungen in  Verbfaidiing  ndt  „EehoUlie**  (d.  h.  antomiKHwIier  WMeiliolttng 
v«m  ▼ernonuneneD  Worteii  und  Geräuschen)  md  „Koprolalie^'  (unwUlkfliliekMn, 

zwangsweisem  HervorstOBsen  scliimitziprer  Worte)  charakteriairte.  Ausser  den 
brflsken ,  heftigen^  mehr  oder  minder  ausgebreiteten  choreatischen  Zuckungen 
kommt  auch  unwillktlrliohe  Nachahmung  von  Bewegungen  („Eohokinesie") 
▼w,  «odwoli  dM  Leid«B  Anklinge  an  gewiaie  eodemiaeh«  Chontiortam ,  das 
Jumping,  Latah,  Myriaobit  u.  s.  w.  darbietet.  Das  auch  als  „Maladie  des  tics 
convulsifs"  (GuiNOx) beschriebene  Leiden  tritt  besondt-rs  hei  Kindern  (meist  Knaben! 
vor  den  Pubertftt8jahreu  auf  Grund  hereditärer  Belastung  uul  und  ist  nach  den 
bilberigen  Erfnliningen  Inssent  hnrtnSekig,  sogar  unhtitbar,  wenn  aneh  mit  ab- 
wechselnden Kemiaaionen  und  Ezacerbationeo.  Es  versteht  sich  von  selbst,  dass 
mit  der  Angabe  „Gilles  dk  la  TocRKTTE'sche  Krankheit"  oder  „Maladie  des 
tics  couvulaifs^^  keine  eigentliche  Diagnose,  sondern  nur  eben  ein  zusammen  tassender 
Audmek  ftlr  einen,  seiner  Natnr  und  Bntstehnng  naeh  unbekannten  Symptomen- 
eomplex  gewonnen  ist.  Differeutialdiagnostisch  können  Verweehslnngen  besonders 
ndt  gewöhnlicher  Chorea  und  Hysterie  vorkommen.  Von  der  gewöhnlichen  infan- 
tilen Chorea,  an  die  das  Leiden  in  den  ersten  Anfangsstadien  erinnert,  unter- 
«eheidet  es  sieh  weiterhin  durch  das  Brüske,  Plötzliche  der  motorisehen  Entladungen, 
dnrdi  die  Verbindung  mit  der  swaagtweisen  Wort*  nnd  Bewegnagsnaehabmnng 
und  den  eigenthtJmlichen  Wortobscssionen.  Ein  im  Verlaufe  der  Hysterie  zuweilen 
auftretendes  aualoges  Symptomenbild  ist  theils  durch  das  Vorhandensein  ander- 
weitiger paroxystiscber  S^'mptome  und  permanenter  hysterischer  Stigmen,  theils 
dnreh  die  Verseiiiedenartigkeit  des  Verlanfee  (Hdlbarkeit,  d.  h.  M5gliehkeit  eines 
—  meist  plötzliehen  —  Verschwindens)  unterscheidbar.  —  Neuerdinj;-?  will  übrigens 
JOLLY  den  Aufdruck  „Maladie  des  ties  convulsifs"  mehr  mit  der  Myoklonie  iden- 
tificiren,  die  Gilles  de  la  TouRETTfi'sube  Krankheit  dagegen  als  „Maladie  des 
ties  impnlsifs**  bezeielmen,  die  allerdings  selbständig  vorkommen  kOnne,  aber  doeh 
mit  anderen  motoriseben  Neurosen,  namentiioh  mit  Chorea  und  Hysterie,  liftnfig 
combinirt  sei. 

Literatur:  Gilles  de  la  Tourette,  £lude  nur  une  ajfeetioH  nerveust  carac' 
tMtnSe  ptir  de  l'ineoordination  motrice  aeeompoffnie  tPSeholalie  et  de  eoproMie.    Arch.  de 

Nennilofiie.  18P5,  Nr.  25 — 27.  Guinor,  Sur  la  twihnlie  -ffs  tirs  cotinil-'i/s.  KevaO  de 
meil.  Jiu.  18bti,  pag.  r>Ü.  —  Üaua  und  Wilkin,  On  roiirulsire  tic  »rillt  e.rplasin:  <li3tur- 
banc€9  of  speerh,  so-caUeil  Gilles  de  la  Tourette  ilkseane.  Joam.  of  nervoos  and  mental  di.sea<e. 
18H6,  pag.  407.  —  Mabille,  £eholalie  dam  le  eour«  d'uM  «tßevtiou  ituutale.  Annalea  mbi. 
psychoUiKiqneü.  Nov.  1886.  —  Tokariki  (Referat  naeh  dem  Rnssiseheii.  im  Neoroloir. 
(.'•■ntrklM.  pac         —  Jolly,  Ueber  die  aogonannta  MatadU  de»  tics  eoumtlmf*. 

Charit«-Anniilf:i    .WIl.  .Iuliri;aujr.  Eulenberg. 

Glenard'sche  Krankheit,  s.  Enteroptose,  p«g.  246. 

Goldclllorill,  s.  Antidote,  pag.  17. 
GypSVerband,  s.  Fraetnrverbftnde,  pag.  316. 


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H. 


Hämophilie.    BUterkrsnkbeit  (vergl.  Real-Bneyolopädie,  II.  Aufl., 

Bd.  VIII,  pa^.  615  und  Encydupädiscbe  Jahrbücher,  Bd.  I,  pag.  289). 

Auch  in  den  letzten  Jahren  sind  die  Mittheilungen,  welche  die  H.lmophilie 
betreffen,  von  nur  geringer  Zahl  und  behandeln  dieselben  grösstentheils  einzelne 
Fälle  oder  speoielle  Symptome  der  Kmklieit. 

Dass  von  der  bekannten  V ererb ungsregel,  nach  welcher  die  Frauen 
die  Hämophilie  forfjifl.m/on  ,  dahei  aber  selbst  von  der  Erkrankiinir  frei  bleiben, 
auch  starke  A  b  w  e  i  c  h  u  n  e  a  beobachtet  werden,  zeigt  ein  von  v,  Limbeck  ')  mit- 
getheilter,  durch  i  Generationen  verfolgter  Stammbaum  einer  Bluterfamilie,  in 
welisher  die  Krankbdt  bei  der  Urgroaamutter,  bd  der  Oroflematter  und  unter  dM 
Kindern  letzterer  im  Anfang  der  Ehe  überwiegend  bei  den  TOobtem,  später  über- 
wiegend bei  den  S5hnen  auftrat. 

Aus  der  Reibe  der  bekauntereu  kliniadien  Symptome  der  Hämophilie 
werden  tod  einigen  Hittbeiinngen  die  in  ihren  sebwereren  Formen  im  Allgemeinen 
für  selten  geltenden  Gelenkaffectionen  hervorgehoben:  Von  chirurgischem 
Standpunkt  hehnndelt  die-Jelben  ;iusfflhrlich  Kdnk;-;;  dieser  betont  besonders, 
dass  die  Goleukerkraukuugen  hier  nur  anfänglich  auf  reiner  intraartieulärer  Blutung 
berohen,  dass  dagegen  später  Entsflndungsprooerae  mit  ihren  Folgeznatänden  hin- 
zutreten. Hiernach  unterscheidet  er  nn  dem  „Blutergelenk"  3  Stadien  der 
Erkrankung:  1.  den  einfachen  H  ,1  nia  rthr  os  ,  2.  die  Pan  arth  ri  ti  s  ,  3.  dan 
regressive  Stadium,  weiches  zu  bleibenden  Deformitäten  der  Gelenke  führt ;  daseon- 
tracte  Blutergeleu k.  Es  wird  die  Schwierigkeit  hervorgehoben,  welche  b^  men- 
gelttder  Kenntniss  von  dem  Bestehen  der  Hämophilie  die  Diffinrentialdiagnoee, 
namentlich  gegenüber  tuberknlttsen  Oelenkaffcctionen .  bieten  kann ;  im  späteren 
Stadium  ist  hierbei  das  Fehlen  der  Neigung  zu  Ahscess-  >ind  Fi'^ti  lbildunp:  zu 
beachten.  Von  dem  1.  Stadium  aus  tindet  oft  schnelle  KUckbiiduug  statt,  während 
das  2.  Stadium  nie  ohne  blähende  Deformität  su  heilen  sehdnt.  Die  Behandlang 
dieser  Zustände  hat  zurückhaltend  zu  sein:  ^ie  soll  über  Rubigstellung  und  ge 
linde  C'ompres'jion  des  Gelenkes,  in  geeigneten  Fällen  Function  (eventuell  mit 
Carboiauswuäcbuug)  und  Hebung  von  Coutracturen  durch  Verbände  u.  Aehnl.  nicht 
hinausgehen. 

In  ähnlicher  Weise  beurtheilt  BOWLby  diese  Complication  der  Hämo- 
philie ti:tfli  :;  Fällen  von  Blutern  .  we1r-he  seit  früher  Kindheit  an  häutig  recidi- 
virendea  Gelenkschmerzen  und  Geienkschwellungen  litten,  und  bei  denen  im 
liöiHven  Alter  eine  dnnemde  Veränderung  gewisser  Gelenke  surttdcbtieb.  Mit 
Vorliebe  waren  die  Kniee  und  Ellbogen  befallen;  die  Untersuchung  ergab  an 
ihnen  Selimerzhaftigkeit,  Bewegung*störi]ng(!n,  Crepitiren,  Verdicknnt,'  der  TJelenk- 
kapsel  und  Anschwellungen  der  Geleukeuden  von  zum  Theil  unregeimiistiigem, 
höckerigem  Charakter.    Nach   diesem  Befund   und   einigen  analogen  Präparaten 


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366 


HÄMOPHILIE. 


wird  geschlossen,  dass  der  Process  dem  bei  Artliritis  de  form  ans  statt- 
findenden verwandt  ist.  Auch  hier  wird  betont,  dass  die  Veränderangen  jedenfalls 
nielit  «ns  einfaehen  Geleo1cblntiiiig<en  erklärt  werden  kSnnen ;  TieliDehr  wird  uge- 
iionimen ,  dass  einem  Theil  der  Ilämupliilen  eine  specielle  Disposition  zu  einer 
bestimmten  Form  von  O  p  1  c  ii  k  e  n  t  z  fl  n  d  u  n  jr  /iiknmrat. 

Auch  in  6  Fällen  von  Hämophilie,  welche  Uamilto.v  mittbeilt,  be- 
standen nnsnahmslos  OeteokaiTeetionen.  Dteedben  zeiirten  die  Form  danemder,  zam 
Tbeil  sebmerzbafter  Anschwellungen,  besonders  der  Kniegelenke,  seltener  der  Ell- 
bogen und  Fingergelenke.  Tnier  Abweisunfr  cinoa  Ziisrimmcnhange-«  mit  IHieu- 
matismus  werden  diese  VeriinderungeD  auf  Blutungen ,  welche  in  die  tieferen 
Gewebe  der  Gelenke  stattgefunJen  haben,  zuraokgcfübrt. 

Dieselbe  Hittheilang «)  hat  den  Zweek,  die  Hftnfigbeit  von  nervösen 
(besonders  cerebralen^  Symptomen  bei  der  Hilmophilie  hervorzuheben.  Und  zwar 
bestanden  bei  einem  Theil  obiger  Ffllle  die  nervösen  Erscheinungen  bauptsnclilich 
in  Kopfschmerz ,  Zustftnden  von  Aufregung  oder  Depression ,  ausgesprochenen 
psyohiseben  Störungen  vorübergebender  Art  u.  Aehnl. 

Eine  ungewöhnliche  Form  der  Erkrankung  thwU  Senator  ')  unter  der 
Uezeiclinniig  „Renale  Hämophilie"  nach  einem  anscheinend  bisher  ohne 
Analogie  dastehenden  Fall  mit:  Derselbe  betraf  ein  lüjähriges  Mädchen^  welches 
seit  mehreren  Jahren  ohne  jede  naehweisbare  ürsaebe  an  einer  jeder  Therapie 
Trots  bietenden  n.'tmaturie  litt.  Die  ganze  Verwandtschaft  zeigte  habituelles  Nasen- 
bluten. Cystoskopi^ch  wurde  eonstatirt.  das.s  da.-^  Rliit  nur  ;ni'*  dem  rechten  Ureter 
aussickerte.  Nachdem  wegen  fortschreitenden  Knifteverfalles  die  rechte  Niere 
exstirpirt  wurde,  hdrten  die  Krankheitserscheinangen  auf.  ,  Die  mikroskopische 
Untarsnehnng  des  exstirpirtm  Organes  ergab  zur  Bestätigung  der  Diagnose  das- 
selbe nnr  unbedeutend  verändert. 

Eine  ebenfalls  aussergcwfihnliche  Art  der  Blutung  enthält  eine  von 
COUKN*')  mitgetheilte  Krankengeschichte:  Nach  derselben  zeigte  eine  Frau  vom 
12.  bis  zum  38.  Jahre,  ausser  anderen  Symptomen  der  HAmophllle  (profusem 
Blutverlust  nach  Zahnextraetion,  Metrorrhagie,  Epista.\i8),  Blutungen  aus  der 
unverletzten  Haut  der  Finger,  .sowie  subcutane,  nach  aussen  aufbrechende 
Hämorrhagien  an  einem  Arm  und  iSchenkel.  Die  Blutungen  wurden  zum  Theil 
dureh  starke  Anschwellung  und  Pulsation  der  zufOhrenden  Arterien  eingeleitet. 
Wenn  der  Beobachter  das  Wesen  des  Zustandes  in  einer  ,,hydrämi8dien  Plethora^ 
hiebt,  so  giel't  dies  wnlil  keine  erschöpfende  Erklärung  des  Vorganges.  .Auch  wird 
der  Fall  etwas  unklar  durch  den  Umstand ,  dass  ,  nachdem  die  verHcLiedenstt-n 
Behandlungsarten  (Bisen ,  Ergotin ,  Galvanisirung ,  Diaphoretica ,  Diuretica)  nur 
vombergebenden  Erfolg  gezeigt  hatten,  eine  davemde  Besserung  auf  dem  Woge 
der  Hjrpnotisirung  unter  suggestiver  Vermehrung  der  Diurese  erreiobt  wurde. 

Eine  als  seltenes  Beispiel  der  Combination  von  Sarcom  mit  hämorrhagischer 
Diathese  mitgetheilte  Beobachtung  '•)  ist  wohl  nicht  hierher  zu  zählen ,  da  die 
Blntnngan^nng ,  wenn  sie  aneh  ganz  die  Form  der  eongenttalen  Hämophilie 
zeigte  (profuse  Hämorrhagien  aus  Blutegel-  und  Injectionssticben,  Petechien, 
Blutungen  aus  Nasen-  und  Mundschleimhaut),  hier  doeh  offenbar  erst  als  Folge 
der  Sarcomatose  (Sacraltumor  etc.)  auftrat. 

Ab  und  zu  angestellte  bakteriologisehe  üntersoehungcn  haben  niehts  flir 
die  Patin d();;ie  der  Hämophilie  Verwertbbares  ergehen.  Wenn  bei  einigen  Fällen 
von  hämorrhagischer  Diathese  Neugeborener  in  den  Lcieheiitheilcn  bestimmte 
Bakterien  iStaphylococcus  pyogcnes  nurpits,  BaciUw*  pyucyimcuH  ete.)  gefuudeu 
wurden so  bleibt  deren  ätiologische  und  specifische  Bedeutung  für  die  Erkran- 
kung noeh  zweifelhaft. 

L i  t  e ra t  u r- N  ae Ii  t  ra ')  v.  Limbeck,  Zur  Casnistik  der  orlilicli'  ii  Hämo- 
philie. Prager  med.  Wochennchr.  1891,  Nr.  40.  —  König,  Die  Gelcnkerkrankungen  bei 
Blattru  mit  beronderer  BeriicksiehtifOnK  der  Diagnose.  Samml.  klin.  Vortr.  Neue  Fol?**.  1893, 
Nr.  H6-  —  ^)  Howlhy,  Su})!,-  r^isrs  nt  joint-diseaxe  in  bJre'fer».  Kartbolom.  Hospit.  Reports. 
I890i  päg.  'S 7-  —       Ii  Ii lu  i  1  ton ,  .rl  cuntributiott  to  the  imtholoyi)  oj  Uaemophilia,  eapeci- 


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HÄMOPHILIE.  —  HABN. 


H67 


allif  in  reijanJ  io  its  uetirotir  anpect.s,  irith  the  preseniation  of  aetenU  caata  in  oite  faniili/. 
New-York  hkmI.  Record.  1891.  21.  Nov.  —  *)  Senator,  Ueber  renale  Hämophilie.  Berliner 
klin.  Wcflifn-f  hr.  18^^1.  Nr.  1.  ^  ")  ColiPii,  Ein  Fall  von  Hämophilie.  Zfit.schr.  f.  klin.  Med. 
IS'^O,  XVli.  äappl.,  pag.  18'4.  —  ')  Roth,  Ueber  einen  Fall  von  >arcum,  verbnaden  mit 
hämorrbagiaeher  Diaitaera.  Deattreb«  med.  Wocbensebr.  1891.  Nr.  6-  —  *)  Neumaan,  Uabar 
Mffiirtift  ufiiiiiitoriini  mit  Bemerkungen  öbt»r  hämorrhafrisclio  Diathesc  \nufrehorcnpr.  Arch.  f. 
Kinderbk.  18UU,  XU,  pag.  54.  —  Derselbe,  Zur  Keimtniss  der  hamorrhagiscben  Diatbese 
Nengeborenar.  BbeDdftaelbst,  1891,  Zill,  pag.  211.  Riesa. 

Haioderma,  8.  Thieriäche  Gifte. 

Harn,  seitdem  Littest  «m  Congresa  für  innere  Hedieln  1891  die  Gentri- 
fugirang  des  Harnes  besonders  für  alle  jene  Fille  empfohlen  hat,  in  welchen  der 

Harn  mir  wcni»  sedimentirende  Substanzen  entliiilt  und  man  diese  n.n^Iich.st 
rasch  samiuelu  will  ^  ist  die  Centrifnge  in  zahlreiche  kiioische  Laburatorien 
eingeführt  worden,  v.  Jaksch  verwendet  ebenso  wie  Litten  Stbkbbck's  Sedi* 
mentator,  den  er  nicht  mit  der  Hand,  sonilern  mit  einem  Tretrad  in  Bewegung 
setzt  und  tlberdies  zur  Vernieidun;^  von  rn;i!(ii*ksf;lllen  mit  einem  hi'ilzernen  K;ist«in 
versehen  hat,  innerhalb  dessen  die  C'entrifuge  r<ttirt.  Namentlich  zum  Auffinden 
spärlicher  Cylinder ,  2sierenepithelien ,  Leueocyteu  ,  Ulutkurpercheo  ,  femer  von 
Baeillen  ist  die  Centrifuge  sehr  branehbar.  Hingegen  würde  man  derselbea  su 
viel  zumuthen,  wenn  man  sie  zur  quantitativen  Bestimmung  von  Sedimentbildnern 
verwenden  wUrde ,  welche  sich  im  Harn  ausscheiden  ,  wie  z.  B.  ( »xal.ttc ,  da  die 
Menge  der  Husgescbiedenen  Subätauzeu  wesentlich  von  der  Keaction  und  Zu.sauimen 
sotsnag  des  Harnes  abhlngt;  die  Centrifuge  erlriehtert  eben  nnr  das  Anfsammeln 
der  schon  ausgesehledenen  Sedimentbildner.  Nach  Albit  >)  werden  die  Hakterien 
durch  die  Centrifuge  nur  theilweise  ausgeschleudert ,  auch  fand  er  dieselbe  Bur 
quantitativen  Abseheidunfr  eine."  Eiwoisscoairulums  nicht  brauchbar. 

iMwsoN  TuKNEE -)  empliehlt  die  Messung  des  elektrischen  Wider- 
standes des  Harnes  als  diagnostisches  Hilfsmittel.    Die  Versoehe  wurden 

mit  einem  WiiK.xr.'^TrixK  schcn  Apparat  mit  alternircnden  Strömen  au  prefuhrt.  Der 
8pecifi^ell«•  Wider.'^taiitl  d>  s  iiuruialen  Trins  entspricht  etwa  4')  Olim  und  ändert 
sich  im  umgckchrtt'u  Verhältuisae  mit  dem  speeiüschen  (iewicht  de.-«  I'rins.  Doch 
finden  anch  Abweiehungea  von  diesem  Gesetse  statt:  so  ist  bei  croupöser  Pneu- 
monie und  bei  Diabetes  der  etelttrischu  Widerstand  trotz,  des  hohen  spccitLschen 
(lewiciilcs  crestoisrert .  im  ersteren  Falle  wetfon  des  FrlileiiS  der  Chloride,  im 
letzteren  Falle  wegen  der  relativen  Verminderung  der  Salze  gegenüber  dem  durch 
die  Zuclcermengo  erhöhten  specifischeu  Gewichte  dea  Harnes.  Was  Verfasser  noch 
tiber  den  Werth  des  elektrisehen  Widerstaades  als  diaguostische«  Mittel  anfuhrt, 
/,ei?t  ebens"  wie  das  oben  Berichtete,  dass  man  durch  dieses  im  besten  Falle 
soviel  ert.'llirt.  .ils  durch  die  IJestinimun^  des  speeilisclien  Gewiclite.s  im  Harn. 

Erst  durch  die  Arbeiten  von  I'fli  ukr  uud  des.<iea  Schülern  (Keal  Kncy- 
elopidie,  Bd.  XXIII,  pag.  2 IM)  Ist  es  möglich  geworden ,  die  Art  der  Zersetzung 
der  EiweisskOrper  im  thierischen  Organismus  unter  versehiedenen  physiologischen 
und  ]»ath"lo<riMcheM  VerhilltnissL-n  Bedingungen  zu  erkennen,  indem  man  das  Ver- 
hitltuiss  der  Stickstolimengen,  welche  im  Harn  als  llarnstotV,  Ammoniak  und  stick- 
stofffaällige  Extractivstoffe  (Harnsäure  und  Xanthinkörper ,  Kreatinin,  Farbstoti'e; 
au^esehieden  werden,  quantitativ  feststellt.  Untersttobungen ,  welche  diesem  Ge- 
sichtspunkte Rechnung  trugen,  wurden  bisher  von  L.  Hi.F.inTBRU  am  Hundeharn, 
von  Kknst  ScHl'l.T/.K  an  sieh  selbst,  von  K.  A.  H.  Morner  und  SJÖ(iVisT  in 
Fallen  von  Leberkraukheiten ,  Fettherz  uud  ryopueumothorax  ausgeführt.  Eiue 
grossere  Reihe  von  üntersuehnngen  dieser  Art  hat  neuerdings  G.  Göhlich  ■)  ver- 
öffentlicht. Um  den  Einiluss  der  Nahrung  auf  das  Mlsehangsverhnltutos  der  Stiek- 
stoffcoraponenten  im  normalen  Harn  zu  bestimmen,  unternahm  GuMtJCH  mit  sich 
selbst  zwei  Versuchsreihen  von  24 ,  beziehungsweise  17  Tagen ,  in  denen  ab- 
weebselnd  Fleisch-,  Pflanzen-  und  gemisehte  Kost  genommen  wniile. 


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m  HARN. 

Den  Gesamratstickstoff  gleich  100  genommea,  fladak  er  folgende  relatire 
Meegen  der  einseinen  N-Componenten : 

Harnxtofr-N  AuDoniak-N  Extractivstoff-K 


bei  gemischter  Kost   .  .  85  57  4'95  9-48 

„  animaltscher  Kost  .  87  07  4*77  8'1(> 

„  vegetobilieeher  Kost         79*20  4*10  16*70 

wobei  die  relative  Vemünderaog  des  Extraetivstoff-N  bd  Fleiedikoet  «nd  die 
starke  relative  Vermehrung  desselben  liei  der  Pfluienkoet  am  mdsten  anflUlt. 

fim  Harn  von  Pflanzenfressern,  Pferden  und  KQhen  stellen  sich  die  entsprechenden 
Zitierii  folgendermassen :  Harostotf-N  84-5  and  83*4;  Ammoniak  u  o  und  0  0; 
£xtracüv8toff-N  16'5  und  16*6.  Bemerkenswerth  i«t  das  vollständige  Fehlen  des 
Ammoniaks.)  Bei  hohem  Fieber  war  eine  relative  Verminderong  des  Harn- 
stoffes constant,  sie  wurde  durch  eine  vermehrte  Ausscheidung  des  Stickstoffes  der 
Extractivstoffe  aus^efrlichon  und  auch  das  Ammoniak  war  im  Fieber  durchschnittlich 
relativ  vermehrt,  im  Harne  der  Diabetiker  fällt  der  relativ  hohe  Gehalt  an 
Ammoniakstiekstoir  anf ;  die  Menge  des  Bztraetivatoff-N  im  Harne  ist  eine  relativ 
Ittsserst  geringe,  letsteres  hnn^t  mit  der  reichlichen  FleischDahrung  der  Diabetiker 
zusammen .  Vorgt!schnttcne  Lebercirrhose,  schwere  Anämie,  Herzfehler 
im  Stadium  der  lusufticienz  gehen  mit  relativer  Verminderuag  des  Harnstoffes,  Ver- 
mehrung des  Ammoniaks  und  des  BxtraetivrN  einher.  Fflr  den  eriiftbten  Ammoniak-N 
wird  in  den  beobaditelen  Fftllen  die  beeinträchtigte  Leberfanetion,  fDr  den  des  Extrac- 
tivstüff-N  zum  frrrtssten  Thcil  die  i^eringe  Nahrungsaufnalinx^  verantwortlich  gemacht: 
beim  Hungern  ist  der  Extractivstoff-N  vermehrt.  Im  Allgemeinen  ist  der  Gebalt  au 
Extraetivstoff  N  bei  Gesunden  wie  bei  Kranken  vermetirt,  wenn  das  Körpergewicht 
raseh  sinkt;  es  zeigt  sieh,  dass  Zerfall  von  Gbweliseiweiss  eine  Vermehrung  der 
Extractivstoffe  des  Harnes  bewirkt,  während  das  Nahrungseiweiss  den  zersetzenden 
Kräften  vollständiger  anheimfällt  als  das  Organeiweiss .  insofern  ein  grösserer 
Proceutäatz  des  ersleren  iu  Harnstolf  (und  Ammouiak)  umgewandelt  wird,  als  das 
hei  letxterem  der  Fall  ist.  Auffallend  sind  die  zeitliehen  Versehiebungen ,  welehe 
die  Ausseheiduugssdiwankttngen  des  Hamstoff-N  und  des  Extractivstoff-N  gelegent- 
lich des  Tphcrgangcs  vou  einer  Ernährnngsform  zur  ander^ti  's.  nhen)  erleiden, 
es  tritt  uämlich  das  Maximum  der  Extractivätoti'e  mit  Kegel mässigkeit  eineu  Tag 
später  anf  als  das  des  Oesammt-N,  des  Harnstoffes  und  des  Ammoniaks.  Naeh 
GöMLicH  könnte  diese  Erscheinnng  möglicherwci.^e  durch  die  erschwerte  Dnreh- 
lässigkeit  der  Nieren  fllr  das  grössere  MolecUl  der  ExtractivstolVc  bedingt  sein. 
Es  ist  also  die  Ausscheidung  der  ExtractivstotTe  eine  langsamere  als  die  des 
Ammoniaks  und  Harnstoffes,  sie  ist  eine  besonders  reicblicbe  nach  einem  nrämischeu 
Anfall,  während  sie  vor  demselben  gering  ist.  Dies  gestattet  den  Sehlnss,  dara 
der  urämische  Anfall  auf  eine  Ansammlung  der  Extractivatoft'e  zurtickzufflhreu 
ist,  eine  solche  kann  entstehen  ,  wenn  ein  hydropischer  Krgnss  resorbirt  wird, 
wobei  llarustotf  und  Salze  gleich  ausgeschieden  werden ,  während  die  Extractiv- 
Steife  im  KArper  in  Folge  ihrer  geringeren  Anssoheidbarkeit  anfgespeiohert  werden. 

Wie  Baktkls,  Lklbk,  SENATOR,  pRIOR  SChon  L'-efiindcn  haben,  ist  bei 
acuter  Nephritis  die  Stickstnffausschoiduug  anfangs  herabgesetzt  und  steigt  bei 
günstigem  Verlauf  der  Krankheit  bis  zur  Norm  und  Uber  dieselbe.  Uann  *)  fand 
aneh  bei  ehroniseher  Nephritis  eine  im  Verhältniss  zur  Stiekstoflhufeabme  zu 
geringe  Ausscheidung,  also  N-Retention  im  Körper,  trotzdem  dass  mit  der  Nahrung 
eine  unzureichende  N  Mcnirc  zugeführt  wunlc.  Die-e  Rctcuttim  >-(ieg  mit  Ver- 
mehrung der  Nahrungszufuhr  und  war  grösser  bei  gemischter  als  bei  reiner  Mileh- 
kost.  Bei  Verminderung  der  Nahrung  trat  ein  Sinken  der  N-Retentiou,  gleieh- 
zeitig  mit  dem  Ansteigen  der  Harumenge  auf.  Das  gleiehe  Resultat  «gab  sieh 
in  Fällen  von  Schrumpfnicre.  Es  kann  also  bd  Nierenkrnnkheiten  bei  sehr  ge- 
ringer N  Zufuhr  N-OIeichgcwicht  auftreten  ;  vermehrte  Zufuhr  bewirkt  N-Retention. 
wobei  an  eine  Aufspeicherung  des  N  in  Oedemen  u.  s.  w.  zn  denken  ist,  die  zu 


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HABK. 


369 


urimjaebeii  "ExulMbamgtm  fBbren  kann.  Bei  Amyloiddegesomtion  der  Niere  zeigt« 

sich  anfänglich  ebenfalls  eine  X-Retenticn ,  welche  aber  trotz  Vermehrang  der 
Nahnniir-^zufuhr  stetig  sank  und  schliesslich  vollatilüdig  aufhörte,  obwohl  die 
uiuyluid  eutarteteu  Tbeile  der  Kiere  sich  nicht  wiederhergestellt  haben  konnten. 

E.  BöDTKBR*)  bat  die  Harnstoffbeatfanmimgainetbod«  yon  K.  A.  H.  Möbmxb 
und  SjöQVIST  (Real-Encycloplldie ,  Bd.  XXIII,  pag.  294)  überprüft  und  in  jeder 
Beziehung  fflr  verlilsslich  Itefunden.  IJer  Zusatz  von  Magnesiumoxyd  zn  der  durch 
die  Cblorcalcium-BarytiuischuDg  gefällten  Flüssigkeit  erweist  sich  nur  bei  Auwesen- 
bdt  gHtaaerer  Mesgen  von  AmmoDsalsen  ab  notiiweadig,  darf  alao  nioht  verslimit 
werden,  wenn  der  Harn  ein  etwas  bOberes  speeifiaebes  Gewicbt  batte,  aonet  ist 
er  überflüssig ,  wenn  man  statt  des  von  Mörnkr  und  S.töGVISt  empfohlenen 
96^/Qigen  Alkohols  nur  ÜÜ^;oigea  verwendet,  welcher  etwas  mehr  Aetzbaryt  in 
LöatiDg  hlH  nnd  w»  den  Zniats  ▼on  Magnesiumoxyd  «nnöthig  macht.  Zar  Be- 
Btimmung  verwendet  Bödtkbk  nicbt  5  Ccm.,  sondern  nur  2*5 — 3  Gem.  Harn,  weil 
dadurch  die  weitere  Behandlung  wenie^er  zeitraubend  wird. 

Während  zahlreiche  Autoren  die  harnlöseude  Wirkung  des  innerlich 
genommenen  Pipcrazios  beobachtet  haben  wollten  (Real-Encyclopädie.  Bd.,  XXIV, 
pa^r.  561),  »igten  Pfeiffbr  nnd  POSNXR  dnreh  Ywaaehe,  daas  es  deb  bei  der 
bamlösenden  Wirkung  der  Alkalien  im  Organismus  nicht  etwa  um  eine  directe 
Li.sun^r  der  Harn.^äure  durch  genossene  Alkalien  handelt,  sondern  um  eine 
indirecte  Lösung  durch  den  gleichsam  medicamentösen  Harn.  Martin  Mendel- 
SOHN  *)  wie«  nun  an  Piperadn  nadi,  dass  dasselbe  in  LOsnnir  im  Reagens- 

^lase  allerdings  Harnaäureconcretionen  löst,  jedoch  keineswegs  in  der  Form  des 
Pipcrazinharnes ,  das  Piperazin  verleiht  also  bei  seinem  Durchgehen  durob  den 
Urganismus  dem  iiarne  keine  barnsäureauäösenden  Eigenschaften. 

Bezüglich  des  Verbaltens  der  Harnsäure  bei  der  Oidit  findet  E.  Pfeiffer  ^, 
dass  sich  die  Harnsäure  aus  dem  Harne  des  Gichtkranken  viel  leichter  aus- 
scheidet. Wenn  er  100  Ccm.  Harn  eines  nicht  cachectischen  Oichtkrauken  während 
der  anfallsfrcien  Zeit  durch  ein  mit  0*2  oder  0*5  Grm.  Harnsäure  beschicktes 
Filter  geben  Ifisst,  dann  ist  in  dem  Filtrate  durch  Salzsäurezusatz  keine  oder 
fast  Ictine  Harnaiure  mdir  naebweisbar,  wAbrend  gegenlll>er  dem  Urine  eines 
Gesunden  erst  2—3  Grm.  Harnsäure  diese  Wirkung  entfalten.  Die  durch  das 
Ilarnsäurefiltcr  ausscheidbare ,  beziehungsweise  auf  denisollien  zurückgehaltene 
Harui<:iure  bezeichnet  Pkeiffkü  als  „freie'',  wobei  er  annimmt,  dass  sie  im  üriue 
sieb  in  loserer  Verbindung  befinde  als  beim  Gesunden.  Bbstsin')  beobaebtete 
bei  WiederboluDg  der  Versuebe,  dass  das  Hamsänrefilter  die  von  PFBIF7KB 
angegebene  Wirkung  dem  Trine  von  Harnsäuresteinkranken  gefrenflbcr  zwar 
häutig ,  Jedoch  durchaus  nicht  regelmässig  entfaltet,  dass  ferner  bei  der  Gicht  in 
«ler  anfallsfireien  Zeit  und  bei  v(il!igem  Woblbefinden  eine  erbebliebe  Retention 
i!i<  lit  immer  stattfindet,  hingegen  auch  während  des  Anfalles  t  lK  iifalls  vorkommen 
k;inn ;  es  ist  deniu.ieli  das  Harnsäurefilter  al.s  entuclieideruies  (iia^rno^ti.'^ches  Hilfs- 
mittel nicbt  zu  vcrwerthen.  L.  Fürst  prüfte  die  harnsäurelösendu  W' irkung  von 
aablrrieben  MinemlwaMn'bamen  naeb  Eännabme  von  alkalinischen  und  alkalinisob» 
muriatiseben  Säneriingen  nach  der  von  ibm  modifloirten  PpsiFFEB'scben  Filter- 
probe. Die  Resultate  sind  jedenfalls  von  praktischem  Interesse. 

Die  0  *eu  fcesehilderten  Thatsachen  vou  der  hnrnsäurelüsetideu  Wirkung 
mancher  Iiarne  und  von  deren  Eigenschaft,  die  liaruääure  auf  einem  mit  Harn- 
sAure  besebiekten  Filter  mebr  weniger  leiebt  abzugeben,  erfabren  eine  wesentliebe 
Bereicherung  durch  die  Beobachtung  von  RCdel  dass  der  Harnstoff  nicht  nur 
in  witsseriger  Lö.sung,  sondern  auch  im  Harne  im  Stande  ist,  die  ll.inisiuire  und 
harnsaure  Salze  zu  hisen.  Gewiss  ist  das  Ausfallen  der  ilaru:iiiuru  und  der 
sauren  Urate  von  ihrem  Verbfiltnisse  sum  phospborsauren  Natron  des  Harnes 
abbängig;  jeilni  h  Il.iriu-,  die  weder  reicher  an  Hantsäure  sind,  noeb  eine  stärkere 
lle.'u  tiun  als  amler»-  Itt  silzen  .  lassen  dennoch  die  Harnsäure  ra.seher  ausfallen, 
ohne  dass  sich  hierfür  eiu  Grund  angeben  lässt.  ^ach  KiJDEL  löst  1  Liter  2*^/, 
Kucyclup.  Jahrbücher.  III.  24 


870 


HARN. 


Hariistotl'iösuiig  im  Mittel  0*529  6rm.  liarasäure;  üemuach  ist  der  luenachlicbe 
Harn,  der  dnrobscbnittiidi  2*/o  Harnstoff  entbält,  bri  einer  tSglieben  Harnmenge 

Ton  1500 — 'JOOOCcm.  durch  deu  Harnstoff  fast  allein  im  Stande,  dieLflsiing  der 

geeammten  Harn>i:lure  (OS  — 1*0  Grm.)  zu  bewirken. 

Einen  Tbeil  der  in  2"^ feiger  Uarnstofflösang  gelösten  Harnsäure  kann 
man  dnreb  SBureznsats  (Saixsiare)  zur  Abeebeidnng  bringen.  Ein  betritebtlieber 
Tbeil  bleibt  in  Lösung  und  dieser  Antbeil  nimmt  an  Grösse  /.u,  sobald  der  Siture- 
zuRatz  das  Optiimini  ttbergehrcitet ,  indem  offenbar  die  flberachfluige  Store  einen 
Tlieil  der  Harnsäure  wieder  löst. 

Ans  Lösnngen  von  Harnsäure  in  Harnstoff,  in  denen  der  Harnstoffgehalt 
6Vo  erreiebt  oder  flbersebrdtet ,  ftllt  beim  Ansftnero  statt  der  Hamslnre  ein 
floRkifrer  Niederschlag  ans.  Derselbe  besteht  ans  einer  Verbindung:  von  ^leielien 
MolceUlen  H-irnsiUirc,  Harnstoff  und  Wasser.  Noch  eine  zweite  Verbindunfr  fl  Mol. 
Harnsäure,  2  Mol.  Harnstoff  und  4  Mol.  Wasser)  lässt  sieb  darstellen.  Wabrschein- 
lieb  Icommt  bamsanrer  Harnstoff  aneb  im  Harne  des  Henscben  vw. 

In  seinen  Studien  tlber  „Harnsäure  und  Gicht"  hat  E.  Pfeiffer**)  snr 
Beantwortung'  der  Frasre,  ob  der  Gichtkranke  mehr  oder  wenijrer  HarnsJUire  aus- 
scheidet als  der  Gesunde ,  bei  Gesunden  und  Gichtkranken  die  Harni^äure  (zu- 
mrist  naeh  Salkowskt)  nnd  aneb  den  Harnstoff  bestimmt,  bei  Gesunden  aneb  die 
Bestimmnngen  anderer  Autoren  zu  Gmnde  gelegt.  Um  die  Resultate  vergieiebbar 
zu  machen,  sind  die  Ausscbeiilungrsmengen  für  je  100  Kgrm.  Körpergewicht 
berechnet.  Die  Zusammenstellung  ergebt,  dass  die  Harnsäureausscheidung  des 
Gesanden  ein  sehr  oonstanter  Factor  ist,  welcher  bei  weitem  niebt  so  grossen 
Sebwanlcnngen  nnterwcnrfen  ist  als  die  Hamstoflknsselnidang.  Von  1*241  (anf 
100  K?rrm.)  im  ersten  Jahrzehnt  sinkt  derselbe  ganz  oontfnnirlich  mit  annehmendem 
Alr«r  ab,  ist  im  zweiten  Jahrzehnt  l'll.^.  im  dritten  1*024,  im  vierten  ()'9<55, 
im  ftint'ten  0*882,  im  siebenten  0'752  und  im  neunten  0  577.  Auch  in  den  Ham- 
stofl^len  seigt  sieb  eine  eontinnirliebe  Vermindemng,  welebe  jedoeh  etwaa 
grossere  Schwankuni^en  aufweist  als  die  Harnsäurereihe.  Von  50  8  Grm.  Harnstoff 
im  ersten  .lalirzelmte  sinkt  die  Mong'c  auf  49*1»  im  zweiten,  10-7  im  dritten, 
38*4  im  vierten,  32'8  im  lünften,  .30*7  ini  siebenten  und  27*'.)  im  neunten  Jahr- 
zehnte herunter.  Aueb  das  gegenseitige  Verbiltniss  swiseben  Harnstoff  nnd  Harn- 
Slnre  ist  mit  zunehmenden  Jahren  fast  dasselbe.  Das  Verhältniss  des  Harnstoffe« 
zur  HrirnsMnre.  letztere  g'b  ieli  1  fresetzt.  ist  im  ersten  Jahrzelmtc  t'i.  im  zweiten 
4A  S,  im  dritten  39- 1,  im  vierten  3l)-8,  im  fünften  36  8,  im  siebenten  40  8  uud 
im  neunten  37*9.  Nachdem  also  Harnstoff-  nnd  Harnsäureabscheidnng  von  der 
frflbesten  Jagend  an  mit  sunehmenden  Jaliren  immer  mehr  abnehmen,  erselidnt 
die  Ansicht  grtindlich  widerlegt,  dass  eine  vermehrte  Harnsitnreausscheidung  ein 
Zeichen  verlan^rsaniten  StolTweehsels  sei.  Eine  itlniliclie  Vergleichnng  der  bei 
Gichtkranken  im  Aller  von  30  — 70  Jahren  erbaitcnen  Zahlen  ergab,  dass  sowohl 
llamsänre  nnd  Harnstoff  in  alten  Jahrsebnten  vermindert  sind  (s.  Original),  so 
dass  schon  in  den  frOhesten  Stadien  der  Gicht  eine  Verscbleebterung  des  Gesammt- 
Stoffwechscls  gegenüber  dem  nesundon  v(trbanden  ist. 

Nicht  so  glatt  erscheinen  diese  Verhältni.wu  in  den  Ucsultaten  einer 
Untersuchung,  welche  Hertbr  und  Smith i*)  Uber  die  Harntftnreanssebeidnng 
unter  den  verschiedensten  Verbaltnissen,  und  swar  stets  im  Vergleiebe  mit  der 
Ge^ammtstickstolTaii^si'liriiiiiii;;  anstellten.  ICin  gesunder  Erwachsener  pmdncirt 
tiiglicb  O'o — 0*75  Harnsiinre  bei  normaler  gleichbleibender  Kost.  Das  Verhältniss 
der  Harnsäure  zur  Gesammtstickstoffausscbeidung  (Gcsammt  N  als  Harnstoff  aus- 
gedrttekt)  ist  für  dasselbe  Individuum  dn  ziemlidi  eonstantes,  bei  versebiedenen 
Individuen  ein  wechselndes  (1  :  (5.') — 1  :4.'>;,  ein  Verhältniss  von  weniger  .^s 
1  :  45  ist  anormal ;  das  Verhältniss  ändert  sich  l)eträchtlicli  je  nach  der  Nahrung 
1  :  48  bei  Fleischdiiit ,  1  :  82  bei  Kohlehydraten,  1  :  76—1  :  80  bei  Milchdiät, 
Alkohol  in  Form  von  Champagner  steigerte  die  Hamslnreansfubr  1 : 42,  Alkohol 
m  Form  von  Whisky  bewirkte  keine  Veränderung.  Salicylsanree  Katron  steigerte 


HABN. 


371 


in  einigen  Fällen  die  Uarnsäureauäfubr  z.  B.  1 : 38.  Bei  Ctiorea  war  eine  Stei^^erun:;; 
der  N>Au8fabr  anseheioend  parallel  der  Schwere  und  dem  Verlaufe  der  Pftlle; 
nach  epileptischen  Anfällen,  niclit  aber  vor  denselben ,  war  stete  eioe  plötzliehe 
Steigerung  deraelbeo  naehweiftbar.  B«  xwei  Fftllen  von  paroxysmalem  Erbreehen 

-  + 

(Kinder)  wur  wäbreud  oiuor  dreitägigen  Periode  dea  Erbrechens  U:U  =  1:157 
und  1 :  132  (Tagr»  vorher  1  :  54  und  Ta^s  nachher  1  :  50). 

Ueber  den  Einfliiss  heisser  Häder  auf  die  Stickstuff  und  IlarnHaure- 
ausscheidung  beim  MeuscLeu  liegen  zablrvicbo  Uuteräucbuugea  vor,  deren  Resultate 
sieh  EumThdle  widersprechen.  E.  FOfUtANBK  ")  bat  nun  in  drei  Versttohsrdben  von 
12 — IStftgiger  Dauer  die  F^age  ueuerdin^s  zu  lösen  gesucht.  Iti  dem  ersten  Ver- 
suche wurde  an  cincni  Tage  ein  lieis-ics  Luftbad  von  65°  Tl.  in  der  Dauer  von 
20  Minuteu,  dann  ein  Dampfbad  von  K.  von  15  Minuten  Dauer  und  schlieaa- 
lieh  ein  Douchebad  mit  lauwarmem  Wasser  genommen ;  im  sweiten  Versuche  wurde 
ein  ganz  flhnliebes  Bad  2  Tage  nieheinander  und  im  dritten  Versnebe  wurden 
Wannenbiider  von  einstfinriitrer  Dauer  in  C.  warmem  Wasser  am  ersten  Tage 
einmali  an  zwi-i  t'olj^ciiden  Ta;jren  je  zweiinnl  xciioiumen. 

Während  im  ersten  Versuche  keine  Wirkung  bemerkt  wurde,  seigte  sich 
im  swmten,  mehr  noeh  im  dritten  Versnebe  eine  dentliebe  Steigerung  der  Stöek- 
stoffausfubr  g^n  die  Einfuhr,  gleidueitig  mit  der  Gesammtstiekstoffmenge  stieg 

auch  der  narn«s;lure?ohaIt  des  Harnes.  Von  besonder«  hithem  Einfliis-;e  auf  den 
Erfolf^  der  Ver'Jiiebe  ist  die  durcb  die  H/lder  bedin^^te  .Steif^orunff  der  KTirper- 
temperatur.  ist  dieselbe  nur  kurze  Zeit  und  nicht  bedeutend  gesteigert,  so  macht 
sieh  ein  Einfluss  dieser  Steigerung  kaum  geltend,  ist  dieselbe  aber  bedeutend, 
wie  etwa  im  dritten  Versuche  und  iMnf^er  dauernd  irc-;* eifert,  so  tritt  dieser  Ein- 
fluss  deutlich  hervor.  Auch  die  Individualitilt  spielt  bei  diesen  Versuchen  eine  be- 
deutende Rolle,  Paui.  KicUTKtt  (^Vircuow's  Archiv,  CXXIII;  konnte  bei  gleicher 
Versucbsanordnung  bei  Ennineben  keine,  bei  Hunden  i^ine  deutliebe  Stdgeruog 
des  Stoffamsatses  durch  Steigerung  der  Körportemperatur  erzielen ;  es  ist  zu 
erwarten .  dnss  aucli  innerhalb  einer  S|)"eies  Individuen  mit  mehr  stabilem  und 
andere  mit  mehr  labilem  StickstotlVrleii'li^^L'wiehte  vorkoiiitnen. 

Mit  Rücksicht  aiit  die  Beobachtung  von  Horbaczkw^jKI,  der  nach  einem 
beissen  Bade  eine  Vermebrnng  der  weissen  BlutkOrpereben  im  Blute  fand,  bat 

FuHM.AN'EK  im  Ver.suche  1  und  H  das  Verhältnisa  der  weissen  Stt  den  rotben  ßlnt- 
kftrperehen  in  Hptra'.'li(  sreznw'en  und  /"entsprccliend  der  vermehrten  llariis-lure- 
auBseheidungj  eine  deutliche  Vermehrung  der  Lcucocytenzahl  im  Blute  nach- 
gewiesen. 

RezUgllch  der  Verhältnisse,  welche  die  Ausscbeidung  der  Aetherschwefel- 
?,'üiren  im  Harne  beeinflussen  ,  sind  micli  viele  Frairen  unj^eb^st.  Feststehend  ist 
nur  die  Thatsaehe,  dass  deren  Men^e  bei  Erkrankungen,  welche  Stauung:  des 
Darminhaltes  bedingen,  ebenso  beim  Vorbandensein  irgend  welcher  Fäulnisäherde 
im  Darme  vermehrt  erscheint  (s.  aueb  Reat-EneyelopOdie,  Bd.  XXIV,  pag.  :t2S). 
B.\RTo.><cHEWiTSCH untersuchte  die  ( >i:.iri(it.1t  der  Aetbersehwefelsäuren  bei 
Diarrhoen,  um  ?.un,1cbst  zu  entpebeidcn,  ob  die  absolut«'  und  relative  Menfrc  der 
präformirten  Schwefelsäure  {aj  und  der  Aethcr.scbwefelsüure  (b)  bei  Diarrhoen 
eine  Veränderung  erleidet  und  ferner,  ob  swlsolieu  den  Abfährmitteln,  welehe  den 
Darm  desinfielren  (Calomel)  und  denen,  welchen  eine  suleho  Wirkung  nicht  zu- 
kommt, ein  Unterschied  besteht.    Das  Verhältnis»  der  Geaammtaohwefclsilure  zur 

gebundenen  ~   erwies  sieh  in  der  Norm  2*303  :  0*282  =  8*6,  nach  Galomel- 

einpabe  als  1*785  :  0-104  —  11"2,  nach  Ricinus«!  als  2  039  :  0-288  —  T'O.  Es  ist 
also    in  Fol*re  Calonieleinsjabe   die  Menf?e  der  (iesamnifschwefidsäure ,  besonders 
aber  auch  die  der  gebundenen  Schwcteliiäure,  herabgesetzt  worden,  während  durch 
RieinnsOl  ein  solches  Resultat  niebt  ersielt  wurde.  Bei  Kranken  fitnd  sieh  in  jedem 
Falle  eine  Verminderung  der  Qesammt-  wie  aueb  der  Aethersehwefelsänre,  wenn 

24* 


372 


HAHN. 


auch  in  vdten  SchwMknngen  der  £uuwlir«rthe.  In  Mittel  betrag         ^  ^ 

uonnale  Periode  2*716 :  0-363  =  7*4,  flir  die  Diarrhoeperiode  2-441 :  0*320  =  ll't. 

Eine  diagnoitiMdie  Bedentnns  können  die  Proportionen  — ^—  oder  ^  ohne  gennno 

Controlvemiehe  nieht  haben,  dodi  kann  die  Beitiininang  der  AethenehwefiBleiiiien 
als  CuatrolBaoalyie  (z.  B.)  bei  Simvlation  von  Krankheiten  einen  nieht  nnbedentenden 

Dieast  leisten. 

KoviOHi  fand  bei  Zuständeu  psychischer  Depressioo  eine  bedeutende 
Vermebmng  der  AethersehwefelBinren  im  Harn  a :    =  4*7  nnd  aueh  4*0 :  1. 

Vielldeht  rflbrt  auch  die  Giftigkeit  def  Blutserum«  und  des  Harns,  welche  von 
cinigreu  Beobachtern  bei  Melancholikern  constatirt  wurde ,  von  der  vermehrten 
Erzeugung  der  bei  der  Darmfialniss  entstehenden  Phenole  and  Kresole  her,  die 
eben  als  AetherBohwefolslaren  dann  im  Harn  anagemshieden  werden.  AnfMIend 
ist  auch  die  Vermehnmg  der  Aetherschwefelsäuren  im  Harn  bei  alten  Lcutoa  von 
70 — 90  Jahren  :  //  r=  0'59,  zugleich  mit  bedeutender  Vcrrnindfrim^-  des  Harn- 
stoffs. Hoviuui  I";  uuterduehte  demnach  die  Einwirkung  der  gebräuchlichsten  Auti- 
pyrelica  auf  die  Aossoheidung  der  priformirten  und  gebundenen  Sehwefelsftare 
während  und  naeh  dem  Gebranefa  hober  DoRen  denelbea,  nm  sa  eiftliren,  in 
welcher  Weise  die  Antipyretica  die  Bildung  und  Ausscheidung  der  giftiigen 
Stidlweehseljiroduete  der  Darmfäulniss  beein(lii8.-*en.  Antipyrin,  Acetanilid,  Pbenacetin 
uud  l'henocoll  in  Dosen  von  l^/g  —  2  tirm.  täglich  durch  2 — 3  Tage  wiederholt, 
vemrBaehen  dne  bedeotende  Vermdurung  der  AettierMhwefelBftnren  im  Harn.  Diese 
Vermehrunfr  ist  bei  Antipyrin  am  geringsten.  2 — 3  Tage  nach  Anwendung  der 
erwähiiteu  Mittel  ist  bei  Fieberkranken  und  (Je-^unden  eine  deutliche  Verminderung 
der  normalen  Menge  der  Aetberschwefelsäuren  im  iiarn  zu  beobachten,  besonders 
deutlieh  tritt  diese  Wirkung  naeh  Oebraneh  von  Antifebrin  atif.  Die  SaHeylslnfe 
und  Natrium^alicylat  bewirken  erst  nach  zwdtigiger  Anwendung  starker  Dosen 
eine  geringe  Verminderung  der  Aethersehwefel-^.luren  im  Harn,  auch  Chinin  seheint 
in  Dosen  von  1*5 — 2  Grm.  täglich  eine  Verminderung  der  normalen  Menge  der 
Aetbersehwefelsäuren,  möglieherweise  dureh  Darmdesinfeotion,  zu  bewirken. 

C.  Mazrtti  I")  ist  geneigt,  der  Müs  einen  grossen  Elnfloss  auf  die  Indiean« 
ansseheidung  im  Harn  zuzuerkennen.  Bei  drei  Malariakranken  mit  sehr  grosser  Mila 
fftigte  nach  Einfuhr  von  hauptsäehlich  eiweisshilltiger  Nahrung  starke  Indicanurie. 
Hin  Hund  zeigte  nach  Exstirpation  der  Milz,  auf  wiederholte  Einführung  von 
Fleischkost,  wiederholte  Perioden  intensiver  Indieannrie. 

FQr  die  massanalytisehe  Bestimmung  der  Phenole  im  Harn 

haben  A.  Kossler  und  S.  Pfanv  das  flBr  die  titrimetrische  Bestimmung  der 
Phenole  von  MkssikgER  und  VoRTMANN  anireL'ehene  Verfahren  fUr  den  Harn 
brauchbar  gefunden  und  empfehlen  es  mit  einigen  Modilicationen.  Eiue  genaue 
Bestimmung  der  Phenole  im  Harn  wird  in  folgender  Weise  ausgeführt:  Der  Harn 
wird  suMst  bei  alkaliseher  Reaetion  eingedampft,  um  das  Aceton,  welches  ebenso 
wie  Ammoniak  und  Ameisensäure  im  llarndestillate  durch  Jodbindung  Phenole 
vortäuschen  kannte,  wegzuschaffen.  Der  Hfiekst.md  wird  mit  so  viel  Schwefel- 
säure, dass  auf  das  ursprüngliche  Harnquautum  5''^  kommen,  versetzt  uud 
destillirt.  Das  Deslillat  kann  durch  nochmaliges  Destilliren  Uber  Galeinmearbooat  von 
salpetriger  Säure  und  Amei-^eimfture  befreit  «erden.  Es  genügt  nieht,  die  Destillation 
nur  HO  lange  furtziiset/en .  bis  die  F.lllung  mit  Bromwasser  ausbleibt ,  weil  in 
Destillateu.  welche  die^c  Keactiun  nicht  zeigen,  noch  beträchtliche  Meugeu  vuu 
Phenol  enthalten  sein  können.  Es  wird  daher  zweckmässig  der  eingedickte  Inlialt 
des  DestilUrkolbens  mit  Walser  wieder  aufgefilllt  und  erneuerter  Destillation 
unterworfen.  Die  Dc-itillate  kunneu  in  otTeneu  Flaselieu  auf^refan^en  werden  nnd 
die  2  oder  H  eräteu  werden,  wie  oben  angegeben,  durch  Deätilliren  ttbcr  Calcium- 
carbonat gereinigt.  Ein  bestimmter  Anteil  des  Destillates  wird  in  wohl  verscbliese- 
barer  Flasche  mit  Zehntelnormalnatronlauge  alkalisch  gemacht,  im  Wasserbade 


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HABV.  373 

«rwiimt  and  mit  einem  Uebenebnm  (15 — 20  Cem.  mehr  als  Natronlange  Ter- 
wendet  wurde)  von  Zehutelnormaljodlösung  versetzt.   Nach  dem  Erkalten  säuert 

man  an  und  titrirt  mit  Zelintelnoriualthiosulfatlösung  das  freigewordene  Jod.  In 
gleicher  Weise  verfährt  man  mit  den  foigeoden  Destillaten,  so  lange  noch  Jod- 
bindung statthat.  IMe  Snmme  der  gebundenen  Jodmengen  giebt  das  vom  Phenol 
nnd  Parakreaol  aar  Bildung  der  Trijodsnbstitntionsprodacte  verbraachte  Jod. 

Zweckniftasig  werden  sie  auf  Parakresol  berechnet.  1  Ccra.  einer  Zehntelnormal jnd 
lösunfr  ent.spricht  1'567  Mgrni.  Plienol  oder  1"8018  Mgrm.  Kresol.     Die  Merifren 
l'benol  im  normalen  Harn  scheinen  grösser  zu  sein  als  häutig  angenommen  wird 
(0  08  dm.  in  der  Tageamenge).  Kosslbb  nnd  8.  Pbnnt  fanden  in  swel  Filllen 
0*07  und  0106  Grm.  Phenol,  beziehungsweise  0*081  und  0122  Orm.  KrcKol. 

Ob  durch  diese  Methode  silmnitlicbe  Fehlerquellen,  welche  Kimpk  '^i  bei 
der  quantitativen  Bestimmung  der  PbcDolkürpcr  des  menschlichen  Harns  auä'and, 
tbataieblleh  eradiOpft  sind,  mflssen  weitere  Versnobe  lehren. 

In  dem  von  M.  Wolkow  und  ß.  BaüUAIIX  geBebilderten  Falle  von 
Alkaptonurie  (Real-Encyclopildie,  XXIV,  pag.  Ml)  wnrde  als  iTsachc  der- 
selben die  llomogentisinsäure  aufgefunden.  Ii.  Embden  bat  nun  einen  zweiten 
Fall  von  Allcaptonnrie  entdeekt  der  ebenfalls  anf  die  Anssebeidung  von  Homo* 
gentisinsänre  bembt^  besonders  interessant  ist  dabei^  dass  dieser  Fall  die  ßOjähri^'u 
Schwester  de.«  vm  ersteren  untersnchtcn  Alkaptonpatlrnten  lietrifft.  (KiRK  beob- 
achtete Alkaptouurie  bei  3  Geschwistern.)  Hei  der  alten  Frau  besteht  sie  schon 
seit  der  frühesten  Kindhdt  —  braune  Flecken  in  den  Windeln.  Die  beiden  6e- 
sobwister  sind  die  einsigen  SprOasIinge  einer  ansserehelieben  Gemdnscbaft  ihrer 
EHem;  die  Kinder  aus  den  später  eingegangenen  Khen  dieser  beiden  Ritern  und 
die  Bnkel  derselben,  /.ei<;ten,  so  weit  sie  uiiter?iii('ht  werden  konnten,  normalen  Hurn. 

Wie  in  Hd.  XXIII  der  Keal-Eucyclopüüie,  p.ig.  erwähnt,  sollen  die 
dnreb  Einwirkung  von  Sflnren  im  Harn  entstehenden  Hnminsubstanxen  naeh 
V.  Udbaxszky  aus  den  Kohlenhydraten  des  Harnes  hervorgeben ;  andererseits  beob- 
achtete S AI  KOwsKi 'PeMl  Fneyclopädie,  XXIII,  pji^.  29 1  K  dass  die  im  normalen 
Harn  vorkomnieuden  Kohlenhydrate  bei  der  ammoniakalischen  Uarngäbrung  ver- 
sebwinden,  indem  sie  die  dabd  auftretenden  flttehtigen  Pettsftnren  liefern.  Nach- 
dem nun  V.  rDHANSZKT  ans  dttn  gefaulten  Harn  noch  ansehn  i  !:  Mengen  stick- 
stnflrh.1ltiger  Huminsnhstanzen  erhielt,  so  liegt  in  dieser  Angal»e  ein  Widerspruch 
mit  der  SALKOWi^Ki's,  indem  man  ja  erwarten  durfte,  dass  der  get'aulte  Harn 
dessen  Kohlenhydraten  grösstentbeils  in  Fettsäuren  Qborgegangen  sind,  keine  Humin 
Substanzen  mehr  liefere  oder  sdir  viel  weniger.  Salkowski  weist  nnn  in  «inw 
sorgfJlltigen  T'nter^^uehiinir  —  in  welcher  irleiehzeitig  auch  die  Brauchbarkeit  der 
Furfurolreaction  nnd  des  Henzoylclilorids  zur  Hestiinmung  der  Kohlenliydrate  ge- 
prüft wird  —  nach,  dass  die  Kohlenhydrate  des  Harnes  sicher  nicht  uie  ciuzigo 
Quelle  der  Huminsubstansen  sind.  Eine  wiehtige  Quelle  dieser  sind  jedenfalls  dte 
Indoxylverbindnngen.  Der  Nlcdersehlag,  der  rieb  beim  Pchandeln  des  Harnes  mit 
Salzsäure  anf^in;.'lieli  liildet ,  löst  sich  in  hi>H-jem  Alkohol  mit  rother  Farbe  Tdie 
Lösung  enthillt  nachweislich  Indigrotb  und  luüigblau);  bei  weiterem  Kochen  ver- 
tiert der  Niederseblag  diese  Eigenschaft  immer  mehr,  indem  er  sieh  in  Hnmin- 
kOrper  umwandelt. 

Schon  im  .lahre  iS-S'j  beselirie)>en  M.  Nkvcki  und  N.  SiEBER  als  Fro- 
roselu  einen  Harnt.irhstoiV,  den  sie  im  Harne  eines  Diabetikers,  dann  auch  bei 
Chlorose,  Nephritis,  i'yplnis,  Ulcus  ventrienli  etc.,  auffanden.  Versetzt  man  einen 
Harn,  der  diesen  Farbetolf  enthält,  mit  Salzsäure,  so  ftrbt  er  dcb  sebön  rosarotb. 
Amylalkohol  Tiiniint  den  l'\arbstolT  schon  in  der  Kälte  beim  ^'elindcn  .*^ch(lttcln  aUA 
dem  angesäuerten  Ihirn  auf,  die  rothe  Lösung  zeigt  einen  charakteristisebcn 
Absorptionsstreifen  zwischen  D  und  E  im  Grün.  Nach  Josef  Zawaüzki  -i)  gelingt 
es.  das  UroroseTo  dnreb  Oxydation  aus  dem  Urobitin  sn  erhalten:  FItgt  man  sn 
einer  LOsnng  von  ürobilin  in  verddnnter  Xatronlange  etwas  Caloinel,  so  entsteht 
ein  Niederschlag  von  Quecksilberoxydul,  gleichzeitig  färbt  sich  die  LiOaung  rosa- 


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374 


HARN. 


Totb,  Amylalkobol  entsteht  der  anfeelliierten  liOsnng  Uroroeelu.  Auch  bei  Tobeis 

culösen,  die  mit  der  Kocu^schen  Lymphe  behandelt  wurden,  trat  Urorusein  im 
Harne  auf.  Nach  RosiN  ist  dieser  Farl)stoflF  besondors  reichlich  im  OcbHenbarn 
vorbanden  und  kommt  in  Spuren  auch  im  normalen  Menschenbara  vor;  versetzt 
man  diesen  mit  dem  halben  Volum  Salzsäure  und  erw&rmt  gelinde,  so  bleibt  beim 
nitriren  eine  geringe  Menge  Uroroiefn  aof  dem  Filter  nrflek. 

Das  von  Bogomolow  2»)  empfohlene  expeditive  Verfahren  der  Urobilin- 
beatimnnnif?  (9.  Kfal-Encyclopftdie,  XXIV,  pafr.  beruht  darauf,  das«  das 

Urobiliu ,  welches  sich  wie  eine  sehr  schwache  Säure  verhalt,  in  dem  eben  neu- 
tralieirten  Harn  dnreh  voreiehtigen  Zasats  von  Handertelnermalkalilange  in 
alkalisches  l'robilin  Übergeführt  und  das  Anftreten  dieser  Verbindung  durch  die 
dabei  stattfindende  Aendoninjr  des  Absorptionsspcctrnuis  bestimmt  wird.  In  alkali- 
sehea  Lösungen  kann  das  L'robilin  durch  Neutralisireu  desselben  mit  Kupfersulfat 
oder  Chlorrink  in  nentralrs  eannoisiogeftrbtes  ürebiUn  flbergefllbrt  werden,  welches 
im  Spectrum  einen  scharfen  Streifen  in  E  zeifrt  und  durch  (  hlorofurm  ausgezogen 
worden  kann.  Dieses  Vt  rhalten  kann  zur  He-«titnmniiir  dC'?  Cichaltea  eines  Harnes 
an  pathologiselien  L'robilin  ohne  Spectro.skop  benutzt  werden.  Man  versetzt  eine 
bestimmte  Menge  Harn  mit  Alkali  hif  zur  neutralen  Keaction.  Dieser  Punkt  ist 
erreielit,  wenn  der  Harn  mit  einigen  Tropfen  einer  1  pro  Mille  KupferanlfatlOsnng 
versetzt,  an  Chloroforiii  einen  carmoisinrothen  Farbstoff  abgiebt.  Eine  zweite  gleich 
grosse  I'rc»be  des  Harnes  wird  wie  oben  neutrali.sirt,  dann  mit  so  viel  ib'r  titrirteu 
Alkalilauge  versetzt,  bis  in  Folge  der  Bildung  alkalischen  Bilirubius  cluu  grtlne 
Fflrbnng  auftritt.  Znaatz  von  Chlorzinit  verstirkt  die  OrQnfllrbnng.  Zneats  von 
Kupferstilfat  fitrbt  die  FlOislgkeit  intensiv  rotb;  Chl<>r>>t  im  ist  aber  nieht  mehr 
im  Stande,  den  Farbstoff  auszuziehen.  Die  Hcrechnunfj  der  I  rohilinmon^e  aus  der 
Menge  der  zu  meiner  Neutralisation  uöthigeu  Kalilauge  geschieht  unter  der  An- 
nahme, dam  das  Urobilin  lOmal  sehwieber  BfA  als  Ozalsftnre,  also  dnreh  Mnltipti^ 
eation  der  Anzahl  der  Cubikcentimeter  der  Hnndertelnormalkalilange  mit 
0*0006:^  Die  Methode  -^oll  {riite  K.  siiK.ite  ircbou. 

Die  ausfjedehnten  StuÖwcchselvcrsnehe  von  Ii.  Laudenheimkr  2')  über 
die  Ausscheidung  der  Chloride  bei  Carcinomatdsen  im  Verhiltniss 
anr  Aufnahme  ergaben,  dasa  dem  eaieinomatOsea  Proeess  kehi  spedfiadier  Bin6nss 
auf  die  Auspcheidunf^  der  Chloride  durch  den  Harn  zukommt.  Die  vorkomnienilen 
VeruiinderuiiiTfii  der  im  Harn  ausffeschiedenen  (.'Ijluride  fregen  die  mit  der  Nahrung 
aufgenommenen,  uibo  die  Ketentiou  des  Chlors  im  UrganismuH,  fallen  der  Zeit  uud 
Menge  naeh  mit  den  Wasserretontionen  ausammen.  Die  Stiekstoffansseheidnng  geht 
jedoeb  mit  der  Chloransscheidung  niobt  parallel,  verhilt  sieh  demnach  gleiefa  der 
des  nieht  carcinomat<^sen  Menschen. 

Durch  die  tblgeude  31odifieatiou  des  MuHH'schen  Titrirverfahreus  der 
Chloride  erhielten  E.  FB£Din>  nnd  6.  TÖpfbr  **)  in  verhiltnissmissig  einfacher 
Wei«e  Krgebnisae,  welche  mit  den  mittelst  der  Titrirung  der  Chloride  nach  VOL> 
H.AKI1T  und  Fai.tk  erhaltenen  eine  ganz  befriedi;renilc  rcl'i'reuistimmuni^  zeigen. 
Die  Müditicatiou  besteht  darin,  c'ass  zur  Ansäuerung  des  Harnes  Essigsäure  dient, 
dem  80  viel  essigsaures  Natron  zugesetzt  wird,  dass  dadurch  das  Freiwerden 
einer  nnorganischen  Sture  vermieden  wird.  Hieran  dient  jene  LOsung  von  Essig- 
s.'lure  und  essiirsanrem  Natron,  welche  bei  Titrirung  der  Phosphate  mit  Uran- 
irt.sung  in  Gebrauch  steht.  Demnach  wird  die  Hestimmunf;  in  foljicnder  Weise 
ausgeführt:  5  oder  lu  C'cm.  Harn  werden  mit  Wasser  auf  25  Ccm.  verdünnt, 
mit  2*5  Ccm.  der  Lösung  von  Essigsinre  und  essigssurem  Natron  versetst,  hierauf 
wenige  Tropfen  einer  10°'uigen  Lo.sung  von  Kaliumcbromat  zugesetzt  und  mit 
Silberoitrat  in  der  Concentration  des  MonR'8<'hen  ^'erfahrens  titrirt. 

Eine  sehr  en»  pfindliche  Ei  weis.s  probe  hat  EüL'ARD  SfiüßLER -") 
angegeben.  AU  Reagens  dient  ein  Gemiseh  von  Quecksilberchlorid  8  Grm.,  Wein- 
säure 4  Grm..  destitlirteir,  Walser  2<i()(;rm.  uud  von  Rohrzucker  20  Grm.  l»er 
Zusatz  von  Zueker  hat  den  Zweck,  das  Reagens  specifisch  schwer  m  machen,  da 


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HABN. 


376 


«8  nach  Art  der  Salpetentnre  bei  der  HBLLBB'sehen  Probe  dem  Harne  nntar- 
aehiehtet  wird.  Der  Harn  wird  mit  weniir  ooncentrirter  Essigsilure  angesäuert,  um 

Cnrbonate  zti  I<isen,  dann  (nachdem  er,  wenn  nttthig  »iltrirt  wurde)  mittelst  ein^r 
Pipette  K^nz  Ian«r^:im  einer  mit  dem  lieagens  etwa  zur  Hälfte  gefüllten  Eprouvette 
an  der  Wand  i  rupleu  tUr  Tropfen  beigefügt,  m  dMB  sich  die  Flüssigkeiten  ttiebt 
misoben.  Bei  Gegenwart  von  Eiweisa  biMek  aidi  an  der  BerQbrungsstelle  der 
beiden  Flllssipkeiten  ein  sebarfer  weisslicher  Ring.  Auch  in  Hakterienharncn  hebt 
»icli  der  iJing  deutlieh  von  der  allgemeinen  Trübung  ab.  Die  Probe,  welche  ausser 
Albuojiu  auch  I^ropepton  (Pepton  nicht),  ferner  auch  Mucin  (das  bekaootlich  durch 
Easigslnre  aicbt  Tollatlndig  ans  dem  Harn  entfernt  wird)  c^ebeo,  soll  noob  den 
deutlichen  Nachweis  von  Eiweiss  in  der  Verdflnnnng  von  1  :  150.000  und  nach 
einer  Minate  Stehen  in  der  von  1  :  250.000  ermöglichen. 

Zur  optischen  Bestiromnng  der  Eiweissmenge  im  Harn  em- 
pfiehlt H.  0.  G.  Ellikobr  >•)  den  von  Amaoat  und  Jban  eonstmirten  Oleorefraeto- 
meter  (DiflSDrenzrefraetometer).  Die  mit  dem  Apparate  bestimmten  Werthe  ffir  die 
int  Hiirne  vorhandenen  Eiweissmeufren  zeiirten  eine  zienilicli  ^'•enaue  l'eberein- 
sttmuiung  mit  den  durch  Wügung  erlangten  Werthen.  üezUglich  der  Eiurichtung 
des  Apparates  verweisen  wir  auf  das  Original. 

Naeh  neuerai  Ansebannngen  der  physiolofpseben  Chemie  sind  es  drei-  EU 
wei3>»k<'»rper,  welche  als  schleimgebcnde  Sub?(tanzen  bezeichnet  werden  kfunien  : 
Mneiu  i  Hammarstkn' ,  LoEJii.scH; ,  Nuclcin  (Rossel)  und  Nucleoalbumin  (Ham- 
mauaTKNJ.  Von  diesen  Substanzen  ist  bisher  in  Harn  nur  das  Auftreten  von  Mucin 
und  Naeleoalbumin ,  beide  dnrob  Ansäuern  des  Harnes  mit  Essigsäure  flillbar, 
beobachtet  worden.  Ob  das  Mucin  aus  ßlase  und  Niere  abgeschieden  wird  oder 
au!»  dfu  ( 'i  twf'KRst'hen  und  LlTTKP:'scben  Drdstn  stammt,  ist  bis  nun  noch  nicht 
entrichiedcn.  Der  von  Eh.  MülL£B  bei  Leucämie,  Pneumonie  uad  von  C  v.  NuORDEN 
aueh  bei  Erysipel  und  intermittirender  Albuminurie  im  Harn  beobaehtete,  durch 
Essigsäure  fällbare  Biweisskörper  scheint  zu  den  Nnoleoalbuminen  zu  zählen. 
Auch  i^rnF:KiHER  sah  nach  experimenteller  riioraxcompression  bei  jungen  Leuten 
neben  Eiweiss  regelmässig  Nucleoalbumin  auftreten.  F.  Oüsrmayek  ^  j  hat  an  der 
Klinik  des  Hofrath  Nothnaorl  bei  32  Fällen  von  Icterus  ausnahmsioe  das 
Auftreten  mehr  weniger  reichlicher  Mengen  von  Nooleoalbumin  beobachtet.  Der 
aus  mehreren  Litern  icteri'^cheii  Harnes  durch  FältunLr  mittelst  Essigsaure  er- 
haltene Körper  zeigte  sieh  nämlich ,  nachdem  derselbe  zur  Reinigung  viermal  in 
Alkali  gelöst  und  durch  Edsigsilure  gefällt  war ,  beim  Veraschen  phosphorhältig. 
Die  Menge  dieses  EiweisskOrpers  sebira  von  der  Intensität  des  Icterus  absuhängea. 
Di«  reichlichste  Ausscheidung  von  Nucleoalbumin  fand  F.  Obrrmayrr  in  Fällen 
von  Diphtherie  bei  Kindern ,  bei  denen  früher  Albumin  im  Harn  nachgewiesen 
werden  konnte.  Auch  bei  einem  Kinde,  weiches  wegen  i'soriasis  mit  Schmierseife 
eingerieben  wurde,  waren  6  Tage  naeh  der  letaten  Einreibung  Spuren  von  Albumin 
und  reichliehe  Ifengen  von  Nucleoalbumin  vorhanden ;  in  ähnlicher  Weise  ver- 
hielt sicli  Ifarn  von  Patienten,  welche  mit  Pyrogallol ,  Naphtnl  und  Sublimat- 
injectioueu  behandelt  wurden.  F.  Oufc^UMAYE»  führt  die  Nucleoalbuminauascheidung 
in  den  beobachteten  Fällen  auf  dnen  die  Epithelien  der  Niere,  ii^wsondere 
die  Medullaris  treffenden  Reis  zurflek,  welcher  weniger  intensiv  und  auch  von 
anderer  Re-^chaffenheit  sein  muss  als  derjenige,  welcher  die  Au^srliciflung  von  ge- 
wöhnlichem Eiwei.ss  hervorruft.  In  den  v<in  v.  Nookden  beschriebenen  Fällen  von 
intermittirender  Albuminurie  sehwand  zuerst  das  Eiwe'ss ,  spilter  das  Nucleo- 
albumin aus  dem  Harn.  Beim  Icterus  könute  das  Nierenepithel  durch  die  Ein« 
■Wirkung  der  Galle  auf  die  Niere  geschädigt  werden,  auf  solche  Veränderungen 
k'tnnte  auch  das  von  Ni>tiina(;kl  eonstatirto  Vorkommen  von  hyalinen  (Vlindern 
im  icterischen  Harn  zuritckgeführt  werden.  Doch  zeigte  I'ajcull,  dass  das  so- 
genannte Gallenmucin  ein  Nucleoalbumin  ist,  und  es  ist  nicht  unmöglich,  dass 
beim  Icterus  nicht  nur  Gallenfarbstotf  und  Gallensäure  resorbirt  werden,  sondern 
auch  dieser  Eiweisskörper ,  welcher  dann  durch  die  Nieren  ausgeschieden  wttrde. 


376  HARK. 

Zam  Nachweis  des  Zuckers  im  Uriu  empfiehlt  G.  Huppe-Seyler *»)  eine 
voD  A.  Beter  aogegebene  Reaetion,  wonach  au8  o-NitrophenylpropioIsäure  beim 
Koeheii  mit  Alkalien  beA  Gegenwart  ven  rednoirenden  Sabttanno ,  wie  Tranben- 
zucker,  sich  Indigo  bildet.  Das  Reagens .  welches  Hoppe-Seyler  verwendet ,  ist 
eine  halbprocenti^e  Lö8iin«r  von  o-Nitrophenylpropiolsänre  in  Natronlauge,  sie  ha» 
eine  rothbrauue  b  ^rbuug  uud  ist  gut  haltbar.  V  ersetzt  man  10  Tropfen  uurmalen 
Harn  mit  5  Gem.  dee  Reagens  nnd  koeht,  ao  entstebt  keine  Farbenverindernng, 
auch  dann  nicht,  wenn  der  Urin  sehr  cooeentrirt  war;  aoob  bei  «nem  Eiweise- 
gehalte  bis  zu  2^,^  erhält  man  keine  und  bei  grösseren  Eiweissmengen  nnr  eine 
grtlolicbe  Färbung.  Ist  Zaoker  vorhanden,  so  tritt  naeh  15  Secunden  langem 
Koehen  BlanfÜrbuDg  auf,  die  bei  0*5^0  Znekergehalt  dentüeb  und  donkel,  bei 
0*37^0  aber  noeb  gering  ist  Ks  ist  niebt  gerathen,  zur  Probe  mehr  ab  sdin 
Tropfen  des  zu  nntersnehenden  Harnes  zu  verwenden,  da  schon  1  Ccm.  normalen 
Urins  eine  Grünfärbung  liefert;  eine  deutliche  Blaufärbung  ist  auch  bei  grösseren 
Mengen  nicht  zu  erzielen.  Eiweisabältiger  Harn  kann  iu  gleicber  Weise  untersucht 
werden,  er  kann  aneh  vorher  doreh  Koehen  und  Znsats  von  Easigelnre  anf  Ei- 
weiss  geprüft  und  von  der  Lösung  mit  den  Kiweincoagnlis  die  nOdiige  Menge 
entnommen  werden,  ohne  dass  die  Ileaction  leidet. 

Als  neues  Reagens  auf  Traubenzucker  im  Urin  verwendet  Rosknbach'*) 
NitroprusBidnatrium  iu  alkoholischer  Lösung.  Sowohl  Traubenziioker-,  als 
MüchsnekerlOsnng  eben  naeh  dem  Versetsen  mit  Natronlange  nnd  einigen  Tropfen 

kalt  ges.nttigtor  Nitroprussidnatriumlösung  beim  Kochen  je  nach  der  Cnncentration 
der  Znekerlö-iiing  bald  eine  tiefbraunrotbe  oiler  (»rangerothc  Fftrhiiriir.  die  st_'lh8t 
h^i  '  iQ^yo  ^!>ucker  ein  dunkles  Gelb  mit  einem  starkeo  Stich  iu  .s  Rothe  zeigt. 
Bei  Ansfllhmng  der  Probe  im  Harne  erbltt  man  snerst  in  allen  Pillen  mit  Nitro- 
j)rnssidnatrium  und  Natronlauge  die  WEvi/sehe  Kreatininrcaction,  die  aber  be- 
kanntlich beim  weitereu  ICrwiirmen  der  Probe  versehwindet ;  wenn  Zucker  im 
Harne  ist^  tritt  diu  far  diesen  charakteristit^che  braunrothe  Verfärbung  der  i'rube 
auf;  bei  sebwfleberem  Zuckergehalte  ist  es  vortbeilhaft,  länger  zn  koehen.  Sehen 
eine  röthlichbraune  Verfärbung  allein  oder  das  Auftreten  eines  oraugerothen 
Tones  in  der  gelben  oder  liriluiiliclifu  Flils-^iirke-t  spricht  ?;ichcr  filr  Zucker.  He- 
merkenswerth ist  überdies,  dass  zuekerhilltige  Harne,  wenn  sie  über  Vio%  i^ucker 
haben,  durch  das  Reagens  nicht  getrübt  werden,  eine  tief  rotbbraone  Färbung 
annehmen  und  bei  Zusatz  von  Slursn  meist  einen  lasurblauen  Farbenton  (Berliner- 
blau) darbieten,  während  zuekerfrrfe  oder  nnr  Spuren  Zucker  enthaltende  Harne 
sieh  beim  Koeben  stark  trdben  und  bei  Zusatz  von  ."^iUire  zur  gekochten  Froh.- 
zumeist  eine  sehmutziggrUne  Farbe  zeigen.  Ebenso  wie  Kupferoxyd  wird  auch 
Nitropruroidoatrium  in  alkaliseher  LOenng  aueh  von  den  redaeirenden  Substansen 
des  Harnes  in  der  angegebenen  Weise  verändert.  Die  Probe  soll  als  colorimetrisehe 
auch  fOr  approximative  Bestimmung  des  Zuckers  im  Harne  brauchbar  sein. 

Nach  Aufnahme  von  lUuretin  iTheobrominnatrium- Natriunisalicvl.-tt ) 
kann  man  suw(»hl  die  Salicylsiiure  als  das  Theidirumin  bald  nachher  im  Harue 
auffinden.  Der  Nachweis  der  Salicylsiure  gelingt  bekanntlieh  leicht  durch  Ans- 
sefatitteln  des  mit  Schwefelsäure  angesäuerten  Harnes  mittelst  Aether.  Zum  Nach- 
weis des  l  iii  iKroniins  haben  Ai'G.  Hoffmanx  un^l  L.  Ku  TKu'f'i  folgendes,  dem 
Cuüeiunaehweis  von  Malv  und  AuRKASCii  nachgebildeics  Veriahreu  angewendet: 
der  anf  die  Hllfle  seines  Volums  eingedampfte  Harn  wurde  mit  der  Barytmisehnng 
gefsillt,  filtrirt,  mit  Chloroform  aui^geschUttelt  und  der  Rückstand  der  entstandenen 
( 'lilorotMiinennilsion  mit  sie<lendeni  Chloroform  dreimal  anfgcnc>mmen.  Der  nach 
dem  Verjagen  den  (  bloroform  aus  dem  letzteren  Auszuge  bleibende  Ruckstand 
wird  mit  Chlorwasser  eingedampft  und  den  Dämpfen  von  Ammoniak  ausgeaetst; 
bei  Gegenwart  von  Dinretln  tritt  intensive  Rothfllrbung  auf. 

Literatur:  •)  Albert  AI  Im.  r.luT  <ien  Werth  der  ('.utrituice  für  die  Harn- 
nntersucbuujr.  lieriincr  klin.  Wocheiisihr.  lb\).l.  Nr.  i^li.  —  *)  Daw.süu  Turner,  Lancet. 
1892,  16.  Joli.  —  ")  G.  Gamlicb,  Deber  die  AuMtcbeidang  des  Stickstoflte  im  Harn.  Zeit- 


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HARN.  —  HARNABSCHEIDÜNG. 


377 


•chrift  Air  physiol.  Cliem.  XVII,  pag.  10.  —  *)  J.  Mann,  Haber  die  Auaichaiduog  des  Stick- 
stolbi  bei  NiemkrankhtiteB  in  Ymbilteias  sor  Ättfiiabme  daMalbMi.  Zetteehr.  fBr  klin.  Med. 

XX,  pap.  107.  —  ')  Eywind  Bödtker.  Notiz  zu  der  Hamstoffbestimmangsmethode  vou 
K.  A.  H.  Morner  und  .1.  Sjtiiivist.  Zoitschr.  tür  pliysiol.  Chem.  XVII.  pag.  140.  —  ")  ilartiu 
Mendelsohn,  üeb«r  Harnsüiirelösang  insbesondere  durch  Piperazin.  Berliner  klin.  Woches- 
aohrift.  1892.  16.  —  B.  Pfeiffer.  Die  Gicht  and  ilir«  erfolgreiolio  Behaodlaog.  Wies- 
baden 1891 .  G.  3.  Bergmann.  —  ')W.  Bbitein,  BeiMg«  snr  Lehre  vom  der  bamsanran 
Diathese.  Ehenda  1891.  J.W.Bergmann.  —  •)  L.  Fürst  (Leipzig),  Uaber  die  liarnsäure- 
lösende  Wirkung  von  Minnralwa.s.serhamen.  Deutsche  Med. -Ztg.  189^,  Nr.  19.  — **)  Ritdel,  Zur 
Kenntnis«  Oer  Lösungsbedingungen  der  Ham.säure  im  Harn.  Arrh.  für  exper.  Pathol.  XXX.  — 
")  E.  Pfeiffer,  Ueber  Uameäare  nnd  Gicht.  Berliner  klin.  Wochenschr.  1892,  16  u.  f.  — 
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Journ.  189:.^.  Tmii :  r.ntralbl.  für  klin.  Med.  189^^,  47.  —  "jEmanuoI  Formanek,  Ueher 
den  Eiaflns.«  heisser  Bader  anf  die  ätickatoff-  and  HamsäoreaasKcheidang  beim  Meuschea. 
(Ans  dem  Labomforivm  das  Prof.  J.  HoriMeiewsky  an  dar  k.  k.  bShn  Ihiivenitit  in  Prag.) 
Sitzungsber  dfr  kais.  Akad.  der  Wissfii^li.  .«ipril  |.«ri-,>,  CL,  AMh.  ,3.  —  ")  S.  .T.  Bartosche- 
wiLsch.  Zur  Fragn  ulier  das  quantitative!  Verhalten  der  .S<  hwefeisäure  und  der  .Aether- 
sehweleL-aiireu  im  Harn  bei  Diarrhoen.  Zeitschr.  für  physiol.  Chem.  XVII ,  pag.  i^ö  — 
A.  Kovighi  (Siena),  Die  Eimrirkung  der  Antipyretica  auf  die  Aosacheidiug  der  Aether- 
■chwefelsanren  im  Harn.  Yorilnflge  Mittheilirag.  Centralbl.  für  klin.  Med.  189si ,  26.  — 

'*)  Ccüi\rc  .Ma/etti,  Intonio  aVa  inßufnzd  della  mitxn  sulln  fliminn^ioiir  delt  JmUrnu-- 
jier  le  uritir.  Annali  di  Chimica  a  Farm,  XIll,  ü(j.  Maly's  Jahresber.  iür  Thiercbenüe.  XXI, 
pag.  418.  -  '')  A.Ko.s.sler  und  8.  Penuy,  Ueber  die  mas.sanalyti.sche  Bestimmung  der 
Phenole  im  Harn.  Zeitj«chr.  für  physiol.  Chem.  XVII,  pag.  117.  —  '*)  Rumpf  (Harburg), 
Untersuchnngen  fiber  die  quantitative  Bestimmung  der  Phenolkörper  des  menschlichen  Haraes. 
Ebenda.  WT,  iiai:.  2:^1'.  -  ''')  Heinrich  Embden,  Beitrüge  zur  Kenntni.ss  der  Alcapt<>niirie. 
I.  MiUheilung:  lieber  einen  neuen  Fall  von  Alkaptonurie.  (Ana  dem  Laboratorium  vun  Prof. 
Bftnmann.)  Ebenda.  XVII,  pag.  182.  —  ")  E.  Salkowski,  üeben  den  Nachwei.-i  der  Kohlen- 
hydrate  im  Harn  um!  (\W  Beziehung  derselben  zu  den  Huminsuhstanzen.  P^l>enda  XVII.  — 
*')  J  o.x.  Z  a  \v a  il /.  k  i ,  Oxydation  des  Urobilins  zu  Uroroseiu.  .\rch  tür  exper  Pathol.  und 
Pbarmakul.  XXVIII,  pag  450.  II.  Itosin.  Ueber  das  Indigopoth.  Virchow's  Arch.  CXXIII, 
pag.  519.  —  ")  T.  Bogomolof  f,  Die  Methoden  der  quantitativen  Bestimmuog  das  Urobilins 
Im  Harn.  ijt.  Petentbarger  med.  Wochenaebr.  1892,  Nr.  16.  —  ")  R.  Land  an  bei  mar.  Dia 
.Anssclieidung  der  Chloride  bei  Oardnomatösen  im  Verhältniss  zur  Aufnahme.  (Gekrönte  Prei<?- 
schnft.)  Zeitschr.  für  klin.  Med.  1892.  pag.  513.  —  **)  E  r  n  s  t  F  r  e  u  n  d  nnd  tJustav 
Toepfcr,  Eine  Modificatiou  der  Mohr'schen  Titrirmethode  für  Chloride  im  Harn.  Centralbl. 
für  klin.  Uod.  1892,  Mr.  68.  —  ")  Eduard  Spieglet»  Ein«  empfiodlioba  fiaaotion  anf  Ei- 
weiu  !m  Harne.  Wiener  klfn.  Woebenscbr.  1891,  20  ;  Beriebt  der  dentseben  cb>>m.  Gesellecb. 
1892,  i>ag  375.  —  H.  0.  G.  Ellinger  (Kopenhagen).  Optische  Bestimmung  der  .Mti.nnin- 
menge  im  Harn.  Journ.  für  prakt.  Chem.  25ti.  —  *')  F.  Ubermayer,  Ueber  Nuclooalbumin- 
auascheidung  im  Harn.  (Ans  der  Klinik  des  Hofrath  Nothnagel,  Wien.)  C>:ntralbl.  für  klin. 
Med.  l^'M^.  1.  —  ■•'■)  G.  H  o  p  p  e -S ey  ler  .  Ueber  eine  Reaction  zum  Nachweis  von  Zacker 
im  Urin,  auf  Indigobiidung  beruliend.  Zeit^ichr.  für  physiol.  Chem  XVII,  pag.  83.  —  ")  0. 
Rosen  bacli  (Breslau),  Kino  Reaction  auf  Traubenzucker.  Centralbl.  für  klin.  Med.  169:^.  13.  — 
Auguat  Uoffmanu  ondL.  Beoter,  Ueber  die  therapeutische  Anwendung  des  Dinretin. 
Arcb.  Itir  azpar.  Pathol.  nnd  Pbarmakol.  XXTin,  pag.  1.  Loe bisch. 

HarnabSeheidUng,  HAmseeretion.    wahrend  der  Artikel  Harn, 

H  a  r  Uli  II  t  f  r.s  u  ch  u  n  g:,  Hl.  p.i«:.  1  der  Real-EncyclopSdie ,  II.  Aufl.,  die 
cbi  inisclien  Vorhältnissc  (Mii^^rlifiid  iK-nick-sichti^rt,  feblt  t-s  ebendort  »n  eiuer  Dar- 
»elluuj^  der  Hu^cnuuntcn  Mocliauik  der  Harnbereituog.  In  dem,  die 
DrOsenabseheidntigen  ganz  allgemeio  bebandeloden  Artikel  Seeret  and  Seere- 
tion,  üd.  XVIII,  pa<;.  170,  finden  sieh  zwar  einige  auch  auf  die  Harnnbscheidungr 
lipzfi'rliflu*  Anjralicn.  docli  ist  d.Hraii'f  tinr  mit  eini;^<'r  .*>{-liwiiTi'-rkcit  /u  cntnehmon, 
iuwicweit  die  iRMKr(iiii^.s  udoptirte  Lehre  von  der  iiartiabseheiduujf  sicher  be- 
grUudut  ist,  uru.s«  mehr,  als  die  Nieren  manche  von  den  auderen  Drilüun  abnrei- 
ebende  EigenthOmlicbkeiten  darbieten. 

Gleichwie  die  Nieren  sieb  schon  anatomisch  (ver}::!.  Nieren,  Bd.  XIV, 
pa^.  St'.Si  von  den  iibriaren  l)rü>en  dadurch  unterscheiden,  dass .  w-lbrciid  ^onnt 
die  Capilluren  nur  bis  au  die  Membrana  propria  der  Dr'lsentubuli,  beziehungs- 
weise -aeini  gehen,  ebne  in  den  Drtlsenscblaoeh  seibat  eibsutrtten,  in  den  Nieren 
Dank  den  in  die  blinden  Au.ssnckungen  der  Hamcanäleben,  die  MOllkr  i><»wMAX- 
sehen  Kapseln  einsjel.iL'crtcii  < I<'f;l<s<chlino'en  (M.\Ll'lOHl'8ehe  (Jlnmcnili  ho-oiulers 
iunige  lieziebungcn  /wischen  den  ISlut-  und  HaraeaDillcben  bestebeu,  ist  liier  auch 
der  Seeretionsvorgaug  alit  ein  von  den  Übrigen  Drflaen  modificirter  aufenfassen. 


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378 


HARNABSOHEIBUNO. 


Oleidi  naohdem  das  arterielto  Blnt  das  linke  Ben  verlassen,  strOmt  es 
ans  der  Baiiobaorta  in  die,  im  Verhältnis^  zur  Kleinheit  des  Organs,  weiten 
Nierenarterien ;  es  wird  also  in  der  Zeiteinheit  eine  uiäehtij^e  BInttnassc  unter  dem 
hohen  Aortendruck  durch  die  Bieren  hiadurchgetrieben ;  audererseiu  kann  in  den 
ebenfalls  weiten  Nierenvenea  der  Blntdmek  nur  gmz  minimal  positiv  sein,  da 
die  Xierenvenen  unweit  des  Dnvohtrittes  der  unteren  Hohlvene  durch  das  Zwerch- 
fell in  den  aspirin  luieii  Brustraum  einmünden.  Folglich  be.^tflit  eine  sehr  hohe 
und  consunte  DruekditiV-renz,  d.  h.  ein  grosse«  Geßille,  kraft  desseu  beträchtliche 
Widerstände  fOr  den  blutlauf  Uberwunden,  beziehungsweise  dem  Blutstrom  eine 
grosse  Gesebwindigkeit  erthdit  werden  kann.  C.  Lüowi»  (1848)  hat  anerst  die 
hydraulischen  Be'^in;rnngen  in  den  Nieren  analysirt  und  die  Ausscheidung  einer 
Lösiin^r  von  Blutwanser  und  Salzen  al-!  nothwendiges  Resultat  derselben  abgeleitet. 
Da  der  üU>merulu8  durch  Verästelung  einer  Arterie  entsteht  uud  die  öuniuie  der 
Dorebmesser  dieser  Aeste  grosser  ist  als  der  Durchmesser  des  Vom  aßgren»,  so 
niusrt  eine  der  Erweiterung  des  Strombettes  entsprechende  V«  rlangsamung  der  ßlut- 
strömung,  umgekehrt  aber  bei  dem  ZuHammei.äus»  der  Gef.issseblingen  zum  Vds 
fß'erenn,  welches  enger  als  das  l  as  ajjerevn  ist,  eine  entsprechende  Beschleuni- 
gung der  BlutstrOntung  stattfinden.  In  Folge  der  engen  Lichtung  und  der  Win- 
dungen Jtdes  cinxelneii  der  den  Glomeruins  bildooden  Geftsftchen  werden  in  ihm 
erhehliehe  Reibiingswiderstflnde  t'iir  die  lüutf trflnnirig  gesetzt,  welehe  einen  Theil 
der  Stromkraft  aufheben;  in  Fulge  der  Hemmnisse  aber,  welehe  die  Enge  der 
einzigen  Abflui'söffnung,  des  Vw  effertns,  herbeigeführt,  eine  Stauung  des  Blutes 
im  Glomerulus  und  dadurch  aueh  erhöhter  Seitendrnek  bedingt  werden.  Unter 
diesem  erhrditen  .'^eifeiidrurk  des  Blutes  auf  die  dünne  permeable  Wand  der  Ge- 
fHsssebliiiirtMi  werden  reielilich  Blutwasser  und  Salze,  spilrlicber  Kiweisskörper 
liltrirt,  re.sp.  transsudirt,  und  es  wUrde  so  in  die  Mi  LLEu'sche  Kapsel  eiue  dem  Blut- 
plasma nsbe  Gehende,  nur  weniger  Eiweiss  enthaltende  Flflssigkeit  bineingepresst 
werden.  Verrin^iert  sich  in  Folge  der  Transsudation  die  Moige  des  lUutplasuia, 
so  wird  es  verstfindlich  ,  dass  das  l'a.v  fff'prens  ein  geringeres  Caliber  bat,  als 
das  Vas  aß'erens.  Dass  das  mechanische  Mument  des  Blutdruckes  die  wesentliche 
Triebkraft  fiir  die  Harnsbsebeidung  ist,  geht  daraus  hervor,  dass  die  kOnstUeb 
erzeugte  Herabsetzung  des  Aurtendruckes  (durch  starke  Blutentziehungen  oder 
Durehsehneidung  des  llalsmarks)  die  Seeretiousmenge  im  Allgemeinen  abnehmen, 
Steigerung  des  Aurteudruckes  (z.  B.  durch  Unterbindung  mehrerer  grösserer 
Arterien)  sie  annehmen  Ifisst.  Ist  der  Blutdruck  in  der  Nierenarterie,  in  welcher 
die  Spannung  etwa  die  in  der  Carotis  herrseh«ide  erreicht,  also  beim  Hände 
120 — I4i>  Mm.  Quecksilber  beträgt,  auf  :^0— 40  Mm.  Hg  gesunken,  so  erfolgt 
nach  (Jki  TZXKit  meist  keine  Harnabselieidung  mehr.  Zu  iler  Filtration  sollte  nach 
LUL>\viu  noch  ein  zweiter  Vorgang  hinzutreten,  nämlich  der  aus  den  GetäHskniluelu 
in  die  UOLLiitt*«cbe  Kapsel  transsudirte ,  sehr  wssaerreiehe  Harn  in  den  Harn* 
eanfilchen  mit  dem  in  Folge  der  Transsudation  nunmehr  eoneentrirten  Blut,  welches 
die  Ilarnoaujllchen  umsptilt ,  sowie  mit  der  in  den  intertubnlflren  I-yn)])hbahnen 
^st^ömendcn  Lymphe  in  iiin'usionsverkthr  treten,  au  diese  hauptsiiehiieh  Wasser 
abgeben  und  dadurch  selbst  allroSlig  coneentrirter  werden. 

Allein  gegen  diese  mechaniselie  oder  Drucktheorie  lassen  sich 
gewiebtiirc  Kinw.Htide  erheben.  Einmal  rea^'irt  der  Harn  bei  deu  Carnivoren,  beim 
Menscheu  uud  bei  hungernden  Herbivoreu  coustant  sauer ,  während  die  Beaction 
des  Blutplasma  ausnahmlos  alkalisch  ist,  femer  finden  sieh  die  Salsa  und  die 
wesentlieben  Bestandtheile,  wie  Harnstoff,  Hamsfture  ete.,  welehe  Im  Plasma  nur 
in  Spnreti  vorkommen,  im  Harn  in  1?  'tOm-il  stärkerer  Coucentration,  weiter  ent- 
hült  der  Harn  Stolle ,  welehe  im  Blut  gar  nicht  angctroften  werden  ,  wie  die 
Hippursfture  und  diese  bei  deu  Herbivoreu  iu  recht  beträchtlicher  Menge ,  auch 
ist  der  Harn  in  der  Norm  wenigstens  eiweissfrei,  während  bei  der  Filtration, 
respective  Transsudation  zum  mindesten  ij  u  a  1 1 1  a  t  i  ve  L'ebereinstimmung  swisehen 
Anfguss  (hier  Blutplasma)  und  Filtrat  (Harn)  besteht,  endlich  tritt  auf  Verenge- 


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BARNABSGHEIDUNG. 


379 


ruug  der  liieren venen,  obwohl  dadurch  der  Druck  in  den  G lumer uli  beträohtliuh 
erhöbt  wird,  niebt  nar  keine  Steigerung,  vielmehr  eine  Bofortig»  betrftebtliehe 
Ahuahtne  der  Ilamabächeidui)^  ein.  Ab^eHehen  davon,  das-^  diese  sehwwwiegmdea 
Einwände  sich  mit  der  mechanischen  ürnckhypothcse  nur  in  der  allergezwuno^ensten 
Weiae  vereioigen  lassen,  lässt  diese  die  eigentlichen  DrUsenzellen,  die  Epitbelien 
der  Hameanälcben  ganz  ansaer  Aeht,  betraebtet  sie  gewissennaMen  nur  als  Ufer- 
Bteine  des  Hamatronies,  wahrend  doch  bei  allen  Übrigen  OrOaen  fBr  die  Bildung 
des  s:e^■rete^  wesentUeb  die  active  Thltiglceit  der  Drflaenzellen  in  Be- 
tracht kommt. 

BoWMAK,  dem  wir  die  allgemein  giltige  Feststellung  der  innigen  Be- 
ziehungen zwiaehen  den  Blut-  und  Bameanileben  verdanken,  hat  znent  dem 

Epithel  der  Nierentubuli,  g;leichwie  anderen  Drflaenzellen ,  eine  bedeiit^Hme  Rollo 
bei  der  nartiber<'itun;r  zuerkannt:  diese  Epitbelien  sollten  die  Ausscheidung  der 
spccitiüchtin  HeütaudtUeile  i  liarnätod,  Harnsäure  u.  A.)  besorgen  oder  wenigstens 
regeln;  das  aus  den  Olomernli  auagepresste  Waaaer  and  allenfidla  die  Salze 
sollten  in  den  Ilarncauälebeu  aus  deren  Zellen  jene  Substanzen  gleichsam  aus- 
gchwemmcn.  Von  den  Drüsenzellen  ist  es  uns  anderweif ifr  bekannt,  dass  sie  gewi^^se 
i>totfe  an  sich  ziehen,  äalze  zersetzeu  und  daraus  bald  die  Öäuren,  bald  die  Basen 
entbinden.  Bei  einer  direeten  Betheiliganar  der  Nierenzetlen  an  der  Hambereitung 
wfirde  e.^  auch  vl•r^t.iIHlIi -Ii  sein  .  dass  das  ([uantitsitive  V'erh.lltniss  der  im  Haru 
vorkoinmetnien  Stoffe  durchaus  verschieden  ist  von  denijeiiij^en ,  in  welchem  sich 
jeue  8toti'e  im  Blute  befinden,  und  dass  aus  den  alkalischen  äalzen  des  Bluter, 
gleichwie  im  Magen  freie  Stare,  hier  laure  Salze  abgeschieden  werden.  Zudem 
sind  bereite  eine  Reibe  von  Thatsacben  bekannt,  welche;  die  direete  Beziehung 
der  Drflsenzelleii  der  Niere  zur  Flarnhereitiui^'  darthun.  Hkidf.xhain'  hat  ^rezeigt, 
da^s  nach  Injection  von  iudigschwetelsaurem  Natron  in's  Blut  von  liuuden  zu 
einer  Zeit,  wo  der  Harn  in  Folge  des  Uebertrittes  dieses  Salzes  blau  erscheint, 
der  blaae  Farbstoff  weder  auf  der  Oberfliehe  der  Glomeruli  noch  in  den  HOllbr- 
Hchen  Kapseln  sieh  findet,  vielmehr  erst  in  den  gewundenen  Canälcben  augetroffen 
wird,  und  zwar  kann  der  Austritt  des  blauen  Salzes  durch  die  Epitbelien  der 
gewundenen  L'auäie  (sowie  der  aulstoigcDdeu  Öcheukel  der  UKNLb^'scbüu  ächleiten; 
direot  ans  der  Färbnng  der  Epithelien  eritannt  werden.  Bbenra  finden  sieh  naoh 
Injeetion  hamsaurer  Salze  in's  Blut  körnige  Niederschläge  dieser  Salze  erst  in 
den  gewundenen  Canillchen  und  deren  Ejjithelien ,  während  die  Mül.l-F:K'schen 
Kapseln  davon  frei  sind.  Auch  der  liarustoÜ'  wird,  wie  Ncssbaum  an  der  Frosch- 
niere bewiesen  hat,  nicht  von  den  Cteftsaknlneln,  sondern  von  den  Epithelien  der 
gewandenen  Canftlc  abgeschieden.  Die  bedeutsamste  Thatsucbe  endlich,  welche  auf 
das  UHzweidetitigsle  für  die  specifisehe  chemische  Thätigkeit  der  Nierenepithelicn 
spricht,  ist  die  Synthese  der  Hippursäure  aus  Benzoesäure  uud  OlycocoU,  welche, 
wie  BUNOR  und  Schmikdeberg  gezeigt  haben,  bei  Carnivoren  nur  in  der  Hier« 
(M  Herbivoren  ausser  in  der  Niere  naeh  W.  Salouon  aneh  noeh  anderswo 
im  Kr>rper"i  zu  Stande  kommt,  und  zwar  auch  in  der  aus  dem  Körper  entfernten 
und  kUnstlieli  durchbluteten  Niere,  so  lange  di<-  Nierenzellen  noch  funetinniren ; 
daher  erfolgt  die  Vereinigung  beider  Stotl'e ,  nur  iu  geringerem  Umfange ,  auch 
dann  noeb,  wenn  das  lebenswarme  Organ  fdn  zerrieben  und  mit  Benzoesinre  und 
Glycoeoll  digerirt  wird. 

Dass  andererseits  das  llarnwasser  diircli  die  Glomeruli  und  unabhängig 
davuu  die  specilischen  Ilarubostandtheile  durch  die  Epithelien  ausgesehiedeu  werden, 
ergiebt  sieh  daraus,  dass  aneb,  wenn  in  Folge  rapiden  Sinkens  dee  Biutdruekes 
die  HarnwasserausselH'idtiiig  sistirt,  nunim-hri.ire  li<}ecti<>n  des  biaUMi  F.-ir)>stuffs 
aehon  nach  wenigen  Minuten  lUfiuun},'-  der  Epithelien  der  gewundenen  <  analchen 
bewirkt;  es  hat  aUo,  während  die  Wasserausscheidung  in  den  Criomeruli  stockte,  Aus- 
scheidung des  blauen  Salzes  diireh  die  Epithelien  der  Titbuti  cantorti  stattfanden. 

Indess  steht  der  durch  die  Glomeruli  abgeschiedene  Harnwasserstrom 
nicht  in  direoter  Abhflngigkeit  vom  Blutdruck,  denn  naeh  Elnengnng  der  Mieren- 


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380 


HARN  ABSCHEIDUNG. 


vene  haben  J.  Mcnk  und  Senator,  ebenso  Paneth  die  Harnwasseransscheidun?, 
ungeachtet  der  dadurch  bewirkten  Druckateigeruug  in  den  Glomerulis,  auf  einen 
geringen  Werth  sinkmi  sehen.  Danaeb  mnes  nuui  mit  Hbtotovaik  annelraien, 
deei  68  die  OBebwIndigkeit  des  Blutstromes  in  den  Glomernlis 

ist,  welche  die  Wasseraiisscheidung  beherrscht.  Diese  Fol^erunjs: 
hat  auch  .1.  Mi  nk  an  der  frisch  ausgeschnittenen  und  künstlich  durchbluteten 
„Uberlübenden^'  Kiero  direct  bestätigen  können.  Die  Strömungsscbnelle  des  Blutes 
bat  Biebt  allefa  den  Wertb  beidilennigter  ZuAibr  des  Absondernngsmateriats, 
sondern  auch  ihre  Bedeutung  in  der  Sanerstoffverswgnng,  deren  die  seccrnirenden 
Zellen  für  ihr«  Arbeitsleistung  bedürfen ;  ArterienverschluHs  hebt  in  Folge  Er- 
stickung der  Nierenzellen  die  secretorisohe  Thätigkeit  derselben  definitiv  auf; 
Tombeigebender  Veraebtoss  sebidigt  die  SeereÜoii,  die  sieh  wieder  erholen  kann. 

Aber  dieses  Moment  allein  genügt  noch  nicht.  Damit  selbst  bei  genü- 
gender Stromschnelle  des  Blutes  (il)erbaupt  Secretion  zu  Stande  kommt ,  dazu 
bedarf  es  nach  Münk  noch  der  Anwesenheit  kleiner  Mengen  solcher  Substanzen, 
welebe  dnreb  den  normalen  Harn  anr  Anssebeidnng  gelangen,  der  sogenannten  „ham- 
illhigen^*  Stoffe,  wie  Harnstoff,  bamtaore  Salze,  Chloride,  Sulfate,  Phosphate,  welche 
die  Nierenzellen  zur  Th.ttifrkeit  anspornen.  Es  sind  :\Uo  Jcno  vom  ShtfTwechsel 
hprrührenden  Kndproducte  des  Eiweisszerfalles  und  die  über.^chUssigen  Salze  der 
Nahrung  und  der  Gewebe,  welche  dem  Blut  zugeführt  und  mit  diesem  zu  den 
Kieren  strftmend  dort  die  Nierensellen  sur  Thätigkdt  anregen.  Letztere  wird 
auch  durch  einen  grösseren  Wassergehalt  des  Blutes  gefördert ,  daher  die  Ham- 
fluth  nach  reichlichem  Wasaetgenuss,  obwohl  dadaroh  die  Stromschnelle  des  Blutes 
kaum  verändert  wird. 

Damaeh  ei^ebt  sieb  folgende  Anffassong  des  Seeretionsvorganges  als 
die  wahrscheinlichste:  Wasser  und  ein  Theil  der  Ilarnsalze  (Kochsalz  u.  a.)  werden 
der  Hauptsache  nach  (inrch  Filtration  rrranssudation'  aus  den  (iefösskniiuelii 
abgeschieden,  dagegen  die  specitischeu  üarnbestandtheile  (Harnstoff,  Harnsäure, 
Hippnrsänre  n.  A.)  nebst  einem  anderen  Theil  der  Hamsalze  (Koehsalz,  Phos- 
phate, Snl&te)  dnreb  aetive  Thätigkeit  der  Epithelien,  vornehmlieh  derjenigen  in 
den  pewnndencn  Harncanälchen  ;  da  diese  Stoffe  nur  in  gelöst(Mn  Zustande  rilisrc- 
geben  werden  können ,  muss  auch  ein  Theil  des  Wassers  durch  die  genannten 
Epithelien  austreten.  Zur  Thätigkeit  werden  die  Nierenzellen  indess  erst  angeregt, 
wenn  der  Gebalt  des  Hintes  an  „bamfihigen  Substanzen**  eine  gewisse  Hohe 
erreicht:  und  der  Orad  ihrer  Thätigkeit  wird  einmal  durch  die  Blutgeschwindig- 
keit in  den  Nierencapillaren  und  dann  durch  den  Gehalt  des  Blutes  an  Wasser 
bestimmt,  derart,  das»  mit  dem  Ansteigen  dieser  beiden  Factoren  auch  die  Harn- 
abseheidong  znniromt.  Das  Freibleiben  des  normalen  Harns  Ton  Eiweiss  dürfte 
nach  Heidenhain  darauf  zurflck/.ufUhren  sein,  dass  die  Schlingen  der  Gefäss- 
kniluel  von  einer  continuirlichon  Schiclit  von  Atissenepithelien  umgeben,  die  bei 
normaler  Ernährung  dem  Serumeiweiss  den  iJurcbtritt  wehren  ,  nicht  mehr  aber, 
wenn  in  Folge  von  CirenlationsstSrnngen  ihre  Emihrnog  gelitten  hat. 

Ausser  der  Hippursäure  (und  vielleicht  den  Harnfarbstoffen)  wird  wohl 
keiner  der  specifischcn  Harubestandtheile  iti  den  Nieren  geliildct.  vielmehr  wer- 
den Harnstoff.  Harnsäure  u.  A.  den  Nieren  schon  fertig  mit 
dem  Blut  zugeführt  und  von  diesen  nur  aus  dem  Körper  eliminirt,  wie  un- 
zweifelhaft daraus  hervorgeht,  dass  nach  Ezstirpation  der  Nieren  „Nephreetomie'* 
sich  jene  Stoffe  und  die  Ilarnsalze,  insbesondere  die  Kalisalze  im  Blut  nnbüufen 
und  dann  zu  schweren  Störun^,'cn ,  ja  sn<:^;ir  /nin  Tode  führen  können.  Man 
nennt  diesen  Zustand  der  Ueberladung  de.s  Blutes  mit  Harnbe.standtlieilen :  Urämie. 

Wie  schon  Eingangs  unserer  Betraehtnngen  angeftlbrt,  ist  in  den  Nieren 
fiir  eine  möglichst  rcichlicheBlutdurchströmung  im  denkbarsten  Um 
fange  Vorsorge  getn»nVii.  Die  Nierenarterie  ist  mindestens  noch  einmal  .so  weit,  als 
dies  soQät,  verglichen  mit  anderen  Urganeu,  der  Fall  ist.  Jeder  flotteren  Secretion  geht 
voran  und  läuft  parallel  eine  starke  Erweiterung  der  arteriellen  Gefftsseu  Wibrend 


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HARNABSCHEIÜUNG.  —  HARNCYLINDER. 


381 


starker  BetliÄtigiincr  der  Nierenabsdnderuu^  hat  Cr..  Bkkxaud  das  Blut  der  Nieren- 
veue,  gleich  dem  der  Speicheldrfiscnvcnen  bei  Keizuiif?  der  Chorda  tympani, 
bellroth  werden,  also  die  Gescbwiudigkeit  der  Blutströmung  durch  die  Nieren  so 
erheblich  usteigen  sehen ,  daas  der  Sanerstofl^iehftlt  des  Blutes  wihrend  des 
Durchganges  durch  das  Organ  nur  wenig  vermindert  erschien,  wie  auch  directe 
Bestimmungen  des  0  Gehaltes  lehrten.  Gegenüber  dem  Wiederspruche  von  Fleisch- 
hauer konnte  die  Beschleunigung  der  Blutströmung  durch  die  Nieren  bei  reich- 
Keber  Hamsbsonderung  von  J.  Münk  bestltigt  werden.  InsbeMmdere  ^d  es 
„baraffthi^e"  oder  harntreibende,  diunttodie  Stoffe,  wie  Harnstoff,  Coffein,  Salpeter, 
welche  die  Blutströmunf? ,  wenn  auch  nur  für  eine  Zeit  lanfr ,  so  beschleunigen, 
dass  (las  Nierenvenenblut  noch  bellrotb,  fast  arteriell  erscheint.  MUNK  konnte 
auch  zeigen,  dass  die  Erweiteninf  der  merengefässe  dnreh  Harnstoff  und  GoflUn 
in  Folge  einer  direot  lähmenden  Einwirkung  dieser  Stoffe  auf  die  Ringmuskeln 
der  Arterien  zu  Staude  kommt ,  da  dieselbe  auch  noch  an  der  ausgeschnittenen 
und  24  Stunden  auf  Eis  bewahrten  Niere  bei  Uurcbströmung  mit  harnstoff-  oder 
coffeinbaltigem  Blute  in  typischer  Weise  eintritt.  Auf  Grund  eigenur  Versuche 
und  welfeier  Bereoha«ng«n  haben  uenerdlngs  Tioehstbdt  nnd  hUKsaaßxm  es 
höchst  wahrscheinlicb  gemacht,  dass  dnreh  die  flott  secernireude  Niere  des  Hundes 
iti  der  Minute  etwa  eine  dem  Nierengewicht  jirleiche  Fjliitmcnge  hindurcbfrebt, 
eiuu  Durchströmuagsgrösse,  wie  sie  auch  nicht  aunäberud  irgeud  eine  andere 
Drüse  oder  der  thitige  Hnskel  zeigt. 

Einflnss  des  Nervensystems  auf  die  Harnabson  derung. 
Wie  die  Untersuchungen  von  Cl.  Bernard  imd  Eckhard  gelehrt  haben ,  bat 
Durchschueidung  der  iWt.  splanchnicit  weiche  die  Geßtssnerven  für  die  Nieren 
fltthren,  Erveiterong  der  arteriellen  Nierensdilensen  nnd  damit  Stdgemng  der 
Harnabscheidung  zur  Folge,  während  die  Reizung  der  Splanobnici  maximale  Ver- 
engenin-r  der  Arterien  iimi  damit  völligen  Stillstand  der  Secretion  nach  sich  zieht. 
Wie  die  unuiitttlbare  Heizung  der  Splancbnici,  so  hemmt  auch  die  Bewegung  des 
verlfingerten  Markes,  respective  Rückenmarkes,  sei  es  elektrisch,  sei  es  durch 
Athmongssospension,  die  Hamabsdieidnng  vollstilndig:  trots  des  erbeblidien  An- 
stei«:cn-^  des  Aortendruckes  verringert  sieh  der  Blutzufluss  za  den  GcfilSSknftUBln 
der  Niere  wegen  nachweisbarer  Verengung  der  Nierenarterie, 

Fest  steht  es  ferner  seit  Cl.  Beunabo,  dass  nach  Stichverletzungen  ge- 
wisser Gegendeo  des  verlängerten  Markee  Steigemng  der  Harnabsohddnng  eintritt, 
die  hftnfig  von  dem  Auftreten  von  Zucker  im  Harn  begleitet  ist.  Es  liegt  die 
Annahme  nahe,  dass  diese  Stiehverletziintr  die  für  die  Nierenfrefässe  bestimmten 
Splanobnicusfaseru  lähmt.  Eckuabd  glaubt  aus  seinen  Vorsucben  die  Existenz 
speoifiseher  Absonderuogsnerren  ersehliessen  sn  sollen,  doch  lassen  rieh,  wie  aneh 
Hbiosnbain  meint,  die  Erfolge  seiner  Reiz  und  Durchscbneidungsversuche  sämmt» 
üoh  aus  ihren  Wirknnfren  .iiif  Aeuderung  der  Blutdurchströmung  durch  die  Nieren 
denteo.  Wir  kennen  bisher  also  nur  mit  Sicherheit  gef^ssverengende  (vasoconstrio- 
torisebe),  eventuell  gefltoserireiterude  (vasodilatatorisohe)  Nerven,  deren  Krisnog, 
beziehungsweise  Lühmang  den  Niereoblntstrom  an-,  l»exiebnngswcise  absebwellen 
und  damit  auch  die  Harnabscheidung  steifren,  respective  sinken  lü^st  Specifische 
se-retorisebe  Nerven,  d.h.  solche,  welche  ohne  Beeinliiist^ung'  der  Hlutfrofässe 
direet  auf  die  DrüseuzuUcn  secrutionserregend  wirken,  sind  bislang  nicht  bekannt. 

Literatur:  Bie  Lfteratnr  bia  ]S80  ist  in  der  von  R.  Heldenhain  classiMh 

bearlipifcti  u  riiy^i  iJi.L'i'i  dnr  AbsimderniiffsvorffäiiRe ,  im  Handbuch  der  Physiologie  (herans* 
g<'(;i  l)<:-D  von  L.  11  ei  in  min)  V,  l.Thi  il,  pajr^TQ-  ^i^iü,  vollständig  zuisammengesteHt.  — 
.1.  Münk.  Virchow'.s  Arch.  CVII.  pag.  „'!tl:  CXI,  pag.  -  J.  Münk  und  U.  Senat»?, 

Ebenda.  CXIV,  pag.  I.  —  Paneth,  rilüger  s  Arch.  XXXIX,  pag.  515.  —  Landerfren 
nnd  Tigerstedt,  Skaadfnav.  Arcb.  f.  Physiol.  IV,  pag.  241.  J.  Vnnk. 

HarnCylinder.  rnter  ..Ilameylinder"  versteht  man  mikr  ^k^ipiscbe  Gebilde 
von  cyliuderformiger  Gestalt,  welche  niemals  im  nurmalen  Harne  sich  linden, 
sondern  von  ausgesprochen  pathologischer  Bedeutung  sind.  Ihre  Anwesenheit  kann 


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HABNCTLINDKR. 


mit  Vortbeil  fttr  die  Diagnose  verwendet  werden,  und  zwnr  seigt  ihr  Vorlc(MttiMn 

im  Hnm  eineu  in<  lir  oder  weniger  abnormen  Zustand  der  Nieren  f  u  netion, 
meist  sop-ar  des  X  i  e  r  e  n  p  a  r  p  n  c  h  y  ni.  Ausserdem  kann  man,  da  es  ver- 
schiedene Arten  von Uamoylinderu  giebt,  oftmals  aus  ihrer  jeweiligen  Besehaffen- 
helt  8diia«M  auf  die  Art  der  vorliegenden  Nierenennmelie  mtelien. 

Die  Hamcylindcr  finden  pich  in  denjenigen  Harnen,  in  denen  sie  Ober- 
haupt vorkommen,  in  (iberaus  w  Ii  s  e  1  n  d  e  r  Meuffe  vor;  hald  entiifilt  jeder 
Tropfen  nielirtre  Hundert  dieser  Gebilde  oder  wenigstens  Hruchstiteke  derselben, 
bald  sind  sie  so  spärlich  vertreten,  d&M  man  eine  grössere  Menge  Harn  sedi- 
mentiren  laann  mnaa,  um  eine  dann  oft  aoeh  nur  gerioge  Zahl  von  Gyliodem 
zu  erhalten.  Man  bedient  sich  zu  diesem  Zwecke  am  besten  des  Spitzg:lase8, 
welches  man,  nöthi5;enfa]ls  selbst  24  Stunden,  an  einem  kfihlen  Orte  rulii?  stellen 
Iftsst.  Giesät  mau  dann  den  Harn  vuräielitig  ab,  so  entlinlten  die  letzthin  1  rupfen 
im  eoni«eben  Ende  des  Glases  die  Gjünder,  falls  flberliaupt  in  der  betreflTenden 
Ilarnportion  solche  enthalten  waren.  Neuerdings  wird  die  Cen  tri  fuge  fttr  den 
gleiehen  Zweck  warm  empfohlen;  naeh  unseren  ErfHliriiiifren  jedoch  kann  man 
nur  solche  Cuntrifugirapparate  gebrauchen,  in  denen  (illiser  verwendet  werden 
können,  welehe  eine  retchliehe  Menge  HamflUssigkeit  anfzunehmen  im  Stande  sind  ; 
denn,  da  man  nur  bei  spftrlieber  Anwesenheit  von  Cyl indem  der  Centrifuge  aber< 
hanpt  bedarf,  so  wdrde  man,  wenn  man  ZU  weni?  Harn  bi-nutzte  ,  niebt  zum 
Ziele  kommen.  Ks  sei  auch  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  man,  um  ein 
Cylindersediment  zu  erhalten,  in  Pillen,  in  denen  sie  spfirlich  sind,  nach  unseren 
Erfahrungen  reebt  lange,  gegen  ^Z«  Stunde,  eentrlAigiren  mnss  Wir  mflehtini 
daher  im  All}?emeinen  das  Spitzsrias,  falls  die  T"'ntprsucbunp:  nicht  grosser  Eile 
bedarf,  als  die  zuverUssigste  Untorsuchungsmethode  auf  Cylindcr  auch  weiterbin 
empfehlen. 

WJlbrend  man  das  Recht  hat,  aus  dem  Vorhandensein  von  Cylindem  anf 

irgend  eine  Affection  der  Nieren  zu  sehliessen ,  darf  man  im  .Mlgemeinen 
nieht  nach  ilirer  Menge  den  Grad  der  Erkrankung  beurtheilen.  Eher  ist  es 
zulässig,  aus  der  Quantität  der  Cylindcr  Vermuthungen  Uber  die  Art  der  Er- 
krankung anzustellen,  insofern  gewisse  Formen  der  Nierenerkranknng 
mit  einer  Oberaus  reic  h  lieh  e  n  A  usschc  i  d  u  n  g  vonCylindorn  ver- 
bunden sind,  w  .1  h  r  e  n  d  andere  stets  v  »m-  Ii  .-M  t  ii  i  s  s  m  .t  s  s  i  g  sehr  arm 
daran  sind  (s.  u.j.  Aber  viel  wichtiger  für  die  Diagnose  isf,  wie  erwähnt  das 
Aussehen  und  die  BeschafiiBnhelt  der  Cylindcr,  obwohl  selten  mit  Sicherheit  aus 
der  RerOeksiebtlgnug  Aet  Gjrlinder  alldn  die  Diagnose  der  einseinen  tneien- 
affeetionen  gestellt  werden  kann;  fast  Stet)  bedarf  es  noeh  der  Heransielinng 
einer  Reihe  anderer  Symptome. 

Was  nun  die  Gestalt  der  Cylindcr  betrilft ,  so  ist  ihre  Grösse  tiboraus 
wechselnd.  Bald  sind  sie  sehr  lang  und  dflnn,  bald  kurz  und  dick,  in  der  Regel 
aber  überwiegt  die  Lilng-saehse  (Iber  den  Querdurchmcsscr ;  nur  selten,  gewSbnUoh 
nur  bei  Anwesenheit  sehr  vieb-r  ('ylinder :  linden  sieh  Briiehstüeke  mit  längerem 
Querdnrebmesser.  Was  die  Form  betritft,  so  sind  die  Cylindcr  in  ihrem  gauzen 
Verlaufe  meist  von  gleicher  Dieke,  so  dass  die  Umrisse  ihrer  Lingswand 
einander  i)arallel  stehen;  die  Enden  der  Gylinder  sind  sehr  häutig  gerade  oder 
sehrSg  abgeschnitten .  wie  .'ibL'ebroelien ,  zuweilen  ein  wenig  abgerundet.  Am  * 
häufigsten  sind  die  Cylinder  geradlinig,  nicht  selten  aber  auch  gebogen,  zuweilen 
flach  S-förmig  gekrttmmt,  manchmal  aber  mehrfach  korkzieherartig  gewunden. 
Bin  und  «rieder  beobachtet  man,  dass  ein  Gylinder  in  seiner  einen  Hälfte  dann 
ist  und  in  der  zweiten  unter  ])lötzlielier  Ausbuelitung  seiner  TTmri.sso  dick  wirdj 
sehr  selten  spaltet  sich  ein  dicker  Cylinder  hnsenartig  in  zwei  dünne. 

Viel  wiebtiger  aber  noeh  als  die  Form  der  Cylinder,  ist  in  diagnostischer 
Hinsiebt  das  Aussehen  desselben.  Obwohl  die  Herkunft  der  Gylinder  noeh 
vielfach  nnsieher  ist,  ^^o  zeigt  das  mikroskopische  Bild  doeh  bei  einigen  Arten, 
dass  sie  sieh  aus  ganz  bestimmten,  liekannten  Elementen  susammensetien ,  naeh 


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HABNCYLINDEB. 


388 


denen  man  die  Cylinder  ron  einander  unterscheiden  kann.  Aber  auch  da,  wo 
man  sidi  ober  die  Herkunft  noob  nicht  ganz  klar  ist,  unterseheidet  man  doeh 
dea  versehiedeoartigen  Aussehens  lialber  verschiedene  Arten. 

Indem  wir  nnn  eine  E  i  n  t  h  e  i  I  u  n  ;r  aller  die^^er  Arten  ,  welche  bejifrilndet 
ist  tbeilH  auf  ihre  Herkunft,  theila  auf  ihre  Zusammensetzung  und  ihr  Ausseben 
geben,  machen  wir  Torher  Dir  allemal  darauf  anftaierkaam,  da«  bftnfig,  fast  in 
derRegd,  in  demselben  Harn  mehrere  Arten  gemeinsam  vorkommen,  ja,  dasa 
nicht  selten  ein  und  derselhe  Cylinder  aii^  verschiedenen  Kiementen  besteht  und 
so  «gleichzeitig  zwei  verschiedenon  Arten  anf^^ehören,  (»der  von  einer  Form  in  die 
andere  Ubergeben  kann.  Diese  Uebergäogo  sind  häutig,  häutiger  selbst  als  die 
rdnen  Formen. 

Wir  unteraebeiden  xnniehst  naeh  der  Beaehaffenheit  der  Substanz,  aus  denen 

sieh  die  Cylinder  ztis.Hii  n;ensetzen .    zwei   jrrosise  Gruppen:  Cylinder  aus  or- 
ganischer Substanz  und  Cylinder  aus  anorganischer  Substanz. 
Die  erste  (iruppe  cuthält  nun  eine  Anzahl  verschiedener  Formen,  welche  sich 
einander  neben-,  respective  unterordnen.   Wir  unteraelieiden  demgemiss: 
A.  Organische  Cylinder. 

I.  Cylinder  ans  zelligen,  morpbotisoben  Elementen.  Man 

Hutersebeidet  hier  folgende  Unterarten  : 

1.  Cylinder  aus  rutlien  Blutkörpereheu. 

2.  Cylinder  aus  weissen  Blutkörpereben. 

3.  Cylinder  aus  Niereiieplthelieu. 

4.  Cylinder  aus  Bakterien. 

II.  Cylinder,  welche  aus  Umwandlungsproducten,  wahr- 
seheinlieh  von  Zellen  xusammengesetst  sind  (Uetamorphoairte 
Cylinder).  Hierher  gehören: 

1,  Die  kr">rniiren  Cylinder. 

2.  Die  wacbi^artigen  Cylinder. 

III.  Cylinder  ans  organiseher  Substanz  niebt  selligea 
Ursprunges. 

1.  Die  hyalinen  Cylinder. 

2.  Die  HItittarbstoti-  (  Häuinglobin- 1  Cylinder. 

JJ.  Die  auorganischeD  Cylinder.  liierher  gehören  klinisch  unwichtige  Arten 
von  Cylindern,  welebe  sieb  ans  Salzen  zusammoisetsen ,  meist  aus  Uraten.  lid 
Kindern  in  den  ersten  Lebenstagen  hat  man  Qylinder  ans  Hftmatoidin,  sowie  aus 
harasaurem  Amm-miak  gefunden. 

Iliusichtticb  dieser  sehr  verschiedenartigea  Formen  von  Cylindcru  cei 
zunaebst  bemerkt,  dass  nicht  allein  die  Häufigkeit  ihres  Torkommeus. 
sondern  aneh  ihre  klinisebe  Bedeutung  sehr  vcrsebieden  ist.  Ferner 
sei  von  vornherein  hervorgehoben,  dass  in  Folire  bHiifiger  l'ebeririltiLc  einer  Cylinder- 
art  in  die  andere,  z.  H.  von  granulirteu  Cylindern  in  Epithelialcylinder .  oder 
von  hyalinen  in  solche,  welche  mit  Epithel  besetzt  sind,  oder  von  Cyliudern, 
welebe  aus  rothen  BlutkOrperehen  besteben,  in  solehe  aus  weissen  Blntkörperehen 
oder  aus  Nlerenepltbclloo,  oder  aus  Hftmoglobinschollen,  es  zuweilen  aueli  flir  den 
QeObten  schwierig  ist,  zu  erkennen,  welche  Cylinderart  vorliegt. 

Im  Folgenden  geben  wir  eine  Beschreibung  der  einzelnen  Formen: 
1.  Zeliige  Cylinder.  Es  ist  verhältnissmassig  selteu,  dass  Oy* 
linder  einzig  und  allein  ans  Zellen  bestehen,  gewOhnlieli  wird  der 
Grund>("i  k  des  Cylinders  von  hyaliner  oder  gekörnter  Substanz  (h.  u.)  gebildet, 
während  die  Zeilen  diese  Grundmasse  nur  bedecken.  Was  diese  Zellen  selbst  bo- 
tritft,  so  sind  rothe  Blutkörperchen  als  solche  leicht  zu  erkenneu,  besouders 
dann,  wenn  ihre  ebarakteristisehe  Farbe  und  Gestalt  erhalten  ist,  wm  allerdings 
nicht  eben  hilutig  der  Fall  ist,  z.  B.  bei  Nierenblutungen,  bei  acuter  Nephritis 
(s.  Fig.  66  u.  67).  Gewöhnlich  bieten  sich  die  rothen  Blutkörperchen  als  ganz  blasse 


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384 


HARNCYLINDEB. 


farblose,  durch  SchnitopfiiDg  verkleioerte  and  an  den  Rändern  ein  klein  wenig 
ausgefranste  Hinge  dar,  deren  Inhalt  entweder  vollständig  klar  ist  oder  ziemlich 
spärliche,  ganz  feine  Körnchen  enthält. 


Cylinder  aus  rothen  Blutkörperchen  nach  P  e  y  e  r. 


Fig.  «7. 


Fle.  68. 


I)ie  weissen  Blutkörperchen  sind  erheblich,  zuweilen  um  dan  drei- 
fache grösser  als  die  rothen  Blutkörperchen  und  ziemlich  stark  gekörnt;  häufig 
ist  diese  Körnelung  durch  Anwesenheit  von  Fettpar- 
tikelchcn  recht  intensiv  ,  auch  kann  das  Fett  sogar 
kleine  Tröpfchen ,  welche  stark  lichtbrecbend  sind, 
bilden.  Die  Kerne  der  weissen  Blutkörperchen  sind 
im  frischen  Zustande  gewöhnlich  nicht  wahrnehmbar 
und  durch  die  Granula  ganz  verdeckt  (s.  Fig.  68); 
Essissaure  litsst  die  Kernverliältni.ssc  zuweilen  deut 
lieber  werden ,  noch  besser  aber  lüsst  sich  in  go- 
türbtcni  I'riiparatu  die  Gestalt  des  Kernes  crkeDneu. 
Oxo, — "  (&  bedient  sich  am  besten  (nach  Senator)  d«'r  söge- 

nannten  ncutrophileu  FarbstotTI(i»UDg  (von  Kuklich), 
welche  die  Kerne  blau,  das  Protoplasma  roth  färbt. 
Es  zeigt  sich  dann ,  dass  auch  die  wei.ssen  Blut- 
körperchen der  Cylinder,  wie  im  Blute  .selbst,  ver- 
firhifdt'narti:;  sind ;  neben  j;röf4seren  mebrkernigen 
Zellen  ki>mmen  auch  kleinere  einkernige  vor,  letztere  häufig  in  sehr  grosser  Zahl, 
die  sogeuaiiutcu  I^yniphoc}  ten  ^Sen.vtok). 


(?yliniler  pii« 
ro(li*>ii  Hliit- 
ki>rper'  h«'!!  lun  h 
V.  .1  II  k  I»  '■  Ii. 


Cylinder  aaa 
wnigHen  Blut- 
körperchen 

uftoh 
V.  .1  ak  ach. 


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HAKNCYLINDER. 


385 


,  69. 


Die  Nierenepithelien  können  nur  dann  von  den  weissen  Blutkörpereben 
unterschieden  werden,  wenn  ihre  Gestalt  deutlich  cubisch  ist,  auch  muss  stets 
der  Kern ,  von  einer  nicht  unbedeutenden  Menge  Protoplasma  um- 
geben, deutlich  auch  in  ungefärbtem,  frischem  Zustande  sichtbar  sein 
(s.  Fig.  69  u.  70).  Häufig  genug  aber  ist  es  nicht  möglich,  auch  nur 
mit  annähernder  Sicherheit  zu  bestimmen ,  ob  ein  weisses  eikerniges 
Blutkörperchen  vorliegt  oder  ein  Niereuepithelium ,  was  übrigens  fUr 
die  Diagnose  oft  genug  gleichgiltig  ist.  Die  Nierenepithelien  zeigen 
sehr  oft  erhebliche  Verfettungsgrade,  zuweilen  sind  die  Zellen  mit  ver- 
bältnissm.lssig  grossen  Fetttröpfchen  vollgestopft  und  dadurch  gequollen. 

In  sehr  seltenen  Fällen ,  bei  Pyelonephrüin  septica,  bat  man 
Cylinder  im  frischen  Harn  beobachtet,  welche  ganz  aus  Bakterien, 
und  zwar  aus  Mikrococcen,  bestanden.  Älan  darf  diese  echten  Bakterien - 
cylinder  nicht  verwechseln  mit  cylinderförmigen  Zoogloeahaufen  von 
Mikroorganismen ,  die  sich  gar  nicht  selten  ausserhalb  des  Körpers 
im  faulenden  Harne  bilden  und  hin  und  wieder  auch  bei  sehr  schwerer 
Cvstitis  und  alkalischem  Harne  noch  innerhalb  der  Blase  sich  bilden, 
sowie  mit  Salzcylindern. 

2.  Mctamorphosirte  Cylinder.  Man  nimmt  an,  dass  die 
zelUgen  Gebilde,  welche,  wie  oben  erwähnt,  Cylinder  bilden,  und  zwar 
die  Nierenepithelien  in  erster  Reihe  auch  in  metamorph osirter 

Fie.  70. 


Cylinder  ans 

Nierenepi- 
thelien nach 
V.  Jitkach. 


l'ylinder  ans  Xiereucpithelii'u  uacti  Pey«-  v. 


Form  besondere  Arien   von  Cylindcrn  bilden,   bei  denen   man  morphologische 
Bt-standlheile  nicht  mehr  erkennt.    Es  sind  dies  einmal  die  grob  gninulirtcn, 
Encyclop.  .fahrltüchcr.  III. 


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386 


HARNCYLINDER. 


gekernten  Cylinder  und  die   wachsartigen  Cylinder.  Man  glaubt ,  dass  bei  der 
Bildung  der  ersteren  die  Nierenepithelien  unter  Verlust  ihrer  inneren  DifTerenzirung 
nnd  unter  gegenseitiger  V'erscbmelzuDg  sieb  zu  Cylindern  vereinigt  babcn;  gute 
Fie.  "i, 

Fig.  78.  Fig.  73. 

: .  ■  *{.• 

1  •.  ; 


üftberjcRDg 

Epitbolial- 
cvllnder«  in 
einen  grana- 
lirteu  nncb 
V.  Jakrtch. 


(I  6 

Granulirte 
Cylinder  nach 
V.  J  a  k  8  c  h. 


Grasnlirte  Cvllmler  nach 
V.  J  akacb. 


Fig.  74. 


Uranuiirte  Cylinder  nach  I'eyer.: 

Beobachter  heben  mit  Recht  hervor,  da.ss  nicht  selten  ein  Theil  des  Cylinder.s 
deutlich  aus  ICpithelicn  besteht,  wflhrend  der  andere  Theil  nur 
grob  ^'ranulirt  erseheint,  wobei  zwischen  beiden  Theileu  eine 
deutliche  U o bc r ga n gs z o n e  sichtbar  ist  (Fig.  71}. 


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HARNXYLINDER. 


387 


Bei  den  wachsartigen  Cylindern  besteht  ebenfalls  im  Allg-emeinen  die 
Annahme,  dni^s  nie  aus  wacbsarti^  metamorpbosirten  Epithelien,  die  mit  einander 
;ranz  verschmolzen  sind,  sich  zusammensetzen. 

Die  granulirten  Cy linder  sind  gar  nicht  seilen  mit  zelliaren  Ele- 
menten (Epithelien,  weissen  und  rothen  Blutkörperchen),  wie  oben  erwähnt,  be- 
setzt. Sehr  oft  sind  sie  mit  kleineren  oder  grösseren  Fetttröpfchen  erfüllt  oder 
oft  mit  Salzen,  sehr  selten  im  frischen  Harn  mit  Bakterien  bedeckt. 

Im  Allgemeinen  gehören  eie  denjenigen  Cylindern  an,  deren  Breite  ziemlich 
bedeutend  ist,  zuweilen  sind  sie  leicht  gelblich  gefärbt  und  an  den  Enden  hiinfig 
scharf  abgebrochen  (Fig.  72,  73,  74). 


Fig.  75. 


Wachscylinder  nach  Peyer. 


Die  wHch «artigen  Cylinder  haben  ihren  Namen  erhalten  von  dem 
eigenthUmlichon  wacb.snrtigen  Aussehen,  welches  sie  haben.  Sie  sind  voUstiludig 
homogen,  gewöhnlich  dick  und  zeigen  ein  eigenthUmlich  opakes  Aussehen,  welches 
an  das  Aussehen  des  Wachses  erinnert.  Gerade  diese  Art  von  Cylindern  zeigt 
häufig  Krümmungen  aller  Art,  hin  und  wieder  sind  sie  auch  in  ihrem  Vorlaufe 
wie  ge(|Uolk'U  und  .HpindelHirmig  aufgetrieben;  im  Allgemeinen  aber  sind  auch 
bei  ihnen  die  seitlichen  Begrenzungen  in  der  für  die  Cylinder  charakteristischen 
Weise  parallel  (Fig,  75  u.  76).  Die  wachsartigen  Cylinder  geben  mit  Jod  selten 
eine  braune  Färbung,  hingegen  oft  mit  den  violetten  Anilinfarben  die  charak- 
teristische Amyloidreaction ,  welche  beweisen  dürfte,  dass  diese  Cylinder  aus  aray- 
loider  Substanz  oder  einer  solchen,  die  ihr  sehr  nahe  verwandt  ist,  bestehen. 

2ö* 


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388 


HARNCYLINDER. 


Dennoch  sind  die  Cylinder  nicht  etwa  für  Amyloide  Nephritis  charakteristisch, 
wie  spater  noch  erwähat  werden  aoll.  Natürlich  können  auch  die  wachsartigen  Cylinder 

mit  zelligen  Elementen  oder  mit  Fetttröpfchen  oder 


Fig.  76 


I  t 

U. 


mit  Salzen  bedeckt  oder  durchsetzt  sein  ,  was  aber 
meist  nur  in  spärlicher  Menge  der  Fall  ist. 

3.  Hyaline  Cylinder.  Zu  den  allerhänfigsten 
Arten  von  Cylindern  gehören  die  sogenannten  hya- 
linen. Sie  haben  diesen  Namen  erhalten,  weil  sie 
wie  der  hyaline  Knorpel  vollständig  homogen 
und  durchsichtig  wie  Glas  sind.  Sie  zeigen 
stets  parallele  Umrisse,  welche  häufig  sehr  wenig 

FIr.  78. 


WacliRcylinder  nacL  v.  Jakscli. 


a  It  e 

Hyaline Cvlinder  aacti  v.  Jaksrh. 


Fie.  77. 


Hyaline  (ylimlei-  uai'li  l*ey*«i'. 


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HARNCYLIKDER. 


lichtbrec'Iiend  sind  und  daher  nicht  ganz  leicht  für  den  minder  Güilbten  so  erkenneD 
Hind.  Aus  diesem  Grunde,  weil  sie  nämlich  fast  dasselbe  LichtbrechungsvennOigai 
besitzen,  wie  das  omgebeode  Mediam,  können  sie  leicht  übersehen  werden.  AJOm^ 
dingB  baffcen  aneli  ibnen  hftnfig  fremde  Substuiieii  in  und  mteben  aie  leidit  er- 
kenntlich. Nierenepithelieo,  BlvtkOrperebenf  meist  in  spärlicher  Menge,  noch  faäu6ger 
kleine  Körnchen  von  Uraten  ,  welche  in  Form  von  kleinen  Placjiics  »'der  strich- 
förmig  oder  auch  in  unregelmässiger  Weise  den  Cylinder  bedecken,  hin  und 
wieder  auch  einige  Fetttröpfcben  sind  die  zwar  nicht  seltenen,  aber  nicht  noth- 
wendii^  Begleiter  der  hyalinen  Cylinder  (Fig.  77  n.  78).  Die  hyalinen  Cylinder 
»eheinen  ortmals  auch  den  Grundstock  abzugeben  für  Epithelcylinder ,  da  man 
nicht  selten  im  Inneren  der  letzteren  eine  hyaline  Masse  entdeckt;  eigentlich 
hätte  man  iu  solchen  Fällen  nicht  das  Hecht,  von  Epitbelcylindern,  sondern  von 
eemisebten  Cylindem  au  spreeben,  doeh  pflegt  man  bei  Ueberwiegen  epithelialer 
Elemente  diesen  Namen  beizubehalten.  Der  Uraprnng  der  byali nen  Oy^ 
linder  ist  immer  noch  fraglich.  Viele  Autoren  geben  an,  dass  die  Cylinder  ge- 
rounenes  Eiweiss  darstellen,  welches  sich  aus  dem  ja  stets  eiwe ssreichea 
Harn«  niedergeeeblagen  bat.  Dieser  aebr  verbreiteten  Anriebt,  dass  uänriidi  die 
hyalinen  Cylinder  geronnenes  Hameiwaas  daratellen,  ist  aus  folgenden  Grflnden 
jedoch  zu  widersprechen:  1.  Bekanntlich  jrerinnt  das  im  Harn  ge- 
löste Kiweiss  niemals  spontan;  weshalb  sollten  gerade  innerhalb  der 
NiereDcaniichen  sieh  solche  spärliche  Gerinnungsproduote  bilden?  2.  Die  Bildung 
von  hyalinen  Cylindem  gebt  abaolnt  niebt  parallel  dem  Eiweiaegehalt 
des  Harnes,  indem  sehr  häufig  hyaline  Cylinder  bei  chronischer  Schrumpfniere 
sich  finden  (s.  u.) ,  wo  ein  eiweissarmer  reichlicher  Harn  h'ich  fiucict ,  wHhrend 
z.  H.  bei  der  acuten  Nephritis,  wo  sehr  viel  Eiweiss  ausgeschieden  wird,  die 
aelligeo  Cylinder  aablreieb,  die  hyalinen  verblltniasmässig  spirlieh  vorbanden 
sind.  3.  Haben  die  rntersuchnngen  verschiedener  Forscher  (z.  B.  Kovida,  Knoll) 
frezeigt,  dass  die  hyalinen  Cylinder  aus  einer  Substanz  bestehen,  welche  mit  dem 
Eiweiss  des  Harnes  gar  nicht  Ubereinstimmt.  Neuerdings  ist  gezeigt  worden,  dass 
hyaline  Cylinder  Fibrinreaetlon  ergeben,  Wir  neigen  nns  der  Ansieht  an, 
dass  die  hyalinen  Cylinder  gar  niebt  gemeinsam  mit  dem  Ciweiaa 
in  den  Nicrenauspeschieden  werden:  uns  will  es  scheinen,  daas 
sie  directe  Ausscheidungen  und  Gerinnungen  aus  der  in  den 
Nieren  eirculirenden  Lymphe  darstellen,  die  beaondera  dann 
leioht  erfolgen,  wenn  dureh  den  Verlnst  der  Epithelien  ein 
r  ebertritt  der  Lymphe  in  die  H  ar  n  c  a  n  ill  c  h  e  n  erleichtert  ist, 
was  gerade    bei    der  Schrumpfniere   :ini  hilufifrsten  der  Fall  ist. 

4.  Leber  die  Bl  utfarbstoffcy  linder  ist  nicht  viel  zu  sagen.  Sie 
sind  meist  knrs  und  diek  nnd  sind  gebildet  aus  nnkryitallirirtem  HlmogloUn, 
welehes  aus  den  Blutkörperchen  ausgetreten  ist,  die  ihrerseits  als  Schatten  auf 
den  Cylindem  oder  nebenbei  im  Harn  sich  finden.  Zuweilen  empfjlnyt  man  auch 
den  Eindruck,  dass  die  Bluttarbstoffcylinder  granulirte  oder  hyaline  Cylinder  sind, 
welebe  mit  Blutfarbstoff  sieh  geftrbt  haben,  gerade  so,  wie  In  gallenfarbotoff- 
haltigem  Harne  diese  Cylinder  sich  durch  Bilirubin  gelb  ftrben. 

5.  Die  Unterscheidung  der  Salzcylinder  von  granulirten  und  Bakterien- 
cylindern  wird  dem  Geübten  keine  Schwierigkeit  bereiten.  Ihnen  fehlt  jeder  Um- 
riss  and  jede,  aneh  noch  ao  homogene  Ornndlage,  nnd  die  KOmeben  haben  ehMO 
sehiilerndeo,  krystallinlsehen  Glanz,  wenn  man  den  Spiegel  des  Mikroskops  völlig 
abblendet  und  nur  von  oben  her  Licht  darauf  fiillcn  lasst. 

Das  Aufsuchen  der  Cylinder  im  Harn  mittelst  des  Mikro- 
skops geschieht  am  besten  zunächst  mit  schwacher  Vergrösser ung  besonders 
dann«  wenn  die  Cylfaider  nnr  qiArlleh  vorhaadoi  sind.  Jedoeh  mnas  man,  nm 
sodann  die  Art  und  Gattung  der  Cylinder  zu  erkennen,  starke  Vergröaserun gen 
und  eine  nicht  zu  weite  Blende  (natürlich  o  hne  AfiHE'schen  Beleuchtuugsapparnt  i 
in  Anwendung  bringen.  Nach  den  neuesten  Untersuchungen  (von  Senator;  durften 


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390 


HARN'CVLINDER. 


gioh  auch  gefärbte  Präparate  mit  Deutrophiler  Farbstoiflösung  recht  sehr  empfehlen, 
um  die  Art  der  Cylinder  genau  festzuatellen.  Wie  schon  Aafaags  erwähnt,  kommt 
den  verschiedenen  Cylindem  eine  sehr  verschiedene  diagnostische  Bedeutung  zu. 
Von  stets  höchster  diagnostischer  Bedeutung  sind  die  zelligeu  Cylinder  aller  Art, 
sowie  die  grob  granulirten  Cylinder,  umsomehr,  als  man  aus  ihrem  Aussehen  in 
Verbindung  mit  anderweitigen  Symptomen  häufig  die  Art  der  Kierenerkrankung 
feststellen  kann.  Auch  die  Blutfarbstoffcylinder  und  die  wachsartigen  Cylinder 
spielen  im  Allgemeinen  bei  der  Diagnose  eine  Rolle.  Die  hyalinen  Cylinder  hin- 
gegen zeigen  nur  an,  dass  eine  Reizung  oder  Erkrankung  der  Niereu  überhaupt 
vorliegt,  meist  kann  man  aber  aas  ihrem  Vorhandensein  auf  die  Art  der  Er- 
krank unjr  keine  bosonderei)  Schlüsse  machen.  Ohne  Bedeutung  sind  die  aus  Salzen 


CVlindroide  nach  Peyor. 


gebildeten  Cylinder,  welche  auch  im  normalen  gesättigten  Harne  sich  finden  können. 
Es  giebt  ausserdem  auch  noch  im  normalen,  wie  im  pathologischen  Harne  cylinder- 
äbnliche  Gebilde,  die  man  Cyliudroide  genannt  hat,  welche  man  aber  mit 
Cylindem  nicht  verwcehseln  darf.  Ihre  Substanz  wird  von  den  meisten  Autoren 
als  Schleim  bezeichnet,  obwohl  ihre  chemische  Natur  noch  nicht  vollständig  fest- 
gestellt ist.  Sie  ähneln  den  hyalinen  Cylindem ,  mit  welchen  sie  das  homogene, 
glasige  AuRsehen  gemein  haben.  Sie  unterscheiden  sich  aber  leicht  für  den  Ge- 
übten dadurch  von  den  echten  Cylindem ,  da.ss  sie  eiuen  stärker  lichtbrechenden 
l'mriss  haben,  dass  ihre  Wandungen  nicht  ordentlich  parallel  gehen,  dass  sie 
fiberaus  laug  m\d  und  in  ihrem  Verlaufe  sieh  zuweilen  in  zwei  Zweige  spalten, 
um  sich  wieder  zu  vereinen,  dass  sie  nicht  wie  die  Cylinder  breit  enden,  soudern 


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BARKCYLINDEß. 


391 


spitz  zulaufen  oder  sich  am  Ende  tbeilen  oder  auffransen;  zuweilen  enden  sie 
fast  ohne  wahrnehmbaren  Ueberganf?  im  Harne  (Fig.  7!)).  Von  Salzen .  Fett- 
tröpfcbcn  oder  gar  zelligen  Gebilden  sind  sie  sehr  selten  bedeckt,  dagegen  zeigen 
sie  zuweilen  in  ihrem  Verlaufe  Längslinien,  welche  durch  Faltungen  hervor- 
gerufen sind. 

Das  Vorkommen  von  Cylindern  irgend  welcher  Art  im  Sedimente  des 
Harnes  ist  nach  unserer  Ansicht  stets  eine  abnorme  pathologische 
Erscheinung.  Selbst  wenn  die  Annahme  richtig  ist,  dass  es  eine  Ausscheidung 
von  Cylindern  giebt,  bei  denen  das  Nierengewebe  sich  vollkommen  als  normal 
erweist,  eine  Annahme,  die  auch  bezüglich  der  Albuminurie  besteht,  so  handelt 
es  sich  doch  jedenfalls  um  eine  abnorme  Function  des  Organcs ,  wenn  sich 
Cylinder  finden,  zumal  da  die  Erscheinung  eine  Uberaus  seltene  ist.  Man  bat  bei 
Icterus  ferner  nach  der  Chloroformoarcose  zuweilen  im  Sediment  des  eiweissfreien 
Harnes  spärliche  hyaline  Harncylinder  gefunden   und  Einige  wollen  sogar  im 


Fig.  8f>. 


HuruB«dimeDt  b«l  acuMr  Nephritis  nach  EicbhorMt 


Sediment  des  gesunden  eiweitsfreien  Harnes,  wenn  auch  in  überaus  seltenen 
Fällen,  hyaline  Cylinder  gesehen  haben.  Wer  vermag  aber  in  diesen  Fällen  mit 
Sicherheit  nachzuweisen ,  dass  das  Organ  auch  functionell  vollkommen  intact  ge- 
wesen !«ei  ? 

Abgesehen  von  diesen  seltenen  Fällen  Ut  die  eigentliche  Domäne  der 
Harncylinder  der  eiweiisshaltige  Harn  bei  Nierenerkrankungen.  Wie  schon 
erwähnt,  ist  die  Qualität  und  Quantität  der  Cylinder  bei  den  verschiedenen 
Nierenerkrankimgeii  eine  verschiedene,  und  so  kann  eine  genaue  Unterstii-hung 
auf  Cylinder  in  Verbindung  mit  anderen  Symplomen  diagnostisch  vcrwerthet 
werden.  Am  diesem  (iriinde  ist  e»  auch  unerlässlich ,  dass  in  jedem  Falle  von 
eiweisshaltigem  Harne,  welcher  sehr  igelten  auf  einfache  Albuminurie,  also  func- 
tiouelle  Erkrankung  der  Niere,  gewöhnlich  vielmehr  auf  eine  (Jewebserkrankung 
der  Niere  hinweist,  auch  das  Sediment  desselben  auf  Cylinder  mikroskopisch  zur 
Feststellung  der  Art  der  Erkrankung  untersucht  werde. 


Digitizei 


392 


HARNCYLINDER. 


Die  verschiedenen  Formen  von  Nierenerkrankun^en  zeigen  bei  mikro- 
skopischer Untersuchung  auf  Cylinder  ungefähr  folgende  Bilder: 

1.  Acute  Nephritis.  In  dem  eiweissreichen ,  schmutzigrotben  und 
meist  spärlichen  Harne  finden  sich  die  Cylinder  sehr  zahlreich  und  in 
sehr  mannigfacher  Form.  Besonders  häufig  sind  die  zelligen  Cylinder,  und 
zwar  sowohl  Epilhelcylinder,  als  Blutkörperchencylinder ,  sowie  Mischformen  der- 
selben ;  aber  auch  Blutfarbstoffcylinder,  granulirte  und  hyaline  Cylinder,  die  aller- 
dings fast  nie  ganz  frei  sind  von  zelliger  Bedeckung,  sind  recht  zahlreich  ver- 
treten. Hingegen  vermisst  man  in  ganz  frischen  Fällen  Verfettungen,  hier  zeigen 
die  Epithelien  nur  eine  starke  Granulation,  während  eigentliche  Fetttröpfchen 
fehlen.  Besteht  die  Erkrankung  aber  einige  Zeit,  so  treten  schon  zuweilen  nach 
einer  Woche  Verfettunjien  in  den  zelligen  Elementen  sowohl,  wie  in  und  auf  den 
Cylindern  ein.  Wachsartige  Cylinder  kommen  nur  äusserst  selten  vor.  So  zahl- 
reich die  Cylinder  selbst  und  Bruchstücke  derselben  meist  in  jedem  Tropfen  auch 


Flg.  «1. 


HarQuediment  bei  acuter  Ncpbritis  nach  KichLorat. 


des  nicht  sedimentirten  Harnes  sind,  so  reich  an  zelligen  Elementen  aller  Art 
erweist  sich  tlbrigens  auch  die  Flüssigkeit,  in  der  sie  schwimmen;  ausgelaugte, 
Heltener  wohlcrhaltcue  rothe  Blutkörperchen ,  viele  weisse  Blutkörperchen  und 
Nierenepithelien  geben  ein  überaus  wechselndes  und  buntes  Bild  (Fig.  80,  81,  82). 

Bekanntlich  giebt  es  auch  F'ormen  acuter  Nephritis,  in  denen  der  Harn 
sehr  eiweissreich  ist,  aber  schon  dem  äusseren  Aussehen  nach  und  auch  bei 
chemischer  und  spectroskopischer  Untersuchung  fast  oder  gauz  frei  von  Blutfarb- 
stoff sich  erweist.  Hier  sind  denn  auch  die  rothcn  Blutkörperchen  im  mikro- 
skopischen Bilde  nur  vereinzelt  vertreten  und  es  fehlen  dementsprechend  sowohl 
die  Blutfarbstoff-  als  die  Blutkfirperchencylinder. 

Umgekehrt  llberwiegen  letztere  in  einer  anderen  Form  der  acuten  Ne- 
phritis ,  nämlich  der  hämorrhagischen  Nephritis  oder  Nierenhämorrhagie. 

2.  Chronische  parenchymatöse  Nephritis  (grosse  weisse  und 
grosse  bunte  Niere).    Auch  hier  ist  das  Sediment  des  meist  sehr  eiweissreichen, 


j          ,  v  .oogle 


HäRNCYLINDEB. 


393 


aber  nicht  so  dunklen,  gewöhnlich  klaren  Harnes  ebenfalls  reich  an  Cy lindern. 
Die  zelligen  Cy  linder  sind  häufig,  meist  sind  es  Rpitbelialcylinder  oder 
solche,  welche  aus  weissen  Blutkörperchen  bestehen,  während  rotbe  Blutkörperchen 
bei  der  sogenannten  grossen  weissen  Niere  nur  äusserst  spärlich,  bei  der  grossen 
bunten  Niere  in  grösserer  Menge  nur  dann  sich  finden,  wenn  Hämorrhagien  auf- 
treten. Charakteristisch  jedoch  für  diese  Form  der  Nephritis  sind  die  oft  colossalen 
Verfettungen.  Die  Epithelzellen  sind  oft  derart  mit  Fetttröpfchen  angefüllt, 
d-isH  sie  stark  angeschwollen  sind  und  dem  Bersten  nahe  zu  sein  scheinen.  Zu- 
weilen findet  man  auch  Anhäufung  von  Fetttröpfchen,  welche  die  Vermutbung 
nahe  legen,  dass  ursprünglich  ihnen  eine  Zelle  za  Grunde  gelegen  hat.  Ebenso 
verfettet  wie  die  zelligen  Cylinder  sind  auch  die  nicht  minder  häufigen  grob 
granulirten  Cylinder,  man  kann  hier  die  Granulation  sehr  häufig  frisch 


Flg.  8JJ. 


Uarnsedimeiit  bei  acater  Nephritis  nach  Eicbhorst. 


von  den  Verfettungen  nicht  unterscheiden.  Verfettete  Zellen  bedecken  meist  einen 
Theil  der  Oberfläche  dieser  Cylinder  (Fig.  83).  Hyaline  Cylinder  und  wachsartige 
Cylinder  kommen  bei  dieser  Form  nur  selten  vor,  Blutfarbstoftcylinder  höchstens 
nur  bei  den  intercurrenten  Hämorrhagien  der  grossen  bunten  Niere. 

3.  Chronische  interstitielle  Nephritis  (Schrumpfniere) 
und  arterioscierotische  Nephritis.  In  dem  meist  eiweissarmen ,  an 
Menge  bedeutenden,  an  corpusculären  Elementen  dagegen  recht  armen  Harne 
finden  sich  meist  auch  nur  spärliche  Cylinder.  Bei  dieser  Form  der  Nieren- 
erkrankung, bei  der  Schrumpf niere,  ist  also  die  Eingangs  erwähnte  Sedimentirung 
im  Spitzglase  besonders  angebracht  und  nothweudig.  Die  Cylinderart,  die  hier 
Uberwiegt,  sind  die  hyalinen  Cylinder,  welche  zuweilen  in  reinster  Form 
auftreten,  noch  häufiger  in  der  oben  geschilderten  Weise  mit  Körnchen  oder  zelligen 
Elementen,  wenn  auch  in  spärlicher  Weise,  bedeckt  sind.  Hin  und  wieder  zeigt 
sich  auch  ein  wachsartiger  oder  ein  granulirter  Cylinder  oder  eine  Uebergangsform 
zwischen  beiden ;  Cylinder,  nur  aus  zelligen  Elementen  (Epithelien  oder  weissen 
Blutkörperchen)  zusammengesetzt,  gehören  aber  zu  den  grössten  Seltenheiten.  Hie 


394 


HARNCYLINDER. 


und  da  findet  sieb  auf  den  hyalinen  Cylindern ,  ebenso  wie  in  der  umgebenden 
Flüssigkeit  ein  auägelaugtes  rotheä  Blutkörpereben. 

4.  Amyloide  Nephritis.  Der  meist  strohgelbe,  zuweilen  auch  dunkler 
gefärbte,  nicht  eben  spärliche  und  sehr  eiweissreiche  Harn  enthält  meist  nur 
durch  Sedimentiren  auffindbare ,  zuweilen  aber  auch  recht  zahlreiche  hyaline 
und  wachsartige  Cylinder,  meist  in  reiner  Form,  zuweilen  mit  einigen 
zelligen  Elementen  besetzt. 

5.  Tuberkulöse  Nephritis  und  die  Nierengeschwülste. 
Eine  besondere  Art  von  Cylindern  findet  sich  bei  diesen  Niere n- 
krankheiteu  nicht;  der  Befund  entspricht  im  Allgemeinen  entweder  dem- 
jepigen  bei  acuter  Nephritis  oder  bei  hämorrhagischer  oder  interstitieller  Nephritis. 
Die  Diagnose  muss  vielmehr  durch  den  Nachweis  von  Tuberkelbacillen  oder  Ge- 
scbwulsteleroenteii  im  Sediment  gesichert  werden. 

6.  Stauungsniere.  Der  sehr  eiweissreiche  dunkle,  häufig  rothbraun, 
schmutzigroth  oder  braun  gefärbte  Harn  bietet  zuweilen  das  mikroskopische 
Bild  der  acuten  hämorrhagischen  Nephritis  und  dementsprechend  finden  sich  sehr 


Fig.  H3. 


HRTHrrdinieut  bei  chronischer  pareDcbymBtöaer Nephritis  nach  EichUorst. 

viele  Cylinder  in  der  unter  Fig.  67  angegebenen  Form.  Doch  gicbt  es  auch  eine 
F(»rm  der  Staunngsniere,  bei  welcher  die  rothen  Blutkörperehen  im  Sediment  nur 
sehr  spärlich  \  ertreten  sind.  Dann  finden  sich  meist  nur  zahlreiche  hyaliue,  zu- 
weilen auch  wachsartige  Cylinder,  bei  längerer  Stauung  tritt  eine  stärkere  Epithel- 
desquamation auf  und  die  Epitheleylinder  zeigen  auch  zugleich  Verfettungen,  wie 
bei  der  chronischen  parenchymatösen  Nephritis.  Dann  kommen  auch  grob  granu- 
lirte  und  verfettete  Cylinder  vor.  So  erweist  sich  auch  bei  der  Stauungsniere  das 
mikroskopische  Bild  sehr  mannigfaltig  und  bietet  für  die  Diagnose  an  nich  wenig 
Anhaltspunkte.  Man  wird  jedoch  aus  anamnestischen  Daten,  aus  dem  Krankheits- 
verlauf und  anderweitigen  Symptomen  die  Diagnose  sichern  können,  so  dass  recht 
gelten  der  Fall  eintreten  dürfte,  dass  man  nicht  entscheiden  kann,  ob  eine  der  pri- 
m.'lren  Niereucrkrankungen  vorliegt  oder  eine  secundlire  Stauung.sniere.  l'ebrigens 
kann  zu  prini.ircn  Nierenerkrankungen,  z.  B.  zur  chronischen  interstitiellen  Nephritis, 
zur  arteriosclerotisehen  Schrumpfnicre  etc.  durch  Herzschw.lche  noch  secundäre 
St.nuuugsniere  hinzutreten.  Hier  wird  die  Diagnose  durch  den  Herzbefund  und 
durch  Stauuugscrselieinunjren  in  anderen  Organen  eher  gesichert,  als  durch  die 
mikroskopische  Untersuchung  des  Harnen.  ^  Rosin. 


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UARNFABBSTOFFE. 


HftrnfarbStOffe.  Die  Varle  tiuRS  K/irpers  ist  für  die  Chemie  im  All- 
gemeinen ein  niinderwertbifjes  Charakteristicuu).  Bei  der  Beurtheilun^  der  Natur 
und  Eigeoticbaftea  einer  Substanz  fallen  ganz  andere,  wichtigere  Momente  in  die 
Waagsebale.  Die  Farbe  wird  znweileD  aogar  «!•  etwM  Störendes  empAradeD,  weil  lie 
bei  vflffsebiedenutigen  SnbetanseB,  die  gleich  geftrbt  sind,  Täuschungen  hervorrufen 
kann;  ein  und  derselbe  Körper  kann  je  nach  der  Krystallisation  verschiedene 
Farben  zeigen  und  ein  und  dasselbe  Element  bildet  häutig  ganz  verschiedenartig 
geflhrbto,  dodi  nahe  verwandte  VOTbindiiBgeD.  Trotzdem  kann  die  Chemie  die 
Farbe  nieht  gana  vemadilleBigen.  Vor  Allem  bedarf  sie  derselben  zur  Änstellting 
gewisser  Reactinnen,  welche  auf  der  Bildung  von  Farben  beruhen.  So  er- 
Iceaot  sie  die  Anwesenheit  mancher  Körper  in  einer  Lösung  dureh  den  Eintritt 
einer  bestioiniten  Farbe  naeh  Znsats  von  gewisaea  Reairenti«i  nnd  bei  der  Titri- 
rung  spielt  der  Farben  Umschlag  eine  tiberaus  wiehtige  Rolle.  Femer  aber  kennt 
die  Cliemie  gewisse  Ki^rper,  deren  hervorraprondste  Eigenschaft  es  ist, 
in  sehr  charakteristischer  Weise  gefUrbt  zu  sein  und  zugleich  andere  Stoffe  leicbt 
und  intensiv  zu  Hlrben.  Diese  Substanzen  bezeichnet  die  Chemie  mit  dem  Namen 
Farbstoffe. 

Der  Harn,  die  ergiebige  Quelle  für  die  Darstellung  tlberaus  zahlreicher 
und  complicirter  chemischer  Verbindungen,  enthält  nun  ebenfalls  sowohl  Substanzen, 
deren  Vorhandensein  durch  Far bunreactioueu  erkannt  wird,  als  auch  ausser- 
dem eehte  Farbstoffe  und  Sabstanaen,  ans  denea  solebe  Farbstoffs  dar- 
gestellt werden  können. 

Die  Unterscheid  iin  fr  zwischen  einfachen  Farbenresctionen  und  echten 
Farbstoffen  im  Harne  ist  dennoch  immerhin  eine  einigermassen  subjective  und 
sehwer  absagrenzende.  Denn  wenn  wir  es  aueh  als  ein  notbwendiges  Postniat 
fttr  die  Charakteristik  eines  Farbstoffes  anseilen  mdssen,  dass  es  nieht  nur 
selbst  farbig:  erscheint,  sondern  auch  andere  Körper  färbt, 
was  bekanntlich  nicht  alle  gefärbten  Substanzen  an  sich  thun ,  so  giebt  es  doch 
Körper,  welche  beide  Forderungen  erfDllen  und  doch  nicht  als  Farbstoffe  gelten, 
weil  sie  noeb.  vide  andere  wiehtigere  Eigenschaften  besitzen,  die  die 
ersteren  zurücktreten  lässt  (z.  B.  Tinctura  J<>(i>,  Liquor  fem'  sesf/in'cldoratt  etc.). 
FerntT  giebt  ea  gewisse  Farbenreaclionen.  und  zwar  gerade  im  Harn,  von  denen 
es  gar  nicht  feststeht,  ob  sie  nicht  auf  der  Bildung  echter  Farbstoffe  beruheu. 

Im  Niehstfolgenden  wollen  wir  die  Färbungen  des  Harnes,  welehe  nur 
anr  Erkennung  gewisser  Stoffe  als  Heactionon  dienen ,  fibergehea  Und  nur  die 
eigentliehen  Farbstoffe  und  deren  farblosen  Muttersubatansen ,  sowut  bekannt, 
genauer  beschreiben. 

Nor  ein  kleiner  Tbeil  der  als  Hamflurbstoffe  beieiehneten  Snbstansen 
findet  Hicli  NullkotniiKn  fertig  prftformirt  im  ftisehen  Harne.  Ein  anderer 
e  n  t  w  i  k  e  1 1  sich  erst,  und  zwar  spontan,  ans  ungcfÄrbter  im  Harne 
betindlicher  Muttersubstaoz  allmälig  unter  dem  Einliusae  der  Luft  und  der  Zer- 
setxung.  Drittens  giebt  es  noch  dne  Gruppe  von  Farbstolfen,  die  stets  aor  dureh 
kflnstliebe  Einwirkung,  also  z.  B.  durch  ozydirende  Subetanien  aus  üirb- 
losen  Körpern,  die  im  Harne  sich  finden,  darfrestellt  werden  können. 

Nun  muss  uiau  aber  lici  allen  Hurnfarbstoffen  aueh  vom  klinischen 
Standpunkte  noch  eine  Unterscheidung  machen.  Ein  Tlicil  der  Farbstoffe  kommt 
in  normalen  Hamen  überhaupt  nicht  vor;  ein  anderer  Tbeil  findet  sieh 
normalerweise  nur  in  Spuren,  während  er  in  patbologisehen  FXlIen  eine 
erhebliohe  Vermehrung  erfdhrt. 

Wir  gclien  deuuiaeh  folgende  Kinthcihing: 

.].  nie  prfi  for  m  i  r  te  n  H  a  r  n f a rbs to f f  e. 
I.  Nor  m  a  1  e  p  r  :l  f  o  r  nu  r  t  e  F  a  r  b  s  t  o  f  f  e. 

aj  Der  normale  gelbe  Uarnfarbatoff.  Schon  seit  Jahr- 
hunderten hat  sich  die  Mediehi  mit  dem  eigentliehen  normalen  Farbstoffe  des 


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HARNFARBSTOFFE. 


Harnes  beschäftifjt.  La?  der  Versuch  doch  nahe,  die  allülgliehe  Erscheinung 
zu  erklären,  da«a  der  liarn  nicht  farblos,  sondern  stets  bei  allen  Individuen 
mit  ^nem  Farbetoflb  gtoftrbC  leeeniirt  wird,  der,  man  miieh  Mine  FarbensoaiM 
wodueltf  1^  es  in  Folge  des  Concentrationsg^rade^  oder  aber  durch  VermischuDg 
mit  anderen  HarnfarbstoiTen ,  doch  stets  dem  Au^e  sich  iu  dem  Grundtone 
„gelborange^^  oder  „orangerotb"  darbietet.  Aber  alle  Beobacbtungen ,  sowohl 
kliniiAtt  all  nudi  pbysikaBiehe ,  speotroBMiiiMlie  «nd  Tor  Allem  ii»  Ver- 
Bttdie,  den  FaibBtoff  chemisch  darzustoUen,  lind  bis  Jetxt  gesoheitert.  I^r 
wissen  weder  über  die  Herkunft,  noch  ttber  die  Natur  dieser 
alltilf^liclien  Hrscheinung  eine  exacte  Auskunft  zu  geben,  und 
trutz  der  grossen  Mengen  von  Farbstoff,  die  auf  diesem  Wege  ausgeschieden 
werdeo,  ist  bis  Jetst  nnr  Hjpoth«tiseb«6  bekannt  geworden.  Ks  ist  nieht  gans 
unm4tglich ,  dass  der  gelbe  HamfarbstoflT  aus  mehreren  Componenten  mit  ver- 
schiedenen Farben nuancen  zu8ammeng:ese(zt  ist,  worauf  gewisse  Bpectrophoto- 
metriscbe  Untersuchungen  hinweisen  (Vjerukdt).  Allerdings  ist  es  iraglicb,  ob 
diese  üntersndinngen  als  einwandafiei  an  betnebten  sind,  da  andere  Hamtkrb- 
»tüffe,  welehe  die  speetrophotometriseben  Untersuehungcn  slOren  konnten,  niebt 
sieber  aasgeschlossen  waren. 

Wir  können  uns  also  nur  bis  jetzt  in  Vermuthungen  ttber  die  Her- 
fcnaft  des  FarbetofliM  ergeben.  In  dies«*  Hindefat  mAebten  wir  auf  eine  ge- 
wisse Farbenflberei  nstimmung  aufmerksam  machen,  welche  fdr 
Bämmtlirhe  Gewebsflüssigkeiten  des  Körpers  untereinander  und  mit  der  F.trbe  des 
Harnes  besteht.  Das  Blutplasma ,  die  serösen  Flüssigkeiten ,  Cysteuinhalt ,  Trans- 
sudate, Exsudate  haben  denselben  Farbengrundton.  Nur  die  Seerete  (gewisser 
Drasen)  marhen  davon  eine  Ansaabme.  Diese  Uebereinslimmang  der  Farben 
ist  aber  nicht  nur  eine  äusserliche,  sie  zeigen  auch  gewisse  physikalisebe 
und  chemische  Uebereinstiraniungen.  Leider  sind  dies»*  mehr  nefrativer  als  posi- 
tiver Natur.  So  fehlt  allen  diesen  Farben  ein  Spectralstreifen ,  ferner  gehen  sie 
alle  leieht  dnreb  Diffasionsmembmnen  nnd  Filter  bindareh,  ohne  sie  im  Geringsien 
Sil  ftrben;  sie  gehen  beim  Versuche,  sie  auszuschütteln,  in  keines,  der  gebrineb« 
liehen  Lösungsmittel  ül)er ;  selbst  der  Amylalkohol  erweist  sich  liier  als  un- 
brauchbar. Nur  durch  Alkohol  gelang  es  uns  (da  auch  wir  uns  mit  der  Frage 
Uber  die  Herknnft  des  normalen  Hamfarbstoffes  besehlftigen),  einen  gelben  Farb- 
stoff an  extrabiren,  von  dem  wir  es  wenigstens  mit  Wahrsebeinüchkeit  aussprechen 
können  ,  dass  er  der  normale  Farbstoff  sei.  Wenn  man  nflmlich  Harn  oder  K\- 
sudatflüssigkeit  oder  IJlutserum  mit  Thierkohle,  die  zuvor  auf's  Gründlichste 
durch  Kochen  mit  Salzs^iure,  Kalilauge,  Wasser  und  Alkohol  gereinigt  ist,  bei 
gelinder  Wirme  digerirt,  so  sangt  derselbe  den  gellten  Farbstoff  aaf  «nd  ent- 
fflrbt  die  FUMigk^t:  extrahirt  man  die  Kohle  nachher  mit  Alkohol,  so  fllrbt 
dieser  sich  schön  gelb.  Aber  auch  aus  den  verschiedenste  Orpanen  des  Körpers 
lässt  sich,  nachdem  sie  möglichst  entblutet  sind,  durch  Alkohol  ein  gelber  Farb- 
stoff extrabirsn,  weleber  dem  HamAirbetoff  nnd  dem  der  GewebeflOssigkeitea  sdir 
ihnUeb  ist  Wir  möchten  daher  die  naheliegende  Vermutbung  aussprechen,  dasa 
der  normale,  gelbe  Harnfarbstoff  nichts  Anderes  ist.  als  der 
allgemein  verbreitete  gelbe  Körper farbstoff,  weicher  unter  Anderem 
auch  das  Blntsernm  firbt  und  aas  diesem  dureb  die  Nieren  sir  Ab- 
seheidung  kommt.  Ob  nun  diese  gelbe  Farbe  vielleieht  von  su^H-nannten  Hnmin- 
substanzen ,  welche  bereits  innerhalb  des  Körpers  aus  Kohli  hydraten  entstehen 
(v.  UdranSZKy),  hernihrt,  harrt  noch  der  weiteren  Untersuchung. 

b)  Uroerythrin.  Unter  Uroerytbrin  versteht  mau  seit  Hbller  den 
Farbstoff  des  sogenannten  Ziegelmebisedimentes  f^£le</tmen<ttm  lateri- 
tium)  von  Harnen,  welche  reich  sind  an  harnsauren  Salzen  (Uraten).  Dieser 
Farbstoff  ist  der  einzige  neben  dem  obenerw.lhnteu  gelben  Harnfarbstoffe,  welcher 
als  präformirt  und  dabei  als  normal  bezeichnet  werden  kann.  Allerdings  findet 
er  sieb  niemals  schon  in  der  Harnblase.  Er  tritt  erst  auf,  wenn  ausserhalb  derselben 


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HÄRNFABBSTOFFE. 


in  uratreichen  Harnea  Abkttblnng  eintritt;  dann  fallen  die  Urate  nieder  und 
indem  sie  niederfallen,  nehmen  sie  in  mehr  oder  weni«:er  inten>;ivem  Grade 
eine  Kosafärbung  An,  welche  bei  starker Gelbfilrbung  der  HarndUssigkeit  mehr 
feurig  rotb  aneaiebt  md  ent  nach  dem  Abfiltriren  und  WaMhen  ibre  eigratUehe 
Farbe  (BoBa)  zeigt.  Auch  dieser  Farbstoff  ist  noch  sehr  weiNg  genau  unteraadit. 
AU  einzifres,  allerdinprs  Oberaus  deutliches  Charakteristicuro,  wonach  man  ihn  von 
anderen  Harnfarbstoffen  stets  untersclieiden  kann ,  gilt  seine  GrUnfärbung 
mit  kanstiseben  Alkalien.  Betupft  man  nimlieh  das  anf  dem  Filter  ge- 
samm(>lte  ro^a  gefSrbte  Sediment  mit  einem  in  Kalilauge  getauehlen  Glasitabe, 
so  fhrbt  C8  sich  an  dieser  Stelle  russischgrün ;  beim  Wiederansäuern  tritt 
die  ursprüngliche  Farbe  nicht  wieder  anf.  Nach  unseren  bisherigen 
Untersuchungen  ist  dieser  Farbstuff  unlöslich  in  Aether,  Alkohol,  Chloroform  und 
Amylalkobol,  UMieh  In  kaltem ,  noeh  besser  helssem  Wasser,  welebes  er  aber 
nicht  rri.sa,  sondern  nrangegelb  ftrbt :  diese  Lösung  zeigt  keinerlei  Spectrum; 
beim  Krkalten  der  beissen  Lösung  ftUlt  der  Farbstoft"  nicht  wieder  am.  Auf  dem 
Filter  gesammelt,  biilt  er  sich  unbegrenzt  lange ,  wenn  man  ihn  durch  Waschen 
mit  Alkohol«  Aether  nnd  Chloroform  mSgliohst  gereinigt  hat.  Bs  ist  nieht  un> 
wahrscheinlich,  dass  er  eine  Dratverbiodung  ist.  Ausser  im  gestttigten ,  nor^ 
malen  Harn  findet  sich  das  Srdimfinfuni  lateritium  im  llarno  von  Fiebern- 
den uud  besonders  von  anacutemGelenksrheumatismus  Leidenden,  ferner 
aneh  im  ieterisehen  Harne,  wo  in  Verbindung  mit  dem  Gallenfarbstoff  eine  rodi' 
gelbe  Farbe  resultirt.  Die  Harne,  welche  das  Sedivientum  lateritium  enthalten, 
haben  gewöhnlich  einen  Stich  in's  Feuerrothe  ;  doch  konnten  wir  uns  llberzeu^en.  djiss, 
wiewohl  die  stärkere  Concentration  dieser  Harne  eine  gesättigtere  Farbentunung 
bedingt,  doch  die  rotbe  Nnanoe  nur  einen  Reflex  des  Sedimentes  darstellt  und 
ausserdem  snm  Theil  von  feinen  snspendirtw  PartikelehMi  berrllhrt;  der  vom 
Sedin^ent  sorgfliitig  abfiltfirte  Ham  s^gte  sidi  vollkommen  frei  von  dieser  rdth- 
lieben  Farbe. 

II.  Pathologische  prftformirte  Harn far bstoffe. 

nJ  Hlutfarbstoffe. 

1.  Das  H  ;I  m  o  >r  1  ob  i  n.  Der  Uebertritt  des  Farbstoffe-!  der  rotben 
Blutkörperchen  aus  dem  Blut  durch  die  Nieren  (Gloroeruli)  in  deu  Harn  wird 
niemals  im  normalen  Ham  beobsebtet,  sondern  stets  einaig  und  allein  im  patlio- 
logischen.  Sein  Vorkommen  weist  gewöhnlich  auf  ^ne  Erkrankung  der  Niere 
hin.  dieser  I  cbergang  aus  dem  Bhite  in  den  Harn  erfolgt  meistentheils  durch 
Vermittlung  der  rothen  Blutkörperchen.  Bei  Kierenerkrankungen  aller 
Art,  insliesondere  bei  bftmorrbsgiscber  und  acuter  Glomernlonepbritis,  treten  grosso 
Mengen  rother  Blutkörperchen  mit  dem  Hämoglobin  beladen  in  den  Ham  über 
und  daselbst  findet  (wti>  es  scheint,  schon  theilweise  in  den  Nierencanalchen,  zum 
Theil  aber  erst  in  der  Hla.sej  ein  Anstritt  des  Hämoglobin  aus  dem  Stroma  der 
Körperchen  statt,  so  dass  der  grösste  Theil  derselben  als  farblose  geschrumpite 
„Sehatten"  im  mikroskopisohen  Bilde  sieh  findet,  wahrend  das  Himo^lobin 
als  freier  gelöster  Farbstoff  der  HarnflQssigkeit  beigemengt  Ist.  Nur  bei 
sehr  reichlichem  Uebertritt  von  BlutkOrperebeu  pflegt  sieb  ein  geringerer  Theil 
uuverändert  im  Harne  zu  erhalten. 

Nun  kommt  es  aber  in  seltenen  FAllen  vor,  dsss  Hämoglobin  aus  dem 
Blute  übergeht  ohne  Vermittlung  der  rothen  Blutkörpere  b  c  n.  Dies 
geschieht  bei  einer  Erkrankun^sfornj,  die  man  als  Hämoglobinurie  l>ezeiclinet. 
Bei  dieser  Erkrankung  scheinen  diCiNieren  sei bst  vol  1  k omroen  iutact 
SU  sein,  JedenfiUls  liegt  in  ihnen  nieht  die  Ursaehe  des  HftmogloMntbertrittes. 
Vielmehr  findet  sich  die  Hämoglobinurie  als  Folge  einer  Bluterkrankung, 
wodurch  bereits  in  der  Blutbahn  das  Hämoglobin  ans  den  Körperchen  in's 
Serum  ttbertritt  <^IChrlich).  Durch  Vermittlung  desselben  wird  e-s  dann  in 
äea  meren  nnd  von  da  in  den  Harn  gebracht.  Die  Hilmoglobinurie  verdankt 


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HARNFARBÖTOFFE. 


ihre  Kntstehung  den  ver«chieden^ten  KintKls^en,  auf  die  wir  hier  nicht  näher  ein- 
geben wollen.  In  gewissen  Fällen  von  Erkältnng  i^Abkttblung  der  ExtremitAtcn) 
tritt  sie  ftofAllsweise  anf  (paroxysmale  Hämoglobinarie). 

Bekanntlich  giebt  es  verschiedene  Formen  von  Hämoglobin.  Innerhalb 
des  arteriellen  Blutes  circulirt  es  als  eine  Doppel  Verbindung  mit  i^auerstoft*,  als 
OzybämoglobiD.  Im  Harn  lindet  ch  sich  jedoch  nicht  nur  als  solches, 
sondern  aveli  In  einer  andern  Form,  als  Methftmoglobin. 

Die  Färbung  der  Harne,  welehe  Hlmoglobin  enthalten,  ist  eine 
sehr  veraehicdcnartif^e  ,  je  nach  der  Menprc  des  j^elÖRten  Farbstoffes  und  je  nach 
der  Menge  anderer  vorhandener  farbiper  Hpimcnjriinfreii.  In  manclicn  Fällen  piebt 
nch  Hämoglobin  durch  deutliche  blutige  Fiirbung  de^  Haroeä  zu  erkennen ;  in 
anderen  Fftllra  aber,  und  dies  m^sfeentbeils,  ist  die  Flirbnng  eine  branne,  rotb* 
braune  oder  bierbraune,  dabei  häufig  trtibo,  zuweilen  fast  schwarze  oder  schmutzig- 
graufrelbe.  Bei  Anwesenheit  sehr  peringer  Menden  zeigt  der  Harn  nur  in  dieser 
Schicht  einen  im  durchfallenden  Lichte  röthlichen,  im  auf- 
fallenden grflnlieben  Sebimmer.  Gew5bnlioh  sdgt  der  obere  Band  von 
hämoglobinbaltigem  Ilarue,  wenn  man  ilin  von  unten  her  in  dflnner  Sefaiebt 
beobachtet,  eine  grünliche,  ziemli'!!  charakteriHtische  Färbuntr. 

Da  aber  die  Harnfärbung,  welche  durch  Hämoglobin  bedingt  ist,  eine 
nnbestimmte  und  weehselnde  ist,  nnd  da  andere  Farbstoffe  ihnliebe  nrbnngen 
hervorrufen  kOnnen  (s.  n.),  so  muss  man  in  allen  Fällen  aneb  dnreb  bestfanmte 
Methoden  die  Anwesenbeit  des  Hämoglolnns  naebsnwMsen  sndien,  nm  lieber 
zu  gehen. 

Auf  chemische  Weise  wird  Hämoglobin  folgendermassen  nach- 
gewiesen: Man  fnilt  den  Harn  in  ein  Reagensglas  (etwa  den  vierten  Tbeil), 

macht  ihn  mit  Natronlauge  oder  Kalil.mire  stark  alkaliaeb  nnd  kocht  einmal  auf; 
Rofort  oder  nach  einigen  Minuten  bildet  sich  ein  Niedersehla?: .  welcher  blutroth 
gefärbt  ist,  bei  ruhigem  Stehen  sehr  bald  zu  Boden  sinkt  uud  daselbst  eine 
bltttrotbe  Masse  bildet  (HBLLBE'sebe  Probe).  Der  Vorgang  ist  folgender: 
Einmal  wird  das  anwesende  Hämoglobin  in  Hnmatin  übergeführt  (unter  Abspaltung 
von  Protein) ,  und  zweitens  fallen  die  Krdplii>spli!i(e  des  Harnes  aus ;  bei  ihrem 
>iiederfallen  reissen  sie  mechanisch  das  Hämatin  mit.  Die  Probe  ist  über- 
aus empfindlich  und  zuverlässig.  Nadi  unseren  Brfabruogen  ist  eine  Yenreebslnng 
mit  dem  rotheo  Farbstoff  nach  dem  Gebrauche  von  Santonin,  Senna,  Kheum 
ebenfalls  nicht  möglieh,  da  derselbe  iwar  in  der  Kälte  auftritt,  dureb  Krbitaen 
aber  zerstört  wird. 

Ebenso  zuverlässig  wie  der  chemische  Nachweis  ist  aber  der  pbjsi- 
kalisebe  mittelst  des  Speetrums.  Nun  giebt  es  aber  bekanntlidi  ver- 
schiedene Verbindungen  des  Hämoglobins.  Von  diesen  kommen,  wie  erwShnt,  im  Harne 
zwei  vor:  das  O  \  yb  .1  m  o  er  1  o  b  i  n  nnd.  besonders  hei  paroxysmaler  Hiimoglobinurie, 
das  Methämuglobin.  Ob  daneben  auch  das  einfache  (reducirtej  Hämo- 
globin sieb  findet,  ist  mit  Sieherbeit  noeb  niebt  naebgewif>seR  worden.  Wir 
erwähnen  hier  noch  die  Ansieht  IbU'PF.-SKYLER's,  nach  welcher  jeder  hämoglobiri- 
baltijre  Harn  pranz  friseh  nur  Meth;inin';lobin  enthält,  welches  beim  Stehen  sich  in 
Hämoglobin  uud  dann  in  Uxyhämuglobin  verwandelt,  eine  Anschauung,  die  aber 
durebans  niebt  aUstitig  aeeeptirt  ist  Zur  spectroskopischen  Vntertnehnng  tbnt 
man  gut,  den  Harn  niebt  im  Reagensglase  zu  untersuchen,  wegen  der  durch  die 
Krdmtnunff  entstehenden  störenden  l.iehtreficxe ,  sondern  in  kleineu  viereckifTi  n 
(ilasgelässen.  deren  ge^renilberliegende  Wände  parallel  sind.  Nattirlich  kann  mau 
zur  Noth  und  in  eiligen  Fällen  auch  mit  anderen  Geissen,  selbst  mit  einem 
Reagen^lase  auskommen.  Es  genügt  als  Untersucbungsapparat  vollkommen  ein 
sogenanntes  Taschenspectroskop  (h  vishn  directe).  Man  nmss  nur  dafür  sorjren, 
das^  das  Ta<-'e-;|ifht  (»der  künstliehe  Licht  direet  hineinfilllt  und  deshall)  also  die 
Lichtquelle  mit  dem  Spectroskop  zunächst  ansehen;  das  GlasgetHss  mit  dem  /u 
nntersuebenden  Harn  hält  man  dann  unmittelbar  vor  den  Spalt  des  Apparates. 


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HABNFABBSTOFFB. 


399 


Die  Harnilflssigkeit  mnm^  wenn  ni  dnnkel,  mit  Waasw  verdflnnt,  irenn  sn  Mbe, 
filtrirt  werden. 

DasOxyhämoglobin  erkeautmaa  an  zwei  Streifen,  einem sciimälercn, 
aber  Milirferen  in  gelb  an  der  Orense  des  Orfln  und  efoem  cweiten  etwas 

breiteren,  aVjer  t;ch wieheren  und  weniger  seharf  begrensten  in  dor  ersten  Hälfte 
dea  Orlln.  Das  Meth  }lmog:l<)bin  erkennt  man  im  panren  Harn  durch  virr  A  1»- 
8orpti  onsst reifen,  wovon  zwei  in  gelb,  einer  in  grün  und  einer  in  blaugrün 
liegt ;  der  erste  Streifen ,  im  Gelb  naeb  dem  Orange  zu,  int  schmal  ond  sebarf, 
der  zweite  nnd  dritte,  denen  des  Oxyhlmoglobins  der  Lage  naeh  fast  ent« 
sprechend,  ist  schwAcher,  der  vierte,  ziemlich  breite  im  Blaugrfln  ist  wieder  etwas 
stiirker.  Das  einfache  Hiimnorlobin  zeigt  nur  einen  Streifen,  der 
ungefähr  den  Raum  zwitK^ben  den  beiden  Streifen  des  OxybümoglubiDS  einnimmt. 

Sowohl  das  Oxyhlmoglobin  wie  das  Hethlmoglobfai  Uttt  sidi  dnreh 
Schwefelammonium  in  einfaches,  Bauerstofffreies,  redueirtes  Hämoglobin  ver> 
wandeln.  Fügt  man  also  einige  Tropfen  Sehwefclammonium  der  zu  unterRuchenden 
Flüssigkeit  biozu  während  der  spectroskopiücben  Untersuchung,  so  tritt  beim 
Oxybämoglobin  sofort,  beim  Methlmoglobin  naeh  Torflbergeheader  Bildung  von 
Oxyhttmoglobin  der  einfache  Streifen  des  fedlMirten  Hämo^obins  auf.  Man  kann 
dann  noch  weiterhin  nach  Lkwin  und  POSNER  durch  Ziifflgung  von  concentrirter 
Natronlauge  ein  neues,  sehr  scharfes,  in  zweifelhaften  Fällen  wichtiges  Spectrum 
erzeugen,  nimlldi  das  des  Htmoehromogens ,  dessen  Streiftn  nngeflihr  an  der- 
selben Stelle,  wie  derjenige  des  redacirten  Hlmoglobin  liegt,  jedoch  schärfer  ist, 
sn  (lass  man  bei  sehr  geringem  Vorkommen  des  BlutfarbstotFes  im  Haru  auf 
diesem  nicht  sehr  umständlichen  Wege,  also  durch  Zusatz  von  iSchwefelaramonium 
und  Natronlauge,  zuweilen  noch  einen  Streifen  von  Hämocbromogen  erhält,  wenn 
▼orbor  gar  kdner  vorhanden  gewesen  ist. 

2.  Das  Hämatin.  Ein  Zersetzungsprodnct  des  Hämoglobin  ist  das 
Hflmatin.  Es  entsteht  ans  demselben  durch  Zusatz  aller  Sfluren ,  ferner  durch 
starke  Alkalien,  endlich  durch  Erhitzen,  und  zwar  geht  das  Uxybämoglobin  dabei 
direet  in  Bllmatin  über,  wflbrend  das  sanerstofflßreie  Bimoglobin  snent  eine  saner- 
stoflürmere  Verbindung,  das  Himoehromogen ,  bildet ,  das  dann  in  Himatin  bei 
Grfgonwart  v(m  Luft  übergeht. 

Man  erkennt  das  Hämatin  am  besten  mittelst  des  Spectroskopes.  Im 
sauren  Harn  tritt  dann  ein  Speetmm  herror,  welches  vier  Strafen  beeitst,  die 
mit  denjenigen  des  Methämogiobin  (s.  0.)  vollständig  identisch  sind ;  der  Unter- 
schied wird  alter  sofort  klar,  wenn  man  Schwefelamnionium  hinzufügt,  es  tritt 
dann  nicht  das  oben  geschilderte  Spectrum  des  einfachen  Hämoglobin  auf,  son- 
dern dasjenige  des  Hftraocbromogen ,  eines  sauerstoffftrmeren  Prodnctes,  welches 
nicht  einen  Streifen,  sondern  zwei  Streifen  im  Qelbgrfln  und  Im  Grfln  beeitst. 

Das  Hämatin  Ist  bisher  nur  selten  im  Harne,  welcher  übrigens  Stets 
patholngiheh  war,  beobachtet  worden,  vielleicht  aus  dem  (irnnde,  weil  die  Er- 
kennung in  Folge  der  etwas  complicirteu  spectroakupischen  Verhältnisse  einiger- 
masscn  erschwert  ist. 

Hl  i'i'RRT  giebt  au,  dass  es  nicht  gerade  selten  im  Harne  vorkime;  er 
selbst  hat  es  bei  Schwefolsänrevergiftung  nachweisen  können. 

3.  Hämatoporphyrin.  Neuerdings  ist  die  Aufmerksamkeit  auf  das 
Vorkommen  eines  Blutfarhstoffieiivatee  im  Harn,  besonders  von  Salkowski,  ge- 
lenkt worden,  welches  bei  gewiSBen  Erkrankungen,  vor  Allem  bm  Vergiftung  mit 
Siilfonal  (JoLLEs),  ferner  nach  grossen  Blateigflssen  im  Körper  an«  dem  Harne 
zu  isoliren  ist. 

In  einem  FaBe  fet  es  9oipa  Im  scheinbar  normalen  Harne  gefbnden 
worden  (QuofCKB).    Dieser  Körper  ist  auf  verschiedene  Weise  mittelst  Sinren 

aus  dem  Hämochromogen  oder  auch  aus  H;tniatin  dargestellt  worden.  Man  ist 
noch  nicht  sicher,  ob  es  sich  um  eine  einheitliche  Substimz  oder  um  ein  und 
denselben  Körper  stets  bandelt:  einige  Autoren  unterscheiden  verschiedene  Arten. 


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400  HARMFABBSTOFFB. 

Dm  Hämatoporphyrin  ist  ein  eisenfreier  Blutfarbstoflf,  dessen  Darstellang  aas  dem 
Hin«  fo^ndmuMn  geaehidit:  Etwa  600  Oem.  Um  werden  mit  einer  Ifiiehung 
»asgefUIt«  wefehe  Mit  10<*/o  Chlorbarinmlögnng  nnd  gesfttti^r  ßarytiOsong  be- 
steht (Salkowski).  Der  abfiltrirt«'  Niederschlag  wird  bei  gelinder  Wärrae  mit  ein 
wenig  salzsaurem  Alkohol  ausgezogen.  In  die^^en  gebt  der  Farbstoff  Uber  und 
färbt  ihn  schön  vio'ett  oder  kirschroth.  Das  Spectrum  dieser  Lösung  zeigt  zwei 
Streifen  im  CMb  nalie  zum  GrflB  (lehmal)  nnd  im  Orttn  nahe  snn  Gelb 
(breit  und  dunkel).  Setzt  man  Alkali  hinzu,  so  wird  die  Farbe  meiit  roth- 
braun, selten  bleibt  »ie  violett;  diese  Lösungen  zeigen  aber  nnnmebr  Tier  bis 
fünf  Streifen  vom  Orangegelb  an  bis  zum  Blaugriln  hin. 

Anmerkung:  Es  «hid  nodi  mskrare  eisenhaltig«,  rothe  oder  rothbranne  Harn« 

farbstoffd  bekannt,  wdihc  von  vprschiedenen  Antoren  gelegentlich  beschrieben  worden  sind. 
Sie  haben  Terechiedene  Kamen  erhalten,  sind  aber  von  ihren  Entdeckern,  selbst  wenn  eine 
Analx^  gemacht  wurde,  doch  nicht  renfigend  charakterisirt  worden,  ma  mit  Sicherheit  als 
eiaenartige  Farbstoffe,  welche  7on  anderen  bekannten  sich  nnterscheiden,  anfgefaset  werden  an 
kSnnen;  dazn  kommt  noch,  dass  diese  Farbstoffe,  obwohl  schon  vor  längerer  Zeit  Teröin»ntlicbt, 
dorli  niew  iV'der  gefunden  worden  sind,  weder  von  den  Entdeckn-ri  .seihst,  uocli  van  einem  Anderatt. 
Nach  genauerer  Prüfung  der  Eigenschaften  dieser  Farbstoffe  halten  wir  uns  daher  für  be- 
rechtigt, sie  an  dieser  Kten«,  bei  den  BHriftHwtoffm  m  «rvIlMMB*  da  aia  whm  ihisi  B  i  lan* 
f;eh altes  mit  grosser  TVahrscheinlichkeit  ata  BlntfarbstoffdariTat«  aatkafluMn  sind. 
Hierher  gehören  fi>l;;eude  Farbstoffe: 

a)  TJrohämatin.  Unter  diesem  Namen  hat  M a c  M n n n  einen  wenig  genau  charak- 
terisirten  rothbraonea  Farbstoff  brachriebeo,  welcher  nnsweifelhaft  wenigstem  la  einem  sehr 
grasen  Thette  ans  Hftmatoporphyrin  beetand,  Rbnatin  üees  sfdi  nicht  darin  nachweisen.  Bin 
anderer  Theil  dieses  Farbstoff^enienges  scheint  Urobilin  gewesen  zu  sein. 

^)  Der  Mensser'scbe  Farbstoff.  Aach  dieser  Farbstoff,  welcher  von  Neasser 
in  zwei  Pillen  gefunden  worden  ist,  Ist  aller  WahnefaainUebfcelt  nach  ein  nnrdnes  Bisuito* 
porphjrrln  gewesen. 

Y)  U rornb  robftmatin  nnd  Vrofnscoblmati n  sind  zwei  Farbstofft*,  welche 

B  a  u  III  >  f  ,1  I  k  im  Urinit' eines  an  T-epra  l^eidendf-n  ^valir^i'nonimen  hat.  Der  erste  Farhstort'  w:ir 
eioenbaltig  and  anterschied  sich  nur  wenig  vom  Uamatin,  der  sweite,  eisenfreie  war  überaus 
&bnUch  dem  Hftmatoporphyrin. 

h)  Gallenfarbstoffc.  Normaler  Hsrn  enthalt  niemals  Gallcnfarbitoff. 

In  denjenif^en  F/llIiri  aber,  in  welchen  in  der  Leber  eine  Gallcnstauang'  oder 
tine  Gallenübcrproduction  ntattlindet,  geht  bekanntlich  zunächst  Gallen- 
farbstoff in  das  Blutserum  Uber  und  wird  nun  von  da  durch  die  GlomeruU 
der  Nieren  in  den  Harn  auageaehieden.  Der  Farbstoff,  wdcher  hier  in  Retraeht 
kommt,  ist  nur  das  Bilirubin  und  allenfalls  das  Biliverdin,  während  die 
iibrifren  Gallenfarbstofle  im  ITarne  präformirt  nicht  vorkommen.  Ob  das  Riliverdin 
übrigens  nicht  erst  in  der  Blase  oder  gar  ausserhalb  des  Körpers  durch  gewisse 
oxydirende  Substanzen  im  Harn  unter  Mittiilfe  des  Sauerttoffias  der  Luft  gebildet 
wild,  ist  nicht  festgestellt,  jedoeh  sehr  wahrscheinlich;  auch  findet  es  sich  reeht 
selten  nnd  immer  nur  in  geringen  Quantititten  neben  Bilirubin  ;  seine  Anwesen- 
heit verleiht  dem  Harne  einen  grünlichen  Farbenton,  welcher  sich  zu  dem 
gelben  des  Billmbin  liiosugesellt. 

GaUenfarbstoifhaltige  Harne  zeiehnen  sieh  dnrch  einen  intensiv  gelben 
()  d  er  })  r  a  n  n  g  e  1  b  e  n  o  d  p  r  r  o  t  h  ;r  e  1  b  e  n  ,  zuweilen  selbst  1)  i  i'  r  b  r  a  u  n  e  n 
Farben  ton  aus.  Sehr  charakteristisch  i:^t  der  Schaum  des  liaroes,  wenn 
man  ihn  schüttelt ;  derselbe  ist  stets  reiu  gelb  gefärbt,  wie  auch  immer  die  Grund« 
far1>e  des  Harnes  sein  mag.  Der  gelbe  SehflttelRehanm  dient  im  Allgemeinen  als 
ein,  wenn  auch  nicht  »ehr  seharfes  und  niebt  gans  aidieres  (Urobilin)  &lcennungs- 
nüttel  von  Gallenfarbstofl*. 

Sehr  häuHg  sind  gallenfarbstoifhaltige  Uaroe  auch  reich  an  audereu 
Ilarnfarbstoffen.  80  kann  sich  BIntfarlMtoff  (s.  0.),  üroerytbrin  (s.  o.),  Urobilin  (s.  u.) 
hinsugesellen  und  den  gelben  Farbenton  nUancireu. 

Bezflglich  des  Nachweises  von  Gallcnfarbstoft"  im  Harne  ist  F(»lgendcs  r.u 
erwähnen:  Wenn  die  Haut  des  Patienten  und  die  Schleimhäute  stark  ikterisch 
gefärbt  sind,  wenn  der  Harn  sehon  dueh  sein  Aussdien,  sowie  durch  den  gelben 
Sebflttelschaum  sieb  als  gallenfarbstoffhaltig  erwdst,  so  hat  man  eigentlieh  nicht 


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HAENFARBSTOFPB. 


401 


niitbig,  deu  Gallenfarbstoff  durch  bestimmte  ProbuD  Dacbzuweiseo.  Vielmehr  ist 
dies  nar  in  zweifelhaften  Fällen  erwünscht,  in  denen  man  sowohl  hezflglich  der 
HAut£urbe,  als  des  Aonelieiis  des  Harnes  nieht  gans  ddber  ist,  oder  in  aolehen 
Fällen,  in  denen  zwar  die  Hautfarbe  noch  gelb  iat,  man  aber  im  Unklaren  darüber 
ist.  ob  Gallenstauun^  oder  Aosscbeidung  von  Qallenfarbstoff  durch  den  Harn 
überhaupt  noch  besteht. 

Folgende  Proben  sind  fllr  den  Nadiweis  des  BilimUn  angegeben: 
7.)  Aussohflttelung  einer  gewissen  Menge  von  Harn  im  Rcagens^lase 
durch  ('hluroform,  welches  den  Farbstoff  aufnimmt;  dasselbe  färbt  sich  gelb. 
Die  Probe  läast  bei  geringen  Mengen  von  Gallenfarbstoff  im  Stiche. 

ft>)  Die  TiBDBHANN-GMKLiN'sehen  Proben.  Man  flUlt  in  ein 
Reagensglas  einige  Enbikcentimeter  Salpetersäure,  welche  etwas  salpetrige  Sture 
enthält ,  was  bei  älterer  Salpetersäure  stets  der  Fall  ist  fbei  frischer  Salpeter- 
säure kann  man  eine  Spur  rauchender  Saipeteri^Uure  hinzufügen)  und  schichtet 
vorsichtig  durch  Eingiessen  mittelst  einer  Pipette  in  das  ganz  schräg  gehaltene 
Reagenflglaa  den  an  nntorsnehenden  Harn  fliier  die  Salpetersäure.  An  der  Be- 
rührunijsstelle  bildet  sich  bei  Anwesenheit  von  Gallenfarbstoff  ein  frra.Hfrrdner  Ring, 
welcher  ziemlich  rasch  in  andere  Farben  tlbcif^eht,  und  zwar  zuerst  in  Hlau, 
dann  in  Roth  und  schliesslich  in  Gelb.  Indem  der  Farbenwechsel  in  der  der 
Salpetersftfure  xnnielnt  gel^^en  Sehiehto  des  Harnes  am  rasebesten  erfolgt,  wlhrend 
die  Salpetersäure  in  die  höheren  Seblehten  dnreh  Diffusion  allmfilig  eindringt, 
bilden  sieh  znweilcn  alle  vier  Farben  in  untereinander  pjelcfjenen  Ringen  ge- 
sondert aus  und  geben  ein  htlbsches  Farbenspiel.  Dennoch  ist  die  Probe  wenig 
sebarf  nnd  Iftsst  bei  geringen  Mengen  von  Gallenfarbstoff  stets 
im  Stiche.  Charakteristisch  ist  aüein  der  grüne  Ring,  Blau  und  Roth  tritt  duroh 
die-«c  Methode  auch  bei  Anwesenheit  anderer  Hamfisrbstoffe  (Indigoblau,  Harn» 
rosa)  auf. 

Y)  Eine  Hodifieation  dieser  Probe,  welebe  ROSXMBAOH 
angegeben  hat.  ist  viel  schärfer.  Man  filtrirt  eine  Quantität  des  zu  unter« 
suchenden  Harnes  durch  ein  Filter  und  betupft  dasselbe  feucht  mit  einem  Tropfen 
Salpetersäure,  welche  etwas  salpetrige  Säure  enthält;  dann  tritt  das  l'^arbenspiel 
Grfla,  Blau,  Roth,  Gelb  in  Ringen  um  den  Tropfen  herum  in  der  Reihenfolge  von 
aussen  naeb  innen  anf.  Andere  Modifieationen  der  Probe,  x.  B.  Versetzen  des 
Harnes  mit  Kalpetorsaurem  Natron  und  Unterschiehten  mit  eonoentrirter  Sebwefel- 
säure  (Fleischl),  sind  datregren  ebenfalls  nicht  scharf. 

Z)  Die  Geuuard  TS  che  Probe.  Man  schüttelt  den  zu  untersuchenden 
Harn  mit  Chloroform  ans,  trennt  das  Chloroform  sodann  vom  Harne  nnd  fDgt 
eine  so  geringe  Menge  Jodjodkaliumlösung  hinzu,  dass  noch  keine  Rothfär- 
b  u  II  fr  de«  Chloroforms  durch  das  Jod  eintritt.  Bei  Ge};enwart  von  Gallenfarb- 
stoff färbt  sich  das  Ghlorotbrm  schön  grün.  Oder  aber  man  versetzt  deu  Chloru- 
formauszug  mit  Terpentinöl  und  flbergiesst  die  Mischung  mit  sehr  verdttnnter 
Kaiilösnng,  beim  Schttteln  gebt  das  Biliverdin  ,  welches  sich  durch  Einwirkung 
<ic>  Terpentin  aus  dem  e(\vrt';:'ri  lÜÜrubin  gebildet  hat,  in  die  Kalilaupri*  Über, 
\  ou  der  man  mögliclist  wenig  verwendet.  Die  Proben  sind  sehr  scharf,  ihre  Aus- 
führung aber  etwas  umständlich. 

s)  Von  UäMiscBAL,  später  von  Sxitb  istdIeJodtinetnr  sum  Naebweis 
\<m  Gallenfarbstoff  empfohlen  worden.  Auf  Zusatz  einer  gorinp:en  Menge  derselben 
tritt  eine  sniarafrdffrtlnc,  haltbare  Färbung?  auf,  welche  auch  bei  ziemlich  frerinjren 
Quantitäten  von  Bilirubin  noch  sichtbar  wird ;  desgleicheu  tritt  ein  grüner  King 
auf,  wenn  man  die  Jodtinetur  flbersebiehtet.  Obwohl  die  Probe  viel  sebärfer 
ist,  als  die  OxBLiM*8cbe,  so  ist  sie  doch  nur  wenig  in  Deutschland  in  Gebraueh 
gezogen  worden.  Bei  sehr  gering'en  Menfjen  von  Bilirubin  littst  fibricrens  diese 
Probe  ebenfalls  im  Stich,  indem  die  Eigenfarbe  des  Jods  etwaiges  Grün  ver- 
deckt und  das  Auftreten  eines  grOneu  Ringes  verbindert.  Die  Farbe  ist  bereits 
vor  cirea  25  Jahren  empfohlen  worden. 

Bnoiyclcp.  JabrVaeher.  IIL  26 


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402 


HABNFARBSTOFFE. 


Ncuordiogg  bat  der Unterseiobiieto  als  die  empfindlichste  G)ilteD> 
färb  s  tu  tt"  probe,  welche  zugleich  den  Vorzuf^  p^rösster  Einfach- 
heit besitzt,  die  Anwendung  verdünnter  Jodtinctnr  in  folgender 
Weise  empfbblen:  Man  bereitet  sieb  aus  gewftbnlieber  Jofltinetar  und  Sptritvs 
eine  derartifr  verdünnte  Lösunjr,  dass  dicsolbc  die  Farbe  des  Portweines  hat.  Da 
die  ufficinelle  Jodtinktur  iiicbf  stet-;  dieselbe  Farbenintensität  hat  :  vli'Ueidit  in 
Folge  von  VertlUcbtigung  und  Zersetzung  von  Jod  oder  in  Folge  von  Vordunt^tiin^ 
des  Alkobols),  so  empfiehlt  es  sieb  mebr,  nadi  dieser  YorsArift  die  Verdünnung  zu 
bereiten,  als,  wie  der  Unterzeichnete  nrsprflnglicb  angegeben,  im  VerhUtniese  von 
10°  Die  80  verdtlnnte  Jodtinotiir  kann  man  in  einer  Flasche  vorrJfthi?:  halten. 
Zum  Nachwci-^  des  (iallenfarbstotVes  frieast  man  in  ein  Reafrensirlas  zunächst  etwas 
vuu  dem  zu  uotcräucheuden  Harn  und  dauu  die  Jodtiuet  ur  Uiittelst  eiuor  Pipetto 
oder  direet  ans  der  Flasebe  in  das  gans  sebrig  gehaltene  Reagensglaa,  wodnreb 
sie  dem  Harne  flberBcbiehtet  wird.  An  der  Grenze  bildet  sich  ein  grasgrüner, 
haltbarer  Rinj? .  auch  wenn  sehr  prerinffe  Meng:en  von  Gallenfarf)3toff  vorhanden 
sind,  während  bei  Abwesenheit  ein  hellgelber,  zuweilen  ein  rosafarbener  (Harn* 
rosa)  Ring  vorbanden  ist.  Die  Probe  ist,  wie  erwSbnt,  die  sebftrftte  Gallenfarb- 
stofl^robe. 

r  Eine  etwas  nnistilniiliclie,  aber  ebenfalls  scharfe  Methode  beruht  darauf, 
dass  man  den  Harn  mit  Kalkmilch  völlig  ausfällt  (Hüptert) 
und  den  abfiltrirten  Nlederseblag  mit  sebwefelsäiirebaltige m 
Alkohol  aussiebt;  bei  Anwesenbeit  von  Gallenfarbstoff  Oh-bt  sieh  der 
Alkohol  grfln. 

Die  Farbstoffe,  welehe  als  Ghromogenderivate  anfsiifasseft 

sind. 

Diese  Gruppe  von  Farbstoffen,  welche  umfanffreicher  ist  als  die  vorige,  ent- 
stammt stets  einer  im  Harne  befindlichen  farblosen  Muttersubstanz,  welche  als  solche 
nrvprttnglieb  in  den  Nieren  snr  Abseheidnng  gekommen  ist  nnd  ans  weleber  dann 
die  Farbstoffe  rieb  entwickeln.  Ein  Theil  derselben  bildet  sich  ganz  spontan, 
mehr  oder  weniger  rasch  und  reichlich,  noch  innerhalb  der  Blase  oder  erst  ausser 
halb  beim  Stehen  an  der  Luft.  Ein  anderer  grosser  Theil  dieser  Chromogen- 
derivate  entsteht  aber  niebt  spontan,  sondern  kann  nar  auf  kOnstliehen 
We^e,  namentlich  durch  Einwirkung  von  Mineralsäiir« n  und  oxydirenden  llittela 
erhalten  worden.  Die  hierher  gehörenden  Substanzen  sind  nur  zum  Theile  genauer 
bekaunt  und  untersucht,  nicht  wenige  sind  noch  giiuzlich  unbekannt. 

1.  (' Ii  r  o  m  o  g  en  d  e  r  i  V  a  t  e  ,  welche  sich  spontan  bilden. 

aj  M  o  r  ni  a  I  e. 

1.  Das  Crobilin.  Die  Harne,  welehe  Urobiiin  reidifieh  enthalten, 
zeichnen  rieb  durch  eine  besondere  braune  Farbe  ans,   weldie  der- 

it'iiiLreii  mancher  L^alleiilarbstoffhaltiger  Harne  tnid  zuweilen  auch  solcher,  die 
Hilmoglobin  (  MetLliaiiioi^'loljiu )  enthalten ,  sehr  iibnlieh  sein  kann  Diese  P''arbe 
gleicht  ungefähr  dem  Mabagonibrauu  oder  dem  Bierbraun ;  bei  autfallendem,  hellem 
Liebte,  s.  B.  dureb  rinen  Sonnenstrahl,  wird  snwetlen  rine  grttne,  niebt  sehr  aus- 
gesprochene Fluorescenz  sichtbar.  Dabei  zeigt  der  Schflttelschaum  eine  gelbe 
Färbung,  welche  allerdings  an  Intensität  hinter  derjenigen  des  Bilirubin  zurück- 
steht. Andere  Harne  enthalten  das  Lrobilin  in  viel  weniger  bedeuteudeu  <^uanti> 
titen,  so  dass  hierdurch  kaum  eine  wesentliche  Verdunkelung  entsteht  und  der 
Nachweis  nur  mittelst  geeigneter  Methoden  gelingt.  Andere  Harne  wiederum  sind 
friseli  von  normaler  Farbe  und  erweisen  sich  aucli  tVei  vi»n  iTobilin ;  aber  beim 
Stehen  an  der  Luft  werden  sie  dunkel  und  nun  lässt  sich  reichlich  Lrobilin 
nachweisen.  Audi  mit  Blri  mftgliehst  entftrbte  Harne  ftrben  sich  suweilen  beim 
Stehen  wieder  brftunlichgelb  und  zeigen  jetst  das  Yorbandensrin  Ton  Urobilin. 

Diese  letzteren  Beobachtungen  sind  es  gewesen,  welche  .Taffe,  Mac 
Münk  u.  A.  ,  die  sich  um  die  Kenntnis»  des  Urobilins  verdient  gemacht  babea, 


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HABNfAKBSTOFFE. 


403 


zu  der  Aulßudung  dur  Tbatäache  geführt  haben,  dass  das  UroMUn  nicbt,  wie 
Bilinibin  oder  Blatfarbetoff  direet  in  dem  Harne  zur  Aossebeidun»  kommf,  sondern 

iodirect  ia  Form  einer  farblosen  Muttersiib  un  n  z  (Chromo<^eu  des 
l'robilin,  T  r  o  b  i  1  i  n  o  fr  e  n^l ,  aiH  welelitr  es  sich  schnu  in  der  Blase  durch 
die  oxydireudea  Substauzen  des  Uarues  und  weiterhin  nueh  beim  Stehen  an  der 
Lnft  (wenn  die  FHulniss  ausgesehlosseo  ist),  sieh  entwickelt.  Es  ist  «war  nieht 
nacbfrewie^en,  dass  auch  iu  ^ebr  urobitioreicben  Hamen  der  gesaninite  FarbstofTgebalt 
an  l'robilin  auf  diest-m  iiidiri-ctdi  Wc-^e  sicb  erst  entwifkelt  bat,  jedoch  scheint 
die  Tbat^ache  sehr  dafür  zu  sprechen,  dass  im  Ijlut-serum  noch  niemals  Urobilin 
beobaebtet  worden  ist.  Umgekehrt  ist  sehr  wabrscheinlieh,  dasa  darchaus  nieht 
immer  im  Harne,  selbst  bei  lingerem  Stdien,  alles  Ohromogen  sich  in  Urobilin 
verwandeln  mnss;  da  das  letztere  ein  Product  der  Oxvdatinri  des  Krstercn  ist, 
so  hüngt  dies  von  der  jeweilij^en  oxydirenden  Kraft  des  Harnes  in  Verbindung;: 
mit  dem  i^auersiuffe  der  Luft  ab.  Aus  die.seai  Grunde  mus.s  man  auch  bei  der 
quantitativen  direeten  Bestimmung  des  Urobilin  im  Harne  (s.  unten)  erst  sieb  die 
Gewissheit  verschain  haben,  alles  Chromogen  in  irrobiiiti  verwandelt  an  haben, 
was  nach  unseren  noob.iehtuntren  durch  gewisse  künstliche  .Massnalimen  möfrlich 
iät ;  bisherige  Bestimmungen  haben  aber  diesen  Punkt  oft  vernachlüssigt  und  sehr 
chromogenreiehe  Harne  konnten  deshalb  leicht  fQr  nrobiltnarme  gehalten  werden. 

Es  sei  Jin  i!i*->fT  Sn  lV  sc:  nn  liiTMu^r.  liotu  n.  il.iss  ilic  ih:nl;f'llirannr'  Farbe  des  Harnes 
nnd  inslieSOOdere  auch  i!;is  Nachdntikf'In  l)rMm  Stehen  an  der  Luit  auch  noch  auf  andere  [ir- 
sachen  snrttekgef&hrt  wenli  n  mtiss:  llarue.  welche  reich  an  Phenolen  und  Indigobildnern  sind, 
onter  den  ersteren  besonders  die  Carbolharue.  dunkeln  ebenfiiUs  beim  ;rteli«n  «a  der  Lttft, 
wobei  noch  unbekannte  Farlistoti'e  »ich  l>iliien. 

Der  directe  Nachweis  von  Urobilin  im  Haroe  geschieht  auf  zweierlei 
Weise.  Zunächst  auf  s  pec  t  r  c  s  k '»  p  i  s  c  h  c  in  \Veg;e.  D.-is  l'rohilin  gieht  nilnilicli 
ein  sehr  charakteristisches  Spectnini  Ikm  saurer  Rcactinn  dos  ILnriios  Man  erkcnut 
dann  einen  Streifen  im  Klau,  bei  der  dort  befindlichen,  bekauuilieb  starken  Spoctral* 
linic  F.  Sehr  nrobilinreiche  Harne  mttsscn  sehr  oft  verdflnnt  werden ,  damit  der 
Streifen  deutlich  wird,  denn  bei  sehr  reichlichem  Vorhandensein  von  L'robilin 
wird  das  j;anze  Spectrum  vom  Grau  an  bis  zum  Blau  bin  ausgelöscht.  In  chro- 
mogenhaltigeu  Harucn ,  welche  jcduch  noch  kein  Urobilin  enthalten ,  kann  auf 
kflnstliche  Weise  das  Urobilin  dargestellt  werden,  nnd  swar  geschieht  dies  dadurch, 
dass  man  dem  zu  untersuchenden  Harne  etwas  Salpetersäure  oder  nach  Stokvis 
Jodtinctnr,  oder  auch  Salzsäure  oder  eine  andere  Minir.ilsäure  hinzufügt.  Dana 
verwandelt  sich  alles  Chromogen  iu  Urobilin.  Der  Vorgang  beruht  zweifellos  auf 
einer  Oxydation;  nach  unseren  Erfahrungen,  die  wir  auch  bei  der  Entwicklung 
anderer  Farbstoffe  gemacht  haben,  bewirkt  dies  die  Salpetersäure  direct,  die  ttbrigen 
Mincralsänren  wahrschciuiich  durch  Zersctcung  andere  Hamsubstansen,  welebe 
Sauerstoü'  frei  werden  lassen. 

Die  zweite  Metbode  des  direeten  Nachweises  geschieht  auf  chemische 
Weise.  Man  fDgt  dem  Harne  reichlich  Ammoniak  hinzu  Reagensglase)  und 
versetzt  ihn  mit  einigen  Tropfen  einer  etwa  10"  o igen  Chlorzinklösung ,  so  dass 
kein  l>h'ibender  Niederschlag  entsteht:  der  Harn  nimmt  dann  einen  Stich  in's 
Röthliche  an  und  zeigt  zugleich  eine  prachtigo  grüne  Fiuorescenz ;  zugleich  wird 
der  Strafen  etwas  scharfer  und  rOckt  um  ein  Weniges  mehr  nach  dem  Grflnen  hin. 

ICndlieh  kann  man  auH  urobilinrcichen  Harm u  das  Urobilin  mit  Chloro- 
form direct  ausschiltfcln.  Dasselbe  färld  sich  rehfarben. 

In  reinem  Zu.stande  ist  das  Urobilin  trotz  aller  Untersuchungen  und 
trotz  der  sehr  charakteristischen  Eigenschaften  nicht  bekannt.  Aber  man  kann 
es  «nigcrmassen  isoliren  und  in  Form  eines  amorphen  Pulvers  darstellen  (J.affe, 
Mktii',  M<'  Mlnn  .  Dil"  (  nsichcrheit  liin-^ichtlsch  der  Keinbeit  der  auf  vcrschiedeiit- 
liche  Weise  von  den  genau uten  Autoren  dargestellten  Urobilinpräparate  ist  so 
grot<s ,  dass  Einige  sogar  geneigt  sind ,  mehrere  UrobiUne  anzunehmen ,  so  z.  B. 
ein  Urobilin  aus  Fieberharn,  ein  anderes  aus  dem  Harne  Fieberloser.  Nach  Mehu 
wird  der  Harn  mit  Schwefelsinre  angesftnert  und  mit  schwefelsaurem  Ammonium 

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4U4 


HARNFARBSTOFFE. 


jTPsättigt.  bildet  ficli  dann  beim  Stehen  ein  flockiger,  brauner  Niederschlag, 
welcher  abfiltrirt  und  »odann  mit  absolutem  Alkohol,  dem  man  einige  Tropfen 
Ammouiak  zugesetzt  hat,  ausgezogen  wird.  Der  Alkohol  wird  verdaustet  und  Uast 
das  Urotiilin  tm^ukj  eb  Mtflilleli  bödiet  rnmioM  Pltpumt.  Mo  Musnr  ftXUm  den 
Harn  erst  mit  Bleizncker,  dann  mit  Bleiessig  völlig  aus  und  extrabirte  die  Nieder- 
ficblflge  wieder  mit  salzsäurehaUiiErem  oder  scbwefelsäurehaltigem  Alkohol ,  ver- 
dünote  diesen  mit  Wasser  uod  schüttelte  mit  Chloroform  aus;  der  Rückstand, 
der  dvrflli  mehnnaliges  Lflaan  md  Yerdmisteii  das  OhloiofonnB  feniaigt  wnrde, 
sollte  dann  das  ürobilin  daistoUea,  welehes  i^lierUeh  aber  noch  mit  anderen 
Substanzen  und  Farbstoffen  vermengt  war.  Jaffe  verfuhr  folgendennassen:  Uro- 
biliureicher  Harn  (s.  unten)  wird  sehr  stark  mit  Ammoniak  versetzt  und  ältrirt ; 
das  Filtnt  nird  mit  eonMatrirtor  CiliHniiildOsnDg  ausgefällt.  Man  filtrirt  und 
sammelt  den  meist  rothen  oder  rothbraanea  Niedefschlag  auf  dem  Filter;  war 
das  Filtrat  nnch  «ehr  stark  gefilrbt,  so  erzeugt  man  durch  Ammoniak  noch  einen 
weiteren  Niederschlag,  welchen  mau  dem  anderen  hinzufügt.  Nach  Waschen  mit 
heissem  W^asser  werden  die  Kiedersohläge  mit  Alkohol  ausgekocht,  der  Alkohol 
▼erdnnstet,  der  Rllekstand  getrodiBet,  gepalTsrt  und  in  Ammoniak  gelOtt,  wob« 
ein  ROckstand  flbrig  bleibt,  die  LOsung  wird  mit  Bleizucker  gelallt,  der  rothe 
Niederschlag  etwas  mit  W^asser  gewaschen  und  mit  schwefelsäurehaltigem  Alkohol 
ausgezogen,  dieser  wird  dauu  mit  Wasser  verdünnt  und  mit  viel  Chloroform  mehr- 
mals ansgesehattelt.  Das  Ohloroform  wird  mit  etwas  Wasser  gewasehsii  (unter 
Verlust  von  Farbstoff)  und  abgedunstet.  Der  Rückstand  wird  mit  Aether  ge- 
waschen ,  welcher  viel  röthlichen  Farbstoff  i  V)  aufnimmt ,  wahrend  Ürobilin  als 
braune  Masse  zurückbleibt.  Es  handelt  sich  natürlich  auch  hier  um  kein  reines 
Prodnot  Ans  urobilioannem  Hämo  kann  das  üroUlin  anf  diesem  Weg«  niekt 
dargestellt  werden;  man  versetzt  naeh  JaFFÄ  soleben  Harn  mit  Barjtnitrat  und 
das  Filtrat  davon  mit  Bleiessig;  den  gut  ausgewaschenen  und  fretruekueten  Nieder- 
schlug kocht  man  mehrmals  mit  Alkohol  aus.  Der  Rückstand  wird  darauf  in 
schwefelsäurehaltigem  Alkohol  gelöst,  mit  Ammoniak  in  UebersohasB  Tezsetst,  das 
Flltmt  davon  mit  Wasser  vordflnnt  und  mit  Cblorsink  versetst.  Der  NiederseUag 
wird  nach  der  eben  geschilderten  Methode  weiter  behandelt. 

Die  Lrisnn^ren  dieses  nach  Jaffk  darg'estellten,  verhilltnissmitssifr  reinsten 
l'robilins  sind  iu  couceutrirter  Form  braungelb,  in  verdUuuterer  gelb,  ganz  schwache 
rosarotb,  dabei  besteht  stets  dne  grflne  Flaoreseens,  anf  Znsats  von  Gblorsink 
fkrben  sich  die  Losungen  stets  röthlieh  i  I^ildung  eines  Zlnksnlses).  ürobilin  lOst 
sich  nach  Jaffk  leicht  in  Alkohol,  Actlier,  Chlüroform  ,  namentlich  wenn  man 
dieselben  etwas  ange>äuert  bat,  schwer  in  Wasser,  leicht  in  verdünnten  Alkalien. 
Wie  sebon  oben  erwähnt,  geben  die  sauren  Lösungen  ein  etwas  anderes  Spectmm 
als  die  alkalischen,  auch  unterscbeidet  sieh  bierin  das  aus  normalem  Harne  dar- 
gestellte rroltiliii  von  dem.  wtlclie«  man  aus  urobilinreichora  gewinnen  kann.  P]rheb- 
licbe  Abweichungen  zeigen  auch  die  Angaben  der  Autoren  hinsichtlieh  vieler  hier 
nicht  weiter  zu  erwühneoder  Reactionen.  Das  Hydrobilirubin  der  Galle  sebeint 
naob  nenwon  Ontersttdiangen  ttiebt  mit  Ürobilin  identiseh  zu  sein.  Erwähnt  sei 
nnch.  dass  das  Ürobilin  und  Choletelin,  ein  Bilimbinderivat ,  ein  gleielies 
.'5pectrum  haben. 

Der  N  a  c h  w  e  i  s  V  0  u  ürobilin  i  m  Ii  a  r  n  e  geschieht  also  am  sichersten 
auf  folgende  Weise :  1.  Dnreb  die  spectroskopisebe  Untersnobnng  des  mitSalpetersinre 

(um  alles  Chromogen  möglichst  übcr/.iiführen)  versetxten  Harnes,  wobei  man  nach 
Tebersättigung  mit  .\miiioiii.'»k  die  W-riinderunfr  am  Streiten  (s.  oben)  cnnstatirt. 
2.  Duruh  grüne  Fluotc.-iceuz.  Man  verset/.t  den  Harn  reichlich  mit  Ammoniak, 
sodann  mit  einigen  Tropfen  einer  10<*  „igen  GhlorsinklOsang  unter  Vermeidung 

eines  Niederschlages  (.T.\kfe).  Es  tritt  dann  eine  röthliche  Färbung  des  Harnes 
mit  starker  grilncr  Fliinre-inenz  auf,  tl.-is^elbe  •re^eliiclit  durch  Jodjodkalium  oder 
L'lilorwasser  und  Alkalisirung  mit  Kalilauge  i^(iF-RHAUDT).  .3.  Eine  .sehr  scharfe 
Reaction  giebt  Gerhardt  au  für  urobilinreiche  Harne.   Man  schüttelt  sie  mit 


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HABNFARBSTOFF£. 


405 


Chloroform  ans,  versetzt  den  Annzug  mit  Jodjodkalium  in  sehr  geringer  Quantität 
und  schüttelt  dann  mit  etwas  verdünnter  Kalilauge,  diese  färbt  sich  gelb  und 
fluoresoirt  sobün  grün. 

Hinaielitiieh  dar  Qoantittt  des  UroUliat  mnaa  man  swei  Grade  unter- 
scheiden. Eine  geringe  Quantität  von  Urobilin  findet  sich  fast  stets  in  jedem 
einifrermassen  gesättigten  Harne,  sei  es  auch  nur  in  Gestalt  seiner  Vorstufe, 
nämlich  des  Cbromogen,  was  für  den  frisch  gelasseneu  Uarn  sogar  die  Regel  ist, 
wlhrmd  nach  dnlgem  Stehen  dcb  ürobilin  selten  swar  speetroskopiseh,  gewOhn- 
lieli  aber  (naeh  JatwA,  b.  oben)  chemisch  naobwdsen  Ifisst.  Aoaser  diesem  spär- 
lichen Vorkommen  von  Urobilin  giebt  es  nun  aber  noch  eine  sogenannte  Uro- 
bilinurie,  bei  welcher  dieser  Farbstoff  in  coloasalen  Quantitäten  zur  Abscheidung 
kommt.  Die  Urobilinnrie  findet  sieh,  wie  Obshabdt  geseigt  hat,  vor  Allem  bei 
gewissen  Formen  df-r  Lebererkranknngen,  insbesondere  bei  jener  Form  von  Leber- 
cirrhose,  bei  welcher  die  Haut  des  Körpers  schmutziggelb  gefärbt  ist.  Es  ist 
nachgewiesen  worden,  dass  diese  Gelbfärbung  der  Haut  in  solchen  Fällen  nicht 
TOn  BUimbin  herrührte,  sondern  von  Urobilin  (wabrsoheinlioh  aueh  durch  Ver- 
mittlung ^es  Ohromogens),  iHlbrend  ebenso  andl  der  diuikdbrann  gefilrbte  Harn 
mit  dem  gelben  Schaum  kein  Bilirubin  enthielt,  sondern  Urobilin J  neben  der 
rroliilinnric  bestand  z»f^leich  Urobilinicterus.  Feruer  tritt  es  auf  ih  sehr  erbeb- 
lichen  Quantitäten  bei  anderen  Lebererkrankungen,  bei  hochgradigen  ätoöwechüel- 
erkranknngem,  bei  Caobezie  in  Folge  von  malignen  Tnmoreo ,  namentlicb  der 
Unterleibsorgane  und  in  Folge  von  Blutungen  durch  hämorrhagische  Diathese, 
fcrniT  nach  grossen  Blutergüssen  innerhalb  der  Körperhöhlen,  bei  hochtieberhatten 
Erkrankungen,  namentlich  bösartigen,  wie  Fyämie  und  Septicämie.  Die  Vermehrung 
des  Urobilin  ist  nicht  in  allen  solehen  Fällen  stets  vorhanden,  sondern  nur  in 
einem  Theile  derselben  in  Folge  von  Umständen,  die  vorläufig  noch  nicht  genügend 
klargestellt  sind.  Hochgradige  Urobilintiric  mit  di-.r  fharakteristischen  Färbung  des 
Harnes  ist  eine  verhältnissmässig  seltene  Lrscheiuung  auch  bei  den  genauuten 
Erkrankungen,  während  Uebergänge  zu  derselben,  wo  also  nur  eine  mässige  Menge 
UroUlin  aosgesehieden  wird,  hftnfignr  vorkommeu.  In  solchen  Fallen  ist  der  Harn 
nur  etwas  dunkler  als  normal,  etwas  brann  geftrbt  j  daneben  findet  sieh  natflrlieh 
auch  viel  Chromogon. 

Es  bedarf  nun  noch  die  Frage  der  Erledigung,  wu  eigentlich  die  Bil- 
dungsstltte  des  im  Harne  inr  Abseheldnng  gelangenden  UrobUins  ist.  Sehen 
aus  theoretischen  Gründen  ist  man,  fast  gleichzeitig  mit  der  Auffindung  des  Uro- 
bilin selbst,  auch  zu  der  Annahme  gelangt,  dass  es  ein  GallenfarIjstotTderivat  sei. 
Bekräftigt  wurde  diese  Aunahme  dadurch,  dass  Jaffk  es  wahrscheinlich  machte, 
dass  Hydrobilimbin  ans  der  Oalle  mit  dem  Urolnlin  des  Harnes  identisob  sei. 
Jedoch  blieb  es  dabei  unklar,  auf  welehem  WegO  und  unter  welchen  Bedingungen 
das  Hydrobilimbin  der  Galle  im  Harne  zu  massenhafter  Ab^n-heidung-  kommt. 
Neuerdings  hat  man,  obwohl  man  an  der  Identität  von  Hydrobilirubin  und  Uro- 
bilin wiederum  zweifelt,  dennoeb,  besonders  nach  Untersnebongen  von  Fs.  Müllbb, 
den  Darm  als  Entstebungsort  des  Urobilins,  und  zwar  aus  der  Galle 
erkannt.  Die  in  den  Darra  ergossene  Galle  nämlich  wird,  wahr.scheinlieh  durch 
Vermittlung  der  Bakterien  daselbst,  jedenfalls  durch  die  inteuaiveu  Hcductious-  und 
Oxydationsprocesse  im  Darme  zu  Urobilin  verwandelt,  welches  bekanntlich  den 
gr5ssten  Theil  des  gelbbraunen  Farbstoffes  der  Floes  ans- 
macht.  Von  dort  aus  kommt  es  in  die  Blntbahn  und  in  den  Harn.  Seine  Ver- 
mehrun^--  im  Harne  setzt  voraus  eine  vermehrte  Bildung  im  Darme,  diese  wiederum 
eine  vermehrte  Bildung  \ou  Galle  und  reichlichen  Erguss  in  deu  Darm  uud ,  da 
der  Gallenfarbstoff  niehta  anderes  ist  als  umgewandelter  Blutfarbstoff,  so  muss 
wiederum  eine  Ursache  für  vermehrten  Zerfall  des  Blutes  vorhanden  sein  ;  dies 
ist  aber  in  den  oben  geschilderten  Kranklieitsfälleu  der  Fall.  Bei  dieser  Theorie 
ist  allerdings  das  Verhältniss  des  Chromogens  zum  Urobilin  nicht  klargestellt; 
aneb  wird  man,  wenn  man  Fälle  der  allersfirksten  Urobilioans'cheidnng  betrachtet, 


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406  HABNPABBSTOFFB. 

keiBMwegB  immer  findeo,  dangei»4e  hier  aveh  gieiobieitig  die  Bedin- 
gnDgen  zu  einer  i^sdz  besonderen  Rlntzerstörang  oder  zu  einem 

besonders  erhehlirhen  Ergüsse  vnn  Galle  in  den  Darm  gregebeil 
sind  ( z.  B.  atropbisoLe  Lebercirrbosc ,  wiibrend  umgekehrt  bei  liAmopliilie 
ziemlicli  selten  Urobilinurie  in  boUem  Grade  eintritt}. 

9.  Die  sogenannten  Cnrbolbnrne.  Es  ist  dn  noeb  wenig  erforaehtee 
Gebiet,  velcbes  hier  berflbrt  wird.  Man  hat  bei  Aufnahme  von  Substanzen,  welche 
zur  Gruppe  der  Phenole  prehflren,  z.  B.  Carbolsaure,  Said,  Uesorcin,  Creolin  u.  A. 
gefunden,  dassi  der  frisch  uft  nuruial  gefärbte  Harn  beim  Stehen  au  der  Luft  aich 
dnnltelgran  oder  Behwirslicb  verfUrbt.  Niebt  selten  allerdings  tritt  diese  Danlcet- 
fMrbuDg  schon  innerhalb  des  Krirpers  ein.  Dii'  I  nterseheidun}?  von  der  durch  Uro- 
bilin  erzeugten  Vrrf.-irbunfr  ist  leicht;  es  fehlt  der  Öpectraltitreifen  desselben  und 
ansserdem  ist  diu  Farbeunuanco  eine  andere,  nicht  bräunliche,  souderu  grünlich 
sebwarte  ebne  gelben  Sehflttelsebaum.  Zweifellos  bildet  aaeb  dieser  Farbstoff  sieb 
aus  einer  farblosen  Muttersabstanz,  einem  Chromogen,  durch 
Oxydation.  Auch  rdlirt  das  Dunkelwerden  vom  Harne  tnriuclier  Individuen,  hei 
denen  eine  besonders  starke  Aufnahme  vou  Pbenolsubstauzen  nicht  ^rerade  nach- 
gewiesen werden  kann,  wahrscheinlich  doch  vou  denselben  Farbstoffen  her.  So 
beobaehtet  man  bei  indoxylreiehen  Harnen  eine  derartige  Verdunkelung  nicht 
selten.  Nach  unserer  Ansicht  rtlbrt  dieselbe  nicht  von  Indowl  her,  sondern  eben 
von  den  ^rleiebzeiii-r  vermehrten  I'henolkrtrpern.  Nicht  selten  übrigens  kann  man 
in  diesen  sogenannten  Phenolharnen  auch  den  Urobilinstreifeu  und  eine  V'er- 
mebrvng  dieses  KArpers  beobachten. 

Wie  erw.ibnt  sind  die  Mittelsubstanzen  der  Farbstoffe  nt  eh  unbekannt. 
Wahr><ebeinlicb  handelt  es  sich  um  mehrere  Oxydationsproduete  des  Brenzcateehin 
und  des  Hydrochinon. 

h}  Pa thologisebe. 

Das  Melanin,  ßei  Kranken,  welche  an  melanolisehen  Geschwülsten 
leiden,  selten  aur-li  hii  einfach  boch;2T:idig  niarastisclien  Individuen,  jedenfalls 
nur  in  pathologiselien  Fällen  findet  sich  ein  eigentbUmlich  schwarzer  Farbstoff 
vor.    Man  nennt  ihn  Mulauio. 

Dieser  Farbstoff  ist  In  der  Reget  im  Harn  in  Lösnng,  nur  anwdlen 
bildet  er  dunkle  P  i  gm  e  n  tk  fi  r  n  ch  e  n.  Meist  aber  findet  sich  im  frisch  }relassenen 
Harne  frar  niclits  oder  nur  Spuren  von  Melanin,  während  beim  Stehen  an  der 
Luft  oder  auf  künsllicbcm  Wege  der  Farb.stoff  in  grosser  Menge  zur  Entwicklung 
kommt.  Auch  hier  liegt  also  ein  Ghromogen,  das  Melanogen,  vor;  det  gaase 
Krankbeitszustand  wird  als  Melanurie  bezeichnet. 

Auch  das  Melanin  ist  wi-der  i-heniisch  rein  darge-<t<'Iit  noch  untersucht. 
Jedoch  hält  man  es  mit  Kecht  für  ideutiseh  mit  dem  in  den  Geschwülsten  selbst 
vorbandenen  Farbstoffe;  wir  ftigen  nach  Analogie  mit  anderen  Farlratoffen  die 
Ansieht  hinzu,  dass  das  Melanogen  nur  ein  lusHches  Reductionsproduct  des  Farb- 
stotles  dar-tellt,  'welches  sich  im  Harn  wieder  zu  Melanin  oxydirt.  Versuche  der 
Reindurstelluug  des  FarbstotTcs  führten  nur  zu  dem  Ergebnisse ,  daas  es  sich 
wabrscbeiolicb  um  ein  Gemenge  zweier  Körper  handelt.  Sie  seiebneten  sieh  durch 
erhebliebe  Unldslicblceit  in  den  verschiedensten  Lösungsmitteln  ans  und  ferner 
durch  das  Fehlen  eines  jeglichen  Absurptionsstreifen.  Der  eine  FarlwlolT  war 
h'slich  in  eoneentrirter  Fssiirs.hiro  und  Alkalien,  der  auderc  nur  in  Alkalien,  der 
letztere  war  jedenfalls  eisenhaltig. 

Das  Mebinin  entsteht,  wie  erwähnt,  ans  dem  Melanogen  beim  Stehen  an 
der  Luft,  noch  rascher  wird  es  auf  künstlichem  We^'e  durch  Oxydationsmittel 
erzeufft.  Salpeter-ilure.  Chromsäure.  Eiscnchlorid,  ioäbeiioadere  Bromwaaser,  Arben 
den  Harn  sofort  dunkelbraun  bis  schwarz. 

A  n  m  e  r  k  u  n  $r.  Jn  sehr  schlimmen  Fillen  von  Malaria  flndflt  sieli  neben  MsUnftmie 
anrh  srli\v;n/<s  l'i;:riii  r.t  H;irn.  wrli-lios  ans  den  Niercncapillareii  stammt,  (Innen  es  vom 
Blut.«troiii  zu^'clutiit  wunir.  uU  liier  (Iu.xsi-IIk-  l'ignutnt,  wie  bei  Mt^luuurie,  vorliegt  oder  nicht, 
ist  nieht  erwiesen.  al»er  Hn  wcMenf lieber  I  ntDr^chied  besteht  darin,  dais  es  sieh  hier  am 


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HARNFARHSTOFFE. 


407 


direet«,  mechanische  Pigm«ate1w«heidDng  handelt,  wibrend  der  Uebeisang  dnrcli  Tennittionf 
eines  Chromogen  ausgeschlossen  ist.  üebrigens  sei  hier  noeh  erwthnt,  dass  tnftn  sieh  hOtan 

niuss .  dunkle  Farhuuiren  des  Harn,  welche  durch  Abscheidungen  vom  fnicn  Indiiro  (Indigo- 
blau oud  ladigorotli)  herrühren,  und  welche  sich  besonders  bei  Pyelitis  tiudeu,  iiüt  dem  Melanin 
SV  vemPBchsela. 

II.  Chromogeuderivate,  welehe  nur  auf  kttnstliebem 
Wege  gebildet  werden  kOnnen. 

n}  Normale. 

1.  Die  lIuDiiusubstauzen.  WeoD  mau  Haroe kocht,  so  werden  die- 
selben stets  dunkler  ab  invor,  nnd  diese  Verdnnklvng  wird  noeb  viel  erbeblicber, 

wenn  man  sie  mit  Mineralslurcn  erwärmt,  /.  B.  Salzsäure  oder  Sehwefelsäiire, 
w.lhrrnd  SalpeternSure  d;4riim  iiiiiider  preeisrn«  t  ist.  weil  sie  bei  l.lTi;jrerer  Ein- 
wirkung zu  stark  uxydirend  und  besonders  in  der  Hitze  Farbstod  zerstörend 
wirkt.  Diese  Verdunkelungen  sind  nieht  sn  verweebseln  mit  den  bereits  frflber 
erwAbnten  durch  Urobilin  oder  durch  Pbenolfarbstuffe  erzeugten. 

E>j  liarulelt  sich  dabei  um  die  Bildung  d  un  k  cl  h  r  h  ti  n  c  r  oder 
schwarzer  F  arbato  tfe.  V.  FdhäXSZKY  bat  sich  mit  dieser  Substanz  ein- 
gehender beschäftigt.  Sie  fällt  beim  Erkalten  des  Harnes  tbeilweise  aus,  wenn 
der  Harn,  längere  Zeit,  mindestens  zwei  Stunden,  am  besten  18  Stunden  mit 
Salzsäure  gekocht  war.  Man  erliält  dann  den  Farbstoff  als  feines  schwarze?^ 
Pulver.  liMsselhe  ist  in  den  meisten  Lnsnng»mitteln  unlöslirh :  löslich  in  causti- 
seben  Alkalien  und  Ammoniak.  Die  Substanz  ist  eisenfrei,  jedoch  noch  nicht  gauz 
rein  dargestellt.  Jedenfalls  ist  sie  stiekstoffbältig.  Die  Zenetxungsproduote,  welehe 
V.  Udran.szkv  beim  Schmelzen  der  Substanz  mit  Kali  erbielt,  wiesen  ihn  darauf 
hin,  dasrt  der  brannscbwarze  Farbstoff  aus  ein  oder  mehreren  Hnmin- 
körpern  besteht,  als  deren  Muttersabstanzen ,  also  Chromogene,  die  Kohle- 
bydrate  auffassen  sind.  Aueh  das  einfaebe  Dunklerwerden  des  Harnes  beim 
Erwärmen  ist  wahrscheinlich  darauf  suriickzuführen.  Man  kann  eine  elntger- 
massen  quantitative  Bestimmung  dieser  Iluuiinsubstanzen  durch  Wägung  vnr- 
nehmen ,  wenn  man  eine  bestimmte  Menge  von  Harn  mit  etwa  '/^o  V  olumen 
Salzsäure  ersetzt,  zwei  Tage  stehen  Ifisst,  Iii  tri  rt,  nunmehr  18  Stunden  kocht  nud 
den  nach  dem  Erkalten  ausgefallenen  Niederseblag  sammelt  nnd  naeh  dem  Waseben 
mit  kalten  und  warmem  Wasser  und  mit  Alkohol  und  Aetber  in  Natronlauge 
wieder  löst;  die  dunkelbraune  Lösung  wird  mit  Schwefelsäure  wieder  gefällt,  Uber 
Schwefelsäure  getrocknet  und  dann  gewogen. 

Aiiincrknng.  Gewisse  früher  al.s  eigenartige  anfgefa«stc  Harnfarh.stol}'e  gehören 
hierher.  Wir  vollen  sie  an  dieser  Stelle  wenigsteins  emi^Den.  l>aa  Uromelanin  von  Plöss, 
welches  nicht  verwechselt  werden  darf  mit  dem  oben  beschriebene <i ,  stets  pathologischen 
M>-Ianin,  ferner  der  sihwarze  FarbstoH',  wtlch-n  Tbudichiim  mit  Uromelanin  bozeichiift.  ist 
hier  (einzureihen.  Endlich  hat  anch  Schuack  ein  hier  unterzuordnendes  Uromelanin  beschrieben. 
DasUrophäin  von  Heller  ist  jedoch  wahtscheinltoh Hamrosa  (a.  u.)  gewesen.  An  dieser  Sielle 
möchten  wir  ferner  hervorheben,  dass  wir  gewisse,  ttbrigens  mit  den  verschiedensten  Namen 
bezeirhneto  Harnfarl  stotl'e  deshalb  ab.siohtlich  gmr.  übergehen,  weil  ^^ie  k^^uk  uucharakterisirte 
oder  so  wenig  penau  bes-chriebene  Körper  sind,  dass  man  bei  einigen  die  Vermuthung  hegen 
muäs,  sie  seien  mit  bereits  beschriebenen  identisch,  bei  anderen,  daas  sie  eine  Verbindung 
Terscbiedener  Substanzen  darstellen.  Jedenfalls  sind  sie  von  AnderM,  die  sid  damit  ba- 
SOhäftigt  haben,  nieht  wir-ilcr  gefundeu  wnrJen.  I^-  sind  tlie."!  vor  Altem  das  ürochiom,  dfo 
Omichuläaure,  da^  Urui>ithiu,  das  Uriau,  das  Utiainii,  das  L'iurotin. 

2.  Die  Indigofarbstoffe:  Das  ludigoblau  und  das  Indigo- 
roth. Seit  langer  Zeit  ist  es  bekannt,  dass  man  ans  dem  Harn  Farbstoffe  ge- 
winnen kann,  welche  bald  lein  blau,   b.ild  violett  oder  purpurfarben  erscheinen. 

Ant'angd  wurden  diesen  Farben,  deren  Naturen  man  iiielit  kannte,  die  verschieden- 
artigsten Namen  beigelegt.  Bcbunders  der  blaue  Farbstotl  erfreute  sich  der  allge- 
meinen Beaebtuttg,  man  nannte  ihn  Gyanurin,  Uroglaneiu,  Uroeyanin,  Hambiau, 
bis  Hill  II.a.ss.\L  und  SichbreR  erkannten,  dass  der  blaue  FarbstufT  identisch 
sei  mit  einem  Idauen  Pflanzenfarbstoft,  und  zw.ir  mit  dem  Indigiibiau.  Als 
Muttersubstanz  erkannte  dann  Öcul.nck  ein  farbloses  Chromogen,  welches  er 
Indiean  nannte  und  von  weichem  er  glaubte,  dass  dasselbe  identisofa  sei  mit  der 


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408 


HABMFABBSTOFFB. 


llnttersubstanz  des  Indigoblaa  in  der  Pflanze ,  dem  Pflanzeniodican ,  welches  er 
aus  den  Indigo  liefernden  Pflanzen  dargestellt  hatte.  Der  Name  Indican  für  diese 
Substanz  hat  sich  lange  Zeit  erhalten  und  ist  zum  Theil  noch  jetzt  nicht  völlig 
m  beseitigen  gewesen,  obwoU  leieidiagl  dureli  die  UntentiehungeD  von  F*  Hoppb« 
Seyler  auf  die  Verschiedenhait  dee  Pflaasoiindlcans  imd  der  Muttergnbataiis  des 
Indigoblau  im  Harn  aufmerksam  gemacht  worden  ist ,  und  obwohl  Baümann, 
Beubqer  und  TiEMAXx  schliesslich  diese  Muttersubstauz  rein  dargestellt  und 
analysirt  hsben.  Nach  den  Untersuehongen  dieser  letzteren  Forscher  ist  die  Mutter- 
snbstaiu  des  IndigoblM  dss  iadoxylsohwefelsaiire  Kalt,  danh  dessen 
Zersetznufr  iu\ä  Oxydation  Indigoblau  entsteht.  Ausserdem  giebt  es  noch  einige 
andere  Verbindungen  des  Indoxyl  von  denen  die  Indoxylglycuronftäure  bereits 
bekannt  ist.  Als  Quelle  dieser  Verbindungen  ist  nach  Jaffe's  Untersuchungen 
das  ladol  anxasehea,  welehes  im  Darm  donb  die  F^olaiss  der  lÜweissliOrper 
als  Endprodaet  gleichzeitig  mit  anderen  aromatischen  Substansen,  wie  den  Phenol- 
körpern und  dem  Scatol  (Rkiegeki  entsteht.  Das  Indol,  zu  Indoxyl  oxydirt  und 
mit  Schwefelsäure  gepaart,  kommt  durch  Vermittlung  des  Ereisiaufes  an  Kali 
gebuadea  sar  Absdieidnag,  gerade  so  wie  die  PfaeaolkOrper.  Jedoeh  durfte,  wie 
erwähnt,  das  ludoxyl  aneb  nooh  ia  anderer  Verbiadangsform  im  Hara  aar  Ab- 
sebeidaag  kommen. 

Die  Darstellung  des  Indigoblau  aus  diesen  seinen  Muttersub- 
stanzen geschieht  nach  verbAltnissmlssig  einfacbea  Prinoipien.  Durch  starke  Salz- 
sinre  wirft  das  iadoxylsobwefielsaore  BLali  tersetst  und  das  tni  gewordene  Indoxyl 
verwandelt  sich  d.inn  schon  spontan  bei  Luftzutritt  oder  durch  oxydirende  Sub- 
stanzen im  Harn  allmftlifr.  sofort  aber  durch  einen  SHuerstoffilberträger,  wie  z.  Ii. 
Chlor,  zu  Indigoblau.  Hierauf  beruht  auch  sein  Nachweis  im  liaru  nach  Jakfe. 
Nabeln  die  Hftlfte  eines  Reagensglases  wird  mit  Harn  gefallt,  sodann  die  fast 
gleiobe  Heoge  reiner  Salzsäure  hinzugefügt  und  hierauf  Tropfen  um  Tropfen 
einer  dflnnen  Chlorkalkltt.sung  (auch  Chlorwasser)  hinzugefügt  unter  bestäudigera 
UmschUtteln.  Sind  viel  Indoxylverbindungen,  also  auch  viel  Indigoblau  vorbanden, 
80  tritt  eine  retcbliebe  Abscheidang  desselben  anf,  wodureb  sieb  der  Harn  ver- 
dunkelt und  grünlich  oder  bl.nulich  oder  sobwtrzlich  oder  violett  {Jkrhi.  Man  kann 
das  Indigoblau  mit  ('lildr  itoriu .  welches  man  in  geringer  Menge  am  besten  vor 
dem  Zusatz  des  Chlors  (^Sis^iAToa)  hinzufügt,  ausschütteln,  dasselbe  färbt  sich 
schön  blau. 

Wiewobl  das  Indigoblaa  eigoatliob  aiobt  an  den  im  Harne  spontaa  sieb 

bildenden  Chromogenderivaten  gehört,  sind  dodl  Fälle  bekannt  geworden,  in 
welchen  es  riur  Iiniifrurie.  d  h.  ziii'  Spontanabscheidung  von  ludigoblau  innerbslb 
oder  ausserhalb  der  Blase  (ViiiCHUW)  und  sogar  zur  Bildung  eines  Indigosteiaea 
(Obd)  kam.  Dies  gesebah  aber  nur  im  alkalisebea,  baktwien-  nnd  sngleieh  indo- 
xylreichen  Harne,  wie  /..  B.  i  ci  Pyelitis;  hier  sind  es  ffie  Bakterien,  welebe  die 
Zersetzung  und  Oxydation  der  Indoxylverbindungen  be8or<ren. 

Das  Indigoblau  ist  aber  nicht  der  einzige  Indigufarbstuü'.  Mau  hatte 
sebon  vor  einem  Jabrbundert  (Bbbzblius)  in  den  blanen  Stlleken  des  pflanilieben 
Indigo  einen  rothen  Farbstoff  wahrgenommen.  Kürzlich  ist  es  aan  dem 
ünterze  cl.ncten  gelungen,  diesen  rotlieu  l'arbstoft'  darzustellen  und  näher  zu  unter- 
auchen. Auch  gelang  is  demselben,  den  gleichen  rothen  Farbstoff  aus  dem  iudoxyl- 
reiehen  Harne  darzustellen.  Er  konnte  zeigen,  dass  dieser  rotiie  Farbstoff  isomer 
sei  mit  dem  Indigoblaa,  and  er  gab  ibm  daher  dea  Namen  Indigorot b. 
Er  konnte  ferner  /eigen,  dass  iTuliL'-iblau  nnd  Indigoroth  nicht  allein  isomer, 
sondern  auch  dadurch  nahe  \rru ainit  sind,  dass  es  gelingt,  Indigoblau  durch 
einfache  Sublimation  in  iudigoroth  überzuführen.  Nach  seinen  Unter- 
soebnagen  wird  stets,  wo  Indigoblaa  sieh  bildet,  aaeb  Indigoroth  ia  Sparen 
erzeugt ,  z.  B.  bei  der  .TAKFE'6ehen  Ftobe.  Umgekehrt  entstehen  bei  denjenigen 
Methoden,  welclie  Indigorolh  erzeugen,  stets  ntich  einige  Quantit.tten  von  Indigo- 
blau, ludigoblau   ist  ciu  l'roduct  der  Ztrs^etzung  und  Oxydation  der  iudoxylver- 


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HARNFARBSTOFFE. 


409 


bindungen  in  der  Kilto,  ladigorotil  ein  Prodnet  des  gldehen  YorgaageB  in 

der  Wärme. 

Indigubiau  und  ladigorotb  sind  eigentlich  die  einzigen  Harnfarbstofife 
bisher  gebUebeo,  äenn  Reindtrstellnng  und  Willige  efaemisehe  Annlyse  gelungen 

ist,  falls  wir  von  Blutfarbstoffen  nnd  Gallenfarbstoffen  als  nicht  eiKcntlicben  und 
jedenfalls  pathologischen  Harn  Substanzen  abseben.  Mit  Indigoroth  identisch  sind, 
wie  der  Unterzeichnete  nachgewiesen  hat,  gewisse  bisher  als  „unbekannt^^  be- 
seiehnete  oder  mit  anderen  Namen  belegte  HamfarlMtoire.  So  sind  identiseh  damit 
der  bei  Indigurie  aus  dem  bl.lulli  lien  Sediment  mittelst  Alkohol  extrabirbare 
rothe  Farbstoir,  des^'Uncben  derjenige,  den  Oup  ans  dem  Iiidigostein  in  gleicher 
Weise  darstellte,  ferner  der  eigentbilmliche  Farbstoü,  den  Leube  jüngst  beschrieb ; 
das  ürombin  (Plosz)  und  das  Urrbodin  (Hellbb)  sind  niohts  anderes  als  Indigerotii. 

Zu  den  Indigofarbstoffen  gehören  aber  noeh  andere  braune,  noeh 
nicht  rein  dargestellte  Farbstoffe,  mit  deren  Untersuchung  der  Unterzeichnete  noch 
beschäftigt  ist ;  sie  entwickeln  sich  gleichfalls  bei  der  Spaltung  und  Oxydation 
der  Indoxylverbindungen,  uaiuentlich  in  der  Wärme. 

Die  Eigenschaften  des  Indigoblan  sind  sehr  mannigfaltig.  Für  seine  Er^ 
kcunung  im  Harn  gentigt  der  Umstand,  dass  es  sieh  mit  blauer  Farbe  in  Chloro- 
form Ifist,  aus  dem  es  aber  nach  längcrem  Stehen  wieder  aii.sf.lllt.  Seine  Lösung 
in  Chloroform  giebt  einen  Absorpti  unsstrcif en  im  Orange.  In  Wasser, 
verdflnaten  Staren ,  Alkalien ,  Aetber,  kaltem  Alkohol ,  Benzol  n.  A.  ist  es  un- 
löslich, in  eoneentrirter  Schwefelsflurc  löst  es  sich  und  bildet  schwefelsaure  Ver- 
bindungen, welche  als  indigschwefelsaure  Salze  bekannt  sind.  Mit  reducirenden 
Körpern,  wi«;  z.  B.  Traubenzucker,  entfärbt  es  sich  zu  Indigoweiss,  welches  beim 
Sehtttteln  mit  Lnft  oder  beim  Wiederansänem  eidi  in  Indigoblan  verwandelt. 
Reines,  krystalllsirtes  Indigoblan  bildet  dunkelblaue,  knpferfurbenglftnzende  Krystalle. 

Das*  Indigoroth  entsteht  im  Harne,  der  an  Indoxylverbindungen  reich 
ist,  wie  erwähnt ,  schon  bei  der  JAFFK'schen  Probe ;  in  grösserer  Menge ,  wenn 
man  diese  Probe  in  der  Wärme  anstellt  oder  wenn  man  den  Harn  mit  viel  Salz- 
sinre  erbitit,  am  besten,  wenn  man  vorsiehtig  Salpeterslnre  an  dem  koehenden 
Harn  hinzufdgt.  In  allen  diesen  Fällen  färbt  «ich  der  Harn  bei  reichlicher  An- 
wesenheit von  Indigo  liefernder  Substanz  dimkelrotb.  Wenn  man  solchen  Harn 
dann  wieder  alkalisch  macht  und  mit  Aether  schüttelt,  so  geht  in  dici^en 
das  Indigorotii  mit  earmolsinrother  Farbe  Uber,  ein  sieliree  Erkennnngs- 
mittel.  Im  Uebrigen  ist  Indigoroth  in  Aether,  Chloroform,  Alkohol,  Benzol  u.  A. 
löslich,  nnlöslicb,  wie  Indigubiau,  in  Wasser,  verdünnten  Siluren  und  Alkalien; 
in  eoneentrirter  Schwefelsäure  löst  es  sich  ebeiifalls,  aber  mit  rother  Farbe  und 
bildet  dann  mit  Alkalien  indigschwefelsaure  Salae;  man  mnss  naeh  dem  Unter- 
zeichneten zwischen  indigblauschwefclsauren  und  indigrotbschwefeli^aureu  Salzen 
nunmehr  unterscheiden,  und  ferner,  da  Indigoroth,  wie  Indig<tbiau  ein  Indi-ro- 
weiss  in  der  oben  geschilderten  Weise  erzeugt,  so  musa  man  auch  zwischen 
Indigoblauweiss  und  Indigorothweiss  unterscheiden.  Keines  Indigoroth  bildet 
granatrothe,  knpferglimende  Kryatalte.  Sefaie  LOenngen  abaorbiren  das  GrQn. 

Die  braunen  Indigofarbstoffe  entstehen  fast  gleichzeitig  mit  dem  Indigo- 
roth ;  ein  Theil  ist  in  Aetber,  ein  anderer  nur  in  Cbh»roform  Irtslich, 

Nachdem  wir  somit  die  einzelnen  IndigofarbstutVe  des  Näheren  beschrieben 
haben,  kommen  wir  nunmehr  anr  Erörterung  Iber  ihr  Vorkommen  im  Harn, 
aus  denen  sie  je  nach  der  angewendeten  Methode  einzeln  oder  gemeinsam  zur  Dar- 
stellung gelangen.  Im  normalen  Harn  lassen  sich  Indignfarlist'itTe  meist  nur  in  Spuren 
darstellen,  entsprechend  der  geringen  Anwesenheit  von  Indoxylverbindungen.  Nur 
\m  sehr  eiweisareiober  Kost,  bei  welober  es  im  Darm  zu  starker  Indolbtndnng 
kommt,  7..  R.  naeh  Gennss  von  Eiern,  oder  aber  nach  hartniekiger  Obstipation 
kann  auch  im  normalen  Harne  viel  Indij^ufarhstotT  dargestellt  werden.  Eine  er- 
hebliche Vermehrung  ündet  sieh  aber  meist  nur  in  pathologischen  Fällen,  welche 
allerdings  überaus  mannigfaltig  nnd,  so  dass  der  diagnostiaehe  Werth  des  reieh- 


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410 


HABNFARBSTOFFB. 


licbeu  VorbaDdeuseiQS  von  Indigo  recht  gering  ist.  Stets  ündet  man  enorme 
Menj^en  diesinr  Farbstoffe  bei  DarmvenehlDn ,  sei  es  dvreh  eingeklemmte  BiHehe 

oder  durch  Darmverschlingung,  Darmabknickung  und  Darmintussnsoeption.  Hier 
wird  bei  der  .T.aff  K'scheii  Trohe  der  Harn  ;rt'\vftl)iilich  dunkelblau  und  beitii  Er- 
wärmen mit  SalpeterBäure  dunlvelroth.  In  iet/tereni  Falle  bilden  sich  auch  noch 
andere  farbige  Sobstauzen  neben  Indigofarbstotreu ,  deren  Summe  die  ROSBN- 
BACH'sehe  Reaetlon  anamaefaea  (a.  n.)«  Ferner  aber  6ndek  rieii  Lidigover> 
mehrung  nicht  immer,  aber  zuweilen  bei  Mafrenleiden,  z.  B.  bei  Magenkrebs  und 
Ma^enerweiferunv' ,  ferner  bei  boeb^rradi^en  InanitionszustJlnden  und  Cachexien, 
feruer  zuweileu  bei  Nicrenerkrankungcn,  namenUicli  bei  Pyelitis,  bei  Darmlähmung 
in  Folge  von  ROekenmarIcs-  und  Gehimkrankhdtrai ,  sowie  bei  hoobgradiger 
Taberkniose. 

AnmerkuDg  ].  An  dieser  stelle  «ei  die  sogeaanote  burgunderfarbea« 
Beaction  voo  O.  Rooenbeeh  erwähnt,  welebe  dieser  Aotor  ktrslfeli  b«se1trfeb«n  hat.  Sie 

beetebt  ilarin,  dass  der  Harn,  wi'li  hiT  die  Reartinn  crfriebt,  (hinkellinrpnndt-rroth  mit  vinl-'lti'in 
Schttttclscbauin  sieh  Inibt,  weuii  man  ihu  im  Keagecs^lase  j^uui  frieden  trhitxt  und  wenn  niaa 
dann  ganz  allmälig  unter  fortwährendem  Kochen  Tropfen  um  Tropfen  Salpotprsäuro  hinsasetzt; 
gewöhnlich  nach  S— lÜ  Tropfen  iat  die  Keaction  eingetreten.  Der  rothe  Farbstoff  dieasr  Beactioa 
ist,  wie  der  Unterzeichnete  zeigen  konnte,  Indigoruth  ;  auch  bildet  sich  Indigoblan  dabei.  Anne^ 
dem  aller  werden  am  h  noi  li  hraiiiie  l  arlistoffe,  wie  der  Autor  selbst  hervorpeboben  liaf ,  hat 
dieser  Re»ction  gebildet,  welche  zu  der  cbarakteristiscbea  Färbung  derselben  daä  ihrige  bei- 
tragen:  nach  ihm  sind  es  Phenolfarbstoffe ,  auch  branoe  lodigofarb-tioffe  dürften  sich  dabei 
Ii('tbeili;ren  Nach  R ose  n  ba  c  Ii  hat  die  Heattion  eine  prognosti.sch  wiebtij:"  I'i'  lHiitunjr.  Lenkt 
ihre  Anwesenheit  schon  an  und  liir  si<  h  die  .\ufmerksanikeit  auf  eine  Erkiauktiiig  den  Danne-s, 
Melche  mit  InMiftiiienz  seiner  Function  einherpcht ,  so  ist  ihr  längeres,  danerndei  Bestehen 
stetM  von  übler  Vorbedentnox  für  daa  Leben,  da  bei  amao  längerer  Dauer  der  Beaction  ein« 
nmto  grSnere  FnnetioBsnnfilhigkeit  des  Darme«  bewiesen  wird. 

.\nni  erkling  2.  Fast  in  allen  Lehrbiii  lierii  der  Harnanalyse  liest  man  vom  Vor- 
handensein eines  roti  eu  Seatollarbstoiles  im  niensehlic  lien  Harn.  Wir  imx-hten  auch  hier  be- 
tonan,  wie  wir  es  .schon  öfters  gethan  haben,  das.s  es  sich  hierbei  nur  um  Hy^radiMMl,  aieht 
nm  Tbatsachen  handelt.  Moch  niemals  ist  ein  solcher  Farbstoif  im  Menscheaham  gesebea 
oder  gar  dargestellt  worden.  Auch  die  diesem  Farbstoffe  entsprechende  Hnttersabstani ,  das 
scatow  tseli  w.  l.  N.ii;re  Kali,  wi  I(  hcs  in  derselben  Weise  ans  dein  Sea(<d  des  1i,i>  :im  s  sirb  bild' ii 
soll,  wie  die  iudoxylvcrbindungeu  aus  dem  Indol,  ist  noch  nie  im  Meascbenharno  dargestellt 
worden  Man  htützt  sich  offenbar  bei  diesen  Hypothesen  anf  Ffttterongaversache  an  Hnadea 
mit  Scatol.  Hier  ist  es  Hrieger  einmal  gelungen,  eine  Substanz  darzustellen,  die  er  ftir 
scatoxylschwefelsaiires  Kali  anspricht;  ausserdem  bat  dieser  Autor  und  ferner  U est  er  im 
Hundehain  naeb  l'iiiierniig  mit  Scatol  einen  mtlien,  leicht  zersetzlichen ,  keineswegs  ge- 
reinigten Farbstolt  beobachtet,  von  dem  Beide  ohne  Weiteres  annehmen,  daas  er  ein  iJcatolfarb- 
Stoff  sei.  Ihre  Anffiflit-n  Ober  die  Beaetionen  derselben  weichen  snm  Theil  erheblieb  von  mn- 
ander  ab.  Im  Mciisebenharn  haben  sie  ihn  nicht  gefunden.  Nach  unseren  CntersnchungSB 
liudct  sich  bis  jet^t  keinerlei  Berechtigung  dafür,  im  Menachenharne  die  Anwesenheit  von 
Scatoxylverbindangen  zu  behanptan;  sam  mindesten  sind  sie  nur  bypothatiseh. 

S,  Das  Uroro.sein  (Harn  rosa).  Wer  .sieh  bei  der  Untersuchun*^ 
des  HarncH  .'uif  Kiweiss  der  Srilpeters.lure  zu  bedienen  i)fle;,''t,  kann  die  Heob- 
achtuug  maeiieu ,  dass  gar  nicht  seiteu ,  bvKunderä  bei  vursichtigem  Zusatz  der 
Salpetersäure  und  bei  geliadein  ErwSnnen  eine  röthliebe  Farbennnanee  sieh  ein- 
stellt ,  welche  zuweileu  sof^ar  vollständig'  ro.saroth  wird.  Von  dieser  Tbatsache 
aii-L'^<-tiend,  hat  der  Uoterzeicbnete  weitere  Untersnobangen  Uber  diese  Bothüärbung 
augc^itellt. 

Es  hat  sich  dabei  herausgestellt,  dass  aus  jedem  normalen  Harn  dieser 
Farbstoff  in  Spnren  dargestellt  werden  kann.  Aneh  dieeer  Fariwtoff  UMet  sieh 

niemals  spontan ,  sondern  kann  nur  künstlich  aus  einer  farblosen  Muttersubstanz 
er/fiiirt  wj-rdeii.  Dit's  ;r»'sehielit  dnrcli  Zersetziuijr  der  letzteren  mittelst  einer 
Miueraisaurc  in  Verbindung  mit  einem  u\,vdirendcu  Mittel.  Am  achwäühstcu  ent- 
wickelt sieb  der  Farbstoff  durch  Salzsäure,  verdOnnter  Schwefelsäure,  Phosphor- 
säure  in  der  Kälte ,  bei  Gegenwart  von  Luft  oder  oxydirenden  Rarnsubstanzen, 
besser  diireli  kalte  Salpetersiinre ,  noch  siJlrker  bi-i  vnrsiclu iircni  ErwJlrmen  mit 
allen  Miucrals.'iurun ,  um  siiirksten  durch  Mineralsäuren  in  \  crbluduug  mit  Cblur 
(z.  B.  durch  die  von  Japfe  für  Indigoblau  angegebene  Metbode,  s.  o.).  Bei  Vor- 
nahme dieser  Probe  zeigt  auch  jeder  normale,  selbst  indigoarme  Harn  schon  im 


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HASNFAR68T0VFE. 


411 


Kea^eu8glase  Ko-^afilrbuDg' .  besonders  wenu  mau  etwa  gebildetes  Indigublau  mit 
Cbloroform  eottemt  bat.  ia  patliologiscbeu  Fällen  jedoch ,  wo  der  Farbstoff  ver- 
mehrt istf  bewirken  auch  alle  anderen  Daratellangsmethoden  schon  im  Reagens- 
glase Rosafilrliun^'. 

Der  Farbstdrt'  ist  Äusserst  zers etzlich  und  darnm  nicht  rein  dar- 
stellbar. Er  läsät  sich  nur  durch  Amylalkohol,  uicht  aber  durch  Aether  und 
Chloroform  dem  Harn  entziehen.  In  Wasser  und  verdünnten  Säuren  ist  er  lös- 
lich ;  mit  Alkalieu  aller  Art  entfärbt  er  .sich  'z.  H.  wenn  man  seine  LOflung  im 
Amylalkohol  damit  schfittelt),  um  beim  Wiederansituern  mit  Mineralsäuren  wieder- 
zukehren. Er  ist  also  eine  ääure,  welche  mit  Basen  farbloüeSalze  bildet. 
Er  giebt  einen  charakteristischen  sehmalen  Streifen  im  Grfln, 
dicht  am  Gell). 

!>t  der  Farb^toÜ"  selbst  nirht  darstellbar,  so  ist  es  doch  dem  Tritfr- 
zcichneten  nach  einer  hier  nicht  geuauer  zu  beschreibenden  Methode  gelungen, 
seine  M  uttersubstanz  in  sehdneo  farblosen  Krystallen  rein  dar- 
sttstellenf  welehe  weiterhin  noeh  untersucht  werden  soll.  Der  rothe  Farbstoff 
ist  identisch  mit  demjenigen  ,  \\ flehen  einst  Nencki  und  SiEHER  in  frewisacn  patho- 
logischen Harnen  beobachtet  und  mit  dem  N-^men  Frorosrin  bezeichnet  liaheu. 
VorläuHg  möge  dieser  ^aue  (deutsch:  Uarurosaj  beibehuUeu  werden,  bis  die 
Analyse  der  Mattersubstanx  einen  beseiehnend«ren  Namen  gegeben  hat  Eine 
AetherschwefelsSuro  i:^t  dieselbe  übrigens  nicht. 

Was  nun  das  Vorkommen  des  Harnrosa  im  H  a  r  n  betriflt,  so  iiat 
der  Unterzeichnete  dasselbe  im  normalen  Harne  stets  nur  in  geringen  Meugen,  eine 
Vermehrnngdaj^egennurin pathologi sehen  Harnen  constatiren  können. 
Aber  auch  in  normalen  Harnen  fanden  sich  trotz  der  stets  geringen  Gesammt- 
menge  doch  >re\vissc  IMlVerenzcn  vor,  welche  nach  den  bisherigen,  allerdings  iu 
einer  ausluhrlichen  Arbeit  noch  genauer  und  zahlreicher  auezutUhrenden  Unter- 
suchungen auf  die  Kost  inrOckgefahrt  werden  mllnen.  Bei  vorwiegender  Pflansen- 
kost  nftmlieh  fand  sieh  mehr  Farbstoff,  als  bei  vorwiegender  Eiweisskost. 

rathologisch  vermehrt,  fand  der  Unterzeichnete  das  llarnrosa  stets  nur 
bei  solchen  Kranken,  welche  an  einer  Stoffwechselerk  ran  k  uug  litten  oder 
an  einer  Erkrankung,  welche  zu  einem  erheblichen  Darnieder- 
liegen des  Stoffweehsels  und  starker  Kräftecoosum ption  ftthrt. 
So  fand  er  sie  vermehrt  hei  T)i(tl,<tfs  meUitus,  bei  Nephritis  Jironica  und 
amtfJoiih'fi ,  bei  Carcinom  der  verschiedensten  Cirgane,  bei  Dilnfntio  rentricuU 
und  andereu  erheblichen  MageuaÜectionen ,  bei  peruicitiser  Anämie,  selten  auch 
bei  hochgradiger  einfacher  Chlorose,  bei  Typhus  abdominalü  im  späten  Stadium 
und  bei  Phthisia  pulmonum  in  vorgeschrittenem  Stadium. 

Dabei  »  reignete  es  sieh  nicht  selten,  dass  der  FarbstulT  zuweilen  mehrere 
Tage  aus  dem  bctreti'enden  Harne  ohne  erkennbare  Ursache  fast  verschwand,  um 
nach  einiger  Zmt  wiedersnkehren.  Genaueres  Aber  diese  Verhältnisse  und  eine 
tabellarische  Zusammenstellung  steht  noch  aus. 

Ist  man  zweifelhaft,  oh  <'ine  rothe  llarnfärbiing  auf  Indigoroth  beruht 
oder  nicht,  uder  ob  sie  auf  llarnrosa  zu  beziehen  ist,  so  ist  es  unbedingt  nöthig, 
den  Harn  alkalisch  zu  machen  und  dann  mit  Aether  auszuschütteln;  t^bt  sich 
der  Arth»  earmoisinroth,  so  liegt  Indigoroth  vor,  bleibt  er  blass,  vieUeieht  etwas 
gelblieh,  so  kann  kein  Indigoroth  vorliegen,  wohl  aber  Harnrosa;  dasselbe  wird 
dann,  wenn  \ orlüunU-n ,  durch  Wiederan.siluren  des  atlierischen  Auszuges,  wobei 
Rothfäibuug  eintritt,  erkannt  werden.  \^Uober  Uroerythriu  s.  obeuj. 

Ein  ROckbliek  auf  das,  was  wir  im  vorstehenden  Aber  die  Hamfarbstuffe 
aussagen  konnten,  zeigt,  dass  dieses  recht  umfangreiche  und  theoretisch,  wie 
praktisch,  nicht  unwichtige  (iebiet  noeh  ungenügend  durchforscht  i^t.  Die  Schwierig- 
keiteu ,  welche  die  Isolirung  von  Farbstotleu  bietet,  beruht  sowohl  auf  ihrer 
leichten  Zersetzlichkeit  nnd  Vergänglichkeit,  als  auch  auf  der  stets  geringen  Quan- 
tität, in  welcher  sie  vorkommen.  Deshalb  konnten  von  den  dgentlieben  Harnfarb- 


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412 


HARNFABBSTÜFFE. 


Stoffen  nur  Indi^oblau  und  Indigoroth  bisher  in  wirklloh  vollkommener  Weise 
ohemisch  untersucht  werden.  Dennoch  sind  weitere  Fortschritte  auf  diesem  Ge- 
biete erwflBsebt.  Die  Faibetoflb  de«  Harns  tragen  in  ihrer  Art  eben  so  viel  duo 
bd,  dnas  der  Harn  als  ein  Spiegelbild  des  Stoffweclisels,  respective  seiner  Störungen 
angesehen  werden  kann,  wie  andere  Harnsubstanzen.  und  die  Deutlichkeit,  mit 
weicher  sie  sich  als  Farben  dem  Auge  darbieten,  erleichtert  ihren  Nachweis  unge- 
mein. Es  stebt  in  hoffen,  dass,  wenn  einmal  sämmtliche  Uarnfarbstoffe  chemiseh 
und  kliniscdi  gennn  dnrdiforadit  nnd  wenn  ihre  Beiiehungeo  zu  einander  dentlieh 
abgegrenzt  sein  werden,  aueh  für  die  Diagnostilc  sieh  viditige  AnhaltspnalEte 
werden  finden  lassen. 

Literatur:  1.  Allgemeines  über  Harnfarbstoffe.  Neubauer  und 
Vogel,  Hamanalyso  (herausgegeben  von  Huppert  nnd  Thoma»).  Wiesbaden  1890.  —  Leube 
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f.  physiol  rhonne.  11.  —  F.  Hoppe-Seyler, ll«d.'-di«Bi.  Unlemielinng.  —  HoppS'Ssjler, 
Handbuch  der  ehem.  Analyse.  5.  Auflage. 

2.  Blntfarbstoffe. F.  Hoppe-Seyler,  Zeitsehr.  t  i  hyniol.  Chemie.  Ya.  XIII.  -~ 
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O.  Linossier.  Bull,  de  la  so«,  chim.  (2).  1888,  49.  —  Heller,  Zeitsehr.  d.  k.  k.  GeseUsch. 
d.  Aerzte  zu  Wien.  1858,  48.  —  C.  Rosenthal,  Virehow's  Arch.  Is86.  103.  —  W.  Fi- 
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Path.  ls>^8.  430.  —  Le  Nobel.  Pflüger's  Arch.  1,hs7,  40.  —  S.  Neiisser,  Wi.  ner  Sitzungs- 
bericht 1881.  —  Cb.  A.  Mac  Unnn,  Proceed.  of  the  roy.  Soc.  31,  206.  Jahresber.  f.  Thier- 
chemie. 1881.  Ber.  d.  iSum.  Omellseh.  14,  1214.  Brit.  med.  Joani.  Oetober  1883.  Gentralbl. 
f.  d.  med.  Wi?.seri.sch.  1884,  138.  Jonm  of  Physiol.  6,  22.  Jahres^ber.  f.  Thiorchemie.  18>*5. 
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3.  Uroerythrln.  Heller,  DessMi  Aich.  (2).  1851.3,361.  —  Thadieham. 
Journ.  of  the  ehem.  Soc.  (2).  1675,  13.  —  Cb.  A.  llac  Mnnn,  Proc  roy.  Soc.  35.  Jfabrmbsr- 

f.  Thierchemie.  1^83,  321. 

4.  OKllenfarbstoff«.  StokTi«,  Centrmlbl.  f.  d.  med.  Wisieiiflch.  1873,  3.  — 

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analyt.  Chem.  25,  459.  —  C.  Vierordt,  Z«it«chr.  f.  Biel.  1874,  lU.  —  F.  Tiedomann 
nnd  L.  Omelin,  Die  Verdauung  muh  Versuchen.  Leipzig  u.  Heidelberg.  18'.i6,  1,  8*1  — 
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1N75,  561.  Zeitsehr.  f.  analyt.  Chem.  ITj,  5('^.  —  Vitali,  Jahresber.  f.  Thierchßmif.  1873, 
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Ceairalbl.  1879,  585.  Zeitsehr.  f.  aaalyt  Chem.  10,  SS5.  —  R.  ültamann,  Wiener  med. 
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pe liier,  L'Union  med.  1863.  39. 

5.  ürobitin   IL  Jaff«,  Centimlbl.  f.  d.  med.  Wiaeeoeeh.  1868.  243;  1889.  177. 

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Babuteau,  Gaz.  m«d.  de  Pari».  1875,  27.  —  J.  Esoff,  Pflügera  Arch.  1876,  12,  50.  — 
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Jabresl>ericht  f.  Thienhemie.  l'-iSü,  320.  —  Brit.  med.  Journ.  1.  Octuber  InS.1  ('entralbl. 
f.  d.  med.  Wis-en.sch,  ls8;^.  —  W.  Michailow.  Centralbl.  f.  d.  med.  Wissensch.  1.S83, 
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134.  —  Oerhardt,  Sitsugsher.  d.  pliyflik.>med.  OesellBcb.  l&'^l,  26. 


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HARNFARllSTOFFE.  —  HERZKRANKHEITEN. 


413 


6.  Carbolfarbatotfe.  E.  Baamann  und  C.  Preaite,  Dn  Boi»>£«yBond'«  Arob> 

167y,  245.  —  Baum  an  n.  Ptlüger'u  Arch.  13,  291. 

7.  Melanin.  Bolze,  l'rager  Vit^rteljalirssclir.  1860.  66.  140.  —  Zeller,  Arch. 
f.  klin.  Chir.  1883,  29,  245.  —  v,  Jaksch,  Zeitachr.  f.  phywol.  Chem  Ins*).  13.  3^5.  _ 
K.  A.  H.  Mörner,  Zeitschr.  f.  physiol.  Chem.  11.  —  A.  Przibram,  Prager  Vierteljahra- 
■eblift.  1865.  h^,  16.    Prsibrftm  und  Ganghofner,  Daseibat.  1876,  130.  77. 

8.  Haminsubstansen.  Maly,  Aunal.  d.  Chem.  u.  Pharm.  16,  3,  90.  —  Tha> 
dielmm,  Joaro.  of  the  chem  Soc.  (2).  1^75.  13,  397  u.  4(il.  —  Schnnck,  Proueed.  of 
the  London  roy.  soc.  15,  1,  16,  72,  l'-lCj.  Journ.  f.  prakt.  Chem.  97,  3S'.i.  ZeiLsthr  f. 
Chem.  (2)  1866.  2.  Jahreabtr.  d.  Chem.  18a6,  750.  —  Scherer,  Annal.  d.  Chem.  a. 
Pharm.  1816,  97.  180.  —  Heller,  DeMen  Arch.  (2).  1853,  1.  87.  —  Knnkel,  Sitsangs- 
berirlit  fl  Wiirzbnrgiir  pbyaik«*IMd.  Gesollsch.  Issl.  Jabrpsbprirht  f  Thierchemie.  l^^Sl.  246.  — 
P.  l'losz,  Zeitecbr.  t.  plqriiol.  Chem.  8,  89.  —  Thudichum,  Brit.  meJ.  Journ.  N.  ä. 
201,  5(1).  -  5.  Not.  1864,  Sehaidfa  Jahrb.  125,  154.  —  Thudichmn,  Joora.  f.  pimkt. 
Chom.  104.  267. 

9.  Indigofarbatoffe.  Arth.  Hill  Haaaall,  Philoa.  Kagas.  September  185B. — 

?5icherer,  Apnal.  d.  Chnni.  n.  Pharm.  1>"j4,  9^',  120.  —  Baomaun,  Pflüger'fi  Arch.  1876, 
13,  3't4.  —  Baumann  und  Brieger,  Zeitschr.  f.  physiol.  Chem.  1S7!*,  3,  254.  Bericht  d. 
chem.  Gesellsch.  12,  2166.  —  Baumann  und  Tiemaiin.  Bericht  d.  chem.  Gesellsch.  1879, 
12,  lUl^^  «.  1192;  I880,  13.408.  —  Jaff6,  Pflügers  Arch.  1870,  3,  448.  ~  L.  Ortweiler. 
Mittheilungen  an.q  der  med.  Klinik  an  WHnbnrie:.  I'^s6,  2,  153.  —  G.  Ptsenti,  Jahreaber. 
d.  Thierch.  nii.-.  l^-^7,  —  G.  Hoppe-S  ey  1  e  r .  Z.  it.schr.  f.  physiol.  Chem.  1S88,  12,  15.  — 
Heller,  Dessen  Arch.  1846.  21.  —  Ord,  Berliner  klin.  Wochenschr.  1>7n,  15,  365.  — 
Chiari,  Präger  med.  Woebenachr.  1888.  50,  541.  —  A.  Bayer,  Berichte  d.  chem.  Gesellsch. 
18^1,  14,  1744.  —  Banmann,  Zeitschr.  f.  physiol.  Chem.  1,  62.  —  Nenki.  Berichte  d. 
cheui  Gesellsch.  1876,  9.  299.  —  Ni(?^'eier,  'Arch.  f.  experiment.  Paih,  1874,  3,  72.  — 
Nencki,  Berichte  d.  chem.  Gesellsch.  7,  15',»5.  —  Bayer  und  Emmerling,  Berichte  d. 
ehem.  Ueiellsch.  1870,  3.  ölö.  Bayer,  Daaelbst.  1879,  12.  457.  —  0.  Bosenbach,  Boi^ 
Kner  klin.  Wochenschr.  18^9.  —  H.  Hos  in,  Centralbl.  f.  klin.  Med.  1889.  29,  506.  Berilner 
klin.  Wochenschr.  MHx  Nr  5:'>  und  Virchow'.s  Arch.  1^3  —  Edw.  Schnnck,  Philos. 

Magaz.  and  Journ.  of  sc.  (4).  lü  u.  15.  Schmidt 's  Jahrltticher.  104.  32.  Philos.  Magaz.  (4)- 
180^,  14.  288.  .Schmidt'e  Jahrb.  104,  34  Bericht  d.  ehem.  Gesellsch.  1879,  12,  122u.  — 
A.  Baver  und  A.  Emmerling.  Berichte  d. chen.  GeseUadi.  1870,3,315.  Bnjer,  Bericht. 
1879.  12,  457;  18S1.  14.  1745.  —  C.  Porrer.  Berieht  d.  d.  cbem.  Oeaellach.  17,  976.  — 
O.  Boaenbai  h,  Berliner  klin.  Wochen.-ichr.  1^80,  Nr.  17  u.  22. 

10.  Uarnrosa.  Neucki  und  äieber,  Journ.  f.  prakt.  Chem.  (2).  26.  — 
Roain,  Centralbl.  f.  klin.  Med.  188(*.  510.  Dentaehe  med.  Weehensohr.  1893,  Nr.  3. 

H.  Roain. 

Hautkrankheiten,  Biiderbeh.mdiung,  h.  lud,  png.  01. 
Heberden'sche  Knoten,  8.  Gicht, 

Hemianopsia  sntunn'nn,  h.  Blei,  pag.  115. 

Herzkrankheiten.  Die  Arbeiten  anf  dem  Gcbietf  der  llerzpathologie 
sind  iiu  vergaugeiieu  Jabre  in  unerwartet  h p ft r Ii c h o r  Z a h  1  erschieaen.  Wübrend 
wir  noeh  vor  wenigen  Jahren  geradeso  toh  einem  Anfaehwange  in  der  literari- 
schen Bearbeitung  dieses  so  wichtigen  Tbeiics  der  Pathologie  sprechen  koanten, 
miissten  wir  schon  wn  verprati'rf'nfn  .lntirtM'iiien  autTaIlen<l('n  Rdck^aiijr  «'onstatiren,  den 
wir  jedoch  auf  einen  besouderen  Lmstaud  zurUekführeu  kouiitcu,  nttmlich  auf  die 
Ablenltnng,  welche  dss  Bekanntwerden  des  Kocu'scben  Verfahrens  auf  die  wissen- 
schaftliche medicinlsche  Forschung  geltend  gemacht  bat.  Aber  für  das  Jahr  1892 
l.ls.st  8ic!i  (iic-t  r  I  nistand  nicht  mehr  froltend  machen  ,  und  wir  wii*.sen  ki-incn 
rechten  F.rkl:iruii^'^-;;rund.  da  wir  auch  niclit.  abircsehen  von  der  Choleraliteratur, 
irgend  ein  eiiigreitendcs,  die  Literatur  im  vergaugeueu  Jahre  beherröcheudea 
Moment  ftlr  die  Spirlichkelt  der  Hersliterator  ▼erantwortlieh  maehen  können. 

K.s  sind  alle  Gebiete  der  Herzkrankheiten  gleichmässig  von  diesem  Mangel 
betrolFen.  Auch  die  functiunellc  Korsclninjr .  welche  im  vorfranprenen  Luntram  zu 
grusäcn  Erwartungen  berechtigte,  hat  ebentalls  eine  Niederlage  erfahren.  Selbst 
die  hier  natflriich  nicht  niher  zn  besprechende  CSamistik  der  in*  und  ansUndisdien 
Literatur,  die  sonst  sich  auf  gleicher  HOhe  in  den  einzelnen  Jahrgftngen  in  erhalten 
pflegte^  ist  abnorm  ?erinp  trcliHeben. 

Unter  den  vorhaadcuen  Arbeiten  stehen  au  Wichtigkeit  obenan  die- 
jenigen einer  Anzahl  Forscher  der  Leipziger  Klinik,  von  denen  schon  in  den 


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414 


U£BZKBANRH£ITEN. 


Vorjabfen  eine  Keilie  bedeutsamer  rntersuehnngen  hervonnhebcn  waren.  Sie 
fi^ehOren  zum  Theil  der  II  erzph  ysiol  n^i  e  an.  irreifen  aher  so  sehr  in  das  Gebiet 
der  Pathologie  hinein ,  dass  t^ie  auch  lUr  diese  \  on  der  allergrössteo  Bedeutung 
8MII  mflaaen.  Wir  hatten  bereits  im  ersten  Ergänzungsbande  aaf  die  Untersaebungen 
von  His  nnd  Rombfbg  aufmerksam  gemacht,  welche  gezeigt  hatten,  da<«.H  die  Ilerz- 
ganglien  mir  sensibler  N.-itnr  seien,  da  sie  vom  Sympathien«  aus  in  das  Herz  bei 
der  Eotwicklnng  eret  hioeinwaehsen.  Es  lag  der  ScLIuss  nahe,  dass  der  Herz- 
muskel oiebt  aar  ebne  Ganglien,  sondern  fiberbaopt  ohne  Nerven  automatiseh 
arbeitet.  Eshab«!  nnn  Kbbbl  nnd  Romberg  >)  ftir  das  Kaninchenherz  auf  experi- 
mentellem Wepe  thaf.*:ieblich  den  Beweis  t rbrnclit.  dass  der  ller/niuskel  ohne 
Ganglien-  und  N  e  r  v  e  n  e  i  n  fl  n  8  s  u  t  n  ni  a  t  i  s  c  h  arbeitet:  natürlich 
dllrite  die  Tbalsaehc  tUr  alle  biiuj^ethierherzen  in  gleieher  Weise  Geltung  haben. 
Zn  diesem  Zvceke  haben  sie  die  Lage  der  Ganglien  der  Eaninebenhenen  genau 
studirt  und  gefunden,  dass  an  demselben  die  \'entrikel  und  ihre  Seheidewand, 
ferner  diejenifren  Theile  der  Vorhöfe,  die  aufl^erlialb  der  l'nisehlajjstelle  des  l'eri- 
cards  liegen,  endlich  die  llerzobren  völlig  ganglienfrei  sind.  Diese  Theile  haben 
sie  nun  dnreh  AbschnOrung  mittelst  eines  Fadens  gAozIieh  ausser  Zusammenhang 
mit  den  Ganglien  gesetzt,  wflhrend  die  Herswand  dadurch,  dafs  das  Endoeard 
erhalten  blieb,  im  Znsanntienbanpr  verbliel). 

Die  gelungene  AbsehnUrung  des  MuskeU  wurde  durch  eorgfnltige  Prüfung 
festgestellt      ergab  sieh  nun : 

1.  dir  Herzmuftkel  des  Sflu^eihieres  beutst  automatisehe  Eigenschaften, 
die  ihn  au  rythmischer  Pulsation  lief.lhijren. 

2.  Die  rhythmische  Tulsation  ist  nicht  die  Heantwortung'  eiues  Kelzes, 
welcher  durch  das  in  den  Herzhöhlen  oder  den  Herzgefässeu  cireulireudo  Blut  aus- 
geUIst  wird. 

3.  Die  automatischen  Eifrenschaften  sind  in  den  verseLiedenen  Theilen 
des  Herzens  versehieden  stark  ausgebildet.  Sie  nehmen  an  dm  Kinnitauliingsstellen 
der  grossen  Venen  nach  den  Ventrikeln  /.u  ab.  üb  die  letzteren  uuter  den  gewöhu- 
liehen  Cireulationsbedingungen  zu  automatischer  Tbfttigkeit  beflhigt  sind,  bleibt 
zweifelhaft. 

4.  nie  Frequenz  des  Herzschlages  hängt  von  dt-r  Mnseiilatur  an  der 
Einmündung.s.stelle  der  grossen  Venen  ab,  natürlich  nur  so  lange,  als  üussere 
Einflüsse  (Vagus,  Accelerans)  nicht  einwirken.  Die  Polsation  der  inneren  Herztheile 
iat  keine  automatische,  sondern  fortgeleitete. 

5.  Die  Fnrtleitnng  der  (^ontraetion  von  den  VorliöfVn  zn  i'en  \  entrikeln 
erfolgte  durch  bisher  unbekannte,  von  His  anatomisch  featgestcUte  Muskelfasern, 
die  Vorhöfe  und  Ventrikel  miteinander  verbinden. 

6.  Der  altemirende  Rhjrthmus  der  Vorhofs-  und  Ventrikelcontraetionen 
hängt  von  der  Anordnung  oder  der  I^eschaffenhelt  dieser  Pasern  ab.  In  welcher 
Weise  im  Einzelnen  i>t  noeh  zn  ermitteln. 

7.  Die  ilerzganglieu  sind  keine  automatisclieu  Ceutren.  Sie  sind  au  der 
Uflberleitung  der  Erregung  von  den  Vorhafen  an  den  Ventrikeln,  an  der  Erhal- 
tung des  alternirenden  Rhythmus  der  beiden  Herztheile  unhetheiligt.  Vielleicht  ver- 
mögen sie  die  Regelmilssigkeit  des  Herzseblages  in  gewissem  MaS4»e  SU  sichern, 
aber  nicht  auf  directem,  sondern  auf  retlectorischem  Wege. 

8.  Vagus  nnd  Aceelerans  treten  durch  das  Vorhofgefleeht  zum  Herzen. 

9.  Vaguswirkung  kann  durch  Mnskel-  und  wohl  auch  durch  Nervenleitung 
auf  die  Ventrikel  tibertragen  werden.  In  letzterem  Falle  w.lre  dann  die  Verlang- 
samung, respective  der  Stillstand  des  Ventrikels  von  den  Vorhöfen  unabhängig. 

10.  Dass  in  der  Bahn  der  hemmenden  Vagus-  oder  Aeeeleransfasern 
Ganglien  eingeschaltet  dnd,  ist  sur  Zeit  durch  nichts  bewiesen. 

11.  Die  von  den  Ganglien  getrennten  Ventrikel  überwinden  vermehrte 
Füllung,  gesteigerten  Widerstand,  wie  das  ganze  Herz.  Die  Ganglien  sind  aUo 
bei  der  Anpassung  der  llerzkraft  an  derartige  Ansprüche  unhetheiligt. 


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H£UZKBANKH£1T£N. 


415 


12.  Muscarin  und  Atropin  wirken  in  typischer  Weise  auch  auf  die 
dem  Einf]iisso  der  Ganglien  entzn^^enen  Herzabschnitte.  Di6  Aogrifibpankte  der 
beiden  Gittt-  »lud  uisu  nicht  die  Ilerzgauglieu. 

13.  unipolarer  Faradisation  dee  HerzenR  wird  eine  StArnng  der 
rhythmischen  Schlagfolge  ir  h  Reizung  der  Ilerzspit/e  mit  Strömen  bewirkt, 
welche  am  (Ibrifren  Ilerzpii  keinen  Einfluss  iui-sern.  Die  Empfindlie}ikeit  der 
Herzspitze  gegen  den  faradischeu  Strom  erklärt  sich  aus  der  Anordnung  der 
Maaeidatar. 

Wir  haben  im  Vorgtebcndoi  Bur  die  Untersucbungscrgebnisse  der  Forscher 

angeführt,  obne  auf  die  böebpt  interessanten  Versuehe  n.lher  einznirehen.  Die  Be- 
deutung derselben  für  Physiologie  und  Pathologie  des  Herzens  dtlrfte  von  grosser 
Tragweite  sein. 

Durch  rie  wird  aueb  der  Untersehied  swisehen  wtlllcllrlieher 

und  unwillktirlicber  Körper mii sc ulatnr  ein  viel  jrrf^sscrer  wie  bisher. 
Vielleicht,  dass  aiieh  für  die  willkürliche  Knrpermusciilatnr  e-«  sieb  einst  ergeben 
wird,  dass  die  Impulse,  welche  ihnen  durch  die  muiurische  >ierveufa8er  zuge- 
tragen werden,  im  Maskel  selbst  ohne  Nerveneinflnss  von  Faser  sn  Faser  fort- 
geleitet werden. 

Die  Ernährung  des  Herzens  tind  ihreHezieliun<r  zu  seiner 
Arbeitsleistung  bildet  den  Gegeuataud  eingehender  Untersuchungen  in  einer 
Arbeit  von  Zdictz  <) ,  welcher  die  hierfttr  ndthigen  Experimente  an  Pferden  vor- 
nahm. Bei  (ii«->en  UnterHuchungen  kam  es  ihm  vor  Allem  daranf  an,  die  Arbeits- 
leistung (!(•<  Hi  rzens  nach  einer  Methode  -renau  zu  berechnen .  welche  auf  der 
Berücksichtigung  des  Gasgehaltes  des  Blutes  beruht.  Denn  die  bisherige  Annahme, 
das«  d«8  Hen  in  26  Stunden  75.000  Kilogrammmeter  leiste,  erschien  dem  Autor 
sn  gross  im  Verhaltnisa  zur  Qesammtarbcitaleietung  des  ganzen  Mensehen ,  welche 
pro  Ta;r  .300.000  Kilogrammmetcr  botriljrt.  In  der  That  fand  er  nach  seiner 
Methode,  die  zweifellds  ;renauer  und  wenio-er  ein^rreifend  ist  als  die  bisherigen,  einen 
Werth,  der  um  die  Hälfte  kleiner  ist,  n.1mlich  30.000  Kiiogramm- 
meter;  diese  Arbeitsleistung  kann  allerdings  bei  vermehrten  Ansprüchen  nm  das 
Vier-  bis  Sechsfache  irestei^ert  werden. 

Zu  neuen  wichtigen  Er};el)ni.ssen  haben  die  verdienstvollen  rntersnchungen 
geführt,  welche  K&kül^j  über  die  Anordnung  der  Muskelfasern  im 
Herzen  angestellt  hat  Bezllglieh  der  Ventrikel  hat  er  gefunden,  dass  die  An- 
ordnung der  Museulatur  links  und  rechts  eine  völlig  verschiedene  ist.  Links 
bildet  die  Ilan|)tmasse  der  Wand  ein  llins:inuskel ,  welcher  in  sieb  seligst  znrdek 
Uuft ;  innen  und  aus:ien  von  demselben  laufen  sodann  von  der  Vorbofsgrenze  her 
Längefasmi  zur  Spitze  hinan,  welche  dort  nach  aussen,  respeetive  innen  um- 
biegen und  wieder  uacb  oben  zurücklaufen,  so  dass  sie  den  Ringmnskel  khunmer- 
artig  umgreifen.  Ke<  hts  seheint  die  Mnseulatnr  der  erscblaft'ten  Kammer  regellos 
angeordnet  zu  sein  ,  im  coutrahirten  Zustande  aber  ergiebt  t-ich  eine  vorwiegend 
nach  zwei  Seiten  hin  gehende  Anordnung ,  einmal  eine  Längsschichte  von  der 
Vorhofsgrenze  nach  abwirts  und  eine  zweite  nach  aufwärts  in  den  Conus  arferiae 
puhnonah's  hinein.  Daneben  sind  auch  Faserzttge  vorhanden,  welche  in  die 
Papillarmuskeln  einstrahlen. 

Ueber  die  Ernährung  des  arbeitenden  Froschherzens  hat 
Heffteb*)  Untersuchungen  angestellt.  Es  zeigte  sich,  daes  Blut  mit  Kochsalz 
verdllunt,  das  arbeitende  Froschber/.  sehr  gut  ernflhrt,  wobei  es  gleichgiltig  bleibt, 
weleher  Thierspeeies  das  Blut  entnommen  ist.  Dagegen  erwies  sich  Hlutserum 
oder  lackfarbeues  lilut  unbrauchbar:  die  rothen  Blutzöllen  also  sind 
die  wichtigen  Factoren,  welehe  die  Emlhrung  aufreeht  erhalten. 

An  diese  physiologisehen  Arbeiten  kOnnen  wir  nur  wenige  experi- 
mentelle anreihen. 

Bettelhkim  untersuchte  die  Störungen  der  Herzmechanik  nach  Com- 
presslon  der  Arteria  coronaria  ainwtraf  welche  er  in  toto  oomprimirte.    Es  ergab 


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416 


HBBZKRANKHBITBN. 


sichf  daas  hierdurch  nur  der  Unke  Ventrikel  wesentUehe  Störungen  und 
BeUiflssHeb  Stillttand  evAdur»  wlbrend  der  reehte  sunSolnt  nMit  belheiligt  war. 
Im  linken  Vorhof  trat  eine  ganz  bedeutende  Drucksteigerang  ein  und 

im  Gefolge  davon  die  von  v.  Bäsch  schon  oft  beschriebene  Lungenstarre  und 
Lungenschwellung,  mit  weicher  eine  stets  gleichzeitig  voriiandene  Dyspnoe  in 
Verbindung  gesetzt  werden  muss. 

TaüCZBK  und  Vas*)  haben  mit  einigen  neueren  Antipyretieit 
Experimente  Uber  ihre  Wirkung  auf  das  Herz  angestellt,  und  zwar  andern 
nach  Kronecker  isolirten  und  künstlich  ernährten  Frogehherzen.  Beim  Anti- 
pyrin  ergab  sich  eine  Abnahme  der  Energie  der  Herzuuntractiuuun,  welche  der 
Coneentration  der  angewandten  LOeang  proportional  war.  Der  Stillatand  der 
Ventrikel  erfolgte  nach  denyeoi^pBn  der  Vorhöfe.  Beim  Antifebrin  steigerten 
verdünnte  Lftsungen  die  Energie  der  Herzkraft  und  die  Dauer  der  Systole, 
während  grosse  Gaben  das  Gegentheil  bewirkten.  Phenacetin  war,  soweit 
lOalieb,  ebne  bemerkbare  Wirknng. 

Es  ist  bekannt,  dass  nach  Exstirpationen  des  Kehlkopfes 
zuweilen  einige  Tage  nach  völli^f  geluriircncr  Operation  ein  plötzlicher  Tod  diirrh 
Syncope  eintrat.  GküSSMANN')  bat  auf  experimentellem  Wege  eine  Erklärung  hierfür 
gegeben.  Er  &nd,  dafls,  wenn  man  die  Kehlkopfnerven  durchschneidet  und  den 
Stumpf  des  Nervus  laryngeu$  »uperior  reist,  Hersstillstand 
eintritt.  Er  nimmt  an,  dass  im  Wundverlaufe  durch  Narbenbildung  eine  eben 
solche  Reizung  des  durc-bBchnittenen  Nerven  eintreten  kann,  wodurch  UersstiU* 
stand  und  Tod  verursacht  wird. 

Indem  wir  nunmehr  an  den  vorhandenen  klinisehen  Arbeiten 
übergehen ,  möchten  wir  hervorheb<>n ,  dass  diesmal  die  Erkrankungen  d  es 
Herzmuskels  bei  der  spärlichen  Zahl  von  Arbeiten  verhältnissmassig  noch  am 
meisten  Berücksichtigung  gefunden  haben.  Wir  erwähnen  hier  zunächst  die  Mono- 
graphie von  Haiipbln*)  Aber  Erkrankungen  des  Herzmnskels.  Das  wichtigste 
Ergebniss  seiner  Untersnohungen  ist,  dass  die  sogenannten  functionellen 
Störungen  des  Herzmuskels  bei  genauer  anatomischer  und  histologischer 
Untersuchung  sich  als  schwere,  parenchymatöse  und  interstitielle 
Erkrankungen  heransateilen. 

Auf  diese  Thatsaehe  hat  aber  ganx  beaonden  Kbbhl*)  aufmerksam  ge- 
macht ;  die  Ursache  der  Compensatiftusstörun-r  des  Herzens  bei 
Klappenfehlern,  bei  A  r  t  e  r  i  o  s  e  1  e  r  o  s  e,  bei  I  n  f  e  c  t  i  o  u  s  k  r  a  n  k  h  e  i  t  e  n 
aller  Art  sind  makroskopisch  oft  nicht  wahrnehmbare,  mikro* 
skopiseh  abersehr  erhebliohe  paren  ehymatOse  und  interstitielle 
Veränderungen  der  Herzmusculatnr.  Romberg''*)  hat  das  Gleiebe 
speciell  nachgewieaen  für  die  Erkrankungen  des  HersmuskelB  bei  Typhus, 
Scharlach  und  Diphtheritis. 

Auch  OuBScmiANN ")  betont  fBr  die  Diphtherie,  dass  die  Hers- 
stiirungen  bei  derselben  auf  einer  Myocarditis  beruhen,  welche 
mikroskopisch  jedesmal  nachweisbar  ist:  er  ^'laubt  nicht,  die  Herzscbwiiclic  auf 
nervöse  Störungen  zurückführen  zu  sollen,  in  gleicher  Weise  beschreibt  Öcuemm 
die  Veränderungen  des  Herzmuskels  bei  Racheudiphtberie ,  die  Muskeln  aeigen 
fettige  und  kftmige  Degeneration,  das  Bindegewebe  ist  lelienreich  und  mit  Blut* 
extravasaten  durchsetzt.  Als  besonders  wichtig  verdient  aber  nn(«h  die  Behauptung 
IvKEHLS '^j  und  seines  Schülers  Kk[,LH'"i  hervorgehoben  zu  werden,  dass  näm- 
lich auch  bei  jugendlichen  Individuen,  ganz  spontan  eine  chruuische 
Myoearditis  auftreten  kSnne,  welehe  durch  den  mikroskopischen  Befind 
sieh  nachweisen  lässt  und  welche  nicht  selten  zu  schweren  Hcrz^itörungen  führt. 

Einen  F.il!  von  Tuberkulose  des  Herzmuskels,  liekanntlich  eine 
sclteue  Erkrankung,  besehreibt  Pollak. Dass  die  Tuberkelbacilleu  aut  dem 
Wege  der  Biatbahn  v^schleppt  worden  sind,  wird  dureh  eine  Untersuchung 


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H£RZKBANKH£ITEN. 


417 


von  BiRCH-HiuscHFELD  wahnohemlieh  gMiiMbt,  welcher  im  Hersthromben 
Tnberk  e  I  b a c  i  1 1  e  n  nachwies. 

Die  Fälle  von  parox^^smaler  Tachycardie ,  welche  bisher  beschrieben 
wordeo  sind,  lassen  die  Frage  nach  dem  Ausgange  der  Erkrankung  zumeist  un- 
beantwortet, nnd  der  Verdacht ,  daes  es  aieh  nm  erhebUehere  Stfirongen  des 
Herzmuskel»  dabei  bandeln  konnte ,  ist  im  Allgemeinen  nicht  beseitigt  worden. 
Ander!>  steht  es  mit  einem  Falle  von  habitueller  Tachycardie,  welche  Hampeln 
beschreibt  und  die  in  vüllige  Genesung  ausging,  was  umso  bemerkenü- 
wertber  {at,  als  es  §ieb  um  ein  Idjährigea  Leiden  naeh  Gelenkrheamatianraa, 
welcher  sogar  mit  Perioarditis  verbunden  war,  handelte.  Das  Leiden  bestand  vor 
Allem  in  einer  Piil>b(schlcunigung ,  welche  120  betrug.  Ferner  aber  traten  An- 
fälle von  Herzklopfen  hinzu,  welche  mehrere  Stunden  andauerton  und  in 
einer  eolossalen  Besehleunigung  und  Arhythmie  bestanden,  natflrlieb  verband  sieh 
damit  Angstgefühl,  Breefaneigun^,  kalter  Sehweiss.  Der  Anfall  endete  plötzlich, 
fast  kritisch.  Die  (Jenesitng  trat  in  wenigen  Wochen  in  einer  Nervenlieilanstalt 
ein.  Uampelx  vertnutbet,  dass  pericardiale  Synecbien,  die  schliesslich  rissen,  die 
Ursache  der  Erkrankung  waren. 

Die  Syphilis  des  Hersmaskeis  anlangend,  nntersebeidet 
Mbaceck  I'}: 

1.  SquamuHo  Neubildungen,  welche  ihre  Prüdilectionsatelle  in  der 
Wand  des  linken  Ventrikels  haben.  Dieselben  sind  kirschkeru-  bis  taubeneigross, 
niweilen  ]clsi§  aerfallen  nnd  sitzen  fast  anssehliesslieh  im  Myooard. 

2.  Wdsslicbgraae ,  schwielige  Platten  in  der  Herswand:  mikroskopiseh 
ans  schwieligem  oder  granulirtem  Gewelie  zu'sammergesetzt. 

Wir  halten  im  zweiten  Ergänzungsbande  aut  die  Ergebnisse  aul'uierksam 
gemaeht,  welche  Lbnbabtk  bei  seinen  Untersnehnngen  Uber  das  Verhalten 
des  linken  Ventrikels  bei  Mitralstenose  erhalten  hatte.  Derselbe  hatte 
gefunden ,  dass  bei  diesem  Herzfehler  sehr  häutig'-  der  linke  Ventrikel  hyper- 
trophirt.  Im  Gegensatz  hierzu  fand  DUXBAR  ^'^)  in  der  HiEGEL  schen  Klinik ,  dass 
der  linke  Ventrikel  bei  ganz  reinen  Flllen  von  Mitralstenose  niemals  hyper» 
trophirt,  sondern  als  kleiner  atrophiseher  Anhang  des  hypertrophirtan  reehten 
hinter  demselbeu  ziirfiekiritt.  Dunbar  ruaohf  auch  darauf  aufmerksam,  dass  bei 
Mitralinsufticienz  iler  linke  Ventrikel,  welcher  aus  bekannten  Grfinden  13.  1.  Er- 
gänzungsband^ hvpertrophirt,  solange  eine  genügende  Compeusatiun  vorhanden 
ist,  niemals  aagleieb  eine  Dilatation  anfwdst;  diese  bildet  sieh  erst  ans,  wenn 
eine  Compensationsstörung  sich  einstellt. 

Wir  möchten  schliesslich  noch  eine  Beobachtung  Lkva  s  '"'i  an  dieser 
Steile  erwähnen,  welcher  die  seltene  Combination  von  Erkrankung  der 
Crallenwege  nn4  uleerftser  Endooarditis  beobaebten  konnte,  sowie  die- 
jenigen  von  HiS'i>),  welcher  eine  Anzahl  von  Herzkrankheiten  bei 
Gonorrhoe  zusammeastellt,  auf  deren  Znsammenhang  wir  schon  frtther  hin- 
gewiesen haben. 

Hinsiehtlidi  der  Therapie  der  Herskrankheiten  kdnnen  wir  nichts  wesent- 
lich Neues  beibringen.  Wir  möchten  nur  eine  Arbeit  Hibsohfeld's'*)  erwftbnen, 

welcher  sich  an  der  Hand  mehrerer  Krankengeschichten  und  auf  Grund  von 
Stoffwechseluntersuclningen  nachzuweisen  bemüht ,  dass  in  gewissen  Fällen 
von  Compensationsstörungen  des  Herzens  eine  Verminderung 
der  Ernährung  den  grCsstea  Vorthdl  bringt,  indem  sie  eine  Brleiohternng 
der  Herzarbeit  bringt ;  die  Milchdiät  eignet  sidk  gua  besonders  aar  AasfDbmng 
dieser  Art  von  diätetischer  Therapie. 

Zum  Schlüsse  sei  noch  eine  Methode  erwähnt,  welche  Maass^^)  zur 
Wiederbelebung  bei  Herztod  naeh  Chloroformebiathmnng  angibt.  Dieselbe  besteht 
in  einfaeher  rascher,  etwa  120mal  in  der  Minute  erfolgender  Compression  der 
Herzgegend  zwischen  Spitzenstoss  und  linkem  Sternalrande .  wobei  der  Daumen- 
balleu  der  geöffneten  rechten  Hand  zur  Compression  verwendet  wird. 

Encyclop.  Jahrbücher.  III.  27 


418  HERZKRANKHEITEN.  —  HÖRPRÜFUNG. 

Literatur:  ')  Krehl  QDd  RomberK.  Ueber  die  I!e«ientang  des  Herzmuskels 
ud  der  Herzganglien  u.  s  w.  Arch.  f.  exper.  Path.  u.  Tlier.  ISH..',  XXX.  —  *)  Znntz,  Die 
ElnUirung  dea  H' rzens  und  ihre  Rezielnuip:  zu  seiut-r  Arl>cit>kt  att  l  'i  ir-,rlie  iiicil.  \Viprlit>n- 
adkrift.  1892.  —  ")  Krehl,  Beitrage  zur  KeontDisa  der  Füllung  und  Entleerung  des  Herzens. 
AbhdL  d.  iMt]i.^1i7rilE.  Clane  d.  kgl.  alebi.  Akad.  d.  Winemch.  Ldpsif  1891 ,  Xm  — 
*)  Heffter,  Die  KniluilDf  des  arlfitenden  Froschhcrr.ens  Ardi  f  »Kijer.  Path.  n.  Pharm. 
1891,  XXIX.  —  •)  Bettetbeim.  Ueher  die  Störungen  der  Herzmecliauik  nach  Compression 
der  Artrria  curnnariu  sinintra  des  Herzens.  Zeitschr.  f.  klin.  Med.  189ii.  XX.  —  *)  Tauczek 
und  Vas,  Exper' meb teile  Daten  cor  Wirkung  einzelner  oenerer  Antipyretica  auf  das  Herz. 
Peit«r  iBed.-diir.  PresM.  1892.  —  Oroaamann,  Heratod  nach  EeUkopfexsttrpatlonen. 
Sitzunpsber.  d.  Wiener  Bad.  Clvb,  1892.  —  *)  Hampeln,  Whcr  Erkrankmi;r«  n  des  Herz- 
mu.sk«l.s.  StiittL'art  lS!l2,  Ferd.  Enke  —  •)  Krehl,  Sit^tuog  der  med.  (ieselischaft  zu  Leipzig, 
ä.'l  Feliruar  1^92.  —  '")  Romberg,  üeber  Erkrankungen  des  Herzmuskels  bei  Typiius, 
Scharlach  und  Diphtherie.  Deutsche  Arch.  f.  klin.  Med.  XLVIII,  Heft  3  u.  4.  —  ")  CuVsch- 
mann,  Bericht  der  med.  Gesellschaft  zn  Leipzig.  8.  Nov.  1892.  —  ")  Sehe  mm.  Uelier 
die  Veränderungen  der  Herzmascnliitur  u.  s.  w.  Virchow'.s  Anh.  (JXXl.  Heft  2.  Kolle, 
üeber  primäre  chronische  ilyocarditis.  Deutsche  Arch.  f.  klin.  Med.  lbU2,  4ij.  —  '*j  Poilak, 
Ueber  Taberkolose  dw  HeiwnnAela.  Zeitschr.  f.  klin.  Med.  1898,  XXL  —  ")  Bircb •  Hirsch- 
feld.  T'eber  Tnbrrknlnse  in  TTerzfhroniben.  Natiirforscherversammliing  ITnlle  a.  S.  1*^02.  — 
Hampeln.  Ueber  einen  Kall  habitueller  und  paroxy.stiscber  Tachycaniie  niit  dem  Aus- 
gange in  Genesung.  Dent.sche  med.  Wochenschr.  1892,  Nr.  H5.  —  ")  Mraceek.  Zweiter 
intera.  dermat.  Congresa  zu  Wien  189{i2.  —  Dunbar.  Ueber  das  Verhalten  des  linken 
Vantrikela  bei  Fehlem  der  Mitralklappe.  Denteche  Arch.  f.  klin.  Med.  1892,  Hr.  49.  — 
**)  Lev.i,  Zu  den  Bcziehnncron  zwisrhen  Erkrankungen  der  Gallenwege  und  ulcern.ser  Eiidn- 
carditis.  Deutsche  med.  Wochenschr.  Is92.  Nr.  11.  —  His.  Ueber  Herzkrankheiten  hei 
Gonorrhoe.  Berliner  klin.  Wochenschr.  1S'J2,  Nr.  40.  —  -')  Hirschfeld,  Zur  iliat.iisthen 
Behandlang  der  Hensk rankheiten.  Berliner  klin.  Wochenschr.  1892.  —  Die  Metlu>i]>'  der 
Wiederbelebung  bei  Heratod  nach  Cblorofominhalation.  Berliner  klin.  Wochenschr.  l^'.i^, 

XXIX,  Nr.  12.  H.  Bobin. 

« 

H6rprQfling.  (Vergl.  Real-Bncyclopädie,  II.  Anfl.,  Bd.  IX,  pag.  567.) 
Bekanntlicli  werden  seit  langer  Zeit  schon  zur  Hßrprflfung  die  Uhr,  die  Sprache 

und  mtisikalipche  Apparnte  und  utit^r  diesen  besonders  die  Stinnufrabeln  ver- 
wendet und  von  allen  Ohrenärzten  werden  die  Miingel,  welche  dienen  Methoden 
iu  tuaunigl'achster  Form  anhaften,  gebührend  anerkannt.  Es  bat  deshalb  andi  in 
der  neuesten  Zeit  nieht  an  Beetrebnngen  gefehlt,  Nenernngen  und  Verbesaemngen 
einzuführen.  Zunächst  erwähnen  wir  den  IMinno.L'r.-iphen  ,  welcher  von  Lichtwitz 
als  einheitlicher  Hörme.''ser  empfohlen  wordtii  i.'^t  und  für  dessen  Verwerthunp: 
auch  StiäJSON  eintritt.  Da  der  Phonograph  alle  Tuue  und  Geräusche  reproducirt, 
da  er  feroer  eine  nahean  eonstante  Schallquelle  ist,  da  er  ferner  das  gesproehene 
Wort  hl  allen  V^ariationen  wieder  friebt,  so  sollte  nach  Lichtwitz  mit  Hilfe  der 
gewonnenen  I'honofrramrae  bei  Auwendunj;  des  l'honofrraphen  die  Möfrliehkeit  des 
Vergleiches  aller  Hörprüfungen  gegeben  sein.  Scuwabacu  hat  nun  bei  der  Nach- 
prüfung die  Ervartungen  von  LtchtwitK  nieht  bestfttlgen  kOonen ;  er  eooitatirte, 
was  übrigens  früher  schon  von  Oscar  Wolfk  des  Wetteren  amgeftthrt  wnrde, 
dass  der  PhniinL'raiih  durchaus  itii-lit  d.'i'-ieniL'e  Ici-^tct,  was  von  pinoni  Hnriiie«sor 
erwartet  werden  uiuss.  Es  zeigte  sich  unter  Anderem ,  das«  bei  lieuützuug  des 
Phonographen  als  Schallquelle  alle  Patienten  mit  verminderter  Hörfanction,  welche 
der  (Jnterandinng  unteraogen  waren,  lehleeliter  hffrienf  als  wenn  de  mit  der 
normalen  Sprache  jreprllft  wurden:  weiterhin  zciirtc  sidi ,  dass  Patienten  mit 
Scleroso  der  Paukenhi'ihle,  welche  bei  pewölmlicher  l'nlttin;;  nodi  latite  Stimme  in 
der  Nähe  des  Ohres  horten,  mittelst  den  Phonographen  absolut  nicbta  mehr  ver- 
nehmen konnten.  Mieht  beseere  Resultate  erreicht  man  mit  den  telephonischeB 
Ilörraeiiero,  deren  eine  grossere  Zahl  von  Haihmanx.  Dalbt,  UBBANTSOHiTacB, 
COZZOLINO,  .TaC(ib.«on,  (Jkadf.nioo  u.  A.  cDustruirt  wurde. 

Abgegeben  davon,  dass  diese  Apparate  sehr  kostspielig  und  nicht  trans- 
portahel  sind,  l»ieten  sie  neben  kleineren  Vorflieilen  nach  Gkadknioo  den  Naeli> 
äieil,  dass  es  schwer  ist,  den  priir  r  i  Strom  eonstaut  zu  erhalten,  daas 
weiterhin  die  Intensität  des  T'mi»  -:  iiirht  in  LrenÜL'-ondtT  Weise  trraduirt  werden 
kann  und  endlieh ,  dass  man  die  Hohe  des  Toues  nicht  zweckmässig  variiren 
kann.  Allerdings  ist   die  Anwendung  der  Apparate  in  Anbetracht  der  com- 


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BÖBPBÜFUNG. 


419 


plicirten  r<m<:trtiotioii  derselben  snm  Zwecke  der  Aufdeokang  von  SlnmlatlOD 

empfehleDswcrtb. 

Was  weiterhin  den  Gubrauch  der  Sprache  zum  Zwecke  der  HörprUfuog 
betrifft,  so  kat  onn  neuerdings  Haonos  stslt  der  bisker  stets  in  Anwendung  ge- 
zogenen Flüsterstimme  den  Gebrauch  der  Lautspracbe  wieder  vorgescklagen.  Er 

begründet  diesen  Vorsclilatr  damit,  das«  nach  seinen  Roobaehtuu?cn  dif  F!(ir<ter- 
spracbe  uicbt  in  einem  testen  Verbaltiüss  zur  Uuigangspracbe  steht,  und  daas 
sie  namentliek  von  Leuten  im  TorgerOckteren  Alter  scklecht  percipirt  wird.  Doeb 
auch  die  Anwendung  der  Lautspracbc  beseitigt  eile  die  Schwierigkeiten  und 
Fehlerquellen  nicht,  wclehe  sieh  der  llörprüfiinp:  entfrejrenstellen .  wenn  man 
nameutUcii  berücksichtigt,  welche  acustischen  Eigenscbafteu  den  xerscbiedeoen 
Spmdilmuton  innewohnen,  auf  welche  bekanntlich  Wolff  bereits  1871  des 
Niberen  hingewiesen  bat.  Neuerdings  hat  nun  Woltf  im  Anaehluss  an  sdne 
frflheren  Arbeiten  festzu-tellen  versnobt,  welche  Tonreilicn ,  hohe,  mittlere  oder 
tiefe  mit  der  normalen  Tereeption  versriieben,  gut.  scbwieriir  oder  p;ir  nielit  vom 
Patienten  gehört  werden.  Es  kommt  dabei  nach  Wulff  bes<tnderi  darauf  an,  das8 
nicht  blos,  wie  bisher,  die  Hfirwrite  des  Kranken  quantitativ  geprOft  wird,  sondern 
dass  aaeb  die  qualitative  Hörprüfung  ansgefflhrt  wird.  Das  Spraehverständaiss 
der  Sch\verhori;;en  selieitert  nach  diesem  Autor  vorzuirsweise  an  der  niangel- 
bulten  i'erceptiua  der  ^^elb.sttöDenden  Consunanteu .  und  dazu  gehören  iMiDguale, 
B,  T,  Seh,  S,  ^moUe,  wihrend  die  Voeale  vermöge  ihrer  bedeutr*nderen  Ton- 
stärke und  dor  grossen  Amplitude  ihrer  ScbwingunKcn  selbst  bei  den  sehwererea 
Ohrerkrankunjren  noch  percipirt  werden  können.  Unter  Ziiirrundolegunj!:  dieser 
Tbatsacheu  iheilt  nun  Wolff  die  Prllfuugslautc  in  3  Gruppen:  1.  hohe  und 
weittragende  Zisohlaute  iS^  8ch  nnd^-moUe,  hob«  und  sehwaehe  F-Lantot  Fimä  V. 
PrUfung:3 Worte  sind  Messer,  Strasse,  Sftge,  Feder,  Frankfurt.  Bei  Störung  der 
Seh;illzuleitun;r  wird  statt  Messer  Meter,  statt  Strasse  Hniten  ,  statt  Silfie  Filden 
gehört;  ebenso  werden  die  mit  F  beginnenden  Worte  verliört,  statt  Ft  drr  Leder, 
statt  Frankfurt  Bratwort  oder  Antwort.  2.  Die  zweite  Gruppe  stclit  die  Kx- 
plösioaslaute  mittlerer  ToabOhe  K  nnd  T  dar.  Profnngsworte  sind  Tuppieh, 
Tante,  Kette.  Kappe.  Bei  ihrer  Aussprache  entströmt  die  Luft  dem  Mnnde  mit 
verst'irkter  Kxjdosdri  und  sie  bewiiken  am  Trommelfell  eiue  starke  EinwArts- 
beweguug ;  im  Allgemeinen  werden  die  Worte  auch  von  Schwerhörigeu  relativ 
gut  gehört.  3.  Die  dritte  Gruppe  enthält  die  tiefen  Laute,  das  i?-Iinguale  nnd 
das  tiefe  U.  Prflfungsworte  sind  Ruhe,  Bruder,  Kuheort,  Reiter.  Bei  allen 
diesen  Prüfung'en  ist  immerhin  eine  frewisse  Vorsiebt  und  namentlich  auch,  um 
das  Erratben  zu  erschweren,  ein  Abwechseln  mit  den  Worten  nöthig.  —  Dass 
Nusser  dieser  Prttfnng  mittelst  der  Sprache  die  StimmgabelprflfunK  naturgemls« 
nieht  vemachlflssigt  werden  darf,  bedarf  wohl  keines  besonderen  Hinweises,  ob- 
schon  munebe  Sl■bllls^t"ol^rerun^?en,  weUibe  bisher  aus  dieser  T'ntersuchun^^smetlinde 
und  aus  dem  Verhalten  der  craniotyuipunaleu  Leitung  vielfach  gezogen  worden 
sind,  durch  neuere  kliuiücho  Beobachtungen  und  pathologisch- auatoiuische  Er- 
fahrungen vielfaeh  angexweifelt  sind.  Hier  werden  bexllglieh  der  Verwerthung 
dieser  Stiramgabelprüfung  für  die  differentielle  Diagnostik  der  Schallleituug  und 
Labyrintherkrankunfren  noch  erheblich  mehr  Krfabruiijren  fresaminelt  werden 
müsseu ,  bis  man  zu  einem  einigermasseu  brauchbaren  Resultat  wird  gelangeu 
können;  denn  die  Hittheilnng,  dass  bei  einer  grösseren  Zahl  von  untersuehten 
Ohrkranken  die  Stimm^abcIprUfung  verschiedene  Resultate  giebt,  beweist  bei  der 
feinen  physiolofriseben  Thäti^keit  unseres  (Ifln^roro'anes  noch  nicht,  dass  die 
Störungen  verschieden  localisirt  sind ,  und  dass  uicht  Complioationen  besteheu, 
welche  einfaeh  der  Untersuchung  Kpotten.  l^ne  noch  grössere  Vorneht  ist  zu 
empfehlen  bei  der  Verwertbunfj  der  Resultate,  welche  sich  bei  der  PrOfüng  der 
elektrischen  Krrefjbarkeit  des  X>  rvi/.v  acitsf/rus  ergraben  ,  und  welche  namentlich 
neuerdings  wieder  Gkadenigü  angewendet  wissen  will  fUr  die  Diagnose  feinerer 
Verftnderungen  im  Ernährungszustände  des  Höruerven.  Auf  Grund  aller  bisherigen 

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420 


HURPRLFUNO.  —  HUKEOHRE. 


neueren  objectiven  Prttfungen  dieser  Untersuohungsmethode  ist  der  diagnostische 
Werth  derselben  ein  äusserst  geringer,  wie  dies  bereits  früher  Bernhardt, 
neuerdings  Pollak  und  Gartneb,  Kiesselbacu  and  Benedikt  wieder  aus^^e- 
aproebea  hmben. 

Literatur:  Lichtwits,  Pra^r  med.  Wochenaohr.  1889,  XIV,  pag.  47.  — 
Stinaos,  Mew-Tork  med.  Racord.  1890b  X^VU.  Nr.  18,  pag.  491.  —  Schwaback  nad 
Hainas,  üeber  Hörprüfung  mid  afailiaiiHeliaBeieicbnnn^  derHArflUiifkeit.  Arob.  f.  Ohrnibk. 

1801.  XXXr,  psK-Pl-  —  ririidenigo,  Uebf-r  ein  iifues  plektrisches  AcnnietermniJell.  Arch. 
f.  Ohrenhk.  18!iO,  XX.X,  —  Cheval.  Electroacoiimitre,  nouveHe  mithode  pour  la 

recherche  i/r  In  Surditt'  rf«;i.s  Us  Coniieilg  de  Milice  et  de  Rerision.  Bnlletin  de  l'acadimie 
roy.  de  mid.  de  Belgiquo.  Mars  1^90,  Nr.  3.  —  Oscar  Wolff,  HörprUfaugsworte  ond  ihr 
differentiell-diaguustisehpr  Werth.  Zeitschr.  f.  Ohrenhk.  1890,  XX,  pag.  200.  —  Gradenigo, 
Die  Erkrankungen  <lf^  StrrHs  acuftkus.  Arch.  f.  Ohrenhk.  I8S9,  XXVII,  pag:.  105.  — Der- 
selbe, Ueber  die  elektriäclie  Reaction  des  2iervt*8  acu«licu«  nod  ihre  graphische  DarsteUong. 
Arcb.  f.  Ohrenhk.  XXVni,  pag.  191,  241  mid  ^.  Bericht  Aber  daa  IV.  intaniatiimalen 
Otolf);5encongress  in  Brüssel.  —  Kiesselbach,  Die  Hypertathesie  des  AciLsticns.  Monatsschr. 
t.  Ohreubk.  18S9,  XXIII,  pag.  1.  —  Poliak,  Ueber  die  elaktrische  Erregbarkeit  der  Hör- 
B«mn.  Wianar  klin.  Weehenaehr.  1888,  31  ond  32;  Pollak  und  Gitrtaer  ibid.  1888. 

E.  B  a  g  i  n  H  ky. 

Hörrohre.  (Vergl.  Real-Encyclopädie,  U.  Aad.,  Bd.  IX,  pag.  576.)  Die 
verschiedenartig  im  Handel  und  in  Oelnanelie  TorrUliigeii  HOrrobre  iMsea  becflg- 
lieh  ihrer  "V^rlcnn^  Vieles  m  wflnsohen  Itbrig;  sind  rie  Iclein,  so  ist  ihr  Nutzen 

sehr  gering',  sind  sie  f;rrosf5 ,  so  sind  sie  meist  schwer  zu  handhaben  und  werden 
njei.st  schon  deshalb  von  den  Kranken  porhorrescirt.  Es  ist  deshalb  eines  neuen 
von  A.-^cuENDUui'  cunstruirteu  Ilürrohrea  Erwähnung  zu  thun.  Dasselbe  leistet 
zwar  nadi  meinen  Rrfahrnngen,  welehe  sieh  deeicen  mit  Beobnchtnngnn  Anderer, 
in  Bezug  au(  Verbesserung  der  Ilörfähigkeit  nicht  ^  ^ 

viel  mehr,  als  die  übrigen  bekannten  Hörrohre, 
bat  aber  \ür  diesen  einige  unleugbare  Vorzüge: 
1.  zmebnet  sieb  dasselbe  ans  dureb  Kleinheit  und 
Leichtigkeit;  min  kann  dasselbe  bequem  mit  sich 
und  stnndoiiIanLr  im  (lehrtrfjano^  trajren  :  2.  sind 
die  Neben^'eräusche  bei  diesem  Hörrohr  entschieden 
gcrinj^'er,  als  bei  den  flbrigoi  ond  ans  den  eben 
angefahrten  Grttnden  ist  das  Hörrohr  empfehlens- 
werth.  Dasselbe  stellt  einen  doppelwandifren  Re- 
souanzschallfHn^'er  dar  mit  folgender  Construetion. 
Es  besteht  aus  2  metallenen,  etwas  platt  gedrückten 
Hohlkegeln,  welche  in  ihrer  Mitte  in  einem  Winkel 
von  75**  sanft  gebogen  sind,  so  das.s  sie  an  der 
Convexität  batiehig  erscheinen.  Beide  sind  in  ein- 
ander geschoben  und  iin  der  Basis  ringsum  mit 
einander  TerlOtbet,  sonst  ragt  der  Ideinere  frei  in  das  Cavnm  des  grosseren  hinein 
und  ist  überall  dnreh  eine  Luftschicht  von  ihm  getrennt.  Der  innere  Kegel  hat 
an  seiner  r<invexifSt  3  Sclialllncher  mit  lippenförmig  nach  innen  vorsprinfrendeu 
Künderu.  Der  üussere  grössere  Kegel  erweitert  sich  nach  üben  kugelförmig 
nnd  setzt  sich  offen  in  rin  rechtwinklig  angesetztes  Röhrehen  fort,  welches  direot 
in  den  Gehörgang  gesteckt  werden  lunn.  I>er  ganzen  Gonatmetion  na^  ist  dem- 
nach der  doppelwandige  .'>ehalIfJinger  nicht  als  ein  gewöhnlicher  Schallleiter  anzu- 
sehen, sondern  als  eine  Combinatitm  des  einfachen  Scliallfiingers  mit  einem  Resonanz- 
boden. Es  bedarf  noch  des  Hinweises ,  dass  auch  dieses  Hörrohr  nicht  für  alle 
SobwerhOrigen  passt,  dass  es  namentlieb  schon  in  Anbetracht  seiner  Kleinhmt,  nnr 
fUr  relativ  leichtere  Firmen  von  Schwerhörigkeit  mit  Erfolg  anwendbar  ist. 

Da«  vom  Rechtsanwalt  Rkttio  in  Saarbrücken  angegebene  Hörridir  hat 
sich  grossen  Beifalls  nicht  zu  erfreuen  gehabt.  Der  Apparat  besteht  aus  einem 
parabolisch  geformten  Trichter  aus  Metall,  einer  Leitungsröbre  mit  Ansatzstflek 
und  enthält  an  der  Aussenöffhung  des  Paraboloids  eine  mittelst  einer  Schraube 
regttlirhare  DftmpfuDgsvorrichtung,  welche  die  störende  Resonanz  abschwächen  soll. 


HÖBBOHBE.  —  HYDEASTIKIN. 


421 


Die  BÜt  diesem  groaMo  und  theuren  Tonbringer  an  Schwerhörige  augeätellteo 
Versuche  haben  im  Verh  Utniss  zu  den  anderen  tonst  gebr&nehlichen  Hörrobren 
Mine  bosaeren  Kesultute  eri^ebcn. 

Literatur:  A.  Rettig  in  Saarbrücken,  Die  „Tonbringer''.  Monatsschrift  fBr 
Ohrenheilkunde.  Berlin  189<'.  -lahrp.  XXIV,  5  und  ö  und  Archiv  für  Ohrenhcilkund*  XXI.X. 
Beriebt  ttber  die  norddeotscheo  Obrenirzte,  png.  133.  —  Aachendorf,  Ein  ueue.s  Uurruhr 
für  SebwerhoriK«'.  Berliner  klin.  Woehenaebr.  1891i  17.  pag.  416.  b.  Baginsky. 

Huminsubstanzen,  s.  uarn,  pag.  407. 

HydraStinin.   Die  blutstmende  Wirkung  des  Hydrantinin.s  bei  Gebir- 
nintterblutungen   ist  nach  Gottschalk  >)   weseutlich   von   der  des  Sec.ile  ver- 
schieden ;  ersteres  wirkt  ausscblieaslicb  auf  das  GeßLsasysteui  speciell  auf  die  Ge- 
ftsswandnng,  es  bedingt  Gefilroverengerang ,  aber  nidit  einen  Gefilssverscblttss, 
wie  dieser  bei  den  puerperalen  Blatnngen  an  der  Plaeentarstelle  erfordert  wird, 
ea  wird  d.tber  dn.s  Scealc,  welches  arif  die  üterusmusculatur  contraetirmserreg-end 
wirkt   in   allen  jenen  Füllen,  wo  Uteroscontractionen  therapeutisch  aufgestrebt 
werden,  zu  ersetzen  nicht  im  Stande  sein.  Demnach  möchte  GottscBALK  die 
Anwendung  des  Hydrastinins  auf  folgende  Formen  von  Gebirmutterblntangen  be- 
sebrilnken,  zmutcbst  auf  diejenigen,  welche  auf  presteisrerte  Oongestion  des  I'tenn 
inrückzufiihren  sind  'Menorrhagien  jungfräulicher  Miidchcu),  ferner  auf  I?!utun^''en, 
welche  in  einer  Endoiuetritiä  ihr  pathologisob-anatomiscbes  Subütrut  liabeu,  hier 
wirkt  das  Mittel  allerdings  nnr  palliativ.  Propbylaetiseh,  beziehnngawelse  in  intra> 
menstrueller  Anwendung  wirkt  es  gegen  die  nach  Auskratzung  der  üterusmueosa 
zuerst  wiederkehrende  profuse  Menstruation.  Auch  bei  Blutungen,  welche  in  Ver- 
fluderungen  der  Uterusadnexa  und  deren  Umgebungen  begründet  sind,  sowie  bei 
cltmacterisehen  Henorrbagien  ist  eiae  günstige  Wirknng  zu  erzielen.  Faber') 
gelani^t  auf  Grund  seiner  Versvohe  an  Schwangeren  zum  Resultate,  dussdas  Hydra- 
stiniu  wohl  den  schwanjyeren  rterns  zu  Contractionen  reizt,  jedoeh   .sind  diese 
Contractionen  anderer  Art  als  die  Wehen,   denn   in   keinem  Falle   konnte  ein 
schnellerer  Fortgang  der  Geburt  nach  den  Hydrastinininjoctionen  auch  nur  mit 
Wabraeheinliehkeit  feetgesteltt  wwden.    Er  hält  dafUr,  dass  Hydrastlnin  so  wie 
den  schwangeren  T'tcrns  auch  den  nichtschwangeren  zur  Contraction  bringt,  was 
für  die  blutstillende  Wirkung  des.selbt  n  iiDmerliin  in  Hetracbt  kommt. 

Hals^ann  emptiehlt  das  iiydraätiuiu  gegen  Lungeublutungen  in  den 
Flllen,  In  denen  die  Anwendung  des  Atropin  niidit  erwanscht  ist,  da  dieses  zuweilen, 
besonders  bd  Neurosen,  ConviiMi  tu  u  hervorzumfen  im  Stande  ist. 

Als  unangenehme  Nebenwirkung  von  fortgesetztem  Hydrastinin^'ebrauch 
beobachtete  v.  Wild  *)  in  einem  Falle  (39Jährige  Frau)  eine  hartnäckige  <ichmerz- 
bafte  Pharyngitis,  er  findet  diese  Wirkung  ftbniicb  der  naeh  grosseren  Atropin- 
dosen,  die  Beschwerden  wlren  als  Folge  einer  Lftbmung  secretorlschcr  Nerven 
aufzufassen.  Die  Patientinnen  wären  demnaeh  auf  etwa  eintretende  Rachen- 
sehmerzen  aufmerksam  zu  machen. 

Bezttglieh  der  Darreichung  des  Mittels  fand  Qottschalx  die  snbeutane 
Injeetion  des  Ihfdrostinmum  hydrochlor.  in  die  Glnteae  am  zweekmissigaten, 
auch  er  findet  die  Wirkung  der  subcutanen  Injecti'  ti  r.i-^cher  rIs  bei  innerlicher 
Verabreichung.  Im  letzteren  Falle  darf  man  nicht  iiit  lir  als  0M>.')  tilf^lieh  ."mal 
geben,  sonst  machen  sieh  gastrische  Störungen  allsubald  bemerkbar.  Vom  Fluid- 
extraet  kann  man  20  Tropfen  Smal  tiglieh  geben,  oline  Nebenwirkungen  fürchten 
zu  mllssen,  welche  tlbrigens  beim  Alkaloid  dieselbeu  sind  wie  beim  Fluidextraet, 
docii  wirkt  das  Alkaloid  sicherer  und  rascher.  HAtrsMAXX  gab  bei  Lwnjjenblutungen 
täglich  i — 4  Pulver  Hi/Jmsfininum  hijdioddor.  a  0  026  Grm.  uud  lies-s  das 
Mittel  auch  nach  Stillung  der  Blutung  etwa  8 — 14  Tage,  zu  0*025  Iroal  tüglich 
fortbrauchfin.  Da  Hydr.istin  uud  Hydrastin  in  eliiniiscli  uud  physioloiiisch 
von  einander  versehiedeii  sind .  so  ist  die  Vcrscbreiliunir  diMitlich  xu  halten : 
erstcres  ist  therapeutisch  noch  nicht  versucht.   Das  Hy.lrattttniuum  Jn/droc/tlor. 


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UYDBASTININ.  —  HYSTERISCHES  FIEBER. 


wird  wehren  seines  bittocii  OcMbniaekes  sweekmlsslg  in  Gelatineperlan  k  0*025 

des  Mittels  verabreicht. 

Literatur:  ')  Gottschalk,  Hvdrastinia  bei  GelmrnmtterblutungeD.  Tberap. 
Monatsh.  1892,  pag.  252.  —  ')  Faber,  Bericht  über  die  Wirkung  des  Hydrastinins.  Au 
d«r  Frovinzial-HebaaunenlrhraiutaU  su  Oppeln.  Therap.  Monatsh.  ib&'it  Wi-  •^32-  —  *)  Hani» 
mann,  Hydrastinin  fe^n  Longenblntaniren.  Med.-chirtirK.  Rondichiui.  1892.  pag.  847.  — 
')  C.  V  Wild,  T'el  er  -ine  un  iii^'cnehme  Nebenwirkung  TOD  fortgWtHem  Hydra.<itinin- 
gebraacb.    Dentsrh.  med.  Wochenschr.  18y;-5,  Nr.  13.  r-oebi»ch. 

Hydroelektrische  Bäder.  (Vergl.  Real  Em  >  <  lopädie,  Bd.  IX,  pa-  67? ; 
Bd.  XXlil,  pag.  a3b.)  beber  das  an  frtUierer  Stelle  erwähnte  GÄRT.NfiKsobe  „Zwei- 
sellenbact**  sind  ron  Pbltzeb  soeben  (Jntersnehungen  veröffentlicht ,  die  so 
dem  —  ftir  Kundige  freilich  niclit  flberrascbenden  —  Resultate  geführt  haben, 
die  auf  dag  „Zweixellenbad"  gesetsten  tberapeutisobea  £rwartaagen  erhebtieh  herab- 
zustimuea. 

Peltzeb  stellte  sanächat  vergleichende  Untersuchungen  Aber  faradlaehe 
Bäder  an,  einerseits  unter  Benntanng  des  Zweiiellenbades ,  andererseits  mit  dem 

gewöhnlichen  dipolar-  n  und  mit  dem  SiEiN'schen  „tripolaren"  Hade  (bewegliehe 
Sch.Hufelelektrodej.  Hi<  rbei  zei^'te  .'«ich  im  ^ewöhuliebeii  dipolaren  und  tripolaren 
Bade  eine  weit  gleiehmissigere  allgemeine  Einwirkung  auf  alie  Theiie  des  Körpers, 
die  sieb  aneb  mit  waebsender  Stromstlrlte  an  den  Polenden  niebt  sonderlieh  fDhl- 
barmacbte,  während  die»  im  Zweizellenbade  dagegen  der  Fall  war.  Für  galvanische 
Bilder  gestalten  sich  die  »inttrschiedlichen  VerhiUtnisse  insofern  anders,  al.s  die 
den  Körper  passirende  Strommenge  im  Zweizellenbade  unzweifelhaft  grösser  ist 
als  im  gewöhnlichen  dipolaren  Bade;  die  relative  Stromstärke  im  ROrper  ist 
daher  hier  bedeutender  —  die  a  bs o  1  u  t e  Str^nistürke  dagegen  geringer,  weil  der 
die  einzipe  Leitunfr  bildende  Körper  des  Badenden  hier  einen  sehr  viel  gri  .sscren 
Ge^ammtwiderstand  darbietet.  Vorzüge  für  das  Zweizellenlad  liegen  hier  in  den 
VerhMltnissen  der  Stromverth  eil  u  n  g  und  Stromdichte,  sowie  femer  aneb 
in  der  mehr  zur  Geltong  gelangenden  Wirkung  der  einzelnen  Pole.  Um 
die  sp(  cifi.s{he  Polwirkun{r  festzustellen,  untersuchte  Pf.i.tzf.k  den  Kinfluss  auf  den 
Raum  sinn,  und  fand  hier,  in  Uebereinstinimunfr  nnt  KiLENBl  UG  und  I^ma, 
Erhöhung  an  den  der  Kathode,  Abnahme  au  den  der  Anode  unterworfenen  Körper- 
regioncn.  Das  Verhalten  von  Pnls  und  Temperatur  fand  Pei.tzbb  wie  beim  gewöhn« 
liehen  dipolaren  Bade.  Von  besonderer  Wicbti^jkeit  sind  die  Versuche  über  die 
kataphoriscben  Wirkiinjren,  da  in  dieser  Hinsicht  frühere  Autoren  (Ei  lf.niu  lUJ, 
Leuh)  am  2ileufch(.n  zu  negativen  liesultaten  gelangt  waren,  wahrend  Ehhm.ann 
und  Gärtneb  dnreb  das  galvanische  Zweizellenbad  eine  Ueberfbhrong  von  Qneek- 
Silber  und  Ei^icn  in  den  menschlicbcn  Körper  enielt  haben  wollen.  PeltzBR 
gelan^fte  in  .'>  Versuehen  mit  Eisenbiidern  (Zusatz  von  je  30  Grm.  F^'rr.  unff. 
pule.)  zu  einem  vollständig  n e g a t i v e u  Ergebnisse,  sowohl  fUr  das  tripolare 
wie  auch  fOr  das  Zweizellenbad.  Mit  Redit  hebt  Peltzeb  hervor,  dass  die  obigen 
dem  Zweizellenbad  eigenthOmlichen  VorsOge  für  therapeutische  Verwerthutig 
„nur  ciTii-ii  liescliranktcn  Nutzen  liabeti,  denn  in  weitaus  den  niei.sten  F;i!Ieii  sollen 
die  hyilruelektriseheu  liiider  docli  nur  <'ine  mehr  ^rleichmilssixe  lliiutnervenreizung 
und  möglichst  energische  llciiex Wirkung  ausüben.  Dieses  erreicht  man  aber  unzweifel» 
haft  am  ehesten  und  nadihaltigsten  dnreb  die  Anwendung  des  faradisehen  Stroms. 
Für  die  l'iaxi.-?  dürfte,  also  nur  dort,  wo  man  eine  specifiscbe  Pulwirkunj«:  erzielen 
will,  dem  Zweizellenbad  vor  dorn  tripolaren  ,  resp.  dipolaren  liad  der  Ndrziiir  zu 
geben  sein".  lEü.  Peltzkr,  Vergleichende  Untersuchungen  über  das  elektrische 
Zweizellenbad.  Therapeutische  Monatshefte.  März  1893.)  EuUnbarg. 

Hypodermoklyse,  s.  I)  a  r  ni  i  n  f  11  3  i  o  n  ,  paj,'.  151. 

Hysterisches  Fieber,  s.  Fieber,  pag.  297. 


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I,J. 

Ichthyol.  Dfti  lebthyol,  ein  »ehwefelhattige«  Produot  der  Destillatioii 
beftimmter,  fossile  FSaehreste  enthaltender  Mineralien ,  tlbt-r  dessen  Zusammen- 
setztinsr  und  HewinnuTiff,  chemische  und  physiolofrischc  Eijjenschaften  ich  auf  die 
Angaben  in  Bd.  X  der  Keal-Encyclopädie  und  Bd.  X.XIV  (Encyclop.  Jahrb.  Bd.  II) 
▼erweise,  hat  in  den  letKten  Jahren  sieh  zn  einem  der  betiebtesten,  meist  verord- 
netsten  Heilmittel  aufgesohwnogeii.  Dass  das  bei  der  hentigen  Uebersehw^nmung 
des  Marktes  mit  stets  reuen  Heilmitteln,  wodurch  naturgemäss  das  Intereaee 
zersplittert  und  ahj^olenkt  werden  mii-s.  iiiclit  leicht  ist,  ist  ersichtlich  ;  umsomehr 
muss  dieser  Siegenzug  de»  Ichthyolä  aullalieu,  als  es  bei  allen  aucrkeuueuswerthen 
Vorsflgen  swd  naebtheflig»  Eügensebaften  sowohl  fUr  iaeaere  als  iniiere  Dar- 
reiehong  bentst,  nflmlieh  schleehten  Geruch  und  Geschmack. 

Das  auch  ^'cp'cnwilrtig'  noch  am  meisten  verordnete  Präparat  ist  das 
Ammonium  .sulfo-icittliyolicuin  und  deshalb  werden  wir,  wenn  wir  vom  Ichthyol 
sehleehtweg  sprechen ,  immer  dieses  Präparat  mdnen.  IKe  ersten  Bmpfeblangen 
rührten  von  Unna  her  und  bezogen  sich  zunächst  nur  aiif  äusseren  und  inneren 
Gcbraui'h  Ix  i  Hautkrankheiten.  Für  die  Anwendung  bei  Hautkrajikheiten  hat  l'XNA 
eine  Anzahl  ueucr  Applicationsweisen  erprobt,  die,  von  wenigen  fasslicben  Grund- 
•itsen  ausgehend,  einfach  m  bandbaboi  rind  nnd  ganz  besraders  für  den  Praktiker 
bei  Behandlung  der  Hautkrankheiten  sich  eignen.  Vorzflge  des  Ichthyols  sind  seine 
gute  Löslichkeit  in  Wasser  tind  in  Fetten,  seine  schmerzen-  und  juckenstillenden 
Eigenschaften,  seine  reducirenden  und  geiitssvereugeruden  Qualitäten.  Daher  ist 
es  bei  inveterirten  chronischen  Eczemen ,  universeller  Psoriasis,  Erythemen,  Acne 
vidgari»  und  rosaeea ,  bei  Pemionen  ete.  von  grossem  Erfolge,  je  naeh  der 
Sehwere  des  Falles,  entweder  nur  ftnsserlieh  oder  äusserlich  und  per  os  dargereieht. 

Für  den  ersten  Zweck  wird  es  in  Fettsalbenform,  in  Glycerinsalben,  in 
Pasten,  meistens  10— 20%ig,  in  wässerigen  1 — 10°/oigen,  in  10 — 30*/oigen 
alkoboÜseh-fttheriseben  LOsangen,  als  lehthyolpflastermull,  lehthyolsalbenmull,  als 
lebthyolleiui,  Ichthyolfirniss,  als  Ichthyol watte,  als lehthyolseife  angewandt,  während 
ftlr  die  innere  Darreichung  meistens»  Pillen  von  O-l  Xotr.  si/ffo-irJtthT/o/tc/ni, 
Kapseln  von  Ammon.  sulfo-idithyvLicum  U'25,  wässerige  oder  ätberisch-alkobo- 
lisebe  I^sungen  in  Wasser  gereidht,  bis  zur  Tageedosis  von  l'O  Orm.  genommen 
wurden.  Dass  man  damit  durchaus  nicht  an  die  Grenze  des  Erlaubten  heran- 
gegan.L'cn  ist,  zeigte  dass  Beispiel  NrssüAMJl's,  der  in  einem  Tage,  soweit  mir 
erinnerlieh,  5 — 10  Grni.  Ichthyol  einnahm  und  sieh  dabei  sehr  wohl  fühlte. 

Was  umso  wunderbarer  erscheint,  ist  die  augeuehme  Wirkung  auf  den 
Magen,  die  Verdauung,  das  Allgemeinbefinden,  als  doeh  die  meisten  Patienten 
sieh  nur  schwer  an  das  Ichthyol  des  UDaugeuebmeu  Geruches,  Aufstossens  wepen 
gewöhnen.  Die  meisten  Patienten  haben  sieh  nach  den  ersten  Tagen  an  da> 
Mittel  gewöhnt,  fühlen  sich  leicht  und  frei  und  nehuieu  meisteus  zu.  Zuklzeu 
bat  in  seinen  Stoffweebseluntersuebungen  an  Ichthyolpatienten  den  Grund  dieser 


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424 


ICHTHYOL. 


StoffwwhselbccinfliHSung  fUeber  den  Einfluss  der  Icbthyolpräparatc  auf  dflm  StoiT- 
wechael.  Monatsb.  f.  prakt.  DermatoloKie.  1886,  V,  pag.  12)  dargelegt. 

Patienten,  die  den  WiderwUleu  gegen  das  Mittel  nicht  überwinden  kouuten 
oder  HagmiseliiDenMi  danui^  iMkaneiif  gab  m  wenig«;  die  OorrigeDtiflii  dee 

Geruches  und  Oescbmackes  scheineu  bisher  noch  nicht  ganz  genügt  zu  haben. 
Das  aber  >toht  fest ,  dags  aunner  gerinpen  Eozemen  hei  zu  forcirter  innerer  und 
äusserer  Aaweudung  niemals  ungünstige  Folgen  beubaehtet  wurden  sind. 

YerlasBen  wir  die  Omppe  der  Hantlnraiikbeiteii ,  ao  wenden  wir  ans  sn 
den  acuten  und  chronischen  Rbeumatismusformen.  der  Gicht,  den  serösen  Ergüssen  in 
Gelenk-  und  Ki5rperhöhleu,  deu  rheumatischeu  Neuralgien  lIschisH  und  Trigeroinus- 
neuralgie) ,  Migräne ,  und  tinden  auch  hier  vielfach  günstige  Mittheilungen  in 
der  Liter»tar. 

Was  die  Anwendunjr  l)ei  den  rein  rheumatischen  Gelenk-  und  Muskel- 
erkrankunijcn  bctritlt.  sn  kann  ich  die  Erfolfrc  nur  l)0-;t.1tiirf'n,  doch  Kcheineii  die 
Neuralgien,  die  Ischias  etwa  ausgenommen,  ein  weniger  dankbares  Object  für  die 
lehtiiyolbebandlung  zu  sein :  Die  Anwendung  würde  hier  so  geeeliehen,  dass  mau 
die  befullenen  Stellen  entweder  mit  rdaein  lebfbyol,  mit  20 — bO^ff^igtat  lebthyol- 
lanolinsalbe  stark  bedeckt  und  den  Absehluss  durch  Gumraipapier,  Saliryl-  oder 
Ichthyohvatte  vollziebt ;  diese  Therapie  wird  etws  Morfrens  und  Abends  wieder- 
holt, jedesmal  jedoch  vor  der  neueu  Applicaliou  eine  saubere  Seifenwaschung 
mit  warmeni  Wasser  yorgenommen ,  um  den  Körpertbeil  von  den  alten  Resten 
des  Medieamentes  zu  befreien.  Setict  man  diese  V(»r8icht  anitw  Acht ,  so  erhält 
man  leicht  Eczenie.  Relieht  ist  auch  l»ei  diesen  Erkrankungen  die  1»)  —  30*  (,ige 
alkoholisch-ätherische  Ichthyollösuug,  für  die  dieselben  Grundsätze  gelten.  Die  innere 
Damichnng  bleibt,  wenn  beliebt,  stets  dieselbe,  nur  dass  mit  der  Zeit  (Ncs8> 
BAUM)  höhere  Dosen  nöthig  werden. 

Eine  ganz  besdndere  Hedeutun;r  bat  das  Mittel  in  der  Hehaiullunj  de«i 
£rysipela8  bekommen ;  eiue  Menge  sehr  zuverlässiger  Beobachter  mit  immerhin 
beaehtenswertber  Casuistik  schreiben  dem  Ichthyol  gegenüber  dem  Erjrgipel  fast 
eine  ftbniiclie  SpceifioitSt  an,  wie  dae  Qneekailber  gegenüber  der  Syphilis  beaitat. 
Wenn  nun  auch  hierin  der  FnthusiasmUB  Und  die  .Irztüche  Dankbarkeit  gegen 
ein  •rutcs  Mittel  die  ruhi^re  Krwiijrung  etwas  beeintlusst  haben  mögen,  so  .scheint 
das  günstige  Kesuitat  glaublich  bei  deu  Versuchen,  die  Lattklx  und  Fesslek 
binsicbtUeh  der  antiseptischen  Eigeneehaften  des  Ichthyols  gemacht  haben;  ver- 
gessen darf  nicht  werden  die  pefitssverengende  und  reJueirende  Wirkung,  die 
beide  es  denkbar  machen,  dass  di<>  in  der  Haut  liegenden  Coccen  nunmehr  uuter 
ungünstigere  Lebeusbediugungeu  kommen.  Erwähuen  müehte  ich  hier  weuigstens 
noeh  den  ganstigen  Einfluss  des  Ichthyols  auf  Verbrennungen ,  wobei  besonders 
die  sehmerzstillende  Wiritung  ausserordenilirii  L'erübmt  wird.  LAXtiK  hat  Parallel 
versMclie  mit  I  hinl  an^eHtellt  und  i-^t  zu  dem  Kesultat  gekommen,  dass  das  wohl 
etwas  betiuemere  rhiol  an  Wirksamkeit  dem  Ichthyol  bedeutend  uachsteht. 

In  den  letalen  Jahren  nun  bat  eine  ganz  besondere  Ausdehnung  die 
lehthyoltherapie  in  der  Gynäcologie  genommen.  Die  erste  Anregung  für  weitere 
Verwendung  gaben  die  FliEl  NK  sohen  Publicationen  ,  denen  sieh  l»ald  eine  wahre 
P^lutb  von  Heriebten  anderer  ebenso  gliieklicher  Therapi-uten  angeschlossen  hat. 
Gerühmt  wird  auch  hier  die  auodyuisirende  Wirkung  und  daneben  die  Austrock- 
nnng,  Abschwellnng  der  Gewebe,  was  sieh  an  der  Schleimhaut  binfig  durch  ein 
neben  der  Abblassung  hOchst  auffälliges  Einschlagen  d<s  Glan/es  markirt;  diese 
Erscheinung  scdl  in  Kurzem  wieder  normal  irklnzender  Schleimhaut  Platz  machen. 
Zur  Behandlung  kamen  meisteus  Catarrhe  des  (  ervix  und  der  \  agina,  Endo- 
metritiden, Perimetritiden,  parametrisehe  EntzOndungen  und  Exsudate,  Metritis, 
Erosionui  eti-.  Die  häufigHte  Form  war  di  r  5 — 10*  o'?e  Ichthyolglycerintampon, 
oder  die  Anwendung  e<incentrirter  lehthyol;.'^IyiMTiiil<'isnni;en  fiä)  oder  das  reine 
Ichthyol  iu  Foru»  \on  :?cheideu-,  Gcrvix-,  Lteruspinseluugeu.  Daneben  wurden 
vielfach  Bestreichungen  des  Abdomen  mit  Ichthyol,  Darreichungen  des  Ichthyol 


ICHTHYOL. 


425 


per  OS  et  per  anum  anprewandt.  Niemals  wurden  höse  Erfahrungen  pfemacbt, 
immer  aber  fiel  die  eutzUndungsbescbränkende,  resorbireDde  Eigenschaft  der  Dro- 
gae  allseitig  auf:  hiafig  wurden  Operationen  an  den  Adnexis  ete.  flberflflsdg, 
weil  die  Ichtbyolbeb.-mdluDg  die  Resorption  so  förderte,  dass  Schmerzen  nnd  Ez- 
tudate  verschwanden.  Ob  diese  grflnsti^en  Resultate  -iich  (L-uicmd  zeiaren  werden, 
bleibt  abzuwarten :  darf  doch  auch  nicht  vergessen  werden ,  dat^A  faat  nie  die 
lehtbyolbehandlung  allein  stattfand,  sondern  bydriatisehe  Prooeduren,  Diät  etc. 
mitwirktMi. 

Kin  bcfleiitsamp"?  Analnjron  der  gttnstigen  therapeutischen  Wirkung  zeigt 
die  Ideale  IchtliVidtliPrapie  der  Uonorrhurd  virth's  et  imiJ irbrin.  Hie^e.  seit  etwa 
Jahresfrist  gebaudhabt,  scheint  das  Icbtbyui  mindestens  neben  das  bisher  bedeu- 
tendste Antigonorrboienm,  das  Arg.  nitr.  in  lebwaeben  LAsnngen,  zu  stellen  Die 
Anwendung  geschieht  hier  meist  in  1»  o  Solutionen  (wässerig),  event.  bis  zu  5' o 
Fteigend  :  starke  Hesebrilnkung  der  Secretion,  frilbes  Verschwinden  der  Gonococcen 
und  allgemeine  gU;;8tige  Toleranz  von  Seite  der  Urethra  sind  die  Vorzüge 
des  Mittels. 

