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Full text of "Mittheilungen der Kaiserl. Königl. Centralcommission zur erforschung und erhaltung der baudenkmale... Neue folge"

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FROM THE FUND BEC^t'EATHBD 
BT 

CHARLES SUMNER 

(Clan of itjD) 
SENATOR FROM MASSACHUSETTS 



' For boolt» relating to Folitics »n.l Ftoe Art* " 



MITTIIETLUNGEN 



K. K. CENTRAL-COMMISSION 

* 

ZI K 

ERFORSCHUNG UND ERHALTUNG DER BAUDENKMALE 

MEKAI .■»«KOKIIfN UNTKK UKK 1.K1T1M! 

SKIN'.R mCKI.I.K!« bKS l'II \S|U>.\T1A MIR k k. IKXmL-UIMUlSSIOA 

JOSEPH ALEX AND ER FREI II EU RN VON IIE LFERT. 
REDACTEUR: ANTON RITTER v. PEROER. 



IX. JAHRGANG. 

m U« HOLMCHWITTE« DM» U TAFEL» 



WIEN, WA. 

I N C 0 M M I S S I (» N B K 1 I' K A X 1» K 1. 1 X 1> K W A L U. 

i'Wi-K i>r.R k, k. unr. t nd >ta vT»insri i,ki;ki. 



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JUL 12 1920 



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I N H A L T. 



Über die christlichen Messkannchcn. Von Dr. Kran« Hock. iMit.'H! Holzschnitten 1 ) 



Salt« 
1 



D.i.-« 1 iWriuui SehaU • *<•» • horta-iTn-Stifte* K)..<>tcrm-.ib!inr in XiwU'rtfstrrruirh. Von Albert (.'amcnina. i Mit 2 Tafeln und 










■K> 




TO 




95 


Die Marienkirche in Krakau und ihre urti-stischen Merkwürdigkeiten. Von Jos. v. Lepkowski. (Mit (I Holzschnitten; 


97 




107 




122 


Die Buurcstc der l'istereieiniirkirche llr.oli.M bei Müuchciigrätz. Von J. E. Wocel. rMit 2 Tafeln und ; Holzschnitten) 


129 




147 


Untersuchungen (Iber die Crypta und den Altar der christlichen Kirche. Von Joe. \:\t. M <■ s » m e r. i Mit 7 Holzschnitten) 


21» 


Neu entdeckte Wandgemälde in der katholischun Kirche zu Fekcte-Ardö. Von Uischof Dr. Michael 11«««. ■ Mit 4 Holzschnitten) 


237 


Die Staffel der österreichischen Hcjfenteii. Von Carl v. Suva < Fortsetzung). Die Staffel der Österreichischen Fürsten ans dem 






242 








2»iy 



Kleinere Beiträge. 



Die Kirc'np tu Ralliindburg in Dänemark und ihr Ein- 

»tun im .lahm 1427. ' Mit ö Holzschnitten) 

Beitrag zur Kviintniiu der Ulockenräder. Von J. A.. 

Mnimtr. (Mit t lloludiiiitt; 

Kin Grabstein der' St. licorg»ea]jcllo in l.euuchsu. Von 

W. Merl: las. (Mit 2 llolzsebniltoii) 

Siegel »I« historische Denkmale Von Karl t. Sava. 

(Mit I Holzschnitt i 

Archäologische Kunde im i'islaucr Kreise. Von Kranz 

B e ii e f c Ii 

Die älteste Abbildung von Triest. (Mit 1 Holzschnitt) . .. 

Corrsipandenten. I ber die Holikirchcn Ungarns. Von Bi- 
»chof M. Haas 

Die neuesten Ausgrabungen in Laibacii. Von Dr. H. 
Costa 



belle 



IV 



IV 



VI 

XI 
XIII 



Bssprochsngea. Loredan Larebey, Origines de l'Arttl- 
lerie francaise. Pari« 1863. 4. — William Howitt, 
Kuined abboys and Castles ofGrcat-ßrltain and Irclaad. 
London 1864. — D. v an de r Kc llen, Nederlanda- 

Oudhcdcn XI 11 

Die Kanzel im alten Stift Heidlngsfeld. Von Dr. J. Sigbarl. 

(Mit 1 Hol/schnitt) XVII 

Pclcr Fischer und die Standbilder bei dem Grabdenkmale 

Kaiser Maximilians I. zu Innsbruck. ... XVTII 

Ein alte» Gemälde in der Zips. Von W. Merklas XXI 

Cornnpondeai aus Prag. Von J. E. Wocel XXI 

Besprechungen. Herinand et Dechsmps de Pas, Hi- 
stoirc sigillaire de la ville de 8t. Omer. Paris 1860. 4. — 
Anleitung zur Erforschung etc. der kirchlichen Bau- 
denkmäler. Linz 1863. — Kuhn, Die Idee des Schö- 
nen in ihrer Enlwickclung bei den Alten bis in unsere 
Tage. Berlin 1863. M XXII 



» 



IV 



Softe 

Todauaieifts XXIV 

Da« (iesehleeht dor Bonomo. Von Dr. MC nid et XXV 

Da» Doxal zu Cöln XXVI 

CormpondraMa. Au« Feldkireh. Von S i 0 rk e r ....... XXVII 

An« Prag. Von K.J. Ilcnxtcb XXVIII 

Bonprochncsj. Linns, Anelens v«Hemen« «aoerdoteaux etc. 

Paris 18C.1. * XXIX 

Hotiun XXX 

Tode»aimii(r«B . XXXII 

Die klugen und thSrlebteu Jungfrauen, (ilaagemülde in 
der Stadtpfariklrclio tu Frictarli. (Mit t Holr, - 

-rl.l .itt.Ti XXXIII 

Die Kdlenvon Retter. Von HWnl.eh XXXIV 

Di«- St. Martln.kircbe in Bremen Von H A Möller ... XXXIV 

Arehäologlaclie Kunde XXXVIII 

(her dip all» Kirehr de« ri»lrroieni;«T.;tiftiM lirln in <li-r 

Steiermark. Von Dr. I XXXIX 

Wotimn XI. 

Steinmettteiehen und NUtUn an alten Bainlenfcmalen 
Bobinen» gcmuinelt. Von Fr. J. Bene»eli. (Mit 'i 
IVelm WA 



BBiprechuDgen. Das k. k. iisterreiclilsebu Muneuin tlir Kcit.nl 

und Indinitrie XL1V 

Drival. I. f« lapie»erir» .l'A'r*». Im;4. K XI. IX 

CorreipondeaiMi. Im Interess« 1 eine* cro«*arneen Kunst- 

dt-nkmal« . , 1,1 

Über die Seulpturen an dem Dum zu Verona. Van Wil- 
helm von M e t» er i e h I.III 

Kinige neuere Kunde in Mähren. Von Maurit/ T r a p |- I.V 

Wo1:t nl.'T iln- nrrl -Ii l ; y i -i l.i' Mu-f.ini in Berlin , . , . I , V l 

( her die r.'imiKrlie Militiiratadt in Crlejii und die Prneura 

tur in Xnrieum, Von Dr. Kriedrieh Kenner I .VI I 

Besprechungen, liononii ainl .S Ii a r |. - . The «lahiuler » \r - 
eoiihagu« of Oimeriepthah 1. -Sulrer. Die Wieder- 
aufllndiing derVrne dr» hrilipen Vigilius. GietVr*, 
l'raktiaehe Krialt ringen, dioKrhaltung. Atmchmiirkung 
und Aufhaltung der Kirehrn betreffend. — Beitrüge 
tur Ent»iekelung»tf«eliin)itr der k:rebli<lien Hau - 
Vnn.t in Tirol, - . , I AXII1 

rorrciipcjdemtn. Sünde »kootrard bei Kol.liiiL'- i'Mit '- 

Holii-eliriltten; ... I.XXV1I 

Ar«liltol'<g'" be l-iniHe inTirol. Von l'r. .1. (i .Snlrer. I.XXV1I 
■»»"' „ , I.XXVIII 



Kleinere Beiträge und Besprechungen. 

-KS- 



Die Kirche zu KaUundborg in Dänemark 1 und ihr Einsturz im Jahre 1827. 



Unter den Denkmälern Dänemarks , welche noch 
immer an Waldemar den Grossen" und seine Ge- 
nossen erinnern, nimmt die Kirche zn Kallundborg: 
einen hervorragenden l'latz ein ; denn sie zeichnet sich 
— schon aus der Ferne betrachtet — durch ihren eigen- 
thümliehen Bau aus, indem man sie mit ihren Thilrmcn 
eher filr eine Borg, als für ein der Andacht geweihtes 
Gebäude Italien milchte. 

Kallundborg liegt auf der Insel Seeland , vierzehn 
Meilen westlich von Kopenhagen, an einer Meeresbucht, 
welche der Kallundborgfiord genannt wird. Waldemar 
und seine Freunde hatten Dänemark vor dem Unter« 
gang gerettet. Kr erstürmte und zerstörte den Tempel 
des Swantewit auf der Insel Bügen , und sorgte nun für 
die innere Einheit und Festigkeit Dänemarks, indem er 
zugleich, zum Schutze nach aussen hin, an den Grenzen 
und Küsten des Landes Befestigungen nnd Wälle 
erbaute. So errichtete er u. a. auch den starken Thnnn 
bei Sprogo und die Festung Vordningborg u. s. w. Seine 
beiden trenesten Anhänger, die Zwillingsbrüder Esbem 
und Axel Snare, welcher letztere zugleich Bisehof und 
Feldherr war und sieh nach der wunderlichen Weise jener 
Zeit Absalom nannte, zeigten sich in der Errichtung sol- 
cher Befestigungen nicht minder eifrig. Sie verschanzten 
das Land in der Itichtnng gegen den grossen Belt und 
erbauten die Vcrthcidignngswerke von üresund und die 
Vestcn zu Hacrvig (dem späteren Kallundborg) und zn 
Kjöbmend (dem heutigen Kopenhagen), und zwar nicht, 
wie dieses in früheren Zeiten der Fall war, aus Baum- 
stämmen (trac), sondern aus Backsteinen, wodurch diese 
nicht nur an Festigkeit und Feuersicherheit gewannen, 
sondern auch den Feinden nnd namentlich den wendi- 
schen Seeräubern weit mehr imponirten. 

Aber diese drei wUrdigen Männer vergassen über 
ihren kriegerischen Bauten keineswegs die Kirche. 
Schon einige ihrer Vorfahren hatten mehrere Holzkirch- 
lein abgebrochen und grössere und schönere Bethänser 
aus Bruch- oder Backsteinen erbaut. 

1 Vergl. Ikftntkr Mir,,!* ,m*#Tkrr. udgivuc *f f n Termine. Ktft**«i>lMYn. 1n;,i. 
M. FSp.1» Htllf, 1 1 V » «f.iii K.llutiilfcorK KIrlii f r I*J7. — > tiwMrb» 
d.» Ii. IUI III.'. S Lt.lilm4i.iJ. <i«»rl>l'hlt «•» l>i»rm.,« T I f, SM. 

IX. 



Waldemar enveiterte nun auch die alte Kloster- 
kirche zu Hingst cd, in welcher sein Vater, der heilige 
Knud, bestattet war und bestimmte sie zu seiner eigenen 
so wie znr Grabstätte seines ganzen Geschlechts. A b- 
salom Snare erbaute die von seinen Vorfahren ge- 
gründete Klosterkirche zu Sorii aufs Nene und Fsbern 




Kl« i 



Snare errichtete jene zu Kallundborg. Die Chrouikeu 
geben nicht genau an. in welchen Jahren diese drei 
Neubauten begannen, doch dürfte die Vollendung der 
selben in die Zeit von 1100 bis 1180 fallen. Fshcrii 
nannte diese Burg, die er, wie früher erwähnt, bei Hacr- 
vig erbaute, Kaaluudborg oder KaUundborg, und zwar 
wie mau behaupten will, wegen der grossen Zahl von 
Krähen nnd Dohlen, die sich in jener Gegend aufhielten. 



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It 



Er ningnh diese Barg mit Grüben und Wällen, er- 
richtete in der Stadt, die er durch Thlirmc und Ring- 
mauern schützte, einen grossen Marktplatz und erbaute 
ein eigenes Rathhaus '. Da aber in jenen Tagen bei 
allen Bauten auf taktische Verteidigung gesehen wurde, 
erhielt auch die Kirche „Unserer lieben Frau k zu 
Kallundhorg (Fig. Hjcne fünf Thttrme, durch welche sie 
ein ho eigcnthllmlichcs Ansehen gewann. 




Die Mauern der Kirche sind aus grossen Backstei- 
nen aufgeführt und ruhen auf einem um die Kirche her- 
umlaufenden Sockel von behaucnein Granit, welcher nach 
oben mit einem Rundstab endet. DerGrundriss der Kirche 
zeigt ein Quadrat mit vier gleichgroasen Kreuzarmen, 
von deren jedem ein achteckiger Thurm aufsteigt. Diese 
vier Thttrmc waren der heiligen Anna, der heiligen 
Katharina, der heiligen Marin Magdalena und der heili- 
gen Gertrudis geweiht. Der fünfte jedoch , der von dem 
Gewölbe der Kirche getragen wurde, trug den Namen 
Unserer lieben Fran (VorFroc), da die ganze Kirche 
unter den Schutz der heiligen Maria gestellt war. 

Ungeachtet der vielen Umbauten und Ausbesse- 
rungen , welche diese Kirche im Verlauf der Zeiten 
/u erleiden hatte, konnten auch selbst an der Ansscn- 
seite nicht alle Spuren der ursprunglichen Bauweise 
vertilgt werden. So gewahrt man am Thor des west- 
lichen Thurmes, durch welchen man die Kirche betritt, 
noch die Reste des alten Portals mit einem Bogcu aus 
grauen Steinen und einer Futterung (Karm). Auch am 
nördlichen Thor , welches nun aber zugemauert ist, 
erblickt man noch diese alte Stcinftlttcruug. 

Die Fenster, welche bei Erbauung der Kirche nie- 
drig waren und erst später nach unten hin verlängert 

' 1)1« illule AliMMum KdlundfcnTK». »u. rfw Z«ll Chrl«tr«n IV. taftodtt 
• ,t I. ibllttg &'> .lIliiMrerail Liiuinirk» Historie* lu Tr 4p't „CrmMi»jiilei«*r »r 
KJ"l.tl.«l.r*-- Ki. 11*1». -I. Iii J.,.. t lb.n *di.>b , ««Ulli*. l,p,. S , »,,1.1.» II... 
kNv,l„ .( K"i>ij;r H.niMrk-, lell. Dt.l 1. |.. III 



wurden, sind ebenfalls im Rundbogen gewölbt, tragen 
als Zierrath nur eine Platte und ein flaches Karnies und 
wurden oben, wo der Bogen aus der Mauer vorspringt, mit 
Kupfer bedeckt. Auch an den ThUrmen (mit Ausnahme 
des westlichen) waren drei Fenster, von denen man aber 
späterhin je zwei, in der Form von Blenden , mit ziemlich 
schlechtem Steinwerk vermauerte. AuBscrdiesen Fenstern 
hesassen die Thümie noch mehrere kleinere oblonge oder 
runde und im Viereck eingefasste Lichtöffnungen 
(lyshuller) und am östlichen Thnrm, der als so- 
genannter r Chortburm u bezeichnet wird, zeigt 
sich oben eine Art von Ornament aus Zahnschnit- 
ten, welches bei den Dhrigcn Thltrmen fehlt. Die 
acht Seiten des westlichen und östlichen Thurmes 
sind mit einfachen Giebeln gekrönt, wälhrend die 
des Sttd- und Xordthurmes in wagrechtcr Linie 
enden. Auch die Aussenscitc der vier Kirchcn- 
wande ist oben mit einer Art Gesimse verziert, 
welches durch „Uber Eck" gelegte und die Form 
vou Zahnschnitten nachahmende Ziegel gebildet 
wird, von denen jeder vierte dunkelgrün oder 
schwarz glasirt ist. 

Eben so einfach wie das Äussere, ist auch das 
Innere der Kirche, und eigentliche Ornamente 
scheinen hier gänzlich gefehlt zu haben. Das am 
meisten Auffallende sind die vier Säulen, welche 
nebstdem, dass das Gewölbe auf ihnen ruht, auch 
den mittleren oder Licbfraucnthurm trugen (Fig. 3). 
Sie sind ans Granit gcmeisselt, haben Uber zehn 
Ellen Höhe und besitzen unten einen Durchmesser 
von 26 und oben von 22 Zoll. Sic sollen die gröss- 
ten Granitsüulcn sein, die man in Dänemark kannto 
nnd waren aus vier Stücken zusammengesetzt, 
wovon das unterste den Sockel, das oberste das 
Capitäl und die zwei mittleren und längsten, den 
Säulenschaft bildeten. Diese beiden MittelstHckc 
waren an ihrer Zusammenlegung durch einen ein- 
fachen aber starken Eisenring verbunden, ohne weder 
Zapfen noch Bolzen zu besitzen. Die Sockel und beson- 
ders die Kaiäufe mit ihren abgekanteten Ecken (Fig. 4) 
erinnern lebhaft an die Säulen dtr Klostcrbauten zu 
Sorö und Ringsted; wie denn Überhaupt der ganze Bau 
an die alten Rund-Kirchen von Bjcreda und Thorsager 
mahnt , obgleich bei diesen die Säulen , Knäufe und 
Sockeln nur ganz einfach vou Backsteinen aufgeführt sind. 