Bevor  ich  diese  Skizze  sehliesse,  luuss  ich  der  durch  Damien'S  empfoh- 
lenen Anwendung  des  lehtbyols  in  liypodermatischer  Form  crw.'lhnoii.  Die^^c  In- 
ject ionen,  denen  von  Dauiens  fast  der  Werth  der  Morpbiumiujection  ohne  deren 
sebidHebe  Nebenwirlsnngen  vindidrt  wn;d,  sind  von  mir  versehiedenflleh  bei 
Patienten  mit  heftigen  Scbmensen  versnobt  worden.  Jedooh  wMon  die  Injeetionen 
so  schmerzhaft,  das-;  jeder  Patient  vor  Wiederholung  derselben  sich  strJiubte. 
Dabei  gab  es  Anschwellungen,  die  sehr  lange  persistirten  und  PseudoHuctuation 
zeigten;  zu  Abscediruugen  kam  es  nicht.  Ob  es  au  lueineui  Präparat  gelegen? 
Jedenfalls  darf  die  fimpfeblung  Damibms*  mit  Vorsiebt  aafgenommen  werden: 
ich  werde  aber  zweifellos  die  Injeetionen  noebmals  mit  allen  Cauteleu  wiederholen. 

Literatur:  ')  Blittcrsdorf,  Zur  Wirkung  d.  Ichthyola  bei  ianarlicher  An- 
wendung. Thenip  Moiiutsb.  1888,  Juli.  —  ')  H.  W.  Freund,  üeber  die  Anwendung  des 
Icli11)y<ils  in  Fraiienkraiikbeiten.  Berl.  kliii.  W hcnscbr.  1>!IU.  Nr.  11.  —  ■'')  H.  W.  Freund, 
Neuer  Beitrag  zur  Icblbyolbebandlung  bei  Fraueokraukheiteu.  —  *)  v.  Massbanm,  Ueber 
den  laBsren  6«bnine1i  des  Idithyols.  Ther.  Monateli.  Berlhi  1888.  Heft  I.  —  *)  Richard 
Bloeh,  Witilieüunp  til  <  r  di"  1<  nlbehandlung  bei  Frauenkrankh.  Wiener  med.  Woi  hcnschr. 
1800,  Nr.  50  u.  .51.  —  )  Kei  I  luaun  und  Schönauer,  Zur  IchtbyolbehaudUniK  von  Fr;iuen- 
kriinklK  iteu.  Wiener  klin.  Wochenschr,  1^1)0,  Nr.  —  Uana,  üeber  Ichthyoltimisse. 
ilooatsh.  f.  prakt.  Dermatotogie.  XII,  Nr.  2.  —  ^)  Scbwimmer,  Das  Ichthyol  in  seiner 
therapentischen  yerweodnng  bei  einselnen  Haut-  and  anderen  AfflsetioneB.  Wiener  med. 
Wofbensehr.  Nr.  .M^  u.  30.  —  *)  Enrico  Reale,  Das  Ichthyol  in  der  BdiandluDg  iuuerer 

Krankheiten.  Gazetta  dc-Ue  Cliniche.  1892,  III,  Nr.  24.  —  v.  Ho  ff  mann  und  Lansc-, 
Beobachtongen  Aber  das  Ichthyol  nach  dreijähriger  Anwendung.  Therap.  Monutsh.  1-^S9, 
Heft  5.  —  ")  V.  Brnnn  (Lippspringe),  Ueber  Ichthyolbebandlong  des  Eryaipelaa. 
Tberap.  Monat <h.  1889.  Nr.  5.  — '*)Giacomo  di  Lorenzo,  Das  Ichthyol  bei  der  Beband- 
Inng  einigt'r  n.nnkr.inkhcitcn.  Ari  liivio  italiano  di  pediatria  ISiÜ .  Novemlcr.  Heff  VI. 
*^)  Heinrich  Schultz,  Ueber  die  Anwendane  desIchtbyolH  in  der  Gynäkologie.  Ürvosi  ketiUp 
(Ludapest).  1892,  Nr.  26.  —  Miemirowsky  (Moskau),  Ueber  die  Anwendnug  des Idithyols 
Im!  Frnni'iikniiikbeiten.  Internationale  klin.  Randschau.  l'^02,  Nr.:-?  —  ")  Alois  Pick.  Zur 
Patliiilosi«  unil  Therapie  der  Auliiintoxicationen.  AViener  klio.  Wothenst  hr.  18!*:^,  Nr.  4(J.  47. — 
Max  Lange,  Thiol  und  Ichthyol.  Monatsh.  f.  j>rakt.  Dermatologie,  IX,  Nr.  1,  pag.  — 
'*)  Jadassohn,  Uelier  die  Bebaodlang  der  Gonorrhoe  mit  Ichthyol.  Dentsche  med. 
Wocbenscbr.  1892,  Nr.  38  n.  39.  —  '")  Hsnganotti,  Riforma  medica.  1892.  13.  April. 
TT,  .Tahrjr.  VITT.  Nr  8.">.  —  Fessler.  Flin.  cxperiui.  Studien  ülxr  rliir.  IhActionskrank- 
heitcn.  Miim  hi  n  I  >'.'1  -  i  S  c  h  a  r  f  f  -    1  c  1 1  i  ii .    Ein  Beitrag  zur  Behandlung  der  Ent- 

zündungen der  I^rost;ita.  .Acrztl.  Praktiker.  Nr.  Ji  i.  — ")  R e  i  n  h o  1  d  llerrmann,  Uelier 

die  Anwendung  des  Ichlhyuls  in  der  Frauenheilkunde.  Inaugural-Diaaertation,  1892.  —  *'^)  Ä.. 
Schneller  (Tackandandah ,  Victoria),  <>n  Ichthyol  und  its  n.*e  in  medieine  and  surgertf. 
Australa.sian  med.  <;.izet1i-.  ]X,  Nr.  [( u.  \\t.  —  Stocijuart.  />c  rirlitln/ol,  It- 
trnitement  de  la  Dyttptjtniv  et  dts  troublt«  c^jthaliqtiet  et  mi'retmeif  Arcb.  de  mt-iiecine  et 
de  chimrgie  pratiqne  de  Braxeltee.  —  **)  Stoeqvart,  Notntdle»  ohgervation»  concemant 
Varfion  thi'r'i/inttii/itr  <l<'  f Irtif/iiiot.  Journal  d'Acciiuclienn'nt.-;.  1891,  .\t")tit.  —  "-i  Mortran 
Dock rc  11.  T/it'  idliie  nj  Iclithij^l  in  di.sinsi.s  <if  flu  .^hii,.  'S\t\.V\i:ii\  l'rc.^s  and  (.'irciUar.  London 
18£'^,  7.  Dcc.    -  Robert  Bell,    Tht    ti-fitnunt  ot'  chronic   distaMe    uf  tlic  utnine 

adnejea.  Brit.  Grnaecological society.  1891.  —  ^'>i^antamaria  y  Bustamanta,  Kl  Ictiol  «w 
Eftudia  Ctinico  ij  thaapetUieo.  Ifidrid  1892.  —  **)  Radcliffs,  Jehthgol  a  remedjf 


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426 


ICHTHYOL.  —  INDIGOFARBSTOFFE. 


/or  ftmal  Eryi^iinUts.  Therapentic  Oasette.  Philadelphia  18^2,  J6.  Ma*.  —  Grandmont, 
Ichthfot  et  $t(i  pn'jHiration».  Joanial  denMedBe.  10.  Abd4«,  1890, 7.  Dee.  —  *')  Polaeeo, 

L'tttiolo  hl  Cinecoloijiii.  Annali  di  Ostetricia  e  Ginecolojria.  Marzo  1891.  —  ")  Diimien.s, 
De  l'ichthi/ol  en  iitjectiunn  hyj/odcrniKjiKes.  Tb^se  de  Paria  189:^.  Auch  in  besonderer")  Be- 
arbeitusf  nochmals  erschienen.  —  '•')  Latteux,  Rtchtrchet  haetMologiqueti  sur  lea  pro- 
prUth  antiseptiguu  de  l'Jchthiol.  Bolletini  et  m^moires  da  Ja  aociete  <le  nä-decine  pratiqo«. 
15.  April  Georg  Rosenbaam. 

Ileus,  s.  Da  rmatenoae,  pag.  192. 

lUdZB.  In  dem  Sarajewsku  polje,  13  Km.  von  Sarajewo,  der  Hauptstadt 
Bowieos,  liegt  das  altbertthmte  Schwefelbad  Ilidie  mit  der  mfichtigen  Sohwefel- 
therme  gleiehcn  Nameiu.  Diaaelbe  wurde  von  Prof.  Ernst  Lüdwio  analysirt.  Die 
Temperator  des  Tbermalwassors  betrug  51°  C.  Dm  Wasser  ist,  frisch  geschöpft, 
ganz  klar  und  far})1os,  riecht  intensiv  nach  Schwefelwasserstoli'  und  enthält  in 


10.000  GewicbUthcileu: 

Sdkwefelsaures  Kalinm   0*344 

ScLwefetsaures  Natriam   8- 11)1 

Schwefelsaure^  ^^trontium   0*030 

Bursaures  Matriuiu   0*053 

Cblornatrium   0*144 

Chlorcalcium   S'lOO 

rutersehwetlig.saurcs  Calcium   0*019 

Pbosphur8aiirt'8  Calcium   0*013 

Calciumbicarbonat   10*666 

Magneaiumbicarbonat   4*547 

Elsenbicarbonnt   0*077 

Aliiininiiimiixyd   o  012 

Kieselsiiurc   0*485 

Scbwefelwasseratoff   0'0:t9 

Freie  Kohlensäure   4*946 

Lithium,  Mangan,  Ammoniak   Spuren 

Urgani.sche.  Sub:jtanz   0"152 

Summe  der  festen  Bestandtbeile     .    .    .  24-9U0 

Speeifisehes  Gewicht   1*0028 


Das  Thermalwasser  von  llid/.o  ist  deuinaeh  charakteriairt  durch  einen 
betrüi'htlifht  n  (iehalt  an  (Jlauliersalz ,  Clil(iri*ieii,  doppeltkohh-iiaaurem  Kalk  und 
freier  Kohleu'iäure;  von  Schwcfelwasserstoti  und  untersehwetliger  Säure  enthält 
es  nur  wenig.  Es  hat  ^ne  gewisse  Aehnliehiceit  mit  den  Sehwefettiiermalquellen 
von  Baden  bei  Wien.  Ausser  seiner  ergiebigen  Therme  besitzt  Ilidie  noch  eine 
Reihe  wichtiger  BcdingungfMi  für  eiiu'ii  Ciirort .  be>;onders  die  schiinc  Lage,  das 
gün^itige  Kliin.-i,  die  unmittelbare  Nähe  eines  Gebirgöbaehes  und  ein  allen  Anforde- 
rungen entsprechendes  Frinkwagser.  Ein  grosses  Wohnbaus  ermöglicht  die  Unter- 
bringung der  Cnigflste,  im  Restaurationsgebftude  deren  Verpflegung.  Das  alte 
Badebaus  enthält  zwei  grös-sere  Bassins  für  Badende,  das  nach  modernen  Principien 
erbaute  neue  H.'Klehau.s  besitzt  11  Hadeeabineu  mit  H>  l'orzellanb.ndewannen.  Zur 
Erzielung  der  flir  die  liiider  erfurderlicheu  Temperatur  de8  1  hcrmalwassers  wurden 
swei  Ktlblbassins  angelegt  Post-  und  Telegraphenamt,  sowie  der  nahe  gelegene 
Bahnhof  der  von  Sarajewo  nacli  Mostar  führenden  Eisenbahn  ermöglichen  einen 
allen  Anfi>rderuni--rn  i  iitspreeheaden  Verkehr,  so  dass  der  mächtigen  Therme  eine 
Zukunft  nicht  al*/.us|jreehen  ist. 

Literatur:  iichwefelbad  Iliüt«  bei  Sarajewo  in  Bennien.  Von  Prof.  Dr.  Ernst 
Ludwig,  k.  k.  Kofrath.  Wien  1892.  Kisch. 

Impfschutz  gegen  Cholera^  s.  pag.  163. 

IndiCanurlei  s.  Darmstenose,  pag.  192. 

IndigofarbstoflTe,  s.  Harn,  pag.  407. 


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INDUCIRTES  IRBESEIN.  —  INFUSION. 


427 


lndUCirte8  irraseln,  b.  PsyeliUehe  Infeetlon. 

InfUsiOn,  SIlbCUÜUIB  =  Einspritznoir  grOeserar  FlflBngkdfsmeDgen 
onter  die  Haut.  Bei  kleineren  Mengen  wird  meist  der  Ausdruck  „Injection''  vor- 
gezogen. Iiie  PhysioloErie  hat  sich  mit  der  subcutanen  Infusion  acbon  lange  be- 
schäftigt und  die  K  e  s  o  r  p  t  i  on  vom  subcutanen  Gewel)eaus  ohne  weiteres 
sehr  frtih  anerkannt.  FUr  da;)  Verständuies  der  Ernährung  der  eiuzelnen  Theile, 
de«  Stoffireehsels  derselben ,  war  ja  aneh  die  Retorptfon  der  yerbrauehten 
StotTe  aus  den  Geweben  ein  ganz  unerlässliches  Desiderat.  Rei  den  zahl- 
reichen 8iibcutancu  Versuchen,  die  von  Magendiei),  Emmert,  Tiedem.\NN  und 
Gmeux  bereite  1816  und  in  den  uachtolgendeu  Jahren  ausgeführt  wurden, 
handelte  es  sieh  gar  nieht  mehr  uid  die  Bnbentane  Resorption  an  sieh,  aondem 
darum  allein,  welchen  speeiellen  Antheil  die  Venen  einerseits 
nnd  die  I.  y  nn  p  h  ge  f  .t  s  s  e  andererseits  an  der  Resorption  nehmen.  Sie 
seihst  staud  dabei  ausser  aller  Frage.  Immerhin  war  aber  auch  durch  diese  Ver- 
snehe  anf  die  grosse  Sehnelligkeit  der  subeatanen  Rssorption  die  Aufmerksamkeit 
gdenkt  worden.  Kichtsdestoweniger  hat  vor  WOOO  in  Edinbnrg  1854  Nie- 
mand au  eine  t  b  c  r  .n  p  e  u  t  i  ß  c  h  c  Verwertbung  dieser  subcutanen 
Injection  wunderbarer  Weise  gedacht.  WoOD-)  war  wieder  seiuerseitd 
beltanntiieh  durch  die  PuAVAz'sche  Injection  von  Eisenehloridlösuog  in  aneu- 
lysmatisehe  Säeke  auf  den  Oedanken  gebraeht  worden,  mit  einer  ibnlieben 
feinen  Spritze  Injectioncn  vim  Morphium-  und  Opiumlösungen  subcutan  in  der  Nilbe 
der  leidenden  Nerven  voizunchrncn.  Hierbei  war  ursprünglich  mehr  eine  ener- 
gischere Localwirkuug  auf  die  leidenden  Stellen  selbst,  als  eine  kräftige 
Allgeroeinwirkung  beabeiditigt.  Erst  allmillig  im  Laufe  der  Zeit  lernte  man  mehr  und 
melir  die  Unschitdlichkeit  und  Promptheit  dea  Verfahrens  auch  betreffs  der  Allgemein- 
wirkung erkennen ,  man  lernte  die  Vorztige ,  welche  der  subcutane  Weg  selbst 
vor  den  ersten  Wegen  voraus  hatte,  vollständig  schätzen.  Immer  aber  blieb 
man  noeh  bei  kleinen  Sinritxen  und  bei  kleinen  Mengen  stehen.  Es  waren 
wohl  sanlelist  verzweifelte  Fille,  bei  denen  man  zur  künstlichen  Ern.'ihning  aueh 
grr>ssere  Fldssigkeilsmengen  brauchte  und  bti  der  Langwierigkeit  dieser 
Zustände  den  subcutanen  Weg  dem  Blutwege  vorzog.  Bei  voller  Unzugäng- 
Itcbkeit  der  Veriauuugswege,  Strieturen  des  Oesophagus,  auch  bei  liagenkreha,  bei 
Geisteskrankheiten,  bei  hoebgradiger  Ersehftpfnng,  versoehte  man  grossere  oder 
geringere  Mengen  von  defibrinirtcm  Rlute,  von  Blutserum,  von  Milch,  von  Eiweisi- 
und  Zuckerlösungen  u.  dergl.  auf  subcutanem  We^'c  dem  Blute  einzuverleiben, 
doch  ohne  besondere  Erfolge.  Die  uugUustigsten  Kesultate  ergab  das  delibriuirte 
Tbierblut«  naeh  welchem  man,  wie  bri  der  direeten  Bluttransfhsion  dessriben, 
Fieber,  Hämoglobinurie,  Urticaria  beobachtet  hat.  Auch  die  Milch  Hess  sowohl 
unverdflnnt  als  mit  Waaser  vermischt,  betreffs  der  btcalen  Cnschildlichkcit  wie 
der  Sehneiligkeit  der  Resorption  viel  zu  wüuscheu  übrig.  Zuckcrlösungeu ,  fette 
Oele,  aneh  Blntserum,  erwiesen  sieh  wohl  als  leiehter  verwendbar,  immerhin  konnte 
von  einer  subcutanen  Ernährung  auf  diesem  Wege  keine  Rede  sein. 

Nur  die  subcutane  Injection  indiflVrenter  Kuchsalzlosungen  bei  acuter 
Anämie  erwies  sich  erfolgreich.  FUr  die  acute  Anämie  iu  Folge  von  Blutverlosteu 
hatte  Goltz  *)  sehen  lange  (VuoHOw's  Archiv,  Bd.  XXVUI)  den  Standpunkt  vertreten, 
dass  es  in  diesen  Fällen  nieht  in  erster  Reihe  der  Bli^rerlnst  sei,  der  snm  Tode 
führe,  sondern  der  Flüssigkeitsverlust.  Durch  diesen  allein  schon  müsse  die  Cir- 
culati'in  in  I'nordnung  kommen ,  das  Herz  arl)eite  alsdann  wie  ein  Pumpwerk, 
welches  leer  gehe.  Gelänge  es,  den  kleineu  Blutrest  zur  regelmässigen  Bewegung  zu 
bringen,  so  sei  die  dringendste  Gefahr  beseitigt.  Eine  bessere  Fttünng  der  Ge- 
fksse  arhon  allein  mit  inditTer.  :  t  n  l'lüssigkeiten  sei  bei  acuten  Anämien  daher 
schon  Erfolg  versprecbenJ.  Als  iudiüerent  kann  das  destillirte  Was.ser  bekannt- 
lich nicht  angeseheu  werdeu ,  wohl  aber  diluirte  Kochsalzlösungen  von  0  bis 
0*75  pro  Hille.  Diese  lebensrettenden  Koehsalsinfusionen  in's  Blut 


428 


INFUSION. 


sind  bei  Anfiinieu  hJiufip:  jroniacht  worden  und  hatten  den  momentan  zu  er- 
wurteudeu  Erfolg,  wenn  nicht  die  Ucrzaction  bereite  zu  sehr  in  Folge  der  Anämie 
gelitten  liatte. 

In  Fallen  von  acuter  Anfimie  kann  aber  nieht  blos  die  Koobsalzinfusion 

in's  Blut,  sondern  auch  die  subcutane  Infusion  in  Fra^e  kommen,  um^^oniehr,  als 
in  all  diefien  Fällen  keine  Zeit  zu  verlieren  ist,  die  subcutane  Infusion  sich  aber 
«ehr  viel  raacheTf  ab  die  Blotufnrion  herstellen  liest,  der  Entsehlass  dazu  aaeh  viel 
leiehter  gefaest  wird,  weil  die  Operation  ungeAhrlieher  und  unbedeutender  ist.  Wae 

aber  die  Besor^niss  anlangt,  d.iss  die  Resorption  vom  subcutanen  Gewebe  aus  zögern- 
der und  also  weit  langsamer  eintreten  könnte,  alä  die  directe  Biutinfusiou  wirkt,  so 
haben  schon  ältere  MAGBNDifi'ache  Versuche  ergeben,  dase  dies  nach  grösseren 
Blutveriusten,  sebon  naeli  Aderllsseo  dnreham  ni^t  xutriSt.  Bereits  von  ihm  rtthrt 
die  Beobat-htung  her,  dass  ein  Aderlass  dif  Absorption  biMcliItMini^rt ,  .«o  dass 
Phftnomeue,  die  sonst  nur  nach  2  Minuten  eintrctfii,  ji  t/t  nach  einer  li.ilbe  Minute 
erfolgen,  während  umgekehrt  die  Ueberfüiluuj;  der  lilutgefä.stie  mit  Flüssigkeit 
die  Resorption  sebwftcbt.  Die  Resorption  aus  subentanem  Gewebe  war 
also  nach  ^^rossercn  Blut  Verlusten  rtseb  an  erwarten. 

Dass  der  Krankbeit^proeess  der  a  s  i  a  t  i  s  f  h  »•  n  Cholera,  analo^r  wie 
der  nach  Brechdurchfällen,  nur  noch  weit  mehr,  auf  einen  uueräctzbareu  Wa^-ser- 
▼erlöst  ans  dem  Blute  ttnd  was  die  Kreislaufsersebeinnngen  betrifft,  also  anf  eine 
sehr  starke  Blutleere  hinauskommt,  i!>t  völlig  anbestreitbar.  Da  die  Cholerabak- 
terieu  im  I>arnK'anaI  einen  lK'fti;^en  FIxsudationsprocess  bcrvorriifen,  der  /u  !<tarken 
Wasserverl uäten  aus  dem  Blute  fuhrt  und  da  weiter  wegen  Durchfall,  Erbrechen 
nn^  £xsndatiov  in  den  Darmoanal  eine  Neuaufnahme  von  FlOssigkeit  aus  Magen 
und  Darm  gar  nicht  oder  nnr  in  sehr  geringem  Umfang  stattfindet,  ho  mus:^  eine 
starke  Wasserverarmun?  des  Blutes ,  eine  Kintroeknung  desselben  f  iiisju'ssafio 
sniifjin'nis  I  »inau>I)Ieibli(;h  werden.  Dieselbe  ;j:oht  nioist  so  weif,  dass  in  der  Peri- 
pherie ,  in  den  Extremitäten  die  Circulaliou  im  euterisch-asphyctiüehen  Stadium 
eriiseht,  dass  angcsehnittene  Arterien  kein  oder  sehr  wenig  Blnt  mehr  ausfliessen 
lassen.  Die  W  a  sserabn  a  )nn  e  des  Bluter  ist  das  entscheidende  Moment, 
niebt  im  Entferntesten  Erbrechen  und  Durchfall.  Hei  der  sehr  seltenen  (J/iof*'>'a 
sicca  [Güll  AKi)  hat  unter  2U7  Choleral^llen  nicht  ei  neu  Fall  gehabt;  findet  mau 
den  Darm  sebwappend  voll,  die  Lihmnng  der  Hosealaris  des  Darmes  verhindert  doeh 
immer  nur,  dass  im  Leben  Erbrechen  oder  Durehfall eintreten.  .\ueh  ist  die  individuolle 
Toleranz  gegen  Blutverluste,  wie  auch  gegen  Wa.sserverlustc  aus  tli  iii  Blute  eine  .sehr 
verschiedene  und  stets  gering  bei  bereits  schon  vorhandenen  Krankheitszustttnden, 
bei  Caeh«cien,  bei  dOrfiiger  Ernährung  nnd  besonders  bei  Herzleiden.  Kranke  und 
Dürftige  bilden  aber  ihrerseits  ein  starkes  Cboleraeontingent.  Sehr  oft  haben  ab« 
auch  die  Kranken  Rehtoi  Durchfalle  gehabt,  nur  wissen  wir  ihre  Anamnesi-  nieht. 
Dass  am  AntniiL'-e  der  K]»:il('mifn  die  scheinbar  blitzähnlichen  F.illc  so  häutig 
siud ,  rührt  zum  Theil  sicher  davon  her ,  daüs  die  vorangehenden  Diarrhoen  in 
dieser  Zeit  noeh  nieht  im  vollen  Werth  vom  Pnblieum  berOokdchtigt  werden. 
Onnte  mau  zur  Zeit  von  Epidemien  jeden  «scheinbar  blitsähnlichen  Chcterafall 
genau  anamne.stisch  und  pathologisch-anatomiseh  verfolgen,  so  würden  sie  gewaltig 
zusammenschmelzen.  Der  eine  hat  nur  keinen  Werth  auf  seine  Diarrhoe  gelegt,  der 
andere  ist  armselig  nnd  dflrfUg  ernährt  und  daher  ein  leichtes  Opfer  Jeder  Ein- 
busse,  ein  dritter  berzleidend .  ein  vierter  nierenleiilend.  Bs  Ist  eine  bekannte 
Thats.ichr,  da-;s  die  Statistik  der  rtidcsfnlbi  in  ( 'holen.) j.ttircn  ^ar  nicht  in  der  zu 
erwartenden  Höhe  emporgeschnellt  wird,  ein  sicherer  liuwcis  dafür,  mit  welcher  Vor- 
liebe die  Choieni  Todeseandidaten  ergreift.  Ist  es  auffallend,  dass  bei  allen  solohen 
Menschen  die  Herseireulation  schon  früh  versagt?  Nnr  in  wenigen  Ansnahmsfilllen 
stirbt  der  Mensch  bereits  nach  geringen  Wasscrverluslen  aus  dcm  Blute.  Zwingen 
diese  seltenen  Ausnahmen  «'ine  andere  Todi-sursaehe  anzunehmen ,  oder  ist  es 
nicht  wissensehaftlieh  richtiger,  zu  schliesseu ,  dass  hier  aus  (iründen  der  ge- 
gegebenen Constitution  auch  schon  geringere  FlOssigkeitsverlnste  rerbängnissvoli 


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INFUSION. 


429 


werden?  KiudiT  sterben  jn  regelmilssig  an  ihrer  Kinderch<ilera  weit  frtther,  als 
es  bei  ibneD  zu  den  ausgeprägten  Erscheinungen  der  Asphyxie  kommt. 

Neben  dem  starken  Flttssigkeitsrerlust  aus  dem  Blute  selbst  soll  aber 
keineswegt  als  ein  weiteres  die  Gessmmtblateirovlatlon  sehldigendes  Moment  die 
starke  catarrhalische  Hyperämie  der  Sobleimhant  des  GastrointestinaloatMTbs  Aber- 
sehen  werden.  Der  in  der  Cholera  beispielloa  heftigen  Exsudation  mnss  eine 
analog  heftige  entzündliche  Hyperämie  zu  Grunde  liegen  und  diese  iu  einer  Aus- 
debnnng,  wie  de  kdn  anderes  Organ,  als  disaer  lange  Darmseblaneb  anfirawdaen 
hat.  Die  starke  Verlangsamung  der  Blutoircuiation  mit  Randstellaug  der  Lenoo- 
cyten  im  Darme  bildet  noch  ein  weiteres  Moment  zur  Besehriliikunjr  der  Oesammt- 
blutoircuiation.  Auch  an  shockähuliche  Einflüsse,  wie  sie  bei  Üarmatiectionen  häufig 
sind,  konnte  maa  denken. 

AH  diese  Momente  kommen  darauf  hinaus,  dass  die  allgemeine  Blnt- 
circtilation  immer  schwflcher  und  schwächer  worden  muas,  frrösstentheil-*,  weil  das 
Blut  im  Wasser  sein  Menstruum  eingebllsst  hat .  zum  Theil  auch  ,  weil  das  noch 
vorhandene  Blut  in  relativ  sehr  groiiscr  Menge  für  die  ausgedehnte  eutzUndliche 
Darmbyperimie  in  Anspruch  genommen  ist,  endiieh  weil  hier  snm  Wiederersats 
das  lonst  wichtigste  Restaurationsorgan,  der  Darm,  selbst  verssgt. 

In  der  klaren  Erkcnnunpr  dieser  [ndication  ist  man  daher  schon  frtth, 
sobald  die  Cholera  nach  Europa  gekummeu,  auf  den  Gedanken  der  kUnst* 
liehen  Wasseranfnhr  auf  andere  Wege  tibergegangen.  Zanaelut  auf  den 
B I  ti  t  w  e  g.  In  den  verschiedenen  Ländern  hat  man  nahezu  gleichzeitig  und 
unabhflnp-ig  von  einander  diesen  Weg  versucht  i'Latta,  FRORiKr's  Notizen,  Nr.  727; 
ZllJME&MA.NN,  DiEFFEXBACU,  Des  injectiotis  faües  par  les  veincs.  Paris  1855). 

Immer  wieder  ist  der  Blvtweg  aufgegeben  worden.  Gsmnrent  lehrieb 
darüber  1<S5  1  (VlBCBOw's  Handb.  d.  spec.  Path.  u.  Therapie.  22,  pag.  364):  „Auf 
diesem  We;re  krmnen  natdrlich  ohne  häufige  Wiederholunfr  der  keineswegs  un- 
bedenklichen Operation  dem  Blute  auch  nur  ganz  kleine  Wassermengeu  zugeführt 
werden  und  die  erfahrungsmässigen  Erfolge  dieses  Verfahrens  sind  bis  jetzt  so 
flchleeht,  dass  man  in  keiner  Welse  sn  demselben  rathen  kann,  wenngleieh  die 
oft  bedeutende  und  plötzliche  Erleichterung,  die  manche  Kranke  uninittelbar 
nach  der  Operation  vernpüren,  der  frischere  Blick,  die  Hclniiifr  dos  Pulses  zei^'en, 
da9S  der  Weg  kein  falscher  ist  und  wenn  mau  gleich  zugebeu  muss,  dass  die 
ungeheure  Mehrzahl  der  Injeetlonen  bis  jetzt  an  rettungslosen  Blanken  auige* 
ftohrt  worden  ist.**  —  In  dem  1874  erschienenen  ZiEMSSEN'schen  Handbuch,  II, 
pag.  41.')  iLkbert),  Leist  es:  ,, Wasser  in  die  Venen  einzuspritzen  hat  sich  als 
durchschnittlich  letal  erwiesen  und  ist  zu  widerrathen.  Wir  haben  nicht  das 
Recht,  durch  unpassende  Eingriffe  die  Rettungsehaneen  in  mindern,  im  Gegen- 
theil  ist  es  unsere  Pflicht,  uns  derartigen  Methoden  zu  wldcnetMU.'* 

Dieser  V  e  r  u  r  t  h  e  i  l  u  n  g  der  B 1  u  t  i  u  f  u  .s  i  o  n  pr  e  e  n  ül»  e  r  schrieb 
Sami  kl bereit»  1884  in  dem  Aufsatze:  Subcutane  und  iutravenüae  Infusion  als 
Behandlungsmethode  der  Cholera  (Berl.  klinische  Wochenschrift,  Nr.  40) :  „Das 
fehlende  Wasser  durdi  direete  intravenöse  Infusion  sn  ersetsen,  ist  der  niohst- 
liegende  Gedanke.  Gegen  diesen  Plan  läSSt  sich  keineswegs  etwa  der  Einwand 
erhel)en  ,  dass  die  intravenf^se  Infusion  schon  oft  vergebens  gemacht  worden  ist. 
In  derArt,  von  der  Dauer,  die  allein  Erfolg  verspricht,  ist  »ic  thatsüchlich 
noch  nie  gemacht  worden.  Die  Indication  auf  S4 — 36  Stunden  hindnreh,  so  lange 
als  das  Stadium  aipidum  dauert  und  der  Waaserverlust  in  Permanenz  ist,  den 
Htatttindenden  Verlust  xn  er^rtzen  ,  ist  weder  prJleise  gestellt,  noch  weniger  cor- 
rect  auszuführen  versucht  worden.  Eiumal,  zweimal,  auch  viermal  wurde  infundirt, 
aber  bis  sum  Ende  dieses  Stadiums  niemals.  Der  allein  rationelle  intra- 
veniisc  Infnsionsversuch  ist  also  aoeh  nie  gemacht  worden,  würde  durchaus  nett 
sein.  Ist  dieser  Versiieh  nnn  rathsnmV  Alle,  welche  derartige  Versuche  gemacht 
haben,  geben  einmüthig  eino  alsbaldige  erhebliche  Besserung  der  Blutcirculatioui 
eine  hofl'nungserweekende  Aenderung  an.  Während  die  anderen  therapentisehen 


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430 


INFUSION. 


Methoden  völHir  eindnickslos  auf  den  Kranken  blieben,  waren  hier  stet:*  sichtbar« 
Zeichen  der  Üesseruug  vorbandeo.  Mur  hielten  sie  nicht  vur.  Mach  einiger  Zeit 
begann  der  Verfall  wieder,  selbstverstlndlieh,  da  ein  eontinniriiclier  Wasserverlnst 
nnr  daroh  hinfip  bis  >u  Ende  wiederholte,  nicht  aber  dnreb  einige  wenige  Bin- 
spritziin^en  gebf'«eert  werdfMi  kann.  Viele  Experimentatoren  peben  aiioh  :in.  das-^ 
8ie  die  Wiederholung  dieser  Infusion  beabsichtigten ,  aber  durch  die  l'nruhe  des 
Krauken  daran  Torhindert  wurden.  Die  Krämpfe  machten  die  Wipderholnog  un- 
mOglieh.  Hier  haben  wir  die  dne  anf  der  Hand  liegende  Sehwierigkeit ,  welebe 
pcbon  die  Operation  Relb.st  zu  verhindern ,  ihre  nnerlflsslicbe  Wiederlmlnnsr  un- 
möglich zu  marhcn  geeignet  i.st.  Würde  aber  diese  Operation  während  der  flauer 
von  24-  36  Stunden  so  oft  als  nötbig.  also  vielleicht  10 — 15mal  wiederholt 
werden ,  bo  mflrote  aneb  die  Gefabr  vielfaeber  Phlebitis  nnd  wegen  Forttreibnng 
der  Gerinnsel  aueh  die  vielfacher  Embolien  entstehen.  Das  sind  die  Bedenken, 
welche  gegen  den  Blutweg  erhoben  werden  nitl'JHen.  Sie  sind  schwerwiegend  geuu?, 
um  diesen  Weg,  der  durch  die  rasche  und  vullständige  Aufnahme  der  gebotenen 
Flflsaigkeit  an  sieh  einen  nnerkennbaren  Vorzag  bat,  zn  vermeiden.**  —  So 
Bobrieb  ich  1884. 

Seitdem  ist  in  der  Kpideini»'  von  ^^'^'2  sowolil  in  Pari>  nrieb  Havkm's 
Methode ,  als  auch  in  Hamburg  ein  sehr  umfangreicher  Versuch  mit  der  Salz- 
wasserinfusioa  io's  Blut  gemaehi  worden.  Im  gut  geleiteten,  mit  allen  Hilfsmitteln 
versebenen  Cbolerakrankrahanse,  unter  untadelhafter  Antiseptik  nnd  bei  guter 
Assistenz  hat  sieh  auch  ein  Theil  der  obigen  Bedenken  a.\i  hinfällig  erwiesen. 
Die  (iefahr  des  Lut'(i'intritt''S  ist  bei  richtiger  Auswahl  der  Venen  vermeidbar. 
Durch  feine  Gazetiltcr  war  es  möglich,  auch  diu  fciusten  festen  Körperchen,  welche  in 
die  Injeetionsflüssigkrit  geratben  sein  kOnnen,  surllekzohalten  nnd  Geftssverstopfongen 
zu  vermeide.  Anderes  als  kleine  gutartige  Infarcte  sind  aber  auch  nach  vielfaehea 
Blutinfttsionen  nicht  festzustellen  gewesen.  Wülirend  die  Gefahren  geringe  nnd 
l>ei  guter  Technik  leicht  vermeidbare  sind,  ist  die  Wirk.'^aiukcit  eine  ganz  emiueute. 
Besonnene  nnd  bochangesehene  Hamburger  Beobachter,  wie'ScHBDS,  Rumpf*), 
entwarfen  enthusiastische  Beschreibungen.  Die  ra.sche  Wiederherstellung  der  Hlut- 
circulation  mit  all  ihren  Folircn  in  Puls,  Ge-^ichtsauslnick ,  Theilnahme .  Wohl- 
gefttbl ,  ähnle  fast  einer  Wiederauferweckung  der  i'odteu.  Im  ganzen  Bereich  der 
inneren  und  chtrurgisehen  Therapie  gebe  es  niehts  Ueberrasebender«!  nnd  Frap- 
pirenderes;  6— Tmal  sei  mitunter  diese  Infmion  gemaeht  worden.  I^ne  genaue 
Statistik  fehlt  noch.  Aueli  in  den  allersehwersten  Fallen  scheint  der  Reeonvale- 
BOeuzsatz  auf  18  —       ,1  zu  klimmen. 

Das  neue  Stadium,  in  welches  die  alte  Sakwasserinfusiou  iuK  Blut  im 
Jahre  1892  gelangt  ist,  ist  des  Znsammenbangee  wegen  in  dieser  Darstellung  voraus» 
genommen  worden.  Ilistorisch  ist  aber  aueh  die  Wiederaufnahme  der 
i  n  t  r  a  v  e  n  rt  s  e  n  Infusion  erst  a  ti  s  der  D  i  s  c  u  i  o  n  (Iber  die  subcu- 
tane Infusion  und  deren  BegrUudung  hervorgegangen.  Man  braucht 
nnr  irgend  eines  der  maasgebenden  oder  aueh  nur  cnsfimmenfassenden  Werke  Uber 
die  Cholera  vor  dem  Jahre  18U2  in  die  Hand  zu  nehmen  'v.  Zikm.ssb.v,  H.  Aull. 
1886,  Cholera  bearbeitet  von  KosSBAfH;  EnLENBrRc'.-^  lical-Kncyc!..  1.  iin.i  i?  AuH  , 
IV,  pag.  252j,  und  man  Uberzeugt  sieb,  dass  von  der  iutravenöseu  Infusion  ent- 
weder gar  nicht  oder  nur  in  verartheilender  Art  gesprochen  wird.  Erst  naehdem 
durch  die  Debatte  Aber  den  Wasserersatz  des  Blutes  auf  dem  snbentaneti  Weg  die 
UnerlftSSlich  keit  des  Wasse  rcrs  at  zes  scharf  in  den  Vordergrund 
gerückt  worden  ist,  ist  aueh  die  directe  Methode  dc'*  Ersatzes  durch  Infusion  in's 
lilut  aus  ihrem  Sehlummer  wieder  erweckt  worden. 

DiebOTeitas^t  1854  beiuinnten  subcutanen  EinspriUungen  waren 
seitdem  in  allen  Choleraepidemien  und  liberall  zu  den  Zwecken  verwendet  worden. 
f(ir  die  man  ursprünglich  (lberhauj>t  diese  Applieationsmethode  verwendet»',  das 
heisst  also  zur  Anwendung  kleiner  Mengen  von  Narcotica  und  Excitantia.  Die 
Verwendung  derNareotiea  surMilderung  der  äusserst  schmerz- 


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INFUSION. 


431 


haften  W  ad  e  u  k  ril  lu  p  fe  war  eine  selbstverständliche.  lu  der  Epidemie  von 
lÖÖti  wurde  aber  aucb  Uberall  von  den  verschiedensten  Excitantien  ein  umfan^- 
reieh«r  €^braii«1i  gerotebt.  Osbb  hk  Wien  gab  an,  dass  von  60  mit  raboutaner 
Kamplieiinjectioii  behandelten  Kranken  5  genasen.  Draschb'iJ  Venoohe  mit  sub- 
cutaner Itijection  von  Aether,  Moschus  und  Kanipher  fielen  franz  ne»;ativ  aus.  Auch 
schon  zum  WasHerersatz  des  Hlutos  war  die  subcutaue  Salzwasserinfusion 
nicht  blos  von  Cantani  *'}  1665  und  Gcnning  ')  1866  beiläu6g  empfohlen,  sondern 
auch  schon  von  BBtGBL")  nnd  Osbr  in  der  Epidemie  von  1866  wiederholt  ver- 
sucht worden.  Bbigrl  hat  in  einem  bereits  vollständige  asphyctischen  Falle  hypo- 
derraatiscb  an  Waden,  Schenkeln,  Annen  sieben  Unzen  Wasser  iniicirt,  welche 
BCbnell  resarbirt  wurden  ;  die  demnach  ciutreteude  Beäserung  verauliiHSte  denselben, 
noeh  eine  zweite  und  dritte  Injeetion  von  Vf^  und  4  Unzen  zn  maehen,  allein 
der  Kranke  erla?  schliesslich  doch.  Oser  machte  analo^'c  Mittheilungeu.  Sei  es,  dass 
diese  ^lisserfolge  der  ersten  siibciitaücii  \\'a.ss('rinfiisioiH'n  abschreckend  ge- 
wirkt haben,  sei  es  dasä  die  Behandlungsmethode  zu  schwach  motivirt  erschien,  gewiss 
ist,  dass  diese  Methode,  kanm  anfgetaueht,  alsbald  wieder  vollständig  aus 
der  Literatur,  aus  der  Discussion,  aus  der  Pra.xis  verschwand. 
Es  ist  eine  lii-^torisclie  Thfit^aclie .  die  für  sich  selbst  spricht.  Vmii  1>^6G  — 1883 
haben  xahlreiehe  Choleraepideniien  in  Europa  und  Amerika  stattgefunden ,  1867 
bereits  schon  in  Italien,  Russland,  Oesterreich,  Preussen.  1870  begann  eine  neue 
Pandemie,  die  von  Rossland  aus  fast  dureh  gaos  ESuropa  und  dnreh  Nordamerika 
zog  und  erst  187.')  erlosch.  Trotz  der  tausendfach  gebotenen  Gelegenheit  —  weit 
über  eine  halbe  Million  betrugen  die  Opfer  dieser  Epidemien  —  wurde  die  subcu- 
taue Wasserinfusion  weder  gemacht,  noch  auch  nur  nachdrücklich  wieder  empfohlen 
und  debattirt.  Die  Literatur  kennt  sie  nidil  Wo  waren  denn  in  dieser  ganzen 
Zeit  die  Befürworter  und  Vertheidiger  der  subcutanen  Wasserinfusion  ?  Hit  welchen 
Gründen  und  mit  welchem  Eifer  verfochten  sie  den  einmal  von  ihnen  gemachten 
Vorschlag?  Prof.  Cantami  schreibt  j^itzt  pag.  2  seiner  Schrift:  Die  Ergebnisse 
der  Gbolerabehandlung  mittelst  Hypodermoelyse  und  Enteroelyse  während  der 
Epidemie  von  1884  in  Italien  (Leipzig  1886) :  „Es  lässt  sich  begreifen,  dass  man 
in  d  n  Jabren  l9^i^'^  und  l  "^'?;!,  wo  ich  die  Methole  in  eini^'en  Familien  vorselilnj;:. 
aber  in  Folge  des  hartuilckigen  Widerstandes  der  behandelnden  Aerzte  davon 
abstand,  dass  man,  sage  ich,  Gefahr  lief,  bei  irgend  einem  gcfUliigen  Staatsanwalt 
wegen  fahrlässiger  Tödtnng  denueirt  zu  werden,  wenn  man  das  UnglOek  gehabt 
hätte,  die  ersten  Kranken  zu  verlieren  oder  wenn  die  neue,  von  den  therapeuti- 
schen Gebräuehen  so  abweichende  .Methode,  dem  theoretischen  Haisonnement  zum 
Trotz,  durch  Zulall  sich  wirklich  als  nachtheilig  in  der  i'ra.\iä  bewährt  hätte. 
Oesehieht  es  doeh  zweifellos,  dass  dne  noeh  so  streng  dnrchdaehte  Theorie  bis- 
weilen in  der  Praxis  daran  scheitert,  dass  irgend  ein  Umstand,  der  auf  den  Er- 
folg von  Kinfliiss  ist,  nicht  zu  unserer  Kenntnis-;  irelanirt."  —  Zweifellos,  aber 
eben  so  zweifellos  ist,  dass  mau  mit  solchen  Bedenken  keine  neue  Therapie  ein- 
fuhrt, nicht  den  Widerstand  der  Welt  besiegt. 

Als  1888  S.AMUEL  die  Schrift:  „Die  subcutane  Infusion  als  Behandlungs- 
methode der  Cholera"  publicirte,  wirkte  diese  Schrift  als  ein  Xovum.  Als  ein  Novnni, 
weil  die  schwachen  Anregungen,  die  vor  fast  zwei  Jahrzehnten  1865,  1866,  gegeben 
worden  waren,  gar  keine  Beachtung  gefunden  hatten.  Niemand  wusste  von  ihnen. 
Niemand  vertbeidigte  sie,  die  eigenen  Urheber  hatten  sie  auQp^ben.  Als  ein  Novum 
wirkte  aber  auch  die  Schrift,  weil  sie  ausführlich  nachwies,  dass  im  Wiederersatz 
des  verloren  gegangenen  RliitwasHcrs  ein  physiologisches  Postulat  zu  ert'üllen  ist 
und  dass  es  bei  geeigneter  Auwendung  der  subcutanen  Infusion  wohl  möglich  ist, 
diesem  Postulat  in  ganz  gefahrloser  Form  zu  genttgeti.  Dass  eine  snbeutane  Infti- 
ston  zwei-  bis  dreimal  wiederholt  ebenso  wenig  l^fVn  t  wie  eine  gleichartige  intra- 
venflse  Infusion  bei  der  Fortdauer  der  Darmausseheidungen  haben  kf'tnne ,  liegre 
auf  der  Hand.  Anders  aber,  wenn  die  Wasserzufubr  zum  Blute  andauert.  Aucb 
ein  Danaldenfiue  bleibe  voll,  wenn  sdn  Wasserverlnst  nur  immer  ersetzt  wird. 


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432  INFUSION. 

Lösbar  aber  bleibt  die  Aufgabe  doch  immerhin,  weil  nur  3  6 — 4  8  Stunden 
hiudurob  die  heftigen  Ausscheidungen  in  den  Darm  anhalten, 
nur  so  lange  das  enterisoh  asphycdsehe  Stedimn  daaert.  8o  lange  ist  keine  intn- 
venöse  Infusion  mögUcb,  wohl  aber  eine  eontinuirliche  subcutane  Infnsien.  Ob  aber 
das  ünterhautbindegewebe  in  der  Cholera  rcsorbirt?  Im  Anfanjre  gewiss  überall. 
Werden  doch  alle  freien  Wasstrsuctiten  rasch  aufgesogen,  schwinden  sie  doch 
gänzlich  w&hrend  des  Anfalls,  im  späteren  aspbyctischen  Stadium  liegt  die  Blut- 
eireolntion  in  der  Peripherie  nller^gs  gans  darnieder.  Dooh  je  näher  dem  Henen, 
desto  länger  dauert  sie  an,  und  bis  zum  letzten  Athemzuge  muss  das  Blut  vom 
Herzen  durch  die  Halsgeftisse  bin  zur  Mcdulla  olilon<fata  fliessen.  Hier  in  der 
^iähe  des  Herzens  haben  wir  also  eine  sichere  Resorptionsstätte.  Dass  eine  solche 
subcutane  Ininsfon,  die  allein  Erfolg  TerspraiA,  die  eontinnirliehe  wlbrend 
des  ganien  asphyctiscben  Stadiums  an  gesicherter  Resorptionsstütte,  noch  nie 
gemacht  worden  war.  bedurfte  keines  Beweises.  Vielen  mochte  der  (Jedanke  kühn 
erscheinen,  Allen  war  er  in  dieser  Form  neu.  Mit  der  subcutanen  Salzwasserinfu- 
sion,  irie  sie  vordem  ganz  uobekllmmert  um  den  Ablauf  des  asphyctisohen  Stadiums 
gedacht  und  gemacht  worden  war,  hatte  dieser  Plan  nur  den  Namen,  nicht  den  In- 
halt gemein.  In  weiten  Kreisen  schlug  dieser  Plan  durch,  Jeder  meldete  sich  jetzt, 
der  etwa  einmal  au  die  subcutane  Infusion  als  an  eine  mögliche  Behandlung  der 
Cholera  gedacht  hatte,  in  weiten  Kreisen  hatte  man  das  Gefühl,  dass  doch  noch 
niebt  alle  Hdgliebkeiten  ersehOpfk  seien,  dass  man  energiseb  und  naehbaltig  ver- 
suchen müsse,  dieser  Vitalindication,  dem  Wasserersatze  des  Blutes,  nachzukommen, 
da  die  Darmkrankheit  doch  nach  kurzer  Zeit  von  selbst  abläuft.  Die  Geister  waren 
wachgerufen,  das  physiologische  Gewissen  geschärft.  Auch  C.\NTAM  liess  nun  beim 
Auftreten  der  Cbolera  in  Neapel  1884  den  Staatsanwalt  Staatsanwalt  sdn  und  nahm 
jetzt  unter  ausdrücklichem  Hinweis  auf  meine  Schrift  die  subcutane  Ittftuion  mit 
Lebhaftigkeit  auf.  Er  nannte  sie  Hypodermoclyse.  Das  Gleiche  thattn  Maracliano 
in  Genua,  Angyan  in  Pest,  Kepplkb  in  Venedig,  Letzterer  am  meisten  meinen  Vor- 
schlägen gemäss.  —  —  Indess  hatte  Koch  in  der  b^hmten  GboleraoonfDrenz  1886 
„den  Symptomeneomplex  des  Choleraanfalb,  den  man  gewöhnlich  als  eine  Folge 
des  Wasserverlustes  und  der  Eindickung  des  Blutes  auffasst.  im  NYcscntlichen  als 
eine  Vergiftung  des  Blutes"  dargesiellt.  Aus  dieser  Ansicht  konnte  sehr  leicht  die 
Gleiehgiltigkcit  der  Wiederberstellung  des  Blutwassers  und  der  Blatmenge  gefolgert 
werden,  eine  Folgerung,  die  ieh  indem  Aufsatse:  „Ueber  die  Choleraintozieation'*, 
Berliner  kltoische  Wochenschrift,  1885,  Nr.  36,  eingebend  bekämpft  habe. 

Es  ist  bekamit.  d;i>H  sowohl  in  der  grossen  Hamburger,  als  auch  in  der 
kleinen  Berliner  Epidemie  des  Jahres  1892  die  subcutanen  Salzwasseriufusioneu 
mit  Erfolg  angewandt  worden  sind.  J.  Hicbabl»),  der  zu  den  frflbzeitigstea 
Kämpfern  für  die  subcutane  Infusion  gehört  (er  gab  unmittelbar  nach  Publication 
meiner  Schrift  an,  das«  er  den  Vorschl.ig  der  subcutanen  Wasserinfu«ion  in  der 
Erwartung,  sie  gelegentlich  auf  ihren  praktischen  Werth  zu  prüfen,  in  einer  bezüg- 
lichen Arbeit  bei  der  Akademie  der  Wissensebaft  in  Berlin  niedergelegt  habe), 
ferner  Lauenstbin,  Kümmel  u.  A.  sprachen  ans,  da.s.s  zwar  die  Erfolge  der  Blutinfn- 
sion  glänzender  und  ra.-jcher  auftreten,  dass  alter  die  der  subcutanen  Infusion, 
wenn  auch  langsamer,  doch  nicht  geringer  und,  wie  es  scheint,  nachhaltiger  seien. 
Sie  behaupten,  mit  dieser  Methode  dasselbe  Resultat  wie  mit  der  Blutinfusion 
erzielt  zu  haben,  unter  Vermeidung  aller  dw  Gefahren,  die  von  der  direeten  Blut- 
infnsion  mehr  oder  minder  unzertrennlich  seien ,  auch  unter  Vermeidung  einer 
plötzlichen  l  eberlastung  de-!  Herzens.  r>azu  sei  die  subcutane  Infnsion  eine  von 
jedem  Arzte  leicht  und  ohue  Jede  Assistenz,  auch  unter  schwierigeu  Verhiiltuitisen 
ausfllhrbare  Operation.  Sie  wirke  nur  nicht  ganz  so  raseh.  in  der  kleinen,  aber 
sehr  gut  beobachteten  Berliner  Epidemie  wurde  von  P.  Guttmaxn  ")  die  physiolo- 
gische Koch.^alzlösung  nur  subcutan  angewandt  mit  meist  gftnstitrcm  Erfolge  für  die 
Wiederberstellung  der  Blutcirculation  auf  einige  Zeit.  Dieser  Beobachter  sieht  diese 
subcutane  Wasser^InfMon  zur  Verminderung  der  Eindieknug  des  Blutes  für  den 


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»FUSION. 


433 


«inzigeo,  seit  1866  in  der  Behtndlang  der  Cbolera  gemaehten  Forlsehritt  an.  Ge- 
rade in  der  snbeutanen  Anwendung  liege  der  Fortschritt.  Denn  die  intravenfiBe 

Infusion  von  1  Liter  sei  schon  laD°re  j^emacht  worden,  doch  sei  sie  we?en  der 
immerhin  nicht  einfachen  Technik  nicht  in  die  alltägliche,  regelmässige  Praxis 
einzuführen.  Darum  war  der  Vorschlag,  die  Kochsalzlösung  unter  die  Haut  zu 
injidren,  adner  Helonn;  naeh  ein  glfieklieher  Gedanke.  Denn  die  Infiuion  selbst 
gri)S3erer  Menden  erfolgt  lüer  aiemUoh  raseh,  besonders  von  swei  SteHen,  eventuell 

unter  Bt'ihilfc  d»'r  MasaaH'o. 

Versuchtiu  wir  uuu,  uns  an  der  Hand  dieser  ErfahniDgen  ein  Urtheil  über 
die  Therapie  des  aspbyetiseben  Cboterastadinms  au  bilden,  so  brarsebc  suntehst 
Einstimmlfkeit  bei  allen  eompetenten  Beobaehtwrn,  dass  in  diesem  Stadiim  nur 
der  WasserfTKatz  dos  Blutes  Überhaupt  noch  eine  sichtbare  Einwirkung  zu  üben 
vernjag.  Alle  anderen  Heilversuche  (^interne  Mittel,  Klystiere,  Bäder)  sind  zunächst 
ntebt  bloB  erfolglos ,  soudern  auch  gflnzlieb  eindmeksloe.  Bs  lisst  sieh  gar  kein 
Effect  von  ihnen  nachweisen.  I itr  Wasserersatz  des  Blutes,  wie  er  auch 
herfrestellt  werde,  fibt ,  wenn  nicht  bereit<  Afronie  da  ist,  einen  bandgreif- 
lieben,  wenn  auch  nicht  immer  dauernden  Effect  aus. 

Auf  beiden  Wegen  der  Wassereinspritzung  waren  grosse  Waase r- 
m engen  nOthig  und  wurden  auch  grosse  Wassermengen  im  Ganzen  gnt  vertragen. 
Gewiss  kommt  ein  Zeitpunkt  in  der  Afrnriic,  in  welchem  das  Herz  zur  Fort- 
bewefjunp  LTi-sserer  Menden  unfShijr  wird,  doch  ist  dieser  Zeitpuukt  schwer  zu 
bestimmen.  Das  subcutaue  Verfahren  wird  als  das  tschonuugsvollere ,  da^  lUut- 
infosionsverfahren  als  das  rasehere  geltm  kennen. 

Die  Temperatur  der  lofusionsflUssii^keit  kann  auf  43*  genommen 
werden  ,  da  Abkdhlnn^r  duch  nur  zn  rasch  stattfindet. 

Die  Zusammensetzung  der  InfusionsHUssigkeit  war  nahezu  Überall  die- 
selbe, man  wiblte  die  sogenannte  physioiogisehe  KocbsalaKfsang,  also  6 — 7  pro  Hille. 
Nur  wenige  fügten  andere  Salze  hinzu,  Cantaxi  z.  B.  Natron  carhonicum  3  Grm. 
auf  1000  Wasser,  unter  Verminderung  des  Kochsalzes  auf  4  (Jrm.  Reizmittel 
wurden  mehrfach  besonders  eingespritzt,  von  Kepplek  wurden  10  Grm.  absoluter 
Alkoboi  der  Injeetionflllssigkeit  hinzugefügt.  Nur  Kbfplbr  gibt  für  seine  allerdings 
geringe  Zahl  von  Fallen  besonders  gute  Erfolge  an. 

Bei  beiden  Methoden  hat  sich  alsbald  wieder  nach  einigen  Stunden  ein 
Nachlass  der  anfänglichen,  sehr  hoffnungsvoll  aussehenden  Besserun<;  eingestellt. 
Ks  wurden  neue  Infusionen  nöthig,  die  auch  nicht  immer  dauerndeu  Erfolg  hatten. 
Der  Grund  der  geringen  Naehbaltigkeit  der  anfangs  so  vielverspreehenden  Besse- 
rung kann  in  ganz  verschiedenen  Ursachen  gesucht  werden.  ZunHchst 
darin,  dass  die  Exsudation  in  den  Darmcanal  ihre  bestimmte  Zeit  lortdauert,  die 
neu  eingespritzte  Flüssigkeit  in  bemessener  Zeit  also  wieder  aus  dem  Blute  aus- 
gesehieden  werden  mws.  8o  lange  das  enterisehe  Stadium  fortdauert,  kann  man 
sich  nicht  im  Geringsten  darttber  wundern,  dass  nach  eiui^en  Stunden  wieder  der 
grösste  Theil  der  Infusionsmen«re  wieder  an"  dem  Hlute  transsiidirt  ist,  es  kann  ja 
gar  nicht  anders  sein,  denu  diese  Infusion  hindert  Ja  nicht  die  neue  Transsudation, 
sondern  ersetzt  nur  den  Verlust,  hält  aber  seine  Erneuerung  nidit  ab.  INeser  Fehler 
roüsste  durch  eine  mfiglicbst  continuirliche  Infusion  gebessert  werden.  Auch  ein  Da* 
naidenfass  bleibt  voll,  wenn  der  Zu^^atz  dem  Abjjantr  entspricht  und  es  kann  keine 
unU'sbare  Aufgabe  sein,  durch  Zufuhr,  sei  es  auch  von  mehreren  Stelleu  aus  den  con- 
tinuirlicben  Abgang  zu  ersetzen.  Dieser  Aufgabe  soll  der  von  Samuel  angegebene 
Apparat  zur  continuirliehen  Infusion  fKOnigsborg  beim  Instrumenten- 
macher Grunewald)  naehkommen.  Das  Wesentliche  dieses  Apparates  besteht  darin, 
dass  mittelst  Troicar  von  Vornherein  in  der  rechten  und  linken  Infraclaviculargegend 
ein  Einstich  gemacht  und  je  eine  Canuie  subcutan  festgelegt  wird.  Zwei  Gummi- 
sehlSnehe,  die  von  einem  doppelarmigen  Irrigator  stammen,  stehen  mit  diesen 
silbernen  Canfllen  in  Verbindung.  Dadurch  ist  die  Möglichkeit  gegeben ,  dass 
zuniicbst  von  zwei  Stellen  aus  Infusion  und  Resorption  stattfindet,  dass  ferner, 
Eneyoloi».  Jabrbftcber.  III.  28 


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434 


INFUSION. 


sobald  dieselbe  elnseftig  atoekt,  an  dieser  Seite  die  Infusion  gehemmt  wird,  nm 

der  Resorptiou  evcntnell  mit  Hilfe  der  Massage  Raum  zn  geben.  Da  dies  alter- 
nirend  fresclicht'ii  kHnn ,  so  licdarf  (•■;  nur  der  Narlifilllnns:  in  das  Wassernreffl^s, 
um  eine  üontiuuirlicbe  lofusion  wühreod  des  ganzen  enterischen  asphyctischen 
Stadiums,  24 — 86  Stunden  hindurch,  ja  darOber  hinaus  an  enrielen.  Es  wird  erst 
klargeatellt  werden  mOPSen,  wie  viel  dureh  dne  solehe  eontinnirliche  Infnrion 
gepentlbor  einer  nur  immer  wieder  naeh  Hedflrfniss  wiederholten  Infii^i^m  zu  ge- 
winnen ist.  I^ie  ruliit'c  fricichni.'is.'-ifrc  Ernilhrung,  welche  allein  der  '^nntinuirlif he 
Bluttiuäs  gestattet,  kann  durch  einen  permanenten  Wechsel  /.wischen  starker  und 
sehwaeher  Bluteireulatton  nieht  ersetst  werden. 

Von  Vielen  wird  aber  die  geringe  Dauer  der  Wirkung  naeh  der  Salz- 
wasserinfusion  nieht  der  Wiederan8?cbeidnng  des  Wassers ,  sondern  der  Cholera- 
intoxication  zugeschrieben.  Da  die  Wiederausscheiduug  des  W^asscrs  in  den 
Darm  wAbrend  der  Dauer  des  enterisehen  Stadiums  immer  stattfinden  muss,  so 
muss  dieser  Verminderung  der  Blutmasse  sieber  ein  Tlieil  der  Wirkung  zuge- 
schrieben werden.  Davon  ganz  unabhilngig  kann  die  Frage  der  Cholera- 
intoxicatiuu  erörtert  werden,  äie  könnte  ein  neues  weitereü  schädigendes 
Moment  au  der  dnrdi  die  Animie  bedingten  Sehftdigung  hinsufligen.  Versttadigen 
wir  uns  aber  sunflehst  Aber  den  Begriff  Oboleraintoxication.  Eine  solche  kann 
nur  dann  als  erwiesen  angesehen  werden,  wenn  im  Blute  der  Cholerakranken 
wahrend  des  Lebens  und  z  u  Heginn  des  asph  yetisehen  Stadiums  (denn 
das  lyphuid  steht  hier  ausser  aller  Discussion)  ein  Gift  nachweisbar  ist,  welches 
die  Tbfttigkttt  dos  Heraens  an  deprimiren  geeignet  ist.  Am  Blute ,  am  mdgliehst 
fHsehwi  Blute  der  Cholerakranken  ist  der  Beweis  zu  fahren.  Es  ist  nicht  bekannt 
geworden ,  das»  er  neuerdings  nur  zu  führen  versucht  worden  ist.  In  früheren 
Epidemien  sind  aber  vielfach  Einspritzungen  des  Blutes  von  Uholerakrauken  bei 
Thieren  mit  «ranz  negativem  Erfolge  gemacht  worden.  Hau  hstte  nie  mit  solcher 
BL>titiuntlieit  in  der  vorbakteriellen  Zdt  die  Keimhypothese  gegenüber  der  (üftliypo- 
tliese  diT  (  tiolcra  bevorzu^'t,  wenn  ein  Oift  im  Blute  Chn!er;ikrank<T  iiachweisb.Hr 
gewesen  wilte.  Und  Giften  gegenüber  spielt  die  Immunität  der  verschiedenen 
TItierspecies  durchaus  nicht  die  Rolle,  welche  sie  Bakterien  gegenflber  spielt. 
Ein  Gift  wirkt  auf  das  eine  Thier  wohl  stärker,  auf  das  andere  schw.lcher,  aber 
dass  ein  für  den  Menschen  starkes  Gift  für  fast  alle  iintcrsiicbten  Tliierspecie» 
ganz  unschädlich  ist,  dürfte  kaum  nachweisbar  sein.  Alter  auch  tür  den  Menseben 
ist  dies  Cboleraberzgift  ganz  problematisch.  In  U5  %  aller  Cboleraf^Ue  cum  min- 
desten reicht  die  Abnahme  der  Blutmasse,  die  durdi  die  Portdauer  der  Trans« 
sudation  sieb  immer  wiederholt,  zur  Störung  der  llerzaction  aus.  Für  die  re.sti- 
renden  T)**  ^  ist  die  rn8i<'berlieit  der  Anamnese,  die  Decrejtiditilt  der  befallenen 
Individuen,  Complication  mit  llerz-Nicrcnleideu  u.  dcrgl.  in  iietracbt  zu  ziehen. 
Unter  solchen  Umständen  liegt  kdne  Nöthigung  fUr  ein  Heragift  vor.  Gegen  du 
Herzgift  spricht,  dass  dasselbe  nur  ein  Gift  ad  hoc  wftre,  da  gar  keine  sonstigen 
frühzeitigen  Vergiftunfserscheinungen  naebweisliar  sind.  Das  gegen  (Jilte  sonst 
80  empfindliche  Nervensystem  bleibt  im  usphyctischen  ötadium  ganz  autfalleud 
iataet,  wibrend  es  im  Tjrphoid  alslNild  hochgradig  affieirt  wird. 

Bine  Blutvergiftung  im  enterisch  asphyetischen  Stadium  ist  also  bw 
jetat  nieht  erwiesen  .  aber  auch  die  Giftigkeit  der  I ;  e  i  s  w  a  s  s  e  r  s  t  ü  h  1  e 
ist  noch  nicht  erwiesen.  Auch  hierfür  liegt  aus  den  früheren  Kpidemien  ein  weit 
reichhaltigeres  Material  vor ,  als  aus  den  neuesten.  Von  frUh  au  hat  man  die 
Thiere  mit  Reiswasserstllhlen  gefDttert  mit  mnst  negativem  Resultat.  Die  Beob- 
achtung Dr.  Richard's  in  (Joalundo,  auf  welche  sich  W.  Koch  berufen  hat,  der 
Schweine  nach  Fütterung  mit  IJciswasserstiihien  in  15  Minuten  bis  2'  ,  Stunden 
sterben  sah,  ist  ganz  isulirt  geblieben;  Niemand  liat  sie  bestätigt.  Bekannt  und 
noch  viel  wichtiger  ist,  dass  Reiswasserstflhle  wiederholt,  von  Kindern  absiditsloa, 
von  Aerzten  mit  Absicht  ohne  Jeden  Schaden  getrunken  worden  sind.  Gifte 
mttssten  sich  in  irgend  einer  Weise  wirksam  gezeigt  haben,  von  einer  vollen 


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INFUSION. 


435 


Immunitit  den  Cholengiften  gei$«nflber  konnte  doch  bei  Meaieben  hvLw  Rede 

sein.  Die  Giftigkeit  der  Keiswassersttlhle  würde  aber  noch  lange  nieht  die  Giftig:- 
keit  des  Hintes  beweisen ,  denu  es  sind  oft  Gifte  im  Darme ,  die  niebt  in  s  Hliit 
kommeu,  uud  bei  einem  so  intensiven  Exsudationspruces.<e  dient  ja  die  Bxsudation 
gerade  dusii,  nm  das  in  die  Gefdsswinde  des  Darmes  eingedrungene  Oift  wieder 
//ri^r/ monii  za  eüniinlren.  Darin  eben  besteht  tirr  s.ilutäre  Werth  des  Ent- 
2 U  n  d  u  n ps p ro c e 83e  8,  dass  durch  die  Ex-iiidHtiou  die  I  rsaclie  der  Kxsudation 
«nagesebieden,  beseitigt,  für  den  Gesammtorganismus  unschädlich  gemacht  werden 
Icann.  Noeh  viel  weniger  fBr  die  Cbolenüntorieation  beweiskräftig  sind  die  Gifte, 
welehe  bei  Züchtung  der  Kommubacillea  auf  anderem  Nilbrbuden  (ausserhalb  des 
Körpers)  ^'efundcii  worden  sind.  Die  Vergiftunu:  des  Cholerabliites  mus-«  an  der 
(iiftwirkung  des  frischen,  früh  dem  Kranken  entnonimeneu 
Cholerablutes  nachgewiesen  werden.  Dieser  Beweis  allein  ist  entscheidend, 
kein  anderer. 

Die  Skepsis  geirc  n  die  Choleraintoxication  bat  ihre  ^iiteii  Grflndf.  Han- 
delte es  sich  lim  ein  Gilt,  welches  von  den  Cholerabacillcn  im  Darme  ;,a'biUlnt 
wird,  das  Epithel  uiid  die  oberste  Schiebt  der  Darmäcbleimhaul  abtodtet ,  dauu 
resorbirt  wird  nnd  ▼om  Blute  ans  die  CirenlationaorgaDe  lAbmt,  dann  wäre 
Stopfung  der  prSmonitorischen  Diarrhoe  das  Verkehrteste,  was  wir  thun  können. 
Wir  m(!ssen  alsdann  alle  Scblfusen  öffnen  nnd  sie  nicht  scblies^en.  In  allen 
Epidemien,  auch  jetzt,  ist  aber  in  diesem  Stadium  gestopft  worden  mit  allen  mög- 
lieben Stopfmitteln,  Opium  Inelusire,  nnd  mit  ganz  gutem  Erfolge.  Lassen  wir 
uns  nur  durch  höchst  zweifelhafte  theoretische  Bedenken  nicht  den  lUick  für  die 
otfen  daliegenden  rhatsuehen  trfibcn.  So  frllh  als  mi-irlich  bei  Jeder  Cliolera- 
diarrhoe  zu  stopfen,  hat  noch  nie  Jemandem  die  Choleraintoxication  gebracht,  wohl 
aber  hat  das  Gehenlassen  der  Transsudation  snr  Asphyxie  gefflhrt. 

Die  Skepsis  gegen  die  Cboleraintoxieation  kann  aber  auch  den  fast 
momentanen  FTfclcr  der  Wafscrinfnsion  für  sich  geltend  machen.  Wenn  froiz  de? 
vermeintlichen  Blutf^iftes  Wasserinfnsion  immer  wieder  ;^enügt,  um  die  Ülutcircu- 
lation  von  Neuem  in  Gang  zu  bringen,  so  ist  damit  sehr  viel  gegeu  ein 
Heragift  bewiesen.  Es  ist  eine  höchst  kUnstliebe  Interpretation,  an  sagen,  dsss  das 
problematische  Gift  dann  weniger  wirken  muss,  weil  es  diluirter  ist.  Schon  nach 
Ein.spritzun?  von  2 — ,^00  Grra.  Salzwasser  war  die  günstige  Wirkung  zu  be- 
merken, dies  käme  also  auf  eine  Gift  Verdünnung  um  '/«q  heraus.  Es  ist  vielmehr, 
die  Anwesenheit  von  Hersgiften  im  BInte  voran^pesettt ,  gerade  das  umgekehrte 
Verhftltniss  vorauszusetzen.  Durch  den  re^^eren  Blutumlauf  muss  auch  die 
Wirkung  von  Giften,  die  im  Blut  vorlianden  •<iiid  ,  intensiver  werden,  als  bei 
trägem  Blutumlauf,  zumal  die  Se-  und  Excretiouen  durchaus  noch  nicht  sofort 
wieder  hergestellt  sein  kOnnen.  Arndt  aehra  wir  ja  im  Typhoid  trota  der  bogin- 
nenden  Ausscheidung  mit  der  regeren  Blntdreulatton  aueh  sogleidi  die  rege  Gift- 
wirkung Hand  in  Ilnnd  ^elien. 

Sollte  aber  endlich  eine  Choleraiutoxicatiou  nachj^ewieseii  wenlen,  so 
hätte  dieser  Kachweis  für  die  Therapie  noch  gar  keinen  Werth,  bis  mau  auch 
ein  Gegengift  gefunden  hAtte.  Hersexeltantia  allein  sind  ganz  erfolglos,  wie 
schon  oben  constatirt  wurde.  Auch  von  Excitantien  nach  Salzwasserinfusiou  werden, 
von  KKi'i'i.Eii  abgesehen,  keine  auflfflllipen  Einwirknnjren  f,'cmeldet.  Wird  ein 
Gegengitt  gefunden,  so  wird  es  also  geboten  sein,  dasselbe  mit  oder  neben  der  un- 
entbehrlichen Saltwassermenge  auf  dem  subcutanen  oder  Blutwege  anzuwenden. 
Jedenfalls  darf  man  sich  durch  diese  therapeutisch  ganz  unan fassbare  Cholera- 
intoxicationsidee  nidit  an  der  energischen  Verfulfrun;;  der  Rückgabe  des  verloren 
gegangenen  Blutwas.sers  verhindern  lassen.  DiesCboleraintoxication  ist 
eine  blosse  Hypothese;  der  starke  Wasserverlnst  des  Blutes  ist 
eine  Thatsache.  Gegen  das  vermeintliche  Oholeragift  giebt  es 
bis  jetzt  kein  Ge^-engift.  Gegen  den  Wasserverlust  haben  wir 
die  Wassersubstitution. 

5iS* 


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436 


JNVUSION. 


Wie  frflh  der  Waseerereats  ra  beginneD  hat  und  wie  lange  er 

fortdauern  soll,  ist  cootrovers.  Der  Wasserersatz  darf  nicht  als  f  lfimum  refugium 
freiten.  Je  Iftng'er  die  Tn.tpissafio  .sanguinis  mit  ihren  verhäognissvoUeu  Folg'en 
für  den  Kreislauf  und  den  lucaleu  StuÜ'wechüel  andauert,  desto  irreparabler  werden 
die  loealai  Verlnderaiigeii  und  dfe  allgemeinen  Folgen.  Ifan  muM  der  Eintroeknnng 
der  Organe  zuvorkommen.  Dies  ist  bei  der  intravenösen  Infusion ,  die  doch 
immerbin  keine  bedeiitunji^alose  Operation  ist,  schwer,  bei  der  subcutanen  Infusion 
aber  sehr  leicht  zu  bewerkstelligen.  Hier  handelt  es  sich  um  eine  ganz  gefahr- 
lose Manipulation.  Alt  BSreeheinnngen  der  Waeservwannnng  de*  Blates  sind  an* 
zu'iehen:  Unregelmässigkeiten  des  Pulses,  Cyanose,  Wadenkrämpfe,  Stocken  der 
l'riusecretion,  Vox  cholerica.  Je  mehr  diese  S;yiuj)t(mie  lieiiierkbar  werden,  beeile 
man  sich  mit  der  subcutanen  Jufusion.  Im  Zweifelt'alle  gelte  der  Grundsatz :  lieber 
zu  frtth,  als  zu  spAt  Wenn  anoh  nuunehe  Fälle  ohne  Infliefon  an  retten  wlren, 
fur  Sielierlieit  darf  nichts  riskirt  werden.  Man  muss  den  Fortgang  der  KraaUieit 
zur  ausfjepr.lgten  Asphyxie  überhaupt  zu  verhindern  aucheii,  nicht  aber  erst  die  aus- 
geprägte Asphyxie  zn  heilen  versuehen.  Die  Güte  der  Statistik  wird  «allerdings  darunter 
leiden,  aber  die  Ausäicht  auf  Heilung  wird  gewinnen.  —  Mau  unterbreche  aber 
noeh  nieht  die  tnhentane  Influion,  sobald  ein  oder  swel  ürinentle«rmigeii  statt- 
gefunden haben.  Auch  im  Typhoid  ist  die  Blutmenge  noch  nicht  normal.  IIetsb 
bekam  beim  Aderlass  im  Typhoid  aus  drei  Venen  nur  einige  Tropfen  Blut  trotz 
hohen  und  harten  Pulses.  Zur  UnvoUständigkeit  des  Wasserersatzes,  der  ja  jetzt 
wieder  von  den  ersten  Wegen  ans  erfolgen  kOnnte,  trtgt  wesenflieh  —  wie  bei 
anderen  mit  Benommenheit  des  Kopfes  einbergehenden  Krankheiten  —  der  Um- 
stand bei,  da98  die  Durstempfindung  und  Stillung  nicht  mehr  mit  der  Trocken- 
heit des  Gaumeus  gleichen  Schritt  hält.  Der  Typhöse  bemerkt  seinen 
Durst  nioht.  Ist  dies  schon  in  anderen  Bettuhungsfllllen  von  Wichtigkeit,  am  so- 
mehr  hier,  wo  ein  grosser  Wasserverlost  vorangegangen.  Erst  wenn  der  Kranke 
rsgelmässig  trinkt  nnd  urinirt,  ist  von  der  snbentanen  Wasserinfiision  gana 
abzusehen. 

Fur  die  subcutane  Infusion  empfehlen  sich  die  Infraclaviculargegenden 
am  meisten.  Sie  bieten  dn  klares,  deheres  gerAnmiges  Operationsfeld.  Nieht  als 

ob  die  Supraclaviculargegenden  Gefahr  brächten,  wenn  die  subcutane  Infusion 
hier  verständig  gemacht  wird.  Wenn  man  unvorsichtig  mit  Ilebeldruckapparatea 
arbeitet,  muss  man  den  Misserfolg  sich  selbst  zuschreiben.  Aber  bei  der  Wünschens- 
werthen  Continnitit  der  Infiision  mnss  die  Ganflle  fest  Hegen,  ohne  jede  Störung 
wiehtiger  Tbeile.  und  da  ist  die  Infraclaviculai^pegend  der  Supraclavicutargegend 
vorzuziehen.  Auch  wird  man  jetzt  nur  in  den  verzweifelten  F.'llleu  mit  einer 
intravenösen  Infusion  die  Cur  zu  beginnen  geneigt  sein,  so  dass  jedes  Bedürfniss 
für  die  Anwendung  der  Snpradavieolarregion  fortifilllt. 

Die  bisher  mit  dem  Wasserersatz  auf  dem  Blut-  wie  auf  dem  subcntanen 
Wege  erreichten  Resultate  sind  statistisch  noch  keine  frl.'üizeudeD.  Der  Percent- 
satz der  Sterbefilllc  ist  noch  immer  sehr  bedeutend.  Die  fernere  Beobachtung 
am  Krankenbett  wird  zu  ergeben  haben,  ob  nicht  der  Mortalitätasatz  erheblich 
dnken  wird,  wenn  bd  froh  aar  Behandlung  kommenden  Fillen  aueh  ftnh  mit 
der  subcutanen  continuirlichen  Infusion  begonnen  wird,  wenn  hei  asphyctischen 
Fällen  die  Hehandiung  vielleicht  ziinüchst,  wenn  angänglich  mit  intravenöser  In- 
fusion, begonnen  und  mit  subcutaner  cuntinuirlicher  Infusion  fortgedutzt  ward. 
Den  wirkungsvollen  W^,  der  geftinden  ist,  mflssen  wir  mehr  und  mehr  an  ver- 
bessern suchen.  Unter  Boibehaltnng  des  Weges  und  unter  Erfüllung  der  dringe 
liebsten  Indication,  de-t  W.ts^^erersatzes  wird  aber  anoh  an  die  Verbesserung  der 
InfusionsäUssigkeit  zu  denken  sein. 

Immerhin  werden  wir  unsere  Hoffnungen  nieht  zu  hoeh  spannen  dflrfen. 
Es  bandelt  deh  um  kein  Specifieum,  sondern  um  die  Audidlnng  eines  conseon- 
tiveu  Sch.'idens.  tun  den  Wiederersitz  des  Wa^srrverliHte-;.  Wie  bei  Kpidemien 
oft,  werden  wir  zu  spät  zum  Kranken  gerufen ,  in  anderen  Fällen  verläuft  die 


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INFÜSION.  —  IBIDBOTOMIE. 


437 


Krankheit  »ehr  ra»ch ,  in  nicht  wenigen  ht  die  Widerstandsfähigkeit  der  Be- 
fallenen eine  zu  gerinj^e.  Wie  viel  aber  oder  wie  wenig  zu  erreichen,  die  V'italindi- 
eation  mnit  immer  erAllt  werden,  hier  wie  bei  den  Blutungen. 

Literatur:  ' )  M  a g e  n  »!  i .  ,  I'rA  is  de  Phijsiol.  II,  pag.  -^03.  Meckel's  A  rch.  181fi, 
II,  pag.  253.  —  *)  Wood,  Edinbargh  med.  and  surf,  joamal.  185Ö.  LXl^XU,  pag.  265.  — 
*)  Golts,  Tirdi.  Arch.  XXVDI.  — *>8anii«l,  Di«  nbeotana  InfkiBioa  ab  BefaaBdlangaiietJioda 

der  Cholfra.  Slultirart  18?;i  Dentsclie  med  Woclienschr.  1883,  Nr.  46.  Subcutane  oder  intra- 
venös« Iniusion  als  Bcbandluii);.snu  tiiodo  der  Cliulera.  Berliner  kliD.  Wochenschr.  1884,  Nr. 
Ueber  die  Choleraintoxication.  Ihid.  J885,  Nr.  36.  Die  Resnltate  der  mbcntanen  Infu.«ilon  als 
Behandlnngsoietliode  der  Cholera.  IXeutach.  med.  Wochenschr.  1887.  Ueber  die  nothwendige 
ContionMt  der  rabeutanen  loflnion  bei  Bobandlnag  derCbotera.  Ibid.  189S,  Kr.  39.  Demon- 
stration eines  Apparates  zur  ( nntinnirlichen  subcutanen  Infusion  bei  Behandlnng  der  Cholera. 
Verein  f.  wis.senschaftl.  Heilkunde  zu  Königsberg,  bitzuug  v.  17.  Oct.  18'JÜ.  Ibid.  101)3.  — - 
Rumpf,  Behaudiuni;  der  Cholera  im  neuen  allgero.  Krankenhau»e  zu  Hamlnug.  Deotsch. 
med.  Woihenschr.  1802.  Nr.  39  et  leq.  —  *)Cantani,  In  d.  ital.  Zusätzen  aar  Ueber- 
aetzung  von  Niemeyer's  Path.  1865.  II  Morgagni.  l>-67,  pag.  36.  Die  ErgebnlMO  der 
Cholerabehandlung  mittelst  Hypodermoc  I\>e  und  F.nti  rot  ly.se  während  der  Epidemie  von  1S84 
in  Italien,  deutsch  von  Frankel,  16äÖ.  Berliner  klin.  Wochenschr.  1892.  Nr.  37.  —  ')(iuu- 
niag,  Nederlandsch Tij-Iscbr  vor  Geaeeakande.  1866.  X.  —  ')  Beigel,  Lancet.  II,  pag.  13. 
Berliner  klin.  Wochenschr.  IPHii,  Nr.  i],  ä7.  28  v.  Zien-ssens  Hardb.  der  Allji. 'Hier ipie 
(E  n  len  bn  rg)  I,  Theil  ;},  pag.  99.  —')  .1.  Michael,  Behandlung  der  Cholnra  mit  sulicutauen 
Infusionen.  Deutsch,  med.  Wo«  hen.'^chr.  1KS3,  Nr.  39.  —  Paul  Guttmann,  Deutsch,  med. 
Wocfaenacbr.  i8i)2,  Nr.  41.  lierlia.  klin.  Wochenschr.  1692,  Nr.  36  n.  37.  —  ")  Heyse  Zur 
CholaratlMrapie.  Ibid.  1892,  Nr.  47.  Samuel. 

Jodcyan,  .h.  C  y  a  n  V  e  r  b  i  n  d  u  n  g  e  n  ,  pag.  177. 
IrideCtOmie,  bei  Cataract,  pag.  123. 


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K. 


Kaiserschnitt,  s.  Becken,  pag.  83  tf.  —  Eklampsie,  pa^r.  2-62. 

Kaliumhypermanganat,  8.  Antidota,  pag.  i8. 

Keining'sches  Verfahren  beiTnebom,  s.  ConjunotivitiB,  pag.  172. 

KetOne.  unter  KetoDe  Twstebt  man  dem  Aceton  analog  Kusammen- 

gesetzte  Verbindungen,  deren  MoIekOl  durch  die  Verankerung  zweier  cinwerthiger 
Alkohfilradical''  (]iir<'li  die  zweiwerthij^e  Carbonyl^nppe  (' ()  irebildet  wird.  Es 
sind  lueiat  llüuhtige ,  arouiatisch  riechende  Flüssigkeiten ,  die  bei  der  Oxydation 
in  der  Regel  zwei  Staren  liefern.  Man  untenebeidet  normale  oder  einfaobe 
K  e  t  o  n  e ,  bei  denen,  wie  beim  Aceton  oder  Dimethylketob,  CIIj.  00 .  OHg, 
zwei  ^Ifichtf  Alkoholrudiealo  ver))uuden  sind  und  fremisrhte  Ketonr,  hei 
denen,  wie  beim  Metbylätbylketon ,  CH3  . CO .  U«,  diese  liadieaie  versciiieJeu 
•ind.  Je  aaebdem  die  Radieale  der  fetten  oder  aromatischen  Reihe  angehören, 
kann  man  auch  fette  und  aromatische  Ketone  untersebeidea,  die  einen  Uebergang 
zu  einander  dadurcli  tii.iclieii,  dass  iu  einzelnen  Verbindun-j'cn,  z.  B.  doraAeeto- 
p  Ii  (■  n  o  n  oder  Metliylplienylketon,  Q,  Hr,  .  CO  .  CH3,  ein  fcttrs  und  l  in  aromatisobes 
Kadioal  durch  CO  verbunden  sind.  Die  Wirkung  säuimtliclicr  Ivetuuo  ist  wesent- 
Ueb  dojenigeii  der  Alkobole  gleicb,  indem  ale  znerat  das  Oebim»,  dann  daa 
Rückenmark  und  hierauf  das  Athemcentrum  lähmen,  wflhrend  sie  die  Ilerzthfttig- 
keit  wenig'  afficiren.  Die  Mehrzahl  der  Ketone  bewirkt  auch  Herabsetzung  des 
Blutdruckes,  doch  fehlt  diese  Action  dcna  Diäthy  1  ketou,  0^  II,, . CO  . U^, 
and  dem  Aethyiphenylketon ,  C„Hg.CO.CsHg.  Diitbylketon  ist  giftiger  als  Di- 
methylketon  und  weniger  giftig  als  Di  pro  py  1  k  e  1 0  n  .  C^Hj  .CO  .CU-  und 
Me  th  y  I  n  u  n  y  1  k  e  t  o  n  ,  CH,  .  CO  .  C,  Iii.,.  Aetliylpbenylketon  wirkt  stärker  liyp- 
notiscb  als  Metbylphenylketon  und  Propylpbenyiketun  ,  C^  H.^ .  CO .  Cj  11; ,  und 
erscheint  in  Gaben  von  0*6  beim  Menaefaen  als  Hypnotienm  branebbar.  Dipheuyl- 
keton,  Cg H5 . CO. Ol  Hg ,  bekannter  nnter  dem  Namen  Benzophenon,  i«t  nn« 
wirksam. 

Literatur:  Pasclikis  und  Olierracyer,  I^harmakolocischi' UntnrsurliunKfin  über 
Ketone  und  ActMoxime.  Sitzungsbtr.  d.  Wiener  Akad.  1892.  Cl,  pag.  jjijy.  —  A  1  l)a n cse  und 
Barabini,  Jiuxiehe/unuacoloifichetuiehelOHi.  Ann.  diCbim.  Vehr.,  Aj^t.  1892,  pag.  124,225. 

Husemann. 

KetOXiinei  Ketozlme  beieaen  dureb  Binirirkung  von  Hydroxylamin  auf 
Ketone  (s.  d.)  dargestellte  Verbindungen,  in  denen  CNc  »H  die  Stelle  von  CO  ein- 
nimmt. So  entstellt  aus  dem  Dimethylketon ,  CII  .CO.CIl  ,  das  Diriiethylketoxim 
oder  Acetuxim,  CHj .  C2sOH  .CHj.  Nach  P^^si.UKi:!  uud  OiiEioiEVER ist  die 
Ketonwirkang  in  den  Ketoximen  erhalten  ,  so  das«  sie  Nareose  und  Blutdruck- 
herabsetzung  bewirken,  die  beim  Di.1thylketoxim,  Co  llj .  (^NOII .  C3  H.^,  au8gepr.ngter 
als  beim  Aeetoxim  und  beim  Metbylnonylketoxim,  CH, .CNOH.CaH,,,  sind.  Das 


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KETOZniB.  —  KINDEBUY8IENB. 


439 


dem  Aoetoplienaii  ent^reebende  Hetbylpbenylketoxim,  (^Hj.GNOH.CHs,  besitst 
nur  geringe  nereotiBche  Wirkung.  Bei  Fröschen  bleiben  au»«°resproehono  Blnt- 
ver.lnilcning'en  ans.  dnL'f'f!;en  bewirkt  Acetnxiin  bei  Kaninchen  durch  Ab>p;iltiin^ 
von  iiydroxylamin  sepiubrauue  Färbung  des  Blutes,  in  dem  jedoch  Mctbämoglobiu 
niebt  eonttant  mit  Sicherheit  festgestellt  werden  kann  and  die  bei  Vergiftungen 
mit  Aldoxinien  (s.  d.j  resnltinmden  Verftndemiigen  der  BlutkOrperdten ,  sowie 
Xriiln-lfif  haemoglobmurüta.  Im  Harae  ist  Aeeton  mit  der  Jodoformreaetion  eteta 
nachweisbar. 

Literatur:  ')  Paschkia  and  Ohermeycr,  Pharmakologische  Untertiuchungea 
über  Kt'tone  und  Acetoxime.  Wiener  Äkad.  Ber.  1^92,  CI,  pag.  :i!)9.  —  -)  S  c  h  ei  d  e  m  ann, 
Ueber  du  Verbaltea  einiger  Hydroxylamiaverbindnagen  im  Thierkörper.  ÜLäoi^sberg  1892. 

Hnsemann. 

Kinderhygiene.  Die  Hygiene  des  Kindes  ist  die  Lehre  von  der 
Erhaltung  und  FördeniDg  der  kOrperliohen,  wie  der  gmstigen  Gesundlieit  des 

Menschen  von  der  Geburt  bia  zu  seinem  Eintritt  in  die  Pubertilt.  Sie  hat  eine 
besondere  Hedentnnf;  de^lialh,  weil  die  Constitution  des  Erwachsenen,  seine  Wider- 
standskraft und  I^istungsfäbigkeit  in  bulium  Masse  davon  abhängt,  ob  während  der 
Kindbeit  die  Pflege  eine  zweckmassige  war  oder  nicht,  weil  femer  der  kindliehe 
Organismus  besonders  zahlreichen  gesundheitlichen  Gefahren  aiugeeetst  ist ,  and 
weil  endlich  fcHt^tclif.  dasg  hygienische  Massnahmen  bei  consequenter  Ausftihrung 
gerade  in  der  Kindheit  von  hervorragend  günstiger  Wirkung  zu  sein  ptiegen. 

Gmndlage  fdr  die  Hygiene  des  Kindes  ist  sunftehst  die  M orbiditAte- 
und  M  o r ta  1  i  t  [i  1 8 s t  H t i  s t  ik ,  Bodann  die  Physiologi  e  des^elbenf  insbesondere 
die  Pbysiolu^Mc  der  Ernährunpr,  der  Athmung,  der  Sinnesorgane, 
des  JServenHystems,  weiterbin  aber  auch  die  Pathologie  des  Ivindes  und 
endlieh  die  allgemeine  Hygiene  in  allen  ihren  Tbeilen.  Die  einzelnen  Gapitel 
aber,  welche  die  Hygiene  des  Kindes  an  erörtern  hat,  sind  die  Ernfthrnng, 
die  IT  a  u  t  p  f  1  e  fre  ,  die  Pflcfre  des  Knochen-  und  M  u  s  k  el  s  y  s  t  e  ni  •', 
die  Hygiene  der  Wohnung,  die  Pflege  der  Sinne,  die  Pflege  der 
geistigen  Gesundheit  (1 — 14). 

Ernfthrung.  (15 — 30)  Die  naturgematse  EmAbrnng  des  Säuglings  ist 
diejenige  an  der  Mutterbrust.  Diese  giebt  ihm  alle  zn  seiner  Entwicklung  nöthigen 

NiihrstotVr  in  hiclit  .-i-^imilirbarer  Form  und  sichert  ihm  dadurch  mehr  als  irgendeine 
andere  Methode  der  Ernährung  (Jedeihen  und  Kräftigung,  sowie  Schutz  vor  Ge- 
fährdung der  Gesundheit.  Die  Statistik  lehrt  auch ,  dass  überall  die  natürlich 
ernihrten  SAnglinge  die  geringste  Hortalltit  seigen,  und  das«  diese  insbesondere 
viel  weniirer,  als  kflnstUeb  ernährte,  von  den  Verdauungskrankbeiten  heimgesueht 
werden.  Deshalb  mnss  die  Ernfthrung  an  der  Mutterbrust  stets  in  erster  Linie 
erstrebt  werden. 

Die  Pranenmileh  ist  gelblieh- weiss,  reagirt  alkaliseh,  hat  ein  sped- 

fiscbes  Gewi«'ht  \on  circa  1030,  etwa  2%  Eiweissstoflfe,  :-i-b^  ^  Fett,  ö'/o  Znek«, 
0-2"  0  Salze  i  If).  In  den  ersten  acht  Tagen  nach  der  Entbindung  enthält  sie  irrö^^ere 
Mengen  Ei  weiss  (3 — 9o/c)  und  Salze  (03  "^q^,  weniger  Fett  (2"57'o>  und  weniger 
Zneker  (^  O^'  o  );  im  weiteren  Verlaufe  der  Laetation  nimmt  der  Eiweissgehalt 
suaiehst  —  bi^  /.um  7.  .Monat  —  ab  und  steigt  dann  ein  wenig  wieder  an,  wfthrend 
der  Fettgebalt  und  Zuckergehalt  stetig  sich  vcrtrrössert,  der  Salzgehalt  stetig  sich 
verringert.  Nach  neuen  rntersuchungen  beherlicrgt  die  Milch  auch  ganz  gesunder 
Frauen  sehr  oft  Bakterien,  insbesondere  pyogenc  Staphylococcen  (Cohn  und 
NBUUANN,  PALI.I8KK  20,  21). 

Die  Milch  der  Frauen  ist  bei  guter  Ernftbrong  derpelben  gehaltreicher, 
namentlich  fettreicher,  als  bei  unzureichender  ErnJthrnnir,  die  .Milch  alter,  an.tmi- 
scher,  chlorotiseher,  auf  s  Neue  schwangerer  Frauen  ärmer  an  allen  Nährstotl'en, 
als  in  der  Norm,  die  Miloh  wahrend  der  Menses  sebr  oft  abnorm  reich  an  Zucker 
(E.Pfeiffer  17).  Verdaut  wird  die  Frauenmilch  zu  etwa  Jt7'„,  der  Zucker 
vollständig,  das  Eiweiss  vollständig  oder  nahezu  voUstftndlg,  das  Fett  zu  etwa 


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440 


KINDBRHTOIENB. 


97*/«,  die  Salze  zu  90"  Sie  geriant  im  Mageu  durch  da.s  Labt ermeat,  jedoch  nur 
iu  sehr  fdnen  FKtekehen  and  verllaat  ihn  in  etwa  1^^  Standen  (22).  Die  Fi  e es 
des  BrustsäuglinK^  ^iixi  eidottergelb ,  von  Salbenconsistenz ,  sehr  schwach  sauer, 
nicht  fötide  riechend,  enthalten  Spuren  von  Eiweis«,  etwa  lO»  ^  der  Trockensub- 
staac  Feit  und  Fettsäuren,  etwa  lO"^,  der  Trockensubstanz  Salze,  keinen  Zucker, 
InsBont  zaUreiche  Spaltpilze,  unter  ihnen  B.  lactu  aerogenes  und  B.  coli  comm., 
tauitk  Spronpilie,  ferner  Oallenfnrbstoff,  GalleniAnren,  Oboleatearin,  Hnein  (Weo- 
SCBEIDBB,  T'kfelmaxn,  EsCHERini  23,  24}. 

Das  erste  Anlegen  des  Silug'lings  soll  schon  am  Ta?e  der  Geburt, 
ja  schon  nach  dem  Erwachen  desselben  aus  dem  ersten  Schlaf  erfolgen.  Der  Magen 
sondert  alsduin  bereits  peptonisirenden  Labdrttsensnft  «b,  «nd  nneserdem  lehrt 
die  Erfahrun»:,  da<!s  die  Neugeborenen  die  initiale  Gewichtsabnahme  viel  ebw 
ausgleichen,  wenn  sie  bereits  am  ersten  Tage  angelegt  werden.  Die  Colostrummilch 
befördert  auch  den  Abgang  des  Mecuuium.  Ist  bei  der  Mutter  noch  gar  keine 
Uihsb  vorbanden,  so  )»gt  man  doeb  an,  nm  den  BlntEnfluss  aar  Mamma  ansu- 
regen,  damit  aber  ihre  Secretion  zu  fördern,  und  reicht  hinterher  kflnstliches  Rahm* 
gemenge  1:  14,  oder  sterilisirte  Kuhmilch  liäWaaser,  dagegen  kein  Zocker- 
waaaer,  keinen  Fenchel-  oder  Camilleuthee. 

In  der  nachfolgenden  Periode  läset  man  den  Stagling  tiiglieb  etira 
eiebenmal,  und  zwar  möglichst  regolrnftssig,  anlegen,  sorgt  auch  dafflr,  dass 
zwischen  einer  Mahlzeit  und  der  andt'rcn  wciii^rstens  2'  , — 2^,  Stunden  liegen. 
Die  Dauer  jeder  einzelnen  Mahlzeit  betrügt  etwa  20  Minuten,  die  Menge  etwa 
des  Körpergewichtes,  die  Tag  es  menge  etwa  desselben. 

DleEntwOhnnng  nimmt  man  am  iweekmässigsten  swisehen  dem  11.  nnd 
13.  Lebensmonat  vor,  und  zwar,  wenn  es  die  Umstände  irgend  zulas>;en,  allmllli  g 
in  etwa  14  Tagen,  da  bei  plötzlicher  Entwöhnung  sehr  leicht  Verdauungs- 
störungen (Diarrhoea  ablactatorum)  sich  einstellen.  Ist  jedoch  schon  im  10.  Lebeos- 
monat  die  Oewiebtssunahme  snbnormal,  so  ist  das  Kind  alsdann  sn  entwöhnen. 
Bleibt  es  früher,  im  6.,  7.,  8.  oder  9.  Monat,  danwnd  im  Gewichte  zurück,  so  muss 
man  für  anderweitiee  natllrliche  Ernährung  Sorge  tragen.  Dringend  geboten  ist 
es ,  die  Entwöhnung ,  wenn  irgend  möglich ,  nicht  in  den  beissen  Monaten  vor- 
sonebmen,  wie  sehen  Sorands  (1)  richtig  hervorhob. 

Während  der  Entwöhuungsperiode  reicht  man  ^terilinrte  Kuhmilch  mit  Zu- 
satz von  etwai  SchltMmsuppe  fs.  unten  i  (uler  künstliches  Rahnifromcnnre  1  :  8  Wasser. 
Tritt  dabei  Durchfall  iu  bedenklichem  Grade  auf,  so  hat  mau  die  Entwöhnung 
vor  der  Hand  aufzugeben,  um  den  Säugling  nicht  in  Gefahr  zu  bringen,  und  darf 
erst  nadi'  Ablauf  mebrer  Woehen  einen  erneuten  Versueh  machen. 

Die  eigene  Mutter  soll  das  Kind  nicht  stillen,  wenn  sie  tuberkulös  oder 
syphilitisch,  wenn  sie  sohwüchlich,  clilorotiscb.  neurastlieniscli  ist,  wenn  sie  auf's 
Neue  schwanger  wird,  wenn  ihre  Milch  q^uulitativ  mangelhaft  oder  in  so  geriuger 
Menge  abgesondert  wird,  dass  das  Kind  mehr  als  die  Hälfte  Beikost  haben  muss, 
wenn  die  Warzen  zu  klein  und  dufdb  gedgnete  Massnahmen  nicht  zu  vergrössern 
sind.  Sie  darf  nicht  weiter  stillen .  wenn  ihr  Kind ,  auch  ohne  dass  man  eine 
maugclhaite  Beächaüeuheit  der  Milch  uaebwei^eu  kauu,  dauernd  in  der  Gewichts- 
annahme surflekbleibt  Der  Wiedereintritt  der  Menses  verbietet  an  sieh  dnrebans 
nicht  das  Weiterstillen,  auch  dann  nicht,  wenn  während  desselben  das  Kind 
unnihii^  i^t.  Stfllt  sieh  aber  heraus,  dass  <'s  auch  naehlier  iinrtiliiir  bleibt,  in  seinem 
Wohlbefinden,  in  seiucr  Gewichtszunahme  leidet,  so  muäs  es  abgeätzt  werden. 

Die  Ernährung  an  der  Ammenbrust  soll  nur  in  Frage  kommen,  wenn 
die  eigene  Mutter  das  Kind  nicht  stillen  kann  oder  darf,  ist  fttr  diesen  Fall 
aber  jeder  anderen  Art  der  Ernährung  vonuriehen.  Bei  der  Wahl  der  Amme 

muss  Folgendes  bcdbaclilct  werden: 

1.  hie  sei  absuiut  gesund,  d.  h.  frei  von  I\rankheiten  uud  Kraukheits- 
anlagen,  namentlieb  fi'ei  von  Tuberkulose,  von  Scropbulose  oder  Residuen  derselben, 
von  Syphilis  und  Residuen  derselben,  frei  auch  von  abertragbaren  Hautkrankheiten. 


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KINDERRTGIENE. 


441 


2.  Sie  sei  weniprHtens  18,  höchstens  32  Jahre  alt,  da  sie  in  diesem  Alter 
die  grösste  Gewähr  für  VorhandeDsein  hinreichender  Mengen  guter  Milch  bietet. 

3.  8i«  Bei  wenigstens  snniliernd  sa  derselben  Zeit  entbondm,  wie  die 
Frau,  deren  Kind  sie  stillen  soll.  (Diese  Forderang  wird  gestellt,  weil  die  Ideh 
im  Verlunfe  der  Lactation  sich  ändert.) 

•k.  Sie  muss  gut  entwickelte  Brüste  und  gute  Brustwarzen  haben;  auch 
s^l  MS  letzteren  bei  TOrrichtigem  Dmeke  die  Milch  in  mebreren  Strahlen  her- 
Torspritsen. 

5.  Sie  nuH'i  ?iite  Milch  in  ausreichender  Mcnore  haben.  Den  Beweis  dafür 
kann  in  erster  Linie  das  eigene  Kind  der  Amme  liefern.  Dasselbe  wird,  wenn  es 
gute  und  reicblicht»  Milch  bekam,  ein  normales  Gewicht  haben,  nicht  blass,  nicht 
welk,  frei  von  Hnntanssehligen  srin  nnd  Floes  der  vorbin  gesehllderten  B«sebnffen> 
heit  entleeren.  Weiterhin  hat  man  die  Milch  der  Amme  nach  den  Regeln  der  Analyse 
auf  Farbe,  speeitisches  Gewicht,  Reaction,  Fett-,  Eiweiss-,  Ziickerirehrilt ,  auf  An- 
wesenheit vuu  Mikroorganismen  zu  prüfen,  wobei  man  daran  festhalten  muss,  dass 
nur  Uisehmileb  mittlere  Werthe  giebt,  nnd  dass  Anwesenheit  von  Stnphyloeoecea 
in  mfissiger  Zahl  kein  Beweis  von  ungeeigneter  Besohaffenheit  int.  Kann  oad  darf 
die  eifrene  Mntter  nicht  stillen,  ist  eine  {jnte  Amme  nicht  zu  haben  oder  muss  aus 
pticuuiäreu  KUcksichtea  von  ihr  abgesehen  werden,  so  hat  man  für  künstliche 
Brnlhrnng  sn  sorgen.  Hlnsiebtlieh  derselben  gelten  folgende  fnndamentale 
Fordernngen : 

1.  Die  kdiistliche  KrnÄbrung  soll  die  für  den  Sanglinp:  nöthigen  Nähr- 
stoffe in  genügender,  doch  auch  nicht  zu  reichlicher  Menge  darbieten. 

2.  Sie  soll  dieselben  möglichst  in  demselben  gegenseitigen  VerhSltoisse, 
wie  gute  Mattermildi,  nnd  in  mSgliehst  ebenso  Imeht  verdanlieher  Form  wie 
diese  enthalten. 

3.  Sie  soll  auch  hinsichtlich  der  Consistenz  der  Mnttermilcb  gleichen. 

4.  Sie  soll,  wie  diese,  eine  Temperatur  von  etwa  38'-'  C.  haben. 

5.  8ie  darf  nieht  neben  den  Nährstoffen  noeb  Snbstanaen  oder  Organismen 
entlialten,  welche  schädlich  wirken  können. 

r>.  Sie  miisg  dem  Säugling  ebenso  langsam  und  ebenso  regelmässig,  wie 
Muttermilch,  zugeführt  werden. 

Bestimmt  nnsnlässig  ist  biemaeh  fBr  den  Säugling 

1.  jede  nicht  flüssige  Kost, 

2.  jede  Kost,  welche  Cellnlose  oder  Amylnm  in  nennenswerther  Menge, 
welche  Zucker  in  zu  reichlicher  Menge,  welche  £iweis9  in  schwer  assimilirbarer 
Form  und  welche  Hilehschmntz  enthält. 

Das  beste  Material  i^r  die  kflnstliehe  Emährnng  ist  unstreitig  die  Thier» 
milch.  Hinsichtlich  ihrer  Reaction,  ihrer  ehemischen  Zusammensetzung  und  Ver- 
daulichkeit steht  nun  die  Stutenmilch  und  nach  ihr  die  ERelinnenmilch 
der  Frauenmilch  am  nächsten.  Doch  können  beide  Milcharteu  für  die  Säuglings- 
emäbmng  bei  uns  kaum  in  Flrage  kommen,  da  sie  in  grosseren  Mengen  niebt 
zn  haben  sind.  Deshalb  muss  die  Kuhmilch  gewählt  werden.  Dieselbe  enthält 
aber  mehr  Eiweiss  '^4°^),  mehr  Salze  O'Go/o),  insbesondere  viel  mehr  Kalk, 
weniger  Zucker  (3*8  "/o,  dagegen  ungefiihr  die  gleiche  Menge  Fett  (3'6'^/o)  wie 
Frsnenmileb.  Von  Belang  ist,  dass  ihr  OsseTn  schwerer  Terdantich  ist,  da  es  dnreb 
den  Magensaft  in  dickeren,  derberen  Flocken  gerinnt,  nnd  dass  sie,  sowie  rie  in 
den  Verkehr  gelangt,  sehr  reich  an  Mikroorganismen,  speciell  an  Ojlbrungs-  und 
l'äulnisserregern  ist,  nicht  selten  sogar  In fectionser reger  (Tuberkelbacillen,  Typhus- 
baeillen,  Milsbrandbadtlen ,  die  Bm^^  der  SkmeUüi»  ofkÜioMf  vielleiebt  aneh 
diejenigen  der  Diphtberitis,  des  Sebarlaehs)  enthält. 

Die  ftlr  die  SJiuglingsern.Ihrung  bestimmte  Kuhmilch  ist  al'^  >  znn.Tehst 
sorgsam  ausziiwählen.  Die  Vorsieht  gebietet,  nur  friselie  Milch  gesunder,  gut 
gefütterter  Kühe  zu  verwenden,  und  zwar  entweder  die  Mischmilch  mehrerer  oder 
nodi  besser  die  Milch  eines  und  desselben  Thieres,  wenn  dasselbe  gleiehmässig 


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44S  .KINDSRBTOIEini. 

and  ratioDell  gegittert  wird.  Zu  verbieten  ist  der  Gebraneb  der  Hiloh  perlsftebtiger, 

milzbrandiger,  maul-  und  klauenseuoliiger ,  wuthkranker  KUhe ,  ferner  die  Milch, 
welche  diirfh  Scharlach-  oder  DiphtberitiBreconvalescenten  gemolken  oder  in  8<'har- 
laoh-  uud  DiphtheritiskraukenziDimera  aufbewahrt  wurde,  zu  verbieten  jede  Milob 
ant  Hiiraem,  in  dmen  Typbn»-  oder  Dipbthttiti»'  oder  SeharhMblUle  vw- 
kamen  ,  zu  verbieten  endlieb  die  blase,  die  rotbi^eflbbte ,  die  aobleimige  (faden- 
ziehende)  Milch. 

Die  Kuhmilch  ist  ferner  für  die  Säuglingsemährung  noeh  in  folgender 
Weise  zu  behandeln :  Um  sie  wenigstenä  auf  24  Stunden  zu  conserviren,  kocbt 
man  sie  auf,  wenn  man  niobt  aebon  jetst  die  ^eieb  zu  bespreebende  Sterilisimag 
bescbafTeu  kann.  Damit  ihr  zu  reicher  Gebatt  an  Eiweiss  und  SaUen  emtthrend  auf 
das  Mass  der  Frauenmilch  jrebracht  werde,  verdünnt  man  sie.  Doch  ist  auch  dahin 
zn  streben,  dass  das  Kind  nach  uud  nach  au  geriugere  Verdünnung  sieh  gewöhnt 
vnd  dabei  die  Er&brnniir  an  bertteksiohtigen.  Naeh  dieeer  ersebeint  es  am  aweek- 
mliogaten,  bei  guter,  gehaltreicher  Milch 

am     1.— 2.     Lebenstage  1  Th.  Milch  mit  3  Th.  Wasser 

n      ^' — i>         1    M      n      ti     2     „  „ 

71     ^*  »  ^     n       n       11      ^      «  w 

„    60.— 180.        „        1    „      „      „    »4    „  „ 

„    l.«0.---)HO.  „  1     „       „        „     V.     »  1, 

vom  260.  lago  unverdünnte  Miloh  zu  reichen. 

Sodanu  muss  zu  der  Kubmilch  Zucker  zugesetzt  werdcu,  und  zwar  auf 
100  Ccm.  etwa  1'26  Grm.,  auf  100  Gem.  Wasser  6  Orm.  Auf  200  Gem.  einer 

Mischung  von  Milch  und  Wasser  zu  gleichen  Theilen  (30. — GO.  Lebenstag)  ist 
also  ein  Quantum  von  r.-iö  (irm.  Zueker  oder  etwa  1'  ,  TheclöfTel  voll  ziizu- 
setzeu.  Erfabrungsgeniiis:^  macht  es  keinen  l  nterschied,  ub  Kohr-  oiler  Milchzucker 
verwendet  wird.  Man  bat  neuerdings  (Soxhlbt  25. 1893)  vorgesehlagen,  die  Kubmileh 
derartig  mit  Milchzuckerlösung  zu  verdfinnen,  dass  ein  Drittel  des  dem  Sftugling 
zukommenden  Fettes  durch  Mik-lizueki-r  er.ietzt  wird,  und  geht  dabei  von  dem 
'Satze  aus,  dass  243  Ib.  Milchzucker  in  Bezug  auf  Fettausatz  100  Th.  äqui- 
valent sind.  Doeb  ist  es  noeh  die  Frage,  ob  dies  fttr  den  Säugling  zulAssig  ist. 
Dagegen  haben  sieh  die  vorhin  erwähnten  .Mi-chuu'^'sverliältuisse  in  praxi  bewahrt. 

Hat  man  die  Milch  verdünnt  und  mit  Zufkcr  versetzt,  so  sterilisirt  mau 
sie.  Dies  geschieht  am  besten  in  Flaschen  ,  welche  innerhalb  eines  Sterilisators 
heissen  Dämpfen  ausgesetzt  werden.  ^Apparate  solcher  Art  sind  z.  B.  derjenige 
SoxHLBT's,  E»€BKBICH*8,  Gllendobf's  ,  ScHHiDT-MÜLBBDi*«.)  Die  Sterilisation 
niaclit  die  Milch  verdaulicher,  nicht  etwa  deshalb,  weil  durch  längere  Einwirkung 
der  Hitze  das  CaseYn  leichter  jK'iitonisirhar  wird  ,  sondern  deslialli  ,  weil  die  von 
lebenden  G<ibrun|.'serrcgcrn  betreite  Milch  im  Darmraual  nicht  mehr  gahrt,  die 
Prodaete  der  Glhrnng  aber  leicht  DigestionsslOrongen  hervOTrufen.  Zar  weiteren 
Verbessemng  der  Verdauliobkelt  der  Kubmileh  kann  man  ihr  vor  der  Sterilisation 
noch  eine  panz  dünne  wflsserige  Abkochung  von  (Jcrsten-  oder  l lafcrniehl,  beson- 
ders vou  KAL*KMANN'ä  Kindcmitbl  zusetzen  ,  uud  zwar  in  dcuisclbeu  Vcrbültniss, 
wie  Walser,  also  vom  HO. — 60.  Lebenstage  100  Gem.  Milch  +  100  Gem.  dfinner 
Mehlabkoehnng.  Mi  se  Peimisehuug  mit  ihrem  geringen  Cebait  an  Amylum  bringt 
keinerlei  Nachtlieil  liir  ileii  SHu<_''ling  mit  sich:  doch  mache  man  sie  nur  dann, 
wenn  die  mit  Wasser  versetzte  Milch  nicht  gut  vertragen  wird. 

Die  Temperatur  der  Kuhmilehnahruog  halte  man  aaeh  während  der 
Darreiehan^  auf  annähernd  39^  G.  I^es  ist  am  besten  dadurch  zu  erzielen,  dass 
man  die  Flasehe  mit  einer  Filz-  oder  Flanellkappc  überzieht. 

Als  Trinkgefäss  verwende  man  keine  rriiiknitpfe  oder  'rrinksehakn, 
weil  das  Kind  langs'im  saugen  fo\l,  verwende  vielmehr  aus  diesem  (iruude  Fluschen 
mit  einem  Sauger.  Dieselben  mflxsen  so  eingerichtet  sein,  dass  sie  Icieht  an  reinigen 
dttd,  nnd  dass  der  Inhalt  nicht  von  s(  Ib^t  beransfliesst ,  sondern  berausgesogen 
werden  mnsa.    Zu  dem  Ende  darf  die  Oettnang  im  Säuger  nieht  zu  gross  sdn. 


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XINDERHT6IENB. 


443 


Der  letztere  hat  am  besten  die  längliob-runde  Furm  der  Brustwarze  und  soll  aas 
m^tlfreiem  Kantsobuk  hergestellt  «ein,  deBhalb  in  Wasser  gebracht  aehwimmen. 
Die  aus  Elfenbein  oder  Knocbenmasse  ticstohonden  Singer  sind  für  den  sarten 

Mund  lies  Siiiiirlinir^  vit-l  zu  hart.  —  Zur  Reinipfung  der  Flasche  bedient  nnan 
sich  mit  V(»rtheil  t iiier  raulicn  liUrote,  leinen  weissen  Sandes  und  reinen  Wassers; 
bei  der  Reinigung  des  Süugers  ist  auob  die  InnenäSohe  desselben  stets  zu  berUck- 
siebtigen,  weil  dort  MIlob  snrflekbleilrt  nnd  in  dieser  sehr  oft  Soorpilse  und  andere 
Bcbidlicbe  Mikro'>rganismen  sieb  ansiedeln. 

Die  Zahl  der  Mahlzeiten  sei  auch  bei  der  Kuhmilohi'rnilhrunfr  etwa 
rieben  in  24  Stunden.  Ebenso  diirtVu  dieselben  nicht  rascher  auf  einander  folgen, 
als  bei  der  natflrlieben  Emlhrnng,  da  die  Kuhmileh  eher  noeh  ein  ,  wenig  lang- 
samer, als  die  Pranenmilch,  den  Magen  verliist. 

Die  Men?re  der  Ivuhmilehnahrunfr  muss  grösser  als  diejenige  bei  der 
nattlrliehen  Ernährung  sein,  weil  die  Kuhmilch  weuigor  gut  (zu  Ud^o)  ausgenutzt 
wird,  als  die  Franenmileb,  müX  sie,  wenigstens  anflUiglidi,  in  starker  Verdflnnnng 
gereicht  wird  und  weil  die  verdfinntc  Kuhmilch  stets  m  wenig  Fett  enthält.  Die 
Erfahrung  lehrt,  dass  die  Kuhniilcliuahrunir  etwa  nm  ein  Drittel  grösser  sein 
muss  als  die  lirustnahrung,  um  das  Kind  zu  sättigen.  Duch  lltsst  sich  eine  be- 
stimmte Norm  hierUb»r  oiebt  angeben,  da  sehr  viel  von  der  iDdividaalitJlt ,  ich 
meine  dem  individuell  versebiedenen  AssimilationsvermOgen  des  Sftnglings,  seinem 
Kftrper  ITC  Wichte  und  der  Qualität  der  Milch  abh.'lngt.  Princip  sei,  auch  dan  kiiiist- 
lich  eriKihrte  Kind  jedeismal  satt  werdi  n  /.n  lassen,  die  Menge  der  Nahrung  nicht 
nach  einem  bestimmten  Schema  zu  verabfolgen. 

Milehconserven.  Mllcbeonserven  kommen  für  die  Sfiuglingsernlhrong 
dann  in  Fra^rc,  wenn  gute,  frische  Kuhmilch  ftlr  dieselbe  nicht  zur  Haud  ist,  so 
naiiiciitlicli  w.thrend  eiier  Seefahrt  «»der  bei  längeren  Eisenbahnreisen.  Von  den 
Milehconserven  sind  zu  nennen  die  iu  Flaschen  sterilisirte  Milch,  die  couüeusirie 
Milch  ohne  Znsats  von  Zqcker,  die  eondensirte  Mileh  mit  Zusats  von  Znoker,  das 
künstliehe  Rahmgemenj^e.  Von  diesen  Präparaten  ist  diu  sterilisirte  .Milch 
.sclb.^tvfT^I.'lndlicli  zu  gestatten,  vorausgesetzt,  dass  die  Sterilisaticm  eine  vtdlsliindiLre, 
die  Milch  nicht,  wie  dien  vorkuuinit ,  verdorben  ist.  Die  eondensirte  Milch 
ohne  Zucker  kann  gleichfalls  erlaubt  werden;  da  sie  etwa  Eiwei.-=8,  ll^/o 

Fett  nnd  1 1*6%  Znekw  enthält,  so  ist  sie  dementsprechend  zu  verdünnen.  Die 
eondensirte  Milcli  mit  Zucker  muss  unter  allen  Fnistanden  für  Säuglinge 
verboten  werden,  da  sie  wegen  ihres  reichen  Zuckergehaltes  (circa  4.')  ,,\  sehr 
leicht  Auiass  zu  Verdauungsstorungeu  und  iu  weiterer  Folge  zu  Kacbitis  gieiit. 
Das  kflnstliebe  Kahmgeroenge,  welchem  aus  Elweiss.  Butterfett,  Kalibydrat, 
Mildizuckcr,  Milchsalzen  hergestellt,  auf  1  Th.  Eiweiss  2  0  Th.  Fett,  4  Th.  Zucker, 
0'2  Th.  Salze  enthält,  eignet  sich  sehr  gut  f'lir  die  ersten  Leben.stage  und  bei 
gesehwUchter  Verdauuug  der  Situglii'ge,  nicht  fUr  tlbrigens  gesunde  Säuglinge. 

Zu  den  Milehconserven  kann  man  aneh  die  VOLTMKR'scbe  nnd  die  L.^hr- 
MANN'sehe  Milch  rcchiieu.  Sie  enthalten  d:is  Eiweiss  der  Kuhmilch  zum  Theil 
pept'  nisirt.  sind  deshalb  verdaulicher  als  gewöhnliebe  Ktthmüch  und  bei  geschwächter 
Verdauuug  der  Säuglinge  zu  enipfehleu. 

Kindermehle  (30. 14. 1 5).  Die  zur  Sflugliogsemährung  verwendeten  Mehle 
sind  entweder  fein  pulverisirteCercalieumehle  oder  fein  pulverisirte  Mischungen 
derselben  mit  Leirun)inosenniohlen  .  ndrr  ebensolebe  Mehle,  in  welchen  aber 
durch  gewisse  Methoden  d»  r  liehandlung  ein  «rrösserer  oder  kleinerer  oder  der 
ganze  Autheil  des  Amyhini  dcxtriuirt,  beziehungsweise  in  Zucker  übergeführt  ist, 
oder  c)  cbensolehe  Bleble  mit  einem  besonderen  Znsats  (von  eondensirter  Mileh, 
von  getrocknet«  m  Eidotter).  Alle  enthalten  zu  wenig  Fett,  su  viele  Kohlehydr.ite, 
die  meisten  einen  erheblichen  Procentsntz  Amylum.  So  finden  wir  in  Nkstlk.s 
Wehl  neben  etwa  lo"  ^  Eiweiss  nur  4  4U"  q  Fett,  dagegen  42  U"^  ,,  lösliehe  und 
34*4%  unl{)sliche  Kohlehydrate.  Kur  in  Rademann's  Mehl  sind  neben  14  3^'o 
Eiweiss  0*45%  Fett,  7Vd^'o  Zuekcr  und  Dextrin,  aber  kein  Amylnm  enthalten. 


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KIMDBRHYOIENE. 


Die  Kindoiuieble  können  nie  und  nimmer  die  Mattermilcb  ersetzen;  ihre  Zusammen- 
setzuDg  ist  eine  vun  dieser  völlig  abweichend«.  Von  Belaug  erscheint  namentlich  ihr 
▼iel  la  geringer  Fettgebalt.  Sie  kOnnen  deshalb  für  kttnstlleb  an  emlbreade  Slugliage 

nur  in  Frage  kommen ,  wenn  diese  die  richtig  zubereitete  Kuhmilch  durchaus 
nicht  vcrtrafren.  Ausserdem  dürfen  die  amylumbaltiffen  Mehle  niemals  in  den  ersten 
10 — 12  Wochen  gereicht  werden,  weil  in  dieser  Periode  die  Menge  des  Speichels 
nnr  gering«  iein  Saeebarißeationsvermögen  ebenfalls  sehwaeb  ist.  Wihrend  des 
2.  und  8.  LebenEquartalea  aber  sollten  sie,  wenn  llberhaupt,  nur  in  geringer 
MenfTO  pe?eben  werden,  da  erst  bei  Befrinn  des  10.  Lcliensmonates  das  Sacfhari- 
ficationsvermögeu  des  Öpeicbels  annähernd  danjenige  des  Speichels  beim  Erwachseueu 
ist.  Werden  sie  in  der  fHlben  Lebensseit  dennoeh  gereiebt,  so  entsteben  leicht 
Verdaaungastörungen  (in  Folge  der  sauren  Gfibrang  des  nicht  verdauten  Amylums) 
und  weiterliin  Kaobitis.  Es  ist  dcsbalb  drinf^end  prerathen.  Kindcrnielile  nicht  vor  dem 
letzten  Quartale  des  ersten  Jahres  uiler  vor  Heginn  de-«  zweiten  Jahres  zu  geben. 

Was  hier  von  den  Kindermehlen  gesagt  ist,  gilt  in  noch  höherem  Grade 
von  dem  Zwiebaeksbrei.  Denn  dieser  entbllt  nieht  Mos  ebenfalls  Amylnm  in 
reichlicher,  Fett  in  geringer  Menge,  sondern  wirkt  auch  durch  seine  Hrticnnsistena 
ungtlnstig  auf  den  Situglingsmagen ,  für  den  wegen  seiner  scbwacben  Musculatur 
und  grossen  Reizbarkeit  das  Flüssige  allein  zuträglich  hi. 

Wie  sehen  gesagt,  sind  die  Kinder  während  der  Entwöhnung  nüt  sterili* 
sirter  Kuhmilch  oder  mit  künstlichem  lUhmgemenge  an  ernfthren.  Ut  die  Ent« 
w('»bnung  durchgeführt,  das  Kind  frei  von  Vcnlainingsstrirungen  geblieben,  so  geht 
mau  allmälig  dazu  Uber,  auch  andere  Nahrungsmittel  zu  reichen.  Dieselben  dürfen 
aber  nnr  flOssig  oder  welehbreiig  und  in  der.  Haaptsaehe  animalisebe  sein.  Dem 
entsprechend  reicht  man  neben  Milch  noch  Milchniehlsuppen ,  Fleischbrühe  mit 
Eigelb,  ganz  weichgekochte  Eier  und  sttcht  auf  dieee  Weise  die  Verdaunngsorgane 
auf  coQsistentere  Kost  vorzubereiten. 

Während  des  zweiten  Lebensjahres  lässt  4ie  grosse  Reizbarkeit  der 
Verdaunngsorgane  wesentlieh  nach;  doch  bleiben  diese  immer  noch  um  Vieles 
reizbarer  als  in  der  spateren  Jugendzeit  und  beim  Erwachsenen.  Auch  das  Gebiss 
vervollständigt  sich  mehr  und  mehr,  Kinder  dieses  Jahres  vertragen  schlecht  jede 
derbcoosistente,  säuerliche,  an  Cellulose  reiche  Kost;  dasselbe  gilt  von  den  amylum- 
und  znekerreiehen  Substansen.  Es  empfiehlt  sieh  deshalb,  ihnen  flflssige,  breiige 
oder  weichconsistente  Kost  zu  verabfolgen,  die  mehr  animalische  als  vegetabilisehe 
Nahrungsmittel  enth.llt.  CJcnu.ssmittel,  wie  Wein  und  Kaffee,  sind  überflüssig ,  ja 
schildlich,  da  sie  Anlass  zu  Nervosität  geben.  —  Die  Kost  für  Kinder  des  2.  Jahres 
wQrde  darnach  bestehen  aus  Itileh,  Mildisuppen,  weichgekochten  Etern,  geschabtem 
Braten,  geschabtem  Schinken,  Cacaoabkocbnng,  Zwieback,  ßiscuits,  Semmel,  Reis 
mit  Milch  gekocht,  Leguminosenabkochung ,  Kartoffelbrei.  Fleischbrühe  mit  Reis, 
Gries  oder  mit  Fjgelb.  Streng  zu  verbieten  sind  Süssigkeiten,  grobes  Brot,  Wein, 
Bier,  Kaffee,  Thee.  Die  Zahl  der  Mahlzeiten  sei  5 — 6  pro  Tag,  die  Temperatur 
der  Kost  dne  lauwarme. 

Während  der  Periode  vom  Beginn  des  dritten  bis  zum  Ab- 
lauf des  sechsten  Lebensjahres  werden  die  Verdauungsorgane  immer 
widerstandsiähiger,  die  Erkrankungen  derselben  viel  weniger  häutig.  Das  Milch- 
gebiss  wird  vollslindig.  Aber  die  Kinder  aueh  dieses  Alters  vertragen  derbcon- 
sistente,  cellulose-,  .tniylnm-  und  zuckerreiche  Kost  noch  nicht  gut.  Der  habituelle 
Genuss  einer  solchen  befiirdert  bei  ilnu-n  ilic  Ent-tehung  von  Scrophulosc.  Genuss- 
roittel  sind  noch  immer  Ubertlü^sig  und  von  Nachtheil.  Die  Kost  für  Kinder  von 
3 — 6  Jahren  soll  hiernach  flüssig,  breiig  oder  weieheonsistent  »ein  und  kann  ans 
folgenden  Nahrungsmitteln  bestehen:  Miirli.  Milc])su])i)en ,  weichgekochten  Eiern, 
Braten,  Fisdi,  Buttfr,  Schmalz,  Roggen  n  jrr  Wci/cutVinhrnt.  Kri^.  Nmlcln,  durch- 
geriebenen Leguniinoseuabkocbungen .  KartollVln  in  ni.i>8igrr  Menge,  Mohrrüben, 
Blumenkohl,  Spargelu,  reifem  Obst,  Cacaoubk(»ehung,  Fleischbrühe  mit  Reis,  Gries 
oder  Eigelb.  —  Die  Zahl  der  Mahlzeiten  sei  fttnf  pro  Tag. 


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KINDERHYGIENE. 


445 


In  der  Zeit  vom  7.  bia  zum  vollendeten  14.  Lebensjahre  kommt  fUe 
Wiiierstandsfilhip^küit  des  Di^eationt^tractus  derjenigen  des  Erwachsenen  nahezu 
gleich.  Wichtig  ist,  dass  bei  Mfidcben  meist  vom  11.,  bei  Knaben  vom  12.  Jahre 
an  die  Gewichtszunahme  eine  stirkwe  wird,  als  sie  vorher  war,  nnd  daas  in  Folge 
dessen  aneh  der  Bedarf  an  Nihrstoffen,  speeiell  an  EiweiaSf  ansteigt  War  der 
Ta^efzuwachs  im  6. — 10.  Jahre  etwa  5  0  Orni. ,  so  bebt  er  sich  im  11.,  rssp. 
12.  auf  7 — 8  Grm.,  im  13.  und  14.  auf  fa.«t  13  Grm.  Aus  der  Mciifrc  des  ans- 
geschiedenen  N  und  C,  sowie  aus  der  Grosse  des  Tagesansatzes  kouiuit  mau  auf 
folgend^  Werths  für  den  tagliehen  Kihrttoffbedarf  (14.35): 

Für  Ojlhrige  Kinder  60  0  Eiweiss,  44  0  Fett,  150  0  Kohlehydrate 

„    12-13    „  „      72  0       „    ,  47  0     „  ,  215  0 

„    14-15    „  „      79-0       „    ,  48  0    „  ,  276  0  „ 

Was  die  Auswahl  der  Nahrungsmittel  betrifft,  so  dflrfen  der  Hauptsaehe 
nach  diejenigen  gereicht  werden,  welche  dem  Erwaohsenen  zuträglich  sind.  Doch 
ist  I  cziiirlich  der  an  Cellulo^e  reichen  Substanzen  noch  immer  Vori^icht  nrithi^' 
und  auch  dabin  zu  streben,  dass  das  animalische  £iweis8  nicht  in  zu  geringer 
.Menge  gereicht  wird,  dass  es,  wo  es  izgvad  srreiehhar  ist,  wenigstens  die  Hälfte 
des  Bedarfes  deekt.  Von  Gennssmitteln  AnA  in  dem  2.  Theile  die9er  Periode 
leichter  Kaffee  und  Thee.  leichtes  Bier  zu  gestatten,  jedes  sebarfe  Gewilrs,  Wein, 
alkoholreiehes  Hier,  Tab.ik  mit  Strenj^e  fernzuhalten. 

Pflege  des  Mundes  und  der  Zähne.  Reinhaltung  des  Mundes  ist 
nir  jedes  Mensehen  Gesundheit  nnerlftsslich,  in  erhöhtem  Masse  flir  diejenige  des 
Kindes.  Bleiben  im  Munde  des  Säuglings  Nahruogsreste  zurück,  so  geben  sie  den 
)»e.sten  Nährboden  fiir  Mikroorgani.smen,  u.  A.  für  den  Soorpilz,  ab.  Da  nun  die 
Mundschleimhaut  in  diesem  frühen  Alter  noch  sehr  zart  ist,  so  wird  sie  leicht 
geschidigt ,  der  Sitz  entzllndlieher  Affeetionen  (Stomatitis)  oder  von  Soorptls- 
Wucherungen.  Diese  wie  jt-ne  kann  man  in  sehr  vielen  Fällen  verhflten  durch 
Keinbaltung:  des  Mundes,  durch  täglich  mehrmals  wiederholtes  Auswn-scheii  des- 
selben mit  einem  sehr  weichen,  sehr  sauberen  I>einenläppchen  und  reinem  Wasser. 
Dasselbe  mnss  aber  iusserst  sorgfältig  ausgeführt  werden,  da  sonst  \m  der 
Vnlnerahilität  der  Schleimhaut  leicht  Verletzungen  entstehen  (Bbdnar's  Aphthen). 
Stren^r  zu  ver'iieti  ii  ist  der  Gebrauch  des  Schnullers  oder  Lutschbeutels,  weil  in 
iiiul  auf  ihm  starke  Wucherungcu  von  Mikruurganismcn  vorkommen  und  durch 
ihn  aus  dicHcm  Grunde  Kraukheits-,  beziehungsweise  Gährungserreger  übertragen 
werden  kOnnen.  —  Auch  iBr  grossere  Kiadsr  ist  Rrnnhaltnug  des  Mundes  dnreh 
regelmässiges  Spülen  desselben  nach  den  Mahlieiten  zu  erstreben.  Sie  dient  ^'leich 
xeitig  zur  Connervirung  der  Zähne.  Letztere  sind  überdies  von  früh  auf 
sweimal  täglich  mit  einem  feuchten  Leinenlappen  oder  mit  einer  horizontal  und 
vertical  geführten  Bflrste  zu  säubern. 

Hautpflege.  Die  Haut  des  Kindes  ist  zumal  in  der  ersten  Lebenszeit 
in  Folge  sehwriclier  entwickelter  Epidermis  zarter,  empfindlicher,  als  diejenijrc  des 
Erwachsenen;  auch  ist  bei  jenem  die  i'erspiratio  imen8ibili>i  relativ  viel  stärker 
als  bei  letzterem,  weil  im  jugendliehen  Alter  di«  Cutis  dnen  grösseren  Blntreieh- 
tbum  bat  (Saubk  31).  Stellt  si^  das  Mass  dw  Rrsp.  w$en$,  beim  Erwachsenen 
auf  täglich  6.')0  Grm.,  so  stellt  es  sich  ':^V) 

beim    0  Monate  alten  Kinde  auf  etwa  2Ü0  Grm. 

n     ^-       n  n         n       n      n   »» 

„     5  Jahre     „        n     n     n      ...    460—800  „ 

„    11     „        „  „     „       ...    öOO    728  „ 

Das  Wä rm  ere  gu  1  i  r  u  n  g  s  v  er  mö g  e  n  i.st  beim  Neujreboreneu  sehr 
wenig  entwickelt.  Seine  vor  dem  ersten  Bade  circa  30*^  (im  Mastdarm^  betragende 
Temperatur  sinkt  nach  denselben  um  fast  1*  nnd  erreicht  allmälig  —  im  Laufe 

der  ersten  24  Stunden  —  wieder  ;^7-5.')",  eine  HOhe,  welche  sie  von  da  an  bis  snr 

Pubertflt  beibeh.'Ut.  Kühle  Luft,  kühle  Bilder,  ungenügende  Bekleidung  erzeugen 
beim  Kinde  der  ersten  Lebenszeit  sehr  leicht  Gesundheitsstörungen ,  insbesondere 


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446 


KINDEBHYGIENE. 


Schnupfen,  Cat«rrhe  der  Admungswege,  können  aber  aucb  zum  Entttehea  von 
Sclerema,  von  Scleroderma,  von  Oedema  eutainiim  Anlas*  peben. 

Zur  Keiaigung  der  Haut  dienen  Uäder  uod  Waac  b  uugeu.  Das 
ertte  Bad  bekommt  das  Kind  gleidi  nach  der  AbnabeliiDg ,  nod  «war  mit  einer 

Tempi  rntnr  von  28*  R.  =  35o  C.  Es  ist  täglich  au  wiederholen  und  hoII  nur 
etwa  3  Minuten  dauern.  Im  Alter  von  6  Monaten  crmili'si^t  man  dii-  ri  inperatiir 
auf  27*>R. ,  im  Alter  von  12  Mouaten  auf  26°  Kinder  des  zweiten  Jahres 
badet  man  am  besten  einen  um  den  anderen  Tag,  noch  filtere  wjj^eotlieh  etn> 
Oller  zweimal  zu  — 34*  R.  Zor  Abhirtnngf  trigt  es  wesentlich  bei,*  wenn 
mau  in  solchem  warmen  Pade  eine  kalte  UebcrgieBSUag  (mit  Waaser  von  18  bis 
20*  K.)  macht.  Doch  ernpliehlt  aich  dieselbe  erst  vom  volli-ndeton  vierten  Jahre  an. 

Neben  den  liäderu  bind  örtliche  Wasch  anj^eu  nicht  zu  entbehren. 
Das  neogeborene  Kind  und  der  Süogling  sollen  besonders  an  allen  den  Stellen 
gewaschen  werden,  an  welchen  Haiitschmiero  oder  andere  rnrcinlichkeiteu  (Fäee^, 
T'rin)  sich  befinden,  so  in  der  Acliselliühle ,  der  Schenkel  und  Knielieuire.  am 
Alter,  an  den  Gchchlechtätheilen,  auf  dem  Kopte.  Auf  letzterem  bildet  «ich  vom 
aweiten  Monate  an  in  der  Gegend  der  grossen  Fontanelle  ein  zni-rftt  gelbliehgrauer, 
schuppiger  Belagr,  der  sogenannte  Orteis,  der  aus  Hauttal;;,  Ivpidermisschüppchen 
nebst  Schniutzpartikelchen  und  zalilreicheu  Mikroparasiteii  lii>t'  lif.  Wenn  man  ihn 
nicht  entlerut,  so  tritt  unter  ihm  sehr  häutig  eine  Eiterung  auf.  ludern  die 
FKissigkeit  sieh  mit  dem  schuppigen  Uelsg  vermischt,  erscheint  tetzlerer  als  eine 
weiche  Borke,  die  nicht  selten  von  weiter  abg«sondertem  Eiter  in  die  Höbe  ge* 
hoben  wird  und  einen  unangenehmen  Geru'rh  verbreiti-t.  Vm  dies  zu  verhdten. 
muss  man  den  Kopf  reg;elujiissii;  und  ireniiirend  reinigen .  alle  -ieli  etwa  neu- 
bildenden Beläge  uach  \orbfcrigem  Aulweiclien  mittelst  lauwarnien  Seilenwassers 
unter  Benutzung  eines  weichen  FIsnelllappens  entfernen. 

Werden  die  an  anderen  Hautpartien  beßndü  li> n  rureinlichkeiten  nicht 
reelit/eiti'T  lieseiti^rt,  so  zersetzen  sie  sich,  können  diin  ii  ilie  Zcrsetzunofsproducte 
die  Epidermis  erweichen  und  damit  zur  Entstehung  von  Intertrigo  (Wuudseinj 
Anlass  geben.  Aneh  können  die  in  den  ünreinigkeiten  vorbandeoen,  beziehungs- 
weise sich  vermehrenden  Mikroben  (Kitereoccen  i  von  den  Oeffnun^ren  der  Haut 
aus  in  diese  eindringen  und  krankmachend  wirken  i  Knrtincnlose .  multiple  Ilaut- 
absee-H-e  der  kleinen  Kinder,  Ej;chekich  32).  Deshalb  sind  die  vorhin  genannten 
Stellen  tllglieh,  der  After  und  die  Gtschlcchtstbeilo  tilglich  wiederbolt  dnreh 
Waschungen  zu  reinigen. 

Mit  grosser  Sorgfalt  muss  der  Xabel  des  Neugebnrenen  gepflegt  werden, 
weil  er  bis  zur  völligen  l'ebernarhnng  eine  sehr  ;;iinstige  Einü'an;i:spforte  für 
patliogene  Mikroben,  speeieU  für  den  M.  ery.sipelatis,  iür  Eilercoceeu,  für  Tetanus- 
badllen  ist.  Wer  die  Pflege  Obemimmt,  muss  zuvor  seine  Hlnde  reinigen  uod 
fmit  l'^„iger  LysollOsung)  desinficiren.  Man  unterbinde  die  Nabelschnur  bei 
lebenskrilCtigen  Kindern  erst  nach  Aufhören  der  l'iilsafii'n  mit  einem  reinen, 
leinenen  Baude  und  nehme  die  Durchscbneidung  mit  einer  desiiifieirten  Scheere 
vor,  wasche  den  Nabelschnurreet  mit  2"  J'^rer  Lysollösung  ab,  biege  ihn  naeh 
links  oben  etwas  um,  htllle  ihn  in  Salicylwatte  ein  und  befestige  <'ie>«e  mit  einer 
Nabelbinde,  erneuere  den  \  erband  tii^'Iieli.  ebne  zu  zerren  nn<!  n  inige.  wenn  der 
Nabelscbnurrest  abgefallen  ist,  die  Wunde  täglich  einmal  mit  2"  „iger  LysollOsung, 
tupfe  mit  Salicylwatte  ab  und  bedecke  sie  mit  einem  BorsalueIilp|>clien.  Naeh  er- 
folgter Uebernarbung  moss  man  die  Nahelbinde  noch  etwa  6  Wochen  beibehalten, 
um  der  Piauchwand  mehr  Halt  zu  geben  und  so  die  Entstehung  eines  Nabel- 
Iwuches  zu  verhüten. 

Die  Kleidung  des  Säuglinge  soll  angemesiien  wiirmen,  nicht  drücken, 
die  Haut  nicht  reizen,  die  Atbmung,  den  Blutkreislauf,  die  Bewegung  der  Glied- 
massen  nicht  hindern  und  darf  niemals  lingerc  Zeit  na<s  und  unsauber  sein.  Am 
besten  verwendet  man  für  sie  nur  Ticinwand  und  Wollstotle.  Für  die  ersten 
Wochen  beistehe  die  Kleidung  aus  eiuem  weichen  leinenen  ,   bi»  auf  die  Seham- 


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KINDERHTOIEKE. 


447 


gegeod  reichenden  Hemde,  dner  draeckigen  leinenen  Windd  fOr  Lenden,  6e> 

8chtechtsthoiIo,  Ohcrsclienkel,  einer  vierecki^u  flaaellenen  Windel  fflr  den  Rumpf 
und  die  Herne,  «ineni  W<illj:ukcbeii  mit  Aornieln  und  einem  leinenen  Häubchen 
(letztere«  kann  entbehrt  werden,  so  lange  das  Kindcbeu  im  Zimmer  bleibt).  Einer 
Wiekdlflclinnr  bedarf  es  nieht  Die  Befestigung  der  KludnngMtfleke  soll  mit 
Bflndern,  Kuust  mit  KuOpfen  und  Sich«  rlieitsnadeln,  jedenfalls  nicht  mit  gewöhn* 
liehen  Stecknadeln  erfolgen.  Gegen  das  Ende  des  ersten  Qiiartales  verlängert 
man  das  ilemdchen  biü  auf  die  Mitte  des  Oberschenkels,  zieht  dem  Kinde  Strumpfe 
not  weieher  Wolle,  Aber  die  Strümpfe  aber  Sebobe,  die  ebenfalls  ans  Wolle  ge- 
strickt sind ,  legt  über  das  Hemd  eine  Flanelljacke ,  befestigt  an  diesem  einen 
langen  Unterrock,  zieht  (l^cr  .lacke  und  Rock  einen  lanjjcn  Lcilinx'k  und  legt 
um  die  Lenden,  Oberfpbeuktl  und  (icsclilechtstheile  die  schon  erwähnte  dreieckige, 
leinene  Windel.  Mit  dem  Ende  des  ersten  Jahres  kUrzt  man  den  Unterrock,  sowie 
den  Leibroek  und  siebt  dem  nnumebr  OebTorsnehe  maebenden  Kinde  Schübe  von 
weichem  Lc  der,  statt  der  dreieckigen  Windel  ein  Höschen  au<  weichem  Leinen  an. 
Ftlr  die  KIcidun;?  der  Kinder  vom  vierten  Lebensjahre  an  gelten  im  Wcseutlicheu 
die  Grundsätze  wie  für  Erwachsene.  Grosse  Aufmerksamkeit  ist  vor  Allem  dem 
Sebnbwerk  suzu wenden,  wtA\  beim  Kinde  der  Fnss  uoeh  sarter,  nachgiebiger 
ist,  in  fi»rtw.1hrend(>r ,  durch  das  Waehsthnm  bewirkter  Fnrmüuderung  sich  be- 
findet, und  weil  die  Misggestaltung  der  Füsse.  die  in  der  Jufrcnd  durch  schlechte 
Bekleidung  hervorgerufen  wird,  in  der  Regel  unabänderlich  ist.  Ferner  muss  bei 
jungen  Midclicn  dabin  gestrebt  werden,  dass  na  niebt  sehon  dnOorset  tragen. 
Gerade  um  die  Zeit,  wo  sie  es  zuerst  anzulegen  pflegen,  nm  das  — 13.  Jahr, 
vermag  es  ihre  Kittwieklung  in  hohem  (»rade  zu  stören.  Die  Brustpcriphcrie  be- 
ginnt ja  in  jener  Periode  sehr  stark  zu  waehiJen ;  der  Thorax  verträgt  also  eine 
Einzwänguug  dann  um  wenigsten.  Das  Corset  drückt  aber  auch  auf  Unterleibs- 
oigane,  stfirt  deren  normale  Entwicklung  und  stfirt  die  CSrenlation;  beides  kann 
fttr  die  fraglielie  Zeit  der  lierani aheuden  Tubertüt  ^ehr  vorbftngnissvoU  werden. 
An  Stelle  de^^  C<»r>cts  sdll  das  Leibchen  treten,  mindesten!*  durch  die  L'anze  Kind- 
heit hindurch ;  dasselbe  werde  aus  Itaumwolle  gestrickt  n>it  senkrecht  laufenden 
Tonreu,  ist  dann  elastiseb,  verleibt  Halt,  stört  nicht  die  Perspiration,  noeb  Atb- 
mung,  und  ist  >ehr  geeignet  zur  I>cfe.sti;:ung  von  Beinkleid  und  Röcken. 

Auch  auf  riehtifre  K  n  p  fl)L'd  ec  k  uu  g  ist  tu  achten.  Diesclhe  soll 
Kälte  und  ^iässe,  Sonncobtrahleu  und  helles  Licht  fernhalten,  nicht  zu  heiss  sein, 
nicbt  drOcken,  den  Kopf  niebt  bermctiseb  absebliessen.  —  Ebenso  darf  die  Hals- 
bedeck ung  nicbt  die  Gefitose  drfloken,  besonders  dann  nicht,  wenn  der  Kopf 
(beim  Schreiben  u.  s.  w.)  gebeugt  wird,  darf  ausserdem  niebt  zu  warm  sdn, 
damit  keine  Verwöhnung  stattfindet. 

Endlieh  sei  noch  einmal  betont,  dass  die  Haut  der  Kinder  zarter, 
empfindlieber  ist,  als  di^enige  der  Erwachsenen,  auf  au  starke  AbkQhlnng  un- 
günstiger reagirt,  und  dass  deshalb  die  Gesaninitkleidung  nicht  xn  dünu,  zu  weuig 
wärmend  sein  darf,  wie  man  dies  so  oft  antrilTt.  Eines  besonderen  Schutzes  be- 
dürfen vor  Allem  die  zu  Catarrhen  der  Athmungswege  neigenden  uud  an  sieh 
scbwXeblieben  Kinder.  Ihnen  sollte  man,  bis  ihre  Widerstandskraft  sieb  gehoben 
hat,  Unterhemden  von  Vi<;ogne  geben.  Andererseits  darf  die  Kleidung  auch  nicht 
zu  warm  sein,  damit  keine  Verweichlichung  eintritt.  Ks  gilt  eben,  das  richtige 
Mass  zu  halten  uud  dieses  nach  dem  Alter,  der  Constitution,  der  Jahreszeit,  dem 
Klima  abzusebatzon. 

Pflege  des  Knochen-  und  M uakelsy stems.  Die  Knochen  des 
Kindes  sind  blutreicher,  weicher,  deshalb  aber  auch  nachgiebiger,  zu  Verbiegungen 
und  Verkrümmungen  mehr  geneigt.  Zwei  Körjiertheile  werden  von  diesen  am 
meisten  befallen ,  die  untere  Extrt  mität  und  die  Wirbelsäule.  Auf  der  ersteren 
ruht  das  ganze  Gewicht  des  Rumpfes  mit  dem  Kopfe;  ist  de  zu  nachgiebig,  so 
wird  leicht  eine  Ansbiegung  nach  innen  oder  nach  aussen  eintreten.  Die  Wirbel 
slnle  zeigt  sich  aber  bei  Kindern  deshalb  so  sehr  zu  Verbiegungen  geneigt,  weil 


446 


KINDEBHY6IENE. 


jeder  ihrer  Theile  (die  Wirbel)  viel  weicher,  sie  aelbst  in  ihrer  Totalität  viel 
beweg-licher  als  im  späteren  Alter  ist.  Heim  Säufrling"  kann  das  noch  gerade  ver- 
laufende HUckgrat  mit  Leichtigkeit  nach  hinten,  wie  nach  vorn,  nach  rechte  und 
nach  links  gebofj^  werden,  gleieh  einem  sehwanken  Stabe.)  Zuerst  entsteht  die 
typische  Cnrre  im  Halstheil  durch  den  Zng  der  Naekenmuskela,  wenn  das  Kind  im 
3.  Lebenfmonatc  den  Kopf  aufzurichten  versucht  (33);  erst  später  bildet  sich 
die  bleibende  Krümmung  des  Lendenwirbeltheiles,  wenn  es  sich  bemüht,  die  Beine 
zn  streoken.  So  dnd  die  beiden  typisehen  Cnrven  des  Rückgrates  eine  natfliliehe 
Folge  der  Thitigkeit  bestimmter  Huskelgruppen.  —  Das  Muskelsystem  des 
Neugeborenen  ist  nur  schwach  entwickelt,  macht  nicht  einmal  ein  Viertel  des 
Gesammtgewichtes  (beim  Erwachsenen  43%  )  aus.  Die  Muskeln  selbst  sind  blasser, 
zarter,  weniger  leistungsfUhig.  Gewollte  Bewegungen  sehen  wir  erst  zu  Anfang 
des  2.  Lebens^ierteljabres ;  das  Kind  beginnt  sie  dann,  wie  sehon  angedeutet 
wurde,  mit  Versuchen,  den  Kopf  aufzurichten.  Gegen  Knde  des  5.  oder  im  Ad- 
faupT  ib's  6.  Monates  versucht  es.  sich  mit  dem  ganzen  Rumpfe  aufzurichten, 
gegen  Schluss  des  ersten  Jahres  oder  zu  Anfang  des  zweiten  zu  stehen  und  bald 
darauf  m  gehen. 

Die  Entwicklung  des  Knochen-  wie  des  Moskelsystems  steht  in  erster 
Linie  unter  dem  Einflüsse  der  Ern.Hhrung ,  sodann  aber  auch  unter  dernjonipren 
einer  der  Zeit  und  dem  Masse  nach  rationellen  Uebung.  Es  gilt  also,  wenn  man 
die  Entwieklung  des  kindliehen  Knoeben-  nnd  Muskelsyntems  fSrdem  will,  zu- 
nichst,  die  Emihmng  nach  den  vorhin  dargelegten  Orundsfltzen  dvrehzufUhren, 
jede  Verdauungsstörung  nach  Möglichkeit  fernzuhalten  und  dafür  zu  surireii,  dasa 
das  Kind  in  der  freien  Bewegung  von  Kumpf  und  Extremitäten  nicht  becintriichtigt 
wird.  Ebenso  nöthig  aber  ist  es,  zu  verhüten,  dass  das  Kind  nicht  früher  zum 
Sitzen  nnd  Gehen  angehalten  wird,  als  man  sdnen  eigenen  Bewegungen  anrieht, 
das^  es  die  dazu  nöthige  Muskelkraft  besitzt.  Sonst  können  leicht  Verbiepungen 
der  Knochen  eintreten.  Gftngelbander ,  Geh  und  Laufsttihle  sind  völlig  flbec- 
llUssig.  —  Um  seitliche  Verbiegungen  der  Wirbelsäule  in  der  frühesten  Lebens- 
zeit zu  Terhflten ,  lasse  man  den  Säugling  während  der  ersten  6  Monate  stets 
nahezu  horizontal  liegen  oder  nahezu  horizontal  auf  einem  Tragekissen  getragen 
und  nur  zum  Zwecke  der  Reinigung',  beziehungsweise  des  Tnikleidens  aufgenommen 
werden,  und  verbiete  auch  während  der  nachfolgenden  Zeit  jedes  irgendwie 
längere  anfreehte  Tragen  des  Kindes  auf  dem  Arme.  Hat  das  Kind  Stehen  und 
Geben  gelernt,  so  flberlässt  man  die  Uebung  der  Muskeln  in  der  Hanptsaehe 
seinem  Instincte.  .*5päterhin  tritt  als  treftliches  Mittel  der  Uebung  das  Bewegungs- 
spiel und  die  methodische  Gymnastik  hinzu.  Die  e  r  h  U  t  u  n  g  der 
Scoliuse  im  schulpflichtigen  Alter  endlieh  wird  erzielt  durch  körper- 
gereehte  Construetion  der  Subsellien,  dureh  FOrsorge  flBr  richtige  Haltung  beim 
Sdirdben  und  bei  den  Handarbeiten,  durch  Vormeiden  des  zu  anhaltenden  Sitzeos, 
zumal  ohne  Rückenlehne,  und  durch  consoquente  Uebung  des  gesammten 
Muskelsystems. 

Die  Fürsorge  fflr  die  Wohnung  des  Kindes.   Das  Kind  ist 

gegen  Unreinheit  der  Luft,  gegen  Mangel  an  Sonnenlicht,  gegen  Feuchtigkeit 
der  Wiinde  viel  emj^findliclier  als  Erwachsene.  In  schlecht  gelüfteten ,  dumpfen, 
teuchten,  lichtarmeu  Kiluiiieu  wird  es  sehr  leicht  scrophulös,  anämisch,  schwächlich. 
Hat  doeh  Dbuue  gezeigt ,  dass  die  Temperatur  der  in  dunklen  Wohnungen  sieh 
aufhaltenden  Kinder  subnormal  ist.  Dies  deutet  bestimmt  auf  Herabsetzung  der 
Energie  des  StofTweehsels  hin.  Auch  i->t  zu  beuchten,  dass  das  Kind  relativ  viel 
mehr  CO.,  ausscheidet  als  der  Krwacbseue.  —  Aus  Vorstehendem  folgt,  dass  die 
Wohnung  des  Kindes  mögliehst  geräumig,  durchaus  trocken,  möglichst  gut 
ventitirt,  dem  Sonnenliehte  ausgesetzt  und,  wenn  dies  irgend  erreiehbar  ist,  nadi 
Süden,  Südosten  oder  Südwesten,  jedenfalls  nicht  nach  Norden  gelegen  sein  soll. 
Die  Temperatur  sei  in  der  kühlen  Jahreszeit  1.')  '  K.,  für  schwächliche  SiUiglingc 
lü"  R.  Mau  heize  tbuuliehst  mit  Kachelöfen,  umgebe  jedenfalls  die  metallenen  mit 


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KINDERHYGIENE. 


449 


einem  Schutzgitter,  Wahrend  der  heissen  Monate  suche  man  die  Wohnung  nach 
Möglichkeit  zu  kühlen  durch  Lüftung  am  Abend  und  am  frUbea  Morgen,  durch 
HenbhMaeii  von  Jalousien ,  dnreh  Besprengen  des  Fnasbodens  nnd  wr&hre  so 
besonders  bei  Wohnräumen  für  SäugliniL'^e,  um  der  Batstehnog  von  Breehdorchfalt 
vorzubeugen.  Zur  künstlichen  Beleuchtunf?  pi;rnen  sich  ausser  hoch 
angebrachten  Glühlampen  am  meisten  Oelbängelampen.  Auch  das  Schlafzimmer 
des  Kindes  sei,  wenn  möglich,  nach  der  Sonnenaette  gelegen,  hinreiehend  ge- 
xivmig,  nieht  sn  niedrig  nnd  im  Winter  fttr  0— djihrige  Kinder  nuf  15— 13*  R., 

fBr  iltere  auf  10— 120R.  erwärmt. 

In  dem  Schlafzimmer  soll  jedea  Kind  sein  eigenes  Bett  haben.  Nur 
dann  erhält  es  während  des  Schlafes  ausreichend  reine  Luft.  Für  Säuglinge 
eignet  sieh  sehr  gnt  eine  KorUiettstelle  mit  festeteheoden  Fflssen,  dagegen  nieht 
eine  kistenartige  Bettstelle  mit  geschlossenen  Seitenwänden.  Erstere  gestattet 
den  Durchtritt  von  Luft ,  letztere  nicht.  Schaukelnde  Bettstellen ,  Wiegen  .  sind 
durchaus  zu  entbehren,  aber  nur  dann  geradezu  nachtheilig,  wenn  sie  ungestüm 
und  nngleiduniflsig  bewegt  werden.  Zar  AnaUeidnng  der  Bettstelle  gehört  «ne 
Matratze  aus  Rosshaar  oder  getrocknetem  Moos,  eine  doppelte  Lage  Wolltuch,  eine 
Unterlage  von  Guttapercha,  ein  Leinwandüberzug,  ein  Rosshaarkopfkissen,  eine 
einfache  oder  doppelte  Decke  oder  —  während  der  ersten  Lebensmonate  —  ein 
Federkissen.  CKe  werde  so  gestellt,  dass  das  Kindehen  nieht  In's  Helle  sieht  ni^ 
von  der  einen  Seite  nieht  mehr  Licht  als  von  der  anderen  bekommt.  Für  ältere 
Kinder  eignen  sich  am  besten  Holzhettstellen  mit  durchbrochenen  ScitenwJlnden 
und  einer  Unterlage  aus  Gurten  oder  Metalldrahtiiechtwerk ,  Kosslia&muitratzen, 
Rosshaarkopfkissen,  wollene  Oberdecken. 

Pflege  der  Sinne.  Sowohl  die  kOrperUehe  Leistnngsfthlgkmt  als  die 
geistige  Gesundheit  hängen  zum  grossen  Theile  von  dem  Vorhandensein  gesunder 
Sinne  ab.  Ja,  das  ganze  geistige  Leben  baut  sich  ursprünglich  aus  Sinneseindrücken 
auf.  Deshalb  ist  die  Fliege  der  Sinne  von  erheblichem  Belange.  Fehler,  welche 
besaglieh  derselben  In  der  Jngend  gemaeht  werden,  lassen  aldb  In  spätwen  Jahren 
oft  nur  unvollständig  oder  gar  nicht  wieder  gut  machen,  und  anderersmts  vermag 
die  richtige  rtleL'c  der  f^inue  die  P]ntwicklung  des  Gei.stes  in  hervorragendem 
Masse  zu  fordern.  Dies  gilt  besonders  von  der  PÜege  des  Gesichts-  und  des 
Gehörsinnes. 

Gesichtssinn.  Das  neugeborene  Kind  ist  lichtseheu  mdst  bis  sn  dem 
Knde  der  dritten  Woche,  Auge  sehr  empfindlich.  Letzteres  ist  auch  myopisch 
in  Folge  stärkerer  Krümmung  der  Cornea  (Maüthner  [34 J,  Reüss  [35j,  v.  HasnerJ, 
wird  mit  Ablauf  etwa  des  ersten  Jahres  emmetropisch  oder  byperopisch,  im  scbul- 
piidrtigen  Alter  aber  sehr  häufig  wieder  myopiseh  (Cohn  86,  37),  dann  aber  nidit 
in  Folge  stärkerer  Krümmung  der  Cornea ,  sondern  in  Folge  Verlängerung  der 
Angenachse,  wesentlich  durch  Steigerung  des  intraoculären  Druckes  bei  anhal- 
tendem Naheschen,  zumal  bei  Kindern  myopischer  Eltern.  Was  das  Farben- 
unterseheidungsvermögen  betrilll,  so  erkennt  der  Säugling  nur  hell  nnd 
dunkel ;  erst  etwa  von  der  Mitte  des  2.  Leben^ahres  an  vermag  das  Kind  roth, 
noeh  später  grün  und  blau,  am  spätesten,  gegen  Ende  des  3.  Jahres,  aueh  gelb 
zu  unterscheiden. 

Zum  Sehntse  des  Auges  ist  während  der  ersten  Lebenswochen  die 

Fernhaltnng  zu  starken  Lichtreizes  geboten.  Man  gewOhne  das  neugeborene  Kind 

ganz  allmälig  an  das  diffuse  Tageslicht. 

Die  Uebnng  de«  Auges  erzielt  man  am  zweckmässigsten  durch  Vor- 
führung von  Gegenständen  mit  ausgeprägten  Formen  (Steine  im  Baukasten, 
Warfei  n.  s.w.),  sowie  von  geometrischen  FIgnrai,  von  Farben  und  Farben- 
abstufungen (Apparat  von  Brücke,  von  Delhf.z.  Farbentäfelchen  von  MAnxrs), 
vor  Allem  aber  durch  Beobachtung  der  Natur  und  des  t'estirnten  Himmels.  Die 
Schulmyopie  verhütet  man  durch  möglichste  üerabmiudurung  der  Naharbeit, 
des  Lesens  nnd  Sehreibens,  dnreh  Fttrsorge  für  kSrpergereehte  Gonstrnetion  der 
Eoqrdap.  JahiUleber^  III.  29 


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KINDERHYGIENE. 


Subsellicn  und  Arbeitstische,  für  ricbt!'_a>  Haltnufr  und  richtig:e  Lagerunfr  der  Hefte 
beim  äcbreibeo  (Steil&cbrift; ,  für  guteo  Druck  der  Bücber ,  für  ausreiclieode  lie- 
lenohtuDg  aller  PiStee  in  der  Schule,  endlieh  in  der  BefSSrderung  der  Gelegenheit 
sar  Accommodation  für  die  Ferne  (Betrachtung  des  gestirnten  Himmels,  Spazieren- 
gehen in  Feld  und  Flur  j,  da  hierin  das  beste  Correctiv  für  die  atilinlti  nde  Nah- 
arbeit liegt.  Näheres  siehe  im  Artikel  „Schulgesuadbeitsptlege' \ 

Gehörsinn.  Das  neugeborene  Kind  ist  wihrend  der  ersten  Standen, 
mitnnter  wihrend  eines  oder  mehrerer  Tage,  taub  (t.  TböltsCB,  Wbndt),  weil 
die  Sllhepitheüale  Schicht  der  Paukenhöhlenmucosa  g'cschwolleu  iit  und  durch 
ihre  Schwellung'  die  Paiikenböblc  selbst  ausgefüllt  wird.  Mit  IJückbiiduntr  dieses 
Polt^ters  stellt  sich  dann  die  Fähigkeit  zu  böreu  ein.  Dieselbe  ist  Aufaugg  schwach, 
nimmt  aber  stetig  m.  Bemerkenswertb  ist,  dass  das  Kind  gellende,  sehrille,  laute 
Gerlusche  unanf^cucbm  empfindet,  nicht  selten  durch  sie  zum  Zusammenfahren, 
zum  Weinen  probraclit  wird.  Deshalb  soll  das  Gehör  des  Kindes  in  der  ersten 
Lebenszeit  vur  allzu  starken  Geräuschen  möglichst  geschützt,  sein  Zimmer  m^iglichst 
rnhig  gewählt  werden,  üebnng  des  Gehörsinnes  erfolgt  dnreh  Singspiele, 
durch  Singren,  durch  Musik  Besondere  Anfinerksamkeit  ist  dem  Gehüror^ane 
im  Kopfgcnickkrauipf  und  im  Scharlach  zuzuwenden  ,  weil  es  in  diesm  beiden 
Krankheiten  so  oft  in  Mitleidenschaft  gezogen  wird. 

Pflege  des  Nervensystems,  d  er  geistigen  Gesundheit.  Die 
Substans  der  Centraiorgane  des  Nervensystems,  der  Ganglien,  der  NervenfiMem, 
ist  beim  Kinde  was<er  und  blutreicher,  weicher,  wenifrer  resistent,  aber  viel 
reizbarer  als  beim  Erwachsenen.  So  erklärt  sich  die  frrossc  Neijrun^  des 
Kindes  wenigstens  der  ersten  Jahre  zu  Convulsioueu,  zu  Erkrankungen 
des  Gehirnes. 

Ueber  das  Wacbsthum  des  letzteren  i<t  Folgendes  zu  sagen:  Das 
Gehirn  wächst  un{remein  stark  im  ersten  Jahre,  dann  folgt  eine  fünfjährige  Periode 
wesentlich  langsameren  Wachsens;  vom  Anfange  des  7.  Jahres  an  aber  bis  zum 
Ende  desselben  wichst  es  wieder  sehr  rasch,  darauf  andauernd  langsamer.  Am 
raschesten  ninimt  bald  nach  der  Geburt  an  Umfang  das  Kleinhirn  zu,  im  7.  Jahre 
jedoch  die  bis  dahin  wenii^  ausfrebildete  Vorderpartie  des  Grossbiriis.  Auf  diese 
letztere  Thatsache  wird  die  Hygiene  besondere  Kücksicht  zu  nehmen  haben. 

Das  n«ig«bormie  Kind  hat  nur  geirisse  AUgemelngefllkle ;  es  ist  im  Uebrigen 
ein  RttekenmarksindHduum  und  wird  erst  allmälig  ein  solches,  weldiea  cerebral 
arbeitet.  Die  Bewegungen  und  die  Sinnescindrücke  lassen  Empfindunfrcn  zurück; 
dieselben  werden  durch  Wiederboluu}:^  deutlicher  und  bilden  dadurcli  die  (irund- 
lage  dessen,  was  wir  seelisches  Leben  nennen.  Indem  die  Wiederholung  der 
Empfindungen  ne  fixirt,  ^ebl  sie  Anlass  zur  Ansammlung  von  EindrQeken,  von 
Gedächtnissmaterial.  Wenn  aber  das  Kind  nach  und  nach  lernt,  die 
Empfindungen  mit  den  causalen  Factoren  in  Zusammenhang  zu  bringen,  beginnt 
es,  zu  erkennen,  sich  zurecbt  zu  finden,  und,  wenn  es  dahin  gelangt, 
mehrere  Eindrtleke  zu  vei^leiehen,  beginnt  es  zu  nrth eilen.  (Prbteb  38.) 

EUn  Wellie  endlich  tritt  hervor,  wenn  die  Vorstellungen,  welche  mit 
einem  GefülWe  des  Befriedifrtseins ,  des  Anjjenehtneu  sich  vcrbiiulen  .  so  mächtig 
werden,  dass  sie  zu  einem  Begehren,  einem  Verlangen  nach  W  iederholuug  führen. 

IHe  Sprache,  das  hdsst  dar  dureh  bestimmte  Huskelbewegungen  sich 
kundgebende  Ausdruck  für  gewisse  Empfindungen  und  Vorstellungen,  ist  znnlehst 
nur  eine  DilTerenzirung  des  Selin  itoites ,  die  allerdings  dem  Kenner  sehr  wohl 
verständlich  ist.  (Verschiedenheil  des  Schreitones  bei  Hunger,  bei  Schmerzen,  bei 
allgemeinem  Unbehagen.)  Spftterhio,  sobald  wirkliche  Begriffe  sich  bilden,  äussert 
sieh  die  Spraehe  in  Silben,  dann  in  Worten,  In  Sitzen.  In  ihr  fehlen  auf  lauge 
Zeit  hin  die  Ausdrücke  für  das  Abstracte,  weil  das  ganze  seelische  Leben  des  Kindes 
Zttultohst  vom  Sinnlichen,  rein  Concreten  ausgeht. 

Die  Pflege  des  Nervensystems  des  Kindes  liegt  in  der  richtigen 
Ernährung  des  letzteren,  in  dem  Femhalten  zu  sturker  Reize,  nicht  Mos  der 


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KINDERUYGIENE. 


451 


Stimulirenden  Gonussmittel,  wie  dies  sehon  an  andcrpr  Stelle  nuso-esproclitMi  wurde, 
sondern  auch  zu  m.nchtifrer  Siuneseindrllcke ,  zu  miCchtigcr  F^inwirkun^en  auf  die 
Psyche,  auf  die  Phantaaie,  in  der  Veruieiduug  zu  frühzeitiger  aod  zu  auhalteader 
Anstrangnng  des  GehiroB  md  endlieh  in  der  FOraorge  flllr  angemeiMne  Muakel- 
tnbnng,  die  ein  vortreflfliches  Gegenmittel  ^e?eu  die  Geistesarbeit  ist. 

Die  erste  freistip'c  Pflege  des  Kindes  kann  und  darf  au«  dem  oben  be- 
tonten Grunde  nur  eine  Pflege  der  äinne  sein.  Da  auf  Sinneseindrilcken 
das  gatize  seelische  Leben  sieb  aufbaut,  so  Icommt  Alles  darauf  an,  dass  die 
Sinne  gedeihlich  sieb  entwickeln  und  richtige  Eindrücke  empfangen. 

Weiterhin  mtiRsen  die  beim  Kinde  bald  m.tchtig  hervortretenden  Triebe, 
der  Thätigkeits-,  der  ^'achahmungs•,  der  GeselUchafts-  und  der  Wissenstrieb  be- 
neblet nnd  sowobl  in  Bezog  anf  ihre  Riebtang ,  wie  anf  ib?«  Intendttt  gelenkt 
werden.  Dabei  ist  frühzeitig  auf  die  Bildung  eines  gesunden  Gefühlslebens,  einer 
festen  Willenskraft ,  auf  die  Beherrsehun;;  der  Triebe ,  auf  das  Ertragen  von 
Sehmerzen,  von  Kntbelirungeo,  auf  das  ruhige  Hinnehmen  der  Nichterfüllung  von 
Wüuachen  hinzuarbeiten. 

Wissensebaftlieber  Unterrieht,  sellrat  ein  elementarer,  sollte, 
da  die  Vorderpartie  des  Grossbims,  der  Sitz  des  Denkvermögens,  im  7.  Jabre  so 
mSchtig  wachst,  eiprentlieh  nicht  vor  Vollendunsr  dieses  Jahres  begonnen  werden. 
Denn  jedes  stark  wachsende  Organ  bedarf  der  erhöhten  Schonung.  Auch  lehrt  die 
Erfabmng,  dass  allau  früher  Beginn  des  ünterriebte^  vielfaeh  su  frühem  geistigem 
Erselilatfen  und  sor  Sebldignng  der  körperliehen  Gesundheit  fdhrt,  dass  aber 
andererseits  Kinder,  wefehe  mit  vollendetem  7.  Jahre  in  den  wissenschaftliehen 
Unterricht  eintreten,  die  Altersgenossen,  welche  früher  als  sie  der  Schule  Uber- 
wiesen wurden,  meistens  sehr  bald  wieder  dnholen. 

Ausser  der  zu  frühen  Inanspruchnahme  des  Denkvermögens  sebadet  jede 
zn  intensive  geistige  Anstrengung,  jede  l'i'berhastung,  jede  Abhetzung  des  Schul- 
kindes. Deshalb  ist  dabin  zu  wirken,  da^-s  die  Geisteskräfte  der  Altersstufe  ent- 
sprechend geübt  werden.  In  den  uuteren  Ciassen  sollen  deshalb  vorwiegend  An- 
sebannngsnnterrieht  nnd  Uebnngen  des  Gedäehtnisses,  in  den  mittleren  Oediebtniss- 
nnd  Denkübungen  neben  dem  Auschanungsnntcrrichte,  in  den  oberen  vorwiegend 
Denkübungen  stattfinden.  Aueh  muss  ein  bestimmter  Lehrplan  nach  den  Fähig- 
keiten mittelgut  begabter  Kinder  ausgearbeitet  und  mit  Consequcnz  befolgt,  das  Auf- 
geben freiwilliger  Arbeiten  absolut  verboten  werden.  In  diesen  Lebrplan  sind  die  gy  m- 
nastischen  Uebnngen  als  ubligatorischer  llnterriehtagegenstand  aufzunehmen. 

Das  Oesammtziel  der  geistigen  Erziehung  sei  eine  möglichst  voll- 
kommene, harmonische  Entwicklung  aller  seelischen  Filhigkeiteu ,  des  Gedeicht- 
nisses,  des  Beobaebtungs-  und  DenkyermOgena ,  dar  Willenskraft,  des  Gefühles 
und  des  Gemüthes,  des  Sinnes  fttr  das  SehOne,  Edle,  niebt  aber  die  Ausbildung 
nnr  einzelner  dieser  Fttbigkeitmi. 

Litoratur:  1)  Soranns,  ffrv  -'jvs'./.r'.f.iv  njJVf.tv.  —  2)  Galenns,  He  sanitate 
ttnndti.  1,811.11,2,9.  —  3)  Wutirtz,  Kimlerliudilein.  15Ö3.  —  4)  Eucharius  Rhodior, 
Thtrapia  rerens  natorum  im  thesaurus  atniit .  —  5)  Welsch,  Kindermutterbücblein.  1071.  — 
6)  Bosen  von  TtoRenatein,  D9  mot'hi»  infantum.  1765.  —  7)  J.P.Frank,  Physische 
Enielraiig  des  Neugeborenen  bfs  cum  rrwachsenen  Bttrf;er  nnd  üher  eine  gesnode  Kinder- 
erziBhnn>;.  179l  I.  —  S)v.  Amnion,  Die  er.steu  Mutteriitli<  httMi.  l'^iHj  und  folgenilc  Aiifl;i-^u. — 
9)  Bednar.  Kinderdiatetik.  1857  —  10)  Jacob!  iu  Gorhardt's  Handb.  d.  Kindel krankheit«n. 
1877.  —  II)  fioucliut,  Hijyihie  de  la  prent iiVe  enfance.  187i».  —  12)  Reiss,  Physio- 
logie, Pathologie  und  Thnrapi«  des  Kindn.s.  1883.  —  13)  Coni  J/i/i/iene  infcmtih.  188.5.  — 
14)  üffel  mann,  Hy;;iene  des  Kiude.<4.  1H81.  —  15)  Biedert,  Die  Kinderernährunjr.  188'^.  — 
I»'))  F  1  e  i  8  (•  h  m  a  n  n,  Einabmng  und  KorperwaKunfreu  der  Siluglinnf-  1877.  —  II)  E.  Pfeiffer, 
Jahrb.  f.  Kinderbk.  XX.,  pag.  4.  —  lÖ)  U ahner  in  Pädiatr.  Arbeiten  voa  Baginsky.  1890.  — 
19)  Mendel  de  Leon,  2Mtse1ir.  f.  Biel.  XYII,  pag.  501.  SO)  Colin  und  Nenmenn.  Vir- 
diow's  Archiv,  Bd.  126.  —  21)  Palleske,  Ebendort.  DJ.  130.  -  22)  Pntpren,  Jahrb.  f. 
Kinderhk.  31.  S.  1S8.  —  23)  Uffelmann,  Deutsches  Arch.  f.  kl  in.  Med.  XXVIll,  pag.  437.  — 
24)  Escherich,  Die  Dannbakterien.  lf<86.  —  25)Camerer,  Zeitschr.  f.  Biol.  1878,  pa>:.  3S8 
nnd  Dentacbe med.  Wocbenachr.  1890,  Nr. 21.  —  26)  Uftelmann.  Pflfixer'd  Arcb.  XXIX, 
pag.  339.  —  27)  Eseherich.  Jahrb.  t  Kinderlik.  XXVII,  pag.  100.  -  28)  Soxhlet.  Müa- 


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45i 


KINDERHYGIENE.  —  K0HLEN0XYDVER6IFTÜK6. 


chener  med.  Wodwuschr.  1886.  1891  and  1883.  —  29)  Uhlig,  Jahrb.  f.  Kioderhk.  XXX. 
p«f.  83.  —  90)  Reimer,  Frtwilwgtr  Md.  We^MNMdir.  1879.  Nr.  60.  —  31)  8aa«r,  Dbt. 

«reifswalJ  \Sf<l.  —  32)  Escherich,  Münchener  med.  Wochenschr.  1S86.  51.  52.  — 
Halandin,  Virchow's  Archiv  Bd.  4^.  —  .^4)  Mauthner,  Vorl.  tiber  die  uptischen 
Fehler.  1876.  —  35)  V.  Renss.  Apch.  f.  Ophthalra.  1881.  i  i^:  :.^7  —  M)  H.Cohn,  Untere 
mchaog  der  Avgn  u.  i.  w.  1867.  —  37)  H.  Cohn,  Hygiene  dei  Auges.  181*2.  ~  88)  Pre yer, 
8«de  des  Kindes.  1880.  U f f e i m an  d. 

Khiltoliäliniing,  cenbnle^  s.  GehirakrAiikheiten,  pag.  331. 

KoCktalzillfuSiOn  bd  Cholw«,  anbentuie,  p«g.  151,  pag.  428  ff.;  in 

die  Venen,  pa«.  163,  429. 

Koch'scher  CommabacHlu8,  a.  choiem,  pi«.  i88  ff.,  pa«r.  154  ff. 

KohlenOXydvergiftung  (vergl.  Real  Encyclopadie,  2.  Aufl.,  Bd.VU, 
psg'.  480).  Die  Frage,  ob  der  Tod  durch  Kohlenstoffverfriftung  die  Folg«  einer 
directen  Einwirkung  von  CO  auf  das  Centralnervensystem  oder  einer  indirecten 
AetioD  vermAge  der  Saueretoffirwnunnung  der  Gewebe  doreh  taiierstofferme  Luft 
Bei,  mnss  in  ersterem  Sinne  beantwortet  werden,  da  die  Reaction  des  Athem- 
centrums  bei  Kdhlfiioxydvergiftung  und  bei  Frsti^^kuTiij  sirli  wesentlich  anders 
verhält.  Nach  (i  eppebt  bleibt  die  hohe  Steigerung  der  Athmung ,  die  bei  Er- 
stickung schon  vor  dem  Sinken  des  Sauerstoffverbrauohe«  eintritt,  l>ei  Kohien- 
oxydTergiftong,  bei  der  die  Athemsahl  unähemd  normal  bleibt,  weg. 

Zu  den  nervösen  Symptoraencomplexen,  welche  die  Kohlenoxydvergiftung 
hervorrufen  kann,  gehört  auch  dasjenige  der  Tetanie.  Die  Kohlenoxydtetanie, 
auf  welche  neuerdings  Voss^j  hingewiesen  bat,  Weicht  nicht  vou  dem  gewöbn- 
lieben  Bilde  ab  nnd  ebarakterisirt  sieb  ala  toniaeher,  intermittirender  Krampf, 
der  hauptsächlicb  die  Extremitäten  und  das  Geaicht  und  in  geringerem  Grade 
die  Kaumuskeln ,  von  den  Extremitäten  besouder.«?  die  Flexoren  und  Adduetoren 
betrifft.  Auch  der  Umstand,  dass  das  Bein  im  Kniegelenke  meist  gestreckt  ist 
nnd  die  Patellerreflexe  normal  aind,  iat  bei  der  Kohlenoxydtetanie  eonetatirt.  Ob 
für  das  Zustandekommen  der  bisher  nur  m  wenigen  Fällen  studirten  Affaetion 
das  Vorhandensein  von  Magen-  und  Danncatarrhen  eine  Rolle  .-»pielt,  infissen  spätere 
Untersuchungen  lehren.  Sicher  ist,  dass  die  Tetanie  in  Fallen  vorkommen  kann, 
in  denen  das  Blut  nur  aelir  wenig  CO  enthält  nnd  dass  sie  in  solchen  die  weaent- 
liebe  Craaehe  dea  tfidtiiehen  Amgangea  absngeben  vernuig.  Mm  faaat  aie  aas 
besten  als  ein  dureh  Reflexeinwirknng  des  erkrankten  Darmes  auf  ein  dureb  Kohlen- 
oxyd Vergiftung  in  erhöhte  Krretrbarkeit  versetztes  Nervensystem  auf. 

Kiue  andere  Form  der  Kohlunuxyd Vergiftung  bildet  actives  Delirium, 
das  naeh  einer  Beobachtung  Ton  Ruata*)  selbst  mehrere  Tage  nnhnlten  kann. 
Kopfweh  und  Dtqmesion  gehen  der  Atlection  voraus,  für  welelie  vielleielit  krank- 
hafte Veränderungen  de-<  Gehirn«  oder  des  Sclirtdels  (bei  dem  naeh  nielirtilgiger 
Inhalation  von  CO  aus  eiuem  Kuchofen  in  schlecht  ventilirtem  Räume  an  acutem 
Delirinm  Erkrankten  beatand  eine  Hisablldang  dea  Sohldels)  Prsdispoaition  geben. 

Dass  Störungen  des  Gedächtnisses  als  Folge  der  Kohlenoxyd- 
verHiftnng  auftreten  können,  i-^t  eint'  wiederholt  gemachte  Pn'ohachtung.  ')  Hiinfig 
besteht  sogeuannte  einfache  Amuesie,  in  der  die  unmittelii;ir  vor  der  lutoxieation 
wahrgenommenen  Vorkommnisse  dem  Oedftohtnisae  ToUkommen  entschwunden  sind; 
in  manchen  FHIIen  dehnt  sieh  die  Amneaie  anf  weitere  Strecken  vor  der  Intoxi* 
outian  aus  und  entspricht  der  Amnhie  rt'frofjrath  von  RiBOT.  Der  Erinnerung^imangel 
kann  sieh  auf  wenige  Tase'i,  aber  auch  auf  Wochen  und  Monate  erstrecken.') 

Die  nicht  solteo  auch  als  Nachkraukhciten  auftretenden  i'neumoaien, 
besonders  bftnfig  in  Flllen,  wo  Kohlenbecken  anr  Intoxication  benntat  sind,  machen 
sich  meist  iu  der  ersten  Woche  nach  der  Vergiftung  geltend.  V(m  Interesse  ist, 
dass  in  einzelnen  Fällen,  wo  die  physikalischen  Zeichen  und  die  localen  .'^ichmerzen 
au  dem  Bestehen  einer  Lungenentzündung  keinen  Zweifel  gestatten,  Temperatur- 
steigemng  nicht  zu  constattren  ist.  ^ 

Literatur:  ')  (leppert,  Ki  lil-mw .]  uml  Erstickung.  Dentsclif  med.  Wochenschr, 
18014,  Nr.  19.  —       Voss,  Ueber  Tetanie  bei  Kuhlendanstvergifluns.  Ebenda.  Nr.  40.  — 


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KOHLENOXYDYEfiGIFTUNG.  —  KBESOLP&iPABATK 


453 


Ruata.  (Jazz,  med.  di  Torino.  1892,  Nr.  24.  —  *)  Vergl.  A  rt  iga  la  s ,  Des  asphi/jitn 
toxiquea.  Paria  1883-  —  *)  Fallot,  Note  xur  hu  can  d'amnhie  retrograde  eoneicuti/  ä 
FiiUoxication  par  l'oj-yie  de  rharhon.  Ann.  d'hyg.  1892,  Nr.  3,  pag.  244.  —  •)  BonilI»rd, 
Sur  lea  umniaie«.  Paris  1885.  Cacarri«,  Essai  sur  les  anmhies  toxiques.  Paris  1887. 
Briand,  Verhdlgo.  d.  Soc.  de  mhd.  l^ale.  11.  F«vr.  1889.  —  ')  Dufoornier.  tneumonie 
droite  .sans  renctiun  fibt  ilt  ä  lo  tuitt  i'um  intOxiCCtUOH  JMtT  Poxj/de  rf<  carbone.  6««.  dM 
höp.  1892,  Nr.  8H,  pa>:  s37.  Hnsemaiiii. 

Kotherbrechen,  s.  Darmitenote,  pag.  192. 

KrebSi  Bdiaadlmigi  a.  Gan«roi&,  pag.  120. 

KreSOlpräp&rate.  unter  verschiedenen  Benennttngen  Bind  im  vergangenen 

Jahre  eine  Anzahl  von  zur  DesinfVotion  dienenden  Präparaten  in  den  Handel  ein- 
geführt und  den  Aerzten  zum  Theil  amtlich  anempfohlen  worden,  welche  ah  wesent- 
lichen Bestandtheil  Kresole,  d.  h.  ein  wechselndes  Gemenge  von  Orto-.  Meta-  und 
Para-Kresol  (Q,  H« .  CH, .  OH)  «nthatton.  Znnlehst  ist  festgestellt,  dass  die  soge- 
nannte rohe  Carholsänre  in  ihren  besseren,  nur  wenig  Pyridinbasen  ent- 
haltenden Sorten  so  gut  wie  gar  keine  Carbolsäure  enthJlIt,  sondern  ein  Gemenge 
der  oben  genannten  isomeren  Kresole  darstellt.  Die  rohen  Kresole  sind  trotz  ihrer 
hohen  dednfidrenden  Wirkniig  wegen  ihres  hohen  speei6sehen  Gewiehtes,  welches 
eine  MengllBg  mit  den  Dejeeten  sehr  erschwert,  direct  zur  Desiuficirung  in  Aborten« 
Gruben  u.  s.  w.  nicht  verwendbar,  doch  gelang  es  d<ir  Industrie,  die  Kresole  in 
Verbindungen  zu  Uberfahren,  durch  welche  ihre  deüinlicirende  Kraft  verwcrthbar 
wird.  Die  Kresolpräparate  des  Handels  lassen  sieh  in  xwd  Gruppen  theOen,  in 
solche,  welche  mit  Wasser  verdünnt  eine  milchige  Flflssigkeit  liefern  und 
ia  solche,  welche  in  Wasser  klar  mischbar  sind. 

Zur  ersten  Gruppe  gehören:  Sapocarbol  II,  Littlk's  Flii.ssigkeit, 
Jbte's  Desinfectant  (das  spätere  Kreolin  von  Peakson)  und  Buockmann's 
Kresolin.  Sie  dnd  aftfnmtlieh  Gemenge  tob  Harsseife  mit  rohen  Kresolen  und 
KohlenwasserstofTt  II  des  Steinkohlentheers  (darunter  Naphthalin).  Diese  Kohlen- 
wasserstoffe werden  uur  von  einer  conoentrirten  Harzsei fcnlösunfj  in  Lösunjr  gehalten, 
verdünnt  man  aber  das  Gemenge  mit  Wa-^^ser,  so  scheiden  sie  sich  in  feineu  Tröpf- 
chen ans,  wodnreh  die  Hisehnng  das  Aussehen  einer  Emobion  erhält.  AnTif  akn's 
Kreolin  besteht  aus  KresolsobwefelsAure,  in  welcher  Theerkohlenwasser- 
stoffe  gelöst  sind,  auch  aus  diesem  werden  die  letzteren  dnreh  Verdünnen  mit 
Wasser  milchig  abgeschieden. 

Die  znr  3.  Gruppe  zilüenden  Kresolpräparate  enthalten  die  Kresole  dnreh 
verschiedene  Stoffe  gelöst,  sind  aber  frei  von  Theerkohlenwasserstoffen  und  bleiben 
daher  bei  der  VerdUnnuns^  mit  Wasser  vollkommen  klar.  Hierher  irehoren : 
aj  Sapocarbol  ü'i  und  Ol.  In  diesen  Präparaten  sind  die  Kresole  durch  Öoife 
in  Lösung  gehalten.  Die  Sorte  grösserer  Reinheit  00  enthält  weniger  Pyridin- 
hasen.  Dem  Sapocarbol  völlig  gldch  ist  das  b)  Lysol,  von  dem  dne  Sorte  von 
geringerer  Reinheit,  Lj/sobim  crudum,  zur  Desinfection  von  Aborten  ,  Kranken- 
sMlen  u.  s.  w.  hergestellt  wird,  c)  Solveolund  Solu  toi  haben  wir  Real-Kney- 
clopädie,  Bd.  XXIV,  pag.  620,  geschildert,  dj  Kresolkalk,  ein  wirksames  und 
billiges  Dednfidens,  wdebes  erhalten  whrd,  indem  man  Kresol  mittelst  Kalkmilch 
löst.  Es  werden  1  Theil  Aetzkalk  mit  4  Theilen  Wasser  zu  Kalkmihh  gelöscht 
und  dieser  nach  und  nach  5  Theile  rohes  Kresol  zugesetzt.  Man  erhalt  so  eine 
syrupdicke  Flüssigkeit ,  welche  bO^/^  Kresol  enthält  und  mit  Wasser  in  jedem 
Verhältnisse  mischbar  ist  Nimmt  man  mehr  Kalk,  so  wird  die  Mischung  diebter 
und  schliesslich  ganz  fest,  diese  letztere  ist  zwar  schwerer  in  Wasser  löslieh, 
eiffuet  sich  aber  besser  zum  Transport.  Nach  FünOR  (Hygienische  Rundschau.  1892, 
753)  genügten  .^0  Grm.  Kresolkalk  (entsprechend  25  Grm.  rohem  Kresol),  um 
1  Liter  Canaljandie  ianerhalb  4  Stunden  vollständig  zu  slerilidrea.  Ebenso  rasch 
wnrdea  auch  Typhus-  aod  Cholerardneultnren  zerstört. 

Literatur :  Die  Kmotpräparate  d.  Handels.  Fhamac.  Oentralhalle.  18'.*.',  pag.  901. 

Loebisch. 


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454 


KRANKENPFLEGE. 


Krankenpflege,  fr  ei  willige  (isreschichtlich).  Die  von  (Iutit.t  in  der 
Keal-I^ru  vLlupädio  gelieferte  vortreffliebe  Darstellung  der  geücliichtiiehen  Ent- 
wicklung und  OrgaDisation  der  freiwilligen  «—  zumeist  im  Kriege  betbfttigten  — 
Krankenpflege  In  gldeher  Yollstlndlgkeit  fortiowtsen)  wollen  wir  nn  dieser  Stelle 
nicht  als  unsere  Aufgabe  ansehen. 

Wir  huldigen  der  Anschauung ,  dass  das  Interesse  des  Praktikers  .sifh 
weniger  darauf  erstreckt,  den  weiteren  Ausbau  einer  jeden  in  dem  erwähnten 
Artikel  aufgeführten  Vereinignng  an  der  Hand  von  Zahlenreihen  au  verfolgen, 
als  vielmehr  darauf,  einen  üeberbliek  Aber  die  berrorra^endsten  Bestrebungen  des 
modernen  Samariterthnms  zu  gewinnen .  und  deshalb  wollen  wir  die  Gesehichte 
des  Kütben  Kreuzes  nur  durch  die  hauptsUlchliehsten  Dateu  aus  jüngster  Zeit  za 
vervoHstlndigen  soeben,  dagegen  der  Sohildemng  dnlger  aener  bedeutender 
Schöpfungen  auf  dem  Gebiete  der  Kriegs^  nnd  Friedenskrankenpfl<^  einen  desto 
breiteren  Raum  g<lnnen.  Dabei  verdient  von  vornherein  hervorgehoben  zu  werden, 
dass  die  früher  häufig  geübte  Scheidung  zwischeu  Friedens-  und  Kriegstbätigkeit 
in  beutiger  Zeit  mehr  und  mehr  fallen  gelassen  wird.  Die  Mitglieder  derjenigen 
Vereine,  deren  Aufgaben  an  und  fOr  sich  lediglich  fttr  den  Krie^^sfall  bereehnet 
ttud,  werden  —  zur  besseren  Sehulun^^  und  Nntzbarmaebung  ihrer  Kräfte  —  aneh 
ffJr  die  Thätigkeit  im  Frieden  au.sgebildet  und  \erpllichtet,  und  die  für  die  erste 
Hilfeleistung  bei  Unglücksfällen  im  Frieden  vurbereiteteu  Personen  sind  fast  durch- 
weg entsehlossen ,  ihre  fUilgkeiten  wlhrend  eines  Kri^:es  in  den  Dienst  der 
Armee  zu  stellen 

I.  Rothes  Kreus. 

Die  Zahl  der  die  Satsvngen  der  Genfer  Convention  anwkennenden 
Staaten  hat  sieh  seit  1886  um  4,  nämlich  nm  Japan,  Portugal,  Peru  und 
lUilgarien,  vermelirt.  In  den  3  ersten  Ländern  und  in  Montenegro  hat  sich 
ein  Verein  vom  Kothen  Kreuz  gebildet,  lo  Japan  haben  wie  alle  europäischen 
Sitten  ond  Einrichtungen  so  nneh  die  Bestrebungen  des  Vereins  vom  Bethen  Krens 
in  kllrxester  Frist  einen  grossen  Anhang  gefunden,  so  dass  derselbe  im  Jahre  1892 
berdts  25.000  Mitglieder  ilhlte  und  in  den  Besiti  eines  grossen  Hospitals 
gelangt  war. 

Ein  lebhafter  Auätausch  der  Ideen,  eine  grössere  Solidarität  ihrer  Inter- 
«88«i  und  eine  Vertiefung  und  Erweiternng  ihrer  Aufgaben  ist  dnreh  die  4.  und 
6.  i  n  t  (■  rii  atioua  I  e  Co  n  fe  rens  der  Vereine  vom  rothen  Kreuz  in 
Karlsruhe  (1^87  und  Koni  (1802)  angebahnt  worden.  Als  ein  lebendiges  und 
erfreuliebes  Zeichen  der  auf  diesem  Gebiete  herrschenden  Einigkeit  der  verschie- 
denen Nationen  ist  die  dnreh  das  Oentraleoniit6  des  rothen  Kreuzes  au  Genf 
angeregte  (iriindung  eines  dem  Andenken  der  Kaiserin  Augusta,  der  erhabenen 
Protectorin  aller  hnmanitiren  Bestrebungen,  geweihten  „Augustafonds*'  au 
begrtlssen. 

Fflr  die  dentsehen  Vereine  vom  Rothen  Kreus  ist  das  wieh- 
tigste  Ereigniss  ihre  am  3.  September  1887  erfolgte  Einreibung  in  das  Sanititft- 
corps  für  den  Fall  «nes  Krieges  und  der  Erlsss  des  darauf  besagliehen  Organi< 

sationsplanes. 

(Aus  der  Anlage  II  der  KnVjrsptajipenordnung  vom  3.  September  1887-) 

Organisationsplan  der  freiwilligen  Krankenpflege  im  Kriege. 

§.  1.  Im  Allgemeinen. 

1.  Die  deutschen  Verein«  von  Rothen  Kreuz  und  die  mit  ihnen  verb&ndeten  Deat- 
«•chen  Landflsverslne,  sowie  die  Ritterorden  (Johanniter,  Malteser,  St.  Oeorgii>Ritter) ,  welcha 

srhon  im  Frieden  toiierhalb  dos  T'onischeii  R«?ichr-s  d<-n  ZwockOD  der  Krankflopflogo  widmen, 

sind  htreclitigt.  den  KrieftssanitntsdiciiSt  in  unterst iitzen, 

2  Diese  Bcre«^litignng  hat  zur  Vo^aus^iL■t/.^ln^ ,  dass  j^i  naniite  Vereine  und  "rdeu 
binsit'litlicli  Regelung  dieser  Unterstützung  den  Anordnungen  der  Miiitärbehttrde  und  ihrer 
einzelnen  zu.standigen  Organe  uubediugt  Folge  leisten. 


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KRANKENPFLEGE. 


455 


3.  Sonstige  Gesellschaften  etc.,  'welche  zu  den  deutschen  Vereinen  vom  Rothen  KnOB 
in  keiner  Beziehung  stehen,  sind  von  solcher  Berechtigung  überhaupt  aasgesrhlo^^seu. 

Ihre  Zulassung  hänjrt  in  jedem  einzelnen  Falle  voti  der  'rftnidiniit'ung  des  Kriegs- 
nioisterioiDS  ab.  iJer  bezügliche  Antrag  ist  an  den  kaiMrlicben  Commiasar  und  Militär« 
inspector  der  frehrilligmi  Krankenpflege,  bMiebnDgsweiM  d«>Mn  SteIlTertret«r  sn  riebtra. 

Wir«!  f;<  nehmipuns:  ertlieilt ,  so  wird  ilio  betreffende  fieselisrhaft  pleit  hzeitig 
den  Vereinen  vom  Kothi  u  Krcnz  attadiirr,  solern  nicht  einer  der  in  Betracht  knniuienden  Kitter- 
«rdMI  ihre  Protection  übernimmt. 

4.  An  der  Spit»  der  geaanmten  freiwilligen  Krankenpflege  atebt  der  kaiaerlicba 
Commiarilr  und  Militlrinspeetor  der  freiwilli;^  Krankenpflege.  Die  deuttchen  TereiiM  vom 
Rothen  Kreuz  und  die  mit  ihnen  vt^rbtindett-n  V> n  ine  sind  durdi  <la8  CenttmlcOBllrt  der  enteren, 
die  Ritterorden  durch  die  lietrertVnden  '  ii  ilen>vur^taude  vertreten. 

*j       Anipaite  der  fr  >^  i  w  i !  1  i    en  K  r  a  n  k  e  n  j)  1"1  e  fr  e. 

1.  Die  Auti^'ube  der  freiwilligen  Krankenpdege  besteht  in  der  Unteratützung  des 
Mflittreanitätstlienstes : 

a)  im  Inland«, 

b)  im  Bereiche  der  Et.ippenbeh«irden.  und  zwar  in  dreifacher  Hinsicht :  in  der  Kranken- 
pflege, dem  Kraukentransport  und  in  dem  Depotdienst. 

Kar  besondere  Nothstände  können  die  Verwendnng  von  Formationen  etc.  der  frei- 
willigen Krankenpflege  in  erster  Linie,  d.  h.  im  Anaehlau  an  die  operlrenden  Tmppen 
bedingen:  di>'  (ienehmijrung  hierzu  kann  unter  :<oldien  aninahmaweiien Verhiltniwen TOn  dem 

betreffenden  Armee-tjbercommando  ertheilt  werden. 

2.  In  welchem  rmtanire  die  treiwillipe  Krankenpllege  diesen  Aufgaben  zu  »  ntsprecheB 
im  Stande  ist,  ergiebt  sieb  aus  den  durch  den  kaiserlichen  Commiasär  alljährlich  dem  Kriega* 
ministerinm  vorsnlegenden  Vebersicbten  Aber  den  vorhandenen  Bestand  an  Personal  nnd  Mate- 
rial. Die  Einreichuns:  dii'ver  I'eber.sii'hteu  t;e>i  liielit  zum  10.  .luli. 

'A.  Dem  kai.-^erlichen  Commissär  wird  durch  da«  Kriegsministeriam  alljährlich  mit- 
getbeilt,  welche  Yorhereitnogen  seitens  der  freiwilligen  Krankenpflege  fflr  den  MobflmaeliangafiJl 
plaamissig  zn  treffen  sind. 

Das  Kriegsministerinm  ist  berechtigt,  sich  durch  bezügliche  Mosternng  davon  m 
flbaneng en,  dus  diese  Vorbereitnngea  dem  tliatsächlichen  BedOrftiiss  entsprsdien. 

§.  3.  Oberste  Leitung  der  freiwilligen  Krankenpflege^ 

1.  Der  kaivetlirli«'  rommi.'^^'ar  und  Militarinspector  d>-r  freiwilligen  KraakOBpflege 
wird  von  Seiner  Majestät  dem  Kaiser  und  Könige  bereits  im  Frieden  ernannt. 

2.  Im  Kriege  befindet  sich  der  kaiserliehe  CommiiisiT  im  grossen  Haoptqwutiflr  md 
leitet  im  Einvetständoi.'-s  mit  dem  Oeneralinspector  des  Etappen-  nnd  Eisenbalinweaeas  den 

Dienst  di-r  freiwilligen  Krankenpflege  auf  dem  Kric^'-ist hauplatz. 

i-i.  Im  Inlande  steht  während  denen  ein  \<>ri  ."^einer  Majestät  dem  Kaiser  und  Könige 
eroanoter  stellvertretender  Müitärinspector  an  der  Spitze  der  freiwilligen  Krankenpflege;  er 
ist  verpflichtet,  den  Reqnlfritiotten  nnd  sonstigen  Anordnungen  des  kaiserlichen  Commissin 
betreffs  Fürsorge  der  l'n  iwillijrcn  Krankenpllt-ue  für  ilie  Feldarmee  Foltr.-  zu  leisten.  Die  Central- 
stelle  des  )initärin<i|ieet<irs  (im  Iniandel  wird  gebildet  aus  dem  Vorsitzenden  und  vier  bis  »ecbs 
Mitgliedern  des  Centralcomite.s  aus  den  Preus^tischen  Vereinen  und  ebenso  viel  Mitgliedern 
aw  den  übrigen  Laodesvereinen  vom  Rothen  Kreuz,  aus  den  Delegirten  der  in  Betracht  kommen- 
den Bltterorden,  sowie  aus  anderweiten  znr  Erledigung  der  Geschäfte  heranzuziehenden  ge- 
eigneten Mitarbi'itern. 

Der  Vorsitzende  des  Centralcomitei ,  sofern  er  nicht  etwa  zum  stellvertretenden 
llilitärinspector  All«  höchst  ernannt  worden  ist,  steht  der  Bearboitong  der  besüglichen  Depot» 
und  RechnungsanireleL'eiiheiten  vor.  Tm  Falle  der  Ernennung  des  Vorsitzenden  des  fVntral- 
romites  zum  .stellvertretenden  Militarin.<»pector  ist  die  Leitung;  der  betreHendt-n  Depot-  und 
Rechnungsangelegenheiten  einem  der  in  die  Centralstellc  delegirten  llitgUedor  des  Contml- 
comitte  nach  Vereinbarnng  mit  dem  Hilitärinspector  sa  übertragen. 

4.  Dvr  stellvertietende  Hilitärinspector  steht  in  direetem  Yerkehr  mit  dam  Kriege» 
ministerinro  ond  stellt  seine  Anträge  nach  Mansgabe  der  ihm  von  dem  kiiseriidien  Oomminir 
eilheilten  Directiveu. 

5.  Bei  ruumliih  getrennten  Krirg^^cbinplitien  kann  rieh  der  kaiserliche  Commissir 
auf  einem  derselben  durch  einen  Generaldelegirten  vertreten  lassen;  derselbe  bedarf  znr  Au» 
Qbnng  seiner  Functionen  der  Allerhöchsten  Kostat icnng. 

4.  Delegirte  der  t  r  i' i  w  i  1 1  i  g  e  n  Krankenpflege. 

1.  Die  Delegirten  der  freiwilli<ren  Krankenpflege  sind  die  Organe,  welchen  die  Leitung 
der  dem  Militarsanitalsdien-^t   zu  IcistetidiMi  I'nierstutznng  in  Ix'stimniten  (irtMiZ''!!  uMie^'t. 

Ihre  Thätigkeit  erfolgt  im  innig.stea  Verein  mit  den  leitenden  Militärärzten,  welchen 
in  Betreff  der  BedOrftaissfrago  nnd  in  allen  sachlichen  Beziehnngen  die  Entsokeidnng  zosteht. 

2.  r)ie  Delegirten  theilen  sich  in  solche  bei  der  Feldarmee  nnd  in  solche  bei  der 
Besatzung.sannec. 


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456 


KRANKENPFLEGE 


3.  Die  Delegirten  bei  der  Feldarmee  aind  folgende: 

m)  Zar  ■teppenii^pecUon  jeder  Armee  tritt  eis  Armeedehgirter.  Br  iMit  Mtir  d«m 
BeftU  des  Etappeninspectoni  und  triflft  seine  Annrdnunpren  im  Einverständniat  wAk  dev 
Btappengensralarzt.  Mit  dem  Armeeobercommando  verkehrter  durch  den  Amieegenenlust. 

h)  Jedem  FeldU^arethdirector  wird  ein  Corpsdelegirter  beigegeben ;  derselbe  steht  direct 
unter  dem  Armeedelegtrteii  und  trifft  seine  uässnahmsa  im  Einventftndniss  mit  dem 
Feldlazaretlidfreetor. 

ZlB  jeder  Krank. •iitranspnrt<ommission  (ritt  ein  Etappendt^Iegirter ,  welclier  unter  dMD 
Armeedelegirten  den  freiwilligen  Sanitätsdienst  auf  der  Etappenstrasse  regelt. 

d)  Aof  Jeder  SammeUtatioii  beSadet  sich  ein  Unterdeleglrtsr ,  welelier  nach  dem  Wei> 
•aagen  des  EtappendelpRirten  die  Verwaltung  nnd  die  von  den  staatlichen  Organen 
vanbbtngige  RechouDp^le^ung  über  die  freiwilligen  (>ab«n  besorgt  und  innerhalb  der 
ilim  von  den  suständigen  Eisenhahiibehördea  eingeräumten  Grenzen  bei  dwn  Nadi- 
idiab  Ton  Personal  and  Material  der  freiwilligen  Krankenpflege  mitwirkt 

4.  Bei  der  Besatsnngsannee  werden  folgende  Delegirte  eingesetst: 

a)  Jedem  sttdUertn-tenden  Genoralrommando  wird  ein  Corpsdelegirter  beigepel»en,  welcher 
innerhalb  de.s  Corpsbereirhes  die  Betheiügang  der  freiwilligen  Krankenpflege  regelt. 

h)  Za  den  Gouverneuren .  beziehvngswetse  Commandantea  armlrter  Featnagea  tritt  nach 
Bedarf  ein  Festtingadelegirter. 

e)  Werden  besondere  Besenrelazarethdirectoren  aufgestellt ,  so  werden  ihnen  für  ihren 
Benicb  Beservelazarethdelegirto  zuf:<tlieilt 

dj  Jeder  Liniencommnndantnr  wird  ein  Liniendelegirter  beigegeben,  welcher  den  Yer» 
kehr  swisehen  den  Corpsdelegirten  der  Besatsnagsnnaee  nnd  den  Etappendelegirtett 
der  Feldarmee  vermittelt. 

5.  Die  Delegirten  werden  auf  Vorüchlag  der  in  Betracht  kommenden  Vereine  und 
Orden  von  dem  kaiserlichen  Commioir  ansgeiriUilt  nnd  bedflrfen  snr  Aasttbvag  Ihmr  FnactioneB 
der  Best&tignng  des  Kriegsministerinm«. 

DIeaelb«  •inanhi^  ist  Sneh«  des  kaiaariidiea  Coimmiaiii«,  bmdeliaagtwaisa  det  atall- 
vertretenden  Hilit&rinspectors. 

§.  5.  Personal  der  freiwilligea  Kraakenpflege. 

1.  Das  Personal  der  freiwilligen  Krankenpflege  (einsehliesülich  der  Delegirten)  muss 
Deutscher  Nationalität  rein,  nnd  darf  weder  dem  activen  Dienststande,  noch  dem  Beurlaabien' 
ataade,  noch  der  Ereatcreserve  1.  Classe  angehören;  desgleichen  sind  Hititlrpilichtige  von 

aotehsr  Verwendnnj»  anspeschlossen. 

Wehrfahise  i.andsturmpflicbtige  ,  welche  gedient  haben,  dürfen  nur  dann  deaignirt 
werden,  wenn  sie  das  40.  Lebensjahre  bereits  Uberschritten  balieu. 

Eine  Zula^sKung  international*- r  Hilfe  darf  nur  im  Inlande,  aber  auch  hier  aar  aos* 
nahmsweise  und  mit  besonderer  Genehmi^'ung  des  Kriejgrsminiaterinms  statttinden. 

;;.  Wird  über  Krsatzreservisten  U  ('lasse  oder  über  Landsturin((iliehtige  —  soweit 
sie  überbaapt  iu  Betracht  kommen  —  seitens  der  freiwilligea  Krankenpflege  verfugt,  so  mus« 
dem  Landwebrbesirkseommando,  bei  welchem  sie  controlirt  werden,  besfehnngsweise  in  dessen 
Besilk  sie  wohnen,  i  ntsprerhende  Uittheilting  gemacht  werden. 

3.  Die  Auswahl  des  Personals  ist  Sache  der  betreü'enden  Vereine  etc. ;  dasselbe 
mtlSB  in  jeder  Hinsieht  den  Anforderangan  der  Stalle,  fltr  welohe  es  anegewhUt  wird, 
entsprechen. 

BexBgliche  Vorbildung ,  Unbeseholtenheft  nnd  ZnveriiHtgkeit  sind  mierlisslieh. 

4.  Di«'  Ar.T.alime  ilt-r  •■rCrjrdi'rlicheii  Aerzte,  Aimthdter,  Bechnunggführer  etc.  l!;. 

ist  gleicbfalls  Sach*-  der  treiwilligen  Krankenpflege:  die  lietrefTendsn  Aerste  müssen  vom  Kriegs- 
ninisteriain  be^tatiirt  werdeo. 

5.  Eine  namentliche  T,iste  des  ihnen  unterstellten  Personals  reichen  die  Delegirten 
deijenlgen^lilitärbehörde  ein,  welcher  sie  beigegeben  sind  ;  Veranib  run^'^snacbweisauLren  werden 
allnionatlich  vnr^iie<rt. 

Die  Armeedelegirten  erhalten  seitens  der  ihnen  unterstellten  Delegirten  4,3  b — d) 
Abflchrift  dieser  Listen  und  Verindemngsnaehweisnngen. 

0.  Das  gfwanimte  Personal  der  freiwilligen  Krank »'uiitli-ge  ist  auf  deai  Kriegsschau- 
platz den  .Strafvorsi  hritten  des  Militarstrafg'  setzbucbs,  insbesondere  den  Kriegsgesetzen  und 
der  Disciplinar.strafordnung  für  das  Heer  unterworfen.  (Militärstra^gesetzbach  ffir  das  Deatsche 
Boich     1Ö5  nnd  Di^ciplinarstrai'ordnung      ii,  3  und  38). 

$.  6.  Unterstfltanng  des  Samitätadienitet  bei  der  Feldarmee. 

1.  Bei  Eintritt  der  Slobilniachung  begiebt  sich  der  kaiserlidie  Commissär  in's  grosse 
Uauptipiartier,  die  Ärmeedeb  girien  nach  den  Sammelpunkten  der  Etuppeuin.spectiüueu,  die  Unter- 
delegirten  nadi  den  Snmmelstationi  n. 

Die  hieran  erforderlichen  Angaben  werden  ihnen  —  soweit  angängig  —  dnrch  das 
KriegsnioiMerinni  bereits  im  Frieden  gemacht. 

D  as  zur  Ar.siibnng  ihm  Functionen  unbedingt  nothwendige  Unterpersonal  wird  von 
ihnen  mitgenommeu. 


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KRANKENPFLEGE. 


iS7 


2.  Da«  sonstige,  planmässig  bereitgestellte  Penonal  (einschliesslich  der  Etappen- 
nnd  Corpsdelegirten)  wartet  an  Ort  nnd  Stelle  weitere  Bestimmong  ab.  Die  bezüglichen  Requi- 
aitioillMI  werden  von  den  Armeedekgirteu  an   den  stellvertretend«»  MilitlrinipBetlMr  g»ridit«t. 

3.  Dieses  Personal  gliedert  sieb  in  folgender  Weine: 

« )  L  a  z  a  r  e  t  h  p  f?  r  s  o  u  a  1. 

Für  jedes  Ärnieccorps  wird  ein  besonderes  Lazarelhdetachenient  gebildet,  welclMt 
dsm  Kriegslazarethpi-rsonal  des  bt-treffenden  Corps  attachirt  wird.  Es  besteht  zunächst  am 
«wgebUd«ten  Kiankenpflegem  ond  Krankenpfl^erinnen,  Köchen,  beuehnngsveiae  Köchianm. 
Dia  Bnreiterong  dieser  Formation  hängt  von  dem  Bedttrfniss  ah. 

An  der  Spitze  derselben  sfeln  licr  CorpsdelcgirtH. 

Ob  und  in  welchem  Umfange  Tbeiie  dieser  Detacheuieuts  an  die  Etappen iaxarethe 
•bcegebao  nnd  damit  dem  Btappendelegirten  anteratellt  werden,  nntaciieft  der  Bastbnmwic 
des  Ameedelegirten. 

b/  Et  u  p  pe  n  p  e  rs  o  n  a  1. 

Für  jode  Etappeninspectinn  wird  ein  treiwilliges  Begleitdetachement  für  die  Kranken- 
tnnsporte   piuDuius.si<:  geliildet,  welches  znr  Verfttgnag  des  betretenden  Etappendelegirten  steht. 

Ein  Theii  dieses  Pervonals  kann  zur  Besetzung  nnd  Venreltnaf  von  Verband»  and 
Erfrischungsstationen  anf  den  Bahnhöfen  verwandt  werden. 

Ob  (lio  ArJ-iellunn:  geschlossener  Lazan-tli/ime  planmiaaig  vomselien  ist«  IläBgt 
von  den  bezüglichen  Bestimmungen  des  Kriegsministeriums  ab. 

Ansserdem  wird  fIHr  Jede  Etappeninspectinn  «ia  besonderes  TraBspottdetaBboaent  anf- 
gestellt,  welches  zunächst  dem  LaaareUiraeerTedepot,  beaidiangswelse  der  TialacolonB«  des- 
selben attachirt  wird. 

Dieses  Transportdetachement  dient  znr  Verbindung  des  Etappeabanptorts  mit  den 
vorgeschobenen  Lazarethen,  nnd  stallt  ausserdem  die  erforderlichen  Abthdlnngen.  um  innerhalb 
der  siueiBMi  Etappenorte  d«a  Knakoitransport  (vom  Balnhaf  neb  dtn  «iuelnen  Laiarethen 
und  angekehrt)  an  AbcmehnMii. 

ej  De  pot personal. 

Für  jede  Etappen inspfctinn  wird  ein  Depotdetachement  planmässig  aufgestellt;  es 
dient  znr  Unterstützung  des  Unterdelegirten  anf  den  Sammelstationen  in  der  ihm  nach  t^.  4.3  il 
zufallenden  Anfgabe,  sowie  zur  Verwaltung  der  Depots  der  freiwilligen  Krankenpflege  au  den 
Etappenhanptorten.  Inwieweit  an  einzelnen  Etappenorten  noch  Zwischendepots  errichtet  werden, 
richtet  sieb  nach  dem  BedllrAiiss;  besliglicbe  Bestimmnog  trifft  der  Btappendel^rte. 

4.  Für  die  .\n8stattung  des  gesamniten  Personals  mit  allem  Nöthigen,  sowie  für  die 
Bereitstellung  der  erforderlichen  Vorräthe  für  die  Depots  sorgt  die  freiwillige  Krankenpflege 
nacb  den  ihr  miUtftiisdierseits  angebenden  Direetiven. 

|.  7.  ÜBtersttttiang  des  Sanititsdienates  bei  der  Basatavagaarmee. 

1 .  Das  innerhalb  jedes  Coqisbezirkeü  bereitsnstellande  Personal  i^edort  sich  glaloh- 

falls  in  Lazareth-,  Transport-  und  Depotpersonal. 

2.  Die  Stärke  nnd  Zusammensetzung  des  Laaantiipersoaala  richtet  sich  nach  der 
Zahl  und  (ti  m  T'mfantre  der  der  freiwilligsB  Krankeopflage  SU  ftberwaisenden,  beaiehufsweise 

von  ihr  zu  erritblendeu  Lazarethe. 

;-{.  Das  Transportpersonal  wird  theils  zum  inneren  Transportdienst  (Transport  von 
den  Bahnhöfen  nach  den  Laaarathen  etc.),  theils  als  Begleitpersonal  anf  den  Eiseabaholinien 
▼erwandt.  Im  letzteren  Falle  steht  es  zur  VerfOining  des  Liniendelegirten. 

Oll  und  inwieweit  Vi  riiflet^nng.^-  und  Erfrischung.'s.stationt^n  auf  einzelnen  UlÜen  der 
Ireiwilligi  n  Krankenptlege  übergeben  werden,  hängt  von  den  Verhaltnis.sen  ab. 

An  Jedem  Etappenanfangsort  wird  vuii  der  freiwilligen  Krankenpflege  ein  Depot 
für  das  hetreffende  Armeecorps  angelegt,  fortlaufend  ergänzt  nnd  verwaltet.  Ans  ihnen  erfolgt 
die  Completirnng  der  Bestände  der  Saumeistationen  nsch  den  Directiven  des  Liniendelegirten, 
sowie  ilie  \  i  rsorguiig  der  Lazarethe  de-i  Horpsliezirkes  und  der  innerhalb  dieses  Bereiches  der 
freiwilligen  Krankenpflege  übergebenen  V'erpflegangs-  und  Erfrischnogsstationen  in  Gemässheit 
der  Anordnungen  des  Corpsdelegirten. 

a.  Die  Thatiekl  it  der  Fes1uTtfrsfl''leirirteii  richtet  sich  nach  den  näheren  Beatimmungen 
der  betreffenden  (Gouverneure,  beziehungsweise  Coumaudanteu ;  da.s  erforderliche  Personal  und 
Material  wird  —  soweit  es  sich  nicht  an  Ort  nnd  Stelle  vorilndet  —  von  wsteren  bei  da» 
Corpsdelegirten  beantragt. 

<i.  Werden  Keservelasarethdelegirte  anfgestellt,  so  werden  ihnen  von  den  Coipsdete» 
girten  die  erfi»derliebe&  personellen  and  materiellen  Mittel  angewiesea. 

§.  8.  Sonstige  Festsetzungen. 

1.  Die  ( )rL'anisation  des  Centralnachweisebnreaus  ist  im  Kriegsmioisterium  besonders 
vorbereitet  und  der  l  iiifaug  der  Bethcilignng  der  freiwilligen  Krnukenptlege  planmässig  geregelt. 

'<i.  Im  l'elirigen  bilden  die  Festsetzungen  des  Thciles  VI  der  KriegSsaBitAtSOrdnuag 
die  Grundlage  für  «Uc  weiteren  Uassnahmen  und  Einrichtungen. 


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KUANKENPFLEGE. 


Tni  den  ira  Organisationsplane,  §.2,  1,  ^i'forderten  Aafgaben  zu  genflgen, 
sind  die  deutsflien  Vereine  vom  Kothen  Kreuz  und  die  mit  ihnen  verbündeten 
deuUicbeu  Laade^vereiue  uod  Kitterorden  in  deo  letzten  Jahren  eifrig  bemUht 
gewesen,  sidi  lebon  Im  Frieden  fttr  die  Anforderangen  «nee  Krieges  enf ■  Soig- 
fUtigate  TOnubereiten. 

Was  die  Ausrüstung  mit  Material  betrifVt.  s^o  werden  nach  einem 
in  der  Medicinalabtheiluug  des  Kriegsminiateriums  ausgearbeiteten  „Nachweis^ 
Verbandmittel ,  Apparate,  Laisrethateoiilien ,  HefKeamentef  Lebensmittel  ete.,  in 
«aagedehntem  Masse  beschaffen  and  in  Depots  berei^ehalten. 

Von  f.iHt  allen  M;inner\ ereinen  werden  ^-aiize  VcreiiHlazaretbe  vorbereitet, 
in  denen  Kranke  und  \ Crwundete  wiihnnd  eines  Krit;ct'-i  untcrfrebraelit  werden. 
So  äiud  z.  B.  in  Westpbaieu  10  Lazaretho  mit  circa  L^OO  Lugersteliea,  iu  Kbeiu- 
land  10,  in  Hessen-Nassen  6  (mit  116  Betten),  in  Seelisen  6  (mit  200  Betten),  in 
Berlin  allein  5  Privatlazarethe  mit  cira  2100  Betten  in  Aussicht  genommen.  Im 
Januar  bat  das  Deutsche  Centralconntö  selbst  angeschafft :  ein  transportables 

Lazareth  (^System  Ducker;  für  JOOü  Verwundete  (50  Lagerungs-  uud  30  Wirth- 
sehaftsbaraelEett  fDr  300.000  Msrlc)  und  ein  dasselbe  ansrtlstendes  Inventar 
(1000  Rettstellen  SCHULz'schen  Systems,  2000  StrohsÄcke,  200  Nachttische, 
200  Rettschiisseln,  3000  Hemden,  200  Hcttlaken ,  Verbandmaterial,  Wirtlischafts- 
material  zusammen  Iflr  100. OoO  Mark).  Die  transportablen  Lazarethbaracken 
werden  vom  Centralcomitü  auch  den  einzelneu  Landesvereinen  unter  gewissen  Be- 
dingungen nnentgeltUeh  Obenriesen. 

Die  Ausdehnung  des  Verein snetzes  der  deutsehen  Vereine  vom  Kothen 
Kreuz  und  ihrer  Verbündeten  hat  in  den  letzten  Jahren  ausserordentlich  zu- 
genommen. Der  preussiscbe  Verein  zur  I'tlege  im  Felde  verwundeter  und  erkrankter 
Krieger  xihlte  am  Schlnsse  des  Jahree  1891 :  13  Provinzia!-,  4  Besirlu-  und 
435  Zweijrvereine.  Die  Heranbildung  von  Krankenpflegern  und  Krankenträgem 
aus  den  Mitfrliedern  diestr  Vereine  fjehnrt  zu  den  \ornehmsteu  Aufgaben  de« 
C'entralcomit^s.  Die  Ausbildung  derselben  erlulgt  iu  Krankenhäusern,  Kliniken 
mid  ähnlichen  Heilanstalten. 

Von  den  Ktterorden  überragen  die  Johanniter  in  ihrem  Besitzstände 
an  Pfle°eper8onal  und  Krankenhäusern  die  beiden  anderen  Orden  ganz  erheblich. 
Im  Jahre  1891  besassen  die  Johanniter  42  Krankeu-  und  Siechenbauser  mit  1>^81> 
Betten;  in  ibuen  wurden  10.850  Kranke  an  446.860  VerpfleguDgatagen  behandelt. 
Das  in  der  Kraakenpflege  ausgebildete  Personal  —  dasselbe  geniesst  Ubrigeas 
seinen  Unterricht  auch  in  Hdlanstalten ,  welche  nicht  sam  Besitze  des  Ordens 
gehören  —  ist  seit  1886  um  weibliche  Kräfte,  die  sogenannten  ,,dien  enden 
ächwestern%  vermehrt  worden.  Im  Jahre  lö92  waren  bereits  350  dienende 
Sehwestem  vorhanden. 

Hit  dem  bisher  angeführten  Material  ist  die  freiwillige  Krankenpflege 
im  deutschen  Heere  nicht  erschöpft.  Für  den  Fall  eiues  Krieges  werden  die  in 
1  ,  1.  des  (>r^^■lTlisationsplanert  (s,  pag.  354)  genannten  Vereinigungen  durch 
Hilfstruppeu  lu  ganz  hervorragendem  Masse  unterstützt.  So  standen  1802  dem 
Johanniterorden  von  den  Diakonissenhinswn  1189  Diakonissen,  von  der  Diakonen- 
anstalt zn  Duisburg  374  Diakoneu  und  Hilfsdiakoncn  zur  Verfügung. 

Dem  Finthen  Kreuz  schliessen  sich  für  den  Kriegsfall  zablreiehc  ausser- 
halb der  Organisation  dos  Ceutralcomites  steheude,  mi  Kriege  ihm  aber  unter- 
stellte kleinere  und  grössere  Corporationen  und  Vereine  an.  Von  den  grosseren 
Verbänden  ist  in  erster  Linie  der  stolz  auf  blühende  Vaterl. 'indische  Frauen- 
vereiii  zti  nennen,  de-sm  Vorstünde  —  Tentralcomite  und  Coraites  der  einzelnen 
Unterverltande  und  Zweij^vereine  —  seit  dem  Jahre  1887  mit  den  Vorständen 
der  analogen  3Iännervereine  engste  Fühlung  gewonnen  haben. 

Naeh  dem  Jahreslmridite  1893  ist  die  Zahl  dw  Landes-,  Provinzial-  uud 
Bezirksverb.lnde  des  Vaterländischen  Frauen  Vereins  auf  18,  die  Zahl  der  Zweig- 
vereine auf  7U4,  die  der  Mitglieder  auf  111.000  gestiegen.    81)  Zweigvereine 


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KBANKENPFLEGE. 


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ktaneo  für  den  Kriegsfall  bestehende  Knnkenhlaser  mit  3000  Betten  sur  Ver* 

filgnng  stellen,  70  nehmen  die  Einriehtang  von  Vereinslazarethen  mit  ebenso  viel 
Betten  in  Aussiebt,  63  Ubernehmen  Leistungen  für  Reservelflzaretbe ,  76  wollen 
Oenesungsstationeo,  1Ö3  Verbands-  und  Verptiegun^sstatiunen  einrichten.  Die  Zahl 
der  sor  VerfQgang  stehenden  Sehwestem  beträgt  632;  ansserdem  kSnnten  672 
sieht  berufsmässige  oder  nicht  voll  ausgebildete  Pflegerinnen  verwandt  werden. 

So  lanjfe  aber  dt-r  segensreiche  FriediMi  in  den  deut^^elion  Gauen 
wohnt,  sind  die  Kräfte  des  Vaterländischen  Frauenvereins  den  mannigfaltig»ten 
Boeiaien  Werken  geweiht.  Der  Schwerpunkt  der  Thatigkeit  liegt  freilich  auch  im 
Frieden  auf  dem  Gebiete  der  KrankiDpfli^e.  Zur  Zeit  (Iben  167  Vereine  mit 
626  Berufskrankenpflegerinnen  die  Krankenpflege  in  der  Gemeinde  und  in  Kranken- 
häusern au«.  Ausserdem  sind  361  Pflegerinnen  bei  14 1  Kinderbewabranstalten, 
biccbeuhuuscru,  Asylen,  Aiägdeherbergen,  Waisen-  und  Erziehuugsanstalteu,  liand- 
arbeite>  und  Hauswirthsehaftsiehnlen ,  Volkskflehen  und  Snppenanstalten  tbAtlg. 

I  i  i  w  ], i-er  vielseitiges,  aber  nicht  minder  werth volles  HÜtepersonal 
liefern  den  deutschen  Vereinen  vom  Rotben  Kreuze  ferner  die  auf  Anre^nnp*  ihres 
Centralcumitüä  im  Jahre  1887  eingerichteten  Sanitätscolouneu.  Dieselben 
bestehen  ans  Mitgliedern  des  Kriegerbnndes  und  haben  die  Aufgabe,  vorsugsweise 
in  der  Heimat  den  Dienst  auf  den  Verbandsstationen  und  beim  Transporte  in  die 
Lazaretbe  zu  verseilen  :  sie  können  indcss  auch  zur  Dienstleistun?  iin  den  Fvtnppen- 
orten,  auf  den  S-iniiiliszilgon  und  ausnahmsweise  bei  den  Sanitätsdetacheraents  der 
Truppen  herangezogen  werden.  Die  Sanitätscolonnen  werden  in  methodischer 
Weise  theoretiseh  und  praktisch  ausgebildet.  Die  Lehrmittel  erhalten  dieselben 
direct  vom  Centralcomite  des  I^otben  Kreuzes  in  Berlin.  Als  Unterriehtigcgen- 
stände  sind  zu  nennen:  Anlegen  von  Xothverbflnden ,  i^lufstillung,  Assistenz  der 
Aerzte,  sacbgemässer  7  lansport  und  Lagerung  von  Verwundeten,  Uerricbtung  von 
Fahrzeugen  fdr  den  Krankentransport  mit  Torsehriftsmissigem  nnd  mit  Noth- 
material  etc. 

T'm  den  F^ifer  für  die  llaui)t;iufirabe  nieht  erlahmen  zu  lassen  und 
andererseits  die  Schulung  durch  fortdauernde  Thütigkeit  im  Frieden  zu  erhalten 
und  zu  verbessern,  hat  der  Bundesvorstand  neuerdings  das  Bestreben,  die  IGt- 
gUeder  der  Sanititseolonnen  zu  Samaritern  auszubilden  und  sie  so  zu  befähigen, 
ihren  Nebeninerischen  auch  schon  in  Friedenszeiten  bei  Unglflcksflllien  eine  saeh- 
gemäi^se  und  selmelle  Hilfe  zu  brinfren. 

Welchen  Anklang  die^e  doppelseitige  Aufgabe  bei  den  Vereinen  des 
deutsohen  Kriegerbnndes  gefunden  hat,  beweist  die  Tbatssehe,  dass  im  Jahre  1892 
in  PrensBim  bweits  233  SanitUseolonnen  mit  6971  Mitgliedern,  in  angransenden 
deutsehen  Ländern  4<)  Colonnen  mit  !*88  Mitgliedern  ein/eriehtet  waren. 

Die  dritte  grosse  Vereinigung,  welche  dem  liotbeu  Kreuze  im  Kriege 
eine  bedeutende  Zahl  von  Hiffstruppen  zuftlhrt,  ist  die  ebenfalls  aus  der  Initiative 
des  Centralcomites  der  deu(sehen  Vereine  vom  Rothen  I\reuz  hervorgegangene 
Oenossensebaft  frei  wi  Iii  ^rer  ranken  pflege  r  im  Krie.ire.  Die  interessante  Gescliielite 
ihrer  Entstehung  und  weiteren  Entwicklung  wollen  wir  etwas  genauer  verfolgen. 

II.  Die  Genossensehaft  freiwilliger  Krankenpfleger  im  Kriege. 

Am  12.  Mai  des  Jahres  1886  richtete  das  Ccntralcomit«^  der  deutschen 
Vereine  vom  Rothen  Kreuz  an  den  Verwaltungsratb  des  Rauben  Hausen  bei 
Hamburg  den  Antrag,  speciell  innerhalb  des  Königreiches  I^reussea  die  Organi» 
sation  einer  fDr  den  Kriegsfall  bereit  stehenden  freiwilligen  männliehen  Kranken- 
pflege in  die  Hand  zu  nehmen. 

Nindiilem  der  Vorsteher  des  Rauben  Hauses.  Direetor  WiCHEHX,  in  einer 
zur  Berathuug  dieses  Antrages  am  20.  Mai  einberufenen  Plenarversamuiluug  des 
Verwaltungsrathes  sieh  bereit  erklart  hatte,  fSr  den  gedaehten  Zweck  eine  Genossen- 
schaft zu  begranden,  wurde  auf  seinen  Vorsehlag  zur  definitiven  Entscheidung  der 
Angelegenheit  eine  Versammlung  von  Vertrauensmännern  naeb  Berlin  berufen.  In 


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KBANKENPFLEOE. 


dieser  am  27.  und  28.  Mai  in  den  Kaumen  des  CeDtralcomites  der  deutschen 
Vereiue  vom  Rothen  Kreuz  tageudeu  Cooferenz,  zu  der  18,  ^rögsteotheilB  bereits 
während  dea  Krieges  1870/71  in  der  fruwilllgen  Krankenpflege  erprobte  Ver- 
tnuenflmänner  erschienen  waren,  flbemahm  Wicherx  definüir  die  Begrflndnng 
^er  Genossenschaft  freiwilliger  Krankenpfleger  im  Kriege. 

Für  dieselbe  wurde  bereits  in  dieser  Versammlung  das  Statut  entworfen 
nnd  angenommen.  Dasselbe  wurde  später  nach  den  inzwischen  gemachten  Erfah- 
mngen  modifioirt  und  efwdtert  nnd  hat  —  naoh  seiner  letsten  Bedaetion  am 
16.  Min  1892  —  folgenden  Wortlaut: 

§.  1.  Zwo(  k  der  Genossenschaft. 

Die  Genoaseuchaft  aammelt  ood  biUst  in  Friedensseit«^  MAoaer  dentscher  Nationalität 
Ar  die  Pflege  im  FeIJa  verwondeter  tmd  critnuiktttr  Kri«ger.  nm  sie  fttr  KrieKszeiten  dem 

Centrali  nmite  der  deutschen  Vereine  vom  Rotfaen  Krens,  den  Landesvereinen  vom  R  iflu^n 
Kreuz  und  den  von  diesen  resttortirenden  Vereinen  cnr  Verfügung  zn  .stellen.  Auch  .sauimelt 
die  OenoMMlBebaft  Personen,  welche  als  Delegirte  oder  Depotverwalter  für  den  Kriegsfall 
den  vorgenannten  Vereinen  vom  Rothen  Krens,  beiieliiuigawaiM  dttrcb  dieselben  dem  kaiaeri. 
Hilit&rinspector  äberwieaen  werden. 

$.2.  Zniammenietinng  der  OenoBseasehaft 

Die  Geni»isen8chafl  liesteht  aus  ordentUelMB,  ausseronlfiitlichen  und  Ehreiimit>r!it  derD. 

Die  ordentlichen  MitgUedtr  sind  für  die  eigentliche  Kriegskrankenpdeg«  auj^rsehen. 
lieber  die  Anfliahme  ven  solchen  s.  §.  5. 

Die  anH.<;erordentlichen  Mitglieder  verbreiten  den  Sinn  für  die  Be.strebiiDg;>Ti  der 
GenoMenschatt,  werben  neue  Mitglieder  und  finden,  l'alla  sie  dazu  bereit  sind,  im  Krieg^talle 
VerwMBdnnK  als  Delegirte  oder  Depotverwalter. 

Fsnonen,  welche  sich  besondere  Verdienste  nm  die  Genoesenscbaft  erworben  haben, 
kSnnen  zn  Ehrenmitgliedern  gewählt  weiden. 

Die  W'iM  vnn  aus.se rordentUehen  nmd  EhreomitgUedem  geschieht  dnrdi  die  Vor- 
stände der  einzelnen  Verbände. 

§.  3.  Gliederung  und  Leitung  der  Genossenschaft. 

a)  Die  Verbinde.  Die  Genesesnschaft  xerfillt  in  VerbAhde ,  welche  Brtlioh  gegen  einander 

abgegrenzt  sind. 

Treten  neue  Verbände  ins  Leben,  so  erfoli^t  die  ortlicbo  Abgrenzung  dnrch  den 
geschäftsfübrenden  Aosschnss  nach  Verständigung  mit  dem  Vorstands  deijenigen  Ve^ 
Imndes,  dessen  Besirk  hierdttrch  eine  Verinderung  erfährt. 

Die  Verbände  werden  doreh  Vorstände  fseleitet,  welche  sieh  dnrch  Wahl  selbst 
«glaien. 

bj  Die  Delegirtencunferenz.  Die  Delegirtencouferenz  bestellt  aus  den  Vertretern  der  einzelnen 
Verblade.  Sie  tritt  in  der  Regel  einmal  im  Jahre  in  Berlin  snsammen.  Die  Vertreter 
werden  von  den  Vorständen  der  einzelnen  Verbände  ernannt. 

Auf  der  Delegirteneonferenz  werden  alle  Angelegenheiten,  welche  die  (Jenossenschaft 
als  Ganzes  betreüen,  nnd  solihe  Fragen  enirtert,  welche  iu  ilircr  Ut^ileutuug  über  die 
Grenzen  der  einzelnen  Verbände  hinausgehen.  Die  Delegirteneonferenz  £Mst  hieräbsr 
die  erforderlichen  Bescblflsse.  Bei  Abttimmangen  steht  jedem  Verbände  eine  Stimme  an. 
ej  Der  geschaftsfohrende  Ans.-chuss.  Der  ge.schäftslührendti  Aii-schuss  leitet  die  Ge.schäfte 
der  Genossenschaft  und  vertritt  die  letztere  nach  Aussuit;  er  biingt  die  Beschlüsse  der 
Delegirtenconler<nz  /.ur  Ausführung,  bereitet  die  der  He.schlnüüfas.iung  derselben  nt 
nnterbreitenden  Angelegenheiten  vor  and  bat  ttberbaupt  die  Oberleitung  der  Genossenschaft. 

Derselbe  hat  seinen  Sita  In  Berlia  nnd  wird  von  der  Delegirtenconferens  anf  je 
drei  Jahre  gew  iliit  Er  besteht  aus  7-~ll  Uitgliedem,  welche  nach  Ablanf  ihrer  Mit* 
gliedschafl  wieder  wählbar  sind. 

Der  An»schoss  Tertheilt  die  Gesehifte  nnter  seinen  Mitgliedern.  Der  Versitiende 
wird  jedoch  von  der  Delegirtenconferi'iiz  ;rewülil( 

Der  Ausschuas  nimmt  an  allen  Vi  rlianiilnngen  der  DelegirtenrDnbTeiiz  Tln  il,  ohne 
al.'^  solcher  stimmberechtigt  zu  i-ein.  Die  Verhandlungen  werden  vmu  <!'-ni  Vorsitzenden 
des  Ausschns.'es  ^rnleitet;  bei  Stimmengleichheit  giebt  der  Vorsitzen  le  di"  Entscheidnng. 

§.4.  Voraussetzungen  des  Beitrittes  zur  Geuo ssens e h u ft  iur  die  ordent- 
lichen Mitglieder. 
Die  (Icnossenschaft  setzt  bei  ihren  ord>-ntlif  hcn  Mitgliciifrn  voraus: 
«y  eine  chri.stliche  Gesinnung,  die  vor  keiner  Dienstleistung;  zurucivM  lireckt,  .sowie  die  Be- 
reitwilligkeit, auch  im  Frieden  das  Erlernte  bei  l'ngliiokstalleu  im  8iunc  von  Sumariter- 
diensten  aasnwenden.  Personen,  welche,  ohne  dem  christiiclien  Bekenntnisse  anzugehören, 
von  derselben  Opferftendi^keit durchdrungen  sinrf.  werden  zur  Hitgliedsdiaft  zugelassen; 

b)  tre.iidnet«'  LfbiMt-verhültnisse  und  >  iin-n  '.iiibvsihohenen  I-eb.^ns\vandel;  letzterer  ist  attf 
Erfordern  durch  Zeugnisse  glaubwürdiger  i'<;rii>onen  nachzuweisen ; 


KRANKEMPFLEGB. 


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r>  (lass  <iie  weder  dein  nctivn  Dienststande,  noch  dem  Bmlaabtnittaild*  (BMMTfS,  Land- 
wehr I.  and  JI.  Aufgeljotes,  Er^atzreserve)  an^bören ; 

Personen,  deren  Uilitärverbältniss  zar  Zeit  der  Meldung  noch  nicht  entschieden  ist, 
können  ebenfalln  znr  Mitgliedschaft  zugelassen  werden  :  besondere  Kosten  dftrfen  jedoch 
fÄr  deren  Ausbildung  nur  dann  aufgewendet  werden,  wenn  dieselben  nach  der  von  dem 
betreffenden  Vorstande  gewonnenen  Ueberzeugung  voraussichtlich  militÄrfrei  werden 
oder  wenn  dieselben  anter  das  B«ic]i«gesatz  vom  8.  Febroar  lb90  (betreffend  die  Wehr- 
pliiebt  der  Oeiattielien  rSmiielnkatliolisdier  Conftnion)  Mlen; 

il I  \]:\^^:  ihre  Körperkräfte  den  voraussichtlichen  Anstrengungen  ihres  Dieoitw  im  KltofC 
gewachsen  sind  und  da^ss  .sie  nicht  an  übertragbaren  Krankheiten  leiden; 

t)  dass  sie  die  Fähigkeit  haben,  das  zu  Krlernende  zn  begniüni  nnd  ftr  die  wftirdMUcliett 
Handleistnngen  hinreichende  Geschicklichkeit  besitzen. 

§.  5.  Aafnabme,  Abneichen,  Zustindigkeit  and  Aniscblnaa  ordentlicber 

Mitglieder. 

a)  Dia  Anfiinba«.  Deber  die  Aufnahme  ordentlicher  Mitglieder  entsduidtt  dwTonItwnde 
den  Vomtnndea,  vorbebaltlicb  der  fiernfong  an  den  letnteren. 

h)  Das  Abielcben.  Die  Hitglieder  etlinltMi  naeh  ibrar  AnsbOdttn^  «fna  llitgKadakarte  nnd 

ein  Abzeichen  (rm  arde)  Beide  hnbatt  SOntchst  nur  für  die  Friedenszeit  Geltung.  Die 
Mitgliedskarten  werden  von  dem  Vorsitzenden  des  geschäftsführonden  Ausschusses  unter- 
zeichnet. Im  Falle  des  Austrittes  oder  des  Ausschlnsses  sind  die  Mitgliedskarte  und 
das  Abzeichen  zuittckxngehen.  Ueber  das  Abaaicben  im  Sri^falia  aiaba  Kiiagsannitikta- 
Ordnung  vom  10.  Jannar  187?,  J;.  :ii6. 
(V  Die  Zuständigkeit.  Die  Vorstände  führen  über  sämmtliche  Mitglieder  dis  Verl  amicH 
eine  Liste.  Die  Liste  macht  das  Nationale  etc. ,  sowie  den  Stand  der  Aosbildong  der 
HÜ^tiader  arsicbtlicb.  Hnlbjibrlleb  (im  Janoar  nnd  Jnni)  werden  die  nocb  niebt  nnd 
die  noch  nicht  völlig  ausgeliild^ten  Mitglieder,  welche  ihren  Wohnsitz  gewechselt  haben, 
dem  Verbände  überwiesen,  in  dessen  Uereich  sie  übersiedelten.  Die  Vorstände  der  ein- 
zelnen Verbände  erstatten  halbjahrlich  (im  Januar  und  Juli)  dem  geschäftsfäbrenden 
Ansscbnsse  Beriebt  Uber  den  Stand  der  Vnrliinda,  Im  Uebrigen  erlftast  der  gesobl^i- 
fllbrende  Ansscbass  die  Bestimmnngen  fiber  die  Controle  (Wobnorte*  nnd  Adrewen- 

Wechsel ). 

iij  Der  Ausschluss.  Der  Ansscblnss  eines  Mitgliedes  ans  der  Genossenschaft  erfolgt  durch 
den  Vorstand  seines  Verbandes  nnd  trifft  dsojsnlgsn«  wekihnr  dnreh  sein  Tsrbaltan  die 
Ehre  der  Gsnosssnaebaft  sebidigt. 

g. 6.  Die  Ansbildvng  der  ordentlichen  Mitglieder  der  Oenossenscbaft  in 

der  Krankenpflege. 

Zn  ibrsr  teebnifcben  Ansbildnng  bnben  die  ordentlidien  Mitglieder  «inen  Vor- 
berettnngsennniB  dnrchznmarhen. 

Dem  Vorbereitungscursns  folgt  ein  Pflegecursus  in  einem  Krankenhaus  oder  Lazareth. 

Den  Torständen  bleibt  es  überlasfen.  je  nach  den  örtlichen  Verhultui^^sen  eine 
geeignete  Form  fflr  die  Ansbildnng  der  Mitglieder  zn  wählen.  Das  Gleicbs  gilt  in  fienng  auf 
die  von  Zeit  zu  Zeit  erforderlichen  Wiederholnngscurse. 

Ueber  die  Leist uiieen  des  rin/.elnen  Mitgliedes  ist  am  Sclilusse  des  OUMS  ein 
Zengniss  anszostellea,  welches  dem  zaständigen  Vorstände  ttbersendet  wird. 

Jedes  Mitglied  erUUt  ein  Aaerkenntniss  seiner  mit  Brfblg  bestaadeiisa  tbsocetisebea, 
bssisbnngsweiss  praktiscbsn  Ansbildong. 

§.  7.  Pflichten  der  ordentlichen  Mitglieder  in  Kriegszeiten. 

Die  Pflicbten  der  Mitglieder  in  KiiegSMiten  ergeben  sieb  ans  den  Bestimmnngen 
der  Kriegssanit&tsordnnng  (§.211,  5,  des  AnsiQges  ans  der  Kriegssanititsordnnng  vom 

lo.  Januar  1878 :  „Das  freiwillige  Begleif-  und  Pflegepersonal  ist  bei  der  Anniihm-'  au.sdrück- 
lich  damit  bekannt  zo  machen,  dass  es  beim  Beginne  seiner  Thätigkeit  auf  dem  Kriegsschaa- 
platie  unter  die  Mflltlrgeridttsbariksit,  Kriegsgesstis  nnd  DIseiplinarordnang  tritt"). 

g.  8>  Yerbaitniss  der  OenOBsenscbaft  an  den  Landes-,  respeetive  ProTlnsial« 

vereinen  vom  Rothen  Kreuz. 

Die  Genossenschaft  erstrebt  im  Interesse  gegenseitiger  Hilfeleistnng  nnter  Wahrung 
ibrer  Selbststindigkeit  ein  geordnetes  Znsammenarbeiten  mit  den  Landes-,  beziebnngsweise 

Provinzial vereinen  vom  Rothen  Kreuz:  Sie  erreicht  dieses: 

u)  indem  die  Vorstände  der  Genossenschaftsverbände  einmal  jährlich  dem  Vorsitzenden  des 
betreffenden  Landes-,  beziebungswei^e  Provinzialvereines  vom  Botben  Krena  tber  die 
Arbeit  und  die  Zusammensetzung  des  Verbandes  Mittheilong  machen, 

b)  indem  über  die  Verwendung  von  Pflegern  bei  Eintritt  eines  Krieges  bereits  in  Friedens- 
zeiten zwischen  den  Landes-,  bezielinngsweise  Provinzialvereinen  und  der  Genossen.schaft 
Abmachungen  getroffen  werden.  Die  Grundsätze,  nach  welchen  diese  Abmachungen 
getroibn  weiden,  sind  zwiscben  dem  gescUifbifabrsnden  Ansacbnsse  der  Genosninseliaft 
nwl  dsm  Ceatralcomitö  der  deutseben  Verein«  vom  rothen  Kreus  an  vereinbaren. 


462 


KRANKENPFLEGE. 


Cm  möglichst  weite  Kreise  Uber  den  Zweck  der  Genussenscliaft  autzii- 
klAren  und  um  Hitglieder  zu  gewinueu,  gab  der  mit  grosser  Energie  und  weit- 
•iehtig«m  Geschick  th&tig«  WiCBXBH  sofort  ein  Handbnob  ttber  die  frelwUUga 
Krankenpflege  im  Kriege  and  die  Org»iUMtion  der  deutschen  Vereine  vom  Rothen 
Kreuze  heraus. 

Fai>t  noch  reichere  Resultate  uls  dieses  in  1600  Exemplaren  verbreitete 
Hundbueh  ersielten  Vortrage,  welebe  die  Vertrauensmftnner  der  Genoisensebaft 

auf  den  prenssisehen  rni%'ersitiUen  und  in  den  grösseren  Provinzialst.-idten  des 
Königreiches,  fiowie  die  Vt-rbandsvorstände  des  Hauhca  Hauses  anf  alleu  Provinzial- 
versammluugea  der  Urüderscliaft  des  Kaubeu  Hauses  hieltea;  —  ferner  orien- 
tirende  Aufsfttse  Aber  die  Genossensehaft  und  ihre  Ziele  in  der  gesammten 
Presse;  —  ferner  Anträge  an  Venune  niler  Art  mit  der  Bitte  um  thatkräftige 
Unterstfitzung,  endlioh  Verthetlung  von  eirea  100.000  Exemplaren  Tersebledener 
Drucksachen. 

Bereits  im  ersten  Jahre  erklärten  sich  Männer  der  mauuigt'altigaten  Be* 
rnftarten  in  vielen  Städten  bermt,  das  Interesse  (iBr  die  Geaossensebaft  zu  weeken, 

Mitglieder  zu  werben,  Verb.inde  zu  orgaulsiren  und  die  technische  Ausbildung  der 
Uitglieder  in  geeigneten  La/.aretben  zu  vermitteln. 

Von  beäouderem  Werthe  erwiesen  sich  die  auf  allgemeinen  ätudeuteu- 
versammlungen  gehaltenen  Reden  und  Anspraehen  hervorragender  Vertreter  der 
Wissen.sc'haft  iso  z.  B.  des  Geh.  Jnstizrathes  Prof.  Dr.  A.  BaiJXNBR,  des  Geh,  Me- 
dicinalrathf-'  Prof.  Ür.  v.  BERGMANN,  de-;  Huf|iredi^er>t  Dr.  Fko\nrRl.  ii.  A.i.  Die-;e 
umfasj^eude  und  unermüdliche  Thfttigkeit  hatte  zur  Folge,  dMi  bereits  im  Jahre  lä8ü 
1065  Mitglieder  gezählt  werden  konnten. 

IHe  Gliederung  der  Genossenschaft  erfolgte  nach  Verbanden  (im 
Jahre  bereits  1.3);  letztere  werden  von  Comitöa  geleitet.    Ausachllsse  der- 

selben erledigen  die  laufenden  Angelcgenbeitoii.  FUr  Coiisolidirung  der  Verbände 
werden  Kreis-,  rei^pective  Musterungsvcrsammluugeu  abguhalten. 

Fflr  die  technische  Ausbildung  der  ordentlichen  Hitglieder  stellte 
die  auf  Anregung  von  WiCHERN  durch  das  Ceutraleomitc  der  deutschen  Vereiue 
vom  h'otlien  Kretiz  auf  den      December  berufene  ('oiiffrcnz  von  Chefärzten, 

speciell  der  grossen  Berliner  Kliniken  und  Krankenhäuser,  die  Morraen  fest.  Vor 
Allem  vnrde  als  unbedingte  Notliwendigkdt  die  Ausgabe  eine«  einheitlichen 
Unterriehtsbuehes  fflr  die  freiwillige  Krankenpflege  eonstatirt. 
Dieses  sollte  sllinmtlicbcn  Piirsni  zu  Grunde  luiri'ti  n:ii1  -ich  in  der  Hand  jedes 
Arztes  und  jedes  Mit^rlit'dt-s  tti  ünden.  Ferner  w  iirdr  crkatint,  dass  die  ursjjrüng- 
lich  festgesetzte  A  u.sbildungszeit  vou  vier  Wochen  ohne  gesonderte  theoretische 
Vortiereitnng  nnxurmehend  sei.  Im  Anschlüsse  an  die  letztere  These  sind  an  den 
meisten  Orten  Doppelcurse  eingerichtet  worden,  und  zwar  in  der  Wei^e,  dass 
die  Mitglieder  Hecb>'  Woebeii  liindureb  wöcheutlieh  an  einigen  Abendstunden  auf 
Grund  des  Leitfadens  theoretischen  Unterrieht  erhalten,  verbunden  mit  Uebuugeu 
an  gesunden  Objecten.  Diesem  sogenannten  prftparatorischen  Gurs  folgt 
dann  entweder  im  Semester  selbst  oder  wo  angängig  in  den  Ferien  eiu  etwa  vier- 
wocheutliehrr  sogenannter  P  f  1  e  g  e  r  c  n  r  s  u  s.  Die  Ciirse  werden  in  einer  llcihe  von 
Univrrsitätskliniken,  (Jarnisttulazarethen  und  Krankenhäusern  in  I5erlin,  Halle  a.  S., 
Göttiugen,  Greifswald,  Bonn,  Breslau,  Hamburg  etc )  abgehalten. 

Am  Sdilusse  grosserer  Cnrse  finden  officielle  Prüfungen  statt.  Die 
Mitglieder  erhalten  nach  ders(!lben  ein  Zeugnis.s,  das  dem  Vorstände  der  Genossen* 
Schaft  eingereicht  wird.  Letzterer  unterbreitet  die  Zeugnisse  wiederum  dem  Central- 
comite  der  deutschen  Vereine  vom  Kothen  Ivreuz. 

Jedes  Mitglied  bat  die  Aufgabe,  nach  dem  Abschlüsse  seiner  Ausbildung 
an  den  Vorstand  der  Genos.senscbaft  «rinen  Gencralbericht  tlber  die  ihm  gewordene 
Ausbildung  einzureiehen,  welober  zu  den  Aeten  gelegt  wird. 

Da  die  Kenutniss  der  Kriegssanitatsordnung  als  unbedingt  zur  Ausbildung 
der  Mitglieder  notbwendig  erkannt  wurde,  arbeitete  der  Geb.  Obermedicinalrath 


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KBANREKPFLEGE. 


463 


Dr.  Mehlhausen  ein  soorenanntes  Orientirungsbüchlein  aus,  welches  kurz 
und  abersichtiicli  die  wichtigsten  Bostimmungen  der  KriegssaDitätaordnung  und 
der  Kriegsetappenordnang  entbfllt. 

Ferner  aber  wurde  in  Anbetndit  der  Erkenntnis»,  dass  die  Genossen- 
schaft für  den  Fall  einer  Mobilmach iin?  voirm-  frertlstet  und  schlagfertig  sich 
erweisen  luüsse ,  alsbald  vom  Kreisverbande  Berlin  ein  Mobilisirungsplan 
festgestellt.  Die  Grundgedanken  der  im  Folgenden  wiedergegebenen  „Massnahmen" 
sollten  Itlr  alle  Verbinde  bsstimmend  sein ;  im  Eänselnen  finden  natflrliob  fttr  die 
anderen  Verbände  naeb  dem  localen  VeibXitnisse  grossere  oder  geringere  Ver> 
änderoogen  statt 

Massnabmen  des  Kreisverbandes  Berlin  bei  Aasbrneb  eines 

Krieges. 

I.  Bildung  des  Vorstandes. 

L  Hit  Aualtruch  eines  Krieges  treten  das  Haaptcomitö  and  der  geschäftstührende 
Ausschuai  an  dnem  die  Oesehftfle  fttrten  genttasain  fUbnadea  „Yontaad  d«B  KrairnFbaadfls 
Barlin"  stxsatnmen. 

2.  Der  Vorstand  ergänst  sicli  nMhigenfalls  ans  der  Zahl  der  Hitglieder  des  Kreis- 

Tttliaadcs, 

3.  Der  Vorstand  beacblieast,  inwieweit  die  Geschäfte  gemeinsam  zu  führen  oder 
dnrch  den  Vorsitsenden  allein  an  erledigen,  oder  ob  f&r  die  Erledigung  ein  seiner  Zweige  der 
OeidtlLfte  besondere  Äbfheilunf^en  aus  den  Miffflipdern  des  Vorstiinde?!  zu  bilden  sind. 

4.  Den  Vorsitz  im  Vorstände  fiihrt  der  Vorsitzende  des  seitherigen  Hauptcomites. 

5.  Her  Vorsitzende  beruft  den  Vorstand  zn  dem  Sitmagea,  das  ente  Usl  aofiirt 
bei  Ansbmch  des  Krieges,  denwAchat  nach  BedOrfiiiss. 

6.  Der  Vorsltaende  yertritt  den  KieiirerlMnd  naeh  aasMn  bin.  Er  leitet  and  ver* 
theilt  die  geaammten  Geschäfte ,  wobei  er  inalieeondare  befugt  ist,  dea  einadnea  Uitf^iedna 
des  Vorstandes  Specialaut trage  zu  ertheilen. 

7.  In  drinf^licheu  Aagdegenheiten  handelt  der  Vorsitzende  selb.ststandig,  auch  dann, 
wenn  es  sich  um  die  Erledif;nng  von  Angeloprenheiten  handelt,  welche  der  Vorstand  sich  oder 
einer  besonderen  Abtbeilang  zu  gemeinsamer  Bescbliessnng  vorbehalten  bat. 

s.  üie  \'ertretnog  des  Vorsitaanden  fUurt  der  SteHvertretar  danelben  in  den  bis« 
herigen  Hauptcomilc. 

9.  Fftr  den  lanfendea  Geiehaftabetrieb  beateilt  der  Vmratand  ein  Bnrean,  be> 
atdMod  ans 

a)  einem  ^'orsteher,  b)  einem  ijecretar,  cj  einem  Cassier, 
Trelehem  die  priorderlicben  Schreibkräfte  nnd  Boten  beizugeben  sind. 

Das  Bureau  empfängt  seine  Anweisungen  durch  den  Vorsitzenden  dea  Vorstandes. 

II.  Aufgaben  des  Vorstandes. 

10.  Der  Vorstand  hat 

aj  die  zur  Führung  der  Geschäfte  erforderlichen  äusseren  Einrichtungen  zu  tretfen, 
dafür  Sorge  an  tragen,  dasa  diejenigen  Mitglieder  des  Kreiaverbaades,  welfdie  aar 

Verwendung  als  freiwillige  Krankenpfleger  vorgebildet  sind,  im  BedarMklle  unmittelbar 

zur  Verfügung  stehen,, 
c/  der  Genossenschaft  nciie  Mitglieder  zu  gewinnen  und  durch  Einrichtung  von  Unterrichts- 

eunea  die  Ausbildung^  derselbea  berbeiauftlirea. 

A.  Aeussere  Eiarichtuncen. 

11.  Der  Vorstand  beschafft  die  erforderlicheu  Rinne  für  das  Baieau  nnd  aoift  fir 

die  äussere  Ausstattung  nnd  Einrichtung  de.sselben. 

Ein  ^^ten]pela|)pa^at  mit  der  Inschrift:  „Rreisverband  Berlin  der  Geaesseascliaft 
ikeiwilliger  Krankenpfleger  im  Kriege"  ist  sehen  in  Friedaasseitea  au  beschaffen. 

Durch  Zeitungen,  Sftulenanschlige  und  am  schwarzen  Brette  der  Hochschulen  ist  bekannt 
au  geben,  wo  sieh  das  liureau  der  Genos.'en.schaft  befindet. 

1;;^.  Um  den  von  auswärts  eintreffenden,  zur  Verwendung  in  der  freiwilligen  Kranken- 
pflege bestimmten  Mitgliedern  der  Genossenschaft  ünterkomuen  au  gew&hren,  ist  ein  Sehla&aal 
mit  etwa  ')C\  Retten  bereit  zu  steUen.  Fls  wir!  angenommen,  da.ss  derselbe  nnSntSdtUch  iu 
leer  stehenden  Kasernen  oder  in  Vereinshauseru  etc.  zu  gewinnen  sein  wird. 

13.  Für  <li(-  ein/.urichtendeu  Unterrichtscur.se  ist  mit  der  BlscJiaAuig  dw  noth- 
wendigen  Utensilien  (Binden.  Tragbahren  etc.)  nnvi  i/iiflieli  vorzugehen. 

Bereitstellung  der  vorhandenen  PÜegekräfte. 

14.  Auf  Grund  des  Mitgliederverzeichnisses  ist  eine  eventuell  nach  der  Verschieden- 
heit der  (iu.ililieiilion  zu  ordnende  Ijis,te  derjenigen  Mitglieder  des  Verbundes  aufzustillen, 
valcbe  für  die  Verwendung  als  freia-Ulige  Krankenpfleger  etc.  in  Aufsicht  genommen  sind. 


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464 


KRANKEM'FI-EGE, 


15.  Um  siobeiniateUea,  dMs  diese  MitgUed«r  dnrolkwagt  lor  Verfogong  it«h«n,  aiad 
die  in  BmtUb  oder  dearnn  nldiRter  VmgebiiDg  eiolteiiiiieclieii  lUtfrlleder  nur  BatgefaDmluM 

näherer  Informationen  nml  In^trnrtionen  zu  einer  Versammlung  schriftlich  und  dorcll  die 
Ta^esblätter  mit  der  Aafforderang  zusammenzaberafsn,  bei  Behinderang  am  EracheinMl  aefbft 
dem  BareAtt  Ilm  Brkllning  dartbw  susnttelleii,  ob,  bwIelniiigevelM  dua  ale  anr  Yerwaadang 
bereit  atahan. 

16.  Von  den  aoswärla  sich  anfhaltenden  Mitgliedern  wird  die  Einsendang  der 
gleichen  Erklärung  mit  dem  Zufiatze  erfordert,  dass  ihre  Binbanftug  nach  Berlin  Tacbahaltan 
bleibe,  bis  ihre  unmittelbare  Verwendung  bevorstehe. 

17.  Bei  ihrer  Binatanmig  In  den  IMeaat  erhaltmi  die  HHgUeJer  ein  BBflh ,  welehea 
dieselben  als  Mitglieder  der  Genossensrhaft  Ie<ritimirt  und  fortlanfend  ergiebt,  wo  and  in 
welcher  Zeit  sie  in  der  Krankenptiege  tluitig  sind.  Zur  Eiotragang  der  bezüglichen  Vermerk« 
iat  das  Bach  bei  dem  Antritte  jeder  Stellung  und  bei  jeder  Veränderung  dem  Arzte  oder 
LasarethToiatande,  den  aia  nateratellt  aiad,  voiraiilagen.  Bai  Terwandonc  aaoh  aoawttfta  erhalten 
die  Mitglieder  avaaardaBi  Karten,  waJdia  aia  «if  dm  BtaenbaliMn  aar  Fahrt  w  armisaigten 
Preisen  berechtigan,  aowia  die  ar/iMderÜelian  Batiige  lur  Beatrdtaag  dar  ilii«K  arvaaihaan» 
den  Analagen. 

Dia  OewUmins  von  Beihilfen  aar  antan  Aoarllatmig  in  BedaraflUlan  biaihk  voriMhaltaa. 

C.  Gewinnung  neuer  Mitglieder  und  Einrichtung  von  Dnterriditaeuaan. 

18.  Der  Vorstand  erläast  sofort  einen  Aufraf,  durch  welchen  er  znm  Eintritte  in 
die  Oenoesenschaft  anffbnlert  und  die  Meldung  von  Aerzten  erbittet,  welche  bereit  sind,  die 
AaabildlUig  der  neu''n  Mitglieder  ZU  übernehmen. 

ber  Aofraf  nennt  inabeaondere  die  Vonnssetsungen  des  Beitrittes,  sowie  den  Ort 
dar  Anaialdanf  vnd  «radieint  in  den  Hanptorgaaen  der  Preaae,  in  Anaohligen  an  den  Stolen 
nnd  am  achwarzen  Brette  der  Hochschnlen. 

19.  Die  definitive  Aufnahme  der  sich  meldenden  und  zu  einem  Unterrichtscursos 
einberufenen  Mitglieder  erfolgt  durch  dt  n  Vurstand.  nachdem  die  BctreiTenden  den  CursuR  voll- 
atlndig  abeolvirt  nnd  ihre  Befähigung  durch  ein  Zengniaa  des  den  Cnrana  leitenden  Arstea 
nachgewlaaen  haben. 

Auch  iibt  r  lie  Zurückweisung  der  Aufnahmegesaeha  beaeUieaat  der  Vorstand. 

20.  Wegen  üebernahme  der  Leitung  der  Uuterriehlaeaxae  aatat  sich  der  Vorstand, 
aowait  Militärinte  nicht  aar  Yerfllgnng  atahen,  mit  ihn  geeignet  scheinenden  (ÜTilintan 
in  Tarbindang. 

21.  Die  Unterrichtscurse  sind  für  etwa  20— 2ö  Mann  einzurichten. 

Es  werden  täglich  ungetahr  zwei  ^tnnden  auf  theuretiseha  AnabUdnaf  nnd  mindealaaa 
zwei  Standen  fnr  praktische  Uebungen  zu  verwenden  sein. 

Zur  Unteratfltsong  des  Antea  in  der  Controle  etc.  dienen  Belagirle  dea  Voratandea. 

HL  Varhiltniaa  dea  Voratandea  dea  Krei sverbandea  an  dem  Torateher  der 

G  en  OS <(en  s  !•  Ii  a  f  t. 

22.  Sobald  die  Liste  der  zor  Verwendung  stehenden  Mitglieder  fertiggestellt  ist, 
wird  ein  Exemplar  derselben  dem  Vorateher  zugesendet,  damit  er  weiaa,  Bber  wie  ^ele  Pllagar 
inneihalb  des  Kret.<4ver1>an(les  verfügt  werden  kann. 

Soweit  der  Pfleger  nur  zur  Verwendung  in  Berlin  und  dessen  nächster  Umgebung 
oder  nnr  für  einen  Theil  des  Tages  bereit  stehen,  ist  dies  in  der  Liste  ersichtlich  zu  machen. 

Oleidie  Liaten  sind  dem  Vorateher  fortlaufend  über  die  neu  anagebildeten  nnd  auf- 
genommenen Mitglieder  manatellen. 

23.  üeber  die  Terwendnng  der  Pflagakrifte  beatimmt  der  ▼oratehar  dnreh  Yannittlnng 
des  Vorstandes. 

Er  hält  den  Vorstand  fortlaufend  in  Kenntniss  über  den  ungefähren  Bedarf,  damit 
die  Einberufung  der  auswärtigen  Mitglieder  des  fireisverbandes  rechtzeitig  erfolgen  nnd  die 
Ausbildung  neuer  Mitglieder  im  richtigoi  Yerhältniaae  an  dem  Bedarf  gehalten  werden  kann. 

24.  Die  nöthigen  Geldnüttel  aollen  dem  Voratande  dnreh  den  Vorateher  aar  Var* 
ftgung  gestellt  werden. 

Das  Gleidie  geschieht  mit  den  Legitimationskarten  (Nr.  17)  und  den  LehrbSehem 
tdr  die  ünterrichtsi  arse. 

2^.  Wegen  eines  den  Mitgliedern  aller  Kreisverbande  gemeinsamen  Abzeichens  bei 
Verwandang  als  Ptleger  soll  besondere  Bestimmung  getroffen  werden. 

Beachloaaen  in  gemeinsamer  Sitaong  an  Berlin,  am  5.  April  1888. 
Daa  Haapteomiti.  —  Der  geschSAsfllhrende  Ansschnss  des  Kreltverbandea  Berlin. 

Der  Vorsteher  der  Genossenschaft  freiwilliger  Krankenpfleger  im  Kriege. 

Einer  besonderen  ErwJlhniinfr  bedarf  nttch  dif  im  ij.  1  der  Satzungen 
^'cätellte  Autgabe,  Männer  zu  finden  ,  welche  für  den  Kriegslall  als  D  e  1  e  g  i  r  t  e 
und  Depotverwalter  einzntreten  bereit  und  befähigt  sind.  Aach  diese  Frage 
wurde  berdts  im  Winter  1887  88  geltet;  e«  meldeten  sieh  damals  2  Armeedelegirte, 
20  Unterdelegirte,  3  Corpsdelegirte,  18  Festungsdelegirte,  59  ReservelaBaretlidele» 
gifte,  7  Linieodelegirte,  56  Depotverwalter. 


KRANKENPFLEGE. 


465 


Einen  Fortschritt  für  die  Organisation  und  weitern  AnshildnnK"  der  ge- 
nossonschaftlichen  Bestrebungen  bildet  die  Einrichtung  einer  ständigen  Delegirten- 
cout'ereuz,  welche  von  sämmtlichen  Comites  beschickt  wird.  AU  das  Hauptresultat 
der  im  Mai  1890  und  Ifftn  1691  nnd  1892  abgeluüteoen  (Jonfereniea  sind  die 
Satzongen  der  Genossenschaft,  wie  sie  jetzt  vorü^gen  (s.  pag.  460  ff.),  anzusehen. 
Im  Einzelnen  betreffen  die  Beschlüsse  derselben:  1.  Die  Einrichtung  und 
die  Befugnisse  der  Delegirtenconferenz  (dieselbe  hat  wesentlich  einen  be- 
ratbenden  Cbaraicter);  2.  und  8.  Ifittol  nnd  Wege  znr  Gewinnnng  neuer 
Genossenschaftsmitglieder  in  akademiselien  und  bürgerlichen  Kreisen ;  4.  die  Zu- 
fltilndiirkcit  der  einz(>ln<'n  Mitglieder  zn  den  Kreisverbänden  und  die  zur  Controle 
derselben  erforderlichen  Massnahmen;  5.  die  Handhaben  der  Disciplin  in  der 
Genossenschaft;  6.  die  Stellungnahme  der  GenoflsenschaftsTerbiUide  za  den  Zweig- 
vereraen  snr  Pflege  im  Fdde  ▼erwnndeter  und  erkrankter  Krieger  nnd  sebUenlieh 
7.  die  Frage,  in  welebem  Sinne  das  Wort  „ehristUeb**  im  §.  4a^  dee  Statutes 
zu  verstehen  sei. 

Ad  6  wurde  unter  Anderem  au  folgenden  Satzungen  festgehalten:  aj  Die 
Hauptaufgabe  der  Genonensebaft  bleibt  die  Ausbildung  von  elgentliehen  Kranken- 
pflegern, während  den  Provinzial-  und  Zweigrweinen  vom  Kothen  Kreuz  in  erster 
Linie  die  Organisation  von  Hilfslazarethen  u.  dergl.  zufällt,  doch  sind  h)  die 
Genossenschaft  und  die  Provinzial-,  beziehungsweise  Zweigvereine  vom  Kothen 
Krenz  sowohl  in  Friedensieiten  als  vor  Allem  im  Kriegsfalle  auf  «nander  au- 
fgewiesen nnd  mllsien  daher  bereits  in  Friedenszeit  eine  engere  Fflhlung  unter- 
einander zu  gewinnen  snrhen ,  indem  die  Comit<'-s  der  Genogsensehaft  sich  auch 
aus  Mitgliedern  der  Zweigvereine  vom  Rothen  Kreuz  cooptiren  und  die  ausser- 
ordentlichen Mitglieder  der  Genossenschaft  und  die  Delegirten  den  Zweigvereiuen 
▼om  Rothen  Krens  beitreten.  Es  ist  jedoch  die  Selbsttndigkeit  der 
Genossenschaft  zu  wahren. 

Als  ein  die  Gründlichkeit  der  Au.sbildung  seitens  der  Aerzte  und  den 
Eifer  der  lernenden  Mitglieder  forderndes  Mittel  ist  aus  der  erwähnten  Maiconferenz 
noeh  der  Antrag  Mbrlhacsbk's  bervorsubeben ,  grOesere  Prflfnngen  innerhalb 
der  einseinen  Provinzen,  und  zwar  vor  den  Spitzen  der  Behörden,  veranstalten 
zu  lassen.  Eine  GeneralprUfung  von  2(i<>  Mitgliedern  fand  im  Februar  1889  zu 
Berlin  vor  dem  Kriegsminister,  dem  Cuitusminister ,  dem  Generalstabsarzt  der 
Armee  u.  A.  statt.  Der  zweiten  Geaeralvorstellung  von  600  Mitgliedem  im 
Hirs  1891  wohnte  auch  die  Kaiserin  bei.  Beide  Male  fanden  die  Leistungw  der 
Genossenschaft  bei  allen  Anwesenden  lebhaften  und  ungetheilten  Beifall. 

Zur  praktischen  Erprobung  ihrer  Durchbildung  hat  die  Genossenschaft 
Gelegenheit  bei  der  Scbutztruppe  in  Dentsch-Ostafrika  gefunden.  Im 
Jahre  1889  wurden  erst  3,  qAter  noeh  6  Pfleger  fBr  den  Lasarethdimst  auf  dem 
Festlande  nach  Sansibar  entlassen.  Zwd  derselben  dnd  dem  afrikanisehen  Klima 
naeh  kurzer  Krankheit  erlegen. 

Der  Gesammtbestand  der  der  Genossenschaft  angehörenden  Mit- 
glieder betrug  naeh  dem  letzten  Beriebte  am  Seblusse  des  Jahres  1891  in  Nord- 
und  Mitteldeutschland  2700  ordentliche  Mitglieder,  darunter  885  vollständig  aus- 
gebildete Verwundeten-  und  Krankenpfleger.  In  den  letzten  Jahren  hat  der  Be- 
gründer der  Genossenschaft  seine  Thätigkeit  auch  auf  Süddeutschland  ausgedehnt, 
und  seinem  unermüdlichen  Eifer  ist  es  gelungen,  aueh  liier  Atr  die  Saebe  der  Ge- 
nossensdiaft  Interesse  zu  erweeken  nnd  einen  Erfolg  zn  siobem. 

III.  Der  Deutsche  S  a  m  a  r  i  t  e  r  v  e  r  e  i  n  zu  Kiel. 

Die  Geschichte  des  Deutschen  Samaritervereiues  zu  Kiel  lehrt  uns,  in 
weleh  hohem  Grade  die  planvolle  Arbut  nnd  nnermttdiiehe  Energie  eines  ein- 

aigen  einsichtsvollen  Mannes    in  der  Verfolgung  einer  guten   Sache  fordernd 
nnd   befruchtend  auf   die   Menschen   einzuwirken    und  die  in  träger  Indolenz 
verharrenden  Geister  zu  erfolgreicher  Ihätigkeit  fortzureissen  vermag.  Wohl  hat 
Encydop.  JakrVttebw.  III.  30 


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466 


KBANKEKPFLEOR. 


Friedrich  v.  Esmarch,  der  geniale  Chirur":  der  Kieler  rniversität,  im  Anfang, 
als  er  seine  Anscliauunsren  filier  den  Samariterdienst  kundgab,  mit  iebbaftester 
Oppoäition,  uumeutiich  iu  deu  Heihen  der  eigenea  Facbgeaoasea ,  zu  kämpfen 
gehabt;  allein  darebdrang«!!  von  dem  Glauben  an  die  AnsfBhrbarkdt  nnd  Zweek- 
mässigkeit  seiner  Intentionen  wurde  er  nicbt  müde,  für  dieselben  in  Wort  nnd 
Scbrift  einzutreten  und  alle  Bedenken  durch  wiederholte  F^elehrung  und  Erklilrung 
zu  zerstreuen.  Und  wenn  v.  Es^iaecu  heute  nach  lOjährlgem  Besteheu  des 
Dentsolien  Samaritervoeines  «nf  adn  Hflhen  nnd  Sehaffen  in  den  Diensten  de«- 
'selben  znrflekbliekt,  dann  kann  die  erhebende  Empfindung  ihn  erfallen,  das«  der 
Grund  zu  dem  stolzen  Hause ,  unter  dessen  Daeh  die  Menschen  eintr.lchtip:  sich 
zusammenfinden,  um  in  Werken  edelster  Nilch.stenliebe  zu  wetteifern  ,  allein  von 
seiueu  llRuden  gelegt,  der  Ausbau  desselbeu  vorwiegend  durch  tteiue  unablässige 
Tbätigkeit  gefördert  worden  ist. 

Das  Vorbild  und  gewissermassen  die  geistige  Mutter  des  Deutschen 
Samaritervereine-4  repr.'lsentirt  die  „St.  .T<»hn  A  m  b  u  1  a nee- A  s  s n c  i a t  i  o  n''  in 
London }  eine  vuu  euglischeu  Johanniterritteru  uud  Aerzten  im  Jahre  lb77  ge- 
grflndete  GeiellBehaft,  wetehe  die  Aufgabe  verfolgt,  aneh  im  Frieden  bei  den 
plÖtaUchen  Ünglflcksfäilen  des  tflglicheu  Lebeus  den  Mensehen  hk  zur  Ankunft 
des  Arztes  hilfreich  zur  Seite  zu  f^tehen.  Ihre  Ziele,  ihre  erfolgreiche  Thittigkeit 
und  die  Mittel  und  Wege,  auf  deucu  sie  dieselbe  ausUbte,  lernte  v.  Esmaroh 
bei  Gelegenheit  des  1881  zu  London  stattfindenden  internationalen  medicinischen 
Oongresses  von  dem  nnennfldlidben  Leiter  der  „Asioeiation" ,  John  Fdeubt, 
kennen,  und  alsbald  fasste  er  den  EntschUiss,  ähnliche  Bestrebungen  auch  in 
Deutsehland  zu  begründen.  Glaubte  er  auch  nicbt  darauf  rechnen  zu  dürfen,  dass 
seine  Ideeu  im  deutschen  Volke  so  schnell  uud  ao  weithiu  Eiugaug  finden  würden, 
wie  diejenigen  der  „Assodation*'  in  dem  dureh  seinen  Oemeinsinn  und  seine 
Philanthropie  bekannten  England .  wo  bereits  nach  4iäbrigem  Bestände  der  Ge- 
sellschaft .'30  fM"»«»  ^litglieder  in  der  Kenntnis«  der  ersten  Hilfe  bei  plötzlicben 
UnglUcksfäUeu  ausgebildet  waren,  so  huflfte  er  doch,  dass  die  Ueberzeugung  von 
der  Fmehtbarkdt  und  dem  Nntcen  seiner  Vorsehläge  allmälig  auch  weitere  Kreise 
ergreifen  wUrde.  Eiu  jedes  durch  die  Bethfttigung  seiner  Lehren  gerettete 
Menschenleben  bildete  ja  reichen  Lohn  für  die  aufgewandte  Mühe.  Dabei  dachte 
V.  ESMAKCU  zunächst  au  die  zahllosen  EnglücksHiUe,  die  so  oft  eiuen  traurigen 
Verlauf  nehmen,  weil  in  den  ersten  Augenblicken,  ehe  der  Arzt  zur  Stelle  ist, 
keine  zweekmissige  Hilfe  geleistet  oder  der  Transport  snm  Arzte  in  nnsweek- 
mässiger  Weise  vorgenommen  wird.  Ausserdem  aber  glaubte  er,  dass  auch  ftlr  die 
freiwilligen  Helfer  im  Kriege  keine  schönere  Aufgabe  im  Frieden  und  kein© 
bessere  Schulung  gefunden  werden  könne,  als  durch  die  Hilfe  bei  den  plötzlichen 
ünglfleksfMlen  des  täglichen  Lebens. 

Die  Hoffnungen,  mit  denen  v.  Esmarch  an  die  Vorwirkllohung  seiner 
Pläne  ging,  wurden  in  erfreulichster  Weise  übertrotleu.  Als  er  n.nmlicb  im 
Winter  1882  iu  Kiel  utfeutlich  ankündigte,  dass  er  bereit  sei,  Uber  die  erste 
Hilfe  bei  plötzlichen  Unglticksfiülen  eine  Reihe  von  Vorträgen  ra  halten,  sobald 
sieh  25  Tlieilnehmer  angemeldet  hatten,  da  strOmten  800  Personen  herbei,  um 
sich  die  versprochenen  Ke  nntnisse  zu  erwerben.  Dieser  überraschende  Erfolg 
wurde  die  unmittelbare  Veranlassung  zu  der  durch  v.  Esmakch  im  Vereine  mit 
einigen  angeseheuen  Kieler  Bürgern  vorgenummencn  Begründung  des  Deutschen 
Sanuuritervereinee  am  5.  Mftrs  1882.  Seine  Bestrebungen  braehte  er  in  den  knnea 
Satsnngen,  die  wir  im  Folgenden  wOrtlieh  wiedergeben,  snm  Ausdmek. 

Satzungen  den  Deutschen  Samarite  rvereinen  Kiel  1>S!>. 

§.  1.  Der  Deutücb«  Sanuoiterverein  hat  sich  die  Aufgabe  gestellt,  unter  Laien  die 
KenntnissR  von  der  ersten  Hflfe  bei  plDtsliclien  Ungtfiekgfiülen  sa  veriireitsn,  vor  Allem  todi 
EinriclitiniL'  vuu  SaniariterscbulHn ,  in  wrichea  die  bis  sw  Ankunft  des  Ante«  mOflüshsB 
Uilfebistungen  gelehrt  und  geübt  werUen. 

§.  2.  Dieser  Doterricht  soll  zanächst  an  solche  Pereooen  ertbetlt  werden,  weldie 
durch  ihren  Beruf  am  hftuflgaten  in  die  Lage  kommen  kdnnen,  bei  plötsUchen  üaglttcItsttUett 


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KRANKEKPFLEGB. 


487 


di«  erste  Hilfe  zu  leisten,  also  namentlich  an  Sicherheitsbeamtc  (Polizei  nnd  Gensdarmerie), 
Eiaanbahubeamte ,  Aufseher  und  Werkmeister  in  Fabriken,  Bergwerken,  liei  Erd-  und  Bau- 
arbeiten und  an  Soldaten,  Seeleute,  Mitglieder  der  Feuerwehren,  der  Turnvereine,  Ber^rfiihrer 
Q.  8.  w.  Es  soll  aber  anch  allen  anderen  Personen  beiderlei  Geschlechtes  Gelegenheit  geboten 
werden ,  eich  die  Kenntnisse  zn  erwerben ,  um  b«!  Torkommenden  Unglfickafällen  ihren  Hit- 
aenechen  hilfreich  sein  /ji  kiiiuien. 

§.  3-  D^r  Verein  wird  zu  diesem  Zwecke  sich  bemühen,  Aerzte  za  gewinnen,  welche 
den  ünterricbt  ertheilen  and  wird  dieeen  behilflicli  lein,  die  fftr  den  üntenricht  nothweodigen 
Sdirifte%  Bilder.  Modelle  und  Vt»rbandgegenstande  ?.n  erwerben. 

4'  Der  Verein  hat  zur  Leitung  Keiner  Angelegenheiten  einen  Vomtand ,  welcher 
snr  GeBCh&ftsfflbrung  aus  seinen  Mitgliedern  einen  Vorsitzenden,  einen  Stdlvwtretenden  Vor- 
•itsemden,  einen  Schatzmeister  und  einen  ScbnftfUhrer  erwlUilt. 

§.5.  Die  Hitf Hediehnfl  wird  erworben  darehZaUnng  eineejlbiliobenBeltnLget  tob 
mindestens  1  Mk..  die  lebenntlngUdie  HitgliedMliafk  durch  ZnUiuig  eines  eiunnllgeii  Bettngen 
von  mindestens  2>  i  Mk. 

Die  Zahlung  erfolgt  an  den  Scbatsmeister  i(\>nHuI  von  Bremen  iu  Kid),  welcher 
nach  Eingang  die  Drucksachen  und  die  Satzangen  des  Vereines  tibereendet,  welche  letstere 
gleichzeitig  als  Aasweis  der  Mitgliedschaft  dee  Vereines  gelten. 

Fttr  die  LösuDg  der  gestellten  Anfgnben  ist  Niemand  mit  grosserer  Energie 

und  Umsicht  eiogetreteo  als  der  Vater  dos  Dcutsfliun  Saraaritervereines  selbst. 
Durch  verschiedene,  zu  Berlio,  llatuburj^,  Celle,  Koi)fulia^-cn,  Majirdcburg,  Frank- 
furt a.  M.  gehaltene  Vorträge,  in  denen  er  Uber  die  Ziele  des  Vereines  Aufscbluss 
gab  nnd  die  Nothwendigkeit  und  Nfltzlichkeit  derselben  in  das  bellste  Liebt 
setzte,  dareh  vielfache  Auftätze  in  popnüren  Zeitschriften  (y,Der  ?ute  Kamerad*', 
„Nordwest",  „Vom  Fels  zum  Meer"  etc.),  namentlifh  durch  seine  „Samariterbriefe" 
''zuerst  iu  ,.ScnORFR'.*  Faniilicnlilutt'^'  veri'ifTentiieht)  erweckte  er  ein  lebcndisres 
Interesse  lür  die  SamariterlehreQ.  Am  meisten  jedoeh  ist  die  Sache  des  Deut.schen 
Samaritervereines  doreh  die  Heransgabe  des  „Leitfadens  für  die  erste 
Hilfe  bei  plötzlichen  Ungl  ü  c  k  f  ii  1 1  e  n",  d.h.  der  Reihe  vou  Vorträgen, 
welche  KsMARCH  in  der  er-sten  Samariterschule  zu  Kiel  [rebaUeii  hat ,  jri  fftrdert 
worden.  Zum  Beweise  für  diese  Behauptung  genilgt  es  wohl,  die  Thatsaehe  an- 
suftbren,  dass  das  klme  BUdilein  bis  jetzt  23nutl  in  andere  lebende  Spraeben 
(englisch  [2nial],  italienleeb,  franzn.siscli  [2mal] ,  flämisch,  h(dtnndisch  [2mal], 
norwegisch,  Bchwedisol).  uiifrarisch,  serbisch,  polnisch,  rumänisch,  dänisch,  islilndisch, 
spanisch,  tinniseh,  ru.ssisch,  japanisch,  roaharattisch,  croati:*eh ,  lettisch)  übersetzt, 
in  Deutsehland  llmal  aufgelegt  und  in  circa  40.000  Exemplaren  verbreitet  ist. 

[Ein  Auszug  ans  dem  Leitfaden  in  kMnem  Tascbmiformat ,  besiebnng»- 
weise  iu  Plakatform,  welcher  möglichst  präcls  die  Behandlung  der  versehiodeuen 
ünglflcksfjille  schildert  und  den  Schülern  der  Saraaritercurse  initj^esreben ,  den 
Unterrichts-  und  Verbaudskisten  (s.  unten;  beigelegt  wird,  ist  iu  mehr  als 
80.000  Exemplaren  verbreitet] 

Diese  Erfolge  v.  Esmabcb'8  iusserten  alsbald  ihre  Wirkung  anf  die 

gebildeten  und  fahrenden  Kreii^e  Deutschlands,  und  mit  warmem  Interesse  wurden 
die  Bestrebun°ren  des  Vorsitzenden  des  Deutschen  Samaritervereines  von  Gleieh- 
gesinnten  aufgenommen. 

Die  Tageszeitungen  verbreiteten  die  Kenntnisse  der  Ziele  und  Wege  des 
Vereines  in  alle  Sebiebten  der  Bevölkerung,  es  wurden  Vortrftge  gehalten,  in 

den  verschiedensten  Ausstellungen  auf  dem  Gebiete  der  Hygiene  und  sonstiger 
Wohlfahrtseinrichtiiiiireii,  welche  vom  Deutschen  Samaritervereine  beschickt  wurden, 
wurde  das  iutereste  der  Laien  und  Aerzte  für  den  Verein  geweckt  (so  1882  auf 
der  Ausstellung  für  Hygiene  nnd  Demographie  in  Oenf,  1883  auf  der  Dentseben 
Ausstellung  für  Hygiene  nnd  Kettungswesen  in  Berlin,  1885  auf  der  Allgemeinen 
Ausstellung  in  Antwerpen,  18?*'.»  auf  der  Allgemeinen  Ausstellung  für  rnfall- 
verhUtung  iu  Berliu  und  18'J2  auf  der  internationalen  Ausstelluug  für  das  Rothe 
Kreuz  in  Leipzig;  hierbei  ist  der  Verein  3mal  mit  der  goldenen  Medaille  und 
Imal  mit  einem  Ehrenpreise  au^eieiehnet  wmrden).  Als  besonders  bedentnugsvoU 
fflr  die  Anerkennung  der  Saraariterlehren  ist  noch  der  einstimmig  angcnonimeno 
Antrag  des  Grafen  Douglas  im  preussisehen  Abgeordnetenhause  (2.  Mai  188dj, 

.30* 


468  JLBANILENPFLEGE. 
• 

den  SamarlteruQterrieht  auf  allen  technischen  Hochschulen  hIh  Lehrfach  einza- 
fUhrcn ,  hervorzuheben.  —  Das  Protectorat  Uber  den  Verein  übernahm  die 
Kaiserin  Augasta,  Dach  ihrem  Hioscheiden  die  Kaiserin  Friedrich; 
den  Ehrenvoniti  luit  Priu  H«iiirie]i  bald  nadi  Grflndnng  des  Vereines 
flbernommen. 

In  Folge  dieser  mannigfachen  Anregungen  und  I^^orderiitigen  wuchs  die 
Sache  des  Deutschen  Satuaritervereines  sehr  bald  über  den  Ort  seiner  Entstehung 
hinaus,  und  von  Jahr  zu  Jahr  erweiterte  sich  der  Kreis  ihrer  Anhänger.  In  den 
gr9isteo  Stidten,  wie  in  den  kleinsten  Heeken  wurden  sahlreielie  SamaiiterselinleB 
und  Samaritervereine  gegründet,  durch  welche  die  Bevölkerung  Gelegenheit  er- 
hielt, die  in  Betracht  kommenden  Kenntnisse  unter  ärzüicher  Leitung  aneib 
praktisch  zu  erlernen  und  zu  ttbeo. 

Der  Lehrstoff  einer  Samaritersehnle  ist  auf  5,  beziehungs- 
weise 6  Stunden  bemessen,  entsprechend  der  im  „Leitfaden"  (s.  oben)  gegebenen 
Anleitung.  In  der  ersten  Stunde  wird  eine  kurze  Uebersicht  über  den  Bau  und 
die  Functionen  des  menschlichen  Organismus  geliefert.  In  der  zweiten  Stunde 
werden  die  Verletzungen  der  Weiohtbeile  erörtert  und  in  populärer  Weise  dar- 
gelegt, was  der  Laie  bw  diesen  Ungllleksfimen  thnn  kann  und  thnn  darf.  Hier 
wie  hei  allen  weiteren  Vorlesungen  wird  stets  die  Grenze  zwischen  laienhaftem 
und  Srztlichem  Handeln  gezogen,  wird  betont,  da^s  der  Laie  stets  nur  für  die 
erste  Hilfe  zu  sorgen,  .sofort  aber  nach  einem  Arzte  zu  senden  habe,  es  wird  als 
oberster  Gmndsatz  jcglieher  HUfelmstnng  das  „Nieht  sebaden**  eingeprägt.  Der 
Samariter  soll  nicht  die  Wunden  behandeln,  sondern  er  soll  nur  lernen  von  frisebeft 
Wunden  Schädlichkeiten  fern  zuhalten,  welche  zu  einer  Störung  de^  Heiluiigsver- 
laufes,  ja  zu  einer  schweren,  unter  Umständen  tödtlichen  Vergiftung  des  ganzen 
Körpers  fuhren  können. 

In  der  dritten  Stunde  werden  die  Verletzungen  der  Knochen  besprochen, 
es  wird  der  grosse  Unterschied  zwischen  einfachen  und  oimplicirten  Knochen- 
brUchen  auseinandergesetzt,  die  Verrenkungen  und  Verstauchungen  werden  erklärt, 
das  Wesen  und  die  Behaudiung  der  Verbrennungen  erläutert.  Die  vierte  Stunde 
ist  der  Lehre  von  den  UngMeksfllllen  gewidmet,  welche  zum  Seheintode  fBhren 
können :  Ertrinken,  Erfrieren,  Ersticken,  Bewusstlosigkeit,  BUtssehlag,  Vergiftung. 
In  der  fünften  Stunde  wird  der  Transport  Verunglückter  zum  Arzte  geschildert 
und  die  verschiedenen  Transportmittel  beschrieben.  Im  Anhang  daran,  beziebungs- 
wdse  in  dner  sechsten  Stunde  wird  sebliesslicb  eine  kurse  üehenicht  ttbw  die 
hauptsächlichsten  Capitel  der  Krankenpflege  (Krankenzimmer,  Krankenbett,  Pflege 
des  Kranken,  Ausführung  der  ärztlichen  Verordnungen)  gegeben. 

Im  Anschluss  an  jeden  dieser  etwa  IstUndigen  Vorträge  wird  das  theore- 
tisch Vorgetragene  praktisch  geübt. 

Um  nun  fdr  diesen  sdiematiseben  und  in  engen  Grenzen  gefassten  Unter* 
rieht  auch  ein  entspreehend  gleichmSssiges  Unterrichtsmaterial  zu  schaffen,  Uess 
der  deutsehe  Samariterverein  Lehrmittel  für  die  Samariter  schulen  zu- 
samroen-stellen ,  in  denen  alles  zum  Unterricht  Erforderliche  in  geeignetster  Form 
rereinigt  wurde:  6  Wandtafeln  (Skelet;  Muskeln,  Nerven,  BlutgeHlsse,  Eingeweide; 
Sebema  des  Blutkreislaufes ;  ein£uher  Knoohenbruch  ;  oomplicirter  Knochenbruch  ; 
Verrenkung  des  Oberarms  und  Ellenbogens)  und  Mittel  zu  einigen  Verbänden  und 
anderen  Hilfeleistungen  (10  dreieckige  TQcher  mit  Abbildungen  von  verschiedensten 
Verbinden;  6  breite,  6  schmale  Binden  mit  Sieb^beitsnadeln ;  6  Tupfer;  1  elastl- 
sdier  ToumiqttethoBentrigBr;  1  Papplade  fBr  den  Arm;  4  kurze,  9  lange  Spann- 
schienen  ;  2  Strohschienen  ;  4  Zweigschienen ;  1  langes,  1  kurzes  Bluincntopfgitter 
[für  KuoehenbrUche] ;  1  Knüppel  und  1  Knebel  [zur  Compressiou  von  Schlag- 
adern];. Von  den  diese  Materialien  enthaltenden  Kisten  ^l'rcis  25  Markj  hat  der 
Verein  bisher  cirea  5 — 600  den  Samariterrereineo  und  HBchnlen,  Behörden  ele. 
theil^i  gegen  Zahlung  des  Sdbstkostenpreiaee,  theils  leihweise,  tbeils  dureb  Ge- 
schenke Uberlaasen. 


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KRÄNKENPFLEGE. 


469 


Der  Abschnitt  des  Katechismus,  welcher  von  den  Hilfelcistinig^en  zur 
Wiederbelebung  auscheinend  Hrtrunkeaer  bandelt,  ist  auf  Zinktafelu  gedruckt  und 
in  13.000  Exemplaren  uneulgeltlicb  gegen  Angabe  nnd  Verpflichtung  ihrer  OffSent- 
liehen  Anbringung  nn  Orten,  wo  Menaehen  der  OefSihr  des  Bvtriukenfl  nu«gesetzt 
sind,  verbreitet  worden. 

Als  Hilfsrnittel  f(ir  die  Samariterthätij^keit  im  Hause 
ttud  im  öffentlichen  Leben  bat  der  Deutsche  Samaritervereiu  ferner  einige 
VerbandBiniftel  nnd  Aneneien  in  verseblieaBbueii  Kiefen  snsammengestellt  nnd 
giebt  diese  unter  dem  Namen  Samaritempotlieken  oder  Verbandkasten  in  zwei 
verschiedenen  Gr^issen  ah.  Die  kleine  Saraariterapotheke  (Preis  28  Mark)  eiitliiilt : 
200  Grm.  3%ige  Lysollösung;  10  Grm.  reines  Lysol;  100  Grm.  Leiuölkalkwusäer 
mit  iVoigem  Thymol;  10  Grm.  Amnoniakflliaaigkeit ;  10  Grm.  Hoffmannttropfen ; 
1  RoUe  Sublimatwatte;  1  Stflck  Borlint;  1  Stilek  entfettete  Watte;  1  Blechdose 
mit  Stflckeiiziii'ker ;  5  Tupfer  aus  Sublimatwatte;  5  grosse  dreieckige  Tflcher; 
4  Holzschiciun ;  1  Scheere;  5  Binden;  1  eUstlsche  Binde;  1  Waschbecken; 
1  Katoebismus. 

INe  grosse  Samariterapotheke  (Preis  50  Hark)  entiiält  von  jedem  ge- 
nannten Tbflil  entsprechend  grossere  Quantititen,  ausserdem  noch  16  Holzschienen. 

Endlich  hat  der  Verein  durch  eigene  Versuche  eine  trag-  und  fahrharo 
Krankenbahre  mit  Matratze  und  Sommer-  und  Winterdach  (Preis  330  Mark) 
oonstruirt 

Allen  diesen  wohlurganisirten,  in  ihrer  Ntttsliehkdt  SO  sehr  bestediendettt 
in  ihrer  Einfachheit  sf>  leicht  iihcrzcugonden  Rostrehungen  des  von  v.  EsMARCii  ge- 
leiteten Deutschen  Samaritervereincs  ist  es  zu  danken,  dass  das  Samariterwesen 
heute  eine  ungeahnte  Ansbrei tu ng  gewonnen  hat.  Wohl  mit  Recht  kann  daher 
EsMABCH  im  Jahresberidit  1891/92  des  Verehies  belwiiptMi,  dass  es  in  Dentsch- 
land  kaum  einen  bedeutenderen  Ort  gebe,  wo  niebt  Samariterbestrebnngen  in 
irgend  einer  Form  hervorgetreten  sind. 

Es  kann  hier  nicht  unsere  Aufgabe  sein,  dem  Betriebe  der  Samariter- 
thltigkeit  in  jeder  einseinen  Stadt  naobsngeben,  nmsoweniger,  als  bei  weitem 
niebt  alle  Vereine  ein  Lebenssmehen  in  die  weitere  Oeffentlichkeit  hinausdringen 
lassen.  Es  mag  genfigen,  hervorzuheben ,  dass  in  dem  oben  erwähnten  Jahres- 
bericht aus  Deutschland  319  Städte  namentlich  aufgeführt  sind,  aus  denen  Mit- 
tbeilongen  Uber  Samariterbestrebnngen  voriiegen. 

Grosseres  Interesae  verdient  die  Berflckaichtignng  der  Behörden  und 
Vereine ,  welche  zum  ?>amariti'rwescn  in  d.mcrnde  Bcziehnngen  getreten  8ind. 
Unter  den  Behürden  sind  hier  zu  nennen :  Lehranstalten  (Turnlehrerbildunga- 
anstalt,  Seminare,  technische  Hocbbcbulen,  Forstakademien,  Baugcwürkscbulen, 
Gewerbeschulen,  landwirthsehaftliehe  Lehranstalten,  Bergbansehnlen ,  Navigations^ 
schulen  :  nach  v.  EsmäRCU  ist  es  niebt  su  bcaweifeln,  dass  der  Samariterunterricht 
in  absehbarer  Zeit  an  den  oberen  Classen  aller  Schulen  eingeführt  und  damit  die 
Kenntnis»  der  ersten  Hilfe  Gemeingut  alier  Deutschen  werden  wird);  Truppeu- 
theile  (im  Hinblick  auf  die  Thatsache,  dass  in  den  Jahren  1874—1882  854.526 
mechanische  Verletzungen  in  der  preussischen  Armee  vorgekommen  sind,  empfiehlt 
das  Kriegsniinisterinm  .im  1.5.  Januar  18/^:!  Instructionen  für  Officiere  und  Mann- 
schaften über  die  erste  Hilfeleistung  bei  L  nglücksfUllen ,  ganz  der  Lehrweise 
in  den  Samariterschulen  entsprechend,  einzufahren;  ähnliche  Verfügungen  sind 
▼om  sächsischen  und  bayerisebm  Kri^ministerium  ansgegangen) ;  Post  nnd 
Eisenbahn  schon  im  .Tahre  18J*.3  ordnete  der  Gcneralpostmeister  v.  STEm.\X 
die  rci^-cliiifis^i,--!'  Au^-hildung  der  Bahnpdstbcaniten  im  Samarittrdienst  an  und 
Hess  siimmthche  iiahupostwageu  mit  Verband kisten  ausstatten ;  weniger  umfa.<send 
ist  die  Ansbildnng  der  Eisenbahnbeamten);  Poliseibeamte,  städtische 
Aufsieb tsbeamte,  Oensdarmen  (in  zahlreichen  grösseren  Städten  sind 
di<>  poli/.eiwacben  mit  Verbandmaterial,  Krankentragen,  Medioamenteu  u.  s.  w. 
ausgestattet;. 


470 


KRANKENPFLEGE. 


Von  Vereinen ,  welche  das  Saraariterwesen  in  das  Bereich  ihres  Lehr- 
materiales  ziehen  und  praktii^ch  ausüben,  sind  zu  nennen :  die  Feuerwebren, 
die  Vereine  rom  Rothen  Krens,  die  Snnltätseolonnen,  die  Oe> 
n  «KS  s  e  n  s  c  h  a  f  t  freiwilliger  Krankenpfleger  im  Kriege,  der  Vater- 
ländiscbe  Fr. inen  verein  'auf  Veranlassung  v.  Esmarch's  werden  seit 
alljährlich  eine  Reihe  von  Zwei^  ereinen  des  Vaterländischen  Frauen  Vereines  durch 
angehende  Cnrse  m  der  ersten  Hilfe  nnd  in  der  Anfertigung  von  Verbandgegen- 
stlnden  aller  Art  ansgeUldet);  Gesellschaft  snr  Rettung  Sehiff- 
I)  r  fi  (•  h  i  ;r  e  r  schon  im  Jahre  1884  .«andte  der  Deutsche  Samariterverein  anf 
feine  Kositen  Aerzte  au  die  Ktlsten ,  welche  an  den  verschiedenen  abfrelefrenen 
^Cordseestationen  den  Unterricht  vor  Kettungsmannfchafttn  und  zahlreicbeu  auderen 
Inselbewehnem  nbgdialten  haben);  Rettungsgesellsehnften  (dieselben 
haben  sich  neuerdings  in  verschiedenen  grOflSeren  Städten  Deutschlands  (Berlin, 
Bremen.  Frankfurt  a.  M.,  Ilambur^,  Hannover.  Köln,  Lcii)zip':  peUildet,  um  sach- 
kundige Uilfe,  sowie  die  uotijwendigen  Verband-  und  Transportmittel  für  Unglückä- 
Alle  bereit  sn  haben;  von  ihnen  werden  unter  Anderem  die  Sanititswaehen  mit 
ununterbroebenem  Tages-  oder  respective  und  Naditdlenst  unterhalten);  Wohl- 
fahrt s  n  n  s  t  a  1 1  e  n  'Krankenhiiuser .  Diakonissenanstalten,  Mutterhfluser  etc.); 
zahirciebe  Vereine  geselligen  Charakters  (Turn-,  Schwimm-,  Alpen-, 
Kadfahrervereine,  Kriegervereine  etc.),  Fachvereine  und  Uilduugsvereine. 

Zu  erwihnen  ist  femer,  dass  bei  grosseren  staatliehen  oder  privaten 
industriellen  rntemchmungen  und  Fabriken  (Bau  des  Nordostseecanales,  Bergbau, 
Rauten,  SchitTe  edM  .Aufscher  imd  Arbeiter  im  Samariterunterricht  ausgebildet 
and  Verbauukitilcn  und  Transportmittel  vorräthig  gehalten  worden. 

Zum  Sebluss  ist  mit  Genngtbunng  herrorzuheben.  dass  die  Bestrebungen 
des  Deutschen  Samaritervereines  aneb  im  Auslande  nicht  nur  voll  gebilligt  and 
^ewtirdi^'^t  worden  sittd ,  sondern  auch  meistentbeils  an  Ähnlicher  Thätigkeit  die 
Anregung  gegeben  haben. 

Am  deutlichsten  spridlit  flBr  diese  Auffassung  der  Umstand,  dass  die 
SarosriterTereine  und  -Sehulen,  welehe  nicht  nur  im  ausserdeutsehen  Europa, 
sondern  auch  in  allen  aussereuropHischcn  Cultiirstaaten  entstehen,  zumeist  nach  der 
Lehrnicthcdc,  zum  Thoil  auch  mit  ilon  Lehrmitteln  des  Deutschen  Samariter  Vereines 
ihre  Kcuutnissc  zu  orwerbcu  und  zu  verbreiten  suchen. 

IV.  Wiener  freiwillige  Kettu  ngsgesel  Ischaft 

Wenngleieb  die  Wiener  freiwilliire  Hettun?sgesellschafl  nur  ein  (ilied 
derjenigen  Vereinigungen  bildet,  welche  das  Samariterthum  in  der  vorstehend  ge- 
sehilderten  Weise  bethitigen,  so  nimmt  sie  doeh  durah  ihre  eigenartige  Genese,  ihre 
grossartige  Or^Mnisation  und  ihre  erstaunenswerthe  Vielseitigkeit  eine  ganz  besondera 
Stellung  ein.  Wir  können  es  un"*  deshalb  nicht  versagen,  der  Kntwicklung  dieser 
humanitären  Schöpfung  der  üsterrcichiscben  licsidenzHtadt  im  Detail  nachzugeben  and 
in  kleiuereu  ZUgcn  ein  genaueres  Bild  ihrer  Thätigkeit  zu  entwerfen. 

Die  Gründung  der  Wiener  freiwilligen  Rettungsgeselischaft  volkog 
sich  gewissermassen  auf  der  Br.indstfltte  des  Wiener  Kingtheaters  am  9.  De- 
cember  1881.  TMe  rnznlän<:licbkeit  des  stildtischen  Kettunirswesens ,  wie  sie  bei 
die.scr  furuhtbureu  Ivatastruphe  in  erschreckender  Deutlichkeit  zu  Tage  getreten 
war,  gab  dem  Grafen  Wit^BK  und  dem  Baron  Dr.  v.  Hundf,  welehe  beide 
schon  seit  Jahren  die  Errichtung  einer  freiwilligen  Kottungsgesellschaft  geplant 
hatten,  den  unniitfclbaren  Anstoss  dazu,  mit  liem  Anlftati  ilirts  Werkes  nicht 
länger  mehr  zu  ziigurn.  In  Gemeinschaft  mit  dem  Oberstaatsanwälte  (jraf  Lamezan, 
welcher  hei  dem  Riogtheaterbrande  pwsftnlieh  durdi  Energie  und  Cmneht  sieh 
ausgezeichnet  hatte,  beriefen  sie  eine  Anaahl  herrorragender  Wiener  Bflrger 
und  coiistitnirten  sidi  mit  ihnen  als  Acti^n-jcnmit«-.  Zum  VieeprJlsidenten  wurde 
fJrat  Wii.czKK ,  zum  rriisideuten  Graf  Lamf.z.w.  zum  Sehriftfiihrer  Harun 
Dr.  V.  Mi-.NbY  erwäblt.   Die  auderen  sieben  Herren  übernahmen  die  J^citung  der 


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KRANKENPFLEGE. 


471 


eiozelneo  Disciplinen  (Feuerwehr,  Maj^a/ine,  erste  Hilfeleistung  etc/  des  Kettungs- 
wesen».  Die  Organigatioo  der  Geselläcbatt  wurde  mit  erstaunlicher  Schnelligkeit 
betrieben,  Dank  der  omlkasenden  Saehkenntniu  und  nnermfldliehen  Thitigkdt  des 
bewfthiten  Schriftführers. 

Am  2.  Januar  konnten  bereits  die  Anfiraben  und  Bestrebunjren  der  Gesell- 
schaft iu  einer  an  den  Ministerpräsideuteu  und  an  den  Statthalter  von  Nieder- 
diterrddi  Zwecks  Unterstfltsang  and  Proteetion  gerichteten  Eingabe  in  kurzen, 
dentUehen  Zurren  dargelegt  werden. 

Die  ThiitiL'keit  der  freiwillifren  Rettunfrsi^esellschaft  sollte  sich  vorerst 
nur  auf  die  Rcichshauptstadt  Wien  beschränken  und  in  drei  Theile  zerfallen: 

1.  Die  Fenerwebr  als  Ergftnaung  der  an  Zahl  der  Mannaebafb  nnd 
FeaerUtoebappante  derseit  HBwIfti^rifah  erkannten  emnmnnalen  Feuerwehr  (für 
jeden  Foli/eibezirk  wurde  eine  freiwillige  Feuerlöschstation  in  Vorsehlag  gebracht). 

2.  Die  Wasser  wehr,  durch  welche  bei  der  Donau  und  ihren  Ans- 
mUuduugea  Tag  uud  2<tacht  ein  peruiauenter  Ireiwilliger  Sicherheitsdienst  ausgeübt 
werden  sollte. 

3.  Die  erste  Hilfeleistung  bei  C  nglilcksfällen  jeder  Art  auf 
den  Strassen  der  Hatiptstadt  und  der  angrenzeudcn  Vororte.  Dieselbe  sollte  gleich- 
falls in  Stationen  mit  KUcksicbt  auf  die  Polizeibezirke  eingetheilt  werden.  Ein 
sdur  eonreet  organisirter  irsflielMr  Dienst  sollte  diese  freiwillige  Institution  ergänzen. 

Der  gesammte  bieran  nötbige  Apparat  an  FeueilOsebrequisiten,  Rettungs- 
booten, Ambulanztranspf>rtwairon  ,  Tr.iL'-liabren,  Instrumentarien,  Verbandzeug  etc. 
sollte  auf  Kosten  der  Freiwilligen  Kettungsgesellschaft  angeschafft  werden,  des- 
gleichen die  Wachbftuser  und  Kcttaagsstationen. 

Die  Ansrflstung  nnd  Oigmisation  der  Rettnngsmannsebaft  für  die  unter 
1,  2  und  3  angegebenen  Flilfeleistungen  sollten  bei  Nachahmung  der  einfachen 
und  zweckmässigen  Vorbilder  der  ausländischen  Gesellschaften  festgestellt  werden. 

Was  diu  Zusammensetzung  der  GeBellsobaft  betrifft,  so  sollte  dieselbe  aus 
Ebrenniitgliedem ,  Grftndem  (welche  «nen  Betrag  von  mindeetms  1000  fl.  auf 
einmal  erlegen),  Fcirderern  (welche  mindestens  einen  Betrag  von  500  fl.  auf  einmal 
erlegen)  und  activen  Mitgliedern  gebildet  werden. 

l^ur  jene  Ciadsen  der  Bevölkerung,  welche  selbstständig  Uber  ihre 
Zeit  verfOgen  konnten  und  die  sonst  nöthigen  moralischen  nnd  physiäeben  Eigen- 
sehaAen  fttr  einen  solchen  freiwilligen  Dienst  beslasen  und  sieb  spontan  der 
Gesellsehaft  anböten,  würden  in  dieselbe  aufgenommen. 

Nachdem  die  /wecke  des  Vorbereitungscomites  vom  Kaiser  nnd  von  den 
b<}eh£ten  Behörden  anerkannt  und  von  der  Bevölkerung  Wiens,  namentlich  vun  den 
Anraten,  als  äusserst  woblthätig  begrOsst  worden  waren,  wurde  der  innere  Ausliau 
der  Gesellschaft  mit  grössteni  Eifer  fortgesetzt.  Zur  Förderung  desselben  wurde 
eine  Zeitschrift  ( „Mouatsbliltter  —  später  Vierteljahrsschrift  —  der  Wiener 
Freiwilligen  Rettungsgesellsehaft'']  herausgegeben,  die  Stellung  der  üesellsehatt  zu 
den  Behörden  in  allen  Punkten  geregelt  nnd  auf  verschiedenen  Wegen  (Proela- 
mation ,  Plakate ,  Subscriptionslisten  ,  Festlichkeiten)  der  Wohltbätigkeitssinn  der 
Wiener  Bevölkerung  für  das  neue  Institut  zu  intoressiren  gesucht. 

Am  Ausgange  des  Jahres  begann  der  verdienstvolle  Clietchirurg  der 
Gesellschaft,  Prof.  Dr.  v.  Mosetig  ,  seine  Vorträge  Uber  die  „erste  Hilfeleistung 
bei  plOtsIieben  UnglOeksflUlen**  (die  Vorträge  sind  1883  im  Dmek  ersehienen) 
nnd  leitete  damit  die  praktische  Ausltildung  der  Sanitiltsabtheilung ,  welche  nur 
aus  Studenten  der  Medicin  besteht ,  ein.  Weiterhin  wurden  Vorbereitungen  zur 
Organisirung  eines  freiwilligen  Dienstes  bei  grösseren  Eisenbahnkatastrophen  in 
der  Umgegend  Wiens  nnd  einrar  freiwilligen  Unterstfltaung  der  Militärsanitätsptlege 
bei  der  3IobiIisirnng  und  im  Kriege  in  Angriff  genommen  und  die  darüber  aus- 
gearlieiteteii  Pliiw  von  den  ziistäiulit^cn  Bchrtrden  als}).i!  l  irebilligt.  Vm  dem 
Leser  einen  Einblick  in  die  vortreMliche  Organisation  des  Rettungsdienstes  und 
die  schranl^enlose  Opferwiliigkett  der  Gesellschaft  zu  gewähren,  geben  wir  die 


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472 


KBANKENFFLBGE. 


„organischen  Bestimniuugen  f(ir  die  freiwillige  l'ntermtUtzun^:  der  Müitftnanitfttspfl^ge 
bei  der  Mobilisiruug  und  im  Kriege''  im  Wortlaute  wieder; 

Die  Wiener  freiwillige  Rettongsgesellsehtfl  wird  im  IfobUlslmiigsftlle  und  wfthrend 

des  Krieges  unter  strenger  Beobachtung  der  jeweiligen  Vorschriften  über  die  freiwillie:« 
Sanitatsptlege  and  nach  den  Weisungen  der  k.  k.  Militarbehürden ,  im  Anschlüsse  an  die 
adlitirische  S&nitätsptlege,  freiwilligen  Sanitätsdioist  leisten,  und  zwar: 

$.  1.  Die  Wiener  freiwillige  Rettnngsgesellsclifttt  wird  eigene  Sanitätswachen 
(Krankenhaltstationen)  mit  einem  permanenten  Tag-  nnd  Nachtdienste  auf  den  Bahnhöfen  und 
Landungsplatzen  der  Stadt  Wit-n  errichten,  mit  Jit  iiüthi^rn  Anzahl  vo:i  Aerzlcn,  A (iji  ir.iteu, 
Mwie  Blesäirtenträgem  versehen  und  dieiselben  auch  mit  dem  entsprechenden  äaoitätemateriale 
MSTfilten. 

§.  2.  Bei  der  Ankunft  oder  Abfahrt  von  Sanitatszngf-n  und  Schiffsambulanzen, 
welche  mit  Kraukeu  oder  Verwundeten  beladen  sind  ,  wird  die  Wiener  freiwillige  Rettung!!- 
gesellschaft  ihr  schon  im  Frieden  (ür  ähnliche  Dienste  geschaltes  Personal  in  einer  von  der 
betieffeaden  Militärbehörde  jeweilig  aogegebeaen  Zahl  und  an  den  von  damelben  bestimmten 
Orten  beistellen  nnd  snm  Auf-  nnd  Abladen  der  Kranken  nnd  Verwondeien  yenrenden  lassen. 

^.  '^.  Um  schon  im  Frieden  das  I'i  r-rmal  für  <b  n  Sanitatsdienst  der  Gesellschaft 
vollkunimeu  einüben  za  können,  wird  dii-  Wiemr  ireiwillige  Rettungdgesellschaft  mehrere 
Eisenbahnwaggons  zn  Sanitätswagen,  naru«  ntlir  ]!  mit  für  deu  Transport  von  Officieren  uötbigem 
Sanitätsmateriale  ausruhten  lassen.  Mittels;  die-^er  Eisenbabnsanitätswägen  werden  dann  im 
Kriegsfalle  nach  den  Umgebungen  Wiens  und  den  der  Hauptstadt  näher  gelegenen  Provinz- 
Städten  (als  Baden.  Wiener-Neustadt,  St.  Polten,  Linz  und  Pressburg i  kranke  oder  verwundete 
Ofiiciere  und  Soldaten  in  die  dortigen  Militär-  und  Civilspitäler ,  dann  in  die  Privatpflege 
Terfülirt  oder  von  dert  eTseoirt  werden. 

^5  4.  Bei  allen  dir-en  Ev.icuationcn  winl  die  Wiener  freiwillige  Rcttungsgesellschafl 
ihr  äanität.spersuuai  uacii  Bniarf  inni^rhalb  dem  Weichbilde  Wiens  und  seiner  nächsten  Uni- 
giboagen  als  Begleitnngsmanusi  liatt  zu  jeder  Töur-  oder  Retourfahrt  beistellen. 

§.  5w  Die  Wiener  freiwillige  Bettnng^esellschaft  ist  bereit»  kostenflrei  die  aötfaige 
AnsabI  von  Aereten  nicht  allein  zn  den  Sanitätswaggons  nnd  Krankenhaltstationen  bei  der 
Uebergabe  von  Kranken  und  Verwundeten  auf  den  Bahnliüt'i  h  nml  Landuusfsplätzen  der  Re- 
sidenzstadt Wien  beizustellen,  sondern  die  unter  §.  'i  angegebenen  Transporte  auch  durch 
Aaste  (Chirurgen)  der  Gesellschaft  nöUiigenlbllfi  begleiten  zu  lassen. 

Ausnahmsweise  kann  diese  Bn^leitung  durch  Aerzte  der  Gesellschaft  auch  auf  längere 
als  die  im  3  vorbezeichnoten  Touren  ausgesprochen  werden.  Linn  liouorirung  der  Aerzte 
wird  von  der  Heercsverwahnng  nicht  beansprucht  werden. 

b.  Die  zum  ärztlichen  Dienste  erforderlichen  Instrumente ,  das  Verbandzeug  und 
die  sonst  nothwendigen  Utensilien  wird  die  Wiener  freiwillig«  Bettungsgesellschaft  in  eigraen 

Sanitätskästen  und  Bandai^fntaschen  bereit  hatten  nnd  r.hne  Anspruch  aof  Vergütung  StotS  mit 
dem  erforderlichen  Materiale  v<.TSf*lien  und  t.illweise  dasselbe  erganzen. 

§.  7.  Um  sowohl  auf  den  Bahtiholen  als  auch  auf  den  Landungsplätzen  bei  der 
Ankunft  oder  Abfahrt  von  Krauken  und  Verwundeten .  als  auch  bei  den  £vacaationen  auf 
Eisenbahnen  nach  den  Umgebungen  Wiens  und  einigen  der  Residenzstadt  näher  gelegenen  Pro- 
vinzstadten  'Vt  die  Krnährung  und  Laliung  der  Kranken  und  Verwundeten,  sowir  des 
gesammteu  freiwilligen  Sanitätspersonales  ohne  jede  Störung  oder  Aufenthalt  während  der 
Fahrt  diätetisch  correct  dardiflihren  so  können,  hat  die  Wiener  freiwillige  Bettongsgeaeltechafk 
eigene  gros.se  und  kleine  Küchenwägen  bereits  acquirirt,  auf  welchen  sowohl  anf  Stra.ssen  als 
auch  auf  Kisenbahnen  (auf  Lowrys  gestellt)  lur  ilif  Kranken  oder  Verwundeten  die  nöthige 
wanne  Kost  permanent  und  schnell  bereitet  uml  vi  itheüt  werden  wird. 

&  8.  Die  fflr  die  Bereitung  der  Krankenkost  und  die  ambulanten  Kttchen  noth« 
wendigen  Robnaterlalten  (Fleisch,  Gemfiise  nnd  das  Koebservlce  etc.)  werden  jeweilig  ron  der 

Wiener  freiwilligen  RettnnpsgesclNchalt  imtLi-  Vt-r/jCbt  auf  jn!.-  Veririitung  beigestcüt  w.  rilen. 

I*.  Um  bei  den  im  Kriegställe  so  viel.seitig  uothweudigcu  Transporten  vou  Krauken 
und  ^'crwandeten  die  k.  k.  Militärbehörde  wirksamst  unterstützen  an  können,  wird  die  Wiener 
freiwillige  Rettungsgesellschaft  den  ihr  gehuriiren  Fahrpark  (welcher  sich  namentlich  fdr  den 
Tran.sport  von  Offirieren  vorzüglich  eiguei)  auf  ihre  eigenen  Koston  bespannt,  für  die  Eva- 
cuatiunen  aus  und  nach  den  öftentliclien  und  privaten  Spitälern  der  Stadt  Wien  und  ihrer 
nächsten  Umgebung  bei  Tag  und  Nacht  in  steter  Bereitschaft  halten  nnd  durch  ihre  Aerzte, 
sowie  das  geschulte  freiwillige  Sanitätspersonale  bedienen  nnd  begleiten  lassen. 

Kill  aut  If.'chnung  der  Wiener  freiwilligen  Hettungsgi  si-ll-i  linft  zu  befrirderndes 
telegraphi.sches  oder  telephuuisches  .Aviso  wird  genügen  ,  aut  dem  gewünschten  Orte  mit  der 
erforderlichen  Anzahl  der  t^auiiat.sw.-igen  sammt  dem  nüthigen  Personale  so  erscheinen  und  den 
der  Gesellschaft  anvertrauten  l>ienst  sogleich  zu  übernehmen. 

Um  fallweise  auch  kranke  Soldaten  ,  welche  von  den  übrigen  Kranken  abcesondert 
transpurtirt  werden  müs<en,  weiter  hetordern  zu  kounen,  hält  die  Wiener  freiwillig-'  llettuugs- 
gesellscbalt  eigens  gebaute,  leicht  desinticiibare  Ambnlanzwagen  und  Omnibusse  in  Bereit- 
schaft, welche  ausschliesslich  von  fär  diesen  Dienst  bestimmten  Wärtern  begleitet  werden. 

^.  IC  Bei  der  Ankunft  mn  S''hillVaniliiilauz''U  an  den  I.andnngsidäf zen  der  Haupt- 
stadt Wien  wcrdcu  die  Munnsckalieu  der  aucli  in  der  erAieu  Hille  geschulten  Wa.-iserwehr 


KRANKENPFLEGE. 


473 


der  Wiener  freiwilligen  Bettungsgesellschaft  <ien  Kranken-  und  Blessirtenträgerdieust  ver- 
richten und  im  Falle  von  Landungsbinderoisscn  (hober  Wasserstand,  Eisrinuen  etc.)  dorch  die 
der  Gesellschall  gehSncoi  Boot«  dM  gsIMizlose  AM-  md  EtnbuUmi  ftbanraelin  od« 
unterstütsen. 

§.11.  üin  die  sBtliige  Siekorhiit  geg«o  Fanen^efkhr  in  den  sn  Krlegneiten  im» 

provisirten  Baracken  oder  Zeltspitälern  in  jeder  Beziehnng  vertrauensvoll  lianJIiaben  zu  können, 
wird  die  Wiener  freiwillige  Rettangsgeschaft  durch  ihre  freiwilligen  Feuerwehren,  welche  mit 
einem  entopNekenden  Löschtrain  aosgerüätet  sein  werden,  alle  jene  Sanitätsanstalten.  Spitäler 
oder  MafuilM  mit  KiiegSTOiTftthen,  deren  Ueberwachang  der  Gesellschaft  anvertraut  werden 
lonte,  dnreli  einen  permanenten  Tai^  nnd  Nachtdienst  vor  Fenersgefahr  sn  heschtttzen  aostieben. 

i;  12.  Die  Wiener  freiwillii;e  Rettungsgesellachaft ,  wekho  für  die  Ausbilduii(;  ibrer 
gesamuiten  Mannschaften  (in  der  Feuer-  and  der  Wasserwehr  und  ersten  Hilfe  bei  Unglücks- 
fällen) durch  hervorragende,  gebildete  nnd  facherfahrene  ämtliche  Instmetoren  geldtete 
theoretische  und  {iraktf«rhe  Lihmnrsp  fingfeführt  liat .  r-rklärt  sich  vollkommen  bereit,  die 
Delegirten  und  Coiumaudauten  von  liUissirt.-nträger- l'ransportcolonnen,  sowie  alle  Blessirten- 
träger  anderer  humanitären  Vereine,  welche  sich  die  Verbesserung  des  traurigen  Loses  der 
Tenrandeteo  and  kranken  Kri^r  nnr  Pflicht  gemacht  haben,  aneatgeltUch  in  ihren  Schulen 
unterriohteB  imd  nneb  ttber  den  Traneportdienet  Ton  Kranken  nnd  Venrnndeten  dnidt  Uebongen 
mit  ihrem  ronlanten  Panitätsmateriale  instmiren  zu  lassen. 

§,  13.  Wenn  auch  in  der  Vierteljalirsschrift.  welche  die  Wiener  freiwillige  Rettunga- 
gesellschaft  regelmässig  erscheinen  llloit,  alle  Dienstesangelegenheiten  derselben  erschöpfend 
dargestellt  nnd  veröffentlicht  wurden,  so  wird  diese  Gesellschaft  dennoch  nicht  ermangeln, 
allfährlich,  nnd  zwar  Ende  Febmar  jeden  Jahres,  einen  detaillirten  Aasweis  Uber  den  Stand 
ihres  freiwilligen  .Sanitätspersonales,  sowie  ilirer  Wasser-  und  Fcuerwehriiianusi  haft  mit  ilii  öni 
gesammten  Uateriale  dem  k.  k.  Beichakriegsministeriam  zu  unterbreiten  and  dabei  die  statt- 
gefondenen  Forliebritte  nnf  dem  Felde  des  Bettnagswesens,  dem  die  G«Mllsekaft  sick  gewidmet 
hat,  an<  h  eingehend  liezeiclinen.  Demgemä.^s  werden  auch  in  den  Jaliresherichten  allenfall.=ige 
Antrage  der  Gesellschaft  für  die  Ausdehnung  ihres  freiwilligen  Sanitatsdienstes  im  Kriegsfälle 
in  Torschlag  gebracht  werden. 

§>  14.  I>ie  Wiener  Freiwillige  Bettnng^gosellackaft  koflt  vertnoenavoll ,  da»  In 
KriegsMIe  eine  allenfinstin  militäriecbe  Requisition  ikres  gesammten  Poraonnles  oder  Materiales 
zum  localen  Mi!it.ir.-'a!iitat>ilii':i.-.t>-  \-.TiijiriJen  woninn  wird  ,  weil  dieselbe  den  von  ihr  in  der 
Stadt  Wien  übernommcuen  Ireiwilligen  Dienst  (Feuer-  and  Wasserwehr  und  er4te  Hilfe)  auch 
21  EriegsMiten  (Ja  fallweise  selbst  bei  einer  Belagerang  der  Reichshaapt»  und  Residenutadt 
Wien)  ihrem  ganzen  Um  fange  na  eh  ungeschmälert  anszatil>en  sich  für  verpflichtet  erklärt. 

Eben.so  erklärt  die  Wiener  freiwillige  Rettungsgesellschaft  mit  Ausschluss  der  in 
b  II  Üi:.  .!  und  5  angegebenen  Ausnahmen  nicht  in  der  Lage  zu  sein,  im  Kriegsfalle  die 
freiwilligen  sanitären  Leistangen  auch  ausserhalb  dem  Weichbilde  Wiens  ausüben 
m  kSnnen. 

Di«  Antbüdunp  der  Mtiven  Mitglieder  der  Gesellseluift  (eo  BameDtlieli 

der  MaiiBSchaften  der  „ersten  Hilfe"  durch  v.  Muxdy's  Cnrse  Uber  Verbandlebre 
und  Krankenstraiisport)  und  die  F^rweitennifr  ihres  Requi.sitenbestandes  wurde  mit 
rastlosem  Eifer  turtgesetzt,  äo  kouute  a»  nicht  ieblen,  dass  der  Gesellschatt  auf 
der  im  Jftlire  1883  xn  Beilin  errlebteten  HygieoeaaBstellnng  für  ihre  Semeriter- 
dienst,  Saoitfltswachen,  Krankentransport,  Feuerwehr,  Wasserwehr  u.  a.  w.  betreffen- 
den Objecte  einstimmig  die  goldene  Medaille  zuerkannt  nnd  allseitig  das  böobste 
Lob  auBge.sprofheu  wurde. 

Aucb  bei  dieser  Gelegenheit  vertrat  übrigens  der  allzeit  tbätige  Scbrift- 
fBbrer  y.  Mündt  die  Gesellsebaft  aaf  das  Tortbeilbafieste ;  sein  im  AnssteUnnga- 

gebaude  gehaltener,  von  dir  Kaiserin  Augnsta  —  die  bereits  im  Hai  1882  der 
Gesellschaft  1000  Mark  ;resehe[ikt  liatle  und  als  „Förderer"  lieifjetreten  war — •  veran- 
la»8ter  Vortrag  „das  Kettuugswesen  in  Europa  und  Amerika"  fand  lebhaften  und 
nngethettten  Beifisll. 

Am  1.  Mai  1883  wurde  die  erste  Sanitätsstation  mit  permanentem  Tag- 

vnd  NaebtdieDi^t  unttr  der  J^t-itimg  des  Präsidenten  Grafen  Laubzan  eröffnet.  Der- 

selben  foljrten  im  J^aufV  der  .lahre  mehrere  .'Stationen  nn  anderen  PlUtzen  Wiens, 
zum  Theil  dauernd,  zum  Theil  nur  vorübergehend  bei  besonderen  Anlässen 
(grossen  Festen,  YolksaDsammlungen  etc.).  Im  August  1889  wurde  eine  Ceatral- 
aanititsstation  dngeriobtet. 

Eine  fernere  Erweiterung  den  Sanit.ltsdienstes  wurde  durch  die  Einriob- 
tnng  des  oblifraten  Nachtdiensten  einer  irewissen  .Anzahl  von  Aerzten  und  Hel>ammen 
gegeben,  deren  Wohnungen  in  der  >iacht  durch  beleuchtete  Laternen  gekennzeichnet 


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474 


KRANKENPFLEGE. 


wurden.  Der  Krankentransport  bei  plötzlichen  l  ufrlii  •k'^nUlen  wurde  (1886)  durch 
Aufstollaog  von  Tragbahren  zum  Gebrauche  für  Jedermano  an  20  Plätzen  und 
StnuMwn  «EMobtart. 

Alle  dieea  Sdiöpfaogen  ^er  »tota  beniten  OTganisAtorisehen  Thltigkait 
haben  der  „Wiener  Freiwilligen  Rettuno:8g:eHelIschaft"  es  ermöglicht,  ihren  mannig- 
faltificen  Aut^'.ihcn  in  vollstem  Mas-s«'  gcreclit  zu  werden  und  in  ihren  lnnnfiiiit;iren 
Bestrebungen  Erätaunliehea  zu  vollbringen.  Im  Ganzen  iät  von  der  Gedellschalt 
bis  zum  Jahre  1892  bei  mebr  als  40.000  UngltteksAHen  die  erste  Hilfe  geleistet 
worden,  damstir  bei  mehreren  grossen  Brftnden,  Eisenbahnkatastrophen,  Ueber- 
schwemniungen  v.  s.  w. ,  hunderte  von  Mensehenleben  sind  durch  ihr  iüngreifen 
gerettet  worden. 

Tabelle  über  die  bei  Erkrankungen  and  Verletzungen  geleistete  erste  Hill'e. 

(Tom  1.  Mai  1881  bis  31.  Oecenber  1891.) 


Im  Jabre 

Brkraa- 
kungeo 

ver- 
]«taiiiiseo 

M  Tag   ,  bei  Xacüt 

Kranken- 
tranaporte 

Totale 

im 

]7Fn 

17-^M 

416 

m 

248 

14'Jit 

lh^4 

m 

500 

532 

169 

1731 

18^5 

4:^1 

im 

957 

iri7 

]  !!7 

m 

148-1 

l:il8 

;.ii7 

i  Itt  iT 

li»7-J 

1887 

iö:-i4 

1:^77 

'J  '4 

4')4; 

1888 

816 

li»44 

1737 

1023 

3;i7b 

bOöb 

1889 

m 

1656 

1288 

1041 

2924 

5253 

1S90 

786 

1813 

57S 

•J978 

5577 

878 

181R 

1876 

5871 

Zu.satMiijcu  : 

-,144 

1,1110 

13447 

7283 

•4'>^'6H     1  4i>51T 

Asmerknng:  Als  ein  blonderes  V«rdi«D8t  der  Gesellschaft  ist  noch  die  von  ihr 
dnrebgeftthite  nntotgeltlich«  Bfaui^toog Ihnlidisr  freiwIIUger  BettnngsgesellichaftoD  in  Prag, 
Brflnn,  Krakaa,  Triest  hervorsidiebMi. 


Angesichts  solcher  hervorragender,  mit  grösster  Opferfreudigkeit  im 
Dienste  der  Allgemeinheit  vollfttbrter  Leistungen  muas  es  als  beklagenswerth 
ersdidnea,  dan  die  Wiener  BevftUierung  der  Gesellschaft  nieht  nur  mit  Oleieb- 
gilH^eitf  sondern  sogar  theilweise  mit  üebelwoHen  und  Feindseligkdt  gegea- 
Ubersteht.  Es  wirkt  geradezu  komisch  und  doch  kläglich ,  wenn  man  in  dem 
12.  Jahresbericht  der  Gesellschaft  lie.^t,  dass  derselben  eine  fortgesetzte  Entfaltung 
von  Luxu^,  zu  ^ehnelleä,  geräuächvullcä  Fahren,  der  Gebrauch  der  Signalpfeifen 
n.  A.  vorgeworfen  wird.  Noeh  bedanemawerther  aber  ist  es,  dass  das  Samariter- 
werk  der  Ocf-ellschaft  matsvien  in  durchaus  un^  t  lui^rendcr  Weise  unterstützt  wird 
und  dass  deshalb  dieses  grossartige  Institut  wiederholt  vor  der  Frnge  der  gitnz- 
licben  Autiösung  gestanden  bat.  W'ie  beschämend  muss  diese  Thatsache  wirken« 
wenn  man  dabei  des  nie  versagenden  WohUhfttigkeitssinnes  der  Engländer  vnd 
Amerikaner  gedenkt!  Hoffen  wir,  dass  auch  die  ganze  Wiener  Bevölkerung  in 
Haide  das  rechte  Verstflndniss  und  die  volle  WiirdiL'iiitfr  ihrer  Freiwilligen  Rettnngs- 
gcsellsehaft  rinde  und  dass  jeder  Bürger  der  (isterreicliischen  Metropole  zugleich 
mit  den  Empfindungen  des  Stolzes  Uber  eine  derartige  Institution  auch  das  Gefühl 
der  Püiebt  gewinne  ^  fflr  die  Erhaltung  der  Gesellschaft  nach  besten  Kräften 
einsutreten. 

Literatur:  .Kriegerhe  iP.  Orgau  der  Deut.sthen  Vereine  vom  rothen  Krens. 
Reilipirt  vom  Gehfimrath  Prof.  Dr.  ßnrlt.  .Tubrcp.  l'-^tj— —  J.  Wiebern.  Die 
GfiTissfiiscliaft  Irciwilliper  Kranken|)llei:'-'r  im  Krifjje,  ihn-  (iestjliiciit*^  und  Orfjanisation. 
18>Ü — lÖUl.  —  Protokoll  der  IV.  Delegirtencouferenz  der  Geuosaenschaft  freiwilliger  Kranken- 
pfleger im  Krieg«.  —  Norddentache  Allgemeine  Zmtang  3.  4.  Jani  IBiVi,  —  Fortseb ritte 
der  Krankenpflege.  R^dieirt  vnn  Dr.. T.  Schwalb«.  Jabr er jr.  1  18Ü3.  —  I. — X.  Jahres- 
liericht  des  Deutstheu  äaniarilervereins  zu  Kiel  (1882 — 189:2).  —  XI.  und  XU.  Jahresbericht 
der  Wiener  DreiwUligen  Rettangsgesellsdiaft  18911892).  j.  Scbwalbe. 


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KKtjTENGIFT.  —  KUPFER. 


475 


Krötengift  (ver?1.  Real-Encyclopädie,  2.  Aufl.,  XI,  pag.  375).  Nach 
neueren  Versuclien  be-jitzt  das  Salamanderprift  (Salamandra  maculata) 
auch  eine  starke  Wirkuu^  auf  die  rothen  Blutkörperchen,  die  davon  aafj^elöst 
werdeo,  zerfiülton  und  (bei  Froaohblot)  ihnn  Kern  verlieren.  Bei  der  Seetion  ist 
all^enMäae  Anämie  höchst  ausgesprochen.  Die  sich  als  Tetanus  mit  nachfolgender 
L.lhmung  charakterisiretule  Vergiftung  führt  schon  nach  selir  kleinen  Mengen 
(schon  nach  1  Mgrm.  des  daraus  erhaltenen  Alkaloida  pro  Kilo  bei  intraTenöser 
Vergiftung  von  Hunden  xu  8 — 10  Ifgmi.  Tom  Magen  ans)  anm  Tode;  doob  findet 
dnreh  bäofigere  Einfllbning  kleiner  Dosen  GewSbonng  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
statt.  Vom  Krrttengnfte  unterscheidet  sich  das  Salamandergift  dadurch,  d!ii?s  es  bei 
F>öschcn  keinen  systolischen  Herzstillstand  bedingt ,  und  dass  es  auch  für  den 
Salamander  selbst,  sowohl  im  ausgebildeten  als  im  Larveuzustande,  von  grosser 
Giftigkeit  ist. 

Literatur:  Dntartr«,  Compt.  lead.  CVIH,  Mr.  19.  —  Pblsallx  u.  Lansloia 
Ebenda.  CIX.  Nr.  lu.  12.  Hnsamana. 

Kupfer  (vergl.  Real-Eneyelopftdie,  2.  Anfl.,  XI,  pag.  638).    Die  Frsge 

von  der  frifti^ron  Wirkung  des  Kupfers  und  dessen  Bedeutung  für  die  Hygiene 
i?t  durch  lu  uere  Arbeiten  von  Lkhman'X ')  und  seinen  Sehdlern  .Mkyeküaüdt -), 
Kaxt  und  MdCK*)  zu  dem  Abschlüsse  gebracht  worden,  dass,  wenn  uucli  die 
Giftigkeit  der  Rupferverbindungen  nieht  absnlengiran  iat,  diese  doch  so  gering 
ist,  dass  ein  grosser  Tlieil  der  Angaben  in  der  Literatur  Aber  aeate  Vergiftungen 
durch  kupferhaltige  Speisen  für  zweifelhaft  angesehen  werden  muss.  Man  wird 
z.  B.  MocK  darin  beistimmen ,  dass  die  von  Maiu  '  j  als  todtliche  Vergiftungen 
dnreb  den  Geniiss  in  Messingkessel  vom  Tage  anvor  aufbewahrten  und  in  dieiem 
gekochten  Suppe  beschriebenen  F>krankvngen  nieht  als  solche  aufgefasst  werden 
dürfen  und  zum  Theil  auf  Kohlendunstvergiftung,  wofür  einer  die^^er  Fülle  bereits 
von  HoKMANX  '  ,1  angesprochen  wurde,  zum  Theil  wie  verschiedene  andere  Kupfer- 
vergiftuugen  dieser  Art  auf  Vergiftung  durch  Ptomaine  enthaltende  Gerichte  aus 
verdorbenem  oder  pathologiseb  verändertem  Fleimdie  an  besiehen  sind.  Daas  a.  B. 
milzbrandiges  Fleisch  und  ebenso  daraus  gekochte  Suppe  eine  mit  Erbrecheo  und 
Durchfall  verlaufende  Gastroenteritis  hervorrufen  können  ,  ist  ein  durch  mehrere 
Epidemien  von  sogenannter  Fleischvergiftung  bewiesenes  Factum.  Dass  Kupfer« 
anifat,  Kupferaeetat  und  andere  Kupferaalae  in  bestimmten  Mengen  Erbrechen  und 
Durchfall  erregen  können ,  braucht  nicht  erst  betont  zu  werden.  Ebenso  ist  ea 
nicht  zu  bezweifeln,  dass  bei  sehr  freschw.lfhten  Personen,  bei  Greisen  und  kleinen 
Kindern  derartige,  sich  mehrfach  wiederholende  Brechdurchfälle  den  Scbwäcbe- 
zuBtand  oder  GoUapa  betraditlieh  ateigem  kOnnen,  vnd  die  MfiglnAkoit  einer  letalen 
Intosication  ist  daher  unter  besonderen  Verbftitnissen  niebt  abzuweisen.  In  der 
Re^rel  wird  aber  gerade  durch  das  Erbrechen  die  grössere  Menge  der  eingeführten 
Kupfer'^alze  wieder  aus  dem  Körper  fortgoschafFt  und  dadurch  den  etwaigen 
Störungen  durch  das  resorbirte  Metall  vorgebeugt  oder  frühzeitig  ein  Ziel  gesetzt 
werden.  Uebrigeua  kommt  bd  der  Knpferintoxieation  nieht  blos  die  Höhe  der 
eingeführten  Menge  der  Kupforverbindungeo ,  sondern  auch  die  Individualitüt  in 
Betracht.  Es  liegen  zuverlässige  Angaben  von  Augenärzten  vor,  wnnaeli  die 
Cauterisation  der  Augeubiudehaut  mit  Kupfervitriol  im  Stande  ist,  bei  einzelnen 
Personen  Erbreeben  licrvorzumfen und  ebenso  steht  es  fest,  dass  bei  manchen 
Kranken  auf  die  durch  Kupfervitriol  bedingte  Enurese  erhebliehe  Koliken  und 
Diarrhöen  folgen,  die  bei  anderen  nieht  zur  flrscheinunjr  kommen.  Aehnliches 
kann  auch  von  anderen  Kupferpräparaten  angenommen  werden.  Leichte  Ver- 
giftuugsfiille,  wie  sie  z.B.  in  allerueuester  Zeit  von  Rotterburg der  Brech- 
dnrehfall  und  ooUapsartige  Zustftnde  nach  Inhalation  verstäubter  Salmiaklösung, 
die  sich  in  einem  SiEGLK\sel,en  Ajjparate  mit  schlecht  vernickelten  Kupferröhren 
durch  Hildunfr  von  Kupler-;almiak  lazurblan  fref.lrbt  hatte,  eintreten  sab,  und  von 
iiU^TlNG  '■')  beobachtet  wurden,  der  choleriforuie  Erscheinungen  nach  dcir  Genüsse 


476 


KUPFBK. 


von  Pflaumen,  die  iu  einem  scbleoht  verzinnten  Gefässe  lange  Zeit  gestanden 
hatten,  eintreteo  Bth,  kSniMii  daher  nidit  in  AbT«de  gwtelU  worden.  Solohe 

Vdi!giftnngen  können  auch  Damentlich  wohl  durch  den  Gennas  von  ranziges  Fett 

enthaltenden  Speisen ,  die  in  theilweise  an  der  Oherfliiehe  mit  Kupfercarbonat 
überzogenen  Knj)for-  oder  Mcs3in;,'frefas.sen  sok*Jcht  wiirdon,  luTvorgerufen  werden; 
denn  hier  i^t  eine  ziemlich  reichliehe  Pruductiun  vgu  lett^uurea  Kupferverbiadunj^eu 
möglidi,  während  da«  einfaehe  SteheohMaen  von  Fetten  ohne  Sieden  nur  bei 
längerer  Dauer  dea  Ooatnota  zu  einer  solchen  fahrt.  Nach  den  Versuchoi  TOB 
MoCK  kann  man  Butter  von  hoebgradiger  Ranciditilt  in  den  Quantitäten,  wie  sie 
zu  Hausbaltungszwecken  dient,  bei  Eisschrank-,  Zimiuer-  und  Brutsehraaktempe* 
ratur  in  reinen  Enpfer-  nnd  HessinggefliBsen  24  Standen  stehen  lassen,  ohne  das« 
sich  fettsaurea  Kupfer  bildet.  Bei  längerer  Aufbewahrung  werden  solebe  allerdings 
^rcbildt't,  je  litnger  der  Contact  wJlbrt  und  je  stärker  die  Ranciditit  ist.  rti^rleicb 
mehr  wird  unter  dem  Einflüsse  des  Lichtes  und  des  Luftsauerstofles  gebildet, 
wenn  die  GefäeswSnde  unrein  sind.  Auch  beim  Erhitzen  von  Butter  beliebiger 
RanddItiU  auf  eirea  110*  findet  Knpferaalsprodnetion  statt,  wobei  die  Menge 
parallel  den  in  der  Butter  vorhanden  gewesenen  Fettsäuren  steigt.  Da  das  Maxi- 
rtium  in  allen  Versuchen  auf  70  Mgrra.  Cu  auf  100  Com.  Butter  sich  stellt,  so 
wäre  die  Einbringung  wirklich  toxischer  Dosuu ,  die  zu  einer  schweren  acuten 
Vergiftung  fiBbren  können,  nnr  dann  als  möglieh  an  betraehten,  wenn  die  fett- 
sauren  Kupferverbindungen  in  ihrer  Qifkigkeit  sehr  wesentlich  das  Knpfersnlfat 
und  andere  Kupfersalze  übertr.Hfen.  Die  an  camivoreu  SiiutrtMhieren  ausgeführten 
Versuche  Mock's  lasseu  das  Oleat  und  Butyrat  des  Kupfers  aber  als  nicht  stärker 
giftig  ersebeinen.  Ganz  analog  stellen  sieh  die  Verhiltnhne  beim  Wein  oder  Essig 
mit  Kapfer,  von  denen  naeh  Kant's  Versuchen  jener  mehr  Cn  als  dieser  in 
Lasung  bringt.  Wie  bei  der  ranzigen  Botter,  ist  auch  hier  die  Bildung  von 
KnpiVr^alz  wextMitlieli  stilrker,  wimid  ein  Tbeil  des  Kupfers  nicht  von  dor  FHhsig- 
keit  bedeckt  und  dem  Einduese  des  Liebtcä  und  des  LutUauerstutls  ausgesetzt  wird. 
Aus  MesBing  nimmt  Eisig  bis  sn  einem  gewissen  Zeiträume  mehr  Cu  als 
aus  KnpIlBr  anf|  dodi  irt  miiideatMS  TOOifpgw  Contact  nothwendig,  um  eine 
.Meuge  von  Kujjferaeetat  zu  erzeugen ,  die  von  gesundbeitr*srli;idigendein  Ein- 
llus«e  sein  könnte.  In  diesen  Fällen  wird  aber  der  starke  Metallgeschmack  die 
Verwendung  zu  Nahmngasweeken  geradesu  nnmöglieh  maeben.  Naeh  Lbhmann 
können  bei  einer  Mahlzeit  im  allerungttnstigsten  Falle,  ohne  dass  sich  der  Kupfer- 
gflialt  dem  (Jcscbmaekssinne  vcrrätb,  0"19  Grm.  Tu  in  ilcii  Marren  gclangt  ii,  eine 
Meuge,  die  der  untersten  «irciize  entspricht,  in  denen  nu'ilirinaie  Dosen  Kupter- 
salze  als  Brechmittel  wirken.  Üa  nun  aber  in  der  Kegel  nicht  über  die  Hälfte 
dieser  H«ige,  bei  Ragouts  und  Suppen,  die  in  Kupfergefitssen  gestanden  haben, 
nur  '  , — >/,,  in  den  Körper  gelangt,  so  sind  die  in  der  toxikologischen  Literatur 
enthaltenen  angeblichen  Ma?senvergiftungen  durch  kupferhaltigo  Speisen,  bei  denen 
der  Kuplergehait  aus  deu  Bereitungs-  oder  Aufbewahruugsgefässeu  stammen  sollte, 
vermutblich  auf  andere  ürsaehen  zurflckEufllhTen. 

Toxikologisch  erscheint  auch  die  längere  Zeit  hindurch  fortgesetzte  Zufuhr 
derartiger  kleiner  Mengen  Kupfer  mit  den  Speisen  olmc  Itedentunir.  Die  Resultate 
älterer  Selbstversuche  vou  Toussaint  werden  durch  neuere  von  Mevkku.\kt  mit 
Kupfersnlfat  und  von  Kant  mit  Kupferacetat  völlig  bestätigt.  Nach  Meyerhast 
sind  for^esetite  Kupferdosen  von  20  Mgrm.  pro  die  für  den  gesunden  Hensohen 
völlig  unschädlich.  Kaitt  stieg  bei  seinen  Selbstversuehen  v(»n  IG  Mgrm.  Kupfer- 
acetat lentsprechend  .*)  Mgrm.  Cu  i»is  auf  nahezu  '.»5  Mgrm.  i ent-preehcnd  Mgrm. 
Cu)  und  verbrauchte  im  Laufe  von  öl  Tagen  im  üuuzen  iJ  '.'JS  Grm.  Kupterueetat 
(entspreehend  1*05  Cu,  nahm  aueh  später  noch  in  grünen  Bohnen  0'48  Grm  Knpfer- 
snlfat (entsprechend  012  Cul  ohne  jede  Bcfindensstörung.  Verkehrt  würde  es  in- 
dessen sein,  damit  die  vidle  Fniriftigkeit  der  Kupl"erverKindnn'_'en  als  bewiesen 
anzusehen;  deun  weun  auch  mit  deu  .Selbst versueheu  uu  Menschen  Thierversuche 
harmoniren,  in  denen  sogar  ein  ganzes  Jahr  hinduroh  Kupferverbindungen  (Acetat, 


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KUPFER.  —  KYPHOTISCflES  BECKEN. 


477 


Chlorid)  Oiydhydrat)  za  16 — 50  Mgrm.  pro  Kilo  verfOttert  wurden,  ohne  dass 
schwere  Tntnxication  zu  Stande  kommt)  iO  fehlt  es  doch  im  Laufe  der  Thierver- 
suche uicht  an  intercurrentcn  l)arm-  und  Magencatarrhen  und  Abnahme  des  Körper- 
gewichten. DuBOiS  will  bei  derartigen  Veriiucheu  eine  ausserordentlich  starke 
Bypertropliie  der  OallenblMe  eonatetirt  haben.  Dnreh  gn^ssere  DoBen  ISdicher 
Eapfersalze  und  Kupferdoppelsalse  lässt  sich  auch  bei  Warm-  und  Ealtblntem 
afute  Vergiftung  erzenpen,  in  denen  Gehirn,  Kdckenniark.  Vasomotoren  und  Herz- 
nerven vorwaltend  aflicirt  werden ,  während  die  willkürlichen  Muskeln  und  der 
Henbeatel  nioht  betbeiligt  sind. 

Fflr  die  Beurtheilnng  der  ^gewerblichen  ehronischen  Rupfer- 
verfriftun?  irehen  die  neueren  Thierversuclie  keinen  Anhaltspunkt.  Nach 
SUCKLING  1-)  gchiirt  auch  das  Kupfer  zu  denjenigen  Metallen ,  welche  periphere 
Neuritis  erzeugen.  Die  Affectlon  soll  sich  als  Ataxie  und  lähmungsartige  Schwäche 
der  HiDde  und  Fttise  eharnkteiMreiif  woneben  Parisfhedeni  Abmngerang  der 
Muskeln  bei  verminderter  faradischer  Erregbarkeit  und  Fehlen  des  Kniephänomens 
beobaelitet  werden ,  wJlhrend  Pupillenreflexe  und  die  Functionen  des  Mastdarms 
nurmal  sind.  Eine  andere  Affectiun,  die  sich  nach  Latiueb^^)  bei  Kupfer-  und 
lieflsingarbeitem  findet,  ist  die  sogenannte  Knpfeiarbeiterbmet,  die  dnnA  das  Bin- 
athmen  von  Gasen  oder  Staub  entsteht  und  sieh  als  BronehiallMden  mit  EättphyBeni 
oder  als  interstitielle  Pneumonie  charakterisirt. 

Literatur:  ')  Lehmann,  Kritieche  nad  esperinentelle  Stadiea  über  die  hygie- 
nisebe  Bedeutung  des  Kupfers.  Hfiaehener  med.  WoeheMchr.  1891.  Hr.  3$.  36.  —  *)  Meyer» 

hardt,  Studien  nl)er  die  liyc-ipni^f lin  Bcdentnnp  des  Kupfers.  Dissrrt.  Wilrzbnrg  1890.  — 
')  Kant,  Experimentelle  Beilrage  zur  Hygiene  des  Kupfers.  Wtirzbnrj?  1893.  —  *)  Mock, 
tJntersnchnngen  fiber  die  hygieni.sche  fiedeutang  des  fettsanren  Kupfers.  Würzburg  1892-  — 
Hair,  Das  Hessing  als  Gift  im  reinen  und  anreioea  Zastaade.  Friedreich'a  BL  1887« 
pag.  36.  201.  233.  —  •)  Vergl.  Yirchow-Hirsch'e  Jahresber.  1887,  I,  pag.  514.  —  *)  Haee- 
miinn,  Toxikologie,  pag.  900.  Lew  in,  Nebenwirkangen.  2.  Aufl.,  pag.  677.  —  •)  Botten- 
berg, Therap  Monatsb.  Ib9;2,  pag.  431.  —  *)  Bnnting,  Brit.  med.  Journ.  1892.  Oct.  22, 
pag.  s91.  —  1')  Dnbois,  Sur  Vahaorption  €U»  pripdrations  de  euivre.  Ball,  de  l'Acad.  mAd. 
Belg.  18S7,  Nr.  7.  —  ")  Cnrci,  liirerrhe  spen'»ienfitli  .tuH'  nzione  hiolofjica  del  rame. 
Annal.  di  chini.  Maggio  1867,  pag.  321.  —  Öuckling,  Xote^  un  nudtiplf-  periphtral 
uiuritis  find  its  ocuvrence  in  brasstrorkera.  Brit  med.  Joum.  1888.  Dec.  15.  —  ")  La« 
timer,  Oh  the  ehest  duetue»  of  workmen  i»  the  eopptr  works.  Laucet,  lb=87,  Jane  4 

Huaemann, 

Kyphotisches  Becken,  s.  Becken,  pag.  97. 


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Laliuniin,  Laburnumsllure,  ».Cytitin,  pag.  179. 

LsrynXCllOreS«  Mit  diesem  Namen  werden  von  venehiedenen  Laryn- 

gologen  verschiedene  Affectionen  beseiobnet.  Schkotter  belegt  mit  dieama  Namen 
eine  AHectiun  des  Laryux,  bei  der  es  zu  continuirlichen  oder  7-ti  mir  in  frerin^en 
lutervalleo  auftreteadeu  Hustenstöasea  kommt,  die  sich  durch  üiduu  gaoz  besun- 
deren,  oft  Mnabe  mnsilcaliBehen  Charakter  und  dareh  eine  ganz  besondere  Stärke 
auszeichnen,  so  dass  sie  weithin  gehört  werden.  Neben  diesen  eigontbQralichen 
IlustenstOsscn  finden  sich  {gleichzeitig?  Contractionen  in  anderen  Miiskelorebieten. 
80  im  Gesicht  u.  8.  w.  Die  Atfection  hat,  wie  SCHRoTTKit  ausdrücklich  hervorhebt, 
mit  der  Hysterie  nichts  zu  schaffen;  sie  zeigt  sich  vielfach  bei  jugendlichen 
anflmisehea  Individuen.  ICackenzib  Tersteht  unter  Chorea  larjfngü  eine  tremn- 
lirende  Action  der  Kehlkopfmuskelu ,  welche  er  bei  schnaobea  und  hochgradig 
nervösen  Personen  beobachtet  hat,  hetnnt  hIht  ansdriieklich .  dass  er  laryngo- 
skopiscbe  Untersuchungen  bei  an  Veitstanz  leideuden  rersuueu  niemals  angestellt 
hat.  SCHBCH  bemerkt,  dass  sieh  die  wahre  Chorea  Inn/ngte  dnreh  uagenttgende 
Stflrke  nnd  Ausdauer  der  Stimmbandspannung  char.ikterisirt  und  V.  ZiEMSSRK 
konnte  die  rnruhe  der  Kehlkopfmuskeln,  die  zuckenden  Contractionen  der  Stimm- 
bandschliesser,  -Oetther  und  -Spanner  sehr  gut  Übersehen.  Mit  Rücksicht  auf 
die  anter  dem  Namen  „Chorea  laryngis'*  verschieden  besehiiebenen  Afibetionon 
halt  GOTTdTBiN  es  für  gerathen,  den  Namen  ganz  fallen  zu  lassen.  leb  mnss  nach 
meinen  Beobachtungen  mein  völli^rea  Einverständniss  mit  GOTTSTKrv  aussprechen. 
Ich  Lahe  zunächst  selltst  eiuijre  F.llle  von  Veitstanz  laryngosknpisch  untersucht 
und  bei  diesen  fa^t  durchgängig  keine  Mitbetheiligung  der  Kehlkopfmusculatur 
beobaebtet;  wenn  aneh  in  Folge  der  ehoreaartigen  Zuckungen  des  Kdrpera  die 
Untersuchung  des  Larynx  etwas  erschwert  ist,  so  gelingt  es  doch  mit  Ausdauer, 
ein  gutes  laryn?o«knpisrhes  WWd  in  allen  Fallen  zu  LTcwinnen  und  man  überzeugt 
sieh  hierbei,  dass  die  Kehlkopfmusculatur  durchau^j  nicht  jeue  unwillkürlichen 
Mitbewegungen  bei  der  Ausführung  der  willkflrliehen  phonatorisoheo  (adduetorisehen) 
oder  abductorischeu  Bewegungen  zei;rt.  wie  wir  sie  bei  den  übrigen  Muskeln  des 
Körpers  hierbei  beoliaehten.  Ueberdies  ist  es  bemerkenswerth ,  dass  jene  von 
Schkotter  beschriebenen  Ilustenstösse ,  welche  auch  üüttstein  bei  jugendlichen 
Individuen  mit  ehoreaartigen  Muäkelzuckungen  des  Gesichts  und  der  Extremitäten 
beobachtet  hat,  während  der  Phonation  versehwinden.  In  diesen  FAUen  handelt 
es  sich  demnach  wohl  um  gewisse  nervöse  St<^rungen,  deren  Tr-^aelien  noch  viel- 
fach unbekannt  sind,  zumal  anatomiselie  l'ntersuehunjjen  hierüber  fehlen. 

Therapeutisch  sind  kalte  ßegieääuugeu  des  Kopfe-s  und  des  liUckeus  im 
warmen  Bade,  Chinin  und  Bromkalium  in  grösseren  Dosen  am  Platz. 

Liicratar:  Mackenzie,  Dio  Krankheiten  des  Halses.  Wien  1880,  pag.  665.  — 
Schech,  Ueber  pboBiachen  StimmritzeDkraiDpf.  ÄerzU.  Xatell)g«azbl.  1879,  Nr.  24.  —  F.  J. 


LARYNXCHOREÄ.  — 


LAHVNXSCLEROM. 


479 


Knif:ht,  Chorea  Jur»jngis.  Arcli.  of  Larynpol.  l&SS,  IV,  Nr.  3,  pap:.  18(1  und  Arcli.  of 
Laryngol.  1S80.  I,  Nr,  2.  pag.  154.  —  Schrötter,  Verlesangeu  über  die  Krankheiten 
des 'Kehlkopfes  a.  a.  w.  Wien  1892,  pAg.  395.  —  Oottstefn,  Ennkbelten  des  Kehlkopfes. 
Leipsig  1890,  pag.  m.\  B.  fiaginsky. 

Larynxscierom.     Der  zuerst  von  Hebsa  an  der  Nase  unter  dem 

Namen  .Rhinosclernui"  lieschriebene  Krankheitsproeess  tritt  auch  am  Tjarynx  auf 
und  führt  daselbst  zu  schweren  klinUcben  Erscheinungen  in  Fulgu  des  meist  zu 
boebgradiger  Stenose  filbrenden  KrmnkheitsprooeBflee.  Wie  wir  auf  Grund  ^eniner 
anatomifleber  Untersucbungen  wiaseB,  bandelt  es  xicb  beim  Seierom  um  einen 
lanfr-^am  verlaufenden,  chronischen  ,  entztliidlicheti  Proci-^-;  mit  der  Tendenz  zur 
Schrumpfung  und  Narbenbildung  und  werden  sich  naturgemäss  die  Folgezuetäude 
an  den  verscbiedenen  befallenen  Organen  verschieden  darstellen.  Der  solerumatöse 
Proeees  loealieirt  sieh  nnr  im  Gebiete  der  Sebleimbant  der  oberen  Luftw^;  die 
Reihenfolge,  in  der  die  einzelnen  Organe  befallen  werden,  ist  nicht  stets  dieselbe, 
80  kann  das  eine  Mal  zuerst  die  Nase,  das  andere  Mal  zuerst  der  Larynx  u.  s.  w. 
erkranken.  Ais  Ursache  des  Scleroms  hat  v.  Frisch  1882  eiuen  bestimmten 
Baeillns,  den  B<tciüu»  rhinoecleromatu^  beeehrieben,  welober  in  aeinem  morpbo- 
logischen  und  cultorellen  Verbalt^  mit  dem  BaeUlva  pneumoniae  groaee  Aebn 
liobkeit  darbietet. 

Der  Hhinosclerumbacilluii  stellt  sieh  dar  in  kurzen,  etwa  2 — 3mal  den 
Breitendarchmesser  flberragwiden  St&bdien,  welebe  yon  einer  GaUertkapsel  um- 
geben sind.  Sie  können  bei  gewöbnlieber  Temperatur  leicht  cnltivirt  werden  und 

finden  sieh  im  soleromntnsen  Gewebe  cnnstaiit  vor,  in  dem  jüngeren  Grannlatione- 
gewebe  in  grosser  Zahl,  in  dem  älteren  etwas  spärlicher. 

Trotz  eiuzelner  gegen  die  Mittbeilung  von  v.  FfilSCB  erbrachten  Ein- 
wendungen  gilt  der  oben  erwähnte  Baeillns  allgemein  als  der  wirkliebe  Krank- 

beitserreger,  nachdem  Cornil-Alvarez  die  Untersuchungen  von  v.  Fßiscii  be* 
Btätigen  und  Paitai  k  und  Eiselsbekg  den  Bacillus  rein  enltiviren  konnten. 
Allerdinga  zeigt  der  baeillns  für  unsere  Versuchsthiere  gar  keine  oder  nur  ge- 
ringe VimlenE. 

Das  Sclerom  tritt  auf  entweder  in  Fcirm  \on  circumscripten  weiehcn 
Tumoren  oder  in  mehr  diHus  sieh  aiisbreiteiifleii  Infiltrationen,  und  patholo^'isch- 
anatomiscb  findet  sich  eine  luiiltratiou  der  bchleimhaut  mit  Kund-  und  Spindul- 
sellen,  zwiseben  denen  sieb  die  zuerst  von  Mikulicz  besebriebenen  und  dem 
aeleromatOsen  Gewebe  eigenthttmh'ehen  Zellen  vorfinden;  es  sind  dies  grosse 
blasige,  meist  kernlose  homogene  Zellen,  welche  eine  grosse  Zahl  Rakterieu  ent- 
halten und  höchstwahrseheiulieh  durch  hyaline  Degeneration  der  Intiltrationszellen 
hervorgehen.  Durch  den  allmälig  eintretenden  Schrumpf uugsprocess  kommt  es  zu 
boebgradiger  Narbenbildnng ,  an  maneben  Stellen  beobaobttt  man  Knoefaen- 
bilduugen.  Das  Sclerom  kommt  endemisch  vor  im  Süden  und  Westen  Rnsslands 
und  in  den  angrenzenden  Ländern  Galizien,  Mähren,  Schlesien,  Böhmen,  aneb 
in  Italien. 

Hier  interemtrt  nnr  das  Seierom  der  Larynx,  von  weiebem  einzelne  FlUe 

genan  und  neuerdings  erst  von  Jufkinobr  beschrieben  worden  sind.  Das  Larynx- 
scierom zeijrt  sieb  am  hiUifif^sten  in  Form  einer  dicht  unter  den  Stinimbfludern, 
also  subglotti.seh  gelegenen,  meist  beiderseits  symmetrischeu  luliltratiou.  Der  Proeess 
beginnt  an  dem  vorderen  Vereinigungswinkel  der  Stimmbänder  und  reicht  bis 
snr  hinteren  Keblkopfwand.  Seltener  befiUIt  der  Proeess  den  Larynx  inseitig; 
auch  an  der  l<3piglotti8,  am  Aryknorpel  nnd  an  der  hinteren  Laryniwand  kann 
sieh  unter  Umständen  der  Proeess  zuerst  zeigen.  Bei  der  laryngoskopischen  Unter- 
suchung siebt  man  zumeist  grauwcisse  oder  blassrotb  gefärbte  Wülste  von  barter 
Conaistenz  nnd  glatter  oder  etwa  höckeriger  Oberfiäehe  und  sie  können  so  gross 
werden,  dass  sie  sich  fast  berühren.  Kommt  es  zur  Schrumpfung,  so  können  die 
manniirf.icbsteii  Kililknpfbilder  entstehen;  die  Epiglottis  kann  beispielsweise 
zusammengerollt   erscheinen,  so  dass  sie  sich  kugelförmig  Uber  den  Larj'ux 


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m 


LARYNXSCLEROM.  —  LOLCH. 


hintlberlegt  und  deu  Einblick  in  denselben  verdeckt.  "Weiterhin  beobachtet  man, 
wenn  auch  selten  ,  ödematöse  Sehwelluniren  .  Störunjiren  in  der  Uewe?lichkeit  der 
Stimmbänder,  welche  sich  durch  die  Erkrankung  leicht  erklären  lassen.  Das 
Secret  Ut  slüie,  der  Sobleimliaot  anhaftend,  gnu^rlln  nnd  borken  bildend. 
Sonst  beobachtet  man  noeb  Heiserkeit,  Hasten  und  Ätbemnoth ,  letztere  abhfin^g 
von  dem  Grade  der  Verengerung.  Therapeutisch  haben  sich  specifische  Mittel 
nicht  bewährt;  es  muss  der  Proceds  palliativ  behandelt  nnd  im  Falle  der  Öteuo- 
dmng  des  Larynz  frühzeitig  die  mednuiisehe  Dilatation  vorgenommen  werden, 
wozu  nach  den  yorlieeronden  JSrfiriimDgen  bei  diesen  ehronitehen  Proeeesen  die 
Intubation  sieh  wohl  am  meisten  empfehlen  wtlrde. 

Literatur:  v.  Frisch,  Zur  Aeüologie  des  BhinoederoiDs.  Wiener  ned.  Wochen- 
schrift 186S.  —  Lang,  Ueber  Rhinoederom  mid  dessen  Bahndlang.  ^Hener  med.  Woeben- 
sebrift  1883.  —  Chiari-RiVhl.  Das  Rhinosclerom  (1er  Schleimhaut  Zeitschr.  f.  Heilk.  I88Ö. 
—  C 0  rni  1  -  A  I  V  a  r  e  z  ,  Mtmoirt  jumr  .vcrnr  ä  /'fiittoire  du  rhiiui.yt'li  ronic.  Archive  de 
Physiologie  norm,  et  pathol.  1886.  —  R.  Paltauf  und  Eiiielsberg.  Zur  Aetiolo^ie  des 
Rhinoflcleroms.  Foxtechritte  der  Medicin.  1S8>).  —  R.  Palianf,  Zar  Aetiologie  des  Scleroms. 
Wiener  klln.  Wocbenachr.  1892.  —  Jnffingcr.  I'as  Sclerom  der  Schleimhaut  der  Nase,  des 
Rnrhens,  lic-j  Kehlkopfes  nnii  der  Lnftrölire.  Lcipzip  und  Wien  1892.  —  Schrott  er.  Vor- 
lesungen über  Ikrankbeiten  des  Kehlkopfes  etc.  Wien  1888,  pag.  172.  —  W  e  i  •  h  s  e  1  b  u  u  m, 
Omndriss  der  pathoL  Histolotci«.  Leipzig  nnd  Wien  1892,  pag.  169-         b.  Ba^'inäky. 

Lolch  (Lolium).  Die  toxischen  Verhältnisse  des  Taumellolcbs  (Keal- 
Eneyelopädie,  2.  Aufl.,  Bd.  XXIII,  pag.  438)  haben  eine  weitere  Kllrung  dadurch 
gefunden,  diMS  Hofubistbb  aus  den  Samen  du  krystalliBirende  Verbindnugcn 

eindrehendes ,  narcotisehes  und  myd  riatisch  es  Alkaloid  gewonnen  hat.  Die  als 
Temulin  bezeichnete,  in  Wasser  Jinsserst  leicht  lösliche  Base  entspricht  der 
Formel  C7  H^j  I^s  0  und  gehört  zur  Pyridiurcihe.  Sie  bildet  ein  in  farblosen, 
grossen,  aebteekigen,  rhombisehen  Tafeln  krystaiUrirendes,  in  Waseer  sehr  leieht, 
nieht  aber  in  wasst  rfrdan  AIkoh<d,  Aether  oder  Chloroform  lösliches  Chlorid  und 
in  kurzen,  beiderseits  zugespitzten,  sechsseitijren,  schön  goldgelben  Prismen  kry- 
stallisirendes,  in  Wa^iser  unlösliches  riatiadoppelsaiz.  Ein  flüchtiges  Alkaloid  konnte 
HOFMBiSTBS  nieht  erhalten,  ebenso  wenig  da«  dnreb  KalinmqneeksilberoxTd  nidit 
fUIbare  Temulentin  und  die  wabnehdniich  nur  aus  Kaliumbitartrat  and  Ammoniak 
bestehende  Temnleutinsilure.  Salzsaure-«  Tenuilin  tödtet  Frösche  zu  O'l  in  wenifren 
Minuten,  zu  Ü*<)2  in  eiui^eu  Stunden.  Für  Katzen  sind  etwa  0*25  per  Kilo  tödtlieh. 
Bei  Fröschen  bewirkt  es  Abnahme  der  Willkürbewegungen  bis  zu  deren  völligem 
Sdiwinden,  allmlUg  annehmenden  Sehwnnd  des  Goordinationavermflgene  nnd 
sehlieeslieh  vOllig  centrale  LAbmung;  die  Reflexe  können  anfangs  vorübergehend 
gesteigert  sein,  werden  aber  später  .stark  herabf^eseizt,  während  die  directe  Muskel- 
und  Nerveuerregbarkeit  auch  durch  hohe  Dosen  unberührt  bleibt.  Auch  bei  Warm- 
blfltem  sind  Aufhebung  der  Willkflrbewegung,  Bettnbnng,  ransdiartiger  Znstand, 
Müdigkeit,  Tbeilnahmshisi^^keit,  Sehläfrigkeit,  Taumeln,  sehr  unsicherer  Gang  und 
lähmungsartige  Schwäche  die  hanpts.tchlichsten  Symptome.  Die  anlangs  beschleunigte 
Athmung  wird  später  verlangsamt  und  verflacht  und  der  Tod  erfolgt  durch 
Atbemstillstand.  Auö^Uig  ist  die  Beeinflussung  der  Tonperatur,  die  anfange  deutlich 
berabgesetst  wird,  dann  aber  naeb  voranfgehender  Vereogemng  der  Ohigeflase 
beim  Kaninchen  und  starkem ,  anhaltenden  Zittern  bei  Katzen  nnd  Kaninchen 
über  die  Norm  .steigt.  Temulin  wirkt  auf  glatte  Muskeln  wie  Atropin  nnd  erzeugt 
Mydriasis,  die  durch  Oculomotoriusreizuug  nicht  beeinflasst  wird,  jedoch  maximal 
nur  bei  letalen  Dosen  eintritt.  Auf  die  Haotseeretion  der  FMtoehe  und  die  Sehwriasr 
seeretion  junger  Katzen  ist  Temulin  ohne  Einflass.  Beim  Frosdie  beseitigt  es 
Muscarinstillstand  nielit .  bewirkt  vielmehr  selbst  Piilsverlangsamung  und  Herz- 
stillstand. Bei  Warmblütern  wirkt  die  intraveuöse  injectiun  pulsverlangsamend 
und  Torflbergehend  drnekherabsetaend ;  bei  wiederholter  Darreiehung  bleibt  Pnb> 
verlangsamnng  bestehen,  die  auch  durch  Aussehaltnng  des  Vagus  nicht  alterirt 
wird.  Den  blutdrucksteijrerndeu  Kinflus.?  der  ReiziiiiL-  sensibler  Nerven  hebt  Temulin 
fast  ganz,  den  der   Erstickung   völlig  auf.  Die  physiologischen  Wirkungen 


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LOLCH.  —  LUN6ENKRANRHEITBN. 


481 


des  Ijoliiaii  decken  sich  recht  ^iit  mit  dem  Krankheitsbilde  der  Lol^'hverpriftung. 
von  welcher  übrigens  seit  1872,  wo  Beckkü-;  mehrere  durch  Hat'erbrod  herbei- 
gefahrte  und  unter  starkem  Sehwiadel,  Bingenommenadm  des  Kopfes,  proftasem 
Schweisse  und  hakigem  Zittern  verlaufene  Fälle  mittheilt,  die  auf  Lolium  temu- 
lentum  rar.  macrochaeton  znrOckgefllhrt  werden  konnten,  in  Deutschland  kein 
FaII  mehr  beschrieben  ist.  In  anderen  Gegenden,  z.  b.  in  Polen  oder  in  Irland 
soll  dagegen  kaum  ein  Jahr  ▼rageben,  ohne  dass  eine  LolehTergiftnng  vorkommt. 
Die  in  einzelnen  FftUen  von  Vergiftung  durch  Lolium  temuUntum  beobaohteten 
gfastrischen  Symptome  (Erbrechen.  Durchfall;  kommen  nicht  auf  Rechnung  des 
Temulins ,  sondern  auf  die  in  den  Samen  reichlich  vorhandenen  Fette  und  Fett- 
Säuren,  die  bei  Katzen  regelmässig  Erbrechen  und  meist  auch  Durchfall  erzeugen. 

Literatur:  *)  Hofmeistar,  Arch.  ipse. Pafhol.  ZZX,  pag.  202.  —  *)  B««ker, 
Arch.  d.  Pharmacie.  ]872,  Febr.,  pag.  189.  —  *)  LSnnborc,  Upsala  Läk.  Förbandl.  1891, 
XXVII,  pag.  ;}91.  TkHuaeiaanB. 

LoSOphan,  s.  r  resoltrijodid,  pag.  176. 

Luftcalorimeter,  s.  Eigenwärme,  pag.  236. 

Lungenkrankheiten.  Fj^  sind  nur  wcniofe  Arbeiten  über  die  p]rkran- 
kungen  der  Lunge  im  letzten  Jahrgange  veroricntlicht  worden,  welche  nicht  der 
Casuistik  angehören  und  sich  für  eine  Anführung  an  dieser  Stelle  eignen.  Neuere 
klinisehe  Arbeiten  namentlieh  fehlen  fast  voUstindig,  aber  aueh  die  experi- 
mentellen, welche  in  den  früheren  Jahren  ziemlich  zahlreich  waren,  sind  prrössten- 
tbeils  auso:eblieben  und  nur  die  ätiologischen  Momente,  welche  überhaupt  im  letzten 
Decennium  in  deu  Vordergrund  getreten  sind,  haben  auch  diesmal  einige  Berück- 
siehtigung  gefnnden.  Dabei  bietet  die  ansltndisehe  Literatur  anssohliesslich  nur 
easuistiscbe  Beiträge  oder  nur  Bestätigungen  and  Nachprüfungen  bekannter,  bereits 
von  uns  erwähnter  Thatsacben.  K<  sind  daher  nur  eini^re  Arbeiten  der  inländischen 
Literatur  crwähnenswerth.  Wir  fügen  zu  denselben  auch  nooh  solche  hinzu, 
welehe  die  Plearaerkrankungen  betreflbn. 

Zunädist  wollen  wir  eine  experimentelle  Arbeit  erwAhnen,  welehe  Haaslrr 
angefertigt  hat.  Er  ex«tirpirte  Kaninehen  und  Hunden  den  einen  Lungenflügel,  um 
SU  beobachten,  ob  der  andere  dat'lir  compi  ns.itori-eli  hypertrophirt.  Zu  diesem 
Zwecke  operirte  er  an  26  Kaninchen  und  ä  Hunden,  meist  jungen  Thiereu.  Fast 
alle  überstanden  die  Operation  gut,  und  sie  wurden  dann  theils  in  den  ersten 
Tagen,  theils  später  (bis  17  Monat)  getOdtet  und  untersucht.  Nur  in  einem  FallOf 
bei  einem  10  Wochen  alten  Hunde,  war  eAu  positives  Ke-iultat  zu  verzeichnen; 
hier  zeigte  .sich  die  Pleurahöhle,  deren  Lungenflflgel  exstirpirt  war,  ausgefüllt  von 
nengebildetem  Gewebe  des  anderen  LungraflUgels ;  es  war  also  eine  eehte  Hyper- 
plaxie  eingetreten.  In  allen  flbrigen  FSlIen  aber  blieb  die  Hyperplasie  aus  und  es 
fand  sicli  mir  I.uft  im  Pienraraume,  bei  jüngeren  Tliieren  blieb  gleichzeitig'-  die 
betreffende  Thoraxhällte  im  Wach-thum  zurück.  Trotzdem  haben  die  Experimente 
des  Autors  zu  dem  wichtigen  ErgebuiäJS  geführt,  dass  das  Luugengewebe  eine 
eompensatorisehe  HyperpUune,  wenn  aneh  selten,  erfahren  kann. 

A.  0.  Schmidt  -)  hat  das  Sputum  bei  verschiedenen  Erkrankungen,  insbe- 
sondere bei  .  f>'/M///^r //rr)«r//m/^,  geh/irtet  I  mittelst  Sublimat),  in  Celloidin  eingebettet, 
geschnitten  und  gefärbt.  Für  die  Färbung  hat  er  besonders  häutig  verwendet  das  von 
Ehrlich  angilbene  neutrophile  Drdfarbstofl^emiseb,  welebes  aus  «nem  Gemenge 
aweier  saurer  Farbst<iffe,  dem  Säurefuehsin  und  dem  Methylorange  und  eines  basi- 
schen, dem  Methylgrün  ,  besteht.  Es  zeigte  sich ,  dass  mit  diesem  Farbgemii*che 
die  Eiweisskörper  im  Sputum,  z.  B.  Fibrin,  sich  roth  färben,  wälirend  der  Schleim 
eine  blaugrUue  Farbe  annimmt;  diese  Farbenuntersehiede  treten  schon  makro- 
skopisch auf,  so  dass  der  Auswurf  bei  Lungenentzündung^  welcher  also  eiweissbaltig, 
reich  an  Fibrin  i>t ,  roth  aussieht ,  w.ihrend  eatarrli.ili-clie  Broncliitis  einfu  jrrün 
gefärbten  Auswurf  zeigt.  Dazwincben  gielit  es  Uebergäuire :  z.  Ii.  hat  das  Sputum 
der  capillärea  Bronchitis  einen  grauvioletten  Farbeutou ,  entsprechend  der  Ver- 
Sa^dop.  Jalirbftelier.  in.  31 


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482 


LüNOBNKItANKHBITBN. 


misch uug  vod  Eiweiss  uud  Fibrin.  Scumiüt  bat  ausserdem  aber  noch  an  den 
Sputamschnitten  die  WsiGBBT'sehe  Fibrinreaction  vorgeuommen.  Er  fand,  dass  bei 
I^tmtnumi»,  Bronchüü förinota  mid  Bronchitis  eapülarit  das  Sputam  flibrinludtig 

ist,  umgekehrt  zeifrte  es  sieh,  d.iRs  bei  Astlimn  bronchiale  das  Sputum  kein  Fibrin 
enthälf,  Bonderii  dass  die  Ci'Km  iiMANN'-iolicn  Spiralen  aus  Murin  bestehen,  welche« 
sich  bei  der  Fibrinreaction  nicht  blau  uud  fildig  färbt  wie  das  Fibrin,  sondern  violett 
und  homogen ;  mit  dar  BHBUCB'sehen  FarbtSanni^  fkrben  nieb  die  GuBSCBVANN'seben 
Spiralen  grfln.  Der  sogenannte  Centralfaden  ist  nichts  Anderes  als  eine  Verdichtung 
der  Mucinmasscn  im  Ccntrum.  SCHMIDT  fand  ferner,  dass  die  ClRSCn  MANN 'sehen 
Spiralen  beim  At^thma  sich  auch  als  mikroskopisch  kleine  Gebilde  in  grosser  Zahl 
neben  makroakopisdien  finden,  Gebilde,  welehe  flbrigens  niehtnnr  dieser  Krank> 
heit  allein  eigenthtlmlich  sind,  sondern  aveh  bei  sehleimiger  Capillärbronchitis  vor- 
kommen. S('hli«'sslicli  maelit  SrintiDT  darauf  aufmerksam,  dass  die  eosinophilen 
Zellen  in  sehr  vernehiedeneu  Sputin  vorkommen,  z.  B.  bei  fibrindeer  üronchitiSi 
bei  croupöscr  Pneumonie,  bei  Diphtherie  u.  s.  w. 

Die  Annahme,  dass  die  eosinophilen  Zellen  nnd  Asthmakrjrstalle  im  Blnte 
und  Sputum  nur  bei  Asthma  hronchiale  sich  finden,  ist  nach  neueren  Unter- 
Ruehunfren  (eiche  I.  und  II.  Ergiinzuufrsband  i  schon  mt'lirfaeh  widerlegt.  Einen 
Beitrag  hierzu  giebt  Fbitzscbe  welcher  auch  bei  sogeuauuter  ßroiichitis jibrinosa 
aahlreiebe  eosinophile  Zellen  wahrnahm. 

IMe  Pigmentzellt  n  im  Sputum,  welche  Wagnkr  Ik  rzfehlerzelleu  genannt 
hat,  und  welche  bisher  als  Symptome  der  huntrcninduration  gegolten  haben,  hat 
C.  V.  NooRDEN  *;  auch  im  Sj)utum  bei  Asthma  liroiichiah-  gefunden.  Die  Pigment- 
kdrnchen  ergaben  Eisenreaetion,  indem  sie  sieh  mit  Schwefelammonium  grtin,  mit 
Salssinre  nnd  Eisenehlorid  Man  flrben.  üm  nnn  den  Ursprang  dieser  Pigment- 
zellen festzustellen,  hat  er  dieselben  mit  der  EJiRLirn'schen  Farblflsung  (s.  oben) 
geßrbt.  Es  ergab  sich,  da.ss  die  eine  Iliilftc  der  I'i^^nifntzellcn  die  .^ofrenannte 
neutrophilu  und  eosinophile  Körouug  be^iass,  die  andere  liiUi'te  keine  Körnung 
seigte.  Die  ersteren  waren  also  Lenkocjrten,  die  anderen  Alveolarepithelira.  Die 
eosinophilen  Zellen  des  Sputums  waren  übrigens  in  der  Mehrzahl  nicht  pigmentirt. 
Der  Autor  schlafet  ffir  die  Bezoiehnuriir  llerzfehlerzellen  den  Namen  „H.lmosiderin- 
zellen^'  als  passendere  vor,  weil  er  durch  seine  Untersuchungen  gezeigt  hat,  dass 
solche  Zellen  keineswegs  bd  der  bir>nnen  Induration  der  Lungen  alleitt  hn  Gefolge 
von  Hersfehlem,  sondern  auch  bei  primären  Lungenafitetionen,  wie  das  Bronchial* 
astbma  ,  vorkommen.  Kr  führt  die  lÜldung'  der  Piirmentzellen  auf  cajjilliire 
lilutuujfeu  zurllek.  welche  im  Verlaufe  der  Asthmaanlalie  eiutreten.  Die  Pigment- 
zellen bilden  im  Astbmasputum  Haufen,  welche  oft  eine  bräunliche  Färbung  des- 
selben verarsaehen  nnd  bei  der  Anstellung  der  Eisenreaetion  im  Reagensglase 
zuweilen  schon  makroskopisch  eine  erhebliche  BlaufJlrbung  erzeugen. 

V.  NoORliFX  fügt  übrigens  dic-^f-n  Be<»baclituugen  die  weitere  hinzu,  da^s 
bei  Asthmo  bronchiaU  währeud  der  Anfälle  eine  Vermehrung  der  eusinuphilen 
Zellen  im  Blnte  stets  an  beobachten  sei. 

Gestiit/l  auf  seine  Theurit'  von  den  schliiminerndeu  Gewebszellen  giebt 
Grawitz  eine  eig«  iitliümliclie  Ktkl.-irung  von  d<T  Entstehung  des  Emphysems. 
Er  nimmt  au,  dass  das  uorniale  Bindegewebe  der  Lungen  lieim  Emphysem  dadurch 
in  Pigmentverlust  und  -Sehwund  gerathe,  dass  die  seblummeroden  Zellen  im 
Bindegewebe  wieder  erwachen  nnd  ein  Graunlationsgewebe  sieh  bildet,  welches 
dann  der  Resorption  anheimfällt.  Bedingung  filr  diesen  eigenthfimlichen  Vorgang 
ist  ein  \  oraufge^raugeues  (Jedem  des  Gewebes  oder  ein  entzündlicher  Zu.stand  oder 
Jeuer  langsam  atrophische  Process,  wie  er  sieh  im  Greiseualter  ausbildet ;  so  unter- 
scheidet Gka'A'ITZ  drei  Formen:  das  ödematöse,  das  entettndliehe  nnd  das  atro- 
phische Emphysem. 

Eine  liesi.iidere  Form  der  acuten  käsigen  PiuMimonie  l)eselireil»t  A.  FRANKEL.  *) 
Er  macht  darauf  uulmerksam,  dass  es  zuweilen  vorkommt,  dass  die  käsige  Pneu- 
tnonie  scheinbar  einen  ganzen  Lungenlappeu  befttUt,  indem  die  lobuliren  Herde 


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LUNGBNKBANKHBITEN. 


488 


so  dUdit  titsen^  das»  «In  elnhdtliolies  iofiltrirtes  Gewebe  ▼onnUegen  teheiot  Dem 

entsprechend  sind  auch  die  physikalisohen  Erscheinungen  bei  der  Untersuchung 
denen  der  lobulären  Pneumonie  ausserordentlich  ähnlich  und  unterscheiden  sich 
von  ihr  nur  durch  gewisse  Merkmale ,  vor  Allem  durch  den  allmäligeu  Ik>^inD, 
dnreli  den  nnr^pdmltflei^  FieberverUuif  vnd  das  Sputum.  Anoh  sdgt  der  physi- 
kalische Befund  einen  gewissen  Wechsel  der  Erscheinuunreu.  Frankel  erklärt  die 
Erkrankung  für  eine  Aspirationspnenmonie .  wolchc  dadurnli  entsteht,  dass  aus 
irgend  einem  kleineu  tuberkulösen  Herde  Tuberkelbacillcu  aspirirt  werden,  welche 
in  allen  Verzweigungen  eines  Hauptbronchus  sich  gleichmässig  vertheilen  und,  mit 
besonderer  Vimleaz  eosgestettet,  zunächst,  vahrsdidnlieh  doreh  ihre  Stofl^redisel* 
producte,  reine  »o}»enannte  gelatinöse  Infiltration  erzeugen ;  die  Bacillen  vermehren 
sich  dann  und  ftihrcu  die  V^erkäsung  des  Gewebes  herbei.  In  demselben  findet 
man  stets  nur  Tuberkelbacillen,  andere  Keime  sind  nicht  vorhanden. 

ESne  direete,  in  wenigen  Wochen  ausgebildete  UmwandluDg  einer  fibrinOeen 
Hepatisation  einer  Pneumonie  in  eine  k.li^ige  gehOrt  zu  den  grdssten  Seltenheiten. 
ÜAVILKSOHN  hat  einen  solchen  Fall  bcHcbrieben  :  es  handelt  sich  um  eine  Typhus- 
pneumonie,  welche,  wie  er  annimmt,  durch  Herabsetzung  der  Energie  des  Stoflf- 
vecfasels  sieh  raseh  in  eine  kflsige  yerwaudelte;  nur  vereinselt  fonden  sieh  Tu- 
berkelbacillen. 

Eine  ciirciitliüniliche  Lungenerkrankung  hat  ROSS  **)  beschrieben.  Es  handelte 
sieb  um  eine  Patientin,  bei  der  die  Diagnose :  Lungeneehinococcus  gestellt  war.  Es 
wurde  daher  die  Operation,  die  Lungcnresection,  vorgenommen,  jedoch  fand  sich 
beim  Einsehnitt  kdn  Tumor.  Alwr  naeh  5  Tagen  entleerte  sich  dnrdi  die  Wunde 
und  mit  dem  .Sputum  eine  dicke  Flüssigkeit,  welche  den  SaetAaromyees  albuB 
enthielt.  Ross  nennt  die  Krankheit  Punimomycos^is  oidicn. 

Sodann  wären  noch  einige  bakteriologische  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der 
Pneumonie  zu  erwähnen.  So  besehreibt  GOLDflCHEiDKB  *)  einen  Fall  von  sehwerer 
Pneumonie,  welche  erst  am  Kj.  Tage  mit  protrabirter  Krise  heilte.  Im  Blute  diesen 
Falles  konnte  der  Autor  den  FnÄNKEi,'«chen  Pneunioniecoccus  nachweisen. 

Eine  sehr  genaue  bakteriologische  UutersuohuDg  des  Sputums  der  Broncho- 
Pneumonie  bei  Brwaehaenen  und  bei  Kindern  hat  Nbttbb  unternommen.  Untw 
den  95  Fällen,  die  er  untersnehte,  waren  68  Srwadisene ;  hier  fand  ideh  39mal 
nur  ein  Mikroorganismus,  und  zwar  lömal  der  Pneumococcus,  12ma1  ein  Strepto- 
coccus, Omni  der  FRiEPT..\NDKk'sche  Kapselcnreus ,  3mal  der  Staphylococcus  und 
in  den  übrigen  14  Fällen  mehrere  Mikroorganismen.  Bei  42  Kinderpneumonien 
fand  sieh  lOmal  der  Pneumonieeoeens,  8mal  der  Streptocoeous ,  5mal  Stapbylo- 
coecen ,  2mal  der  FRiRDLÄXDER'sche  Rapselcoccus  und  llmal  eine  Hisäinng. 
Nktteu  kommt  daher  zu  der  AufTassung,  dass  die  primäre  Bronchopneumonie 
nicht  sicher  auf  einen  bestimmten  Mikroorganismus  zurückzuführen  sei;  nach 
Diphtherie,  l.rysijjel,  Kindbettfieber  findet  sieh  gewöhnlieh,  falls  Pneumonie  auftritt, 
der  Streptoooeens,  bei  Nierenerkrankungen  meist  der  Pneumonieooeeus.  NaehNBTTBB's 

Ansicht  stammen  die  i-lrro^rer  .-nH  dem  Mund*-. 

In  einem  Falle  von  i.ungcnabsecss,  weleheui  wahrscheinlich  eine  croupöse 
Pneumonie  vorangegangen  war,  konnte  Theodor  Cohn  den  FaiEDLÄxuER'schen 
Coeous  in  Reineulturen  zOehten,  ebenso  aus  dem  Sputum,  welehes  offenbar  aus 
der  AbscesshOhlc  stammte. 

Fawit/ky '-')  beschreibt  einen  Farbstofl'.  welchen  er  in  Bouillonculturen 
des  FuANKKi/.Hcben  l'neumouiecoecus  beobachtet  hat;  derselbe  trat  nach  einigen 
Tagen  auf  und  bildete  einen  zi^Irothen,  schwer  löslichen  Niedersehlag  am  Boden 
des  Cnlturglai^es. 

Bekauiidich  hat  Kt.kmthrkr  '  )  für  die  Pneumonieinfcction  festgestellt, 
dass  mau  Thiure  gegen  die  Krankheit  durch  sogenanntes  Heilserum  solcher  Thiere 
und  Hensohen,  wddbe  die  Kcankhdt  tLberstanden  hatten,  immun  maehen  könne, 
und  die  Erwartung  ausgesproeben ,  dass  man  auch  am  Mensdien  Gleiches  wird 
erreiehen  können.  Mit  dem  Hdlserum  von  Kaninchen  hatte  er  nun  am  Menschen 

31* 


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LUNGEN&BAKKHBITEN. 


Verbuche  gemaeht,  indem  er  &~  10  Com.  desselben  Pneumonidknnken  iujicirte.  Die 
Resultate  waren  im  Allgemeinen  nicht  so  eindeutig,  dass  ein  Urtheil  über  die 
Wirkung  gefällt  werden  konnte,  jedoch  ermuthigten  sie  zur  WeiterprUfung  an 
grOaaerem  Ifateriale.  Nim  hat  aber  anA  Nbossbri«)  in  Königsberg  Mif  der 
LiOHTHEiM*8chen  Klinik,  dem  Vorschlage  Klbmpekeu's  fol<,'t  n(l,  Versuehe  mit  dem 
Serum  kritisirter  Pneumoniekrauker,  denen  er  das  Blut  durch  Aderla?«  entnommen 
hatte,  vorgenommen.  Während  Rlempeekr  5 — 10  Ccm.  Kaninchenserum  subcutan 
verabfolgte,  spritste  Nbisssk  viel  grössere  Mengen,  bis  130  Ccm.,  direct  in  die 
Vene.  Dieeer  immerUtt  redit  erbebliehe  Blngriff  wurde  in  den  drei  FiUen,  die 
derartig  bebandelt  wurdeu,  gut  vertragen  und  in  zwei  Fällen  trat  der  kritische 
Abfall  do3  Fiebers  unmittelbar  nach  der  Einspritzung  ein.  Im  dritten  Falle  kam 
es  uur  zu  einer  Pseudokrise  und  erst  nach  einigen  Tagen  zu  vüUiger  Entfieberung. 
SebtOsse  Uber  den  Erfolg  dieser  Behaadlaogamethode  können  nattlrUeh  aas  diesen 
irenigen  FlUen  nieht  gesogen  wwden,  dooh  lassen  sie  weitere  Versuehe  wflnsdiens- 
werth  erseheinen. 

Wir  fügen  am  Sohlusae  noch  einige  Untersuchungen  auf  dem  Gebiete 
Ftonraerkrankungen  an. 

GoLDSCHBiDBB  1')  hat  die  Bxsndatflilssigkeit  bei  aenter  Pleuritis  besQg- 
lich  ihres  Gehaltes  an  Bakterien  untersucht.  Er  kam  zu  dem  Ergebnisse ,  dass 
die  Anwesenheit  von  Streptococcen  nicht  uuthwendig  einen  Uebergang  in  eitrige 
Pleuritis  bedinge.  Er  fand  Streptococcen  in  3  Fällen,  welche  allesammt  in  Heilung 
flbergingen. 

Anderer  Ansicht  ist  Dr.  Ludwig  Fkbdinand  ,  Prinz  von  Bayern  *•), 
welcher  das  bedeutende  Material  der  Münehener  Klinik  beiirheitct  hat.  um  die  Aetiologie. 
die  i^rognose  und  die  Therapie  der  Pleuritis,  namentlich  vom  bakteriologischeu 
Standponkte  ans,  in  belenebten.  Wir  kennen  hier  nur  die  wiebtigsten  Resultate 
ans  den  eingehenden  üntersnehnngwi ,  welche  83  Fllle  betrafen,  hervorheben: 
IHumaoh  ergiebt  sich : 

1.  Die  Mehrzahl  der  serösen  Exsudate  ist  bakterienfrei. 

2.  Die  Mehrzahl  der  bakterienfreie u  Ex^sudate  ist  tuberknlGs. 

3.  Es  giebt  serOse  ExsudatOi  welche  Eitererreger  enthalten. 

4.  Diese  Eitererreger  in  serQsen  Bzsadaten  dnd  aber  niemals  Strepto- 
eoooe  n. 

5.  Die  Mehrzahl  der  Empyeme  sind  durch  Streptococcen  verursacht. 

6.  Die  Infeetion  der  Pleura  soUiesst  sieh  meist  an  eine  Lision  des 

Lnngengewebes  an,  jedoch  auch  auf  mecbani^ebem  Wege  (Contnuon)  oder  auf 
toxisehem  Wege  kann  eiue  Pleuritis  erzeugt  werden. 

Die  Arbeit  enthält  noch  eine  Darstellung  der  Prognose,  welche  bei  den 
einidnen  Pleuritiden  je  naeb  dem  Infeetionseireger  sa  stellen  tat  Ausserdem 
6ndet  sieh  ein  statistiseher  üeberblick  über  die  Ergebnisse  der  versobiedenen 
Bebandlnngsmethoden,  welche  in  der  Klinik  ausgeführt  wurden. 

Die  sehr  seltene  Erkrankung  des  primären  Endothelkrebses  hat  endlich 
A.  Frankel  ausfuhrlich  beschrieben.  Er  bezeichnet  die  Krankheit  auch  als 
Lymphangüt»  prolifera.  Im  himorrha^solien  Exsudate  derselben  finden  sieh 
eigenthilmliche  grosse,  verfett  ti  Zi  !li n  .  welche  er  für  diaguostiseh  sehr  wichtig 
hält.  Dazu  kommt  eine  zunehiueude  Schrumpfung  der  Hrustwaud,  da  da.s  Anfangs 
erhebliche  Exsudat  in  Folge  der  Pleuradegeneration  nicht  mehr  abgeschieden 
wird,  anderersdts  die  Lunge  sich  nicht  mehr  entfoltet. 

(Ueber  Lungentuberkulose  s.  d.) 

L  i  t  c  ra  t  n  r :  ')  H  aasler,  UeberoompuusatorisclieHypertropliiHder Lungen.  Virchow's 
Archiv.  CXXVilJ,  Ueft3.  —  *)  A.  Schmidt,  Beiträge  zur  Kenntniw  des  Sputama,  insbe- 
sondere  des  asthnatiecbMB,  und  sar  Patholoido  4>s  Asthma  bronchiale.  Zeitsehr.  f.  klin.  Med. 
1892.  —  ")  Fritzsche,  BronchitU ßbrinoxa.  SiUnugnb.  (J.  nieJ.  Gp>if'llsch.  zn  I.pipzitc.  13.  l>e- 
eeinber  1892.  —  *)  C.  v.  Noorden,  Beiträge  zur  Kenntni.ss  des  Ajtthmn  bronchiale.  Zeitschr. 
f.  klin.  Mo'l.  1S92,  XX.  —  F.  Grawitz,  Ueber  Langeaemphyiiein.  Deutsche  med.  Wochen- 
Mhrift.         Nr.  iü.  —  ')  A.  Fränkel,  Ueber  die  pwndolobiilän»  Form  der  acntea  käugea 


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LUNGENKKANKUEITEN.  —  LYSOL. 


485 


Pneumonie.  Berliner  med.  Oeaellscb.  30.  Novemb«r  1892.  —  ^)  Davidsohn,  lieber  den  Ana- 
earfr  der  fibrinösen  Pneomonie  in  kBsif^e  BcpatiFation.  Virchow's  Arthiv.  1892.  127.  — 
*)  Emss.  Vorläufig:«  Mitthoilun>;rn  über  einige  Fälle  von  Mycosis  beim  Menschen.  Centralbl. 
f  Bakteriologie  Q.  Parasiteokande.  1891»  IX.  —  ")  Goldgohaider,  Pall  von  schwerer  Pneu» 
nimia.  Deateeha  m«d.  Wodmuefer.  1892.  Nr.  14.  —  **)  Netter,  Auds  haetMologique  de 
Ut  ironchopneunwnie  che:  Vadithr  et  chez  J'eufaut.  Arrh.  tlo  nii-d.  exp.  1892.  IV.  — 
**)  Th.  Cohn,  Eiu  Fall  vou  Lungenabscess.  Berliner  kliu.  Wochenschr.  1892,  Nr.  44  — 
")  Fawitzkv.  üeber  Farbstoffprodnetion  durch  den  Pneumococcus  (Fr&nkel).  Archiv  f.  klin. 
Med.  189ji.  Mr.  öO.  —  '*)  Klemperer.  Kliiiifcber  Bericht  ttber  ^  F»Ue  «pecillMber  Bahaod* 
Inng  der  Pnenmonie.  Cengnsgrnh.  zu  Leipclgr.  1892.  —  **)  Neiiser,  ütibvr  HeilTcmiehe 
bei  Pnenmoriif  Verein  f.  wissen.'-chaftliclie  Heilkunde  zn  KöniRsberp.  11.  Januar  1802.  — 
")  Goldsc  Im  i  der,  Zur  Bakteriologie  der  acuten  Pleuritis.  Zeitschr.  f.  klin.  Med.  1892, 
XXI.  —  '")  Dr.  Lndwig  Ferdinand,  königl.  Prinz  von  Bayern,  Ein  Beitrag  zur  Aetiologie 
und  Pathologie  der  Pleuritis.  Arch.  f.  klin.  Med.  Is92,  L.  —  »')  A.  FrUnkel,  Ueber  pii- 
nlrvo  Endothelkreh.s  der  Pleura.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1892.  H.  Bog  in. 

Luxationsbecken,  s.  Becken,  pag.  96. 

Lysol  rvMT-l.  Real-Encyclopädio,  2.  Aufl.,  Bd.  XXIII,  pag.  456).  In  der  ^e- 
bartsbilflicben  Praxis  bew&hrte  sich  Lysol  als  auagezeicbnetes  Hilfsmittel  des 
sntiseptischen  Verfahrens.  In  Fällen  von  septischem  Abort  war  die  Wirkung  der 
l%igen  Lysolqjfllmig  naeh  Entfernnng  der  Reste  eine  sehr  prompte;  Fbb>)  hält 
daR  Lysol  wcpcn  seiner  starken  antimykotifchen  Wirkung  bei  relativer  Un^efKhr- 
lichkeit  ftlr  das  Antisepticurn  der  Zukunft  in  der  Hand  der  Heb-animen  und  Laien, 
lu  einem  Falle,  in  dem  einem  Kinde  äusserlicb  eiu  mit  reinem  Lysol  getränkter 
ünumblag  aufgellt  wurde,  fiel  das  Kind  knri  daranf  um  and  kam  nidit  mehr 
zum  ßewusHtsetn  (Pharm.  Ztg.  1892,  pag.  617).  Reich  3)  berichtet  über  einen 
Fall,  in  dem  ein  Knecht  gegen  Krätze  mit  reinem  Ly>*ol  .in  Armen,  Brust  und 
Rucken  gepinselt  wurde;  bevor  die  Beine  an  die  Reibe  kamen,  fiel  der  Knecht 
am,  wnrde  bewasstlos  und  bekam  heftige  Erimpfe.  Ee  wurde  das  Lysol  rasdi 
mit  warmem  Wasser  abgewaschen,  die  Krämpfe  hörten  ent  nach  einer  Viertelstunde 
auf.  Die  Epidermis  löste  sich  in  Fetzen  ab,  die  gerötlx'te  Cutis  \n<;  frei.  Im 
Harne  Eiweiss.  Wasserbad ,  Borvaseiinlappen ,  rasche  Heilung.  Andererseits  war 
Lysol,  purum  ^  als  es  von  einer  Wöchnerin  aus  Versehen  zu  einem  Theelöffel 
innerlich  genommen  wnrde,  in  einem  von  H.  Potjak*)  beobaehteten  Falle  <^ne 
auffallende  Wirkung  j  anfangs  wurde  Brennen  im  Halse  verspürt.  Es  wnrde  lUhdi 
in  reichlichen  Portionen  verordnet,  Beschwerden  traten  keine  auf. 

Literatur:  'i  Adolf  Pee,  Ueber  Ichthyol  und  Lysol  in  der  (Gynäkologie 
und  Geburtshilfe.  (Aus  der  Heilanstalt  von  Dr.  A.  Martin  in  Berlin.)  Iktnt.sche  med.  Wochenschr. 
1891,  44.  —  ')Fr.  Reich,  Oiftwirkung  des  Lysol  tim  purum.  (Aas  dem  städtischen 
Krankenhanse  za  Oele  in  Schlesien.)  Therap.  Monatsh.  1892,  pag.  ti77.  —  *)  Potjan  H.,  Ist 
Lysol  giftig?  Therap.  Monatsh.  1892.  pag.  678.  Loeblseh. 


MagenaUSSpttlung,        18;  bei  Ueos,  pag.  196. 
Magenerweiterung,  bei  Doodenalsteiiose,  pag.  191. 

Magenkrankheiten,  Diatbehandiun?,  pag.  S22. 

Malachitgrün,  9,  Bakterien,  pa^.  67. 

Masern,  ncr  ^^i-hwcrpnnkt  der  Fortwchritti! ,  wi-li-hu  die  beiden  letzten 
Jahre  (vergl.  Real-EncyclopHdie,  Bd.  XXIII,  pag.  458j  auf  dem  Felde  der  Patho- 
logie unaerer  Krankheit  gebracht ,  liegt  in  den  Bemühungen ,  ihre  Ursache  aus- 
findig m  naehen,  nene  Geaetse  m  etgrlladeii,  denen  die  Uebertragang  folgt,  and 
in  der  Bekannt^rabe  bemerkenswerther  Betheiligungen  des  Nervensystems  an  dar 
Infectionskrankheit  als  ronipliuationcn,  bo2iebiin»:8.wetse  Nachkrankheiten  derselben. 
Die  Uberwiegende  Literatur  gehört  dem  Audlaude  au. 

Der  Pnblieationen  von  Gakon  nnd  Pibliokb  Uber  den  „Haaernbaoil- 
Ins"  ist  bereit«  von  anderer  Seite  (Real-Encyclop.ldie,  Bd.  XXIV,  pag.  496) 
gedacht.  Kine  Nachprüfung^  di-r  zweifellos  bemerkenswcrtbeu  bakteriologiscbfn 
Untersuchungen  der  Verfasser  hat  noch  nicht  stattgefunden  und  ao  harrt  die 
Frage,  ob  in  der  That  der  Erreger  der  Masern  gefunden  worden,  noeh  immer  der 
endgfltigen  Antwort. 

F.inen  drastischen  concroten  Begriff  der  Alltremcinhett  der  Di  s po s  i  t  i  o  n 
lu  den  Masern,  welcher  wir  das  Attribut  ,.euorm"  geben  zu  sollen  geglaubt 
haben  (vergl.  Heal-Encyclopädie ,  Bd.  XIII,  pag.  552),  giebt  Mueray  in  seinem 
Beriebte  Aber  eine  nmfongreiebe  Epidemie  im  Findlingsliospital  an  London.  Von 
813  Kindern  erkrankten  sämmtliebe,  noch  nicht  durehmaserte,  im  Ganzen  107. 

Zum  Theile  eif^enartige  Ansiebteu  tlber  die  Verbreitung  unserer 
ELrankheit  entwickelt  ÜKUJiB  auf  Grund  langjähriger  epideuiiologiacher  Studieu  im 
Gadettenhanse  Potsdam.  Die  den  Babnen  des  nahen  Vericehres  folgenden  Ans- 
breitungen  zu  Epidemien  weisen  re^a-ltii-issi;;  (! nippen  nach  Pausen  von  dureh- 
scbnittüch  1 2  Tagen  auf.  In  dem  einen  Epidemiealtsciinitte  kroch  die  ."keuche  in 
den  niederen  Volksschichten  und  deren  Schulen  anfangs  Monate  lang  nur  in 
diesen  weiter,  bis  die  Angehörigen  der  besser  situirton  Stände  mit  ihren  Lebr- 
anstalten  ergriffen  wurden,  in  dem  anderen  Absebnitte  war  genau  das  Umgekehrte 
der  Fall.  Vornehmlich  aus  der  genannten  typischen  Refrelmfissifjkcit  des  Verlaufes 
der  Fpidemien  wird  gefolgert,  dass  die  Schuppen  ebenno  wenii^  wie  das  Incubatious- 
Stadium  ansteckend  sind.  Vielmehr  ist  die  Austeckungst.'ibigkeit  an  den  Zeitraum 


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UASBBH. 


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gebunden ,  welcher  mit  den  Prodromen  beginnt  und  mit  der  Krise ,  beziehnngB- 
woT^^o  dem  VorblHSHen  des  Kxarilhems  endet.  Also  im  Wesentlichen  eine  BestÄti- 
guug  der  bekannten  Erfahrungen.  Die  Zusammensetzung  der  Epidemie  aus  Ketten 
voB  Oenenitioneik  ist  in  dem  biologiBehen  EDtwieklungsproeesse  des  speeifisolieii 
Hikroorganismns  begründet. 

Zur  Kenntnis«  der  Incubation  unserer  Krankheit  liegt  eine  Reibe 
bemerkenswerther  Mittheilungen  vor.  Während  DURB  genau  12  V  3  Tage  nach  der 
ersten  Untersuchung  einer  masernden  Schwangeren  von  der  Krankheit  befallen 
wnrde  und  Htstl  dvreli  riehera  Beobaehtongen  in  einem  Mideheopenrionat 
regelmässig  14  Tage  feststellte,  berichtet  Mackley,  dass  er  30  Tage  nach  einem 
die  ganze  Nacht  währenden  Besuche  bei  einem  Masernkinde  viele  Meilen  von 
seinem  Wuhuorte  Masern  acquirirt  habe ,  ohne  in  der  Zwischenzeit  irgendwie  mit 
Maeerolmuiken  in  fierflbrang  geweMo  so  sein.  Die  epidemiolo^sehen  Stadien 
TOn  Baku  weisen  der  Incubationsperiode  bis  zur  Eruption  des  Exanthems  eine 
gesetzniässip'  Dauer  von  1.3  —  14  Ta-ren  SO.  Eine  aoldie  von  12  Tagen  und  2 
bis  3  Wochen  zählt  zu  den  Ausnahmen. 

Das  Allgemeinbefinden  wlbfend  der  tnenbationas^  anlangend, 
findet  Frühlich  unter  15  Fftllen  nur  3mal  Unwohlsein,  Fieber,  HeiaerlEeit.  Die 
That-^.icbe ,  dass  ziemlich  häufig  4 — 5  Tage  vor  dem  Exanthem  St^irmiiren  des 
Allgemeinbefindens  und  Temperatursteigerungeu  in  die  Erscheinung  traten ,  ver- 
wertbet  Verfasser  zur  Annahme  einer  längeren  (bis  ötägigen)  Dauer  des  Initial- 
•tadinms,  wie  nns  seheint,  nieht  mit  nnbediogt  awingendem  Grand. 

Das  Exanthem  selbst  anlangend,  liegen  genauere  histologische 
üntersuehungen  von  Catrtn'  vor.  Wir  heben  aus  denselben  heraus ,  da^s  neben 
der  kleinzelligen  luhitratiun  in  der  Umgebung  der  i^jicirten  Gtfässchcn,  Haarbalg- 
nnd  Sehweissdrflsen  kleine  Blisehen  mit  einem  ESnsehlnsse  fibrinöser  eoagnlations- 
necrotischer  Zellen  führenden  Hasse  auffielen.  Neben  diesen  in  der  Tiefe  der 
Epidermis  sitzenden  IHaschen  erschienen  die  Zellen  des  Üete  Malpt'ghi  durch  den 
Gehalt  vou  colloiden  Tröpfchen  eigenartig  verändert.  Durch  Wachsthum  und  Con- 
flnenx  der  letzteren,  Einwanderung  weisser  BlatkOrper  und  Coagubitionsneerose 
entstellen  jene  Phlyetänen. 

Klinische  Symptomatologie.  Die  unsererseits  bereits  erwähnte 
Pr  0  pe  p  to  n  u  r  i  e  Loer's  vermochte  Köttxitz,  in  l'ebereinstiramung  mit  v.  Jaksch, 
nieht  zu  bestätigen.  Vielmehr  gelaug  e»  bei  fast  allen  Fällen  nur  Autisehciüung 
von  Pepton  mit  dem  Harne,  snmal  im  Floritionsstadiom,  zn  eoastatiren.  Dem- 
giBgenflber  boharrt  LOKB  auf  seinen  früheren  Befunden. 

Dinetcs  klinisehes  Interesse  beansprucht  eine  Reihe  von  Mittlieilungen 
tlber  Cumplicatiuueu  uud  Nachkrankheiten,  welche  im  Bereiche  des 
Nervensystems  abspieieD.  Eigenthflmliehe  funetionelle  Neurosen  boten  zwei, 
ein  12-  und  6jähriges  Uidehen  betreffende  Falle  Mukray's  dar.  Bd  dem 
alteren  Kinde  traten  zwei  Tnire  vor  der  Eruption  rbytbiiiisehe  Contractionen 
des  Sternoeleidomastoideus ,  Trapezius,  Peetoralis  und  der  Splenii  auf,  welche 
binnen  5  Tagen  schwanden,  um  in  der  4.  Convalescenzwoche  unter  Fieber  und 
Kopftchmers  raeklMlig  sn  werden.  HeUong  in  12  Tagen.  Das  jüngere  Midehen 
vermoehte  ,  nachdem  das  Bett  bereits  verlassen ,  nicht  mehr  sn  gehen ,  liess  sich 
vielmehr  wie  eine  Hysterische  fallen.  Oe-Jimkene  Motiliült,  erhöhte  Reflexe,  sonst 
nichts  Bemerkenswerthes.  Heilung  in  1  Monat.  Eine  vorübergehende  Lähmuug 
des  rediten  Fasses  und  später  eine  Parese  des  reehten  Armes  ohne  Spraeh-; 
Störungen  constatirte  Carfbmticr  bei  einem  —  linkshändigen  —  i  jälirtgai  Mädchen. 
Dasselbe  war  einige  Tage  zuvor  im  Verlauf»'  einer  leichten  Masernerkrankung 
plötzlich  in  einen  30  Stunden  währenden  ^Stupor  mit  stertorösem  Athem  verfallen. 
Weiter  wurde  in  dem  Wiener  Fraoa  Josef-Kinderspitale  bei  einem  l^/^-  nnd 
Sjftbrigcn  Kinde  Tetanie  beobachtet,  deren  Beginn  in  die  Prodrome  fiel.  Bei  Drnelc 
auf  die  Sehenkelarterie  bildete  sieh  die  belunnte  Flexionscontraetur  der  Hftnde 


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488 


auch  an  den  Fussen  ans.  Beim  Klopfen  auf  den  Pen  antermw  des  FacUlit 
Zuckungen  der  Lippen  auf  derselben  Seite.  Der  heftige  raroiysmus  hielt  in  beiden 
Fällen  während  der  Dauer  der  exanthematiHcben  Periode  an.  WahrBcheinlich  auf 
dner  rafeetiOien  Entzflndang  des  den  Ürsprung  des  Radialis  and  Axillaris  dar> 
stellenden  Nervenstränge»  des  Brachialplexus  beruhte  die  Eruption  eines  Zoster 
an  der  dorsalen  lateralen  Flilolu«  der  rechten  liand  und  am  Daumen ,  wie  sie 
Adenot  bei  einer  schweren  Ma^ernkranken  mit  heftiger  Dyspnoe  und  Albuminurie 
beobachtete.  Bis  zum  Sehultergelenk  sieh  ausbreitende  Schmerzen,  Hyper-  und 
Paraesdieaien  waren  bereits  einige  Tage  vor  dem  Enehdnen  der  Hanftmasem  anf« 
getreten.  Endlich  berichtet  Gi  tzhann  über  einen  Fall  voD  Stottern  ond  Alopeeie 
als  nervöse  Nachkrankheit  bei  einem  4jähriirpn  Knaben. 

Dass  die  Ohra  ffectioueu  bei  Maseru  durchaus  nicht  leicht  zu  nehmen 
mnd,  bat  wieder  einmal  Bolt  an  der  Hand  dreier  Fälle  Ton  OtäüiMdia  aevta 
mit  Caries  das  Warzenfortsatzes  gezeigt.  Wir  selbst  sahen  Jflngst  im  Kranken- 
hause  Friedrichsbain  einen  S.lufrling  an  denselben  Complieationen  trotz  sorglichster 
Pflege  und  rechtzeitiger  Operation  zu  Grunde  geben.  Die  Sectiou  ergab  Sinus- 
tbrombose. 

Ueber  einen  sieberen  Fall  von  HasernreeidiT  beriditet  Stbbmo 

(öjährijrt's  MUdchen).  Hemerkenswerth  ist,  das*"  zwischen  der  Eruption  des  ersten 
Ausschlage-^  und  dem  Beginne  der  zweiten  Erkrankung  ein  Zeitraum  von  nur 
8  Tagen  lag.  Vollkommenes  Wohlbelindeu  und  Symptomenlosigkeit  im  fieber- 
freien Intervall. 

Complieationen  von  Masern  und  Seharlach,  für  uns  ein  alljfihrlich  m 
beobachtendes  Erei^niss.  9.ah  Mfa'ztfs  bei  einem  lOjahrigen  Knaben.  Die  Ma-iem 
setzten  am  11.  Tage  der  Scbarlacherkraukuug  ein;  36  Stunden  später  Coma 
nnd  Tod. 

Rtleksichtlich  der  Diagnose  glauben  wir  auf  die  Hittheilung  vom 
H.  Nkt'Maxn  über  ein  ni  as  er  n  ä  h  n  I  i  c  Ii  e  s  Kxanthfin  Ihm  Typhus  aufmerksam 
machen  /.u  sollen,  nachdem  LOVY  auf  Grund  fremder  und  eigener  Heobacbtungeu  die 
Unabhängigkeit  desselben  von  der  Roseola  ausgesprochen.  Auch  wir  vermögen 
derartige  f  bei  Kindern  ans  b^reiflidien  Grflnden  unter  ümetlnden  trageriaehe 
HantausschKlge  als  un^'eheure  Seltenheiten  nieht  gelten  zu  lassen.  In  einem 
anomalen  Masernfall  Wilson's  (Ifijshriger  Knabe)  war  es  erst  am  4.  Tage 
nach  dem  Abblassen  eines  intensiven  ditiueen  Erythems  möglich,  die  MasemHecke 
sn  sehen  nnd  eine  wiehere  Diagnose  cn  stellen. 

Prognose.  Für  die  Hasernepidemie  in  Berlin  vom  April  1888  bis 
October  18!>()  constntirt  Hknoch  eine  Hospitalmortalität  (bei  2?1  Fftlleu)  von 
über  3U"  o>  für  die  beiden  er.-'ten  Lebensjahre  öö7oj  für  die  späteren  9%.  Wir 
selbst  verloren  im  Krankeiihanse  Friedriehsbain  in  den  Jahren  1889 — 1891  von 
genav  800  Ifasemkrankeo  57^  also  19*>/o.  Die  allgemdne  und  speeielle  Bedeutung 
soleher  bober  Wcrflie  haben  wir  bereits  erörtert. 

Pr<iphylaxe.  Den  Forderungen,  welche  Mruiio  unter  Hinweis  auf 
die  aussfrordentliehe  Zunahme  dar  Krankheit  in  Kugland  in  den  letzten  zwei 
Deeennien  aufstellt,  haben  die  deutseben  Behörden  und  Aerste  im  Weeentlielieii 
bereits  genflgt:  Öl'ÜL'^Mtt  ris<lir  Anzeigepflicht,  Ausschluss  der  erkrankten  Kinder 
und  deren  gesunder  (icscliwister  i'nicht  erforderlich,  vergl.  Bd.  XII)  vom  Schul- 
besuch, Schlie«8ung  der  Schule  bei  grossen  Epidemien,  Lüftung  der  Scbulzimmer. 
In  einen  gewissen  Gegensstc  stellt  sich  Rbobr,  nach  dessen  Votum  unsere  bis- 
herigen  propbylactischen  Massnahmen,  insbesondere  die  Sperrung  der  Schule  und 
die  vorfreseliriebene  Desinfection.  ihren  Zweck  nicht  erreichen  kennen,  da  sie  auf 
irrifren  Voraussetzungen  aufgebaut  seien;  er  redet  bei  evident  milden  Epidemien 
der  Begünstigung  einer  Durebmaseruug  das  Wort.  Sehr  junge  und  decrepide 
Kindw  ratben  wir  naebdrOcklicbst  auf  alle  Fälle  strengstens  au  isoliren. 

Für  die  Therapie  ist  Hemerkenswerthes  kaum  gefördert  worden,  man 
mttsste  denn  die  warme  Empfehlung  der  hydriatischen  Behandlung  dureh 


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MASBRN.  —  MECHANOTHERAFIE. 


489 


FOL»ou  (kalter  Schwamm  —  selbst  stündlich  —  nnd  kalte  Rtunpfbiiide)  n  den 
Fortschritten  pepenöbcr  den  mcdicamentöfen  Eingriffen  zählen. 

Literatur:  Adenot,  K«v.  de  med.  18*Jl.  Nr.  7-  —  Bard.  Ga«.  de»  höp.  Jnni 
1891.  —  Boll,  Arch.  f.  Ohrenhk.  1891,  Nr.  10.  —  Canon  nnd  Pielick«,  Berliner  klin. 

Worhensehr.  ISIU.  Nr.  IH.  —  Carpenter,  Med.  News.  1892,  Nr.  7.  —  Catrin,  An-h.  de 
med.  exp.  etc.  —  Durr,  Jled.  niod.  Deo.  1891.  —  Fodor,  Bl.  f.  klin.  flydroth.  1891. 

Nr.  8.  —  Fröhlich,  Di.-^s.  Erlanpfn  181»!.  —  GntJiiuann,  Deutsche  med.  Wochenschr. 
1891,  Nr  la.  —  Henoch,  Cbar.-Ann.  XVI.  —  Köttnitz,  Centmlbl.  f.  d.  med.  Wisaensck. 
1891,  Nr.  28.  —  Loeb,  Ibid.  Nr.  31.  —  Lotj,  Tbfese  de  Paris.  1890.  Hacley,  The 
th^rap.  gaz.  Nov.  18S9.  —  Mrnzics,  Brit.  nird.  Journ.  Xov  IS-'^Ü.  —  Miirmy.  The  Lancet. 
Jan.  1891.  — Mnrro,  Ibid.  Juni  J891.  —  Mvrtl,  Brit.  med.  .lonrn.  Febr.  IM'tl.  -  Neu  mann, 
Centralbl.  f.  klin.  Med.  1890,  Nr.  26.  —  Reger.  Verb.  d.  XI.  Congr.  f.  innere  Med.  Wies- 
baden 1892  —  Streng,  Deutsche  med.  Wochenschr.  1892,  Nr. 48.  —  Wilson.  Med.  and 
ec.  8urg.  rep.  1891,  Nr.  3.  Fttrbriuger. 

Massage,  s.  Mechan  (»the  rani  e. 

Mastcuren,  s.  DiAt,  pag.  222. 

MeChanOtherapie  (T«rgl.  Real-Kncyclopädic,  11.  AuA.,  Bd.  XII,  pag.  565 
U.  ff.  und  Rd.  XXII,  pa?.  52  u.  ff.;  EncydopJid.  Jahrbücher,  1.  .lahrfr.  1^91, 
pag.  460  u.  ff.).  Die  letzten  Jahre  haben  bemerkenswerthe  Fortschritte  auch  auf 
dem  so  lange  vernachlässigten  Gebiete  der  Mechanotherapie  (Massage  and  Heil- 
gymnastik) gebracht,  und  swar  ist  es  zumal  das  Stadium  der  physiologiaebeo 
Wirkunfj^  der  Mechanotherapie,  welches  durch  bemerken'iwertlit'  Arbeiten  grcßrdert 
wurde,  wodurch  auch  die  Anzeigen  der  mechanischen  Heliandlungsmethode  theils 
Erweiterung,  theils  wis-scnschaftliche   RcjrriinduDg  erfahren  halten. 

I.  Physiologische  Wirkung. 

Werth  volle  histologische  Untersnoliangen  über  Massage  hat  CastBX 

in  Rk'HEt's  Lalioratorium  angestellt.  Fr  erzeugte  an  Hunden  verschiedene  künst- 
liche Verletzungen  (Luxationen  ,  Distorsionen ,  Contu.sionen) ,  und  zwar  stets 
symmetrisch  an  beiden  Htlft-,  Scholtergelenken  etc.,  und  —  Howeit  als  möglich  — 
in  gleicher  Intensitlt.  Hieranf  wnrde  dne  Seite  maadrt,  die  andere  dem  nattlr* 
liehen  Verlaufe  tiherlasficn.  Als  unmittelbare  Folge  der  Massage  trat  Abnahme  der 
Scliwcllung  und  Empfindlichkeit  auf.  als  späterhin  sich  ein.stellcnde8  Resultat  Aus- 
bleiben der  Aniyotropbie.  Von  8  Versuchen  waren  6  beweiskräftig,  2  blieben 
TeanltatloB,  weil  die  Tbiere  die  Verl^nngen  reaetionsloa  ertragen  betten,  keiner 
widerlegend.  Die  histologischen  Untersuchungen  ergaben:  1.  An  den  Muskeln  der 
verletzten  und  nicht  niassirteu  Seite  zeigte  sich  Anspin.inderzerrung  der  Mtifkel- 
btlndel  in  Fibrillen ,  was  durch  wohlerkcnnbare  Läugsstreifen  oharakterisirt  war, 
ferner  Hyperplasie  des  anliegenden  fKndegewebes  nnd  Volnmsrenidnderung  der 
Hnskelbflndel  bei  im  Allgemeinen  intaetem  Saroolemm.  Die  Mnsenlator  der  ver> 
letzten,  mnssirten  Seite  war  normal.  2.  Die  Ocf^is'sc  waren  auf  der  raassirten  Seit« 
normal ,  auf  der  nicht  massirtcn  zeigten  sie  Hyperplasie  der  Adventitia.  3,  Die 
Nervenzweige  waren  auf  der  massirten  Seite  normal,  auf  der  nicht  mast^irten  boten 
sie  die  Zeichen  der  Perl-  nnd  Endonenritis.  Seitens  des  Rllekenmafkes  seigte  §kih 
keinerlei  Vcr.'indcrung.  Diese  Besoltaie  Sind  wobl  geeignet,  eine  positive  Erklärung 
Aber  die  Wirkung  der  W.TSsage  zu  geben:  sie  reinigt  den  massirten  Körper- 
theil  von  den  verschiedenen  scbädliuhen  Subi^tauzen,  welche  durch  die  Verletzung 
in  ibm  abgelagert  worden,  nnd  fBbrt  ihn  in  den  normalen  Zustand  snrflek,  indem 
rie  dem  Entstehen  einer  diffusen  Sderose  vorbeugt. 

M.\(;fnoH.^  hat  mit  Hilfe  de«  Mo.^so'.-^clieu  Ergographen  genauere  Unter- 
suchungen  über  den  Eintluss  der  Massage  auf  die  Ermtldungscurve  der  Mus- 
en la  tu  r  vorgenommen,  welche  zu  folgenden  Ergebnissen  gelangten:  1.  Die  auf 
den  ruhenden  Muskel  angewendete  Massage  vermehrt  dessen  Reristens  und  ver> 
sdgert  den  Eintritt  der  Ermfldnng.  2.  Die  wohltbitige  Wirkung  der  Massage  ist 


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490 


MEGHANOTBERAPIE. 


innerhalb  gewisser  Grenzen  ibrer  Dauer  proportional;  jenseits  dieser  Grenzen  erhftit 
man  auch  bei  Fortsetzung'  derselben  keine  weitere  Vermehrung  der  mechanischen 
Arbeit.  3.  Die  verschiedenartigen  Massagenianuver  wirken  in  verschiedener  Weise 
uf  die  ArbeitBfthigiceit  des  HntkelB ;  das  Reiben  nnd  Klopfen  erweist  aieli  minder 
wirksam,  als  dan  Kneten  und  die  gemischte  Massage.  4.  Die  Massage  übt  auf  einen 
Muskel,  der  durch  irgend  eine  Ursache  geschwächt  ist,  welche,  wie  lange  Mflrsclie, 
Schlafn^angel,  excessive  geistige  Arbeit,  Fieber,  auf  das  ganze  Muskelsystem  einwirkt, 
dne  erholende  Wirknng  aus,  lo  dass  ^e  individnell  normale  Quantität  meclianiselier 
Arbeit  wiederherirestellt  wird.  5.  Die  wohltbatige  Wirkung  der  Haaiage  auf  die 
Erscheinungen  der  Miiskcicontraetion  und  Muf<kelarbeit  liflrt  auf|  wenn  sie  aof  einen 
Muskel  ohne  freien  Hlutzutritt  ausgeübt  wird. 

Die  Resultate,  welche  ihm  die  Massage  der  Muäculatur  der  Hinterbeine 
grosserer  Hunde  besflgrlieh  der  Hamseeretion  (Zeitsebr.  f.  Itlin.  Med.  XV,  3)  «geben 
liattef  Resultate,  die  von  Marixel  in  Xadivt  rauchen  vollinhaltlich  bestätigt  wurden, 
veranlassten  Bpm,  die  physiolojjische  Wirkung'-  der  >fa88age  auf  den  Stoffwechsel 
des  Menschen  zu  prüfen,  und  zwar  wurde  an  relativ  gesunden  Personen  durch  je 
30  Tage  allgemeine  KOrpermassage  yorgenonimen,  wobei  der  Muskelknetung  und 
-Bewegung  besondere  Aufmerksamkeit  geschenkt  wurde,  der  in  24  Stunden  gelassenn 
Harn  sor<rffiItiir  ;re«fininielt  und  dessen  HarnstofTirtdmlt  bestimmt.  Die  vorläufigen 
Resultate  dieser  au  der  Klinik  ^«OTU.VAUEL  angestellten  Untersuchungen  scheiuea 
für  die  Begünstigung  der  Diurese  durch  Hassage  zu  sprechen;  im  All- 
gemeinen  sebien  aneh  die  Hamstoflkusseheidung  dureh  die  Massage  befördert  an 
werden,  doch  lassen  sieh  vorlflufig  bestimmte  Schlussfolgerungen  nicht  aufstellen. 
Ein  nennenswerther  EinHuHH  der  Massage  auf  die  Ausscheidung  der  Chloride  und 
I'husphate  war  nicht  zu  coustatiren. 

II.  Technik  und  I  n  d  ica  tionen. 

Von  den  zahlreichen  HandgritVen  der  Massage  sind  es  liauptsächlich  die 
Vibrationen  und  Erschütterungen,  welche  in  neuester  Zeit  häutigerer 
Anwendung  rieh  erArenen,  und  dem  Wirknng  bei  sahlreidien  Erkranknngen 
erprobt  wurde.  So  verwendet  Chaboot  bri  Paralysis  agitans,  Agrypnie  und  Neur- 
asthenie Vibrationen  des  ganzen  Körpers ,  welche  durch  ein  mechanisch  oder 
elektrisch  angetriebenes,  von  Jkgi:  und  Soliünac  construirtcs  „Fautf  uil  trepidant" 
erzeugt  werden,  in  welches  der  Patient  gesetzt  wird.  Die  voui  Fauteuil  auf  dea 
KOrper  des  Kranken  ttbermitleltra  Oaeillatiotten  gleiehen  den  bi  einem  raseh 
fahrenden  Eisenbabnznge  zur  Empfindung  kommenden  Erschütterungen.  Bei  Migräne, 
Prosopalgie,  melancholischer  Depre^^sion ,  cerebraler  Neurasthenie  u.  s.  w.  benutzt 
CuAKCOT  einen  aus  £$tahlplfittchen  bestehenden,  dureh  einen  elektrischen  Motor  in 
Oseillation  versetzten  „Zitterhelm**,  welehen  der  Patient  aoftetzt.  Morsrlli,  weleher 
die  Prioritftt  dieser  Methode  ftlr  die  italienische  Schule,  speciell  für  Maggioraxi 
rcclamirt,  emptielilt  diiseU»'  vornehmlich  liei  Neuraljrien  und  bei  Hypochondrie, 
erklärt  ihre  Wirkung  jedoch  für  häufig  rasch  vorübergehend  und  unverlässlich  und 
hat  bei  Schlaflosigkeit  Irrer  (im  Gegensätze  zur  Agrypnie  nenrasthenischer  und 
hyateriseher  Personen),  bei  Manie,  Epilepsie  nnd  Stupor  nngflnstige  Wirkongra 
be<»bachtet.  Morsellf  verwendet  den  von  Maggiorani  angegebenen .  aus  einem 
Resonanzbodeu  bestehendeu  Apparat ,  über  welchen  eine  durch  den  elektrischen 
Strom  in  Schwingungen  versetzte  dicke  Saite  gespannt  ist. 

Als  Ersatz  der  manuellen  Vibration  empfiehlt  Hasbbbobk  einen  in  neuester 
Zeit  von  LiKDBECK  construirteu  V  i  b  r  a  t  o  r"  ,  dessen  Treibmcehauismus  aus  zwei 
übereinander  i^ela-rerten  Kanimriidern  nnd  der  für  Handbt  triel»  i  wohl  leicht  durch 
einen  Elektromotor  zu  ersetzen.  Referent)  eingerichteten  Kurbel  besteht.  Eine  bieg' 
same  Achse,  welche  ans  einer  ttberflochtenen  Spirale  besteht,  übermittelt  die 
rotirende  Bewegung ,  die  mit  Hilfe  eines  Excenters  In  vibrirende  Bewegung  um- 
gesetzt nnd  auf  den  Eisenkern  eines  Handgriffes  ttliertragen  wird,  in  welehen  Hand- 


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M  ECHAN  OTH£BA  PI£. 


491 


griffe  verschiedeni^ter  Form  eingefügt  werden  können.  Das  Gaue  ist  in  einem 
handlichen,  leicht  transportablen  Kilstchcn  untertrebraeht. 

M.  Braun  und  0.  Larku  oiuptehleu  die  Vornahme  von  Vibrationen  der 
Sehleimhant  der  Nnse,  des  NtBenraehennames,  des  Badieas  und  KehlkopÜM  bei 
chroniseh-entzUndllchen  Erkrankungen  derselben.  Patient sitit  mit  etwas  vorgebeugtem, 
mittelst  Kopfhaltcrs  fixirtem  Kopfe ,  der  vor  dem  Kranken  stehende  Arzt  fixirt 
mit  den  vier  letzten  Fingern  der  linken  Hand  überdies  den  Kopf  des  Kranken, 
wibrend  der  Dnnmen  die  Nasenspitze  bebt  vnd  entspreebend  drebt.  Die  Massage 
wird  mit  einer  Kupfer-  oder  Paelcfongsunde  von  etwa  23  CSm.  Lfloge  und  Nr.  5  —  7 
der  CHARiKKiiK'sehen  Scala  entsprechenden  Dicke  vorgenomnM'n.  deron  Knopfende 
mit  Watte  umwickelt  ist.  Das  viscerale  Ende  der  Sonde  wird  nun  iu  eine  1Ü<>  (,  Cocain- 
lOsnog  oder  in  Jod-Jodlcali-Glycerinlösuug  getaucht  und,  sclireibfederartig  gehalten, 
riagefUhrt.  Unter  mftssigem  Drneice  werden  nnn  die  ericrankten  Sdiltimbantpartien 
vibrirtf  nnd  müssen  die  Bewegungen  bei  leicht  pronirtem  Vordenume  im  EUbogen- 
gelenke,  und  zwar  sehr  zart  und  Kleicbmäasig  erfolgen. 

Weitere  Indicatiouen  fUr  Massage  auf  dem  Gebiete  der  inneren  Medicin 
«rOflben  die  Arbeiten,  Uber  deren  weeentliebsten  Inbait  im  Folgenden  bericbtet 
werden  soIL  So  empfiehlt  Gobbkl  bm  Ast  h  m  a  methodische,  kräftige  Beklopfung 
der  hinteren  unteren  Thoraxpartien ,  durch  deren  Erschütterung  der  Blutzufluss 
SU  den  Lungenalveoleu  befördert  und  die  elastischen  Fasern  gekrUftigt  werden, 
CSsiu  bei  nervöser  Dyspepsie  Massage  des  Hagens,  bestehend  in  Knetnngen 
des  Magens  vom  Fundus  gegen  den  Pyloms  sn,  2 — 3  Stunden  nach  der  Mahlieit 
vorjfenonimcn,  liehiifs  Krhöhiing  der  Secretionsthätigkeit  durch  mechani.schc  Reizung. 
Hier  sei  auch  jener  Modilication  der  Ischiadicusdehnung  Erwähnung  gethan,  welche 
BONUZZi  für  die  Behandlung  der  Tabes  emptieblt  und  deren  Technik  aus  Fig.  52, 
Bd.  XXIV,  pag.  649,  ersiebtliob  ist.  Die  Bewegung  mnss  Jedoch  —  behnfs  Ver- 
meidung von  Muskelzerreiseunpen  —  mit  Vorsicht  geübt  werden. 

Ueber  günstige  P>folge  der  T  H  u  R  E  B  ii  a  n  d  t' sehen  Methode  bei  E  n  u- 
resis  berichten  J.  Csillag  und  liAViKuwiTSCU,  Nabish  Uber  zwei  durch  Massage 
des  Ureters  nnd  des  CoUum  veneae  geholte  Fllle  von  Ineonttn«ntta 
urinae  bei  Frauen.  N.VRISH  übte  folirende  Technik :  Behufs  Massa^rc  der  Hlasen- 
gegend  in  der  Nähe  des  rolliim  wird  der  gut  ein^rofettct»'  Zei^etinjrer  in  die 
Vagina  eingeführt  und  macht  die  Bewegung  eines  umgestürzten  Pendels,  wobei  er 
masdrt,  was  er  von  der  Blasenwand  erreichen  kann.  Bei  dieser  Bewegung,  welche  man 
4— 8mal  wiederholt,  darf  die  Palmarfllehe  des  Zeig^ngen  deb  bemühen,  sieb 
der  hinteren  Fläche  der  Symphyse  an  nftbem,  ohne  dieselbe  jedoch  zu  erreichen, 
da  man  in  diesem  Falle  nur  das  Collum  massiren  würde.  Hierauf  steigt  man, 
um  den  Körpur  und  Sphincter  der  Blase  zu  massiren,  mit  dem  Zeigefinger  etwas 
herab  nnd  drttekt  CoUnm  nnd  die  benaehbarte  Partie  der  Blase  gegen  die  hintere 
Flache  der  Symphyse  (schmerzhaft !).  Zum  Zwecke  der  Urethramassage  fUhrt  man 
den  Zeigefinger  nneh  mehr  herab,  immer  nacli  nl»cii  [)alpireud,  coraprimirt  von 
nnten  nach  oben  und  macht  4 — 5mal  eine  anterio-posteriore  Bewegung,  und  zwar 
direet  auf  die  nntere  Waod  der  HarnrQbre  nad  sogleich  anf  die  an  den  lateralen 
Rändern  derselben  gut  palpablen  virtuellen  Furchen.  ThurB  Brandt  selbst  ver^ 
öffentlicht  seine  Methode  der  Behandlung  chronischer  Prostatitis,  für  welche 
er  folgende  Technik  empfiehlt:  Patient  liegt  mit  im  Hütt-  und  Kniegelenke  ge- 
beugten Unterextremitäten  und  erhöhtem  Oberleib  („krummhalbliegend''),  der  Arzt 
sitst  unterhalb  der  Kniee  des  Kranken  nnd  führt  den  befSrtteten  Zeigefinger,  mit 
der  Innenseite  nach  oben,  in  den  Ma.stdarm  ein,  wflhrend  die  übrigen  Finger 
geschlossen  in  der  Hand  liegen.  Hierauf  macht  man  ganz  leichte  Massagebewe- 
gungen von  innen  nach  auHsen,  zunächst  an  den  leiten-,  dann  Uber  dem  Mittel- 
lappen der  Drflse.  Die  Massage  mnss  Ansserst  zart  ansgeftthrt  werden.  Bbsrvann 
versucht,  die  Indieationen  für  dir  I'rostatamaraage  genau  zu  priicisiren  und  erklärt 
dieselbe  bei  Hypertrophie  des  Mittellappens  wegen  dessen  hoher  Lage  im  Becken 


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ilECHANOTEERAPIE. 


fär  undurehflllirbir,  üm  bei  der  Behandlung  des  D  scfinsits  uterief  vn  rj  inae^ 
sowie  der  Tietroflexio  uteri  nach  Thuhe  Brandt  den  Arzt  von  di-r  Verwen- 
dung eine«  Assistenten  zu  emancipiren ,  bat  Gottschalk  folgende  Metbode  der 
Uterashebong  aDgegeben :  Naoh  nuuiiiellem  Redrenement  des  reCrofleetiiten  Uterw 
drängen  die  in  die  Vagina  eingefOhrten  linken  Zeige-  und  Mittelfinger  die  Portio 
krafti?  naeb  hinten.  Gleichzeitig  dringt  die  ausgestreckte  rechte  Hand  zwischen 
Scbamfuge  und  vorderer  Gebärmutterwaud  so  in  die  Tiefet  dass  die  vordere 
ütermwmiid  gtni  mvf  der  Rttekenfliebe  der  Baad  rnbt,  die  Hohlbud  alM  naob 
vom  sieht.  Den  so  fiiirten  Uterus  hebt  man  ann  mit  beiden  Hftnden  nach  obea 
in  gerader  Riohfiin£r  ans  dem  Becken  heraus,  wodurch  die  Vaprina  ad  niaximum 
gedehnt  wird  ,  der  Fornix  verstreicht ,  die  Plica  vesico-iitt-rina  peritonei  stark 
gezerrt  und  die  runden  Mutterbänder  kräftig  gespannt  werden.  Kacbdem  der 
Utenut  ia  dieaer  Stellaatp  nOgliebst  laaga  erbaltea  wordea,  verilast  die  Suatere 
(rechte)  Hand  die  Vorderfliche  des  Uterus  und  umgreift ,  wfihrend  die  in  der 
Scheide  liegenden  Finger  denselben  in  der  Elevationsstellung  fixiren,  mit  der  Vola 
nianua  die  hintere  Fläche  der  Gebärmutter.  Nun  wird  das  Corpus  uteri  durch 
eombiairte  Haadgriffe  aaeh  Tora  oben  gebracht,  woraaf  der  üterna  alhnälig  in  das 
kleine  Becken  hinabgleitet.  Darob  diese  Bewegung  werden  die  Lig.  aacrouterina 
und  liie  P/ira  r> rto-tiferina  stark  gedehnt.  Schlie.^'slich  wird  der  rterus  — behufs  Be- 
handlung der  Retroäcxion  —  in  foreirte  Antedexiousstelluug  gebr.ieht  und  massirt. 

Anf  dem  Gebiete  der  Chirurgie  sind  es  die  subcutanen  Knooben- 
brttebOf  der«!  neebantoehe  Bebaadlmag  —  Hobilisiraag  —  im  Oegeasatce  aar 
immobilisirenden  Therapie  der  Schule  immer  mächtiger  und  unaufhaltsamer  zn 
Tage  tritt.  Die  Fracturen  dürften  daher  —  der  Jüngsten  umfassenden  Literatur 
(s.  u.)  zu  Folge  —  in  nicht  ;iiizu  lerner  Zeit  allgemein  jene  Behandlung  erfahren, 
irelebe  ia  Vereinlgang  sorgfältiger  Beteatioa  der  Bmciieaden  mit  Fflrsorge  ftr 
Erhaltung  der  Function  der  Weichtheik  bestehend,  die  Heilungsdauer  abznkflrzen 
und  den  HeiletVi et  zu  einem  idealen  zn  gcitalten  geeignet  ist.  Von  den  meisten 
Autoren  wird  daher  zunächst  kurz  dauernde  (bei  den  Fracturen  der  einzelnen 
Kaoeben  1 — 3  Wochen  wihrende)  Immobnirirang ,  bienuf  Spaltung  des  starreo 
Verbandes,  tflglieh  1 — 2malige  Massage  und  Gymnastik  der  Theile,  naeb  der 
mechanischen  Behandlung  Wiederanlegnng  der  \Vrb.mdschalen  und  Fixirung  der- 
selben durch  Binden  empfohlen.  Bei  Fracturen  in  der  Nilhe  der  (iclenke,  sowie 
bei  den  Brüchen  der  Patella  und  des  Olecranon  dagegen  wird  eine  noch  bedeu- 
teadere  EinsebrSnknng  der  Immobilisirang  empfoblea,  am  die  Erbaltaag  der 
Fnaetion  der  Glieder  zn  sichern. 

In  A.  Ernest  ''MarA'land)  tritt  neuerdings  ein  Vorkämpfer  für  die 
mechanische  Behandlung  chronischer  Geschwüre  auf.  Gestützt  auf  die  Wir- 
kung der  Massage  (Beförderung  des  venOeen  Blut-  und  Lympbstromes ,  Wieder- 
herstellung des  pestnrten  arteriellen  Blutzuflnsses  zu  den  erkrankten  Partiea, 
Entfernung  srh.'idliclicr  Eintiüsse  von  der  Olierflftche  des  UIcu«).  enijtfielilt  ErkEST 
neben  Eftioiirage  und  Pctrissage  der  ganzen  Extremität  Massage  des  (jesehwflrs- 
grundes  mit  Hilfe  eines  mit  0'6*>/ooiger  Sublimatlösung  durchfeuchteten  Jakonetstflck- 
cbens,  welohes  mit  seiner  ranhea  FIftche  auf  das  Gesebwttr  und  dessen  Umgebung 
gelegt  und  dessen  glatte  Oberflflche  mit  etwas  Vaselin  bestriehen  wird ,  worauf 
mittelst  der  aufgelegten  Hand  das  Geschwür  und  dessen  Ränder  massirt  werden. 

Literatar:  Castex,  Experimentelle  und  histologische  Untersnchnagea  aber  die 
Ma»8*fre  Areb.  pr^n.  de  bM.  Jaev.  «t  FAvr.  1891.  —  A.  Haggiora,  ünterenehnngm  Ober  ole 

Wirkunr  ilnr  Massage  BUf  dif  Muskeln  des  Menschen.  Rif.  med.  Is92.  —  A.  Bum,  Zur 
physiulo>,'i~(  lii'u  Wirkung  der  Massap:«  auf  den  Stoftwechsel,  Wien»'r  Med.  Presse.  189;^,  Nr.  I. — 
M  ;i  r  i  n  e  i .  Ih-  l'uctimt  ilii  »/((/.s.sc/i  sin-  fit  .si'rri'linn  uriiuiirr.  Ann.  do  med.  et  de  chir. 
Brnxelle.s  1>\>1.  —  Charcot,  La  metieciue  vibrtttoire.  Progrta  med.  189^,  Nr.  .'^5.  Mor- 
seil i.  Ueber  mechanische  Vibrationen  in  der  Behandinng  Nervöser  nnd  Geisteskranker. 
Gaxetta  dt-^li  )i((s|>itali.  Ü5.  Alipust  18!f.i.  —  C.  II  a  s  r  b  ro  i- k  Li.  'll'eek'.s  Vilirator.  ein  neaer 
mechaaiäcb-heilgymna^tischer  Ajiparat.  Üalaeol.  Centralbl.  II,  Xr.  1;^.  —  M.  Braun,  Mansnge. 


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MECaANOTHBBAPIB.  —  MILCH. 


493 


bwiehanKswciäe  VibratiOMB  der  Schleimhant  der  Nase,  des  NasearachearBomes  und  iles  Rachens. 
Tkiact  1690  —  C.  Laker,  Di«  Heilerfolce  dar  inaerea  Üchlaimluratinaasage  bei  den  chroni- 
•dMB  Krankbeitan  der  Naie.  des  Kaehena  und  dea  Kehtkoptsa.  Orai  1892.  —  Goebel, 
Mechanist-ho  Rchandlnng  des  Asthma.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1)^92,  Nr.  11.  —  ,1.  Cseri, 
Mechanische  Behandlung  des  Migens.  Orvosi  hetilap.  1S9),  Nr.  3Ü.  —  P.  Bonuzzi,  Atti 
della  Accademia  med.  di  Roma  18'A»— l'l.  pag.  257  ff.  —  J.  Call  lag,  Arch.  f.  Kinderkk. 
XII,  1890.  —  Raviko witsch.  Arch.  f.  Kinderhk.  XIV,  1090-  —  Narish,  Zwei  Fälle  von 
Incontinentia  urinae,  geheilt  durch  Massage  der  Urethra  und  des  Collum  vesicae.  Joiirn.  de 
mi«l.  dl!  Piiri.s.  l^Hl.  N'r.  .öl.  —  Thure  Brandt.  Zur  Masaage  bei  Prostatitis.  J»t  it^che 
med.  Wocbeuachr.  189^,  Nr.  44  a.  öl.  —  Ebermann,  Ueber  die  Uaaaage  der  Prosuta. 
Buafl.  mad.  Lit.  1892.  —  8.  Qottaehftlk,  Zur  manaellen  BskaDdlnng  der  OeUrantter^ 
aenknng.  Berliner  klin.  Woch-rschr.  1R91.  Nr.  30.  -  V.Wagner,  Ueber  Kniescheibfinbriiche 
und  deren  Behandlung.  Wiener  Klinik.  1889.  —  A.  Landerer,  Die  Behandlung  der  Knocben- 
bräche.  Samml.  klin.  Vortr.  N.  F.  Nr.  19.  —  Kendal  Franka,  Ueber  Massas^e  bei  der  Be- 
handlBBg  von  Knocfaeobrüchea  eto.  The  Dablin  Jonn.  of  med.  aciences.  189 1,  Kr.  11.  — 
K.  A.  8  c h  Q 1  tz,  Di«  Maamge  bei  Behaodlang  sabcataner  Knochenbrfiche.  Inaug.-Diss.  St.  Peteni- 
bnrg  1891.  —  P.  Klamm,  Zur  Tht  nipie  der  Kniescheibenhrnclu'.  St.  l'Ht»!r.s(jnri:cr  meil. 
Woohenachr.  1892.  —  K recke,  l'ebt^r  Massage  und  Mobilisirang  bei  Kuocheubrucben.  MUu« 
cbenermed.  Wochenschr.  1892.Nr..S.  —  Dernbaix,  SurletraiUmenteUtfrtutturespnrle  masaag» 
et  l'immobilimtion.  Sem.  ni.'ii  1891,  Nr.  56-  —  W.  Ki3rt«,  Bwiträpe  zar  Fracturenlehre. 
Freie  Vereinigung  der  Cliinuven  in  Berlin.  Sitzung  vum  13.  Marz  1693.  Ber.  d.  Deutschen 
Med.-Ztg  is'j.^,  Nr.  28.  —  A.  Brnaat,  Bakandlang  duoBlacker  Qaachwara  mit  Maanga. 
Glavgow.  med.  Joorn.  Joly  1891.  BvB. 

MsfaUlilli  B.  Harnfarbstoffe,  pa^r.  406. 

Mellithsäure.  Die  ia  eiaem  iu  Brauakohlealagera  sich  fiudeuduu 
Hinenl,  dem  Honigsteio,  vorkommende  und  daher  als  Honigstein säure  oder 

Mellithsäure   beaeiehDete  organische  Säure,  nach  ihrem  chemischen  Verhalten 

Benzohexacarbon8<1uro,  C,.  H„  O^^,  oder  Cj  (COOH  gehört  zu  den  giftigsten  orga- 
nischen Säuren  und  steht  au  luteudität  der  Wirkung  der  Oxalsäure  nicht  nach. 
Neben  den  allgemeinen  Effecten  der  Säurewirkung,  die  sich  bei  Warmblütern 
dnreh  Depression,  Sinken  der  Temperatnr,  Blässe  nnd  später  Oyanose  an  er- 
kennen gicbt,  erzeugt  de  auch  tonischen  und  klonischen  Krampf.  Sie  bewirkt 
anfanjjs  Steis:erunor  des  arterielleu  Druckes  mit  «rleichzeitiser  Verlanj^amüng  der 
Giroulatioii,  .später  Sinken  des  Hlutdrueko.s  und  dor  Horzthiltigkcit. 

Literatur:  Antonio  Curci,  duW  aziune  biuluyicu  deW  aciäo  mellico.  Atti 
daU'  Aoead.  Oioenla  dt  8e.  In  Oataala.  1892,  T.  Ses.  4.  Hnsanana. 

Methämoglobin,  im  Ilarii,  pag'.  398. 

Milch  und  Milohsecretion  (phy.Hiol  0  g i -sch  - ch  0  m  i  .s  (•  h).  Die  Milch 
ist  in  der  Üeal-Kucyclopädie  (2.  AuÜ.)  nur  als  Nahrungsmittel  behaudolt  worden 
(versl.  Diät,  Bd.  V,  pag.  304  und  Ernährung,  Bd.  VI,  pag.  655),  dagegen 
ist  dieses  auoli  in  praktiseher  Beriehnn;  so  wiohtige  Seeret  weder  in  physio- 
logiseher,  noeb  in  chemischer  Beziehung  genügend  gewflrtlif^t  worden. 

Einen  weder  steti;ren ,  noch  iu  bestimmten  Zeiträumen  wiederkehrenden, 
sondern  nur  eine  Zeit  lang  hindurch  bestehenden  l'osten  im  Haushalt  der  weib- 
lidien  Sängethiere  Inidet  die  Miloliseerelion.  Schon  g^en  Ende  jeder  Sehwanger- 
schaft  (oder  TrSchtigkeit)  und  eine  geraume  Zeit  darnach,  10—12  M ite  und 
darüber,  scheidet  das  Muttertbier  aus  den  an  der  vordoieu  Leibeswand  gelegenen, 
in  wechselnder  Zahl  zu  2 — 12  (bei  Mensch,  Affe,  Elephant,  Faulthier  2,  bei 
^ederkänern  und  DidEbäutem  8—4,  bei  Camivoren  nnd  Nagern  bis  10,  bei  der 
San  zu  8 — 32,  meist  zu  12)  vorkommenden  nnd  in  die  Brustwarze  (Zitse)  ans« 
mündenden  DrUsoneomplexen,  den  Milchdrüsen  oder  den  Eutern,  jenes  Secret 
aus,  das  in  erster  Linie  zur  Ernährung  des  kindlichen  Organismus  bestimmt  ist. 

Die  Milch  ist  von  weisser  bis  gel  hl  ich  weisser  Farbe,  vollkommen  undurch- 
iielitig,  gemohlos  nnd  von  einem  eigenthOmlieh  süssen  Qesehmaek.  Ihr  speeifisehes 
Oewiäit  sehwankt  xwisehen  1'026  nnd  1*034.  Friseh  entleert  seigt  die  Franen-, 


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4H 


MILCH. 


Kuh-  und  Ziegenmilch  in  der  Reg«l  eine  schwach  alkaliscbe  oder  amphotere 

(rötb«'t  blaues  Lackmuapapicr.  bläut  rothesl.  die  der  Fleisehfresser.  wie  es  scheint, 
meistens  eine  scbwacb  saure  Keaetion.  Lässt  tu&n  die  Miicb  einifre  Zeit  stehen, 
80  steigt  sehr  bald  eine  gelbliche  Schiebt,  der  Rahm,  au  die  Obertiilcbe.  Bei 
Utagerem  Stehen  an  der  Lnft  wird  die  Hileh  znerat  neutral,  dann  allmUlgr  idiwa^ 
•aner;  dahei  beliült  ^ie  aber  ibrc  flflssige  Bescbaflenheit.  Je  l.lnp^er  nun  die  Milch 
an  der  Luft,  und  insbesondere  bei  büberer  Temperatur  steht ,  desto  mehr  nimmt 
die  saure  Reaction  zo,  und  bei  einem  gewissen  Grade  der  Acidität  wird  die  Milch 
anerst  diekflflntg ,  weiterhin  gerinnt  sie  sn  einer  Oallerte.  Diese  sieht  sieh 
mSlig  zusammen  und  .stösst .  äbniicb  wie  bei  der  Blntgerinnang ,  die  in  ihr  ein- 
gesohlossene  Mileliflil-^Hi^-^keir,  das  M  i  I  e  h  s  e  r  u  m,  eine  nur  weni«;  trübe  Flüssigkeit  aus. 

Reichlich  eutbillt  die  Milch  Wasser,  uud  zwar  bei  den  verschiedenen  Tbieren 
swisehen  82 — 90<'/o  schwankend;  es  sind  also  darin  10 — IS^U  Stoffe.  Unter 
letsteren  finden  wir  oiganisehe  und  anorganische,  und  swar  nnter  den  organisehen 
die  Vertreter  der  drei  banptsileblicben  Nährstoffe  :  Eiweiss,  Fett  und  Kohlehydrate. 

Unter  den  K  i  w  e  i  s  s  k  o  r  p  e  rn  ,  die  zu  2  —  ')<>  ^  iu  der  Milch  enthalten 
sind,  findet  sieb  vorwiegend  das  P-baltige  Casein,  ein  Nucleoalbumin,  das  durch 
die  aHtaliselien  Saice  der  Mileh  in  LOsnn^  gelialten  wird ;  dnreh  Erhitzen  gerinnt 
es  tiiclit ,  fällt  aber  auf  vorsichtigen  Zusatz  von  sehr  verdünnter  Silure  (0'l*/j 
Salzsäure.  V  ,^"  r,  K-;si«rs:iure)  flockig  aus.  Aus  der  Meuschenmileb  wird  das  Casein 
durch  sehr  verdünnte  Säure  nur  tbeilweise  niedergeschlagen,  vollständig  erst  nach 
TOLVATSCBKrp  dvreh  Sättigung  der  Mildi  mit  sohwefelsanrer  Magnesia.  In 
geringer  Menge  kann  man  ein  in  der  Hitze  gerinnbares  Albumin,  sogenanntes 
Lüctalhuniin.  nachweisen.  Filtrirt  man  Mileb  unter  erböbtem  Druck  durch  Tbtm- 
eylinder  oder  frische  tbierische  llilute,  so  wird  das  Casein  zurückgehalten,  wlihrend 
tlaa  Albumin  hindurchgeht,  das  im  neutralisirten  Filtrat  durch  Erhitzen  nieder- 
geschlagen werden  kann.  Das  belianptete  Vorkonunen  von  kleinen  Ifengen  Pro- 
pepton  (Alburoosel  und  Pepton  in  der  genninen  frischen  Hileh  kann  als  sidier 
festgestellt  nicht  gelten. 

Das  Fett  ist  in  der  Milch  in  emulgirtcr  Form  enthalten,  und  zwar  in 
Form  der  sogenannten  Milchkllgelehen.  Unter  dem  Mikroskop  rieht  man 
dicht  gedräu::  t  fVii  »  und  feinste  Fettkügelchen ,  in  der  Kuhmilch  von  0*002  bit 
0*01  Mm.,  in  der  uien-schlichen  Milch  von  0*001 — O'OOy  Mm.  Durchmesser. 

Die  Emolgirong  des  Fettes  bedingt  baapt&achlich  das  Casein:  dorch  Tbonzellea 
flltrirte.  caseinAreie  Milch  vermag  kanm  noch  Butter  oder  Oel  zu  emalgiren.  Wie  Jade  kleine 

Fetikuirf'I  hei  der  knnsllirlien,  mit  finnimilösunp  hcrfrpvrclltrn  Kmulsion  von  pirifr  st'lir  dünnen 
fc!cbit:ht  lier  Gummilüsnng  unifrehfu  ist,  welolie  an  der  Ubertlaehe  df.s  Fettlri»j)fen.s  dnrch 
Molecularattraction ,  sogenannte  Olieriläckenspannnug  haftet,  so  bewirkt  in  i)>t  Milch  daa 
Casein  die  Emulgiriuig  durch  Bildimg  einer  (aicht  geronneaea)  Oberflachenschicht  um  die 
Fetttropfea.  Alle  diemischen  und  mechanisclien  Einwirknn^n  auf  die  Milch,  welche  Cbaflaeas 
der  Fetltrnjifcn  (VorjrauLr  Ihm  <!it  Hiit(<Tliereitnn;r)  oder  leidittrc  Li'slichkeit  diTselbeu  in 
Aetber  {Z.u^n\z  von  Alkalien)  bedingen,  liewirkcn  dies  durch  Zerstörung  jener  Uülle  von 
Caseinlftsnu)?. 

Iii  ilcn  ersten  Tiiiren  der  Milelisecretion ,  also  unniitleHiar  naeh  der  Ooburt,  finden 
sieh  reichlieli  in  der  Milch  ^rm.s.se ,  runde,  maulbeerl'ijrniipe  KuriJen  hen ,  die  Colostrum- 
körpercheii,  aus  einer  Anzahl  kleinerer  oder  grösserer  Fetltrupfchen  beslehend,  die  dnrch 
ein  hyaliaes,  in  Essigsaure  oder  Alkalien  quellendes  Bindemittel  zusamniengehalten  werden; 
sie  sind  meistens  noch  kemholtig  and  amöboider  Bewegung  fähig;  die  Küri>ercb«a  Tsisehwindea 
heim  SIenschen  ungefähr  .'i  Ta^^i-  nach  di  r  (ii  hin-t.  Fnlr-rhleibt  das  Säugegeflchäft,  BO  laSMB 
hie  üich  nachwei.s<  ii,  .so  lantrc  die  Drijse  iil»erhau|)t  seeernirt. 

Die  MilchkUgclchen  sind  in  der  Milch  nnr  suspcndirt;  lilsst  man  daher 
die  Milch  ruhig  stehen,  so  steigen,  wie  in  jeder  künstlich  hergestellten  Emnlsion, 

vcrniriirr  der  gj-rin-rercn  Dichte  de-;  Fettes  die  Milchkügclcbcn  an  die  Oberfläche 
und  bilden  hier  je  nach  dem  Fcttirchalt  der  Milch  eine  mehr  oder  weniger  dicke, 
gclblicbweii^.se  Ii  a  b  in  schiebt.  Kntiurnt  man  daher  die  Kuhmscbicht,  su  bat  die 
zurückbleibende  Milch  rinen  erheblieh  geringeren  Fettgehalt  als  die  friseh  ent- 
leerte. Diette  suspendirten  Fetttröpfchen  sind  es  auch,  welchen  die  Milch  ihre 


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MILCH. 


495 


T'ndiirchsichtlffkeit  und.  vermöge  der  alheitigen  Reflexion  des  Lichtes  an  den  Olier- 
fliU  lien  der  Milebkügelehen,  ihre  weisse  Farlie  verdankt.  Verdünnt  man  Milch  mit 
Waääcr,  i-u  gebt  das  gesöttigte  Weis«  mehr  und  mehr  iu  eiu  bläuliches  Weiss 
Aber  und  BebU«88lieh  wird  die  Mileh  durehsiehtig,  bd  guter  Kabmileb  etwa  beim 
Verdünnen  mit  der  TOfachi  n  Wa-Mermen«;?.  Entrahmte,  fettarme  Milch  hat  daher 
eine  bktuliebwcis-jf  Farbe.  Da  die  Fette  leichter  sind  als  Wasser  (das  speeili.sche 
Gewicht  de.s  butterfettes  ist  0*l>4j,  so  folgt  darauü,  dass  die  abgerahmte  Milch 
eiD  bOberes  speeifisebes  Gewidit  ba1>en  wird  als  die  frisebe.  Das  specifisobe  6e> 
wiebt  der  Milch  erlaubt  also  keinen  Schluss  auf  ihren  Fettgehalt. 

Die  Fi'tte  der  Milch  sind  wie  :illi<  tbieriseheii  Fette  ein  Gemenjre  von 
Olein,  i'almitin,  Stearin,  ferner  von  Caproniu  und  Butyrin,  den  Triglyceriden  der 
Caproosäure,  CgHijOe,  und  der  Buttersäure,  C^H^Oj;  der  Schmelzpunkt  dieses 
Fettgemenges  Kegt  swiaeben  Sl  und  SS«  G.  Die  FraneoiDileb  entbllt  sadi  Lsbb- 
DEFF  doppelt  80  viel  Olein,  als  Palmitio  und  Stearin,  wiüirend  in  der  Kuhmilch 
«ich  beide  zu  fast  gleichen  Theilen  finden  .  und  zwar  Oleiu  zu  -  ,  I'almitin  zu 
'  j  und  Stearin  zu  '  endlich  Butyrin  und  taprouin,  zusammeu  nur  etwa  zu  ^  n 
des  Fettgemenges.  Bei  den  veraehiedenen  Tbieren  sefawankt  der  Fettgebalt  der 
Hilcb  zwischen  2\  ,  und  G%. 

Wird  der  Rahm,  der  fast  nur  au  diibtgedröngten  Milchkngelcbea  besteht,  kräftig 
medianiseli  liearlwftct ,  ^eschln^en,  so  trerden  die  um  jedes  lli1ehk1ig«lcheo  beflndlieben 
('asfiiihüllen  zi'rriss.  n ,  utnl  nun  ttip-sen  <lie  Ft^ttf liipfi'lit'ii  zusammen  und  bililiMi  eine  gelb- 
liche, testweiclie  ikht.'^.sL',  die  Uutter.  Man  bezeichnet  deshalb  wohl  auch  kurzweg  die  Milch- 
fette  als  Butler.  Die  Milch,  welche  nach  der  Ausscheldnng  des  Bahms  verbleibt  und  die  man 
als  Bntterniilcb  bcztielmet ,  enthält  9— 10"  5  feste  StofTe,  darunter  da.t  pcsammte  Casein, 
den  Milchzucker  nnd  die  Milcliasche ,  von  lien  Mili  lifcitt  n  etwa  noch  und  etwas  Milch- 
saure.  Um  din  Milchfotte  miijrliclist  vollstandijj  zn  pcwinncn.  wird  die  Milch  nach  Lebfeld 
centrifugirt;  die  nach  Entfernong  des  Fettes  binterbleibende  Milch,  die  sogenannte  süsse 
Hagermilcli,  entbUt  alle  Bestandihetle  der  Milch  tinTetandert,  abcSgHch  der  Bntterfette, 
▼OB  denen  nur  '  —!'/„  darin  geblieben  ist. 

Von  K  0  h  1  e  h  y  d  raten  findet  sieli  in  der  Milch  zu  4  (>'\,  der  M  i  1  e  h- 
zuckcr,  CjjHjjUn  +  ^a^>  der  sich  vom  Traubenzucker  dureli  .seiuc  schwerere 
LösUobkeit  in  Wasser  nnd  Alkobol,  sowie  dureb  seine  viel  geringere  Krystalli* 
sationsfllhigkcit  unterscheidet.  Dieser  Zucker  gebt  unter  dem  Einflüsse  eine-»  Fer- 
mentes, das  in  der  Milch  selinn  pr;iforinirt  is(  'auch  die  dircct  aus  dem  Filter 
unter  Luftabschliiss  auffri  taii;^ene  und  aulbcwalirte  Milch  gerinnt;  oder  erst  beim 
Stehen  der  Milch  sich  darin  bildet,  durch  Gährung  in  Milchsäure  tiber.  Diese 
GBbrung  wird,  wie  alle  Fermentproeesse,  dureb  höhere  Temperatur  begOnstigt, 
verlSuft  daher  im  Sommer  erheblich  schneller  als  bei  W'interkälte.  Die  so  cnt- 
gteheude  Müeh.siiiire  neutralisirt  zuniiehst  die  alkalischeu  Salze  der  Milch ,  dann 
Iftsst  sie  die  lieactiou  der  Milch  in  eine  saure  übergehen  und  bei  einem  bestimmten 
Grade  der  Sinemng  (0*1— O'S^/o  MilcbsSure)  filllt  das  nnr  dnreh  die  alkaliseben 
Salze  der  Milch  in  Lösung  gehaltene  C'a.sein  aus,  die  Milch  gerinnt.  Indem 
die  Gorinminjr  sich  in  allen  Schichten  der  Fliissij^keit  vollzielit .  entsteht  eine 
weiche  Gallerte,  die  dann  sich  mehr  und  mehr  zusammenzieht  und  ein  nur  leicht 
opalisnrendes  Hilehsernm  ansstOsit.  Dieses  Semm  eathllt  aossor  Wasser  das 
Albumin,  den  gesammten  restirenden  Hiichsneker,  die  freie  Milebsäure,  milchsanre 
Salze  und  die  anorfranisehen  Salze  der  Mileh.  v<iin  Fett  kaum  mehr  als  S|iiireii. 
Das  ausfallende  Casein  reisst  nämlich  die  nur  mechanisch  suspendirten  Fettkiiijelclien 
nieder,  es  besteht  also  das  Geriunsel,  der  Küsc,  im  We.-ieutlichcu  aus  Casein 
+  Fett.  Das  Hilebserum  nennt  man  aneh  Holken  und  nnterseheidet  die  dnreh 
spontane  Siiuerun^  der  Mileh  oder  durch  Zusatz  einer  SSure  (W^einsteinsftnre)  ab- 
geschiedenen  ]\fn|ken  als  saure  Molken  von  den  süssen  Molken,  welche 
man  dadurch  herstellt,  dass  mau  durch  Zusatz  von  sogenanntem  Labsuft  (Aus- 
zug der  Magenscbleimbant  von  Kilbem  mit  verdflnnter  Kochsalzlösung)  das  Gasein 
ausHlIIt ;  hierbleibt  der  ganze  Milehztieker  als  sfdcher  erhalten,  daher  diese  Melken 
aueb  süss  sobmecken.  Die  sUssen  Molken  sind  also  Mileh  minus  Casein  und  Fett. 


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496 


MILCH. 


Der  ^lilchzacker,  an  sirh  nicht  piihrnngsfähig ,  kann  durch  vunliinnt-!  Sauren 
(Schwefel-,  Salzsäure),  j*  selbst  Milchsaure  zum  Theil  in  eine  ilirect  der  alkoholischen  (iahrung 
ftUg«  Zuckerart ;  (lalactose,  fibergeführt  werden.  Wenn  daher  Milch  auf  Zusatz  vun  Hefe 
Uapun  alkoholische  OUrang  eingeht,  so  beruht  dies  w«U  danol,  dass  snalchst  Milchsftnn 
entsteht,  welche  den  Milchsncker  vom  Theil  in  Gmlaetoee  verwandett ,  worauf  letstere  dvreh 
die  Einwirkung  der  Hefe  in  Alkohol  iml  Kolih'nsäuro  gespalten  wird.  Auf  dieser  durcli  fcrwis.^c 
Spaltpilse  und  die  Hefepilze  eiugeieit«tea  alkoholischen  Gabruug  des  Milchzuckers  I  cruht  die 
Hentelhing  der  Milchweine,  resp.  Branntweine  „Kumys"  und  ^Ktlfyr*.  Anseerdem  enthalt  die 
Milch  rholesterin  und  Lecithin,  die  steten  Bcfrleiter  der  Fette,  femer  Harnstulf,  Kreatinin 
und  wahrscheinlich  Hypoxanthin.  Nach  äoxhlet  und  ilemkel  enthält  die  Kuhmilch  als 
normalen  Bestmdtheil  Citroaeftsiure  nn  etwa  O'l*/«,  nnd  swnr  in  Tertiindnng  mit  Kali 
oder  Kalk. 

ünter  den  organischen  Salaen  der  Milch  (im  Mittel  zn  0'6'^it)  fiberwiegt,  fihn- 

lich  wie  in  den  Blntkörperchen  und  Muskeln,  Kali  und  Phospbor-änro  über  Natron  nnd  Chlor  ; 
die  Salxe  besteben  haaptsächlicb  aus  Kaliampbosphat,  Calciumphosphat,  Chlorkalium,  geringen 
Mengen  von  Ibgnesimnplioaphat  vad  Sporen  tob  Eisen.  Ks  idnd  enthalten  nach  Bnage: 


1  IniOOThellen 

XsU 

Natron 

Kelk  1 

1  Frauenmilch 

1  07 

0-3 

0-3  ! 

Kuhmilch  . 

'  1-8 

ri 

1-6  1 

Magnesia  |  Blsanozyd  j ^^SlS»^  \ 

20 


Ol 
0*2 


0006 
0004 


0-  4 

1-  7 


Die  Milch  der  verschiedenen  SIvgethiere  enthalt  im  Mittel 

einer  Reihe  von  .\n!ilv.sen : 


In  103  Tbeilen 

FMaeor 

Knh- 

Ziegen-  |  Sebaftr 

Bsele- 

Stnten- 

II  i 

1  e  h 

Wasser  ....... 

8S-0 

87-3 

84-0 

8<f6 

90-Ü 

10-83 

12*0 

12-7 

160 

lM-4 

10-0 

Casein  

1 

2-9 

0-5 

a-0 

0-5 

)  5-3 

1  ... 

)  1-9 

Fett  

31 

3  7 

3-9 

5-4 

1-6 

11 

5-0 

4-2 

4-4 

41 

6-0 

6-7 

02 

0-7 

0-7 

0-8 

Od 

0-3  1 

Am  nächsten  der  Frnnenmiloh  kommt  die  Eselmnileh,  nur  dass  diese  viel 

fettfinnor  ist;  die  Kuhmilch  ist  um  Vi  reicher  an  Eiwei.sH.  aber  um  V',j  ärmer 
an  Zucker.  Indem  man  die  Kuhraiich  mit  '.^  Volumen  Wasser  verddnnt  nnd 
Zucker  zusetzt,  kann  mau  sie  der  FraiuMimilch  nn^^lichat  ithnlieh  niriehen. 

Die  Frauenmilch  uuterscheidet  Bich  vuu  der  Kubmilch  auch 
Boeh  dnrdi  einen  sehr  gerin^^en  Gehalt  an  anorganischen  Saison,  femer  dureh 
kleinere  Fettkflgelchen  (a.  oben) ,  endlich  durch  ((ualitatire  Differenzen  in  der 
Casein grerin nun?:.  Hierhei  bildet  dan  Kulieai^ein  derbe  Coagula,  wahrend  das  Frauen- 
easein  feioflockig  ausfällt;  bringt  man  aber  nach  DOGIEL  Frauenmilch  durch  Zu- 
sata  von  Salsen  auf  den  Gehalt  wie  in  der  Knhtnileh,  so  fällt  aueh  bei  der  Qe- 
finnnng  der  FraneonUeh  das  Otauan  als  grobfloekiger  NiedeTsehlag  ans,  wie  ans 
der  Kuhmilch.  Auch  wird  das  Fraaencasein  vom  Magensaft  wie  von  kflnstlicher 
Verdauungsflüssigkeit  leicht  und  fast  vollstiliidi;^'  geli'ist ,  wiihreud  vom  Kuheasoin 
ungelöst  zurückbleibt;  bei  der  Mageuverdauuug  wird,  uebeu  Albumose  und 
Pepton,  uolfisliehes  P-haltigee  Nneleln  abgespalten.  Das  Caadn  dex  Stnteamüeh 
nilhert  sieh  in  seinen  Eigeuschaften  dem  der  Frauenmilch.  Höchst  wahneheinlieh 
erkl/irt  sich  hieraus  die  Erfahrung,  dass  Siiii^rünirt'.  iMiittermilch  besser  vertragen 
als  Kuhmilch,  noch  eher  aU  aus  den  DiÜereuzeu  der  (quantitativen  Zusammeo- 
setzung  beider. 

Wie  wird  die  Uileh  gebildet?  Dass  die  Milch  nicht  ein  einfaehea 
Transsudat  de«  Blutes  ist,  geht  schon  aus  ihrer  chenii  ilun  Zusammensetzung 
hervor.  Es  finden  sieh  darin  reichlich  Casein  und  Milchaucker,  beides  Stoffe,  die 


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MILCH. 


497 


im  Blute  iiieht  enfhalten  sind;  es  finden  sieh  ferner  darin  reieUieb  Fette,  die 

das  Blut  nur  sehr  spilrlieh  enthält ,  und  endlich  ist  auch  die  Asche  der  Milch 
quantitativ  anders  zusumnien^resetzt  als  die  des  Blutplasma.  Die  Milch  ist  das  Secret 
der  Milchdrüsen,  das  chemische  i'roduct  der  thätigeu  Drüseozelieo,  welche  zwar  das 
fBr  die  in  ihnen  stattfindenden  ehemisefaen  Umsetsnngen  erfbrderliehe  Bohmaterial 
aas  dem  Blut  beziehen,  aber  dies  in  ei^^entiiflmlleher  Wei»e  /u  dem  Secret  verarbeiten. 

Die  Mi  Ichd  rasen  sind  nach  dem  Typus  der  zosammengeaetzlen  acinösen  Drosen, 
ähnlich  den  Speleheldrasen,  gehaot.  Die  Alveolen  hlMen  laterale  und  terminale  Anebnehtangen 
der  AusführunpsffänE:e  ;  sie  hesitzen  eine  geschlossene  Tonica  prnpria.  die  Innenfläche  der  Al- 
veolen wie  der  Gange,  in  welche  dieselben  einmünden,  ist  von  einer  einfachen  Lage  von  Zellen 
bedeckt,  deren  Gestaltung  nach  Heidenhainje  nacli  den  ^ecreturischeu  Zustunden  der  Dräse 
ansserordentlich  wechselt.  Die  Zellen  stellen  mehr  oder  weniger  hohe  Gebilde  dur,  welche  der 
Wand  bald  mit  breiter  Basis  aafsitzen,  bald  Rieh  nach  aussen  Terschmälern ,  su  dnss  sie  mit 
der  WanduuK  nur  durch  fiin'n  schmalen  Fortsatz  ziisummrnhängeii.  An  dem  einen,  dem  Hohl- 
raom  zugewandten  Ende  gebt  bei  der  äecretion  Abstoasong  and  Vertlüssigang  des  Zellleibes 
vor  sieb,  so  dass  dto  BpfthollMi  nnnrittelbsr  nsioh  dorn  Abeaagwi  flach  und  niedrig  dnd  •  es 
scheint  also  wahrend  des  S'aiipactes  der  innere  Theil  der  Zellen,  in  welchem  man  oft  Fett- 
tröpfcben  sieht,  für  die  Milchbildung  verwerthet  zu  werden.  Bei  .-ehr  reichlicher  Ernährung 
and  sehr  bänfiger  Absaagnng  findet  man  die  Zellen  im  höchsten  Zustande  den  Wachsthoms ; 
es  werden  also  die  Metamorphossn,  welche  die  Zellen  bei  der  Mücbbildung  dnrcbmachen,  durch 
das  S&ngen  besehleonigt.  Hiernach  ist  die  frflhere  Aasebanmig,  nach  welcher  die  Milch  durch 
den  Zerfall  der  fettig  umgewandelten  Drüsenzellen  entsteht,  wonach  also  die  Milch  geradezu 
das  fettig  aufgelöste  Organ  sein  sollte,  nicht  mehr  zutrefl'end.  Vielmehr  sind  die  liilduog  der 
Milch  und  die  mit  der  Drüsentbätigkcit  einbergehenden  morphologischen  Veränderungen  der 
Drüsenzellen  gana  analog  deiyanigea  Vorgängea,  wie  sie  sich  bei  der  Bildung  der  Yerdaanags* 
Säfte  abspielen. 

Die  Milehseeretion  ist  eine  der  bedeutendsten  Leistnngen  des  Organis- 
mus.  Die  OrOsse  des  Mitohertrages  ist  von  einer  Reibe  von  Momenten 

abhiliifri?,  vorerst  und  vor  Allem  von  der  Entwicklung  der  Milchdrüsen. 
Da  die  Hilduu;^  des  Secrets  zu  dem  Wachsen  und  Schwinden  der  Drliseuzellen  in 
Beziehung  steht^  so  ist  diese  Ubereinstimmend  eonstntirte  Erfahrung  auch  versttnd- 
lieh.  Bei  gleiehem  Futter  prodneiren  nwei  Klihe  ▼oo  der  gleiehen  Bnee  nnd  dem 
nflmlichen  Kf^rpergewicht  sehr  ungleiche  Mengen  Milch,  wenn  ihre  Milchdrüsen 
versehioden  stark  entwickelt  sind.  Es  ist  deshalb  nicht  angfingig,  eine  mittlere  Aus- 
scheiduügsgrösae  anzugeben.  Frauen  produciren  pro  Tag  zwischen  1  und  1\]  Liter 
Miloh.  Der  b^te  Ertrag  an  Mileh  bei  Kttben  betrftgt  24  Liter  =  26  B^grm. 
Hiieh  mit  etwa  .3  Kgrm.  fester  Bestandtheile.  Nun  beträgt  aber  das  höchste  Ge- 
wicht der  .Milchdrilspii  kaum  5  Kgrm.  mit  21"  ,,  Trm-kensubstan/.,  einem  Gesammt- 
gehalt  au  festen  Stutfen  von  1*2  Kgrm.  entsprechend.  Demnach  secerniren  günstigen 
Falles  die  MilebdrOsen  pro  Tag  2  '/snwl  ihr  eigenes  Gewicht  an  festen  Stoffen.  Ziegen 
geben  t&glioh     — 1  Liter  Hiloh,  Schafe  1  Liter  und  dartiber. 

Da  eine  entwickelte  Drüse  viel,  eine  unentwickelte  bei  gleicher  Nahrungs- 
zufuhr wenig  Milch  bildet,  so  ist  die  Zeit,  die  seit  der  Geburt  oder  dem 
Wurf  verflossen  ist,  für  die  Menge  der  Milch  bestimmend,  insofern  die  Ent- 
wieUnng  der  Drüse  knrs  nach  dem  Ende  der  Sehwangersehaft  ihren  Hdh^nkt 
erreicht  u  nd  dann,  wenn  auch  nur  ganz  allmAlig ,  zurückgeht.  Dementsprechend 
sinkt  auch  mit  der  Dauer  der  Lactation  ganz  allmülig  der  Milchertrag  nnd  der 
G^alt  der  Milch  an  festen  ätoÖ'en.  Die  Lactationsperiode  währt  beim  menschlichen 
Weibe  nnd  bei  der  Knh  etwa  10,  beim  Sehaf  und  der         mnd  4  ICtmate. 

Kar  l)  T'  f  e  i  f  f  IT  riin:mt  1;  i  der  Frauenmilch  der  Caseingehnlt  langsam  ab,  dST ZodUl^ 
und  Fettgdialt  »«tetig  zu:  die  Salze  nehmen  progressiv  ein  wenig  ab. 

Bei  der  Ziege  sinkt  mit  der  Daner  der  Lactation  nach  Stohaiann  der  CaselDgehalt 
zuerst  etwas,  hält  sich  dann  eine  Zeit  lang  constant  und  steigt  spUer  bedeotend  aa;  der 
Bnttergehalt  sinkt  im  Allgemeinen  mit  der  Zeit. 

Es  sei  hier  auch  glei(  h  des  Unterccliicdes  zwischen  der  0  o  1  ostmainilch  (1.— ^.Tag 
nach  der  Geburt)  und  der  späteren  MUch  vom  7.  Tage  ab  gedacht. 


1               In  lOO  Tbeilen 

1;  Waaser 

1  lUwdas 

Fste 

ZnCker 

Sein 

'! 

5-3 

3-4 

4-5 

0-4 

Milch   . 

.  .j|  87-8 

2-5 

3-9 

6*5 

0-3 

Encydop.  Jahrbücher.  III.  32 


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49S 


MILCH. 


Die  Colostrummilch  ist  reicher  an  l>-!teu  Stoffen  ,  hauptsächlich  an  Eiwfisskiirpt'rn, 
und  zwar  liestehen  letztere  meist  aus  Albumiu  und  nur  aus  weui^  Casein;  weiterhiu  uiiumt 
däs  Casein  auf  Kosten  des  Albumin  zu  und  schon  am  7-  Tage  mmh  der  Geburt  finden  wir  in  dar 
liilch  Cueiu  mit  nur  wenig  Albumin.   Daj;egen  ist  der  Ziick«riri  !i;i!t  ii<  r  Colostrummilch  klpin^r. 

Da  die  Grösse  der  Secretion  in  erster  Linie  von  der  Kotwickluag  der 
Milchdrtisen  abhangt,  eo  kommt  die  Nahrung,  die  dem  milchenden  Thiere  zn- 
geftthrt  wird ,  erst  in  zweiter  Rdbe  io  Betracht ,  insofern  dnrch  lie  die  bei  der 

Thätigkeit  einer  allmälipren  Auflösung  anheimfallenden  DrUsenzellen  wieder  aufgebaut 
werden  sollen.  Das  llauptmaterial,  aus  dem  sich  alle  zelligen  Elemente,  alle  Proto- 
plasmeu  regeoerireD,  ist  das  Eiweiss,  daher  ist  auch  kein  NährstutV  auf  die  Miich- 
bUdong  von  riner  Einwirkung ,  die  mit  der  des  Eiwaiw  sn  vergleicben  wire. 
Steigerung  der  Ei weisszufuhr  wirkt  sowoU  auf  die  Grösse  des  Milch- 
ertrages im  Ganzen  als  auf  den  Gehalt  der  Milch  an  ihren  wesentlichen  Restand- 
theiien,  uod  zwar  in  erster  Linie  auf  ihren  Gehalt  an  Fett,  weuiger  auf  den 
Reiebthnm  an  Eiweisskitrpem. 

Bei  sehr  dürftiger  (eiweissarmer)  Eruährung  während  der  BelagerUDg  von  Paris  fiind 
Decaisne  in  der  Frauenmilch  nur  ll'?**^,  feste  Stoffe  und  davon  3%  Batter,  2*4%  Casein, 
6*  IX  Zncker ,  spltarhfn  bei  sebr  eiwefitraieber  Nahmt  i^'^U        8Udh  voA  damatar 

4-b°,r.  Butter,  2-1"^  Tascin.  ö?"  „  Zucker.  SdwB  Franz  Simon  (1846)  fand  beim  TVliorganK 
von  einer  tivhr  spärlichen  Diät  zu  sehr  fleiscbreicher  Nahrung;  die  festen  Stofle  in  der  Frauen- 
milch von  9  auf  12^'o  und  den  Bnttergebalt  von  1  auf  3'4*  „  austeigen.  Bboiso  stieg  bei  Ziegen 
nach  Weiske  bei  reichlicher  Zaftibr  von  Eiweias die  tägliche  Utlchmaiiga  nm  iO^Lt  dar  Fett- 
gehalt von  2*7  aar  3*1%  ^d  der  Gesammtfet^balt  der  Ta^eiimilch  von  20  auf  33  0rm.  ünn- 
gekehrt  sauk  in  Füttcrungsreihen  von  I.  Münk  an  Zic^i  ii  bei  Vermindernisj?  h  r  Ei»,  is'<zu- 
fuhr  um  etwa  15"/,  die  Milchmenge  um  18  ,. ,  die  testen  Stolle  um  27"/b,  der  tiesummtlftlgehalt 
nur  um  knapp  lU'^  g,  dagegen  die  Zuckermense  um  "^S"  „.  Für  Kühe  hat G.  Kühn  angegebeu, 
<l;is-;  das  relative  Verbältniss  von  Casein  und  Fett  nicht  in  so  hohem  Grade  dnrch  die  Eiweiss- 
ziituhr  beeintiusst  werde.  Der  Erfolg  gesteigerter  Ernahrnng  zeige  sich  hier  erst  nach  einiger 
Zeit,  und  zwar  zumeist  in  der  ersten  Periode  der  Laclation.  Um  daher  bei  Kühen  und  Ziegen 
«inen  hoben  Milchertrag  und  reichen  Fettgehalt  der  Milch  za  ersieleo,  giebt  man  sta.  genügen- 
d«n  Msogen  Wieaanbm  ein  eiwalnrdebes  Beifotter:  IfaU,  Cleia  etc. 

Znsatz  von  Fett  nr  Nalimng  seheint  den  Fettgehalt  der  Ifiteh  eher  in 

verringern,  wenn  nicht  gleichzeitig  genügend  Ei  weiss  in  der  Nahrung  enthalten 
ist.  Das  Nahrunirsfett  macht  er>t  dann  den  Fettirehalt  der  Milch  aa<tei,iren,  wenn 
die  Übrigen  Nahrungsbestandtheile  ohne  den  Fettzusatz  für  die  Erhaltung  eines 
kräftigen  ErnSbrnngaznätandea  im  Allgemeinen,  also  aneb  fflr  die  Bntwieklnng  der 
Milchdrüsen,  für  die  Neubildung  der  DrQsenzellen  genii^'i-tul  sind. 

Auf  die  Menge  des  Milchzuckers  in  der  Milch  haUen  die  Kohle- 
hydrate der  Nahrung  keinen  Einäuss.  Dasä  Übrigens  der  Milchzucker,  miode- 
stene  inm  grossen  Theil ,  von  den  ^weisastoffen  abstammt ,  geht  daraus  hervor, 
dass  auch  bei  ausschliesslicher  Fleisebnahmng  Hündinnen  in  ibnt  Milch  einen 
erbeblichen  Zuckergehalt  halini 

Jede  Portion  Milcli,  welche  einer  geffllltcn  Brustdrüse  bis  zu  ihrer  Ent- 
leerung entzogen  wird,  hat  einen  im  Allgeuieiuen  mit  der  Entnahme  ansteigenden 
Fettgebalt,  und  zwar  auch,  wenn  die  Portion  noch  so  kldn  ist.  Beim  Melken  in 
Absätzen.  ..gebrochenes  Melken",  steigt  auch  Itei  der  Kuhmilch  die  Fettzuaabme 
recht  betriiehtlich  an.  Der  Bntterfrehalt  der  Abend  milch  bei  Kühen  und  Ziegen 
ist  bis  zum  Doppelten  grösser  als  derjenige  der  Morgen  milch.  Im  Sommer 
liefern  die  KUhe  mehr  und  bntterreiehere  Milch  als  im  Winter. 

Es  zeigt  antli  dif  'Ract'  cinm  unverkennbarfii  l'intluss  auf  die  Grösse  des  Milch- 
ertrages und  den  Gebalt  der  Milch  au  festen  Stolfen,  siebt  man  ja  auch  trotz  gleicher  Uröase 
und  gleicher  Bmfthrang  dar  Thier«  die  Hilchdrilaan  bei  Individaea  ▼erscbiedener  Raee  ver^ 
adiiedan  gut  entwickr  lt. 

Waa  den  Einlluss  des  Alters  auf  die  Güte  der  Milch  anlangt,  so  haben  die 
Untersuehungen  von  Pfeiffer  und  l'ffehn  an  n  ergeben,  dass  bei  der  Frauenmilch  die  Menge 
der  festen  Stoffe,  u.  zw.  Eiveiaa,  Zocker  und  Salze,  mit  dem  Alter  der  Frauen  zunimmt,  der 
Fettgabalt  abnimmt  (too  3*7  bis  aaf  8'2*'o)-  Blntanne  (aaftmische)  Frauen  haben  nur  RpftrUebe 
nnd  gehaltarme  Milch. 

Der  Eiutiuss  der  Entwöhnung,  der  Sistirung  des  Saugegeacbäftes,  zeigt  sich 
darin,  dass  schon  zwei  l^ge  aacb  der  Eatwftbnung  der  Gehalt  der  Mildi  an  festen  StofliM 
erbeblich  abnimmt. 


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UILCH. 


499 


Währeod  der  Uenntriiatloa.  der  dwrcli  einen  Blntabj^ang  aus  den  Genitalien  sieh 

rnanifpstirenden  periodischen  Rpifnnpr  und  T.ösnns  einps  F.iVs  ans  dem  Eierstock,  wird  die  Milch 
reicher  an  festen  Stollen,  beiunders  an  Zucker.  Eintritt  der  S  ch  w  angc  rschaf  t  lä-sst  meisten» 
die  Jfilchsecretiou  erheblich  absinken. 

In  die  Milch  gehen  von  eingeführten  Arzneimitteln  ftber:  Jod,  Eieen,  Opinm  und 
eine  Beibe  von  FarbetofflBn  (FlrbeirBtbe,  Cochenille).  Bei  Ffitternng  von  KSben  mit  Oelkneben 
(Leinöl,  Tiühiil)  nmimt  die  Milch  einen  eiironthürnüch  olicen  Geschmack  an,  die  Bnt;cr  ist 
gelbgefarbt  und  schmeckt  ranzig ;  die  UiJch  von  Kühen,  welche  Lauebarten  und  gewisse  Dolden- 
liflumn  gefimeen  haben,  nimmt  dem  Oeraeh  und  Gesdimaelc  jener  Pfnnsen  an. 

Die  BOgenannte  Haltung  der  Thiero  beeinfliisst  die  Grösse  des  Htlflh- 
ertrages  in  unzweifelhafter  Weise.  Durch  Muskelarbeit  wird  nach  Ki.kisthman.v 
der  Milchertrag  erniedrigt^  doch  bei  mässiger  Arbeit  nur  wenig  und  häuüg  zum 
V<Hradl  der  fetten  Stoffe  in  der  Mlleli.  Aber  die  Miukelthfttiglcett  greift  andi 
uoeh  mittelbar  auf  die  Milcbsecretion  dureb  ibren  Binflass  auf  Atbmnng,  Kreislauft 
\iellpicht  auch  auf  die  Verdauung  und  Ausnutziniir  der  KfUirstoffe,  ein  und  setzt 
dadurch  Veränderungen,  welche  eine  Zunahme  der  Milchnu'nL'f'  iMMÜnfrcn  können. 
Bei  mässiger  Muskelthätigkeit  oder  Bewegung  Uberwiegen  diu  güuätii;eD  mittel- 
baren Folgen,  bei  etarlcer  Hoslcelarbeit  die  nngflnatigni  noinittelbaren  Folgen.  Die 
firztliehe  Erfahrung  lehrt  im  Einklang  damit,  da.s8  niUssi^M;  Bewegun;:  sfUij^ender 
Frauen  eher  von  Vortheil   für  die  Quantität  und  Qualität  der  gelieferten  Miicli  ist. 

Der  pjinfhiss  d  k  Nervensystems  auf  die  Seeretion  der 
^[  i  1  c  b  d  r  ü  8  e  n  ist  durch  eine  Beibe  wobiverbürgter  iirztlicher  Ertabruugen  belegt, 
denen  snfolge  plfftsUebe  Oemfltbsaffeete  der  Singenden  die  abgesonderte  Uileb 
beeinflnssen,  dergestalt,  dass  naeb  dem  Genuss  suleher  Milch  die  Sfiuirlingo  unnili% 
werden  und  mitunter  sofrar  KnimpfanOlIlf  beknmmen.  Auch  der  Act  des  S.-mgcns 
>elbst  wirkt  als  Absondi  ruiiirsreiz ,  wahrseheiulicb  auf  dem  Wege  rctlectoriseher 
Erregung  des  8ecretioiisap])arates.  Dagegen  Ist  der  Einfloas  der  DrOsenuenren 
snibst  auf  die  Secretiou  noch  niebt  als  festgestellt  zu  eraehten.  Die  darauf  bezflg- 
liehen  spärlichen  Beobachtungen  von  Bonn  ig  an  der  Ziege  sind  weder  in  ihren 
Kesultaten  genilgend  ausgesprocbeu.  noch  haben  sie  bisher  Hestiltigung  gefuuden. 
Trennung  des  -N'.  sjjcnnaffcus  ext.,  der  den  Euter  der  Thiere  innervirt,  hat  naeb 
Hbioenhain  und  Pabtsch  meist  erbebliebe  Beseblennignng  des  Milebavsflasses 
aur  Folge. 

Tflier  die  Ausnutzung  der  Milch  i  in  Darm  liegen  bisher  nur 
vereinzelte  Erfahrungen  vor.  Ein  4mouatIiches  Kind,  das  tiiglieh  1215  Ccm.  Kuh- 
milch mit  137  Grm.  Trockensubstanz  aufnahm,  schied  nach  Fursteb  6'40/g  der 
Troekenanbstana,  sowie  Ober  ^/s  der  Milehasehe,  darnnter  'f,  des  in  der  Gesammtr 
milch  entballenen  Kalkes  aus.  Von  den  organiseben  Substanzen  fand  Kich  weder 
Eiweiss,  noch  Zucker  im  Koth,  dagegen  neben  wenig  unveränderten  Neutralfetten 
relativ  viel  feste  Fettsäuren   und  nameutlieb  deren   unlösliche  Kalkvorbindungen. 

Besser  erwies  sieb  naeb  Camerbr  die  Ausniltsang  der  Enhmileb  bei 
10 — 12jllhrigen  Kindern;  hier  wnrde  das  Eiweiss  bis  auf  4%,  das  Fett  bis  anf 
2'?*''n  und  die  fJo'^anmittrockonsubstanz  bis  auf  ö-S^'o  verwerthet.  Der  Ivalk  der 
um  das  Vielfache  kalkärmereu  Frauenmilch  gelangt  zu  %  zur  Resorption.  Der 
Krwaohsene  sehied  naeb  Robnbr  und  Pbaü^kitz  bei  Aufnahme  von  2000  dem« 
Knbmileb  9Ve  der  Troeltensubstans  au;  am  schlechtesten  re*orbirt  er  die  Mildi- 
:ische,  von  der  ."57'' ^  unbentltzt  austreten,  das  Milehfett  bis  zu  0;^°  o-  ^U-i'/t  man 
tiiit  der  Miichmenge  noch  weiter  an,  bis  auf  1000  Cimu.,  so  nimmt  die  Kothmenge 
zwar  zu,  aber  die  procentisehe  Ausnutzung  der  einzelnen  Milchbestaudtheile  wird 
nur  venig  sebleebter.  Naeb  Uffelmann  resorbiren: 

 Knlmiilrh   Freaenmtleh 

Eiweiss   Procent        *JÖ'7  Procent        99*0  Procent 

Pett  US      „  93-5      „  97-5 

Salze   50  4       „  66  Ü       .  90 

Zucker  100         „  100         p  100  „ 

üeaammttrookenaabstana  91        „  92        „  97  n 

32* 


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dOO 


MILCH.  —  llIUTÄ£SA2ilTÄTäf£BS0NAL. 


Bemerkenswerther  Weise  ist  die  VerwerthuDg  der  FnncnmUeh  Tom  Sing^ 
ling  die  beste  von  allen  bislang  bekannten  Nabrung'Hmitteln. 

Durch  Zusatz  von  Käse  zur  Milch  gestaltet  sich  die  Ausnützung  der 
leUtereo  im  Darm  des  ErwachseneD  besser,  und  zwar  für  sAmmtlicbe  Nahrungs- 
stoffe  inelmive  der  Milchaaehe. 

Die  Milcb  i-st  für  den  kindliehen  Organismus  nicht  nur  ein  Nahrungs- 
mittel, s(»ndern  eine  Nahrnnpr,  d.  h.  ein  Geraenge  von  Nährstoffen,  das  den 
Körper  auf  seinem  Bestand  völlig  erhalten  kann ,  entbehrt  sie  doch  auch  nicht 
d«r  GeousflStofliB  in  Form  der  Bchmeekenden  Bestaiidtlidle  der  Fette  and  des  Mileh- 
zuekers.  Für  den  Erwachsenen  kann  die  Milch  kaum  als  Nahrung 
gelten:  um  sich  allein  mit  Milch  auf  seinem  Eiweissbestande  zn  erhalten,  müsste 
der  Erwachsene  mehr  als  3  Liter  Milcb  pro  Tag  geniessen.  Solch  grosse  Mengen 
iMsen  sieh  Indees  kanm  ohne  Widenrillen  dnreh  mehrere  Tage  anfsehmen.  Nach 
den  Erfahrongen  von  F.  A.  Hoffmamn  btteite  ein  gesunder  erwachsener  Menseh 
vnn  71  Kilo  bei  tilglicber  Aufnahme  von  2600—3000  Grm.  Milch  pro  Tag  noeh 
122  Grm.  Körperfleisch  und  540  Grm.  von  seinem  Körpergewicht  ein. 

Dil  die  Milch  durch  Fermente  leicht  in  saure  Gährung  Ubergeht  uod 
dieser  Proeees  doreh  vorgftngiges  Aafkoeheo  fSr  kürzere  Zeltdaner  hlnansgeaehoben 
werden  kann,  so  wird  in  der  Mehrzahl  der  Ffllle  gekochte  Milch  zur  Nahrung 
verwendet.  Es  empfiehlt  sich  dies  auch  noch  deshalb,  weil  eine  Keihe  thierischer 
und  chemischer  Infectionsstoffe ,  wie  erwiesenermassen  das  Virus  der  Maul-  und 
RlaQfmsenehe ,  sowie  der  Perlsneht  doreh  die  Siedhitze  zentOrt,  andere  (die  In- 
fcctionstriiger  des  TyphiiB,  Soharlaeh  und  der  Diphtherie)  in  ihrer  Wirktankeit 
abgeaebwächt  werden. 

Aufser  der  gewis8ernia.ssen  als  normalen  Vorgang  za  betrachtenden  i^aiiren  Gahrung 
df  s  Milchzuckers  kann  die  Milcb,  besonders  im  Uuchaommar,  auch  noch  der  Fäulnis»  unter- 
liegen, d.  b.  der  Gährnog  der  Eiweissstoffe.  Dieser  Procen  spielt  sich  ancb  iu  gekochter  Milch 
ab,  samal  in  unj^entigend  gereinigten  Geräthschaften,  nod  lässt  bei  einem  gewi<isen  Grade  der 
Fanlniss  (li>  Milch  bitterlich  werden,  ohne  dass  sich  sonst  dieser  Pmcess  durch  das  Auftreten 
laalig  riechender  tiasa,  wie  in  anderen  tbierischen  Flüssigkeiten,  verrietbe;  wahrscheinlich 
bilden  riidk  kitrlMi  alkakiMartifi«  gfflHg»  Stoffs,  Ptomalne  oder  Toxin«.  Dem  Anseboin  Dach 
geht  die  fanlige  Zersetzun).'  unabhän^ip  vou  und  neben  der  «anron  Gährung  einher.  Höchst 
wahrseholBlich  bat  die  Aufnahme  iktlcher  iu  beginnender  Fauluiss  bcgriffeuer  Milch  die  an- 
haltenden  Wd  so  .schwer  zo  bekämpfenden  Diarrhüen  zu  Folge,  an  denen  insbesondere  im 
Hochsomnor  mit  Milch  emihrie  Kinder  leiden  nad  die  einen  so  hoben  Procensats  zur  Mortap 
litftt  der  Kinder  in  den  ersten  Lebensjahren  stellen. 

Die  atuwerordentlich  leichte  Zersetzliehkeit  der  Milch  und  die  Schwierige» 
keit,  diese  so  wnsserreiche  FlUsHifrkeit  für  l:in<reren  r,cbr;iueh  f^eciimet  zu  erhalten, 
hat  dazu  geführt,  aus  derselben  haltbare  und  weitereu  Trausportes  f  ähige  Nahrungs- 
mittel anf  teehnisohem  Wege  herzustellen :  Butter,  Kflse,  condensirte  und  prfiser- 
virte  Hileh. 

Die  Literatur:  ühei  di.'  .Mi  1  e h ab s o  n  d  e  r  ii n  g  bis  Is^O  ist  bei  R.  Heidenhain, 
Fb^'siologie  der  Absonderungsvurgauge,  in  L.  Hermaau's  Handbuch  der  Physiologie,  V,  1.  Th., 
pap.  374—405,  Ober  die  Chemie  der  Hileli  bis  1883  in  Dreehsel's  Artikel,  ebendt, 
pag.  544 — öfiii  p/^sanimrlt.  —  ]S84.  Ph.  Biedert ,  Untersnchunjten  über  die chonischen  Untcr- 
schiedn  der  Men.scheu-  und  Kuhmilch.  2.  Autl.  Stuttgart.  —  18.S5.  Sebelioo,  Zeitschr.  f. 
pbysiol.  Chem.  IX,  pag.  445.  —  Dogiel,  ebenda,  pag.  591.  —  H  opp  e-S  ey  1  e r,  ebenda, 
pag.  223.  —  1887  E.  Pfeiffer.  Asaljse  der  Milch.  Wiei^baden.  —  Mendes  de  Leon« 
Arcb.  d.  Eyg.  VII.  pag.  286.  —  1888.  Sebetfen,  Zeitschr.  f.  physiol.  Chem.  XIII,  pag.  135.  — 
lfi89.  Raudnif  z.  F.benda,  XIV,  papr.  1.— Prausnitz.  Zeit.<chr.  f.  ßiol.  XXV,  pag  öH.l. — 
IS'yü.  Arthus  und  Pages.  Arch.  de^  physiol.  1890.  pag.  331—510.  —  Halliburton, 
.lüum  of  pbysiol.  XI,  pag.  449.  —  189l.  Courant,  Arch.  f.  d.  ges.  Physiol.  L,  pag.  109.  — 
IS'JÜ.  —  Ssontagh,  üng.  Arch.  f.  Med.  I,  pag.  192.  —  Steinhan.s.  Arch.  f.  Physiol. 
:$upplement.  —  Yergl.  auch  die  Literatur  bei  ^Milch'*  in  Münk  und  Uffelmann's  Ernährung 
des  gesunden  und  kranken  Henschsn.  2.,  Anll.  1891,  pag.  119—123  nad  270—278. 

I.  Mnak. 

Milchsäure,  bei  Gicht,  pag.  337. 

Militäi^anitätspereonal  (deutsohee),  ist  theiis  solches  engerea 

Sinnes  (das  SaaitfttseorpsX  theiis  soiehes  weiteren  Sinnet,  das  das  Personal  Ott 


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MIUTÄBSANlTATäFEBSOliAL. 


601 


dfln  Yflnrnndetentransport  and  das  Apotbekenpersonal  mit  einscblie.Hst ,  tbeils 
Nebcnpersonal ,  wie  Verpfle^ungsheamte ,  militärische  Aufseher  in  Heilaostolten, 
das  mit  dem  SanitätsdieDSte  nur  mittelbar  zu  thun  hat. 

Umfanp:  de«  Militärsanitätspersonales. 

Der  rnifan<r,  in  dem  Sanitätspersonal  bei  den  Heeren  Verwendung  findet, 
tot  abhängig  vom  Lmtange  eines  Heeres,  vom  Umfange  dea  verfügbaren  Sanitäts- 
peraonale«  eines  Landes  und  von  den  Kosten  *  die  ein  Staat  Ihr  Besehaffongr  uod 
Unterhaltung  von  Sanitfttai»eZBOnaI  bereitrtelkll  kann  und  will. 

Die  iViIg-ende  Zusamraenstellung'  mft^e  zunilchst  einen  Oberblick  über  die 
den  Umfang  des  iieeressanitätspersunales  am  meisten  beeinflussenden  Ueeresgrössen 
der  enropftisehen  Groesmiehte  gewäiiran. 


StMt 


iir: 


Webrgeaetz 


liooruti^n- 
coütiugent 


DentsdiM  B«ich  . 

50 

/Allg.  pera^nlo 
Wehrpflicht  1 

.(seit  13.  Sep-( 
temlier  IMU 

in  l'iüusficnl'' 

Oesterreich-Ungarn 

42 

(Def^'l.  7.  Julil 
l        lä67  J 

Oro88brit«oni«n  )' 

(einsrhl,   europ.  j 
Besitzungeo)    .  )' 

Werbe-  nnd. 
MiUs-Syatem 

Fraakrekli  .  .  . ! 

t  38 

(Allg.  persHnl. 
{  Weliriitiiclit 
i  27.  Juli  187-' 

31 

iDeBKl- 19.  Juli) 
[im  a.M.No-j 
^  Tvtnber  187S 1 

Bualand  (enrop.) 

'  90 

Detgl.iyiS.JliL 

1874 

■ 
Cd 


1 


 a 


Miiriuo  ,, 

Kostea 
£       j;      für  die 

^\6^\  Maeht 


T 


^91 » : 


1 82.836 

aiugehoben  |4d6.983lii.8ö0.000<  90 


1891 :  11-2.0110 
ABsentirte 

1890:  31.407 

1891:127.438 

in  (ia.s  Hi  er 
Eingereihte 


670 


470.830.303 


3;iü.ü40  LSl-^-BTO  35 


210.499 


520.548 


1,090.000 
1890 :259.268  843.000  2,579.000 


gegen 
885.000 


3,226.000 


360 

210 

42 
133 


270  271,251.752 


2200 

1260 

230 
747 


577,382.140, 

585,liai97 

248.412.733 
782,800.980 


Was  die  Vertheilaog  dee  Soldateostandes  auf  die  versehiedenen  Waffen 

anlangt,  bo  besteht  di(>  bewaffnete  Macht  des  Dentlohen  Reiches  seit  1.  October  181)0 
im  Frieden  aus  öTJ  Infaiileriebataillonen ,  19  Jägerbataillonen,  1  Lebrbataillon, 
465  Eseadrous,  3Ö7  fahrenden  und  47  reitenden  Batterien,  3  Lehrbataiilonen, 
31  Fossartilleriebataillonen,  2  Lehroompagnien,  SO  Pionnierbataillonen ,  5  Eisen* 
bahnbataillonen ,  3  Luftschi fferabtheflangen  und  21  Trainbataillonen.  Die  Marine 
unter  einem  Obercommando  besteht  aus  2  Marineinspectionen,  2  Matroseudivisinncn, 
2  Werftdivisiouen,  1  Schitisjiingenabtheilung :  aus  2  Matrosenartiilerieabtheiluugen, 
1  MarineartiHerieabtheilung,  1  Marinetelegraphenschule  —  unter  der  Inspection  der 
Marineartillerie;  femer  ans  2  Torpedoabfhdlnngen  vnd  2  Seebatdilonen  (Marine- 
infanterie). Cm  sftmmtliefae  Fahnenge  der  Marine  kriegstllebtig  zn  besetsen,  bedarf 
sie  15.828  Mann. 

Wie  viele  Aerzte  die  bewaffnete  Macht  eines  Staates  für  sich  verwendet, 
ist  bedingt  durch  die  Zahl  der  flberhaupt  verfBgliehen  Aerzte  eines  Landes,  die 
Art,  wie  die  Abgänge  der  Militärärzte  ergänzt  werden  und  die  rechtliche  und 
materielle  Stelbmg^.  die  den  Militiir.irzten  bowillifrt  wird.  Wenifrer  Schwierigkeiten 
als  die  Gewinnung  von  Militärärzten  ptlegt  diejeuige  von  Sanitätsunterpersonai 
(SanititsanteroMeren  eto.)  an  bereiten,  da  dieses  Persenal  ans  dem  Heere 
selbst  hervorgeht  und  seine  Leistnngsfiüiigkwt  mit  un^Ieleh  geringeren  Mtthen 
und  Kosten  erreicht  wird. 

Was  die  im  Deutschen  Keiche  vorfU^^lichen  Aerzte  aulanj^t .  so  gab  ea 
1876:  13.728,  1877:  13.936,  1887:  16.864,  im  Jahre  1888:  17.690,  1889: 
18.467  Aerzte.  Daraaeh  werden  sie  jetzt  die  Ziffer  20.000  flbersehritten  haben. 

Die  etatsmflssige  Zahl  der  A erste  und  Lasaretbgeliilfen  des  aetiven 
Deutsehen  Reiohsheeres  betrug  fttr  das 


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902  MILITÄRSANITATSPEESOXAL. 

Etatajabr  18^2  83  Militirftnto  and  3ö32  LazaratbgehiUeD, 

„  87  „  „    3531  „ 

Die  vom  1.  April  1887  an  etatsmäsäigeo  Aerzte  des  Heeres  und  der 
lUrlne  in  der  Zahl  von  1865  vartheilten  rieh  auf  die  einzelnen  dentadken  Heeres« 
eootittgente  und  militärlrstUehen  Binge,  wie  folgt: 

Onpral     Ge«««!-    Oenwal-  ObanUb»-  Ob^rstabs-  Aas  atenz-  AsBiaten»* 

>>o>!«>^.i-       *)rst  am         «rit  arzt      Subnarzt       arzc  arzt 

^lahsarzt    ].  ciam    II.  Ctaaw    I.  Clam   ir.  Classe  I.  ClaHse    II.  Clasa« 

Pretusen  .1  8  8  189  132  392  278  428 
Bayern  .  .  1  1  1  21  20  41  64 
Sachsen .  .  1  11  11  37  23  35 
Württem- 
berg .  •  1  8  7  22  13  Sä 
Deatscbe 

Xariae  .  1                         4  5  28  24  25 

2  12  9          i?3  m  638        äsi  Ö76~" 

Von  den   050  etatsm.'iH.si^en  Aasittenzärzten    fehlten   1885:  46*8 
1880):  65'9"'o,  nach  einer  Feststellung  aus  dem  September  1887  nicht  weniger 
aU  570,  also  5!»  G"     im  Jahre  1888:  56*7"      1890:  n4-r>ro,  18U1 :  b4'i\. 

'  Für  1888  81>  betrug  der  Sollstand  der  Aerzte  des  deutschen  Heeres  1770, 
der  der  Lasarethgehilfen  3705. 

Im  EtetBjahre  1890/91  stellt  sich  die  Zahl  der  Aerzte  auf  1884  ciu- 
schliesslich  94  der  Marine  und  auf  3678  Lazarethgehilfen  dos  Heeres:  für  die 
Aerzte,  auf  die  Contingente  und  Rangstufen  vertbeilt,  ergeben  sieb  folgende  Zilferu, 
deren  Höhe  durch  die  Bildung  von  2  nenen  Armeeoorpa  erklftrt  wird: 

r^r,^,i^\      Cieneral-     Geueial-    Oberstabs-  ObenUbs-  AtttatCBa-  AmUb&OB- 

^h..^      »ritt  arzt         arzt         arzt      SMNiintt      arzt  arzt 

Preussrn  .1  9  9         135        136        392        281  430 

Hayern     .1  1  1              21  20  »9  42  65 

siacbsen .  .  1  1]«  11  37  24  36 
Wttrttem- 

b«r|r  .  .  1  8  7  22  15  23 

Deutsche 

Marino  .  l  5  6  31  20  25 

2  13  lü          181  180  541  378  579 

Die  Zahl  der  ebenfalls  znm  Sanititscorps  gehörigen  militirisehen  Kranken- 
wärter ist  in  den  obigen  Zahlen  nicht  inbegriffen,  weil  ihre  geringe  Zahl  naeh 

dem  thatfiiehliehen  Beciarfe  wechselt. 

Mit  den  Aerzteii  .-iiud  die  Lazarethgehilfen,  die  mit  dem  17.  März  lJ^32 
in  das  preussische,  mit  D.  August  1877  in  das  bayerische  Heer  eingeführt 
worden  sind,  und  die  Wärter  (mit  89.  April  1852  in  das  preussisehe  Heer  dn- 
gefithrt)  in  ein  preusKi.sches,  bayerisches,  württembergiRehe^  und  sftchsi.sches  Sanitäts- 
corps  zus.imnien?ela8st,  das  in  jenen  Heeren  unter  je  1  General-tahsarzt  und 
in  den  letztgenannten  Armeecorps  unter  1  Generalärzte  steht.  Üeu  Sanitätüdienst 
eines  Armeeeorps  leitet  der  Corpsanst  (ein  Generalarzt),  den  einer  Division  der 
Divisionsarzt  (ein  Oberstabsarzt  I.  Classe).  der  nicht  etatisirt  ist  und  darum  immer 
in  einer  anderen  etat-Jinilssiireii  Stelle  den  Dienst  mitversieht,  den  Sanitätsdienst 
eines  Regiuieutes  der  Keginientsarzt  (ein  Uberstabsarzt)  und  den  eines  Bataillons 
oder  einer  (Artillerie-) Abtheilung  der  Bataillons«  odor  Abtheilungsarzt  (gewOlmlieh 
ein  Stabsarzt).  Den  Sanitltsassistenzdienst  verriehten  die  Asaistenz^Unterftrzte  und 
einjährig-frei  will  iL'eii  Aerzte.  Ausserdem  .steht  bei  je  !er  Oonipagnie,  Eseadrnn  und 
Batterie  1  Lazaretli^ehilfe.  Kine  solche  Zutheiluntr  \on  Saiiitüt^personal  findet 
auch  in  der  Marine  nach  Massgabe  der  HesunderLeitcn  dieses  i  heiles  der  be- 
waffneten Macht  statt. 

Neben  diesem  Dienste  in  etatsmässigen  Stellen  wird  das  Sanitätspersonal 
in  den  (Jarnisonslazarethen,  die  k"ine  eigenen  Aerzte  und  Lazarethgehilfeu  haben, 
verwendet.   Und   so  wird  jedes  CiaruisonsUizareth  von  einem  (Jiiefurzte  geleitet. 


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MILITÄRSANITÄTSPERSONAL. 


503 


Die  grösseren  Garnisonslazarethe  fjliedern  sich  in  Stationen ,  denen  ebenfalls 
Truppenärzte  vorstebeD.  Endlich  werden  auch  die  aütbi|ren  assistiruaden  Aerzte 
und  Lazarethgehilfen  von  der  Troppe  ab  in  die  Lasarethe  beMligt.  Nur  die 
Krankwiwirter  gehfteen  inm  SoliBtaade  des  Laiarethes  und  haben  nrit  der  Tmppe 
niehts  zu  than. 

Ausser  dem  Sanitiltscorps  und  ausserhalb  desselben  wird  da-;  SanitSts- 
perBOnal  durch  Krankenträger  im  Kriege  und  nur  bei  den  Lazaretheu  durch 
Pharmacenten  erweitert.  Die  Krankentriger  idod  entweder  solehe  der  Sanitftts- 
detaehements,  oder  Hilfskrankenträger  der  Truppen  (4  bei  jeder  Compa?iiie). 

Auf  dem  Kriep^sgchauplatze  ist  die  oberste  Sanitfttsperson  und  das  Ür}?an 
der  Heeresleitung  der  „Chef  dea  Feldsanitätswesens^^  Er  bildet  die  im  grossen 
Hauptquartier  befindliohe  Oeatralstelle  fttr  die  Leitung  des  SanitStadienstes  and 
ist  entweder  Generalstabsant  oder  Generalarzt.  Abwärts  folgen  die  Armee- 
abtheilung.'^firzte  —  Generalärzte  — ,  die  den  SanitiUsdiennt  bei  einer  aus  mehreren 
Ameecorps  zusammengesetzten  Armee  (  Abtheilun^'  haben  und  ärztlioh-teohnische 
Referenten,  sowie  ausführende  Orgaue  der  Obercommandos  sind. 

Unter  ihnen  atehen  einerfieita  die  Corpeirite  bei  je  einem  Armeeeorpa 
(Generalärzte  oder  Oberstabsärzte),  andererseits  die  consultirendcn  Aerzte,  wissen- 
schaftlieho  Aiitoritfiten ,  die  in  nicht  vorbestimmter  Zahl  zu  Krie^szeiten  ernannt 
werden,  um  auf  Verbandplätzen  und  in  Lazaretben  Hilfe  zu  leisten. 

Weiter  abwirts  gehört  dem  Stabe  einer  Division  der  DivisionsarBt  (ein 
Oberstabsarzt)  an.  Als  Organ  des  Divisionscomniandos  leitet  er  den  Sanitätsdienst 
der  Di\  i-ijdn  ,  sucht  in  Erwartnnfr  eines  Gefechtes  fceeignete  L'nterkünfie  für  die 
Verbandplätze  uud  Feldlazaretbe,  Überwacht  den  Dienst  der  Verbandplätze  und 
den  VerwnndetentraDsp<»it,  vereinigt  naob  dem  Gefechte  zerstreute  YerbandplAtie 
nnd  übersengt  sicbf  dass  allen  Verwundeten  Beistand  an  Theil  wird. 

Die  hierauf  folireiidcn  Sanitätspersonen  kleinerer  Tmppengemeinscliaften 
entsprechen  der  darfjt-Ie^rten  Friedensorjüranisation. 

Ausser  diesem  Truppensanitätspersonal  giebt  es  bei  dem  operircudeu 
Feldheere  solehea  der  SanititsdetaehemeDts  und  der  Feldlasareihe.  Den  Sanitftta- 
detachemcnts ,  die  als  (FeId-)Krankenträgcroompagn{en  durch  Oabinetsordre  vom 
21.  December  1854  in  das  preussische  Heer  eingeführt  worden  sind,  giebt  es, 
abgesehen  von  denen  der  Reservetruppentbeile,  3  bei  jedem  mobilen  Armeecorps. 
Diese  Detaehementa  folgen  den  Truppen  anmittelbar  in*s  Gefedit  nnd  treten  in 
Wirksamkuit.  sobald  Verluste  eintreten,  indem  sie  den  Hauptverbandplatz  errichten, 
diircli  ihre  Krankenträger  die  Verwundeten  aufsnchen  und  letztere  mittcli^t  des 
Transportniaterialcs  der  ärztlichen  Hilfe  auf  dem  Verbandplal^ze  zuführen  und 
später  von  dort  in  Feldlazaretbe  schaffen.  Die  verfüglichen  Feldlazaretbe  unter- 
stfltzen  die  Sanitfttsdetaehements  auf  den  Hauptverbandplätzen.  Die  Hauptaufgabe 
der  Feldlazaretbe,  deren  es  IS  bei  jedem  mobilen  Armeecorps  und  in  der  Regel 
^  bei  jeder  IJescrvedivision  giebt,  besteht  darin ,  die  während  der  Schlacht  von 
den  Verbuudplauen  uder  unmittelbar  von  den  Truppen  kommenden  Verwundeten 
in  mögliehster  Nihe  des  Sehlacbtfeldes  in  Lazarethpflege  zu  nehmen. 

Auf  dem  hinter  dem  operirendeu  Heere  liegenden  Etappengebiet  besteht 
das  Sanit;it«per,>!niial  ans  einem  Etappenjrenernlarzt  bei  jeder  EtappeninsfX'Ction. 
Er  steht  unter  dem  Etappeninspeotor  und  dem  Chef  des  Feldsanitätswesens  und 
leitet  die  Belegung,  Ablösung,  Leerong  und  Schliessung  der  Lazarethe  seines 
Dienstbereiches  und  die  Verwendung  der  freiwilligen  Krankenpflege  in  seinem 
Gebiete.  Sfine  riiHt'iiliretiden  Org.-iiie  «ind  die  P"'eldIazarethdirectoren  für  die  erst- 
genannte .Aiitgahe,  indem  dieselben  an  Ort  und  Stelle  den  Krankeiidienst  regeln, 
stehende  Kriegslazaretho  und  Etappenlazaretbe  vorbereiten ,  Feldlazaretbe  frei 
machen  fflr  die  Verwundeten  des  operirenden  Heeres  und  mit  Hilfe  der  Kranken- 
transportoommissionei)  dir  K ranken vertbeilung  leiten;  andererseits  Delcgirte  der 
Kta])peninspection,  durch  die  der  Etappen- GeneraUrzt  die  freiwillige  Kranken- 
pdege  leitet. 


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504 


MILITÄRSANITÄTSPEBSONAL. 


Zum  Sanitätspersonal  des  Etappengebietes  zählt  darnach  vortiberg:ehend 
(U^jenige  der  noch  nicht  abgelösten  Feldlazarethe,  ferner  zur  Herricbtung  stehender 
KriegalasMethe  ao  Stelle  «bgeUfster  FeMlasurethe  das  KriesslaiareChpenonal,  dM 
dem  bei  jedom  Anueeeorp-t  niobilgemaehtea  Feldlazarethdireirtor  naterstellt  irifd, 
dpT  dann  aus  dem  Verbände  des  Armeecorps  ausscheidet,  um  nun  dem  Etappen- 
gebiete anzugehören.  Dann  gebort  hierher  das  Sanitätspersonal  der  Etappen- 
lazarethe,  dasjenige  der  im  Auäcblusse  an  die  Etappenlaz&rethe  «rricht^n  Leioht- 
kraakflnsammelatellan ,  das  dea  LaiaretlireMrvedepoCs  (eine»  bei  jeder  Elappen- 
inspection),  da?  der  Krankentransportcommissiou  der  Etappeninspection  und  endlich 
da^enige  der  Sauit.ttszüge  (I.azareth-  oder  llilfslazarethzfifre  i  und  Krankcuzüge. 

Beim  Besatz uugsheere  betiodet  sich  au  Sanitätspersonal  beim  stellver- 
tretenden Oeneraleommando  ein  stellvertretender  Oeneralarzt,  der  den  8anitlt8> 
dienst  uacb  den  Friedensbestimmungen  leitet,  die  Festlings-,  Heserve  .  V'oreinslaza- 
reth«;  und  Privatpflegestätten  beaufsichtigt,  sowie  Ausbildung  und  Nachschub  von 
Sauitätsmannschaften  überwacht.  Unter  ihm  steht  das  Personal  der  genannten 
HeUanetalten ;  anch  verwendet  er  die  etwa  verftiglichen  chirurgiseben  Oonsnlenten 
Ihr  grossere  Lazarethe. 

Die  freiwillige  Krankenpfle^'e  wird  im  Felde  von  einem  k.  k.  Commis-iSr 
geleitet.  Horselbo  sendet  nach  den  Hestimmungeu  des  Generalinspecteura  des 
Etappen-  uud  Eiseubabuwusens  den  Etappeninspectioaen ,  ausserdem  auch  im 
Bedarftfalle  gewissen  Feldsanitfltsformationen  and  den  einielnen  dentsehen  Staaten 
und  Provinzen  Dclegirte  zu.  Das  Pflegepersonal  der  freiwilligen  Krankenpflege 
bethiltigt  sich  bei  der  Krankenvertheilung  aus  dem  Etappengebiete  nach  den 
Keservelazaretheu  und  bei  der  l^ege  der  Kranken  in  den  Reserve-,  Etappen-, 
Krieg»>  und  erforderlieben&Ils  Fddlasaretbea.  Aneb  kann  ibm  die  Herstelinng 
und  Unterbaltnng  eines  eigenen  Lazarethiuges,  selbst  der  Anschlnsn  einer  eigenen 
Tran^wrtcolimiie  an  ein  Sanitlitsdetachcmcnt  ausnahmsweise  bewilüfit  werden. 

B  e  u  r  t  h  c  i  1  u  ng:  Der  I  mlaug,  der  für  den  Frieden  und  Krieg  etats* 
mässigen  deutschen  Militärärzte,  1  Arzt  auf  250  Mann  des  Heeres,  ist  zur  Zeit 
als  genflgend  zu  eraebten.  Ob  er  die  Ansprflebe  kflnftiger  FeldsOge  de^en  wird, 
lfl8.st  sich  zur  Zeit  nicht  übersehen  und  rau<s  dt  r  Entscheidung  der  Zukunft 
überlassen  bleiben.  Das  Sanitiltsunterpersonal  bedarf  der  Vernichrung ,  wenn  von 
demselben ,  wie  us  meines  Erachtens  zweckmilssig  ist ,  die  Sanitätsverpfleguugs- 
beamten,  die  Pbannaoenten,  das  Anftiebtspersonal,  die  Krankenträger,  die  Ordon- 
nanien ,  die  Burschen  der  Saoitätsofßciere  uud  die  Lazarethwachmaunscliaflen 
zugleich  niitzustellen  sind.  Das  wOnscbenswerthe  Verb&ltnisa  dieses  Personales  tnni 
Heere  stellt  sich  dann  wie  1  :  f^O. 

Erg&nsnng  des  Militlrsanitfttspersonales. 

Die  Erg.'lnzung  des  MiliUtesanitätsper.sonales .  die  den  SolHiestand  des 
letzteren  trotz  der  Abfritnsre  auf  seiner  Hohe  in  <|uantitativer  und  qualitativer  Be- 
ziehung erlialten  soll,  ist  lür  da«»  SaoitUtspersonal  insofern  ein  lebenswichtiger 
Vorgang,  als  nicbt  nur  seine  Vollaablf  sondern  aneh  seine  Beaebaffenbeit  und 
LeistungsHlhigkcit  und  somit  8«ne  Ebranstellung  von  der  Art  der  Ergtnsnng 
unbedingt  abhängig  bleibt. 

Für  das  deutsche  Ileeressanitätsporsonal  erfolgt  die  Ergänzung  thuils  durch 
Attsbebung  (Krankenwärter),  tbeils  dnrcb  Einjiihrig-FreiwiUige  (Aercte),  tbeils  dureb 
militirisch  ausgebildete  Mannsehaften  der  Truppen  Krankenwärter,  Lazaretb- 
gebüfen  unil  Krank«-ntr:i<.'er  .  tbeils  cndlieb  dureb  Capitulationsverträge  (gediente 
Lasaretbgehilfen  umi  Krankenwiirter  . 

Die  Aerzte  ergänzen  sich  nicht  wie  die  Offieiere  dnrcb  sogenannte  OfBeiers* 
aepiranten,  sondern  tbeils  durch  fertig  ausgebildete  2U%linge  einer  miiitärme^eini- 
sclien  Erziehungsanstalt,  theils  durch  einjflhrig-frriwillige  approbirte  Mediciner, 
naebdeiu  Leide  ("lassen  von  Medicinern  vor  ihrem  Eintritte  in  das  Sanitätscorps 
6  Muuate  bei  einer  Truppe  mit  Erfolg  militärisch  ausgebildet  worden  sind. 


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MILITÄBSANlTÄTSPEBäONAL. 


505 


Der  einjSbrig-freiwillige  Arzt  ist  derjenige  militardienstpflichiige  und  appro- 
birte  Arzt,  der  im  Begriffe  ist,  seiner  militärischen  Dienstpflicht  als  Arzt  zu 
geoflgen.  Will  ein  Arzt  oder  Medicinstudireuder  nicht  aU  Arzt  dienen,  so  darf 
er  ein  ganzee  lehr  mit  der  Waffe  dienen ,  wie  jeder  «ndere  zum  einjfibrig-frei- 
wÜligen  Dienst  Berechtigte. 

Die  Dienstpflicht  der  Mediciner,  die  als  Aerzto  in  das  5>anitatscorps  auf- 
günommen  zu  werden  wflnschen,  gestaltet  »ich  darnach  wie  folgt :  Diese  Mediciner 
werden  wthrend  der  1.  Bälfte  ihrer  einjährigen  Dienstzeit  zum  Dienst  mit  der 
Wnffe  herangesogvn. 

Die  Anmeldung  zu  diesem  einbalbjahrigen  WflfTendicnst  bei  irgend  einer 
Truppe  erfolgt  fttr  Aerzte  und  l'niversitätsstudirende  nach  den  allgemeinen  He- 
stiuimuugeu  über  die  VVehrptiicbt.  Die  Medieiner,  die  sich  für  die  Marine  melden, 
werden  %nm  Dienst  mit  der  Waffe  in  ein  Seebataillon  oder  in  eine  der  Matrosen» 
artülerieabtheiluugen  eingestellt. 

Die  rniversitiltastudirenden  dürfen  ihrer  Waffendienstpflieht  in  jftdem 
beliebigen  Semester  ihres  Studiums  genügen,  während  die  Studirenden  der  militär- 
inttKelimi  Mldungsanrtdten  Dir  das  erste  8<MniDenwaie«ter  des  Stndinms  hAßh 
halbjährig»  Ausbildung  mit  der  Waffe  dem  Qeneraleommando  des  Gardeeorps 
überwiesen  werdc'u. 

Nach  dieser  Dienstzeit  erhalten  diejenigen  Mediciner  (Aerzte ,  Anstalts- 
zöglinge oder  Studenten),  die  nach  Führung,  Diensteignnng ,  Charakter  und  Ge- 
sinnung ffir  würdig,  sowie  nadi  dem  Grade  der  erworbenen  Dirastkenntnisse  für 
geeignet  erachtet  werden ,  dereinst  die  Stellung  militftrischor  Vorgesetzter  im 
Sanitätsdienste  zu  bekleiden,  vom  militärischen  Vorgesetzten  hierüber  ein  Dienst- 
zeugniss,  das  zugleich  als  Fuhrungszeugniss  gilt  und  deshalb  die  etwa  erlitteneu 
sehwereren  BestraAingen  enthalten  muss. 

Wer  dieses  Dienstzeugniss  beizubringen  nicht  im  Stande  ist,  wird  zum 
Dienst  als  ein i:lbri<r-freiwilliger  (Unter-)  Arzt  nicht  zugela'isen,  sondern  muss  sogleich 
die  übrigen  6  Monate  seiner  activen  Dienstzeit  mit  der  Waffe  weiter  dieneu. 
Studirende  der  militftriiztUehen  Bildnngsanstalten  können  in  solchen  Fällen  aus  der 
Anstalt  entlassen  werden. 

Ajtjinibirtc  Aerzte,  die  erst  als  soleho  ein  Halbjahr  mit  der  Waffe  gedient 
und  das  Dieiistzeuorniss  erlangt  haben ,  dürfen  ihre  sechsmonatige  Dienstzeit  als 
Arzt  unmittelbar  an  den  beendeteu  Waffendienst  anschlicssen. 

Stadirende  der  militKrintliehen  Bildnngsanstalten,  die  das  Dienstseugniss 
erworben  haben,  werden  naeh  Beendigung  ihrer  Studien  behufs  Ableistung  des 
zweiten  Theilee  ihrer  allgemeinen  Cder  einjährigen)  Dienstpflicht  als  Unterärzte 
bei  der  Truppe  angestellt.  An  die  Ableistung  dieser  ihrer  allgemeiueu  Dieustptlicht 
sehliesst  sieh  die  besondere  fOr  die  genossene  Ausbildung.  Diese  besondere  Dienst- 
pflicht besteht  darin,  dass  die  Zöglinge  des  medicinisch-chirurgischen  Friedrioh- 
Wilhelnis-Institii'cs  doppelt  so  lan:re,  als  sie  diese  Anstalt  besucht,  activ  zw  dienen 
habeu,  während  sich  diese  Dicust  iauer  für  diejenigen,  die  daselbst  (an  der  Akademie) 
nur  freien  Unterricht  genossen  haben,  auf  die  Hälfte  Terrlugert.  Das  als  Eiujäbrig- 
Freiwilliger  abgeleistete  Dienstjahr  kommt  hierbei  snr  Anreehnuug.  Wer  vor 
Erfüllung  des  2.  Semesters  aus  beregter  Anstalt  wieder  ausscheidet,  llbemimmt 
keine  besondere  active  Dienstptlieht. 

Universitätsstudireode,  die  das  Dienstzeugniss  erlangt  habeu,  dürfen  deu 
noeh  Übrigen  seehsmooatigen  Dienst  als  Arst  nieht  sogleieh  fortsetzen,  sondern 
müssen  vorher  die  Approbation  als  Arzt  erlangt  haben. 

Behufs  Krlaiiir  ing-  der  ärztliclien  Approbation  werden  Universitätsstudirende 
nach  einhalbjähriger  Dienstzeit  mit  der  Waffe  und  Erwerbung  des  Dienstzeugnisses 
von  ihrem  Truppeueommandeur  „unter  Vorbehalt"  (d.  b.  unter  Vorbehalt  der  Ab- 
leistung des  Restes  der  aetiven  Dienstpflicht)  als  „Lazaretbgebilfen  der  Reserve*' 
mittelst  Milit.'lrpa*s("^  und  Ueberweisnnirsnationales  dem  Rezirkseonimando.  in  dessen 
Bezirke  sie  ibreu  Aufenthalt  nehmen,  und  bei  welchen  sich  die  Entlasäeueu  inuer- 


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506 


II  ILITÄ  RSANIT  ATSPERS  UN  A  L. 


halb  14  Tag:en  nach  der  Entlassung  anEumelden  haben,  zur  Aufnahme  in  die 
CoDtrole  Überwiesen  und  somit  zur  Reserve  des  Sanitätscorps  beurlaubt. 

Die  fo  EDtlanenen  mflneo  den  Beat  ihrer  eetiven  Dieaatpflieht  splteetens 
im  letzten  Halbjehre  ihrer  ZagehOrigkeit  ram  stehenden  Heere  oder  iiir  stehemdeii 
Merine  ableisten. 

Sie  haben  daher  bis  spätestens  Monate  vor  Ablauf  ihrer  Zugehörigkeit 
zum  stebeoden  Heere  oder  zur  stehenden  Marine  —  das  ist  bis  1.  Juli ,  sofern 
die  Dienstpflicht  Im!  der  FrfllJalirBoontrolversuinilnng  endete  oder  hin  1.  Jinner, 

sofern  die  Dienstpflicht  bei  der  Herbstcontrolversammlung  ihr  Ende  erreicht  —  sieh  bei 
ihrer  Controlstelle  zum  Wiedereintritt  zu  melden.  Antrüge  auf  Fristverlängerung 
dürfen  unter  der  Bedingung  entsprechender  Verlängerung  der  Dienstpflicht  im 
stehenden  Heere  oder  in  der  stehenden  Marine  nnd  in  der  Landwelir  oder  Seewehr 
1.  Aufgebotes  ausnahmsweise  höheren  Ortes  genehmigt  werden. 

Au«  Rücksicht  auf  das  Studium  dürfen  die  im  5.  und  0.  Semester  bcfind- 
licheu,  „unter  Vorbehalt*^  entlassenen  Mediciner  auf  ihren  Antrag  für  den  Mobil- 
nachangsfall  bis  snr  Beendigung  ihres  6.  Semesters  hinter  die  letzte  Jahresolasse 
der  Landwehr  oder  Seewehr  2.  Anfgebotes  surllekgestellt  werden.  Solehe  Antrigi» 
werden,  niHrfMchend  begTÜndct ,  unter  Bcifd^uii^r  lies  Dienstzcufniij*se«  und  der 
Universitittszeu^nisse  auf  dem  ^aiiitiitsinstanzenwcfrü  (durch  das  liezirkscomniando) 
zum  1.  Juni  und  1.  l)ecea:ber  jeden  Jahres  dem  t'orpsarzte  oder  Generalärzte 
der  Marine  vorgelegt,  der  dieselben  gegebenenfalls  genehmigt.  Die  verfügte  Znrflek- 
stellung  wird  »n  die  MilitärpAasc  und  Ucbcrwcisungsnationale  eingetragen  und 
bleibt  auch  beim  Verziehen  in  andere  Land  wehr  bezirke  in  Kraft,  sofern  die  Fort- 
setzung der  Studien  nachgewiesen  wird. 

Nach  Beendigung  dea  6.  Semesten  ihrer  Studien  dürfen  die  als  Lasareth» 
gehilfen  uuter  Vorbehalt  entlassenen  Mediciner  durch  Vermittlung  des  B«Eirks^ 
cfiminaiuLis,  in  dessen  Controlc  «ic  stellen.  hv\  dem  Corpsarzte  oder  Generalärzte 
der  Marine  unter  Einreichung  einir  fie/ii-liobeu  Hescheinigung  der  Universität 
beantragen,  für  den  Mobilmachungätall  in  stellen  von  Unterärzten  verwendet  su 
werden.  Im  Oraehmignngsfalte  werden  sie  nunmehr  in  den  Landwehr^  oder  See- 
wehrstammrollen und  Standesnaehweisen  vorbehaltlioh  ihrer  Sjiftteren  Ernennung 
als  Unterärzte  {leffihrt. 

Unterlassen  unter  Vorbehalt  entlassene  Mediciner  —  sei  es,  dass  sie  die 
Prüfungen  niebt  bestanden,  oder  das  Studium  der  Mediem  aufgegeben  haben  ete.  — 
sieh  nadi  ihrem  Au>stande  bis  zum  festgesetsten  Termin  zum  Wiedereintritt  zu 
melden,  so  werden  sie  (inr<'li  das  rk'/irksc(.mmando  zum  Pieiist  mit  der  Waffe, 
für  das  am  1.  October  uder  am  1.  April  beginnende  letzte  Halbjahr  ihrer  Za* 
gehörigkeit  zum  stehenden  Heere  oder  zur  stehenden  Marine,  einem  selbstgewftblten 
TruppeutheU  oder  demjenigen  Seebataillon  oder  deijaiigen  Matrooenartillerieab- 
theilung,  der  sie  im  1.  Halbjahre  ihre  r  Dienstzeit  angehört  hatten,  oder  auch  dem 
nächsten  Truppentheiie  ihrer  Waffe  Uberwiesen,  um  nach  halbjftbrigem  Dienste 
Beurlaubte  dieser  Waffe  zu  werden. 

Haben  unter  Vorbehalt  entlassene  Hedleiner  wifarend  ihres  Ausstandes 
die  ilrzllicbe  Approbation  erlangt,  und  wollen  sie  nunmehr  als  Aerzte  dienen,  so 
bezeichnen  sie  bei  ihrer  Melduni:  der  Landwelirlx  liörde  unter  Vorb'L'nnir  des  Militär- 
passes  und  des  Dienstzeuguisses  dasjenige  Armeecorps,  bei  dem  sie  einzutreten 
wünschen,  worauf  das  Besirkseommando  die  CeberwelsuDg  an  den  zustftndigen 
Corpsarzt  veranlagst,  der  demnlchst  die  Ueberweisnngslbte  zurllekseudet. 

Sodann  melden  >-ie  sich  zur  Fin^telliinu'  als  Aer/.ff  bei  dem  Corpsarzte 
«ie-i  L'ew.thlten  Armeecorps  oder  dem  (ieneraiarzt  der  Mariiir  unter  Vorle^'unir  des 
ApprubatiousÄcheiue.H  (oder  einer  Abschrift)  und  des  Dienstzeuguisses.  Sie  haben 
zwar  uieht  die  freie  Wahl  der  Garnison  und  des  Truppentheils ,  es  werden  jedooh 
die  Wnnsclie  betreft's  der  Garnison  besonders  detiieriii.'en  ^'ceenüber  mOgliehst 
bcrUcksielitiirf,  die  auf  Hefr»rderung  zu  dienen  bealjsiehtiireii.  Werden  sie  aus<«er- 
halb  der  Garaisuu  ihrer  Wahl   zugleich  zur  Vertretung  fehlender  Aasistenzärzte 


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MILITARäANlTATSPERS*  )N  A  L. 


507 


eiogt'stellt  oder  verwendet.  80  wird  ihnen  unterärztliches  Gehalt  gewährt.  Bei  der 
Marine  werden  sie  zum  Dieost  als  Unterärzte  in  eine  der  MatrosendivisioaeD 
eingeätellt 

Behufs  Eintrittes  in  den  aetben  Dienst  melden  sie  sieh  bei  der  Land- 

Wehrbehörde  ab  und  bei  dem  nächst  vorgesetzten  Tmppenante  und  den  Trnmwn- 
tbeile  an  —  beides  unter  Vorlegung  des  MilitiirpasaeB. 

Nach  VoIleudu|ig  ihrer  activen  Dienstzeit  treten  sie  als  Unterärzte  in  den 
Benrlaabtenstand  über  nnd  erhalten  bei  der  Entlassm^  an«  dem  aotlven  Militir- 
dienste  vom  Corpaarzte  oder  Generalarzt  der  Marine  Militärpass,  FUhrungs-  und 
Bcfähigungszeugnlss.  Letzteres  liisat  sich  darüber  aus,  ob  die  Unterärzte  während 
ihrer  iJienatzeit  zur  Betürderung  im  Sanitätscorps  sich  geeignet  gezeigt  haben. 

Wollen  freiwilltge  Unterärzte  anf  BefSrderong  im  Sanitatseorps  dienen, 
so  dürfen  sie  schon  nach  den  ersten  4  Wochen  ihrer  Dienstzeit  vom  Corpsarzte 
zur  Anst(lliin<r  als  (wirkliehe)  Unterärzte  des  artiven  DitMiststandes  vorgescblafjen 
werden.  Da  ihnen  durch  eine  sulche  Anstellung  Anspruch  auf  die  GebUhrnisse 
ihrer  Stellung  erwiohst,  so  haben  sie,  bevor  ihre  endgiltige  Anstellung  erfolgt, 
sieh  in  einem*  Gapitnlationsprotokoll  xu  verpflIditeD,  nnaier  ihrer  «llgemdnen  Dienst* 
pdidit  noch  mindestens  1  Jahr  als  Acrzte  im  stehenden  Heere  (activ)  /u  dienen. 

Die  ernannten  l'uterärzte  den  aetivcn  Dii  nststaudes,  die  nun  (Iberall  ver- 
wendet werden  können,  wo  Bedarf  ist,  diirteu  nach  dreimonatiger  Dienstleistung 
bei  der  Truppe  auf  Antrag  des  rangJlltesten  flrstliehen  Vorgesettten  —  das  ist 
des  Regimentsarztes,  oder  (bei  selbständigen  Bataillonen)  des  fiataillonsarztes,  oder 
(bei  der  Marine)  des  ältesten  Oberarztes  des  MarinetbciN  —  und  nach  einfjeholter 
schriftlicher  Genehmigung  des  C'ommandeurs  des  Truppeutbeils,  durch  den  zustän- 
digen Divisionsarst  oder  Hartneiiatiottsmt  nr  Widil  snm  AsdstminVBie  vor- 
geschlagen  werden,  wenn  sie  vom  Commandeur  nnd  dem  flrstliehen  Vorgesetsten  fdr 
geeignet  zur  BetVirdcT'.inn:  erachtet  werden. 

Zur  (Jrundlage  für  die  Beiirtheilung  der  Würdijrkeit  der  zu  Wählenden 
dient  neben  der  Erklärung  des  Truppeueommandeurs  ein  Zeugnis^  des  Regiments- 
arstes,  das  sich  daliin  nusllsit,  dass  die  Vorgeschlagenen  sowohl  ihrer  Fflbrung 
und  Diensfapplication ,  als  auch  ihrer ,  den  Ansichten  der  Standesgenossen  ent- 
sprechenden moralischen  Eigenschaften  halber  zur  Beförderung  pfiichtmässtg 
empfohlen  werden. 

Hit  Bffllhignngszeugniss  versehene  Unterinte  des  Beurlaubtenstmides 

können  das  für  die  Wahl  zum  Assistenzarzte  erforderliche  oberärztliche  Zeugniss 
durch  eine  sech-u  r.cliifre  Dien^tleistiinfr  als  Unterärzte  mit  Geb(ihriiissen  bei  einem 
Truppentheile  oder  einem  Mariuet heile  an  Land  erwerben.  Das  Nöthige  beantragen 
sie  dureh  die  Landwehrbehörde. 

Den  „mit  Befflhigungszengnissen  versehenen  Unterärzten"  (Sanitfttsoffieiers- 
aspiranteni  steht  bei  ihrer  Bcurlaiibuufj  zur  Keserve  die  Wahl  df<  Continj^entes 
frei,  in  dem  sie  zum  Snnilätfiofticier  vnrfreschlaü'en  zu  werden  wünschen.  Das  Be- 
fähiguugszeuguiss  hat  nur  tUr  denjenigen  Bundesstaat  mit  eigener  Militärverwaltung 
Oiltigkeit,  zn  dem  das  Bezirkseommando  gehört,  in  dessen  Controle  der  Aspirant 
naeh  seiner  Entlassung  aus  dem  netiven  Dienste  sich  begiebt.  £ine  später  etwa 
gewflnsehte  Ueberweisuni,'  zu  einem  anderen  lUindescontingente  —  sei  dies  auch 
dasjenige  Contingent,  wo  ursprünglich  das  Befiibigungszeugniss  erworben  worden 
war  —  erfolgt  unter  Wegfall  der  Eigenschaft  als  SnnitAtsofiieiersaspirant.  Die 
Wiedererlangung  dieser  Eigensehnft  ist  von  dem  Ergebniss  einer  besonderen  aeht- 
wflehigen  Uebung  a1)liänfrifr. 

Unterärzten  der  Landwehr  wird  vor  ihrer  UehcrfUhrung  zur  Landwehr 
2.  Aufgebotes  und  vor  Aufforderung  zu  ihrem  scbriftlichcD  Einverstflndnisse  mit 
der  Beförderung  zum  Sanitätsoffieier  eröffnet,  dass  BefiJrderungen  von  Offieters* 
aspiranten  der  Landwehr  2.  Aufgebotes  im  Frieden  grandi^fitzlieh  nicht  erfolgen, 
nnd  dass  mit  ErDenminj.'  zum  Landwehroflicier  stets  der  Eintritt  in  die  jUogste 
Jabresclasse  der  Landwehr  1.  Aufgebotes  verbunden  ist. 


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508 


MILrrÄRSANiTATärEBäÜNAL. 


Saoitatsofficiere  des  Beurlaubtenstandes  bleiben  stets  im  Beorlaabteostande 
desjenigen  Bundesstaates,  von  dessen  Contingentsherrn  sie  zu  Sanitfttsofficieren 
befördert  worden  sind.  Beim  Verziehen  nach  anderen  Bundesstaaten  mit  eigener 
lOlitIrTerwaltaiip  oder  b«tiB  Tertiehen  iii's  Aiuhmd  wird  die  Controle  dnreh  die 
Vemiittliing  eines  Bezirkscommandos  des  eigenen  Contingents  eus°;efibt. 

Die  Versetzung  der  Sanitltsoftleicrp  von  der  Reserve  zur  Landwehr  erfolgt 
durch  den  Bezirkscommandeur  nach  den  Grundsätzen,  die  tülr  die  Dauer  der  Dienst- 
pflieht  gelten.  Wer  freiwillig  in  der  Reserve  zu  bleiben  wflnaeht,  meldet  dies  dem 
Bezirkscommendo.  Nur  wenn  der  Corpearst  damit  dnverstenden  ist,  unterbleibt 
die  UeberfOfarang  zur  Landwehr. 

Die  Versetzung  der  Sanitätsofficiero  von  der  Landwehr  1.  Aufgebotes  zur 
Landwehr  2.  Aufgebotes  erfolgt  unter  Voraussetzung  erfüllter  Dieustptliebt  auf 
eigenen  Antrag,  oder  wenn  das  Oienittnteresse  es  gebietet;  Jedoeh  in  beiden  nur 
zu  den  gesetzlioh  Toigeeehriebenen  Zeitpunkten  durch  VeifOgung  der  Besirks- 
conunandeure. 

Rdckversetzung  von  SanitiUsofliciereu  der  Landwehr  2.  Aufgebotes  in  das 
1.  Aufgebot  unterliegt  der  Genehmigung  der  bih^ten  SaDitttsinstans. 

UeberfUhrung  von  Sanitätsofßcieren  des  Beurlanbtenstandes  zum  Landsturm 
findet  nur  auf  (irnml  Allerh^^chster  Genehmigung  der  von  ihnen  einzureichenden 
Abschiedsgesuche  oder  bezüglicher  Anträge  der  vorgesetzten  Behörden  statt. 

VerabscbieduDg  der  Sanitfltsofßciere  des  Beurlaubtenstaudes  wird  duroh 
den  Berirkseommandeur  mittelst  GesmdiUste  beantragt,  die  dureb  die  hifdiste 
Sanltitdnstanz  behufs  Allerhöchster  Entscheidung  zur  Vorlage  gebracht  wird. 

Anträge  auf  Entlassung  aus  der  Staatsangehörigkeit  dürfen  Sanit&tsofiieiere 
des  Beurlaubtenstaudes  vor  ihrem  Abschiedsgesuche  nicht  steilen. 

^anitltsofiBdere  der  Reserve  und  der  Landwehr  1.  Au^botes  bedOrfeu 
sor  Auswanderung  der  Erlaubniss,  solche  der  Landwehr  2.  Aufgebotes  haben  eine 
lievorstehende  Auswanderung  dem  Bezirkscommando  anzuzeigen.  Werden  dieselben 
wegen  Unterlassung  der  Anzeige  rechtskräftig  verurtheilt,  wird  ihre  Entlassung 
aus  jedem  HilHarverhlltniss  beantragt. 

Die  Dienstpflicht  der  Mediciner,  die  nicht  als  Aente,  sondern  ganx  mit 
der  WaflI'e  dienen  oder  gedient  haben,  ist  folgende: 

Auf  Mediciner,  die  ganz  mit  der  WaÜe  dienen  wollen  ,  finden  die  allge- 
meinen Bestimmungen  für  Einjährig-Freiwillige  Anwendung.  In  der  Marine  dürfen 
sie  bei  der  Harindufanterie  oder  bei  der  Matrosenartillerie  ihrer  Dienstpfliebt  genügen. 

Erlangen  Mediciner,  die  dem  Sanitätscorps  nicht  angehören,  erst  im  Be- 
urlaubtenstande die  Approbation,  so  haben  sie  der  Lnndwehrbehörde,  in  deren  Controle 
sie  stehen,  hiervon  behufs  Ergänzung  der  Li&tcn  uuverzUglich  Meldung  zu  machen. 

Solehe  approbtrte  Mediebier  dürfen  jedereeit  dureh  ihre  Landwehrbehörde 
ilire  Ernennung  zu  Unterärzten  des  Beurlaubte tist  indes  beantragen.  Ob  solchen 
Anträgen  stattzugeben,  riehtet  sich  weseutlieli  naeh  den  Zeugnissen,  die  sle  während 
ihres  einjährigen  Dienstes  mit  der  Watfo  erworben  haben. 

Gehören  solche  Mediciner  dem  Beuriaubtcnstande  als  Officiere  an  and 
wflnsehen  sie  Uebertritt  In  das  Sanitlteeorps,  so  sind  sie  der  Wahl  tum  Asrislens- 
arzte  nicht  unterworfen  und  bedürfen  sie  also  auch  eines  oberflrztlichen  Zeugnisses 
nieht.  riimittelbar  naeh  dem  ''von  ihnen  beim  Bezirkscommando  beruilragteu !  l  eber- 
tritte  müssen  sie  jedoch  in  einem  vou  dem  betretVenden  Corpsarzte  zu  bestimmenden 
Lssarethe  mehrere  Woehen  Dienst  leisten. 

Im  Mobilmaohungsfalle  sind  die  Medieiner  folgenden  Bestimmungen 
unterworfen : 

Bei  eintretender  Mobilmachung  werden  alle  wehrpilichtigeu  Mediciner  nach 
Massgabe  des  Bedarfes  zum  Sanitätsdienste  herangezogen. 

Medicinstudirende,  die  noeh  nieht,  auch  nicht  mit  der  Waffe  gedient  und 
Ausstand  zum  Dienstantritte  haben .  melden  sieh  im  Mobilmachungsfalle  äOgleich 
bei  der  Ert^utzcommission,  in  deren  Bezirke  sie  gestellungsptlichtig  sind. 


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HIUTÄRSAMlTÄTSPfiBSONAL. 


d09 


Haben  aia  noch  nicht  6  Semester  stndirt,  so  werden  sie  vorläufig  von 
der  Aushebung  zurückgestellt.  Haben  sie  6  Semester  studirt ,  so  sind  sie  ohne 
weiteres  ausserterminlich  zu  mustern,  bei  vorhandener  Tauglichkeit  sogleich  ein- 
zuberufen und  nach  Anordnung  des  betreflfenden  Geoeralcommandos  einem 
InfaoterieerMittroppMitlidle  dee  Armeeoorp«  sor  Ansbildaag  su  ttbenretaeo.  Ihre 
weitere  Verwendung  im  Sanititadienst  hingt  vom  Bedarfe  und  Tom  Orade  ihr«r 
Befähigung  ab. 

Demselben  Ersatztruppeuthelle  werden  die  Mediciner  der  firsatzreserve 
ttberwiesen.  Wenn  sie  im  Krtogssanitfttsdienst  Verwendung  gefiinden  haben,  und 

ihre  Dienstleistung  eine  bestimmte  Zeit  Qberdauert,  treten  sie  zur  Reserve  oder 
Laudwebr  des  Sanitfttscorps  fiber ,  und  Bwar  in  der  Kogel  Aerato  als  Unterinte 
und  Studirende  als  LazarethgehiU'en. 

Die  nur  Verwendnng  als  Militibrirste  bettimraten  Personen  des  inaetiTen 
Standet,  sowie  die  auf  Dauer  des  Krieges  zum  AwiwiUigen  Eintritt  sieh  meldenden 
Oivilirzte  werden  durch  die  Corpsärzte  unmittelbar  einberufen. 

Die  Wehrpflicht  der  A  p  o  t  h  e  k  e  r  ist  mit  folgenden  Bestimmunfren  frere^'-elt : 

Zum  Dienst  als  einjährig-freiwillige  Militärapotheker  werden  nur  solche 
snm  einjihrig^freiwHligen  Dienst  bereebtigte  jnnge  Lente  angelassen,  die  naeb 
erlangter  Approbation  als  Apotheker  ihrer  activen  Dienstpflicht  intder  Apotheke 
eines  Militärlazareths  oder  im  hrfrienisch-chemischen  Laboratorium  des  Friedrich- 
Wilhelms-Instituts  genügen  woUeu  6,  21  H.  0.;  pag.  348  d.  F.  ä.  U.j  Best. 
T.  19.  Min  1899  im  A.-Y.-Blatt,  1892,  pag.  65). 

Das  Gesuch  um  Einstellung  ist  an  das  Sanitiitsamt  zn  rlohten.  Die  Ein- 
stellung erfol<rt,  naehdem  die  Untersuchung  auf  Tangliebkeit  snm  Dienste  ohne 
Waffe  stattgefunden  hat  (pag.  348  d.  F.  S.  0.). 

Der  Dieosteintritt  kann,  wenn  Stellen  frei  sind,  jederzeit  erfolgen;  doch 
wird  mOglkAst  am  1.  April  vnd  1.  Ootober  flBr  die  Einstollmg  festgshslten,  nnd 
darauf  thunlichst  geachtet,  dass  die  Einstellung  mehrerer  Apotheker  bei  demselbea 
Lazareth  ete.  nicht  gleichzeitig  erfolgt  (§.  94  W.  0. ;  §.  19-'  G.  0. ;  pag.  349  F.  S.  0.). 

i^ehufs  Darlegung  der  Befähigung  zum  Oberapotheker  hat  sich  der  einjährig- 
freiwillige  Militirapotbeker  in  der  lotsten  Woebe  seiner  aeliveu  Dienstzeit  einer 
mündlichen  Prüfung  sn  unterwerfen.  Wer  diese  besteht,  tritt  als  Untorapotheker 
io  die  Reserve  Uber,  zu  welchem  er  diesfalls  vom  Corpsarzt  ernannt  wird  (§§.  17% 
21,  36"  H.  0. ;  pag.  352,  F.  S.  0.). 

Der  Corpsant  ist  bereehtigt,  die  Bmeonung  znm  Qnterapotbeker  m  rer« 
sagen,  wenn  bestimmte  Tbatsaehen  die  Würdigkeit  des  Betreflbnden  beiweifeln  lassen 
(pag.  352  F.  S.  0.). 

Wer  die  Prüfung  nicht  besteht,  wird  als  Militärapotheker  zur  Reserve 
beurlaubt.  Er  kann  sich  nach  Verlauf  von  mindestens  einem  halben  Jahre  bei  dem 
Sanititsamte,  in  dessen Bedrk  sein  Wohnort  liegt,  zur  Wiederholnng der  Prflfnng 
im  Gamisonsorte  des  Sanitätsamtes  melden  (§.  Se^"  H.  0.;  pag.  352  F.  S.  0.). 

Die  Entla-iBungspapiere  (Militärpass ,  FUhrungszeugniss)  der  einjährig- 
freiwilligen Militärapotheker  fertigt  der  Corpsarzt  aus  (§.  17'  *  H.  0. ;  pag.  352 

d.  p.  s.  0.). 

Uiiteraijotheker ,  die  2  Jahre  im  Benrlaubtenstande  vorwurfsfrei  gedient 
haben  und  ihre  Beförderung  beim  Bezirkseommando  beantragen,  können  auf  Vor- 
schlag des  Corpsarztes  durch  das  Kriegsministerium  zu  Oberapothekern  des  Be- 
urlanbtenstandes  befördert  werden  (§.  36*<>  H.  0. ;  pag.  352  F.  S.  0.). 

Die  Beleihnng  eines  Untsrapothekers  mit  einer  etatsmisrigen  Feldapotbeker- 
Stelle  bat  die  Beförderung  desselben  zum  Oberapotheker  zur  Folge  (t?.  36'°  H.  0.). 

Die  zur  Verwendung  al3  Feldupotheker  bestimmten  Personen  des  inactiven 
Standes  werden  im  Mobilmachungsfalle  durch  den  Corpsarzt  unmittelbar  einberufen 
(§.  48*  H.  0.). 

Die  VerabsebieduDg  der  Oberapotbeker  des  Benrianbteostmides  ist  bdm 
Kriegsministerium  zu  beantragen  (pag.  352,  F.  S.  0.). 


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610 


MILITÄBSANITÄTSPEBSONAL. 


Die  Er^äDznog  der  Laiarethgehilfen  (der  Sanitätsanterofßciere  und 
der  SanitAts^ofrL'iten ,  wio  man  iptif  militärischer  bezeichnen  könnte)  geschieht 
nicht  durch  Beförderung  aus  dena  Stande  der  Krankenwflrter ,  Saoititsgemeinen, 
'Wie  man  vermathen  kftnnte,  sondern  lediglich  durch  Uehertritt  von  Mannsehaftea 
des  DieDBtetandes.  Diese  Mannedbaflen  soUim  sidi  in  dw  Regel  freiwillig  snm 
Sanitätsdienst  melden  und  bereits  ein  Jahr  mit  der  WaftV  gedient  haben.  Melden 
sich  keine  freiwillig,  so  werden  v<im  Truppenlhcile  Mnnnsrliaften  befehligt.  Die 
Mannschaften  miläsen  körperlich  und  geistig  für  den  äanitätsdienst  geeignet,  von 
guter  Fflhnng  Bein  nnd  dürfen  noeh  nieht  mit  Arrest  bestraft  sein.  Es  ist  nieht 
erforderlieli,  daes  sie  derjenigen  G(wipagnle  ete.  angehören,  bei  der  eine  Stelle 
offen  ist. 

Der  Oberarzt  des  Truppentheils  hat  mit  den  Leuten,  die  sich  melden, 
ebe  Prüfung  darflber  ansnstellen,  ob  sie  nach  ihrer  Sehulbildung  nnd  ihrem  Be- 
griffsvennögen  befElhigt  erscheinen,  al»  Lazarethgehilfen  ausgebildet  au  werden.  An 
Vorbildung  ist  (Tfordorlich,  dass  die  Leute  deutsche  und  lateinische  Dnickschrift 
und  deutliche  Handschriften  tiiessend  lesen  können  ,  dass  sie  selbst  eine  leidliehe 
Handschritt  haben,  nach  Vorsprechen  einigcrmassen  richtig  schreiben  und  mit  den 
▼ier  einfaehen  Reehnnngsarten  reebnen  können.  Ist  dies  nidit  üve  Fall«  so  sind 
vom  Tmppenthdl  andere  geeignete  Mannschaften  zu  bestimmen. 

Zur  Deckung  etwaigen  Mangels  an  Lazarethgehilfen  des  Beurlaubtenstandes 
können  Mannschaften,  die  sich  mindestens  ein  Jahr  bei  der  Truppe  banden,  zur 
Ausbildung  als  LasarethgehOfen  Uber  den  Etat  befehligt  werden.  Diese  wwden 
naeh  ihrer  Ausbildung  nieht  in  den  Frontdienst  snrflekgestellt,  sondern  alsUnter- 
lasaretbgehilfen  zum  Sanitatspersonal  der  Keserve  entlassen. 

Die  zur  Ausbildung  in  abzuhaltenden  (Jursen  befehligten  Mannschaften 
heissen  „LazarethgehilfenschUler^'.  Solche,  deren  Ausbildung  sich  als  unn)öglich 
erweist,  oder  solehe,  die  sfeh  sebleeht  ftthren  oder  Strafen  erlitten  haben,  die  ihre 
Beförderung  unthunlich  machen,  sind  in  den  Fh)ntdienst  aurflekznstellen  nnd  werden 
sogleich  durch  andere  ersetzt. 

Weiterhin  vollzieht  sich  die  Ergänzung  der  LazarclhgehiUen  durch  Capitu- 
iationen  gedienter  Laaaretbgehilfen.  Die  Zahl  der  sniftssigen  Oapitnlanteu  betrigt 
600  0  •  joch  ist  den  CorpsSrsten  Überlassen  ,  in  dienstlichem  Interesse  die  Ueber- 
schreitung  dieses  Procentsatzes  zu  genehmijren.  Oberlazarethgehilfen ,  mit  denen 
nach  I2jahriger  Dienstzeit  ein  Capitulatiunsvertrag  nicht  mehr  abzuschliessen  ist, 
und  «nf  den  bestimmnngsmissigen  Prooentsats  der  Gapitnianten  in  Anreebnnng  an 
bringen,  ebenso  die  als  ReehnungsfBhrer  befehligten  Lazarethgehilfen. 

Die  Ergänzunir  der  Krankenwärter,  die  als  solche  nicht  bei  der 
Truppe,  sondern  in  den  Lnx.arethen  Dienst  leisten,  erIVdgt  s  »,  dass  entweier  eine 
Anzahl  (die  zur  Zeit  in  den  Armeecorps  zwischen  34  und  4'.)  schwankt;  Militärpflichtiger 
jährlieh  znm  Dienst  als  KrankenuHrter  ausgehoben,  oder  von  der  Infanterie  ans 
den  Mannsebaften  des  1.  Diens^abres  gestellt  werden.  Die  Einstellung  geschieht  für 
Lazarethe  mit  mehreren  Wilrtern  am  I.April  und  1.  Oetober  je  zur  Hüllte  der  verfflg- 
lichen  ^Vflrter.  Bei  unvorhergesehenem  Abgang  an  Wärtern  werden  Mannschaften 
der  Infanterie  zu  jeder  Zeit  nnd  unabhängig  vom  Grade  ihrer  Waffenausbildung 
den  Lazarethen  als  Wärter  flberwieBen.  Ueberdies  können  von  den  vorhandenen 
W.'irtern  alljährlich  im  Armrecfirps  l?'»"  zur  C'apitnlatinn  zii-relasseti  werden.  Die 
active  Dienstzeit  beträgt  fitr  alle  Wärter,  mögen  sie  ausgehoben  sein  oder  erst 
später  als  solche  eingestellt  worden  sein,  im  Ganzen  2  Jahre,  und  nur  ausnahms- 
weise darf  sebon  naeh  1  Jahre  Beurlaubung  zur  Reserve  stattfinden.  Die  Kranken* 
wftrter  der  Marine  ergänzen  sich  aus  ausgebildeten  Mannschaften  des  Seebataillons 
und  der  Matrosenartilterie.  die  1  Jahr  mit  der  Waffe  gedient  haben,  wenn  erforder- 
lich auch  aus  ausgebobenen  Manuschuften. 

Beurtheilnng.  Wenn  in  eine  Beurtheilnog  der  ErgSnsungsbestim- 
mungen  für  das  deutsehe  Hilitirsanltltspersonal  «Angetreten  werden  soll,  so  kann 
der  Unbefangene  niebt  verkennen,  dass  es  der  neueren  Gesetzgebung  darum  an 


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ltILlTÄBäANITÄTSP£RSONAL. 


511 


tiltui  gewesen,  nicht  nur  fertige,  sondern  auch  möglichst  tDchtige  Aerzte  zu  ge- 
winnen, diesen  durch  militftrigche  Schulung  das  Heimntsrecht  im  Heere  zu  ermög- 
lichen und  sie  in  weiterer  Folge  zu  V'orgesetzten  derjenigen  zu  stempeln,  flUr  deren 
Geeuiiilidt  und  Waffeofthigkdt  sie  mit  verantwortUoh  sind. 

Diesen  Fortschritten  gegenüber  stehen  einige  Mängel,  die  der  jetzigen 
Ergänzungsweise  anhafiten  und  der  Beesitignng  bedürfen.  Die  wichtigeren 
sind  folgende: 

1.  Während  sich  im  Allgemeinen  die  sum  Einjährig- Freiwilligendienst 
Berechtigten  mit  dem  Eintritte  ihrer  Wehrpflicht  eine  Truppe  wählen  dOrfen,  die 

ihrer  Neigung  am  meisten  entspricht,  ist  es  den  Studenten  der  Medicin  und  den 
Gymnasiasten,  die  Medicin  zu  studiren  gedenken,  als  solchen,  und  anderen  dem 
Sanitätsberui'e  zugcneigtou  gebildeten  Leuten  nicht  gestattet ,  unmittelbar  in  das 
Sanitätseorps  als  Einjährig-Freiwillige  einzutreten. 

2.  Das  Sanitätscorps  muss  auf  die  Einstellung  Dreijährig-Freiwilliger  und 
auf  die  Annahme  von  Satiitfltsnfliciersaspirnnten  in  der  Weise,  wie  es  für  die 
Truppen  durchgeführt  ist,  verzichten  und  sieht  sich  damit  zweier  anerkannt  werth- 
volier  Ergänzuogsquellen  heranbt. 

3.  Obschon  die  militärlsehe  Sehnlnng  des  Sanitätseorps  zweifellos  noth- 
wendiir  ist,  ist  die  jetzijje  zer-itreute  Art  dieser  Schulung  bei  allen  denkbaren 
Waftenfrattiinjcen  praktisrh  von  untergeordneter  Bedeutung;  sie  ist  ZU  wenig  ein- 
heitlich und  übersieht  die  Bedürfnisse  des  Sanitätsdienstes. 

4.  Es  muss  die  Bestimmung,  das«  Officiere  des  Beurlaubtenstandes,  falls 
sie  ihrem  Civilberufe  nach  Aerzte  sind ,  gegen  ihren  Willen  gezwungen  werden, 
im  Bedarfsfalle  (zn  Kriegszeiten  i  zu  sanitären  Dienstlei'^tuno^en  sich  verwenden  zu 
lassen,  dem  i:)auitätäcurps  eine  Schaar  unzufriedener  Elemente  zuführen  —  um  so 
mehr,  als  der  Uebertritt  ans  den  OfBderon  der  Waib  su  den  Sanltttsoffieieren 
nadi  den  jetzigen  Roehtsunterschieden  beider  OfBctenelassen  mit  einer  Verminderung 
der  persönlichen  iNetue  verkTifljjft  i^t. 

Die  Mittel  der  (ie.setzgebung ,  von  welchen  ich  mir  eine  Erhöhung  der 
Vortheile  und  eine  Verminderung  der  Nachtheiie  in  der  Ergänzung  des  Sanitftts- 
offieierseorps  versprechen  mOehte,  sbd  folgende: 

1.  L'nter  Anwendung  der  bestehenden  allgemeinen  Militärgesetzgebung 
auf  das  Sanitiltseorps  jrestatte  man  jungen  Leuten  jeden  Berufes  den  freiwilligen 
Eintritt  in  das  Sauiiatäcurpä  bis  zu  einer  etatsmäasig  festgesetzten  Höchstzahl. 

2.  Die  Freiwilligen  des  Sanitätseorps  seien  theils  Sanitätsoffieiersaspiranten, 
theÜB  Einjährig-  oder  Dreijährig- Freiwillige  Sanitätssoldaten. 

H.  Wer  als  Sanitätsoftieiersaspirant  in  das  Sanit.ltscorps  eintreten  will, 
muss  mindestens  das  lieifezeuguiss  eines  Gymnasiums  (oder  Kealgymnasiumäj  bei- 
bringen und  erhält  beim  Eintritte  den  Rang  eines  charakterisirten  PorteptofUinrichs. 

4.  Nach  sechsmonatiger  ProbediensUeistnng  werden  die  nach  Qesinnung 
und  Ijeistunir  ;^eeiirrieten  Sanitätsoffieiersaspiranten  zur  Erlangung  des  von  der 
ärztlichen  Approbation  HltbänfriiTcn  S;initätsoffieierKputentes  zn  einem  vierjährigen 
Curse  an  eine  deutsche  militärmedicinische  Akademie  (in  Berlin)  befehligt.  Hier 
werden  sie  nach  bestandener  ärztlicher  Vorprflfhng  su  wirkliehen  Fähnrichen  ernannt. 

5.  Einjährig -Freiwillige  Sanitätssoldaten  erhalten  wie  die  Sanitätsoffieiers- 
aspiranten .  jedoch  ein  Jahr  lang .  fortlaufend  eine  militärische ,  eine  sanitär- 
adminiätrutive  und  eiuo  rein  sanitäre  Ausbildung  und  werden  nach  erfüllter  activer 
Dienstpflicht  geeigneten  Falles  als  SanitätsunterofBeiere  in  die  Reserve  entlassen. 

6.  Studiren  diese  Unterofficiere  weiterhin  in  der  Reserve  Medicin  und 
haben  sie  die  ärztliehe  Vorprüfung  (l'hysicumi  bestanden,  oder  studiren  sie  Phar- 
mscie  und  haben  sie  die  pharmaceutische  Approbation  erlangt,  oder  bilden  sie 
sich  im  Verwaltungsfache  aus  und  bestehen  sie  eine  der  höheren  (noch  naher 
m  bestiflUBenden)  Verwaltnngsprtfungen ,  so  dflrfeD  sie  in  ^ner  «ehtwOeUgen 
militärsanitären  üebung  ihre  Eignung  zn  Sanitätaviecfeldwebeln  darthun  und 
hierauf  ihre  Ernennung  zu  solchen  erwarten. 


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IUUTABiSAlIITÄTSP£RSONAL. 


7.  Mediciner,  die  Sanititsvieefeldwebel  der  Reserre  siod,  dürfen  nadi 
ihrer  Ärztlichen  Approbation  in  einer  zweiten  achtw(»ehipren  Uebnnj;  ihre 
EigouDg  zu  ReserveaanitAtsoffioierea  aacbweisea  und  ihre  Wahl  und  Ernenaun^ 
ra  soklien  erwarten. 

8.  Der  Ucbcrtritt  von  Sanitfitsofficieren  oder  Sanitätsoberbeamten  der 
Reserve  in  das  active  Sanitiitscorps  ist  unter  den  nUgemeinen  fOr  die  Truppen 
bestehenden  Bedingungen  zulässig. 

Die  jetzige  Ergänzung  des  Sanititsnnterperaoniles  zeigt  folgende 
Sehattenseiten : 

1.  Durch  drn  Umstand,  dass  die  Lazarethgehilfen  und  Krankenwärter 
ebenso  wie  das  militiirischt'  Aufsichtsperaonale  der  Lazarethe ,  die  Krankonträger, 
die  Ordonnanzen  im  Öanitatsdienäte,  die  Burschen  der  8anitätsofüciere  und  die 
Lasarethwaehmannsdiaften  aus  den  Leuten  der  Waffe  gestellt  werden,  werden  der 
Truppe  Jahr  aus  Jahr  ein  waflentUchtige  Leute  entzogen,  während  sich  zu  allen 
mittelbart'n  und  unmittelbaren  Sanititsdienstverrichtunjren  schon  (bedingt  taugliche) 
Leute  eignen,  die  mit  allen  Eigenschaften  eines  waffenfähigen  Mannes  nicht  aus- 
gestattet SU  flsin  bfaneben. 

2.  Dieser  Verlust  ist  für  die  Waffen  um  so  empfindlicher,  als  jetst  uur 
sittlich  und  geistig  befähigte  Leute  in  das  Sanitat^cdrps  tibertreten  dürfen,  w.thrend 
eine  Ergänzung  auf  breiterer  Grundlage  auch  dem  weniger  Begabtt  n  seinen  Plats 
(z.  B.  als  Krankenträger,  Officiersbursche,  Wachposten  etc.)  anwcitieu  würde. 

8.  Da  der  Sanitfttsdienst  zur  Zeit  nur  erinrobte  Leute  haben  will,  die 
Truppen  aber  für  den  WatTendienst  solebe  Leute  lieber  behalten  wollen,  so  besteht 
dauernd  ein  WiderKtreit  der  Interessen,  der  mit  der  ndnderwerthigen  Eirgiunng 
des  Sanitätscorps  zu  enden  ptlegt. 

4.  Da  die  in  das  Sanititseorpa  Eintretenden  bis  au  einem  Jahre  mit  der 
W* äffe  gedient  haben  müssen,  so  bleibt  von  ihrer  aetiven  Dienstzeit  zu  wenig  Zeit 
flbrig,  um  sie  in  allen  Zweigen  des  Sanitätsdienstes  gehörig  durchzubilden. 

5.  Da  die  Lazarethgehilfen  nur  bis  zum  Sergeanten  befördert  werden 
können  und  die  Oberbeamtenstellen  im  Sanitätsdienste  ihnen  als  solche  verschloflsen 
bleiben,  und  da  die  Krankenwärter,  so  vorzflglieh  rie  aueh  sein  mdgen,  ttberhaupt 
nicht  aufsteigen  kOnnen,  so  fühlen  eich  die  Leute  ihren  Waffenkameraden  gegen- 
über bcnachtheiligt  —  ein  L'nistand,  der  besonders  befähigte  Leute  vom  Sanitita* 
Corps  fernhält  und  die  Ergänzung  desselben  erschwert. 

Alle  diese  Naehtiiwle  wdrden  dnreh  die  Annahme  folgender  Erglnsung»' 
vorsehllge  beseitigt  werden: 

1.  Das  Sanitätsunterpersonale  ergiinzt  sieh  durch  die  jährliche  Aushebung 
einer  bestimmten  Zahl  bedingt  tauglicher  Leute  und  durch  die  Annahme  Frei- 
williger seitens  des  Sanititseorpa  in  «dner  dem  Bedarfe  entapreehendra  HOehstsahl. 

2.  Beide  Gruppen  von  Ersatzmannschaften  werden  unmittelbar  in  die 
Garnisonsla/arethe  eingestellt,  wo  «6  miUtSriseh  uud  in  allen  Zweigen  des  Sanitlta- 
dienstes  ausgebildet  werden. 

3.  Minderwertbige  Leute,  die  sich  als  betürduruugäuufuhig  erweisen, 
bleiben  Sanitfttasoldaten  und  werden  cur  niederen  Kraakenpfiege  (als  Eraaken- 
wirter  oder  als  Krankenträger  im  Felde),  sowie  zum  Ordonnanc-  und  Wachdienst 
in  Laaarethen  otc.  und  als  Burschen  von  Sanitiitsnfticieren  verwendet. 

4.  Mit  gutem  Erfolge  ausgebildete  und  zur  Betlirderung  geeignete  Leute 
werden  Saaitittgefreite  und  SanititaunterofBeiere  und  als  letstere  tbeils  im  Sani- 
tätsdienste der  Truppe,  theils  im  Ansbildungs-,  Aufseht rdienste ,  Oekonomie-  und 
SchreihilieiHte  des  Lazarcths  verwendet.  In  diesen  Dienstaweigen  können  sie  bis 
zum  Sanität^sergeanteu  aufsteigen. 

5.  Die  bewährtesten  Sanitätssergeanten  des  Lazareths  rücken  in  offene 
Stellen  von  Sanitttsfeldwebeln,  mit  denen  alle  LaiarethreehnungsfUhrertteUeii,  die 
es  giebt,  zu  besetzen  sind,  auf  und  haben  nach  der  Ablcgung  einer  Verwaltungs- 
prttfung  Anwartschaft  auf  die  Ernennung  zu  Oberbeamten  (Lazarethinapeetoien  eto.). 


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MILrPÄBSAMITÄTSPERSONAL. 


613 


Beehtsstellnng  des  MilitlirtAnititsperaottalei. 

Die  dentadbeii  MiUtlrlrste,  LaseretbgehilAit  und  Erankenwftrter,  die 
1873  in  mehrere  „SanitätaeoriM*^  vereinigt  sind,  gehören  nicht  zum  Beamten- 

Stande,  sondern  zu  den  Personen  des  Soldatonstandes.  Innerhalb  eines  Sanitäts- 
eorps  bilden  die  im  Officiersrange  stehenden  Aerzte  das  Sanitätaufticierdcorps,  das 
in  Beinen  Rechten  und  Pflichten  neben  dem  Officiersoorps  des  Heinrea  und  der 
Marine  steht 

Der  Rang  der  Sanit.'ltaoffieiere  ist  für  den  Oeneralstabsiirzt  der  des 
Generalmajors,  für  die  Generalärzte  I.  Cl.  der  des  Obersten,  für  die  General- 
ärzte II.  Ci.  der  des  Oberstlieutenants,  für  die  Oberstabsärzte  I.  Cl.  der  des 
Majors,  für  die  Oberstabelnte  n.  Gl.  imd  Stabsinste  der  des  Hmpkmaims,  Ittr 
die  Assistenzärzte  I.  Cl.  der  d^  Ptemierlientenaiits  und  für  die  Aaristensinte 
iL  Cl.  der  de^i  Secoudelientenants. 

Höhere  Rangstufen  ptlegen  dem  Generalstabsärzte  und  den  ältesten 
QeneraUnten  I.  Gl.  persOnlieh  verliehen  zu  werden. 

Die  Unterärzte  und  einjährig-freiwilligen  Aerzte  haben  den  Rang  von 
Porteep^eunterofncieren,  die  Oberlazaretligehilfeu  den  des  Sergeauts,  die  Lazareth- 
gebilfeu  den  des  Unterofficiers ;  Unterlazarethgeliilfen  (^Gefreite),  Lazarethgehilfen- 
schQler  und  Krankenwärter  sind  Gemeine. 

Die  SanitttsofBeiere  sind  Torgesetcte  der  Uateroffieiere  nnd  Soldaten, 
sowie  in  Lazarethen  Vorgesetzte  des  Beamten-  und  Wartepersonalea.  Wird  ein 
Unterarzt  in  unmittelbare  dieustiiehe  Beziehung  zu  den  vorgenannten  Militärpersonen 
gesetzt,  so  tritt  auch  er  zu  denselben  in  ein  Vorgesetztenvorhältniss ;  doch  ist 
hiermit  eine  Unterstellonfr  ^fif  Feldwebel,  Vieefeldwebel  und  Porteöp^eOhnriehe 
unter  die  Unterärzte  uiebt  beabsichtigt. 

Den  Sanitätsofficieren  gebühren,  sobald  sie  in  Uniform  erscheinen  —  und 
dies  müssen  sie  stets  im  Dienste,  während  sie  sich  ausser  dem  Dienste  derCivU- 
kleidnng  bedienen  dürfen,  um  in  der  Ansflbnng  der  OinfpraiiB  weniger  besehrlnkt 
zu  sein  — ,  von  einzelnen  Mannsehafteu,  Posten  und  deren  Ablösungen,  dieselben 
iiiilitJtrisrhen  E  h  r  en  b  e  z  e  u  gti  n  g  e  n  Wieden  Officieren  des  entsprechenden  Ranges. 
Unterärzte  und  einjährig-freiwillige  Aerzte  sind  als  Unterofficiore ,  welche  das 
Seitengewehr  der  Ofiiciere  tragen ,  von  allen  übrigen  Uuterofiiciereu  beim  Be- 
gegnen militlriseb  su  begrflasen,  aber  aueh  xam  H<mnear  des  FrontmaelMna  gegen* 
Aber  ihren  militflrlselien  Vorgesetsten  verpfliditet  (Armee  -  Verordnungsblatt, 
1885,  Nr.  3). 

Ferner  werden  den  Sanitätsofticieren  iSoldateu  aus  Reih  und  Glied  als 
Bvrsehen  gestellt,  und  swar  den  rrghnentirten  Sanltltsoffieleren  seitens  ihres 
Trnppentheiles  und  den  nieht  regimentirten,  z.  B.  den  Corps-  und  Gamiaonslrsten, 

seitens  des  Garnisonscommandos ;  die.so  Burschen  sind  nach  dem  Ermasscn  der 
Compaguie  insoweit  zum  Dienste  heranzuziehen,  als  es  zu  ihrer  Ausbildung  erfor- 
derlich ist.  Dagegen  sind  die  Burschen  der  im  Offieiersrange  stehenden,  sowie  der 
dienstlieh  berittenen  und  der  nieht  regimentirten,  beziehungsweise  von  ihren 
Truppontheilcn  abcommandirten  Sanitätsofiiciere  der  niedrigen  Chargen  vollständig 
dienstfrei:  dies  schliesst  jedoch  nicht  aus,  dass  diese  Mannschaften  in  grösseren 
Garnisuueu  monatlich  einmal  zu  einem  Löhnung$appell  auf  längstens  2  Stunden 
henageiogen  werden. 

Ein  weiteres,  den  älteren  Sanitätsofticieren  des  aetl?en  Dienststandes  zu* 
kommendes  Recht  ist  das,  dass  dieselben  nach  25j.'thriger  vorwurfsfreier  Dienstseit 
zur  Verleihung  des  Dienstkreuzes  in  Vorschlag  zu  bringen  sind. 

Ferner  steht  den  Militlrirztai  in  bestimmten  Grenzen  das  Reeht  der 
Benrlavbang  Untergebener  zu.  Die  einschlagenden  Bestimmungen  sind  folgende: 

Sämnitlielie  Milifflr.lrzte  aller  Grade  kiinnen  nur  mit  Genehmigung  ihrer 
Militärvorgesetzten  beurlaubt  werden.  Diese  Genehmigung  zur  Nacbsuchung  eines 
Urlaubes  haben  die  Militärärzte  bei  dem  nächsten  militärischen  Vorgesetzten  ein- 
snholon.  IHeser  kann  bei  grosserer  Entfernung  dee  militirlrztliehen  Voigesetiten 
XiMfolop«  JalirMkiliar.  III.  33 


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514 


HIUTÄfiSANITÄTSPEßSONAL. 


und  in  dringenden  Fallen  dem  untergebenen  Militlrante  auch  den  Antritt  des 
nachg'esuchten  Urlaubes  auf  eigene  Verantwortung  gestatteu.  Auch  darf  der 
milit&rische  Vorgesetzte  einen  Urlaub  von  Tagen  bewilligen,  wenn  der  nächste 
uiUtlxinUkthe  Torfewtete  aiebt  mm  Orte  deh  bdlndet,  und  erhalt  der  Torgesetste 
Militiraist  in  dieeem  Falle  nur  Meldung  vom  Antritte  des  Urlaubes  (Armee-Ver- 
ordnangrsblatt  1P79,  pag.  22f)l.  Andernfalls  aber  sind  die  Urlaubsgesuche  an  den 
nächsten  militärärztlicben  Vorgesetzteu  zu  riebtea  uud  haben  die  Anfjabc  zu  ent- 
halten, dass  der  nächste  Militärvorgesetzte  (höhere  Vorgesetzte  kummeu  hierbei 
nicht  in  Betracht,  Amiee*Verordniingebl.  1877,  Nr.  9,  Bdlage)  iMln  Bedenken 
gegen  das  Gesuch  erhoben  habe;  bei  uberen  Militärärzten  aneh  ^e  Anzeige ,  in 
welcher  Weise  sie  für  ihre  Vertretung  gesorgt  haben. 

Beztlglich  der  Urlaubsdauer  setzen  die  Urlaubsbestimmungen  vom  23.  Octo- 
ber  1879  (Armee-Verordnnngsbl.  1879,  Nr.  24)  Folgendet  fest: 

Saoitätsofiiciere  (mit  Ausnahme  derjenigen  des  Kiiegwnmisterinma),  üntar- 
Ante  und  einjährig  frei  will  ifre  Aerzte  erhalten  Urlaub: 

vom  Generalstabsarzte  der  Armee  bis  8  Monate; 

von  dem  Corpsgeneralarzte,  beziehungsweise  dem  Subdirector  de»  Friedrieh- 
Wilhelma-Institntee  bis  an  1  Monat; 

von  dem  nächst  vorgesetzten  Oberstabsarzte,  beziehungsweise  wenn  der 
vorgesetzte  Stabsarzt  einem  Kegimentsarzte  niobt  untersteht,  von  dieeem  Stabsarste 
bis  zu  14  J  agen ; 

von  einem  detaeUrten  Stabsarste  bis  xu  8  Tagen. 

Den  Chefinten  in  den  Friedenslazarethen  ist  eine  Mitwirkung  bei  der 
Urlaubscrthcilung  an  Obormilitilrärzte,  auch  wenn  letztere  als  ordinirende  Aerzte 
im  Lazarethe  Dienst  leisten,  nicht  beigelegt,  und  ist  deshalb  für  die  ordinirendea 
Aerste  m  einer  beabsichtigten  Benriaubnng  das  Torherige  Einverstindniss  des  Chef* 
arates  nachzusuchen  nicht  erforderlich.  Es  ist  aber  Sache  desjenigen  Regiments-  ete, 
Arztes,  welchem  das  Urlaubsrecht  zusteht,  die  Urlaubsertheilun^  nur  dann  ein- 
treten zu  lasseu ,  wenn  er  sich  pflichtmilssig ,  uud  zwar  unter  Umständen  auch 
durch  eine  vorherige  H Ucksprache  mit  dem  Chefarzte,  die  Ueberzeugung  verschafft 
hat,  dass  der  IMcnst  des  zu  beurlaabenden  Arztes  nach  jeder  Richtung  hin»  »Iso 
auch  im  Lazarethe,  sidiragestellt  ist  (Armee- Verordnangsbl.  1877,  Nr.  6,  Bei- 
lage, pag.  4). 

Sanitätsofliciere  des  Kriegsministeriums  werden  nach  den  für  Officiere 
des  letzteren  geltenden  Bestimmvngen  beurlaubt. 

Oesuche  um  längeren  Urlaub,  als  nach  dem  Vorausgehenden  bewilligt 
werden  darf  oder  mittelst  welcher  eine  (Iber  das  Reglement  hinausgehende  Ge- 
währung von  Gebuhrnissen  erbeten  wird,  unterliegen  der  Allerh(k:bsten  Entscheidung. 

Während  der  Kriegsformation  ist  die  Benrlnnbung  von  Sanitätsofßcieren, 
Beamten  und  Mannschaften,  sofern  dieselben  nicht  zur  Wiederherstellung  der 
Gesundheit  unbedingt  nothwendig  wird,  im  Allgemeinen  nicht  zulässig'.  Indessen 
sind  die  commandirendcn  Generale,  der  Generalinspector  des  Etappen-  und  Eisen- 
bahnwesens uud  die  Commandeure  selbständiger  Divisionen  ermächtigt,  in  einzelnen, 
dringenden  Fällen  und  zu  gelegener  Zdt  (z.  B.  wllirend  einer  lingeren  Waflfen- 
rulie)  Beurlaubungen  von  kurzer  Dauer  eintreten  zu  lassen,  sowie  auch  zu  gestatten, 
dass  die  ihnen  untergebenen  licfclilshaber  innerhalb  bestimmter,  durch  die  com- 
mandirenden  Generale  etc.  festzusetzender  Grenzen  Urlaub  ertheilen  (§.  17  der 
KriegesanitltMndnung). 

Commandirte  Militärärzte  suchen  einen  Urlaub,  weldier  die  Dauer  des 
Commandos  nicht  ftberschreit^t ,  bei  denjenigen  Vorgesetzten  nsehy  welchem  sie 
durch  das  ComniHndo  unterstellt  sind. 

In  ein  Lazaretb  commandirte  Mannschaften,  einschliesslich  der  Lazareth» 
gehilfen,  werden  von  den  militlrisehen  Vorgesetzten  nach  Zustimmung  des  Olief* 
erstes  beurUnl>t.  Befindet  sich  der  nächste,  zur  Beurlaubung  befugte  militärische 
Vorgesetete  nicht  am  Orte,  so  dttrfen  CheCärzte  in  dringenden  Fällen  den  Antritt 


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HILlTiRSANITATSPBltSONAL. 


515 


Urlaubes  gestatten.  Die  Genehmigung  des  militäriscbeo  Vorgesetzten  musa 
in  Mloben  ftlüen  naebtrilgUeh  herbe  igcfahrt  wvrden,  weno  d«r  angetretene  Ürfanb  die 
Daner  von  3  Tagen  abenebreitet  (Ärmee-Verordnnngsbl.  1879,  pog.  228  und  229). 
Die  Beurlaubung  nicht  commandirter  Lazarethgehilfen  erfolgt  ebenfalls  durch  die 
militÄrischen  Vorf^esetzten  mit  Einverstündniss  der  militär.lrzllichen  V^orgeietzten. 

Militärkrankenwärter  werden  von  ihren  ärztlichen  Vorgesetzten«  und  zwar 
▼om  Chefonte  bis  zn  14  Tagen,  vom  Corpsarzte  bis  zu  1  Monat  nnd  vom  General- 
stabsärzte bis  zn  3  Monaten  beurlaubt  Commandirte  Krankenw.irter  stieben  einen 
Urlaub  bei  denjenigen  Sanit.ttsofficieren  nach,  denen  sie  durch  das  Curamando 
unterstellt  sind.  Zu  Civilbehörden  commandirte  suchen  nach  Zustimmung  dieser 
Beb5rden  bei  dem  Chefärzte  nm  Urinnb  naeh;  befindet  sich  letzterer  niebt  an 
demselben  Orte,  so  ist  das  besllgUeh  der  Lazaretbgehilfen  Gesagte  in  gtoehem 
Sinne  niaR<<gebend. 

£in  Recht,  weiche»  den  Of^ciersrang  des  Inhabers  zur  Voraussetzung  hat, 
jedoch  nur  mit  bestimmten  Dienststellungen  verbunden  ist,  bildet  das  Strafrecht. 
In  dieser  Beziehung  ist  es  Grandsats,  dass  das  letztere  gegenflber  dem  Sanitats- 
personale  von  den  militärischen  und  niilitär.lrztlichen  Vorgesetzten  ausgeübt  wird, 
80  zwar,  dass  in  dem  Bereiche  der  ärztlichen  Be-<trafung  die  gegen  die  Autorität 
der  ärztlichen  Vorgesetzten  und  die  Kraukendienstvorschriiton  begangenen  Ver> 
stösse  fallen. 

Mit  dieser  Diftciplinarstrafgewalt  sind  ausgestattet  der  Generalstabsarzt, 
die  Generalärzte,  die  rcldlazarethdirectoren.  die  Üivisions-  und  Marine-Stationsärzte, 
die  Chefärzte  und  die  ersten  Stabsärzte  des  Sanität^dutaebemunts.  Unterworfen  sind 
dieser  Strafgewalt  ausser  allen  Aerzten  die  Zöglinge  der  militlrirstGohen  Bildungs- 
anstalten,  Lazaretbgehilfen,  militärischen  Krankenwärter  und  Lazaretbbeamte,  ausser- 
dem derjenigen  der  Feldchefärzte  die  fdr  den  Lazarethdienst  beHtimmfen  nnd  die 
kranken  Untcrofficiere  und  Gemeine  46,  GO,  102,  108,  133  und  145  der 
Kriegssanitätsordnung). 

Behnft  Anfreehterbaltnng  der  Diseiplin  in  ihrem  Dienstbereiehe  ist  dem 
Generalstabsärzte  der  Armee  die  Discipliuarstrafgewalt  eines  Divisionscommandeurs, 
den  Corps-  und  dem  Subdirector  des  medicinisch-chirurgischcn  Friedrich  Wilhelm- 
Institutes  diejenige  eines  Kegimentscommandeurs,  den  Divisionsärzten  und  den  Mariue- 
StstionSIrzten  diejenige  eines  nicht  selbstindigen  Bataillonscommandenrs,  den  Chef- 
Irzten  der  Friedenslazaretbe  diejenige  eines  nicht detachirten  Compagniechefs beigelegt. 

Im  Felde  ist  der  nipf  des  Feldsanitätswesens  der  directe  Vorgesetzte  des 
gesammten  Sanitätspersonales  auf  dem  Kriegsschauplatze  und  hat  Uber  dasselbe 
die  DisdpUnarbefiigiuas  eines  Divirionseommandenm  19  der  Kricgssuitätsord- 
nvng).  Der  zn  jedem  Armeeoberoommando  gehörige  Armoegeneralarzt  ist  der 
directe  Vorgesetzte  des  Arineesanitätspersonales  und  hat  (Iber  dasselbe  die  Straf- 
befugniss  eine«  Brigadeeommandeurs  (§.  20  der  KriegssaniUltsorduuugj ;  ihm  unter- 
steben unter  Anderem  auch  die  consultirendeu  Chirurgeu  (§.  22  der  Kriegasanitäts- 
ordnnng).  Der  Chefarzt  des  Feldlazarethes  hat  niebt  nur  tlbw  seine  Aerzte,  Ltszareth- 
gehilfen,  Mflitärkrankenwärter  und  Beamten,  wie  der  Chefarzt  des  Oaniisons- 
lazarethey«,  sondern  auch  über  die  fdr  den  Dienst  bei  dem  Lazareth  bestimmtun  und 
über  die  in  demselben  betindlicben  kranken  Unterofliciere  und  Gemeinen  die  Straf- 
gewalt eines  niebt  detaehirten  Compagniechefs  ( §.  60  der  Kriegssanititsordnnng).  Die- 
selbe Strafgewalt  dt  s  t  rsten  Stabsarztes  eines  Sanitätsdetacheiiicnts  erstreckt  sich  nur 
auf  die  Aerzte,  den  Feldapotheker,  die  Lazarethgehilfen  und  die  Militärkrankenwärter 
des  Detachements  (§.  46  der  Kriegssanitätsordnung).  Der  Feldlazarethdirector  jedes 
Armeeeorps  ist  in  dem  ihm  von  seinem  Etappengeneralarzt  zugewiesenen  Dienst* 
bezirke  der  directe  Vorgesetzte  der  Aerzte,  Beamten  und  des  anderen  Sanitits- 
personales  und  bat  die  Disciplinaratrafbefugniss  eines  Divisionsarztes  (§.  102  der 
Kriegssanitätsordnung''.  Den  Chefärzten  der  ..stclu-nden  Kriegslazarethe"  geht  die 
Strafgewalt  Uber  die  im  Lazareth  bulindlichen  kruuken  Uuterofticioro  und  Gemeinen 
•b  (§.108  der  Kriegssanitttsordnnng). 

33* 


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ölt) 


MILITABSAMITATäFKBäONAL. 


Ueber  das  zu  einer  Krankentransportoommission  gehörige  Personal  hat 
der  Chefarzt  die  Strafgewalt  eines  Feldlazarethchet'arztes  i  i?.  1;{S  der  Kricgasanitäts- 
ordnungj.  Auf  einem  Lazaretbzuge  hat  der  Chefarzt  Uber  das  ärztliche  Personal, 
die  LuMrattig«hUfen,  Hflittrknuikeiiirlrtw  und  die  ftr  den  Dienst  bei  dem 
Lazarethzuge  bestimmten  üntefoffideve  und  Gemeinen  die  Strafgewalt  eines  nicht 
dctachirten  Compagniechefs ;  gegen  das  im  Vertrags  Verhältnisse  befindliche  Lazareth- 
zugpersonal  steht  ihm  im  Falle  der  Widersetzlichkeit  oder  grober  Pflichtverletsun^ 
das  Redit  sofortiger  GntlaasuDg  sn  (§.  145  der  KriegBsawItttsoidnmig). 

Wie  gross  das  Strafmass  der  mit  Strafgewalt  aosgestatteCen  Dienststellen 
ist.  wird  ans  den  einschhigenden  Gesetzen  und  Verordnungen  gonligend  ersichtlich, 
und  möge  deshalb  nur  beispielsweise  die  Kennzeichnung  der  chefarztlichen  Straf- 
gewalt schliesslich  kurz  Erwähnung  finden.  I>er  Chefarzt  ist  berechtigt 

1.  gegen  SanitiUaoffieiere:  Za  dnfiMdu»  nnd  Annliehen  Yerwdsea  (f.  8 
der  Diseiplinarstrafordnung). 

2.  Gegen  Oberbeamte: 

a)  Zu  Warnungen  und  einfachen  Verweisen  (§.  12  der  Diseiplinarstrafordnung)} 
h)  SV  Geidbnssen  bis  9  Harle  (§.  87  der  Diseiptmarstrafordniing,  §.  11  der  Be- 
stbnmnngen,  betreffend  Einführung  der  Chefärzte,      123  des  Reiehsbeanten- 
gesctzes  vom  31.  M.irz  1873,  §.  60  der  Kiiegsaanititsordnaog) ; 
c)  zu  vorl.liifiger  Amtssuspensiun. 

3.  Gegen  Unterärzte  (§§.  3  und  4  der  Diseiplinarstrafordnung): 
a)  Zu  dnfaehen,  Ärmlichen  und  strengen  Verweiseii; 

h)  zu  Aufpflegung  gewisser  Dien  st  Verrichtungen  ausser  der  Reihe; 
c)  SU  Kasernen-,  Quartier-  oder  gelinden  Arrest  bis  zu  8  Tagen. 

4.  Gegen  Untermilitärbeamte,  z.  B.  Pharmaceuteu,  Civilkrankenwärter  etc. 
(§.  44  des  Militlrstra^eeetoes  und  §.  83  der  DiseiplinantcBfordmuig} :  Zn  ein- 
fadien  Verweisen  und  zu  den  in  Punkt  3c  erwähnten  Strafen. 

5.  Gegen  Oberlazarethgehilfen  und  Lazarethgehilfen :  SU  (aosser  den  im 
Punkt  3  erwähnten  Strafen)  Mittelarrest  bis  zu  5  Tagen. 

6.  Gegen  Unterlasarethgehilfen,  Lasarethgehilfensdillter  nnd  Krankenwlrter  . 
(§i;.  3  und  9  der  Diseiplinarstrafordnung,  Armee-Terordnnngsbl.  1876,  pag.  77): 

a)  Zur  Auferlegung  gewisser  Dienj>tverrichtungen  ausser  der  Reihe  '  Strafwaehen 
bis  2mal,  ätrafarbeiten  bi8  4mal.  Erscheinen  zum  Rapport  oder  Appell  bis  6mal) ; 
h)  Entziehung  der  freien  Verfügung  über  Löhnung  bis  zu  4  Wochen; 
e)  Auferlegung  der  Bflekkeihr  sn  bestimmter  Zmt  in  die  Wobnung  bis  4  Woeben ; 
a)  Kasernen-,  Quartier-  oder  gelinden  Arrest  bis  sn  8  Tagen ; 
9)  mittlerer  Arrest  bis  zu  5  Tagen; 
j)  Strenger  Arrest  bis  zu  3  Tagen. 

Den  Militärtrsten  ist  die  Tfaeilnahme  der  am  25.  Mai  1887  (in  Preussen)  ein> 
geführten  ärztlichen  Standesvertretuog  gestattet  (veigl.  Armee-Verordnungsbl.  1887, 
Nr.  27).  Nur  ist  die  Annahme  einer  Wahl  von  Sanitätsofficieren  de?<  Friedens- 
standes zur  Aerztekammer  von  der  einzuholenden  Erlaubniss  des  zuständigen  Vor- 
gesetzten abhängig,  und  unterliegen  die  Militärärzte  des  Frledensstandes  den 
DisdpImarbefngniBsen  des  Vorstandes  der  Aerstekammwn  nieht. 

Zu  den  bedingten  Rechten  des  Sanitfltscorjis  gehOrt  das  der  Beförderung. 
Die  Befrirderuüg  zum  Unterarzt  ist  an  die  Bedingungen  geknüpft ,  die  in  dem 
vorausgehenden  die  Ergänzungsbestimmungen  abhandelnden  Abschnitte  dargelegt 
worden  sind.  Die  Befi^rdemng  cum  SanitftsofBder  aber  ist  obendrein  von  dem 
Ausfalle  einer  von  den  activen  Sanitätsofficieren  vorsnnehmenden  Wahl  abhängig. 

Die  Wahl  znm  Assistenzarzt  erfolgt  in  einer  durch  den  Divisionsarzt 
anzuberaumenden  Versammlung  der  in  seiner  Garnison  behndiiohen  Sanitätsoffi eiere 
der  DiTisiottf  sowie  der  Aerste  der  niebt  im  Divisionsverbande  stehenden  Truppeu- 
tbeile,  Behörden  etc. 

In  der  Marine  bilden  die  Acrzte  bei  den  Marinestationen  einen  gMneift* 
samen  Wahlverband  nnd  leitet  der  älteste  Marinestationsarzt  die  Wahl. 


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MUITÄBSANITÄTSPBBSONAL. 


517 


Dmdi  die  Wahl  erklüren  die  Sanititaoflleiere  der  Dlnrion,  daas  sie  den 

Yofgeeehlagenen  fflr  würdig:  erachten,  in  ihre  ^fitfe  zu  treten. 

Die  Ernennung  zum  Sanitätsofficier,  und  zwar  zum  Assistenzarzt  II.  Classe, 
findet  auf  Vortrag  dea  KriegBmiuiateriums  durch  allerhöchste  Verfügung  uuter 
Yerldhnng  eines  Patente«  statt. 

Bei  den  Vorschlflgen  zum  Aufrflcken  der  activen  Militärärzte  in  höhere 
Charg'en  und  Dien.ststellen  ist  mf^irlichst  die  Anciennetät  zu  berücksichtigen. 
Das  Avancement  ausser  der  Tour  ist  nnr  für  Aerzte  des  Dieoatstaudes  und  nur 
in  besondere  begründeten  lallen  in  Antrag  xa  Itringen. 

Assistenzärzte  des  Beuxlanbtenstandes  dürfen  nnr  dann  zur  BeiHrdening 
in  Vor.ichlag'  frebracht  werden ,  wenn  pie  entweder  einen  dreiwflchigcn  CursttS 
in  der  chirurgischen  Anatomie  und  in  den  Operati'  nsilhungen  durchgemacht  oder 
bei  einer  in  Folge  der  Dienstverpflicbtung  Htattgehabtea  Einziehung  ihre  Quali- 
fientioB  snr  liftheren  Cliarge  dargeChan  liaben  (Armee- Verordnnngnbl.  1880, 
Nr.  14,  pag.  151). 

Die  Assistenzarzte  des  Benrlaubtenstandes  werden  nach  erfüllten  Be- 
dingungen in  den  Grenzen  des  Etats  des  mobilen  Heeres  zur  Beförderung  gleich- 
aeitig  mit  ihrem  im  activen  Dienste  befindliehen  Hintermann  Torgesehlageo. 

Die  Stabsärzte  des  Beurlaubtenstandes  werden  naeh  erfUlUten  Bedingungen 
in  gleicher  Weii^e  wie  dii«  Assisten/iirzte  zur  Heförderung  vorgeschlagen. 

Für  die  Ernennung  zum  Oberstabsarzte  ist  die  Ablegung  einejr  specitiseb- 
militärlrztliehen  Prflfiing  Bedingung.  Der  Zeitpunkt,  au  welchem  diese  Prüfung 
bestanden  worden  ist ,  hat  auf  die  Anciennetät ,  also  auf  die  Beförderung  zum 
Oberstabsärzte  keinen  Einfluss.  Aerzte,  welche  der  Prtifungsanforderung  nicht 
entsprechen,  verzichten  dadurch  auf  die  Beförderung  zum  Oberstabfiarzt.  Die  ein- 
schlageudeu  Früfungsvurschriften  vom  12.  Juni  1881  (welche  sich  übrigens  lür 
das  bayerisehe  und  sflcbsisehe  Contingent  naeh  deren  Verwaltnngsselbsiandiglceit 
modeln)  finden  sich  verzeichnet  im  Armee- Verordnungsbl.  1881,  Nr.  17  und  im 
amtlichen  Beiblatt  der  Deutschen  militär.  Zeitschr.  1881,  Heft  8,  12  und  IHRO, 
Heft  8.  Die  preussischen  Bestimmungen ,  von  denen  die  bayerischen  etc.  nur  in 
untergeordneten  ISncelheiten  abweiehen,  lauten: 

§.  1.  Der  Geueralstabsarzt  der  Armee  commandirt  zu  dieser  Prüfung  die 
Sanitätsofficiere  des  Friedensstandes  in  einer  dem  Bedürfnisse  der  Beförderung 
entsprechenden  Zahl  nach  der  Anciennetät. 

§.  2.  Nach  derselben  Norm  werden  die  SanitAtsofficiere  des  Beurlaubten- 
standes snr  Ahlegung  der  Frufung  aufgefordert. 

§.  .3.  Macben  zwingende,  d.  h.  ausser  dem  Willen  des  Examinanden 
liegende  (Jründe  die  rechtzeitige  Prüfung  unmciglich,  so  entscheidet  der  General- 
stabsarzt der  Armee  Uber  die  Einberufung  zu  einem  späteren  Termine.  In  diesem 
Falle  wird  dem  BetreflSsuden  seine  Anelennetät  bei  der  Beförderung  ge- 
wahrt bleiben. 

4?.  1.  Die  Prüfung  geschieht  in  Berlin  vor  einer  Comniission  unter  dem 
Vorsitze  des  Generalstabsarztes  der  Armee,  der  einen  i:>tellvertreter  bestimmen 
kann.  Die  Commissionsmitglieder  werden  ans  den  Decementen  der  HilitKrmedieinal- 
abtheilung,  den  Docenten  der  mediciniseh-chirurgischen  Akademie  für  das  Militflr 
und  den  Alteren  Sanitiltsoffioicren  der  Garnison  Berlin  durch  den  Generalstabsarzt 
der  Armee  dem  Kriegsniinister ,  beziehung8wei.ee  dem  Chef  der  Admiralität  zur 
Bestätigung  ^orgeschla{>en  und  auf  deren  Anordnung  berufen. 

§.  5.  Die  Prüfung  besteht  aus  einem  sehriftliehen  und  ebem  mflndlich- 
praktischen  Theilo.  In  der  Regel  wird  der  schriftliche  Tbeil  vor  der  Beförderung 
zum  Stabsarzte,  der  mUndlieh-praktische  nach  Ablauf  des  ersten  Dien8l|jahres  als 
Stabsarzt  abgelegt. 

§.  6.  Fflr  die  sehriftliehe  Prflfnng  wird  eine  wissensehaftliehe  Aus- 
arbeitung geliefert,  zu  weleher  die  Aufgabe  aus  den  einzelnen  Gebieten  der  Kriegs- 
heilkunde, des  Feidsanitfttswesens,  der  Militär*,  beziehungsweise  Schiffshygiene  und 


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imiTiBSANITÄTSPBBSONAL. 


Sanitiitspulizei,  di-r  Militärsanitäts-  und  RecrutiruDgastetistik,  sowie  aus  der  Ver- 
waltuDg  des  Militftrsanitätswesens  gewählt  wird. 

§.  7.  Bat  der  fizuDiiiMd  sehon  Tor  Heraosiebnnf  inr  Prflfang  doe 
fachwissenBehaftliche  literarische  Leistung  von  entsprechender  Bedeutang  anf- 
zuweisen .  so  kann  ihm  nach  dem  Gutachten  der  PrUfungBcommission  die  Ad* 
fertigung  der  schriftlichen  rrütungsarbuiteu  erlasden  werden. 

Die  Ablegang  des  Pb^Bikataexamras  entbindet  in  jedem  Falle  von  der 
fehrifUichen  Arbeit,  an  deren  Stelle  die  Phyaikatsarbeiten  vorzulegen  sind. 

i^.  8.  Die  Aufi^abe  ^elit  dem  Examinanden  dorch  die  lliUtArmedieinal- 
abtbeilung  auf  dem  Sanitätsinstanzenwege  zu. 

§.  9.  Für  die  Bearbeitung  der  Aufgabe  wird  ein  Zeitraum  von  6  Monaten 
vom  Tage  des  Empfanges  ab  gewährt,  nach  deren  Ablauf  die  Arbeit  auf  dem 
Saiiit-Itsinstanzenwege  an  die  MilitÄrmedicinalabtheilunfr  ein^-creicbt  wird.  —  In  der 
Kegel  tindet  diese  Bearbeitung  in  der  Zeit  vom  15.  September  bis  zum  15.  März  statt. 

10.  Eine  Nachfrist  wird  nur  ausnahmsweise  gewährt,  wenn  zwiagende 
Qrflnde  sie  ndtbig  maeben.  Hierauf  beaflgUebe  Oesnebe  dnd  anf  dem  8anitftts> 
instanxenwege  dem  Generalstabsarzt  der  Armee  zur  Kntseheidun;;  vorzulegen. 

§.11,  Die  Arbeit  musB  mit  dem  an  Eidesstatt  abzugebenden  Vermerk 
versehen  sein,  dass  sie,  abgesehen  von  den  literarischen  Hilfsmitteln,  deren  Be- 
nntsnng  an  dem  betreffenden  Orte  jedesmal  speclell  anzugeben  bldbt,  ebne  fremde 
Beihilfe  vom  Verfasser  angefertigt  worden  ist.  —  Der  Vorsitzende  der  Commission 
Uberweifit  die  Arbeit  zwei  Coiiunissionsmitirliedern  als  HrftTeiiten  und  Oorreferenten 
zur  Prüfung,  mit  deren  Ceusur  dieselbe  demnächst  bei  deu  Übrigen  Mitgliedern 
aar  Kenntnissnahme  dreulirt. 

§.  12.  Ist  die  sehrifkliebe  Arbeit  ungenügend  ansfefallon,  so  entscbndet 
die  Commission ,  ob  dem  Examinanden  ein  neues  Thema  zur  Bearb^tung  zu 
prcben  ist.  Hei  nochmals  un^enfi-rendem  Ausfall  derselben  iüt  der  Examinand  auch 
ohne  roUodlicbe  i'rUtung  ein  fUr  alle  Male  abzuweisen. 

§.  13.  Ist  die  Arbelt  probemftsng  befunden  worden,  so  erbftlt  der 
Examinand  seinwzeit  (ver^l.  §.  5)  den  Befehl,  sich  an  einem  bestimmten  Termin 
behufs  Ablegnng  der  mtlndlieh-praktischen  Prüfung  zu  stellen. 

§.  14.  Der  mündliche  Theil  der  Prüfung  erstreckt  sich  auf  die  in  §.  6 
f&r  die  scbriftlkdie  Arbeit  genannten  Oebiete.  Besonderes  Oewiebt  wird  auf  die 
Kenntniss  der  neueren  Verbandsmothoden  und  ebirurgi^ohen  Apparate,  sowie  die 
Literaturcrs-cheinungen  von  anerkannter  Bedeutung  für  das  Militärsanititswesen 
gelegt.  Ausserdem  ist  die  frriindliebe  Kenntniss  der  ( »rjrauisation  des  Sanitäts- 
wesens der  Armee  im  Krieg  uud  Frieden ,  namentlich  auch  bezüglich  des  Ver- 
waltungsdienstes der  Friedenslazaretbe  erforderlieb.  Die  allgemeine  Bekanntsefaaft 
mit  der  Heeresorganisation  und  -Verwaltung  wird  vorausgesetzt. 

ij.  1 5.  In  der  praktischen  Prüfung  hat  der  Examinand  drei  grössere 
Operatioueu,  eine  Gefässunterbindung,  eine  Kesectiou  und  eine  Amputation,  be- 
siehungsweise  Exartlenlation  an  der  Leiche  anssnfflhren.  Denselben  gebt  eine 
kurze  topographisch  anatomische  Darstellung  der  Kttrpergegrad  voraus,  in  weleher 
die  Operation  sich  bewegt. 

Im  Falle  des  Misslingeus  ciuer  dieser  drei  Operationen  hat  der  Examinand 
das  Recht,  sieh  eine  vierte  Operation  zu  wählen. 

%.  16.  Ueber  jeden  I^fungsabsehnitt  geben  die  Examinatoren  gesonderte 
Urtbelle  ab. 

Sj.  17.  Nach  dem  Ergebnis«  der<ell»en  bestimmt  die  CommisHion  mit 
Stimmenmehrheit  oder  bei  Stimmeugleichheil  durch  i-hitbcheiduug  des  Vorsitzenden, 
ob  der  Examinand  seine  wiseeneehaftllche  Quallfication  zum  Oberstabsärzte  vor- 
zUglich  gut,  sehr  gut,  gut  oder  nicht  genügend  nachgewiesen  hat.  In  letzterem 
Falle  wird  gleichzi  itiir  unter  Berücksichtigung  der  silmmtlichcn  gesonderten  It- 
theile  darüber  entschieden,  ob  eine  Wiederholung  des  mündlich-praktischen  Theiles 
der  Prüfung  zu  bewilligen  ist  oder  nicht. 


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MIUTÄBSANITÄTSPEBSOMAL. 


619 


§.  18.  Die  Feststellnng  des  allgemeinen  ürtheüs  hat  sogleich  nach  Be- 
endigung der  Prüfung  stattzufinden ,  worauf  dem  Examinanden  seitens  des  Vi»r- 
siUenden  der  Commission  eine  vorläufige  MittbeiiaDg  über  den  Ausfall  der  PrUiuug 
geimulit  w\tä* 

Der  dientttiohe  Aosweis  hieraber  wird  dem  Geprüften  auf  dem  Sanltiis- 
instanseiDwege  vom  Generalstabsarzt  der  Armee  znirefertig^t.  — 

Die  Beförderung  der  Lazaretbgebilfeu  erstreckt  sich  nicht  bis  in  den 
Feldwebelrang,  wie  dies  bei  den  Unterofficieren  der  Fall  ist,  windem  gflnstigsten 
Faltobis  in  den  Sergeantenrang.  Sie  beginnt  dmit,  dan  die  LasaretligehilfeDschüler, 
die  nach  beendetem  Curs  die  vorgeschriebene  PrUfnng  bestanden  haben,  auf  Vor- 
Rchlag  ihres  Truppenarztes  durch  das  zu^ti\udijre  Tnippencommando  zu  Unter- 
lazarethgehilfen,  uud  zwar,  sofern  sie  über  den  Etat  ausgebildet  sind,  zu  Uber- 
läliUgen  Unterlasaretligehflfen  befördert  werden. 

Die  Beförderung  von  Uuterlazarethgehilfen  (mit  Gefreitenrang)  zu  Lazareth- 
gehilfen  (mit  rnterufficiersran^)  erfolfj^t  nach  Massgabe  der  Führung  und  Be- 
fähigung, die  Beförderung  von  Lazaretbgehilfen  zu  Oberlazaretbgebilfen  (mit 
Sergeantenrang)  naeh  BiebenjAhriger  Dienstseit 

Rücken  jflngere  oder  ebenso  alte  ünteroflicicre  ihres  Tmppentheils  In 
«tatemftssige  .Sergeantensttllen  auf,  so  dürfen  Lazarethgehilfen  schon  vor  vollendeter 
debenjftbriger  Dienstzeit  zu  Oberlazaretbgehilfen  befördert  werden. 

Die  Hilitärkrankenwärter  können  in  einen  höheren  Rang  nicht  aufsteigen  ; 
nnr  kann  deojenigen,  die  eapitnliren,  vom  Sanitfltsdienst  die  GefMtenaosseichnnng 
verlielien  werden. 

Beurtheilung:  Der  Rang  der  deutsehen  Militärärzte  erscheint  zum 
Theil  nicht  befriedigend  geregelt.  Es  wird  bemängelt,  dass  der  Oberstabsarzt 
II.  Olaase  gleichen  (Hauptmannsrang)  mit  dem  Staburste  habe;  eraterer  mfiehte,  lo 
wird  faet  allseits  •;ewfinseht,  Majorsrang,  wie  der  Oberstabsarzt  I.  Classe  bekleiden. 

Wiederliolt  ha  Ii-  ich  auf  die  rnzweckraJtSHigkeit  diese?  Vorschlaga  hinge- 
wiesen. Der  Aiigorsrang  verträgt  sich  nicht  mit  der  regimentsärztlichen  Dienst- 
leistang,  sehen  deshalb  nleht,  weil  der  Regimeotsarzt  bd  der  Infanterie  nnter 
dem  Bataillonseommandenr  des  Bataillons ,  bei  dem  er  aogleieb  Dienst  Idstet, 
steht,  obschon  dieser  Commaiideur  betrUchtHeli  dienstjünger  sein  kann.  Man  stelle 
alle  Kegiments-  und  BataillunsJirzte  in  den  Kang  von  Haiiptletiten ,  nenne  sie 
meinetwegen  alle  Oberärzte  uud  unterscheide  den  Kegiiueutsarzt  nur  durch  höheres 
Oehalt  DafBr  al>er  etatisire  man  Brigadeirste  in  Hajorsrang  (Stabsirste 
genannt),  die  die  grosseren  Lazarethe  leiten,  regelmässig  die  Aushebungsgeschäfie 
besorgen  und  deren  2 — .'S  älteste  die  divisionsärztlichen  Geschäfte  versehen.  Wenn 
man  auch  diese  Brigadeärzte  mit  allen  GebUhrnissen  von  Bataillouscommaudeuren 
versieht,  wflrde  dnreh  den  Wegfall  der  jetzigen  Obwstabelnte  I.  Claas«  nnd  dnreh 
Verminderung  des  ftrztlichen  Etats  in  den  Subalternstellen,  ein  Mehraufwand  nicht 
entstehen.  Die  iiltest*  n  l^rigadclrzte  würden  als  Divisionsärzte  und  Ober-^tabsarzte 
den  Charakter  als  Uberstlioutcnantd  und  in  weiterer  Folge  die  Generalärzte  alle 
den  Rang  als  Obersten  erhalteu.  Die  ältesten  zn  Feldarmeeärzten  bestimmten 
Generalinte  hatten  dann  den  Ohaiakter  der  Oeneralmajors,  während  der  Oeneral- 
Btabsarst  etatsmässig  den  Rang  des  Geuerallieutenants  zu  bekleiden  hätte. 

In  den  Ehreubezeugungen  fällt  es  auf,  dass  das  in  Uuterofficiersrang 
stehende  Sanitätspersonal  wohl  vor  seinen  militärischen  Vorgesetzten,  nicht  aber 
vor  den  Sanititsoffieierea  Front  sn  machen  bat. 

Die  Gestellung  der  Burschen  für  Sanitätsofficiere  würde  zweckmässig 
durch  das  Sanitfttseorps  geschehen,  damit  diese  Leute  in  der  dieastfreien  Zeit 
des  Foldlebens  sich  nützlich  bethätigen  können. 

Das»  von  den  höheren  Aerzten  zwar  die  unterstellten  Aerste,  niebt  aber 
die  unterstellten  Lazarethgehilfen  beurlaubt  werden,  enthält  einen  Widersprueh. 

Das  Strafrccht  der  Aerzte  erscheint  zweckmässig  geregilt.  Nur  ist  es 
wUnscbenswerth,  dass  dasselbe  in  a  1 1  e  n  Lazarotheu  auf  die  Kranken  ausgedehnt 


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520 


UILITÄBSANITÄTSPEB80NAL. 


wird.  Viele  Bestrafte  sind  schon  in  der  Genesung  straffäbi^  und  könnten  ihre 
Strafen  sofort  nach  dem  strafwürdigen  ^'ergebeD  oder  in  ihrer  Genesung  ver* 
bflMen,  wKbreod  ife  jetst  erst  nadi  ihrer  Entteeson^  aoe  dem  Lasatetb,  also  oft 
erst  nach  Monaten  bestraft  werden  und  dnbei  ihrem  Dienst  entzogen  werden. 
Jedenfalls  würde  durch  diese  Aoadehniuif  dee  Strafrechte  anoli  für  die  Laaeietliaoeht 
viel  gewonnen  werden. 

Was  endlich  die  Beförderung  des  SanitAtsperaonals  in  höhere  ätelleu 
anlangt  f  ao  habe  ieh  berdte  an  anderem  Orten  angedentetf  daaa  den  Luaretb- 
gehUfen  der  Feldwebelrang  (wenn  auch  nicht  innerhalb  der  Truppe)  zugängig 
sein,  und  dass  tüchti^ron  Krankenwärtern  die  Beförderung  in  UnterofficierseteUen 
nicht  vureuthalten  bleiben  möclite. 

Verpflefruiig-  des  Militilrsanitätspersonals. 

Die  Verpflegung  der  Sauitätspcrsunea  richtet  sich  im  Aligemeinen  nach 
dem  mllitlrisehen  Range. 

Was  znnidiBt  die  OewtbrUDg  von  Unterkunft  betrifft,  so  sind  die  unver- 
heirateten Officiere  vom  Hauptmann  abw-irt-j  einschliesslieh  der  AssistenzJirzle  und 
Unterärzte  zum  Bewohnen  der  Catierne  verpHichtet,  soweit  deren  Unterbringung 
mOglioh  ist  Bei  der  Ansarbdtnng  der  Belegungspläne  ist  ee  sn  hemeksicbtigen, 
daas  Assistenzärzte  Casemenwohnung  erhalten  sollen.  Den  eii^ibrlg-frdwilligen 
Aerzten  wird  im  Falle  der  Casernirung  die  ch argen mSssige  Wohnunpr  unt  ntfrcltlich 
irt-w-lhrt,  auch  wenn  sie  nicht  in  etat-sniässigen  Stellen  stehen,  sofern  sie  im  dienstlichen 
Interesse  CaHerucnwohnung  beziehen  müssen  24  und  25  der  Garniäunverwaltungs- 
ordnnng).  Die  in  vaeanten  Asslstensantstellen  dienstlelatenden  Unterlrste  werden 
in  Bezug  auf  Unterkunft  den  Ai^i^intenzärzten  gleidigeaehtet  (vergl.  jedoch  weiter 
unten  den  Wohuuogsgeldzuseliuss  i.  Die  in  «  tatsniflssinren  Assistenzarzt^tellen  ansRer- 
balb  des  Garuisonorts  ihrer  Wahl  eingestellten  einjährig-freiwilligen  Aerzte  sind 
betreffs  ihrer  Oebtthmisse  gana  wie  ünterinte  au  behandeln  (Armee-Verordnnngs-Bl. 
1876,  Nr.  0,  82).  Femer  soll  in  jedem  Oamlsonslasaretbe  mindestens  eine 
Stube  filr  wachhabende  Aerzte  von  der  Grösse  einer  vierm.innijren  rasernenstube 
verfü^rlieh  sein.  Auch  in  Feldlazarethcn  ist  auf  einen  Wohnungsraura  für  den 
wachthabenden  Arzt  Bedacht  zu  nehmen.  Grösse  und  Ausstattung  dieser  Wohnungen 
in  den  Caaemen  und  Oamisonslaxarelhen  entspricht  den  fOr  die  Milltirpersonen 
gleichen  Ranges  gegebenen  Vorschriften.  Nur  ht  es  als  durch  den  Sanitatsdienst 
(Krankenuntersnehnnfr)  geboten  erachtet,  dasn  den  easernirlen  Assistenz-Irzten  ausser 
dem  ausgesetzten  noch  ein  gewöhnliches  Handtuch  gewährt  wird  (Beilage  B  der 
CaaemenTorsehrlfien).  Auch  wird  die  Stabe  des  wachthabenden  Arstes  im  Gamisona- 
lacaretih  grunds.ltzlich  mit  casurnenmässigen  Officiersgerätben  ausgestattrt. 

l)ie  Lazarethgehilfeii  sind  ebenfallB  zum  Bewohnen  der  Cascrnen  vor- 
pflichtet,  soweit  deren  Unterbringung  möglich  ist.  Bei  den  verheirateten  Lazareth- 
gehilfen  kann  von  dieeer  Verpflichtung  abgesehen  werden;  auch  dürfen  solche  in 
Laaarethen  nicht  untergebracht  werden.  Die  zu  ihrer  Ausbildung  in  die  Gamisons- 
lazarethe  )if  tV'bIi?ten  unverheirateten  Gehilfen  erhalten  in  denselben  .  sofern  und 
so  lanjre  Kaum  dazu  vorhanden .  das  easernenieutmiissige  Wohnunfrsbedürfniss. 
Ist  der  liaum  iiu  Lazaretb  überhaupt  oder  wegen  steigeuder  Ivrankeuzahl  nicht 
ansreiehend,  so  müssen  die  Gehilfen  in  den  Gasemen  oder  in,  dem  Lasareth  nahen, 
Naturalquartieren  nntergebraeht  werden  (Prag er,  2.  Th.,  G  Cap.,  pag. 
In  denjenigen  grosseren  Lazarethen,  in  welchen  die  sflniTutliehen  Lazaretb^ehilfeu 
zwei  oder  mehrere  Zimmer  bewohnen,  darf  je  nach  den  obwaltcudeu  Verhältnisseo 
eines  dersdhen  nur  mit  ftiteren  Lazarethgehilfen  belegt  und  dieses  Zimmer  mit 
den  im  Armee  Vrronlnunga-Bl.  1873,  Nr.  18  und  anitlichen  Beiblatt  Nr.  2  der 
Dentschen  milit.  /i'it>rbr.  viui  1S7>^  vnrL'escbrii'benen  «lerätlien  ansirestattet  werden. 
Denjenigen  Lazarctbgehiireu  aber,  welche  mit  l  nlerlazarethjrehilfen  uud  Schülern 
zusammen  wohnen,  werden  die  in  dem  Scblusssatze  sub  3a  des  eben  angezogenen 
Krlasses  angeführten  Gegenstlnde  bewilligt.  Beleuchtung  dieser  Wohnnngmi  vergl. 
'•u  Armee  Verordnungs-Bl.  1878,  Nr.  18. 


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IHLITABSANITÄTSPERSONAL. 


521 


Die  auszubildenden  Krankenwärter  endlich  erhalten  easernenm.lgsiofe 
Wohnung  im  Lazareth,  soweit  wie  der  Kaum  es  gestattet,  aadernfalls  Natural- 
quartier  in  der  MShe  des  Laiareths  gegen  die  den  Commnnen  zn  gewfthrende 
reglementsmäsaige  Servigvergütung  für  einen  Gemeinen.  Die  Rrankenwärterstuben 
der  Lazarethe  müssen  in  den  Krankenrevieren  so  vertheilt  sein,  dass  die  Warter 
leicht  zu  den  ihnen  zugewiesenen  Kranken  gelangen  können.  Von  den  unverbei- 
mteten  Krankenwärtern  mUssen  je  2  in  «ner  Stabe  zoaammenwohnen,  sofern  sie 
nielit  eine  Lagerstätte  in  den  Kmnkeoxinimem  angewiesen  erlmlten.  Ein  veriidra- 
teter  Wärter  erhält  eine  Stube,  eine  Rammer  und  eine  kleine  Küche  oder  andere 
Kochgelegenheit;  wenn  die  Gewährung  einer  besonderen  Kammer  nicht  angängig 
ist,  kann  eine  grössere  Stube  bewilligt  werden;  in  keinem  Falle  aber  darf  die 
Wohnung  mehr  Raum  als  eine  Gasemenstabe  fttr  6,  hOehstens  8  Hann  ebnehmen. 
Die  Wärter  der  Feldlazarethe  halten  sich  in  den  Krankensimmern  mit  auf;  indess 
darf,  wo  es  der  Raum  gestattet,  ein  besonderes  Zimmer  inm  Aofentlialt  der  augen- 
biicklich  dienstfreien  Wärter  bestimmt  werden. 

Diejenigen  Mitglieder  des  Sanitttscorps ,  weldie  nieht  verpflichtet  sind, 
amtliche  Wohnung  zu  benutzen,  erhalten  zur  Selbstunterhaltung  einer  Wohnung 
das  Selbstmietherserv  is.  Meiches  in  Personalservis,  Stall-  und  Geseh.lftszinimerservis 
lerfällt.  Das  Persoualserviri  ist  verrfcbieden  nach  Hang  und  Aufenthalt.  Kinjäbrig- 
Freiwillige  ohne  Gehalt  beziehen  kein  Servis,  diejenigen,  welche  Caseruenquartiere 
bewohnen,  haben  deshalb  aaeh  auf  die  den  easemirten  Aersten  gebührende  Senris- 
quote  keinen  Ansprach.  Verheiratete  Assistenz-  (und  Unter  )  Aerzte  erhalten 
wiibrend  ihres  Commandos  zur  Lazarethwache.  da  die  Familien  nicht  mit  im  Lazareth 
wohnen  dürfen,  den  Servis  unverkürzt  furtbezahlt;  die  dahin  vorübergebend  be- 
fehligten, mit  selbstgemietheten  Wohnungen  yersehenen  unverheirateten  Asslstens- 
und  Unterärzte  bezieben  ihren  Garnisonsservis  ohne  Unterbrechung  fort,  wenn  sie 
im  Laufe  des  n.'felisten  Monats  vom  Commando  abgelflst  werden;  bei  län{*er  dauern- 
den Commandos  aber  wird  der  Servis  nur  für  den  Autrittsuonat,  für  die  Folge- 
adt  aber  dne  Hiethsentschädigung  im  Betrage  des  cbargenmässigen  Sommerservises 
der  bisherigen  Garnison  auf  die  Dauer  von  3  Monaten,  ausnahmsweise  länger 
gewährt.  Den  zum  Waehedienßt  in  die  Lazarethe  befehligten  und  daselbst  wohnendeu, 
unverheirateten,  etatsmässigen  Assistenzärzten  stellt,  sobald  der  Servisbezug  auf- 
hört, gleich  den  casernirteu  Otiieieron  die  z.ur  Bestreitung  kleiner  Wohnungs- 
bedllrfnisse  festgesetste  Verglltung  zu.  Den  Bursehen  der  waehthabenden  Lacaretbärate 
ist  zum  Tagesaufenthalte  ein  passender  Baum,  in  der  Regel  ein  Wärtendmmer, 
ananwei»en. 

Wohnungsgeldzuschuss  steht  nur  den  Öanitätsufticiereu ,  nicht  den  Unter- 
flrstm  zu,  auch  wenn  letztere  in  vaeanten  Assistenzarztstellen  Dienst  leisten  und 
deren  Gebalt  und  Servis  beziehen. 

Atissi'rhall»  der  Garnison  müssen  in  den  Fällen,  wo  die  Truppen  Natural- 
qnartiere  auf  ÜJärsehen  oder  in  weniger  als  G  Monate  dauernden  Cantonnements 
beansprueheo,  nicht  nnr  für  das  Sanitätsunterpersonal,  sondern  auch  für  die  Sanitäta- 
ofifieiere  Quartiere  besehafit  werden ;  der  Qoartiergeber  bezieht  hierfür  das  Natarat- 
quartierservis. 

Was  das  Fortkommen  der  Aerzte  wäbreud  der  Herbstdbungen  aiilaii;^t, 
so  wird  den  nicbt  berittenen  und  nicht  rationsberechtigten  Hegimeuts-,  Batailluns- 
und  Abtheilungairzten  oder  ihren  StellTertratern  auf  Härsehen,  von  denen  sie  am 
nimliehen  Tage  in  den  Oamisoasort  oder  da.s  Cantonnement  oder  Marsehquartier 
niclit  ziirückkebren  .  ein  pinspflnnisres  Fuhrwerk  gestellt.  Dasselbe  ist  auch  zur 
Weiter bilurdcruog  derjenigen  unberitteuen  Militärärzte  zu  stellen,  die  zum  Besuche 
von  Kranken  in  Cantonnements  ausserhalb  ihres  Standortes  verlangt  werden. 

Besdbtaffen  sieh  die  ßetheiligtcn  ein  Fuhrwerk  selbst,  so  kann  denselben 
eine  VergfitniiL'  in  Ilölie  der  (icn  (Jemeinden  für  einen  ein-^p:tniiii;en  Wagen 
sonst  zustcbc'uden  Vergütung  gewährt  werden  (Armee  -  Verordnungs- Bl.  1878, 
pag.  174). 


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522 


MILITÄBSAmTÄTSPEBSONAL. 


Bei  jedem  Infanterie-  und  Jägerbataillon,  sowie  bei  jeder  Feldartillerie' 
abtheilun^  erliält  ein  Sanit.'ltRofficier  im  Falle  der  Selbstbe«chaffung ,  beziehnng-s- 
weise  Ermietbung  eines  Keitpferdee  fUr  jeden  Tag  vom  Verlaasen  der  Garnison 
Mb  snr  Beendigung  der  Uebnngen  an  SteUe  der  Yonpannverglitinig  eine  Ent- 
schädigung in  Hohe  der  vom  ßundesratbe  festgesetzten  Tagessfttze  für  einspanniges 
Fuhrwerk,  ausserdem  eine  leiehte  Ration  und  Quartier  für  das  Pferd.  Das  letztere 
wird  beim  Militflrtransport  des  Truppentheils  ftlr  Rechnung  des  Militflrfonds  mit 
beordert  (Armee-Verordnungs-BI.  1890,  Nr.  7,  pag.  36). 

FOr  die  WagenelMse  bei  der  fiefSrdemng'  auf  Eieenbahnen  ist  ebenihlla 
der  Rang  und  die  Dienststellung-  massgebend.  Diejenigen  Unter-Irzte  und  einjährig- 
freiwillipen  Aerzfe,  welche  als  Vertreter  von  Assistenz-  mul  Stabsärzten  fungiren 
und  mit  den  Truppentbeilen  die  Garnison  verlassen,  babeu  aut  die  2.  Wagenclasse 
Anepraeh  (Annee^Verordnungs-Bl.  1876,  Nr.  7);  sonst  wird  den  Untorarsten  behofa 
der  Üblichen  Bef9rdenm<r  zu  erniassigteo  Preisen  ein  Reqnisitionssehein  Terabrdebt 
(Amiee-Verordnung8-Bl.  187G.  Nr.  IT»). 

Tagegelder,  Reisekosten,  Umzugskosten  und  Commandosnlagen  werden 
nwA  den  sonst  Torgesehriebenen  Sitten  aneh  an  das  Sftnitfttspersonal  bewilligt 
Die  mit  Wabrnchnning  Tseantcr  Assistenzflrztestellen  beauftragten  Unterirste  haben 
ErundpRtJ'Iieli  KelHrkoKten  und  r.i^'t'frelder.  beziehung'flwei-e  bei  Versetzungen  die 
L'mzugskoijlen  nur  nach  ilirtm  Ivauf^e  —  als  i'orteep6eunteruflicitre  —  zu  empfangen. 

Einjährig-freiwillige  Äerzte  und  Zöglinge  der  militärarztlichen  Bildungs- 
anstalten erhalten  bei  Yersetsnngen  in  Folge  ihrer  Befilrderung  nun  Unterant  Reise- 
koüten  und  Tagegelder,  dagegen  keine  Umzugskosten,  da  ein  Anspruch  auf  letstere 
durch  die  Stellnntr  bedinjrt  wird,  ans  welcher,  nicht  in  welche,  die  Versetzung 
erfolgt,  diu  genannten  i'ersonen  aber  vor  ihrer  Versetzung  überhaupt  nicht  eine 
solche  Stellung  Inno  gehabt  haben,  welche  cn  Umsugskosten  bereehtigt.  Das  findet 
anch  Anwenduni^  auf  die  als  Unterärzte  in  der  Armee  anofcstellten  und  gleiebseitig 
dem  Frie<iriidi-\ViIlielnts  Institut  behufs  Ab]<  >,Mm^'  der  Staat.sprllfinifr  nttaoliirten 
ehemaligen  Züglinge  der  militarärztlichen  Bildungsanstalten  für  die  nach  Ablauf 
der  Prflfungsperiode  anszufabrende  Reise  zu  ihrem  Truppentheile. 

Medieiner,  welche  unter  Vorbehalt  zur  Reserve  beurlaubt  waren,  empfangen, 
wenn  sie  zur  Ableistung  der  2.  Hälfte  ihrer  Dienstzeit  als  einjährig  freiwillige 
Aerzte  eingestellt  werden,    ffir  die  Heise  Aiifentlialtsorte  zur  (Jarnison  de« 

Truppen theiles,  bei  welebem  sie  eintreten,  und  später  bei  der  Entlassung  vun  dem» 
Selben  weder  Ifarseh-,  noch  sonstige  Gebflbmisse,  selbst  dann  nioht,  wenn  ide  in 
einer  anderen  als  der  von  ihnen  etwa  gewflnschten  Garoisnn  zur  Einstellung  gelangen, 
liapseihe  «rilt  für  die  Kntiassungsreise.  wenn  sich  an  die  Alileistutifr  der  beregten 
Dieustptlieht  eine  freiwillige  sechswöchige  Dienstleistung  in  derselben  Garnison 
unmittelbar  anseblieast. 

Unterarzte ,  weldie  die  sechswöchige  Dien.stleistunfr  im  Anschlüsse  an 
die  einjährig-freiwillige  Dienstzeit  .ili-^oh iren  und  dazu  Truppentlieilen  einer  anderen 
Garnison  tiberwiesen  werden ,  erhalten  ftir  die  Heise  aus  der  bisherigen  in  die 
neue  Garnison  Reisekosten  und  Tagegelder ,  für  die  Entlassungsreise  von  dort  in 
die  Heimat  dagegen  an  Marseheompetensen  nach  dem  Satze  der  Porteöpöeunter^ 
olficiere  des  Beurlaubtenstandes  den  etwaigen  Mehrbetrag,  welcher  sich  für  die 
Entfernung-  vom  neuen  Garnii^onsort  zur  Heimat  einerseits  {retren  diejenige  vom 
selbstgewählteu  (dem  früheren}  Garuisonsurte  zur  Heimat  andererseits  ergiebt. 
Wird  die  Dienstleistang  von  ihnen  in  da*  selbstgewfthlten  Garnison  ab> 
SOlvirt,  so  erhalten  sie  bei  der  Entlassung  keine  Vergütung. 

Sind  bei  einer  Mobilniacbung  Unteritrzte  des  Frieiletis-  oder  Beurlaubten- 
standes, einjährig-freiwillige  Aerzte,  Zöglinge  der  militarärztlichen  Bildungs* 
anstallen  oder  zur  Ableistung  Ihrer  ai^ven  IKenstpflieht  unter  Ernennnng  znm 
Unterarzt  einberufene  Aerzte  und  Mediciner  tarn  Empfange  des  Assistenzarztgehaltes 
berechtiget ,  'O  bal'cn  dieselben  ftlr  die  Mei.^en ,  zum  Antritt  der  Krieg-sstelle  und 
bei  der  Wicderentlassung  die  Tagegelder  und  Reisekosten  nach  dan  Sätzen  der 


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MILITÄRSANITATSPERSONAL, 


523 


I 


Assistenzarzte  zu  hean?prncheii.  Andernfalls  haben  die  rntorärztc  des  Bearlaubten- 
standfH  bei  ihrer  Kinl  erufun^  zur  l'übuDg,  sowie  bei  der  Entlassung,  die  Marsch- 
competenzen  der  Purte*  peeunterofficiere  —  nicht  Reisekosten  und  Tagegelder  ~ 
m  emp&ngeii  (Armee-Verordnongs-Bt.  1879,  pag.  204  and  1880,  Nr  3). 

FUr  den  Zweck  von  Dienstreisen  endlich  ist  hervorzuheben,  dass  firzt- 
licbe  Reisekosten  bei  Unteraiichung  von  auf  Urlaub  erkrankten  Militärpersonen  oder 
zum  Zwecke  der  Invaliditfltsfeststellung  grundsätzlich  nicht  entstehen  dürfen.  Wenn 
der  Kranke  niebt  rechtsdtig  eiotreflbn  kann,  so  ist  ea  Beine  Saehe,  dies  doroli  ein 
glaubwürdiges  iirztliebea  Zettgniss  darzutbun.  Liegt  eine  ärztliche  Untersuchung 
im  militärisclKMi  Iiit<  rc^'-e ,  so  ist  der  zu  Untersuchende  auf  Kosten  «ies  Militär 
fonds  in  die  näihüte  Garnison  zu  befehligen  oder  durch  einen  Civilarzt  zu  unter- 
■nchwi.  Ist  der  Krank«  angeblich  r^sennflblg  nnd  ingleich  dnr  betrttgeriuimi 
Krankbeitsvorfflaaebnng  Terdächtig,  so  kann  im  Bedarfsfälle  ein  Hilitirant  anr 
Untersuchung  «bgesendtt  werden.  Dagegen  wird  in  derartigen  Fällen,  wenn  es 
sich  um  K( ernten  handelt,  und  dtr  \erdaclit  auf  Verstellung;  sicli  bestätigt,  auf 
eine  Einziehung  der  Kosten  von  dem  »uhuldigen  Theile  Bedacht  genommen. 

Was  die  Unter konft  des  kranken  SanitAtspersonals  betrifft,  so  sind  in 
Erkrankungsfällen  unbedingt  und  kosttnfrei  In  MiliiSrlazareiben  aufzunehmen  die 
Lazarelbfiebilfen .  die  Krankenwflrter ,  suwie  die  ansserhnlb  der  (iarnis(  n  ihrer 
Wahl  angestellten  oder  vorübergehend  commandirten  einjährig  freiwilligen  Aerzte. 
Die  ttbrigin  eiojsbrig-freiwilligen  Aerxte  tbeiien  dieses  unbedingte  Recht,  haben 
aber  die  Durchschnittskosten  zu  erstatten.  Assistenzärzte  nnd  die  mit  Wahrnehmnng 
offener  AssiKtenzarztstelleu  bcanftrairtcn  Unterärzte  können,  und  zwar  nur  gegen 
Erstattung  der  Kosten,  dann  aufgenommen  werden,  wenn  Kaum  vorfUglich  ist; 
ebenso  mit  Genehmigung  des  Generalcommandos  die  Sanitfltsoflioiere  vom  Stabs- 
arst  aafwftrts. 

Was  die  Bekleidung  des  deutschen  Heeressanitätspersdniils  anlangt,  so 
finden  auf  die  Mitglicdf  r  de^^  Sanit.'itscorps  die  allgemeinen  Jk'stimnuiugeu  über 
das  Bekleiduugswescu  Anwendung.  Die  Sanitätsofticiure  müssen  für  Auschatfung 
und  Unterhaltung  ihrer  Beklddnng  nnd  Ausrilatnng  mit  eigenen  Mitteln  einstehen, 
und  selbst  die  Aerzte  des  Bemlaubtenstandes  nnd  diejenigen  zur  Disposition  sind 
aur  Haltung  der  Uniform  schon  im  Frieden  verpflichtet.  Reitzeug  erhalten  Assistenz- 
und  Unterärzte  der  Cavallerie  und  reitenden  Artillerie  im  Frieden,  falls  sie  im 
Dienste  beritten  sein  mflssen,  ans  den  Bestinden  der  Truppentfaeile.  Ueberdies 
mflssen  die  UUitärärzte  nach  Massgabe  ihres  langes  wie  die  OÄcierc  CchaltsabzUge 
zur  KleidercasHc  ihrer  Truppe  leisten  (vergl.  tj.  13  der  Organisation  des  Sanitäts- 
corps vom  ti.  Februar  1873).  Unterärzte  in  vacanten  A8>istenzarzt8tellen  werden 
avar  im  Allgemeinen  nach  den  Verptiegungsbestimmungen  für  Ofßciere  gemessen ; 
wenn  diese  Unterirate  in  Tseanten  Assistensarststellen  jedoeh  nicht  ansdrUcklieh 
mit  Wahrnehmungen  dieser  Stellen  beauftragt  sind,  erhalten  sie  9  Mark  monat- 
liche F.iitscli.ndigutig  für  die  seihat  zu  besehatfende  Bekleidung  !  Armee- Verordnungs-Bl. 
1Ö76,  Mr.  1,  pag.  3),  auch  für  die  Dauer  ihrer  etwaigen  Lazaietbverpflegung 
(Armee- Verordnnngs-bl.  1881,  Nr.  9).  Die  Lazaretibgehilfw,  Schaler  nnd  Kranken- 
wärter erhalten  ihre  Sanitfttsunifonn  kostenfrei  von  den  Tknppentheilen  nnd  An* 
stalten,  auf  deren  Etat  sie  verpflegungsgemäss  stehen. 

Die  Mitglieder  des  Öanitätscorps  tragen  eine  dasselbe  von  den  Truppen 
nnterseheidende  Uniform,  über  welche  das  Nihere  in  der  Oiganisation  des  Sanitftta- 
corps  §§.  28  und  29  in  den  Bekleidungsregulativen  der  Contingente  nnd  in  der 
Kriegssanitätsordmiiiir  Meilage  ///  enthalten  ist.  Dem  gedämmten  Sanitätspersonale 
gemeinsam  ist  die,  kratc  des  (ienler  Vertrages  während  des  Krieges  als  Neutrali- 
tätsabzeichen  zu  tragende,  weisse  Armbinde  mit  rothem  Kreuz,  welche  zur  Vor- 
beugung unbefugten  Tragens  auf  der  inneren  S<dte  mit  dem  Stempel  des  betrefl^enden 
Truppentheiles  etc.  zu  versehen  ist,  am  linken  Oberarm  um  den  Waftenrocks-, 
bezichunir-iweise  Mantelärroel  getragen  und  von  den  Aerzten  für  sich  aus  dem 
Mobilmachungsgelde  beschafft  wird. 


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WLIIÄBSANITÄTSPEBSONAL. 


Ausser  den  Milgliedern  des  Sanitätscorps  wird  diese  Binde  getragen  von 

den  den  Sanitätsofficieren  beigr^pbcnon  Trainsoldaten ,  für  welche  letztere  diese 
Binden  durch  die  Aerzte,  und  zwar  aus  dem  Trainsüldateneinlcleiduugsgelde ,  zu 
besehaffen  und  zu  unterhalten  sind;  ferner  von  dem  geeammten  Personale  der 
Feldheiianstalten,  von  den  Trainwldaten  aneh  der  IVnppenmedieinwagen  nnd  von 
den  Feldgeistlichen,  und  ihrem  Personale.  Dabei  ist  es  erinnungswerth ,  dass  die 
Hilfskrankentritger  (die  für  gewöhnlieh  in  die  Truppen  einffetheilt  sind  und  nur 
aushilfsweise  das  Krankeuträgerpersonal  verstärken)  eiue  rotbe  Binde  um  den 
Hullen  Oberarm  sn  tragen  beben.  ^MHIeb  trägt  aaeh  das  Personal  der  fireiwilligm 
Krankenpflege  die  weisse  Binde  mit  rothem  Kreuz ;  der  kaiserliche  Commissär  der 
freiwilligen  KraukeupÜege  lässt  diese  Binden  mit  seinem  Stempel  versehen  und 
ertbeilt  jedem  seinerseits  mit  der  Armbinde  verseheneu  Organe  noch  eine  Be- 
seheinigung Aber  die  Berechtigung  zum  Tragen  dieses  Neutralitttsabcddiens. 

Was  den  Sebnitt  der  Bekleidong  anlangt,  ao  nnd  die  Sanitltsoffidere  im 
All^'emeineti  nacli  Art  der  übrigen  Officiere  uniformirt:  auch  richtet  sieh  die  Wahl 
de^  einen  oder  anderen  Bekleidunggstückes  für  die  verschiedenen  Dienstverrichtungen 
ganz  nach  den  für  die  Oiticiere  der  Truppe  massgebenden  Bestimmungen.  Nur 
aasserhalb  des  Dienstes  und  die  Sanilitsoffieiere  weniger  besehrinkt  in  der  Ab- 
legung der  Uniform  als  die  Officiere,  weil  man  die  Aerzte  io  der  Ansfibnng  der 
Civilpraxis  durch  das  Uniformtragen  nicht  benchränkeu  will. 

Als  Officiere  und  Personen  des  Soldatenstandetü  sind  die  Sanitätsoiticiere 
uniformen  dnrch  Epaulette  gekennsel^et,  welebe  mit  geschlagenen,  glatten  Kränien 
(Halbmonden)  eingefasst  sind.  Eine  fiebärpe  ist  den  Sanitätsoflficieren  (und  Beamten) 
nicht  zuerkannt,  weil  solche  nur  als  Zeichen  für  den  Dienst  unter  der  Waffe 
gilt  und  demuaeh  selbst  von  solchen  Aerzten  (uud  Beamten;  nicht  angelegt  werden 
darf,  welche  ehedem  WaffenofBciere  gewesen  sind.  Unterärzte  und  einjäbrig-frei- 
wilGge  Aente  bekaMen,  anek  wenn  aie  im  Felde  mit  AsristenzarststeUen  belieben 
sind,  ihre  bisherige  Uniform  fbeziehnng^wei^^e  die  Schnüre  auf  den  Achselklappen 
bis  zur  Beendigung  des  betrelleuden  Dienstjahres)  bei.  Helm  und  Degen  fSübel) 
der  Aerzte  entsprechen  der  für  die  Infanterie  gegebenen  Vorschrift ;  der  Geueral- 
atabsarst  aber  trSgt  den  Helm  (nnd  das  Beinkleid)  der  Generale;  nnd  die  Aente 
des  Peurhiubtenstandes  legen,  wie  die  Ofüeiere,  am  Plelm  nnd  an  der  Mütze  das 
Landwcbrkreuz  an.  Schnitt  und  Farbe  des  l'niformroekes  entsprechen  auch  im  All- 
gemeinen den  für  die  Infanterie  gütigen  Bestimmungen^  uud  enthält  der  blaue, 
goldenbelltate  Kragen  der  Aerste  die  nOtUge  üntevseheidang. 

Persönlich  hat  sieh  jeder  im  Dienste  befindliche  Militärarzt  fBr  dienstliche 
Zwecke  im  Krieu'  und  Frieden  auf  eigene  Kosten  im  Besitze  eines  gewnhiiHrhen 
Taschenverbandzeufres  und  der  Instrumente  zum  Zahnausziehen  zu  erhalten.  Die 
Tragweise  jenes  ist  den  Aerzten  überlassen.  Ausserdem  haben  sich  die  oberen  activen 
Uilitirärate  gegen  einmalige  Ankanfsentschädignng  noch  wenigstens  im  Bentie  der 
in  Beilage  5  h  Eriegssanitfttsoidnnng  verzeiehaeten  InstriuDente  zu  erhalten.  Im 
Mobilmachungsfalle  empfiingen  sie  zur  Ergänzung  nnd  Instandhaltung  der  Instrumente, 
uud  zwar  die  Oberstabsärzte  und  Stabsärzte  Je  60  Mark,  die  Assistenzärzte  30  Mark. 
Den  oberen  HUitArftrsten  des  Benrianbtenstandes  und  den  fRr  höhere  Stellen 
bestimmten  Assistenzlnten  werden  bei  der  Einberufung  zum  Dienste  die  zur  Aus- 
führung grosserer  Operationen  erforderlichen  Instrumente  aus  fiscallsehen  Be- 
ständen Uberwiesen  (§.  201  der  Kriegssanitätsorduungj. 

Die  Lazarethgehilfen  tragen  die  für  das  Saoitätscorps  vorgeschriebene 
besondere  Uniform,  welche  gniodaflgUeh  (im  Sdmitt,  in  den  Kangsabceichen  ete.) 
mit  der  Uniform  der  Infauterieuuterolficiere  übereinstimmt.  In  untergeordneter 
Weise  iiiodtit  sich  die  I'niform  nach  der  WiitVeugattung ,  indem  z.  B.  von  den 
Lazarethgehilfen  der  L'avallcrie  lieithosen  uud  Cavalleriestiefelu  getragen  werden 
mflseen.  Das  Nähere  bierflber  findet  sieh  in  den  Etatbeilagen  der  Bekleidnngs- 
grdnnog.  Nur  will  ich  hervorheben,  dass  die  bezeichneten  Mannschaften  des  Feuer- 
gewehres  entbehren  und  von  Waffen  nur  das  Seitengewehr  tragen.  Die  zur  Ana- 


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MlUTÄBSANlTÄTäPEBSOMAL. 


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bildnng  als  Lazarethgehilfen-Schnler  in  die  huatdOnb  befehligten  Mannschaften 
haben  die  Bekleidung  und  Ausrüstung  der  Lazarethgehilfen  ,  jcduch  ohne  Rang- 
absdehen,  anzulegen.  Sie  tragen  wie  die  Geiulfen  und  Wärter  der  Lazaretbe 
Stltfel  ohne  Säna  und  NlgeL  AMterdani  werden  ihnen,  wie  den  Wirteni,  idteaa 
den  Laaaratha  nir  dienstlidien  Benutzung  leinene  Schtlrzen  gewährt. 

An  sanitären  Auaröstungssttlcken  tragen  die  Lazarclhi-'chilfen  der  Truppen 
(einscblieaslich  der  Sanitätsdetachements),  aber  nicht  diejenigen  der  Administrationen, 
je  eine  (gefüllt  1650  Grm.  wiegende)  Labeflasebe  am  Riemen.  Ferner  wird  jedem 
Laiarethgdiilfen  ein  kldnefl,  in  der  WaAmroektatehe  an  berKendea  Verbandseng  — 
bestehend  aus  einem  ledernen  Täschchen  mit  Pflasterschere,  Pincetto,  Sonde,  Spatel 
und  Lanzette  —  zum  Dienstgebranchc  tibergeben,  dessen  Preis  sich  auf  5,25  Mark 
beläuft.  Die  für  den  Frieden  erforderlichen  Yerbandzeage  sind  bei  den  Lasarethen, 
mit  weleben  sieh  der  betreffende  Truppenth^l  in  einer  Garnison  befindet,  inven- 
tarisirt,  die  für  dtn  Kriip  erforderlichen  befinden  sidbi  in  den  Traindepots.  Wird 
das  Verbaiidzeiitr  oder  der  Inhalt  desselben  verloren  oder  beschiSdio:t  ,  so  ist  das 
Fehlende  etc.,  wenn  der  Gehilfe  Schuld  trägt,  durch  letzteren  zu  ersetzen^  andern- 
falls geacMeht  dies  avf  Kotten  den  Laianflia,  imd  die  diesfillligen  Kotten  werden, 
wie  diejenigen  iBr  das  Sehleifen  der  Seberen  ete.,  in  den  Araneireehnnngen  in 
Ansgabe  gestellt. 

Zur  Ausrüstung  kleinerer  Trupponcommandoe,  sowie  zur  Benutzung  neben 
den  SanitätskiUteu  soll  endlich  jeder  Lazarethgehilfe  die  unter  dem  11.  Mai  1870 
(vergi.  Annee*VeroTdnnngt>Bl.  1872,  Nr.  1)  in  daa  Prenssiiehe  Heer  eingeflihrte 
(umhängbare)  Lazaretbgehilfentasebe  auf  dem  Marsche  fuhren.  Dieselbe  wird  im 
Frieden  von  den  Gamisonslazarethen  beschafft ,  unterhalten  und  an  die  Truppen 
verliehen.  Für  die  Abnützung  und  die  Verloste  im  Felde  werden  die  Truppen 
beaondert  enttohädigt.  Der  etatsmissige  Heilmittelinhalt,  welelier  in  Beilage  9  dea 
Unterrichtsbncbes  ftlr  Lazarethgehilfen  verzeichnet  steht,  wird  ant  dem  niehtten 
Garnisonslazarethe  ergänzt :  eine  Nachweisung  oder  Verrechnung  der  von  der 
Krankenpflege  auf  Märschen  übrigbleibenden  Heilmittelbestände  findet  nicht  statt. 
Für  Friedensseiten  ist  die  Tragezeit  dieser  Tasche  auf  20  Jahre,  für  den  Krieg 
auf  6  Jahre  fettgesetst.  Ilir  Preis  betrigt  cinsehlietBlieh  Flasehen  imd  Aderpresse 
und  ausschliesslich  Rinden,  Cbarpie  ,  Nadeln  etc.  34  Mark.  Ihr  Gewicht  beläuft 
fiicb  auf  45*10  (Irm.  ''einschliesslich  der  Heilmittel).  Für  die  Lazarethgehilfen  der 
Sauitiitsdetachcments  und  der  Administratiunen  ist  die  Tasche  nicht  etatsmässig. 

Im  wetteren  Sinne  des  Wortea  gehört  endlieh  snr  Ansrllstnng  ein  Unter* 
riehtabncb,  welehet  jedem  Lazarethgehilfen  und  Krankenwärter  zukommt. 

Wie  die  ganze  Bekleidung  der  Lazarethgehilfen  und  Schüler  vom  Truppen - 
theile  besorgt  wird,  so  erhalten  sie  auch  von  diesem,  so  lange  sie  in  das  Lazareth 
befehligt  sind,  2  Drüliehrfleke,  damit  sie  im  Krankendienste  stets  in  sanberem 
Drillichanzuge  ersebeinen  kOnnen.  Ausserdem  werden  ihnen  seitens  des  Lazaretht 
zur  dienstlichen  Benutzung  leinene  Schürzen,  den  bei  Operationen  und  anf  der 
Äusseren  Station  beschäftigten  Gehilfen  besondere  Drilliohröcke  gewährt. 

Die  Bekleidung  und  Ausrüstung  der  Militärkrankenwärter  erfolgt 
naeh  Beilage  92  der  Friedenstanititterdnung.  Avtserdem  erhalten  die  Wirter  für 
den  Wärterdienst  eine  Schürze  von  grauer  Leinwand. 

Die  Krankenträger  der  Sanitätsdetachements,  welche  hier  nur  anmerkungs- 
weise Erwähnung  verdienen ,  haben  eine  besondere ,  von  der  des  Sanitätacorps 
abwdebende  Uniform.  Militiriieh  sind  ne  mit  Garabinem  ansgerOstet,  teehniseh 
mit  Labeflasoben« 

Die  Bekleidung  des  männlichen  Personales  der  freiwilligen  Krankenpiflege 
auf  dem  Kriegsschauplätze  vergl.  Armee-Verordnungsbl.  1883,  Nr.  6. 

Die  Bettimmuagen  für  die  BekOttigung  im  dentsehen  Heere  haben 
gnmdsfttzlleh  andi  fllr  daa  Heeressanitfttspersonal  Geltung. 

Die  am  gemeinsamen  Officiersmittagstische  theilnehmenden  unverheirateten 
Assistenzärzte  des  Friedensstandes  erhalten  ein  monatliches  Tiscbgeld  von  6  Mark. 


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laLrrÄBSANITÄTSPEBSOMAL. 


Tischgeldzahluiij?  an  Unterürzte,  die  mit  WabrnehmtiDg  vaoanter  AssiBtens- 
arztetellen  beauftrajct  sind  und  deshalb  das  Gehalt  der  Stelle  beziehen  ,  ist  nicht 
zttläMig.  Unterärzte  erhalten,  falls  sie  nicht  ausdrücklich  mit  Wahrnehmung 
vaeaator  AMUtonsarstoteHen  beäaftragt  thidf  die  ehargeomXMige  Natimlverpfle^ung 
(Armee-Verordnangsbl.  Ib76,  Nr.  1).  Den  zar  Uebung,  beziehungsweise  Dienst- 
leistung einberufenen  rnterflrzien  des  BeurlaubtenRtüiuIi's  gebdhrt  neben  der  täg- 
licbea  Löhnung  von  1'6U  Mark  auch  die  NaturalverpÜegung,  Verptiegungszujobuss 
und  Brot,  und  ee  wird  ihnen  neben  dem  eztraordiniren  Verpflegungasasehofse 
allgemein  das  Garnisonsbrotgeld  an  Stelle  des  Brotes  in  natura  bewilligt. 

Die  Lazarethgehiifen  im  Felde  werden  von  denjenigen  Truppentlieileii 
und  Administrationen  völlig  verpflegt,  auf  deren  Etat  sie  stehen.  Dem  l'nter- 
personale  der  Feldlazaretbe,  ausser  dem  Train,  kann  der  Chefarzt  die  Beköstigung 
au  der  Laiaretblillebe  gegen  Fortfall  der  Mondportiott  gewähren. 

Im  Frieden  werden  die  Lazarethgebilfen  von  ihren  Truppentheilen  ver- 
pflegt und  empfangen  nur  die  Mittagsmahlzeit  aus  dem  Spcisekessel  des  Lazareths 
ohne  Zugabe  von  Brot  und  Bier.  In  allen  F&llen  aber,  in  welchen  die  Lazareth- 
gehilfen  an  dem  Mittagsttsehe  im  Gamiwnalasarethe  theilsnnehmen  dnrob  den 
Revieidleut  ete.  verhindert  werden  und  naeh  pfiichtmässigem  Erme^tsen  des  Chef- 
arztes von  dieser  Theilnahme  disiu'nsirt  werden,  wird  deuseUien  eine  Entsohitdigung 
TOD  20  Pf.  zur  Selbstbeschaffung  der  Beköstigung  ftlr  Rechnung  des  Lazarethfonds 
gewlhrt.  Einen  Anspruch  auf  den  den  Trappen  bewilligten  Oarnisonsverpflegaogs- 
znaehiUB  haben  sie  nleht;  vielmehr  erhalten  sie  ans  dem  Nataralverpflegnagafonda 
ausser  Brot  nur  den  Zuschusa  zur  Bcsehaffung  der  Frflhstnekportion  in  Höhe  von 
3  IM.  für  Kopf  und  Tag.  Gegen  Verzieht  auf  diesen  Zusehii««  erhalten  sie  Früh- 
stück im  Lazareth  und  gegen  Bezahlung  von  6  Pf.  auch  Abcndcs.-'en  daselbst. 

Wenn  die  Lasarethgehilfen  mit  den  Truppen  an  Uebnngra  die  Garnison 
verlas^<en,  werden  sie  wie  die  Mann8ehaften  in  Reib  und  Glied  auf  Rechnung  des 
Naturalverpfle«?untrHfondrt  verpfletrt  ( Armee- Verordnungshl.  1S75.  pag.  18).  Ver- 
bttssen  die  Lazarethgehilfen  Arrest,  su  erhalten  sie  die  ihnen  zutitehenden  Natural- 
verpfiegungsgebtthrnisse ,  ohne  Rfleksieht  anf  die  Art  des  Arrestes ,  von  ihrem 
Trnppentheile.  Die  Kosten  des  Mittagessens  sind  bei  gelindem  Arreste  aus  der 
täglichen  [oben  erwähnten)  Ent'äoh.tdignng  von  20  Pf  mid .  soweit  diese  nicht 
zureicht,  aus  der  Löhnung  zu  bestreiten.  Bei  mittlerem  und  strengem  Arreste  ist 
auch  für  die  Lazarethgehilfen  zur  Bestreitung  der  zustilndigeu  Verpflegung  neben 
der  schweren  Brotportion  nnr  die  ArrestantenMbnnng  Terfllgbar. 

Die  zur  Ausbildung  als  Lazarethgehilfen  in  die  Lazarethe  befehligten 
I  azHrethpeliilfcn^chfUer  sind  hinsichtlich  des  Anspruches  auf  freie  Mittagskost  den 
Lazarethgehilfen  gleichgestellt  und  deshalb  diesen  auch  betrefls  der  Gewährung 
der  Geldentsdildigung  fBr  nieht  in  Natur  empfangene  Kost  und  besflgiieh  des 
Fori&IIes  des  extraordinfiren  Verpflegungszuschus^es  gleich  zu  behandeln. 

Die  Militiirkrankitiw'lrter  worden  von  den  Lazarethen  verpflegt  und 
erhalten  die  volle  lagesbeköstigung  nach  der  ersten  Form  uinscbliessiioh  des 
Brotes  vnd  der  Semmel  nnentgeltlich  neben  ihrer  Löhnung,  jedoeh  nnter  Wegfidl 
des  Gamisonsverpflegnngssusohnwes ,  des  FrObstttckzuschusses  und  des  Bieres. 
Wenn  Seuchen  herrschen  oder  zahlreiebe  ;<chwere  Krankheit8l>llle  vorkommen,  darf 
den  Wilrtern  wie  auch  den  (lehilfen  nach  chefilrztliehem  Ermessen  tiiglieh  je  1  Portion 
Braten  und  Wein,  sowie  1  Flasche  Bier  und  ausserdem  tilr  die  Nacht  1  Portion 
Kaffise  ans  dem  Lazarethhansbalte  verabreieht  werden.  Wenn  sieh  In  kleinen 
Laz  ircthcn  vorübergehend  keine  Kranken  bcllnden  und  in  der  Lazarethküche  nicht 
an  kochen  ist,  so  hört  die  Kost  für  die  Krankenwärter,  wie  auch  für  die  Lazareth- 
gehilfen auf;  letztere  erhalten  20  I'f.  tfigliohe  Entschädigung,  jene  zur  Heschaffuog 
der  Kost  aossehliesslieh  Brot  den  Frflhstfleks-  und  den  Gamisonsverptlegungszasehnss. 

Endlieb  bedarf  es  der  Erwähnung,  dass  zu  Kriegszeiten  auch  das  Personal 
der  freiwilligen  Krankenpflege  mobiler  Formationen  Anspruch  auf  die  Feldkost 
erheben  darf. 


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UILITÄBSAMlTÄTäPERäONAL. 


527 


I'it.'  G  ('  1  d  V  e  r  p  f  1  e  g  u  n  ^  dos  deutschen  Heere-^sanitätspersonales  richtet 
8icb  im  (iro.ssen  und  (i.inzen  .  wenn  auch  aiolit  im  EiiozelDeD,  nach  dea  fflr  das 
Heer  gemeiagiitigeu  lieMtiiumuoguD. 

Die  nackten,  das  heisst  bei  AoneUiua  dw  Znlagen,  berechneten  Od»lto 
betragen  für  dea  Generalstabsarzt  'tnoo  Mark,  für  den  Generalarzt  I,  CI.  7800  Mark, 
für  den  Generalarzt  II.  Cl.  6000  Mark,  fflr  den  Oberstabsarzt  I.  C'l.  f)400  Mark 
in  der  ersten  und  48U0  Mark  in  der  zweiten  tiebaltsclasaef  für  den  überatabsarzt 
II.  d.  3600  Hark,  den  Staboarzt  2160  Hark,  den  Aaristenzarat  I.  Cl.  1080  Hark 
und  fflr  den  Assistenzarzt  II.  CI.  900  Mark.  Dieses  letztere  Gehalt  empfangen  neben 
Servis-  und  Comniandozula|?e  der  Assistenzärzte  II.  CL,  aber  ohne  Wohminors- 
geldzuschues,  auch  Unterärzte,  die  mit  Wabrnebmang  offener  Assistcnzarztstellen 
beauftragt  sind.  Sonst  werden  UnterArzte  des  Aotivatandes  für  Rechnung  ersparter 
Aadatenzarztgrebalte  mit  36  Hark  monatiieh  gelohnt,  und  ist  In  dieser  LObnung 
9  Mark  Entschädigung  monatlich  für  Bekleidung  enthalten,  welche  Entschädigung 
auch  während  der  Lazarethvcrptlof^unf^ ,  eines  Commando* ,  oder  eioes  Urlaubes 
behufs  Ctvilvcrsurguug  von  Militäranwärtern  gewährt  wird. 

Hit  Invalidenpendon  anasebeidende  Untertrste,  die  mit  Wahrnehmung 
offener  Assistenzarztstellenbeasllragt  sind,  haben  snfOnadengeh alt  keinen  Anspruch. 

Den  Hinterbliebenen  von  T'nterärzten  mltOebalt  gebOhrt  fttr  den  Hooat 
naeb  dem  Ableben  nur  die  Gnaden löhnung. 

Einjährig-freiwillige  Asfste  erhalten  nnr  dann  LSbnnng,  nnd  zwar  Unter» 
antlOhnuDg,  wenn  sie  ausserhalb  der  Garnison  ihrer  Wahl  Assistenzärzte  ver- 
treten. Die  Zrihliiii;,'  der  Löhnung  wird  unterbrochen,  sobald  und  so  lange  sie  mit 
einem  Truppentheil  den  Commandoort  zu  L'ebungszwecken  verlassen,  auch  durch 
Urlaub,  selbst  wenn  derselbe  zur  Wiederhersteiiuag  der  Gesundheit  ertheilt  wird. 
Wenn  einjihrig-lreiwillige  Aerste  in  die  nieht  oflisnen  Stellen  abeommandirter, 
beurlaubter  oder  kranker  Assistenzärzte  für  ihre  Person  vertretungsweise  ans 
ihrer  Garnison  abeommandirt  worden,  so  jrilt  dasselbe ;  nur  hat  dann  der  Corpa- 
arzt  der  belboiligteu  Dienststelle  diejenige  ottene  Assistenzarztstelle  zu  bezeichnen, 
fQr  deren  Rechnung  die  LObnung  an  verausgaben  ist. 

Werden  in  Ermangelung  von  einjährig-freiwilligen  Aerzten,  die  als  solche 
offene  Assislenzarzt^tellen  regelmässig  wahrzunehmen  haben,  Assistenz-  oder  Unter- 
ärzte neben  ihren  eigeueu  Dienstobliegenheiten  mit  der  Wahrnehmung  des  bezUg- 
liehen  Dienstes  beauftragt,  so  kann  ihnen  hierflir  von  dem  Generaleommando  eine 
tagliche  Zulage  bis  an  80  Pfennig  fQr  eine  Stelle,  bis  zu  40  Pfennig  für  jede 
weitere  Stelle  aus  dem  ersparten  Gehalte  bewilligt  werden.  Die  Zulage  darf  auch 
dann  bewilligt  werden,  wenn  bei  dem  betreffenden  Truppentheil  einjährig-freiwillige 
Aerzte  zwar  vorhanden,  letztere  aber  durch  äussere  Umstände,  wie  Erkrankung, 
Abeommandimng,  Latareibwachtdienst  ete.,  an  Ansflbnng  des  asslstenalntlidien 
Dienstes  beim  eigenen  Truppentheile  verhindert  sind,  vorausgesetzt  jedoch,  dass 
ans  der  offenen  AsRiatonzarztstelle  ein  Unterarzt  oder  einjährig-freiwilliger  Arzt 
nicht  gelöhut  wird.  Letztere  Voraussetzung  bezieht  sich  aber  nicht  auf  diejenigen 
Asststensarststellen,  aus  welehen  Unterirzte  während  des  Oonmandos  zum  Fried- 
rich-Wilhelms-Institut  oder  zur  Charit^  gelohnt  werden;  denn  aus  diesen 
Assistenzarztstellen  darf  die  Mitwahrnehniungszulage  gezahlt  werden.  Im  r('l)rigen 
darf  beim  Zutreüeu  der  sonstigen  Bedingungen  die  Zulage  auch  den  zur  Uebung 
eingezogenen  Assistenz-  and  Unterärzten  des  Beurlanbtenstandes  bewilligt  werden. 

Twlassea  Tmppenthsite  in  aaderm  als  Uebnagiswedcoi  ihre  Garnison,  so 
sind  die  einjährig- freiwilligen  Aerzte,  falls  sie  nicht  andwen  in  derselben  Garnison 
verbleibenden  Truppentheileu  überwiesen  werden  können,  vom  Ausniarsche  ab 
für  die  Dauer  der  Abwesenheit  aus  der  Garnison  als  Gemeine  über  den  Etat  in 
die  Verpflegung  aubnndimen. 

Commandozülagen  erhalten  Sanitätsofficiere  beim  Verlanen  der  Garnison, 
und  zwar  diejenigen  in  Stabs officiersrang  5  Mark,  in  Hauptmanusrang  4  Mark,  die 
Assistenzärzte    und   die   Unterärzte   mit   assistenzärztlichem   Gehalte   3  Mark. 


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028 


MlLITÄESANITATäPERSONAL. 


Neben  diesen  Gebflhrnigsen  erhalten  beim  Verlassen  der  Garnison  eine  Zulage 
von  1  Mark  täglich  1.  die  Unterärzte  als  LöhnungsempfUnger ;  2.  diejenigen  ein- 
jährig-freiwilligen  Aerzte,  welche  ausserhalb  der  Garnison  ihrer  Wahl  Assistenz- 
inta  ▼ertraten  mid  somit  ünterantlOhiiini^  besielieD,  softni  de  am  der  ibneii 
angewiesenen  Garnison  für  ilire  Penon  allein  ohne  den  Trnppentheil  xn  dienst- 
lichen Zwecken  oder  mit  diesem  zn  anderen  als  zu  rebunfzrs^wecken  aboommandirt 
werden.  Unterärzte,  die  nicht  das  Gebalt  der  Assistenzilrzte  beziehen,  and  ein- 
jährig-freiwillige Aerste  als  Vertreter  Ton  Aaiisteiuärztea  haben  im  FiiedensTer» 
liAltnisse  neben  der  Znlage  tob  1  Hark  auf  die  den  Hbrigen  IjldiiinBgMOipfftDgeni 
beim  Verlassen  der  Garnison  zustehenden  NatomlverpflegagebflliniiBM  Anapmell 
(Armee-Verordnungs-Bl.  1881*,  pap:.  173). 

Zu  Uebungen  des  Beurlaubtenstandes  der  Krankenträger  des  Dienststandes 
eommudirte  Stabsintte  eiiinlten  nnnerhalb  ihrer  Qamison  die  gewAlinlielie 
Commandozulage ,  die  AadlteaiirBte  und  die  in  Aariitenzarztstellen  stehenden 
Unterärzte  für  die  etwa  vnr  Jind  nach  der  Uebung  ausserhalb  ihrer  Garnison 
sugebrachten  Tage  die  Commandozulage  und  fttr  die  Uebung  selbst  24  Mark. 
IMe  Assiltens-  nnd  Unterlrite)  denen  nnr  die  HitwalimelimQog  des  Intliebea 
Dienstes  bei  üebnngBfomiitionen  des  Benrlanbtenatsndes  anfgefcragen  wird,  erhnlten 
Iceine  Zulage. 

Von  den  sonst  zu  gewährenden  Zulagen  sind  folgende  bemerkens- 
werth:  Den  mit  der  Wahrnehmung  des  ärztlichen  Dienstes  bei  den  Bezirks- 
eommandos  bemiftngteD  Militlrtrsten  sind  die  hierfttr  im  Etet  nasgewerfeneB 

Zulegen  auf  die  Zeit  ihrer  Abwesenheit  aus  der  Garnison  fortzngewiliren ,  eneh 
wenn  für  ihre  Vertretung  Honorar  an  Civilärzte  gezahlt  wird. 

Die  Assistenz-  und  Unterärzte,  die  in  Lazarethen  mit  einer  Mormal- 
Icrankensabl  ▼on  71  nnd  darflber  den  Lazaretiiweebtdienst  welimehmen,  erhalten 

dafür  eine  Zulage  von  je  9  Mark  monatlich,  auch  wenn  sie  aus  dem  Beurlaubten- 
Stande  einberufen  sind.  Einjährig-freiwillige  Aerzte  haben  hierauf  nur  dann  An- 
spruch, wenn  sie  onterärztiiche  Gebübrnisse  beziehen  und  zum  Lazarethwachtdienst 
befeliligt  werden.  Jeder  an  Cholera-,  Flecktyphus-  oder  Poeken-Lazarethen  oder 
-Stationen  als  Waehthabender  befehligte  Assistenzant,  Unterant  oder  eii^fihris- 
freiwillige  Arzt ,  auch  wenn  dieser  nicht  belöhnt  ist ,  erhält  eine  Wachtzulage, 
deren  Höhe  sich  nach  der  Zahl  der  überwiesenen  Kranken  richtet ,  bei  1  bis 
10  Jvranken  monatlieh  10  Mark  beträgt  und  ansteigt  bis  (bei  41  und  mehr 
Kranken)  30  Mark. 

Für  die  Aerzte  des  Beurlaubtenstandes  sind  folgende  Gebühr- 
nisse  nennenswerth :  Die  SanitJUsofficiere  erhalten  auf  Zeit  der  Uebung,  zu  der 
sie  einberufen  sind,  ein  tägliches  Uebungsgeld,  welches  beträgt:  für  solche  in 
StabsofBeiersrang  13  Hark,  für  solohe  in  Hanptmannsrani^  7*50  Mark,  Ar  Assistens- 
ärzto  3  Mark,  für  Unterärzte  1*50  Hark.  Bei  jeder  Einziehung  zur  Uebung  wird 
an  Kinkleidungsgeld  gezahlt  dasjenige  der  Infanterie-Ofdeiere  ihrer  Charge  den 
Hanitätsofticieren ,  90  Mark  den  Unterärzten.  Wenn  Unterärzte  des  Beurlaubton- 
standes in  Vertretung  von  Assistenzärzten  zu  Herbst-  und  anderen  Uebungen  die 
Garnison  verlassen,  so  gebahrt  ihnen  die  Zaiage  von  1  Mark  tiglieh  neben 
den  beim  Verla.ssen  der  Garnison  zustehenden  GcbUhrnlasen.  Für  Reisen  zur 
Ablegung  der  milititr.'irztlichen  Prüfung  erhalten  dieSanitätsofficiere  des  Beurlaubten - 
Standes  die  charguumässigen  KeisegebUhruisse  (Armee -Verurduungs-Bl.  1890, 
Nr.  16,  pag.  129). 

Die  Lasarethgehilfen  erhalten  ihre  Gebtlhmisse,  auch  während 
eines  Commandos  zum  Tjnzareth,  vom  Trup[>entheil.  lUe  Obt>rlazarethgehilfen  be- 
ziehen eine  monatliche  LOhnung  von  37*50  Mark,  Lazarethg^ehilfun  als  Capitulanten 
26*50,  solobe  als  Niditeapitalanten,  sowie  Unteriasarethgehilfea  15  Mark.  Unter- 
lasarethgehilfen ,  die  ans  dem  Benrlanbtenstande  an  Uebangea  ehigeaogen  sind, 
stellt  nur  die  nemeinenir>bnun,L'  zn  ''Armee- Verordnungs-ßl.  187^5.  Nr.  25),  wie  den 
LazarcthgehilfenschUlern.  Wenn  beim  Mangel  an  Aerzten  der  älteste  Lazarettigeliilfe 


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MILITÄBSANITÄTSPEBSONAL. 


629 


eines  Lazareths  mit  dem  Lazarethwaehtdienst  betraut  wird,  erbalt  er  eine 
Monatszulage  von  3  Mark.  Zulajirrn  von  3  bis  6  Mark  erhalten  auch  die  mit 
der  VerbaudmittelverwaUung  der  Lazaretbe  und  mit  der  Aufsicht  bei  den  Lazareth- 
^hilfenBebnlen  beauftragten,  sowte  die  sa  den  Suütitadepots  befehligten  IjauMäi- 
gebilfen.  Auch  werden  zeitweiHe  beim  Hemeben  von  Semdien  Znlagen  von 
25  Pfennigen  tAglich  den  Gehilfen  und  WArtezn  gewährt. 

Die  Militärkrankenwärter  erhalten  die  Löhuunpr  der  Gemeinen  der 
Linieninfanterie  (zur  Zeit  lO'öO  Mark  monatlich).  Den  Capitulauten  wird  zu  der 
Lftbniing  für  jedes  Ca]»itnbiti<ni8jahr  bis  einsehlleeslidi  des  dritten  eine  Zulage 
von  4*50  Hark  monatlioh  gewährt.  Ueber  die  hiemach  im  3.  Capitulationsjahre 
Z'i  jrewiihrende  Zulage  von  13'50  Mark  darf  jcdüeli  auch  bei  weiterer  Capitulation 
nicht  hinausgegangen  werden.  Besondere  jiihrlich  testzustellende  Remunerationen 
werden  den  Wärtern,  sowie  den  Lazaretbgehilfen  auf  Antrag  bei  vorzüglicher 
Dienatleistong  bewUHgt 

Beurtheilung:  Die  Verpflegung  des  Sanitätspersonales  ist  im  Ganzen  und 
Grossen  nach  den  ^emeinp-iltiircn  Bestimmungen  geregelt.  Ans  dem  Grande  lassen 
sieb  nur  wunige  VerbeäseruugäbedUrtnisse  erkennen. 

Wflnscbenswerfh  erselidBt  es,  dass  das  Sanititspersoiuü,  so  weit  es 
casemenmässig  unterzubringen  ist,  rftamlicb  im  Garnisonalazareth  vereinigt  werde. 
Wir  müssen  das  Sanitittspersonal ,  meine  ich,  behufs  gemeinsamer  und  einheit- 
licher Erziehung  und  zum  Zwecke  beständiger  Beschäftigung  im  Sanitätsdieaste 
SQ  dem  maeben,  wm  seine  H^lnmtaltai  bersits  sind,  ntail^  mm  B^willinm  der 
Garnisonen.  Man  entrfleke  dasselbe,  miter  Sieberstellnng  des  samtftren  Truppen- 
dienstes, den  Casemen  und  versetze  es  in  seinen  natflrlichen  Boden,  an  die 
Stätte  der  Kranken.  Im  fiarniaonslazareth  vereinig'c  man  ^Tundsfttzlich  das  Sanitäts- 
personal zu  ju  einem  militärischen  Gemeinwesunj  hier  weise  mau  ihm  seine 
WobnstStto  ao,  damit  ee  den  Betrieb  der  Krankenpflege  stOndUeb  vor  Aagen 
habe,  damit  es  sich  iu  deu  Umgang  mit  Kranken  gründlich  eingewöhne,  damit 
es  mit  den  Interessen  der  Kranken  verwachse,  damit  sein  Dienst  einheitlich  und 
sachverstiludig  genügend  Uberwacht  werden  kann  und  damit  es  endlich  so  für 
die  Kiiegsaufgaben  erzogen  ist.  Das  Gamisonslasareth  sei  fttr  das  Sanitltspersonal 
Caseme  (und  /w:ir  in  LTosseren  Lazarethen :  der  Verwaltungsbezirk  der  letsteren), 
Dienststulio  iuhI  Kx<'r('icrplatz  znirlticli.  Ks  sei  der  Sammcl-  und  Ausgangspunkt 
für  deu  gesummten  Garniüons-  und  Truppen-Sanitätsdienst;  eiue  immer  zugängige 
und  dienstbereite  Gesundheitswaehe  —  unter  der  alleinigen  militärischen  Autorität 
des  rangftltesten  Offieiers  der  Garnison  und  unter  dem  alldnigen  Befehle  des 
rangältesten  Arztes  der  Garnison,  eines  „Garnisonsarztes",  wdeher  xwar  nur  In 
grossen  Verhältnissen  als  soleher  zu  etafisiren  sein  wdrde. 

Gegenüber  der  anerkanuten  dienstlichen  ^iothweudigkeit,  dass  die  Aerzte 
im  Felde  beritten  sind,  ist  jetst  im  Frieden  fQr  die  ReftObigkdt  der  Aerste 
nngenOgend  gesorgt.  Das  Reiten  muss  einen  wichtigen  Bestandtbdl  der  ärztlichen 
Aus-  nnd  Fortbildung  ausmaehen,  und  alle  Aerzte  im  Stabsofficiersrang  mUssen 
Rationen  beziehen ,  sonst  ist  auf  eine  zweck-  und  vorschriftsmässige  Ausübung 
des  Feldsanititsdienstes  niebt  lu  reebnen. 

Gehalt  und  J^öhnung  richten  sich  im  Heere  zumeist  naeb  dem  Range. 
Da  dies  auch  heim  S;init:it-;|)(  r.«<inal  mit  wenigen  in  iiii-ht  zu  ferner  Zeit  von 
selbst  verschwindenden  Ausiiahinen  der  Fall  ist,  so  ist  betrelfs  dieses  Theiles  der 
Verpflegung  nichts  Verbe>iseruuj,^sbedUrftige8  von  Belang  anzuführen.  Wohl  ent- 
sprechen die  Endgebfllter  der  dienstftitesten  Sanitäteoffidere  den  Geblitern  anderer 
gleiehwerthiger  Laufbahnen  nlebt  im  Entferntesten.  Allein,  es  wäre  ein  Hyateron 
protrron,  wollte  man  deshalb  vorsehlagen,  dass  die  verbessernde  Hand  unmittelbar 
an  die  Gehälter  zu  legen  sei.  Die  Erhöhung  des  Hanges  erhöht  von  selbst  die 
Geldverpflegong.  Jene,  nicht  diese,  muss  den  Ausgangspunkt  der  Reform  bilden  I 

Literiilur:  Dio  Vi'ifa.>isung  des  Norddeutschen  Bundes  (vergl.  .A.rt.  57 — 68)  vom 
26.  Juli  1SG7.  —  MiliturvertragPreasiens  mit  dem  Königreiche  Sachsen  vom  7.  Febraar  1867.  — 

Encyclop.  Jahrbücher-  III.  34 


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530 


lULITÄRi$ANlTÄIäP£RSONAL. 


Büiulni.-svfrtraK  mit  dem  Kiinit,'reiche  Bayern  vom  il'ü.  Novi-mber  1870.  —  Militärvertrag  mit 
Württemberg  vum  bfxiehunggweise  25.  November  187u.  —  Gesetz,  betreOeml  die  Ver- 
^Uehtailf  sam  Kriegsdienste  (Wehrgesetz)  vom  9-  November  1867  (abgedrackt  ia  der  Wehr- 
Ordnung  von  1888).  —  Verfaesung  des  Deutschen  Beicbes  vom  1(5.  April  1871.  —  Reichs* 
militärgesetz  vom  2.  Mai  1874.  Ery;änzangsgesetze  bierzD  vom  6.  Mai  1880.  vom  81.  März  18S5 
und  vom  27.  .lanuar  1^S7  (abgedruckt  in  der  Wehrordnnng  von  1S39).  -  G»  s-tz.  betreffend 
Aenderungen  der  WehrptUdit  vom  11.  Februar  1888  (abgedrackt  in  der  Wehrorduung  von  1888).  — 
OflMts  betoeffaad  die  Aniflbniig  dar  miUlirlMbaB  Control»  flbw  die  Personen  dei  BearUnbten« 
Standes  etc.  (Contfolgesetz)  vom  1.5.  Februar  1875  fabgednickt  in  der  Wehrordnnng  von  1838).— 
Deutsche  Weiirordnung  vom  2Ü.  November  188'?.  —  Heere.sordnung  vom  '4^.  November  1898.  — 
Felddienstordnung  vom  23.  Mai  1887.  —  Krieg.«etappenordnung  vom  3.  Septemlier  1887.  —  Militar- 
elseDbahoordnaog,  1.  u.  Tbeil  von  1887  ,  3.  Theil  von  1868.  —  GaraiMoadieostTorschrift 
Tom  13.  September  1888.  —  DIenstanweismig  ffir  die  Bagagen,  UnnitioDioolonnen  und  Trains 
vom  18.  Juni  IP"^!*  -  Traimlf potordiuinu;  vom  31.M&ral892.  —  Geset«,  betreffend  die  Quartier- 
leiatung  für  die  IjewaÜuete  Macht  wahrend  des  Friedensstandes  vom  25.  Juni  I8*iB.  —  Er- 
gttnzangsgesetz  hienu  Tom  81.  Jnni  18>'7.  —  G;inii:«inHverw«Uane8ordnnng  vom  5.  Juli  1881.  — 
Oamisonsigebäudeordnung  vom  19.  December  ib'^U.  —  Bekleidungsordnung  vom  2H.  Marz  ISS-S.  — 
Feldmagazinsnrdnung  vom  25  August  I8s7.  —  Instruction  über  die  Verwaltung  des  Menaga- 
fond.s  bei  den  Trnppen  von  1884  —  Reglenient  über  die  Naturalverptlt-gung  der  Truppen  im 
Frieden  vom  2.  Kovember  1882.  Nenabdruck  von  1689.  —  Kriegaverptiegungavorscbrift  vom 
25.  Aagmt  1887.  —  Sehiffbrerpflcgangfreglemeot  vom  ffj.  April  1888.  —  Friedensbesoldnogs» 
Vorschrift  vom  7.  März  1R89.  —  KriegHbcsoIdiingMVor.«chrift  v.  29.  Dei  ember  1887.  —  Reismrdnung 
für  die  Personeu  des  Siddatenstandes  vom  21.  März  18V.^.  —  iJienstvnrschritt  über  3Iar.-!chgebühr- 
niase  bei  Einberufungen  zum  Dienst,  sowie  bei  Entla.s.«ungen  von  1.Sn7.  -  Reglement  über  die 
Serviacompetenz  der  trappen  im  Frieden  vom  20.  Februar  186S.  Nenabdruck  von  1837.  —  Oesets, 
betreffend  die  Bewilligung  von  Wohnnngsgeldzuschüssen  etc.  vom  30.  Joni  187.3.  —  Servistarif  fUr 
dasSelbstmiether-,  beziehinigswei.se  Naturaliiuartier  vom  17  <>(  tober  1878.  —  Milif.trpen.sion.'<geset» 
vom  27.  Juni  1871.  Novelle  hierzu  vom  4.  April  lb74-  Neuabdruck  18S9.  —  Witwen-  und  Waisen» 
gewtBTon  17.  Jniii  1887.  —  Oetete,  betTvffinid  die  HatoralMitimgen  Ar  die  bewatlnete  Macht  im 
Frieden  vom  13.  Februar  1875.  —  Gesetz  über  die  Kriegsleistnngen  vom  1,1  Juni  l  S7:i.  —  Feld- 
poatdienstordnnng  vom  12.  Juni  1K89.  —  Deut.sches  Strafgesetzbuch  vom  ;iS  i-'ebruar  1876. — 
Militäratrafgesetzbuch  vom  20.  Juni  1872-  —  Kriegsartikel  für  da.s  Heer  vom  Hl.  October  1872.  — 
UiUtäi^StrafvoUstrecknngsreglement  vom  9.  Febraar  188S.  —  Verordnung  äber  die  Die- 
dpUDarstrafbnlnnng  für  das  dentscht  Heer  von  31.  Oetober  1872.  —  Vorach riflen  Uber 
den  Dienstweg  und  die  Behandlung  von  Beadiveidni  etc.  vom  Ii.  März  1873.  —  Gesetz, 
betreffend  die  Abänderung  der  Militärstrafgeriehtaordnnng  vom  ^.  .Mai  1890.  —  Friodena- 
sanitätsordnun;^  v<iin  16.  Slai  1891.  —  Verordnnng  über  d'c  Organisation  des  8unitat.scorps 
vom  6.  Februar  1-7.^.  —  Krieg.s.sanitiitsordnnng  vom  10.  Januar  1878.  -  -  Unterrichtsbnch  für 
Luzan^thgebilti  II  vdu  IS-^ti.  —  Anleitung  zum  Unterrichte  der  Krankenträger  in  der  Marine 
vom  9.  Januar  IS^*^.  —  Krankonträgerordnung  vom  2].  December  1888.  —  Reglement  wbor 
den  Sanitätsdienst  an  Boid  Sr.  Majestät  Schiffe  und  Fabrzeage  von  lb73.  —  Dienstanweisung 
snr  Benrtbeilvng  der  llilitirdienstfthigkeit  von  8.  April  1877.  —  Instraction,  betrefflmd  das 
Verfahren  bei  Anmeldung  und  l^riifun^r  der  Versorgnns:siUisprüche  vduj ','tj.  Jnni  l'^77.  —  l'esfim- 
niUDgen  iiber  Bade- und  Brnnnencnreu  von  1S>>9  i  Armee- Verordnungs-Hl.  Nr.  15l.  -  Bestimmungen 
tiber  die  Aufnahme  in  die  kmiifri.  prcn.>i>ischen  roilitärärztlichen  Bildungsanstalten  zu  Berlin. 
Berlin,  10.  März  1890.  —  Armee-Verardnungs-Bi.  1877,  Nr.  (i  (üienatverbältniss  der  Unterärzte 
sn  den  Porto^peeunterofflcieren).  —  Vorträge  über  Militärsanitatswesen  im  Falle  eines  Krieges 
in  den  Armeen  Riisslaiids,  Di  u' schlands  ,  f)^ -lirreichs ,  Amerikas.  Frankreichs  etc.  Peters- 
burg iä7U — 1871.  Berlin  1871.  —  G.  J.  tiuthrie,  Directiona  tu  armtf  suryeom  on  the  fitld 
qf  battt«.  (O.  O.  n.  J.)  3.  ed.,  8°.  8  S.  —  Code-fitanud  itea  o^eien  tf«  ««rmee  de  sanU 
mlflf'iire.  Fase  I.  O.Salle,  S,  ri  ire  »»'flicaf  i:';/imciitnire.  Paris  ISS5.  8*,  XXX  n,  372  S. — 
Barn  i  er,  Aiih-mrinaiie  ilit  nn'ihci»  de  In  HKnine.  Paris  1885,  8"  <Frcs.  2*50).  —  Evatt, 
(hl  tlie  medical  or</iiui,sn(ion  of  the  base  of  operatiom  in  war  time.  Woolwich  18^6.  — 
Beetz,  i<cbematismua  der  CivU-  nnd  Militirsrste  etc.  im  KOnigreiebe  Bayern.  MQnchen  1886, 
9  Jahrg.  (H.  1.—).  —  Dnser  Hilftirsanit&tsweeen  und  dessen  seitgemXsse  Baorganisinng. 
W'ien  l-~^7.  er.  8'.  1.S5  8.  (M.  1  r,0).  —  v.  Ejiidy,  Die  Onicicie  unil  Sanität.xDfficicre  zur  Dis- 
position und  im  Beurlaubtenstaude.  Dresden  ljs87.  8*-  144  S.  —  Dr.  W.  Derb  Ii  ch,  k.  k.  Ober- 
stabsarzt I  CI.  d.  R.,  Der  Militärar/.t  im  Felde.  Wien  und  Leipzig  l'«88.  8".  XII  u.  192  S. 
(M.  .  Besprochen  im  „Militärarzt"  18^9.  Nr.  :\  und  Deut.«clie  niilii.  Zeitschr.  1888,  Heft  11).  — 
A.  ()cbwadt.  Das  Kriegsheilwesen  im  F.inklan^-e  mit  der  cullurellcn  Entwicklung  der  Civili- 
i-ation  und  Humanität.  Berlin  1889  (M.  5. — ).  —  Dr.  E.Rott  er.  Die  persönliche  Feldaus- 
rüstung des  deutschen  Offlciers,  Sanitätsofäciers  und  Militärbeamten.  Nürnberg  1889.  4.  Aufl.  — 
Dr.  Riedel,  Die  Dienstverblltnisse  der  kSnigl.  prenss.  Militirirate  im  Frieden.  Berlin  1891, 
3.  Anfl.  (M.  4.50).  —  Myrdacz,  Handbuch  für  die  k.  u.  k.  Militariir/l.  .  AVim  lfi9i». 
gr.  8".  IX  u.  92ii  S.  —  H.  Frölich,  Bestimmungen  über  die  Militardien.-«tptiicht  der 
Aerzte  und  Medicinstndirenden.  Leipzig  l>-^9.  2.  Aufl.  16".  31  S.  —  H.  Frölich,  Msdi- 
cinisebes  ftber  Kriegsstärke.  Militärarzt.  1>92 .  Nr.  2:S  24.  —  Frankel,  Bemerkungen 
Aber  die  östenrelehtscben  Bles-sirtenträger.  Wiener  Klinik.  1887.  11.  12.  Heft.  —  Italienischer 
Marinesanitatsdienst.  Mil.<WoehenbL  1890.  Nr.  41.  —  Zahl  der  deatschen  Militftrfttst«.  Dentadi« 


SilLITÄRSANITÄTSPEBSONAL.  —  UITTfiLOHRAFFECTIONEN. 


531 


med.  Wochenschr  1"^^"^,  Nr.  B.  —  Aerate  im  Deutschen  Reiche.  Veröffendichnngen  de« 
k.  k,  deutschen  Gcsundheitsanites.  18*7.  Nr.  u.  ff.  —  Deutsche  Aerzte.  Kriegerheil.  1878, 
Nr.  i.  — Eiiegsetat  des  englischen  Sanitätsper.><onale^.  Mil.-Wochenbl.  187ii,  Nr.  9,  pag.  163. — 
Fehlen  prenssisclier  Aerzte.  FelUant.  1876.  Nr.  Si6.  —  Oesterreichische  Militärarate.  Wiener 
med.  Prässe.  1876,  Nr.  '6.  pag.  110.  —  Aerzte  de«  dsntschea  Heeres.  Mü.-Wnchenbl.  1878, 
Nr.  17.  —  n.  Frölich.  Ergänzung  des  deutschen  Militänanitfttapersooale-!.  Alluri  nieine  militär- 
ar^tlicbe  Zeitg.  18ü9,  Nr.  3,  pag.  36.  —  Erganznag  des  UilitärtaoitäUpersonaleji.  Ddutacbe 
niilit  Zeit.schr.  1875,  Heft  3,  ptr.  )14.  —  H.  FrOlIcli,  Brcftnsnog  des  Sanit&tapenMiales. 
Vierteljuhrachr.  f.  gerichtl.  Ifed.  N.  F.,  XXIV,  Heft  8.  —  H.  FrSUch.  BrigideärEte.  Mnitftr> 
arzt.  1878.  1-.3.  H.  Fr^HcIi. 

MiSChCUltUren»  &.  Bakterien,  pag.  74,  75. 
Mitralstenose,  b.  Henkraakheiten,  pag.  417. 

NNttelohrafTeGtlonen.  (Vergl.  Keal-Encyctopldie,  II.  Aufl.,  Bd.  XII, 

pag.  314,  Siippl.-Bd.  XXIII,  pag.  500  und  Suppl.  I^i.  XXIV,  pap.  517.)  Aufdii  Rt 
deutun^  der  bjikteriolojrisclien  Untersuchuii^r»-)!  <ii.r  Olir.^ecrete  für  das  Verstiindiii.ss 
der  entzündlichen  Processe  des  Mittelobrs  und  ganz  speciell  der  daaelbst  sich 
abspielenden  eiterigen  Froeesae  ist  tmeits  frflher  in  gebObrender  Weiss  hinge- 
wiesen  wordra  nnd  es  ist  namentlieh  auf  Grund  der  cxacten  üntersucbangen 
Z.\^■FAL'^?  u.  A.  im  Sccrete  dor  erkrankten  Paukenhöhle  das  Vorkommen  fuljreiider 
Mikroben  eonstatirt:  Des  Diplococcus  pneumoniae  Fkäxkel-Weichshlraum,  des 
Pncumouiebacilluä  Fkieulandkb,  der  pyogeuen  Mikroorganismen ,  tStreptococcua 
pifogenet  aureu»  et  ttlbue^  Staphylocoecus  pyogeive»  atfrott«  ^  albus^  Stnphflo- 
coccus  tenuis  ,  Bnclllu»  tejuiia ,  Bacillus  jnjocynneus ,  Microco'  r,/s  f>  fj-,ni'-n>is. 
Tinrilhis  tubei'cuhi.siis  und  des  Soorpilzes.  In  gleicher  Wci.^e  ist  auch  auf  die 
Häutigkeit  des  Vurktimuiens  der  verschiedenen  Mikroorganismen  aufmerksam  ge- 
maebt  nnd  namentlieh  betont,  wie  man  sieb  das  Cbroaisebwerden  aent-entzflnd- 
licher  Prooesse  des  Uittelohrs  zu  erklSren  hat.  Zu  den  bisher  nng:efuhrten  Mikroben 
würde  nunmehr  auf  Ornnd  einer  neueren  Beoljachtnn^  sich  hinzuge^elien  der 
NEissEB'scbe  Gonococcus.  welcher  bei  einem  ganz  jugendlichen  Kinde  im  eiterigen 
Seorete  des  Mittelolires  von  Flksch  gefunden  und  auf  Grund  dieser  ßcobschtuDg 
«ds  wabrsebdniieh  sehr  hllnfiger  Krankheitserreger  der  Mittelohreitemngen  gans 
jugendlicher  Individuen  von  ihm  ann:c.''prochcn  wurde. 

Mokanntlich  kfunmen  bei  panz  jujrt'mllichen  Kindern  durehau.s  nicht  selten 
ObreneiteruDgen  vor,  eutweder  isoUrt  uder  zu.sauimen  mit  Trippcrblennorrboen 
des  Auges.  Fttr  dieselben  sind  mehrere  eausale  Momente  herangesogen  worden; 
man  plaubte ,  dass  bei  der  Rückbildung  des  Schleimpolsters  in  der  Paukenhöhle 
in  ¥o\\:v  hyperämischer  ZustUnde  und  bei  der  Sueculenz  der  Schleimhaut  es  leicht 
zu  entzündlichen  Processen  kommen  könnte,  und  soweit  es  sich  um  spontane 
Mittelohreitemngen  bei  diesen  Jugendlieben  Individuen  handelt,  soebten  einige 
Ohrenärzte  die  Entstehung  der  Eiterung  mit  diesen  re^r  osiven  Proee.ssen  in 
Zu-tammenhani}:  zu  brin{rcn  ;  allerdings  ist  hierbei  immerhin  neeh  nicht  klar,  wclche.s 
veranlassende  Moment  dabei  besonders  in  Betracht  zu  ziehen  ist.  Und  um  ein 
solches  heranziehen  zu  können ,  sind  andere  Beobachter  geneigt ,  das  Eindringen 
von  Badewasser  in*s  Ohr  bei  diesen  jngendlieben  Kindern  fttr  die  fiiternng  in 
besehnldigen. 

Bei  der  immerhin  nicht  jranz  eindentipren  und  etwas  gezwungenen  Er- 
klärung ist  deshalb  die  Beobachtung  vou  Flescu  besonders  beachteuswertb,  und 
es  bleibt  nur  abzuwarten,  ob  sieh  dieselbe  bestätigen  wird.  leh  selbst  habe  in 
zwei  Filllen  vou  eiteri<;en  Mittelohrentzündungen  bei  ganz  jugendlieben  Kindern 
eine  Bcstiltiprunj?  der  Fi.KSCH'sehen  Mittheilunfren  nicht  erlan?:en  können;  es 
lieasen  sich  in  den  Secreten  des  Obres  Streptococcen  und  Stapbylococcen  in  grosser 
Menge  nachweisen,  Gonoeoeeen  dagegen  fanden  sich  niebt  vor.  Ueberdies  wird 
man  wohl  bezflglicb  der  Gonoeoeeen  pontive  Resultate  zu  erwarten  haben  nur 
in  denjenigen  F.lllen  von  Ohreneiterunjen,  welche  sogleich  nach  der  TicJinrt  eine 
Augenblenoorrhoe  zeigen,  in  denen  also  die  Möglichkeit  der  Invasion  der  Gono* 

34* 


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532 


MITTELOUHAFFECTIONEN. 


coccen  in  die  Nase  und  von  da  durch  die  Tuben  hindurch  in  das  Cavum 
tympani  gegeben  idtj  bei  etwas  älteren  Kindern,  etwa  von  3 — 4  Wochen  und 
djuflbor,  wdehe  spontoD  eine  OHti»  vudia  puruunUa  bekomnen,  wird  mm  woU 
den  Gonocooea«  Ndaser  als  Krankheitserreger  nicht  mehr  erwarten  dürfen,  weaa 

man  nicht  gerade  annehmen  wollte ,  dass  derselbe  so  lange  Zeit  unschuldig  in 
einer  der  hier  in  Frage  kommenden  Cavitüteu  sich  aufgebalten  hätte.  Wie  dem 
auch  sei,  jedenfalls  ist  die  Frage  noch  weiterer  Aufklärung  bedürftig. 

So  sehr  nun  aoeh  dnreh  die  bakteriologiseheo  Untersnehnngen  gewisse 
ätiologische  Momente  klar  gestellt  sind,  so  lAsst  sich  doch  vorlinfig  eine  Classi- 
fication der  in  der  Paukenhöhle  Bich  abspielenden  Entzündungen  je  nach  den  hier 
ursächlich  wirkenden  Bakterien  nicht  aufstellen  und  alle  angestrebten  Versuche 
naoh  dieser  Riehtang  hin  haben  sieh  bisher  als  hinfUUg  erwiesen;  weder  lassen 
sich  die  kliniseheu  liilder,  soweit  wir  dieselben  durch  die  gelAnfigen  otoskopisohett 
Untersuchungen  feHtstellcn  können,  einer  derarti'^en  gezwiiii^'pnen  Ilnbricining 
unterordnen,  noch  stehen  die  su  bjectiven  Beschwerden  der  Kranken  mit  den  etwa 
in  Frage  kommenden  Ätiologischen  Momenten  in  irgend  einer  verwerthbaren 
Harmonie.  Und  so  Ueiben  deAalb  Krankheitsbilder  Qbrig,  welche  wrtterer  Auf- 
klärung bedürftig  sind  und  deshalb  immer  wieder  zu  neuen  Arbeiten  anregen. 
Eine  der  iiierkwürdipen  Formen  der  Eiterungeu  des  Mitteluhrs  sind  die  Eiterungen 
am  oberen  1  rommeltellpol ,  au  der  Mvinbi'ana  jlaccida  S/irapnellif  eine  Er- 
krankangsform,  aber  weldie  die  Ansiditen  hentsntage  noeh  äasserst  eontrerers 
sind.  Naididem  bereits  früher  dieser  Form  der  Erkrankung  von  einzelnen  Ohren- 
ilrzten  so  ganz  nebenbei  Erwähnung  gethan  ward,  ist  besonders  durch  Morpohöo 
die  Aufmerksamkeit  auf  die  Eigeuartigkeit  dieser  Erkrankang  und  auf  die  be- 
sondere Localisation  hnigeiriesen  worden;  andi  diesen  hat  alsdann  «ne  Beüie 
von  Faehminnem  auf  Grund  einer  grösseren  oder  klmneren  Zahl  von  Beobaeh- 
tnnfrcn  das  Krankheitsbihl  einer  weiteren  Betrachtung  unterzogen.  MoRPüRQO 
kam  auf  Grund  s-incr  Beobaebtuugen  zu  dem  Resultat,  dass  das  Leiden  besonders 
im  PucssAK  sehen  liaume  sieh  abspielte,  und  dass  es  sich  um  eine  Eiterung  hier- 
selbst  handelt.  Oes  näheren  Versttndnisses  wegen  sei  hier  bemerkt,  dass  man 
unter  „dem  sogenannten  PRU.ssAK'schen  Räume"  einen  kleinen  Hohlraum  versteht, 
welcher  sieh  befindet  zwischen  Hammerhals  und  Membrann  ßaccidn  Shrapnelli 
in  einer  Ausdehnung  von  ^i^  —  ^i^'".  Dieser  Hohlraum,  der  von  allen  Seiten  ge- 
fichloBflen  ist,  commumeirt  blos  mit  der  Paukenhöhle  dnrdi  eine  ziemlieh  grosse 
Oeffnung ,  welehe  über  der  hinteren  TrommelfelUa>^ehe  Trültsch's  sieh  befindet. 
Die  Grenzen  dieser  Hi»hlo  sind  nach  aussen  }femhrana  ßorciiht,  nach  innen  die 
laterale  Flilcbe  de^  Hammerhalses,  nach  unten  die  obere  Fläche  des  Frocessm 
'brevis  und  die  obere  Wand  wird  gebildet  durch  die  Membrana  ßacoida. 

In  diesem  Räume  nun  soll  sieh  naeh  Hobpdboo  die  Eiterung  abs|rfelea. 
Politzer,  weicher  dieser  eigenartigen  Erkrankungsform  seine  Aufmerksamkeit 
besonders  zuwandte,  verlegt  die  Eiterung  in  das  in  der  Naehbarscbaft  doi 
PRUäSAK'schen  Üaumes  befiudliche  und  von  ihm  bcAchriebeue  Höblensystem  zwischen 
Membrana  Shrapnelli  und  Hammerhals,  in  welcher  der  RiviNfMbe  Anssehnitt 
hineinragt  und  welcher  begrenzt  wird  naeh  aussen  vom  oberen  Theile  der 
Memhrnna  ßaccidn  und  naeh  oben  von  i'iner  Membran  ,  welche  als  Fortsetzung 
des  Schleimhautuberzuges  der  äusseren  Trommelhöhleuwand  nach  unten  und  innen 
snm  Hammerhais  hinsieht  Dieser  Ansieht  sehliesst  sidi  aneh  Hbsslcb  an,  wihrend 
Krbtscskann  die  Ausdehnung  dieser  Eiterungen  auf  Grund  anatondsciier  Unter- 
Illingen  etwas  weiter  angiebt.  N.ieh  ihm  handelt  es  sich  um  eine  Erkrankung 
des  von  ihm  sngeuaunteu  Hammer  -  Aiubttssaebuppenraunies  ,  weU-hor  gelegen  ist 
zwischen  Hammerkopf  und  Ambosskörper  einerseits  uud  Scbläfeusebuppu  anderer- 
seits und  von  der  ttbrigen  Paukenhöhle  gans  oder  grOsstentheils  abgeschlossen 
ist  und  sieh  zum  PRUSSAK*sehen  Kaurae  so  verhält ,  dass  letzterer  unterhalb  des 
KiiKiM'iiMANN  sehen  IJaumes  sich  befindet:  da-;  PnrjTZKK'sohe  Höhlensystem  bildet 
nur  einou  kleineu  Theii  des  KKETSCUMANN  ächeu  iiuume^. 


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UIXTELOflBAFFfiCXIONfiN. 


533 


Sind  nan  »cbon  die  Ansichten  über  die  AusdehuuD<r  der  Erkrankunf^ 
controvers,  so  ^ehen  die  Mpiminpen  flber  die  F.ntstehunfr  derselben  erst  recht  aus- 
einander. Im  WeseDtlicben  besteben  zwei  Ansichten ,  welche  in  Betracht  kommen 
nnd  Uber  dM  Wesen  der  Erkrankung  AnfklXrung  geben  sollen.  Die  eine  Ansicht  ist 
die,  dMS  es  deh  im  eine  etnfiu^  lUttelobreiternng  handelt,  deren  ürsaebe 
tubalen  Urspninfrs  ist,  so  das>!,  wie  bei  den  übrigen  Mittelohreiterungen  die  Mikroben 
von  der  Nase  und  dem  Nasenrachenräume  in  das  Cnviivi  tympani  einwandern, 
die  besondere  Localität  am  oberen  Trommelfellpol  aufsuchen  und  die  Veranlassung 
Bur  Entsttndang  geben ;  es  wird  diese  Anrieht  von  fast  allen  Ohreointen,  welche 
rieh  mit  der  fi'age  beschäftigt  haben,  vertreten,  fo  von  Zaüfal,  Scrmiegelow 
n.  V.  A..  ansper  von  Walb,  welcher  einer  zweiten  Meinung  Ausdruck  gab  Nach 
ihm  handelte  es  sich  in  allen  oder  in  fast  allen  diesen  FflUon  zunächst  um  eine 
0tü%8  extemay  in  deren  Gefolge  die  Eitemng  am  oberen  Trommelfdlpol  aiftritt, 
und  awar  soll  naeh  Walb  dies  in  sweifacher  Welse  gesriiehen  können.  Entweder 
enengt  eine  Frkranknnp:  des  .lusseren  GehÖro:ai)fres  eine  Infection  der  Hohlräume 
an  der  Membrana  fiaccida  Shrapnelli  durch  ein  Forampu  Itivmi  hindurch  ödst- 
es ergreift  eine  Otitis  externa  die  Membrana  ßaccida  direct  per  continuitatem. 
INesem  ErkUrongsversnche  stehen  die  crhebliebsten  Bedenken  entgegen,  wie  dies 
bereits  Bezold  in  ausftlhrlicher  Weise  hervorgehoben  hat  und  es  giebt  wohl  nur 
wenige  CJhrenärzte,  welche  sich  den  WAT.B'schen  Anschannngen  anfreschlossen 
haben.  Ganz  abgesehen  davon ,  dass  das  Vorkommen  eines  normalen  Foramen 
Mimni  bentsutage  überhaapt  bestritten  ist,  würde  bei  der  grossen  Zahl  der  snr 
Beobachtung  gelangenden  Ffllle  von  Entzündung  des  äusseren  Gehiir'jrange'^  doch 
auch  von  anderer  Seite  mit  Lei<'litif:keit  eine  Bestatifrunjr  der  WAi.p'schen  Mit- 
theilungen zu  erlangen  gewesen  sein ,  sofern  dieselben  den  thatsiiehlichen  Ver- 
hältnissen entsprechen.  Nichts  von  alledem  findet  sich  in  der  geläufigen  Literatur 
▼or  nnd  dazu  kommt  noch,  dass.  wie  altoritig  betont  irird,  Msehe  Perforationen 
der  Membrana  flarciffn  S/irapnelli  im  An^chltiss  an  eine  acnte  OfifiM  fjtpnia 
und  media  zu  den  allergrössten  Seltenheiten  f^ehören  ,  dass  diese  Processe  viel- 
mehr fast  ausschliesslich  einen  chronisch-schleichenden  Charakter  au  sich  tragen, 
also  ihrer  Entstdinng  naeh  mit  aent-entsllndlieben  Proeesaea  dea  InsBeren  Oehör^ 
gangea  zeitlich  gar  nicht  zusammenfallen.  Aber  auch  die  erste  Erklärung  scheint 
den  Kern  der  Sache  nicht  zu  treflen,  weil  unter  der  Annahme  eines  der  gewöhn- 
lichen Mittelohreiterung  gleichen  Processes  das  chronische  Auftreten  derselben, 
die  Eigenartigkeit  des  Verlanfes  trots  der  anatomiseben  Loealitit  sieh  niebt  gentlgend 
erküren  ISsst.  Ueberdies  haben  wir  hierbei  noch  ^e  Tbaiaaehe  su  registriren,  daaa 
e»  pTcrade  bei  diesen  Erkranknn^ren  vielfach  zur  Bildung  von  Cholesteatomen 
kommt,  wie  fast  alle  Beobachter  angeben  :  auch  diese  f^igeuart  der  Absonderuugs- 
producte  epithelialer  Natur,  zuerst  spärlich  uud  wenig  cohärent,  später  reichlicher 
in  anaammeoblngenden  Massen  mit  dem  ansgeaproeheneii  Oharakt^  der  Cholestea- 
tome verleiht  dieser  Erkrankung  ein  von  den  gewöhnlichen  Mittelohreiternngen 
etwas  verschiedenes  Gepräge.  Allerdings  bedarf  es  guter  nnd  genauer  rnter^juehung 
in  vielen  Fällen,  um  den  Krankheitsherd  genau  Ubersehen  zu  können.  Vielfach 
sieht  man  zunächst  von  der  Perforation  flberhaopt  nichts;  am  oberen  Trommel- 
fellpol  befinrlen  sich  eingedickte,  zeitweise  auch  mit  etwas  Cerurnen  vermischte 
Maasen,  welche  dem  Procp.'^fiiis  brrvis  des  Hammers  anhaften  und  nach  deren  etwas 
schwieriger  Entfernung  erst  das  eigentliche  Bild  klar  wird.  Ob  nun  diese  epithe- 
lialen Hassen  Veranlassung  geben  anr  Bildung  von  grossen  eholesteatomatOsen 
Tumoren ,  ist  eine  Frage ,  welche  bis  jetst  endgiltig  noch  nicht  entschieden  ist. 
Hier  difTeriren  die  An'^ichten  der  Ohrenfirzte  und  der  pathologischen  Anatomen; 
ganz  besonders  sei  hervorprehoben,  dass  Viüchhw  die  ('liolestcttome  als  heterotope 
epitheliale  Bildungeu  auÜ'a.s.st ,  während  die  meisten  Ohrenilrztü  im  Anschluss  an 
die  Beobaiditungen  beim  Lebenden  in  desquamativen  Entzündungen,  welche  im 
Hittelobr  sieb  abspielen,  die  häufigste  Trsache  für  dieselben  verniuthen.  Ob  es  rieh 
hierbei  um  eine  EpidermUirnng  der  Schleimhaut  mit  nachfolgeuder  Abstossnng  der 


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534 


MlTTELOHRAFFECTlONBlf. 


oberflSchlieben  Schiebten  haudelt,  wie  Lvcae  angießt,  oder  um  ein  Hineinwachsen 
der  Epidermis  des  ()ehör<ran{?a  durch  einen  Defect  des  Trommolfells  in  das  Can/m 
lympani  nach  der  Vorstellung  von  Bezold,  ist  bis  jetzt  nicht  sicher  entschieden. 
LetBtere  Ansielit  CTseheint  nleht  sehr  wahnebrinliebf  um  so  weniger,  ala  für  eisen 
derartigen  Vorgang  Analogien  im  11brig:en  Körper  fehlen  und  es  dürfte  die  Ansicht, 
dass  es  sich  um  eine  Metaplasie  des  Epithels  handelt ,  wohl  eher  frerecbtfertiprt 
erscheinen,  so  dags  in  Folge  gewisser^  uns  noch  unbekannter  Kcize,  Schleimhaut- 
thdie  sieh  in  E^dermis  Terwaudeln  können,  Zustände,  für  welche  wir  Analogien 
im  EOrper  vorfinden.  Wie  dem  anoh  sei,  so  ist  das  Zusammentretren  von  choleetea« 
tomatfisen  Rildunfjen  mit  Eiterun^rcn  am  oberen  Troninu'lN  lIjxiI  imiiierhin  bemerket)''- 
werth  und  für  uns  ein  Fingerzeig,  gerade  hier  diu  patlioiogisch-anatomischen 
Untersuchungen  zur  Aufklärung  der  complioirten  Verhültuisse  einsetzen  au  lassen. 

Was  nun  das  kUniseha  Kid  anlangt,  so  tässt  sieh  auf  Grund  der  etwaigen 
Rubjcctiven  Klagen  der  Patienten  kein  Symptom,  welches  Verwerthnng  finden  könnte 
für  die  Diagnose,  anführen;  es  bestehen  die  srewuhnliehen  für  die  I)ia?tioso  der 
Miltelohreiterungen  charakteristischeu  Beschwerdou  der  Ohreaeiterung  und  mciüt 
^rabsetsung  der  HQrfunetion.  Objeetiv  kann  man  duroh  die  otoskopisehe  Uoter- 
BUehung  entweder  die  an  der  Membrana  ßacvidn  Shmjmelh'  bestehende  Perfora- 
tion direct  sehen  oder  die  Oeftnunfr  erscheint  bedeckt  mit  zfllien  ,  fe^t  klebenden 
Secretmassen,  Epidermisschuppen,  welche  auch  das  übrige  i'roumelleli  zum  Tbeil 
mit  Aberziehen  und  naeh  deren  Entfernung  das  Krankbeitsbild  klar  wird.  Mit  Keeht 
wird  von  allen  Ohrenirsten  die  geringe  Seoretion  bei  diesea  Perforationsformen 
hervorfjebolien ;  das  Trommelfell  er.-scheint  im  l'ebrigen  trneken,  glanzlos  und  ein- 
wärts gezogen;  Ilaminergrill"  erscheint  sichtbar,  in  vielen  Füllen  am  Procf,ssus 
öi'tvis  verbreitert  und  untersucht  mau  mit  der  Sonde,  so  kann  man  sich  mit  Leichtig- 
keit flbenengen,  dass  sowohl  der  Hammer  earids  ist  wie  die  Theile  am  oberen 
Rande  des  RiviKl'schen  Ausschnittes. 

Entweder  ist  die  Perforation  der  Memhrfina  f^hmpneUi  nur  allein  vor- 
handen oder  sie  ist  complicirt  durch  eine  gleiche  am  Tronimelicll ;  im  ersteren  Fall^ 
ist  beim  GatheteriBmus  und  bei  dar  Ausenltalion  ein  Perforationsgerftusch  nur 
SuHser^t  seltm  hörbar,  schon  deshalb  niebt,  weil  vielfach  durch  .'>ecretma8»en,  dureh 
Schwelliiii^--  der  Schleimliaut  n.  s.  w.  die  ('ommunicationsf*lTniiTig  verschlossen 
erschMüt,  wie  dies  bereit«  MuBruRGO  hervorgehoben  hat;  im  letzteren  Falle  besteben 
naturgemftss  alle  Au^^enltationserseheinuDgen,  wie  wir  sie  bei  den  einfachen  Perfora- 
tionen des  Trommelfells  in  beobachten  pflegen.  Ist  der  Eiternngsproeess  abgelaufen, 
f!0  kann  man  \ielfach  entweder  die  zurückbleibende  Pcrforationsi^ffnung  beobachten 
oder  die  Narbe,  welche  an  Stelle  der  verloren  ces'.iiif.'i  ticn  Membran  sieh  gebildet 
hat;  dieäclbe  lüsst  im  Hintergründe  erkennen  den  liamuicrlials  und  bei  der  Eigen- 
artigkdt  der  Verhältnisse  ist  es  vielfaeh  Äusserst  schwierig,  mit  Sicherheit  ein 
defioitives  Urtheil  Ober  die  vorliegenden  Hilder  zu  {:ewinnen,  namentlich  wenn  es 
sich  um  kleine  Narben  handelt,  zumal  an  der  Menifu-dna  S/iin/,nf  //i  selbst  schon 
in  der  'Sorm  die  mannigfachsten  Variauten  zu  constatiren  »ind  mit  Bezug  auf  die 
Grosse*  und  Ausdehnung  derselben. 

Der  Verlauf  der  Affection  ist  im  Allgemeinen ,  wie  bereits  bemerkt,  ein 
ebroiiischcr  und  die  Ausheilung  eine  relutiv  lan^^ame,  was  unter  T'mständon  auch 
der  Indolenz  der  Kranken  zur  Last  fallen  dürfte,  da  in  Krman<rluijg  hochgradiger 
liesehwcrdcn ,  Schmerzen  u.  s.  w.  die  ärztliche  Hilfe  vielfach  gar  nicht  in  An- 
Kprnch  genommen  wird.  Andererseits  ist  eine  Spontanheilung  in  ^ner  Reihe  ▼on 
F.llien  sicher  ctmstatirt,  so  dass  die  Möglichkeit  einer  Ausheilung  ohne  operativen 
Kinirritf  dadurch  gewährleistet  wird.  Es  werden  tympanale  Einspritzungen  sur 
Keini^upg  der  erkrankten  Hohlen  uothweudig,  sei  es  allein  oder  unter  Anwendung 
bereits  frOfaer  au  frege  bener  Medicationen,  von  Alcohol  abgolutu»  oder  adstringiren- 
der  Präparaie.  In  denjenigen  Fällen,  in  denen  mit  diesin  Heilx ersuchen  keine 
belriciiiirciidcu  Resultate  erreicht  werden,  bleibt  aNdann  nichts  weiter  übrig,  als 
aut  operativem  Wege  alles  Krankhafte  zu  entfemen. 


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MITTELOIIRAFFECTIÜNEN.  —  MORPHIUMINJECTIONEN. 


535 


Literatnr:  Prof.  M.  Flescb,  Zur  Aetiologie  der  Ohreneiterung  im  frühesten 
Kindesalter.  Bcrl.  klin.  Wochenschr.  Nr.  48,  pag.  lZi4.  —  Politzer'«  Lehrbach  der  Ohran- 
heilkunde.  III.  Auri.  pag.  ^91;  Anmerkung  bezüglich  der  Ohreneiterung  im  Kindesalter. — 

Morpargo,  Beitrag  stur  Pathologie  oud  Therapie  der  Perforationen  der  ShrapneirschMi 
MembraB.  Areh.  f.  Obnnlik.  1883,  XIX,  pag.  264.  —  Hetsler,  Beitrlga  snr  Pathologie 
und  Therapie  der  Perforationen  dt-r  Shrapnpll'schen  Mt  mhran.  IlnM.  1P84,  XX,  pa^.  121.  — 
K  r«  t  s (;  h  m  an  n  ,  FisteltiffnunReu  am  oberen  Pol  des  Tromnielfells  über  dem /'roce«irM«  brevis 
des  Hammers,  deren  Pilthogeneso  und  Therapie.  Ibid.  18S7,  XXV,  pag.  1864.  —  Wnlb, 
Ueber  Fisteioffaongen  am  oberen  Pole  des  Trommelfellea.  Ibid.  1888,  XXTI,  yaf.  185.  — 
Becold,  Cholesteatom,  Perforation  der  Mfemitrana  ßaeeidm  Shrapnetti  nnd  TabenTerscbltus. 
Zeitschr.  f.  Ohreiihk.  XX,  pag.  .5.  —   Sch  m  iegelow ,  Beitrage  /.ur  Fr^iL'  '  von  den 

Perforationen  in  der  MeinOmna  ßaccüla  Shraptulli  mit  Bemerkongen  tiber  die  bildang  des 
Cholesteatoms.  Zeitschr.  f.  Ohreohk.  1891,  XXI,  pag.  107.  B.  Baginskf. 

St.  Moritz.  In  diesem  bekannten  Curorte  des  Engadins  in  der  Schweiz 
i8t  im  Herbste  1886  eine  neue,  sehr  bedeutende  Mineralquelle,  die  „Fnntanna 

snrpunt",  400  Meter  nordOstlieh  der  alten  Quellen,  am  Fnm^  des  Berges  gelegen, 
entdeckt  nud  jjefa.sst  worden.  In  den  Jahren  li^fO  —  1  S;r_>  ist  nun  unmittelbar 
neben  der  Quelle  in  .sehr  günstiger  Lage  das  „neue  Stablbad  St.  Moritz^'  erbaut 
worden,  welchem  diese  neue  Quelle  dient.  Dieses  ,,neue  Stahlbad"  steht  in  etwna 
erhöhter  Lage  bei  1780  Meter  MeereshOhe,  am  Waldrande  tfldlieh  vom  8t.  Moritnr 
See,  mit  herrlicher  Aussieht  auf  ileu  .'<ee,  das  Dorf  und  die  Gebirge  thalabwärta 
nnd  thalaufwiirts.  Im  .Januar  lS'.f_>  wurde  die  neue  Miner.ilquelle  de.s  neuen 
Stablbadts  nochmalä  einer  gründlichen  Analyse  unterzogen,  welche  folgendes 
Resnltat  ergab: 

In  Form  von  Saison  bereohnet,  dnd  in  10.000  Theilen  enthalten: 


Kaliurosulfat   0*034öö 

Natriuuisulfat   2-48539 

Aninioniumchlorid   O'OIHIO 

Magnesiunisulfat   0'80357 

Magoesiumbromid   0*00120 

Lithinmchlorid   0  00630 

.Mafrnesiumchlorid   0"13744 

Magnesiuroborat   002023 

Magneslumearbonftt   0*71696 

Cal.:iin;(iii..rid   0-00180 

C.-ik'iumpliosphat   0**i01,51 

Calciumcarbonat   6'98G*J7 

Strontivmenrbonat   0*00050 

Ferroearbonat   0*86664 

Man^raucarhonat   0'0267H 

Aluniiiiiuninxyd   0  00(i35 

Silieiumdioxyd   0*62127 

Organisehe  Substanzen   0*01498 


Snmme  .    .    .  12*23039 
Freies  und  halbgebundeoes  Kohlendiozyd  (Kohlenanre)  18350' 2  Com. 

Den  Eisenf^ehalt  als  Ricarbonate  berechnet,  erhalten  wir  für  Funlauna 
surpuut  f.lanuar  18(>2  i  O  tjTlOT,  wilhrend  die  Quellen  im  Curhause  .St.  Moritz  : 
ParaceLsusquelle  0'3b64U,  die  alte  Quelle  0-;i30<.»8  enthalten.  Die  neue  Mineral- 
quelle ist  daher  wie  die  bisher  benutzten  zwei  letztgenannten  Quellen  ein  Eisen- 
säuerling, .tlier  der  Kisengehalt  ist  hOher  bei  fast  genau  gieiehem  Kohlenslnre- 
{rehalt;  der  Kalk^rehalt  i-t  wesentlich  jrerinjrer,  was  das  Wa-sser  viel  verdaulicher 
macht,  endlich  enthält  die  neue  Quelle  keine  kohlensauren  Alkalien  und  nur  halb 
so  viel  Chlor.  Die  Temperatur  der  neuen  Quelle  beträgt  7  o  C. ,  die  der  alten 
Quellen  3— 5*5»C.  Kl  ach. 

Morphiuminjectionen,  b«i  Eklampsie,  pag.  231. 


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536 


MORVAM'sche  KRAH&UEIT.  —  MVBRHOLIN. 


Morvan'SChe  Krankheit. (Vergl.  Real-Encyclopädie,  II.  Aufl.,  Bd.  XXIII, 

paff.  aOl  ;  Bd.  XXIV,  pag.  523.)  Neue  Fälle  veröffentlichten  u.  A.  B.  Sachs  und 
Abmstkono  ^)  uud  U.  GESSLKR^ji  beide  Arbeiten  verbreiten  sich  auch  insbesondere 
1ll»er  daa  TatettniM  der  MOBTAN'adiMi  Krankhdt  rar  Syringomjelie ,  konnaen 
aber  in  dieaer  Beziehung  zu  gerade  entgegeogeBetstem  Ergebniss.  Wihrend  Sachs 
und  Armstrong  ^)  die  DifTerentialdiagnose  lieider  r.rkrankungazustände  ein- 
gehend erörtern  und  sie  namentlich  in  ihren  späteren  Stadien  mit  Rücksicht  auf 
den  gesammten  Verlauf  fUr  sehr  wohl  unterscheid  bar  halten ,  kommt  GbssL££  in 
UebereinatiouttQDg  mit  HOOTKAim  aa  dem  Sehlnaie:  „Die  Maiadie  de  Morvan 
mitenelieidet  tidi  ebensowenig  anatomiseh  tou  der  Syiingomyelie  wie  klinisch." 

Literatnr:  ')  B.  Sachs  nnd  S.  T.  Armslrone,  Morvan's  disease.  New- York 
med.  Joam.  30.  April  185^2.  —  ')  H.  Gessler,  Leber  SyriDgomyclie  und  Morvan'eche 
Krankheit  Med.  ComcpondenaU.  5.  Junar  1893.  Balenbnrg. 