Bei der allmählichen Vergrüsscrnng der Stadt 
Kallundborg und dem Anwachsen der Bevölkcrnng 
reichte der innere Raum bald nicht mehr zur Aufnahme 
der Uesucher hin und man musste dcsshalb, wahrschein- 
lich im XV. Jahrhundert, zwischen dem .östlichen nnd 
dem nördlichen Thnrm eine Sacristei anbauen. Eben so 
brachte man neben dem westlichen Thurm einen Anbau zu 
Stande, der zu einer Halle für die der Kirche geweihten 
Waffen und für die Wappenschilder der früheren Eigcn- 
thtlmcr jener Rüstungen bestimmt war. Diese späteren 
Anbauten störten wohl den alterthümlichenTotaleindruck, 
allein sie brachten dem Bauwerke noch keinen eigent- 
lichen Schaden. Das Schicksal der Kirche war überhaupt 
genau mit dem Geschicke des Schlosses zn Kallund- 
borg verwebt, welches nach dcmTodc des E sb e rn S n are 
zuerst auf dessen nächste männliche Verwandte, dann 
aber, nach dem baldigen Aussterben derselben, in den 
Besitz der königlichen Krone überging. Dort war es 
nun, wo Waldemar III. Hof hielt, wo die Königin 



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III 



Margarethe 1 zu verschiedenen Zeiten verweilte, wo 
Dorothea', die Gemahlin Königs Christian I., ihren 
Wittwensitz hatte und die Bcsuehc ihres Sohnes 




rit j. 



Johannes' empfing; dort war es endlich, wo König 
Christian II. seine letzten Jahre als Staatsgefangener 
verlebte '. Die Kirche ward nun nach dem Wechsel 
der Umstünde bald mehr bald minder in Ehren gehalten 




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Fl*. < 



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nnd mau erzahlt, dass die Sacristei endlich auch zu einer 
Schule und als Siechenhaus benutzt wurde und dasB in 
neuerer Zeit sogar der Kirchengarten in den Besitz eines 
Privatmannes gelangte. 

Man nimmt gewöhnlich an, dass die Verfallszeit der 
Fraueukirche zu Kallundborg in die Tage der Keforuia- 
tinn zu setzen sei. Aber das scheint unrichtig; denn noch 
im Jahre IG.'!») schenkte der Lehnsherr von Kallund- 
borg, Hans Li ndenov, welcher mit Elisabeth Au- 
gust a, der Tochter Christians IV., vermlihlt war, der 
Kirche jene stark vergoldete Altartafcl, welche sich noch 
heute dort vorfindet. Erst im Jahre 1C59, als die Schwe- 
den erschienen waren und das Schloss Kallundborg in 
ihre Gewalt bekommen und niedergebrochen harten, 
wurde auch die Kirche vernachlässigt. Gleichwohl fanden 
sich zu Zeiten noch immer wieder Leute vor, die diesem 
Ran auf helfen wollten, und selbst noch im Jahre 1750 
hatte man so viele Geldmittel aufgetrieben , um die 
Thtiruie aufs neue mit Blei decken , die alten Glocken 
umgiesseu und neue Portale aufführen zu können, welche 
letztere man freilich nicht in dem nltcrthümliehcn Styl, 



' TU« Tochter Waldemar III. und OomahUii Hakan'« VIII., r-b UM, 
t 1113 l nter Ihr mocht» 41« Klrrh« tu KalWn^Wr« manch« Vortheil« «calci. en, 
4a »lo »Ich 41* Zaaeurnaf 4«» Volk« hannuäckdl. h 4urch rranimailrxli.uk' 
tu gewinnen aueel«. — 1 Dorothea voo llrandenbarf , ajrl.br früher mit H.rr g 
«•hrltlnjinj III vermählt war — 1 K'nig J>>hAnu. -Selm un4 Nachfolger ChrUtlan't I.. 
iah. UM. t IM-V. Im Jahre 1 1*1 haldUrtea Ihm 41a 1'iaea » Kalluadborg. — 
• Gab. IUI, t I.'"-' Er wurde Im J. lilj grUngen gataui und »war «aertt 
au H.,a4arliurf , nach IT Jahren aber «ach Kalluu.lfc .rir gerrarhl, »o man Ihm 



sondern in dem damaligen barockenGcschmacke aufführte. 
Auch scheinen diese Arbeiten mehr Ausserlichkeiten, als 
wirklich nützlich gewesen zu sein, denn schon im Beginn 
des XIX. Jahrhunderts fand man wieder für 
uöthig, eine Hauptreparatur anzuordnen, zu 
welcher, da die Kirche kein Vermögen hatte, 
mittelst königlichen Befehls vom 2. Septem- 
ber 1818 eine Sammlung im ganzen Laude 
angeordnet wurde, die aber statt der erwar- 
teten HJ.OOU Rciehsthalcr nur etwas über 
8000 Thaler eintrug, so dass man nichts 
Grossartiges unternehmen konnte. — Das 
grösste Missgeschick erlitt die Kirche aber 
im Jahre 1827. 
Es wurde schon erwähnt, dass der mittlere Thurm 
oder der Maricnthnrm blos von den Kreuzgewölben der 
Kirche getragen und diese wieder nur von den vier 
Granitsäulen gestützt wurden. Bei den Ausbesserungen 
nnn , die man ober dem nordöstlichen Pfeiler an jenen 
Wölbungen vornehmen musstc, auf welchen die nörd- 
liche Kante des Thurmes ruhte, entdeckte man bei dem 
Ilerabschlagen von Kalk nnd verwitterten Steinen, dass 
die Arbeit ohne die grösste Gefahr fllr den Einsturz des 
Thurmes nicht weiter fortgeführt werden konnte, und es 
zeigte sich, trotzdem dass die Wölbungen reichlich 
mittelst Gerüsten gestützt waren , schon nach wenigen 
Tagen, dass der Thurm um einige Zolle gesunken war, 
wesshalb denn auch die Kirchen Verwaltung am 4. Sep- 
tember einen Berieht an die Stiftsobrigkeit erliess, wel- 
chem zufolge sogleich ein bewahrter Baumeister nach 
Kallundborg gesandt wurde. Allein dieser kam zu spät, 
denn am 7. September Morgens acht Uhr, war der Thurm 
schon eingestürzt nnd hatte die Wölbungen durchgeschla- 
gen. Das Mauerwerk fiel in die Kirche, die vier Granit- 
siiulcn sanken nach verschiedenen Seiten, Schiff und Chor 
waren mit Steinen und Grus gefüllt und der Prcdigtstnhl, 
das Altargitter und das Taufbecken zerschmettert. Die 
Thurmspitze jedoch, die, wie angedeutet, im Jahre 17Ö0 
mit starken Bleiplattcn belegt wurde, fiel glücklicher- 
weise nach aussen hin und zwischen dem südlichen und 
östlichen Thurm nieder, ohne das Mindeste zu beschädi- 
gen. — So lag also eine der ehrwürdigsten Kirchen- 
hauten des XII. Jahrhunderts mit einem Male in Trüm- 
mern ! 

Die Commission, die nun aus dem Kirchcnvorstnnd, 
dem erwähuten Baumeister und vier Bürgern von Kal- 
lundborg zusammengesetzt wurde , begann sogleich mit 
der WegrÄumung des Schuttes und hoffte schon im 
Frühjahr 1828 die Granitsäulen wieder aufstellen zu 
können; auch trug sie sich mit dem Gedanken, nach dem 
Schloss der neu zu erbauenden Gewölbe wieder einen, 
dem eingestürzten völlig ähnlichen Thurm auf dieselben 
zu setzen. Indessen reichten einerseits die durch Collec- 
ten eingegangenen Gelder dazu nicht hin, und anderseits 
zogen sich die Verhandlungen darüber ran .Tiihrc- 1930 
bis zum Jahre 1841 hinaus, so dass man im Jahre 1842 da- 
hin kam, den Thurmban gänzlich aufzugeben. Mittlerweile 
wurden aber doch die Gewölbe wieder gebaut und ein- 
gedeckt, und die Kirche gewährt mit ihren vier Seiten- 
thilnnen noch immer einen sehr merkwürdigen Anblick, 
den man wohl so leicht nicht wiederfinden wird, da 
man im Oegentheile zuweilen mittelalterliche Kirchen 
trifft, deren einziger Thurm trotz aller Mühen nicht zur 
gänzlichen Vollendung gelangen konnte. i'. 



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IV 



Beitrag zur Kenntniss der Glockenräder. 



Das königl. bayerische Natinnal-Museum wurde vor 
kurze in mit einem Kirehengcräthc bereichert, das bis- 
lang nur in der mittelalterlichen Literatur, keineswegs 
aber in einem Iiis auf die (Segemvnrt erhaltenen Exem- 
plare figurirte. Da* Glossarium von Du Cnnge-Hcnsehel 




vi,. I. 

Illlirt nämlich unter _l!ota u auch ein mit Gloeken und 
Schellen besetztes Rad an, da« seitswärts vom l'horaltare 
hefestigt war und bei der heilAYandlnng in der Messe /um 
Lauten gebraucht wurde. Nebst den daselbst citirten Bclcg- 
stellcn redet das von Dodsworfh Roger und Dugdale 
Diöi» zu London herausgegebene Mouasticon Angliea- 
uum Tom. I, 104 deutlich von Form und Zweck dieses 
Glockeuradcs, wie die Erklärung des Glossariums die- 
selbe vorangestellt hat. Die anderen Stellen lausen 
zweifelhaft , ob darunter die erwiihnte Form verstanden 
sei. Dcgcgen finde ich im „Kalcndarium Necrologicmn 



Lnureshamcnse" bei Böhmer: Fontes rer. genn. III, I4ä, 
untenn 2ß. Februar die Notiz: Salemnntii abbatis, lue... 
«trat» pnvimenti perfecit... et ut de reliquis taceamus, 
scilicet duobus uolarnm eircnlis, tribus libris etc. 
Dies Ncerologicum ist bis ins XV. Jahrhundert fortge- 
setzt, womit die Grenze für die Altersbestim- 
mung der bezüglichen Notiz gegeben ist. — 
Dass solche .Kotae cum tiutinnnbulis a oder 
-eirculi nolanuii" auch im Süden gebräuchlich 
waren, beweist das genannte Geräthe im 
kilnigl. Nationalnmseuüi zu München, wel- 
ches seitwärts im Chore des Doms zu Augs- 
burg angebracht wnr. Die beiliegende Abbil- 
dung (Fig. 1) zeigt dies merkwürdige Geräthe 
genau nach dem Originale, nur sind die vier 
Clocken deg inneren Rades hier in der alten 
Form ergänzt, während das Original vier 
_ moderne aufweist. Eben so verhält es sich 
. L mit denen des äusseren Reifes, der nur mehr 
III iL drei Gloc ken des alten Style» mit dein Brust- 
bild eines Bischofs besitzt. Der Durchmesser 
des äusseren Reifes betrügt 13 Zoll (Dccimal- 
mass). Von der gekrümmten Handhabe hängt 
der Riemen herab, mittelst dessen das Rad 
leicht in Bewegung gesetzt werden kann. 
Die später ergänzten Glocken beweisen, 
dnss nicht blos im XV. Jahrhundert, dem 
das Gerflthc dem Style nach angehört, son- 
dern noch lange hernach dieses Itad im kirch- 
lichen Gebrauche war und vielleicht erst in 
unserem Jahrhundert bestimmungslos gewor- 
den ist Der innere und äussere Zirkel, die 
Speichen und Handhabe sind von Eisen , die 
gezahnten altertümlichen Glocken mit der 
Bischofshüstc aus Erz. Über die Bedeutung 
dieses Exemplare« für die Geschichte der mittelalterlichen 
Kirchetigeräthe kann kein Zweifel sein und vielleicht ist 
die gegenwärtige Mittheilung im Stande, die allenfalls 
noch anderwärts erhaltenen Exemplare dieser Art der 
Vergessenheit zu entreissen nnd der Öffentlichen Kennt- 
nissnnhme zuzuführen '. In dieser Absieht, die Aufmerk- 
samkeit der Fachgenossen darauf zu lenken, wurden 
diese Zeilen gesehrieben. ./. A. Metamer. 

< In GtlltuUtHT» W«t* .1.' arrkllKtort du V «u XVII* ■!•»!»," Tum IV. 
T«W* 18, IM «In hfff-tiM ikrUrhcr, nttl einet Meng* t*u <;)orkrft v«r»f-hrDer 
.A|.p»r»ll de acm.erl« »•ttl. »L«.U.|U,- «u.iWr At>l»l tu » ul4« ■tj.Mlil.l. (A.4. R J 



Ein Grabstein der St. Georgscapelle in Leutschau. 



Als die St. Jakobskirche zu Leutschau um die 
Mitte des verflossenen Jahrhunderts restaurirt, d. h. nnch 
dem Brauche jener Zeit misshandelt wurde, traf das Loos 
der Zerstörung auch die in der Kirche vorfindliehen 
Grabsteine, mit Ausnahme jener wenigen, welche an 
den Wänden aufgestellt waren. Wie die Überlieferung 
erzählt, war der Boden der Kirche fast ganz mit Leichen- 
steinen belegt, die damals zur Herstellung einer ebenen 
Fläche entweder abgeschafft oder glatt gehauen wurden : 



nur die weniger besuchte, der Nordseite der Kirche an- 
geschlossene St. Georgscapclle blieb verschont, wo sich 
daher mehrere in den Boden eingelassene Grabsteine 
erhielten. Von diesen wird der besterhaltene und wahr- 
scheinlich älteste in der beiliegenden Abbildung (Fig. 1) 
mitgetheilt, der zwar keinen Anspruch auf einen höheren 
Kunstwerth machen, aber dennoch, theils wegeD seines 
Alter«, theils in heraldischer Hinsicht, nicht ohne 
Interesse sein dürfte. 



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V 



Kr liegt in der Mitte der Capelle, nahe den Stufen 
des Altars, und bildet ein längliches Viereck von 6' 8" 
Länge und 4' 3" Breite. Da» Helief der Oberfläche ist 

noch jetzt, obgleich seit 
Jahrhunderten den Tritten 
ausgesetzt, ziemlich deut- 
lich und nur au den erha- 
bensten Stellen abgewetzt. 
Auf allen vier Seiten längs 
des Hände» ist in schön 
geformten gotbischen Mi- 
nuskeln die l'iiischrift zu 
lesen: anno, bnt (dominil 
inill' (esimo) r r.rrrij in 
orto.no corporis .rpt (Christi) 
obiit. qrorniua olrbarb fu (n) 
oator bni (ni) raprllr oratr 
pro (eo). Der grosse Mittcl- 
raum enthält einen rechts 
gelehnten Wappenschild , 
auf dessen oberer Spitze ein 
Stechhelm mit einer ein- 
fachen flatternden Hehn- 
decke ruht ; als Helm- 
schmuck dient ein Adler mit ausgebreiteten Klügeln. Das 
auffallendste Stück des Ganzen ist das Wappenbild, 
sehr ähnlich einem mittelalterlichen 
Steinmetz- oder Kunstlerzeichen. 
Selbes könnte beinahe den Schluss 
gestatten, dass das Wappen ein von 
dem Verstorbenen willkürlich erfun- 
denes und gebrauchtes Abzeichen 
gewesen sei, wenn sein Vorkommen 
auf dem Grabsteine und die heral- 
dischen Untcrscheidungsstücke es 
nicht wahrscheinlicher machten, 
dass wir ein ererbtes oder wirklich 





verliehenes adeliges Wappen vor uns sehen. Dass 
übrigens ähnliche Wappenfiguren nicht ungewöhnlich 
waren, bezeugt ein Grabstein, der neben dem beschrie- 
benen liegt und ( siehe Fig. 2| mit einem Zeichen der- 
selben Art versehen ist; die l'nischrift ist aber leider 
bis auf »venige, keinen Aufschluss gebende Hruchsfücke 
unleserlich geworden. 

Ober den unter dem Ix-ichensteine bestatteten 
Georg Vlebaeh ist nusser der von der Umschrift gebo- 
tenen Notiz, dass er der Gründer der St. Georgscapclle 
gewesen , nichts Sicheres bekannt. Nach einer alten, 
sonst dureh nichts begründeten, aber auch nicht wider- 
legten Tradition war Georg, dessen Name in einem 
älteren Visitationsprotocolle irrthümlich als „l'lebany* 1 
angeführt wird, Pfarrer zu Leutschau, und es wäre iu 
diesem Falle mit Grund zu vermuthen , dass er von den, 
unter den Königen Geyza II. uud Heia IV. in die Zip« 
berufenen sächsischen Colonistcn abstammte, weil Leut- 
schau. bekanntlich eine von Sachsen gegründete und 
vorherrschend bewohnte Stadt, nur einen der deutsehen 
Sprache vollkommen kundigen Seelsorger haben konnte, 
und bei dem alles Fremdartige abschliessenden Wesen 
solcher Niederlassungen auch nur einen Stammgenossen 
gewählt haben würde. Noch jetzt besteht, nur wenige 
Stunden westlich von Leutschau entfernt, ein I'farrdorf 
,.Velbach u , zwar jetzt durchgängig slaviseh, aber dem 
Namen nach ehedem wie viele andere schon längst sla- 
visirte Ortschaften der Gegend ohne Zweifel eine deut- 
sche Ansiedelung: es ist daher möglich, dass unser 
Georg als Glied einer daselbst ansässigen deutschen, 
später geadelten Familie den Namen ihres Rcsitzthumcs 
geführt habe, und dass die abweichende Benennung 
r Vlebach u entweder von einem Fehler hei der Ausar- 
beitung der Inschrift herrühre, oder der ältere damals 
gebräuchliche Ortsname sei. W. Merkla*. 

• Sollte dl» alfht TlellrUht .Plcblnui* hciiien I 



Siegel als historische Denkmale. 



Die Belagerung Wiens durch Sultan Solimnn im 
Jahre 1520 war ein Kreigniss, welches die ganze christ- 
liche Welt Enropa's berührte, und die siegreiche Ver- 
teidigung der Stadt gegen den bisher unüberwundenen 
Eroberer ein allgemeiner Triumph. Kein Wunder daher, 
dass dieselbe dureh Wort und Bild in mannigfacher 
Weise verherrlicht und verewigt wurde. 

Das kaiserliche Münz- und Antikencabinet besitzt 
eine goldene und drei silberne Klippen, auf der Vorder- 
seite mit dem Wappen Kaiser Ferdinand'» I. und auf 
der Kehrseite mit der Legende: TVRCK BLEGKHT 
WIEN AN DEM 2:$. SE1TEMBEK. AN. 1529; — nnd 
vier theils goldene, theils silberne Klippen verschiedenen 
Gepräges mit der Legende: TVRCK BELGERT WIEN 
1529.' 

Ein ganz cigenthündiches Denkmal dieser Bege- 
benheit bilden jedoch zwei Siegel der Stadt Baden, 
beide in der Hauptdarstellung so wie in der Umschrift 
identisch und nur durch Nebenausschmückungen von 
einander verschieden. Die l'nischrift derselben enthält 
weder die gewöhnliche Siegelbezcichnuug noch die 



n ■ 



Benennung der Commune, welcher die Siegel angehören ; 
sie meldet einfach nur das für das ganze Land bedeu- 
tungsvolle Ereigniss : 

• TVRCK • BELEGERT • WIEN • AM • 23. • TAG 
• SEPTEM« • 1520 • 

Auf einein der beiden Siegel ist die Umschrift von 
einem Kranze umfangen, auf dem anderen zwischen 
Stufenlinien auf einem erhöhten Rande angebracht. 

Das Siegelbild zeigt einen 
verschnörkelten deutschen Schild 
mit dem österreichischen Wap- 
pen, in dessen Querbalken sich 
eine viereckige Kufe erhebt, in 
der sich ein Mann und eine Frau 
badend befinden , zwischen ihnen 
steht eine Röhre , aus welcher zu 
beiden Seiten die Heilquelle her- 
vorsprudelt; das rothe Feld ist 
damascirt und über dem Schilde befindet sich die 
Jahreszahl 1488. 




i n. i 



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VI 



Das andere Siegel unterscheidet sich durch die 
einfachere Form des Schildes, in welchem das rothe 
Feld blank und an der untersten Spitze ein Kreuzehen 
angebracht ist, Laubornamente füllen das Siegelfeld zu 
Seiten des Schildes. Beide Siegel sind rund, mit 1 Z. 2L. 
im Durchmesser; die Jahreszahl 1488 bezieht sich auf 
die Verleihung des Stadtwappens durch Kaiser Fried- 
rich III. , ist jedoch irrig, indem der Wappenbrief vom 
Jahre 1480 datirt ist. Beide Siegel kommen ziemlich 



selten vor, meistens in Abdrücken auf Papier Ober 
grünem Wachs, sie blieben durch 37 Jahre im Gebrauch; 
die Stempel derselben sind nicht mehr vorhanden. Sie 
wichen zwei anderen Siegeln mit der Umschrift: 
•SIGILLUM, CIVITATIS THERMENSIS IX AVSTRIA 
1566, und im Felde zu Seiten des Wappenschildes mit 
dem richtigen Wappcnverlcihungs - Datum : 1480 ; die 
silbernen Stempel derselben werden noch im Rathhause 
der Stadt Baden aufbewahrt. A'. c. Sam. 



Archäologische Funde im ötelauer Kreise. 



In dem Südosten Böhmens, von Miihren, dem chru- 
dimer, jieiner, bunzlaner, prager und taborer Kreise 
umschlossen, liegt, grösstenteils eine fruchtbare Rhene 
bildend, der 68-6 Quadratmeilcn zählende cas lauer 
Kreis. Er ist von den sanften Höhen seiner bewaldeten 
Grenzgebirge umgeben, welche ihre Wülder in der Urzeit 
sowohl an den Ufern der Zeliwka , Dubrava und 
Sazava weit in sein Inneres vorschoben. Alle diese 
Flusse nebst der Elbe dnrehströmen seine Flüchen und 
tiefe Thaleinschnitte und ihre Ufer, nun reich bevillkert, 
erfreuen sich der herrlichsten Cultur. Urkunden der Vor- 
zeit erweisen, wie waldreich diese Gegend gewesen', 
welche erst in spUtcrer Zeit mitunter fremde Colonisten, 
wie überall in den Grenzgebieten des Landes, urbar 
machten. Noch im Jahre 1233 sprechen die Urkunden 
von ungeheurcnWaldgcbirgen, welche mit Sümpfen, öden 
Höhen, Weiden und Wiesen bedeckt gewesen sind; und 
nur das uralte Caslav (1052), Litosic (1167), Sedlec 
(1142), Belany, Hllzov, Kafin, Lib6nic, Malin, Bestvina 
(1137\ Chotchor, Üjezd Libccky, Vilcmnv (1120), Hahr 
und Brod, Sadska (1110), Skrämntky (1052), Vrbcany 
(1130), Voderady, Sazava (1032), Jenlkov u. s. w. treten 
uns aus dem Dunkel der Vorzeit als urkundlich genannte 
Stätten hervor; daher ist erklärbar, das» der nördliche, 
nordwestliche und nordöstliche Theil des Kreises in der 
heidni8cheu Urzeit cultivirter und bevölkerter gewesen 
ist , wcsshalb sich auch dort die meisten Anticalicn 
fanden und man vergebens nach solchen im Gebirge 
und in den mit Urwald bedeckten Gebieten forschen 
würde. Die gemachten Funde lagen meist in heidni- 
schen BegrKbniss- und Opferstätten verborgen 
und bestehen in Aschenurnen, Opfergcfässen , Stein- 
wnffen, Bronzegegenständen, Schmuck, Mctallwaflcn u. 
dgl. m. Die Orte, wo derlei gefunden wurden, sind fol- 
gende : 

Bc sinov, Krcchof, Nova ves, Ratay, 
Caslau, Kfesctie, NW dvory, Sedlec, 
Hllzov, Kuttenberg, Opocnic, Sedlov, 

Horka, Lüne, Ovtfar, Skramnlk, 

Kanfim, Lösau, Beeck, Snchdol, 

Kbcl, Malin, Polna, Teynic, 

Kolin, Nebovid, Radbor, Vysoka, 

Vitie und Zabor. 
Nebst dem zählt der easlaner Kreis vier bedeutende 
Erdwälle n. z. in Libic, Hradisko, Hryzcl und Kaufim, 
welche eben auch zu den Überresten der heidnischen 
Vorzeit gerechnet werden müssen. 

Der nahe an Kaufim gelegene fürstlich v. Liehten- 
steinische Meierhof Bcsinov wurde von mir am 10. Juni 



1849 besucht. Schon im Jahre 1797, als dort der Platz 
geebnet wurde, fand man in dem vermeinten Wallgraben 
der Burgstclle Kacov mehrere mit Asche und Knochen 
gefüllte Urnen, und später 1801 entdeckte man auf der 
FeldUar na Berank u ein 2 Klafter langes, 8 Fuss 
breites unterirdisches Behältnis» mit Kohlenrcsten in der 
Tiefe von 8 Fuss '. Ich fand die sanft eingetiefte Fläche 
nm Felde Käcov CO Klafter lang und 10 Klafter breit, 
sie bildete einen länglichen Umkreis. Eine reiche Qnclle 
tritt dort hervor und versieht den nahen Meierhof mit 
ihrem Wasserschatze. Das durch den Pflug aufgewühlte 
Erdreich ist mit Urneutrümincru reichlich durchmengt, 
und ich unterschied aus diesen Fragmenten 8 Gattungen 
Urnen, worunter die mit Graphit versetzten Thon- 
Scherben die Vorherrschendsten zu sein schienen. Sie 
waren zart und glatt. Man findet Knochenreste aller 
Art mit Pferde- und Eberzähnen gemengt und unter diesen 
Urnen und OpfcrgcfässtrUmmcr. Nebstdem sah ich noch 
hinter dem Scheuergebäude des genannten Hofes vier 
kleine kegelförmige Erdhügel, nämlich Ehrcndcnkmale 
heidnischer Todteu , welche jetzt zu ökonomischen 
Zwecken verwendet werden uud in ihrem Innern zer- 
trümmerte Urnen bergen. 

Öaslau. Diese uralte böhmische Stadt, welche einst 
an der alten und jetzt noch benutzten Heerstrassc nach 
Mähren lag und als wohlbcfestigte Burg der caslauer 
Zupa geschichtlich bekannt ist, brachte nur Stein- 
objeetc', dann beim Baue der neuen Cascnic auch 
heidnische Aschenurnen zum Vorschein. 

Hllzov, '/, Meile nordöstlich von Kuttenberg 
gelegen. Bei diesem Dorfe fand man mehrere Urnen, 
z. B. traf man in offener Feldflur zuerst 6 Aschenurnen 
verschiedener Grösse, dann noch eine dunkclgelbe, 
stark ausgebauchte, mit eingedrückten Querstreifen 
gezierte, von 7 Fuss Höhe und 6 Fuss 6 Zoll im Durch- 
messer. Heinrich Graf v. Chotck verehrte diese Sachen 
dem vaterländischen Museum Böhmens, welches sie in 
der Abthcilnng seiner heidnischen Thongefässe unter 
Nr. 164—168 und 200 aufbc wahrt. 

Horka. Bei meiner diesjährigen Bercisung des 
cAslnuer Kreises und meinem Besuche zu Zieh fand ich 
in den reichen Sammlungen Sr. Durchlaucht des 
kunstlicbcndeii Fürsten Vinzenz v. Allersberg auch 
eine wohlerhaltcne stark ausgebauchte mit Knollen ver- 
zierte Aschcnnrae, welche mit mehreren andern, je- 
doch leider durch Unkenntnis» der Arbeiter zertrüm- 
merten Thongefässcn Iwi dem fürstlichen Meierhofe 

• K»llln.»™Jlith..il«l» „n.-hiu«.. heldnk.cb ? Opf« r lSt«,«rt-(.,.t 
Od AIITIhUiu«" IM3. S.Uo l»3. - > )- F. Wocol 



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VII 



Horka am 26. Decenibcr 1857 4'/, Fuss tief in der Erde 
entdeckt worden ist, 

Kauf im. P. Krobms fand daselbst eine mit einge- 
drückten Punkten gezierte Urne von grauer Farbe, 
4 Zoll hoch, 3 Zoll in der Öffnung — sie war sehr 
beschädigt und wird im vaterländischen Museum zu 
Prag unter Nr. 158 aufbewahrt. 

Kbel. Am 26. Mai 1848 Überbrachte mir ein 
Arbeiter der Suckdolcr Zuckerfabrik einen bedeutenden 
Scherben vou einem durch Unvorsicht zertrümmerten 
Aschcngcfässc , welches zwischen den von Suchdol 
1 Stunde entfernten ürtern Kbllck und Kbel in einem Stein- 
bruche 9 Zoll tief unter der Grasnarbe gefunden wurde. 
Es war dies eine der grössten Ascbenurnen, von denen 
unser vaterländisches Museum nur 2 Exemplare besitzt, 
welche von Ovcncc und Kolin stammen. Nach dem 
erhaltenen Scgiucute berechnete ich den Umfang jener 
Urne auf 5 Fuss, ihre Hübe beiläufig auf 1 Fuss 3 Zoll. 
Asche und Knochentrttmmer füllten ihr Inneres. Von 
dort aus Hess ich mir den zwischen baumreichen Obst- 
gärten gelegenen Ort zeigen, wo zwischen Kbel und 
Klein -Loschan bei der Planirung der damals neu 
angelegten Strasse, eben derselbe Arbeiter zwei Leichen- 
gerippe tief in der Erde , uaeh Süden gelagert, aufge- 
funden hat. Die Armknochen zierten spiralförmig gewun- 
dene Bronzeringe mit glänzender Patina bedeckt, auch 
eine Fibula von Hronze lag im Brustkorbe. Sie ist von 
besonderem Wcrthe, indem sie sich in ihrer ganzen Elasti- 
cität und mit allen Verzierungen erhielt Alle diese 
Objeetc Ubergab der Finder Herrnjoseph Nachodsky Ritter 
von Neudorf, welcher sie dem vaterländischen Museum 
verehrte, wo sie unter Nr. 262 und 261) anfbewahrt 
werden. 

Schon Kallina von Jäthcnstcin erwähnt in seinem 
Kreits angeführten Werke (Seite 168) der im Jahre 
IS 30 zn 

KolinandcrElbe, an den Mauern des evange- 
lischen Friedhofs gefundenen Urnen. Das grösstc dieser 
ungewöhnlichen Ascbcngcfitssc bat 5 Fuss l'/, Zoll im 
Umfange, ist 1 Fuss 7 Zoll hoch und zählt 1 Fuss 8% Zoll 
iu seinem grössten Durchmesser. Sie werden alle im vater- 
ländischen Museum unter Nr. 2 — 7 aufbewahrt. 

In dem Jahre 1859 wurden abermals in der caslaucr 
Vorstadt daselbst, hei bem Graben der Gründe zur An- 
lage der neuen Realschule, Urnen mit Erde und Knochcn- 
Ubcrresten gefüllt aufgefunden, welche nebst andern 
Thonscherben in den technischen Sammlungen der dor- 
tigen Realschule zur Aufbewahrung gelangten. 

K t e £ h o f. Im Frühlinge des Jahres 1 848 entdeckte 
ich mitten in dem Dorfplatze einen ausgedehnten heid- 
nischen Bcgrlihnissplatz. Fette, schwarze Erdschichten 
deckten Kohlen und Knochenreste, reichlich untermengt 
mit Tausenden von Urneuscherben von mannigfacher 
Farbe und Form. Die Böden dieser Grabgefässe hatten 
kreisförmige , oder dreieckige und punktirtc Abzeichen 
und ihre schön gebogenen Ränder waren mit parallelen 
Streifen, Zickzacklinien und gegitterten Umrandungen 
geziert. Ein Jahr darauf verschwand der ganze Begräb- 
uisspmtz. — Man ebnete die Stelle und Tausende von 
Erdfuhren wurden von den Einwohnern auf ihre Felder 
als Düngmittcl herausgeführt. Eiserne Waffen, die 
hier häutig gefunden werden, sind Ueberreste des 
anno 1757 durch Daun crfochtcncu Sieges Uber die 
Preusscn. 



Krcsctic. In diesem mit einer schönen Kirche 
gezierten Dorfe entdeckte man im Jahre 1862 einen 
heidnischen Opfer- und Bcgräbnissplatz, und zwar in 
dem Gurten des Bauernhofes Nr. 67. Leider hat 
der Besitzer mit den ihm unbekannten Asehengefässen 
reine Arbeit gemacht — und ich sah nur ihre Trlltnnicr 
auf das nahe Feld führen. 

Kuttenberg. Wie sollte das schöne, von der 
schäumenden Vrchlice dnrehwüssertc Thal, wo sich jetzt 
die herrliche Stadt mit ihren unvergleichlichen Baudenk- 
malcn ausbreitet, in der fernen Vorzeit nicht bekannt 
gewesen sein, indem das nahe Sedlec, Hlizov, Nnve 
Dvory uud Malin zahlreiche Fuude aus jenen Tagen 
darboten? 