Myrrholin.  Eine  (von  flügge  dargestellte)  fettölige  Lösung  der  wirk- 
samen Bestendtiieile  der  M]mrbe,  aar  inneren  nnd  ftnBseren  Anwradnng.  Die 

ooneentrirte  Lösnng  (1 :  1  Myrrholin)  stellt  eine  rothbraune ,  klare  Flüssigkeit 
dar,  mit  dem  unangenehmen  Geruch  und  .iromatisch  -  bitteren  Geschmack  der 
Myrrhe.  Innere  Anwendung  in  Gelatinekapseln  mit  Ö'3  Myrrholin  (bei  chronischer 
Bronchitis),  oder  mit  0*2  Myrrholin  und  O  l  Kreosot  (oder  0*25  Myrrholin  und 
0*5  EreoBOt)  bei  Phthialkeni,  tlglieh  6—12  Kapseln  naeh  den  Mablaeiten. 


N. 

Nährbüden,  s.  Bakterien,  pag.  70  ff. 

NaJltnOUrAlgiS.  hu  diesem  Aasdrnek  boEdehnet  Benedikt  gewisse 

Formen  von  Cepbalftl^e,  die  sich  bei  näherer  rntcrsuchung  als  auf  die  Nähte 
brschrilnkt  erweisen  mtuI  hei  denen  sieh  auch  die  Nähte  gejren  Druek  hoch«Tadi}< 
emptiudllcb  zeigen.  Hknküikt  beubacbtete  diesea  Zustand  nicht  blos  bei  jugend- 
licben  Personen,  sondern  aneh  im  i|Ateren  Alter,  naeh  eingetretener  naturge- 
mlBser  VerlOthnng  der  Nühte;  ferner  als  ßegleitsymptome  mancher  nervöser 
Zustände,  wie  z.  15.  ^f<"■fuls  JiasrJoin'i.  In  einzelneu  Frtlleu  kann  diese  Erkran- 
kung, die  wabrsfheitilich  mit  Nahtentwicklun^  und  Nahtinvolution  zufiammenh,1n;rt, 
aueh  als  acutes  Leiden  auftreten.  Die  Therapie  besteht  nach  Benedikt  in  der 
loealen  Anwendung  von  Eaa,  von  Point»  de  feu  anf  der  rasirten  Kopfhaut  und 
ünterhaltuog  der  Eiterung  dnreh  Ung.  Mezerti,  und  im  innerliehen  Gebrauche 
von  Jodnatrium. 

Literatur:  Benedikt,  Ueber  Hyperä?theäieu  der  Kopfhaut.  Interuat.  klin. 
Rmidaeliaii.  1892,  Nr.  1.  Enlenbnrf. 

NarbOnStenOSBII,  des  Dara»,  pag.  189. 

NftrCOilly  8.  Antispasmin,  pag.  19. 

NsphritiSy  acute,  8.  Harncylinder,  pag.  392;  chronische,  ibid. 
pag.  392—394. 

N6phr0pt086,  8.  Enteroptose,  pag.  248,  250. 

Neuralgien,  Seebider  dabei,  pag.  558. 

Neusser'scher  Farbstoff,  B.  Harufarbatof fc,  pag.  400. 

Nierenepithelien,  im  llaru.  pair,  385. 

NitroprUSSidnatrium,  als  lie.i-.ns.  s.  Ilam,  pajr.  .376. 

NordseeCUrOrte.  unter  den  .Seebädern  nehmen  die  Nordseebäder  eine 
Mgeaartige  und  hervorragende  Stellung  dadurch  ein ,  dass  die  für  therapeutische 
Zwecke  in  Frage  kommenden  Faetoren  der  Seeluft  sowohl  wie  des  Seebades  bei 

ihnen  in  einer  Weise  zum  Ausdruck  und  zur  Geltung  kommen^  wie  sie  in  solcher 
Gleichmässif^keit  und  sich  fre^enseitip-  er^'änzend  andere  Gruppen  der  Seebader 
nicht  bieten.  Dabei  ist  nicht  ausgesehlossen,  dass  die  einzelnen  Curorte  der  Nord- 
see, In  ihrer  Mannigfaltigkeit  und  Yerschiedenhdt  je  naeh  ihrer  Lage  und  dadurch 
bedingter  Eigenart  sowohl  der  klimatischen,  wie  der  die  Heilwirkunj^  der  See- 
bäder bedingenden  Fact'»ren ,  ebenso  den  verschieden.Trtifr^ten .  filr  die  Seelut't- 
und  Secbadocur  in  Betracht  kommenden  ärztlichen  Anzeigen  zu  genügen  vermögen, 
wie  dnreh  ihre  anderweiten  Gnrmittel  den  v»scliiedenartigen  Ansprüchen  des  Cur- 
gastes  und  den  in  des  letzterem  Interesse  sn  stellenden  Anforderungen  des  Arztes. 

Seit  flf'ti  li.iliiilirt  chenden  Arbeiten  Benrkk'.s  erkenricn  wir  in  der  ^tetiiren 
Einwirkung  der  Seeluft,  indem  „iiuftbade",  das  spccilische  Moment  nicht  allein 


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588 


NOBDSESCUBOBTB. 


d«r  eigentlieben  Seelaftcoreo ,  sondern  aaeh  der  SaebadMor.  Der  Aufenthalt  am 

Strande  in  Verbindung  noit  Seebädern  ,  also  das .  was  man  gewöhnlich  „das  See- 
bad" nennt,  ist  demgemäsa  eine  klimatische  Cur  in  Verbindung  mit  einer  erregen- 
den Form  der  Kaitwaasermethode.  Durch  die  hohe  Bedeutung,  die  damit  der 
Seeluft  snerkannt  iit,  tritt  auch  sofort  der  üntenehied  in  der  Miiitiren  Bedeotaog 
der  Insel-  und  RQstenbflder  hervor.  Nächst  dem  Aufenthalte  auf  einem  SchifTe  — 
und  zwar  der  grösseren  I^einheit  der  Luft  wegen  am  ausgesprochensten  an  Bord 
eines  Segelschüfes  —  wird  duruh  deu  Aufenthalt  auf  einer  nicht  allzu  grossen 
und  dem  Peetlaiide  nicht  sn  nahe  gelegenen  Insel  die  Einwirkung  der  Sedufl  und 
flberhaupt  des  Seeklimas  in  seiner  reinsten,  wirksamsten  und  constantesten  Form 
dargestellt.  r>ii'  KUstenbäder  ern)angeln  unter  allen  l'mständen  der  dauernd  reinen 
Seeluft  und  damit  auch  zugleich  weiterer,  in  sanitärer  Beziehung  wichtiger  Factoren 
des  Seeklimas:  der  Oleiehmässigkeit  der  Temperatur  und  des  Feucbtigkeitsgebaltea 
der  Luft,  dee  hohea  Osongehaltes  u.  e.  w*,  da  ihnen  der  Landwind  von  wenigatena 
einer  Richtung  die  trockene,  staubige  und  mit  organischen  Zersetzungsproducten 
geschwäntrertt'  Luft  des  Festlandes  zufuhren  niuss,.  wilhretul  auch  die  von  zwei 
anderen  Kichtuugcn  webenden  Winde  ihnen  nicht  reine  Seeiuit,  sondern  nur  durch 
Beimieehang  von  Landlufl  verunreinigte  Luft  sufOhren  liOnnen.  Eine  Ananahme 
hiervon  krmntfn  nur  auf  einer  schmalen,  sich  weit  in  das  Meer  hinaus  erstrecken- 
den Land/uuge  gelegene  Orte  machen,  wie  es  deren  in  den  fdr  eigentliche  See- 
luft- oder  Seebadecuren  geeigneten  Aleereu  nicht  giebt.  Aber  nicht  allein  in  Betreff 
der  Seeluft,  sondern  auch  hindehtiieh  des  Eeehadc«  stehen  die  Curorte  der  Kttste 
im  Allgemeinen  hinter  denen  der  Inseln  schon  dadurch  znrOek,  dass  ihre  Badeaeit, 
mehr  als  lei  letzteren,  wegen  der  Strandverhftltnisse ,  Stri'mningeu  u.  h.  w.  auf 
die  stets  wechselnde  Zeit  der  Fluth  und  aucli  da  zuweilen  nur  auf  kurze  Zeit 
beschränkt  ist.  Das  Seewasser  selbst  ist  au  den  Küsten  öfter  durch  Beimischung 
von  Sas»>  oder  Brackwasser  dnreh  in  der  Nihe  mündende  Flttsse,  Canale,  Schleusen 
oder  Hafenanlagen  verunreinigt,  was  um  ^^o  sicherer,  und  tum  Theil  in  entschieden 
gegundlieitsgtfjlhrlicher  Weise  der  Fall  ist,  wenn  die  Kflstenbflder  sich  an  grössere 
und  gr»sse  Orte  anlehnen,  die  natürlicher  Weise  zugleich  zur  Luftverscblechterung 
beitragen.  In  nachtheiliger  Weise  macht  sieh  fdr  die  KUstenbftder  aueh  der  Ein* 
tluss  der  Landwinde  auf  das  Niederhalten  des  Wellenschlages  bemerkbar,  namentlich 
in  der,  andererseits  L'^cradf  fdr  die  Inselbitder  besonders  günstigen  herbstlichen 
Jahreszeit,  wo  die  1  tuiperatur  des  Festlandes  und  der  Landluft  niedriger  ist,  als 
die  Temperatur  des  Meeres  und  der  Seeluft.  Derartig«*.  Temperaturerniedriguageu, 
die  ihren  Ausgleich  nach  der  See  suchen,  kommen  in  oft  sehr  unangenehmer  und 
znr  Vorsicht  auffordernder  Weise  zur  Geltung,  namentlich  an  bewaldeten  oder 
gebir^riiren  Klisteii.  wie  allerdings  die  Nordsee  erstere  nur  ausnahmsweise,  letztere 
gar  nicht  hat.  l:;chliejS8lich  ist,  bei  Abwägung  der  den  Inselbädeiu  vor  den  KUsten- 
bädem  zukommenden  Vorzflge,  auch  die  von  Ben  EKB  annichst  fttr  die  deatsehe 
NordseekQste  lestgestellte,  in  gleicher  Wd-c  ahur  an  den  Heeresküsten  im  Allge- 
meinen zur  (ieltung  kommende  Thatsachc  in  racluuing  zu  ziehen.  ,.daÄS  die  sanitäre 
Potenz  der  Nordseeluft  auf  '/g  Stunde  Entfernung  von  der  KUüte  landeinwärts 
nicht  mehr  in  ihrer  charakteristischen  ESgenthllmlielikeit  hervortritt^. 

Alle  die  charakteristischen  Eigenschaften,  wie  wir  sie  in  ihrer  Gesammtheit 
zugleich  als  die  lleilfactoren  der  Si'cluft  anerkennen:  Reinheit,  Ctleiclim.lssigkeit 
der  Temperatur  und  d(<  hnhen  Feuchtigkeitsgehaltes,  Dichtigkeit,  höherer  Uzon- 
gehalt,  Bewegtt<ein,  kommen  auf  den  kleinen,  schmalen,  vorwiegend  äandigeu  und 
schwach  bevölkerten  Inseln  der  Nordsee  zur  vollen  Oeltong.  Es  nehmen  in  dieser 
ßeziehuQff  die  den  >  i  1  <  cküsten  vorgelagerten  Inseln  eine  durchaus  eigwartige 
Stellung  ein.  «»«stlirli  di  r  Nord-cc  können  die  In^clbiider  der  Ostsee  in  Bezug 
auf  Seeluft  schon  aus  dem  Grunde  mit  den  Inselcurorteu  der  ersterun  nicht  in 
Wettbewerb  treten,  weil  die  Ostsee  selbst  in  Folge  des  sie  von  allen  Seiten  nm- 
>chlic.s<oiiden  Landes  mehr  den  Charakter  eines  grossen  Binnen-^ees  trägt,  dessen 
Verbindung  mit  dem  Atlantisehen  Ooean  nur  eine  indirecte  ist,  vermittelt  dureh 


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NORDSEECUBORTE. 


Ö39 


dto  Nordsee,  des  Ska^errak  und  Kattegat,  den  ftrossen  und  Kleinen  I^elt  und  den 
Rnnd.  Id  betreff  «Her  der  Ei^renscliaften  ,  mit  Ausnahme  der  Dichtigkeit,  die  wir 
der  Seeluft  Als  ebarakteristisch  uud  zu^^leich  als  ihre  sauitüro  Fauturen  zuerkennen, 
ist  die  Ostsee  minderwerthiger  ab  die  Nordsee.  Re:nhelt,  Gleiehmlssigkeit,  Fenehtlir- 
keits-  und  Ozongcbalt  werden  beeinflusst  nnd  bceiotrAchtigt  durch  die  >it'  ura- 
achlies^cndeii  Laudermapsen ,  die  GleichmSssif^keit  zugleich  auch  mittelbar  dureh 
ihren  schwachen  Salzgehalt,  da,  je  geringer  der  letztere,  um  desto  rascher  auch 
des  Wasser  seinen  Wirmegfdialt  abgiebt.  Dw  Salzirehalt  der  Ostsee  aber  verringert 
sieh  in  der  Richtung  von  West  naeh  Ost  von  l*97o  o  bis  0-26»  o,  gegenüber  dem 
in  uni«rekehrter  Richtung,  von  Ost  naeh  West  steigenden  Salxgebalte  der  ^{ordsee 
von  3-:n"  0  bis  :^-45'' o- 

in  dem  geringen  Balzgehalte  und  dem  Fuhlen  von  Ebbe  nnd  Flutb,  im  Vereine 
mit  den  eontinentalen  Einflössen,  denen  ue  unterliegt,  ist  aoeh  das  rasebe  Ein- 
wintern  und  Gefrieren  der  Ostsee  begründet,  bei  dem  nattirlich  von  dem  sanitflreu 
Kinflnsse  der  Seeluft  nicht  weiter  die  Rede  sein  kann  ,  während  die  Nordsee  eis- 
freies Meer  ist  und  damit,  iusbesoudcrs  auf  ihren  Inseln,  die  lieilfactoreu  der 
Seelaft  «ueh  im  Winter  «nr  Geltang  kommen. 

Geht  somit  die  Luft  der  O^laeeMder  im  Allgemeinen  schon  durch  couti- 
nentale  Einflflsfie  ihrer  eharakteristisehen  Ki^'enth^lmlichkeiten  als  Seeluft  in  hohem 
Grade  verlustig,  so  kommt  für  die  verhält ni«;smä:äsig  wenigen  luselbäder  der  Ostsee 
nooh  der  Umstand  hinzu,  dass  sie  entweder  der  Kllste  des  Festlandes  selbst,  nnr 
dnreh  schmale  Meeresarme  von  ihr  getrennt,  so  hart  vorliegea,  dass  sie  in  klima- 
tischer Beziehung  als  Theile  des  Festlandes  anzusehen  sind ,  oder  dass  sie  auf 
Inseln  liegen,  deren  (Jrftsse,  Zahl  und  Dichtigkeit  der  Bevölkerung  schon  an 
und  für  .-ich  den  Charakter  8elb:>t  wirklicher  Seeluft  beeinträchtigen  würden.  V^on 
der  Esthland  vorgelagerten  Insel  Oesel  abgesehen,  die  fDr  vns  naeh  keiner  Rieh- 
tung  bin  in  Betracht  kommen  kann,  sind  die  Inseln  Wollin  nnd  Usedom  mit  ihren 
zahlreichen  und  viclbe-nchten  Seeb/ldern,  ebenso  wie  die  Insel  Rdgen  zwar  durch 
hohe  landschaftliche  Sehüuheit  und  grossartige  KUstenbildung  ausgt-zeiclinet,  aber 
die  ersteren  nur  durch  die  schmalen  Mflndungsaime  der  Oder,  Rügen  dnreh  das 
klare  Wasser  des  sich  in  vielfaclien  Windungen  und  Kinbuchtungen  längs  der 
Küste  hinziehenden  Strelasundes  vnm  Fc-itlande  getrennt.  Die  Hader  auf  den  d/lnischon 
Inseln  Fünen  li^Middelfart  am  Kleinea  Belt)  und  Seeland  (Oharlottenlund.  i^lampeu- 
borg,  Skodsborg,  Marienlyst,  Uellebaek,  Aalsgaard  am  Sunde  nnd  Gilleleie  am 
Kattc^t)  sind  durch  ihre  Lage  an  den  die  Ostsee  mit  der  Nordsee  verbindeoden 
Wasserstriis-.cn  schon  keine  eigentlichen  Ostseeb.lder  mehr  und  zudem  auf  grossen, 
gut  bevölkerten  Inseln  gelegen,  deren  Charakter  als  solche  eigentlich  nur  noch  durch 
ihre  geographische  Lage  zum  Ausdruck  kommt,  hu  dass  auch  ihre  Bfider  sieh  als 
Kfistenbäder  kennseiebnen.  Was  sonst  an  Badestellen  und  Badeplltzen  auf  kleinen 
und  kleinsten  Inseln  noch  vorhanden,  ist  von  keiner  Bedeutung. 

So  die  Inselbflder  östlich  der  Nordste.  In  westlicher  Riehtun?  sind  die 
vorgeschobensten  Rosten  der  Nordsee-Insel büder  Vlissingen  und  Domburg  auf 
der  holllndiseben  Insel  Waleheren,  doeh  ist  letztere  grosse  Insel  nur  westwärts 
der  See  zugewandt,  nach  Nord,  Ost  und  Sfld  dagegen  von  Mündungsarmen 
der  Sclielde  iiMit|n>st-n ,  die  auch  die  landwärts  von  W.ilcheren  liegenden  grossen 
Inseln  Nord-  und  Süd-  Beveland  bildet.  Letztere  wicdennn  ist  einestlicils  mit  dem 
nahüD  Festlande,  andererseits  mit  Walcheren  durch  Eiseiibahudamm  verbunden. 
Ist  somit  die  Inseleigensehaft  von  Walohwen  In  Besag  auf  Seeluft  eine  etwas 
fragliche,  so  ist  doch  der  Strand  von  Domburg  der  ofTeneu  See  zugekehrt,  wfthrend 
VliMsiuL'eii.  wie  Ciixhafcn  an  der  Elbe,  so  an  der  Mündung  der  Wester  Scheide 
nur  4  Km.  von  dem  linken  Scheldcufer  uud  dem  Fostlande  gelegeu,  trotz  Ebbe 
und  FIttth  und  missigem  Salzgehalte  als  Inselbad  der  Nordsee  nicht  bezeichnet 
werden  kauM. 

Von  der  Seheldemtindnng  ab,  der  belgischen  Fl.u-hkfistc  entlang,  lie^rt 
dem  Fostlande   Uberhaupt  keine  Insel  vor  und  die  weitereu  kieiueu,   längs  der 


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540 


NORDSEECUBOBTE. 


französischen  Seite  des  Canals  liegenden  Inseln  sind  durchaus  unbedeutend  und 
ohne  Seebäder.  Nur  an  den  Südwestktlsten  der  Bretagne  und  vor  den  Mllndiin^en 
der  Cbareote  und  Garoone  treten  grössere  Inseln  berror,  deren  eine  ile-de  Ke, 
an  LiDfNi-  mid  Breitenanadflliniiif  migdkhr  Sylt  gleidkkoiDmend  und  4 — 6  Km. 
vom  Festlande  entfernt,  aussefordantlich  stark  bevölkert  (16.000  Einwohner)  und 
bekannter  ist  durch  seine  SalzwaBsersflmpfc,  als  durcli  peiii  Seebad.  Letzteres  liegt 
im  Norden  der  Inael  bei  der  kleinen,  ungefähr  2500  Einwohner  zählenden  Ötadt 
St.  lUrtlii^RAf  welebee  zugleidi  der  SammelpUtB  ist  für  die  bot  Deportation 
naeh  Nen-Oaledonien  verurtbdltMi  Sträflinge.  Ist  dieses  Inselbad  an  nnd  fir  licli 
sehon ,  nicht  zum  Mindesten  we^en  der  Nähe  des  Landes,  von  keiner  grossen  Be- 
deutung, so  ist  es  für  uns  vollkommen  bedeutungslos.  Der  weitere  Verlauf  der  dem 
Atlantischen  Ocean  kugekehrten,  genau  in  der  liicbtung  nach  Süden  verlaufenden 
ettdAranzOfliseben  Kflste  zeigt  zwar  die  bekannten  nnd  Tielbeenebten  KOstenblder 
Areacbon  und  Biarritz,  aber  keine  einzige  vorgelagerte  Insel,  und  auch  die  viel- 
fach eingebuchtete  und  weit  in  den  Ocean  vorspringende  pyrenäische  Halbinsel  hat 
zwar  verstreute  Inselbrockeu  ihrem  Festlande  vorliegend,  aber  kein  Inselbad  und 
nnr  an  ibrer  Westküste,  ausser  besuchten  Kttstenbidern  —  S.  Sebastian,  San- 
tander,  Gijun  —  an  die  grossen  Städte  Oporto,  Lissabon,  Cadiz  sich  anschliesseode 
Seebäder.  Das  Gleiclie  zeif,'t  n\ch  an  der  dem  MittelLlndischen  Meere  zujrekehrteu 
spanischen  Küste  bei  den  Seebädern  von  Malaga,  Grao  de  Valencia,  Barcelona. 

Erst  an  der  französischen  Kaste  des  Mittelmeeres  treten  wied«r  veninzelte 
Inseln  und  die  Inselgruppen  der  byerischen  nnd  leriniseben  Inseln  auf,  die  jedoeh 
der  Seebäder  ebenso  ermangeln  wie  die  toscanischen  Inseln  und  die  grossen  Inseln 
des  Mittelländischen  Meeres.  Selbstverständlich  schlie.sst  das  nicht  aus.  dass  hin 
und  wieder  einzelne  Badezelleu  am  Strande  aufgestellt  sind  von  Privaten  oder 
zur  Benutzung  fDr  Touristen,  aber  eigentliehe  Seebäder  zu  Cnrsweeken  g^ebt  es 
ntcbt  Aueb  laehia  und  Malta  sind  nicht  als  solche  anzusdMBt  <I0  wenig  wie  Ajaccio 
oder  Palermo  und  Marsala.  Die  Ostküste  Italieus  ist,  ausser  einigen  kleinen  Inseln 
im  Golfe  von  Tarauto ,  vollkommen  inaellos  und  erst  auf  der  langgestreckten 
sehmalen  luMlreibe  des  Lido  bd  Venedig  trifft  man  wieder  dn  Seebad.  Dann 
folgen,  trotz  des  luselreichthums  des  östlichen  Adriatischen  «nd  Ionischen  Meeres, 
wohl  nofli  vereinzelte  Küstenb.tder .  aber .  wie  in  den  weiter  naoh  Osten  SU 
gelegeneu  curopilischeu  Meeren,  keine  ln.selbäder  mehr. 

I^ach  der  Oceanograpbie  umfasst  die  ^«ordsee  auch  den  Aermeloanal,  die 
irisoh'Sebottisebe  See  nnd  den  St.  Georgseanal,  doeb  steben  die  Seebider  der 
britischen  Inseln,  bei  der  Grösse  der  letzteren ,  zu  sehr  unter  continentalen  Ein- 
flüssen, als  dass  sie  in  Bezug  auf  Seeluft  als  Inselbäder  angesehen  werden  könnten. 
Wie  stark  die  Luft  der  englischen  Küsten  und  deren  Reinheit  beeinilusst  wird 
durefa  die  über  ihr  Hinterland  strelobenden  Winde,  geht,  ziffermlssig  belegt,  ber?or 
aus  den  Berichten  der  Rivers  Pollution  Commission,  namentlich  dem  von  Fkanklano, 
Dknmsox  ,  Morton-  verfassten  6.  Berichte.  Schwer  in's  (Jewicht  filllt  dabei  die 
Dichtigkeit  der  Bevölkerung  und  ihr  Zusammeogedrängtsein  in  vielen  grossen 
Stidten  und  die  reich  entwiokelte  Industrie  der  toitiseben  Inseln  mit  ihrem  massen- 
liaften  Steinkohlenyerbrauehe.  Eäne  gewisse  Ausnabmestdlung  nehmen,  da  auf  den 
enjrlischen  Canalinseln  kein  Seebad  von  Bedeutung  ist,  allein  die  südlichen  Cnrorte 
der  ln*el  Wiirht  ein  ,  da  ciieselben  .  trotz  des  l  infan^js  der  Insel  und  der  nahen 
englischen  Küste,  durch  oceanische  Luftströmungen  in  hervorragender  Weise  beeiu- 
flttsst  werden  und  somit  als  klimatiaehe  Curorte  in  England  mehr  noch  in  Auf- 
nahme sind,  als  Seeb.'lder. 

S(»naeh  nehmen  die  Inseln  der  Nordsee  in  Bezug  auf  die  Seeluft  eine 
durchaus  eigenartige  und  bevorzugte  Stellung  ein,  die  ihre  Benutzung  und  Ver- 
wertbung  flDr  sanitftre  und  Heilzweeke  in  ausgieUgster  Weise  gestattet.  Obsehon 
sie  sämrotlich  nieht  zu  den  oceanischen,  sumit  entfernt  von  den  Festländern  und 
mitten  in  den  ( leean  frelefrenen  Inseln  trehören  .  vielmehr  zu  den  continentalen, 
der  Kichtuug  der  benachbarten  Küsten  parallel  laufenden,  so  gestattet  doch  ihre 


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NOBDS£ECURORT£. 


541 


geringe  ßrcite  und  ihre  langgestreckte,  sieb  von  Westen  nach  Osten  und  weiter 
von  Süd  nach  Nord  ziehende  Anordnung,  dass  sie  der  Seeluft  iu  vollem  Masse 
tbeilbaftig  werdtn,  und  dass  in  klimatiscber  Beziehung  der  Einfluss  des  Meeres 
anf  ihnen  dnrehweg  zur  Geltung  kommt.  Wenn  naeh  den  Untenndinngen 
FiscIIBE's>)  Aber  den  Keimgehalt  der  Seeluft,  der  letztere  nieht  von  der  Ent- 
fernunff  des  nHchsten  Landes  überhaupt  abhängig  erscheint,  sondern  vielmehr 
von  der  Entfernung  des  in  der  Windrichtung  zunächst  gelegenen  Landes,  so 
fuhren  die  vorherrschenden,  über  die  weite  Wasserfläche  der  Nordsee  streichenden 
Weetwinde  den  NerdseeinBeln  die  reine  Lnft  SQ,  die  vnbeetreitbar  nnd  anbestritten 
als  vornehmste  und  in  hygienischer  wie  therapeutischer  Beziehung  widltigtte 
Eigenschaft  der  Seeluft  zukommt.  Dasselbe  gilt  von  den  aus  nördlicher  Richtung 
anstehenden  Luftströmungen.  I  Ur  die  seltenen  südlichen  uad  die  östlichen  Winde 
aber,  die  bei  den  naeh  Osten  gei«  genen  —  nordfriesisoben  —  Inieln  nur  fllwr 
verhältniflsmässig  nicht  breite  MeeresllHchen  hinwcgstreicben ,  kommt  immer  noeh 
der  Umstand  in  Betracht,  dass  sie  über  ein  sehwachbevölkerfes  und  in  klimatischer 
nnd  sanitärer  Beziehung  noch  unter  dem,  wenn  auch  abgeschwächten  Einflüsse 
des  SeeUimae  etdiendee  Ktlafengeiiiet  hinweggehen. 

Nächst  der  Reinheit,  als  der  obenanstebenden ,  kommen  aneh  die 
anderen  Eigenschaften  der  Seeluft  auf  den  Nordseeinseln  zur  entsprechenden 
Geltung,  so  vor  Allem  ihre  (i  1  e  i  c  h  m  ü  s  s  i  g  k  e  i  t.  Durch  sie  werden  nicht  allein 
die  Unterschiede  zwischen  den  einzelueu  Jahreszeiten  verriugert  und  die  Ueber- 
gflnge  swiaehen  denselben  ansgeglieben ,  sondern  aneh  die  Sehwanknngen  der 
Tagestemperaturen  in  einer  Weise  gemindert,  dass  dadurch  ein  entschiedener 
Gegensatz  des  Seeklimas  markirt  wird  zu  den  schroifen  Teniperaturübergflngen, 
sowohl  des  Binnenlandes,  wie  namentlich  des  Höhenklimas  und  des  Südens. 
WesentUeh  gefordert  wird  diese  Oleiebmtosigkdt  nieht  allein  derLnfttemperatur, 
sondern  ebenso  des  hohen  Feuchtigkeitsgehaltes  der  Luft ,  wie  sie  an 
und  für  sich  schon  charakteristische  Eigenschaften  der  Seeluft  sind,  durch  den 
mächtigen  Einfluss  der  Golfstrom- Trift  und  der  mit  ihr  durch  den  Aermelcanal 
in  die  Nordsee  eintretenden  warmen  und  feuchten  sfldwestlicben  Luftströmungen. 
Unter  dem  Einflüsse  dauernder  sfldwestiieher  Winde }  welebe  die  aas  niederen 
Breiten  und  über  den  Occan  herkommende  dampfreiche  Luft  von  hoher  Temperatur 
herbeiführen,  wird  es  mö-rlich  ,  dasa  in  dem  westlichen  Küstengebiete  der  Nord- 
see, für  welches  durch  1'uk.stkl  -)  die  eingehendsten  und  längsten  Beobachtuugen 
vorliegen,  im  Jannar  Tag^mittlerer  Temperatur  von  -f  7*6*  R.  nnd  mit  hOehster 
Temperatur  von  9*9<*  R.  vorkommen.  Auf  den  mittleren  Stand  der  relativen 
Feuchtigkeit  der  Luft,   die  im  Durchschnitte  betrügt,    scheint  (irösse  der 

Inseln  und  Nähe  des  Festlandes  nicht  ohne  Einfluss  zu  sein,  immerhin  ist  sie  im 
Vergleiche  zn  dem  fiinneolande  eine  hohe  nnd  ebenso  bedingen  die  relativ  ge> 
ringen  Temperaturschwankungen  der  Luft  und  der  hohe  ljuftdruck  grosse  Oleidi- 
mässigkeit  und  beträchtliche  lirilic  der  absoluten  P^euchtigkcit.  Für  Norderney 
berechnete  Beneke  ^)  den  mittleren  Stand  der  relativen  Feuchtigkeit  auf  H4-21, 
für  Helgoland  V.  Kkesiskr  *)  den  Mittelwerth  der  relativen  Feuchtigkeit  in  Percent 
auf  82,  gegenflber  dem  Berlins  von  75,  den  der  absoluten  Fsuehtigkdt  in  Hm. 
auf  7*2,  gegenüber  dem  Berlins  von  6*6.  Dass  auch  der  hohe  Ozongehalt 
der  Seeluft  auf  den  Nordseeinseln  durchweg  zur  vollen  Geltung  kommt,  ist  bei 
dem  geringen  Umfange  dert-elbeu  und  bei  ihrer  fast  stets  bewegten  Luft  selbst- 
verst&ndlieh. 

Kruse  legt  diesem  hohen  Ozongehalt,  ebenso  wie  frflher  HaKBAÜ  Und 
Bfneke  ,  eine  ausserordentliche  Bedeutung  bei  und  spricht  es  geradezu  aus : 
D Durch  ihren  Ozonreichthum  ist  die  Seeluft  die  so  oft  gerühmte  reine  Luft." 
Ausser  auf  die  allgemein  deslnfidrende  Rolle  des  Ozons  legt  er  dabei  grossen 
Werth  anf  die  bei  seinen  Untersuohungen  auf  Norderney  von  ihm  gefundene 
Thatsaclie,  dass  die  Inselluft  im  Vergleiche  mit  anderen  Oertlichkciten  den  Vorzug 
habe,  dass  ihr  Uberali  gleicher  Ozongehalt  auch  an  ebener  Erde  ebenso  gross 


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542 


NORDS  SECUBORTE. 


sei,  wie  in  etwas  liuherer  T-age,  und  dus  auch  bei  starkem  Nebol  ein.  oft  soprar 
sehr  g^roRser  Ozonpelialt  nachzuweisen  ist,  während  die  Beobachtungen  aus  anderen 
Gegenden  das  Fehlen  des  Ozons  bei  nebliger  Luft  melden.  KacsE  erklärt  letzteren 
UimtMid  dadureh,  —  und  die  nenerra  Untenuebangen  von  Gabsbllbt,  Wir.  H ackib 
und  AimN  tlber  den  Gehalt  der  Luft,  insbesondere  nebliger  Luft,  an  oiganiflehen 
Substanzen  aller  Art  sind  bestätigend  für  soine  Ansicht,  —  dass  an  den  Nebel- 
blflscben  anderwärts  Staub,  Hauch.  Ausdünstungen  aller  Art  haften ,  welche  des 
▼orbandeaen  Oaons  sieb  bemftobtigen ,  während  diese  Beimisebnngen  der  reinen 
Seeluft ,  beziehungsweise  der  Insellaft  fehlen  oder  doch  in  so  geringem  Masse 
vorhanden  sind ,  dnss  «ic  das  Ozon  nnr  zu  einem  kleinen  Thcilc  v«>rbrauehen. 
Auf  dieser  relativen  Keinlu'it  der  Seenebel  beruht  es  wohl  auch  ,  dass  die  Eng- 
liaderi  bei  denen  die  Seeluftcuren  seit  langer  Zeit  seboa  die  ihnen  gebübreade 
StdIInng  in  tberapeutiaeber  Beaiehnnf  einnebmen ,  die  Seeaebel  (sea  fog»)  im 
Gegensatze  «n  den  „kalten"  Landncbeln  (juists)  selbst  fDr  Brustkranke  nicht  für 
gefährlich  erachten,  wie  auch  Beneke'  )  auf  Norderney  im  Winter  lf<f*()  f^l  die 
Erfahrung  machte,  dass  selbst  weit  vorgeschrittene  Pbthisiker  mit  Caverneu  be- 
wegte kalte  und  neblige  Seeluft  gut  vertrugen,  ebne  au  stärkerem  oder  vermehrtem 
Hutten  gereizt  an  werden.  Dabei  kommt  noch  in  Betracht ,  dass  zwar  in  den 
nördlichen  Meeren  und  so  auch  in  der  Nordsee  die  lliramelsbedockung ,  wie 
oatQriicli,  eine  stärkere  ist  als  im  Binnenlaude,  was  für  die  Gleichmäsaigkeit  der 
Temperatur  und  deat  inabesondere  relativen  Fenehtigkeitsgehaltes  der  Lnft  von 
bober  Bedeutung  ist,  dass  aber,  entgegen  der  Ablieben  Annahme,  die  Zahl  ä«t 
eigentlichen  Nebeltage  eine  verhältnii^siiifissig  geringe  ist.  Kremser  berechnete  für 
Helgoland  die  Zahl  der  trüben  Tn^c  im  Jahre  auf  205"() .  die  der  Nebeltage 
auf  ci'J-4,  die  mittlere  Bewölkung  im  Jnhre  auf  7*7  gegenüber  Berlin  mit  ü'3, 
wobei  für  die  Curorte  der  Nordsee,  iosoweit  der  Badebetrieb  in  Betraeht  kommt, 
von  Wichtigkeit  ist,  dass  wohl  der  Winter  verhältaissmSssig  viel  Nebeltage  hat, 
aber,  in  geradem  Gegensatze  zu  dem  Binnenlande,  in  Folge  der  Wärmeverhillt- 
nisse  des  Meeres  zwar  das  Frühjahr  nebelreich,  der  Herbst  aber  nebelarm  ist. 

Der  angebliebe  Salagebalt  der  Seeluft,  dem  bis  in  neueste  Zeit  dne 
hervorragende  sanitäre  und  therapeutische  Bedeutung  zugecofarielMn  wurde,  kommt, 
wie  durch  chemische  und  mikroskopische  l "ntersuchungen  unzweif'ellKift  iiMelige- 
wiesen ,  der  Seeluft  als  solcher  nicht  zu.  Vielmehr  ist  er,  wann  und  wo  er  auf 
See,  am  und  iu  der  Nähe  des  Strandes  auftritt,  lediglich  Folge  mechanischer 
Zerstäubung  durch  Wogenstura  und  Brandung,  somit  eine  aufUlige,  von  Wind 
und  Wetter  abhängige  Beimengung,  deren  Werth  somit  ein  sehr  bedingter  ist. 

Die  einzige  Eigenschaft  der  Seeluft,  die  in  gleicher  Weise  wie  auf  den  luseln 
der  Nordsee,  auch  an  ihren  Küsten  zur  Geltung  kommt,  ist  die  Dichtigkeit, 
bedingt  dureh  den  atmosphärisehen  Drnek.  Der  mittlere  Barometerstand  ist 
760  Mm.  (—  28  Par.  Zoll),  für  die  Inseln  etwas  niedriger  als  für  das  Küstengebiet. 
Ein  höherer  Luftdruck  als  an  der  Meeresküste  findet  sich  nur  an  vereinzelten, 
tiefer  als  der  Meeresspiegel  liegenden  Laadgebieteo :  der  Gegend  am  Todten  Meere 
(1289  engl.  Fuss),  den  Ufern  dea  Asalaeea  in  OstaIHka  (689  Fuss),  dem  Conebilla- 
thale  und  bei  Los  Angeles  in  Califomien  (d60  und  873  Fuss),  dem  Depresaiona- 
gebiete  der  libyschen  Wüste  (270 — 123  Fuss  ,  Arroyo  del  Muerto  in  Californien 
(230  Fuss\  der  ka^jpisehen  Senke    8(>  Fuss)  und  einzelnen  Tljcilen  von  Holland. 

Vor  Allem  wohl  die  geographische  Lage  der  meisten  dieser  Uortlichkeiten 
bringt  ca  mit  sieh,  dass  der  sieh  aus  ihrer  Tieflage  ergebende  höhere  Luftdmek 
in  tberapeutiaeher  Beziehung  ausser  in  Los  Angeles  und  im  Conchillathale'),  in 
grosserem  Masse  nicht  verwerthet  worden  ist  und  dass  wir  in  dieser  Beziehung  nnr 
auf  die  MeercitkUstc  und  die  Ingeln  angewiesen  sind.  Alle  anderen  Eigenschaften  der 
Seeluft  ausser  der  Diehtigkeit  kommen  im  Vergleiche  an  den  Inseln  an  den  Kflsten 
nur  in  beschränkter  Weise  zur  Geltung.  Die  Reinheit  der  Lutt  sowohl,  wie  die 
Gl»  ii'lini;issigkeit  ilirer  Temperatur  und  ihres  Feuchtigkeits^rehaltes .  nicht  zum 
mindesten  der  letztere  selbst,  ebenso  ihr  Ozongehalt,  sind  durch  contiuentale  Kin- 


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NORDäE£CUKORT£. 


543 


flUs.sc  bceinträchtifrt  und  seihst  das  Rewe^jtscin  der  Luft,  die  Luft-itrömnngeo, 
auf  deren  tonisirt-niitMi.  den  Stort'wecbsel  in  hohem  Grade  fiirderndou  Eintiuss  auf 
den  loselu  mit  Uucht  grosses  Gewicht  gelegt  wird,  können  »ich  au  den  Küstea 
niobt  voll  entfalten  y  nehmen  dvreb  die  ungldehmindge  Erwinnung  des  Ifoeres 
und  des  Festlandes  bestimmte,  oft  lang  anhaltende  Richtungen  an  und  werden 
durch  solche  Temperaturunterschiede  fördernde  Bodengestahunjr.  z.  B.  Waldungen, 
insbesondere  aber  durch  an  die  Meereskdsten  herantretendes  Gebirge,  in  hygienischer 
Beiiehung  naehtheili^r  und  die  Eigensebsfken  der  Seeluft  paralysirender  W^se 
beeinflusst.  In  letzterer  Beziehung  sind  geffirchtct  namentlich  die  Bora  des  adfia- 
tiachen  Meeres  und  ebenso  die  Winde  mancher  rurorte  der  Kiviera. 

Naeh  den  gegebenen  klimatisehen  Factureu  kennzciehnet  sich  das  Klima 
der  Nordseeinieln,  und  in  beschränkterem  Masse  das  der  Nordseekttsten ,  als  ein 
kflhieres  Seeklima  von  mittlerer  Fenehtigrl^oit,  eharakterisirt  als 
solches,  im  Gegensatze  zu  dem  Binnenlaudklima,  einerseits  durch  Gleichmässigkeit 
der  Tjijresteniperaturen  und  der  Jahreszeiten,  andererseits  durch  warmen  Herbst 
und  milden  Winter,  dem  ein  kälteres  Frühjahr  uud  kühler  Pommer  gegenüber- 
steht Im  Allgemeinen  nimmt  man  ao,  dass  dnrehsebnittlieh  die  Lufttemperatur 
im  Herbst  und  Winter  auf  den  Nordseeinseln  um  2*5°  C.  bisher  ist  als  im  benaeh- 
harten  Kflst('ii;.'obiet<'  und  in  diesem  wieder  um  2"5<'  C.  höher  als  im  ei-rcntlicheu 
Binnenlaude,  währeud  das  umgekehrte  VerhäUniss  im  Frühjahr  und  tiommer  zur 
Geltung  kommt  Bei  exeessiven  Sommer-  und  Wintertemperaturen  des  Binnenlandes 
stellen  sieh  die  betreffenden  Unterschiede  natürlich  bedeuteud  höher.  Allerdings 
ist  dabei  zu  berücksichtigen,  dass  sich  der  klimati'^c'lie  EinHuss  der  Nordsee  uud 
des  atlantischen  Oceans  bis  weit  in  das  Biuneuiaud  hinein  erstreckt  und  nach 
Osten  zu  begreuzt  und  von  dem  Gebiete  des  continentaleu  oder  exoessiveu  Klimas 
abg^renzt  wird  dnreh  eine  Linie,  die  nngeflihr  von  Boetoek  auf  Weimar,  Coburg, 
Stuttgart,  Ulm,  Constanz  verläuft.  Zwar  zeigt  diese  Linie  je  nach  örtlichen  Ver- 
hältnissen kleine  Abweichungen  nach  Osten  oder  Westen,  wie  z.  B.  das  Klima 
Berlins  sich  als  noch  in  etwas  unter  dem  Kiuliusse  des  oceanisoheu  Klimas  stehend 
kennseiebnet  dureb  verhältnissmissig  kühlere  Sommer  und  mildere  Winter  mit 
grösseren  Niedersoblagsmengen  als  sie  seiner  biuueul.liulischeu  Lage  zukommen 
würden,  im  (irossen  und  Ganzen  aber  grenzt  jene  Linie  das  Gebiet  des  irleieh- 
mässigeu  occaniscben  von  dem  Gebiete  des  exeessiven  continentalen  Klimas  ab. 
In  gesundheitlicher  Beziehung  kommt  in  jenem  der  Einflass  des  Seeklimas  zur 
Geltung  dnreh  gniugere  Storbliebkeit,  insbesondere  geringere  Sterbliebkeit  an 
Lungenschwindsucht  und  an  acuten  Erkrankungen  der  Athmnngsorgane.  Wie  aber 
die  Einwirkung'  des  nceanisclien  Klimas  sich  in  der  Richtung  nach  dem  Binnen- 
laude zu  mehr  uud  n.eiir  abschwächt,  so  tritt  es  andererseits  in  seiuer  lieinheit 
auf  den  Nordseeinseln  in  die  Rrsdidnung  und  hier  kommen  aueb  die  physio- 
logisebeu  Wirkungen  der  Seeluft  zur  vollen  Geltung:  Verlangsamung 
und  Vertiefunfr  der  Athmunjr,  Verlangsamnnfr  und  Kräftigung 
der  Uerzthätigkeit.  Diesen  iu  therapeutisoher  Ii  insiebt  hochwichtigen  pbysio- 
logisehen  Wirkungen  der  Seeluft  im  Allgemeinen  stehen  zudem  in  Folge  der  mner- 
seits  theils  örtlich,  theils  allgemein  beruhigend  wirkenden,  andererseits 
1 0  n  i  R  i  r  e  II  d  e  n  ,  den  Stoffwechsel  und  somit  die  Körpererniihrun;;  befördernden 
Eigenschalten  insbesondere  der  Nordseeluft,  weitere  heilkriittige  Faetoren  zur  Seite. 
Wenn  wir  mit  Flechsig  ^)  als  klimatische  Curorte  nur  durch  Lage  uud  Klima 
bevorzugte  Orte  bezeiebnen  kOnnen ,  deren  klimattsehe  Eigenthllmliebkeiten  tbat- 
Bächlich  werthvollc,  für  die  Heilung  gewisser  Krankheitsgruppen  anerkannt  wirk- 
same Bedingungen  ^anv-ihren ,  die  sich  an  den  gewAhnlichen  Wohnstätten  der 
Menschen  gar  nicht  oder  doch  nur  in  weniger  ausgesprochener  W'eise  voründen, 
80  müssen  wir  in  den  Gnrorten  der  Nordsee  klimatisehe  Curorte  von 
hOohster  Bedeutung  erkennen  und  in  der  Seeluftcur  eine  Klimai-ur.  die  aller- 
dings, wie  jede  andere  klimatische  Cur,  eincstheils  mit  Vorsicht  uud  Auswahl, 
andereroits  mit  Ausdauer  und  mit  dem  Falle  entsprechendem  hygienischen  und 


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544 


NORDSEECUBORT£. 


diätetischem  Verhalten  gebraaeht  sein  will,  insbesondere  dft,  wo  et  Bieh  um 
ohroniache,  constitotionelle  Krankheitszustände  bandelt. 

In  der  Seeluft  sehen  wir  somit  d&s  speciHgr.he  Moment  auch  der  8ee- 
badecaren,  als  deren  weiterer  Factor  das  Seewasser  hiozutriit,  zu  dessen 
8  aisgeh  alt  bei  dem  kalten  Seebade  oder  Stnndbade  als  weiteres  bedentMuaes 

Moment  der  Wellenschlag  hiozakommt.  Auch  in  dieser  Beziehung  können  die 
Nordseebäder  allen  anderen  Seebädern  nicht  allein  ebenbflrtij?  znr  Seite  treten, 
sondern  es  kommen  ihnen  auch  durch  Lage  und  Gestaltung  von  Land  und  Strand 
gewisse  eigenartige  Vorsttge  sii.  Zwar  tot  d«r  Salzgebalt  des  Meeres,  als  im 
We.seatUeben  abhängig  von  dem  Orade  der  Verdnnstuii::  un  l  der  Menge  der 
Niederschläge,  in  den  südlichen  Meeren  etwas  grösser,  doch  sind  die  rnterschiede 
bei  weitem  nicht  so  gross  und  bedeutend,  als  gemeinhin  angenommen  wird.  Einem 
Salzgebalte  des  Oberflächenwassers  in  der  nördlichen  Nordsee  von  3*45%,  in  der 
sfldwesttiehen  Ton  d*87V»T  ^  soleher  gegentber  im  nordatlantisdien  Oeean 
von  3*48°  0  ?  im  sfldatlantischen  von  3*55^  o>  im  stillen  Ocean  von  3*68*/«,  im 
indischen  Ocean  von  3-67**  Auch  das  mittelliliidische  und  das  adriatische  Meer, 
denen  ein  hober  Salzgehalt  nachgerühmt  wird,  enthalten,  uachGLAX  -'j,  nicht  mehr 
als  ersleres  87 — 48  Orm.,  letzteres  36 — ^89  6rm.  pro  Hille  feste  Bestaadth^e. 
Diese  üntersehiede  sind,  im  Vergleiche  mit  dem  Salzgehalte  der  Kordsee,  za 
gering,  um  einen  höheren  Grad  des  Hautreizes  auszulösen,  in  dem  wir  die  nächste 
Wirkung  des  Bades  im  Seewasser  erkennen.  Andererseits  allerdings  ist  der,  wie 
erwibnt,  in  der  Biebtnng  von  West  nach  Ost  von  1'97 — 0*26°  ^  abdllende  Sab* 
gebalt  der  Ostsee  zu  gering,  um  einen  Icriftigeren  Hantreiz  zu  erzielen,  vielmelur 
macht  das  Ostseebad  in  Folge  des  J^crin;^^en  Salzgehaltes  den  Eindruck  frrösserer 
Kälte  und  briu}?t  einen  fjrösseren  Shock  auf  die  wilrineemptindeuden  Hautuerven 
hervor.  Die  frühere  Annahme  einer  Kesorption  der  öalze  des  Meerwassers  im 
Bade  ist  dnreb  Yersnebe  hlnftlUg  geworden  nnd  bl«bt  uns  snr  Brklimag  der, 
gegenüber  den  Sttsswasserbädern,  speeilisohen  Einwirkung  des  Bades  im  Salzwasser 
allein  der  Hautreiz,  verur'sacht  nicht  allein  durcli  das  Bad  selbst  und  durch  die 
im  Bade  erfolgende  Durchträukung  der  Epidermis  mit  Salzwasser,  sondern  auch 
dnreb  die,  selbst  bei  sorgfflttigstem  Abtrocknen  der  Haut,  in  deren  Poren,  Falten 
und  Furchen  zurückbleibenden  Salztheilchen.  Durch  diese  Hantretznng  wird  zunächst 
die  ktlblendc ,  blutentleerende  Erstwirkung  des  kalten  Seebades  abgekürzt  und 
rascheres  Eintreten  der  Reaction  herbeigeführt,  und  es  erscheint  damit  die  weitere 
Annahme  einer  durch  Reflex  herbeigeführten  Beeinflussung  der  Ernährungsvor«^ 
gange  nnd  des  Sluffwedisels  gereebtfertigt.  In  dem  wannen  Seebade,  in  dem,  je 
naeb  seiner  Temperatur,  die  wärmeeutziehende  Wirkung  mehr  zurftcktritt  und  in 
dem  der  Hautreiz  ein  milderer,  gleichmässigerer  ist,  ist  auch  der  Reflex  ein 
milderer  und  die  Erregung  der  Lebonsvorgängo  und  die  Steigerung  des  Stoft- 
weehseld  eine  minder  eneigisebe  nnd  mehr  allmilige.  Dennoeh  sind  die  riebtig 
temperirten  Seebäder  von  entsprf  i  hender  Coiuentration  ein  wichtiges  Heilmittel 
durch  Förderung  des  StotlVechsels  und  durch  die  beruhijrende  Wirkung,  die  sie 
auf  das  Nervent^ystem  ausüben  und  insbesondere  auf  die  Herzthätigkeit,  in  welch 
letzterer  Bwiehuug  sie  daidi  die  physiologische  Wirkung  der  Seeluft  krillig 
unterstützt  werden. 

Wenn  bei  den  warmen  Seebädern,  ebenso  wie  die  Concentration  auch  dio 

Temperatur  iliriTi  Anzci«ren  ent-ipreebend  n-^'ulirt  worden  kann,  sa  sind  diese 
beiden  Factoreu  bei  dem  kalten  Seebade  gegeben.  Die  Schwankungen  der  Tem- 
peratur des  Meerwassers,  wenn  aueb  in  etwas  abhängig  von  jeweiliger  l^Hnd- 
riebtnng,  sind  geringe,  entspreehend  der,  der  langsamen  £rwirmung  des  Salz- 
wassers gleichen  lan;rsamen  Ausstrahlung  seiner  Wärme.  Insbesondere  die,  für 
Badezweeke  allein  in  Bt'traebt  korntncnden  Ober(l;lrlienten>peraturen  des  Wassers 
der  Nordsee  sind  unter  dem  Eintlusse  der  Golfstrom-Trift  gleichmiläsigero ,  wenn 
auch  von  oontinentalen  Einflössen  nieht  dnrebwegs  freie. 


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NORDSE£CO&Ü&IE. 


545 


So  ist  zwar  das  Wasser  der  westiSohsn  und  Östlichen  Nordsee  im  Sommer 
bis  in  ilie  Breite  der  Shetlands-Inseln  wärmer  als  das  atlantische  Wasser  in  der- 
selben Breite,  im  Winter  da^regen  November  bis  April!  ist  das  Wasser  der  ganzen 
Nordsee  kftlter  als  das  atlautiecbe,  in  Folge  der  coDtioentaleo  Wioterkälte.  Am 
MSgetproebenateo  tritt  die  Beetoflastnng  der  Wftnerwtrme  dnreh  continentale 
Einflüsse  ia  den  hänfi^en  und  grossen  bezüglichen  Schwankungen  in  der  Ostsee 
hervor,  die  in  ihrer  Abhängigkeit  >on  der  Erd-  und  Luftwftrrae  des  das  Ostseebeeken 
umgebenden  Festlandes,  somit  von  stets  wechselnden  Factoren,  auch  in  dieser 
Beziehung  die  Eigenart  des  BinnenMee  erkennen  lassen. 

Andererseits  dankt  es  wohl  aussoliIiesHiich  der  Golfstrom-Trift  die  südliche 
Hälfte  des  von  der  deutschen  und  südlichon  norwefriHchcn  Küste  begrenzten  Theiles 
der  Nordsee  zwischen  Ueigoland  und  liurkum,  dass  ihre  Wasserwärme  während 
des  Winters  durobscbnittlieh  nm  2 — 2'6<>  C.  höber  ist ,  als  die  der  nOrdliehen 
Hüfte  —  ein  Verhftltniss^  wie  es  in  Ihnlieber  Weise  sieh  ja  auch  bei  den  Luft- 
temperaturen jreltend  macht.  Nur  den  Küsten  entlang  ist  die  Temperatur  des 
Wassers  niedriger  unter  dem  Einflüsse  des  SUsawassers  der  in  die  Nordsee  münden- 
den grossen  Flüsse. 

£He  fflr  8eeblder,  wenigstens  für  den  Anfang  und  den  des  kalten  Bades 
Ungewohnten,  erforderliche  Temperatur  des  Wassers  von  mindestens  16'  C.  wird 
zwar  in  den  südlichen  Meeren  früher  erreicht  als  in  der  Nordsee,  wo  sie  durch- 
schnittlich erst  Mitte  Juui  eintritt,  um  sich,  alimälig  steigend,  bis  zum  September 
auf  etwa  ll'b^C,  zu  erbeben  und  dann  langsam  abfkllend  im  Oetober  wieder 
auf  150c.  zurückzugehen;  allerdings  bleibt  innerhalb  dieser  Temperaturgrenzen 
für  die  t-iuzelnen  Seebäder  je  nach  La-rr  ein  gewisser  Spielraum.  Die  Oberflflchen- 
temperatur  des  gesammten  Mittelländischen  Meeres,  als  eines  Binnenmeeres,  folgt 
dagegen  in  den  verschiedenen  Jahreszeiten  ziemlich  enge  dem  Gange  der  Luft- 
temperatur und  kann  so  Mitte  April  schon  bis  15*  G.  anfirtelcren ,  sieb  im  Juli 
bis  24*  C.  erheben  und  noch  im  November  die  nfithigc  Badetemperatur  haben. 
Indessen  kommen  in  den  Kdstenbiidern  de-*  Mittelmeeres,  ebenso  wio  in  denen 
der  Adria,  klimatische  Momente,  namentlich  das  Auftreten  der  kalten  Nordost- 
winde, in  Betraebt,  die  das  curgemMsse  Baden  eher  noeh  im  Spitherbste  als  im 
Frühjahre  möglich  machen,  während  in  den  Sommermonaten  die  hohe  Temperatur 
dfs  Wassers  wie  der  Luft  ausschlics-it,  was  wir  von  einem  SL-eb.-uIe  für  Gesunde 
und  Kranke  erwarten  und  verlangen :  ^Kräftigung  und  Anregung  des  ätoü'wechsehi. 
Dieselben,  die  Wirkung  des  Seebades  beeinträchtigenden  und  zu  niebte  maebenden 
Momente  sind  es  anch,  die  fflr  die  franzOsiseben  Kflstenbftder  des  Atlantisehen 
Oceans  vorwiegend  den  Spätherbst  zur  eigentlichen  Badezeit  erhoben  haben; 
ebenso  f:illt  die  Haupthadezcit  der  Seebäder  der  südlichen  Küste  Englands  und 
der  Insel  Wight  mit  ihrer,  der  vollen  Einwirkung  der  Golfstrom-Trift  unterstehen- 
den Temperatur  des  Wassers  und  der  Luft,  in  den  Spätherbst. 

Von  gleich  wesentlicher  Bedeutung  wie  d  r  Salzgehalt,  und  die  Einwir- 
kimg des  letzteren  auf  Reizung  der  Haut  und  deren  weitere  Folgen  für  den 
Gesammtorganismus  auf  das  wirksamste  unterstützend,  ist  der  Wellenschlag.  Der 
gewaltige  mf^hanisehe  Reiz,  den  ein  krlftiger  Wellenschlag  ausübt,  bewirkt  niebt 
allein  uuniiu  ll  ir  eine  ebenso  krflfUge  Reaction  durch  stärkeres  Zuströmen  des 
Blutes  naeli  der  l'eriplieric .  ^^undern  es  wird  dieselbe  auch  mittelbar  ^'cfordert 
durch  die  mit  dem  entsprechenden  Auti'angen  der  Wellen  verbundeue  Muskel- 
tbätigkeil.  Je  glcichmässiger  die  sich  Uberschlagenden  Wellen  —  und  diese  allein 
geben  den  eigentlieben  Wellenschlag  —  auf  den  Rtteken  des  Badenden  nieder- 
u'phen  und  je  mehr  damit  den  Charakter  des  Sturzbades  annehmen,  desto 
kriiltiger  ist  die  Ein^irkimg,  desto  wohlthnender  die  lleaetion  und  desto  griisser 
der  Geuuss  des  Hades,  desto  kriittigcuder  seine  Nachwirkung.  Ein  blosses  Welleu- 
geplfttscher  bringt  das  Alles  nicht  fertig.  In  den  Nordseebadem  ausnahmslos  genügt 
die  .indrinirendr  Eluth  zumeist  nicht ,  um  wirklichen  Welk*n-;>  hlag  zn  erzeugen, 
es  bedarf  dazu  der  Luftströmungen,  und  zwar,  da  die  Inselbäder,  mit  Ausnahme 
Encydop.  Jalixbücber.  Iii.  35 


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546 


NORDS£ECUBORT£. 


von  Wyk  auf  Föhr,  durchwegs  ihren  liadestrand  nach  Westen  zu  Itegtnd  Und  die 
offene  See  vor  sich  haben,  westlicher  und  nordwestlicher  Luftströmungen.  Aua- 
nabiusweise  nur  Ut  die  öee  bewegt  und  giebt  in  Folge  ferner  Gewitter  u.  s.  w. 
kräftigen  Wellenschlag  aneh  hta  Windstille.  Die  Westwinde  aber  sind  in 
den  Monaten,  die  die  eigentliche  Badezeit  fOr  die  Nordseebider  sind,  die  vor- 
herrschenden. \'erbindet  sich  dann  mit  "westlicher  Luftströmung  der  Andrang;  des 
Flutbätromes,  dann  giebt  es  einen  guten  Wellenschlag  selbst  an  einem  Bade- 
strände, der  nicht  alle  Bedingungen  in  sich  vereinigt,  die  ihn  &U  einen  guten 
kennideluieD. 

Bei  der  Bedeutung,  die  somit  dem  Strande,  aläo,  in  der  engeren  and  dgent> 
liehen  Bedeutung  de*  Wortes.  derboiFIuth  vom  Meere  überllutbeten  Küste  zukommt, 
und  das  nicht  allein  für  den  Zweck  des  Bodens,  sondern  auch  als  dem  Vermittler 
das  unmlttidbaTsten  Genusses  der  Seelnft,  sind  die  Erfordernisse  «ne  als  gnt  zu 
bflMidlBenden  Strandes  nicht  wenige. 

Fiin  guter  Strand  muss  leicht  erreichbar  und  leicht  zugitnglicli  sein, 
leicht  und  bequem  begehbar,  somit  ein  weicher,  ebener,  feiner,  fester  Saud,  ohne 
Steine  und  scharfkantige  llnseheln^  ohne  Sekliek  und  Locher;  er  darf  weder  sa 
flach  sein,  noch  zu  schroff  abfallen,  mnss  eine  gewisse  Breite  habenf  so  dass  er 
auch  bei  Fluth  begangen  werrlen  k.mn,  ohne  jedoch  so  breit  zu  sein,  dasa  das 
Sandtreiben  des  trockenen,  nicht  von  der  Fluth  befeuchteten  Sandes  dadiirch 
befördert  wird,  muss  guten  Wellensehlag  und  kräftige  Brand uug  haben  und  dürfeo 
ihm  daher  keine  Sandbänke  und  Riffe  unmittelbar  vorliegen,  wodurch  der  WeUen- 
soblag  abgeschwächt  und  die  Brandung  zu  früh  gebrochen  wird.  Von  grösster 
Wichtigkeit  ist  auch,  dass  keine  Strömungen  das  Traden  Ifcsehwerlieh  und  un- 
behaglich oder  sogar  gefährlich  machen.  Dabei  muss  natürlich  das  Meerwasser 
selbst  rein  son,  d.  h.  es  darf  nicht  zu  viel  Tang  angespült  werden,  so  dass 
weder  Wasser,  noch  Luft  durch  Zenetxung  organischer  EOrper  verunreinigt  werden. 
Von  Erfüllung  dic.«cr  Anforderungen,  insbesondere  von  Gestaltung  des  Strandes 
und  de.s  ihm  vorliegenden  Meeresbodens,  hängt  auch  die  Fr.ige  ab.  ob  sowohl 
bei  Fluth  als  bei  Ebbe  gebadet  werden  kann  —  eine  Frage,  die  für  den  Gesunden 
vorwiegend  von  Wichtigkeit  ist  lediglich  durch  den  dadurch  bedingten  fort- 
währenden Wechsel  der  Zeit  des  Mittagessens,  die  aber  für  den  Kranken  durch 
die  stete  Verschiebung  der  Tagesordnung  doch  von  einiger  Bedeutung  ht. 

Erklärlich  und  ersichtlich  ist  es,  dass  so  vielgestaltigen  Anforderungen 
selbst  die  Inselbäder  der  Nordsee  nicht*  durchweg  in  gleicher  Weise  gerecht 
werden  können,  in  beschrilnkterem  Hasse  nur  natürlicherweise  die  Küstenbäder, 
doch   erfüllt  der   Strand   einiger  unserer  Nord8ee-Iiiselb:idor   ^Norilernt  y ,  Juist, 
Borkum;  alle  Bediuguugen,   wie  wir   ihrer  für  erfolgreiche  Seebadecuren  so- 
wohl, wie  fflr  volle  Ausnutzung  der  Seeluft  fOr  Heilzwecke  bedürfen.  Der  Ost- 
see fehlt,  bei  ihrer  nur  mittelbaren  Verbindung  mit  dem  Atlantisehan  Ooeaa, 
wie  der  höhere  Salzgehalt,  so  auch  Ebbe  und  FIntb  und  damit  eiue,  wenn  auch 
für  richtigen  Wellenschlag  nicht  genügende,  so  tioi  li  immerliiii  aiireirende  Bewegung 
des  Wassers;  ihr  Wellenschlag  ist  milssig  und  unbeständig  uud  durchweg  von 
der  Heftigkeit  des  Windes  abhängig,  nur  selten  gldehmässig.  Der  Strand  dar 
holl.iiiilischen  KUstenbäder  ist  mit  wenigen  Ausnahmen  (Wijk  a.iu  Zce,  Kijkduin) 
sehr  tlach,  zum  Theil  wird  auch  der  Wellenschlag  durch  vorliegende  Sandbänke 
zu  früh  gebrochen  (Zandvoort,  ^'ordwijk  aau  Zee).    Beide  Uebelstände  jedoch 
werden  dadurch  in  etwas  abgesehwädit,  dass  in  allen  faolIäDdlsehen,  ebenso  wio 
in  allen  deutsehen  Seebädern  die  Badekarren  durch  Menschenhand  in  die  See 
geschnlM  ii   oder  durch  Pferde  je  nach  Bed.-irf  mehr  oder  weniger   in  die  Nähe 
der  ilraiiilung   gezogen   werden.    Von  den  liollinulischen  Inselbädern   hat  Schier- 
niouik  (Jog  bei  sehr  breitem  Strande  gutQu  Welleusehlag,  jedoch  der  vorliegenden 
Sandbänke  wegen  nur  bei  Fluth ;  der  Strand  von  Domburg  auf  Waldieren  ist  an 
und  für  sich  schön,  jedoch  durch  die  rferbefestigungen  weithin  beengt,  die  auch 
den  guten  Wellenschlag  vielfach  brechen.  Vlissingen  kann,  wie  erwähnt,  als 


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KORDSEBCUBORTE. 


547 


Inselbad  nicht  ^relteu.  Der  Straud  aller  belgischen  Küsteubiider .  mit  alleiniger 
Auanabiue  von  Knukke,  ist  ungemein  dach  und  wird  damit  nicht  allein  das  Saud- 
treiben  vielfach  Iftstig  und  aelbst  fOr  Angen  und  Obren  gefthrlieb,  sondern  es 
wühlt  auch  die  bewegte  See  die  Sandmassen  des  seiehteo  Heeresgrundes  auf  und  läast 
das  Wasser  von  sehrautzig-irrauer  Farbe  erscheinen.  Dazu  kommt  ein  bei  dem 
breiten,  flachen  Strande  doppelt  iu  die  Augen  springender  Lebelstand.  Ist  ein 
allsii  flaeber  Strand  sehon  lästig,  indem  er  den  Badenden  nöthigt,  entblflssten 
Rftrpers  oder  auch  im  B.idoanznge  einen  weiten  Weg  im  Wasser  watend  Knrüek- 
zulc^cn,  die  er  den  Wellen^clilag  erreicht,  und  kann  dadurch  ao-j^ar  die  gewünschte 
Wirkung  des  Bades  geradezu  vereitelt  werden,  indem  bei  heissem  Wetter  die 
erwttnschte  Abktlblung  nach  dem  Bade  zu  niebte  gemacht  wird,  bei  kubier  Luft 
aber  nnd  insbesondere  bei  Wind  der  Badende  firOsMt,  ehe  er  den  Wellenschlag 
oder  ans  dem  Bade  kommend  das  schützende  Badezeit  erreicht,  so  wird  der 
flache  Strand  jreradezu  anstössiu',  wenn,  wie  in  den  belgischen,  franzr^ischen  und 
südlichen  Seebädern,  beide  üeschluchter  gemeinsam  baden.  P^s  ist  dieses  gemeinsame 
Baden  nnserem  Geflibl  darehans  zuwider,  ausserdem  aber  wird  durch  den  dabei 
Dothwendigen  Badeanzug  die  Wirkung  des  Wellenschlagos  and  die  Einwirkung 
des  Salzwassers  auf  die  Haut  nothwendiirerweise  abgeschwächt,  und  gibt  der  nasse, 
anliegende  Badeanzug  stets  ein  unbebaglicb  kältendes  Gefühl  auf  der  Haut.  So 
hat  dran  mit  Reeht  keines  unserer  deutselien  Seebider  gemeinsamen  Badestrand, 
von  den  hoIiSndisehen,  nelien  lllr  die  Geschleehter  getrennten  Badeplfttzen,  nur 
Scheveningen  und  Zandvoort.  Wenn,  wie  in  Seheveninjren,  die  Badekarren  ziemlieh 
weit  in  das  Meer  hinausfahren  oder,  wie  in  dem  belgischen  Ostende,  wenigstens 
dauernd  au  der  Wasserlinie  gehalten  wcrdeu,  so  ist  dabei  weuigstens  der  äussere 
Anstand  gewahrt,  wenn  aller,  wie  in  den  anderen  l>dgi8ohen  Seebidern,  die 
Badekarreu  entweder  gar  nicht  bis  in  das  Wasser  gezogen  werden  oder  b^ 
ebbendem  Meere  auf  ihrer  Stelle  stehen  bb  iben  ,  so  dass  sich  je  nach  den  IJm- 
stäudou  eine  gaflbnde  Menge  zwischen  ihnen  berumtreibt  und  eine  Mauer  von 
Znsebauem  zwischen  ihnen  nnd  dem  Heere  Anfbtelinng  nimmt,  durch  die  die 
Badenden  passiren  müssen,  um  ihre  Badekarren  zu  erreichen,  so  ist  das,  nach 
unseren  deutschen  Bej^riffen,  im  höchsten  Grade  unanst.lndiir,  wie  d^na  auch  die 
englischen  Seebüder  gemeinsamen  Badestrand  nicht  kennen. 

Die  K  asten bader  des  Canales  haben  zumeist  feinsandigen,  aber,  ebenso 
wie  die  Seebider  der  Insel  Wigbt,  sehr  flachen  Strand,  einzelne  jedoch,  a.  B. 
Brighton,  steinigen  Badegrnml ;  der  Wellenschlag  ist  bei  der  Nähe  des  Atlan- 
tischen Oceans  und  der  starken  Flutlibewejrunsr  ein  kräftiirer.  In  höherem  Masse 
noch  machen  sich  diese  beiden  Momente  auf  dem  feinsaudi^eu  Badestrände  der 
Kllstenbider  des  Atlantischen  Oeeans  geltend,  während'  andererseits  das  Fehlen 
derselben  in  den  Seebädern  des  Mittelländischen  und  Adriatischen  Meeres  zumeist 
nur  geringen,  von  der  Windrichtunf?  abhängigen  Wellenschlag  aufkommen  lässt; 
zudem  ist  der  Badestrand  der  im  Ganzen  ja  nur  vereinzelt  ao  den  Ktlsteu  dieser 
letzteren  Heere  vorkommenden  Badeorte  ein  unseren  Ansprflchen  zumeist  nicht 
entsprechender. 

Seeluft  und  Strand,  Luftbad  und  Seebad  der  Ciirorte  der  Nordsee  bieten 
sonach  ei;?enthUmiiehe  Vorzüge,  die  am  ausgesprochensteu  auf  den  Nordseeinseln 
zur  Geltung  kommen,  von  denen  einzelnen  die  Verbindung  jener  Factoren  sowohl 
der  Seelnftcur  allein,  als  in  ihrer  Verbindung  mit  der  Seebadecur  in  wirkssmster 
Weise  zukommt.  Zusammenfassend  erkennen  wir  diese  Vorzüge  in  Bezug  auf  die 
Seeluft  in  dem  zur  Cielluugkommen  aller  ihrer  heilkräfti;ren  Kactoren,  die  in  ihrer 
tonisirenden  Einwirkung  sowohl,  wie  in  ihrer  örtlich  uud  allgemein  beruhigenden 
Wirkung  unterstützt  werden  einerseits  dnreh  nOrdliehe  Lage  nnd  andererseits 
durch  den  Einfluss  der  Golfstrom  Trift ;  in  Bezug  auf  das  Seeliad  weisen  hoher 
Salzgehalt,  kräftisrer.  nicht  allzu  heftiger,  aber  ausdauernder  Wellenschlag  und 
eine,  sich  durch  den  Sommer  bis  in  den  Spätherbst  mit  geringen  Schwankungen 
gleichbleibende  Wasserwirme  von  15 — 17*5«  0.  den  Nordseebadern  ihren  hohen 

35* 


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546  MO&DSlEECUBOaTB. 

Rüg  an.   Diese  unter  dem  EüflnflM  der  Golfstrom-Trift  biB  in  den  Herbst 

andanernde  Temperatur  des  Wassm  ist  es.  die.  in  Verbindung  mit  den  tonisirend 
wirkenden  herbstlichen  Luftströmungen,  für  kräftigere  uud  widerstandsfähigere 
Personen  auf  den  von  contincntalen  Eindüssen  freiesten  und  mit  der  Jahreazoit 
entopfreebend«!  WobnnngRehiriebtiingen  ▼enehenea  Nordsednseln  den  „September- 
biUk-rii''  iliren  wohlverdienten  Ruf  als  die  kräftigsten  und  kräftigendsten  verschafft 
hat  Mit  vollem  Rechte  hat  daher  Norderney,  als  das  den  besten  Strand,  die 
besten  liadeeiDrichtuugen  und  die  Mö^^iichkeit  häuslichen  Behagens  auch  in  rauherer 
Jabresieit  bietende  Inselbad,  eeine  Badeniaon  bis  gegen  Mitte  Oetober  ausgedebnt 
Ueberhanpt  kflnoen  aas  den  angeführten  Gründen  von  Mitte  September  ab  fflr 
i^eebadeciiren  nur  die  ostfriesischcri  Inseln  —  von  Helgoland  bis  Borkum  —  in 
Frage  kommen.  Auch  die  warmen  Seebäder ,  für  die  in  den  grossen  Curorten, 
InsbesoodOTe  Norderney  nnd  Helgoland,  die  vorzüglichsten  Einrichtungen  getroffen 
sind,  wibrend  sie  In  den  kleineren  Insel*  and  Kflstenbidern  nnr  beseheideneren 
Ansprüchen  genügen,  zum  Tbeil  auch  ganz  fehlen,  schliessen  sich  der  Badeiaison 
der  betreflendeii  ('urorte  an ;  Helgoland  gew.ihrt  sie  in  seinem  schOneUi  mit 
grosser  Schwintmhalle  ausgestatteten  Badehause  sogar  durch  den  Winter. 

Die  verbaitninrnftsslge  Hilde  und  Gleiehmassigkeit  der  Temperatur  der 
Herbst-  und  Wintermonate,  die  sich  in  jeder  Jahreszeit  gleichbleibende  Heilkraft 
der  sanitären  Factnren  der  Seeluft,  die  aus  den  Sterblichkeitstabelleu  von  Norderney 
ersichtliche  Seltenheit  der  „Lungenschwindsnebt",  endlich  eigene  Erfahrungen  und 
Beobachtungen  nnd  theoretlsebe  Erwägungen  Teraalassten  im  Jahn  1881  Brnbkb  *) 
den  Aufenthalt  zunächst  scrophulOser  nnd  Inngenscbwindsttohtiger  Kranker  adT 
Norderney  auch  durch  Herbst  und  Winter  zu  empfehlen  uud  die  Seeluftcur,  als 
die  wichtigere,  niclit  von  der  J^eebadeciir  abhängig  zu  machen.  Im  Winter 
lSdljö2  bereits  hatten  t^ich  um  Benkke  eine  Anzahl  Kranker  auf  Norderney 
versammelt,  über  deren  Befinden  wibrend  des  Oaranfentbaltes  sowohl,  wie  dessen 
Folgen  er  im  Sommer  1882  Beriebt  erstattete,  i  Allerdings  befanden  sich  unter 
seinen  Lungenkranken  eine  grosse  Zahl,  die,  durch  die  Neuheit  der  Sache  an- 
gelockt, ihr  das  Vertrauen  entgegenbrachten,  welches  sie  seither  bereits  an  alle 
mffglieben  Curen  ▼eYSchweadet  hatten,  denen  aber  flberbaupt  Niemand  nnd  keine, 
auch  keine  Rtimacur  mehr  helfen  konnte.  Der  damit  gegebenen  noausbleiblichen 
Erfolglosigkeit  oder  nur  vorübergehender  Besserung  standen  andererseits  in  den 
geeigneten  Killlen  nicht  aliein  eine  grössere  Zahl  solcher  von  überraseheudem  und 
bleibendem  Erfolge  gegenüber ,  sondern  es  erweiterte  sich  auch  der  Kreis  der 
Krankheiten,  für  die  die  Seelnfteur,  wenn  ausdauernd  gebraucht,  als  vortraffliebes, 
zum  Tbeil  alleiniges  Linderungs-  und  selbst  Heilmittel  entsprechende  Würdigung 
fanJ,  so  bei  Emphysem  und  emphysematösem  oder  bronchialem  Asthma.  Dennoch 
kamen  unter  dem  Eindrucke  jener  nothweudigeu  Misserfolge  und  durch  den  bald 
daranf  erfolgenden  plötzliehen  Tod  Bbnbkb's  die  Winterenren  auf  Norderney  in*8 
Stocken ,  obwohl  fortgesetzt  seitdem  Kranke  verschiedener  Art ,  insbesondere 
A-thiiiHtiker  utul  Kranke  in  den  Anfangsstadien  di-r  ^Schwindsucht  (Spitzen- 
catarrhe,  luliltrationen  der  Lungenspitzen),  mit  ausgezeichnetem  Erfolge  durch 
deu  Winter  die  Seeluftcur  auf  Norderney  und  Föhr  gebraucht  haben.  FOr  Norderney 
liegen  dafflr  die  Zeugnisse  der  Inselftrste,  für  Führ  das  von  Gbbbbb><^  vor. 
Die^e  beiden  In.scln  allein  von  den  Nordseeinseln  können  zur  Zeit  für  die  Winter- 
enren in  Betracht  kommen .  da  sie  allein  das  für  Kranke  nöthige  hrlusliehe 
Behagen,  eDt,sprechcude  Kust  und  Geselligkeit  bieten.  Auf  beiden  geuaunten  Inseln 
haben  sieh  daher  aneh  Kranke,  namentlieh  Asthmatiker  und  Phtbisiker  selbst 
in  späteren  Stadien  der  Krankheit,  SU  dauerndem  Aufenthalte  niedergelassen  und 
angekauft :  «ellist  einer  dt  r  mit  Bexekf.  nach  Norderney  gekommenen  Phtbisiker 
lebt  uoch  heute  im  besten  Wohlsein  und  frischer  Arbeitskraft  auf  der  Insel. 
Wichtiger  indessen  noch  ds  bei  ausgesproehenen  Krankheitsinstinden  erseheint 
die  dauernde,  also  auch  durch  den  Winter  for^^etste  Seeluftcur  als  Prophy- 
lacticum  bei  serophulöseu  und  constitutionellen  Schwlehezuständen,  die  fiüher  odw 


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NOBD䣣CUBORT£. 


Ä49 


später  in  LungeDschwindsucht  enden,  namentlieh  atm>  aueh  bei  erblicher  Anlage. 
Nach  dieser  Richtung  namentlich  eröffnet  aich  ein  Feld  segensreicher  Thiitiiirkeit 
fflr  die  Seehospize  dee  im  Jahre  18B0  gegründeten  Vereines  für  Kinderheil- 
Btfttten  an  den  devtaeben  Scekttoten  anf  NoHerney  und  in  Wyk  auf  Föbr,  von 
denen  das  erstere.  weil  nicht  nnr  wShrend  deä  Sommers,  soudem  dureb  das  ganze 
Jahr  geeffnet .  die  Mfiglichkeit  bietet,  durch  cntsprcfhcnden  längeren  Aittonthalt 
auch  Hchwerer  und  chronisch  Erkrankte  der  Heilung  oder  wenigstens  der  möglichen 
Besserung  zuzuführen.  Das  aber  ist  die  eigentliche  Aufgabe  der  Seehospize  auf 
den  Nordweinseln ,  im  OegnnaatM  sa  den  SammerfHMheB  und  Ferieneolonienf 
—  aunh  den  sich  „Hospize"  nennenden,  —  nicht  allein  der  Erholung  bedürftige 
Kchwiichliche  Kinder  aiifzunolinicn,  t«nndcrn  kranke  und  solche,  bei  denen  es  gilt 
durch  längere  Seelul'tcur  aut  den  Inseln  couslitutionelle  Leiden  einzudämmen  und 
an  beseitigen.  Speciell  die  Heilnog  scruphnlOser  Kinder  war  nnd  ist  der  Zweck  der 
bereits  im  Jahre  1876  gegründeten  Kinderhcilstätte  derevangel.  Diakonissen-Anstalt 
zn  N<irderney,  die  allerdings,  der  Beschränktheit  ihrer  Milte!  weiren,  ihre  Thiitlirkeit 
durch  den  Winter  auch  nur  in  beschränkter  Weise  fortfuhren  kann,  wie  aus 
gleiten  ßrande  das  Seebospis  zu  Wyk  auf  Fttbr  mit  dem  Herbste  seine  Kranken 
entlassen  muss,  während  das  Seehospiz  zu  Norderney  gerade  von  der  Nordsee- 
Inftcur  des  Winters  die  schrmsten  Krfnicre  zn  ver/.eichnen  hat,  weil  sie.  wenn 
mit  der  nOthigon  Individiialisinin.ir  und,  belnifs  der  nöthigen  Aoeliniatisaticn,  nieht 
allzu  spät  im  Jahre  bcgouuen,  krilfiig  touisirend  und  die  Widerätaudäfdbigkeit 
erhöhend  wirkt.  So  konnte  Lorbnt  sdne  Erfahrnngen  als  Ant  des  Hospizes  su 
Norderney  dahin  zusammenfassen ,  ,,das8  fflr  gewine  constitntionelle  Sehwtehe- 
zustftnde  ein  Winteranfcnthalt  an  der  See  geradezu  souvor.ln  ist"  nnd  sein 
^iachfolger  Dr.  liOOE  konnte  im  Anschlüsse  darau  berichten:  „Die  Kesultate 
unserer  Winterenr,  sowohl  bei  Serophulose,  als  aueh  bei  ehronisehen  Lungen- 
aflTectionen  waren  so  voncflgliehe,  dass  ich  mich  dem  Trlheile  meines  Vorgängers 
vollständig  auschlie^scn  muss  wenn  er  in  seiiieni  T5t>richte  Uber  die  Wiutereur 
sagt :  Auf  Grund  der  gewonnenen  Resultate  trete  ich  mit  voller  Ueberzeugung 
dafür  ein,  dass  die  W^iutercur  nicht  allein  l)erechtigt  ist,  sondern  dass  gerade 
in  ihr  erst  die  Bedentnng  der  Seehospize  fUr  die  Kinderpflege  snr  Gettung 
kommt."  So  halten  auch  das  gros^^e  franzf^sische  KUstenhospis  zu  Berck-sur  mer 
am  Oaual ,  das  belgische  zu  Middelkerke  bei  Ostendc  und  das  dänische  am 
grossen  Belt  zu  Helsnaes  auf  Seelaud  ihre  Thätigkeit  durch  das  gau/ce  Jahr 
aufrecht,  —  allen  aber  ist  es  gemeinsam,  dass  rie,  wie  die  Nordseeinseln,  eis-* 
freies  Meer  haben.  W^o  das  nicht  der  Fall  ist,  da  kann  sehen  ans  diesem  Grande 
von  Seeluftcur  im   W^inter  keine  KeJe  sein. 

In  beschränkterem  Masse  nur  als  auf  den  iuäeln  kann  natürlicherweise, 
wie  Oberhaupt  von  der  Seehiftenr,  so  aueh  von  der  des  Winters  an  den  Kflstea 
die  Rede  sein,  doch  befinden  sich  unleugbar  Kranke,  bei  denen  weniger  die 
tonisirenden,  als  die  örtlich  und  allgemein  bcriihi;::eiid  wirkenden  Eiiren^ii  liafteu  der 
Seeluft  in  Frage  kommen,  oft  schon  in  der  Strandluft  der  X<ird--eekiiste  entj^ehieden 
besser  als  im  Binnenlande,  und  fühlen  Erleichterung  und  Rückgang  ihrer 
Besehwerden.  Solche  unter  ihnra,  denen  das  stille,  einfifrmig-onigemisse  Leben 
auf  Nordeme.v  oder  Föhr  nicht  genog  Abwechslung  und  geistige  Anr^ning  bietet 
und  die  winterliehe  Geselligkeit  nieht  missen  wollen  nnd  ihr  nicht  zn  entsagen 
nölbig  haben ,  mögen  dann  wohl  in  einem  grosseren  Urte  der  Küste  finden ,  was 
ihnen  Bedttrftiiss  ist.  Wer  nur  seiner  Gesundheit  leben  will  und  muss,  der  bleibe 
im  Inselklima. 

Wie  die  sanitären  Eigenschaften  der  Seeluft  das  ganze  .lahr  liindureh 
dieselben,  so  sind  auch  die  Anzeigen  liir  die  Sceliiftcuren  im  Winter  dieselben 
wie  zu  jeder  anderen  Jahreszeit,  nur  dass,  entsprechend  den  Klimafactoren,  im 
Winter  und  Frflhjahr  die  tonisirenden,  den  Stoffwechsel  bef9rd«mden  Eigensebaften, 
die  an  nnd  für  sich  im  Nordseeklimu  die  vorwiegenden  sind,  mehr  in  den  Vorder- 
grund treten,  als  die  örtlich  und  allgemein  beruhigenden.  Allerdings  lassen  sieh 


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N0RB8EBC0R0RTB. 


beide  Arten  der  Einwirkung  so  wenig  vollständig  von  einander  trennen,  wie  vom 
Scebade  die  Seelaft,  doch  unterliegt  es  kemem  Zweifel,  dtas  der  tonislrende  Ein> 
fluss  der  Seelaft  am  wenigsten  zur  Geltang  kommt  in  den  im  Nordseeklima 
wärmsten  Tagen  des  Juli  und  August,  die  zuf^leich  am  meiKten  der  aiireo:eDdeu 
und  erfrischenden  Luftströmungen  eutbehren,  die  durch  langi^am  erfolgende 
WftriDeentziebung  Steigemng  des  StoffweebselS)  BnilbniDgBbebung  und  Krftftigung 
des  Organismus  hervorrufen.  Je  weiter  von  den  Sommermonaten  ab,  um  desto 
mehr  tr<>t<'n  die  henihigeuden  Eigenschaften  der  Setdiift  hinter  den  tonisirenden 
zurUck.  Es  ergiebt  sieb  daraus  zugleich  die  praktische  Kegel  für  Beginn  von 
Seeluft-  oder  Seebedeeoreo  an  der  Nofdsee,  dass,  um  niebt  doreh  nnfrenodliebe  oder 
stttrmische  Tage,  wie  sie  von  Mitte  September  ab  bin  und  wieder  vorkommen  köuueu, 
die  Aoclimatisatinn  an  das  Seeklima  erschwert  zu  sehen  oder  auch  r.ix  zeitweisem 
Aussetzen  der  Bäder  ^^ezwunf^eu  zu  sein,  schwerer  Kranke,  insbej^oudere  Phthisiker, 
die  längeren  Aufenthalt  an  der  See  nehmen  sollten,  am  besten  im  Anfaule  des 
Sommers  in  das  Seeklima  eintreten.  Kräftigere  und  widerstandsflüiige  Personen 
worden  allerdings  dieser  Vorsieh tsma^isrcgel  auf  den  Nordsee! nf^etn  umso  weniger 
bedürfen,  als  im  Inselklima  der  Spätherbst  vielfach  noch  eine  durch  milde  gleich- 
mässige  Witterung  im  Vergleiche  zum  Binnenlande  so  ausgezeichnete  Jahreszeit 
ist,  dass  selbst  sebwer  Kranken  die  Acelimatisation  noeb  leiebt  mögiieb  ist.  Die 
sonstigen  Kranken ,  die  Scrophulöscn ,  die  an  constitntioneUeo  und  erworboneu 
SchwiU'hoziHfiinden .  an  chronischen  Catarrlieti  der  Atliiniinir^nrirane .  namentlich 
aber  die  au  emphysematösem  oder  bronchialem  Asthma  Lcidendeu  können  auf  deu 
Nordseeinseln,  die  aus  angefübrten  Grflnden  alldn  dabei  in  Frage  kommen  kOnnen, 
die  Seeluftcur  jederzeit  beginnen,  aueh  mitten  im  Winter. 

Der  einfrreifende,  auf  den  gesanimteti  Or-rainKiiitH  unmittelbar  und  mittel- 
bar einwirkende  Einliuss  der  Nordseeliift  lirin^'t  es  mit  sich,  dass  schwerer  Kranke 
nicht  allein  behufs  Acciiroatisation  die  cut.^prcchende  Zeit  für  Beginn  der  Seeluft- 
und  Seebadecuren  an  wftblen,  sondern  dass  sie  aueb  im  Seeklima  selbst  gewisse 
Vorsichtsmassrcgeln  zu  nehmen  und  ein  ihrem  Kriiftemasse  und  sonstigem  Befinden 
entsprechendes  Verhalten  inne  zu  halten  halten.  Dahin  gehört  vor  Allem  —  und 
das  trillt  auch  bei  sonst  Gesunden,  das  Seebad  Gebrauchenden  zu  —  dass  sie 
niebt  dnreb  flbermissige  Körperanstrengung,  insbesondere  anstrengendes  Strand- 
laufen, sich  sebaden.  Die  kiihle,  bowo^^e  Meeresluft  ermüdet  schon  an  und  fOr  sieb, 
und  blutarme,  schwächliche  und  reizbare  Kranke  dürfen  sicli  sellist  bei  ruhigem 
Verhalten  nicht  sofort  stundenlang  am  Strande  der  vollen  Einwirkung  der  Seeluft 
aussetzen.  Es  genügt  ihnen  für  den  Anfaug  oft  ein  Strandspaaergang  von  einer 
halben  Stunde  und  selbst  weniger;  die  flbrige  ihnen  für  den  Lnftgeuuss  gegebene 
Zeit  müssen  sie  anderweit  zu  geeigneten,  ihrem  KräfteniM^'^e  entsprechenden  Spazier- 
gängen verwenden  oder,  wie  KßUSE  bei  den  schwereren  Fitrnien  der  Chlorose  auräth, 
im  Freien  liegend  oder  sitzend  und  gut  eingehüllt  zubringen.  Ebenso  dürfen  solche 
Kranke  fllr  den  Anfang  niebt  am  Strande  Wohnung  nehmen,  zunächst  um  niebt  der 
dauernden  unmittelbaren  Einwirkung  der  Meeresluft  ausgesetzt  zu  sein,  weiter  um 
der  Lichtrefle.xe  und  der  Braudunfr  des  Meeres  willen.  Nichtbeachtung  dieser  Vorsichts- 
massregeln rächt  sieh  öfter  bitter  durch  Scbladosigkeit  und  Verlust  des  Appetits, 
somit  naeh  Riehtungen  hin ,  naeh  denen  ridi  sonst  bei  entspreehendem  Verhalten 
der  Einfluss  der  Seeluft  am  raschesten  und  augenfölligsten  und  in  günstigster 
Weise  merkbar  macht.  Kinzelue,  besonders  empfindliche  und  nerv^•^e  Kranke  tbun 
sogar  besser,  im  Anfange  den  Strand  ganz  zu  meiden,  und  solche  sind  es  auch, 
die,  weun  aus  dem  Binnenlande  kommend,  statt  numitletbaren  Debergangs  in  das 
Inselklima,  besser  durch  mehrtägiges  Verweilen  in  Zwiecbenstationen  des  Kasten- 
gebicte-i  sich  allni;Ui;r  aecliniatisiren.  1  )iireliatis  itothwmdijr  a^cr  i-^t  i1;is  Innelinlten 
derartiger  Zwi.sehenstatinnen  in  dem  noch  unter  dem  klimatiseheu  Kiullusse  der 
Nordsee  stehenden  Laudgebiete  bei  schwer  uud  chronisch  Krauken,  die  aus  dem 
feuchten,  gleichmissigen  Insel-  und  Seeklima  in  die  troekene  Luft  des  Binnen- 
landes mit  seinen  schroffen  Teroperatnrweehseln  zarQekkebren.  In  dem  Ver> 


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140£DS££C(JB0RTE^ 


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absäumen  Jc^  Einhaltens  derartiger  Zwisclienstationen,  dessen  Nothwendigkeit  för 
die  aus  dem  Hoch}?rbir;rsklima  und  dem  Sliden  Zurückkehrenden  liln]?fit  anerkannt 
ist,  liegt  eine  I  nterscbätzuDg  des  Seeklimas,  die  sich  an  Kraukeu  oft  schwer 
rieht.  Asthmatiker,  bei  denen  sich  sofort  mit  dem  Eintritte  In  das  Kflsten-  oder 
namentßeh  das  Insellctima  der  flberrascbendste  wohlthätige  Einfluss  auf  ihr  schweres 
und  hartnäckiges  Leiden  einpestellt  hatte  und  die  im  Inselklima  frei  blieben  von 
asthmatischen  Anfällen  oder  nur  vereinzelt  nach  äusseren  Uelegeabeitsar^achea 
immer  seltener  werdende  und  i«ich  immer  mehr  abschwächeude  AnAUe  bekamen, 
werden  nicht  selten  bei  unmittelbarem  Uebergange  in  das  Binnenlandklimn  von 
heftigem  Anfalle  ergriffen  und  kOnnen  von  Glflck  eagen ,  wenn  er  nur  der  Vor- 
lilufer  ist  von  vorilbergehenden  und  den  früheren  an  Häufigkeit  und  Heftisrkeit 
nicht  gleichkommenden  KUcklHilen,  bis  erneuter  Aufenthalt  im  Inselklima  uud 
vorsiehtigere  RSeltlcehr  danemderen  Erfolg  bringt.  Ebenso  ist  es  mit  anderen 
chronischen  Krankheiten,  ehroniscben  Catnrrhen  der  Athmun<;sor?ane ,  vor  Allem 
aueh  mit  phthisisehen  Processen.  Rkxeke  berechnet  für  phtbisisehe  Kranke, 
die  längere  Zeit  auf  den  Nordseeinseln  zugebracht  haben  und  nicht  volistäudig 
geheilt  mrUeklcehren ,  die  fiBr  die  Acelimatisntion  an  das  eontinentale  Klima 
nöthige  Zeit  dnrchschnitilich  auf  2 — 3  Wochen,  iude^^sen  wird  naeh  Jahreszeit 
und  sultjeetivein  Hefinden  diese  Periode  der  Arclimatisatici»  immer  verschieden, 
immer  aber  uird  festzuhalten  sein,  dass  die  Seeluftcur  eine  Klimacur  ist  wie 
jede  audere. 

Entsprechend  den  l>eiden  Hanptriehtnngen ,  In  denen  in  therapeutisehcr 

Beziehung  die  sanitären  EigenFchaften  der  Nordseeluft  einerseits  als  örtlich 
und  allgemein  beruhigende,  andererseits  als  die  Hebung  des  All  ge- 
rn ein  befiudcui<  befördernde  zur  lieltung  kommen,  sind  auch  die  Haupt- 
anzeigen gegeben  fttr  die  Nordseelnfteuren.  Bei  ihnen  allen  steht  als  wichtigstes 
Moment  unbestreitbar  und  unbestritten  die  Reinlieit  der  Seelnft  obcnau.  Dass  sie 
PS  aber  nicht  allein  i-t,  wie  hin  und  wieder  angenommen  wurde,  der  die  Heil- 
erfolge der  i;eeluft  zuzuschreibtn  sind,  gebt  schon  daraus  hervor,  dass  es  auch 
Oegenanzeigen  gegen  den  cm^remissen  Gebmneh  der  Seelnft  giebt,  die  mithin  auf 
anderen  pjgenschafteu  derselben  beruhen  mflssen.  Auf  den  örtlich  beruhigend 
wirkeiidt  II  weiteren  Eigenscliaften  der  Seeluft ,  vornehmlicli  der  Gleichmilssigkeit 
der  l^uftwslrrac,  dem  hohen  ebenfalls  nur  geringen  Schwankungen  unterworfenen 
Fenchtigkeitsgehalie  und  der  Dichtigkeit  beruht  der  reizmilderndo  und  lustnde  Ein- 
llnss  auf  die  Schleimhaut  der  Luftwege  und  die  yerlangsamnng  und  Vertiefung  des 
Athmens  bei  den  K  r  a  n  k  h  e  i  t  e  n  derAthmungsorgane,  den  Catarrhen, 
namentlich  den  c  h  ro  n  i  s  e  h  c  n  Ca  t  a  r  rh  e  n,  —  seien  sie  nun  primärer  Art  oder 
Folgekrankheiten,  —  bei  Emphysem  und  empbysematösem  Asthma.  Na- 
mentiteh  bei  chronischem  Bronchialcatarrhe  im  Gefolge  von  Emphysem  empfiehlt 
Caxtani  Seeluft,  ,,wie  man  sie  bei  grosseren  Meeresfahrten  athmef'  und  will  das 
Luftbad  mit  Seebädern  verbunden  wissen,  „die  jedoch  nach  besfinnnten  Vcrscliriften 
genommen  werden  ntUsseu  und  nicht  länger  als  5 — 10  Minuten  dauern  dUrfeu.  30  bis 
40  Bider,  besonders  bei  herrschenden  Winden  und  bewegter  See  in  den  bertthmten 
Nordseebädern  im  September  genommen,  wo  der  Wellenschlag  ein  viel  kräftigerer 
ist,  werden  gewiss  vortreftlich  wirken".  Dankbarste  Ohjecte  der  Seeluftcur, 
wie  die  genannten  Kraukbeitszustände  sämmtlich  sind,  versteht  es  sich  doch 
dabei  von  selbst,  dass,  wenn  es  sich  nicht  nur  um  vorübergehende  Linderung, 
sondwn  um  danwnde  Besserung  und  Heilung  handeln  soll,  wie  bei  allen 
chronischen  Krankheiten,  so  aueh  bei  diesen,  die  Cur  mit  Ausdauer  gebraucht 
werden  muss. 

Denselbeu  Eigenschaften  der  Seeluft,  denen  die  ortlieh  beruhigende, 
Icommt  aueh  die  allgemein  beruhigende  Einwirkung  su  theils  auf  das 
ganze  Nervensystem,  tbeils  auf  den  Girculationsapparat  durch  Ver- 
la ngsamnng  und  K  r  äf  t  i  g  II  n  ?  der  Herzaction.  Aus  der  beruhigenden 
Eiuwirkuug  auf  das  Nervensystem  ergeben  sich  die  Anzeigen  bei  den  ver- 


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668 


HORDSBBCORORTE. 


sobiedeueu  ^serveukraakheitoa,  nameDtlich  den  &h  Nervenschwäche,  reiz- 
bare SehwMoke,  Neuraitlienie  lanuiunengefaaitoii  ZiisIliidMi ,  aiMli  inso- 
weit sie  als  Hypochondrie  und  Hysterie  in  Enebeinung  treten,  hta.  ein- 
zelnen Formen  der  Neuralfrien,  z.  B.  Migrftne  und  I  n  t  e  rr  nst  a  1  n  (Mi- 
ra) gl  e,  bei  Lähuiuugeu  nach  Diphtherie  oder  Ty])bu'<  und  hyäterisehen 
Lähmungen,  bei  gewissen  Fällen  von  EU ckcnmurk 8 Schwindsucht,  bei 
denen  Hebung  des  Allgemeinbefindcos  venHegend  in  den  Vordergmnd  tritt, 
endlich  bei  nervöser  Schlaflosigkeit  und  nervösem  Asthma.  Im- 
Ix'sondere  för  letztere  Krankheitszusülnde  ist,  selbst  bei  den  quälendsten  und 
hartnäckigsten  Formen  derselben,  die  Seeluft  zuweilen  des  einzige  zunächst 
Lindernngs-,  oft  Heilmittel,  bei  nervOser  Sehlaflueigltdt ,  bei  welcher  vielleieht, 
nach  BiNz's  UutersuchuDgen,  auch  der  hohe  Ozongebalt  der  Seeluft  schlaftnarhciid 
wirkt  ,  wirksam  uiitcrsttttzt  durch  Seerelbootsfahrteii ,  die  nicht  allein  durch  Ver- 
mittluug  reinster  Seeluft  wohlthätig  wirken,  äondern,  wie  es  scheint,  auch  durch 
Entlastung  des  Gehirns  in  Folge  des  dnrdi  die  grössere  Inteoritit  der  Lnftbewegung 
auf  die  Hnntnorven  an^efibten  Rdsee  und  der  bei  den  Schwanlcungen  des  Bootes 
nothwcndi?  aiifjcrcfrtcu  und  aii°:c8trcnpten  Thätigkeit  vieler  und  zum  Thcil  sonst 
zur  riith.'itifrkeit  verurthcilter  Muskeln.  Ks  bedarf  keine«  weiteren  Nachweises, 
da»s  gerade  für  Nervenkranke  die  nöthige  Vorsicht  doppelt  angebracht  ist  in 
Besng  avf  Wahl  der  Wohnung,  Vermeidong  aUen  Uebermasses  in  Besng  auf 
Körperbewegung  und  Strandaufenthalt,  grösst«*  Rücksicht  einestheils  auf  die  Körper- 
krftfte,  anderntheils  auf  die  Temperatur  des  Wassers  u.  s.  w.  bei  etwaigem  Ge- 
brauche kalter  Seebäder,  sofern  nicht  warme  allein  angezeigt  erscheiueu,  etwa 
mit  naehfolgender  Icuraer  kalter  Uebergiessung  oder  kalten  Abreibungen  mit  See- 
wasser tt.  s.  W.  Im  üebrigen  aber  bedarf  es  bei  schwerer  Nervenkranken  nur 
des  Seelnftgenusses ,  wenigstens  für  den  Anfang  ihrer  Our,  und  crlcdiL'cii  sich 
damit  die  Bedenken  Derjenigen ,  welche  bei  Neurastiienikern  die  Heizwirkuugen 
des  Seebades  fBrebten  oder  „die  ^ntönigkeit  des  täglichen  fjobons  und  der 
Umgebung**.  Um  letzterem  Bedenken  zu  begegnen,  bedarf  es  nur  der  riclitigen 
Wahl  des  entsprechenden  (^urortcs  und  wird  dann  sogar  A<"lit  zu  linhcn  sein.  das> 
nicht.  Je  nach  Ort  und  Zeit,  der  Zerstreuungen  uud  (irselligkeit  zu  viel  gchoteu 
werde.  Die  glänzendsten  Erfolge  für  ihre  Gesundheit  erzielten  zumeist  diejenigen 
Nervenkranken,  welche  durch  Deberanstrengnng  ilires  Nervensystems  naeii  dieser 
oder  jener  Richtung,  durch  geistige  üeberarbeitung,  unbehagliche  häusliche  Ver- 
hilltnisse  und  ungünstige  hygienische  Bedinguiitrcu  in  ti.uiernde  »icrvösp  Vil»ratii>m'u 
gerathen  sind ,  t^chlalius  und  appetitlos  werden  uud  endlieh  in  einen  elenden 
Schwtcliezustand  verfallen.  Gerade  die  kubiere,  bewegtere  Nordaeeluft  sagt  ihnen 
vor  allem  Anderen  zu,  immer  voransgesetst,  dass  sie  die  erwfthnten  Vorsiebts- 
massr^eln  strengstens  einhalten. 

Sehr  richtig  sagt  in  dieser  Beziehung  KuüäB  ^^J :  „Auf  das  missbräuchliehe 
Verhalten  ist  es  aneh  Im  Wesentlidien  xnrttekzuflihren,  wenn  man ,  wie  es  so  oft 
geschieht,  behauptet,  die  Nordseeluft  eigne  sich  nicht  fflr  erheblichere  .^chw/lche- 
austände ,  es  ^ei  ein  holipr  Grad  von  Widerstand-skraft  fflr  sie  erforderlich.  F<s 
giebt  im  (iegontheil  keine  noch  so  hochgradige  Schw.tche,  vorausgesetzt,  dass 
dieselbe  nicht  durch  zerstörende  Organerkrankungen  verursacht  iat,  welche  nicht 
den  grOssten  Vortheil  aus  dem  Insdaufenthalte  »eben  könnte.  **  Es  versteht  sieh 
von  selbst,  dass  inshescndere  bei  Nervenkranken  mit  der  Seeluftcur  und  eventuell 
kalten  »ider  warmen  Rfulern  auch  ein  geeignetes  di.ttetisches  und  hygienisches  Ver 
halten  eiuherzugeheu  hat  ;  eine  arzueiiiche  Behandlung  hat,  ausser  etwa  bei  nervöser 
Erregung  und  nervöser  Schlaflosigkeit  vor  erfolgter  Aeelimatisation,  wohl  kaum  je 
Plats  so  greifen. 

Auf  <ler  allgemein  beruhigende  ii  l.  i  n  w  i  r  k  u  n  g  der  Sct  hitt  auf  die 
llerzaetion  heruheu  zum  Theil  die  Erfolge  bei  Bekämpfung  uud  Linderung 
einzelner  Sym  ptome  von  Nervenkrankheiten  (nicht  durch  organisches 
Hiroleiden  bedingter  Kopfschmers  oder  Schwindel,  nervOMS  Herzklopfen  und  Angst- 


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NORDSEECLRORTE. 


553 


gefühP  ,  ebenso  die  Liiidenin?:  und  Beseitigung  einzelner  Symptome  von  B 1  u  t- 
»rruuth  und  Hleiehsucht.  deren  wesentlielie  und  radicale  Bekämpfung  allerdinf?« 
deo,  den  Stoffwechsel  und  sumit  diu  Körpercroäbrurjg  befördernden  Pligenscbaften 
der  Seeluft  infiUlt,  die,  wie  rie  an  und  fflr  sieh  die  Torwieg^enden  Bind ,  so  aneh 
ibren  Einfluss  nelten  und  mit  den  berohigenden  Eigensehaften  der  Nordseeluft 
jederzeit  auch  bei  deu.  den  letzteren  vorwiegend  als  Heilob jecte  zufallenden  Krankheits- 
zustüudeu  geltend  machen.  Von  mehr  und  mehr  zur  Geltung  kommender  Bedeutung 
in  tberapeutiadier  Besiebanip  ist  die  pbysiologisobe  Wirkung  der  Seelnft  «af  Ver- 
Inngsamung  und  grössere  Energie  der  Uerztbätigkeit  nnd  anf  Vertiefung  der  AtLem- 
züfje  in  Bezutr  ;nif  Rcfrclung  des  Blutdrucks,  worauf  .«ieh  die  Erfolirc  der 
äeelufteuren  bei  beginnenden  Herzkrankheiten  gründen.  Die  Eugldiider, 
bei  denen  die  Seetnftcuren  sieb  früher  einbflrgerteo,  als  in  Deutschland,  und  denen 
in  Betreff  derselben  scbon  langjibrige  Erfahrongen  nir  Seite  standen,  als  wir  erst 
anfinpcn,  uns  ihrer  Bedeutung  bewusst  zu  werden,  schliessen  Herzkranke  nicht  von 
der  Seeluftcur  aus.  So  zählt  schon  Kadcliffr  Hall  '  m  unter  den  Indicationen 
für  Toniuay  HerzatToctionen  bald  uueh  der  Entstehung  auf.  in  neuester  Zeit  hat 
namentlieb  Kbusb*)  die  Bedeutung  der  Seelufleur  bei  Henleiden  henrorgeboben. 
Er  sagt  in  dieser  Beztehnng:  „Man  siebt  bei  Herzleiden,  mögen  sie  mit  Klappen- 
erkrankungen zusammenhängen  oder  nicht,  durch  Seeluftgenuss  oft  eine  ganz 
bedeutende  Besserung  dann  eintreten,  wenn  die  beginnende  Entartung  des 
Hentmnskels  zu  Herzsebwflebe  nnd  deren  Folgen  auf  die  Blnteirenlation  gefllbrt 
bat.  In  den  von  mir  I  i-  jt  t/t  Iteobacbteten,  ziemlich  zahlreichen  Fällen  war  der 
vortheilhafteste  Eintiuss  der  Seeliifr  so  bestimmt  wahrnehmbar,  das-s  darin  eine 
dringende  Aufforderaug  zu  fernereu  Versuchen  gefunden  werden  darf.^ 

Ebenso  sah  Kbose  in  dw  so  hftufigen  Fftllen  von  Abnabme  der 
Leistungafäbigkeit  des  Hersens  bei  vorbandener  Fettleibigkeit  oder 
bei  mit  N  e  r  v  e  n  s  c  Ii  w  ä  c  h  e  verbundener  Fettleibigkeit  ^^fhistitr»-  Wir- 
kung von  der  Secluitcur ,  die  dann  wolil  mit  dem  Gebrauehe  einer  geeigneten 
Mineralwassercur  oder  leicht  SHÜnischcr  Abführmittel  verbunden  werden  kann.  „Wir 
baben  bei  einer  grossen  Zabl  von  Fettleibigen  mit  Henssebwiehe,  welehe  naeb 
Terraineuren  nnd  Entziebungsdilt  sehr  heruntergekommen  bier  (auf  Norderney) 
eintrafen,  in  wt-nifren  Wochen  eine  von  einem  Tage  zum  andern  sich  steigernde 
Kräftigung  beobachten  können^'  (Kruse  a.  a.  0.).  Cor  pulen  te  Vollblutige 
allerdings  obnedie  gedaebtenStArnngen  mttssen  der  Seelufteur  fernbleiben 
und  thun  besser,  ihr  gewobntes  Marienbad.  Kissingen  u.  s.  w.  aufzusuchen.  Natür- 
lich wird  in  allen  Fällen  von  wirklichen  Herzleiden  oder  auch  nur  Herzschwäche 
von  kalten  Seebädern  durchaus  und  ausnahmslos  abzusehen  und  lediglich  die  See- 
lufteor  SU  braueben  sein ,  deren  heilsamer  Binfluss  auf  StOrnngen  dar  Honthfttig- 
keit  und  des  Kre  slaufes  ohne  die  Hilfe  anbaltender,  Idobt  anstrengender  und 
DbennftBsiger  Kiirperbcwcgung  zur  Geltung  kommt. 

lu  das  (iebiet  der  die  Hebung  des  A  llg  e  ni  c  i  n  h  e  f  i  n  d  e  n  s  beför- 
dernden Eigenschaften  der  Nordseeluft  gehören,  wie  erwähnt,  lilutarmuth  und 
Bleiehsueht,  femer  die  erworbenen  Sehwiebesnstinde  dnreb  L'eber- 
«rbeitung,  sehwere  aeute  Erkrankungen  (Typhus,  Diphtherie,  Pneumonie,  Pleuritis) 
und  ehirurfrisflic  Kingriffe,  durch  häusliche  Sorgen,  zu  rasches  Wachsthnm,  wieder- 
holte Wocheubettcn  und  Stillen  u.  s.  w.  Wenn  neuester  Zeit  mit  Kecht  hervor- 
gdioben  worden  ist,  dass  bei  der  Tberapie  der  Bleiebsueht  die  mit  ibr  verbundene 
mangelbafte  und  gestörte  Herztbätigkeit  in  erster  Linie  zu  berUcksiehtigen  sei  und 
dass  man  deshalb  Bleichsflehtige  niclit  in  ein  Höhenklima  seLicken  solle ,  niiter 
dessen  Einllusse ,  sellist  beim  rubigiiten  körperlichen  Verhalten ,  beschleunigtere 
Atbmung  und  gesteigerte  Herztbätigkeit  ausgelost  werden,  so  ergiebt  sieh  sehen 
daraus  die  Anzeige  für  das  Seeklima  mit  seinem  die  Herztbätigkeit  beruhigenden 
und  kräftigefdcii  Kiiiflnssc.  und  zwar  nicht  nur  als  Nachcur  nach  vorausge- 
gangener geeigneter  Stahleur,  sondern,  wenu  nüthig.  in  Verbindung  mit  derselben 
und  bei  eventuellem  vorsichtigsten  Gebrauche  kurzer  und  seltenerer  kfilter  See- 
bäder mit  nachfolgender  Ruhe. 


594 


KORDSBECUROBTE. 


B«  ComplieftÜoiien  mit  OrganerkrankaDgeD :  Ifagengeadivar,  ehrontsch 

entzflndlichen  I'rocessen  an  der  Gebärmutter  u.  s.  w.  ist  das  kalte  Bad  ebenso 
;i;anz  zu  unterla3s(Mi,  wie  bei  grossem  Kräftemangel  und  feblendem  i^ppetite,  und 
k«)QQen  in  letztereu  l'äUeu  kurze  kalte  AbreibuDgen  des  KOrpers  mit  Seewasser, 
bd  partmetritiMben  Exsadaten  warme  Seebider  aogesei^  adii.  Unter  allen  üm- 
stinden  ist  elu  dem  Krftftezustonde  der  Kranken  entaprechendes  Verhalten  darch 
Vermeidungr  körperlicher  Anstrengung ,  insbesondere  in  und ,  wie  erwflhnt ,  nach 
dem  kalten  Bade  oöthig.  Entgegen  der  üblichen  Annahme  sind  Schlatlosigkeit  und 
Appetitmangel  der  Kranken  meist  Folge  anstrengender  Bewegaug  und  alfani  langen 
Aufenthaltes  am  Strande,  Die  Nordseeluft  ist  aneh  entfernter  vom  Strande  und 
bei  ruhit;<-in  Vcrlialten  kräftig  und  kräftigend  genujr  für  Kranke,  bis  ihnen  die 
schon  erfolgte  Kräftigung  Iflogeres  Verweilen  und  grossere  Spaziergänge  am  Strande 
gestattet.  Erweist  sieh  cur  Unterstfitsung  der  Seeluftour  der  Gebrauch  von  Eisen 
wtlnsebenswertb,  so  vertrageOf  naeh  Kruse  selbst  solebe  Bleiehsflehtige,  denen 
sonst  alle  Eisenmittel  Beschwerden  verursachten,  leichte  Mittel  (z.  B.  ß'err.  rnrh. 
sacch.)  an  der  See  sehr  gut.  wogegen  er  den  eurgem.'lssen  Gcliraueh  von  Stahl- 
bruunen  nicht  zweckmässig  fand.  Wühl  aber  geboren  in  unsere  hoher  gelegenen, 
altbewAfarten  Stablqnellen  vnd  finden  in  dem  Seeklima  eine  Gegenanzeige  diejenigen 
Falle  von  Blutarmuth  und  Bleichsucht,  die  ans  Halariakrankheiten  entstanden  nnd 
und  sozusagen  in  deren  Boden  wurzeln. 

Das  bekannteste  übject  der  Seeluftcureu  ist  die  S  e  r  o  p  h  u  1  o  s  e.  In  dem 
Znsammenwirken  der  tonisirenden  Eigensefaaften  der  Seeluft  mit  der  anregenden 
und  kriiltigst  in  den  StoffwecLsel  eingreifenden,  oder  der  die  An&angnng  krank- 
hafter Ablagerungen  mächtig  fordernden  Wirkung  der  kalten  oder  warmen  See- 
bäder ist  das  vurtred'lichste  lieilmittel  aller  der  verschiedenartigen  und  vielgestal- 
tigen Formen  gegeben,  in  denen  uns  die  Serophulose  entgegentritt.  Die  allein  dabei 
noeb  in  Frage  kommenden  Soolbäder  mflssen  schon  darum  an  dnrehgreifender 
Wirksamkeit  hinter  der  See  znrtlckstehen,  weil  sie  der  Seeluft  entbehren,  durch 
die  die  beabsichtigte  erregende  und  zugleich  tonisirende  Wirkung  iu  ungleich 
höherem  Mas.se  erzielt  wird,  als  durch  Salzbäder,  selbst  wenn  ihnen  ausgedehnte 
ßradirhanser  an  Gebote  stehen.  Der  Lnft  an  den  Gradirbänsem  aber,  die  man 
hi^  zu  einem  gewissen  Grade  der  Seeluft  an  die  Seite  stellen  kann  .  fehlen,  um 
ihr  gleich  zu  kommen,  einige  der  wichtigsten  F.igenschaftcn  :  die  GIeielim;if.siirkeit, 
die  Dichtigkeit,  das  Bewegtsein ;  ausserdem  lässt  schon  die  räumliche  Beschränkung 
nnd  der  nnr  zeitweise  mögliche  Genuss  der  Gradlrlnft  sie  als  Heilpotenz  der  den 
Kranken  immer  umgebenden  und  auf  ihn  einwirkenden  Seeluft  uieht  entfernt  gleieb- 
kommen.  Von  besonderer  Wichtigkeit  aber  erseheint  die  Sei  hit'tcnr  alsF'rophy- 
lacticum  bei  scruphulöseu  und  co us t  i  t u  t i o n e  1 1  e u  Schwächezu- 
ständen,  die  früher  oder  später  in  Lungenschwindsucht  enden, 
namentlich  also  aneh  bei  erblicher  Anlage.  Alle  die  Krankhdtazustände,  die 
w  ir  als  Anfänge  der  Phthise  bezeichnen  und  kennen  :  die  c  o  n  s  t  i  t  u- 
t  i  o  n  e  1 1  e  S  (•  Ii  \v  ;l  e  h  e,  d  i  e  e  r  h  I  i  e  h  e  u  n  d  e  r  w  o  r  b  e  n  e  p  h  t  h  i  i  s  c  h  e  A  n  1  a  g  e, 
die  veriiaehiigen  Fälle  von  Bluthusten  noch  ohne  nachweisbare  Ver- 
änderung in  den  Lungen,  die  Spitzencatarrbe  und SpitzeninfiU 
trationen,  Oberhaupt  frische  Infiltrationen  von  nicht  zu  grossem 
Tni  fange  sind  schon  von  altersher  mit  F-rfolg  durch  Seelufteur  Iieliandelt  worden 
sei  es  in  der  Form  von  Seereisen  oder  Aufenthalt  au  deu  Meeresküsten  oder  im 
Inselklima.  Dem  Ktlstenklima  verdanken  die  klimatisehen  Cnrorte  und  Sehwind* 
Mieht.sli()S|iit.iIer  in  S(id  Ft  glnnd,  dem  Inselklima  Madeira  seinen  Kuf,  aber  auch  die 
Xoril^i  I'  Iii-eln  haben  alljährlich  schöne  und  oft  in  kurzer  Zeit  erzielte  Erfolge  zu 
verzfiehnen ,  vorausgesetzt,  dass  es  sich  nur  um  die  gedachten  Anfänge  der 
Phthise  band«  It  und  dass  mit  Ausdauer  in  der  Cur  ein  entsprechendes  hygienisches 
und  diitetisehes  Verhalten  einhergebt,  wie  es  vorzugsweise  Norderney  und  Wyk 
auf  Ffthr  bieten.  Im  Allgemeinen  nihmen  die  Engländer,  denen  auch  nach  dieser 
Richtung  in  Bezug  auf  Seelnftcuren  läugere  Erfahrungen  zu  Gebote  stehen,  von 


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NOBDSBECURORTE. 


555 


ihren  ScbwindsucbUcururten  eutUn;;  den  K listen  und  auf  Wjgbt  (Margate,  Ventuur 
auf  Wight,  Bonrnemouth,  Torquay  u.  a.)  —  von  den  einen  mebr,  von  den  anderen 
weniger,  —  in  sanitSrer  Beziehung  das(;elbe,  was  wir  von  den  Nordsee-Inseln  za 
rühmen  haben:  günstige  Ge8undheit.s\ erliiUtnisse  der  Einwohner,  fast  gänzliches 
Fehlen  von  äcrophulus«,  niedrige  Öterblichkeilsziä'er,  namentlich  an  Lungenkrank- 
heiten  und  besonder«  an  Lungengehwindsnelit.  Ebenso  zeigen  die  kKniatiseben  Ver- 
bältniäse  Qbereingtiinmend  die  charakteristischen  Factoreu  des  Seeklimas :  Rein- 
heit und  Feuchtigkeit  der  Luft,  —  die  mittlere  relative  Feuchtigkeit  i<t  in  Torcjuay, 
Ventuor  u.  8,  w.  fast  genau  dieselbe  wie  auf  Kurderney,  —  GIeicbniä.>*sigkeit  der 
Temperatur,  namentlich  Geringfügigkeit  der  Tagestempcraturdifierenzeu,  kubiere 
Sommer  and  wirmere  Winter  als  sie  selbst  das  Inselklima  Englands  anfsaweitem 
hat)  im  Winter  massigen  Schneefall  und  seltene  Eisbildung,  welche  beide  übrigens 
so  wenig  gefürebtet  werden  ,  wie  z.  Ii.  der  in  Bournemouth  seiner  Lage  wegen 
.sehr  beft'ge  Wind  und  diu  überall  mehr  oder  weniger  häutigen  Seeuebel. 

AniMlig  ist  es,  dass,  obwohl  die  betreffenden  cngliseben  Ktlsteneurorte 
um  la  (  zwei  Breitengrade  r51:58o  n.  Br.)  südlicher  als  unsere  deutschen  Nord- 
see-IuMln  und  unter  vollem  Kintin-se  des  Golfstroms  liegen  ,  doch  die  mittleren 
Temperaturen  der  llerbstmonate ,  von  Uctober  bis  Januar,  niedriger  sind  als  die 
anf  Norderney,  und  zwar  selbst  in  den  wlrmsten  und  bevonsngtesten  Orten :  Ventnw, 
Bouroemonth,  Torquay  (Norderney  +  7-7^  R.,  Ventnor  7*2,  Bournemoutb  6  6, 
Torijuay  ('  7  .  Zeigt  j'ich  darin  der  Kintliiss  des  niflchtigen,  dureb  seinen  Umfang 
sich  c.ontinentalen  klimatischen  Verhilltnissen  mehr  als  insularen  ann.lherudea 
Hinterlandes,  so  kommt  andererseits  in  den  eigentlichen  Wintermonaten,  Januar 
bis  April,  der  Einfloss  des  Oolfttroms  in  England  in  bedeutend  böberen  mittleren 
Temperaturen  zum  Ausdrucke  (Norderney  +  R,,  Ventnor  -f  r)  0,  Bournemoutb 
-)-  .'{  tj,  Tor(|uay  +  4'4).  Diese  hoben  mittleren  Wintertemperaturen  sind  es 
wühl ,  weshalb  eiuzelnen  dieser  Wiutercurorte ,  namentlich  Ventnor  und  T(»rquuy, 
seitens  der  englisdien  Aente  der  Vorwurf  gemaeht  wird,  dass  sie  an  „relaxing^,  zu 
erschlaffend,  zu  verweichliebend  seien,  in  Bestätigung  des  Erfabrungssatzes,  dass  bei  der 
Behandlung  tier  Scliwindaiieht  nicht  höhere  Temperaturen  das  für  uns  wUn«>cbens- 
wertbe  sind,  sondere  m ä s s i g e ,  und  vor  allen  Dingen  gleich mässige  Tempera- 
turen, welche  möglichst  ausgiebigen  Gennss  reiner,  staubfreier  Luft  gestatten. 
Dennoch  können  wir  uns  in  Betreif  der  Ausnutzung  des  Seeklimas  für  Schwind- 
eüchtiire  den  KiiKl:iii'Urn  nicht  zur  Seite  stellen,  wie  schon  ein  Bliek  auf  die 
grossen  eugliseben  Schwindsucbtsbospitäler  lehrt:  Das  „Hospitti'  for  consuinption 
and  diseases  of  the  ehest"  zu  Ventnor  mit  96  Betten  ,  das  „Sanatorium  for 
eonttimptüm  and  ditean»  of  tkecheH^  zu  Bournemoutb,  eine  Toebteraustalt  des 
Broniptonhospltalea  zu  London  mit  02  Betten,  das  „  Westt  rn  Hospital  for  eon- 
sumptite  f^ndency"  zu  Torquay  für  5.')  Kranke  und  die  ;»  grossen  llospitüler 
för  Serophulöse  und  Tuberkulöse  —  der  Mehrzahl  nach  Kinder  —  zu  Margate : 
die  „lioi/al  8ea  bathing  Inßrmary" ,  das  „Metropolitan  EgtabUskment*  und 
„Chateau  Bellevue"  mit  beziehungsweise  250,  140  und  120  Betten. 

Unsere  deutschen  Nordseehospize:  das  Hospiz  ,.Kaiserin  Friedrich"  zu 
Norderney  mit  250  Betten,  die  „evaDgelische  Diakonissenaustalt  zur  Heilung  scrophu- 
lOser  Kinder'^  zu  Vordemey  mit  50  Betten  und  das  Seebospiz  zu  Wyk  auf  Föhr 
mit  80  Betten  können  ebensowenig  wie  die  belgischen  Nordseektt^tenbospize  zu 
Middeikerke  mit  über  100  Betten  und  Vendnyne  mit  Belegraum  für  200  Krniiko 
zum  Vergleiche  mit  den  gedachten  englischen  Ilospitülern  herangezogen  werden, 
schon  aus  dem  Grunde,  weil  sie  nur  für  Kinder  und  durchaus  nicht  allein  für 
ScropbulOse  nnd  Tuberkttiöse  bestimmt  sind.  Ebenso  sind  die  bollindiseben  KUsten- 
seehospize :  das  „Kinderziekenhuis"  zu  Wijk  aan  Zee  uiit  40.  das  „Badhuis  voor 
Mitiderverniogenden"  zu  Zandvoort  mit  5.3  und  ,.de  .Sophia-Stiebting"  zu  Scheveningen 
mit  100  Betten  als  Sommer-Saisonhospize  für  Kinder  mit  beschriinkter  Bebaudlungs- 
dauer  mehr  dem  Muster  der  englischen  Convaleseentenhäuser  und  italienischen 
Kttstenhospize  nachgebildet,  als  jenen  engUsehen  Hospitälern,  zu  gesefawtigen 


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566 


NOKDSEFX'UKORTE. 


elni«;^er  sogenannter  „Hnsj)!/*'"  an  der  deutschen  Nordsee  .  die  sich  als  Kinder- 
Sommerfriscben  cbarakterisiren.  Deonocb  haben  unter  den  zahlreichen  Pde«:UugeQ 
unBerer  deutecben  Seehospize  sowohl,  wie  der  holländischen  und  belgii^cben,  nament- 
lieh  dM  Hospiiee  sa  Hiddelk«rk6f  Krank«  in  den  Aafangntadien  der  Phthise  sowohl, 
wie  selbst  in  vorg^erUckteren  Stadien  und  in  den  verschiedenen  Formen  der  Tnber* 
kulose  Aufnahme  und  Heilunjr  p:ofunden.  Als  hierher  irphöri<r  sei  besonders  hervor- 
gehoben, dass  nach  den  Berichten  und  niUudlicheu  Mittheituugen  von  Cas^se  in 
Hiddelk«rke  und  Scbipklbbn  im  Kflsteobospis  BefiOMS  auf  Seeland  die  Heil- 
barkeit and  sichere,  dauernde  Heilung  des  Lnpns  ohne  operatives  Einschreiten 
dnreh  Seeluft,  Scehilder  und  jjute  Kost  feststeht. 

Unzweifelhaft  steht  in  therapeutischer  Beziehung  bei  den  phthii^ischeu 
Processen  der  Athmungsorgane  im  Seeklima  die  Reinheit  der  Seeluft  obenan, 
ihr  snnächst  an  Wichtijrkeit  die  G 1  ei c hm ässigkeit.  Tbeilt  das  Seeklima  die 
Eigenschaften  der  Keiuheit  mit  dem  Ilöheuklima,  so  darf  es  die  fast  ;rleichwerthi;jre 
Gleichmässigkeit  aubschlio.sälich  für  sieb  in  Anspruch  nehmen,  ausserdem  aber 
noch  weiter  eine  Reibe  von  Eigenschaften,  die  im  Besonderen  für  die  pbthisi- 
sohen  Proeesse  der  Athmnngsorgane  von  sehwerwtegeader  Bedeutung  rind:  den 
Feucht  iß^keitsgehalt  mit  seiner  örtlich  auf  die  Atbmungsor^anc  reizmilderad, 
lösend  und  die  Athmun^  beruhigenden  Einwirkunjr,  die  D  i  e  h  t  i  g  k  e  i  t  mit  ihrer 
die  Athmung  verlangsamenden  und  vertiefenden,  die  iierzthätigkeit  verlangsamenden 
und  kräftigenden  Einwirkung,  den  Osonreiehthnm,  dem  wir  eine  allgemein 
krlftigende  Einwirkung  auf  den  KOrper  ebenso  cusehreiben  dürfen ,  wie  dem 
Bewegtsein  der  Seeluft  Anregung  des  Nervensystems.  Steigerung  des  Stoff- 
wechsels und  Uebuug  der  Ernährung.  Als  therapeutisches  Ge^ammtergebniss  dieser 
Klimafaetoren  aber  erglebt  eidi:  Möglichkeit  der  Amheilung  der  kranken  Lnngen- 
partien  bei  Hebung  des  AUgemdnhefindena  nnd  Erftffifcnng  und  Erhöhung  der 
Widerstandsfiihigkeit  des  Patienten. 

Für  eine  speci  fische  Kinwirkung  der  Höhenluft  bei  Phthise  treten 
vorwiegend  nur  noch  einzelne  Interessenten  ein,  wohl  aber  bricht  sich  mehr  und 
mehr  die  Ueberaengung  Bahn,  dass  die  sogenannte  Lungengymnastik  das  Oegen- 
theil  einer  vernünftigen  Scbwindsucbtstherapie  ist ,  und  dass  die  kranke  Lunge 
möglichst  geschont  und  Alles  vermieden  werden  nuiss,  was  tiefe  Inspirationen 
auslöst.  Durch  die  dünnere  Uöhenlutt  werden  an  uud  für  sich  schon  ganz  andere 
Ansprache  an  die  Athmungsorgane  dee  Lungenkranken  gemacht,  ah  an  tiefer 
gelegenen  Orten;  im  Seeklima  beruhigt  sieh  Athmung  und  Herztli.itiirkeit.  Da 
auch  die  mpdiciiii-;clit>  Statistik  einen  i  m  ni  u  n  i  s  i  r  e  n  d  e  n  F^intiuss  der  Höhenlage 
nicht  entfernt  nachweist,  wohl  aber  die  Nähe  der  olltiueu  See ,  so  bat  neuester 
Zelt  FancsuiBOBCT  mit  Tollstem  Rechte  die  Sehlttssfolgerung  gezogen ,  dass, 
wenn  es  sich  ftlr  uns  in  Deutschland  um  statistische  Berechtigung  einer 
Vorznirswalil  zur  Errichtung  von  Sanatorien  für  Brustkranke  handelt,  solche  stets 
in  erster  licilie  der  Seeküste  zuerkanut  werden  raüssten ,  und  setzen  wir  hinzu, 
vor  allen  den  Inseln,  denen  ebenso  die  statistische ,  wie  in  vollstem  Masse  die 
therapeutische  Berechtigung  ankommt  Diese  letate  Schlnssrolgernng  hat,  im  An- 
schlüsse an  die  Ausführungen  FiNKKLNBUKü's,  HiLLER'")  gezogen,  der  die  Er- 
ricbtuTiL'-  von  Sanatnrien  filr  Brustkranke  auf  den  Nordsee-Inseln,  in^bcsondere  die 
Errichtung  eines  Schwiudsuehtshospitals  au  der  Südwcslküstc  von  Föhr  befür- 
wortet. Nun  hat  sieh  ohne  Zweifel  Föhr,  nicht  zum  mindesten  wohl  in  Folge 
seiner  gOnstigen  Lage,  hervorragend  günstiger  Erfolge  bei  Phthisikoru  zu  rühmen, 
indessen  steht  zur  Zeit  das  llr.licnklima  nnoli  si>  vorwiegend  in  der  Gunst,  besonders 
des  nicbtiirztlichen  Publicums,  das^s  wohl  m^ch  viel  Wasser  zum  Meere  Hiessen  wird, 
ehe  dw  Plan  HiLtEit's  sich  verwirklicht,  abgesehen  noch  von  Bedenken,  die  der 
Wahl  der  von  ihm  ausgesuchten  Ocrtlichkeit  auf  Föhr  gegcntlberstehcn  dürften. 

Ais  eines  der  dankbarsten  Objcete  der  Soelufteur  \<t  imch  der  pleu- 
ritischen serösen  oder  serofibrinrtsen  i  Exsudate  zu  gedenken,  auf  deren 
rasche  Ke^orption  wohl  von  grösstcm  Einllusse  sind  die  im  Seeklima  erhöhte 


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NORDSEECUBOBTE. 


557 


Nierenthfttig:keit  und  das  Tieferwerden  der  AthemzOge.  Ist  erstere  vorwiegend 
bedinp't  durch  die  vcrinindorte  Was^xTverdampfun^  durch  die  Haut  in  Folge  des 
hohen  Feuchtigkeitsgehaltes  der  Luft,  so  ist  doch  dabei  ohne  Zweifel  auch  ihre 
Diehtigrkdt  tod  nieht  so  nntmebiteeoder  Bedentnog,  der  «veb  der  Hatiptaotiiäl 
an  den  tieferen  Atherobewegungea  zukommt.  Ist  es  aehoD  in  der  Reconvaleseens 
von  Wicbtifrkoit,  Kranke  mit  pleuritisohcm  Exsudate  möglichst  früh  aufstehen  zu 
lassen  und  damit  tiefe  P'inathmungeu  auszulösen  zur  Ausdehnung  der  atelec- 
tatischen  Luugenpartien  und  Verhütung  des  Einsinkens  des  Thorax,  so  muss  in 
einem  späteres  Stadium  eine  eotapreehende  Lnngeogymnastik  nieht  minder  wiehtig 
Kein  zar  Entfaltung  der  comprimirt  gewesenen  Luugenabscbnitte  mit  ihren  ver- 
klebten oder  zum  Thoil  schon  obliterirten  Alveolen  und  ihrem  atelectatischen 
Gewebe.  Von  besouderer  Wichtigkeit  ist  dabei,  dass  die  tiefereu  Athembeweguugen 
nieht  von  der  WÜlkttr  und  dem  mehr  oder  weniger  groeien  Oesehieke  od«r  Un- 
geschicke de^  Kranken  abblngen.  Es  findet  im  Seeklima  eine  unbewusste  Ver- 
tiefung des  Athmens  statt,  und  zwar  eine  dauernde,  und  die  Wichtigkeit  und 
Ueilsamkeit  dieses  Vorganges  ist  durch  oft  überraschend  schnelle  ü^folge  der 
Seelttflenr  bei  pleuritiaehen  Exsudaten  erwiesen. 

Der  Gesammtheit  der  sanitären  Eigenschaften  der  Seeluft,  ohne  einer 
oder  der  anderen  derselben  den  Hauptantheil  oder  specifisclu;  Einwirkung  zu- 
schreiben zu  können,  kommen  die  Heilerfolge  bei  Keuchhusten  zu,  bei  dem 
die  Seeluft  als  ein  weit  Uber  den  Werth  gewöhnlicher  Luftveränderung  hinaus- 
gehendes Mittel  wpfobt  ist.  Als  iolehes  wurde  es  sehen  von  Alszandbr  P. 
BüCHAN,  Joseph  Frank  u.  A.  empfohlen.  Im  Jahre  1848  schrieb  L.  Verhaeghe: 
„Ueber  die  Wirksamkeit  des  Aufenthaltes  an  der  Seekflnte  und  der  Seebilder  bei 
Keuchhusten'^  und  brachte  eine  empfehleude  Casuistik  bei.  Trotzdem  kam  das 
bewährte  Heilmittel,  ausser  in  der  Nllhe  unserer  Meereekttsten ,  nieht  cur  ver- 
dienten Geltnsg,  einestheils  wohl  in  Folire  der  Schwerfälli^«t  unserer  Verkehrs- 
verhHltnisse ,  anderentbeils  in  Fol^je  des  in  die  Modekommena  des  Höhenklimas, 
bis  mit  Wegfall  des  erstereu  Grundes  die  Seeluft  wieder  den  ihr  gebührenden 
Rang  als  Heilsuttel  des  Keuehhusteus  einnahm,  so  dass  Fboum  (Bbaün's  Balneo- 
therapie) sagen  konnte:  „Gegen  Keuchhusten  ist  die  Seeluft  bdutnntlich  das 
?(»uverilne  Mittel."  In  neuester  Zeit  ist  d.-inn  auch  ein  so  ausgedehnter  Gebrauch 
davon  gemacht  worden,  dass  einzelne  Nordsee-Inseln  in  zweckentsprechender  Weise 
für  die  uuthige  Isolirung  der  keuchhustenkranken  Kinder  und  ihrer  Angehürigca 
Soi^  getragen  haben,  ohne  ihnen  den  Genuas  ihres  Heilmittels  au  beeintriohtigen. 

Festgestellt  und  allgemein  bekannt  dnroh  Erfahrung  und  Brandl  bei 
Aerzten  und  Nichtärzten  "^ind  die  Anzeigen  für  die  Nordseeb  ä  d  e  r ,  kalte  sowohl 
als  warme.  Uotreuubar  wie  mit  ihnen  die  Seeluftcur  verbunden  ist,  wird  der 
toni«irende  Einflnss  des  Nordseeklimas  dnreh  die  eigenartigen  Yorsflge  des  kalten 
Nordseebades  an  Salzgehalt,  Gleichmässigkeit  der  Wasserwärme  und  kräftigen 
Wellenschlag  kräftigst  unterstützt.  Abgesehen  von  den  .  als  Ilauptobjecto  der 
Seeluftcur  genannten  Krankheiten ,  bei  denen  einer  mehr  oder  weniger  wesent- 
lichen Untersttttsung  der  Cur  durch  kalte  oder  warme  8eeMder  bereits  gedacht 
ist,  wie  nameutlieh  bei  Scrophulose,  der  hier  aueh  ^e  Rhachitis  ansn- 
fü^ren  ist,  bei  der  vorsiehti^'er  Gebrauch  von  Seebädern  von  gdiistiirster  Einwirkung 
ist,  kommeu  als  Anzeigen  für  das  kalte  Seebad  vorwiegend  in  Betracht: 
Hautschwäche  und  Erkältbarkeit  der  Haut,  Neigung  aa  Rheu- 
matismen oder  bereits  bestehender  ehroniseher  Muskel-  oder  Gelenk- 
rheumatismus ohne  Herzleiden,  0  elenkansch  well  u  ngen  oder 
grosse  Schwache,  in  welchen  letzteren  F.'lllen  warme  Seebäder  angezeigt 
sind,  oft  aber  auch  die  Seeluftcur  allein  vorzügliche  Resultate  giebt.  Feruer  ge- 
hören nervOser  Kopfs ehmerz,  von  den  Krankheiten  der  Verdauungsorgane 
nerv  Ose  Dyspepsie,  habituelle  Stuhl  Verstopfung,  chronische 
und  n  e  r  V  ("i  e  Diarrhoe  ebenso  in  das  (iebiot  der  kalten  Seeljäder,  wie  von 
den  Fraueukraukheiten   Neigung  zu  Abortus,  Neigung  zu  JUlu- 


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NORDSBECDBORTE. 


tungea  bei  uicbt  zu  zarten  ludividueo,  auf  örtlicher  oder  allgemeiner  Schwäche 
beruhende  Sterilität.    Liwieweit  Amenorrhoe,    Dysmenorrhoe  nnd 

Fluor  alhu  s  ,  .i]>  iiedingt  dureh  Blutarmuth  oder  Bleichsucht,  durch  kurze  kalte 
Se<'l>Md«'r  zu  bebaudelii  «ind ,  ihüss,  wie  bei  der  Seeliifteur  dieser  Kraukheiten 
erwähnt,  abhiingeu  von  dem  Kräftezuetande  der  Kranken  und  etwaigen  CompU- 
catiooen.  Handelt  es  sieh  nur  um  KrfiftigoDg  dea  geschwicliton  Organismas,  so 
finden  selbst  chronische  Fälle,  auch  Fluor  albus  nach  vorausgegangener  nntz- 
kwer  örtlicher  I^ehandlungr.  bei  vorsiohti^reni  ni-hraurbt'  kalter  Seeb.'ider  Heüiinir 
Bei  8  p  e  r  m  a  t  o  r  r  h  o  e ,  die  l>ei  Männcru  oft  zur  HvpoclKindrie  führt,  bewährt 
sieh  das  Strandbad  ebenso,  wie  vor  Allem  bei  dem  uhroniächen  Catarrh 
der  Harnröhre,  der  sieh,  bei  vollstättdigem  Anssetsen  oder  wenigstens  Be- 
schränkung der  localen  Therapie  uud  sonstigem  entsprechenden  Verhalten,  oft 
in  flberraschend  kurzer  Zeit  verliert.  Allerdinffs  ist  wohl  kräftiger  Wellenschla«^, 
wie  ihn  die  Nordsee  Insel bäd er  bieten,  in  solchen  Fällen  Haupterfurdemiss  guten 
ESrfolges.  Bei  Nevrasthenlkern  ist  strenge*  Ittdividaalisiren  erforderlleh ;  oft 
dnd  kalte  Abreibungen  oder  Uebergiessangen  mit  Seewasser  als  Vorbereitung  nnd 
Uebergang  zum  kalten  Bade  ang-ezei^t ,  zuweilen  auch  nur  warme  Seebäder  am 
Platse.  Unter  allen  Umständen  darf  die  Dauer  des  kalten  Bades  nur  eine  kurze 
sein  nnd  gilt  das  von  den  immer  zu  Uebertreibungen  geneigten  Hypoehondern 
nmsomebr,  als  sie  gewöhnlieli,  nOthigenfalls  naeh  voransgesohiekten  kalten  Ab- 
reibungen, das  Strandbad  gut  vertr;i:j:cn.  Nur  die  dureh  geistige  T'eberanstrengung, 
unregelmässige  oder  ausschweifende  J^cliensweise  oder  Alkoholika  tiberreizten, 
ruhelosen  und  ängstlichen  liypochonder  sind  allein  iu  mässig  warme  Seebäder  zu 
verweisen.  Ebenso  sind  Bysterisebe,  immer  unter  Berdeksiehtigung  der  zn 
Grunde  liegenden  Ursachen  der  Krankheit,  ihrer  Theilerseheinungen  und  des 
dagegen  einzuschlagenden  Verfahrens  und  der  individnellen  Verhältnisse  der 
Kranken ,  in  Betreti'  des  Bades  verschieden  zu  behandeln.  Während  die  nervös 
nnruhigen,  blutarmen,  an  Sehlaflosigkeit  und  Hensklopfen  leidenden  Kranken  dieser 
Art  von  lauen  Seebädern ,  eventuell  kalten  Abreibungen  oder  UebergiesHuugen 
eutschicdenen  Vortheil  haben  ,  ist  da-;  i^trandbad  bei  lähninngsartigen  Zuständen 
und  gutem  Kräftezustaude  durchaus  augezeigt,  aber  enischicden  dabei  vor  zu 
langem  Verweilen  im  Bade  an  warnen,  wozu  solche  Kr-inke  in  gleicher  Weise 
disponiron,  wie  Hypoehooder. 

Von  den  Neuralgien  ist  allein  die  Migräne  unbestrittenes  Gebiet 
der  kalten  Seebäder,  durch  die  wenigstens  in  der  Nachwirkung,  die  für  das 
Seebad  wie  für  die  Sceluftcur  entschieden  feststeht,  Abnahme  der  Anfälle  und 
verminderte  Heftigkeit  derselben  sieber  erzielt  wird,  bei  Au-^dauer  in  der  Cur  nnd 
(ifterer  Wiederholung  derselben  iu  einzelnen  Fällen  selbst  Heilung.  Sofern  die 
Migräne  und  andere  Neuralgien  Thellcrseheinungen  der  Hysterie  nder.  wie  nament- 
lich diu  Intercostalueuralgie  oder  die  Cardialgie,  durch  Blutarmuth 
und  Bleiebsneht  bedingt  sind,  fUlt  ihre  Behandlung  dureb  kalte  oder  laue  See- 
bäder  u.  s.  w.  zusammen  mit  der  dureh  die  Art  de.s  Grundleidens  bedingten  und 
ist  domentsprechend  ancli  die  Prognose  zn  stellen.  Zuweilen  sind  bt  i  auf  rheu- 
matischer Basis  beruhenden  Neuralgien,  z.B.  bei  Ischias,  langdauernde  warme 
Seebäder  in  Verbindung  mit  der  Anwendung  des  Inductions  oder  scbwaeher 
eoBStaater  Ströme  von  £rfolg  gewesen,  der  dann  allmlligen  Uebergang  zum  kalten 
Seebade  ermöglicht  hat. 

Von  den  Krainpfforinen  ist  nur  bei  Chorea  v<nu  kalten  Seebade  !•>- 
folg  zu  erwarten,  der  in  leiehtereu  l-'ullen  oft  rasch  eintritt,  aber  selbst  in 
sehweren  Fallen  i«t,  nöthigenfalls  in  Verbindung  mit  elektri«eher  Behandlung,  von 
Seebädern  noeh  immer  am  meisten  zu  erwarten.  Als  Antiparalytiea  sind  bei 
L  ä  h  m  n  n  g  e  n  n  a  e  h  a  e  u  t  e  n  i  ti  f'e  e  t  i  n  ii  s  k  r  a  n  k  h  e  i  t  e  n  die  kalten  Seebäder 
durch  Beeinliussung  des  Gesammtsi'jti wechseis  von  sicherer  Heilwirkung. 

Bei  Tabes  dorsalt»  ist  in  den  ttberhanpt  heilbaren  oder  wenigstens 
besserungsfähigen  Fällen  und  Stadien,  wie  im  Allgemeinen  von  der  Kaltwasser^ 


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NORDSEECURORTE. 


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behandluu».  so  aTich  \(>n  Seebadern  in  vorsielitifjer  Steigerung  von  kalten  Al>- 
reibuDgeo  oder  Wa.schungeQ  zu  kurzen  kUbleo  Wanuenbiidern,  eventuell  zu  kurzeu 
Strandbidera  ein  relativ  sieberer  und  dauernder  Erfolg  %n  boflSni,  eventnell  bei 
gleiebzeitiger  Anwendung  des  constanten  Stromes.  Dass  dabei  streng  individualisirt 
werden  nuiss.  versteht  sirli  von  selbst.  Erwäbuensivertli  i^st  aus  dem  Capitel  der 
^'erveDkrankbciten  auch,  dass  Kruse  ^^J  zweier  Fälle  von  BASEDOw'scher  Krank- 
heit gedenkt,  die,  naehdem  Tersebiedene  ando«  Gnien  erfolglos  vennebt  waren, 
anf  Norderney  nur  durch  den  Aufenthalt  in  der  Nordseeluft  eine  ausserordentlich 
rasche  Besserung'  erzielten  ;  es  dfirfte  in  solclien  Fällen  der  Versuch  mit  kalten 
Seebädern,  wie  er  v«»n  InselUrzteu  empfohlen  wird,  umsomehr  statthaft  sein,  als 
sich  ja  die  Hydrotherapie,  insbesondere  in  der  Form  von  Douchen,  bei  Behandlung 
der  BASBDOw'seben  KranlEheit  aebon  warmer  Empfeblnng  an  erfteoen  liatte.  Fest- 
»uhalten  jedoch  wSre  entschieden  für  solche  Falle,  dass  die  Behandlung  durch 
Seeluft,  beziehunorsweise  SeebJlder  nur  auf  einer  Nordsee-Insel  zu  geschehen  hübe, 
da,  nach  Eci.knblkü,  dan  Leiden  in  Küstengegenden  relativ  verbreiteter  zu  sein 
sebdnti  als  im  Bionenlande ,  so  aneb  in  England,  namenttieh  aber  an  den  Ost- 
seekflsten  sehr  hXuflg  ist. 

In  Betrefl"  der  Krankheiten  der  V  er  d  a  u  u  n  gs  o  r  ga  n  e  bewiihrt 
»ich  zw.'ir  das  kalte  Seebad,  wie  erwühut,  auf  änn  Vortrefflichste  bei  nervöser 
Dyspepsie,  bei  wirklldieni  Hageneatarr h  jedoeb  rind  ebenso  aussebliesslfeb 
anr  warme  Seebäder  angeseigt ;  dass  in  beiden  Fällen  eine  entsprechende  Diät 
Innegehalten  werden  muss,  i-tt  selbstverständlich  und  es  beruht  auf  irriger  An- 
nahme, dass  man  Magenkranke  der  „schweren  Kost"  wegen  nicht  an  die  See 
schicken  könne.  Es  trifft  das  für  die  englischen  Seebäder  zu,  in  den  Nordsee- 
bädem  kann  der  Kranke  eargeroftss  leben,  allerdings  aueh,  wenn  es  ihm  an  der 
ndtbigen  Willenskraft  gebricht,  excediren  wio  überall  anderwärts. 

Aus<chlii'ssli('h  den  warmen  Seebädern  zuzuweisen  sind,  ausser  den 
bereits  angeführten  Krankheiten,  die  entzündlichen  Zustände  und  Exsudate  nai-h 
Entsflndnngen  der  Ovarien,  des  Uterus  und  seiner  Adnexe,  wo  ebenso  mit 
bestem  Krfol.ire  die  Ertliche  Anwendung  des  Seewassws  in  Form  von  Sitsbädern, 
Friessnitz 'sehen  Ltib))inden  u.  a.  w.  platzgreifen  kann. 

Dem  Zwecke  des  kalten  Seebades  und  der  durch  dasselbe  auf  den  Körper 
in  erairienden  "Einwirkung  entspricht  es  dnrebans,  dass  in  allen  KoxdseebKdern 
aus  Badekarren  oder,  wie  auf  Juist,  aus  Zelten  gebadet  wird,  die  von  Pferden 
odiT  durch  Meiischi'iilirind  mehr  oder  weniger  weit.  Je  nach  Ebbe  oder  Flut,  in 
das  Wasser  geschoben  oder  wenigsteus  bis  an  die  Wasserlinie  gebracht  werden. 
Es  wird  dadurch  in  zweckentsprechender  Weise  möglichst  rascher  Ein-  und  Aus- 
tritt in  das  Wasser  and  aus  demselben  vermittelt  nnd  verbatet,  dass  niebt  durch  das 
den  Temperatureinflüssen  und  der  Bewegung  der  Luft  Ausgesetztsein  des  Körpers, 
die  Einwirkung  des  Bades  anf  denselben  oder  seine  Xachwirkunir  irestört  werde. 

Als  eine  Specialiut  verwendet  das  kleine  Nordsee-Küäteubad  Danga.st 
seinen  Seeseblamm,  den  sogenannten  „Schliek'*,  der  ihm  dnreb  seine  Lage  am 
iiiissersten  Ende  des  tief  in  das  Land  einschneidenden  Jadebusens  in  reichstem 
Masse  zur  Verfügung  steht.  Es  rühmt  von  den  aus  dem  Sehliek  hergestellten 
Seeschlammbädern  bei  alten  Ablagerungen  und  iusbesondere  von  seinen 
Seeeeblammfbssbidem  im  Podagndsten  gute  Erfolge,  gleieh  den  Seesdilammbldem 
in  Arenaburg  auf  der  Ostsee  Insel  Oesel  und  in  den  Schlammbuchten  am  russischen 
Ufer  des  Schwarzen  Meeres.  Die  1^  a  n  d  b  .1  d  e  r  .  die  einzelne  Nordseccurorte  unter 
ihren  Curmitteln  anführen ,  kommen  in  keinem  derselben  in  der  metbodischeu 
Weise  zur  Anwendung,  wie  sie  erfahrungsgemäss  bei  chronischen  Rheumatismen, 
flflssigen  Bzsudaten,  Isebias  n.  s.  w.  bei  getigneten  Kranken,  namentlieh  in 
Ivöstritz,  FLille  a.  S.  (Fürstenthal),  Blasewita  bei  Dresden,  ebenso  in  einigen 
italienischen  Ktistenhospizen  und  an  den  grieehiRchen  Küsten  mit  Erfolg  geübt 
wird.  Abgesehen  von  dem  fUr  scrophulöse ,  rhaehitische  Kinder  u.  s.  w.  häutig 
empfohlenen  Sitzen  anf  nnd  in  dem  sonnendnrehwftrmten  Sande  der  Dflnen, 


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NORDSEECURORT£. 


kommen  die  heissen  Bäder  in  künstlich  erwflrmtem  Sande  am  häufigsten  wohl 
noch  auf  Norderney  zur  Anwendung  und  erklürt  sich  ihre  Heilwirkung  aas  der 
Trockencur,  nicht,  wie  angenommen  wurde,  aus  dem  angeblichen  Gehalte  an  Jod, 
welches  letztere  Scbültz-Scbultzbnstkin  als  nidit  vorluuideii  nsehwiee,  der  auf 
Veranlassung  v.  Gräfe's  den  von  Norderney  verschriebenen  Sand  in  Berlin  unter^ 
sachtp  's.  Richter,  Or^ranon  der  physifilofrisehen  Therapie,  1850.  pag.  337).  —  Das 
Trinken  von  Seewasser,  wie  es  als  systematische  Trinkcur  früher  von 
englischen  Aerxten  nach  dem  Vorgänge  der  nlten  rOmisohen  and  arabischen  Aerate 
empfohlen  und  noch  jetzt  in  England  und  Fhukreiob  häufig  namentlich  bei 
Rhachitischen  und  Scrophulösen  verordnet  und  auch  in  dem  an  Kochsalztrink- 
quellen armen  Schweden  und  Norwegen  in  Gebrauch  gezogen  wird ,  hat  sich  in 
den  Curorten  der  Nordsee  nur  im  KUstenbade  Bflsum  aU  von  den  dortigen  Cur- 
gMsten  trots  irstlidien  Einsprochs  gepflegte  Speeialitflt  erhalten.  Neuester  Zeit 
hat  sich  A.  Wincki.er  fdr  die  SeewasKertrinkcur  verwendet,  ebenso  Rhaobitis 
und  Scrophulose,  wie  bei  Blutarniuth  und  Bleichsucht  und  namentlich  bei  der  durch 
Hangel  an  Salzsäure  im  Magen  verursachten  Dyspepsie.  Indessen  selbst  das  auf 
einen  bestininiten  (8—5  */o)  Salzgehalt  normirte  und  mit  Kohlensäure  imprignirte 
Seewasser,  wie  es  in  Skandiuavien  als  Abfflbrraittel  in  Gebrauoh  kam,  dürfte 
nicht  einmal  „nebenbei  als  Getränk",  wie  Ostcnde  das  Seewasser  unter  seinen 
Curmittein  anführt,  in  Betracht  kommen  und  das  umso  weniger,  als  es  unter 
allen  ümstftnden  shsebenlieb  sohmeckt,  als  Curmittel  leieht  zu  ersetzen  ist  und 
bei  liageram  Gebrauehe  schwere  Verdauungsstörungen  und  Mageu-  uud  Darm- 
entzündungen hervorruft.  Die  rationellste  Art  iler  Anwendung  des  Trinkens  des 
Seewassers  ist  wohl  immer  die  der  Eingeboruen  der  Samoa-inseln,  die  sich  seiner 
als  Brechmittel  bedienen. 

Als  Naeheur  kommen  Scelnft  und  eventuell  Strandbad  als  tonlsirendes 
und  abhärtendes  Mittel  in  erfolgreichster  Weise  zur  Anwendung  nach  dem  Gebrauche 
alkali^ch-muriati6cher  Wüsser:  Karlsbad,  Marienbad,  Ems  u.  s.  w.  und  der 
Thermalbäder.  Vorausgesetzt  ist  dabei,  dass  der  Kranke  nicht  von  der  voraus- 
gegangenen Cor  erschöpft  und  angegrifibn  sofort  in  dai  auf  durchweg  anderen 
Klimafactoreu  beruhende  Seeklima  gehe,  sondern  körperlich  und  gemuthlich 
beruhigt  und  womöglich  nach  mehrmonatlicher  Zwischenpause  die  Nordsee  auf 
suche.  So  tritt  er,  wenn  seine  erste  Cur  im  Frtihsommer  abgeschlossen  ist,  im 
Herbste,  und  somit  zu  der  Zeit,  wo  Nordseeluft  und  Nordseehad  am  kriftigsten 
wirken,  seine  Naeheur  an.  Nicht  allein  um  des  dgentlichen  Seeklimas  theilhaftig 
zu  werden,  sondern  nm-h  um  den  im  Herbste  an  den  Kiisten  schon  durch 
grössere  Schwankuugeu  der  Temperatur  luul  des  Feuebtigkeitsgehaites  der  Luft 
geltend  machenden  EintlUsseu  des  ßiuneulaudes  zu  entgehen ,  ist  es  aber  dann 
durchaus  erforderlich,  cor  Nachcnr  nicht  ein  Kttstenbad,  sondern  nur  lediglieh 
ein  Inselbad  aufzusuchen ,  und  zwar,  aus  früher  erörterten  Orflnden ,  eine  der 
besuchteren  ostfriesischen  Inseln  von  Helgoland  bis  Borkum.  Selbst  dns  durch 
Milde  und  Gleichmässigkeit  ausgezeichnete  Herbstklima  der  nordfriesisohen  Insel 
F9hr  ist  zur  Nachcnr  nicht  geeignet  in  den  Fftllen,  wo  eben  auf  die  tonisirende 
und  abhärtende  Wirkung  vi»n  Sftlut't  und  Seebad  das  Hauptgewirlit  gelegt  wird. 
Insbes<mdere  lUieumatiker  liaben  nacb  voraust.'eL':iriir>'ner  Thermaknir  den  scliönsten 
Erfolg  von  einer  richtig  gebrauchten  Herbst-  und  f>ccbadecur  zu  gewärtigen,  deren 
Nachwirkung  im  Winter  zumeist  in  lohnendster  Weise  zur  Geltung  kommt. 

Als  Gegenanzeigen  gegen  die  Seelufteur  sind  unter  allen 
CmstSnden  N  i  o r  e  n  k  r  an  k  h  e  i  t  e n  zu  rechnen.  Die  unter  dem  Einflüsse  der 
verminderten  Hautth.ltigkeit  vermehrte  Tliiltigkeit  der  Nieren  sagt  diesen  Kranken 
ebensowenig  zu,  wie  ihnen  das  Straudbad  durch  Cuugestioueu  uach  dem  kranken 
Organe  schftdlich  wird.  Ebenso  haben  Kranke  mit  vorgeschrittenen 
Zerstörungen  wichtiger  innerer  Organe  von  der  Seeluft  mindestens 
keine  Heilung  zu  crwrirten.  Was  die  Lnngmkrankheiten  betrift't,  so  sind  zwar  von 
Bexeke  (^Areh.  d.  Vereins  f.  wisseusoh.  lieilkuude,  l.'r'65,  Bd.  I  der  neuen  Folge, 


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H0BD8EB0DB0RTE. 


561 


pag.  32  ),  Fbomv  (Bedeutung  vnd  Oebraueluweise  der  Seebäder  k  dironisdieii 

Krankheiten,  1889,  pag.  97),  Gerber  (Wyk  anfFffhr  ala  klimatiBcber  Winteronr- 

ortj  Ffllle  angeführt,  wo  selbst  F^btliinikfr  mit  Cavernpri  durch  Itiigpren  Aufenthalt 
auf  NorderDey  oder  Föbr  „vollständig  geheilt"  wurden  oder  „nach  wenigen  Jahren 
rieh  80  erholten,  daas  man  sie  für  völlig  hergestellt  halten  konnte",  und  ebenso 
geht  ans  den  übereinstimiDendeii  Beobaditongen  vnd  Beriehten  der  genannten  nnd 
anderer  Aerzte  hervor,  dass  selbst  bei  colliquativen  Zuständen  im  Inselklima  Fieber 
und  S(  hw;iehe  sich  rasch  verloren  und  nicht  wieder  auftraten,  Appetit,  Verdauung 
und  Schlaf  »ich  hoben  und  dauernd  gut  blieben ,  der  Husten  sich  minderte  und 
milderte,  das  Athmen  leiehter  wurde  und  demgemäss  das  AUgemeinbeflnden  rieh 
hob,  dennoch  aber  kt  fai  weit  vorgeiehiitleiieai  eolliqnatiTmi  Stadium  im  Al^- 
meinen  vom  Inselklima  nicht  mehr  zu  erwarten,  als  von  anderen  Klimacuren,  und 
kann  es  sieh,  trotz  der  Wohlthat  des  leichten  Athmens  und  des  gehobenen 
AIIgemehigejRlhlB,  im  Wesentllohen  nnr  nm  ehie  Evtlianaflie  handeln.  Ebensowenig, 
aassL-r  etwa  vorübergehender  allgemeiner  Kräftigung,  ist  allein  von  Seeluft  oder 
Seeh.itl  zu  erwarten  bei  krebsigen  Leiden.  AndiTcrHcit-^  ist  die  Anjjabe  von 
Wiedasch  *'^),  dass  das  Seebad  „das  rasche  Wacbsthum  vorgebildeter  Afterpruduete 
(Krebs  u.  a.  w.)  f&rdere*',  was  Beneke  (Die  sanitäre  Bedeutung  u.  s.  w.,  pag.  27) 
bestltigt  findet,  durch  das  „nieht  seltene  VeriHMiimen  von  Oareinomen  anf 
Norderney"  zur  Zeit  wohl  noch  nicht  unanfechtbar  bewiesen  und  erklart  sich 
die  Annahme  Hexeke's  wohl  durch  den  von  ihm  selbst  betonten  Alkoholniissbrauch 
der  Iu.su]ancr,  vielleicht  auch,  wofür  auderweite  Beobachtungen  sprechen,  durch 
Insneht.  Inwieweit  eorpnlente  Yollblfltige  der  Seelnftenr  fern  zu  bleiben  haben, 
ist  bei  dem  Einflüsse  der  Seeluft  anf  Herzleiden  erwfthnt,  die,  ebenso  wie 
Herzschwäche  und  Arteriosclerose,  0  egenanzeigen  gegen  das 
kalte  Seebad  sind.  Ebenso  ist  dasselbe  ausgeschlossen  bei  Neigung  zu 
Blutungen.  So  wohltimend  sieh  die  Seeluft  bei  zu  Blnthnsten  geneigten  Lungen- 
kranken erweist,  wofür  die  Zeugnisse  von  Beneke,  Fromm,  Krüse  und  die  Er- 
fahruniren  Mittkrmaif.r's '«"i  auf  Seereisen  sprechen,  so  selbstverständlich  erscheint 
et!,  das«  solche  Kranke  vom  Strandbade  auszufchliessen  sind.  Geschieht  dies  nicht, 
80  sind  eben  auftretende  Blutuugen  auf  Rechnung  des  kalten  Seebades  zu  setzen, 
nieht  iM>f  die  der  Seelnft 

Keberhaupt  schliessen  Congestionen  nnd  selbst  nur  leieht  ent- 
zündliche, c  a  t  a  r  r  h  a  1  i  ac  h  e  Affectiouen  der  inneren  Organe  das 
Strandbad  aus,  ebenso  die  organischen  Erkrankungen  und  chronisch 
entsttndliohen  Znstflnde  der  Ovarien,  der  Gebärmutter  nnd  ihrer 
Adnexe,  die  da^'^pg«  n  dem  eigentlichen  Gebiete  der  wnrnen  Seebäder  angehören. 
<»b  bei  Nervenleiden  kalte  oder  warme  Seebäder  angezeigt  sind,  ist  bereits 
erörtert.  Unbedingt  auszuscbliessen  vom  kalten  Seebade  sind,  trotz  früherer 
Empfehlungen  französischer  Aerzte,  Epileptiker.  Inwieweit  Giehtkranke 
von  kalten  odur  warmen  Seebädern  Erfolg  zu  erwarten  haben,  ist  eine  offene 
Frage,  die  die  betrellenden  Kranken  vielfach  selbst  zu  entscheiden  geneigt  sind, 
indem  sie,  um  sich  alizuhärten,  oft  nach  vorausgegangenen  Trinkcuren  in  Karls- 
bad, Marieubad  etc.  oder  nach  eingreifenden  Badecuren  in  den  Wild»  oder  heissen 
Eoehsalsbftdern  im  Spätsommer  anf  den  Nordsee^IuBeln  eintreffen  nnd  aar  Beseitigung 
der  zurückgebliebenen  Hautsehwäche  sich  den  Strandbädern  anvertrauen ,  deren 
ihnen  zusagender  Erf'ili:  sie  zu  mtdir  oder  wenijrer  regelmässiger  Wiederkehr 
veranlasst.  iJeu  Lrtalirungen  dieser  alten  Praktiker  stehen  die  Warnungen 
gegenüber  von  Aerzten,  die  Strandbäder  bei  Giehtisehen  nnbediogt  anssehliessen 
und  nur  warme  Seebäder  für  sie  zulassen  wollen.  Jedenfalls  wird  man  nnr 
kräftigen  Artliritikern  mit  gesundem  Herzen  kalte  Scebiidt  r  gestatten  dürfen  und 
auch  diese  nur  im  Spätsommer.  Der  mangelnden  Keactiouskraft  wegen  sind  auch 
vom  Strandbade  auszuschlieaflcn  Trinker  und  ebenso  das  Greisen  alter, 
letzteres  zugleich  wegen  der  Neigung  zu  Atheromatose  und  zu  Gehimaffei-tiouen. 
Im  Allgemeinen  bat  man  das  üO,  Leben^ahr  als  fUr  das  mit  den  Strandbädern 
Encyclop.  JabrbUcJur.  lH.  36 

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562 


NORDSEECURORTE. 


abschliessende  .■iti^'euommen ,  doch  ist  dns  i:i  dieser  Btzteliiin;?  Rntecheidende 
weniger  iu  den  Jahren ,  als  in  Constitution  und  abhärtenden  Lebensg'ewohnbcitt'n 
(tuUten  Waschungen,  Flussbädern)  zu  suchen,  die  zahlreiche  Ausnahmen  von  jener 
B«gel  salaasen.  Anderert«it8  ventolit  es  d«h  von  selbetf  dan  »tlieroai»tffBe  und 
Verknöcherungsproeesse  derGefftsse  auch  in  früheren  Jahren  das  kalte 
Seebad  ebenso  verbieten,  wie  hochgradige  Schwäche  und  m  a  ra  s  t  i  s  c  h  e  und 
kachectische  Erscheinungen,  auch  wenn  sie  nicht  durch  hohes  Alter  bedingt  sind. 
Kaeli  anderer  Riehtunf  beceiohnet  daa  6.  Lebensjahr  die  Altersgrenze,  vor  deren  l 
Erreichung  es  im  Allgemeinen  nicht  rathsam  ist,  Kinder  in  das  kalte  Seebad  sa 
schicken,  und  sel)><t  spiiter  noch,  bis  etwa  zum  10.  J^ebensjahre,  ist  Vorsieht  in  Bezug 
auf  Dauer  und  Uäutigkeit  des  Bades  nötbig,  in  welcher  Beziehung  Schlaf  und  Appetit 
von  entscheidender  Bedeutung  nind.  Sehen  die  Fureht  vor  dem  Wasser  ist  bei 
Kindern  eia  psychisches  Moment,  welches  ohne  Schaden  nieht  dureh  Zwang, 
sondern  nur  durch  Ziispnieb  und  Beispiel  beseitigt  werden  darf,  weiter  aber 
ist  der  Sehreek  des  kalten  Seebades  und  die  Wärmeentziehung  zu  gross,  als  dass 
nicht  Vorsicht  angezeigt  sein  sollte,  namentlich  bei  emptindlicheu  und  reizbaren 
Kindern,  deoen  warme  Seebäder  mit  nachfolgender  kflhler  IBegiessnng  oder  Ab- 
wasehnng  mit  Seewasscr  um  so  besser  sasagra;  am  ehesten  und  besten  ver- 
tragen torpide  scrophulöse  Kinder  nnd  phlegmatisdief  schlaffe  Naturen  die  Er- 
regung des  kalten  Seebades. 

Bei  pastösen  SoropholOeen  tritt  trots  Besserung  des  Allgemeinbefindens 
oft  eine  anfängliche  .  und  zwar  bisweilen  sehr  bedeutende  —  bis  zu  nu-lirerra 
Kilo  —  Abnahme  des  Körpergewichtes  ein ,  bedingt  nach  Benekk's  Meinung 
durch  Wasserverlust  der  Gewebe.  Es  bedarf  dazu  durchaus  nicht  des  kalten 
Seebades,  obwohl  nach  dessen  Sistirung,  benieliungswelse  Ersati  dnreh  warmes 
Seebad  oft  Zunahme  des  Körpergewichtes  ebenso  rasch  erfolgt  wie  vorher  Ab- 
nahme, vielmehr  genügt  dazu  schon  allein  die  Nordsceluft,  von  der  l!r.\f:KR  mit 
Becht  sagt ,  dass  sie  unter  den  verschiedenen  Meoresluftarten  oflenbar  die  ein- 
greifendste Wirkung  auf  die  Scrophulöscu  ausübe.  Jedesfalls  ist  die  gedachte 
Abnahme  des  Kftrpergewiehtes  umso  weniger  von  sehleehter  Vorbedentung,  je 
mehr  und  je  öfter  sie  mit  bes:^erem  Aussehen  der  Kranken  und  Oberhaupt  Besserung 
des  Allgemcinbeündens  einhergeht. 

Von  den  Hautkrauk  heiten  haben  die  auf  scrophulöser  Grundlage 
beruhenden,  wie  alle  Theilerseheinungen  der  Scrophulose,  die  beste  Vorhersage, 
im  Allgemeinen  jedoch  erscheint  der  Gebrauch  der  Seebäder  von  zweifelhaftem 
Nutzen,  Wiederholt  hervorzuheben  sind  die  trefllicben  Erfolge  von  Seeluft  und 
Seebad  bei  Lupus.  Augenkrankheiten  sind  ebenso  im  Allgemeinen  von 
dem  Seebade  auszasehlieeseo,  da  sie  dureh  die  bei  und  nadi  dem  Bade  statt- 
findende BluttlberfQllnng  der  inneren  Angenhinte  nachtheilig  beeinflusst  werden; 
selbst  der  Aufcnlhalt  am  Strande  wirkt  durch  die  LichtreHexe  von  Meer  und 
Strand  nachtbeilig.  Eine  Ausnahme  bilden  wiederum  die  sercphulösen  Augenleiden, 
insbesondere  liornhauteutzünduugcn  und  liornhauttrUbungeu  und  die  phlyctäuulöse 
Kerato-Conjunetivitis,  von  denen  bei  den  enteren  dureh  den  Aufentbdt  in  der 
Seeluft  oft  sehr  rasch  durchschlagender  Erfolg  erzielt  wird,  während  die  milderen 
Formen  der  letzteren  ebenso  dadurch  gdnstig  beeinflusst  werden.  Sorge  zu 
tragen  ist  dabei  nur,  d&ss  iu  entsprechender  Weise  der  volle  Geuuss  der 
Seeluft  am  Strande  ermöglicht  wird  bei  gltfehzeitigem  Sehutae  der  Augen  vor  | 
grellen  Lichtreilexen  und  vor  heftigem  Winde  und  Sandtreiben.  Letzteres  vor* 
nehmlieh  und  die  im  Kflstenklima  grösseren  Schwankungen  der  Temperatur  uod 
des  Feuchtigkeitsgehaltes  der  Luft  sind  Schuld,  dass  die  KUstenhospize ,  ins- 
besondere des  Atlantischen  Oceans,  ungünstige  Erfolge  bei  Augenleiden  verzeichnen, 
wie  ebenso  bei  OhrenleMen,  nnd  sind  deshalb  audi  an  der  Nordsee  ftlr  Bebandluag 
dieser  Leiden  nur  die  Inseln  und  von  diesen  wiederum  nur  diejenigen  zu  wählen, 
die  keinen  leichtbeweglichen ,  sondern  einen  mehr  iu  sich  gefesteten  Strand 
besitzen,  somit  von    den   nordfriesischen   Inseln  Führ,  von  den  ostfriesischen 


NOBDSBECUBORTE. 


663 


Norderney,  Borknin,  Spiekeroog.   Dahin  sind  ans  gleiohem  Grande  auch  die 

0 1)  ro  n  k  r  a  n  k  cn  zn  verweisen,  die  vielfach  als  von  Seeluft  mv\  Seebad  voll- 
kommeu  ausgesehlossen  freiten ,  bis  in  neuester  Zeit  bestimmiere  AnzeigcD  auf- 
gestellt wurden.  JedenfalU  haben  Obrenleidende  im  kalten  Bade  den  Gehörgang 
dnreh  eineii  Tunpon  ans  Wacht  und  Watte  an  lehfltsen;  im  (Jebrigen  werden 
zwar  nach  den  Mittheilun^en  BeCKEr's  -')  acute  Mittelohrerkrankungen  nicht  nur 
durch  Seebäder,  sondern  auch  den  Aufenthalt  an  der  See  in  den  meisten  Fällen 
ungünstig  beeiotlusst,  doch  erweist  »ich  der  Einfluüs  der  Seeluft  sehr  gUnstig 
bei  aeaten  Tubensehwellnngea  und  derjenigen  Form  der  ^nkeDbtthlenentzdndiuig, 
bei  welcher  nach  wiederholter  Paraoentcse  des  Trommelfells  sich  das  Exsudat 
wiederholt  rasch  ansammelt.  Ebenso  wirkt  Seeluft  in  Verbind'infr  mit  warmen 
Seebädern  günstig  bei  Mittelohreiterungen,  die  im  Gefolge  von  Infectionskrank» 
heiten  aufgetreten  sind,  in  welchen  FiUlen  mit  zunehmender  Besserung  des 
All^emeinbetindeos  sich  auch  das  Ohrenleiden  bessert.  Die  schönsten  Erfolge 
wi  rdcii  durch  Seeluft  und  warme,  häufig  auch  durch  kalte  Seebäder  erzielt  bei 
den  chronischen  Mittelohreiterungen  namentlich  sehlecht  genährter  scrophulönar 
und  rbachitiscber  Kinder.  Bei  Sclerose  des  Mittelohres  ist  das  Baden  steti  zu 
verbieten,  dagegen  kann  man  den  Aufenthalt  an  der  See  solehen  Kranken  na- 
bedonklich  erlauben ,  bei  denen  der  Krankheitaproce.ss  noch  nicht  weit  fort» 
geschritten  und  die  subjectivcn  riehörgempfindungen  sporadisch  oder,  wenn  oon- 
tinuirlich,  doch  in  milder  Form  auftreten. 

Von  physiologischen  Zustlnden  sehliessen  Honatsregel  und  S e h w a n- 
gerschaft  das  kalte  Seebad  aus,  erstere  sogar  schon  einige  Tage  vor  ihrem 
Eintreten.  In  Betreff  des  Radens  während  des  Stillens  ist  ein  snrgfjtltiges  In- 
dividaalisireu  erforderlieh ;  ausgeschlossen  dabei  ist  das  Seebad  nicht,  vielmehr  soll 
es  nach  Kruse  bei  Blntarmuth  und  Nerrensehwftche  oft  gans  vortrefflichen  Er- 
folg haben. 

Literatur:  ')  Mirinestabaarzt  Dr.  Fischer.  B.iktL'riolo2:ische  Uatersiicniin!;an  aof 
einer  R^ise  ii:icli  We.stiadiea  au  Boril  S.  M.  Schiff  „.M)ltke''  im  Wiiit'jrlnn>i tdr  ISSö  Ztsitschr. 
f.  fJy-iMiH.  1^,-»;.  —  •)M.  A.  F.  Prestel,  Der  Boden,  d;»-^  Klima  und  «lio  Witter  i'i;;  von  Ost- 
frieslaud,  sowie  der  f^esammten  norddentschen  Tiefebene.  Emdea  ld72.  —  ')  ür.  F.  W.  Beneke, 
Die  sanitäre  Bedentnnj;  des  verlängerten  Aofeothaltes  aaf  den  dentsehen  Norisee-Inaeln ,  in- 
sonili  ihnit  auf  Nordernev.  Norden  und  Norderney  ISSl.  —  *)  L)r.  Y.  Krem.sor,  D  is  Klima 
ilelgolands.  Anualen  der  Hydrographie  and  maritimen  Meteorologie.  IS  U,  Qeft  5  und  ii.  — 
*)  Dr.  B.  Kr  nie,  Seelaft  and  SeetMid.  Nordaa  und  Norderney  1892,  *J.  Aafl.,  pa?.  15.  — 
*)  Dr.  P.  W.  Beneke.  I>if!  irMn  Ueherwinterans:  Kranker  aaf  Norderney.  Norden  u.  Norderney 
1882.  —  ')  Walter  Lindley,  .Science.  '4.  Stv.  ISS:>.  —  ")  Flechsig,  llandliuch  der 
Balneotherapie  f.  prukt.  Aerzte.  Berlin  1392.  2.  Aafl.  —  ^)  Ghix,  Wiutercarort  and  Seebad 
Abbasia.  Wien  18:i8.  —     Dr.  Qerber,  Wyk  auf  FöhraU  klimatischer  Wintercarort.  1887. — 

Die  Kinderheilstitto  „Seeliospis  Kaiiterin  Friedrich"  \n  Norderney.  Verhandl.  d.  Gemllscb. 
dontscher  Nafurfi)r.scher  u.  Aerzte  zu  Bremen.  18!i0,  I.  Thl  Die  allg.  Sitzniton,  pag.  173  ff.  — 

Dr.  Kruse,  Ut-linr  den  Gelirauch  der  N  inlseclinder  liei  derChior  )>o.  Dents-jhe  .Mel.-Zeitjf. 
16\)i,  Nr.  23.  —  Cantani,  Zur  Therapie  des  elironisrhen  Bronchialcatarrln  im  Uofotge 
von  Emphysem.  Wiener  med.  Wochenschr.  1839«  Nr.  14i  15*  p^^.  511  ff.  —  Dr.  &  rat», 
üeber  Seeluft-  nnd  Seebadecnren  bei  Nervenkrankbetten.  Norderney  1897.  —  '*)  Rädel iffe 
IIa  11,  Tiirt/\(i('f  in  iL<  tnedicul  aspec!  ic<  n  rt -(irt  for  pulnian n-ii  inmiUls.  [jond'iri  1S">7.  — 
"'j  Fiukelubur^.  üeber  bodenständige  VorbreitungsrerbaUntäse  der  Tabsrkalo.se  in  Dmt^ch- 
Und.  Verhandl.  d.  Congr.  f.  ianere  Med.  8.  Congr.  1SS9.  —  Dr.  Arnold  Htller,  Die  Wir- 
kungsweise der  Seebader.  Berlin  ISOD.  ti.  Aufl.  — •*)  Dr.  Axel  Winckler,  Die  Sii-^bä  ler  und 
ihre  Anwendunp.  Berlin-Friedenau  1892.  —  ")  Wiedasch,  Das  NorJseebad  mit  bes  )n  lerem 
Bezug  auf  Norderney.  Hannover  1858,  pag.  17  u.  l-S.  —  M  i  1 1  e  rm  a  i  e  r  n.  G  o  1  d  s  c  ii  m  i  d  t, 
Madeira  and  seine  Bedeutung  als  HeilUQgsort.  1885,  2.  AuA,  pag.  45.  —  *0  H.  Becker, 
üeber  die  Wlriroufen  der  Seelaft  nod  Seebider  bei  Brkraaknam  des  Kittelohres.  Verband!, 
d.  Qesellscli.  deutscher  Natorfoncber  a.  Aente  aa  Bremen.  1890t  ILT  i!..  pag.  317  tf 

Edm.  Friedrivb. 


36» 

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o 


Oberschenkelbruch,  V'erbJlnde,  s.  Fracturverbände,  pag.  318. 

Obi-Gift,  der  westindiachea  Neger,  s.  Ureohiies. 

ObStipSltiOn.  üeber  habituelle  Obstipation  lie?t  eine  Reihe  von  Arbeiten 
aus  der  jüngsten  Zeit  vor ,  welche  sich  vorzug'sweise  mit  der  Therapie  dieser 
Erkraokung  beschäftigen,  deren  Bedeutung  für  den  praktiächeu  Arzt  nicht  zu 
nntersehätien  ist. 

Nothnagel  hebt  bezü^^lich  der  Vorgange  bei  Stuhlentleerung  hervor, 
dass  die  Stuhlentleerung  in  der  Weise,  wie  sie  für  gewöhnlich  bei  den  meisten 
Heoschea  erfolgt,  von  einer  regelmässig  wiederkehrenden  Contractiou  im  Colon, 
beziebangBweise  im  Reetttm  abhängig  ist  Bs  hemelit  hier  eine  gewisse  Park»didtftt 
vor;  die  Thitigkeit  der  Darmnerven  sdieint  gleichsam  eingestellt  aof  eine 
'J4st(lndige  Erregung.  Man  kann  sieh  vorstellen,  dass  der  Danninhalt  jranz  all- 
mälig  und  in  grossen  Pausen  von  der  BAi  HiNrechen  Klappe  durch  das  Colon 
aseendena  transveraum  bis  zum  Colon  deacendena  vorrückt,  dass  er  hier  oder 
im  8  romanum  li^n  bleibt  und  sn  einer  bestimmten  Zdt  entieOTt  wird.  Die 
Erregung,  welche  zur  Stiihlabsetzung  nöthigt,  erfolgt  bei  manchen  Menschen 
mit  einer  oft  merkwdrdiLren  Pünktlichkeit.  Diese  Erregnnpr  wird  dadurch  hervor- 
gerufen, dasj  der  Daruiiuhult  vom  S  romanum  in  die  Ampulle  dea  Kectums, 
also  in  den  untersten  Absehnitt  des  Darmeanalee  abwftrts  gerflelit  ist.  Sind  die 
Fäcalmassen  dorthin  angelangt,  dann  wird  ein  Reiz  auf  die  sensiblen  Nerven  aus- 
geübt, wodurch  eine  Spannung  der  Mu8culatur  erfolgt,  die  sieh  als  Krampf, 
Stuhldraug  äussert.  Von  dieser  sozusagen  willkürlichen  Einstellung  der  Darm- 
nerven giebt  es  nun  versebiedene  Abwddinngen,  pbysiologisehe  Abnormitäten. 
Aber  es  giebt  Leute,  bei  denen  die  Stahlentleernng  nur  einmal  jede  Woehe  erfolgt, 
ja  in  der  Literati:r  <]n  ]  F.'ille  hesehrioben  worden,  wo  die  Patienten  nur  6-, 
bis  lOuial  iuj  Jahre  Sttihloutleerung  hatten,  llauii^  sind  Fälle,  wo  die  Kranken 
8,  10  bis  12  Tage  uud  länger  Stuhlversfeopfung  haben. 

Bei  solcher  habitneller  Obstipation  handelt  es  sieh  um  eine  Abnormitit 
in  der  Innervation  des  Darmes.  Nothnagel  bat  .aber  auch  iu  einigen  Fällen  bei 
der  Nekroskopie  nach?ewieson,  dass  die  maiifrelhafte  ThiStigkeit  dos  Darmes  auch 
durch  mangelhafte  entwickelte  Musculatur  im  Cotou  bedingt  ist.  Es  ist  jedoch 
unmAglieh  diagnostisch  m  unterscheiden,  ob  die  habituelle  ObsUpation  auf  einer 
unregelm.'issiiren  nervii-,111  I^instellung  des  Darmes  oder  auf  mangelhaft  entwickelter 
Miiseulatiir  <ie~;  Darines  henilif,  auch  f'ilr  die  Theraj)!«  ist  dieser  Umstand  gleieliirilti?. 
Die  habituelle  Ubi«tipation  kommt  aber  in  sehr  vielen  anderen  Fällen  zur  Entwick- 
lung. Zuniehst  wenn  die  RegelmAssigkeit  der  Darmentleernng  einmal  unterbro(^a 
wird;  dann  ist  sitsende  Lebensweise  Ursache  der  Obstipation,  indem  körperliche 


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OBSTIPATION. 


565 


Bewegungen  die  PeriHtaliik  des  Darmes  etwaa  anregen;  ferner  ist  die  Ent- 
wicUans  und  AnMmmliiiiir  von  FettaDMaeii  im  Unterleibe  geeignet,  die  Tbfttig- 

keit  des  Darmes  zu  beeinträchtigen.  Bei  Frauen,  die  eine  besondere  Neigung  zar 
Obstipation  haben,  liej^t  der  Grund  oft  darin,  dass  eine  willkürliche  T'nterdrllckunsf 
des  Stuhles  von  früher  Jugend  statttindet.  Ein  anderes  ätiologisches  Moment  lUr 
die  Obstipation  bilden  spinale  und  cerebrale  Erkranlnragen.  Bei  allen  diesen 
Uraachen  zei«:t  der  Darm  «Is  solcher  keine  anatomische  Veränderung.  Selbstredend 
kommt  StuhlverstopfuD}?  auch  symptomatisch  vor  bei  vcrsfliiedentn  AlVi-ctionen 
des  Digestionsapparates  ,  z.  B.  bei  Ulcus  venlriculi,  Carcinoinu  ventriculi,  bei 
manchen  Magencatarrhen,  bei  Darmstenosen,  Darmdrehiragen  n.  e.  w. 

Die  Folgen  der  habituellen  Obstipation  sind  zuweilen  ganz  unbedeutend, 
in  anderen  F'iillcMi  alicr  zcifren  sich  schwere  Nebener8chMnnii*rcn.  Bei  manchen 
l'atienfcn  f-ntwickelt  ^icli  in  Fnlsre  chronischer  Stuhlverstopt'ung  ein  so;?enaiinfer 
Hämorrhoidalzustuiid.  Die  Kotbmasseu  sammeln  sich  nämlich  im  Rectum  au  uud 
bednträebtigen  auf  rein  mccbanisehe  Weise  den  Abflnse  des  Blutea  ans  dem  untersten 
Ende  des  Rectnms ,  wodurch  es  zur  Stase ,  zur  Erwciterunfr  der  Hamorrhoidal- 
venen  und  zur  Knoteubildun^r  kommt.  Eine  weitere  Folfre  der  Obstipatifm  ist 
die  Beeinträchtigung  des  Appetites,  dyspeptiscbe  Störung  mit  Aufstossen,  Druck- 
gefäbl  naeh  dem  Eesen.  Ob  dies  dnreh  eine  mangelhaftere  Absondemng  des 
Magensaftes  in  ^^J!ge  von  clironiseher  Obstipation  zu  erklären  ist,  oder  ob  eine 
mangelhafte  Beweglichkeit  des  Magens  neben  einer  mangelhaften  Rewcgliehkeit  des 
Darmes  die  Ursache  dieser  Erscheinung  ist,  lässt  sich  schwer  entscheiden.  Es  wäre  ja 
auch  dcnktmr,  das»  dureh  die  Stagnation  der  Darmeontenta  Ptomalne  sieb  entwiekeln, 
welehe,  in's  Blut  aufgenommen,  auf  den  Darm  und  Magen  einwirken.  Eine 
mitr-htiL'-f  Wirkimg  (ibt  die  Ptuhlverstopfung  bei  manchen  Men>chpn  auf  das 
Cciitralnervensysteni,  und  zwar  auf  die  Oeniütbsstimmung,  die  mau  als  eine  hypo- 
chondrische bezeichnet;  es  tritt  Unlust  zur  Arbeit,  Gefühl  von  Schwere  und 
Druek  im  Kopfe  u.  s.  w.  ein.  Naeh  einer  neueren  Aniehauung,  namentlieh  englischer 
Aerzte,  soll  die  chroni.«ehe  Obstipation  auch  die  Ursache  abgelx  ii  für  manche 
Formen  von  ('lil<'rii>;('  hei  jungen  Mildchen.  Es  scheint,  dass  die  Ptomaiue,  die 
sich  bei  der  chrouit^chen  Obstipation  entwickeln  uud  vom  Blute  resorbirt  werden, 
die  Verdauung  und  Ernährung  beeinträchtigen,  auf  den  ganzen  Stoffweehsel 
aebädlidi  rinwirken  und  so  das  Bild  der  Chlorose  hervorrufeu. 

T  In«  r  a  p  e  u  t  i  3  e  h  betont  NOTHNAf^Ki;,  da^s  da.s  wirksamste  Verfahren 
gegen  habituelle  Obstipation  jenes  sei,  welches  die  Grundursache,  die  Trägheit 
der  PeristaMk  des  Darmes,  zu  heben  geeignet  ist.  Das  Hauptmittel  ist  die  mecha- 
nische Beizung  des  Darmes  durch  die  Massage  des  Abdomens.  Die  beste  Art 
der  Ausführung  ist.  indem  man  da-i  Abdoraeu  reibt,  klatscht,  knetet,  klopit,  uud 
zwar  gleichgiltig,  ob  man  von  der  Gegend  des  romanum  beginnt  und  längs 
des  Colon  aufwärts  geht  oder  in  umgekehrter  Richtung  diese  Proceduren  vornimmt. 
Die  Ifassage  muss,  wenn  ne  Erfolg  haben  soll,  lange  Zelt  ausgeführt  werden 
und  wird  zweckmässig  durch  die  Faradisation  des  Abdomens  unterstützt,  ferner 
durch  regelmässige  Bewegung.  Der  Kranke  soll  viel  spazieren  gehen,  soll  reiten 
oder  irgend  einen  Beweguugssport  treiben.  Weiters  ist  Zimmergymuastik  zu 
empfehlen  mit  oder  ohne  Apparate.  Da  die  Massage  längere  Zdt  braneht,  so 
sollen  an  habitueller  Obstipation  LfCidende  in  einen  Curort  gesohiekt  werden  und 
stellt  NitTHXAr.Eii  unter  diesen  Curorteii  Marieubad  obenan,  woselbst  er  nicht 
nur  Brunnen  trinken,  sondern  auch  massiren  lässt.  Carlsbad  ist  nicht  so  zweck* 
mässig  wie  Harienbad ,  jener  Curort  ist  nur  dann  von  Wirkung  auf  die  Stnhl- 
verstopfung,  wenn  Darmeatarrh  die  Ursache  ist.  Andere  Mineralwässer,  die  man 
zu  Hause  gebrauchen  l.tsst,  sind:  Friedrichshaller.  Kissinirer,  Ofener,  Hunyadi- 
Janos,  Saidschitzer,  Seidlitzer  Wasser  etc.  Alle  diese  WilsHcr  imiasen  kalt  getrunkeu 
werden,  weil  die  niedrige  Temperatur  deu  Reiz  auf  dcu  Dürrn  übt  und  ihn  zur 
Thätigkeit  anregt;  die  warmen  Wässer  wirken  gar  nieht  auf  Obstipation.  Wenn 
es  irgend  angebt,   verme'de  man  Abfahrmittel  und  beschränke  sieh  darauf, 


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UbSliPATlUN. 


Klystiere  au  geben  oder  Irrigrationen  von  '/g  bis  1  Liter  Wasser  von  verschiedener 
Temperatur,  weloliem  auch  (flpum  oliv,  oder  Kochsalz,  Rii^inusril.  Kamillenthee  und 
dergleichen  zugesetzt  werden  kann.  Statt  der  Irrigation  kann  man  die  Kly- 
Bopompe  anwenden  oder  das  OiOTMANN'aebe  Kittel,  2  bis  3  Grm.  Glyeerio, 
welehe  man  mittelst  kleiner  Spritzen  in  das  Rectum  bringt.  Auch  Glyceria- 
suppositorien  werden  vielfach  gebraucht.  Dw^  Glycerin  wirkt  auf  den  Stuhlgangs 
dadurch,  dass  e^  wasserentziehend  ist  und  so  einen  starken  Heiz  auf  den  Darm 
fibt,  denen  Peristaltik  anregt.  In  einer  Reihe  von  Fullen  bleibt  aber  uidits 
ttbrig,  als  AbfQhrmittel  anzuwenden.  Von  diesen  spielt  bei  der  habituellen  Obsti- 
pation die  Aloe  die  IlMuptrolle,  sie  eignet  sich  in  erster  Linie  dcshall»,  weil  aie 
längere  Zeit  ohne  Nacbtheil  gebraucht  werden  kann.  Die  Aloe  scheint  auf  das 
Colon  einzuwirken,  die  Peristaltik  desselben  anzuregeo.  Dieses  Präparat  hat 
femer  den  groesen  Vortbeil,  dass  man  es  in  kleinen  QnantitAten  nnd  in  an- 
genehmer Form  in  Pillen  geben  kann.  Die  Wirkung  der  .\loe  tritt  erst  nach 
einer  Reihe  von  Stunden  (8 — 10  Stunden)  ein.  Ein  zweites  Mittel ,  das  bei 
habitueller  Obstipation  sehr  gut  wirkt,  ist  liadijr  Hhei  in  verschiedeuea  Formen, 
als  Tinduret  Rhei  vinota  oder  Tinctura  Rhei  aqttosa  oder  als  Extraet.  Aefanlieb 
wirkt  PodophylUaf  doeh  stärker  als  Aloe  und  Rheum.  Man  kann  diese 
Präparate  combiniren  und  naeh  NOTHXA(;Fr,  fulfrende  Pillen  vcr^Jehreibcn :  Rp. 
Podophyllin  0*3,  Extr.  Aloea ,  Kxtr.  likei  na.  3*0,  Extr.  Tharax,  q.  5 
ad  pÜl  Nr.  40. 

Von  diesen  Pillen  nimmt  der  Kranke  Abends  ein  Stflek  oder  wenn  eine 
nieht  wirkt,  den  nächsten  Tajr  -  rillni.  Ein  weiteres  Pr.tparat  sind  die  Colo- 
quintben,  welche  bei  hartnäckiger  ühstipation  iu  den  Füllen,  wo  mehr  als  ein- 
malige Wirkung  angestrebt  wird,  gegeben  werden  kann,  doeh  lässt  man  es  selten 
länger  als  aeht  Tage  nebmen.  Die  Goloquinthen  werden  nameotlieh  dort  an- 
gewendet, wo  die  Aloe  keine  Wirkung  geäussert  hat :  Auch  Jalape  wird  in  Form 
de;»  Kxtraetes  oder  als  Sai>o  Jalnpin.  gebraucht,  weil  es  läiiL'-ere  Zeit  hiudureh 
ohne  >>'eben\virkung  genommen  werden  kann.  Zweckcutspreeheud  ist  Cortcx 
OaseariUaey  welehes  man  yersebreibt:  Rp.  Extr.  ßuid  öäsearae  »agradj  Syr, 
eort,  Aurant  aa.  20,   1  bis  4  Kafl'eelollc!  in  Intervallen  von  2  bis  3  Stunden. 

l!ei  Leuten,  welche  an  Hilmorrhoidalhlutun^en  leiden  .  wirkt  ein  von 
Alters  her  hewährtes  Mittel  sehr  gut,  nämlich  Pulvis  Glyvifrrhhae  cum^oaituSf 
welches  gemischt  mit  FoUa  Senna  m  gleichen  Theilen  nnd  mit  Fructut  Foenmeult 
und  Stiffur  fhpuratum  aa.  1  Theil  und  mit  6  Theilen  Saeeh.  all/isstm.  in  der 
deutschen  Pharmakopoe  offieinell  ist.  I>nch  hat  dieses  Pr;ij).irat  den  Febelstand, 
dass  CS  zu  viel  stisse  Substanzen  enthSlt  und  von  Vielen  nicht  vertragen  wird. 
Rathsam  ist  e.s,  mit  den  hier  angegebenen  Mitteln  zu  wechseln.  Nothnagel 
beginnt  in  der  Regel  mit  der  Aloe,  lisst  dann  einige  Woehen  lang  Bitterwasser 
trinken,  wechselt  dieses  mit  Pulvis  G^i/ct/rrJiirae  compon.,  gieht  dann  Si/rupu3 
doinestic.  Am  besten  und  ffir  einen  längeren  Gebrauch  am  meisten  zu  empfeblou 
sind  Irrigatioueu  entweder  mit  blossem  Wasser  oder  mit  Abkuchuugeu  von  Lein- 
eamen mit  Zusatz  von  Kamillentbee,  Seife  oder  GlyeerinkIjrstiOTe. 

V.  KooERER  resumirt  die  nftberen  und  entfernteren  Ursachen  der  nicht 
durch  mechanisehe  Momente  bedingten  Stuhlver3to})fung  dabin,  dass  sie  bestehen : 
In  J^ähmung  der  Peristaltik  durch  Atouie  und  Atrophie  der  Muscuiatur  in  Folge 
schwerer  Krankheiten,  Kachexien,  ehronisehen  Darmeatarrhen  oder  Stannngea  im 
Pfortadersystem  oder  durch  primäre  Erkrankung,  durch  nervöse  KinflOsse  von 
Seite  des  Gehirns  oder  Kilekenmarkes  oder  in  Folire  nllL'^cmeiner  Neurosen 
(Ncurastbenie)  oder  endlich  durch  lähmende  Medicainente ;  leruer  durch  Eiudickung 
der  Fäces  iu  Folge  Wassermangels  oder  grosser  Wasserverluste,  durch  mangel- 
haften Zuflnss  der  Verdaunngssäfte  (Galle),  oder  adstringirende  Ifedieamente, 
endlich  durch  Ersehlafl'ung  der  Hilfsmuskel  (Bauchmuskel).  Mangel  an  Körper- 
bewegung' illierhau{)t  und  unzweckmässige  Lebensweise  iNahrung,  Reruf  etc.)  oder 
schlechte  Gewohnheiten.  Die  rationelle  Rehuudlung  der  chronischen  Obstipation 


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OBSTIPATION. 


567 


1D1M8  vor  Allem  die  Ursache  zu  eruiren  ttnd  zu  lieseitigeu  soohen.  Der  Iivlicutio 
»wor/»?' «renitfren  wir.  indem  wir  die  atonische  Darmmusonlatnr  wieder  fiinctionsfähig: 
machen,  die  Hilfttmuskel  (Baucbpresse)  liräftigeu  und  etwaige  Krampizuätäude  im 
Bphincter  externua  wegsoMbaffen  mehen.  Symptomatiseh  behandelt  sieh  der 
Kranke  gewöhnlich  selbst,  indem  er  sich  durch  Abführmittel,  mitanter  auch 
Klystiere  und  Suppositorien  .'^tuhl  verschaffi.  Vtm  Seite  dos  Arztes  würde  eine 
symptomatische  Therapie  nur  dann  am  Platze  äeiu,  wenn  er  weder  der  Causal' 
indieation,  noeh  der  Indieatto  morhi  genügen  konnte,  a.  B.  bei  der  primXren 
Atrophie  der  Darmmu^culatur.  Die  Atonie  der  Darmmniealatur,  sowie  diu  functionelle 
SchwÄclir  der  Ililfsnmskel  bchelK!!!  wir  durch  Massage,  aetive,  passive  und  Wider- 
standsbewegungen, elektrische  und  liydriatisehe  Behandlung.  Es  sollen  wo  möglich 
alle  die  verschiedenen  Methoden  zugleich  angewendet  und  die  Therapie  eystematisch 
vnd  eonseqnent  dnreh  lange  Zeit  fortgesetst  wwden.  Der  elelctrisehe  Strom  wird 
am  besten  in  der  Form  des  faradischen  angewendet  und  die  Anule  auf  das 
Lendenniark,  die  Kathode  auf  die  Bauchdecke  oder  beide  Elektroden  auf  letztere 
appticirt  oder  die  Anode  in  das  Rectum  eingeführt;  letztere  ist  eine  Knopf- 
elelctrode,  die  anderen  sind  mSgliebst  grosse  Platteneleictroden.  Die  Wasser- 
behandlung besteht  in  kalten  Abreibungen  des  Abdomens,  auch  woU  allgemeinen. 
Ferner  gebraucht  man  loeale  D"ucben,  kurze  kalte  SitzliiUler  ,  nasse  ficibbinden 
(NeptuosgUrtel }  und  kalte  Klystiere.  Abfuhrmittel  sind  am  besten  ganz  zu 
vermeiden  und  durch  Klystiere  oder  Suppositorien  an  ersetzen.  Die  NabmngS" 
mittel  sollen  geschmackvoll,  w(irzi>>:  ««ein,  nm  eine  Htiirkere  Seeretioo  der  Ver- 
daiiun.L'ssüfte  zu  bewirken  und  soll  nicht  zu  weni;^  Flüssi^fkeit  aufironommen, 
aber  auch  nicht  zu  viel  (^durch  Sehwitzen)  abgegeben  werden.  HegeUuiissigkeit 
in  der  Nahrungsaufnahme,  sowie  namentlich,  was  die  Zeit  der  Stublentleerung 
betriift,  ist  dringend  an  empfehlen.  Bei  Krampfzustftnden  im  SphincUr  oiit  ex- 
temu»  lei-itet  der  ARTZltiiacKR'sche  MastdarnikUhler  ausürezeiehneto  Dienste. 

Eltz  biilt  die  locale  Darmniassage  vornehmlich  iudicirt  bei  editer  habi- 
tueller Constipatiou.  Bei  (Jonstipatiunon,  welche  auf  allgemeiueu  äehwäehezustüudeu 
beruhen,  stellt  er  die  Gjrmnastilc  in  erste  Linie,  ebenso  dann,  wenn  Bewegnngs- 
mangel  die  Stuhlverstopfung  verschuldet.  Bei  Hii«:eborener  Hypoplasie  der  Darm- 
luuscularis  haben,  falls  dieselbe  den  Dickdarm  betrifft,  Irrigationen  den  besten 
Erfolg.  Wo  es  sich  um  rasche  symptomatische  Wirkung  handelt,  sind  die  iuteroen 
Abfohrmittel  unter  allen  Umstftnden  vorsusieben;  desgleieben  bei  Darmslenosen, 
wo  die  Verflüssigung  des  Darminhaltes  viel  bessere  ErfoI;re  vers])richt,  als  die 
hcicbst  probleniatiselie  meehani-;<-be  WeiterbeförderunfT.  Ein  Durchpressen  der 
Scybala  durch  die  verengte  Stelle  und  eine  mechanische  Erweiterung  derselben 
auf  diesem  Wege  bllt  Bltz  für  unmöglich,  da  der  Darminhalt  In  diesem  FaUe 
sieherlieh  naeh  dem  Iocuh  minort»  retütentiae  answeieben  wird. 

BrM  -flieidet  zwei  Gruppen  von  Kranken  mit  habitueller  Stuhlver- 
stopfung: solche  mit  autfallend  schlatten  atropliiselien  Bauchdecken  bei  nicht 
selten  befriedigendem  Zustande  der  übrigen  Muskeln  und  .solche,  welche  kräftige, 
auweilen  sogar  nngewAbnlleh  ausgebildete  Banohmuskeln  seigen.  Die  erste  Form 
kommt  häufiger  hta  Frauen  als  bei  Männern  vor,  betrifft  zumal  Multiparae,  wird 
a>)er  auch  bei  Mflnnern  mit  sitzender  Besehaftifjung  nicbt  selten  anjretroffeii.  Das 
Primüre  ist  die  Atrophie  der  Bauchdecken,  das  Secundäre  die  Obstipation.  Der 
Zusammenhang  beider  Momente  ist  nnsehwer  su  erktftren.  Normal  entwieltelte, 
guten  Touus  besitsende  Bau<dinU8keIn  contrahiren  sich  1)ei  Individuen,  die  ent- 
spre<'bende  Bewe^unir  maoheu,  unslblige  Male  im  Laufe  des  Tages,  sie  bieten 
den  peristaltischen  Bewegungen  des  Darmes  einen  dieselben  erhöhenden  Wider- 
stand. Die  Banehpresse  besorgt eini  \ih\  >!oingiscbe,  fast  nounterbroebene meehanisehe 
Beeinflussung  des  Darmes,  sie  massirt  den  Darm.  Die  Erfahrung  lehrt,  dass  Atrophie 
der  liauelinniscnlatur  in  Folge  hitu(i:r  \\  ii  derlmUer  Au^delinunir  des  Unterleibes 
durch  (JraviditUt,  bei  niangelliafter  l  elMinj;  der  Bauchmuskeln  in  Fol.^e  sitzender 
Lebensweise  in  einer  überaus  grossen  Zahl  der  Fülle  mit  chronischer  Obstipation 


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OBSTIPATION. 


dnhergobt  und  daas  io  diesen  Fällen  Wiedorher-stellua;;  des  Mu^keltonus  der 
Bawdideekeii  dnreh  Massage  uod  Gymnastik  derselben  die  Obstipation  dauernd 
so  beheben  verinas.  Was  die  sweite  groaee  Gruppe  der  ehrtmiaehen  Stahlver- 

stopfnng  mit  iotactem  ^riiskcltonus  der  Banchdeeken  betrifft,  so  müssen  als  causale 
Momente  die  Trflgbcit  der  P't'ri^<taltik  und  die  Atropbie  der  Muacularis  dos  Darmes 
betracbtet  werden,  welche  die  Atonie  des  Darmes  bewirken.  Die  Indicaliuu  tiir  die 
BebandlvD^  dieser  Form  besteht  in  Anregung  der  Poriitaltik  imd  BekftmpAmg  der 
Atonie  des  Darmes,  u.  zw.  des  uns  zunächst  erreichbaren  Dickdarmes.  Das  letztere 
geschieht  durcli  Reizung'  des  Darmes  mittelst  Massage,  wobei  neben  Streichung' 
und  Kuetun^  der  zugänglichen  Diokdarmabschnitte,  Erschütterung  des  Abdomens 
dnreh  Vibrationen  nnd  KlatsdhanKen  der  Banchdeeken  von  Wichtigkeit  sind. 
Auf  ein  anderes  häufiges  Moment  der  habituellen  Obstipation,  die  Anämie,  wirkt 
die  Vorn.iljmo  der  alltrcmeinen  Kfirpermassage  und  Gymnastik  gflnstiger  ein,  als 
die  Massage  des  Unterleibes  allein.  Bum  glaubt,  dass  die  Massage  des  Unter- 
leibes bei  habitueller  Obstipation  der  causalen  Indication  genügt,  indem  sie  die 
Husculator  der  Banchdeeken,  wie  die  Mnsealaris  des  Didcdarmes  krftfiigt.  Die 
mechani^cln-  Rehandlung  dieses  Leidens  ist  daher  eine  vorwiegend  gymnasticireude. 
mnskelüboiide.  Kesultatlns  bleibt  die  mechanische  Behandliin^r  von  chniriischiT 
Obstipation,  welche  auf  cougenitale  Hypoplasie  des  V'erJauungstractus,  auf  Er- 
krankungen des  CentralnerTensystems,  auf  mechanische  Hindernisse  grolwinato- 
mischer  Natur,  auf  Veränderungen  der  Darmmiisculatur  bei  Nephritis,  in  Folge 
von  Kachexie  und  Seuismus  etc.  ziirftckzufilhreu  sind. 

Lebbb  schildert  die  von  ihm  geübte  physikalische  Behandlung  der 
ebrooisehen  Obstipation  folgendermasaen :  Die  Behandlung  bestand  fast  stets  in 
eombinirter  Anwendung  von  Blektricitit,  Massage  und  Wasser.  Bei  der  ersteren 
vcrfnlir  I.rnKR  dn-s  eine  etwa  4r);)  Qem.  grros^e  l'^b-ktrode  /'Anode'  auf  die 
Krcuzgetreud ,  eine  andere  den  ;^anzen  Unterleib  bedeckende  (Kathode)  auf  die 
vordere  Baucbwand  aufgesetzt  und  dann  die  Galvanofarad isation  nach  DE  Watte- 
WILLE  mit  siemlieh  starken  StrSmen  etwa  3 — 5  Mbuteo  lang  ausgeführt  wurde. 
Hierauf  wurde  die  vordere  FJektrode  mit  einer  kleineren  50  Qcm.  frrossen  Elek- 
trode vertauscht  und  der  primäre  Induetions-itrom  anjcc wendet.  An  der  linken 
Seite  des  Unterleibes,  direct  über  der  Symphyse  beginnend  und  dem  Verlaute  des 
Colon  deacend,  transver».  und  aacend,  folgend,  verweilte  die  Elektrode  an  jeder 
Stelle  etwa  ^  «  bis  >  2  dünnte  und  durch  Oeffnungasohlige  wurden  krftftige 
Contractinnen  der  Bauehdecke  ausgelöst  ("in  jeder  Sitzun^r  etwa  ."^O — 100).  In 
besonderen  Fällen  ist  die  Stellung  der  Elektrode  recto  abdominal  oder  recto- 
sacral,  wobei  eine  Elektrode,  gewöhnlich  die  Kathode,  in's  Rectum  eiogefBhrt 
wird.  Bei  der  Bauchuiassage,  welche  10 — 15  Minuten  ausgeftthrt  wurde,  wurden 
die  bekannten  HandjrrifTe  anirewendet,  und  zwar  als  am  wirksamsten  die  Frietionen, 
kleine,  aber  kräftige  und  ruekweise  aus;retuhrtc  kreisrunde  Kcibuni^en  Uber  dem 
ganzen  Darmtractus,  hauptsächlich  über  dem  ganzen  Colon,  beim  Cöcum  be- 
ginnend. Die  daran  angeschlossene  aetive  nnd  passive  Widerstnndsgymnastik 
bezweckte  hauptsächlich  die  Kräftigung  der  Bauchiuusculatur.  Von  Wasser- 
proceduren  kamen  je  nach  der  Indication  den  Einzelfalles  in  Anwendnnfr  :  Des 
Morgens  uasskalte  Abreibung,  kühle  Halb-  uud  Sitzbäder,  Eiupackuugeu  mit 
nadifolgender  kalter  Abreibung  und  Douchen  auf  den  Unterleib,  vor  Allem  die 
schottische  Douche  (abwechselnd  warm  und  kalt). 

.T.  Am.Ei:  l>ezeiebnot  als  oberstes  Prineij)  der  Heliandlnn«^  aller  Formen 
von  Ubstipation :  Möglichste  Einschränkung  des  Gebrauches  von  Abführmitteln. 
Er  empfiehlt  ferner  als  auverlflssigste  Behandlungsweise  der  habituellen  8tuhl> 
verstopfun;:  die  Massagre  in  Verbindung  mit  der  ZAXDER'schen  mechanischen  Be- 
handlung. Diireli  ilire  iniielitig'e  Wirkun?  auf  die  (.'ireulation  im  A ll^remeineti  und 
auf  den  Stollwechsel,  sowie  durch  Aure^unjr  der  Peristaltik,  Kräftigung  der 
Baucbpressen  und  Beförderung  der  Blutetrculation  im  Unterleibe  ist  dieselbe  ein 
rationelles  Curverfahren.  Wo  die  ZAXDER'sche  Methode  nicht  ausführbar  ist,  genOgt 


OBSTIPATION. 


5e9 


in  fast  allen  Filllen  eine  4— -6wnchentlicbe  Massagecor,  doch  sind  bei  derietbea 

als  Conditio  i^inf  (pm  non  noi'h  eine  Anzahl  von  Maasregeln  streng^iteus  zu 
befolgen:  Abführmittel  sind  während  der  Cur  rollkommen  verpdot  Der  Patient 
wird  verständigt,  dasa  der  Stahlgang  von  selbst  erfolgen  mnas,  selbst  wenn  er 
14  Tage  oder  noeli  tInger  ohne  StnUenlleeriuig  sein  tollte.  Wengen  die  aubjee- 
tiven  lieschwerden  zn  groea,  80  kann  ausnthmsweise  durch  ein  Clysma  oder  ein 
Glycerinsuppositorium  nachgeholfen  werden.  Die  Diät  rausH  «oriirfflltifr  reffulirt  und 
soUeu  solche  Speiden  vermieden  werden,  welche  massigen  Koth  oder  viel  Gase 
vernrseehen  (Kertoflislii ,  die  versebiedenen  RohlBorten,  Brot,  Beekwerk  n.  dwgl.). 
Demnach  besteht  der  Speisezettel  hauj)ts.'lch!ich  aus  zarten,  nicht  fetten  Fleisch- 
sorton,  Milchspeisen,  Hafer,  Reis  etc.,  Iticliteri  Cemllsen  und  viel  Obst,  daneben 
reichliches  Getränk,  hauptsächlich  Wasser  oder  ein  leichtes  Bier.  FUr  reichliche 
Bewegung  in  frischer  Laft  muss  gesorgt  werden  und  wird  nemenflieh  Reiten 
empfohlen.  F.in  Hauptpunkt  ist  ferner,  dass  der  Patient  täglich  mit  peinlicher 
Gewissenhaftigkeit  zur  beRtimmten  Stunde  den  Abtritt  lie-iictit ,  ?anz  gleidi^'iUig, 
ob  Stahldrang  besteht  oder  nicht,  Neben  dieser  allgemeiuen  diätetischen  Behand- 
lung wird  innerlich  Nux  vomica  und  Atropiu,  wo  letzteres  nicht  vertragen  wird, 
GeUbaiextnct  gereiebt. 

Teber  die  diätetische  Behandlung  der  habituellen  Obstipation  hat  Mobitz 
Peine  Meinun?  von  der  Krw.lgunfr  ausf,'eheud  •robildet,  dass  Jenes  Telicl  he><ODders 
bei  den  Städtern,  uaoiuntlich  Frauen  und  anämischen  Mädchen,  vorkumuit,  dagegen 
fast  nie  bei  dem  Landvolke  (in  Rnssland).  Er  sehliesst,  dass  neben  manehen  anderen 
Factoren.  als  Ifaugel  an  Bewegung,  unzweckmässiger  Kleidung  (Sdinllren)  auch 
ganz  besonders  eine  ungRcignete  Diät  verantwortlicli  zu  mnchen  sei ,  namentlich 
die  vorwiegend  animalische ,  eiweissreiche ,  wenig  liückstüude  im  Darme  hinter- 
lassende Nahmng  neben  vielen  Reismitteln.  Er  hUt  darum  eine  gewisse  Auswahl 
der  Nahrang,  bei  welcher  viel  Masse  und  8eblacke  gebende  VegetalnUen,  insbe- 
sondere Grützen  und  Gemtise  bevorzugt  werden  .  in  einer  irrrts-jpn  Reihe  von  Fällen 
habitueller  Obstipation  für  zweckmäsi>ig  und  wirksam.  Deuigemäss  entwirft  MuBlTZ 
folgende  der  Petersburger  Lebensweise  und  den  dortigen  Bfarktverhftltnissen  ent- 
sproehende  Speisekarte  fUr  Obstipirte,  welche  natflrlieh  je  naeh  Gewohnheit  und 
Ocsebmack  mrtditicirt  werden  kann : 

1.  Zun)  ersten  Frübstiick :  Schottische  Uafergrtitse,  Schwarsbrot  mit 
Butter  und  Milch,  Katiec  mit  Cichorien; 

2.  zum  zweiten  Frflhstfiek:  Butterbrot,  HUeh  oder  dunkles  Bier; 

3.  zur  Hauptmahlzeit:  Dicke  Suppen,  Grtttze  aller  Art,  Fleischspeisen 
nur  mit  Zntliat  vcin  Geniiisen  oder  Salat  ''besonders  Gurken  und  Kohlj ,  Frucht- 
oder Mehlspeiseu;  als  Getränke:  Weisswein,  Bier  oder  Kwas  (zu  meiden:  Käse, 
Starke  Alkoholien,  Kaffee  naeh  IHseh,  Oewürze,  Oonfect  Ij ; 

4.  zum  Abendbrot  spärliche  Kost,  rohes  oder  gekochtes  Ol  ist,  Butterbrot. 

Diesf  Di:it  nniss  von  undt-rweitlL'-eti  Massnahmen  :  rationeller,  nicht  schnüren- 
der Kleidung,  reichlicher  Bewegung,  eventuell  Massage  oder  Gymnastik  unterstützt 
werden.  Von  anderer  Seite  (Soivitz)  ydrä  bei  der  habituellen  Obstipi^on  aaimi- 
scher  oder  ehlorotiseher  Mädchen  der  regelmässige  Oenuss  firisehen  Kalbsblntes  als 
auf  den  Stuhlgang  prftnstig  wirkend  empfohlen. 

KiscH  macht  wiederholt  auf  eine  Reihe  von  Neuralf^icii  autuierksam, 
welche  durch  habituelle  Obstipation  verursacht  sind  uud  welche  er  als  Coprostase- 
Reflexnenrosen  bezeichnet.  Bd  einer  grossen  Zahl  von  Patienten,  welche  an 
den  verschiedensten  Neuralgien  leiden,  Hemicranic,  Ischias,  Lumboabdomialneu- 
ralfrie .  Ovaralgie ,  Trigeminusueuralgie  und  Herzneurosen ,  findet  man  bei  einer 
genauen  Anamnese,  dass  der  Appetit  nicht  normal  ist,  schnell  das  Getubl  vun 
Sättigung  eintritt,  Empfinden  von  Druek  und  Vollsein  in  der  Magengegend, 
Unbehaglichkeit,  Schwere  und  Druck  im  Unterleibe,  Anftlossen  von  Gasen,  Fla- 
tulenz vorliaiidt  n  sind,  vor  Allem  aber  die  Defäcation  unregelniässi^r  und  nianifel- 
haft,   nicht  in  ausreichender  Menge  erfolgt,  schliesslich  auch  oft  Hämurrhoidal- 


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570 


OBSTIPATIÜN. 


besdiw«rdeii  vorbemchen.    In  diesea  Fftllen  muss  man  an  refleetoriadie  Nerven- 

erregnng'en  denken,  welche  ihren  Aimpan^si)tinkt  von  den  "^(örunpen  der  Digestion, 
speciell  vun  der  StublverstopfuDg  aehiueu  und  iu  einem  Falle  eine  hemicraDisebe 
Neuralgie  mmdüMii,  in  elBem  anderen  Falle  intermittireade  Sebmenaafiüle  in  einem 
Aete  oder  andi  in  mehreren  Aesten  dee  TrigeminiiB,  die  typisehon,  oonvnlsirisohen 

Miiskelbewegunfren  im  Hereiche  der  Gesichtsmusciilatiir  niid  eine  Reihe  vaso- 
motorischer Erseheinungcn  reflectorisch  verursachen  und  wiederum  in  anderen 
Fällen  zu  den  mannigfacheu  retiectoriscbea  Neurosen  Anlass  geben.  Diesem  ätio- 
lo^sehen  Znsammenhange  mnie  therapentiBoh  Reelmung  getragen  werden  und  es 
geschieht  durcb  systematisohe  Anregung  der  Darmfnnction,  und  der  Erfolg  rascher 
Heilnnfr  oder  entschiedener  BesHcrun?  derart'jjcr.  lanj?  bestehfuder,  durch  Xervin» 
oder  Narcotica  vergeblicb  behandelter  Neural^iien  bestätigt  die  obi;i:e  Annahme. 
Die  Obstipation  mnaa  durch  die  Anwendung  tSglicber,  mit  der  Klysopompe  appli- 
eirter  Kaltwasserklyetiere  beknmpft  werden  und  dieee  Wirkang  wird  durcb  die 
continuirlich  getragenen,  feuehtwarmen  Einpaekungon  ib-j  Abdomens,  kalte 
WascbuLgeu  des  Unterleibes,  Massage,  eventuell  auch  Abreibungen  des  ganzen 
Körpers,  Dampfbäder  mit  kalten  Ooneken  sweekeutsprecheod  anfemtflCat.  Dabei 
wird  den  Kranken  eine  leicht  verdaaliehe,  gemischte  Kost  verabreicht,  welehe  in 
besonders  bartnilckigen  Fallen  am  besten  durcb  »  ine  mit  ^'()rsicht  an^^ewendete 
temporilre  Milchdiät  ersetzt  werden  kann.  Damit  werden,  je  nach  der  Jahreszeit, 
in  welche  die  Hebandlung  fällt,  geeignet  geregelte  Bewegung  und  »Spaziergänge 
im  Garten  verbunden.  Diese  Behandlung,  welche  Gussbkbaubb  besonders  für 
intermittirettde  Trigeminnsneurnigie  empfohlen  bat,  muss  ecmsequent  tnglich  ohne 
Unterbrechung  längere  Zeit,  2,  4  bis  6  Wei  hen  hindurch  fortfreset/t  werden.  Im 
Pommer  ist  es  am  aweckentspreehendäteu,  Kranke,  welche  an  habitueller  Obsti- 
pation und  Deoralgisehen  Besdiwerden  leiden,  naeh  Marienbad  zu  eehicken, 
wo  Ki.^CH  ausser  der  Trinkcur  mit  den  Glaubersal/wäfisern  warme  Moorcataplasmen 
auf  das  Abdomen  und  FiiiiEriessungen  mit  den  krihlensituri  reichen  Wflm'ru  in  den 
Darm  voruebmeu  lässt.  Dabei  verordnet  er  eine  Diät,  welche  alle  groben  und 
nnverdanliehen ,  viel  Rflekstinde  hiDteriassenden  Spetsen  von  der  Tafel  bannt, 
so  besonders  die  Hulscnfrflebte,  grobe  Mehlspeisen,  harte,  sihe  Fleisebsorten, 
Kartoffeln,  mehrere  Friielitnrten,  wie  Mispeln,  Kastanien  u.  s.  w.  Ebenso  wird  der 
(ieuuss  herber,  rotber  Weine  und  starker  hiere  verboten.  Eine  wichtige  Mass- 
nahme ist,  die  Zwiseheuzeit  zwi-sehen  den  einzelnen  Mahlzeiten  hinreichend  gross 
zu  gestalten.  Es  sollen  nieht  eher  Speiden  wieder  eingeführt  werden,  bis  die 
{.'ehönVe  Zeit  zur  Verdauung  der  zuerst  genossenen  verstrichen  ist.  Da,  wo 
bedeutende  Trockenheit  der  Stiihlentleerunjren  auf  geringe  .*^peretiün  des  Darm- 
saftes hinweist,  passen  bcäunders  sulebe  Nahrungsmittel,  die  viel  düssige  iiestand- 
theOe  enthalten,  so  Milch,  FleisehbrOhen,  weisser  Kaffee,  Theo,  der  nieht  linger 
als  durch  5  Minuten  aufgegossen  wurde,  weisses  Fleisch,  Kalbfleisch,  Gefitlgel, 
Kutter,  leicht  verdauliehe  (iemfise,  wie  Mohrrüben,  Wurzel^emii«'.  Spartrel,  Sellerie, 
gekochtes  Obst,  Comput  vun  i'tiaumen,  Aepfeln,  Kirscheu  u.  s.  w.  In  anderen 
Fullen  wiederom,  wo  besonders  die  Musenlaris  des  Darmtraetes  nnzullnglieh  arbeitet, 
die  Magen  Verdauung  trftge  und  langsam  i^t ,  wird  eine  mehr  reizende  Nahrung 
mit  gehöriger  Answab!  an;rezeijrt  sein,  so  die  an  FxtraetivstofiVn  reieberen  Fleiseh- 
s<»rten  älterer  Thiere,  Oeli>entleiseli,  das  Fleisch  des  Wildes  uud  wilden  Uetldgels, 
Hammcltlei^ch  und  uieht  fettes  Schweiuetleisch  in  gebratener  Form,  Grahambrot, 
Speisen  mit  Zusatz  von  Gewürzen  nnd  idkanten  Saucen,  Caviar,  Salssardellen, 
Hftringe,  leichte  Hiere,  weisse  Weine.  Bei  manchen  Personen  mit  habitueller  Obsti- 
pation bewirkt  das  Tabakrauehen  am  Morgen  oder  ein  Gla<  kalten  Wassers  zum 
Kaftee,  der  G»iDu.ss  von  etwas  Weissbrot  mit  Htittcr  und  Ilouig  leichter  Eutleerung, 
bei  Anderen  gelingt  dies,  indem  man  sie  statt  des  gewohnten  Kaffees  nur  fk>isehes 
Obst  gemessen  lässt.  Die  Kranken  müssen  spe<>iell  darauf  aufmerksam  gemacht 
werden,  dass  sie  das  jledilrfniss  der  SinMentlcenin?  niemals  unterdrücken  und 
sich  an  eine  gewisse  Kegelmässigkeit  der.'^elbeu  gewühnen. 


OBSTIPATION.  —  OXALSÄIIfiEVEBGXFTUNG. 


571 


liiteratur:  H.  N  u  t  h  n  a  g  e  1 ,  Ueber  habituelle  Ol.stipation.  Ein  klinischer  Vor» 
trag.  Wiener  Med.  Presse.  IbüO,  Nr.  iu,  11,  12.  —  Th.  v.  K oge rer ,  Ursachen  und  Behaod- 
Inng  der  dironisclien  StnbWentopftuig.  Aerztl.  Ber.  d.  ftffentl.  Krankenfaaases  in  Seebshaas. 
Wien  l'^'jO  -  DaniD,  Ceber  habituelle  Stull Iversfopfunp,  flert?n  ürHache  und  Behandlung. 
Berliner  Klinik.  1891,  Heft  34.  —  V.Eitz,  Ueber  di«  ^iLysiulofrische  Wirkung  der  Darm- 
massage. Wiener  klin.  Wochenschr.  1892,  15.  —  A.  Buni,  Die  iihysiologische  Wirkung  der 
Baacbma9BBge  bei  habitueller  ObsUpation.  Wiener  Med.  Presoe.  lQ&'<i,  4&.  —  Leber,  Die 
physikalische  Behandlnnjr  der  chronischen  Obfttipation.  HBnchener  med.  Woehenschr.  1892, 
•S^.  —  .1-  Adler,  I  mi  St;ihl vcr-'rut'uiit:.  New- Yorker  med.  M(in.it?Jschr.  1892,  IV.  —  Kumpf, 
Zur  Technik  und  Wirkuii^t^weisr  a^-i  M<  <  lianotherapie  bei  chronischer  Obstipation.  Wiener 
klinische  Wochenschr.  189:^,  '46.  —  -M  mit/.,  l'eber  die  diätetische  Behandlung  der  habituellen 
Obstipation.  St.  Petersborger  med.  Wochenscbr.  1892,  2.  —  £.  Heinrich  Kiach,  Ueber 
Coprostase-fteflexnenrosen.  Berliner  klin.  Wockeascbr.  1887.  15  nnd  Die  purgirende  Methode 
bei  Behandlung  der  Nenrelgien.  Themp.  Honatsh.  April  1692.  Kiscli. 

ObturatfOnSileUS,  s.  DftrmstenoBe,  pag.  194. 

OelklyStiere,  s.  Darminfusion,  pa^.  187. 

Ohreneiterung,  l>ci  Kindern,  .s.  Mitteluhraftectionen,  pag.  d31. 
Ohrmuschel,  8.  A  u  r  i  (?  u  I  a  ,  pajc.  li^. 

Osteomalacisches  Becken,  b.  b ecken,  pag.  loo. 

Ostseebäder,  a.  Nordaeecurorte,  pag.  536  ff. 

OtOmykese,  a.  ABpergillua  im  Ohr,  pag.  46. 

Ovarialtuba,  s.  ExtraaterinBohwa  ngersehaft,  pag.  265. 

Oxalsäurevergiftung.  (Vergl.  Enoycl.  .labrb.,  M.  II,  pag.  538.;  Neuere 
UntemebuDgen  haben  dargethan,  dam  die  giftige  W!rkun;>:  der  OzalaSore  rieh 

nicht  blo.s  auf  liöliero 'I'hiere  erstri'ckt.  .'iondcrn  daBS  auch  d:L'  nii'dersten  Organismen, 
sciwohl  tlji<'rischi'  .-iIs  pti.inzliflie ,  durch  .'lusser.st  jjeriii;,'»»  Menden  vin  Oxalaten 
getüdtet  werdeu.  Die  iSäure  ist  weit  giftiger  &U  die  meisten  ihr  nahestehenden 
organischen  Säuren  (W^nBäurCf  Citronenaftore) ;  nur  die  Hunigsäure  (Mellitbsaure; 
zeigt  hei  Wirbeltbieren  annihemd  denselben  Grad  der  GiflUglceit. 

^'on  niederen  Was.^^erthierpn  .•sfcrbeii  .\sseln,  roi)epn(Irn  um]  R.'uliTtbiorclifMi  in 
O'S*"^  LoHUngen  von  neuiraleni  oxalKauren  Kalium  in  3U — 50  Minuten,  etwas  später  Egel 
nnd  Planarien.  noch  später  Inseeten.  Larven  nnd  Ostracoden,  Wasserkftfer,  Planarien  nnd  ein* 
seine  Nematoden  (z  B.  das  Essigälchcn)  noch  nicht  nach  24  Stunden.  Infusorien,  Flagellaieu 
nnd  Diatomeen  gehen  in  O'ö^'o  Lösung  in  5  Minuten,  in  Ü^f,  momentan  zu  Grunde.  Fadeu- 
altren  (Zygnema,  Vnucheria,  {>|iiri>i.'yren)  .sferbtn  «larin  in  Stunden  unter  Verquellung 
der  Cblorophyllkömchen ,  wobei  zuerst  der  Zellkern  angegriffen  wird ;  die  Giftigkeit  nimmt 
mit  der  Verdfinnnn^  der  LOsnnir  rasdi  ab,  irittirend  freie  OzaliAiire  aneh  in  anemr^t  ver- 
dünnfer  Lösung  l  l  :  l(i  Mill.)  toxisch  wirkt.  Die  Bewegung  der  Alge  TithjpeUn  prolifera  wird 
durch  Ü "  ,T  Lösung  iu  wenigen  Secunden  aufgehoben,  wähnind  die  Strömung  bei  den  Wurzol- 
haaren  der  Characeeu  weniger  rasch  aiii|g^h^en  wird.')  Auch  fflr  hoher  organisirte  Pflanzen 
sind  Oxalate  giftig.  *)  So  für  Zwiebeln,  wo  auch  der  Zellkern  in  enter  Linie  angegriffen  wird, 
ftlr  Blätter  von  Eloffea  rnnadensi»  nnd  Vatlisneria  spirati»,  die  sehwefelBaare  und  wefnsanre 

Salzlösung'  weif  lanpr-r  toleriren.  I'n^'iüig  .«ind  Oxalate  für  niedere  PÜM  (Bakterien,  ^iirnss- 
hefe ,  Schinmielpilze) .  die  auch  freie  CxaL^aure  nicht  starker  als  Weinsinre  angreift.  Die 
Wirkung  auf  Chlorophyll  und  Zellkern  beruht  wahrscheinlich  darauf,  dass  die  Oxale&nre, 
indem  sie  dem  Nudein  Calcium  entzieht,  den  Quellunpszusfand  verändert, 

Die  An.>^icht .  dass  die  ( »xalsJiurc  eine  eif^enthtimliche  Wirkunj;  auf  das 
Nervensystem  uusilbt,  wird  neuerdings  beHtritten;  insbesuudere  werden  die  übrilläreu 
Zueknngen,  die  man  naeh  Katrinmozalat  bei  Thieren  beobaebtet,  als  Natrinm- 
mrkung  betracliti  t .  da  sie  bei  subcutaner  Anwendung-  vordihiMtt  r  öxalsäiiro- 
Ißsun^rn  an^blcilicn.  I>ass  dw  dem  Tode  mitunter  voraufjr«'hendcn  Krämpfe  nieht 
als  direete  Oxalsäurewirkuug  auf  Iliru  oder  KUckeuinark,  sondern  als  terminale 
Convnlsionen  in  Folge  von  Asphyxie  gedeutet  werden  mflssen ,  kann  wohl  kaum 
einem  Zweifel  unferlicfreD.  Krampfhafte  l'>scbeinun;.'eii  sind  nach  Aininonium- 
uxalat  lii'"ltai']itct ,  wilhrend  luieli  den  (ixalsaiiren  Ka]itimverl»iiuiiin^'"«'n  das  Ver- 
giftuDgsbild  ein  rein  paralytische«  iät.  Da£s  bei  der  Wirkung  von  Uxalsäureverbin- 


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672 


OXALSAC££Y£&GJFrUKG.  —  0Z0N6£HALT. 


dangen  der  Metalleomponeut  eine  Rolle  spielt,  findet  atu-li  darin  seine  Bestätigung, 
dass  der  O  x  al  s  a  u  r  e ä  th  y  1  e s  t  e r  .  COOCo  TI ,  .  COOC,>  II5 ,  wie  andere  Aether 
anästhesirend  wirkt.  Verschiedene  Derivate  der  Oxalsäure  scheinen,  wenn  sie  auch 
durch  Eintritt  von  Radicalen  in  das  Molecttl  eine  qualitative  Verändernng  ihrer 
Wirknng  erfahren  haben,  in  ThlerkOrpor  wieder  in  Oubänre  surflekverwandelt 
zu  werden ,  so  dass  schliesslich  ein  der  OxalsJture  entsprechender  Symptomen- 
complex  entsteht;  doob  ist  der  chemisebe  Nachweis  dieser  Umwandlung  bis  jetzt 
nicht  geliefert. 

Ein  etwas  anderes  Verhalten  seift  das  in  Waaser  «eliwer  iQsliche  Oxanid, 

CONII ,  .  r( »NIT , ,  in  welcliem  beide  Hydroxyle  der  Oxalsäure  durch  NH.  ersetzt  sind,  nach 
welchem  bei  Trui^ciieu  subcutan  in  Polverlorm  applicirt,  anfangs  leichter  Torpor,  nach  einigen 
Stunden  Hyperästhesie  und  toniadie  vnd  doniadie  Krftaipfe,  nach  Art  der  Aninumiaksalza 
(mdglicherweüe  dnrch  Umsetzung  xa  ozalsaurem  Ammonintn)  entstehen.  Wird  in  Üxamid  ein 
WasserstoiP  Jeder  Amidgrappe  durch  Alkylradicale  ersetzt,  z.  B.  Jfethvl  im  Dimetbyloxamid 
C0NH(Cn,).CONHiCH,,)  und  Aethyl  im  D  i  :i  e  t  h  y  1  o  x  a  m  i  d  .  ('()NH  ((',  H.)  ,  CONH  (»',  H  ). 
80  entstehen  Verbindaugen  mit  central  lähmender  Wirkung,  die  bei  der  Aeibylverbindong  aus- 
gWfNrocbenar  als  b«i  der  Methylverbindvag  ist.  Oer  nacli  einigen  Tmgen  bei  Einfttlming 
grosserer  Mengen  eintrett  r (1^  Ti.  l  unter  Collapserscheinnngen  steht  niö<:licherwni.sf>  mit  einem 
Uebergange  in  Oxalate  im  Zusanmienhanfrc.  Da»  Glyoxal,  CHü— CH*»,  welches  als  Oxalsäure 
betrachtet  werden  kann,  in  welcher  II  an  die  Stelle  von  Hydroxyl  tritt,  ist  ohne  Localaction 
und  bringt  Schlaf  hervor;  nach  einigen  Tagen  kommt  es  aber  an  Phlegmone  nnd  Abaeeas» 
bildnng  an  der  Applicationsstelle  nnd  an  Erscheinani^en  der  SftnreTrrgiftnng,  die  «fn  tfidtllohes 
Fmle  nchraen  kann.  Von  sonstigen  Oxalsäurrdfrivatrii  ruft  »Iii  rixaminsanre.  COOH  .  CONH^,  in 
welcher  nur  das  eine  Uydroxyl  der  Oxalsäure  dun  Ii  NH.  siihstituiit  i.^t,  ausser  der  örtlich  irri- 
tirenden  Fänrewirkung  bei  Fröschen  anlängs  j^leigtrung  der  Reflexerregbai lieit,  später  Stupor, 
bei  Warmbltttexn  CoUapa,  Hydriaai«  md  clonische  Krämpfe  hervor.  Das  ans  der  Oxaminsänre 
dnrcli  Snbetitnilon  des  Wasserstoffes  des  Hydroxyls  dnrch  Aethyl  entstehende  Oxamethan, 
CONU.tOC,  n, .  hat  keine  locale  Action  und  wirkt  bei  Fröschen  l'Jmal ,  bei  Warmblütern 
20 — 3ümal  schwacher  als  Oxauiioaäure ;  die  Wirkung  ist  rein  narkotisch  (Somnolenz ,  Ab* 
nähme  der  Sensibilität)  mit  nachfolgender  Paralyse  nnd  Ltthmnng  der  Respiration  ohne  Beein- 
trächtigung der  Herznction  bei  Frösclien.  •') 

Literatur:  *)  Loow,  Ueber  die  (iiftwirkung  der  UxaUiiure  und  ihrer  Salze. 
Httnchener  med.  Wochenwhr.  1892,  Nr.  32.  —  *)  Sehinper.  Flora,  1889,  pag.  264.  — 

^)  Curci,  L'azione  bit'hx/ira  ,!,}('  ,,rif/n  oxs'ih'ci,  c  'hi  derirati  in  rdtuio  "  <■■,,!  hi  <on- 
stituzione  (ttomica.  La  Terupia  nioderua.  IS'J^i,  Nr.    — K».  üusemann. 

Oxyhämoglobin,  im  Harn,  pag.  398. 
OzOngehalt  der  Seelnft,  pag.  541  ff. 


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ParalySiS  agitanS.  (VergLReal-Bnoyolop.,  ILAnfl.,  Bd.XV,iM«.175; 

Bd.  XXIII,  pag.  551.)  Eine  interessante  Arbeit  pathologiaeh-anatomischen  Inhaltes 
über  Paralyais  agüans  veröffentlichte  Kktschek.  nach  Untersuchungen  unter 
ÜfiiARi  in  Prag  (,.Zur  patbolugiscben  Anatomie  der  Paralysü  agüans^  gleich- 
seitig^ dn  Beitrag  vm  patbologisolien  Anatomie  des  senilen  NerTenBystemB."  Zeit- 
sebrift  Air  Heilkunde.  1892).  In  drei  histologieeb  genau  untersuchten  Pillen 
wurden  mehr  oder  weniger  bedeutende  VerMnderun?en  sowohl  im  Centralnerven- 
syateni)  als  auch  zum  Tbeil  in  den  peripherischen  Nerven  und  Muskeln  gefunden, 
und  swnr  eratredEten  rieh  die  Verinderungen  in  nlloi  diesen  Furtlen  anf  die 
spedfiaehen  Gewebsetemente,  selbst  auf  das  intefstitielle  Gewebe ,  und  auf  die 
GefHsse.  Die  Veränderungen  der  specifisehen  Gewebselemeiite  bestanden  in  De- 
generation und  Atrophie,  im  Gehirn  und  Kückenmarli  zeigten  fast  alle  Ganglien- 
zellen i'iguientdegeneratioQ ;  einige  waren  plump,  ohne  scharfe  Grenzen  und  ohne 
Kerne,  andere  seigten  meist  fdnkOmigen  Zerfall.  Die  Nenrenfosem  waren  eben- 
falls stellenweise  degenerirt ,  sowohl  im  ROckenmark ,  besonders  in  den  TTinter^ 
strengen .  wie  auch  in  den  periplieren  Nerven  und  ihreo  End.lstehen  im 
Muskelgewebe.  Auch  die  Muäkelfaäern  zeigten  stelieuwci8e  Atrophie;  einige  hatten 
Fettdegeneration,  andere  hyaline  Degeneration  erlitten,  einige  Fasern  waren  der 
Querstreifung  beraubt,  andere  ganz  verschwunden  unter  Zorfleklassung  der  mit 
!Musk»'lkernen  gefdllten  SarcoleninischlJluehe ;  die  Mu?kelkerne,  aneli  die  inter- 
stitiellen Kerne  der  Muskeln  zeigten  Uberall  .starke  Vermehrung.  Das  interstitielle 
Bindegewebe  Hess  überall  starke  Vermebmng  erkennen;  namentiieh  hatte  das 
61iagewe1)e  im  Gehirn  und  ROckenmark  eine  solche  erfahren.  Im  Gehirn  war 
die  Neurogliascbicht  der  Rinde  und  das  Ependym  der  Ventrikel  verdickt.  Im 
Rfickenniark  betraf  die  Gliawucherung  sowohl  die  Kiudeiischieht  wie  das  Innere 
und  war  deutlich  an  die  Geßlsse  gebunden;  besonders  ausgepriigt  war  sie  au 
den  Hintersträngen,  banptsftehlieh  nm  die  Fisaura  longitudÜMUe»  posterior ;  doch 
fand  sidi  anob  eine  grosse  Menge  von  Corpora  amylacea  (noch  zahlreicher  waren 
diese  im  Ependym  der  Seitenventrikel,  in  den  oberflftch liehen  Gehirnschichten,  wie 
auch  in  der  Peripherie  des  Rückenmarks).  Die  Veränderungen  des  Gcfässsystems 
bestanden  in  Verdieknng  der  Wandungen,  stellenweise  Bildung  von  Ifiliaraneu- 
rysmen,  stellenweise  Zerreissungen  und  Blutextravasate  (im  Gehirn  und  RUeken- 
mark).  Die  Adventitia  enthielt  ziemliehe  Mengen  von  Pigment  (theils  blos  Fett-, 
theils  auch  Blutpigmeut Die  lymphatischen,  perivasculären  und  pericellulären 
RInme  waren  ausgedehnt,  erstere  enthielten  an  einige  Stellen  geronnene  Lymphe, 
an  anderen  emigrirte  Leueooyten  oder  homogene  Engeln  —  wahrseheinlieh  ver- 
änderte Leucoeyten  —  und  an  vielen  Stellen  Rlut.  In  ihrer  Umgebung  war  stellen- 
weise eine  fidematöse  Erweichung  der  llirnsiibstanz  zu  betnerkeu.  Aehnliche  Gefä«*8- 
veränderungeu  zeigten   i>ich  auch  an  den  peripherischen  Nerven  und  Muskeln. 


574 


PABALTSIS  AGITANS.  —  PAROXYSMALE  PDLSATION. 


Der  Centralcanal  des  ROokenmarks  war  überall  dnrch  Wacherung  der  Epithel- 
zellen obliterirt ,  stellenweise  überdies  erweitert ;  überall  war  er  vom  wuchernden 
Gliagewebe  umgeben,  das  eine  grössere  oder  geringere  Zahl  von  Corpora  amy- 
laeea  einMhlws. 

Ketschbr  midlt  darauf  aufmerksam  ,  dass  die  in  seinen  FftUen  vorge- 
fundenen Veränderungen  wesentlich  mit  den  Resultaten  früherer  Autoren,  soweit 
diese  überhaupt  positive  Befunde  bei  Faralysis  agitan»  zu  verzeichnen  hatten, 
UbereioBtimmen ,  und  dass  die  Verindernngen  daher  nicht  infillig 
seien,  sondern  im  Causalnexus  zur  Paralysi»  agitans  stehen 
müssen.  Er  sucht  ferner  durch  vergleichende  Untersuchungen  bei  senilen,  aber 
nicht  an  Paralj/si'-n  a(j{tnns  leidenden  Individuen  zu  erweisen,  dags  es  sich  nur  um 
eine  stärkere  Ausprägung  der  im  Greisenalter  beobachteten  Ver- 
ftndernngen  des  Nervensystems  nnd  der  MnslEeln  bandle,  dass  an 
wesentlich  qualitativer  Untersehied  aber  nicht  stattfinde,  und  dass  (wie  schon 
Jacobsohn,  Dllief  und  Boroherixi  angenommen  hatten)  „die  Paralysis 
agitans  nichts  Anderes  als  der  Ausdruck  einer  abnorm  hoch- 
gradigen, etwa  aueh  vorseitigen  Senilitit  des  Nervensystems 
ist"  — ,  eine  Anschauung,  gegen  die  sieh  vom  klinisehen  Standpunkte  avs  wohl 
manche  Bedenken  gdtend  machen  Hessen.  Enlenliarg. 

PftrOXySmalePulSfttiOn der  erweiterten  Aorta  ahdominali». 

Da  abnorme  Pulsationserscheiniinfrcn  im  Hereiche  des  AliflonuiH  ^tcfs,  wenn  sie 
nur  grössere  Ausdehnung  erreichen,  die  besondere  Aufmerksamkeit  der  Aerzte 
erregt  haben,  so  ist  es  befremdrad,  dass  die  Beobaehtnngen  Uber  „paroxysmale 
Pnlsation  nnd  Dilatation  der  Bauchaorta",  auf  die  ich  bereits  vor  längerer  Zeit  *)  in 
einer  kurzen  Mittheilung  die  Aufmerksamkeit  gelenkt  habe,  so  viel  ich  sehe,  keine 
Beachtung  und  keine  weitere  Darstellung  in  der  Literatur  gefunden  haben,  l'ud  doch 
verdienen  sie  eine  solche  im  hoben  Grade ;  denu  abgesehen  vou  der  diti'erential-dia- 
gnoatischen  Wichtigkeit,  die  der  gleieh  an  schildernden  Ereehdnnng  gegenflber 
anderen,  prognostisch  Rehr  bedenkliehen  Formen  der  Erweiterung  und  abnormen 
ruls.ition  des  genannten  Gefässes  zukommt,  abgesehen  von  der  an  und  für  sich 
schuu  iuteressanten  Tbatsache,  dass  ein  so  grosses  Gel)lss,  dessen  musculäre  Be- 
standtbeile  gegenüber  dem  Reiehtham  an  elastisohem  Oewelw  fast  völlig  in  den  Hinter» 
grund  treten,  oft  innerhalb  weniger  Minuten  eine  Veränderung  seines  Calibers  um 
fast  das  Doppelte  zeigen  kann,  abgesehen  von  diesen  Ocsiolit^piinkten,  ist  der  gleich 
zu  schildernde  Symptomencomplex,  dessen  Ursache,  BegleittTscheiuung  oder  Uaupt- 
symptom  dne  paroxystisebe  Erireitemng  nnd  ausgedehnte  Pnlsation  der  Banch> 
aorta  bildet,  an  und  ftlr  fich  schon  aus  dem  Grunde  geeignet,  das  Interesse  des 
Arzte-«  wachzurufen,  wt  il  (He  Krscheinungen  eine  gewisse  Analogie  mit  der  va^o- 
paralytischen  Form  der  typischen  Migriliie  und  mit  dem  MoiIhik  /{(itf  </o>rii  bieten 
und  einer  symptomatischen ,  uud  theilweise  sogar  causalen  ,  Tlierapie  zugänglich 
siod,  sobald  man  die  Natur  des  Leidens  riehtig  erkannt  hat. 

Bevor  wir  zur  Schilderung  des  charakteristischen  Symptomencomplexes 
übergehen,  wollen  wir  in  Kürze  noch  die  anden-n  Formen  abdominaler  Pulsation 
skizziren,  von  denen  die  hier  in  Betracht  kommende  Erscheinung  gewohnlich  wohl 
zu  nnterseheiden  ist  nnd  mit  denen  sie  nur  verweeh^lt  werden  könnte,  wenn  der 
Paroxysmus  der  Gefässerw<>iterung  und  verstirkten  Pnlsation  sehr  lange  dauert, 
und  wenn  die  Mittel,  die  Pnlsation  künstlich  zu  verringern  oder  zum  Verschwinden 
zu  bringen,  also  den  Paroxysmus  durch  unsere  EingriÖ'e  zu  beendigen,  versagen. 

Die  hinfigste  Form  der  abdominalen  Pnlsation  ist  bekanntlieh  die  soge- 
nannte epigastrisehe  Pulsatioo,  die  entweder  durch  das  H*  r/  u  ler  unter  besonders 
günstigen  FortlcitungsbediDgungen  (iurch  die  Aortn  nlxlominnl i\-  dder  den  Tripus 
Ualleri  verursacht  wird.  Die  Pulsation  durch  das  Herz  ist  natürlich  auch  nur 

*j  (I.  Rosenbach.  Die  Aufblähung  des  Mairent  mit  Koblenaiare als  diagnostitchM 
Hilfsmittel  etc.  Dentsche  ued.  Wocheuschr.  18S2,  Nr. 


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PAROXVäUALE  PULSATION. 


575 


fort^eleitet  und  sie  kuinmt  nur  zu  Stande,  wenn  das  Zwerchfell  bei  einem  iDiaBigen 
Grade  von  Hypertrophie  des  rechten  Ventrikels  sehr  tief  steht  (Volumen  pulmon  um 
auctum  und  Emphysem)  oder  wenn  eine  Combinatiou  von  compensatoriadier  Lungeu- 
blfthung  und  starker  Dilatation  des  gesammten  Ueneas  vorliegt.  In  allen  solehen 
Fällen  theilen  sieb  die  Bewegungen  des  Hersens  als  pnlsatorisehe  Erschfltterungen 
dorn  Epipastrium  oft  in  weiter  Ausdehnunj;:  mit,  und  es  p^eling^t  nicht  selten, 
beim  tiefen  Eindrin'^en  mit  der  etwan  nach  uheu  gerichteten  Fingerspitze  unter- 
halb des  Processus  xiiihoideus  die  Puleatioa  des  am  tiefsten  liegenden  Herzab- 
schnittes  ^m»t  sa  palpiren.*) 

Eine  pnlsatorisehe  Erschfltterung  kommt  ferner  dadurch  zu  Stande,  dass  bei 
magreren  Personen  und  nachfiehitren  }?jiuchdeeken  die  Aort:i  seihst  ihre  Pulsation  dem 
palpirenden  Finger  deutlich  mittheilt  uud  unter  günstigen  bedio^ungcn  auch  Pulsatiouen 
in  den  Naehbarorganen  erregt  Namentlieh  wenn  die  Leber  etwas  indurirt  and 
vergrössert  igt  oder  wenn  sie  die  als  Schnürleber  bekannten  Verunstaltungen  zeigt,  ist 
die  Pnlsation  ^rewöhulich  sehr  autlallend.  Hhenso  kann  auch  bei  gewissen  eigen- 
thUmlichen  Lagerung»-  uud  Fixationsverhältuisseu  dea  Faacreas  eine  ausgebreitete 
Ptthatioa  dieses  Organes,  namentlieh  des  Kopfes,  vorkommen,  die  bekanntlieh  sii 
den  sehwersten  dia^ostisehen  Problemen  gehört.  Aueh  contrahirte  und  gefDIlte 
l)arni«('lilitv;ren  können  unter  gewissen  Modifieationen  dun'h  die  Aorta  in  starke 
l'ulsation  jrerathen ,  uud  ebenso  ist  bisweilen  eine  Pulsation  des  Pylorustheiles 
des  gefüllten  und  erweiterteu  Magens  zu  beobachten,  die  tbeils  durch  die  Aotta 
ahdominaU*  und  ihre  Aeste,  also  dureh  Fortleitnng  hervorgerufen  wird,  th^s  in 
dem  contrahirten  Pylorus  selbst  entsteht,  an  dem  man  dann  gewöhnlich  bei  nach- 
giebigen Bauchdt'cken  eine  kleinere  Arterie  deutlich  pulsiren  ffihlt.  Indem  wir 
die  Pul8ation  der  Leber  uud  Milz,  die  bei  Insuliicieuz  der  Aurtenklappeu  oft  sehr 
dentlieh  ist  und  aueh  die  abnorm  starke  Pnlsation  d«r  AbdominalgeOsse ,  die 
bei  diesem  Klapponfehler  nnd  bei  der  sogenannten  Enteroptose  so  hlnflg  vor- 
kommt, überdrehen,  wollen  wir  noch  mit  eini^ren  Worten  das  Aneurysma  der 
Aorta  abdominalis  uud  am  Schluss  dieser  Abhandlung  eine  besondere  Form  der 
selerotiwben  Verdickung  dieses  Geftsses,  deren  Prognose  eine  relativ  günstige  xu 
sein  seheint,  erwähnen. 

Es  ist  bekanntlirh  kaum  eine  Dianrnosc  schwieriger  als  die  des  Aneurysma 
der  Aorta  abdominalis  \  denn  selbst  das  für  besonders  charakteristisch  geltende 
KeoDzeiehen,  die  Querpulsatiou  des  der  Aorta  angebörigeo  aueurysmatisehen 
Tumors,  ist,  wie  wir  bei  der  Sehildemng  der  paroxysmalen  Erweiterung  der  Aorta 
sehen  werden ,  durchaus  nicht  ein'leutig  und  etwa  nur  auf  eine  aneurysmatische 
Krweiternnsr  des  (ielasses  aus  organischer  l'rsache  zun'ickzuftihreu,  ganz  abgesehen 
davon,  dass  eine  Austiiüuug  des  Sacke-s  mit  üeriuuseln  oder  eine  besondere 
selerotisehe  Verdickung  der  Wand  tlberhaupt  jede  Pnlsation  aufhebt.  Bbenso- 

*)  Es  iät  bekanntlich  Hohr  schwer,  ja  uumüglich,  an  der  Leiche  ein  sicheres  Urtheil 
Ober  die  R«um*  und  Lageverhältnisse  des  Herzens  und  namentlich  aber  iMneo  FäUaagnnstaad 
an  flffhalton,  und  man  ist  oft  orstaant,  dort  ein  relativ  kleines  Hers  anzutreffen,  wo  man  im 
Leben  eine  starke  Pnlnation  und  Dämpfnng,  die  sieh  auf  einen  selir  weiten  BesM  eritreekte, 

vor  sicli  liatte.  Bs  is-t  leir  ht  einzusehen,  das«  es  sich  —  eine  genaue  Untersuchung  im  Leben 
vorausgesetst  —  hier  nicht  oiu  grobe  diagnostische  Irrtbümer  handeln  kann,  sondern  dass 
der  Fflllnngasnataid  der  OefKise ,  die  Spannang  des  activen  Organs ,  mit  einem  Wort«  der 
Turgor  der  Gewehe,  der  während  des  TiCbens  1)estcbt.  das  Bild  für  den  Arzt  fast  immer  gaas 
anders  gestalten,  als  ftir  den  pathologischen  Anatomen,  und  es  riihrt  ein  Theil  der  Ditl'erenzen 
der  von  so  verschiedenartigem  Standpunkte  aus  ihr  ürtheil  abgebenden  Beobachter  nur  von  der 
Nicbtberäckaichtigang  dieser  Verhältnisse  her.  Meiner  Aaffassang  nacli  ist  aach  der  Zwercb* 
feUstand  im  Leben  ein  ganx  anderer  als  im  Tode,  nnd  wer  sidi  gewöhnt  hat,  die  unteren 
TlloraxabBchnitte ,  namentlich  l»pi  fjpwissen  CJraden  der  Dyspnoe,  kurz  vordem  Tode  genau 
an  beobachten,  wer  also  den  Stand  de.'«  krampfhaft  arbeitenden  ZwerchiVlles  nicht  blos  durch 
Pwcnssion  erscUosaeo,  sondern  gevissermassen  wirklich  vor  sich  gesehen  hat,  der  wird  stets 
flbsirasollt  sein,  wenn  dann  bei  der  Section  ein  anfikUend  hoher  Zwerchfellstand  notirt  wird. 
Aneb  bei  Yivisectionen  von  Thieren ,  denen  ktlnstlicbe  Klappenfehler  ersengt  waren ,  hat  es 
mich  immer  überrascht,  die  betrachtlichen  Difiereuzen  zu  constatiren,  die  die  HersbShlen  nnd 
grossen  Qefisse  im  Leben  und  nach  dem  Tode  zeigten. 


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576 


PABOXTSMALE  PULSATION. 


wMtig  cbarakteristigch  sind  4i9  nderen  Symptome  eines  Aneurysmas,  au(-b  wenn 
sie  anscheinend  sehr  s<tark  ansgesprophen  sind,  und  wenn  der  pulsirendr  Tumor  «'ine 
grosse  Ausbreitung  besitzt  und  eine  sehr  starke  Erschütterung  der  Kachbarorgane 
hervorrofk.  Selbtt  die  ftmetionelliii  aarrOwii  Störungen,  «b  «ii8gespro<A«iM 
Aneurysma  mit  sich  ftthrt,  nnd  dnreliAtts  uicht  patikognomoiiiaoli ;  denn  die  oft 
für  charakteristisch  pehaltcnon .  sobnfierzhaften  Paroxysmen  —  sei  es ,  dass  die 
Schmerzen  sieb  auf  die  ganze  Wirbelsäule  oder  nur  auf  einen  bestimmten  Punkt 
erstrecken  oder  dass  sie  sogar  in  die  unteren  Extremitäten  ausstrahlen  —  kommen 
in  gnns  derselben  Wdie  aneh  bei  aehweren  Formen  von  Kolik  oder  bei  Dmelc 
von  Tumoren  auf  die  Wirbelsäule  oder  bei  Myelitis  vor;  werden  sie  ja  doch  auf 
rein  mechanische  Weise  und  durch  Einwirkung  auf  dieselben  nervösen  Apparate 
ausgelöst.  Auch  die  im  Bezirke  der  Gefäsüerweiterung  nachweisbaren  acustiacben 
Symptome  sind  oft  nieht  direet  Ar  ffie  Diagnose  eines  Anenryimaa  sn  vwwertiieo, 
und  man  muss  selbst  bei  Anwesenheit  deutlicher  Geräusche  mit  der  Deutung 
recht  vorsichtig  sein ;  denn  durch  blossen  Druck  mit  dpin  Stethoskop  kann  unter 
günstigen  Umständen  nicht  blos,  wie  ja  allgemein  bekannt  ist,  ein  langes,  laute«, 
systolisdieB  Geriuseh,  dem  man  ja  gewftbnlieii  keine  Bedeutung  bdmieit,  Mmdern 
andi,  wie  wir  uns  wiederbolentlich  uberzeugt  haben,  ein  diastolisebes  oder  eon- 
tinuirlicbes  Gerflusch  hervorgebracht  werden.  Namentlich  bei  ganz  i?esundcn, 
jugendlichen ,  blutleeren  Personen  mit  weiten  TJefässen  und  auch  bei  älteren 
Leuten,  die  die  Zeichen  der  Arteriosclerose  boten,  haben  wir  bei  erregter  Herz- 
aetion  in  gewissen  Lagen  Idebt  syttolisehe  nnd  diastolisebe  Oerlttsebe  dnreb 
Druck  mit  dem  Stethoskop  hervorrufen  können,  nnd  besonders  dann  gelingt  es 
bei  bestimmtem  Druck  dies  Phänomen  hervorzurufen,  wenn  man  einifro  Centimeter 
oberhalb  der  Stelle,  wo  man  ausoultirt,  respective  mit  dem  Stethoskop  einen  leichten 
Dmek  ansflbt,  mit  den  Fingern  alimftlig  vorsiebtig  die  gamse  Cirenmferena  des 
eentralw.irts  gelegenen  QeAsses  zu  comprimiren  versucht.  Elienso  aber,  wie  liier 
künstlich  durch  die  Fiuffercompression,  kann  —  gleichsam  auf  natürlichem  Wege  — 
durch  besondere  Lageverhältnisse  des  Gefässes  oder  durch  den  Druck  benachbarter 
Organe  die  Bildung  der  Oerinsebe  so  begOnstigt  werden,  dass  dann  aneb  der 
leichteste,  unterhalb  einer  solchen  Stelle  mit  dem  Stetiioskop  vorgenommene  Druck 
neben  dem  systolischen  ein  diastolisches  f^erftusch  erzielen  kann,  das  zwar  nicht 
an  derselben  Stelle  entsteht,  dessen  Entstehungsurt  aber  aueh  nicht  von  dem 
des  systolischen  zu  dilTerenziren  ist.  D&Hfi  auch  in  den  grossen  Vencustämmen  des 
Unterldbee  Oerilusebe  von  prlsystolisebem  oder  diastolischem  Cbarakter  entstehen, 
ist  kaum  zweifelhaft ,  wie  wir  ja  auch  zuerst  nachgewiesen  haben ,  dass  rein 
diastolische  Geriiusche,  die  von  Herzgerflusehen  nicht  zu  unterscheiden  sind,  in 
den  grossen  Venen  des  Brustkorbes  zu  Stande  kommen.^)  Natürlich  ist  unter 
soleben  Umstinden  die  Diagnose  eines  Aneurysmas,  selbst  wenn  sie  deb  auf  ein 
diastolisches  oder  doppeltes  Gerinsoh  im  Gebiete  der  Aorta  ahdommali»  gründet, 
sehr  erschwert,  und  wir  erinnern  uns  nielirerer  Fftlle,  in  denen  bei  ganz  gesunden 
Persoueu  83'8tolische  und  diastolische  Geräusche  im  Epi-  und  Mesogastrium  vor- 
handen waren,  die  dem  si^^annimi  douU«  wv^e  tntermiUent  erural  vOllig 
glichen.  Kommt  nun  noch,  wie  in  den  gleieb  zu  beschreibenden  Fällen  von 
paroxysmaler  Pulsation  der  erweiterten  Aorta,  die  charakteristisclir  r[Mi!satiou, 
d.  h.  die  Krweiterung  des  pulsirenden  Tumors  in  allen  iMirchmes.scrn  zur  Beob- 
achtung, SU  iät  es  nicht  zu  verwundern,  weuu  man  solchen  l^'UHeu  eine  Zeit  lang 
völlig  ratblos  gegenflberstebt,  nnd  es  ist  deshalb  zweifeltos,  dass  der  KUrlegnng 
dieser  Verhältnisse  eine  besondere  Bedeutung  zukommen  muss,  da  Prognose  und 
Therapie  in  gleicher  Weise  aus  der  rechtzeitigen  rntersuchung  Nutzen  schöpfen  können. 

Man  wird  es  also  gerechtfertigt  finden,  wenn  wir  der  in  Paroxysmen 
auftretenden  Erweiterung  der  Banebaorta,  die  stets  von  den  heftigsten  eardial- 
giscben  Beschwerden  begleitet  ist,  hier  eine  besondere  Erwähnung  zu  Theil  werden 

*)0.  Rosenbacb,  Ueher  miuikaliscbe  UerzgeniUäcUe.  Wiener  Klinik.  ISi'ii,  pa^-  60  S. 


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PABOXYSMALE  PÜLSATIOM.  577 

lassen  ,  da  uns  in  einer  lan^fthrigen  Beobachtung  sehr  vielo  Fälle  des  Leidens 
zu  (rcsicht  {Tckomnien  sind,  und  da  es  uns  nicht  zweifelhalt  ist,  dass  diese 
Pulsatiou  des  Gefässes  bei  der  Entwicklung  einer  grossen  Keihe  von  cardial- 
gtsehen  Anftllen  sehr  stark  betheiligt  ist.  Wir  mOehten  sogar  annehmen,  daas 
die  Erweiterung  an  und  für  sich  und  der  dadurch  bedingte,  intermittirende  und 
periodische  Druck  auf  die  Nachbarschaft  nicht  fremde  selten  überhaupt  die  einzige 
l'rsache  der  Schmerzparoxysmen  ist,  besonders  wenn  das  erweiterte  und  stark 
pulsirende  Gefäss  die  Nervenplexns  ttaric  zerrt  und  ersohflttert;  ^o6k  ist  es 
immerhin  möglich,  dass  auch  «ine  primire  sensible  Reisung  (unbekanntnr  Aetiologie) 
im  Gebiete  der  Nervenplexus  in  gleicher  Weise  den  Schmerz  und  auf  dem  Reflex- 
wege die  Erweiternnfr  des  OefUsses  auslöst,  wie  ja  auch  ähnliche  Verhältnisse 
bei  der  Uemikranie  obwalten,  die  doch  nicht  selten  von  EutzUndungen  der  Augen, 
der  Nase,  der  Zähne  ans  refleeteriseh  ausgelost  wird. 

Die  Dilatation  des  Gef^sses  selbst,  auf  die  wir  später  za  sprechen 
kommen  ,  ist  wohl  kauiu  auf  eine  Reizung  frefJtsserweiternder  Nerven  —  solche 
sind  ja  doch  für  Geiässätämme  so  grossen  Calibers  nicht  bekannt  —  zurtlckzu- 
fahren,  aber  de  besitst  wohl  als  Symptom  dieselbe  Dignität,  wie  der  Torgor  des 
fte^icbts  und  das  Pulairen  der  Carotiden  und  Temporalarterien  bei  der  sogenannten 
llfiiitirraiiia  sympathiro- parnh/t irn ,  l)a  beim  Fehlen  von  Vasodilatatoren  für 
den  Stamm  der  Arteric  ein  solcher  langdauornder  Nachlafs  des  Tonus  also  seine 
Ursache  nnr  in  einer  Veränderung  der  Abflnsswiderstände  im  Capillargebiet  haben 
kann,  und  da  eine  solche  Erweiterung  des  Strombettes  gewöhnlich  nur  von  einer 
primären  Vermehrung  oder  Veränderunor  der  Arbeit  im  Protoplasma  dieser  Gefäs^?- 
bezirke  herrührt,  s<»  wird  wolil  auch  hier  der  Erficheiniinfr  in  letzter  Linie  eine 
erhöhte  Heizung  gewisser  Protuplasmagebiete  zu  Grunde  liegen;  d.  h.  eine  beträcht- 
liche Steigerung  der  Tbätigkeit  der  im  Gebiete  des  Hagendarmtraetus  gelegenen 
Apparate,  besonders  wohl  der  grossen  Drüsen,  mu8>  n  iturgemÄss  zu  vermehrtem  Blut- 
abfluSR  aus  der  Aorta  und  zu  einer  Verbreiterung  ihres  Querschnittes  führen.  In  der 
That  sehen  wir  auch,  dass  gewöhnlich  schon  dem  Eintritt  der  Pulsation  Verdauuugs- 
besehwerden  eine  Zeit  lang  TOransgeben  and  dass  mit  der  Pid$<Uio  aortica  auch 
stets  eine  beträchtliche,  dauernde  Verdauungsstörung  verbunden  ist,  diedch  in  HeiaS' 
bun}rer.  Flatulenz,  Obstipation,  (Jefiihl  der  Vdlle  äussert  und  bei  längerem  Be.-*tehen 
der  Anfälle  stets  zu  starker  Anämie  und  Abmagerung  und  dadurch  zu  besorgnlss- 
erregenden  Sehwächesuständen  fflbrt.  Diese  Verdauung»-  und  Ernälirungsstörung 
muss  auf  directe  primäre  Functionsveränderungen  in  den  assimilirendea  und 
resorbirenden  Apparaten  »nrflckgefUhrt  werden,  .^ie  kann  nicht  ein  .'iecundäres 
Leiden,  etwa  eine  Folge  der  Schmerzparoxysmen  sein ;  denn  meist  sind  diese  ja 
nur  eine  Begleiterscheinung  der  stärkeren  Grade  der  l'ulsation  und  fehlen  bei 
geringeren  Graden  der  paroxysmalen  Erweiterung.  Natflriich  läset  sieh  aber  aneh 
nicht  leugnen ,  daF^.s  sehr  ausgeprägte  und  langdauernde  Sehmerzparoxysmen 
das  ihrige  zu  der  allgemeinen  Kmährungs.st<irung  beitrafren  mögen;  denn  es  ist 
leicht  einzusehen,  dass  ein  sehr  starkes  Pul.siren,  zumal  wenn  die  Erweiterung 
des  Gefässes  während  der  einzelnen  Anfälle  sehr  lange  andauert,  dureh  die 
beträchtliche  und  darum  sdimerzbafte  Erschütterung  der  Wirbelsäule  und  der 
zahlreichen  Nervenplexus  im  Abdomen  den  Körperhaushalt  im  höchsten  Masse 
UDgUnstig  beeintiussen  muss,  ganz  abgesehen  davon,  dass  der  Schlaf  und  die 
Gemflthsstimmung  durch  die  Cardialgieen  weseotlieh  gfsstSrt  werden.  Dazu  kommt 
noch  ,  dass  schliesslich  auch  das  Herz  bei  den  Anfällen  von  intermittirender  Er- 
weiterung der  Jorfn  tihilouiinnl i'^  nicht  mehr  iinbethciliirt  bleibt;  denn  es 
mus.s  ja  ver.stärkt  arbeiten,  um  die  grössere  Blutmen^^c  für  das  erweiterte  Gefäss, 
in  dem ,  wie  die  Geräuscbbildung  beweist ,  die  Strömung  wesentlich  beschleunigt 
ist,  zu  liefern.  So  stellt  sich  gewäbnlieb  während  der  AnftUe  und  aneh  aebon 
vor  Beginn  des  typischen  Vorganges  starkes  Herzklopfen  ein;  die  Herzdämpfung 
und  der  Herzshok  ist  verbreitert,  es  treten  pulsatorische  Vorwölbungen  der  Inter- 
costalräume  auf  und  .sogar  die  ilalsgefässe  können  eine  stärkere  Pulsation  als 
Bncyolop.  Jahrbttehtr.  III.  ^ 


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578 


PAKÜXV6MALE  PUL.SATION. 


sonst  zeifreii.  Die  I'ii!sfrc(]ii<'nz  ist  im  typischen  Anfall  gew()bnlicb ,  doch  nicht 
immer  beträchtlich,  gesteigert;  der  l'uls  au  der  Kadialarterie  und  Carotis  ist 
gewöhnlich  eog,  aber  etwas  hflpfend;  dagegen  zeigt  er  sich  ia  den  Iliacae,  falls 
sie  tastbar  sind,  nur  wenig ,  ia  den  Arterien  des  Untersehenkeb  eigentUeh  gar 
nicht  vcr-iiidert.  In  nicht  seltenen  Füllen  findet  man  Ktlhle  der  H.'inde  und  Fflsse 
mit  leichttT  Cyanose.  Dabei  bestt'bt  eine  höchst  lästige  Einptindun?  in  der  llerz- 
uod  Oberbaucbgegend,  ein  Gefühl  der  Fülle  und  Beängstigung ;  nicht  selten  setzt 
der  Pols  ans  nnd  die  Hersaetion  wird  fttr  einige  Zeit  naregelmlssig.  Das  ist 
immer  dann  der  Fall,  wenn  die  Calibersch wanknngen  der  BanehaorU 
deutlich  ausgeprägt  sind,  wenn  Verengerung  mit  Erweiterung:  in 
relativ  tkUrzen  Intervallen  abwechselt,  wie  man  während  eines 
tyiüschen  Anfalls  dentlieb  beobaehten  kann.  Namenttieb  der  pldtsUebe  Uebergaog 
von  der  besehleunigtea  Herzaction  zur  Verlangsamnng,  der  mit  einer  betrieht* 
liehen  Vercn^rernntr  des  vorher  erweiterten  Geftsses  verbunden  zu  sein  pfleort, 
übt  aut  die  Krauken  meist  einen  sehr  unangenehmen  Einiluas,  da  der  Augenblick 
der  Gefltosverengerung  und  Pulsverlangsamung  sieh  dnreh  den  Eintritt  einer  Art 
von  Shok  oder  Baek,  der  im  ganzen  KOrper  empfanden  wird,  kandgiebt. 

Diese  Form  der  Anfälle  hat  grosse  Aehnüehkeit  mit  denen  der  paro- 
xysmalen Tachycardie,  die,  wie  wir  g'laubeu ,  in  vielen  Fallen  ihre 
Ursache  eben  nicht,  wie  gewöhnlich  augeuommeu  wird,  in  einer  centralen  \  agus- 
Ifthmung,  Boadem  oft  wobl  nw  in  einer  allgemeinen,  vom  vasomotorisehea  Gentram 
aus  aasgellMen  Herabsetsnng  des  arteriellen  Tonus  hat.  Sei  es  nun,  dass  diese 
Entspannung  central  bedinjrt  ist,  sei  es,  das»  sie  die  Fol^e  primär  veränderter 
Arbeit  in  einem  grösseren  Körperbezirk  ist,  die  erst  secuudär  eine  Entspannung 
des  Oefässsystems  in  ober  grosseren  Gefilssprovina  naeh  sieh  sieht,  in  jedem 
Falle  wird  dadttrcb  eine  veränderte  aad  aieist  wohl  vermehrte  Arbeit  fUr  das 
Hen  geschaflVn. 

Auch  zu  den  Erscheinungen  des  Morbus  ßaseäown  kann  diese 
Erweiterung  der  Aorta  in  gewisse  Beoehungen  gebraeht  werden;  nur  dass  bei 
Morbus  BatedowUvDKUxt  die  GefUsse  der  oberen  KOrperhälfte,  besonders  dieCarotlden, 

\m  der  uns  hier  beschäftigenden  Aft'ection  vorzup-sweise  das  f  laiiptfref^iss  der  Fnter- 
leibsor^ane  betheili^t  ist.  Auch  tritt  in  beiden  Fällen  die  Hetheili^unfr  des  Herzens 
beim  Ausgleich  der  Störungen  ziemlich  stark  hervor.  Wie  im  Falle  des  Morbus 
Btuedcwn  eine  Anomalie  der  Sehilddrasenftinetion  snerst  den  Oeftssapparat  des 
Kopfes  und  dann  das  Hen  lam  Zwecke  der  Compensation  in  Mitleidenseliaft 
zieht,  so  ;;lauben  wir,  dass  hier  eine  Functionsstöruug  eines  Fnterleibsorgranes, 
wühl  einer  grossen  Drüse,  dieselbe  Wirkung  ausübt  und,  wie  natürlich,  zuerst 
Folgeersebelunngen  in  der  betreffbnden  Geftssprovins  naeh  sieh  sieht. 

Wenn  auch  der  Umstand,  dass  ein  so  grosses  Gefäss,  wie  die  Bauch* 
aorta.  noch  einer  besonderen  helrächtliehen  ,  oft  sogar  schnell  vnrltbergehenden 
und  mit  bedeutender  Verengerung  abwechselnden,  Volumenszunahme  fähig  sein 
soll,  auf  den  ersten  Bliek  sehr  auffallend  erscheint,  zumal  wenn  man  bedenkt, 
dass  die  Geflteswand  ja  auf  dieser  ganzen  Strecke  nur  eine  geringe  Muaenlatar 
enthält ,  so  liisst  sich  doch  da«  von  uns  lieobachtete  Factum  nicht  ableugnen, 
vou  dem  man  sich  zudem  leicht  überzciijron  kann .  da  sowohl  bei  schlatlen ,  als 
bei  resiäteutereu  Bauchdecken  sich  die  Verhältoisiie ,  uhue  Möglichkeit  eines 
Irrthumes,  vOUig  genau  bestimmen  lassen.  Man  kann  dnreh  Palpatioa  auf  das 
Bestimmteste  feststellen,  dass  in  manchen  F.nlleu  die  Erweiterung^  nicht  selten  fast 
das  Doppelte  des  sonstiiren  GefSssumfanges  beträgt  und  man  kann  ebenso  leicht 
constatiren,  dass  nach  kürzerer  oder  längerer  Zeit  das  vorher  stark  pulsirende 
und  erweiterte  Geftss  wieder  kaum  merklldi  pnldrt  oder  wenigstens  den  normalen 
rmfaug  nicht  überschreitet,  während  man  inn  anderes  Mal  in  einem  solehen 
Anfall  das  Gefiiss.  das  in  normaler  Zeit  nur  mit  Mühe  fühlbar  war,  als  pralleUi 
rundlichen,  nach  allen  Seiten  pulsirendeu  und  sich  mit  Energie  ausdehnenden 
Rftrper  vorfindet.  Wir  haben  ia  einer  ziemlichen  Anzahl  von  Fällen  unter  unseren 


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PABOXTSHALB  PULSAHON^ 


579 


Angeo  solcbe  Erveitenuigwi  (▼<»ii  sellwt  und  dureh  da»  gleich  zu  beflehreibende 
Verfahren)  Temshwinden  und  nach  kurzer  Zeit  wieder  auftreten  schon,  so  daas 
Aber  die  Thatsache  kein  Zweifel  mehr  herrschen  kann,  da'is  ltrtr.1chtliche  Er- 
weiteruDgsfllbigkeit  auch  ein  Attribut  normaler  Gefässe  gröääteu  Calibers  und 
aueh  aoleher  ist,  die  nicht  mit  beeondera  atarker  Masenlatnr  Teraeheu  aiod. 

Die  ThatHache  der  Erwoiterungaffthigkeit  anderer  ^osaer  Gefkaae,  z.  B. 
der  Carotis  und  'i'cmpnralis,  ilhcr  die  ja  ironiiq'  klinische  Erfahrungen  vorlieqren, 
nimmt  ja,  auch  weua  die  Sehwaukungcn  innerhalb  kurzer  Zeit,  oameDtlich  in 
Perioden  psychiseher  Erregung  sehr  hetiüebtUeh  sind,  niemanden  Wander,  weil 
der  grOasere  Muskelreichthum  der  Oefässwand  hier  für  die  Möglichkeit  der  Con- 
traction  und  Dilatation  einen  ausreichenden  Erkl-iningsgrund  ahgiebt ;  solchen 
Erscheinungen  aber  auch  an  der  Aorta  zu  begegnen,  ist  iiu  ersten  Auji^enblick 
befremdend,  doch  liefern  unsere  Beobachtungen  —  wir  haben  auch  oft  Gelegenheit 
gcliabt,  daa  Factnm  an  demonatrireo  —  den  vollen  Beweia,  daaa  aueh  hier  ein 
beträchtlicher  vitaler  Tonus  bestehen  muss,  der  in  der  Norm  das  elastische  Gewebe 
zwingt,  sich  stark  7,u  oontrahiren  und  dessen  Nachlass  unter  physinlo;;i8ehen  und 
patilologi sehen  Verhältnissen  eiue  beträchtliche  Erschlaffung  bedingen  kann, 
die  aehr  weit  Uber  daa  Maas  der  normalen  gefäaadiaatoUachen  Erweiterang  hinava- 
geht.  aber  natflriidi  nie  za  einer  dAuemden  Dehnung  (Reeknng)  der  elaatiaelieii 
Medien  fuhrt. 

Bei  der  Palpation  des  paroxystisch  erweiterten  Gefässe«  constatirt  man 
aehon  bei  leiehteatem  Druck  ein  weit  ansgebreitetea ,  aystolisebea  Schwirren  und 
bei  der  Anacnitaliun  %'ernimmt  man  entweder  ein  lautes,  rauhes,  Uber  das  ganze 
Abdomen  hin  sich  verbreitendes ,  utitrallend  laueres  Gerau-^ch  oder  eine  Art  von 
continuirlichem  Sausen,  in  dem  sich  bisweilen  zwei  getrennte  Phasen,  deren  letzte 
mehr  hauchend  ist,  unteraeheiden  lassen.  Nach  der  Verengerung  des  GefUmea 
veraehirindet  gewJthnlieh  daa  Oertuaeh  bia  auf  ein  leiehtes  Biaaea,  daa  nur  bei 
starkem  Druck  des  Stethoskops  hörbar  ist,  und  man  vernimmt  dann  nur  ein 
leiehtes  dumpfes  Klopfen.  Nicht  immer  sind,  auch  bei  stark  erweitertem  (iofiUse, 
Geräusche  zu  höreu,  sondern  es  besteht  bei  leichtem  Aufsetzeu  des  Hörrohres 
ein  eiDfaeher  oder  verdoppelter  (geapaltener)  atarker  Ton,  der  mit  einer  IratrSoht- 
liehen  Erschütterung  der  Umgebung  verbunden  ist. 

Der  Anlall,  dessen  Dauer  keine  bestimmte  ist,  besteht  gewiihnlieh  ans 
einer  Vorperiodo,  die  durch  die  schon  beschriebenen,  schmerzhaften  und  unaa- 
genehmen  Empfindungen  charakteriairt  iat,  an  die  aich  die  Aeme  mit  atMrkater 
Verbreiterung  und  Pulsation  des  GefSssce  ansebliesst,  worauf  nach  einem  bezüglich 
der  Dauer  nicht  bestimmbaren  Intervall,  unter  plf^tzlicher  Venrnfrernn?  des  Ge- 
filsses  eine  gewisse  Euphorie  eintritt,  die  aber  durch  das  GefUhl  grosser  Schwäche 
und  verschiedene  unangenehme  Senaationen  getrtlbt  wird.  In  seltenen  FlUen  folgen 
Perioden  der  Erweiterung  und  Vaengerung  aufeinander ;  in  einem  sehr  schweren 
Paliehabe  ich  diesen  Wechsel  viermal  lienb.i'hfet.  bis  die  normalen  Verhältnisse  dauernd 
wiederkehrten.  Die  höchste  Dauer  des  gesammten  typischen  Anfalles  wird  etwa 
3 — 4  stunden  betragen  ;  die  abortiven  Anfälle  sind  entsprechend  kürzer;  doch  lassen 
aieh,  wie  geaagt,  aiehere  Zeitangaben  nieht  machen.  Bemerkenawerth  ist  es,  daaa 
auch  bei  den  leichten  Anßlllen  und  noch  nach  ihrer  Beendigung  Würgebewegungen 
bestehen,  w.lhrend  bei  den  schweren  nicht  selten  wirkliches  Erbrechen,  das  ja 
auch  bei  der  Migräue  so  sehr  im  Vordergrunde  steht,  und  Speicheläuss  zur 
Beobaditung  kommt. 

Das  uns  hier  beschiftigende  Krankheitsbild  haben  wir  vorwiegend  bti 
Frauen  aller  IJevölkerungsclassen  beobachtet,  \n\<\  zwar  stets  bei  Frauen,  die 
aehon  Jahre  lang  an  Anfällen  von  heftigen,  bohrenden  und  reissenden  cardialgischan 
Schmerzen  litten,  an  die  flieh  oft  qualvolles  Erbrechen  ansehloss.  Ein  grosMr 
Theil  der  Kranken  beschreibt  daa  Schmerzgefühl  als  klopfend  oder  giebt  an,  daaa 
wahrend  der  Schmer/aufiUle  ein  starke-i.  sehr  beÄngstigendes  Pulsiren  und  Schlagen 
in  der  Oberbauchgegend,  selten  im  mittleren  oder  unteren  Tbeile  des  Abdomens, 

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560 


PA£0XY8MAL£  PULSATION. 


besteht.  Nicht  selten  strahlen  die  Schmerzen  naeh  dem  Rüeken  hin  aus,  währeid 
Ausstrahlunof  nach  den  Beinen  sehr  selten  ist.  Dagegen  besteht  häufig  noch  lange 
Zeit  nach  dem  Anfalle  eine  öchmershaftigkeit  einzelner  Dornfortaätze  im  Lenden- 
theile  der  Wirbeliftalef  sowie  eine  starke  Hyperistiieeie  der  Bavehbrat,  naiiMBtlieli 
der  linken  Seite.  Die  Anfälle  sind  gewOlmlich  mit  Stuhlverstopfuu^^  verbanden 
oder  Stuhl vcr-topfunj,'  ;^eht  ihnen  voraus.  In  vielen  Fällen  flehen  die  Kranken 
während  des  Anfalls  blass  und  verfallen  aus  und  zeigen  kalten,  klebrigen  Schweiss ; 
euch  leidet  die  Ernähruog  schon  nach  wenigen  Anßlllen,  falle  sie  schnell  auf- 
dnanderfolgen,  sehr  betrlehtlieh.  Der  Anfall  eadigt  adst  sehr  plfttdieh,  doeh  ist 
die  Euphorie  wegen  des  ZnrflekbleibenR  länger  dauernder  Schwächezustände  meist 
keine  so  vollkommene,  wie  bei  leichten  AnCrilleu  paroxysmaler  Tachycardie. 
Sehr  selten  linden  blosse  Kemis^ioncn  der  Anl&Uu  statt,  doch  kanu  sich  auch  ein 
Anfall,  der  ansebeinend  gana  aa^^ffrt  hat,  naeh  wenigen  Stunden  in  derselben 
Weise  wiederholen.  Die  Zdtdanw  der  Anfälle  ist  sehr  variabel;  sie  erstreoken 
sich  meist  über  mehrere  Stunden  und  nicht  selten  mit  wechselnder  Intensität 
Uber  mehrere  Tage.  Auch  bezüglich  der  Intervalle  zwischen  den  einzelnen  An- 
fUlen  und  den  Perloden  gehlnfler  AnfMle  best^t  kdne  Regelnissigkeit ;  sie 
eessiren  Woehen,  Monate,  Jahre. 

Sehr  morkwfIrdiL'"  ist  die  Wirkung,  die  stärkerer  Druck  auf  das  pulsirendo 
Gefäsä  oder  aut  den  oberen  Theil  des  Abdomens  in  solchen  Anfällen  auszuüben 
vermag.  Der  Druck  ist  gewöhnlich  anf&Dglioh  sehr  schmerzhaft,  wird  aber,  wenn 
man  mit  Imsem  Druek  beginnt  und  ihn  gans  atlmilig  verstärkt,  immer  weniger 
empfindlich ;  zuletzt  erzeugt  er  sogar  ein  gewisses  Ocfiihl  der  Beruhigunir,  und 
nachdem  man  ihn  etwa  eine  Minute  lajiir  ansKeiiht  hat,  hört  oft  Schmerz  und 
Pulsation  mit  einem  Schlage  auf  und  die  Aorta  zeigt  plötzlich  ihr  normales 
Caliber  und  normale  Pnlsation.  Es  liegt  hier  entsehieden  eine  Analogie  ndt  der 
Wirkung  der  Caiotidencompression  bei  gewissen  Neuralgien  des  Trigeminns  nnd 
bei  der  Migräne  vor,  bei  der  ja  auch  der  Druck  auf  das  Gefäss  die  Schmerz- 
anfälle sistirt  oder  verringert.  Ob  allerdings  der  Druck  auf  das  Gefäss  selbst  uud 
der,  wenn  aneh  nnvollkommene,  Versehlnss  des  Oefässes  das  wirksame  Moment 
ist,  oder  ob  der  starke,  in  den  befallenen  Nervengebieten  ausgeflbte,  mechanische 
Kei/  fine  Art  von  Refiexhemmang  hervorruft,  das  entzieht  sich  natUrlieh  der 
Beurtbeiluog.  Auch  leichtes  Faradisiren  oder  Massiren  der  Bauebdecken  beseitigt 
ttbrigens  manchmal  den  Anfall. 

Weiehe  ätiologisehe  Momente  das  gesehilderte  Krankhuiebild  hervor- 
ruft ,  da.s  vermochten  wir  trotz  der  vielen  von  uns  beobachteten  Fälle  nicht  zu 
rruiren,  jedeufalls  spielt  weder  die  Chlorose ,  noch  eine  andere  Constitutions- 
krunkheit  dabei  eine  Holle;  auch  das  Ulimacterium,  das  Schnuren  oder  voraus- 
gegangene Magen-  nnd  Leberaffeetionen  kOnnen  hier  nieht  als  ürsaebe  angesehuldigt 
werden.  Wir  können  somit  nur  vermuthen,  dass  es  sich  um  eine  wahre  Neuralgie 
oder  um  eine  Aiifhcbnnsr  des  Gefässtonus  im  Gebiete  der  Verzweigungen  der 
Unterleibsarterien,  die  auf  dem  lietiexwege  vor  sich  geht  oder  um  eiue  Reizung 
geftsserweiternder  Nerven  handelt,  weleh  letxtere  dann  als  Folge  veränderter 
Arbeitsanforderuni?  in  einem  oder  mehreren  wichtigen  Organen  des  Abdomens, 
die  eine  Vermehrunfr  des  Hlutzuflusses  nothwcndi^;  macht,  aufgefas.st  werden 
könnte;  doch  scheinen  uns  alle  diese  Vermuthungeu  ebensowenig  genügendes 
Material  für  eine  zureichende  Erklärung  des  Mechanismus  und  des  Zusammmi- 
hanges  äer  Brseheinnngen  in  unseren  Beobaehtangen  zu  bieten,  wie  die  bisherigen 
Versuche  aur  Erklärung-  der  Entstehung  der  Migräne.  Diätfehler  können  auf 
keinen  Fall  die  rrsaohe  der  Krscheiunngen  sein  ;  auch  die  oft  vorhandene  Anämie 
ist  nieht  die  Ursache ,  sonderu  Folge  der  Erkrankung.  Ebenso  steht  die  stets 
vorhandene  Obstipation,  die  Flatulens,  die  Aasbildung  von  Hämorrhoidalknoten, 
wie  wir  uns  oft  Itberaeogt  haben ,  zu  dem  Leiden  nieht  im  Verhältnisse  von 
l'rsache  und  \\'irkung,  sondern  alle  diese  F.rscheinnnsren  v<tii  Seiten  des  Ver- 
duuuDgsapparates  aind  secuudäre  oder  coordiuirle  Erscheinungen. 


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PASOZYSHALE  PUL8ATI0V. 


581 


Die  PrognoM  ist  b«i  dem  genannten  Leide«,  —  wenn  aneh  niebt 

qaoad  restitutionem  compl»  tarn  —  keine  schlechte.  Wir  haben  schliesslich  in 
allen  Fftllen  nach  längerer  oder  kürzerer  Zeit  eine  völlige  Rfickbildnnfr  der  Er- 
DäbruDgsätüruugen  eintreten  sehen,  auch  wenn  die  Anfalle  nicht  ganz  ceääirteo; 
doeh  mnas  bervorgeboben  werden,  daae  die  Vorberaagung  bezOglieb  der  Zeitdauer 
der  Hdliing  und  dee  allgemeinen  VerlaulVs  dor  llrkraakang  vorsichti«:  }refas>«t 
werden  muss .  da  in  einer  Reihe  von  FillUni ,  in  denen  sich  die  Antülle  sehr 
häufen,  die  KroähruQg  der  Kranken  fürs  lilrste  so  leidet,  das^  mau  selbst  au 
«ine  eebwere  Ktebexie  denken  kSnato.  Dani  kommt  noeb,  daw  die  eebwieber  Und 
kraftlo.ser  werdenden  Kranken  in  eine  immer  stärkere  Gemttthsdepresrion  geratben, 
die  die  iS'a1iriinf»S!uifnjilimc  selir  iinprflnstior  beeinäusst ,  wenn  (s  nicht  prclinfrt, 
durch  Ueberredung  und  Klarstellung  des  Sachverhaltes  den  Muth  neu  zu  beleben. 
Ist  die  Periode  der  Anfälle  überhaupt  erst  einmal  fiberstanden  und  längere  Zeit 
kein  Rflekfall  eingetreten,  dann  eriiolen  sieb  die  Kranken  gewftbnlieb  »ebr  raieb. 
In  der  (iberwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle  kommt  e>?  überhaupt  nicht  zu  so 
Rchweren  Erscheinunjjcn ,  besonders  dann  nicht,  wenn  man  den  Zustand  durch 
genaue  Beobachtung  eines  Aufalles  sofort  richtig  zu  deuteu  itu  Staude  ist  uud 
somit  von  allen  Diätvorsebriften,  die  nnr  sebidlieb  ndrken,  abwben  kann. 

Die  Diagnose  beruht  vor  Allem  aof  dem  Nachweise  der  ebarakterlstiseben 
Paroxysmen,  und  deshalb  ist  man  meist  nicht  im  Stande,  eine  sichere  Dia?'no-:e 
zu  stellen,  bevor  man  durch  Beobachtung  eines  typischen  Anfalles  die 
Tbatsaebe  der  intermittirenden  Erweiterung  der  Aorta  Bieber  gestellt 
hat.  Dieser  Nachweis  ist  leicbt,  wenn  man  den  Patienten  vor  dem  Anfalle  oder 
im  l'rodromalstadium  untersucht  und  unter  den  noch  quasi  uornialcii  \  erhftlt- 
nissen  auch  eine  normale  Heschatl'cnbeit  des  Gofässes,  das  sich  entweder  gar 
nicht  abtasten  lisst  oder  doch  bei  der  genauen  Untersuchung  nur  undeutlich 
fflblbar  nnd  sebwaeb  putsirend  erweist,  festgeetetlt  bat.  Iliw  liefert  dann  im  An- 
falle der  Befund  eines  ntark  erweiterten  und  heftig  pnlsirendcn  GefJtssrohres,  das 
aber  nur  innerhalb  einer  bestimmt<'n  Strecke  diese  Krdeheiiiiiniren  bietet,  ciiie 
sichere  Basis  für  die  Diagnose,  die  auch  noch  dadurch  veriticirt  werdeu  kann, 
dass  man  dnreb  Hassiren  des  Geftsses,  wie  oben  gesebildert  ist,  die  Symptome 
oft  ebenso  zum  Verschwinden  bringen  kann,  wie  man  bisweilen  bei  der  paroxys- 
malen Tachyeardie  durch  Druck  auf  den  Nervenstamra  oder  durch  starke  Faradi- 
sation  des  Haiavagus  die  stürmischen  Erscheinungen  für  längere  oder  kürzere 
Zeit  zu  ristireu  im  Stande'  ist.  Wenn  diese  eben  erwibnte  Hanipniatton  gelingt, 
so  genügt  si(>  dann  aneb  vollkommen  zur  Sicherstellung  der  Diagnose,  selbst  bei 
einem  Kranken,  den  man  vf»rher  noch  nicht  fresohon  hat.  rit  liiio't  sie  uiclit  .  so 
mnss  die  Untersuchung  des  Patienten  nach  kurzem  Intervall  wieder  vurgeuomnieu 
werden ,  um  festzastellen ,  ob  sieh  das  Verschwinden  der  Pulsation  nun  durch 
meebanische  Einwirkung  erzielen  Iftsst  oder  ob  die  Ersebeinuug  bereits  spontan 
verschwunden  ht.  Da  die  Anfälle,  bei  paroxysmaler  Pulsation  wif  gesairt.  einige 
Stunden  uielit  liliersclireiteii,  so  kann  man  trotz  des  Befundes,  der  auf  den  ersten 
Anblick  hier  gewöhnlich  für  ein  Aneurysma  zu  sprechen  scheint,  schon  innerhalb 
kurzer  Zeit  die  riebtige  Diagnose  stellen  nnd  den  Kranken  berubigen,  der  namentlieb 
bei  längeretu  Bestehen  seines  Leidens  dureh  die  starken  Schmerzen  und  besonders 
durch  da-^  lu  ttifre  Klopfen  und  Sehlajren  im  Abditnien,  das  auch  meist  zu  starker 
Peristaltik  führt,  sehr  geängstigt  wird.  Auf  die  nicht  selten  während  des  Anfalles 
vorbandenen  Anomalien  der  Urlnseeretion  (Harndrang,  Entleerung  eines  so- 
genannten spastischen  Urins)  ist  für  die  Beurtheilung  des  Falles  kein  Gewicht 
zu  lejren.  da  ja  V.r<r)  cinungen  von  Seiten  des  Harnapparates  ein  Attribut  der 
verschiedenartigsteu  i'uro.xysmen  zu  sein  ptlegen. 

Was  die  Bebandinng  anbetrifft,  so  beben  wir  es  am  vorth eilhaftesten 
gefunden,  wUhrend  des  Anfalles  Wärme  zu  appliciren;  nnr  in  seltenen  Ftllen 
wirkt  die  W.nrme  uieht  jrilnstig,  aber  die  Anwendunpr  einer  Eisblase  i.st  dann 
von  Nutzen.  Sehr  gut  wirkten  in  manchen  Fällen  uareotiscbe  Mittel,  namentlich 


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582 


PAROXYSMALE  PÜLSATION. 


Belladonna  (Extract  uud  Tinctur),  Morphium  in  Dosen  von  0  01);  auch  Copnac, 
Tinct.  Valerian.  atth.  und  Aeüi.  Hulfuric.  sind  bei  leichten  Anfällen  nicht 
nutzlos,  Eiagiessuugen  von  */«  Liter  kalten  Wassers  haben  uns  in  einigen  Fällen 
Matien  gesehnfll,  indem  sie  den  Anfall  sn  mUdern  oder  sn  eonpiren  eehienen; 
in  fast  allen  Fällen  hat  richtig:  ausgeübte  Massage  des  Abdomens  und  sanfter, 
aber  anhaltender  und  ^leicliinäRsiircr  Druck  auf  das  puLsironde  (icfiHs,  Erleichterung 
gebracht  oder  sogar  ein  voU8t;4udiges  6idiireu  des  Antalleä  herbeigeführt.  Die 
Manage  nnd  der  Dmelc  auf  das  Abdomen  mass  aber,  wie  gesagt,  vorsiebtig  ans- 
gefthrt  werden,  da  jede  stärkere  Bertihrang  ausserordentlich  Hchmerzhaft  i-^t. 
Namentlich  vorsichtig  sei  man  beim  Comprimiren  des  (lefiisses,  laMse  sich  ai)er 
durch  die  anfänglichen  Schmerzäusserungen  der  Patienten  nicht  abhalten ,  die 
Compreanon  einige  Minuten  bindnreh  fortsosetsen,  da  dann  oft  mit  einem  Schlage 
die  PalaaCion  und  der  Scbmerzparoxysmns  aufbOrt;  doch  läsat  sich  Aber  die 
Dauer  der  scliliesslich  daruacli  auftretenden  Besserun«:  keine  bestiminte  Zeit- 
angabe machen.  Von  nicht  narcotischen  Medioamenteu ,  diu  das  Auftreten  der 
AnfMIe  zu  verhindern  oder  bei  längerem  Oebrauch  die  Zahl  und  Dauer  der  An- 
ftlle  abcnkttrc«!  im  Stande  ahid,  ist  hödistens  das  Ergotin  su  erwibnen.  Wir 
baben  t-s  in  Doseo  von  O  l  bis  0-25  mehrmals  tüglich  gegeben  und  nach  längerem 
Gebrauch  schliesslich  eine  wesentliche  Verrinpi-rung  der  Anfälle,  die  schon  vorher 
an  Intensität  abnahmen,  eintreten  sehen ;  in  einer  Keibe  von  Fallcu  ist  sogar 
ein  vollständiges  Oessiren  der  AnfUlle  wibrend  einer  langen  Beobaebtungsperiode 
zu  vorzciobnen  gewesen,  nachdem  sich  sobon  vorher  eine  Hesserun^'  doa  AUgemein- 
betiudcus  einfrestellt  halle.  Ob  allerdings  zwischen  der  Medicalion  und  dem 
erwähnten  Erfolge  ein  sicherer  Zusammenhang  besteht,  lässt  sich,  wie  so  oft, 
nicht  mit  Bettimmtbeit  erweisen  ;  jodenfalts  verdient  das  Mittel  stets  versucht  in 
werden.  In  einigen  Falieu  hat  die  Application  von  ableitenden  Mitteln,  Sina- 
pismen  etc. ,  auf  das  Kpigastrium  und  die  Application  des  elektrischen  Pinsels 
auf  die  Schraerzpunkte  an  der  Wirbelsäule  oder  au  der  ätelle  der  Pulsation 
anscheinend  einen  guten  temporären  Erfolg  ausgeübt.  Sehr  vortbeilhaft  ist  es, 
fBr  regelmftssigen  Stublgang  su  sorgen  und  mistige  Gymnastik  des  Unterldbee 
ansfittliren  zu  lassen. 

Im  All*reuunnen  ist  also  die  Prof^niise  des  Leidens,  uameullieh  bezüglich 
des  völligen  Krlöscheus  der  Paroxysmen,  nicht  günstig  oder  wenigstens  vorsichtig 
XU  stellen,  da  ROekflUle,  wie  bei  der  typischen  Hemicranie,  die  Regel  sind,  nnd 
da,  zumal  innerhalb  der  ersten  Monate  nach  Be-rinn  des  lieidenB,  nur  eine  q^uptomar 
tische  Einwirkung  auf  das  Leiden  nioi^lich  erscheint. 

Eine  besondere  Erwähnung  möchten  wir  im  Anschlus.se  an  die  oben 
gOgebcne  Schilderung  noeh  einem  Zustande  widmen,  der,  obwohl  ndativ  selten, 
ebenfalls  in  mancher  Hinsicht  das  Interesse  des  Arztes  verdient.  Es  handelt  sich 
um  eine  partielle,  arterioselerolische  ^'erdicknng  eine*?  grösseren  Tlieilr^  der 
Aorfa  ohdotninalis,  die  wir  in  4  Fällen  unserer  Beobachtung  als  einzigen  (irund 
Starker,  cardialgischer  Anl^Ue  anzusehen  gezwungen  waren.  Vielleicht  ist  die 
eben  erwähnte  Ursache  eardiaU^seher  Paroxysmen  viel  häufiger;  aber  da  der 
Causal/.iisammenhaug  zwischen  Gefässerweiterung  und  Schmer/.paroxysraus  eben 
nur  bei  Vnrhaiidcnsein  einer  palpablon  (Jefässcrweiterung  sieh  mit  genügender 
Sicherheit  erbringen  lusst ,  so  kann  das  Material  au  verwerthbaren  Fällen  eben 
naturgemäss  nicht  reiehlieh  sein.  Bei  den  4  hier  in  Betraeht  kommenden  Fällen 
unserer  Beobachtung  —  (sie  betrafen  ältere  Männer)  —  handelt  es  sich  um  eine 
stark  •lu^irclinitete  sclerotische  \'er(lickung  einer  gnisseren  Strecke  der  Aorta 
aUlijiiHuiilitt.  durch  die  das  üefass  in  ein  sehr  starres  und  stark  geschlängeltes, 
flberaos  dentlich  abzutastendes  Rohr,  das  an  manchen  Stellen  sogar  kantig  ver^ 
diekt  erseheint,  dessen  Pulsationeu  aber  stets  wahruelmtbar  sind,  verwandelt  wird. 
So  wenig  l'.r-'  ht  inungen  im  fJanzen  eine  sitlche  Veriiuderuiig  des  Gcfil^ses  bei  Leuten 
zu  machen  scheint,  die  sich  viel  bewegen  und  guten  Stuhlgang  haben  —  sie 
giebt  sieh  dann  wohl  nur  durch  ab  und  zu  auftretende  Beschwerden  neuralgischer 


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PABOXYSMALE  FULSATION.  —  FE6U. 


583 


Natur  nnd  vielleicht  durch  periudisebe  Koliken  und  Hlmorrhoidalblutungen  kund 
—  so  starke  Beschwerden  ruft  sie  bei  Individiteü  hervor,  die  in  Folg^e  ihrer 
Thfttigkeit  zu  einer  dauernden ,  sitzenden  Lebensweise  gezwungen  sind  und  an 
einer  primären  oder  secundären  Plethora  abdominalis  leiden,  deren  sichere  Folge 
die  eompeDsireode  Arterioselerose  der  safolirenden  Arterien,  deren  Arbeltoleiatung 
eben  (Ibermilssij?  in  Anspruch  genommen  wird ,  ist.  Bei  derartigen  Patienten 
treten  .  namentlich  wenn  sie  gezwungen  sind  .  sieh  IfiiiLTrc  Zeit  tief  auf  ihre 
Arbeit  heruuterzubeugen  oder  in  Folge  gewisser  Hescliäftiguugen  genöthigt  sind, 
das  Abdomen,  noch  dazu  bei  nnzweekmlssi^er  Arbeits-  und  Sitsangelefrenheit, 
dauernd  und  stark  zu  eomprimiren  ,  ausserordentlich  heftige,  meist  continuirliebe 
Schmerzparoxysmen  auf,  die  sieh  nicht  nur  wahrend  der  Arbeit  und  nameutlieh, 
weou  einige  Tage  hindurch  stärkere  Obstipation  besteht,  besondern  steigern, 
sondern  aneh  in  der  Rttd^eolag«  im  Bette,  wenn  das  entweder  direct  eomprimirt« 
oder  durch  Verlegung  seines  Abfiussgebietes  zu  erhöhter  Wandthlltigkeit  gezwunt^ene 
frefJtss  wieder  unter  normale  VerhiUtnisse  sresetzt  wird,  re<"ht  qualvoll  werden 
können.  (>ewöhnlich  besteht  beständig  ein  dumpfer,  bohrender  Öchmcrz,  der 
nach  der  linken  Abdominalhülfte  und  nadi  dmr  Wirbetsftule  hin  ausatrahlt; 
zngleidi  klagen  die  Kranken  Uber  ein  GeflIhI  von  dgenthflmlichem  Klopfen  in 
der  linken  Seite  des  rnterleiltes.  h.lufig  auch  Uber  Sensationen  von  Ameisenlaufen 
uud  l'ar.-isthesie  im  Leibe  und  in  den  Heineu.  Die  Diagnose  kann  nur  gCRtellt 
werden,  wenn  bei  Aussehlui^ä  alier  übrigen  Momente,  durch  die  iihnliche  uardial- 
ffisehe  Besch werdfn  hervorgemfen  werden  kennen,  die  partiell  verdickte  Aorta 
mit  ibreti  SchUingelungen  deutlich  als  ausserordentlich  hartes,  unebenes,  oft  nach 
den  Seilt  n  hin  etwas  kantiges,  aber  ziemlieh  stark  pulsireiides  und  nicht  deutlieh 
ausgeweitetes  Kohr  gefühlt  werden  kann.  Die  Diagnuäe  wird  gesichert,  weun 
dieser  Cylinder  bei  Berflhmng  deutlieh  schmerzhaft  ist,  und  wenn  Compresslon 
der  Geflüse  den  Schmerz  steigert.  Auch  der  Schluss  ex  juvantibus  kann  für  die 
Diagnose  eine  FVirderung  liefern,  wenn  njim!i<di  die  hier  einzijr  niftirliehe  rationelle 
Therapie  eingeschlagen,  d.  h.  die  Haltung  des  Körpers  bei  der  Arbeit  total  ver- 
ftndert  nnd  der  Stuhlgang  geregelt  wird.  Schon  wenige  Tage,  wfthvend  weleher 
der  Patient  beständig  in  horizontaler  Lage  verwdlt  oder  wenigstens  das  Sitzen 
mit  /ns,inimengepres-ti  III  rnterleihe  vermeidet,  genügen,  das  Leiden  zu  beheben 
oder  erlieblieh  zu  vermindern,  der  Stuhlgang  stellt  sich  oft  von  selbst  ein,  die 
Schmerzen  verlieren  sieh  und  nach  Verlauf  einiger  Wochen  ist  auch  der  Schmerz 
bei  enerf^scher  Betastung^  versehwunden  und  die  Pulsation  der  Aorta  beiweitem 
geringer  als  vorher,  obwohl  die  Wandverdickung  sich  natürlich  nicht  verändert 
hat.  Man  muss  hier  annehtiien,  dass  nach  Behebung  der  Widerst.lnde  in  der 
i'eripherie ,  d.  h.  nach  Verminderung  einer  mehr  oder  weniger  starken ,  bei  der 
starren  Röhre  besonders  fühlbaren  Knieknng,  vielleicht  auch  durch  Entlastung 
des  Capiliargebietes,  eine  Erleichterung  der  Blutcirculation  im  Stamme  der  Aorta 
eintritt,  und  dass  mit  d«'r  Behebung  dieser  Widerstilnde  die  sclimer/.hafte  Zerrung 
und  Streckung  der  verdickten  Wand  bei  der  i'assage  des  Blutes  fortfällt. 


Pcgii.  In  den  letzten  Jahren  ist  Pegli  bei  Genua  als  klimatische  Winter- 
station in  Aufnahme  gekommen,  und  dies  mit  Recht,  denn  es  ent.spricht  den 
Tlauptanfordcrnngen,  welclie  ni;in  an  einen  klimatischen  Curort  der  Riviera  stellt, 
nämlich  1.  durch.schuittlich  möglichst  gieichmässige,  relativ  hohe  Temperatur  der 
Wintermonate,  2.  mdgliehst  viele,  sonnig  klare  Tage,  3.  möglichsten  Schutz  gegen 
Winde  und  4.  reine,  besonders  aach  staubfrde  Luft  zu  besitzen.  Die  klMne  Stadt 
Pegli,  7 — >^<»()()  l-jrr.v(ihner ,  10  Km.  westwitrts  vcn  Genua  ist  mit  dieser  Stadt 
durch  Tr.iiMway  1  Stunde  Fahrt)  und  Eisenbahn  (15 — 20  Minuten)  verbunden. 
Im  Norden  entsendet  der  Monte  Penello,  996  Meter  hoch,  SeitcnzUge  nach  Südo.st 
und  nach  Sttdwettt  dem  Meere  entgegen.  Hit  breitem,  pinienbewatdeten  Rttcken, 
zieht  sicli  der  hauptsilchlichste  dieser  Seitenzüge ,  stets  noch  in  einer  Hohe  von 
300 — 200  Metern  bis  unmittelbar  an  s  Meer ,  wo  er  vom  Casteliazo  zur  Villa 


Rosen  bac  h. 


584 


PEGLI.  —  PFEILGIFTE. 


Rapulli,  als  steiles  Vor?ebir^e  abfallend,  kanm  Raum  für  die  Hauptstrasse  gewihrt. 
Diese  bis  au'.s  Meer  vor;re.scho})ene  „spanische  Wand''  iimfasst  das  ganze  Area! 
der  Villen.  lu  den  letzten  zwei  Jabreu  bat  sich  ein  Coneortium  von  genuesischen 
Gapiteliiten  «um  Ausbaue  tob  80  Yinen  der  Stratse  entlmiTf  ^  Oirtdiea 
amgeben,  gebildet.  Die  Promenade  de!  Villini  bietet  den  schwächsten  Winteramv 
gftsten  in  Pepli  einen  herrlichen  Spazierweg  in  srcHrhdtzter  La^^e  und  mit  nnver- 
gleiobliobem  Ausblicke,  erschliesst  aber  auch  dem  kräftigeren  Fussgäuger  eine 
groBse  Zahl  weiterer  Touren.  FUr  Fremde,  die  Ibren  Winteranfentluilt  in  Pegli 
zn  nehmen  beabsichtigen,  kommt  das  6nnd  H6tel  et  de  la  Mediterran^e,  welches 
im  Ik'sitze  Schweizer  Wirthe  ist.  in  erster  Linie  in  Betracht,  neben  demselben 
bestehen  noch  das  Hötel  d'Angleterre  beim  Hahuhof,  sowie  das  Grand  Hötel 
Pegli.  Das  etwas  feuchtere  Klima  von  Pegli  im  Vergleiche  zu  anderen  Stationen 
der  Rivieni  soll  sieb  vor  Allem  eignen  flir  Lungenleiden  mit  mebr  trockenem, 
eratbiBehem  Charakter.  Ganz  besonders  ist  der  Aufenthalt  passend  fflr  schwftchliebe 
und  blutarme  Individuen,  Kinder  wie  Krwaehsene.  riann  für  NVrvenleidende,  Ueber- 
arbeitete  und  Keconvalescenten.  Lngtlnstigen  Iuutiuä>  hat  das  Klima  der  Riviera 
In  allen  Flllen  von  organiseben  Henekrankbeiten ,  besonders  bei  Atberom  und 
fettiger  Degeneration  des  Herzmuskels.  Nach  den  Heobafhtun{j:en  im  Winter  1890 
und  1891  giebt  Wagxkr  als  Mittelzahlen  für  die  Temperaturen  in  Pegli  an: 
Monate  Januar  Februar  9-0«,  März  ll'ö«,  April  13-5%  ^ovember  12  öS 

Deeember  8'0*. 

Literatur:  Das  Klima  der  Riviera  und  der  Curort  Pegli.  Von  Dr.  Bvdolf 
Wagner,  Curatat,  Mit  Anaiclitfia  ond  einer  topographischen  Karte.  Loaem 

Risch. 

PBrteOlitiS,  s.  DarmentsUndung,  pag.  180. 

Perityphlitis,  act  inomycotica,  s.  Darmentzündung,  j)ag.  1)^6. 

Pfeil Qifte.  Oass  die  australischen  Pt'eiltritte  kein  eigentÜL-hes  PHanzeii- 
gift  enthalten,  lehren  auch  neue  Versuche  von  Damki  Uber  das  l'teilgift  der 
NeU'Hebriden.  >)  Dieses  bestebt  ans  Erde  mit  vegetabiliscber  Snbstans  aus 
sumpfigem  Terrain.  W  i  in  ihm  wirken  kann,  sind  Sehizomyceten,  von  denen  der 
Vibrio  sf^jifici/s  und  der  Tetauusbacilliis  darin  vorhanden  sind,  .ledeiifall'j  ist  der 
£ffeet  nicht  mit  der  rasch  tödtlichen  Wirkung  der  Herz-  und  KUckeumarksgifte 
einsebliessenden  Pfeilgifte  der  ostasiatiseben  Insulaner  sn  Tergleieben. 

Das  Pfeilgift  der  Ainos  ist  nach  neueren  Studien  vonELRiDOS'l 
mit  Bestimmtheit  als  von  einer  Art  Aconitum  abstammend  anzusehen.  N.ich 
B.  8CHREDBK  werden  die  jungen  Seiteuwurzein  im  Sommer  gesammelt  uud  bis 
zum  Herbste  im  Schatten  getrocknet.  Die  gifthaltigen  Wurzeln  sollen  weicher 
werden,  Indem  eine  Art  Gibrnngsproeess  eintritt.  Naeb  Entfernung  ibrer  äusseren 
Schale  werden  sie  zwischen  zwei  Steinen  zu  einer  teigigen  Masse  zerrieben  und 
köunen  dann  direct  oder  auch  später  auf  die  Pfeilspitzen  ge-^triehen  werden.  Nach 
Elkiduk  \ ergrübt  mau  das  Gift,  nachdem  es  mit  iudiHereuten  Stoffen  gemischt 
ist,  in  den  Erdboden,  und  später  erbält  man  einen  dicken,  dunklen,  rotbbraunen 
Teig,  der  vor  dem  Aufstreicheu  auf  die  Pfeile  mit  Tbierfett  gemischt  wird. 

Genauere  Mittheilniigcn  über  die  als  Ipoh  bezeichneten  Pfeilgifte  der 
Eingeborenen  von  Straits  Settiement  verdanken  wir  L.  M.  Wrav  y  und  E.  M. 
Holmes.*)  Mau  wird  darnach  die  Ansiebt  aufgeben  mllssen,  dass  die^e  lpob> 
arten  sämmUicb  zu  Anttari«  toxicaria  in  Beziehung  stehen.  In  Perak  gebraucbea 
sie  die  ."^einangs  im  Norden  und  die  Sakais  im  Süden,  l»eide  unter  Heniltzuiisr  vitn 
Blasrohren  und  Wurtspiessen  ,  erstere  auch  unter  Benützung  von  Bogen  uud 
Pfeilen.  Die  in  der  Ebene  lebenden  Semauga  und  Sakais  wenden  den  giftigen 
Milebsaft  von  Antiari»  toxicaria  an,  der  von  ibnen  Ipok  kaju  (Gift- 
bäum)  genannten  I'tl.tn/e  Wrav  hat  auf  seiner  Reise  aum  l'lu  Salama  zwd  colos- 
sale  Giftbaume  gesehen,  die  in  einer  Kntfernung  von  5  Fu-is  über  dem  Erdboden 
T)  Fus.s  im  Durehmesser  mas^eu  und  bis  zu  den  ersten  Aesteu  über  lüO  Fuss  hueh 


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PFEILGIFTE.  —  PUOSPüOBVEEOIFTUNG. 


Ö85 


waren  ,  alle  bedeckt  mit  den  Narben  der  in  sebfiger  Riebtttllg  geftthrten  Ein- 
Bchnitte.  Zu  firm  Safte,  von  weU'hen  drei  l'nzen  zur  Ver^if(uii2r  von  I<tO  Blas- 
robrpfeilen  dieueu  köDuen,  werdeu  mitunter  nocb  andere  j^ittige  Ptlaozcnsätte 
hinsttgeffigt,  der  8«ft  der  Aroidee  Amorphoph«!!««  (Likfr)  nnd  der- 
jenige dw  Knollen  von  Dtoscorea  hirsuta  Bl.  (Gadou^^.  Die  Sakais  der 
Berge  benutzen  dn^M'jren  drei  als  Ipoli  oker  ('Wurzeljriftj ,  Pruol  uud  Ak-pv 
Lampong  bezeichnete  PHanzen.  ihre  Hereitunj^sweise  weicht  der  Beschafl'onheit 
der  angewendeten  Materialieu  gemäss  wesentlich  ab.  Wflbrend  die  Vergittuug  der 
Pfeile  mit  Antiariesaft  in  einfeeher  Weise  so  hngeetellt  werden  kenn,  daes  man 
den  Saft  auf  einem  hölzernen  Spatel  im  Feuer  allmälig  eindickt,  bildet  das  Pfeilgift 
der  Sakais  der  Berjre  einen  durch  Abkdi  hun^  der  drei  Wurzelrindeu  fand  zwar  6  Th. 
Jjjoh  Aker  auf  je  1  Th.  der  beideu  anderen;  bereiteten  Syrup ,  der  in  der  Kälte 
fest  wird.  Die  in  dem  HerlMurinm  der  JPkarmoeeutieal  Soeie*y  vorhandenen 
Specimina  von  Ipoh  und  Aker  Lampong ,  die  weder  Frflehte  nocb  BlQthen 
))e«itzen ,  gehören  naeh  Hoi  MKS  Strychnosarten  an  und  seh»  inen  d<-r  Speeies 
Hirifchnos  WaUichiana  sehr  nahe  zu  stehen.  Prual  ist  nach  deu  von  Kadlkufer 
ausgeführten  Untersnehnngen  der  allein  vorhandenen  Wnnd  weder  dn  StryefanosY 
noeh  eine  Rubiacce.  Von  ganz  besonderem  Interesse  ist  die  von  Ralph  Stocs- 
MAN  gefundene  'riiatsache .  dass  die  beiden  von  IIOLSIF.S  auf  Stryehiiosarten 
zurflckgeführten  Drogen  keine  ätrycbniowirkung  haben,  sondern  Herzgifte  nach 
Art  des  Digitalis  sind. 

Dass  die  asiatisehen  Pfeilgifte  ausserordentlich  baltbar  sind,  bewtisen 
Untersnchuii?:en ,  welche  Doyox  )  mit  einem  mehr  als  30  Jahre  alten  Antjur 
von  Java  niaclite.  Die  Thaisaehe.  dass  Autjar  als  Herzgift  wirkt,  wird  dadurch 
bestätigt:  der  Herzschlag  bistirt  bei  Warmblütern  stets  23 — 24  Secundeu  früher 
als  die  Athmung,  die  allerdings  aoeh  selbst  durch  das  Gift  etwas  beeintriehtigt 
wird.  Durehsehneidung  der  Vagi  und  Atropin  verzögern  den  Eintritt  des  Todes 
und  machen  weit  bölnre  Dosen  erforderlich ,  um  den  Tod  herbeizuführen.  IJei 
Warmblütern  wird  die  Reizbarkeit  der  Vagi  in  dem  letzten  Stadium  der  Autjar- 
wirknng  herabge^etat,  hdm  Frosche  bleiben-  die  Vagi  stets  reisbar.  Die  Wirkung 
des  Giftes  auf  die  Muskelfasern  ergibt  sieh  aus  der  Einwirkung  auf  die  aus- 
gesehnittene  Herzspitze. 

Ein  neues  ostafrikanisches  Pfeilgift,  das  Pfeilgift  der  Wakambas, 
eines  Volksstaromes ,  der  den  oberen  Tbeil  zwischen  Kenia  uud  Kalimandsebaro 
bewohnt,  ist  von  Pastbkis")  als  Hengift  erkannt  worden.  Die  bei  der  mikro- 
.skopischen  Untersuchung  eonstatirten ,  verzweigten  Milehsaftgefflsse  weisen  auf 
Abstammunj;  von  t-iiier  Apocynacee  hin.  Paschkis  extrahirte  daraus  ein  von  ihm 
U  k am  b  i  u  genaunte.s,  in  Tafeln  kry.stailiäireudes,  stickstotl'freies  Glycusid,  dessen 
Losungen  bei  Gegenwart  von  Ammoniak  dnreh  Bleiessig,  auch  dureh  Tannin 
gefilllt  werden,  rit  ini  Kochen  mit  Sauren  gibt  es  Glycose  und  ein  nicht  giftiges 
gelbes  Spaltungs|)roduct.  Ks  steht  dem  Strophanthin  nahe  und  gibt  einzelne  Farheu- 
reactionen  des  Digitalius  uud  Strophauthins.  Bei  Fröschen  bewirkt  es  ausser  systo- 
lischem Herzstillstand  auch  starke  Verengerung  der  GeAsse.  Auf  Stngethiere  wirkt 
es  qualitativ  gleich,  (inuntitativ  stärker  als  Strophauthin ,  so  dass  5  Mgrm.  sub- 
cutan Huode  in  2 — 'Ä  Minuten  tödten. 

Literatur:    *)  Baotec,  AMtralia»  arrow  poinon.    Lancst.  6«  Aag.  1892, 
p»R.  380.  —  »)EIridge,  The  arrow  poiaonofthe  Aino».  Natnre,  XLVI,  pag.474.  —  »)  Wray, 

Jpo'i.  Kew  Bullet.  Nov.  Is-Ol.  —  ')IIolme's,  Ipoh.  Pharm.  Joiirn.  Transact.  12.  Nov.  isy-.^, 
pnf?.  ;^SS  —  ■')  Doyon,  <'oi\(nl>ntio)i  ä  I'etixle  lien  effeta  de  l' Upua  Aiiljar  nur  le  coeui  etc. 
Arch,  il."  i)livsi.ii.  is!»-.'.  Nr.  3,  pag.  501).  —  '  i  Pa s  ebkis,  Ueber  eia  ostafirikanisobts  Pfeilgirt 
Central!»!  f.  d.  m.  .1  Wisson.scb.  lS9li.  Nr.  lu,  11.  Hasemann. 

Phenole,  Bestimmung  im  Harn,  pag.  372. 

Phlyktaenen,  Mikroben  bei  P.,  8.  Conjunetivitis,  pag.  173. 

Phosphorvergiftung.  Grosse  Bedeutuug  filr  die  Aetiologio  der  Pliospbor- 
vergiftung  bat  io  neuerer  Zeit  in  einigen  Lftuderu  die  Verwendung  des  i'bospbors  als 


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586 


PHOSPHORVERGIFTUNG. 


Abortivmittel  gewonnen.  Namentlich  ist  dies  in  Schweden  der  Fall,  wo  die  Phosphor- 
vergiftuiig  ganz  erheblich  zugenommen  bat,  namentlich  in  Folge  der  Einschränkung 
des  Arsenikverkaufes  i,1876).  Während  1866—1870  die  Zahl  der  Todesfälle  durch 
Amnik  106,  dnreh  Hioiphor  16  h^tng  und  1671—1876  119  tMtlidie  AzMoik- 
vergiftangen  und  25  letale  Phosphorvergifliiogeii  vorkunen ,  stellt  sich  das  Ver* 
hältniss  von  1876 — 1880  auf  111:66.  Dass  schoD  damals  die  Anwendung-  als 
Abortivam  eiaeu  grossen  Autheil  an  der  Phosphormortalität  hatte,  darauf  weiat 
der  Umstand  hin,  dass  aehtmal  so  viel  Franen  wie  llJbiner  dnreli  dieses  Gift  ihr 
Leben  verloren.  T^'ie  stark  aber  diese  Verwendung  dabei  betheiligt  ist,  gebt  ans 
der  Statistik  des  Knmkenbauses  Sabbatsberg  hervor,  wo  von  .'J6  Pbosphorver- 
giftUDgen  23  auf  Frauenzimmer  fallen,  von  denen  11  mit  Bestimmtheit,  12  mit 
grOister  Wahrsolieinlidikelt  den  PiioBplior  inm  Zweck  der  Abtreibnng  genommen 
hatten.  Dass  dieser  Zweok  in  vielen  Fällen  nicht  erreicht  wird,  lehrt  der  Um- 
stand, (la<s  in  eiiiom  Falle,  wo  aller  Wahrscheinlifhkeit  nach  mebrmnls  Phosphor 
eingeführt  war  und  der  Tod  erst  drei  Wochen  nach  dem  Auftreten  der  ersten 
Vergiftuugserscheinungen  eintrat,  zwei  Tage  vor  dem  Tode  die  Geburt  eines  lebeuden 
Kindes  erfolf^e,'nnd  dass  in  den  übrigen  Fllien,  wo  Schwangorsebaft  Torlag,  der 
Embryo  bei  der  Section  in  der  Gebärmutter  angetroffen  wurde,  Von  Interesse 
i.st ,  dass  in  Füllen,  wo  wirklich  Frtlhgeburt  eintritt,  in  der  Leiche  der  Kinder 
sich  subserüse  und  parenchymatöse  Blute.\travasatc  und  Verfettung  der  Leber  mit- 
unter naehwrisen  lassen.') 

In  Bezug  auf  den  Einfluss  der  Phospborvergiftnng  auf  die  Stiekstoffaus- 
scheidung  im  Harn  lehren  die  nencBteii  Studien ,  das'»  man  zwinchen  Fällen ,  wo 
beim  Menschen  der  Tod  rasch  durch  Uerzläbmung  erfolgt,  und  solchen,  wo  die 
Affeetion  länger  danert,  zu  imiersdie^en  hat.  In  ersteran  Falte  ist  die  Öessmmt- 
stiekstofTausscbeidnng  und  dementspreebend  die  Hamstoflkussebeidnng  stark  herab- 
gesetzt, doch  brauebt  die  letztere  im  Verhältnisse  zu  ersterer  nicht  verringert 
zu  sein  und  kann  selbst  mehr  als  neun  Zehntel  des  (iesammtstickstoffes  botragen. 
Bei  längerer  Dauer  der  Atlectiou  steigt  die  Stickstoffausseheiduug  oft  sehr  hoch- 
gradig (bis  10-^18  Grm.  im  Tage)  and  hier  tritt  dann  V«rmindemng  des  Harn- 
stoffes (70 — 80"/o)  bei  starker  Vermdirang  des  Ammoniaks  (10 — 18%  i  ein.  Dass 
die  stark  vermehrte  Ammoniakausscheidung  auf  der  abnormen  Froduction 
saurer  StoHwechselproducte  beruht,  lässt  sich  daraus  schliesseo,  dass  erstere  nicht 
bei  den  mit  Phosphor  vergifteten  Kaninchen  auftritt.  Vermehrung  der  Harnsäure 
findet  anfangs  nicht  statt,  Indem  zunächst  das  Protoplasmaeiweiss  und  erst  später 
das  Nudeiu  zerfflllt,  dessen  Spaltung  dann  allerdings  eine  gerinL^e  Ilarnsäuro- 
zunabme  zur  Folge  hat.  Die  grosse  Ammoniakmenge,  deren  Alkali werth  allein 
den  aller  Torhandenen  Sturen  flbertrifil,  maeht  bei  der  stark  sauren  Reaetion  des 
Harnes  das  Yorhandensdn  fremder  Säuren  unzweifelhaft,  von  denen  in  Fällen  mit 
langdanerndem  Coma  und  starkem  Icterus  auch  Fssig-  und  Ameisensäure  vorlianderi 
sein  können.  '■^)  VAn  Zerfall  der  rothen  Blutkörperchen  als  Frsache  der  verminderten 
Alkaleaceuz  des  Blutes ,  welche  nach  Jak.scu  *)  sehr  rasch  und  mitunter  in  sehr 
hohem  Grade  naehgewiesen  werden  kann,  wird  beim  Mensehen  niebt  oonstatirt, 
vielmehr  findet  sieb  sowohl  in  günstig  als  in  nngUnstig  verlaufenden  Fällen  trän- 
sitorisehe  Vermehrung  der  Erythroeyten  bei  gleiebbleibendeni  llrimoglobingebalto 
und  Verminderung  der  Leukocyten,  während  bei  Kaninchen  Vermehrung  der  weissen 
Blutkörperchen  bei  gleichbleibender  Zahl  der  Erythroeyten  und  bei  Hflbnem  enorme 
Destruction  der  BlutkdgelcLen  und  starke  Leakocytose  durch  Phosphor  hervorgerufen 
wird,  r^as  Kiweis-^  des  Hintes  ist  in  den  ersten  Tagen  tles  I 'liosjJiorisniut  acutug 
beim  Meu&cheu  ebensoweuig  wie  die  Dichtigkeit  des  Blutes  verhindert. -'j 

Dass  man  in  einzelnen  höchst  acut  verlaufenen  Fällen  ohne  Icterus  und 
ohne  genaue  Anamnese  die  Diagnose  der  Phosphorvergiflung  nicht  aus  den  patho- 
logischen Verandeningen  der  Organe  stellen  kann,  ist  ein  nicht  wegzuleMiriii  ndes 
Factum.  So  kann  z.  B.  das  Vorhandensein  von  F.ndoearditis  als  Frsacbe  der  he- 
jreneratiou  des  Herzmuskels  angesehen  werden.    In  derartigen  Füllen  deutet  der 


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PH0;äPHüRY£RÜIFTUN6.  —  Ffl0äPH0RV£R(jlFrUN6  (acut«). 


587 


Sitz  der  Fettentartnng  der  Nierenepithelien  in  den  gewundenen  CanAlchen  und 
den  absteig^endcn  HENLE  schen  Rchleifm  mitunter  auf  die  fraf;liehe  Vergriftung,  Hier 
wird  in  den  meisten  Fällen  das  i'hospboresciren  des  Magendarminhaltei  oder  das 
Vorhuidenseiii  vmi  NadeOioInttlekeii  die  Sidieriieit  der  IMagnoee  gewlbiidatoD.  In 
den  Ornpanen  Icann  der  Phosphor  nicht  immer  mittelst  des  MiTSciiRRLicH'mhen 
Apparate«  nacbfrewicseti  werden  ;  man  wird  aber  in  solchen  Fällen  das  Ditsard- 
BlonDLOT  sehe  Verfahren  anzuwenden  haben,  da  es  trotzdem  nuch  gelingen  kann, 
eine  durch  nascireoden  Wasserstoff  zu  Pbosphorwasserstoff  redueirte  Phosphorver- 
biodung  nnehxitweieen,  wie  das  in  einem  in  9*,',  Standen  letal  verlanfenen  Fnlle 
von  Langer  •resebah.*! 

Für  die  Behandlung  der  I'hosphorvergiftuug  ist  in  der  neuesten  2eit 
Kaliumpermanganatlösung  vielfach  mit  Hrfolg  benutzt  (vergl.  AntidutaJ. 

LitftratQrt  Warfvinf  e*).  BedoffSretea  fS*'  de  förgiftninnnfall  tom  fSrekommtl' 
n  Sa^atabtri/o  Sjiil-fiiis  ii>i'/fr  tirrii  /s;'*— /s''/.  Hviriea.  Jan.  181»^,  pap  1  —  *|  F r  i  e d  1  ii  n  <l  e  r, 
Ueher  Pliosphurveririrtunjf  hi  i  Hoiti si Ii watigcren.  Königsberg  lS!»:i.  —  -}  Mun/,«;r  K.,  IJeiträge 
zur  L^bre  vom  Stoffwoi  lisel  ties  Meii^^rhen  bei  acuter  Phospborvc-rgiftung.  Centralbl.  f.  klin.  Ued. 
Nr.  24.  pajr.  4äd.  —  *)  Jakseh,  Beitrag:  zur  Kenntniss  der  acuten  Phaspborvergiftuag  dei 
3f«nfic1ien.  Dentucbe  med.Wodiflntclir.  189H,  Nr.  I,  pag.  In.  —  ')  TaussigOtto.  Ueber  Blut« 
befand  Ix  i  anit<T  Phi)>.[pIiorv.-r2iftun^',  Arr-li.  f.  PxiitT.  Pnth.  ]S92,  Bd.  XXX.  H.  j,  p,!-  Itll. — 
Langer,  Ucber  einen  Fall  von  ra8cli  tüdtiicber  i'bospborvergiltaiig  mit  eigeutliumlicbem 
Befände.  Fn^  med.  Wodienachr.         Kr.  3tl.  HatamaHB. 

PhOSphorvergiflung  (aeate).  IMeaentePhoephorvergifhing  ist  in  jenen 
Staaten,  welche  den  Handel  mit  den  gewöhnlichen  SebwefelhAlzcfaeo  verboten 

haben,  sehr  selten  geworden,  in  jenen  Staaten  .ilifr,  in  denen  dies  nicbt  dt-r  Fall 
:8t,  wie  z.  B.  in  Oesterreich,  gehört  die  Verjjittuug  mit  I'ho.sphor  zur  t-'*'briiu<'li- 
lichsten  und  häutigsten  Form  des  äelbstmurdes,  sei  es,  dass  die  Köpfchen  der 
ZflndhOlzehen  in  Wasser  anfgesehwemmt,  abgekocht  oder,  wie  dies  von  „gebildeten" 
Leuten  geschieht,  in  Milch  gelöst  genommen  werden.  Die  medicinale  Vergiftung 
mit  Phosphor  —  in  der  Form  des  in  der  Kinderpraxis  jetzt  sehr  gebräuchlteben 
Phosphoröles  —  ist  eine  glucklicher  Weise  recht  seltene  Form  der  Vergittung. 

Id  dem  Ffdgenden  werde  ieh  es  versneheo,  die  Lehre  von  der  Phosphor- 
vergiftung bauptsncblich  in  der  Richtung  des  Einflusses  dieses  Giftes  auf  den 
niensi'hlieben  St<it!\veebsel  zu  ergänzen  und  verweise  daher  bezüglich  einzelner, 
etwa  fehlender  Details  und  insbesondere  betretls  eines  aui^fubrlicbon  Literaturverzeich- 
nisses anf  das  in  der  2.  Anfl.  der  Resl-Encydupädie  von  Rirss  Gesagte.  Heine  An- 
gaben stutzen  sich  auf  die  Beobachtung  voneirea  20  Fällen  von  Pbosphorvergiftnng 
welche  ich  in  den  letzten  zwei  Jahren  zu  untersuchen  Gelegenheit  hatte,  wobei 
ieh  bemerkeu  möchte,  dass  diese  Zahl  nur  einen  Theil ,  allerdings  den  grösseren 
Theil  der  im  hiesigen  allgemeinen  Krankenbause  (Prag)  aufgenommeneu  Fälle  von 
Phosphorv(»|;iftnng  darstellt,  ein  trauriges  Zdehen  der  DimensioD,  welche  diese 
Vergiftung  bei  uns  angenommen. 

Symptomatologie:  1 .  Stadium  der  I  o  c  a  1  e  n  Wirkung.  l')er 
l'husphur  scheint  zunächst  jene  Schleimhäute,  welche  er  bei  seiner  Aufnahme  per 
09  pasrirt,  stark  sn  reisen ;  dementspreehend  findet  man  die  Zunge  und  die  S  e  h  1  e  i  m- 
haut  des  Kachens  häufig  sehr  trocken,  etwas  geröthet.  Die  Kranken 
klagen  mitunter  auch  über  diese  Trockenheit  im  Hachen ,  haben  Schmerzen  beim 
Schlingen  und  das  GefUbl  von  Brennen  im  Halse,  welche  Erscheinungen  jedoch 
meist  gar  nicht  beachtet  werden  und  auch  ganz  znrtlektreten  gegen  diesehweren 
gastrischen  Beschwerden,  die  sieh  in  Schmerzen  in  der  Hagengegend, 
stiridi.'-fMn  Urerhreiz  und  h.tufiL'-eMi  Erbrechen  zu  erkennen  geben.  Dieses 
Stadium  dauert  —  vorausgesetzt,  dass  es  sich  nicht  um  eine  allzu  schwere  V'er- 
gittiiug  haudelt  und  keine  entsprechende  Therapie  eingeleitet  wurde  —  ein  bis 
zwei  Tage,  nach  welcher  Zdt  das  Erbrechen  nachlitsst  und  die  Kranken  rieh  bis 
auf  etwas  Druekschmerzhafligkeit  in  der  Lebergegend  ziemlich  wohl  fühlen.  Nnn 
aber  zeiseu  nach  weiteren  21  Stunden  die  Kranken  eine  rasrb  zunebmende 
Schwäche  und  Apathie,  man  bemerkt  anfangs  nur  um  das  Kinn  und  die 


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588 


PHOSPHOR  VERGIFTUNG  (acute). 


Nase,  bald  (iber  das  »anze  (ifsieht  und  den  K^^rper  au8£:ebreit('t  eine  fahle, 
blasse  Hautfarbe  mit  einem  leiseo  Stieb  in's  Gel)>licbe.  Die  KraDkea  betinden 
sich  jetzt  äcbou  im  2.  Stadium  der  Vergiftung,  iu  welchem  der  Phosphor 
bereits  snm  Theil  reeorbirt  wurde,  im  den  Kreielanf  eingetreten 
ist  nnd  seine  deletJIren  Wirkongen  überall  entwickelt,  wohin  er  kommt. 

Der  Kranke  liegt  in  voller  Apathie  und  stöhnt  nur  hier  und  da  bei 
Lagewechsel  oder  bei  der  Untersuchung  aua  seinem  halb  bewuästlosen  Zustande 
nof.  Die  Temperatur  der  Haat«  deren  OetbflUrbnng  mehr  und  mehr  snnimmt, 
ist  normal;  nur  in  wenigen  FflUen  und  meist  durch  anderweitige,  mit  dem 
eigentlichen  Vergiftunprsprocessc  nicht  in  direeter  Verbindiintr  stehende  Compli- 
eetionen  findet  sich  eine  erhöhte  Temperatur.  Die  Herztöne  sind  ausser- 
ordentliefa  leise,  dumpf,  der  Pate  Icavm  zu  tuten,  sehr  freqnent.  Die  Sehmerz- 
hnfUgkeit  in  der  Lebergegend  hat  zugenommen ,  die  L  e  b  e  r  ist  deutlich  v  e  r- 
grössert  nachzuweisen.  Die  Milz  ist  nicht  geschwollen,  ein  IIii<}roj>s  Asrifr.-c 
nicht  vorbanden.  Jetzt  kommt  es  auch  zu  Blutungen  aus  deu  verschiedensten 
Organen :  Nasenbluten,  Hautblutungeu,  Blutungen  aus  dem  Genitale  u.  s.  w.  Die 
Kranken  sind  nun  vollkommen  bewusstlot  geworden  und  geben  entweder  in  diesem 
Zustande  ra?ch  zu  Orundc  oder  sie  zeigen  mehr  miuder  intensive  Unruhe  und 
Aufregung',  welche  sich  mitunter  zu  lebhaften  Delirien  Htcifjeru  kann, 
bilutig  sich  auch  durch  zeitweises  markerschütterndes  Aufschreien  aus  dem  be- 
wuBBtlosen  Zustande  ebarakteririrt. 

Nieht  immer  ist  der  Verlauf  ein  soleber,  wie  er  eben  gesebUdert  wurde. 
In  Fällen,  in  welchen  die  Vergiftung  mit  ausserordentlich  grossen  Mengen  Phos- 
phors stattfand,  kann  der  Tod  in  wenigen  (7 — d!)  Stunden  eintreten;  in  jeueu 
FSllen  hinwiederum,  in  dentm  sebr  bald  nach  der  Vergiftung  eine  eneigisebe 
entsprechende  Behandlung  eingeleitet  wurde,  kann  das  erste  Stadium,  das  der 
Idealen  Wirkiinir  des  IMidsphors ,  {ranz  fehlen  und  der  Troce^is  kann,  falls  über- 
haupt nichts  vom  Gifte  zur  Resorption  kommt,  vollständig  abgeschnitten  crsubeinen 
oder  es  gelangt  doch  eine  genügende  Menge  Giftes  zur  Resorption  nnd  die  be> 
treflRsnde  Person  selgt  direet  die  Allgemeineneheinnngen  der  Phospbonrergiftung* 

Pathologische  Anatomie.  Diejenige  Veränderung,  welche  für  die 
Giftwirkung  des  Phosphors  charakteristisch  stets  durch  seine  Wirkunir  auf  die 
Gewebe  hervorgerufen  wird,  ist  die  Ver fett ung  der  Orgaue.  In  welcher  Form 
nnd  wodurch  der  Phosphor  diese  Verfirttung  herbelfUlurt,  ist  bis  beute  unentsehieden ; 
die  Thatsaehe  selbst  aber  schon  seit  Langem  siobeigestellt ,  nnd  zwar  zunilchst 
durch  Il.M  FF.  der  I  SßO  als  der  erste  auf  die  Verfettung  iler  Leber  als  eine  Folge 
der  Pbosphorvergiftung  aufmerksam  machte.  Bei  dieser  Verfettung  der  Leber- 
seilen  degenerirt  suniebst  das  Protoplasma  der  Zellen }  wibrend  der  Zdlkem 
widerstandsfähiger  erscheint  und  meist,  insbesondere  in  der  ersten  Zeit,  intact 
bleibt;  bleibt  das  Lehen  des  Individuums  trotz  der  Vergiftung  lSns:er  bestehen, 
dann  geht  auch  eine  Reihe  von  Zellkernen  zu  Grunde,  was  sich  vor  Allem  durch 
die  verminderte  Ffirbbarkeit  derselben  au  erkennen  giebt.  Mitunter  kommt  es 
aoeb  SU  raseb  eintretendem  vollkommenen  ZerfoU  der  Zellen,  die  Leber  wird  in 
Fdjtre  des,sen  kleiner  —  secundilre  acute  Leber atrophie  nach  Phosphor- 
vergiftung.  Ich  nmehte  hier  hervorheben,  dass  von  einifren  Autoren  auch 
interstitielle  Veränderungen  entzündlicher  Matur  in  der  Leber 
Pbospborvergifteter  gefunden  wurden.  Verlndernngen ,  welche  jedenfalls  bei  dem 
ineonstanten  Vorkommen  und  der  geringen  Ausbreitung  derartiger  Proeesse  keine 
besondere  Hcdeutung  beanspruchen  dürfen,  und  dass  ferner  neben  einer  Fett- 
degeneration vielleicht  parallel  läuft  eine  i^'ett  infiltration  der 
Leber,  woflSr  schon  die  auffallende  Thatsaehe  des  auMerordentlieb  hoben  6e- 
wichtes  spräche  .  welches  mitunter  eine  derartige  verfettete  Leber  zeigt;  so  wog 
<i:e  Leber  eines  itn  zweiten  Stadium  der  \erfriftunc  verstorbenen  20jfihrigett 
Madchens  ( Stickstoifausseheiduntr  am  Tage  vor  dem  Tode  r.''6  Grm. !)  24  30  Grm., 
ein  jedenfalls  ganz  ausserordeutlicb  hohes  Gewicht,  besouders  wenn  man  berUck- 


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PHOäPHORVEBGXFTUNG  (acato). 


589 


sichtigt,  da83  es  sieh  um  eine  eher  kleine,  allerdings  kräftige  i'ersoD  handelte; 
das  Gewicht  de»  Gehirnes  betrug  in  diesem  Falle  nur  1300  Gni). 

Doch  die  Leber  ist  wohl  das  zunächst,  aber  durchaus  nicht  das  allein 
ergritfene  Organ,  atMli  an  der  Magen-  und  Darmaehletinliaat  (GathiH»  glmdu' 
laris).  im  Gehirn,  im  Herzmuskel,  in  den  Nieren,  welehe  letstere  sehr  gross  — 
g-eschwollen  —  erscheinen  und  in  welchen  die  Verfettun»  vorzüglich  die  Epithel - 
zelten  betrißt,  währeud  die  Gefässschlingen  sehr  wohl  erhalten  sind,  zeigt 
sich  dieser  auflfallende  Einflusa  des  Phosphors.  Sehr  wenig,  mitunter  gar  nioht 
▼erfettet  ersohdnen  die  grosseren  Gefltese,  sowie  die  pertphwen  Nerven,  wlhrend 
die  Rnmpfmusctilatur  meist  stark  verfettet  gefunden  wird. 

Einwirkung  dos  Phosphors  auf  den  Stoffwechsel.  Der 
Eiutiusä  des  Phosphors  auf  den  Organismus  äusäert  sich  in  einem  stark  er* 
höhten  Eiweissserfall,  weldier  gleiehseitig  qualitativ  geftndert  er^ 
8cheint,  so  zwar,  dass  es  znr  vermehrten  Bildung  nnd  Anssehddnng  stark  sanrer 
Körper  im  Organismu-*  kommt. 

Im  ersten  Stadium  der  Vergiftung,  wahrend  dessen  die  Kranken  stark 
erbrechen,  der  Phosphor  jedoeh  nodi  nieht  anr  Resorption  kam  nnd  daher  kdne 
Allgemeinwirkung  entfaltet  hat  (Stadinm  der  localen  Wirkung),  finden 
wir  einfach  den  StnlTwechstl  des  H  ii  ii  e  r-  und  I)  ii  r  s  t  z  u  s  t  a  n  d  e  8  ,  das  heisst 
eine  sehr  starke  Herabsetzung  der  btickstoffausscheidung,  wobei  aber  die  einzelnen 
N-Componeuten  in  normalen  Verhflltnissen  vorhanden  sein  können.  Betrügt  nor- 
maler Weise  der  Harnstoftstickstotr  [N(Uj]  84— 907o,  der  Ni^NHJ  4—6%,  der 

Stickstoff  der  Harnsnnre  [N  (U  i]  1 — ^  des  im  Harne  aii'itrcschiedenen  jresammten 

Stickstoffes,  so  tindet  man  hier  meist  etwas  erhöhte  Ammouiakausscheidung  (7  bis 

(- 

O^  o'  etwa.s  niedri^n-  Wertlic  fllr  NiTi  —  86", mitunter  ist  aber  schon 
um  diese  Zeit  eine  starke  Ammoniakvermehruug  als  Zeichen  starker  Säuerung  des 
Körpers  vorbanden. 

So  nntersnehte  leh  einmal  den  Harn  eines  Kranken,  welcher  am 
2»;.  Mai  181»2  vor  Mitternacht  die  Köpfchen  von  4^  3  Pnckchen  gewöhnlicher 
Zündhölzer  thelN  in  sehwarzini  KalTee.  theils  in  Wasser  zu  sich  f?enommen  hatte. 

Dem  Ivraukeu,  welcher  in  der  ^Jacht  vom  20. — 27.  Mai  in  s  Krauken- 
haus gebracht  wurde,  wurde  der  Magen  mit  Wasser,  dann  mit  Magnena  utta 
und  sebliesslich  mit  einer  ganz  dttnnen  Lösung  von  Cuprum  sulf'uricum  ans- 
gespfllt  und  weiterhin  'rer{)entinr)l  innerlich  verabreicht.  27.  Mai.  Der  Kranke 
erbricht  ständig,  i.Ht  sehr  matt,  Puls  klein,  weich.  28.  Mai.  Patient  stark  ver- 
fallen, Leber  deutUeh  vergrösaert. 


j|H«niiB»affej  Harn 

N       1   NCNR,)  1      PtO,      [Chlor  (OONa)jS  (als  BaBO«) 

27.  bis  260  Ccm. 
88.  Mai  1 

1 

stark  sauer; 
fiiweiasfrei 

in  100  Ccm. 
=  0775  Gr. 
Tagesmenge 
—2016  Gr. 

—      'in  10  )  Cetil. 
1=0-478  Gr. 
Ta^Bimeiige 
1  1-2428  Gr. 
jN:P,0.= 
10J:61*6 

.  -, 

lu  ^pur••[l 
in  lOUCciu. 
=  0*022  Gr. 
TfecMmeDge 

0-0579  Gr. 

(A  4-  R  ) 
in  100  Com. 
=  0-461  Gr. 

Tagestnenge 
im  Gr. 

28.  Uai 
12Ulir 
Mittags 
Tod 

250  Ccm. 

stark  saaer ; 

im  Ilat  n  Eli- 

vvi  i<> : 
kt'in  I'i-jiion  ; 

reichlich 
Aceton 

in  100  0cm. 
=0-374  Gr. 

tn 

lOOCrm.- 
Ol  665  Gr. 
N:N(N^ 
=  100: 
17-7 

Wie  ans  der  mit^retheilten  Bestimmung  ersichtlich,  waren  in  dem  antr 
mortem  entleerten  Harne  17'7^  g  vom  Gesammtstickstoff  als  Amniouiakstickatoli 
vorhanden!  Es  geht  ferner  aus  der  obigen  Tabelle  hervor,  wie  ausserordentlich 


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590 


PHOSPHORVERGIFTLNG  (acute). 


gering  in  diesem  Stadium  mitunter  die  StifkstoffÄusscheidung  Überhaupt  ist ,  da 
dioHcr  Kranke  vom  27. — 2b.  Mai  nur  etwas  Uber  2  Grm.  N  durah  dea  Harn 
auaschied ! 

Kommt  aber  der  Vergifikele  ao  einer  Zeit  io  Behandlmg ,  an  weleher 
noeh  nichts  oder  ein  sehr  geringer  Theil  des  Phosphors  io  den  Darm  eingetreten 
war  und  wird  demselben  der  Magen  gründlich  ausgesp'llt .  dann  kann  das 
Erbreobeo  von  dieser  Zeit  an  ausbleiben  und  die  Stiokstutiauä^icheidung  zeigt  — 
da  der  Kranke  meint  in  den  ersten  34  Standen  k«n  Verlangen  naeh  Speise  hat 
nnd  anoh  wenig  Nahrung  bekommt  —  die  Werthe  eines  einfachen  Hung^rzsstandes  ; 
tn  werden  G  -.'^  (>rm.  N  (pro  di«-  ausgeschieden,  bei  siemlich  normalem  Ver- 
bältnisse der  einzelnen  >t-(jom|)onenten. 

Beginnt  nnn  das  iweita  Stadium  der  Vergiftung ,  das  der  allgemeinen 
Wirkung  dee  Phosphors,  so  ändert  sich  das  Bild  wesentlich.  Nun  zeigen  die 
Kranken  sehr  viel  Durst  und  da  glcichsreitig  d.is  Krhre'-ln.Mi  meist  minder  heftig 
ist  als  im  erf*ten  Stadium,  die  Kranken  also  die  aufgenommene  Flüssigkeit  auch 
behalten  können,  eutleereu  sie  viel  Uarn ;  dieser  Harn  ist  aber  austterdem  sehr 
reich  an  K  und  die  Kranken  seheiden  nun  —  trotz  des  Hnngersustandes «  in 
dem  sie  sich  meist  befinden  —  dnreh  den  Harn  15 — 20  Grm.  N  nnd  mehr  pro 
die  aus,  ein  sicheres  Zeichen  eines  ansserordentüch  erhöhten  Ei* 
w  e  i  8  8  z  e  r  f  a  1 1  e  s. 

Von  diesem  Stickstoff  werden  76— 85*>/o  durch  den  Harnstoflbtielcstoff 
gebildet;  das  bedeutet  zwar  eine  relative  Verminderung,  die  absolute  Menge  al>er 
des  im  Organismus  gebildeten  und  ausgeschiedenen  Harnstoffs  betrflgt  12  bis 

4- 

Iß  Grm.  N  T)  und  mehr,  also  Mengen,  welche  die  Annahme  einer  behinderten 

Hamstoffbilduag  im  Organismus  direet  widerlegen.    Da  aber  die  relative  Menge 

+ 

des  N  (ü)  verringert  erscheint,  mtlssen  doch  andere  N-Coni])'  i;t'nten  relativ  ver- 
mehrt ausg('scliit.den  werden;  welche 'Ihfilc  des  StirkstolTs  sind  also  in  vermehrter 
Menge  im  Harn  vorhanden  ?  Das  Ammoniak,  lautet  die  Antwort  ;  dieses 
macht  jetzt  10 — 17%  vom  Gesammtstiekstoff  ans  nnd  es  erhebt  sieh  die  weitere 
Frage,  wodurch  diese  Ammoniakvermehrung  bedingt  ist.  Mao  könnte  ja  daran 
denken,  dass  die  HarnstofTldldung  vielleicht  in  Folge  der  Leberverfettung  behindert 
sei  und  die  Vorstufe  des  IlarnstotVs  naeh  Schmiedeberg  und  v.  SchkhDKR 
bekanntlich  das  kohlensaure  Aminou  —  iu  den  allgemeinen  Kreislauf  gelange 
und  dnreh  die  Nieren  ansgeseldeden  werde.  *)  Aber  einmal  ist  eine  Verminderung 
dea  haxBirtoff bildenden  Verml^ens  der  Leber  nicht  nachzuweisen,  zum  anderen 
kann  man  durch  Darreichung  von  Alkalien  den  direeten  Beweis  liefern,  da-<s  diese 
Ammouiakvermebruug  nur  durch  die  starke  Säuruug  des  KOrpers  bedingt  ist, 
indem  das  Ammoniak  snr  Neutralisation  dieser  abnormen  Mengen  saurer  Producte 
verwendet  wird  und  die  Ausscheidung  des  Ammoniaks  sofort  herabgesetzt  wird, 
sobald  dem  Körper  andere  Alkalien  zur  Neutralisation  der  sauren  Producte  dar- 
geboten werden.  So  sank  z.  B.  in  einem  von  mir  beobachteten  Falle  der  Procent- 
g^halt  des  Harns  an  Ammoniak  nadi  Darreichuug  von  NaHCO,  rasch  von 
16*56o;o  auf  11'06«/«  und  weiterhin  auf  6-2o/o  herab! 

Der  menschliche  Körper  schlitzt  sicli  eben  vor  einem  Verluste  .-in  ll\en 
Alkalien  i  Na.  Ka  durch  Abspaltung  von  NU ;  aus  seinem  Kiw  eiss,  welch  letzteres 
zur  Ncutralisatiuu  ubuurmer  Säuren  beuUtzt  wird.  Hieraus  erkl^irt  es  sich  vieU 
leieht  auch,  warum  in  manchen  Fallen  trots  bedeutender  SAumng  im  Organismus 
der  CO^-Oehalt  des  Blutes,  welcher  bekanntlich  nach  Schmikdkbkrq  als  Mass 
der  Alkab  scenz  des  Blutes  beoUtzt  wird,  gar  nicht  oder  unbedeutend  vermindert 
gefunden  wird. 

Drei  K(»ri)er  N-baltiger  Natar  lenken  noch  die  Aufmerksamkeit  auf  sich: 

Die  II  a  r  ti  s  .1  u  re,  das  Pepton  und  die  Amidosfturen.    Die  Harnsftnreaus- 

sehcidung  li.llt  sich  bei  der  Posplinrverjriftunsr  stets  in  relativ  normalen  Grenzen ; 
nur  in  den  späteren  Stadien  der  Vergiftung  erscheint  dieselbe  etwas  vermehrt;  eine 


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PHOSPflORVEBÜIFTUNG  (aeotsj. 


591 


uulTallende  Stdgerun^  der  HarnsSureaussehtttduiig  ist  jedoch  im  Gegeusat/.e  zur 
Aiin:i!ime,  rei^pective  Vermuthun^r  Houbaczewski's  nicht  vorliHinien.  Was  die 
Poptuuaiis8L'beidung  betrifft,  so  fand  ich  in  6  darauf  untersuchten  Fallen  kein 
Pepton  im  Harn ;  die  weiterhin  zur  Entscheidung  dieser  Fra^  von  Robitschek  ^) 
in  einer  Huhe  von  Fällen  vorgenommenen  Unteraudinngen ,  in  welehen  die  Be- 
stimmung nicht  einmal,  sondern  (afrt.'ljilich  austreführt  wurde,  und  zwar  sowohl  nteh 
der  Methode  Df.voto's  als  nach  der  Hofmkistkr's,  erp-ab  mit  Sicherheit  das 
Resultat,  daa-s  in  einer  Zahl  vou  Fällen,  allerdingü  nicht  in  allen, 
Peptonurie  während  der  Pcephorveryifttittg  vorhanden  itt ;  doeh  ist  der  E  i  n  t  r  i  1 1 
dieser  Peptonu rie  an  kein  besti mmtes  Stadium  gebunden.  Sie  tritt 
in  dem  einen  Falle  knapp  vor  dem  T(»de  ein ,  in  dem  anderen  wieder  in  den 
ersten  Tageu  der  Vergiftungp ,  um  vor  dem  l'ode  voUkomuieu  zu  verschwinden. 
Wodnreh  diese  Differenzen  bedingt  werden,  wissen  wir  nicht;  ein  Thell  dieser 
Peptonurie  ist  viel  leicht  durch  die  Läsion  der  Darmsdileimbaut  und  die  directe 
Aufnahme  \-<>n  Pejtton  in  das  Hliitfrefäassyatem  zu  erklären,  eine  sich<rp.  für  alle 
Fälle  von  i'eptouurie  passende  Erklärung  kennen  wir  jedoch  bis  heute  nicht. 

Ich  möchte  sohliessUeh  nicht  unterlassen,  nochmals  au  erwähnen,  d&as  es 
in  einer  Reihe  von  Phosphorvergiftungen  flherhaopt  nicht  cur  Peptonurie  kommt, 
dieselbe  ilsn  jedenfalls  nur  untergeordnete  Bedeutung  für  diese 
V  erg  i  1 1  u  n  fe'  besitzt. 

Bezüglich  der  Amidosäuren  niuss  ich  erwähnen,  das-s  ich  iu  vier 
daraufhin  untersuditen  Fällen  ein  negatives  Resultat  hatte,  kein  Tyrosin  oder 
Leucm  im  Harn  fand;  snmmirt  man  sebliesslieh  in  den  flbrjgmi  von  mir  uutw- 
+ 

Buehten  Fällen  N(U),  N(NH,)  und  N  (ü),  dann  kann  man  aueh  auf  diese  Weise 
naehweisen,  dass  andere  N-haltige  Körper,  also  auch  Amidosäurwi,  in  jedenfalls 

nur  sehr  g^erin^er  Menfre  im  Harne  vorhanden  sein  konnten. 

Nur  in  einem  Falle,  in  welchem  wahrscheinlich  eine  Phosphorvergiftuug ^) 
vorhanden  war,  mit  Aw:^p:an^  in  Atrophie  —  die  Lebensellen  waren  bis 
auf  eine  ganz  kleine  Stelle  total  degenerirt,  die  Niere  sehr  gross,  total  ver- 
fettet — .  fand  ich  etwas  TyrcHiii  .nn  13<)  Cem.  Harn)  und  aii^^scrdcni  ein 
Kohlenhydrat  (durch  Benzoylirungj ,  weiches  wohl  uach  seinem  cheuiiecheu  Ver- 
halten als  thierisches  Gummi  angesehen  werden  durfte;  in  diesem  Falle  waren 

17-3<».o  N  (NUaj  im  Harn  und  nur  53«o  N  (ü). 

leh  stimme  also  hier  vf^kommen  mit  Schqltzbh  und  RiBSB  ttberriu, 
welche  als  differentielles  Moment  cwisehen  Fhoepborvergiftung  und  aeuter  Leber- 
atrophie den  Manffel  von  Amidos.'lurcn  hei  der  ersteron .  das  hSulige  Auftreten 
dieser  Krirper  bei  der  letzteren  bezeichneten:  nur  müssen  wir  daran  fest- 
halteu,  dass  die  Leber  im  Verlaufe  einer  Phosphorvergiftuug 
acut  atroph!  ren  kann  und  dann  tritt  ebenfklls  reldilieh  Tj^ln  im  Harne  auf, 
wie  wir  das  in  unserem  Falle,  und  noch  viel  prägnanter  in  jenem  A.  Kr.\nkei/s')  sehen. 

Ich  mtiehte  aber  nicht  annehmen,  dass  der  Befund  von  Amidos  Huren 
im  Harne  zusammenhänge  mit  behinderter  Harnstoti'bildung  iu  der  Leber,  sondern 
mOehte  die  Högliehkeit  betont  wissen,  dass  es  sieh  vielleteht  nur  um  Zerf  all  »- 
producte  der  I.«eber  selbst  handelt,  wdehe  in  das  Uut  aufgenommen  und 
a  um  T  h  e  i  I  e  durch  die  Nieren  ausgeschieden  werden. 

In  jenen  Fällen  nun,  in  welchen  der  Eiweisszerfali  so  ausserordentlich 
hohe  Grade  emieht  hat,  tritt  mdst  in  kumer  Zelt  der  Tod  ein;  d^  Krankra, 
welche  am  Tage  snvor  1600—2000  Ccm.  Harn  entleerten  (mit  15—20  6rm.  N), 
selieiden  nun  ante  mortem  in  den  letaten  24  Stunden  nur  200 — 400  Ccm.  Harn  aus 
und  in  demselben  ist  das  N  vermindert,  so  zwar,  dass  die  Gesammtausscheidung 
an  N  3 — 6  Urm.  und  weniger  betragen  kann  :  von  diesem  .Stickstoff  aber  beträgt 

der  N  (Uj  noch  immer  8.3 — 85^  q  ,  so  dass  zwar  absolut  sehr  wenig  Harnstoff 
*)  JDia  Kranke  gab  die  Vergiftong  nicht  sv. 


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PHOSPHOR VERb IF lUNG  i acute). 


aiisgreschieden  wird,  trotedem  «ber  von  «tiiw  behinderten  Hernitoff^yntheee  nieht 
die  Kede  sein  kann. 

So  sank  bei  einem  der  von  mir  beobachteten  Fälle  Br.  die  U&rnmenge 
von  1500  Gem.  (12.— 13.  Febrnnr  1892)  nuf  480  Gem.  (18.— 14.  Mrnnr), 
nnd  betrag  die  Geanmmt-N-Ansieheldnng  un  letitgeannnten  Tage  8*8  Grm.  N; 

von  demselben  waren  83*01%  eis  N  (Ü),  8'9*/o  «Is  N  (NH,)  vorhanden.  Man 

geht  wohl  nicht  fehl,  wenn  man  dieses  plötzliche  Absinken  der  Harn-  und  das 
g:]eichzeiti^''e  Absinken  der  N-Ausscheidung  mit  dem  raschen  Sinlcen  der  Herzkraft 
und  der  Blutdruckberabsetzuag  in  Zusammenhang  bringt.^) 

Kommen  die  Kranken  mit  dem  Leben  davon,  was  trotz  Lebersehwellnng 
und  allgemeuMm  Icterus  der  Fall  sein  kann,  ich  selbst  in  swd  Fällen  beobachtete, 
denn  werden  auch  nicht  so  ausserordentliche  grosse  Mentren  von  N  pro  die  durch 
den  Harn  ausgeschieden  j  wenigsteus  schieden  beide  Kraoken ,  die  ich  beobach- 
tete, nnr  cirea  12 — 18  Grm.  N.  pro  die  aus;  was  jedoeb  das  anflSillende  iet, 
es  kommt  späterhin,  falls  Genesung  eintritt,  nieht  plötzlich  xu 
einfT  starken  Hetention  von  N  uud  zur  Verminderung  der  N-Ausscheidung  im  Harn, 
sondern  die  X  -  A  u  s  s  c  h  e  i  d  u  n  g'  bleibt  ständig  hoch  und  so  erklärt  es  sich, 
warum  nur  ganz  allmälig  die  vollkommene  Genesung  eiutritt. 

Wir  beben  oben  gehOrt,  dass  die  Ammoniak vermebrang  bedingt  sei 
dnroh  die  starke  Säurung  des  Körpers;  welcher  Natur  sind  diese  Körper? 

ScHM/rzKX  und  Riesas  gaben  an,  bei  der  acuten  Phosphorvergiftang 
reichlich  Fleiscbmilchsäure  gefunden  zu  haben;  ich  muss  gesteheu,  daaa  in  drei 
Pillen,  in  denen  leb  damacb  snebte,  kaum  Sparen  von  FleiacbmildMäure  naehin- 
weisen  waren.  Es  kann  —  dies  dlrfte  man  wohl  mit  Sieberbeit  behaupten 
können  —  die  F  leise  hmilchfiäure  nieht  die  einzige  Ursache  der 
starken  Säuerung  des  Organismus  darstellen.  Wir  wissen  ja  ttbrigens,  dass 
in  einer  Reihe  von  IWlen  aneb  andere  Sinren  im  Harne  Phoepbonergifteter 
gefunden  wurden  und  möchte  leb  f«nier  daranf  aufmerksam  machen,  dass  auch 
die  Aceton  ausscheidung  bei  der  Phosphorvergiftung  stark  vermehrt  ist;  und 
dass  das  Aceton  einen  Index  stark  abnorm  sauren  Zerfalls  der  N-t'reien  Antheile 
des  EiweissmolekUls  darstellt,  ist  wohl  sehr  wabrscheiulicb.  Es  müssen  tlbrigens 
snr  Erklirnng  der  etarkoren  Sinerung  dea  Gi^anitmna  aneb  dieanorganisehen 
Sttnren  berflcksichtigt  werden. 

Was  zunächst  die  C  h  1  orausscheidiuig  Itetrifft,  so  sinkt  dieselbe  atisser- 
urdentlich  rasch  bis  auf  Spuren,  was  ja  dem  Hungerzustaude  dos  Kraukeu 
entspricht,  am  bei  eventueller  Genesung  raseb  auf  normale  Werthe  anzusteigen. 

Interessanter  verhält  sich  dagegen  die  Ausscheidung  der  Phoapbor- 
fj.ture.  welche  in  den  ersten  Tagen  der  Vergiftung  im  Verhältnis^  zur  N-Ans- 
scheiduug  relativ  stark  vermehrt  ausgeschieden  wird,  um  späterhin  unter  die 
n(MrmaIen  VerbSltnisae  abzusfaiken. 

Wfthrend  unter  normalen  Verbiltnissen  ein  Verhältniss  von  N :  Pj  O-,  = 
— -  1 00 : 20  besteht,  beobachtet  man  im  ersten  Stadium  der  Pho^phorvcrgiftung  Ver- 
hilltnissc  von  N:P|,0.  =  100:  90!  oder  100:61,  100:40  und  constatirt  späterhin 
ein  Absinken  der  P^  Oe-Ausscbeiduug  auf  100  :U,  selbst  100:7.  Zur  Erklärung 
dieser  Verbtitnisse  kann  an  swei  Möglichkeiten  gedaebt  werden :  entweder  handelt 
es  sich  um  eine  verschieden  schnelle  Ausscheidung  von  N  und  P^  ,  oder  um 
einen  anfangs  stärkeren  Zerfall  phospborreieherer  Körper  CLecithine)  mit  späterer 
Veruüuderuug  und  Keteotion  vou  phoi»phorhältigen  Bestandtheilen  behufs  Keparatiou 
des  verloren  Gegangenen. 