Schon 1846 gelangte man mitten in der Stadt auf 
Urnen und Steiuobjcete '; auch Ubergab in demselben 
Jahre Herr Universitäts-Professor J. E. Wocel dem 
vaterländischen Museum einen in Kuttenberg gefundenen 
Bronzeschmuck in Gestalt eines Hufeisens und eine 
Spirale aus ßronzedrath, welche in der genannten 
Sammlung unter Nr. 437 und 438 aufgestellt wurden. 

Im Jahre 1862 wurden beim Grundgraben und 
Felsensprengen in der Nachbarschaft der M. B. Teller- 
schen Zuckerfabrik im Felsen ausgehauene, viereckige, 
4 Fuss 6 Zoll breite, 5 Fuss lange, circa 1 Klafter tiefe 
überwölbte Gruben (besser Gräber) aufgedeckt, in 
welche Aschenurnen nebst anderen Gefassen eingesenkt 
waren. Der harte Fels, bedeckt mit Rasen, Sträuchern 
und Bäumen, war nie näher untersucht worden, und man 
konnte dort am wenigsten solche Funde ahnen. Die 
Gcfässc hatten verschiedene Formen, waren meist mit 
Asche gefüllt und von schwarzer Modererde umgeben. 
In einem dieser Gräber befand sieh das Jochbein eines 
Vierfüsslcrs, in einer Aschcnurue der Sehnabel eines 
Vogels, und in einer dritten ein Ei. Das Ei war mit 
Kalktuff stark incrustirt und im Innern der Schale 
lag ein bereits verkalktes Kiümpchen, Reste des Ei- 
weisses und Dotters. Die Gestalt der meisten Gcfässc 
ist edel geformt und sie dürften schon den letzten Pe- 
rioden des Heidentbnmes angehören. Sie sind meist glatt 
gehalten und mit flachen Deckeln versehen. Der Thon 
ist rein und fein bearbeitet. Bis zum 23. Juni 1862 
waren 4 Gräber aufgedeckt. Die meisten jener GefJisse 
besitzt die Kuttenberger Realschule, einige aber der Herr 
Zuckerfabrikant M. B.Teller. Die Hand, welche einst 
diese merkwürdigen Grabbehausungen im harten Ge- 
steine mit seltenem Geschick ausmeisselte, war dem 
Bergbau gewiss nicht fremd gewesen. 

Libic. In dem uralten Sitze der Slavnikc zu Libic, 
am Einflüsse der Cid Ii na in die Elbe, deren Gebiet Pro- 
fessor Tomck so trefflich beschrieb fand ich umfang- 
reiche Erdwälle, inner welchen das Pfarrdorf Libic 
liegt, während ein anderer länglich runder Erdwall, 
Feldfluren und einen Weingarten umschlic&send, eine 
Menge Knochenrcsto und zertrümmerte Aschenumen 
aufzuweisen pflegt, von welchen ich selbst eine ganze 
Reihe besitze. Auch fand ich dort l>ei einer von mir 
unternommenen Nachgrabung, innerhalb einer schön ver- 
glasten Schlacke, eine Menscltenrippe eingeschlossen. 
Dieser Knochen mag aus jener Katastropho herrühren, 
in welcher die Vrsovccn am 25. September 996, als 
Feinde des Hauses Slavnik, Libic eroberten und Alle, die 

I 0. E W.cil r,n»d<ü«« 4er bbhsi. AIUrthum.ku.Mo 8*lw « - « f. 
aiitky «rlM.ologl.kd I). III. 97-10!. 



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vm 



sie lebend fanden, tödteten. Nicht fern von dort int 
das alte, (Wie Üldfis, in dessen Niilie im September 1 858 
fllnf höchst merkwürdige byzantinische Kreuze gefunden 
wurden, welche in dem III. Theile der Pamätky archaeol. 
S 363, so wie in den Mitteilungen der k. k. Central- 
Commission durch Professor Wocel besehrieben wurden. 

Mal in. Aueh hier fand man vor wenigen Jahren 
bronzene Schmucksachen , die aber leider vom Kupfer- 
oxyd sehr stark angegriffen waren. Sie bestanden aus 
Kleiderheften, Ohrgehängen und Haarnadeln, auch 
traf man hier Stcinobjcctc. 

Nehovid. Im Herbste des Jahn» J S41> wurden von 
mir in diesem einst zur ehemaligen Herrschaft Petsehkau 
gehörigen Pfarrdorfc bei dem tiefen Dortbruiinen na 
Smutonjku Spuren eines heidnischen Begräbnis*- 
platzes entdeckt. Die Rasennarbe barg eine mächtige 
Schichte von Aschenerde, worunter man l'nientrüninicr 
mit Knoehetircsten vermengt vorfand, die mau später 
auf die nahen Fehler zur Düngung verführte. Die l'roen- 
seherben boten an ihren Rändern mannigfache Verzie- 
rungen dar , waren aus einer rohen Thonmasae geformt 
und ihre Böden seheinen mitunter Dreiecke, Kreise, 
aueh andere nnregehnässige Striche zum Zeichen gehabt 
zu haben. Ganze Gcfässe wurden nicht gefunden. 

Zu Novaves (Neudorf) wurde durch P. Krotmns im 
Jahre 1847 ein kleines heidnisches Grabgefiiss, 2 Zoll 
4 Linien hoch, 2 Zoll b' Linien in der Öffnung, gefunden 
und dein vaterländischen Museum Ubergeben. 

Novc Dvory (Neuhofi. In den dem Städtehen 
naheliegendeu Fcldtluren fand man Bronzeringe, unter 
denen sieh auch ein kleiner eiserner King vorfand, 
ferner Spiralringe von Bronzedrath, welche alle der 
Besitzer von Neuhof, Herr Heinrieh Graf von Chotek, 
dem Museum schenkte. Sie sind in dem Verzeichnisse 
der archäologischen Sammlungen Seite 41 und 48 
beschrieben. 

Was die vier Orte: Ovcär, Peeek, Skramnik und 
Vitie betrifft, so findet man sie in Anton Schmitt'« ar- 
chäologischer Karte von Böhmen von 184.*>, als Fund- 
orte heidnischer Begrithnissstätten bezeichnet. 

Po Ina. Als ich im Jahre 1?C>7 am 21. Oetober 
diese Stadt besuchte, wies man mir in dem Xntttralicn- 
Cabinete der neuerbauten Hanptsehule eine cdelge- 
fornite Urne aus hellgelbem Thone, glatt gearbeitet, 
stark ausgebaucht (."> Zoll hoch und f> Zoll im mittleren 
Durchmesser) und mit zwei, am engen Halse angebrach- 
ten Henkeln. Dieses Gefiiss fand Karl Nowotny, Bürger 
iu Polna, beim Strassenbane auf der Feldflur n a s 1 1 n a d I e 
(Kichtstntte). Auch wird dort ein uraltes verrostetes 
Sehwert gezeigt, welches im Spitalwalde bei Stäjc 
nächst der mährischen Grenze gefunden wurde. Ks ist 
dies die sogenannte altböhmisehe nozna (1 Fuss 1 '/, Zoll 
langl mit einem Kreuzgriff. 

Radhor, ehedem Ratibor genannt, hat sieh seit 
dem Jahre 18f>7 als reicher Fundort heidnischer Altcr- 
tliumer bekundet. 

Bei der Anlage zur neuen Zuckerfabrik 1 8.">7 ent- 
deckte man einen grossen heidnischen Lcichenucker. 
und wo man grub, kamen Haue und Spaten auf Gebeine 
von Menschen und Thieren, L'rnentrttnimer und Aschen- 
sehichten, welche mehr als eine Klafter tief in der 
schwarzen Erde lagen. In drei aufgeschlossenen Gräbern 
land man drei granitene HandmUhlstcine, wovon zwei 
vollkommen zu einander passen. Die Peripherie derselben 



beträgt 4 Fnss 1 Zoll 5 Linien, die Dicke 3«/« Zoll. 
Sic gleichen den HandmUhlsteineu, welcher sieh heut zu 
Tage die Araber und Beduinen bedienen '. Diese Steine 
deckten die, in Steinnestern aufbewahrten und von ihrer 
Wucht zertrümmerten Urnen. Diese letzteren waren von 
verschiedener Form und aus verschiedenen Thongartun- 
gen gebildet, leider konnten nur wenige unzerbrocheu 
herausgebracht werden, deun die meisten zerfielen. 
Einige dieser Gefässe waren in einander gesteckt und 
andere, schalenförmige kleinere, waren um grössere 
Aschcngefässe gereiht Die grossen Geschirre waren 
stark mit Graphit versetzt, Unter diesen Urntn und 
rrnentrltmmern wurde aueh ein Bronzering in Gestalt 
einer Sehlange, eine Annspange und eine Pfeilspitze 
ans einem Thierknochen gefunden. Ncbstdetn wurde 
später ein Spindelring aus gebranntem Thon, ein ähn- 
licher aus grünem Glas, eine steinerne Pfeilspitze, 
ein bronzenes Bettfragment, ein eiserner Pfeil mit star- 
kem Widerhaken und ein Glaskugelchen gefunden, 
welche Gegenstände im Besitze des dortigen Kastucrg 
Herrn Joseph NawrAtil blieben. Haarnadeln, Kleider- 
spangen und einfache Bronzeringe wurden aus Unkennt- 
nis* verworfen. Aueh hinter dem Radbofer Wirthshause 
fand man zwei HeidengrHbcr , welche ein trichter- 
förmiges Profil hatten und mehr als J Klafter tief 
reichlieh mit Asche, Kohle, Knoehenresteu angefüllt 
waren. Häufig wurde in deren Mitte ein durchlöcherter 
Stein (?) gefunden. Auch in der Remise oberhalb der 
r Thcresien-Ruhe" — granatov^ remizek genannt — 
sind solche Stätten sichtbar. Seihst als man aus dem 
nahen Kofenicer Teiche den Schlamm auszuführen 
begann, fand man dort eine Unzahl roher starker Uruen- 
trtluimer. Dcssglcichen fanden Arbeiter nn dem südlichen, 
sanft ansteigenden Uferrande der Seh od ec er Mühle 
zwei bronzene, 4 Zoll 10 Linien lange Stäbe, die im 
vaterländischen Museum unter Nr. 5"»4 und ">">"> nebst 
den dort vorgefundenen Untenscherben aufbewahrt 
werden. Auch als der südwestlich von Hadhor gelegene 
Sedlover Tejch seines Schlammes entleert wurde, 
fand man dort Überreste eines uralten Pfluges, dessen 
Holz fast versteinert war, aber von rohen Händen zertrüm- 
mert wurde. Sedlov selbst hat in einer flachen Feldflur, na 
Hra.de genannt, einen 200 Schritte im Umfange haltenden 
Erdwall aufzuweisen, dessen AnInge hufeisenförmig 
f>8 Schritte lang, 22 breit, eher einer heidnischen Cultns- 
stätte, denn einem Burgwnlle ähnlich ist, zudem weiss 
man, das« sieh die ehemalige Vcste bei dem jetzigen 
Meierhofe befand. Übrigens ist die Radhorer Gegend 
reich an heidnischen Alterthümcrn. So hat das nahe 
Bofetic vor Jahren Beweise geliefert, dass es mit 
Radbof zusammenhängende Ustriiien und Opferstätten 
hatte, und zwar auf den Feldfluren n a H ra d i s t i und n a 
Vratove. Merkwürdig waren dort eine Reihe mit Thon 
ausgefüllter Löcher, wie man sie in südslavischeu Län- 
dern und auch in Ungarn zum Aufbewahren des Getrei- 
des antrifft. In einigen dieser Löcher fand man stark ver- 
glaste Schlacken, welche auf einen hier vorgenommenen 
Schmelz- oder Klühproeess schliessen lassen, ohne das« 
aber irgend ein Metall- oder Thongeräthe hiebei vorgefun- 
den wurde, welches auf eine glückliche Hypothese hätte 
führen können. Ich und Joseph Ritter von Nnchodsky 
übergaben Urnen und andere Objeetc und endlich etwa 

' I..,j»Kl Nlui" un.l ll.'.jloii, Srlt. rlii. 



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IX 



60 kleine Bronzeringe dem vaterländischen Museum zu 
Prag '. 

Katay, ein Stadtehen mit einem .Schlosse und 
einer Pfarrkirche, wurde erat später dem caslancr Kreise 
einverleibt. 

Schon Kalliua von JäthenBtcin spricht in seinem 
bereits erwähnten Werke (pag. 177) von den dort gefun- 
denen merkwürdigen Bronzen, welche Professor J. E. 
Wocel einer calkrometisehcn Probe unterzog und sie 3 
in die Zeit der ältesten Bronze - Periode , wo das 
Mischungsverhältnis» von Kupfer und Zinn zwischen 
100 und 85 Percent lag, stellt. Das vaterländische 
Museum zu Prag hat von dort nachstehende Objcete: 

Nr. 44. Ein Beil mit Schaftloch, 3 Zoll 7 Linien lang, 
1 Zoll 2 Linien in der Schneide. 
„ 62. Eine grosse bronzene, mit Patina bedeckte 
Sichel. 

„ 64. Eil) Fragment eines spitzigen, sichelförmigen 
bronzenen Messers, welche drei Gegenstände 
im Jahre 1825 gefunden wurden, 

ferner: 

„ 222. Einen in zwei Hälften zerbrochenen Bronzcring. 

Die eine Seite ist glatt, die andere durch 27 
(etwa 1 Linie breite) erhabene Reliefstreifeu 
in Felder abgetheilt, welche theils glatt, thcils 
mit Linien geziert sind. (Er hat 4 Zoll im 
Durchmesser.) 

S e d 1 c e. Niemand wird in Abrede stellen, dass das 
ehemalige Cistercienserstift daselbst ein uralter Bau sei. 
Auch dort fand man dtlnne, glatte, einfache Bronzeringe 
und Fragmente von Haarnadeln, die noch der Periode des 
Heidenthnmcs angehören. 

Zuletzt muss ich der Funde gedenken, welche vor 
einigen Jahren in Suclidol (suehy dol, dllrres Thal) 
vorkamen. 

Das Städtchen Suchdol liegt 1 Stunde westlich von 
Kuttenberg. Pfarrkirche, Sehloss und Meierhof bilden 
die ansehnlichsten GcbUndc. Dort fanden wir bei der 
Austiefung einer Grube, die in einem der untersten der 
uralten SchlossrUuinc angelegt wurde, das Bruchstück 
eines Steinhammers aus schwarzem Diorit (3 Zoll 
8 Linien lang), dann den untern Theil eines breiten Stein- 
keils von 4 Zoll Länge, 3 Zoll D Linien Breite, endlich 
Fragmente vou Thongeschirren aus einer roh bearbeite- 
ten Masse. Später eutdeckte man auf der Feldflur na 
startim Suchdolc (alten Suchdol) wieder ein Frag- 
ment eines starken Bronzeringes mit Patina Uberzogen. 
Endlich sind der Sage nach unter dem Gipfel des 
Wysoka-Berges häufig Steinkeile — hromove kllny 
— Donnerkeile mit durchbohrten Löchern gefunden 
worden. 

Einer dieser Keile aus schwarzem Diorit (4 Zoll 
3 Linien lang, 1 Zoll 6 Linien breit und 1 Zoll hoch) lag 
frUhcr in der Dachfirste eines Häuschens, wo er dem 
Aberglauben zufolge den Blitzstrahl abhalten sollte. 
Später diente er als Heilmittel bei Brüchen kleiner Kinder, 



' Vcrcl. mniMii «uirühriumn Birl.l.i 
III, Mit» a*>. ' Im (UtcUBs.hrrlrlii* 
<ml\cu NoTfwb.iUcft UM »1 Aprils« ig 

IX. 



lu iI.ii 1'amAikr »rjli»enlo»i--l.: 
.Irr k Aki.lmiK iltr »Iiiid 



und gelangte dann in meinen Besitz. Auch diente er bei 
karg melkenden Ktlhen, um den Milchnutzen zu fördern, 
indem man vor Sonnenaufgang den Milchstrahl durch 
seine OefFhung in die Gefässe fliessen Hess. Alle die 
zuvor erwähnten Objcete schenkte ich dem vaterlän- 
dischen Museum zu Prag, wo sie unter den Nummern 
136, 137 nnd 138 aufbewahrt werden. 

Teynicc-labska (Elbctcinie). Nicht fern von 
diesem zur Krondomaine Pardubic gehörigen Städtchen, 
befindet sich auf der sudöstlich gelegenen Feldflur 
na S värove ein heidnischer Begräbnissplatz mit bereits 
längst verflachten Grabhügeln, in deren Innerem man die 
gewöhnlichen Beigaben der Heidengräber: Holzkohle, 
Asche, Moder, l'mentrllmmer, Knoehenreste. Bronzefrag- 
mente n. s. w. auffand. Tagearbeiter, die mit dem Ebnen 
der dortigen Wiesen beschäftigt waren, zerstörten ans 
Unkeuntniss die meisten dieser Sachen. 

Bei meiner Anwesenheit daselbst im Jahre 1860 be- 
sichtigte ich na Svarovc und veranlasste, da*s ein d«rrt 
gefundenes unbeschädigtes kleines schwarzbraunes. 
1 Zoll 6 Linien langes, 2 Zoll 1> Linien in der Oeft'niing 
breites Thongefäss, dann -ein Fragment einer l 'nie, nebst 
einer Bronzenadel mit abgeplattetem Knopf und einem 
Bronzeringe dem vaterländischen Museum Ubergeben nnd 
dort unter den Nummern 100, 101, 585 und 586 auf- 
gestellt werden konnten. In derselben Zeit gelangte 
ich zur Kenntnis*, dass in dem von Kuttenberg 2 Stunden 
östlich gelegenen Pfarrdorfe: 

Zäbof, unfern Elbctcinie, ebenfalls Objecte aus der 
heidnischen Vorzeit zum Vorscheine kamen.' Ich säumte 
nicht, mich dorthin zu begeben. 

Zabof ist bereits in den Mittheilungen II. Jahrgang 
MaiheftS. 116 als uralter Kirchenort bekannt gegeben 
und dessen merkwürdige romanische Kirche mit ihrem 
köstlichen, leider durch eine dicke Kalkknistc verun- 
stalteten Portale , durch Herrn E. 0. Wocel sehr genau 
geschildert worden. 

In dem Hofe Nr. 11 fand ein Bauer bei einem 
Grundhaue l'raenscherben, von welchen sich ein be- 
deutender l'rnenraiul in den Händen des dortigen 
Üaplans P. Wenzel Wanek befindet. Derselbe Bauer fand 
dort auch zwei höchst primitiv geformte eiserne Schlüs- 
sel, einen stark oxydirten Sporn, das Fragment eines 
gebrochenen, vom Roste fast verzehrten Schwertes, und 
einen mit Pcrlmuttereinlngen versehenen Griff von einer 
unbekannten Waffe, nebst 16 Sttlck Silbergroschen aus 
der Hegicrungsepoche des Johann von Luxemburg 
(1311—1346). 

Alle diese Sachen Ubergab dieser unwissende Land- 
mann an Unberufene, die da vorgaben, sie dem Museum 
zu Übermitteln. 

Es bleibt noch zu bemerken, dass alle die hier er- 
wähnten AlterthUmer slavischen Ursprunges sind, weil 
die metallinischen Mischungsverhältnisse der gefun- 
denen Bronzeobjecte , bei welchen der Zinnzusat/, in 
grösserem Verhältnisse erfolgte, darauf hindeuten. 

Fram lieaetrh. 



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X 



Die älteste Abbildung von Triest. 



Der Dom zu Triest gehört bekanntlich zu den 
ältesten christlichen Bauten im puizen Kaiserthum 
Österreich , indem er schon im vierten Jahrhundert auf 
den Fundamenten eines Tempels der eapitoliuisehei) 
Götter gegründet wurde. Noch heute steht dieses alte 
Hauptschiff mit der Apsis, in welcher die zwölf Apostel, 
und Uber diesen die heilige Maria in Würfelmosaik dar- 
gestellt sind'. 

Im sechsten Jahrhundert baute man eine zweite 
Kirche ganz nahe hinzu und schinllckte die Apsis der- 
selben ebenfalls mit Mosaikarhcitcn, welche den Erlöser 
zeigen, zu dessen beiden Seiten die Schutzheiligen 
Triest's, nämlich St. Justus und St. Scrvulus angebracht 
sind, l'm das Jahr l.'tOO vereinigte man endlich diese 
beiden Kirchen dadurch , dass man zwischen ihnen ein 
grösseres Mittelschiff aufführte. Somit wurde die ältere 
Kirche zum linken Seitenschiff (nave di pietä), die 
spätere aber zum rechten Seitenschiffe (nave di San 
(Üusto), und in diesem zeigt sieh, wie schon angedeutet, 
das Mosaikbild des hciligeu Justus, welcher iu seiner 
Hechten eine Cypresse hält. 

Unter dieser Mosaik ist der heilige Justus noch ein- 
mal und zwar in Frese« dargestellt, der eine Art Mi»- 




rewahrt 



ilell der Stadt Triest auf der Hand trägt. Man 
auf dieser Abbildung den ältesten Thcil der heutigen 
Stadt Ja citta veechia). Oben zeigt sich der Dom mit 

• S. 4. Miill.riln'.fm 4rr Outr.-CoM. f. IM u *ul 



seinen drei Pforten und dem grossen Kundfenster, und 
daneben steht der vierseitige Campanilc, au welchem 
man noch jetzt mehrere antike Säulen wahrnimmt. Er 
galt in früherer Zeit ganz gewiss als der Beffroy des 
kleinen Tergestum, da man von ihm aus jede Annähe- 
rung eines Feindes gewahren konnte. 

Von ihm ziehen die crenaillirten Wallmauern herab, 
welche die Stadt umschliesscn und von neun viereckigen 
nach der Stadt zu offenen Thürmen vertheidigt werden. 
Nach unten, gegen den Strand zu, liegt der grösste Bau 
der Stadt, nämlich das Castell, mit einem Haupt- und 
zwei Nebenthoren und vier Thürmen. Die Häuser inner 
den Hingmaucru erscheinen alle ziemlich klein. Sie sind 
keineswegs in strassenähnliche Reihen gestellt, auch 
unterscheidet man unter ihnen keines, das sich durch 
irgend einen architektonischen Schmuck als ein Municipal- 
gebände oder i'alatium kennzeichnete. 

Das Castell ist in einem Parallelogramm angelegt. 
Ks hat links und rechts von dem Vor- oder Thorthurm 
crenuillirte Mauern mit Schiessscharten , von welchen 
letzteren sich an der linken Seite drei grössere, und an 
der rechten sechs kleinere betinden. An jeder Kckc des 
Castells steht ein Hochthurm, der westliche ist mit Zinnen 
versehen, während der östliche mit einem Dach gedeckt 
ist. Dieser Thann soll noch im vorigen Jahrhundert zum 
Theilc gestanden sein und eine, freilich sehr tnittel- 
mässige Abbildung desselhen in stueco findet sich an 
einem der Häuser, welche an der (!renze der ehemaligen 
citta vecchia stehen. Aus dein Mitteitheile der Burg 
erhebt sich der vierte Thurm. 

Es ist sehr zu hednuern, dass man bis jetzt noch 
aller schriftlichen Quellen entbehrt, um den vorliegenden, 
sowohl an und für sich als für die Geschichte des älteren 
Städtebaues höchst wichtigen Plan genauer detail liren zu 
können. Ein Plan von Triest, der um das Jahr 16IJO 
unter der Stadthauptmannschaft des Benvenuto Pctazzi 
aufgenommen wurde und aus dem man sich in Bezug auf 
das ältere Triest gewiss manchen Rath hätte holen 
können , ging leider gänzlich verloren , und man weiss 
nicht einmal ob derselbe blos geometrisch oder in der 
Vogelschau dargestellt war. 

Rosctti führt in seinen Annotationen zu Tomasini's 
Handschrift: „Tricstc ed i Triestini intorno al 16ÖO- 
an, dass ihm nachfolgende ftlnf Darstellungen von Triest 
zu Gesicht gekommen seien'. 

1. „Die Malerei in der Apsis des Hauptschiffes von 
San (Üusto, welche einen Heiligen vorstellt, der ein 
Modell der Stadt Triest in der Hand hält. Opera del 
secolo XV.« — (?) 

2. Die Ansicht von Triest vom Jahre 168'.» bei VaJ- 
vasor. (Ehren des Herzogthums Kraiu T. III, Taf. zu 
pag. 5980 

3. Eine Federzeichnung vom Jahre 1694, welche 
einer Handschrift des Dr. Pietro Rosetti in der Stadt- 
Bibliothek von Triest beigebunden ist. 

• V«*l L'Archen g r»In Trloltno Trk.w IW, T I, p. Iii 



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XI 



4. Das Bild in der Apsis mit dem St. Justusaltnr 
(von welchem oben der Holzschnitt gegeben wurde) und 

5. Der Plan der Stadt und des Hafens von Triest, 
in Kupfer gestochen um das Jahr 1725. (Den einzigen 
bisher bekannten Abdrark von dieser Platte besag» noch 
um da« Jahr 1828 die Familie der Costanzi zu Triest.) 

Vincenzo Scnssa gibt in seiner „Storia cronografiea 
di Triebe- (Triette 18G3, 4.) zum Cap. XI (pag. 19) 



eine Ansicht von Triest ans der Zeit r <|<iando Triestc 
fn onorata d'esser colonin dc ! Roinani- 4 , die so ziem- 
lich in das Bereich der Phantasie gehören dürfte, nml 
eine zweite vom Jahre 1500 (zu pag. 101), gleichfalls 
ohne eine Quelle davon anzuführen. Jedenfalls wäre es 
sehr wün schens werth , dass man sieh in der reichen 
Stadt, die sich „la tons-jours fedele" nennt, ernsten 
Forschungen Uber ihre frühere Gestaltung hingHhr. 



Correspondenzen. 

Über die Holzkirchen im Bordosten Ungarns. 



SwuhniÄr. «teil t?. Der. IRrt:. 

Es wurde vor einigen Jahren an die Ccntrnl-Com- 
mission berichtet, dass im ganzen Gross wardeiner Ge- 
biete vor Zeiten keine deutschen Colouistcti lebten und 
daher auch keine historischen Itandenkmnle derselben 
vorhanden seien, eine Kirche in Nyie-Bathor im Sza- 
bolcser Comitate ausgenommen. 

Spater, nämlich im Jahre IflftO, wurden aber einige 
interessante Daten und zwar nicht nur über eine, sondern 
Uber zwei gothische Kirchen , in dem genannten Markt- 
flecken geliefert. Es läiRst sich aber kaum denken, wie 
gross mein Staunen war, als ich bald darauf in das 
genannte Verwaltungsgebiet kam und nicht nur im Sza- 
bolcser, sondern vorzüglich im weitgedchnten Szathmä- 
rcr Comitate, ferner im Mittcl-Szolnoker, Marmaroser, 
Ugocsaer, Bercgher, l'nghvarer, Templiner und Saroscher 
Comitate viele, ja recht viele gothische und sogar roinnni- 
sche Kirehenbauten und höchst interessante gothische 
Holzkirchen fand , die bis jetzt Niemand beachtete und 
von denen nur Herr Architekt Lippert einige in der 
Eile abzeichnete. — Die Stadt Szathnuir wurde schon 
unter Stephau dem Heiligen durch bayerische Colonisten, 
die von der Königin Gisela nach Ungarn berufen wur- 
den, gegründet. Unter Geysa II. kamen, zu Anfang des 
12. Jahrhunderts, sogenannte Sachsen nach Ungarn und 
zwar vorzüglich in die Zips, nnd spUter nach Kasehau, und 
siedelten sich an den südlichen Karpathen, bis hinciu in 
die Marmaros, bis nach Nagybanya und nach Sieben- 
bürgen hinab an. Und wo sie sieh niedcrliessen, da er- 
bauten sie auch Kirchen, die grossentheils noch Uberall, 
bald mehr bald weniger erhalten, vorhanden sind und 
glänzende Zeugnisse ihres Kunstsinnes, ihrer hohen 
Religiosität und ihres lobenswilrdigen Cnltnrtriebes sind. 
Es waren nlimlieh auch in Ungarn die Deutschen die 
Arbeiter auf dem Felde der Cultur. 

Aber nicht nur dort, wo einst Deutsche wohnten, 
bestehen noch jetzt kirchliche Baudenkmäler , sondern 
auch in solchen Orten und in solchen Dörfern, die von 
I ngam bewohnt waren, denn «lie Handwerke waren 
in Ungarn beinahe ausschliesslich den Deutschen 
Uberlassen. Der durch seine Gelehrsamkeit bekannte 
DomherrUeorg Fejt 4 r, königl. Univcrsitatsbibliothekar 
in Pesth, gab vor mehreren Jahren ein treffliches AVerk- 
chen Uber den Cultureintiuss der Städte in Ungarn 
heraus ; aber sein literarischer Gegner Stephan von Hor- 



väth bemühte sich , ihn zu widerlegen, und alle dics- 
fitlligc Ehre den nngnrischen Prälaten zn vindiciren. Der 
letztere bedachte aber dabei nicht, dass die ungarischen 
Priilaten in den Gebieten der Baukunst, Bildnerei und 
Malerei nur durch deutsche Künstler nnd Handwerker 
etwas Rühmliches schaffen konnten. Alles was bisher von 
byzantinischem Wirken in Ungarn behauptet wurde, muss 
dem deutschen Bewohner Ungarns zum Verdienste ange- 
rechnet werden. Es ist wahr, dass der heilige Stephan 
auch Künstler aus Constnntinopcl nach Ungarn berufen 
harte, aber es lilsst sich unwiderleglich nachweisen, dass 
alle Bauten, die ihm zugeschrieben werden, nicht seiner, 
sondern einer spiiteren Zeit angehören '. 

Es kann demnach auch durchaus nichts nachgewiesen 
werden, was mit Recht den byzantinischen Künstlern 
zu verdanken wäre. Über den Einfluss des französischen 
Baumeisters Vilain, der von sich selbst schreibt, dass er 
unter Bela IV. r litngere Zeit" in Ungarn war, sind 
die Acten noch nicht geschlossen. Ob er die Kirche zn 
Zsambek nächst Ofen gebaut habe, kann noch nicht 
nachgewiesen werden. Die in Aussicht stehende Veröf- 
fentlichung Reiner Zeichnungsskizzen dürften vielleicht 
einige Anhnltspiinete liefern. 

Die Bnndenkniälcr der Zips und der Stadt Kaschnu 
fnnden bereits ihre Besehreiber in den „Mirthcilungen-. 
utid wir können insbesondere Herrn Merklas nicht ge- 
nug Dank fllr den rühmlichen Eifer zollen , mit dem 
er sieh der genannten Denkmäler angenommen hat. 
Aber Kasehau ist die ultima Thüle geblieben , denn öst- 
lich von Kasehau ist noch kein Archäolog vorgedrungen, 
obwohl eine Reichsstrnssc von Kasehau bis Mannaros- 
Szigeth und von da ein guter Fahrweg über Ugoesa 
nach Nagybanya und Sr.athmar bis nach Siebenbürgen 
führt, und sich Uberall an diesen Strassen herrliche 
gothische Kirehenbauten finden. Unter anderen wollen 
wir nur die grosse Kirche von Beregszasz nennen, die 
einst von deutschen Ansiedlern zu Ehren des heiligen 
Lampert gebaut und von aussen mit symbolischen Thier- 
figuren geziert wurde; ferner die Pfarrkirche zu Gross- 
Szöllös, wo die einstmalige zwcithUrmige schöne 
Frnnciscnnerkirehe in Ruinen liegt : dann die Kirchen zu 
Husth, Tecsö, Hosszumczö, Szigeth, Visk, Gynlat'alrt. 

• l«f flnill» I» „ m »I " Ii » v»n rii.ifkirrhiM. , v.n ilrr »l«r Thür-, f.- 
»ondrii. kUfh •»£[. 4»i .It Sutrum N»thf«litr I' e ( r r rttmi b.lo, -t«jt.iu uo.--, 
Ul«il».l>c vn» Mim 

b» 



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XU 



dann zuArdö, Matyfalü, Aranyos-Medgycs, Erdüd, Bei- 
tek, Varnlja n. s. w. Von der herrlichen Kirche zu Nagy- 
banya, die unter Ludwig den» Grossen gebaut wurde, stehen 
nur" noch der Thurm mit den Zeichen der Steinmetzen 
und ein Thcil eines herrlichen Portales, welches zeigt, 
wie grossartig nnd kunstvoll der Kau war. 

Vor 20 Jahren stand noch die ganze Ruine, man 
verkaufte sie aber fllr 3<X) fl. und zerstörte sie mit einem 
heinahe unerhörten Vandalisinus. Nächst Nagybanya fin- 
det »ich noch eine gothisehe Kirche inGirod-TYitfaln, und 
wie ich hörte, stehen auch noch Überreste von den Statuen 
der vierzehn Notbhelfcr, die einst das Seitenportal der 
Kirche zu Nagybanya zierten. 

Fünf Stunden von Szathmär liegt an der Krassna 
die einstmalige Klosterkirche der Klarissinncn zu Äkos, 
mit einem dreisehiftigen Langhaus ohne Kreuzgang, 
wie die Kirche zu Zsämbck im romanischen Styl aufge- 
führt und mit zwei ThUrmen geziert. Sie war einst dem 
heiligen Achatius geweiht und ist gegenwärtig im Besitze 
der Reformirten. 