Man  könnte,  falls  die  letztere  Annahme  die  riebtige  wäre,  vorzUglieb 
an  den  Zerfall  von  rotlien  PI  utz  eilen,  Leber  und  Gehirn  denken. 
Bezüglich  der  rutheu  Blutzellen  bat  ja  Kuals  ')  durch  seine  Untersuchungen  nach- 
gewiesen, dasr  dureh  deren  Zerfall  eine  Abnahme  der  Alkaleseena  des  Bltttes 
herbeigeführt  wird,  so  dass  wir  in  der  Annahme  eines  Zerfalles  der  rothen 


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PHOSPHOBVERGIFTUNG  (acut«). 


593 


Blatzellen  gleichzeitig  eine  der  vielleicht  mehrfachen  Ursachen  der  Säueran^  des 
Ori^anismus  bei  dieser  Vergiftung  und  der  vermehrten  P^O^-Ausscbeiduog  gegeben 
bätteo.  Doch  haben  dte  ünterraehnngen  nnd  Zlhlnngen  der  reihen  BlntkOrperehen 
bei  Pbosphorvergiftung  niemals  den  Befund  einca  Zerfiülea  oder  eine  Veminde- 
rang  der  rothen  Blutkörperchen  ergehen'^*},  was  gewiss  sehr  auffJlllig  ist,  wenn 
aach  der  letztere  Befund  —  Mangel  eiuer  Verminderung  der  Erythrocyten  — 
nicht  mit  Sicherheit  gegen  die  Annahme  eines  Blutzerfalles  verwendet  werden  kann, 
da  ja  bei  einer  eventuellen  Eindieknng  des  Blntea  die  Zahl  der  rothen  BlutaeOen  trots 
Zngrandcgphcns  einer  grossen  Zahl  derselben  sogar  vermehrt  erscheinen  könnte. 

Bezilglich  der  Betheiliguug  der  Leber  in  dem  oben  vermnthcten  Sinne 
liegen  directe  Anhaltspunkte  vor,  indem  IlEFi-TKR^'j  bei  Bestimmungen,  die 
ans  anderen  Unaehen  auBgefllhrt  wurden,  nadbwies,  dass  bei  der  Phoiphor- 
vergiftung  der  Lecitliingehalt  der  Leber  bis  auf  die  Hälfte  herabsinke. 

Sehr  auffallend  ist  nun  die  Thatsache ,  dass  die  S  c  h  w  e  f  e  1  s  fl  u  r  e- 
ansseheidung  der  Ausscheidung  der  P3  O5  vollkommen  parallel  gebtj  wir 
werden  damaoh  die  bei  der  O^-Ausscheldung  zuerst  ausgesprochoie  MOgliehkdt, 
dass  es  sich  vielleieht  nm  eine  verschieden  rasche  Aussc heidung  der 
P^  0^  und  SC)-,  gegentiber  den  N-haitigen  Beatandtheilen  handle, 
wohl  im  Auge  behalten  mUssen. 

Was  das  Yerhiltniss  der  prftformirten  zu  den  AetherschwefelsUnren 
betrifil,  so  ist  dasselbe  im  Allgemeinen  normal;  nur  unter  bestimmten  Um- 
Stinden,  also  z.  B.  bei  starker  Erkrankung  der  Dilrme  selbst,  ist  mitanter  eine 
Stftrkere  Bildung  der  Aethersehwefelsiiuren  zu  constatiren. 

Auch  bezüglich  der  Kohlenhydrate  mochte  ich  per  parenthesin 
betonen,  dass  die  Verarbdtnng  dieser  KOrper,  wie  dies  sehen  Fbbbichs  ffsnigt 
hat,  bei  der  acuten  Phosphorrergiftung  nicht  weiter  leidet,  fune  be>  iidere  Heralh 
Setzung  der  Assimilationsgrenze  trotz  der  Leberverfettung  nicht  vorhanden  ist. 

Prognose.  Dieselbe  wird  zu  stellen  sein:  nach  der  Art  der  Ver- 
giftung, sowie  nach  der  Zeit,  welehe  zwischen  d«r  Anftiahme  des  Giftes  und  dem 
Momente  Terstricheu  ist,  in  welchem  der  Kranke  zum  Arzte  kommt.  Die  Prognose 
ist  -^tcts  mit  Vorsicht  zu  stellen,  doch  mag  nochmals  betont  werden,  dass  selbst, 
wenn  allgemeine  Into.\icatioDserscheiüUQgen ,  grosse  Hiui^Uigkeit ,  Icterus, 
Leberscbwellung  vorbanden  sind,  die  Kranken  noch  genesen  können. 

Differentielle  Diagnose:  Ich  möchte  hier  kurz  die  differ^ktielle 
Diagnose  gegenüber  dem  Tr  te  r  ns  fe  l>  r  il  is  —  Tct.  infe  c  t  io  s  u  s  i'Weil, 
Wassilieff)  streifen,  welch  letzterer  mitunter  unter  ähnlichen  Erscheinungen  als 
die  PhosphorvergiftUDg  zum  Tode  der  betreö'enden  Kranken  führt.  Der  acute 
Beginn  der  Erkrankung  mit  Sehflttelfrost,  die  neben  der  LebersdiweUang 
vorhandene  M  i  1  z  s  c  h  w  e  1 1  u  n  g ,  die  nephritisohen  Erscheinungen  acuter  Natur, 
werden  im  Vereine  mit  dem  raschen  Fieberabfalle  und  den  starken  Wadcnschmerzen 
meist  genügende  Anhaltspunkte  geben,  um  diese  Erkrankuug  von  der  Pbosphorver- 
giftung zu  unterscheiden. 

Therapie:  Bevor  wir  auf  die  Besprechung  der  therapeutischen  Mass- 
nahmen nilher  eingehen,  m?^ch(e  ich  vor  Allem  darauf  hinweisen,  dass  der  Phosphor 
nur  ganz  allmälig  aus  dem  Darme  resorbirt  wird  und  nach  1 — 2  Wochen 
post  intoxicationem  im  Darme  nnd  im  Kothe  gefunden  wird;  von  der  letzterra 
Thatsache  kann  man  sieh  leicht  mittelst  der  SCHEREB'schen  Probe  vergewissern, 
welche  ati eh  zum  Nachweise  des  Phosphors  iti  den  F.Hces  wohl  verwendbar  erscheint. 
Es  werden  zu  diesem  Behufe  zwei  Streiten  Filterpapier  verwendet,  von  denen 
einer  mit  Ble iaoetat-,  der  andere  mit  Silbernitratlösung  getränkt  wird; 
diese  Strafen  werden  in  das  GeAss,  in  welchem  sich  die  Flces  befinden,  Unein- 
gebingt  and  das  GeHlss  oben  durch  einen  Deckel  geediloesen,  welcher  Deckel 
gleichzeitig  die  beiden  Streifen  am  Kande  festhillt. 

Ist  in  den  Fäces  Phosphor  enthalten,  so  wird  alsbald,  mitunter  schon  nach 
wenigen  Minuten,  der  mit  AgNO«  getrlnkte  Streifen  gebrinnt;  doch  darf  nicht 
Eaeyeloi».  Jabrbaoliar.  m.  38 

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694        PHOSPHOBTEBGIFTÜNG  («cate).  —  PHTSOSTIGMINTEBGIFTUVG. 


gleiebzeiiif  der  zweite  Strdfen  geliriant  eneheuieo,  in  welehem  Falle  die  BrinniiDg 

des  mit  Silliemitrat  getränkten  Streifens  seine  Bedeutung  verliert,  da  in  diesem 
Falle  der  H^S-Gehalt  der  FAces  die  Ursache  der  SchwAnung  beider  Streifen 
sein  kann. 

Dies  vorausgeschickt,  ergiebt  sieh  alt  die  erste  Indieatiottf  im  Falle 
«ner  acuten  Pbosphorrergiftung,  den  Phosphor,  wenn  mOglieh,  aus  dem  ganzen 
Magendarmoanal  zu  entfernen :  diesem  Verlangen  wird  entsprochen  :  a)  durch 
Anawaschung  des  Ma>.'ens  :  hi  dureh  Kntlcerunjr  des  Darnies  durch  Abfübnnittel.'-') 

ÜezUglich  der  Auswaschung  des  Magens  ist  zu  erwäboea,  dass  selbe 
slemlieb  nntzlo«  ersebeint,  sobald  mehr  als  24  Stunden  seit  der  Anfbabme  des 
Giftes  verstrichen  sind;  dodi  kann  man  auch  um  diese  Zut  noch  die  Aussptilunp:  des 
Magens  versuelien.  Drifregen  ist  die  Darreichung  von  A b f ti  h rin i ttel n  stets 
indicirt,  iuäbesoudere  in  den  ersten  Tagen  nach  der  Vergiftung.  Zur  Erzielung 
rneblieber  Stnblentleerungen  empfiehlt  sieb  in  diesen  FlUen  am  meisten  die  An- 
wendung der  Bitterwasser  oder  ein  Sen na  infus  (100  :  2000  A(jua);  die 
Darreichung  OUger  Abfttbrmittel ,  a.  B.  des  Ricinusöles,  ist  selbstveratändlich  zu 
vermeiden. 

2.  Um  etwa  im  Hagendarmeanal  zarflekblelbende  Partikeleben  nnsebftdUeb 

zu  maohen,  erscheint  weiterhin  die  Darreichung  von  Cuprum  aceticum,  respective 
sulfuricum  naeh  Bamberg ER  S  Vorsehlag  oder  noch  besser  die  des  T  e  r  p  e  n  t  i  n- 
öls  (altes  l'rftparati)  angezeigt.  Vom  Ka/i  Infpcrmanifanicum ,  das  in  O'l  bis 
0'3*>,o  Lösung  von  Ungarn  aus  in  letzter  Zeit  sehr  empfohlen  wurde'^),  habe  ich 
gar  keine  Erfolge  gesehen,  trotzdem  das  Mittd  von  allem  Anfange  an  in  grosser 
Dosis  gereicht  wurde. 

3.  Ferner  empfiehlt  sich  die  Darreichung  des  kohlensauren  Natrons 
zur  Bekämpfung  der  i^äuerung  des  Organismus;  denn  wenn  diese  auch  nur  als 
ein  Symptom  d«r  Vergiftung  erscheint,  so  kann  die  Sftuerung  doeh  an  und  fUr 
aiclt  gewisse  Störungen  bedingoi  und  ist  es  gewiss  rationell,  gegen  dieselbe  durdi 
Darreichung  grosserer  Drisen  von  Na  HCO3  (10 — 2<t  Grm.  pro  die)  anzukämpfen. 

4.  Endlich  wird  es  angezeigt  sein,  den  Kranken,  sobald  nur  geringe 
Neigung  zur  Nabrnngsanfnahme  besteht,  krlllige,  eiweisareiehe  Kost  zu  rmebeo. 

Ich  möchte  nicht  unerwähnt  lassen,  dass  bei  Beobaditnng  der  eben  an> 
geführten  (Jrundsfltze  die  letitcu  drei  zur  Beobuclitung  gelangten  Frille  von 
«cuter  Phüspborvergiftung ,  trotzdem  es  sich  um  schwere  lutoxicationeu  handelte 
und  die  Krauken  erst  spät,  eine  bereits  unter  den  Erscheinungen  grosser  Hinfällig- 
kelt,  Icterus  und  Lebersebwellnng  in  unsere  Behandlung  kamen,  gflnstig  abliefen. 

Liti-radir:  >)Mänzer,  Ceutrall.l.  f  klin.  Med.  1S92,  Nr.  24.  sowi.t  die  \o- 
veniber  1882  in's  „Deatoebe  Arcb.  f.  klin.  Med."  eingesandte  ausfahrlicbe  Arbeit,  welch« 
damaicbst  «raebeiaeo  d&rfle.  —  ■)  Steh«  auch  Badt:  Kritiaehe  nnd  klinitohe  Beititg«  sor 
Lehre  vom  Stoffwechsel  bei  Phosphorvergiftung ;  untor  v.  Noorden's  Leitung  unsgeführte 
Inaag.-Diss.  lierlin  is^l.  —  ^)  Engelicn,  Ueber  das  Verhalten  der  Amnioniakaasscheiduug  bei 
Phnsphorvergiftong :  nnter  Naunyn's  und  Minkowski's  Leitang  ausgeführte  Inaug.-Utss. 
Königsberg  i.  Fr.  1887.  Badt,  I.  e.;  Münxar,  1.  c.  —  ^)  M Unser,  Pragermed.  Wocheoachr. 
1892.  Mr.  34  n.  35.  —  *)  Horbaezewaki,  Kala.  Akad.  d.  Wfaaanach.  Wian,  matb.-nat.  Claaaa. 
18!)].  C,  Al.th.  III  —  ")  RobiLscIiek.  Deutsdie  med.  Wochenschr.  189.3.  —  ')  A  Frankel, 
Borliuer  klin.  Wochenschr.  1678,  XV,  ÜU"».  -  -|  .Siehe  Badt,  1.  c.  —  Kraus,  Arch,  1  exp. 
Path.  u.  Pharm.  XXVI,  IS^-Q,  ls6.  —  '  )  Tan.<sig.  Arch.  f.  exp.  Pftth.  U.  Pfaann.  1892. 
XXX,  161;  V.  .laksch,  Deiit.sche  med.  Woch^n.schr.  189;-{.  —  ")  Heffter.  Arch,  f.  exp.  Path, 
«.Pharm.  XXVllI,  97.  —  '=>v.Jak8cb,  Kliu.  Diagnostik,  lU.  AuÜ.  189;i.  ~  Hajno«, 
QjQgyaazat.  1892,  Nr.  2.  Uftnxar. 

Pllttli86f  Seelufteuren,  s.  Nordseebäder,  pag.  554. 

PhyaOStigminVSrgifhing.  (Veigl.  Real-Bnoyelopidie,  IL  Aufl.,  Bd.  XV, 

pag.  475.)  Was  bereits  durch  .'(Itcre  Boohachtunpren  für  die  Verpftung  mit  Calabar 
höhne  fe.Htprcstellt  ist ,    dass  dabei  l'upillenvereufrcrung  kein  constaiites  >Symptom 
ist,  ja  .sogar  verhültuiHHuiääsig  selten  vorkommt,  gilt  auch  für  das  Phy^ostigmio. 
Ein  von  Lbibholz  besebriebener  Fall  von  Selbstvergiftung  swder  Dienstmidcben 
mit  dem  jetst  wegen  seiner  Anwendung  gegen  Kolik  der  Pferde  auf  BanemhSfen 


PHYSOSTIGIIINVERGIPTÜNO.  —  FSY0BI8CBE  INPBCTION.  595 


viel  vorriltbig  gehaltenem  Physoatif^miosulfat  beweist  sogar,  dass  an  StclU«  d«r 
Myosis  bucb^adige  Mydriasis  vorbandea  sein  kann.  Aucb  die  in  den  mei»teu  Fälicii 
von  Yei^ftan^  m  beobachtotden  vennehiten  Defkeationen  können  fehlen;  bei 
beiden  Vergifteten  wiesen  nur  starkes  wiederholtes  Erbrechen  und  heftige  Leib- 
schmerzen auf  die  Einwirkuntr  des  Physostigmins  auf  die  Peristaltik  bin.  Der 
günstige  Verlauf  beider  Fälle ,  in  denen  vorübergehende  Bewusstlosigkeit  neben 
Maskelsebwftebe,  Erbrechen,  heftige  Leibsehmersen  nnd  Mydriasis  die  Hauptsym- 
ptonie  waren,  trotzdem  50  ^^-  rtIl.  von  jeder  genommen  waren,  erklärt  deh  dureh 
da.s  frühzeitige  I^rbreclHMi.  wodurch  der  ^rrössto  Thi'il  dc-^  (üftes  wieder  ausgeleert 
wurde.  Es  bestätigt  dies  die  bei  der  bekauatea  Anwendung  der  (Jalabarbohno  als 
Beweismittel  ftlr  Zanberd  in  AfHka  lingst  beobaehtefe  Thatsaehe,  dass  diejenigen 
Personen ,  welche  darnach  erbrechen,  mit  dem  Leben  davonkommen.  Man  darf 
allerdings  die  Toxicitiit  nicht  nach  den  vou  den  Pliarmakopoen  angenommenen, 
sehr  vorsichtig  bemessenen  maximalen  Medicinaldosen  (1  Mgrm.  als  lunzeldose, 
3  Mgrm.  als  Tagesgabe)  messen  wollen;  denn  diese  sind  selbst  für  Kinder  unschäd 
lieh  und  die  5 — lOfaehe  Menge  bleibt  bei  Erwaobseaen  nach  interner  Applica- 
üon  in  der  Regel  ohne  Nebenerscheinungen. 

Literatur:  Leib  hole.  Zwei  Ytrgiltniigea  dorch  Pliysoatigmin.  Vierteljalirschr.  £ 
ger.  Med.  189-  U.      pag.  285.  Uusemunn. 

Piligänin.  Mit  diesem  Namen  wird  ein  von  Hardet  uud  Aukian  in 
der  als  Pillgan  oder  Pilijan  beEeichueten  südamerikanischen  Lycupodiacee 
Lyeopodium  Saururu»,  die  in  Columbia,  Nen«Oranada  und  Peru  beim  Volke 

als  Emetocatharticum  in  Ansehen  steht,  aufgefundenes  giftiges  Alkaloid  benannt. 
Es  tTidtet  schon  zu  O'Ol  Frosche  und  bewirkt  ]»ei  Warmblnt"rn  eonvulsiviscbe:* 
Zittern,  Steigerung  der  KeÜexerregbarkeit ,  Couvulsioneu,  Siuken  der  Herzaction, 
Steigerung  der  Atbemsahl  bei  Vormindernng  der  Tiefe  der  Athmnng,  woraus 
sehliesslich  Asphyxie  resultirt.  Extracte  der  Pflanzen  wirken  in  grösseren  Dosen 
emetisch.  Da.s  IMIiganin  steht  als  stark  wirkende  Hase  in  der  Familie  der  Lyco 
podiaceen  nicht  isolirt,  da  auch  in  einer  europäischen  Art,  L.  complanatutn,  ein 
Alkaloid  vorhanden  Ist. 

Literatur:  Capdeville,  Sur  Vaction  phytktcgtgu*  du  piliffan  0t  dt  la  pUi' 
ffanine.  Bullet,  p.  n.  de  therap.  1886,  Aftat  30,  pag.  274.  Hagem  an  n. 

PleuraerkrankUngen,  s.  Lungenkrankheiten,  pag.  484. 

Pneumonie,  ibid.,  pag.  432  ff. 

Prochewnfek'sches  Verfahren,  s.  Beeken,  pag.  87. 

PrOpeptOnUrie,  bei  M.isem.  i)ag.  487. 
Pseudofieber,  s.  Fieber,  pag. 
Pseudoleukämie,  s.  Fieber,  pag.  296. 

Psychische  Infection.  Unter  p  s  y  e  h  i  .s  c  h  e  r  I  n  f  e  e  t  i  o  n  oder  C  <>  u - 
tagion  ( i  n  d  II  c  i  r  t  e  ni  Irresein)  versteht  nian  die  Tebertragung  einer  Psy- 
chose von  einem  Geiäte^krauken  auf  eiue  andere,  bisher  als  gesund  befundene 
Person,  die  sieh  in  der  Umgebung  des  ersteren  befindet.  Im  Allgemeinen  ist  die 
Bezeiehnunt;  ..Ansteckung"  für  diesen  bis  jetzt  noch  nicht  recht  aufgehellten 
]»syehischen  l'roccss  als  uiebt  »ehr  gltieküeh  zu  bezeiehucn,  wenn  aueh  BoUCHUT 
uud  liKUAK  ein  wirkliches  nervöses  Contagium  bereits  annahmen  und  neuer- 
dings Kbönbr'j  swar  die  baeillire  Affsetion  leuguet,  aber  eine  Intoxication  an- 
zunehmen berechtigt  zu  Sein  glaubt.  Man  braehte  nun  diese  An<iteckungen  in 
Verbindung''  mit  gewissen  nerv">sen  Erregungsvorgflngen  fOJihnen ,  Lachen)  und 
Neurosen  (iiysterie,  Chorea),  die  bekanntlich  von  einem  Individuum  auf  das 
andere  Obertragen  wwden  kOnnen.  In  Deutsehland  war  es  meines  Wiasent  wohl 
zuerst  FmKBLNBUSo*),  der  auf  diese  Art  der  Uebertragnng  dner  Psyehose  von 

38* 


59Ö 


PSYCHISCHE  IMF£GT10N. 


einem  Individuum  auf  da$  andere  aufmerksam  machte  nnd  an  einer  Reihe  von 
Fallen  nachwies,  dass  ein  Gesetz  sympathischer  Uebertra?:nner  obwaltet,  eine  Knift 
UDbewusster  psychischer  Eiowirkung,  dem  Anthropologen  eine  willkommene  Be- 
«tfttigung  des  Satzes,  daes  fttr  (He  bfiehsteD  Yerriebtangen  des  Nervensystems  im 
Wesen  die  gleichen  Gesetze  walten,  wie  für  die  niederen,  dem  Pfttliologen  aber 
ein  Wink  über  die  noch  nicht  hinläng-lich  gewllrdi-rtc  Bedeutung  einer  niflchtif^en 
Quelle  f'iinctioneller  Schädlichkeiten.  Spätere  Autoren  betonten  bereits  die  häufige 
p.sychiüchü  Ansteckung  bei  Blutsverwandten  i^Ceamek  \,  Jung  Nasse  Köster  7), 
Stölsnbb«),  BkosiüS*),  LsHHAim>*),  Obaf")  nnd  WiRNBRi*).  Gans  neuerdings 
hat  JöRGEK ")  die  üebertragnng  von  GeistesstörunL-cn  von  einer  Person  auf 
andere  Individuen  sich  predacht  und  beschrieben  als  auf  dem  Wege  der  „Emotion", 
wobei  die  primär  erkrankte  Person  eine  unbewusste  Rolle  spielt  und  auf  dem 
Wege  der  „Implantation**  mit  bewnsst  aetiver  RoUe  Seitens  des  PrimSrerkrankten, 
eine  Ansieht,  mit  der  im  W^esentlichen  aueh  OSTSBXATBR  uti  l  Kuhxbn^ 
fibereinstimmen.  Endlich  will  ich  noch  Herzog'*)  erwähnen,  der  den  Infections- 
vorgaog  mit  dem  der  Suggestion  vergleicht,  ähnlich  wie  Scuülb,  der  in  der 
Discttssion  Aber  den  eben  erwähnten  KuHNEN'scben  Vortrag  sieb  recht  prägnant 
dahin  ansspraeh:  das  tief  gewnnelte  Yertraaen  and  der  feste  Glaabe  an  die 
prei.Htifire  Superiorität  des  Mannes  wirken  gleichsam  einsdiiäfernd  auf  die  kritische 
Tlifitijrkeit  der  I  ra^^^ebung,  speciell  der  Frau,  ein,  so  zwar,  dass  die  geistig  ano- 
malen Auusserungeu  des  Mannes  einfach  unbesehen  und  ungeprüft  entgegen- 
genommen werden,  die  faisehe  Mttnse,  gleiehwie  die  bisherige  eehte,  wdl  an  die 
pure  MOgliehkeit  einer  fidselieii  aiebt  geglaubt  wird.  Es  ist  eine  Art  Antosvggestion 
ans  Angewöhnung  von  den  gesunden  Tajren  her. 

Besonders  eifrig  haben  sich  mit  der  Frage  der  psychischen  Infection 
die  Fransosen  befasst  und  es  prägt  sieh  bei  ihnen  die  üneiniglceit  in  dieser 
Sache  bereits  in  der  versehiedensten  Nomenclatur  aus.  Lbgraxd  do  Saüllr") 
betont  ausdrücklich ,  dass  der  primär  Erkrankte  den  secundär  ErprrifTenen  voll- 
ständig beherrscht,  dass  dieser  nur  das  Echo  des  ersteren  ist  und  dass  der  Ange- 
steckte immer  an  InteUigenz  dem  Ansteekenden  nachsteht;  ähnlich  drttekt  sieh 
Groffbot^*)  ans,  während  Las^üb  nnd  Falbst  ehie  Ansteeknng  nur  nadi 
einem  längeren  und  innigen  Verkehr  von  dazu  besonders  disponirten ,  geistig 
beschränkten  Individuen  mit  geistig  Gestörten  fiir  mo^rlich  halten.  Zur  Festsetzung, 
wer  der  active  und  wer  der  passive  Theil  der  Gestörten  sei,  geuUge  schon  eine 
Trennnng  derselben,  insofern,  als  das  primär  erlnrankte  Individuum  sldi  in  Niehts 
ändere.  lUiLLAKGER unterscheidet  bei  dem  See undärerkrankten  zwischen  blosser 
Leiclit.u'läubi<rkeit  (Credulit«')  und  wirklicher  Gest<5rtheit  Wt^h're  vraij.  Makaxdon 
DE  MuNTVEL^'j  nimmt  drei  Bedingungen  au,  unter  denen  sich  eine  Ansteckung 
vollsiebt:  1.  hereditäre  Disposition,  3.  intimes  Znsammenleben  nnd  3.  ein  fort- 
währender schädlicher  Einfln.ss  des  Kranken  auf  den  Gesunden ,  welch  letzterer 
sich  bemüht,  jenem  seine  Irrthümer  zu  widcrlcL'eii  und  schliesslich  mit  in  den 
Wahnsinn  verfällt.  Dieser  Autor  gruppirt  die  einzelnen  Krankheitsbilder  unter 
die  verschiedenen  Benennungen,  deren  allgemeinster  Ausdruck  Folie  ä  deux  ist, 
wovon  dann  spaeiell  nntersehieden  irird  die  Foli«  impos^e,  iMi  der  die  Sinnes- 
tänsebungen  des  Seeuodärerkrankten  fehlen,  weiter  ä\c  Folif  romiii>'n{f/U''e.  wenn 
Hallucinationen  und  Wahnideen  unter  dem  Einlluss  der  primärerkrankten  Person 
bei  einer  zweiten  eutätehen,  und  die  Folie  simultaiiee,  die  dadurch  charakterisirt 
wird,  dass  bei  swei  oder  mehreren  bis  dahin  gesunden  Personen,  die  onter  gidehen 
Verhältnissen  nnd  Lebeu-^ljedingungen  stehen,  zur  selbigen  Zeit  dieselbe  PSyehoM 
sich  entwickelt,  so  da^s  Hii<len  gleicher  Antheil  daran  zukommt;  zur  letzten  Form 
gehört  auch  die  Folie  ye'mellaire  (Bagme).  ^^'j  Dagegen  behauptet  RfiGis  '-^j,  dass 
er  die  Folie  h  deux  der  flbrigen  Autoren  nieht  anerkennt,  denn  die  Folie  h  deux 
f'.s'  constituce  par  un  dilire  stmilaire ,  ahsulument  identique,  Ott  phußt  le  metne 
dt'lire ,  s'oh.tfrvdu'  h  In  t'ii-'*  c/i^z  <1pux  vicn/  f  »lina  un  contort  intnw  H 

prolonye;  er  beansprucht  damit  den  allgemeinen  tarnen  der  Folie  ii  deux  blos 


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F8TCHI8QHB  IHFBOTION. 


697 


für  seine  Folie  aimultan^e.  Auch  Ball^^}  will  von  der  Folie  h  deux  seine 
Folie  yemellaire  getrennt  luiben  und  als  eine  Krankheitsform  sui  gmerii  be> 
traebtet  wissen.  Die  abTigsn  Aatoran,  wie  IfABBT**),  Mabtinbno'*)  Taouets'}» 
Pages-*),  Bellat'-»)  und  Legraix'o),  der  bei  dem  Secundärerkranktea  mehr 
Illusionen  als  Hall ucinationen  beobarhtet  hat,  bringen  im  Wesoutlichea  nichts  Neues. 

Auch  die  Engländer  und  Italiener  ^^j  entwickeln  keine  neuen  Anaichteu ; 
Hack  Tücke  *>)  spricht  von  einer  Ansfeeeknngr  nadi  Art  der  FnreM.  Du  Zwillings- 
irroadn  wird  gewöhnlidl  als  Jnsanity  of  tvtüu  bezeichnet. 

Im  Allscmeineu  mufs  ich  sagen  und  hier  wiederholen,  dass  nach  meiner 
Meinung  dem  Gegenstand  zu  viel  Beachtung  und  Wichtigkeit  geschenkt  wird. 
Ohne  sof  dem  Standpnnlct  von  Flbmhimo     zu  stellen,  der  flberliaupt  die  „An- 
steckttngskraft  des  Walinsinns"  bezweifelt,  muss  man  doeli  die  Fälle,  die,  wenn 
auch  nicht  haufisr,  so  doch  ab  und  zu  einmal  dem  Irrenarzte  sich  bieten,  genau 
>*ic'hten,  darf  sie  jedenfalls  nicht  von  der  Hand  weisen.   .Schon  im  gewöhnlichen 
Leben  unter  geistig  gesunden  Menschen  tinden  sich  des  Oefteren  Fälle^  wo  Jemand 
dureh  seine  Worte  nnd  Theten,  kun  dnroh  sein  gnnies  Auftreten  seiner  üni- 
gebnng  so  imponirt,  dass  seine  Ansichten  und  Gewohnheiten  als  die  unumstösslieh 
wahren  und  richtij^en  a  priori  angenommen  werden  und  der  geringste  Zweifel  an 
der  Unfehlbarkeit  dieser  Person  als  ein  grosaes  Unrecht  gilt.   Eine  kritiklose 
Anwkennung  und  eines  gebildeten  nnd  freidenkenden  Hensehen  nnwttrdige  Kaeh- 
nhmnng  sind  das  Resultat  jahrelangen  Staunens  und  Bewundcrns   gewesen  und 
führen  sclilies^lieli  zur  Verachtung'  und  Verhöhnunfj  derartig'er  Bewunderer.  Geht 
man  einen  Sehritt  weiter  und  zieht  man  in  Erwägung,  dass  das  weibliche  Ge- 
schlecht sehr  geneigt  ist,  den  Mann  nnd  seine  Theten  ansnl>eten,  so  wird  man 
deh  all  die  Wunderlichkeiten  des  Mittelalters,  die  Veitstanzepidcmie  in  Strass- 
burg und  andere  Volkskrankheiten  s^''  erklären  können.  Und  wie  draussen  im 
öffentlichen  Leben  diese  Sonderbarkeiten  entstehen  und  sich  durch  blosse  Nach- 
ahmung fortptlanzen ,  so  muss  in  der  Familie  bei  einem  engen  und  ununter- 
Imohenen  Znsammenleben,  Znsammendenken  und  gemebsehafUichMi  Durehspreehen 
aller  Wahrnehmungen,  Gedanken  und  Vennuthungen  das  geistige  Leben  gewisser- 
massen  eine  gleiche  Schulung  und  Dressur  annehmen.  Unter  solchen  Bedingungen 
nur  erklären  sich  diejenigen  Fälle,  wo  zwei  Individuen  (Geschwister,  Zwillinge), 
rftnmlieh  getrennt,  an  ganz  identisehen  Psyehosen  erkranken.  Jeder  sndit  äeu 
Anderen  scht  n   aus  Liebe  zu  ihm  nachzuahmen  und   der  geistig  Bevorzugtere 
octroyirt  dem  Beschränkteren  seine  Idee  auf.  Hierher  gehört  auch  das  epidemische 
Auftreten  von  hysterischen  Zuständen,  die  öeeliüuülleb beschreibt,  wo  bei 
anhaltender  Arbeit  im  Freioi  Banernmidohen  der  Reihe  naeh  an  Krimpfen  er- 
kranken. **)  Das  wüleoloee  Naehahmen  also  ist  es,  was  als  ein  nrsiehliehes  Moment 
zur  Uebertragung  von  Psyehosra  hervorgehoben  werden  moss,  worauf  auch  schon 
Stein      hinwies ;  weiter  ist  aber  auch  ein  intimes  Zusammenleben  erforderlich 
zur  Entstehung,  Entwicklung  und  zum  unmittelbaren  Ausbruch  einer  Psychose, 
eine  Thatsache,  auf  die  besonders  Wollenbebs nnd  Buphbat«*),  und  mit 
Recht,  grossen  Werth  legen,  vor  Allem  muss  eine  möglichst  totale  Abgeschlossen- 
heit gegen  die  Aussenwelt  vorhanden    sein.   Allein  diese  Bedingungen  sind  für 
einen  normalen  Menschen  glücklicherweise  nicht  stichhaltig.   Es  wäre  Ja  auch 
traurig  bestellt  fttr  den  Irrenant  nnd  das  Personal  in  Irrenanstalten,  wenn  sie 
jeden  Tag  Gefahr  laufen  mtissten,    in  Folge  des  inUmen  Zusammenseins  mit 
Geisteskranken  und  bei  so  vielfach  angeborener  Neifrnnfr  /um  Nachahmen,  nament- 
lich beim  weiblichen  Personal,  psychisch  angesteckt  zu  werden.  Es  muss  also 
noeh  etwas  Anderes  die  Bahn  der  Ansteckung  ebnen  und  das  ist  eine  angeborene 
oder  erworbene  Disposition  su  Geisteskrankheiten.  Nach  einer  Zusammenstellung 
von  Fällen  deutnclier  Autoren  über  psychische  Infeetiou  fand  ich  iti  7."/'  ,  der 
Fälle   Blutsvorwaniltschaft  des   Secuudärerkrankten   mit    dem  Primärbefalleneu, 
eine  Thatsache,  die  auch  schon  vorher  besonders  von  Wille*-),  Kxittel*»), 
LsHiiAMN*«)  n.  A.,  wie  ich  Anfangs  schon  erwihnte,  spiter  yon  Dbbs*')  noch 


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686 


PdTCHISCBE  INFECnON. 


ansdrfieklidi  als  graTirendeB  Moment  besehriebea  wurde.  Hierher  sUd  andi  ferner 

die  Fälle  su  reebnen,  wo  in  der  Verwandtschaft  des  Secundirerknuikteil  in  auf- 
steifjender  und  absteigender  Linie  Geisteskrankheiten  vorkamen  oder  wo  beim 
„Angesteckten"  früher  bereit»  einmal  oder  mehrere  Male  Geistesstörung  aufge- 
treten war  und  aonit  nur  der  geringste  AnstoM,  wie  der  Anbliek  dues  geistes- 
knaken  lieben  Familienmitgliedes  oder  Freundes,  geoOgte,  um  ein  reizbares, 
disponirtes  Gehirn  aus  dem  Geleise  normaler  Function  zu  bringen.  Und  weiter 
muss  ich  unter  der  sogenannten  Disposition  alle  die  ursächlichen  Momente  er- 
wähnen, die  auch  äonat  als  vorbereitende  und  für  die  Eotstebung  einer  Psychose 
wiebtige  gelten,  wie  Lnea,  Potm,  Onanie,  oder  aus  der  ptychisehen  Splilre,  wie 
Sorgen,  Aerger,  aufreibende  und  anhaltende  Pflege  von  Angehörigen  und  Freunden, 
Frömmelei,  Schreck  u.  A.  m.  Nach  meinem  Dafürhalten  sind  alle  die  Fälle 
psychischer  Contagion,  soweit  sie  Blutsverwandte,  d.  i.  Verwandtschaft  der  Primär- 
erkrankten mit  dem  Seenndlrerkrankten  betrefli»i,  Oberhaupt  minderwertbig ,  sn 
berflcksicbtigen  sind  eigentlich  nur  diejenigen  Personen ,  die  mit  einander  in 
keinerlei  verwandtschaftlicher  Beziehung  Riehen,  und  dies  sind  besonders  Eheleute. 
Aber  auch  da  konnte  ich  Uberall  ätiologische  Gründe  Huden,  die  allein  schon 
wum  Ansbrneb  einer  Pftycbose  genügten.  In  den  meisten  Fullen  nimlicb  betraf 
es  Frauen,  die  an  sich  reizbarer  und  sensibler  sind,  als  das  männliche  Gescbledit, 
und  welche  in  Folge  anhaltender  Nachtw.K-lK'ri  uu'l  bei  der  Angst  und  Sorge  um 
das  theure  Leben  des  Mannes  zusammenbrachfii.  besonders  wenn  das  (-'limactcrium 
od«r  sonstige  somatische  Leiden  (schwere  Entbindungen,  Uterinleidea  u.  dergl.) 
den  einseinen  Fall  noeh  eomplidrten.  Handelte  es  sieh  aber  bei  den  Semadir- 
erkrankten  um  Männer,  so  liessen  sich  auch  hier  unschwer  mancherlei,  die 
Peyehose  vorbereitende  l'rsaehen  auffinden,  wie  Herediiflt .  linanzielle  Sorgen, 
von  Haus  aus  bestehendo  Aengstlichkeit  uud  Besorgtbeit  um  die  kleinlichsten 
Saeben,  flberspannte  religKlee  Riebtnng,  gesebleebtliehe  Beize  nnd  Excease  n.  dergl., 
so  dasH  CS  niclit  wunderbar  erseheinen  konnte,  wenn  solche  Gehirne,  die  damit 
eine  eutschiedeue  psyehopathisehe  Signatur  tragen ,  den  an  sie  herantretenden 
sebweren  Anforderungen ,  besonders  w  enn  die  einwirkende  Schädlichkeit  vua 
anssergewöbnlieber  Heftigkeit  ist  (Wille),  als  niebt  gewaeksen  «rsebeinen  nnd  sie 
dann  krankhaft  rcagiren.  (Hierher  gehört  noter  Anderem  andi  der  HAN':jBN'sehe 
Fall.  *"  I  Es  ist  flalifT  niflit  'j-enug  darauf  aufmerksam  zu  machen  und  davor  sn 
warnen ,  dass  Ilereditürbclastete  sich  mögliebst  fern  halten  von  der  Ptlege  und 
Behandlung  der  Aiienaten,  insbesondere,  dass  aufgeregte  Personen ,  worauf  sehen 
Nassb«')  hingedeutet  bat,  namcnttieh  beim  Ausbrach  einer  Psyehose  von  ihnen 
nahestehenden  Personen  den  Verkehr  und  die  Obhut  der  Erkrankten  vermeiden. 
Wenn  ich  nun  kurz  das  Kcaultat  meines  Raisonnemcnts  zusanimeiitassc.  so  er^^iebt 
sich  daraus,  zugleich  iu  wesenilicber  Uebereiustiiumuug  mit  den  meisteu  neueren 
Autoren,  Folgendes: 

1.  In  der  erblichen  Anlage  des  Secundärerkrankten  ist  meistens  die 
Hanptursache  zur  geistigen  Erkrankung  eines  Individuums  zu  suchen  und  zu 
finden ;  die  Psychose  des  Primärerkrankteu  giebt  dann  nur  den  occasionelleu 
AnstoBS  und  wirkt  ibnlieb,  wie  beispielsweise  Sebreek  auf  einen  erblieh  Belastelen. 

2.  Ist  keine  Erblichkeit  nachweisbar,  so  betrifft  es  schwächliche  Indi- 
viduen ,  vorzOglieh  Frauen ,  die  in  Folge  anhaltender  Sorge  und  aufreibender 
Pflege  schliesslich  zusammenbrechen. 

3.  Die  sogenannte  Ansteckung  ge^chiebt  auf  dem  Wege  der  Naebabmung, 
gewissermassen  durch  Autosuggestion. 

4.  Ein  g«'sunder  Mensch  mit  Mnem  rüstigen  Hirn  wird  stets  intaet  bleiben. 
Was  endlich  die  Ftmi.  die  Prf>gnose  und  die  Behandlung  dieser  indu- 

cirten  Psychose  bctriüt,  so  habe  ieb  in  er»terer  Hinsieht  alle  Arten  von  Geistes- 
krankheit ausbrechen  sehen,  sowohl  mit  als  aach  ohne  Uebereinstimmung  mit 
der  primären  Erkraokang;  allerdings  sind  wohl  die  schweren  Erregungszustände, 
wie  man  sie  bei  der  Idanie  und  der  acuten  Paranoia  sieht,  am  häufigsten  beob- 


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PSTCHT9CHB  INPECTION.  —  PTOMAINE. 


599 


«chtet  worden,  im  Gehren satz  zu  den  Franzosen,  die  eigentlich  nur  den  Ver- 
folgungswahn hierbei  beschrieben. 

Die  ProgBOM  itt  mit  grosser  Yoreieht  sn  stellen ;  die  erbliehe  Belastang 
fällt  dabei  wie  Qberall  bei  Geisteskranken  sehr  in  die  Waagschale  ;  am  trfinstigsten 
sab  ich  diejeni«ren  Falle  ablaufen,  wo  zugleich  mit  einfm  acuteu  Ausbruch  der 
Erkrank ungeu  eine  sofortige  Trennung  beider  Individuen  und  irreuilrztliche  Be- 
handlung eingelotet  wurde  und  damit  ist  die  wiehtigste  Masenahme  der  Behend- 
long  gegeben  j  im  Uelmgen  Ist  aaf  die  allgemeine  psyehiatrisehe  Therapie  %vt 
WWÄSen 

Literatur:  Kuingbaus,  Psychopathologie,  pag.  384.  —  ')  Kroner,  Jm 
Folie  ä  d0Me.  Zefteehr.  f.  Pqrdiiatrie.  XLVI,  pa«.  6D4f.  —  *)  Finkelnburg,  Ueb«r  den 

Einfluss  des  Nachahmani^triebes  anf  die  Verbreitnng  Hes  sponulischen  Irreseins.  Zeitscbr.  f. 
Psychiatrie.  XVllJ,  pag.  1  f .  —  ')  Cramer,  Eine  geisteskruuke  Kaiiiilie.  Zeitschr.  f.  Psy- 
fhialrie.  XXIX,  pag.  218.  —  ')  Jung,  Ibid.  XXI.  pag.  534.  Unter.-.uelmiig(;n  über  die  Erl>- 
lichkeit  der  Seelenst.  —  ')  Nasse,  Zar  Lehre  von  der  sporadischen  psychischen  Ansteckung 
bei  Blvtsverwandtan.  SEritsebr.  f.  Phyeh.  XXVm,  pag.  561.  —  *)  Koster,  Zwei  Fllle  von 
psychischer  Autaekaog.  Irreofrennd.  1877,  pag.  43.  —  *)  Stölzuer,  Ibid.  pag.  16  <-Vomo- 
mania  trigemina).  —  ")  ßro.sius,  Ibid.  18n>,  Nr.  11  u.  lü.  Altes  aus  neuen  Anntaltsbe- 
richt«n.  —  Lehmann,  Zur  Casuistik  des  inducirten  Irreaein.s.  Arch.  f.  Psychiatrie.  XIV, 
pag.  145.  —  ")  Oraf,  lieber  den  Einäuss  Geisteskranker  anf  ihr»  Umgebaag.  Zeitschr.  f. 
Psych.  XLIII,  pag.  189.  —  '•')  Werner,  üeber  die  sogen,  psychische  CoatafnoD.  Zeitsdlr. 
f.  Psych.  XLIY,  pag.  399.  —  Jorge  r.  Das  inducirte  Irresein.  Zeitschr.  f.  Psych,  XLV, 
pag.  öu7t  —  ")  Ostermayer,  Arch.  f.  Psych.  XXIII,  pag.  88.  —  '  j  Kuhnen,  Ueber 
«inen  Fall  von  psyehiscber  Anstecknng  mit  Ausgang  ia  T$lUg«  Genesung.  Zeitschr.  f.  Psych. 
XIA'III,  pag.  60.  —  Herzog,  Beitrap:  zur  Lehre  von  der  Infectiusität  der  Neurosen. 
Arch.  f.  Psvcb.  XXI,  pag.  :i71.  '')  L eg ra  n  d  d  u  S  a  u  1 1  e,  Le  (h'liie  dr  pershution.  1871. — 
")  fieotfroy,  Gas.  des  hÖpitaux.  1873,  Nr.  32.  —  Lasrgue  und  Faire t,  La  Folif 
u  deux.  Arch.  ginir.  de  med.  Sept.  1877.  —  *")  Baiilarger,  Ann.  mM.  psych.  1874, 1.  — 
")  Marandon  d«  H ontyel,  CoHtribuHon  ä  Vitude  de  foKe  d  deux.  Ann.  mtd.  psycli. 
Janvier  1881.  —  **J  Baume,  Ann.  mM.  p.-^vch.  1863.  ^  )  Regia,  folie  ä  deux  ou 
l„  f„l,.  .suHultH>i/e .  Paris  la^O-  —  ")  Ball,  L'Knctphak.  1884.  —  ilaret,  Folie 
«iniihii,-''  DU  ä  <lt»x  imlividiis.  Ann.  m6d.  psych.  Jnillet  1875.  —  Martineng,  Beitrag 
aar  Lviire  von  AntoUe  eommuniqttde.  Ann.  mbi.  psych.  Nov.  1887.  —  T  agnet,  Beligiöaer 
Wahbsinu  bei  5  Pwsonen.  Ann.  nid.  psych.  Jniltet  1887.  —  Pages,  Delire  ä  trois. 
Ann.  nu^l.  pyych.  Nov.  18>S.  —  ■")  Bollat,  Cunfi-i//.  'i  Ia  Folie  ä  deux.  Ann.  nu'd.  psycli. 
öept.  liüsd.  —  ••)  Legriiin.  Anli.  de  Neurol.  löC^.  Nr.  48.  —  **)  Woods,  l  eher  einen 
Fall  von  inducirtem  Irresein  bei  5  Mitgliedern  einer  Famiii«.  Joom.  of  ment.  science.  Jan.  1889; 
Nolan,  Ein  Fall  von  Folie  «  deux.  Jonrn.  of  ment.  i-cience,  .April  1889  und  Kicrnan, 
ibid  .  Oct.  1S60:  Savage,  Jonrn.  of  ment.  science.  Jan.  1^63  84;  Mickle,  ibid.,  l'^84  bö.  — 
"-')  Kossioli.  Ein  Fall  von  Folie  ä  ijuutrf  de  MunicDtitii),  IV.  pag.  I;  Ttbalili,  Due 
oHsermzioni  di  vazaia  commuHicata.  ibid.,  II,  pag.  1;  Silvio  Ventari,  Indocirtes  Irre- 
sein, ibid.,  and  Fan aeol  i ,  Follia  a  quattro.  Anh.  ital.  per  le  omlatfe  nervoae.  XXIV,  Heft  6 
(Erklaning  der  Erkranknng  durch  psychische  Suggestion),  —  "i  Hack  Tn  cke,  .fWis  d  tfSKX. 
Brain,  Jan.  —  **)  F 1  e ra ni  i  ng ,  Pathologie  und  Theiapie  der  Psychosen.  lf^69,  pag.  164.  — 
Witkowsky,  Ueber  den  Veitstanz  U  -  .Mit i<  laltt  i s.  Zeitschr.  f.  Psychiatrie.  XXXV, 
pag.  591.  —  '*)  SeeligmUller,  Zeitschr.  f.  Psych.  XXXiU,  pag.  510.  *—  Emming- 
hans,  P.'«y<  hopatbol.,  pag.  48 f.  —  S.  anch  Hirt,  Eine  Bpidemie  von  byster.  Krämpfen. 
Berliner  kliu.  Wuchenschr.  1892,  Nr.  5n.  -  Stein.  Ueber  die  sogen,  p.sych.  Contagion. 
Inaug.-Diss,  Erlangen  1877.  —  **)Wolleuberg,  Ueber  p.oychische  Infectiou.  Arcb.  f. 
Psych.  XX,  pag.  62,  mit  sehr  ausfuhrlicher  Literaturangabe.  —  *•)  Euphrat,  üeber  das 
Zwillingsirresein.  Zeitschr.  f.  Psych.  XLIV,  pag.  194.  —  *')  Wille,  üeber  inducirtes  Irre- 
sein. Corresp.-Bl,  f.  Schweizer  Aerzte.  1885,  Nr.  lU.  —  K  n  i  1 1  e  1 ,  Ueber  sporadische 
psyili.  .Anstuckiiiifr.  1  ni  uf:.-l)issert.  Strassburg  1884.  —  **)  Lehmann,  I.e.  —  *•*)  D  e  e 
Ein  Fall  von  inducirter  Melancholie.  Zeitschr.  f.  Psych.  XLVUI ,  pag.  580.  —  H  a  n  s  e  n. 
Ein  sogenannter  interessanter  Falf.  Arch.  f.  Psych.  XI,  psfr.  539.  —  Nasse,  1.  c.  — 
Die  L'eliraiichlichsten  neuesten  Lehr-  und  Handlnuhcr  iler  Psychiatrie  schenken  dem  ganzen 
Gegeustaud  nur  wenig  Aufmerksamkeit,  behandeln  die  Sache  vielmehr  meir^t  sehr  cursorisch. 

C.  Werner. 

Pt0ina[llil6.  Nach  den  Untersnehnngen  von  Euanizin  ist  die  Bildung 
von  Ptomsmen  ohne  die  Mitwirkiin^'^  tiioderster  Organismen  nicht  möglieh.  Bei 
"Jorgfnitip'fT  >tfrilisation  des  Fleisches  und  der  Gefffssc  und  bei  Gefrieren  des 
Fleisches  werden  Ptomaine  nicht  erhalten,  wenn  auch  die  ^Uaatigsten  Bedingungen 
fflr  ihre  Bildung  gegeben  dnd.  Alt  solche  erscheint  für  die  FäulnissbalcterieD, 
wie  für  alle  nieht  pathogenen  Bakterien  eine  Temperatnr  Ton  20*  C,  reichliche 


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600 


PTOMAINE. 


Feuchtigkeit  und  reichlicher  Luftzutritt  am  ir<1n<?tig:8ten,  wobei  durch  letzteren  auch  der 
Zuiluss  der  niedersten  Organismen  gesteigert  wird.  Mit  der  Bildung  der  Ptomaiue 
gebt  stets  die  BilduDg  von  Heoaialbumose  parallel,  die  mit  der  Menge  der  pro- 
dueirten  PtomalM  «teJisI  und  da,  wo  wMt  lüxHst  «aftreleaf  ebenfAUa  fehlt.  Ea  iat 
daher  wahrscheinlich ,  dasf?  die  Kiweisskörper  des  Fleisches  vor  der  Bildung 
alkaloidähnlicher  Verbindungen  in  Propeptone  übergehen  und  d.iss  anch  die  Hemi- 
albumose  von  der  Tbätigkeit  gewisser  niederster  Orgaulämea  herrührt.  Von 
beBonderem  Intereiae  «raehaiDt  ea,  daaa  bei  Zutritt  friaaber  Laft  swar  reicblieber 
Ptonialne  entstehen,  aber  die  gebildeten  Stoffe  sich  durch  eine  geringere  Dauer- 
haftigkeit auszeichnen,  als  die  unter  Ahst-hluss  der  Luft  sich  bildenden.  Auch  sind 
erstere  ungiftig,  letztere  dagegen  in  der  Kegel  giftig,  bald  depriiuireud,  bald  die 
Raflexaetion  steigernd  nad  krampferregend ,  doeh  kommen  aaeh  bei  vierwttebeot- 
liebem  Abaehlmae  der  Luft  giftfreie  PtomaVne  vor.  Inwiewrit  die  anaeroben 
Schizoniyeeten.  auf  welche  diese  Bildung  giftiger  PtomaYne  zurUckzufdhren  ist, 
von  den  an  der  Luft  wirksamen  Bacterien  verschieden  sind ,  bedarf  weiterer 
Studien,  umsomebr,  da  wir  wissen,  dass  Bacterium  iermOf  in  welcher  man  früher  das 
ftnlnisaenengende  Weaen  tucx'  e;o/7]v  sah,  eine  gnnie  Heflie  der  ▼eraehiedenartieaten 
Saprophytfonnen  bildet.  ^)  Man  wird  auf  Grund  dieeer  Versuchsresultate  in 
allen  Fällen  von  Intoxieationen ,  wo  die  toxische  Wirkung  eines  Ptoiuains  im 
Spiele  ist,  Aussicht  haben,  ächizomyceten  zu  finden  und  durch  Keiuculturen  das 
Gift  an  erhalten,  an  deesen  Bildung  diese  Veranlasanng  geben.  Man  aehdnt  bei 
Arbeiten  in  dieser  Richtung ,  die  sich  theils  auf  Salzfischvergiftung  (vergl.  den 
Art.  Fischgift),  theils  auf  Fleisehvergiftung  beziehen,  in  der  That  zu  einem 
positiven  Ergebnisse  gelaugt  zu  sein,  ohne  dass  es  jedoch  gelungen  wäre,  ciueu 
bestimniten  BaeiHiM  ala  Utaaehe  riner  gewissen  Form  der  ^^aehvergiftung  auf- 
xnfinden.  Insbesondere  aeheint  das  PtomaTn,  auf  welches  die  durch  Fleischgift 
erzeuirte  Gastroenteritis!  zurtlekzufilhren  ist,  durch  verschiedene  Bacillen  producirt 
werden  zu  können,  wenn  nicht,  was  noeh  wahrscheinlicher  ist,  eine  grössere  Anzahl 
von  Ptomalneu  die  nämlichen  Erscheinungen  hervorrufen  kann.  Bei  Gelegenheit 
«ner  Ifasaenepidemie  dureh  den  Gennas  von  Kalbsbraten  in  der  ninnregiseben 
Irrenanstalt  Gaustad-)  wurden  in  der  Milz,  beziehungsweise  in  den  Darm- 
geschwüren Bacillen  gefunden,  deren  Itioenlation  bei  Kaninehen  heftige  Diarrhöen 
hervorrief,  während  die  sterilisirteu  Culturen  ebenfalls  Kauinchea  vergifteten,  in 
dieaem  Falle  war  der  Baeillns  niebt  identiseh  mit  dem  von  GIbtheb  beaehriebenen 
Bacillus  enten'tidis  Gaertn. ,  der  in  verschiedenen  anderen  Fällen  von  Massen* 
Vergiftung  durch  Fleisch  eonstatirt  wurde.  Man  miis?  llbrigens  auch  im  Auge 
behalten,  dass,  wenn  die  Botanik  im  Allgemeinen  nicht  sparsam  ist,  Varietäten 
sutnlasBen  nnd  manebe  Pflanae  mit  nielit  unbedeutenden  Abweiohungen  in  GrOsse 
und  Form  bei  der  nämliehen  Speeles  unterbringt,  dieTendena,  beiBaeillen  auf  geringe 
DifTerenzen  hin  eine  neue  Art  zu  schaffen,  einigermassen  überrasclit.  .ledenfalls 
aber  wird  der  von  Bhikger  zuerst  betretene  Weg  der  Reindarstellung  der  Pto- 
malne,  der  in  neuester  Zeil  von  Griffitus  mit  grossem  Erfolge  verfolgt  wurde, 
an  immer  grosserer  Klarheit  führen. 

Von  den  von  Griffiths  neu  dargestellten  Ptoniainen  kommen  zwei  im  Harne  Mta» 
krulksr  Thiere  und  an  croupöser  Poeamooie  leidender  Menschen  vor.  Di«  erste  base,  die  aneb 
von  Botebadllen  in  Reioenltnreo  )>rodQefrt  wird ,  Irt  giftig  nnd  raft  bei  Snlicataninjectlonen 

am  Kaninchen  einen  Aliscess  au  der  Injectionpslelle,  speciflsche  Knoten  in  der  Lunge  und  in 
der  Milz  und  nictastatische  Abscesse  in  versdiiedenen  Organen  hervor,  worauf  Tud  loljri.  l'ie 
Rutzlmse  ist  weiss,  krystallinlsi-h ,  in  AVa.-iscr  löblich,  von  alkalisibcr  Keactiun  .  liii>lit  ein 
krj^stallisirendefi.  i^alzsaures  Salz  nod  Platin-  und  tiolddoppelsalze,  die  ebeofalU  lurystaUisiren, 
in^bt  mit  Pho8|)honiiniyli(]an8ftttre  einen  bellbrännliclien,  mit  Pbospborwotfhimrilm'e  grünen, 
mit  Pikriiisiiiirt»  u'lt'fn  Nit:"i*,'rsilila>r  uml  wird  auch  von  Nfssler's  Reagens  gefallt, 
l'ie  Elein  entaiannly.-c  lülirt  zu  der  Foimcl  C,  H ,,,  N,  ( >, .  l)as  Ptoniain  im  Urin  der  Pueu- 
nioniker  ist  ein«  in  niikroskopi.««  hen  Nadeln,  die  sich  in  Wasser  mit  alkalischer  Reaction  lösen, 
krystailisireude  ^^uhütanz,  «eiche  ein  Hydrocblorid  und  Platin-  und  Goldduppelsalxc  liefert.  Es 
wird  von  Phosphorwolfranisäure  weiss,  von  Phos^phormolyhdiinsUure  weisspelb,  von  Kessler'» 
Reairens  hröunlirh  gefallt.  Der  irelhe  Niederschlag,  welchen  Pikrin.«äiiri'  in  SMlutioncn  dis 
Ptomains  erzeugt,  lost  sieb  leicht  in  Wasser.  Altt  Formel  wird      U.,     0;,  angegeben.  ^;  Ein 


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PTOMAim  —  BÜCIFALLFieBER. 


601 


weiteres  Ptomain  hat  Griffiths  im  Harne  von  E  p  i  1  e  p  t  i  k  >■  r  n  gffiinden.  Auch  diese  Base 
wird  als  weiss  und  ki^'Stailisirt,  in  Wasser  mit  schwach  alkalischer  Ueaction  loslich  heachrioben. 
Bs  giebt  «in  krystalUsirbares  Hydrochlorid  und  Golddoppdnlx,  wifd  von  Mercnrichlorid  grfln* 
veiss,  \on  Sibernitrst  gelb,  von  Phosphorwolframsänre  weiss,  von  Phosphormolybdänsänre 
brännlich-weiss,  von  Taonin  gelb  pefärbt.  Das  der  Formel  C,.,  H,,  N,  (".  pnt sprechende  Ptomain 
führt  bei  Thieren  Zittern,  Convulsiom  n  ,  Pupillenerweiterung  und  st  UiHt  di  ii  Tod  herbei.*) 
Auch  beiEryaipalas  nadPuarperalfieber  finden  sichnadi  Qrit'fitlii  rtomaine,  bei  Ery- 
■Ipdu  in  orthorkMBbiMlMm  I«Bellen  kiystallhiTviid ,  in  Wanw  mit  tehiradi  slknliaclier 
RMetion  sich  lösend,  von  der  Forme!  r,,H,gNO^,  bei  Puerperalflnber  ebenfalls  ein  wasser- 
IMiehes,  kr^-^«taili.sirendes  Ptumain,  C,,  B,g  NÜ,,  beide  stark  toxisch  und  hefiigu  Fiet>ertirächei- 
nnngan  hervorrofend.  Das  Erysipeissptomain  giebt  mit  Sublimat  flockigen,  mit  Zinkchlorid 
kSrnigen,  in  der  Wänue  tbeilweise  nnter  Zenetnmg  lOsUchan  Niederachlag ,  mit  Nessler's 
Beapens  grüne,  mit  Pfkrintflore  g:elbe,  theilweise  19«liclie,  mit  Qoldchlorid  gelbe,  in  Waner 
löslii  lie  FälluDg,  auch  PhosphoniinlyliiJiuisaure,  Phnsphnrwolframsäure  und  GerbHiiure  erzeugen 
iu  Lösungen  des  Ptomains  Niederschlage.'')  Endlich  hat  Griffiths  ein  neues  Ptomain  aua 
dar  Zarsetznng  peptonisirtor  Gelatine  dotdi  Microroccus  tetragenu«  erhalten.  Das  bei  mehr- 
tifigen  Beincultnren  dieses  Mikrococcos  resultireode  Ptomain  bildet  weisse,  prismatische 
Krystallnadeln ,  die  sich  in  Wasser  mit  schwach  alkalischer  Rcactiun  lösen  und  giebt  ein 
lu^ystallisirendes  Hydrochlorid  und  krystaliisirendL'  Gold-  und  Platindoppelsalze.  Es  wird  durch 
PlUMiphomioIybdänäiare,  PhoaphorwoU'ramsäure  und  Pikrinsäure,  durch  Nossler's  Boagens 
(grfin)  und  durch  Garbainra  (kaatauienbraiu)  gafillt.  Seine  Formel  iat  NO,.  Dem  Pia- 
malBa  fcOniBni  giftig«  Eigcnschaftcu  zu.  ■) 

Litaratnr:  ')Kijanizin,  Ueber  die  Entstehung  der  Ptonuiüne.  VierteUahrscbr. 
f.  gar.  Med.  1892.  3.  F.,  III,  H.  1.  pag.  1.  —     Holet,  BeMtriOoffitkt  undenUffaM  of  en 

rfikke  syritiomatilfdld^  fyl^rdfiif  pu  Sindsijgeasyht  Gaustad  i  juni  miinad  Nord  med. 

Ark,  IsV^.  U.  1.  Nr.5.  —  'j  Vergl.  G  a  rt  ner.  Thüringer  Oorrespondenzbl.  XVII,  Nr.  9; 
Karlinski,  Ceiitralbl.  f.  Bakteriol.  VI,  N.  11;  Gaffki  u.  l'aak,  Arbeiten  des  kaiserl. 
Gasundheitsamtes.  VI,  H.  22;  Cotta,  Zeitschr.  t  Fleisch- u.  Milchhygiena.  Ib9i.  —  Compt. 
raod.  1892.  CXIV,  Hr.  23,  pag.  1383.  —  Ibid.,  CXV.  pag.  186.  —  •)  Ibid.,  CXV, 
pag.  167.  —  ')  Ibid.,  pag.  418.  Hnaamanii. 


Q. 

Quarantaine,  b«  cboiera,  pag.  150. 
Querverengtes  Becken,    Becken,  pag.  92. 


R. 

Rheumatismus,  Baderwirkuog  bei  cbroDiaohem  Rb.,  pag.  52. 
RUckamnark,  eomMnirte  Systomerknuikiiiigen,  pag.  169. 
RUckfällfiebar,  b.  Fieber,  pag.  296. 


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s. 

Salamandergift,  s.  KrAtengift,  pa?.  475. 
Salzflschvergiftung,  «.  Fisebgift,  pag.  dos. 

SamaritArverein,  s.  Krankenpflege,  pag.  465. 

Sanitätspersonal  (MiutiM,  pag.  500  ff. 

Sapecarbol,  s.  Kresolprüparate,  pag.  453. 

Satumismus,  s.  Bici,  pa?.  113  ff. 

Schaltwirbelbepken,  s.  Becken,  jjafr.  99. 

Scharlach.  Was  die  rublicatloueu,  seitdem  wir  unseren  ersten  Nach- 
trag- (Keal-Eocyclopndie ,  2.  Avfl. ,  Bd.  XXIII,  pag.  601—604)  niedergesefaiieben, 
in  etwas  reioblicbereu  Fluss  ^abracht,  sind  die  Untcrsachungen  Aber  die  Sc  barlaell> 
diphtherie.  mit  weU'lieii  der  grösste  Theil  der  Autoren  zugleich  die  T>üsiinof 
bakteriidofciseher  Fragen  angestrebt  bat.  Wir  werden  dieser  letzteren  deshalb 
nicht  bei  der  Aetiologie  unserer  Krankheit,  sondern  bei  der  Klinik  der  Compli- 
eation«!  gedenken.  Im  Uebrigen  ist  die  Avibenie  der  Nachlese  anf  dem  Felde 
der  Scharlachfursphnng ,  von  einigen  wenigen  fruchtbringenden  Befunden  abge- 
sehen .  eine  relativ  bescheidene.  Die  Ursache  der  Krankheit  harrt  noch  immer  der 
Entdeckung. 

Zar  Frage  der  Anflteeknngsdaner  nnierer  Krankbdt  liefert  Wood 
einen  eigenartigen  Beitrag.   Die  Erkrankung  eines  Rindet  an  Scharlaeb  bat  die 

Entfernung  aller  (Ibrigeu  Kinder  der  Familie  aus  dem  Ilauso  zur  Folge;  42  Tage 
später  tritt  das  genesene  Kind,  dessen  Kleider  vernicbtet  wurden,  wieder  mit  den 
Gesebwistem  in  einem  Lendbanse  in  Berttbmvg  und  2  Wochen  apftter  erkrankt 
ein  zweites  Kind  an  Scharlach.  Dies  würde  in  der  That  auf  die  Mügliehkeit  einer 
bedeutenden  Ansteckungsdaucr,  Iteziehungsweise  drastische  Durchbrechung  des  von 
uns  in  der  ürundbearbeitung  (Keal-Eucyclopftdie ,  2.  Aufl.,  Bd.  XVII,  pag.  460) 
anfgestellten  Gesetzes  deuten,  wenn  nicht  eine  andere  Quelle  oder  aber  ein  Reoidiv 
beim  ersten  Kinde  im  Spiele  gewesen.  Die  Bzistenx  der  Scbarlaehrflekfllle 
illustrirt  wieder  Bödme  durch  zwei  zuverlilssige  Berichte.  Ein  14jähriger  Knabe 
erkrankte  .58  T.ige  nach  Beginn  einer  normalen  Soarlatina  an  schwerem  Scharlach 
mit  Exuaihem,  ein  HJäbrigcr  an  einem  mildtrcu  iiccidiv  am  28.  Tage,  nachdem 
sieh  eine  intensive  Varieella  eingeschoben. 

Anatomie.  Hier  haben  wir  in  erster  Linie  der  beaehtenswerthett  Re* 
sultntp  zu  gedenken ,  zu  welchen  Komhekg  an  der  Hand  von  zehn  genau  er- 
schlossenen F.lUen  in  Bezug  aut  die  Herzniuskelerkraukung  beim  Scharlach 
gelangte.  Sie  gipfeln  in  dem  Satz,  dass  neben  den  bekannten  parenchymatOseik 
Degenerationen  die  —  selten  vermisste  —  interstitielle  Myoearditis, 


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SCHARLACH. 


G03 


charakterisirt  durch  Infiltration  des  Herzfleisches  mit  kleinen ,  einkernigen  Rund- 
zelleo,  an  erster  Stelle  zu  berflckiiicbtigen  ist.  Sie  verläuft  unabhängig  von  der 
erstgenaonten  Entartung,  spielt  also  nieht  die  Rolle  einer  Teaetiveii  Entsflndung, 
sondern  beruht  wabr^:cheinIich  auf  der  Einwirkung  des  speciiiscben  Bakteriengiftes 
auf  das  Myorard  .  siclier  nicht  auf  eiuer  Mischinfection  mit  Eiter  erzeujjenden 
Mikroorganismen.  Inwieweit  diese  „acute  infectiös«  Myocarditiü"  das  Substrat 
kllniseher  Symptome  darstellt,  wird  dner  spiteren  ArMit  vorbehalten. 

Die  auatoiuiseben  Befunde,  welche  8uBEXSEN  bei  seinen  Untersachangen 
flhiT  die  Scharhtclidiphtberie  erhob,  werden  wir  bei  der  DarsteUnng  dieser  Com* 
plication  im  klinischen  Abschnitt  berUekHichtigen. 

Klinik.  Eine  Incubationszeit  von  24,  beziehungsweise  36  Stunden 
giebt  BöKAi  für  zwei  eigene  Beobaehtangen  an.  Doeh  waren  beide  Kinder 
tracbeotomirt  worden,  welcher  Umstand  snr  Annahme  einer  beaonderm  Beförderung 
der  (Wund-)  Infection  herechtig-t. 

Die  Symptomatologie  betreffend,  liegen  nur  einzelne  Beiträge  zur 
Kenntniss  des  Ffeberganges,  des  Exanthems  nnd  der  Zungenveillndemngen  vor. 
In  erster  Beziehung  lenkt  Bouveket  auf  die  Rarität  die  Aufmerksamkeit,  dass 
nat'h  Schwund  dos  Kxanthenifi  w.'lhrend  völiig'er  Apyrexie  plötzli''h  Hyperthermie 
(bis  zu  42^;  auftritt,  ohne  dass  irgend  eine  locale  Complicatiou  als  Ursache  dem 
Nachweise  zugänglidi  wire.  In  den  drei  FWIen  des  Autors,  in  welehen  sekwere 
Hirnerscheinuugen  (Delirien,  Koma)  das  Leben  zu  bedrohen  BOhienen,  trat  naeh 
3 — 4  Tagen  (K:dtwaHserbehandlung)  Fieberaljfall  und  glatte  Convalescenz  ein. 
BorvERET  supponirt  als  l  rsache  ciue  Reizung  nervöser  Centren  durch  ein  Scar- 
latinatoxin.  Wir  glauben  auf  den  offenbaren  organischen  Zusammenhang  dieser 
Beobaehtangen  mit  nnaerdm,  beziehungsweise  dem  GuitPitBCHT'sehen  „Naehfieber*' 
(ver^.  Real-Eneyelopädie,  II.  Aufl.,  Bd.  XXIII,  pag.  602  :  verweisen  zu  sollen. 

Ein  von  den  Händen  ausgehendes,  den  Obcrrumpf  bctnlVendes,  aber  das 
Gesicht  frei  lassendes  vesiculöses,  beziehungsweise  impetiguartiges  Exan- 
them beobaebtete  Cürtis  bei  einem  soharlaehkranken  Kinde.  Heilung  in  l'/s  Woehen 
unter  Desquamation. 

Besondere  Beachtung  verdienen  die  Wahrnehmungen  A.  Neumann's  über 
die  Entwicklung  und  klinische  Bedeutung  der  Scbarlachzunge  auf  des  Ver- 
fassers Abthellong  im  Krankenbause  Friedriebshaln  (48  Fülle),  insofern  dieselben 
in  einigen  Beziehungen  von  den  in  der  ersten  Bearbeitung  aufgestellten  Normen 
TJcal-Encyclop.ldie,  2.  Aufl.,  Bd.  XVII,  pag.  405'  Abweichungen  darboten.  Hatten 
namhafte  Autoren,  wie  Bagixsky,  Buhn,  Hknüch,  Stkümpell,  Thomas,  die 
Scbarlachzunge  als  tan.  nahezu  constantes,  ja  als  charakteristisches  und  die 
IMagnose  dehemdes  Symptom  der  Krankheit  angesproehok ,  wollte  andererseits 
KbidBABOT  dieselbe  auch  hei  NiflitBcarlatinösrn  ganz  gewöhnlich  beobachtet  haben, 
und  hatten  wir  selbst  in  vermittelnder  Stellung  die  ., Katzenzunge"  als  einiger- 
massen  charakteristisch,  indess  als  häutiger  fehlend  als  vorhanden  biugestellt,  so 
sebliesst  Nbuiiann  seine  Beobachtungen,  die  an  dieser  Stelle  zu  detaiUiren  wir 
verzichten  mOssen,  mit  folgendem  Urtheil  ab:  Die  Scbarlachzunge  ist  eine  wohl- 
charakterisirte,  im  Oro.s  der  Filllo  zu  beobachtende  Theilerscheinung  im  (Jesaramt- 
bildü  des  Scharlachticbers,  die  freilich,  was  ihrem  diagnostischen  Werth  entschieden 
Eintrag  thut,  meist  erst  jenseits  des  4.  Tages  zur  Beobaehtnng  gelangt.  Der 
Scharlaohzunge  ganz  Ähnliche  Bilder  existiren  unzweifelhaft  auch  bei  Nicbtsearla- 
tinSsen,  aber  nielit  als  häufige ,  so  dass  sich  flber  die  Kollü  der  Himbeerzunge 
als  eines  pathuguomonischeu  Symptoms  des  Scharlachs  discutiren  lässt. 

Complieationen  und  Naohkrankheiten.  Um  hier  mit  den  Ar- 
beiten zu  beginnen,  welche  die  Seharlaebangina  behandeln,  so  begegnen 
wir  einmal  neuen  ^Schilderungen ,  beziehungsweise  Cla.ssificationen  der  klinischen 
und  anatomiseheu  H  r  s  c  h  f  i  n  u  n  g  8  f  o  r  ni  der  Coinplioation.  das  andere  Mal  der 
Mittheilung  über  den  Befund  von  Mikroorgauiäiueu  iu  lucu  affectionis.  Dass 
hiermit  die  Frage  naeh  der  Stellung  der  Seharlaehdiphtherie  zur  vulgären  ver- 


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SCHARLACH. 


knüpft  ist,  darf  nicht  Wunder  nehmen,  obzwar  von  einer  Id'entificlruDjEf  beider 
Proecsse  kaum  ernstlich  mehr  die  fiede  sein  kann.  Vielmehr  ist  die  schon  vor 
Jahren  herrschende  Anschauung  vou  d«r  Unabhängigkeit  derselben  vuu  einander 
(vergl.  niheM  AufUining«!!  in  R6al>EiMy<dopldie,  9.  Aufl.,  Bd.  XYII,  paif.  468) 
giewabrt  geblieben,  ja  gefestigt  worden,  falls  es  denen  wirklich  bedurft  h.ltte. 

Mit  besonderen  Eintheilunfren  der  Anginen,  welche  bei  Scharlachkrankon 
2ur  Beobachtung  gelaugen,  istj  wie  wir  bereite  ausgeführt  (i.  c.,  pag.  469)^  schon 
mit  Rflekai^t  auf  die  nngebeiire  Mannij^faltigkeit  der  loteniittt  des  aaatoadeclieii 
Proccsses  und  der  klinischen  Verlaufsart  im  Ailgemeinen  wenig  gewonnen. 
Immerhin  wird  das  Bestreben,  wenifrntens  Typen  auszulesen,  als  berechtigt  an- 
erkannt werden  müssen.  Eine  „erythematöse"  und  „pseudomembranöse  (gangrä- 
nOee)"  Form  nntersclieidet  in  einer  umfangreichen  Arbeit  BODROES,  die  ietztere 
wieder  in  eine  gutartige  FrOhform  nnd  ernstere  Spfttform  —  unter  diese  ftllt  die 
Diphtherie  —  trennend.  Wir  selbst  sahen  jüngst  mehrfach  Bilder,  welclic  von  der  »e- 
wöhnlicheii  F'ollikclanf^ina  schicchterding^s  nicht  zu  untcrsi-heidcn  waren,  in  die  be- 
kannte Erschein uugäform  der  „Diphtherie^',  beziehungsweise  „Scharlachuecrose  der 
Fanoes**  Qbergehen.  Als  Haaptlcriterien  der  Soharlaehdiphtherie  führt  in  seiner  ein- 
gehenden klinischen  und  anatomischen  Studie  SÖRENsbn  au :  Morsche,  feuchte^  halb- 
purulento  Tonsillen,  mehr  ein-  als  aufgelafrcrtes  Exsudat.  Bei  letal  verlaufenen  Fallen 
ungleich  grössere  Ausdehnung  der  geschwürigen  Zerstörung,  als  intra  vitam  ver- 
mutet worden.  LnftrQhre  nnd  grosse  Bronehien  in  der  Regel  intaet.  Neeroti- 
simng  nnd  .Einschmelzung  der  regionären  Lymphdrüsen,  welche  zu  ausgedehnter 
phlegmonöser  Periadeniti.s  führen  kann.  Eventuell  eitrige  I'eritnnitis.  wahrschein- 
lich von  Milzuecrosen  ihren  Ursprung  nehmend.  Gegenüber  der  vulgären  Diph- 
therie glaubt  SÖRBN8EN  besonderen  differentiellen  Werth  auf  das  höhere  Fieber, 
die  gelblieh-breiige  Besehaffenheit  der  nieht  m  Fetien  nbaiehbaran  Belege  und 
die  —  unter  Anderem  auch  wieder  von  Ai'FRRCBT  hervorgehobene  —  ausge- 
prägte Neigung  zur  iSuppuratinn  überhaupt  legen  zu  sollen  ;  ferner  auf  die  grössere 
Häutigkeit  der  Gaumenperforation ,  Arrosion  der  grusBcu  llalsgefässe ,  wie  über- 
haupt die  Neigung  des  Proeesses,  in  die  Tiefe  (unter  Anderem  mehr  naeh  dem 
Ohr  als  nach  den  Luftwegen)  zu  gehen.  Alles  das  sind  Momente,  deren  wichtige 
Bolle  im  Allgemeinen  anerkannt  werden  muss ,  deren  Bedeutung  aber  unserer 
Erfahrung  nach  im  specicllen  Falle  der  Charakter  des  nur  relativen  Unterschiedes 
soleher  Verinderungmi  reeht  unangenehmen  Abbruch  thun  kann.  Mit  Reebt  aber 
spricht  SöaBNSBH  die  Seharlachdiphtherie  als  einen  speeifisohcn  scarlatiuösen 
Symptomencomplex  an  ;  nur  geht  er  unserer  Anschauung  nach  zu  weit,  wenn  er 
die  Cumplicatiou  als  die  anatomische  Basis  des  ScharUchfiebers ,  beziehungsweise 
als  die  krankhaft  veränderte  Eintrittsstelle  der  Infection  hinstellt.  In  einem  ge- 
wissen Gegensatz  zur  herrschenden  Meinung  setzmi  sieh  die  hervorragenden  fran- 
zösischen Bakteriologen  Sevestre  nnd  Strauss  ,  welche  der  pseudomembranösen 
Angina  beim  Scharlach  in  den  ersten  Tagen  der  Krankheit  als  einer  .,|)seudo- 
diphtherischen"  eine  günstige  Prognose  zuerkennen,  mit  der  Massgabe,  dass  im 
spÄteren  Verlaufe  des  Scharlaehs  erst  eine  wahre  Diphtherie  auftreten  könne. 
Diese  Ansehauung  von  einer  Diphtheria  tarda,  die  selbstverständlich  auf  die 
Isolirungsfrage  einen  wesentlichen  Kinlluss  üben  mUsste,  haben  die  Autoren 
auf  Grund  ihrer  bakteriologischen  Untersuchungen  gewonnen^  sie  tiudeu, 
wie  SU  erwarten,  in  den  ersten  Tagen  der  Erkrankung  im  Bereiebe  der 
pseudomembranösen  (frühen)  Angina  Streptoeoocen  und  Staphjloeoeoen ,  niemals 
den  LöFFLKR'schen  Harilhis.  weshalb  eine  secund.Hre  Infection  angenommen  wird. 
Einer  ähnlichen  Anschauung  huldigt  Boi'Rtuos,  der  nur  ausnahmsweise  und  fast 
ausschliesslich  bei  der  Spätfonn  den  Luffler' sehen  Bacillus  fand ,  im  Uebrigen 
constant  den  Ketteneoecus  antraf.  Stets  vermlssten  SObbnsbsi  und  Takol  in  der 
Tiefe  der  Gewebe  und  in  den  Pseudomembranen  den  Diphthcriebacillus,  weshalb 
sie  die  Aetiologie  der  Scharlach-  und  echten  Diphtherie  als  durchaus  verschieden 
ansprecheu. 


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SCHARLACH.  606 

Von  StAruDg«iii  im  Gebiete  de8  Nervensystems,  die  in  AU^eiueiBen 
Raritilten  im  Ocfolg-e  unserer  Krankheit  darstellen,  berichten  Dkmme  uiul  Thomas. 
Ersterer  beobachtete  bei  einem  djäbrigen  Knaben  vom  10.  Tage  nach  dem  Auf- 
treten des  Ezantiiems  an  PramieeiuE  der  Bnlbi  nnd  ridi  Mhnell  vergrössemde 
Scliilddrüse,  Tachycardie  und  Tibrirenden  AnpTall  des  Häsens,  aleo  eine  richtige 
BA^KPOv'sche  Krankhfit.  Bpsscninis:  in  circa  8  Wochen  unter  Bettruhe,  Eisbeutel 
und  Milchdiilt.  Heiluu?  iiach  weiteren  3  Wochen  bei  Landaufenthalt.  Der  Sym- 
ptomencomplex  im  THOMAä'ächen  Falle  (äjabriger  Knabe)  ist  ein  eigentbUmücber 
und  nicht  recht  im  Syitem  untembringen;  ürlmie  war  rieher  ausoaehiieMen. 
Einipre  Wochen  nach  Ablauf  der  Grandkrankheit  Neuritis  optica,  später  Extremi- 
täten- und  Nackenlahmung:  (hÄn^ender  Kopf),  Fieber,  Unruhe,  Somnolenz,  Sprach- 
verlust, Sphincterenächwäcbe.  Nach  einigen  W^ocben  Rückgang  der  schweren 
Erscheinungen,  lutentionszittem  der  Arme.  Relative  HeOung  mit  Sehwerbeweg^ 
liehkeit  des  rechten  Unterachenkcls  mit  Atrophie  —  Patient  hatte  ein  Jahr  zuvor 
eine  leichte .  eRsentielle  Kinderlähmung  flberstanden  —  nnd  Atro|Aie  der  Seh- 
nervenpapilieu.   Harn  stets  eiweissfrei. 

Bei  einem  9jährigen  Knaben ,  der  wmderholt  an  Epistazis  gelitten  nnd 
au9  einer  b&mophiliscben  Familie  stammt,  sah  Davibs  in  der  dritten  Woche  des 
Scharlach'^  symmetrische  Ecchyraosen  an  verschiedenen  Körperfrefrenden  mit 
Oedemen  an  den  Beinen  auttreten.  Tod  nach  3  Tagen.  Die  übduction  ergab 
bedeutende  pleurale  Blutergüsse.  Wahrscheinlich  in  Folge  tiefer  LTceration  der 
Tonsillen  mit  Arrosion  ehies  grossen  Halsgellsses  ging  ein  fijaliriges  MUdehen 
nach  einer  Beobachtung  von  Vauoban  rapid  unter  profusem  nntbreohen '  an 
Grunde.    Section  nicht  {restattet. 

Unter  533  Scharlacbkrauken  im  Glasguwer  Fieberspital  beobachtete 
Oabslaw  63mal  Rheumatismus,  besiehnngsweise  Endoearditis.  Drei 
Madehen  im  Alter  von  3^.^ — 10  Jahren  wurden  ausserdem  choreatisch.  Eines 
starb  unter  eopiösen  Diarrhöen  im  Koma.  Einige  Falle  von  Scharlachrheumatigmus 
mit  Milzschwellung,  hohem  Fieber  und  seibat  Fericarditis  theilt  Uoniomann  mit  — 
dn  UXdoben,  das  vor  19  Jahren  berrits  die  Krankheit  ttberstanden,  wies  fast  nur 
auf  die  Gelenke  beschrflnkte  scarlatinöse  Brsdiehinngen  auf  —  und  theilt  mit 
BöKAi  die  Anschauung:,  dass  die  Gelenkaffection  ein  directes,  primäres  Scharlach- 
symptom, keine  Complication  darstellt.  Wir  glauben  auf  den  Umstand  verweisen 
zu  sollen ,  dass  sich  zwischen  Symptomen ,  Complioatiouen  und  Nachkrankbeiten 
einer  acuten  Infeetionskrankheit  im  Allgemeinen  keine  sehr  bestimmte  Orense 
ziehen  l.ls.st.  Eine  treüliche  Zueammenstellong  des  Wissenswcrthen  Uber  den 
Seharlachrheumatismus  und  die  postscarlatlnöse  Nephritis  giebt  TflOM.vgi  auf 
der  63.  Naturforscbervcräummlung.  Hervorgehoben  sei,  dass,  wie  auch  wir  wieder- 
holt fan  Krankenhanse  Friedriehshain  beobachtet,  bisweilen  eitrige  Oelenkentsttn- 
dungen  als  Theilerseheinnngen  einer  aeuten  SoAarladisepsis,  selbst  mit  septischer 
Kephritis  auftreten. 

Wir  haben  bezüglich  der  Scharlach -Pleuritis  darauf  hingewiesen 
(Bd.  XVII,  pag.  471),  dass  sieh  die  Brgttsse  hOdtot  rapid  nnter  starkw  Lungen - 
eompression  entwickeln  können  and  deshalb  auch  leicht  mit  Pneumonie  ver- 
wechselt werden.  Diesen  foudroyanten  ('hnr.akter ,  den  auch  Henoch  hervorhebt, 
illustrirt  Stettiner  durch  genaue  Berichterstattung  über  drei  einschlägige  Fälle 
(4-,  5-  und  bjäbriges  Kind)  aus  unserer  Abtheilung  des  Krankenhauses  Friedriehs- 
hain. Allen  drei  Fällen  gemeinsam  nnd  ein  pnktisehes  Sonderinteresse  bean« 
spruchend  ist  die  Entwicklung  eines  mächtigen ,  die  Lunge  hochgradig  compri- 
mirenden  purulenten  Exsudates  neben  bronchopneumonischen  Herden  in  einem 
Zeitraum  von  24  Stunden.  Neuerdings  sahen  wir  einen  ganz  gleichsinnigen  Fall 
▼on  tOdtiicher  JPUuritig  KorltUmoia  rapiditattna. 

Die  Scharlachnachkrankheit  Nephritis  hat  zu  neuen  Bearbeitungen  so 
gut  wie  keinen  Anlass  gegeben.  In  6  t«'idtlichen.  von  O.  Kalischer  genau  berichteten 
Fällen  wurden  Kepräseutanten  aller  der  Formen  von  ächarlachnephritis  gefunden. 


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006 


SCHARLACH. 


welebe  von  FaiBDLlirDBR  «Is  dte  initial  cntarrhalisebe ,  die  interstitielle  septisehe 

und  die  Glomerulouephritis  aufgestellt  worden.  Als  Ur-jache  der  die  Nieren, 
innbesondert'  ihre  (Hompruli  so  schwor  Rch8dig:enden  AufH;peic'lieriu)2r  der  cberaisohen 
Stoffe  des  äcbarlachs  spricht  Verfasser  die  vermioderte  ijcistuugsfiibigkeit  des 
Henena  an.  Wir  setlnt  aalien  IcHrzlieli  eine  Sehariaebniere  mit  fast  vOlIig  intaeten 
Glomenilis ,  hingegen  hochgradiger  und  ausgedehnter  Verfettung  der  Epithclien 
der  Talmi i  contorii.  Und  doeli  klinisch  im  Princip  iiein  anderes  Bild,  als  das 
gewöbnlicbe ! 

Znm  Capitel  des  Pnerperalschar  lachs  (Bd.  XVII,  pag.  461),  speoieil 
an  der  Tiel  diaevtirlen  Frage,  ob  Fraaen  im  Wochenbett  snr  lirkranknng  an 

Scharlach  mehr  neigen  und  schwerer  daran  niederlie;;en  .  haben  zahlreiche  eng- 
lische Autoren  ihre  Erfahrun^'cn  im  British  Medieal  Journal,  18l»0,  niedcrfrclcirt, 
mit  wenig  übereinstimmenden  iiesultaten.  Während  Thuhsfield,  Williams, 
LUbübbox-Blbnkabnb  obige  Frage  verneinen,  snm  Tfaeil  eine  grössere  Empfilng- 
lichkeit  der  Frauen  besserer  Stünde  voraussetzend ,  ThomsosT  nnd  BSOWN  eben- 
falls die  (Jefahr  als  selir  llbertrieben  bezeichnen ,  Letzti'rer  sogar  eine  gewisse 
Immunität  von  Wöchnerinnen  und  Neugeborenen  vermutbet,  sind  Gakubtt,  Myrtls, 
Ad  AU  nnd  Harsis  der  entgegengesetaten  Mnnnng,  znm  Theil  aneh  in  Besng 
auf  die  sehr  ernste  Prognose.  Das  leiehte  Uebmtehen  der  Krankheit  dnreh 
Wöchneriunen  wird  von  Iredalk,  Wilson  und  Pf  ftrivAL  illiMtrirt. 

Ueber  die  Combination  von  Scharlach  und  Maseru  berichten  Flksch 
und  Mbnzirs.  Ersterer  sah  bei  drei  Kindern  einer  Familie  innerhalb  vier  Tagen 
dem  Seharlaeb  die  Masern  folgen*  Den  HsiiziBS'sehen  Fall  haben  wir  bereits 
in  unserem  zweiten  Nachtra;:  zu  den  Masern  orwfthnt.  Gleichzeitiges  Vor- 
kommen von  Scharlach  und  Typhus  beobachtete  StarCK  unter  definitiver  Enl> 
tieberung  erst  am  3b.  Krankbcitstagc,  im  Uebrigen  aber  Dorniaium  Verlauf. 

Prognose.  Naeh  den  Beriehten  von  Gaiger  ans  dem  Sooth  Western 
Fever  Hospital  betrug  im  Jahre  1830  bei  einer  Morbidit.-lt  von  1008  die  Sterl>- 
licbkeit  nur  l'?"  ^,  während  die  letzten  ä  Jahre  ein  Mittel  von  9*6**  die  letzten 
17  ein  solches  von  10*8'^  n  aufgewiesen.  Wir  selbst  verloren  im  Ivrankenbause 
Friedriehsbain  vom  1.  April  1889  bis  snm  1.  April  1892  von  376  Seharlaeh- 
krankcn  66,  also  17*5*/«,  d.  i.  einige  Procente  mehr  als  früher.  Kiu  stattliehor 
Theil  wurde  mit  foudroyanter  Sepsis  ciiiL'fliofert.  Im  rebrijren  vergleiche  wegen 
der  Deutung  Bd.  XVII ,  pag.  480  und  lid.  XXIII ,  pag.  004.  Nach  Lage  der 
Sache  kann  selbst  diese  Zahl  nieht  als  nngdnstig  gelten. 

Den  Absebnitt  Therapie  konnten  wir  mit  gntem  Gewissen  gans  Ober- 
gehen, da  bei  aller  Sehfltzung  der  Gediegenheit  mancher  Heitr.lge  f(lr  die  beiden 
letzten  Jahre  fast  nur  Früheres  wiederliolt .  beziehungsweise  Naehvorschliitrc 
mit  eigenen  Bemerkungen  vorliegen  oder  aber  Fragwürdiges  geleistet  wordcu. 
Das  Letztere  gilt  von  dem  Versaehe  Ashubao's,  modifieirte  Lymphe  snr  Ver- 
htttung  des  Seharlaehs  bei  der  kaukasisehen  Race  zu  trlulten.  Derselbe  be- 
steht in  der  zweimaligen  Impfung  eines  Japaners  mit  ..Scharlachkeimen"  an  dem 
Arm  eines  Kindes.  Es  entstand  unter  Jucken  ein  Lut^üuduugsberd ,  der  siehr 
genau  in  seiner  Eotwicklnng  und  Heilung  geschildert  wird.  Der  bakteriologisch 
gebildete  Arzt  von  heute  weiss,  w.i8  von  solcheo  Experimenten  an  einer  Zeit  sn 
halten,  in  welcher  der  „Scharlachkeim"  noch  unbekannt  i>t. 

Als  die  einzig  wirksanien  Mittel,  den  Secundilrinfeetionen  als  der  Haupt- 
quelle der  Mortalität  vorzubeugen,  betrachten  Hdtikbl  und  Deschamps,  sowie 
Oahain  die  Isolirung  nnd  eine  strenge  Antisepsis  im  Krankensimmer,  die  sieh 
aueh  auf  die  Mund-  und  Nasenhöhle  des  Kranken  zu  erstrceken  habe.  Auf  diese 
Weise  sei  es  gelungen,  die  Sterblichkeit  im  Pariser  Kinderkrank-Mihause  von  20 
auf  ö%  hcrabzudrückeu.  Mau  wird  die  leruere  Gestaltung  der  Zahlen  abzu- 
warten haben. 

Besonderer  propliylacti^eher  Werth  seheint  in  England  auf  die  Desinfection 
de«  Körpers  in  der  (Jouvaleseens-,  beziehungsweise  Desqnamationsperiode  gelegt 


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SCHARLACH.  —  SCHLAN6BN6IFT. 


SU  werden,  wobei  tod  der  Ansieht  anageffuigeii  wird,  dus  die  Epidermiflachnppeii 

für  die  Verbreitung  dw  Kranklieit  ganz  weseDtlich  Terantwortlich  zu  machen 
seien  (s.  Bd.  XVII,  pajr.  406).  Erapfohlen  werden  insbesondere  Waschungen  mit 
Seife,  Borax,  Sublimat,  Salicyl-,  Keäoreiuseiie,  tettea  £iareibangea  zur  Tödtuog 
der  Keime  und  Beßrdemng  der  Desquamation  (Maus  und  Fbanz,  Jahibsox). 
Wir  selbst  behandeln  früher  zu  entlaasende  Kinder  nach  Ana1i>«:ie  unserer  Hiinde- 
dcsinfection  mit  Seifcnbildorn,  denen  wir  Bestreichurifren  des  Köriiors  mit  Alkohol 
und  LysoUöiUugeu  folgen  lassen.    Die  Trocedur  wird  trefflich  ertragen. 

Die  specielleTherapie  anlangend,  erwihnen  wir,  dass  v.  Zibmsskn 
bei  adynamischen  Zuständen  laoen  Bädern  unter  Vermeidung  von  kalten  Ueber> 
giessnnjjen  das  Wort  redet.  Auch  -«ir  haben  bei  den  hyperpyretischen  FornicM 
mit  Jährendem  Pulse  drin^^^end  vor  kalten  Hiidern  irewariit  Hil.  XVII ,  pa^.  48U) 
und  können  uns  Damain  in  seiner  neueren  Empfehlung  gerade  der  Kälte  bei 
malignen  Fällen  nieht  ansehlieesen. 

Wie  wenig  man  sieh  Uber  die  Oruiidslltze  der  Behandlung  der  Seharlaeh- 
nephritis  hat  einigen  können,  (rhellt  iu  drastischer  Weise  aus  den  neuerdinsrs 
geäusserten  Anschanungen  von  Thu.mas,  Aufuecut,  Meinert  und  Caiubh.  Der 
Empfehlung  einer  «weissannen  IHät  nnd  —  aneh  behnfs  Prophylaxe  —  lang- 
dauernder Bettruhe  dnreh  die  beiden  erstgenannten  Autoren  stehen  die  Voten 
der  beiden  anderen  ent;;e!?on  ,  nach  denen  die  lanfre  BetHafrc  die  Nachkrankheit 
eher  zUchte  als  verhüte  uud  gerade  der  Eiergenuss  die  tretflichsten  Resultate 
fordere.  Wir  selbst  haben  anversehiedenen  Orten  unsere  einschlägigen  Anschauungen 
dargetban  und  wiederholen,  daas  Extreme  nach  beiden  Seiten  hin  uns  unntttiiig, 
besiehnngsweise  bedenklich  erscheinen.  Das  Richtige  liegt  eben  in  der  goldenen  Mitte. 

Literatur:  Adam,  Brii.  med.  Joarn.  April  1870.  —  Ashmead,  Med.  Bec. 
1891,  Nr.  10.  —  Boddie,  Edinb.  med.  Sonm.  Oct.  im.  —  B6ka!.  Archiv  f.  Kinderheflk. 

XIV.  —  Boiirpps,  Lry  (imiinrs  rfr  Tlnsr  <li'  Paris  1S91.  —  Bouverot.  Rev.  mid. 
April  1891.  —  Brown,  Brit.  nicil.  .lourn.  Fehr.  1890.  —  Caiger,  Lancet.  Juni  1&9I.  — 
Carslaw,  (llasg.  med.  Journ.  Mai  ls91.  —  Curtis.  N.-York  med.  Journ.  März  1891.  — 
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Brit  med.  Joom.  Ukrs  189>).  —  L'Ue areux-Blenliarne,  Brit. med.  Jouin.  März  1890. — 
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1889.  Nr.  1^.  —  Mjrrtl,  Brit.  med.  Journ.  Mi^ra  1890.  —  Neamann,  Deotscbes  Archiv 
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iVut.'schns  .\rcliiv  f.  klin.  Med.  1^01,  XLVIII.  —  Sevostre  und  Erauss,  Ref.  i.  d.  Deutschen 
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Archiv  f.  Kiaderheilk.  1891,  XIII.  —  Stettiner.  Zur  Klinik  der  foudroyanten  Pleuritis 
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Thomas,  Verhandl.  d.  63.  Naturforscherversammiang  zu  Bremen,  1890.  —  ThomaR,  Rev. 
med.  de  la  Suissc  roni.  Dec  Iböl.  —  Thom.son,  Brit  med.  Journ.  März  1890.  —  Thurs- 
field,  Brit. med.  Journ.  Jan.1890.  —  V aagb an,  Brit. med.  Jottm.  Sept.  1890.  —  Williams, 
Brit.  med.  Jonra.  Febr.  1890.  —  Wilson,  Brit.  med.  Joarn.  April  1890.  —  Wood,  Tborap. 
Gas.  Nov.  1837.  —     Ziemsson,  Samml.  klin.  Tortrlgo.  Loipsig  1890»  Nr.  14. 

Fürbringer. 

Schlangengift.  i^Vcr^'I.  Itc.il-Kurydop.'idie,  ll.  AuA.,  Bd.  XVII.  pa-  54l'.) 
In  Bezug  auf  die  (liftschlangen  ist  nachzutragen,  dass  auch  in  Kordamerika  eine 
zur  Gattung  Elaps  gehörige  Giftschlange  existirt,  deren  Biss  ungeachtet  der 
geringen  Dimendonen  dieses  luftigen  Reptils  den  Tod  dnes  Mensehen  TemrsaeliMi 
kann.  Diese  durcli  ausserordentlich  schöne  Zeichnung  ausgezeichnete  Prunkotter, 
Elo]ßs  fulciis ,  findet  sich  iu  deu  Südstaateu  von  Virginien  bi.>  Texas  und  führt 
dort  die  dcutächamerikanischen  Namen  Harlequiuschnecke ,  Kurallcu.sehneeke  oder 
Bosenknuusdineeke. 

Die  Zahl  der  TodosHiUe  durch  den  Hha  von  Giftschlangen  in  Indien  ist  nach 
den  neueren  statisUschen  Ermittlungen  noeh  erheblicher,  als  man  früher  angenommen 


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608 


SCHLANGENGIFT. 


hat.  In  den  Jahren  1880 — 1887  kamen  durchschnittlich  19.880  Menschen  und 
2100  Stück  Vieh  durch  Schlangengift  um;  1888  22.480  Menschen  und  3793  StOck 
Vieh,  1889  21.418  Henielieii  und  3948  Stflek  Vieh,  obeehon  in  dicBer  Zdt  nicht 
unbeträchtliche  Mengen  von  Giftschlangen  (1888  sogar  678.436,  im  folgenden 
Jahre  510.r>59)  vertilgt  wurden.  Ob  die  Absicht  der  Regierung,  die  Jungles  in 
der  Nähe  der  Dörfer  auszurotten,  die  gewünschte  Verminderung  der  Mortalitüt 
herbnüBhren  wird,  oder  ob,  wie  Fat&er>)  will,  eine  Vennehrang  der  Prämien 
für  OiHeehlangea  ileh  prompter  hilfreidi  erweiat,  moss  die  Zukunft  lehren. 

Mit  den  indischen  Ziffern  lassen  sich  allerdings  die  europäischen  nicht  ver- 
gleichen; indessen  ist  die  Anzahl  der  Giftschlangen  in  einzelnen  Gebenden  selbst  in 
Deutschland  nicht  unbedeutend,  so  dass  z.  B.  1891  in  dem  sächsischen  Amtsbezirke 
Ofimnw  ftlr  1348  Krensott«rk(^fo  die  PMmie  von  einer  halben  Ifiilion  Hark  «na- 
geaahlt  wurde.  In  der  Schweiz  kamen  1877 — 1886  7  Todesfälle  durch  Kreuz- 
ottern und  Vipern  vor.  Nach  Aufzeielinnns'en  des  SchlangenhJtndlers  Geithe  in 
Volkmannsdorf  aollen  in  Deutschland  während  der  letzten  10  Jahre  216  Verletzungea 
dnreh  Krensottem,  damnter  14  tOdtUeh  verlanfene,  vorgekommen  a^  (Blüm). 

Die  Wirkung  des  SchUngeagiftes  auf  das  Blut  giebt  aieh  in  aebr  ent- 
schiedener Weise  nach  dt  iii  Hisse  von  Eckis  carinatf!  und  Bunfjarm  coeruleus 
kund,  wo  nicht  blus  die  Ränder  der  Bissstelle  constant  ecehyinogirt  sind,  sondern 
wo  auch  Blntang  aus  Nase  und  Mund  constant,  Hämorrhagie  aus  den  Ohren  nicht 
aelten  vnd  Untiger  Harn  hftn6g  iat.  Daa  helirothe  Blot  iat  in  FUlen  von  Ver> 
giftung  durch  den  Biss  der  genannten  Schlangen  dünn  und  coaf?ulirt  nieht.  Auch 
naeh  Beseitigung  der  schweren  Symptome  kommt  in  der  Reeonvaleseenz  nieht 
selten  Epistaxia  vor. Dasa  auch  beim  Biss  unserer  Kreuzotter  das  Bild  einer 
adiweren  Blntvei^ftQnir  auftritt,  snmal  in  FAHen,  wo  daa  CHft  direet  in  Blutgefkaae 
gelangte,  iat  zweifellos.  In  einem  Falle,  wo  der  Biss  in  einem  Varixknoten  erfolgte, 
kam  es  zu  sofortiger  Ohnmacht  und  Bewusstlosigkeit,  Eiseskälte  und  Lividitiit  der 
Körperoberfläche,  Erbrechen  und  Abgang  von  blutigen  Massen  per  auum  und  in 
6  Stnndw  anr  Ausatoasnng  einee  ftnAnonatlicben  Fotaa.  Bei  Hnnden,  die  naeh 
den  Biaaen  von  Pelias  hems  und  Echidna  arietana  stets  unter  paralytischen  Er» 
sche!niuige&  zu  Grunde  gehen,  finden  sich  :ila  Leichenbefund  neben  der  weit  ver- 
breiteten Necrose  an  der  Applicationsstelle  regelmässig  starke  Hämorrhagien  im 
Magen,  trübe  Schwellung  der  Nieren  und  neorotische  Partien  der  Leber,  mitunter 
kleine  Embolien  in  den  Langen;  bei  mehrfoeh  wiederiiolten  Vergiftungen  Degene- 
ration der  Ilinterstrfluge  des  Rückenmarks,  in  denen  nn  einaelnen  Partien  die 
Axenoylinder  fast  volistHndig  geschwunden  sind.") 

Hinsichtlich  der  physiologischen  Wirkung  des  Schlangengiftes  scheinen 
nenere  Veranche  die  Veraehiedenartigkeit  eioaelner  SdUangengüte  daravthnn,  inao- 
ferne  wenigstens  naeh  dem  getrockneten  Gifte  von  Naja  tripudians  selmu  bei 
relativ  kleinen  Dosen  Lähmun«:  der  peripheren  Nerven  eintritt ,  während  die 
nervdsen  Centren  und  die  vasomotorische  Sphäre  erst  sehr  spät  betroffen  werden. 
Naeh  Ragotzi  iat  sogar  .  die  lähmende  Wirkung  auf  die  motoriaohen  Nerven» 
endignngen,  die  sich  besonders  stark  auch  am  Pbrenicus  äussert,  wenn  sie  einmal 
eingetreten  ist,  dureh  kein  Mittel  zu  beseitigen.  Nach  Alt-i  wirkt  das  Gift  der 
Puffotter  um  ein  Krittel  stilrker  als  das  der  Kreuzotter  und  erzeugt  intensive 
locale  Neerose  und  häutiger  complete  Lähmung ;  auf  das  Blut  und  die  elektrisdie 
Reiabarkeit  der  Muakeln  aind  beide  Gifte  ohne  Wirkung.  Nadi  Vollkbb  •)  wurkt 
das  Gift  der  Brillenschlange  entschieden  giftiger  als  das  der  Klapperschlange  und 
führt  rasehen  Tod  durch  Lähmung  der  Athmungscentren  herbei ;  ausgedehnte 
Blutgerinnungen,  Veränderung  der  Blutkörperchen  und  interne  Hämorrhagien 
finden  sieh  bei  den  vergifteten  Thieren  nieht,  obaehon  daa  Olft  bei  direetem 
Zusätze  in  concentrirter  Form  aom  Blut  die  Geatalt  der  rotken  BlutkOrperohen 
total  verändert. ") 

Dass  das  giftige  Princip  des  Schlangengiftes  zu  den  Eiweisskörpern 
gehört,  ist  nieht  an  beatreiten.    Es  aind  indesa  aller  Wahrsebeinliehkeit  nidit, 


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SCHLANGENGIFT. 


wie  WSIB  Mitchell  und  Rbiohrbt  annelimeii,  ▼enehiedene  giftig»  Eäwdaskffrper 
vorhandeD)  londern  wie  das  Eanthack  lo)  bezüglich  des  Cobragiftea  mit  Beetimmt' 

beit  nachwies ,  nur  eine  primäre  Albumose ,  aus  welcher  sich  allerding«  unter 
gewissen  Bedingungen  andere  Eiweisskörper,  namentlich  aber  bei  der  Dialyse 
(Heterotlbnmoee,  DysaUmmose),  bitden  Icönnen.  Eine  Miiehimg  dieier  seenndlnn 
Albumosen  nheint  die  Annahme  begründet  su  lutben,  dass  auch  ein  GlolndinkOiiMr 
im  Scblüngengift  neben  der  primären  AlbiimoBe  existini  die  in  gnnn  frisehem 
Cobragifte  aussohlieBisUcb  nachgewiesen  werden  kann. 

Vennehe,  gegen  Sdilnngengift  tlmlidi  wie  gegen  Abrai^fte  nnd  Ridn  bei 
Tbieren  Tolerans  in  erzeugen,  haben  kein  praktisch  verwerthbares  Resultat  ergeben, 
insofern  sich  zwar  wohl  eine  Abnehwächung  der  Wirksamkeit  herbeiffibren  Hess, 
jedoch  nicht  in  so  bedeutendem  Masse,  dass  die  Giftmenge,  welche  eine  Cobra 
beim  Bisa  in  die  Gewebe  bringt,  dadurch  unwirksam  gemacht  werden  kann, 
völlig  negntiv  wwdst  sieh  gekoohtes  Ck>bnigift,  Blnt  nnd  Sernm  der  Gobm  oder 
der  angeblich  giftfeaten  Ignana  (Varantis  Bengalensis).  Es  bleibt  daher  nichts 
Anderes  übrig,  als  die  bisherige  Anwendung  de^^  Glflheisens  oder  energischer 
Caustica.  Dass  einzelne  chemische  Öubstanzeu  die  Wirkung  des  Cubragitteti  zer- 
stören, bat  Kantback  naehgewiesen.  Sebr  raseh  whrken  eanstisehes  Kali  nnd 
Natron ,  doch  stellt  sich  die  Toxieität  bei  Zusatz  von  Essigsäure  wieder  her. 
Durch  Präcipitation  der  Albumose  beben  Silbernitrat,  Sublimat,  Tannin  und 
Alkohol  die  toxische  Wirkung  des  Cobragiftes  auf.  Auch  Chlurwasser  wirkt  zer- 
störend, jedoeh  nnr  bei  Iftngerer  (viertägiger)  Ei&wiricung,  Kaliumpermanganat 
etwas  rascher  (in  24  Stnnden).  Ebenso  wirken  Jodtrieblorid  und  Pancreatin ,  bei 
schwachen  Giftlösungen  auch  Carbolsäure.  Herabsetzung  der  Giftigkeit  ])e\virken 
auch  Ammoniak,  üitronensAure  und  Pepsin,  die  letzten  beiden  nur  in  geringem 
Masse.  Zerstreutes  Tageslicht  wirkt  auf  Cobragift  in  acht  Tagen  nicht  ein,  Siede- 
bltse  setrt  die  Giftigkeit  des  Gobragiftee  nnd  der  Albnmoae  sehen  in  40 — 60  Minuten 
stark  herab,  zerstört  sie  aber  erst  bei  mehrstündiger  Einwirkung.  Dass  sich  ein- 
iretrocknetes  Gift  (Schlangengift)  unzersetzt  hält,  hat  neuerdings  Vollmer  con- 
statirt,  der  ein  16  Jahre  altes  Brillensohlangeugift  ebenso  wirksam  fand  wie  das 
vor  einem  Jalire  eingetroeknete.  Aneh  die  Ortlidi  entsdndnngsenregende  Wurknag 
wird  dnidi  das  Alter  nicht  aufgehoben. 

Inwieweit  die  von  Calmette  ")  auf  Grund  von  Thierversnchen  mit  Cobra- 
gift vorgeschlagene  Behandlung  der  Bisswunden  mit  Goldehlorid,  in 
nnd  um  die  Wende  8 — 10  Gem.  einer  l^f^X^tsii  LiOsung  injicirt,  sieb  beim  Mensdhen 
bewihrt,  bleibt  absnwarten.  Das  Goldeblnrid  fällt  das  Proteotoxin  des  Schlangen- 
giftes allerdings  zu  einer  niilfislichen  Verbindung,  aber  seine  Heileffecte  bei 
sofortiger  örtlicher  Anwendung  sind  selbst  bei  Inoculation  mit  dem  Gifte  der 
Cobra  stets  dubiös  und  von'  wirklich  von  der  Göhra  gebissenen  Kaninehen  wird 
kein'  einsigee  gerettet.  Garn  ohne  EfTeet  bleibt  an^  die  Binspritinng  selir 
diluirter  Lösungen  des  Goldchlorids  in  die  Venen.  Ob  übrigens  das  Mittel  nicht 
bei  den  Vergiftungen  durch  Bisse  nicht  so  rasch  tödtlich  wirkender  Giftschlangen, 
z.  B.  der  kleineren  europäischen  Arten,  bessere  Resultate  liefert,  ist  eine  noch 
experimentell  an  lösende  Frage. 

Als  Analepticura  bei  CoUaps  nach  Schlangenbisstm  wird  in  Indien  und 
Australien  jetzt  vielfaeh  S  u  b  e  u  t  a  n  i  n  j  ec  ti  on  von  Strychnin  gebraucht, 
wovon  manchmal  sehr  grosse  Dosen  tolerirt  werden.  In  Nordamerika  ist  die  Uom- 
bination  der  internen  Alkoholbebandlnng  mit  snbentener  Stiyebninanwendnng  bei 
Klappersehlangenbiss  sehr  flblieb. 

Von  Alt  ist  netierdings  die  MagenausspOlung  als  rationelles  Mittel  bei 
Seblangenbissen  empfohlen,  da  sich  das  Schlangengift  unsersetzt  im  Magen  aus- 
sebeidet,  so  dass  es  ans  den  Magenoontenta  mittelst  Znsatses  von  96%igem 
Alkohol  im  Ueberschusse  ausgefiillt  werden  kann.  Diese  präcipitlrende  Wirkung 
des  Alkohols,  auf  welcher  zum  Tin  il  dir  günstigen  Resultate  der  Alkoholbehandlung 
des  Schlangenbisses  beruhen  mögen,  lässt  sich  auch,  zusammen  mit  der  stimu- 
Encyolop.  Jahrböshei.  HI.  39 


610 


SGHLANUENGIFT.  —  SCaULGEfiUNDUEITSPFLEGE. 


HreadeB  Wirkung  der  Spirituosa,  mit  der  elimiDatoriseh«!  BehAndlung  eombinfrai, 
indem  man  Brandy  als  8pülHU8sis:keit  anwendet. 

Literatur:  ')  Barriuger,  The  venotnotts  repfiltit  of  tJit  l'niteti  Stntes,  irith 
(Ae  irttttiMnt  of  voundi  inßirted  hy  them,  1891.  —  *)  Fayrer.  The  poisonous  ttnak-e»  of 
India.  Brit.  m.-«!.  Jcmrn.  ]^b2.  —  ')  Banzer.  Die  Kreu/.dtter.  München  IS'.'l.  —  *)  Blum, 
Dfe  Kreuzotter  und  deren  Verbreitung  in  Deutschland,  Fninkl'urt  188S.  —  ')  Banerjie, 
Epistaxis  in  snuke  poisoning.  Lancet.  28.  Mai  IS'^"^,  ]iau'  llSi"}-  —  ^)  Eisner,  Beitrag  zur 
Yergiftang  mit  ScUaagengift.  Therap.  Monatsb.  VI,  Heft  6.  p««.  321.  —  ')  Alt,  Uatnw 
raehmifeB  flbtr  die  Araarhatdinig  des  Sdüangen^iftM  diureh  den  Macea.  HttnolieDer 
med.  Wochensihr.  1892,  Nr.  41,  i  'j:  7^;4.  —  Ragotzi,  Ueber  die  Wirkung  des  Giftes» 
der  XuJ<t  Iriput/ifuin.  Virchow's  Arcli.  Bd  CXXII,  Heft  2.  pap.  2;{2.  —  *)  Vollmer.  L'eber  die 
Wirkung  des  Brillenschlangengiftes.  Arch  f.  exp.  Pathol.  18Ö2,  Bd.  XXXI,  Heft  1,  pag.  1. — 
^*')  Kanthack,  The  nature  of  cobra  poiton.  Jonm.  of  Phyaiol.  XIII.  Nr.  3  und  4,  pag.  272 ; 
Chloride  of  gold  a»  a  remedij  of  cobra  poiton.  Lancet.  11.  Juni  1892.  pag.  296.  —  ")  Cal- 
mettc,  I.t  Chloride  d'or  comme  Antidote  du  poison  des  rpt'ut.s.  Journ.  de  Pharm,  et  de 
Chim.  1892,  pag.  539.  —  '*)  Länder  Brnnton,  Bemarka  on  snake  cenom  and  its  antU 
doU.  Brit  med.  Jonm.  3.  JaB.  1891.  Hnsemann. 

SchlUSSelbeinbrUCh,  verbände,  s.  Fracturverbande,  pag.  319. 

Schrägverengtes  (Naegele'sches)  Becken,  ».Becken,  pag.  tu. 

Schulgesundheitspflege,  n  ie  Schultrcsundheitspflege,  ein  .sehr  wich- 
tiger Theil  der  (»tlentlicben  Hygiene  des  Kindes  ,  stützt  sich  auf  die  allgemeine 
Hygiene,  auf  die  Hygiene  des  Kindes  und  auf  die  Lehre  von  den  Schul- 
krankheit«!!.  Auf  die  enteren  beiden  mnss  ▼erwieeen  werden;  die  Lebre  von 
den  Sdinlkrankbeiten  bedarf  aber  hier  einer  kurzen  DarRtellnng.  ^'^i 

Die  Erfahrung  lehrt  es.  dass  Schulkinder  aiitrallend  h.Hiifitr  an  .*^töruniren 
des  Wohlbefindens  oder  Krankheiten  leiden ,  welche  in  dem  vorächulptiicbtigen 
Alter  sebr  selten  sind.  In  den  höheren  Sdinlen  Schwedens  *)  wurden  55<> 'o ,  in 
den  Communalgchulen  34 — 38^  o  der  Kinder  als  nicht  völlig  gesund  oder  geradezu 
krank,  in  den  dänischen  Knabeuschulen  21*'^  o  >  den  diniaehen  Mädchenschulen 
gar  41*^^  0  als  kränklich  oder  krank  befunden.  **)  * 

Zn  den  OeeundbeitsstOrnngen  und  Krankheiten  der  Schulkinder  rechnet 
man  nun  folgende:  K nrnsiebtigkeit,  seitliche  Verk  r  ti  ni  m  u  n  g  der 
W  i  r  b  e  1  s  ;i  II  1 «' .  V  e  r  d  a  ii  ii  n  ?r  s  s  t  <i  r  u  ti  ir  e  n  .  A  n  il  ni  i  e  und  M  n  s  k  e  1  s  e  h  w  ä  e  he, 
habituellen  Kopf.sehnierz,  habituelles  Isasen  bluten,  Nervosität, 
geistige  Schlaffheit.  Auch  Anschwellung  der  Schilddrüse  haben 
Einige  als  eine  Sehulkrankheit  heE^ebnet.  Sieber  ist  endlich,  dass  bd  den  Sehal- 
kindern gewisse  epidemische  und  flbertragbare  Krankheiten  eine 
auffallend  starke  VerbreitunL'  finden. 

Es  kommt  nun  daraut  an,  zu  ermitteln,  ob  die  Schule  einen  Antheil  an 
der  Entstehung  oder  an  der  Ausbreitung  dieser  Ldden  bat  und  wie  gross  er  ist 
Dann  erst  wird  dasjenige,  wa»  sur  Abwehr  oder  VemuBderung  geschehen  Kann, 
Besprechung  finden  können. 

Die  Kurssichtigkeit  der  Schulkinder  ist  schon  lange  bekannt.  £in 
ungemein  beweiskrflftiges  Material  aber  haben  H.  Cohn  •)  und  nach  ihm  andere 
Augenärzte  in  den  letzten  beiden  Decennieii  beijrebraeht.  Derselbe  lehrt,  dSM 
die  Kurz.siclitigkeit  der  Kinder  kurz  vor  nnd  bt-i  dem  Eintritt  in  die  Schule  unge- 
mein selten  ist  (Kotelmaxn  *^),  dass  sie  dann  von  Clause  zu  Cla.sso  an  Frequenz 
sunimmt,  dass  sie  in  den  Dorfschulen  und  stidtischen  Elementarschulen  am  wenigsten 
biufig,  in  den  Gymnasien  am  hivfigstai  gefiinden  wird  nnd  «berbanpt  um  so  ver* 
breiteter  und  schwerer  ist,  je  höher  die  Anforderungen  sind,  welche  an  die 
Schüler  in  wisjicnscbaftlicher  Beziehung  gestellt  werden.  Folgende  Ziffern  H.  COUN'S*) 
lehren  dies  in  unzweideutigster  Weise:  Es  fanden  sich  Kurzsichtige 

in  Dorftehnlen  1*4<>  o 

„  st;ldti.schen  Elementarschulen  6*7  „ 

„  stildtischen  Mittelschulen  7*7  „ 

„  höheren  Töchterschulen  10*3  « 


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SOHDLeESDNDHBITSPFLBGE. 


611 


in  RMlMhiÜM  19-7^0 

M  GymnaBieii  36*2  „ 

„  VI  Oyrnnasii  12-6  „ 

„  V      „   18-;-',, 

»ni     „   3i-o„ 

»  U         »   41-3  „ 


Darnach  ist  jedenfalls  die  Schulzeit  als  diejenige  zu  bezeichnen,  in  welcher 
das  Leiden  sich  entwickelt.  Wag  die  ei^ntliehe  Üreaebe  desselben  anbelangt^  so 
liegt  sie  in  der  anhaltenden  Naharbeit  mit  steter  Rewe^unp:  der 
AiiL'cn.  "  Die  Näharbeit  hat  we?en  der  Accommodation  der  Aujren  für  die  Nilho 
eine  Vermehrung  des  iotraocuiären  Druckes,  diese  aber  eine  Verlängerung  der 
sagittalen  Aehse  de«  Aages  nnd  damit  Knmiditlgk^  snr  Folge.  Wäre  die  Na 
arbeit  au  sich  schädigend,  so  mflssten  auch  die  Uhrmacher  kurzsiehtig  werden; 
dies  ist  aber  relativ  sehr  ■selten  der  Fall  '  ,  obschon  doi-li  aiicli  sie  zum  jrrosseii 
Theil  mit  14  oder  15  Jahren  aiitaiigeu,  ihre  Augen  auzustreii-ren.  Beim  Lesen 
und  Sehreiben  werden  aber  letztere  für  die  Nähe  aecommodirt  und  zugleich  hin 
nnd  her  bewegt. 

Pradisponi  rend  wirkt  entschieden  erbliche  Belastung,  die  wahrschein- 
lich in  der  Vererbung  einer  Nach^iebifrkcit  des  Bulbus,  speeiell  der  hinteren  Scleral 
partie  besteht ^-^J  und  wahrscheinlich  auch  Alles,  was  zu  einer  pa.ssiven 
HjperAmle  der  Aogen  Anlass  giebt.  Nach  diesem  wird  in  der  Sebelzeit  anbaltendea 
Lesen  und  Seh  reiben ,  das  Lesen  klein-  oder  mattgedruckter  Bücher,  das  Lesen 
nnd  Schreiben  bei  unzureichender  Beleuehtunfr,  das  Sehreiben  auf  sehlechten  Tafeln 
die  Entstehung  der  Kurzsichtigkeit  befördern,  da  es  das  Auge  zwingt,  sich  für 
die  Nähe  sa  aeeommodiren  nnd  rieh  stets  bin  nnd  her  zn  bewegen.  Ist  es  richtig, 
dass  passive  Hyperfimie  der  Augeo  die  Entstehunir  befördert,  so  wird  das  anhaltende 
Lesen  und  Schreiben  bei  Vornüberbeu|2^en  des  Kopfes,  wie  es  namentlich  durch 
schlechte  Subsellien  geradezu  veranlasst  wird,  ein  wichti^jcr  ursächlicher  Factor 
sein,  weil  bei  solcher  Haltung  eine  Stauung  in  den  Venen  der  Augen  eintritt. 

Den  Haaptanthdl  an  der  Entstdrang  der  Knrasiehtigkrit  hat  nnswelM« 
haft  die  Schule,  weil  sie  die  Kinder  SO  übermässiger  Naharbeit  oft  in  unzu- 
reiclifud  lu'lcuehteten  Riiuinen  und  auf  schlechten  Snbgellieti  zwiujft.  Aber  es  w.lre 
ein  i  ebler,  das  11  a  u  s  vou  jeder  Mitschuld  freizusprechen ,  da  viele  Kinder  ihre 
hftnslichen  Arbeiten  bei  nnsureiehender  Belenehtnng  anfertigen  nnd  oft  viel  an 
anhaltend  schlecht  gedruckte  Bücher  lesen  und  \uA  zu  wenig  im  Freien  sieb 
ersrehen,  damit  aber  zu  weniji:  Oeleirenheit  haben,  die  durch  zu  anhaltende  Acoom- 
modatiun  für  die  N.^he  entstandene  Veränderung  der  Augen  auszugleichen. 

Auch  die  seitliehe  Verkrflmmnng  der  Wirbdaäule,  die  Seoliose,  Ist  ein 
Leiden,  welches  im  vorschulpfliehtigen  Alter  sehr  selten,  im  sehulpfiichti'ren  ziemlich 
h.lufifr  vi>rkommt.  Bei  l?-2ö  von  :?()(>  Sc<'li(»(i>^elien  F,i  r.KXRT:i?ri's  "i  hatte  das  Leiden 
sich  vom  7. — 15.  .Jahre  entwickelt.  Von  den  Scoliotischen  Parow's standen 
60°  0  im  Alter  von  8 — 14  Jahren.  Die  relatiTe  Hlufigkeit  der  Seoliose  bei  Sehnt- 
hindern  wird  vonehieden  angegeben.  6üillaum£  i*)  beobaehtete  sie  bei 
doeh  ist  dieser  Satz,  selbst  wenn  man  die  allerfreringsten  Grade  aiifzflhlt,  als  zu 
hoch  anzusehen.  Im  Uebrigen  zei?t  sie  sich  weit  mehr  bei  Müdchen.  als  hei  Knaben. 
So  waren  von  den  300  Scoliotischen  EuLENbUKti  ä  261  weiblicheu  uud  nur 
39  minnllehen  Oesehleehts.  Endlieh  muss  hervoi^hoben  werden,  dass  das  Leiden 
in  der  flberwiegenden  Mehrzahl  der  Fälle  rechtsseitig  ist 

Die  Ursache  desselben  liej^t  vornehmlich  in  der  fehlerhaften  Schreib- 
haltung  und  im  nachlässigen  Sitzen.  Beim  Schreiben  fallen  die  Schulkinder  sehr 
lacht,  zumal  wenn  sie  aof  sehleebten  Subsellien  sitsen,  mit  dem  OberkSrper  naeh 
vom,  gerathcn  mit  der  vorderen  Wand  ihres  Brustkorbes  an  den  Tischrand,  neigen 
die  rechte  Schulter  auf-  und  angletch  vorwärts,  die  linke  ab-  und  augleich  rOck- 

39* 

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612 


SCHULGESUXDHEITSPFLEGE. 


wftrts,  schieben  das  Schreibheft  schrä]?  nach  links  und  drücken  zuletzt  die  rechte 
Seite  des  Brustkorbes  fest  an  den  Tischrand,  während  sie  die  linke  Seite  deutlich 
▼OD  ihr  ahsiehen.  Dann  verlftnft  aber  die  WirbeUiale  im  Bereidie  des  Sobnltep* 
blatiM  nach  reditt  eonvex,  nach  links  ooneav;  auch  sind  hier  die  Wirbel  um 
ihre  Vertii:'Hlaeh«e  nach  rechts  rotirt.  Gleichzeitig  fUUt  der  Kopf  nach  links  und  vom; 
er  ruht  nicht  mehr  allein  auf  der  Wirbelsäule,  sondern  wird  zum  Theil  von  den 
Nackenmuskeln  gehalten.  Diede  Sohiefhaltung  tritt  am  scbärt'ateu  hervor,  wenn 
der  senkfcehto  Abstand  tob  Site*  nnd  Tiediplstto  sehr  gron  ist  und  das  Kind 
wegen  zu  beträchtlicher  Höhe  der  letzteren  gezwungen  wird ,  den  sehreibenden 
rechten  Arm  in  der  Schulter  zu  erhoben.  In  solchem  Falle  zieht  es  den  linken 
Arm  ganz  von  der  Tischplatte  herab,  umfasst  ihren  hinteren  Kand  mit  der  linken 
Hnnd,  nm  einen  Halt  su  gewinnen,  nnd  ruht  blos  auf  dem  Hinterbadcen  der 
rechten  Seite,  nicht  gleichmässig  auf  beiden  Hinterbacken.  Beobachtet  man  ein  sO 
Bchreibcudes  Kind  bei  völliger  EntblAssniig,  so  bietet  es  voUstindig  das  Büd  einer 
rechtsseitigen  Scoliose. 

Dass  sehOB  die  naohllssige  Haltung  beim  Sitaen  Anlais  zur  Bntrtehnng 
des  Leidens  gelMn  lunn,  hat  Scbclthess  dnreh  die  Zdehnung  der  Wirbel> 
säulenkrümmung  sitzender  Kinder  nachgewicBen.  Im  Sitzen  mit  nachlfisaiger  Haltung 
zeigen  nach  diesem  Autor  alle  a  n  t  e  r  o  p  o  s  t  e  r  i  o  r  e  n  Curven  den  kyphotischen  Typus 
und  in  zahlreichen  Fällen  die  seitlichen  Curven  eine  erhebliche  Abweichung. 
Wenn  letsteres  aber  sidi  Tag  fltr  Tag  wiederholt,  so  mnss  sehliessliefa  bletbeode 
Abweichung,  das  ist  Scnliose,  entstehen.  In  dieser  Weise  bilden  sich  wohl  aneh 
die  linksseitigen  seitlichen  Verkrümmungen  der  Wirbelsäule  aus,  da  beim  nach- 
lässigen Sitzen  die  Wirbelsäule  einiger  Kinder  regelmässig  eine  Abweichung  mit 
der  GenTexItIt  naeh  links  idgt. 

Aus  diesem  erhellt,  dass  die  Entstehung  der  Scoliose  durch  die  Schule 
in  hohem  Grade  begiinstif^t  wird.  Sie  fordert  viele  S  eh  r  ei  barbeit,  und  bei 
dieser  tritt  so  leicht  unrichtige  Ihiltung  ein;  sodann  zwingt  sie  zu  anhaltendem 
SitMD,  vielfadi  in  SnbselUen,  welche  eine  richtige  Haltung  anf  mehr  als  knrie 
Zeit  geradezu  namOglieh  maehen.  Aber  es  geht  aus  dem  Vorgetragenen  auch  her- 
vor, dass  die  Schule  nicht  immer  allein  die  Scoliose  verschuldet.  Ks  ist  ja  nichts 
Seltenes,  dass  Kinder  ihre  schriftlichen  Arbeiten  im  Hause  an  ganz  ungeeigneten 
Tischen,  z.  B.  auf  der  Fensterbank  mit  nachlässigster,  gar  nicht  Überwachter 
Haltnng  anftrtigea;  ist  aueh  nahesa  Regel,  dass  die  MAddieD  ihre  hlasüohen 
Handarbeiten  vomüberge neigt  mit  Hoelihebang  der  rechten  Sehnlter  und  Links» 
Wendung  des  Kopfes  ausftlhren. 

Die  Thatsache,  dass  Mädchen  viel  häufiger  als  Knaben  an  der  Scolioae 
erkranken,  wkllrt  sieh  sehr  einftush  ans  dem  Umstände,  dass  die  ersteren  eine 
sehwflchcre  Musculatur,  auch  am  RQcken,  längs  der  Wirbelsäule,  haben.  Je  kräf- 
tiger das  Muskelsystem  ist.  desto  leichter  wird  es  die  nacbtheilige  Wirkung  des 
Sitzens  und  Schreibens  in  fehlerhafter  Haltung  wieder  auszugleichen  im  Stande 
sein ;  je  schwächer  es  ist,  desto  rascher  wird  die  laterale  Abweichnng  der  Wirbel- 
säule, wie  sie  so  oft  bdm  Sehreiben  und  Sitien  eintritt,  zu  einer  bleibenden  werden. 

Dass  VerdauungsstTirungen,  man^'elhafte  Kssliist,  Völle  und  Druck, 
selbst  Schmerzen  in  der  Magengegend,  Verstitpfunir  bei  .'Schulkindern  gar  nicht 
selten  sind,  wird  Jedem  Arzte  bekannt  sein  uud  deshalb  des  Beweises  nicht  be- 
dOrfen.  Sie  rtlhren  ohne  Zwdfd  mtens  davon  her,  dass  die  Kinder  tSglieh  eine 
Reihe  von  Stunden  in  einer  Haitang  zubringen,  welche  Athmung  und  Blutcircn- 
lation,  zumal  in  den  Unterleib.sorganon,  beeinträchtigt,  damit  aber  die  Bedingungen 
der  Digestion  und  der  Blutbildung  ungunstiger  gestaltet,  rühren  aber  auch 
davon  her,  dass  viele  Kinder  unter  dem  Bitülusse  nervöser  Unruhe,  des  soge> 
nannten  Schulfiebers ,  aus  Furcht  vor  Versäumniis  sieh  nicht  die  gehörige  Zeit 
zum  Essen  lassen,  die  Speisen  viel  /ii  ha-fti^'- .  zu  weni^'  zerkleinert  hinunter- 
schlucken. Die  natürliche  Folge  dieser  meistens  ganz  chronischen  Verdauungs- 
störungen, des  zu  langen  Stillsitzens  in  wenig  guter  Luft,   der  au  geringen 


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SCHÜLOESUNDHKITSPVLEOE. 


613 


Bewflfnng  im  FM«&  iit  Blltt«,  Aatttie  wtA  Matkelsehwlobe,  welehe 

vorhin  ebenfalls  als  Schulkrankheiten  bezeichnet  wurden  und  in  der  That  bei 
Schulkindern  ,  insbesondere  der  StSdte .  so  sehr  häiitiL'"  sind  ,  in  den  Ferien  so 
oft  sich  zu  bessera  pflegen ,  daää  wir  berechtigt  sind ,  sie  eben  als  Schulkrauk- 
hdtm  Sil  beseiobiMD,  mit  dar  Beliide  im  ZiiMmmeiihuig  su  hringen. 

Habitueller  Kopfschmerz  und  habituelles  Nasenbluten 
sind  gleichfaliä  »ehr  häufige  Erscheinunsren  bei  Schulkindern. 

Von  515  Gymnasiasten,  weiche  Kotslmann  UDterauchte,  litten  143 
aa  IwUtueltem  KopAohmerSf  80  an  lialritnellem  Nasenbinten,  von  8564  Dsrm- 
stftdter  Schulkindern,  welche  Becker  untersuchte,  974  an  öfter  wiederkehrendem 
Kopfschmerz,  405  an  (»fter  wiederkehrendem  Nasenbluten.'"*)  Das  Kopfweh  trat 
in  den  unteren  Classeu  weniger,  in  den  oberen  viel  stärker,  in  der  1.  des  Gym- 
nasiums bei  800/0  hervor.  Aehnliches  stellte  Kotkluann")  fest.  In  der  VI.  des 
Hamburger  Ojrmnasinms  littsn  an  Kopfweb  19*/»,  in  der  I.  68%,  in  der  Vf.  an 
Nasenbluten  IS»',,  in  der  I. 

Die  Ursache  dieser  beiden,  sehr  oft  gleiehzeitifr  vorkommenden  Leiden 
ist  in  einer  abnorm  grossen  BlutfQlle  des  Gehirnes,  der  Gehirnhäute  und  der 
Nasensehleimliaiit  in  snelran.  Diese  BlntfOlle  kann  anf  Gongestion  Imnben,  dureb 
angestrengtes  Anftnerken  und  Memoriren ,  sowie  durch  Reizung:  der  Nane  nach 
Einathmun^  von  Staub  erzeugt  sein :  sie  kann  aber  auch  auf  Stauun'r  beruhen 
und  ist  dann  durch  Druck  der  Haläbekleidung  auf  die  Halsvenen  bei  VoruUber- 
nelgen  des  Kopfes,  dnreb  oberfliehliebes  Athmen  in  Folge  des  langen  Sitzens  mit 
\ornübergenei;rtem  Oberkörper  lierrorgerufen.  Dass  das  Kopfweh  auch  andere 
I  rsarlien,  z.  B.  die  Einwirkun«^  strahlender  Wärme  der  Oefen ,  Einathmuns: 
kuhleuoxydbaltiger  Luft,  unzweckmässige  Ernährung,  haben  kann,  ist  nicht  zu 
leugnen;  in  den  mdsten  FiUen  wird  es  aller  F<rfge  der  zuerst  erwibnten  Mo- 
mente sein. 

Vielfach  findet  man  bei  Schülern  von  Gymnasien .  bei  den  Schülerinnen 
in  den  höheren  Töchterschulen  Erscheinungen  von  Neurasthenie,  von 
grosser  Keizbarkeit  und  von  geistiger  Schlaffheit  oder  autlallend 
starker  Zerstreutbeit,  von  Unffthigkeit,  die  Oedanken  an  eon- 
centriren.  Da  diese  Erscheinungen  in  den  unteren  Classen  viel  selt^^ner  als 
in  den  oberen  hervortreten .  so  hat  man  sie  mit  der  Schule  in  ursSchliehen  Zu 
sammenbang  gebracht,  und  gewiss  mit  Recht.  Denn  die  Neurasthenie  findet  mau 
am  hftttfigsten  und  stftrksten  bei  den  Sebnlkindem,  welobe  zu  frtth  oder  zu  in- 
tensiv angestren<rt  wurden,  welche,  vou  ungesundem  Ebrgeiz  getrieben,  der  Schul- 
arbeit zu  viele,  der  lTho!un?r,  der  Muskeldbung  zu  wenig:  Zeit  widmen  und  auf- 
fallend häufig  bei  denen,  welche  Uberhastet  werden,  welche,  von  Peosum  zu 
Pensum  gejagt,  den  aufgenommenen  Stoff  niebt  zu  verdauen  im  Stande  sind,  aber 
den  lebhaften  Willen  baben ,  zu  leraen ,  dem  Unterricht  zu  folgen.  Gewiss  hat 
an  der  Entwicklung  von  Neurasthenie  bei  Schulkindern  auch  vielfach  fehlerhafte 
Erziehung  im  Hause,  frühzeitiger  Geuuss  von  Spirituosen  und  Tabak,  übertriebene 
Sucht,  Phantasieerregendes  zu  lesen,  und  Masturbation  einen  Antheil,  zumal  wenn 
erbliebe  Belastung  vorliegt;  aber  da  sie  vielfseh  bei  niebt  erblleb  belasteten 
Kindern  vorkommt ,  hei  denen  diese  letzterwähnten  urs.lchlichen  Momente  ^aaz 
aus/.uHchliessen  sind,  so  müssen  wir  die  Schale,  speoieil  die  Metbode  des  Unter* 
richtcs,  aU  ursächliehea  Factor  auerkeuuen. 

Zu  den  bm  Sebulldndem  bauilgen  Nervenkrankbeiten  gebOrt  die 
Choren  minor  ^  der  Veitstan  z.  Sie  zeigt  sieb  vorwiegend  bei  schwächlichen, 
anämischen  Kindern,  wenn  sie  erblich  belastet  sind.  Zu  den  be^ilnstifrenden  Ur- 
sacben  gehört  zu  lauge  Unterrichtszeit,  zu  intensive  Geistesarbeit,  b'urcht  vor 
Strafen ,  Fnreht  vor  der  PrOfung,  mangelbafte  Bewegung  im  Preten.  **) 

Geisteskrankheiten  sind  im  Allgemeinen  bei  der  Schuljugend 
nicht  haufi».  -°  -'•  Doch  l;isst  sieh  aus  dem  M-lnn;r  vorliejrenden  Material 
soviel  entnehmen,  dass  sie  bei  Schulern  und  Schülerinnen  vorzugsweise  in  der 


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614 


SCHULGESUNDHElT^iPFLEGE. 


Pubertätszeit  hervortreten ,  und  djiss  die  meisten  der  Befallenen  erblich  belastet 
sind.  Aber  qa  ist  auch  nicht  abzuleu^ea,  das«  in  eioein  nicht  unerheblichen 
Proeentutz  der  Fälle  su  «nstreogende  Geistesarbeit  die  Kmnklieit  snin  Au- 
bmeh  bra(^hte. 

Was  die  S  e  h  i  1  d  d  r  (1  s  e  n  s  e  h  w  e  11  u  n  p:  betriftt,  so  ist  sie  von  GuiL- 
LAIMS  fUr  eine  sehr  oft  mit  dem  Schulbesuch  in  ursächlichem  Zusammen- 
hange stehende  Krankheit  erklärt  worden,  da  er  beobachtete ,  daes  sie  in  den 
Ferien  abnabm,  wibrend  der  Sebnlseit  wieder  annahm.  Doeb  haben  neuere  Unter* 

aoehongen  die«  nicht  bestJttigrt.  Namentlich  ist  djirauf  hingewiesen,  dass  im  nörd- 
lichen Deutschland  ,  wo  die  Schulkinder  doch  auch  recht  angestrenj^t  arbeiten 
müssen,  die  Schilddrüsenschwellung  derselben  etwas  sehr  Seltenes  ist.  Die  That- 
aadie,  daas  von  Guillaomb's  781  Sdralkindern  414  an  dieser  Krankheit  litten, 
muss  mit  rein  loealen  Gründen  zusammenhingen. 

Dagegen  steht  es  fest,  dass  gewisse  Infectionskrankheiten  un- 
gemein oft  durch  die  Schule  tibermittelt  und  verbreitet  werden.  Dies  gilt  ins- 
besondere  vom  Keneh husten,  den  Windpocken,  Röthein,  von  den  Masern, 
dem  Scharlach,  der  Diphtberitis,  dem  Mumps,  der  Influenza,  dem 
Trachom,  dem  Favus,  dein  //  e  r  p  >•  .y  r  i  r  ci  natu  n  und  dem  II  p  r  pe  a 
tonsurniiH.  Belege  dafür  lieferu  unter  Anderem  die  Schriften  der  unter  '^^)f 
**)  nnd       citirten  Autoren. 

Die  U^ertragnng  kann  dadnreh  erfolgen,  dass  gesunde  Schnlkinder  in 
der  Classe,  in  den  Zwischenpausen  oder  auf  dem  Schulwege  in  nahe  Hertlhrung 
mit  solehen  kommen,  welche  krank,  oder  im  I?egritVe  sind,  es  zu  werden  und 
doch  schon  die  Erreger  übermitteln  können  (^Maseru ,  Scharlach ,  Diphtheritis, 
Kenehhnsten),  oder  reoonTaleseent ,  aber  noch  fnfeetiOs  sind  (Masern,  Sebarlaeh, 
Diphtheritis  I.  rnzweifeUtaft  können  aber  auch  gesunde  Kinder  ans  einem  infioirten 
Hanse  den  Krankheitserreger  in  die  Sehule  verschleppen.  Denn  es  steht  fest,  dass 
aente  Exantheme  und  Diphtheritis  mitunter  durch  Gesunde  übertragen  werden, 
welche  mit  Kranken  in  Berflhmng  kamen.  **•  *^ 

Es  folgt  nunmehr  die  DarstellnDg  der  eigentlichen  Schulgesundbeitspliege, 
d.  b.  der  Massnahmen ,  welelie  zur  Verhütung  der  Sehulkrankheiten ,  sowie 
überhaupt  zum  Schutze  der  Gesundheit  der  Schulkinder  anzuordnen  und  aas- 
zufflhren  sind. 

Das  Sehnigebinde.      An  jedes  Sehnlgeblnde  mflssen  selbstver- 

stflndlieh  zun.lchst  alle  Forderungen  der  Hygiene  gestellt  werden,  welehe  man  an 
ein  Wohngebaude  überhaupt  stellt.  Es  soll  also  eine  gesunde  Lage  haben,  das 
heisst  auf  einem  für  Luft  und  Wasser  durch lässigeu,  uicht  verunreinigten  üuter- 
gmnd  erbaut  sein,  dem  Sonnenliehte  und  der  bewegten  Luft  freien  Zutritt  gs« 
währen ,  auch  hinreichend  fem  von  gewerblichen  Betrieben ,  die  Ubie  Gerüche 
verbreiten,  von  sumpfigem  Terrain  und  von  Dungablagerungsstätten  liegen.  Der 
specielle  Zweck,  welchem  es  dienen  soll,  macht  es  nothwendig,  dass  es  auch  von 
gerftuschvollen  Betrieben  möglieh  fem  sein  soll,  und  dass  es  von  den  Sehulkindero 
ohne  «nen  langen  Schulweg  erreicht  werden  kann. 

l'ie  Haupt  front  ist  am  zweekmässigsten  nach  Süden  gerichtet,  weil 
das  Gebäude  dann  das  meiste  Licht  bekommt.  Lfisst  sich  dies  nicht  durchführen, 
SO  wfthlt  man  die  Richtung  nach  Südosten  oder  Sttdwesten. 

Das  Baumaterial  man,  wie  fDr  jedes  Ham,  porös,  troeken,  nicht 
au  sehr  hygroskopisch  sein,  damit  es  die  natürliche  Ventilation  zulässt.  Deshalb 
sind  gut  gebrannte  Ziegelsteine  und  Kalksteine  am  meisten  zu  empfehlen.  Nur 
zur  Isolirung  der  Keilersohle  gegen  den  Untergrund  und  des  Oberbaues  von  dem 
Fundament  mttssen  Materialien  verwendet  werden,  welehe  fdr  Luft  und  Wasser 
undurchlässig  sind,  nämlich  Portlandeement,  Klinkersteine,  Sehieterplatten  oder 
Asphalt  in  nicht  zu  dünner  Schicht.  Sehr  zweckmäs-iig  ist  es,  die  Aussenwände 
des  Gebiiudes  so  herzustellen,  dass  sie,  aus  einer  äusseren  und  inneren  Mauerung 
bestehend,  eine  Luftschicht  einschliesaen.  Solehe  Wftnde  dampfen  den  Sehall, 


SCHUrXiESUNDHElTSPFLEGE. 


615 


schützen  vor  zu  starker  Sonnenhitze ,  vor  zu  starker  Abkühlung  im  Winter  und 
vor  Eindringen  der  Nässe  des  Sohlagregens,  genügen  also  den  Forderungen  der 
Hygiene  in  besonderem  Masse. 

Ahmot  dem  Kellerraame,  der  ftlr  jedes  Hans  zur  Femhaltung  der 
Bodenluft  und  Bodenfeuchtifrl<eit  nothwendip:  ist,  soll  das  Schulgebäude  lediglich 
Hitume  für  l'nterrichtsz wecke,  je  nach  den  Umstftndeu  aueh  für  den  Lehrer  und 
Schuldiener  enthalten. 

Die  Hansthttr,  der  FluTf  die  Treppen  itnd  die  Ginge  mflseen 
eine  hinreichende  Breite  habeu,  erstens  damit  ein  geordneten  Aus-  und  Eingehen 
m^'i^rlich  ist,  und  zweitens  damit  bei  FcMiersgefahr  den  Schulkindern  ein  rasches 
Verlassen  des  (iebäudes  nicht  erschwert  wird.  Allgemein  hält  man  eine  Breite 
von  1*6 — 2'0  Meter  illr  voll  genügend.  Daas  Ginge,  Treppen  nnd  Flnr  aneh 
hinreichend  hell  adn  mttiaen,  versteht  sieh  von  selbst. 

Die  Treppen  wird  man  mit  Kflck^ticht  auf  Feuersicherheit  und  auf 
leichtere  Reinhaltung  am  besten  aus  Stein  herstellen  lassen.  Die  Steigung s- 
hdhe  sei  von  Stufe  sn  Stafe  in  nrnnmo  0*15  Meter.  Der  Anftritt  messe 
0*25 — 0*30  Meter  von  vorne  bis  hinten.  Das  Geländer  werde  dureh  metnllene 
Knöpfe  gegen  Benützung:  zum  Herabrut>chen  gesichert.  Vor  jeder  Treppe,  auf  den 
Gängen  vor  jedem  Schulzimmcr  soll  wie  vor  dem  Eingange  zum  Sehulgebäudo  ein 
Scharreisen  oder  eine  Drahtmatte  liegen,  damit  der  Schmutz  des  Schuh- 
senges  ni»  der  SiAale  mflgliehst  femgehalten  wird.  Ebendort  ist  flberatl  ein 
Placat  anzubringen,  auf  weUshem  mit  grossen  Bnebstaben  die  Worte  stehen: 
„Fasse  ^ut  abtreten.'* 

Die  Scbulzimmer  lege  mau  tbunlichst  an  der  SUd-,  Südost-  uud 
Sfldwestseite  des  Gebindes,  unter  keinen  Umstilnden  an  der  Mbrdseite  an.  **)  Thra 
Grösse  darf  mit  Rüi-ksii-lit  auf  den  Lehrer,  die  Hörbarkeit  Heiner  Stimme,  sowie 
mit  Rücksicht  auf  die  Handhabung  der  Ruhe  und  Ordnung  withrend  des  Tuter- 
ricbtes  und  darauf,  dass  auch  auf  den  letzten  Bänkeu  das  an  der  Tafel  (je- 
tehriebene  deutlieh  erkennbar  sein  soll ,  eine  gewisse  Grense  ni^t  Ubersehreiten, 
die  Hohe  nicht  4*5  Meter,  die  Länge  nicht  10  Meter,  die  Breite  mit  Rticksieht  auf 
die  Belenchtung  nicht  7-2  Meter.  Damach  würde  ein  Schulzimraer  in  maximo  einen 
Flächenraum  von  72  Qm.,  einen  Cubikraum  von  325  Cbra.  haben  dürfen.  Nun  mug? 
jedem  Schulkinde  mindestens  ein  Flächenraum  von  O  G  (^m.  zur  V  erfügung  steheu, 
damit  es  heim  Sehreiben  hinreiehend  frei  ist  und  nieht  der  Ausathmnngsluft  der 
Nachbarn  allzu  nahe  kommt.  Eine  ebenso  grosse  Fl.tche  ist  pro  Schulkind  für 
Gänge  neben  den  Subsellien.  für  den  Lehrernitz,  für  den  Ofen  anzusetzen.  Es  würde 
also  auf  jedes  Schulkind  eine  Fläche  von  mindestens  l"2  Qja.  zu  rechnen  sein. 
Nimmt  man  nun  die  Höhe  des  Zimmers  sn  4*5  Meter  an,  so  hätte  man  für  jedes 
Schulkind  einen  Cubikraum  von  5*4  Cbm.  zu  fordern.  In  einem  Zimmer  von 
32.')  Cbm.  würden  Schüler  Platz  finden,  keiueBfalls  mehry  in  einem  Zimmer 
von  100  Cbm.  (bei  4-5  Meter  Höbe;  nur  Iti  Schüler. 

Fflr  Sehnigebäude  mit  einem  «neigen  Unterriehtszimmer  dflrAe  niebt  die 
oblonge  Form  des  letzteren  HO  :  7*2),  sondern  das  Achteck  mit  gleichen  Selten 
am  zweckmüssigsten  sein  (System  Fkrrand).  Eine  derartige  Form  gestattet,  eine 
grosse  Menge  Licht  zuzuführen,  ausgiebig  zu  ventiliren,  erleichtert  überdies  dem 
Lehrer  das  Sprechen,  den  Ueberbllck,  den  Schulkindern  aber  das  Zuhören,  sowie 
das  Erkennen  des  Gesehriehenen  anf-  den  in  der  Nihe  des  Lehrers  ange> 
braehten  Tafeln. 

Die  Wilnde  lits'^t  m:iu  am  besten  mit  grauer  Leimfarbe  oder  mit  Kalk 
tünchen ,  im  unteren  Dritttheil  aber  mit  Oel  streichen ,  damit  sie  hier  abwasch- 
bar sind. 

Der  Fussboden  werde  aus  hartem  Holz  hergestellt  und  naeh  Aus^ 
flUlung  der  Fugen  mit  Oel  gestrichen. 

Sehr  wichtig  ist  die  ric  h  ti  ge  C  o  n  s  t  r  u  c  tion  der  Fenster  in  den 
Unterriehtszinunem.  Prindp  sei,  die  natfliliehe  Beleuehtung  so  einzurichten,  dass 


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616 


SCHÜLGESUXDHEITSPFLEGE. 


jeder  Platz  ohne  Auunabme  hinreichende  Helle  hat,  um  dem  Schüler  Lesen  und 
Sohreiben  ohne  Aastreogung  der  Augen  zu  ermögUchea.  Ein  »olohes  Maas  von 
Helligkeit  wird  aber  nar  dann  «rreidht,  wenn  «nf  jed«i  QnndntnMtar  BodiniielM 
des  Zimmers  mindestens  0*2  Qm.  Glasfläche  konunt,  wenn  die  Fenitar  Iris  nahe 
zur  Decke  und  abw.lrts  bis  etwa  06  Meter  vom  Fnsshodpn  reichen,  wenn  die 
Zwiscbenw&nde  swüchen  den  Fenstern  nicht  zu  breit  sind  and  wenn  diese  Zwiaehen- 
^ribide  nadi  dem  Zimmer  an  abgesehrftgt  werden.  Unter  allen  ümstinden 
muss  jedes  Sohnlkind  von  seinem  Platse  ans  einen  Theil  des 
Himmelsgewölbes  sehen  können,  nad  swar,  wie  H.  OoHV  anninnrt, 
wenigstens  äO  (^uadratg^rade  desselben. 

Der  Einfall  des  Lichtes  kommt  am  besten  von  links  her,  damit 
das  sehreibende  Sehnlkind  niebt  sieh  selbst  das  Heft  besehattet  Lieht  Ten  reebts 
wtlrde  diesen  Nachtheil  zor  Folge  haben,  Licht  von  vorne  wesentlich  nnr  den 
vorderen  Biinken  zu  Gute  kommen  und  alle  Schulkinder  blenden,  Licht  von  beiden 
Seiten  zwar  sehr  vortheilbaft  sein,  aber  nur  ausnahmeweise  gewährt  werden 
können,  Liebt  von  oben,  fllr  ZeiebensUe  in  hohem  Grade  empfeblenswerdi,  Air 
gewOblÜiebe  Unterrichtszimmer  nicht  empfehlenswerth  sein,  weil  die  Fenster 
in  solchem  Falle  sieh  nieht  in  dem  notbwendigen  Kasse  snr  Ventilation  ans- 
ntttzen  lassen. 

TU»  Fttuter  mflasen  endlieh  mit  Vortiebtungea  versehen  werden,  weldie 

es  ermö°:licha^  die  direetcn  Sonnenstrahlen  fernzuhalten.  Am  meisten  eignen  sieh 
dazu  Vorh.lnj^c  aus  ung^ebleichtcr  Leinwand,  welche  so  anprobracht  werden  ,  d.iss 
mau  sie  von  den  Seiten  her  zii.sarameuzieh»iu  kann.  V  o  r  f  a  11  ni  ;i  r  i|  u  i  h  e  n  bieten 
den  Vorzug,  dass  sie  eine  treüliche  Ventilation  ermöglichen  und  in  heisaen  Tagen 
der  an  starken  Erwirmnng  des  Zimmers  entgegenwirken.  Aber  me  ▼emrsaehen 
bei  bewegter  Luft  zu  viel  Geräusch  und  st<^ren  dann  den  Unterricht.  Hölzerne 
Einschieb-  oder  K  1  a  p  p  j  a  1  o  us  ie  n  gestatten  ebenfalls  das  Oeffnen  der  Fenster 
und  den  Zutritt  guter  Luft,  stören  aber  leicht  dadurch,  dass  Sonnenstrahlen  durch 
die  longltndinalen  Spalten  in's  Sebnlaimmer  dringen  und  das  Ange  reizen. 

Jedes  Schulzimmer  bedarf  einer  ausreichenden  Zufuhr  guter  und 
ebenso  ausrcii-lienden  Abfuhr  schlechter  Luft.  Die  zahlreichen  Schulkinder 
produeiren  in  dum  Unterrichtsraume,  der  mit  KUcksicht  auf  den  Zweck  verhältniss- 
missig  eng  bemessen  werden  mnss,  sehr  bald  ein  Plus  an  Kdileaslare ,  an 
organiseher  Substanz,  an  Feuchtigkeit.  Dazn  kommt,  dass  sie  in  ihrer  Kleldnng, 
an  ihrem  Schuhzeug  Staub-  und  Schmutzpartikelchen  mitbringen,  welche  reich  an 
Mikroparasiten  sind,  bei  howegungen  der  Kinder  in  die  Sehuistubenluft  gelangen, 
auf  dem  Fussboden  oder  den  Fensterbänken,  Schränken  oder  anderswo  sich  lagern 
und  bei  Bewegungen  immer  nen  anfgewirt»elt  werden.  So  vereehleehtert  sieh  die 
Sehuistubenluft  vom  Beginn  des  Unterriebtes  an  in  steigendem  Orade.  Bbkitiko 
fand  in  Baseler  Schulzimraem 


221 

:  10.000 

vor  der  grossen  Pause    .    .  . 

.  68-7 

» 

:  10.000 

nach  der  grossen  Pause   .    .  . 

.  62-3 

:  10.000 

nach  dem  Morgenunterrieht  . 

.  81-1 

n 

:  lO.ooo 

vor  dem  Nachmittagsunterricht  . 
naeh  dem  Naehmittagsanterrieht 

.  55-2 

n 

:  lO.Ouu 

.  98-6 

n 

:  10.000 

leb  selbst fand  in  der  Luft  stsrk  besetzter,  nur  mässig  ventilirter  Schulzimmer 
fast  zehnmal  mehr  organische  Substanz  als  in  reiner  Luit  und  einen  Feiichtigkeifi;- 
gebalt  von  77'' o.  wie  etwa  in  Smiterrains ,  Zarnack-'-)  im  Staube  vom  Fusa- 
boden  eines  Scbulzimmers  pro  (iramm  1*11. OOO,  im  Staube  vom  Schranke  des- 
selben Zimmers  pro  Gramm  6)26.000  Mikroorganismen,  die  fast  anssehliesslioh 
cur  Glasse  der  Spaltpilze  gehf^rten. 

Hieran*  folgt  die  Notliwendigkeit  einer  kräftigen  Ventilatinn.  Heehnen 
wir  den  sttludlichen  \  cutilaiionsbedarf  von  tiO  in  einem  Zimmer  von  32ä  Cbm. 
vereinigten  Sehulkindern  an  1500  Cbm.,  so  wflrde,  wenn  wir  einen  COa-Gehalt 


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S0ÜULG£SUNDHEITSPFLE6E, 


617 


der  Aussenluft  zu  3*2  :  1 0.000  und  die  zulässige  Grenze  des  C0o-6ehaltes  als 
7  :  10.000  annehmen,  die  Luft  des  Zimmers  etwa  4V'jnial  pro  1  Stunde  erneuert 
werden  mtlssen.  Dies  ist  aber  ohne  Zugluft  nicht  mOgUcb.  Wir  werdeu  deshalb 
«ntweder  di«  Zahl  d«r  losMaeii  sv  verrlngon  oder  dahin  ta  »traben  haben,  daas 
Ae  Luft  verbessert  wird,  ohne  dass  die  Sohfller  Zng^nft  Tenpfireu. 

Zu  einem  Theile  erfolpt  die  Luftemeuernnp  ohne  unser  Zuthun  durch  die 
natUrlicbea  Oettnuagen  uod  Spalten  der  Fenster,  ThUren  und  Wände.  Aber  diese 
Ventilation  gentigt  aelbatventftndlieh  beiweitem  alobt  fftr  ein  beaetstea  8ehnl- 
zimmer.  Es  giebt  aaeh  nur  ein  Mittel,  den  Schulkindern  hinreichend  gute,  frische 
Luft  zu  sichern,  ohne  sie  durch  Zu>r  zu  belitsti^en,  dn<  ist  Abkürzung  der  Schul- 
stunden auf  50  Minuten  und  OeH'nen  von  Thür  und  Fenstern  in  jeder  Pause, 
sowie  nach  Beendigung  des  Vormittags-,  wie  des  Naebmittagsunterriohtes.  Diese 
Art  der  Ventilation  siehert  am  vollattadigsten  die  Beseitigung  der  angesammelten 
schlechten  Luft  und  des  losen  Staubes ,  aber  auch  die  Nenfülliing  des  Zimmers 
mit  reiner  Luft.  Auch  im  Winter  ist  dies  auszuführen,  da  die  durch  ausreichende 
Heizung  in  den  Wänden  aufgespeicherte  Wärme  dem  Zimmer  sehr  bald  wieder 
dne  behagliehe  Temperatur  Terlelht.  Während  des  Cnterriehtes  kann  man  die 
Ventilation  dadurch  f(lrdern,  dass  man  die  oberen,  nm  die  Horiaontale  drehbar 
gemachten  Scheiben  der  Fenster  so  einstellt,  das--  sie  mit  ihrem  olieren  Kande 
weiter,  als  mit  dem  unteren  in  das  Scbulzimmer  hineinragen.  Auch  kann  mau  an 
Stelle  der  undnrehbrochenen  Seheiben  sehr  fein  dureblOeherte  wenigstens  in  die 
oberen  Fensterfiächen  oinsotsen  nnd  dadureh  ebenfalls  erreichen ,  dass  gute  Lttft 
einströmt,  ohne  l.lstifren  Zu?  zu  erzeugen.  Empfehlenswerth  sind  ferner  {gerade 
für  Schulzimmer  die  S h  ek ri n g  h  a m ' sehe n  Lüftungsklappen,  welche 
sowohl  fflr  den  Einlass  guter,  wie  für  den  Auslass  schlechter  Luft  gestellt  werden 
können  und  flberhanpt  die  meisten  VentUationaeinriehtnugen,  welehe  fitr  öffentliche 
Anstalten  Verwendung  gefunden  haben.  Im  Winter  endlich  wird  man,  wie  gleich 
weiter  gezeigt  werden  soll,  mit  errossem  Vortheil  die  Heizung  zur  Verbesserung 
der  Schuistubenluft  ausnUtzeu.  Immer  aber  hat  man  im  Auge  zu  behalten ,  dass 
das  regelmässige  Odlhen  von  Thören  und  Fenstern  durch  kdne  andera  Massnahme, 
auch  nicht  durch  eine  Verbindung  mehrerer  Massnahmen  künstlicher  Ventilation 
ersetzt  werden  kann  und  de^ihalb  für  jede  Schuh»  .  jedes  Schulzimmer  obliga- 
torisch zu  machen  ist,  sowohl  im  Interesse  der  Gesundheit,  wie  auch  der  grössereu 
geistigen  Frische  der  Schuljugend  und  des  Lehrers. 

Was  die  Heizung  anbelangt,  so  .«oll  sie  dem  Scliulzimmer  ausreichende, 
ni<Vlichst  irleiehmslssige  Wärme  verleihen ,  dabei  die  Luft  nicht  verschlechtern, 
sondern  eher  noch  verbessern.  Für  diesen  Zweck  können  die  Local-  uud  die 
Gentralheizuttg  in  Betraeht  kommen,  erstere  für  kleiimire  nnd  grössere,  letztere 
für  grössere  Anstalten.  Die  Loealbeiznng  wird  niemals  dnreh  gewöhnliebe  gasseiserne 
Oefen  beschafft  werden  dürfen,  da  die^sc  leicht  tlberhitzt  werden  und  dann  durch 
die  strahlende  Hitze,  s'»wie  durch  Produete  der  an  ihrer  Obertliiche  verschwelenden 
organischen  Theile  des  Staubes  belästigend  und  gesundheitsschädlich  wirken,  aber 
auch  das  Zimmer  nicht  gleiebmässlg  erwärmen  und  rasch  erkalten.  Besser  sind 
gusseisoriie,  innen  mit  Cbamottcsteinen  ausgekleidete  und  in  Gegenden  mit  nicht 
zu  kaltem  Winter  auch  Kachelöfen,  am  besten  aber  Mantelöfen.  Die  Kachelöfen 
werdeu  allerdings  nur  langsam  warm ,  aber  sie  halten  die  Wärme  auch  länger, 
belästigen  nicht  durch  stndilende  Wärme  und  hdzen  recht  gleiehmässig.  Damit 
sie  gut  ventiliren ,  mössen  sie  vom  Zimmer  aus  geheizt  werden.  Mantelöfen 
für  Schulen  sind  so  zu  construiren ,  dass  von  der  ,\u-;senwand  ein  gemauerter 
oder  metallener  Canal  unter  dem  Fussbodeu  des  Sehulzimmers  bis  zum  Mautel- 
raum  gefttbrt  wird.  Sie  beizen  ausrdehend,  aueh,  wenn  au^paast  wird,  nicht  an 
stark  und  ventiliren  zugleich,  indem  me  gute  erwärmte  Luft  in's  Zimmer  abgeben, 
schlechte  verbrauchte  aus  dem  Zimmer  zu  ihrer  Feuerung  anziehen  und  mit  den 
Brenngasen  ableiten.  Zur  Kegulirung  muss  der  (  anal  am  Fusse  des  Ofens  mit 
einer  verstellbaren  Klappe  versehen  seiu ,  uud  diese  Klappe  muss  mit  grosser 


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618 


äCHULGESUNDHEIXSPFLEGE. 


Anfmerksamkeit  behandelt  werden ,  da  bei  ungünstiger  Windrioihtoiig  waib  ütik» 

kehrang  des  warmen  Luftstromes  eintreten  kann  (i,  pa{?.  248). 

VoD  den  CentralheizungeD  kommen  ftlr  Schalen  die  Laft-,  die 
WarmwaBser-  und  die  DanpfheUung  ia  Betraeht.  Bei  der  Lvft- 
heiznng  ist  ttets  m  beachten,  dass  Heizkörper  und  Heizkammer  in  richtigem 
Verbältuiss  zur  Orösse  der  rnterrichtszimmer  stelieii  nnd  jedenfalls  uicht  zu  klein 
sein  sollen,  damit  die  Heizluft  nicht  so  hoch  erhitat  an  werden  braucht.  Ferner  musa 
man  den  Ganllen  genügende  Weite,  glatte,  saubere  Wandung  geben  und  dieselben 
•0  duriehten,  dass  sie  leielit  gereinigt  werden  können.  Sodann  ist  dra  horiaontaIeD 
CanJtlen  eine  leichte  Steigung  zu  geben,  damit  die  6rwflrmte  Luft  ohne  Wider- 
stand aufsteigt.  Vor  Allem  aber  soll  dafür  geborgt  sein,  dass  am  Heizkörper 
keine  Ueberhitzung  der  Wandung  stattfindet,  damit  die  Bildung  von  Verschwelungs- 
prodneten  ferngehalten  wird,  irad  dasa  die  erwlrmte  Lvft  Gelegenheit  findet, 
Wasserdampf  in  sich  aufzunehmen.  —  Von  den  Wasserh ei zungssy Sternen 
empfiehlt  sich  sehr  die  Niederdruckwasserbeizunfr  (Temperatur  von 
bi) — 100^)  mit  freistehenden  Säulenöfen  und  continuirlichem  Betriebe.  Sie  giebt 
eine  angenehme,  gleiehmiSBige  Wime,  doeh  ist  die  Anlage  siemlieh  kostspielig. 
Die  II  ei  s  s  w  asserh  eiznng,  liei  weleher  das  Wasser  anf  130 — 160"  erliitzt 
wird,  hat  in  Schulen  ntir  selten  Anwendutifr  gefunden  (l,  pag.  lTi'').  Die 
Dampfheizung  endlich,  bei  welcher  der  Wasserdampf  die  Wärme  tibenuittelt, 
wird  fflr  Schulen  nur  als  Niederdruckdampfheizung  angewendet,  und  zwar  meistens 
naeli  dem  System  Bbcbbm  nnd  Post.**) 

Welches  System  der  Oentralheizung  aber  auch  Anwendung  findet, 
immer  ist  es  unerl.lsslich,  da-^s  der  Betrieb  sehr  sorgfältig  gehandhabt  nnd  regel- 
mässig controlirt  wird.  Die  über  Centralbeizungssysteme  laut  werdenden  Klagen 
sind  in  der  weit  flberwiegenden  Mehrzahl  der  Fülle  auf  unrichtige  Handhabung 
der  Anlagen  zurUckzufdhren .  die  selbst  iler  Ilegel  nach  Folge  ungendgender 
Sehnlnng  des  Personals  oder  man.irelliafter  Contmle  Feiten-J  der  Lehrer  ist. 

Die  zweckmflssigste  Temperatur  liegt  für  Scbuizimmer  zwischen  16  und 
19«  C.  Zu  ihrer  Pettstdtnng  soll  in  Jedem  Zimmer  mbdestens  du  l^emometer 
in  der  Höhe  des  Kopfes  sitzender  Schulkinder,  aber  niebt  in  derN&he  des  Ofens 
und  nieht  an  der  Auasenwand  angebracht  sein. 

Ist  das  zulässige  Maximum  der  Temperatur  l'J",  so  liegt  es  auf  der 
Hand,  dass  wir  bestrebt  sein  müssen,  im  Sommer  die  Schulzimmer  nach  MOglieh- 
keit  abzttkflhien.  Stillntsoi  in  einem  engen  Raum  mit  wenig  guter  Luft  nnd  hoher 
Temperatur  ist  nicht  blos  eine  grosse  Qual,  soudern  wirkt  auch  in  hohem  Grade 
lähmend  auf  das  nenkverm^^L'en  und  die  F.'iliitrkeit,  aufzumerken.  Am  leichtesten 
lässt  sich  die  Kühlung  da  bewerkstelligen ,  wo  Eionohtungen  zur  LUttung  durch 
Polsion  bestehen.  Man  braucht  dann  die  einzutreibende  Luft  nur  vorher  dureh 
kalte>(  Wasser  oder  durch  einen  Kaum  zu  treiben ,  durch  dessen  Decke  unaus- 
gesetzt kaltes  Wasser  herabrieselt.  Wo  solche  Einriehtun ?^en  nieht  vorhanden 
sind ,  soll  man  die  Schulräume  währeud  der  ganzen  Nacht  oüen  halten ,  frdb 
Morgens  die  Vorhänge  herablassen,  die  Fnssbdden  vor  dem  Beginn  des  Unter- 
richtes und  in  den  Pausen  besprengen.  Beträgt  die  Temperatur  der  Aussenluft 
Frttb  um  10  Uhr  26*  im  .'^chatten.  «'  \<  di  r  X.-tchmittagsunterrlcht  auszusetzen. 

Die  künstliche  Beleuchtung  der  .Schulzimmer  wird  am  vortheil- 
baftesten  durch  elektrisches  Glüblicbt  oder  durch  AuEB^sehes  Gas- 
glfl bliebt  beschafft.  Ersteres  liefert  bei  richtiger  Anlage  und  richtigem  Betriebe 
ein  rtihigea  Licht,  welches  die  Luft  nicht  verschlechtert,  nur  wenig  erwärmt  und 
nicht  L'etührlich  ist.  Das  ArKifsche  fr  a  ir  I  Ii  h  1  i  e  h  t i ,  bei  welchem  ein  mit 
einem  luriumoxyd  getränktes  BaumwoUgcwebe  durch  brennendes  Gas  in  Weiss- 
gluth  versetzt  wird,  giebt  ebenfalls  ein  sehr  ruhiges  und  fast  weisras  Licht,  viel 
weniger  Hit/e,  als  eine  ge\v("hnlielie  Gasflamme,  und  liefert  bei  viel  gerinfrorera 
Gasverbrauch  viel  mehr  Normalkerz*  nlicbt^^tärke.  Wird  irewr.hnliehes  (iaslicht 
gewühlt ,  äo  hat  man  dafür  zu  .sorgen ,  dass  die  Flamme  nicht  llackert,  dass  die 


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äCHULGESUKDUElTäPFLEGE. 


619 


Brenngase  nicht  in  die  Zimmerlnft  eintreten ,  und  dass  jede  Schädigung  durch 
die  ^»trablende  Hitze  fernpehalten  wird.  Ea  ist  deshalb  passend ,  SiEMENS'ache 
Regenerativgaäbreuner  oder  gewöbnlicbe  Brenner  mit  unten  scbliejisender  Milch- 
glaskugel und  doppelteiD  Cylinder  amawoiden ,  von  denen  der  iossere  bii  aber 
die  Zimmerdecke  hinausreicbt.  —  Für  ländliche  Soholea  wird  man  die  künstliche 
BeleuchtuiifT  fliirrh  Ot-l  derjeniiren  durch  Petroleum  TOnieihen,  weil  Oei  ein  weiioes 
Licht  und  keinuu  Anlasg  zu  Explosiunen  giebt. 

Attsstattnner  der  Unterriehtsaimmer.  Sabselllen,  Die  Be- 
sprechung der  Sdiidkimiiklieiten  hat  au  mehr  als  einer  Stelle  auf  die  grosae 
Wichtigkeit  ;rnt  constniirter ,  die  bedtMiteruleii  Nachtheile  schlecht  «'on-^trtiirter 
Schulbänke  bingewieeen.  Es  frägt  sieb  uun,  wie  sind  die  letzteren  herzustellen^ 
80  dasa  sie  den  Anforderungen  der  Hygiene  genUgen  V 

Maasgebender  Grundaata  sei  der,  daaa  die  Sohalbaali  In  allen  ihren 
Theilen  inf^^licbst  genau  mit  den  entsprechenden  Massen  des  bekleideten  kindlichen 
Korpers  harmoniren  mtiss.  Hie  Ricbtiprkoit  dieses  Satzes  liraucbt  nicht  des  Nilheren 
bewiesen  zu  werden )  denn  es  liegt  auf  der  Hand ,  daas  in  einer  Bank ,  welche 
nicht  kArperrecht  conatrnirt  ist,  das  Sebulkind  unmöglich  anf  Ungere  Zeit  eine 
richtige  Haltung  annehmen  kann. 

Die  hier  in  Hetracht  kniDnicndcn  Masi'e  sind  fol;rende : 

1.  Die  Länge  dea  Unteräobenkeis  von  der  Fussaohle  bis  zur  Kniekehle 
betrigt  je  nach  dem  Alter  und  der  allgemeinen  KArperlänge  vom  vollendeten 
6.  bis  zum  vollendeten  18.  Leben^'ahre  29 — 60  Cm.,  oder  £ut  genan  zwei  Siebentel 
der  Körperl.lnfre. 

2.  Ea  beträgt  ferner  die  Entfernung  des  Ellenbogens  eines  herabhängenden 
Armes  von  dem  SitahOcker  je  nach  Alter  und  Grösse  13 — 23*5  Cm.,  oder  etwas 
weniger  als  ein  Siebentel  der  KOrperlänge. 

3.  Endlich  niisst  eine  Linie  von  der  Grenze  zwischen  dem  untersten 
und  dem  vierten  Fltni'tcl  des  Oberschenkels  Im  zum  hinteren  Umfange  des  Gesässos 
eines  autrccht  sitzenden  Schulkindes  2'd — 27  Cm. 

Nach  diesen  Hassen  soll  die  Schulbank  hergestellt  werden.  Zunlehst 
nuiss  die  Höhe  der  Sit/platte  vom  Fussbrett,  die  ßankböbCf  genau  dem  sub  1 
notirten  Massverhiiltniss  ctitsprecben.  also  2i* — 50  Cm.  hoch  sein.  Ist  sie  grösser, 
60  ßndet  das  sitzende  Kind  mit  dem  Fusse  keinen  Huhepunkt  und  wird  danu 
nach  vorwärts  rtleken,  um  ihn  zu  suchen,  oder  wird  es  aufgeben,  ihn  zu  finden 
und  dann  nach  hinten  sieh  anlehnen. 

Dem  Ma«se  ,  welches  sub  2  notirt  wurde ,  miiss  der  senkrechte  Abstand 
zwischen  Sitzplatte  und  dem  hinteren  Hände  der  Tischplatte,  d.  i.  die  Differenz, 
entsprechen;  doch  ist  ihm,  jenem  Masse  von  13 — 23*5  Cro.,  noch  1*6  Gm.  hinzu- 
zurechnen, weil  der  zum  Sehrriben  vorwärts  geschobene  Arm  um  so  viel  hoher 
zti  lieg"cn  kommt ,  als  der  Ellenbo*ren.  Dann  wird  der  Arm  nicht  blos  bt'(|uem 
die  Schreibbewctrmi^''  vull (Uhren  .  sondern  braucht  auch  in  der  .Schulter  nicht 
gehoben  zu  werden.  Letzteres  tritt  aber  mit  Nothwendigkeit  ein,  wenn  der  senk- 
rechte Abstand  grosser,  die  Tischplatte  höher  Uber  der  Sitaplatte  sich  befindet. 

Die  horizontale  Entfernung  zwischen  dem  vorderen  Rande  der  letzteren 
und  dem  hinteren  Flandc  der  ersteren,  d.  i.  die  Distanz,  darf  fllr  das  sehreibende 
Kind  nur  U  oder  negativ  sein.  Im  entgegengesetzten  Falle,  d.  b.  wenn  sie  positiv 
Ist,  wird  das  Kind,  sobald  es  nicht  ungemein  anfachtet,  bald  nadi  vom  fallen, 
die  Tisohplattenwand  mit  der  Thoravwund  berühren,  den  ganzen  Oberkörper  nach 
vorn  neigen  und  weiterbin  jene  Liiikswendun^r  vollziehen .  von  welcher  oben  die 
Rede  war.  Dann  geräth  es  bei  steter  Wiederkehr  solcher  Haltung  in  Uefabr, 
myopisch  nnd  scoUotisch  zu  werden.  Die  positive  Distanz  hat  aber  den  nicht 
unbedeutenden  Vortheil,  dass  »ie  viel  besser  die  Möglichkeit  gewährt,  den  Platz 
einznnchrniMi  iiiif]  zu  vcrla-JSrii,  Man  hat  mit  Hflcksicht  hierauf  viele  Subseilien 
derart  cnnstruirt,  dass  ilirc  Sitz-  oder  Tiscliplattc  in  horizontaler  Richtung  gestellt 
werden,  die  positive  iu  die  negative  Distanz  uui^^ewandelt  werden  kann. 


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620 


SCHULGEiJUNUHElTöPFLEGE. 


Die  Sitzplatto  muas  dem  Masse,  wclehea  oben  sub  3  notirt  wurde,  eat- 
spreohea.  Soll  das  äohulkind  fest  uud  ruhig  siUea  könnea,  so  d&rf  die  Flilche, 
ftttf  der  M  anliniht,  nielit  sehmller  tob  Tora  naoh  hinten  sein,  als  dass  sie  Oeelss 
und  vier  Finftel  der  bintereo  FUohe  des  Oberschenkels  aufzuuebmea  vermag, 
d.  Ii.  sie  imiss  1?.'? — 27  Cm.  Tiefe  haben.  Wird  dieses  Mass  nicht  erreicht,  so  fehlt 
es  dem  Sitzeudeu  an  der  bequemen  Ruhefltlche,  weil  sich  der  Druck  dann  fast 
aassebliessUeb  auf  die  Silihteker  mtheilt  bt  jene  Tiefe  aber  grösser ,  als  sie 
angegeben  wurde,  so  gebt  beim  Sebreiben  in  soleber  Bank  der  Vortheil  der  Lebne 
verloren.  Sehr  zu  empfehlen  ist  es,  die  Sitzplatte  ein  wenig:  ausziilnihlen  oder  sie 
wenigstens  von  vorn  nach  hinten  etwas  sich  senken  zu  lassen.  Man  hat  sie  auch, 
um  das  Rutschen  von  hinten  nach  vorn  zu  verhüten,  aud  mehreren  parallelen 
Leisten  bergestellt.  Dooh  erseheiBt  dies  nioht  iweekmlssig,  weil  auf  ihnen  ein 
dauerndes  Bequemsitzen  unmöglich  ist.  Von  der  Sitsplatte  soll  jedem  Kinde  eine 
Breite  bis  50  oder  60  Cm.  sakommeu,  damit  es  durob  den  Naobbarn  niebt 
genirt  wird. 

Keiner  Sehulbank  darf  die  Lebne  fehlen,  weil  k^  Sehullcind  eine 

volle  Stunde  und  länger  ohne  ITnterstOtsVng  des  Rflekcns  aufrecht  nnd  ruhi;,'  zu 
sitzen  im  Stande  ist.  Als  körpergereoht  können  wir  alicr  mir  die  Leime 
bezeichnen,  welche  nach  vom,  der  Cooeavitftt  des  Lendentheiles  der  Wirbelsäule 
entsprechend,  sanft  gewOlbt  ist  und  dem  Bmattlicite  derselben  entsprechend  dn 
wenig  znrtickweicht.  wie  dies  bri  der  KüMSB'sefaen  Lebne  der  Fall  ist. 

Auch  die  FUsse  müssen  einen  Stützpunkt  haben,  wenn  das  Schulkind 
ruhig-  sitzen  soll.  Zu  diesem  Zwecke  bringt  man  unter  der  Sitzplatte  ein  Fuss- 
brett an  und  Iftsst  es  so  breit  machen,  dass  die  Fusse  von  den  Zehen  bis  zur 
Ferse  aufrnhen. 

Die  Tischplatte  muss  so  tief  sein,  dass  vor  dem  Schreibheft  noch 
Baum  für  ein  Tintenfass  bleibt  <'d.  Ii.  etwa  40  Cm.  tief)  und  muss  in  den  iiinteren 
vier  FUnftelu  ein  wenig  geneigt  hergestellt  werden. 

Damit  die  Sebnikinder  vOliig  kOrpergereehte  Snbeellien  bekommen  kennen, 
ist  es  nötbig,  für  die  Gesammtzahl  der  Classen  neun  versohiedene  Gröasennummem, 
für  jede  Classe  drei  verschiedene  Nummern  verfflgbar  zu  halten.  Am  vortheil- 
hattesten  sind  die  zwei-  oder  viersitzigen ,  besonders  aber  die  zweisitzigen,  weil 
sie  ein  leichtes  ESa-  nnd  Avstreten  der  Kinder  gestatten. 

lieber  die  Arten  der  Subsellien  wolle  der  Leser  die  weiter  nnten 
in  der  Literatur  angegebenen  Handbücher  der  Schulgesundheitspflege 
nachsehen.  Hier  seien  nur  die  Bank  von  Kunze,  die  von  Wolff  und  WEISS 
und  die  von  Hipfauf  als  gut  und  empfehleuswerth  hervorgehoben. 

ZweelEmlssige  Subsellien  fttr  den  Hansgebraneb  gaben  SCHSMK 
nnd  HbrHANX,  ein<n  sehr  passenden  Arbeitstisch  für  Mädchen  gab  Frey  an. 

Die  Wandtafeln  der  Unterrichtr»zimmer  rnUssen  tiefschwarz  und  matt, 
nicht  glänzend  sein,  die  Tabellen  und  Vorlagen  das  auf  ihnen  Dargestellte 
hinreichend  gross  und  scharf  contourirt  ceigen. 

Die  Sehnlbüoher  dürfen  nicht  matt^^chwarz,  sondern  sollen  tiefschw^arz 
in  hinr<"ichend  grosser  Schriftform  gedruckt  sein.  Damit  sie  in  gewöhnlicher  Ent- 
fernung (25 — 30  Oax.)  gut  gelesen  werden  können,  ist  es  nöthig,  Buchstaben  von 
wenigstens  1*75  Mm.  Höhe,  sowie  von  0*3  Hm.  Breite ,  die  Approehenbrelte  so 
gros.'i,  wie  der  Zwiseheo räum  zwischen  beiden  Grundstriciien  eines  1*5  Mm.  hohen 
deutschen  .,n",  einen  Diirehschuss  von  2'5 — 3  Mm.  zu  fordern  ^'  ''  j,  die  Zeilen- 
länge auf  lUU  Mm.  in  niaximo  zu  beschrftnken,  letzteres  deshalb,  weil  das  Auge 
für  die  Mitte  einer  Ulogeren  Zeile  seine  Liuso  wesentlich  stärker,  als  für  die 
Enden  krümmen  mitsste,  dies  alN»r  auf  die  Dauer  «shädigend  wurkt.  —  Das 
Papier  für  die  Schreibhefte  sei  weiss,  gut  geleimt,  die  Tinte  tiefschwarz. 

Die  S  e  Ii  r  e  i  b  t  a  f  e  1  n  ««'Hon  vöiliir  .>-anl»er  sein,  m  dass  die  Striche  und 
Ziffern  auf  ihnen  hinreichend  .<chart  liei  vurtreteu  köuueu.  Empfehleuswerth  siud 
Thibben's  weisse  Kunststmntafeln,  auf  denen  mit  einem  besonderen  Stifte  schwars 


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SCHULeESUNDHBITSPFLBOB. 


621 


gMebrieben  wird;  lie  aeigen  naeh  der  Reinigviif  mit  dem  Sobwamme  keine 

Striche.  Gegitterte,  (juadrirte  nnd  solche  Tafeln,  welche  in  Folge  IfngeiW  Oe* 
bntuehes  deutlich  erketmbare  Striche  zeigen,  sind  zu  verbieten. 

Garderubcnhalter  dürfen  in  keinem  Unterrichtszimmer  angebracht 
leb.  Sie  gehören  aaf  die  Oftnge,  damit  Stanb  nnd  Fenebtiglc^t  der  abgelegten 
Kleidnngsstflcke  die  Schalstabenluft  nicht  verschlechtern.  Dagegen  sind  in  jedem 
rnterrichtszimmer  Spncknäpfe,  je  nach  der  Zahl  der  Schüler  1 — 4.  aufzu- 
stellen. Sie  sollen  Übrigens  auch  in  den  G&ngen  und  im  Flar  nicht  fehlen  und 
mflseen  tAglicb  entleert  nnd  dnreb  Sehevem  gereinigt  werden. 

Annexa  des  Sebnlg eb ä u d es.  Die  Aborte  dürfen  selbstverständlieb 
nicht  im  SchulgebJtude  liegen,  weil  sie  diinn  die  Luft  desselben  leicht  verschlechtern 
würden,  sondern  sollen  entweder  in  einem  völlig  abgesonderten  Geb&ade  oder  in 
einem  solehen  Gebinde  angelegt  sein,  weUhee  mit  dem  Sehnlbanie  dnreb  einen 
bedeckten  Gang  in  Verbindung  steht.  Wie  Aborte  flberhaapt,  mflesen  sie  gut 
vcntilirt  und  durchaus  saiiber,  insbesonders  auf  den  Sitzen,  gehalten  werden,  auch 
ausnahmslos  durch  ein  genügend  grosses  Fenster  erhellt  sein.  Jede  Abortabtheilung 
ist  von  der  anderen  zu  trennen.  Dass  für  Schalen,  welche  Knaben  und  Mädchen 
anfiiebmen,  trSlIig  separirte  Aborte  ▼orbanden  sein  mflssen,  versteht  sieh  von 
selbst.  —  Was  das  System  der  Closets  betrifft,  so  wird  es  sich  meistens 
nach  den  örtlichen  Verhältnissen  richten  müssen.  Für  ländliche  Schulen  findet 
deshalb  fast  aus^hliessUoh  das  Grubensystem  Verwendung;  doch  emptiehlt 
es  sieb  sdir,  fttr  sie  das  System  der  Erd*  oder  der  Asohe-  oder  der  Torf- 
mullclosets  einzuführen  Sonst  eignen  sich  fUr  Bobnlen  der  Städte  trefflich 
da»  Tonnen-  und  das  Rttbelsystem.  Wassereloseta  werden  leieht  defeot  nnd 
sind  deshalb  zu  vermeiden. 

Die  Pissoirs  fttr  die  Knalwn  mflssen  snm  Mindesten  ebe  Rinne  ans 
Metall  oder  Cement  und  einen  Fnssboden  ans  Cement  oder  anderem  nndnrch- 
iJlssigen  Material  haben.  Sehr  gut  ist  es,  wenn  auch  eine  Hinterwand  aus  gleichem 
Material  hergestellt  wird,  nothwendig,  dass  man  die  Rinne  täglich  wiederholt  mit 
Wasser  ansgiesaen  läset,  falls  keine  permanente  SpUlnng  möglich  ist 

Jede  Sehnle  mnss  mit  tadellosem  Waaser  ▼enoi^  aein.  Wo  eine 
Wasserleitung  besteht,  wird  man  sie  auch  in  das  Scbulgebftude  fuhren  und  auf 
den  Gängen  ,  wie  auf  dem  Schulhofe  Hydranten  anbringen  ,  neben  letzteren  aber 
Trinkbecher  aufstellen.  Ist  keine  Wasserleituug  vorhanden ,  so  muss  die  Ver- 
sorgung dueh  einen  Brunnen  gesebeben.  Derselbe  soll  möglichst  entflemt  von  den 
Aborten  als  Röhrenbrunnen  angelegt  und  vor  jeder  Verunreinigung  auch  von 
oben  her  gesclilitzt  werden.  Allemal  ist  zu  prüfen,  ob  das  für  die  Schulkinder 
bestimmte  Wasser  den  hygienischen  Anforderungen  entspricht.  In  Cholera-  und 
Xj^phnsepidemien  wird  erentndl  Air  die  ansreiehende  Menge  gekodUen  Wassers 
za  sorgen  sein. 

Der  fllr  jede  Schule  unentbehrliche  Spielplatz  soll  so  gross  sein,  dass 
er  jedem  Sobulkindo  wenigstens  zwei  (Quadratmeter  Fläche  bietet.  Die  ebenso 
unentbehrliebe  Turnhalle  darf  fttr  50  Schulkinder  nicht  weniger  als  40,  für 
100  Sebnlkioder  niebt  weniger  als  80,  IBr  800  derselben  nieht  weniger  als 
200  Quadratmeter  Fläche  haben.  Am  vortheilhaftesten  constniirt  man  sie  doppelt 
so  lang,  wie  breit,  ferner  8 — 10  Meter  hoch,  mit  freitragender  Decke  und  mit 
einem  Fussboden,  der  zum  grösseren  Theile  aus  Hoizbohlen  besteht,  zum  kleineren 
Tbeil  auf  gewObnliehem  Untergründe  eine  Lage  Gerberlohe  hat. 

Unterricht.  Schon  hA  Beeprecbnng  der  Schulkrankheiten  ist  hervor« 
gehoben  worden,  dass  zu  frühe,  zu  intensive  Schularbeit,  nicht  minder 
aber  auch  jede  Ueberhastung  und  Abhetzung  der  Schulkinder  schädigend 
anf  den  Körper,  wie  anf  den  Geist  wirken.  Deshalb  mnss  znniehst  dahin  gestrebt 
werden,  dass  der  Eintritt  in  die  Schule  nicht  zu  zeitig  erfolgt.  Am  passendsten 
wäre  es,  ihn  zu  verschieben  bis  zur  Vollendung  des  siebenten  Jahres,  weil  in 
letzterem  das  Wachathum  der  Vorderpartie  des  Grosshirns  ein  besonders  rasches 


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622 


SCHULGESÜNDHEITS  PFLEGE. 


und  jedes  rasch  wachsende  Or^an  ein  vulnerables  ist.  Die  ineisreu  Schulordnungen 
setzen  aber  fest,  dass  der  Beginn  der  Scbaipflioht  «af  das  vollendete  sechste  Jahr 
fallen  soll. 

So  kann  dio  Hygiene  nnr  darauf  dringen,  dtas  kein  Kind  vor  dem 
aeelisten  Jahre  in  die  Schule  aufpronommen  wird,  und  daas  der  Untenidit  in  dem 

siebenten  kein  ir^eudwic  anstrentreiuler  ist. 

Bezüglich  der  Schulung  den  Geistes  sei  Folgeudes  massgebend : 
In  den  unteren  Classen  aollen  vorwiegend  AnselianmigBttnterrieht  nnd  Gedftehtiiias- 
Obungen,  in  den  mittleren  Gedlichtniss-  und  Denkübungen,  in  den  oberen  vor- 
wiegend Denkflbungen  stattfinden.  Ferner  ist  ein  bestimmter  Lohrplan  nach  den 
Fähigkeiten  mittelbegabter  Schüler  auszuarbeiten  und  streng  zu  befuigen, 
jedes  Hetsen  und  Jagen  von  Pensum  an  Pensum,  jedes  Aufgeben  frdwilliger 
Arbeiten  zu  verbieten,  das  allgemeine  Lehrziel  .stets  im  Auge  zu  behalten,  in  den 
Lehrplan  das  Turnen  als  obligatorischer  Unterrichtsge°:enstand  aufzunehmen. 

Ein  wichtiges  Mittel  richtiger  Schulung  des  Gei-stes  ist  die  Febung 
der  Sinne,  dieselbe  zu  fördern  aber  Pdicht  der  Lehrer.  Eine  Uebung  der 
Sinne,  des  Beobaebtens,  des  Veigldcheos  mit  dem  Auge,  mit  dem  Obr  kann 
ausser  im  Ansehannngsnnterrieht  erfolgen  auf  Ansfiflgen  nnd  im  Bewe* 
gnngsspiel. 

Die  Zahl  der  wöchentlicheu  l  uterrichtsstuuden  beträgt  in 
Deutschland  fttr  die  unteren  Classen  der  Totkssebulen  20 — 22,  für  die  oberen 
Olassen  derselben  30 — 32,  für  die  unteren  Classen  der  Gymnasien  24 — 28,  für 
die  oberen  — 32.  Eine  Herabminderunfr  dieser  Zahl  ersclieint  nicht  nöthig; 
weuigsteus  ist  ein  iieweis  für  die  Nothweudigkeit  keineswegs  erbracht.  Dagegen 
empfiehlt  es  sieb  dringend,  schon  mit  Rfleksieht  auf  die  gute  Lflftnng  der  Schul- 
simmer  (siehe  oben),  die  Schulstunde  auf  50  Minuten  zu  bemessen. 
Der  Unterricht  in  den  50  Minuten  wird  f<irdernder  sein  ,  als  derjenige  in  einer 
vollen  Stuude,   weil  die  Kinder  in  der  besseren  Luft  auch  geistig  frincher  sind. 

Das  häusliche  Arbeiten  muss  im  Princip  auf  das  möglichst  geringe 
Mass  lierabgesetst,  der  Schwerpunkt  auf  das  Lernen  in  der  Sehule  gelegt  weiden. 
Nnr  dann  kann  das  Kind  frisch  und  elastisch  bleiben,  nur  dann  Lust  und  liebe 
zum  Lernen  ])ehalten .  wenn  es  nicht  den  prrössten  Theil  des  Tajje.s  ausser  der 
Sobulzeit  mit  Arbeiten  geplagt  wird.  Jedeutalls  darf  die  für  Hausaufgaben  der 
Elementarsebfller  auftuwendende  Zdt  nieht  mehr  als  tXglieh  1  Stunde  in  der 
Mittelstofe,  nicht  mehr  als  1 V  Stunde  in  der  Oberstufe  betragen.  In  der  Unterstufe 
soll  sie  0  sein.  Die  für  die  HüMsauffraben  der  Schiller  von  Gymnasien  und  Real- 
schulen aufzuwendende  Zeit  aber  darf  in  den  unteren  2  Classeu  nur  \ , — 1  Stunde, 
in  den  mittleren  2  Classen  nur  1 — 2  Stunden,  in  den  oberen  2  Classen  nur  3  bis 
2V9  Stunden  pro  Tag  betragen. 

W;iH  den  S  c  h  r  e  i  b  n  n  t  e  r  r  i  eh  t  Ix'tritVt ,  so  i-it  er  irestindheitlich  von 
hohem  Belange,  weil  durch  Schreiben  in  fehlerhafter  Haltung  K«r/.8i<'hti;j:keit  und 
Scoliose  entstüheu  kann.  Die  Hygiene  fordert  in  erster  Linie  thunlicbste  Ein* 
sebrtnknng  des  Sehreibens  «berhanpt,  in  swdter  Linie  aber  Unterweisung  und 
Ueberwaehung  der  Kinder  in  Bezug  auf  richtige  Schreibhaltun^'.  Letztere  soll 
derartig  sein,  dass  das  Kind  eine  trut  construirte  Schulbank  und  frutes  Licht 
\  urausgesetzt  —  aufrecht  sitzt,  am  Kücken  Fühlung  mit  der  Lehne  nimmt,  mit  der 
linken  Hand  das  Heft  fixbt  nnd  mit  der  rechton  im  Handgelenke  alle  cum  Schreiben 
nöthigen  Bewegungen  vollführt.  Darüber,  ob  die  gerade  oder  rechtssehiefe 
Sehrift  die  hygienisch  beste  ist,  gehen  die  Ansichten  noch  auseinander. ■-") 
Jeden  falls  muss  die  excessive  Schräglage  des  Heftes  und  excessive  Schrägschrift 
untersagt  werden.  Ebenso  darf  man  bestimmt  aussprechen,  dass  die  latdnisehe 
Schrift  den  Voraug  vor  der  dentsehen  verdient,  da  die  letztere  sehr  viele  feine 
Haaratriehe  hat. 

M u 3 k  el  ü  b  u  u  ge n.    Dass   die   Scimle   auch   die   M  uske  I  Übungen 
fordern  soll,  ist  schon  oben  betont  wordeu.  Sie  erreicht  dies  durch  methodischen, 


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äCill'LG£:SUNDH£n  SPii'LEüE. 


683 


f!aehveratandi?en  rnterricht  in  der  G  y  lu  n  a  s  t  i  k  ,  durch  häufige  Ausflüge  und 
durch  H  e  w  e  g  u  n  fr  s  s  p  i  e  1  (' ,  insljL'KondLTc  das  Ballspiel,  zu  weichem  die 
Lehrer  Anleitung  geben  und  au  welchem  sie  Theil  nehmen  sollten. 

VerhQtuDg  der  Ausbreitung  von  Infectionskrankbeiten 
dnrob  die  Schule.  Die  MaiinahoH«,  weleb«  ttir  Verhtttnng^  der  Auabreitnng 

infectiöncr  Kranlihcitcn  von  Bedeutung  durch  die  Schule  ergriffen  werden  können, 
sind  Fern  h  a  1 1  u  n  tr  d  i-  r  Erkrankten  (  Schüler  und  Lehrer')  von  den  gesunden 
Schulkindern  bis  zu  dem  Zeitpunkte,  wo  jene  nieht  mehr  austeckeud  sind ;  sodann 
Fernhaltungder  ni eh ter krankten  Sehnt kind er  und  Lehrer,  welehe 
mit  gewissen  infectiös  erkrankten  Personen  in  Berflbmng  traten,  aus  dem  Bereiche 
der  Schule  bis  zu  dem  Zeitpunkte,  wo  sie  das  Krankheitsvirus  nieht  mehr  Uber* 
tragen  können,  und  endlich  temporärer  ächluss  der  Schule. 

Femsnhnlten  sind  Alle,  welehe  an  Hasem,  Seharlaoh,  Dipbtberitis,  Keneh- 
husten ,  auch  in  müdw  Form ,  leiden  oder  dieser  Krankheiten  verdächtig  er- 
Ri-lH-incn,  und  zwar  Ma-Jernkr.nikt!  auf  wenitrstcns  4,  Seharlachkranke  auf  weni;?- 
stenti  ü,  Dipbtheritische  auf  wenigstens  3  Wochen  und  Keucbhustenkranke  bis  zum 
definitivea  Kintritt  in  das  letste  Stadium  des  Leiden«.  Was  die  Auflsebliessung 
geennder  Sebfller  und  Lehrer  betrifft,  so  ist  sie  nOthig,  wenn  in  der  Familie 
der^elbtfl  llasern  oder  Scharlach  oder  Blattern  «der  Diphtheritis  auftritt.  Werden 
Jene  sofort  isolirt.  so  niuss  bis  zur  Wiederzulagsunjr  \vt'nip:8tens  die  Zeit  der 
längsten  Dauer  des  Incubationsstadiums  abgewartet  werden,  für  Diphtheritis  8,  für 
Sehai^aeb  10,  fttr  Hasem  14  Tage.  Selbetverstindlieb  soll  dann  aneh  eine  ansrdehende 
Desinfeetion  der  Kleider  dieser  Schulkinder  und  Lehrer  angeordnet  werden. 

T  e  m  p  o  r  a  r  e  r  S  c  h  1  u  8  s  der  Schule  ist  nothwendig .  wenn  die  be- 
treffende Epidemie  einen  prroasen  Theil  der  Zöglinge  beftlllt  oder  wenn  sie  in 
bedenklicher  Weise  auftritt. 

Gegen  die  weniger  bedenkliehen  fibertragbaren  Krankh eiten 
wird  man  auch  weniger  rigorose  Massnahmen  zu  trelTen  haben.  Kinder  mit  Mump«, 

mit  Varicellen,  mit  Rr.thcln  h.llt  man  bis  zum  Ablauf  der  Krankheit  aus 
der  Schule  fern,  solche  mit  Favus,  llerptjs  cirri'nafus  und  fonsurans 
setzt  mau  auf  isolirte  l'iätze,  solche  mit  Scabies  schickt  mau  uacb  Hause  und 
nimmt  sie  nicht  eher  wieder  auf,  bis  sie  nachweisen,  das«  sie  geheilt  snid. 

Aerztliehe  Schulaufsicbt Soll  das  Ziel,  welches  die  Sdiul- 

jresundheitspflegc  erstrebt,  wirklieh  erreicht  werden,  so  muss  mau  den  Aerzten 
die  Mitwirkung  nicht  versagen ,  ihnen  eine  Controle  zugestehen.  Fs  ist  uöthig, 
sie  zu  hören  bei  Neuanlage  vou  Schulen ,  ihnen  die  Pläne  derselben  zur  Begut- 
achtung vonulegen  und  ihre  Einwendungen  su  prflfen.  Femer  Ist  es  nnerllas- 
lieh,  den  Aerzten  die  Ueberwachung  der  sanitären  Zustände  des  Schulbauses  und 
seiner  Annt'x  i.  der  iranzcn  I  jnrichtnng  der  I'nterrichiszimmer,  ihrer  Ventilation, 
Heizung  und  Beleuchtung  zuzuweisen  und  ihnen  die  regelmässige  Controle  des 
G^esundheitssnstandea  der  Schulkinder  zu  flbertragen.  Bs  versteht  «ich  von  selbst, 
I  1  >  i>  ärztliche  Aufsicht  sich  streng  in  den  eben  bezeichneten  Grenzen  halten 
soll .  il.iss  die  Aerztc  nicht  in  die  pädau-ofrische  Wirksamkeit  eingreifen  dürfen, 
und  dnss  sie  jederzeit  sich  zu  bemühen  haben,  die  Interessen  der  Gesundheits- 
pflege mit  denni  der  FXdagogik  möglichst  in  Einklang  zu  bringen,  nieht  suehen 
mOssen,  ausschliesslich  den  ersteren  Geltung  in  Teraohaffen. 

I.itrratnr:  ')  J.P.  Frank,  System  der  medicini^chen  Polizei  l^'l.  1791.  — 
■')  Lor  i  II  si- r,  Zum  Sthut/.»;  der  Cifsundheit  in  den  Schulen.  18i{*i.  —  ')Baginsk_v,  Handli.  der 
Schulhygii'iii  .  ^-^-'i. —  '  i  K  u  1  e  D  b  e  r  g  und  Bach,  Scblllgcsnn<lli>'it,slchro.  181KJ.  —  ■)  Javal, 
Hifjirih  ift's  ecolcM  primairef.  1884.  — Kotnimann,  Zeitscbr.  fdr  8chiügesandheitspflege 
von  is'^S  an.  —  ^)  Axel  Key,  Lüroverks  comitens  betänkande.  1885,111.  —  *)  A.Hertel, 
Zeitsclir  für  ."^i  hulKe.sundhcitsptlege.  1,  pa>r.  ItiT.  —  ')  H.  Cohn,  üntersuchuui;  der  .Augen 
von  lO.UOU  Sschulkindern.  1867  und  Hygiene  des  Auges.  Ib92-  —  '*)  Pflüper.  Centralbl. 
für  prakt.  Angenheilk.  1877,  psg.  393.  Hoffmaan.  Niederrb.  Correspondenzbl.  für  üffentl. 
nesnndheifspflege.  1877,  p»g.  141.  Knott.  Centralbl.  für  allg.  npsundheitapflejLre. 
pag.  K reiner,  Dt  oogt»  ran  de  leerlinye»  ».  n.  »r.  te  Grouingen  1854.  •^cUlDidt• 


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624 


SCHULGESUNDHEITSPFLEGE. 


—  SCHUSS  VERLETZUNGEN. 


Rimpler,  Die  Schulkarzsichtigkeit  nnd  ihre  Bekämpfung.  1891.  —  ")  K  otelmnn  n ,  Jahr- 
buch für  Philol.  and  Pädagogik.  1877,  pag.  5u9.  --  Schnabel,  Arch.  fdr  Ophth.  XX, 
1 — 70.  —  L  r ;  L  i  n  b  >"  r  K  ,  Kliuisch-Statistisches  zur  Myopie.  1885,  Diss.  —  '*)  Eulen- 
borg,  Klin.  Mittheilangen  auf  dem  GebiAte  der  Orthraftdie.  1861.  —  '*)  Parow,  Virchow's 
Aich.  fBr  pathol.  AMt  JXXi.  —  *•)  evilUvne,  ffyfftki«  teolair*.  1864.  —  ")  Sehnlt- 
betSi  Dl*  Wirbelsäulenkriimniung  sitzendßr  Kinder.  Zeitscbr.  für  orthop.  Chir.  1891.  Nr.  1.  — 
")B6Cksr,  Luft  und  Bewegung  zur  Gesundheitsptlege  in  den  Schulen,  1867.  —  Körner, 
Dwitech«  Vierteljabrsschr.  für  üffentl.  Gesundheitspflege.  XXXI,  pag.  415.  —  Haaao,  Zeit- 
Mhrift  Ar  Psych.  XXXVU.  —  *>)  Laahr,  Ebenda.  XXVUI  u.  XXXIL  —  **)  Bericht  über 
die  NftcbltsTtehnng  des  preoss.  CaltTttinlaisterlmiie,  s.  Uffelm»iin,  Handbticb  der  Hygiene, 
pag.  747.  —  '•*)  Rychna.  Schulepidemien.  Ift87.  —  '*)  L.iillor,  Revu-  d'hygi.'ne.  1875, 
pag.  575.  —  ")  Thorens,  Ebenda.  1875,  pag.  835.  —  Kessler,  Berüjaer  klin.  Wochen- 
schrift. 1886.  Nr.  42.  —  Majer,  16.  Generalbericht  Uber  die  Sanitttarerwaltang  in  Bayern.  — 
-*)  Enlenberg  nnd  Bach,  Scbulgesnndbeitslehre.  Gap.  Schalbanten,  pag.  65  tf.  Zwez.  Das 
ScbnlbauB.  1870-  —  Nnssbanm,  Zur  Orientirnng  der  Schulzimmer.  Zeitscbr.  für  Schnl- 
gesandheitspflege.  1888,  Nr.  —  '  )  B re  i  t  i  ng.  Dentuche  VierteljahrsHchr.  für  öffentl.  Gesnnd- 
beitspfl^e.  1870,1.  —  *'J  Uffelmann,  Handb.  der  Hvgiene,  pag.  7öl.  —  ")  Zarnack, 
üeber  dm  Bakterfengebalt  des  Staabee.  Dies.  Roatock  18^.  —  **)  Beeben  und  Poet«  Das 
neue  Dampfheiznngsverfahren.  Haaren.  —  Renk,  Das  Auer'sche  Gas>rlühliohl.  Gutachten. 
1892.  —  ")Cohn.  Deutsche  Rnnd.schan.  188(».  pag.  423.  —  »*)BlaKiu8,  Deuwche  Viertel- 
jabrsschr.  für  öffentl.  Gesundheitspflege.  1881,  pag.  433-  —  ")  Schubert,  Berliner  klin. 
Wocbeaacbr.  1881,  Mr.  44,4ö.  Derselbe,  Ueber  die  Haltung  des  Kopfes  beim  Schreiben. 
1885.  Derselbe,  Zeitscbr.  fftr  Scbnlgesmidheitspfloge.  1891.  pag.  23. —  Bayr,  El>enda. 
18'io.  rn-  TIS.  —  '»)C.  V.  Voit,  MOnrhf'n.r  m-n!  Wochenschr.  1891,  pag.  231.  —  '"')  Koch, 
Monatabi.  für  ötteutl.  Gesundheitspflege.  1860,  Nr.  1.  —  **)  Ray  dt,  Die  deatscben  Stftdte 
QBd  das  Jngwod^^piel.  18!U.  —  '*')  A.  Hermann ,  Bericht  über  die  Versammlung  des  dentseheia 
Vereines  für  öffentliche  Gesundheitspflege  im  Jahre  1891.  —  *')  Mittheilunijen  dea  Vereines 
inr  Pflege  des  Jngendspielcs.  I.  Jahrg.,  Wien  1892.  —  **)  H.  Cohn,  Zeitächr.  für  Hygiene. 
I,  pag.  243.  Uffelmana. 

ScbU88V6rietZUngen.  Eine  erapnessUehe  Thfttigkeit  des  Kriegaehirurgen 
ist  nur  möglich,  wenn  dieselbe  sich  grflndet  auf  die  Keontniss  von  der  mrknngS' 

weise  der  Geschosse.  Desh.iU)  haben  auch  wieder  in  den  letzten  Jahren  hervor- 
ragende Chirurgen  und  Militilrärzte  sich  eifrigst  bemüht,  einerseits  zu  erforsRhen, 
nach  welchen  Gesetzen  sich  die  Sohusaverletzungen  vollziehen  und  andererseits 
fflStsnateUen ,  welehe  Wirkang  die  GeseliosBo  nnf  die  veneliiedenen  G«webe  und 
Oügane  des  Körpers  hervorbringen. 

Das,  was  vom  Srztlichen  Standpunkte  aus  die  neuen  Gewehre  vor  den 
älteren  wesentlich  auszeichnet,  ist  neben  der  erhöhten  Hasanz,  Treffsicherheit  und 
Tragweite  die  anssarordentlieh  geetdgerte  Dnrehsehlagskraft.  DieseHie  ist 
hervorgebracht  theils  durch  die  vermehrte  Widerstandsfähigkeit  der  Geschosse,  theils 
durch  die  viel  grossere  Triebkraft  de«  nenen  Pulvers.  Je  kleiner  der  Querschnitt 
des  Geschosses,  um  so  leichter  wird  der  Widerstand  der  Luft  überwunden.  Nun 
braucht  aber  das  Geseboss  auch  eine  gewisse  Schwere,  und  Blei  war  daher  zu 
seiner  Herstellung  ein  besonders  geeigneter  BtaH;  allein  das  Blei  vertrug  niekt 
die  scharfe  Drehung  der  Zöge,  welche  unerlässlich  war,  um  der  Drehnng:  des 
Geschosses  um  seine  Lünp-iachse  (Rotationsgeschwindigkeit  '  die  erforderliche  Stetig- 
keit zu  geben.  Mau  ächuf  daher  ein  Geseboss  mit  einem  Kern  aus  Blei  und  einem 
Mantel  ans  Stahl,  beiiehungsweise  Niekel ;  jener  verleiht  ihm  das  nOthige  Gewleht, 
dieser  die  sichere  Fuhrong.  Die  nothwendige  Quersehnittsbelastnng  femer  hatte 
eine  erhehliche  V(>rl!tngerang  des  Geschosses  zur  Folge,  so  dass  beispielsweise 
bei  einem  Caliber  von  7*9  Mm.  das  Geschoas  die  4fache  Länge  besitzt. 

Während  das  Bldgesehoes  beim  Treffen  auf  einen  nur  einigermassea 
festen  Widerstand  sich  „staneht**,  das  heisst  sich  Iti  eine  mehr  oder  weniger 
breite,  pilzförmige  M.i«8e  verwandelt,  ver.'tndert  das  Mantelgesehoss  seine  Form 
nicht ;  es  beh.Ult  seinen  kleineu  (^uer-schnitt ,  vermag  daher  seine  ganze  Kraft 
auf  einen  viel  kleineren  Theil  des  Widerstandes  zu  riobten.  Beim  Sobieasea  anf 
Holz  bringt  das  Bleigesehoss  einen  knrsen,  sieb  triobterförmig  erweiternden  Gang 
hervor ,  in  dessen  Grunde  das  breitgeschlagene  Blei  sich  befindet ;  das  Mantel- 
iresehoss  dageL'en  er/en^'t  einen  sehr  viel  längeren,  cylindriachen  Canal,  während 
CS  seiue  Form  uielu  verändert. 


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8CHUSSVSRLKIZUNGEN. 


686 


Flg.«. 


IMantelseBchoss 


Sehuaktnal 


BleiBnrhoss 


Die  «shtmatisehfl  Zetchnang  (Fig.  85  nach  Reger)  veranschaulicht  diese 
Vnr^itn^e:  die  Lftn^'e  des  Schiisf^canHls  f)  mflsste  jedoch,  am  der  Wirkliohkeit  sa 
entaprecben,  etwa  das  Doppelte  betragen. 

Das  deutsche  Gewehr,  Öö,  Hartblei  mit  Kupfernickel  plattirtem  StaUmantel, 
Oaliber  7*9,  OewMbt  14'7  Qm.,  hat  dne  AnfinpgeMhwmdigkett  von  630  Meter 
mit  2560  Umdrehnngen  in  einer  Seeande  und  einer  Tragweite  y<m  4000  Meter. 

Das  österreichische  ilannlichergewehr, 
M.  88,  Caliber  8  Mm.,  i  Caliberlängeo,  Hart- 
blei mit  Stahlmantel,  15*8  Orm.  Gewieht,  hat 
eine  Anfangsgeschwindigkeit  von  530  Meter. 

Das  Lebelgewehr,  Hartbki  mit  Nickel- 
mantel, Caliber  8  Mm.,  Gewieht  15  Grm., 
Anfangsgeschwindigkeit  680  Meter.  Bben«o 
verhält  es  sich  mit  dem  Mausergewehr  (Bel- 
gien) und  (iom  Kri)i>at.-)ch('kgewehre(  Portugal) ; 
sie  alle  entienden  bei  einem  Caliber  von 
circa  8  Mm.  und  einer  Anfangsgeschwindig- 
keit von  eirea  600  Meter  ihre  Geeohoeae 
auf  Entfernungen  von  4000 — 5000  Meter. 
Trotz  der  niilohtigen  Durchschlagskraft  der 
neuen  Geschosse  ist  aber  —  glücklicher- 
weiee  —  die  Sprengwirkung  den  Bldge* 
schössen  gegenüber  nicht  erhöht,  and  zwar 
deshalb  nicht,  weil  jene  ein  kleineres  Caliber 
haben  und  weil  sie  wegen  ihrer  grösseren 
BSrte  ihre  Form  nieht  oder  doeh  nar  in 
beadurlnkterem  Grade  verändern. 

Bruns  M  unterscheidet  auf  Grund  seiner 
mit  dem  belgischen  Maasergewehre  und  dem 
Ordouuanzgewehre  M.  71/84  anf  menseliliohe 
Leichen  nnd  Leiohentheile  angestellten  Sohleas- 
▼ersuehe  drei  verschiedene  Zonen. 

Die  erste  Zone  liin  uuf  400  Meter 
Entfernung  ist  die  der  explosiven  Wir- 
kung, welche  gegenOber  den  Blcigeeohossen 
entschieden  verringert  ist.  Die  Muskelschtlsse 
La'ben  ziemlich  {rlattwandifre  r;}tn<,'e,  deren 
Weite  etwa  dem  Geschosscaliber  entspricht 
Sehematiiehe  Duvtellnnc  de«  SebnesoaiuaM  and  deren  Aossehnie  flieh  nieht  tritdtterfSr* 

aBeiniBieigesch'oss.Ve'ichePbreitKedrücUt  "i'fT  erweitert.  Aehnltch  verhalten  sich  die 

im  Grunde  de«  triohterfoi-inigenCanaieB  steckt.  SehKsM-  der  Lunifc  Und  die  des  Iceren  Dnrmes. 

lii  iui  M  a ü  t  e  1 K  e  i^o h o a 8  .  welches  unvor-  ■  a  i- 

ändert  am  Knd«  des  cylindriactaen  Ganges  während    bei     gefülltem     Darme  deutliche 

Sprengwirkung  zu  beobaehten  war.  Auch 
an  Leber,  Milz  and  Nieren  bewirken  Schflaae  ans  nächster  Entfernung  ansgedehnte 

Zerreissung.  Die  Wirkung  auf  Knochen  ist  je  nach  der  Beschaflenheit  derselben 
ver>eliieden  :  an  den  platten  Knochen  entstehen  I.oehschds^e  mit  oder  ohne  Splitterung  ; 
an  den  Diaphytsen  der  Köhrenknnchen  stets  ausgedehnte  Zersplitterungen.  Kin-  und 
Auflsehni»  könneo,  wie  das  bei  Fleiseheehttflsen  die  Segel  iflt,  sehr  klein  sein ;  meist 
ist  jedoch  der  Ausschnss  trichterförmig  erweitert  und  die  Haut  zeigt  einen  3  bis 
I.'iCiu.  lanjrcn  ]{iss.  aus  dem  Weichtheilfetzeu  und  Knochensplitter  hervorragen. 
Der  Schädel  ist  in  Folge  hochgradigster  Ilohlenpressuug  nach  allen  Riehtungen 
hin  zertrflmraert. 

In  der  zweiten  Zone,  der  flttr  mittlere  Kntternangen  von  400 — 800  Meter, 

sind  die  Zerst<"iruniren    im  Ganzen   geringer:   ili«'  liirentlicbe  Sprengwirkung  he- 
schrftnkt  sich  aut  den  Schädel,  uud  wenn  auch  an  deu  Diaphysen  der  Köhren- 
£DcycIop.  Jahrbücher.  III.  4() 


SCflUSSVEaLETZUHGEN. 


knochen  fast  nur  SplittcrbrUcbe  erzeugt  w  erden,  so  sind  doeb  die  Splitter  grSanr ; 
dieselben  stoben  mit  dem  Periost  meist  im  Zusammenhanfre  und  der  Zertrümmerungs- 
herd  um  Au^sehusse  fehlt.  An  den  platten  und  spougiöäen  Knoehen  und  den 
Gelenkenden  sind  Splitter  und  Fissuren  beschränkter^  die  Loch-  und  KinnenscbUaae 
ohne  ContinnitltstrenonDf  biofiger.  Eio-  ood  AiuschtlsM  tmi  klda,  doeh  «telkn 
letstere  in  selteneren  Fftllen  längere  Risse  dar. 

Die  dritte  Zone,  für  Entfernungen  von  800 — 1200  Meter,  in  denen 
voraussicbilieh  die  meisten  Infanteriekämpfe  der  Zukunft  sich  abspielen  werden, 
bietet  die  gflnstigsten  yerfaUtnisse:  dfe  FieiaebeelilUne  haben  enge,  glatte  Gftnge 
mit  kleinen  Ein-  uud  AusaebuaaÖfihnn^n,  von  denen  jene  einen  kreisrunden  Aus- 
schnitt von  5  Mm.  Durchmesser,  diese  einen  Sehlitz  von  6 — 7  Um.  Länge  bilden. 
Die  Verletzungen  der  spongiösen  Knochen  und  der  Gelenkenden  der  Röhren- 
knoehen  beeteben  in  Rinnen-  nnd  Loebeebflesen  mit  geringer  Splitteruog  nnd  feinen 
Bissen  oder  in  reinen  Rinnen-  und  Lochschflssen.  Auch  an  den  Diaphysen  kommen 
vereinzelt  Rinnen-  und  Lochschdsse  mit  kleinen  Rissen  vor:  meist  handelt  es  sich 
jedoch  um  grosse  Splitter,  die  bei  wachsender  iMitferuung  eine  typische  Uesehaflcn- 
beit  zeigen,  indem  nach  oben  und  unten  sieb  zwei  grosse  seitliche  Splitter  ab- 
Utoen.  Der  Aussebnas  ist  kleiner  als  das  Oesehosaealiber;  nur  bei  SpUtterbrOdien 
der  Diaphysen  zeigt  derselbe  eine  Länge  von  10—15  Mn.  Anob  am  Sebidel 
kommt  Sprengwirkung  nicht  mehr  vor. 

Ausgehend  vor  Allem  von  den  verdienstvollen  Arbeiten  Büsch  s  und 
K0CHBB*8  (Real-Encyelopäd.,  Bd.  XXI)  gelang  es  RBeBR*),  sehen  1882/88  dnreb 
dgeoe  Versuclie  nachzuweisen,  dass  das  Bleigeschoss  selbst  beim  Auftrelfen  auf 
unflberwindliclic  Widerstände  nicht  schmilzt  fdureh  v.  Brhxs  später  bestätigt), 
sondern  dass  die  Deformation  des  Geschosses  lediglich  zu  Stande  kommt  durch  KUok- 
'wirknng  des  Sehnsses  auf  das  Qeeehoss  selbst,  das  belsst,  eb  Tbeil  der  lebendigen 
Kraft  gebt  beim  Treffisn  auf  den  Widerstand  auf  das  Gesohosa  Ober  und  äussert 
sieb  bei  deformirbaren  Geschossen  in  der  Deformation,  bei  nicht  deformirbaren 
in  Erhitzung :  Gesetz  der  reciproken  Wirkuug.  Mit  Hilfe  eines  senkrecht  zur 
Sehusswirkung  angebrachten  Maximummanometers  wies  er  weiter  nach,  das&  bei 
Behflssen  mit  grosserer  lebendiger  Kraft  bei  flOssigkeithaltenden  Qeweben  nnr  der  hj' 
draaltsehe  Druck  als  Ursache  der  schweren  Schädignngen  dos  Schussobjoctes  anzusebea 
sei  und  die*e  sich  vor  Allem  richten  einerseits  naeb  der  Grösse  der  auftreffenden 
Fläche,  dann  der  Geschwindigkeit  und  Belastung  derselben  und  andererseits  nach 
dem  Flflssigkeitsgebalta  des  getroffenen  Objeetes.  Ausserdem  kommt  beim  Thier» 
körper  in  Betracht,  dass  mit  grösserer  oder  geringerer  Resisteuzfäbigkeit  des 
Gewl•lle^l  der  livdranlisebe  Druck  rascher  oder  langsamer  fortschreitet  und  dem- 
gemäss  stärkere  oder  geringere  Zerstörung  hervorruft.  Durch  Versuche  mit  massiven 
Stablgesehossen  stellte  er  weiter  fest,  dass  bd  reineren  Wnndea  die  Dnrebseblsgs* 
kraft  neh  wesentilob  vermehrt  nnd  dass  die  Brsebemnngen  des  hydranlisehen 
Drnekes  ausserordentlich  herabpresetzt  wurden 

Nach  BekanntfrL'buns  dieser  Versuche  (^l.s84j  erhielt  Rkger  von  LoRKNZ 
das  Compoundgeschoss  (Kupfer-  und  Stahlmantel)  uud  konnte  durch  diu  mit 
demselben  angeetellten  Versndie  die  Riebtigkdt  seiner  firflberen  Beobaehtnngen 
dartiiun. 

Im  Jahre  IHS!.'>  eudlieh  sehoss  er  mit  dem  kleincalibrigcn  Gewelire 
(Kupfer-  uud  StabUiiantelge^ehoss ,  Ualiber  *J  Mm.)  und  brachte  dabei  fast  die 
Oesehwindigkeit  des  Mannliehergewebres  In  Anwendung.  Die  Ergebnisse  dieaar 
Versuche,  welche  neben  Schüssen  auf  Blechbüchsen,  Schädel,  RObrenknoehen,  Uber 
M< M)  Sclidsse  in  leliende.  beziehungsweise  eben  getödtete  Thiere,  und  zwar 
verschiedener  Grösse  (^Pferde,  Hammel,  Schweine^  umfassen,  sind  in  der  Deutschen 
milltlrirstlieben  SSeilBebrift  (1887)*)  TerOffbntlicbt ,  die  betreffenden  Protokolle 
aber,  sowie  Präparate  und  Zeichnungen  etc.  sind  als  RKoKR'sche  Gesobosssamm- 
hing  im  kriegscbinirgisehen  Museum  des  Friedrioh  WiUielm-Institutes  in  Berlin 
niedergelegt. 


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80HUSSVEBLETZUNGBN. 


(»7 


Dieser  Antor  nnn  erkennt  in  Bezog  nnf  die  Frage  des  bydraullseben 
Dniekes  alle  diejenigen  Sehiessrersuche,  welche,  wie  die  von  französischen  Aerzten, 
sowie  die  von  Bri  ns  und  KiKt  zi*).  sich  nur  auf  Leichentheilc  beziehen,  durch- 
aus Dicht  als  massgebeod  an.  Die  vom  Stamm  gelösten  Leichentheile  bieten 
Verbtltniise,  welche  dem  Leben  niebt  entspxeeben.  Es  fehlt  die  feste  Verbbdnng 
der  Weicbtbcile ,  die  Straffheit  derselben  Uber  dem  Knochen ;  vor  allen  Dingen 
aber  ist  das  kalte  Knochenwerk  in  so  frerinfrem  Hrade  druckleitend,  dasa  bei 
Schüssen  auf  Röhrenknochen  die  Wirkung  des  hydraulischen  Druckes  nicht  in 
Erscheinung  tritt.  Bei  einem  nicht  oder  doch  sehr  unvollkommen  drnckleitenden 
Medium  kann  der  Dmek  aidh  immOglieh  fortpfluaea  und  «nf  die  Kapseln  wirken. 
Weder  die  Auffassun^r  von  Brt  ns  ,  der  den  hydraulischen  Druck  auch  bei  Dia- 
physen  theilwei-^e  zulüsi^t,  noch  die  KiKrzi'-«,  der  ihn  bei  EpiphyseOi  niebt  aber 
bei  Diapbyseu  anerkenot,  kann  eine  richtige  sein. 

Man  mnss  die  Wirkung  der  Dnrchsehlagskraft  der  Oesebosee  wohl 
unterscheiden  von  der  des  hydraulischen  Druckes.  Bei  der  ungeheuren 
Durchschlapukraft  ist  natürlich  die  Zertrflmmerunfr  des  Knni-hena  eine  ausserordent- 
lich bedeutende,  aber  diese  Wirkung  äussert  sich  lediglich  in  der  Flugrichtung 


SprengwirkniiK.  Braos,  Eikasf.  Rrdraaliseh«'  Dmek.  Reger-Htbart. 


deä  Cieschüsses,  beziehungsweise  seiner  Spritztheile.  Die  Trümmer  des  durch  die 
DDrehsehlagekraft  zerstörten  Knochens  werden  in  der  ang<^benen  Riehtnng  dnreb 

die  Weichtheite  getrieben  und  können  auch  hier  irrosse  Zerstörungen  anrichten. 
Die  Splitter  kennen  vom  Periost  prel^^st  sein,  aber  im  All;7t  nieinen  l»leihen  sie  im 
Zusammenhange  mit  demselben.  Anders  beim  hydraulisclieu  Drucke ,  wie  er  ent- 
steht, wenn  dasselbe  Gescboss  auf  lebende  oder  eben  getödtete  Thiere  einwirkt: 
der  Knochen  ist  vOllig  serstArtf  die  Markhöhle  entleert,  die  Splitterung  greift 
über  von  der  Diapliyse  .Huf  die  K])iphyr;e  .  ja  tlber  das  (ielenk  hin.'iiis;  die  vom 
Periost  geli^-Jten  .^[»litter  sind  n;jeli  allen  Hichtunpren  hin  in  die  Weichtheile  ge- 
trieben und  diviUi  hinter,  vor  und  neben  dem  Knochen  zertrümmert.  In  der 
Thai  geben  die  BRONs-KiKUZi'ecben  Versuche,  sumal  für  Nahsehflase,  ein  andern 
Bild  als  die  Rbof.r  ilAn.vRT'schen  (Fig.  80).  Durchaus  irrig  ist  die  Vorstellung, 
als  müsse  jeder  Nahselnis-»  im  Knoehen  die  sehlimmsten  Zerstörunfren  hervorrufen. 
Streif-  und  KinnenschiHsu  wirken  nur  im  äinne  der  Durchscblagäkratt,  und  in.soweit 
llsst  Rrokr  auch  die  BRaNS-RiKUZi'sehen  Versuche  als  beweiskräftig  gelten.  Der 
hydraulische  Druck  aber  entfaltet  seine  Wirkung  allein  bei  V o  1 1  .Schüssen  und 
RBOBR  hat  d.tliiT  vororesehlrtpen,  die  Ausdrüeke  „Nah-  und  Fernschü-äse"  zu  er- 
eetsen  durch  „öchüsse  mit,  beziehungsweise  ohne  hydraulische  Pressung^.  Das  ist 

40* 


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628 


SC  HUSS  VERLETZUNGEN. 


nicht  ohne  Kereehtigung',  da  die  Sprengrwirkung  an  den  vergchiedenen  Geweben, 
gelbst  schon  an  den  verecbiedeoen  Knochen  nicht  in  ein  und  derBelben  Entfernung 
erlischt,  so  dass  demlbe  Sohnss  in  derselben  Entfernung  in  dem  einen  Falle  als 
Nah-,  in  dem  anderen  als  PernMbitn  g«Hea  letnn. 

Die  mlebtige  Steigerung  der  Durcbsehlagskraft  beim  kleinoalibri^ren 
Gewehre  weitet  die  (yeschosswirkung-,  und  erhebliche  Verletzungfen  der  Knochen 
werden  daher  auf  viel  weitere  Entfernungen  stattfinden  als  früher.  Erst  mit 
«rlOsehender  Kraft ,  also  bei  Enttfenrangen  von  8000<— 4000  Meier,  werden  die 
Verletzungen  geringfdgig  sein ,  wfthrend  nnf  2000  Meter  und  darüber  an  dMl 
Diaphysen  LochscbUsse  mit  Splitternngen  und  selbst  völliger  Durchtrennung 
auftreten.  Aber  hält  der  Mantel ,  dann  werden  die  Splitteruugen  nicht  die  Uooh- 
gradigkeit  wie  bd  den  BleigeeelHNnen  erreiehen. 

Auch  die  Zone  des  hydraulischen  Druckes  wird  weiter  hinan^eeehoben, 
aber  der  Druck  selber  erreicht  an  In-  und  Extennität  lange  nicht  die  Grösste  wie 
bei  den  sich  stauchenden  Geschossen.  Im  Allgemeinen  also,  besonders  bei  den 
Schüssen  der  Epipbysen,  Gelenke  und  platten  Knochen,  ist  der  hydraulische  Druck 
aohwieher;  die  Wanden  wefden  reiner,  leieliter  nnd  sonit  vngefidurlieher. 

IIabart  *)  Bchoss  mit  dem  österreichischen  Mannlichergewchre  (8  Mm.)  auf 
lebende  oder  frisch  getödtete  Thiere.  Seine  Befunde  stimmen  im  Ganzen  und 
Grossen  mit  denen  Kboer's  ttberein.  An  den  Mittelstücken  der  Röhrenknochen 
tritt  bn  Nahaehflasen  die  Sprengwirkung  in  der  AbUtosng  der  kleinerm  Splitter 
vom  Periost,  in  der  Zertrümmerung  der  Knocbenrinde  und  Bildung  reichlichen 
Knochensandes  ('Gruss)  deutlich  zu  Tage.  Die  Splitter  sind  in  der  Richtung  des 
Aus-  und  Einschusses  versprengt  und  in  die  Weichtheile  getrieben.  Oft  erreicht 
die  Splittemng  des  Sebaftea  dne  Linge  von  10 — 16  Om.  Im  Vergleiehe  mit  dem 
11  Mm.-Geschosse  ist  im  Allgemeinen  die  Sprengwirkung  geringer  und  vor  allen 
Dingen  hat  das  Mantelgeschoss  eine  beschr.'lnktere  Seitenwirkung.  In  der  Ent- 
fernung von  500 — 1200  Meter  sind,  gegen  früher,  die  Splitter  grösser,  weniger  vom 
Periost  entblÖBSt  und  mehr  zusammengehalten.  Von  1200 — 2000 Meter  ist  beim  Mantel- 
geeehosae  die  Splittemng  mtAet  nnsgedefanter.  An  liarten  Knoehen  (Hittelsifleke 
der  Röhrenkochen,  Unterkiefer  etc.)  zeigten  sich  Splitterbrüche  noch  in  Schuss- 
weiten  von  über  2200  Meter.  Im  Allffemeinen  vermöiren  die  neuen  Gewehre  noch 
auf  4000  Meter  und  darüber  lebensgefährliche  und  tödtliche  Verletzungen  her- 
vorzubringen. 

Am  Schädel  wurde  bis  auf  500  Meier  ausgesprochene  H5lilen|ireeBttng 
bc'tb.ai'htet  ''RkiiEB  schiltzte  die  Zone  des  hydraulischen  Druckes  nur  auf 
100  Meter),  wenn  schon  in  geringerem  Masse  als  bei  Bleigeschossen.  In  Schuss- 
weite von  600—1200  Meter  bestehen  neben  mndliehen  Bin-  und  Anssehüssen 
zabirdehe  KnochensprUnire;  auf  noch  grössere  Entfernung  nähern  .sich  die  V'er- 
letzungen  den  reine»  Ltiolisclitl-^sen  r  liie  KnuolienHprdnge  sind  weniger  zahlreich  und 
nur  am  Ausschüsse  zei^jea  sich  kleine  Splitter.  Der  Grad  der  Schusswirkung  am 
Schüdel  steht  in  geradem  Verhältnisse  zur  Hiirte  der  getroffenen  Stelle :  je  härter 
dieselbe,  nm  so  bedeutender  die  Zerstörung. 

Das  Lebelsewehr  (8  Mm.  Caliber)  bringt  nach  den  Versuchen  von 
DRi.OitME  iV:  Ch.\v,\.s.<K  '  I  noch  in  einer  Kutfernun^r  von  .')t)0  Meter  an  starken 
Riibreuknochen  Sprengwirkung  hervor,  wäbreud  beim  Grasgewebr  (1 1  Mra.-Hlei- 
gesehoBl»)  die  Sprengwirkung  nioht  Ober  160  Meter  hinansreiehte.  Auf  800  bis 
1200  Meter  bewirkt  das  Lebelgewebr  beschränkte  Splitter-  und  Rissbildung,  sowie 
geringere  Ausstreuung  loser  Splitter  nach  dem  Ausschüsse  hin  :ils  dios  beim  Gras- 
gewehre der  Kall  ist;  auf  weitere  Entfernung  dagegen  wirkt  das  Lebelgewebr 
dureh  Erzeugung  kleinerer  Splitter  ungünstiger. 

Hauptmann  T.  Hetkimo ')  h:ilt  diese  von  DblOBMB,  Harart,  Rbuns- 
KlKl'xr,  —  K'iJiKii  erwülinf  er  sitmleiliHrer  Weise  nicht.  —  anLre>tellten  Versuolie 
nicht  für  einwandsfrei,  weil  das  Sehicssen  der  grös.üeren  Trellsiclierheit  wegen  auf 
sehr  nahe  Entfernungen  geschah,  und  zwar  mit  .^abgebrochener'^,  das  heisst 


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SCHÜSSVERLETZUNGEN. 


Wringerter  Ladung,  um  so  die  Durohschlaj^skraft  fdr  weite  Entfernungen  zu  er- 
mitteln. Sollte  beispielBweise  die  Geschosswirkung  für  looo  Meter  trefunden  werden, 
so  wnrde  die  Ladung  so  verringert,  dass  das  Gescboss  aut  der  kurzea  Eutternung, 
auf  der  «McUeh  gemiboBmi  wurde,  nur  die  Oeeehwindigkeit  hatte,  die  es  bei 
voller  Ladaog  auf  1000  Meter  gehabt  haben  wttrde.  Ob  aber  das  SeUesaeD  mit 
abgebrochener  Ladung  auf  verkürzte  Entfernung  die  gleichen  Wirkungen  hervor 
bringt,  wie  das  Scbiessen  mii  voller  Ladung  bei  wahrer  Entfernung,  erscheint, 
naeh  v.  Hstkiso,  fraglieh ;  denn  in  beiden  Fällen  atam  ja  die  Verhlltnisee  ni^t 
dieselben.  So  eden  beispielsweise  Rotation  und  Erhitanng  des  GesdiüHses  hei  ab- 
gebrochener Ladung  anf  kurze  Entfernung  andere  ala  bei  voller  Ladung  auf 
wahre  Entfernung. 

Wären  diese  Einwände  richtig  —  und  das  kann  nur  durch  Sachver- 
ständige entsehieden  werden  —  so  würde  folgerichtig  den  anf  verkflnte  Entfernung 

angestellten  Versuchen  nur  eine  beacbrltukte  Reweiskrift  lukommen.  Nach  Rkgrr 
dürfte  .'il.er,  die  nothwendige  Genauif^keit  lier  Herechnnnpren  und  Sorgfalt  der  Aus- 
fObrung  vorausgesetzt,  ein  Zweifel  an  der  Berechtigung,  mit  abgebrochener  Ladung 
in  lehieseen  und  die  ao  gewonnenen  Resultate  winenaebafUieh  au  Terwerthen,  aur 
Zeit  wohl  nicht  mehr  statthaft  sein. 

Am  2.  April  1892  wurde  nun  unter  v,  Heykixg's  Leitung  in  Spandau- 
Kuhlehen  ein  Belehrnngsfächiessen  mit  Gewohr  8  8  (Hartbleikern  mit  St.ihlhlech- 
mantel,  7*9  Mm.,  620  Meier  Geschwindigkeit ,  25  Meter  vor  der  Mündung;  und 
6ewebr7184  (Hartbleigesehoss,  11  Hm.  Galiber,  435  Meter  Anfangsgeschwin- 
digkeit) veranstaltet,  welches  den  Zweck  hatte,  die  Durchschlagskraft  und  Spreng- 
wirkntiir  d*  r  (h  r-in  s^f  Ih  i  voller  Ladung  daraulegen.  Bettlglieh  der  Durchsohlags» 

kraft  sei  hier  nur  erwiUint : 

Versuch  9:  Gesitiebter  Sand,  1  Mm.  lang,  aj  mit  Gewehr  71  84  beschusäen, 
36  Cte.  eingedrungen,  Geschosse  pilsfBrraig  gestaueht;  bj  mit  Gewehr  HB  be- 
iehoesen ,  52  Cm.  eingedrungen,  Geschosse  nicht  verunstaltet. 

Versuch  11:  Einenplatte,  6  Mm.,  durchschlagen. 

Aus  der  Reihe  der  aur  Prttfang  der  Sprengwirkung  abgegebenen  Sehasso 
führe  ich  an: 

Versueh  15:  Geschlossener  Kasten  mit  gekoehter  Stärke,  Gewehr  88, 
sersprengt. 

Versi  eh  l'i:  Gesobloesener  Kasten  mit  gekoehter  Stirke,  Gewehr  71/84, 

vollständig  zersprengt. 

Versuch  19:  Mit  Wasser  gefüllte,  hennetisch  geschlossene  Blechbüchse, 
Gewehr  88,  gesprengt 

Versuch  20:  Mit  W.-i^ser  geftillte,  hermetiaeh  geaeUoasene  Bleohbllehsc, 

Gewehr  71  84,  vollstnndi;.'  zersprengt. 

Versuch  24:  Thonwürfel  von  270  Mm,  (feuchtj:  Gewehr  71  84:  Starke 
Sprengwirkung,  besonders  naeh  ätt  Einaehussaeite  hin,  grosse  OefTuung  an  der 
Ansaehusseite ;  Gewehr  88:  Rohre  von  6  €m.  Durchmesser. 

Versuch  27:  Lungen,  frei  antVehangt,  nicht  anfL'ehlasen.  ni  Ge- 
wehr 71/84:  Eini>chusa  9  Mm.  breit,  18  Mm.  lang;  Auäscbuss  ^^2  Mm.  breit, 
48  Cm.  lang;  />)  Gewehr  88 :  Binsehuss  9  Mm.  breit,  12  Hm.  lang;  Aussehuss 
10  Mm.  breit,  15  Mm.  lang. 

Versuch  28:  H  ü  h  r  e  n  k  n  o  c  h  e  n  .  friseh.  a)  Gewehr  71  81  rDiaphysen- 
^chuss):  Vollständige  .Sprengung  (2  Theile);  bj  Gewehr  88:  7.  Epiphyseuschuss : 
Einsehuss  mit  Auseinandersprengen;  Treffpunkt  an  der  Epiphysealioie:  Looh- 
sehuss  mit  SpUtterung.  Entfernung  50  Meter. 

Die  Versuche  beweisen:   1.  das^«  die  Sprengwirkung  in  der  Hanptsache 

auf  hydranlisclier  Pressnnjr  beruht  und  2.  dass  die  SpreiigwlrktiriLT  de«  klein- 
calibrigeu  (7*9  Mm.)  Mautelgeschos.ses  weit  geringer  ist  als  die  des  grosscalibrigeu 
(11  Mm.)  Hartbleigeschosses. 


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680 


SCHÜSSVBBLETZÜNGKN. 


Alle  Autoren  betonen  Uberuintitimiueud  die  Ivleiuheit  der  Ein-  und  Aus- 
seh  nssüffnuDg  der  Haut;  meist  sind  dieselben  kreisrund  und  bisweilen  geschlitzt. 
Der  Dttiebineflser  des  Einscliimee  beträgt  etwa  4 — 8  Mm. ,  der  des  Anasehusses 

6—- 11  Um.  TkT  AusBpruch  v.  Volkmanx's,  dass  die  Scbuss Verletzungen  wegen 
ihres  subcutanen  Charakters  im  All^feineiiien  weniger  gefährlich  seien  al3  die 
analogen  Friedensverletzungen ,  bat  also  noch  mehr  Geltung  als  früher.  Allein 
man  darf  sieh  dareh  die  kleinen  Haatwnndea  nioht  tinsehen  lassen,  denn  die* 
selben 'sind  ganz  geeignet,  die  Verletzungen  oft  um  Vieles  geringer  erscbeinen  zu 
lassen  als  sie  in  \\  irkli('hkt  it  sind.  Der  Ausscbuss  stellt,  zumal  bei  Nah;»chilsnen, 
oft  einen  Riss  dar ,  erreicht  derselbe  eine  Länge  von  1  —  3  Cm. ,  so  i«it  ein 
Splitterbraeh  sieher  vorhanden;  andererseits  aber  sehliesst  eine  kleine  Anssehttss- 
Öffnung  eine  gleichzeitige  Knoehenverletsnng  nicht  ans  (BftONS).  Aussehflsae  vom 
l'nifantre  eines  Zei;^«  fin;jer.s  oder  Daumens  beweisen ,  nach  DKr,ouMF,-0HAVAS8Bj 
eine  behussfractur  mit  losen  Splittern;  Ausschüsse  vom  Umfange  eines  klonen 
Fingers  lassen  solche  Verletzungen  vennntben. 

Bei  M  n  s  k  e  I  sehttssen  fehlen  die  firi^einvngen  des  h jdrsnlisehen  Dmekes ; 
sie  stellen  daher  ziemlich  glatte,  gldeh  weite  Gloge  dar,  deren  Dnrchmesser 
etwa  dem  (ieschosscaliber  entspricht. 

Alle  Versuche  zeigen,  duss  L u ugen schUsse  sehr  günstige  l'rognoseu 
geben,  die  nur  dureh  die  Gefahren  hefUger  Naebblutnngen  (Habart)  beeintriiehtigt 
werden.  Niemals  ist  Sprengwirkung  beobachtet;  die  Sehusseanäle  waren  daher  meist 
glatt  und  enge,  <ift  kaum  auffindbar.  V.<  liis-it  .fieh  auch  annehmen,  das.s  die 
schlanken  Geschosse  öfter  ihren  Weg  zwi^ehen  den  Kippen  hindurch,  ohne  Zer- 
splitterung derselben,  finden  werden 

Bei  II  e  rz  Schüssen  tritt  Sprengwirkung  nur  in  der  Diastole  ein;  bei 
duri-lulriiiLTuden  r  n  t  e  r  1 1' i  )i  s  sehüssen  ist  in  erster  Linie  die  Füllung  des  Magcn- 
uiid  Darmtractus  massgebend,  dann  aber  auch  Schusswfite  und  Schussricbtung. 
Waren  Mwgen  und  Darm  gefüllt,  so  sah  Habart  noch  bei  600  Schritt  Entferoang 
hydraulische  Pressung.  Tangential  treffende  Geschosse  können  die  Magenwand  in 
erheblicher  Ausdehnung  verletzen.  Dass  die  durchdringenden  Hauchsehtis.so  den  Dann 
durchbohren,  ist  die  Megel :  von  einem  AuNWi'ielii'n  de^i  Darmes  ist  keine  liedc; 
selbst  der  leere  Darm  wird  oft  mehrfach  durchbohrt,  wenn  schon  mit  kleinster 
Verletsnog.  Naeh  Hababt  wird  die  Serosa  am  Einsehnsse  glatt  dnrehsehlagen,  die 
Sehleitnhaut  in  etwas  grösserem  rmfango  abgelöst;  am  Ausschusse  ist  die  Schädi- 
gung dt  r  Serosa  grösser.  Leb»  r ,  Milz  und  Nieren  zeigen  bei  Nah-ebüssen  aus- 
gedehutü  Berstungen  und  Zerreissungeu.  Die  Zone  der  Explosivwirkung  reicht  nach 
Hababt  Aber  300  Meter  hinaus.  Dasselbe  gilt  für  die  gefällte  Harnblase,  und  da 
nnn,  wenigstens  in  Iftngeren  Gefechten,  die  Blasen  meist  gefüllt  sind,  m  wird  es 
innerlialb  der  angegebenen  Scbussweife  ni  i-t  zu  Platzwunden  kominen.  Das  Mantel- 
gesehoss  wird  Bauchdecke  und  Baucheingeweide  bis  gegen  40üU  Meter  Entfernung 
hin  durchschlagen  und  mithin  bei  diesen  enormen  Scbussweiten  noch  tOdtliehe  Ver- 
letBungen  bewirken. 

Orosses  Interesse  bieten  auch  die  rntersuchungen  Klkmm's  "*) ;  derjelbe  sehoss 
mit  Kevolvt  rn  und  Monteebristopistolen  ("aliber  0  Mm.)  aus  7 — s  Schritte  Ent- 
fernung auf  lebeude  Thiere  uud  dabei  ergab  sich,  dass  die  Wunden  des  Magens 
und  Darmes  ni  e  dnreh  dnen  SohMmhaatpfropf  gesehlossen  waren  and  dsss  sieh  stets 
Magen-  und  Darminhalt  in  der  Bauchhöhle  befand.  Simmtliche  Thiere  starben  an 
peritonealer  Sepsis. 

Verletzungen  grösserer  G  efässe  werden  naeh  Reg£E  im  Allgemeinen 
seltener  mn,  und  auch  Bruns  nimmt  an,  dass  die  engen,  glatten,  reinen  Wanden 
die  Gefksse  weniger  häutig  in  Mitleidensehaft  ziehen.  Trifft  das  harte,  mit 
ungeheuerer  Kraft  und  (}e>cbwin(ligke:t  getriebt  ne  (lesehoss  auf  ein  (lefJIss,  so 
wird  es  dessen  Wand  durchschlagen  und  eine  der  Grosse  des  Gefilsses  ent- 
sprechende Blutung  bewirken.  Aber  Gefässverletzungen  durch  unverfinderte  Geschosse 
werden  wegen  der  Schmalheit  derselben  selten  sein,  und  daher  werden  Spreng- 


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SCHÜÖs!  VERLETZUNG  EN. 


6:^1 


wirktinff  und  nescho^sveründorunfr  '  Stauehimfr ,  Zerreissun^'  und  Abstreifunff  des 
Mantels  etc. ;  ausüchlafr^ebend  Pein.  In  der  That  beobachtete  IIahart  unter  diesen 
VerhäUni^sen  erhebliche  Durchtreunungea  und  Zerreissungea  der  Gefäsae,  und 
wenn  dabei  itarke  Blntnngen  naeh  aiM»en  wegen  der  geriogen  Weite  dee  ISn- 
md  Ausschusses  selten  vorkamen ,  so  fanden  statt  dessen  grosse  Blutansanim- 
lonpen  in  den  KörjKrhf'ihU'n  und  Orjranen  statt.  Hahart  betont,  dass  die  oft 
scharten  und  klatTeudea  Üefässwuaden  die  Tbrombenbildung  bindern,  und  wir 
irerden  aas  daher  vor  alten  gflnsHger  Benrthdlnng  der  MantelgeRebome  naeh  dieser 
Riebtnng  bin  bflten  mUseen. 

Von  pTossem  Einflüsse  ruif  den  Charakter  der  WiuultM)  ist  die  Ver- 
Huderungsfähigkeit  der  Geschusse  selbst.  Das  Bleigescbuss  erlahrt  schon  durch 
Weicbtbeile  (Sebncn,  Binder)  eine  FormTerinderang  und  wird  beim  Anprall  gegen 
festere  Knochen  breitgeschUfren  oder  zerstückelt.  Mantelgesehoase  ver.Hnderu  ihre  Form 
durch  Wt'ifhtheile  llbt  rh.iiijit  nicht  iiin!  wrriicii.  n:ich  liiiT  NS.  nur  bei  Nahsehilsscn  auf 
die  härtesten  Knochen  des  menschlichen  Kurper»  lie^chädigt.  Dabei  zeigte  sich  zwischen 
Nickel-  nud  8 1  a  ti  1  mantelgeschoss  ein  sehr  bemerkenswertber  Unterschied,  indem 
nfimlieh  letsteree  sieb  sehr  viel  dauerhafter  und  widerstandsAbiger  erwiea.  Zwar 
wird  auch  das  Stahlmantcl;re.«ehnss  an  der  Spitze  gestaucht  und  verbogen  und 
sein  Mantel  eingerissen;  aber  nienials  erreichen  diese  Veritiideruniren  einen  snlchen 
Grad  wie  bei  den  Kickelmautelgeschossen:  bei  diesen  wird  nicht  nur  das  Ge^ichoss 
an  der  Spitze  gestancbt  und  seitlieh  abgeplattet,  der  Mantel  platzt  IXngs  and 
qner,  der  Bleikern  tritt  heraus,  wird  schräg  gestjiucht  und  verbogen ,  pilzförmig 
abjepl.nttet.  zorschcllt.  1  M'aphysenschflsse  lieferten  bei  einem  Drittel  der  Versuche  Stau- 
chutigen,  hei  zwei  Drittel  Ein-  und  Zerreissen  des  Nickelmantels.  Diese  allerdings 
recht  erhebliche  Deformirbarkeit  dflrfte  dnreb  Venrolikommnnng  in  der  Fabrication 
mindestens  tbeilweise  zu  beseitigen  sein.  Bei  Habart's  Versuchen  mit  dem  Mann- 
licherircwebr  crciirncte  sich  .iiich  ein  theilweiscs  Abstreifen ,  selbst  gänzliches 
Spalten  und  Zerspringen  des  Mantels;  aber  hier  ist  zu  berücksichtigen,  dasa 
Habart  auf  Pferde  scboas  and  dass  somit  der  Widerstand  der  Knochen  erheblidi 
stlrker  war,  als  dies  beim  Mensehen  der  Fall  sein  wfirde. 

Alle  Versuche  zeigen  fibereinstimmend,  dasa  da«  unveränderte  Oeschoss 
fast  niemals  im  Körper  st<'cken  bleibt ,  sowie  dass  das  veränderte  (iesohoss  bei 
Knocheuschüssen  >:elteu  Sprengstiicke  des  Bleikernes  oder  dos  Mantels  zurUcklässt. 
Auf  EntfemuDgfn  von  800 — 1200  Meter  wurden  2 — 3  hintereinander  befindliche 
Glieder  durchpchlagen  :  kein  einziges  Geschoss  blieb  stecken  (Bru.vs).  HABARTsab 
zweimaliges  Steckenbleiben  unter  der  Haut  auf  l.')0()  Schritte  und  einmaliges 
Steckenbleiben  iui  Ferseubein  des  Tferdes.  liier  sass  das  Gesehoss  so  fest,  dass 
es  nieht  ohne  Mflhe  entfernt  werden  konnte. 

Die  prognostisch  wichtige  Fratre  ,  *»b  das  Mantelgescbi»ss  in  trrös^erem 
oder  geringere!!)  flraile  Slilcke  ans  der  K  I  c  i  d  ii  ii  herausschlujre  und  in  die 
Wände  hineintreibe,  ist  durch  Versuche  nicht  genügend  entschieden.  DklüBMK  und 
Chavasse  sahen  in  dieser  Bezlehitttg  krioen  Untorsdiied  iwisehen  Lebet-  und 
Orasgewehr,  wAhrend  Habart  es  als  einen  Vorzng  des  Nannlicbergesehosses 
betrachtet,  dass  es  keine  Kleiderfetzen  mitreisse. 

Dies  ist  in  kurzen  Zil;ren  das  Verhalten  der  in  freier  Flugbahn  das  Ziel 
erreichenden  Geschosse.  Schlagen  dieselben  aber  vorher  irgendwo  auf  (Aufschläger, 
Geller),  dann  fliegen  sie  in  einem  Winkel  weiter  und  vernrsaehea  die  Überraschendsten 
Verwundungen.  Schlägt  das  Gegcbnss  auf  felsigen  Grund,  auf  gepfl  i>terto  Strassen, 
.steinerne  Mauern  u.  A.,  dann  verändert  dasselbe  in  mannifrtacher  Weise  seine 
Gestalt.  Der  .Mantel  wird  zerrissen  uod  abgestreift,  der  Kern  tritt  heraus  und 
wird  zertrilromert ;  die  einzelnen  Theile  und  Splitter  fliegen  weiter  und  bringen 
nnregelmä<-iire.  zerfetzte  Wunden  hervor,  in  denen  die  Gcscbosssplitter  häufig 
liegen  lileihe!i.  AIkt  auch  wenn  das  (;esehnss  sich  nieht  verändert,  so  erzeugen 
Aulschläger  doch  leicht  Wunden,  die  den  auf  Grund  von  Scbiessversucbeu  auf- 
gestellten Typen  nicht  entsprechen:  dag  sehmale,  langgestreckte,  aus  seiner  nr- 


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682 


80HüSS¥BBLlST2inveBK. 


sprÜDglicben  Bahn  getriebene  Gescboss  tlberschlä^  sich,  wird  den  Körper  oft  mehr 
oder  weniger  quer  (Qnerecblfiger) ,  beziehungsweise  aohrftg  trefieu,  also  grössere 
Bill-  nmd  AoMekfliM,  uberhaopt  «igaiiBtig«tie  Wanden  eelMO.  Ferner  iil  sn  be> 

rücksiehtigen  .  das»  in  künftigen  Kriegen  Aufsehl/lger  häufig  vorkommen  werden, 
weil  die  gesteigerte  Rasanz  der  Flugbahn  das  Zustandekommen  der  AufschUi{;er, 
zumal  beim  öchictiäen  iu  liegender  Stellang,  geradezu  begUaatigt. 

Wie  bereitB  erwilmt,  hat  RaoBK  naebgewiesen  ^  dme  beim  AofMhlagen 
des  Geschosees  auf  den  Widerstand  ein  geaetzmässiger  Tbeil  der  lebeodignn  Kmft 
auf  das  Oeschoss  übergeht  und  sich  einerseits  als  Deformation ,  andererseits  als 
Erhitzung  desselbeu  äussert.  Blei  schmilzt  selbst  bei  höchster  lebendiger  Kraft 
und  nnllberwindliebem  Widerstände  niebt;  StahlgeschoBse  erbitten  sidi  selbet  bei 
einer  Oeeebwindigkeit  von  500  If.  und  beim  AuftrefiiBo  auf  Eäaenplatten  nnr 
auf  230— -2400  C.  Nach  Brüxs  reichte  die  Erhitzung  von  Stahl-  und  Nickel- 
mänteln  bis  zu  200 — 230''.  Dass  das  Geschoss  durch  Pulvergase ,  sowie  durch 
Reibung  hu  Lauf  und  an  der  Luft  in  geringem  Grade  erwärmt  wird,  ist  all- 
gemein bekannt  IIwsubs*)  bat  nnn  Yerenebe  angestellt,  die  ermittdn  seilten, 
ob  das  Geschoss  durch  Erhitzung  keimfrei  gemacht  werde.  Er  schoss  theils  mit 
inficirten ,  theils  mit  niehtiulieirten  (iescliossen  auf  Blechbüchsen  ,  die  mit  Nähr- 
gelatine  gefüllt  waren,  und  stellte  auf  diese  Weise  fest,  dass  die  Erhitzung 
niebt  im  Stande  ist,  die  den  Oesebossen  anhaftenden  Bakterien 
zu  tödten  oder  auch  nur  in  ihrer  Entwicklung  zu  hemmen.  Er 
umwictceltu  ferner  Blechkapseln  mit  inficirtetn  Flanell,  der  die  Kleidung  des  Mannes 
vorstellen  sollte,  und  auch  in  diesem  Falle  entwickelten  sich  in  der  Gelatine  die 
dem  Flanell  anbaftenden  Keime. 

Diesen  Versuchen  hfllt  SbT]>BL>*>)  in  Hcinem  klaren  und  flbersichtlichen 
Lehrbuche  der  Kriegsebirurgie  entgegen,  dass  mit  pathogenen  Pilzen  stark  iuficirte 
Geschosse  oder  Kleider  zu  den  Seltenheiten  gehören  und  dass  wir  auch  mit  der 
stark  keimtödtenden  Wirkung  des  frischen  Blutes  rechnen  mUssen.  Die  Einwürfe 
sind  bereehtigt ;  aber  ea  unterliegt  andererseits  aueb  kdnem  Z-wüM,  dass  gerade 
Kleiderfetzen  oft  genug  sehr  bösartige  Infectionen  bewirkten,  v.  Zoege-M.\n- 
TEFFFEL ")  berichtet,  -da-ss  von  8  ()ber8chenkelmu3keIschUs«en  3  durcli  Sepsis 
tödtlich  eudeteu  und  als  Ursache  dieser  Sepsis  fanden  sich  in  Buehteu  und  Taschen 
des  in^amnsenllren  Oewebes  Tersteekte  Taebfetaen. 

Die  während  eines  Arbeiteraurätand«;^  in  Galicien  mit  dem  Mannlicher 
gewehr  auf  nnhe  Entfernung  erzeugten  Wunden  boten,  wie  BOGDAN'IK  ^-  i  beriehtet, 
im  Wesentlichen  die  gleichen  Erscheinungen,  wie  wir  sie  aus  den  Versuchen  von 
RBesR,  6BDM8,  Habaet  q.  A.  baben  kennen  gelernt:  enge  Sebnsseanlle  der 
Weichtheile  und  mässige  Sprengung,  ausgiebige  Splitterung  der  langen  Röhren- 
kncehen,  L()elisclilis-!e  an  den  platten  Knoehen,  hydraulische  Pressung  am  Schädel. 
Kein  Cieschoss  war  im  Ki«rj)er  stecken  geblieben:  niitgeris:9ene  Kleiderfetzen  wurden 
in  den  W^unden  nicht  gefunden.  Ungleich  bösartiger  waren  die  durch  die  Oesehoss- 
splitter  der  „Aufsebllger**  bewirkten  Verletsungen :  grosse,  unregelmlssige ,  ser- 
rissene  Wunden  mit  autigedehnter  Zersplitterung  und  Explosivwirknng;  dabei  fanden 
sieb  auch  von  den  GeschosHsplittern  mit  fortirerissene  Kleiderfetzen. 

Nach  dem  Berichte  Stitt  ^''^;  aus  dem  cbileni8chen  Kriege  zeictiueteu 
deb  die  dureb  llannlicbergewebre  bervorgebraebten  Wunden  der  Weiebtbcile 
dadurch  aus,  dass  sie  vollkommen  runde  und  glatte  Einschüsse  hatten,  die  kleiner 
waren  al^  dif  tfureb  .tltere  (Unvelire  verursachten.  Aiieli  die  .\us>ehü.sse  waren 
ausserordcutlich  klein,  rund,  glattrandig;  nur  diejenigen  boten  zerrisseue  Käuder 
dar,  aus  denen  Knoebensplitter  hervorragten.  Die  Gesohosse  sehdnen  »emlicb 
bftttfig  im  Körper  stecken  geblieben  su  sein:  sie  zeigten  sich  völlig  unverändert; 
nur  ein  einziges  Mal  war  bei  einem  AiHVchlngi-r  der  Mantel  vom  Kerne  ab- 
gestreil't.  Die  liesebosse  Messen  .'•ieh  mit  Hille  eine>  Eiaseliuittes  stets  leicht  heraii>- 
nehmen.  Kleiderfetzen  waren  sehr  selten  mit  eingetrieben.  Der  anscheinend  biiutig 
beobachtete  Verbleib  der  Geschosse  in  den  Wunden  deutet  darauf  hin,  dass  hier 


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SCHÜSSVEBLETZUNGEN. 


633 


die  Verwundungen  auf  sehr  weite  Entfernungen  stattfanden  .  wo  die  Kraft  der- 
selben bereits  im  Erlöeeben  be^itteu  war.  Die  Verwundungeu  der  glatten  und 
kursen  Knoohen,  sowie  die  d«8  G«iiehto8  nahmea  einen  aebr  glinstigen  Verlauf; 
«o  dar  Mittelluuid  war  nie  mehr  alt  da  Kaoehea  fraetarirt,  wlhread  die  Split- 
terung der  laagea  BlttireakBoelwB  gegea  firfllier  aiebr  »n-  ab  abgaoomiBeB  au 
haben  schien. 

Am  meisten  traten  die  \oiztigt  de^  kleinoalibrigen  Gewebres  an  den 
LangeDiehttsteB  sa  Tage:  £iae  Darehbobmap  der  Lange  bellte  reaetfoaalos  in 
wenigen  Tagen  und  bei  i^elueitigea  Rippeobrildbea  tratea  gaaa  besehriUikto 

EatBttndnngen  auf. 

Die  von  Wagnkr  beobacbteten  Scbuasverletzungea  sind  durch  Selbst- 
mordTersnehe  oder  üagMoksftUe  mit  dem  Mannlidiergewebr  bervorgebraebte 

Nah»<chüS8e.  Die  Verletiaagea  am  Sebidel  boten  alle  das  »usgcsprochene  Bild 
der  hydranüsehen  Pressung  und  hatten  augenblickliehen  Tod  zur  Folge,  Die  Ein- 
sohuBsöffoung  entsprach  gewöhnlich  dem  Geachosscaliber ;  die  Ausschussötfnnng 
betrog  meist  1  Cm.  im  Darebmesser,  wibread  die  des  Raoebeus  erheblich  grösser 
war.  Aaeb  OesiehtsschQsAe  boten,  wena  sebon  In  geringerem  Grade,  die  Eraeliel- 
nnng  des  hydraulischen  Druckes  dar  and  heilten  vollständig.  Bei  LungenschüKsen 
fehlten  dieBe  Krseheinungen ;  der  Tod  erfolgte  durch  Blutverluste.  Im  Ganzen 
waren  die  durch  das  neue  Gewehr  vcrursacbteu  Zertstürungen  nicht  su  bedeutend 
ab  die  der  iltarea  Gewehre. 

Auch  die  von  8alo  LiETO  vernifeutliebteu  zwei  Ffllle  von  Schuss- 
verletzungen mit  dem  kleincalibrigcn  Gewehre  ordnen  sieli.  wenigatens  theilweise, 
dem  Schema  unter.  Der  eine  Fall  ist  eine  Durchbohrung  der  I^unge  auf  13  M. 
Eatfenaag:  der  Bias^ass  misst  im  Durebroesser  Uber  10m.,  die  Wnnde  des  Brust- 
felles bat  den  Durchmesser  des  Geschosses.  Der  Sebasseanal  der  Lunge  erweitert  sieb 
von  vorne  nach  hinten  trichterirTmiLr ,  ■;'>  dnss  er  vonfe  im  T^iirolimesser  1  Cm,, 
hinten  aber  deren  5  misst.  Die  Splitter  der  5.  und  6.  iiippe  ragen  in  den  Brust- 
fellraum hiaeia  aad  aas  der  AandiasBMIbnng  heraus.  Das  Schalterblatt  aeigt  einen 
erbebüdiea  Snbstanzverlnst,  von  dem  ans  aaeb  allen  Riehtnngen  bla  Risse  laufen. 
Aus  der  sternförmigen,  in  der  geringsten  Ausdehnung  3  Cm.  messenden  Ans- 
sehnssöffnung  heraus  hängen  zerrissene  Weichtheile.  Tod  nach  23  StuinitMi  unter 
Hautempbysem  und  Bluthusten  an  Lungenödem  und  CoUapa.  Obwohl  das  Geächoäs 
▼or  der  Verwnndnag  erst  dnreh  drei  gerollte  HSagematteu  gegangen  war,  braebte 
ea  doeb  sehr  erbebliche  Sprengwirkung  hervor. 

Der  zweite  Fall  betrifft  einen  durch  Ivopfschuss  hervorgebrachten  Selbst- 
mord, der  die  Zeichen  hydrauUcher  Pressung  darbietet.  Die  aus  ihren  2sahtver- 
Iriadangen  gesprengten  Scbidelkaoeben  standen  1  Om.  weit  auseinaader. 

Besonderes  Interesse  nimmt  eine  von  Boho.'^ckvicz  beschriebene  Sebuss- 
Verletzung  in  Anspruch:  Ein  Soldat  wurde  auf  vier  Schritte  iMitfernung  von 
einem  Mannlichergeschoss  i^b  Mm.)  durchbohrt.  Kinsehuss  vorne  im  rechten 
Hypochondrinm,  am  aatwea  Raade  des  7.  Rippenknorpels,  kreiarond,  glattrandig, 
iVs  Cm.  im  Durehmeaser.  Aassebnss  hinten  am  Racken,  am  unteren  Raade  der 
T.Rippe;  etwas  kleiner,  rund,  zackig.  Es  bandelt  sich  um  einen  Schuss,  welcher 
die  Leber  durchbohrt  und  die  Brusthöhle  eröft'net  hatte,  und  da  h.ltte  nach  den 
jetzt  herrschenden  Anschauungen  das  aus  nächster  Nähe  treffende  Geschoss  die 
Leber  dureb  bydranliscben  Druek  tersprengen  mOssen,  statt  dessea  trat 
reactionslose  Heilung  ein,  so  das»  eine  glatte  Durchbohrung  des  Organes  an- 
genommen werden  muss.  Ohne  Zweifel  ist  die  Wirkung  der  Gescho-fse  auf  die 
Gewebe  und  Tbeile  des  Ivorpcrs  ganz  bestimmten  Gesetzen  unterworfen ;  aber  die- 
selben sind  noeb  niebt  so  weit  erforscht,  dass  nun  jeder  einzelne  Fall  sieb  in 
eine  bestimmte  Rubrik  eiafUgen  liesn. 

Zieht  man  nun  aus  all  den  his  jetzt  gesehildert»  ii  Versuchen  und  Beob- 
achtungen den  i>chlu8s,  so  ergiebt  sich:  Fleisehwuniicn  zeichnen  sich  auf  alle  Ent- 
femnngen  aus  dureb  kleine  Ein-  und  Ausschnssölfnungeo ,  dureb  enge  CanSle 


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634 


SCHüSSYERLETZUNeBN. 


und  glatte  Ränder.  Kurze  und  platte  Knocheu  werden  von  FernschUssen  glatt 
oder  doob  mr  mit  geringer  Splitterbildung  durcbscblageo.  Selbst  bei  grösseren 
RObrenknoehen  iat  die  Splitterbildang  im  Verglmeh  %xm  Blmgesehoas  besehrlnkt 

und  die  {jeringere  Verletzung  der  Weichtheile  mtlia  dabei  noch  als  besoriderer 
Vortbeil  angesehen  werden.  Lurifren-  und  rielenkschUsse  geben  meist  fT'ite  I'rojjnoge. 
Die  Geschosse  bleiben  selten  im  Körper  »lecken.  Das  kleincalibrige  Gewehr  liefert 
also  im  Allgemeinen  Yerlettungen^  denen  bis  eq  gewissem  Gnde  die  Elgenaehaften 
Aae  tnbentanen  zukommen. 

Dem^efrenfiber  steht  die  grosse  Tr»!^weite  und  Durchschlagskraft  der 
Geächosüe,  die  dieselbe  in  den  Stand  setzt,  auf  lOüU  M.  Entfernung  3 — 4  Mann, 
anf  8000  Bf.  2^3  Mann  Untereinander  ni  dnrebsehlagen  nnd  so  auf  anstflrmende 
Infanterie-  oder  Cavallerieroassen  nngehenre  Wirkung,  tSdtiiche  Verwundungen 
aber  iioeh  auf  3000 — 40(iO  M,  hervorzubringen.  Demgefrcndher  steht  die  mächtige 
Sprengwirkung  der  Schüsse  auf  401) — 500  M.  und  darüber,  die  aber  doch  von 
der  Sprengwirkung  der  frtiberen  Geschosse  an  Ex-  und  Intensität  ttbertroffen  wird. 
Nabklmpfe  werden  im  Gänsen  seltener  sein,  denn  unzweifelhaft  werden  die 
Schlachten  der  Zukunft,  wenn  nicht  aus^efochten  auf  grosse  F^ntfemung,  so  doch 
der  Entseheidiinj:  r.jihe  frebracht.  Alles  in  Allem  genommen ,  knmint  Bruns  zu 
dem  Ergtbui^s,  dass  da.s  neue  k  1  e i u ca  1  i be r ig e  Gewehr  nicht  blos 
die  beste,  sondern  aneb  die  humanste  Waffe  ist,  um  naeh  Hftg- 
iiehkeit  die  Schrceken  des  Krieges  lu  mildern.  Allein  diese  Auf- 
fassung wird  nicht  in  jrleichtiii  rtnfan^'e  vrm  Allen  getleilt;  ist  Habakt.  der 
noch  auf  1000  Schritte  EutUrnung  hydraulische  Pressung  beobachtete,  zumal  mit 
Rfleksicht  auf  die  gewaltigen  Knoebensertrilmmerungen  nnd  die  starken  Blutungen 
von  dem  humanen  Charakter  der  Waffe  nicht  allzusehr  ein^^euommen ,  und  noeh 
entschiedener  s;)rieht  sich  Morosow  >')  aus,  der  das  kleiuoaliberige  als  das  ser* 
störendste  aller  Geschos-Ci  bezeiehnet. 

Dass  die  absolute  Zahl  der  Todten  und  Verwundeten  in  künftigen  Kriegen 
die  der  l^fiberen  überstMgen  wird,  ist  bei  der  OrOsse  der  Zukunftsheere  selbst- 
vcr«t:indlich  ;  inwieweit  aber  relativ  die  Verluste  gr^^j^er  sein  werden,  entzieht 
sich  jeder  Berechnung  und  jeder  Vorauss.Tge.  Eine  frleichwerthige  Ausrüstung  der 
feindlichen  Heere  \orausgesctzt,  hiingt  die  Verlutstgrösse  keine»wegH  ausschliesslich 
oder  aueb  nur  vorwiegend  ab  von  der  Vollkommenh^t  der  Waffe,  denn  wäre  dem 
so,  dann  mflssten  die  unvollkommenen  Waffen  auch  die  geringereu  Verluste 
bedinL'-en.  Die  (!e>eliieh(e  lehrt  iilier,  dass  das  thatsilrblieh  nicht  der  Fall  ht. 
Be&chuUeuheit  der  Heere  und  Kampfesweiae  kommen  vor  allen  Dingen  in  Betracht. 
Bei  den  jetzigen  Heeren  und  den  ans  der  Bewaffnung  sich  ergebenden  Feehtarten 
können  die  Verluste  über  ein  gewisses  Mass  gar  nicht  hinaus,  und  wenn  Haasr  i^) 
sagt:  „verliert  die  Truppe  mehr  als  die  HiUfte,  dann  sind  alle  Officiere  gefallen, 
die  fiihrerliise  Truppe  geht  zurück,  ist  geschlagen"  —  so  bat  er  damit  gewiss 
fttr  den  Durchsebnitt  den  allerhöchsten  Grad  der  künftigen  Verluste  angenommen. 

Die  Behandlung  der  Sehussverletsnngen  kann  hier  nur  in  ihren  all- 
gemeinen Gesichtspunkten  kurz  besprochen  werden  und  da  ist  es  zunächst  selbst- 
verstHndlieh ,  dass  die  Antiseptik  frrunJ-;ttzlieli  schon  auf  dem  Gefeehtsfplde  in 
Anwendung  kummt.  Wie  das  geschehen  »oll,  welcher  Art  die  Vcrbandstotle  sein 
werden,  ist  eine  vorzngsweine  teebnisehe  Frage,  deren  Lösung  der  IfilitSraanitäts- 
behörde  obliegt.  Vorlihifijr  ^'ilt  di  r  einfache  antiseptische  Verschluss  für  das  beste 
Verfahren,  umsomchr,  da  dir  I  )urelifiihning  desselben  durch  die  neu«-  W.itTe  in 
vielen  Beziehungen  erleichtert  und  begünstigt  wird.  Denn  da  die  hydraiilisehe 
Fressung  mit  ihren  furehtbaren  Zerstörungen  nur  selten  zur  Wirkung  gelangt, 
so  genagt  in  der  weitaus  flberwiegenden  Mehrzahl  der  Falle,  bei  allen  \  erlet/ungen 
mit  kleinen  Ein-  und  Aussehjissüflnuntren  ,  ein  antiseplisclier  Verband .  der  das 
Blut  und  erste  Wundsecret  aufsau;:t  und  eintrocknen  lässt  „und  bei  den  hierzu 
geeigneten  leichten  Verwundungen  die  Heilung  unter  dem  Schorfe  herbeiftlhrt^. 
Das  auf  der  Wunde  eingetrocknete  Blut  wird  nieht  entfernt;  die  Wunde  wird 


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SCHrSÖ  VERLETZUNGEN. 


635 


keiner  besonderen  Reiniirunfr  unterworfen ;  eine  rntersuchunf;  der  Wunde  wird 
nicht  vorgeoouimeu.  Das  Gescbuas  bleibt  nur  bei  Öcbüäsea  auf  weitefite  Ent- 
fernangen  stecken;  das  Auftneben  und  Anssieben  desselben  kommt  mitbin  Ter» 
blltnissmia^i}?  selten  in  Frage.  Ob  Kleiderfetzen  mit  eingetrieben  aind^  liast  sieb 
meist  gar  nicht  erkennen  ,  und  doch  sind  gerade  diese  Fremdkörper  von  um  so 
grösserer  Bedeutung,  aU  sie  vor  anderen  geeignet  sind,  bei  stärkerer  Zertrümmerung 
der  Gewebe  aebwwe  Infeetionen  an  bewiriEMi.  Aber  das  KteinUaben  dw  Wunden 
ist  für  den  ganzen  Verlauf  so  wiebtig,  dasa  man ,  wenn  eine  stärkere  Gewebe- 
zertrQmmerung  nicht  vorlie;;t ,  nach  etwa  ein^'e  Irungenen  Kleiderfetsen  ebenso- 
wenig suchen  soll,  wie  nach  der  K«k<^1  ''v.  Bkhümann  ' 

So  wird  denn  der  einfache  antisepti^he  Occlusiv verband  in  erster  Linie 
bei  den  PteiscbsebOssenf  ebne  ausgedehnte  Verletsnng  der  Weiebtbeile,  in  zweiter 
Linie  bei  den  Dnrcbbohrnn^en  der  Gelenke,  sowie  bei  den  der  platten  und 
kurzen  Knochen  und  endlich  bei  einer  grossen  2ahi  von  Lungenscbtissen  seinen 
Platz  ßnden. 

Der  Vorsehlag  Langekbech's  die  leichten  Wunden  auf  dem  Seblaebt- 
felde  dnreb  die  blutige  Naht  zu  schlieHsen  und  dann  mit  einem  Kautsohnkpflaster 

Itt'il.cken  zu  lassen,  in  der  Absieht,  die  «»tVenen  Wunden  in  subcutane  zu  ver- 
waudelo,  bat  auf  dem  CLirurgcucungress  1Ö92  vielfachen  Widerspruch  erfahren. 
ThatsleUieh  kann  das  Verfahren  gar  leiebt  sehlimme  Folgen  nadi  sieh  neben ;  denn 
ganz  abgesehen  davon,  dass  das  irztliebe  Hilfspersonal  nicht  in  der  Lage  ist,  in 
jedem  Kinzelfallc  rine  leir-hte  Wunde  von  einer  i^chweren  zu  unterscheiden ,  so 
wird  eine  bis  tlaliiu  »septische  Wunde  durch  das  2<iäbcn  selbst  iu  hohem  Urade 
der  Gefahr  einer  Infeciiun  aut^gesetzt. 

Für  die  Schnssfraeturen  der  langen  Röhrenkaoehen  ist  die  gleichzeitig 
vorhandene  Verletzung  der  Weichtheile  das  Massgebende,  d.  h.  da,  wo  eine  grosse, 
beziehunirswcise  zerrinsene  AiisschnssrttVnnng  und  das  Vorliegen  von  Weichtheil- 
fetzeu  oder  Knuchcnspitteru  über  die  stattgehabte  starke  Druckwirkung  keinen 
Zweifel  lassen,  reicht  die  einfache  Oeelusion,  eventuell  mit  feststellendem  Verbände 
nicht  aus,  sondern  es  wird  ein  soft^rtiges  operatives  Eingreifen  nftthig  sein.  Dasscllii- 
Verfahren  bei  grossen  Weichtlieilverl''tznngen,  bei  verunreinigten,  zersetzten,  buch- 
tigen Wunden,  auch  wenn  der  Kuoeheu  nicht  getrolieu  ist.  Besondere  Beachtung 
«fofdera  wegen  der  damit  verbundenen  Tetannsgefabr  Holzsplitter  und  Erde.  Bei 
Darmwunden  durfte  jetzt  die  möglichst  frühzeitige  Laparotomie  als  Regel  gelten; 
denn  nur  bei  einer  Verletzung  des  leerrn  I'rirne-;.  avo  immerhin  ein  spontaner 
Verschluss  möglich  ist,  kann  die  zuwartende  Behandlung  gerechtfertigt  erscheinen. 
Gerade  die  F'rage  Uber  das  zweckmässigste  Verhalten  durchdringenden  Bauch- 
wunden  gegentlber  ist  in  letzter  Zeit  lebhaft  besproehea  wordm.  Körte") 
empfiehlt  .sofortige  Laparotomie,  wenn  Anzeichen  innerer  Blutung  und  heftige 
Leibschmerzen  vorhanden  sind.  Fehlen  diese  Erscheinungen ,  so  wird  ein  anti- 
septincher  Verbaud  angelegt,  aber  beim  ersten  Auftreten  verdächtiger  Erseliei- 
nuogen  (Leibschmerz,  Anftreibung  ete.)  sofort  sur  Operation  gesehritten.  Elbvu, 
EiLSBT  Habart,  Morton  u.  A.  sprechen  sich  ia  Abalidiem  Sinne  ans.  Riclds 
dagegen  rflth ,  mit  operativen  Eingritfen  so  lange  zu  warten,  bis  ansgeaproeheno 
I^eritouiiis  vorhanden  ist.  Nach  ^knx- Chicago sind  die  einzigen  Erscheinungen, 
welche  die  Unterseheidung  eines  einfachen  perforirenden  Bauchschusses  von  einer 
schweren  r>Hriii Verletzung  sichern,  Kothaustritt  und  Netzvurfall.  Alle 
(ihrigen  F.r-cheinungcn  sind  werthlos.  Quer  und  schriig  verlautende  Schuss- 
wunden unterhalb  des  Nabels  lassen  mehrfache  Durchluchuugcu  des  Darmes  an- 
nehmen. Tritt  Magen-  oder  Darminhalt  aus  der  Wunde,  so  ist  die  Verletzung 
tffdtlicb  und  es  muss  unter  allen  Cmstinden  so  bald  wie  mOglich  zur  Laparotomie 
gesehritten  werden. 

IjUe  -  kommt  auf  (Irund  sehr  eingehender  statistischer  rntersuchungen 
—  aus  denen  unzweifelhatt  hervorgeht ,  dass  die  Sterblichkeit  bei  exspeetativer 
Behandlung  erheblich  grösser  ist  —  zu  dem  Ergebniss:  Bei  allen  peuetrirenden 


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636 


SOiroSSVBSLETZUNGEN. 


IJauchwunden  ist  der  Bauchschnitt  augezeigt :  derselbe  ist  -sobald  als  möglich  vor» 
zuoebmeo,  im  Kriege  tbualicbst  schon  aut  dem  Verbandplätze,  verspricht  aber 
aseh  im  Feldlanceth  gute  Erfolge. 

Kugeli«eher  und  Zangen.  Bdm  Mentelgeschoss  wird  das  Steeken- 
bleiben  im  Körper  verbältnissmfiäsig  seltener  sein  als  beim  BleigeschosR ;  aber 
doi-b  nicht  in  dem  Masse,  i^ls  das  nach  den  Versuchsergebnissen  scheinen  möchte. 
In  der  Sehlaeht  sind  die  VerbältiiiaBe  eben  wewaffieh  «nd««.  For  Allem  werden 
die  bei  AufachliSgcrn  entstehenden  SpreogstOelce  (In  NflrsebMi  fand  man  bei  sehr 
geringer  Schussweite  einen  HIeikcrn  unter  dem  Brustmuskel,  nachdem  vorher  der 
Thorax  von  hinten  her  durchschlagen  war,  und  einen  Stahlmantel  im  Nacken) 
und  demnächst  auch  unveränderte  Geaeboase  am  Ende  ihrer  Fingbahn  häufig  genug 
etcelienbleibeii;  moeb  üStnt  wird  das  bei  Sebassverletsttageii  dea  Friedens,  aunai  b^ 
Revolver-  und  PistolpnsohflRsen,  vorkommen.  L'nter  allen  diesen  Füllen  aber  wird 
es  immer  eine  mehr  oder  weniger  grosse  Zahl  geben,  bei  der  das  Anfauchen  und 
Ausziehen  des  Geschosses  uothweudig  ist.  Die  einfachen  Kugflsucher  sind  im 
WeientUeben  seit  Jabrhnnderten  dieselben  gebUeben,  and  anter  den  neuen  Er> 
iindungen  erwies  sieh  die  NKLATON'scbe  Sonde  noeb  immer  als  die  brauchbarste; 
allein  bei  den  harten  und  glatten  MatitelEresfhofsppn  if>t  ihr  Werth  kaum  grosser, 
als  der  Jeder  anderen  Öundc.  Alle  .sondenartigen  Instrumente  setzen  voraus,  das3 
sie  die  Kugel  im  Wund-  oder  Fisteigauge  errmdimi  und  unmiitelbar  bertihren. 
Aber  selbst  wenn  das  geschieht ,  sind  sie  keineswegs  immer  im  Stande ,  jeden 
Zweifel  zu  heben.  M«n  ,*:ing  daher  tlber  zu  den  elektrischen  Sonden  .  aber  die- 
selben Hessen  bisher  Manches  zu  wün.sehcn  Übrig;  sie  verlangen  doppelte  Be- 
rührung der  Kugel,  gestatten  meist  nicht  jede  beliebige  Biegung  und  man  ist 
bei  ibrer  Benfltsnng  abhängig  von  dnem  dement,  welehes  leidit  im  Stiebe  Itsst. 

Unter  diesen  I'roständen  sind  alle  auf  Vervollkommnung  unserer  Hilfs- 
mittel gerichteten  Bestrebungen  gewiss  mit  Freuden  zu  begrils^ien  ,  und  ich  will 
versuchen,  eine  gedrängte  Uebersicht  von  dem  zu  geben,  was  die  letzten  Jahre 
in  dieser  Besiebnag  gebracbt  beben. 


Fig,  87. 


Die  von  Wattkin  angegebene  Sonde  Fig.  87)  besteht  aus  den  durch 
eine  Zwi^cbenlage  isolirten  Längshälfteu  eines  in  der  Mitte  gespaltenen  Stahl- 
drabtes;  von  dem  unteren  Ende  der  einen  dieser  Drahtbllfte  geht  eine  Leitnngs* 
schnür  zu  einem  Zinkhiättchen ,  von  dem  der  anderen  due  solche  XU  einem 
Kupferbliittcheu.  Die  vorderen  Enden  der  Drahthilltten  ragen  als  feine,  i'snürtc 
Spitzen  frei  hervor.  Beim  Gebrauche  bringt  man  das  Kupfer-  und  Zinkbläiteheu 
jedeneits  in  den  Mund  awiseben  Wange  und  Zahnileiseh.  Berühren  nun  die  iso- 
lirten Spitsen  die  Kugel,  so  entsteht  eine  Gesehmacksemp6ndttng. 

Die  Telephonsonde  ^Fig.  88),  ( rt'unden  von  Graham  Bkll  .  ver- 
bessert von  IIauvev  (JiKDXER,  besteht  aus  einem  Telephon  </.  welches  einerseits 
mit  einer  Stablsonde  // ,  andererseits  mit  einem  hohlen  Stahlzapfen  o  durch  zwei 
Leitnngssehnflre  verbunden  ist.  Statt  des  einen  können  aueh  swei,  durch  einen 
Stahlbiigel  verbundene  Telephone  benutzt  werden.  Beim  Gebrauche  befestigt  man, 
um  tifide  ll.'hide  l'rei  zu  haben,  die  Telephone  an  dem  Ohren:  der  hohle  Zapfen 
kommt  in  den  Mund,  in  das  Kectum,  die  Vagina  oder  in  die  gut  befeuchtete 
Hohlband  an  liegen,  während  die  Sonde  in  den  Sehusseanal  eingeführt  wird. 


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SCHUSäVEBLBTZUNGEN.  687 

Trifft  die  Sonde  auf  die  Kugel,  90  wird  dieses  Ereigniss  durch  ein  tan  Tofophon 
entsteheDd«  Oertuseh  angekündigt.  —  Kann  die  8<inde  weg-en  Vorlagrernng;  von 

Blutgerinnselo   und  Weichtheilen  oder 
Fig.«.  wegen  Senkung  dar  Eng«!  vUbi  su 

dieier  gelugen  oder  tet  ei«e  Wnnde 
oder  Fistel  llbcrhnupt  nicht  mehr  vor- 
hnnden .  dann  setzt  man  an  die  Stelle 
der  Soode  eiue  Nadel  uud  stösst  dieselbe 
dnreh  die  Bant  ein.  BotNdd  die  Spitie 
der  Nadel  die  Kugel  berOhft,  eotstdit 
das  Gerflusch  im  Telephon. 

Kaufmann -^},  der  diesen  Gegen- 
stand in  der  sn  Ehren  Roohbr*8  her- 
aasgegebenen  Festschrift  erschöpfend  be- 
handelt, empfiehlt  folgendt^n  Versuch : 
Man  halt  das  Telephon  an  s  Uhr,  bringt 
zunächst  den  Stabicapfea  In  «in  mit 
aehwaeher  KoebaalslOsnng  gefälltes  Glas 
und  legt  das  rar  Prüfung  dienende 
MetallHtUck  auf  einem  Bauschen  Bkuxs- 
scher  Watte  (um  die  Berührung  mit  dorn 
Zapfen  an  meiden)  io's  Wasser.  So  oft 
nun  die  Sonde  das  Metallstflok  (Kugel, 
M(inze)  berührt,  hftrt  man  das  Geriuseh. 
Wie  ist  das  zu  erkl&ren? 
Naeh  Girdnbr's  Annahme  sollte  das  Gerlvseh  dnreb  mne  Unterbreebnng 
des  Stromes  hervorgebracht  werden  ;  nach  Kaüfmann's  Untersuchungen  jedoch  ent- 
steht zwinchcn  Simdc  und  ZajdVn  ein  Sfhwarhcr  Strom,  der  beim  BcrlÜiren  de» 
Metallkörpers  durch  dit>  Sonde  eine  Schwankung,  eine  Verst&rkang  erfahrt,  welche 
die  Eisenplatte  des  Telephuns  erregt  und  so  ein  der  Stärke  der  Stromsehwanknng 
entspraehendes  Geränseh  ercengt.  Die  Stiirke  der  Stromschwankung  selbst  richtet 
flieh  nach  der  elektromotorischen  Kraft  zwischen  Zapfen  und  P'remdkörper ,  die 
den  letzteren  berührende  Stindc  hat  Id'K  die  Kolle  eines  Leitungsdrahte>».  Der 
menschliche  Körper  stellt  deu  Elektrolyten  dar  zwischen  Stablzapfen  und  Kugel, 
die  Sonde  vermittelt  den  Stromaehlnsa,  beaiebnngswaiae  die  Lettong  snm  Tal^hon. 

Je  grösser  die  Stromschwankung,  dc^to  deutlicher  das  Gerlnsch ,  und 
daher  wird  man  zum  Auf-^uehen  eines  metallischen  Fremdkörpers  ein  Metall 
wählen,  das  mit  jeuem  eiue  möglichst  grosse  Spannungsditferenz  bietet.  Zum  Aut- 
snehen  von  Bleikugeln,  wie  sie  die  Friedena-Sehnssverletcungen  liefern,  eignet 
sich  Stahl  ganz  gut,  aber  Platin  ist  vid  empflndliober,  und  Katfmann  hat  daher 
die  Stalilidattf .  beziehungsweise  den  Zapfen,  ersetzt  durch  eine  1()  Cm.  lanire 
riatindrahtj^pirale,  die  sich  vortretiiich  bewftbrt.  Er  wählte  den  Draht,  weil 
eine  Platiuplatte  an  tbener  sein  würde,  vom  Platindraht  aber  da,  wo  Galvano- 
eaustik  getrieben  wird,  kleine  Stfleke  immer  abfallen  und  so  besondere  Kosten 
nicht  erwachsen.  Zum  N.ielnvci«  von  Kisen,  Kupfer  oder  Silber  iat  ein  amal- 
gamirter  Zinkstab  besser  ^'^eei;ruet  als  Stahl. 

Die  Telephonsoude  iät  jeder  Suude  dadurch  Überlegen ,  dass  sie  bei  Be- 
rflhmng  der  Kugel  die  Gegenwart  derselben  mit  nnaweifelhafter  Sicherheit  anhebt; 
da-js  also  der  Nachweis  der  Kugel  auch  dann  gelingt,  wenn  die  gewöhnliche  Sonde 
im  Stiche  liisst.  I>a  ferner  die  iei^c-tc  Beriiliniii'r  zum  Hervorbringen  des  (Icr.'uiseljes 
ausreicht,  so  i^t  jede  Gewaltanwendung  UberllUssig.  Reicht  die  stumptc  Sonde 
nieht  aus,  dann  tritt  an  ihre  Stelle  die  Aenpunetumadel. 

Kin  weiterer  Vorzug  der  Telepbonsonde  ist  der,  dass  sie  sich  leicht 
iniprovisiren  liisst.  Telephone  und  Leitungssebnflre  sind  lit'iitzntago  fast  Uberall 
ZU  finden ;  man  verbindet  zunächst  die  Schnur  mit  dem  reltphou ,  wickelt  das 


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638 


SCHUSSVERLETZUNÜEN. 


freie  Ende  der  einen  Schnur  um  eine  Stri<'knadel,  tAn  Btanipfes  Dralitstlick  (»(kr 
dergleichen ,  das  freie  £nde  der  anderen  Sobnnr  um  einen  Täeelöffel  und  der 
Apparat  ist  fertig. 

Mit  deraellwB  Leiehtigkeit  imd  in  denelbea  Welte  IM  lieh  die  Stehl- 
Bonde  ersetzen  dnrob  das  im  gegebenen  Falle  nOthige  Aauiehinatniment  (Kugel- 
zan^e"! ;  auch  hier  erti^nt  im  Telephon  das  Geräusch  .  sobald  das  VtetreflVnde  In- 
strument den  mctallifichen  Fremdkörper  bertihrt,  und  es  ist  klar,  dass  bei 
besonders  schwierigem  Falle,  zumal  beim  Arbeiten  in  der  Tiefe  und  in  Kurper- 
bOhlea,  dieses  Yerfahren  geeignet  ist,  grossen  Nutten  m  gewäliren.  Flg.  89 
smgt  einerseits  die  Verbindung  des  Telephons  mit  der  natiDdrahtspIrale  nnd 
andererseits  mit  der  amerikaniseben  Kugeizange. 


Aber  der  Telephonsonde  sind  in  ihrer  Wirlcsamkeit  bestimmte  Schranken 
gesstst:  ne  verlangt  eine  vnmittelbare  Berflbrong  des  Gesebosses,  und  tlberall, 

wo  diese  Bedingung  nicht  erfüllt  werden  kann ,  ist  die  Sonde  nicht  verwendbar. 
Wir  mtHsen  daher  in  diesen  Fallen  unsere  Ziithidit  zu  V<>rriehtuii;ren  nehmen, 
bei  denen  es  einer  Berührung  der  Kugel  nicht  bedarf :  das  ist  die  I  n  d  u  c  t  i  o  n  s- 
waage  nnd  die  Magnetnadel. 

Die  ursprllnglichc,  von  Hr(;HP:.s  erfundene  Tnductionswasge  besteht  aus 
zwei  kleiueu  hri!zern«'n  Holilcylinderu,  deren  jeder  in  seinem  obereu  und  unteren 
Theile  von  einer  Kupferdrahtspuio  umgeben  ist.  Die  beiden  oberen  und  ebenso 
die  beiden  unteren  I>rahtBpnlen  tsM  dnreb  Dribte  miteinander  yerbnnden.  Die 
beiden  oberen  stehen  femer  mit  einer  Batterie  nebst  Inductionsapparat,  die  beiden 
unteren  mit  einem  Telephon  in  VerbindmiLr.  I>ic  die  oberen  Spillen  durrb- 
laufendcn  Ströme  haben  eine  einander  eutijexeufresetzte  Kiehtuii};.  Weiter  wirkt 
der  Strom  der  oberen  Spiralen  indueirend  auf  den  der  unteren ;  dieser  secundfire 
Strom  Hüft  entgegengesetst  dem  primUren,  und  ebenso  vOTbalten  sich  die  seenn- 
dflren  8Mme  der  unteren  Spulen  unter  Bich.  So  sind  diese  Strome  im  Oleioh- 
g-ewicht  nnd  im  Telephon  ist  ein  fterfiusch  nicht  hörbar:  brinfrt  man  aber  in 
eineu  der  beiden  Cylinder  ein  Metallsttick,  so  wird  das  Gleichgewicht  gestört  und 
im  Telephon  entsteht  ein  Gerlusch. 

Die  BEliL'sche  Inductionswaage,  deren  Einrichtung  aun  der  schematischen 
Zeii'hnnnp^  (Flg.  OO'i  ersichtlich  ist.  besteht  aus  der  Batterie  n  ,  licin  Inductlons- 
apparate  (hj^  dem  Telephon  (cj  und  den  beiden  Spulenpaaren  {ed  und  fgj,  die 


Ftr-ss» 


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SCUUSSVEHLETZUNOEN. 


639 


^  UntersuchunL's-,  beziehun^'-swcisc  (iltMchgrewichtsspulen  bezeichnet  werden.  Die 
Spulen  sind  tl.icli.  Hcheibenfurmifr :  (/  mid  bilden  mit  Batterie  und  InductioDB- 
Apparat  den  primären,  /  und  e  den  secundären  Stromkreis.  Uaa  Spulenpaar  ed  — 
Untertuohungsspulen  —  ist  UDverrfiekbar  vereinigt  und  in  einer  mit  einem  Hand- 
griff versehenen  Kapeel  (F%.  91)  eiogetehlotien.  Das  Spnlenpaar  fg  ist  lo  nit' 
einander  verbunden ,  dass  rieh  die  eine  flher  die  andere  mittelBt  Schmnbenvor- 
ricbtung  verschieben  Idast. 


Flg.  9«. 

e  d 


Will  mau  die  W.ia^re  ;,'ebrauchtMi,  dann  stellt  man  diese  S|)ulen  so,  dass 
das  Geräusch  im  Telephon  ganz  oder  tast  ganz  erlischt ;  dann  führt  man  den 
Sneher,  d.  i.  die  Kapsel  mit  den  Untersttehnngaspnlea  so  lange  auf  dem  be* 
tri  tTt  iu!(  II  Rörpertbeil  herum,  bis  das  (Jerinsch  im  Telephon  ertSnt  nnd  den  Sitz 
der  Kugel  an/.ei^t.  Zum  Auffinden  der  Kngel  seibat  in  der  Tiefe  grtfft  man  nun 
zur  Telephunnadel. 

Indessen  mit  diesem  BsLL-G'iRDNBR'seben  Apparat  Ueas  sieh  eine  Vetterli- 
kugcl  nur  auf  2  Mtu.  Entfernung  nachweisen;  er  hat  den  Fehler,  dass  die  Spulen 
nicht  in  einer  Pibene  liepf^en .  das-s  die  „elektriscbc  (jiMipensation"  sieh  nicht  bis 
xum  Krlösoben  des  Ger&usobes  herstellen  iässt,  da^s  luductiousapparat  und  Batterie 
mangelhaft  arbeiten.  Kaüfmaiw  Uess  daher  durch  Lkuthold  in  Zflrich  einen 
Apparat  anfertigen,  der  die  erwähnten  Fehler  thanliehst  vermeidet 


Fig.  91. 


Die  iJrahtwindungeu  beider  Ströme  betiuUen  sieh  auf  ein  und  derselben 
Spule  und  liegeu  unmittelbar  tibereinander.  Der  Taster  oder  Sneher  ist  Stempel- 
förmig  und  birgt  in  seinem  breiten  Ende  das  Untersuehungsspnlenpaar.  Die  dnreh 

den  Griff  laufenden  Kndeii  der  Drähte  sind  mit  4  Klemmschrauben  verbunden 
(Fig.  92  a.  A'i,  Soll  eiue  Induetiunswaaire  ihreu  Zweck  crfilllcn,  dann  musä  das  elek- 
trische Gleichgewicht  möglichst  vollkommeu  erreicht  werden,  denu  nur  so  erlischt 


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640 


SCHÜSSVERLETZUNGEN. 


das  Geräusch  im  Telephon  oder  wird  doch  so  schwach ,  dass  er  nar  eben  noo^ 
gehört  wird. 

Das  zweite  Spulenpaar  nennt  Kaufmann  den  Regulator  ind  dieser 
hat  folgende  Einrichtung  (Fig.  93):  Auf  einem  Holzgestell  ist  die  Hauptspale  (b) 


Fig.  98. 


H 

B' 

B 

Fig.  03. 


befestigt  und  trft^t  an  der  freien  Seite  die  für  dio  Spulenenden  bestimmten 
Klcmmsclirauljen.  Die  zweite,  !<cbmällore  Spule  ivi,  seeundfir,  kann  mit  Hilfe  einer 
Schraube  in  i;ri»s*»ere  oder  irerin;?ere  Eutfernun^  von  der  liauptspule  gebracht 


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SCHÜSSVERLETZUNGEN. 


641 


werden.  Lflsst  sich  auf  diese  Weise  das  Gleichgewicht  nicht  genflgend  herstellen, 
führt  man  in  die  Oeffnung  e  des  Schraubenhalters  an  einem  Führungsstabe  (f) 
das  Rupferstück  g  ein  und  bewirkt  so  die  genaue  Regulirung.  Zur  Erzeugung  des 
Inductionsstromes  dient  ein  gewöhnlicher  Schlittenapparat. 

Sehr  wichtig  ist  die  Art  des  Metalles,  aus  dem  der  zu  suchende  Fremd- 
körper besteht,  und  je  grösser  die  elektrische  Leitungsfähigkeit  des  Metalles, 
umso  stärker  die  Einwirkung  auf  das  Telephon.  Daraus  folgt,  dass  das  Auf- 
finden einer  Bleikugel  viel  schwieriger  ist,  als  das  eines  Stahlmantelgeschosses; 
so  gelang  Kaufmann  der  Nachweis  der  bleiernen  Vetterlikugel  auf  1-5—3  Cm., 
der  des  Kupfer-  und  Stahlmantelgeschosses  auf  6 — 10  Cm.  Entfernung.  Besonders 
ungünstig  stellt  sich  die  Revolverkugel ,  deren  Nachweis  nur  bei  ganz  obertiäch- 
licher  Lage  (\ — 1 A,  Cm.  tief)  möglich  ist;  immerhin  sind  die  im  Schftdeldache 
steckenden  Kugeln  dem  Verfahren  zugänglich. 


Fig.  M. 


filoktromikrophonJacber  Kngeliucher. 


Bei  Stahlmantelgeschossen  dürfte  das  in  der  KoCHBRschen  Klinik  bei 
magnetisirbaren  Fremdkörpern  ausgebildete  Verfahren:  An  wen  dun  g'-*^)  der 
astatischen  Nadel  nach  vorheriger  Magnetisirung  des  Fremdkörpers, 
in  den  meisten  Fällen  aunreichend  sein.  Dabei  sind  wesentlich  zwei  Punkte  zu 
beachten.  Je  kleiner  das  Geschoss,  beziehungsweise  der  im  Körper  stecken  ge- 
bliebene Theil  desselben  ist,  einer  um  so  stärkeren  Magnetisirung  bedarf  derselbe, 
80  dass  man  sich  am  zweckmässigsten  des  Elektromagneten  bedient.  Ein  6  bis 
6  Pfund  tragender  Hufeisenmagnet  m.ignetisirt ,  nach  SACHS,  ein  reines  Stabl- 
geschoss  von  7  Mm.  Durchmesser  und  30  Mm.  Länge,  das  1  Minute  laug  in 
o'O  Cm.  Entfernung  von  dem  Mittelpunkte  der  Verbindungslinie  beider  Pole  lag, 
derartig,  dass  dasselbe  die  astatiscbe  Nadel  auf  3  Cm.  Entfernung  ablenkt.  (Das 
Magnetisiren  geschieht  in  der  Weise,  dass  mau  die  Gegend,  wo  das  Geschoss 
muthmasslich  sitzt,  vor  dem  Elektromagneten  hin  und  her  bewegen  lässt.)  Ferner 
Encyclop.  Jahrbüdier.  III.  41 


642 


SCHUSSTEBLETZUNGEN. 


muSxH  das  Natlelpaar  an  einem  f  o  r  o  n  fadtMi  auf^cehiing^t  sein:  letzterer  ist  oben 
an  einem  Häkchen  befestigt,  das  in  einem  Korkstöpsel  sitzt.  Beim  Gebrauche  läast 
man  die  Nadel  frei  über  dor  Oberflitobe  des  betreifenden  KörpertbeileB  aebwebon 
od«r  imh  maebt  den  kittiien  Api»arat  fest  ud  fllbrt  den  Kflrpertiiail  m  der  rubig 
stehenden  Nadel  vorüber.  Im  letzteren  Falle  bringt  man  die  Nadel  in  eine  ent* 
sprechend  frrost^e  Glafdoge,  deren  Deckel  eine  senkrecht  stehende  Glasröhre 
trägt,  in  deren  oberes  Ende  der  Kork  mit  dem  Coconfaden  eingesteckt  ist. 

Ein  „neuer  elektromikrcpboniaeher  Kogeliueber**  von  A.  Klvin  in  Gent 
(Flg.  94)  bestebt  hub  einem  runden  Dosentelephon ,  einem  Quecksilberoxydul- 
element, sowie  aus  den  erforderlichen  Leitun^rsschnüren,  ITolzhcften,  Nadeln  und 
Sonden.  Zur  Füllung  des  Elementes  schraubt  man  den  mit  einem  breitun  Messinge 
baken  versebenen  Deekel  ab,  breitet  auf  der  Koblenplatte  4  LOflM  Qoeeksillyer- 
oxydul  aus  und  vermischt  es  mit  deätillirtem  Wasser ,  so  dass  die  Zinkfläche  beim 
Aufschrauben  des  Deckels  tjanz  in  die  FüUunf^  eintaucht.  Ist  das  gefüllte  l'Ieiiient 
in  das  Dosentelepbon  eiugehilugt,  t<iud  die  LeituugsachnUre  in  den  Klemmsehrauben 
befestigt,  die  Hefte  mit  Sonde  nnd  Nadel  versehen,  dann  ist  der  Apparat  zum 
Oebrnnehe  fertig.  Das  Element  muss  am  Ohr  mOglidist  waagreeht  gehalten  werden, 
um  ein  Durchdringen  der  Flüssigkeit  zu  verhüten.  Die  an  dem  einen  Hefte  be- 
festigte Nadel  wird  da  leicht  unter  die  Haut  eiiifrestosson,  wo  die  Kugel  ungef.ihr 
vermuthet  wird,  während  die  am  anderen  Hefte  sitzende  Sonde  im  Schui<seanalo 
vordringt.  Berührt  die  Sonde  die  Kugel,  so  wird  im  Telephon  ein  dentliehes,  aneh 
auf  Entfernung  börbarM  Geräusch  hervorgerufen.  Ist  die  Kugel  von  der  stumpfen 
Sonde  nicht  erreichbar,  m  kann  dieselbe,  wie  bei  der  Telephonsondef  durch  eine 
spitze  Nadel  ersetzt  werden. 

Die  Yerletsnngen  der  kMneallbrigen  Gewehre  stellen  aneb  an  die  Ex  trae- 
tionsinstrumente  andere  Aufordernngen  als  die  der  alten  Rleigesohosae :  der  Ein- 
nnd  AussehuHS  ist  klein,  der  Schussgang  eng,  das  fieschoss,  auch  wenn  es  nicht 
zersprengt  ist,  schmal,  hart  und  glatt.  Die  alten,  für  Bleikugeln  bestimmten  Instru- 
mente mOssten  daher  geändert,  d«i  neueren  Gescboesen  angepasst  werden.  Sie 
sollen  so  besehaffen  sein,  dass  sie  niebt  blos  in  den  engen  SebuBSgang  dndringea 
können ,  sondern  sich  auch  in  demsell)cn  öffnen  lassen :  sie  sollen  das  harte 
nnd  glatte  Gesoboss  fest  fassen  und  festhalten  und  nicht  von  demedben 
abgleiten. 

Reinbk  in  Wien  nahm  anniehst  die  amerikaniscben  Kugeteangen  in 

Angriff  und  änderte  dieselben  in  der  Weise,  dass  er  ihnen  beiderseits  mindestens 
zwei  sehr  scharfe,  kurze  Spitzen  (iah,  so  dass  sie  den  Stahlniantel  fest  fassen  und 
dass  die  Arme  der  Zange  auch  bei  Auwendung  grösserer  Gewalt  sich  nicht  ver- 
sehieben.  Die  Zangen  sind  aerlegbar,  leiebt  sn  reinigen  nnd  so  seblank,  dass  sie 
auch  in  enge  Gänge  eindringen  können.  Die  in  Fig.  ')o  abgebildete  Zange  wird 
in  drei  verschiedeneu  Formen  geliefert  :  n  endigt  in  eine  kleine  Verbreiterung, 
welche  ihrerseits  in  zwei  ganz  kurze,  scharfe,  an  der  Basis  jedoch  starke  Spitzen 
aosllnft ;  bei  dieser  Form  greifen  blos  viw  Spitzen  an ,  während  die  Form  b  in 
einer  Aushöhlung  eine  breitere  Rdbe  kurser,  spitzer  Zflbne,  am  Ende  eine 
schmälere  Reihe  eben  solcher  Zfihne  tr.tgt ;  die  Zäliiio  sind  vertieft,  krcisseginent 
förmig  so  angeordnet,  dass  sich  alle  genau  an  das  l'rojectil  anlegen:  zum  Fest 
halten  des  letzteren  genügt  schon,  wenn  nur  die  vordere  Zahnreihe  gefasst  hat; 
gelingt  es,  die  Zange  80w«t  vorzusehieben,  dass  aneb  die  rliekwirtige  Zahnrrihe 
anfassen  kann,  s"  i  t  die  Fixirung  natürlich  noch  sicherer.  Zu  erwühnen  ist  zu 
Fig.  95/'  noch,  dass  die  vordere  Verbreiterung  ooniseb  znlAuft  behufs  leichterer 
Passirung  des  Schusscanales. 

Fig.  95  0  ist  eine  Combination  einer  sehmalen  Komsangenform  und  der 
Form  o,  das  heisst,  die  schmalen,  ausgehöhlten  und  innen  fMn,  aber  scharf  ge- 
zähnten Branchen  laufen  in  zwei  scharfe  ."spitzen  aus:  diese  Spitzen  allein  fassen 
schon  ziemlich  sicher  an,  beim  \  orsehieben  greifen  dann  ebeusuwobi  die  Spitzen, 
als  aueh  die  in  der  Aushöhlung  befindlieben  scharfen  Biffe. 


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SOHüSSYEBLETZUNGEN. 


643 


Fig.»S. 


f 


Fiß.  96. 


Cm  den  RanmaiMpnich  der  Zrage  beim  Oeffoen  auf  ein  möirUehat  g^inges 
Maas  sn  besehränken,  hat  Kriner  dio  Einrichtnn^  der  GOLLiK'sehen  Gelenksaagen 

auf  die  Kuirelzange  übertranr^n  und 
dieselbe  ebenfalls  zerlegbar  hergestellt. 
Das  Gebin  kann  beliebig  geformt  wer- 
den. Behnfe  Zerlegung  hat  man  nichts 
weiter  zu  thnn.  als  die  Z.-uiire  mit  Dhu- 
men  und  Mitteltiugtr  der  reoLu  ii  Hand 
in  den  ßingeo  wie  zum  Gebrauche  ge- 
öffnet zn  halten,  während  gleiebz^g  der 
Daumen  der  linken  Hand  den  Icurzen 
Hebplarm  h  vom  Hauptarme  der  Zanj^e 
wegdrängt,  wobei  der  Nagel  des  Dau- 
mens dureh  Eindringen  mithilft;  es  mnss 
die  Branche  b  soweit  abgehoben  werden, 
dass  sie  ans  dem  Stift  bei  h  los  wird : 
daou  lässt  sich  suwuhl  b  als  c  durch 
Drehung  nnd  Qnerstellung  in  der  be- 
kannten Weise  auslösen  uud  die  ganze 
Zanfro  in  die  einzelnen  Theile  zc'rlc;ren. 
Die  Zusammensetzung  geschieht  iu  um- 
gekehrter Reiheofulgc  ebenso. 

Literatur:  *)  Brnns,  DieOescbosB- 
wirknng  dir  neuen  Klein<-ali})*?ri:'-w.'lirf .  Ein 
Beitrag  zur  Heurthfiluug  der  Scluisswunden  in 
künftigen  Kriefren.  Tübingen  188'^,  LauppVche 
Bacbhandlung.  Derselbe,  Ueber  die  kriegi» 
chimrgisebe  Bedeutnoi;  der  neuen  Fenerwafflea. 
V(irtr.  a  il.  XXI.Cungr.  d.  deutKclien  Gesellsch. 
f.  Chir.  in  H.  rliu  189;^.  —  =•) "  1U>  e  r.  «>  Die 
Gewehrsi'huK-swundcn  der  Nfuzeit.  Strassbatg 
168i   bei  Schnitze,  Die  Aiifordernngen 

der  Hnnianität  an  die  Klcingewehrprojectile. 
Deatsche  niilitiiiMrztl.  Zeitsrhr.  c)  N<'ue  Heoh- 
aebtnagen  über  Gewehrscbusswunden.  Ebeadaselbst  1667.  dj  Ueber  die  kriegscbirarglnlie  Beband- 
lang  der  neaen  Feoerwaffeo.  Vertrag,  gehalten  am  XXF.  Congr.  d.  deutschen  Oeselbeb.  f.Ohir.  in 
Herlin  189'^.  —  *)  Kikuzi.  üntersniluinpen  über  die  physikalische  Wirkung:  dor  Klt-inircwelir- 
j»rojectile.  Tublugeu  189Ü,  Laupp'sche  Buchhaudlung.  —  •)  Hal>art,  Zur  Fragt-  uiuderner 
Kleincalibergi'schosse.  Wiener  med,  Presse.  1889,  Nr.  20-  Dcrsellie.  Zur  Gt-schosstrago  der 
Gegenwart  cod  ihre  Wecbeelbesiehongen  snr  Kriegschirargie.  Wien  1890.  Alfred  Hölder.  Der- 
selbe, Die  OesebosswirkunR  d.  8-MiUiineterbandretter»airen.  Eine  forensiacb-chlmiigisehe  Studie. 
Wien  Ik'I  Saf;'if.  —  *)  Dclornm  et  Chavasse,  itlmfe  coinjiinifii  e  det  tffets  i»-<>.!u'i(s 

par  les  ballen  il«  fusi!  f,'r-is  vt  i/u  /usil  Lehel.  Arch.  de  med.  et  de  pharm,  mil.  189 1 ,  .WH. 
W.  Both's  Jahres  M  i  i  tit  ulmr  die  Leistungen  und  Fortschritte  an f  dem  Crebiete  des  Militär- 
sanitätswesens. XVII.  Jahrg.  —  ')  v.  Ueyking,  Belehrungsschiessen  für  Sanitätsotttciere  in 
Spandan-Rnhieben  am  2.  April  18'.i2.  Deutsche  inilitärnrztl.  Zeitschr.  \  8'^2.  Hf-ft  5.  —  *)  Klemm. 
Zur  Frage  der  Sclinssverletzungen  des  Magen-  und  Darmtri'  ru-,  Deutselie  Zeitschr.  f.  Chir. 
XXXIII,  pag.  293. —  **)  Ueesner,  Wird  daa  Gescboss  durub  dio  im  üewebrlaof  statttiudende 
Erhitxnng  steriUsIrt  ?  Yortr.  auf  dem  XXf.  Oongr.  d.  deutschen  (Jesellseh.  f.  Obir.  fn  Berlin  1899f. 
Münrhener  med.  Wnchcnschr.  1802,  Nr.  '4').  -  ')  Karl  Seydel,  Lehrbuch  der  Kriegschirurgie. 
Stuttgart  1893,  F.  Enke.  —  v.  Zocgo- M  a  n  t  euffo  I ,  Krirgsihirurgisilie  F,rfaiirungen  aus 
der  Friedenspraxis.  Arch.  f.  klin.  Chir.  1889,  X.XXVIlf,  pag.  118.  —  '-)  Bogdanik.  Die  (Je- 
■ehosswirkung  des  ManuUcbergewehrea  M.  S8.  Wiener  Klinik.  1890.  Heft  12.  —  ")  Stitt, 
Beriebt  Uber  Wanden  mit  dem  Mannlichergewebre  im  Chilenischen  Bürgerkriege.  The  medic. 
rtcnrd.  6.  Febr.  189:^.  Deutsche  niilitär.irztl.  Z.  it.'ir  hr.  ISy  >,  Heft  5.  —  'V)  V  i  c  f  o  r  W a g n e  r, 
Beitrage  zur  Kenutni.s.s  iler  Ge.who.s.swirkung  des  kleincalibrigen  Gewclircs.  Kliu.  Zeit-  u. 
Streitfragen.  1R9Ü,  Heft  8  9.  —  '^)SaioLieto,  Zwei  Falle  von  8<hus.swunden  vermittelst 
kleiacalibriger  Gewehre  und  die  daza  gehörigen  Leichenbefunde.  Aprilheft  des  Giornale  med. 
de!  Ro.  Esercito  e  della  Ra.  Marina.  Deutsche  militarärztl.  Zeitschr.  ]H'^-4,  Heft  8.  —  *')  Do- 
li o  s  c  i- w  i  c  z ,  Zar  Kenntni.'is  der  Schu.ssveri>'t/,iingi'n  daicli  d  is  ii.sterreichische  8  Sit«.  Mann- 
licbergewehr.  Wiener  med.  Presse.  1892,  Nr.  35-  —  '*>  Muroso«,  Ueber  die  zerstörende 
Wlrknng  «tor  oNdenieB  Projaetile.  Vortr.,  gehalten  anf  der  III.  russischen  Chirarg^nversamm- 
Inag.  Bet  T.  HeidenTsidi.  Centralbl.  f.  Ohir.  188!l,  png.  427.  —      Haase,  Der  Dienst  der 

41* 


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644 


SCHUSSVERLETZUNGEN.  -  SCHWABZWALDCDRORTB. 


VtFinilldet(ntra[:<'r  ini  ZiikunftBkriege.  Vortra;.',  irehalten  auf  dem  XXI.  Congr.  der  deutüchen 
Getellsdi.  f.  Cbir.  Berlio  1892.  —  v.  Bergmann,  Ueber  den  einheitlicbm  Verband  auf 
dm  Selileehtfdd*.  Ileotsehe  nllltirintlidie  Zsitidir.  1889,  pag.  53S.  —  **)  Langenbneh, 

Zur  ersten  Yersurgung  der  LeichtverwQndeten  anf  dem  Schlachtfaid«.  XXI.  Congr.  d.  deutschen 
Oesellscta.  f.  Cbir.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1892,  Nr.  18.  —  Kürte,  Progno.w  nud 
kriegschimrgi-^che  Behandluns  der  Banchschöi^se.  Berliner  klin.  Wochenschr.  1890,  pag.  Ti.  — 
''j  Eilert,  lieber  die  BeäandJang  perforixander  Wunden  da«  Baaohea.  Daataoba  ndlitarinrtl. 
Zaiticbr.  18B9,  pag.  531.  —  '*)  Lflhe,  Zar  Behandlmtg  dtttcbboturmider  Banebwimdeii.  Blien* 
da=f'll  St.  1892,  Heft -1  ff.  —  Senn,  Behandlung  der  Si-hnsswnnden  des  Magen- und  Darm- 
canales.  Volkmann's  Samml.  klin.  Vortr.  Zweite  Serie.  Leipzig,  December  1892,  Nr.  59,  Breit- 
kopf &  Härtel.  —  *')  C.  Kaufmann,  Ueber  den  Nachweis  metalUsdiar  Frendkörper  im 
menschlichen  Körper  mittelst  der  telephoniachen  Sonda  und  der  Indnctionswaage.  In  der  Fes^ 
Schrift,  herausgegeben  zu  Ehren  de»  Profes.sor.-«  Kocher  in  Bern.  Wiesbaden  1S91.  —  **)  Willy 
S  ;i  r  h  >i ,  I>ie  31a>;n<-tna(]t  i  als  diagnotiti.sche.s  Hiltsniittul  in  der  Chirurgie.  AVS  dar  cUr. 
Klinik  des  Prof.  Kocher  zu  Bonn.  I>entaGhe  med.  Wochenschr.  1891i  Nr.  6. 

Wolsasdorft 

SchwanwaMCUrOrtS.  Der  Sohwarzwald  umfasst  23  mit  Heilquellen 

verseliene  Ciirorte  und  12fi  sogenannte  Luftcurorte  und  Sommerfrischen.  Unter 
den  ersterea  nehmen  die  indifferenten  T  h  e  r  m  e  n  (Akratothermen)  die  erste 
Stelle  ein.  Die  Zahl  der  Curorte  mit  solchen  Thermen  ist  8 ;  die  Temperatar  der 
Quellen  steigt  bis  69*  C.  Nach  der  Temperator  ihrer  Quellen  geordnet  sind  ce 

Sulzburg  Temperatur  17"  C. 

Sulzbach   „        21"  C. 

Erlenbad   „        22-2«  0. 

Liehensell   „  23*7— 27*5*  C. 

Badenweiler   „         26-40  C. 

.Sitck innren   „         29-6«>  C. 

Wildbad   „        32-Ö— 36-7o  C. 

Baden-Baden   „  44 — 69^0. 

Die  letstgenannten  Thermen  wflrden  wir  geeigneter  ale  Koohsalitliennen 
bezeichnet  finden.  Die  Baden-Badener  Quellen  werden  ausser  zum  Baden  eben 
wegen  ihres  Gehaltes  an  Chlornatrium  (2  Grm.  pro  Liter),  an  Lithium  und 
Arsenik  zu  Trinkcuren  benutzt. 

Die  zweite  Stelle  unter  den  Sehwarswaldenrorten  nehmen  die  Orte  mit 
Stahlquellen  ein;  diese  sind  8  in  schönster  Gebirgsgegend  gelegene  Quellen 
mit  einem  Gehalte  an  Eisenoxydul  von  0'0Ü!t9 — 1)1142  Grm.  auf  lUOO  Grm. 
Wasser  mit  einem  entsprechenden  Kohlensäuregehalte  von  158 — 1042  Ccm.  pro 
Liter  Waaeer.  Sie  sind  nach  ihrem  Gehalte  an  ^enozydnl  geordnet: 

Rippoldaau:  Wenzeh|uelle  .  .  01142  Grm.  in  1000  Grm.  Wasser 
Leopoldquelle  .  0  0546  n  n  n  n  » 
Josetquelie  .  .  00474  „  r>  n  n  n 
Preiersbieh:  Sehwefelquelle  .  0*1012  „  „  „  „  „ 
Gasquelle.  .  .  0*0782  n  n  n  n  » 
Griesliaeh:  Antoniusquelle  .  00782  n  n  n  n  n 
.losefquelle     .    .    0*0593  „      „      „  „ 

Anlogasl:       Petersquelle  .    .    0  0464    n     n      n      n  n 
Antoniusquelle   .    0*0893    „     n     n     n  n 
Petersthal:     Petersquelle  .    .    0*0461    n     »     »     »  » 
Salzquelle.    .    .    00451    „     n      n      n  n 
Sofieoqnelle   .    .    0*0440    n     n      n      ■»  n 

Rothenfels   0*0240    n     n      n      n  n 

Sulzbach   00099    n     n      n      n  n 

Teinaeh:        Dintmiinellc  .    .    0*0169    n     n      n      n  n 
Wie.-ieuquelle.     .    0*0182    „      „  „  „ 

Bachquelle    .    .    0*0076    n     n      »      »  n 
An  dritter  Stdie  sind  die  Soolbäder  zu  nennen,  deren  der  Schwär*« 
wald  zwei  besitzt:  Rheinfelden  und  Darrheim.  LctSteres  ist,  700  Meter  über  dem 
Meere,  das  höchst  gelegene  Soolbad  Deutschlands. 


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SCaWARZWALDCUBüBTE.  —  SCHWEFELKOHLENSTOFF. 


645 


Von  den  Saoerlingen,  den  Schwefelquellen,  den  alkalisch* 
erdigen  and  alkalisch-saliniRohen  Quellen  des  Sohwanwaldea  sind 
Teinacb,  Langenbrücken,  Boll,  Grenzacb  hervorzuheben. 

Was  die  Bedentnn;  der  Lnfteororte  betrifft,  so  stellt  der  Sohwanwald 

ein  mächtiges  Ur^^birge  dar  mit  einer  Länge  von  Nord  nach  Süd  von  200  Knu 
und  einer  BriMte  von  etwa  20 — 50  Km.  und  einem  Flächengehalte  v(in  7Ar)2  Qua- 
dratkilometer. Nach  Süden  und  Werten  fällt  er  steil  gegen  das  Hheinthal  ab,  hat 
tief  eingesebnittene  Tbftler,  während  er  nach  Osten  allmälig  in  das  sehwftbisehe 
Hoehplateaa  Übergeht.  Die  Erhebung  erstreckt  sieh  bis  1493  Meter  (Feldberg). 
Etwa  die  Hälfte  der  Oesammtfllche  bis  65  Procent  i-^t  von  den  herrlichsten  Wäldern 
bedeckt,  von  diesen  sind  Nadelhölzer,  '  *  Laubholz.  Die  Luft  ist  absolut  rein, 
die  Strassen  uud  Wegeanlageu  überall  wohl  gepflegt.  Alle  Sommerfrischen  des 
Sehwanwaldes  haben  gute  Verbindungen  fOr  Personen-,  Post-  und  Telegraphen- 
verkehr,  in  jeder  Höhenlage  von  150  Meter  Uber  dem  Meere  bis  zu  nahezu 
1800  .Meter  finden  Kranke  und  £rholttngsbedttrftige  gute  Unterkunft,  Aerzte 
und  Pflege. 

Literatur:  Uebsr  die  Bedeatnag  und  EatwlcUnag  der  SekwarswaldcBTorte  von 
Fr«7.  T«rbandlQag«B  der  fialneotoigisckea  GeseUachaft.  BerUn  1892.  Kiseh. 

SchwefelkohlenStolf.  (Vergl.  Keal-Encyclopädle,  IL  Aufl.,  Bd.  XVllI, 
pag.  102.)  Unter  den  dureh  Sebwefelkohlenstoff  hervorgerufenen  ebronisehen  6e- 
Bundheitsstdrungen  bei  Kautsehukarbeitern  n.  s.  w.  sind  in  den  letzten  Jahren 

namentlich  hMnfi^'  Sehstfirunfren  beobachtet  worden,  die  oft  nach  I^'scitijrung  der 
all{;cuieiuen  lutoxication  persi^tiren.  Es  baudelt  sieh  in  den  meisten  Fällen  um 
Amblyopie,  wie  sie  zuerst  in  England,  dann  auch  in  Deutschland,  Frankreich  und 
Belgien  beobaehtet  warde,  meist  mit  einem  eentralen  Seotom,  manehmal  mit  Farben- 
blindheit, in  einzelnen  Fällen  mit  Farbensehen  verbunden.  In  den  mdsten  Beob* 
achtungen  sind  Veränderungen  des  Augenhintergrundes  nicht  nachzuweisen  ;  manch- 
mal finden  sich  Veränderungen ,  partielle  Blässe  oder  Röthun;;  der  Papille  oder 
an  einem  manlbe«rf5rmigen  Herde  vereinigte  sarte  weisse  Stippehen  in  der  Ketz- 
hautmitte.  Die  Prognose  ist  in  fast  allen  FJUlen  gttDStig;  Stryehnin  aehebt  die 
Genesung  zu  besehleunifreu.' i 

Die  durch  SehwefelkoblenstoÖ'  in  der  Mehrzahl  der  chronischen  Intoxi- 
eationsfilUe  zu  beobaehtende  Lihmung  mit  laneinirenden  Schmerzen,  die  in  frflheren 
Stadien  eine  Art  von  Ataxia  aulfocarhomca  bildet,  wird  jetzt  allgemein  als  peri- 
pherische Neuritis  aufgefasst.'-)  Hei  manchen  Kranl<en  existirt  ein  Krankbeitsbild, 
das  exquisit  an  Hysterie  erinnert,  z.  B.  halbsoitiire  J^;ilimun;j  und  Anästhesie  neben 
Erregbarkeit,  Insomnie  und  deprimirter  Stimmung.-^;  Mitunter  kommt  selbst  aus- 
gd>ildeter  Glohu»  hyatericut  vor.  Bei  der  peripheren  Neuritis  finden  sieh  aneh 
elektrische  Erregharkeitsveränderungen ,  namentlich  auch  Entartungsreaction,  wie 
sie  bei  metallischen  peripheren  Neuritiden  v(»rkommen.  In  vielen  Fällen  ist  jedoch 
jedeufalU  die  Nerven  Veränderung  nur  eine  unbedeutende,  da  auch  bei  anscheinend 
sebwerer  lutoxication,  s.  B.  bei  eompleter  Paralyse  der  unteren  Extremitäten  mit 
Anästhesie  und  Auf  hcbnng  sämmtiieher  tiefen  Reflexe,  aehon  in  6  Woehen  eomplete 
Heilung  eintreten  kann.^t 

Obschon  die  Intoxieatiou  der  Kautschukarbeiter  in  der  Regel  durch  la- 
balation  zu  Stande  kommt,  giebt  es  doch  Filte  von  Scbwefelkohienstofflfthmnng, 
bei  welchen  die  eigen th timliehe  Looalisation  der  Lähmung  auf  eine  loeale  Ein- 
wirkung' de-i  <;it*tes  durch  die  Haut  hindeutet,  wie  Analoges  ja  auch  liei  der  I?!ei- 
lUhmung  beobaehtet  i.st.  I5ei  Arbeitern  in  (iunuuit'altriken,  die  mit  dem  P'.iiitaucheii 
des  Kautschuk  in  die  Chlorschwefel  Sehwefelkohlenätoil'miächuug  beschäftigt  sind, 
kommen  an  den  dabei  betheitigten  Armen  Paralysen  einzelner,  bei  der  Arbeit  vor- 
waltend betheiligter  Muskeln  mit  ei^'enthümlicher  Fiuirerstellun;:  vor.^ 

Aiieh  acute  Manie  ist  mitunter  die  Ful^-e  der  SchwefelkohleHütoffvergiftung 
in  Kautschukiabrikeu,  ohne  dass  paralytische  Lr.scheiuuugen  sie  begleiten,  in  eiu- 


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64ß      SCHW£F£LKOilLEKäTOFF.  —  äCUW£F£LWAää£HSTOFFY£H(ilFXUNG. 


zeliieii  Fallen  wird  das  Vorausgehen  von  Kopfweh  und  gleichzeitiges  Bestehen 
von  Tremor  nnd  Nervositüt  betont.  Die  Prognose  ist  günstig,  doch  vergehen 
mehrere  Monate,  seibat  1     Jahre  bis  zur  Heilung.*^) 

lieber  die  Mengen  tob  Sebwefelkobleiistoff,  welche  einer  Lnft  beigemengt 
-tin  müssen,  um  aeute  Vergiftung  zu  veranlassen,  lehren  im  Würzburger  hygie- 
uisoln'n  Institute  nnjr<stellte  V<'rs!i('hi' .  da-s ,  während  hei  0*5 — 0  8  Mgrm.  im 
Liter  Luit  der  Aufenthalt  ohne  üetahr  iät  und  3 — 6  Mgrm.  im  Liter  längeren 
Aafenthftit  yerbieten ,  ein  Gehalt  von  10  Ugrm.  Reizung  der  Schleimhäute  der 
Athemwerkzeuge  and  alimftliges  Benommen  werden  des  Sensorinma,  Kopbduaenen, 
Herzklopfen,  Prieordialangst,  Kriebelgefahle  and  andere  nenrOse  Symptome  her- 
vorruft. 

Dhss  bei  der  cbronidcben  ächwefelkohlenstotTvergiftuug  die  durch  das 
Gift  bewirlcten  Blntvertndemngen  dne  Rolle  spielen,  ist  nach  den  neuesten  Ver- 
suchen an  Thieren  als  unzweifelhaft  anzusehen.  Bei  Thiereu  fehlen  nach  West- 
FKl-l»"!  die  cliarakterisfischcn  VcnliKlerunircii  der  nUitknrpcrchen  und  di««  Hpcetro- 
skopiächcQ  Zeichen  der  iSchwefelwasserHtotioiuwirkung  auf  Blut  in  der  acut  durch 
Lähmung  des  A^emeentrams  Mdtlieben  Intosieation ,  treten  jedoeh  mit  grosser 
Dentlichiceit  hervor,  wenn  man  Thieren  wiederholt  starke  Vergiftung  erzeugende 
MoDLTt'n  des  Giftes  adniinistrirt.  Die  Verilnderun^en  der  Blutkörperelien ,  die  mit 
Foikilnrytenbildung  beginnen  und  mit  der  lÜIdinijr  unroarelmilssif^er  Körner  und 
dem  Auftreten  von  Schatten  abächliessen ,  uud  die  Altoration  des  Blutspectrums, 
in  welchem  anscheinend  der  Methimoglobiostreifen  im  Roth  auftritt,  sind  sowohl 
bei  Inhalatimi  als  bei  intravenitoer  und  siiii^  utancr  Vergiftung  die  nimliehen  und 
entsprechen  genau  denjcnie'on  ,  welche  die  \  i  r;riftiinjr  mit  X  anthogensfluro, 
die  sich  im  Blute  in  Sehwefelkuhlcnstuti  und  Alkohol  »paltet  (s.  Real  Encyclopädic, 
Bd.  XVIII,  pag.  103),  erzeugt. 

Für  die  Diagnose  der  acuten  Schwcfelkohlenstoffvergiftung  ist  die  Unter» 
suchung  des  Athens  und  in  tödtlicli  verlaufenen  Filllen  atidi  di  s  Blutes  von  beson- 
derem Interesse.  In  der  exspirirten  Luft  ist  der  Geruch  des  Schwefelkohlen- 
stotfea  deutlich  wahrnehmbar.  Das  Blut  wird,  um  den  chemisuheu  Nachweis  zu 
liefern,  nach  Verdünnung  mit  Wasser  der  Destillation  unterworfen  nnd  das  De- 
stillat auf  sein  Verhalten  gegen  ätherische  Triäthylphosphorlttsung,  in  der  sich  ein 
rother  krystalliiiiseher  NicderscbiüL'  abscheidet,  geprüft.  Auch  Khodaiiammonium, 
da.s  mit  Schwefelkoblenstotl'  Kotht.-irbung  giebt,  lässt  sich  zum  Nachweis  benutzen ; 
doch  ist  diese  Reaetion  weniger  empfindlieh. 

Literatur:  *)  Vergl.  ttberSchwefelkoblenatoffiamblyopie :  Nettleship.  Amhli/opin 
find  iierroMs  depretaüm  from  tke  vapour  qf  bisitißilr  of  earbon.  Brit.  med.  Jonm.  18f'4,  II, 
|)ug.  7')>>;  Ein  Fall  von  Schwefe1koilenstofnini1>l.vi'i<i(>.  CentralW.  f.  Angenlilc.  1889,  pag.  IHS; 

H  i  r  s  <■  Ii  l»cr  R ,  ."^chwefrlkohlf  nstoffvcr^-iltiitifr.  IC'irjLi,  [nij-  ;  Nuel  und  Ijeplat,  -1»«- 
blifupie  <lue  a  l'intoxication  par  h  sttl/ure  lic  uii  bone.  Ana.  d'oculist.  CI .  pag.  145,  1880; 
Gallemaerts,  AmMyopie  par  le  «ul/ute  de  earbone,  1890.  Jonrn.  de  l'Acail.  de  Bmxelles. 
Jaill.  14.  Ann.  d'ocnlist.  ('IV,  pag.  154>  —  *)  Ohart-ot.  On  poisonhi;/  irith  hisultUh  of 
earbone.  Phtlad.  Rep.  1889.  March  23.  —  Marie,  Sii/f'itrc  de  rurhoue  «7  hi/sli'rie.  Gaz. 
helidojii.  IS'*'^,  Nr.  47;  Maass,  Uebtr  S^chwelHlkohleDstort verjriltuiif;.  I>i-s.,  Bi;riiu  1890.  — 
*)  Eüge,  Oh  a  eaw  of  peripheral  uecrUia,  cuused  by  the  inhalation  o/  bisulji<ie  0/ ewbon. 
Lancet.  I89il,  I)«c.  7,  pa^r.  1167-  —  *)Kaether,  Üeber  SchwefeIkohleiistoflVerglfhiog«a. 
Di-v,  I'it'rlin  l*»~tj  —  ^1  Potcrson,  Thm-  casr-i  nf  unitr  iti'i.iin  t'rom  itiholinf/  tyirhon 
bi.-'iilf  '/f  Boston  med.  Jonrn,,  Oct.  ti,  pag.  3^">-  —  ')  Ro  s  (•  ii  b  I a  1 1 ,  Leber  die  Wirkung  von 
C^_,-DaDipfcn  auf  den  Menacben,  nebst  Verbuchen,  derm  Giftigkeit  zu  bestimmen.  Würzburg  1891. 
—  ")  Westbarg,  Beitrüge  aar  Kenntniss  der  Schwefelkohlenstoff rergiftnag.   Dorpat  1891. 

Hnaemana. 

Schwefelsäure,  Bildnng  im  Tbierkorper,  pag.  129. 
Schwefelwasserstoffvergiftung,  rver^'i.  Kcal-Kuryclupiidie,  II.  Aufl., 

Bd.  XVlll,  pajr.  ;").■},  KuO.)  In  l!c/.u;r  aut"  die  Tode.-iurKaelie  l)ei  Sehwefelwasser.Htofr- 
irer;.'irtuug  .^ind  die  neueren  Experimentatoren  .tammtlieh  zu  der  Ueberzeugung 
gekommen,  dass  die  BIutverAnderangen  nicht  als  solche  ansnsehen  sind.  Der 
wesentliche  Factor  ist  dabei  bestimmt  die  LBhmnng  wichtiger  cerebrospinaler 


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SCBWEFELWASSEBäXOFFVERGlVTUNG.  —  SCOFOLAMIN.  U7 


Ceatren,  wihrend  ^  periphereu  Nerven  und  Matkdv,  ebenso  du  Hen  bei  der 

Sehwefelwjisserstoffvergiftnnff  keine  Rolle  spielen.  Nach  Lehmann  kommt  bei 
Thieren .  die  durch  Einathmen  von  SchwefelwasstTHtotlVa^  zu  Orunde  ^eheu, 
LuDgeuödem  vur ,  das  vielleicht  auf  directer  irritireudor  Einwirkung  des  Gases 
beruht ;  bei  raeeh  tOdflieber  Vergiftung  von  anderen  Apptieationsstellen  ans  findet 
sich  nach  UsCHiNSKY  -)  kein  Oedem,  wohl  aber  Randcmphysom ,  das  mit  dem 
Zwerehfellkramjife  und  insbesondere  mit  dem  In.spir!itionskr:im[if<\  der  in  der  Ver- 
giftung prägnant  auftritt,  in  Zusanimenbang  gebracht  werden  kann.  Dass  die 
Vergiftung,  wie  neuerdings  8cBüLZ*)  will,  eine  narootisehe  sei,  iit  eieber 
unriehtig;  vielmehr  bandelt  es  sich  nm  einen  Zustand  von  Schwäche  und  Apathie, 
bei  wclclit'm  die  Hirnrinde  nicht  oder  nur  in  untergeordneter  Weise  betheili<rt  ist. 
Der  Ilauplhfwcis  dafür,  dass  nicht  die  ülutveränderungen  die  Ursachen  des 
Schwefelwasserstotftodes  sind,  wird  dadurch  geliefert,  dass  Blut,  welches  in  der 
Weise  mit  Sehweftelwssserstoff  bebandelt  wird,  dass  es  nur  die  dabei  entstebende 
Verbindung  (Schwefelwa!isersfnffniethflmogl()bin\  aber  weder  freies  Schwefelwasser- 
Htoffgas,  noch  Natriulusulfid  t'iithillt,  ungiftig  ist.  Auch  Iris.st  sieb  bei  der  Section 
mit  rectal,  subcutan  oder  peritoneal  appiicirtem  Scliwefelwa.sserstoÜ  das  Spectral- 
bild  des  Scbwefelwasscrstoffkoetbämoglobins  nicht  naehweisen,  sondern  erseheint 
erst  nach  einiger  Zeit.  -)  jDte  seit  (.'I.  BERNARD  in  die  Lehrbücher  flbergangene 
Angabe .  dass  Sch'«  efelwasserstotT  nur  im  arterifllcn ,  nicht  im  vt-nnscn  Hlute 
wirke,  ist  allerding.s  richtig;  aber  e.s  hudet  ein  grosser  Unterschied  der  Wirkuugs- 
intensität  statt,  je  nachdem  mao  ihn  in  die  Carotis  oder  in  die  Sehen kelschlag- 
ader  injieirt  Lisst  man  ihn  dureb  erste  direet  au  den  Oentren  gelangen,  dnroh 
deren  Beeinflussung  er  seine  toxische  Wirkung  entfaltet,  so  sind  Do.<ien  tödtlich, 
welche,  in  die  Arttiia  fi/uorn/is  injieirt,  nur  ganz  geringe  vorfibcrgehende 
Parese  der  Extremitiit  bedingen,  in  welche  die  Injection  geschah.  Die  durch  den 
Oemcb  und  Bleipapier  wfthrend  der  vom  Peritoneum  oder  Mastdarm  oder  direet 
vom  Hlute  au.^  bewirkten  Intoxication  qualitativ  nachweis])are  Aus.scboidnDg  von 
SchwefclwasHerstotf  mit  der  Kxspiratiuusiuft  betritVt  nur  uiinimalc  Mengen,  welelie 
qualitativen  ^lachweis  nicht  gestatten.  Die  letale  Dosis  des  •Schwefeiwasserstuifa 
bei  Kaninehen  hetrflgt  in  raseher  intravenöser  oder  rectaler  Intoxioatioa  10  bis 
12  Mgrm.,  vom  Hastdarm  aus  20  bis  25  Hgrm.  *) 

Liternrur;  'i  T.  .■  ]i  m  n  ii  n  .  Experimentelle  Studien  äl>pr  den  Einfluss  liygienisch 
wichti|e;er  Ga.s»;  und  Daiiiple  auf  den  Organismus.  Arch.  f.  Hyg.  18ü;^.  XIV,  Heft  Jf,  pag,  IHo.  — 
^  Uschinsky,  Zar  Frn);e  von  der  Schwefel wasserstoffverrinong.  ZeitBchr.  f.  pbysioi.  Chemie, 
1892,  XVI.  }\<'fi  und  ^^,  png.  2'-iO.  —  =*)  H.  .«cbulz,  Schlafmachmde  Wirkung  von  Sihwefol- 
vasserstötf.  Muncliener  med.  Wocheuschr.  1892.  Xr.  16.  Hnsemann. 

Schweizermühle.  Das  Bielathal  oder  der  Bielagrund  mit  dem  e*wa 
in  der  Mitte  desselben  iH  tttuiÜclien  Made  „Sehweizermühle"  liegt  unter  81"  -l.'V 
östlicher  Länge  in  der  sogenannten  westlichen  sächsischen  Schweiz  und  zieht  sieh  als 
ein  siemlieb  tief  eingesehnittenes,  felsig^waldiges  Hoehwiesenthal  unter  der  Führung 
des  Baches  Biela  aus  Süden  von  der  bOhmisclKn  flrenze  her,  bei  440  Meter  See- 
hühe,  in  nördlicher  Richtung  etwa  vier  Stunden  lang  als  eines  der  land.scbaftlich 
schönsten  Uebirgsthäler  bis  hinab  in  das  von  Südost  nach  ^iordwest  verlaufende 
Elbetbal.  Es  bildet  dieses  Thal  einen  Theii  de«  siebsiaeh-bOhmischen  Quadersaad- 
steingebirges.  Das  Klima  ist  ein  mildes,  subalpines;  das  relehliehe  Wasser  findet 
seine  Verwerthung  zu  liydriatischen  Cnren,  die  Wege  sind  für  Torraincuren  nach 
Oektel  eingerichtet.  Für  die  Zeit  der  Saisondauer  vom  1.  Mai  bis  HO.  .'^eptembor 
dienen  zur  Unterkunft  in  dem  „Sehweizermühle''  genannten  kleinen  Cururte 
5  GebAude  mit  etwa  150  Wobnsimmero. 

Literatur:  Naturlii^t'a i  i  h.  -  ini.l  lli-ti^ri-ilie-i  vom  Bailf  ^  .  ziirmiihli'  nnd  VOIII 
Bielathale  in  der  sächaischen  Schueiz.  Von  br  med.  Richard  Leo.  Dresden 

Siscb. 

Scopolamin.  Ais  ein  neues  Hydriaticum  wird  das  aus  der  Wursel  von 
Scopolia  atropotdfa  dargestellte  Alkaloid  „Scopolamin"  empfohlen.  Das  von  Hbrcc 


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64Ö  SCOPOLAMIN.  —  SExNECIO. 

dargestellte  Scopolamimnn  ht/drochloricum  soll  bei  Einträufluu?  in  dea  Con- 
junctivalgack  als  Mydriaticum  und  Antiphlopistioum  alle  gebräuchlichen  Tropoine, 
einschliesBlicb  des  Atropins,  an  Wirksamkeit  übertreten;  es  soll  alle  Vortheile 
betitiMi,  die  dem  Hyoiein  gegenüber  dem  Atro|»in  inkenmeD ,  ebne  die  man- 
geDebmen  Nachwirkaogen  und  Nebener^cheinnugen  des  Hyoscins ;  es  soll  auch  bei 
längerem  Fortgebrauch  einer  der  l%igen  AtropinlösuDg  Äquivalenten  Solution 
nicht  die  lästigen  Nebenerscbeinongeu  des  Atropins  hervorrufen ,  und  iu  Fällen 
beginnender  Atropinvergiftung  oder  bei  Idiosyncrasie  gegen  Atropin  durch  Ersatz 
dee  letiteren  eebltibue  Dienete  leieten.  Die  sehmenstinende  vnd  antipblogiitisebe 
Wirkung  soll  die  des  Atropins  ungefähr  um  das  Fünffache  tlltortroffen.  Tropfen- 
weise Instillation  einer  >  i  ,0"  oigen  Lösun-r.  f  Ver^l.  K.  KOEHLMANN,  Scopol- 
aminum  hydrochloricuvi,  ein  neues  Mydriaticum,  und  seine  Anwendung  in  der 
opbtbalmoloffaieben  Praxis.  Küniiebe  Monatesebr.  f.  Avgenhdik.  Februar  1893.) 

SCOrpionengift  (Vergl.  Keal-Encydopädie,  II.  Aufl.,  Bd.  XVIII,  pag.  115.) 

DasB  die  TerletauDgeii  dnreb  groeie  Arten  aueh  entfernte  Erseheinungen  benror- 

rufen  kdnoeilf  und  nicht  nur  bei  Kindern,  Bondern  auch  bei  Erwachsenen  Delirien 

und  Aiifrepiinpr,  mitunter  mucIi  profuse  Scliweisse  hervorrufen,  bat  H.vxEfcGlE')  in 

Ostindien  nach  den  Stieben  der  verschiedenen  Varietäten  von  liuthus  afer  wieder- 

bolt  beobachtet.  Am  geftbiHehsten  ersebdnt  die  an  steinigen  und  sonnigen  Platsen 

bäulige  sdiiefiablane  Varietit,  die  von  der  dunkelbraunen,  an  fenebten  Orten  Tor* 

kommenden  Varietät  trotz  deren  weit  liedeutendercn  Grösse,  nicht  an  Giftigkdt 

llbertrolfen  wird.  Febrile  Symptonu'  mit  heftigem  Kopfweh  kommen  mitunter  vor. 

in  haiu'^  auf  die  liebaudlun^  scheinen  Ipecacuanhakataplasmen  und  Chloroform- 

tlberseblSge  dem  Örtlichen  Oebranebe  des  Chloralhydrates  nsehsasteben,  indem  sie 

zwar  den  Schmers  rasch  lindern,  aber  ziemlich  Ijedeiiteiide  Schwellung  im  CI<  iV  Ii^e 

haben.    Auch   wird  der  örtliche  Schmerz  durch  Chloralhydrat   liitiL'er  anfL'<  !ii>tun 

als  durch  Chloroform.  Sehr  günstig  wirkt  auch  Chlurutorui  iu  \  erbinduug  mit 

Campher,  femer  Hentbol  und  Batjrlobloraleampher. 

Literatur:  *)  Banergie,  Retiudie»  in  teorpiott  «tinjf.  Laaeet.  1.  Oct,  pag.  773. 
gy       .   ,  Httsenann. 
oCrOpnUlOSe,  Seeluftcuren  dabei,  pag.  554. 

Seebäder,  s.  Bad,  pag.  :>:'>  und  Nordseebäder,  pag.  537  tf. 

Senecio.  Von  der  aus.serordeutlieh  artenreichen  Svnanthercongattuug 
Senecio  waren  iu  früheren  Jahrhunderten  verschiedene  europäische,  beziehungs- 
wdse  deutsebe  Arten,  namentlieh  Seneeio  »arracmicua  L.  vnd  Jaeobaea  Z., 
als  Wundkräuter  t^ehr  geschätzt.  Gegenwärtig  dient  noch  Senecio  aureus  L. 
in  Nordamerika  theils  äusserlich  als  Surrogat  der  Arnica.  theils  innerlich  als 
FIttidextract  (zu  0*3 — 0*6  zweimal  täglich)  gegen  chronischen  Hheumatismus  und 
Dysmenorrhoe.^)  Ucber  die  wirksamen  Prineipien  dieser  Arten  ist  niebts  Nfllieres 
bekannt,  doch  giebt  eine,  wie  8,  avreug  benutzte,  in  den  Vereinigten  Staaten 
in  der  Nahe  der  rfeflernsinzplantagen  vorkommende  Art,  Seufcio  lii'-raci'fi)l ins  L. 
(Erechthitf's  /nWacifolia  Baf.)^  bei  der  Destillation  ein  ätherisches  Gel,  das 
dem  Ode  von  Erigerou  cauaiienae  ähnlich  ist  und  diesem  nicht  selten  substituirt 
wurd.>)  Ton  tozikologisebem  Interesse  ist  eine  mezieaniaehe  Art,  Seneeio  cani- 
cifin  Pharm.  Mex.,  die  schon  zu  Cortez'  Zeit  von  den  Me.xicanern  zum  Vertilgen 
räudiger  Hunde  (daher  ihr  einheimischer  Name  Jf^nihnpfül i.  (Jift  räudiger  Hunde) 
und  anderer  schädlicher  Thicre,  zugleich  aber  auch  als  i'ie)>ermittel  und  gegen 
Geschwtlre  und  Aussäte  benntst  wurde.  Diese  von  den  Spuniem  Yerha  deUos 
fitrros  oder  ai:eb  Yerha  de  lo  Puthfo  genannte  Giftplianze  kommt  besonders 
häutig  auf  dem  Plateau  v<m  Puebla  dellos  Angelos  vor,  bewirkt  bei  Ilninlen  zu 
8  0  Tod  in  ö,  in  grösseren  Dosen  schon  nach  1 — l'/«  Stundeu  unter 
den  Erscheinungen  der  Intoxication  mit  Pikrotoxin  und  anderen  Hirnkrampf- 
giften (leichten,  an  dem  Kopfe  beginnenden  Spasmen,  dann  Stupor  und  allgemeinen 
tonischen  Krämpfen  abwechselnd).  Beim  Menschen  treten  nach  giftigen  Mengen  von 


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SENECIO.  —  SEXUALE  PERVERSIONEN. 


649 


Decocten  der  Pflanze  rebelsein.  allfjetueinf'  Mattif?keit .  An?st,  Oppression, 
Schmerzen  in  verschiedenen  Muskeln,  Ueächleuniguug  und  Irregularität  des  Pulses 
bei  Athemverlangaaiuung  und  Dyspnoe,  leichte  Mydriasig,  Trismus  und  schliesslich 
allgenMina  ConTiilaionen  «n;  Bewnutoein  und  Sensibilitit  aoUen  iateet  bleiben. 
Die  Pflanze  ist  noch  heute  in  Hexieo  als  ADtipeorionm  und  Sudorificum  ge- 
bräuchlich.^; Als  wirksames,  ebenfalls  Convulsionen  erzeugendes  Princip  wird  eine 
mit  dem  Namen  Seueciosäure  belegte  organische  Säure  bezeichnet.  Denselben 
Namen  hat  Sbiuotana  einer  von  ihm  aus  einer  in  Jvpm  etnheimieehen  und  alt 
Zierpflanze  cultivirten,  Znwabnki  genannten  Art,  Statecio  Kaempfert  DC. ,  iso- 
lirten  piirfMithUmlichpn  ungesättigten  Fettsflure  gegeben,  die  mit  der  Cr(iton5?inre 
und  Augelicasäure  ieonier,  jedoch  mit  diesen  nicht  identisch  ist.  Heide  Öenecio- 
afturen  sind  iodess  zweifellos  von  mnaader  verschieden,  da  die  japanische  Pflanze 
keine  nareotiaehet  sondern  nur  eine  hantrOthende  Wiricnng  besltat,  wegen  deren 
sie  lange  schon  als  Derivativum  beim  Volke  in  Ansehen  steht. 

Literatur:  ')  Nach  Davis  und  Planchoa,  vergl.  JahrMber.  für  Fharni. 
pag.  91;  1S81/8S.  pif.  56, 147.  —  *)  Yergl.  Todd  nad  Power.  Ebenda.  1887,  m.  63.  64.  — 
*l  Defailliilere  Angaben  über  Seiieci'o  catucidn  bei  Th.  Httsemann,  N.  Jalirb.  der  Pharm. 
186t*.  XXXll,  pag.  I:;d9.  Teissier,  Du  Seueciu  cuniciihi  et  He  »ta  ujijiUvutiou.'!  »lä/imlcM. 
Paria  1867.  —  *)  Nn8¥»  Fanaacopea  llexicana.  1884.  pag.  107.  —  j  Sh  im  o  v  a  n  a  .  Zur 
Sftnntaiss  von  einer  neuen  nagva&ttigten  Fatttiare.  Uittheil.  der  med.  Facultär  zu  Tokio. 
1892.  I,  Heft  5,  pas.  403.  IT  u   e  n.  a  n  n. 

Sexuale  Perversionen.  Die  geschlechtlichen  Fuuctiuuen  stud  ungemein 
hinfig  abnorm.  Es  hat  den  Ansehein,  als  ob  die  Abweiohnngen  vom  physiologischen 
Geselilccbtsleben  mit  der  fortschreitenden  Cultur  immer  zahlreicher  würden,  und 
als  ob  das  Gebiet  der  Pathologie  des  Geschlecbtsleliens  .sieh  fnrtwilhrend  erweitere. 
Wenigstens  steht  die  That.sarbe  lest,  dass  unsere  Kciintni.sse  ül)er  diese  Abnormi- 
täten  dank  zahlreicher  sorgtültiger  und  eingehender  Beobachtungen  und  Forschungen, 
welehe  das  Gesebleebtsleben  der  Mensehen  zum  Gegenstände  hatten,  in  ausser- 
"rfli-ntliclifr  Weine  bereicbert  worden  sind.  Insbesondere  haben  die  Arbeiten  von 

I'AltKNT  DrCHATELET';,  1  )K.SCrRKT -),  TaRDIKÜ^),  CaSPER*),  MOREAU^),  LoMBUO.^O 

Tausüws-ky  Ball  Sehielx  %  HajiüOND  ><>),  vor  Allem  aber  die  interessanten 
Stadien  v.  KRAFFT-EBixo'd  ^i)  Aber  dieses  Oebiet,  das  seinem  Wesen  naeh  der 
Irstliehen  Beobachtung  nur  schwer  zugiingli<  li  i >t,  neues  und  helFes  Licht  verbreitet. 

Die  Zunahme  der  ge^ehlccbtlicben  Abnormitäten  beim  Ciilturmen-^cbi'n 
erklärt  v.  Krafft  KßiNG  i-) ,  dessen  geistvoller  Darstellung  des  krankhaften 
SezuaUebens  wir  hier  hauptsächlich  folgen,  aus  dem  vielfachen  Missbraucbe  der 
Generationsorgane  eincrsdts  und  aus  dem  Umstände  andererseits,  dass  solche 
Fnnclionsanomalien  hfiiifig  Zeichen  einer  erblichen  krankhaften  Veranlagung  des 
Hervensystem»,  sogenannte  ,.t'uji(Miouelle  Degenerationszcicben'',  sind. 

Auf  Ba.9is  des  Missbrauches  oder  der  kraukhulten  Veranlagung  oder  auf 
Grund  der  nicht  seltenen  Combination  beider  Ursaehen  entwickeln  sieh  bei  der 
innigen  functionellen  Relation  der  Generationsorgane  mit  dem  Oesammtnerven- 
systt-m  die  zahlreichen  <:p\uollen  Neurosen,  deren  Schema  V.  KbaFTT-Ebing  ")  in 
seiner  I^aj/chopathia  sexual  in  niedergelegt  hat. 

ijemnaeh  unterscheidet  man  periphere,  spinale  nnd  cerebrale  Sexual- 
nenrosen.  Kur  letztere ,  die  cwebral  bedingten  Keurosen,  sind  Gegenstand  unserer 
folgenden  Darstellung,  denn  in  ihnen  wurzeln  jene  gescIileehtlicheH  Abnormitilten, 
welche  wir  unter  der  Hc/.c  chnung  sexuale  l'er\ ersionen"  zu.sammentassen.  iJie 
peripheren  und  spinalen  Ncuro.sen  dagegen  stehen  in  innigen  Beziehungen  zur 
Impotenz  und  Sterilität,  welche  ausserhalb  des  Rahmen«  unserer  Betrachtungen 
liegen.  Allerdings  sind  aber  die  geschlechtlichen  Perversitäten  ungemein  bfiuiig 
mit  peripbcrcu  unrl  auch  spinalen  Neurosen  combinirt.  so  da^s  die  Wiedergabe 
des  Schemas  der.selben  an  dieser  Stelle  nicht  überilUi^sig  cri>chcineu  dürfte. 

Die  peri  pheren  Sexnalneurosen  sind  entweder  sensible  in  Form  von 
Anästhesien,  IIy))criisthesien  oder  Neuralgien  der  Generationsorgane  oder  moto- 
rische als  Krampf  mit  dem  Effecte  der  Pollutionen  einerseits  und  als  Lähmung 


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650 


SEXUALE  PERYEBSIOMBN. 


mit  den  Effecte  der  Spenuafonrhoe  andereneito,  oder  endlich  ■eeretoriaehe^ 
welehe  Aspennie  oder  Polyspermie  bedingen. 

Die  spinalen  Sexaalneurosen  Viesteben  in  Aftectionen  der  (nach  GOLTZ, 
KCKUABD,  BCDGE  u.  A.)  im  Lendenmarke  gelegenen  Eroctions-  und  KjaculatioDS- 
oentren.  Für  das  Erectionseimtrum  sind  dieaeilten  entweder  Reizung  (Priapismus, 
SaQnriMia)  oder  Lfthmuiig  (peralytiBebe  Impotens)  oder  Hemmung  dordi  Vor- 
stellungen der  ungenügenden  Potenz,  der  Furcht  vor  Ansteckung,  des  Ekels, 
und  endlieh  reizbare  Schwäche,  die  in  abnormer  An^^pruchsfilhigkeit,  aber 
raj>cbem  Nachlass  der  ICuergie  des  Ceutrums  besteht.  Hemmung  und  reizbare 
Sohwielie  des  Erectionaeen'tramB  finden  eich  nngemein  htnfig  bei  Neuropethlkem 
and  in  ihrer  Potenz  Geschwächten  und  sind  d.iher  gar  nicht  .«eiten  Combinationen 
von  sexuellen  Perversitiitcii.  Die  Affectioneu  des  Kjaciilationsccntriima  bestehen  in 
abnorm  erleichterter  Ejaculation  (Ejaculatio  ante  portamj  bei  zumeist  durch 
sexuellen  Miaslnwaeh  hervorgerufener  hochgradiger  spinaler  Neurasthenie  oder  in 
abnorm  schwer,  daher  verspitet  oder  gar  nicht  eintretender  Ejaenlation. 

Die  cerebral  bedington  S  ex  u  a  I  n  e  u  r  o  sen  sind:  Ilyperästliesie. 
An;i<tliesit'.  !',ir;i(lo\it>  und  l'ar;lstlie>jic.  Sic  sin«!  vor  Alb-m  der  Uinlen ,  auf  dem 
die  verseil it'dcn tu  l'erversit.Hten  dos  (jeschlechtslebons  sich  entwickeln;  ihre  nähere 
Betrachtung  und  Würdigung  is^t  daher  unsere  besondere  Aufgabe. 

A.  Die  Hyperaegtheaia  »exualta  besteht  in  ungewöhnlich  starker 
Inanspruchnahme   der  Vita  sexualts  auf  organische ,  psychische  und  sensorielle 

Reize,  d.  h.  oh  ist  «'in  Zustand  von  weit  über  das  L'owölmliclio  M.-iss  hinausgehender 
geschlechtlicher  llegehrlichkeit,  oin  hochgradig  gesteigortor  Oesehloohtstrieb 
vorhanden  (Lüsternheit,  Geilheit  bis  zur  Satyriasis  und  Nymphomanie).  Es  mt 
ausserordentlich  schwer  anzugeben,  ob  in  einem  bestimmten  Falle  der  Drang  nach 
sexueller  Befriedigung  eiue  pathologische  Höhe  erreielit  hrit.  Als  entschieden  krank- 
haft bezeichnet  EMMlXGiiArs  '*)  das  unniittoUiare  Wiodorcrwaehon  der  Begierde 
nach  der  Befriedigung,  sowie  das  Erwachen  der  Gesehlechtälust  beim  Aublick  von 
geachlechtUch  Indifferenten  Personen  und  Sachen. 

Im  Allgemeinen  stehen  nach  t.  Kbafft-Ebiko  sexnellor  Trieb  und  Be- 

dUrfniss  in  Proportion  zur  Körperkraft  und  zum  Alter.  Von  der  Pubertät  an 
erhebt  sich  der  Sexualtrieb  rasch  zu  bedeiiteiulor  Hiihe,  auf  welcher  er  in  den 
Jahren  von  '20 — 40  bleibt,  um  dann  langsam  abzunehmen.  Das  eheliche  Leben 
conaervirt  und  allgelt  den  Trieb,  der  Gesohleehtsverkehr  bei  wechselndem  Object 
der  Befriedigung  steigert  ihn.  Beim  Weibe  ist  das  Geschlechtsbediirfniss  normaler 
Weise  geringer,  als  beim  Manne.  Es  muss  daher  (li<'  \'iT!mithung  einer  patho- 
logischeu  Steigerung  des  Goschleehtstriebcs  bei  Frauen  oititroteu ,  wouu  das  Re- 
dUrfniss  uach  sexueller  Befriedigung  so  sehr  hervortritt,  dass  sie  sich  Uber  die 
von  Sitte  ond  Anstand  gebotenen  Schranken  hinwegsetzen  und  durch  Hänneraneht 
aufliUlüg  werden. 

Besonders  viehtig  ist  bei  beiden  Geschlechtern  die  Constitution. 
>»'europathisehe  Individuen  h.'iben  hilulig  ein  krankhaft  ge>teigertes  Geschlechts- 
bedürfuiss  und  leideu  oft  .schwor  unter  der  Last  dieser  Anomalie  ihres  Trieblebens. 
Der  krankhafte  Trieb  kann  sich  zur  Höhe  einer  organischen  Nöthignng  whehea, 
der  das  Individuum  erliegt,  .so  dass  es  in  einem  Zustande  psychischer  Unfreihdt 
selbst  criminelle  .Acte  vollführt. 

Von  Ik'deutung  für  die  Intensität  des  Gc-^chlechtstriebes  ist  weiter  die 
Lebensweise,  insbesondere  die  EmAhrung.  Vorwiegend  animalische  Nahrung, 
der  Genusa  von  geistigen  GetrAnken  und  Gewürzen  steigern  den  Geschlechtstrieb. 
Hei  Frauen  sehwankt  d<  s>en  Infensitflt  mit  den  physiologischen  Phasen  ihres  Ge- 
schleehtslcbons ;  er  ist  in  der  Regel  postinenstrual  gesteigert,  niul  kann  bei  neuro- 
pathischen  Frauen  zu  dieser  Zeit  ])athol<igische  Höhe  erreichen.  Bekannt  ist  auch 
die  grosse  Libido  sexualia  bei  Phthisikem,  wofUr  v.  IIopmakn  einen  schlagenden 
casnistischen  Beleg  mittheüt. 


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SBXUALB  PERVEBSIONBN. 


asi 


Die  Befriedigung  des  knunkhaft  geateigertro  Triebes  erfolgt  «UeidlDgs 
snnachst  in  DormaU>r  Weise  dureli  den  Ooitns;  es  kommt  aber  bei  dieser 
geschlechtlichen  Aiiftmalie  sehr  leicht  zu  perversen  «exiiellen  H.iiidliinoren ,  wie 
Masturbatiuii ,  l^iiderastie ,  Sodomie  und  selbst  2U  g:ewalt.sanie[i  Acten  der  Noth- 
saeht.  Beispiele  hierfür  erbringen  v.  Krafft-Bbino  ,  Magxan  ^  j ,  Lentz*^)  u.  A. 

Die  H^peraet^uia  texualit  kaan  oontinuirlieh  (mit  Exaeerbationeo) 
vorbanden  sein  oder  intermittirend  und  selbst  periodisch.  Sie  kann  als  cerebrale 
Neurose  fflr  sich  liestelien  oder  sie  ist  Tbeiierschciniinir  eines  allgemeinen  psychi- 
gcben  Erregungi^zuätandea,  Symptom  einer  Gei^tcäkraukheit.  So  findet  sich  häufig 
bis  snr  Nymphomanie  gesteigerter  Geeehlechtstrieb  bei  maniakalisehen  Fraoen, 
Satyriasis  episodiaeh  bei  Dementia  paralpica,  sexuelle  Exaltation  bei  Dementia 
tenilis  n.  s.  w. 

Ii.  Die  Anaesthesia  sexual  in  ist  das  Gegeutheil  des  eben  ge- 
sehilderten  krankhaften  Zustande«.  Bier  fallen  die  organischen  Impulse  für  die 
geschleehtliche  Err^uug  von  den  Generationswerkzeogen  aus,  und  sowohl  die 

sensoriellen  foptischen ,  acustischen ,  olfactorischen  und  tactilenl  Reize ,  sowie  die 
cerebralen  Vofor.lnfre  lassen  das  Individuum  sexuell  unerre;rt.  Der  (J  e  s  c  h  1  <■  c  h  t  s- 
trieb  fehlt.  Phy^ioio;{i»ch  iüt  diese  Erscheinung  in  den  extremen  Altcräpcriodeu, 
im  Kindes-  nnd  im  Greisenalter.  Pathologiseh  kommt  sie  in  Jenen  Alter^rarioden 
vor,  in  denen  normaler  Weise  die  höchste  Entwieklnng  nnd  Bethfttignng  des  Oe* 
schlechtslebens  vorhanden  ist. 

Sie  kann  aU  angeborene  oder  erworbene  Anomalie  bestehen. 

Angeborener  fehlender  Gesobleobtstrieb  bei  sonst  vollkommen  normaler 
Entwieklnng  und  Function  der  Geuerationsor^ane  ist  ungemein  selten.  Stets  mnd 
diese  f  u  II  c  t  i  I)  II  <■  11  es  c  h  1  e  c h  t  s  1  osen  Individuen  Ilcrcditririer ,  welche  ruich 
anderweiti^re  psychiiäche  und  aDatomischc  Dc^^cuerationszcicbcn  an  sich  trai;eii. 
Einen  auch  von  v.  KttAFFT-EitiNG  auszugsweise  mitgethcilteu  Fall  dieser  Art  bc- 
sehreibt  Legraxd  du  Salle,  i«) 

Davon  zu  unterscheiden  sind  jene  Fälle,  wo  die  functioiielle  Oe^chlcchts- 
anomalie  durch  Manjrol  oder  Vcrkiimmerun?;'  der  («enerationsorgane  bediiiL^t  ist, 
wie  dies  bei  vielen  Cretinen  ,  Idioten  und  Ilei  mapbroditen  vorkommt.  Man  sollte 
glauben,  dass  Aspermie  Anaetthesia  eexuaUa  sur  Folge  haben  mflsse,  was 
jedoeh  nach  den  Ausfuhrungen  von  Ultzmann'i)  dnrehaus  nicht  der  Fall  tn 
sein  scheint .  da  nach  ihm  sc]l)-t  bei  an^rchorener  Aspermie  die  Potens  and  üe- 
8chlechtsbetbäti;?unfc  ganz  befriedigend  sein  können  {?}. 

Eine  milde  Form  der  sexuellen  Anilstbesie  bieten  jene  Frauen  dar,  welche 
seit  Paülds  Zabchias  als  kalte  Naturen  „Naturae  fn'gidae"  bezeiehnet  su  werden 
pfl^pen.  Bei  ]\I<1nnern  ist  dieser  Zustand  sehr  selten.  Er  besteht  io  geringer  Nei^ninur 
zum  sexuellen  rmgan;  bis  2tt  ausgesprochener  Abneigung  vor  jeder  gescbiecbt- 
licben  Bethätiguug. 

Diese  Anomalie,  deren  Signatar  Mangel  jeder  psyehisehen  Erregung  beim 
Coitns  ist,  bietet  w<dil  ein  vielleicht  sogar  hohes  sociales  und  ftritliobeSf  kaum 
aber  ein  forensisches  Interesse  dar,  nmsowenitrcr ,  als  hier  wcjren  nianirclnder 
psychosexualer  Erregung  auch  abnorme  sexuelle  Ae^juivalente  voUkoniracn  fehlen. 

C.  Die  sexuelle  I'aradoxie  besteht  in  dem  Auftreten  des  Geschlechts- 
triebee  im  Kindesalter  nnd  im  Wiedererwaehen  desselben  im  höheren  Greisenalter. 
Der  Sexualtrieb  ist  somit  ausserhalb  der  Zeit  anatomiseh-physiolo^risehcr  Vorginge 
in  den  fienerationsorganen  vorhanden  und  daher  entschieden  pathulosrisch. 

Es  ist  eine  wohl  jedem  Arzte  mehr  weniger  bekannte  Thatsache,  dass 
sehon  bei  kleinen  Rindern  Regungen  des  Gesehleehtslebens  sieh 
zeigen  können,  welche  wohl  fast  ausnahmslos  duidi  Onanie  befriedigt  werden. 

Nach  ri.TZMAXX  1 ,  .M«iKKAU  -  1,  MAUDjsLKV  ^ ')  u.  A.^^^  ='1  ■scheint  die 
Masturbation  im  Kindesalter  ungemein  hiiulig  zu  seiu ;  sie  kommt  mitunter  schon 
bd  Kindern  im  Alter  von  3 — 4  Jahren  und,  wie  es  scheint,  in  diesem  zarten 
Alter  fast  nur  bei  Mftdehen  vor.   Vielfach  ist  sie  durch  periphere  Ursachen  ver^ 


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652 


8BXÜALE  PEBTSBSIONEN. 


aolasst,  wie  Eozcme  an  und  um  die  Genitalien,  Oxyuria  im  Anus  oder  der  Vagina, 
Phimoäis,  Balanitis.  Diese  Fälle  sind  nicht  eigentlich  als  sexuelle  Paradoxie  zu 
beceicbnea,  weil  die  geächleohtlicbe  Erregung  von  der  Peripherie  und  nicht  vom 
Centnitt  mi  erfolgt  Kur  jene  Fille  von  frOh  erwaehtem  Oeaehlechtstrieb  gekören 
in  das  Gebiet  der  sexuellen  Paradoxie,  wo  beim  Kinde  auf  Grund  cerebraler 
Vorgänge  sexuelle  Ahnungen  und  Dränge  auftreten.  Wohl  stets  handelt  es  sich 
hierbei  um  schwer  belastete,  neuropgycbopathische  Individuen.  Einen  intereaaanteu 
Beleg  für  diese  Erscheinung  tbeilt  Marc  mit,  indem  er  erzählt,  dass  ein  8jäbr. 
Hldcben  aus  elirenwertber  Familie,  aller  kindlieben  und  moralieehen  Oeflllble 
bar,  seit  dem  4.  Lebensjahre  nia?turbirte  und  mit  Knaben  von  10 — 12  Jahren 
l'nzucht  tiieb.  Es  seliwelfrte  iu  dem  Gedanken,  »eine  Eltern  uuizubringen ,  um 
vie  bald  zu  beerben  und  dann  mit  Männern  sich  vcrguilgeu  zu  können  (vergl. 
V,  Kbafft-Ebing,  Psych,  »ex.  8.  Aufl.,  pag.  38). 

Eine  weit  ^'rn^sere  Bedeutung  in  forensischer  Beziehung  hat  das  Wieder- 
erwachon  des  (iesehlechtstriebes  im  Greisenalter,  weil  die  hier 
oft  übermächtig  hervortretende  Libido  stxualis  den  läugst  impotenten  Greis  zu 
pervenmi  Äelen  treibt.  Da  naeb  den  Lehren  der  Physiologie  fttr  da»  mlnnllehe 
Gesebleebt  eine  obere  Grenze  des  Sexuallebens  niebt  besteht,  vielmelir  in  einer 
grossen  Anzahl  von  Fällen  noch  in  sehr  hohem  Alter  Ppertnaliercitnnf;  stattfindet, 
so  kann  das  Gestehen  von  sexualen  Re^iinj»en  im  Greiseiialter  lür  sieh  allein 
nicht  als  pathologisch  bezeichnet  werden.  Die  Vermuthuug  einer  pathologischen 
Grandlage  mflsete  rieh  nothwendig  aber  dann  ergeben,  wenn  das  Individanm  sehon 
vorgeschritten  marastiscb  ist,  weun  sdn  Geschlechtsleben  schon  erloschen  war 
und  der  Trieb  sieh  mit  ungewöhnlich  grosser  Stärke  geltend  macht,  so  dass  die 
Befriedigung  in  r Ucksich tj^loser,  schamloser,  brutaler  und  perverser  Art  erfolgt. 

Es  ist  eine  wissensebaftUeh  festgeetellte  Thatsaehe,  dass  ein  derart  be« 
•obaffener  Gescbleebtslrieb  auf  Icrankbaften  \' eränderungcn  im  Gehirne  beruht,  dass 
er  eine  Theilerscheinung  des  Greisenblödsinns  ist.  Dabei  ist  zu  be- 
merken ,  dass  diese  krankhafte  Er.seheinuug  des  Sexuallebens  als  Vorbote  der 
senilen  Demenz  somit  früher  auftreten  kann,  als  greifbare  Erscheinungen  intellec- 
tneller  SehwIehe  an  Tage  treten. 

Sehen  in  diesem  Stadium  ist  aber  als  Zeichen  der  senilen  Demenz  die 
sieh  in  lasciven  Reden  und  Gelierden ,  ohne  RUeksichtnahmt-  uuf  die  l'mgebung, 
kundgebende  Abschwächuug  des  moralischen  äinnes  und  Lmwaudhiug  des  Charakters 
bemerkbar  nnd  diegnoetiaeh  wiebtig.  Das  hftußgste  Angriffsobject  dieser  an  Him- 
atrophit'  Icideiideu  eynischen  Greise  sind  Kinder,  eine  ebenso  typische,  als  be- 
denkliehe Thatsaebe,  die  in  tieni  Gefiilil  der  ninüLTellKitt-n  f'otenz  ihre  Erklüruug 
findet.  Daraus,  sowie  aus  dem  tiet  ^^esunkenen  muralischcn  Gefühl  erklärt  sich  auch 
die  weitere  typische Ersobeiaung,  da»s  die  geschlechtlichen  Aete  solcher 
Greise  perverse  sind.  Sie  sind,  wie  v.  KnAFFT-BBiNa  sagt,  eben  Aequivalente 
des  unmöglichen  physiologischen  Actes. 

Diese  perversen  Sllr^ot^ate  des  Coitns  bei  aUersmarastLschen  Individuen 
sind  Acte  der  Unzucht  (Schänduug  nach  österreiuhischem  Gesetze;,  wie  wollüstiges 
Betasten  der  Genitalien  von  Kindern,  Verleitnng  dieser  zur  Hanustupratlon  des 
Verfilhrers,  Onani-sirung  der  verführten  Kinder  "'"),  Flagellation.  endlieh  Exhibition 
der  Genitalien. '-"j  Je  mehr  die  Demenz  vorschreitet,  umso  schamb-ser  werden  die 
Acte.  Es  kommt  zu  passiver  Pilderastie  und  zur  Sodomie,  wobei  nicht  selten  Ge- 
flügel, wie  Gftnse,  Hühner  u.  dergl.  Verwendung  finden.  Der  Anbliek  der  beim 
Goitus  IU  Tode  gemarterten,  sterbenden  Thiere  gewährt  volle  Befriedigung.  End- 
lieh kann  es  bei  dieser  sexuellen  Etitartung  zu  geradezu  ekelerregenden  perversen 
Hami  hl  II  iren  als  Snrrntraten  des  unnitijrl  leben  Coitns  kommen,  wolx-i  die  Dnrnient- 
leerungeu  die  maugelude  Ejaculation  substituireu,  wie  rAU.vuvsKV  mittheilt,  liier 
spielen  nnsweifelhaft  auch  Gerueheempfindungen  eine  Rolle,  welehe  ja,  wie  Ta&dibu's 
„RenißtinN"  lehren,  schon  fUr  sich  allein  zur  vollen  Befriedigung  des  Gesebleehts- 
Iriebes  durch  Samenergiessung  lehren  können.  Dass  es  in  höchster  Steigerung  des 


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SEXUALE  PEBVEBSXONEN. 


pjithologisclien  Geschlechtstriebes  bei  der  Dementia  nenüif)  selbst  za  Mordatteutatea 
(Lnstmnrde'i  kommen  könne,  If'hrt  der  von  v.  Krafft-Ebi\c;  ^c)  mitg-otheilte  Fall, 
wo  ein  seniler  Wollüstling  Keine  eigene  Tochter  ans  Eifersucbt  mordete  und  sich 
an  dem  Anblick  des  geöffneten  Busens  des  sterbenden  Mädchens  weidete. 

D.  Paraeatke$ia  taxuali».  Verkehrnng  d«8  GeieUiehtotriabei. 
Hier  findet  eine  perverse  Betonnng  sexueller  Vorstellungen  mit  Geftlhlen  statt  in 
dem  Sinne,  dass  Vorstell  untern ,  die  sonst  Unhistgefflhle  erregen,  mit  Lustgefflhlen 
betont  werden,  was  nothwendig  zu  perversen  Handlangen  fflhrt.  Als  pervers 
mms  aber  ntdi  t.  KBAVFT-EBiNe  Jede  Aeassening  des  OeeoUeektstriebes  erkllrt 
werden,  die  nicht  den  Zwecken  der  Natur,  1.  e.  der  Fortpflanzung  entspricht". 

Es  ist  zu  unterscheiden  zwischen  perversen  preschlechtliehen  Handlungen 
und  Perversion  des  Geschlechtstriebes.  Die  perverse  Handlung  bedingt  nicht  auch 
selion  das  Vorhandensein  einer  krankhaften  Veranlagung.  Aufgabe  der  ftrstUcb- 
forensisohen  üntomehnng  ist  es,  in  jedem  Einielfalle  nadunweiaen,  ob  elnfaohe 
Lasterhafti^'keit  fPer  versität)  oder  Krankheit  (Perversion)  der  concreten 
Handlung  zu  Grunde  liegt.  Die  Momente,  auf  welche  sieh  die  Diagnostik  dabei 
XQ  stutzen  haben  wird,  ergeben  sich  aus  den  nachfolgenden  Erörterungen. 

Znnlehst  ist  herrorsoheben,  dass  die  kranklMfte  lUehtang  der  Oesehleehts« 
bethfltigung  eine  swdfache  sein  kann,  indem  1.  die  Neigung  snm  anderen  Ge- 
schlechte vollkommen  fehlt  und  durch  die  Zuneigung  zum  eigenen  Geschlechto 
ersetzt  ist  (Homosexualität,  conträreSexualempfindung)  und  2.  geschlecht- 
liehe Neigung  zn  BstsfMieii  des  anderen  GeseUe^tes  awar  besteht,  aller  ideh  in 
perversw  BethXtigung  des  Triebes  iossert. 

I.  Die  Homosexnalltftt. 

Dieselbe  kann  aageboren  oder  erworben  sein ;  wir  behandeln  zunächst 

a)  Die  angeborene  eontrire  Sexnalempfindnng.  Das  Wesen 
dieser  anthropologisch,  klinisch  und  geriehtlich-medicinisch  gleich  interessanten  und 
wiehttgen  Anomalie  des  Geschlechtslelu'ns  besteht  in  dem  mitunter  bis  zum  Ekel 
gesteigerten  Mangel  sexueller  Empliudungen  zum  anderen  Geschlechte  bei  stell- 
vertretendem GesehleehtsgefBhl  nnd  Oesehleehtstrleb  snm  eigenen  Oesehledite. 
Dabei  fühlt  sich  der  mannliebende  Mann  (Urning)  dem  anderen  Manne  gegenttber 
als  Weib,  das  weibliebende  Weib  dagegen  in  der  Rolle  des  Mannes.  Die  Geni- 
talien sind  jedoch  völlig  normal  entwickelt  und  die  Geschlechtsdrüsen  functioniren 
ganz  entsprechend.  Nur  der  Charakter,  das  Denken,  Empfinden,  Streben  solcher 
Individuen  entsprieht  jedodi  niebt  selten  jener  verkehrten  Gesehleehtsempfindung, 
ntebt  aber  dem  Geschlecht,  welches  es  anatomisch  und  physiologisch  reprflsentirt. 
Dies  giebt  sich  auch  üusserlich  oft  in  Tracht,  Kleidung  und  Beschäftigung  kund. 

Die  ersten  Mittheilungen  Uber  diese  eigenartige  Verkebrung  verdanken 
wir  Caspkr  "~*'),  der,  obswar  er  erkannte,  dass  diese  Anomalie  in  vielen  FiUen 
angeboren  sd,  sie  dennoch  mit  der  Päderastie  identificirte.  Später  (1862 — 1868) 
hat  Assessor  T'rJiicii?;  '*)  (anfänglich  unter  dem  Pseudonym  N  u  m  a  N  u  m  a  n  t  i  u  s) 
eine  ganze  Keihe  von  urningischen  Abhandlungen  veröil'eutlicbt,  welche  zum  Theile 
sehr  interessante  Einblicke  in  das  Geistes-  und  Gesohlechtsieben  dieser  sexual 
verkdirten  Mensehen  gestatten.  Wer  beale,  naehd<mi  die  medieinisdie  Wissen- 
schaft sich  dieser  Frage  bemächtigt  und  uns  namentlich  die  Forschungen  v.  Krafft- 
Ebixg's  eine  so  klare  Einsicht  in  das  Wesen  dieser  Perversion  verschafl't  haben, 
die  Schritten  von  Ulrichs  liest,  kann  demselben  das  Zeugniss  einer  klaren  Er- 
fassung des  Gegenstandes  nieht  nur  nioht  versagen,  sondern  mnss  anerkennen, 
dass  er  sablreiche,  für  die  wisaenschafiFK  he  iCrkenntniss  der  Umingsliebe  snm 
Theile  recht  werfhvolle  Thatsachen  beigebracht  hat. 

Zunächst  hat  sich  GRiKSUfO£K  ^^j,  dann  Wkstpual  vom  klinischen  Stand- 
punkte mit  dieser  Frage  bes^lftigt  und  Letsterar  die  Ersehdnung  als  „angeborene 
Geschleditsempfindung  mit  dem  Bewnsstsdn  der  Krankhaftigkeit  des  Zustandes" 
definirt,  sowie  die  sutreiTende  Bezeiohnung  „contrftre  Sexnalempfindnng"  eingefDhrt. 


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654 


SEXUALE  PERVERSIONEN. 


Dan  weitaus  f^rösste  Verdienst  um  die  klinische  und  forensisch  -  medi- 
cinische  Klarstellung  der  couträren  SexualemptiadaDg  hat  »ich  jedoch  v.  Krafft- 
Ebino^')  erworben.  Br  hat  zaerst  (1877)  „^iene  eigenartige  Geeehleehtsempfin- 
dnn^  aIb  ein  funetionelles  Degenerationsseichen  und  als  Theilcrscheinung  eines 
neuropathischen,  meist  hereditär  bediufj:ten  Zustandes"  auf^efasst.  eine  Annahme, 
welche  in  der  seither  zu  grossem  Umfange  aogewaohsenen  Casuistik  durebaus  be- 
stätigt worden  ist.  ••") 

Als  Zeiehen  dieser  neiiro(p8]reho)pathi8ehen  Belastung  itthrt 
er  folgende  au: 

1.  Das  G  CS  chleeht »leben  derartig  orjranisirter  Individuen  macht 
sich  in  der  Regel  abnorm  früh  und  in  der  Folge  abnorm  stark  geltend.  Nicht 
selten  bietet  es  noeh  aaderweitige  perverse  firsehdnnngen  aosaer  der  an  und  für 
^ch  dnreb  die  eigenartige  OesehleohtsempfinduDg  bedingten  abnormen  Gesohleehts- 
befiriedigung. 

2.  Charakter  und  {irauzes  Ftlhlen  sind  von  der  eigenartigen  Ge- 
schlechtsempiinduug ,  nicht  von  der  anatoroiscb-pbysiologisehcu  Beschaffenheit  der 
Geeebleehtsdrflsen  bedingt.  Die  geistige  Liebe  dieser  Mensehen  ist  vielfaeh  eine 
schwärmerisch  ( xnitirte,  wie  auch  ihr  Geschlechtstrieb  sich  mit  besonderer,  selbst 
zwingender  Stärke  in  ihrem  Hewusstsein  geltend  macht. 

3.  Neben  dem  functiouuUeu  Degenerationszeicben  der  ci>ntrilren  Sexual- 
empfindnng  findra  sieh  anderweitige  ftanetionelle,  vielfaeh  aneh  anatomisehe  B  n  t> 
artnngsseiehen. 

4.  FiS  be.-itelien  Neurosen  (Hysterie,  Neurasthenie,  epileptoide  Zu- 
stände u.  8.  w.j  fast  immer  ist  temporär  oder  dauernd  Neurasthenie  nachweisbar. 
Diene  ist  in  der  Kegel  eine  constitutiooelte,  in  angeborenen  Bedingungen  wurzelnde. 
Geweckt  und  unterhalten  wird  sie  dnreh  tfasturbation  oder  dureh  enwuogene 
Abstinena.  Bei  männlichen  Individuen  kommt  es  auf  Grund  dieser  Scbädliehkeiteu 
oder  schon  angeborener  Dispositon  zur  X»  nrn»(hpnin  sp.rualis.  die  sich  wesentlich 
in  reizbarer  Schwäche  des  Kjaculatiuu«centrums  kuudgiebt.  Damit  erklärt  sieh,  dass 
bei  den  meisien  Individnen  sehen  die  blosse  Umarmnng,  das  KDssen  oder  selbst 
nur  der  AnbUek  der  geliebten  Person  den  Act  der  Kjaeulaticn  hervorruft.  Häulig 
ist  dieser  von  einem  abnorm  starken  Wollust^efUhl  befrleitet  bin  zti  Hefiiblca 
„magnetischer"  Durehströmuug  des  Körpers  (und  zu  Visionen,  „sichtbarer  erotischer 
Funken  am  Penis" ;  Ulrichs  (Formatrix.  1865,  pag.  63). 

5.  In  der  Mehrsabl  der  Fslle  finden  sieh  psycbisehe  Anomalien 
(glänzende  Begabung  für  schöne  Künste,  besonders  Musik,  Dichtkunst  u.  s.  w. 
bei  iutellectueli  schlechter  Begabung  oder  «triginärer  Verscbrobenluit  1  bis  zu  aus- 
gesprochenen psychischen  Degeuerationszustäudcn  (Schwachäinn ,  mora- 
lisehes  Irresein). 

1  a>t  in  allen  Fällen,  die  einer  Erbebung  der  körperlich-geistigen 
Zustände  der  Ascendenz  und  H!iits\ erwandtsehaft  zugänglich  waren,  fanden  sich 
Neurosen,  Psychosen,  DegeneratioDszcichen  u.  s.  w.  in  den  betreOendeu  Familien  vor. 

Auf  diesen  Momenten  basbrt  der  aneh  fOr  die  Geriditspraxis  anssehtag- 
gebeade  Naehweis  des  Angeborenseins  der  neuropathisohen  Belastung  des  Indivi- 
duums. Dazu  kommen  als  diagnostisch  wiclifi;;  K  ig  en  t  h  fi  ni  I  i  c  Ii  k  c  i  t  en  des 
Fuhlens  und  Handelns.  i)er  Urning  ver^rittert  den  männliehen  (ieliebteu, 
wie  der  weibliebeude  Mann  die  Geliebte.  Er  sucht  dem  (ieliebteu  zu  gefallen, 
indem  er  sieh  weiblieher  Art  in  Gang,  Haltung,  Kleidung  nähert.  Er  aeigt  aumeist 
Sinn  und  Vorliebe  für  weibliche  Beschäftigungen,  wie  Kochen,  Stricken,  Nthen, 
Kleidermachen;  er  hat  Verliehe  für  Kunst,  Aestlietik:  ihn  interessiren  im  (>egensatae 
zum  normal  emptiudendeu  Manne  nur  der  Tänzer,  der  Schauspieler,  der  Athlet, 
die  m innliehe  Statue;  weibliehe  Reize  sind  ihm  gleiebgiltig,  ein  nacktes  Weib 
geradezu  widerwärtig;  der  woUQstige  Traum  des  minnliehen  Tmings  hat  nur  männ- 
liche Individuen  und  Sittiationen  mit  s'ilchen  zum  Inhalt.  (M>chlecbtliehes  Scham- 
gefühl besteht  nur  gegeuUber  Personen  des  eigenen ,  nicht  des  anderen  Geschlechtes. 


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SEXUALE  l'ER VERSIONEN. 


655 


Das  w  r  i  b  1  i  c  Ij  e  n  d  t'  Weib  verhfilt  sich  in  jeder  Roziehunp:  gerade 
entgegengesetzt.  Es  fühlt  »idi  geschlechtlich  als  M  aun.  Daher  gefällt  es  sich 
io  männlicher  Art  zu  kleiden  und  zu  geberden ;  es  Hebt  Kundgebungen  von  Mutb 
und  mftnnlieher  Oesmnnng;  ei  liebt  männliche  BeMhältigangea  ud  Spiele,  sein 
Interesse  erwecken  nur  weibliche  Künstler,  weibliche  Statuen  seinen  ilsthetischeu  Sinn, 
weibliche  IJilder  seine  Sinnlichkeit.  Der  wolllistifro  Traum  des  weiblichen  Urnings 
bat  nur  Situationen  mit  weiblichen  Individuen  zum  Gegenstand. 

Von  grosser  Wichtigkeit  för  die  Diagnostik  nnd  für  die  forennaohe  Be- 
urtheilung  der  l'rninge  ist  auch  die  Art  der  Gesohlechtsbethätigung. 
Diese  ist  mannigfach.  Es  '/u:hi  Willensstärke  Individuen,  die  es  sich  mit  platoni- 
scher Liebe  genUgen  lassen,  andere  greifen  aus  (jrüudeu,  welche  auch  den  Nicht- 
uming  den  Coitns  vermeiden  lusen  kOnnen,  bot  Onanie.  Am  häufigsten  wohl  be- 
steht der  geschlechtliche  Act  in  einfacher  Umarmung,  Liebkosung,  auch  Betastung 
der  rifiiit.Tlien,  wflcliL-  IL-indlunsren  bei  reizbaren  Individuen  genfljjen.  Ejarulation 
und  damit  volle  }re-cliie<-litli«'lic  Befriedi^'unjr  zu  erzielen;  bei  weniger  reizltaren 
besteht  der  Gehchlechtiiact  iu  Manustupratiuu  durch  die  geliebte  Person ,  iu 
mntudler  Onanie,  oder  in  Ooitnsimitation  awisehen  den  Sehenkehl,*  in  die  Aehsel- 
hohle  u.  dergl.  (Moll).  VerhAltnissmitssig  selten  sdieint  —  ud  das  ist  diagnnstisch 
wichtig  —  eigentliche  Pfiderastie  d.  i.  Immissio  ppni'ft  in  nnuvi  zu  sein.  Diese 
Art  der  Gcschlechtsbefriedigung  kommt  nach  v.  K&afft  Eüinü  nur  bei  sittlich 
defeeten  UmiDgeo  vor.  Dies  geht  aneh  ans  einer  Stelle  jenes  interessanten 
Schreibens  des  Grafen  Cajds  an  C.vsi'ER  hervor,  welches  dieser  unter  der  Auf- 
schrift:  ..Selbstbekenntnisse  eines  Päderaston"  veröffentlicht  hat.  Daselbst  heisst 
es:  „Sie  nitisson  auch  nicht  glauben,  wir  trieben  Päderastie.  Nie  habe  ich  das 
gethan  und  verab.scbeue  mit  Vielen,  Ja  den  Meisten  diese  Neigung.  Wir  befriedigen 
TOB  durch  Kossen  und  gegenseitiges  Anfassen  der  Seham;  oft  ist  der  Beia  so 
gross ,  das.s  die  Samenergiessung  durch  die  reine  Umarmung  erfolgt.  Allwdings 
leugne  ich  die  Pilderastie  bei  einigen  ausgearteten  hässlichen  Menschen  nicht, 
diese  kaufeu  auch  manchmal  den  Genuss  von  Leuten,  die  sich  dazu  hergeben  und 
kommen  eben  su  Ueberreisungen ,  wie  so  viele  bei  den  Frauen  dazu  kommen." 

Ueber  die  Art  der  Befriediguniir  der  weiblichen  Urninge  ist  ziemlieh 
wenig  bekannt.  Sie  besteht  wohl  in  Amor  leshicits  mit  Verwendung'  einer  ver- 
grösserten  Clitoris  oder  künstlicher  Priape,  in  mutueller  oder  solitärer  Ouanic. 
T.  Rkafft-Ebing  unterscheidet  vier  Entwicklungsstufen  oder  Erscheinungsformen 
dieser  krankhaften  Veranlagung: 

1.  Die  psyehosexuale  Ilermaphrodisie.  Es  bestehen  noch  Spuren 
lieteroaexualer  Geschleehtsempfindimg. 

2.  Die  eigentliche  Homose&ualitüt.  Es  besteht  blos  Neigung  zum 
dgenen  Geschlecht. 

3.  Effeminatio  und  Viraginität.  Das  ganze  psychische  Sein  ist 
der  abnormen  Ge-ichleehtsenipfindung  ent'^precheiiil  geartet. 

4.  Androgyuic  und  Gynandrie.  Die  Körperform  nähert  sieb  der- 
jenigen, wdeher  die  abnorme  Geschlecbtsempfindung  entf>pricht.  Niemals  iMStdien 
UebeiglQgB  zum  Hermaphrodismns,  sondern  die  Zeuguugsorgane  sind  vollkonnnen 
did^nsirt  ^Mannweiber  und  weibische  M<1nner\ 

Was  die  Hiluti^'keit  des  Vürkoimiiens  dieser  Perversion  anbelangt,  so 
sagt  CAJi  ä:  y^AMÜ  10.000  Seeleu  mag  wohl  nur  eine  solche  arme  höchstens 
kommen**,  während  Clbiohs  deren  Zahl  viel  höher  sehätst  In  „Memnon**  (1868) 
behauptet  er,  in  Deutsehland  lebten  unter  etwa  2000  Seelen  oder  500  erwach- 
nenen  Mflnnem  durehsehnittlieh  Je  ein  erwachsener  Urning,  in  „Kritische  Pfeile" 
(1S80)  rechnet  er  t<ogar  auf  je  800  Seelen  oder  auf  200  erwachsene  Männer 
je  einen  oonträr  Sexualen. 

Immerhin  liegt  aber  hier  eine  höchst  beachtenswerthe  Naturerscheinung 
vor,  und  die  Bestrebungen  auf  Abänderung  der  bestehenden  gesetzlichen  Bestim- 
mungen, durch  welche  der  Homosexuale  noch  immer  gleich  bedroht  ist,  wie  der 


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696 


SEXUALE  PERVEBSIONEN. 


verkommene  Pflderast,  sind  nmaomehr  gerechtfertigt,  als  heute  die  mediciniMÜie 
Wissenschaft  mit  voller  Sicherheit  den  mit  anjfcborener  contrJlrer  Sexualempfindung 
Behafteten  von  dem  durch  sexuelle  Excesae  zur  päderastiscbcn  Bethätigung  des 
OeidileflbtatriebeB  gesunkenen  betoroaexnalen  Wflstling  za  seheiden  vermag.  Die 
Vorsehllge  jenes  höheren  conträrsexnaleu  deutschen  Staatsbeamten,  dessen  Ante- 
biographie  v.  Krafft-Ebint;  »«i  zner-^t  in  einem  besonderen  Aufsatze  „Zur  con- 
tritreti  Sexualempfindung"  veröfl'entlicht  hat,  auf  Abänderung  des  §.  175  des 
deutäcLen  Strafgesetzbuches  verdienen  die  vollste  Beachtung,  wie  denu  die^e 
wiaaenwdMftliehen  Erkenntnisse  hoffBotlleh  aneh  im  nenen  eben  in  Verlinndlang: 
stehenden  Csterreiohischen  Stra^esetzc  zum  Ausdruek  gelangen  werden. 

h)  Die  erworbene  contrüre  Sexualempfindung.  Tarxovsky's 
und  V.  Kuafft-Ebinct's  abereinstimmeude  Erfahrungen  lassen  keinen  Zweifel 
darflber,  dass  die  eontrire  Sexualempfindong  aneh  als  erworbene  krankhafte  Er> 
scheinung  sich  vorfinden  kann.  Aneh  die  erworbene  Form  findet  sieh  nor  bei 
belasteten  Individuen. 

Diese  sind  mit  früh  und  stark  sich  regendem  Sexualtrieb  behaftet.  Dadurch 
kommt  es  frühzeitig  zu  excessiver  Masturbation  und  eonseoutiv  zu  Neurasthenia 
taBU4dü*  Das  jdzt  erst  in  das  sengongsfiUiige  Alter  eintretende  Individnnn  hat 
in  Folge  der  sexuellen  jugendlichen  Excesse  eine  bereits  stark  gesunkene  Potenz 
und  reizbare  Schwäche.  Die  Coitnsversuche  mit  Personen  des  anderen  Geschlechtes 
scheitei'u  in  Folge  dieses  dcrouten  Zustandes  des  Nervensystems.  Damit  sinkt 
aneh  die  bei  Onaaisten  ohnehin  sehwaehe  Neigung  sum  Weibe  anf  den  Nnllpvnkt. 

Die  fortbestehende  Libido  verlangt  aber  nadh  Befriedigang.  Das  Individuum 
fallt  entweder  zur  solitaren  Onanie  zurück  oder  es  gelangt  zur  FtestialitAt  oder 
gelegentlich  auch  zum  Verkehr  mit  dem  eigenen  Geschlecht,  wobei  passive  und 
mutuelle  Onanie  die  der  bisherigen  Gepflogenheit  am  meisten  adäquaten  Acte 
sind.  Daraus  entwiekeU  ndh  allmilig  auch  Neigung  snm  eigenen  Geschleehte  nnd 
Erregbarkeit  durch  dasselbe,  sowie  Gleichgiltigkeit  und  schliesslich  Abneigung 
gegen  das  andere  Geschlecht.  In  diesem  Stadium  gleicht  der  geschlechtlich  Ent- 
artete dem  gezüchteten  Päderasten ;  er  fühlt  sich  auch  gleich  diesem  dem  anderen 
Hanne  gegenflber  als  Mann ;  «r  llbt  active  Piderastie.  Hier  ist  sogar  noeh  Rtldc- 
bildnng  der  Neurose  und  Küekkehr  zur  normalen  Sexualität  möglich. 

Wenn  aber  bei  solchen  gezfiehteten  coHtrilr  Sexualen  keine  iKlckbildung 
eintritt,  dann  kann  es  zu  dauernder  Umänderung  der  psychischen  Persönlichkeit, 
zur  bleibenden  Verkehrung  des  Gesehleohtstriebes,  zur  vollkommenen  „Eviration 
nnd  Effetttinatkm**  kommen,  wie  v.  Krafvt-Ebimo  diesen  Proeess  gans  beseleh- 
nend  nennt.  Der  Kranke  erfilhrt  eine  vollkommene  Wandlung  seines  Charakters, 
seiner  Gefühle  und  Neigungen ;  er  ist  eine  weiblich  fühlende  Persönlichkeit  ge- 
worden. Dieses  geänderte  Fühlen  kommt  nun  auch  iu  der  Art  der  Geschlechts- 
bethätigung  zum'  Ansdrnek;  er  Ist  pasdver  Pftderast  geworden,  ein  Mann,  der 
nnr  noeh  in  der  Rolle  des  Weibes  dn  sexuelles  Fuhlen  bekundet. 

Für  das  Verstflndniss  dieser  sexuellen  Mutation  sind  die  Mittheilungen 
Beard's  ")  und  Hammond's von  Wichtigkeit.  Ersterer  berichtet  vou  Individuen 
im  Kaukasus,  die  lange  vor  Eintritt  des  Greisenalters  der  Attribute  der  Mann- 
barkeit verlustig  werden,  indem  ihnen  die  Barthaare  ausfallen,  die  Stimme  dünn 
und  hoch  wird ,  Körperkrafl  und  Energie  abnehmen  und  die  sexuellen  Organe 
atrophiren  :  sehliesslieh  gewöhnen  sich  solche  Männer  weiiiliche  Sitten  und  Ma- 
nieren an  und  verrichten  weibliche  Arbeiten.  Die  Pueblo-Indianer  züchten  sich 
für  ihre  religiösen  Ceremonien  sogenannte  „Mujerados^,  entmannte,  zu  Weibern 
gemachte  Männer  durch  häufige  Martnrbation  und  fast  continnirliches  Reiten  auf 
unge<5atteltem  Pferde.  .Ms  durch  excessives  Kciten  erworbene  (gezüchtete)  Effe- 
mination wird  auch  die  Erscheinung  der  „Auandrier"  und  „Gy nandrier^* 
bei  den  Scythen  der  sogenannte  gWahiuinn  dw  Scythra",  aufgefiust**),  von 
dem  aehon  Hebodot  und  Hippoksates  berichten.  „Sie  hielten  sieh  für  Weiber 
und  legten  Weiberkleider  an." 


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SEXUALE  PBRVEB8I0NEN. 


657 


Nach  V.  Krafft-Erinv;  giebt  es  auch  noch  einen  höchsten  Grad  der 
sexuellen  UmzUchttintr ,  eine  wahre  „Metamofpfiosift  sr.ruah's",  bestehend  in 
vollkoDimener  Umänderung  des  Peräonlicbkeitsbewuüätäeins.  Diese  kann  sich  nur 
auf  Grand  von  Paranoia  entwickeln. 

Er  unterscheidet  daher  folgende  Stufen  dieser  Geschlechtsmetamorphose : 
1.  ^^tufe :  Einfache  Verkehrung  der  Geschlechtsempfindtinf? ;  2.  Stufe:  Eviration 
und  Defemination;  3.  Stufe:  Uebergang  zur  Metamo>jJiosis  aexualis  pdi-anoica 
(dnreli  eine  geradem  eindg  dastehende  Aatobiographie  [BeobaehtnngO^J  belegt); 
4.  Stnfe:  CSomplete  MefamorphMÜ  sexualü, 

n.  Die  perveree  Bethätigung  des  (heterosexnalen)  Geaehlechte- 

triebes. 

Das  Wesen  dieeer  PerrerBion  des  Geeehlecbtetriebee  ist  das  Bestehen 

geschlechtlicher  Zuneigung  zum  anderen  Geschleehte  (heterosexuale,  also  normale 
(ieschlechtsempfindunfr  s  bei  perverser  Art  der  Bethfttigrung  des  Geschloehtstriebes ; 
pervers  ist  die  geschlechtliche  Befriedigung  dadurch,  dass  sie  in  anderer  als  den 
Zwecken  der  Nator  entspreehender,  d.  i.  anf  Fortpflansnng  abiielende  Weise 
wfolgt.  Alle  hierher  gehörigen  abnormen  Aensserangen  des .  OeaeUechtstriebcs 
werden  von  v.  Krafft-Euixg  in  drei  Gruppen  jretheilt,  denen  er  die  zutrelTenden 
Bezeichnungen  Sadismus,  Masochismus  und  Fetischismus  gegeben  hat. 

1.  Der  Sadismus.  Man  versteht  darunter  mit  Wollust  verbundene 
Aele  von  activer  Oransamkeit  und  Oewaltthfttigkeit.  Die  Bcaeielinung  ist  gewihlt 
nach  dem  berlJehtif^ten  französischen  Romanschriftsteller  der  Revolution;«zeit 
MaKQUIS  de  Saük,  dcsKeii  olwcöne  Romane  von  Wollust  und  Grausamkeit  triefen. 

Der  Zusamiueiibang  zwischen  Wollust  und  Grausamkeit  ist  schon  seit 
langer  Zeit  bekannt  gewesen  und  sehriftsteUeriseh  behandelt  worden,  so  von 
Novalis,  Görres,  Alfrkd  de  Mlsset  q.  A,  Wissenschaftlich  hat  zuerst  Blüm- 
Böüer  "'}  die  Fra^re  behandelt  und  in  neuerer  Zeit  hat  namentlich  Lombroso  ! 
sahireiche  Beispiele  fUr  das  Auftreten  von  Mordlust  bei  hochgesteigerter  Wollust 
beigebraebt  Noeh  innerhalb  der  Brette  des  PhjBidogiBehen  stehen  die  niebt 
seltenen  Fälle  von  wollüstigem  Beisaen,  Kratsen,  Zwicken  wahrend  des  Ooftns. 
Die-:e  pliysi<ilo?ri^fhen  Erscheinungen  vermitteln  uns  auch  das  Vrrständnias  (Är 
die  zu  erörternden  pathologischen  Aeusserunjcen  des  Sadismus.  ''^) 

V.  KRAFFT-Eiii.Nü  erklärt  die  Combiuatiou  von  Wollust  und  Grausamkeit 
psyehologiseh  aus  der  Analogie  des  Zornes  mit  der  Liebe;  beiden  Liebe  und 
Zorn,  sind  die  st.1rksten  Affecte  und  es  ist  dadnreb  begreiflich,  dass  die  W  iln  t 
zu  llandliiniren  treibt,  die  sonst  dem  Zorn  adftquat  sind.*")  Das  stärkste  Mittel 
der  Zoruesäiisserung  ist  aber  die  Zufügung  von  Schmerz.  Von  solchen  Fällen  der 
SehmerxzufUgiing  gelangt  man  zu  jenen,  wo  es  sn  emstlichen  Htsshandlungeu, 
snr  Verwundung  und  selbst  zur  Tödtang  des  Opfers  kommt.  ''■^)  Der  Trieb  zur 
Grausamkeit  ist  hier  t-Iten  in's  Masslose  gewachsen ,  während  zugleich  in  Folge 
detecter  nioralischer  Gefilhle  alle  Hemmungen  entfallen  oder  sich  zu  schwach  er- 
weisen. Derartige  monströse  sadistische  Handlungen  haben  beim  Manne ,  wo  sie 
viel  hiofiger  vorkommen  als  beim  Wdbe,  noeh  eine  sweite  starke  Wursel  in  dem 
physiologiseben  Verhältnisse  der  Geschlechter  zu  einander:  im  Oesehlechtsver- 
kehre  kommt  normaler  Weise  dem  Manne  die  active,  die  aggressive  Rolle  zu, 
während  das  Weib  sich  passiv ,  detensiv  verhält.  Unter  pathologischen  Verhält- 
nissen kann  nun  aber  aneh  dieser  aggressive  Charakter  der  männliehen  Liebes- 
werbuog  in's  Masslose  wachsen  und  su  einem  Drange  werden ,  sich  den  Gegen- 
stand seiner  Hegierdeti  schrankenlos  zu  unterwerfen  bis  zur  Vernichtung,  Töd- 
tun?  desselben  (Lustm<»rd  ,  Je  nach  der  Macht  des  sadistischen  Triebes  und  der 
Stärke  der  noch  vorhandenen  Widerstände,  welche  last  immer  durch  originäre 
elhisebe  Defecte^  erbliehe  Belastung  oder  moralisehes  Irresein  herabgesetst  sind, 
entsteht  eine  lange  Reihe  von  Formen ,  welche  mit  dem  sehwersten  Verbreehen 
beginnt  und  bei  läppischen  Handlungen  endigt. 

Bncydop.  Jahrbücher.  III.  42 


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Ö58 


SEXUALE  PEEVERSIONBS. 


Dier^e  Formen  des  Sadismus  sind: 

a)  Der  Lustmord.  Zahlreiche   Altere  und  neuere  Schriftsteller,  wie 
Metzger  «'5),  Fecebbacb      Lombboso      Gaüstbr«^),  Brodardel««)  u.  A. 
bringen  Beispiele'')  MhenaeHelier  Kordthntea  auf  dieier  krankbnft  -  erotischen 

Basis.  Zerfleiscbung  des  Opfers ,  Herausreissen  der  Genitalien  oder  anderer  Ein* 
geweide.  Trinken  von  damjjfendem  TMut,  ja  selbst  Verzehren  einzelner  Stticke 
Fleisch  kennzeichnen  diese  Acte  hüchäter  sadistischer  Käserei  (Mordlust  gesteigert 
bis  nur  Anthropophagie).  Es  kenn  hierbei  das  Stoprum  auch  gaos  unter- 
bleiben und  das  sadistische  Verbrechen  allein  als  Ersata  fllr  den  C<dtns  auftreten 
(LoMBROSO's  Fall  Verzeni). 

h)  Die  Leichenschändung.  Hier  findet  die  geschlechtliehe  Betrie- 
digUDg  an  (weibliehen)  Leichen  statt.  Die  zügellose  geschlechtliche  Begierde 
sieht  in  der  Vorstellang  des  eingetretenen  Todes  niefat  nnr  k^n  Hindemiss, 
sondern  in  vielen  Fallen  wird  auf  unzweifelhaft  krankhafter  Basis  der  Leiehe 
vor  dem  leitenden  Weibe  der  N  orzu^^  ireirebeti  • ')  und  in  anderen  die  Leiche 
nicht  nur  missbraucht,  sondern  mibshaudelt  und  zerstückelt  (der  classische  Fall 
des  Sergeant  Bertrand). 

c)  Die  M  i  s  s  b  a  n  (1 1  n  n  ir  von  Weibern  (M  ä  d  c  h  e  n  s  t  e  c  h  er, 
Geis<leri.  Den  Liistinurdern  nahe  stehen  jene  ungeheuerlichen  Individuen,  denen 
Vei  letzung  des  Uptera  ihrer  LUdte  und  der  Anblick  des  tliessenden  Blutes  Reiz 
nnd  GennsB  ist.  Mabqiiis  db  Sadb  ist  das  berOohtigste  Bdspiel  dieser  Verbindung 
von  Wollust  und  Grausamkeit.  Oer  Coitus  hatte  für  ihn  nur  einen  Reiz,  wenn 
er  den  Gefjrenstand  seiner  Lüste  bluti^r  steehen  konnte.  Seine  höchste  Wollust  war 
es,  nackte  Freudenmädehen  zu  verwunden  und  dann  ihre  Wunden  zu  verbinden. 

Briebke  de  Boismont  erzählt  von  einem  Capitän,  der  seine  Geliebte 
swang,  jeweils  vor  dem  sehr  häufigen  Coitus  sieh  Blut^pel  ad  pudenda  su  setaen  f 
TaIIMOWSKV  "''')  berichtet  von  einem  Arzte,  der,  sobald  er  Wein  {getrunken  hatte, 
den  er  sclileebt  vertrujr,  durch  einfachen  Coitus  seine  Geschlechtslust  nicbt  mehr 
befriedigen  konnte,  sondern,  um  die  Befriedigung  herbeizuführen,  mit  einer  Lanzette 
in  die  Nates  der  Pnella  steehen  oder  schneiden  mnsste.  Dbmub  '")  tlieilt  die  Ge- 
schichte des  HAdehenstechers  von  Bozen  und  jene  des  Mftdehenschneiders  von 
AufTsburg  mit,  welche  zahlreiche  Miidchcn  fLetzterer  eingestandenermassen  über 
50)  bluti?  gestochen  oder  geschnitten  hatten,  mit  dem  jeweiligen  Kllecte  der 
geschlechtlichen  Befriedigung,  wenn  sie  das  Blut  fliessen  sahen.  ^  (Weitere  Fälle 
bei  V.  Krapft-ICbing  und  Holl.)  In  diese  Kategorie  gehören  aueh  jene  gar  nieht 
so  seltenen  Fälle  von  activer  Geisselung,  wo  Männer  Prostituirte  bewegen ,  sieh 
von  ihnen  HH<;elliren  und  selbst  blutig  verwunden  zu  lassen. 

d)  Besudtung  weiblicher  Tersoneu.  Bisweilen  äussert  sich  der 
perverse  sadistisebe  Trieb,  Frauen  an  besehädigen,  veräehtlteh  und  demtithigend 
zu  behandeln,  in  dem  Drange,  dieaeltten  mit  ekelliaften  oder  beschmutzenden 
Dinjfen  zu  besudeln  Kotli,  rrin  '.  Arndt '•'),  Tai;\o\vskv.  P,\so.\ r. ''"i  bcricliten  Fälle 
von  so  ekelhaft-widriger  Art  der  Gesehlechtsbetriedijruug.  Aestbetisch  weni^rcr  \  cr- 
letzend  ist  der  von  v.  I^rafft-Ebixg  erzählte  Fall  eines  Offlciers,  dessen  sadi^tiäches 
Oelflste  im  Einölen  einer  naekten  Puella  puUha  bestand. 

In  meines  Erachten»  vollkommen  richtiger  Wttrdigung  von  psychologisch 
oft  schwer  verständlichen  Handlunirea  und  Beschädigungen  von  Frauenzimmern 
spricht  V.  Kr  ÄFFT- Ebing  die  Vermuthuug  aus,  dass  gewisse  Fälle  von  Schädigung 
der  Kleidung  weiblieher  Personen  (z.  B.  Bespritzen  mit  Schwefelsäure,  Tinte  eto.) 
in  der  Befriedigung  eines  perversen  Sexualtriebes  wurzeln.  (Bi^ekop*  sex.  8.  Aufl., 

ej  Der  symbolische  Sadismus.  Als  solchen  bezeichnet  V.  Krafft- 
Ebing  jene  Formen,  wo  der  sadistisebe  Trieb  der  Ausübung  von  Gewalt  oder 
Demflthigungen  an  weibtiehen  Personen  dureh  eimm  seheittbar  gau  Binntawa 
läppischen  Act  (Abschneiden  der  Ilaare  ein(.s  Mädehems,  P>inseifen  des  Oesiehtss, 
sicli  anbeten,  die  Stiefel  lecken  lassen  u.  dergl.)  befnedigt  wird. 


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SBXUALE  F£BV£BSIONEN. 


669 


f)  Die  K  D  a  b  e  II  IT  0  i  s  3  e  I  u  D  g.  Der  Sadismus  äussert  »ich  endttdi  aneh 
noch  als  wolKlstiof  empfundene  Cirausamkeit  an  beliebig'en  lebenden  Objectcn, 
namentlich  an  Kindern  und  Tbiereu.  Dabei  kann  das  Bewusstsein  bestehen,  dass 
der  grausame  Act  eigentlich  gegen  Weiber  gerichtet  ist,  und  nur  in  Ermanglung 
dieser  avf  das  nächste  erreiehhare  Object  (Sohfiler)  gr^ft;  es  kann  aber  aneh 
der  Zastand  des  Thäters  ro  beschaffen  sein ,  das^  der  Dran;^  nach  grausamen 
Handlungen   allein .   vun  wolliisttit^en   liefruntfen  begleitet,   in  s  Bewusstsein  tritt. 

Die  erste  Art  ist  belegt  durch  Alhekt  sj  =')  Fälle,  wo  wollüstige  Erzieher 
ihre  ZOg:liiige  ohne  alle  Veranlassung  «nf  den  entbUlssten  Podex  pritoehten,  die 
Zimte  dnreh  jene  Vorkommnisse,  wenn  Knaben  beim  Anblick  der  Zflchlignng  von 
Alters2"cnossen  sofort  sexuell  erre-rt  und  dadurch  sonrar  in  ihrer  weiteren  Vitn 
nexualis  bestimmt  werden,  '-j  (v.  Krafft-Ebing,  Psycliop.  sex.  1893,  Beob.  37,  38.) 

g)  Sadistische  Aete  an  Thieren.  In  sabireiehen  Fallen  benlltaten 
sadistisch  perverse  Männer  anr  Potenslrung  oder  Erregung  ihrer  Wollust  den 
Anblick  des  Sterbens  von  Thieren  oder  die  Marternno:  derselben.  riei-^]ii<  lc  hierfür 
erbringen  v.  IIof.mann  (Prostituirtc  belegten  einen  sadistischen  Thiermarterer  mit 
dem  Spitznamen  „licDdlberr'"),  Lombroso,  Maktegazza      u.  A. 

k)  Sadismus  des  Weibes.  Natnrgemflss  ist  der  beim  Manne  bäuflge 
Sadismus  beim  Weibe  recht  selten,  weil  der  eigentlichen  Natur  des  Weihes  zuwider- 
laufend. Wissenschaftlich  beobachtet  sind  bisher  nur  zwei  Falle  '^v.  Krafft-Fjun'c» 
und  MOLL;.  In  der  Geschichte  Haden  sich  Beispiele  von  hervorragenden  Frauen, 
deren  Herrsebsaeht ,  Wollust  und  Gransamkelt  die  Annahme  einer  sadistischen 
Perversion  nahelcfrt  (V'aleria  Mossalinii,  Katharina  von  Medici)  und  schon  die 
antike  Mythe  crz;Uilt  xnn  „blutsau^enden  Frauen".  Einen  tbats.tclilich  beobachteten 
Fall  von  „weiblichim  Vampyrismus"  beschreibt  v.  Krafft-Küixg  (Beob.  42).  Ein 
verheirateter  Mann  stellt  sich  mit  zahlreichen  Schnittwunden  an  den  Armen  vor. 
Er  giebt  Uber  den  Ursprung  derselben  Folgendes  an :  Wenn  er  sieh  seiner  jangeUf 
etwas  nervS^eu  Frau  nilhern  v/olle,  mflsse  er  sieh  erst  einen  Schnitt  am  Arme 
beibringen.  Sic  sauge  dann  an  der  Wunde,  worauf  sich  bei  ihr  eine  hoch- 
gradige sexuelle  Erregung  einatelle. 

2.  DerHasoehismas.  Erist  das  Gegenstück  des  Sadismus,  v.  Kbafft- 
RniXG  hat  diese  Bezeichnung  naeh  den  bekannten  Schriftsteller  Sachkr-MasOCH, 
d(T  in  niebrereii  seiner  Romane  diese  perverse  Art  der  Liebe  dichterisch  ver- 
herrlicht, eingeführt.  Er  versteht  darunter  eiue  eigenthUmliche  Perversion  der  Vila 
sexualis,  welche  darin  besteht,  „dass  das  von  derselben  ergriffene  Individuum  in 
seinem  gesebleehtliehen  Fahlen  und  Denken  von  der  Vorstellnng  beberrseht  wird, 
dem  WMllen  einer  Person  des  anderen  Geschlechtes  vollkommen  und  unbedingt 
unterworfen  zu  sein,  von  dieser  Person  herrisch  behandelt,  ^edemUthigt ,  miss- 
haudelt  zu  werden.  Diese  Vorstellung  wird  luit  Wollust  betont". 

Die  häufigste  Form  des  Hasoehismns  ist: 

<i}  Die  p  H  s  s  i  v  e  F  l  a  g  c  1 1  a  t  i  o  D.  Dieses  ist  ein  Vorgang,  weleber  gemgnet 
ist,  durch  meclianischc  Keiznnir  der  (ies.lssncrven  reflectorisch  Ercctionen  auszulösen. 
Diese  Wirkung  der  Flagcllation  wird  von  geschwächten  Wüstlingen  dazu  benutzt,  ihrer 
gesunkenen  Potena  nacbiuhelfen.  Diese  Perversität  (in  diesem  Falle  niebt  Perversion) 
ist  ungemein  häufig.  Die  passive  Fiagellation  der  Masoehisten  dagegen  ist  als  ans 
der  orieinflren  Vorstellung  der  knechtischen  rnterwcrfiinu'  unter  den  Willen  des 
Weil)es  hervurireiran;;en,  eine  ihrer  Sexualemptindunj^  :idä<iuate,  auf  ibueu  natürlich 
erscheineude  Gesehlechtsbefricdigung  gerichtete  perverse  Handlung  (eine  Perversioo;. 

Zur  Untersehmdung  der  passiven  Fiagellation  als  Perverdon  oder  Per* 
veraität  dient  Fol^rendes: 

1.  Der  Trieb  zur  Fiagellation  ist  heim  Masoehisten  fast  immer  ab  origine 
vorhanden. 

2.  IMe  Fiagellation  ist  beim  Masoehisten  in  der  Regel  nur  eine  von  den 
vielen  und  verschiedenartigen  Misshandlungen,  welche  im  Vorstellungskreise  des 
Masoehisten  als  Phantasien  auftauchen  und  oft  verwirklicht  werden. 

42* 


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660 


S£XUAL£  F££Y£BäiON&N. 


3.  Die  ersehnte  FUgellatioii  wirkt  beim  Masochisten  oft  gar  nicht  apluKh 
disisoh,  wenn  es  ihm  nAmlich  nicht  gelingt,  sieb  durch  den  bestellten  Vorgang 
die  Illusion  der  ersehnten  Sitaation,  in  der  Gewalt  des  Weibes  zu  sein,  zu  ver- 
sebnffen,  so  dase  ihm  dae  mit  der  Prooedar  beauftragte  Weib  nnr  ale  das  exeenti^e 
Werlueng  seines  eigenen  Willens  ersulieint. 

Zwischen  Masochismus  und  cinfacbem  Flageliantismus  besteht  .«oniit  ein 
analoges  VerbAltniss,  wie  zwieoben  conträrer  Sexualemptiudung  und  erworbener 
Päderastie. 

Der  Maseehismvs  bat  eine  geringe  foreodsehe  Bedentang;  er  iit  dagegen 

von  hohem  psychnlo^cischen  und  anthropologischen  Interesse.  Die  reiche  Casuistik, 
die  interessanten  Autobiographien  von  Masocbisten  und  die  geistvollen  Erklärungs- 
versuche des  Masochismus  v.  Krafft-Ebing's,  welche  in  seiner  Pnychoyathia 
texualis  niedergelegt  sind,  werden  daher  von  jedem  Ante  mit  growem  Interesse 
im  Originale  nachgelesen  werden. 

Hier  sei  nur  noch  kurz  bemerkt,  dass  man  nodi  folgende  weitere  Arten 

des  Masochismu»  unterscheiden  kann : 

/>)  Der  8ymbi)lische  Masochismus.  Die  vom  Masochisten  ge- 
wünschten und  bestellten  Vorgänge  haben  rein  symbolischen  Charakter  und  dienen 
gewissermassen  nnr  znr  Markirnng  der  ersehnten  Sitnatien.  (Sieh  anbinden, 
hinauswerfen  lassen  n.  dergl.  Komitdien).  Endlich  giebt  es  auch  einen  ideellen 
(platonischen;  .Masochismus  ^■'') ,  wobei  die  psychische  Perveraion  ganz  auf  dem 
Gebiete  der  Vorstellung  und  Phantasie  '^^)  bleibt  und  keine  Verwirklichung  der- 
selben ▼ersneht  wird  (v.  Kbafft-Bbino,  Beob.  49,  53,  57,  58).  "j 

e)  Larvirter  Masoehismns.  Befriedignng  im  Siobtretenlassen.  In 

den  meisten  Fällen  von  Masochismus  spielt  das  Treten  mit  den  FUssen  als  ein 
naheliegendes  Ausdrucksmittel  des  Cnterwerfungsverhältnisses  eine  Kolle.  Daraus 
entwickelt  sieb  eine  wahre  Vergötterung  des  Fusses  and  des  (Frauen-)  Schubes 
(Fnss-  nod  Sehnhfetisehismus). 

^e  andere  Art  des  larvirten  Masoehismns  ist  die  sexndle  Befriedigung 
dnreh  ekelhafte  Handlungen.  So  sind  zahlreiche  Fftllc  constatirt,  in  denen  Manner 
durch  die  Seerete  und  sogar  die  Exeremeute  von  Weibern  ,  deren  Anblick  und 
ÜerUhrung  sie  aufduchen,  in  sexuelle  Erregung  versetzt  werden  (Tardieu  s 
„Reniflenn**  und  Taxil's  „Stereoraires**  gehdren  hierher). 

d)  Hasoehismas  des  Weibes.  Als  ideelle  ErsebelnnDg  der  poten- 

zirten  Unterwfiriigkeit  des  Weibes  unter  den  Willen  und  die  Herrschaft  des 
Manne-»,  somit  ah  Steigerung  des  physiologischen  Verhältnisses  beider  Geschlechter 
in  s  masslos  Sc  lavische  mag  der  Masochismus  des  Weibes  nicht  gerade  selten  sein. 
Als  Perversion  des  Triebes  mit  dem  Drange  naeh  einer  entspreehenden  Betbfttignng 

ist  die  Erscheinung  gewiss  äusserst  selten.  Der  einsige  wissenschaftlich  beobachtete 
Fall  ist  jener  Fall  v.  Kkafkt-Ehlvj's  (Beob.  72),  wo  bei  einem  MAdohen  OelOste, 
gegeisselt  zu  werden,  aiit'jri'treteu  .sind. 

3.  Der  Fetischismus  (Fetischliebe).  Nach  dem  Vorgange  von  Bi.net  '^■*) 
nnd  LOHBROSO  hat  v.  Kbafft-Ebimg  die  Vorliebe  für  einzelne  bestimmte  physisehe 
oder  auch  psyehisehe  Obaraktere  an  Persnuen  des  entgegengesetzten  Geschlechtes 
Fetischismus  genannt  (SchwäntM  n  und  Anbeten  einielner  Kftrpertheile ,  selbst 
Kleidungsstücke,  auf  Grund  sexueller  Dränge). 

Ausser  diesem  physiologischen  Fetischismus  giebt  es  aber  auch  einen 
pathologiseh-erotisehen,  der  ein  hohes  kliniseh-psjebiatrisehes,  aber  aueh  ein  foren- 
sisdies  Interesse  darl  irt<  t  Wie  der  Sadismus  zu  Mord  und  Körperverletzung 
ausarten  kann,  so  kann  der  Fetischismus  zum  Dieb-^tahl  und  selbst  zum  Kaub  der 
betreffenden  geliebten  Gegenstände,  des  Fetisch,  fuhren  (Schuhe,  Handschuhe, 
Tasehenttteber,  Blumen,  Haarloeken  u.  s.  w.). 

Es  ist  ungemein  schwer,  den  pathologischen  Fetischismus  vom  physio- 
logisehen  scharf  abzngrenxen.  Zutreffend  dürfte  die  Ansiebt  Binst's  sein,  n^tM 


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SEXUALB  PKRVBBSIOIVEK. 


661 


im  Leben  eines  jeden  Fetischisten  ein  Ereigniss  anzunehmen  ist,  welches  die  Be- 
tonung gerade  dieses  einzigen  ESndniekee  mit  WoUiutgvfllhleD  detenuinirt  bat". 

Die  Fetischisten  zerfallen  in  drei  Gruppen: 

n)  Der  Fftiseh  ist  ein  Tb  eil  des  weiblichenKdrpers.  Wie 
innerhalb  des  physiologischen  Fetischismus  Auge,  Hand,  Fuss  und  Haar  die  bevor- 
zugten und  meist  verehrten  KSrpertheile  sind,  so  aneli  anf  patholo^sebem  Ge- 
biete. Auf  dieser  krankhaften  Basis  kann  es  dahin  kommen,  dass  neben  dem 
auserwfihlten  Körportheile  alles  Andere  am  Weibe  verblasst  und  der  sonstige 
sexuelle  Werth  des  Wt'ibe.«*  auf  Null  herabsinkt,  so  dass  statt  des  Coitus  seltsame 
Manipulationen  um  Fetiscbgegeostande  zum  Ziele  der  Begierde  werden. 

Ungemein  xablrdeb  sind  sowolil  die  pbyriotogiseben  Handeehwftrmer,  wie 
die  pathologischen  ^11  andfetischisten",  für  welche  letztere  nur  mehr  dieser 
eine  Kftrpertheil  des  Weibes  esistirt.  An  die  Handfetischinten  würden  sich  natiir- 
gemäsa  die  Fussfetischisten  anreihen.  Seltsamer  Weise  ist  jedoch  die  Schwärmerei 
für  den  naekten  Fase  des. Weibes  sebr  selten,  dagegen  findet  deb  blnfig  die 
Verehrung  für  den  bekleideten  I  uss,  der  Schuh-  und  Stiefelfetiscbismus,  welcher 
in  der  Mehrzahl  der  F:tlle  tmchweisbar  niasochistischen  Charakters  ist.  Neben 
Auge,  Hand  und  Fuhi>  spielen  oft  auch  Mund  und  Ohr  die  Rolle  des  Fetisch. 

Sehr  zahlreich  sind  die  Uaarfetischisten,  welche  in  dem  unwider- 
etelilieben  Drange  naeb  der  Befriedignng  ibree  Yerlangena  an  eriminellen  ,|Zopf- 
abschneidern"  werden.  Die  Criminalistik  hat  schon  vielfaeh  Oelegeabeit  ge- 
habt, sich  mit  diesen  seltsamen  Schwärmern  zu  befassen. 

4/  Der  Fetisch  ist  ein  Stück  der  weiblichen  Kleidung, 
Oegenstandafetieehmns.  Dieso* Kleidergfttzendientt  inssert  sieb  darin,  dass 
entweder  flberbaapt  das  l>ekleidete  Weib  dem  nackten  vorgezogen  wird,  eine  Brsohei- 
uung,  der  wir  in  mehreren  Krankengeschichten  v.  Krakft  Ehing's  begegnen,  so 
bei  seinem  berühmten  Masochiaten,  der  sich  von  einem  bekleideten  Weibe  be- 
reiten lässt  —  equus  eroticas  —  oder  dass  eine  bestimmte  Art  der  Kladung  zum 
FetiBob  wird.  (In  Seide  gekleidete  Fnn  eto.) 

In  weiterer  Entwicklung  kommt  es  dahin,  dass  die  Aufmerksamkeit  und 
sexuelle  Begierde  so  sehr  anf  ein  bestimmtes  Kleidun;.'sst(lck  coneentrirt  ist,  dass 
die  lustbetoute  Vorstellung  dieses  Kleidungsstückes  sich  gänzlich  von  der  Gesammt- 
Torstellong  des  Weibes  loslöst  nnd  selbständigen  Werth  gewinnt.  Das  ist  der 
eigentliche  „Kl eider fetisch Ismus".  Es  handelt  sich  hierliei  dft  um  Stücke 
weiblicher  Leibwäsche,  die  durch  ihren  intimen  Charakter  besonders  geeignet  sind, 
sexuale  Associationen  an  sie  zu  knüpfen  (Corset,  Strumpfband,  Schürze,  Hemd, 
ünterrook,  Nachtjacke).  Oefters  besteht  dabei  ZentSrnngsdrang  gegen  den  Fetisch 
(Sadismas  am  unbelebten  Object).  .Sebr  bivfig  ist  der  Tasehentoeh-  und 
Sc h  uh f et i s  c h  i  3 m  u s  der  wegen  des  unwiderstehlichen  Dranges,  sich  die 
Gegenstände  der  sexuellen  Begierde  anzueignen,  zu  zahlreichen  Eigenthumsrer» 
letzungen  fuhrt. 

e)  Der  Fetiaeh  ist  ein  bestimmter  Stoff.    Solehe  Stoffe  sind 

▼or  Allem:  Pelzwerk,  Federn,  Sammt,  Seide.  Man  muss  wohl  annebmen .  dass 
gewisse  Tastempfiudunfren  (Kitzel)  bei  hyper.lsthotischen  Individuen  veranlassend 
für  die  Entstehung  dieser  Art  des  Fetischismus  sind.  Dieser  S to ff fe ti Schis- 
mas findet  sieb  blutig  bei  Maaoebisten.  (Vergl.  den  Inhalt  SACBBH-HASOOH'sdier 
Romane,  wo  der  „Pelz"  eine  so  bervorragende  Bolle  als  erotisches  Element  spielt.) 

Damit  ist  das  Gebiet  der  eigentlichen  .sexuellen  Parfl^thesie  erschöpft. 
Es  giebt  aber  noch  einige  häutiger  vork<»minende  gesehlechtliclic  ^'erirrungen, 
welche  namentlich  wegen  ihrer  foreusischen  Bedeutung  hier  noch  kurz  besprochen 
werden  sollen. 

m.  Anderweitige  gcsehleobtliehe  Verirrnngen. 
1.  DieThiersebändnng  (Bestialität).  Dieselbe  entspringt,  so  wider^ 
lieh  nnd  monströs  sie  jedem  ästhetisch  fühlenden  Meosehen  erscheinen  muss, 
keineswegs  immer  psycho  patholog!>chen  Bedingungen ,  sondern  kommt  hei  tief • 


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SEXUALE  PSRVERSIONEN. 


Stehender  Monlitit  und  groBsem  gesehleehtllelien  Drangt  venu  sugleieh  die  natiV' 

gemftsse  Befriedigung  erschwert  ist,  oft  genug,  sowohl  hdm  Uinnern  wie  bei 
Fraaen,  als  widernatürliche  Gescblechtsbcfriedi^'iing  vor. 

Männer  missbraucben  weibliche  Thiere,  nameutlich  Stuten,  Eselinnen, 
Kilbe,  Ziegen,  Bande,  «ach  Hennen,  Gänse  u.  dergl. ;  Weiber  treiben  Unzneht 
mit  mtnnlieheu  Thieren,  nunentlidi  Hinideii.  Im  Alteithtinie  wo  die  Beitialitilt 
schon  .«ehr  verbreitet  war,  wurde  der  heilige  Bock  oder  Pan  von  den  Frauen 
durch  Sodomie  vt-rehrt ;  es  ist  möglich,  dass  die  Schlaiitren  im  Aesculaptempel,  welche 
auch  in  den  iiauseru  aU  Spielzeug  der  Frauen  gehalten  wurden,  gleichfalla  sodomi- 
tisehen  Zweekoi  dienten.  Die  rOmieehen  Franen  waren  wegen  Sodomie  berflehti|rt. 

Was  den  geistigen  Zustand  der  ThierächHnder  anlangt,  so  sind  dicMelbea 
manehinal  Schwachsinnige ,  Epileptiker ,  wohl  auch  ab  und  zu  Geisteskranke 
(ScUAU£^'äT£lXj gewesen;  allein  die  grosse  Mehrzahl  dieser  Sodomiten  sind 
momliiek  ttefttehendO}  aber  geistig  gesunde  Menaehen,  bei  denen  es  deb  aueh 
keineswegs  um  irgoid  einePenrersion  des  Triebes  handelt  Tabdibu,  v.Maschka 
ROSBNBAÜM  "'\  Ki'WALKWSKY  »*)  U.A.  theileu  interessante  Fülle  .lieser  Art  mit. 

Damit  uicht  zu  verwech.seln  i.-;t  die  T  h  i  e  r  »j  u  il  1  e  r  e  i  auf  (jrund  von 
Sadiämuä,  die  sich  als  mildere  Ausdrucks  weise  des  perversen  sadistischen  An- 
triebes znr  GransamlEeit  findet  und  stets  nur  hei  geistig  Entarteten  vorkommt. 

2.  S  t  a  t  u  e  n  .s  (>  h  ä  n  d  u  n  g.  Dic^^e  den  Oflbntlichen  Anstand  verletzende, 
lur  Befriedigung  des  (ieschlechtstriebe.s  unternommene  Hamlliiii<r  kam  sowohl  im 
Alterthume,  wie  auch  iu  unserer  Zeit  mehrlacb  zur  Beobachtung.  Moreau  hat 
zahlreiche  Falle  ans  alter  und  neuer  Zeit  gesammelt.  Sie  rufen  wohl  immer  den 
Eindruck  des  Pathologischen  hervor,  wie  die  Geschichte  jenes  jungen  Mannes, 
der  eiae  Venus  von  Praxiteles  zur  Hefriedigung  seiner  Lflste  brauchte,  und  der 
Fall  des  Clisypbus,  der  ira  Tempel  zu  Samos  die  Statue  einer  (iöttin  schändete, 
nachdem  er  an  einer  gewissen  Stelle  ein  StUck  Fleisch  angebracht  hatte.  Nach 
V.  KLbapft-EIbing  (1*  P*?*  dürfte  es  sieh  um  Mensehen  mit  abnorm  starker 
Libido  bei  mangelhafter  Potenz  oder  fohlender  Gelegenheit  zu  normaler  Cresebleehts- 
befriedigung  handeln. 

Dasselbe  muss  fttr  die  sogenanuten  „Voyeurs^^  angenommen  werden, 
Uensehen ,  welche  so  ^iseh  sind ,  dass  sie  sieh  den  Anblick  dnes  Gkiitus  zu 
▼erschaffen  suchen,  um  ihrer  eigenen  Potenz  aufzuhelfen,  oder  beim  Anblick  eines 
erregten  Weibes  Orgasmus  und  Ejaculation  zu  bekommen  (vergl,  Cokfi(;non\ 

3.  Das  Exhibitioniren.  Männer  pUegen  mitunter,  wie  zahlreiche 
Filie  darthnn,  ostentativ  vor  Personen  des  anderen  Gesehledites  ihre  Genitalien 
zu  entblössen  und  Verstössen  so  in  grOblieher  Wdse  gegen  Anstand  nnd  (MItaitliehe 
Sitte.  Es  handelt  sich  dabei,  man  kann  auf  Grund  der  bisherigen  Casuistik  "  — loo  j 
wohl  sagen,  ausnahmslos  um  Menschen  mit  angeborenen  oder  erworbenen  geistigen 
Schwächezustünden  (Idioten,  marastiscbe  Greisej,  oder  um  solche  ludividueu,  wejche 
sidi  zeitweilig  in  einrnn  Znstande  getrabten  Bewusstseins  befanden  (transitorisehes 
Irresein,  gdstige  Dfimmerzustilnde). 

Als  eine  Art  ideeller  Exhibitionisten  sind  jene  meist  jungen,  sexuell  sehr 
erregbaren  Burschen  zu  betrachten,  die  sieh  damit  vergnügen,  die  Wände  Olfeut- 
lieher  Aborte  mit  Bildern  mlnnlieher  und  weiUieh«r  Genitalien  zu  hesndehi. 

Eine  besondere  Kategorie  von  Exhibitionisten  wird  durch  Epileptiker  ge- 
bildet, bei  denen  das  Exhibitioniren  nhiic  M^tiv  als  eine  im])ul8ive  Handlung  er- 
folgt, die  im  Sinne  einer  krankhatten  <ir::aiii>chen  Nöthiirung  sieh  den  N'ollzug 
erzwingt.  Auch  bei  >ieuraätheuikern  kommt  es  impulsiv  zu  exhibitiouistischcn  Acten. 

Eine  Varietftt  der  Exhibitionisten  stellen  die  sogenannten  «Frottenrs** 
4Ut,  Mensehen,  die  im  Volksgedränge  ihre  Genitalien  entbUtosen  und  an  den  Matea 
von  Weibern  reiben. 

Die  Gesichtspunkte  für  die  f  o  r  e  n  s  i  s  c  h  e  B  e  u  r  t  h  e  i  1  u  n  g  der  sexuellen 
Perverdonen  und  Perversititen  ergeben  sich  aus  dem  Dargelegten  ziemlich  von 
selbst,  nachdem  in  der  vorliegenden^  dem  knapp  zugemessenen  Kanme  Reehnung 


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SEXUALE  FEBTEBSIONEN. 


tragenden,  gadrlngtoo  Dantellmg  die  farendielie  Seite  tlinnliehat  berflekeieiitigt 

worden  ist.  Im  üebri^en  muss  auf  die  ausgezeichnete  Darlegung  v.  Krafft- 
EbiXG  S  in  seiner  Psychoftathia  sexualis,  Abschnitt  V:  „Das  krankhafte 
Sexualleben  vor  dem  Criminalfo  r um"  aU  der  für  jedea  Arzt  uoeDt- 
behriidieii  Qnmdlage  snr  riehtigen  BemrUieilnog  Ton  Sezualdeliotea  verwiesen  werden. 

Lit6ratar:  ')  Parent>DaeliataI«t,  Prostitution  daiui  la  tille  de  Paris  ISSl.-^ 
D6«enr«t,  La  midecint  des  pmsion».  Paris  1860-  —  *)Tardiaa,  De«  aUcntats  aus 
moeur».  7.  Mit,  1878.  —  *)  Casper,  EUn.  Novelleo.  1863.  —  *)  Morean,  De»  aberra- 

ti.,1,-.  'ii'    ' '  -  Tiiris  IS'-n.  —  *)  Lomhroso,  GescLlechtstrieti  und  Verbrechen  iu 

iiurea  gegenseitigen  Beziehuugen.  (Joltdammer's  Arch.  XXX.  —  ')  Taruuwskj*,  Die  krank* 
haftan  ErBCbeinangen  des  Geschlechtäuiiines    Berlin  1886.  —  *)  B  a  11 ,  L<i  folie  iroH^ue. 
Paris  l^^sg.   —  *)  Serieux,  liecherchts  cliniqiies  sur  lex  anonuilies  de  rinttixct  sexuel. 
Pari.s  18-Ö.  —       liiiuiiaond,  Sexuelle  Impotenz;  ülj€rs.  von  Sal  linder.  Berlin  1889.  — 
")  V.  K  raf  ft-Ebinf?,  pKi/chvp<ithi<t  .scruuUs.  S.  Aatl.,  Stuttgart  1693.         ■')  D  u  r  ü    1  b  e, 
Lehrbueb  der  Psychiatrie.  4.  Aafl.,  ätattaart  1>!90.  —       Derselbe,  Lehrbuch  der  gerichtl. 
Psychopathologie.  3.  AoH.,  Stuttgart  1892.  —  **)  Bmmingbaas,  Psychopathologie.  — 
'■)  V.  Hofmann,  Lehrb.  der  gerichtl.  Med.   ö.  Aufl.,  Wien  1^93.  —  '*)  II  a  t'na  n ,  Annalea 
nitilico-psychol.  1885.  —  '*.)  L«ntz,  Bull,  de  la  i*oc.  de  miJ.  Kjeaie  de  Belgiqae.  Nr.  21.  — 
*•)  Legrand  du  Sanlle,  La  fulie  dcvant  les  (ribnuaux.  —      Derselbe,  Annal.  d'hyg« 
pabl.  1868-  —      Derselbe,  Annal.  nieilico-psychol.  1876.  —  *')  Ultzmann,  Ueber  mllnn- 
liche  Sterilität.  Wiener  med.  Presse.  Ib78,  Nr.  l.  — ")  Derselbe,  \}t\>Qv  Potentia  generandi 
tf  i-,-inidi.  Wiener  Klinik.  1885,  Hett  1.  —  ■  )  Jloreau,  a.a.O.  -—  -')  Maadsley,  Phy- 
siologie und  Pathologie  der  Seele;  äbers.  von  Böhm.  —      Hirscbsp rong,  Berliner  Uio. 
Wodiensehr.  1866,  Nr.  38.  —  **)  Lombroto,  Der  Verbrecher;  eben,  tob  Frhnkal.  — 
•*)  Uarc.  Die  CJeisteakrankheiten  etc.;  tbmi.  von  Ideler.   —        Kirn  in  v.  Hascbka'a 
Handb.  der  gerichtl.  Med.  IV,  pag.        374.  —  "''J  Lascque,  Lex  Krhibitionistes,  Union 
med.  1871.  —   '  ')  v,  Krafft-Ebing,  Lehrb.  der  gerichü.  Psychopathol.  3.  Aull.,  pag.  lül; 
▼ergl.  dessen  Feych.  nex.  8.  Aufl.,  pag.  40.  —  ")  Casper,  Oeber  Notbzncht  nnd  Paderaati«. 
Canper's  Yierteljahrssehr.  ffir  gerichtl.  Med.  18-52.1.  —  "*)  Derselbe,  Efiaisehe  Novellen. 
l^>V.i.  —     )  C  a  spe  r- L  i  ni  a  n  .  ITanilh.  der  gerichtl.  Med.  8.  \ut]  ,  Berlin  1890,  I.  -    ''i  Karl 
Heinrich  Ulrichs,  Verfasser  der  ächrilten  „Vindex",  „Inclusa"*,  „Vindicta-*,  „Forniatrix", 
«Ar»  spei",  „Hemnon"  nnd  „Gladins  fkirens*,  „Kritische  Pfeile".  Forschungen  über  da»  Rätbsel 
der  mannmännlichen  Liebe.  Schleiz  Istj!} — IS'-O.  —  "  )  (iriesinger,  Arch.  für  Psych.  I.  — 
")  Westphal,  Khenda.  II.  —   'i  v.  K  ra  f  f  t  -  K  l»i  n  g ,  Psifcltoputhia  sfxnuUii.  8.  Aull.,  Stutt- 
gart 189^.  mit  einer  grossen  .Anzahl  eigener  Beobachtungen  und  hochintere.'tsanter  Autobio- 
graphien von  rriiiuKen,  pag.      — 35^.  —       Derselbe,  Nene  Forschungen  auf  dem  Ge- 
biete der  r^'tihojntthia  »exuali».  Stuttgart  1890.   Diese  den  Haaochlsmus  nnd  Sadismus 
liftrefleiidiii  Forschungen  .siml  mit  den  neuen  Atitlaj;cn  der  pMi/rfiopiit/iid  si\r,i,ilis  vereinigt. 
Daselbät  auch  die  voliätaudigen  Literatnraugabcn  über  die  bisherige  C a h u i s ti  k  derüomo- 
laxaalität,  pag.  284—285.    Grossere  Alihandlungen  und  zu.samnienfassande  Arbeiten  sind 
ausser  den  schon  angeführten  :  "  )  Gley,  Revue  philosoph.  Is^l,  Nr.  1.  —  *")  S  h  a  w  und 
Ferris,  Journ.  of  nervous  and  mental  di.seuse.   18''3.  —  *')  Bernhardi,  Der  Unmismu^. 
Berlin  18f^2.  —  *'|  Chevalier,  De  i iurtr-inn  dt  l' intftinct  sexiul.  Paris  1>^65.  —  **)Ritti, 
Gas.  hebd.  de  nü.  et  de  chir.  1878.  —  **)  Tamassia,  Kivista  speriment.  1878.  —  Lom- 
broso,  Arch.  di  Psydi.  1881.  —       Charcot  et  Magnan,  Areh.  de  Neuro!.  Iw2.  — 
*'')  Moll,  Die  contnire  S'exualempfindung.  Berlin  1891  (höchst  interessante  .Angaben  über  das 
Lehen  und  Treiben  der  Urninge  und  I'aderaüten).  —  *■)  Chevalier,  Areh.  de  l'aothropol. 
criminelle.  V  ii.  VI.  —      Renas,  Abermtimix  du  suis  iji'm'nique.  Annal.  d  hyg.  publ.  ISSti.  — 
Sanry,  ^Uude  cliniqn»'  sur  la  jolie  ht'redüaire,  ij^. —      Broaardel,  Gas.  des  höp. 
1886  und  1867.  —     Tilier,  L'instinct  sexuel  eher  Vhomme  et  ehez  leg  antmnux.  1889.  — 
*•)  Carlier,  Les  iltu.r  jn-'i.-iititi         1887.    -  ■*)  L  a  c  a  s  s  a n  e,  Art.  IV-Jt-rastie  iu  Dict. 
«neyclop.  —      Vibert,  Art.  Päderastie  in  Dict.  m^d.  et  de  chir.  —  '^j  v.  Krafft-Ebing, 
Zur  oontritron  Sexnalempfindnag.  Friedr.  Blftttar  fOr  gerichtl.  Med.  1891,  psg.  385.  —  Beard, 
Sexnelle  Neorasthenie.       ■")  Hammond,   Amer.  Jouin  of  Neurology  and  P.<ych.  18S2.  — 
Nysten,  Dict   lie  med.  11.  tdit.,  Paris  1858  (Art.  Ecinttion  et  mahtdie  des  Seif thes). — 
''  I  Maraudon,  De  lu  muliidie  dts  Sci/thcs.  Ansal.  uMleO'Pljreh.  Ib77.  —  "'j  Blnmröder, 
Ueber  Irresein.  Leipzig  lS3ci.  —  **)  Lombroio,  Verzeni  *  Agnoletti.  Borna  1874.  — 
*')  BInmrSder,  Ueber  Lust  nnd  Scbmern.  Friedrelch's  Magasin  für  Seeleakunde.  1^30.  — 
••)  Schulz,  Wiener  med.  Wiicheiisclir.  !n')9,  Nr.  49,  bt-ric'htet  über  einen  M  uin,  dernuriu  Zornes- 
stimmuug  den  Coitus  vollziehen  konnte.  —  ''jLoubroso,  Der  Verbrecher,  ubersetzt  von 
Frankel,  berichtet  pag.  18  ff.  aber  analog«  Vorkmnmnisse  bei  brünstigen  Tbier^-n.  — 
*■")  Metzger,  (ierichtl.  Areneiwissenschaft ,  herausgeg.  von  Rem  eh  —  Feuerbach, 
Acten  mässigc  Darstellung  merkwürdiger  Verbrechen.  —  '  *)  Lombroao,  Geschlechtstrieb  und 
Verbrechen  in  ihren  gCf^enseitigen  Beziehungen.  Gultdammer's  Arch,  XXX.  —  Gauster 
in  V.  Maschka's  Uandb.  der  gerichtl.  Med.   IV,  pag.  489.  —       Losögne,  Brouardel, 
Motet,  Der  Proeess  Ueneaclou.  Annal.  d  hyg.  publ.  1^81.  —  '*)  A.  Spitzka,  Ueber  den 
FnnMomürder  von  unütechapel.  The  Journ.  of  nervous  aod  ment.  disease.  18^8.  —  Kiornan, 


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664 


BEXUALE  PERVEBSIOMfiN.  —  SOPflOBA. 


The  meJical  Standard.  l'-i88.  —  Brierre  de  Boi.snumt,  (laz.  mi'd.  18ö'i.  —  ■')Taxil, 
La  Prostitution  contemyn-aint ,  p«^.  171  (Gaechichta  eines  PnJaten,  der  sich  jeweils  eine 
Proititairte als  Leiche heiriditeii iMw).  —  **)Taniowak7,  IM» knnkhftftea Brnbeinnofln «te., 

MC.  61.  —  '*)  Dem  nie,  Buch  der  Verbrechen.  —  Kraus»,  Phvsirdogie  des  Verbrechens. 
Iw4> —  Coffignou,  La  corruptiou  a  Paris. —  **J  A  rn d  t.  Viertcljahrsschr.  für  gerichtl. 
1M.N.  F.  XVII,  Heft  1.  —  '  )  Pascal,  Igiene  dell' amore.  —  Albert,  Friedr.  Blätter 
fllrtBri^tl.  Ued.  188*J.  —  v.  Uynrkovechky,  Pathologie  und  Therapie  der  nubmliehen 
Impotens.  1889,  pag.  8<i-  —  Mantegaaza.  Fisioloyia  del  piaeere.  —  '*)  Vergl.  M SMun, 
J.  J.  RouBseüu's  Kr.uikhritsgeschichte.  Leipzig  1889.  -  *  j  Chatelaiu,  L<t /»Iii  iJe  J.  J, 
Housstau.  Neuchütel  ISlHJ.  —  **)  Binet,  Bevue  antbropol.  XXIV  (\.AiHOur  npirituali^it'^ 
im  Gegensaue  zn  „Atnoitr  phatiqu^).  —  *')0.  Zimmermann,  Die  Wonne  des  Leids. 
Leipzig  1885.  —  Mantegazza,  Antbropol.  Studien.  1880.  —  Binet , />«  I-'a(i.-r/iigme 
(lans  l'amour.  Revue  pbilosoph.  1S87.  —  "  j  Zippe,  Wiener  med.  Wochenschr.  1879.  Nr.  ^  i.  — 
Rosenbaura.  Die  Lnst.seuche.  5.  Aufl. ,  \H*SZ.  —  **j  Sc  b  a  u  e  u  st  e  i  n  .  Lehrbuch  der 
gerichtl.  Med.  Z  Antl.,  Wien  1875.  —  "*)  t.  Maschkn,  Handbach  der  gerichtl.  Med.  III. 
png.  188.  —  ••)  Kowaleirsky,  Jahrb.  Ar  Pftych.  VII,  Heft  3.  —  ••)  Pelatira,  Uelw 
Pornopathiker.  Arch.  di  Psych.  VIII.  —  "')  S  c  h  n  c  h  a  r  d  t ,  Zeitschr.  für  Med  cinallieamte. 
1890,  lieft  6.  —  Lusegne,  Union  mt-d.  1>77.  —  '•'")  Laudier,  Annal.  d'hyg.  pul>l. 
1878,  Nr.  ICt).  —  Kautzner,  Gerichtsarzll.  Fälle.  Mittbeilungen  des  Vereines  der  Aeiz'e 
in  Steiermark.  Gras  1892.  —  Li  n  a  n  .  Vierteljabrsscbr.  fiir  gerichtl.  Med.  N.  F.  XXXVIII, 
Heft  2.  —  Weitere  Literatur:  '"")Casper,  Impotetttia  et  sterilitas  ririlis.  Mfinchen  1890.  — 
•**)  Leonpacher,  Psychische  Impotenz.  Contnire  Sexualeniptiudung.  Frimlr.  Hl.  fiii  g:erichtl. 
Ued.  18B7.  —  ""j  Frank,  Geschlecbtsverbrechen  und  Tödtang.  Vierteyahrsschr.  für  gerichtl. 
Med.  XLVIIf,  p«g.  200.  —  ***)  Loinbroso,  Ineesto.  Lombroso's  Arch.  Ym,  pag.  519.  — 
'  I  r.arnier,  Annal  iThy^-  pnM.  XVITI.  —  "")  Ko-valewsky,  1%-ber  Perversion  des  Ge- 
.schlechtssinnes  bei  E|)ileptiJiern.  Jalult.  für  Psych.  Vll.  —  Lacas.sagne  ,  L'n  aliem'  en 
com-.  1S87.  Lyon  med.  Nr.  51.  —  P ug I  i  e se,  Stupro,  sodomia  ed  omiciilt".  Lomhroao's 
Arch.  VUL  —  "^J  Basdragbi,  /  delitti  di  libiäiM  n$i  patzi.  Lombroso's  Arch.  IX.  — 
"•)  Hftrsn,  Zur  sauirnen  Psychopathie.  Zeitsehr.  fOrMedieinalbeamte.  ISSS.  —  "')  Thomsen, 
F.heuila.  jia?.  7:J.  —  ""')Trocbon,  f'n  m-  <!',  r!iii.i!i''i>!siut.  Arch.  de  rüritbropol.  crim.  III, 
Kr  lese,  Beitrag  zur  Lebre  von  der  coutraren  äexualemptindung  iu  kliuisch-forensiscber  Be- 
siehnog.  Diss.  Wfirxbnrg  1889.  —  "*>  v.  Krafft-Ebi  ng,  lieber  Neurosen  und  Psychosen 
dnrch  sexuelle  Abstinenz.  Jahrb.  für  P^ych.  VIII.  Heft  1  n.  Ü.  —  Rotzen.  Friedr  Bl. 
fttr  gerichtl.  Med.  l>'.tu,  pag.  419.  —  '  }  Z  i  »•  r  1  ,  Ebenda,  pag.  448.  —  Freyer,  Zeit- 
schrift für  Medicinalbeamte.  189",  pag.  273.  —  "  )  S  t  e  p  ha no ws k  v,  Zur  Lehre  vom  Morde 
aas  Lnstgefühl.  CentralbL  iUr  Nervenheilk.  und  Psych.  1891.  —  ">)  Birnbacher,  Ein  Fall 
von  eontiftrer  Seznalempflndnng  vor  dem  Strafgericht.  Friedr.  Blltter  für  gefriehtl.  Med.  1891. 
liaz.  2.   —  F.  ('.  Miill.  r,  Ehflnda,  imt.  279-   —    '-'")  H.  Rerbey,         >v,„»  ri»v<  can- 

»cieitce.  AOerratioii  du  .seu^  ;/ritit'il.  Gaz.  bebd.  IsyO,  Nr.  Ii*.  —  '-')  Hospital,  (Krieute 
obtenatioH  de  folie  trotiqin'.  Annal  medico-psycb.  1^91.  Nr  1.  —  '*-)  v.  K  ra  f  f t- El»  iag. 
Zur  conträren  Sexualemptlndung.  Friedr.  Bl.  für  gerichtl.  Med.  1891,  pag.  HS5.  —  *")  C.  Laker, 
lieber  eine  besondere  Form  von  verkehrter  Richtung  (Perversion)  des  voiblicben  Geschlcirbts- 
triebes,  Arch  iiir  <  .yn.  I-^l»,  XXXIV,  Heft  3.  --  '■'•)  Leo  Wacbholz,  Zur  Ca.suistik  der 
sexuellen  Verirrungeu.  Friedr.  Bl.  für  gericbtL  Med.  1Ö92,  Heft  6,  pag.  431.  —  C.  Seydel, 
Die  Benrtheilniiff  der  perversen  Sexaalvergehen  in  fino.  Viertdjabrsschr.  fBr  geriditL  Med. 
3.Fal*e.  i893,  V.  Arft 2.  pag.  273.  ^ratter. 

SophOrS.  Eine  Reihe  von  Giftgewftchsen  enthält  die  in  tropischen  und 
subtropiseben  Ländern  der  alten  und  neuen  Welt  vertretene  Onttung  Sophora, 

die  besonders  dadurch  vou  Intere.sse  ist,  dass  die  »inzcliieii  Arten  dieser  Leprii- 
iniiio-t'iiLr.'ittuiiir  vurschiedrne  Wirkung  besitzen  und  StoiV,'  -r.-inz  verscliiodciuT  Art 
enthalicit.  Am  wenigsten  ^iltig  scheiueu  die  ziiiu  (•ellilarlieu  büiiutztcii  unaut- 
geeeblosBenen  Knospen  einer  japanisehen  Art,  Sophoro  /"jn^nica,  die  sogenannten 
c  h  in  e  s  i  .sc  h  e  u  Gelb  beeren,  die  nach  Fohstkr  eiu  Glycosid  enthalten,  das 
beim  Spalten  Isodulcit  und  einen  den)  Qiiercitrin  lihniiehen  Körper  liefert,  der  ji  doch 
mit  (^iiereitrin  und  Kutin  nicht  identisch  ist.  Nach  älteren  Angaben  sulieu  alle 
Tbeilc  dieser  Sophora  Oathartin  enthalten,  und  zwar  angeblich  in  so  grossen 
Mengen,  daaa  die  Vtnarbdtaiig  des  sehr  brauchbaren  Hölzes  Kolik  und  Diarrhoe 
und  der  Genus.s  von  Wasser,  in  welche.'!  Hiüthen  dieser  Sophora  hineiutleleu.  die- 
•selben  Krseheinunfren  lierv (itriiien  soINmi. Kvkm.vn  fand  1Ö87  ein  Alkaloid 
in  der  l'llan^e,  worüber  >>;ihereö  nicht  luiigetlieilt  i>t. 

Unter  dem  Namen  Upa»  bidjx  sind  die  sehr  bitteren  8amen  einer 
auf  den  Molukken,  in  Jnvn  und  Ceylon,  auch  in  verschiedenen  Theilen  Australiens 
vorkommenden  i>uphora,  Üophora  tomenfosa  L.,  auf  Java  beisannt.  Sie 


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SOPHOBA.  —  SPfiCIFIäOUES  BLUTGEWiCHT. 


665 


galten  früher  für  ein  Specificuni  gegen  Cholera  und  gegen  lotoxieationen  dareh 
giftige  Seethiere.  Ans  ihmn  hat  GRKSffOFF  ein  Alkaloid  isolirt,  das  in  seinem 
ohemiaohen  Verhalten,  uameutlicb  auch  in  Bezug  auf  Löslich keitsverhältnisse,  mit 
dem  Oytisin  (s.  d.)  grosse  Aebnliehkeit  besitit  und  Tielleieht  damit  identimA 
ist  Nach  Plügge-)  bewirkt  es  centrale  Paralyse,  hebt  zuerst  die  Willkflrbewe» 
gung,  dann  die  Reflexerrejrbarkeit ,  darauf  die  Reizbarkeit  der  peripheren  Nerven 
und  zuletzt  die  der  willkürlichen  Muskeln  und  des  Herzens  auf.  £s  tödtet  bei 
Warmblütern  durch  Atbemläbmuug. 

In  Texas  und  Neumexieo  alstiran  ^ftige  Sophoraarten,  die  sieh  besonders 
dmreh  die  bwansehende  Wirkung  ihrer  Sanmi  auszeichnen.  Als  solche  werden 
Sophorn  sppcioftn  und  Sop/iorn  f*  e  c  n  n  difl  or  n  genannt.  Von  den 
Bohnen  machen  die  Indianer  Gebrauch  Berauschungsmittel ;  eine  halbe  Buhne 
soll  nnsinnige  Heiterkeit,  von  mehrtigigem  Sehlafe  abgelöst,  bervorrnfen,  eine 
ganse  Bohne  soll  den  Tod  herbeiführen  können.  Aus  den  Bohnen  ist  von  II.  C. 
Wood  ^"1  mittelst  dc-i  STA.«:  OTTO'schen  Verfahren«?  ein  tlüchtig'cs  tlil>;>;iires  Alkaloid 
i.süiirt,  das  sich  in  Wasser  und  Alkohol  leicht,  in  Aether  weniger  leicht  löst  und 
krystaliisirende  Salze  giebt,  die  sich  mit  EisenchloridlOäung  blutroth  färben.  Das 
bei  FrOsehen  die  Reflexthxtigkeit  berabsetsende  und  oentral  Itbmende  Alkaloid  ist 
für  Hunde  wenig  giftig,  wfihrend  es  Katzen  zu  0*2  durch  Athemlähraung  tödtet 
und  zu  0*03  in  mehrstündigen  Schlaf  versetzt.  Das-i  das  WooD  sehc  Alkaloid 
nicht  mit  Cytiain  identisch  ist,  gebt  aus  der  Beschatieulieit  des  Alkaloids  und  aus 
dem  Verbalten  gegen  Bisenehlorid  hervor. 

Literatur:  ')  Ru Lenthal,  Sjfftopt.  plant.  iliaiAor.,  \t&g.  1030.  Husemann- 
Hilger,  Pflanxenstoffe,  pag.  1048.  — Alkaloide  von  Sophofa  tomentosn.  Nederl. 
Tfjdschr,  voor  Pharm.  Hot.  1891,  pag.  350;  Arch,  der  Pharm.  18*H.  pag.  561.  —  *)  Wood. 
Amcr.  Journ.  Pliiirin  (4).  L,  pag.  4>^J1.  Rotlirock.  Pharm.  .Totirn.  Transact.  1880,  pag.  (364. 
Kalteycr  und  Neil,  Amer.  Joorn.  Pharm.  Iä86,  pag.  05;  Pharm.  Ztg.  18S6,  Nr.  96, 
736.  Th.  Hnsemann. 

SpecifiSCheS  Blutgewicht.  Das  speeißsche  Gewicht  des  Blutes  ist, 
wie  tidi  dies  von  selbst  versteht,  schon  finbseiti]?  Gegenstand  der  Untertnebnng: 
l^esen.    Schon  Datt^)  bat  im  Jahre  18.31)  Angaben  Aber  diesen  Gegenstand 

veröflentlieht  und  RKCijUKRF.r,  und  Rodier  haben  in  ilireii  berühmten  ..T'nfer- 
suehnnfren  über  die  Zusanimen.setzung  des  Blute.s  im  fjesundcn  nnd  kranken 
ZuHtaudc''  *;  auch  die  Dichtigkeit  des  Blutes  eingehend  gewürdigt.  Während  aber 
frOber  an  Untersnehungen  der  Blntdiebte,  die  stets  mit  PjrknometeRi  vorgenommen 
wurden,  grössere  Blutmen<;eu  erforderlich  w.iren ,  sind  in  neuerer  SSdt  Methoden 
erfunden  worden,  welche  Bestimmungen  der  tra:rli<'hen  Grösse  auch  dann  ^est.Ttten, 
wenn  nur  wenige  Tropfen  Blutes  zur  Verfügung  stehen,  und  erst  dadurch  siud 
Dicbtigkeit^bcstlmmnngen  am  Blote  in  die  Reihe  der  kliniselien  Untersnelinngs- 
metboden  eingefllbrt  nnd  Untersuebungeu  in  dieser  Riohtnng  auf  breiterer  Basis 
ermOgliebt  worden. 

Methode.  Die  Bestimninn?  de»  Kpeetfisehen  Gewichtes  des  Blutes  kann 
in  verschiedener  Weise  ausgeführt  werden : 

1.  Directe  Bestimmung  im  Capillarpyknometer. *)  Als  Pyknometer 
dicDt  eine  circa  12  Cm.  lange  und  1 '  ^  Mm.  weite,  an  beiden  Enden  verengte 
Oapillare ,  die  etwa  O'l  Ccm.  Fliissi;,'keit  f:is<t.  Dieselbe  wird  naeh  subtiler 
Reinigung  mit  Wasser,  Alkohol  und  Aether  zun.lehst  genau  frewofreu  (die  benutzte 
Wage  muss  noch  >/|o  Mgrm.  exact  angeben  und  \  so  Mgrm.  zu  schätzen  erlauben), 
sodann  mit  destilUrtem  Wasser  von  38'  0.  gefallt ,  insserlieh  abgetrocknet  und 
wiederum  gewogen ;  die  Differenz  beider  Zahlen  eririebt  das  Gewiebt  der  in  der 
Capillare  enthaltenen  Wassermcnge.  In  dieses  ('apillirpyknnmeter  wird  nun  der 
durch  Einstieh  mit  einer  schmalen  Lanzette  gewouueue  Blutstropfen  eingesaugt 
und  die  blutgefullte  (  apiilare  von  Neuem  gewogen,  der  Quotient  aus  dem  Gewiebt 
des  Blutvolumen  dividirt  dureh  das  vorher  bekannte  Gewicht  einer  gldcbgrossen 
Menge  Wassers   ergiebt  danu  das  speeihaehe  Gewicht  des  untersuchten  Blutes, 


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666 


SPBOmSCHBS  BLÜTOEWICHT. 


Nach  dem  Oelmqelie  nflaieii  dk  CtpiUareo  mit  TordOnnter  Kalilaage,  Watser, 
Alkohol  and  Aetber  gereiiilgt  werden.  Durch  wiederholte  ControlaDtenoehugen 

an  Kochsalzlösungen,  sowie  an  Blut,  das  diirclt  Vcn.icscction  »cwonnen  wurde 
lind  dessen  Dichtigrkeit  durch  ein  fjrosses  PyknomettT  bestimmt  werden  konnte, 
ist  nacligowie»en ,  dass  die  capillarpyknometriscbe  Untersuchung  exacte  Resultate 
liefert  (der  griisste  heobaehtete  Fehler  betmir  1*04045  —  1*0396  =  0*00085). 

Mit  dieser  Methode  haben,  ausser  Verfasser  selbst*),  noch  PbIPBS*), 
ßüMPF*),  EyKMANN^),  Sophie  SchOLKOFF^)  und  GraWITZ  ')  gearbeitet. 

2.  Indireote  Bestimmung  durch  Suspension  eint s  Blutstropfens  ia 
einer  anderen  Flflseigkeit  von  bekanntem  ipeeiffsehen  Gewicht: 

a)  Nach  RoT:  Tropfen  des  zn  nntersnehenden  Blutee  werden  in  Probe* 
dUssijrkeitcn  (Glyeerin-  oder  Gumnulöstin;r  n.  s.  w.)  von  bekannter  Dichtigkeit 
eingebraeht  ;  diejeuifje  Flüssif^keit ,  in  welcher  das  Blut  schweben  bleibt,  ohne 
aufzusteigen  oder  abzusinken,  giebt  das  specifisebe  Gewicht  des  Blutes  an. 

Hit  dieser  Methode  haben  Llotd  Jonbsi»'  Devoto**),  OopJOfAifi«) 
und  SlBSL**-  '••)  gearbeitet. 

?i)  Nach  Albeht  IlAMMERScnLA(;  Ein  Tropfen  des  zu  untersuchenden 
Blutes  wird  in  eine  Mischung  von  Chloroform  und  Benzol  eingebracht;  das  Blut 
vertheilt  sieh  in  dieeer  Misehang  nieht,  sondern  bleibt  als  Tropfen  erhalten,  nnd 
man  t/t  nun  solange  Chloroform,  beziehentlich  Benzol  zu,  bis  das  ßlutkugelchen 
eben  schwimmt ,  ohne  auf'zusteisren  oder  unterzusinken.  Das  specitische  Qewieht 
der  Chloruformbcn/.olmischung  wird  dann  mit  einem  Aräometer  be:>timmt. 

Hammebschlag  hat  nachgewiesen,  dass  in  dieser  Weise  Resultate  von 
genttgender  Exaeth«t  gewonnen  werden  kennen. 

Mit  dieser  Methode  haben  ausser  Hammekschlag  selbst nodi 
Glogxer '  Oi  Hock  und  Schlesinger  so.  21 )  und  Stkix --)  gearbeitet. 

Verhalten  des  specifischen  Gewichtes  des  Blutes  bei 
Gesunden.  Naeh  der  übereinstimmenden  Angabe  aller  Antoren,  die  mit  saver> 
lÄssigen  Methoden  gearbeitet  haben,  ist  unter  normalen  Verhältnissen,  abgesehen 
von  Diirerenzen,  die  durch  d.ts  {iesetiki'lit  bedingt  sind,  das  specifische  (iewicht 
des  Blutes  eine  unnähernd  constunte  Grosse.  Eatspreohend  seinem  geringeren 
Gebalt  an  rotben  Blutkörperchen  und  an  HfimogloMn  hat  das  Blut  der  Frauen 
ein  etwas  niedrigeres  spedfisehea  Gewicht  (im  Mittel  etwa  1*056)  als  das  der 
Mflnner  (im  Mittel  etwa  1'050);  dagegen  finden  sich  bei  Personen  desselben 
Geseblecbtcs  nur  freritif^e  Abweichungen  letwa  bis  i  0*0()3  von  der  Mittelzahl. 
Durch  Einwirkungen  \ erjüchiedener  Art  erfährt  zwar  die  Blutconcuntration  vor- 
übergehende Aenderangen,  so  dnreh  Nahrungs-  nnd  FlOssigkdtsznfnhr ,  starke 
Schweissabsondemng  u.  s.  w. ,  aber  in  der  Norm  werden  diese  Schwankungen 
schnell  wieder  ausgeglichen.  Es  gelang  z.  H.  dem  Verfasser  nicht,  durch  Auf- 
nahme von  1  Liter  physiologischer  Kochsalzlösung  das  Gewicht  seines  Blutes  fflr 
Iflnger  als  V4  Stunde  unter  dem  Dnrebsehnitt  zu  erhalten.  Verfasser  hat  ferner 
im  Laufe  eines  Jahres  eine  grosse  Zahl  von  Bestimmungen  an  sieh  selbst  vor- 
genommen iiiid  gefunden,  dass  w.lhrend  die-ies  Zeitraumes  sein  Hliitgcwicht  nie 
unter  1'056  absank  und  nie  fibcr  I  tUil.'  ansticLr;  durchschnittlich  fanden  sich  in 
deu  Morgenstundeu  etwas  höhere  Werthe,  als  während  des  übrigen  Tages.  Aeha- 
liohe  Resultate  hat  HAmiBBSCRLAO  mitgetheiU. 

Von  Glogni-r  und  Eyk.maxx  sind  an  Tropcnbewohnem  Untersuchungen 
angestellt  worden;  die  Kestilf.-ite  des  letztgenannten  Autors  stimmen  mit  den  oben 
angegebenen  Zahlen  volikomraeu  Uberein,  Glüuner  fand  bei  einem  Theil  der 
untersuehten  Personen  niedrigere  Ziffern. 

Auch  der  Ort  der  Blutentnahme  scheint  auf  dessen  Diehte  nur  von 
gerinjrem  EinHu>s  zti  <ciii .  wie  speciell  hierauf  gerichtete  rntersuchungen  von 
Sophie  .SrnoLKoFF  beweisen;  das  Gleiche  ;^ilt  von  dem  Füllungsgrad  der  Haut- 
gef^sse.  Ein  anderes  Verhalten  macht  sieh  geltend ,  weun  durch  vasomotorische 
Eindttsse  weite  GeOssgebiete  cur  Contraction  oder  zur  Erweiterung  veranlasst 


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SFEGIFISOHES  BLÜTGEWICHT. 


667 


werden.  Gbawitz,  der  hierüber  eiogebende  Stadien  gemacht  hat,  fand,  dass  auf 
Reiniii(?  dar  Vasomotoron  (darcb  «in  kaltes  Bad,  pa^diiaehe  Eitngvmg  eto.)  eine 

Eindickun?  des  Blutes  fnlptc,  w.lhrend  umgekehrt  durch  Lähmung  der  Vaso- 
motoren I  durch  ein  beis-^cs  Bad  oder  Amylnitriteinathmung^  eine  Verdünnung  des 
Blutes  erzeugt  werden  konnte.  GBA^vlTZ  führt  diese  Erscheinung  auf  einen,  vom 
Gefitostonns  abhängigen  Aostaoaek  von  FIfladgkttt  zwischen  den  Gkftssen  und  den 
Geweben  zurück. 

Verhalten  de«!  speci  fischen  Gewichtes  des  Blutes  unter 
pathologischen  Verhältnissen.  Aenderungen  der  speciüschen  iSchwere 
des  Blotes  kdnnen  auf  Tersebiedene  Weise  zn  Stande  komnen.  Da  die  rotken 
Blutkörperchen  der  schwerste  Bestandtheil  des  Blutes  sind ,  so  ist  es  klar,  dass 
eine  Verminderung  ibrer  Z.ibl  im  Bhite  d.is  Gef^animtbUit  speciflseb  leiebfer  machen 
mus!),  da  ferner  die  rotht  n  Zellen  vorwiegend  aus  Hiinioglohin  be^tebon  und  ihrem 
Gehalt  au  dieser  Verbindung  ihr  hohes  Gewicht  verdanken ,  so  niuss  das  spo- 
cidscbe  Gewicht  des  Blutes  aueb  dann  sinken,  wenn  dessen  Gehalt  an  rothen 
Blutkörperchen  zwar  normal  ii^t,  diese  letzteren  aber  abnom  arm  «Q  Hlmoglobin 
sind,  r'mgekehrt  mnss  das  Gewicht  des  Blutes  steigen ,  wenn  Hyperglobulin 
besteht.  Das  Blutplasma  hat  zwar  ein  wesentlich  niedrigeres  specilisches  Gewioht, 
als  das  Gesammtblnt  (nacb  Hauuebscblag  im  Uittel  1*030) ,  dennoeh  ist  es 
selbstverstAndlicb,  dass  Aendemngen  seiner  Concentration  gleichfalls  einen  Einfla«s 
auf  das  Gewicbt  des  (Jcsnmmthlutes  haben.  Ob  die  Anwesenheit  fremder  Stoffe 
im  Blute  an  sich  in  deutlicher  Weise  seine  Dichte  beeinflussen  kann,  erscheint 
zweifelhaft  —  die  von  Einzelnen  behauptete  Gewichtserhöhung  hei  Icterus  ist  vrtn 
anderer  Seite  geleugnet  worden  — ,  dagegen  gelingt  eS|  experimentell  dureb  Ein* 
ftlbmng  solcher  Stoffe,  welche  die  cndosmotischen  Verbiltnisse  im  Gefksssystcm 
modifieiren,  di<'  I'.lutdiebte  zu  verändern  (Grawitz). 

^^ach  dem  eben  Gesagten  erscheint  es  nur  nai Urlich,  dass  sich  die  gröbsten 
Abweiehnngen  von  der  Norm  bei  der  Gblorose  finden,  wobei  ja  der  Hämoglobin« 
gehalt  des  Blutes  zuweilen  enorm  herabgesetzt  gefunden  wird,  und  dass  hierbei, 
wie  neuere  rntersuchungen  des  Verfassers  und  vieler  anderer  Autoren  überein- 
stimmend gelehrt  haben,  das  Verhalten  des  specilischcn  (iewichtes  des  Blutes  dem 
Hämoglobiogehalt  desselben  genau  parallel  geht,  während  es  sich  von  der  Blut- 
kOrperebenzahl  in  weiten  Grenzen  unabbingig  zeigt 


■  Speciflaches 
j  Gewicht 

;  1 .1  !iioj;l<iliin- 
gfhalt  iu  l'roo. 
nach  Fleisch! 

'  Zahl  der  rothen 
Blutkörperchea 

SpedflBches 
Gewicht 

Hänioplohin- 
Kehalt  in  I'roc 
nach  F 1  e  1 8  c  b  1 

Zahl  der  rothen 
Blutkürperchea 

1-035 

30 

3,364.000 

1039 

40 

3,352  000 

im 

35 

1-1 141 

•10—45 

35 

1044 

45-50 

3.096.000 

1038 

35 

1-044 

50 

42oaooo 

1039 

35-40 

ii.448.Ü00 

Die  Herabsetzung  des  specifischen  Gewichtes  des  Blutes  bei  der  Chlorose 
ist  oft  eine  sehr  erhebliche.  }»is  auf  1035^  ja  .sogar  1*030;  mit  fortschreitender 
Besserung  steigt  dann,  entsprechend  dem  zuuehmeudeu  Hämoglobingehalt,  auch 
das  Gewiebt  des  Blutes  wieder  an  und  erreioht  mit  erfolgter  Heilung  die  Norm. 
Es  scheint,  dass  in  diesen  Fällen  Bestimmungen  des  Blu^ewichtes ,  die  ja  leiebt 
in  völlig  exacter  Weise  atisfülirbar  sind,  den  genauesten  Massstab  für  den  Grad 
der  Erkrankung  und  die  Fort-schritte  der  Heilung  abgeben. 

Auch  bei  allen  anderen  Formen  der  Auftmie  wird,  sobald  eine  Verarmung 
des  Blutes  an  Hämoglobin  vorbanden  ist,  ein  Absinken  des  speeifisehea  Blut- 
gewichtes beobachtet,  so  nach  Aderlässen  (Becqi'EUEL  und  RoniEU)  und  anderen 
Blutverlusten,  hei  sichweren  AniUnien  und  bei  Cachexien  versebicdenen  Ursprung!  s. 

Aaflfallend  sind  die  Ktsultate,  die  bei  Fhthisikeru  gefuuden  werden.  Iis 
hat  sieh  nimlieh  herausgestellt,  dass  niebt  selten  gerade  die  schwersten  FftUe  von 


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668 


8P£ClFIäCHEä  BLÜTG£W1CBT. 


Lnagensohwindsucht  ein  normales,  ja  tbeilweiae  sogar  ein  relativ  hohes  Blut- 
gewicht zeipren.  Die  Erklftrunp  für  diese  Tbatsache  ist  theilweise  vielleicht  in  der 
Annahme  zu  suchen ,  das9  die  Anämie  solcher  Kranker  nicht  sowohl  in  Oligu- 
ehromimte  und  Oligocythämie  bettdit,  Bondem  dass  in  FMge  der  Comiib|^oii 
die  Gesammtblutmenge  vermindert  ist,  theilweise  aber  kommt  wahraoheinlieb  noeli 
ein  SweiteH  Moment  in  Frage,  welches  soffleiob  eingebender  gpwilrdiL't  werden  floll. 

Es  wurde  oben  schon  erwähnt,  dass  eine  Veni;ehrun^  der  rothen  Blut- 
körperchen im  Blute  das  apecitischc  Gewicht  des  letzteren  erhöhen  mus.^.  Eine 
solche  Hypergtobnlie  tritt  onn  ttberaU  da  ein,  wo  in  Folge  von  Cirealations- 
störungen  der  Blutatrom  über  ein  gewisses  Mass  hinaas  verlaogsammt  wird,  und  die 
IJeobacbtnng'en  zahlreicher  Autoren  lehren,  dass  nur  ganz  e-erinjrfüw'ige  Stauungen 
erforderlich  sind,  um  das  venöse  Blut  abnorm  reich  an  Blutkörperchen  zu  machen. 
Die  Folge  dieser  „globnUteen  Stase"  ist  ein  Anstelgen  des  speeifiseben  Oewiehtes 
des  Blutes  in  allen  FSIIen,  in  denen  die  Circulation  iu  der  Peripherie  verlangsamt 
ist.  Wie  hohe  Grade  die  Biutconcentration  erreichen  kann,  beweist  eine  Mittbeilnng 
von  Krehl  (Deutsches  Arch.  f.  klin.  Med.  XLIV"),  der  in  einem  Falle  von 
Stenose  des  Osiium  pulmonale  am  Äderlassblut  ein  specilläches  Gewiebt  von 
1-071  fand! 

Diese  Erscheinunfr.  die  bei  Herzkranken  gar  nicht  selten  gefunden  wird, 
deutet  darauf  hin,  dass  bei  dem  Bt  >ti'lu  n  \  <)n  Circnlationsstöninf^en  ,  wie  solche 
ja  auch  in  vielen  Fällen  von  Lunt^eutuberkuluse  bestehen,  diu  Unteräucbung  einer 
in  der  Peripbere  gewonnenen  Blutprobe  keinen  Aufseblnss  tiber  den  Znstand  des 
Oesammtblutes  glebt  und  deshalb  werthlos  ist. 

Die  oben  .Tufo'estellte  Regel ,  dass  bei  der  Chlorose  und  den  meisten 
Anämien  das  specitische  Blut.^ewicht  dem  Häniuglubingehalt  des  Bltttes  parallel 
geht,  erl«det  nach  Untersuchungen  von  Hamuebscblao  nnd  Sieol  ^se  Aus^ 
nabme  b«  der  Anämie  der  Nepbritiker.  In  Folge  der  bydrimischen  Besehaffen- 
heit  des  Plasmas  wird  n.lmlich  in  diesen  Füllen  häufig  die  Dichte  des  Blntes  in 
höherem  Grade  erniedrigt,  als  dem  Iliinio^'lobingehalt  entsprechen  wdrde. 

Hammebschlag  ,  S.  SciiuLKUKF  uud  8TK1N  prüften  den  Einäuss  des 
Fiebers  auf  die  Blntdiebte,  erhielten  aber  widerspreehende  Resultate. 

Endlieh  haben  wir  nooh  na  erwAbnen,  dass  Schle.';ingf.r  in  Fällen  von 
Pempbifriis.  sowie  nach  Verbrennungen  da*  f-peei fische  Gewicht  des  Blutes  erhöht 
fand,  wie  er  annimmt,  in  Folge  der  Exsudatiou  eiweisshaltiger  Flüssigkeit  aus 
dem  Blnte. 

Verhalten  des  speeifisehen  Gewichtes  des  Blntplasmas. 

Nach  einer  von  Hammerschlag  angegebenen  Methode  kann  das  specifiscbr  Gc- 
wicht  des  Plasmas  in  folirender  Weise  bestimmt  werden  :  in  ein  kurzes  Capillar- 
rohr  von  1 — 2  Mm.  Weite  wird  zunächst  eine  dreiprocentige  Lösung  von  oxal- 
sanrem  Kali  oder  Natron  eingeeavgt ;  diese  Lösung  wird  wieder  entfernt  nnd  der 
an  der  Wand  den  Röhrebens  anhaftende  Rest  genügt,  nm  das  sn  nntersuehende 
Bliit,  das  dann  in  das  Röhrchen  eingesandt  wird,  nngerinnbar  zu  machen.  Man 
lässt  nun  die  blutgefUUtc  Capillare,  nachdem  man  ihre  Oetl'nungeu  mit  Wachs 
verseblossen  hat,  anfreeht  stehen ,  bis  die  Blutkdrperehen  sieh  abgesetst  haben, 
dann  wird  das  Röbrchen  knapp  oberhalb  des  oberen  Endes  der  Blutkörpereben- 
schiebt  abgebrochen.  Die  Dichte  des  so  gewonnenen  Plasmas  wird  nach  Hahmer- 
SCHLAG's  Methode  ^s.  oben)  bestimmt. 

Nach  Untersuchungen  an  Gesunden  fand  Hammersculao  das  spccifische 
Gewicht  des  normalen  menseblieben  Blutplasmas  im  Mittel  =  1*030  (1*029—1*032). 
Die  an  zahlrei<hen  Kranken  vorgenommenen  Bestimmungen  ftthrten  an  folgenden 
Resultaten :  Bei  der  Chlorose  ist  das  spceillscbc  (Jewicbt  des  Plasmas  normal, 
von  einer  iiydrämie  kann  also  hei  dieser  Krankheit  nicht  die  Rede  sein.  Bei 
Anftmien  ist  es  gleichfalls  in  der  Regel  normal  und  nur  dann  berabgesetst,  wenn 
die  Annnii«>  durch  starke  Rlutvcrln<-tc  ent<tauden  ist,  oder  wenn  Oedeme  bestehen. 
Bei  Tuberkulose  und  maligoen  Tumoren  ist  es  nur  dann  berabgesetst,  wenn  die 


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SPECIFISCHES  BLUTGEWIGHT.  —  SP1MNEN6IFT. 


669 


Krankheit  zu  Caebexie  hoben  Grades  geführt  htt  BA  leConiS  war  M  unr  in 

zwei  Fitllen  erhöht.  Bei  fieberhaften  Erkrankungen  war  es  verschieden,  meist 
etwas  herabgesetzt,  am  häufigsten  bei  intermittirendem  Fieber.  Bei  CiroalatioBt- 
atSrnogen  w«r  es  nieiDals  erbolit  (auch  dann  nieht,  wenn  —  offenbar  dnrdi 
globalOse  Staae  —  die  Dichte  des  Gesammtblutea  erheblich  gesteigert  gefunden 

wurde),  meist  normal,  in  einigen  Fallen  herabp-esetzt ;  der  Eintluss  verminderter 
Diurese  schien  dabei  hervorzutreten.  Bei  Nephritis  war  die  mehrfach  beobachtete 
Herabsetzung  des  specitischen  Gewichtes  an  das  Vorhandensein  von  Oedemeu 
gebnnden,  wftbrend  der  Orad  der  Albaminorie  ohne  Binflnss  darauf  war. 

Literatur:  ')  Rollet,  Physioloj;ie  des  Blutes,  in  Hermann'.s  Handbuch.  l^'^O  — 
Becq.aerel  o.  Bodier,  UotenachangQQ  über  die  Zosammensetsang  des  Blutes.  Deutsch 
▼OB  BfaenmaBii.  Eriangen  1845.  —  *)  Biehard  Sehmalta,  die  ünteraoehang  des  speci- 
fischen  Gewichtes  des  menschlichen  Blutes.  Deutschrs  Arch.  f.  klin.  Med.  1890,  XLII.  — 
*)  Derselbe,  Das  Verhallen  des  specitischen  Gewichtes  des  Blutes  bei  Kranken.  Deutsche 
med.  Wochenschr.  Ib'Jl,  pag.  16  und  Verhandl.  des  X.  Congr.  f.  innere  Med.  Wiesbaden  1891.  — 
^)  Erich  Peiper,  Das  specifische  Gewicht  des  menschlichen  Blutes.  Centralbl.  f.  klin.  Med. 
1891,  Nr.  12.  —  •)  W.  Rumpf,  Aikalimetriacbe  Untersucbangen  des  Blutes  bei  Krankhelten. 
Centralbl.  f.  klin.  M,d.  IPOl.  pag.  24  und  Dissertation.  Kiel  1891.  —  ')  Eykmann,  Blut- 
untenuchnngen  in  den  Tropen.  Yirehow's  Arcb.  1891,  CXXV.  >-  Sophie  Scholkoff, 
Zw  SeBBtnin  des  ipeettaebeB  Oevidites  des  Blatas  unter  physioIogtodieB  und  pathdlogisdien 
Verhältnissen.  Dissertation.  Bern  1P92.  —  ')  Ern st  G  ra  w  i  tz ,  Klinisch-experimentelle  Blut» 
untersuchuuiren.  Zeitschr.  f.  klin.  Med.  1892,  XXI.  —  Lloyd  Jones,  On  thc  Variation» 
in  the  »j>ecißc  gravUy  of  tkt  Uood  in  htaltk^  Jonm.  of  Physiol.  VIII,  pag.  1.  —  ")  Der- 
selbe, Further  obatrvationt  on  th*  ^»dße  gravUj/  qf  the  blood  in  heu  Ith  and  ditea$e. 
IMd.  XII,  pag.  4.  —  Bevoto,  ÜeMT  df«  Diehta  des  VlnU»  unter  pathologischen  Tsr- 
hältni.i^sen.  Zeit.srhr.  f.  Hrilk,  XI  paff.  ,; — ,3.  —  Monckton  Copeman,  Report  on  the 
specific  gratity  of  the  Olvoä  in  de.seu«e.  Brit.  med.  Jonm.  24.  Jan.  189L  —  ")  Ottomar 
Siegl,  Ueber  die  Dicht«  des  Hintes.  Wiener  klia.  Wochenschr.  1892,  psg.  33.  —  ")  Der- 
selbe, lieber  eine  Verbes.sernng  der  Rov'schim  Methode  zur  Blutdichtebestinimung  und  damit 
anRestellte  Untersuchungen  bei  Kindern.  Präger  med.  Wochenschr.  1892.  —  Albert 
Hammerschlag,  Eine  nene  Metbode  cur  Bestimmung  des  specitischen  Gewichtes  des  Blutes. 
Zeitschr.  f.  klin.  Med.  XX,  pag.  4— 6.  —  ")  Derselbe,  Ueber  das  Verhalten  des  speci- 
flsebea  Gewichtes  des  Blutes  Ib  KraakheiteB.  Ceatralbl.  f.  kUn.  Med.  1891 ,  pag.  44.  — 
*•)  Derselbe,  Ueber  Hydrämie.  Zeitschr.  f.  klin.  Med.  XXI,  pag.  ,5 — 6.  —  Glogner, 
Ueber  <la.s  specifische  fJewicht  des  Blutes  des  in  den  Tropen  lebenden  Europäers.  Virchow's 
Arch.  CXXVi.  pag.  1.  —  ")  Hock  und  Schlesinger,  Blutuntersuchungen  bei  Kindern. 
Centralbl.  f.  klin.  Med.  1891,  pag. -Iß.  —  Schlesinger,  Ueber  die  Beeinflussung  der 
Blnt-  und  Semmdichte  durch  Vi-rändernngen  der  Haut  und  durch  externe  Medicationen.  Vir- 
chow's Arch.  CXX.X.  —  Heinrich  S  t  i  ii ,  Hinatoustiisch«  Untersuchungen  zur  KeBBt* 
niss  des  Fiebers.  Centralbl.  f  lüin.  Med.  109;:^.  Biehard  Sehmalts. 

Spinnengift  (Vergl.  Real  Encyclopädie,  2.  Aufl.,  Bd.  XVIII,  paf.  506.) 

Zu  den  giftigen  Spinnen  gehört  nuch  eine  diMitsche  .'^pecies  ,  (' fi  i  z  a  cant  h  i  h  m 
nntrix,  die  sich  auf  dem  K x-lnnber;;  in  Bonn  und  im  Odenwald  findet  und 
deren  Biüs  neben  einer  leichten  Schwellung  als  unmittelbare  Folge  heftigen 
brennenden  Sehmeri  hat,  der  sieh  nieht  blos  auf  das  gebissene  Glied  bcaehrinkt, 
sondern  auch  Uber  benachbarte  Körpertheile  sieh  ausbreitet  und  tagelang  anhält. ') 

Das  giftige  I'rincip  des  Spinncngiftes  wird  wohl  bei  säramtlichen  Gift- 
spiunen  auf  ein  Toxalbumin  ^^oder  mehrere)  zurückgeführt  werden  müssen.  Die 
Arbeiten  von  Kobebt  (nieht  von  Brieobs,  wie  irrthflmlieherweise  angegeben  ist) 
beweisen,  dass  ein  phlogogenes  Toxalbumin  bei  einzelnen  Thieren  sieh  nicht  blos 
in  dem  Kopfe,  sondern  in  den  ganzen  Weiehtheilen  findet.  Besonders  ist  dies  bei 
Latrodectus  luifuhris  der  Fall;  aber  auch  junge  Kreuzspinnen  (Epeira  d  la- 
de ma  L.j  enthalten  in  ihren  Weicbtheilen  ein  solches  Gift ,  das  in  älteren 
Krensspinnen  sieh  nieht  findet 

Die  Frage,  ob  es  in  Neuseeland  versehiedene  Arten  giftiger  Spionen 
giebt,  ist  noch  nicht  entschieden,  und  es  ist  sehr  wohl  tnöirlifh,  das,-<  die  mannig- 
fachen Farbenvarietäteu  des  sogeuanuteu  Katipo  für  besondere  Arten  gehalten 
sind.  Sehen  Mlnnehen  nnd  Weibehen  des  an  der  Seeküste  sehr  häufigen  Katipo 
Beigen  grosse  Differenzen.  Das  Weibchen  ist  weit  grOssw  und  hat  auf  d<  r  Mitte 
des  sdiwarzen  Körpers  einen  bellorangerothen  Streifen,  der  mitunter  gelb  einge- 


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670 


SPINNENGIFT.  —  STRYCHNIN. 


fasst  ist .  während  ruanchmal  das  Roth  im  Centrum  sich  ausweitet ,  so  das«  eine 
kreuzartige  Zeicbnang  entstellt;  andere  haben  rotbe  und  weisse  Flecken  längs 
der  Rinder  des  rothen  Streifsiis.  Das  Mlnnchen  hat  eine  aebnule  gelbe  Linie 
auf  dem  Rücken,  gewöbnlicb  auch  eine  gleiche,  aber  weniger  deutliche  an  1)eidcn 
Seiten.  Der  Name  KHti]io  f,,Nacbtsteelier"  ist  dem  ThitTc  beifrelegt ,  weil  die 
hpiniie  zu  dun  nächtliclieo  Thieren  gehört  und  bei  Tag  nur  beiä.st.  wenn  man 
sie  molestirt.  Die  einheimischen  Neuseeländer  scheinen  durch  den  Bisä  mehr 
affioirk  su  werden  als  die  Enropler,  doeh  wird  «neh  bd  letsteren  selb«!  mehr^ 
monatliche  ?>krankung  beobachtet.  -)  Man  schreibt  dem  Katipo  keineswe^rs  blosse 
locale,  cntzünduugserregende  Wirkung  zu,  vielmehr  soll  das  Gift  auch  allgemeine 
Anästhesie  und  Paralyse  bewirken,  die  seibät  Monate  währt.  ^) 

Literatur:  *)Bertkaa,  Sitatmgibw.  der niederrlieiB.  Geselladi.  1891.  peg. 88.  — 

-)  .T.  W.  K  i  r  k  ,  Lyon»  and  Blains  Circular  isiiii,  pag.  ;  Proceed.  of  tlie  Welliagton  Field 
Naluralists  Club.  18  I»ec.  16H9.  —  '•)  James  Hector,  Ebenda,  pag.  22. 

Tb.  Hnsemano. 

SplanCtanopt086,  s.  Enterop tose,  pag.  248. 

Spondylolisthetisches  Becken,  a.  Beek en,  pag.  96. 

StaarOperatiOn,  «.  Cataracta  pag.  122. 
Stachelbecken,  s.  Becken,  pag.  104. 

Stauungeniere,  ».  HamcyUnder,  pag.  394. 

StrangulaUOIISileue,  e.  DarmetenoBe,  pag.  193. 

StryChnin.  (Vergl.  Real-Encyclopadie,  2.  Aufl.,  Bd.  XIX,  pag.  249.)  Als 
atryebninbaltige  Drogen   sind  ^n  eoehinebineeisehes  Speeifienm  gegen  Lyssa, 

Sehlangenbi.ss  und  Lepra,  das  Hoang-nan,  und  ein  in  Afrika  in  ähnlicher  Weise 
wie  die  Calabarbohne  zur  Uelierfdhriinir  der  Zauberei  l»eiiiit/,te3  Gotte.sirerieht<irif"t, 
M'bouuduu,  zu  nennen.  Das  lioang  uau  ist  ein  Gemisch  von  Realgar,  Alaun  und 
der  der  falseben  Angnstnrarinde  äbnlleben,  vorwaltend  bmeinbaitigen  Rinde  von 
Strychnos  GauUheriana.  Das  M^bonndon,  auch  unter  den  Benennungen  Akazga, 
Ikaja ,  Ka\*  bekannt,  ist  der  Stamm  von  Stri/c/inos  Icaja.  der  naeh  IIkckkl 
Strychnin  und  Hrucin,  nach  Fkasek  ein  eigentbUmliches,  dem  Strychnin  cbemi.sch 
nabe  verwandtes  Alkaloid,  Akazgin,  enthält  und  dessen  sieb  aaeb  die  Monbuttu's 
zur  Bereitung  ibres  Pfcilgiftes  bedienen.') 

In  Rezufr  auf  die  DitTereuzen  der  Wirksauikcit  <b's  .'^trychnin^;  bei  ver- 
»ehiedenen  Thieren  lilsst  sieh  aiid»  nach  den  neueren,  sehr  surg'-samen  L'nter- 
äuehun;;eu,  bei  denen  das  Gift  äubeutau  applicirt  wurde,  nicht  bestreiten,  dass 
sie  erbebllcb  sind.  So  beträgt  die  relaüv  letale  Dosis  fttr  Weissfisebe  6  bis 
12  Mgrm. ,  für  Frösehe  2 — 4  Mgrm. ,  flir  Hühner  1 — 2  Mgrm. ,  für  Kanineben 
0*5 — U  tj  Mgrm,,  für  Katzen  ()"75  Mgrm.  tmd  für  Hunde  <>-47  Mtrrni.  F.-?  ist 
daher  die  Toxicität  keineswegs  davon  abhängig,  ob  die  Thiere  (Jaruivoren,  Uuiui- 
voren  oder  Herbivoren  sind.  Selbst  einzdne  Frosebarten  weiehen  in  Bezng  auf 
die  Beeinflussung  von  einaiulrr  ah,  z.  B.  der  gegenüber  Ilana  esculenta  sehr 
empfindliche  italienische  Jh'scixjlossui^  jiictiis.*)  Die  h-tale  (labe  i>t  iiieht  (Iberall  der 
Empfindlichkeit  gegen  das  Gift  proportional  und  liegt  keine.sweg8  überall  nur  ein 
Drittel  höher  als  die  krampferregendo ;  so  können  Frösche  bisweilen  2 — 2*5  Mgrm. 
flbersteben,  wftbrend  sie  schon  naeh  O'Ol  Mgrm.  und  selbst  naeh  0*006  Mgrm.  in 
tetanische  Krämpfe  verfallen.  Die  grösste  rnempfindlichkeit  unter  den  Wirbel- 
thieren  zeigen  die  Kin<rclii,i(ter  und  die  Tagraubvogol  des  Stillen  Oeeans.  Sehr 
unempfindlich  sind  die  Weinbergschnecke  und  die  Gastropodcn ,  völlig  immun 
Flnsskrebfl  und  Wasserkäfer. 

Von  besonderem  Intere.s.se  ist  der  Einfluss  des  Alters  auf  die  Intensität 
der  Gittwirkun^' ,  der  sicii  smv  ili!  lici  irrasfre^sendeii  als  \>v\  carnivoren  .Sftuge- 
thiereu  äussert.    Bei   ueugeboreuen  ivanincheu  ist  z.  B.  die  minimal  giftige  und 


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STBYCHNTN. 


«71 


die  miaimal  lotale  D')sis  Husserordentlich  Loch,  dann  nimmt  die  Kmpßndlichkeit 
bis  zum  10.  Tage  scbnell  und  von  da  ab  bis  zum  60.  Tage  langsam  ab.  Das 
VerbiltniBS  beider  Dosen  ist  in  den  verschiedenen  Zeltrftamen  «ehr  diffisrent; 
während  beim  neugeborenen  Kaniocben  wegen  der  hoben  Resistenz  g4^en  Br- 
stickung  (lit;  minimal  letale  Ho^hI-:  das  ITfiiehe  der  Kramj)fdü.si^  l»etrllgt ,  braucht 
letztere  bei  illtereii  Tiiiereti  nur  wenig  (um  40 — ÖO"  Überschritten  zu  werden, 
um  den  Tod  herbcizutübren.  Analoges  Verhalten  zeigen  Katzen,  Hunde,  Meer- 
sohweinehen  nnd  Hlnse. 

Von  den  Wirkungen  des  Stryebnina  auf  die  ein7,elnen  Constitnentien 
des  Organismus  ist  der  delctäre  EinHus^  auf  die  Lfukoeyteu  hervorzuheben.  Dieser 
ist  80  stark,  dass  die  weissen  Biutktirperchen  jodeäuial  mit  dem  Tode  des  Ver- 
snebstbieres  ebenfalls  absterben,  wahrend  s.  B.  bei  Vergiftung  dareh  Cyankalium 
und  Curare  die  Lenkoeyten  Überleben.  Auf  die  Erythrocyten  wii^  Strychnin 
wenig  ein. ' 

Bei  Fröschen  erzeugt  Strychnin  Diabetes,  am  .stärksten  und  nachhaltigsten 
bei  Herbstfröscben,  nicht  bei  Sommerfröscben  und  bei  eutleberten  Fröschen  ^) ;  die 
Menge  des  Olyeogens  in  Hnskeln  nnd  Leber  wird  dadnreh  betraehtlieb  herab* 
gesetst. ') 

()b><t'hon  das  (iehirn  von  Strychnin  relativ  wenig  aflicirt  wird  und  das 
Bewusstsein  bei  Stryehuiuvergiftung  regelmässig  erhalten  bleibt,  lässt  sieb  doch 
experimentell  bei  Thieren  direete  Beeinflnssang  der  psyehomotorisehen  Centren  >*) 
nachweisen,  die  je  nach  dem  Stadium  der  Strychnin  Wirkung  bald  excitirend,  bald 
depriiiiircnd  i-t.  Kommt  es  nicht  zu  tetatiischeu  AnfilUen,  so  tritt  «-(»nsfant  l^tei'j-ening 
der  Erregbarkeit  der  Hirnrinde  ein ;  sind  diu  Gaben  dagegen  hinreicheud,  um  Tetanus 
herbeizuführen,  so  folgt  anf  das  Stadium  der  erhöhten  Erregbarkeit  ein  solches 
der  Herabsetzung  und  selbst  der  Vernichtung  der  Erregbarkeit.  In  dem  Stadium 
der  Ilyperexcitabilität  flndert  sich  ühnlich  wie  beim  Atropin  die  jjhysiolog^ische 
Abgrenzuritr  der  einzelnen  motorischen  Centren  ;  die  lieizung  eines  (.'entrums  setzt 
sieb  aui  die  benachbarten  L'entren  fort  und  die  physiologisch  unwirksamen  Grenz- 
gebiete erhalten  die  physiologisdie  Kraft  der  Centren.  Znr  Hervorrofong  der  Hemi- 
epilepeie  gentigen  während  der  Strychninwirkung  weit  geringere  Ströme  als 
unter  normalen  Verhilltnissen.  D;hs  die  Strychninkrämpfe  vom  Gehirn  iiti-ililKiiiLnir 
sind,  beweist  deren  Auttreten  in  den  Extremitäten  nach  Durebschneiduug  des 
oberen  Habmarkes;  gegen  periphorisehe  Entstehung  zeugt  deren  Ausbleiben  nach 
Stiyehnineinspritzung  in  amputirte  Extremitiiten. 

Bei  der  trewrdinliehen  Strychnin  Vergiftung  wird  dem  Leben  gewöhnlich 
durcti  die  tetaniseben  Aiit".llle  ein  Ziel  gesetzt  und  die  Vergifteten  gehen  in  diesen, 
sei  CH  aäphyctiHch ,  sei  es  durch  respiratorische  Lähmung  zu  Grunde.  Dass  der 
Err^ung  Paralyse  folgen  kann,  beweist  der  Zustand  von  Thieren,  bei  denen  man 
beim  Einsetsen  der  tetanisehen  Anteile  kiinstliche  Respiration  einleitet,  wonach 
die  Zuckungen  allmitlig  .'»chwäeher  und  die  Thiere  bald  völlig  bewegungslos 
werdeu,  so  da^s  nur  das  Herz  fortschliigt  nnd  nur  die  durch  die  künstliche 
Atbmung  hervorgerufenen  Bewegungen  ausgeführt  werden.  Dieses  paralytische 
Stadium  kann  dureh  zeitweise  Strychnininjeetionen  beliebig  verlängert  werden, 
wobei  die  Thiere  jr-^nz  enorme  Dosi  n  Strychnin  ertragen ,  ohne  dass  der  Tod 
eintritt.  W.Hhrend  demselben  sind  die  sciisibUn  Merveu  auch  durch  starke  elektri.sche 
Ströme  nicht  erregbar,  ebenso  wenig  die  motorischen,  obwohl  sie  Impulse  vom  Centrum 
her  ttbM'tragen  können;  die  Pulszahl  ist  verringert,  die  Pulsenrve  erhöht,  der 
Blutdruck  gesteigert.  Asphyxie  bewirkt  keine  Steigerung  des  Blutdruckes,  sondern 
Abfall ;  auch  die  clektrisehe  Heizung  sensibler  Nerven  tiibrt  keine  Blutdrucksteigerung 
herbei.  Die  Temperatur  ist  in  l'^olge  verriugerier  W  armeabgabe  gesteigert ;  Cocala 
führt  keine  weitere  Erhöhung  herbei. ")  Man  bat  dieses  Stadium  gewöhnlieh  als 
Curarewirkung  des  Strychnius  aufgefasst  ,  weil  es  meist  zu  completer  L  ihmung 
der  Nervenendigungen  kommt.'-;  l>(»eb  existiren  wesentlielie  riifersehiede .  auch 
verliert  beim  Eintaucbeu  des  galvanischen  Frosehpräparates  in  Strychuiulösuug 


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STBYCHNIM. 


der  Muskel  viel  «her  seine  Reizbarkeit  als  der  Nerv.  ♦)  Auch  scheinen  in  Bezug 
auf  die  Lflhmunp  der  Nervenendigungen  Differenzen  der  Thierspecies  zu  existireu.  ^^j 
Sicher  sind  bei  der  gewöbniichen  tetanisoben  Vergiftung  die  peripheren  Nerven- 
endiguDgen  oidit  gdxhmt,  aondero  hflehstmia  Ihre  Erregbarkeit  Temiindert  mnd 
anch  bei  enormen  Doeen  iut  als  Tudesonaebe  centrale,  nicht  periphere  Paralyse 
anznst'Len.  Ob  man  ausser  der  tetanischen  und  pnralysirenden  Strychninvergiftung 
noch  eine  besondere,  durch  sehr  kleine  Dooeu  hervorgerufene,  manchmal  nicht  als 
Prodromatotadinm  dos  Tetanus,  eoBdeni  isolirt  auftretende  Form  oder  Periode  des 
Stryehniamns,  die  dch  durch  unTolIständige  Contracturen  und  Zittern  der  Mnskeln 
bei  herabgeaeteter  SendbiUtlt  eharakterisirt ,  ansunehmen  hat,  mag  dahingestellt 
bleiben. 

Daas  die  Functiunöstörungen  des  Rückenmarkes  nicht  von  der  durch  däa 
Stryefaain  bewirlcten  starken  GtoflsaTerengemng  abhingen,  geht  danns  hervor, 
dass  die  YHrkung  auf  das  vasomotorische  Centrum  und  die  davon  abhängige 
Stoi^erunp:  des  Blutdruckes  stets  später  als  die  Steigerung  der  Kcflexerrc^barkeit 
eintritt,  ^^j  Dagegen  geht  eine  starke  £rreguug  des  Athemcentrums  fast  constant 
dem  Anftreten  der  Krlmpfe  voravf ,  ohne  daia  es  jedoch  möglich  ist ,  die  Er- 
regung der  Medulla  oblongata  als  Ausgangspunkt  der  Krämpfe  anzusehen ,  da 
in  tiefer  Chloralnarcose  Strychnin  Tetanus  ohne  voraufgehonde  Athembeschleuni- 
gunjr  erzeugt.  Auch  auf  den  Herzmuskel  übt  Strychnin  erregenden  Einlluss  aus; 
Ligatur  der  venösen  Sinus  erzeugt  bei  stryohninisirten  Fröscheu  keinen  Herz- 
stillstand und  intraoardial  applioirtes  Stryehnin  hebt  den  eingetretenen  HenstiU- 
Stand  wieder  auf. Bei  colossalen  Dosen  kommt  es  lur  Lähmung  des  vaso- 
motorischen Centrums  und  des  Athemcentrums.  möglicherweise  auch  des  Herzens. 

Dass  die  Leber  ein  Organ  ist,  in  welchem  sich  das  Strychnin  localisirt, 
beweist  die  Thatsaohe,  dass  in  den  mdsten  tSdflioh  verlaufenen  Vergiftungsfälien 
nnd  ebenso  bei  Thierversuchen  die  Leber  weitaus  die  grOaaten  Stiyehninmengen 
liefert.  Allerdings  kommt  ein  anderes  Verbilltniss  heraus ,  wenn  man  das  Ver- 
hältniss  der  Organe  zu  ihrem  Ulutreicbthum  in  s  Auge  ta^st.  Nach  iBSEN  ist, 
wenn  man  das  gefundene  Strychnin  auf  je  100  Grm.  berechnet,  die  relative 
Menge  dee  Stryohnins  im  Blnte  nnd  in  den  ▼orwalteiid  die  Elimination  des  Stryeh> 
nins  besorgenden  Nieren  doppelt  so  gross,  wie  in  der  Leber  und  der  in  Bezug 
auf  die  absolute  Strychniumenge,  aber  auch  in  Bezug  auf  den  Blut>?eha]t  mit  der 
Leber  gleichen  Brustorgane.  Die  Angabe,  dass  Strychnin  im  Gehirn  und  in  den 
Kerreneentren  ttbeihanpt  in  grösseren  Mengen  als  in  anderen  Organen  auftrete, 
wird  durch  die  neueren  Untersuchungen  nicht  gestilt/.t.  Dass  die  Nieren  mitunter, 
besonders  bei  Tbieren  nach  sehr  rapide  eintretendem  Tode  oder  in  sehr  «späten 
Zeiten  protrahirter  Vergiftung  nur  sehr  geringe  Strychninmengen  enthalten ,  hat 
nichts  Aufnilliges;  ebenso  sind  Differenzen  bezüglich  der  Leber  nicht  unmöglich. 
Fflr  einen  Einflnae  der  letsteren  beim  Strychniamns  aprieht  der  Umstand,  daas 
entleberte  Frösche  auf  weit  geringere  Strychninmengen  reagiren  als  normale,  be- 
sonders wenn  man  das  Gift  von  einer  Darmschlinfre  absorbiren  lässt. 

Dass  das  Strychnin  den  Organismus  unzersetzt  verlässt,  ist  umsoniehr 
ansnnebmen,  als  die  Anssehmdung  nieht  allmn  mit  dem  Harn,  sondern  auch  mit 
dem  Speichel  und  der  Galle,  vielleicht  andi  mit  dem  Schweisse  geschieht.  Die 
Au8?cheidun:r  durch  den  Harn  bcfrinnt  ungemein  rasch ;  selbst  nach  medieinalen 
Dosen  \J-b  Mgrm.  subcutan)  kann  beim  Menschen  schon  in  30  Minuten  Strychuiu  im 
Harne  nachgewiesen  werden.  Bei  vergifteten  Menschen  und  Thieren  gelingt  der 
Naehweia  sehen  viel  frSher,  naeh  Wolff*«)  beim  Menschen  nadi  ^,4  Stunde, 
nach  Ibsen  bei  Kaninchen  in  2'  bei  Hunden  in  ')  Minuten.  Beim  Menschen  ist 
die  Ausscheidung  dureh  den  Harn  nach  einer  einmaligen  medieinalen  Dosis  in 
24  Stunden,  nach  mehreren  Gaben  in  2 — 3  Tagen  voUeudet.  Bei  Thiurcn  kaun 
50  Procent  des  eingefUhrten  Stryehnins  ans  dem  Urine  wieder  dargestellt  werden ; 
eine  als  Oxydationsproduet  des  Stryehnins  (bei  Behandlung  mit  Kaliumpermanganat 
entstehende)  bekannte  Sflure,  dieStrychninsänre,  findet  sieh  nach  Einführung 


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STRTcmnu. 


673 


von  Strydiiiui  im  Harne  niefat,  wihrend  sie  in  diesem  bei  direoter  £2nfllluf«n|f 
von  2 — 4  Hgrm.  stets  nachweisbar  ist.*')  Die  Menge  des  im  Harn  vorhandenen 
Strychnins  ist  manchmal  «rrösser,  als  die  in  der  Leber  vorhandene.^-)  Dass  Strychnin 
der  Fäalniss  Wochen  und  selbst  Monate  (in  einem  Berliner  Falle  11  Jdonate) 
hindoreh  widwstelit,  ohne  vOlIig  destniirt  zu  werden,  ist  erwieien;  doeh  gilt  die 
Niehtserstörbarkeit  in  faulenden  Materien  nur  für  einen  relativ  beschränkten 
Zeitraum .  da  in  spilt  exhumirten  Leichen  mitunter  der  Strychninnaebweis  nur 
schwierig,  in  Magen  und  Leber  qualitativ  und  in  anderen  Organen  gar  nicht 
geführt  werden  kann. 

An  Stelle  des  fruher  zum  physiolofrisclien  Naeiiweise  benutzten  Frosehes 
bedient  man  sich  jetzt  in  gerichtlichen  F.lllen  wegen  deren  grösserer  Empfindlich- 
keit junger  weisser  Miiuse,  bei  denen  schon  0*0012 — 0*002  Mgrm.  die  charak- 
teristische ätrychuiu Wirkung  erzeugen.  ■^^) 

In  der  Belumdlong  der  StryelininvergiftDng  ist  Chloml  das  mveriissigste 
Mittel ,  das  selbst  dann  noch  lebensrettend  wirken  kann ,  wenn  die  Athmung 
bereits  stillgestanden  hat  und  durch  künstliche  Athmung  wieder  hergestellt  wurde.  -*) 

ürethan,  Paraldehyd  und  andere  Uypnotica  wirken  bei  Thieren  ebenfalls 
lelransrettend ,  mttssen  aber  in  grosseren  Mengen  beigebraeht  verden,  die  oft 
sehleeht  einzuführen  sind.  (legen  die  Anwendung  von  Chlorofiaminhalationett 
spricht  der  rmstand ,  dass  dif*  Xarkose  häufig  Stunden  lang  fortgesetzt  werden 
muss  und  damit  die  Bedingungen  gegeben  sind,  unter  denen  die  t(idtliche  Nach- 
wirkung des  Chloroforms  und  anderer  Anästhetica  zu  Staude  kommt.  In  Wirk- 
liebkdt  finden  sieb  in  der  llteren  Literatur  zwei  Fllle,  in  denen  plOtsUoher, 
unerkltrlieber  Tod  einige  Tage  nach  der  glUekUehen  Chloroformbehandlung  des 
Strychnismus  eintrat.  Das  von  Gaguo-')  empfohlene  Stickoxydnl  bat  diesen 
Nachtheii  nicht,  ist  aber  meist  nicht  bei  der  Hand. 

An  Stelle  der  mehr  nnd  mehr  verlassenen  Anwendung  des  Strychnins 
bei  Lähmungen  (nur  bei  Kinderlähmung  benutzt  man  Nux  vonii'ca  noch  jetzt 
mit  Erfolg  )i,-it  yich  das  Alkaloid  ein  ncnc-i  Oebranchsgebiet  in  der  Behaudhmg 
von  acuten  und  leben^igefilhrlichen  Schwächezustündeu  den  Ct  ntren  der  Athmung 
und  der  Circulation  erworben.  Der  Grund  dazu  liegt  in  dem  üben  bereits  ange- 
führten Nachweise  der  Steigerong  des  Blntdmekes  nnd  der  Herzthätigkeit  einer- 
seits  nnd  der  Athcmbewegung  anderersats  durch  nicht  toxische  (medicinale)  Strych- 
ninmengen.  Als  Erregungsmittel  der  Athmung  tibertrifft  nach  Wood  und  Ckrxa  -'^) 
Strychnin  bei  chloralieirten  und  morphinisirten  Thieren  an  Sicherheit  der 
Wirkung  das  Atropin  nnd  Coeain.  Das  Mittel  passt  aber  nieht  nur  bei  Ver^ 
^'ittuiigen  mit  narcotischen  Stoffen  zur  Beseitigung  drohender  Lebensgefahr,  bei 
Asphyxie  und  Synoope  in  der  Chlorofnrmnarcnse  rOiBScN)  ,  bei  Schlangenbiss, 
gegen  den  es  in  Australien  und  Indien  mehrfach  Empfehlung  gefunden,  sondern 
auch  hei  Collapszuständen  im  Verlaufe  acuter  und  chronischer  KrankheiteOi 
z.  B.  Sonnenstich  (Barfdtb),  bei  Herzsehwttehe  in  Folge  aeuter  Lnagenaflfeetionen 
(mit  gleichzeitiger  Sauerstnffinhalation),  b^  acutem  Lungenödem  im  Gefolge  von 
Herzkrankheiten   Hau  krs  1 1  o  x ) . 

Weitere  ausgedehnte  Verwendung  bat  Strychnin  neuerdiogs  auf  Empfehlung 
von  LüTON'^,  bei  Alcohoiiamus  aeutM  und  ckranieu»,  besonders  aueh  bei 
Delirium  tremi-ns  nnd  bei  periodischer  Trunksucht  zur  Entwöhnung  gefunden. 
Inwieweit  hierbei  die  stimulirenden  Effecte  oder  die  durch  Strychnin  herbei- 
geführte üefässzusammenziehung  im  Gehirn  als  Ursache  der  günstigen  Effecte 
anzusehen  sind,  steht  dahin.  Sicher  ist  das  erste  Moment  vorwaltend  in  Betracht  zn 
ziehen  bei  der  von  Brunton  empfohlenen  Anwendung  kleiner  Dosen  (0*3 — 0*6  llgrm.) 
als  llypnotioum  bei  l'cherarbeitung.  Der  Nutzen  grösserer  Dosen  l' — ^3  Mgrm.) 
in  verschiedenen  Kallcn  von  Asthma  (Maysi  ist  in  der  Üeeinllussung  der 
Medulla  obloncfuta  zu  suchen.  Makaüliaxo  emptiehlt  Strychnin  bei  Herzerweiterung, 
die  durch  mehrtigigen  Gebrauch  völlig  verschwinden  soll.  Bbnbdigt  rtthmt  es 
bei  Chorea  major  und  Ihral^sü  agitana, 

En^dop.  Jahxbfielier.  III.  43  ' 


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674 


STRYCHNIN.  —  8ÜG0ESTI0N. 


Literatur:     Barth  Alemy,  Aud*  »ur  1e  Hoäny-nän.  Boll.  d«tMrap.  AoM  )5, 

1881*  I'ag.  ll>7-  —  *)  Heckcl  ii.  S  c  Ii  1  a  gden  ha  uf  fe  n  ,  y»urtfle.s  inhercJa-  iliiml'jues  et 
jthf/siolo[^iifuf'f/  ,\iir  /(■  Mliotiii'iiiii,  fioifioti  (l't'/>reui'e  den  Galmnui.--.  Vergl.  Husemann  und 
Hilger'i  l'tlan7eiistoffe  II,  pap.  l.-iüG.  Encydopäd.  Jahrb.  JI.  pag.  558.  —  *)  F.  A.  Falck, 
Toxikulogi.sehf;  Untetsuchungen  über  Strychnia.  Vierteljahrsschr.  f.  ger.  Med.  Is74,  April, 
Juli,  pag.  193,  \t.  —  *)  Fodera,  SutP  azione  jmralizzaute  delln  stricnina.  Ann.  di  Chim. 
Not.  1o91,  pag.  Ü 59.  cotuportawf  »to  ji.siofo'jini  (1(1  Dismyfosnus  pictus.  Ibid.  Febbr.  Ls92, 
pag.  101.  —  U«ckel,  Ri»i»tanct  den  animatix  ü  l'action  de  certaina  ^ittona.  R«t.  des 
Sc.  nat.  appl.  1892,  Nr.  1.  —  *)  F.  A.  Palek,  Uabar  deo  Btnflnss  d«e  Altm« aaf  die  Wirkm« 
>1.s  Stryr.hnins.  Itlüfrer's  Arch.  ls<4,  XXXIV,  pag.  531:  IB'^'i.  XXXVI,  pa-  f.^,-).  Lau  (Fal.k), 
b«itrag  zur  Wirkung  des  Strychuinü.  l>iss.  Kiel  löSö  —  ■,!  Maure  I,  ^it  tinn  liu  .-  iiljutt:  de 
atrycknine  «ur  /<*  Itucmijte-i.  Bull,  de  thtrap.  Mars  1892,  i)ag.  259.  —  -)  Langendorf, 
Untermuchung  ttber  die  Zackerbildnag  in  der  Leber.  Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol.  Abth.  ls8ö,  Suppl.- 
Bd.,  pag.  -.>69.  Oerloff,  üeber  den Strydurindialietei.  Kiel  1888.  —  *)  Demant,  Ueber  den 
Einfluss  di'.s  .Strycliiiins  nnd  Curare  aui  lU-n  GlycogeBRellBlt  der  Leber.  Zeit.schr.  f.  pliy.siol. 
Cliemie.  186Ü,  X,  pag.  441.  —  '"^Biernacki,  Ueber  die  EinwiAang  des  ätrychnina  auf 
das  Oroaahiru.  Therap.  llonatafa.  Aai;.  1890,  pag.  422.  Fodera,  Aeione  deth  tMtnina  aui 
riHtri  jtsirhomotori.  Arch  por  le  Sc.  med.  1892,  XVI,  Nr.  2,  pag.  201  —  ")  Peichert, 
Kj-pir.  i»vc.>tif/(ili'jii.s  on  it  t  Uiiu  actione  o/  xtrychnine.  Tliorap.  Gaz.  Marz-.hmi  1892.  — 
*')  Vuipian,   De  l'aition  tfuexficent   les  fortt«  doses  ih  nfn/rhniiic  nur  la  motricitf  des 

ner/t.  Compt. read.  1882,  XCIV,  Nr.  9,  pag. 555,  18  —  ")  Poulesen.  Ueber  die  lähmende 
Wirkung  de»  Strychnins.  Nord.  med.  Ark.  XXI,  Nr.  10.  —  •*)  Cooty,  Sur  la  premi^re 

j.,'f,'.„/t  i/e  /(/  .ytnjchniuisatiou  CMtiipt.  r«-nil.  Suc.  Binl.  1SS3,  pajr.  (il  1.  —  '*)  Denys,  Zur 
Kenntnis.s  der  Wirkung  des  Suycliuiii.s.  .Arcli.  f.  exp.  Path.  ISS.i,  XX,  pag.  3U7.  Schüuiugh, 
Ueher  die  Wirkung  des  Strychnins  aaf  den  Kreislauf.  Dis-s.  Kiel.  —  '*)  Brun  ton  n.  Caih, 
Bartholom.  Hosp.  Rep.  1.SS2.  XVI.  pag.  230.  Lazzaro.  Sulle  vtodifii  azione  ■•^Hbite  d<  }  cuore 
per  inßucnsa  della  siricniua.  Ann.  di  Chirn.  I>ept.  ISSS,  pag.  1H4.  —  '")  Ibsen.  Uebf»t  das 
Verhalten  des  Strychnins  im  Organismus  Vierteijahrs.schr.  f.  ger.  Med.  Ib9~.  S  F..  IV, 
Hett  —  '-'*)  Boger,  Action  du  /oie  9ur  la  itrychnine.  Arch.  de  phyeiol.  1892,  Nr.  1, 
pag.  24.  —  **)  Kratter,  ünterancfamig  über  die  Abtebeidung  Ton  Strychnfn  durch  den  Harn. 
Wiener  nu-d.  Wochenschr.  1^82,  Nr.  S — \\\,  —  ")  Wolff  ,  Einige  Falle  von  Stryrlmiiiver- 
giftnng.  Herlin  iss?.  —  v.  lia  u  t  e  n  f  e  1  d  ,  L'elier  die  Aus.scheidung  deis  ?iry<  hniu.s.  Dor- 
pat  18^.  L)ragendorff,  Die  Abscheidnng  des  Strychuin.s.  Pharm.  Zeitschr.  f.  Russland. 
1884,  pag.  765,  777.  —  ")  Dixon  Mann,  On  the  rate  of  absorption  and  eiimination  in 
dtrijchui'i  jtoi.^'inhii/.  Med.  Chronicle.  Mai  18,89.  —  ■^•')  F.  A.  Falck,  Beitrag  anm  Nachweia 
de"  .^Irycliniii!^.  Vi.Tt.'lJalirsdir.  f.  L-er.  .Med.  1S^4,  XLI,  pag.  345.  —  '*)  Cohn,  Kiii  Fall 
von  äirychninvergiftang  mit  glücklichem  Aasgange.  Tberap.  Honatsh.  Dec.  1887,  pag.  481.  — ' 
'*)  Gaglio,  /{  protorido  tVazoto  nelP «iw^enamento  eon  la  »trienina.  Ann.  diChln.  Mano 
]F.*^S,  pag.  175.  —  ^  )  Wood.  Sfri/rhttiin-  nx  n  re.-fdruturi/  stitnulant.  Vlrchow's  Festschr. 
1891,  pag,  381.  Wood  und  Cerna.  The  cßtct  of  dnnjs  Uwf  other  agtncie«  upou  tiit  rt.spi- 
rutui  y  moi  ementj<.  Joum.  of  Phys.  1S92.  XIII,  pag.  S70.  -  L  u  t  o  n ,  AlcuoUxmr  et  atrychnine. 
Bull.  gen.  15.  .Juin  1882,  pag.  473.  —  Benedict,  Strychnin  als  Antiapaaticum.  Wiener  med. 
Blatter.  1 89ü,  N  r.  33.  H  u  s  e  m  a  n  n. 

Subcutane  Infusion,  s  infusiou,  pa^.  427  ff. 

Suggestion,  Suggestivtherapie.  Psycbi.'^cbL'  Behaudluii^.  Nach- 
dem die  Keal-Knoyclopfldie  und  did  Jabrbflcher  (vrr^l.  EncyclopSdisehe  Jahrbfleber, 
Hd.  I  lind  II,  die  .\rtik(l  ,.Suiiir»'.stivthcr.ii)ie"  vou  v,  CoRVAi.i  bcri'its  aiisfQhrliebe 
narstellinifren  über  dou  11  ypnotisiini.s  und  >ciiu'  tlu'r.-jpoiiti.-chf  Verwerthunir  f;e- 
bracht  haben,  kann  die  Aufgabe  dieses  Nacbtr.-ii^tij  nur  in  einer  Itlr^änzun«;  der 
»cbnii  vurliegenden  Beridito  durdi  einen  Ueberblick  ttber  die  neuere  Literatur, 
besonders  des  verffjsngoien  Jabres,  besteben. 

Die  letzten  PnhlicationtMi  auf  dem  ficbiete  der  Sujrfrestion  lassen  sich  nach 
ihrem  Inhalt  ointheilcii  in  t  b  c  o  r  e  t  i  s  i«  b  e  re>])eetive  psyeholofjiscbe  ,  zusammen- 
faȊeude  und  therapeutische  Arbeileu.  Die  He.sprechuug  der  Jourual- 
artilsel  bat  vorzngsweise  die  Faehzeitsehriften  zn  bertteksiebtigen.  Am 
Scblttsse  di's  Referates  wird  ein  kurzer  Ueberbliek  Aber  neuere  suggestiv- 
tberapcuti.'^elie  Arbeiten  Av^  Verfassern  l'latz  linden. 

Der  bekannte  Physiologe  W.  Wl.ndt  hat  ueuerdings  in  einer  psycbo- 
logisehen  Studie  seine  Auffassung  von  dem  Wesen  der  Suggestion  mit  gut  heilt.  Er 
veratcbt  unter  Suggestion  Association  mit  gleicbzeitiger  Einengung  des  Bewusst- 
seiii.*»  auf  die  dnrcli  die  .\'<-nci:iiioii  :iii-ore-Jt<  n  A'i'rstellun^ren ,  sd  das«  wider- 
-^treliende  stelisehe  Verbihdun;:eu  nicht  zur  Wiri<iin,ir  ir^'bmijen.  Aciinlieb  wie  im 
l  räume  die  Dissociution  der  psychiselieu  Dynanii.Nmeii  eine  intensivere  Gefühls- 


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SUGGESTION. 


675 


betunuug  der  Vorstelliini^en  zur  Folge  hat,  ähnlich  rafen  die  wirksam  werdendea 
ütAi»  im  hjpnotisehen  Zustande  eine  gesteigerte  Reaction  hervor.  Einseitig  an- 
gespannte Hirnth.ltigkeit  ist  enor^n^cher  wirksam  und  geht  Hand  in  Hand  mit 
einer  vermin<ierten  Errecbarkt'it  anderer  Ilirntbeile.  Die  F]mi>fiudunfrsstUrkü 
der  suggerirten  Vorstellung  kann  ecbliesslieh  den  Charakter  der  ^Yirk  lieh  keil 
annehmen.  Der  Befehl,  eine  Handlung  vorsnnehmen,  erzeugt  snnlohst  die  Vor- 
Stellung?  tlersclbi'ii.  darauf  in  Fol{?e  der  festen  Associatiou  des  (lesichts-  und  Wort- 
hildrs  mit  den  Muskelenipfinduniren  den  Triel» .  die  fttr  die  Handlung,'  nötliigen 
ilewe^uugen  auszuführen ;  dieser  Trieb  nimmt  scbliesälicb  bi^  zur  Unwiderstebliob- 
keit  zu,  je  nachdem  die  Hemmungswirkun^  der  im  normalen  Zustand  associirteu 
Gegenvorstellnngen  abgesebwieht  odw  anfgebobMi  ist  Die  Willenshandlung  wird 
Kur  Triebhandlung^  die  active  Anfmerksamkeit  ist  »nf  die  Stufe  des  i)a3sivon 
Wnllens  herabfresetzt.  Wie  schon  früher  v.  Hentivkgn'I  '"l.  so  weist  neuerdings  WllNDT 
darauf  bin,  da&s  iui  Zu.stande  des  eingeengten  liewusstseins  uiclit  der  Wille,  sondern 
die  willkflrliehe  aetive  Aufmerksamkeit  eingescbrilnkt ,  respective  aufgehoben  sei. 
IJas  apperceptive  Vermögen  für  Iii. pulse  von  aussen  ist  gehemmt.  Die  Darlefiiin;? 
Wi  ndt's  bietet  trotz  ihres  bypothetisehen  Charakters  eine  sieh  den  Thatsacheu 
verbültnissmAssig  gut  anpassende  Lmsehreibung.  Sie  verdient  eingehendste  ISe 
rflcksicbtiguog  trots  einer  grossen  Reibe  nnsehwer  na^nwwsender  Irrtbfimer, 
besonders  im  polemischen  Theil  seiner  Arbeit.  Er  kann  sieh  nicht  entschliessen, 
der  Sii^Tire-tion  auch  als  experimenteller  Methode  für  die  PsyelHdoirie  cinijire  Me- 
deutung  zuzumessen,  wojiegen  ihm  die  thcrapeulisehe  Anwenduuf?  des  Hy|)n<»ti<iiuis 
isegeuäreicb  und  für  die  Zukuult  vielversprechend  erscheint,  besonders  auf  dem 
Gebiete  functioneller  Kerrenleiden.  Ueber  die  viel  discntirte  Frage  der  Oefilhr* 
tiebkett  äussert  sich  Wl'M*T  fol^endermassen :  ,,lJic  Hypnose  und  Suggei^tion  ver- 
einiu'en.  wie  so  viele  andere  Heilmittel,  in  sicli  die  Eiireiisehüften  des  HeilmitteU 
und  des  hcbiidigenden  Eingrifies.  Nun  bleiben  Morphium  und  Arsenik  darum  nicht 
weniger  Heilmittel,  weil  ihr  gewohnbeitsmässiger  Genuss  schwere  iäehfldigungen 
der  (  W  suadheit  mit  sich  fubrt**  Mit  Recht  verurtbeilt  WüNiyT  das  Hypnotisiren 
ilrztUch  uniresehulter  Diltltnnfen. 

Mit  den  Erscheinungen  dts  llapportes  in  der  Hypnose  be^ellät'titrt  sich 
eine  sebr  umfassende  Studie  MoLL  i».  ^}  Wenn  die  Symptome  des  Kapportes 
(Isolirrapport,  pwsOnlieher  Einfluss  ete.)  bisher  den  wiehtigsten  Stutzpunkt  fOr 
die  Lehre  vom  animali>clien  Magnetismus  darboten,  so  wird  im  Gegensatz  zu 
dieser  Anseliannnp  durch  zahlreiche,  vielfach  variirtc  Experimente  in  der  gen:umten 
Schrift  der  zwingende  Nachweia  für  die  autosuggestive,  respective  psychische  >>atur 
dieses  Phänomens  geliefert.   Ein  historisehes  Seitenstflek  su  dieser  Untersuchung 

bildet  eine  vom  \  <  rfasser  dieses  Referates  mit  besonderer  Herücksiehtigung  der  Sugge- 
stiousiehre  bearbeitete  und  lieraiisL'eui'lMMie  Krankenueseliiehte  HKirHF.XHACH'.s  '  ,  in 
welcher  die  im  Sinne  der  Lehre  des  animalischen  Maj^nctismus  f^edeuteten  üJversucbe 
ebenfalls  auf  Fehlerquellen  und  uobewnsste  Suggestion  zurückgeführt  werden. 

Spitta's  Analyse  der  Schlaf-  und  Traumsnstände  In  xweiter  stark  er- 
weiterter Auflafje  wird  von  allen  Anhängern  der  hypnotischen  Forschung  besonders 
freundlich  anfVen<>ninien  werden  a's  werthvolles  Nachschlafrewerk.  Leider  steht 
der  Verfasser  mit  ^einer  Aullassung  der  hypnotischen  Erscheinungen,  welche  er 
durch  kflnstlioh  erregte  Einseitigkeit  des  Bewusstseins  auf  abnormer  Basis  zu 
t  rkliiren  sucht,  auf  einem  veralteten  Standpunkte.  Weder  die  Arl)eiten  der  Pariser 
Schule,  noch  die  tre-nmmte  Literatur  der  Xancyer  Schule,  deren  Titelaufzilhlun^;  allein, 
wie  DKä:SOiK'i» ')  Bibliographien  zeigen,  eiuen  Hand  ausfüllen  kann,  sind  von 
Spitta  btrücksichtigt  oder  auch  cur  in  den  Quellenangaben  erwähnt!  Ein  be- 
dauemswerther  Mangel,  der  den  Werth  des  Buehes  erheblich  beeinträchtigt! 

Die  weitreichende  Bedeutung  psychischer  I'linflüsse  in  der  Entstehung  und 
Heilunfr  von  Krankheiten  behandelt  STKrMi'F.r.L  • '  i»  seiner  lieetoratsrede.  Er  be- 
dauert, dass  die  wissenseliaftliche  Heilkunde  in  eigeuthümlicher  iielau^cnheit  sieb 
lange  Zeit  der  Anerkennung  und  dem  Studium  gerade  dieser  Thatsaehen  ferngehalten 

43* 


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SOGGESTION. 


babe.  Naeh  s^ner  Mwoimg  Isaaeo  rieb  viel  leicbter  nnd  prldser  die  Einflflaae  seelteihar 
ErreguDgen  auf  nDBere  Körperlichkeit  feststellen  als  umgekehrt  die  Abbttngigkelt 

der  Bewu8stseinRzu9tJlnde  von  kf^ryx-rlii-hen  Verfimlerunfren.  ,:t)ie  blosse  Anjrst 
vor  eiuem  Mag'enleideu  kann  alle  sabjectiven  Eiuptindun^ea  eines  solchen  hervor- 
ruten  ;  durch  die  Furcht  vor  einem  Herzfehler  können  alle  subjectiven  Erschei- 
Bungen  dcssetben  ontsteben.  Immer  ist  hier  die  VoTstellitng  de«  Primire ,  der 
körperliche  Zustand  die  nothwendige  Folgre.  Nicht  von  eingebildeten  Krankheiten 
dürfen  wir  also  sprechen,  sondern  von  Krankheiten,  die  durch  Einbildunff,  d.  h. 
durch  Vorstellungen ,  entstanden  sind.  Wie  weit  die  Beeintiusäung  dea  Körper- 
lieben  darob  das  Vorstellnngsleben  leieben  kann,  ahnt  Derjenige  nicht ,  der  diese 
Einilüsse  nicht  eingebend  -tudirt  bat.  So  kann  die  VorsteUang  der  Lähmung 
schliesslich  zu  wirklicher  Lähmnn.i;,  die  Vorstellung  einer  erwarteten  Empfindung 
zur  Hallucination  führen.^'  Ungemein  gross  erscheint  Strümpell  die 
Bedeutung  der  Vorstellungen  für  dieHeilung  von  Krankheiten. 
Die  Vorstellnng  der  sieber  gefundenen  Hilfe  kann  die  angstvolle  Anftegang  des 
Bewosstseins  und  auch  alle  hierdurch  entstandenen  körperlichen  Folgezustftnde  be- 
seitigen. Diese  therapeutische  Wirksamkeit  des  psychischen  Factors  kann  sich 
natürlich  allen  son.stigen  ärztlichen  Hilfeleistungen  beigesellen.  Die  Macht  der 
VtHTStellnngen  ist  die  gefthrlidiste  Waffi),  welehe  dem  sogenannten  Oarpfnseher- 
tbum  in  seinem  Kampfe  gegen  die  wissenschaftliobe  Heilkunde  zu  Gebote  steht, 
..(■ine  WartV,  die  nicht  eher  an  Wirksamkeit  einbfls.sen  wird,  als  bis  die  zunehmende 
geistige  Volksbildung  ein  allgemeines  Verstäodniss  für  diese  Verhältnisse  ermög- 
liebt'*.  drsOifPELL  empfidilt  warm  die  Anbahnung  einer  rationellen  psyehiBohen 
Therapie  (naeh  den  Geriebtspnnlcten  Rosbnbach's  *)  und  eine  dem  entspreehende 
psychologische  Vorbildung  der  Medicinstudirenden.  Dagegen  vertritt  auch  dieser 
ausgezeichnete  Neuropathologe  noch  immer  die  längst  widerlegte ,  veraltete ,  bi.s 
zum  Ueberdruss  erörterte  Anschauung,  das^i  die  Hypnose  nichts  Anderes  sei,  als 
dne  kflnstlieb  berrorgernfene  sdiwere  Hysterie  und  malt  das  Gespenst  der  GeAbr- 
liebkeit  öfterer  Hypnotisirung  su  Heilzwecken  in  lebhaften  Farben  aus. 

In  derselben  Bahn  missverstiindlicher  AulTas-sung  des  Wesen.s  der  Suggestion 
bewegt  sich  die  populäre  Broschüre  des  Klinikers  Professor  Schultzb  '■')  in  Bonn.  Ab- 
gesehen davon,  dass  diese  kleine  Arbeit  nieht  einen  dnaigen  neuen  oder  fruchtbaren 
Gedanken  eutbilt,  sondern  eine  blosse  Wiederholung  zusammengestellter  und  theil- 
weise  widerlegter  Sätze  anderer  .\iitoren ,  behandelt  sie  keinen  der  erwähnten 
Gesichtspunkte  erschüptend  und  ermangelt,  ebenso  wie  die  Arbeit  Stri  mpell's, 
jeglichen  Nachweise«  durch  casuistischea  Material.  Man  vergleiche  mit  diesen 
BroBchltren  s.  B.  die  Werke  Rinoibb's  oler  BBRNHBUi'd,  die,  wie  a.  B.  aneb 
Verfasser  diesen,  jede  ihrer  positiven  Behauptungen  durch  ein  umfassendes  Material 
an  Experimenten  und  Krankenge-»chichten  begrilndet  haben.  Wenn  berufene  Ver- 
treter der  medicioischen  Wissenschaft  den  Anforderungen  der  empirischen  Beweis- 
methode SO  wenig  Rechnung  tragen,  so  darf  man  rieh  nieht  wundem,  a.  B.  Aber 
die  salüupsychologischen  Bonmots  dt  s  Herrn  SCHMIDKUXZ  •)  und  Genossen.  Forel 
bezeichnet  das  Psychidogi(>\verk  dc'^  Letzteren  mit  vollem  Meclit  .-tls  eine  ..kritik- 
lo.se,  unreife  Schrift,  die  allseitig  abtällige  Beurtheilung  erfahren  hat  ".  Das  gilt 
in  noch  höherem  Grade  von  dem  neuesten  Werke  desselben  Autors,  seiner  gemein- 
fassUeben  Darstellung  des  Hypnotismus.  Wie  kann  man  ein  solebee  Werk  ttber> 
haupt  ernst  nehmen,  wenn  der  Verfasser  „des  grimmigen  Ernstes  vergessen  und 
^ieh  zum  Besehlnss  an  heiteren  Weisen  erholen  will".  Ausi'dhrungen ,  wie  die 
darautl'olgenden  (pag.  244 j,  gehören  in  ein  Commersbucb,  aber  nicht  in  ein  Lehr- 
buch, auch  wenn  es  populfir  geschrieben  ist. 

Einen  erfreulichen  Gegensatz  /n  diesen  .\usla.ssungen  bildet  die  dritte 
Auflage  der  bekannten  „experimentellen  Studie  auf  dem  Gebiete  des  Hypnotismus" 
von  V.  Krafft-Ebixg.  Dieser  bereits  aus  den  zwei  ersten  Autiageu  genugsam 
bekannten  Krankengeschichte  hat  der  Verfasser  ein  kurzes  Resnmö  über  seine 
seitherigen  Er&bmngen  auf  dem  Gebiete  der  Suggestion  und  Suggeetionstberapie 


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SUGGESTION. 


677 


hinzugofdpt.  V.  Krafft-Ebing  fasst  das  Wesen  der  Hypnose  auf  als  einen  sohlaf- 
artigen  Zuütaod,  io  dem  man  zwei  Gradstufeu  unterscheiden  kann,  die  der  „Scbiaf- 
trankenheit  und  die  dei  Schbfes".  Der  eotoebeidende  ÜDtenehied  zwisehen  beiden 
ist  damit  gep:eben ,  dasa  der  Hypnotisirte  im  ersteren  Zustand  der  Apperception 
der  Vorofänfre  in  der  AiiHr?enweIt  nicht  verlustig  ist,  *=ich  alles  mit  ihm  in  diesem 
Zustande  V'orjfegaii^eneu  Linterher  erinnert,  da  ja  sein  Selbstbewusstsein  keinen 
Augenblick  verloren  gegangen  war.  Im  hypnotischen  Schlaf  dagegen,  der  ein 
Boheinbar  natttrlieher  oder  ein  eomaartiger  oder  dn  somnambniiamnsartiger  enn 
kann,  fehlt  wahrend  seiner  Dauer  das  Bewusstseiu  der  Aussenwelt  und  die  Fähig- 
keit der  Beeintlu.ssunfr  durch  Reize  tlesselben.  Nach  dem  Erwachen  besteht 
Amnesie.  In  dem  Zustande  der  Schlaftrunkenheit  dürfte  nach  dem  Verfasser 
wobl  Jedermann  verietst  werden  kOnnen  bei  günstigen  aeeliseben  und  Aassen- 
bedinipingen,  und  zwar  um  so  leichter,  je  willens-  und  denkkrSftiger  das  betreffende 
Individuum  ist.  Der  tiefe  hypnotische  Schlaf  dagegen  ist  bei  nnr  etwa  15% 
Versuchspersonen  zu  erzielen. 

Das  hypnotisdie  Verbreeben  beschrflnkt  neb  im  Gegensatze  su  der  pupu- 
Uren  Meinung  im  Ganzen  auf  das  Laboratorium,  während  beräts  die  Anzahl 
unsittlicher  Attentate  auf  im  tiefen  hypnotischen  Schlaf  befindliche  Personen  eine 
iiuinhafte  irewordon  ist.  In  der  posthypnotischen  Suggestion  verbrcclieriscben  In- 
haltes .sieht  V.  Khafkt-Ebino  keine  Gefahr,  mit  der  Gesellschaft  und  Justiz  zu 
rechnen  sn  haben.  Einmal  gelingen  derartige  Suggestionen  hOehst  selten  in  der 
für  die  genaue  Durchführung  des  rerbrecherischen  Planes  nothwendigen  Weise, 
(v,  ScHR.  I ,  andererseits  lassen  sie  verhältnissm.'i-jsiy:  leicht  den  ititelleettiellen 
Urheber  des  Verbrechens  eruireu.  Uebrigens  macht  der  Automatismus  des  Handelns 
die  bdividnen  noeb  dnrdians  nicht  bestimmnngsunfthig.  Auch  in  den  neueren  Pro- 
eeesen  erwies  sieb  jener  Zwang,  den  man  durch  Hypnatisirnng  zu  erkiflrai  verfnefate, 
regelmässig  als  Autosuggestion  oder  Wael)sug^''esti'in  seitens  eines  r>ritteii.  Da  aber 
immerhin  die  Möglichkeit  solcher  verbrecheriseheu  Ausnützung  vorliegt,  so  sind 
gesetzliche  Bestimmungen  am  Platz,  dass  die  Hypnotisirung  nicht  anders  als  zu  Heil- 
nnd  wissensdiaftUeben  Zwecken  geduldet  werde,  und  zwar  nur  von  geprflftcn  Aerzten. 

Ein  im  tiefen  hypnotischen  Zustande  ßeiindlicher  darf  im  Sinne  des 
Gesetzes  als  willenlos  betrachtet  werden.  Die  Handhaben  des  deutschen  Straf- 
gesetzes fUr  solche  Fälle  finden  sich  in  den  ^.48,52,  III,  15^,  IGO,  17Ü,  182,  240. 

y.  Krapft-Ebinq  empfiehlt  die  therapentisehe  Anwendung  der  Hypnose 
wann.  Sie  ermöglicht  eine  zielltewusate  willkürliche  Hervorrufung  von  Stimmungen, 
Strebungen.  Ge(l;uikenrichtiiiigen  und  körperliclien  Zuständen.  AlIerdinL'-s  kann 
man  bei  functionellen  ."Störungen  Erfolg  erwarten.  Die  Hypnotisirung  ist  besoudera 
dann  anzuwenden,  wenn  die  Wachsuggestion  (der  moralische  Einfluss  des  Arztes 
anf  den  Kranken)  niobt  ansreieht.  Oflnsttg  zn  beeinflussen  sind  naeh  der  Er- 
fahrung  der  Verfassers:  Charakteranomalien  in  Folge  fehlerhafter 
Erziehung,  Beschränktheit  und  Aberglauben,  zur  zweiten  Natur 
gewordene  Gewohnheiten,  kränkhafte  Bedürfnisse  (z.B.  Alko- 
kolism'ns,  Morphinismus),  Stimmungen  undGefflhle,  femerKrank- 
heitsz  ustände,  die  das  Prodnet  autosuggestiver  Einflüsse  dar- 
stellen (Lähmtingen  der  Hysterischen  etc.).  „Ks  handelt  sieh  aber  hier- 
bei nicht  um  das  Ausreden  von  Einbildungen ,  wie  der  Laie  meint ,  nicht  um 
Leistungen  der  Logik  und  Dialektik,  sondern  um  complicirte  psychophysiologische 
Vorginge,  die  nur  der  psyebiatriseh  und  neurologiski  gebildete  Arzt  verstehen 
und  mit  Aussicht  auf  Erfolg  beeinflussen  kann."  —  Verfasser  bedauert,  dass  es 
heutzutage  noch  hervorragende  Aerzte  giebt.  welche  aus  l'nwis-ienlieit  oder  Vor- 
urtheil  die  Ihatsachen  der  hypnotischen  Suggestiou  ignoriren  und  damit  auf  eine 
Heilpotenc  von  grosser  Bedeutung  zu  ihrem  Schaden  nnd  Derer,  welche  bei  ihnen 
Hilfe  meh» ,  verzichten.  Yia  Allem  glaubt  v.  Krafft  Ering  nicht,  d.is<  der 
Arzt,  wenn  er  auch  nueh  so  grosses  Ansehen  habe,  im  Stande  sei,  durch  den 
autoritativen    Eiutluss  im  Wachzustaudo  alleiu  auto»uggestive  Lähmungen  ohne 


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e78 


äüGGESnON. 


Weiteres  zu  beheben  oder  auch  die  gestörten  FuDOtiooen  des  Schlafes,  der  Men» 
straation,  der  Cireoktioii  ete. 

Fflr  den  bypnotisehen  Zustand  ist  es  ebarakteiistiseh,  daas  in  ihm  Nerven - 

peliiete  behcrrschbar  werden,  die  im  w;ir>hen  Zustande  snichem  Einfluss  nicht  oder 
nur  indireet  und  unviUkdinrnrn  erreichl»ar  Rind.  Für  die  directe  Beeinfiussun?  der 
Leiblicbkeit  lictert  diu  experimentelle  ätudie  des  Verfassers  geradezu  clasäiscbe 
Beitpiele  (Erseugnog  loealer  Erytheme  und  Blaaen,  Ton  Temparatnrrerindernngmi 
dnreh  Sn^gestion). 

Vm  eine  Dauerwirkung-  der  durch  Snirsrestion  erzielten  Erfolge  zu  erreichen, 
ist  die  individuell  angepasste  Redactioa  und  Curaulirung  der 
Sitzungen  oßthig.  Aneh  kann  der  Kampf  der  Fremdsuggestion  gegen  den 
autosnggestiven  Widerstand  ein  langer  und  mllhaamer  sein  Dem  bekannten  aaao- 
ciativen  Verfahren  der  Nancyer  Schule  ist  unter  den  verschiedenen  Proceduren  zur 
Erzeugung  der  Hypnose  der  Vorzug  zu  geben,  l'ngünstige  Folgewirkungen  sind 
durch  geeignetes  Erwecken  zu  vermeiden;  da:$äelbe  muss  auf  rein  psychischem 
Wege  unter  Snggerirang  posthypnotiiohen  Wohlbefindens  geschehen. 

Die  Frage  der  Leistungsßlhi^'keit  hypnotischer  Behandlung  betrachtet  der 
Ver^isser  noch  als  eine  offene.  Auf  dem  Gebiete  der  I'.syohiatrie  sind  tQA 
Vornhereiu  keine  grossen  Erfulge  zu  erwarten,  uud  zwar: 

1.  „Weil  psychisch  Kranke  nur  ansnahmsweise  in  jener  geistigen  Ver- 
fassnng  der  Aufmerksamkeit.  T'nbefangenheit,  GemtithRruhe  und  Willenskraft  sind, 
die  cum  r;eliii;ren  der  Hypnose  überhaupt  erforderlich  ist; 

2.  weil  viele  psychische  Erkrankungen  auf  organischen  Veränderungen  im 
Gehirn  beruhen  und  die  psychische  Behandlung  doch  nur  funetionelle  Störungen 
beseitigen  kann; 

8.  weil  gewisse*  Symptome  f'wenn  auch  nicht  gerade  nachweisbar  die 
Foljre  oriranischer  Veränderuni^en  im  psychischen  Mechanismus)  so  fest  fundirte 
Phänomene  sind,  da^ä  &ie  suggestiv  kaum  uugreift^ar  erächeineD.*^ 

Dagegen  ist  theoredseh  bei  den  Psyehoneurosen  (fnnetionellen 
Psychosen)  ein  Erfolg  hypnotisch  suggestiver  Einwirkung  zu  erwarten,  sobald 
Krankheitshewusstsein  vorhamieu  ist  iiiul  Eigtrin-r  zur  Hypnose  überhaupt  besteht. 
Der  herrschenden  psychiatrischeu  l  erminulogie  entsprechend  wäreo  nach  V.  K&afft- 
EIbing  folgende  Störungen  fDr  diese  Behandlung  geeignet:  die  KelancholiA 
sine  delirio,  das  Heer  der  Nenropsyehosenf  speclell  Hysterie,  Hypo- 
chondrie,  Neurasthenie,  Psychose  in  Form  von  Zwangsvor- 
stellungen, der  A  1  k  0 h o  1  i  s  m  u  8  ,  Cocainismus,  C  h  I  o r  a  1  i  s ni  u  s, 
Morphinismus,  Nicotinismus,  psychische  Impotenz,  couträru 
Sexualempfindnng;  femer  nnter  den  symptomatis^eo  körperlidien  St5mngen : 
Agrypnie,  Anorexie,  Obstipation,  Neuralgie. 

Ueber  die  Neurasthenie  vergieiehe  man  die  monographische  Dar» 
Stellung  am  Schlüsse  dieser  Arbeit. 

Uncugänglieh  für  Suggestion  bimben  naeh  v.  Krapft-Ebino :  Whrk* 
liehe  Epilepsie  (wohl  suginglieh  ist  die  Hysteroepilepsie),  Athe- 
tose,  Paralysis  agitans. 

Dagegen  bietet  die  hysterische  Neurose  in  sulchen  Fallen,  in  denen 
die  Hypnotisirung  gelingt,  ein  dankbares  Feld  und  lässt  »ich  dauernd  heilen. 

Am  Sehlusse  des  Buehes  beriehtet  der  Verfasser  eine  besonders  spreehende 
Skizze  eines  Falles  von  Fft/ Sterin  (gravis,  der  in  circa  Monaten  durch 
Suggestion  peheilt  wurde.  Ein  und  zwei  .lahre  nach  ICntlassung  wird  Patientin 
als  ein  Beispiel  dauernder  Heilung  durch  Suggestion  in  biiih<'nder  Gesundheit  den 
Besnehern  der  Klinik  vorgeetellt.  Unter  den  beseitigten  Syniptomen  sind  hervor- 
zuheben ein  14tägiger  deliranter  Dimmerzustand,  elassisehe  A  n- 
fJllle  von  H  y  s  t  e  r  0  e  p  i  1  e  ps  i  e  'nrc  de  cerce,  gm/ids  mouninrntfi.  ptriode 
du  dth're/  und  S  u  i  e  i  d  v  e  r  s  u  e  h  e.  .Sogar  eingehende  l'ntersuehung  nach  Ütig- 
matft  /»//itfrioe  föllt  bei  der  zweiten  Vorstellung  negativ  aus. 


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SUGGESTION. 


679 


V.  Krafft-Ebinü's  ausgezeichnete  Arbeit  bedarf  eioer  Empfehlung  nicht ; 
dte  Brginznnfr  dureh  das  S^niwapitel  in  der  3.  Auflage  wird  ueherlieh  zn  einer 
Allgemeinen  Würdigung  der  Suggestionstherapie  beitragen. 

Erwälhneriswerth  von  netuTen  Schriften  erscheint  ferner  iler  Vortrag  des 
Dr.  Robert  Üinswanoer  iKreuzlingen,  Constanz;  auf  dem  IX.  Congresse  fUr 
innere  Mediciii  zu  Leipzig  (1802}.  Im  Gegensatze  zu  den  durch  sorgfältige  Beot>- 
aehtung  und  Naehbeol^ehtung  gewonnenen  Sehlussfolgernngen  v.  KRAFFT-EeiirG's, 
glaubt  BixswANViF.ri  nur  an  eine  temporälre  Wirkung  der  Saggestion  bei  Hyste- 
ri sehen  und  will  niemals  eine  Radiealheilung  gesehen  haben.  Er  hat  si<'h  in 
einem  J:'alie  vou  Neurasthenie  bemltht,  durch  nächtliches  eiustündigeü  äuggu- 
rirenlasten  (von  10 — 11  t'br)  Schlaf  su  ersielen,  was  allerdings  gelang.  In  einem 
anderen  Falle  wirklicher  Hysterie  erzielte  Hixs\vax(;er  nur  vorUbergebend 
Besnernng.  Nach  den  Aufstelliinjrcn  seiner  im  I  »hrif^fii  sehr  ver-itfindigen  BroschUro 
scheint  H.  Bi.sjiVVANcjEK  doch  eine  zu  geringe  Erfahrung  zu  besitzeu,  um  darauf  all- 
gemein giltige  Sätze  aufbauen  zu  k((nnen.  So  glaubt  er,  dass  die  suggestive 
Methode  dureh  die  Untieheriieit  der  Wirkung  eine  allgemeinere  Anwendung  in 
der  ärztlichen  Praxis  nicht  finden,  sondern  nur  in  den  Händen  einzelner  Specialistea 
bh  ilun  werde,  dass  die  Elektrotherapie  verhältnissmässig  viel  präcist«r  wirke  und 
im  Geginsatze  zur  .Suggestion  eine  absolut  sichere  physiologische  Wirkung  besitze. 
Uebrigens  ersebeint  uns  der  Schritt  von  den  elementaren  physiologischen  Experi- 
menten sn  der  Ausdehnung,  welche  heute  die  verschiedeneu  Arten  des  elektrischen 
Stremc^  zu  Htil/wrckeu  gewonnen  haben,  dfK'h  ein  wenitr  zu  gross  zu  sein,  un> 
ohne  Weiteres  einen  Vergleich  mit  der  Suggestion  zuzulassen.  Auch  vou  deu 
gewiegtesten  Elektroth»apenten  wird  bereits  heute  zugegeben,  dass  ein  grosser 
Theil  ihrer  Heii«rfolge  (nach  Möbius  vier  Ffluftel ,  nach  Bulkkbuhg  ein  FttaftelX 
auf  den  snbjtctivcii  Factor  der  Olllubigkeit  zurnckziifjilircit  <ei .  und  soweit  bis 
jetzt  rontrolversiiclic  unter  Ein  und  Ausschaltun;r  dir  Suggestion  vorliegen, 
spreeheu  dieselben  iu  viel  höherem  (jrade  für  die  ]\litwirkung ,  rcspective  den 
alleinigen  Einfluss  der  psyehiseben  Faetoren  in  der  Elektrotherapie,  als  auch  ex< 
treme  Anhilnger  der  Suggestionslehre  im  Voraus  vermutheten. 

Wie  BiNSWANGKB.  so  hat  auch  der  Neurologe  P^wald  IIkcker  i-)  (Wies- 
baden) sich  veranlasst  gesehen,  seine  Erfahrungen  auf  dem  Gebiete  des  Hypno- 
tismus  in  einer  kleinen  Schrift  niederzul^en.  Seine  Erfahrungen  haben  ihn  zu 
einer  unumwundenen  Anerkennung  des  Werthes  der  Suggestion  hingeführt.  Ein 
solches  rrtheii  darf"  umsoweiiitrer  ignorirt  werden,  als  Hkcker  dureh  seine  Special- 
arbeit auf  dem  Gebiete  der  Nervenheilkuude  bereits  seit  2ö  .lahren  geiiöthiit  war, 
die  psychische  Behandlung  (Suggestion  im  wachen  Zustande;  fortwährend  aus- 
anflben  und  in  eingehender  Weise  kennen  tu  lernen.  Seine  AnsfDhmngen  nun 
schlies-sen  tich  im  Ganzen  eng  an  Bkkkhrim'.s  und  FORBL's  Forschungen,  unter 
Mittbeilung  von  10,  theilweise  recht  interessanten  lvrankengeschi<hten. 

So  beseitigte  Heckek  durch  Suggestion  Neuralgien  (Tic  doulou- 
reux),  peinliche  Zwangsempfindungen,  Parästhesien,  Lfth- 
muDgeu,  Krampfsustünde  (Hysterie).  .Schwächezustände  (trau- 
matische Neurosen,  Neurasthenie).  Auf  einigen  Gebieten  übertreffen 
die  Erfolge  der  Hypuosugxestiou  die  liesultate  anderer  Behandlungsmethodeu 
des  Autors  beiweitem,  z.B.  in  einem  Falle  idiopathischer  Athetosc  (ent- 
gegen der  Meinung  y.  Krapft-Ebixg's),  bei  eireulatorisehen  Störungen 
(Ma  l a  d  ie  du  dottte  a  vf  c  d ir  c  d  n  f "  u  '•  h  r  r]  ,  wogegen  das  Verfahren 
gegen  echte,  epileptische  Anfälle  wirkungslos  blieb.  Lehrreich  sind  die 
Beseitigung  neurasthenischer  AugstzustAude  in  Folge  Züsch welleus  der 
Nasenschleimhiute ,  dureh  suggestive  Beseitigung  der  CoogesUon,  der  Erfolg  bei 
Arhythmie  des  Hersens,  kalten  Händen  und  Fussen,  die  suggestive  Rflgelnng 
ge  8 1  <"i  r  t  e  r  D  a  r  m  t  h  ä  t  i  g k  e  i  t ,  Zwangshandlungen  und  Z  w  a  n  l'  s  h  e  m- 
muugen.  Hecker  hält  in  Uebereinstimmung  mit  den  meisten  Vertretern  der 
Nancyer  Schule  die  Hypnotisirung  fttr  ganz  unschädlich,  wenn  man  sidi  hütet,  mit 


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680 


SUGGESTION. 


Patienten  experimentellen  Missbrauch  zu  treiben  und  die  Methode  der  Indivi- 
dualität des  Patienten  anpasst;  ja  sogar  filr  gefahrloser,  al8  hundert  andere  ärzt- 
liche Eingriffe  und  Verordnungen.  Bei  der  Kuhe  und  Geduld,  dem  Zeitaufwande, 
welehe  die  Snggttilivtiierapie  erfordert,  wird  diemlbe  Toramaieliflieh  in  den  Binden 
der  Specialisten  bleiben,  ähnlich  wie  die  Chirurgie,  die  Orthoptdie,  die  Elektro- 
und  Hydrothcraj)ie  Xntbwcndig-  aber  erscheint  es  Heckkr,  „dass  jeder  Arzt  «ich 
eine  genügende  Keuutni»»  von  den  Leistungen  der  Suggestionstherapie  verschatit, 
um  als  ebiUeber  Mann  seinen  Patienten  etets  das  Beste  ratiian  an  kOnnen". 

Aehnlieh  wie  Uecker  •^elau.^'^te  Grossmann  ")  auf  dem  Wege  der  Selbst» 
beobachtunjsr  zur  vollen  Würdijrun;?  der  Sup^rc^tionsstbcrapic :  er  bekennt  sich  offen 
als  Anhänger  der  Nancyer  Schule  und  hat  in  zwei  tiruschUren  casuistisches  Material 
mit  günstigen  therapeutischen  Erfahrungen  verOffentlieht.  Die  eine  seiner  Sehriften 
theüt  die  Erfolge  der  8oggestionsthe»pie  bei  Infi  venia  mit.  Dabei  handelt 
es  sich  vorwiegend  um  Absuggerirung  lästiger  Symptome  (bei  82  Personen : ,  wie 
Schlaflosigkeit,  AppetitstOrungen,  neuralgiaehe  Affeotiouen, 
subjective  Beschwerden,  Regelung  des  Stuhlganges  durch  Sugge- 
stion. Daneben  wendete  Grobsmakn  aber  aaeh  Medieamente  an. 

Die  zweite  Schrift  desselben  Verfassers  berichtet  12  Krankengeeehiehten, 
welche  den  Heilwerth  der  Suggestion  bei  nicht  h  y  s  t  e  r  i  s c  h c  n  L  ä  h  m  u  n  ge  n 
darthun,  z.  B.  bei  Hemiplegie  nach  Apoplexie,  Lähmungeu  der  Kehlkupfmasculatur, 
Enuresis  nocturna  ete. 

Das  Interesse,  welehes  dm*  Inhalt  der  beiden  Brosehttren  als  Bestätigung 
der  Erfahrung  anderer  Beobachter  verdient,  würde  jedenfalls  noch  erliolit  <lurch 
eine  heisere  formelle  Ausstattung  derselben,  denn  sie  sind  wenig  ühersiehtlieh  ge- 
schrieben (Mangel  au  Absätzen,  gesperrt  Gedrucktem,  keine  Tabellen  etc.) ! 

Untersaehnogen  Aber  den  Hypnotismns  tfaeilt  Hebold'*)  in  der  Zeit- 
schrift ffir  Psychiatrie  mit.  Es  bandelt  aldi  dabei  nm  Beobachtungen  an  einer 
Hysterisehen.  Die  verschiedenen  Symptome  wurden  vom  Verfasser  erfolgreich 
mit  Suggestion  und  Austaltsbehandlung  beseitigt.  Einmal  gelingt  es  auch  durch 
Auflegen  eines  StOek  Papiers,  das  in  der  Hypnose  als  Senfpapier  bezeiehnet 
wurde,  auf  den  Torderarm  ein  Erythem  an  erzeugen.  Indessen  scheint  uns  d'.v<rr 
Versuch  nicht  slrenir  genug  controlirt  zu  sein,  denn  es  fehlt  die  Angabe  der 
reberwachung,  wählend  si<'h  die  Ilöthung  bildete.  Die  Suggestion  des  Brennens 
mit  dem  Glttheiseu  bleibt  ohne  Ertulg,  ebenso  gelingt  es  nicht,  auf  die  Bewegung 
der  Pupillen  durch  Suggestion  einzuwirken.  Die  Transfertversnehe  Binet's 
und  die  F  ein  w  i  r  k  u  ng  von  Med  i  c  am  e  n  te  n  (Lüvs  !)  fallen  negativ  aus. 
Dagegen  gelingt  es  dein  Verfasser,  durch  constante  Wiederholung  der  Suggestion 
in  etwa  fs — lü  Tagcu  die  Abstossung  einer  Warze  zu  produeiren.  Aber 
auch  bei  diesem  Versuche  ist  in  der  Anordnung  keine  Garantie  geboten  gegen 
mechanische  betrügerische  Nachhilfe  zu  Zeiten  mangelnder  Ueberwachung.  Kine 
erhebliehe  ))eiderseitigc  P".  i  n  s  e  h  r  Jl  n  k  u  n  g  der  0  e  s  i  e  h  1 8  f  e  1  d  e  r  versehwimlct 
unter  dem  Einflüsse  der  Suggestion  (durch  Tafeln  ilhistrirt).  (Dieser  nunmehr 
wiederholt  nachgeprüfte  Versuch  wurde  18U0  auch  von  Kitzmanx  i')  in  Zürich 
erfolgrMch  aufführt.)  Im  Weeentliehen  bieten  Hbbold's  Experimente  eine 
wenn  auch  unvollkommene,  aber  im  Ganzen  gelungene  Wiederholung  der  Beob- 
achtungen V.  Kr.akkt  -  Eiti.VG  S.  Zwar  glaubt  HKBOLn  keine  dauernde  Heilung 
einer  so  schweren  Erkrankung,  wie  die  grosse  Hysterie,  dui eh  Suggestion 
erzielt  zu  haben,  wohl  aber  eine  andauernde  gflnstige  Wirkung  auf  das  Befinden 
der  Patienten ;  kein  anderes  Behandlungsmittel  kann  nach  ihm  bei  dieser  Er- 
krankung sich  mit  der  Sugfre^tion  messen. 

Dr.  FkküI),  der  bekannteste  L'ebersetzer  des  Bernheim  sehen  Werkes, 
hat  nunmehr  auch  die  Keucn  Studien  des  Nancyer  Gelehrten  auf  dem  Gebiete 
des  Hypnotisnms  dem  deutschen  Publicum  zugftnglich  gemacht  In  dem  vorliegen- 
den umfangreichen  Werk  (380  Seiten  i  hat  Bernueim  ")  seine  klinischen  Vortrüge 
Uber  Suggestion  und  ein  grosseres  Material  an  Krankengeschichten  (im  Ganzen  103) 


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SUGGESTION.  681 

als  Fri^Siizunpr  seiner  früheren  Arbeiten  vernfTentlicbt.  Neben  zahlreichen  inter- 
essaDt(>n  historischen  Daten  lierücksichtijrt  diese  Schrift  besonders  die  Rolle  der 
Suggeätioa  iu  der  Kutätehuog  von  Kraukheitun,  die  Einwirkung  im  wachen  Zu- 
stande, die  AutoBuggtetioa ;  der  Yerauoh  einer  psyehologisehen  Analyae  des  Wesens 
der  Suggestion  in  Anlehnung  an  dM  Werk  von  Hakb  Tckb  erseheint  uns  von 
Bernheim  nicht  weit  und  scharf  genu?  durchffeführt  zu  sein,  wiewohl  die  allge- 
meiueo  Ciruudliaieu  hierzu  richtig  gezeichnet  sind.  Um  so  betMer  gelungen  ist  der 
kliniaofae  Tbeil,  weleher  Alles  das  eothllt,  wu  fflr  den  Snggestivtherapenten 
iriehtig  ist.  Hier  erscheint  BbrnbkiH  als  unübertroffener  praktischer  Psychologe.  £r 
bat  zahlreich*'  Versuche  unternommen,  die  Sugge.Htion  in  larvirter  Form  anzu- 
wenden. Ergab  z.  B.  einem  Schlatlo^en  unter  der  falschen  Bezeichnung :  Sulfoual 
gewdbnlichea  Was^er,  worauf  tiefer  Schlaf  eintrat.  Er  heilte  Fälle  von  nervöser 
Aphonie  dureb  Elektrisiren  an  der  Vorderfliefae  des  Halses,  oder  dnreh 
blosse  P a  1  p a t i o n  mit  der  Versicherung,  die  Stimme  komme  wieder.  Auch 
mit  anderen  greifbaren  Verfahren  (Massage,  Hydrotherapie,  Homö- 
opat hie,  Suspension,  Magnete,  ]Jetalle,ScheiDoperationen)  verband 
Bbbkhbim  in  rflbmenswerther  Vielseitigkeit  die  Suggestion.  Mit  fieeht  protestirt 
der  NancytT  Kliniker  gegen  die  ihm  gemachte  rnterstelluug,  Alles  sei  Suggestion, 
z.  B.  in  der  Kl<  ktro-  und  Hydrotherapie.  Neben  der  unbestreitbaren 
Wirkung  bestimmter  Mittel  auf  die  Funetiouen  spielt  aber  auch  die  Suggestion, 
der  subjective  Factor,  eine  noch  vielleicht  hingst  nicht  genug  gewürdigte  Rolle 
im  Heilproeess.  Das  Wort  „Hypnose"  sollte  naeh  Berkbedi  ersetst  werden 
durch  „suggestiblen  Zustand",  oder  wie  ich  vorgeschlagen  habe,  durch  den 
Ausdruck  „suggestiver  Zu^itand'".  In  meinem  Vortrage  „Teber  Suggestion 
und  suggestive  Zustftude"  "*j  \^uuteu  ausführlich  besprocheuj  habe  ich  mich  folgeuder- 
massen  bierflber  ausgesprochen : 

„Die  Verwandtschaft  der  Hypnose  zum  Schlaf  unterscheidet  sich  wesentlich 
TOB  den  erörterten  Bezielmnfreii.  Ks  giebt  nänilieli  »  ine  Hypnose  ohne  Schlaf,  eine 
Hypnose  mit  wirklichem  Schlaf  und  eine  Hypnu^^e  mit  der  Einbildung  geschlafen 
au  baben.^ 

Das  Wort  ^.Hypnotismus**  ist  allerdings  von  xrtni;  =  Schlaf  abgeleitet, 

weshalb  noch  heute  die  Ansicht  allgemein  verbreitet  ist,  Schbnf  sei  /uid  (leliniren 
der  Suggestit  n  uothwendig.  Ich  habe  viplfach  die  Erfahrung  gemacht,  dass  Patienten 
die  Existfcuz  der  Hypuoäe  nicht  ancrkeuueu ,  so  lange  sie  posthypuotische  Er- 
innemsg  an  die  Torgflnge  in  der  Hypnose  besitsen.  Diese  Meinung  ist  unrichtig. 
Wenn  Schlaf  auch  günstig  pr;uli>|i  nirt  zur  Objectivirung  der  Suggestionen,  insofern 
er  eine  Dissociation  der  psychisclicn  Dynamismeu  herbeiführt,  so  ist  er  dennoch 
nicht  DOtbweodig,  und  wirklicher  Sdii.-it  im  Sinne  posthypnotiscber  Amnesie  tritt 
etwa  nur  bei  einem  Sechstel  aller  Hy{)notisirten  ein.  Aber  auch  dann,  wenn  s.  B. 
im  tiefen  Somnambulismus  die  Erinnerungsbrüeke  zum  waeheu  Zustand  abgebrochen 
ist,  handelt  es  sil'h  nicht  immer  um  Schlaf  im  strengen  Sinn  des  Wortes.  Denn 
die  Soninaniliuien  sind  («ft  wachen  (icistes,  sprechen,  gehen,  lUliren  complicirte 
Haudluugen  aus,  kurz  sie  bieten  keineswegs  das  Bild  des  Schlafes.  Dennoch  aber 
glauben  sie,  in  ihren  wachen  Normalsustand  surttokversetst,  geschlafen  zu  haben. 
Solche  Patienten  tauschen  sieh  aber  aueli  über  den  Zustand,  in  dem  sich  ihr  Gehirn 
befand.  Sie  zeigen  mitunter  nach  dem  Erwachen  Erinnerungsdefecte ,  die  ihnen 
selbst  uubekanut  bleiben,  (iewöhnlich  lege  ich  derartigen  Zweiliern  die  Frage  vor, 
„wie  lange  glauben  Sie  geruht  zu  haben Sobald  ich  nun  die  Antwort  erhalte: 
5 — 10  Minuten,  wahrend  in  Wirkliclikeit  .SO  oder  ^10  Minuten  verflossen  sind, 
weiss  ich  bestimmt,  dass  ein  soleher  yruber  rrtheilsfehler  in  der  Zeitbestimmung 
einen  Zustand  eharakterisirt.  der  sieh  wesentlich  vom  wachen  Normalzustand  uuter- 
Bcheidet.  Wenn  man  nun  ferner  einer  wachen  Versuchsperson  die  Augen  herunter- 
drückt, oder  ihr  die  Arme  erhebt,  indem  man  ihr  versichert,  dass  sie  dieselben 
nicht  herunterlassen  kann,  und  ihr  durch  Affirmation  die  Ueberzeugung  beibringt, 
sie  folge  einem  unwidersteblieben  Zwange,  so  handelt  es  sich  ebensowenig  um 


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682 


SUGGESTION. 


wirklichen  Schlaf,  wie  bei  den  vorher  erwähoteu  Erscheinungen.  Dennoch  ist  die 
Person  bypnotisirt,  sobald  sie  wirklieh  nicht  mehr  im  Stande  ist,  den  Arm  hemnter- 
anbringen  oder  die  Augen  zu  öffnen.  Das  Wort  „Hypno8e-'  ist  also  im  Grunde 
anglfU'klieh  gewählt;  denn  <>s  lipzcichnct  weder  den  eigentlichen  Kernpunkt,  noeh 
den  Umfang  der  Suggestiousphäuomeue  deutlich  genug. 

Bei  der  Erörterung  der  einzelnen  schon  in  den  früheren  Arbeiten  dieses 
Werke«  nnaflihrlieh  beafffoeheiiMi  Symptomen  der  Hypnoee  geht  Bbbnhxim  aoeh 
auf  die  suggestive  Analgwio  obwohl  es  schon  in  einer  namhaften  Anzahl  von 
Fällen  gel  untren  ist,  dieselbe  fllr  kl<*inere  Operationen  erfoIf-Teich  zu 
benutzen,  glaubt  bEüMiKiM  nicht,  dasti  sie  dazu  berufen  sei,  da»  Chlor u türm 
an  ▼erdrftngen.  Die  Antosaggestion  im  waehen  Zustande  mit  dem  Inhalte  der 
bevorstehenden  Operation  ist  oft  stärker,  als  die  Fremdsuggestion  nnd  iHcintrachtlgt 
die  Tiet'e  der  Hypnose.  Daher  empfiehlt  es  sieb,  die  Operationen  in  der  Hypnose 
unvermuthet  vorzunehmen.  Mitunter  wird  während  einer  solchen  Operation  der 
Schmerz  tranmhaft  verarbeitet,  aber  nach  dem  lirwaeben  nicht  erinnert 

So  erwftbnt  Berkheim  etoe  Patientin,  welcher  dnreh  dne  15  Minntra 
dauernde  C>peratif»n  ein  AhsecMs  «geöffnet  und  entleert  wurde.  Beim  Einirelien  mit 
der  Sonde  in  die  tiefen  (iewelie  stie«s  die  Patienten  einen  Schrei  aus,  nnd  äusserte 
Sebmerzeu,  die  sie  dem  Kneipen  einer  xs'aeLbariu  zuschrieb.  Die  Suggestion,  zu  lachen, 
verfing  nicht,  ab«r  postliypntitifch  völlige  Anmeaie.  Immerhin  hftlt  Bebmbbiii  es 
für  nöthig,  daes  der  Hypnotisirtnde  wibrend  der  Operation  fortwährend  bd  der 
Kranken  bleibe  und  suggerirt. 

Verfasser  giebt  zu,  dass  die  Suggestion  ein  fast  ausschliesslich  functionelles 
Heilverfahren  bildet.  Aber  das  Feld  der  blos  fanetionellen  Erkrankungen,  in  denen 
keine  organische  Verlnderung  besteht  oder  diese  mindestens  von  der  fanetionellen 
Erkrankiin<r  il^err.'iL't  w  ird,  ist  rin  weites.  Manche  Schaden  z.  B.  ein  psychisches 
Traumai  wirken  auch  mehr  auf  die  Fnncticn.  als  auf  das  Organ.  „Eine  Therapie, 
welche  im  Staude  ist  die  Fuueiiou  wiederherzubtelleu ,  indem  sie  die  psychische 
Erscbfltternng  oder  die  schmerzhafte  Bmpflndmig  in  ihrer  Wirkung  aufhebt,  welche 
von  einer  Stelle  der  Peripherie  auq^ht  «nd  die  Störung  unterhalt ,  wird  eben 
darum  eine  höchst  wirksame  Therapie  frenannt  werden  dürfen.  Die  Metirzahl  aller 
Neurosen  unterliegt  z.  Ii.  diegier  Tsychothcrapie.  Ein  Kranker  habe  z.  B.  einen 
Schmerz  im  Bein  in  Folge  eines  Falles ,  dieser  Sehmerz  wirkt  durch  dnen  cere- 
bralen oder  cerebrospinalcn  Reflexaet  auf  die  motorischen  Nerven  des  Beines  und 
erzen^rt  eine  C<  ntraetur.  Die  Suggestion  kann  nun  den  Schmerz  auflieben  oder 
dej-seu  WahruehnuiDg  verhindern  ;  es  ist  verständlich  ,  dass  sie  auf  diesem  Wege 
die  Enttjtchung  der  redectorisehen  Contractir  verhindern  kann.  Ks  kann  aller- 
dings die  Contractur  den  Schmerz  flberdauem  und  in  Folge  einer  rein  spinalen 
Reflezthfttigkeit  fortbestehen.  Es  beh.'ilt  dann  die  durch  das  Trauma  erschtttterte 
excimotorische  Leistung  des  Kilekeumarks  ihre  abnorme  Functiorisweisf  bei,  selbst 
wenn  der  Schmerz  veischwundeu  ist,  oder  e^  kann  vorkommen,  dass  der  peripherische 
motorische  Kerv  den  Weg  zur  Norm  von  seinem  Reizungssustand  aus  nicht  wieder 
findet.  Aoderemale  erzeugt  das  l'rauma  eine  motorische  oder  sensitive  Lähmung 
von  cerebraler,  spiii:iler  nder  peripherisi  her  Herkunft.  Dann  ist  es  das  motorische 
oder  geut^ible  Kiudcneentrum  des  Gehirn.i,  welches  sieh  in  Folge  der  ceutripetalen 
Wirkung  des  Traumas  iu  seiner  Thätigkeit  gelähmt  zeigt,  oder  die  Schuld  liegt 
an  den  grauen  VorderhOrnem  des  Rttckenmarkes  oder  an  den  peripheiisehcn 
Nerven,  welche  die  ihnen  zukomnieudcn  Reize  und  Impulse  nicht  weiterleiten, 
können.  In  diesem  Falle  tritt  wieder  die  8ui;t.M<tiou  ein:  sie  stachelt  das  Scelen- 
organ  zur  Hemmung  oder  Bahuung  auf,  hemmt  den  Keizungszustand  der  exci- 
motorischen  Zellen  des  Harkest,  weleher  der  Contractur  zu  Grunde  liegt  und  setzt 
den  Muskeltonus  auf  sein  n 'rmales  Mass  herab;  sie  erhf'iht  die  verminderte  Thätig- 
keit des  cereliralen  und  --piiialeu  Centrums,  sowie  der  j)eripherisclien  Nerven  ;  sie 
schickt  den  Muskeln  jeues  Mas.s  von  Innervation  zu,  welches  zur  Wiedererlangung 
der  verlorenen  Fähigkeit  nothwendig  ist,  sie  steigert  oder  stellt  die  Erregbarkeit 


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^  SUGGESTION. 


m 


der  äatbeBiogeoen  grauen  bubstauz  ber  und  belebt  so  die  erloschene  Sensibilität. 
Die  gesammte  Tbltigkeit  des  OrgaDismas,  die  von  den  Nervensellen  angeregt  und 

durch  LeituDgsfasern  auf  Organe  übertragen  wird,  ist  nämlich  in  gowiaaeui  Hasse 
der  bewussten  oder  unbevrufistcu  Th.'itiirkt  it  der  psychischen  Organe  antorgeordnet ; 
die  Heele  regiert  und  der  Körper  gehurcbt. 

Wenn  die  Suggestion  auch  keine  directe  Wirkung  auf  die  organische 
Lision  aasflbt,  so  kann  sie  diese  doch  indireet  modifidran,  indem  sie  die 
Fimetion  m(»dificirt.  S«>  beseitigte  Bern'HKIm  in  Füllen  von  Tuberkulose  die 
Sehl  a  t'l  0  8  i  g  k  e  i  t ,  stellte  den  A])pt>tit  wieder  ber,  beruhigte  den  Husten- 
reiz, unterdrückte  die  Bekleuimung,  das  Seiteusteeheu  etc.  80  bracbte 
die  Suggestion  wenigstens  Linderung,  vo  sie  nioht  heilen  konnte.  Aber  in  manchen 
Fftllen  ^«  Inn^'  es  dem  Verfasser  sogar,  durch  die  günstige  Verlnderung  des  Bodens 
seine  AViderst.indskraft  ore^en  die  eiridrintrenden  Mikroben  tu  erbiihen  und  auf 
diese  Art  die  i:lutwickluug  der  Krankheit  zu  verlangsamen,  wenn  auch  nicht  zu 
verhindern.  Mehr  leisten  die  Arzneimittel  in  vielen  Krankheiten  auch  nicht  Es 
ist  ein  in  der  Therapie  allgemein  befolgter  Satz,  dass  da,  wo  die  Krankheit 
selbst  unerreichbar  ist    z.  B.  bei  Typhns).  ihre  Symptome  behandelt  werden. 

Die  11  y  s  t  e  r  i  e,"  besonders  die  eonviilsivc  Form,  i>;t  naeb  BkknheiM 
fast  durchweg  der  äuggetitiun  zug.lnglieh.  Ult  erneuern  die  durch  zufällige  ilutdere 
Kindrflcke,  durch  Empfindnugassoeiation  erweckten  Antosoggestionen  die  Symptome 
und  der  Kampf  muss  vun  Seiten  des  Arztes  mit  Beharrlichkeit  und  Geduld  fort- 
gesetzt werden.  Man  bedenke  aber:  Nielit  das  Wort  des  Arztes  brinfjt  Heilung, 
sondern  der  £influ8s  auf  das  Gehirn  des  Patienten.  Wu  das  Wort 
nieht  anstricht,  gelingt  es  rrancbmal  der  Erregung,  diesen  Einflnss  sn  gewinnen. 
Die  Furcht,  die  Eioscbüchterung  kennen  aber  auch  als  Gegen suggeatioaen  wirken 
und  KTftnipte  Husirscn.  Wenn  soUhe  Anfillle  bei  ävr  Ilyjjiioti-^irung  entstehen,  so 
sind  sie  nicht  dem  Verlalirt  n  au  sifli,  sondern  der  Aufregung  der  l'eraon  zuzuschreiben. 
Man  zieht  also  im  Allgemeinen  sanfte  eindringliche  Ucberredung  vor  und  wird  bei  Au- 
wendnng  foreirter  Mittel  diese  drr  Individualität  des  Falles  anpassen  mflsscn.  Wftbr«  nd 
Bkrnheim  Hysterie  auf  erblicher  Basis  fQr  ein  schwer  (l(r  Snggest'on  *u- 
gangliches  Gebiet  betrachtet,  war  er  andererseits  so  glUcklieb ,  eine  Reihe  von 
Hysterischeu  durch  .Su<;^estiou  dauernd  ohne  KUckfall  heilen  zu  können.  Die 
Kenrasthenie  nnd  Hypochondrie  bieten  einen  verhftltnissmSssig  nngflnstigen 
Boden  für  suggestives  Vorgehen;  die  erbliche  Neurasthenie  hält  BbBNHKIM 
fiir  unheilbar,  wahrend  die  Symptome  der  erworbenen  Neurasthenie  sieh  suggestiv 
beseitigen  lassen. 

In  einer  grossen  Anzahl  von  echten  Epilepsien  versuchte  BebnH£UI 
die  Suggestivtherapie,  im  Ganzen  erzielte  er  keine  merklichen  Besnltate.  Nicht  ein- 
gewurzelte Chore«  lässt  sich  mit  Suggestion  beseitigen,  wogegen  schwere  Falle 
und  solche  mit  erblicher  Hasis  (juoad  Sugfrestivtherapie  eine  zweifelhafte  Prog- 
nose bieten,  aber  mitunter  duih  auch  ganz  bemerkeuswerthe  Ueilresultate  ergeben. 

Besonders  wirksam  zeigt  sich  die  Suggestion  bei  den  mannigfaltigen 
Formen  der  Neuralfrien  'auch  durch  Neuritis  und  H he u m ati s m  us\ 
S  e  h  re  i  b  k  r  a  ni  p  f  .  und  den  zahlreichen,  nicht  in  den  Fiahmen  bestimmter  Krank- 
heitsiormeu  passenden  6>mptomgruppen ,  liautbyperästhesien,  Anästhe- 
sien, Migrineformen,  Visceralparisthesien  ete. 

Bei  Faralysi»  agitan»  ist  nach  Bbbnhejh  kein  Erfolg  zu  erwartiu. 

Die  M  i>  r  j)  h  i  u  m  s  u  ch  t  litsst  sieh,  wie  Verfasser  glaubt,  allerdings  am 
schnellsten  in  einer  Anstalt  heilen,  w<ibei  die  Suggestion  ein  wichtiges  l'nter- 
stützungsmittel  werden  kann,  in  der  l'rivatpraxis  wird,  wenu  es  sich  nicht 
nm  wirklieh  Geistesgestörte  handelt,  flir  die  mitunter  sehr  erfolgreiche  Soggestiv* 
therapie  stets  die  Beihilfe  der  l  ingebung  des  Kranken  ntUhig  sein.  Aehnlich  sind 
die  Aussichten  beim  .\  1  k  o  Ii  o  1  i  s  m  u  s  ;  A  n  s t  a  1 1  s  b  e  h  a  n  d  1  u  n  g  übertrift't  auf 
diesem  Gebiete  im  Durchschnitt  die  Erfolge  der  Privatprazis.  Eintritt  in  die 
HSsaigkdtsvereiDe  ist  in  allen  Fullen  zu  empfehlen.  Die  klinischen  Beobachtungen 


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684 


SÜGGESTION. 


des  vorliegenden  Werkes  umfassen  1)*  Ffllle  traumatischer  Neurose, 
von  deoen  durch  Suggestiou  (larvirte  Wacbäuggestion  oder  bypootisches  Verfahren) 
9  gtnilieli  gebeilt,  8  gebcfsert  wurden,  wabiend  1  Fall  keinen  £rfolg  zeigrte, 
BFftllevon  Hysterie  mit  ErSrnpfen,  wovon  3  gebeilt  und  6  gebessert  wurden, 
6  Beobachtungen  hysterischer  Beschwerden,  die  dem  suggestiven 
Verfahren  wichen  ,  2  geheilte  C  h  o  r  c  a  f  il  1 1  e ,  7  Krankengeschichten 
verächiedeneu  Inhalts  (Tetanie,  Genital ueurosea,  Psychoneuroseu 
[Neurastbenie?]  nnd  Alkobolismus)  mit  vollstiindigea  und  nnvonstlndigen 
Erfolgen,  ferner  30  Beobaehtungen  neurastbenischer  Beschwerden 
/'von  denen  jedoch  einige  sich  auch  als  „hysterisch"  bezeichnen  lassen  i,  mit 
17  üeilungeu  und  Iii  Beaäerungtn,  ausäcrdem  nervösartbritische  Symptome 
(3  Besserungen,  2  Heilangen)  bei  5  Personen.  Bemerken wertb  sind  10  Be- 
obachtungen von  Neuralgien,  welehe  sämmtlich  durch  Suggestion  geheilt 
wurden  .  3  Fälle  g  «'  h  e  i  1 1  e  r  r  Ii  c  u  ui  a  t  i  a  c  h  e  r  A  f  f  c  o  t  i  c  n  e  ii .  Den  Uef  chluss 
des  Buches  machen  die  Beschreibungen  suggestiver  Beseitigung  von  Spiual- 
nffectioneu,  Störungen  nach  organischen  Erkrankuugeu  (Typhus, 
Tuberkulose,  Pneumonie,  Dysenterie,  Gallensteinkolik),  Men- 
struationsbesebwcrden,  sowie  Heilungen  durch  üfagneto-  und  Uetallo» 
tberapie,  in  Form  Inrvirter  Suggestion  in  Anweudunir  gebracht.  Es  braucht 
wobl  nicht  bervorgehoben  zu  werden,  dass  keines  der  in  dieser  Arbeit  erwähnten 
Werke  mehr  dasu  geeignet  ist,  die  Intensitit  der  Suggestivwirkunjir  «nd  ihre  Be- 
deutung in  der  Praxis  in  richtiger  Weise  sn  beleuehten,  als  das  leiste  Werk 
Bbbnheim's. 

Schon  «He  letzte,  sowohl  P.'<ychologie  wie  Anwendung  der  Suggestion 
gleicbmässig  umfassende  Schrift  hat  uns  zur  Therapie  hingeführt.  Dieser  wichtigen 
Seite  der  Suggestionslehre  sind  eine  Reihe  von  Arbeiten  gewidmet,  die  sidi  in 

verschiedenen  Journalen  zerstreut  finden.  Zu  den  wichtigsten  unter  denselben 
gehört  das  Beferat  Bixswan(;kr's  und  v.  KuAFFT-KrtiNG'.s  ^'^j :  ,,U e b  e r  d i  e  th e  r a- 
peutische  Yerwertbung  der  Hypnose  in  Irrenanstalten."  BiNS- 
WANOKB  glaubt,  dass  die  Suggestionstherapie  im  Sinne  der Naneyer Sehnle 
bei  der  Mehrzahl  der  Geisteskranken  erfolglos  geblieben  sei  und  stützt 
seine  Meinung  (iur<'li  einen  Feberblick  (ll»er  nahezu  s?lninitlic}ie  Bericlite  in  der 
Literatur,  aus  denen  wir  hier  Einiges  mittheilen  wollen,  so  weit  in  den  früheren 
Arbeiten  der  Real-Encyclopädie  nicht  schon  darauf  Bezug  genommen  wurde.  Wie 
FOBBL,  80  glaubt  VAN  Bedsn  diesem  Referat  infolge,  dass  jensdts  der  Greaie 
der  ,,Neurose"  ein  Erfolg  von  der  Suggestion  nicht  erwartet  werden  dflrfc:  ,.di(' 
Snggpsli\  tlicrapie  isl  von  dem  Aiii^enblicke  an  ohnniüchtig  oder  nur  von 
palliativer  Wirkung,  wo  der  Kranke  an  die  liealitiit  seiuer  subjectiven  Sensationen, 
seiner  Hallneinationen  glaubt,  sobald  er  seine  ,.schwarse"  Idee  für  begrllndet  hllt*'. 
Dagegen  erzielte  mau  völlige  Heiluug  in  Zuständen  von  Melancholie  und 
„psychische  r  H  y  p  e  r  a  1  g  i  e'',  welche  bei  N  e  u  r  a  s  t  Ii  e  n  i  k  e  r  n  .  On  a n  i s  t  e n, 
männlichen  Impotenten  als  Folge-  und  Begleitür»chetnungcn  ihrer  Leiden 
aufbraten.  Gflustige  Resultate  veneidmet  derselbe  Beobaekter  bd  Ol  au  st  ro-, 
Agoraphobie,  Onomatomanie,  Goprolalie  und  verwandten  Erschei- 
nungen. Wo  es  nicht  gelang,  die  krankhaften  Ideen  völlig  zu  entwurzeln,  wurde 
wenigstens  in  manchen  Füllen  den  Kranken  die  Herrschaft  Uber  sich  selbst  wieder- 
gegeben und  der  Eintluaa  der  Zwangsvorstellungen  unterdrückt  durch  Zurilck- 
drtngung  der  krankhaften  Impulse. 

Die  günstigsten  Erfolge  von  allen  Beobachtern  erzielte  VOISIN'»)  durch 
Zwangshypnose.  Kr  vcrm  Ki-litc  Ht  .iller  Oei>teskrauken  .inf  seiner  Klinik  zu 
bypnotiäiren,  allerdings  bedurfte  es  oft  ciues  grossen  Zeitaufwandes  (2 — 3  Stunden), 
um  die  Hypnose  zu  erzielen.  Ausserdem  bedient  VoisiN  sieh  der  physikalischen 
Mittel  in  ausgedehntem  Masse.  Die  Suggestion  wird  von  ihm  immer  erst  in  der 
zweiten  Sitzung,  -^nbald  tictVr  .^chlaf  erzielt  ist.  zur  Anwendung  gebracht,  und 
zwar  zunächst  immer  nur  gegen  eine  krankbalte  Vorstellung  oder  gegen  die 


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SÜGGESnON. 


686 


Hallucinatioii  eines  Sinnee.  Nach  geeebebener  Sng||;e8lion  nrass  man  den  Kranken 

V  «  — '  o  Stunde  riibi<r  schlafen  lassen.  In  beeonderen  Fällen  I&ast  VOISIM  die 
Patienten  12 — 2.j  Stunden  schlafen,  ja  hallucinJrende  und  erregte  Kranke  sogar 
mehrere  Tage.  Binswanger  schätzt  die  Zahl  der  von  VoisiN  Hypnotisirten  in 
dem  10jährigen  Zeitranme  anf  mehrere  bnndert  Fille,  awdfelt  aber  daran,  daas 
dieQnllerei  des  VerBnebsobjectea  wiriclich  dem  Erfolg  entspreche.  Im  Sommer  1889 
giebt  er  eine  Zusammenstellung  von  22  Fällen:  bei  19  derselben  soll  völlige 
Heilung  stattgefunden  haben.  3  vorübergehend  Ticheilte  wurden  rückfällig.  Hierzu 
treten  nach  BiNäWANtiER'd  Referat  noch  4  weitere  Fälle  von  Heilung  aus  dem 
Jabre  1889 ,  im  Ganzen  also  S6  Pille  mit  positivem  Resultat.  Bei 
1')  Fällen  ausgeprägter  Geistesstörung  acuten  Charakters  sollen  12  von  VOISIN 
detinitiv  ^jeheilt  und  ^5  vordbergehend  gebessert  sein.  Unter  12  geheilten  Kranken 
sind  3  zweifellos  als  hysterisch  bezeichnet.  Die  mit  Suggestion  in  dieser  Weise 
bekimpften  8M(rungen  sind  folgende:  Lasterhafte  Instinete  (Onanie, 
Stehltrieb,  Cnfolgsamkei  t ,  L  iederlichk  eitj,  Anfälle  von  acuter 
Manie,  T  r  u  n  k  s  u  e  h  t,  Morphinismus,  l  i  e  ni  e  l  n  n  c  h  o  ^  iq  n  f.  II  a  1 1  u- 
cinationen,  Selbstmordideen  und  -Versuche,  Stupor,  Nahrungs- 
verweigerung, chronische  Nervosität,  erotische  Wahnideen, 
Hypoehondrie,  Angstsnstlnde,  bysterisehe  Besebwerden  und 
Schlaflosigkeit.  In  gewissem  Sinne  bestätigten  Burkhardt's Erfahrungen 
an  14  Fällen  aus  dem  Jahre  188H  die  Meinung  Voisix'.s.  Kr  glaubt,  dass 
bestimmte  Formen  und  Symptome  der  Psychosen  mit  Suggestion  sich  bebandeln 
Hessen.  Brtakd*^)  dagegen  hat  wie  POREL  vielfaeh  versnobt,  Geisteskranke  mit 
Wahnideen  einzuschläfern,  war  aber  niemals  so  glücklieb,  irgend  ein  Resultat  bu 
erzielen ;  ein  I  hcil  seiner  Patienten  behauptet,  den  Schlaf  vorgeUasebt  au  haben, 
um  dem  Dräogen  des  Arztes  nacbzogeben. 

In  umfassenderer  Weise  brachte  B^billon'*)  die  Suggestion  anr  An- 
wendung. Unter  360  Kranken  befanden  sieh  155  bysteriaebe.  Er  vertritt 
den  Standpunkt,  dass  das  Suggestionsverfahren  gegen  die  Gesammtheit  der 
hysterischen  Kraukheit'^erscheinungeri  augezeigt  sei,  im  (Gegensätze  zu  der  Ansicht 
Gbasset's,  Forkl  sj,  liiAöWANGEii's,  welche  in  der  Suggestion  nur  ein  symptoma- 
tisches llittel  erblieken.  Bei  20  Pillen  von  Epilepsie  gelang  es  ihm,  mit 
Suggestion  die  Zahl  der  Anfälle  zu  vermindern :  bei  einigen  will  er  sogar  H^iung 
erzielt  haben.  Ebenso  berielitet  Bekili.ox  rasche  Heilungen,  respeetive  namhafte 
Besserungen  bei  4  Melancholischen,  in  3  Fällen  von  Dipsomanie, 
bei  5  Horphinomanen,  in  11  Fällen  von  Zwangsvorstellungen 
(darunter  1  Fall  von  perverser  Sbx  Emphg).  Auch  bei  Kindern  hatte 
er  mit  Suggestion  namhafte  Erfolge  zu  verzeiehnen,  so  bei  22  Beobachtungen 
von  /  n  r  n  I,  t  !  ne  n  f  la  n  ri  n  a  e  .  liei  2  Fällen  v  o  n  I  n  e  <i  n  t  i  n  e  n  z  d  i;  s 
Darmiuhalts  bei  Tag  und  Nacht,  in  2  Fällen  von  Blepharospasmus, 
in  12  Fftllen  von  Chorea,  in  4  Pillen  von  unwidersteblicbom 
Drang  cur  Onanie,  bd  3  Fällen  von  Stottern.  Die  Berichte Berillox 's 
gemessen  ,  abgesehen  von  einaelnen  ausführlichen  Krankengesehiehten ,  nicht  den 
Vorzug  genauer  Darstellung. 

Aus  seiner  Znsammenstellung  siebt  Bdiswanobb  den  Schlnss,  daas  in 
der  Kategorie  unfertiger  psy e h o p a tbischer  Zustände  mit  isolirten 
Krankheitserscheinungen  die  Zwangsvorstellungen  und  Zwangs 
empfind  un gen,  welche  in  Verbindung  mit  bestimmten  äusseren  Umständen 
und  Begebenheiten  auftreten,  das  hoffnungsreichste  Gebiet  der  Suggestivtherapie 
fttr  den  Psychiater  Uldeo.  Im  Uebrigen  ist  nach  BiiwwANeiEB  die  Hysterie 
das  ausgiebigste  Feld  für  Suggestivheilungen  welcher  Ansicht  Referent  sich  nicht 
anschliessen  kann).  Ebenso  stimmen  wir  liixswAX(iER  nicht  zu,  wenn  er  gelegent- 
liche unangenehme  Nachwirkungen  der  öfteren  Wiederholung  des  hypnotisohen 
Verfahrens  in  die  Sehnbe  sdbiebt  (geistige  Müdigkeit,  vermbderte  geistige  Arbeits- 
flhigkdt).    Dass  solehe  Erscheinungen  allein  das  Prodnet  von  Autosuggeationen 


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686 


8Ü60BSTION. 


nndf  davon  habe  ieh  mich  neaerdinga  dareh  eiaen  Controlvenneh  Oberaeugt. 
Nachdem  ich  eine  Taube  im  Allgemeinen  mit  dem  Verfahren  bekannt  gemacht 
hatte,  Hess  ich  sie  f^lcli  niif  eine  Ottomane  leg'en  und  die  Aiifren  Kchliesison.  Ob- 
wohl ich  nun  ab*ichtliclj  keine  w  eiteren  Manipulationen  vornahm ,  glaubte  die 
Patientin,  dass  ihr  fortwährend  suggerirt  werde  und  befand  sich  in  Folge  des 
„Ktarkend  auf  sie  ansgefibten  EinflnsBes**  wegen  nach  dem  Erwachen  nicht  got. 
Sie  klagte  Uber  eingenommenen  Kopf,  Sehwindel  etc.  Wie  kann  nan  daran  ein 
Verfahren  pehuld  sein,  das  in  "Wirklichkeit  -rar  nielit  ansrewendet  wurde?  Wie 
dieser  Fall,  so  dürften  sich  auch  die  lieuimchtungen  Binswaxuers  bei  geeigneten 
Controlrersnchen  durch  Autosuggestion  erklären  laRsen. 

Hei  Anerkennung  der  scharf  kritischen  Methode  scheint  uns  Hixswax(jer 
in  seiner  im  Ganzen  ablehnenden  llaltunir  Joch  tilier  da^  erlaubte  oder  bcrechtiirte 
Ziel  hinauszugehen.  Aber  eine  Gegnerschaft,  wie  die  hier  gebotene,  dürfen  die 
Anhänger  der  Suggestiouslebre  dankbar  annehmen;  denn  neben  der  sonst  bei 
kaum  irgend  einem  anderen  Gegner  au  findenden  GrOndliehkeit  in  der  Venirbehung 
des  umfassenden  Materials  entli.llt  sein  Referat  auch  zahlreiche  Anregungen  und 
Winke,  welche  volle  Hcrficksichtiirimir  \enliciien  und  den  Wcrtli  seiner  Besprechung 
zu  dem  einer  echten  Kritik  im  wahren  Sinuc  des  Wortes  erheben. 

BiMSWAKOBR's  Corrcfercnt  v.  Krafpt- Ebing  steht  auch  in  der 
Anschauung  von  der  Verwerthnng  der  Suggestionstherapie  bei  Fsyehoaen  und 
Neurosen  wesentlich  auf  dem  Boden  der  in  seiner  oben  erw.lhuten  Schritt  mit- 
getheiltcn  Grundsiit/e  uud  ist  wenig.stens  in  liezug  auf  die  Neurosen  durch  eigene 
Erfahrung  sn  einer  günstigeren  Meinung  gelangt  wie  RiyswANGBB. 

Als  Haoptanfgabe  der  Psychotherapie  erscheint  ihm  die  Bekflmpfnng  der 
autoftuggesti\ cn  VorgHnge  durch  zielbewusste  (Jefrenwirkung  des  Arztes.  Unler- 
stutzeiul  sind:  die  ablenkende,  lebhalt  Gemiith  und  Verstand  in  Anspruch 
nehmende  Wirkung  anderweitiger  Vorstellungen,  zuweilen  auch  ein 
plötzlich  die  suggestive  Hemmung  im  Rindengebiet  lösender  Affect. 
Nicht  selten  gelingt  es  allmllig  auch  der  .'ir/tlichen  Suggestion ,  den  Hemmuugs- 
einfliiss  der  Autosug.ircstinn  auf  das  lliiidcuccutrum  zu  loekern  und  durch  u-Icich 
zeitige  Gymnastik,  Massage,  Elektrisirung  jetzt  wieder  mögliche  Muskel-  und 
lunervationsgefflhle  und  BewegungBanschauungcn  zu  schaffen.  Die  Uebersicht  des 
Correferenten  Uber  die  Casuistik  wiederholt  grösstcntheils  schon  die  von  BlNS* 
WANOEB  erw.thnten  FJllle .  welche  durch  cinijre  neuere  Bt*ol)achtungen  erg?inzt 
sind.  So  hat  nach  dem  Referat  des  VcrfaH<crs  Ldi  (viaX(( )  einen  Fall  chronisch 
sich  gestaltenden  Wahnsinns  mit  Ausittzen  zu  systematischem  Delirium  bei 
einem  2  7jährigen  Manne  beobachtet.  Erfolgreiche  Absuggerirung  der  Wahnideen. 
Grosse  Ilypnottoirbarkeit  und  Suggestibilität.  Dauernde  Genesung  nach 
wenigen  Sitzungen. 

Ferner  heilte  ausser  den  oben  schon  Geuauulen  ÖfcitiLAS-')  eine  hysterische 
Psychose»  Bubot  eine  hysterische  Manie  in  3  Bf onaten  (tiefes  Engourdissement), 
naeh  2jfthriger  Krankheit'^dauer. 

Ferner  erzielte  L.a.L)AME-'i  allmiütg  durch  Su^^Lrestiou  (Jenesuuir  bei  einem 
Fall  von  AI  ko/io/ iftin  II  ff  r  Ii  r  o  )i  i  c  ft  n.  Bei  einer  zweiten,  ebenfalls  daran 
leidenden  Patientin  Misserfolg.  Dagegen  wird  von  demselben  Forseher  ein 
Potator  (seit  15  Jahren)  mit  Dipsomanie  nach  einer  Reihe  von  Sitsungen 
völlig  geheilt. 

l'eber  M  «  r  j)  h  i  n  i  s  ni  u  s  ,  II  ij  st  c  r  i  a  gravis.  Hypochondrie, 
Neurasthenie  werden  auf  Grund  der  schon  in  diesen  Jahrbuchern  von 
COBVAL  erwihnten  Casuistiken  im  Ganzen  günstige  Resnltate  berichtet. 

Eine  für  das  Wesen  der  Suggestivwirk untr  besondere  lehrreiche  Arbeit 
haben  neuerdings  Jo.SEF  Bret'KR  und  SiGMrxn  I  kkit»  ")  iroücfert.  Sii»  behandelt 
den  p  8  y  e  h  i  s  e  heu  Mechanismus  hysterischer  1 '  h  ii  n  o  m  e  n  e.  Die 
Autoren  haben  in  den  verschiedenen  Formen  und  Symptomen  der  Hysterie 
den  ursftchlichen  Zusammenhang  der  veranlassenden  aceideutelleu  Vorginge  und 


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SUGGESTION. 


687 


der  pathologischen  Ph.'inuniene  aufzudecken  versucht.  Wenn  das  Krankenexamen 
diesen  Vorfang:  nieht  klarstellt^  besonders  bei  fehlender  ErinnemniPt  so  hypnoti» 

siren  die  Beobachter  den  Patienten  und  wecken  in  diesem  Zustande  Erinnerungen 
an  jene  Zeit,  wo  das  Syraptoni  zum  ersten  Mal  aultrat.  In  dieser  Weise  konnten 
die  scheinbar  idiopathischen  Leistungen  der  Hysterie  auf  solche  veranlassende 
Momente  sttrflekfttbren,  fthnlicb^  wie  die  traumatiaehe  Hysterie  sieb  ableiten  Iftsst 
aus  dem  Unfall,  so  x.  B.  Keural^icn  der  verschiedeosten  Art  von  oft  jHhrelan>;er 
Dauer.  C  o  n  t  r  a  e  t  u  r  en  und  Lahmungren.  hysteriaehe  Anfülle  und 
epilcptoide  (Jonvnlsiouen,  Petit  mal  und  ticartige  Affectionen, 
danerndes  Brbreeben  und  Anorexie  bis  zur  Nahrun gsverwei gerung, 
die  versebiedenartigsten  Sehstflrungen.  Folgende  Bdspiele  erklilren 
den  ZuBatnu)enhan<: : 

iMiich  riiterdrüekunp:  eine-*  selinierzliolien  AfVecte'<  lieim  Ivs^^eu  ent-teht 
Uebelkeit  und  Erbrechen ,  welches  al.s  hysterisches  Erbrechen  Muuate  andauern 
kann.  Oder :  Eine  Mntter  spannt,  um  ihr  sehlafendes  Kind  nicht  an  weekeUf  alle 
Willenskraft  an ,  sieh  ruhi;^  zu  verhalten ;  in  Folge  dieses  Vorsatzes  macht  sie 
ein  schii.Mlzfiult's  ( JeriiiD^ch  mit  der  Zuusre,  worau!«  bei  Wiederholung  sich  ein  Tic 
entwickelt,  der  als  Zungenschnalzeu  jahrelang  jede  Aufregung  begleitet. 

Oder  es  beriet  dne  symbolisebe  Veranlassung  fttr  das  patbologisehe 
Phänomen,  trie  beun  Gesunden  im  Traum.  So  gesellt  sich  zum  seelischen  Schmers 
eine  Neiiralirie,  zum  Affect  des  niMralischen  Ekel>  das  Erbrechen.  Piesc  Anlasse 
für  das  Auftreten  von  hysterischen  Symptomen  bezeichueu  die  Autoren  als 
psychische  Traumen.  Diese  Traumen  mUs.sen  als  Erlebniss  jedoch  zur  Geltung 
kommen,  können  ein  grosses  Traama  bilden,  oder  sich  aus  Partialtraumen, 
gruppirten  Anlflssen  zusammensetzen,  deren  Summirung  erst  die  pathogene 
Wirkunsr  erzielt.  Au<'h  die  Erinnerunir  an  die  Art  der  Traumen  wirkt  als  Fremd- 
körper pathologisch.  Die  Autoren  haben  nun  gefunden,  dass  die  einzelnen  hyste- 
rischen Symptome  fio?leieh  und  ohne  Wiederkehr  verschwanden,  wenn  es  gelungen 
war,  die  Erinnerung;  an  den  veianlas.sendcn  Vorgang  ZU  voller  Helligkeit  zu 
wecken  und  damit  aueh  den  bcfrleitendcii  AtVoct  wachzurufen,  wenn  der  Kranke 
den  Vorgang  in  niö;:lichst  ausfiihrlielicr  Weise  schilderte  und  dem  Atfeet  Worte 
gab.  Dagegen  halten  sie  aßectloses  Erinnern  für  wirkungslos.  Der  psychische 
ProeesB  muss  in  »tatuvt  naacendi  gebracht  werden.  Dabei  treten  die  Reiz- 
erscheinu  ngcn.  Krämpfe,  Neuralgien,  Hallucinationen  noch 
einmal  in  voller  Intensität  auf  und  versehwinden  dann  f(lr  immer.  HiNET  ^''i  und 
Delkoeuf  haben  schou  auf  die  Möglichkeit  einer  solchen  Psychotherapie  hin- 
gewiesen. Aehnlich  kann  im  wachen  Bewusstsein  ein  erneuerter  psychischer 
Sehmerz  noch  nach  Jahren  Thränen  auslösen. 

Wii-hti^"  i-^t  e-.  ob  auf  das  at^iclrendc  Erciirni-^  eiier;risch  rea;rirt  wurde 
oder  nicht ,  mit  den  Willküren  und  unwiUkUrliehea  Keliexeu ,  in  denen  sieh 
erfahrungsgemass  die  Affecte  entladen.  Wenn  diese  Reaction  (z.  B.  Weinen)  in 
genügendem  Ausmass  erfolgt,  so  eehwindet  dadurch  «n  grosser  Theil  des  Affects 
(sich  austoben,  ausw.einen  !).  Wird  die  Reaction  iinu  rnnickt .  so  bleibt  der  AlVect 
mit  der  Erinncrunfr  verbunden  (z.  H.  Itei  einer  unvcrf;"ltencn  Meieidijruuir .  Krän- 
kung). Der  A  f  f  e  c  t  ut  u  s  s  nach  dieser  Anschauung  a  b  r  c  a  g  i  r  t  werden 
durch  die  Tbat,  durch  Worte,  durch  Weinen.  Im  anderen  Fall  beb  Alt  die  Er- 
innerunir an  den  ^'o^fall  affective  BotOnuiiL^.  Beim  normalen  Menschen 
jed<ich  wird  der  Alfcct  alt;rcscli\\ .ulii  »tder  zum  Verschwinden  gebracht,  einmal 
durch  die  Curreetur  anderer  widersprechender)  Vorstellungen,  durch  Leistungen 
der  Association,  durch  Abbiassen  der  ErinnerungsvorstellungeD  etc.  Bei  den  Hysteri- 
sehen jedoch  treten  diese  im  wachen  Zustand  entweder  flberhaupt  nicht  oder  nur 
summariscli  vorhandenen  Vorstellungen  mit  ungewOhnlieher  Frische  auf,  sobald 
sie  in  der  llypnuse  ^-cwickt  wcnlcn. 

So  beobachteten  die  Autoren,  da.ss  ätiologi.seh  wichtige  Eriuucruugen 
nach  15 — 2öjährigem  Bestände   noch  eine  erstaunliche  sinnliche  Starke  und 


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688 


äUGGESTlON. 


InUctheit  aufwiesen,  und  bei  ihrer  Wiederkehr  mit  der  vollen  Aflectkraft  Bttoer 
Erlebnisse  auftraten.  Snk-he  Erinnenmgen  betrachten  die  Autoren  als  ungentl- 
geud  abreagirte  Iraumen,  denen  die  Reproduction  in  Zust&nden  unge* 
hemmter  Awodation  verwigt  blieb.  Dieselben  entsteben ,  wenn  die  Nstar  des 
Trannut  eine  Keaction  ausschloss  (unersetzlicher  Verlust  einer  geliebten  Penon) 
oder  wenn  die  sdcialen  Verhältnisse  eine  Reaction  unniö;jlifh  machen,  wenn  man 
gewisse  Dinge  vergessen  will,  und  ausserdem,  sobald  die  Natur  der  Zustände, 
in  denen  sich  die  Individuen  momentan  befinden,  die  Keaction  unmöglich  macht 
Oibmender  Sebreek,  abn<»nne  payeblaehe  Zustlnde  etc.).  Alle  diese  Omppen  rw 
Veranlassungen  entbehren  der  associativen  Verarbeitung.  Die  hier  mitgetheiltan 
Erfahrungen  legen  den  Heobaehtern  die  Annahme  einer  Spaltung  des  liewusstseins 
nahe,  welche  in  rudimentärer  Weise  bei  jeder  Hysterie  bestehen  soll  (Doppel- 
bewuMteein).  Wie  Binbt  und  Janbt,  so  beaeiehnen  Brsdkb  und  Frbdd  die  ge- 
nannten  „hypnoiden**  Bewusstseinsxnstftnde  als  das  GrundphSnomen 
der  Hysterie.  Diese  hypnoidcn  Zuj^tJtnde  stimmen  darin  mit  der  Hypnose  öberein, 
dass  die  in  ihnen  auftaucheuden  Vorstellungen  sehr  intensiv  sich  äussern,  aber 
Ton  dem  Associativrerkehr  mit  dem  tlbrigen  Bewusstseinsinbalt  abgesperrt  sind. 

Bestehen  solebe  bjrpodde  Znatlnde  sdion  vor  dw  maidliwtai  Erician» 
knng,  80  geben  sie  den  Boden  ab.  auf  welchem  der  Affect  die  pathogene  Er- 
innerung mit  ihren  sumatischen  Folgeerscheinungen  ansiedelt.  Wenn  z.  B.  ein 
schweres  Trauma  oder  eine  mühevolle  Unterdrückung  (z.  B.  des  Sexualaflfects) 
bei  dnem  sonst  tttim  Henseheo  eine  Abspaltung  von  Vorstellungsgruppen  bewerk- 
stelligt, so  ist  dies  nach  der  Anschaauu^'^  der  Autoren  der  Mechanismus  der 
psychisch  acf|nirirten  Hysterie.  Zwischen  den  Extremen  dieser  beiden  Formen 
lassen  sie  eine  Keihe  gelten,  innerhalb  welcher  die  Leichtigkeit  der  Associatixn 
bei  dem  belTeffbnden  Individuum  und  die  AflheigrOsse  des  Tranmas  im  entgegen- 
gesetsten  Sinn  varÜren.  Die  Producte  der  b]rpnoiden  Zustände  ragen  als  hysterische 
Phänomene  in's  wache  Leben  hinein.  Dieselbe  Erfahrung  wie  bei  den  hysterischen 
Dauersyniptomen  wiederholt  sich  bei  den  hysterischen  Anfllllen.  In  der  dritten 
Phase  der  Attitüden  passionelUs  liegt  nach  dieser  Anschauung  die  hallucinatorische 
Reprodnetion  einer  Erinnerung  bloss,  weldie  für  den  Ausbmeh  der  Hysterie 
bedeutsam  war,  oder  an  Geschehnisse,  £o  dunb  das  ZusammentretTen  mit  einem 
Moment  besonderer  Disposition  zu  Traumen  erhoben  wurden.  Auch  hier  tietretfen 
die  Erinnerungen  Traumen,  die  sich  der  Erledigung  durch  Abreagiren 
od«  dnrdi  assoelative  Deokarbdt  enfetogen  babm.  Die  raotorisehen  Hiftnomene 
lassen  sieh  auffassen  als  allgemeine  ReactioneftHrmen  des  die  Erinnerung  beglei- 
tenden Affectes  oder  als  directe  Ausdnicksliewegungen  dieser  Erinnerung.  Während 
das  hysterische  Dauersyniptom  einem  Hineinragen  des  zweiten  Zustandes  in  die 
sonst  vom  normalen  Bewusstseiu  beherrschte  Körperinnervation  bedeutet,  zeugt 
ein  bysterisdier  Anfall  von  einer  böhereo  Organisation  dieses  Zustandes  und  be- 
deutet frisch  entstanden  einen  Moment,  in  dem  sieh  das  Hypnoldbewttsstsein  der 
gesummten  Existenz  bemächtigt  bat. 

Die  neue  von  Freud  und  Bhelkk  vertretene  Methode  der  Psychotherapie 
hebt  nun  „die  Wirksamkeit  der  ursprünglich  nicht  abreagirten  Torstellnng  dadurch 
auf,  dass  sie  dem  eingeklemmten  Affeete  derselben  den  Ablauf  durch 
die  Rede  gestattet  und  Ijrinjrt  sie  zur  a  s  s  o  e  i  a  t  i  v  e  n  C  o  r  r  e  c  t  u  r ,  indem  sie 
dieselbe  in  s  nurmale  Bewusstsein  zieht  (in  leichter  Hypnose)  oder  durch  ärztliche 
Suggestion  aufbebt,  wie  es  im  Somnambulismus  mit  Amnesie  geschieht^'. 

Mit  dieser  für  die  Anstellung  neuer  Versnehsreihen  werthvoHen  und 
deswe^'  n  lu  tfihrlicher  behandelten  Darlegung  wollen  die  genannten  Verfasser 
nur  den  Mi' •lianisnius  der  liysteriselien  Phänomene,  nicht  aber  die  Trsachen  der 
Hysterie  unserer  Keuntuisä  näher  gerückt  haben.  Uewissermasäeu  als  praktischen 
Beleg  BU  diesem  Oedankengang  beriehtet  SiGHOND  Fbbüd»)  in  der  Zeitsebrift 
fir  Hypnotismus  einen  Fall  hypnotischer  Heilung  liy sterischer  Sym- 
ptome mit  Bemerkungen  Aber  den  Gegenwillen.  Die  Heilung  betrifft  eine 


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SDGOBSnON.  689 

BytUrique  ^oeeanon,  w«1ebe  bei-  d«r  Geburt  ibres  ersten  nnd  dmiseh  ibree 

zweiten  Kindes  in  ibren  Bemübangen,  das  Kind  zu  nnhren,  gehindert  wurde  durch 
peinliche  Erscheinttiigmi,  Erbrecben  derNahruugi  Aufregung,  Scblaf- 
losigkeit  etc. 

Fbbcd  führte  mehrfache  Hypnosen  berbei  dureb  Fixirenluseo  and  Ein« 
reden  der  Symptome  des  flebkÜM;  sni^tiye  Beeeitignng  des  Widerwiltons  der 

Befürchtungen  und  kSrpcrIichen  Erscheinungen.  Vollstftndijier  Erfolg.  DieFurcbt 
vor  dem  8  it  ii  ?  sr  e  sc  h  ä  f  t ,  deren  sich  die  Patientin  vielleicht  nicht  einmal 
bewusst  war,  wotUr  die  Gelegcnbeitsursache  vielleicht  in  der  Erregung  vor  der 
ersten  Entbindung  oder  in  der  ErBcbVpfnng  naeb  derselben  gefunden  werden  kann, 
ruft  bei  der  Hysterischen  ein  Benebmen  hervor,  als  ob  sie  den  Willen  hätte,  das 
Kind  auf  keinen  Fall  zu  P.lu^en ,  und  dieser  Wille  producirt  jene  subiectiven 
Symptome,  welche  eine  Simulantin  angeben  würde,  um  dem  Säuggeschäft  zu 
entgehen ;  da  jedoch  der  Gegenwille  der  bewussten  Simulation  in  der  Beberrsohung 
des  Körpers  tlberl^n  ist,  so  ruft  er  andi  eine  Reibe  objeetiver  Zdeben  am 
Verdaoungstract  hervor,  welche  die  Simulation  nicht  herzustellen  verma?:. 

Ik'i  einer  N  e  u  r  a  s  t  h  c  n  i  8  c  h  e  u  hiltte  dieselbe  Furcht  die  lebhafte  Vor- 
Btellung  der  möglichen  Zwiüeheufalle  und  Gefahren  erzeugt;  sie  hätte  mit  Zaudern 
und  Zweifeln  das  Sauggesebift  vielleiebt  dnrobgeflBbrt  oder  aber,  wimn  die  Oontrast- 
▼orstellung  die  Oberhand  behalten  hätte,  es  ganz  unterlassen.  Bei  der  Neurasthenie 
wird  die  krankhaft  gesteigerte  Contrastvorstellung  mit  der  Willens- 
Vorstellung  zu  einem  B ew ubs  tseinsact  verknüpft  und  erzeugt  die 
auffallende  Willenssebwftebe  der  Astiienilcer ;  die  Oontrastvorstdiung  zeigt  sieh 
hier  aueb  auf  die  Erwartang  besogen  als  pessimistisebe  Neigung  und 
kann  dureli  AsKoeiation  mit  zufftllifren  Empfindungen  zu  mannigfachen  Phobien 
Anlast  fjeben.  Wiihrend  ein  gesundes  Vorstellungsleben  die  Contrastvorrttellungen 
gegen  meinen  Vorsatz,  unterdrückt  und  von  der  Association  auBScblieast,  bietet 
der  Statui  nervotu»  der  Nenrastbenie  nnd  Hysterie  dne  Tendens  snr  Yerslammnng, 
aar  Herabsetzung  des  SelbstiiewaMtseias,  au  wekte  Stimmangsftrbnng  die  pein- 
lichen Cojitrastvorstellungen  passen.    Sie  gewinnen  nach  Freüd's  Meinung  die 
Oberhand,  weil  die  Erschöpfung  nur  diejeuigen  Tbeile  des  Nervensystems  betriü't, 
welebe  die  materiellen  Orundlagen  der  cum  primiren  Bewusstsdn  assoeiirten  Vor- 
Stellungen  tind;  die  von  der  Associationskette  des  normalen  Ich  ausgeschlossenen, 
die  ?t'hernuiteii   und  unterdrllckten  Vorstellungen  sind  nieht  erschöpft  und  fiber- 
wiegen daher  im  Momeiito  der  hysterischen  Disposition.  Mitunter  erweist  sieh  die 
begleitende  Contrastvorstellung  als  stärker  und  gelangt  zur  Körper- 
inneryatien.  So  sind  die  bysteriseben  Delirien  der  Nonnen  in  den  Epi- 
demien  des  Mittelalters,  die  aus  schweren  Gotteslästerungen  und  in  ungezügelter 
ICrotik  bestanden,  zu  erklären,  go  die  Gassenbübereien  sonst  wohlerzogener  Knaben. 
Die  unterdrückten  und  mühsam  gehemuiteu  V orstel  1  nngsreihen 
werden  bier  in  Folge  einer  Art  von  Gegenwillen  in  Aetion  um- 
gesetzt, sobald  die  Person  der  hysterischen  Erschöpfung  verfallen  ist.  Daber 
der  diimnnisclie  Zu<r  in  dtT  Hysterie,  dort  nicht  zu  können,  wo  die  Kranken  am 
sehnlichsten  wollen  und  das  Gcgentbcil  von  dem  zu  thun ,   um  was  sie  gebeten 
sind,  daber  jener  Kitzel ,  das  Sebleohte  zu  thun ,  sich  krank  stellen  zu  müssen, 
wo  sie  sebnliebst  Gesnndbdt  wflnseben.  Dieser  Drang  betrifil  oft  die  tadellosesten 
Charaktere.   Po  ist  der  Tic  der  Koprolalie  und  Eeholalie  zu  erklären.  Während, 
wie  selion  erw.ihnt.  bei  der  N«'urasthenie  krankhaft  gesteigerte  Contrastvorstellung 
und  Willensvorstelluug  zu  einem  Bewusstseinsact  verknüpft  werden,  findet  in  der 
Hysterie  bei  der  Neigung  snrDissoeiation  des  Be  wusstseins  eine 
Absonderung  der   Contrastvorstellung;   Htatt;    sie  wird  ausser 
Association  mit  dem  Vorsätze  gebracht  und  besteht  unbewnsst ,  für  den 
Kranken  isolirt.  Fkeud  bezeichnet  die  Leichtigkeit,  mit  der  sie  durch  Innervation 
dea  Körpers  objectivirt,  ebenso  wie  im  normalen  Znstande  die  Willensvorstellung, 
als  exquisit  bysteriseb.  Wenn  die  bier  mitgetbeilten  AusfObrungen  FfiBDD's  sieb 
Baojdop.  Jahrliäolitir.  III.  44 


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690 


SUGGESTION. 


«loh  Bidbt  tm  Totten  Umfange  bei  weiterer  Naohprflfinig  als  beweiskräftig  erweisa« 
SoUtan,  80  zeigen  sie  doch  in  geistvoller  Weise  einen  neuen,  vielleicht  fruchtbaren 
Weg  für  die  Erforschung;  der  psychischen  Thfinumene  in  der  Hypnose  und 
Hysterie  mit  der  Autdctit  «ueh  auf  AenpaatiMhe  Erfolge. 

Von  anderen,  ebenfalls  in  reneliiedanen  Zeitaebriften  zerstreuten  Artikeln 
Uber  Suggpj=ti'in  möpe  hier  nur  noch  der  Vortrag  Erwähnung  finden,  den  Dr.  8cHt5TZE'*) 
i'Kösen)  in  der  Balut'DlogiscIitn  (iosollschaft  hielt,  betitelt  der  Hypnotismus 
in  der  Wasserheilanstalt.  Uedner  spricht  der  Psychotherapie  dieselbe  Ue- 
reebtigang  m  wie  der  medioaneotOaen  Behandlang,  hilt  daa  riehtig  angewendete 
Hypnotisiren  für  unAcbftdIich,  verlangt,  dass  das  Suggestionsverfahren  Gemeingut 
aller  staatlich  approbirten  Aente  werde  und  besonders  in  den  Wasserheilanstalten 
ausgetlbt  werde. 

Yen  77  Patienten  kmuite  8caOTZB  6  gar  niebt  beeiaflniaenf  bei 
30  Kranken  wurde  das  Leiden  nur  wenig  gebessert ,  obgleieh  ihr  bypnotiMsber 

Zustand  ein  vollkommener  war  und  42  wurden  geheilt. 

Diese  77  Personen  waren  ausschliesslich  Anstaltspatienteii.  Bei  Alko- 
holismus sah  der  Verfasser  keinen  dauernden  Erfolg,  wohl  aber  bei  schwerer 
Sehlaflosigkeit)  bei  Isohias,  Neuralgien,  leieliter  Helaneholie, 
Hyperhidrosis,  nervösen  Eesemen,  Higrftne,  allgemeiner  Er- 
nährungsstörung, Asthma  nervosum,  Odontaigie  und  sogar 
Amenorrhoe.  Nach  Ansicht  Schützes  eiguen  sich  die  Austaltspatienten  mit 
ebronlaehen  Leiden  fast  immer  für  diePsyehotherapie.  Auaserdem  hat  der  Anstalts* 
erst  die  Beobachtung  der  Wirkung,  die  Conirole  der  Lebensweise  und  etwaiger 
Autosuggf'^tionen  mehr  in  der  Hand.  ..Wenn  von  der  Anstalt  ans  der  Roden  lilr 
den  Hypnotismus  mehr  geebnet  wird,  wenn  von  hier  aus  das  l^ublicum  den  .Hegens- 
reicheu  Einfluss  der  Psychotherapie  kenneu  lernt,  dann  hat  weiterhin  der  praktische 
Arzt  in  Stadt  und  Land  ein  leiehtes  Handeln.**  Scbützb  sieht  eine  grosse  Gefahr 
in  der  ausschliesslichen  Beschäftigung  mit  der  Hypnose,  nämlich  die  Einseitigkeit, 
dagegen  glaubt  er,  der  praktische  Arzt  brauclie  mir  die  Fertigkeit  in  der  Technik 
zu  beKitzen  und  solle  die  opeoulationen  den  Physiologen  und  Philosophen  Uber- 
lassen. Das  heisst  mit  anderen  Worten,  nur  das  Handwerk  der  Suggestion  soll 
der  Arzt  sich  zu  eigen  machen.  Das  erseheint  uns  als  ein  grosser  Irrthuni.  Denn 
psycliologische  Kenntnisse,  .sowtdil  ge-^tützt  durch  umfassende?*  (heurelisehes  Stu- 
dium, wie  durch  genügende  Erfahrung,  sind  geradezu  uueriässliche  Vorbedingung 
fllr  die  richtige  psychologisebe  Diagnose,  das  heisst  für  die  Erkenntniss  der  Eigen- 
art des  Patienten  und  fflr  die  Mögliehkdt,  die  Form,  des  Verfahrens  ihm  anau- 
passen.  Gerade  in  diesem  Punkte  liegt  das  Heheimniss  der  Erfulge  ;  gewiss  würden 
Beknheim,  ForEL  und  Ku.\i  KT-Klil\G  nicht  ihre  grossen  Erfolge  auf  diesem 
Gebiete  erzielt  haben ,  wenn  äie  nicht  gründlich  geschulte  Psychologen  wären. 
Jedem  Speeialstndium  kann  der  Vorwurf  der  Einseitigkeit  gemacht  werden  und 
doeh  wird  Niemand  bezweifeln ,  dass  z.  B.  ein  Speeialist  tilr  Augenleiden  im 
Ganzen  mehr  Aussieht  auf  Heilerfolgf  hat,  wie  der  in  der  .Viigenheilkunde  nur 
mit  dem  Nothwendigsten  vertraute  praktische  Arzt.  Da.ss  ganz  besonders  Anstalten 
und  Erankenhiuser  geeignet  sind  zur  Ansttbung  des  Suggestionsverfahrens,  sehon 
wdl  man  dureh  den  Verkehr  mit  Patienten  untereinander  eine  gflnstige  suggestive 
Atmosphäre  schaffen  kann ,  wird  Niemand  bezweifeln.  In  der  Privafpraxis  aber 
wird  der  Specialis!  dem  praktischen  Arzte  in  der  .\nwendung  des  V'erfahrens 
stets  Uberlegen  bleiben,  und  zwar  zu  Gun.sten  .seiner  I^atieuteu. 

,  Denn  einmal  erfordert  die  Hypnotisirung  besondere,  ruhige,  aum  Seblaf 
geeignete  Räumlichkeiten ,  besonders  sorgfältiges  Eingehen  auf  den  Seelenzustand 
des  Patienten  und  iicImmi  <li*r  individuell  angepassteii  Technik  einen  Zeitantwand, 
den  ein  einigermasseu  beschäftigter  praktischer  Arzt  gar  nicht  für  den  Einzelneu 
in  regelmässiger  Wdse  erübrigen  kann  —  ganz  abgesehen  von  den  fUr  jedes 
Speeialstndium  nothwendigen  Anforderungen  an  die  Literaturkenntuiss.  Hiernach 
unterliegt  es  keinem  Zweifel^  dass  der  praktisohe  Arzt  gegenüber  dem  Suggeetions- 


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SUGGESTION. 


691 


tpeeimlisten  stets  im  Na<dif]iefl  snn  wird,  wiewohl  es  aueh  ans  zweckmässig  er- 
scheint, das9  die  Gritndlagoi  der  ßnggestioiialehre  im  medieinisehen  Unteniebte 
eine  Heimatsstflttc  tinden. 

Aut  die  Arbeit  von  MuäiNü  ^'j,  der  unter  Anderem  eine  rheumatische 
Miiskellähmnn^  artienllren  Ursprunges  durch  Suggestion  heilte  und  bereits 
bei  400  Patienten  die  Hypnose  anwandte,  sei  hier  nur  hingewiesen.  Seine  Reanttato 
bestätigen  die  Lehre  (ior  Nancyor  Sphiile  in  allen  wesentlii'hfn  Punkten. 

Im  Gegensätze  zu  dieser  Auflassung  ist  Hitzig  ^''J  noch  immer  Anhänger  der 
Farber Sdiule gebliebeo. In adnem Vortrage  „Sehlafattaken  und  hypnotisehe 
Suggestion**  theilte  er  auf  dem  Psyehologenoongresse  in  London  (Augast  1892) 
einen  Fall  mit  von  t  r  a  n  ni  a  t  i  sc  h  e  r  Tlysterif  mit  Sc  hlafan  füllen.  Für 
klinische  Zwecke  wird  Patient  durch  pliysikiilisclie  Mittel  hypnotisirt.  Suggestion 
eompleter  linksseitiger  llemianästhesie  und  einer  concentrischen  Geaicbtsfeldein- 
sehränkung gefingt.  Ausserdem  uutersuehte  Hitzig  die  nntritlTen  Vorginge 
während  und  nach  den  Schlafperioden. 

Ueber  die  Anwendune:  der  Suggestion  bei  Trinkern  handelt  eine 
Schrift  des  Londoner  Arztes  Lluyü  Tu&ey.  Derselbe  suggerirte  Totalabstineuz 
von  allen  aikoholisehen  Getränken.  Er  behandelte  31  Fälle  (20  Männer  nnd 
11  Frauen). 

Ke.sultat :  Oeheilt  seit  über  2  Jahren  3,  noch  in  Hehandlun^' ,  aber  gut 
gebend  5,  rjlckfallif^,  wieder  behandelt  mit  wahrscheinlicher  Heilung  4,  bleibend 
gebessert  4,  keine  Wirkung  bei  3,  rückfällig  nach  kurzer  Bes'ierung  11. 

FORBL  betont  diesen  Erfolgen  gegenOber  die  besseren  Reenitate  der 
Trinkerheilanstalten.  So  berichtet  der  dritte  Jahresbericht  der  Heilanstalt  EUikon 
35<*',|  Heilnncen  und  29'*  wesentliche  I?esseran?en.  wobei  cj5  sich  meist  um  recht 
schwere  Fälle  handelte.  Nach  Fobel's  Ansicht  darf  die  Suggestion  uieht  als  lleihuittel 
auf  diesem  OeUete  verworfen  werden,  darf  aber  nleht  in  einen  Gegensatz  snr 
Heilanstalt  gebraoht  werden,  sondern  mu88  mit  den  Mitteln  derselben  eouH 
binirt  werden. 

Eine  lebhafte  Controverse  ist  in  den  letzten  Jahren  entbrannt  Uber  die 
Mitwirkung  und  Rolle  des  suggestiven  Factors  in  der  Elektro- 
therapie, wovon  schon  die  Versammlnng  der  Elektrotiiwapeuten  im  Jahre  1891, 

sowie  neuere  Arbeiten  Zeno:niss  ablcfren.  Möiätus  ^'*)  h.tlt  den  Heilwerth  des  elektri- 
schen Stromes  t'llr  sehr  problematisch  und  sclireilit  vier  Fiinftcl  ;illcr  elektrothcra- 
peutischen  Knül^re  der  Suggestion  zu.  Der  ursächliche  Zusiunmunhang  zwischen 
Heilverfahren  und  Bes»ernng  Ist  naeh  seiner  Anschaonng  nicht  gen (tgend  erhärtet. 
Inhaltlieh  sind  diu  Heilerfolg;e  der  r'sychotlierapie  dieselben  wie  diejenigen  der 
Elektrotherapie  Immerhin  hält  Moun  dio  Elektrieität  dennoch  fttr  ein  kaum 
entbehrliches  Mittel  psychischer  Behandlung. 

Gegen  Möbius  wendet  sieh  hauptsäehlidi  Fribdländbb  ,  welcher  die 
Wirksamkeit  der  Suggestion  in  der  elektrischen  Behandlung  nur  anf  die  Neurosen 
zu  beschränken  sucht.  Auf  die  sieh  anschliessende  Discussion,  in  welcher  BENEDIKT, 
MDi.LKR,  LnwKNKKi,!»,  LAviUJSH  U.A.  sich  gcgctt  MÖBIUS  Wenden,  sei  hier  nur 
aufmerksam  gemacht. 

Ansftthrlieh  und  in  verständiger  Abwägung  der  beiderseitigen  Stand- 
punkte behandelte  Eüi-f,nbüRG  <i)  diese  Fraj^e  in  einem  Vortrage  vor  der 
HuFELAN'n'schcn  Gesellschaft.  Mit  kritischer  (ü'rechtifrkeit  erkennt  er  das  grosse 
Verdienst  der  durch  Möbius  gegebenen  Anregungen  an  und  ist  der  .Meinung,  dass 
MÖBIUS  theilweise  Reeht  hat.  Nach  Eulbnburo's  Meinung  sind  etwa  ein  Flinfitel 
der  elektrotherapcutischen  Erfolge  auf  Suggestion  oder  auf  psychische  Vermittlung 
zurtlckzufilhren.  Im  Ocircnsatze  zu  der  unverhohlenen  Abneigung,  weiche  die  Vor- 
kämpfer der  Elektrotherapie  der  Suggestionstherapie  auf  dem  gL'nannten  fongresse 
gezeigt  haben,  betont  Eulbnburo  die  Wichtigkeit  der  gesammteu  psyehiächen 
Behandlungsmethoden,  unter  denen  die  Suggestion  nur  einen  speeiellen  Zweig 
darstellt,  wenn  dieser  aueh  unter  Umständen  au  ihrer  wirksamsten  Inear- 

44* 


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SU06B8T10N. 


nation  werden  kann.  Seine  unserer  Meinung  nach  durchaus  zutreffenden  Ans- 
föliriinirRn  schliesst  EuLKN'ni'RO  mit  dem  Hinwois  auf  eine  rat  ioneile  Elektro- 
therapie und  eine  rationelle  Fsyehotberapie  nach  richtig  gewählter 
individiuiliiirindar  Mettiode   und   in  teohnigeli  ToUkommeDster,  Mcbgemässer 

Zur  experimentellen  Entscheidung  dieser  C<introverso  durch  Versuche, 
welche  die  Suggestion  ein-  und  ausschalten,  hat  in  dankenswerther  Weise  Delpkat 
die  Anregung  geliefert.  Wenn  nach  seiner  Autl'assaug  MuBius  noch  bis  jetzt  nicht 
graflgend  «inwandfreie  Bewdae  fBr  »eine  Betraebtnngen  erbracht  hat,  ao  bestitijirt 
er  doch  die  MoBius'scben  Ansichten  f(lr  gewisse  periphere  Paralysen,  die  soge- 
nannten „S chla  f  1  ä hm u  n  g  e  n"  (während  des  Schlafes  entstandene  Druck- 
paralysen). Von  87  derartigen  Fällen  wurden  durch  Delpuat  3.3  Patienten 
mit  dem  faradiMbeUf  28  mit  dem  galvaniiehen  md  26  nur  aebdnbar  behandelt, 
das  heisst  Dblpbat  that,  als  ob  er  alle  gew5lnlieben  Elektrisationsmassnabmea 
vornähme,  aber  ohne  wirklichen  Strom  SU  bentltim.  In  folgenden  drei  Sfttsen 
resumirt  Delprat  seine  Resultate : 

1.  Es  ist  kein  bemerkenswerther  Unterschied  im  Hdlwerthe  der  beideu 
elektrisdien  Metboden  als  vorhanden  m  consiatiren. 

2.  Der  wirkliehe  Heilwerth  derselben  ttbenragte  in  nichts  den  der 
Pundoelektn'satlon . 

3.  Der  suggestive  Effect  bat  nichts  mit  der  directeu  Wahrnehmung  des 
Stromes  zn  thun;  wäre  dies  der  Fall,  so  bitte  der  Erfolg  in  all  den  Pillen  ein 
grosserer  sein  mflssen,  in  denen  man  sich  wirklicher  Ströme  bediente. 

In  der  neuen  Aiifla*re  seines  Werkes  „Die  Elektrotherapie"  sucht  SPER- 
LING den  von  den  Elektrotherapeuteu  zu  fordernden  Beweis  des  ursiichlichen 
Zusammenbanges  zwischen  Heilung  und  Elektrisirung  unter  Ausschluss  der 
Suggestion  damit  in  nmgehen,  dass  er  den  Werth  dieser  Heilmethode  in  der 
Medicin  noch  bedeutend  höher  stellt,  wenn  die  Elektricität  ein  besonders  wirk- 
sames Mittel  abgebe ,  um  der  Suggestion  das  Eindringen  in  die  Psyche  zu  er- 
leichtern. Allerdings  bleibt  es  sich  für  den  praktischen  Erfolg  gle.cbgiltig,  wodurch 
man  heilt,  aber  nicht  fttr  die  wIssensohafUicfae  Analyse  des  HeUproccises.  Damit 
würde  die  elektrische  Behandlung  auf  die  stufe  eines  jener  lahlreiehen  Mittel 
ht'r,ili;rescfzt  werden,  womit  man  das  eigeiitlielio  Agens,  die  Suggestion" ,  ver- 
scbleiiTii  kann.  MoLL^*)  geht  soweit,  die  pj  1  e  k  t  r  o  t  h  e  r  a  p  i  e  als  wissen- 
schaliliche  Heilmethode  Uberhaupt  nicht  anzuerkennen. 

Diese  Bemerkungen  mögen  genngen,  um  eine  wichtige  gegenwärtig  noch 
offene  Frage  zu  streifen.  Die  Elektrotherapeuten ,  welche  au*  der  Genese  ihrer 
Heilwirkungen  die  wissenschaftliche  Bedeutung  der  Elektrotherapie  folgern,  werden 
in  Zukuuft  die  Suggestion  und  ihre  Mitwirkung  eingehend  zu  berücksichtigen  und 
womöglich  durch  geeignete  Versaebsanordnung  anazusebalten  haben. 

Zu  den  Mitteln  der  larvirten  psyehiseben  Behandlung  gehört  nach  der 
Lehre  der  Naiieyer  Schule  aueh  die  Anwendung  des  Magneten,  l'nd  wenn  BRNEDIKT  *'") 
neuerdings  iu  seiner  Arbeit:  „Maguetotberapie  und  Suggestion*'  wieder 
einmal  eine  speoifisohe  Magoetwirkung  bei  Versuchspersonen,  die  von  der  Wir- 
kaug nichtB  wnssten,  gefunden  au  haben  glaubt,  so  blähen  so  veveinielte  poritive 
Berichte  doch  in  Bezug  auf  ihre  Beweiskraft  besonders  im  Vergldch  mit  den 
zahlreichen  negativen  Versuchen  fraglich. 

Äehnlich  wie  BKUNJiP.iM  deu  Magneten ,  bezeichnet  Masshalaxüo  *' i  die 
Ii^ectionen  des  BB0WN*S6QUABo'scben  TestikelMftee  und  der  PAUL'schen  Nerven- 
snbstans  als  ein  neues  Capitel  der  Suggestionstherapie. 

Der  b  t/tf  , lahrgang  der  „Kevue  de  rhypnotisme'"  bietet  verhrlltnissmässig 
wenig  Artikel,  weiche  einen  nambatten  Fortschritt  in  der  Lehre  von  der  Suggestion 
und  ihrer  Anwendung  dantellen.  Hier  mSgen  nur  Erwähnung  finden  die  erfolg- 
reiche Anwendung  der  Hypnose  in  der  Zahnheilkuude  durch  Dr.  Lako- 
BBBG«^)  (Skofde,  Schweden)  cur  Eneugung  der  Anästhesie  in  7  Fällen« 


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SU66BST10N. 


683 


die  snggefttive  Heilung  hartnäckiger  Obstipation  dorcli  Bknard. Prof. 

Lbmoinf,  •-')  (IjilltM  erprobte  den  von  Li'V?;  erfiindonen  rotirenden  Lerchen- 
Spiegel  zur  H  erbeifühninjc  der  Hypnosen  bei  Hysterischen.  Hr  erzielte  auf  diese 
Weise  rasch  tiefe  Hypnosen,  in  denen  durch  Suggestion  die  Beächwerden  beseitigt, 
respective  gebeeserk  werden.  BfeRiLLON'^)  berichtet  6  Fille  von  Morphine- 
manie,  die  erfolgreich  von  ihm  mit  Suggestion  bebandelt  wurden,  einen  Fall 
von  u  n  8 1 i  1 1  b a  r  e  m  K r  b  r eche  n  bei  einer  Schwanj^eren  mit  ebenfalls  gilnsligem 
Resultat.  DuiiOMPALLiEB ''i),  Gibert'^-}  und  VoisiN'^j  heilten  durch  psychischen 
Einflu'tfii  Chore«. 

Einen  werth vollen  Beitrag  lieferte  van  Rentkrghem  i  Atnaterdam)  mit 
einer  I'hIk Ib-,  welche  2<)  mit  Suggestion  behandelte  Fälle  von  Me nstrua tions- 
sttirungeu  zusammenfasst ,  9  Fälle  von  Amenorrhoe  (bei  Chlorose,  psy- 
chischem Shoek,  infantilem  Uterus,  Intermittens) ,  10  Beobaehtnngea  von 
Menorrhagie  (bei  ehroniseher  Obstipation,  Seleroae,  Neorastheiüe ,  Animie, 
Herafehter,  Melaneholie,  Hysterie),  4  Fülle  von  dysmenorrboiecher 
Menorrhaf-'ie  und  ;{  l'.tlle  von  Dysmenorrhoe. 

Die  Hehandlungsrcäultate  sind  iulgende: 

in  Procentea 

Misserlolg  5  =  19-2 

Besserung  7  =  26*9 

mit  späterer  Nachricht    .    .    12  =  46*2 

Heiinng  '  ohne  »pitere  Naehrieht  .    .     2  =7*7 

mit  Hecinve  4  =  15*4 

Die  Anzrihl  der  hypnotischen  Sitzungen  schwankt  zwisehen  1  und  43, 
wobei  etwa  -  j  der  Patienten  mehr  als  10  Bebandlungen  nöthig  hatten.  Die  HOrg- 
fältigen  Aufstellungen  van  Bentbrghem'  s  erscheinen  fUr  Nachprüfung  dieser 
Verenehe  sehr  ermathigend. 

Seit  dem  1.  October  1892  hat  aaeh  Deatschland  eine  Faehzeiti^cbrift 
für  ..  H  y  p  n  o  t  i  R  m  n  s  .  S  n  g  g  c  s  t  i  o  n  s  t  h  e  r  a  p  i  e  und  S  ti  g  g  e  s  t  i  o  n  s  1  e  h  r  e" 
erhalten ,  deren  Mitarbeiter  die  bekaunte^ten  Forscher  auf  diesem  Gebiete  sind. 
I^elbe  erftfRiet  Forbl''')  mit  einer  vortreflriiehen  Arbeit  Aber  „Suggestionaldire 
nnd  Wissenscbaft".  Im  AnsohloM  an  Claude  Hkrnabd  und  Burdach  behandelt  er 
die  Beziehung  der  Seele  ztim  Gehirn .  des  flehirns  zu  den  körperlieben  Organen 
und  bezeiehnet  das  Snggestiren  als  ein  Experimentiren  mit  dem  lebenden  functio- 
nirenden  Gehirn  und  den  Wechselbeziehungen  seiuer  objectiv  von  uns  betrachteten 
Pnnetionen  und  dem  inneren  Ausdruck  derselben  im  Subjeetivismus  (Bewusstsein) 
des  Hypnotisirten.  Der  Verfasser  weist  dem  Studium  des  Hypnotismus  eine  ganz 
bestimmte  Stellung  zu  unter  den  verschiedenen  Methoden  und  Zweigen  der  Psycho- 
logie. Dieser  Experimentaimethode,  bei  der  z.  6.  allerdings  ebensowenig  in  greif- 
barer Weise  die  Mlfgllehkeit  besteht,  einen  Untersehied  anaunehmen  swisefaen 
Gebirnpbysiologie  und  Psychologie,  wie  bei  dem  Studium  der  normalen  und  patlio- 
logischen  Sprache,  die  Wissenschaftliehkeit  abzusprechen,  wie  das  noch  heufi'  ver- 
sucht wird,  ist  nach  Forel  geradezu  unglaublich.  Die  Suggostiouslebre ,  deren 
greifbare  Resultate  wissenschaftliche  Nutzanwendung  in  der  Heilkunde  gefunden 
haben ,  welehe  sieh  als  eine  auf  wisaenseliafttidie  Brkenntniss  fussendc  Eanst, 
Krankheiten  zu  heilen,  auffassen  l.'Ssst ,  greift  tief  in  das  Leben  der  Mensehheit 
hinein  ;  sie  bat  —  ähnlich  darin  die  Kvolutionslehre  —  Verknüpfungen  mit  allen 
Zweigen  des  menschlichen  Denkens,  Fuhlens  und  Wollens. 

lieber  den  kflnstlieh  verlängerten  Schlaf,  besonders  bei  der 
Behandlung  der  Hysterie,  Epilepsie  und  Hysteroopilepsie  berichtet  Wettkkstkand*^ 
(Stoi-klioltii  1  tu  iit  re  Heoba<-htungcn.  Er  betont  den  Wertli  des  wohlthueuden  er- 
quickenden bchlatcs  auf  die  Functionen  des  NerveDsystems  überhaupt  und  glaubt, 
dass  dessen  heilbringende  Wirkung  zu  wenig  gewürdigt  werde.  So  Hess  er  eine 
Hysterische  unter  dem  Einflüsse  der  Suggestion  vom  17.  Oetobw  bis  20.  No- 
Tcmber  desselben  Jahres,  eine  andere  Hysterisehe  vom  3.  bis  14.  Januar,  eine 


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SUGGESTION. 


dritte  l'atientin  mit  epilepsieähnlichen  (?)  Anftllen  vom  5.  Milrz  bis 
S.April  desselben  Jahres,  einen  Gutsbesitzer  mit  Epilepsie  mehrere 
Wooben,  eiue  dritte  hysterische  Dame  von  Eode  März  bis  Eode  Juai  des- 
selbra  Jähret  tdilafen.  Die  hysteritohen  Besehwerden,  8«hmersea 
und  Lähmungen  verschwinden  unter  dieser  Behandlung,  auch  nachdem  sie 
vorher  der  Pnjrpestion  allein  Widerstand  geleistet  hatten.  Der  epileptiaehe  Patient 
hatte  zeitweise  Jahr  nach  Entlassung  noch  kleine  Sehwindelaalälle,  die  T,epi- 
lepsielliBliebeii**  vonohwandM  dauernd.  Immerhin  Hast  sieb  aas  der  Un- 
•icherbeit  der  Diagnoten  ftlr  die  Epilepsie  kein  bestimmtes  Betttltat  aus  jene» 
zwei  Fällen  jrfwinnen.  W«lil  über  ddrfeu  wir  WETTF.RsraAXn  fflr  seine  thera- 
peutische Anregun{?  dankbar  sein :  die  Nahrung  wird  von  den  schlafenden  ]\itienten, 
ohne  zu  erwachen,  zu  bestimmten  stunden  genommen.  Die  Ausleerung  stellt  sieh 
pflalctlleh  au  dem  saggerirteii  Ztitpimkte  ein.  Je  nagestörter  der  Sehlaf ,  desto 
besser ;  in  einem  der  erwibnten  Fälle  trat  ein  activer  Somnambulismus  auf  (auto- 
matiscbe  Handlungen).  Gegen  die  Rpontane  Entstehung  desselben  dflrfte  man  erfolg- 
reich mit  Suggestion  vorgehen  köuneu. 

In  ausfllbrlieher  Wdse  tbeilt  VAR  Ebdbn*')  in  derselben  Z^tsobrift 
seine  durch  umfassende  therapeutische  Erfahrungen  gestfltzten  Ansichten  über  die 
„Grundlagen  der  1' >  y  c  b  o  t  h  c  r  h  p  ie"  mit;  er  besehrankt  sich  im  Wesent- 
lichen auf  die  praktische  Seite  des  liypnotismus.  Unter  I'sycbotb er apie  ver- 
steht VAN  Keden  jedes  Heilverfahren,  das  sich  psychischer  Agentien  bedient. 
Unter  diesen  psyebiseben  Agentien  nimmt  die  Suggestion  die  erste  Stelle 
ein.  Therapeutische  Hypnose  ist  durch  Suggestion  erzeugter  Schlaf.  Der  „H  y  p  n  otis- 
mus"  aber  Inv-eichnet  nach  ihm  eine  Reihe  Jibiinrmer  psychischer  I'h.'lno- 
menc,  die  mit  der  Therapie  nichts  zu  thuii  haben,  sei  es,  dass  sie  spontan 
auftreten  oder  dass  sie  experimentell  erzengt  werdmi.  Die  Arbeit  van  Bbokn's 
trägt  .sehr  dazu  bei,  die  Lehre  von  der  praktischen  Anwendung  der  Slggestion 
auf  dem  breiteren  linden  der  psychischen  Behandlung  im  Allgemeinen  anzusiedeln 
und  in  WechseibeziehuQg  zu  bringen  zu  den  sonstigen  Mitteln  dieses  Verfahrens. 
OBOSSMAKir  *%  der  Redaetenr  der  genannten  Zeitoehrift,  wiederholte  den  bekannten 
ntAiD'sebea  Versneb,  die  ausgebliebene  Milehieeretion  bei  uner  HutteTf  die 
zum  crstcnm.-il  ;rcbnren  hatte,  durch  Suggestion  wiederhersustelleu ,  was  aueb  in 
.zwei  iSitzungen  mit  blfibcndem  Erfolge  gelnuir. 

Bei  Myociüuic  hatte  Scholz (iiremeu;  durch  hypuotische  Suggestion, 
welebe  die  Goneratration  der  Vorstellungen  begfinstigte,  Eifolge  an  beobaehteu. 

orYong*^")  (Haag)  versuchte  32  melancholisebe  Kranke  zu 
hy  p  n  o  t  i  s  i  r  e  n.  Ks  handelte  sich  dabei  um  sn/cnMunte  elementare  Melan- 
cholien, bei  welchen  noch  keiue  Wahnideen,  kein  Selbstanklagedelirium  oder 
Verfolgungswahn  sich  entwiekelt  hatten,  welche  sieh  bundgaben  dureh  Seblaf- 
losigkeit,  unniotivirte  traurige  Angst,  Präeordialangst,  Un- 
fähigkeit zur  B  e  8  c  h  il  f  t  i  g  II  n  ir.  T  h  e  i  1  n  a  h  m  s  1  <>  i  k  i"  i  t  .  ( ;  e  f  li  h  1 1  o  s  i  g- 
keit  ihren  N'erwandteu  gegenüber.  Bei  15  I^ersonen  waren  die  Versuche 
erfolglos,  bei  17  gelang  die  Hypnose  (=  Wenn  nach  6  Sitzungen 

keine  Hypnose  eintrat,  wurde  die  Behandlung  abgebroehen.  In  einigen  Fällen  1m- 
ntttste  OB  YOXG  Opium  und  Sulfonal,  um  die  psychische  Ruhe  leichter  her- 
zustellen. Der  Verfa.sser  spricht  vorsichtig  als  Hesume  seiner  Erfahrungen  den 
Satz  aus,  dass  die  Möglichkeit  für  psychotherapeutische  Behandlung 
bei  Melanebolie  nicht  ausgeschlossen  sei.  Von  einer  direct  gegen  die  Krank- 
heitssymptome bei  Melaneholisehen  gerichteten  Suggestion  sah  der  Verfasser  nie 
einen  l>folg;  nur  dann  trat  ein  solcher  ein,  wenn  es  der  Suggestion  gelang, 
prolongirteu  .Schlaf  zu  erzeu^i n. 

in  dem  zweiten  Heft  der  Zeitschrift  fttr  Hypnotismus  theilte  Verfasser 
dieser  Jahresdber siobt^O  den  Verlauf  einer  Geburt  in  der  Hypnose  mit. 
Da  dieser  Fall  /u  den  ersten  derartigen  Beobachtungeu  in  Deutschland  gehört, 
so  theiie  ich  ihn  hier  im  Auszug  mit:  Verfasser  wurde  am  17.  November  lt>Ul 


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SUGGESTION. 


m 


von  eitler  'J'ijilhricren  tresunden  Erstsrrbarenden  besucht,  welche  in  8  — 10  Tagen 
ihrer  Entbindung  entgegensah  und  wünschte,  dass  die  Geburt  in  Hypnose,  d.  b. 
fUr  ihr  BevuBStaein  ohne  Schmerzen  vor  sich  gehe.  Auf  den  Rath  des  Verfassers 
liess  lieh  Patieotin  mehrmals  vor  Bintritt  der  Geburt  hypaotiareo ,  um  ihre 
Empfönglicbkeit  festzustellen  und  zu  erhöben.  Siebenmalio:e  Hypnose  mit  Somnam- 
bulismus und  postbypnoti scher  Amnesie.  Am  27.  November,  Abends  7  Uhr,  die 
ersten  leichten  Wehen,  die  am  28.,  4  Lhr  Nachmittags,  stärker  werden.  11^  a  Uhr 
Naehts  Hnttemrand  dreimarkstflekfross,  Kopf  im  Beekenefaigang.  9  Uhr  45  Minuten 
Nachts  Muttermund  vollatündig  erweitert,  Wehen  sehr  schmerzhaft,  Patientin 
Mcbreit  und  stöhnt.  3  I  hr  Ilypnotisirung  (BERXHEtJi'sche  Methode).  Scbmerz- 
äusseruugen  verschwinden  bis  auf  leichtes  Stöhnen,  d  Uhr  5  Minuten  Blasen- 
sprung. Bei  jeder  neuen  aehmerzhaftn  Wehe  wird  Fortdauer  des  Schlafes 
Sttggerirt  Als  der  Verfasser  bei  einer  dauerhaften  Wehe  dies  einmal  nnterlless, 
lebhafte  Schmerz-lusscrungen,  3  T'hr  15  Minuten  passlrt  der  Kopf  die  Recken- 
enge, 3  Uhr  45  Minuten  steht  er  im  F^eckenaustrang.  Da  die  Wehen  schwächer 
werden ,  werden  stärkere  Wehen  und  Mitpressen  suggerirt.  Sofort  werden  die 
Weben  linger  und  so  stark,  da»  ein  Dammriss  an  beflBrehten  ist.  Daher  sieht 
Verfasser  vor.  die  Geburt  langsamer  zu  beendigen.  4  Uhr  12  Minuten  s  hueidet 
der  Kopf  durch,  4  Uhr  15  Mitniten  wird  die  Naehtreburt  in  einer  Wehe  heraus- 
befördert.  4  Uhr  18  Minuten  wird  Katalepsie  suggerirt  und  Anästhesie  oonstatirt. 
4  Uhr  20  Uiouten  wird  die  Ereissende  geveekt,  naehdem  Euphorie  anbefohlen 
ist.  Patientin  erwacht,  blickt  verwundert  um  sich  und  j^iebt  aOf  sie  habe  keinerlei 
Schmer/  empfunden,  sie  erinnere  sich  aber,  das.s  ihr  „etwas  Rundes  und  Warmes" 
abge?an;j:en  sei.  Also  erhaltene  Tast-  und  Wilrmeemptiiidiing.  Gesundes  Kind 
weiblichen  Geschlechtes.  Mutter  erholt  sich  schuell,  nach  einigen  Wochen  völlig 
gesund.  Die  vorstehende  Beobaehtong  lehrt  ebenso,  wie  ihnliehe  Krfabrungen  in 
Frankreich,  dass  es  möglich  ist,  bei  genügend  vertiefter  Hypnose 

n  den  W^eheoschmerz  fttr  das  Bewusstsein  der  Kreissenden  per  Suggestion 
zu  beseitigcu ; 

b)  das  Verhalten  derselben,  die  Körperlage,  Haltung  des  Gliedes  ete.  in 
einer  flir  den  (ieburtsverlauf  zweckmftssigen  Weise  zu  regeln; 

ci  die  Wehenthäti^'keit  siifr^'e^iiv  zu  verst.'irken  oder  absusohwKchen  durch 
Einwirkung  auf  die  Action  der  willkürlichen  Muskeln. 

Der  damaligen  Auflforderung  des  Verfassers  zu  weiteren  Untersuchungen 
Aber  die  praktisehe  Bedeutung  der  Suggestion  in  der  Geburtshilfe  naeh  dieser 
Riehtung  ist  inzwischen  Dr.  Tatzel  "2)  in  Essen  nachgekommen.  Er  h  y  p  n  o- 
tisirte  ebenfalls  ert'olfrreich  eine  Gebärende,  die  vor  der  Geburt  wieder- 
holt von  ihm  eingeschlätt-rt  war  und  erzielte  durch  Suggestion  Schraerzlosigkeit 
und  Einwirkung  auf  die  Wehenthlltigkeit  Aueh  das  Wochenbett  dieser  Patientin 
nahm  einen  normalen  Verlauf.  Tatzrl  hält  das  Wirkeh  der  Suggestion 
in  d  e  r  (J  (' im  r  t  s  h  i  1  f  e  in  der  Zukunft  fllr  ungemein  segensreich,  neben 
den  erwähnten  Vortbeilen  hält  er  die  ebeutalls  vou  mir  beobachtete  und  von  ihm 
bestJItigte  bedeutende  Verkürzung  des  Geburtsactes  fflr  einen  nicht  zu  unter- 
sehAtsenden  Vorzug. 

Bereits  im  II.  Band  der  Encyclopädisehen  Jahrbticher  hat  v.  Coicval 
in  seinem  Referate  auf  mein  damals  im  Erscheinen  begrillone-t  Werk  ,.Die 
Suggestionstherapie  der  krankhaften  l'Jrscheiuungcn  des  Ge- 
seh  lenkt  SS  { n  nes**  *")  hingewiesen.  Bei  der  grossen  Bedeutung,  welche  gerade 
suf  diesem  Gebiete  der  Suggestion  zukommt,  erscheint  uns  eine  Ergflusnng  der 
vorlftuiigen  Hemerkiingeu  im  vnri'.ren  Jahrgänge  noihwendig. 

Um  dem  Onanismus,  der  in  den  meisten  Fällen  vou  Geschlcchtsver- 
irruog  und  Geschleehtsschwiehe  eine  ursilchliche  oder  begleitende  Rolle  spielt, 
vorzubeugen,  ist,  wie  in  dem  2.  Capitel  meiner  Sehrift  ausgeftthrt  wurde,  eine  ver- 
Titlnfti;re.  sicli  dein  ^'e-jchleehtliehen  Knt\vickltni;r-'i)rocess  anpassende  sexuelle 
Erziehung  anzurathen.   6io  ist  als  der  wichtigste  Tbeil  der  l'sychotherapie  aozu- 


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696 


STTGOESnON. 


sehen.  Lebenswtise  und  Diät  sind  entsprechend  zu  regeln  (Mässigkeit  im  Alkohul- 
geouss).  Zweckmässige  Verbinderuagsapparate,  Meiden  der  Einsamkeit,  gesunde 
geistige  Nahrang,  rationelle  TnrnflbiiBgen  (grOaeere  MarseliMstungeii) ,  eventudl 
loeale  Behandlung  (Phimosisoperatioo)  and  hydrotherapentisehe  Proeednreo  ergänzen 
die  specifische  Suggestivtherapie.  Correctur  unrichtiger  Vorstellungen  in  der 
Hypnose  und  im  Wacbzuatand,  Ablenkung  der  Aufinerksamkeit  (Studien .  welche 
die  Potens  licfabielien,  eventuetl  aaeh  Hedieanente).  Anf  den  psyebnehen  Tbeil 
dee  aexuellen  Meehanismus  Ifisst  sich  in  der  Hypnose  leichter  und  naebbaltiger  ein- 
wirken,  wie  im  wachen  Zustande.  Ahf^chwilchung  der  KrinnerungHbilde  r,  Be- 
kämpfung der  Willenssfhwäebe  und  patliulogischen  Autosuggesti<m<'u  sind  zweck- 
mässig in  der  Uypaose  vorzunehmen,  ebenso  wie  Erzeugung  der  Potenz  tUr  den 
CoitnB.  Ohne  Hentellnng  «nee  geregdten  Oeeehleehtsverkebres  ist  naeb  meinem 
Dafürhalten  die  Bebandlung  der  Onanisten  namentlich  in  schweren  Fftllen  aus- 
sichtslos. Alistinenzgeltlbde  ffUiren  meist  zu  Rückfällen,  ebenso  Abstinenz  unter 
dem  Zwang  äusserer  Verhältnisse.  Das  gilt  vom  männlichen  Geschlecht,  für  das 
«eibliebe  nur  in  FlUeu  besonders  starker  Libido. 

Von  20  mit  Sacffipestion  bebaadelten  Fällen  (darunter  9  vom  Autor  be- 
ricbtet)  wurden: 

in  Prui.>  iUt  n 

Gebeilt  mit  spaterer  Naebriebt     •    •   •        l  13  =65 

(kheilt  ohne  spätere  Naebriebt     .    .    .     3  j 

Vollständig  gebessert  6  =25 

Vorübergehend  gebessert  1  =r  5*0 

GiuslicLer  Misserfolg  »    .     1  =  5'0  

30  =  100 

Von  20  Onanisten  (wobei  die  Fnlle  vou  Satyriasis  and  Nymphomanie 
eingerechnet  sind)  kamen  11  in  Somnambulismus,  (>  in  Hypotaxie.  bei  M  Patienten 
Ist  kein  Stadium  angegeben.  Die  Anzahl  der  Hypnosen  ditlerirt  zwitfcben  3  und 
152  Sitzungen.  Unter  20  Ftllen  wurden  10  voUstAodige  Heilungen  mit  späterer 
Naebriebt,  und  3  obne  spätere  Naebridkt,  also  im  Gänsen  13  Heilungen  ersielt. 
Dazu  kommen  noeh  3  dauernd  gebesserte  mit  späterer  Nachricht.  Hiemaeb  wird 
die  Wiihrseheinliebkeit ,  durch  hypnotische  Suggesti«tn  von  Onanie  oder  sexueller 
t'eberer regbar keit  befreit  zu  werden,  ausgedrückt  in  Bezug  auf  dauernde  Heilung 
dureb  65*/o'  ^  Wabisebelnliebkeit  dnes  Erfolges  tiberbaopt  ist  naeb  dem  vor- 
lieg^den  Material  90"  q. 

Der  Ucbersichtlichkeit  wegen  wurden  die  2  Fälle  von  Satyriasis  und 
Nymphomanie,  bei  denen  ebenfalls  die  Onanie  eine  Hauptrolle  spielte,  in  der 
Bereebnong  zu  dem  Onanismns  gezäblt. 

Bei  der  Apathie,  welche  schwere  Onanisten  allen  Eindrfleken  gegenüber 
zeigen,  ist  auch  die  Suggcstibilitiit  sehr  herabgesetzt,  aber  die  Prognose  ist  trotzdem 
günstig  zu  stellen,  wie  meine  Krlahrungen  lehren.  Bei  etwa  vorhandenem  Krethis- 
mus  präparire  mau  die  Patienten  durch  grössere  Bromgaben  für  die  Hypnose. 

Je  mehr  die  onanistisebe  Gewobnbcnt  als  Ausflnss  erblieber  Disposition 
oder  einer  bestehenden  Psychopathie  aufzufassen  ist,  umso  schwieriger  wird  die 
therapeutische  Aufgabe,  und  umso  infauster  die  Prognose.  So  handelt  es  sich  bei  dem 
einzigen  völligen  Misserfolg  um  einen  Schwachsinnigen,  und  bei  der  eiuzigen  vorüber- 
gehenden leichten  Besserung  um  eine  ausgesprochene  erbliebe  Disposition,  da  der 
Vater  eben&Ils  Ooanist  war  und  eine  Reihe  sonstiger  Belastungssymptome  vorlagen. 

Einen  Fall  von  MeJtiivhi)h'n  tunsturhafortn  mit  beginnendem  Sehwach- 
sinn uius.ste  ieh  als  ungeeignet  zur  hypnotischen  Heliandlung  abweisen.  Die  Onanie 
wutde  länger  als  30  Jahre  betrieben,  es  bestand  eine  Lereditiire  Disposition ;  das 
Alter  der  Patientin,  ihre  Zerstreutheit,  ihr  gdstiger  Verfall  eontraindieirten  die 
Anwendung  der  Hypnose. 

Ohne  die  Hypnose  als  I 'niversalniitlel  für  Onanisten  zu  betrachten,  glaube 
ich  doch  aus  den  die  theoretischen  Darlegungen  beätiltigeuden  praktischen  £r- 


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SUGGESTION. 


Ö97 


fabningen  sdiliesaen  xu  dürfen ,  dass  in  Bezug  auf  Sicherheit  und  Scbnelligkeit 
der  Wirkung,  sowie  in  Bezug  auf  Dauerhaftigkeit  des  Erfolges  keine  andere 
therapeutische  Methode  bei  sexueller  Uebererregbarkeit  Ähnliche  Resultate  auf- 
nvctoeii  hat  80  wenig  wir  die  tonttigeii  Besliättel  »Is  notliweDdige  Ergänzung 
entbehren  kdnnen,  so  nothwendig  eraeheint  mir  die  Anwendnog  der  Suggestion 
gewisnermassen  alf  speeifisches  Mitti-l,  indem  krankhafte  Symptome  des  Vorstelhings- 
und  I  rielislebcns  auf  ihrem  eigenen  Gebiete  corrigirt  werden  können ,  bei  Er- 
sebeiuuDgen  .sexueller  lebererregbarkeit  besonders  in  Form  des  OnanismuH  iudicirt 
sn  sein.  Fflbren  andere  Mittel  und  Methoden  nieht  suin  Zid,  so  mnn  eine  Yer- 
siehtleistung  auf  die  Suggestionstherapie  ans  Vorurtheil  und  ünkenntniss  als  eine 
nnTerantwortiiehe  Unterlaesuogssttnde  von  Seiten  des  Arztes  gegen  seinen  Patienten 
betraehtet  werden. 

Die  fnnetionelle  Impotenz  besonders  aus  psyehiseher  ürsaebe 

bietet  ebenfalls  der  psychischen  Behandlung  einen  eminent  gttnetigen  Boden.  Die 
übrigen  Pehandlung^methoden  ,  welche  neben  den  locale«  Stftrungt-n  auch  die  in 
der  liege!  vorhandene  Neurasthenie  zu  berücksichtigen  haben,  übergehe  ich  hier. 

Um  den  Einduss  der  erregten  Gehirnthätigkeit  auf  die  Hemmungsnerven 
fDr  die  Ereetion  zu  beseitigen  —  denn  darum  handelt  es  sieh  in  der  Regel  bei 
psychischer  Impotenz  —  kann  man  handgreifliche  Proceduren  als  larvirte  Waeh- 
Suggestion  zur  Anwendung  bringen.  80  s.  B.  dureh  den  BEOWN-S£QüAfiD'sehen 
Uodenextract. 

Sehon  der  gesebleehtliebe  Ursprung  des  Mittels  erweckt  Hoffnungen  und 

steigert  die  Erwartung  des  Patienten.  Die  ganze  Aufmerksamkeit  wird  auf  den 
kranken  Theil  gelenkt  und  durch  die  nerven errcirende  und  schmerzhafte  lujection 
bedcuttnd  erhöbt.  Der  Patient  macht  die  Erfahrung,  dass  an  ihm  etwas  vorgeht; 
sein  Glauben  wächst;  das  GebeimnissvoUe  der  Wirkung  des  verjüngenden  Saftes 
regt  die  Pbimtasiethlltigkeit  in  lebhafter  Weise  an.  Bedenken  wir  nun,  dass  der 
cerebrale  Theil  des  Geschleehtsactes  in  fast  allen  Flllen  von  Impotenz  in  Mit- 
leidensehaft gezogen  ist .  wenn  er  nicht  die  alleinige  T'rsache  abgiebt !  Es  hlsst 
sich  alfio  nicht  die  Möglichkeit  bestreiten ,  dass  jene  Factoren  die  psychische 
FunetionsstGruDg  aniigleiehen  und  manehe  Fälle  von  Impotens  voUstindig  heilen 
können.  Hierfür  s|)recheu  auch  s< usii^rt  Mittel  der  Maskimng  unseres  p^eho- 
therapeutischen  Eingreifens  im  wat-linn  Zustande. 

Gelingt  es  z.  B.  dem  Patienten,  die  Erectionsfahigkeit  seines  Gliedes  zu 
demonstriren ,  so  ist  der  erste  Schritt  zur  Heilung  gethan.  Das  Selbstvertrauen 
des  Patienten  wird  daduroh  in  stärkst«  Weise  anger^.  Faradisatton  der  Oeni* 
talien .  Bougirung  mit  stärker  werdenden  Hetallsonden ,  welche  10 — 15  Minuten 
lietren  bleiben.  Argentum  und  Tannin ,  Snppositorien  in  der  Urethra  posterior, 
Klysliere  u.  s.  w.  rufen  Steifimg  des  Gliedes  hervor.  Alle  diese  Mittel  nehmen, 
wie  das  BBOWN-SifcQOARD'sche ,  die  Psyche  des  Patienten  zum  Angriffspunkt  und 
demonstriren  die  Grundsätze  der  p?iychischen  Behandlang  im  wachen  Zustande, 
die  wir  in  der  Hehandliing  der  sexuellen  Hypor.'lsthesie  auseinandergesetzt  haben. 
Furcht,  Misstrauen,  Aberglauben,  Hoffnungslosigkeit,  hypochondrische  Stimmung, 
bietmi  oft  als  Ursadien  der  psychiseben  Impotenz  unflberwindiiehe  Schwierigkeiten 
dar.  Der  Erfolg  bei  solehen  Patienten  hingt  ganz  von  riehtiger  Individnalisimng 
und  von  dem  Sdliarfblidk  des  Arztes  ab.  Man  muss  versuchen,  dahin  zu  wirken, 
dass  der  Patient  sich  nicht  unaufhörlich  mit  sich  bcschfiftigt,  dass  er  sein  Leiden 
und  etwaige  Misserfolge  gieichgiltig  aufnimmt.  >iutzlo8e  geschlechtliche  Aufregung 
(s.  B.  bei  Verlobten)  ist  streng  zu  vermeiden.  Jedes  gewaltsame  Vorgehen  von 
Seiten  des  Patienten  p.iralysirt  das  Erection^centrum  nur  noeh  mehr.  Gemflthsruhe 
ist  das  wesentlichste  Ertbrderni<s  für  den  Kranken. 

Man  hüte  sich  auch  davor,  das  Bestehen  einer  wirklichen  Krankheit 
hinwegdisputireu  zu  wollen.  Man  wird  den  Zustand  dadnreh  nur  versehleehtern. 
Die  Aul^be  des  Arztes  besteht  darin ,  einen  wohl  durehdaehten  Plan  bei  dem 
Patienten  zum  Zwecke  der  Heilung  zur  Ausfttbrnng  zu  l»ringen.  Kalte  Abreibungen, 


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698 


SUGGESTION. 


Bider,  innere  Mittel  und  Incale  Behandlung  mtlsaen  den  HeilpUn  larviren.  Der 
Patient  muss  den  Eindruck  gewinnen ,  dass  die  anffewcndeten  Mittel  ihm  helfen. 
Zeitweise  Abstinenz  ergänzt  zweckmässig  diese  Verordnungen.  Patienten,  die  durch 
mngestreo^  geistige  Beeebifligung  impotent  geworden  sind,  mflasen  ihren  Beruf 
leitvdM  aufgeben.  Für  solche  ist  ein  Landaufenthalt  zu  empfehlen.  In  anderen 
Fullen  wird  man  den  Rath  ertheilen ,  den  Coitus  halb  im  Kauseh  zu  vollziehen, 
in  der  Erwägung,  dass  der  Alkohol  lähmend  auf  die  Geistesthätigkeit  einwirkt. 
Regelang  des  Gescbleehtsverkebra  spielt  ancli  eine  Rolle.  £<ne  passende  Ehe  ist 
in  allen  Fällen  ein  vonllgliehes  Vorbengnngsniittel  gegen  Impotenz. 

Die  VerwerthunfT  der  Oehirnfunctionon  zu  Gunsten  der  Heilung  geschieht 
o)  durch  die  Vorslellungstherapie  im  wachen  Zustande,  dereu  specielle  Ver- 
werthbarkeit  <Ur  die  Impoteuz  im  Vorätehenden  mitgetheilt  ist;  bj  durch  die 
Suggestionstherapie. 

Die  Vor-^tellungstherapie  berücksichti^'^t  das  Urtheilsleben  des  Patienten, 
die  cnordinirende  ThUtifrkeit,  und  -^etzt  seinen  Willen,  seine  Aufmerksamkeit,  seine 
Urtbeiiskraft  in  Bewegung.  Suggestionen  dagegen  haben  die  besondere  Neigung, 
die  betreffende  Vorstellung  in  eine  Httdluag  nmsusetsen.  Je  mehr  nun  die 
GeliimthAtigkeit  dlssociirt  ist^  je  weniger  der  eontrolirende  Hemmung-sapparat  des 
Gehirns  in  Thätigkeit  gesetzt  wird,  umso  grösser  wird  diese  Steigerung  der  ideo- 
motorischen.  ideosousitiven  und  idei»senKoriell<'n  Reflexthätigkeit ,  d.h.  die  Sugge- 
stibilitAt.  Au  sich  i^t  es  hierfür  gleicbgiitig,  ub  tjchlaf  besteht  oder  nicht,  wenn 
auch  zugegeben  werden  muss,  dass  trotz  I)emer1cen8werther  Ausnahmen  der  Sehlaf 
die  Aufnahmefähigkeit  fOr  Buggestionen  im  Allgemeinen  erhöht. 

Die  Wachsuggestion,  d.  h.  die  kritiklose  Aufnahme  und  Verarbeitung 
einer  Vur.steliuug,  bezeichnet  immer  schon  eine  Abschwächung  der  associativen 
und  Oontrastvorstellnngen  oder  rine  Erhöhung  der  intraeerebralen  Reflexerreg- 
barkeit, d.  h.  sie  lässt  sieh,  streng  genommen,  schon  als  Hypnose  deiiniren.  Das 
steigende  Mass  der  Gläubigkeit  setzt  zuuelnncnde  AlHchwilehung  von  T'rtheil  und 
Uebcrlegung  voraus.  Die  Heilerfolge,  welche  mit  Hilfe  der  Einbildungskraft  bei 
Impotenten  erzeugt  werden,  zeigen  schon  die  der  Hypnose  cigeathdmUclie  Gehirn- 
gefiugigkeit,  bilden  also  als  Suggestionen  im  waohen  Znstande  labil  den  lieber- 
gang  zur  Hypnose. 

Die  Kcxuellcn  Functionen  sti  hen  in  einem  abhängigen  Verhältuiss  von 
der  Gehirnrinde.  Vorstellungen,  WUuscbc,  Bilder  sexuellen  Inhalts  verursachen 
gesehleehtliehe  Aufregung,  sehwBehen  die  Wirkung  des  Hemmungseentrums  ab 
und  verursachen  durch  Einwirkung  auf  das  Erectionsci)ntrum  jene  bekannten 
vasomotorischen  und  motorischen  Vorgänge .  welche  die  BhitfüUung  des  Penis 
veranlassen.  Das  suggestive  Heilbestreben  wird  hiernach  in  der  Stärkung  solcher 
Vorstellungen  beruhen ,  welche  den  sexuellen  Erethismus  hervorrufen ,  und  zwar 
durch  Almhwtehung  gewohnheltsmftssig  assoeiirter  und  patiioiogiseh  erstarkter 
Gegenvorstellungen  (L'rsache  der  p.sychisehen  Impotenz),  sowie  durch  Steigemng 
ihrer  peripheren  Kraftentfaltnnir  (l'.inwirkung  .inf  Kreetion  und  Ejaeulation).  Schon 
durch  deu  Wegfall,  die  Abt^cbwilehung ,  die  Dissociation  „der  das  Gleichgewicht 
haltenden  organisch  arooeiirten  Gpgenyorstellnngen"  (Forbl)  wird  die  sujrgerirte 
Vorstellung  allmilehtig.  Der  hierdurch  erleichterte  Umwandlunpsprocess  einer 
Vorstellung  in  Emptindung  (Libido  sexualisj  nnd  Hi-weL'ung  entzieht  sieh  aller- 
dings iu  seinem  MeehanismuH  vollständig  der  Beobachtung.  Um  nun  aber  eut- 
wedw  die  oft  Jahre  lang  bestehende,  also  eingewurzelte  Herrschaft  des  cerebralen 
Hemmungseentrums  Uber  den  sesuellmi  Medianismus  zu  vernichten  otler  dureh 
Viirstellungsreize  die  geschwächten  Gcschlechtsfnnetionen  zu  erneuter  Bethätigung 
anzuregt  n  .  dazu  pcnii-ren  nicht  eine  <ider  einige  hypnotisehe  Sit/.nnjren  ,  wie  so 
viele  I^atienten  glauben ,  sondern  der  ungehemmt  wirkende  Vorstellungsreiz  der 
Heilsuggestinn  mnss  so  oft  und  so  lange  ^it  wiederholt  werden,  bis  dureh  die 
cumulative  Wirkung  seine  Intensität  und  Dauerhaftigkeit  gesichert  cr.schetnt,  bis 
er  vom  Gehirn  automatisirt  ist.    So  darf  ein  Impotenter,  dem  die  Ausführung 


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SUGGESTION. 


699 


des  Coitus  erst  einmal  in  Folge  der  Sufgeativbehandlung  fjelungen  ist,  nur  als 
Reconvaiesccnt  betrachtet  werden,  erst  das  wiedcrbülte,  retrelmässige  gewohnheits- 
müssige  Gelingen  des  Geschlechtsverkehrs  macht  die  iJcilung  detinitiv.  Diesen 
Gmndaitien  mms  aaeb  die  Behandloagsdaaer  und  Yorauasafce  folgwi.  Mit  vollflni 
Beelkk  weist  Rixgikr<)  darauf  bin,  daas  in  keiner  mediciniachen  Diseiplin  der 
Hang,  die  Hehandlutig  abzubrechen,  so  ausgesprochen  ist,  wie  in  der  hypnotischen. 
Der  Patient  erwartet  Wunder,  und  wird  in  der  Regel  enttäuscht.  Die  Einfachheit 
des  Verfahrens  entsprielit  nieht  seinen  Erwartungen.  Ferner  treten  die  ersten 
Bessern  n^esymptome  oft  unmerklich,  unbewusst  für  den  Patienten  ein,  im  Gegensats 
Itt  der  deutlicheren  Wirkung  physikalischer  und  medicamentriser  Heilmethoden. 

Dazu  sind  manche  Patienten  geneigt,  z.  H.  das  häufige  Eintreten  sexueller 
Dränge  und  von  Ercetiuneo  in  der  ersten  Zeit  der  Suggestivbehandlung  anderen 
Ursaehen  snansehreiben.  Der  cansale  Zusammenhang  der  Hdlnng  mit  der  Bag- 
gesUvbehandlung  entzieht  sich  vollkommen  •  dem  Einblick  des  Patienten ,  und  oft 
ist  es  nur  der  constante  zeitliche  Zusammenfall  der  Besserung  mit  den  Sngf^estiv- 
behandlungen,  welche  die  wirkliche  Anerkennung  der  psychotherapeutischen  Wirkung 
veranlassen.  Ein  seitweiliger  Ausfall  oder  Abbruch  der  Behandlung  klirt  sololie 
Fntienten  in  der  Hegel  auf.  Denn  sobald  sie  auf  eigenen  Füssen  stehen  sollen, 
erkennen  sie  erst  die  Stütze,  welche  ihnen  die  Sii-ri^estion  darliot.  Im  (ianzen 
möge  mau  den  Grundsatz  botulgcn,  Patienten  mit  chronischer  Impotenz  nur  dann 
mit  Suggestion  zu  behandeln,  wenn  dieselben  gewillt  sind,  die  Behandlung  nicht 
vorzeitig  absnbnehen.  Denn  dadunA  stfrken  sie  Ihr  eigenes  Misstranen*  und 
ersebweren  durch  Autosuggestion  eine  Wiederholung  des  Verfahrens. 

Wie  die  Casiiistik  dieses  Capitels  der  vorliegenden  Schrift  zeigt,  wurden 
von  18  Patienten  (wuruiiter  6  Patienten  des  Verfassers) 

in  TmcAnten 

Geheilt:  a)  mit  späterer  Nachrieht  Aber  den  | 

Verlauf  4    10  =  5Ö-5Ü 

bj  ohne  spätere  ^^achricht  ...61 
Wesen tlieh  gebessert  (mit  Beddiv)  .   .    1       =  6*56 
Leicht  oder  vorflbergehend  gebessert    .    2        =  11*11 
Misserfolge  5        =  27-77 

18  —  1(1000. 

Von  18  i'atienten  kamen  6  in  äomuambulii^mus ,  5  in  Hypotaxie  und 
3  in  Somnolenz,  l>ei  2  Personen  gelingt  die  Hyimnse  nieht,  1  Patient  wurde  im 
wachen  Znstande  behandelt  und  bei   einem  ist  kein  Stadium  angegeben ;  keine 

einzige  Person  weibliehen  Geschleehtes  kam  zur  Üehaudlung.  Die  Anzahl  der 
Sitzungen  schwankt  zwischen  1  und  Ö6.  10  Patienten  wurden  geheilt.  Die  Aus- 
sieht, bei  funetioneller  oder  psychischer  Impotenz  einen  Krfolg  durch  suggestiv« 
therapentisehes  Vorgehen  zu  erzielen,  wird  dureh  QO^/q  nach  den  vorliegenden 
Ilesiiltaten  aiHüp  irili-kt.  Daher  ist  zu  liertlcksichtigon,  dass  in  einifren  F.lllen  eine 
re,;relrei-ljte  Behandlung  nicht  vorgeuun)meii  werden  konnte  und  dass  andere  bei 
der  10rf>)lglosigkeit  sonstiger  Heilmethoden  als  aufgegeben  oder  wenigstens  besonders 
schwer  anzusehen  waren. 

Fa->t  alle  Impotenten  (nach  FObbrikger  alle,  ohne  Ausnahme)  sind 
Neurastheniker  und  als  solche  sehwieri:?  in  Hypnose  zu  bringen.  Die  gesteifrerte 
Emptänglichkeit  für  Autosuggestionen  —  eine  Folge  der  reizbaren  Schwäche  des 
Gehirns  —  darf  direct  ah  Symptom  der  Neurasthenie  acgesehen  werden.  Die 
hemmende  Zwangsvorstellung  »sexueller  Leistungsfähigkeit  setzt  als  eingewurzelte 
Auttisug/C'^tioii  besonders  (l.iun  flm  fremdsug?es{I\ cii  Kingrillen  wirksamen  Wider- 
stand eutge^ren  ,  wenn  es  nicht  gelingt,  da«  psyeiiisehe  Verfahren  s(»  zu  maskiren, 
dass  das  Gehirn  trotz  des  vorhandenen  Misstniuens  darauf  anbei.'-st,  oder  wenn 
der  bei  den  meisten  Nenrasthenikern  constant  oder  zeitweise  vorhandene  psyehische 
Kretlii^mns  die  nötliigc  Concentration  der  Aufmerksamkeit  und  den  Eintritt  des 
hypnotischen  Zustandes  Uberhaupt  verhiudcrt. 


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700 


SUGGESTIUN. 


Nach  den  vorstehenden  Atisffihriingen  unterliefrt  es  keinem  Zweifel  mehr, 
daäs  die  Siifrpestivbehandluiifi:  liei  ps\chiM("her  und  functioneller  Impotenz  uftthipren- 
falls  iu  der  liypnoüe  aln  wirkdamstcü  Verfabreu  der  Psychotherapie  indicirt  ist  uod 
in  dar  Thenpie  d«r  Impotenz  flberluinpt  von  nnn  nn  tinen  breiteran  Raam  und 
eingehendwc  Rerticksiditigun^  beansprnehen  darf,  als  ihr  bisher  eingerüurat  wurde. 

Von  hervorrag-euder  Wichtigkeit  ist  die  Sug-prestivhebandlnnfr  filr  die  ver- 
schiedenen Erschein ungstormen  der  sexuellen  J'arfiathesie  geworden.  Die  Heiluu^s- 
anMteht  durch  pt^ychisebe  Behandlung  hingt  direet  ab  von  der  richtigen  dia- 
gnostischen Abwflgung  des  erblichen  Moments  im  Verglfich  zu  den  oceasionellen 
Schädlichkeiten  der  Hrziehun?.  Ks  besteht  a  priori  mehr  Wahrscheinlielikeit.  das« 
die  durch  Sugfcestion  wirklich  {relicilten  Falle  im  Wesentlichen  den  Fruprung  der 
Perversion  accchsoriseben  Schftdliehkeiten  verdanken,  als  auf  der  anderen  Seite 
fdr  die  llSglicbkeit,  dun  die  Suggestion  im  Stand«  sei,  das  Resultat  einer  origi- 
nären Gehirnanlage  2u  corrigireo.  Dabei  ist  anzugeben,  daas  die  aehidUelien 
Erziehunpseinflüj'se  auf  dem  Hodtn  einer  erworltenen  oder  ererb  en  allg:emeinen 
Deuropatbiächen  Dit>pohition  wirklieb  die  patbologiäche  liicbtung  des  üe«chlecbts* 
triebcs  dauernd  bestimmen  können.  Also  das  ZuBammeDtrefTen  dieser  zwei  Kaetoren 
spielt  in  der  aberwiegenden  Hehrzahl  der  Fille,  wie  in  dem  genannten  Werk 
von  mir  naeb«i:ewie><en  winde,  die  deleiilre  Rolle.  Die  Vnraus^ajs^e  hÄnpt  ab  von 
den  Ursachen  der  Entstehung;  gegen  ererbte  C  'nstitutionelle  Anomalien,  wie  solche 
auf  ditsem  Gebiete  voikommen  können,  ist  die  Suggestion  machtlos,  das  Product 
der  fendehnng  dagegen  llsst  sieh  durch  entgegengesetzte  Erziehung  eorrig«ren 
auch  bei  angeborener  neuropathischer  Disposition.  Diese  Sitze  werden  bestitigt 
durch  die  therapeutischen  Resultate  Anderer  und  mir. 

Bei  32  mit  Suggestion  behandelten  Füllen  sexueller  i^arüstbcsiu  waren 
folgende  Resultate  zn  verseidinen: 

in  Proccnten 

Misserfolge  5       =  15'62ö 

Leicht  Gebesserte  4       =    12  Ö0Ü 

Wesentlich  Oebesserte  11      =  84*875 

Geheilte:  a)  mit  später»  r  N.ichrieht      .    .    .    .  10| 

b)  ohne  spätere  JS'aohricht     ....    21  ~ 

100-UL'O 

Von  32  Patieuien  waren  unempftnglich  für  Hypnose  6  Personen,  in 
Somnambuliamus  kamen  8,  13  gerietben  in  Hypotazis,  3  wurden  somnolent;  zu 

3  Fällen    ist  von   den  Autoren  der  Grad  der  Empfingliehkeit  nicht  mitgetheilt. 

Ueber  ein  Drittel  der  Fülle  wurde  v^Ulig  geheilt,  nilinlieli  12  Frille 
von  32  ;  uud  zwar  konnte  bei  10  Geheilten  der  Erfolg  als  bleibend  durch  weitere 
Beobachtung  constatirt  werden.  Bei  mehreren  Patienten  erstreckt  sich  die  Beob- 
aehtungsdauer  Aber  Jahre  hinaus.  Ein  Kall  konnte  sogar  von  Kbafft-Bbino 
zwei  Jahre  beobachtet  werden,  und  Verfasser  hatte  Gelegenheit,  einen  entlassenen 
I'atieiiten  im  (Janzen  2  .lahre  und  4  Monate  zu  verfolgen.  Vier  andere  Patienten 
konnten  vou  den  Autoren  länger  als  ein  Jahr  im  Auge  behalten  werden  und  eine 
etwas  grossere  Zahl  von  Fällen  länger  als  ein  halbes  Jahr. 

Die  Oewisscnhaftigkeit  dieser  Art  der  Ilenbaclitung  und  die  sorgfältige 
Registrirung  von  Kiirkt;il!«'ii ,  wie  sie  in  aniii  rcu  Zweigen  der  Therapie  kaum 
peinlicher  angetroltun  wr^rden  dürfte,  berechtigen  dazu,  aus  dem  vorhandenen 
Material  annähernd  sichere  Sehlflsse  Aber  die  Ileilungsaussiohten  bm  sexueller 
Parästhesie  zu  ziehen.  Die  Wahrseheiniichkeit  eines  Erfolges  mit  Su^estion  wird 
durch  TO^'o  ausgedruckt,  diejenige  der  Heilung  dur«h34''o.  Aber  man  möge  im 
Ganzen  derartige  Tatienteu  auf  eine  iJlngere  lU-liandlungsdauer  vorbereiten.  In 
einem  Falle  hatte  ich  14  2,  in  eiuem  anderen  204  hypnotische  Sitzungen  nöthig. 
üeberhaopt  durfte  es  sieh  als  zweckmässig  empfehlen,  die  Heilung  dadurch  dauer- 
haft zu  machen,  dass  man  die  Gt  heilten  propbylactiscb  alle  8  oder  14  Tage  etwa 
ein  Jahr  lang  hypnotisch  forthehaudelt  und  für  regelmässigen  Gesobiechtsverkehr 


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SUGGESTION. 


701 


Borge  trftgt.  Man  mö^e  immer  berücksiehtigen ,  dass  die  Behandlungsdauer 
eingewurzelter  Gewohnheiten  abhängig  ist  von  dem  Zeitnem,  weloheo  die  Ver^ 
irruDg  zu  ihrer  vollen  Ausbildung  benöthigte. 

Auch  in  deu  schwersteu  FäUeu  gelia^t  die  Beseitigung  onaniBtisdier 
NeigODgen  nnd  der  sexuellen  Hjrperistheftie.  Bei  Contrirsexualen  tritt  In  der 
Begel  nach  eiuer  gewissen  Behandlungsxeit  ein  Zustand  geschlechtlicher  Neutralität 
ein,  indem  die  Patienten  gleichgiltig  gegen  hnmosexiiclle  Reize  geworden  sind, 
aber  noch  unempfänglich  bleiben  für  das  Weibliche.  Mit  dem  Eintritt  den 
geregelten  nonnalen  Oeselileohtsrapportes,  der  naeb  mdner  Ansieht  eine  Conditio  sine 
qua  non  für  die  Heilung  ist,  verschwii! Jen  die  suiiAcbst  vorhandenen  Unlust- 
gt-nthle  im  Lnufe  der  Zeit  völlig,  die  i'hanlasie  des  Patientieti  wird  alliiiMliu 
ans^prucbslühiger  und  erregbarer  für  weibliche  Heize,  uud  im  Uehergaugsstadiuni 
psychosexualer  Hermapbrodtsie  muss  durch  die  äusseren  Verhältnisse  dafür  Sorge 
getragen  werden,  dass  das  Prodnet  suggestiver  Zllehtnng  allmiUg  die  eingewuraelte 
Neigung  compensirt.  Die  seelischen  Rudimente  des  Lddens  verblassen  immer  mehr 
und  veranlassen  nur  da  RUckfnlle,  wo  zeitweise  nicht  in  normaler  Weise  befrie- 
digte sexuelle  Dränge  von  Neuem  die  Herrschaft  Uber  den  Patienten  gewianeD 
und  gewissermassen  der  alten  Neigung  neues  Material  sufilbren,  mag  diese  homo- 
sexueller, algolagnistiseher  oder  fetii^chistischer  Natur  sein.  Wenn,  wie  wir  früher 
in  unserem  Werk  ausfilhrten ,  die  Ert'eminatio  eine  Folgeerscheinung  diT  Homo 
Sexualität  ist,  so  kann  logischer  Weise  die  geschlechtliche  Umgestaltung  im  äinue 
eines  männlich  fühlenden  Individuums  nicht  spurlos  an  dem  Seelenleben  des 
betreffenden  Patienten  Torfa^;ehen,  wenn  aueh  sugegebsn  ist,  dass  derartige 
seeundäre  Cbarakterveränderungen  im  Sinne  eiuer  Abschwftchung  vielleicht  erst 
in  Jahren  sieb  faeransbildcn  und  immer  längere  Zeiträiunie  erfordern.  Die  Lehre 
von  der  contrilreu  Sexualemptindung  und  ihrer  Ueilungsmöglichkeit  ist  noch  zu 
jung,  um  bierflber  naeh  praktiseben  Resultaten  ein  ürtheil  au  erlauben. 

Wenn  he\  conträrer  Sexualempfindnng  von  Heilung  gesprochen  wurde, 
HO  igt  darunter  immer  eine  relative  Heilung  zu  verstehen.  Denn  eine  absolute 
Heilung  würde  eine  vollständige  Beseitigung  der  Homosexualität,  auch  ihrer  Er- 
innerungsbilder nnd  dner  bei  manehen  Patienten  episodisch  auftretenden  ItOrper- 
liehen  Rflekwirkung  derselben,  voraussetzen.  Das  aber  liegt  niebt  in  der  MOglieh- 
kcit  II  onh(  blieben  K("»nnenH.  Mnn  darf  zufrieden  sein,  wenn  diese  Bilder  verblassen, 
zu  un^ehiidlichen  Rudimenten  werdfii ,  und  wenn  das  (icschlechtslebeu  in  die  Bahn 
regolmiissiger  naturgemilsscr  Iktbätiguug  geleitet  ist. 

Aus  einer  kflrzlieh  ersehienenen  Schrift  des  Verfassers „üeber 
Suggestion  und  suggestive  Zustände"  mfigeii  hier  einige  die  Ausfüh- 
rungen V  CouvAi/s  I  in  den  Encyclop.'idipiehon  Jahrbüchern,  I  und  II)  ergänzende 
Bemerkungen  Uber  Hypnotiairbarkeit  Platz  linden. 

Naeh  meinen  bisherigen  ESrlUimngen  sehien  mir  die  Kntheiinng  in  drei 
Grade  die  beste  zu  sein;  sie  sehlieest  sieh  auch  am  engsten  der  in  diesem  Auf- 
sali  dargelegten  Auffassung  von  dem  Wesen  der  Hypnose  an. 

Grad  I  ist  als  Somnolenz  zu  bezeichnen.  Die  Sugge-;tibiIitU  ist  partiell 
für  bestimmte  Acte  erhöht,  ohne  wesentliche  Beeinträchtigung  der  Apperceptiou 
und  des  Bewusatsdns. 

Orad  II  wird  zweckmässig  Hypotaxie  benannt.  Unfilhlgkeit,  trotz  ener- 
gischer Willensanstrengung  bestimmten  Suggestionen  zu  widerstehen.  Apper- 
eeption  für  Vorgänge  der  Aussenwclt  vermindert.  Keine  oder  nur  partielle  Amnesie 
nach  dem  Erwachen. 

Grad  III  wird  dureh  den  Somnambulismus  gebildet.  Neben  der  Wider- 
standsfähigkeit gegen  Suggestionen  besteht  Amnesie  oder  Empflnglicbkeit  für 
Haliucinatiunen  oder  beides  zu;,'leicli. 

Um  die  oft  sehr  hartnäckigen  Schwierigkeiten  in  der  Hypnotisirung  zu 
Überwinden,  empfiehlt  sieh  die  unterstützende  Anwendung  chemiseher  nnd  physi- 
kalischer Hilfsmittel:  Uebrigens  besteht  ein  in  der  Literatur  nirgends  genug  ge* 
wflidigter  Unterschied  in  der  Empfihigliehkeit  für  suggestive  EinHüsse  bei  geistig 


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SUGGESTION. 


hoebentwiokelton  nnd  dnlbelmi  Lenten.  Elnfaeb«  ungdelirte,  an  patsiven  Gehorsam 

gewohnte  Gehirne  (i.  B.  bei  Landleuten,  Soldaten.  Dienstboden,  Arbeitern  etc.)  sind 
leicht  zu  beeinflussen.  Sie  schlafen  schon,  ehe  sie  merken,  wa-*  nnan  beabsichtigt.  _8ie 
tbun  und  glauben,  was  man  ihnen  suggerirt'^  (^Fokelj.  Gewöhnlich  erzielt  man 
auch  bei  Urnen  tiefere  Hypnosen.  Dalier  ist  die  Safrgestion  fttr  künisehe  und 
pollkliniselie  Behandlung,  wenn  man  ihr  Wesen  richtig  verstanden  hat  und  ihre 
keineswegs  leichte  Technik  völlig  beherrscht,  ein  vorzUji^^liches  Mittel.  Man  braucht 
gar  keine  Umatflode  su  machen,  keine  Erkllrangen  zu  gel  en,  man  kommt  mit 
wenig  Worten  mlllielo«  nm  Ziel.  Bei  gebildeten  nnd  sicepüsehcn  Personen  — 
woxn  so  viele  Nervenleidende  zu  reohnea  sind  —  verfkngt  ein  sokiiet  Vor- 
gehen nicht.  „Ein  nberle?:ener  Ton  imponirt  ihnen  nicht,  den  Brustton  der  Ueber- 
zeuiriinir  finden  sie  litcheriich"  TvAN'  Kkdkn).  .'^ie  können  sich  der  Kritik  nicht 
eathallen  und  ea  fällt  ihnen  schwer,  den  nöthigen  Zustand  geistiger  Passivität  in 
sidi  berxastellen.  Heist  haben  sie  aneh  in  Folge  falseher  Yorstellnng  von  dem 
Verfahren  kein  besonderes  Vertraaen  zn  der  Sache ,  die  nach  ihrer  Meinung  ein 
Attentat  auf  ihren  freien  Willen  bedeutet  und  die  f^eistige  Unabb.lnorifjkeit  ver- 
mindert. Es  regt  sich  ein  Getühl  des  Widerspruchs  und  dazu  tritt  oft  genug  die 
nnbewnsste  Antxwnggestion,  nioht  hypaotisirt  werden  an  kOnnen.  Das  gilt  gana 
besonders  von  Personen,  die  an  Nevrasthenie  nnd  Hypoehondrie  leiden.  Aneh  vortreff- 
liehe  Kenner  des  Ilypnotismus,  wie  VAN  Eedex  und  Bf.rnhf.im,  sprechen  ^ich  ftber 
solche  Fülle  zurückhaltend  aus.  Man  muss  also  das  l'nabh.'lnfri^koitSL'efilhl  iler  l'ersou 
schonen,  die  öuggestibilitfit  nicht  höher  steigern  als  nöthig,  wenn  man  zn  ärztlichen 
Zwecken  eine  Snggeation  ansflbt.  Intelligenten  Kranken  wird  man  eine  kurze  Anf- 
klirung  geben  mttSiWlIber  das  Wesen  des  Verfahrens.  Man  muss  ihnen  beweisen,  dass 
es  sich  nicht  um  eine  Bewusstseinszerschmctterun/r  handelt,  wie  BENEDIKT  glaubt, 
sondern  zunächst  nur  um  Herstellung  eines  passiven  Ruhezustandes,  in  dem  sie 
noch  selbst  im  Stande  rind,  das  Verfahren  an  beobaebten  nnd  an  eontroliren.  Die 
Halbgebildeten  dagegen,  welehe  ihre  Unwissenheit  oft  dnreh  um  so  knhnere  Be- 
hauptungen zu  ersetzen  suchen,  emplielilt  vw  Bedbw  vorerst  moralisch  zu  erziehen. 
Aber  auch  hier  ist  die  Schouunjr  des  riuibliüngigkeitsgefühls  ein  Haupferforderni.«s. 

Nachstehend  folgen  einige  demselben  Aufsatz  entnommene  tabellarische 
Daten  Aber  die  Emplkngliehkeit  fflr  den  hypnotischen  Einflnss  nach  der  obigen 
Eintheilung  in  drei  Grade: 

Hypnotisi  rb  ar  k  e  i  t   nuf  Hrnnd  Internationaler  Statistik    ohne  RUclcsicht  auf 
Geschlecht,  Gesundheit  und  Alter).  Vom  April  1^Ü2. 


«hl  ^^"»2 


H.vi>o- 
taxis 


Soinnam- 
baliamoa 


Bereehaet  von 


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21 

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14 

5 
15 
6 
7 
l 

48 
29 


519 


Dr.  Vnr.WDKa  (YönkiSpinz)  br  efl.  .Mitthoi'. 
Dr.  Lloyd  Ti'kev  (Londoo)  biieä.  MittheiL 
n      n        «  n      ^2.  gedr.  Berieht) 

I)r.  "\Vktih;-ikam>  ( St<h  kliolm )  ln  ipfl.  Mitth. 
Dr.  Bkioklmann  d'aiierburn)  iiriell.  Jlittb. 

ms  \ 

1880      1    Dr.  LiKBKAiT[/r  (Nancy)  brieflühe 
1S<80       (  Jlittlicihintr 

Dr.  pKnoNNKT  (Algier)  briefl.  Mittheil. 
Dr.  Neilsox  (Canada)  briefl.  Mittheil. 

Dr.  N'>\.\i  (Haiiiburi.)  briefl.  Mitlheil. 

Dr.  VAX  Ki.xti;kohku  (Amsterdam)  gedruckt. 

Dr.  V.  CoavAi.  (Baden-Baden)  briefl.  MittheD. 

Dr.     iiMTZi.ER  (Wien)  briefl,  Mitlheil. 

Dr.  RixiiiKK  (Schweiz)  briefl.  Mittbeil. 

Prof.  F.»KKL  (Ziiriclit  bri.:-«.  Mitthfii. 

Dr.  V.  SciiKENCK  -  NuTZixu  (Mönchen)  bis  No* 

vember  1890 
Dr.  V.  ConvAL  (Baden-Baden)  2.  briefl.  Hittlieil. 


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SUGGESTION. 


Hjpnotiiirbarkeit  mit  PmeMtveriiiltBiaMa  (inteniational). 

Bis  zum  November  1880  stellen  sich  die  in  München  gewonnenen  Resultate 

(kanptalchiich  Stadtbevölkerung  und  gebildete  Stände)  nn  240  Personen  wie  folgt: 

Refraoür  29         «  12  08"  ,> 

Sonmolens  42         =  H  50  „ 

Hj[K.ti.xis                               100         =  41-57  „ 

Soin«anibu!i.sniua                         .   69  —  28-65  n 

2i0  Pttaooen  lOODO*^/« 
Damit  vergKohen,  stellen  sieh  dIeReraltate  inNaney  (Li^baolt),  Amster- 


dam  (vAK  ni:NTKl:..il!:>!  1  iiml  * 

wir  r.il 

Liebeault 
bei  1011 
Penonen 

rtr 
0 

Liebeault 
bei  753 
Peraonen 

"in 

van 
Renterichem 
bpi  17» 
Personen 

Ringier 
b«i  821 
Personeil 

Schrenok- 
Notzinp;  I 
bei  240 

Personen 
% 

2'67 

■^ 

7804 
lr)G2 

7-97 

10-1 19 
63-21 
18-73 

3-93 

5  (»6 
79-77 
II  24 

5-43 

724 
5149 
34-84 

WH» 

17-50 
4167 
28-75 

1    99*99  1  10000 

100-00  1  lOOOO 

lOOHK» 

Naeli  den  Ton  mir  angefertigten  Torlänfigen  Znsammenstellnngen  Unt 

sich  (international)  die  Hypnotisirbarkeit  von  im  fianzen  8705  Personen  verschie- 
dener Nationen  durch  folgendes  Zablenverhftltniss  ausdrücken : 

Refractär  •  519    =  6"/, 


.Somnolenz   2557  — 

Hypotaxiä  4316  = 

Somaambulism  as  1313  = 


29 
49; 
15  „ 


8705  =  lOO'/o 

In  Bereehnung  auf  8705  Personen  verschiedener  Nationen  blieben  vClIig 
nnempfänglich  nur  6"  n,  in  Somnoleuz  kommen  29"  ,,  in  llvpotaxi^  19"  ,,,  in 
Somnambulismus  15*%.  Zwischen  mftnulichom  und  weiblichem  Geschlecht  ist  kein 
nennenswerther  Untersebied.  Das  hoben  Alter  bietet  im  Ganaen  eine  etwas 
geringere  Empfilnglicbkeit,  w&brend  die  Zahlen  der  frOhesten  Jngend  nieht  ganz 
die  des  mittleren  Lebensalters  erreichen. 

Meine  speciell  in  MilnelieTi  bis  zum  1.  November  1 -^I^O  f(lr  Personen 
beiderlei  Gcäcblecbt^,  aller  Altcnsstuten,  ohne  liiiek^icht  aut  Gcüundhüit  und 
Krankheit  gewonnenen  Resultate  ^ben  12-08%  Refraetftre,  wobei  aneh  Geisles- 
kranke eingerechnet  sind.  17-5*'  0  kommen  in  Somnoleuz,  41*67°  0  in  Hypotaxia 
und  28-7.')''  r.  in  Somnambulismus.  Bemerkenswerth  und  meine  oblfjjeti  Ausfflhrunfren 
bestätigend ,  ist  die  hohe  Zahl  von  Somnambulen,  34%«  welche  Hinoiek  (Com- 
bremont  le  Grand  in  der  Sehweix)  in  der  Landbevfflkemng  erhielt.  Wenn  aueh 
die  Resultate  nordiscljer  Länder  (England  und  Schweden,  Holland)  anflkllend  mit 
dem  Diirehschnitt  der  internationalen  Ilypnntisirbarkeit  übereinstimmen,  so  dürfte 
doch  nach  meiner  allerdings  bis  jetzt  noeli  nicht  mit  ZifFern  zu  belegenden  Meinung 
die  Empfänglichkeit  südlicher  Völker  eine  höhere  sein.  Die  kindliche  Stufe  der 
geutigen  Entwleklung,  in  der  noeh  manehe  Naturvölker  heute  verharren,  erhobt 
von  Vornherein  ihre  Disposition.  Dazu  kommt  die  lebhaftere  glühendere  Phantasie 
der  Südländer,  welehe  so  leicht  in's  Abenteuerliehe  streift,  ihr  reizbares  Tempe- 
rament und  der  z.  H.  in  Indien,  der  Wiege  des  liypuotismus ,  vorhandene  Hang 
aur  Ruhe  und  Besebanliebkeit.  Indem  ieb  mich  auf  diese  tedfglieb  als  Anregung 
aufzufassenden  Bemerkungen  beschränke,  will  i  h  aurh  liier  auf  eine  noeh  niobt 
genOgend  .«tudirte  Seite  der  jungen  liypiiDtischen  I^'orsehiing  hinweisen. 

Ucber  die  viel  erörterten  (ietahren  des  Hypuotismu.s  tührte  ich  in  diesem 
Aufsatz  und  in  einem  früheren  Vortrage  "'■)  aus,  dass  ich  in  einem  Jahr  in  München 
als  Geeundheitsbesehldigungen  bei  niobt  weniger  als  6  Personen,  welehe  als  Medien 
bei  den  bypnotiseben  und  spiritistischen  Versuchen  von  Laien  gedient  hatten, 


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beobachten  konnte,  und  swar:  mlnnlicbe  und  weibliebe  Hysterie,  oeuropsthische 

Symptome,  niebrtflpifre  Somnolenz,  Anfalle  etc.  T'eber  die  Gefahren  dilettantischer 
äaioaspieiereien  mit  dem  Ilypnotismus  heisat  es  in  der  citirten  Schrift  zum  Sohlusa  : 
„Dieae  hier  mitgetheilten  Gefahren  (vergl.  Fobel,  Nutzen  und  Gefahren 
des  HypBOtiMnii«.  Hflnebeaer  med.  Woebansebr.  1889,  Nr.  38)  sind  aber  wait 
drohandar,  als  z.  B.  die  8o°:enannten ,  ans  frflher  erörterten  Gründen  meiit  aof 
das  Laboratorium  heschrilnkten ,  verbrecherischen  Sufr^estinnen ,  oder  als  die  in 
einzelnen  Fällen  durch  verkehrte  Proceduren  erzeugten  Schäden.  Da  der  Hypno- 
tismns  dn  Mittel  xar  Urattimaiun;  des  NerveaayatoniB  ist,  so  darf  er  einsig  uad 
allein  von  Aerzten  an;?ewcndet  werden,  oder  doch  von  solclien  Gelehrten,  welche 
Aber  die  erfurderliehen  pbysiolo^igchen ,  zum  Studium  der  Psycholoj^ie  niithiiren 
Vorkeuntuisse  verfügen.  Um  den  Missbrauch  durch  die  Laienmagnetiseure  abzu- 
stellen, Blad  gesetzltehe  Beetimmungen  Aber  die  unbefugte  Ansfibung  der  Heil- 
kvnda  aOthig'*  Alle  AffentUehea  Vorstdlaagaa,  sowie  die  Öffentliehen  Sitinagea  der 
Gesellschaften  ftlr  Magnetismus  mflssen  streng  verboten  werden.  Ein  wesentlicher 
FortHchritt  in  liicaer  Ik'ziehung  iet  bereits  gesehebeu  durch  die  BcHcblussfassunfr 
der  auf  dem  internationalen  Congresse  für  ilypnotismus  in  Paris  anwesenden 
Aerste,  wooaeb  in  allen  Lladern  dabin  gewirkt  werden  «oll,  dass  1.  alle  Öffent- 
lichen hypnotischen  Seh.iustellungen  dnreb  die  Behflrden  verboteu  werden:  2.  die 
]>raktiRche  Anwenduiif;  des  Hypnotismn«  zu  therapoutiscben  und  wissen.schaftücben 
Zwecken  gesetzlich  geregelt  werde;  3.  ea  wUuscbeuswerth  erscheine,  das  Studium 
nnd  die  Anwendung  des  Hypnotiamns  im  medieinisdien  Unterriebte  su  berfidc- 
siebtigen. 

Den  wirklichen  Tebelstflnden.  welche  heute  noch  der  Ilypnofismus  bietet, 
dürfte  jedoch  vielleicht  am  ehesten  abfrehoifcn  werden ,  wenn  man  in  richtij?er 
Abschätzung  der  positiven  und  negativen  Seite  einmal  dahin  gelangt,  den  factischeu 
Notsen  des  Hypnotismus  fflr  die  Peyebologle  nnd  Therapie  aueb  durah  die  ofBeiellen 
Vertreter  der  Wissenschaft  ()f)jectiv  gewürdigt  und  allgemein  anerkannt  zu  sehen. 
In  die.sem  Fnlle  würde  sich  die  gesetzliche  Kecrelnog,  ebenso  wie  fOr  die  An 
Wendung  gewi.ss^er  Medicamente,  von  selbst  ergeben." 

Keben  der  Suggeatiirbdiandlung  krankhafter  Brsebeinnngen  des  Oe- 
seblecbtssinbeg  beschäftigt  sieb  die  neuere  Literatur  vorwiegend  mit  der  Rolle  der 
Siifr^t'^ti""  i"  der  X  e  u  r  a  s  t  h  e  n  i  e.  Alle  neueren  Arbeiten  widmen  der  p^yehisehen 
liehandlung  einen  mehr  oder  minder  breiten  llaum  in  der  Therapie  des  {genannten 
Leidens.  Verfasser  dieses  Referates  hat  in  dem  gegenwärtig  im  Erscheinen  be- 
griffenen Sammelwerk  Uber  „Nenrastbenie**  (berausgegeben  von  Dr.  MOllbb)  eine 
Uebersicht  gegeben  Aber  die  Literatur  und  Casuistik  naeh  dem  gegeuwirtlgen 
Standpunkt  der  Frage. 

Während  Beard,  Ziemssi^n,  Arndt,  Lehr,  Strümpell,  Bouveret, 
RosBNBACB,  KocB,  RosBMTBAL,  JOLLT  In  ibreu  Speelalwerken  mdir  der  iodireeten 
negativen  oder  hirvirten  Form  der  psychischen  Behandlung  tbeilwei>e  unter  Ver- 
kennung der  hypnotischen  Snpfjestion  das  Wort  reden,  würdigen  die  Arbeiten  von 

KRABPBLLN',    LtiWENKELU,     Hoi.ST ,    LaüFEXAUEH  ,    BkLüELMANX  ,    Sf  HMTZLKR, 

V.  Kkafft-Ebing  ,  Mumus,  Hirt,  v.  Corval,  Bbrnhrim,  Berillun,  Forel, 
BouBDON,  VAM  BsDBK,  Wbttbbstrand,  Toisin,  Hbckbr  u.  A.*)  die  Bedeutung 

des  suggestiven  Factors  im  Sinne  der  Nancyer  Schule.  Ein  abschliessendes  I'rtheil 
Iflsst  sich  heute  noch  l»ei  den  Widersprüchen  der  verschiedenen  AiiturtMi  nicht 
abgeben.  Darüber  jedoch  stimmen  alle  Forscher,  denen  eine  genügende  Kriahrung 
auf  diesem  Gebiete  an  Gebote  steht,  flberein,  dass  die  Su^estion  ein  vortraffliebes 
Mittel  gegen  viele  Syniptume  der  Ni  iir.i-thenie  abg^iebt.  Dauernde  Resultete  lassen 
sieb  nur  durch  unendliche  Geduld,  sich  frle  eh  bli-üu'nde  Fnergie  und  consequente 
DurcbfUhrung  des  Deilplaues  erzielen.   Vielfach  gelingt  die  dauernde  Beseitigung 


*)  Die  Literaturnach weise  fär  alle  einzelnen  der  genannten  Anioien  fimlet  man  in 
meiner  Bearbeitung  dieiter  Frage  in  dem  Sammelwerk  von  Müller. 


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SUGGESTION. 


706 


von  Symptomen.  Stets  wuQdet  sich  die  Suggestion  nicht  direct  gegen  die  Diatbese, 
BOndeni  Stola  geg«n  dM  «nnilne  Symptom,  z.  B.  die  SolihifatOniiig,  du  ünlustgeflhl, 
die  Appetitlosigkeit f  die  Zwangavoriteilung  ete.  Aber  die  Zurflckfahrung  z.  B. 

des  Schlafes,  des  Appetits,  dor  r!ew('jrnn;r>»hif*t  zur  Norm  wirkt  unzweifelhaft  auf 
die  (^Tpstiirten :  ErnährunjJTsbedinfjunt^en  der  Xervenzeilcn  ebenso  zurück,  wie  auf 
die  Ernährung  anderer  Körpergewebe.  Die  KUckwirkuug  auf  die  allgemeine  1- unc- 
tionethitigkeit  rnaeht  sieh  Behliesslieh  sogar  objeetir  bemerkbar,  dnreh  bltthendere 
Gesichtsfarbe,  me^abare  Zunahme  dos  Körpergewichtes,  wie  ich  sie  in  einigen 
Fflllen  von  7 — 1')  Pfund  im  Laufe  der  Behandlung  beDbachten  konnte.  Die 
Suggestivbuhandlung  Neurastbeniscber  ist  lediglich  ah  zweckmässige  Ergänzung 
anderer  Heilmeliiodeii  atifsiifissseii  und  bietet  unter  ümständen  aueh  ein  vortreffliches 
UnterstfltsoDgsmittel .  andere  Heilmethoden  durchzufahren. 

Die  Mittel  der  p-jycliisehfn  Einwirkung  im  wachen  Zustande  lassen  sich 
eintheilen  in  a)  die  directe  V^orstellungstherapio,  bl  die  indirect 
oder  negativ  wirkende  psychische  Behandlung  und  cj  die  larvirte 
Psyehotherapie. 

Zardirecten  Vor stellungsth era pi e  im  wachen  Zustande  gehören: 
die  eingehende  Untersuchung  des  Kranken,  der  persönliche  Rinfluss  des  Arztes, 
Erweckung  von  Hoffnung  auf  Genesung,  sowie  Erzielung  einer  activen  Theil- 
uabme  des  Patienten  am  Heilproeess,  dnreh  Gewöhnung  an  Cknisequenz,  Ausdauer 
und  an  die  Durchführung  eines  bestimmten  Heilplanes^  ferner  dureh  Sohulung 
und  Stählung  der  Willenskraft ,  Hebung  des  Selbstvertranens  etc.,  dazu  ^ehilren 
ferner  auch  heftige  psychische  Erregungen  (z.  B.  energische  Zurechtweisung;, 
peycbisebe  Ableitung  und  Zerstreuung,  freudige  Eindrücke,  Beruhigung  und  Haas- 
haltnng.  BeligiOser  Znsprueh  und  Musik  können  in  tinxeloen  Fällen  e!)enfalls 
von  Nutzen  sein. 

Wenn  man  von  der  psychischen  Prophylaxe  und  g  e  i  s  t  i  g  e  n 
Erziehung  absieht ,  so  liegt  der  Schwerpunkt  einer  indirect  oder  negativ 
wfarkenden  psyehisohen  Behandlung  in  der  Abhaltung  von  Sehidüebkdten 
für  das  Nervensystem  im  Allgemeinen,  sowie  in  der  günstigen  secundiireu  Rück- 
wirkung' eines  besBerndcn  Eintliis^es  auf  die  Constitution.  Die  Hy^^ient-  des  Nerven- 
systems (Kuhe,  Arbeit  uud  Abwechslung  der  Thätigkeit\  die  Anstaltsbebandlung^ 
Landaufenthalt,  Reisen,  Bergwanderungen  (Sportübungen  etc.),  Wechsel  des  Berufes 
der  Umgebung  des  Kranken,  eventuell  Bettruhe,  ferner  Regelung  der  geistigen 
Beschäftigung,  der  psychi«chen  Diiit  (r.ectflre,  wisHenschaftlichen  oder  künstlerischen 
Arbeitj,  Zerstreuunj;  uud  Aldialtunj.'-  seliädlicber  Sinnesreize  fStrassenlflrm,  grelles 
Licht  etc.),  wirken  alle  in  dem  genannten  Sinne  bei  nothwendigcr  Individualisirung 
aueli  auf  diu  psyebiiebe  Verhalten  der  Neurastbeniker  surflek  neben  ihrem  speeiellen 
Zweek  flir  das  körperliehe  P»  linden. 

Die  larvirte  P  s  y  <•  Ii  o  t  h  e  r  a  p  i  e  setzt  den  Glauben  des  Patienten 
in  Bewegung  durch  mcdicamentuse,  meehauiscbe,  elektrische  oder  mystische  Hilfs- 
mittel, welche  selbst  ohne  specilisehe  Wiikung  nur  dadurch  einen  Einfluss  auf 
den  Zustand  des  Patienten  üben,  dass  sie  den  subjcctiven  Factor  zu  Gunsten  der 
Heilung  in  Anspruch  nehmen.  Das  GehcMuniss  der  Curpfuseher  beruht  in  der 
Regel  auf  derartigen,  die  Phantasie  der  Kranken  stark  erregenden  Mani- 
pulationen. 

Zu  diesen  in  der  Behandlung  der  Neurasthenie  nnerlAssliehen  Mitteln 

und  Metboden  der  Psychotherapie  im  wachen  Zustande  tritt  die  Snggestioa  im 
hvimotischen  Zustande  nach  den  früher  erörterten  Grundsätzen,  wo  die  Anwen- 
dung der  genannten  Methoden  nicht  zum  Ziele  führt. 

Man  kann  mit  vollem  Recht  behaupten,  dass  mit  Ausnahme  der  Geistes- 
kranken die  Hypnotisirung  der  Neurastbeniker  für  jeden  Sul  -tinnstherapeuten 
die  sebwierigste  Aufgabe  darstellt  und  an  sein  Können  erhebliche  Ansprüche  macht. 

Die  Aufmerksamkeitsstörungen ,  das  mitunter  bei  der  Neurasthenie  ge- 
sdiwiebte  Appereeptious vermögen,  die  zu  intensive  loansprucbnabme  der  Vor- 
Sncyclop.  JahrUleh«r,  III.  4.) 

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706 


SUGGESTION. 


Btellungstbätigkeit  durch  KrankheitserscbeinuDgeu ,  die  oft  tief  eingcwurzelteD 
pathologisoben  Autosuggestiooeu  (Zwaogsvorstollaogen  und  EmpfinduDgeD),  ferner 
die  Ingitiieh«  Erwartnng  und  unbewnMte  Abneiging  und  der  hsrtnlcUg«, 
ebeofalls  onliewusste  Widerstand  gegen  diese  Art  der  Beeinflussung,  wozu  die 
chronifche  iScblaflosigkeit  leider  so  häuli^r  hinzutritt ,  erschweren  in  eminenter 
Weise  das  Herbeiführen  der  Hypnose  bei  Neurastbenikeru,  so  dass  in  zahlreichen 
Fällen  der  Arst  genOtUgt  Bein  wird«  in  den  pbjBikaUBdien  und  ehemiaohen 
Hilfsmitteln  seine  Zuflucht  zu  nehmen  oder  ein  andweB,  am  besten  iurirtes  Ver- 
fahren der  Psycliotht'rapie  einzuschlagen. 

Ganz  verwertiicb  scheint  mir  ein  plötzliohes  shockartigea  Vorgehen  und 
flboliaapt  jede  Fascination  oder  psychisohe  Uebermmpelung  der  Neurastheniker, 
wodnreh  das  obnefain  erregbare  OentralnerTensyttem  noeh  mehr  erregt  nnd  somit 
geschädigt  wird.  Ein  zu  schnelles  Suggeriren  des  Schlafes  ist  ebenfalls  zn  ver- 
meiden, weil  es  Otfrenvorstellungen  erzeugen  kann.  Man  verzichte  bei  der  ersten 
Sitzung  auf  einen  durchschlagenden  Erfolg,  sondern  benutze  sie,  dem  Astheniker 
nnr  das  Verfahren  zu  demonstriren ,  man  erzeuge  einen  passiven  Rnbecustand, 
den  der  Patient  wachend  an  sich  beobachten  kann.  Hit  der  häufigeren  Wieder- 
holung des  Verfahrens,  das  seiner  Einfachheit  wegen  zunächst  in  der  Regel  Ent- 
täuschung hervorruft,  nimmt  die  Empfänglichkeit  zu,  und  die  Wirkung  der 
BehädUeben  Antosn^sesHonen  llsst  allmälig  naeb.  8dion  das  bemhigende  Vor- 
gehen wirlEt  auf  manohe  Patienten  wohlthnend;  macht  man  sich  dazu  die  Regel, 
jeden  neurasthenisclien  T'.itienten ,  auch  wenn  er  nicht  schläft,  eine  halbe  Stunde 
auf  dem  Sopba  (natürlii  li  unter  müglichster  Ausschliessung  des  Straasenlärms  oder 
sonstiger  Störung)  bei  verdunkeltem  Zimmer  uod  angemessener  Temperatur  regel- 
mässig ruhen  zu  lassen,  wobd  von  Zeit  sn  Zeit  die  Seblafenggestton,  sowie  die 
fbwapeutiBChe  Einwirkung  zu  wiederholen  ist,  so  wird  man  in  manchen  hart- 
näckigen Fällen  durch  Consequenz  und  Ausdauer  allmälig  Erfolge  erzielen. 
Gewöhnlich  tritt  sehr  bald  ein  Somnolenzstadium  ein,  womit  auch  die  Aussicht 
auf  einen  snggesÜTen  tberapentiseben  Effect  zunimmt.  Die  unbegründete  Furcht, 
das  Misstrauen  und  die  falschen  Vorstellungen  über  den  Modus  prooedendi,  8owit> 
über  den  hypnotischen  Ztistand  selbst,  mit  denen  die  StiL'irestionstberapetiten  noch 
täglich  in  der  Praxis  zu  kämpfen  habt  n,  legen  dieser  Form  der  psychisctieu  Be- 
handlung die  grössten  Hindernisse  in  den  Weg. 

VAN  Ebobn  legt  es  in  ykUm  Fällen  nur  darauf  an,  einen  Zustand  von 
Somnolenz  zu  erzielen,  der  gewissermassen  nichts  mehr  ii<t  als  ein  passives  Sich- 
niederlegen mit  geschlosi^enen  Augen ,  eine  Art  innerlicher  Concentration ,  „um 
die  psychische  Energie  (das  ideoplastische  Vermögen j  in  grüs^ter  Kraft  wirken 
ZU  lasBen^.  Naeb  ihm  hat  in  ebronischen  Fällen  die  Genesung  mehr  Aussiebt 
auf  daueruden  Erfolg,  wenn  der  Sehlaf  sdir  leieht  gewesen  war.  Dagegen 
empfiehlt  tr  den  tiefen  Schlaf  al<  unser  hervorragendstes  Hilfsmittel  bei  Mtlan- 
cholie ,  Asomuie,  bei  Zuständen  von  Unruhe  und  Erregtheit.  Durch  taetvollen 
und  geduldigen  Training  ist  es  ihm  gelungen,  in  den  letzten  5  Jahren  Schlaf- 
mittel ganz  zu  entbehren,  was  bei  dem  grossen  Andrang  der  Patienten  zu 
VAN  Bbden's  Klinik  bemerkenswert}!  ist. 