Zwischen der Tbeiss nnd der Sznuios , dann 
zwischen der Szainos und Körös linden sich noch sehr 
viele alte Kirchen, die in mehrfachen Beziehungen sehr 
merkwürdig sind und besonders auch als Ziegelbauten 
unsere Aufmerksamkeit verdienen. 

Dass auf dem so eben berührten Terrain, das ist am 
Kusse der südlichen Karpnthcnahhänge , auch die 
Malerei mit Lust und Liehe gepflegt worden ist, da- 
von zeugen noch jetzt so manche Überreste von Wand- 
malereien, l uter anderen ist in Ardö die ganze nörd- 
liche Wand, die wie in den meisten alten Kirchen 
• dine Fenster ist, mit Votivmalereien bedeckt, die erst 
vor kurzem entdeckt wurden nnd noch ziemlich gut er- 
halten sind. Solehe Wandmalereien linden sich noch in 
dem Stifte der Prämoustrateiieer zu Coless, und man sah 
deren noch vor kurzem zu Helmecz, Csicseu, Manuaros- 
Szigeth und anderen Orten. 

Höchst beachtungswerth sind ferncrin dieserGegend 
die im gothischen Style erbauten , mit hohen, zahnsto- 
cherartigen Thtlmicn und vielen kleinen Thllnnehen 
gezierten Holzkirchen, deren ich bereits oben er- 
wähnte. In den r Mitthcilungen- < wurden vor kurzem die 
Holzhauten des Nordens erwähnt und im Jahrgang 
1858 i Aprilheft) von Ritter v. Wolfskron einige Holzbau- 
ten in Miihren, Schlesien und Oalizien beschrieben, aber 
diese Holzkirehen unterscheiden sich von denen in Un- 
garn, da diese, wie zuvor angedeutet, meist im gothischen 
Styl erbaut sind. 

Was Riehl in seinen r Cullurstudicn u von der Charak- 
teristik der KirclientbUrme Deutschlands so richtig sagt, 
findet seine Illustration auch in Ungnrn. l ud wer einst 
die Geschichte der Ctiltnr, welc he die Deutsehen nach 
Osten getragen und verpflanzt haben, schreiben will, 
ninss seine Aufmerksamkeit insbesondere den bisher 
kaum noch gewürdigten Kirchen nnd ThUrmen des ge- 
nannten Thciles von Ungarn zuwendeu. 

Zum Schlüsse nnserer Anzeige gelangt, empfehlen 
wir den Freunden des Alterthumes und der Cultnrge- 
schichte die Durehsnehung dieser Holzbauwerke um so 
dringender, als ihre Untersuchung bei dem gänzli- 
chen Mangel an Vorarbeiten nicht mehr lange aufgescho- 
ben werden kann, weil mnn bei uns, wie ich au vielen 
Orten hörte, keine solche Holzbauten mehr anfzufUhrcn 
versteht . und weil die bestehenden von Jahr zu Jahr 



verfallen und Steinhauten Platz machen. Unter anderem 
berichtet auch Herr Dr. Biedermann in seinem Werke : 
„Die Rnthenen Ungarns", dass in den Eperjeser 
und Unghvarerrathenisch-katholischen Diöccscn, in kur- 
zer Zeit sehr viele kirchliche Steinbanten aufgeführt wur- 
den, die alle an die Stelle von Holzkirehen traten. Es 
darf daher nicht gezögert werden , um diese Denkmale 
mindestens durch Schrift und Bild fllr die Kunst und 
Culturgeschichte zu erhalten, du sie selbst den Wand- 
lungen der Zeit und ihrem allumstaltenden Umschwünge 
verfallen sind. 

Übrigens kann ieh nicht umhin zn erwähnen, dass 
Herr Dr. Riedermann in seinem' erwähnten Werke, 
in welc hem er sieh mit besonderer Vorliebe der Rnthenen 
annimmt und Land und Leute auf das Genaueste be- 
schreibt, kein Auge, ja kein Wort fllr diese höchst interes- 
sante Holzkirehen hatte, obwohl er zum Ruhme der Ru- 
thenen anführt, wie viel Steinkirchen sie in der Neuzeit 
erbauten. 

Es ist aber auch wirklich sonderbar, dass in den 
vielen Beschreibungen Ungarns diese Holzkirchen nicht 
Einmal erwähnt wurden , nnd dass auch in dem 
neuesten Werke: „Bilder aus Ungarn" (Unter Mitwir- 
kung mehrcr deutscher Schriftsteller herausgegeben von 
V. Homyansky. Pest, lfÜ4) niemand dieser Holzkirehen 
gedachte, nnd keine derselben abgebildet wurde; wäh- 
rend doch anderseits Herr Architekt Lippert bemerkte, 
dass er staune , wie noch kein Landschaftsmaler auf die 
Idee kam, seine Landschaften mit solchen höchst origi- 
nellen Holzkirchen zu zieren. 

Äusserst auffallend ist auch noch die reiche Man- 
nigfaltigkeit, die sich in diesen gothischen Holzbauten dar- 
stellt. Endlich muss ich noch anmerken, dass die römisch- 
katholische Neutrner Diöcesc ebenfalls sehr viele Holz- 
kirehen besitzt, die ieh aber nicht gesehen habe und von 
denen ich auch nicht sagen kann, ob sie im gothischen 
oder im Zopfstyl erbaut sind. Unter der grossen Kniseriii 
Maria Theresia, deren unsterbliche Verdienste um Ungarn 
noch bei weitem nicht genug gewürdigt sind, wurden 
aus der Gegend von Ginnnden und Ischl Familien von 
Holzlcntcn in die Marmaros , namentlich nach Dcutscb- 
Mokra, Königsfeld, Dombn, Rahö, Visö und Körös- 
Meztt verpflanzt, nm das Klansenwcsen und Holzflössen 
zu betreiben. Nun wurden auch von diesen Ansied- 
lern Holzkirehen erbaut, doch nicht mehr im gothi- 
schen, sondern im Zopfstyl, wie es unter anderen die 
noch gut erhaltene römisch-katholische Holzkirche in 
Dcutseh-Mokra beweist. 

Auch darf nicht mit Stillschweigen übergangen 
werden, dass es bei nns Steinkirchen gibt, die mit 
den oben bezeichneten , hohen , zahnstocherartigen 
ThUrmen prangen, wie z. B. einer die Pfarrkirche zu 
Ischl ziert. Diese Steinkirchen sind aber heut zu Tage 
Eigenthnm der Reformirten, nachdem die, der griechischen 
Kirche angehörigen Rnthenen und Rumänen erst in der 
Neuzeit anfingen Steinkirchen aufzuführen. 

Aus diesen nur fluchtig geschriebenen Zeilen erhellt 
zur GenUge, welche reiche Ausbeute die vaterländische 
Archäologie noch in Ungarn zu hoffen hat. Leider ist 
hier durchaus kein Künstler aufzutreiben , der die be- 
rührten Kirchenbauten und Wandmalereien auch nur 
halbwegs zu copiren im Stande wäre. 

Mirhael Uaaa, 

Ul.rhM 



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xm 



Die neuesten Ausgrabungen in Laibach. 



Die zahllosen alten Münzen und fielen sonstigen 
Anticaglien, die in Krain bereits da und dort zufällig aus- 
gegraben wurden , beweisen , wie viel davon wohl in der 
Erde verborgen liegen mag, doch leider, dass wir warten 
müssen, bis eben der Zufall etwas von jenen noeh ver- 
borgenen historischen Sehatzen zn Tage fördert. 

So verdanken wir der Grabung eines Abzugcanales 
längs dem Haupt- und respective l>omplatze in Laibach, 
welche im August 1863 stattgefunden hat. eine ftlr die 
ältere Geschichte wichtige Entdeckung, indem man hier 
auf eine römische Wasserleitung stiess, von der man bis- 
her keine Ahnung hatte; ja man hielt bis vor Kurzem so- 
gar dafltr, dass am rechten L'fer der Laibach nie eine 
römische Ansiedlung bestanden habe. Jetzt nber wurden 
in der ganzen Länge des Domplatzes vor der Kathedral- 
kirche, vom Hause Nr. 29« bis 309 wohlcrhaltcne irdene 
Wasserleitungsröhren vorgefunden, deren eine 15 Zoll 
Länge, vorne im Durchmesser 2 Zoll 3 Linien, hinten aber 
von 3 Zoll 4 Linien misst. Diese Höhren waren eine in 
die andere eingefügt, und so zu sagen hermetisch anein- 
ander geschlossen, ohne eben verkittet zn sein, so dass 
sehr leicht eine aus der andern herausgezogen werden 
konnte. Die Köhren lagen in der Kichtang vom Schul- 
platzc gegen das Magistratsgebände am Hauptplatzc, 
und zwar, je naher dem Magistratsgebäude, nm so näher 
der Oberfläche der Erde, so dass die letzten heraus- 
gehobenen Köhren sieh kaum zwei und ein halb Schuh 
tief befanden; es waren jedoch dieselben nicht die 
äussersten, und müssen deren in dieser Richtung noch wel- 
che in der Erde liegen, so wie man auch am entgegenge- 
setzten Ende gegen den Schulplatz, wo mit der Canalgra- 
bung abgebrochen wurde, die Fortsetzung dieser Wasscr- 
loituugsriiliren sehen konnte. Diese Fortsetzung führt 
höchst wahrscheinlich nber den Schulplatz, dann Uber 
den Jahnnarktplatz und um den Schlossberg zum Gru- 
ber sehen Canal , bei dessen eben stattfindender Vertie- 
fung Behuf» der Entsumpfung des Laibnchcr Moors, man 
ebenfalls auf ähnliche, der Stadt zugekehrte Köhren stiess, 
nnd sollen deren, wie man jetzt erst aus dem Munde eines 
Maurers erfährt, schon vor Jahren bei Anlegung der, jen- 
seits des Gruber'schcn ( anals am Golove-Kerge liegen- 
den Hradctzky-Vorstadt vorgefunden worden sein. Es 
ist zu bedauern, dass es an Mitteln fehlt, uro in der an- 
gezeigten Richtung weitere Nachgrabungen im Interesse 
der Wissenschaft vornehmen zu könuen, gleichwohl dürfte 
es so zu sagen constatirt sein, dass vor Jahrhunderten 
eine Wasserleitung vom Golove- Berge nach der alten 



Stadt, die auf dieser Stelle stand, bestanden habe, mag 
es nun Aeraona gewesen sein oder nicht. 

Die Thonmasse sowohl als der ausgezeichnete Brand 
und die Form der Köhren lassen keinen Zweifel übrig, 
dass dieselben der römischen Periode angehören. Auch 
ist es bekannt, dass man in vielen andern alten Städten 
Thonröbreu fand, die zu Wasserleitungen dienten , denn 
die klugen Körner zogen dieselben den metallenen 
und hölzernen Röhren vor, weil jene, nämlich die thöner- 
nen Röhren , wenn sie sorgsam angefertigt nnd der 
Zerstörung von aussen nicht ausgesetzt sind, durch 
Jahrhundertc sich erhalten. Auch sind neben der eben 
entdeckten Wasserleitung an verschiedenen Stellen 
gleichzeitig einige andere römische AlterthUmcr vorge- 
funden worden, als: Särge von verschiedener Grösse 
ans Thonziegel geformt, wie deren einer von 21 Zoll 
3 Linien Länge und 16 Zoll 2 Linien Breite dem histo- 
rischen Verein ftlr Krain Ubergeben wurde , dann Grnb- 
lampen, irdene Geschirre und Münzen. In den von den 
Arbeitern leider zerschlagenen Särgen fand man Men- 
schenkuoehen , und zwar einige sehr grosse, und in 
dem einen kleinen Sarge Thcile eines Kopfes mit ganz 
gut erhaltenen Kinderzähnen ; Zähne widerstehen be- 
kanntlich am längsten der Zerstörung und erhielten 
sich, wie Plinius sagt, sogar iu den Sarkophagen 
aus jenem leichten, schwammigen Steine, welcher die 
übrigen Knochen der laichen binnen 14 Tagen ver- 
zehrte. Eine wohlerhaltene irdene Grablampe, die mau 
am Domplatze ausgrub, trägt am äussern Boden die 
Buchstaben CDESSI, worin der Name des Töpfers, 
der sie verfertigte, zu suchen sein mag. Zwei Töpfe, 
die an das hiesige Museum abgegeben wurden, ein 
grösserer und ein kleiuercr, haben dlo gewöhnliche 
heuttägige Topfform, zwei andere, aus den von den 
Arbeitern herausgeworfenen Bruchtbeilen , so weit es 
ging, zusammengestellte Töpfchen , haben die niedliche 
Gestalt der derzeitigen Milehtöpflcin aus Porzellan 
von '/, Seitel Gehalt, jedoch ohne Henkel, und haben 
dieselben von Aussen bis Uber die Hälfte gekerbte 
Streifen. Von den Münzen, die daselbst gefunden 
wurden, soll eine ein Constans und eine zweite ein 
Galienns gewöhnlicher Art sein, eine dritte Münze aber, 
die man aus Gold vermeinte, wurde durch Feuer derart 
zerstört und unentzifferbar gemacht, dass es sich nur ver- 
muthen lässt, sie sei ein Nero. Dem Schreiber dieses ist 
es nicht gelungen, eine der amDoniplatze vorgefundenen 
MUnzen zu Gesicht zu bekommen. Dr. H. Cotta. 



Besprechungen. 



Loredan Larchey. Origines de rArtülerie francaise. 



itti du XIV 



ft da XV" 



i\ l'irl» IBM, l>. (J«s PUnthei ) 



In Frankreich hält man das Studium der Geschichte 
der Artillerie für sehr wichtig, denn tüchtige Xenenuigeu 
können nur aus der genauen Kcnntniss des Alten her- 
vorgehen, und aus diesem Grunde mochte sich auch der 
jetzige Kaiser der Franzosen bewogen gefunden haben, 



sein allgemein bekanntes Werk Ober die Artillerie zu 
verfassen , wobei derselbe bis auf die ältesten Wurf- 
maschinen, die Pleidcn, Tummcrcr n. s. w. zurückging, 
deren auch Fnv6, Viollct-Leduc u. a. ausfürlich erwähnen. 
1-archey's vorliegendes Werk schliesst sich an jene 



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XIV 



Arbeiten an, un<l bringt viele Rehr interessante Ergän- 
zungen nnd ErlKutemngen. Die Quellen, an* welehen 
Larchey schöpfte, sind nebst den Werken des Froissard, 
de« Valturi und des Paulus Sanctinus, von denen die 
kais. Ribliotliek sin Paris Handschriften besitzt, haupt- 
sächlich alte Mannseripte in den verschiedenen Biblio- 
theken Frankreichs, der Schweiz nnd Belgiens, und 
können daher wohl als echt angenommen werden. 

Es ist begreiflich, das« das Auge des Beschanors 
zuerst die ältesten Geschütze anfsneht. Es findet hier 
(Table 48) die Bombarda eerbotana oder die 
geschwänzte Kanone nnd (Table 67, ff.» die Scopetta 
«der Bernharde portative , welche beide der Verfasser in 
das XrV. Jahrhundert setzt, was indessen jedenfalls 
etwas zu frllh »ein dürfte, wie auch das Costünie der 
hinzu gezeichneten Figuren andeutet, welche bereits 
Plattenhamischc haben. Die Cerhotane ( das Wort scheint 
verwandt mit. Sarbaeane, Blaserohr) ist kurz, hat noch 
Ähnlichkeit mit einem Morser, endet aber rückwärts in 
einen langen dünnen Schwanz, der dann dient, das Bohr 
zu richten, d. h. zu heben oder zu senken. Man findet 
diese Cerbotanac auf Zapfen ruhend oder in einer (inbel 
liegend, und bald nnr auf einem Ifosten, bald auf 
einem vierräderigeu Wagen befestigt, der dann zuweilen 
auch einen Schutzmantel (Mantelet) hat, hinter welchem 
sich der Cerbotanist verbergen konnte. 