Er  bezeichnet  seine  Resultate  als  vorzüglicli.  Dieselben  erhielt  er  jedoch 
niemals  durch  autoritative  Suggestion,  sondern  nur  durch  uueudliche  Geduld  und 
sieh  immer  gleieh  bleibende  Eaergie,  die  sich  audi  dnreb  Misserfolge  nieht  ab- 
sebreekeniässt.  van  Erden  vemmthet,  dass  man  jeden  Neurastheniker  heilen  könne, 
wenn  man  sich  ihm  ausschliesslich  widmet,  so  dass  man  ihm  fortwithrcnd  helfend 
zur  Seite  stehen  und  ihn  leiten  mflsste.  Aber  die  persönliche  Leistungsfähigkeit 
des  Arztes  hat  aneh  ihre  Grenzen,  eo  dass  man  auoh  aus  diesem  Grunde  manebe 
Leiden  niebt  heiieo  kann,  die  man  eigentlich  doeh  ftlr  lieUbar  hält.  Bei  dieser 
Gelegenheit  will  ich  die  theraptMitii^cbe  Casuistik  VAN  Rf.nterghkm's  ,  des  Mit- 
leiters jener  Klinik  in  Amsterdam,  wcni^'stens  «Twillinen,  van  Rknteiujuem 
bebandelte  in   den  Jabreu  1887 — LSö'J  40  iSeurastheuiker ,   wovon  17  geheilt 

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SUGGESTION. 


707 


(=  56*68%),  12  bedeatend  gebessert  (=  39*99«;o)  nnd  3  nur  TorObergeheud  ge- 
bessert wurden  (—  3-33«/o). 

L'uifasaeude  Studien  über  die  therapeutischo  Wirksamkeit  der  Suggrestion 
bei  Neurasthenie  stellte  Brrnbeim  an.  Wenn  sich  dieselbe  auf  angeburene, 
fehlerlitfte  Bildung  des  Nervensystems  bezieht,  ist  wenig  Aussicht  auf  dauernden 
Erfolg.  Bbrnhrdi  glaubt,  das«  die  Suggestion  die  beeondere  nervaee  Erregbar- 
keit, wie  sie  den  Roden  ftlr  die  Neurasthenie  abgiebt ,  nicht  beseitigen  könne, 
wiewohl  sie  im  Stande  sei.  die  krankhaften  Auswüchse  zu  unterdrücken.  Die 
Heilungen  sind  nach  ihm  umso  leichter  durch  Suggestion  zu  erzielen,  je  weniger 
das  Uebel  eingewurzelt  und  je  weniger  es  zur  festen  Gewohnhdt  des  Ner^en- 
systems  geworden  ist. 

Von  30  Fällen  heilte  Rkrnhkim  17,  erzielte  bei  12  Personen  bedeutende 
Besserung  und  bei  1  eine  vorübergehende.  Das  entspricht  in  Procenten  aus- 
gedrflfllLt:  Hdlmig  56*68 ,  bedeutende  Besserung  39*99%,  leiehte  Besse- 
rung 3*88*/o. 

Meine  eigenen  therapeutii^ehen  Resultate  bei  40 Neurasthenikem  (31  HlBBer, 
9  Frauen)  ergeben  folgend«  ErfolgziftVrn : 

Völliger  Misserfolg  bei  U  Persouen  (=  22*5°  j),  leichte  oder  vorüber- 
gebende Besserung  bei  7  Patienten  (=s  17*5%),  bedeutende  Besserung  erzidten 
18  (=  82'5<»  o),  Heilung  erzielten  11  Peräouen  (=  27-5%). 

Die  Hypnotisirbarkeit  diesir  40  Nervenschwachen  bleiJit  hinter  dem  im 
vorigen  Paragraphen  erwähnten  Durcbschnittsresultat  der  interuationalen  Statistik 
zurttek.  Es  blieben  refractlr  4  (=  10''  o  gegen  6%  der  internationalen  Statistik), 
in  Somuolenz  kamen  9  (=  22*5%  gegen  29<>  o  ^-  internat.  St.),  in  Hypotazis 
16  (=:  400  0  ^egen  49%  d.  internai  St),  in  SomnambttUsrnns  11  (=  27*6%  gegen 
15»  0       internat,  St.). 

Die  höhere  Zahl  der  Somnambulen  erklärt  sich  vielleicht  dadurch ,  dass 
laUrMche  EypnotiMrangsversnehe  an  einzelnen  Individuen  Torgenommen  wurden, 
so  dass  der  Somnambulismus  sich  erst  allmälig  entwickelte. 

Diese  Ziffer  für  RefractJlre  stimmt  nahezu  mit  der  WetterstRäNd's  ilber- 
eiu.  Letzterer  zählt  12*'^oi  ich  10%,  welche  Zitier  sich  bei  weniger  geübten 
Suggestionstherapeuten  nnd  bei  nur  ein  oder  swdmaligem  Versueh  bedeutend 
erhöhen  dürfte.  Nach  dem  Vergleich  der  therapeutischen  Kr  ultate  verscliiedener 
Alltoren  (22H  Fälle  im  G.'inzen)*}  sind  31"  „  Misserfuige  der  Rebandlnng  ztt 
erwarten.  Im  Ganzen  ist  aber  wohl  zu  berücksichtigen ,  dass  vielfach  die  Un- 
empRlnglichkeit  fUr  hypnotisehe  Einwirkung  die  Ursache  des  Misserfolges  abgiebt. 
Die  Durehsehnittszabl  der  bypnotis^ien  Sitzungen  b«  mMuem  Material  von  40  Per- 
sonen (als  Minimum  1  Sitzung,  Maximum  !>8  Sitzungen)  belfluft  sich  auf  20.  Im 
Ganzen  b'ts^t  sich  in  r«>bereinstimmunfr  mit  der  Ansicht  van  Kkkrx's  eine  pro- 
gressive Annahme  der  Iksäerungen  und  Heilungen  coustatireu.  Dieser  ziüermässige 
Naehweis  ist  eharakteristiseh  ftir  die  Bneripeloeigkeit  der  Nenrastheniker,  weldie 
gern  die  Behandlung  ablirceben ;  andererseits  bestätigt  er  die  Erfahrungen 
mancher  Autoren ,  dass  dauernde  Resultate  mit  Suggestion  bei  Neurasthenie  nur 
durch  unendliche  Geduld,  sich  stets  gleichbleibende  Energie  und  consequente 
Durcbftlbrung  des  IleilpUnee  gewonnen  werden  kdnnen. 

Die  Allgemeinbebandlung  bleibt  der  ol>erste  Omndsatz  in  der  Therapie 
dieses  Leidens  (Regeluntr  der  hygienischen  Faetoreu  ,   Ruhe,  Schlaf,  Bewegung), 

In  der  psychischen  Spb.lre  sind  die  Anomalien  des  Fühleus  und 
Vorstellens  ^bei  Augstzuständen,  Stimmungen,  Zwangs vorstel- 
1  Qngen),fem0rdie8tOrttngende8Triebleben8(NahrungB-,Gesehleehts> 
trieb)  nnd  Wollens  (Energielosigkeit)   besonders  flDr  die  psyehisehe 

*)  Eine  nähere  zifrermissi^  Be^ändnnR  dieser  Angaben  unter  BeifllgtiDg  eines 

grüneren  Matrrial.^-  an  Krankrngesillir-hti'n  und  Talielltni  ist  für  eine  bf^onilere  Arbeit  vor- 
behaltm.  Der  Plan  und  Umfang  dieses  Referates  erlaubt  eiue  ausfUbrlicbe  Mittheilung  der 
Casnistik  nicht 

45* 


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708 


suoeEsnoN. 


BehandtuBg  geeignet.  Hingegen  leisten  die  ApperceptionsutOruiigen,  aus- 
gesproehene  hypochondrische  Zustände  dtsr  psyehisehen  Einwirkung 

und  dem  Gelingen  der  Hypnose  hartnäckigen  Widerstand  ,  so  unentbehrlich  aneh 
hier  die  Beruhigung  auf  psyrliiHcliem  Wege  gein  n)ag.  Bei  n  e  u  r  a  s  t  Ii  e  n  i  8  c  h  e  n 
Psychosen  können  wir  nur  insoweit  Erfolg  erwarten,  als  die  nervösen  Be- 
»ehwerden  gegenflber  den  rein  psyehopathiaeben  in  den  Vordergrund  treten.  Erb- 
liehe  Anlage  erschwert  in  allen  FAllen  die  Behandlung,  mnn  mim  hier  mit 
temporSren  Besserungen .  mit  der  Erleichterung  und  Linderung  der  Symptome 
zufrieden  sein.  Die  Suggestion  ist  ebensowenig  wie  irgend  ein  andt-re^  Mittel  im 
Stande,  angeborene  Defeete  dee  Nenrensyatems  anssngleiehen. 

Kin  weiteres  sehr  gOnstiges  Gebiet  stellen  die  Schlafstörungen  der 
Neurasthenie  für  den  p<^yr-h{s!>hen  Eingriff  dar.  Fast  alle  Autoren  berichten 
auf  diesem  Gebiet  gleichiuäs^ig  Ert'njge. 

Unter  den  gastro  inte  stinalen  Symptomen  sind  am  häutigsten 
die  Verlnderungen  dw  peristaltiieben  Darmbewegungen  und  tub- 
jective  Empfindungen  von  Seiten  des  Magens  oder  Darms  erfolgreieh 
mit  Suggestion  behandelt  worden.  Bei  wirklicher  Atonie  kann  die  Suggestion 
allein  nicht  zum  Ziele  führen,  wiewohl  chronische  Obstipationen  wiederholt 
auf  hypnotiadiem  Wege  beseitigt  worden  sind.  Massage  und  Eleictrieitftt  sind 
hier  nnenfbehilieh.  Auch  auf  vasomotorisebe  Erschein  u  ngen  hat  man  das  Suggestiv- 
verfahren  angewendet ,  indem  man  die  p  s  y  c  h  i  s  c  h  e  u  1'  r  s  a  e  h  e  n  dafür  zu 
beeinflussen  suchte.  So  gelang  Beseitigung  der  Herzthiitigkeit  bei  Tach  y  cardie, 
Steigerung  der  Blutzufuhr  zu  den  Händen  und  Füssen,  Einwirkung  auf 
das  ereetile  Gewebe  der  Nasensehleimhant,  Regelung  des  Eintritts 
und  der  Dauer  d e r  Erection  (bd  funetioneller  Impotenx),  femer  Beein- 
flussung der  Menses  ete. 

Unter  den  sensiblen  Symptomen  sind  die  Parästbesien  des  Lebens 
und  die  Asthenopie  als  augftnglich  ftlr  die  Suggestion  besonders  an  erwihnen. 
Bei  Hy  p  e  r  a  (' s  t  h  (  <i  a  retinae  beobachtete  ich  einen  Misserfolg.  In  4  Fftllen 
konnte  ich  Zunahme  des  Körpergewichtes  in  Folge  der  suggestiv  geregelten  Er- 
nilhruug  beobachten. 

Unter  den  Seeretionsanomalien  ist  nur  die  günstige  Wirkung 
von  Suggestionen  bei  Speiehelfluss  und  Hyperhidrosis  bekannt  geworden. 

Beobacbtungen  fiber  den  F.influss  der  Suggestion  auf  die  N  i  e  r  e  n  t  h  t  i  g- 
keit  liegen  bis  jetzt  nicht  vnr.  H<n  den  motorisehen  Krsrheinungon  wird  mau 
zweckmässig  die  psyehische  Ursache  derselben  durch  Suggestion  bek&mpfeu  können. 
Aber  aueh  hier  sind  andere  Heilfaetoren  (Gymnastik,  Massage)  uneutbehrlieh. 

Dass  auch  die  Respiration  durch  Suggestion  geregelt  werden  kann, 
zeigen  zahlreiche  Berichto  von  suggestiven  Heilungen  des  Asthmas. 

Damit  sind  die  wichtigsten  Symptome  erschöpft,  welche  nach  den  bis 
jetat  verliegenden  Erfahrungen  für  die  Suggestivbebandtung  das  dankbarste  Gebiet 
abgeben.  In  schweren  Fflllen  von  Neurasthenie  wird  die  Combination  des 
Suggestivverfahrens  mit  anderen  Methoden  der  I^hundlung  unentbehrlich  sein. 
Im  Ganzen  l)I('i')t  aber  der  wirkliehe  therapeutische  Erluig  durch  Sug:;estion  auf 
mitteise  hwere  und  leichte  Neurasthenie  formen  buschriinkt ,  während 
bei  schweren  Formen  die  Anstaltsbebandlung  unentbehrlich  ist  und  die  Suggestion 
nur  den  Verlauf  durch  Beschwichtigung  einzelner  Symptome  hemmen  kann. 

Literatur:  ')  Wundt.  HypnutiHmu»!  und  Siiirfrc-iliDU,  in  l'hilosophi'iche  Studieu. 
Leipaig  (Kugclmaun)  1^92,  VII],  Hi-lt  1;  teiner  um  Ii  separat  er-(  liieiieii  Kag«lmann.  1892.  — 
•)  V.  Ben  t  i  V <<g  n  i ,  Die  Hypnose  und  ihre  civilrcclitliciie  ludcuiunj;,  fi  liriften  der  Ge^ifllscli. 
Ar  «zper.  Psych.  IV.  S<ück,  Leipzig  1890.  —  ^)  Moll,  Der  Kapport  in  der  Hypnose.  Schriften 
der  GMellsch.  fUr  p^ych.  Forsebnni!;.  Leipzig.  Abel,  1892,  Heft  H  4.  —  *)  Reichenbach, 
Ein  .schwerer  sciisiiiv  ^:olnuaul^>nI^;^  Krankheitsfall,  prhcilt  aussf hlicsslirli  niittrlst  ninfacher 
Anwendung  dertiodelxe  des  Ode.s,  horaus^geg.  niitbrsonderer  Herucksi.  ht isrung  der  .'^ugp<'ätions- 
lehre.  B>arbeitet  von  Dr.  Freib.  v.  Schren f  k - N  »tzing.  Leipzij;  1^9],  Al>ei.  —  "):>pitt;t, 
Di«'  S<  lil;if-  und  Tranmznstäiide  der  nienscLlichfU  i^cele  mit  liesioiiderf-r  Berücksichtigung  ihre.s 
Veriiuliiiisses  zu  den  psvcbischen  Alienationen.  2.  Aufl.,  Frcilmrg         !?iel>eck.  —  *)  Dessoir, 


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SUGGESTION. 


709 


Bililiographie  des  nicdernfn  Hyiinotismus.  Berlin  1*^88,  Dinicker;  hierzu  Erster  Nachtrag. 
Ebenda  18'Jo,  Duiu  ker.  —  t  r  ü  m  ji  e  1 1 ,  „Ueber  iVte  Entstehung  und  Heilung  von  Krank- 
heiten durch  Vorstellungen."  Rede  beim  Aalritt  des  Pron-c-torats.  Erlangen  181*2,  Junge.  — 
M  Rosenbach,  ,Ueber  {»ychiftdi«  Therapi«  innerer  Krankheiten."  (Suiiml.  klin.  Vortrüge.) 
Berlineir  Xlinik.  Berlin.  Jnlt  1890,  FimW.  —  *)  Sehmtdknnz,  Der  Hypnotismas  in  ge- 
nieinfusslicher  Darstellung.  Slutt};.irt  Is91,  Zimmer's  Verlag.  —  v.  K  ra  f  f  t- E  b i  n  g  .  Eino 
eTtperiirientelle  h^ludie  auf  dem  (iebiete  des  Hypnotismus.  nebst  Bemerknngrn  über  Suggestion 
un<l  Suggestionsiherapie.  Aufl.,  Stuttgart  1892,  Enke  —  Robert  Binswanger, 
Ueber  die  Erfulge  der  Sugge-stionstherapie.  Wiesbaden  1S9:2.  —  ")  Hecker,  Hypnose  und 
Suggestion  im  Dienflte  der  Heilkunde.  Wiesbaden  18SI3,  Bergmann.  —  ")  Grossmann,  Die 
Ertolge  der  Suggetitionstherapie  (Hypnose)  bei  Influenza.  Berlin  189;^.  Brieger.  —  '*)  Der- 
selbe, Die  Erfolge  der  SngKestionetherapie  (Hypnose)  bei  nichthysterischen  Lähmungen. 
Berlin  I9i*2.  Brieger.  —  **)  Hebold,  Untersochnngea  Ober  den  Hypnotiflmaa.  Allg.  Zeitaehr. 
fiir  Psych.  TOn  I.aehr.  XXIX,  H.-ft  1  u.  pag.  71  ff..  Berlin  J892,  Reimer.  —  R  i  t  z- 
ni  a  n  Q  ,  „Beiträge  zur  h\ juMiti.M'hen  Suggestiou.-stherapio  bei  Augeuleiden.''  ('(irrespondenzbl. 
für  Schweixer  Aerzti  Jahrg.  XX.  —  *')  Bornheim,  Neue  Studien  über  Hypnotismoa, 

Suggestion  und  Psychotherapie,  übers,  von  Sigm.  Freud.  Leipsig  und  Wien  1892,  Frans 
Dratike.  —  **)HakeTnke.  _6eF»t  and  KKrper."  Studien  nbnr  die  Wirkung  der  Einbildungs- 
kraft. Deutsch  vmii  Kiinitrl  J.  J(  :ia  I  ^^-^.  Fischer.  —  '  i.  J!  i  ii  .s  w a n g e  r ,  „Ueber  <lie  thera- 
peatiache  Verwerthuog  der  iiypno&e  in  Irrenanstalten."  Therap.  Monatsh.  Män  u.  April  IQdZ, 
Vertag  von  Springer.  —  **)TanBeden,  ^üelwr  ZwantnTnrBtetlnngfla.*  Bev.  de  l'hyptt.  4.  nnn., 
Juni  1^9  Nr.  12.  pag.  270  ff.  —  *•)  Voisin  ,  Rev.  de  l'hypn.  /{.  annee ,  ]ft-^9.  p;ig,  :^,55  und 
pag.  I.IO  tl.  und  4.  annee,  l>^t>0,  Nr.  8,  pag.  244.  —  '')  Burckhardt,  Mainou  i/i:  Sajitv  de 
Fii'tarf/ier,  exercice  de  J«*«/.  39.  rapport  annuel.  NeuchiUel  ISH^^,  Volfrath  &  Co.  —  '•')  ßri  and, 
Bev.  de  l'bypn.  4.  annie.  imi,  ür.  5,  pag.  139.  —  '«)  B«>^illo°>  '^id.  5.  annee.  Oct.  1890, 
Mr.  4.  —  '*)  V.  Kratft-Ebing,  Znr  Yerwerthnng  der  Suggestionstherapie  (üypnosc)  bei 
P^chosen  und  Neurosen.  Wiener  klin  Woehensf  hr,  1S9],  Nr.  4H.  —  '*)  Locojaiiü,  Annali 
di  nenrologia.  IX.  Jahrg  .  Fanc.  1.  —  Seglas,  Zeitschr.  für  Psych.  43,  Nr.  1  u.  2,  pag.  5.  — 
**)  Bnrot.  Rev.  deThypn.  I.Mai  1889.  —  **)  Ladame,  Ibid.  II.  5  n.  6.  —  Breuer 
und  Frend,  ^Ueler  den  psychi.sehtn  Mechanismus  hysterischer  Phänomene."  Neu rol.  Central- 
bbilt  von  Mendel.  1>!M,  Hi-tt  1  u.  2.  —  *')Binet.  Leu  alft'ratwn.s  lie  In  pfrsnnnaUU.  1892, 
pag.  243.  -  -  Delboeuf.  Le  wagnrtinne  animal.  Paria  1889.  —  Freud.  Ein  Fall 
von  bypnotiscier  Heilung,  nrbst  Bemerkungen  über  die  Entstehung  hysterischer  äymptomo 
durch  den  Gegenwillen.  Zeitaehr.  Ar  Hypn.  Berlin  1892,  Brieger,  Heft  3  n.  4.  —  ")  Schatse, 
Hypiii'ii^nius  in  der  Wasserheilanatalt.  Deutsche  Med. -Ztg.  2  Mai  ls92.  Nr.  35.  —  *-)  Mo  sing, 
Zur  Würdigung  der  Suggestivtherapie  Wiener  med.  Pre.sse.  18l'2,  Nr.  2.  —  H  i  t  z  i  g, 
Schlafattaquen    und    hypiioti.sehe  Suggestion.   Berliner  klin.  Wochetisehr.    1892,    Nr.  38.  -- 

Lloyd  Tuckey,  The  Value  of  iiypnotism  in  Chronic  Alcoholism.  London  1.SH2,  J.  A. 
Curshill :  rel.  von  Korel  in  Zeitschr.  für  Hypn.  1692,  Heft  3.  —  Mubiu.«,  Ueber  neuere 
elektriitherHpeuti-chc  Arlieiten.   Schniidt'.><  Juhrh.   der  ges.  Med.    C'CXXXVll,   pag.  65.  — 

Friedländer,  Ueber  die  Suggestionswirkungen  in  der  Elektrother^tpie,  Neurol.  Central* 
blatt.  1889,  I,  pair.  349-  — Elektrotherapentisehe  Streitfragen.  Heranagegeben 
von  Edinger,  Lanier,  .Asr-h  und  Knoblauch.  Wiesbaden,  Bergoiann.  — *')  Eulenburg,  Elektro- 
tliei;i[.ie  und  Suggcstiou.stlierapie.  Berliner  klin.  Wuchenselir.  1892,  Nr.  ."^  u.  9.  —  Delprat, 
I  eher  den  Wertii  der  elektrischen  Behandlungen  bei  Sehlafiähmnngen.  Weekbl.  v.  h.  Nederl. 
Tidschr.  V.  Geneesk.  12.  Nov.  XÖ9Ü,  II,  Nr.  2,0;  »ef.  in  Zeitschr.  für  Hypn.  1893.  Heft  -i.  — 
")  S  per  ling  (Pierson),  Elektrotherapie.  2.  Aull.,  Leipzig  IS93.  Abel,  pag.  223  ff.  —  ")  M  oll, 
Ist  die  Elektrotherapie  eine  wis.sen.'ctiafiliche  Heiliii<  tli<Mi.' ^  Berliner  Klinik.  Nov.  1.n9I, 
Fi«cher.  —  Benedikt,  Magnetotherapie  und  Suggei^tion.  Neurol.  Centralbl.  15.  März  1893, 
Nr.  6>  — '**)  Maiaalango,  Ueber  die  Injectionen  des  Brown-Sequard 'sehen  Testikolaaftea  und 
der  Constanten  Paul'sehen  Nervensubstanz,  ein  neues  Capitel  der  Suggestionstherapie.  Schmidt'.^ 
Jahrb.  19.  März  1893.  —  *')  G  o  m  er-.San  d  b  e  r  g ,  Apjilicutions  de  /'hi/pn.  tlans  l'tirt  den- 
tiiirr.  Rov.  de  l'hypn.  G.  annee,  Mai  lS!»2,  Nr.  11.  —  *-)  Benard,  O/jutruction  intestinaie 
(U  nature  hystirique  guirie  jmr  Sugge^ition  hypnotique.  Ibid.  6*  annee,  Juni  1893,  Mr.  12.  — 

Lemoine  et  Joiro.  Le  htfpnotismi  pur  de»  miroir»  rotoHf»  dans  le  traitement  dt 
Phjftterir.  Ibid.  Sept.  189)! ■  —  ")  B i- r i  1 1  o n ,  Le  trailimiiit  psifcfiotli/rnju  ti' ii/n'  li,  !,i  mor- 
phittonianie.  Ibid.  7.  ann6e,  Nov.  ls<)2,  Nr.  5  u.  ü;  v«  rgl.  ;iuih  .Marot,  Morphinoinanie  et 
tUffgestioH  ffu^ri-son  dutant  de  troi.s  ans  t  t  demie,  "Mi.  Fevr.  J893  —  *')  Du m  o n  t  pallier, 
Observation  de  chorte  t/writ  /lar  lu  therapeutique  auggeatice.  Ibid.  Dec  1''92.  —  '-')  G  ibert, 
Clior^e  jfui'rie  jxir  la  smiyrstiuti  u  Vi'tat  de  veiUe.  Ibid.  Dec.  1892.  —  •")  Voisin,  Traite- 
ment chun'iforme f  li/pi'mnnie .  i/in'ri.<on  pur  In  nui/ytstion  lii/pnotique.  Ibid.  Jan.  1>>93.  — 
^)  van  Bentergbein,  Troubles  de  la  tuenatruation  traiU'ejt  j>ar  la  «uggeation.  Ibid.  Sept. 
1892.  —  **)  Forel,  Snggestionslehre  nnd  Wissenschaft.  Zeit<>chr.  für  Uypnotismus,  Sugges- 
tionstherapie, Suggestioniiiehre  nnd  verwandte  psychologische  Forschungen,  redig.  von  Gr>>.s3- 
mann.  Berlin  1892,  Brieger,  Heltl^3.  —  W  e  1 1  e  rs  t  r  and .  Ueber  den  künstlich  ver- 
längerten Schlaf,  besonders  bei  Behandlung  der  Hy.sterie,  Epilepsie  und  Hysteroepilepsie. 
Zeitschr.  Irir  Hypn.  Is92,  Heft  1.  —  *')  van  Eeden,  QrnndxQg»  der  Psychotherapie.  Ebenda. 
1892,  Heft  2  u.'3.  —  G  roBsmann,  Suggestion  nnd  Miiehaecretion.  Ebenda.  1892.  Heft  2.  — 
**)  Sckols,  Casnistische  Mittheiluagen  ttber  änggestionatherapie.  Ebenda.  1692,  Heft  5  a.  6.  — 


710 


SUGGESTION.  —  SVPHILläTHERAPXE. 


de  Yonpr,  Die  SuggestiV.ilität  lifi  Mclanrliolio.  Ebenda.  1802,  Heft  5.  —  *')  v.  SehrcDck- 
Notsing,  Eine  Gebart  in  der  Hypnose.  Ebenda.  1892,  Heft  2.  —  ")  Tatzel,  Eine  Geburt 
)b  dar  Hypnose.  Ebenda.  1892,  Heft  7-  —  ")  Scbrenek-Notsing,  Df«  Soggastf rai- 
fkitnpie  bei  krankliaftfn  Er^chpinunpen  des  Geschlechtssinnes,  mit  besonderer  Berncksichtignng 
der  ooDtrftren  Sexualeiuitliudung.  Stutigart  1892.  Enke.  —  Derselbe,  Ueber  Saggestioa 
Qod  8ugge.stive  Zustände.  München  181)3,  Lehmann.  —  Derselbe,  Die  gerichtliche  Be* 
daatOBg  und  miwbiftiicliliche  Anwendniig  des  Hypnotiamn«.  Vortrag,  gelwlteii  in  der  psych. 
OcBaHseh.  am  14.  1889.  —  **)  Hflller,  HSbbHd,  t.  Sobranek-Notsing  a.  A., 
Handbnch  der  Neurasthßnie.  Leipzig  1893.  Vogel.  Vergl.  den  letzten  .Abschnitt;  T.  Schranck- 
Notsing,  Die  psychische  and  suggestive  Behandlung  der  Neurasthenie. 

Frrih.  S«hranek«Notsiag. 
SymphyseOtOniie,  a.  Beeken,  pacr.  88. 

SymphysemerrelsMng,  ibid.,  pag.  104  ff. 

Syphilis  des  Henmuskcls,  s.  Herzkrankheiten,  pag.  417. 

SypiliiiStiierapie.  So  mannigfaeh  in  vielen  Capiteln  der  Syphilis  der 

Widerstrelt  der  Meinungen  ist,  so  gelien  doch  in  keinem  die  Anachauung;en  der 
verBchit  dem'ti  Autoren  so  weit  ausoinander ,  wie  in  dcrajenigren,  we'ches  sich  mit 
der  Bebaudluug  der  iu  Rede  stoheudeu  Erkrankung  befaast.  Weder  Uber  den 
Zeitpunkt^  in  welehem  die  medieamentOae  Behandlung  einsetsen  soll,  Q«eh  welehes 
der  ^c^tn  die  Syphilis  Üblichen  Mittel  dabei  zunftelist  anzuwenden  fld,  ttoeh  Uber 
die  Dauer  der  Behandlung  selbst  ist  bisher  eine  von  allen  Aerzten  angenommenei 
gk'icbmä^isiee  Anschauung  erzielt  worden. 

Heine  Absiebt  ist  ea,  in  diesen  Zeilen,  aoweit  der  mir  gegönnte  Raum 
es  gestattet,  einen  kurxen  Abrisa  der  jetit  herraohenden  Ansehannng  Ober  die 
Behandlung'-  der  Sypbili.'«  zu  liefern,  dabei  aber  mit  ScbSrfe  den  von  mir  Beibat 
eiugeuoninienen  .*^t:indpnnkt  zu  betonen. 

Etneiu  jeden  Arzt  wird  sich  zunacht^t  immer  der  Wunsch  auiUräugen, 
eine  infcetiAse  Krankheit  flberhanpt  nicht  znm  Anabrueh  gelangen  an  lasaen, 
sondern  dieselbe,  wenn  möglich,  im  Keime  an  ersticken ,  d.  h.  wenn  irgend  Jemand 
sich  einer  Infection  welcher  Art  immer  ausgesetzt  hat.  durfh  therapeutisclie  Mass- 
nahmen irgend  welcher  Art  die  Entwicklung  des  Ivrankheitskeimes  in  dem 
betreffenden  mensehllelen  Kffrper  bintansuhalten.  In  Bezog  auf  Syphilis  haben 
rieh  alle  darauf  hinzielenden  Veranehe  bisher  als  ohnmächtig  erwiesen.  Das  Ein- 
zige, was  der  Arzt  zu  thun  verni.ng,  wenn  sich  Jemand  nach  einem  Coitit.-i  im- 
purii.i  «n  ihn  wendet  und  das  betreffende  Individuum  eine  Erosion  an  .seinen 
Geschleehtstheiku  «  der  nu  irgeod  einer  anderen  Körperstelle  darbietet,  an  welcher 
er  vermothet,  SypbiUsgift  aufgenommen  zu  haben,  ist,  dasa  der  Arzt  die  betreffende 
Stelle  mit  irgend  einem  Aetzmittel  in  ausgiebiger  Weise  zerstOrt.  Wenn  nach 
einer  derartigen  Aetzun;;  thatsächlicb  keine  Entwicklung  von  Syphilis  .stattfindet-, 
80  beweist  dies  aber  noch  immer  nicht,  da.sH  dies  die  Aetzung  erzielte,  weil  wir 
nicht  in  der  Lage  sind,  den  Beweis  za  erbringen,  dass  an  der  geätzten  Stelle 
thatslchlieh  Syphilisgift  aufgenommen  wurden  war.  IZa  ist  also  eine  derartige 
Aetzunfr  nicht-»  Anderes,  als  eine  Vorsielitsmassregel ,  für  deren  Werthschfitznug 
uns  jeder  Mass-stab  fehlt.  Wir  werden  dieselbe  jederzeit  aust Uhren  .  weil  sie  für 
den  unsere  Hilfe  Suchenden  keinerlei  Kachtbeil  mit  sich  bringt.  Ihr  einen  gros.-^cn 
Nutzen  zuzupehreib-  u,  werden  wir  aber,  da  uns  hierfür  alle  theoretisehen  Anhalts- 
punkte fehlen,  bei  gewissenhafter  Ueberleguug  wohl  kaum  in  der  Lage  sein. 

Wenn  wir  duri-h  Aualogiesrhillsse  eine  diesbezügliche  Anschauung  Olr 
die  Syphilisthcrapie  gewinnen  wollen,  so  werden  wir  durch  die  Versuche,  welche 
Uler  das  Rotzgift  und  die  Vaccine  vurliegen,  sagen  mflssen,  da«8,  wenn  thataleh- 
lich  an  irgend  einer  Ktim  rstelle  .^yphili  <rift  deponirt  wurde,  wir  nieht  darauf  rechnen 
dürfen,  durch  kurze  Z*  it  n.Hc!)  der  Inteeiin)i  vorL'enonin  ene  Aetzung  ein  günstiges 
Kesultat  in  Bezug  auf  die  Verhinderung  der  Entwicklung  der  Syphilis  zu  erzielen. 

Aetzungen  erodirter  Stellen  werden  am  zweekmilssigsten  mit  ao^'/oiger 
Lapisldsung  oder  20**  ois^  Carbolwasser  vorgenommen.  DieLOsuug  der  genannten 
PrSparate  dringt  tief  in  das  Gewebe  ein  und  wird  durch  eine  auf  diese  Weise 


8TPHILT8THERAPIB. 


711 


vorgenommene  Aetzung  kein  so  intensiver  Heiz  ausgeübt,  &U  mit  dem  Lapisstifte. 
Darob  Aetzung  mit  dem  Lapisstifte  wird  ein  nur  oberflächlicher  Sohorf  gesetzt, 
Hilter  welebem  ea  leMit  rar  Seoretverhaltong  kommt,  dtndi  welche  eiii  inten- 
siver Reiz  auf  die  benachbarten  Lymphknoten  gesetzt  wird  und  sind  Fälle 
bekannt,  wo  durch  eine  derartige  mit  dem  Lapi.astifto  uusirotdhrtc  Aetznnp:  dio 
Vereiterung  der  der  AetzungssteUe  benachbarten  Lymphknotou  bedingt  wurde.  Zu 
40r«ÜgeD  PrftventivitsaiigeB  liest  sieh  eiieh  geos  gut  du  Olabeiaen  venreaden. 

Eine  weitere  Fra^e  wäre  es  nun,  ob  es  nleht  gelingen  kOnnte,  wenn 
schon  die  erste  Erscheinunfi:  der  Syphilis  «n  einem  Individuum  zn  verzeichnen 
ist,  nämlich  wenn  ein  syphilitischer  Primäraßect  mit  Sicherheit  zu  diagno-stieiren 
iit,  dnrcb  die  AussebneiduDg  desselben  den  Anabnieh  der  AUgemeineraeheinungen 
der  Syphüis  blntansobelten.  üeber  diesen  Punkt  geben  nun  die  Aosehannngen 
der  verschiedenen  Schulen  und  der  versehiedenen  Aerzte  weit  auseinander.  Die 
Mehrzahl  der  Autoren  ist  aber  zur  Anschanunfr  gelangt,  da-^s  die  Ausschneidung 
des  syphilitischen  Primära ifectes  selbst  mit  den  dazugehörigen  indolenten,  multiplen, 
geschwelUen  Lymphknoten  nicht  im  Stande  ist,  den  Ansbrneb  der  allgemeinen 
Syphilis  hintanzuhalten. 

In  jflngsttT  Zeit  haben  I.  NKr>fAN'N  und  sein  Assistent  Kf tXRiEi»  nach- 
gewiesen, dass  das  Blut  von  Individuen,  welche  mit  einem  syphilitischen  Frimär- 
afKect  behillet  sind,  schon  eine  wesentliehe  Verringerung  dee  Himoglobingehaltes 
seigte,  wihrend  die  Anzahl  der  rotheii  Blutkörperchen  nicht  abgenommen  hatte. 
Diese  Thatsache,  sowie  die  Impfvprsuche  von  RÄRF.Nsi'inwr, .  F.  Herra  u.  A. 
beweisen  dass  der  sypliilitiscLe  Priniäraflect  der  erste  Ausdruck  der  syphilitischen 
Allgemeinerkrankung  ist  und  dass  daher  eine  Ausachneidung  dmelben,  sowie  der 
nflehatgelegenen  mnltipien  gesehwellten  LymphknotMi  nicht  im  Stande  sein  kann, 
irgend  elnmi  Ginfluss  auf  den  weiteren  Verlauf  zu  (Iben,  weil  zu  der  Zeit,  wo  wir  in  die 
Lage  kommen,  mit  Sicherheit  den  syphilitischen  Primilraftect  zu  diagnosticiren,  die 
gesammte  Blutiuasse  schon  erkrankt  ist.  Wurde  diese  Anschauung  aber  nicht  durch 
die  rntersQchnng  NBUVAXN'd  eine  nene  Sttttse  bekommen  haben,  so  wire  es  doeh 
schon  durch  die  Scctionsergebnissc  Fournier's  und  durcli  von  mir  und  Hokqvvitz 
ausgeführte  rntersuchungen  fiber  die  Lympljirt'ni-^-^e  der  Cionitalien  erwiesen,  dass 
zur  Zeit,  wo  wir  einen  syphilitischen  Primkratleot  mit  Sicherheit  diagnusticiren 
kAunen,  schon  Lymphknoten  im  Becken,  welche  für  den  operativen  Eingriff  nicht 
mehr  errdehbar  sind,  syphilitisch  erkrankt  sein  können,  so  dass  wir  nicht  mehr 
in  der  Lage  wären ,  durch  eine  Operation  das  Weiterschreiten  des  Syphilisgiftes 
hinfanzuhalten ,  wenn  wir  uns  auch  zu  der  unrichtigen  Anschauung  bekennen 
wtlrdnn,  dass  der  syphilitische  PriuiüruUtct  nur  eine  locale  Erscheinung  sei,  von 
welcher  ans  erst  das  Gift  weiter  in  den  Organismus  hineingesehleppt  wird. 

Wir  sehen  also,  dass  die  lJutersucliimgen  der  letzten  Jahre  uns  gelehrt 
ba^M-n,  dass  wir  eine  Priiventivbehandlung  der  Syphilis  durch  Ausschneidung  des 
Priraäratfectes  nicht  zu  Oben  in  der  Lage  sind. 

Ein  anderer  Weg  der  Prftventivbehandlung,  nämlich  die  Aufsaugung  des 
Giftes  durch  Injeetion  von  QnecksilberprAparaten  in  die  indolenten,  geschwellten 
Lymphknoten  oder  gar  durcli  Durditrcnnun^r  der  Lymphbahnen  hintanzuhalten,  hat 
sieh  gleichfalls  als  erfolglus  liewiesi?:!.  Man  hat  daher  seit  jeher  Verstiehc  gemacht, 
den  Ausbruch  der  Syphilis  dadurch  zu  verhitton,  dass  mau  sofort,  wie  der  sy  p  Li  i  Ii  tische 
Primiraffeet  dlagnosticirt  war,  Herenrialpräparate  verabreichte. 

Diese  Behandlung  nannte  man  die  Privwtivallgemeinbehandlung.  Leider 
erfreut  sich  dieselbe  auch  heutzutage  noch  einer  regen  Anhängerschaft. 

Aber  die  erfahrensten  Aerzte  auf  unserem  Specialgebiete,  wie  F.  üebba, 
H.  Zkissl,  SroatOND,  Bärkkspadno,  Diday,  Kaposi,  Nbüvaxn  und  Andere,  sind 
mit  Kntschicdenheit  gegen  diesen  Vorgang  zu  Felde  gezogen.  Sie  haben  nämlich 
mit  Recht  behauptet,  dass,  wenn  man  die  Syphilis  su  einer  Zeit  su  behandeln 


♦)  Wianer  klin.  Wodienschr.  i8H3,  Nr.  19. 


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712 


STPHIUSTHERAPIE. 


begittBe,  wo  dieselbe  noch  keine  ErscbeinuDgeu  an  der  Haut  oder  Schleimhaut 
hervorgenifeii  faal,  datB  draii  der  ganse  Veriaaf  der  Syphilis  ein  nnregelmässiger 
werde  und  data  die  Kranken  dann  Ton  viel  sehwereren  und  bartniokigeren  Br- 

s'cheinun?:«'!!  bcfalI<Mi  wrrdcii,  dass  Oberhaupt  die  Datier  der  Syphih's  eine  lüng^ere 
wird,  als  wie  wenn  man  mit  einer  All{;emeinhehati'ilunjr  erst  dann  beginnt,  wenn 
fiich  Allgemeioertjchcinangen  der  Syphilis  an  dem  Kranken  gezeigt  haben. 

loh  glavbe,  daae  die  nngOnatigen  kliniaehen  Brfahrani^  dasa  führen 
mllasen,  eine  medicamentOse  Prftventivnllj?eineinbebandIoog  anf  das  Entschiedenste  n 
verwerfen  ,  und  dass  wir  einzig  und  aUeiii  dann  die  Syphilis  zu  behandeln  anfanfjen 
werden,  wenn  dietselbe  bereits  Allgemeiuerscheinungen  am  Körper  hervurgerul'en  bat. 

Wir  werden  ans  daher  znnidist  darauf  heachrlnkenf  den  ««ypbilitisehen 
Primflraffect  rein  local  zu  behandeln,  wenn  es  nothwendi^  ist,  um  die  Reinigung 
des  zerfallenen  Primäraffeetes  leicht  vornehmen  zu  können,  die  Dorsalineision  oder 
die  ( 'irenracision  ausfuhren,  und  den  Primiirafteet  durch  Aufstreuen  von  Jodoform 
oder  Enrophen,  welches  letztere  sich  wegen  meiner  Geruchlusigkeit  als  sehr  gutes 
Ersatamittel  ftlr  das  Jodoform  erweist  ^  snr  Ueberhäatang  su  bringen  traebten. 
Nachdem  wir  das  Geschwür  mit  einem  der  j;eiiannten  Priparate  in  dünner 
Schichte  bestreut  haben,  lafSMcn  wir  über  dasselbe  ein  dflnnes,  in  2%  Carbol- 
wasäcr  getauchtes  Wattebäu^chchen  autlegen. 

Naehdeni  wir  uns  dahin  ausgesprochen  haben,  dass  die  PriTentivallgemein- 
behandlnng  der  Syphilis  zu  verwerfen  ist ,  wird  es  Mch  nun  darum  handeln ,  zu 
erörtern,  ob  man  die  nll^'cmein  gewordene  Syphilis  tiberhan[it  brliandfln  soll  ntid 
wenn  man  ^ie  Itehandelt .  in  welchem  Monientc  mit  der  ik-haudlnng  begouaeu 
werden  soll  und  mit  welchen  I'rüparaten  dieselbe  durchzufahren  sei? 

E«  «nterli^t  gar  keinem  Zweifel,  dass  eine  grosse  Ansahl  von  Syphilis* 
filllen  ohne  eine  Jedwede  Behandlung  zur  dauernden  Heilung  gebracht  werden 
kann.  Wir  wissen  aber,  dass  selbst  20  —  .'50  Jahre  nach  der  lufection,  es  mag 
nun  eine  medicauieutose  Behandlung  durchgeführt  worden  sein  oder  nicht,  doch 
noeh  Syphiliareeidive  anftreten  kOnnen.  Die  Erfahrung  6m  letiten  Jahnehnte, 
ieh  weise  nur  auf  die  Mittheilungen  von  Folrnikh  und  NbUUAKN  hin,  haben 
aber  gezeigt,  dass  gerade  solche  Individuen,  welche  einer  ausgiebigen  Fie- 
haudlung  zur  Zeit  ihrer  ersten  Sypbiliseruptinn  unterzogen  wurden ,  in  geringerer 
Ansahl  von  SpAtformen  der  Syphilis  befallen  werden,  als  solche  Individuen, 
welehe  crar  keiner  oder  einer  nngenflgenden  Bdiandlung  untersogen  wurden.  Dieee 
Thatsaehe  w*ird  uns  dazu  ffihren  nifh-^en,  mit  Entschi»  denheit  einen  jeden  Syphilis- 
krank*'n  einer  entspreidienden  Behandlung  zu  unterziehen.  lOs  wird  fieli  nur  darum 
handeln^  den  Zeitpunkt  zu  beätinimen,  iu  welchem  wir  mit  Medicauienten  ein- 
greifen sollen. 

Die  Erfahrung  liat  uns  und  zahlreiche  andere  Aente  gelehrt,  dass 

schwere  Erscheinungen  der  Syphilis  in  spittercr  Zeit  namentlich  an  solchen 
Kranken  aufzutreten  pdegeu,  bei  denen  die  ersten  Eruptionen  der  Syphilis  an 
der  Haut  und  an  der  Sebleimbaut  ausserordeutlieh  spirlieh  gewesen.  Es  wird 
dies  ein  Fingerseig  sein,  dass  wir  traebten  werden,  in  der  ertöten  Zeit  der 

Syphiliseru{)tion  atif  der  allgemeinen  Pcdrckung  und  anf  der  Sehleinihaut  der 
Entwicklung  der  Syphili^producle  kein  Hindernis^  durch  thcrapeulisehe  Eingritfe 
entgegenzustellen ,  sondern  das8  wir  eine  gewisse  Zeit  abwarten  werden,  bis  wir 
sehen,  dass  keine  neue  Erscheinung  an  den  genannten  KOrperstellen  au  Tage 
tritt,  sondern  vielmehr  die  schon  vorhandenen  sich  spontan  rückzubilden  anfangen. 
In  diesem  Monjcute  erst  wenien  wir  die  C^uecksilberlieliandhing  aufnehmen. 

Eine  Ausnahme  von  dieser  allgemeinen  Kegel  sind  wir  nur  verpdichtet 
dann  eintreten  an  lassen,  wenn  von  Seiten  hochwichtiger  Organe  an  unser  thera<> 
peutisches  Handeln  eine  Antorderun^'-  gestellt  wird,  d.  h.  wenn  während  den 
Eruptionsstadinms  der  Syphilis  hettiire  Kn[)fsi'hin<  r/t'ti  auftreten  oder  eine  Iritis 
spprifica  zu  Stande  kiüne,  so  würden  wir  sofort  zur  Application  von  t^u^ksilber- 
prüparaten  schreiten. 


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SYPRILISTBERAFfB. 


713 


Da  die  Kranken,  welche  der  Melirzahl  nach  die  i^ehwerwiefcende  Bedeutung 
der  Sypbiliserkrankun^  kennen,  schwer  dazuzubriogeo  sind,  durch  mehrere  Wochen, 
wenn  sie  schon  an  ihrem  Kftrper  einen  Avssehlag  sehen,  ohne  medieamentOse 
Behandlnng  sn  bleiben,  wird  en  sich  empfehlen,  schon  frOhieitig  JodprAparato  zu 
veral "reichen.  Dieselben  äussern  nämlich  einen  }?ünBti^en  Rinflnss  auf  die  Rück- 
bildung^ der  vorhandeneu  ErscheinuniL'en  und  habea  wir  una  durco  Hunderte  von 
Fällen  ttberxen^,  dass  die  Jodpräparate,  wenn  aneh  weit  lan^mer  als  wie  die 
Quecksilberpräparate,  doch  mit  präciser  Sicherheit  die  Ersoheinungen  der  Früh- 
peri<ide  der  Syphilis  zum  i^chwinden  bring^en.  Ich  verabreiche  daher,  wenn  die 
consecutiveii  l'-rscheiüuiif;eii  .schon  14  Ta^e  bis  3  Wochen  bestanden,  und  d^e 
Kranken  aut  eine  Behandlung  dringen,  Jodpräparate,  ht  unter  rein  expectativer 
Behandlung  oder  unter  Anwendung  von  Jodprtparaten  eine  Rflckbildnng  der 
Erscheinungen  zu  Stande  gekommen,  dann  halte  ich  es  an  der  Zeit,  die  Queck- 
»ilberjiräparatc  in  Wirksamkeit  treten  zu  lassen.  Durch  ein  derartiges  Abwarten 
erreichen  wir  für  den  Kranken  zwei  Vortheile.  Es  reicht  nämlich  eine  sehr 
geringe  llenge  von  Merenr  hin,  nm  die  noch  vorliandenen  Symptome  snm 
Sehwinden  zu  bringen,  und  ausserdem  nnd  wir  dann  in  der  Lage,  noch  längere 
Zeit,  nachdem  die  Krsi-heiniiniren  treschwunden  '^ind .  die  (jueeksilberpräparafe 
dem  Kranken  einzuverleiben.  Von  welcher  Wichtigkeit  dies  ist,  erhellt  wieder 
HU8  Untersuchungen  von  Nbuvann,  welcher  nachgewiesen  hat,  dass  selbst 
lange  Zeit  noeh,  naehdem  für  unser  Auge  die  Syphiliserscheinungen  an  einer 
Haufstelle  geschwunden  sind,  an  derselben  doch  das  Mikroskop  noch  ihr  einstiges 
Vorhandensein  nachzuwei^sen  in  der  Lage  ist,  und  Jedermann  wird  es  wohl  ein- 
leuchten, dass  es  von  Wichtigkeit  ist,  auch  die  letzten  Reste  der  von  der  Syphilis 
hervorgerufenen  Infiltrate  durch  eine  länger  dauernde  Behandlung  xum  Sehwinden 
zu  brin^ren.  Es  Wird  aber  sich  gewiss  zweckmässiger  erweisen,  eine  länger  dauernde 
I5eli:iTidIiiTis'  niit  (>necksi!l)f>r]>r;i[)araten  dadurch  zu  erreichen  ,  das.s  man  mit  der 
Anwendung  des  t^i^ecksilber»  möglichst  spät  beginnt,  als  dadurch,  dass  man  früh- 
zeitig Queelnilber  anwendet  und  es  dann  ohne  ünterbreehuug  lange  Zeit  fortgebrauchen 
läset.  Die  Erfahrung  lehrt  nämiieh.  dass  auoh  bei  syphilitischen  Individuen,  wenn 
man  Quecksilber  zu  lange  Zeit  anwendet .  die  Ernährung  derselben  unglJnstig 
beeiriflusst  wird.  I'-s  ist  daher  zweckmässicrer .  die  Behandlung  so  einzurichten, 
dass  man  die  Einwirkung  des  (Quecksilbers  auf  den  Organiemus  dadurch  ver- 
längert, dass  man  die  Behandlung  sn  einer  Zeit  einsetsen  läset,  in  der  die  Er- 
scheinun|?eM  von  selbst  schon  rückgängig  wurden.  Man  ist  dann  im  Stande,  viele 
Wochen  hindurch  nocfi  das  (^hici-ksilhcr  anzuwenden,  nachdem  die  Erscheinungen 
für  unser  Auge  geschwunden  sind,  und  so  noch  Krankheitsreste  zu  treffen,  welche 
wir  nur  durch  die  mikroskopisdie  Untersoehung  noeh  naehsuweisen  in  der  Lag« 
sind.  Wir  wirken  bei  solchem  Vorgehen  durch  lange  Zeit  auf  den  Organismus 
mit  unseren  Queck-^ilherpr-ipuraten  ein.  nachdem  «chnn  die  Erscheinungen  f(lr  unser 
Auge  ;rtschwunden  sind.  Hingegen  würden  wir  die  gleiche  Menjrc  des  Mercurs 
gebrauchen,  um  die  ErscheinuDgea  der  Syphilis  für  unser  Auge  zum  Schwinden 
zu  bringen,  wenn  wir  gleich  das  erste  Auftreten  derselben  mit  Queeksilberpräparaten 
bekämpfen  würden.  Wenn  wir  das  letztere  thäten,  so  hätten  wir  schon  40  oder 
mehr  Tage  das  Quci-ksilher  verabreicht,  und  wenn  wir  dann  die  Queckailber- 
behandlung  noch  weiter  fortsetzen  wollten,  so  würde  sich  gewiss  der  Organismus 
des  Individuums  in  der  Hehrzahl  der  Fälle  gegen  einen  weiteren  Gebrauch  des 
gleicllbn  Mittels  ablehnend  verhalten.  Durch  das  vou  nn<  ein<^eschla;rene  Vorgehen 
erzielen  wir  al^o  deit  irr^s'^en  Vortheil.  dass  wir  den  Kranken  zu  einer  Zeit,  wo 
die  Erscheinungen  der  Syphilis,  die  für  unser  Auge  noch  sichtbar  .sind,  schon 
schwanden,  noch  unter  der  Einwirkung  unseres  mäelitigsteu  Antisyphiliticums 
halten  können. 

Was  die  Frage  anlangt,  in  welcher  Form  man  das  Quecksilber  dem 

Körper  einverleiben  soll .  so  gehen  auch  hier  di«-  Meinunfren  noch  immer  aus- 
einander und  wird  namentlich  in  den  letzten  zehn  Jahren  von  einer  grossen  Anzahl 


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714 


STPBILISTHERAPIE. 


von  Aerzten  der  sabeutaneD  Injection  des  Quecksilbers  vor  der  Schraiercur  der 
Vorzug  Sieben.  Dass  die  Einreibuogdcar  voa  allea  BebaQdluog^methodea  mit 
Queokrilber  die  wirksamste  und  energisebeste  ist,  weldie  nicht  nur  doreh  ilire 
Einwirkung  auf  den  GesammtorgaDismus,  sondern  auch  «Is  ffrtliehes  Mittel  einen 
gflnstigen  Einiiuss  auf  den  syphilitiHch  erkrankten  Organismus  ausübt,  wird  allseitig 
anerkannt.  Eine  Moditication  der  Scbmiercur  bat  in  jQn^ster  Zeit  Welandbr 
angegeben.  Derselbe  lässt  nimlieh  6  Gramm  der  grauen  Quecksilbersalbe  mittelst 
eines  Spatela  in  der  gimehen  Ordnnng  wie  bw  der  Sebmierour  «vftragen,  hientnf 
wegen  der  Reinlichkeit  den  bestrichenen  Theil  mit  einem  Tuch  einwickeln  und 
d^a  Bett  aufsnchen.  Bei  Ta^  können  die  Kranken  berumo'eheti.  Wrlandse  sah 
von  dieser  Behandlung  in  ISd  Fällen  gute  Resultate  und  nie  Eczem. 

Desaen  iingenehtet  wurde  seit  jeher,  da  rieh  gewisse  Verhftltniese  ergeben 
können,  die  die  Ausfttbrung  einer  Sdimiercur  unmöglich  machen,  ein  Ersatz 
Klr  dieselbe  gre^neht  und  ein  solcher  in  subcutaner  Injection  löslicher  Queck- 
silberpräparate gefunden.  Diese  letzteren  sollten  nun  in  neuester  Zeit  durch 
die  Injection  unlöslicher  Quecksilberpräparate  ersetzt  werden  und  hat  »eh  mit 
Vortheil  die  Metbode  geltend  gemaehtf  die  lOtUdien  und  unMieliebon  Queeksilber* 
Präparate  nicht  mehr  subcutan,  sondern  intramusculär  zu  injiciren.  Nur  das  frraue 
Gel  von  Lang  wird  ohne  Naohtheil  für  den  Kranken  und  ohne  Abscessbildung 
zu  bedingen  subcutan  injicirt. 

Die  Injeetion  nnlOsUelier  Queeksitberpräparate  iat  tiiatsftehUeb  eine  braneh- 
bare  Methode,  hat  aber  den  Nachtheil,  dass,  wenn  sich  nach  einer  solchen  die 
nnanprpnehmcn  Xe])eneipTnsehaftcn  des  Quecksilbers,  wie  S.ilivation.  Diarrhoe  etc., 
bemerkbar  machen,  wir  es  nicht  in  der  liand  haben,  die  weitere  Aulsaugung  des 
Queckailben  Ten  dem  erzeugten  Queckailberdepot  aus  au  verbindero.  Wir  dnd 
dalier  niebft  in  der  Lage,  wenn  wir  irgend  ein  unlOsltehes  Qnecksilberpräparat 
intramusculftr  deponirt  haben,  die  beginnende  Salivation  oder  rjjnofivitis  zu  be- 
seitifren  oder  zu  mildem,  weil  von  dem  Quecksilhordepot  aus  immer  neue  Quanti- 
t.lteu  Quecksilbers  dem  Organismus  zugeführt  werden.  Das  einzige  .Mittel,  eine 
eingetretene  Queeksilbervergiftung  in  Folge  der  Anwendung  dines  nuKMiehen 
Quecksilberpräparates  zu  Inseitigen,  ist  die  Entfernung  desselbeu  durch  einen 
chirurgischen  Einprritf.  Wenn  »ueh,  wie  es  thats.'lelilidi  der  Fall  ist.  nur  bei  e'nem 
verschwindend  kleineu  Percentsatze  von  mit  uuiüslichen  Präparaten  behandelten 
Kranken  sieb  derartige  unangenehme  Ereignisse  einstellen  werden ,  so  ist  selbst 
der  geringste  Percentsatz  genügend,  um  den  Arzt  zu  yeranlaseen,  nur  seilen 
diese  Methode  der  {>tieeksilberverabreiehitii;r  in  Anwendung  zu  ziehen,  um^omehr. 
als  diese  Methode  die  einzige  ist,  bei  welcher  in  der  nioderneu  Zeit  <»ogar  mit 
Tod  endende  Quecksilbervergiftungen  zur  Beobachtung  kamen. 

Wenn  man  daher  das  Quecksilber  subcutan  injiciren  will,  so  wird  es 
sich  immer  empfehlen ,  sich  der  löslichen  Präparate  zu  liedienen.  Nur  werden 
wir  jetzt  eine  grossere  Dosirung.  als  wie  sie  zunftehst  von  F.  HBBBA  und  LRWIN 
empfohlen  wurde,  in  Anwendung  ziehen. 

Lassar,  Hobotitz  und  Lükasiewicz  haben  in  einer  grosseren  Beob- 
aehtungsreihe  0'03 — 0  0.')  Grm.  injicirt.  Nach  meiner  eigenen  Erf/thrung  kann 
ieli  lte«trUigen,  dass  ich  in  solrlu-n  Füllen ,  wo  ich  mich  dieser  Applicationsweise 
bedieute,  ohne  Nachtlieil  fiir  dtii  Kranken  günstige  Resultate  erzielte.  Ich  glaube 
aber,  dass,  da  wir  im  Vorhinein  nicht  wissen  können,  welches  Quantum  eines  Queck* 
silberpriparates  von  einem  bestimmten  Kranken  ohne  Nacbtheil  vertragen  ^ird, 
wir  nicht  gleich  mit  einer  so  grossen  Dosis  von  O  OH  oder  gar  (>  0")  Grm.  beginnen 
SoHen.  sondern  halte  ich  es  fflr  zweekniässigcr,  zuerst  mit  0-( r_>  Grm.  zu  beginneu 
und  wenn  diese  D(*siä  gut  vertragen  nurdo,  in  entsprechenden  Zeiträumen  von 
3  bis  4  und  8  Tagen  endlich  bis  zur  vollen  Dosis  von  (>'05  Grm.  hinaufzugehen. 
HoKoviTZ  hat.  was  ich  ebenfalls  bestätigen  kann,  einen  kleinen  Zusatz  von  abso- 
lutem Alkohol  zur  SnMimatlosiinir  zweck m.'lssiger  als  wie  den  Zusatz  von  1\nf)\. 
»alz  gefunden  und  sind  thatsitchlich   die  Sublimatinjectiouen  mit  einem  Alkohol- 


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SYPBILISTHERAPIE. 


715 


Zusatz  weniger  schmerzhaft,  als  wie  wenn  wir  dem  Sublimat  Chloraatrium  zusetzen. 
Zu  diesem  Zwecke  verschreibt  man  :  Sublim,  corronv,  0*20 — 0*60 ,  Spirü.  vin. 
rectißc.  2  oO,  Aq.  fönt,  dest.  10  0, 

Derartige  hoebpeveentige  SibümatUtannfen  btben  den  Vortheil,  dase  bmb 
gleich  wie  bei  den  unlöslichen  Quecksilberpräparalen  nur  eine  geringe  Anzahl 
von  Injectionen  zn  mschen  braucht.  Wenn  aber  einmal  die  Aufsaugfun^  dieses 
Quecksilberquantums  erfolgt  ist,  so  wird,  wenn  man  nicht  neuerlich  einspritzt, 
kein  nenea  Quantum  aufgesaugt  werden  kSaneit  nnd  so  werden  die  etwa  ent- 
standenen unangenehmen  Erseheinnogen  der  Qneeksflberintozieation  rieh  nieht 
steigern  kOnnen. 

Sollte  ein  Individuum  aus  äusseren  Grtlnden  oder  wegen  zur  Eezem- 
bildung  geneigter  Haut  die  Sehmiercur  nicht  ausführen  können,  oder  wegen  einer 
boehgradigen  EmpfindUehkeit  flBr  eine  Injeetionstberapie  nicht  geeignet  sein,  seine 
Verdauungsverkseuge  aber  sich  als  intact  und  tolerant  erweisen,  so  kann  in  ein- 
seinen FflUen  die  innerliche  Medication  in  ihre  Rechte  treten. 

Als  allgemeine  Anhaltspunkte  Hessen  sich  für  die  verschiedeneu  Applica- 
ttonsmethoden  des  Qneeksilbers  folgende  Kegeln  snsammenstellen :  Wo  sie  aas- 
fnhrbar  ist,  namentlich  wo  sie  von  «nem  gesehuiten  Wirter  durchgeffihrt  werden 
kann,  verdient  die  Kinreibiinfrscnr  wegen  ihrer  raschen,  sicheren  Wirksamkeit 
und  wegen  ihrer  localcn  Einwirkung  auf  syphilitische  Ettiorescenzen  vor  allen 
anderen  Methoden  den  Vorzug.  Namentlich  Ausgezeichnetes  pflegt  die  Einreibungscur 
bei  lange  bestehenden,  die  Zongen-  od«r  Wangeosdbieimbaat  betreffenden  syphi- 
litischen Erkrankungen  zu  leisten ,  mögen  dieselben  der  Frllh-  oder  Spätperiode 
der  Syphilis  angehören.  Oft  nah  ich,  und  auch  Folunif.r  macht  darauf  auf- 
merksam, dass  solche  Kranke,  welche  vergeblich  durch  Jahre  hindurch  wegen 
der  beseiebneten  Affeetionen  ^ner  Queeksilberpilleneur  oder  einer  IigeeHonsenr 
unterzogen  worden  waren,  unter  der  Einrttbnogsenr  von  diesen  sie  äusserst 
belästigenden  Ersrheinungen  befreit  wurden. 

Wo  die  Einreibungscur  sich  nicht  durchführen  lässt  oder  die  an  sie 
gestellten  Erwartungen  nicht  erfallt,  wie  es  namentlioh  zuweiien  liei  Affeetionen 
des  Oentralnervensystems  der  Fall  ist,  da  treten  die  snbentanen  Injectionen  nait 
lösliehen  Quecksilberprflparaten  in  ihre  Korbte ,  und  kann  ich  nur  die  Ansicht, 
welche  RKXKr>l("T  mir  ircgcnUber  mfindlicb  vertreten  hat ,  bestätigen  und  einer 
diesbezüglichen  Mittliciluug  von  iloBOVixz  ivecht  geben,  dass  in  einzelnen  Fällen 
▼on  Odiirosyphilis  die  Injeetionsmethode  sur  raschen  Heilang  führte,  während 
eine  voransgegangcne  zweckmässige  und  schulgerecht  durcbgefflhrte  Sehmiercur 
ein  negatives  Resultat  lieferte.  Was  die  Trsache  hierfür  sein  mag,  dass,  wie 
durch  die  Harnanalyse  in  einem  Falle  von  UoBüViTZ  nachgewiesen  wurde,  das 
Queeksilber  von  der  allgcmdnen  Bedeckung  nidit  reewbirt  wird,  entzieht  ridi  bis 
jetit  Tollständig  nniierer  Reortbeilnng.  Man  kann  nur  die  diesbesflgliehen  klinisehen 
Thatsaehcn  feststellen. 

Fdr  ie'eiitere  Fillle  und  namenilieh  dann,  wenn  der  Kranke  nieht  unter 
coQtinuii lieber  Aufsicht  des  Arztes  sein  kann,  empfiehlt  sieb  die  innerliche  Be- 
bandlong  mit  Quecksilberprflparaten.  Besonders  Günstiges  pflegen  die  Quecksilber* 
prüparate,  inneriidi  verabreiclit,  bei  AtlVi-ticnen  des  Larynx  zu  leisten,  nnd  zwar 
ist  es  hierbei  angezeigt,  Calouu  I  in  Pulverlorm  in  entsprechender  Dosis  zu  appli- 
cirtn.  Sonst  ziehe  ich  es  vor,  0  04 — O'Oö  Grm.  Frotoj'oduretum  hydraryyri  im 
Vo-laufe  eines  Tages  in  Pillenform  zn  verabreiehen. 

Gute  Resultate  kann  man  durch  Einwicklung  mit  grauem  Queeksilber- 
pflastor,  hei  welclier  ja  ebenfalls  ^'rrwpc  Quantit.Htcn  (Quecksilbers  in  den  Körper 
aufgenommen  wrden.  erzielen.  Nel)enhei  mag  hier  noch  das  CalomelpHaster  von 
QuiNqUAUD  erwühnt  sein,  wulchcs  in  einem  handgrossen  StUcke  auf  die  Milzgegend 
appHeirt  wird. 

'^elb-itverst.'iiidlich  wird  m.in  bei  allen  Allgemeinbehandlungen  auch  noch 
auf  die  iocaie  Behandlung  der  einzelnen  syphilitiseben  Erscheinungen  Rfleksicht 


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716 


-Vriiil.L^TÜtKAFiE. 


Debmen.  Wir  werden  daher  Papeln  ad  aymm  mit  der  vou  Zkissl  modificirtcn 
LABAKA^UE  scben  Pasta  oder  mit  grauem  Püaster  zur  Abtrocknung,  L'eberbäutung 
und  VerUdneruDg  zu  bringen  traehti».  Zerfalleiide  Papeln  oder  epitheliale  Trfl- 
bnngren  an  der  Zange  werden  wir  durch  Besprayen  mit  Jodoformätber ,  womit 
ich  sehr  >rufe  Resultate  erziele,  zu  beseitipren  trachten.  Da  der  .lodoformfltber 
wehren  teines  (kTtiches  für  Kranke  sehr  unanircnehni  ist.  so  werden  wir.  sol»ald 
der  gewünschte  EÖ'ect  erzielt  ist,  die  betreticaden  Stelleu  eutweder  mit  Lapid  iu 
Snbstana  oder  mit  gleichen  Theilen  Jodtinetar  und  Olyeerin  oder  Jodglycerin 
behandeln  Papeln  «u  der  Hoblhand  nnd  an  der  Fusssohle  Warden  wir  durch 
macerirende  Bäder  und  Application  von  grauem  Pflaster  einer  rascheren  Resorp- 
tion zazufUhreu  trachten. 

Qneeksilberränebwnngen  haben  heate  wohl  vollständig  als  Heilmittel  iliro 
Gdtnng  verloren  nnd  nur  ausnahmsweise  wird  man  das  Quecksilber  in  Form  von 
Soppositorien  dem  Kr^rper  einzuverleiben  trachten. 

fileirlizcitiir  mit  den  «^rwilhnten  t,|ueck.silbcreureu  wird  man  ,  wenn  nicht 
das  (^ueeksiU-er  durch  den  Verdauuugstract  einverleibt  wird,  Jodpräparate  ver- 
abreichen. Von  diesen  wurden  in  neuerer  Zeit  Jodol  und  Europhen  empfohlen. 
Die  mit  Europhen  bebandelten  Fülle  sind  aber  no^  nicht  zahlreich  <:renu«:,  um 
zu  einem  absehlies'jenden  Urtheil  gelanfjen  zu  kfinnen.  Jndol  hat  Hieli  liishi^r  fiir 
die  Allgemeinbehandlung  der  Syphilis  nicht  einzubürgern  vermocht;  da^  Jodo- 
form, innerlich  augewendet,  bei  luetischen  Neuralgien  Gutes  geleistet.  Nbcvann 
hat  es  in  Oelemulsion  mit  gutem  Erfid^  ^e^ren  die  allgemeinen  Kr.scheinunsen  der 
Sypliilis  ang-ewendet.  al)er  aiieli  in  die-er  F<trm  bat  es  bisher  sich  keinen  stin- 
digen  Platz  unter  den  Antisyphilitieis  erworben. 

Es  wird  jetzt  au  uns  die  Frage  herantreten,  wie  lange  eine  Behandlung 
der  Syphilis  dnrehgeftthrt  werden  soll,  d.  h.  wir  werden  uns  die  Frage  vorlegen 
mdssen :  sollen  wir  nur  die  jeweili^ren  Symptome  behandeln  oder  sollen  wir  aueh 
während  der  reeidivtreien  Zeit  deni  Kranken  Antisypbilitiea  verabreichen? 

Während  vou  den  meisten  Vertretern  der  Wiener  Schule  die  »ympto- 
matisehe  Behandlung  der  Syphilis  empfohlen  wird,  haben  Fot-bnikr.  Nbissbe  nnd 
Andere  die  chronische  intermittirende .  d.h.  durch  Jahre  hindurdi  fortgesetxto 
Bohandluufr  der  .'^yiiliiliskrankcn  ^'■elclirt  und  hat  diese  Lelire  zahlreiche  Anhflnger 
fretunden.  Den  einmal  mit  Sypiiilis  inlicirten  .Menscbeo  wird  bei  dieser  chronischen 
Behandlung  der  Syphilis  durch  Jahre  hindurch  mit  kurzen  Unterbrechungen  der 
Cur  abwechselnd  Quecksilber  und  Jod  verabreicht,  ob  sieh  nach  dem  Sehwinden 
der  ersten  All^emeinerscheinungen  Recidive  gezeigt  haben  oder  nicht.  Während 
FoURXiKR  eine  Bchandlungsdauer  von  3 — 4  Jahren  urgirt,  verlangte  MAUTixKAr 
eine  5  Jahre  dauernde  und  trat  Dkms  Dl'MONT  endlich  für  eine  unbegrenzte 
Fortdauer  der  Behandlung  der  Syphilis  ein. 

Wenn  es  auch  zur  GenOgc  bekannt  ist,  dass  bei  einer  rein  sympto 
matiächen  Bebundhin^'-  der  Syphilis  Rccidivcri  sehr  häufi;r  vorkommen ,  so  siud 
doch  bis  jetzt  mit  der  chronischen  iutermittireudeu  Behandlung  der  Syphilis  in 
dieser  Richtung  keine  besseren  Resultate  erzielt  worden.  Mir  selbst  ist  eine 
Reihe  von  Kranken  im  Laufe  der  Jahre  cur  Beobachtung  gekommen,  an  welchra, 
trotzdem  sie  5  und  C  Jahre  oontinuirlich  behandelt  wurden ,  dennoch  die 
schwersten  Erscheinun<rcn  der  Syphill'^  auttraten.  Ich  imh.  dass  von  einem  5  Jahre 
behandelten  Manue  seine  Frau  inticirt  wurde  und  dass  eiu  0  Jahre  behandelter 
Mann  endlich  seiner  Gehirnsyphilis  erlag.  Mit  Recht  haben  sieh  Syphilidologen 
von  so  grosser  Erfahrung  wie  SkjmüND,  Diday,  KAPOSI,  Caspary  u.  A.  gegen 
die  chronische  Bebandlunfrsniethode  ausircsprodien  nnd  bc(i«tit .  dass  ein  soiehe« 
Vorgehen  unuöthig  und  in  physLsuher  Beziehung  schüdlieh  sei. 

Die  bisher  bekannt  gewordenen  Resultate  dieser  Behandlungsmethode 
mttssen  entschieden  gegen  dieselbe  einnehmen.    Kaposi"')  meint  mit  Recht,  dass 


•)  Patbuiogiu  uud  Tlierapi«  der  Sypbilis.  .Sliiugart  i^^l,  pag.  4l»3- 


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STPHIU8THEBAPIE. 


717 


die  „horrend  grosse  Zahl  von  syphilitiBdien  Gehirn-  und  Nervenkrankheiten, 

welche  nach  Focrmkr's  Angaben  in  Frankreich  vorkommen,  wo  die  protrahirte 
I^rhandliin^  vielfach  üblich,  und  nach  seinen  Erfahrnnnren  in  den  Lflndern ,  in 
welchcu  nicht  vun  vornherein  systematische  lounctions-  und  Inject iouscuren 
beliebt  sind,  nondem  dilatatorisehe  Intembehandlnngen,  Anlaas  gehen,  darüber 
nachzudenken,  ob  nicht  bdde  diese  Momente  als  Ursaehe  dieser  aaffallenden 
Thatsache  zu  beschulditsen  wären". 

Da  es  nun  bekannt  i>it ,  dass ,  wenn  auch  durcli  citu'  antisyphilitische 
behaudluug  die  Symptome  der  Lues  zum  Schwinden  gebracht  werden,  die  Bvpbi- 
litisebe  Diathe«e  des  betreffenden  Kranken  doch  in  der  Rei^l  nieht  getilgt  ist. 
so  lasse  ich ,  wenn  schon  alle  Symptome  der  Syphilis  geschwunden  sind .  noch 
l.tnjrere  Zeit  Joilprilparate  frcbrauchen.  In  der  Refrei  lasse  ich  die  Jodbehandlung 
6  W<u'hen  ,  lüuu'^tens  ein  Jahr  fortsetzen,  wenn  keine  ueuen  Erscheinungen  der 
Syphilis  aul treten.  Kommen  aber  solche  zu  Tage,  so  wende  ich  zunftcbst  Jod 
weiter  an,  und  wenn  die  Symptome  an  langsam  oder  gar  nicht  fehwinden,  greife 
ieh  wieder  auf  Mercur  zurflck ,  wende  ihn  aber  in  möglichst  geringer  Quantitit 
an.  Haben  Kranke,  wie  dies  vorzukommen  pflegt,  zu  (^huu-ksilberpräparaten  ein 
grosses  Vortrauen,  »o  kann  man  sie  wahrend  dieses  halben  oder  ganzen  Jahres, 
wenn  aneb  keine  neuen  manifesten  Symptome  der  Syphilis  auftraten,  wenn  sie  sonst 
krAftig  und  gesund  sind,  ausnahmsweise  einen  Cyclus  von  10 — 12  Einrwbttngen 
machen  lassen.  Es  ist  ja  durch  Versuche  von  F.  Hkt^ra  und  H.  Zktsst-  genflgend 
bekannt  geworden,  dass  von  gesunden  Individuen  Quecksilbereinrcibaagen  in 
grö.sserer  Anzahl  ohne  Nachtheil  vertragen  werden  können. 

Idi  bin  bisher  mit  den  naeh  der  geschilderten  B^andlnngtmelhode  et- 
sidtea  Resultaten  zufrieden ,  und  hat  der  lange  fortgesetste  Gebrauch  der  Jod- 

pripsrate  den  Kranken  bisher  nie  geschadet. 

Was  den  Ans.fcprueh  Foiknikr's  und  anderer  Autoren  anlangt,  dass 
schwere  Erkrankungen  des  Centrainerveosystems  am  häufigsten  bei  gar  nicht  oder 
nnsnlinglieb  behandelter  Syphilis  bpobacbtet  werden,  man  ich  demselben  ent- 
gegnen ,  dass  ieh  leider  auch  }m  Kranken ,  die  sdir  energiseh  und  Sfhr  lange 
behandelt  wurden,  doch  derartige  Erscheinungen  der  Syphilis  auftreten  sah. 

man  weiss .  dass  unmittelbar  nacb  dem  ScIiwind^n  der  Syphilis- 
symptonie  nicht  auch  schon  die  syphilitische  Diathcse  beseitijrt  ist,  wird  man 
lebhaft  wUnnchen  mttssen,  die  Behandlung  der  Syphilis  auf  längere  Zeit  auszu- 
dehnen, als  bidicr  im  Allgemeinen  flblieh  war.  Und  dies  erreicht  man  dadureb, 
dass  man  die  Naturheilung  nfltzt ,  nnd  nachdem  diese  f:chon  Erspriessliches 
geleistet .  erst  auf  die  niedic^imentr.se  Behandlung  übergeht.  Selbstverständlich 
können  bei  einer  ein  halbes  oder  ein  ganze«  Jahr  fortgesetzten  antiluetiscbeu 
Behandlung  die  Mercurprftparate  nur  eine  untergeordnete  Rolle  spielen.  Anti* 
syphilitica  i)berhan])t,  im  Besonderen  aber  Quecksilberprllparate  ohne  veranlassende 
Ursache  durch  Jahre  zu  veralireieben ,  also  einen  nur  vermutheten  Feind  gans 
nnnötbig  bekftmpten  ■ —  nuiss  als  naehtheilig  bezeichnet  werden. 

Wichtig  ist  es  zu  entscheiden,  ob  ein  Mensch,  der  mit  Syphilis  iulieirt  war  und 
von  Erscheinungen  frei  ist,  heiraten  darf  oder  nicht  In  dieser  Resiehung  besitzen 
wir  leider  keinen  einzigen  Anhaltspunkt,  welcher  uns  mit  Sicherheit  erkennen 
Hesse.  d.is>  ein  Individuum  dauernd  v(»n  seiner  Syphilis  befreit  sei:  nur  lehrte 
die  Erfahrung ,  dass  in  der  Hegel  ein  mit  Syphilis  infieirtes  Individuum,  wenn 
dasselbe  durch  ein  Jahr  frei  von  alten  Erscheinungen  der  Syphilis  geblieben  ist, 
fnr  immer  von  seiner  Krankheit  befreit  zu  sein  pflegt.  Man  kann  daher,  wenn 
eine  zweijährige,  von  Reddiven  freie  Zeit  verflossen  Ist,  dem  Syphilitischen  die 
Heirat  gestatten.  Vor  der  Heirat  mag  man  den  von  Didav  geiibten  Cebraneb. 
eine  Schmiercur  zur  grö-sseren  Sicherheit  durchführen  zu  lassen ,  beobachten ,  da 
wir  wissen,  dass  eine  rationell  geleitete  Sehmiereur  einem  Gesunden  keinerlei 
Kachtheil  bringt,  und  weil,  wenn  die  Syphilis  nur  latent  wäre,  das  „Symptom^, 


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718 


STFHIUSTHERAPIE. 


wi«  tkik  JHday  anidrfleki,  toradittr  typUHtisdw  Kinder  m  teogen,  dnroh  die«« 
Sdunierour  getilgt  werden  kann.  Hat  ein  Syphilitischer  Ieicht8iuniß:er  Weise  frflh- 
zeitig  eine  Ehe  eingegangen  und  seine  Frau  inücirt  und  geschwängert,  so  wird 
es  sich  während  der  Schwangerschaft  der  Frau  empfehlen,  dieselbe  einer  energi- 
edien BdiandluDg  mit  Queckdlber  nnd  Jodpräparaton  in  nnteniehen.  Eb  vird 
dann  in  vielen  Fällen  gnlingnn,  uieht  nUein  während  der  Sehwnngnrsehaft  schon 
die  Frau  von  Erscheinungen  der  Syphilis  zu  befreien,  sondern  man  wird  aueh  in  einer 
grossen  Anzahl  von  Fällen  ein  lebendiges  und  von  Syphilis  freies.  Kind  zur  Welt 
kommen  sehen.  Hnt  die  Gattin  eines  syphilitischen  Hannes  ein  syphilitisehea  Kind 
gelKwen  oder  «boitirt)  eo  wird  ee  sieh  bei  der  niehsten  Sohwangersefanft  empfehleii, 
die  Frau  selbst  dann  einer  energischen  Cur  zu  unterziehen ,  wenn  keine  Erschd- 
nungen  der  Syphilis  an  ihr  zu  beobachten  waren.  Bemerkt  mag  werden,  dass  die 
Erscheinungen  der  Syphilis,  namentlich  der  syphilitische  Primäraäect,  selbst  bei 
einer  ener^sdiem  natiqrphUitiselieii  Gar  an  sehwaaKeren  Wdbem  deh  langsamer 
nirflekbilden,  t.  Zeisal. 


T. 

Tachykardie,  ä.  Herzkrankheiten,  pag.  417. 

Tannin,  8.  A  n  t  i  d  0 1  a,  pag.  17  ;  Darminfusion  bei  Cholera,  pag.  Iö2|  186. 

Taschenbesteck  verb  a  n  d  t  .i  f<  e  h  e  n\  Das  Ta8cheu)ie«teek  ,  so  wie 
es,  ohne  wegeatliche  Aenderung,  nahezu  Jahrhunderte  hindurch  dem  praktischen 
Ant  als  Yademeeam  gedieot  luitte,  «ntq^bt  ebensoweniir  irie  setn  taSuM  Ikn. 
Anforderungen  der  neueren  Chinir^e,  nnd  beide,  Tasche  wie  Inhalt,  wurden  det- 
halb  durchgreifenden  Umwandlungen  unterworfen,  die  indessen  einen  allseitig  voll- 
kommen befriedigenden  Abschluss  noch  nicht  erreicht  haben. 

Die  von  aitersher  gebräuchlichen  Mesiier  und  Bistouri  mit  Holz- 
griffen und  Honuebalenf  mit  ibren  Eeken,  Winkeln,  8|Hilten  und  BMiUgkeiten 
machten  auch  bei  grOsster  Sorgfalt  ein  Reinigen  im  ebirn^schen  Sinne ,  d.  h. 
ein  Keim(reiniaeben,  nnmöglich.    Es  kam  darauf  an,  sie  —  wie  überhaupt  alle 

chirurgischen  Instrumente  —  möglichst  einfach  zu  ge- 
stalten, alle  nnnfltsen  Verxiemngen  wegzulassen ,  alle 
winkeligen  VerÜeAmgen,  sowie  alle  feinen  SiMlten  nnd 
blinden  Enden  zu  meiden,  ihnen  glatte,  ab^irernndete 
Flächen  zu  geben  und,  wo  es  anging,  die  Inätrumente 
aus  einem  einzigen  StUck  fertigen  zn  lassen.  Zuerst 
bemfibte  man  sieb,  die  Messer  der  Anti«,  besiebnngswMse 
Aseptik  anzupasst  n  und  in  entsprechender  Weise  um- 
7.u}<ndern.  Mac  Ewf.N'  machte  mit  den  Vollheften  den 
Anfang;  Esmarch  führte  sie  1880  in  Deutschland  ein; 
Nbdbbr  1)  flbertrng  das  Prineip  auf  alle  Instrumente,  und 
bald  schlössen  sieb  Chirurgen  und  Instmmentenmaeher 
die.seu  Bestrebungen  an.  Man  stellte  die  Messer  an?  einem 
StUck  her  und  versah  die  Hefte  mit  Längsriuuen,  welche 
ein  sicheres  Halten  der  Instrumente  ermöglichen  und  gleich- 
zeitig das  Gewicht  derselben  verringern.  Wird  das  Skalpell 
nicht  aus  einem  Stück  gefertigt ,  dann  muss  die  EJinge 
hart  in  den  metallenen  Gritl"  einfrelnthot  werden. 

Das  vom  Skalpell  Gesagte  gilt  in  noch  höherem 
Grade  vom  Bistonri.  Ein  naeb  Art  der  Tasebenmeaser 
xuaammenklappbares  Instrument  gestattet  eine  genügende 
Desinfectinii  überhaupt  nicht,  und  ebeusowenig  l.lsst  sich 
der  Kaum  zwischen  den  Schalen  mechanisch  sicher  reiuigeu 
amui !.  skaii  tii«  Wie  «ie  gder  trookuen.  Es  kam  darauf  an,  dem  Bistonri  metallene 

Schwalbe  in  Petersburg  ,  _    ,      ^       '  .  .  , 

lieiKt;  e  Skalpell  naefi  Griffe  ZU  geben  und  das  Ganze  so  einzurichten,  daas 

^'  einerseits  die  Kliii;re  vom  Griff  nnd  andererseits^  die  beiden 

Schalen  des  Griries  mit  Lcichtifrkeit  von  einander  getrennt  und  wieder  zusammen- 
gefügt werden  konnten.  Die  Zerlegbarkeit  des  Instrumentes  in  seine  Theile  und 
der  Stofl^  aus  dem  sie  gefertigt,  mnsste  eine  sieben  Desinfeetion  —  Kochen  in 


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720 


TASCHEMBESTBCK. 


lYoigor  SodalOrang  — ,  ein  grlUidlielieB  Troekenreiben  und  damit  Sebots  vor  Roet 

gewähret).  Gelang  es  weiter,  den  GrilT  so  einzurichten.  er  das  Einsetzen 

verschiedener  Klinfrcn  gestattetf ,  ohne  den  festen  Halt  der  Klinge  zu  beein- 
trächtigen, dann  konnte  das  Uistuuri  das  Skalpell  ersetzen  und  bot  zudem  den 
Vortheil,  dasa  die  eingesetsten  Klingen  beim  Niehtgebraoeb,  sumal  beim  Transport, 
gwebtttst  Bind. 

Aerztc  und  Fabrikanten  liribt'ri  sieb  Itenidlit.  diese  Auf;ra)te  in  (Iberaus 
mannigfacher  Weise,  mehr  oder  weniger  volikummen,  zu  losen,  und  ao  gro&a  ist  die 
Zahl  der  in  den  letzten  Jahren  auf  den  Harkt  gebrachten  „aseptischen^  Bistouris, 
dase  eine  BeBebreibvng  aller  nnmOgUeb  bt.  Die  Vorfttlming  weniger  Beispiele  mag 
daher  geniigen. 

Flg.  98 


Bei  dem  von  OfTSCH-i  angegebenen  Bistouri  (Fig.  98)  ist  das  metallene 
Heft  fdr  jede  Klinj^e  verwendbar.  Die  Sehalen  dos  Griffes  sind  mit  LiinfrHbohl- 
rinueu  versehen  und  am  hinteren  Ende,  wie  die  scbeerenförmigen  Instrumente, 
dnreb  abgerundeten  ZapfenverMblose  verbanden  und  leiebt  ansdnandersanehmen 
und  wieder  zusammenzufQgen.  Oeffnen  und  S(  hlit-ssen  der  Klinge  erfolgt  durch 
einen  Scbieber .  äbniieb  denen ,  wie  sie  bei  den  Scbieberpincetten  frebr.luchlich 
sind.  Die  Zerlegung  des  Instrumentes  in  seine  Tbeile  ist  nur  möglich  bei  recht- 
winkeliger Stellung  der  Klinge  und  gani  nadi  vorn  gebrachtem  Schieber. 

Fifj.  »9.  Fig.  tOO. 


Das  von  Schuitt  erfundene  Bistouri  (D.  R.'P.  41.739)  besteht  ans  iwei 
einander  gleichen,  den  Griff  desselben  bildenden  Schalen,  in  denen  sich  Je  an 
«nem  Ende  ein  knopfincbähnlicber  Selilitz  befindet,  wilbrend  das  entgeirenjrcsetzte 
Ende  mit  einem  cyliudriscben ,  gegen  das  Ende  eingeteilten  Stift  verseben  ist. 
Die  Zusammenstellung  dieser  beiden  Platinen  mit  zwei  Klingen  erfolgt,  indem 
man  auf  je  eine  Platine  eine  Klinge  setzt ,  wie  Fig.  99  veransebanliebt ;  dann 


TASCUENB£STECK. 


721 


lei?t  man  die  Schalen  so  aufeinander,  dass  die  Stifte,  welche  die  Klingen  trap'en, 
durch  die  liundim«:  der  Schlitze  treten,  und  verschiebt  nun  die  Schalen  in  ihrer 
Läogitricbtung,  hk  die  Stifte  in  den  engeren  Tbeil  der  Schlitze  eingetreten  sind 
(Fig.  100).  SeUieMt  man  nadi  erfolgrter  ZnsunmeiiBtellaiig  eine  der  beidea  KUngwi 
oder  beide ,  so  kann  das  BiHtouri  nieht  zerlegt  werden ,  also  auch  nicht  während 
des  Gebrauches  in  der  Hand  auseinanderfallcn.  Die  Feststellung  der  Klingen  in 
geöffneter  wie  geschlossener  Stellung  wird  durch  eine  kleine  Verschiebung  der 
Sehalen  in  ihrer  Lingsriehtnng  Iddit  bewerkstelligt.  Die  Klingen  sind  festge- 
stelltf  wenn  die  beidoi  Sehalen  sich  eintnder  voUstfindig  decken. 

Naeh  demselben  Sy-<tpm  hat  Schmitt  auch  ein  e  i  n  faches  Bistouri  her- 
geätellt,  dessen  Klinge  in  gleicher  Weise  eingesetzt,  festgestellt  and  herausge- 
nommen wird. 

Die  alten,  einst  so  beliebten  Lansetten  sind  entweder  gans  fortgefkllen 
oder  sie  werden,  wie  die  Skalpells,  massiv  hergestellt  (vergl.  Fig.  107). 

Wie  die  Bistouri,  so  mnssten  auch  die  Scheeren  und  alle  scheerenartigen 
Instrumente:  Kornzangen,  Gefässkletumen,  Nadelhalter,  im  Sinne  der  Antiseptik 
geftndert  werden,  da  die  bisher  übliehe  Verbindung  der  S^eerenarme  eine  Rdnignng 
gans  nnmögUeh  maehte.  Es  kam  also  darauf  an,  alle  diese  Werksenge  derartig 


Fig.  101. 


einxnriehten,  dass  sie  mit  Leichtigkeit  in  ihre  einselnen  Theile  zerlegt  und  wieder 
snsammengefUgt  werden  konnten.  Gittsch  w.nhite  zu  diesem  Zwecke  statt  des  alten 
Seheerenscblosses  den  „abgerundeten  Zapfen  verschluss";  Collin ')  ver- 
sah den  männlichen  Scheerenarm  mit  einem  Stift  oder  Zapfen  (Fig.  101),  der  in 
einer  entsprechenden  Oeffnnng  des  weibliehen  Armes  eingreift  nnd  als  Ih«hpvnkt 
dient.  Das  Zusammenhalten  beider  Arme  gesehieht  durch  ein  fingerförmiges  Metall- 
Btück  ,  welches,  von  dem  weibliehen  Arme  ausgehend,  sich  um  d«a  männlichen 
heruniächlingt. 

Encyclop.  Jabrlücher.  III-  40 


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722 


TASCHENBE^TECK. 


Von  hoher  Vollkommenheit  i«t  der,  nach  Walch er's  Angrabe,  von 
Tretter  iV:  Scheercr  hergestelltü  „aaeptische  Patentverschluas"  (Fig.  102).  Die 
niäuulicbe  äcbeerenbälfte  (A^  trügt  einen  festen  8tilt  (o/,  dessen  freies  Ende 
nieikopfarti^  angeatandit  ist  Die  weibliche  Zaagenbtlfte  hat  snr  Anftwbme  des 
Stiftes  einen  Schlitz  (b)f  der  ao  seincni  Ende  kegelförmig  erweitert  ist,  wodurch, 
nachdem  beide  Hälften  zusammengesteckt  sind  .  beim  Sohbessen  des  Instrumentes 
die  nietkopfartige  Verdickung  des  Zapfens  in  die  obere  couische  Elrweiterung  des 
Sehlitzee  ein^rflekt  end  ein  AnaeiDMderfellM  oder  AuseiBanderDehnieii  der  beiden 
Hälften  verhindert  v^ird.  Beides  ist,  ebento  wie  das  Znsammenfügen ,  in  Folge 
einer  besonderer  Einrichtung  nur  in  einer  ganz  bestimmteD,  dlireh  die  pnlEtirleo 
Linien  angegebenen  Stellung  der  Arme  möglich. 

Dieser  Verschluss  gewährt  ebenso  ein  leichtes  Zerlegen  und  ZuBsmiiieB- 
setseo,  wie  einen  festen  Züsammenhalt  der  beiden  Sebeerenbfllften ;  die  SUiogen 
lassen  sich  mit  Leichtigkeit  schirfen,  und  endlieh  ermöglicht  der  gUtte  SohlitB 
und  der  runde  Schraubzapfen  eine  ^rilndiiche  Beinigung. 


Fif.  IM. 


Auch  die  Pi ncetteu ,  namentlich  die  Lutcrbinduugspincetten,  bedurften 
dringend  der  Aendening.  Man  gab  ihnen  abgerundete,  giatte  FMehen,  machte  die 
Gebisse  stampf  und  den  Schieber  leicht  abnehmbar;  die  beiden  Pincettenhälftea 
wurden  unten  durch  ein  einfaclii'^i  Scli!"'>-  derartig  verbunden  ,  dass  sie  ebenso 
leicht  getrennt,  wie  wieder  verbunden  werden  konnten.  So  verfuhr  Walcher  und 
unabhängig  von  ihm  SCHWABE  (vergl.  Fig.  106).  Die  lustrumeutenmacher  lieferten 
eine  grosse  Zahl  serlegbarer  Fineetten,  aber  sie  befriedigten  nieht  reoht,  weil  sie 
nicht  gl  lü  L  iid  sicher  arbeiteten.  Der  neueste  von  Walchkr  angegebene  und 
oben  beschriebene  „aseptische  Patent-Verschluss''  ist  ebenfalls  bei  den  Pinoetten 


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TASCU£NBE:jT£CK.  723 

• 

verwerthet  (Fig.  103  und  dürfte  an  Einfachheit  und  Sicherheit  alle  ähnlichen 
Vorrichtungren  (Ibertreften,  Zur  Feststellung^  tr;l?t  der  eine  Arm  an  der  Innenfläche 
einen  Ansatz,  welcher  in  eine  entsprechende  Ausfeiluug  des  anderen  Armes  eingreift. 

Ein  whr  fBblbarer  üebelstand  der  l^herigen  T«sehenbaBteoke  war  das 
Fehlen  eines  X  adelh alters.  Derselbe  war  fUr  die  Tasche  zn  gross  und 
fand  er  keinen  Platz.  Nachdem  nun  die  Naddhaltor  7.>  r\c;sUnT  genuMht  und  der 
Aseptik  gemäss  eingerichtet  waren,  gab  man  ihnen  auch  die  fflr  das  Taseheo- 
besteek  pasiende  GrMae.  So  liew  Bbaatz  seinen  Nadelbalter  dem  Tascbeninstra- 
mentarinm  einfo^ren,  und  die  Firaia  Hirtel  lieferte  eigen»  fBr  die  Verband- 
tasche  bestimmte  Hnlfer.  Nach  Angabe  des  Dr.  T.\rscH  M  hat  Beyer  in  Mdnchen 
einen  Nadelhaltcr  frefertipt.  der  in  .meiner  Oef^talt  der  PEAX  schen  Klemme  .thnelt, 
der  aber  trotz  seiner  geringen  Grosse  durch  execntriache  Uebersetzung  der  Kraft 
erhebliebe  Oewaltanwendnag  gestattet.  Oareh  Trennang  der  einen  Stange  (Flg.  101) 


Fig.  103.  VUt.  104. 


ist  ein  Hebelarm  erzielt,  mittelst  dessen  die  Nadel  sehr  fest  und  sieher  gefassC 

werden  kann.  Das  mit  Zink  beleste  Qebiss  läuft  nach  vorn  ziemlich  spitz  zu,  so 
dass  sich  Nadeln  von  beliehifrer  Krflmmun?  verwcndfii  l.isscn.  Das  Auseinander- 
nehmen des  Halters  ^resehieht  dadurch ,  datis  man  die  auf  dem  ungetheilten  Arme 
belindliche  i'eder  mit  dem  Daumennagel  etwa.s  in  die  Höhe  hebt  und  sie  recht- 
winkelig snr  Längsachse  des  Instromentes  stellt  Der  ursprflngUeh  fBr  Operatioaen 
an  den  Augen  bestimmte  Nadelhalter  von  Sand  hat  die  Grösse  und  Form  einer 
Pincette  und  nimmt  in  Folfje  dessen  .«ehr  weui^r  Raum  ein.  Auch  bei  diesem 
Instrument  ist  das  Princip  der  excentrischen  Kraftübertragung  in  Anwendung 
gebraeht  und  der  Sehlnss  der  Gebisse  wird  dareb  Uebergrcifen  eines  Federknopfcs, 
Ihnlidi  wie  bei  der  alten  GBABBl^BB'sohen  Pincette,  errei(>bt. 

Der  Taschen  <■  a  t  b  e  t  e  r  fnllt  am  besten  ganz  fort  and  wird  dareh  einen 
KiliATON'schen  Kautschukcatheter  ersetzt. 

46* 


724 


TASCHENBESTECK. 


Ein  besonder  schwieriger  Punkt  ist  die  Ausrüstung:  des  Besteckes  mit 
Nfthmaterial.  Braatz'm  glaubt  nach  dieser  Richtung  hin  in  seinem  Besteck  durch 
seinen  Nadelhalter  ffir  Hagedomnadeln,  mit  einer  Auswahl  von  diesen  und  geraden 
Nadeln,  mit  MetalUlraht  in  ausgiebiger  Weise  gesorgt  zu  haben,  v.  Beegmann 
rüstete  ein  von  ihm  angegebenes  Besteck  mit  dem  Goz'schen  Nähinatrument 
(vergl.  I.  Ergftnziiijgsband,  Naht)  aus,  in  einem  anderen  Besteck  liegt  zwischen 
den  Griffen  des  Nadelbalters  eine  Spule  mit  Nähseide.  Sehr  handlich  und  leicht 
mitzufuhren  ist  Vomel's  ..aseptischer  Nähmaterialtrilger" ,  ein  durch  Zinndeckel 
geschlossenes,  etwa  kleinüugergrosscs  Flllschchen  (I.  Ergänzungsband,  pag.  511, 
Fig.  63)  mit  Seide  oder  Catgut.  Jene  wird  aufgerollt  in  den  Behälter  gebracht, 
1  Stunde  in  5^  o  Carbolwasser  gekocht.  Catgut  wird  mechanisch  gereinigt,  auf- 
gerollt, in  das  Glas  gebracht,  24  Stunden  in  4o/oo  Sublimatwasser  gekocht  und  in 
1^  SublimatwaKser  aufbewahrt.  Ob  trotzdem  aber  das  Näbmaterial  unter  allen 
Umständen  asepti-^ch  bleibt? 


Fig.  105. 


Die  Firma  Härtel  in  Breslau  hat  ein  kleines  F.tui  mit  Jodoformseide 
und  Nadel  in  den  Handel  gebracht,  das  sieh  ausser  dem  eigentlichen  Besteck 
beijuem  in  einer  Tasche  uuterbriugen  läsät.  Trettor  Scheerer  fertigen 
besondere  kleine  Nähbesteeke  an ,  die  neben  den  nothwondigsten  Instrumenten 
(1  zerlegbarer  Nadelhalter,  1  Arterienklemme,  1  aufgebogene  Scheere,  1  Oehrsonde, 
2  Pincetton),  1  GlasbUlse  mit  aseptischer  Nähseide  in  Carbollösung ,  1  Gl&shdlse 
mit  Catgut  in  Sublimatalkohol,  9  gebogene  Heft-  und  8  Umstechung^nadeln  ent- 
balteu.  Auch  Maxdkl  *')  hat  ein  Nähbesteck  in  Nickelinkasten  angegeben ,  aber 
dasselbe  ist  zum  Mitführen  in  einer  Kleidertasche  zu  gross.  Seide  und  Catgut  Iftsst 
er  auf  Glasstäbchen  wickeln  und  in  Keagen.sgläsern  aunjewahren,  die  am  besten  durch 
einen  Rautschukstöpsel  verschlossen  werden.  Diese  einlache  Vorrichtung  ist  wohl 
die  empfehlenswerthesto  und  hat  auch  wohl  weiteste  Verbreitung  gefunden.  Auch 
die  Nadeln  werden  am  besten  in  Reagensgläsern  von  enUiprechender  Grösse  und 
Krtimmung  untergebracht. 

Das  Besteck,  der  für  die  Instrumente  bestimmte  Behälter,  war  der 
zeitgemässen  Aenderuog  nicht  minder  bedürftig  als  diese;  mit  der  alten  Leder- 


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TASCHENBESTEC'K. 


781 


tascbe  war  Ubeihaiipt  nichta  aiizufauj?en,  man  scbafTte  sie  daher  einfach  ab,  setzte 
an  ihre  Stelle  metallene  Kästchen  (Etuis)  aus  Neusilbt-r  oder  Aluminium  und 
schuf  im  Wesentlichen  vier  verschiedene  Formen.  Diese  Verschiedenheit  ist 
dadurch  bedin^rt ,  dnss  man  einerseits  die  KSstchcn  mit  besonderen  La^erungs- 
vorrichtnng'en  f(!r  die  Instrumente  versah  oder  nicht;  anderer-^eits  dadurch,  dasa 
man  zur  Ausrflstung'  Skalpelle  uder  Histouris  wählte.  Die  Laf^ervorrichtungren 
bestehen  theils  in  metallenen,  mit  Einkerbungen  versehenen  Stephen,  wie  sie  vordem 
schon  bei  anatomischen  und  grösseren  chirurgischen  Hestecken  ttblich  waren, 
theils  in  Vertiefungen  und  Erhabenheiten  der  inneren  Deckelwand ,  welche  der 
Gestalt  der  hier  lagernden  Instrumente  (Scheeren,  Zangen,  Halter)  entsprechen. 
Fehlen  diese  Lagerungsvorrichtungen ,  so  versieht  man  das  leere  Kilstchen  mit 
einer  Watteschieht ,  auf  der  die  Instrumente  gebettet  werden.  In  beiden  Füllen, 
d.  h.  mögen  die  Instrumente  auf  Stegen  oder  auf  Watte  liegen,  werden  dieselben 
durch  querlaufende  Metallbilgel  festgehalten.  Metallkasten,  Stege,  Bügel  können 
durch  Kochen  in  Wasser  desiuficirt  werden.    Die  für  Skalpelle  eingerichteten 


Fig.  106. 


Bestecke  müssen  eine  Länge  von  nicht  unter  15  Cm.  haben  und  erreichen  dadun-h 
ein  erhebliches  Gewicht,  so  dass  das  .Mitführen  in  der  Hoirktaschc  unbequem  wird. 
Diesem  Uebelstande  wird  durch  Herstellung  des  Kastens  ;ius  Aluminium  einiger- 
massen  abgeholten.  Nebeiistebendo  Ab))ildu»geu  bringen  die  verschiedenen  Ein- 
richtungen zur  Anschauung,  wie  sie  von  der  Firma  Trott  er  Scheerer  in 
Tuttlingen  geliefert  werden.  Fig.  l (>.'>,  Besteck  nach  v.  Uf.kgma.w  :  150  Mm. 
lang,  80  Mm.  breit.  Die  Instrumente  ruhen  auf  Stegen.  Fig  106,  Besteck  von 
gleicher  Grösse  mit  Watteeinlage  und  Bügel,  enthaltend:  '.i  Skalpelle,  l  scharfes 
Häkchen,  1  scharfen  Lntlel  mit  Spatel,  1  Hohlsonde  mit  l'nterbindungsnadel, 
1  Knopf-  und  1  Karteiililattsonde,  1  Hakenpineette,  1  zcilei'bare  l'nterbindunga- 
pincette  inach  Schwall;,,  1  zerlegbaren  Nadelhalter,  2  Scherren,  1  Arterienklemme, 
1  Spule  mit  Nilhseide  und  4  Heftnadeln.  Der  Inhalt  des  vorigen  ist  derselbe,  nur  mit 
dem  Unterschiede,  dass  es  an  Stelle  des  Nadelbalters,  der  Spule  mit  Nüliseide  und 
den  4  Heftnadeln  das  (li>x'.  che  Nfthinstrument  enthält.  Da^;  in  Fig.  107  abgebildete 
Besteck  ist  105  Mm.  lan^  und  öf)  Mm.  breit:  es  euthitlt  1  zerlegbares  Doppel- 


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726 


TASCHENBEÖTECK.  —  THIERISCHE  GIFTE. 


biatouri,  1  massive  Lauzette  und  1  Nadel  nach  Moou,  3  Sonden,  1  Unter> 
bindungspincette ,  1  Scheere  und  1  Doppellöffel,  Bbaatz  lefft  mit  Recht  Werth 
auf  die  Wundhaken.  weil  man  ohne  dieselben  bei  Blutungen  ans  der  Tiefe  übel 


Fig.  107. 


daran  ist.  Wflblt  mau  ein  für  Skalpelle  eingerichtetes  Be.steck ,  dann  bietet  die 
AusrUstuu^r  desselben  mit  genügend  grossen  metallenen  Wundhaken  keine 
Schwierigkeit. 

Literatnr:  ')Nenl>ei'.  Die  aseptische  WuncDiehaiuUnng  in  meinen  chirurgischen 
Privathospitalem.  Kiel  IS^ij.  —  *)  Gut  seh,  Illustrirte  Monatsschrilt  für  ärztliche  Polytechnik. 
1886.  —  Cüllin,  Journal  de  mt-decin  et  de  chirargie  prat.  Juui  1887.  —  *)  Tan.sch, 
Ein  Nadelhalter  für  das  Tasfhenbesteck.  Müuchener  med.  Wochenschr.  Nr.  50-  —  *)Braatz, 
Mein  chirurgisches  lietalltaschenbe»teck  Illu&trirte  Monatsschr.  f.  ärz'l.  Polytechnik.  1889, 
Heft  10.  —  *)  Mandel,  „Instrumentenkästen".  Beilage  zum  .,Aerztlichen  Geueralanzeiger.*^ 
16i-9,  Nr.  37.  Wolzendorff. 

Teleangiektasie,  s.  Angiom,  pag.  12. 

TelephOnSOnde,  s.  Schussverletzungen,  pag.  63G  ff. 
Temulin,  s.  Lolium,  pag.  48O. 

Thierische  Gifte.  rVergl.  Rcal  Encyclopädie,  2.  Aufl.,  Bd  XIX,  pag.  608.) 
Zu  den  giftige  Repräsentanten  liefernden  Abtheilunpen  des  Thierreiches  gehört 
nach  neueren  Beobachtungen  auch  die  der  Saurier  oder  Kidechsen ,  von  denen 
allerdings  schon  früher  einzelne  Arten  ,  aber  mit  Unrecht ,  als  giftig  gefürchtet 
wurden.  Noch  jetzt  stehen  in  Südeuropa  und  im  Orient  verschiedene  harmlose 
und  durch  das  Vertilgen  von  Insecten  geradezu  nützliche,  durch  einen  an  ihren 
Zehen  befindlichen  Haftapparat  charakterisirte  Eidechsen .  die  man  unter  dem 
Namen  Geckos  zusammeufasst,  im  Gerüche  der  Giftigkeit.  Dahin  gehören  ausser 
dem  gemeinen  Gecko  der  Mittclmeerlruider ,  Asculn/io'fis  fn.'icicularis  Daud. 
( Plati/fJacti/lus  jnurali.ii  JJum.  et  Bibr.j,  der  in  einzelnen  Gegenden  Italiens  den- 
selben Namen  wie  die  bekannte  Giftspinne  Tarantula  führt,  auch  Plulydactylu» 
guffatus  Cui\  und  vittatus  Cuv.  in  Os^tasien,  sowie  Ih/odactt/lufi  lobatus  in  Egypten, 
welches  Thier  man  als  L'rsache  von  Lepra  und  anderen  llautauHaclilJtgen  betrachtet, 


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IHIEBISCHE  GIFTE.  —  THROMBOSE  UND  EMBOLIE. 


727 


die  durch  Eindringen  des  an  ihren  Zehen  haftenden  klebrigen  SAllei  entitehMi 

sollten.  In  Westiudien  gilt  der  Speichel  von  Sphaen'odacti/li/.f  •^pufator  Cuv.  für 
giftig  und  auf  Madagascar  bildet  eine  Geckoart,  Racoessa  jimbriata  Daud., 
einen  Bestandtheil  zur  Pfeilgiftbereitung.  In  Suriaam  wird  eine  als  Froscbschlange 
(Kwft-kwapflneeki)  beMtehnete  Eideehieoftrt ,  die  sieh  anf  den  Abtritten  aufhalten 
und  deren  Biss  in  das  Gesäss  tödtlit'he  Folfrcn  haben  soll,  geftlrchtet,  doch  fand  Hässklt 
bei  diesem  Thiere  weder  (liftzilhn»',  nncli  (Jiltdrüsen.  Solche  finden  sich  dafjcgen  bei  der 
in  Mexiko  und  auch  in  den  der  nurdamerikauiscbeu  Union  augehOrigen  mexicaDiücheu 
Gebieten  vorkommenden  Km ateneideehse,  Htioderma  kcnrläum  Wiegm.  Die 
Gila  7fionsfer  genannte  Eidechsenart  erreicht  eine  Länge  von  fast  80  Cm.,  wovon 
jedoch  die  IliSlfte  auf  den  Schwanz  kommt,  ist  oben  braun,  mit  breiten  rüthlichen 
Flecken  und  zahlreichen  gelben  Punkten,  geschuppt,  am  Bauche  glatt,  an  der  Sohnau- 
zenspitze  mit  glatten  Schuppen  versehen  und  hat  Kiefer-  und  Gaumentflhne,  von 
denen  die  ertteren  ähnlich  wie  die  Giftzübue  der  Sohlangen  mit  einer  vorderen, 
tiefen,  bis  zum  Sockel  reicheudeu  Ftirche  versehen  sind.  Verbdrorte  FSlle,  in  denen 
CüUaps  und  Tod  durch  den  Biss  dieses  Thieres  ungeachtet  einer  stimoUrendea 
Behandlung  iu  wenigen  Stunden  erfolgte,  liegen  vor. 

Das  Gift  der  tropiseben  Bkolopender  ist  nach  den  von  Bacbolisr') 
in  Coehincbina  gemachten  Studien  eine  klare  oder  nur  sehr  leicht  opalisirende  Flüssig- 
keit, die  sich  in  Wasser  hist  und  sauer  reairirt.  Mikroskopisch  l.t-isen  sich  darin 
kleine  Körnchen  und  Kiste  von  Epithciialzellen  nachweisen.  Die  Bissstelleu  iu  der 
Haut  des  Menschen  stellen  sieh  in  der  Regel  als  zwei  gans  feine  Blutpankte,  von 
entatfndlichem  Oedem  umgeben,  dar.  Der  Biss  ist  sehr  schmerzhaft,  heftig  brennend, 
mitunter  aus-iitrahbrnl,  dorh  bissen  die  Sehmerzen  in  einijren  Stunden  nach;  das 
Hieb  sehr  rasch  entwickelnde  entzündliche  Oedem  hiUt  ott  einige  Tage  an.  Mit- 
unter kommt  Herzklopfen,  Beklemmung  und  l'ulsbeschleunigung,  niemals  Fieber  vor. 

Die  neueren  BeobaiditnngMi  fiber  die  unter  dem  Namen  Tsetse  bekannte 
Gift  fliege  von  Centraiafrika*)  bestätigen  die  früheren  Angaben  von  Living- 
STONE.  dasK  der  Stich  dieser  Diptere  dem  Menschen  nicht  schade,  während  alle 
UauHthiere  (Kind,  Schaf,  Knel ,  Kameel,  Hund)  dadurch  zu  Grunde  gehen.  Auf 
die  wild  lebenden  Thiere  (Zebra,  Antilope,  Büffel)  soll  sie  nicht  giftig  wirken, 
ebenso  nicht  auf  Zi^en  und  Elepbanten.  Inwieweit  diese  eigenthttmliehen  Immuni- 
täten mit  der  Vermuthung,  dass  die  Tgetse  nur  durch  Febertragang  septischer 
Stoffe  toxiseh  wirke,  in  Einklang  zu  bringen  ist,  bedarf  genauerer  Untersuchung. 

Literatur:  ')  Barringer.  Tfic  reuumons  rtptilts  af  thf  luitfrl  Stüter,  nith 
the  treatmcnt  of  uounds  infiicteil  Ijij  thein.  IsSlI.  —  •)  Bacholier,  Lc  scolopendre  et  ta 
pi^re  ;  de»  accidtnts  qu'elie  determine  dies  Fhommg.  Paris  1887.  —  ^)  L  a  b  o  u  1  h  <•  n  e, 
Bali,  de  l'Aead.  de  in*d.  1888,  Nr.  fü.  Hose  mann. 

Thierische  Wärme,  s.  Eigeuwärmoi  pag.  233. 

Thrombose  und  Embolia.  (Mit  Berücksiehtigu  ug  der  neueren 

Arbeiten  über  die  Blutgerinnung)  Die  Lehre  von  der  Thrombose  und 
Embolie  wurde  schon  vor  längerer  Zeit  zu  den  bestgekannten  Gebieten  der 
allgemeinen  Pathologie  gerechnet.  Durch  die  berühmten  Untersuchungen  von 
ViBCHOW  1)  war  flllr  die  ErtEllmn;  der  wiehtigen  hierhwgdiOrigen  Voi^pänge  der 
Grund  gelegt .  auf  dem  weiterhin  mit  der  Methode  der  unmittelbaren  Beobaeh- 
tung  des  lebendigen  Vorganges  Oohnheim-)  so  erfolgreich  weiterbante,  dass 
die  Theorie  der  durch  ihrombose  und  Kmbulie  hervorgerufenen  Circulations- 
8t5rungen  ihrem  Absehluas  nahe  sehien.  Diese  Aoffaeaong  konnte  umso  berech- 
tigter erscheinen  gegenüber  der  werthTollen  Ergänzung,  die  dra  Untersu(*bungen 
der  Pathologen  (unter  denen  besonders  noch  Zajin  wegen  »einer  Arbeit  Uber 
die  Bildung  des  weitisen  Thrombus  zu  nennen  ist)  durch  die  Erforschung 
der  Bln^erinnung  au^«  physiologiseh^ehemischen  Geriehlapnnktra  von  A.  Bchuiot 
und  seinen  Schülern  zu  Theil  wurde.  Und  doeh  mu88  man  einrAumen,  dass 
dieser  Absohnitt  der  Pathologie  von  der  Thrombose  und  Blutgerinnung  aueh  heute 


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728 


THROMBOSE  UND  EMBOLIE. 


noch  nicht  zum  vorläufigen  Abschluss  gekommen  ist.    T'morosttaltend  auf  die  patho 
logische  Auffassiin;::  der  Thrombose  wirkte  namentlich  die  Erkenutniss   von  der 
Bedeutung  der  lUut  plätte  he  n  für  die  Tbrombenbildung,  die  wir  Bizzoz£ko 
EBSBtB  and  SCBimuLBüBra  *)  in  «ntar  Linie  verdankeB.  Hi«r  reihen  weUera 
ezperimentell  patbologiaehe  und  pathologisch-anatomische  UnterBachungen  an  von 

BAUMGARTEN' •)  ,    LrUNlTZKYS),     ZiEOLER  '').     Hlava»"!      T/iWIT"),  LaKER^-), 

Hanau  Aschüff  u.  A. ,  die  in  der  bejieichneteu  Uicbtuug  und  in  anderer 
Binrielit  die  Vorgänge  bei  dw  Tbrombenbildnng  aufbellten.  Dasn  kam,  daas  aueh 
die  KenntniBS  der  physiologisch-chemiBdien  Factoren  der  Blutgerinnung  unter 

fortgesetzter  re.irer  Retheiligong  der  Dorpater  Schule  fA.  Schmidt,  Köhler"), 
Heyl  1"),  Kalvchenuach  »^),  Strauch  i"),  Sachseni>ahl  i'-'i,  Jakowicki  u.  A.) 
und  durch  die  Arbeiten  von  der  letzteren  unabhängiger  Forscher  (Ua&imak£>t£n  --), 
WooLDRiDQB**),  £.  Fbbond*«),  Hallibu&tom  Bomne>*),  Abtbu8  vnd  Paou*'), 
PKKELHABINO*^)  0.  A.)  erheUiefa  vertieft  und  erweitert  wurde.  Die  eingehende 
Bearbeitung  der  Thrombose  von  Weigert  in  der  2.  Auflage  der  h'eal-Encyclopadie 
der  gesammten  Heilkunde  (1889,  Bd.  XiX,  pag.  038 — 648}  berücksichtigt  bereits 
einen  erhebliehen  Tbeil  der  dnroh  die  genannten  Antoren  vertretenen  neueren 
ForschuutrserfrebuisKe  ;  doch  ist  fiorade  in  dem  vierjährigen  Zeitraum  seit  Abeehlnas 
jenes  Ueborblickes  eine  lleilie  btMieutungsvoller  l'ntersuebun*ren  hinzugekommen, 
welche  über  wichtige  mit  der  Thromboge  und  Blutjrerinnung  zusammenbiUifreude 
Fragen  grössere  Klarheit  verbreiten.  Hieraus  ergiebt  sich  die  Berechtigung,  an 
dieser  Stelle  eine  snMnmenfatnende  Darstellung  des  gegenwirtigen  Standes  der 
Theorie  der  Thrombenbildang  zu  unternehmen,  wobei  auch  die  mit  der  Thromboso 
in  ihren  Ursachen  nnd  Fölsen  vielfach  zusammenli.tnfrende  Embolie  zu  berdck- 
sicbtigeu  ist.  Die  praktische  Bedeutung  dieses  Theiles  der  i'athologie  ist  nicht 
geringer,  als  sein  wiseenschaftliehes  Interesse ;  sind  doeh  die  hier  in  Betracht 
kommenden  Vor^ränirc  an  dem  Verlaufe  und  Ausiran;,'  der  vensehiedenartiirsten 
acuten  inid  elirnuisrlien  Kninklieiteii  wes"ntli<'Ii  bi'tln'ili.^r  .  eine  Tiint-^nelie .  dit> 
sich  allerdings  liiiuliger  der  Erfahrung  des  p.^thologi^cheu  Anatomen ,  als  des 
Klinikers  aufdrängt. 

i.  Die  lU  u  t  ;r  e  r  i  n  u  u  II in  i  Ii  r  e  r  Ii  e  z  i  c  h  u  n  g  zur  T  h  r  u  m  h  o  s  e. 

Entspreclieiid  der  Herleitnn<r  der  I5ezeiehnunir  Tlir<>i)ilto«e  von  ;i-:'">;<. '^Oi'-v, 
gerinnen;,  durttc  man  auf  Grund  der  früher  allgemein  herri-chcnden  pathologi.-*cheu 
Ansehannngen  dieselbe  im  Gegensats  sur  postmortalen  Bildung  der  sogenannten 
L ei c  Ii  e  n  fr  e  r  i  n  n  s  e  I  als  eine  innerhalb  der  (;ef;isse  iL  >  !i  In  inli  ii  Kr.rpers  ein- 
tretende IJlutgeriniiui»^'  bezeiebnen.  Nachdem  dureli  die  lu  kaniiten  rnlersueliunoren 
von  Zaun  für  den  „wcit^scn  Thrombus''  das  Haften  der  farblosen  blutkörpercheu 
an  der  veränderten  Odiksinnenillehe  als  erste  Anlage  der  PAropfbildung  hin- 
gestellt war,  ergaben  die  Untersuchungen  von  Hatem-»)  und  Bizzozero^),  dass 
ThrombenbildunfT  und  Fibriiifr<riiinnn.ir  vom  dritten  Fornibestandtheil  des  Blutes, 
den  soi:cn;innten  Hlutplättehen,  abhan^n^^  srj :  und  Kükkth  und  Schim.mklui  seil  ") 
giugen  dann  soweit,  dans  sie  jede  iieziebuug  der  l'ibriubildung  zu  den  Blut- 
plättchen verneinten,  während  sie  die  pathologisehe  Tbrombenbildung  im  Wesent* 
liehen  auf  die  ,.Conglutination^'  der  Blutplnttehen  zurückführten  und  bdianpteten, 
dass  die  dureh  Kiiiüllirune  Hlntkr.rperclien  zerstörender  Substanzen  oder  sogenannter 
Fibriufermente  erzeugten  Blutgerinnsel  innerhalb  der  Gefüsse  lebender  Thiere  mit 
den  eigentlichen  Thromben  im  pathologischen  Sinne  nicht  in  eine  Linie  gestellt 
werden  könnten.  Ms  ist  ge<ren  diese  Auffassung  geltend  gemaebt  worden ,  dass 
gerade  unter  j)atholo,!rischen  Verliältnis^en  stet>  neben  den  Bliiti)l.'ittehen  aueli 
farblose  nnd  rotlie  Blutkörperchen  an  (b-r  l'lropfliildun^'  belheiligt  sind,  während 
iu  Thromben  von  irgend  erheblichem  Umfang  Fibrinbilduug  regelmässig  uachwois- 
bar  ist.  Selbst  wenn  letstere  einen  secundären  Vorgang  darstellt,  hat  sie  doeh 
solchen  Antheil  au  der  Weiterentwi<-l<Inntr  der  Thrombose,  dass  eine  BerOck- 
siehtigung  der  Blutgerinnung  die  uothwendige  Voraussetzung  für  eine  befriedigende 


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THB011B0S£  UND  EKfiOLIE. 


729 


Theorie  der  Thrombenbildun?:  unter  pHtholngischen  VerhRltnissen  bildet.  Es  kommt 
hinzu  ,  dass  frewisf^e  Formeu  der  Tbrouibose  im  Anschlüsse  an  schwere  toxiseho 
und  iui'ectiö^e  Blutveräuderuagea ,  die  Aaalogie  mit  den  oben  berührten  experi- 
mentell eraeogten  Blvligeriiuiiingen  lebr  daIm  legen.  Geben  wir  sn,  dess  für 
dto  grosse  Mehrzahl  der  Tbromb^nbildongen  pathologischen  Ursprunges  das  Haften 
k?lrperlicher  Bluthcstandtheile,  und  zwar  vornehmlich  der  Blutpl.lttchen,  dir  erste 
Anlage  bildet  uud  räumeu  wir  ein,  dass  Pfröpfe  von  geringem  Umfange  (z.  B. 
Capillartiironiben)  anBseblieealieh  von  PIftttelien  gebildet  werden  ktanen^  eo  mflesen 
wir  ftos  den  eben  angefDbrten  Gesichtspunkten  doch  daran  festhalten,  das»  die 
Thrombose  einel'fropfbildunginnerhalb  derGefässe  des  leben- 
den K  r  p  e  r  H  darstellt,  die  im  Wesentlichen  aus  einer  Verbin- 
dung des  lluttens  körperlicher  Blutbestaudt heile  mit  Blut- 
gerinnung besteht. 

Nach  der  bekannten  Theorie  von  A.  ScBKXDT*)  geht  die  auf  der  Fibrin- 
bildung  beruhende  Blutperinnung  aus  dem  Zusammenwirken  von  drei  Substanzen 
hervor;  das  Fibrinogen  (ein  Globulin)  ist  im  Blutplasma  gelöst,  die  fibrino- 
plastisehe  8ubBtans  nnd  das  Fibrinferment  sollten  beide  ans  dem  Zer- 
fall weisser  Blutkörperchen  hervorgehen.  In  seiner  neuesten  Publication  wird 
da-*  FihtinfVrmcnt  als  „Thrombin"  bezeichnet,  seine  in  den  Blutzellen  ent- 
haltene Vorstufe  als  „l'r  o  t  h  r  0  ni  b  i  n".  Die  ,,z  ym  o  p  1  as  t  i  s  c  h  e  Substanz" 
ist  das  Paraglubulin,  dessen  Vorstufen  (Cytoglobiu  und  PrilglobulinJ  aus  den 
Blntsellen  stammen.  Das  Paraglobulin  soll  nach  A.  Schmidt  in  Fibrinogen  fiber> 
gehen  k(>nnen.  Hauuabsten  wies  dann  nach,  dass  der  Zusatz  reiner  Fibrin- 
fernientir)<iung  zu  einer  Lösung  \on  Fibrinogen  Fibrinbildung  hervorruft,  also 
ohne  Gegenwart  vuu  Serumglobulin.  Freilich  gab  der  genannte  Autor  zu  ,  dass 
die  Gegenwart  des  eben  beaeiehneten  Eiweisskörpers  die  Fibrinbildung  begünstige, 
er  könne  aber  in  dieser  Hinsieht  dnreh  andere  EiweisskArper  und  besonders  aueh 
durch  Kalk  salze  ersetzt  werden. 

Eine  von  den  bisherigen  Theorien  durchaus  abweichende  Auflassung  ver- 
trat WoOLDBIDOK '-^J ;  nach  derselben  sind  im  Plasma  alle  Substanzen  vorhanden, 
um  Gerinnung  ohne  Mitwiricung  von  Formelementen  des  Blutes  au  bewirken. 
Die  Blutgerinnung  ausserhalb  des  Korpers  erfolgt  durch  die  W e  c hsel  w i  r  k  u  n g 
zweier  Fibrinogene  im  Plasma  ohne  Mitwirkunir  von  Fibrinferment.  Indem 
wir  in  Betrcfl  der  nähereu  Begründung  dieser  Ilypotliese  auf  die  Uriginalarbeiteu  von 
WooLDRiDGB  verweisen  können,  ist  hier  der  Ort,  auf  ein  Experiment  des  eben- 
genannten Autors  hinzuweisen  ,  das  für  die  hier  besprochenen  Vorgänge  von  Be- 
deutun^r  und  llbcrhanpt  von  erheblichem  paf linluLri^clien  Interesse  ist.  Wofil.DRIDOE 
stellte  aus  dem  frischen  Orgausaft  der  TbymusdrUse,  des  Hodens,  der  Lymph- 
drüsen wflsserlge  Aussage  her,  aus  denen  durch  Essigsinre  ein  Niederschlag  er- 
halten wurde,  der  (nach  Auf1(>sung  in  einer  Salziflsung)  in  den  Kreislauf  lebend« 
Thiero  gebracht,  nmfiln;rli('li('  (ierinnselliildungen  bewirkte,  welebe  öfters  den  Tod 
in  kürzester  Zeit  lierlieitillirten :  den  hetreiVeinl»  ii  Körper  nannte  Wooldkilxie 
G  e  w e bs  t  i  b  r  i  n  0 g e  n.  Diese  Substanz  wirkte  nun  freilich  keineswegs  constaut, 
ja,  sie  konnte  je  nach  ihrer  Uenge  und  nach  dem  Znstand  der  Versuebsthiere 
entgegengesetzte  Einwirkung  auf  das  Blut  ausüben ,  z.  B.  auch  die  Gerinuungs- 
fSihigkeit  des  Blutes  aufiielien  sogenannte  negative  Phase  der  Fibrii:ogenwirknn".' !. 
Die  pathologische  Bedeutung  der  eben  erwäbuteu  Beobachtungen  vuu  Wüoldkiduk 
ergiebt  sieh  aus  dem  Vorkommen  von  mnltiplen  Thrombosen  in  Fällen,  wo  im 
Gefolge  traumatischer  oder  krankhafter  Organ veriindcrungen  das  Hineingelangen 
im  Zerfall  lielliullieher  Paren<"hymzel|en  in  die  Blutbahii  nai^h^rewieseii  wurde. 
Von  bes(milerem  Interesse  ist  in  dieser  llielitung  die  von  SciiMoUL  ■'^'i  entdeckte 
Embolie  von  i'laceutarzellcn  in  der  Luui^e  bei  Kc  la  m  p  s  i  e.  Hier  ergab 
die  anatomisehe  Untersuebung  das  Vorkommen  ausgedehnter  iibrinbaltiger  Thromben, 
in  grösseren  Gefüssstümmen  fPfortader),  namentlich  aber  in  den  feineren  Gefassen 
zahlreicher  Organe  (Leber,  Niere,  Gehirn,  Lungen).   Dadurch  erhielt  der  bereits 


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730 


THROMBOSE  UND  £MBOU£. 


bekannte  Befund  herdförmiger  Necrosen  und  repressiver  Verflnderun^^en  in  den 
Nieren  und  in  der  Leber  an  Eclampaie  Verstorbener  (PiLLiRT  Lubäi;.sch '-^  u.  A.) 
eine  wahrscheiniielie  Erklärung.  In  Beziehung  auf  die  hier  behandelte  Frage  muss 
nodi  harvorgehobea  -werden^  dasB  Ton  SCBMOBL  die  die  Bla^perinanng  enengende 
Wirkung  dea  Gewebssaftes  ans  der  fneehen  Placenta  naeh  Analogie  der  er- 
wähnten Versiiclie  von  WooldRTDGE  exjjerimentell  ticuicsen  wurde. 

Dassdie  Wirlssamkeit  der  in  die  lilutbalin  gebrachten,  (ierinnung  erzeogenden 
Gewebssäfte  verschiedenartige  Deutung  zultldst,  liegt  auf  der  Hand.  Es  wäre  denkbar, 
dasB  in  den  -wirksamen  Oewebssiften  ein  ans  den  Gewebesellen  stammendes  Zer> 
fallsprnduct  enthalten  ist ,  das  in  Constitution  und  Wirkung  dem  Fibrinferment 
oder  wahrscheinlicher  noch  dem  Zymojjen  des  letzteren  gleicharti?  wäre  Es  ist 
aber  auch  denkbar ,  dass  die  Fibrinbildung  erst  durch  Einwirkung  jener  Sub- 
stanzen anf  die  farblosen  Blutkörpereben  und  mdglieherweise  die  Bln^Uttdien, 
also  durch  Bildung  von  Fibrinferment  aus  den  letsteren  au  Stande  käme. 

Hier  •;chliesst  «ich  nocli  die  zuerst  von  SiLBERMANN  hervorgehobene 
Bildung  multipler ,  meist  capillärer  Pfropfe  im  Anschluss  au  verschiedenartige 
Sehildliehkeiten ,  denen  der  zerstörende  Einflnss  anf  die  rothen  Blut- 
kOrperehen  gemeinsam  ist«  an.  Es  handdt  sieh  hierbei  namentliiA  um  die 
Befunde  nach  gewissen  Vergiftungen  (Snblimatvergiftun-;,  Arsenik-,  Phosphorver- 
gifnin'/i  und  ferner  naeii  ausffedehnten  Verbrennun^ren  der  iUisseren  Haut.  Wir 
kummen  bei  Besprechung  der  Embulie  auf  diese  Frusre  zurück. 

In  den  neneren,  auf  die  Faetoren  der  FIbrinbildnng  besflglieben  Unter- 
suchungen tritt  die  Bedeutung  der  Kalk  salze  des  Blutplasma  fflr  die 
Blutgerinnung  hervor.  Krücke  hatte  bereits  vor  lanürerer  Zeit  nachgewiesen,  dass 
in  der  Asche  des  Fibrins  immer  Calcium  vorhanden  ist,  neuerdings  haben  dann 
Hauxarstkn  ,  Green  8«),  E.  FsBimo*»)  den  die  Fibrinbildung  fördernden 
Einflnss  der  Kalksalze  hervorgehoben.  Besonders  wichtig  waren  die  Untersuchungen 
von  AUTHUS  und  PAfiES-"),  durch  welche  gezeigt  wurde,  dass  man  die  Gerinnnng 
den  Blutes  ausserhalb  d<  s  Körpers  durch  Znsatz  von  Substanzen,  unter  deren  Kia- 
tluss  unlösliche  Kalkverbindungeu  entstehen  {z.  B.  durch  Oxalate  und  Fluoride), 
vollBtftndig  Terhindem  kann.  Die  eben  genannten  Autoren  kamen  su  dem  Resultat, 
dass  das  Fibrin   eine  Calriiim  Verbindung  des  Fibrinogens  sei. 

Ein  für  die  Theorie  der  hwr  tM  S[irneheiien  V<jrg.1n?e  bedeutungsvoller  Fort- 
sehritt scheint  angebahnt  in  den  Arbeiten  von  LiLiENFELD  und  Pkkelhari^g 
Aber  die  Beziehung  zwieehen  der  Blutgerinnung  und  den  NucleTnen.  Von  dem 
erstgenannten  Autor  wurde  festgestellt,  dass  die  Blutplättchen  NucleKn  enthalten, 
auch  wurde  von  ihm  aus  Leukoeyten  und  anderen  Zellen  eine  Substanz  ge- 
wonnen, die  das  Nucleiu  enthielt.  Ein  Spaltungsproduct  derselben  Leukonuclein) 
rief  iu  gleicher  Weise  wie  das  Fibriufermeut  Gerinnung  hervor  und  erzeugte 
intravaseullbr  ausgedehnte  ThrombenbUdung.  Entgsfengeeetat  wirkte  ein  sweites 
Spaltungsproduct  jener  Substanz  i'Xucleohiston),  eine  A I  b  u m  <>  s  e  ,  die  Liliknfsld 
„Histon"  benennt:  dieselbe  besitzt  einen  gerinnungshemmenden  Kinfluss  auf  das 
Blut.  Zu  einem  ähnlichen  Resultat  kam  Whiüut  ^  J  bei  Fortsetzung  der  Versuche 
von  WOOLDSIDOB ;  er  wies  die  Ansseheidung  der  Albumose  im  Harn  naeb  (sogenannte 
Peptonurie).  Naeh  Pbkelharixg  2»)  ist  das  Fibrinogen  eine  N  uc  1  e  o  a  1  b  um  i  n- 
k  a  1  k  V  e  r  b  i  II  d  u  n  .  welrbc  durch  Kalkabgabe  an  das  Fibrinogen  die  als  Fibrin 
bezeichnete  Kalkeiweissverliindung  entstehen  liisst.  Das  Nucleoalbumin,  das  dem- 
nach als  das  Zy mögen  des  Fibrinferments  aufzufassen  wäre,  entsteht  bei 
der  Blutgerinnung  unter  gewdbnliehen  Verblitnissen  aus  ^ner  regressiven  Yer^ 
ftnderung  der  im  Blute  enthaltenen  Körperchen  farblose  Blutkörper,  Blutplättehen, 
wahrseheinlicli  auch  aus  den  Stomata  der  farbigen  Elemente);  unter  Um- 
ständeu  können  aber  auch  Nucleoaibumine  anderer  Herkunft  (aus  den  Zellen  der 
Thymusdrüse,  des  Hodens,  der  Milchdrüse,  der  Placenta)  als  Fibrinf^rmrat 
wirken.  Ausserhalb  des  ThierkOrpers  werden  die  verschiedenen  Nucleoalbuntine 
leieht   zersetzt ,   so    bei    Anwesenheit   von  fttiiem  Alkali ,    aneh    bei  einer 


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•THBOMBOSE  UKD  EMBOUE. 


731 


Temperatur  von  60"  C.  (coa^ulirt  wird  das  Nudeoalbamin  der  BlatkOiper- 
cben  bei  65^  (" ,  wiihrtud  das  Fibrinogen  bei  56"  C.  gerinnt).  Beider  Zersetzuni? 
wird  eioerseitii  >i  u  c  1  e  1  n  oder  dessen  Spaltimgsproducte,  andererseits  A 1  b  u  m  o  s  e 
firei.  Der  lebende  Thierkörper  bedtsk  bis  zn  einem  gewissen,  nach  der  Thierart 
und  walirsi  heinlieh  aoch  indlvidnell  ungleichen  Grade  die  F&higkeit,  Kucleoalbumin 
und  l'il>rinft'rnu'nt  zu  zersetzen  .  wobei  die  frebildete  AHmniose  von  den  Nieren 
ausgeuebiedeu  wird.  Mögliciierweise  getit  diese  Wirkung?  in  erster  Linie  von  den 
Gel'ässendothelieu  aus,  denen  bereits  B&(jC£E  die  Function,  das  Blut  iOssig  zu 
erhalten,  snschrieb.  Einer  xn  grooaen  Nndeoalbnmin-  oder  Fermentmenge  im  krei- 
senden  Blut  gegenflber  kann  die  Grenze  der  Leistungifthigkeit  dieser  Schutzein- 
richtung tibersehritten  werden;  es  kommt  dann  zur  Thrombose  in  einer  kleineren 
oder  grosseren  Zahl  der  Geiässe.  Es  ergiebt  sich  aus  dieser  Autlassung,  dass  ver- 
schiedenartige Einwirkungen  die  Gerinnnngitfllhigkeit  des  Blatea  aufheben  kOnnMi. 
So  crkl.irt  z.  B.  Pekelharing  die  vun  IlAYriiM  T  entdeckte  Thatsacbe,  dass 
durch  Zusatz  eines  das  Set-ret  der  Miinddrtiseu  des  Mlutegels  eHthaltenden  Flüssig- 
keit das  Blut,  und  zwar  auch  innerLaib  dts  lebenden  Thierkörpers,  gerinnun{r»- 
unfähig  gemacht  werden  kann,  durch  den  conservirenden  Einimn  aof  die  körper- 
lichen Blutelemente,  doreh  wekdien  die  Bildung  von  Nneleoalbamin  verhindert 
werde.  ThatsiU'hlicIi  steht  fest,  dass  nach  Zusatz  von  Blutegelextract  die  Form 
der  sfinst  so  ra^i-h  ver.-inderlichen  r.lutj)l!Utcheu  autVallend  lange  erhalten  bleibt. 
Andererseits  wird  das  i' lüssigbleiben  des  Blutes  nach  l'eptonzusatz  (Öcuuiüt- 
MOhlhsim  von  Pbkelharino  darauf  snrllekgefohrt,  das«  die  Albnmose  eine 
Verbindung  mit  den  Kalksalzen  eingehe,  durch  welche  Utztero  der  Fibrinbildnog 
entzogen  wurden:  thatsftehlieh  kMun  Peptnnplasnia  durch  Zusatz  vou  Kalksalzen 
zur  Gerinnung  gebracht  werden.  Ohue  weiter  auf  die  Erklärung  anderer  die  Ge- 
linnung hemmender  Einflüsse  einsngehen,  sei  hier  noch  hervorgehoben,  dass 
natartich  auch  eine  Zersetzung  des  Fibrinogens  die  Gerinnnngsfilhigkmt  aus  dem 
Blutplasma  stammender  Flüssigkeiten  aufheben  muss.  eine  Bemerkung,  die  auf 
pathologischem  (ubiete  durch  das  Flüssigbleibeu  gewisser  an  Fibriulerment  und 
Kalksalzen  reicher  Exsudate  (Eiter)  illustrirt  wird.  In  Bezug  auf  das  Vorkommen 
der  Thrombose  unter  pathologisdien  VerhAltnissen  findet  möglicherweise  «ne 
sonst  auflfflllige  Erfahrung  ihre  Erkllrnng  aus  der  Wirksamkeit  der  besprocbenen 
gerinnun-rshemraenden  Einflüsse.  Während  die  Bildung  von  Thrombeu  in  den 
grossen  Venen  und  im  Herzen,  im  Anscbluss  an  secundäre  AuiUuien  Im  Ver- 
lauf ersehöpfender  ehroniseher  Krankheiten  sehr  häufig  ist  (sogenannte  mar  an« 
tische  Thrombose)  und  auch  bei  Chlorose  höheren  Qrades  nicht  selten  beob- 
achtet wird  l'Rüitv  •'^  ,  kommt  bei  jeticn  schwersten  anftmischen  Zuständen,  die 
man  unter  dem  Namen  der  progressiven  perniciösen  Anämie  zusammen- 
fas9t,  die  Thrombose  so  gut  wie  gar  nicht  vor,  und  selbst  das  Leichenblnt  aeigt 
hier  nur  geringe  Neigung  snm  €lerinnen.  Ob  hierbei  eigentbflmlidie  Zersetzungen 
im  Blutplasma  oder  worauf  die  bei  solchen  Kranken  nachgewiesene  Peptonurie 
hinweisen  würde  <  der  Gehalt  des  Blutes  an  Albnmose  eine  KoUe  spielt,  das  l&sst 
sich  zur  Zeit  nicht  entscheiden. 

II.  Zusammensetzung  und  Bildungsart  der  Thromben. 

Fnter  den  im  Thrombus  enthaltenen  körperlichen  Klemenfcn  nehmen  die 
Bluti)liittchen  die  erste  Stelle  ein.  Die  Frage,  ob  diese  (iebilde  im  Sinne  von 
Bizzo/.KRü  ^)  als  der  „dritte  Formbestandtheil  des  normalen  Blutes^  aufxufassen, 
ist  Gegenstand  einer  lebhaft  geftthrten  IMscnssion  gewesen,  in  der  namentlich 
LöwiT  ")  die  Ansicht  vertrat,  dass  die  Flittchen  nicht  präformirt  wären,  sondern 
erst  im  Gefolge  von  Blutveränderunsren  durch  chemische  Eintlilssp .  mechanische 
Insulte  ent.ständen.  Nachdem  iu  neuester  Zeit  durch  Beobachtung  der  Circulation 
im  FledermaosflOgel  (BizzozBRO,  Lasek  die  Existens  der  Blutplftttohen  im 
circulirenden  Blut  unter  I'mständen  erwiesen  wurde,  wo  die  Mitwirkung  schädigender 
Eiuttttsse  der  bezeichneten  Art  auszusehliessen  war ,  ist  fast  allgemein  die  Auaieht 


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732 


TflROMBO.SE  UND  EMBOLIE. 


Bl2Z0ZER0's  angenommen  worden.  IlinHtcbtlich  der  kritischen  Zurückweisung  der 
von  LöwiT  zu  Gunsten  seiner  Auffaaaang  verwertbeten  experimentellen  Beob- 
Mhtangen  kann  hier  aaf  die  Arbeitüi  Ton  Ebbbth  und  Scbimmblbusch  v»A 
be«ondera  auf  di«  jflBgste  PablimticHi  tob  BmOBBRO  verwiesen  «erden.  Mit 

Recbt  hat  (Ibrigens  Wf.I(;krt  hervorgehoben,  dass  die  Frage  nach  der  Präexisteiiz 
der  PIftttcben  im  normalen  Blut  t'tir  ihren  Anthtil  :m  der  Tlirombonbilduag  au 
Bioli  ohne  Bedeutung  ist,  da  nach  den  Ergebuis^eu  der  experimentellen  und  patho- 
logiaeh-anatomiBeben  Beobaehtuogeo  die  Plftltebeo  als  eonstituirende  Bleiiieate  de« 
Thrombus  auch  dann  gelten  mQssten,  wenn  sie  wirklieb  erst  im  Gefolge  der  die 
Thrombose  hervorrufenden  Störung  entstünden.  IHe  lilutpUUtclien  des  menschlichen 
Blutes  sind  liämoglobinfreie ,  kreisförmige  oder  clliptibcbc  iScbeibebeu  von  circa 
3*0  (A  Dnrelmiesser.  Naeh  EBBtTH  und  Sohimhblbosch  sotlen  sie  normaler  Weise 
im  axialen  Tbeil  des  Blatstromes  mit  den  rothen  Blutkörperctien  fortbewegt  werden, 
wälironil  f^ie  in  Folge  von  Strom verlangsrimuiig  oder  bei  Wirbelbildiin^'en  gleich 
den  farblü.sen  liiutkorpercben  in  der  piasmatisclu  n  Kand/cone  sicli  ansauiiiielu.  Ob 
hierbei,  wie  Eueutu  angenommen,  die  Leichtigkeit,  der  Piilticbeu  eine  iioUe  spielt, 
ist  fraglieh,  seitdem  anf  Orond  neuerer  Beobaehtnng  den  Piftttelien  ein  liolies 
speeiflsehes  Oewiebt  zugeschrieben  wird  i  scaiBFBRDKCKEit).  Leicht  zu  beobachten 
if^t  dagegen  bei  mikroskopischer  rutersuehuug  von  Blut>tropt'oii  die  Nei^'ting  der 
Plättchon  zur  Verklebung  untereinander  und  mit  den  Übrigen  körperlichen  Blut- 
elemeoten;  daliei  erleiden  sie  Gestaltverlluder ungen ;  flüters  differenzirt  sieh  an 
den  Scheiben  eine  periphere  körnige  Zone  gegen  das  übrige  hyaline  Plasma. 
Pei  der  Beobachtung  des  Plutstromes  leheniier  Tliiere  fanden  IOukrth  und 
Sciii-MMKi.iii  .-CH,  dass  nach  Verletzung  der  (iefasiwand  in  \  tTbin>i»ng  njit  Verlang- 
sam ung  dos  Blutstromes  die  in  der  Kandsebicbt  uufgeuäufte»  Blutplättohrn 
mit  den  verletzten  Stellen  der  GeOlsswand  verkleben.  Sind  die  Zerstörungen  der 
Oefilsswand  ausgedehnter,  so  nimmt  <lie  Anhittfung  der  Pblttcliea  immer  mehr 
zu,  eventuell  }>\<  zum  \'erschlus'<  des  Lumens,  wobei  liie  verklebten  Pliittelien 
sich  weiterhin  in  eine  homogene  Masse  verwandeln  (hyaline  Thromben;  und 
sehliesslich  aueh  kOrnige  Metamorphose  erleiden  können.  Dass  die  PIStteben» 
häufen  farblose  und  rothe  Kiemente  ein.sehlies.Hen  können ,  wird  von  EuEBTH  als 
ein  zufililiges  Krei;,'niss  nufgefaast ,  ohne  das-  iliesm  KlennMiten  eine  Bedeutung 
für  das  Zustandekommen  der  Throm'ii»se  eingeräumt  wird.  Die  Fibrinbildung 
Stellt  sich  nach  den  genannten  Autoreu  aU  ein  seoundtlrer  Gerinnungsvorgaug 
ein,  wofiHr  aneb  die  Tbatsaobe  spricht,  dass  die  FibrinfUden  sich  an  die  Ober* 
HUcbe  der  Plittehenhaufen  ansetzen,  ohne  in  ihr  Innere-i  einzudringen.  Aueh  für 
pathologische  Verhflltuisse  ist  auf  (Jruml  der  mikroskopisclien  rntersuchun;r 
geeigneten  Leiohenmaterials  nicht  zu  bezweifeln,  da.s.s  die  lilutplattcbeii  bei  der 
ersten  Anlage  und  der  Fortbildung  der  Thromben  eine  wesentliche  Bedeutung 
haben.  In  den  zarten  golatiurt-sen  Auflagerungen ,  die  man  bei  besinnender 
Eüdoe.'irditis  öfters  .-in  den  Herzklap}>en  findet,  iiisst  sieh  z.B.  an  L'iit  gehärtetem 
Material  die  Zu^sammensetzting  aus  wohlerbalteuea  i'liiltcben  8ehr  deutlich  erkennen; 
auch  in  amfänglicberen  und  illtereu  l'hromben  sind  meist  noch  umfdugliehe  Tb^e 
als  aus  verklebten  PiSttchen  bestehend  nachweisbar.  Es  ist  jedoch  hervorzuheben, 
dass  man  nicht  selten  in  den  der  Wandtl.lclie  des  Blutraumes  zunächst  gelegeneu 
Lagen  des  Thrombus.  aNo  dort,  wo  oHenl»ar  die  erste  Anlaire  s(.iUtaiid,  .so  dichte 
Aubilufungeu  farbloser  Blutkörpereheu  i^mituuter  vou  Fibriiifadeu  durclisetzij  autriüt, 
dass  hier  die  von  Zahn  *)  zuerst  begründete  Auffassung,  nach  welcher  die  Thromben- 
bildung durch  Haften  farliloser  Blutkiirperehen  an  veränderten  Wandstellen  ein- 
geleitet wird,  sieh  als  die  einfachste  l)eutiitig  des  that'ilebliehen  Befundes  auf- 
drängt. Ks  kommt  hinzu,  dass  auch  experimeutelle  Erfahrungen  (\oa  Luwit  u.  A.) 
für  die  Berechtigung  der  Ansieht  sprechen,  dass  nicht  ausscbliesslieh  den  Blnt- 
pUttehen,  sondern  unter  Umständen  aueh  den  farblosen  Blutkörperehen  eine 
tbrombeiibibb'nde  Bolle  zukommt.  Dass  die  eben  erwähnten  Blntelenu-nte  aber 
auch  in  denjenigen  Fallen,  wo  die  i'iiittchenhauleu  deu  ersten  Anfang  der  Thromben- 


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TBBOMBOSE  liUD  EUBOLIE. 


733 


bildunp  bezeichneten,  ftlr  die  Weiterentwicklung  derselben  sehr  erheblich  mitwirken, 
ergiebt  sich  aus  ihrem  Antheil  am  Anfban  ir^nd  umfänglicher  Thromben.  Das 
eben  Gesagte  bezieht  sich  auf  die  weissen  und  gemischten  Thromben. 
Die  enteren  besteheo  ans  dem  erwähnten  Terklebten  Blotplftttebenmassen ,  an« 
farbloseu  Blutkörpern  und  Fibrin  ;  sie  sebliesseo  übrigens  fast  immer,  auch  wenn 
sie  dem  unbewaffneten  Antre  weisä  oder  blassgelb  erscheinen,  wie  das  Mikroskop 
zeigt ,  rothe  Blutki'trperchon  ein.  In  den  gemischten  Thromben  rinden  sich  die 
blassen  und  die  farbigen  Lagen  entweder  in  unregelmilssiger  Vertheilung,  oder 
sie  wechseln  in  regetmSssiger  Abgren£nng  (gesehiolitete  Thromben).  Die  eben 
erwähnten  Cnterschiede  waren  l-ln^st  bekannt,  die  feineren  Stmeturverhilltnisse 
der  hier  besprochenen  Thromben  sind  jedoch  erst  in  neuester  Zeit  von  Aschoff  '*) 
Itlargestellt  worden.  Die  von  dem  eben  genannten  Autor  nachgewiesene  Kegel- 
mlssiglceit  in  der  Anordnvng  der  wesentlidiMi  BeetnndtheOe  der  weissen  nnd 
gemischten  Thromben  ist  unzweifelhaft  auf  ihre  Entstehung  zurückzufahren,  sie 
giebt  dadurch  eine  Grundlaire  zur  Bestimmung  des  Antheils  der  einzelnen  Ele- 
mente an  der  Tbrombenbildung.  Aschoff  zeigte,  dass  die  weisse  Substanz  der 
Thromben  ans  einem  System  ninder  odw  pl*tter  Balken  besteht,  deren  centraler 
Grandstoelc  ans  Blntplättchen,  deren  Peripherie  am  Lenkocyten  besteht; 
durch  die  WEioERT'sche  Fibrinfärbungsmethode  lässt  sich  an  der  Grenze  der 
Blutpl.lttchenlagen.  zwischen  ihnen  und  dem  aus  farblosen  Blutkörperchen 
gebildeten  Saum  der  Bälkcheu  ein  feinfaseriges  Fibrinnetz  nach- 
weisen. Das  swischen  den  eben  beschriebcDeii  Balken  Aeibldhende  LflekenqrBtem 
kann  in  verschiedener  Weise  ausgefällt  sein.  Oeflen  enthält  dasselbe  diohtgedlibiigte 
rothe  Blutkiirperchen ;  andererseits  liesre^rnet  man  Strängen  mit  einem  dichten 
Fibriunetz  verbundener  weisser  Blutkörperchen,  die  gleichsam  guirlaudenartig  von 
einem  Balken  des  Grvndstoekee  snm  anderen  neben.  Die  Lfleken  zwischen  ihnen 
können  wieder  durch  rothe  Blutkörperchen  ansgefdllt  sein;  ferner  findet  man 
auch  dichte  Fibrir.nctzc.  in  deren  Lflcken  nur  vereinzelte  körperliche  Blutelemente 
vertheilt  sind  ,  die  wahrscheinlich  ursprünglich  mit  Serum  gefullteu  Hohlräumen 
entsprechen.  So  wechselnd  die  Art  der  AusftlUung  der  besprochenen  Hohlräume 
sdn  kann,  so  constant  ist  der  beschriebene  Ornndstoek,  so  dass  Aschopf  den> 
selben  als  typisch  fIDr  den  weissen  Thrombus  hinstellen  konnte. 

Auch  im  gemischten  Thrombus  lässt  sich  die  mit  einem  „Korallenstock" 
oder  Badei-chwamm  verglichene  Anordnung  der  aus  den  Plättchenmassen  und  den 
secondar  sieh  ansetsenden  Lenkooyten  nnd  Fibrinftden  gebildeten  Balken  erkennen. 
Der  Aufbau  der  ersten  Hauptbalken  erfolgt  in  regelmftssigen  Abstftnden,  die  ent- 
weder nach  der  von  Zahn  vertretenen  Auffassung  durch  die  Wellenbewe- 
gungen des  Blutes  bestimmt  werden  und  den  Knoten-  und  Kuhepunkten  der 
Schwingungen  entsprechen,  oder  aber  nach  der  von  Köster  gegebenen  und  von 
A8CB0FF  niher  begrflndeten  Erklärung  auf  der  physiologisch  schon  yorhandenen 
FaltenbilduDg  der  Gefässwand  beruhen,  indem  letztere  gleichsam  die  Fnsspunkte 
für  die  Hauptlamellen  des  Thrombus  darstellen.  Die  rein  rothen  Massen  des 
gemischten  Thrombus  bilden  die  Ausfüllung  zwischen  den  primären  wandständigen 
weissen  Thromben,  welche  als  Stromwehre  wirken,  nnd  iwisehen  denen  dann  aus 
dem  stagnirenden  Blut  berdts  intra  vitam  Gerinnung  eintreten  kann.  Die  an  den 
rothen  preronnenen  Massen  oft  hervortretende  Schichtung  ist  durch  vielfache,  wirbel- 
artig von  den  Grundbalken  des  weissen  llirombus  ausgehende  lamellöse  Ausläufer 
bedingt,  ii&  gleich  Wasserpflanzen  in  der  Richtung  des  Stromes  gebeugt  sind. 
Aua  diesem  fönblick  in  die  Structur  des  Thrombus  erklirt  sich  auch  ein  Öfters 
besprochener  Befund ,  die  an  der  Oberfläche  weisser  oder  gemischter  Thromben 
nicht  selten  in  Form  feiner  wellenartif^er  Linien  hervortretende  Hiff-  oder  Rippen- 
bildung und  das  Vorkommen  uetzartig  vertheilter  Zeichnungen  an  der  der  Gefäss- 
wand  sttgekehrten  Fläehe  des  Thrombus.  IMe  erstcren  stellen  die  Spitaen  und 
Ränder  der  in  den  Blutstrom  hineinragend«!  Lamellen,  die  letzteren  Ihre  Ihm- 
punkte  «g  der  GefUssinnenfläche  dar. 


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734 


THROMBOSE  UND  EMßULIE. 


Für  (iie  Anlai,'('  des  besprochenen  8chwamniarti?en  Raue^  des  Thrombus 
Ut  demnach  die  VerklebuDg  der  tilutplättchenmasscn  wesentlich,  wot)ei  es  ^teich- 
giltig  seia  kaon,  ob  der  erste  Aostoss  dureh  eine  ausschliesdlich  aus  Blutplätteken 
betteh«ad6,  mit  der  Gefkarinikenftlehe  verklebte  Lage  gegebeo  wird,  oder  ob 
sich  die  Plättchenbalken  an  t^ine  primäre,  von  Leukocyten  und  Fibrin  «rebildete 
Gerinnungsschicht  ansetzen.  Im  alimäligen  Wachsthume  bilden  die  IMattchenbalken. 
indem  sie  zusammenkleben,  ein  verzweigtes  Gitterwebr  im  strömenden  Ulut;  nun 
wird  aa  dieseo  Barrieren  alles  leiebt  baftende  Material,  in  enter  Linie  die 
Plättehen  nnd  die  Leokoeyten  abgelagert ,  während  ili  den  Zwischenräumen  das 
Blut  anlange  in  Bewegung  bleiben  und  anhaltend  neues  Material  absetzen  kann, 
bis  durob  das  Wacbstbum  der  Balken  die  Lücken  geschlossen  werden  und  der 
Blntstrom  zum  Stehen  kommt  Je  naehdem  dieser  Stillstand  frflher  oder  später 
erfolgtf  können  grössere  oder  kleinere  Blotmassen  dngesehlossen  werden.  Man 
kann  sich  leicht  vorstellen  ,  dass  in  den  einzelnen  Fällen  so  verschiedenartige 
Blut.strüiDiiiiirsvt  rliilltiiisse  in  Fol^e  örtlicher  oder  allgemeiner  Veranlassungen  zur 
Geltung  kommen ,  dasi^  sich  hieraus  die  Unterschiede  in  der  Zusammensetzung 
der  weissen  und  gemisehten  Thromben  erklären.  Namentlieh  ist  es  aueh  leiebt 
begreiflieh,  dass  sieb  bSofig  an  weisse  oder  genu^chtc  Thromben  seenndlr  nm- 
fängliche,  reichliche  rothe  Blutk<irper  einschliessende  OerinnunL'en  :iir«chlies«en 
(sogenannte  fortgesetzte  Thromben),  weuu  durch  das  tbrtgescbrittene 
Waebstbom  des  „autoebthooen''  Thrombus  Lnmina  verlegt  werden  oder  sonst 
Verlangsamnngen  der  Blutströmung  entstehen  (z.  B.  dureh  Herzschwäche  i. 

So  sehr  wir  auf  (irtind  eigener  Nachprüfung  die  thatsJtchlichen  Befunde 
von  AsCHOKF  best:lti;;en  müssen,  so  mochten  wir  doch  dem  Antheil  der  intra- 
vitaleu  Fibrinbilduug  eine  grössere  Bedeutung  einräumen.  Die  von  AscuoFF 
selbst  herroi^diobene  innige  rtamliebe  Beziehung  zwisebeo  den  Pibrinfiden  and 
den  Leukocyten  legt  eine  Deutung  im  Sinne  der  oben  besprochenen  Blutgerinnung^- 
theorie  sehr  nahe.  Wenn  durch  regreaiive  Veränderungen  der  an  die  Plnttchen- 
balken  angeklebten  Leukocyten  Fibriut'erment  entsteht,  so  würden  die  verschieden- 
artigen fibrinhaltigen  AnsflllUnngsmassen  in  den  Hohlräumeo  des  Gmadstoekes  der 
weissen  Thromben  sich  aus  solcher  Fermentbildun^  erklären  lassen,  weldie,  je 
nachdem  Bhitpla-^nia  oder  mthes  Blut  in  den  Lilckeii  \  nrlianden  war,  farblose 
oder  farbige  Geriunungsmasäen  erzeugen  nuis8.  Die  Annahme  eines  Znsammen- 
hanges zwischen  der  Leukocyteuaubäufung  und  der  Fibrinbildung  im  Thrombus 
wird,  abgesehen  von  den  bereits  berflhrtea  Befanden,  die  mindestens  mit  ihr  dnrehans 
verträglich  sind,  noeh  durch  gewisse  B'ormea  geschichteter  Thromben 
unterstutzt.  Wenn  auch  gerade  die  Erklärung  der  Schichtung  durch  die  von 
AäCUOFF  gegebenen  Nachweise  fUr  viele  Fälle  in  befriedigender  Weise  gegeben 
ist,  so  bieten  in  bestimmten  gesehiehteten  Thromben  die  Lagen  eine  Zusammen- 
setzung, welche  auf  die  Mitwirkung  besonderer  Factoren  hinweist.  Wir  meinen 
jene  öfters  in  gnisseren  Venen  gefundenen  Thromben,  welche  ans  re^jelmä^sig 
coucentriäch  geordneten  Lagen  farbloser  und  rother  Massen  bestehen,  von  denen 
die  ersteren  durch  reichlichen  Gehalt  an  L*eukocyten  auffalten,  während  in  den 
rothen  Sehiditen  aus  dem  Yerhaiten  der  farbigen  BlntkSrperehen  deuttieh  er- 
kennbar ist,  dass  dieselben  allmftlig,  mit  dazwischen  liegenden  Zeiträumen  in 
der  Weise  entstanden  sind,  dass  zuerst  die  der  Wand  zunächst  gelegenen  rothen 
Tbeiie  und  dann  schubweise  die  mehr  nach  dem  Ceutrum  zu  abgelagerten  auf- 
traten. In  Alteren  Thromben  dieser  Art  ist  in  der  Nähe  der  Wand  berate  eine 
fortgeschrittene  Pigmentmetamorphose  der  rothen  Blutkörperchen  in  Verbindung 
mit  dem  Auftreten  pigmenthaltiger  farbloser  Zellen  erkennbar  ,  wiihrend  die 
zwischenliegenden  Schichten  alle  Uebergänge  bis  zu  den  woblerbaltenea  rothen 
Blutkörperchen  im  Centmm  des  Thrombus  darbieten.  Dieser  BeAind  iSest  deh 
orklftren,  wenn  man  davon  ausgeht,  dass  in  Folge  der  Anhäufung  von  Lenkoeyten 
in  den  farblosen  Partien  eine  Cierinnung  erzeiiiremle  Fermeutwirkung  auf  die 
Kandzoue  des  strömenden  Blutes  stattfand,  die  zur  Bildung  eines  rothen  Gerinnsels 


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TimoMBOSE  UND  EMBOLIE, 


735 


ftlhrtt',  an  welches  sich  dann  wieder  Hlutplflttchen  und  Leukocyten  ansetzten,  von 
deuen  dann  weiterhin  eine  gleiche  Fermentwirkung  ausging.  Durch  die  regel- 
mässige Aufeinanderfolge  dieser  Adhäsione-  und  Gerinnungjproeesse  entsteht  aus 
einem  wandstlndigeii  eia  das  OeOBalamen  venehlienender  Thrombits  wa  regel- 
mlMiger  SoUelitung. 

III.  Ursaeben  der  Thrombose. 

Fassen  wir  anf  Grand  der  besprochenen  (Jntersnchnngen  die  Hanpt- 

gvsiebtspunkte  für  die  Pathogenese  der  l'hrombose  zusammen,  so  ergiebt 
sich ,  dasH  hier  zwei  Verh<^ltui88e  in  erster  Linie  zu  berticksichtiL'on  i=iind :  die 
VeranlasHun;;  des  Haftens  und  Z  usain  in  e  n  k  1  e  ben  s  körperlicher  Ele- 
mente deH  uuruialeu  Blutes  und  die  Ursachen  der  Bildung  fester  Snbstansen 
im  lebenden  Blut  dnreb  Gerimnnngr. 

In  der  erstbezeiehneten  Richtung  kommen  als  wichtigste  Factoren  in 
Betracht:  1.  Veränderungen  der  Gefflsswand.  welelie  die  Adhäsion  in 
den  Kandstrum  gelangter  Blutelemente  an  der  GeßissiDneuti^iche  begünstigen. 
2.  Die  Stromverlangsaman;,  dnndi  welehe  die  Anhftnfang  jener  Elemente 
im  Randstrom  /.»  Stande  kommt.  Dass  die  Waudverinderang  eine  Zeit  lang  als 
die  wichtifrste  I  rsache  pathologischer  Thrombenbildungen  angesehen  wurde,  er- 
gab sich  als  eine  Folgerung  aus  der  oben  berührten  BRüCKE  .seheu  Hypothese 
von  der  gerinnungshemmenden  Function  des  lebenden  Endothels,  gana  besonders 
aber  erhielt  diese  Anffinsnng  diatsiehUehe  Belege  dnieh  die  UDtersnehungen  von 
Zahn*)  Aber  die  Bildung  der  weissen  Thromben. 

Da  das  Hineinfrelangen  gröberer  Fremdkörper  in  die  Blutbahn  unter 
natürlichen  Bedingungen  selten  vorkommt,  so  wurde  natürlich  diese  experimentell 
▼ielfiseb  verwerthete  FremdkOrperthrombose  in  pathologiseher  Hinsidit 
durch  die  Thrombenbildung  an  krankhaft  veränderten  Stellen 
der  (J  c  f  ii  s si  n  n  e n  f  1 .1  c h e  an  Wichtigkeit  weit  tibertroffen.  Ob  nun  bei  dieser 
ursächlichen  Beziehung  zwischen  GetUsswandveriinderung  und  Thrombose  der 
Wegfall  dnes  biologtsdben  Factors  in  dem  eben  angedeuteten  Sinne  das  Wesent- 
liche darstelle,  oder  ob  hier  haaptsäcblich  physikalische  Verhältnisse  maasgebend 
sind,  (lartlher  ii^t  bi.s  jetzt  etwas  Sicheres  nicht  festgestellt.  Das^  eine  der  j^latten 
Endothelaiiskleidung  ganz  oder  theilweise  beraubte,  und  bei  tiefer  eindrinj^ender 
Gewebszerstörung  öfters  auch  unregelmässige  Vorsprünge  und  Buchten  darbietende 
Wandflftehe  für  das  Haften  der  Blutplattehen  ganstige  Bedingungen  bieten  muss, 
ist  an  sich  klar. 

F>s  kommt  liinzu,  dass  durch  ein  Experiment  von  Frki  nd  nachgewiesen 
ist,  wie  selbst  für  die  Gerinnung  des  Blutes  ausserhalb  des  Körpers  die  Adhäsion 
an  der  InnenflSehe  des  fQr  die  Aufnahme  des  flOssigen  Blates  bestimmten  Behllt- 
nisses  von  Bedeutung  ist ,  indem  in  einem  GlasgefiUs ,  dessen  Wand  mit 
Vaselin  ausgestrichen  wurde ,  das  Blut  flüssig  erhalten  wenlen  konnte.  Mit  der 
Annahme,  dass  die  erhöhten  Keibungswiderstände  an  der  krankhaft  veränderten 
Gefässwand  von  Bedeutung  für  die  erste  Anlage  des  Thrombus  sind,  stimmt  sehr 
vrohl  ^e  von  BBBitTa  und  SCHlMif BiiBDSCH  *)  naehdrOcklieh  hervorgehobene  That- 
saehe,  dass  die  Anklebung  der  Plättcheu  selbst  an  hochgradig  veränderten  Stellen 
der  Gefässwand  ausbleiben  kann,  sobald  die  Blutströmunfr  eine  energische  ist. 

In  den  meisten  neueren  Arbeiten  über  Thrombuse  ist  die  früher  etwas 
dnseitig  betonte  massgebende  Bedeutung  der  GefiUuwandveränderungen  insofern 
eingeschränkt,  als  anerkannt  wird,  dass  ihre  Folgen  in  der  Bogel  erst  in 
Verbindung  mit  einer  V  e  r  1  a  n  g  s  a  m  u  n  g  der  BlutstrOmung  zur 
Geltung  kommen.  In  den  älteren  Arbeiten  über  Thrombose  wurde  der  Stillstand 
des  Blntstaromes  als  eine  wesentliehe  Bedingung  der Thrombenbildung  angesehen; 
ea  bedurfte  erst  der  bekannten  Experimente  von  Sssitlbbbn  und  BAUUGASTBir 
um  zu  zeigen ,  dass  eine  ruhende  Blutsänle  swisohen  awei  Ligaturen  rieh  voll* 
ständig  flttssig  erhalten  kann. 


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796 


THKOMBOSE  UND  EMBOLIE. 


Da«8  die  oben  besprochenen  weissen  und  gemischten  Thromben  aus  einer 
plötzlich  zum  Stillstand  gebrachten  Blutsäule  gar  nicht  entstehen  können ,  ist 
selbstverständlich,  da  die  Ansammlang  der  Haufen  von  BlutpUttehen  und  farb- 
losen BlvtUrpereheo  die  Fortdauer  eieer  BlatttrOmwiir  voraueelit,  weil  Mhon 
die  Menge  der  aus  dem  Blut  abgesetzten  körperliehen  Elemente  einem  grosseren 
Blutqnantum  entspricht.  Diese  Voraussetzung  wird  vollstÄndig  bestfltiprt  durch 
die  Tbatsacbe,  dass  die  weissen  Thromben  sich  am  häutigsten  an  suichen 
StelIeD  bilden,  wo  die  Ürsaehen  einer  Ordioben  StromTerlengMiming  leieht. 
nachweisbar  sind .  «>  z.  B.  in  den  IKrxohren,  in  den  Ausbuchtungen  iwisdien 
den  Trabekeln.  Kommt  dagegen  ein  Thrombus  durch  rasch  ein-retretene  völlige 
Hemmung  der  Blutbewegung  zu  Stande,  so  bildet  sich  das  rothe  Ge- 
rinnsel, welches  aas  den  durch  fibrin  verklebten  körperlichen  Bltttelementen 
in  ihrer  natttriiehen  Hieebmig  l>eateht.  Deas  die  gemlaehten  Thromben  ana 
dem  Zusammenwirken  beider  Bedingungen  der  Thrombenbildnng  hervorgehen, 
indem  die  rothen  Partien  derselben  durch  rasche  Blutgerinnung  im  schwam- 
migen Grundbau  eiues  weissen  Thrombus  oder  als  Fortsetzung  eine«  solchen 
in  Folge  der  Ton  ihm  anagehoiden  Terlegnng  dee  Strombettes  entstellen,  wnrde 
oben  besproehen. 

Die  Gefilsswandveränderungen,  die  in  Verbindung  mit  der  Stromverlang- 
SOTnnng  zur  Throrabenbildung  führen,  können  verschiedenartigen  Ursprunges  sein. 
Dass  in  dieser  fiichtung  auch  acute  Entzündungen  der  GeülSäwaud  eine 
RoUe  spielen,  indem  de  snr  ZerstSmng  des  Endothels  und  selbst  zn  tiefer- 
greifendem Zerfall  des  Gewebes  der  Intima  führen  können,  i^^t  nicht  zu  be- 
zweifeln; auch  ist  es  klar,  d&sa  besonders  auf  die  Gefflsswilnde  (Ibergreifende 
infectiöse  F'rocesse  von  Bedeutung  sind.  Ftlr  die  Venen  würde  hierbei  wegen 
der  geringeren  Widerstandsßihigkeit  ihrer  Wand  namentlich  das  Uebergreifen 
fortsehreitender  eiteriger  und  veirfauehender  Entsflndnngsprooesse  ans  ihrer  Um- 
gebnng  zu  berlicksichtigen  sein,  fttr  die  Arterien  und  auch  für  die  Herzinnen- 
flftohe  die  Festsetzung  au»  der  Blutbahn  stammender  infectiöser  Mikroorganismen 
i^uicerOse  Eudocarditis,  emboliscbe  EndarteriitisL  Bei  aller  Anerkennung  der  eben 
berflhrten  ätlologiaehen  Momente  ist  es  doeh  entschieden  einseitig,  wenn  in  nenerer 
Zeit  dw  infoetitfse  Ursprung,  wie  das  von  einigen  französischen  Autoren 
( VAiii'KZ '•^'^  11.  A.)  geschieht,  als  allgemeine  Grundlage  der  Thrombose  hingestellt 
wird.  Ks  handelt  sich  dabei  im  Grunde  um  jene  längst  aufgegebene  Auffassung} 
die  jede  Veneuthrombose  als  eine  „Pliiebitis"  ansah. 

Dass  unter  Umstinden  aneh  chronisch-infeetiSse  Proeeese  bei  der  Thromben- 
bildang  betheiligt  sein  können,  ergiebt  sich  aus  der  bekannten  Entdeckung  Weigert  ") 
über  den  Diirclibnich  tiiberktiiriser  Herde  in  die  Lungenvenen  mit  sich  anschliessender 
Tlirombeubildung.  Hier  schliesst  sich  eine  Beobachtung  des  N'erfassers  **)  dieser  Ueber- 
sicht  an,  durch  welche  in  einem  Fall  von  chrouischer  Lungeu-  und  Urogenitaltuber- 
enlose  die  Entwicklung  von  Taberkelkn5tehen  im  Innern  ^nes  weissen,  in  Orga> 
nisation  begriffenen  Thrombus  des  ri  «  Ilten  Herzohres  festgestellt  wurde.  Trotz 
alledem  wäre  es  falsch,  wenn  man  das  häutige  Vorkommen  von  Thromben  in 
den  grossen  Venen  and  im  Herzen  entsprechend  den  Eudstadien  der  tuberkulösen 
Lungensehwindsueht  allgemein  anf  infectiöse  ürsaehen  beliehen  wollte.  In  der 
grossen  Mehrzahl  der  Fälle  ist  in  den  betreffenden  Thromben  ein  Nachweis  von 
Tuberkelbaoillen  nicht  zu  führen.  Kh  ist  wubl  aueh  in  Zukunft  die  Mehrzahl 
dieser  Fälle  zu  den  ni  a r a n t  i s c h e u  Thrombosen  zu  rechnen,  fUr  welche 
Circulationsschwäche  und  Ernährungsstörungen  der  Gefässwand  zusammenwirken. 
Unter  den  chronischen  OefAsswandverlndernngen,  die  Thromben- 
bildung einleiten,  sind  namentlich  die  Ernährungsstörungen  hervorzuheben,  die  zur 
Usur  der  Intima  führen,  wie  sie  z.  B.  bei  der  Arterio^clerose  der  Arterien  und 
bei  verwandten  Formen  chronischer  Phlebitis,  namentlich  auch  an  den  durch 
entsflndlich-degenerative  Processe  verftnderten  Hersklappen  auftreten,  wihrend 


THBOMBOSB  UND  EMBOLIE. 


737 


bei  den  wandständigen  Herzthromben  die  Schwielenbildong  im  Myocardium  eine 
bef?1in8tifrendc  Rolle  spielt.  Die  Natur  der  Ursachen ,  welche  örtliche  oder  allg'e- 
meine  Strom  verUngdamucg  hervorrufen  können ,  liegt  so  auf  der  Hand,  dass  eine 
ntliere  Betpreehmg  denelben  «berflflMig  ist. 

Will  nuui,  gegenttber  den  in  ihrer  ersten  Anlage  aas  dem  Haften  der 
körperlichen  Rlufelemente  entstandenen  Thromben,  die  von  vornherein  in  Folgte 
von  Blutgerinnung^  intra  vitam  gebildeten  Gerinnsel  nicht  mehr  zur  wahren 
Thrombose  rechnen ,  so  kommt  das  auf  einen  Wortstreit  hinaus ,  bei  dem  ety- 
mologiieb  Doeh  mdnr  der  entgegengesetste  Standpankt  berechtigt  wire.  Wir 
rechnen  zur  Thromliose  auch  die  durch  wahre  Blntgerinnnng  gebildeten  Pfröpfe, 
mögen  sie  nun  durch  dircctc  Einführung  von  Formentbildnern  in  die  Blutbahn 
oder  durch  Zerstörung  von  Blutkörperchen  eutatanden  sein.  Auf  die  in  dieser 
Riehtnng  sieh  ergebenden  speoiellen  ürsaehen  dar  Thromboae  lit  hier  nioht  niher 
einsngehen.  Ee  genflge  die  Hervorhebung  der  Thrombenbildnng  nach  Vergif- 
tungen, nach  septischen  Einflüssen  und  im  Anschluss  an  Gewebs- 
zerfall. Die  folgende  schematische  Zusammenfassung  der  Ursachen 
der  Thrombose  findet  ihre  Begründung  in  den  vorstehenden  Darlegungen; 
sn  berfleksiehtigen  ist  bei  derselben  die  Häofiglceit  der  Verbindung  mehrbeher 
nrslehlicher  Momente ,  namentlich  swisdien  der  ersten  und  »weiten  Hanptsmppe. 

1.  AdhJlsionsthrombose. 
a)  d  nrch  Fremdkörper; 

h)  durch  Entzündung  der  Gefässwand  (Phlebitis,  Endarteritis, 
Endoeaiditis); 

c)  durch  Ernährungsstörung  der  Gefftsswand  (Neerose,  fettige 

Degeneration,  Usur  der  Intima). 

2.  S  tag  n  a  t  i  0  n  8  t  h  r  o  m  b  o  s 

a)  durch  örtliche  Circulationsstürung  (Ligatur,  Compression, 
Dilatatioii) ; 

h)  durch    allgemeine    Cirealationssehwiehe  (marantisclie 

Thr<>mb.isr\ 

3.  P  e  r  m  e  n  1 1  h  r  0  ni  b  0  3  e. 

a)  durch  Zerstörung  von  Blutkörperu  (toxische,  septische,  in- 

feetiSse  Ursschen); 
h)  dnreh  Aufnahme  von  Zymogea  des  ger innungserzen- 

genden  Fermentes  (Parenehymembolie,  gewisse  TbiergiAe?). 

lY.  SeenndäreVerindernngen  und  Organisation  der  Thromben. 

Die  Veränderungen,  welche  in  den  Bestandtheilen  eines  längere  Zeit 
bestehenden  Thrombus  eintreten,  waren  sehen  aus  fHlheren  üntersnehnogen  be- 
kannt und  haben  durch  die  neueren  Arbeiten  nur  in  geringem  Grade  weitere 
Aufklärung  erhalten.  In  den  farblosen  Thrombustheilen  tritt  eine  feinkörnige 
Metamorphose  oft  schon  frühzeitig  auf.  In  den  Leukocyten  ist  Kernzerfall 
neben  körniger  Hetamorphoee  des  Zeilleibes  bis  zur  Umwandlung  in  eine  kern- 
lose KDmclienkugel  nachzuweinen ;  in  leukocytenreicben  wandständigen  Hera- 
thromben werden  die  centralen  Theile  nicht  selten  in  eine  eiterJihnliche  Emulsion 
verwandelt;  in  den  cylindrischen  obturirendeu  Thromben  der  Venen  entstehen 
wahneheinlleh  ans  soldien  fettig  erweichten  Stellen  die  grosseren  eanalartigen 
Ltteken ,  dnreh  die  unter  gttnstigen  Bedingungen  eine  Herstellung  der  CSreulation 
eintreten  kann  fc  :i  n  a  1  i  s  i  r  t  e  r  Thrombus).  Andererseits  ist  es  bekannt,  dass 
die  fettige  Erweich  niitr  zur  Loslösung  von  Theilen  des  Thrombus  und  zur 
Verschleppung  derselbeu  mit  dem  Blutstrom  führen  und  auf  diese  Weise  zur 
embolisehen  Verstopfung  in  der  Stromriehtung  gelegener  entfernter  Gef&asgebiete 
fuhren  kann.  Die  wahre  eiterige  Erweichung  der  Thromben  ist  stets  auf 
die  Entwicklung  von  Eiterbakterien  suraekzuflthrea.  Auch  die  Blntplättehen 
Bneyelop.  Jahrbücher.  III.  47 


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738  THROMBOSE  UND  EMBOUB. 

erleiden  eioe  köroige  Metamorphose,  welche  dftera  sehr  bald  eiasutreten  scheint; 
doeh  findet  mm,  wie  Welch hervorgehoben  hat,  nleht  ao  selten  in  sehon 

langer  bestehenden  weissen  Thromben  noch  erhaltene  Blutplättehen ,  wobei  aller- 
dings frute  Härtung  (Jsublimathärtung)  frischen  Materials  vorauszusetzen  ist.  Hei 
fortgeschrittener  körniger  Metamorphuse  lilast  sich  der  Autbeil  der  iieukucyten 
und  Pllttdien  nicht  mehr  erkennen.  Zwieehen  den,  aus  diesen  Elementen  henror> 
gegangeneu  feinkörnigen  Balkennetzen  finden  sich  fibrinöse  Masse&i  theils 
feiufädig  mit  Einschluss  schrumpfender,  in  Pifrinentmetamorphose  begriffener  Blut- 
körperchen, theils  in  Form  grober  Balken  und  Lamellen,  von  welchen  die 
letzteren  Öfters  die  hyaline  Umwandlung  dureb  ilir  homogenes  starres  Aussehen 
anzeigen;  in  diesen  Itfassen  iXsst  sich  durch  die  WEioERT'sehe  Firbnng  öfters 
noch  ein  feineres  Fibrinnetz  nachweisen.  Wo  die  rothen  Blutkörperchen  in  dicht- 
gedriinglen  Massen  In;rern  ,  :iUo  in  den  centralen  Theileu  der  rntlieii  Gcriiinungs- 
thrombeu ,  kann  der  i'cätc  Zusammenhang  der  Theiic  erhalten  bleiben ,  wobei 
die  gesammte  Hasse  dne  fiehrnmpfnng  erleidet  und  einen  brännliehen  Farbenton 
annimmt,  ganz  nach  Art  der  nach  Blutungen  in  den  Geweben  liegen  gebliebenen 
oompscteren  IMutgerinnsel. 

Die  früher  viel  discutirte  Organisation  des  Thrombus,  für  die 
namentlieh  die  Betbeilignng  der  vom  Thrombus  eingeschlossenen  und  in  ihn  hin- 
eingewanderten  Leukocyten  einerseits  und  der  festen  BindegewebsBellen  der  Gefäss* 
wand  andererseits  strittig  war,  wird  gegenwärtig  von  den  meisten  Patholojren 
ausschliesslich  auf  die  von  der  Gefässwand  ausgehende  Gewebsneu- 
bildung  zurückgeführt.  Diese  AutTassung  ist  tretfend  von  Weigert  bezeichnet: 
„Dass  die  Organisation  des  Thrombus  genau  so  wie  fOr  alle  anderen  binde- 
gewebigen  Durchwaehsnngen  lebloser  fremder  oder  eigener  Tbeile  im  Körper, 
also  freuau  so  wie  filr  die  Gewebsblldung  in  einem  eingebrachten  Hollundermark- 
stUckcheu,  oder  wie  für  die  Organisation  der  tibrinüsen  Membran  seröser  liäute 
sieb  TerbÜt**  Nettgebildete  Zellen,  die  als  Abkftmmltnge  der  Endothelien  und  der 
fixen  Gewebszellen  des  Bindegewebes  der  GeHlsswand  anzusehen  sind,  rücken  in  die 
Thronibusmasse  hinein ,  treten  nuteinander  in  Verliiiuliinir  und  bilden  so  ein 
Maschenwerk  junger  Bindegewebszellen,  in  dem  auch  frühzeitig  neugebildete,  von 
den  }'asa  vanorum  mit  Blut  versorgte  Gefässbahnen  auftreten.  Die  Bindcgewebs- 
balken  und  die  neuMi  Oeftsse  sebdnen  sieh  vorwiegend  an  den  Veriauf  der 
fibrinösen  i^alken  des  Thrombus  zu  halten,  doeh  dringen  die  jungen  Bindegewebs- 
clemente  auch  in  die  übrigen  Theiic  des  Thrombus  ein,  und  sie  nehmen  dort  nicht 
selten  körnige  Zcrfallsproducte  in  sich  auf.  Auch  aus  den  P'asa  vasuruiu  aus- 
gewanderte farblose  Elemente  betbdiigen  sieh  an  der  ZerbrOekelong  und  For^ 
Rchatlun^'  der  rbrombuselemente,  tief  in  der  Geftsswand  linden  sieh  mit  Pigment 
beladene  Waiiderzellen.  Die  compacten  rotlieii  Tlieile  des  Thrombus  bieten  offenbar 
dem  ivindringen  der  Neubildung  und  der  Wauderzellen  den  stürksten  Widerstand ; 
es  tritt  auch  hier  die  Aehnlichkeit  mit  dem  Verhalten  eines  geronnenen  Blut- 
ergusses Im  Gewebe  hervor,  der  in  seinen  peripheren  lockeren  Theilen  von  Wander- 
zellen  durchsetzt,  von  neugebildetem  Bindegewebe  durelnvacli>;en  ,  sehliesslich  in 
eine  pigmentirte  Narbe  uin?ew:iiidelt  werden  kann,  walirend  die  eumpaetere  Cruor- 
maase  im  Ceutrum  häutig  als  ein  derber,  schliesslich  von  Kalksalzeu  incrustirter 
Fremdkdrper  liegen  bleibt.  Auoh  in  alteren  Thromben  tritt  öfters  mehr  oder 
weniger  ausgedehnte  Verkalkung  ein.  Wenn  nach  der  von  Weigert  begrflndeten 
Theorie  einseitige  Verminderung  des  (iewelciwidcrstandes  als  Veranlassung  von 
Gewebsneubilduug  zu  wirken  vermag,  so  lag  es  nahe,  diesen  allgemeinen  äatz 
aueh  auf  die  Ursachen  der  Organisation  des  Thrombus  anzuwenden.  Das  ist  in 
einer  eingehenden  Untersuchung  von  Bbkeke  geschehen.  Aus  derselben  ergab 
sich  in  erster  Linie  die  Bestitti^un^'  der  Lehre ,  welche  die  organisatorisehen 
Wucherungen  aut  das  Knddthel  und  den  binilegewelii;ren  Grundstock  der  Gefftss- 
waud  ^BaumgautE-\  zurückführt.  Angeregt  und  geregelt  wird  diese  Keubildung 
dureb  die  allgemeine  oder  Ortliehe  Entspannung  der  Gefässwand,  indem 


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THROMBOSE  UND  EMbuLIE. 


739 


durch  sie  den  Zellen  {jünstipfere  Lebcnsbedinp:nn»-en ,  die  znr  Theilun«:  anropren, 
geschaffen  werden.  Neben  dieser  Veränderung  des  physiolugischen  Gleichgewichtes 
der  Gewebe,  bei  welcher  die  Sebrampfang  des  Thrombiu  mitwirkt,  sobreibt  Bbnbrb 
dem  Tbiombns  noeh  eine  irritirende  Fremdkörperwi^ung  zn,  durch  welche  die 
Zellwncherung  an?reregt  und  in  bestimmte  Bahnen  jrelonkt  werde.  Auf  Gruud 
bek&noter  neuerer  Untersuchungen  über  diu  Bedeutung  chemotactischer  Heize  fUr 
die  Wandemng  von  Leakocyten  ans  den  Blutgefässen  nach  dem  Orte  entzündlicher 
B^nn^  wird  man  die  eben  berflbrte  Wirkung  wabraebeinlidiMr  Wefae  anf  die 
Bildung  positiv  chemotactisch  auf  die  Wanderzellen  wirkender  Zerfallsproduete 
im  Thrombus  beziehen  dflrfen.  Dasg  in  uncomplieirten  Fällen  die  Einwanderung 
nicht  in  stürmischer  Weise  erfolgt,  würde  sich  aus  eiuer  geringeren  Intensität  der 
betreifonden  EinflflBse  erkiftren  lassen  (gatartige,  in  Abkapselung  oder  Organisation 
ausnrehcnde  Form  der  FremdkörpercntzUndung),  während  durch  Produetion  inten- 
siver Reizstoffe,  wie  sie  durch  im  Thrombus  eingeschlossene  Bakterien  veranlasst 
werden  kann,  die  massenhafte  Einwanderung  znr  eiterigen  Schmelzung  des 
Tbrombos  fDlirt  und  dem  Znstandekommen  einer  Organiaatron  natttriieh  hinderlieh 
sein  mnss. 

V.  Die  Embolie. 

Die  embuliüche  Verstopfung  von  GefäSien  hängt  bekanntlich  am  häufigsten 
mit  der  Loelttsung  von  Thromben  ansammen,  von  doren  in  das  strömende  Blnt 

hineinragenden  Euden  ohne  Weiteres  oder  unter  Ifitwirkung  mechanischer  Einflüsse 
Stücke  abgelöst  und  mit  dem  Blutstrom  fortgetragen  werden,  bi«  sie  je  nach  ihrem 
Umfange  in  weiteren  oder  engeren  Aesten  eingekeilt  werden.  Wenn  die  (Quellen 
der  Embolie  für  die  grosse  Mehrzahl  der  Fllte  in  wandttindigen  Hiromben  des 
Herzens,  in  den  Venen  der  unteren  Extremitäten  Csogenannte  marantische  Thromben) 
und  bei  puerperalen  Zustünden  in  den  Venen  der  \veibliehen  Genitalien  zu  suclien 
sind,  während  gelegentlich  natürlich  die  verschiedenartigsteu  Venengebiete  als  Sitü 
der  Thrombose  in  Betracht  kommen,  so  ist  es  ohne  Weiteres  klar,  dass  die  inner- 
halb der  Venen  des  grossen  Kreislanfe  (mit  Einsehlnsa  des  rechten  Hersens)  gebil- 
deten Embolien,  entsprechend  der  physiologischen  Richtung  des  Blatstroms,  in  den 
Lungenarterien  einprekeilt  werden.  Die  Ausnahme,  dass  im  Wurzelpebiet  der 
I^fortader  gebildete  Thromben  zur  embolischen  Verstopfung  von  Leberästen  dieser 
Vene  führen  kOnnen ,  ist  ebenfalls  ans  der  normalen  Blntdrenlation  verstSndlidi. 
Aus  der  gleichen  Vor.mssf  t/uiijj  rnl<:t ,  da-s  beim  Sitz  einer  embolischen  Gefäss- 
verstopfnng  im  Oeliirn,  in  (ier  Milz,  den  Nieren,  der  primäre  Sitz  der  Thrombose 
in  der  linken  lierzhälftc  oder  in  den  grossen  Arterien  Stämmen  zu  suchen  ist. 
Wie  Cohnheim  zuerst  gezeigt  hat,  kOnnen  bei  offenem  Foramen  ovale  aus- 
nahmsweise losgelöste  Thrombenmassen  mit  Umgehung  des  Lungenkreisianfee 
aus  dem  rechten  in  den  linken  Vorhof  gelangen  und  dann  iu  einem  Arterien- 
bezirke des  f^rossen  Kreislaufes  Embolie  hervorrufen,  leinen  zweiten  Fall  hier- 
hergehöriger paradoxer  lilmbolie  hat  Litten  beschrieben,  ferner  liegen 
hierhergehürige  Beobaebtnngen  von  Zahn  vor,  aueh  Schmorl  hat  eine  Be- 
obachtong  mitgetheilt,  bei  weleher  es  sieh  allerdings  nicht  nm  Tfarombmistfleke 
handelte ,  sondern  um  Theile  vm  in  Fnl;;e  von  Trauraa  zerrissenem  Leber- 
parenchym,  welche  einerseits  auf  dem  gewöhnlichen  Wege  von  den  l'enae  hepa- 
tioae  aas  znr  Embolie  Ton  Lnngenarterienftsten ,  anderersetts  durch  das  offene 
Foramen  ovaU  su  embolisehem  Verschluss  von  Nierenarterienästen  geführt  hatte. 
In  Muem  neueren  Fall  von  Häuser  war  zuniiclnt  eine  Thrombose  des 
rechten  Herzohren  -gebildet,  die  allm-tÜL'  in  das  Lumen  des  rechten  Vorhofs  sieh 
fortsetzte;  das  5  Cm.  lange  i>tumpt\viuklig  abgeknickte  Ende  des  Thrombus  reichte 
dnreh  das  spaltartig  offiene  Foram«n  ovale  1  Cm.  weit  in  den  linken  Vorhof 
hinmn.  Embolische  Herde  fanden  sieh  in  diesem  Falle  in  der  Hilz,  in  beiden 
Ni*TPn  und  im  Unterlappen  der  reeliten  Lun*e.  Nach  KrfahrunEren  im  Leipziger 
pathologischen  Institut  scheiut  übrigens  diese  paradoxe  l^orm  der  Embolie  nicht 

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740 


THROMBOSE  UND  EMBOUB. 


80  ganz  selten  vorzukommen.  Der  unten  mitgetheilte  Fall  schlieft  sieh  insofern 
an  die  eben  berfllurte  Beobaelitaiig  von  Haüssr  an,  als  aneh  hier  die  Art  das 
Uebertritree  dea  Herstbrombna  aea  dem  kleinen  in  den  groeien  Kreislauf  direet 
naebweisbar  war 

Der  betreffende  Fall  erl.Hutert  ausserdem  jene  Form  von  Erabolie,  welche 
nach  V.  Recklinuhacsex''«*)  auf  retrugruden  Transport  zurUckgefUbtt 
wird.  Em  bierbergeboriges  Beispiel  wurde  von  Hbllbb*>)  beobaebtet;  ea  fand 
sieb  bei  einem  pri mären  Krebs  des  Darmes  ein  krebsiger  Fttcpt  in  einem  Leber- 
venenast ,  während  die  Leber  Reibst  von  Metastasen  frei  war.  Dann  besebrieb 
V.  RKCKLixoHAUäEN  einen  Fall  von  rückläufigem  Trauäport  von  Geschwulstmassen 
aus  der  Vena  erüralü  nach  den  Mierenveoen  mit  Einkeilung  im  peripheren  Ge- 
biet der  leteteren.  Aehnliebe  FlUe  sind  erwibnt  ven  Bokomi**),  Oohk  n.  A. 
Namentlich  wurde  auch  die  vor  KinfUhrung  der  aseptischen  Wundbehandlung  öfters 
beobachtete  Entwicklung  cmboliHcher  Eiterherde  in  der  Leber  im  Ani^chluss  an 
eiternde  Kopfwuud'^n  lür  die  Annahme  einer  der  uurmaleu  lilutströmung  entgegen- 
gesetiten  Art  des  Transports  gedeutet,  obwobl  hier  naeh  den  Ergebnissen  der 
mikroskopigehen  Unlersuchun<;  der  pyämischen  Leberherde  in  ihren  ersten  An* 
fingen,  die  Entstehung  durch  Weiterentwicklung'  in  den  Lebercapillarcii  stecken 
gebliebener  £itercocceu ,  die  natürlich  bei  ihrer  Kleinheit  durch  die  Luugeneapil- 
iaren  passiren  konnten,  wabfsobdnlidier  ist.  Experimentell  hatten  M  bersits 
Maosndib,  Oaspabd,  Vibcbow,  Hbllbr  n.  A.  mit  der  Frage  des  rUekliafigen 
Transportes  be^-ch.Ktiirt.  Aus  neuerer  Zeit  sind  die  Experimente  von  J.  Abxold 
durch  ihre  Beweiskraft  ausj^ezeichnet.  Der  eben  ^rcnannte  Autur  brachte  Weizen- 
griesköruer  in  verschiedene  Venen  des  grossen  Kreislaufes  von  Kauiucheu  und 
Hunden  und  wies  naeb,  dass  grosse  KOmer,  deren  Hindnvshtritt  dureh  Ossären 
undenkbar  war,  in  die  Venen  des  Herzens,  der  Leber,  der  Kieren,  der  unteren 
Hohlader,  der  Sinns  der  Dum  mattr,  der  Ochirnvenen  hineinprelan^t  waren.  Die 
Stelle  der  Einspritzung  war  von  Eintluss  auf  die  Vertheilung  der  letzteren.  Nach 
Einspritsung  in  die  Vena  Juyularü  dextra  fiinden  sieb  besonders  r^ohKebe  KOmer 
in  der  Leber,  doch  auch  in  den  Nierenvenen;  nach  Einspritzung  in  die  Crural- 
venen  enthielten  die  Nieren  mehr  Körner,  doch  fehlten  -iolche  auch  nicht  in 
der  Leber,  in  den  Herzveneu ,  ja  selbst  in  den  iSinus  der  Dura.  Unter  den 
Bedingungen  der  retrograden  Verdcbleppung  haben  Heller  und  v.  Recklinghausen 
bervorgeboben ,  daas  Rflelurtanungen  des  Venenblutss  In  Folge  von  Bsspirmtions< 
6t(irungen  in  erster  Reibe  zu  berflcksicbtigen  seien ;  aus  den  Versuchen  von  Arnold 
geht  hervor,  dass  8(hon  verhflltnissroässig  geringe  Druckschwankungen  för  das 
Zubtaudekommen  des  rUckUlutigen  Transportes  genügen.  Äufiallend  war  die  Er- 
sebdnung,  dass  die  Kdmeben  niebt  nur  innerfaalb  grOeserer,  dem  Hersen  nabe 
gelegener  VenenstAmme,  s< indem  auch  in  klmnenm  Aesten  in  rflekllufiger  Riobtung 
verschleppt  und  eingekeilt  wurden. 

Im  Folgenden  ist  der  wesentliclie  Hefund  einer  im  Leipzi<?er  pathologi- 
schen Institut  gemachten  Beobachtung,  welche  die  ubeu  besprochene  paradoxe 
Embolie  in  Verbindung  mit  retrogradem  Transport  iUnstrirt, 
wiedergegeben: 

W.  B.,  57i;ilir.  Frau,  arc  ]  FclTuar  ] '^If^  \  pr^toilien,  war  vor  lanjrercr  Zfit  an  einem 
Carcinom  'Icr  I'oi'io  rinjiniilis  utn  i  ojierirt  (niih<r«;  Aiigal>rii  über  Zeit  nml  Art  der  Opera- 
tion fehlen). 

Au.s  dem  äectionsbefiind  ist  hier  aar  das  auf  die  Thromboae  und  Embolie  Be- 

zfigliche  anzulührtii  : 

Herz:  etwas  vcr^r«)s-f it.  Ih  r  rechte  Vorhuf  erweitart,  er  «nthÜt donkl)^  Cruor- 
uia^sen,  nach  deien  Entferaoug  an  der  Innenfläche  des  flerzobn»  aioe  feinaetsfSnuee  dünne 
TbrombtislBge  erkennbar  ist.  Am  Septum  atriorutn  findet  aieb,  «ntapr ecken  d  den  ForamtK 

ovale,  ein  zicnilir Ii  df-rher  rother  Thrnnilin.s  niif  spärlichen  helleren  Einlaperunpen ;  derselbe 
ist  von  etwas  UBregeinia.ssi^  cylimlri.^i  her  Form,  ulier  lileistiltstark,  ( irca  .]  Cm.  in  die  HühlunR 
des  Yorhofes  vorragend,  mit  leitht  h'>''keriger  Obertiathe.  Die.ser  Thrombus  setzt  .sich 
in  das  spaltartige  offene  Foi:  ttrale  in  den  linken  Vorhof  hinein  fort, 
in  weldien  die  rothe  Thromhasnasse  in  Form  und  üarfkng  einer  kleinen  Kirsche  Torragt. 


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THBOMBOSE  ÜND  SICDOLIB. 


741 


Im  üebrigsn  fcndniiieli  an  der  Heninnenfläche  keine  Thromben.  Klappen  zart,  ohne  Anf- 

lagerangen.  Im  Myocardiuni  des  linken  Ventrikels  einige  schwielige  Streifen.  Grosse  Uefussa 
Ton  nonnalem  Verhalten.  In  den  Unterlappen  beider  Lungen  mehrfache  keilförmixo« 
mit  der  Basis  unter  die  Pleura  reieliciide  hämorrhagisehe  Herde,  in  den 
Spitzen  dipspr  Infarcte  finden  sich  durch  rothe  emboligche  Pfröpfo  vfrochlossene  Arterienäste ; 
beim  AatäcUaeiden  der  A.  puUmnnlis  finden  sich  aach  in  grösseren  Achten  derselben,  zum 
Theil  anf  den  Theilungswurzeln  reitend,  Pfröpfe.  die  als  TheilstUcke  cylindriscber  Emboli  an 
efkeanen  alBd;  mehrfach  haben  eich  an  dieselben  frische  Thromben  angesetxt. 

Die  HÜB  entbleit  raehrftiehe  (7 — lo),  blassgran  bis  hellg«lb  gefUrhte  derbe,  anm 
TbaO  loaammenfliessende  keilförmige  Herde  emboliscben  ür!!]>runges  (bla.^-p  InfdrDe). 

In  der  rechten  Niere  ein  erbsengroaaer,  trübgraa  gefärbter  keilförmiger  Herd, 
dessen  Basis  nuter  der  Kapsel  liegt,  iriüumid  die Spitie  eben  ia  die  PynmideiinibatanB  reicbt; 
seine  Umgebang  ist  blutig  infiltrirt. 

Die  Leber  vergrösfiert,  ihre  Zeichnung  entspricht  einer  nicht  f>ehr  ansgobildoten 
Museatnusaleber.  Im  Lumen  einer  V.hfjutticu  findet  sich,  dicht  an  dieKinmtin- 
duog  in  die  V.  eava  inferior  reichend,  ein  federkieldicker  rotber,  ziemlich 
derber  Pfropf  Ton  eylindriseber  Form,  derwibe  ist  mit  der  Intima  niebt  verklebt. 
Stamm  der  Cava  ivfet-ior  und  Pfortader  frei. 

Am  Uterus  fehlt  die  Portio  ntijiiuilis ;  das  nntere  Ende  des  Cervicaltheiles  zeigt 
eine  Narbe,  in  welche  krebsige  Geschwnlstmassen  eingesprengt  waren,  die  zum  Theil  tiefer  in  die 
Utemswand  bin^nreicktea.  Im  unteren  Theil  der  Vagina  ein  Schleimhantdefect  mit  inflltrirten 
Rindern.  In  den  Yenen  des  Pltxua  pubieiu  beiderseits  rothe  nnd  gemischte,  mit  der  Innen- 
fläche der  Ht  fiisse  fester  verbnnd»-ne  Thromben,  von  denen  ans  sich  fortgesetzte  Thrumben 
bis  in  die  beiderseitigen  Venae  iliacae  fortsetzen.  Die  centralen  Tl.rombosendfn  zeigen  uuregel- 
mliiige  Form,  ibr  Aneieben  eatsprltht  dnrebaoa  den  «mboliieben  Tbrombnsstllcken  ia  Leber, 
Hen,  Lange.  . 

Die  Deutung  de.s  Befundes  ist  nicht  zweifelhaft;  es  handelt  sich  um  eine  autuch- 
thone  Thrombose  des  Plexu»  piibicu»  (im  Anschlass  an  Exstirpation  eines  Cere.  uUri 
entstanden);  von  den  bis  in  die  Üiaea  commuiU»  fortgesetzten  Thrombnsmasaon 
worden  Stileire  dnrch  den  Blntstrom  verschleppt:  einer  dieser  Pfropfe  gelangte  retrograd 
aus  der  Caia  inferior  in  eine  V-  n^'  hi/.n/iru.  .\Iebrfa<:he  Pfnipfe  pa»-irten  die  rechte 
Herzhälfte  und  rieten  Lungenembolien  hervor,  wahrend  ein  Thrumbosstück  in  das  weit- 
offene  Fornnien  gelangte  nnd  in  den  linken  Vorhof  hineinragte.  Der  blatstrom  im  liuken  Vorhof 
führte  dann  Theilchen  von  seiner  Oberfläche  durch  das  linke  Ostiiim  reuosum  mit  fort  und 
rief  die  Embolien  in  Arterien  des  grossen  Kreislaufes  (Milz  und  Niere)  hervor.  Auf  diese 
Welae  kam  eine  sogeatant»  paradoxe  Emboli«  au  Staad«. 

T'nter  den  oinboliBchen  Gcftlfsverstopfungen,  welche  nicht  durch  Thrombcn- 
theile,  Fonderu  durch  Pfröpfe  aus  anderen  Quellen  veranlasst  wurden,  bat  die 
Fettem bulie  seit  deu  MittbeilimgeQ  von  E.  WaüN£S^*j  und  voa  BrsCH  das 
Intliobe  InteresM  beansprnelit,  da  dnreh  dieselbe  naeh  traamatiseber  Zerqnetsebung 
vcm  Fettgewebe  tödtlicher  Ausgang  von  Veileteungen  veranlasst  werden  kann. 

Auf  Grund  der  weiteren  Erfahrungen  kann  behauptet  werden ,  dass 
überall,  wo  durch  traumatische  oder  pathologische  Einwirkungen  ein  Freiwerden 
▼OD  Fett  etattfindetf  die  Möglicbkdt  Mleber  Embolie  gegeben  ist.  Wenigstens 
findet  man  hei  der  Leiebennntersuebnng  biorbergebAriger  Fllle  (z.  ß.  nach  embo- 
lischer Gehirnerweichung ,  nach  jjhlcgmonösen  Entzflndungen  im  Fettfjewebe ,  wie 
Bremer'''^)  nachp^^ewiesen .  auch  im  Anschluss  an  malignes  Oedeni  etc.), 
embolische  \'er8tuptuug  von  Luugencapillarea  durch  Fett,  die  freilich  ott  so 
geringe  Aasdebnnng  zeigt,  da«B  sie  fttr  den  tSdtlieben  Anigaiig  lii^t  in  Betraebt 
Icommt.  Von  speciellem  Interesse  ist  die  Mitthuilang  Yiucbow's^^)  Aber  Fett- 
emboHe  l»ei  Eclanipsie,  die  thiils  in  den  Lungen,  theils  in  den  Gefflssen 
der  Glomuruli  der  Niere  uacbgewieseu  wurde.  Wie  SCBMOBI.  "*)  gefunden  hat,  kummt 
Pettembolie  bei  WOcbnerinnen  nicbt  nnr  in  Zosammenhaug  mit  Ee1amp<iie  vor, 
aondern  in  awci  Fällen  von  Uterusruptur  und  bei  eiuer  an  Verblutung  gestorber;cn 
Puerpera  wurde  derselbe  Tiefund  heobachtet.  Naeh  der  Ansiclit  von  JCiUiEN's  ■''^) 
sollte  das  Fett  aus  der  Leber  stammen.  Schmorl  nimmt  an,  dass  bei  den  Eelamp- 
tischen  das  während  der  Kraropfanfalle  vielfach  iosultirte  subcutane  Fettgewebe 
nnd  im  Pnerperinm  Oberbaupt  das  wibrend  des  Geburtsaetcs  geqnetsebte  Fett 
des  Beelceabindegewebes  die  Quelle  des  emholisch  verschleppten  Materials  bilde. 

Von  Interesse  sind  die  von  llArFU  ')  angestellten  experimentellen  Unter- 
suchungen Uber  Luftembolie;  sie  zeigten,  dass  nach  raschem  Einblasen  grösserer 
Luftmeugen  in  die  Blntbabn  ein  plOtslicbes  Sinicen  des  Blatdmckes  in  der  Carotis 


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THBOMBOSE  UND  KSIBOUE. 


dnCritt,  während   der  Dmek  in  der  Polmonalis  anfangs  unverlnderfc  Uieb  oder 

gelbst  anstieg.  Die  Wirknag  der  LnftenboUe  wird  bauptsAcblich  aaf  die  Ver- 
legung der  Art.  pulmonal  fs  bezogen ;  durch  frrössere  Luftmengen  kann 
das  üerz  bis  zur  Asystolie  au^gedeLot  werden.  Die  Mügiicbkeit,  dass  gelegentiicb 
Lnft  in  den  groiaen  KreiaUuir  gelangen  und  den  Tod  durch  Embolia  von  Him> 
ge&aaen  verursaehen  kdnnoi,  ist  a  priori  mxngdben. 

Die  P a  r  en  c  h  y  m  ('  m  It  ()  1  i  e  n   wurden   bereits  oben   bei   den  T'rsachen 
der  Thrombose  berührt.  Die  erjite  hierhergebörige  Heubachtung  rührt  von  JÜRUEN3 
her,  der  bei  mehreren  Fillen  von  Delirium  tremens,  neben  ausgedehnter  Fett- 
emboUe,  L«berzeUen  im  reehten  Hersen  und  in  den  LnngenenpiUnren  nadtwiee; 
wahneheinlich  im  Zusammenhang  mit  Zerreii^sung  von  Lebergewebe. 

Der  von  Schmüel  "*^)  verööentliehtc  Fall  von  traumatischer  Leberruptur  mit 
emboliscber  Ver(>chleppuDg  umfänglicher  Leberstückchen  ^im  rechten  Herzventrikel 
fand  rieh  ein  fiolehee  von  9b  Orm.)  ist  berdts  oben  erwihnt;  ihm  sehloia  rieh 
unmittelbar  rine  bestlligen  h  Üeobacbtung  v.  ZEXKEh's'^-)  an.  Der  zuerst  Ton 
Klebs in  zwei  Fällen  von  Kel;iinj-^ie  Lrelieferte  Nachweis  des  Hiiieinirelaii;rens  von 
Leberzellen  (vereinzelt  und  inzu^ammeuhängeuden  IJäufcheu^  in  die  Blutbahn  mit 
aaehfblgender  Embolie  ist  von  SCHHORL  >*)  besttttigt,  mit  der  Einschrinknng,  dasi  dio 
Lebeneilen  vorwiegend  in  den  Lebervenen,  im  rechten  Herzen,  in  den  Lnngenartorien- 
und  Capillaren  gefunden  wurden;  vereinzelt  (wahrscheinlich  durch  retrograde 
Km))olie>  in  Vtnen  der  Niere  und  des  Gehirnes.  Besonders  beinerkenswerth  für  den 
Isachweis  der  Bedeutung  von  Fareuchymemhulien  iät  die  Thatsache,  daas  Scumokl 
in  mehr  als  20  Pillen  von  Eolampsie,  bei  wdehen  der  Tod  entweder  wlhrmd 
der  Geburtsperiode  oder  kurz  naeh  derselben  eingetreten  war,  in  arteriellen  Ge- 
filssen  und  Capillaren  der  Lungen  vielkernige  IJ  i  e  ^  c  n  z  e  II  e  n  «refunden 
bat,  die  in  ihrem  morphologischen  Verhalten  den  Epithelknuapen  des  Zuttencpithels 
der  Placenta  völlig  entspraehen.  Fttr  die  Herkunft  jener  im  Lnngengebiet 
eingekeilten  Zellen  aus  der  Placenta  sprach,  dais  die  gleichen  Gebilde 
mehrfach  freiliegend  in  den  interviilösen  JJilmiien  der  Pl;icent;i  und  iti  Venen  der 
Uteruswand  aulgetunden  wurden.  Wilhrend  der  that>;it  hliche  Befund  Schmoel  s 
durch  Untersuchungen  von  Lubauscu  ^'^)  für  eine  grössere  Zahl  an  Eclampsie  Ver- 
storbener Bestfttigung  fimd,  ist  hervonnheben ,  dass  in  den  Lriehen  ans  anderen 
Ursachen  kurze  Zeit  nach  der  Entbindung  Verstorbener  Placentarzellenembolien 
in  den  Lungen  nicht  aufzufinden  waren  (Schmarl):  es  fcheint  also  nach  den  bis- 
berigcD  Krlabrungeu  eine  specielle  Beziehung  zwischen  dieser  Art  der  i'arenchym- 
embolie  und  der  ISetampsie  sn  bestehen. 

Wie  ebenfalls  oben  bei  Beapreehnng  der  neueren  Arbeiten  über  Throm* 
bose  erw.ihnt  wurde,  ist  von  Silbermanx ^'')  die  tr.dtlichc  Wirkung  aus- 
gedehnter llautverbrenuuugeu  auf  multiple 'I  hr«)QibenbiIdungen  in  Folge 
der  durch  die  Verbrennung  herbeigeführten  Zerstörung  von  Blutkörperehen 
sttrttekgefHhrt;  rine  Bestätigung  dieser  Ansidit  ergab  sieh  aueh  aus  den  Unter- 
suchungen von  Welti  und  Salvioli  *^'') ,  dio  übrigens  der  Embolie  durch  in 
den  Verbrennungsgebieten  gebildete  I'lättchenthromben  Bedeutung  beimessen.  Die 
ebenfalls  von  ÖiLBKaMANN  betonte  Bedeutung  capiilarer  Thrombosen  als  Todes- 
ursaehe  bei  versehiedenen  Vergiftungen  wurde  fttr  die  Sublimatintoxi- 
cation  in  eingehender  "Weise  durch  E.  Kai  fmanN begründet.  Das  Wesen 
der  ."^tiblimatintoxication  beruht  nach  dieser  Aullassiing  auf  einer  durch  das  Gift 
bedingten  Blutalteration^  welche  zur  Gerinnung  in  den  Capillarbezirken  der  Lungen, 
der  Nieren,  des  Darmes  und  der  Leber  führt  :  der  Tod  ist  die  Folge  dieser 
CapiUarverstopfnngen.  Experimentell  suchte  Silbebmann  die  Riehtigkrit  der  von 
ihm  vertretenen  Meinung  durch  Einführung  von  Farbstoffen  f'Eosin'  in  die  Cir- 
culation  veririfteter  Thiere  zu  beweisen ;  er  schluss  aus  dem  bei  dieser  Methode 
der  „Autoiujection"  constatirten  Ungefärbtbleiben  zahlreicher  Stellen,  besonders 
in  den  Lungen,  dem  Hagen  und  Darmcanal  auf  das  Vorhandensein  tahlreieher, 
durch  die  Thrombose  bedingter  Geftsasperren.  Falkbmbbbg    ,  der  nnter  Leitung 


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THROMBOSE  UND  EMBOLIE. 


mm 


743 


▼OD  March  AND  «rbeiteto,  konnte  bei  Anwendung  der  gldehen  Hexode  Ar  die 

Vergiftungen  das  Vorkomiueii  intravitaler  Gerinnungen  nicht  bestätigen.  Ohne 
Hilf  die  experimentelle  Seite  der  Fr.itre  einzugehen ,  kann  hier  hervorjjehoben 
werden ,  dass  die  genaue  Untersuchung  von  zwei  Fällen  ausgedehnter  Hautver- 
brannung  mit  raedi  tOdtiiehem  Yerlniif  beioi  Mensehen  0m  Leipziger  pathologischen 
Institut)  gans  unsweifeUiaft,  besonders  in  den  Lungen,  die  Verlegung  zahlreidier 
kleiner  Arterien  und  Capillaren  nachweisen  lies8.  Ks  handelte  sich  theils  um 
Bliit]>Iiltti  henptröpfe ,  theils  um  letztere  in  V^erbindung  mit  Fibriuanüatz ;  auch 
rothe  und  hyaline  Pfröpfe,  die  (wie  gewisse  Uebergangsformen  annehmen  liessen) 
dnrdi  Verklebnng  von  rotben  BlntkQrperehen  oder  von  den  Stromata  soleher 
entstanden  waren,  worden  nachgewiesen.  Die  Reichlichkeit  der  Gefässverlegungen 
war  eine  derartige ,  dass  die  Znrückfillirnng-  des  tödtlichen  Ausgaofres  auf  die 
Störung  der  Lungencirculation  »ehr  wahrscheinlich  war.  Können  wir  demnach 
auf  Grund  eigener  Beobachtung  die  thatsiebUeben  Angaben  von  Silbbbxann, 
Wki.ti  Ix  stiitif^en ,  60  sind  doch  die  Gef^ssverlegungen  weniger  auf  die 
Bildung  von  Tliruniben  an  Ort  und  Stelle  zu  lu-zielien  .  als  auf  eine  Einkeilimg 
im  Verbrennungsgebiete  durch  die  Schädigung  der  Blutelemente  entstandener 
Pfröpfe  aus  Blutplättchen,  rothen  Blutkörperchen;  am  Orte  der  FeetsetsuDg  kann 
dann  eine  seenndflre  Thrombose  sieb  ansehlieasen.  DImo  Anlihssnng,  die  snm 
Theil  auch  för  die  Gefftssverlegungen  bei  der  Sublimatvergiftung,  die  namentlich 
in  den  Nieren  nachweisbar  sind,  Berechtigung  hat,  würde  der  Erabolie  für  den 
tudtlicheu  Ausgang  ausgedehnter  Verbrennungen  und  gewisser  Intoxicationen 
Bedentang  auMbreiben.  Die  Beaiehnng  dieser  Verftnderungen  an  den  Ursaehen  der 
Blu^orinDuog  wurde  oben  bei  fiespreehung  der  Tlirombose  berflhrt 

Literatar:  ')Virehow,  Oesainmtite  Abhamllunircn.  18ü^>  pui;.  57.  —  ')Cohn- 
heim,  Die  embolisehea  Processe.  187:^,  Vorlesungen  über  allgem.  Pathol.  II.  —  ')  Zahn, 
Tirehow'a  Ardi.  LXIT,  81.  —  A.  Schmidt,  PMger's  Arch.  XI.  pi«.  559:  ZnrBlul^ 
lehre.  Leipzij;  181»"^.  —  ')  Bizzozero,  Virchow's  Arch.  XC,  pag.  Util :  Festschrift  zu  R. 
Virchow's  70.  Geburt.stiig.  I.  —  ')  Eberth  und  S  c  h  i  m m el  bu sch  ,  Viichow".s  Arch.  CHI, 
CYIII;  Die  Thrombose  nach  Versuchen  und  Leichenbetnnden.  Stuttgart  1888.  —  ')  Baam- 
garten,  Die  Oisaaisatü»  des  Thrombus.  Leipsig  1877;  Berliner  klin.  Wochenachr.  1886.  — 
^  Lnbnftsky,  Znrammensetzong  des  Tbroratni«  in  Arterienwanden.  Dissert.  Bern  1885-  — 
'  )  Zieglti-,  Lehrb.  der  allgeni.  ijathol.  Anat.  \>-92,  pag.  73.  —  ")  H  1  a  v  a  ,  Arch.  für  exper. 
Fathül.  l^sö.  _  '«)  Löwit,  Fortschr.  der  Med.  1885,  III:  Arcb.  für  exper.  PathoL  XXUIj 
Ziegler's  Beiträge  zur  allgem.  Pathol.  nnd  pathol.  Anat.  19B9,  V,  pag.  469.  —  ")  L  a  k  e  r, 
Virchow's  Arch.  ("XVI,  pap.  2S:  Wienor  Sitzungsber.  der  Akad.  dor  Wissensch  1*^84,  1886.  — 

Hanau,  Fort.schr.  der  .Med.  188(j.  1:^.  —  Aschol'l',  Ueber  den  Autbau  der  mensch- 
lichen Thromben.  Virchow's  Arch.  1892.  CXXX.  —  »»)  Ktthle  r,  Ueber  Thromlxjse  und  Trans- 
fnsioD.  Diuert.  Dorpat  1877.  —  Heyl,  Zahlnacsresnltat«.  betreffend  die  farbloeen  Blat- 
kSrperelien.  Dissert.  Dorpat  1892.  —  **)Raiiicbeiibse^,  üeber  die  Wechselwirkang swlseben 
Pnitoplasnia  und  Blutplasma  Dorpat  188''}.  —  "■)  Strauch,  Controlversuche  zur  Blut 
gerinnuiigsriage.  Dorpat  188'j.  —  "*)  Sachssendahl,  Ueber  gelöstes  Eamoglobiu  im  Blute. 
Dorpat  L-^w.  —  ")  N'aunyn,  Ueber  Blutgerinnnng  im  lebenden  TUerkOrper.  Arch.  für 
exper.  Pathol.  I.  —  Jakowicki,  Dissert.  Dorpat  l'^Sö.  —  H a m m ara ten,  Pflüger'a 
Arch.  XIV,  :ill;  XVIII.  413;  XIX,  563;  XXII,  489.  —  *')  Wooldridge,  Die  Gerinnung 
des  Blutes,  herau.sgeg  von  v.  Frey.  Leipzig  18!tl.  —  E.Freund.  Wiener  med.  Jahrb. 
1886.  pag.  4ö;  Ibid.  1888,  pag.  259.  —  Halliburton,  Joorn.  of  pbysioL  IX,  pag.  270; 
Lebrb.  der  öbem.  PhysioL  and  Patkol.,  dentech  Ton  K.  Kaiser.  Heidelberg  1893,  pag. 249.  — 
*•)  Bonne,  üeber  das  Fibrinfrrment  und  seine  BczieLnngen  znm  Organismus.  Würzbnrf; 
1869.  —  *")  Arthos  et  Pages,  litrhen/ns  sur  In  coayuhttion  du  saii;/.  Paris  lö9U;  Arch. 
de  physiol.  1890,  Nr.  4.  —  Pekelharing,  Hedentang  der  Kalksalze  für  die  Gerinnung 
des  filntes.  Vin  how,  Festschr.  I,  pag.  435 ;  Untersachungen  über  das  Fibrinferment.  Amsterdam 
1892.  —  -*)  Hayem,  Arch.  de  physiol.  1879;  Du  mny.  Paris  1889.  —  »*)  Schmor), 
Unter&nchun((en  über  l'uerperaleclampsie.  Leipzig  1^93.  —  ")  Pilliel,  Nouv.  Arch.  d'ob.stetr. 
1884.  —  Lobarscb,  Zeitschr.  fttr  Gyn.  XXIU.  —  *^  Silbermann,  Vircbow'a  Arcb. 
OXIZ,  pag.  48&  —  **> Green,  Jonn.  of  physiol.  YIII,  354.  —  Frennd,  Ueber  die 
Ursache  der  Blutgerinnung.  Wiener  med.  Jahrb.  1888.  pag.  259.  —  ^*)  L.  Lilienfeld,  Il&ma- 
tologische  Untf r.su<  hurigcn.  Da  Bois  -  Hi-ymond's  Arch.  für  Physiol.  1892.  pag.  115;  vergl. 
Kossei,  Neuere  Untersuchungen  Uber  Blutgerinnnng.  Berliner  klin.  Wochensihr.  1893.  Nr.  21.  — 
*=)Wright.  Lancet.  VS^Z,  :^7.  Febr.,  5.  März.  —  **) Haycrafft,  Proc.  of  tke Physiol.  soc. 
1884,  pag.  13.  —      Sebmidt-Htthlheim,  Da  Bois-RqrmoBd's  Areh.  fttr  Physiol.  187&  — 

Proby ,  Ih  la  thromhwte  veintMt  chtz  le«  Chlorotique».  Paris  1889.  —  Zahn, 


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744 


THROMBOSE  UND  EMBOLIE.  —  TDMOB  CAVERNOSUS. 


Tagebl.  d«r  58.  Vertamiu].  deotscher  Natorf.  und  Aerzte.  Strassborg  1835;  Virchow,  Featschr. 
II,  pag.  199.  —  *•)  Köster,  Tagebl.  der  58.  Versamml.  deutscher  Natorf.  und  Aerste.  Strass- 
burg  1885,  pag.  2-^1-  —  *'•']  II.  Vaquez,  De  la  thrombosc  ca'-hertique.  Paris  1890,  Th^e. 
Mr.  121.  —  **)  Birch-fiirschfeld,  Ueb«r  TuberkoloM  in  Hersthromben.  VarfauidL  dar 
GcMOMh.  dratseber  Kttnrf.  nd  Aenrt«.  64.  Yemand.  EtOSn  1891,  p«g.  163.  —  **)  W«lei, 
The  strurtin-e  ,,f  irhitr  thrnmbi.  Pathol.  Soc.  of  Philadelphia.  \^.^.  —  **)  Beneke,  Die  Ol> 
8acbe  der  Thronibusorgani.iation.  Ziegler's  B«itrage  zur  allgcm.  Pathol.  1890,  VII,  pag.  95.  — 
*')  Cohnheim,  Vorlesungen  über  allgem.  Patliol.  2.  Aufl.,  pag.  175.  —  **)  Litten,  Virchow's 
Arch.  LXXX.  pig.  231.  —  Hant«r,  MUncbener  med.  Wocheoscbr.  1888,  35.  —  ^)  B« ck- 
linghansen,  Ueber  die  venöse  Enbolie  und  den  retrograden  Transport  in  den  Venen  nnd 
Lymphge^Rseu.  Virchow's  Arch.  1S35,  CVI.  —  Heller,  Deuts«  b^n  Arch.  für  klin.  Med. 
vil.  —  BoQome,  ÜuU  trtuporta  retroyrada  dtgli  «mboli.  Arch.  med.  1889»  XIII.  — 
*^  J.  Araoli,  üabcrrttekliidgwBTniuiMr«,  Virehow'B  Arok.  im,<snv.  — ■^B.Wafnar, 
Fettembolie.  Arch.  der  Heilk.  1^62,  III,  pag.  241.  —  «)  B  n  s  c  h  ,  Virchow's  Arch.  XXXV. 
pag.  321.  —  ■'*)  L.  Bremer,  Malignant  oedein  and  Jat  embulism.  Anier.  .Joum.  of  med.  sc. 
1888.  —  "0  R.  Virchow,  Berliner  klin.  Wochenfldv.  186^,  30  —  Jttrgens,  Ebenda. 
1886.  —  *^  Hnnar,  U«b«r  die  Erscheinuagm  im  ftiwim  und  klainen  KreisUaf  b«i  Lnft* 
•nbolla.  Pngar  Zelfsehr.  XI,  pag.  160.  —  '^Jlniek«,  TTabar  Tanehleppung  tob  Tlmmiban* 
nntarial  dunh  Jas  I'onimeu  ofth.  Dissert.  Erlangen  18t*Ü.  —  G,  S  c  h  m  ü  r  1 .  Lelierruptar 
mit  Varachleppunt;  von  Lebergfwebe.  Deutsches  Arch.  fttr  klin.  Med.  XLII,  pag.  499.  — 
**)  ▼.  Zenker,  Ibid.,  pag.  5m5.  —  "^1  Klebs,  Ziegler's  Beiträiee  zur  pathol.  Anat.  II.  — 
•*)  Welti,  Ebenda.  IV.  pag.  h'Z  ».  —  Salvloli,  Giern,  della  R.  Accad.  di  med.  di  Torino. 
1890.  LIII.  6.  —  •  )  E.  Kaufmann,  Die  Sublimatintoxication.  Breslau  1888.  —  *')Falk.'n- 
b»'rg.  Uebor  die  augebliche  Bcdeutong  intatmTMeollrar  OwinniOgan  als  Tode^uniache  bei  Ver- 
giAungen.  Dissert.  Marburg  Is'Mi.  Birch^Hirachfeld. 

TOXatbUmine,  s.  fiakterlen,  pag.  63. 

TrSChOniy  Bdumdlaiig,  8.  Conjnnetivitit,  pag.  172. 

TrSHimatiSChS  NMirMt,  t.  ünfallnervenkrankheiten. 

Trepanation,  h  ei  Dementia  paralytica,  pag.  201. 

Trichterbecken,  s.  Beek en,  pag.  9o. 

TubarSCbWMigerSChafl,    s.  ExtranterinsehwangerBehAft, 
pag.  263  ff. 

Tuberkelbacillen,  Naclmreis,  «.  Bakterien,  pag.  68,  69;  Reincal- 
tareo,  ibid.  pag.  73.  lo  Herzthrombea,  a.  Herskraokheiten,  pag.  417. 

Tuberkulose,  des  D.irme8,  s.  Darmstenoae,  pag.  189;  Daainfeetion 
b«  Tuberkulose,  a.  Desiofeetion,  pag.  216. 

Tumor  cavernosus,  a.  Angiom,  pag.  13. 


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Ukambin,  s.  Pfeil^ifte,  p»g.  686. 

Unfallnervenkrankheiten.  NerveoknuiUieiteii  naeb  UnOllea  (tnn- 

malische  Neurosen).  Mit  diesem  Nameu  bezeichnen  wir  diejenisren  Krankheiten 
des  Nervensystems,  welche  nach  Unfall  beobachtet  werden  und  nach  unserer  Jetzigen 
ErkMintniss  nicht  auf  anntonusebe  Verlnderongen  snmeksnfBbren ,  demnaeb  als 
fnnetionelle  Störungen  aninaehen  sind.*) 

Die  ZusammcnfasBunp:  dieser  Krankheiten  in  einem  besonderen  Artikel 
hat  nur  insofern  einen  Sinn,  als  dieselben  in  Folge  des  Unfallversicherung8gesetze< 
fUr  den  Arzt,  welcher  die  durch  Unfälle  jeder  Art  hervorgerufenen  uervüäou 
FunetionsstArnngen  festnstellen  nnd  die  dadnreb  bedingte  Seltldignng  der  Er> 
werlMfkhigkeit  zu  BcbAtzen  bat,  eine  ganz  besondere  Bedeutaog  erlangt  haben. 

Dass  ausser  den  org-anisch  bedingten  Krankheiten  auch  rein  fnnetionelle 
Störungen  von  Seiten  des  Nervensystems  nach  Untllllen  häutig  genug  vorkouimeu, 
ist  allgemein  anerkannt.  Die  Bezeiebnnng  dieser  Affeetionen  als  „tranmatlsebe 
Neurosen''  (Plural)  würde  daher  nicht  auf  Widerspruch  stossen,  wenn  nicht  unter 
dersellien  Re/»'i('linunpr ,  im  Singular  gebraucht,  als  ,,traumatiselic  Neurose"'  von 
Opp£nh£1H  und  Strümpell  eine  Nervenkrankheit  sui  generis  beschrieben 
worden  wflre,  welche  nach  der  Erfabrung  zahlreicher  Aerzte  in  Wirklichkeit  niebt 
«zistirt  (Frsuiid**). 

Geschichtliches.  Auf  di  u  A rtikel  R a i  1  w a y - S p  i n  e  rReal-Encyclo- 
pädie,  Bd.  XVI.  p.ijr.  400)  liess  OrPK.SHEiM  im  Jahre  1H89  eine  Uroschllre  „Die 
traumatischen  Neurosen''  folgen,  in  welcher  er  einen  besonderen  Symptomen- 
complex  unter  dem  Namen  „die  tranmatiacbe  Neurose**  l>e8ebreibt.  *) 

Er  charakterisirt  diese  als  eiu  Symptomenbild  von  nervösen  Functions- 
störnngen,  welches,  so  verschieden  Art  und  Ort  der  Läsion  sein  mögen,  in  seinen 
wesentlichen  Zügen  dasselbe  bleibe,  seinen  einzigen  Hauptsitz  in  der  Grossbiru- 
rinde  habe,  die  Psyche,  sowie  die  Oentren  fitr  MotBitat,  SensiUlitIt  und  Sinne 
betreffe  und  demnach  als  eine  Ametiunelle  Krnnkbdt  eigener  Nator  sn  becelehnen 
sei.  (l  c.  8.  87  und  127).**) 

Wesentlich  dieselben  Anschauimtrcn  vertrat  Stri  mpell  i  ,  mir  dass  er 
neben  der  „allgemeinen^'  traumatischeu  Neurose  eiue  zweite  Form,  die  „locale 
tnnmatiaehe  Nenroee** ''°**),  anfiatellte. 


*)  Alle  anf  poban  anatomischen  Verletzangea  das  Nerrec^rstams  berulienden  Nerven« 
kranUieiteB  sind  dalisr  von  diewr  BeapreoIrnnK  ansgascUoism. 

**)  AuL'li  in  ihr  2  AuHage  lif»t  man  paf.  196:   »BeotiKe  Anflkssosg  von  dm. 
"Wesen  der  traumatischen  Neurose  und  rsycliose." 

*'*"*')  Strümpell  scheint  an  dar  AufHtellung  dieser  eine  contradictio  in  adjecto  enthalten« 
den  localen  Form  nicht  mehr  streng  festzuhalten,  indem  er  (Lewek)  zwar  die  folgender* 
auMan  cbarakterisirten  Fllle  als  „locale  tranroati^^che  Nenrose"  bezeichnet :  nach  Verletzungen, 
die  nnr  ein  Glit^d  tri'ffon,  treten  in  (ionsellien  schwere  nervöse  Storiiiigi  n  auf.  lüi-  sir  Ii  durch 
Anisthasia  oder  Üyperä»tbe8ie,  durih  Paresen  nnd  Tremor  kennzeichnen  und  aof  rein  centralen 
StOrottgaa  bemlieD.  Dabei  kann  aneh  die  P»yclia  ver&ndert  sein  — ,  aber  binaafllgt:  p^vflf 
jedoch  lassen  sich  die  allpenininen  traumatischen  Neurosen  nicht  von  den  localen  trennen, 
denn  man  sieht  oft,  dafs  nach  nar  geringen  Verletzungen,  die  nur  ein  Glied  treffen,  die  heftigsten 
Symptome  anftreten,  wlhrend  omgak^rt  oft  acbtverara  Terietssngan  nnr  leichters  Erltnn« 
knngaa  JurrormflBn. 


UNFALLNEBVENKRAN&UEITEN. 


Dieser  Aufstellung  einer  neuen  Krankheit  hatte  selion  Cbabcot  und  seine 
Schule  lebhaft  -widerBprochen,  indem  er  darauf  hinwies,  dsj»  die  von  Oppkxhkim 
u.  A.  beschriebenen  Krankheitszustände  sehr  wühl  in  den  Kähmen  der  von  ihm 
bMdiTiebenen  travinatUebeii  Hysterie  biaeiDpaMteo  fvergl.  Bd.  XVI, 
piff.  401). 

In  Deutsclilaiul  war  es  zuerst  Fkiedrich  SrniT,T/^r  in  Bonn,  welcher  zu- 
nftchst  in  einem  Vortrage  auf  der  Wa Uderversammlung  sUdwestdeutscher  Neurologen 
und  Irrenarzte  in  Baden-Baden  vom  25.  und  36.  Mai  1889  (Keurol.  Centralbl.  1889, 
pafr.  402)  die  ExisteubereehtigoBg  der  tnunsetiMbea  Neurose  als  besondere 
Krankheit  in  Frage  stellte,  indem  er  auf  die  L'eberschittzung  einzelner  als 
pathogrnomonisch  bezeichneter  Symptome  uud  die  Möglichkeit  dieselben  vorsa- 
täuschen  hinwies. 

OPPBKHBni  ^^J^}  wandte  deh  gegen  diese  Aeusserungen  und  gldehseitig 

gegen  eine  Besprechung  seiner  Monographie  in  der  Zeitsebr.  f.  klin.  Med.  XV, 
Nr.  4.  au«  der  Feder  Skf.ligmüller's.  Dieser  hatte  in  Oitrxhkim's  .'^eh^ift,  inso- 
fern dieselbe  „vornehmlich  den  praktischen  Aerzten  einen  Leitfaden  an  die  Uand 
geben  sollte",  ein  Capitel  vermisst  mit  Anhaltspunkten  Ihr  die  Ennittelnog  der 
Simniatiott.  Oppenheim  antwortete  darauf  mit  einer  Gegenkritik  einer  Stelle  ans 
SeeliomCli.KR's  Lehrhnch  der  Nervenkrankheiten,  indem  er  eine  dort  angegebene 
Methode,  Simulation  von  Zittern  naehzinveisen  ,  fdr  unbrnuchhar  erklärte,  und 
darauf  hinwies,  wie  derartige  Fingerzeige  zur  Entlarvung  von  äiniulanten  es  erklär- 
lieh machten,  warum  die  Aente  immer  wieder  „Simntation  wittern**. 

Hieraus  entspann  rieh  eine  lebhafte  Polemik  zwischen  beiden.  Um  dem 
„nach  peiner  Erfahrunir  immer  mehr  hervortretenden  Febel  der  Simulation  wirksam 
entgegenzutreten" ,  machte  SsEUGMÜLLER  im  Juli  IbiiU  zunächst  in  einem  Vor- 
trag im  Verdn  der  Aerste  zu  Halle  den  Vorschlag,  besondere  ünfnllskranken* 
hftnser,  welche  gleichzeitig  als  BeconTaleecentenhlueer  benntst  werden  könnten, 
an  errichten  (vergl.  Bd.  XXII,  pag.  654). 

Die  von  Skkijgmi  llek  vertretene  Mciminp^  über  die  Häufigkeit  der  Sinui- 
lution  fand  alsbald  eine  glänzende  Bestätigung  durch  Erfahrungen  aus  der  ERB'scheu 
Klinik  in  Heidelberg :  JOH.  Hofpmann  ^)  hatte  daselbst  unter  24  ünCsllverletsten 
nur  10  wirklich  Kranke,  dagegen  6  l'ebertreiber  und  S  Simulanten,  d.  h.  solche, 
Wflt'ho  ganze  Krankheitsbilder  simulirten  ,  mithin  33' Simulanten,  constatirt. 
Gleichzeitig  wandte  sich  Uoffmamx  gegen  die  Anschauungen  Oppekheim^s  über- 
haupt, welcher  *^')  es  an  ein^  seharfon  Entgegnung  nicht  fehlen  liess. 

Diese  IHfferenzen  traten  besonders  lebhaft  hervor  auf  dem  Berliner  inter- 
nationalen Congress  im  Aiifrnst  1890,  dessen  neurologische  Section  die  Fr.i^'e  der 
„traumatischen  Neurose"  als  Hauptgegenstand  der  Discussion  aufgestellt  hatte. 

Fr.  Schultze  (Bonn)  entwickelte  als  Referent  die  von  ihm  vertretenen 
Ansichten  io  einem  eiDleitenden  Vortrage,  weleher,  spftter  in  der  VOLKMAim'sehen 
Sammlung"')  veröffentlicht,  mit  folgenden  S&tzen  endigt: 

I.  Es  giebt  ver.Hebiedenartige  Psychosen  und  Neurosen,  welche  durch  ein 
Trauma  zu  Staude  gebracht  werden  können  j  es  giebt  aber  keine  einheitliche, 
scharf  begreozte  Krankheitsform,  welche  man  „die  traumatisebe  Neurose**  nennen 
konnte;  es  ist  daher  besser,  anstatt  des  allgemeinen  Namens  der  traumatisehen 
Nenrosen,  denjenigen  der  «peciellen  vorliegenden  Erkrankung  zu  gebrauchen. 

II.  Die  Symptome  der  conceutrischen  Gesiehtsfeldeinschränkung  und  der 
Anästhesien  bestehen  in  vielen  Fällen  von  functionellen  Erkrankungen  nach  Trauma 
nicht  und  änd  fDr  dieselben  nicht  charakteristisch. 

III.  Krankheitsbilder,  welche  man  als  „traumatische  Neurosen"  bezeichnet 
hat,  sind  nicht  selten  und  besonder-^  dann,  wenn  eine  periphere  Verletzung  vorlag, 
lediglich  die  Erzeugnisse  der  Simulation  und  Aggravation. 

IV.  Bestimmte,  ffir  jeden  einseloen  Fall  gleiehmlssig  vorliandene 
sichere  objective  Kriterien  für  die  Unterscheidung  von  SimnhitiOD  nnd  Niehtsünu^ 
lation  lassen  sieh  sur  Zeit  uoeh  nicht  aufstellen. 


UIVALLIIBRVENKRANEHSITBN. 


747 


Eine  grflndUebe  UntenudMiog  des  GeMUDmUarankheitsbildcft  mit  bescmdexer 
kritischer  Wflrdigang  der  Gkubwttrdigkeit  der  KnuikeiuHiBaagea  miiae  dleteo 

Mangel  ersetzen. 

Das  Ergebniss  der  sich  an  diesen  Vortrag  aDscblies^endea  Debatte  war 
offenbar  das  einer  starken  Ersohfitterong  des  OPPKNHBiu-STRüMPSLL'sehen  Lebr- 
gebiades. 

Seitdem  ist  die  Frage  von  der  „traumatischen  Neurose"  und  die  damit 
engverbundene  von  der  Häufigkeit  der  i^imulation  eine  brennende  Tagesira^e  nieht 
nur  fUr  die  Neurologen  von  Faeb,  sondern  für  die  Aerzte  überhaupt  geblieben. 
Dieselbe  wurde  wiederbolt  der  Gegenstand  llngerer  Bespreebnngen  in  irstlieben 
Vereinigungen  —  Versammlung  der  slldwestdentschen  Neurologen  und  IrrenÄrzte 
vom  C>.  und  7.  Juni  1^91,  Discussiion  im  ärztlichen  Verein  zu  Hamburg  am 
1.  December  18dl  —  und  ebenso  zahlreicher  Verütlentlichungen  einzelner  Autoren. 

IMe  Letzteren  behandeln  bald  die  ganse  Frage,  wie  die  Arbeiten  von 
FB.8CHCLTZK  Lewek"»)  /^STRÜMPELL),  FbbdND vnd  DCBOIS  ;  bald  dienen 
sie  wei^ntlich  der  Casuistik,  wie  die  Veröftentlicbungen  von  Roth'"^  k  IIitter  ^"), 
Rbxnsr  »"jj  FttKüNüundKAYSBR^j,  Donath*'),  Verhooükn  '-ä)  undNEUMANN. 
Mit  der  Verengerang  des  Gesiebtsfeldes  im  Besonderen  bescblftigen  rieb  die 
Aagenftrste  Fischer  «^0) ,  König  Wilbrakd^*')  und  ScHMuyr-RiupLBB  i«'): 
einem  etwai^rcn  anatomiscben  Substrat  hat  Friedmaxx  °-  ")  nachgeforscht.  Die 
flbriiren  Arbeiten  beziehen  hieb  im  Wesentlichen  auf  die  Frage  der  Simulation,  so 

die  von  MuüILS  Jis"  «»»),  Uri'EXUEIM  SEELlCiMÜLLEE  "«-»»»j,  (iüÜNWALD 

und  König    ;  besondere  Erwibnnng  verdienen  die  ans  den  medieo-meehaniflehen 

Instituten  zu  Breslau  (Dr.  HoNiG  •*),  Nieder-Schflnhausen  bei  Berlin  (Dr.  Schütz  "») 
und  L'ottbu-»  (Dr.  TnI^•,^t  '"^)  hervorgegangenen  Arbeiten  (die  beiden  erst^renannten 
mit  statiätiscben  liericbten;,  von  welubea  die  von  HuXiG  and  Thj£.m  ^''^j  die 
Frage  der  Simulation  ausAllirlk^  bebandda.  Hieran  sdiliesst  sieh  eine  Abhandlung 
▼on  Blasiu.s  ■')  ^^Unfallversieherun^geaetz  und  Arzt'*  allgemeineren  Inhalts. 

Endlieb  hat  Ralf  VTichmaxn' )  versucht,  eine  „.Anleitung  zur  Beur- 
theilung  der  Simulation  von  rnfallnerveukrankheiten  für  Krankeneas.<icn;trzte  und 
Medicinalbeamte''  zu  geben,  FRKrND  '^-)  aber  „einen  Ueberbliok  über  den  gegen- 
wärtigen Stand  der  noeh  unerledigten  Frage  von  den  sogenannten  tranmatiseben 
Neurosen^'. 

reliersiehtlicbe  Zusammenstellungen  der  bezüglichen  Arbeiten  finden  sieh 
von  Bruns  redigirt  in  den  Schmidt  sehen  Jahrbüchern,  Bd.  CCXXX,  CCXXXI 
und  CCXXXIV. " 

Diese  .schriftlichen  und  mündlichen  Debatten  haben  sich  im  Wesentliehen 
mit  zwii  Frafren  ^te^chälffigt,  nflmlich  I.  Ist  die  sogenannte  traumatische  Neurose 
als  eine  Krankheit  sui  generis  anzusehen?  und  II.  Wie  steht  es  mit  der  Häufig- 
keit der  Simulation? 

I.  Giebtes  ein  sebarf  abgegrenites  Krankbettsbild,  wel- 
ebes  wir  als  „die  tranmatisebe  Neurose"  sn  bezeiehnen  bereeb> 

tigt  Bind? 

Bevor  wir  dies«  Frage  beantworten ,  erscheint  es  angemessen ,  das  von 
OPP£MHenr entworfene  Symptomenbild  der  sogenannten  trauma- 
tiseben  Neurose  irn  Auszug,  aber  mit  seinen  dgenen  Worten  wiederzugeben : 

Von  Sfift'ti  der  S  e  n  s  i  Ii  i  1  i  t  !l  t :  Schmerzen  an  der  verletzten  Stelle 
oder  bei  aligemeinen  Erschütterungen  des  Körpers  vornehmlich  in  der  Lenden-, 
Rfleken*  und  Kreuzgegend  und  Kopfschmerzen.  Diese  Sebmerzoi  werdm  dureb  Be- 
.  wegungen  gesteigat. 

Pa  r .'l  3 1  h  e s  i  e  n  ,  welche  von  der  krankhaft  afficirfen  Pfvche  zu  den 
t^eltsanisten  i  hyjioi-lioiulrisrlien  l  Vorstell niiL'cn  verarbeitet  werden  ;  von  Seiten  der 
Sinnesorgane  abnorme  Kmplindungen :  Funkensehen,  Ohrensausen  etc. 

Hyperftstbesien:  des  Sehnerven  (Liebtsehen  und  Blendungsgefllbl), 
des  Aeustieus  und  besonders  hAufig  der  Haut  in  der  vom  Trauma  betroffenen 


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748 


UNFALLKEB?ENKilAN&H£ITO. 


Gegend,  DrackempÜDdliebkeit  einzelner  Oornfortiltie  mit  ZoMiniiMDimkMi;  «■dlieh 

dar  eontandirten  Gelenke  ''Gelenknearoaen). 

Anftstbesien,  die  von  besonderer  Bedeutung  und  Wicbtigkeit  sind, 
mkam  dMtalb,  w«n  ife  im  objeetiven  Naehweise  zugänglicher  liiid.  Die  AnSsthesie 
entreekt  rid  in  der  Mebrzabl  der  Fälle  gleichzeitig  auf  Haut,  SchleimbSute  und 
SinnpHor{ran«'.  Sie  tritt  auf  bald  unttr  der  Form  der  Ii-  miannf^thesia  hf/sterica 
oder  bäutiger  alg  bilaterale  Sensibilititsstörung :  die  Hemianäätbesie ,  gewöbnlieb 
niebt  als  absolnte  Anlstheeie ,  sondern  als  Uypästbesie,  die  so  gering  sein  kann, 
dsM  sie  Dvr  an  der  Untandiifldsenpfindliehkeit  swigehen  beiden  KOrperbtlften 
und  der  entsprechenden  Differenz  in  der  Intensitit  der  SchmenciMissserangen  und 
Abwehrbewegangen  bemessen  werden  kann.  Auch  sind  die  ehiiebien  OeffiUaqnali- 
tftten  keineswegü  immer  in  gleicher  Weise  betroffen. 

Bemnders  ebarakteristiseh  ist  die  beide  KOrperbilfteD  betbeiligende 
Anlstbesie:  sie  hält  sieb  weder  an  den  Ansbreitungsbezirk  eines  peripheren  Nerven, 
noch  entspricht  sie  in  ihrer  Wirtlichen  Verbreitung  der  Localisation ,  wie  :*ie  bei 
den  materiellen  Erkrankungen  des  Gehirns  und  Httckeumarks  beobachtet  wird.  Sie 
tritt  Dlmlieh  auf  in  Haubenform  (Anistbe«ie  der  Kopf«  vad  Stimhant)  oder 
in  Puppenkopfform  (Anlttheele  der  Haut  des  Kopfes,  Halaes  and  der 
oberen  Brustgefrend  i :  an  den  Extremitäten  so,  dass  ihre  Grenze  mit  der  Ge- 
lenklinie zusammenfäiU ;  an  der  UotereitremiUt  als  Galon  an  der  AussenflAche 
berablaufend. 

Von  den  Anlstbcsien  der  Sinnesorgane  ist  die  wtehtigste  und  oonstanteste 

die  Beschränkung  des  exeentrischen  Sehens,  die  sogenannte  coneentrische  Ein« 
en^uu'^  des  G(  sicht^felde^i.  und  zwar  in  nnch  viel  höherem  Hrade  für  die  Farben 
als  für  weiss;  die  cuncentriscbe  Einengung  betrifft  meistens  beide  Augen  und  ist 
dort,  wo  es  Mch  an  Hcmiamsthesie  bandelt,  auf  der  gefüblloeen  Seite  stftrker 
ausgeprägt.  Die  schon  von  FöBSTXB  und  Wjlbrand  berrorgehobenen  Ermfl- 
dim^'scrsi  heinungen  werden  aueb  bei  tranmatiseher  Neurose  gefunden  (Kösio  **), 
Placzek  ''--j. 

Von  Seiten  der  Motilität:  ^'ie  vollständige  Lähmung, 
sondern  nar  Verlangsamang,  fieeohrlnknng  der  Ezenrsion  und  der  Kraftinaserang, 
welclio  ih-m  Hnskelvolnmen  nicht  entspriobt;  also  allgemeine  motorische 

Schwäche. 

I'araple^ie  nur  in  den  seltensten  Fällen,  meist  nur  Paraparese. 

Hemiplegien  und  Monoplegien  finden  sieh  auf  derselben 
Seite  wie  die  Kopfverletzung.  Die  Labmang  beschränkt  sieh  nie  auf  das 
fJebict,  wclclics  von  einem  einzelnen  Nerven  vcrsorpt  wird  ;  ebensowenig  lässt  sich 
die  Verbreitung  der  Uewejruiifjsstorung  aus  einer  directen  traumatischen  Muskel- 
Ubmung  erklären ;  so  ist  es  fast  immer  die  gesammte  Extremität  oder  selbst  die 
bdden  gleichseitigen  Extremititen ,  welche  in  Mitleidenschaft  gesogen  werden. 
Vielfach  bilden  die  Schmerzen  ein  hemmendes  Moment  fllr  die  Bewegungen,  ebenso 
die  Kigiditüt  der  Lendenniusculatur.  Trotz  der  sichtbaren  Anstrenjrnn?  der  Patienten 
ist  der  Effect  der  Bewegung  ein  geringer.  Diese  Form  der  Motilitätsbebiuderuug 
ist  aller  Wabrscbeinliebk^t  nach  dadnndi  bedingt,  dass  die  Erinnerung  fUr 
die  zur  Ausführung  einer  zwcckndss^en  Bewegung  nothwendige  Vertheilnng  der 
motorischen  Impulse  verloren  gegangen  ist. 

Neben  rcflectorisohen  Spannungen  in  der  Musculatur ,  welche 
ein  schmerzhaftes  Gelenk  umgiebt,  kommen  auch  wirkliche  Contracturen  vor, 
mit  dem  Keonteieben  der  bysterlscben  Ooniractar  (Ghabcot). 

Bei  Ileniiplegi sehen  l.lsst  sich  häufig  der  Nachweis  führen,  dass  nur  die 
b  e  w  u  s  s  t  -  w  i  1 1  k  (1  r  1  i  e  h  e  Bewejjung  aufgehoben  ist:  Der  Kranke  ist  nicht 
im  Stande,  auf  Aufforderung  des  Willens  die  Muskeln  in  Actiou  zu  setzen,  während 
hei  anderen  Bewegungen,  die  in  das  Gebiet  des  unbewusst-gewohnbeitsgemlsa 
Ausgefdhrtcn  fallen,  die  betreffenden  Maskclgmppen  noch  fuoctionsfilhig  sind 
(Krbckb  ""j. 


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UNFALLN£EV£NKRAI}£U£IT£N. 


749 


Die  gelähmten  Muskeln  zeigen  gewöhnlieh  keine  Veränderungen ,  weder 
des  Volumens,  noch  der  elektrischen  Erregbarkeit,  noch  der  feineren  Stroctur  an 
beraaagesobnittenen  MuskclätUckcheo.  Von  dieser  Kegel  giebt  es  aber  zahlreiche 
AnsnahmeD,  sieht-  nnd  measlMuer  llnakelMbwiind ,  Herabsetsong  der  dektriaoheii 
Erregbarkeit,  niemals  Entartungsnaction,  Verlust  der  Querstreifung,  Hypertnqihie 
einzelner  Primitiv  fasern  .  zuweilen  mit  Vermehrung  der  Kerne  des  Sarcolemms. 

Besonders  wichtig  als  Anhaltspunkt  für  die  Unteraachung  dieser  Lähmnngs- 
tarn  Tom       aof  naaterieller  Grundlage  bernhendw  ist  die 

Art  der  Gehstörung:  Spsstiseh-paretiseher  Gang  ohne 
ausgespr  ochenen  Fuss-  und  Patellarcloinis.  Als  Modificationen  dieses  Typus : 
Gehen  mit  fast  vollständig  fixirten  Hilttgelenken  ,  Geben  durch  wechselnde  Aus- 
und  Einwärtsrotatiun  in  den  Hüftgelenken,  Gehen  mit  fast  bis  zur  Horizontalen 
nach  vom  gabeugtesB  Kücken. 

Paeudoatatttiseher  Gang  olm«  eine  Spur  von  Ataxie  in  der 
Rflokenlage; 

GehstOrung  wie  bei  Kieinbirnerkrankungen:  Gehen  mit 
Zittern  der  Beine,  ja  des  ganzen  KOrpers.  In  yMm  FiUen  ist  der  Gang 
ganz  normal. 

Sehr  häufig  Schwanken  bei  Augenfussschluss.  Die  Sehnen- 
phänomene sind  sehr  häutig  gesteigert ,  zuweilen  bis  zum  Clonus.  Zittern 
tritt  öfters  nur  bei  psychischer  Erregung  ein,  während  es  sonst  fehlt;  bei  ab- 
gelenkter Anfmerksamkdt  nnd  aetiver  Bewegung  IXsst  es  nadi  oder  hbrt  Tdlllg 
auf.  Dasselbe  beobachtete  man  bei  Paralysis  agüans,  welcher  das  Zittern  Über- 
haupt in  vielen  Beziehungen  gleichen  kann ;  es  beschränkt  sich  nur  selten  voll- 
ständig auf  eine  Extremität  oder  auf  die  gleichartigen  Extremitäten,  sondern  zeigt 
dne  allgemdne  Verbrdtnng. 

Die  Sprache  kann  ähnlich  wie  bei  hysterischem  Matismns  (ChabcOT) 
vorübergehend  behindert  sein ;  sie  ist  häufig  Teriangsamt  oder  erfolgt  stossweise, 
explosiv,  stotternd  oder  häsitirend. 

Differen  z  der  Pupillen  weite  tritt  erst  bei  schwacher  Beleuchtung 
dentlieh  hervor;  sie  ist  aber  biufig  ohne  diagnostisoben  Werth,  wenn  sie  nioht 
bedeutend  ist;  sie  vermehrt  sich  im  Affect  und  während  eines  Angstanfallei^. 
Gewöhnlich  zeigt  sich  auch  die  Pupille  erweitert  entsprechend  der  Körperhälfte, 
die  der  Sitz  der  Schmerzeu  und  SensibilitätäStürungen  ist;  aber  auch  hier  giebt 
es  Ausnahmen.  Insulfidenz  der  Met^  itUemi  ist  nieht  selten  (HObschbb**). 

Stimm  bandlihmung  ist  bei  Gontnsionen  des  Brustkorbes  beobaehtet 
worden  (Holz*^'). 

Herz-  und  Gefässssy stem.  Steigerung  der  Pulsfrequenz 
dauernd  oder  nur  vorflbergebend  in  Folge  von  ganz  geringen  (Erzählung  der  eigenen 
LeidensgeseUchte)  Anlässen  (abnorme  Reizlnurkeit  des  Herzens);  bei  solehen 

Kranken  kann  sich  Erweiterung  und  Hypertrophie  der  Ventrikel  im  weiteren 
Verlaufe  (nadi  zwei  Jahren'  ausbilden,  und  ebenso  Arteriosklerose,  die  in  zwei 
Fällen  von  Kko.nthal  durch  die  Autopsie  nachgewiesen  ist.  Lehe  constatirte  durch 
spbygmographisehe  Untersnehungen  Verlnderungen,  die  den  aneb  sonst  bei  Neur" 
iuthmia  eordü  naehgewieseuen  entspreehoi,  und  einige  Male  „Atonie  des  Vaso- 
motorenee  n  t  r  ti  m  ^ " . 

Cyanose  und  ödematüse  Anschwellung  bestehen  nicht  selten  an  den  gelähmten 
Extremitäten ;  Symptomeneomplex  der  Retv AnD'seheu  Krankheit  (KBlflasB 

Blutandrang  nach  dem  Kopfe  mit  ROthung  der  Haut  besehränkt  rieb 
nieht  selten  auf  die  leidende  Kr»rperseite ;  Hyperhidrosis  rP.\(;E}. 

Blasen-,  Mastdarm-  und  (i  e  s c  h  1  e c  h  t  s  f  iin  r  t  i  n  n  e  ii.  LH'flurie  bis 
zur  Harnverhaltung;  nieht  selten  Siuhlverstopfung ;  Abnahme  der  Salze  im  Urin. 
Abnahme  der  Potenz  bis  zu  vollstindiger  Impotenz. 

Psychische  Anomalien  nehmen  unter  den  Krankheitssymptomen 
die  bervorragttidste  Steile  ein  nnd  bilden  den  Boden ,  auf  welchem  sich  die  Mehr- 


760 


TmFALLinSRTBNKItANKHBITIH. 


zahl  der  übrigen  entwiekt'lt.  Den  Kern  dieser  Seelenstörungen  bilden  die 
Stimmungsanomulien:  d'm  dauernde  Verstimmung  offenbart  sich  im  Gesiebte- 
mudrook  und  te  mtaeren  Weieii. 

Die  Kranken  werden  wortkarg,  gohetna  die  Geaaihchaft,  suchen  die  Elft- 
samkeit  und  hängen  in  dumpf  gedrückter  .*>t5mtnung  ihren  traurigen  Vorstellungen 
nach,  welche  sich  alle  um  eiueo  Mittelpunkt  schaareo,  Dümlicü  die  Erinnerung  an 
d«ii  eriebten  ünfall  und  die  ans  demielben  erwa^aendea  Folgen. 

Diese  Depression  geht  einher  mit  einem  Oefflhl  von  Angst  und  Beldem- 
mung,  das  sich  von  Zeit  zu  Zeit  zu  heftigen  AngstanffiUen  steigert,  mit  abnormer 
Steigerung  der  Pulsfrequenz.  Dazu  kommen  Zwangsvorstellungen. 

Vuu  der  Melancholie  uuterächeideu  sich  diese  Zustände  1.  durch  die 
abnorme  Reizbarkeit  nnd  2.dareh  den  bypoebondriachea  Cbarakter  dw  SeelenstOmng. 

Ausserdem  kann  siebOedftebtnisssebwäohei  ja  beträebtliehe  Demens 
entwiekeln. 

In  seltenen  Fitlien  verläuft  die  traumatische  Neurose  ohne  nachweisbare 
psyohisebe  Anomalien. 

Ferner  sind  Anfalle  von  Schwindel,   Epilepsie  und  Reflexepilepi^ief 

sowie  Chorea  (Schultzk)  beobachtet.  Typische  liyateriselie  Anfalle,  haUueinatorische 
Delirien  hysterischen  Charakters,  sowie  Stimmungswechsel  hat  Chabcot  und  seine 
Schule  beschrieben. 

Schlaflosigkeit.  Der  Seblaf  wird  darob  wilde  Trinme  oder  Angst- 
snatinde,  die  besonders  Nadits  anftreten,  gestört,  oder  es  besteht  nur 
Halbsehlaf. 

Zuuflchst  soll  soglei-^h  hier  hervorgehoben  werden,  dass  dieser  ausser- 
ordentlich coraplicirte  und  vielseitige  Symptomuncumplei  von  vorneherein  ein  viel 
SU  vages  Krankheitsbild  darstellt,  als  dass  es  als  ein  typisches,  in  doh  ge- 
schlossenes bezeichnet  werden  konnte,  welches  eine  ganz  bestimmte  Krankheit, 
„die  traumatische  Neurose",  charakterisirte.  Auch  die  Freunde  der  „traumatischen 
Neorose^  haben  bald  zugeben  müssen ,  dass  die  ganze  Summe  von  Symptomen  sich 
nnr  in  seltenen  Wien  miliriekelt  findet.  Weiter  aber  liegt  eine  grosse  Anxahl 
Sttverllssiger  Beobaehtnngen  vor,  bei  welchen  diejenigen  Symptome  gerade  stets 
gefehlt  haben,  welchen  (>i>PKXHE)M  eine  pathognomonisehe  Bedeutung  beianlegen 
sich  berechtigt  glaubte  (Frki  xd"). 

Die  von  Oi'i'iiNüEiM  für  das  gei^chlosseue  Krauklieilsbild  der  truuuiatiächen 
Neurose  aufgestellten  Symptome  lerfallen  nimlieh  in  sogenannte*)  objeotive  nnd 
snlileetive.  Da  Oppbnbbim  bd  den  letzteren  die  Möglichkeit  der  Simulation  zu- 
geben musste,  so  hat  er  den  grössten  Werth  auf  die  vier,  als  objeetiv  bezeich- 
neten Erscheinungen  gelegt,  und  zwar  auf  die  Anästhesie,  beziehungs- 
weise Hypästhesie,  die  eoneentrisebe  Oesiehtseinengung,  die 
Pulsbes  cbleunigung  und  die  psychischen  Anomalien. 

Wir  wollen  daher  mit  einer  kritischen  Besprechung  dieser  Symptome 

beginnen. 

A  uästhMie.  Oi'PKNHEiM  1")  selbst  hebt  hervor:  „Die  Resultate  der  Sen- 
sibilititsprafnng  rind  keineswegs  immer  klar  nnd  eindeutig^  nnd  gesteht  am 
S  ilin  >e  der  bei%Uchen  Erörterungen,  dass  „namentlieh  dort,  wo  die  Redlichkeit 
der  Kranken  angezweifelt  werden  ninss.  man  ein  endgiltiges  rrthcil  flber  die 
Störung  der  Sensibilität  überhaupt  nicht  gewinnt".  Dadurch  verliert  aber  die 
eventuell  nachgewiesMie  OefUhlsstOmng  von  vornherein  die  Bedentnng  eines 
„objeetiven"  Symptoms. 


*)  Ob  ein  Symptom  als  objeetiv  oder  als  subjectiv  zu  ln-zpithnen  ist,  darttber 
herrscht  in  keiner  AVeisc  ein«*  befiieili^endc  Uei  ereinstinimun^,  wie  die  lulgeude  Besprechung 
cur  Centime  zpigt'a  wird.  Ist  doch  Helbxt  die  Angabe  von  Schuierz  1  cinj  Beklopfen  des  Rückens 
in  der  H  i  t  X  ip  schen  Klinik  (s.  d.  Gutachten  I  über  L  an  d  ni  a  n n.  (S»?  e  1  i  );in ttUer'**),  Weite» 
Beiträge  etc ,  {«g.  10O2j  als  ein  objectives  Syiuptom  aogesprocheu  vorden. 


oiyiu^cd  by  Google 


ÜNPALLNERVBMKRAVRHEITBN. 


761 


Ebenso  giebt  BiiUNS^^},  trotz  seiuer  Erfahrungen,  welche  für  die 
Häufigkeit  von  Aottstbesie  sprecheu,  ohne  weiteres  ZO)  „dass  geringfügige  Senri- 
biliatsstOraiigeii  nur  mit  Vondeht  xn  benrfbeilea  rind;  sie  kOnnen  anf  jeden  FftU 

simulirt  werden".  Zur  weiteren  Begründung  dieser  Anschauung  theilt  er  ferner 
mit ,  dass  er  von  Verletzten ,  die  bereits  von  nndoren  Aerzton  auf  Sensibilitäts- 
BtOniDgeD  explorirt  waren,  schon  vor  der  Untersuchung  auf  ihre  Anästhesien  auf- 
merksam gemacht  wurde. 

SCHULTZE  »**)  hat  bei  der  ersten  Zusammenstellung  seiner  bezflgliehen 
Erfahrungen  in  23  l'ftllen  nur  dreimal,  bei  der  zweiten  aber  in  20  FällMl  nur 
zweimal  und  noch  dazu  sehr  wonig  sichere  Angaben  bekommen. 

Mit  Reeht  maeht  er  darauf  aufmerksam,  wiesehwer  es  ist,  8ensi- 
bilitätsstOrnngen  mit  Sieherheit  festzustellen. 

Diese  Unsicherheit  ist  bedin^rt  durch  die  verschieden  starke  Aufmerk^j.nm- 
keit  des  l'ntersuehten  bei  den  verschiedenen  Untersuchungen  (OrrKNiiKiM'» ,  durch 
die  Art  der  Ausführung  der  Untersuchung  und  die  dabei  angewaudieu  Mauipuia- 
tionen;  dureh  den  Grad  von  Huhe  und  Geduld  der  venehiedeneai  Untersueher, 
ihre  Fragestellung,  ihre  Kunst,  möglichst  wenig  zu  suggeriren  und  we^/^usuggeriren. 

„Im  ki-iinte  s<»nut  sehr  wohl  bei  der  Bourtheilung  der  Sen^ibilitittsprdfung 
seitens  gleich  geschickter  und  erfahrener  Beobachter  ein  verschiedenes  Kesultat 
herauskommen.'* 

„Dazu  kommt  die  nicht  selten  wahmdimbare  weitgehende  Indolenz*) 
vif  Icr  sonst  normal  erscheinender  Individuen  {regen  Schmerz,  natflrlioh  auoh  Vieler) 
welche  niemals  einen  Unfall  erlitten  haben"  (Schultze). 

EiSKNLOUK  -'' ; ,  welcher  die  in  Schultzens  Klinik  in  dieser  Beziehung 
gemaehten  Br&hrungni  vollkommen  bestfttigt,  maeht  auf  die  liin%  eonenrrirenden 
Einflüsse  cbroniseher  Intoxicationen  mit  Tabak  und  Alkohol  **)  anfinerksam,  welehe 
iÜuiliche  Störungen  der  Hautsensibilitat  bedingen  können. 

Wie  sehr  der  Symptomeucomplex  des  chronischen  Alkoholisuius  dem  der 
sogenannten  tranmatisehen  Neurose  überhaupt  ihnlioh  sein  kann,  hat  namentUeh 
WiLuiiAXD'"^')  hervor-^ehoben.  NoN.NE»^:)  berichtet  kurz  (Fall  8)  Uber  unen 
41jährigen  Arbeiter,  der.  imtori^-vhcr  Alkoholigt,  vom  Deck  in  den  Sehiflsr.ium 
gefallen  war;  die  Symptome:  allj^emeiner  Tremor,  Hyperhidrosis,  plagues  weise 
Anästhesien,  Steigerung  der  Sehnenreäexe  (zweifelhafte),  üesichtsfeldeinengung, 
körperiiehe  Mattigkeit  (durehaus  nieht  eharakterisehe),  SpraehstOrnngen  konnten 
ebensowohl  der  Ausdrnek  des  ehronischen  Alkoholismus,  wie  dner  tranmatisehen 
lieurose  sein. 

Weiter  sind  hier  die  anästbetischen  Plaques  zu  erwähnen ,  welche  bei 
oonstitutioneller  Syphilis  vorsugswmse  im  Gesiebte  (s.  Sbbuomüllbb  ,  Lehrbueh 
der  Nervenkrankhdten.  II,  pag.  723,  Fig.  108),  aber  aneh  an  anderen  Kffrpw- 
theilen  vorkommen .  sowie  die  n.ieli  Ty]>hiis  mii  der  vorderen  Fl  iehe  des  Ober- 
schenkels und  auch  am  Vorderarme  beubaehteteu  ;  endlich  sind  auch  die  bei  Arsenik-  ***) 
und  Blmvergifteten  vorkommenden  Anästhesien  nicht  ausser  Aeht  zu  lassen. 

Die  Behauptung,  daas  die  bei  ünfallverletzten  naehgewiesenen  AnSsthesien 
in  manchen  Fällen  nicht  als  Folgen  des  erlittenen  Trauma,  sondern  als  Erschei- 
nungen der  pen.'iiiiiteu  Intoxicationen  oder  Infectionen ,  die  schon  vor  der  Ver- 
letzung bestanden,  anzusehen  sind,  muss  umsomehr  an  W^ahrscheinlichkeit  gewinnen, 
je  mehr  bei  genauer  Bertieksiehtigung  jener  sehldliehen  Momente  sieh  herausstellt, 
dass  eine  verhältnissmSsaig  grosse  Zahl  von  Unfallverletzten  mit  Tahak-  oder 


*)  Bei  diesem  Pnnkf  e  mörlit«.-  it  Ii  nuf  eine  von  mir  seit  Jahren  beobachtete  Analogie 
aufmerksam  macheu.  Bei  der  rrüfui  <r  aul  (it  .schmackssinn  pelegentlich  jjeripherer  Facialia- 
lahmuiig>n  halie  icli  Itei  Persotien  des  Arbeiterstandes  au.sserordtntlich  häufig  eine  derartige 
Torpidität  beider  Zangenhälften  gegen  GeschmackseindrUcke  constatirt,  dass  von  einer  Yer- 
gleiebang  der  gelähmten  mit  dar  normalen  Seite  flherhaapt  keine  Rede  sein  konnte. 
**i  Thomson.  Arch.  f,  pFychiatrif  n.  Nervenkrankh.  XVIF.  pap.  453. 
***)  Marik,  Nervenläbmnngen.  Wiener  med.  Wocheuscbr.  l'^Bl,  pag.  ti5I. 


uiyiii^uü  Ly  Google 


752 


ÜNFALLNERVENKRANKUEITEN. 


Alkoholvergiftung  oder  mit  ponstitutioneller  Syphilis  behaftet  sind  Seeligmi'LLER 
bat  dies  wiederholt  hervorgebubeu  uud  nach  ihm  Scbultze  und  Albin  Hoffmann. 
Möbius  bestreitet  die  Wiohtiglceit  dieser  ätiologischen  Momente.  Wie  stimmen 
uhtst  teine  ErfeluxiDgen ,  nach  welchen  „anter  den  UnfaUoerveiikiMikeii  nebt 
wenige  Trinker  sind",  mit  den  in  derselben  Stadt  Leipzig  von  Albin  Hoffmann  ■*) 
gemachten  Erfahrungen,  welcher  bei  17  Unfallverletzten  siebenmal  Alkoholismos 
coustatirte? 

In  Beleben  FlIleD  knnn  die  AnistlieBie  sehen  vor  der  Verletsang  be- 
standen haben ;   sie  ineommodirte  den  Exploranden  jedoch  ebensowenig  wie  nftoh 

derselben.  Nachdem  er  aber  durch  die  wiederholten  ärztlichen  Untersuchungen 
von  der  Rentabilität  dieses  Symptoms  Kenntniss  bekommen  hatte,  ist  e.s  wohl 
begreiflich,  für  ekmi  Potator  eigenflbsh  Mlbitraratiiidifeb ,  «eoii  er  gegen  die 
AnMbminng  des  Arztes,  danelbe  sei  eine  Folgeeneheioiuig  dee  erlittenen  ün- 
fillles,  nichts  einzuwenden  hatte. 

Die  von  Ori'KNHEiM i ,  pag.  105,  als  charakteristiseh  für  die  trau- 
matische ^i'eurose,  jeder  anatomischen  Anordnung  spottend,  hervorgebobeue  Er- 
BcMiang,  daes  die  dabei  beobaefateten  anlsthetiflehen  Zonen  eine  gaai  willbflr' 
liehe  Begrenzung  zeigen,  läset  sieh  gewiss  in  vielen  Fällen  auf  die  bisher  wenig 
gewürdigte  Thatsache  zuräckfQbren ,  dass  bei  manchen  Unfällen,  z.  B.  bei  Eisen- 
bahnzttsammeustössen  und  bei  Verschflttungen ,  die  Körperobertläche  gleichzeitig 
an  den  ▼enehiedenaten  Punkten  verletzt  wird;  e»  ilnd  demnach  hier  aieht  die 
grosseren  Nerven  Stämme,  sondern  die  feineren  setttiblen  Yertwdgungen  derselben 
iiolirt  gequetscht  oder  sonst  wie  verletzt  worden. 

Endlich  müssen  wir  hier  noch  auf  eiue  andere  Erklärung  der  liäuiig- 
keit  der  Anästhesien  naeh  Traumen  eingehen,  nämlich  auf  die  Annahme  von 
Hysterie. 

Fllr  diejenigen  nnmlieh,  welche  der  Anschauung  Charcot's  snstinimea, 
dass  als  die  häuiigste  Unfallsueurose  die  Hysterie  zu  bezeichnen  sei,  hat  die 
Häufigkeit  der  Anästhesien ,  wie  der  sogleich  zu  besprechenden  Gesichtsfeld- 
dnsebrinkung  gar  niehts  Befremdüdies ,  weil  Jedermann  gern  sugiebt,  dast  bei 
HysteriBehen  beide  Erscheinungen  sich  sehr  häufig  finden. 

Nun  hat  aber  gerade  Oppf.nheim  einerseits  gegen  die  15ehauptung 
Charcots,  dass  die  traumatische  Neurose  mit  der  traumatischen  Hysterie  sich 
decke,  auf  das  Lebhafteste  protestirt;  andererseits  freilich  hat  er  gerade  auf 
„die  sahlreiiAen  Cntersndinngen  nnd  Beobaehtnngen  der  OHABOOT'sehen  Klioik'* 
llingewiesen  'Oim'KXHKIm  ''^s),  pag.  3H  und  49  Anm.\  um  zu  zeigen,  dass  das  Vor- 
komuu  n  v(»n  Anästhesien  und  Oesichtsfeldeinschränkung  bei  Unfallverletzten  nieht 
betrtmdeu  kunne. 

HOBiüa  stimmt  der  Ansebanong  Cbarcot^s  unbedingt  sa,  wooaeh  die 
travmatiscbe  Neurose  mit  der  traumatischen  Hysterie  sieh  einfach  decken. 

Ist  diese  Anschauung  die  richtige,  !^<>  i«t  e^  ebenso  richtig,  dass  die 
Hysterie  bei  Männern  nahezu  ebenso  häufig  sei  als  bei  Frauen. 

OFPltKHBix bestreitet  die  Hinfigkeit  der  traunatiaeben  Hysterie  bei 
Hinnem,  wenn  er  in  seiner  Monographie,  pag.  98,  ansdrtldclicb  sagt:  „Mit* 

theilungen  über  typi>«che  hysterische  Anffllle  nach  Verletzungen  der  verschiedensten 
Art  linden  wir  besonders  in  der  fVanz("isi sehen  Literatur,  in  den  Abbandinngen 
t'UAUCOT  s  und  seiner  Schule,  iu  unserer  Casuistik,  welche  sich  fast  ausschliess- 
lieb  auf  Yerietzungsnenrosen  beim  männliehen  Oesobleeht  besieht,  sehen 
wir  dieses  Moment  in  den  Hintergrund  treten." 

In  viel  enerri-^cherer  Weise  protestirt  Fu.  Schcltzk  gegen  die  Ansieht, 
dass  Hysterie  bei  Mauneru  so  häutig  sei :  „Andererseits  nehme  man  auch  manche 
dieser  Nevrosen  nnd  besonders  die  hysterischen  nieht  allzu  tragisch!  Gerade  der 
Arzt  kann  vielfach  dazu  beitragen ,  die  Hysterie  weiter  zu  verbreiten  und  sie 
geradezu  zu  einer  Volkskrankheit  zu  machen.  Man  h;Us<'h('k'  sie  nieht  aueh  nooh 
bei  Männern  gross,  sondern  Uberlasse  sie  deu  Frauen  und  Kindern!*' 


Diqitizcd  by  Goo^^Ic 


VNFiLLNERVBNERANKHEITBN. 


753 


Dmselben  Standpmikt  vertritt  SreughOllbh.  Er  ist  naeh  seinen  Erfah- 
rungen der  Meinung ,  dass  die  Hysterie  Oberhaupt ,   am  allerwenigsten  aber  die 

Hystrria  ri'rili.f.  in  den  Arbeiterkreisen  eine  häufige  Krankheit  sei.  Möbius  be- 
schuldigt ibu  und  Alle,  die  seiner  Meinung  sind,  einer  ungenügenden  Kenntniss 
der  Hytterie  nnd  Terdammt  die  somatisehe  Riehtnng  der  Aerste,  welehe 
aneh  der  GflARCOT'^chen  Schule  noeli  anklebe ,  aber  nur  wie  eine  Schale ,  die 
weggeworfen  werden  wird.  Nun,  mfige  die  CHABCOT'aehe  Schale  diese  Sehale 
ja  festhalten! 

Kann  Anlstheaie  simnlirt  werden? 

Anf  die  Sdiwierigkeit,  anisthetiache  Beairke  als  solehe  fesfiastellen,  ist 
sehen  oben  hingewiesen  werden.  Jeder,  der  viele  Nervenkranke  auf  Sensibilitäts- 
störnnpen  untersucht  hat ,  wird  zugestehen ,  wie  schwer  es  hält ,  namentlich  bei 
Ungebildeten,  sichere  Resultate  Uber  die  einzelnen  QaaliUiten  der  GefUblsstörang 
zu  eriialten.  Wenn  diese  Untersnehnngen  nun,  die  bona  ßde»  in  vollem  liasse 
vorausgesetzt ,  schon  auf  grosse  Schwierifrkeitcn  stossen ,  wie  viel  mehr,  wenn 
an  die  Mocrlii'hkpit  einer  Täuschung  durch  den  Exploranden  gedacht  werden  muss. 

Auch  UiTKNHEiM  ^*^)  erkennt  diese  Schwierigkeiten  in  vollem  Masse  an. 
So  sehreibt  er  pag.  48  unter  Anderem:  „Widersprüche  giebt  es  bei  jeder  Sensi- 
bilitfttsprQfnng ,  kurz  ich  roaehe  mieh  anheisehig,  jeden  Nervenkranken  (vielleioht 
aueh  den  Gesundem  auf  solchen  WidorsprUchoi  ZVL  ertappen,  die  von  den  BitaM' 
lationsspähern  auf  Betrug  bezogen  werden." 

Mit  dieser  Aeu.sserung  erklärt  er  aber  selb.st  unumwunden ,  dass  der 
Werth  der  Anlstbesie  für  die  Begründung  der  Diagnose  „traumatische  Neurose** 
nur  von  geringem  Werthe  sein  kann. 

Ein  schlagendes  Beispiel,  wie  eine  Anftsthesie  simulirt  werden  kann, 
theilt  Kacine  1^')  mit: 

Bin  Walawerfcsarbeiter  in  Essen,  weleher  auf  Java  als  Laaarethgehilfe 
Gelegenheit  gehabt  hatte,  Beri  Beri-Kranke  in  grosser  Menge  zu  sehen  und  zu 
Stndireii,  nin«.'hte  Racixe  das  Geständniss,  wie  er.  um  vom  holländi.schen  Militär- 
dien.ste  loszukommen ,  die  nervöse  Form  der  lieri-Heri-Kraukheit  mit  Erfolg 
simulirt  habe.  Als  Racine  die  Möglichkeit  bezweifelte,  die  hierbei  vorkommeudea 
AnXstheden  zu  simnllren  nnd  stets  die  Orenzen,  die  bei  der  Untersuchung  ge« 
funden  waren,  inne  ZU  halten,  da  machte  ihm  der  Arbeiter  das  Experiment  vor. 
Mit  geschlossenen  Augen  gab  er  bei  wiederholter  Prüfung  mit  der  Nadel  stets 
in  der  frappantesten  Weise  die  einmal  als  anästhetisch  angegebeneu  Partien 
wieder  an. 

Job.  Hoffmaxx«'')  theilt  zwei  Fälle  mit,  in  wt  lohen  Anästhesie  simulirt 
worden  war:  In  dem  cr-Jten  Anästhesie  der  Hand  und  des  Vorderarmes,  drei 
Querfinger  unterhalb  der  Elleubeuge  kreisförmig  abschliessend;  in  dem  anderen 
complete  reehtsseitige  llemianftsthesie.  In  dem  ersten  Falle  wurde  die  Simulation 
erwiesen ,  in  dem  zweiten  gestand  sie  der  Bzplorand  selbst  dn :  dritte  Personen 
haben  ihm  gerathen ,  die  Hemianlsthesie  etc.  zu  simnllren ,  damit  seine  Ent- 
SchAdigung  um  so  grösser  ausfiele. 

ScHULTZE  hebt  hervor,  dass  gerade  von  solchen,  die  sidier  nicht  simu- 
lirten,  Sendhilitatsstffrungen  nicht  angegeben  wurden. 

Concentrische  Einengung  des  Gesichtsfeldes.  Als  besondws 
werthvolles ,  weil  ohjeetives  und  nicht  simulirbare'^  Symptom  der  sogenannten 
traumatischen  Neurose,  hat  Oi'PEXüEiM  von  vornherein  die  coDcentrische 
Einengung  des  Gesichtsfeldes  fflr  weiss  nnd  für  die  Farben 
hervorgehoben  und  trotz  aller  gegeotheiligen  Erfahrungen  anderer  Üntersttcher 
bis  jetzt  festgehalten. 

Auf  dem  Herliuer  Cou»resse  sprachen  sich  gerade  Vertheidiger  der 
trauinatischeu  Neurose,  wie  liiTZiu  und  Rümpf,  dahiu  aus,  daas  sie  nach  ihren 
Erfkhmngen  diesem  Symptom  keine  Bedeutung  beimessen  konnten,  weil  dasselbe 
nur  in  verschwindend  wenigen  Fallen  (trotz  Hnzio's  grossem  Beobaehtnngs> 

Bncyelop.  Jabrbftoher.  III.  48 


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764 


ÜNFiLLLNERVENKBANSHEITEN. 


malerial  von  l  Fällen)  hatte  nacbgewi^eD  werden  kö^nnen.  Ich  übersehe  die 
ebenda  von  Mendel  ausgesprochenen  Zweifel  an  der  Richtigkeit  der  von  Oppenheim 
verwertheten  Untersuchaogareaultate.  Auch  abgesehen  davon  erklärte  M£Nü£L, 
„er  «teile  dn  perimetriBohen  Frflfiingen  gegenflber  «nf  einem  skeptiaefaea  Stand- 
punkte^'. SCHÜLTZR  bekundete  auf  dem  Congress  und  bit^  in  die  neoeeto  Zeit  seine 
I'ebereinstimniung  mit  Strümpell  (und  Lewek)  in  der  Meinung ,  dass  dieses 
Symptom  nicht  häutig  sein  kann.  In  der  ersten  Reibe  seiner  Untersuchungen 
fand  er  nämlich  in  20  FAllen  daa  QeRichtsfeld  14mal  normal,  in  2  Fällen  schien 
ee  etwai  efaDgeeelninkt,  in  1  oder  S  Fillen  waren  die  Angaben  vOIiig  nnaieher; 
in  einer  weiteren  Reihe  von  18  Fällen  fand  sich  das  Gesichtsfeld  14inal  Ar 
weiss  und  die  Farben  vollständig  normal ,  in  den  tlbrigen  4  Fällen  war  das 
Besultat  der  Untersuehuug  nicht  massgebend^  so  dass  Schultze  „noch  weniger 
wie  fmher  diesem  Zeieben  eine  wesentliehe  Bedentnni^  fOr  die  Diagnose  eines 
dnreh  ein  Trauma  herbeigcfflhrten  Nervenleidens  zuerkennen  kann''. 

Auch  Eisenlohr  hat  negative  perimetrisobe  llesultate  gehabt,  le^t  jedoch 
denselben  bei  der  verhältnissmassig  kleinen  Zahl  der  von  ihm  so  nutersuchten 
Unfallverletzten  gegentlber  den  zahlreichen  nnd  exaeten  Gesicbtsfeldbestimmungen 
Wilbband's  (s.  nnten)  beinen  besonderen  Werth  b«. 

Für  die  Häiifi^rkeit  der  Gef^ichtsfeldeinBebrinkmig  waren  von  vonberein 
Benedikt,  Möbius  und  Bruns  eingetreten. 

Waa  MÖBIUS  ^'^)  anbetrifft,  so  bat  er  später  diese  Behauptung  su  ein- 
gesdirlnkt,  dass  sie  bei  Oppbnhbdi's  Standpunkt  der  tranmatiselieii  Hysterie 
gegentlber  bedeutungslos  wird. 

Er  saprt  nilnilich:  Die  dauernde  coucoutrisehe  dJesicbtsfoldehischränkung 
ist,  wie  Chakcot  es  stets  gelehrt  hat,  ausschliesslich  Zeichen  der  Hysterie.  Man 
darf  ne  bd  denen  nieht  erwarten,  die  nur  an  nenraatheniseh  hypochondrisehen 
Erkrankungen  leiden.*) 

Brüns  constatirte  in  7  von  8  Fällen  das  Symptom  in  voller  Klarheit, 
auch  noch  bei  Untersuchungen  nach  Jahren. 

Von  besonderem  Interesse  sind  die  Mitthciluugen  des  Hamburger  Augen* 
anstes  Wilbbamd.  »■*) 

WiLBBAHDf  der  sich  schon  frflher  fOr  das  Vorhandensein  der  Gesiebts- 
feldeinschränkunfr  n<ich  Traumen  aus<resprochen  hatte,  bat  unter  29  Beobach- 
tungen von  traumatischer  Neurose  sehr  häutig  die  Erscheinung  der  concentriscbeu 
Gesiehtsfeldeineehrinknng  aller  Grade  gefunden;  weiter  aber  im  Verdn  mit 
Dr.  Sänger  an  60  nerrflsen  Individuen  umfassende  ophihalmolo^iehe  Unter- 
snchinifren  angestellt ,  au«  welchen  licrvor^'cht ,  d:iss  derselbe  Syniptoiiiencomplcx 
der  nervösen  Asthenopie  —  insonderheit  mehrweniger  stark  ausgeprägte  cou- 
eentriaehe  Gesichtsfeldbeschränkung  ohne  ophthalmoskopischen  Befund  —  fflr 
alle  Formen  der  Neurosen  llberhaupt  der  gleidie  ist;  daneben  aber  fast  durch- 
gängig Störungen  der  cotanen  Sensibilitftt  in  der  Form  von  hypalgischen  Punkten, 
byperästhetischeu  Stellen,  Zonen  herabgesetzter  oder  fehlender  Sehmerzempfindlich- 
keit bis  zur  completen  Auüstbesic  einzelner  Gliedmassen  und  der  ganzen  Körper- 
bllfte;  dasu  weitw  Störungen  der  Haut-  nnd  Sebnenreflexe  und  endlieh  ge, 
steigerte  vasomotorische  Erregbarkeit,  wie  in  der  Form  von  Tuches  c^rSraleSy 
von  leiclitern  Krröthen ,  Neigung  zu  Ohnmaehten,  üerzkiopfen,  PrAeordialaugat 
und  reichlichem  Schwitzen  sich  tinden. 

So  dankenswerth  es  ist,  dass  ein  Ophthalmologe  von  Fach  in  so  ein- 
gehender Weise  sieh  mit  der  Bedeutung  der  GesiehtsfeldbeBebr&nkung  bei  CnCsIl- 
verletzten  Itescb.tftigt  hat,  so  wird  man  doch  gut  thun ,  weitere  rntersuchungen 
anderer  Augenärzte  abzuwarten  —  s.  z.  B.  unten  Scuuidt-Kuü'LEB  ,  welcher  in 


*)  In  Jen  Fällen  von  Freund"'),  Donath^")  und  Neumanu"-),  welehe  daa 
Vorhandenaeio  von  GeBicbtsfeldeinachiänkaiig  beatfttigm,  bandelte  «s  sich  wohl  dvehweg  um 
tramnatiaelie  Hysterie. 


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UNFALLKERVENKKANKEEITEN. 


vielen  Punkten  von  Wiltirand  abweicht  —  bevor  man  die  WlLBKAND'wshok  Ke- 
saltate  kritisch  vurwertbet. 

Sollten  die  WiLBRAMD'schen  Angaben  aber  von  anderen  Seiten  volle 
oder  aneh  nur  thdlw«Be  BtMtlUigmg  fiadeo,  so  wflrdea  aleht  nur  die  eonoratriache 
Einiehrftokung  des  Ge-^icht$;felde.s,  sondern  auch  andere  sogenannte  objeotive 
Symptome,  wie  die  Anästhesie,  ornt  recht  jede  Bedeutun<r  als  charakteristische 
Symptome  far  die  sofrenannte  traumatische  Neurose  verlieren.  Denn  Wilbbamd 
sagt  avadrileklieh :  „Dieser  SymptomeneompleK  findet  sich  nun  in  seiner  Geiammt- 
beit  oder  in  verschiedener  Gruppirung  gans  in  deraelben  gleichen  Weise  bei 
allen  traumatischen  Npiirn-;en  ,  wie  hei  unseren  nervösen  Schulkindern,  wie  bei 
erwachsenen  Neurastheuikiru,  den  Hysterischen ,  Cboreatiscben ,  kurz  wie  bei 
allen  Formen  der  Neurosen  tlberbanpt.*^ 

Wie  soll,  abgeselien  von  anderen  Fragen,  im  gegebenen  FaUe  festgestellt 
werden ,  ob  der  Unfallverletzte  nicht  schon  vor  dem  Unfall  nervös  war ,  was  ja 
bei  der  vnn  Vielen  angenommenen  Verbreitung  der  Hysterie  etc.  auch  beim  männ- 
lichen Geschlechte  sehr  wahrscheiulich  erscheinen  mUaste?  Wie  soll  weiter  eut- 
sehieden  werden,  ob  der  Unfallverletzte  nieht  erst  doreli  das  Ebingen  nnd  Bangen 
während  seines  Proeesses  nervQs  geworden  ist?  —  eine  MOgtiehkelt,  die  von 
allen  Autoren  zupregeben  wird. 

Soll  Klarheit  Uber  diu  diagnosti.sche  Bedeutung  der  Gesichtsfeldeinscbrän- 
kong  fBr  die  ünfallnervenerkrankangen  geschaflt  werden,  so  muss  vmr  Allem  in 
flbereinstimmender  Weise  festgestellt  werden: 

1.  N\V>  ist  die  Orenze  zirisohen  physiologisehem  und  pathologisohem 
Geaicbtsfeidf  ? 

2.  Inwieweit  ist  die  wühreud  der  Untorsuehung  sich  einstellende  Er- 
mfldnng  fOr  die  Geaiebtsreldeinsehrlnknng  verantwortlieh  an  machen? 

Hiertther  besteht  bis  jetzt  in  keiner  Weise  Ueboreinstimmnng  nntor  den 
Autoren,  selbst  nicht  unter  den  Ophthalmologen. 

SCHULT/E  glaubt  im  Gegensatz  zu  OrP£NH£iM,  ,,auf  das  Urtheil  erfahrener 
Augenärzte  gestützt,  auf  geringe  Abweichungen  desselben  keinen  Werth  legen  su 
Sölten,  weil  Abweichungen  der  Angaben  der  Untersuchten  innerhalb  der  Grensen 
von  15  Orad  noch  in  da-*  Tiebiet  der  Fehlerquellen  fallen". 

Wu.BR.AXn  daüre;^'eu  sagt:  „Geringe  ci»ncentrische  (Jesiclit,sfeldeinsehrän- 
kungen  sind,  wenn  sie  auch  manchen  Autoren  zu  wenig  zu  iuiponireu  seheiueu, 
Krankheitszeiehen  von  dem  gleichen  ^ptomatisehen  Werthe,  wie  hochgradige, 
anmal  wenn  sie  bei  Ausschluss  aller,  das  Gesichtsfeld  sonst  iMeogenden  Zustände, 
von  etitanen  Sensibilitätsstörungen  und  Steigerung  der  Sehnenreflexe  begleitet 
aind.  Ferner  verdient  hier  hervorgehoben  zu  werden,  dass  bei  vielen  Patienten 
die  Gesiehtsfeldeinschrflnknng  im  Lanfe  der  Beobachtung  keine  eonstante  bleibt, 
sondern  der  (ir.ul  der  Einaohrftnkuug  oder  die-^e  Uberhaupt  Schwankungen  unter- 
worfen ist.  Wie  bei  jedem  nervösen  /.ustande  im  Ail.L'enieinen  die  KlaL'cn  einen 
Wechsel  zeigen ,  so  kommen  bei  den  traumatischen  Neurosen  im  Verlaute  der 
Beobachtung  Zeiten  vor,  wo  die  asthenopischen  Beschwerden  geringer  werden  oder 
fast  veraehwinden,  während  eine  andore  Gruppe  nervOspfunetioneller  StOrnngen 
in  den  Vordergrund  tritt.  Ferner  kann  das  Geaiehtafdd  auf  dem  einen  .\ugo 
normal  sein .  auf  dem  anderen  Auge  dagegen  eine  hochgradige  BeschrJlnkung 
darbieten.  LutcfNucht  der  Heobachter  aber  nun  gerade  das  Auge  mit  dem  normal 
gebliebenen  Gesiditsfeld ,  dann  wird  anch  in  diesem  Falle  da«  Vorhandensein 
einer  Einaehrinknng  ncLnrt  w<'rden.'' 

Aus  den  vorhergeheiub'n  Mittlieilungon  ireht  hervor,  dass  die  Meinungen 
der  verschiedenen  Untersucher  Uber  die  Häufigkeit  der  eoucentrischen 
Gesichtsfeldeinscbrftnkung  bei  Unfallnervenkranken  ausserordentlich  aus- 
dnaadergeheo. 

Diese  Differenz  zu  erklären,  sind  verschi(<dene  Versuche  gemaeht  worden, 
mehtssagend  ist  der  Erklärungsversuch  von  OPPiiMBBiH:   „Wie  ist  es  nun  au 

4B* 

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756 


UNFALLNERVENKRANKHRITBN. 


deuten,  dass  ich  das  Symptom  sehr  häutig  gefunden  habe,  Andere,  denen  eine 
grosse  Erfahruag  zu  Gebotö  steht  —  wie  IllTZlG  —  dasselbe  uur  selten  uaeh- 
wiMen?  Bs  Itt  tiw  EntHmnmkg,  der  wir  hinfig  begegnen,  daa«  an  bestimmt« 
Krankbeitssymptom  von  dem  einen  sehr  häaflg,  von  dem  anderen  Beobachter  aelir 
selten  gefunden  wird.  Hie  ItiiVerenzcn  kennen  znfilllige  sein  ,  sie  können  in  der 
Beschaffenheit  den  Uutersuchungsraaterialeä  liegen ,  sehr  häufig  aber  beruhen  sie 
auf  dem  Umstände,  dasa  der  Eine  Mn  grosses  GewiiAt  anf  das  Symptom  legen 
so  mflssen  glaubt,  daher  in  jedem  Falle  grflndlich  und  wtederholentlicb  nach  dem- 
selben fahndet,  während  der  Andere,  von  vornherein  demselben  weniger  Bedeutung 
beimessend,  sich  mit  einer  einmaligen  Untersuchung  begnügt  und  geringeren 
Abweichungen  keinen  Werth  beilegt. 

Ebensowenig  wird  die  Anaebannng  Oppbnbbim's,  dass  „die  Oesiehtafeld- 
^neogong  bei  den  funetionelten  Neurosen,  wie  die  Symptome  dieser  fllierhanpt, 
von  ganz  anderen  Gesetzen  lieherrselit  werde.  :ils  die  entsprechenden  St(lrungen 
bei  organischen  Uirukraukheiten  überhaupt",  nur  iuäotern  als  richtig  bezeichnet 
werden  kftnnon,  ala  ea  Idebter  itt,  den  üntersehied  swiaohen  Garniehtaehen 
nnd  Beiwr&ehen  za  markiren,  wie  das  bei  den  centralen  Symptomen  so  häufig 
vorkommt,  als  anzugeben,  wann  nun  ein  schwacher  Schimmer  zuerst  deutlicher 
weiss  oder  farbig  i^t,  da  doch  ganz  allmi'ilige  Uebergiinge  wahrgenommen  werden. 

Im  Uebrigen  giebt  es  aber  nur  eine  Physik  und  eine  Physiologie" 
(SCBÜI/rZB,  SCBMIDT*RniPLSB,  1.  G.  pag.  564). 

Daran  können  am  wenigsten  die  Angaben  Hysteriseher  etwas  ändern, 
bei  welchen  (WoLLExnKuo)  „das  Gesichtsfeld  auf  die  Flilche  projieirt  bei  Prttfnng 
in  weiterer  Entfernung  nicht  die  geringste  Erweiterung  zeigte". 

WiLBBAMD  nnd  ScBMlDivBtitPLKR  machen  darauf  aufmerksam,  dasa  alle 
Ckdohtsfeldzeiehnangen  und  Angaben  nur  richtig  beurtheiit  werden  können,  wenn 
die  Grf^sse  des  Probeobjeetes  angegeben  wird :  Letzterer  hfllt  auch  die  Gr<^sse  des 
Uurchmessers  des  angewandten  Perimeters  nicht  für  gleiehgiltig  tür  die  Beurtheiluug 
nnd  macht  über  die  Methoden,  welche  vor  Uotersucbungsfehlern  sehfltsen  können, 
Miaflllirliehe  Angaben. 

Dies  flihrt  zu  der  anderen  Frage: 

Kann  Einschränkung  des  Gesichtsfeldes  simulirt  werden? 

Oppenheim  hält  diese  Simulation  tUr  unmöglich,  ausser  wenn,  was  gewiss 
nur  ftnsserst  selten  der  Fall  sein  dttrfte,  ein  vMüges  Vertrautsein  mit  dem  Wesen 
dieser  Erseheinung,  ein  sorgfilltiges  Vorstadium  am  Perimeter  vorausgesetst 
werden  könne. 

WiLBHANU  meint,  die  Simulation  ebenfalls  ausscbliessen  zu  können, 
wenn  alle  den  Ophthalmologen  zu  Gebote  stehenden  Vorsiohtsmasaregelu  ange- 
wandt werden. 

ScHMiDT-RiMPLER  dagegen  sagt:  ..Die  Simulation  concentriseher  Ge^icht^- 
feldeinengungen  wurde  schon  vor  Einführung  des  l'nf.illireHetzes  und  vor  Auf- 
stellung der  traumatischen  Neurose  geübt*'  und  führt  aU  Beispiel  an,  dasa  er 
namentlieh  unter  den  Reeruten,  welche  reeht  hftufig  eine  eoneentrisohe  6eeiehts> 
feldeinengung  angeben,  im  Laufe  der  Jahre  eine  ziemliche  Zahl  von  Simulanten 
entdeckt  habe,  d.  h.  wirkliche  Simulanten,  die  ihre  falschen  Angaben  eingestanden 
und  als  Soldaten  nachher  voll  ihren  Dienst  thateu.  Ja  er  habe  naoh  seiner  Er- 
fahrung den  Eindruck,  dass  gerade  die  Simulation  einer  eoneentrischen  Oesiohta- 
feldmnengnng  sehr  nahe  liegt:  „Da  die  Personen  uns  überzeugen  wollen,  dass  sie 
schlecht  sehen,  so  geben  sie  bei  der  peripheren  Prfifang  des  Gesichtsfeldes  dort, 
wo  der  herangeführte  (Jegeiistand  ihnen  noch  undeiitlicii  ist.  und  sie  mehr  einen 
Lichteindruck  empfinden ,  an ,  überhaupt  Nichts  zu  sehen,  und  erst  dort,  wo  sie 
das  Probeobjeet  seharf  in  seinen  Oontonren  erkennen,  sagen  sie,  daas  es  siehtiiar 


*)  Trotzdem   bebauptet   Oppenheim'-'-';,   pug.  45,    die   Oeiidltsfeldprfiltaag  Mi 
„weder  eine  besonders  mühsame,  noch  eine  besonders  zeitraubend«'. 


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UKFALLMERVENKBANKHEITEN. 


757 


wird;  damit  kommt  die  cunceutriäche  GesichtätetdeinenguDg  zu  Stande."  Weiter 
theilt  ScHHiDT-RiliPLER  diien  Fall  mit,  in  welchem  ooDeeDtrlBebe  Oeeiditsfeld- 
einscbränkung  von  eiuem  ao  „tranmatiseher  Xenrose"  leidniden  Hetalldfeher 
simulirt  wurde. 

Ebenso  hat  ein  anderer  Augenarzt  Fischer  die  Möglichkeit  der 
Simulation  zugegeben  und  erklirt  die  Art  des  ZuatandelEOmmenB  der  Simnlation 
80f  dass  die  Simulanten  sich  am  Perimeterbogen  einen  Grenzpunkt  merken,  naeh 

welchem  ^i<>  die  Angaben  machen.  Somit  stelle  sich  das  aimulirtu  Gesieht.-^feld  als 
ein  überaus  re;rt Iraflssiges ,  raeist  n«ch  allen  Seiten  ;^leich  stark  hej^renztes  dar, 
während  Oi'I'KNUKIM  ^''^),  pag.  44,  dasselbe  hU  ein  ausüerurdentliuh  unregelmäsaiges 
abgebildet  bat,  welchem  man  die  Willkttr  des  Bxploranden  sofort  ansehe. 

Als  „ein  ol.ji  <  ti\  ts  Kennzeichen  der  tr;niui:itischen  Neurose"  ist  neuer- 
dings vnu  Konh;  "  i  die  leichte  Ermüdbarkeit  des  Gesichtsfeldes 
aufgestellt  worden,  indem  er  nachwies,  dass  der  von  Fükst£K  1877  gefundene 
sogenannte  „Versehiebuugätypus'*  auch  bei  der  tranmatiscben  Nenroee 
vorkommt.  Frkund      hat  diese  Angaben  bestiitigt 

Bruns  und  Scbultzb  hoffen  darin  ein  nicht  simulirbares  Criterium  erlangt 
zu  haben. 

SCHMIDT-RlUPLER  dagegen  schliesst  seine  ausfuhrlichen  Darlegungen  damit, 
diiSB  er  erklirt,  nicht  in  der  Lage  au  sein,  den  von  KÖNIG  gefundenen  Ver- 
sdiiebnngst7pus  als  ein  objeetive«  Symptom  der  tranmatiseben  Neurose  ansa- 
»kennen. 

Als  Kesumc  der  bis  jetzt  geführten  Controverse  Uber 
die  diagnostische  Bedeutung  der  AnSstbesie  und  der  eoneen- 
trisehen  Gesieht^fcldheschrilnkung  für  die  „traumati.sch  e  Xen- 
ro  se"  d  ü  r  f  e  n  wir  h  i  n  s  t  el  1  e  n,  d  a  8  h  b  e  i  d  o  S  y  m  p  t  o  m  e  als  »objeetive 
und  nicht  simulirbare  Criterien  nicht  zu  bezeichnen  sind. 

Beiläufig  mag  schon  hier  erwähnt  werden,  dass  Anästhesien  und  Gesichte« 
fHdeinMbrinknngea,  irie  sie  bei  Unfallverleteten  beobachtet  werden,  an  sich  die 
Arbeitsfähigkeit  nur  in  den  seltensten  Fällen  beschränken. 

Weiter  ist  als  ein  nicht  simulirbares  objectives  Symptom  für  die  soge- 
nannte traumatische  Neurose  die  Pulsbeschleu niguug  hingestellt  worden. 

ScHULTZB  legt  ein  sehr  geringes  Oewieht  darauf,  wenn  während  der 
Untersuchung  durch  die  Gutachter  die  Herzuction  gesteigert  ist.  Gerade  bei 
Sinmlaiitcn  wird  ein  solches  Symptom  erst  recht  eintreten  müssen ,  so  dass  es 
ihm  gerade  umgekehrt  eher  gegen  Simulation  zu  sprechen  scheine,  wenn  während 
der  Untersuchung  die  Herzaetion  eine  gleiobmisnge  bleibe.  Himo  legt  dem 
Überaua  häufigen  Symptom  der  krankhaften  Beschleunigung  der  Herzaetion  tone 
grosse  Wichtigkeit  bei.  Er  bestreitet,  dass  dieselbe  sich  wochcn-  und  monatelang 
bei  taglieh  mehrmals  wiederholten  Visiten  des  Arztes  lediglich  als  Folge  derselben 
erhalten  kann,  und  würde  sie  sogar  bei  einer  grossen  Anzahl  von  Individuen, 
wenn  sie  auf  «rinen  soleben  Rdz  wiederholt  eintritt,  als  ein  Zdehen  von  Krank- 
heit  betrachten. 

.h)H.  ^oKK^rAN\  hiilt  in  irebereiustimmnng  mit  Mendel  Beschleunigung 
des  Pulses  in  dauernder  Weise,  besonders  wenn  bei  jungen  Individuen  sich  Arterio- 
selerose  herausbilde,  fDr  ein  sehr  wichtiges  Symptom  der  Krankheit.  Vorflber- 
gehend  bei  den  I  ntersuchungen  auftretende  Pulsbeschleunigung  sei  nicht  mass- 
gebend nach  der  einen  oder  anderen  Seite ;  er  habe  sie  üherliaupt  selten  beobachtet. 

Bkuxs  verlangt  Beobachtung  im  Krankenhause ,  wenn  das  Symptom 
volle  Wichtigkeit  haben  solle;  aU  sieher  vorhanden  erwiesen  sei  es  aber  von 
grossem  Werthe. 

Damit  nicht  cufrieden ,  verlangte  SbeliqmOller  "^'*},  dass  die  durch 
Missbrauch  von  Alkohol ,  Tabak  und  anderen  Ilerzerregungsmittoln  entstandene 
leichte  Erregbarkeit  des  Herzens  volle  Berücksichtigung  erfahre^  und  dass  der 
Ezplorant  auch  bei  sorgfältigster  Ueberwaehnng,  die  den  Qebrandi  von  Bzeitantien 


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768 


ÜNFALLNEBVENKRANKHEITBN. 


Tollstftndig  ausscbliesst ,  nahezu  diesülbe  i^uUfrequeaz  zeigt,  wie  vorher.  Nach 
seioer  EMümmg  bildet  rieh  in  Folge  der  genannten  Intoxieettonen  *)  znA 
ohne  vorausge^angeneu  Unfall  eine  hochgradige  Bmgbei'keit  des  Herzens  aus, 
die  sich  hei  joder  lebhaftfii  köriierlichen  Bewegung,  vor  Allem  aber  bei  jeder 
gemttthlichen  Errc^un^;  sofort  als  gesteigerte  Pulsfrequeas  bemerkbar  macht.  Wie 
viele  VennlaBsung  zur  gemttflilieiieii  Erregung  bnben  ftber  die  ünfnllverletsten 
bei  dem  jetsigen  Verfahren  in  Folge  der  oft  Jahre  lang  eieh  liinriehenden  Ver- 
bendlnngcn.  Dazu  ist  bei  .Simulanten  mich  die  Gewiasenaangst  in  Anschlag  n 
bringen,  wie  besonders  Knxui  hervorhebt. 

iSEfiLiGMÜLLEU  thc'Ut  zwei  Fälle  mit,  in  welchen  die  gesteigerte  Puls- 
flreqneni  von  firoberen  Begntaehtem  ab  „traumatisehe  Hersnenrose**  anf« 
gefaat  war. 

In  dem  ersteu  Falle,  der  einen  41jährigen  Kiipferttchmied  P.  F.  betrifft, 
hatte  im  Mai  1Ö87  eine  Quetschung  des  linken  Goldliugers  stattgefunden,  welche 
die  operatiye  Entfernung  des  Fingen  nöthig  maebte.  Orosse  Sehmersbaftigkeit 
der  Narbe,  aus  welcher  7  nnd  dann  noeb  einmal  10  Konnte  naeh  der  ersten 

Operation  kleine  Ampntationsneurome  operativ  eiitf«'rnt  wurden.  --  Allein  die 
Schmerzen  und  die  EmpHndlichkcit  der  Narbe  bentihen  fi»rt  neben  allgemeiner 
Nervosität;  eine  dritte  Kevisiou  der  Narbe  wird  von  einem  chirurgisehen  Speoialisten 
16  Monate  naeh  dem  ünfall  für  wahrseheintteb  erfolglos  erklärt,  weit  neben  dw 
allgemeinen  Nervnsit.Ht  sich  eine  „tr au raatiaohe  Herzneurose"  (bis  auf 
120  Pulse  in  der  Minute  gesteip^erte  Horzthätigkeit)  entwickelt  hat,  so  dass  F. 
selbst  bei  den  leichtesten  Aufseberposten  in  der  Fabrik  wegen  Unruhe  es  nicht 
ausbauen  kann.  8  Jabre  naeh  der  Verletzung  wird  der  Fall  SekligxOllbr  nr 
Begntaehtnng  überwiesen. 

Die  bei  Jeder  Perübrung  empfindliche  Narbe  (notabene  jede  Spur  einer 
2^^('uritia  ascendcns  fehlt)  ist  gar  nicht  empfindlieh,  wenn  sie  durch  faradische 
Reizung  des  Streckers  oder  des  Beugers,  deren  Sehnen  mit  ihr  fest  verwachsen 
sind,  ad  mazimnm  yeraerrt  wird.  Die  anf  120  PnlaaebUlge  gesteigerte  Hera- 
thätigkeit  geht  auf  das  Nonnale,  ja  Snbnormale  herunter  (60  in  der  Minute), 
während  F.  abwechselnd  von  zwei  zuverlässigen  Heilg'ebilfen,  welche  aueh  während 
der  Nacht  alle  zwei  Stunden  den  Puls  zu  notiren  haben,  während  48  Stunden 
nnansgesetct,  Naebts  bei  beller  Belenebtnng  so  flberwaeht  wird,  dass  die  Möglich« 
keity  Tabak  oder  andere  Exdtantien  zu  gebrauchen,  durchaus  ausgeschlossen  ist. 

In  dem  zweiten  I-^alle,  welcher  einen  ;i4jiihrigen.  M-hr  kr.'iftifren  Pergmann 
Namens  Landmanu  betrillt,  war  die  von  anderen  Aerzteu  diagnosticirte  „trauma- 
tische lierzneurose'*  durch  hochgradigen  Missbraneb  von  Tabak  und  Alkohol 
bedingt,  die  flbrigen  Ersebeinnngen  von  Sebwicbe  in  den  Beinen  ete.  waren 
simulirt.  Der  p.  Landmann  arbeitet,  seitdem  er  von  Seeligmüllkr  ffttr  arbeitsp 
jf&hig  erklärt  ist,  wieder  in  derselben  Weise  wie  vor  dem  rnfalle.  ''■*) 

Dieser  Fall  ging  also  weniger  tragisch  aus ,  als  die  Fälle  OprENUEiM's 
„von  markanten  Herzsymptomen,  welche  alle  ungflnstig  verliefen**. 

Rümpf  bat  in  neuerer  Zeit  die  Aufmerksamkeit  der  Untersucher  auf  das 
sogenannte  MAXXKOrK'Hche  Symptom  gelenkt.  l>iese>^  Symptom  beisteht  darin,  dass 
Druck  auf  einen  schmerzhaften  Punkt  sofort  eine  Steigerung  der  Pulsfrequenz 
zur  Folge  hat. 

*)  Seeligmfiller  hat  besonders  darauf  aaftnerksam  gemacht,  daas  nicht  nur  das 

Talakrauclieu,  tondi  ru  nanienUich  auch  das  Tabak  kauen  (Pri'  tiien)  ilie  neiztliatiRkeit  sehr 
»cliuell  8toi|:ert.  Eia  Explorund  der  medicinischen  Klinik  in  Halle  hatte  lange  Zeit  eine  allen 
Hilteln  widerstehende  hoch^dige  Steigerung  der  Pulsfrequenz  gezeigt,  bis  er  snföUig  dabei 
ertappt  wurde,  dass  er  Tabak  k;uitf.  Als  ihm  darauf  die  M'iflichkeit,  dies  zu  thun.  abge- 
schnitten wurde,  ^ing  der  l'uls  n.ieh  einiger  Zeit  dauernd  auf  die  normale  Fretjuenz  zurück. 

Die  von  .M  (>  1)  1  II  s  I  vom  grunt^fi  Tisclio  aus  beliebte  ..\ erniehtendo"  Kritik 
dieser  und  anderer  von  Seeligmuller  veroflentlichter  Fälle  erbalt  durch  diese  Thataache 
die  rechte  Belenehtong. 


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ÜMFALLM£BV£NKKAMKÜEIT£N. 


759 


Ueber  die  diagnostische  Bedeutung  dieses  Phänomens  wird  erst  geurtheilt 
werden  können,  wenn  es  in  einer  gössen  Zahl  von  Ffillen ,  und  zwar  nicht  nur 
liei  Unfallverletzten,  sondern  auch  bei  anderen  mit  Schmerzen  irgendwelchen  Ur- 
sprungs Bebaftoton  nntemicht  worden  sein  wird. 

Bis  jetzt  ist  die  Zahl  der  üntenaehungcn  noch  zu  gering,  um  andere 
Schlüsse  (lar;iiis  zn  ziehen,  als :  ..das  negative  I^irfrcbniss  kann  bis  jetzt  nicht  als 
ein  Gegenbeweis  gegen  die  Richtigkeit  von  Schmerzaugabe  verwerthet  werden" 
(Schültze). 

Endiieh  beben  wir  toh  den  eU  objeeliv  beadebneten  Symptomen  der 

trnnmatischen  Neurose  noch  die  psychischen  Anomalien  zu  besprechen. 

Schon  Ericitsex  lepjte  auf  diese  einen  gro:^sen  Werth  und  nach  OprEN- 
HGi^  ^^bilden  sie  den  JUuden,  auf  welchem  sich  die  Mehrzahl  der  Übrigen  £r- 
seheinnogen  entwickelt".  Bs  handle  eieh  ^^nnr  aninabmsweise  nm  Psyehosen  im 
engeren  Sinne ,  sondern  um  hypochondrische ,  melancholische  und  byeterisobe 
psychische  Krankheitserscheinungen,  die  sich  miteinander  combiniren  und  TOn  denen 
bald  dieses,  bald  jenes  Element  in  den  Vordergrund  trete". 

Ebenso  iet  die  Wichtigkeit  dieser  E^bdnungen  befTorgeboben  worden 
von  SteOmpblIi,  Lbwbk,  Hmao,  Bruns  und  Möbius. 

ErsRXLOHR  f*')  hatte  bereits  darauf  hingewiesen,  dass  es  „gewiss  nicht 
correet  sin,  hei  allen  in  Fra^re  kommenden  Zuständen  das  Hauptgewicht  auf  den 
psychischen  Eindruck ,  auf  die  Vorstellung  alä  vermittelndes  Element  der  resul- 
tirenden  Krankh^tssymptome  an  le*en". 

ScHULTZE  ist  nach  seiner  Erfahrung  der  Meinung,  „dass  mit  der  Diagnose 
einer  krankhaft  verilnderten  (Jeiuüthsstimmun^  oder  einer  wirkliehen  Psychose 
zu  rasch  vorgegangen  wird".  Weiter  erinnert  er  daran,  dass  auch  wirkliehe,  zeit- 
weilige Depression,  wirkliehe  Angstznstände  mit  Henklopfen  and  Zittern  deswegen 
bestehen  können,  weil  sich  Jemand,  dessen  urspriingliebe  Beschwerden  lingst  auf- 
freh(irt  haben,  zur  Simulation  oder  starken  Aggravation  verleiten  liess  .  und  sich 
nuu  zu  seinem  Sehrecken  gezwungen  sieht,  die  einmal  angefangene  Täuschung 
immer  weiter  fortzuführen''.  Hierauf  ist  sicherlich  in  vielen  Fällen  auch  die  als 
Symptom  der  traumatischen  Neurose  bezdebnete  Seblaflosigkeit  snrllekiufYlbren. 

TfliEH  bält  die  Hypoebondrie  unter  den  niederen  Stilnden  für  sehr 
verbreitet. 

SF.ELIGMÜLLER  bestreitet  dies.  Sicher  beobachtet  man  eine  melancholiHch- 
hypocbondrlsehe  Verstimmung  bei  Unfallverletsten ;  diese  tritt  aber  vielfaeb  erst 
dann  ein,  wenn  Ein-ehriinkung  oder  Verlust  einer  ausgiebigen  Ivente  droht.  Die- 
selbe melaneholisch-hypoehondrisehe  Verstimniunfr  sielit  man  gelegentlich  bei  unseren 
Rentiers  im  gewöhnlichen  Sinne  so  lange  Zeit  bestehen,  als  der  Miethsertrag  oder 
der  Zinsgenuss  unter  der  gewohnten  Höhe  bleibt.  In  gleicher  Weise,  wie  diese 
Vmtlmmnng  mit  Besserung  der  VerbSUnisse  wieder  verschwindet  |  dürfte  aneb 
die  Hypochondrie  der  Unfallverletsten  biufig  aufhören,  sobald  die  BewilUgang 
der  Rente  erfolgt  ist  fRAcjNE). 

Auch  das  Fehlen  der  gewohnten  körperlichen  Bewegung  bei  der  Arbeit 
ist  wohl  in  Ansdilag  sn  bringen,  insofern  ee  einer  hypochondriseben  Verstimmung 
nur  günstig  sdn  kann.  Jedenfalls  erfordert  gerade  die  Feststellung  dieser  psyebi> 
sehen  Anomalien  eine  ISn-rere  Beob.achtung  im  Krankenhause  und  ist  es  unbe- 
greiflich, wenn  man  sieht,  ddA»  Aerzte,  die  sich  nach  ihrer  Berufsstellun«:  ein- 
gebend mit  Psychiatrie  besebflftigt  haben  sollten,  sieb  lediglieh  dnreb  den  „be- 
jammernswerthen  Eindruck,  die  weinerliche  Stimmung,  das  trübselige  Aussehen** 
des  Explorandcn  bei  der  einniali^'en  Untersuehun^  hestiniraeu  lassen,  die 
psychischru  Anomalien  der  traumatischen  Neurose  zu  diagnosticiren. 

Können  psyebisebe  Anomalien  simulirt  werden? 

Diese  Frafre  ist  unter  Anderem  von  MöBU  S  in  verneinendem  Sinne  be- 
antwortet, weil  nach  der  einstimmigen  Erfahrung  der  Irrenärzte  reine  Simulation 


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76© 


ÜNFALLNERVENKRANKHBITEN. 


von  Psychosen  ausserordentiicli  selten  ist.  Bei  der  traumalischen  >ieurose  bandelt 
es  aidt  lUier  nieht  um  eigeatlidie  PqreiHMeni  sondern  im  Weseutlldieii  nar  um 
StimmttBgBsnonulien,  also  nm  einxelne  psychische  ElemeotarstfiniDgeit ,  die  sehr 

wohl  vorjretjiiisoJit  werden  können.  Dia.irn ostisch  schwerwiegende  Elementarstörungen, 
wie  IliilliieinationeD,  sind  in  dem  Syinpt<imt'nliilde  der  traumatischen  Neurose  nir- 
gends erwübut;  nur  dass  Oppenheim  am  öcblusä  auf  das  Vurkommeu  von  ballucina- 
torisehen  Delirien  hysteriseben  Cbsrakters  hinwdst. 

Besonders  hervorgehoben  sin*!  stnrnngen  der  Intelligenz  und  des 
Gedächtnisses.  Iiier  darf  wohl  der  Beweis  {refordert  werden,  ob  diese  Stö- 
rungen nicht  schon  vor  dem  Unfall,  vielleicht  seit  Jahren  oder  gar  seit  der  Geburt 
bestanden  beben ;  aneb  organische  Himkrsnkbeiten  dürfen  niebt  flbeneben  werden. 

In  Beztig  »nf  die  angebliche  Oedicbtnisssohwftehe  bat  Bönig**) 
folgende  Krfnlirungen  gemacht: 

„Auch  in  solchen  Fällen  hat  die  hiugere  Kcobachtunf^  Simulation  zu 
Tage  gefordert.  Da  stellt  es  sich  heraus,  dass  die  Rentencmpfilnger  fUr  solche 
Begebenheiten  nnd  Daten,  die  ihnen  nur  Darstellung  ihres  Zostandes  als  sweek- 
mflssig  erscheinen,  bis  In  die  Einzelheiten  ein  sehr  gutes  Gedilcbtniä^  haben.  Ja 
sie  gebrauchen  meist  dieselben  Worte  und  Rcdeweu  iungen,  die  sie  vor  freraumer 
Zeit  angewandt  habeu,  wieder.  Dabei  sind  sie  mit  ibreu  Aeusseruogen  sehr  vor- 
sichtig, um  sieh  nieht  zu  widersprechen.  Auch  wnssten  cie,  wenn  man  sieh  mit 
ihnen  während  der  Blasi>a^e  oder  den  Ucbungen  an  den  Apparaten  in  ein  Gespräch 
ein!ie<-i.  ilher  verschiedene  Krlelmis-ie  iu  den  früheren  Jahren  zu  erzählen.  Um 
die  Ktnieif  uipiängcr  auf  das  ZsbleugtdäehtDiiis  2U  prüfen,  empßehlt  es  sieb  mit 
ihnen  ein  Gespräch  (Ihtr  ihren  Jahresverdienst  nnd  die  sirb  daraus  ergebende 
Rente  snsuknOpfen  nnd  man  wird  ünden,  dass  sie  diese  AusrtrehnuDg  im  Kopf« 
sehr  gewandt  und  ;rcnan  machen  können.  Auch  wisKcn  sie,  wie  viel  Rente  sie 
bereits  erhalten  habeti  und  ob  die  Sumu;e  n  it  der  Ausrechnung  übereinstimmt.*' 
In  eioem  Falle,  wu  der  Explorand  beim  icrnüu  vor  dem  Schiedsgericht  u.  A. 
seine  OedlehtniflSBchwlehe  zur  Oeltnng  bringen  wollte,  trog  er  den  Torgang 
sdnes  Unfalls  und  seinen  angeblich  krankhaften  Zustand  so  klar  und  deutlich 
vor.  dass  nicht  (•cdächtnisssehwäche ,  sondern  GedAehtaiSBSehirfe  sn  Tage  trat 
und  er  mit  seiner  Forderung  abgewiesen  wurde. 

Paob  hat  nur  dne  Abiiahme  d«r  Fähigkeit,  die  Oedanken  su  eoneen* 
triren  nnd  aufmerksam  zu  bleiben,  selbst  bei  der  Unterhaltung,  an  Unfallve^ 
letzten  wahrgenommen ,  nicht  aber  Defecte  des  Erinnerungsvermögen-^  für  Er- 
eignisse aus  der  Vergangenheit.  Auch  in  Folge  anhaltender  Broaibehandlung, 
welche,  wie  Pauk  mit  Kccbt  hervorhebt,  die  ganze  Symptomeugruppe  der  allge- 
meinen KeryenersehOpfiing  nach  Cnfkllen  zur  Folge  haben  kann,  kann  Oedlcht- 
nisssehwäche  sich  ausbilden. 

Schliesslieh  mag  erwähnt  werden,  dass  Oi'PKXHKIm  sellist  znjriebt,  dass 
es  Fälle  von  traumatischer  ^ieurose  giebt,  in  welchen  psychische  Aaumalieu  fehlen 
und  weiter  ssgt  er  in  der  zweiten  Auflage,  wörtlich :  „Manchmal  kann  es  schwierig 
sein  festzustellen,  inwieweit  die  Verstimmung  Folge  des  Cnfalls,  inwieweit  sie 
durch  die  Nichtbcfriediguog  der  Ansprüche  des  Verletzten  und  seine  Nahmngs- 
sorgen  bedingt  ist  " 

VaüK  vermag  aus  seiner  grossen  Erfahrung  nur  einen  einzigen  Fall  von 
Psychose  (wochenlang  bestehende  tiefe  geistige  Depression  mit  Selbetmordtrieb) 
und  zwei  Fälle  von  Thorburn  (hysterische  Psychose  bei  einer  Frau,  welche  nach 
1  Jahr  verschwunden  war  und  hysterische  Melancholie  mit  Neigung  zum  Selbst- 
mordj  anzuführen. 

Wir  haben  nunmehr  die  von  Oppbxbeiii  hervorgehobenen  vier  Haupt- 

syniptouie  der  trauniatif-ehen  Neurose  —  Anästhesie ,  Gesichtsfeldeinschränkung, 
I'ulsboelileuniirunfr  und  «■lii-ehc  An>«nialii  ri  —  darauf  anfre-;ehen,  ob  dieselben 
typisch  sind,  d.h.  ob  sie  bei  rnfallvcrlctzten  in  grosser  llilutigkcit  beobachtet  werden 
und  ob  sie,  wenn  angeblich  vorhanden,  nicht  leicht  vorgetäuscht  werden  ktaBen. 


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ÜNFALLNBBYENKRANKHEITRK. 


761 


Die  Antwdit  aut  diese  Fragen  ist  in  keinem  Falle  bejaland  ausgefallen. 

Nuch  weniger  stichhaltig  aber  werden  sich  die  anderen  auch  von  vielen 
Freunden  der  tnunnatiaeben  Neurose  als  weni§;er  beweisend  anerkannten,  snm 
Thdl  Bubjeetiven  Erscheinungen  erweisen. 

Neben  den  bisher  besprochenen  objcctiven  Symptomen 
sind  Dämlich  zahlreiche  subjective  hervorgehoben  wurden.  Wir 
kSnnen  hier  nur  auf  einige  derselben  eingehen. 

Als  solche  sind  zu  nennen :  l.StOruni^en  der  Verdau  u  u^,  2.  Ab- 
mager  iin  .  -y  fi  b  r  i  1 1  il  r  c  Z  n  c  k  u  ti  ;r  i-  n  ,1.  Z  i  1 1  ern  ,  5.  V  e  r  fl  n  d  e  rn  ngen 
der  reflectorischeu  und  6.  der  elektrischen  Krreg barkeit. 

Von  den  Störungen  im  Verdauungsapparate  sind  besonders  verminderte 
Nahrnngsaufoahme  und  Erbrechen  au  erwKbnen. 

Die  «(>;jrenannte  Appetitlosigkeit  der  rnfallverletzten  ist  in  F.lllen, 
w"  jeder  Anhalt spuukt  für  diese  Krspheinung  fehlt,  vordUchtig.  da  ja  von  Milit.lr- 
pdichtigeu  längst  bekannt  ist,  dass  sie  sich  durch  freiwilliges  Fasten  körperlich 
herunterbringen,  um  den  Eindmek  grosser  SehwXehe  su  maehen.  Ebenso  kSnnen 
Erbrechen*),  aneh  solches  von  Hlut,  simulirt  werden.  Tympanitis,  durch  Ver- 
schlucken von  liuft  kiinstlic))  hervorgebracht,  sah  Page  nach  Androhung  eines 
operativen  Eingriffe«  verschwinden. 

Andereradts  bat  Schultzbi«>)  Jn  ^nem  Falle  von  Hypochondrie  nnd 
Neurasthenie  bei  einem  Unfallverletstcn  eine  chronische  Hagenaffection  naeh- 
gewiesen,  wclelip  init  einem  Mangel  an  nacliwci^barrr  SnlzüUure  verbunden  war. 

Im  Anschlüsse  hieran  erwähnte  HlTZUi  auf  dem  internationalen  Congresse. 
dass  er  in  seiner  Klinik  eine  bestinimto  Form  von  Hypochondrie  beobachtet  habe, 
welche  als  Htfpochondrta  gastrica  an  beseiehnen  sei,  insofern  dieselbe  durah 
Verindernngen  de»  Magonmechanismus ,  sowohl  durch  Anacidkas ,  wie  durch 
J{i/pprnri',fifns  /n/ilrorf/lorira,  liedingt  sein  könne.  Als  dillereutial -diagnostisches 
Moment  mit  Bezug  auf  das  Vorkommeo  analoger  Zustände  bei  traumatischer  Neu- 
rose sei  die  günstige  Prognose  dieser  Krankheit  bei  passender  Behandlung  des 
Ornndleidens  zu  verwerthen. 

Obwolil  nun  "hwe  Weiteres  zuzugeben  ist,  dans  nach  riifall  Neurosen 
des  Magens  entstehen  können,  so  ist  doch  im  gegebenen  Falle  immer  zunächst 
die  wichtige  Frage  zu  beantworten ,  ob  das  Magenleiden  nicht  etwa  schon  vor 
dem  Unfälle  bestanden  hatte.  Anderarseits  ▼Ire  es  nicht  an  verwundern,  wenn 
hü.  Exploranden  in  Folge  der  mannigfachen  Veranlassungen  zu  Verdrass  und 
Aerger  wMhreiid  ihres  meist  langwierigen  Processes  auch  ohne  jeden  traumatischen 
Einduss  sich  eine  solche  Magenaffection  ausbildete.  Unser  Volk  hat  fUr  diese 
Ursache  den  bezeichnenden  Ausdruck  ,allen  Aerger  in  sieh  hineinfi'essen'*. 

Eine  allgemeine  Abmagerung  des  Körpers  kann  die  eine  oder 
andere  der  genannten  Verdauiiagsst^rungen  Bur  Ursache  haben  oder  aber  durch 
freiwilliges  Fasten  hervorgerufen  sein. 

Locale  Abmagerung  eioadner  Theile  des  EOrpers,  namentlich  des 
Armes,  sind  nicht  selten  durch  absichtlichen  meh^braueh  derselben  iMrbeigefnhrt. 
Pcsondcrs  häufig  bcoba»  htct  man  dies  nach  Luxation  des  Schultergelenkes.  Um 
die  darnach  zurückgebliebenen  Str.rungeii  der  Beweglichkeit  zu  bessern,  wird  dem 
Verletzten  bei  seiuciu  Austritte  aus  dem  ivraukenhause  warm  empfohlen,  den  Arm 
fleissig  KU  bewegen  nnd  durch  leichte  Arbeit  £U  kriftigen.  Dieser  aber  trachtet 
nur  nach  der  ihm  ,,zustehenden^^  Rente  und  versetzt,  nm  den  Arm  in  Status  (|U0 
zu  erhalten,  denseilten  geflissentlich  in  permanente  Ruhe,  durch  welche  natürlich 
Atrophie  und  Schwerbeweglichkeit  schnell  gesteigert  werden.  Solche  locale  Atro- 
phien, z.  B.  des  Daumenbalh»8  und  der  Interossei,  können  in  Folge  von  fiüheren 
Traumen  oder  von  rheumatisch-arthritisehen  Affectionen  auch  sehon  vor  dem 


*}  Carl  L»we,  Deatrche  med.  Ztg.  1$91,  Nr.  96. 


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762 


ÜNFALLNERVENKHANKUEITEN. 


Unfälle  bestanden  haben  und  werden  viendebt  nunmebr  als  «igebliehe  Folgen 
desaelben  ausgebeutet. 

Die  fibrilläreu  Zuckungen,  welche  trüber  als  Vorläufer  schwerer 
Hnskel-,  beiiehnngfweiee  Nervenleiden  gedeutet  wurden,  haben  an  patbegnostiseher 
fiedentung  immer  mehr  eingebflsst,  seitdem  durcb  die  Erfahrung  festgestellt  ist, 
dass  sie  ohne  wesentliche  Veränderungen  im  N('rvenriHiskel;ipj)Hratü  auftreten  können; 
80  dauernd  bei  Keconvaiescenten  oder  sonstwie  Geschwächten  und  vorübergehend 
in  Folge  von  üeboranatrengung  des  betreffmiden  Gliedes*),  sowie  dureh  andauernde 
GemUtiubewegungeUf  beeondm  Angst.  Ausserdem  wissen  wir,  weleben  bedeutenden 
Einfluss  knitere  Temperatur*'*')  anf  das  HeiTortreten  dieses  Pliilnomens  naeh  dem 
Eutblössen  des  Körpers  liat. 

Das  Zittern  liuzeluer  Glieder,  ja  aller  vier  Extremitäten,  kann  simulirt 
werden.  Brnbdikt,  SbbuguOlleb  und  neuerdings  HöNfO  baben  eolatante  Bei- 
spiele von  SirDulation  des  Zittern»  mitgetheilt.  Es  bedarf  daber  in  zweifelhaften 
Fällen  einer  stetigen  Beobachtuug  bei  Ta;r  und  Naeht  in  einem  wohleingeriehteten 
Krankenhause,  um  in  Betreff  der  Realität  dieses  Phänomens  in  s  Klare  zu  kommen. 
In  Fällen ,  wo  das  Zittern  das  eiudge  nervöse  Symptom  ist«  empfiehlt  sieh  die 
von  SbblighOllbr  angegebene  Methode  (s.  den  Fall  von  HöNlo*^),  pag.  426). 
Zittern,  welche«  bei  Ausfichlie«snn;^  nnderer  fitinlM^risoher  Momente,  vor  Allem  des 
Alkoholmissbraucbs ,  auch  dann  besteht,  weim  der  Unfallverletzte  sich  nicht  in 
erregtem  Zustande  beßndet,  ist  von  bedeutendem  Werthe.  Tritt  es  dagegen  nur 
wfthrend  der  üntmuebung  dureb  den  Begutachter  und  erst  nach  längerer  Ent- 
blOssnng  der  Theile  anf,  so  verliert  es  an  Bedeutung  (Schultze). 

Das  Verhalten  der  Sehnenreflexe  giebt  nur  iu  gewissen  Fällen 
sicheren  Aufsohluss  über  das  Vorhandensein  einer  functionellen  Nervenkrankheit 
nadt  Trauma. 

Gegen  die  Annahme  einer  solchen  und  tHr  das  Vorhandensein  von 
organischen  VtTfindernngen  spricht  das  völlige  Fehlen  der  Patellarreflexe  (selbst 
nach  Anweuduug  vuu  Jkndkassik;. 

Einfache  Steigeruug  der  Sebnenreflexe  kann  nach  unserem  jetzigen  Wissen 
nicfat  mehr  als  ein  Zeichen  angesehen  werden,  welches  die  Diagnose  der  trauma- 
tiseben  Neurose  wesentlich  stutzte. 

Zunächst  hat  Düxcjks  nachfrcwiesen  ,  dass  jreleLreiitlicli  der  Kiiitliis^  der 
Kälte  eine  nicht  unbeträchtliche  Erhöhung  der  Erregbarkeit  hervorbringcu  kann. 
Eine  Steigerung  der  Reflexe  bis  zum  höchsten  Grade  kann  aber  naeh  den  Untnr- 
Buchungen  von  Longard***)  bti  gauz  unzweifelhaft  rein  psyebischen  Erregnngs- 
y.ustrinden  anftr<  ten.  Weiter  li.-it  Sruri  TZK eine  erhebliche  Steigerung  bei 
chronischen  Krankeu,  besonders  bei  Phthisikern,  sowie  bei  nervOseu  Individuen 
beobaebtet.  Dass  bei  Neurasthenie  die  Patellarreflexe  sehr  häufig  gesteigert  sind, 
ist  eine  allgemein  bekannte  Erfahrung;  nach  LöWBNFBLDf)  in  der  grossen 
Mehrzahl  der  Fälle  von  spinaler  Neurasthenie,  und  zwar  zuweilen  in  ganz  ex- 
eessivem  Masse ,  so  dass  beim  Beklopfen  des  Kuieseheihenliandes  nicht  blos  der 
Unterscheukel,  sondern  das  ganze  Bein  in  die  Höbe  geschleudert  wird. 

WiLBBAND  und  SlNOBB  ^**)  fanden  bei  der  Untersuchung  von  45  nwvttsen 
Individuen  aller  Art  (s.  Tabelle  I,  pag.  38—53),  tulx  n  Ocsiehtsfeldeinschränkung 
und  Sensibilitätsst(lrungen,  31mal  •Steigeriin'r  der  Selinenrftlexe.  speeiell  des  Patellar- 
retlexes,  also  in  etwa  TO*',«.  Es  ist  nicht  verständlich,  wie  Wilurand  mit  diesen 
Ergebnissen  seiner  Untersnebungen  an  45  niebt  ausgewählten  nervOsen  Personen 
die  neuerdings  aufgestellte  Behauptung  in  Einklang  bringen  will,  dass  die  con- 
eentrisebfl  Gesiobtsfeldeinschränknog ,  die  cutanen  SensibilitätsstOrangen  und  die 

*)8ee1!i7mflll6r,  Lehrbnch  der  Krankheiten  des  Rttckenmarks  o.  Gehirns,  pag.  220. 
I  Aair.  D  ü  n  e  s ,  l  eljc-r  das  Verhalfen  der  Sehnenreflex«  bei  AbkttUnng  der  KBipei^ 

oberÜacbe.  Inaugaral-Di^s.  Bonn  IsS^. 

**•)  Longard,  Zeitschr.  f.  Nervenheilk.  BJ.  I,  pag.  ;!0u  u.  ff. 
t)  L&wenfeld,  Die  objectiven  Richen  der  Nenrasthenie.  Uünchen  1892. 


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763 


Stdgwnng  und  ÜDgleiehheit  der  Sehnen-  und  Hintre6exe  eine  Trias  von  groBMm 

Wwthe  für  die  Diagnose  der  traanttlflehen  Neiiroso  darstellen  sollen. 

Völlig  g^erechtfertifrt  (iag:etren  ist  der  Sebluss,  den  Schültzk  aus  den 
von  ihm  citirten  UDtersacbungen  Lonqard's  zieht:  „Ist  aber  nacbgewiesener- 
maasen  eine  bisher  als  enisehieden  pathologiseh  betraelitete  Steigernng  der  Sehaen- 
refleze  bei  einfacher  psychischer  Aufregung  bei  nervösen  Individuen  vorhanden, 
so  i^t  Iciclit  orsichtlich  ,  dass  gelegentlich  auch  bei  solchen  Mmpclirn  ein  der- 
artiges Symptom  nachweisbar  sein  kann,  welche  in  Angst  vor  der  Eutdeckung 
ihrer  falschen  Angaben  dann  schweben,  wenn  sie  gerade  untersucht  werden." 

Verlnderangren  der  elektrisehen  Erregbarkeit.  Rumff*^^ 
glaubte  ein  objectives  Criterium  fttr  das  Vorluuidensein  einer  traumatischen  Neu- 
rose gefunden  zn  haben  in  folgender,  von  ihm  als  „traumatische  Reaetion  der 
Musculatur'''  bezeichneten  und  in  10  Fftllen  beobachteten  Erscheinung:  nach 
längerem  Faradisiren  trat  ein  Iftnger  andanerades  Wogen  tmd  fibrillllres  Znekea 
sowohl  in  den  faradisirten  wie  in  den  nicht  durchstr&mten  Muskete  der  anderen 
Seite  auf  und  Miel)  auch  nach  Aiit hören  des  Stromes  zurück.  Diescfl  PhJlnomen 
ist  nach  Rl'MI'F  nur  von  WiNbSCHKiü  ^^'')  in  einem  Falle  von  isolirter  traumatischer 
Lähmung  des  N.  musculo-cutaneut  beobachtet  worden;  aHein  in  diesem  Falle 
fehlte  die  Hanptsaebe,  die  tranmatisehe  Nenrose,  durehans.  „Die  RUHPP'sehe 
traumatische  Reaetion,  scbliesst  WiNDScnEm,  scheint  daher  als  für  traumatische 
Ncuro-?e  rharakterisliNcli  nicht  autVcfas-*t  werden  zu  dtlrfeu,  sondern  ist  vielmehr 
der  Ausdruck  einer  traumatischen  Nerveniäsion.'^ 

Ausserdem  soll  naeh  Rompf  aueh  qnantitstive  Herabselaang  der  galva- 
nischen  Erregbarkeit  der  motorischen  Nerven  in  hetrachtlichetn  Crade  vorkommen. 
Aneb  für  diese  Wrihrru  hnnin^'-  fehlt  bis  jetzt  die  Bestltijrun;?  durch  andere  Beobachter. 

Somit  ist  die  Kxi^tenzberechtigung  einer  besonderen  Unfallnerven- 
krankheit,  die  man  als  „die  tranmatisdie  Nenrose**  beiddinen  konnte,  doreh 
nichts  erwiesen.  Denn  was  bleibt  von  dem  Symptomenbilde  der  tranmafiseben 
Neurose  noeli  :ils  ffststeliend  fibrifr,  wenn  keines  der  angegebenen  Symptome  sieh 
als  mit  Si<!herhcit  vdrhanden  und  als  nicht  simulirhar  herausstellt  •* 

lud  selbst  zugegeben,  die  oben  genannteu  vier  Cardinalsymptome, 
Störungen  des  OefQbls,  Einschränkung  des  GeiUohtfifeldea,  Pnlsbesehlennigung  und 
psydiische  Auomalien  liessen  sieh  als  objeetive  Symptome  mit  Sicherheit  erweisen, 
inwiefern  dürfen  die  drei  erstgenannten  nooh  als  patho;7nnstischc  Erscheinungen 
einer  beistimmten  Neurose,  der  traumatischen  Neurose  tiguriren,  wenn  dieselben  nach 
den  Uutersuobnngen  Wilbband's  bei  allen  mOgliehen  Neurosen  sieh  nach- 
weisen lassen? 

Selbst  T?RT'N<  "'i,  der  der  Aufstollnitjr  der  tr.-nimatischen  Neurose  bi-^ber 
stets  freundlich  g»gen übergestanden,  musste  bereits  in  seinem  vorletzten  Berichte 
in  den  ScHMiDT'schen  Jahrbttchern  zugeben:  „Zunächst  ist  zu  betonen,  dass  der 
gröbste  Tbeil  der  Autoren  von  einer  speoifisehen  und  als  Kraakhdtsbild  seharf 
umschriebenen  traumatischen  Neurose  im  Shine  von  OPPBNHEni  und  SteOmpbll 
nichts  wissen  will." 

Meine  eigene  Krfahrung  in  BetretV  der  Häufigkeit  der  Hysterie ,  insonder- 
heit bei  Männern,  deckt  sich  vollständig  mit  derjenigen  Bczzard's,  wenn  er 
behauptet,  dass  die  Diagnose  der  Hysterie  umsomehr  eingesehrlnkt  werden  wird, 
je  tiefer  wir  in  die  pathologische  Anatomie  der  Nervenkrankheiten  eindringen 
fthi  tili'  xhnnhition  of  fii/sfcri'i  />>/  nrtjnnic  diseaat»  of  the  nervous  System» 
Neurol.  öoc.  ot  Londou.        Januar  18U0). 

EiSBNLOHB '^*)  hatte  schon  Ende  1889,  also  vor  dem  Internationalen 
Gongress,  sieh  dabin  ausgespr«  eben  : 

„Die  dem  Trauma  als  eiiiheitlieh  ,L''ef;is,ster  Aetinlogie  cnt'iirintrenden 
Symptome  und  Kraukheitszustiiude  des  Nervensystems  sind  so  verschieden  an 
Art ,  Grad  und  Bedeutung ,  dass  die  einheitliehe  Jdarke ,  je  eher  Je  besser  ent* 
femt  und  man  kOnftig  gut  thun  wird,  nicht  mehr  im  grossen  Styl  von  der 


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764 


UNFALLNEBVENKRANKHEITEN. 


traumatiaehen  Neurose  sn  spraohen,  sondern  die  oben  besproeliene  Sondernng  der 

Fftlle  vorzunehmen." 

FuiKDaicu  Scui  I.TZE  aber  gelangt  am  Schlüsse  seiner  kritischen  Musterung 
der  Symptome  der  sogeoanoten  tranmatiseben  Neuroae  an  folgendem  Warnungsrnf : 

„Nach  diesem  Untcrsuchung^frcsultat  vermag  loh  nur  die  Mahnung  anf 
da«  üriiijrcmisto  zn  wiederholen  ,  sicli  die  Störungen  ncrv^iger  Art  nach  Trauma 
nicht  als  ein  eiubcitiiehos  Krankheitsbild  vorzustellen.  Dadurch,  da<4.4  zur  Zeit, 
wie  auf  Commando,  nach  dem  Vorgange  OPPBNHEiu'd  in  diesen  Ffillen  auf  gewisse 
bevorsngte  Eiaselsymptome ,  nimlieb  anf  Geaiebtafeldeinaehrinknng  und  anf 
Anlstbesien,  untersucht  wird,  entsteht  noch  lange  kein  wirklteh  einbeitliehes 
Krankheitsbild ,  eine  Krankheit  sui  freneris." 

Den  von  deu  Freunden  der  traumatisebcn  Neurose  ihren  Gegnern 
gemachten  Vorwurf  der  Unkenntniss  der  Psychiatrie  nnd  Hysterie  werden  diese 
g^n  ertragen,  angcfticbts  der  in  zahlreichen  Gutachten ,  welchn  auf  die  AniKihme 
einer  traumatischen  Neurose  hinauslaufen,  immer  wieder  zu  Ta-re  tretendeti  Tliat- 
sache,  dass  diese  Diagnose  vielfach  eineu  Deckmantel  für  die  Ungründlicbkeit  der 
Untersaebung  und  Beobaebtong  und  zuweilen  auch  fIBr  die  Unkenntniss  der  oin- 
faehsten  neurologisehen  Tbatiaehen  abgiebt. 

„Meiner  Ansieht  nach,  so  Rrhrei'»t  n<txi(',  beruht  der  T'mstand.  dass  sn 
bflnfig  traumatische  Neurose  diairnosticirt  wird,  darauf,  dass  die  zu  beurtlieilenden 
Fmie  weder  genügend  lauge  beobachtet,  noch  mit  der  gebürigcn  Kritik  unter- 
sucht werden." 

Es  erscheint  daher  dringend  ecbuten,  den  Ausdruck  ndie  traumatische 
Neurose"  überhaupt  zu  streichen,  aber  aueb  die  IMuraIf<<rm  ,  „die  tranmatiseben 
Neurosen",  insoferu  diese  uach  dem  vielfach  herr^jchend  ^'^ewordeueii  Sprachgebrauch 
die  Existensbetechtigung  der  traumatischen  Neurose  (Singular)  prftjudiciren  könnte, 
gaus  SU  vermeiden. 

Selbst  diejenitren ,  welche  wie  E:sKNi.n!m  •''•)  und  Hrcvs^-,',  j,,^  Vor- 
kommen des  von  UiM'KNHKIM  besehriebenen  Syniptoineneomplexes  als  Folge 
von  Unfällen  auerkennen ,  betouen,  dass  dieser  ausserordentlich  selten  ist  gegen- 
Aber  anderweitigen  leiebtcn  Störungen  nervöser  Art,  die  mit  der  traumatischen 
Neurose  nichts  gemein  haben  als  die  traiiniatisohe  rrsacbe  und  namentlich  gegen- 
über der  noeli  viel  grösseren  Zahl  von  Mos  loealen  StörunL'en  nach  Trauma,  die 
selbst  jede  Spur  von  byhlerischcn ,  beziehungsweise  hypoebouilrischeu  Symptomen 
durehana  vermissen  lassen.  Hierher  gehören :  locale  traumatische  Neuralgien, 
besiehungs weise  Ncuritiden,  OeU  nkneuralgien,  locale  Muskelatrophien ,  Gelenk- 
traumen und  I-ii.\ationeit,  Ankylosen,  Fraetiireti.  Quetsehuniren  der  Weichthcile  u.  s.  w. 

Diese  an  sieb  rein  localen  Aä'eetionen  werden  nun  allerdings  sehr  b.tutig 
von  den  Verletzten  geflissentlich  durch  IlinzulUgen  von  subjeciiven  Beschwerden, 
wie  hartnickigen  Schmerzen  nnd  Sjrmptomen  psyehiscfaer,  hypoehondrischer, 
hysteriseher  oder  neurasth«iiteher  Art  zu  einer  Erkrankung  des  Oesammtnerven- 
systeius  ;iiü>e  hau  seht  und  von  Aerzten ,  welehe  die  Tftu>cbnn^  tiberseben,  zur 
trauuiatischeu  Neurose  gestempelt.  Ik'sondcrs  begünstigend  für  diese  Diagnose 
ist  wiederum  der  Umstand,  welcher  sich  bei  vielen  Unflillen,  an  bei  Verschflttnng«'n, 
Eingekeiltsein  in  die  Trümmer  des  zerstörten  Eisenbahnzuges  u.  dergl.  geltend 
niaeht,  das  ist  die  iM  u  1 1 i  p  1  i e  i  t  ä  t  der  Verletzungen.  Iiier  wird  der 
Körper  an  einer  groi^seu  Anzahl  von  Steilen  gleichzeitig,  aber  in  versebiedener 
Weise  oder  doeh  in  verschiedenem  Grade  ladirt,  und  diese  Mannigraltigkelt  der 
Folgen  des  Unfalles  imponirt  dann  weniger  wfahrenen  Aerzten  leiehter  ala  eine 
Gesammterkraukun.ir  des  Nervensystems,  als  Neurose,  als  trauroatiscbe  Neurose 
oder  traumatiselie  il\  sterie. 

Schon  im  Kingauge  habe  ich  litTv^ugcbobeu ,  dass  nach  Unfällen  alle 
möglichen  functionellen  Erkrankungen  des  Nervensystems  beobaehtet  worden  sind. 
Am  häufigsten  zeigen  sie  das  Bild  der  Neurasthenie,  ungleich  seltener  das  der 
Hysterie  oder  das  einer  Combination  von  Neurasthenie  mit  Hysterie.  Leichte 


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UNFALLNERVENKRANKUEITEN. 


765 


psyclii-^ebe  Änomalien ,  die  im  Wesentlichen  als  paychisehe,  beziehunfrsweise  hypo- 
chimdrische  Verstiraniuno'  zu  bezeichnen  sind,  haben,  wenn  sie  (Iberbanpt  auf 
Realität  Anspruch  uiacheu  können ,  meiät  nicht  den  Unfall  selbst  zur  Ursache, 
sondora  die  rieh  an  denselben  anaehlieasenden  Sorgen  um  die  Wiederiieretellung 
der  Gesundlieit,  beziehungsweise  um  die  entsprechende  Entscbfidigung  und  sehr 
oft  das  Ilan^'pn  und  IJjingen  wiüircnd  des  oft  lange  Zt-it  schwebenden  Enisehädi- 
güDgsprocesäea  ^'rocesssymptorac,  Pagk;.  Eigentliche  Psychosen  sind  nur 
gans  ananahmswerse  naeli  Unfall  beobaehtet.  *) 

Jedenfalls  prävaltrt  von  den  genannten  bei  uns  in  Deotacbland  und 
ebenso  in  Kng;Iaud  J'age)  der  8yn);)toiiu>ncomp1ex  der  Neoraatfaenie ,  in  Frank- 
reich, wie  es  scheint  (Charcot),  der  der  Hysterie. 

Was  das  Auftreten  von  Hysterie  nach  UnföUen  bei  Weihern  anbetrifft, 
so  kann  dieaea  in  keinerlei  Weise  befremden.  Denn  1.  wird  dureh  die  fQr  Frauen 
nicht  passende  Beschäftigung  in  Fabriken  leiebt  eine  nervöse  Disposition  geschaffen; 
2.  •itellen  psychische  Ursachen,  besonders  Schreck,  anerkanntermaBsen  die  häufigste 
V'uraulaüsung  für  Hysterie  dar  und  3.  die  hy«teriscbea  Erscheinungen 
können  —  ein  Punkt,  der  meines  Wissens  noeb  gar  keine  Beaehtnng  gefunden 
hat  —  in  Folge  organischer,  durch  den  Unfall  direct  hervorgebrachter  Lüsionen 
des  Genitalapparate.H  hervorgeruft  u  sein.  Erat  kürzlich  coastatirte  ein  Gynäkologe 
10  Monate  nach  dem  Unfall  die  Residuen  einer  Blutung  in  die  D JUGi.As'scbe 
Falte  bei  einem  jungen  Mädchen,  welche,  früher  völlig  gesund  und  blühend,  in 
unmittelbarem  AiMeJilttsa  an  einen  Sprung  von  dem  im  Faluren  begriflfbnen  Motor^ 
wagen  und  Fall  auf  das  Pflaster  ausgesprochene  Hemianästhesie  mit  Ovarie  und 
anderen  hysterischen  Erscheinungen  dargeboten  hatte.  Von  anderen  nach  Unfall 
beobachteten  Neurosen   nenne  ich  Epilepsie,  Chorea  und  FaraLysis  agitana.^* ) 

Die  pathologische  Anatomie  der  Unfallnenrenkrankheiten  ist  bis 
jetzt  noch  wenig  studirt.  Hervorzuheben  ist  aber,  dass  die  bis  jetzt  gemachten 
li>ectionsbefunrle  vnu  Frikdmaxx 'i'^"^«),  SPERLING  und  Kronthal '«»),  beziehungs- 
weise Ber^uaudt  darin  Ubereinstimmen,  dass  sich  am  Gefftsssystem  histo- 
logische Vertnderungen  naehweisen  liessen. 

Die  Prognose  ist  nicht  wesentlich  nngltnstiger  als  die  derselben  Nerven- 
erkrankung nicht  traumatischen  Ursprunges. 

Ol'PE.N'HEi.M  ''^  )  stellt  die  l'ro;xn'»se  (pinad  .Kanationcm  Sfhr  im^ilnstig:  „dass, 
80  heisst  CS  pag.  31,  eine  vollständige  Heilung  dieser  Krankhcitszustiiude  eintritt, 
mnas  nach  unseren  Erfahrungen  Jedenfalls  als  selten  bezeichnet  werden**.  Bsüxs 
resumirt  dagegen :  „Die  Prognose  wird  im  Allgemeinen  günstiger  gestellt,  als  sie 
früher  bezeichnet  wurde."  SCHüLTZR  sagt:  „Mit  Anderen  atiinme  ich  darin 
Uberein,  dasä  die  Prognose  bei  Unfallerkrankungen  keineswegs  so  schiecht  gestellt 
an  werden  braucht,  als  das  vielfaeh  geschieht.  Fflr  manehe  Aente  erscheint  die 
Diagnose  der  tranmatiaehen  Neurose  geradezu  als  ein  Todesartbeil ;  die  von  ihr 
(ietroflfenen  sind  rettungslos  verloren.  Dem  ist  nicht  so;  e«  irifht  auch  le'chte 
Formen  von  Neurosen  und  ich  erlaube  mir  auch  die  sogenannte  milnnliehe  Hysterie 
keineswegs  zu  den  unheilbaren  zu  rechnen.  Es  scheint  mir  ausserdem  viel 
richtiger,  den  Kranken  fireundlieh  susureden  und  ihnen  wieder  Hoffnung  und 
Selbstvertrauen  einzudOssen,  ihnen  schlieaslich  Genesung  in  Aussicht  zu  stellen, 
als  sie  mit  dem  Namen  einer  fDr  gefithrlich  gehaltenen  neuen  Krankheit  zu  er- 
schrecken." 

Untsr  29  Fällen,  die  8ängbr«>)  seit  vier  Jahren  beobachtet  hat.  befinden 
rieh  3,  die  vOllig  geheilt  rind,  7  haben  so  geringe  subjeetive  Besriiwerden,  dass 

*)  Die  Msohe  Annahme  von  Page,  pag.  81.  dass  bei  ans  in  DentBchland  der  psjr- 
oUsche  Symptonienconiplcx  vorherrsche,  erklärt  sich  darau.s,  dass  er  sein  Buch  zu  einer  Zeit 
schrieb,  wo  die  O  p  pen  h  *•  i  ni  sehen  AnsilianiinpMi  in  Deutschland  noch  dominirten,  bezieliun;<s- 
walse  durch  die  Kritik  noch  nicht  in  gehöriger  Weine  beleuchtet  und  zurückgewiesen  waren. 

**)  Pi«  Bailway-spine  bat  sdion  in  dem  Artikel  von  Oppenheim,  XVI, 
pag.  400,  eine  binrsicbeade  Besprecbnng  gefunden.  Seitdem  haben  besoadws  Dercam**)  und 
Psge*'^  darüber  gtsduiebeo. 


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766 


UNFALLNERVENKKANKHEITEN. 


sie  völlig  erworbfjfHhijr  sind,  bei  denen  aber  objective  Störungen  noch  nachweisbar  sind. 
11  Fälle  sind  nur  theilweise  erwerbsfähig,  da  subjective  und  ubjective  Störungea  vor- 
handen rind.  Endlich  iu  8  Fällen  ist  keine  Bessernog,  ja  im  Gegentbeil  bei  Einseinen 
VenehUmmerinig  etngetreteii.  Auf  Ornnd  dieser  Brfahmngen  warnt  SIxobe  davor, 
die  Prognose  so  aoBsicbtslos  und  gar  so  traurig  hinzustellen,  wie  dies  von  manchen 
Beobachtern  geschehen  ist.  Deraellion  Meinung  ist  Kisrnlohij.  Uki'NS,  I.  c,  will 
keineswegd  bestreiten,  dasa  nicht  auch  ein  Theil  der  eigeutiicheu  schweren  Neu- 
rosea  naeh  Traiuna  gflnstig  Terlavfen  kOnne.  Bin  von  Ihm  besehrielMDersehwerer 
Kraokeri  bei  dMn  aaeh  eine  Basisfraetur  vorhanden  war,  ist  jetit  na«b  3  Jahren 
wieder  fast  vollkomnien  arbeitsfähig.  Dagegen  hat  er  ebenso  wie  andere  Autoren 
Kranke  nach  der  Rentenvertbeilung  sich  verschlimiueru  sehen,  s.  B.  gingen  zwei 
FiUe  TOB  tnnlehit  nebr  „loealisirter*'  traamatisdier  Hysterie  alfaniUg  bi  aeliware 
Hysterie  Uber. 

Ziifli  iii  decken  si<'li  die  Hcgrifle  Krankheit  und  Arbeitsunfähigkeit,  respective 
Beeinträchtigung  bekanntlich  nicht  immer,  vielmehr  kommt  in  dieser  Beziehung 
ziemlich  viel  auf  die  Dignität  und  inteusiiiit  einzelner  ^Symptome  an.  So  wenig 
die  Neurastbenie  nater  den  Kopfarbtftern  obne  Writeires  dae  Lahaalegaag  der 
ArbeitsAbigkcit  und  Arbeitskraft  zor  Folge  hat,  so  wenig  ist  ancb  die  Bedentang 
der  traumatischen  Neurasthenie  eine  so  tragische,  als  man  sie  naeh  eiaielnen 
besonders  schweren  Fällen  angenommen  hat  ^ߣiNHAUD,  üUäENLOHii  ^'^). 

Ansaerdem  sind  die  objectiven  Symptome  der  tranmatisehen  Neurose  an 
und  für  sieb  offenbar  weder  einzeln  Doeh  sosammengenommen  im  Stande,  die 
Arbeits-  und  Flrwerbsfähigkeit  herabzusetzen,  es  müsste  denn  .«ein,  dass  z.  15.  eine 
tiefgehende  Anästhesie  der  Hände  uud  Finger  bestände  oder  dass  neben  der  Kin- 
engung  des  Gesichtsfeldes  auf  beiden  Augen  auch  eine  erhebliche  nervöse  Asthenopie 
Torhaaden  wire  (Rbinhabo). 

Die  Therapie  der  Uofallvcrvenkrankheiten  ist  dieselbe  wie  die  der 
entsprechenden,  auf  anderen  Ursachen  beruhenden  Nervenkrankheiten. 

Auch  die  von  Oppenheim  io  der  neuesten  AnÜage  seiner  traumatischen 
Neurosen,  pug.  189  n  ff.,  in  Yorsebla^  gebraebten  Heilagentien ,  wie  Land-,  See-, 
Wuldaufentiialt,  Badecuren  in  Oeynhausen,  Nauheim,  Cndowa,  Scbwalbach,  kalte 
Abreibungen,  elektri.scher  HtriMn  ,  Massage,  Ilaarsei!  ,  Anssclineidniig  von  Narben 
bei  Keflexepilepsie ,  Üromprüparate  j,  Sulfoual  und  l'araldchyd  bei  SchlaHosigkeit 
und  endlich  gute  Ernährung  und  psychische  Behandlung  entsprechen  im  Weseat- 
Ueben  dnrehaus  dem  b«rgebraehten  Heilapparat  bei  nenrastbeniecben  Zastinden, 
Hypnotisirung  und  Anwendung  des  Magneten  dem  antihysterischen. 

Die  gegen  die  neurasthenische  Energielosigkeit  besonders  wirksame  psy- 
chische behaudluug,  verbunden  mit  Uebuug  der  noch  vorhandenen  Kräfte  iu  berufs- 
gemftflser  Weise,  maeben  mit  gleiebxeitiger  BerOeksiebtigung  des  vielfaeh  hervor- 
getretenen Bestrebens  der  Unfallverletzten,  sich  durch  Uebertreibnng  und  Simulation 
niöglicb>t  hohe  llenten  zu  verschaffen  .  besondere  Einrichtungen  nöthig ,  nilnilich 
die  von  Sk£L1umüll£U  zuerst  in  Vorschlag  gebrachten  Unfallkrankenhäuser 
(s.  naten). 

Im  engsten  Zusammenbange  mit  der  Frage  naeh  der  Existenzbereeb- 

tigimg  der  traumatischen  Neurose  steht  die  I'>age  Uber  die  Häufigkeit  der 
Simulation^*)  schon  deshalb ,  weil  jener  Symptomen complex  ausserordentlieb 


*)  Page  warnt  mit  Rflcbt  freien  den  aohaltendeD  €r«branch  ftm  Brompr&parateD, 

insofern   diese  geeignet  $\w\ ,  .'^yitu  toincnu'rnppe    der    all(;enii'inen  Nervoiiursi  liopfnufr. 

wie  sie  ii.uli  Unfällen  pewuluiüch  Im  hIkk  lit«  t  wird,  wabrscheinlicli  naclüheilig  zu  bceinliussen 
und  ihr  Verscliwindeu  /.u  hemmen. 

)  Es  ist  hier  einfach  von  Simulation  die  Rede,  denn  Uebertreibung  ist  auch  Simn- 
lation,  d.  i.  Vortäuscbnog  einer  erhehlieberen  Störung  des  (ifsundhci'Hznstandcs.  als  wirklich 
vorhanden  ist.  ,I<d(?nfalls  oxi.stirt  keine  scharfe  Grenze  zwis<'h«m  Simulation  mid  Uolicrtn  iluiii^ 
und  die  letztere  Bezeichnung  ist  oft  missbrancbt  worden  ,  wo  Simulation  oäea  za  Tage  lag, 
„weil  die  Sucht,  m  flbertreiben,  nicht  selten  ans  der  Krankheit  selber  entspringe  und  snm 
KrsnkheitBbilde  gehöre«'  (Seeligmfiller'*»). 


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UNFALLN££Y£NKRANKii£lT£N. 


787 


leicht  vorgetäuscht  werden  kann.  Ein  Arzt,  welcher  nach  dem  Schema  dieser  in 
Wirklichkeit  nicht  existirenden  Krankheit  untersucht  und  beobachtet,  rausB  daher 
nothweudigerweiäe  Gefahr  laufen,  von  Simulanten  betrogen  zu  werden  (Skelio- 
mOllbb).  Jkf  uoht  wenige  Aefite  maeben  sieh  naehweidieh  die  Diagnoie  Mhr 
leicht,  indem  sie  scbliossen:  in  dem  vorlie«:enJen  FUIe  hat  ein  Trauma  Btett- 
gehabt;  es  liegen  unbestimmte  nenrOee  fiesohwerden  vor,  also  handelt  es  sieh 
am  „traumatiBehe  l^eurose'^ 

Für  die  Frage  nach  der  HAufigk^^t  der  Simnlatioa  ist  eine  Vorfrage  von 
Wiehtigkeit,  ntmlieh  die;  Beiteht  in  dem  in  Betracht  kommenden  Kreteen  das 
Bestreben  sn  simuliren  V  Xur  solche,  welche  die  menschliche  Natur  im  AlIprcmcintMi 
nicht  kennen ,  heziehunfrswt  ise  kein  Ver-^tflndniss  filr  ethische  Fragen  überhaupt 
haben  und  im  Besonderen  über  die  cthii^che  Stellung  unserer  Arbeitorkreise  keine 
persSnliehe  Erfahrung  beeitzen,  werden  diese  Frage  ▼emeinen.  Albin  Hoffhann 
macht  bei  der  Schilderung  der  heutigen  GeaellMhaft  folgende  Betrachtung:  „Als 
ebenfalls  hier  wichtiges  Moment  mms  ich  daran  erinnern  .  dass  Sinn  für  Zuver- 
lässigkeit und  Treue  oft  schwankend  ist.  Wir  sind  gau%  gewöhnt,  dass  ein  . 
Arbeiter,  ein  Kaufmann  etwas  Terspriobt  und  es  aieht  bftlt,  sobald  es  gegen  seinen 
scheinbaren  Vortheil  oder  auch  nur  gegen  seine  Bequemlichkeit  ist.  Und  wird 
in  den  höheren  Stenden  niclit  el)enHo  trt'sfindi^t.  wenn  auch  in  subtilerer  Weise? 
Jetzt  soll  mit  eiutni  Sehlage  der  Verletzte  ein  durch  und  durch  zuverlässiger 
wahrheitsgetreuer  Mensch  sein,  so  verlangt  es  das  Gesetz."  Ja,  es  wäre  in  der 
That  tu  Terwnndera,  wenn  in  dieser  Welt  voll  UnsnTerllssigkdt,  Untrene  und  • 
Lüge  viele  Unfallverletzte  nicht  alle  Künste  der  Lttge  und  des  Betragens  auf- 
bieten sollten,  um  eine  möglichst  hohe  Rente  herauszuschlagen.  Das  Bestreben,  aus 
dem  Unfallgesetz  in  jeder  Weise  Capital  zu  schlagen ,  geht  so  weit,  dass  Arbeiter, 
welche  fem  von  der  Arbelt  eine  Verletzung  erlitten  haben,  die  Saehe  so  darstellen,  als 
wäre  ihnen  der  Unlall  bei  der  Arbeit  zugcstossen.  Ein  edlataoter  Fall  dieserArt  (schrift- 
liche Mittheilung  des  Herrn  Kreiswiiudar/tes  Dr  ll0FF>rAXN  in  Halle)  ist  folgender: 

in  l).  haben  mehrere  Bergarbeiter  Nachts  Stroh  stehlen  wollen.  Einer 
derselben,  Namens  G.,  stürzte  von  dem  Strohdiemen  herab  und  zog  sich  eine 
Verletsnng  des  Fusses  zu.  Nachdem  er  von  seinen  Mitstehlem  an  die  Fahrt 
geschleppt,  wurde  dem  Aufsichtsbeamten  vorgelogen,  die  Verletzung  sei  beim  An- 
tritt der  Arbeit  entstanden  durch  Ausrutsehen  von  der  Fahrt  (Leiter).  UngefJihr 
fünf  Monate  lang  bezog  der  auf  Kosten  der  Kuuppscbaftscasso  in  der  chirurgischen 
Klinik  geheilte  G.  Krankengeld.  Naeh  Jahren  kam  der  wahre  Saehverhalt  bei 
einer  Schlägerei  an  den  Tag. 