Die Scopetta, wie ihre Benennung nndentet, wahr- 
scheinlich aus Italien stammend, ist eigentlich ein lland- 
geschütz, das man auch zu Pferde führen konnte. Sic ist 
ähnlich gestaltet wie die Oerbotane, nur kleiner, ihre 
Queue ist nicht gekrümmt, sondern gerade, nnd sie ruht 
in einer eisernen Gabel, die von dem Sattel des Pferdes 
aufsteigt. Die Scopetta geht im XV. Jahrhundert in die 
Bombard eile Uber, von welcher der Verlasser (T. 20, 
CD. (zwei aus Fave/s Werke hringt, die einst Karl dem 
Kühnen gehört hatten. Sie haben schon mehr die Formen 
ganz kleiner Kanonen oder Böller, und sind mittelst 
Eisenhändern an einen hölzernen Löffel Itcfestigt, dessen 
Stiel zur Handhabe dient. Verwandt mit den Bombardel- 
les sind die Conlevri nes (Schlangenbllehscn\die sich 
von jenen durch ihr langes Bohr, das kleinere Kaliber 
und dadurch unterscheiden, dass sie nicht in einem 
Löffel liegen, sondern dass die Hilze rückwärts am Stoss, 
in Form einer Stange angebracht ist. Es gibt Handcou- 
levrinen und (T. 70) Standconlevrinen . welche letztere 
bei der späteren Ausbildung der Laffctten in die oft 
genannten SchlnngenbUchsen, Serpentinen u. s. w. des 
XVI. Jahrhunderts Übergingen. Table 6 zeigt zwei Miche- 
lets. die bei der Vertheidigung von Mont Saint-Michel im 
Jahre 1423 gebraucht wurden. Sie sind aus Eisenstangen 
geschmiedet, geschweisst und mit Eisenringen nmfnsst '. 

• <:«»« »kulleli *l,rt«r r r(.,Mliirkl.ch»llSr».rliolUf.^"k,k, A™o«l.. *,r 
rrlllrh rl.i«T»lel»pSlrrfnZrll»nj;eli3«ui.4»tfUHli.ir>vrnc^.rodPr«nil.tli .1. 



Die Tafeln 57,58, 50 und 63 zeigen R i b a u d e q u i n s 
oder gekuppelte Kanonen ans der zweiten Hälfte des 
XV. Jahrhunderts, als man nämlich schon auf den Ge- 
danken gekommen war, schneller nach einander feuern 
zu können, und dcsshalb zwei , drei bis sechs Bombar- 
dellen auf demselben Tragblock anbrachte, der entweder 
unbeweglich, oder wenn die Bombardellen in einen Kreis 
gestellt wurden, drehbar war. Die Tafeln 60 nnd 64 
bringen Rihaudcquins anf Bildern mit Lanzen und 
Sicheln besetzt, und einen Mantelet roulant mit vierOou- 
levrinen, zwischen denen Lanzen und Stangen stecken, 
an welchen letzteren Feuerballen angebracht sind. Ob 
derlei Maschinerien, die man häufig in Hnndschriften des 
XV. Jahrhunderts, besonders in Erläuterungen des Ve- 
getius findet, wirklich in Gebrauch oder mehr ein Spiel 
der Einbildungskraft eines kriegerischen Theoretikers 
waren, dürfte bisher noch nicht genügend zn entscheiden 
sein ; jedenfalls zeugen sie aber von dem Eifer, mit wel- 
chem man sich in jener Epoche auf die Belagernngskunst 
verlegte. 

Die nachfolgenden Tafeln bringen Hebczenge, Pul- 
verwiigen, Munitionskästcn , Kanonenschirme, Katzen 
und Batterien von zwei und mehreren Kanonen, und am 
Schlüsse erscheinen die Siegel: 

des J o h a u n v o n L v o n , Meister der Artillerie von 
Frankreich 135H, 

Jean Petit's. Obermeister der Artillerie im J. 141«, 
des Louis de Crussol, Artilleriemeister im .1. 1460, 
des Gaspard Bureau, nnd des Jehnn Bureau, 
dessen Bildniss nach einein Stich von Grignon hei- 
gegeben ist. 

ferner jenes des Tristan l'Hermite, welcher 
1436 Artillericmeister wnr. und mehrerer Anderer. 

Die Tafeln sind nach den Originalen nntogmphirt 
und anf Stein übertragen. Das wunderliche Titelblatt, 
welches eine Bclagerungsmnschinc in der Gestalt eines 
Drachen vorstellt, der in seinem Bachen eine Kanone 
und in seiner Brust ein Ansfallsthor mit einer Leiter 
nebst zwei anderen Kanonen hat, ist aus dem Werke des 
Vnltnri (Ausgabe vom Jahre 1472) genommen, nnd 
gehört unzweifelhaft zu jenen Phantasmen, deren früher 
erwfthnt wurde, zn denen gewiss auch die Bombard c 
a coude oder die „Kanone Uber Eck" gehört, in 
deren aufrechten Tubus das Projectil, in deren wag- 
rechten Lauf aber die Ladung gebracht werden sollte. 
Dürfte man auch wünschen , dass solche Sonderlich- 
keiten ganz aus dem Bereich der eigentlichen Wissen- 
schaft gestrichen würden, so hnben sie doch wieder 
etwas negativ l'nterrichtendes und mögen daher 
mit hingehen. Im Ganzen bleibt alter Larchey's Werk 
von grossem Interesse nnd ist jedem, der sich mit dem • 
Studium der älteren Geschtltzkundc beschäftigt . von 
Wichtigkeit. 



William Howitt, „Ruined abbeys and Castles of Great Britain and Ireland". Second Series. 

I.»lHon. mi V (Vit M.»n.«r«|.iii™.) 



Jedermann, der sieh mit der Archäologie des Mittel- 
alters beschäftigte, kennt die eben so schönen als gross- 
artigen Burgen- nnd Abteien - Ruinen des fröhlichen 
Englands. Das vorliegende Buch, eine Fortsetzung der 
im Jahre 1863 erschienenen ersten Serie, spricht 
wieder lebhaft für diese Denkmale, die aber auch, freilieh 



nur in England, mit solcher Liebe und Sorgfalt gepflegt 
und erhalten werden, dass man deutlich ersieht, wie viel 
ihr Besitzer darauf hält sie sein Eigen zu nennen, und 
wie er sich durch sie stets an die Geschichte seines 
Vaterlandes — seinen grössten Stolz - erinnern lässt. 
Ja er pflegt, wie seine alten Bäume, auch den Lpheu, der 



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x\ 

diese alten Mauern umranke, und schirmt ihn vor uuge- 
wcihtcii Händen. 

Die erste der uns hier vorgefllhrteu Ruinen sind die 
von Kenilworth-CaBtle , dem einstigen Prachtbau, der 
fasst ausschliesslich von Personen des königlichen Hauses 
und ihren Günstlingen bewohnt wurde, und dessen ur- 
sprüngliche Entstehung weit hinauf in die altsfiehsischcn 
Tage reicht. Zur Zeit der Normannen kam es in den 
Uesitz des Kronvasallcn Optone und unter Heinrich I. 
besass es Gottfried von Clinton, der es, so wie das nahe- 
bei liegende Kloster aufs Neue erbaute, und von dem es 
dann in den Besitz der Krone gelangte. Doch dürfen wir 
die Geschichte Kenilworths als bekannt genug annehmen, 
um ihrer weiter erwähnen zu sollen. Die beigegebeuen 
Photogramme geben eine Hauptansicht des Schlosses 
vom Brook aus , dann die Ruinen der Bankctthallc mit 
riesig hohen, gedrtlckt-spitzbogigen Fenstern und den, 
reich von Epheu umschlungenen Mcrvins-Thurm. 

Der zweite Abschnitt betrifft das an der Nordwest 
ktiste von Wales liegende Castle of Caernarvon, welches 
wie Beaumaris und Conway, unter Eduard I. seine Ent- 
stehung fand. Es liegt unmittelbar am Meer und zeichnet 
sich uächst dem mächtigen achteckigen Kiugangsthunu 
noch durch vier andere sehr hohe, schlanke Thllnne aus. 
Von da fuhrt uns der Autor an die Küste von North- 
hnmberlnnd zu den Ruinen der Priory of I.indisfamo, die 
sich auf der sogenannten „heiligen Insel- 1 befinden, und 
nicht nur wegen ihrer Ausdehnung, sondern auch wegeti 
ihres hohen Alters das grösste Interesse erregen. Zwei 
Gegenstände sind es hier vorzüglich, welche die Auf- 
merksamkeit des Beschauers in Anspruch nehmen, näm- 
lich der Jtainbow-Arch" , der in bedeutender Höhe und 
Weite von dem nordwestlichen zu dem südöstlichen Eck- 
pfeiler hinüber gespannt ist und wegen seiner Schlank- 
heit den obigen Namen erhielt, und das Bogcnthor aus 
den Tagen der Normannen mit seinen edlen Fonneu und 
den eigenthllmlichcn Zickzack - Zierrnthen an deu 
Bögen. Auch die Tynemonth Priory (pag. 04) wurde 
in der sächsischen Zeit gegründet ; allein ihre Überreste 
bestehen nur mehr aus zwei, im rechten Winkel an ein- 
ander stossenden sehr hohen Mauern der einstigen 
Kirche, woran jedoch minder die Zeit als das räuberi- 
sche Hinwegnehmen der Steine (dilapitation) Schuld trägt. 

Des weiteren wird der Leser an die Küste von 
Vorkshire zur Abtei von Whitby geführt. 



r If c'cr to Whitby's silver Strand 
Thy pilgrim Steps have strayed- 4 etc. 

sagt die Ballado von der heiligen Hilda, von dieser einst 
prachtvollen Abtei, die sich eben so schön vom Lande 
aus als von der See her darstellt, obgleich sie sehr ver- 
lallen ist, wie denn auch der Mittclthurm erst im Jahre 
183U zusammen stürzte. Die noch vorhandenen Fenster 
im Spitzbogenstyl sind in breiten Formen angelegt und aus 
grossen Steinen zusammengesetzt. Die nächstfolgenden 
Photographien (p. D2 und {>(!) zeigen das Östliche Fenster 
und die Westfronte der Nctley Abbey, von wclchor sich 
leider weder Jahrbücher noch andere Documenta vor- 
finden. Doch zeugen die schönen und reinen Formen des 
hier angewendeten Spitzbogcnstyles von der besten 
Epoche dieser Bauweise, die später in England dun h 
das „ogivale llamboyant 1 ' eine so eigentümliche 
Wendung einschlug. 

Hursliuonceux Castle, zur Zeit König Heinrich VI. 
erbaut, ist vermuthlich der älteste Ziegelbau in ganz 
England, und das Photogrnmm <p. IOJ) zeigt das von 
zwei HalbthUniien beschützte Eingangsthor desselben. 
Von du gebt der Verfasser zu den Ruinen der Croyland- 
Abbey, welche einst eine der mächtigsten und wichtig- 
sten Abteien des Landes war; ferner zu den Ruinen der 
Priorei von Castleacre in Norfolk, die sich durch den 
Rundbogcuslyl und durch die Eurethmie aller ihrer Ver- 
hältnisse auszeichnet; dann zu dein Schloss von Rich- 
mond, zur Abtei von Byland, zur Abtei Jedbnrgh . deren 
westliches Thor so wie die südliche Pforte ans den Tagen 
der Normannen herstammen und von merkwürdiger 
Schönheit sind, des weiteren zur Dryburgh Abbey, und 
führt den Leser sodanu nach Tipperary in Irland zu 
dem r Rock of Cashel-, einer mächtigen Vcstc mit einer 
Kathedrale und einem ungewöhnlich hohen Rnndthumi. 
Den Beschlnss machen die Ruinen der Abtei zum heili- 
gen Kreuz in Tipperary und des Schlosses Cahir, 
beide gleichfalls in Irland. 

Diese zweite Serie bringt denselben angenehmen 
Eindruck hervor wie die erste , und ist eben so lehrreich 
in Bezug auf Kirchen- und Burgenbau in England, wie 
jene. Auch die Photographien lassen, obwohl sie nicht 
gross sind, wohl kaum etwas zu wünschen übrig, wie 
denn das ganze Buch mit engländischer Vorliebe aus- 
gestattet und der Text mit grosser Kcnntniss verfasst ist. 



D. van der Kellen. Nederlands-Oudhden. 



Der Autor, Mitglied der Akademie der bildenden 
Künste und der Alterthums-Gcnossenschaft zu Antwer- 
pen, vereinte auf diesen 97 Blattern eine ansehnliche 
Zahl von mittelalterlichen Gegenständen, die sich in den 
verschiedensten Sammlungen Hollands zerstreut befinden. 
Man trifft hier Leuchter, Becher, Trinkschalen und 
Trinkhönier; kleine Kistchen, Stühle, Hcroldsstäbe, Gil- 
denzeichen, Metall- und Holzfiguren u.s.w., von welchen 
allen wir nnr die Interessantesten hervorheben wollen. 

Das älteste dieser Denkmale ist wohl (Taf. 79) das 
Crucifix aus dem XI. oder XU. Jahrhundert", welches 

• Ai.tl. Im .Allctmtli» K»»>l- «u lM\trba4t- ISO«. Sr. 1, t»r«lt> bo- 
apricbtu, .rmgltkli i.lfiil rl>-kt|. 



aus der Kirche von Gorinchem stammt und sich im 
Besitz des Pastors der Liebfraucnkircho vor dem Wcis- 
senfranenthor zu Utrecht befand. Es ist aus Rothkupfer 
verfertigt und konnte sowohl als Altar- denn als Trage- 
kreuz gebraucht werden. Wie die meisten dieser alten 
Crucifixe, ist auch dieses gegossen und ciselirt und an 
der Rückseite mit gravirten Ornamenten verziert. Die 
Krone, welche der Heiland auf dem Haupt hat, so wie 
das reich verzierte Lendentuch deuten darauf hin , das» 
Christus hier als .König" vorgestellt werden sollte. Die 
Enden der Kreuzesarmc sind viereckig erweitert, und 
von dem Felde des obersten Endes kommt ober den 
Buchstaben I. N. R. I. eine segnende Hand herab. Die 



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XVI 



Rückseite des Kreuzes ist tief und breit gravi«, zeigt in 
der Mitte das Lamm Gottes und an den Kreuzesenden 
die vier Zeichen der vier Evangelisten von Kreisen ein- 
geschlossen. Dass Zeichnung und Proportion der 
Fignr Christi sehr schwach seien, begreift sich bei dem 
hohen Alter der Arbeit wohl von selbst , dennoch liegt 
aber im Angesicht des Heilands der tief empfundene 
Ausdruck des Leidens. 

Der nHebstaltestc Gegenstand ist eine Rciter- 
statnettc von Bronze ans dem Anfang des XIII. Jahr- 
hunderts und im Besitz des Jnnkers J. P. Six zu Amster- 
dam. Der Reiter ist in einen Ringpanzer (Kettinghemd) 
gehüllt, Uber welches der Waffenrock gezogen ist. Er 
tragt auf dem Kopf einen Sturzhelm mit schmalen Angcn- 
spalten und auf demselben zeigen sich als Zimier zwei 
gegen einander gebogene BUffelhürncr. In der Rechten 
mochte die Figur einst eine Lanze gehalten haben, 
mindestens deutet die Haltung der Hand darauf hin. Die 
linke Hand führt den ZUgel. Das Pferd ist ungepanzert 
und ohue Raveiten, die Hinterftlsse sind abgebrochen. 
Am Brnstricmen sind vier Ringe angebracht, in denen 
einst Schellen gchMngt haben mochten. Die Arbeit 
erinnert an die alten Schachfiguren. 

Für dns CostUme der zweiten Hälfte des XV. Jahr- 
hunderts wichtig sind die zehn Figuren aus Erz, welche 
auf dem Gitter des Gerichtshofes im alten Stadthause zu 
Amsterdam standen und bei dem Brand desselben (im 
Jahre 1(552) gerettet wurden. Sie stellen vor: 
Die Gräfin Ada, Philipp den Guten, 

König Wilhelm n., Michelle von Frankreich, 

Johann II. von Avesnes, dessen erste Gemahlin, 
Kaiser Ludwig V., Isabella von Portugal, des- 

Margarethe , dessen Ge- sen dritte Gemahlin, und 

mahlin, Maria von Burgund, 

Wilhelm III., 

und haben abwechselnd eine Höhe von 55 bis 58 Ccn- 
timetres. An diese Statuetten schliessen »ich vier andere 
von Holz geschnitzte und tlberbronzirte, fast nochmal so 
grosse an, welche Wilhelm VI., Jakobca von Bayern, 
Philipp von Burgund und Isabella von Portugal vor- 
stellen, wahrscheinlich aber Copicn nach bronzenen 
Originalfiguren sein dürften. 

Kirchliche Kronenleuchter (Kerkkroonen) fin- 
den wir drei abgebildet. Zwei davon stammen aus dem 
XV., der dritte aber ist von später Arbeit und gehört dem 
XVII. Jahrhundert an. Der eine der ersteren (Taf. 37) 
ist ein Eigenthum Seiner königl. Hoheit des Prinzen 
Friedrich von den Niederlanden, und war früher in einer 
Kirche zu Gouda. Er ist 73 Centimctres hoch, niisst 
50 Centimctres im Durchmesser und hat in zwei Reihen 
zwölf Lcuchtcrarmc , welche das oben angebrachte 
Standbild der heiligen Maria mit dem Jesuskinde im 
Kreise umgeben. Der andere Kronleuchter (Taf. 27) 
gehört dem Herrn B. te Gempt zu Amsterdam und wurde 
im Jahre 1857 bei der St. Peterskirche im Haag ausge- 
graben, wo er, wahrscheinlich bei der Plünderung 
Haags durch den Marsehall vonRossum, versteckt wurde. 
Er hat sechs Lcuchtcrunne nnd oben das Standbild der 
heiligen Maria (ohne Jesuskind) von Strahlen umgeben. 
Der dritte Kronleuchter (Taf. 94) ist in dem Geschmack 
gearbeitet, wie man derlei Lustres auf Kirchenbildern 
von Neefs u. a. vorfindet. 