Lai  f.nstkin  i"* )  theilt  einen  weniger  den  Charakter  des  ofTencn  Betruges  • 
an  sich  tragenden  Fall  mit,  welcher  aber  ebenfalls  zeigt,  wie  die  Verletzten  in 
den  Versuchen,  eine  Rmte  au  erlangen,  von  ihren  Angehörigen  auf  das  Leb- 
hafteste unterstützt  werden.  • 

Simulanten  hat  es  zwar  schon  immer  gegeben  ,  aber  ihre  Zahl  hat  seit 
dem  Jahre  1>^72,  besoriders  abi  r  seitdem  das  neue  Keichsgesetz  .  betreffend  die 
Krankenversicherung  der  Arbeiter,  vom  Jahre  18Ö3/S4  in  Kraft  getreten  ist,  in 
bedenklicher  Weise  angenommen.'*) 

Selbt  Lauex.stkin,  nach  dessen  Erfahrungen  die  Simulation  nicht  sehr 
hfiurit^  ist.  hat  den  ganz  bestiumiten  Eiudrui-k  gehabt,  dass  der  Umstand,  dass 
jedem  Verletzten  jetzt  sicher  eine  Kente  in  Aussicht  steht,  diesen  in  der  Kegel 
veranlasst,  den  Folgen  seiner  Verletzung  dne  weit  grössere  Aufinerksamkeit  su- 
suwenden,  als  froher  vor  dem  Bestehen  des  ünfallgeseties ,  wo  der  Verleiste  in 

In  ersten  halben  Jabre  des  Bestehens  des  nnfftllgemtses  in  Oesterreich  wardeii 

Simulation  und  TVbfrtrpihung  ear  nicht  beobachtet,  währeml  jetzt  allrnälig  diese  Krscbcinunir 
ancli  dort  aul/.utreten  pflegt.  Hi^nig^'),  pap;.  4^i-{.  —  lu  England  ist  nach  di'n  Erf;ihruugeu 
von  Page  (pug.  93)  die  Simolatfen  ebenso  häutig  als  bei  ans:  n^*^'  Jsdodi  Im  V<  iletzang 
anbedeatend  gewesen,  ......  so  moBi  die  Entschidigangasaiuie  klein  anafalien.  Um  dieaa 

sa  coiiöSen,  werden  die  betrfigeriichen  Haaipalationen  antaniooinSB  and  es  gehört  viel 
Borallscher  Hnth  dazu,  der  Versncliong  stt  wlderstebea  ete." 


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768 


UNFALLXEKVKNKRANKIIKITEN. 


der  Regel  mehr  die  Tendeuz  hatte,  die  g^esuuden  Kräfte,  die  ihm  geblieben 
waren,  nach  Möglichkeit  auszunützen.  Dieselbe  Erfahrung  haben  Rumff,  Seelig- 
mOlleb,  Tbibm,  Hönig  und  viele  Andere  gemaebt. 

In  draitiseher,  aber  wabrheit^tnner  Weise  aobildert  Racinb'**)  seine 
Erfahrungen :  „Seit  dem  Inkrafttreten  des  neuen  ünfallversicherungagesctzp-^  ist 
den  Aerzten  ferner  eine  merkwüidlge  Ersehoinung  bekannt  geworden,  uümlioh 
die,  dafs  seitdem  unsere  Heiierlulge  bedeutend  abgenommen  haben.  Während  es 
nne  frttber  (ttete  gelang,  einen  Rnoebenbmeh ,  eine  Distoreion,  mne  Qneteebung 
eines  Gelenkes  oder  dergl.  in  ktlrzerer  oder  längerer  Zeit  wieder  zur  Heilang  zu 
bringen,  stehen  wir  jetzt  vor  der  befronidlicben  Tliatsache,  dass  diese  Heiluug 
uns  nicht  mehr  gelingt.  Mag  auch  objectiv  Alles  in  schönster  Ordnung  sein, 
kdne  Dialoeation  der  Bmebenden,  keine  Sebwellnog  der  Gelenke  vorhanden  sein, 
das  hilft  Alles  nicht,  der  Verletzte  bleibt  dabei,  sein  Bein  sei  zu  scbwaeh,  er 
habe  furchtbare  Schmerzen  darin,  kurz,  seine  Arbeitsfähigkeit  sei  dahin  ('s.  unten 
den  Fall  Lieskhehc  ,  ein  einfacher,  vortrefflich  geheilter  Oberscheokelbruch  soll 
noch  nach  6  Jahren  völlige  Erwerbsunfähigkeit  hervorrufen). 

PixCKB  in  Halberrtadt,  weleber  als  Direetor  des  dortigen  Stadtkranken- 
bauses  viel  Gelegenheit  hat,  I'ufallverietzte  zu  beobaehten  ,  sagt  in  einem  Briefe 
an  Sekligmi'lt,kr '^"} :  „Wie  das  werden  soll,  weiss  ich  nicht:  aber  das  weiss 
ich :  wenn  das  so  fort  geht  mit  dem  Simuüren,  so  haben  wir  in  20  Jahren  keine 
Arbeiter  mehr  anf  den  Arbdtsstätten,  sondern  nur  noch  Invaliden.** 

MÖBIUS  giebt  zu,  dass  das  Unfallgesctz  die  Zahl  der  durch  Unfall 
Arbeitsunffihigen  vermehrt  hat,  entschuldigt  dies  aber  unter  Anderem  damit,  dass 
er  fortfährt;  Viele,  die  früher  mit  Aufbietung  aller  Kräfte  trotz  ihrer  Beschwerden 
die  Arbeit  fortsetzten,  verlangen  Jetzt  ihre  Rente,  und  das  ist  ihr  Recht."  Darauf 
ist  zu  erwidern:  Ja  wohl,  sie  sollen  aneh  ihr  Recht  haben;  wer  aber  Reehte 
beanspraeht,  mnss  auch  Pflichten  fibemebmen,  und  die  erste  Pflicht  ist  hier  die 
w  ah  r h  e i  t  s g e  m  ä  SS e  Darstellung  der  durch  den  rnfall  hervorgerufenen  Be- 
schwerden; bei  wie  wenigen  aber  findet  man  soviel  Wahrhuitäliebol 

Laqdebi^s)  erzihlt  folgenden  Fall:  Vier  Maurer,  die  bei  einem  Hauer- 
einsturz in  einer  Frankfurter  Brauerei  ganz  leichte  Contusionen  davon  getragen 
hatten  und  in  einem  benaehb.Mrten  St.'idtehen  D.  lebten  ,  beliistii^ten  die  rieriehte 
2  .lahre  lang  mit  ihren  Ansprüchen  auf  dauernde  Invalidität,  bis  endlich  eine  von 
La^uer  an  Ort  und  Stelle  vorgenommene  Untersuchung  die  Bedeutungslosigkeit 
der  n»vOsen  Symptome  (Asthma,  Lähmung  ete.)  feststellte.  Der  Winkelsobreiber 
des  Ortes  war  der  Anstifter  dieses  Verhaltens  gewesen.  Alle  4  wurden  mit  ihren 
sehr  hoheu  Invaliditätsan.sprüchen  vom  Gerichte  abgewiesen. 

Seelig M ü LLER  ^^"^  macht  Uber  diesen  Funkt  folgende  Ausführungen: 
„Die  Begehrliehkeit  der  Unfallverletzten  ist  eben  mit  der  fttr  sie  in's  Werk  ge- 
setzten FQrsorge  in  ersehreckender 'Weise  gewachsen,  namentlich  weil  es  sicher 
oft  genug  vorgekommen  ist,  dass  notori^^cbe  Sinmhititen  mit  reichen  Renten  be- 
dacht wurden.  Der  Vorgang  ist  heutzutage  einfach  folgender:  Eü  wird  ein  Arbeiter 
verletzt;  aueh  wenn  er  selbst  gar  nldit  daran  dftdite,  aus  der  Saehe  Capital  zu 
sehlagen,  wird  er  von  seinen  guten  Freunden  dazu  überredet:  ,,Dn  wirst  doch 
nicht  so  thflricht  sein  und  Dir  das  Schmerzensgeld  entgehen  lassen,  da  sieh  mal 
den  X.  an,  von  dem  wissen  wir  alle,  dass  iinn  nichts  fehlt,  aber  er  hat  e-;  ver- 
standen ,  ein  Doctorattest  zu  erlangen  und  nun  kriegt  er  sein  Geld  und  kann 
sieh  ansmhen,  bis  es  ihm  geAllt  wieder  zu  arbmten".  *)  Dann  werden  ihm  noeh 
einige  gute  Lehren  mit  auf  den  Weg  gegeben  und  das  Simuliren  geht  los.'' 


*)  Alb.  Hoff  mann  irrt,  wenn  er  fär  alle  Fälle  die  Bebaoutnng  aufiiteltt :  .In 
Vahrbeit  ftbit  ja  doeb  d«r  immer  schlecht,  welcher  eine  Benfe  g«wirat.*  Er  flheraielit,  mma 

für  viele  Arl'eiter,  welche  keine  Ln^t  haben,  ihre  Arbeit  wieder  .iiifznnehnien  ,  die  Rente  .sehr 
erwünscht  ist,  weil  sie  im  Besitz  derselben  als  Victualienhäudior,  Hestaurateure,  Uandelsleote 
aller  Art  ein  ihnen  möhr  zni>agende8,  nnabhängigss  Leben  führen  können.  Diese  YerhiltniM« 
eiod  in  vielen  Fällen  wohl  za  berftckaichtigen. 


ÜMFALLN£RV£NKRAN£H£1TEN. 


769 


HÖNIG  macht  aufmerksam  auf  die  EinflOster untren  und  Hetzereien  nicht 
nur  von  früheren  Rentenempfängern,  sondern  auch  von  Winkelconsnlenten.  welche 
sich  von  Vornherein  einen  Procentaatz  der  zu  erlangenden  Rente  als  Bezahlung 
aaflmMhen. 

Als  Zusammenkunftsort,  wo  die  Rentenempfänger  ihre  Erlkhrangen  aos- 
tanschen,  bezeichnet  derselbe  die  Postg:obäude,  wo  die  Rente  ausp^ezahlt  wird. 

Converi^atioDslexica ,  populäre  Schriften  über  einzelne  Uafallkrankheiten 
geben  znsammen  mit  den  bezflgliehen  Hitthetlungen  der  (ÜfenlUehen  Blfttter  (Paqs) 
Aber  das  Vorgdien  bei  der  Sinmlation  die  erwflniehte  Anakunft.  Ja  es  ist  zweifel- 
los, dass  trerioTiene  Simulanten  auch  von  den  Broachtlren  und  Schriften  von  Acrzten 
Kenntniss  nebnien,  Jon.  Hijffmann  hat  es  erlebt,  dags  einer  der  vou  ihm  Uber- 
fllhrten  Situuiautcu  von  tjeinem  Arzte ,  gegen  das  Versprechen  einer  Tantieme  von 
dn  Zehntel  der  beansprnebten  Bntsehldigungssnmme,  in  der  Prodnetion  epUep- 
tiseber  AnHille  Unterweisung^  erhalten  hatte. 

Nachdem  der  Unfallverletzte  sich  einmal  auf  die  abschüssipre  Bahn  der 
Lllge  begeben  hat,  kann  er  nicht  wieder  zurUck,  er  mass  nunmehr  versucheni 
die  einmal  llbeniomme&e  RoHe  «n  jeden  Pnrfi  duMbsnftlbren.  Hientn  bieten  ibm 
die  wiederholten  Untersuchungen  darob  Tereehiedene  Aerzte,  vor  Allem  aber  der 
längere  Aufenthalt  in  Krankenh.tusern  willkommene  Gelegenheit.  Hat  er  schon 
durch  die  wiederholten  Krankenexunien  und  Untersuchungen  die  Suggestivfrapren, 
welche  häutig  von  den  iuquirirendeu  Aerzten  gestellt  werden*),  seine  Kenntnisse 
weaentlieb  bereiebert,  eo  kann  ibm  das  Krankenbans,  namentlieb  aber  die  Uni- 
versitätsklinik ,  wo  er  Uber  wirklich  Kranke  ausführliche  Vorträge  mit  anhört 
und  Demonstrationen  an  sdlchen  mitansieht ,  geradezu  zur  Sdiule  der  Simulation 
werden.  Ali  eiu  weiteres  Beispiel  aus  meiner  Erfahrung  ^  ^  möge  folgender 
Fall  dienen: 

Der  Hüttenarbeiter  L.  litt  in  Folge  von  Einathmen  bleihaltiger  Dämpfe 
liei  seiner  Arlx  it  rechts  an  aupo^ebildeter .  links  an  lieEriniieiuler  BleilHhmung  der 
oberen  Extremität.  Dieser  in  vieler  Beziehung  interessante  Kranke  (MUncbener 
med.  Woehensehr. ,  1891)  wurde  im  Juui  1891  sowohl  iu  klioisohen  Vor- 
lesungen, wie  in  einem  flrzttieben  Vereine  von  mir  mebrfaeh  aosfllbrlidi  demon« 
strirt  und  dabei  besonders  auf  die  für  initiale  Bleilähmung  typische  Stellung  der 
Finger  der  linken  Hand  hinfrewiesen.  Als  derselbe  Arbeiter  !•  Monate  spiiter  be- 
hufs eines  Obergutachtens  sich  mir  wieder  vorstellte,  trat  er  mit  dersellien  typischen 
Stellung  der  rechten,  namentiidi  aber  der  Unken  Hand  wie  vor  9  IfoaatMi  (die 
leiden  damals  allein  gelähmten  mittleren  Finder  wurden  iu  die  Hohlband  einge- 
Bchla^'en.  die  beiden  .1n-«eren  aber  wie  die  Horner  eines  Rehbucks  ausgestreckt 
gehalten j  auf  mich  los  und  behauptete,  noch  in  demselben  Grade  gelähmt  zu  sein, 
wie  snvor,  obwohl  eine  Untersuchung  sofort  nazweifelhaft  ergab,  dass  die  Lähmung 
bis  anf  eine  ganz  geringe  Sebwlebe  vollständig  gesebwnnden  war.  Und  nun  sage 


;  Hunig  weist  mit  Recht  darunf  hin,  ilasä  dies  dT  Weg  ist,  anf  welchem 
faliverletzte  es  lernen,  krankhafte  Emptiiidniigeii,  <lie  sie  niemals  gehabt  haben,  mit  grus.stei' 
Oeaanigktit  an  sehtldem  nod  rSympt«  mcncomplexe,  die  für  ein  bestimmtn  Knmkbeiti>bild 
passen,  genaa  anzageben.  --  Eün  Dachdecker  mittleren  Alters,  Potator  strennus.  zog  sich  bei 
einem  Falle  vou  einer  Leiter  leichte  äussere  Verletzungen  zu ,  wurde  aber ,  weil  er  über 
nervöse  St-inm^ren  klagt«-,  iu  si  Krankenhaus  gebracht.  Von  hier  entlassen,  machte  er  Jen  <iang 
von  Tabiachen,  die  er  dort  an  sehen  bäulig  Crelegenheit  gehabt  hatte,  nach  nnd  behauptete 
oiclit  anders  nnd  nnr  mit  grosser  Attatrengnng  sich  fbrtbewegea  zn  kOnnen.  Die  auf  Yeran- 
lassnng  von  Martin  Vogel  in  Eislc!»en  von  Sceli  gm  aller  vorgenommene  üntcrsnchung  Hess 
Andeutung;  taliiseher  Symptome  vermissen.  Mit  seinen  Ansprüchen  abgewiesen,  hat  derselbe 
dann  noch  Juhn-  lang  in  >eineni  Berufe  auf  Jen  höchsten  Dachern  nach  wie  TOr  gearbeitet, 
bis  er  an  den  Folgen  des  ttbertLa.s8igen  Alkohulgennsses  au  Grunde  ging. 

•♦)  Die  gleichen  Erfabrnngen  machten  Mendel,  M.Vogel,  Blasius*^)  tt.  A. 
Der  Letztere  erzahlt  (pag.  .\^)  von  einem  ExpldranJeii :  „iiui  li  <  iueui  .laiire  —  •  r  war  in  der 
Klinik  des  Dr.  Oppenheim  gewebten  —  sah  ich  ihn  wieder  iu  einem  neuen  i'rocesse.  Und 
wilurend  er  frflber  nor  aUgemtine  Klagen  über  Sdunersen  hatte ,  brachte  er  jetst  die  ganae 
Kette  der  O p pe n h e i m'schen  Symptome  der  tranmatiadien  Neorose,  GekstSmngen  n.a.  w.* 

Encyclop.  JalirbUcber.  III.  49 


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770 


ÜNFALLNER  VENKRANKHEITEN. 


noch  Jemand,  die  Krankenliftuaer  und  Kliniktn  Mien  nieht  Scbalea,  ja  Hoch« 
sohuleo  der  Siiuulation! 

Dieae  Foim  der  Simnlation  ist  nicht  selten.  Objcetive  Enebeinangen 
oder  subjective  Beschwerden ,  wdohe  unmittelbar  nach  dem  Unfall  in  der  That 

bestanden  hatten,  aber  ganz  oder  doch  znra  grössten  Thcile  f^ehoben  sind,  werden 
von  den  Explurandeo  sozusagen  in  Permanenz  erklärt  und  mit  einer  Staunens- 
werthen  Naturtreue  selbst  nach  Jahren  immer  wieder  producirt,  bezüglich  als 
Grund  ftlr  ihre  Erwerbsunlllhigkeit  bervorgebobeo.  Ein  sdner  Zeit  in  einer 
Zuckerraffinerie  beschäftigter,  jugendlicher  Arbeiter  hatte,  wohl  in  Folge  schnell- 
wechselnder Temperaturen,  sich  einen  chronischen  Gelenk-  und  Muskelrheumatismus 
sngezogea  mit  vernehmlicher  Crepitation  in  einzelnen  Gelenken.  Nach  mouate- 
langer  Iratlldier  Behandlung  sind  Sebmersen  und  Bewegnngistömngen  gewioben; 
der  Arbeiter  beruft  8ic}i  aber  darauf,  dass  er  das  Knarren  in  den  Gelenken  nodi 
produciren  kann  und  weigert  sich  deshalb ,  unter  Vort.luschung  von  Lähmungs- 
erscheinungen, zu  arbeiten.  Zur  theilweisen  Entschuldigung  solcher  Simulanten 
ist  allerdings  anzuführen,  dass  der  von  der  Arbeit  entwöhnte  and  ausser  Uebung 
gekommene  KOrper  In  Folge  der  Monate  lang  fortgesetsten  Rnlie  und  Pflege  nkHnt 
selten  «fettleibig  und  damit  schwerfällig  und  ungeschickt  zur  Arbeit  geworden  ist. 
Würden  dieselben  in  Unfallkrankenhäusern  zur  rechten  Zeit  wieder  an  die  Arbeit 
gewöhnt,  so  würden  diese  Uebelstäude  nicht  eintreten. 

Bei  der  FrOfung  der  eubjeetiven  Besehwerden  der  Cnfallverletiung  kommt 
nadi  der  Meinung  fast  aller  Autoren  die  Glaubw  Ordigkeit  des  Explo- 
r  an  den  in  Pelracht.  Es  ist  daher  nicht  zu  verstehen,  wenn  Oppenheim  bei 
der  Discussion  auf  dem  Berliner  Congresse  hervorhob,  die  ethischen  Cigen- 
sehnften  der  Exploranden  seien  fflr  die  Häufigkeit  der  Simu- 
lation ohne  alle  Bedeutung.  Um  die  Olanbwflrdigkeit  des  Exploranden 
festzustellen ,  dazu  kann  freilich  ein  Leumundszeugnis^  tiber  sein  früheres  Ver- 
halten allein  nicht  als  massgebend  erachtet  werden.  „Denn,"  .schreibt  Kacixe, 
„wenn  mau  sieht,  wie  häutig  von  den  besser  situirteu ,  sogenannten  anständigen 
Leuten  den  Unfanversicberiingsgesellsehaflen  g^nllber  in  ^ner  Weise  simulirt 
und  aggravirt  wird,  wie  man  es  nicht  fttr  möglich  halten  pollte,  einfach  mit  der 
Miitiviriin-^' :  „ich  habe  sn  l.tti^e  Prämien  gezahlt,  jetzt  kann  die  Geselhi  lial't  mir 
auch  mal  eine  Kente  bezablen^",  so  wird  man  es  leicht  verstehen ,  warum  ein 
Arbdter  sieb  fUr  die  Zukunft  sichern  and  aus  seiner  Verletzung  das  grSsstmOg- 
liche  Capital  schlagen  will.^^ 

Viel  wichtiger  als  das  von  Vielen  zu  luK-h  angeschlagene  Leu m und. s- 
zeugnisH  des  Fabriksvorstandes  ist  eiue  Iän.:;ere  Beobachtung  zweilelbalter  Indi- 
viduen in  einer  Anstalt,  wie  ich  sie  als  Unfallkrankenbaus  beschrieben 
habe.  Denn  nur  In  Verbindung  mit  einem  woblgeeebuiten  Wartepwsoiial,  welches 
den  Exploranden  Tag  und  Nacht  in  seinem  ganzen  Gebahren  beobaehtet,  sind 
wir  Acrzte.  die  .««mst  nöthigcu  Einrichtungen  vorausgesetzt,  im  Stande,  die  wirk- 
lichen Kraukheitserseheiuungeu  aus  dem  Chaos  der  subjcctiven  Klageu  und  Be- 
sehwerden  herauszusehllen.  Bei  der  grossen  Sebwierigkeit  der  Saebe  habe  ich 
l>ei  manoben  Exploranden  wiederholt  den  Gedanken  gehabt,  ,,mit  dem  müsste  ein 
erfahrener  Arzt  incognito  eine  Zeit  lang  zn^aninienlt^tn  ii  und  bei  Tag  und  Nacht 
dasselbe  Zimmer  theilen".  Auf  diese  Wei^e  würde  man  jedenfalls  auch  über  die 
sittliche  Denkweise  des  Exploranden  in's  Klare  kommen,  und  das  wäre  in  Bezug 
auf  die  wichtige  Frage  der  Glaubwllrdigk^t,  trotz  Oppenheim,  von  der  grDsstee 
Bedeutung.  Es  erscheint  deshalb  durchaus  unverständlich,  wenn  Oppenheim 
behauptet,  er  sei  in  drei  Viertel  aller  Fülle  im  Stande  gewesen,  die  Diasrnose 
bei  der  ersten  Untersuchung  (in  der  Poliklinik  !^  in  einer  alle  auwcseudeu  Aerzte 
und  Stndirende  flberzeugenden  Wdse  zu  entwieiceln.  Das  kann  nur  ein  Arst,  der 
▼on  Vornherein  von  der  absoluten  Glaubwürdigkeit  der  Exploranden  ebenso  über- 
zeugt i.^t ,  wie  von  seiner  eigenen  Unfehlbark^'it.  Eines  solchen  Vertrauens  ist 
aber  gerade  das  Berliner  Material  von  Unfallverletzten  nach  den  Erfahrungen 


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UNFALLNEBYEM&BANKHEIl^. 


771 


Ton  Hendel  in  keinem  Falle  wflrdig.  Letzterer  sagte  auf  dem  Berliner  Con- 
presse  (Verbandl.,  I^d.  IV,  pag.  78):  ,,Hier  (d.  i.  in  Berlin)  haben  die  Kranken 
in  zahlreichen  PoliklioikcD,  wie  in  dem  gleichzeitigen  ZuBaoimea^eiD  in  der  Charite 
reieUieb  Oelefenbeit ,  die  inmiiatiMbe  Kenrora  so  stndiren,  Aber  websbe  dne 
Zabl  derselben  recht  ^ute  Kenntnisse  besitzt. *) 

In  der  That  ist  die  H.lufifrkeit  der  Simulation  vorwiegend  von  denjenigen 
Aerzten  constatirt,  weiche  die  traumatische  Neurose  als  besondere  Krankheit  nicht 
gelten  lassen  wollen.  Und  das  kann  nach  den  bisherigen  Erörterungen  nicht  autfäliig 
erseheinen.  Aber  aueb  solche,  weldie,  wie  BislirLCRHB  und  Rbishabd**),  da« 
Symptomenbild  der  traumatischen  Neurose  fflr  einzelne  Fllle  anerkennen,  bestAtigen 
nichtsde^toweniirer  die  prrosee  Häufigkeit  der  Simulation  und  Asrj^ravntirm.  Dass 
von  Chirurgen  und  speciell  von  den  Aerzten  der  medico-mechauiseheu  Institute 
dem  Proeentsatze  naeb  weniger  Simnlanten  beobaehtet  werdra  als  von  Nenro- 
patiiologen.  liegt  oftenbar  an  der  Vendiiedenheit  des  Materials.  Jene  erhalten 
fa^'t  ausRcblifsslich  chirurgische,  diese  nervenleidonde  Unf.ilh erletzte  zur  Begut- 
achtung. Ja  aus  der  „Heimstätte  für  Verletzte"  zu  Niederschönhausen  bei  Berlin**) 
scheinen  Nervenleidende  grundsätzlich  entfernt  und  anderen  Instituten  fiberwieseu 
an  werden.  Nun  liegt  es  ja  anf  der  Hand,  dass  dilraiigisdie  Ldden  viel  weniger 
leicht  und  darum  weniger  häufig  simulirt  werden  als  Nervenleiden,  Wenn  Thiem 
in  Cottbus  tmtzdem  10"  (j  Simulanten  ausrechnet,  so  ist  diepe  Zahl  relativ  eine 
sehr  hohe  und  möchte  in  Anbetracht  des  Materials  den  33>,,<>^o  '^on  UOFKMANN 
in  Heidelberg  mindestens  gleiebznstellen  sein. 

Dieselbe  Gefahr,  sieb  au  täuschen,  laufen  diejenigen  Aerzte,  welche  statt 
der  tranmatiwhen  Neurose  die  nach  CHARCf>T  mit  dieser  völlig  identische  trau- 
matische Hysterie  setzen.  Zunächst  sind  die  Symptome,  welche  vorgetäuscht 
werden,  ja  im  Wesentlieben  dieselben.  Sodann  aber  ist  es  sattsam  bekannt,  dass 
Hysteriselie  darin  eine  Force  suchen,  den  Arzt  ta  tinschen,  oder  sollte  ^eser 
Zng  bei  der  mfinnliehen  Hysterie  fehlen? 

Wenn  tranzö-jisrhe  Aerzte  hingegen  immer  wieder  betoneu ,  die  Hyste- 
rischen seien  die  wahrheitüliebendston  und  glaubwürdigsten  Peräoneu  von  der 
Welt,  so  beruht  diese  Ansebannng  anf  einer  offenbaren  Selbsttflnsehnng. 

Wer  in  der  CHABCOT'schen  Klinik  an  demselben  Vormittage  der  Vor- 
stellung von  einem  Dutzend  Hysterischer  heigewohnt  und  gescheu  hat,  wie  dieselben 
während  der  ganzen  Zeit  in  demselbeu  Kaumo  beisammen  sitzen  und  die  einen  die 
Prodvetionen  der  anderen  mitansehen,  der  kann  sieh  bei  all«r  Hoebaehtnng  fflr 
Charcot's  Verdienste  des  Eindruckes  nicht  erwehren,  dass  dort  in  der  8alp6triöre 
die  Hysterie  und  damit  die  Simulation  geradezti  gezüchtet  und  ^rro-^'^gezogcn  wird. 

Und  wer  es  niclit  kenut,  der  sehe  sich  doeli  das  famose  Buch  von  LiiYS***) 
an,  in  welchem  er  die  durch  die  in  verschlossenen  Gläsern  enthaltenen  Medica- 
mente hervorgebraehten  mimiaehen  Verlnderongen  derselben  bysteriseben  Frauens- 
person Esther  auf  24  Photographien  wiedergege1>en  hat,  und  lasse  sich  dann 
belehren,  dass  diese  Dame  mit  der  ^t'mrrrjinnfwn  rtchfinent  meublde'*  im  Ein- 
verständniss  mit  den  Assistenten  Alles  vorgetäuscht  hat,  und  d&nn  lese  man,  wie 
in  demselben  Buche  immer  wieder  versichert  wird:  „Hysterische  lügen  niemala.'' 


♦)  Keiierdinps  ni;t(h!e  mir  ein  junger  College  folgßnde  Mittheiinng:  Er  wohnte  als 
ilt«r»r  Student  in  i-iDem  Mietbhaune  unmittelbar,  d.  h  Wand  an  Wand  mit  eioem  Bogeaaantan 
Depot  Ton  sn  begnttehtenden  UnfillTerlMBten.  Zu  FeioeiB  Entannen  wnrde  er  wiederholt 

pewahr,  daj^s  diese  von  tiiuin  Ma.«cliiiienl>aner  als  Lihrer  in  vielen  Einzelheiten  der  Sympto- 
matuloKie  der  traumatischen  Neurose  Unterricht  emj  tiiipen  und  unter  Anderem  die  i^ehnen- 
nefleze  praktisch  einübten. 

**)  L(>  vertin  ^''),  pap.  98:  » Wie  aus  der  Tabelle  gleichfalls  ersichtlich  i^t,  wurden 
sar  Behandlung  ungeeignete  Fälle,  alsbald  nachdem  sich  dies  heransgesteilt  hatte,  entluien 
(r.  z.  B.  Nr.  5  )  u.  51)."  Bei  Mr.  (0  steht  pag.  119  bemerkt:  „YerschiedeBe  ZeicJiea  Ton  trao> 
matiecher  Neurose." 

Luys,   Lfs  hnoiions  chez  te»  attjet«  en  4tat  de  VhypnotUmt  ete.  Paris  1887; 
«fr.  Seeligmttller,  Der  moderne  Hypnotlamns.  Deutsche  med.  Wochensehr.  1888,  Nr.  1  u.  2^ 

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772 


UNFALLNERVENKRANKHEITEN. 


Von  einem  an  cbroniHchem  Alkoholismus  leidenden  Buchhändler  hörte 
ich  folgende  lehrreiche  Geschichte.  Als  er  eines  Tages  wie  gewöhnlich  von  dem 
Director  der  Klinik  hypnollsirt  werden  toXUm^  kam  die  Oberin  daxn,  tun  diesen 
widitige  Mittheilungen  aus  der  Anstalt  zu  machen.  „Wollen  Sie  einen  Augenblick 
warten,  bis  ich  den  Kranken  einge.schliUert  habe."  „So,  jetzt  schläft  er,  reden 
Sie.'*  Der  Kranke,  welcher,  wie  bisher,  so  auch  dieses  Mal  tiefe  Hypnose  simu- 
lirt  hatte,  hörte  Alles  mit  au,  versicherte  aber,  als  er  aus  „der  Hypnose'^  künst- 
lieh wweekt  wurde,  dem  danaeli  firagenden  Direetor,  er  habe  gar  niebts  gehört. 
Und  dieser  zweifelte  keinen  Augenblick  daran. 

Solche  Verirrungen  von  Aerzten  der  „psychologischen  Richtung"  (Mnim  s) 
geben  zu  denken!  Sicherlich  ist  die  Prüfung  des  somatischen  Verhaltens  bei  der 
groeun  Mehnahl  dee  ünfalWerletsten  die  nlehefliegende  Aufgabe  des  unter- 
suehendeu  Antee. 

Ja  es  kann  nicht  drin^'cnd  genug  die  Mahnung  wiederholt  werden 
(SSELIGUÜLLEitj,  dass  die  Aerzle,  bevor  sie  an  die  Begutachtung  von  Unfallver- 
letzten herangehen,  sich  grflndllcbe  Kenntnisse  in  allen  Gebieten  der  Nenropatbo- 
logie  aneignen,  nicht  um  IKmulaaten  m  entlarvea,  sondern  um  den  wbrklioli 
vorhandenen  Zustand  des  Rxploranden  feststellen  zu  können.  So  habe  ich  erst 
kürzlich  die  Freude  gehabt,  einen  zum  Simulanten  gestempelten  polnischen  Berg- 
werksarbeiter durch  Feststellung  von  Eutartungsreaction  im  Daumenballen  des 
in  Folge  von  ZriiaMAo^ttm«rtgelfthmtra  Armee  von  diesem  Verdaehte  zu  reinigen  — 
auch  ein  Segen  der  somatischen  Richtung! 

Möbius  und  P.ki  ns  haben  die  Fn/iililnglichkeit  der  ärztlichen  Krkenntniss 
betont.  Dieses  fiewusütaoiu  soll  die  Aerzte  abhalten,  einen  Unfallverletzten  mit 
fiestimmtiieit  fBr  dnen  Simdantea  m  wklAren;  besser  sei  in  allen  zweifelliaften 
FftUen  ein  „non  liquet'* !  Brdms  betont  ausserdem  das  Snbjective  unseres  Urtheils. 
Diese  Bedenken  dnrchaus  zugegeben,  wird  es  ebenso  von  der  Gewissenhaftigkeit 
des  begutachtenden  Arztes  abhiingcn,  inwieweit  und  wie  leicht  er  sieh  bei  solehea 
unbestimmten  Aeusserungen  beruhigt.  *) 

Denn  die  Frsge  der  Simulation  ist,  wie  aueh  Brüns  sugiebt,  nidit  nur 
von  wissenschaftlichem  Interesse,  sondern  auch  von  grosser  praktischer  Bedeu- 
tung, sowohl  für  das  Ansehen  des  ärztlichen  Standes,  wie  auch  ftlr  die  allgemeinen 
Anschauungen  von  Sittlichkeit  und  Recht  in  unserem  Volke  (Seblighüllkb). 

Zunichst  um  den  ans  der  Simulation  für  diese  erwaehsendw  Gefahren 
zu  begegnen,  hat  SekliomOllbb  die  Erriehtuug  besonderer  Krankenhäuser,  der 
U  n  f  a  11  k  r  a  n  k  e  n  Ii  il  u  s  p  r,  vorge^clilaircn 

Die  iirztlicherseits  vielfach  bestrittene  Moihwendigkeit  und  Zweckmässig- 
keit solcher  Institute  hat  sich  inzwischen  durch  die  Erfahrung  der  Berufsgenossun- 
schuften  als  eine  so  drin|^efae  Nothweudigkeit  erwiesen,  dass  neben  den  medieo« 
mechanischen  Instituten,  welche  die  Behandlung  von  Unfallverletzten  zu  ihrer  Haupt- 
antVabe  gemacht  haben,  besondere  KrankenhiUiser  für  Unfallverletzte  von  einzelnen 
licruigenosscnscbaften  selbst  bereits  errichtet  sind,  z.  B.  das  „bergmannsheil"  zu 
Boehum  in  Westpbalen  **) ,  die  von  Dr.  Schütz  i")  geleitete  „HeimstStte  fBr 

*i  In  jt-<ieni  Falle  ist  von  hdchster  Bedeutung  liie  Frage,  wo,  wie  oft  und  wie  lange 
Zeil  der  Explontid  einer  MdiverstindiKeii  Unlersnchaag  und  Beobaehtnof  nntenogen  wurde. 

lu  FiilN-ii.  wo  et:  siili  ni>  ht  nur  utu  leicht  festzustellende  Läsionen,  sondern  nm  neurasthenische 
Oller  bysterisclie  Kim  lieiiiuii^'eti  hanii<'lie,  hal<e  ich  eine  Begnt.ichtunicr  nur  dann  übernommen, 
wenn  «lie  Explorainlen  auf  unbestimmte  Zeit  in  meine  Privaiklinik,  in  welcher  ein  Assistenz- 
arzt Wand  an  Wand  mit  ibnen  woiint,  aufgenommen  worden.  Die  Zahl  der  hier  gleichieitig 
Iwotmchtetea  Unfallverletaten  hat  nimnafs  nelir  als  4  betragen.  Diese  habe  ich  perRtalich 
wenigstens  Ümal  t;isli  Ii  gi-sehea  ini!!  untersucht  und  erst  dann  ,  oft  er.st  nach  .',  Monaten 
entlasiseii,  wenn  ich  üher  die  Krajje,  nh  Simulatiun  oder  nicht  vorlag,  vollständig  im  Klaren  war. 
Dabei  habe  ich  stets  nur  auf  meine  eigenen  Wahrnehmungen   mein  Gutachten  gegrücdat. 

**)  Das  projectirte  Unl'ullkrankvubaus  in  Halle  wird  alle  Uufallverletztea  der  Kna]^ 
achaftsgenossenschatt  womöglich  von  dem  Tage  des  Unfalls  an  aufnehmen  ,  so  dass  die  ein« 
heitliche  Üeobachtuug,  welche  ich  von  vnrnhctein  ils  ausserordentlich  wiclitig  für  die  spatere 
fieobacliluog  in's  Auge  gelaust  habe,  dort  wirklich  erzielt  werden  kann.  Wenn  ich  mich  spater 


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DNFALLKBBVENKRAIIKHEITEN. 


773 


Verletzte"  in  NiederaebdnhaiireD  bei  Berlin  nnd  andere,  s.  B.  etil  Unfallkrattkenliaiu 

(„Bergmannstrost''  im  grossen  Maasstabe  (Koitenaiiaehlag  700.000  Mark)  ia 
Halle  a.  S..  im  Bau  begriffen  sind. 

Solche  Unfallkrankeuhäuser  im  grossen  Styl,  wie  das  in  Halle  projeetirte, 
werden  allen  den  Anfordernngen  gerecht  werden  können,  welebe  von  irstlieber 
und  berafsgenossenscbafilicher  Seite  fUr  die  Behandlnng  und  Heilung,  wie  für  di^ 
Beobaehtung:  und  nejrutaebtung  von  rnfallverletzten  prestellt  sind. 

Dadurcb,  dass  jeder  l  ufallverletzte  von  Vornberein  von  denselben  Aerzten 
untersucht  und  beobachtet  wird,  werden  alle  die  Uebelstfinde  wegfallen,  welche 
die  bisherige  Diseontinvirlidikcit  der  ärztlieben  Beobaehtnng  mit  sieb  brachte 
(SeeliomOllbb,  Laübkstein  SbbuomOlleb  illnstrirt  diese  UebelsMnde 
folgendermasBen : 

„Welchen  Uebelständen  durch  die  Errichtung  besonderer  Unfallkranken- 
hinaer  wirksam  entgegengetreten  wflrde,  davon  midi  zn  flberzengen  habe  ich  in 

letzter  Zeit  wieder  volle  Gelegenheit  gehabt.  Vor  mir  liegt  ein  Actenstflck  Ton 
nicht  wcni.ircr  als  275  Rl.lttern ;  es  enthJiIt  die  gutachtlichen  Aeusserungen  von 
10  verschiedenen  Aerzten  in  GcRtalt  von  u'cht  weniger  als  20  Nummern.  Und 
dabei  bandelt  es  sieh  um  die  angeblidien  Folgen  eines  einfachen  ObOTsehenkel- 
bruches,  welcher  im  Januar  1886  stattgefunden  hatte  nnd  ohne  alle  Complieationen 
in  dem  Krankciihau^e  zu  Braunschweig  in  vollendeter  Weine  zur  Heilung  gekommen 
war.  Nachdem  durch  die  dort  behandelnden  Aerzte  in  mehreren  (Jutaehten  klar  ausge- 
sprochen ist,  da^s  es  sich,  wuvon  man  sich  noch  jetzt  mit  i.eiclitigkeit  bei  dem  Ex- 
ploranden  flberzengen  kann,  um  einen  Trochanterbmeb  gebandelt  hat,  filllt  es  einem 
neuen  Begutachter  20  Monate  nach  dem  Unfall  e"n.  von  einem  Schenkelhalsbruch 
zu  phantasiren  und  darauf  die  Anuahtiie  der  ErwLTl)Hunfilhigkeit  zu  be^rllnden. 
Und  zwei  Jahre  nach  dem  Unfall  sieht  sich  noch  ein  anderer  Begutachter,  um 
die  anf  bftmorrhoidalen  Stannngen  beruhenden  Ereuisdimerzen  sn  erkiftren,  gar 
bemU8sigt,  aus  einer  nb.  faetiseh  niemals  vorhanden  gewesenen  grossen  Steifig- 
keit des  Rllckgratsi  und  anderen  Krankheitgerscbelnungen ,  die  er  aber  im  Eifer 
überhaupt  anzufllhreu  vergessen  hat,  anzunehmen,  dass  durch  den  Sturz  |  E.\plorand 
war  auf  ebener  Erde  au^^geglitten,  als  er  den  Oberschenkel  brach)  eine  Erschtltterung 
der  Wirbelslule,  wie  anch  des  Rflekenmarks  stattgefnnden  habe.  Beitinfig  slhle 
ich  das  genaue  Studium  der  vorliegenden  Acten  auch  zur  Gewissenhaftigkeit  des 
bef?utaehtenden  Arztes,  sn  zeitraubend  nnd  langweilig  dat^selbo  nicht  selten  ist. 
Muss  mir  nicht  Jedermann  Hecht  geben,  wenn  ich  behaupte,  dass  solche  umfang- 
reieben  Aetenataeke  und  ein  solebes  Hinziehen  eines  an  sieh  einfachen  Falles  auf 
nunmehr  b\i,  Jahr  in  einem  Unfallkrankenbause  ^reradezu  ein  Ding  der  Unm5g- 
lichkeit  sein  würden?  Ebenso  wie  viele  Köche  den  Hrei  verderben,  ebenso  gewiss 
auch  viele  Aerzte  die  klare  Einsicht  in  das  Verständniss  eines  Unfalls." 

Aber  auch  der  Simulation  wflrden  durch  die  einheitliche  Beobachtung  durch 
dieselben  Sachverstandigen  von  Vornherrin  die  Wmseln  nnterbunden  werden,  sa> 
mal  wenn  fOr  zweifelhafte  Subjeete  die  IfO^ehkeit  einer  Isolimng  wihrend  der 
Beobachtung  vorgesehen  wäre. 

Das  Unfallkrankenhaus  soll  weiter,  und  zwar  in  erster  Linie  ein  Kecon- 
valeseentenhans  sein. 

Der  Aufenthalt  in  den  gewöhnlichen  Krankenhäusern  und  Kliniken  kann 
sich  nach  der  Einrichtung  dieser  Institute  nur  auf  sn  lanpe  Zeit  erstreckrn,  hh 
die  Verletzten  sozusagen  aus  dem  Gröbsten  heraus  sind.  Damit  sind  dieselben 
aber  keineswegs  genesen  nnd  noch  weniger  arbeitsfiUiig.  Die  blusliehe  Pflege  ist 


in  meinen  Vorschlägen  lediglich  auf  die  SinuilatlOBSVerdächfigien  ttcsrhriinktp.  so  hatte  (lies  Jen 
Grund,  dass  ich  nicht  boden  doifte,  die  Ucmfsgenorsenschaften  wurden  sicli  zu  so  ^russeu 
Opfinn,  wie  sie  nunmehr  von  ihnen  $rem  gebracht  werden,  alsbald  entschliessen.  Die  von  mir 
gemachten  Vonichliij^e  werden  nunmehr  weit  über  mein  Erwarten  hinaus  ihre  Verwirk- 
Uchang  tinden.  Ob  der  Be  n  d  aVche Vorschlagt  öffentliche  Nervenheiian.stalten  zu  errichten, 
•besso  aehnell  seine  Bealisirang  finden  wird? 


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UKFALLM£fiV£MKBAMKBEITBN. 


meist  unzureichend.  Dieser  wichtige  Punkt  ist  nicht  nur  von  den  Aerzten,  sondern 
auch  vun  den  BeroÜBgeDOflMOBchaften  längst  in's  Auge  gefawt  worden  (Sesli6hOllkji, 

Blasius). 

WcUer  Btiminen  alle  Antoren  dariii  tlberein,  dnes  aowobl  snr  Oenesung, 
wie  zor  Feststellung  des  Grades  der  Erwerbsfthigkeit  die  Beaehiftigung  der  Recun- 
valescenten  unter  gewerbUeh  wie  ArstUAh  •MbTenltndiger  Aufsieht  durehaug 

nothwendig  ist. 

„Das  mftchtigste  Mittel,  diese  Laote  in  heilen,  muss  naeh  meinen  theore- 
tischen Ansiebten  sein,  dieselben  wieder  aagemessen  an  besehlftigen,  dnrd  Arbelt 
sie  wieder  zu  SelbetTertranen  QndLeistmigalihigkdt  za  eraieben**  (Auim  HoFFBUim). 
Aber  wo? 

Bruns  sagt:  „Man  muss  doch  anerkennen,  das^  in  der  Wiederautuabme 
dar  Arbeit  vor  voller  Heiinng  der  Arbiter  eine  grosse  Sebwierigkeit  liegt ;  .... 
da  beisst  es  volle  Arbeit  oder  irar  kL-ine." 

Diesen  Üesidcrien,  welche  im  Laufe  der  letzten  Jahre  sich  immer  mehr 
als  dringend  herausgestellt  haben,  kann  nur  das  Untalikrankenbaus  in  vollem 
Hasse  gereeht  werden;  denn  weder  die  gewOhniieben  Krankenhftuser,  noch  anch 
die  Kliniken  kSnnen  denselben  volle  Oenflge  leisten;  die  medieo-maehaBisebeii 
Institute  aber.  ?o  vortrcfTIich  sie  sich  für  meclianisch-chirurpsch  bettbare  Leiden 
bewährt  haben,  sind  fUr  dif  :ni  funetionellen  Störungen  des  ^'ervenqrstemcs  leiden- 
den Unfallverletzten  nicht  ^eci^net. 

Zum  Seblnss  soll  die  sdion  oben  mebr&eh  berflbrte  Fnge  der  Pridis> 
Position  für  Unfallnervenkrankbeiten  noeh  einmal  im  Zosammenbange 
aur  Sprache  ^rebracht  werden. 

Bereits  bei  Besprechung  der  Symptome  der  sogenannten  traumatischen 
29enrose  haben  wir  wiederholt  darauf  hingewiesen  ,  dass  dieselben  möglicherweise 
aneh  auf  andere  fttiologlsehe  Momente  als  den  Unfall  znrOckgefllbrt  w^en  können. 

Insonderheit  waren  Tahak-  und  Alkoholvergiftung',  sowie  constitutionelle 
Syphilis  zu  nennen.  Auf  die  gro.s>o  Aehnlichkeit  zwii-chen  traumatischer  Neurose 
und  cbronisohem  Alkoholismus  haben  besonders  Eisenloub,  IS'unne  uud  Wilbkand 
hingewiesen. 

Dieselben  Momente  können  auch  als  prädisponirende  für  Unfallnervenkrank- 
heitcn  in  Betracht  kommen ,  insofern  es  nahe  liept  anzunehmen  ,  dass  die  Ein- 
wirkung eiues  Unfalls  um  so  eingreifender  sein  wird,  als  die  Widerstandsfähigkeit 
des  Kerveosystems  berabgesetst  ist 

Eine  solche  Herabsetinng  kommt  aber  durch  die  genannten  Momente 
erfahrungsfrem.1^8  zu  Staude;  ausserdem  ist  die  zum  Theile  auf  deti.selbcn  Ursachen 
beruhende  weit  verbreitete  ^lervosität  unseres  Geschlechts  hier  anzuführen ,  wie 
sie  am  häufigsten  unter  dem  Bilde  der  Neurasthenie,  seltener  unter  dem  der 
Hjrsterie  oder  Hypo^ondrie  aneh  bei  dem  minnlieben  Gesebleehte  sv  Tage  tritt. 

Wahrend  Oppenheim  in  der  Mehrzahl  der  Falle  die  Verletzungsneurose 
bei  vollkommen  gesunden ,  arbeitsfHhi^en  und  in  neuropathlseher  Beziehung 
unbelasteten  Mfinnern  sich  entwickelu  »ah,  konnte  Albix  Huffmaxn  in  20  Fällen 
von  tranmatiseher  Neurose  nur  vier  Männer  als  vorher  vollkommen  gesund  und 
unbelastet  bezeichnen.  Von  17  derselben  trugen  lo  utTtnliar  den  Stempel  der 
schweren  PrüdiBposition :  3nial  war  Epilepsie,  Tnial  Alkoholismu<j  vertrett-n. 
zwei  hatten  geistig  schwache  Kinder,  neun  waren  syphilitisch.  Alle  diese  hatten 
von  Vorneherein  sich  fflr  ganz  gesui^  erklirt.  Im  Weiteren  macht  HOFF- 
VANN  darauf  aufmerksam,  wie  sehwer  es  hllt,  die  belastenden  Momente  heraus- 
zubringen, namentlich  den  Alki  linl^rcniiss  und  die  Syphilis,  und  kommt  dann  zu 
dem  Schlüsse:  „Mir  i?t  also  ziinaclist  wahrsihfinlich  .  dass  in  der  Re?el  die  au 
traumatischer  Neurose  leidenden  Individuen  durchaus  nicht  vorher  gesuud  waren, 
es  bleibt  nur  (bei  recht  genauem  Nachforschen)  ein  Brnchthdl  unbelastet.^ 

In  Uebereinstimmung  hiermit  hat  SEELlGikiüLLER  hervorgehoben ,  dasa 
naeh  seiner  Erfahrung  bei  der  männlichen  Arbmterbevölkerung  die  Neurasthenie 


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UNfALLNEBVSNKBAlf&HfilTEM. 


77B 


vohl  in  stetiger  Zunahme,  die  Zahl  der  mit  Alkohol  und  Tabak  Vergifteten  dagegen 
im  rapiden  Wachstbum  begriffen  sei,  und  in  deniseibea  Ifaaae  als  Folgen  der 
letsteren  die  Arteriosclerose  und  die  Herzachwäche. 

Auch  die  latente  Syphilis  verdient  alle  Beachtung,  insofern  dureh 
leiehte  Anllim  bei  eonttitntionell  SypbitttiMheD  die  Mhwefsten  Sehidigangen  dM 
Centrainervensystems  hervorgerufen  werdm  IcOnnen.  So  begutachtete  ich  einen 
Fabriksschlosser  von  etwa  30  Jahren  ,  welcher  einige  Jahre  zuvor ,  angeblich  iu 
Folge  der  hohen  Temperatur,  iu  dem  Behälter,  weichen  er  auszubessern  hatte, 
am  Tage  oaeh  dieser  Arbeit  bemiplegisch  gewofdea  war.  Da  sieh  sonst  Icefaierlei 
Ursache  fBr  das  Auftreten  dieser  (iehimlinnildidt  in  so  Artlhem  Alter  nachweisen 
Hess,  fahndete  ich  auf  Syphilis  uud  konnte  diese  nicht  nur  an  dem  Kranken 
selbst,  sondern  auch  an  seiner  Frau ,  die  unter  Anderem  viermal  abortirt  hattOj 
mit  Bestimmtheit  als  Ursache  nachweisen.  Wenn  dieser  fttiologisehe  Naebwda 
aneb  an  der  Bntscbftdignngsfrage  nichts  taderte,  so  ist  er  doch  in  seiner  irisaeii- 
sebaftlichen  Bedeutung  nicht  zu  untersohfttzen. 

Mob  1  T  S  giebt  wfihl  zu,  da««  tlherhanpt  die  Zahl  der  an  Hysterie  und  Neur- 
asthenie Leidenden  rasch  wächst  und  da^s  an  den  vielen  Lnfallnervenkranken  sich 
in  besonders  dentiieher  Weise  die  verminderte  Widerstandfilbigkeit,  die  uns  SOhnen 
der  Jetztzeit  eigen  ist.  zeige;  die  ätiologische  Bedeutung  der  genannten  Momente 
fflr  diese  Zutiuliiiie  will  ir  aber  nicht  ziitrelien.  ,.DaRS  bei  Alkobolisten  ein  rnfall 
das  Aetluilibrium  dem  Nervensystem  leichter  nimmt,  als  bei  vorher  Gesunden,  ist 
höchst  wahrscheinlieh.  Nach  meiner  Erfahrung  jedoch  sind  unter  den  nnfall- 
Tcrletsten  Kerrenkranlcen  reebt  wenige  Trinker.  Gerade  die  sebwersten  Ffllle  von 
Hysterie  habe  ich  bei  solchen  gesehen,  die  vollständig  mftssig  waren.  Dass  Tabak- 
gebrauch ,  eine  %veit  zurtlekiiegeiide  Infecticn  mit  Syphilis  und  Aehuliches,  eine 
Prädispohition  für  traumatische  Hysterie  lieferten ,  ist  gänzlich  unbewiesen  uud 
eebr  nnwabrsdieinlieb." 

Eine  genauere  Beachtung  der  bis  jetzt  nor  von  Einzelnen  hinreichend 
gewürdigt"  n,  prädisponirenden  Momente  wird  zeigen,  (»b  der  L'nfall  nicht  auch 
hier  in  vielen  Fällen  wie  bei  der  latenten  Hysterie  die  lioUe  eines  blossen  „Agent 
provocateur"  spielt.  Viele  Tbatsaebendtirften  sebon  jetst  fBr  diese  Anffisssnngsprecben. 

Schliesslich  soll  nicht  unerwibnt  bleiben,  dass  neuere  Arbeiten,  nament- 
lich die  \on  Bl Aalt'S und  EBSTEIN'*),  die  dringende  Aufforderung  an  den  Arzt 
richten,  den  Irin  der  Unfallverletzten  auf  Zucker  zu  untersuchen.  Dies  sollte 
alsbald  nach  dem  L'nfall  und  ebenso  im  spätereu  Verlaufe  öfters  wiederholt  ge- 
scbeben.  Da  das  Auftreten  von  Diabetes  in  Folge  von  Tranmen  bereits  durch 
Griesikger  (Areh.  f.  physiol  Heilk.  N.  F.,  III)  behauptet  ist,  so  erscheint  es  im 
gegebenen  Falle  aosserordeotUch  wichtig,  ob  etwa  schon  vor  demselben  Glyeo- 
surie  bestand. 

Die  vorstehende  Zosammeostellung  der  jetzt  im  Sehwange  gebenden 

Meinungeu  Uber  rnfailnervenlcrankheitcii  konnte  leider  nur  eioe  Mosaikarbeit 
sein,  in  welehcr  die  Ansehauiiniren  der  einzelnen  Autoren  vielfach  wie  sehwarse 
und  weisse  Felder  von  einander  abstehen. 

indessen  dtirfen  wir  hoffen,  da  die  Fragen,  um  welche  es  sich  handelt, 
in  FInss  sind,  daas  solche  Antworten,  welche  geeignet  sind,  eine  grMsere  Klärung 
der  Thatsacben  und  damit  eine  grössere  Biniglceit  der  Meinungen  herbeianfllbren, 
nicht  auf  sich  warten  lassen  werden. 

Aber  —  das  sei  hier  noch  besonders  hervorgehoben  —  nur  von  Mit» 
tbeiinngen,  die  sich  auf  eine  ftlr  die  Leser  durchsieht  i^^e  gfloane  Casnistik  grflnden, 
ist  eine  Förderung  dieser  Fragen  lu  erwarten,  nimmermehr  vun  speculativon 
Betrachtungen  vom  grünen  Tinche  aus,  wflelie  w  ihl  den  Sehcin  der  Autorität  in 
Anspruch  nehmen  könneu ,  aber  nicht  die  befruchtende  Kraft  der  Wahrheit  in 
sich  tragen. 

Nachschrift.  Soeben  lese  ich  nach  Abscbluss  dieser  Arbeit  im  Neuro- 
logischen Ceotralblatt,  1993,  Nr.  9,  in  dem  Bericht  über  den  XII.  Congress  flir 


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776 


UNFAJ<LNERV£NK11ANKH£1T£N. 


innere  Medicin,  der  hier  nidbt  mebr  berücksichtigt  werden  konnte,  folgende  Au-i- 
l»88un>f  Stb(  MPELL  s  referift :  „T'eber  die  traumttischen  NeuroBen" ,  pag.  320: 
„Ob  man  traumatisciie  Hysterie,  ob  man  traumatische  Neurasthenie  sage,  „Name 
ist  Sebnll**;  Haapteaehe  ist  Festbtlten  an  der  begrifflichen  Deinition;  „tranmn- 
tieehe  Neurosen"  eignen  sich  sehr  gut  als  Colleclivbezeichnung.  Eine  „^nmatiaebe 
Neuroge als  be^^ondere  KrankbeitsspeeieB  enstire  nicbt,  der  eiuelne  Fall  mtlaee 
aber  kategorisirt  werden." 

Literatnr:  ')  Alexander,  Railway-spine  oder  Simulation?  Vierteljahrschr.  f. 
ger.  Med.  3.  Folge.  IV,  1.  pag.  lü!t.  —  ^)  Azam,  Lt-v  troiihh-i  sensoriels ,  organiques  et 
mot€ur9  con».  aux  traumatisme»  du  ctrveau  Arch.  gen.  Mai  1890.  pag.  513.  —  *)  J.Bach, 
KÜB.  Beitrag  sor  tranMt.  Bystarle.  Inaof.-Dfai.  Breslaa  1893.  —  *)Bagin8ky,  Erkraakim; 

des  Höronrans  hei  Railway-spine  Bfrliiipr  klin.  Wochen  sehr.  1888.  Nr  :i  ')  Bayer,  Ein 
Fall  vun  liewQBsllosigkeit  nach  Korpererschütteruug.  Deutsche  med.  Wochenschr.  IS'JI,  'lA.  — 
*)  Th.  Benda,  Oeffentliche NervenbeilansUlteo ?  Berlin  1891,  A.  Hirschwald.  —  -j  Benedikt, 
Ueber  SpAtaympiome  traomatischer  Nenroaea.  Berliner  klin.  Wochenschr.  12.  Nov.  18S8.  — 

2BaBadikt.  Eiwsnbthnshock.  Wiener  med.  Wochenschr.  1888,  Nr.  48,  pag.  1614.  —  •)  Bene- 
ikt,  üabar  tranin;iti.-;th«  Neurosen.  Wiener  med.  Pn  ssf  1891.  Nr.  \\).  —  "■)  v.  Bergmann, 
Sopmrilitiinm.  (TraumaÜBche  Neurosen.)  Vierteljahrschr.  f.  ger.  Med.  Joli  1887,  N.  F.  LI,  I, 
pag.  ].  —  '*)  Barnkardt,  Beitrag  aarLebrevoo  der  allgemafaen  vnd  toealaa  traamattsokM 
Neurose.  Berliner  klin  W'orliensrlir.  Ift^s9,  Nr.  18.  —  ")  M.Bernhardt,  üeher  GesichtsfelJ- 
storang  und  Sehnervcnviramierung  bei  Neura.stbenie  und  Hysterie.  Wiesbaden  ISi^Ü.  Berg- 
mann. Bernhardt  und  Kronthal,  Fall  von  sogenautv  tlWiaatiieker  Neurose. 
Neorol.  Centralbl.  IbUO.  IX,  4.  —  M.  Bern  hardt,  FaU  von  erworbsner  (traanatisdier) 
TVickterbnut,  bei  einem  an  BtftteHa  virilh  (ex  traanat«)  laldanden  Manne.  Dentsebes  iireb. 
f.  klin.  Med  1^92,  XM.\,  6.  pag.  6ill-  —  '  )  Bertololy,  Zur  Frage  der  traumatischen 
Neurose.  Ver.-Bl.  d.  Pfälzer  Acrzte.  April-Mai  1892.  VIII. —  Fr.  Be  tr,  Casuistik  d.  trau- 
laatiadMaBpilapiien.  Mem.  188S,  Nr.  s.  pag.  4ä:i  —  '<)  H.  Blasius  ,  UnfallTeniii-herungsgesetz 
and  Arst.  Nebst  einer  Abhandlung  „l  elter  L'nterleibsbrüche'*.  Berlin  Hl»2.  -  H.  Blasius, 
M.  gegen  L.  Berufsgennssenschaft,  traumati.Hche  Neuro.te  oder  traumatische  Zuckerkrankheit? 
Der ärztl.  Praktiker.  1S'.<3,  Nr.  5  u.  —  '")  Bollingor,  Ueber  traumatische  Spatapoplexic. 
Internat.  Beiträge  x.  wiasenscbaftl.  Med.  II,  pag.  457.  —  ")  Bonamaiaon,  Un  ctu  d'kj/iUri« 
traumatiqut.  Lyon.  mM.  Janr.  1891,  64,  pag.  81.  —  ")  L.  Bremer,  A  eontribution  to  tht 
sfufJi/  of  the  traumatic  iiruronis  fr(iihr(ii/-.--j>hii  '  The.\lieniBt  and  Nenrologiat  1889,  pag.  4H7.  — 
")  Bruns,  Zur  Casuistik  der  traumatischen  Neurose.  Neurol.  Centralbl.  1889,  Nr.  5  u.  6.  — 
'*)  Bruns,  Neuer.-  .\rl)fiten  tiber  traumatische  Nenrose.  Schmidt  s  .Jahrb.  CCXXX,  pag.  81. — 
")  B r  nns ,  Ibid.  CCXXXI.  pag.  21 .  —  ")  B  r  n  n  s ,  Ibid.  CCLXXXIV,  pag.  25.  —  B  u  n  t ,  Shock. 
New- York  med.  Ree.  XXXIX,  18.  —  *')  H.  Bnrger,  Laryngoskopische  Befunde  bei  traumati- 
scher Neurose.  l?ri]iii*r  klin.  Wochenschr.  1892,  Nr.  17  —  *")  Burghardt,  Fraktis(  iie 
Diagnostik  der  Simulation  von  Gefulilsläbmungen  etc.  Berlin  181^1,  3.  Aufl.  —  "^j  Bussard, 
On  tht  9im«laHoH  of  hytteria  hp  organie  dimuts  of  tht  brain.  Bratn.  XIII,  pag.  1.  -> 
""i  rhappnl.  Nfuraxthenic  neiiralgin  from  tiaumatisin  of  the  )i',se  ])tissai/e.  New-York 
med.  Ree.  XXX Vll,  19.  —  ")  Charcot,  Leu  accti/ints  de  chemiu  de  J'tr.  (iaz.  des  höp. 
MftralS'^S.  Nr.  140.  —  ")  Clutton,  ConcMiinon  in  the  spinal  curd  Lancet.  1891,  II.  17. 
pag.  928.  —  CQater,  Auch  eine  traumatische  Nenrae«.  Berliner  klin.  Wocheaaobr.  18^2, 
Nr.  31.  —  ^)  Co  SN  erat,  CoHtrihutto»  hVftuäe  de  Vhynti/nhtraumatisme.  Thtae  de  Nancy. 
ISTHi  —  Cramer,  Neuere  Arbeiten  über  die  traumatische  Neurose.  Münchenor  ni»'>l. 
Wochenschr.  1891,  Nr.  1  u.  2.  —  Crotters,  Home  carlif  psych.  Symptoms  of  traumnUc 
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24,  i>ag.  661.  —  Courtenay,  Case  of  traiimtitic  epilepnj.  New-York  med.  Ree.  1891, 
XXXIX.  IH,  pag.  871.  —  ")  Cullere,  Des  ueiaoses  con.sec.  aux  uccidents.  Ann.  med. 
p.«y.L  Mars,  Avril  1891,7.  S„  VIII,  2,  pag.  261.  -*")  Debove,  Union  m6d.  1889,  Nr.  1 1 12. — 
^'')  Der  com,  Thebaekinrailtcay-apine.  Joum.  of  nerv,  and  ment.  dis.  XVJ,  7,  psg.  408.  Amer. 
Jonm.  of  med.  sciences.  Sept.  1891.  N.  S.,  CII,  pag.  247.  —  **)  F.  X.  Bercnm,  Remark»  on 
spinal  iujiin'es  e/r.  Thrnp  Gaz.  May  1SS9,  pag.  —  *-l  F  X  Dercum.  Ilailudii  shock 
and  its  treutinent.  Therap.  Haz.  Oct.  Ibb9,  pag.  641I.  —  *  ')  I>i.^<  u.ssion  im  arstlichen  Vereine 
SU  Hamburg  fiber  traumati.sche  Neurose  am  1.  Dec.  1891.  Neurol.  Centralbl.  1892,  XI,  4, 
pag.  118.  —  **)  D'Oeuch,  A  m.»-  of  traumatir  purtilt/sis-  of  the  abdueent  and  oculomot. 
nerves.  New-York  med.  Ree.  April  1S91,  XXXIX,  14.  pag.  402.  —  *M  Donath,  Ueber  trau- 
mati.sche Neurosen,  Wientr  med.  Woelieuschr.  1^9'i.  .\L,  Nr.  31'  u.  40  —  *")  Donath,  Ein 
Fall  von  traumatischer  Neurose.  Wieuer  med.  Preääe.  XXXii,  19,  pag.  719.  —  *'J  Donath, 
Weitere  Beiträge  an  den  trsnmatischen  Kenrosen.  Wiener  med.  Wodtensebr.  18^,  XLII,  6, 
7.  —  *-)  Donkin,  y'ifi.s  nf  a  msr  of  (fisiirdired  siirriririifi  Joltoiriiig  oii  .«/i'xA*.  Brain.  XIV, 
2  u.  3,  pag.  3ij4.  —  *  l  Dubois.  lieber  traumatische  Neurosen.  Schweiz.  Correspondensbl. 
1891,  XXI,  17.  Is  —  )  Dunges,  Ueber  die  Verhältnisse  der  Sehnenreflexe  bei  Abkähloag 
der  Kürperoberflächc.  Inaug.-Diss.  Bonn  1889-  —  Ounin,  Einige  Bemerkungen  Aber  so« 
genannte  traumatische  Neuroj>e.  Deutsches  Arch.  f.  klia.  Med.  XLVII,  5  u.  6-  —  W.  Ebstein, 
Zur  Lehre  vom  traumaiiscben  Diabetes  meHitu».  Berliner  klin.  Wochenschr.  ISSSf.  Nr.  42«  43.  — 


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ÜNFÄ  LLNERVENKRANKHEITES'. 


777 


**)  Eisenlohr,  Berliner  klin.  Wochenschr.  1889,  Nr.  52.  —  Disciusioa 
Qber  tnnmatiache  Nenrosen  im  ärztlichen  Vereine  zn  Hamburg  am  1.  Dec.  18^1.  Neurol. 
Centralbl.  1892.  Nr.  4,  pa^,'.  116.  —  Eissen,  Ein  Fall  von  traumatischer  Nncle.-irliilimuug. 
Klin.  Monatsbi.  f.  Augenhk.  XXVIII,  pag.  ^1.  —  Klier  borst,  Ein  saltaaer  Fall  von 
truniAtiMsiier  Ifeniiigitia.  Iiiftiig.*I>iB8.  HanehMi  1890.  —  "*)  Elshols,  tMMr  tninDatbelM 
Neurose.  Wiener  med  Prosse.  XXXII.  48,  pag.  1833.  —  Everbusch,  Ein  Fall  von 
Neurnlgia  ciliari.s  tmumalica.  Münchener  med.  Wocheuscbr.  1890.  XXXVII,  Nr.  51.  — 
*•)  E.  D.  Fischer,  Cerebral  compression.  Jour.  of  nerv,  aud  ment.  dis.  Dec.  1890,  XV,  12, 
Mf .  827.  —  ^  Fischer,  Gesichtsfeldeineagaiig  bei  trauinatischer  Neurose.  Arch.  f.  An^nhk. 
iwl,  ZXIY,  2,  pag.  168.  —  ")  Frevnd,  DemoiiRtnitfon  einigar  Fille  von  tnMiinati«cli«r 
NeoToae.  Neurol.  Centralbl.  1891.  pa;;.  290.  —  *')  (\  S.  Frenad,  Ein  üeberblick  über  den 
gegenwärtigen  Stand  der  Frage  vun  den  sogenauuteii  traumatischen  Neurosen.  &lin.  Vortr. 
N.  F.  Nr.  51.  —  '^^J  C.  S.  Freund,  üeber  central  bedin^^e  optische  Hypertstbesls.  Neurol. 
Centralbl.  1892,  Nr.  17.  —  '*)  Freund  u.  Kajser.  Ein  Fall  von  Schreckneurose  mit  Ge- 
hSrsanomalien.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1891,  X'\^I,  31.  —  **)  Friedmann.  Ueber  eine 
besonders  schwere  Form  von  Folgezu-stamlcn  nach  Gehirner.-ichütterung.  Arch.  f.  Psych.  XXIII, 
pag.  230;  Deniscbe  med.  Woobeuschr.  XVII,  —  Friedmsnn,  Zur  Lehre  von  den 
Folgeznstlnden  oseh  OeMrasrsdifltteitiDf.  Nmirol.  GentoalbL  1891,  X,  13.  —  Galton, 
Trauinat.  )i(iiros(tJ  I'tiiiphiffus-.  Brit.  med.  Joum.  13  Juni,  pag.  12S2.  -  -  **)  Graaset, 
Le(on4  sur  l'hy.st^ro-trtiuinuti^ine.  Paris  1889.  —  '"J  M.  G  rü  n  w  a  1  d  ,  Einige  Bemerkungen 
in  Besng  auf  die  Bro.^ichure  dt-s  Prof.  Dr.  SeeligmüUer :  „Di«  Einrichtung  von  Unfallkranken- 
Uosem".  München  1891.  —  Gnisson,  Piogr.  mM.  189J,  16.  —  '■)  Guisäou,  Ueber 
die  Hysterie  nnd  ihr  Verbältnias  zur  Chirurgie.  Wiener  med.  Presse.  1891.  —  '*)  Güth, 
Ueber  den  diagnostischen  Werth  einzelner  Symptome  der  traumatischen  Neurose.  In.^iip.-Dis-.. 
Berlin  1890.  —  ")  Hall,  Üensor^  deranffement« /ollowntjf  intracerebral  ii\jurieii.  New-Yorlc 
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JIon;tt>.h.  New-Viirk  1889,  I,  Hell  -   *»)  Ihrig,   Trauma  ittdn  fellipdt.  ect.  Neurol. 

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1889,  Moser.  —  •*)  Pbil.  E.  Knapp  ,  Nercnuft  affections  follou-ing  injury  ect.  Journ.  of  nerv, 
and  ment.  di.s  Oct.  1888,  pag.  Ü21  ;  Boston,  med.  Journ.  Oct.  1883,  pag.  326 ,  421,  449.  — 
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Wochenschr.  1891.  XXVIII.  Nr.  31.  pss.724.  —  Kos  low,  Trsamatische  Lähmung  der 
Hnrnblsse  etc.  Med.  Obossen.  4.  • —  *")  K  Ott  mann,  üeber  den  Shoek  nnd  seine  Behandlung. 
>'rb\vcizeri.sLhes  Correspondenzbl  XXI,  24  —  K  recke,  l'ufallversichcrunR  und  ärztliches 
Gutachten.  München  16b9.  —  H.  Kriege,  Ueber  vasoiuotorische  Störungen  der  Haut  bei 
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traumatischer  Hysterie.  Wiener  med  Wochen.schr-  1890,  XL,  72,  Nr.  17.  —  '•'•)  F.  Kurtz,  Zur 
Frage  der  trauniatiscben  Neurose.  Inaug.-Diss.  München  1892.  —  "^■')  L aquer,  Arch.  f.  Psych. 
XXIII,  pag.  593.  —  "*l  C.  La u e ns  t ei  n ,  Beuieikungen  zu  der  Beurtbeilung  und  Behand- 
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12  FUle  von  Commotio  verteinraU's  apinali»,  respective  tranmatiseher  Netirose,  mit  specieller 
Berücksicbtitrung  der  objectivon  Symptome.  1890.  —  '*"")  Lehr,  Die  nervöse  Herzschwäche. 
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astheoie.  HQnchener  med.  Wochenschr.  1891,  Nr.  50—52.  —      John  Uacphersen,  Vacuo- 


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UKFALL2<£BV£1<KBAK£H£IT£N. 


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Möbius,  Weitere  Bemerkungen  über  Simulation  bei  ünfiilliienr«DkrMikea.  Mttlich«n«r 
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von  primärer,  einseitiger,  intracranieller,  traumatischer  Abdacenslähmuug  in  Folge  von  Basia- 
fraetnr.  Peteroburgar  med  Wocbontdir.  N.  F.,  VIII,  44.  —  Fr.  Scbvltao,  Uebw  Neu- 
rosen und  Neuropsychüsen.  Yolkmann'.s  Sanml  N.  F.,  Nr.  14.  —  '"")  Fr.  Schnitze,  Weiteres 
über  Nervenkrai.kheiien  nach  Trauma.  Ueutsihe  Zeitschr.  f.  Nervenhk.  I,  506.  —  '*')  Fr. 
Schnitze,  Zur  Lehre  von  den  Nervenkrankheiten  nach  Unfällen.  DetKtatäw Bud.  Wochenschr. 
1893,  Nr.  1.  —  Richard  Schnitze,  Ueber  traamatiache  Nenrosen.  DuMf.>Dias.  Er- 
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med.  Wochenschr.  XXXVII,  142.  —  "*)  Saal i gm  fil  1  e  r  .  Wnt.  re  Beitrage  zur  Frage 
der  traamatiscben  Neurose  ete.  Dentseh«  med.  Woebensehr.  Nov.  i^Ji,  XVII,  31—34.  — 
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1891.  —  Serien  X,  Sote  nur  un  cos  ilu  jxiralysie  ln/sti'ro-tniiimat.  Arch.  de 
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II,  18,  pag.  1014.  —  "^'')  Sperling-Eronthal,  Eine tranmatische Nenrose mit Seetfonsbefknd. 
Neur  il.  ( 'tiit  ralhl.  1889.  Nr.  11  u.  1^.  —  J.  St  ei  nthal,  Üeiträse  zur  iraumati.*;!  !i<n  Neurose. 
iuaug.-Diss  Berlin  1889.  —  "^•)  CS.  Stepp,  Beitrat:  zur  Beurtheilung  der  nach  schweren  Körper- 
erackatterungen  (EisenbabnunÄlien)  auftretenden  Störungen.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1889, 
Nr.  4.  —  .Arthur  Strauss.  lieber  den  Wertli  <les  .MunnkopflF'schen  Symptoms  bei 
Nerveuleiden  nach  Trauma,  Berliner  klin.  Wockenschr.  l'-y:;;,  Nr.  48.  —  Strttmpell, 
Ueber  die  tranmatiscken  Nenrosen.  Berliner  RUuik.  Berlin  1888,  Heft    —  "*)  S  t  r  A  m  p  a  1 1,  üebar 


ÜNFALLMEBYKHKBATIinfFSITBir.  —  ÜBEOHITES. 


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tmuDAtische  Ntnrose.  Mänchentr  med.  Wochenschr.  1889,  Nr.  II,  pag.  189.  —  0.  Thiem, 
Bdtiige  snr  Keuitniii  der  tr»in>tfachen  Mearoia.  Inaiig.«Diii.  Göttingen  1890.  —  *'**)  C.  T  h  i  e  m» 
BameriRiBgni  cor  Behandltnig  tind  B^taehtniif  der  ünfUlverletsten.  Tortrag.  Berlin  1892.  — 

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looDOgr.  de  la  Salp.  \hb^  ,  6,  pag.  '4.1"*.  —  Verhoogen.  Fructure.  compliqiUe  de  la 
jvmh*.  hteluiion  du  nerf  iibial  posterieur  dann  U  eal.  Hystirie  traumatique.  lUtuUat  du 
traiteinent  ^hctiique.  Gez.  hehd  l'-ft^,  XXXIX,  1.  —  Vetter,  Ueber  tranmatische 
Neurosen  etc.  Deutsches  Arch.  f.  kliii.  ikd.  Is91.  XLVI,  3  u.  4.  —  Vibert,  La  neurose 
traumatique.  Ann.  d'Hyg.  publ.  etc.  Aüut  WSi ,  XXVill,  2.  —  *")  Martin  Vogel,  üeber 
die  Kothwendigkeit  der  Einsetsuog  von  VertraaeasärjEten  etc.  A'erstL  YereiiisbL  t  DeotschL 
Jmii  1891,  pifT.  225.  —  Uartfii  To  gel,  ArMterftrsorge  und  Aente.  Dentaohe  n«d. 
Wocbenschr.  1892,  ^r.  2.  —  v.  Wagner,  Ueber  traumatische  Epileprie.  Wianer  med. 
Preese.  XXXII,  25.  —  '  Walton,  Coittribution  to  the  studij  of  the  traumat.  neuro- 
pttf/chose«.  Journ.  of  nerv,  and  ment  dis.  1890,  XV,  pag.  432.  —  ' '"j  W  i  c  Ii  m  a  u  n,  Casuistische 
Beiträge  sur  Elektrotherapie  der  traamatischen  Neurose.  Berliner  klin.  Wochenschr.  1889, 
Nr.  26.  —  '"*'(  Wichmann,  Der  Werth  der  Symptome  der  sogenannten  traumatischen  Neurose 
etc.  Brannsr  liwiir;  l^^H:.'  '  M  Wilbrand,  Ueber  typische  Gesichtsfeldeinengungen  bei  foilO» 
tionellea  Krankheiten  des  Nerveosystems.  Bericht  der  Hamborger  Kraakeahänaer  1869.  — 
***)  H.  Wilbrand,  Ueber  typiaeha  GesiclttaMdaiioinalieii.  Hamburger  Jahmb.  180Ot  "L, 
pag.  381-  —  "■')  Wülirand  und  Sänger,  Weitere  Mittheilungen  über  SehstAmgen  bei 
fluctionellen  Nervenleiden.  1890,  Ibid.  11.  —  Wilbrand  und  Sänger,  üeber  £e  Ver- 
laderungen  des  Gesichtsleldes  b"i  den  tranniatischen  Neurosen.  Deatacbe  med.  Wodienaehr. 
1892,  Jüx.  17.  pag.  379.  —  P.  Windacheid,  Ein  FaU  von  iaolirter  Läharnng  dea 
N.  musetdo-eutaneus  nebst  Bemerkungen  über  die  Simpfaebe  tramaatiaebe  Beaetion  der 
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certbraii«  traumatica.  1891.  —        Wol  flberg,  Der  quantitative  Farbensinn  bei  Unfall- 


Urechit68.  Wte  bei  der  Bereitung  der  meitten  afrikanisehea  Pfeilgifte, 
scheint  «aeh  bei  den  von  den  Bogenannten  Obi-Mftnnwn  (Ohea  mm)t  denZanberem 

der  Neger  auf  H.iiti  und  don  westindischen  Inseln,  verwendeten  Dingen  eine 
Herzg'il't  ein«;cl)liesscnde  F'flanze  eine  Kidle  zu  spielen.  Es  \i>.{  keinem  Zweifel  unter- 
worfen, dass  die  Negerzauberer  au8.-<er  ihren  f,Obis",  die  die  Obi-Mäoner  in  die 
Nihe  ihres  ans  der  Welt  an  sehafliBnden  Opfere  bringen  nnd  welehe  Gemenge 
von  Grftbemtaub,  Haaren,  Zahneu  von  Haifischen  nnd  anderer  Thiere,  BIut| 
Federn  u.  p.  w.  bilden,  auch  ein  reelle.s  Gift,  und  zwar  ein  Pflanzengift  gebrauchen, 
dessen  Uosirung  sie  so  einzurichten  vt-rstehen  sollen,  dass  sie  den  Eintritt  dee 
Todes  anf  Stenden,  Wochen,  Monate  oder  Jahre  bestimmen.  Dies  letztere  ist  nvr 
möglich,  wenn  sie  ein  starkes  cumulatives  Gift  besitzen,  das,  in  kleinen  Dosen 
verabreicht,  anfang.s  kaum  Be'^eh werden  macht,  aber,  indem  es  s'oh  .allmäb'g  im 
Körper  anhäuft,  plötzlich  tödtlieheu  ElTeet  herbeiführt.  Ein  solches  Gift  enthält  die 
in  Westindien  verbreitete  Apocynee  Urechites  su  ber  ecta  Müll.  Argov. 
(Eehiie»  tubereeia  Sw,^  J?.  Nertandra  Chi$.) ,  ein  RUmmstraneh  mit  hellgelben, 
ansehnlichen  Plumen ,  der  in  seiner  Heimat  als  „SaTanncublume'*  oder  „gelb- 
blUthiger  Nachtschatten"  bezeichnet  wird.  Di(>  Blumen  und  sämmtliche  grtlne 
Tbeile  der  Pflanze  find  bitter  und  scharf  und  rufen  gekaut  Anschwellung  des 
Hnndes  und  trocken  gepulvert  und  geschnnpft  heftiges  Niesen  hervor.  Schon 
1878  isolirte  Bowrbt  ^)  ans  der  Pflanze  zwei  krystallinisehe  Glycoside,  die  beide 
in  LiSsungen  stark  bitter  sehmeeken.  Das  in  kaltem  Walser  jranz  unlösliche  Glycosid, 
Urechitin,  ist  in  frischen  Blättern  zu  '/o  o  vorhanden.  Da.s  in  40.000  Th. 
kaltem  Wasser  lösliche  Glycosid  Urecbitoxiu  bringt  auf  der  Zunge  neben  dar 
bitteren  Gesehmaekscmpfindnng  aneh  Kriebeln  nnd  SehwellangageflUil  hervor.  Beide 
schliessen  sich  in  ihrer  Wirkung  dem  Digitalin  ausserordentlich  nahe  an  und  rufen 
heim  Frosche  in  geeigneten  Dosen  exfpii-jiten  systolischen  Herzstillstand  und  bei  Warm- 
bltlteru  die  für  Digitalin  charaktcrisiischcn  Veriloderuugou  des  Herzschlages  und  des 
Blntdmekes  hervor,  üreehitin  ist  stirker  giftig  als  Ureehitozin  nnd  kann  bei 
Fröschen  selbst  zu  V40  Mgrm.  systolischen  Herzstillstand  hcrbeiftlhren.  Auf  die  Gefässe 
wirken  beide  Körper  nicht  cnntrahirend.  Bemerkenswerth  ist,  datis  sie  bei  sub- 
cutaner injection  erst  febr  spät  ihre  Wirkung  zeigen,  vielleicht  in  Folge  von  Ketention 
in  den  Muskeln,  während  bei  intravenöser  Application  der  toxische  Effect  anf  daii 
Hera  sehr  rasch  stattfindet.  Es  liegt  somit  nahe  anzunehmen,  dass  andi  die 


SeeligBtller. 


780  URECHITES.  —  ÜTEBÜSBUPTÜR. 

cnmolativen  Effecte  der  Digitalis  den  activen  Principien  in  Urechite»  zukommen, 
vielleicht  mgur  in  noch  höherem  Grade .  und  da  es  den  Obi-M8nnern  eben9o»at 
möglich  ist,  wie  iii  der  Nähe  ihrer  Opfer  die  sogenauntea  Obis,  so  auch  in  deren 
'SpeiMii  kleine  Ifeageii  der  getroekneten  CJraoUteeblttter  in  bringen,  so  wArde  ee 
Bich  erklaren,  dass  eie  den  tOdtlidien  Effect  für  einen  lingeren  Zeitraum  Teram- 
ugen  kOoneu.  -) 

Literatur:  *)  Bowrey,  Joam.Cbem.Sac.  XXXIII,  pag.  252.  —   ')  Stock» 
man,  Labwat  Bep.oftheB.  OoH. Physie. Edinb.  V,  pag.  64.  Hasemann. 

Urobilm,  8.  Harn,  pag.  374;  Harnfarbätoffe,  pa?.  402. 

Uroerythrin,  s.  H  :i  r  n  farbstoffe,  pag:.  396.   —  Uroh.lm«tin, 
Urorubrohämatin,  ibid.  pag.  400.  —  Uroroseia,  ibid.  pag.  410. 

UterUSruptUr.  Einer  der  gembriicbsten  Zwiscbenßllle ,  der  weh  «Ih- 

rend  der  CJeburt  ereignen  kann,  ist  die  Zerreissung  des  rtcriis. 

Der  Erste,  der  eineu  Fall  von  spontaner  L'terusruptur  erwähnt,  ist 
JkBVLKASBM^)  nnd  nieht,  wie  Bobb>)  meinte,  StalpatüS  van  deb  Wiil.  1584 
theiit  F&ux  Plater  und  1593  Fabriciüs  Hildaxus  dnen  Fall  mit  und  Letsterw 
citirt  auch  zwei  einschliigigc  Reohachtiinst-n  CnuxARirs".  JA(irES  Guh.lemfai" 
soll  der  Erste  gewesen  sein,  der  die  Uternsruptur  erkannte.  MadricBAO  wies, 
wie  diee  historisoh  Bichergeatellt  ist,  die  Ruptur  in  einem  Falle  an  der  Leiehe  nneh. 
Am  den  ceitgenOaeieehen  Werken  Subllib's  «),  Lbvrbt's  *),  de  la  Holtb's  •)  u.  A. 
I98st  sich  entnehmen ,  das»  die  Kenntniss  der  Uterusruptur  im  XVIII.  Jahr 
hundert  bereits  allgemein  verbreitet  war.  Allerdings  aber  war  sie  mit  der  falschen 
Anschauung  verquickt,  dass  der  Riss  durch  ausserordeutliche  und  heftige  Bewe- 
gungen der  Fmeht  su  Stande  komme.  Wenn  aueh  bereits  Smbllib  eetne  Stimme 
gegen  dieie  falsche  Anschauung  erhob  und  darauf  hinwies,  dass  der  Eintritt 
dieses  Ereiirni<-i<-^  durch  die  Gegenwart  eines  engen  Beckens  }>ediiigt  werde,  so 
erhielt  sich  dieselbe  duch  noch  bis  in  den  Beginn  unseres  Jahrhunderts  hinein, 
wie  sieh  dies  ans  den  Schriften  6.  W. Stbdi's  des  Neffen*)  entnelimen  Usst, 
in  denen  von  fillrohterlicben  Convulsionen  des  Kindes  und  einem  von  daher  au 
besorgenden  Sprunge  der  Gebärmutter  gesprochen  wird.  Erst  der  Autoritit  J.  C. 
BAUDELonii  K's  des  Aelteren»),  des  gefeiertesten  geburtshilflichen  Schriftstellers 
seiner  Zeit,  gelaug  es,  der  riobtigeu  Auschauuug  Uber  diu  Actiologie  der  Uterus- 
mptvr  Balin  lu  brechen.  Er  wies  die  «etive  Betheiligung  der  Fmdit  anrflck 
nnd  Buchte  die  Ursaehe  der  Ruptur  in  einer  durch  die  lan^^e  Dnuer  der  Geburt 
oder  durch  die  (iegenwart  des  engen  Beckens  l)ewirkten  Schwächiin?r  der  l'terus- 
wand.  Gleichzeitig  unterschied  er  schon  zwischen  Zerreissung  und  Durciireibung 
der  ütemswand.  F.  B.  Osiakdrb  »),  der  bekannte  Gfittinger  Geburtshelfer,  meinte, 
es  seien  gewaltsame  Uteruscontraeüonen  bei  Gegenwart  eines  engen  Beckens, 
welche  den  rterns ,  im  Momente  einer  starken  Wehe,  zum  Bersten  bringen. 
Eine  locale  Verilnderung  als  Ursache  kiuinc  man  nur  dann  annehmen,  wenn  die 
Kuptur  im  Beginne  der  Geburt  eintrete.  Gleichzeitig  macht  er  auf  die  Gefahr 
dw  violenten  Uternsruptur,  die  besonders  leieht  bei  der  Umdrehung  der  Fmeht 
SU  Stande  komme,  aufmerksam.  A.  E.  SiEBOLD  i^)  beschreibt  die  wohl  früher 
schon  von  BArnKi.oc (^'e  erwähnte  unvollständige  Tterusruptur ,  bei  der  der 
PeritonealUberzug  des  Uterus  nicht  mit  zerreisst,  zuerst  klar  und  wahrheitsgemiUs. 
In  spaterer  Zeit,  um  die  Mitte  unseres  Jahrhunderts,  spricht  die,  namentlieh 
von  KiwisCH  >-)  und  Scanzoni  verfoehtene  Prädisposition  der  Uteruswand  zur 
Kuptur  als  -Uinlogisclics  Moment  eine  grosso  Rolle.  Sie  (.iiid  ihre  scheinbare  Be- 
gründung darin,  da.ss  sich  der  zu>iamniengezo;reiie  puerperale  Uterus  nur  sehr  schwer 
künstlich  zerreisscn  lä.s.st.  lu  ein  neues  Stadium  trat  die  Lehre  von  der  Uterus- 
rnptnr,  ak  1875  Bakdl'8>*)  Werk  Uber  dieses  Thema  erschien.  Er  brachte  in 
die  wirren  Anschauungen  Ober  die  Aetiolou'ie  der  Uterusruptur  dadurch  erst  Klar- 
heit, dass  er  nachwies,  dass  der  Sitz  der  Ruptur  im  unteren  Uterusaegmente 


UT£BUSBUrTUB. 


781 


liege  and  sie  dnrch  UeberdebDnng  dieses  Tbeiles  von  Seite  des  vorliegenden 
Friichttheiles  zu  Stande  komme.  (Gleichzeitig  trennte  er  die  Ruptur  scharf  von 
der  Durcbreibung  ab.  Dass  er  in  seinen  Anscbauungen  über  die  topographiscben 
VeriilUiiiflse  der  Ritntdle  niebt  mit  Scbrödbr  ttod  detaen  Sebnle  llberanatimmt 
und  die  Rissstelle  in  die  ausgedeliDto  Cervix  verlegt,  während  Scbrödsb  and 
dessen  .'^chule  in  richtigerer  Anschauung  den  unteren  Abschnitt  des  Corpus  als 
jene  Partie  ansehen,  die  bei  spontaner  Ruptur  zur  Berstung  kommt,  mindert 
seine  Verdienste  um  die  Lehre  dieses  Capitels  der  Gebartsbilfe  in  keiner  Weise, 
ebensowenig  der  Umstand,  dass  er  die  Eänklemmong  der  Mnttermnndelippen 
zwischen  dem  vorangehenden  Fruchttheile  und  der  knOchernen  Beckenwand  als 
nothwendige  Vorbedingung  de»  Entstehens  der  Ruptur  ansiebt,  eine  Anschauung, 
die  gleichfalls  von  Schbudkr  und  seiner  Schule  bekämpft  wird.  Andererseits  aber 
darf  nneh  wieder  niebt  vergessen  werden,  daas  Bamdl  aebon  seine  Vorllnfer 
batte.  6.  W.  Stein  der  Neffe i*^)  nahm,  trotz  saner  oben  angeführten  An- 
schauungen .  an .  dass  die  nicht  seltenen  Rupturen  am  Oebflrmutterhalse  bei 
engem  Becken  dadurch  entst.lnden,  dass  der  Kopf  der  Frucht,  wenn  er  nicht  in 
das  Beeken  eintreten  könne,  an  dem  Becken  abgleite  nnd  nnter  dem  fernem 
Webendrange  als  Keil  gegen  die  Sdta  der  Cervix  wirke,  daber  denn  aneb  diese 
Rnptnren  nie  anders,  wie  an  den  Seiten  des  Halses  nnd  nie  bei  eingekeiltem 
Kopfe  vork.'lmen.  Andererseits  wieder  war  es  Michaelis  "M,  der  hervorhob,  dass 
die  Actiou  der  Bauchniuskuiatur  bei  Gegenwart  des  engen  Beckens  eher  eine  fUr 
den  Utems  sebtttzende,  als  gegentbdHge  Wirkung  babe.  GleiebBcitig  war  er  der 
Erste,  der  in  einem  Falle  das  Eintreten  dieses  ZwisebenfUles  voraussab  nnd  sieb 
dabin  aussprach,  die  sjxmtane  Ruptur  könne  auch  bei  massiger  Reckenverengung 
vorkommen.  Anklänge  au  die  BA^DL'schen  Ansichten  tinden  sieb  weiterbin  auch 
bei  Babnbs.!^  Bei  aller  Anerkennung  BAin>L*s  Maat  sieh  niebt  leugnen,  daas 
seine  Anschauungen  nach  einer  Richtung  hin  einseitige  amd,  da  sie  die  Entstehung 
der  Ruptur  im  frühen  (iehurtsbeginne,  bei  Schwangeren  und  die  Entstehung  der 
Ruptur  im  Fundus  nicht  erklären.  Nach  dieser  Richtung  hin  gebührt  Frei  nd  junj") 
das  Verdienst,  die  Aetiologie  dieser  Rupturen  wissengcbaftlich  klargelegt  zu  haben. 
Die  forensisebe  Bedeutung  der  üterusruptur  wurde  suent  von  Putsch**)  und 
LOEWY  20)  gebührend  gewürdigt,  während  Habris^i)  als  Erster  darauf  aufmerksam 
macht  ,  dass  die  traumatischen  nicht  geburtshilflichen  Rupturen  des  sehwanirpren 
Uterus  eiue  weit  günstigere  Prognose  geben,  als  man  bisher  allgemein  annahm. 

In  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Fllle  ist  der  Eintritt  der  üterus- 
ruptur auf  nn  mechanisches  Missverhältniss  zwisehen  dem  vorliegenden  Frucht- 
theile iiinl  dem  Reckencanale  zurückztifflhren ,  gleichgiltig ,  wodurch  das'ielbe 
bedingt  wird ,  ob  durch  ein  enges  Becken ,  einen  abnorm  grosseu  Fruchtkopf 
(einen  Hydrocepbalus),  eine  ungünstige  Einstellung  des  letzteren,  eine  (Querlage 
u.  dergl.  m. 

Die  Austreibung  der  Frucht  ans  dem  Uterus  beruht  nur  darin,  daas  die 
obere  Utcmshulfto  (der  Fundus  und  die  obere  bis  zum  sogenannten  Contmctions- 
ringe  herabreicheude  Partie  des  Corpus)  eine  stärkere  Muskelwand- besitzt  als  die 
untere,  denn  wäre  die  Dieke  der  Huskelwand  allseitig  eine  gleiche,  so  würde, 
wenn  die  Wehentbatigkeit  wirkt,  die  Frucht  ringsum  gleiehmässig  comprimirt 
werden  und  krmtite  trotz  der  unteren  Oeffnung  dea  Organes,  dem  Muttermunde, 
nicht  exprimirt  werdeu. 

Dadurch,  das«  das  obere  Uteruasegment,  und  zwar  namentlieh  der 
Fundus,  eine  bedeutend  diekere  Muskelwand  beeitzt,  drängt  er  im  Oebnrtsbeginne 
den  vorliegenden  Fruehttheil ,  für  gewöhnlieh  den  Kopf,  in  das  untere  schwach- 
wandi^re.  Letzteren  wird  schliesslich  mit  der  Scheide  in  einen  i^ehlauch  um- 
gewandelt, der  der  Frucht  nur  einen  passiven,  aber  keinen  activen  Widerstand 
entgegenzusetaen  vermag.  In  Folge  des  Widerstandes,  den  der  Beekenboden 
anfangs  dem  vorliegenden  Fruchttheile  entgegenstellt,  wird  das  untere  Uterin- 
aegment  nicht  blos  seitlich  nach  allen  Richtungen  hin  ausgeweitet  (wodurch  der 


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782 


DTERÜ8RDPTÖB. 


Muttermund  erött'net  und  Bobliesslich  zum  Verstreichen  fi^ebracbt  wird),  sondern 
gleichseitig  auch  stark  verlängert.  Compensirt  kann  diese  Verllngeruog  nur 
dadnroli  worden,  daas  das  oben  Uterinacgment  in  die  HAhe  steigt<  Uebenin- 

stimmend  damit  finden  wir  im  Geburtsbeg:inne ,  dass  der  Uterns  schmäler ,  sowie 
lanprer  und  das«  sein  Fundus  massiger  geworden  ist.  Der  vorliefrende  Fnirlittheil 
wird  demnach,  um  pich  kurz  auazudrücken,  in  das  untere  Uteringefrmeut  hinein- 
geboren. Das  Empwsteigen  des  oberen  Ulerinse^entes,  reete  das  Hineinpeboren- 
werden  weiterer  FmehtabBchnitte  in  das  untere,  hat  schliesslich  seine  Cn  n/m. 
Der  FuiiduH  vteri  ist  nach  unten  zu  an  das  Hecken  fixirt,  und  zwar  durch 
die  Ligninefita  rotunda ,  er  kann  daher  nicht  weiter  in  die  Höhe  steigen.  Der 
Beckenboden  giebt  sohlieaalicb  dem  Drucke  naeb,  die  Vagina  weitet  sieb  ans 
und  nimmt  in  demselben  Maase  als  der  Fondus  (nntersttltzt  dnreh  den  Draek 
seitens  des  Zwerchfelles)  durch  f'ontraction  seiner  dicken  Wand  einen  I>ruck  auf 
das  obere  Kisefrment  ausübt,  die  iSijitze  des  unteren  Eipoles  in  sich  .-uif  l'nter 
normalen  Verhältnissen  erfolgt  bei  diesem  Vorgänge,  trotz  der  Aus/.erruug  des 
nnteren  Uterinsegmentes,  keine  Zerreissnng  des  letsteren,  weil  der  Kopf  in  das 


Fig.  10». 


F.C  Fundaa  Uteri.  o..f.  Oritlr.  intern.,     i..  oiitk.  lAtMii  .  /  /.  /<.  LIf.  itttoiid. d«xtr.. 

<\  C.  Ct'i\i\  Uten,  V.  S.  Luterea  Lleriusfjjiimnt- 

kleine  Ikeken  eintritt,  wodurch  diese  Ausweitiinjr  und  Auszerrunsr  behoben  wird. 
Als  weiterhin  gUustig  kommt  noch  der  Umstand  hinzu,  dass  in  dem  Masse,  als 
der  Kopf  im  Becken  herabtritt,  avdi  der  Fundus  herabsteigt  nnd  damit  eonse- 
eutiy  dea  Weiteren  die  nmsehriebene  Ansseming  des  nnteren  üterinsegmentes 
ttberhanpt  aufhr^rt. 

(iauz  anders  i^estalten  sich  die  VerliältuisHc ,  wenn  der  voranirehende 
Fruchttheil  in  Folge  räumlicher  Missverhiiltnisse  zwischen  ihm  und  dem  Becken 
(gleiebgiltig  ob  dies  dareh  eine  Vereogernog  des  letsteren,  eine  nngfinstige  Ein- 
Htellnug  des  Kopfes,  eine  ungewöhnliche  Grösse  desaelbeii,  eine  Querlage  u.  dergl.  m. 
bedinfrt  isti  nicht  gehörig  in  letzteres  eintreten  kann,  so  d.is-?  die  Geburt  per 
vias  naturales  unmöglich  wird.  Die  Geburt  geht  trotzdem  vor  sich,  aber  mit 
einem  in  der  Ueberzahl  der  Fille  sowohl  fflr  die  Bfntter  als  die  Pracht  angflnstigen 
Ausgange. 

Es  werden  immer  weitere  Abschnitte  der  Frin  lit  in  das  untere  l'terin- 
segnient  hineiufreboreu  und  stei^rt  dementsprechend  der  Fundus  mögrliehst  weit 
empor,   sich   gleichzeitig   auf  das  gröbste  Mass  contrahircnd.    Damit  Uberein- 


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UTERUSRUPTÜR. 


783 


»timmcDd  tritt  durch  die  Rauchdecken  die  ««ich  scharf  absetzende  Grenze  zwischen 
dem  oberen  sich  möglichst  verdickenden  Uterinsegmente  und  dem  Übermässig 
ausgedehnten,  verdünnten  unteren  (gebildet  von  dem  unteren  Abschnitte  des 
Corpus  unter  verschieden  weit  reichender  Mitbetheiligung  der  Cervii)  als  quer 
oder  mehr  oder  weniger  schräg  verlaufende  Furche  (der  sogenannte  Contractions- 
ring)  deutlich  hervor.  Nebenbei  fühlt  man  die  stark  angespannten  Ligamenta 
rotunda  bei  gleichzeitiger  Fixation  des  ganzen  Uterus.  (Ist,  was  häufig  der  Fall, 
der  Uterus  etwas  mehr  um  seine  Längsachse  gedreht,  so  fühlt  man  nur  das  nach 
vorne  zu  gerichtete  Ligamentum  rotundum,  und  zwar  zumeist  das  rechte.)  Die 
straff  gespannten  Strängen  gleichenden  Ligamente  lassen  sich  vom  Fundus  bis 
zu  den  horizontalen  SchambeinäHten  verfolgen.  Ausserdem  wölbt  sich  das  untere 
Uterinsegmeot,  in  welches  die  vorangehenden  Frucbttheile  hineingetrieben  werden, 
deutlich  hervor  (vergl.  Fig.  108  und  Fig.  109). 


Fi  f.  109. 


C.Ii.  CoutractiousHng,  /.  r.  Ligamentum  rotimdiim,  o.  i.  Oriflc.  nt.  intern.,  o.e.  Oriflc-  at.  extern. 

Schliesslich  reisst  der  untere  Abschnitt  des  Corpus  unterhalb  des  Con- 
tractionsringfs  an  einer  durch  den  Druck  am  meisten  verdünnten  Stelle  ein  und 
tritt  die  Frucht  verschieden  weit  durch  diesen  Riss  hervor.  Die  Wirkung  der 
Bauchpre^so  wird  den  Eintritt  der  Ruptur  beschleunigen  und  befördern ,  doch 
muss  der  Riss  schliesslich  auch  da  eintreten,  wo  die  Bauchpresse  nicht  mitwirkt. 
Wenn  auch  die  gezerrten  Muskelfasern  des  überaus  gedehnten  unteren  Uterin- 
segmentes im  Hcginne  nur  alUniilig  auseinanderweichen,  so  tritt  doch  die  eigent- 
liche Ruptur  immer  nur  während  der  Akine  einer  Wehe  ein.  Befördert  wird  der 
Eintritt  der  Ruptur  zuweilen  durch  Körperbewegungen  der  Kreisseuden ,  so  sah 
ihn  beispielsweise  MOKSBERG  2-)  bei  Stuhlabsetzen,  Hofmkikr-»)  bei  Aufsetzen  und 
Vors  -*)  bei  Umdrehung  der  Kreissenden  im  Bette  erfolgen. 

Die  Uterusruptur  kommt  namentlich  dann  zu  Stande ,  wenn  die  Ueber- 
dehnung  des  unteren  Uterinsegmentes  eine  ungleichmässige  ,  namentlich  einseitige 
ist.  Daher  beobachtet  man  sie  bei  Schädellagen  häutiger  an  der  dem  Hinter- 
haupte entsprechenden  Seite  und  bei  Querlage  an  der  Seite,  in  der  der  Kopf  liegt. 


784 


UTERUSRUPTüB. 


Die  8cBBöDUt*8che  Schale  —  Vbit'^)  —  legt  entgegeo  der  BANDL'^eheii 
Anscbanangr,  der  sich  auch  Fredxd  jun  ^ej  ansehliesst,  anf  die  Einklemmnng 
des  MattermundsMumes  z-wiechen  dem  voraasgebeodeD  Frucbttheile  and  der 
knAdienoi  Beekenwand  als  ein  wichtiges,  die  Raptnr  nach  sieh  siehendw  Ifmnent 
kein  Gewicht.  Kacli  ihrer  Anschauung  ist  diese  Einklemmung  für  den  Mechanismus 
der  Ruptur  an  sich  gleichmütig.  Durch  die  Kraft,  welche  das  untere  Uterin- 
t^eginent  dehnt,  wird  der  ganze  Durchschnittsschlauch  nach  oben  in  die  Höbe 
gezogen,  bis  die  bindegewebigen  Befestigungen  desselben  an  der  Beckenwand  ein 
weiteres  Emponiehcn  uniDOfHch  machen.  Die  von  Baitol  geanehte  Fixation  der 
unteren  Grenze  des  gedehnten  Theiles  wird  naoh  ihrer  Ansicht  nur  zum  Theil 
durch  den  Kopf  und  seinen  Druck  auf  die  Cervix  hergestellt,  in  bei  weitem 
höheren  Grade  dagegen  durch  die  natürlichen  Verbindungen.  Wichtig  ist  es  nach 
ihr,  noch  noch  daran  fertanhatten ,  daas  der  obere  Theil  dce  ütcrnakArperg ,  der 
Hohlmuskel,  sich  nicht  unbegrenzt  nach  oben  in  die  Höhe  ziehen  kann,  weil  jeder 
derartigen  Bewegung  die  in  Folge  ihrer  gleichzeitigten  Contraotinn  an  sich 
gespannten  Ligamenta  rotunda  nur  bis  zu  einem  gewissen  Grade  folgen,  um  dann 
einen  definitiven  Widerstand  xu  finden.  Ana  diesen  YerhUtniaRen  entnimiai  aie, 
dan  der  Mcchaniunna  der  Entstchnng  der  üterusruptur  auch  vollkommen  anf 
jenea  der  Zerreissnng  der  Cervix  oder  de.^  oberen  Vairinalabschnittcs  Ubertragen 
werden  kann.  Dasg  aber  die  Cervix  und  der  obere  Vaginalabschnitt  für  trcwrihnlich 
nicht  zuerst  darchreissen ,  sondern  dass  daa  untere  Uterinsegment  die  Ötelle  itst, 
die  auerst  mpturirt,  erklirt  de  daraoi,  daaa  sich  aehon  im  Beginne  der  Gebnrtf 
noch  vor  dem  Anaeinanderweichen  der  Cervix,  daa  nntere  üterinaesment  avara- 
dehnen  beginnt. 

Isach  F&BUND  jun.  dagegen  iat  das  Zustandukommuu  der  typischen  Risse 
dca  unteren  Uterinaegmentea  an  die  Einklemmnng  der  Mnttennnndslippen  gebunden, 
doch  wirkt  zu  dem  Znatandekommen  des  Risses  ausserdem  auch  der  bei  jeder 

Wehe  gesteigerte  intrauterine  Druck  mit.  Diese  Kinklemmmig  der  Muttermunds- 
lippen erfolgt  namentlieh  hei  allgemein  vereugtem  Heckeu  und  bei  gewissen 
Formen  des  uugleichmäs&ig  verengten,  nicht  leicht  dagegen  bei  dem  platten 
Becken,  welebea  gerade  Bamdl  hervorhebt,  höehatena  nur  bei  mlasigen  Ver- 
engern ng^graden  dieses  Beckens.  Bei  Querlagen  findet  keine  Einklemmung  der 
Mnttermund?*lippen  statt .  daher  kann  es  bei  ihnen  nicht  zu  einer  Ruptur  de^ 
unteren  l'terinsegmentes  kommen.  Da,  wo  man  meint,  dass  wegen  bestehender 
Qnerlage  der  Uterus  aerreisse,  liegt  keine  aolche  Ruptur  vor,  da  bei  einer  aolohen 
das  Znatandekommen  der  Einklemmung  der  Muttermundslippen  unmöglich  ist.  Dies 
kann  nur  bei  Sehieflagen  mit  tiefem  ITerabtreten  de«  Kopfes  geschehen ,  bei 
denen  die  Möglichkeit  der  Kinklenimung  durch  den  Kopf  vorliegt.  Es  handelt 
sich  demnach  in  solchen  Fällen  um  Schieflagen,  nicht  aber  um  Querlagen.  Von 
den  Hydrocephalen  kOnnen,  flbcrcinstimmend  mit  seinen  Ansehanungea ,  nach 
Frkuxd  jun.  nur  solche  mXsaigen  Grades  mit  geringerem  Kopfumfange  und  relativ 
noeh  entwiekeltcren  flachen  Schädelknochen  die  Muttermundslippen  einklemmen, 
daher  eine  Ruptur  erzeugen,  nicht  aber  hochgradige  Formen. 

BA2IDL  macht  darauf  aafinerksam ,  dass  namentlieh  Mehrgebirende  inr 
Ruptur  ineliniren.  FrstgelArende  sind  im  Allgemeinen  iregen  dieses  Ereigniss 
geschlitzter,  weil  ihre  I  tt  rusmusculatur  stratfer,  daher  wider.'itandsfilhiger  ist.  Das 
Gleiche  gilt  von  ihren  üauchdecken.  Wird  bei  ihnen  das  untere  üterinsegment 
auch  stark  gedehnt  und  ausgezerrt,  so  bietet  die  Straffheit  und  grossere  Unnaoh- 
giebigkeit  ihrer  Uterusmuscnlatur  nnd  äusseren  Bandidecken  doch  dnen  gewisaen, 
nicht  zu  unterscbfitzeuden  Schutz  gegen  den  Eintritt  der  Ruptur.  Dazu  kommen 
noch  bei  ihnen  andere  günstige  rnistände  in  lietracht.  Ihre  Frflchte  sind  im 
Mittel  kleiuer,  als  die  Mehrgeschw.^ugerter  und  pniseutiren  sich  dieselben  eben- 
falls wieder  in  Folge  der  grösseren  Straffheit  des  Uterus  nnd  der  ftusseren  Banch* 
decken  seltener  in  Querlagen.  Gerade  das  Umgekehrte  findet  sich  bd  Mnltiparen. 
Die  Wandungen  des  unteren  Uterinsegmentes  sind  bei  ihnen,  ebenso  wie  die 


uiym^L-ü  Ly  Google 


UTERUSRUPIDR. 


78& 


.niisst  ron  Baiicbdecken,  schlaffer,  nebenbei  noch  besteht  eine  DiastMe  der  geraden 
Bauchimiskt'ln ,  ho  da>;s  das  nntfrt^  rti'rinsefrment  nicht  blos  an  sich  wenigrer 
widerstand-jf.lhi^'er  ist,  sondern  nebenbei  noch  an  den  äusseren  Bauchdecken  einen 
geringeren  Halt  flodet.  Dabei  sind  die  Ligamenta  rotunda  von  früher  her  nach- 
giebiger nnd  werden  sehen  im  Geburtobeginnef  ohne  erfaebliehen  Widerstand 
leisten  zu  krtnnen  ,  stark  gedehnt.  Alle  diese  ung-tinstigen  Umstände ,  snwie  die 
hier  anzutreffende  ebenfalls  nicht  fricichgiltige  Schlaffheit  der  Vagina  fuhrt  er  auf 
eine  mangelhafte  Involutiun  aller  dieser  Theile  nach  vorausgegangenen  Geburten 
snrtlek.  In  gleieher  Weise  nahezu  drilekt  sieh  Fbeünd  jnn.  anSf  der  einen 
•olohen  von  früher  her  ausgezerrten  erschlafften  Uterus  als  einen  nicht  normalen 
ansieht.  Kr  meint .  dass  die  von  früher  ansgesackte  Wand  des  unteren  l'terin- 
aegmentes  atrophisch  »ei.  Das  Muskelgewebe  sei  theilweise  auf  Kosten  ueugebiideteu 
Bindegewebes  m  Omnde  gegangen  and  glaubt  er,  dass  diese  Atrophie  des  unteren 
Uterfnsegmentes  Folge  von  stattgdnbten,  bei  froheren  Geburten  erfolgten»  nnvoll- 
ständiiTcn  Rupturen  sei.  Winter-*')  meint,  und  gewiss  nicht  mit  Unrecht,  dass 
der  Hydroi'cj)halus  schon  in  der  Schwangerschaft  eine  Prildisptoition  zum  Ein- 
tritte der  Huptur  schaffe,  da  er  durch  längere  Zeit  hindurch  das  untere  Uteria- 
S4^ent  an  einer  nmsehriebenen  Stelle  avsweite  und  verdfinne.  In  gleieher  Weise 
wirkt  der  Knpt'  '  ei  einer  sehon  in  der  Sebwangerachaft  bestehenden  nnd  lange 

Zeit  hindurch  anhaltenden   queren  liaorerung  der  Frucht. 

In  den  I'illlen,  in  denen  es  aus  verschiedeoeD,  weiter  unten  auzufilhreudeu 
Orflnden  nicht  aar  EinklMnmung  der  Hnttennandslippen  koinmt,  wird  naeh 

Freckd  jun.  der  vorangehende  Frachttheil  in  den  oberen  Abschnitt  der  Aber 

den  Beckeneiniraiiir  liinaufirrzerrten  V:iirina  hiticiui'-fbnrcn  und  tritt  die  Zerreissung 
in  diesem  ein,  d,  Ii.  eiue  Rujttur  des  Seheiden^'^Lwulbes -'') ,  weil  diese  Partie 
dann  der  meist  gespannte  Theil  des  Geburt^schlauches  ist.  Unmöglich  ist  eiue 
Binklemmnng  bei  reiner  Querlage,  bei  eiquMt  grossem  Hydroeephalns,  bei  Riesen« 
frttchten,  Fruchten  mit  Hydropsien,  Tumoren  n.  dergl.  m.  Nicht  leicht  mOglieh 
ist  eine  Kinklemmnng  bei  ])latteii  Recken  ,  namentlich  itei  hochgradigen  solchen. 
In  allen  diesen  Fällen  werden  die  Muttermundslippen  nicht  oder  nicht  leicht  ein- 
geklemmt, weil  der  Beckeneiugang  den  vorliegenden  Fmehttbeil  nieht  aufzunehmen 
im  Stunde  ist  nnd  sieb  der  Muttermundsrand  über  letzteren  zu  retrahiren  Ter> 
mag.  Es  kann  sogar  nach  Frefm»  jun.  -  •  l  in  blosser  HiHigebauch  ohne  Gegen- 
wart des  engen  Beckens  aus  gleichen  Gründen  eine  Ruptur  des  Scheideogewölbes 
nach  sich  ziehen. 

Die  Fälle,  in  denen  der  Fundus  zerreisst,  sowie  die,  in  denen  die  Ruptur 

schon  in  der  Sehwantrerschaft  eintritt,  selbst  in  frühen  Monaten  der  letzteren,  die 
Falle,  in  denen  der  Uterus  in  einem  fnlhen  Geburtsstadium  zerreisst,  in  denen 
daher  noch  keine  Kede  von  einer  exquisiten  Auszerrung  dt>s  unteren  Utcrussegmentes 
sein  kann,  Uternsrupturen,  denen  die  pramonitorisehen  Symptome  mangeln,  wurden 
von  Baxdl  theilweise  geleugnet,  theils  in  seiner  Arbeit  kaum  berührt.  Ks  ist  nun 
allerdings  richti::-.  dass  seit  dem  Ers<>heiiieu  der  BAN'DL'.scheu  Arbeit  Mittliciluniren 
Aber  solche  Fnlle  seltener  wurden,  deshalb  \Ms,i  sich  aber  doch  nieht  behaupten, 
dass  alle  einschllgigen  Mittheiluogen  aus  firtlheren  Zeiten  unverlftsslich  seien,  ganz 
abgesehen  davon,  dass  auch  hente  neeh  von  vereinzelten  solehen  Fftllen  brriehtet 
wird.  Veit'")  spricht  sich  bezrtglieh  dieser  FnHe  dahin  aus,  das:^  uns  verilttfig 
noch  jede  Erkliirutig  (Iber  die  .Aetiologie  solcher  Fiiile,  in  denen  die  Kuptnr  ohne 
Debuuog  des  unteren  l  terinsegmentes  zu  Stande  komme,  fehle.  Fkkcxd  juD.'s 
Verdienst  liegt  namentlich  darin,  dass  er  speciell  für  diese  FftUe  eine  wissen» 
sehaftliche  Erklnrung  zu  geben  sucht. 

Er  fasst  diese  Fälle  nicht  als  eigentliche  Rupturen  auf,  sondern  als  ein 
Zerplatzen  des  Uterus  in  Folge  krankhafter  V^eränderung  der  Uteruswand  und 
abnormer  Enge  und  Unachgiebigkeit  des  äusseren  Ifottermundes.  Die  Wehen- 
Ühitigkeit  vermag  den  resistenten  äusseren  Muttermund  nicht  zu  erweitem.  Das 
untere  Uterinsegment  erreicht  das  h^hste  Mass  seiner  Ausdehnungsfiüiigkeit  zu 

Bncyclop.  Jahrbücher.  III.  ^ 


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786 


ÜTBBÜSRÜPTUR. 


einer  Zeit,  da  der  Muttermund  noch  eng'e  ist.  Es  reisst  daher  soblies'<Ii(»h  bei  noch 
wenig  erweitertem  Muttermunde  ein.  Dieses  Ereigniss  tritt  desto  trüiier  ein,  wenn 
dM  Utenuigewebe  gleidueitig  pathologisch  Terlndert  itt.  Es  kAnnen  nnter  sotobea 
ülMtllldeii  selbst  nur  SchwangersohaftamilMR  diMen  Zwischenrall  herbeiführen^ 
und  zwar  nicht  einmal  im  unteren  Uterinsegmente,  sondern  im  Fundus. 1  Nament- 
lieh  bei  diesen  Rupturen  macht  der  intrauterine  Druck  seine  volle  Bedeutung 
geltend.  Znwiileii  rind  ei  angeborene  Zustände,  welche  «Uete  Raptunm  nach  aich 
^ehcn,  wie  die  HypoplMie  des  Uterus,  und  swar  entweder  aliein  an  sich  oder  als 
Theilerscheinutifr  ^'leichzeitiger  anderer  Mia.sbildunj^en  des  l'terus  oder  des  Beclieus. 
(Hierher  zählen  die  Rupturen  bei  niederen  Graden  der  \  erdopplung  dei  Uterus  ^^1, 
die  angeborene  Uterusatrophie  bei  allgemein  gleichmässig  verengtem  locken 
n.  detf  I.  m.)  Andere  Male  Uegt  dem  Eintritte  der  Ruptur  eine  angeborene  Stenose 
des  äusseren  Muttermundes  oder  eine  angeborene  Atrophie  oder  Enge  der  Vaginn 
zu  Grunde.  Eine  andere  Gruppe  bilden  jene  F.'llle ,  in  denen  bestehende  Erkran- 
kungen des  Uterus  oder  die  Folgen  abgelaufener  solcher  den  Uterus  zu  einer  Zer- 
reissung  prädisponiren.  Biorher  slblt  die  erworbene  totale  Atrophie  oder  die 
nur  umschrielwne  des  unteren  Uterinsegmentes.  Die  erstere  kann  eine  Laetationa* 
atrophie  stMn  oder  eine  Atrophie  mit  vprschiedonon  Allfrenioinerkraukunfren  oder 
eine  Atrophie  als  Folge  vorausgcKHUi^^cuer  verschiedener  entzündlicher  Atlectionen 
des  Uterus  ^wie  namentlich  bei  niederen  Graden  der  Farametn'tia  chronica  atro- 
phiean»).  Es  kann  aber  aueh  nur  das  untere  Uterinsegment  dnreh  flberstandeae 
oder  noch  bestehende  Processe  (wie  z.  B.  ebenfalls  durch  die  Parametntü  chro- 
nica af rophicann,  Ueberdehnunf;en  bei  früheren  Geburten  u.  derffl.  m."^i  atrophisch 
geworden  sein.  In  anderen  Fällen  ist  das  untere  üterinsegment  durch  alte  Narben 
(sei  ep  in  Folge  von  flberstandenen  Kaiserschnitten  **)  oder  glOeklieh  tiberstandener 
Uterusrupturen)  widerstandsunfähiger  als  in  der  Norm.  Fernerhin  kann  die  I  terns- 
wand  durch  entzündliche  Krankheiten  —  I^uerperalprocesse,  Syphilis  u.  dergl.  m., 
durch  Neubildungen  —  Carcinom  der  Cervix  —  durch  Abnormitäten  der 
Eiinplantation  —  Placenta  praevia  —  destrnirt  sein.  Eine  grosse  Bedeutung, 
rndner  Ansicht  nach  eine  etwas  xu  grosse  Bedeutung,  vindieirt  Fbbund  jon.  der  Un> 
nachgiebigkeit  des  äusseren  Muttermundes  oder  der  tieferen  Ccrvixabschnitte,  die 
namentlich  l»ei  .tltcren  Primiparen  zu  sehen  ist,  aber  auch  hei  jUnfreren  solchen 
vorkommt  und  bei  diesen  eine  Theilerscheinung  von  Missbildungen  und  Eutwick- 
Inngafehlem  und  femer  als  Strietnr  des  ftusaeren  Muttermundes  vorkommt. 
Bei  den  hoher  oben  gelegenen  Stricturen  des  Uterus  soll  es  sieh  nm  einen 
abnormen  r  vuitractionsvorgnng  auf  Grund  abnormer  üUitwickluog  des  gesammten 
Uterus  bandeln. 

Bei  den  typischen  Kissen  des  unteren  Uterinsegmentes  ist  der  Riss  meist 
ein  querer  (Fig.  110)  oder  sehrlger,  der  Torne,  hinten  oder  seitiidi  sitst.  Lings« 

risse  sind  nach  Freund  jun.  gewöhnlich  bei  Zerreissungen  des  Scheidengewölbes 
zu  sehen.  Sie  erstrecken  sich  verschieden  weit  in  das  untere  l'terinsegment  hinein, 
ja  selbst  bis  über  den  Contractiousring  hinauf.  Dies  geschieht  namentlich  dann, 
wenn  die  ganxe  Frucht  oder  dodh  ein  grosser  nmfangrdcher  Theil  derselben  dnreh 
die  RiasOfihnng  getrieben  wurde  und  naehtrfiglich  noch  Eingriffe  behufs  Ent* 
bindung-  per  vias  naturales  gemacht  wurden.  Die  Querrisse  sind  nicht  selten  so 
umfangreich,  dass  sie  die  ganze  vordere  oder  hintere  Wand  umfassen,  so  d:i.ss 
die  beiden  üterinsegmente  nur  an  einer  Seite  nodi  miteinander  snsammenhängen. 

Der  I^tss  ist  verschieden,  entweder  peoetrirend  oder  unvollkommen  mit 
Erhalt  des  peritunealen  Uoberzugcs.  Beide  Zustünde  ab<T.  der  penetrircnde,  sowie 
der  unv(dlk(tnuneiie  Kiss .  sind  nur  verschiedene  Grade  eines  und  desselben  Pru- 
ce^ses.  Bei  unvollkommenem  iiisse  tindet  sich  das  Peritoneum  am  unteren  Üterin- 
segmente in  verschiedenem  Umfange  abgehoben.  Begflnstigt  wird  dies  durch  den 
Umstand,  da.ss  das  Peritoneum  in  dieser  Gegend  der  Musculatur  nur  verschieblich 
aufsitzt.  Dieser  Bluterfruss  kann  sich  scitlieh  bis  nach  der  D-innbeinschaufel ,  ja 
selbst  bis  nach  der  Niere  hin  erstrecken,  in  anderen  Fällen  wieder  ergiesst  sich 


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UTERUSRUPTUR. 


787 


das  Blut  in  das  Bindegewebe  zwischen  die  beiden  Blätter  des  Ligamentum  latum 
der  betreffenden  Seite.  Immer  ist  der  Riss  ur8prting:Iich  ein  unvollkommener,  der 
erst  im  Verlaufe  der  nächsten  Wehe  zum  Ri^se  des  Peritoneums  führt.  Daher 
können  sich  diese  Hämatome  auch  bei  penetrirender  Ruptur  finden.  Der  Peritoneal- 
riss  sitzt  stets  etwas  höher,  als  der  Muskelriss. 

Sobald  der  Riss  eingetreten,  schlüpft  die  Frucht  theilweise,  seltener  zur 
Gäoze  entweder  unter  den  abgehobenen  l'eritonealüberzug  oder,  bei  penetrirender 
Ruptur,  in  die  freie  Bauchhöhle.  Der  Fundus  mit  dem  oberen  Theile  des  Corpus, 
der  nun  seine  Aufgabe  erfüllt  und  die  in  ihm  gelegenen  Fruchttheile  ausgestrichen 
hat,  liegt  nun  leer,  mehr  oder  weniger  weit  abgerissen  in  der  Bauchhöhle.  Nach 


Fix.  110. 


a  FondoB  uteri.    Bandl'acher  Ring.  >*  BlutArgaes  nntor  dem  Perltonealülierzuee.  Peritoneal- 

uberzug  des  Cterus. 


der  allgemeinen  Annahme  ist  der  obere  halbabgerissene  Theil  des  Uterus  fest 
zusammengezogen.  Nach  meinen  Erfahrungen  ist  er  in  der  Regel  erschlafft  und 
fühlt  er  sich  wie  ein  dicker,  weicher,  leerer,  schlaffer  Sack  an.  Eine  ungünstige 
Complication  ist  es,  wenn  durch  die  Rissöfl'nung  Darmschlingen  in  die  Scheide 
oder  gar  nach  aussen  vorfallen.  Noch  ungünstiger  ist  es,  wenn  Darmschlingen 
durch  die  Rissöffnung  in  den  Uterus  gelangen  und  hier  eingeklemmt  werden. 

Das  kliniHchc  Bild ,   in  allgemeinen  Zügen  entworfen ,   ist  bei  dem  Zu- 
standekommen der  Uterusruptur  folgendes  : 

50» 


788 


UTERUSRÜPTUa 


Wegen  des  engen  Beckens ,  wegen  der  aussergewöhulichen  Grösse  des 
Frucbtkopfcs,  wegen  der  uogUnBtigen  EinstelluDg  des  Kopfes  oder  der  bestehen- 
den Querlage  kann  der  vorangehende  Frndittlieil  niebt  in  den  Beekeneanal 
eintreten.  Entsprechend  diesem  mechanischen  Hindemisse  ist  die  Wehentiifttlg» 
keit  eine  exccssiv  energische.  Die  Uteruscontraetionen  sind  ungemein  krfiftig  und 
folgen  einander  rafch,  trotzdem  aber  rückt  der  vorliegende  Fruchttheil  nicht  oder 
nicht  gehörig  vor.  Vergeblich  trachtet  die  Kreissende  die  Geburt  mittelst  der 
Banebpresse  ni  beseblennigen.  Naeb  veraebieden  Itngei'  Zeit  kommt  es  wax 
Bildung  einer  deutlich  siebtbaren ,  quer  oder  schräge  verlaufenden  Leiste ,  des 
Contractiousringes ,  durch  die  der  Tterus  deutlich  in  zwei  Hälften  geschieden 
wird.  Oberhalb  der  Leiste  liegt  die  feste,  obere,  massigere  Uterushälfte,  die  in 
der  Webenpauae  erscblaflt,  nnterbalb  derselben  das  stark  vorgewölbte  untere 
Uterinsegment,  das  meist  nach  der  einen  Seite  bin  mebr  auflgebaneht  erseheint, 
als  nach  der  anderen.  Es  bleibt  auch  in  der  Wehenpanse  gespannt  und  ist  auch 
während  der  letzteren  auffallend  schmerzhaft,  namentlich  bei  Berührung.  Die 
einzelnen  Fruchttheile  in  demselben  lassen  sich  niebt  differoiairen.  Bei  geuaner 
Untersnebnng  find^  man  das  ^ne  oder  beide  aaflUlend  stark  gespannten  Liga- 
menta  rotunda.  Die  Puls-  und  Hcipirationsfrequenz  ist  ^rfstci^jert,  die  Tem])eratt5r 
erhöht.  Der  fiesichtsausdruck  der  Kreissenden  ist  ein  aufVallend  .'schmerzhafter. 
Selbstverstäudlich  sind  die  Wässer  bei  diesem  Zustande  längbt  früher  schon  ab- 
geflossen. Des  Weiteren  stdgt  der  Oontraetionsring  rascb  in  die  HObe,  wodureb 
das  obere,  fest  eontrahirte  Uterinsegmunt  im  Verhältniss  ztim  bauchig  vor- 
gewölbten schmerzhaften  unteren  immer  kleiner  wird,  bis  endlich  die  Kreissende 
auf  der  Hohe  einer  Wehe  plötzlich  über  einen  heftigen  Schmerz  und  das  Gefühl 
des  Zerrossens  an  einer  nmsohriebenen  Stelle  des  unteren  üterinsegmentes  klagt. 
Von  diesem  Momente  an  oessirt  die  Wehenthätigkeit.  Die  Frau  coUabirt  und 
beginnt  zn  bluten.  Ebenso  plötzlich  wird  der  Puls  anfTalleud  klein  ,  fadenförmig 
und  sehr  freqnent  (120  und  mehr  Schhlgej,  \W\  der  äusseren  Untersuchung  findet 
man,  dass  sich  eine  i'artie  der  Frucht  oder  gar  die  ganze  letztere  auflallend 
deutUeb  dnrob  die  Baueiideeke  dnrebtasten  Iftsst,  und  zwar  in  dem  Masse,  dass 
man  jede  einzelne  Oliedmasse  bestimmen  kann.  Hei  unvollkommener  Ruptur  fühlt 
man  meist  doch  noch  eine  gewisse  Spannunir  der  über  der  Frucht  erhaltenen  Theile. 
lieben  oder  Uber  der  Frucht  fühlt  mau  deutlich  den  cuutrahirteu  oder  erschlafllten 
Ut«ii8«  Cbarakteristiseb  ist  der  innere  Untersuebungsbefiind.  Während  der  vor> 
liegende  Fmehttbeil  früher  fixirt  war,  findet  man  nun  das  Vaginalgewölbe  leer 
oder  i^t  der  vorliegende,  früher  fixirt  gewesene  Fruchttheil  fnanientlich  ist  dies 
bei  dem  vorlic;r<'iHh  ii  Arn;e  mit  der  eingekeilten  Schulter  autl'alleud)  so  beweglich 
geworden ,  dasü  er ,  kaum  mit  dem  Finger  berührt ,  in  die  Höhe  steigt ,  worauf 
sieb  Blnt  aus  der  Sebeide  ergiesst.  Die  Blutung  ist  in  der  Regel  anfangs  eine 
heftige  und  dabei  continuirliche.  Sp.lterhin ,  sobald  die  Herzschwäche  zunimmt, 
lässt  sie  nach.  In  manchen  F/ilicn  ist  die  Hlutiint^  eine  relativ  geringere  in  Folire 
der  starken  Quetschung  der  Wuichtheile.  Bei  unvollkommener  Ruptur  kann  das 
ZU  Stande  gekommene  subperitoneate  Hilmatom  zuweilen  von  aussen  in  seinen  Con- 
touren  siebtbar  werden.  Das  Verhalten  der  Placenta  ist  verschieden.  Sie  kann  im 
Uteruskörper  sitzen  bleiben,  was  allerdings  seltener  der  Fall  ist,  denn  meist  wird 
auch  sie  ausgetrielten.  Zuweilen  bleibt  sie  im  unteren  zerrissenen  Uterussegmente 
liegen,  wilhrend  bie  andcremale  au  der  Frucht  vorbei  nach  aussen  gelangt.  Nicht 
gar  so  selten  endlieb  tritt  sie  mit  der  Fruebt  m  die  BauebbOble. 

TbeUweise  anders  ist  das  klinische  Bild  bei  hohen  Schoidenrissen.  Der 
an  den  flnsseren  Bauelulccken  sich  abspielende  Vorgang  ist  hier  der  gleiche,  wio 
bei  den  typischen  B.\NL>L'scheu  iiisseu  (Fheund  jun.).  Es  kommt  zur  Bildung 
des  Contractionsringes  ebenso  wie  dort.  Die  Debnungssymptome  stellen  rieb  aber 
bei  Laquearrissen  im  Allgemeinen  spiitcr  ein,  .ils  bei  Kissen  des  unteren  Uterin- 
se^'iiifMiIi's.  Wi  M  iitlich  anders  aber  ist  liier  der  iiuicrc  rntcrsiichnngshefund.  Der 
äussere  Muttermund,  sowie  die  nächst  höheren  Abschnitte  des  Uterus  sind  hier  nie 


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DTERÜSRÜFIÜB. 


789 


zu  erreichen,  während  man  bei  der  Cervixdehnung  immer  den  Huttermnod  oder 
mindest  einen  Saum  desselben  fühlt.  Bei  Dehnungen  dos  Tjaqucar  findet  man 
dieaea  in  ganz  auöallender  Weise  aasgeweitet,  gespannt,  verdünnt,  in  die  Höhe 
gesogen,  bei  der  Gerrizdehnnng  dagegen  ist  das  SeheidengewOlbe  nur  minig 
gespannt  oder  hfiufig  auch  nicht,  sogar  schlaff.  Bei  beginnender  Sclioidwruptar 
t^teht  der  Uteriiafandas  böber  als  bei  Germdebnnngen,  da  er  bier  böber  empor- 
steigen kann. 

Bei  droliender  Berstung  des  Uterus  und  wenig  erOffoetem  Muttermunde 
dagegen  sind  die  sieh  darbietenden  Verbtitnine  gans  andere.  Das  untere  üterin- 

Kegment  ist  st.ark  gespannt,  es  ist  auch  in  der  Wehenpause  verdUnnt,  verlängert 
und  hei  Berührung  schmerzhaft.  Die  Harnblase  ist  stark  in  die  Höhe  gezogen  und 
coosecutiv  besteht  iiarndraug  oder  nicht  selten  Ischurie.  Dabei  ist  meist  die  Frucht- 
blase erbalten  und  der  Nnttermand  wenig  erOffbet.  Troti  der  sebeinbar  wenig 
vorgeschrittenen  Geburt  sind  die  Liijano-nta  rotunda  stark  gespannt.  Ea  bestehen 
heftige  Schmerzen  Uber  der  Gcfrend  der  Symphyse.  Charakteristisch  ist  die  l'nruhe 
der  Kreissenden  während  der  Webe,  t^in  ununterbrochenes  Arbeiten  des  Uterus, 
wie  bei  drobender  Rnptnr  feblt  bier,  ebeno  andi  «ne  maricante  Aetion  der  Bauob- 
presse.  IKe  Samme  der  Ersebeinnngen  vor  dem  Eintritte  der  Ruptur  erreicht  niebt 
die  Höhe  jener,  die  bei  eiuer  norin.^len  Erstgeburt  da  sind.  In  manchen  Fällen, 
namentlich  dort,  wo  die  Ruptur  schon  in  der  Schwangerschaft  ^''i  oder  in  den 
eriiten  Stadien  des  (jeburlebeginncs  erfolgt,  fehlen  alle  Symptome  oder  iiudet  mau 
das  untere  Uterinsegment  bOebstens  ansgebnebtet ,  wie  bei  einem  Cerviealaborte. 
Die  Ruptur  kann  uncrw.irtot  ohne  Vorausgehen  prämonitorisober  Erscheinungen 
eintreten.  Ebenso  kann  hier  die  Syniptfunatnlncrie  nach  erfolgter  Ruptur  eine 
ganz  andere  sein.  Manchmal  sind  alle  Symptome  da,  die  charakteristisch  sind 
fttr  die  angetretene  Ruptur,  der  plAtslidie  CoUaps,  die  eontiauirüelie  BIntang 
u.  dergl.  m.  Zuweilen  aber  fehlen  henrorsteebende ,  snbjective  und  objeetive  Er- 
.«cheintin?cn,  die  bestimmt  für  eine  eingetretene  Uuptur  des  Utems  Spreeben,  wenn 
auch  eine  Blutung  da  ist  und  Collaps  eintritt. 

Was  die  Häutigkeit  des  Vorkommens  der  Utorusruptur  anbelangt,  so 
beaiflbrt  sie  Bandl  dabin,  dass  1  Fall  auf  1188  Geburten  komme,  v.  Franks  **) 
findet  1  Fall  auf  3225  Geburten.  So  viel  ist  glücklicher  Weise  sicher,  dass  dieses 
traurige  Ereiguiss  nur  selten  erfol-^t.  doch  ^ind  die  den  Kliniken  entnommenen 
statistischen  Daten  nicht  vcrlüsslich,  da  eben  diese  Institute  vorzugsweise  von  sehr 
gefltbrdeten  Kreissenden  aufgesuebt  werden  und  darunter  aucb  von  soleben,  die 
bei  normalen  Geburten  die  Klinik  nicht  betreten.  Nach  Tbask's  Daten  entfallen 
etwa  86*05*/o  auf  Mehrgcschw.'in^ertc   und  nur  „  auf  Erstgeschwängerte, 

der  Beweis  für  die  Riehtigkcit  der  oben  angeführten  theoretischen  Annahme,  dass 
Hebrgeschwängerte  vielmehr  gefllbrdet  sind,  als  Primiparae.  Nach  Tbask's  Zu« 
sammenstellnngen  lässt  sieb  weiterbin  entnebmen,  dass  parallel  mit  der  Ansabl 
der  vorausgegangenen  Gehurton  die  Gefahr  des  Eintrittes  der  Ruptur  ansteigt. 

Ebenso  wichtig,  wenn  niclit  noch  wichtiger,  als  die  Diagnose  der  bereits 
eingetretenen  Ruptur  ist  die  Diagnose  der  drohenden,  denn  erkennt  man  die 
prftmonitoriseben  Symptome  anr  riebtigen  Zeit,  so  kann  man  in  der  Kegel  dem 
Eintritte  der  Ruptur  vorbeugen. 

In  erster  Linie  nnissen  dem  Arzte  die  t,'eb',irtshilfliclien  \'er!i:Utnisse  des 
Falle-s  vollkommen  klar  sein.  Ks  mu.ss  sichergestellt  sein,  ob  das  Becken  normal 
oder  verengt  ist  und  im  letzteren  Falle  die  Art  und  der  Orad  der  Beckenver- 
engerung. Liegt  der  Kopf  vor,  so  muss  seine  Einstellung  genau  bestimmt  werden. 
Ebenso  mu-ss  bestimmt  werden,  ob  der  Kopf  normal  gebaut  ist  oder  ob  nicht 
etwa  ein  n\driM-e]»lialus  vorliegt.  Ist  letzteres  der  Fall,  sr)  nuis-i  dess^^i  (irüsse 
appro.\imativ  bcstiiiiint  werden.  Aber  auch  bei  normalem  Kopto  muss  dessen  Grösse, 
Hirte  u.  dergl.  m.,  soweit  es  eben  tbunlieb  ist,  festgestellt  werden.  Niebt  minder 
wiebtig  ist  die  Bestimnunr.;.  ob,  in  welcher  Weise  und  wie  rasch,  respective  wie 
langsam  der  Kopf  in  das  Becken  eintritt  und  wie  sieb  die  Wehentbfttigkeit  ver- 


790 


UTERUSRUPTUR. 


hält.  Schliesslich  ist  Verhalten  des  T'tems ,  beziehungsweise  das  Verhalten 
»eines  oberen  und  unteren  Segmentes,  aowie  das  Allgemeinverhalten  der  KreiBsenden 
zu  bestimmen. 

Eine  sehr  «no-gisehe  WehflnthltiKkeit  bei  mgwn  BeekeD  und  bcehsMwndem 

oder  bei  bydrocephalischem  SebUtl  ebne  deutlichem  Abwärtstreten  des  Kopfes,  eine 
solche  bei  bestehender  Querlage,  namentlich  aber  bei  tief  eingekeilter  Schulter 
mttsaen  Fingerzeige  abgeben,  den  Unterleib  genau  zu  untersuchen.  Findet  man 
wter  lolcbmi  (Tmstiodoo  die  ervftbnt«  qaer  oder  Mbrigverlaufeiide  Lelite,  die 
Ligamenta  rotunda  stark  gespannt,  ist  dal  obere  üterinsegment  während  der 
Wehe  sehr  enerfjiach  contrahirt .  das  untere  dagegen  stark ,  namentlich  einseitig 
ausgedehnt,  auch  während  der  VVehenpause  fest  gespannt  und  schmerzhaft,  wird 
die  dem  Contractionsringe  entsprechende  Furche  immer  tiefer,  rflckt  sie  sogar 
naeb  «afwlrts,  wird  die  ober»  Utemdillfle  Meliier,  etoigt  die  Temperatur  an,  wird 
der  Pulfl  freqnent  und  ebenso  die  Respiration  u.  s.  w.,  so  ist  die  Gefahr  dos  Ein- 
trittes einer  Ruptur  imminent  und  muss  getraehtet  werden,  die  Geburt  in  schonungs- 
vollster Weise,  ohne  die  Ueberdehnung  des  unteren  Uterinsegmentes  noch  mehr  zu 
steigern,  mögliclist  raseb  sa  beenden. 

Aber  auch  wenn  der  Muttermund  noch  wenig  eröffnet,  dabei  rigid  und 
unnaehfriebig  ist,  die  Zeichen  einer  drohenden  Huptur  am  rnterleibe  vielleicht 
nicht  bemerkbar  sind,  das  untere  Uterinsegment  dabei  aber  doch  ausgeweitet  und 
stark  gedehnt  erscheint,  werden  wir  trachten,  die  Qebnrt  raseb  an  lieenden,  nm 
«inor  Berstnng  des  Utems  Tonmbengen.  In  solchen  Fällen  ist  es  allerdings  blnfig 
schwierg  zu  bestimmen,  ob  die  Geburt  rasch  künstlich  beendet  werden  muss.  da 
sich  hJlulig  nicht  entscheiden  lässt,  ob  die  Kreiasende  bei  den  weniir  ausgesprochenen 
Symptomen  knapp  vor  der  Beratung  des  Uterus  steht  oder  nicht. 

Wenn  einmal  die  Rnptnr  sebon  da  tet,  so  ist  die  Stelinng  der  Diagnose 
nicht  schwierig.  Auf  den  ersten  Blick  schon  fällt  dem  Beschauer  der  CoUaps  der 
vollständig  wehenlosen  Unentbundenen  auf.  Der  Puls  ist  aurtallend  klein,  jagend. 
Die  Temperatur  ist  abnorm  niedrig.  Bei  der  äusseren  Untersuchung  des  Unter- 
Idbes  argiebt  tidi  rieb  ein  ganz  ungewObnlieber  Befiind.  In  der  Nibe  des  eontra- 
birten  oder  seblaffien  Uteras  findet  man  einen  Abschnitt  der  Frucht  oder  die  ganze 
letztere  unter  den  äusi^eren  Bauobdecken  liegend,  sich  so  deutlich  anfühlend,  als 
ob  sie  sieh  nur  unter  einem  Tuche  befllnde.  Dabei  sieht  mau  einen  continuirlichen 
Stärkereu  oder  schwiichereu  Blutabgaug.  Der  frUher  vorgelegene  Fruchttheil  fehlt, 
das  SebeidengewMbe  ist  leer  oder  ist  der  Mber  eingekeilte  Frnebttbetl  (namenflieb 
gilt  dies  von  der  eingekeilten  Schulter) ,  so  beweglich  geworden ,  dass  er  schon 
bei  leichter  Berührung  mit  dem  Finger  in  die  Höhe  steigt,  wobei  sich  gleichzeitig 
Blut  nach  aussen  ergiesst.  Fuhrt  man  die  halbe  oder  ganze  Hand  in  die  Scheide 
ein,  SU  gelangt  man  ebne  Sebwierigkeit  an  die  Rissstelle  und  Icann  bestimmen, 
ob  sie  das  untere  Uterinsegment  oder  den  Laiinear  betrifft,  ob  der  Riss  ein 
penctrirender  oder  unvollkommener  ist ,  ob  Dflrme  in  die  Scheide  eingetreten 
sind  u.  dergl.  m.  Bei  incompleter  Buptur  kann  man  zuweilen ,  wenn  sich  ein 
bedeutendes  subperitoneales  Hämatom  gebildet  hat,  die  Contouren  desselben  sebon 
von  anssen  hm  erkennen  nnd  fbblt  man  snweilen  doeb  noeb  eine  gewisse  Spannung 
der  Aber  der  Frucht  sich  befindenden  Weichthcile. 

VorHiehtsweisc  beginne  man  immer  mit  der  äusseren  Untersuchung  und 
bestimme  aus  dieser  allein  die  Gegenwart  der  Kuptur.  Hierauf  erst  schliesse  man 
die  innere  Untersnebnng  an.  Man  entsiebt  sieb  dadnreb  jedem,  selbst  dem  uabo- 
recbtigsten  Vorwurfe  von  Seite  der  Laien  und  der  häufig  nicht  schuldlosen  Hebamme, 
die  Rnptur  durch  die  innere  rntor.suehun^'  herVu'iL'eführt  zu  haben. 

Wichtig  ist  die  Bestimmung  des  Sitzes  der  Kuptur  und  der  Grösse  derselben. 

Die  Prognose  der  Mutter  ist  eine  höchst  ungünstige.  Ist  aueh  die  Zahl 
der  bekannten  Fälle,  in  denen  spontane  Heilang  der  Rnptnr  eintrat  oder  in  denen 
durch  ein  entsprechendes  Eingreifen  das  Leben  der  Mutter  irerettet  wurde  (von 
doien  weiter  unten  gesprochen  werden  soll),  eine  verhäituissmässig  nicht  geringe, 


UTERUSBUPTUB. 


791 


80  ist  der  glückliche  Ausgang  fflr  die  Mutter  leider  doch  nur  ein  Aus- 
nabmsfall.  In  der  Regel  kommt  es  ni^ht  einmal  zu  einer  Reaction  nach  der  Ver- 
letzung. Der  Collaps  nimmt  zu,  die  Blutung  hält  eine  Zeit  an,  um  später  bei 
sonebmender  Hemehwlohe  aufsnbOreo.  Fmllel  damit  verfallen  die  Krilfto  nodi 
melir  und  wenige  Standen  nach  der  Ruptur  ist  die  Mutter  eine  Leiche.  Naeh 
meinen  Erfahrungen  ist  es  in  erster  Linie  der  Shock,  der  den  Tod  herbeifflllrt| 
allerdings  mit  befördert  durch  den  meist  bedeutendea  Blutverluat. 

Von  einer  PrognoM  boflglioli  der  FVvelit  liwt  nieli  kanm  sprechen,  da 
letitere  bei  den  typischen  Rissen  des  unteren  Uterinsegmentes,  ebenso  wie  bti 
den  Laqnearrissen  in  der  Regel  schon  oft  vor  Eintritt  der  Ruptur  in  Folge  der 
durch  die  rSumlichen  Missverhältnisse  lange  wahrenden  Oeburtsdauer  abgestorben  ist. 

Die  Prognose  scheint  nach  Scheideorissen  uuch  ungünstiger  zu  sein  als 
naeh  Rissen  des  unteren  Cterinsegmentes.  Naeli  Schleohta**)  ist  die  Rnptar 
der  vorderen  Wand  gefährlicher,  angeblich  deshalb,  weil  das  Wundsecret  keinen 
so  guten  AbHiiss  findet.  Auch  Fleischmann  findet,  dass  vordere  Collumrisso 
«ine  bedeutend  schlechtere  Prognose  ergeben ,  als  vorne  sitzende.  PiskaObk 
dagegen  sebeint  ans  seinen  Daten  das  Entgegengesetale  itt  endiUessfln. 

Die  Therapie  scheidet  sieh  in  die  prophylaetisehe  bei  drohender  nnd  ia 
die  Therapie  bei  bereits  eingetretener  Ruptur. 

Die  propbylactische  Therapie  ist  die  wiebtigere.  Wir  haben  es  mittelst 
ihrer  in  der  Hand,  das  Leben  der  bedrohten  Ereissenden  zu  retten.  Bei  erfolgter 
Rnptnr  werden  wir  setbstverstindlieh  wohl  aneh  alle  tlierapentisohen  HanregelB 
treffen,  mittelst  welcher  wir  die  Kranke  zu  retten  snehen  werden ,  doch  wird  der 
Erfolg  zumeist  aii<;hleiben. 

Die  propbylactische  Therapie  besteht  in  der  raschen  künstlichen  Geburts- 
beendigung unter  mOgliehster  Vermeidung,  das  untere  flberdelmte  Uiemssegment 
hierbei  einem  Drucke  auszusetzen.  Unter  solrlu  n  Verh&ltniasen  eatfUlt  jede  Rflok- 
Bichtnahme  auf  das  Le^rn  der  Frucht  und  werden  wir  nns  daher  auch  nieht 
scheuen,  deren  Lebeu  im  Interesse  der  Mutter  zu  opfern. 

Gestatten  es  die  äusseren  Verhältnisse,  so  werden  wir  die  Kreissende, 
naebdem  wir  ihr  Morphium  einverleibt  haben,  narcotlsireii ,  um  die  Wirkung  der 
Bauchpresse  aufzuheben  und  eventuell  auch  die  Energie  der  Wehm  herabiusetien. 
Hierauf  werden  wir  zur  Geburtsbeendigung  schreiten. 

Am  ratiüuelUten  ist  es,  den  Kopf  zu  perforireu.  Bei  der  kräftigen 
Wehenihitigkeit  wird  das  Gehirn  hervortreten,  der  Kopf  verkleinert  sieh  und  das 
untere  Uterinsegment  entlastet  sieh.  Ist  letzteres  geschehen,  so  hängt  das  weiten 
Verfahren  von  den  vorliegenden  Verhältnissen  ab.  rntor  l'nist.lnden  kann  man  die 
weitere  Geburtsbeendigung  der  Natur  Uberlaasen.  Ist  dies  nicht  zu  erwarten,  so 
muss  man  den  Kopf  eztrabiren.  Am  aehonungsvollsten  geschieht  ffiea  mittdht  des  in 
die  PerforattonsOffnnng  eingesetzten  Fingers.  Ftthrt  dies  nieht  sum  Ziele,  so  legt 
man  die  Zange  an.  Die  sofortige  Anlegung  der  Zange  ist  nicht  anempfehlbar. 
Das  untere  Uterinsegment  ist  hyperexteudirt  und  stark  verdünnt.  Legt  mau  hier 
die  Zange  an  und  cxtrahirt  man,  so  wird  das  hyperextendirte  untere  Uterinsegment 
Stark  gedrflekt,  sowie  heraligeserrt  nnd  »erreiast  daduroh  naliezu  sieher.  Von  dem 
Gebrauehe  eines  Cephalothr^'ptors  oder  eines  Cnuiioelastes  ist  absolut  keine  Rede, 
da  man  bei  forcirter  Extraction  das  untere  üterinsegment  bestimmt  zerreisst.  Bei 
▼orliegcudem  Uydrocephalus  punotirt  man  den  Kopf  mittelst  eines  Einstiches. 
Das  Wasser  fliegst  ab,  das  untere  üterinsegment  wird  entlastet  und  die  Gefidir 
ist  behoben.  Strengstens  verpönt  ist  ein  Wendungsversuch.  Das  hyperextendirte 
untere  Üterinsegment  wird  es  nur  in  den  seltensten  Fällen  vertragen,  dass  auch 
noch  der  halbe  Arm  in  dasselbe  eingeführt  werde.  Reisst  bei  der  Eiaführung  des 
Armes  das  untere  Uterinsegment  ausnahmsweise  nicht  ein ,  so  reisst  es  gewiss 
ein,  wätan  die  Frueht  umgedreht  wird.  Fbhlino's«<)  Rathaehlag,  bei  geringeren 
Graden  der  Dehnung  des  unteren  Uterinsegnit  nttN  den  Kopf  unter  entsprechender 
Vorsicht  in  das  Becken  einzupressen,  ist  undurchführbar,  da  es  sich  hier  um 


CTBBÜSRÜPTOR. 


unüberwindliche  rflumliehe  Missverliältnisse  handelt,  die  durrh  eine  Kinpresauug 
des  Kopfes  nicht  behoben  werden.  HAnsMAMM's*')  auiigefuhrter  Vorschlag,  die 
EreiiMiide  die  KnieeUenlM^pflolagiB  mit  mOgliehit  UefliegeiideD  Schultern  ein- 
nehmen zu  lassen ,  um  die  Oofahr  der  drohenden  Rnptnr  zn  mindern  ,  h.11t  den 
Eintritt  der  Ruptur  gewiss  nicht  auf.  E-i  bleibt  nichts  Anderes  Ubri^,  als  die 
Frucht  zu  zerstückeln.  Je  nach  ihrer  Lagerung  wird  decapitirt  oder  eviseerirt. 
Um  jeden  Draeh  rnif  da«  untere  üterinsegment  sn  ▼ermeiden,  trennt  man  unter 
Leitung  zweier  Finger  bei  vorliegradem  Halse  letsteren  mit  der  DUBOis'schen 
Sclu'ere  durch.  Der  Schlüsselhaken  ist  entschieden  zu  verwerfen.  Der  mittelst 
seiner  angewandte  Druck  wirkt  auf  das  untere  Uterinsegment  zurück  und  zer- 
.reisst  dieses.  Naeb  erfolgter  Dnrohtrennung  des  Halses  ist  die  Hyperextenrton 
des  unteren  Utertnsegmentes  sofort  behoben,  da  der  abgesohnittene  Kopf  naeh 
«ibcu  entweicht.  Man  erfnsst  den  nahelie^rcudeu  einen  Arm,  extrahirt  den  Rumpf 
und  dann  den  abgetrennten  Knj)f,  ohne  fiircliton  zu  niüs.sen,  den  Fterus  zu  zer- 
reiäücu.  Bei  vorliegender  Schulter  erüüuei  man  den  Thorax  mit  der  grossen 
Seheere,  weidet  ihn  ans ,  durehstösst  hierauf  das  Zwerehfell  nnd  wddet  aneh  die 
Bauchhöhle  aus.  Sehon  dadurch,  das-s  der  Fruebtumfang  vermindert  wurde,  wird 
das  untere  Uterinseirment  entlastet.  Dennoch  ist  es  nielit  rathsam,  jetzt  mit  der 
Haud  einzugeben  und  auf  dem  Fuss  zu  wenden.  Man  durchtrennt  die  Wirbelsäule 
mit  ^r  Seheere,  wodurch  die  Fmeht  zusammenlclappt.  Durch  Zog  an  der  unteren 
Fruobtbälfte  (ausgeübt  durch  den  Finger,  den  mau  auf  die  untere  WirbclKäulen- 
hftlfte  anft^et/t  )  bringt  man  sieh  den  Steiss  herab  und  icann  an  diesem  die  ITrucht 
leicht  extrahireu. 

Nicht  angezeigt  ist  es,  um  der  drohenden  Uterusruptur  vorzubeagen,  den 
Kaiserschnitt  vonanehmon,  wie  dies  in  einem  Falle  Losibb'^)  mit  nng^Oeklidiem 
Aufgange  für  die  Operirte  that. 

Nach  e  foljrter  Ruptur  ist  es  unter  allen  Umstiinden  schon  der  firztlichen 
Klugheit  wegen,  wie  dies  auch  Veit^'^)  ganz  richtig  hervorbebt,  angezeigt,  die 
Entbindung  vorsunebmen,  da,  wenn  die  traurige  Prognose  Oberhaupt  in  etwas 
gebessert  zu  werden  vermag,  dien  nur  auf  dum  Wege  der  Eliminatiou  der  Frudit 
geschehen  kann.  Die  I'ic]iti<rkeit  dieser  Folgerunjr  wird  aueli  dadurch  nicht  er- 
schüttert, dass  vereinzelte  Fälle  bekannt  sind,  in  deneu  die  Kranke  trotz  der  in 
ihrer  Bauchhöhle  verbliebenen  Frucht  genas.  Die  richtige  Behandlung  besteht 
in  der  Extraetion  der  Fmeht,  eventuell  auch  der  Placenta  aus  der  Bauchhöhle 
per  vins  naturales.  Die  Kissöffnung,  durch  die  die  Fi  ucht  theilweise  oder  zur  G.lnze 
in  die  FVritonealhnlile  trat,  ist  so  gross,  dass  .sie  durch  die  Eintllhruii-r  der  Hand 
uud  die  Extractiou  der  Frucht  gewiss  nicht  vergrös^eri  wird,  weuu  die  Liutührung 
der  Hand,  ebenso  wie  die  Extration  der  Frucht  vorsiehtig  vorgenommen  wird. 
Die  P'rucht  Hegt,  auch  wenn  sie  j^änzlieh  in  die  IVritonealhÖhle  geschlüpft  ist, 
der  liissirtruun'/  so  nalie.  das-;  iia>  Aufsuclien  und  l'.rfa^sen  der  Fiisse  ab-solut 
keiue  ächwierigkeiteu  bereitet.  Sollte  auch  die  i'laceuta  in  die  liaucbhöhle  ge- 
schlüpft sein,  so  muss  auch  sie  von  dort  hervorgeholt  werden.  Die  Fnrdit,  bei 
Aufsuchen  der  Frucht  und  Bxtraetion  derselben  Darmsehlingen  au  verletien 
oder  mit  hervorzuziehen,  ist  eine  übertriebene ,  denn  die  Darmschlinjren  weichen, 
wenn  man  vor.sielitig  «>}ierirt ,  zur  Seite  aus.  In  gleicher  Weise  ;ieht  man  vor, 
weuu  die  Ruptur  eine  iinvoUsUludigo  und  der  Peritonealüberzug  intact  geblieben 
ist.  Die  Gebart  mittelst  der  Zange  su  beenden,  wäre  nur  in  jenen  seltenen 
Fällen  aoge/.i  iirt .  in  denen  die  Ruptur  trotz  im  Becken  tixirtem  Kopfe  eintrat. 
Bei  vi>rlitirei!<]ini  Kopte,  der  hier  beinahe  ausnahmslos  be\ve;rlicli  ist,  beendigt 
mau  diu  Geburt  mittelst  der  Wendung  und  Kxtractiou  schi>nuugs\ oller  uud  rascher 
als  mittelst  der  Zange.  Sollte  der  Kopf,  der  vorliegt,  ein  Ilydrocephnlua  sein, 
so  muss  er  vor  der  Wendung  nnd  Rxtraction  puuettrt  werden,  weil  man  ihn 
sonst  als  nadifol. Brenden  nur  scliwer  entleeren  ki>nnte. 

Die  Irrigation  der  S<'lieide  naeli  extendirter  Frudit  und  l'lacenta  involvirt 
die  Gefahr,  die  desiiulieircnde  Flüssigkeit  in  die  Uuucliliolile  zu  treibeu,  es  empfiehlt 


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UTERUSBUPTCB. 


793 


sich  daher,  dieselbe  lieber  zu  nnterlasscu.  Besser  ist  es.  sich  damit  zu  beprntlg^en, 
Jodoformgaze  bis  zu  der  Riääößnung  hinaufzufubreo.  Die  Gaze  wirkt  dana  als 
TftmpoB  und  ^«iebzeitig  als  Drain.  Hierauf  wird  ein  fester  CompressiTverlMuid 
um  den  Unterleib  gelebt.  SchlecBTA^^)  desinficirt  die  Risiwnnde  vorsichtig 
mittelst  Tliymol  oder  Rnrsiliire  und  dr.'ln^t  dnnn  dfii  rteruR  von  aussen  licrab, 
damit  die  Wuiidrituder  aneinander  zu  liegen  kommen,  sowohl  um  eine  V'erklebuug 
der  Wnndränder  zu  erzieleD,  als  namentlich  um  eine  etwaige  Blutung  zu  stillen. 
Der  herebgedringte  Uterus  wird  einige  Stunden  bindureh  in  dieser  Stellung  mit 
der  Hand  fixirt.  Dann  werden  mittelst  der  Kornzange  Jodoform  gazestreifen  an 
und  um  die  Wunde  gepresist.  Rei  stärkerer  Blutung  wird  die  (!aze  auch  in  die 
Wunde  eingeführt  und  kommt  zwischen  deren  Streifen  ein  Drainrohr  zu  liegen. 
Sebliesslieb  wird  Cervix  und  Vagina  tamponirt  und  auf  den  Unterleib  ein  Eis- 
beutel gelegt.  Will  man  vor  der  Taroponade  durchaus  desinficiren,  so  muss  dies 
vorfit'btig  geschphen  und  die  Frau  hierbei  auf  die  dem  Risse  entgegengesetzte  Seite 
gelegt  werden.  SCHATZ^')  und  Kro.nek empfehlco,  die  Frau  nach  angelegtem 
Compresnvverbande  eine  balb  sitzende  Lage  einnebmen  in  lassen,  um  dem  Secrete 
einen  besseren  Abflnss  zu  ermSglieben. 

Eine  sehr  ungllnstige  Complication,  die  ich  in  den  F.lllen,  die  mir  unter 
die  llilndi'  kamen,  nalie/ii  ausnahmslos  antraf,  ist  ein«  heftige  Hlutung,  herrührend 
aus  dem  erschiatiten  I  terus  uud  der  lUnäwuude.  Mau  wird  hier  wohl  Alles  ver- 
sucben,  um  der  Blutung  Herr  zu  werden ,  doeb  bldbt  in  der  Regel  der  Erfolg 
aus  und  geht  die  Kranke  binnen  kürzester  Zeit  zu  Orunde.  Man  kann  die  eine 
llaiul  in  den  I'terns  einführen  und  nach  Entft'rnung  der  im  Cavnm  liegenden 
Coagula  den  Uterus  mit  der  äusseren  Hand  kräftig  reiben ,  weiterhin  kann  man 
EisstU^^e  in  den  Uterus  einlegen,  vielldeht  IcOnnte  man  aneb  versnoben  eine 
Heisswasserinjeetion  vorzunehmen.  Der  Effect  ist  aber  gewObnlieb  gleieb  Null. 
Leoi'OI.I)  ■' '  I  gi-lit  lifi  Turissigcii  lilntuiigen  iihnlich  wiu  Srm.F.CHTA  vor.  Er  ver- 
einigt die  Wiiiidriluder  derart,  dass  er  den  Uteruskcirpt-r  mit  der  Zange  herab- 
zieht und  Jodoformgaze  bis  in  den  Fundus,  sowie  dicht  hinter  die  Rissstelle  ein- 
legt, worauf  er  einen  fe<>ten  Compressivverband  anf  den  Unterleib  applieirt,  nm  den 
Ftertis  in  forcirte  Anteversion  zu  bringeu  und  zu  fixiren.  Der  Gedanke  FLEISCH" 
MAXx's beiiufs  iStilhing  einer  heftigen  IMiitnng  die  beiden  Arteriae  uterinae  zu 
unterbinden,  dürfte  wohl  schwer  durchführbar  sein.  Ich  glaube,  dass  unter  Um- 
stlnden  die  Laparotomie  gemacht  werden  sollte,  nm  die  blnteode  Stelle  aufznsudien 
und  zu  ver-^nrgen.  Allerdings  .ilu  r  kommt  hier  der  (weiter  nnten  zu  besprechende) 
Umstand  in  l^elraeht,  d.iss  diu  La[»aroton'.ie  bei  eingetretener  Uteriisruptnr  schwer 
überstanden  wird.  \  j;iT  ■  •'J  und  Frkl'XD  jun. '^")  sind  gleichfalls  geneigt,  unter 
solchen  Verhfiltnissen  eventuell  die  Laparotomie  vorzunebmen. 

Eine  zweite  unsllnstige  Complieation  ist  der  Prolaps  der  Dirme.  Man 
muss  stets  tracbten,  dieselben  zu  reponiren  und  mittelst  des  Jodoformgasetampons 
zurückzuhalten. 

Die  Gefahren,  denen  die  Frau  naeii  Kiniriit  der  iluptur  ausgesetzt  ist, 
liegen  sebeinbar  in  der  nnrolttelbaren  Gefalir  der  Blutung  und  in  der  späteren 

des  eventuellen  Eintrittes  einer  Stpsis,  zurückzuführen  auf  die  Hand  des  Arztes 
oder  auf  die  ans  dem  firnitalsclilauehe  in  die  I'eritonealli(»hle  geschlü|)fte  Frucht. 
Bei  oberflächlicher  l'etraehtung  drüngt  sich  daher  unwillkürlich  der  Gedanke  auf, 
sebon  um  den  erfolgten  Riss  eventuell  nicbt  noeb  zu  vcrgri'tssern  und  um  mi^glichst 
aseptiiob  vorzugeben ,  auf  die  Elimination  der  Frücht  und  deren  Naebgeburtstheil 
per  vias  naturales  a  jtriori  zn  verzichten  und  sofnrt  die  Laparotomie  vorzunehmen, 
die  Frucht  und  deren  Naebgeburtstheil  zu  entforncn,  den  Uterus,  sowie  die  Kiss- 
wunde,  eventuell  auch  die  Ueritonealhöhle  gehörig  zu  desinticiren  und  hierauf  den 
Riss  zu  vernilhen,  oder,  wenn  dies  wegen  zu  starker  Zerfetzung  der  Rissränder 
niclit  möglich  ist,  den  Uterus  onterbalb  der  Rissstelle  zu  amputiren.  Damit  scheint 
allen  Indii-ationen  entsprochen  zn  sein.  Hie  Rlutnng  ist  dauernd  gestillt  und  ilie 
eventuelle  Infectionspforie  aus  dem  Körper  au-*gcsehaltct.   Öehon  in  vorantiseptiseher 


ÜTERÜäRüPTüB. 


Zeit  (lachte  man,  der  Blutstilhino:  wegen  ,  an  einen  solchen  operativen  Vorgang, 
und  tiihrte  ihn  auch  aus.  Der  Erste ,  der  so  vorging ,  war  nach  Ülpab^ub  ") 
LoMfiaOSO  in  Orleans,  der  1775  ia  einem  Falle,  17  Standen  nach  erfolgter  Rnptar, 
die  LapArotomie  voranbiD  und  den  Riia  vernfthte.  1779  wiederholte  er  bei  der- 
Bellien  Person,  als  sie  neaerlich  eine  Ruptur  acquirirte,  die  Operation.  1781  kam 
dieselbe  Frau,  nebenbei  erw  «hnt .  reehtzeitip  und  g-Iücklich  ohne  Ruptur  nieder. 
Naeb  Mc.  Kokmak^'^)  war  W.  Bkickell  in  New-Orleans  1856  der  erste  auieri- 
kanisehe  Anct^  der  sieh  fttr  die  Vornehme  der  Laparotomie  nach  erfolgter  Ruptur 
aussprach.  Es  scheint  dies  aber  nicht  richtig  zu  sein,  da  bereits  aeht  Jahre  frQber 
Tkask  '"■']  mit  dem  gleichen  Vorschl«"'*'  auftrat.  Hrklärlicli  i'Jt  e<; ,  dass  seit 
der  antiseptischeu  Aera,  die  uns  operative  Eingriti'e  vurzuoehtueo  erlaubt,  an  die 
man  Arllher  nicht  denicen  konnte,  dieser  operative  Eingriff  nleht  selten  vorgenommen 
wurde  und  quasi  sein  Bflrgerreeht  erlangte.  Der  Gedankengang  einer  grossen 
Reihe  von  (Jyn.lkolofren  ist  folgender:  Bei  vollst.lndifrcr  Ruptur  ist  die  Laparo- 
tomie (laiiu  vorzunehmen,  wenn  die  Extraetiou  der  KnicLt  oder  l'Iacenta  per  vias 
naturales  Schwicrigkeiteu  bereitet,  die  Frucht  thuilweise  oder  zur  Gänze  in  die 
Peritonealhöhle  getreten  ist  oder  sieh  aueb  die  Plaeenta  daselbst  beRndet,  wenn 
eine  sehr  heftige  Blutung'  besteht,  wenn  anzunehmen  ist,  dass  der  Riss  ein  Rehr 
s.Tosser  und  von  starken  Verletzung'en  bef^leitet  ist,  wenn  die  Hfinno  prolabiren 
oder  wenn  sobliesslich  das  ganze  uoeröfl'uete  Ovum  in  die  liauchbühle  gelangte. 
Nadb  vorgenommener  Laparotomie  nnd  Entfernung  der  Frueht  sammt  der  Plaeenta 
werden  nach  vorausgegangener  Desinfeetion  die  Rissränder  geglättet  und  vernäht. 
Die«  bat  namentlich  d.uin  zu  peschclien,  wenn  eine  heftige  Blutung  besteht.  Sind 
die  Wundräuder  so  zerlVt/t,  dass  eine  Vcreinifriinfr  der^^elben  undurchführbar  er- 
scheint, so  ist,  namentlich  wenn  gleichzeitig  eiuu  heftige  Blutung  besteht,  die 
-Porrooperation,  i.e.  die  Amputation  des  Uterus  vonsunehmen.  Zu  umgeben  ist 
die  Laparotomie  bei  incompleter  Ru|)tur  oder  dort,  wo  der  perforireode  Rins  nur 
ein  kleiner  ist,  oder  wentj  keine  gefahrdrohende  Blutung  besteht.  In  solchen  Fällen 
kann  man  sich  mit  der  Drainage  begnügen.  Jene,  die  sich  mehr  oder  weniger  zu 
diesen  Ansehauuugen  bekennen,  und:  Ahes*«),  Bonnaibb'*),  6.  Braun  CoE<^'j, 
Fehling'^),  Franz «'^),  Galahin««),  Gbakdin«'),  Bkrbt  Hart«^),  Hanks"«), 
Harris  "o.,  Bhaxton  Hic  ks  ■').  Horrocks      Howakd      Iaii.i.k  "♦),  Josephson  •'■), 

KALTENBACH'«),  LEE''I,  LEOI  OLD ,  LlSK"'*),  MALCOLM  Mc.  J>fc:AX'0},  MEB- 
MAX.N^'j,  Mc.  koaMAK«'-j,  OTT*^  '),    PaETRILUE        PRICE '*•'),  UKAÜ'«),  liBED*'), 

RorTH»^,  SchAffsb«*),  8chauta<0),  Schlborta  »i),  Schultz**),  Slavjanskt 
TiASK'*),  ükdkrhill  "f;,  Wixckel ''•^^)  und  Zweifel»'). 

Aus  statistischen  Daten  darzulej^eu ,  ob  die  exspecfative  oder  active 
Hehandlun^  der  Uterusruptur  besneru  Resultate  ergiebt,  daher  vorzuziehen  ist, 
geht  nicht  gut  an.  Die  Erfahrung  des  Einseinen,  wenn  ihm  auch  ein  noeh  so  grosses 
Material  zu  Gebote  stiht,  kann  hier  nie  die  Hasis  einer  Statistik  abgeben,  da 
die  Ttcrusruptur  zu  s(](en  vorkon  nit.  Anderirseits  wieder  ist  es  misslich,  aus 
fremden  Publieationen ,  die  bliuti^  unvollständig  und  nicht  immer  klar  abgefas^t 
sind,  noanfecbtbsre  Sehlussfolgerungen  zu  ziehen,  abgeeeheu  davon,  dass  nicht 
alle  Fälle  gleichwerthig  sind  und  viele  derselben  in  die  vorantiseptiDehe  SMt  iUlen. 
Aus  diesen  Grdnden  scheinen  mir  die  Schlüsse,  die  AHES»*),  Cok  "•),  Harris""") 
und  I':sKA(  F.K  1  aus  iluen  Daten  ziehen,  nicht  unbidinet  xerliis.l'pb.  Immer- 
hin aber  macht  ea  mir  in  Anbetracht  der  relativ  zahlreichen  Fülle  aus  den  letzten 
Jahren,  die  ohne  operativen  Eingriff  gflnstig  ausliefen  ***) ,  nnd  des  Umstandes, 
dass  von  den  vielen ,  cljeufalls  aus  den  letzten  Jahren  stammenden  Pallien .  in 
denen  operativ  eingegriffen  wurde,  nur  wenige  gtln^tig  au&liefeu  .  diu  Kindruck, 
dass  das  ex>pectative  Verfahren  günstigere  Ergebnisse  liefertcals,    das  operative. 

Ich  glaube  übrigens,  dass  die  Verbältnisse  nicht  so  einracb  liegen,  als 
man  gemeinhin  annimmt.  Eine  Laparotomie  naeh  erfolgter  Ruptur  ist  bexflglieh 
der  Prognose  durchaus  nicht  einer  S^rfio  caesaiea  oder  gar  einer  Laparotomie, 
die  aus  gynäkologischen  Gründen  vorgenommeu  wird,  gleicbzuütellen.  Wohl  tbeil- 


UTBBUSRUPTUB. 


795 


weise  auch  deshmlb,  weil  durch  den  Tebertritt  der  Frucht,  ihrer  Nachgebarto* 
theil«'  lind  des  .«onstifren  rtenisinhalte-!  in  die  Bauchhöhle  sepsisorresrende  Keime 
in  letztKenanutes  Cavum  verschleppt  ■»erden,  hauptsächlich  aber  aus  eiuem  anderen 
Grunde.  Die  plötzlich  statitindeude  umfangreiche  Huptur  des  Uteruo,  die  sich  in  der 
Regel  an  einen  lange  dauernden  «ebweren  Oebartaaet  anaeblieast,  ruft  einen  sdiweren 
Sbook  hervor.  Derselbe  stellt  sich  momentan  ein.  Der  Collaps  ist  nicht  Folge  der 
Blutung,  wenn  er  auch  spfltcr  durch  diese  gesteigert  wird.  Er  stellt  sich  momentan 
ein,  bevor  ihn  noch  die  ebeufailti  durch  die  Huptur  hervorgerufene  Blutung  hervor- 
xnmfen  vermag.  Die  Kranke  bat  noeb  niebt  Zeit  gefvnden,  boeligradig  nnimiieb 
in  werden  nnd  schon  ist  sie  collabirt.  Es  macht  den  Eindruck,  daas  die  Ruptar 
namentlich  dann  einen  schweren  Shock  nach  Rieh  zieht,  wenn  das  Organ  Iflnfrere  Zeit 
hindurch  in  sehr  kräftiger,  vergeblicher  Action  begritfen  war.  Dafür  spricht  auch 
der  Umstand,  dass  in  Fällen  (von  denen  weiter*  unten  Erwähnung  gemacht  werden 
soll),  in  welchen  Giavide  dnrab  ein  Tranra  eine  Raptnr  der  Banebdeeken  nnd 
de.'*  l'terus  erleiden ,  diese  gewiss  ebenso  schwere ,  wenn  nicht  noch  schwerere 
Verletzung  relativ  leicht  Uberstehen.  Auf  diese  intra  partum  entstandene  Kuptur 
noch  eine  Laparotomie  aufzusetzen,  die  gieicbfalls  ein  bchwerer  Eingriff  ist,  heisst 
denn  'doeb ,  dem  GesammtorgamBmnB  eine  in  lebwere  Aufgabe  aufittbflrden ,  die 
derselbe  nicht  leicht  zu  lösen  im  Stande  Mt,  trotz  aller  Antisepsis  und  Asepsis.  El 
M'ird  uns  daher  nicLt  Wunder  nehmen,  wenn  relativ  nur  Wenige  diese  I^aparo- 
tomie  Uberstehen.  Ich  stimme  nach  dieser  Riebtuog  hin  mit  iNUfiiBSLEV  und  der 
ScBBÖOBB'seben  Sebule  vtritkonunen  flberein,  daas  das  exspectative  Verfabren,  einige 
seltene  A  usnabnsfUIIe  abgerccbnet,  dem  operativen  vorimdeben  ist.  Zu  den  Aua- 
nahni«f?lllen  zahlt  der  Eintritt  der  Riiptnr  bei  absolut  zu  engem  Becken,  bei  dem 
ohnehin  die  Stctio  (iKsnrfa  angezeigt  ist.  Ausserdem  mag  es  in  manchen  Fällen 
(wie  dies  bereits  oben  angedeutet  wurde;,  wenn  trotz  gut  coutrahirtem  oberen 
(Jterioaegmente  eine  beftfge  Blutung  bestebt,  die  nur  ans  der  Risestelle  lierrtihrt, 
vielleicht  bereehti^t  s(in,  die  Laparotomie  vorznnehnu  n  ,  um  die  blutende  Stelle 
aufzusuchen  iitid  dauernd  lu  versorgen.  Mir  ist  bisher  kein  derartiger  Fall  unter 
die  Hände  gekommen. 

Andbbws>o*),  Fobnabi>«')  nnd  Cos  i«»)  gingen  in  einielnen  Fällen 
in  ihrem  operativen  Eimebreiten  noch  weiter.  Sie  wollten  sieb  niebt  danut 
begnilgen,  die  Kisgstellc  zu  vernähen  oder  den  l'terus  zu  amputiren  ,  sondern  ex- 
btirpirten  das  ganze  Organ.  In  keinem  dieser  F.IÜe  aber  wurde  eine  Kranke 
gerettet.  Frekmann  i»";  nahm  in  einem  Falle,  in  dem  die  Ruptur  in  der  Vorder- 
wand des  unteren  Abschnittes  der  Cerviz  eintrat,  den  Kaisersebnitt,  aber  eben« 
falls  mit  ungllnetigem  Erfolge  vor.  Ki  tff.rberg  etitniromt  aus  zwei  Fällen, 
die  er  sah.  dass  die  Pro-^nose  hier  lieileutond  gUnstiger  ist.  als  bei  höher  gelegenen 
Hir'Sen.  Bei  Laquearrissen  ist,  weun  laparotoniirt  wird,  die  Prognose  noch  un- 
gflnstiger ,  als  bei  Rissen  des  unteren  IJterinsegmentee.  Die  Laparotomie  aobelnt 
demniich  bei  diesen  Kissen  unbedingt  contraindidrt  zu  sein  (Fhkünd  jun.  ^''). 

Trotz  der  höchst  nnijlinstigen  Prognose  der  l'terusruptur  ereignen  sich 
duch  vereinzelte  Fälle ,  in  deneu  die  Betretlende  die  Ruptur  zweimal  und  noch 
Öfters  glttcklieb  Ubersteht.  Fälle  iweimal  glücklich  überatandener  Ruptnr  sahen 
LoiiBBOSO  1'*)  nnd  Wbnzbl  "■).  Einen  Fall,  in  dem  die  Ruptur  dreimal  glttcklieb 
ttberstanden  wurde,  erwähnt  Batti  f.hnfr  '"),  und  einen  von  sogar  viermal  Uber- 
ptandener  Kuptur,  dessen  (JlaubwUrdigkeit  zwar  angezweifelt,  von  Byford  "*)  und 
Mi.NDK  -'j  aber  bestiUigt  wurde,  theilt  liOSK'»';  mit.  lu  den  von  Albekts 
Breüss  <i»),  Dittkl  "«)  und  Wbnzbl  publielrten  FMIen  flberstanden  die  Frauen 
die  erste  Ruptur,  gingen  jedoch  an  der  zweiten  zu  Grunde.  In  dem  einen  der  von 
WfiNZEL  erw.nhnten  zwei  Fälle  Überstand  die  Fruit  nicht  nur  die  Ruptur  glück- 
lich, sondern  machte  später  noch  einmal  eine  normale  Geburt  durch.  Dasselbe 
geschah  im  Falle  LoiiBBOSO's.  Einen  Fall  tob  iwdnialiger  Üterusmptur  bei  ein 
und  derselben  Frau  theilt  auch  Dcüois  mit.  Fälle,  m  denen  die  Frauen  nach 
ttberstandenvr  Ruptur  weiterhin  noch  nomwl  und  gut  gebaren,  erwibnen  Fbanz 


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796 


UTBRÜSBUPTÜB. 


Grf.kne  1-'),  Lawrekcr       Mc.  Leax  1"),  Deutsch      und  LED£ft£ft  ^-"j,  aowie 

11  ti  l  i  ES  1'-"). 

Leider  dnrehaits  nicht  so  selten  sind  artifieielle  Raptaren.  In  den  meisten 

Filllea  kommen  sie  dftdurch  SU  Stande,  dass  bei  drohender  Ruptur  und  bestebeo* 

der  Querlatre  Wendung'sversuche  angestellt  werden.  Sie  sind  penetrireude  oder 
unvollkomiuene ,  meiner  Ansiebt  nach  aber  uocb  am  che^iten  zu  eutscbuldigen. 
Naeh  Fritsch  i*«)  und  LöW7 1")  dnd  sie  in  naehhiaein ,  wenn  keine  siebere  ' 
Anamnese  vorliegt,  von  spontanen  Rupturen  nicht  an  unterscbeiden,  da  die  Grösse 
tuid  Form  des  Ris-ses  aiu-li  )m  spontanen  Rupturen  tii«,«  g'leicbe  sein  kann.  In  den 
Filllen  artificieller  Ruptiirtn  ,  die  mir  zu  (icsicbt  kamen,  verniisste  ich  nie  ein 
anteuterines  Kmphyseoi,  wübrend  ich  ea  bei  spontanen  nie  sab.  Es  cbarakterisirt 
sieh  dadurch ,  dass  in  der  Gegend  dar  Rnptnr  die  Inssere  Decke  etwas  aufge- 
trieben erscheint  und  I  i  it  r  Berlihruu?  derselben  ein  deutliches  Knistern  zu 
fllhlen  ist.  Kr»  kommt  dadurch  zu  Stande,  dass  der  Operateur  bei  Einführung  der 
Hand  mit  Luit  in  die  L'terushöhlo  einfuhrt  und  diese  bei  Erzeugung  der  Ruptur 
in  dss  Bubperitoneale  Bindegewebe  hineingetrieben  wird.  Die  Entstehung  dieses 
Emphysemes  ist  bei  spoutauer  Ruptur  nicht  denkbsr*  da  es  unerklirlich  wSre, 
wieso  Luft  in  den  rtt-nis  käme  und  von  da  aus  mit  (Jowalt  unter  den  Peri- 
tonealflberzug  des  Uterus  ;<etrieben  würde.  Dieses  Emphysem  hat  unter  Uui»täudeu 
eine  nicht  geringe  diagnostische  Redeutuug,  da  man  aus  dessen  Gegenwart  allein 
schon  bei  der  Äusseren  Untersnehnng  des  Unterleibes  die  Ruptur  des  Uterus  er- 
kennen Icann. 

Noch  VDü^r  zu  entschuldi{;en  als  die  RcrboifUhruny  dieser  Kisse  sind  jene 
Rupturen ,  die  dann  zu  Stande  kommen ,  weuu  die  Wendung;  trotz  der  Leber- 
dehnnng  des  nnterwi  Uterinsegmentes  oiine  Verletzung  des  letzteren  gelingt  und 
sofurt  darauf  extrahirt  wird.  Der  dem  Fruchtkörper  aagelagerte  Uterus  wird  nun 
bti  der  Extraction  samnit  der  Frucht  herabo:v.'Zf"rrt  luid  ^renüjrt  dieser  Insult,  das 
hyperexteudirt  gewesene  verdünnte  untere  Uterinsegment  zu  zerreisseu.  Die  auf 
diese  Weise  CDtstandeuen  Risse  sind  in  der  Regel  Längaris^e.  Befdrdert  wird  ihre 
Entstehung,  wenn  das  Promontorium  sdiirfer  hervortritt,  Frsdnd  jun. 

Ausser  diesen  zwei  Arten  violenter  Ruptiiren  komnicn  noch  zahlreiche 
aiidere  vor,  die  aber  den  ausgesprochenen  Charakter  eines  Ivuiistlelilers  an  sich 
tragen,  ich  sah  Fälle,  in  denen  der  Arzt,  statt  mit  der  Hand  durch  den  Mutter- 
mund in  den  Utems  einangehen,  das  Seheidengewölbe  durchriss  und  von  hier  ans 
in  die  Uterashöhle  gelangte  und  dabei  den  Uterus  rupturirtc.  ich  sah  Durch- 
st<>«siiniren  der  T'teruswand,  herl)eiL;eiinirt  dtireh  einen  Zungenlr.tl'i  l  u.  ili  rL'l.  nj.  Luoh* 
förmige  Rupturen  im  Fundus  spreu'heu  nahezu  stets  für  einen  Kunstlehler. 

Ausnahmswdse  kann  es  geschehen,  wie  Schuadss  ■>*)  einen  soldien  Fall 
mittbeilt,  dass  bei  drohender  Uterusruptnr  durch  die  Anwendung  des  Eustklleb- 
seken  Expressionsverfahrens  der  rtcrus  zerrissen  wird. 

Niclit  gar  ^o  selten  kommt  es  \"r,  dass  der  Ltcrus  nach  bereits  geborener 
Frucht  bei  uianualer  Entfernung  der  Llaccuta  zerrissen  wird.   Gewöhnlich  wird 
hier  der  Fundus  durehstossen  oder  gar  herausgerissen.  Gbandin  i**),  Dittbl 
Hkktobn  ^**).  Solehe  Verletzungen  wurden  in  der  Regel  von  Hebammen  beigebracht. 

Eine  ganz  andere  iJedeutun;,'-  l»esitzen  Uferusrupturen  bei  Sehwangeren 
in  Folge  eingewirkter  nicht  geburtshildicher  Traumen.  Wahrend  violente  l  terus- 
rnpturen  ebenso  wie  spontan  eintretende  im  Allgemeinen  eine  sehr  ungünstige 
l'ro.;nose  ergeben,  ist  letztere  bei  Ruptur  des  schwangeren  nicht  kreisenden  Uteras 
in  Folire  ciimewirkter  .lusserer  Traumen  durch-jchnittlich  eine  aulValltiid  günstige. 
Aus  einer  i'ahelle ,  die  IIaurjs  '  ■  zii>aiiiuu'n.«tcllt ,  ist  zu  entnelimeu,  das-s  von 
9  Schwangeren  (die  sich  in  den  letzten  Giaviditiltsmonaten  befunden;,  deueu  Baucb- 
decken  und  vordere  Uteruswand  dnreli  Hornstösse  von  Seite  von  Rindern  auf- 
geschlitzt wurden«  nur  4  ihr  Leben  verloren.  Aehnllche  Fülle,  in  denen  der  Uteras 
ohne  Durchtrennung  der  Hauclidi  cken  in  Folge  eines  äusseren  Tranmas  zerrissen  w^urde, 

thcilen  GKAPOW  lllCKlXliUTiiAM  >  •"},  PUILLIPS  i^»*;,  FLEXIO  l*'),  bLAVJANSKV 


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UTERUSRÜPTUR. 


797 


mit.  In  allen  (lit-sen  Füllen  genaaeo  die  Frauen,  trotzdem  dib  Frucht  in  die  Bauch- 
höhle getreten  war  und  die  Laparotomie  vorgenommen  werden  musste.  Slav-iansky 
gah  sich  HOgar  gezwungen,  den  Porro  vorzunehmen,  da  die  vordere  Uteruswand 
total  cerrinen  war. 

Stich-  and  Hiebwunden,  durch  die  der  schwangere  Uterus  crSAiet  wird, 
werden,  wie  es  scheint,  dagegen  nicht  gut  ertragen.  Meist  geht  die  Verwandete 
zu  Grunde.  Habhis.  '*^)  Schusswunden  des  Uterus  dagegen  solien  nach  Harris, 
wesn  sonst  kein  edleres  Organ  verletzt  wurde,  relativ  gut  ertragen  werden. 

Literatur:  *)  ')  Abnlkasem,  Vergl.  Velpeau.  „Traüi  eompt.  de  l'art  de* 
aeeouch.  etc.''  Paria  löüo-  —  ')  Boir,  .Sübea  Bächer  etc."  Wien  1834,  pag.  50.  —  ')  II  an- 
ri  c  e  a  n ,  „  Obgermiionti  ete.^  Paria  1725.  Observation.  XXVI,  pag.  23.  —    S  m  e  1 1  i  e ,  Cotleet. 

of  '»/.v.  London  17t>4,  pag.  435.  Collect.  XXI,  Nr.  I,  Cap.  4;  4.  CoUect.  of  pnuat.  cas.  London 
1764,  Collect.  XL,  Nr.  C,  8,  pag.  —  *)  Levret,  „L'art  des  accouch.  etc."  17Öl, 
§.  106.—  *)  he  la  Motte,  ^Trai't^  des  nceouch.  ete."  Paria  1765.  pag.  596.  —  »)Smellf*, 
L  c.  —  -|  (;.  W.  8tein  der  Xeffe,  „OoMi.  ftr  -  Iftor),  7.  Aufl.,  5;.  4G7.  —  »)  J.  C.  Bau- 
deloiiue  der  Aeltere,  ^.\nleitung  zur  Kntbiiidunjrskun.><t  etc."  Deutsche  Uebersetzung  vou 
PhiL  Fried r.  Mecktl.  Leipaig  1783,  II.  pag.  ^i^.  —  F.  B.  Oaiander,  „Handb. 
der  Entbindungaknnst  etc."  2earb.  v.  J.  F.  Oaiander.  Täbingen  1825,  §.  31.  —  ")  A.  G.  v. 
Siabold,  „FramBsimmarkrankbeitaii.''  FrankAirt.  a.  K.  1823,  §.  626  nnd  §.  629.  —  Ki> 
wisch.  .Klinisciie  Vorlriga  etc."  Prag  1851,  I.,  pag.  241.  —  ")  S  c  a  n  u  i ,  „Lehrh.  d. 
Geb.  ei<  •  HÖ7,  I,  pag.  216-  —  ")  Bandl,  „Ueber  Ruptur  der  Gebärmutter  und  ihre  Me- 
chanik .  ti  -  Wien  1«70.  A.  t.  G.  1875.  Vin,  p«g.  542.  C.  f.  G.  1883,  pag.  678.  —  ")  G.  W. 
Stein  der  Neffe,  „Lehre  der  Gebnrtsh.  etc."  Elberfeld  1825,  L  Thl.,  pag.  231.  —  '*)  Mi- 
chaelis, .,Das  en^e  Becken  etc."  Leipzig  18G5,  II.  Aufl.  —  Barnea.s,  „Lertures  on 
obstetn'cs  njitrutxtn.s."  ls7(J,  pag.  .IHij.  Vcrpl.  auch  Kucher,  A.J.o.O.  ISSl,  XIV,  pag.  027. — 
•»)  Freund  jun.,  Z.  f.  G.  u.G.  1692,  XXUI,  pag.  436.  —  »»)  Fritach,  UUller'a  Haadb. 
1889,  m,  pag.  685  and  Deatacha  med.  Woehenadir.  1891,  Nr.  51.  —  **)  Lftwy,  «Ueber  die 
fort  iisi-che  Bedeutung  der  Utcrusruptur."  Disj«.  inaug.  Breslau  1889.  C.  f.  G.  1888,  pag.  519.  — 
*'j  Harris,  New- York  Journ.  of  Gvn.  and  Obstetr.  1893,  II,  pag,  93.  —  )  Morsberg, 
Hygiea.  Miirz  1879.  C.  f.  G.  188»»,  pas.  IG.  —  ")  Hofmeier,  C.  f.  G.  1883,  pag.  473.  — 
")  Vors.  Norsk.  Mag.  lor  Lag.  3.  R.  III,  C.  f.  G.  18S0,  pag.  46.  —  Veit.  Müller'a 
Handb.  18^9.  IL  pag.  1.52.  —  Freund  jnn.,  I.e.  —  ")  Winter,  C.  f.  G.  1869, 
pa;:.  .341.  —  I  Im  Verlhufe  der  letzten  Jahre  wurden  folgende  Fälle  von  Ruptur  des 
Scheidengewülbes  pnblicirt:  Bidder,  C. f.  G.  1893,  pag. 41.  St.Braun,  Przeglad  lek. 
1^  Kr.  40.  C.  f  6.  1889,  pag.  707.  Box  all,  Tranaaet.  of  the  Obatetr.  Soo.  of  London. 
l8fM).  XXXI,  pas:.  30:?.  Dührssen,  Berliner  klin.  Wo.  tienschr.  188''.  Nr.  1.  Daberty,  Dubl. 
Quart.  Journ.  18-12.  Mathews  Du  neun,  Tran.sact.  of  the  t)bst'-tr.  Soc  of  London.  1890, 
XXXI,  pag.  23ü.  K verke,  Berliner  klin.  Wochenschr.  189i»,  Nr.  26.  Fehling,  Volkmann'» 
Sanunig.  klin.  Vorträge.  N.  F.  1892,  Nr.  54.  Freund,  Z.  f.  G.  u.  6.  1892,  XXiU,  pag. 463. 
Franz,  Dias,  inaug  Bern  1883.  Jalko  Grintesaewich,  Med.  Tfine«  and  Reg.  New-York 
aud  rhilad'li.liia  IS'.ij),  XXI.  pig.  1Ü6.  Hank.s,  A.J.o.O.  Is77.  pag.  272.  H  u  g  e  n  h  er  g  e  r, 
_T]eber  Kolporrhexis  in  der  Geburt."  tit.  Petersburg  1876.  Hepites,  Arch.  Eouni.  de  Med. 
et  de  Chir.  1887—1888.  C.  f.  G.  1889,  pag.  824.  Korth,  Diss.  inaug.  Berlin  1885.  Mors- 
bach, C.  f.  G.  18>i.i,  Nr.  26.  Leopold,  A.  f.  i\.  XXXVI.  IS'^9.  pag.  324.  PiskaTek,  ,.B.  itr. 
lur  Therapie  nnd  <'asni.stik  der  Uterusruptur  ntc.''  Wien  1>^S9.  Skolow,  Verhau<ll.  d.  Mo.skauer 
Aerzt-,  1  F'  i  rn  ir  ;-Sj.  Sts.  hotkin,  C.  f  G.  1890,  pag.  939.  —  Freund  jnn..  Z,  f. 
G.  n.  G.  1892,  XXiiI,  pag.  472.  Vergl.  auch  Aubenaa,  „Obserc.  de geutrotomie  etc."  Thäse. 
Straaaburg  1855  und  Carl.  Denfsdie  med.  Wocbenschr.  1891,  Nr.  10.  —  "*)  Veit,  Mfliler'a 
Handb.  lSs9,  II.  pap.  l.ö'^.  -  '■")  Freund  jun..  loc.  ult,  cit.  ])ag.  481,  —  Bezüsü'li  der 
Rnptur  de-s  I  nndus  vergl.  Brü.se,  ('  f.  (i.  1889,  pag.  339.  Dickey.  Ann.  of  (iyn.  aud 
P-d  Oct.  1>'.<1  Ihtlnieier,  Z.  f.  G.  u,  G.  1882.  VllL  pag.  I«>9.  Freund,  loc.  ult.  cit. 
Henderson,  Med.  age.  1888,  Nr.  22.  C.  f.  G.  1869.  pag.  706.  Malcolm  Mc.  Le an,  Transact. 
of  the  Amer.  Gyn.  Soc.  1892,  XVII,  pag.  357.  Piltz,  Deutsche  Med.-Zig.  1889.  pag.  1221. 
Jahn  <bi  r.  IS'Jl  ,  IV,  pag.  375.  Reden,  Deutsche  Mtd.  Zrr.  IS'^.i.  pag  1.  Salin,  Hygiea. 
18S2.  Sv.  iak.  fort.  pag.  56.  C.  f.  0.  1882,  pag.  823.  äaurenhaas,  C.  f.  6.  1889,  pag.  339. 
Winter,  G.  f.  O.  1889.  pag.  340.  Sehlottfeld,  Ugeak.  fbr  Lüg.  1879,  Kr.  1.  O.f.  O.  1879, 
pap,  287.  Buge.  Z.  f.  G.  u.  G.  1878.  II.  pag.  27.  Inger.slev,  Hosp.  Tid.  R.  2.  VI.  — 
»^)  Bare  et  Secheyron,  Progr.  med  18Ö4,  Nr.  50.  C.  f.  G.  1885,  pag.  383.  FleLsch- 
naon,  Prager  med.  Wodienachr.  1885  35,  36.  Freund,  locnltcit.  Herman,  Traaaaet 


*)  C.  i.  6.  =  Central  blatt  für  Gynäkologie.  A.  f.  G.  =  Archiv  für  Gynäkologie.. 
Z.  f.  O.  n.  (f.  =  Zeitschrift  für  Gebartshilfe  nnd  Gyn&kologie.  Jabresher.  :=  Jahresbericht 

über  die  Fortschritto  auf  dem  Gebiete  der  Geburtibilfe  und  Gyn.Tkolugie.  Ileran.s-i^f'eeben 
V.R.  Froninul.  A.  J.  n.  < ».  .\  nierican  Journal  of  Obstetrics.  Mttller'i«  Handb.  —  Handbuch 
der  G'  hurtvliiit*'.  Beaii  eitt  t  von  Prof.  Dr.  Fehling  otc.  fltoranagegehen  von  Prof.  P.  Mflller. 
Drei  Bände.  Stuttgart.  1883— Ö9. 


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796 


ÜTERÜSSÜFTUR. 


of  th«  London  Obstetr.  Soc.  1892,  XXXIII,  pag.  491.  Hersfeld,  C.  f.  G.  1889,  pa«.  636. 
Moldeabauer,  A.  f.  G.  1875,  VII,  pag.  115.  Wenz,  Heidelberger  Natarf.- Vera.  1890.  Ta«»- 
Matt,  pag  455.  Riii;e,  Z  f.  G.  u.  G.  1878,  II,  pag.  27.  —  •*)  Falle  von  üterusrnptnr 
bei  Unnach^^iebigkeit  des  Muttermundes  oder  der  tieferen  Cerrixab- 
schnitte:  Tr;iak,  Amer,  Joum.  18.'>»),  pag.  84.  Scott,  Ivondon.  Med  (  hir.  Tr.  XI,  Part.  II. 
£.öttnit>,  Deutsche  mod.  Wodwiischr.  1688.  Mr.  2.  B«ben,  Din.  inaug.  Berlin  1879.  .Di» 
Utwonraptor.*'  Weber,  Pnfer  med.  Wodiera^.  1881,  Nr  B8.  31).  FeldHann,  N«m 
ZlitMhr.  f.  Geb.  XXII,  pap.  8()4.  P.  Müller,  Naturf.-VerHamml.  in  Freiburg,  1 883.  Tageblatt, 
P««.  198.  Frans,  Dias,  inaug.  Bern  1883.  —  **)  Marx,  A.  J.  o.  0.  1886,  XIX,  pag.  1150. 
Smjlj,  Brit.  Gyn.  Joum.  1893.  VIJI,  pag. 87.  — '^j  Vgl.  bezüglich  d e r  Utemamptarea 
vmcb  glücklich  flberstandenem  Kaiserschnitte  die  LiteratorsnsMimenstellaiig 
bei  Krukenberg:  A.  f.  G.  1886,  XXVIII,  pag  4U8.  —  ")  Bezüglicli  der  üterusruptur 
bei  Carcinotn  des  üterns  vergl.  Arnes,  A.  J.  o.  0.  18:51,  XIV,  pag.  .361.  Anvarr, 
Joom.  de  Med.  Paris  1889.  XVI.  ö73.  Jahresber.  1890,  iU,  pag.  132  n.  178.  Bousquet. 
L'ab.  mM.  1889,  Vr.  31.  0.  f.  O.  1890.  pag.  68.  W.  Fremd,  Dratiohe  med.  WotAeasehr. 
6.  Jnni  1890.  Riedinger,  Prager  med.  Wochenschr.  1891,  Nr.  15.  Bezüglich  der  üterus- 
ruptur bei  Uterusmyomen  vergl.  Lund,  ügesk.  for  lAg.  1889,  4.  R.,  XIX,  Nr.  13, 
pag  275.  Jabntber.  189Ö,  III,  pag.  154.  Patton,  Brit.  med.  Jonro.  1888,  I,  901.  Jahresber. 
1689,  II,  paf  168,—  ••)  Besftglicb  des  Eintritte«  dersponianen  üterusruptur 
b«i  Gegenwart  einer  Ptaeenta  praevia  vergl.  Blfnd,  Dias,  fnaug.  Stramburg  1892. 

C.  f.  G.  1893,  pag.  90.  Depaul,  Caz.  des  hop.  1874.  Nr.  ;^9.  W.Freund.  Deut-chft  ni-d 
Woeheuschr.  5.  Juni  1880.  Lomer.  C.  f.  G.  1891,  pag.  i>16.  Lustgarten,  Wiener  med. 
Preeee.  1876,  Nr.  431.  Oiterbind,  ^Ueber  J?M|ifHra  uteri."  Dias,  iaaag.  Grairavald  1884, 
pag.  17.  —  '•')  lleznglirli  der  spontan  eintretenden  Uterusrupturen  im  Ver- 
laufe der  früheren  Graviditätsmonate  hei  Gegenwart  von  Wehen  oder  ohne 
solche  vergl.  folgende  Pnblicalionen :  Arnes,  A.  J.  o.  0.  1881,  XIV,  pag.  361.  Butruill. 
et  A.  Godefroy,  Bull.  mbd.  da  Nord.  Lille  1^7.  Jahresber.  1888,  I.  pag.  119.  Cootagne, 
hym  mM.  1882,  Nr.  43—46.  0.  f.  6.  1883,  pag.  343.  Dicke  j,  Ann.  of  Gyn.  aad  Ped.  Oct. 
1891.  .St.  Braun,  Praeglad  lek.  18;^.  Nr.  41.  (Polnisch.)  C.  f.  G.  1889,  pag.  706.  Harvey, 
Transact  of  the  Obstetr.  Soc.  of  London.  18S(j,  XXVII,  pag.  191-  Hofraeier,  C.  f.  G.  1881, 
pag.  619.  Ingerslev.  llosp.  Tid.  1879,  Nr.  5.  C.  f.  G.  1879,  pag.  i>86.  Köttwitz,  Deutsche 
med.  Wochen-sdir.  188S,  Nr.  ^.  C.  f.  G.  1888,  pap.  55ü.  Dnnn.  Transact.  of  the  Obstetr.  Soc. 
of  London.  18Sü,  IX,  pag.  65.  Green,  Brit.  med.  Journ.  14.  Sept.  1889.  Jabresber.  189<J,  HL 
Freund.  Z.  f.  G.  u.  G.  1892,  XXIII,  pag.  453.  Munde,  A.J.o.O.  18S2,  XIV,  Snppl.-Bd. 
pag.  ö.  Mann.  C.  f.  6.  1881.  pag.  377.  Sabin,  New- York  Med.  Journ.  Aug.  1879.  C.  f.  Q. 
1880,  pag.  IsfO.  Sarebl.  Wrataeh.  1886,  Nr.  3.  (Bossiecb.)  0.  f.  O.  1886,  pag.  303.  Simpson, 
Glaagow.  med.  Joum.  1866.  Sanrenhaus,  V.f.G.  1889,  pag.  339.  Swayne.  Transact.  of 
the  Obstetr.  Soc.  of  London.  1837,  XXVIII.  pag.  21^.  Thomas,  A.J.o.O.  IS-S^.  XV,  Suppl.- 
Bd.,  pag.  4.  Patton,  Brit.  med.  Journ.  1SS8,  I.  9  »1.  Jahresber.  18S9,  II,  pag.  162.  Runge, 
Z.  I.  ü.  u.  G.  1878,  II,  pag.  27.  —  V.Franke,  Wiener  med.  Presse.  1865.  ffr. '44  S. 
Vetfl.  ausserdem  Harris,  A.J.o.O.  1880.  XIII,  pag.  . '^02  und  1881,  XIV,  pag.  .375.  Dun, 
Transact.  dt"  the  O.stetr.  Soc.  of  London.  IS68,  IX,  pai;.  tlV  l»!-'  altere  Literatur  tiiuiet  sich 
in  Fleetwood  Churchill,  „On  th*  tlieor»(  atui  praxut  oj  mniu-i/er^  etc."  London  1866, 
pag.  522.  —  «<)  Traak.  Amor.  Jörn,  of  med.  Sc.  1846.  pag.  104,  36:-$  nad  1856.  pag.  61. 
Veigl.  auch  Garrigues,  Med.  Ree.  10.  März  1888,  pap  2Hl.  C  \.  V,  1  «3««.  pag.  61.  — 
Schlecht a,  Frauenarzt.  1891,  Heft  6  a.  7.  —  **)  Fleischmanu,  Zeit.schr.  f.  Heilk. 
VI,  pag.  5>87.  -  PlakaCak,  SammL  Ufa.  Varl.  Wien  l'<89,  II.  Jahresber.  1890,  III, 
pag.  181.  —  **)  Fälle  von  spontaner  Uternarnptur  bei  Gegenwart  eines  Hydro- 
cephalos  ans  den  letzten  Jabren:  Tbeoph.  Parvin,  Transact.  of  the  Amer.  Gya. 
Soc.  1879,  III,  pag  iiO/;.  Croom,  The  Obstetr.  Journ.  of  Great  Brit.  and  Irel.  März  1880. 
Nr.  85,  pag.  138.  C.  f.  G.  1880.  pag.  237.  Arnes,  A.J.o.O.  1881.  XIV,  pag.  361.  F-ll  1, 
19,  34,  51,  70  seinar  Tabelle.  Hofmeler,  C.f.O.  1883,  pag.  473.  Winter,  C.  f.  G.  1887, 
pag.  7.Ö.  Leopold,  C.  f.  G.  IS88,  pa?  l^l  und  „Verband!,  d.  Deutschen  Geseli«cb.  f.  Gyn.** 
II.  Coni;i.  Leipaig  18SS,  ^^^.tli.  Foatana.  Annali  di  Ostetr.  März  1888,  i>ag.  t)3<f.  Wie- 
don, C.  f.  G.  1889,  pag.  501.  Herzfeld,  C.  f.  G.  1889,  pag.  636.  Vergl.  aus-ser.hm  noch: 
Scbucbardt,  .Ueber  die  Schwierigkeit  der  Diagaose  nod  die  Häufigkeit  der  Lterosruptur 
bei  fStaler  HydrocepbaHe."  Dfaa.  inaug.  Beriinl884.  Cf.G.  1884.  pag.  774.  —  «*)  Fehliag, 
Volkmann's  Sammlung  klin.  Vortr.  IRC^,  N.  F.,  54.  Vi  ri:l  auch  Davi.s,  Med.  News. 
Philad.  1887,  I.  156.  Jahreaber.  1888.  I,  pag.  1^0.  —  *')  II  a  u  »m  a  n  n ,  Beriiuer  klin.  Wochen- 
schrift. 1882,  Nr.  3><.  —  *•)  Lomer,  Cf.G.  1891,  pag.  9T5.  Fälle  von  drohender 
Bnptnr  theileu  Hofmeier,  Z.  f.  G.  u.  G.  1878,  III,  pag.  3U5  und  Freund  jun.,  Z.  f.  G. 
n.  6.  ISici,  XXIIJ,  pag.  496u.  5:>2,  sowie  Stein,  Wiener  med.  Blätter.  1891,  Nr.  40,  mit. 
V.ri;!.  aus.serdem  noch:  Kucher,  A.J.o.O.  1881.  XIV,  pag.  6ü7.  —  Veit,  Müllers 
Uaudb.  1889,  II,  pag.  16^.  —  *')Scblechta,  Wiener  med.  Blätter.  1891.  Nr.  20.  C.f.O. 
1891.  pag. 778  tind  Franenarat.  1891,  Heft 6 «.7  —  *')  Schats,  Cf.G.  1883.  pag. 079.— 
**)  Kroui  r,  C.  f.  G.  1S84.  pag.  3b9.  —  »)  Leopold,  A.  f.  6.  1889,  XXXVI,  pag.  3Ä4.  — 
**>  Fleischmann,  Cf.G.  18Stt.  pag.  342.  —  ")  Veit,  loc.  ult.  cit.  —  Freund  jaa., 
loc  alt.  Ctt.  —  ''J  Duparqae.  .. ///^/.  cumpl.  dtn  thchinires  et  ritpt.  de  l'iit.  du  imj.  et 
duperin.ttc."  Paris  1839.—     Mc.  ILormafc,  A.  J.o.0. 1888,  XIU,  pag. 322.  —  *')  Iräsk. 


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UTEUUSRÜPTL  R. 


799 


Amer.  Joorn.  of  Mod.  Sc.  1848,  pag.  104.  383  and  185ti,  pa«.  81.  —      Ameg,  A.  J.  o.  0. 

1881,  XIV,  paff.  361.  —  ••)  Bonnaire.  AkIi.  da  Tbeot.  Mal.  JanilSDl.  O.f.O.  1392, 

pag.  ;i4.  —  "»)  ().  Braun,  Wiener klin.  Wonhrnschr,  1890,  Nr.  50.  C.  f.  G.  1891,  pag.  101.— 
Coe,  Joum.  of  the  Amer.  Med.  Aasociat.  ö.  Aug.  1891.  C.  f.  G.  189:^,  pajt.  ^^73  — 
**)  Fehling,  Volkmanu's  Samml.  klin.  Vortr.  IH9Ü,  N.  F..  Nr.54.  —  *-)  Franz,  C  t  G, 
1885,  pag.öS. —  Galabin,  Brit.  Gvu.  Journ.  1887,  II,  pag.  4.äl.  —  *')  Grandia,  Med.  Ree. 
19.  Mai 2  1887.  C.  f.  G.  1^88.  pag.  ;;i7U  —  ")  Berrv  Ilart,  Tranaact.  of  the  Edinburgh 
Obstetr.  iSoc.  1890,  XV,  pag.  1%.  —  *»)  Hank.s,  Med.  Ree.  19.  Marz  I8S7.  C.  f.  G.  1883. 
pag.270.  -  '")Harri8,  A.J.o.O.  188"),  XIU,  pag.80^  —  "jBraxton  Uick»,  Traasact 
ef  tbe  Obatatr.  Soc.  of  Londoa.  1987,  XXYin,  pag.  213.  Bilt.  Gyn.  Jonrn.  189?.  II. 
pag.  421.  —  ")  Hnrrocka,  Transact.  of  the  Obstetr.  Soc.  of  London.  1687,  XXVIII. 
pag.  213.  —  ")  Howard,  A.J.o.O.  IbK),  XIIl,  pag.  802.  — '*)  J  a  i  1 1  e ,  Therap.  contemp. 
18t*7,  VII.  Jahresber.  18HS,  I,  pag.  120.—  Josephson,  Hygiea.  188S,  L,  9,  pag,  574. 
Schmidt«  Jahrb.  1888,  IV,  pag.  157.  —  '*)  Kaltenbach,  C.  f.  G.  188:3,  pag.  t>77.  — 

Lee,  Med.  Ree.  9.  Mär«  1887  C.  f.  G.  1888,  pag.  270.  —  ")  Leopol.i,  0.  f.  G.  188a 
pag  421  und  A.  f.  G.  1889.  XXXVI,  pag.  324.  —  ")  Lusk,  Med.  Ree.  19.  Marz  1S87.  C.  t. 
G.  I8&8.  pag.  270.  New- York  Med.  Jouni.  14.  Sapt.  1888.  Schmidts  Jahrb.  1890. 1,  pag.  4t).  — 
•*)  Maleolm  Mc.  Lean,  Mad.  Bac.  19.  Min  1887.  C.  1  G.  1887,  pag.  532  und  1883, 
pag.  270.  Trnn.sact.  of  the  Amer.  Gyn.  Soc.  1892  XVII,  pag.  357.  —  Mermann,  A.  f. 
G.  1891,  XXXIX,  pag.  452.  —  Mc.Kurmak.  A.  J.  o  0.  188Ö,  XIII,  pa>;.  33:^.  — 
•0  Ott,  C.  f.  G.  1893,  pag.  124.  —  *»*)  Partridge,  Med.  R.  r.  Ül.  Marz  1887-  C.  f.  G.  1888, 
pag.  270.  —  Price,  A.J.  o.  0.  1889.  XHI,  pag.  1089.  --  **)  Read,  A.  J.  o.  0.  1889, 
XXII,  pag.  1087.  —  Read,  MawYork  med.  Jonrn.  9.  Nov.  1889,  pag.  505.  C.f.G.  1890. 
pag.  fjTtj  —  Reuth,  Brit.  Gyn.  Jonrn.  1887,  II.  pag.  121.  ""')  Schäffer,  Münchener 
med.  Wochenschr.  1889,  Nr.  4  etc.  C.f.G.  löSV,  pag.  893  und  18yu,  pag.  71.  ~  "^jSchauta, 
Internat,  klin.  Rundschau.  1891,  Nr.  51.  C.f.G.  1892,  pag.  387.  —  •')  Schlechta.  Wieaar 
med.  Blätter.  1891.  Nr  20-23.  C.f.G.  Is91,  pag.  778  und  Frauenarzt.  1891,  Heft  u  u.  7. — 
**)  Schultz,  Orvosi  Hetilap.  1891.  Nr.  15,  17,  19.  (üngarisch.)  C.  f  G.  I,^'.t2,  pag.  2'i  — 

Slavjansky,  C.f.G.  1893.  pag.  124.  —  »*)  Trask,  Amer.  Journ.  of  Med.  Sc.  1848, 
pag.  104;  185«),  pag.  81.  —  *0  Undarkill.  Tranaact.  of  the  Obstetr.  Soc  of  £dinb.  1891. 
XV.  pag.  15^.  _  Win  ekel ,  „Lehi*.  d.  Geb.  etc«  Leipsig  1889.  pag.  564.  —  ")  Zweifel, 
J.elirl.  d.  Geb.  etc."  .Stuttgart  1892.  IH.  Aufl.,  pag.  494.  —  Arnes,  A.  J  o.  0.  1831, 
XIV,  pag.  301.  —  Coe,  Med.  Ree.  2.  Nov.  1889.  pag.  478.  C.  f  6.  1890,  pag.  744.  — 
Harris.  A.  J.  o.  0.  1880,  XIII,  pag.  816.—  "»)  Piskaöek,  Samml.  klin.  Vortr.  Wien 
1889.  Jahresber.  1890,  III,  pag.  181.  —  Fälle  aus  den  letzten  Jahren,  die  bei 
exspectati ver  Behandlung  günstig  ausliefen:  Alberts,  Berliner  klin.  Wochen- 
fcchnlX.  1.88U,  Nr.  1.*.,  A.ssaky,  Couipt.  rend.  Roum.  de  med.  et  de  chir.  1887  C.f.G. 
1888.  pag.  415.  Baudl,  .lieber  Ruptar  etc."  Wien  18 '5,  pag  106.  Barry,  l>abl.  Journ.  of 
Med.  Sc  Mftrs  1892,  0.  f.  G.  1893,  pag.  296.  Baataki,  Areh.  Ronm.  de  mM.  et  da  cUr. 
1887— ^^8.  C.f.G.  1889,  pag.  822.  Blundell.  Transact.  of  the  Obstetr.  Soc,  of  London. 
1878.  XX,  pap.  99.  ßattlehner,  C.  f.  G.  1883.  pay.  678  und  1884,  pag  375.  G.  Braun. 
C.  f.  G.  1891,  pag.  599.  R.  v.  Braun,  (".  f.  C.  1893,  pag.  273-   Buxton,  Med.  Ree.  Philad. 

1887.  I,  103.  Jahresber.  1888,  I,  pag.  U9.  Carl.  Deutsche  med.  Wochenschr.  1891,  Nr.  10. 
C.f.G.  1891,  pag.  561  u.  777.  Dixon.  South  Pract.  Mai  1879.  C.f.G  1879,  pag.  499.  Do- 
leriM,  Ann.  de  Gvu.  1^^4  jia^-  3S1.  FelHenreich.  A.  f.  G.  1881,  XVII,  pag.  491).  Franz, 
C.  i.  G.  Ib85.  pag  64.  Freund  jun.,  Z.  f.  G.  u.  G.  1892,  XXIll.  Frommel.  C.  f.  G.  1880, 
pag.  416.  Gilbart,  New-York  med.  Jonrn.  1.  Wkn  1881,  pag.  246.  C.  f.  G.  1884,  pag.  576. 
Gillete,  A.J.o.O.  1884,  XVII,  pag.  1087.  driife,  C.f.G.  1880.  pag.  014.  Greene. 
Transact.  ol  the  Amer.  Gyn.  8oc.  1868,  XIII,  paj?.  :;>u9  und  A.J.o.O.  1883.  XXI,  p»g,  iu.")l. 
Gneniot,  Merc,  med.  1890,  Nr.  31.  C.  f.  G.  1891,  pag.  512.  Goziorovsky,  Przeglad  lek. 
1876.  Nr.  28.  (Polnisch.)  C.f.G.  1884.  pag.  375.  Hanks,  A.J.o.O.  1881.  XVII,  pag.  lOäd. 
Hecker,  C.f.G.  1881,  pag.  224.  Hofmaier,  C.f.G.  1883,  pag.  473-  Jenkina.  Virchow 
H  i  rHch's  Jahresber.  Is7ö  u.  Gla.sgow.  med.  Journ.  Marz  1892.  ('  f  G.  1892,  pag. -161.  Jakins, 
AuBtral.  med.  Journ.  15.  Nov.  1686.  t  .  f- G.  1887,  pag.  311.  Klein,  Urvodi  Hetilap.  1890, 
Nr.  40.  (üngarisch.)  C.f.G.  1891,  pag.  299.  Krön  er,  C.f.G.  1884,  pag.  369.  Kupferbarg, 
Ufinchener  med.  Wochenschr.  1892,  Nr.  .')  Hchmidt'H  Jahrb.  1893,  II,  pag.  57.  Lehmann, 
"Weekbld.  Ned.  Tijd.  v.  Geneesk.  187(3,  Nr.  2l).  C.  f.  G.  1884,  pag.  375.  Leopold.  „Verhandl. 
der  deuti-chen  (ie.s.  f.  Gyn."  II.  Congr.  Leipzig  1888,  pag.  212  und  A.  f.  G.  1889,  XXXVI, 
pag.  338.  Lihotsky,  C.f.G.  1889,  pag.  587.  Lopes,  Progr.  ginec.  Valencia  1888— 89. 
ni,  pag.  454.  Jabresber.  1890,  III,  pag.  28ft.  Mangiagalli,  Aonali di  Oatetr.  Oet. Not.  1882. 
Cf.  G.  Is83,  pag.  300.  Mann,   C.f.G.  18'<1,  pag.  378.  Malcolm  Mc.  Lean,  A.J.o.O 

1888,  XXI,  pag.  401  und  C.f.G.  270.  Morsbach,  1880,  pag.  611.  Morsberg,  Hv^iea. 
Marz  l,s79.  C.  f.  G.  1880,  pag.  46.  Munde,  A.  J.  o.  0.  1892.  XXV,  pag.  815.  Raklu,  Chicago 
med.  Jonrn.  and  Exam.  Dec.  1878.  C.  f  G.  1879,  pag.  334.  Reiss,  Wiener  med.  Wochenschr. 

1882,  Nr.  22.  C.f.G.  1883,  i>ag.  Iti8.  Richter,  Deutsche  med.  Wochenschr.  1892.  Nr.  45. 
C.  f.  G.  IM  »3,  pag.  2-16.  Riedinger,  Prager  med.  Wochenschr.  IS91,  Nr.  5.  C.  f.  1>9:^, 
pag.  443.  Prager  med.  Wochensclir.  1892,  Nr.  19.  C.f.G.  1892,  pag.  444.  Roso,  Chicago 
med.  Jonn.  and  Exam.  C.  tG.  1877.  pag.  316  nnl  1878,  pag.  168.  Schlachta,  Wianar 
»ad.  Bl&ttar.  1891,  Nr.  20— 23.  C.f.6.  1891,  pag. 77a  Schlaisanar,  Ugaak.  för  Lig. 


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SO) 


ÜTEBnS'RUPTUR. 


im-i,  Nr.  14  n.  15.  C.  f.  G.  1882,  pag.  351.  Sc h  1  ot t f eld,  Ugesk.  for  Läg.  1R79,  Nr.  1. 
C.  f.  G.  1879,  pag.207.  Schmaus.  C.  f.  G.  189S>,  pag.  :i8.  Sokolow,  C.  f.  G.  l>«4,  pag.  84. 
Sonden,  Hygiea.  Ang.  18-83,  C.  f  (J.  Is-'j,  [lafr.  1>4.  .-^  o  r  n  ni  i  a  t  u  i  k  o  w  ,  Med.  Rundschau. 
JnU  18:0.  (Rassisch.)  C.  f.  G.  1881,  pag.  llü.  Winckel.  -Die  kuoigl.  UiiiversiiütskUoik  etc." 
L6ipctKl892.  Wilson,  Brit.  med.  Jonra.  1887,  I.  1S17.  Jabresbar.  1888,  I.  ptg.  122.  — 
lOBj  Fälle  aus  den  letzten  Jahren,  in  denen  die  Laparotomie  vorgenommen 
wurde  und  Genesung  eintrat.  1.  Die  U  issöf  fn  ung  wurde  n  i  c  h  t  v  e  r  n  il  h  t :  Coe, 
Jouni.  i.f  the  Amer.  med.  Assoc.  8.  Aug.  1891.  C.  f.  G.  1892,  pa>r.  273.  CriKhton,  Brit. 
Bwd.  Journ.  1867,  I,  1331.  Jahresber.  18'*'s,  I,  pa  -  1  H*.  Favro.  Rev.  de  la  Suisse  romandft. 
1886.  Nr.  10.  C.  f.  0.  1887,  pag.  279.  Jo^sephson  ,  IJygiea.  188.^,  IX,  C.  f.  G.  188«,  pag.  534. 
Lederer,  Präger  med.  AVochenschr.  1857,  Nr.  15.  C.  f.  G.  1887,  pag.  Hl Nissen.  Norsk. 
Mag.  for  Lag.  1891,  VI,  Nr.  1,  pag.  51.  Jahresber.  1891,  IV,  pag.  208.  2.  Die  Rissöffnuog 
wnrde  vernäht:  Contagn«,  Lyon.  mid.  \Qf<2.  Nr.  43— 46.  C.  f.  G.  1883.  pa«.  34!^. 
Pehlinp.  Volkmann's  Samml.  klin.  Vortr.  1892,  N.  F.,  Nr.  54.  Freund,  Deutsche  med. 
Wocbeuschr.  5.  Juni  1890.  Freund  juu.,  Z.  f.  G.  u.  G.  1892,  XXIII.  Frau/.,  C.  f.  G.  1885. 
pag.  62.  Henard,  Merc.  m6d.  1890,  Nr.  23.  C.  f.  G.  1891.  pag.  IfJG.  Josephson,  Hvg.  1889. 
L,  9.  pag.  574.  Schmidts  Jahrb.  1888.  IV,  pag.  157.  King.  Lancet.  Ih.  März  1884, 
pag.  473.  C.  f.  0.  1884,  pag.  720.  Köttnitz,  Deotscbe  nied.  Vochcuehr.  1888.  Nr.  2.  C.  f. 
G.  1882,  pag.  552.  Leopold.  C.  f.  G.  1888,  pag.  421.  Müller,  C.  f.  G.  1883,  pag.  •'TM 

3.  Porrooperation:  Coe,  Med.  Ree.  2.  Nov  l^b9,  pag.  478.  C.  f.  G.  1890.  pag.  744.  Fou- 
tana,  Annali  di  Ostetr.  März  1888.  C.  f.  G.  pag.  (532.  HalbortRma,  Weekbld.  van  hetNederl. 
Tijd.  voor  Genee.sk.  18S0,  Nr.  36.  C.  f.  G.  18«],  pag.  67.  Kehr«^r.  C.  f.  G.  IH^^g.  pag.  .502. 
M  e  r  m  a  n  n  ,  A.  f.  (i.  1  XXXIX,  pag.  452.  S  1  a  vj  a  n  8  k  y  ,  Wrat.^ch.  1885,  Nr.  49.  (Huasisch.) 
C.  f.  G.  ISStj,  puK.  :,>22.  l'uderhill,  Edinb.  med.  Journ*.  Oct.  18!Ki.  G.  f.  G.  Is91,  pag.  778. 
Edinb.  med.  Joarn.  äept.  1691.  C.  f.  G.  1892,  pag.  759.  Warten,  C.  f.  G.  1893.  pag.  U4. 
VidamaDn-Krassoirski,  C.  f.  G.  1886,  pag.  694.  Wiedow,  0.  f.  G.  1889,  pag.  502. 

4.  Operation  iu  den  Referaten  nicht  in  den  Details  angeführt:  Hart,  Joarn. 
de  med.  et  de  chir.  Juli  1877,  XLVIII,  pag.  323.  C.  f.  G.  1877.  par.  229.  Piltz.  Med.  Press 
andCirc.  London  1-^9.  XLVIl,  164  Jahresber.  1890,111,  pair.  IT'-.  Padow,  Hygiea.  1889, 
LL  Jahresber.  1890,  III,  pag.  183.  Read,  A.J.o.  (J.  1889,  XXII,  pag  108.  Thivard,  Bull, 
de  l'Acad.  de  mfed.  de  Paris.  1890,  II,  3,  XXIV,  210.  Ann.  de  Gyn.  1890.  XXIV,  385. 
Jahre^bir.  IS'.tl,  IV,  pag.  2UG.  Vincent,  B;ill.  med.  du  Nnnl.  Lille  188«<,  XXIII,  123. 
Jahresber.  1889,  II,  pag.  159.  Fälle,  in  denen  die  Laparotomie  aasgefäbrt  wurde 
and  die  letal  verltefen.  1.  Die  BissSffnnng  wvrd«  nicht  verniht:  Godron, 
Brit.  Gyn.  Journ.  1893,  VIII.  pag.  RS.  Peters,  C.  f.  G.  18'^9.  pag.  166.  Winter,  C.  f.  ß. 
1892,  pag  15.  2.  Die  Rissüfluung  wurde  veruiiht:  Black,  rit  Louis  Med.  and  Snrg. 
Journ.  Jnni  is;y.  C.  f.  G.  187!>,  pag.  499.  Blind.  „Beitr.  zur  Aet.  der  Ruptur  während  der 
Schwangerschaft  and  der  Gebort."  Dis8.inang.  Strassburg  1892.  C.  £,  G.  1893,  pag.  90.  Bnn- 
Baire.  Arch.  de  Tocol.  Mai,  Jnni  1891.  C.  f.  6.  1892,  pag.  34.  6.  Brann,  C.f.  G.  l,8s[». 
paj:.  ;V1.  Wiener  klin.  Wochenschr.  is^'.i,  Xr.  öii.  Jahnsher.  1>'J0,  III.  pag.  177.  St.  Braun, 
Przeglad  lek.  1890,  Nr.  15.  (Polnisch.;  Jahie^ber.  IMJl,  IV,  pag.  208.  Coe,  Joarn.  ol  the 
Amer.  med.  Assoc.  8.  Aag.  1891.  C.  f.  6.  1892,  pag.  273.  A.  J.  o.  0.  1891,  XXIY,  pag.  615. 
Forest,  A..Lo.  0.  1881.  XIV,  pag.  361.  Freund,  Z  f.  G.  u.  G.  1892,  XXIII.  Mc.  Kor- 
mack,  A.  J.  0.  0.  18Sn.  Xlll,  pag.  339.  Partridge,  A.  J.  o.  O.  1884,  XVII,  pag.  1084. 
Pilcher,  Lancet.  London  !K>s,  II.  265.  Jahre.-her.  )8>9,  II,  pag.  159.  Reben,  Dlss.  inaug. 
Berlin  1879.  „Zur  Therapie  der  Utemsmptur.''  Schroeder-Hofneier,  C.  f.  G.  lißi, 
pag.  619.  Simpson,  Glasgow  med.  Jonru.  1866.  Vide  Bandl,  .Veber  Raptnretc."  Wien 
1S75.  .^tadtfeld.  H..s|..  Tid.  1^78,  Nr.  -.'3  ('.  f.  (i.  p..^-.  ■]ii7.  .'^wayne,  Trans^act 
of  the  Obstetr.  8iic.  ol  London.  |s-7,  XXVIII,  pag.  A.  J.  u.  O.  IcöÜ,  XIX,  p,ig.  IZ'd^i. 
Ward,  A.  J.o.O.  1^78,  XI.  jag.  586.  Winter,  C.  i'.  G.  ls92,  pag.  15.  3.  Porrooperation: 
Andrews,  Lancet.  18s7,  I,  870  G.  f.  18^^.  pag.  ;:.'iA).  Butruile  et  Godefroy,  Boll. 
ni6d.  du  Nord.  Lille  1887.  '-i^u.  Jabveslier.  isS-^,  I,  pag.  119.  Coe,  New-Vork  Jonrn.  ofGyn. 
and  Obstetr.  1692,  II.  pai:  I  M  f.  G.  1892,  pag.  757.  (Jodron.  C.  f.  G.  |sS6,  pag.  222. 
Grand  in,  A.J.o.  0. 1891,  XXIV.  C.  f  G.  1891,  pag.  mi.  Berry  Hart.  Transaot.  of  the 
Obstetr.  Soe.  of  Edinb.  1S91,  XV,  pag.  1  Ölt.  Edinb.  med.  Jonrn.  Jnli  1890  C.  f.  G.  1891, 
pag.  431.  van  der  Meij.  Nederl.  Tijd.  voor  Verloskd  en  Gyn.  L  Heft  3.  C.  f.  G.  I8f>l,  pag.  3ol. 
Masson,  Dubl.  Joiiin.  of  med.  Sc.  Marz  1887.  C.  f.  G.  18>i7,  pag.  727-  Brit  Gyn.  .loum. 
188«.  IU,  pag.  91 .  Pre  wo,  C.  f.  (i.  l>-tj.  pag.  222.  Pr  ice,  A.  J.  o.  l).  l>s;t.  XXI),  pag.  189, 
Sänger,  C.  f.  G.  1*^'.'2.  pag.  663.  Scliaffer,  Münchener  med.  Wochenschr.  ls.S9,  Nr.  42  u. 
43.  G.  f.  C.  paL'.  8!<:>.  H.  nard,  Le  raercndi  med.  1890,  Nr.  23.  Jahresber.  1^91,  IV, 
]>ag.  2i  '7.  .\usLMiif;  nii  lit  aii;:«'L:.  bi  n.  J  a r  im!  y  n  .s  k  i ,  Journ.  f.  Gi  b.  ti.  Fr.  l'rt- r.^burg  1>S9. 
(Russisch.;  Jahresber.  1890,  III,  pag.  177.  Ausgang  nicht  angegeben.  4.  Operation  iu  den 
Referaten  nicht  in  den  Details  angeftthrt:  Fischer,  C.  f.  O.  1892,  pag.  575. 
Garrigucs,  Med.  Ree  lO.  Marz  1"~8"^,  pag.  2sl.  f.  (J.  l'-^  ',  pag  61.  Harvey,  Transnet. 
of  the  01).>tetr  8o<;.  ot  London.  188'',  XXVII,  pag,  UM.  11  i;  ward.  Transact.  of  the  .\mer. 
(»vn.  8oc.  1881,  V,  pag.  N'i  Kaltenbach,  C.  f.  G.  Issi,  pa<r.  ti77.  van  der  Meij,  Ned. 
Tijd.  v.  Verl.  en  Gyn.  I,  Uelt  3.  C.  f.  G.  1891,  pag.  301.  Morisson,  Brit.  Gyn.  Journ.  1887, 
II.  pag.  411.  Bend,  A.  J.  o.  0.  1839,  XXII,  pag,  1088.  Riedinger,  Prager  med.  Wochen- 
aehrift.  1891.  Nr.  15.  C.  f.  G.  1892.  pag.  444.  Schanta,  Internat,  klin.  finndeeban.  1891, 


ÜTERUSRUPTUR. 


801 


Nr.  51  n  5:.*.  r.  G.  1892,  pag.  387.  Sohle  chta.  Wiener  med.  Bläfter.  189  .  Nr.  20-28. 
C.  f.  G.  IBUI.  p.»K.  '>'>>.  Frauenarzt.  1891,  Holt  6  u.  7.  —  Ingerslev.  Hosp.  Tid.  1879, 
Nr.  5  u.  I88u.  Nr.  :>  >.  i\  f.  G.  1881,  pag.  270.  —  '*»)  Sc  hröd  er-Vei  th ,  Müller'.s  flandb. 
d.  Geb.  1889.  n.  pag.  163.  -  A ndre  wb,  Lancet  23.  Aftr.  1887.  C.  f.  6.  1888.  pag.  200.  — 
>•))  Fornari,  H  RMCogHt.  med.  1681,  Nr.  12.  13.  Cf.  6.  1881,  pag.  399.  —  '«^  Coe,  A. 
J.  o.  0.  1891.  XXIV,  pag  587.  —  '•'»)  Freeman,  Lancet.  1^7.  Dec  1884,  pag.  1148.  C  f . 
G.  1885,  pag.  315.  —  Kupierberg,  Münchener  med.  Wochen.schr.  189^.  Nr  5.  Schmidt'« 
Jahrb.  1893,  II,  pag.  57.  —  "')  Freund  jon.,  loc.  alt.  cit.  —  "*)  Lombroso,  Duparque, 
„Hist.  compl.  'U.-i  nipf.  et  de  chir.  de  l'ut^r.,  du  rat/,  et  du  perin."  Pariü  1839.  —  Wenzel, 
A.  J.  0.  O.  1892,  XV,  pag.  373.  —  '")  Battlehner.  C.  f.  G.  188;},  pag.  Ü78  und  1884. 
p^f.  375.  —  Bylord.  A.  J.  o.  0.  l^TS,  XI,  pag.  396.  -  Munde,  ('.  f,  G.  1878, 
pag.  188.  —  Roae,  Chicago  med.  Joar».  andExam.  Aug.  1876.  C.  f.  6.  1877,  pag.31Ö.— 
'»)  Alberte,  Berliner Uto.  Woeli«iiMbr.  1880.  Nr. 45.  O.f.O.  18dl.  pag. 48.  —  "^ßrenit. 
Wiener  med.  Blätter.  1883,  Nr.  24.  C.  t  6.  1883,  pag  501.  —  i-'»)  Dittel,  C.  f.  G.  1892. 
pag.  888.  — Wenzel.  A.  J.  o.  0.  1^2.  XV,  pag.  373.  — '^O  l^ttl»oi8.  Velpeau,  „Trait. 
compl.  de  l'acc.  etc."  Paris  1835.  —  »»•)  Frans,  C.  f .  G.  1885.  paflT.fö.  —  "*)  Greene, 
A.  J.  0.  0.  1886,  XXI,  pag.  1051.  —  '**)  Lawrence,  Brit.  mad.  Joam.  1865,  VoLH. 
pag.  tiOl.  —  '«^  Mc.  L««tt,  A.J.0.0.  1888,  XXI,  pag  401.  —  "»)  Deutsch,  C.  f.  Ö. 
1889,  pag.  1235.  —  '**)  Lederer,  Prager  nieil.  Wochenschr.  1H87,  Nr.  15.  C.  f.  G.  1887, 
pag.  til5.  —  "*)  Hepitea,  Arch.  Roam.de  mod.  et  de  cbir.  ]887— 88.  ('.  f.  Q.  I6tid, 
pag.  824.  —  Fritach.  Ii  aller'«  Handb.  1889,  m,  pag.  685  tud  Deataehe  med.  Woekea- 
schrift.  1891,  Nr.  51.  —  Löwy,  „Ueher  die  forensische  Bedeutung  der  Utemsrnptur.'* 
Diss.  inaug.  Breslau  1^88.  C.  f.  G.  IHS'^,' pag.  519.  —  Freund  jun  ,  Z.  f.  G.u.  G.  1892, 
XXI 1 1.  —  Schnians,  C.  f.  G.  189^,  pag.  130.  —  Grandin,  A.J.o.O.  1.^91,  XXIV. 
C.£.G.  1891.  pag. 63b.  —  '»^  Dittel.  C.f.G.  1892,  pag.888.  —  Hektoen,  A.J.o.O. 
1808.  XXVI.  pag.  69.  —  Harris,  NewwTork  Jonm.  of  Oyn.  and  Obstetr.  1893.  III. 
p«g.  93.  ~  ■•')  Grupow,  C.f.G.  1891.  pag.  915.  —  Hirkinbotham,   Transact,  of 

the  Obstetr.  Soc.  of  London.  1878,  XX,  pag.  96.  ~  Phillipa,  Tranaact  of  the  Obstetr. 
Soc.  of  London.  1^91  ,  XXXn,  pag.  375.  —  Plenio,  C.f.G,  1885.  pag.  737.  — 
»«)  Slavjansky.  Wratsch.  1885,  Mr. 49.  fRu.ssisch.)  C.£G.  188G,  pag.  Vergl.  aus.««er- 
dem  noch  Sntngin,  Joarn.  f.  Geb.  Q.  Fr.  Peterebarg  1889,  pag.  Ibl.  (Rassisch.)  Jahreaber. 
189<.),  III,  pag.  133.  Neugebaucr,  C.f.G.  1890.  BeiL  Bsr.  tbar  den  X.  interaat.  Congr.. 
pag.  88.  —       Harris,  loc,  ult.  cit.  Kleinw&cbter. 


Anyclop.  Jakrbüeber.  ni. 


51 


V. 


Venenthromb08e,  bei  cbiorosu,  i>ag.  134. 

Veratrin,  bd  EUanpeie,  pi«.  231. 

Vwnonta.  Die  nntor  dem  Namen  BtAjitjor  am  Senegal  ab  Fiebermittel 
geiehitste  und  wiederholt  als  Surrogat  der  Ipeeaonanha  empfohlene  Wurzel  von 
Vcrnonin  n  i  1/ r  i  f  i  a  n  n  f>h'r.  pt  Hirne  enthält  ein  durch  Tannin  Clllhares 
Glykosid  von  der  Formel  Cm  H^«  0;  ,  V'ernonin,  welches  örtliche  Paralyse  und 
systoliacbea  Herzstillstand  nach  Art  des  Digitalins,  das  jedoch  das  Vemonin 
an  Stlrlce  der  Wirkung  SOmal  ttbertriflk,  eneogt.  Ab  Hengift  steht  Vemonin 
in  der  Familie  der  Synanthereen,  der  die  Pflanze  angehört,  niebt  alleittf  da  aneh 
einige  Arten  von  Enpatorium  nach  Art  des  Digitalins  wirken. 

Literatur:  Meckel  und  Sch  1  ag  d  en  h  a  u  l't'e  d  ,  Sur  le  hatjitjor  (Vernonia 
tügrüiann  (>.  el  H.j  <le  VAfrique  oceidentah  et  sur  sun  principe  €tctif,  la  vernomHe.  Owapt. 
nnd.  1889.  GVJ.  Kr.  20.  pag.  1446.  Arob.  d«  pbysioL  1889,  Kr.  6.  pag.  135. 

Hnsemana. 

VibratSr,  s.  Meebanotherapie,  pag.  490. 

Vibrio  aquatiüs,  s.  Bai^terien,  pag.  05. 

Virulenz,  der  Bakterien,  pag.  64. 


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w. 


Wärmebildung  im  ThierkOiper,  s.  Eigenwärme,  pag.  237  fl.  — 
Wtrmeeinheiten,  ibid.  pag.  236.  —  Wirmeregaliriiiig,  pag.  239  ff. 

Waisenpflege,  seitdem  die  Erkenntniss  von  den  Vortbeüen  und  Män- 
geln, weldie  beiden  ArteD  dwWaiBenpHege  anhaften:  einwseits  der  Unterbringung 
in  flogenannte  Kostpflege,  andererseits  der  gemdnsebaftlieiien  AvMehuig  in 

Waisenhäusern,  überall  durchgedrungen  ist,  haben  die  maasgebenden  Kreise 
bei  den  Behörden  der  frrösBeren  Communen  (»pcciell  Frankfurts  a,  M.,  Ilamburgra, 
Berlins  und  anderer  Grussatädte)  keine  Gelegenheit  vurUburgeben  lassen,  um  beide 
Systeme  naeh  der  gflnstigeii  Seite  xn  eatwiekeln  und  aussnbilden. 

Die  l'eberf^abe  YW  wwaiaten  Kindern  an  die  Kost  pflege  ist  unter 
der  Voraussetzunfr  als  eine  unzweifelhaft  glückliche  und  naturgemässe  Lösung  der 
Aufgabe  zu  betrachten,  wenn  es  gelingt,  die  Unterbringung  in  einem  wohlgeord- 
neten, bygieniseh  eingwiobteten  und  geleiteten  Baoshalt  su  bewirken.  In  dieser 
Besiebung  verdienen  die  in  Frankfurt  a.  H.  gemaehten  Erfabmngen  (sie  stutzen 
sich  auf  eine  mehr  als  drei88i?j.1hrige  Dauer)  beannders  betont  zu  werden,  indem 
CS  hier  in  der  Macht  des  Pflegeamtes  lag,  für  neu  aufzunehmende  Waisenkinder 
„eine  ganze  Reibe  höchst  vortrefflicher  und  zur  Erziehung  von  Kindern  sehr 
geeigneter  Pflegeeltern  in  niebt  an  ten  gelegenen  Orten  nn&ufinden**.  Zn  diesen 
Vortheilen  wurde  auch  gerechnet,  dass  sebwiebliebe  und  tcränklicbe  Kinder, 
be^^onders  solche ,  denen  nur  eine  vorbereitende  (stärkende)  Pflege  fehlte,  um  sie 
am  Unterricht  und  an  sonstigen  geistigen  VorzUgen  der  gemeinsamen  Erziehung 
tbeilbaftig  werden  so  bissen,  sieh  in  der  Familiennrngebang  viel  sebneller  erbolten. 
Die  Kinder  fühlen  sich  unverkennbar  behaglicher  in  dieser  Umgßbnng.  im  leben* 
digen  Kreise  einer  Familie,  wo  sie  früh  an  Alles  f^ewohut  werden,  was  das  Leben 
von  praktischer  Seite  mit  sich  bringt  und  später  unvermeidlich  von  ihnen  fordern 
wird.  Allein  sehen  diesen  zagestandenen  Vonflgen  der  Kostpflege  gegenüber 
darf  niebt  flberseben  werden,  dass  sie  banplslebUeb  sufareffen  aof  Iftndllebe 
Umf;cbun?en.  Wenn  die  Berichte  aus  Frankfurt  a.  M. ,  die  am  fUierzeug-testen 
für  das  System  auftreten,  mehr  als  10  zum  Theil  recht  wohlhabeude  und  meisten» 
landschaftlich  sehr  bevorzugte  Orte  in  allernächster  Nachbarschaft  namhaft  machen 
kflnnen,  in  deren  Iftndlicben  Pflegestitten  die  Kinder  mit  Liebe  anfgenommen, 
andh  alle  Pflegeeltern  von  dem  steten  Bestreben  geleitet  werden,  die  Kinder  gnt 
zu  verpflegten  und  ilirc  Vorrrzichun^'  lnl)enswcrth  zu  leiten,  so  hänort  hier  nahezu 
jedes  ausschlaggebende  Momeut  vom  Charakter  der  Umgebungen  im  Grossen  oder 
von  der  allgemeinen  Wohlbabenbeit  in  der  Lebensbaltung  oder  von  der  Denk- 
weise der  Bevölkerungen  ab:  von  sehr  individuellen  Zügen  also,  von  denen  es 
fast  selbstverstilndlich  erscheint .  dass  in  statistischer  Form  Wiederj^aben  solcher 
Erfahrungen  fast  gar  nicht  existiren.  —  Dass  sie  in  Berlin  nicht  ganz  mangeln, 

51* 


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804 


WAISENPFLEGB. 


beweist  die  Vermehrutifr  der  für  diesen  Behuf  »ufgesuehten  Ortsobaften ,  deren 
Zahl  bereits  zu  Anfang:  der  Neunziger-Jahre  auf  gegen  600  C41t6}  gestiegen  war. 
Ea  überwog  die  ADzahl  der  auf  diese  Ortschaften  vertheilten  Kostplieglioge  auch 
weht  imbetrichtiHsh  di^fliiige  der  in  Berlin  nntergelinMliten :  „Die  OesMDmtcahl 
der  durchschnittlich  tfiglich  in  Kostpflege  befindlichen  Kinder  betrug  1889:  401.S. 
davon  in  Berlin  (vorwipfrcnd  woiblieheu  Geschlechts)  171>4,  ausserhalb  Berlins  2219." 
Die  nSchste  Auf^icht  Uber  die  auswärtigen  Kostpflegen  fuhren  (fUr  Berlin,  wie 
vohl  nahezu  auanahmsloa  allerorten)  die  OrtsgeistB^on  oder  die  BBigenaMiiter, 
OrUvorsteher,  Lehnr.  Fllr  die  Koetpflegw  innerhalb  der  Stadt  seibat  fungiren  die 
durch  (403)  Waisenpflegerinnen  anteratateten  (316)  GemeindeweiaenTitiie  (gegen 
1200  Mitgliedori. 

Allein  auch  die  sorgtUltigste  und  in  noch  so  häuliger  uud  unermüdlicher 
Wiederholung  geübte  AvfUeht  kann  einen  principaleo  Hwogel  dee  Koetpflege- 
eystems  nicht  vQUig  ausstreichen,  das  ist  der  (in  den  Grosittldten  selbst  und 
auch  in  deren  Vor-  und  Nachbarorten)  sich  parallel  mit  dem  »ewerbliehen  Zuge 
der  LebensauffassaDg  immer  schärfer  entwickelnde  Drang  innerhalb  der  in  Betracht 
kommenden  ^OlkmnngMdaaaen ,  alles  nnd  jete  Betrüben  vom  GesiditRpnnkte 
dee  yerdienena,  der  wir^sdbaftlieiien  Berechnung,  der  reellen  Rinnahme  zu  sobfttsen, 
zu  l>erechnen  und  zu  verstehen.  So  werden  auch  die  Waisenkostgeber  immer 
llherwictrender  —  wenigstens  in  Nord-  und  Ostdeutschland  —  von  dem  Trieb 
geleitet,  durch  das  Kostgeld  oder  durch  Nutzung  der  Arbeitskraft  des  Pfleglings, 
sieh  materiene  Vorthdie  sn  sehaflbn,  wenig  beirrt  doreh  Serapel,  ob  dadurdi  die 
gute  Verpflegung  und  die  Entwicklung  der  Waisen  beeinträchtigt  wird.  Der 
Hinblick  auf  die  von  Zeit  zu  Zeit  drohende  Aufsicht  ist  es  betrübend  häufig 
allein,  der  die  Pflegeeltern  davon  zurückhält,  die  vorgeschriebenen,  aber  schon 
deehalb  immer  nnr  reeht  sohematisehen,  Grensen  in  llberaebrdten.  Dadureh 
aber  steht  der  dgeotlidie  innere  Vortheil  der  Kut^tpfleiire  in  beständiger  Gefahr, 
auffreopfert  zu  werden;  der  Vortheil,  auf  die  Individualität  der  Kinder 
eingehen  zu  können,  die  Möglichkeit,  die  Charaktere  und  die  Fähigkeiten  vieler 
Kinder  in  der  Weise  zu  entwickeln,  wie  es  wQniehemiwerth  and  gerade  bei  den 
im  ipiteren  Lehgn  oft  sehr  vereinselt  dastehenden  Waisenkindern  sogar'  mehr  als 
wünachenswerth  ist.  Die  Ausserachtlassung  dieser  Seite  ihrer  Pflichterfüllung  durch 
die  WaisenkoBtpfleger  droht  aber  umsomehr,  je  kärglicher  das  Kostgeld  bemessen 
werden  uiusa.  Gerade  für  arme  Waisen  ist  daher  im  Allgemeinen  namentlich 
innerhalb  der  Städte,  aber  aneh  in  lindliehen  Gegenden,  mit  diehier,  gedringt 
wohnender,  industrieller  Bevölkerung  die  Kostpflege  etnsnsdhrftnkeD,  die  Ersiehnng 
in  eigenen  geschlossenen  Waisenanstalten  vorzuziehen. 

In  deutschen  Städten  war  in  früheren  Zeiten  fast  allgemein  durch  die 
VerwaltuDgsordnungen  eine  Abgrenzung  der  Waisen,  deren  Eltern  (nach  modernem 
Ausdmek)  den  UnterstfltsnngswohnsitB  nieht  besassen  oder  dieses  Rechtes 
theilhaftig  waren,  eine  grundlc^'ende  Massgabe  bei  der  Einrichtung  der  Waisen 
anstalten.  Sidclie  Kinder,  denen  der  ruterstHtzungrswohnsitz  nicht  zukam,  auch 
solche,  die  nur  zeitweise  uuterzubringen  waren,  waren  die  Waisenhäuser  oft  gar 
nieht  verpdiehtet  oder  gar  direet  behindert,  anfsnnehmen ;  selbst  die  Armenlmter 
sahen  sich  in  die  Nothwendigkeit  versetzt,  andere  ünterbringungsstätten  vorzu- 
gehen. Ks  littst  sich  ohne  Zwischenfragc  beurtheilen,  wie  li.lutig  dle^ser  (oft  noch 
in  verstärktem  Gewicht  durch  Stiftungsbestimmungen  ausgeUbtej  Druck,  der  sich 
auch  in  der  Vom  geltend  machte,  dass  hier  und  dort  nnr  bestimmte  Religions> 
geseUsehaften  oder  Bcvölkerungsciassen  (Bürger,  Soldaten,  Beisassen  ete.)  die  anf- 
zunehmeiiden  Waisen  liefern  durften,  eine  gedeihliche  Entwicklung  der  geschlossenen 
WaiKenanstalleii  verhindern  musste.  T^nd  doch  lilsst  sich  die  Gesaromtheit  der 
Vortheile,  welche  die^e  Einrichtungen  bieten  könneu  und  bieten  sollen,  nur  in 
Anstalten  von  einem  gewissen  Umfange  erreichen,  in  denen  das  dienende 
Personal  z.  ß.  beständig  angewies(>n  und  corrigirt  wird  von  leitenden  PsTSMien 
httherer  Bildung,  welche  in  der  Anstalt  Wohnung  haben;  in  denen  eine  sweek- 


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WAISENFFLB6E. 


mAssig  geordnete  KrankenpOege  durch  sachkundige  Wärter  ermSglieht  ist;  in  denen 
ein  ständig  anwesender —  allein  fllr  die  Anstalt  verpflichteter  und  in 
ihr  reaidirender  —  Anstalts&rzt  seinen  conti nuirltoben  Einflusa  bei  der  Regelung 
eilet  wichtigen  bauliehen  nnä  Verpflegungsfragen  geltend  SMofat. 

In  wenigen  Arten  sonstiger  AnitiHea  sind  die  Grundsätze  der  Hygiene, 
und  im  Krankheitsfälle  die  sofort  eintretende  ilrztliche  Ftlrsorge  von  3<» 
entscheidender  Wichtigkeit  wie  in  Waisenhiaseru ,  schon  hus  dem  naheliegenden 
Grande,  weil  vor  ihrem  Eintritt  in  die  Anstalt  die  Waisen  in  nicht  unbeträoht- 
liehea  Anthwlai  dürftig  entwiokelt,  wter  lugllDetigen  LebenfTerhiltnisBen  ver- 
kfimmert  (selbst  verkommen),  aneh  nüt  erblichen  KrankbeitsaolafMi  belastet  sind. 

Was  Honstige  Punkte  der  hygienischen  Anlage  und  ^ines  wohlgeordneten 
betriebes  anlangt,  so  bedürfen  die  in  allen  Internaten  zu  beachtenden  hier  nicht 
der  Wiederholung.  Besonderes  Gewicht  wird  neoerdinge  auf  hinreidiende  Oarten- 
und  Spielräume,  auf  regelmässige  Ausilage,  auf  Verbindung  der  WidsenhAuser  mit 
Lehrwerkst Jlttcn.  Fortliildungsschulen,  Praparandensehulen,  auch  je  nach  Bedfirfniss 
und  Gelegenheit  mit  höheren  Unterrichtsanstalten ,  und  auch  darauf  gelegt ,  dass 
die  geordneten  Waisenanstaiten  ilire  Pfleglinge  nicht  allzufrüh  entlassen,  was  sich 
ans  der  vielfadi  beobachteten  Langsamkeit  der  EntideUnng  bei  vielen  Waisen» 
hindern  von  selbst  begründet. 

Dass  als  die  wichtigste  Lebensaufgabe,  ganz  besonders  der  Knaben, 
der  Schulunterricht  angesehen  wird,  erscheint  gerechtfertigt,  wubei  sich  das  System 
▼ielleidit  am  erfolgreichsten  bewährt  hat,  welches  den  Lelurplan  der  anfstsigenden 
GUssenfolge  in  vollständiger  Parallelität  mit  den  Anforderungen  des  Lehr- 
planes der  Gemeindesehulen  gestaltet.  Wo  die  Einrichtungen  von  entsprechender 
Grösse  sind,  werden  eigene  Sohulhäuser,  die  von  den  Alamnenwohnungen  räumlich 
ganz  getrennte  Räume  aar  Brfttllang  des  Unterriehtes  enthalten,  mit  beeonderem 
Naehdmeke  an  empf^len  sein. 

Eine  vorwaltend  hygienische  Tendenz  bewährt  neben  der  pädagogischen 
ganz  besonders  die  Mauptwaiscnaustalt  der  Commune  Berlin:  die  VVaisen- 
erziehungsauätalt  zu  Kummelsburg  —  schon  als  die  erste  der  städtischen 
Anstalten,  welche  aus  dw  Eingeaebloesenheit  und  der  damals  stark  Terdorbenen 
Luft  der  Grossstadt  hinaus  in's  Freie  verlegt  wwde. 

auf  dem  äusserst  freigebig  bemessenen  Terrain  von  Ar  'fflr 

zunächst  ÖUO  Waisenkinder)  begründet,  auf  vortreti'lichem  Bauterrain  iu  Einzel- 
gebittden  fttr  je  60  Insassen  ausgelegt,  seit  1887  an  die  Wassnrieitnng  an- 
geschlossen, ist  dirae  Anstalt  vortrefflich  geeignet,  gesundheltliehe  GmndsitM  sa 

bewähren  und  ihre  L'tifen  F()I;,'en  zu  demonstriren. 

Bewegung  und  Heschilltigung  im  Freien,  letztere  in  Gestalt  von  Garten- 
arbelten, Leibesübungen,  reichliches  Baden  mit  Schwimmunterricht  tragen 
dazu  bei,  die  krifligeren  Knaben  bei  beater  Gesnndheit  >u  erhalten.  Das  mit 
der  Erziehungsanstalt  verbundene  Kinderkrankenhaus  nimmt  nicht  allein 
die  der  Austalt  ilbcrL'ebenen  Knaben  in  KrankheitsfiUlcn  zur  Heilung  auf,  sondern 
nähert  sich  dem  Charakter  einer  ,^Iutirmerie"  durch  seine  zweite  Bestimmung: 
sehwichliehe,  krftnkliehe,  Im  Waehsthum  zurOekgebUebene  Waisenkinder,  die  sonst 
ausserhalb  der  Anstalt  ihre  Versorgung  haben  —  namentlich  auch  derartige 
M.Hdchen  —  aufzunehmen.  Der  iu  der  Anstalt  wohuende  Arzt  erfdllt 
durch  sciue  hcätändige  Anwesenheit  in  hervorragender  Weise  eine  prophyhictische 
Aufgabe,  indem  er  —  mit  ganz  bedeutenden  Erfolgen  —  die  ganze  Lebensweise 
der  Zöglinge,  die  in  derselben  tiegenden  Wirkungen  auf  die  Kdrperentwieklnng 
und  die  Gesundheitszustünde  überwacht,  auf  schädliche  Einflös.se  aufmerksam  macht, 
Verbe-isernngen  vorsehlflgt  und  weitsichtige  Schutzmassnalunen  anordnet  (die  Sterb- 
lichkeit hat  noch  niemals  ein  Procent  erreicht). 

DieWohltbat,  eine  aussergewShnliehe  Krftftlgnng  ihrer  Gesund- 
heit zu  erreichen,  wird  ebenfalls,  wenngleich  in  beschränkter  Zahl,  den  in  von 
der  Stadt  Berlin  verwalteten  Waisenanstalten  untergebrachteu  Kindern  zu 


WAISENPFLEGE.  —  WEUEN. 


Theil,  VOD  denen  in  steigender  Anzahl  C21,  23)  geeignete  in  See-  oder  800 1- 
bäder  gesandt  werden.  Von  sonstigen  besonderen  gesundheitlichen  Massnahmen, 
die  eine  sehr  günstige  Wirkung  aaf  den  Gesundbeitaznstand  der  Waisenkinder 
(nneh  im  aogenanDten  Watoendepot  und  ia  d«r  Berliner  Koetpflege)  anaflben,  ist 
die  zahnärztliche  CeberwHchung  und  Behandlung  zu  enriümen,  die  gegen 
eigentliche  Zahnkrankheiten,  wie  beim  Zahnweehsel  vnd  SteUnngMOOmaUeo ,  in 
ausgedehnter  Weise  zur  Anwendung  gelangt. 

Im  Groeaen  geschieht  die  ärztliche  Behandlung  der  jüngeren  wie  der 
wholpffiehtigen  Waiaen  durch  die  Besirkaarmen trete  auf  Reqaidtiott  der  Oemeinde- 
waisenrAtbe.  Schwere  and  langwierige  Krankheiten  bedingen  die  üeberweianng 
an  ein  Krankenhaus. 

Die  schulpflichtigen  Waisenkinder  auf  ihre  Augen  und  etwaige 
Abnormitäten  derselben  an  unteranohen,  erseheint  aneli  «u  praktisehen 
Gründen  (Regelung  der  Anforderungen  seitens  der  Schule,  Wahl  de«  kOnftigen 
Berufes  etc.  1  dringend  angezeigt.  Einmalige  Wiederholunf^  solcher  UnterBUcbuns'en 
im  Jahre  dürfte  fUr  diese  Zwecke  ausreichend  sein.  Interessante  t^gebnisae  stellten 
aich  aber  auch  naefa  antiiropologiaelier  und  eiiniinnlpsyefaologiieher  Richtung  heraus, 
ala  man  vergleiehsweise  die  AngennntersttehnDgen  in  Berlin  in  der  Wdee  ans- 
dehnte,  dass  einerseits  die  normalen  Waisenpfleglinge  in  dem  Hause  zu  Rnmmels- 
hwTir,  anderer.-'eits  Zöglinge  des  Erziehungshauses  für  verwahrloste  Knaben  diesen 
Untersuchungen  unterzogen  wurden. 

Die  moraliaeh  intaeten  Waisenkinder  leigten  (naeh  einer  fBr mehrm 
Jahre  angestellten  Durchsohntttserhebang)  in  67%  Smmetropie,  in  14o  0  Hyper^ 
metropie,  in  6*^  0  Myopie,  in  13*  „  Astigmatismus;  die  Erziehungshaua- 
zöglinge  in  62*«  Emmetropie,  in  6%  Hypermetropie ,  in  11%  Myopie,  in 
18**  0  Astigmatismus.  Die  ersteren  liatten  in  98 q,  die  sweiten  nnr  in  98<>/o  g^te 
Sehsdiirfe.  Von  den  ersteren  hatten  drca  4*0  einerseits  Hornbautfleeke, 
andererseits  4°/o  den  pigmentarmen  Hintergrnnd  des  Auges:  Rildimgsfehler,  deren 
Vorkommen  sich  bei  den  verwahrlosten  Knaben  auf  0'6 ,  respective  auf 
161%  der  (186j  Augen  herausstellte.  So  zeigten  die  Knabeu  der  Zwangs- 
eniehungsanstalt  eine  weniger  gute  SebsehXrfe,  mehr  Bitdnngsfehler  und  «nen 
grosseren  Antheil  von  Kurzsichtigkeit.  Die  Untersuchungen  werden  fortgesetzt, 
um  womöglich  eine  irrosse,  den  angeregten  Fragen  nach  allen  Richtungen  dienende 
Statistik  neben  den  schon  erwähnten  praktischen  Fingerzeigen  zu  gewinnen. 

FUr  die  Hftdehen  zieht  die  Berliner  Waisenpflege  bis  jetst  das  Kost- 
unterbringung.sverfahren  vor.  Naeh  der  Confinnation  (welche  bei  krllUger  ent- 
wickelten Mildc'hen  naeh  vollendetem  14.,  bei  weniger  gut  gediehenen  nach  voll- 
endetem 15.  Lebensjahre  bewirkt  wird)  werden  dieselben  in  Dienststellen  unter- 
gebracht. Für  das  Weiterfortkommen  der  Mädchen  sorgt  die  Waisenverwaltuog 
bis  anm  18.  Lebensjahre.  Sobald  ein  Htdchen  in  Stellung  gebraoht  wird,  tritt 
es  hiermit  gleichzeitig  unter  die  Aufsicht  des  W^aisenrathes ,  weleher  Uber  den 
Fleiss  und  die  F'ührung  des  Exptleglings  zunfleh«t  nach  Ablauf  von  vier  Wt>chen, 
dann  regelmässig  in  sechsmonatlichen  Abschnitten  an  die  Waiseuverwaltuog  zu 
berichten  hat. 

Von  unzweifelhaft  segensreichem  Erfolge  hat  sich  auch  die  Vorkehrung 
erwiesen,  beim  Stellenweeliscl  (der  Miidchen  aus  einer  Dien.ststelle  in  die  andere, 
der  Knaben  aus  einer  Lehre  in  die  nlichste;  während  der  Zwischenzeit  Wieder- 
aufnahme in  die  cur  Verfügung  stehenden  Dependenzen  (Waisendepot,  beziehnogs- 
weise  Ertiehungsanstalt)  und  damit  Obdach  und  Sehnts  sa  gewähren. 

Weraieh. 

Wanderniere,  s.  Enteroptose,  pag.  250. 

Wehen.   Die  wenigen  Jahre,  die  seit  dem  Ersehdnen  des  Artikels 

Weben  verflossen,  brachten  nicht  viel  in  dieses  Capitel  einsehlagendes  Neues. 
Dieses  Wenige  soll  in  Folgendem  seine  Besprechung  finden. 


WEHEN. 


807 


Dembo  ^)  fand,  wie  erwilhnt,  in  der  Subserosa  des  oberen  vorderen  Ab- 
Mbnittes  der  Vagioa  (dcü  Kaaiocbeoäj  in  der  nächsten  2säbe  des  Uterus  zahl- 
rache  GangUengrappen ,  dnrdi  derni  (elektrisohe)  Seisiing«n  atorkCf  sowie 
allgemeine  GoDtractionen  des  ganzen  Genitalrohrea  enMOgt  werden,  während 
Reizung  anderer  Theile  der  Vagina  und  des  Tterus  nur  locale  Contractionen 
hervorrufen.  Kaschkaküff  2),  der  Dsmbo  nacbcontrolirte,  wies  nach ,  dass  diese 
allgemdnen  Contractionen  des  OenitalroliTes  aneh  dann  erfolgen,  wenn  die 
erwUinte  Partie  der  Vagina  nur  mechanisch  gereizt  wird  (d.  h.  wenn  Me  aneb 
blos  mit  der  nicht  eingeschalteten  Elektrode  berflhrt  wird\ 

ACCONCI  *)  studirte  an  Thieren  den  physiologischen  \'erlaiif  der  Wehen- 
tbfttigkeit.  Als  graphischen  Ausdruck  der  Weben  erhielt  er  eine  Curve.  Diese 
Onrven  wiederholen  neb  rbytbnuseb,  so  lange  der  Utem  unter  dem  tegelirenden, 
coordinirenden  Einflüsse  des  cerebrospinalen  Systemes  steht |  werden  jedoeb 
ganz  unregelmässig,  atypisch,  sobald  der  Uterus  nur  von  seinem  eigenen  Nerven- 
system abhängt,  nach  Ausschaltung  aller  seiner  Verbindungen  mit  dem  cerebro- 
spinalen Systeme. 

Die  alte  Hypothese,  der  zufolge  der  Eintritt  der  ersten  Wehe 
auf  den  Druck,  den  die  Frucht  auf  das  untere  üterinsegment  ausübt,  zurückzu- 
fahren ist,  wird  neuerlich  wieder  von  Gikin'),  allerdings  in  etwas  modificirter 
Weise,  hervorgeholt.  In  der  ersten  Zeit  der  Gravidität  ist  das  absolute  und 
speelfisebe  Oewiebt  der  IVuebt  ^n  selir  niedriges,  das  spedfisobe  Qewiefat  dts 
Fruchtwassers  dagegen  ein  relativ  hohes.  Späterhin  dreht  sich  dieses  Ver- 
hältniss  um.  Das  Fruchtwasser  verliert  an  specifiscbem  Gewicht ,  die  Frucht 
dagegen  nimmt  an  specifiscbem  und  absolutem  Gewichte  bedeutend  zu.  Dadurch 
flbt  die  Frnebt  einen  bedeutenden  loealisirten  Dmek  anf  den  unteren  UtemB> 
abschnitt  aus.  Dieser  Druck  wieder  übt  auf  den  Uterus  einen  ähnlichen  starken 
Reiz  aus,  wie  die  Mittel  zur  Einleitung  der  Frühgeburt.  Damit  Ubereinstimmend 
tritt  bei  vorzeitigem  Absterben  der  Frucht  die  Geburt  nicht  sofort,  sondern  erst 
2 — 3  Wochen  später  ein.  Innerhalb  dieser  Zmt  nimlieb  nimmt  mit  der  Haeer^on 
der  Frucht  das  speeifisebe  €towioht  der  letzteren  an.  Auf  gleicher  ütsaebe  beruht 
der  Eintritt  der  vorzeitigen  Geburt  bei  der  Cholera.  Das  Fruchtwasser  nimmt  an 
Menge  ab  und  eonsecutiv  wird  das  Gewicht  der  Frucht  ein  relativ  hohes. 

Bezüglich  der  Formverhältnisse  des  kreissenden  Uterus 
liegt  eine  Publieation  Tor,  welebe  die  bisbeiigeo  Ansehannngen  modifieirt.  Der 
wdt  verbreiteten  Anrieht  naeb  verktlrzt  sich  während  der  We  he  der  Uterus  im 
queren  Durchmesser,  während  er  gleichzeitig  im  Tiefendurchmesser  an  Dicke 
annimmt.  An  der  Hand  seiner  klinischen  Beobachtungen  und  gestützt  auf  die 
Horiaontalsehnitte  Baxboqb's*)  führt  Pbhung«)  den  Nachweis,  dass  während  der 
Wehe  der  Längs-  und  Querdnrohmesser  zu-,  der  Tiefendurchmesser  dagegen  ab- 
nehme, der  Uterus  sich  daher  während  der  Wehe  abplatte.  Die  Streckung  der 
Frucht,  die  Scüuodkk  seinerzeit  darauf  zurückführte,  dass  sich  der  < 'ontract  ons- 
ring  jedesmal  nur  so  weit  eröffne,  um  einen  Tbeil  der  Frucht  durchzulassen, 
wird  dadnreb  bervoi^erafeB ,  dass  rieb  der  Uterus  abplatte.  Doreb  diese  Form- 
Veränderung  des  Uterus  findet  die  Frucht  in  ihrer  frllberen  gekrümmten  Haltung 
keinen  Raum  mehr  und  muss  sich  strecken.  Mit  zu  dieser  Streckung  der  Frucht 
trägt  der  Umstand  bei,  dass  die  Placeuta  während  der  Wehe  an  der  vorderen 
und  hinteren  Wand  itarlc  in  das  Uternseavam  vorspringt,  woduroh  der  Ranm  nur 
noch  mehr  beengt  wird.  Hoffhbinz')  fBgt  als  weiteres  Moment,  welches  die 
Verlilngerung  der  liitugsdurehmeHser  des  kreisKendcn  Uterus  niitbedingt ,  den 
Widerstand  an  ,  den  die  nach  abwärts  vorrückende  Frucht  an  den  mütterlichen 
Geburtswegen  tindet. 

Babbodr>)  maeht  darauf  auAnerksam,  dass  die  sehönen  Gefrierdurcb- 
sehnitte  einer  Kreissenden  SÄ.\[X(;BR'ä  ")  zwei  auflfallende    Erscheinungen  zeigen. 
Hier,  itn  sogenannten  ersten  Geburts-itadium  schon,  steht  die  utern-ve>ica]e  Um 
schlagrjtalte  des  Peritoneums   l'-  Cm.   oberhalb  der  byuipiiysc  und   die  Blase, 


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WEHEN. 


trotzdem  sie  nur  wenijdr  Harn  enthalt,  I  f  Om.  Uber  derselben,  trotzdem  man 
bisher  annahm,  das^  diese  Emporzerrung  der  Blase  erst  im  sogenannten  zweiten 
Gebnrtastadiuffi  eintrete.  Wintkr's  Medianschnitte  werden  von  den  Anhängern 
Scbr0db*8  fVr  «iaen  aeiMrUelMB  Btwtis  dw  Riditigkdt  der  Annahm«,  dass  die 
Oenrix  bis  anm  normalen  Qraviditfitsende  erhalten  bleibe,  angesehen.  In  Fall  I 
ist  die  Grenze  zwischen  der  glatten ,  bis  zum  inneren  Muttermunde  reichenden 
Deeiduaauskleidung  deä  Corpus  und  dem  an  Krypten  und  Muoosafalten  reichen 
Oervix  selir  dentlieh.  Die  Cofrpaawand  ist  handbreit  nnter  dem  Fnndns  am 
■ttricaten  i8  Mm.i  und  nimmt  gani  allmälig  bis  zum  inneren  Muttermunde 
bis  auf  4  Mm.  Dicke  ab.  Der  Contraetionsring  ist,  da  die  Wehenthiitifrkeit  noch 
keine  kräftige  war,  nicht  ausgesprochen.  Damit  libereinätimmend  ist  der  innere 
Muttermund  nnr  wenig  anaeinandergezogen  und  die  Ablösung  der  Eihäute  anf 
das  untere  Cterinsegment  beselntnkt.  Im  II.  FkUe  dag^en  ist  das  untete 
rterinscfrtncnt  in  seiner  Wanddicke  dem  Fundu.s  gegenflber  mehr  verdünnt  (wie 
2  Mm,  zu  7  Mm.,(.  Die  hintere  Lippe  ist  Rtilrker  verzogen,  die  Eröffnung  hier  viel 
weiter  vorgeschritten  als  vorne.  Im  unteren  Uterinsegment  sind  die  Eihäute  schon 
theilweise  abgelöst  (vorne  4*5  Gm.  und  hinten  1  Cm,  vom  inneren  Muttermunde). 
Das  Amnion  steht  noch,  das  Chorion  dagegen  ist  bereits  zerrissen. 

So  ziemlich  übereinstimmend  damit  spricht  sich  Pestalozza  au8.  An 
der  Hand  von  Präparaten  und  einem  Gefrierdurchscbnitte  erörtert  er  die  sieh  im 
und  am  Uterus  wihrend  der  sogenannten  Britffnungsperiode  abspielenden  Vor- 
ginge. Gebärend  ist  die  Frau,  wenn  sieb  der  obwe  Theil  des  Cerviealeanalee  zu 
erweitern  beginnt  und  sich  die  Eihäute  um  das  Orißdum  intrrnum  herum  ab- 
lösen. Nach  verstrichener  Cervix  erweitert  sich  der  äussere  Muttermund  zuerst  an 
der  hinteren  Lippe,  duuu  an  den  seitlichen  Partien  und  schliesslich  au  der  vorderen 
Lippe.  Das  Missverbiltniss  zwiseben  der  Fliehe  der  abgelösten  Bibiute  und 
ihrer  Haftfläche  an  der  Tteruswand  ist  auf  die  Dehnbarlcdlt  der  Eihäute,  sofHe 
auf  die  Kctractivität  der  l'teruswand,  welche  sich  in  der  sogenannten  Eröffnungs- 
periode verdünnt ,  in  transversaler  Richtung  gedehnt  und  in  verticaler  verkürzt 
wird,  sebliesslieb  auf  die  theilweise  Tersehiebung  des  ganzen  Saekes  naeb  unten 
ohne  Ablösung  (ermii^lieht  durch  die  naefagiebigen  Adhäsionen  in  der  l^feanungs» 
schichte)  zurückzuführen.  Die  Verdfinnmif;  des  unteren  Cterinsegmontcs  ist  nach 
ihm  als  ein  rein  mechanischer  l'roceas  anzusehen,  der  gewöhnlich  nur  während  der 
Geburt  stattfindet,  wenn  es  auch  möglich  ist,  dass  dieselbe  bereits  in  der  Gravidität 
in  Folge  des  excentriseben  Druekes  des  Eäes  (zu  «ner  Zeit,  wo  die  aetive  Hyper- 
plasie des  Uterus  bereits  aufgehört  hat)  beginnt.  Der  lamellöse  Bau  der  Uterus* 
wand  ermöglicht  das  Zustandekommen  der  Verdünnung  durch  Verschiebung.  Auch 
die  Gefäss vertheil ung  ist  derselben  günstig.  Die  Verdünnung  des  unteren  Uterin 
Segmentes  ist  die  Bedingung  für  die  Erweiterung  des  Muttermundes.  Je  grösser 
iene,  umso  schneller  erfolgt  diese. 

Nadi  Harrour  '  I  wiril  wahrend  der  s'>frcnannten  zweiten  Oeburts- 
periode  das  Peritoneum  vorne  etwas  aus  dem  Becken  herausgehoben  und  hinten 
in  die  Höhe  geschoben.  Der  Blasenhals  ändert  seinen  Platz  nicht,  dagegen 
wird  ein  Theil  der  Blase  in  die  BauehbOble  naeh  oben  versehoben.  Wtiirend  der 
Webenpause  zeigt  der  Uterus  eine  gewisse  Plasticitit,  ähnlich  wie  in  der 
r.r.-n  idit.'it.  mit  dem  Unterschiede  aber,  da.^s  er  sich  in  letzterer  der  Wirbelsäule 
und  dem  knöchernen  Becken  anpasst,  während  der  sogenannten  zweiten  Geburts- 
periode dagegen  dem  Fötus.  In  dem  Retractionszustande  wird  die  Uteruswand 
S.  kOrzer  und  dicker,  aber  nicht  im      ichen  Grade    Während  sich  der  yertieale 

Umfiin;.'  um  ein  Dritte!  vrni  iiuiert.  wird  die  Wand  bis  zum  Vierfachen  verdickt. 
Der  uutcre  Abseliniu  der  vunlereu  Uteruswand  ist  vor  dem  Geburtsbeginn  dünner 
als  die  übrigen  Theile  and  nimmt  diese  Verdünnung  während  der  (Geburt  tu. 
In  entspreehender  Weise  verdünnt  sieh  auch  die  hintere  Utemswand.  Die  Orena- 
linie  zwischen  dem  verdünnten  Abschnitte  und  den  nicht  verdünnten  Theilen  des 
Uterus  bleibt  auch  ohne  Contraction  sichtbar  und  sollte  deshalb  Ketractions-,  nicht 


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809 


aber  Contractionsring'  irenannt  werden.  Hat  ein  Friiclittbeil  diese  Grenzlinie 
pafisirt,  so  wird  <iuf  ihn  keine  Muskelthätigkeit  seitens  dieses  verdünnten  Ab- 
schnittes ausgeübt.  Während  die  vordere  Vaginalwand  während  der  Gebart  ihre 
Lftnge  nnd  Dieke  sieht  Tertadert,  wird  die  rlleliwirtige  um  meiir  als  dM  Doppelte 
verllngert  und  dementsprechend  verdflnnt.  Die  Frucht  wird  in  der  mgenannteB 
Bweiten  Geburtsperiode  durch  Streckung  der  Wirbelsäule  verlängert. 

\V£RTU  nimmt  tür  den  Uterus  eine  allseitig  beginnende  Contraciion 
an,  ohne  aber  die  vob  Ifaneben,  wie  nameDtlidi  von  Schatz  vertretene  An- 
•ehaannf  drr  peristaltiscben  Form  der  Contraction  völlig  ▼on-  der  Hand  zu 
weisen.  Seine  Ansieht  über  den  NiitzefTeet  der  Uteruscontractionen  und  der  Bauch- 
pressu  läuft  darauf  hinaus,  dai^s  die  Uteruscontractionen  vor  Allem  die  Erört'nung 
des  Uterus  bewirl^en.  Hernach  kommt  voob  ein  Tbml  der  aufgebrachten  Kraft 
in  die  Ddinun^  der  nadi(^ebigeD  Gewebe^  welche  die  Verbindung  swisehen  Uterus 
und  Becken  herstellen ,  in  Verwendung;.  Die  Bauehprcsse  dagegen  arbeitet  ohne 
Kraftverlust  für  den  Zweck  der  Austreibung  und  ist  bei  gleicher  Grösse  des 
Uterus-  uud  Baucltdrucke«i  deshalb  in  Bezug  auf  expulsiven  Effect  dem  Uterus 
entsehieden  ttberlegen.  IMe  Uauptfunetion  der  ütemseontraetion  besteht  wflhrend 
der  Austreibung  darin,  dass  sie  eine  geir^lte  Bauehpreue  unterhält,  die  unter 
der  Herrseliaft  der  retlectorischen  Erre^junf!'  in  weit  stärkerem  Mar^se  anp:e8pannt 
wird,  als  es  der  Willenskraft  möglich  wäre.  Ferner  wird  durch  die  in  Spannung 
versetste  Uternswand  hindnrdi  der  Banehdraek  leiehter  unges^mllert  auf  de« 
üterurinbalt  flb«rtragen.  Der  duroh  die  Gontnetion  erzengte  Zug  naeh  oben 
erleiclitert  endlieh  das  Abwärtsgleiten  des  Fnichtkftrpers  an  den  Wandungen  dos 
UteruKsehlauehes.  W'KitTH  weist  daher  naeh  iScuuoüEu's  Beispiel  der  BauehpresSO 
in  der  Austreibung  der  Frucht  eine  Ubergruss«  Rolle  zu. 

Blanc  entnimmt  aus  seinen  Uinisehen  Untersnehungen ,  dass  es  ein 
genau  differenzirtes  unteres  Uterinsegment  nnr  in  den  letzten  Sohwangersehafts- 
monaten,  im  8.  uud  9.  und  vielleicht  im  7.  nnd  da  nur  bei  Primigraviden,  ^ebe. 
Es  bildet  sich  aber  stets ,  wenn  Uteruscontractionen  eintreten ,  unabhängig  von 
der  Sehwangersehaftsdaaer.  Oberhalb  des  nntwon  Uterinse^mentes  kommt  es 
dann  zur  Bildung  des  Coutimetionsringes.  de  Sbionbux  findet,  wie  er  aus 
dem  I^efundc  seiner  Präparate  sehlicsst ,  dass  dris  untere  l'terinse^jment  seinem 
anatonuscheu  Baue  nach  unzweifelhaft  /um  Uterus  gehört  und  dass  es  sich  durch 
seinen  Bau  von  der  Oervix  abgrenze.  Im  5.  Graviditätsmonate  ist  es  au  der 
Hinterwand  des  Uterus  noeh  nieht  entwiekelt  uud  vorne  nur  sehwaoh  angedeutet. 
Einen  eigcntlicheu  Contraetlonsrtng  an  der  Grenze  zwischen  unterem  Uterinsegmente 
und  Corpus  fand  er  nicht,  sondern  nur  eine  allniälige  Verdünnung^. 

Ganz  im  Gegensatze  zur  allgemein  angenommenen  SCHRoDER'achen  An- 
sieht von  der  Persistenz  des  inneren  Muttermundes  bis  sum  Oeburtsbeginn  stellt 
sich  in  einer  schönen  Arbeit  Heilmann  Der  sogenannte  liANDL'sche  King, 
der  ('ontraetionsring,  ist  der  innert-  Muttermund.  Deciduagew('l)e  kann  .sich  auch 
aus  Cervixmucosa  bilden.  Die  Deciduabildung  der  Cervix  erfolgt  erst  iu  späterer 
Sebwangerschaftszeit.  Zur  Entscheidung  der  Frage  des  Sitzes  des  inneren  Mutter- 
mundes am  normalen  Orsviditfttsende  siebt  er,  da  am  Weibe  diese  Frage  nieht  sn 
Iflsen  ist .  den  nicht  graviden  und  graviden  Uterus  der  Fledermaus  heran ,  da 
die  liier  zu  findenden  Verhitltnisse  des  Uterus  eine  vollkr>ran)ene  Analoirie  /um 
Befunde  des  Weibes  darbieten.  E^  findet  sich  bei  diesem  l'biere  das  sugeuuunte 
untere  Uterinsegment  so,  wie  es  bei  dem  Weibe  sn  treffen.  Ist.  Die  Zugehörig- 
keit dieses  si  mi mnit n  unteren  Uterinsegmentes  zum  Corpus  ist  nach  den  ana- 
tomis<-hen  lüldi  rii  Itci  der  Fled'irmaus  einfach  unlialtbnr.  Sehen  grob-anatomische 
Verhältnisse  zwiugeu  zur  Auerkennuug  einer  Deeidua  in  der  Cervix.  Mikru- 
skopiseh  lassen  sieh  alle  Phasen  der  Umwandlung  in  Deeidua  wahrnehmen.  Das 
Os  ini^mum  MOllbr's  ist  ein  Os  intemum  spurium  und  wechselt  seinen  Platx, 
d.  h.  es  wandert  allmfllig  weiter  naeh  nl^wärts.  Diese  seine  anatomisclie  An- 
scbauung  bringt  er  mit  seiner  Theorie    über  die  Entstebungsursaehe  der  ersten 


blO 


WEHEN. 


Wehe  jrut  in  Verbindunfr.  Dh-s  normale  '^chwan.rersohaftsende  wird  dann  erreicht, 
weou  die  Erweiterung  und  Debuung  der  Cervix  bis  zu  den  tu  der  Höhe  der 
Va^nalimertioo  befiadlieheo  Ganglien  (dem  Oanglion  eermeaU  FsAMKKilHiuau'fl) 
vnrgescbriiten  ist.  Diese  Ctaii^n  werden  nim  gtnait  and  IOmh  dadnreh  den 
Eintritt  der  ersten  Wehe  aus. 

Ueber  die  S c  h  w  a  n  g  e  r  s  e  h  a  f  t  s  w  e  b  e  n  äussert  sich  Braxton  Hicks 
dahin,  daas  sich  der  Uterus  die  ganze  Gravidität  hindurch  in  regelmässigen  Inter* 
vnllon  von  5 — 20  llinntan  eontrahiiC.  Diew  Contnetionen  dnaem  3—5  Minntra. 
In  den  ersten  4  Graviditatsmonaten  bedarf  es  einer  combinirten  Untersuchung ,  um 
diese  Weben  nachzuweisen.  Spaterhin  genfigt  das  Auflegen  der  Hand  auf  den 
Unterleib.  Diese  intennittirenden  Contraetionen  haben  den  Zweck  ^  die  Uterus- 
vftoen  ihres  kohlenslnrereiehen  Blntes  sn  entleeren  nnd  ist  es  wahrseheinlieh 
diese  Kohlensäure,  die  sie  hervorruft. 

N  a  e  h  s;  e  b  u  r  t  s  w  e  h  e  n.  Nach  Fehling '''  i  erreicht  der  Uterus  in  der 
Xaehgeburtsperiode  die  gr(isste  Abplattung.  Zu  erwähnen  wäre,  dass  in  jüngster 
Zeit  in  England  Uber  den  Mechanismus  der  Lösung  der  Plncenta  eine  neue  Hypo- 
tbese  aufgestellt  wird.  Die  Ursnehe  der  LAsnng  der  Plaee&ta  lie^  darin ,  dnss 
gich  die  Plaoentarstelle  ausdehnt ,  während  die  Placenta ,  in  der  der  Blut- 
krei.slauf  unterbrochen  ist,  dieser  Ausdehnung  nicht  folgen  kann.  Die  Lösung 
der  Placenta  liudet  immer  während  der  der  Contraction  folgenden  Krschlaä'uag 
des  Utems  statt.  Bbbrt,  Haet^*),  Babboür**).  Zdistagsi)  fand,  dass  es  ausser 
dem  DuNCAN'schen  und  SCHULZE'sohen  LAsnngsmodns  der  Ptaeenta  noeh  einen 
dritten  gebe,  der  frleichsam  einen  T'ebcrfjang  von  dem  einen  znm  anderen  dar- 
stellt und  den  er  den  gemischteu  nennt.  Hs  ist  hierbei  die  Placenta  mit  der 
Uterinflflche  zusammengeklappt  und  breitet  sich  darttber  der  Eihantnek,  mehr 
oder  weniger  mit  Blut  gefallt,  ans. 

Innerhalb  der  letzten  .Inbre  wurden  mehrfache  Versuche  an;rp>*tt'IIt ,  die 
W  e  h  e  n  t  h  ä  t  i  g  k  e  i  t  mittelst  der  (ialvanisation  zu  erregen.  Nach  Bayer 
benüthigt  man  die  coutractionserregende  Wirkung  des  constanteu  Stromes.  Des- 
halb verwendet  man  labile  Strffme  mit  Unterhreehnngen ,  eventuell  VOLTA^sebe 
Alternativen  oder  intermittirendes  Galvanisiren.  Meist  genUgen  schwftehere  Ströme 
(h\B  zu  20 — '2:^  M.  A.  I.  Die  positive  indifferente  Elektrode  ist  eine  grosse  Platte, 
die  active  negative  wird  durch  ein  kleines,  in  den  Üervicalcanal  gebrachtes 
SehwSmmehen  gebildet,  das  mit  einem  dnreh  ein  Drainrohr  isoUiten  Silberdrahte 
in  Verbindung  steht,  der  an  den  Leltnngsdraht  befestigt  wird.  Der  Effect  der 
Galvanisation  ist  aber  kein  verlässUcher ,  zuweilen  stösst  man  auch  auf  torpide 
Uteri ,  die  nicht  rcafjiren.  In  anderen  Füllen  erregt  man  wohl  Wehen ,  doch 
halten  diese  nicht  dauernd  an.  Soll  diese  Methode  der  Welienerregung  zum  Ziele 
fahren,  so  mnss  sie  Iftngere  Zeit  hindurch  in  Anwendung  gebraeht  werden. 
Freund  jun.^^  brachte  den  constUDtett  Strom  in  anderer  Weise  in  Verwendung. 
Von  dem  Standpunkte  des  Connexes,  in  dem  die  Hnistwarzen  zu  dem  Genital- 
üvstemo  stehen,  ausgebend,  construirte  er  den  sogenannten  elektrischen  Schropf- 
kopf,  wobei  der  active  Pol  mit  der  Mammilla  nnd  der  indifferente  als  Platte  auf 
dem  Unterleibe  liegt.  Ein  gläserner  Schr^^pfkopf  trigt  eine  eingelassene  Metall- 
hülse,  in  deren  Innerem  sich  ein  befeuchteter  Schwamm  befindet,  der  der  T?rust- 
warze  aufruht.  Der  Schröpfkopf  steht  mit  dem  Leitungsdrahte  in  Verbindung. 
Die  Stromstärke  beträgt  6 — 7  M.  A.  Nach  seinen  Erfahrungen  icann  mau  auf 
diese  Weise,  doch  rnntm  es  nicht  der  Fall  sein,  Wehen  erregen,  die  aahaltend 
bleiben.  Amaxn  sah  jedoch  keinen  Erfolg.  Auch  Moli.ath's  Ergebnisse 
scheinen  keine  s-anz  verlässlichen  gewesen  zu  sein.  .Mittelst  abwechselnder  kalter 
(Ögradigerj  und  heisser  (3ögradigcrj  Wassereiuspritzungen  (l*  ^ — 2  Liter)  in  die 
Vagina  bei  einer  Fallhöhe  von  \ — 1^  Meter  (in  einer  Sitxnng  diel  Eiasr 
Wasser)  will  SCHRÄDER -")  die  Wehenthätigkeit  mit  Erfolg  erregt  haben,  ebenso 
auch  LoMKii-").  Nichts  Neues  gajrt  S<h.\tz  wenn  er  erwähnt,  dass  man 
mittelst  Darreichung  von  Ergotin  Wehen  erregen  kann,  der  Effect  aber  auch 


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ausbleiben  könne.  Nach  Merz  ^ ')  soll  daa  Ghinin  innerlMÜb  der  ersten  drei  Gravi- 
ditfitBrnonate  im  Stande  sein.  Wehen  auslösen  zu  können.  Spaterhin  soll  dieses 
Mittel  keine  Welieu  erregen.  Ich  kann  dies  nicht  bestätigen.  Bkrtrand 
•prioht  sich  in  der  gleichen  Weise  aus.  Pslzsb  fand  in  der  Injection  von 
60 — 100  Gnu.  Glyoerin  swiseiieii  ütenis  und  Eibiiitflii  ein  niiMhldliebea  und 
sieheins  HIttal,  eine  andauernde  Wehenthntigkeit  auszulösen. 

AU  einen  thats.Hchlichen  Fortschritt  muss  man  es  hegrUssen,  da^s  uns 
die  letzten  Jahre  ein  Mittel  brachten,  welches  die  abnorm  heftig  werdenden 
SebwaDgeraehaftawelien  niedersndraeken  im  Stande  ist,  d.h.  dieWebentbitig- 
kcit  aittirt.  Bs  ist  dies  das  Extractum  Vtburni  prunifoUi.  Mittelst  diesoB 
Mittels  vermag  man  gar  häufig  die  vorzeitige  Schwangerschaftsunterbrechung 
aafzahalten,  vorausgesetzt,  daas  die  vorzeitigen  Weheu  nicht  allzu  stürmisch  auf 
treten  und  nicht  bereits  das  ES  Terietit  ist.  Schatz  '*)  vermnthet,  dass  die  Wir- 
kung dieses  Mittels  auf  einer  Reizung  des  uterinen  Itemmangseentrams  oder  einer 
vorübergehenden,  kilnstlich  herbeigeführten  Lähmung  des  uterinen  motorischen 
Centrums  beruht.  Die  Wirkung  des  Mittels  entfaltet  sich  sowohl  bei  lebendem, 
wie  bei  abgestorbeoeoi  Ei.  Im  letzteren  Falle  kann  man  das  Ei  noch  muuate- 
lang  im  üteras  sartlelcbalten.  Bei  pUttslieh  anftretender  heftiger  rorseitiger 
Wehenthitiglceit  kann  das  Mittel  abw  nllerdings  nicht  mit  dem  Opium  conenr- 
riren.  Gereicht  wird  es  zu  3 — 4  Grm.  pro  die  längere  Zeit  hindurch  und  muss 
die  Gravide  das  Bett  hUten  (Co&dbs'^).  Fbbeman  ^'j  empfiehlt  zu  gleichem 
Zweeke  die  Tinetura  OeUemii  und  giebt  von  derselben  alle  S  Stondea  6  bia 
30  Tropfen. 

P'orsehungen  fiber  das  Verhalten  der  Körpertemperatur 
während  der  Geburt  nahm  Glöckner  vor.  Erfindet,  daas  die  Temperatur 
bei  Primiparen  meist  erhöht  ist  nod  dass  das  Maximum  der  Temperatursteigerung 
in  das  £nde  der  segenannten  ErtMbni^periode  ftllt.  Alle  Momente,  welehe  den 
Geburtsverlauf  verzögern,  dispontren  zum  Eintritte  von  Fieber  während  der  Geburt, 
deshalb  ist  das  Fieber  häufiger  und  höher  bei  Primi-  als  bei  Pluriparen.  Wieder- 
holtes Ansteigen  von  Puls  und  Temperatur  ist  als  ein  prognostisch  ungünstiges 
Zeichen  aufzufassen.  Naeh  Wintbb  Idstet  der  Uten»  bei  seinen  Ckmtraetionen, 
wie  jeder  andere  Muskel,  Arbeit  und  erzeugt  dadnrtth  Wirme,  die  Anfangs  loeali- 
sirt  ist,  sehr  bald  aber  durch  die  Hhitcirctilafion  dem  tranzen  Körper  mitgetheilt 
wird.  Diese  erhöhte  Temperatur  wird  durch  vermehrte  Wärmeabgabe  —  schnelleres 
Athmen  und  Entblössung  —  regulirt.  Sie  betrflgt  37'4<>.  In  der  sogenannten 
Anstnubnngsperiode  ist  sie  niedr^w,  als  in  der  sogenanuten  HSrOftiungsperlode 
und  in  der  8o<renanten  Nachgeburtsporiode.  Anders  verhält  es  sich  mit  dem  Fieber 
wahrend  der  Geburt.  Es  giebt  zwei  Arten  desselben,  gesteigerte  Wftrmebildun^;- 
durch  Übermässige  Thätigkeit  des  Uterus  und  der  anderen  Körpermuskelu  und 
Fieber  als  Folge  von  Infeetiou.  Bei  Fieber  erster  Art,  bei  dem  die  Temperatur 
bis  Uber  39*  steigen  kann ,  tritt  post  partum  immer  Temperaturabfall  ein.  Bei 
MnUiparen  mit  normalem  Becken  und  nachgiebigen  Weichtheilcn  ist  es  selten. 
Kelativ  am  häufigsten  tritlt  man  es  bei  engem  Becken,  weil  hier  sehr  kräftige 
Wehen  nöthig  sind,  um  die  Geburt  in  beenden.  Der  Puls  ist  in  der  Regel 
entsprechend  der  Höhe  der  Temperatur.  Das  Fieber,  das  auf  Infeetion  beruht, 
charakterisirt  sich  dadurch,  dass  die  Geburt  lange  dauert.  Selten  nur  stellt  es 
sich  bei  stehender  Blase  ein,  zumeist  nach  abjretlfMsenen  Wässern.  Winter  meint, 
da  es  sich  um  Fieber  handle,  deneu  aus  zersetzteu  Stotfeu  entwickelte  Ptoniaine 
SU  Gründe  liege,  dass  diese  Fieber  Intoxieation«>,  aber  niebt  lufeetionsfieber  seien. 
Bei  diesen  Fiebern  seien  zwei  Formen  zu  unterscheiden.  In  der  ersten  steigt  die 
Temperatur  langsam  bis  anf  SS*')",  fällt,  wenn  die  (iebiirt  lange  dauert,  wieder 
etwas  ab,  um  von  Neuem  zu  steigen.  Die  Temperatur  hält  sich  zwischen  38'0 — 38*5^ 
SehllttelfrOste  sind  selten.  In  der  »weiten  Form  steigt  die  Temperatur  jäh  an, 
f^llt  bald  darauf  langsam  ab  und  steigt  neuerdings  an ,  um  wieder  zu  sinken. 
In  den  Remissionen  kann  die  Temperatur  bis  sur  Norm  sinken.  Selten  hftU  sie 


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WEHEN. 


sich  dauernd  um  SO'ö''.  Die  Temperatur  kann  bis  auf  40"  und  mehr  steigen. 
Zuweilen  hält  das  Fieber  auch  nach  der  Geburt  noch  an.  Nicht  so  selten  sind 
SttbllttelfriMe,  thclls  als  InHialsymptoni  des  Fiebers,  Cbeils  wa  Beginn  einer  nenea 
Fieberbewegung.  Post  partum  treten  sie  am  binfigston  nach  operativ  beendete« 

Geburten  und  intrauterinen  Injectioneii  auf.  Sie  markiren  die  Incorpnration 
grfls8(;rer  Mengen  toxischer  Stoffe.  Zuweilen  machen  sich  die  ZerHetzungBproducte 
durch  einen  sUsslichen,  ekelerregenden  Geruch  bemerkbar.  Der  Puls  wird  dureh 
die  Intoxieetion  sebr  stark  besdilemiigt,  so  dass  sein  V«rbalt«i  der  Tempemtar 
gcfrentlber  ein  incoDgraentes  wild.  Je  grOsser  diese  Incongruenz ,  desto  schwerer 
ist  im  Allgemeinen  die  Intoxication.  Der  Puls  steigt  häufig  früher  als  die  Tem- 
peratur. Bezüglich  der  Diagnose  infectiöses  Fieber  gegenüber  dem  iunctionellen 
glebt  es  folgende  Hericmale:  Tympania  uteri  nnd  das  Abgehen  stinlcender  Zer- 
setsnngqirodncte,  Temperatur  Uber  39»  und  tiber  40°,  SchfittelMste,  grosse  In- 
fonprruenz  zwischen  Puls  und  Temperatur.  Langaiiflauernde  Geburten  mit  Wehen- 
scbwftche  und  frühzeitigem  Blaseuspruoge  deuten  auf  Infeetion  hin.  Das  Fieber 
aus  abnormer  Webenthitigkeit  ergiebt  fflr  die  Mutter  eine  absolut  günstige  Pro- 
gnose. Das  fimetionelle  Fieber  erbelseht  aar  ein  abwartendes  Verbalten ,  das  in« 
feetiOse  dagegen  eine  möglichst  rsRche  Entbindung.  Auch  Hansen  '*)  untersebeidet 
zweierlei  Fieber.  Ein  solches,  nur  durch  schwere  Oeburtsarbeit  hervorgerufen, 
das  eine  gute  Prognose  abgiebt  und  ein  durch  Intectiou  bediogtes.  Nach  Ols- 
HArsRN**)  ist,  da  auf  Temperatarsteigernngen  wtbrend  der  Gebart  bis  anf  39* 
ein  normales  Puerperium  folgen  kann,  die  Entscheidung  zuweilen  sehr  schwierig, 
ob  ein  Infeetionsfieber  vorliegt  oder  nicht.  Das  functionelle  Fieber  scheint  er 
darauf  zurückzuführen,  dass  der  Muskel  an  Arbeitsleistung  bebindert  wird.  Nach 
VsiT  ist  der  Temperatnrabfall  in  der  sogenannten  Anstreibungsperiode  auf 
iussere  Momente  mrUekanlllbren,  Sdiweissseeretion  nnd  Yerdunstnng  n.  daf^.  m, 
Martin  *")  meint,  dafs  Temperatursteigerungen  allein  nur  eine  relatiTO  Bedeutung 
besitzen,  zur  Beurtlieiliin^r  müssen  auch  die  Pulsverhältnisse  herangezogen  werden. 
Truzzi  meint,  gestützt  auf  seine  Beobachtungen  bei  eingeleiteten  Frühgeburten, 
dass  b^  leiehter  septiseber  Infeetion  die  Weben  sebr  stfirmiseb  werden,  bei 
schwerer  dagegen  eine  vollständige  Wehenlosigkeit  eintrete.  Auch  AccONCi 
scheint  ähnlicher  Ansicht  zu  sein  und  glaubt,  dass  beginnende  Sepsis  abschwächend 
auf  die  Webeutbätigkeit  einwirke.  Damit  übereinstimmend  beben  beide,  Truzzi 
nnd  AOOOHCI,  den  anfiallenden  ümstand  hervor,  dass  in  vorantiseptischer  Zeit  ein- 
geleitete Frabgebvrteii  rascher  und  sehneller  mm  Abseblnss  kamen,  als  dies  heate 
der  F'all  ist.  wo  die  Wehenthätigkeit  eine  viel  weniger  energische  i.st.  Damals 
war  Itei  diesem  Eingrific  eine  Infeetion  eine  gewohnliehe  Zu;rabe  und  in  F'olge 
dessen  wurden  die  Wehen  kräftig  und  energisch.  Heute,  da  wir  antiseptisch  vor- 
gehen, AUt  dieser  Faetor  weg  und  sind  die  Weben  daher  sebwieber. 

Nach  AfiELiN*^')  bat  die  Intermittens  ksiaea  merklichen  Einflnss  auf  die 
Wehentbätigkeit.  Dasselbe  .scheint  vom  Typhus  zu  gelten  (Fleming**). 

Nach  B£RRY  Hart  bildet  die  Wehentbätigkeit  eine  sebr  ungünstige 
Complieation,  wenn  eine  Hitratstenose  bestebt  Die  Gefahr  li^  darin,  dass  selum 
im  Beginne  der  Wehentbätigkeit  ein  dilatirter  schwacher  linker  Ventrikel,  eine 
Congestion  der  Lungen,  ein  dilatirtes  reehtes  Herz  da  ist  und  d.-ihei  eine  mangel- 
hafte Compensation.  Die  i'rognose  hängt  von  dem  (irade,  welchen  die  IHlatation 
des  recbteu  Herzens  erreicht  bat  uod  von  dem  Eintritte  der  Kudocarditis  ab. 
Undentliebkeit  oder  Tersebwinden  des  ersten  Tonee  nnd  Absebwichnng  dee  Ge- 
rittsebes  deuten  auf  grosse  Gefahr  für  den  Gebnrtsverlauf  hin.  Die  Therapie  besteht 
in  einem  möglichst  ruhigen  Verhalten  der  Kranken,  in  Darreichung  von  Stro- 
pbantus,  eventuell  ist  zu  chloroformireu.  Digitalis  und  Ergotio  dürfen  nicht  gegeben 
werden.  Treten  gefahrdrohende  (^reuIationsstOrongen  ein,  so  ist  Stropbantns  si 
■^vWu.  es  ^iod  trockene  SebrApfköpfe  auf  die  Herzgegend  zu  appliciren,  eventuell 
ist  eine  Veuaesection  vorzunehmen.  Auch  Owen  Marknes.<  sieht  die  Gefahr 
in  der  venösen  UeberfUllung  des  Herzen.s.  Das  rechte  Herz  kann  das  Blut  nicht 


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'  813 


in  die  Artena  pulmonalü  traiben.  Die  Gefahr  hangt  in  ihrer  GHtaee  von  der 

bleuten dert'n  oder  geringeren  Energie  des  Herzena  ab.  Ballantvxe  fan.l  die 
Pulscnrve  im  sogenannten  ersten  und  zweiten  Geburtastadium  normaler  als  in  der 
pravidität.  Der  Puls  ist  wobl  klein,  aber  nahezu  reg^ulär,  es  findet  sich  eine  gute 
Arterienspannong.  Erst  in  der  sogenannten  dritten  GelmrtBperiode  wird  die  Pals- 
welle  Rohr  schwach ,  d.  b.  es  zeigt  sich  Herzschwiehe.  Markay  ^'^'^  plaidirt  btt 
Herzkrankheiten  fttr  eine  vorsiobtige  Aethemarkose,  eventuell  fQr  Chloroform  und 
Venaesection. 

Unansgiebi ge  Wehenthitiglceit.  Originell  ist  der  Gedanlte 
FsROüSSON*S  ,  durch  ein  therapeutisches  Vorgehen  prophylactisch  dafür  Ell 
gorfren,  dass  die  Wehentbatigkeit  ihrer  Zeit  krftftifr  sei.  Zti  liein  Hebufe  reicht  er 
lAngere  Zeit  hindurch  in  der  Schwangerschaft  oder  knapp  vor  der  Geburt  Strychnin, 
und  zwar  zu  1 — 4*5  Mgrm.  pro  die.  Wenn  der  Muttermund  rigide  ist,  lAsst 
er  anseerdem  die  letzten  8 — 10  Tage  der  Sebwangersebaft  iweimäl  des  Tages 
Vaginaldouchen  mit  40*5'  heitisem  Wasser  vornehmen.  Durch  dieses  Verfahren 
sollen  die  Wehen  kräftig  und  ausdauernd  werden.  Geburten ,  die  sonst  bei 
der  Betreffenden  18  ätuuden  andauerten,  sollen  dadurch  auf  8  Stunden  abge- 
kttrst  werden. 

Eine  Ansebawing  Aber  die  Aetiologie  der  Wehen  seh  wäche ,  die  bei  uns 
nicht  viel  Ant-rkennunp  finden  dürfte,  ist  jene  Clark b's ''").  Nimmt  die  Krei-sende 
längere  Zeit  hindurch  dieselbe  Lage  ein,  so  tritt  Wehenscbwäobe  ein,  und  zwar 
in  Folge  des  eonstanten  Dmekes,  den  die  IVnelit  anf  die  vmsehrieliene  Stslle  der 
Uternswand  ausObt.  Aebnlicber  Anriebt  ist  Oakbioues.  Naeh  VJOOOBOtJX 
kann  selbst  eine  nur  relativ  gerinp-e  Menge  Harne«  in  der  Blase  Störungen  der 
Wehentbätigkeit  nach  sich  ziehen.  Nach  Kixo  vermag  eine  zu  kurze  Nabel- 
schnur das  Gleiche  hervorzurufen.  Die  dadurch  bedingten  schwachen  Wehen 
werden  sofort  regniirt,  wenn  man  die  Krnasende  ans  der  bbrisontalen  Lage  in 
die  sitsende  bringt.  Die  Kreissende  hat  überdies  selbst  das  Bedürfniss  sich  auf- 
zusetzen und  ist  diesem  stattzii£r«^lien.  Hcfckstadt meint,  dass  der  Utertis 
arcuatus  oft  Wehenschwäche  und  schmerzhafte  Wehen  nach  sich  zieht.  DüUBSäEN 
glaubt,  dass  der  erscbwerte  OeborlsTerlanf  bei  allgemein  verengtem  Beeken  nieht 
allein  Folge  der  mechanischen  MissverhSltniase  swischen  Beckencanal  und  Froeh^ 
köpf  sei,  sondern  dass  daran  auch  eine  mangelhafte  Entwicklung  der  rterns- 
muskulatur  Schuld  trage,  die  der  auf  kindlicher  Entwickhiu^sstufe  stehen  geblie- 
benen Beckenfonn  entspreche.  Deutsch  t^^)  beobachtete  eiueu  Geburtsverlauf  eines 
Falles,  in  dem  f^flber  wegen  Uternsroptnr  die  Laparotomie  gemaobt  worden  war. 
Den  Wehenmangel ,  sowie  die  starke  atoniscbe ,  der  Ctobnit  sieb  anschliessende 
Blutung  fuhrt  er  darauf  znrttek,  dass  der  Uterus  mit  den  Bauehdecken  ver- 
wachsen war. 

BdNBR'^^;  maobte  die  WebensehwBobe  älterer  Primiparen  zum  Gegen- 
stände eines  speciellen  Studiums.  Sie  kann  eine  absolute  und  primäre  sein.  Wahr- 
scheinlich entsteht  sie  in  Folge  eines  gewissen  stattgefundenen  Kilokf^anges  in 
der  Innervation  und  Nutrition  des  Uterus  durch  seine  lange  vorangegangene  Un- 
tbätigkeit  und  durch  die  Functionsstdrung  des  gesammten  Genitalapparates  in 
Felge  des  in  kUrserer  oder  Ubigertr  Zeit  heraorttekenden  Kllmakterinms.  Obarak- 
teristi.^ch  ist  das  Anhalten  der  Wehensdiwäebe  während  der  ganzen  Daner  der 
Geburt.  Cousecutiv  folgt  Verzögerang  des  Geburtsactes,  Erschöpfung  und  Gefllhr^ 
dung  der  Frucht.  Erdmaxn. 

Naeh  Schatz**)  bat  die  dnreb  Seeale  hervorgemfone  Webe  die  Form 
der  normalen.  Dieses  Mittel  steigert  die  Wehe  nicht,  sondern  vermehrt  nur  die 
F"'requenz  der  Wehen.  Wird  dicst»  Frequenz  eine  zu  gross»' ,  so  wird  (anf  der 
Curve;  die  Kratt  und  Huhu  der  Wehe  geringer,  die  Wehenpause  dagegen  höher. 
Für  die  Darreiehnng  dieses  Mittels  spriebt  sieh  m  bedingter  Weise  Donghdb**) 
aus.  Er  will  es  nur  dann  gegeben  wissen,  wenn  es  ans  irgend  einer  Ursache 
inertia  laborum  besteht  und  nichts  einer  sofortigen  Beendigung  der  Geburt  im 


814 


WEHEN. 


Wege  steht.  Auch  ACCOXCI  ''^  i  steht  dem  Ergotin  nicht  feindlieh  gegenflber, 
ebensowenig  wie  Christian  ^-),  der  seine  Stimme  gegen  die  taldcbe  Annahme 
erhebt,  daas  die  Dureiobung  des  Ergotins  den  Tod  der  Fmeht  herbeiführe, 
während  TBOimos'*)  sadi  totetsouamter  Riohtong  hin  enigegeageaetster  Mei- 
nung ist.  Thompson'*)  versuchte  das  Cornutin,  war  aber  mit  dessen  Wirkung 
nicht  zufrieden.  Es  schien  ihm  die  Wehenthätigkeit  nicht  zu  steigern,  eher 
schien  es  nooh  bei  atouisobeu  Blutungen  zu  wirken.  Wfirmer  empfiehlt  dieses 
Mittel  K08TNSB  Die  wirknuie  Deels  ist  9*5  Mgrm.  Seiner  leiehten  Zertetilioh- 
keit  wegen  wird  dieses  Mittel  in  sterilisirter  LOenng  in  sngesdunolieiMn  Glat- 
röhrchen  (a  zu  2'5  Mgrm."^  aufbewahrt.  Das  Chinin  muss  es  sieb  immer  noeh 
gefallen  lassen,  als  wehenbeförderndes  Mittel  xu  figuriren.  —  Scott  Gokdbs  '^), 
BtBTBAHD*«).  —  Der  Ipeeaennnha,  dem  Oelsenrinm,  dein  Ooetin,  dem  Plloonrpiaf 
dem  Chloral,  dem  Antipyrin  und  der  Ustüago  maidü  sebreiben  eine  wehen- 
befördernde Wirkung  Merz«»),  Freeman Wagner  pHTi.iprs^2\  Roth"») 
und  SwiEClCKl  zu.  Nach  I'inzani  j  hoII  dagegen  da»  Antipyrin  einen  hem- 
menden Eiutiu88  aut  die  Wehenthittigkeit  auäUbeu.  Den  cousianteu  Strom  zur 
Verstlrfcnng  der  Wehen  empfehlen  Batbb^*)  vnd  Avann Erstorer  hebt  her- 
vor ,  dass  darch  den  eonatnnten  Strom  der  rigide  Muttermund  anfgelookert  und 
erweicht  werde,  so  dass  er  sich  dann  leichter  öffne.  Für  heisse  Vaginalinjectionen 
plaidiren  AccoNCi  '"^)  und  FkbocssoN'*)  und  fttr  heisse  Bftder  Acconci''^'}  und 
MONcmiBTBB  Letsterer  llsst  den  heiisea  Bfldem  fisnehte  Einwielilnniren 
folgen  und  ausserdem  noeh  die  Vagina  htÜM  «isspfllen.  Ersten  r  empfiehlt  ausser 
dem  noch  die  unvollkommene  Chloroformnarcose  und  einen  Compressivvcrl.ind 
des  L'nterleibes.  Roth  reicht  bei  rigidem  Muttermund  im  Geburtsbeginne 
Chloralhydrat  und  dilatirt  den  Muttermund  direct  mit  dem  Finger,  ein  jedesfalls 
nieht  anempfehlenswerthes  Verfahren.  DObbsssn*')  sehliesslieh  maeht,  wenn 
ihm  die  Geburt  nicht  rasch  genug  vorschreitet ,  seine  bis  zum  ScbeidenansatM 
reichenden  tiefen  Cervixincisionen.  Runge  handelt  die  iinzureichende  Weben- 
thätigkeit  nahezu  ebenso  ab ,  wie  ich  dies  im  Artikel  Weben  getban  habe, 
nur  dass  er  von  „primSrer'*  und  ^^seenndärer**  Wehensdiwiche  sprieht,  wih- 
rend  sich  die  unzureichende  Wehenthätigkeit  in  ,,scbwaehe  Wehen**  und  ^fWeiien- 
schwilehe'"'  sclicidc.  Auch  seine  Therapie  stimmt  mit  der  von  mir  angegebenen 
überein,  nur  dass  er  1101.^.^6  Vaginaleinsprttzuugen  anempfiehlt,  die  ich  für  voll- 
stftodig  wirkungslos  halte  und  dass  er  sich  scheut,  Ergotin  zu  reichen,  welches 
ieh  ohne  Nadttheil  fBr  Mutter  nud  Fmeht  gebe. 

Feber  den  zu  sehnellen  Geburtsverlauf  liegt  eine  Arbeit 
ÖTBASäÄiANN's''  )  vor,  die  aber  nichts  wesentlich  Neues  bringt. 

Abnorm  schmerzhafte  Wehenthätigkeit.  Fälle  abnorm  schment- 
hafler  Wehen  in  Folge  von  m  Iranern  Nabelstrange  wollen  King**)  und  Felkih**) 
und  solche  wegen  Oegenwart  eines  Uteru»  areuatu»  will  HOckstädt*'')  ge- 
sehen haben. 

Die  Narcuso  empfehlen  ÜmTa  und  Allwkigut  ^'^j.  Auob  Bandonin  '•*^) 
ist  f&r  eine  ioldie,  dodi  nur  HBr  efaie  oberflflchliehe  mit  Chloroform,  ebenM» 
Baldwim      der  ansdrttekUeb  hervorhebt,  dass  das  Chloroform  keine  Neigung  in 

Blutungen  po.'*f  partum  hervorruft.  Auch  Porak  cbloroformirt,  aber  nicht  vor 
vollsUindiger  Erweiterung  der  Cervix  und  litsst  nach  eingetretener  Narcose  nur 
dann  wieder  Chlorufurm  einatbmen,  weuu  die  Weben  beginnen.  Hüwald  zieht 
dem  Chloroform  den  Aether  vor.  W.  Scott**)  empfiehlt  in  der  sogenannten 
I.  Geburtsperiode  Chloralhydrat  imd  Morphium  und  in  der  sogenannten  II.  Chloro- 
form, weiterhin  reicht  er  in  der  sogenannten  III.  Geburtsperiode  ]>ei  Personen, 
die  zu  Blutungen  incliuiren,  Seeale  und  Strychnin.  Cuaiqneau  ist  ebenfalls  nur 
ftir  eine  oberflSehliche  Narcose.  In  der  sogenannten  Anstreibungsperiode  r^eht 
er  ('hioralhydrat.  Zuweilen  leistet  l'O  Antipyrin  gute  Dienste,  ebenso  das  Coenin. 
i  nvcriilüslic'h  dagejren  sind  Aether.  Morphium.  Kromftthyl .  das  Lustgas  und 
die  Hypnose.  Clakk       ist  gegen  die  Chloroformnarcose,  ebenso  Wättkins"^), 


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der  denelben  vorwirft,  dass  sie  die  Weheaschwilche  und  uach  der  Gebart  Blu- 
tungren hervnrnife.  Auch  Donhoff  ''^  behauptet ,  dass  das  Chloroform  läbmeud 
«uf  die  Webentbfltigkeit  eiuwirke  und  die  Wehenpausen  verlängere,  trotzdem  aiu 
seinen  Mittbeilnng^en  nieht  xa  ontnelimeii  ist,  daas  dadurek  die  Mfltter,  die  er  als 
Veniiehsobjecte  verwendete  und  ebensowenig  deren  Frücht  durch  das  Cllloroform 
eint-n  Schaden  erlitten  hätten.  Gleicher  Ansicht  wie  Dönhoff  ist  Hendrixson  'oo,. 
Nach  Dl  HESSEN  ist  die  Nareose  wohl  bei  Krarapfwehen  und  Tetanus  uteri 
angezeigt,  contraindicirt  dagegen,  wenn  Sepsis  da  sei.  Dolbris  und  DüBOis 
piiiaeln  wilirend  des  ganien  GebnrtsTerlavfee  die  Oervlx,  die  Taginalwinde ,  so- 
wie die  Vulva  mit  einer  4 o  eigen  CocainlOsung:  gehörig"  ein,  dadurch  wird  die 
Geburt  viel  weniger  sehmerzbaft,  ohne  das«  die  Wehentbätigkeit  irgendwie  alterirt 
wUrde.  Bous^let ii^icirt,  wenn  der  Kopf  zum  Durchscbneidea  gelangt, 
in  jede  groese  SeliamHppe  eine  halbe  Sprltse  ein«*  5%  igen  GoeainViettng. 
HlLUSGHER  und  SwiECiCKi  1°^)  empfehlen  die  Anwendun<r  des  Lustgases. 
Oeandix  "«)  reicht  Chl"ralliydrat  mit  Antipyrin.  Teber  die  Wirkung  des  Anti- 
pyrins  gegen  den  WeheuHchmerz  sind  die  Ansichten  getheilt.  Zufrieden  mit 
dessen  schmerzstillender  Wirkung  ist  Sielski  ^*'') ,  der  es  so  1*0  giebt  and 
eventndl  die  Dosis  repetirt  van  Wikelb  der  1*5  in  Verbmdniig  mit  ^Mt. 
ammon.  nrnmnt.  reicht  und  diese  Dosis  eventuell  zweimal  wiederholt,  lobt  das 
Mittel  gleichfalls.  (Tleichen  LnbcK  ist  Chocppe'"')  und  Fauchon  "«j.  .Ione>"M 
and  Seeliümann  ^^•)  geben  das  Antipyrin  als  Clysma  und  sind  mit  den  Erfolgen 
sofHeden.  Das  Clysma  enthält  2*0  Antipyrin  und  wird  1— Smal  applidrt  Die 
^nstige  Wirkung  soll  1 — 2  Stunden  anhalten.  FaüGHON"*)  giebt  Antipyrin 
gteiclueitig  mit  Cocain  und  verleibt  es  der  Kranken  auf  dem  Wege  der  suTh 
entanen  Injectiou  ein.  Die  Mischung  ist  folgende:  Antipyrini  Ju,  Cocaint 
kffdroehlor,  0*04,  J<f.  dest.  4*0.  MlSRACHl  der  es  per  os,  per  rectum 
oder  snbcntan  g^ebt,  meint,  dass  es  kein  gebnrtshllflidies  Anlstheticnin  wie  das 
Chloroform  sei.  wcihl  aber  die  Schmerzen  mildere.  ArvART>  und  Lefeuvrk  '  "■') 
sprechen  hieb  dahin  au.s ,  da.ss  das  Antipyrin  srbmcrzstlllcnd  wirke,  aber  nur 
Tordbergehend,  und  dass  es  fraglich  sei,  ob  diese  Wirkung  nicht  etwa  blos  auf 
Suggestion  liemhe.  Gar  häufig  sei  die  Wiricnng  eine  negative,  Jedenfalls  sei 
sie  aber  eine  ineonstante  und  kdone  dieses  Mittel  mit  dem  Chloroform  nieht 
ooncurriren. 

Nicht  zu  wundern  ist  es,  dass  die  Hypnose,  der  so  viel  übertriebenes 
Ittteresse  entgegengebracht  wird,  auch  dasu  in  AuBfnuch  genommen  wird,  um 

die  Gebärende  über  ibre  Webenschmerznn  unbewusst  hinUberzubriugcn.  lieber  je 
einen  Fall,  in  dem  die  (  Jcb/lrcnde  liypnotiHirt  wurde  und  die  <;»'t)urt  ohne  Bewusstsein 
überstand,  berichten  Mk.^^nki  ,  Fanton  Verriek"^;  und  Ot  t  'i").  Li  vs 'Ot 
tbeilt  sogar  drei  einscblügige  Fälle  mit.  Famton  >-^)  macht  allerdings  darauf 
anfmerksam,  dass,  wenn  die  Wehen  einmal  begonnen  haben,  die  Suggestion  er- 
ff>lgIos  bleibe.  Auvard  und  SRCfiF.vuoN '^2^  heben  wieder  hervor,  dass  man  wohl 
die  Kreisvendc  hypnotisiren  und  ilir  dadurch  die  Schmerzen  der  Wehen  mildern 
könne,  dmus  aber  die  Wirkung  iucoustant  sei  und  zuweilen  auch  ganz  au.sbleibe. 

Literatur»):  «jOembo,  Gas.  des  h6p.  ISaS.  3.  i>ag.20;  Progr.  mM.  1893.  Nr.  1; 

Disyert.  icauR.  PffterHUurg  \B8-^.  Vcrjjl.  auch  Stric  ke  r,  MittbeiliiD^  vmu  |.  Dec  l'^'-  ,;.  Xr.  9; 
Anzeijjer  der  (le-ellsrh.  di  r  .\*>rzto  in  Wien.  —  *)  Acconci,  „üeUer  Uteru-icoiilrjKJtion  etc." 
Turin  1891  (ital.i;  V  I,  (i.  IMt:^,  jiaj:.  HU.  —  »)  Kasclikaroff,  C.  f.  G.  \H^\i.  \)a.g.  793.  — 
*)  Girin,  Arch.  de  Tocul.  It^'j.  XVI,  pag.  597;  Jahr^sbor.  1890.  UI,  pa^r.  .^6  und  — 
Barbour,  .Th<"  Aiidtoini/  <>/ Lahour  etr."  Edinburgh  and  London  l^'^it  -  *)  Ffhling, 
Gyn.  Conjtr.  I^'.t.'.  IV.  pa-.  llti'  -  ■)  ilntfheinz,  Z.  f.  d.  u.  (i.  I-n'^.  XV,  jkiu'.  A-<-^  — 
^)  fiarbonr,  Trüusact.  ot  the  Edinburgh  Obstetrical  äociety.  IfiSi).  XIV,  Edinburgh,  pag.  44.  — 

*l  C.  1.  G.  fcntralblatt  für  GynäkoIoRit- ;  Gyn.  Con^r.  Verhar.dlunpen  d»;r 
Üent.-ichpn  (iose'i.<schatt  liir  Gynäkologie...  Conirrcss  etc.  l^eipzig;  M  li  1 1  e  r  ^-^  Handbuch  der 
(ieburtwhuKc,  herausptgi'liRn  von  Prof.  Dr.  M  ii  1 1  e  r ,   Erlangen  1>.S9:   Z.  f.  (i.  u.  G  = 

SMtschrilt  tUr  tiebnrtshälle  und  Gynäkologie;  A.  f.  G  —  Archiv  für  Gynäkologie;  A.  J. o. 0.  = 
AaiaricaB  Joonat  of  ObstetricB;  Jahresber.  —  Jahresbericht  über  die  Fortschriite  auf  dem 
Gebiete  der  OebvrtdiiUfe  und  Gyaältoio;ie,  hermusfceg.  von  Prof.  Dr.  R.  Frommel,  Wicebadea. 


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816 


WEHEN. 


*)  V.  Säxinper,  _Gefrierdurcbsrhnitt  einer  Kreissenden.-  äTaf.  Tübingen  18S-?.  —  "■)  Winter, 
„Zwei  Medianitchnitte  durch  (lebärende.  Eine  anatomische  Studie."  Berlin  1889.  —  ")Pe«tR- 
lorza,  „Studii  di  ostetr.  e  gyn."  Mailand  1890  liUl.);  C.  f.  G.  1891.  pag.  022.  —  '*)  Bar- 
bour,  Brit.  Med.  Jonm.  L  und  a  Nov.  1890;  Schmidfs  Jahrb.  1891.  IV.  pag.  — 
")  Werth.  Müller.  1888,  L  !»«•  342.  —  **)  Blanc.  Arch  de  Tocol.  Dec.  1891,  pag  926; 
Jahresber.  1892.  V.  pag.  hh,  —  De  Seigneux,  A.  f.  G.  189i,  XLIl.  pag.  —  ")  Keil- 
mann,  Z.  f.  G.  u.  G.  1891.  XXII,  pag.  IQfi,  —  ^  Braxto«  Hicks,  A.  J.  o.  0.  1887, 
pag.  1067;  Lancet.  14.  Jan.  1888;  Schmidfa  Jahrb.  1888.  L  P»K.  249;  Jahresber.  1888,  L 
pag.  ö2L  —  1!)  Fehling.  Gyn.  Congr.  1892,  IV,  pag.  \lQL  —  '*)  Berrv  Hart.  Transact. 
of  the  Edinburgh  Obstetr.  Soct.  1888,  XIII,  pag.  55i  Edinb.  Med.  Jonm.  1889,  XXXVI,  lü 
pag.  900;  Schmidts  Juhrb.  1889,  III.  pag.  ^IS,  —  »^')Barbour,  Brit.  Med  Joum.  L  und 
8.  Nov.  189<i;  Schmidt'«  Jahrb.  1891.  IV,  pag.  Ifig.  Vergl.  auch  Helme.  Transact.  of  the 
Obstetr.  ««-ct.  of  Edinb.  1889,  XIV,  pag.  M  und  Matthews  Duncan,  Transact.  of  the 
Obstetr.  Soct.  of  London.  18H8.  XXIX,  pag.  a^iL  —  Zinstag.  A.  f  G.  1889,  XXXIV. 
pag.  —  ")  Bayer,  C.  f.  G.  1889.  pag.  735j  A.  f.  G.  1889,  XXXVI.  pag.  u.  Volk- 
mann's  Vortrage.  1890.  Nr.  358.  Vergl.  auch  Piremsky,  Prot,  der  geb.-gyn.  Gesellsch.  in 
Kijew.  1891.  IV,  Beil..  pag.  92  (russ.);  Jahresber.  1892,  V.  pag.  24Ü,  —  ")  IL  W.Freund, 
C.  f.  G.  1890.  pag.  4*10;  Gyn.  Congr.  1892,  IV.  pag.  «nd  C.  f.  G.  1891.  pag.  löfi,  — 
")Amann.  C.  f.  G.  1890.  pag.  lEL —  '*)  Moll ath,  Wiener  med.  Blitter,  1891.  Xr.  11  — 15 ; 
C.  f.  G.  1891,  pag.  823.  —  ")  Schräder,  C.  f.  G.  1890,  pag.  2üiL  —  **)  Lomer,  C.  f.  G. 
189U,  pag.  TIA,  —  "0  Sc  hat  r,  Gyn.  Congr.  1890,  III.  pag.  ÜM  nnd  C.  f.  G.  1889.  pag.  ÜM.  — 
»•)  Merz,  Bull.  med.  de  l  AIg^rie.  1890,  pag.  HL  —  »")  Bertrand,  Jonm.  d'aec.  1890, 
Nr.  21_;  C.  f.  G.  1891.  pag.  ädiL  —  Pelzer.  A.  f.  G.  1891,  XLI.  pag.  22iL  —  ^Schatz, 
C.  f.  G.  1888,  pag.  a9ö  und  Gyn.  Congr.  1888.  II,  pag.  \2L  —  ")  Cordes,  Annal.  de  Gyn. 
1884.  pag.  265j  Jahresber.  1889.  II,  pag.  72  nnd  Brit.  Gyn.  Joum.  1888,  IV,  pag.  12L  — 
•*)  Freeman.  A.  J.  o.  0.  188s,  XXI.  pag.  fi.H.  —  *''\  Glöckner,  C  f.  G.  1891.  pag.  21^  und 
Z.  f.  G.  IL  G.  1891.  XXI,  pag.  3ßfi.  —  *•)  Winter,  C.  f.  G.  1891.  pag.  m  und  Z.  f.  G.  u.  G. 
1892,  XXIII,  pag.  12^  —  Hansen.  „Febcrtemperatur  etc."  Hospitals  - Tidende.  1890, 
iß.,  VIII,  Nr.  iL  pag.  137;  Nr.  7.  pag.  L24  (dänisch);  Jahresber.  1891.  IV.  pag.  JS.  — 
»*1  Olshausen.  C.  f.  G.'TkU.  pag.  219.  —  »*)  Veit,  C.  f.  G  1891,  pag.  —  ")  Martin, 
C.  f.  G.  1891,  pag.  22LL  —  *')  Truzzi.  Ga*.  med.  ital.  Lombard.  1887:  C.  f.  G.  1888, 
pag.  4ßi  —  **)  Acconci,  „Ueber  üteroscontraction  etc."  Tnrin  1891  (ital.);  C.  f.  G.  1892. 
pag.  143.  —  ")  A  b  e  1  i  n  ,  Arch.  de  Tocol.  1891  .  XVIII.  pag.  43j  Jahresber.  1892.  V, 
pag.  äü,  —  *•)  Fleming,  Transact.  of  the  Obgt«tr.  Soct.  of  Edinb.  1899.  XIV.  pag  149.  — 
**)  Berry  Hart,  Transact.  of  the  Obstetr.  Soct.  of  Fxlinb.  1888.  XIII.  pag.  9^  1889.  XIV, 
pag.  U2  und  Edinb.  Med.  Joum.  Aug.  1889,  XXXV,  pag.  UOi  Schmidts  Jahrb.  1890.  L 
pag.  IIÜ  —  ♦*)  Owen  Markness,  Transact.  of  the  Obstetr.  Soct.  of  Edinb.  1890,  XV, 
pag.  33.  —  ^  Ballantyne,  Transact.  of  the  Obstetr.  Soct.  of  Edinb.  1888.  XIII,  pa^.  OL  — 
*•)  Mnrray,  A.  J.  o.  0.  1889,  XXII.  pag.  TH.  Vergl.  ferner:  Fry.  A.J.o.O.  1888,  XXI.  pag.  liii 
Powell.  A.J.o.O.  1888.  XXI,  pag.  1167.  Schneider.  Disaert.'inaug  Marburg  1890;  Jahresber. 
1692.  V.  pag  149  Fräser  Wright.  Transact.  of  the  Obstetr.  Soct.  of  Edinb.  1889,  XIV. 
pag.  131.  —  **)  Fergusson,  A.  J.  o.  0.  1891.  pag.  .VTlL  -  Clarke.  Journ.  of  the  Ämer. 
Med.  Associat.  Is91  ,  pag.  433^  C.  f.  G.  1891,  pag.  843  und  Jahresber.  1892,  V.  pag.  gö..  — 
^Garrigues,  A.  J.  o.  (771891 ,  Oct-Heft.  —  '*)  Vigouroux.  Thöse  de  Paris.  1890; 
Jahresber.  1892,  V.  pag.  £L  —  ")  K  i  n  g .  Brit.  Gyn.  Jonm.  18'^.  III.  pag.  2äL  —  '*)  H  n  e c k- 
Stadt.  Dissert.  inaug.  Bern  1889.  Jahresber.  1892.  V,  pag.  fiL  —  *•'')  Dührssen.  „Berliner 
Klinik."  Febr.  1889.  —  Deutsch,  C.  f.  G.  18.^9,  pag.  235.  —  ^Börner.  Volkmann's 
Samml.  klin.  Vorträge.  N.  F.  1891.  Nr.  18,  —  Erd ma  n  n ,  A.  f.  G.  1890.  XXXIX,  pag.  — 
^  Schatz.  Gyn.  Congr.  189lt,  III.  pag.  3537  Vergl.  auch  Hemmeter,  Med.  News.  Jan. 
und  Febr.  1891;  C.  f.  G.  1891.  pag.  TüL  —  '*)  Donghue.  Med.  Tim.  and  Regist.  1889. 
pag.  ♦I55j  Jahresber.  1890,  III,  pag.  90  —  *')  Acconci,  ^Ueher  L'teruscootractionen  und 
Wehenseh  wache."  Turin  ls9l  (ital.);  C.  f.  G.  1892.  pag.  143.  —  *")  Christian,  Med.  aste. 
1888.  Nr.21i  C.  f.  G.  1889.  pag  721  und  Phys  and  Surp.  Cour  Febr.  1899.  pag.  49j  C.  f.  G. 
1890,  pag.  3ä.  —  Thompson.  C.  f.  G.  1889,  pag  —  "*)  Thompson,  loc.  ult.  cit.  — 
^  Kttstner.  0.  f.  G.  1889,  pag.  -  ••)  Scott.  Med.  age.  1887.  Nr.  8:  C.  f.  G.  I8S8. 
pag.  2ML  —  Üi  CordeM,  .\nnal.  de  Gyn.  1888,  pag  2G5 :  Jahresber.  1KS9,  II.  pag.  2i  — 
•»)  Bertrand.  .lonrn.  d'Acc.  1890,  Nr.  2L  C.  f.  G.  1891,  pag.  5^2.  —  **)Merz.  Bull.  m6d, 
de  l  Alg^rie.  I89(>.  pag.  Gaz.  hebd.  de  med.  et  de  chir.   1890.  Nr  lOj  C.  f.  G.  1890, 

pag.  937.  —  Freeman.  A.  .1.  o.  0.  ias8,  pag.  tili  —  "')  Wagner.  Therap.  Gaz.  1889. 
pag.  733 ;  Jahresber.  lfe'91.  IV,  pag.  94.  —  Philipps,  Transart.  of  the  Obstetr.  Soct.  of 
London  18^9.  XXX,  pag.  354.  —  ^Roth,  Franenarzt.  Jan.  1891  —  '*)  Swiecicki, 
Therap.  Monatshefte.  ISH»^.  ITli  Jahrwsber.  1889  II,  pag.  Iii.  —  "  )  Pinzani.  Boll,  delle 
scienze  med.  Bologna.  XXIII.  Ser.  VI ;  C.  f.  G-  ISW,  pa?.  Ü4Ä.  —  ")  Bayer,  A.  f.  G.  1889, 
XXXVI,  pag.  541  und  V o  1  k m a n n"s  Vorträge.  IS90,  Nr.  düS,  -  ^Amann.  C  f.  G.  1891, 
pag.  761.  —  Acconci.  „TTcber  Uterustontractionen  und  Wehenschwäche.  Experimentelle 
nnd  klinische  Studien."  Turin  1891  (ital.);  C.  f.  G.  1892.  pag  143.  —  '*)  F  e  r  g  u  s  s  o n, 
A.J.o.O.  1891,  pag.aliL  —  "^Acconci.  loc.  ult.  cit.  —  M  ü  n  c  h  in  e  y  e  r ,  A.  f.  G.  1889, 
XXXVI.  pag.  L  —  ■')  Roth,  Frauenarzt.  1891.  Jan. -Heft.  —  "»)  Dührssen.  «Berliner 
Klinik".  Febr.  1889:  A.  f.  (i.  js92.  XLIl,  pag.  513  —  '*)  Rung^.  Therap.  Monatsh.  1891; 


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WEHEN.  —  WÜRZELNEURALGIE. 


817 


Schmidt's  Jahrb.  1^90.  III.  I>ap.  57,  Vergl.  auch  noch  Mosher,  A.  J.  o.  O,  ISQ'.i,  J>ag.  22.  — 
''■'}  Strassmanu,  Deutsche  med.  Wochenschr.  iy91,  Nr.  44^  —  *"^)King.  Brii.  Gyn.  Journ. 
l^J^'«'.  III,  I>ag.  ;iÜL  —  Felkin,  Tran.'^act.  of  the  Obstetr.  Soct.  of  Edinb.  IS-^S,  XUI, 
p-ig.  52i  —  "■)  Hueckstäilt,  Di.ssert.  inaug.  Bern  lsv9;  Jahresber.  1.^92,  V,  pag.  82,  — 
"')  Smith,  Med.  age.  Inns,  Nr.  lih  Jahresber.  1(^91,  IV.  pag.  Üä-  —  ^'')  A  1 1  w  r  i  g  h  t, 
Laocet.  Sept.  ls^9;  Jahresber.  is^l.  IV,  pa>r.  05.  —  H^lßandonin,  Gaz.  des  höp.  1890, 
Nr.  tifi  ü.  »jsj  Jahi^ster.  1891.  IV,  pag.  l»i  —  "=)  Baldwin,  Columb.  Med.  Journ.  Is90  bia 
1891;  Jahresber.  l"-*»:^,  V,  pag.  lüL  —  *')Porak,  Rev.  ob.stetr.  et  gyn.  Febr.  u.  M&rt  1^90; 
.lahresber.  1^9^,  V.  pag.  —  '*)  Howald,  Dissert.  inaug.  Bern  is90.  —  W.Scott, 
Med.  age  ]s91.  IX.  Nr.  ^  ('.  f.  (r.  ls9vJ,  pag.  HL  ~  ^Chaigneau.  ^ttudes  compa- 
ratire  tie.*  dirers  di/rnts  tinenthrlnjitett  employen  dann  tes  itrcuuchementH  uaturel  "  These  de 
Paris  iK'jd;  C.  f.  G.  ls(l,  pag.  59L  iiÜli  «nd  Jahresber.  I.s92,  V,  pag.  10:^.  —  ^  Clark, 
Trausact.  of  th«  Gyn.  i'oct.  ot' Chicago.  ^  Febr.  |s9l:  Jahresber.  1S92.  V,  pag.  101.  — 
Wattkin.s,  Transact.  of  the  Gyn.  Soct.  of  Chicago.  ^  Febr.  1S91 ;  Jahresber.  189;^.  V, 
j.ag.  lüL  —  "  )  Dönhoff,  A.  f.  G.  ls<)2,  XLI,  pag.  .ÜM.  —  """)  Hendrixson,  Columb. 
Med.  Journ.  Is91  — 1>»92,  pag.  l'ji;  Jahresber.  1892,  V.  pag.  102.  —  ^  Dührssen.  ßer 
liner  klin.  Wochenschr.  iSLCi,  Ni.  I5j  Schmidt'a  Jahrb.  lS9i>,  IV.  pag.  14S.  —  "'»)Doleris 
und  Dubois.  Brit.  Gyn.  Jonrn.  Isss,  IIL  pag.  4-^.").  —  '**J  Bousquet,  Arch.  de  Tocol.  Dee. 
1890;  Jahresber.  I>9:J,  V,  pag.  —   ^^*)  Hillischer,  Verhandl.  des  X.  internat.  Congr. 

III;  Jahresber.  l>!»::j,  V,  pag.  IQH.  —  S  w  i  e  c  i  ck  i ,  Verhandl  des  X.  Internat.  Congr.  III; 
Jahresber.  1^92.  V.  pag.  lük  —  '*')  Grandin,  New-York  Med.  Journ.  14.  Juli  l8's>.  pag.  'i^ ; 
C.  f.  G.  lss<j:  pag.  ^  —  'O')  Sielski,  Wiad.  lek.  Nov.  Is^s  Heft  lü  (poln.);  C.  f.  G.  IS'-S, 
pag.  .'i47.  —  "*')  van  Winkle,  New-York  Med.  .Journ.  1^89,  pag.  1J_;  Jahresber.  1892,  III, 
pag.  9».  —  C  h  o  u  p  p  e,  Journ.  d' Ac. :  Brit.  Gyn.  Journ.  iK^x.  IV,  pag.  142.  —  F  a  u  c  h  o  n, 
Bull.  gen.  de  tht-rap.  Sept.  l^^^S;  C.  f.  G.  ls.^9,  pag.  247.  —  Jones,  Northwestern  Lancet. 
18.^9.  pag.  ISj  C.  f.  (;.  Itvs9,  pag.  70j.  —  Seeligmann,  Dissert.  inaug.  München  Is^il ; 
C.  f.  G.  I8r)0.  pag.  SM»  —  ••^)  Fanchon.  Bull.  gkn.  de  therap.;  Brit.  Gyn.  Journ.  ls.s«^.  IV, 
pag.  4:^7.  -  "V  Mi  Brach  i,  Arch.  de  Tocol.  Juli  Issa,  pag.  5M5 ;  Jahresber.  Is90.  III, 
pag.  ÜL  -  ^  Auvard  und  Lefebvre,  Therap.  Gaz. ;  Brit.  Gyn.  Journ,  l^^'^it.  V,  i»ag.  143 
und  Bull.  gen.  de  tlierap.  Oct.  18SS:  C.  f.  G.  1689,  pag.  24>>.  —  [^Mesnet,  La  Sem.  med.; 
l:rif.  Gyn.  Jonrn.  1n>8,  III,  pag.  i^lL  —  iÜl  Fan  ton,  Arch.  de  Tocol.  Febr.  1890;  C.  f.  G. 
189(>.  pag.  tüil  —         Verrier,   Arch.  de  Tocol.  XVIII.  pag  Jahresber.   ls<J2 ,  V, 

pag.  iiii  und  Annal.  de  Gyn.  et  d'Obstetr.  XXXIII.  pag.  4(i2 ;  Jahresber.  1^91,  IV,  paig.  9a.  — 
«'")  On  Annal  de  Gyn.' et  d'Obstetr.  Nov.  1891,  pag.  374;  Jahresber.  Is9vi,  V,  pag.  UB.  — 
Luys,  Journ.  de  med.  de  Paris.  2L  Dec.  1 8^0 :  A.  J.  o.  0.  1891,  pag.  1^3.  — Fan  ton, 
Arch.  de  Tocol.  Febr.  1^90;  Jahresber.  1891,  IV,  pag.  <i5^  —  Auvard  und  Sech  eyron, 
Arch.  de  Tocol.  18-^8,  ü7— 4u,  78— 104,14ü— 176;  Jahresber.  1889,  II,  pag.  29. 

Klein  Wächter. 

Wiener  Rettungsgesellschaft,  s.  Krankenpflege,  pag.  usL 

Wundbehandlung,  aseptische,  s.  aseptische  Wundbehandlung^ 

pag.  22- 

Wundirrigation,  ibid.  pag. 
Wurzelneuralgie,  ^atumine,  s.  Biei,  pag. 


Encycli>p.  Jahrliui.her.  III. 


Liyij^L-ü  Ly  Google 


X. 


Xylol.  Unter  Xylolen  oder  Xylenen  ▼«ntoht  man  in  der  Tecliaik  der 
kflnBtUoheii  organiMheD  FartMtofi!»  «igeireiideCe,  im  StoliikohlratheerM  vorhaadene 
aromatiMlie  Verbindungen,  welchen  die  Formel  C»,  H,«  oder  C«  fCHg),  = 
Dinethylbe n z o  1  zukommt.  Man  kennt  drei  isomere  Xylole,  welche  sämnitlioh 
&rbIoM,  bd  136 — 143'^  siedende  Flüssigkeiten  bilden  und  von  denen  im  6tein- 
kobleniheeröl  das  Metaxytol  flberwiegt.  la  ihrer  Wirkung  atimmen  die  Xylole  mit 
dem  Tolaol  im  Wesentliehen  llberein.  Das  Intuxicationsbild  setzt  sieb  aus  Reizungs- 
und Lähmungserscbeinunpen  zusammen,  wobei  letztere  überwief^en.  Am  ^'iftiirstpu 
wirkt  ürthoxyiol,  am  wenigsten  giftig  Paraxyiol,  am  stärksten  erregend  Metaxjiul. 
Die  lihmende  Wirkung  ist  aaent  aaf  das  Gehirn  (Betftubung  mit  lebhaften  Re- 
flexen) gerichtet,  dann  aaf  das  Rflekenmark  (Anfhebvng  der  Reflexe  und  Aolatiiesie), 
hierauf  auf  das  veränderte  Mark  und  zuletzt  auf  das  Herz.  Die  Exeitations- 
erscheinunpren  ('Tremor,  Zuckungen,  Mydriasis,  Hyj)ersecretionen)  stehen  mögr- 
lioherweise  mit  der  Bildung  von  Xylenoleu  in  Verbindung,  die  sich  im  Organismus 
ans  den  Xylohm,  am  meisten  ans  dem  Paraxylol,  bilden.  Der  grOsste  Theil 
wird  an  TolasiOM  oxydirt  nnd  eneheint  als  solche  ün  Harn. 

T/iteratur:  Curci,  AzioM*  «  trtm^fortnazioni  xiteni  »rfT  orrja n f.sihf. .  Ann. 
di  Chitu.  lä'M.  Luglio,  pag.  l.  Husemann. 


I 


z. 

ZimmtSälire.  Ug  —  CH  =  CH— GOOH,  PhenyUcrylsäure,  wurde  m 
Form  der  iotravenHaen  Injeetion  voa  A.  Lamdbbbb  als  ein  die  Taberknlose  stark 

beeinflussendes  Mittel  zur  Behandlun?  derselben  empfohlen.  Da  wir  die  Tiiber- 
kiil">>?e  /umeist  in  einem  Stadium  in  Behandlung  bekummen,  in  dem  e.s  sich  schon 
um  necrobiiiüe  V'erkäsungon  baudelt,  besteht  der  gttnstigste  Ausgang,  den  wir 
herbeiflBhren  könneo,  dario,  daas  die  tnberkiiUieen  Proeeese  in  solide  Narben  nm- 
irewundelt  werden.  Da  aber  die  tuberkulösen  Processe  wenig  Neigang  liaben,  in 
2Sarben  fiberzugehen,  ist  es  Auffrabe  der  Therapie,  eine  mit  einer  Narbe  ab- 
schliessende EntzUodung  künstlich  herbeizutühren.  Versuche,  in  tuberkulösen  Herden 
dureh  parenchymatöse  Injectionen  Depots  sebwer  IflsUeher,  antiseptiseh  wirkender 
Stoffe  —  Jodoform,  Btsmuthum  suhm'fric,  Salicylsiore  —  anzulegen,  befriedigten 
niebt.  Landerer  lernte  nun  den  Perubalsam  als  ein  vorzügliches  Antituborkulosum 
kennen.  Ks  kommt  aber  diesem  Mittel  keine  Spur  von  „Femwirkung''  wie  etwa 
dem  Jod  oder  Quecksilber  zu. 

Die  Ueberlegnng,  dass  die  tnberknUisen  Herde  auf  embotisehem  metasta- 
tiscbem  Wege  entstehen,  regte  Laxdeher  zu  dem  Versnche  an,  auch  das  Heilmittel 
auf  demselben  We{re  an  die  kranken  Stellen  zu  bringen,  und  er  verwendete  zu 
diesem  Zwecke  intravenöse  IigeotioneD  von  Perubalsamemulsion,  bisherigen  Er- 
fahrungen entspreehend ,  sollten  die  in  den  Kreislauf  gebraehtöi  corpnsenlSren 
Elemente  gerade  an  den  erkrankten  Stellen  des  Körpers  abgelagert  werden.  Th§ir 
sJlehlieh  frelang  es  mit  Hilfe  intravenöser  Perubalsaminjectionen,  die  in  den  Ijungen 
des  Kaninehen»  betindlichen  Tuberkel baci Heu  zu  vernichten  und  künstliche  Processe 
in  den  Lungeu  der  Kanineben  an  erzeugen,  dureh  welehe  die  Ausheilung  tuber- 
kulöser Proeesse  herbeigefllhrt  wird.  Die  kUnisehe  Behandlung  mit  Pembalsam 
ergrab  in  120  F.lllen  v«m  äusserer  Tuberkulose  den  Werth  des  Mittels  für  die 
i'Muservative  Heliatidluii-r  fungiiser  Processe  ,  welciie  namentlich  durch  parenchy- 
matöse injectionen  von  I^erubalsamemulsion  zum  Schrumpfen  gebracht  werden; 
in  23  Flllen  von  innerer  Tnberknloee  waren  die  Ergebnisse  immerhin  solehe,  dass 
Landbeek  eine  günstige  Wirkung  der  intravenösen  Pernbalsamiiueetion  annehmen 
SU  dürfen  glaubt. 

Weitere  Versuche  ergabeu  uuu ,  dass  von  den  Bestandtheilen  des  Peru- 
balsams der  geschilderte  Heileffeet  der  Zimmtsftnre  sukommt;  die  Wirkungen 
dieser  zeigten  sich  viel  intensiver  und  die  unangenehmen  Nebenerscheinungen 

bedeutend  frcrin'^'cr  als  beim  Perubalsam  Aueh  die  ZimnitsJlure  wird  als  Eidotter- 
emulsion nach  lulgender  liereitungsweise  angewendet:  Acidi  cinnumylici  5"0, 
Ol.  amyffdal.  lO'O,  ViteUi  ovi  1,  ISol.  nafr.  chlorat.  (0"7"  „),  ij.  s.  ut  jiat 
Emvlno  lOO'O.  Nur  für  die  Behandlung  des  Lnpus  erwies  deh  eine  alkoholisehe 
Lösung  mit  Cocainzusatz  zweckmässiger :  ./Ictü.  dnnamylici,  Cocain,  muriat.  aa.  1*0, 
Spir.  vini  20*0,  S.  Zur  Injeetion.  Von  dieser  Lösung  werden  je  1 — 2  Tropfen  in 

52» 


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ZIHIITSlüRB.  —  ZWEROBBCKEN. 


die  Knötchen  eingespritzt ;  in  einer  Sitzung  werden  je  nach  Bedarf  bis  10  Bin« 
spritzungen  gemacht,  und  zwar  wird  wöchentlieb  eine  Sitzung  abgehalten.  Die  Emnl- 

8ion  ist  für  den  Gebrauch  alkalisch  zu  machen,  ca  gescliieht  dies  mit  25"^  ^  Natronlange, 
und  zwar  wird  immer  nur  so  viel  Emulsion  alkalisch  gemacht,  als  in  den  nächsten 
Stunden  gebraucht  wird.  Kühl  aufbewahrt  hält  sich  die  saure  Emulsion  6 — b  Tage, 
steriliriren  llast  eie  sieh  nielit,  doeli  hat  Lamobbrb  nie  dne  B«kterienentwielclang  in 
ihr  beobachtet.  Zur  Injection  wird  in  der  Kegel  der  linke  Arm,  und  zwar  eine  Vene 
der  Ellbogenbeuge,  benutzt;  gründliche  Desinfection  des  Operationsfeldes  und  Sterili- 
satioa  der  lostrumeute  uneriässlich.  Die  Menge  des  zu  Injicirenden  beträgt  im 
Allgemeinen  von  0*1  bis  l'O  der  5*/o  Zimmtsänreemulsion,  die  mittlere  Dosi«,  die 
zuuitist  in  Anwendung  kommt,  sehwankt  zwischen  0*3 — -0  6  Ccm.  In  der  Reget 
wird  man  wiichentlich  zweimal  injiciren.  Unmittelbare  Folgen  soll  die  Injection, 
wenn  sie  richtig  gewählt  ist,  gar  keine  haben ;  am  Abend  des  Injectionstageä  oder 
am  nächsten  Tag  stellen  sich  bei  manchen  Kranken  Unruhe,  Abgeschlagen beit, 
seUediter  Sdilaf  nnd  leiehter  KopfiMbmers  eb.  IHe  Dauer  der  Behandlang  sollte 
in  leichten  Fällen  nicht  unter  einem  Vierteljahr,  in  schweren  Fällen  '/< — ^  ^  Jahr 
betragen,  wobei  2  —  4wuchentliche  Pausen,  nachdem  der  progressive  Charakter 
der  Krankheit  geschwunden,  nameutlich  bei  Aufenthalt  in  guter  Luft  immer- 
hin thnnlieh  sind.  Die  eigentliehe  Brholang  tritt  erst  einige  Zeit  naeh  vMliger 
Beendigung  der  Injeotionen  ein.  Die  Ergebnisse  der  Behandlung  von  li^  Füllen 
innerer  'rtil>erkulü8e  ,  sftmmtliche  in  ambulanter  Behandlung,  lassen,  da  die  Zahl 
der  Fälle  viel  zu  klein  ist,  einen  Scbluss  darauf,  in  welchen  Fällen  ein  Erfolg 
Ton  der  Zimmtaäarebebandluog  noch  so  erwarten  iat,  mebt  liehen.  Doch  gelangt 
Landerbb  zur  Seblnssfolgemng,  dasa  örtliche  Einwirkung  der  Zimmtsiore  die  litt- 
liehe  Localisation  der  Tuberkulose  zum  Rtickgang  und  auch  einen  beträchtlichen 
Tlieil  der  inneren  Tnberkulose  zur  Ausheilung  zu  bringen  vermag.  Die  intra- 
venöse Injection  der  Zimmtsäure  ist  „bei  genügender  Vorsicht"  unschädlich. 

Die  ZimmtalaTe  Ifaidet  rieh  in  Peni<  nr.d  Tolatalsam,  imStonxirad  in  i(«wis9en 

Sort>  11  \  II  Ben/.ocban,  Qynfkftiich  erhält  man  sie  durch  Kocbeii  v  ii  Heuzaldelivtl  mit  K-ni^;- 
aftnreanh^drid  und  trockenem  Natrinmacetat :  sie  bildet  färb-  und  geruchlose  Krystalle  von 
133*  Schmelzpinikt,  die  bei  290*  ttmeraetat  destilliren,  in  kaltem  Wasser  aehwer  löslich  sind. 
Fttricblorid  erzenpf  in  iJor  I/iiKiintr  einen  golhen  Nied^^^^('hla!^  von  zimmtsanrem  Eisenoxyd. 

Das  in  Wasser  leicht  lu.slicbe  zin)iut»aare  Natrium  hat  die  Kigenachalt,  Cotleia 
aafimlSMii  and  flad«t  dMhalb  als  Coffeimim'Natnum  einntmjfUtum  medicinische  Aaweadang. 

Literalnr:  A.  I, anderer.  Die  Rihandlnnp  der  Taberkii!os(>  mit  Z  i  rantslnrei 
lidi-icig,  J.  C.  W.  VoRel,  1^92.  —  E.  Kirch  hoff,  Therap  Mouatsh.  Mai  Ib'J'i. 

Loebiseh. 

Zuckerproben,  s.  Harn  ,  pag.  376. 

Züchtung,  8.  Bakterien,  pag.  70  (f. 

Zweizellenbad,  a.  Uydroelektrisehe  Bäder,  pag.  422. 

Zwergbecken,  e.  Beelcen,  pag.  90. 


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I 


Verzeichniss 


der  in  diesem  Bande 


SMte 

H 

Achyrante:«  us^iuia  L  

.  .  7 

.  .  7 

.  .  8 

.  .  9 

.  .  9 

Aiiacyrls  

.  .  11 

11 

.  .  12 

.  .  17 

.  .  19 

.  .  19 

.  .  19 

.  .  22 

.  .  22 

Af-ei»tische  Wumlbcliandlung    .  .  . 

.  .  2si 

.  .  46 

47 

.  .  48 

Bad  

.  .  7Ü 

.  .112 

.  .  112 

Blei  

.  .  11^ 

.  11^ 

.  .  120 

.  .121 

enthaltenen  Artikel. 


Sdto 

Ctttaneta  122 

Chalazion  125 

Chemismus  im  Thierkörptir   125 

Cliloroform  131 

€nitofofSmiBMchwirkiiiiK«&  133 

CIiIorosiB  133 

Chulura  aaiatica  136 

Cholera  154 

ChondriD  164 

Chorea  iaiTugi«  165 

Chyrnns  165 

Clavi  sypbilitici   166 

Coccidium  äarculylus,  s.  CuOTOin   .  .  .  1(39 

Colombo  169 

Combioirto  SyRtonmrknuikniigni  dea  Rilcken- 

marks  169 

CoujuDctivitis  172 

Coriaria  173 

CoTJiQtin  174 

rnronilla   .  .  175 

Ciixalfcipchi's  Becken,  .s.  Hocken    ....  176 

Craniotomie  176 

Creroltrtjodld  176 

Cndowa  176 

('yitnverliindungen  177 

Cyü  odrurie,  s.C'blorülormoaehmiB  u.  IIa  rn- 

cylindar   177 

Qrtiabi  177 

Darmcatairil  183 

Parmentzfindnng  185 

DarminfusiüU  186 

Darmstomose   189 

Dcmantia  paralytica  Hi6 


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Seit« 

DemMtol  203 

DMinfteam  203 

Dwinftettownittal  22\ 

Diät  2:^1 

Diapbteriii  224 

DioBCOTM  285 

Eclampsia  226 

Eiguivim«  233 

Eis  242 

BiMn,  1.  GUoroM  2i4 

EksMM,  1.  Bad  244 

Elektrolyse  244 

Elektrotropisnms  244 

Encephalupathia  satarnina,  s.  Blei  .  .  .  24G 
Bntarltis  miBlirauMea,  •.  Dumoatanli  .  246 
EitmklyM,  ■.  DaminAuioii  246 

Enti>roptn-<pi   246 

Erythrumelalgie  252 

Ezodyn«  256 

Extranteria-SeltwaBgeinNhaft  255 

Farbnngsmethode,  8.  Bakterien  .  .  .  .291 
r  ettliildaog,  8.  Cbemismiu  im  Tbierkörper  291 

Fieber  291 

Filiebgift  a03 

FiBclirtlte  306 

FInorescein,  ».  Aag;enheiimittel    ....  305 

Flnssvernnreinigung  305 

Formalin  (Formaldebyd)  315 

Fraetnmrbliide  316 

Fnraiilnl  des  insssrsn  OASiiangef   .  .  322 

Galvannranstik  325 

Gastrektasie,  a.  Enteroptose  328 

GehirakranklielteB  BS^ 

Geliiraobsrfllelie  334 

Gf-rbsaars  353 

(iiiht  353 

Gicht,  satarnias,  S.  Blei  357 

Giftpoliasi,  Gift?erkekr  357 

GilleK  de  la  Toorette'ache  Krankheit  .  .  363 
GK>nurd'M-he  Krankheit,  s.  Eateroptoae  .  364 
(ioldchlorid,  s.  Antidot»    .......  364 

Gypsvarbud,  s.  Fraetnrvarliiiids   .  .  .  364 

Hämophilie   365 

Halnderma,  s.  Thisriselie  Gifte   ....  367 

Harn  367 

Hamabscheidong,  Hanuecretion  ....  377 

Harocylinder  381 

Hurnfarbstoffe  HU"» 

Hautkrankheiten,  s.  Bad  413 

Heb«rden'9che  Kaoten,  s.  Gicht  ....  418 
Hemianopaia  aatunina,  s.  Blei    .  .  .  .413 

Herzkraakkeiten  413 

HdrprttfanK  418 


Seite 

HSrrohre  420 

Haminsnbstanssn,  s.  Hani  421 

Hydnutünin  ^1 

Hydroelektrische  Bäder  422 

Hypodermoklyse,  s.  Darminfuäion   .  .  .  422 

Hysterisehei  Fieber,  s,  Fiebsr  422 

lekthyol  423 

'  Tlens,  8.  DarastSBOse  426 

Ilidie   .  .426 

bpAndivti  426 

isdieaniurie,  s.  Damstsnose  ......  426 

Indigofarbstoffe,  s.  Harn  4-26 

Inducirtes  Irresein,  8.  Psychische  Infection  4";|7 

Infiieion,  sabcatane  427 

Jodcyao,  s.  G^TerbisdiuigeD  417 

Iridectomie   437 

Kaiserschniti  s  Hecken  n.  Kklampsie  .  438 
I  Ealiamhypermanganat,  s.  Antidota  .  .  .  438 
'  Kdnfng'sches  Verfahren,  s.  Conjaoctivitis  4^8 

'  KetoiM  438 

Keloxime  .   43S 

Kinder!  yeiene  439 

Kiuilerlahmang,  s.  Gehirnkrankheiten    .  4^2 

KoebsalzlnAisioii  452 

Kocli 'scher  Commabadllas,  s.  Cholera   .  452 

Kohlfiiiixy'l  Vergiftung  452 

Kutlii)rbrecheD,  a.  Damutenose  453 

,  Krebs,  s.  CaiKtroiB  453 

Kresolpitparat«  453 

'  Krankenpflege,  freiwillige  454 

Kriitengift  475 

Kupfer  475 

Kyi^totisehes  Becken,  s.  Beeken  ....  477 
LaboraiD,  LabnniiiMsiiire,  -8.  Cjtisin  .  .  478 

Larynxfhorea  478 

Larynxsclerom    .  479 

Lolch  (LoUam)  4^0 

Losophaa,  s.  Crestdtrijodld  481 

Lnftcalorimeter,  s.  Bigenwirme  .  .  .  .481 

Lun?pnkraiikh<»iteu  481 

Luxationsbeeken,  s.  Becken  485 

iy*ol  485 

Magenansspfiltmg  486 

llagenf'rwi'itfninir   4^ 

I  Magenkrun'jltL-iten   486 

I  lialaehitgrün,  s.  Bakterien  480 

I  Uasern  486 

Massage,  s.  Mechan  otherapi«  489 

MaBttureii,  s.  Diät  489 

Mechanotherapie  489 

Melanin,  s.  Harnfhrbstoffe  493 

Meilithsäure  493 

;  Methämoglobin  493 


Digiiizca  by  CjOü^Ic 


823 


Seite 

Milcli  und  Milchsecretion  (physiologisch- 


cheiui$>ch )  493 

Milelw&ara  SOO 

MilitarsanitätHper.sonal  (dentldm)  .  .  500 

IJi.-äihcnllurcn,  s.  Bakterien   531 

Mitralstenose,  s.  Herzkrankheiten   .  .  .  531 

Uittdohnlbetloom  531 

Morits  St  535 

Morphinniinjecfionen  535 

>lorvan'sche  Krankheit  536 

Myrrholin  536 

)(i)irb9d«B,  s.  Bakterim  537 

Nahtnenralgi«  537 

Narbenslenosen  537 

Karcein,  s.  Antispasmin  537 

NepliTitii,  ■.  Hwncgrliiidar  537 

Nephroptose,  i.  Entaroptose  :>37 

Neuralgien  b'^'i 

Nea8ser'sch«jr  Farbhtoti',  s.  Uamfarbstoffe  537 

Nierenepitheüw  537 

MttroprasaidMtxliiiii  537 

Nordveoenroito  537 

Ol  er>chenkelbruch,  ».  Fractturverbände  .  564 

Ubi-Gift,  s.  Urechitea  5Ö4 

Obstipation  564 

Obturationsilcus,  s.  Darmstenooo  .  .  .   .  'wl 

Oelklysliere,  s.  Darminfusion  571 

Ubreneit«riuig,  s.  Uittelohraffectionen  .  .571 

Olumasehel,  s.  A«ii««ia  .  571 

Ostooinaladsehos  Bsdcsn,  ■.  Bodun  .  .  571 

Ostseebftder,  8.  Nordseecnrorte  571 

Otomykosc,  8.  Aspergillus  im  Ohr  .  .  .  571 
Ovarialtube,  s.  Extranterinschwangerscbaft  571 

Ox«lBiiir«v«i]giftniig  571 

ÜsjliiflMgloUn  5T2 

Ozongehalt  572 

Paralysis  agitaiis  573 

Paroxysmale  Pulsation  574 

PorU  583 

Pericolitis,  s.  Darmentzündung  ....  584 
Pfrityphlitis,  s.  DanaentsüDdiug   •  .  .  584 

Pfeilgifte  584 

Flwiole  585 

PUyktaeneii,  i.  CoqJnaetiTitii  585 

Plinsphorvrrpiftung  685 

Phosphorvergiftung  (acute)  587 

Phthise,  8.  Nordseebäder  594 

PbyBostigmiiivorgiflaiig  594 

Filiganin  595 

FlsiDTaeikraDkiiiitMi,  s.  Longoakrankheitop  595 

Paeninonie  595 

Prodw»wniek'sdi«a  Varfidmn  595 

Propeptonnrie  595 


I  Seit« 

Pseudofitiber.  s.  Fieber  596 

Fieadolanktai«,  a.  Fiebar  595 


I  Fayohlaehe  bfeetioii  595 

'  Ptoniaine  599 

(|uarantaine  601 

Querverengtes  Becken,  s.  Becken ....  601 

Rhanmatisnraa  tiOl 

Rückenmark  601 

I  Bü(kfallfieljer,  s.  Fieber  601 

j  Salamandergift,  s.  Krötengift  60*^ 

SalallaekTcrgiftang,  a.  Fiidigift  ....  602 
SaBuuritwTersin,  a.  Kmakanpflcg«  .  .  .  602 

Saniiätsper-nnül  (Militär-)  602 

Sapocarbol,  s.  KreKolpräparate  609 

Saturnismus,  s.  Blei  OOS 

I  ScbaltwirbelbeekMi,  a.  Beekaii  tiOS 

'  Scharlacb  602 

Sclilan  ppriErift  '507 

ächlüsselbeinliruch,'  s.  Fractnrverbände  .  Olü 
I  Schrägverengtes  (Naegale'scbes)  Beckea, 

I     a.  Baekan  610 

Schalgesnndhnitspflega  610 

Schussverletzungen  624 

Schwarzwaldcurorte  644 

I  SehwefalkohlaDatoff  645 

Schwefelsftan  646 

Schwefelwasi^eistoffvaigiftlUig  646 

I  Schweixermühle  647 

•  Seopolanitt  647 

I  Seorpioneagift  648 

^  ScrophnluHe   648 

I  Seebäder,  s.  Bad  u.  Nordseebäder  .  .  .  648 

Senecio  648 

Sexnal«  PerraTBioaett  648 

Sophora  664 

Specillscheä  Blutgawickt  665 

Spinuengift   669 

Splanchnoptüse,  k.  Enftaroplaaa  ....  670 
SpondylaUathatiate  Baohwi,  a.  Baekan .  670 

Staaropcration,  8.  Catariet  670 

Stachelbecken,  s.  Becken  670 

Staonngsniere,  s.  Hamcyliuüer  670 

Stnngtdationaileiia,  a.  DanaataiMMa  .  .  .  670 

Stiychnin  670 

Subcutane  Infusion,  s  Infusioa  ....  674 

Suggestion,  Sugge»tivtherapie  674 

I  Symphyaeotomie,  s.  Beckea  710 

I  SymphjraaBsamiaaiiag  710 

Syphilis,  s.  Handuaakkaitan  710 

Sypliilistherapie  710 

Tachykardie,  s.  üerzkrankheiten  ....  719 

Tanaia,  a.  Antldota  719 

Taaohanbaataek  719 


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Sdto 

Seite 

72b 

802 

Telephonsoode,  Schnssverletsangen 

726 

726 

MM  •  _     f  m  •  IV 

726 

802 

ThiPriscnn  Wärme,  s.  Eigenwärme  .  .  . 

727 

Vibrio  aqnatilia,  s.  Bakterien  

727 

8U2 

744 

803 

744 

803 

Traumatische  NenroM,  ■.  UofaUnerven« 

806 

744 

Wehen  

806 

744 

Wien«  BottangigeMllMlutft,  s.  Knuiken« 

.  »  •  _  _m  «               _     "n  m  

744 

817 

TnliarsrhwariiterH  ehalt,    s.  BStnntarin- 

WuiK^hehandlniic,  s,  «septiscbe  WvDdbe- 

744 

744 

817 

Tnbarknlose  d«8  Danns,  a.  DumtesMe  . 

744 

817 

744 

Xvlol  

tkanibin.  s,  l'tcil(;ute   

745 

819 

745 

820 

779 

820 

780 

ZwviMUenbftd,  •.  flydroelektrisclM  Bid«r  820 

780 

820 

780 

Druck  Ton  ü'>ltlit:b  Uintol  &  <'<>niti.  in  VVi>-ii,  I.,  Ausu>iini'r>ti:a«>-  Ii, 


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I