»J«-tr»f ». R. V. Ftrrtr. - I>r»ik lt. 



Merkwürdig sind auch die hier abgebildeten 
Herolds- und Botenstttbe und die Stühe für die 
Gilden kön ige. So zeigt Taf. 10 den Stab ftlr den 
König der St. Sebastiansgilde. Dieser Stab ist aus 
Elfenbein geschnitten und sehr reich mit Silber orna- 
menrirt. Taf. 15 zeigt den Stab der St. Georgsgilde, wel- 
cher aus Palisauderholz gemacht und mit Goldreifen 
und Edelsteinen geschmückt ist. Taf. 39 bringt die 
Botenstäbe der Städte Arnhein und Ticl, nnd Taf. 40 
und 41 zwei Botenstabe von Zutphen, die alle sehr 
schlank gehalten, geschmackvoll verziert und im XVI. 
Jahrhundert verfertigt wurden. 

Am reichsten sind die Trinkgcfässo vertreten; 
das Kltcstc derselben ist wohl das schwarze Trink- 
horn der Sehiffergildc von der heiligen Anna (Taf. 20). 
Es trägt auf dem silbernen Einfassungsring die Jahres- 
zahl 1369 und die Worte: 

„Wetct giiedc manne, dit herne hoert de Rinshih- 
per» vant Sant Anne". 

Es hat als Stander zwei silberne Oreifenklaueu und 
endet an der Spitze mit dem Kopf eines l'ngethüms. 
Das Trinkhoro der St. Selwstiansgildc (Taf. 9) ist aus 
einem Büffelhorn gebildet, mit Silberornamenten verziert 
und im Jahre 1565 verfertigt. Dns Trinkhorn der St. 
Georgsgilde oder der Bogenschützen, ist ganz aus Silber 
getrieben und stammt gleichfalls aus dem XVI. Jahr- 
hundert. Ein viertes Trinkhorn gehörte der HakenschUt- 
zcngildc (Kloveniers-gild) zu Amsterdam und durfte 
sammt dem dazu gehörigen Collier aus derselben Epoche 
Btammen. Unter den übrigen Trinkgefässen zeichnet sich 
ein sogenannter Doppclbecher (Dubbelbeker) von 
der Stadt Zwolle aus, dessen Dekel wieder einen Becher 
bildet. Er scheint indessen nicht von holländischer, 
sondern von deutscher Arbeit zu sein, denn das eine der 
darauf befindlichen Wappen zeigt den deutschen Adler 
mit der Kaiserkrone und das andere die mailändische 
Schlange mit einer Königskrone. Der Becher stammt 
aus der Zeit Maximilians I. Taf. 38 zeigt eines der 
unter dem Namen r Han»jc in den Kclder a (Hans im 
Keller) bekannten Trinkgcfässc, die hauptsächlich dann 
zu Toasten (Heildronkcn) benutzt wurden, wenn die 
Frau des Hauses guter Hoflhung war. Es hat im Grunde 
der Trinkschale eine kleine Wölbung, unter der die 
Figur eines Kindes versteckt war, welche durch einen 
eigenen Mechanismus aufsprang sobald der Becher 
ausgetrunken wurde. 

Endlich sind noch die Stürz ebec her (Stoortc- 
beker) (Taf. 9, 26, 47, 48 und 92) zu erwähnen, die 
nach jedesmaligem Einschenken sogleich geleert werden 
mussten, weil sie keinen Fuss oder Stander haben. Eine 
besondere Abart derselben sind die Mühlenbechcr 
(Molenheker) (Taf. 47 und 48), welche eine Windmühle 
darstellen, in deren Innerem ein Uhrwerk angebracht ist, 
das sich, wenn der Wein eingeschenkt wird, alsogleich 
in Bewegung setzt und den Trinker nöthigt , dns Gcfäss 
schnell auszutrinken, da er sich sonst mittelst einer, 
seitlich an dem Becher angebrachten Röhre, aus welcher 
der Wein Uberströmt, beschütten würde. 

Die Tafeln sind von van der Kellen eigenhändig in 
malerischer, aber charakteristischer Weise radirt, und 
dienen ganz besonders zu Vergleichen ähnlicher Geräthe 
und Gefässe. 

k k Hof d t<**fJr~.k.„, 1.. W, t, 



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XVII 



Die Kanzel der alten Stiftskirche in Heidingsfeld. 

Die prachtvollen Kanzeln der gothischenArchitectnr, an die Prcdigtstühle de» St. Stephansdomes in Wien, 
welche sich noch in Osterreich und [Deutschland erhalten der Pfarrkirche in Braunau am Inn, der Stiftskirche 
haben, verdienten gewiss eine ehen so umfassende St. Zeno hei lleichenhall , des Domes von Rcgenshurg. 




n* i 

Beschreibung und Würdigung, wie sie kürzlich den des Münsters von Ulm u. s. f. Für jetzt erlaube ich mir 
Choratflhlen durch den zu früh uns entrissenen hier nur einen kleinen Beitrag zur künftigen Geschichte 
O. Itiggenhach zu Theil geworden. Ich erinnere nur der Eutwickelung des Prcdigtstühle* zn geben, indem 



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xvni 



ich auf eine bisher unbekannt? treffliche Predigtkanzel 
hinweise. Eh befindet »ich dieselbe in der Stadt Hei- 
dingsfcld iu Franken, nur eine Stunde von Würz- 
burg entfernt. 

Die alte Stiftskirehe selbst, in der dieser Predigt- 
stuhl prangt, ist von hohem Interesse. Die drei Schiffe 
mit Weilersystem und Fluehdccke stammen noch aus 
•ler romanischen Zeit (e. 1 100) , der Chor sainint dem 
Krcuzsehiffe ist vom Jahre 1403 an im glänzendsten 
gothischen Style ausgeführt worden. Gegen Ende 
dieses Jahrhunderts wurde dann aueh die Kanzel 
aufgebaut, deren Abbildung wir hier geben. Sie ist aus 
Sandstein gehauen und ganz als organisches Gebilde 
aufgefasst. Sowohl die Stüt/.silnlc der Kanzel als die 
der Stiege ist als Astwerk mit Blätterkronen ausgeführt, 
und Uber den fünf Heiligengestalteu der Polygonseiten 



der Kanzel, wölbt sieh ein ganzes Laubdnch vou 
Zweigen und Blättern. Leider fehlt der Sehalldeekcl. 
Dennoch gehört diese Kanzel auch in ihrer jetzigen 
Gestalt zu den zierlichsten Gebilden der Art uud hat 
bei NeuschUpfungcn bereits mancherlei Motive abgeben 
müssen'. 

Hcidingsfcld hatte immer reiche hochangcseheiie 
Gebieter: zuerst die Grafen von Itothenfels, dann die 
Staufen, eudlieh den König und Kaiser Karl IV. von 
Bühinen. Daher uud weil das Canonieat zum reichet! 
Haugcrstift in WUrzburg gehörte, erklärt sieh der kuust- 
Uppige Sehmuck, womit diese alte Kirche geziert 
ward. Dr. J. Süjhart. 



.Lb.» • o.d 6, . 



liK. »ftbTMhl* Schild mll d.r WrlnklBpa, uod dto 
i SW u m..««.lch.n, deatat .«hl »uf ols«o Wlaitr U. I 



Peter Fischer (Vischer) und die Standbilder bei dem Grabdenkmale Kaiser Marimilian's L zu Innsbruck. 



In der Beilage der Allgemeinen Zeitung (1863 
Nr. 107 und 1-7) wurde die an uud Air sich interessante 
Bemerkung gemacht, dass zwei jener aclitundzwuuzig 
ehernen Statuen, welche das Monument Kaiser Maximi- 
lian's I. umgeben, und zwar jene, welche den König 
Arthur und den Theodorich darstellen, von der Hand 
des oft genannten Erzgicssers Peter Fischer herrühren 
dürften. Diese Ansieht wurde zuerst durch eine Notiz 
angeregt, die sich in Joseph Baaders ..Beiträgen zur 
Geschichte Nürnbergs " (zweite Reihe S. 43) vorfindet, 
in welcher gesagt wird, dass Kaiser Maximilian I. 
mehrere Gegenstände zu seinem Denkmal im Jahre 1513 
von Peter Fischer giessen Hess. 

Auch der Nürnbergische Gesandte Kaspar Nütze! 
berichtet dem Kaiser (im Juni 1513) hierüber, indem er 
sagt, dass Peter Fischer: 

r der pild ains, dazu er den Form hat gantz zu 

geruht" , 

in don nächsten Wochen zu giessen gesonnen sei, und 
ferner werden in den zweiten der oben angedeuteten 
Aufsätze in der Allgemeinen Zeitung mehrere Stellen 
aus einem Innsbrucker-Invcntar angeführt, aus denen 
sieh ergibt: 

1. dass Gilg Sesslschreibcr von Augsburg, Hof- 
maler Kaiser Maximilian I., mit der Oberleitung der 
Ausführung des Monumentes betraut war; 

2. dass seit dem I«. Deccniber 1508 bis zum Jahre 
1513 nur ein einziges Standbild, und zwar das des 
Königs Ferdinand von Castilien gegossen, dnss nur noch 
eines geformt (d. h. in der Hohlform vorbereitet), dass 
erst sechs in der Visirung, nämlich im Entwurf oder im 
Aufriss seien : und: 

3. dass sich Kaiser Maximilian I. in einem Schrei- 
ben (d. d. Augsburg den 16. April 1513) bei der 
IntiHbrncker Begicrung darüber beschwert. dnsR bisher 
nur ein Bild nnd zwar für den Preis von 3000 Gulden 
gegossen wurde, für welche Summe man in Nürnberg 
sechs bis sieben Bilder hätte giessen lassen können. 

Andere Citate aus Inventuren zeigen, dass im Jahre 
1512 erst zwölf Statuen nach Meister Gilg's Entwür- 
fen angefangen und nur sechs gegossen waren, unter 
denen sich aber weder Arthur noch Theodorich befan- 
den , deren Standbilder erst in einem Verzeichnis» 



erscheinen, welches keineswegs vor dem Jahre 1535 
angefertigt wurde. 

Des Weiteren wird noch eine Schrift vom Jahre 
1518 angeführt, in welcher Meister Stephau Godl für das 
Messingbild des Grafen Albrecht von Habsburg 28 Gul- 
den rheinisch für den Centner verlangt: 

„wie diess dem Meister vou Nürnberg gegeben 

wird-, 

und endlich wird noch ein zweites Schreiben des Georg 
Nützcl (vom Phinztag nach Jakobi 1517) beigezogen, 
der sich im Auftrag Kaiser Maximilian I. an den 
Ruth von Nürnberg wendet, um von diesem zu der 
bereits vorgestreckten Anleihe von 10.000 Gulden noch 
vier- bis fünftausend Gulden zu erhalten, 

r damit die Arbeit zu Sr. Majestät Grab gefördert 

und der Meister bezahlt werde**. 

So viel Überraschendes nun die Annahme, dass die 
Standbilder Thcodorich's nnd Arthurs von Peter Fischer 
herrühren sollen, im ersten Augenblicke auch haben mag, 
und so richtig die oben angegebenen Quellen sind, eben 
so offen iiiuss man bekennen, dass jene Annahme 
wohl nur in einer Beziehung als begründet anzu- 
nehmen sei, und zwar aus nicht ganz unwichtigen 
Erwägungen. 

Das» sich die Statuen Theodorich 's und Arthurs vor 
den übrigen sechsttndzwanzig Standbildern auf das Vor- 
theilhafteste auszeichnen, ist wohl jedem Künstler 
bekannt, der die Hofkirche zu Innsbruck besuchte <, 
und wenn er unter diesen beiden Statuen noch eine 
engere Wahl traf, so fiel diese gewiss auf König Arthur, 
da es überhaupt in der mittelalterlichen Plastik wohl 
kaum eine geharnischte Gestalt geben dürfte, welche eine 
grössere Einfachheit und mehr Adel in der Haltung, 
eine empfundeuere Feinheit der Formen und einen reine- 
ren Geschmack imCostüme besässe«. Daher war es auch 
von künstlerischer Seite von jeher festgestellt, dass die 
Standbilder Arthnr's und Thcodorich's von einer anderen 
nnd früheren Hand herrühren als die übrigen Figuren, 

i s u » dar. S'oitgartw Morl*»*!*« '» IW. »*. «" «In n«ti Mil- 
Lfld Kn«.nd,.r 41» «••■• «I*» StatUMi ■*! )»»« dr, Th.odt.rl«).. S. .. 

Prlml.M-r.ti.ii««iSl*rdor I. «l.lMfctr«*.- <» InmbnKk'. «•. (p. 14 a. .1». 
N n ..n — ■ Man .rtna*n .Irh hl.r «»«lllaBrll.-«. in d»f I'.sarual K.rl. d.r 
K5h»^ ..nd d.r M,ri. »o. llarlMd I* d-r Fr.»...fc.r<l.« zu Hrll*«.. ... dl. „„I 
A.i Toml.. Ii.g..«di.|..»u. Brom. r .«..,.r.. n «od v.„.Mr... »,(„„., ,aj< »„„II 
,l,rm .dl.iil <i...liai.c« w* <•«< «■'«» '«' ,lir 



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XIX 



die sieh von jenen durch ihren meist derben und gedrun- 
genen Wuchs, dureh die gegen die Richtigkeit des 
Costüms anstossenden plumpen Rüstungen und die 
schwülstigen Draperien der weibliehen Gestalten unter- 
scheiden. 

Was nnn die zuvor angeführten Qnellen betrifft, so 
deuten sie wohl unzweifelhaft darauf hin, das» Peter 
Fischer ftlr das Grabmal Kaiser Maximilian'« besrhilftigt 
war, allein sie belegen keineswegs, dass Fischer der 
Erfinder oder Urheber irgend einer dieser Sintuen 
gewesen witre. Aurh beriehtet Nützel niehts anderes an 
den Kaiser, als dass Fischer eine Form herrichtete, die 
er demnäehst zu giossen gesonnen sei. Von dem Com- 
poniren, dem eigentlirhen Schaffen eines toreutischeu 
Kunstwerkes, wird aber in allen erwithnten Oitaten 
nicht» gesagt , was auf Peter Fischer hezogen werden 
kiinnte; im G<*gcnthcile wird Gilg Sesslschreibcr, des 
Kaisers Hofmaler, ab Visirer und Erfinder genannt, l ud 
in der Handschriften-Sammlung der k. k. Hofhihliothek 
zu Wien befindet sieh (C. Ms. 8329) wirklich ein 
Band mit eolorirten Entwürfen zu jenen Standbildern, 
.welche aller Wahrscheinlichkeit nach von der Hand 
des Gilg Sesslschreiber herrühren durften, da dieser 
Künstler in den Iuventaren deutlich genannt, Übrigens 
aber kein weiterer Maler oder Plastiker angeführt wird, 
der von Kaiser Maximilian I. mit dem Entwurf der Sta- 
tuen beauftragt worden wJSrc '. 

Dass sieh der Kaiser im Jahre 1513 an die 
Fischer'sehe Giesserei zu Nürnberg wandte, mochte 
ausserdem, dass diese Anstalt grossen Huf genoss, auch 
wegen ökonomischer Rücksichten geschehen sein , weil 
man dort (wie oben gesagt wurde) ftlr 3<>0l> Gulden 
anstatt einer, sechs bis sieben Figuren hatte giessen 
lassen können und es Überhaupt an Geld fehlte, wie 
aus dem Anlehen bei dem Rath von Nürnberg hervor- 
geht. 

Als Beweisgrund dafür, dass die Figuren Arthur* s 
und Theodorieh's nicht von der Erfindung des Peter 
Fischer seien, ja dass sie nicht einmal bei ihm gegossen 
sind, könnte auch das angesehen werden, dass ihrer vor 
dem Jahre 1535 in keinem der Inventare erwähnt wird, 
was doeh gewiss geschehen sein würde, wenn Peter 
Fischer sie abgeliefert hatte. Auch ist hier zu erwähnen, 
dass die ursprünglichen Plinthen jener zwei Statuen 
kreisrund waren und daher von der Form der übrigen 
abweichen, wesshalh man sie, um die Gleichmassigkeit 
herzustellen, mit einem vierseitigen Anguss versah. End- 
lieh halten alle übrigen Figuren die eine Hand, und meist 
die Rechte so, dass man eine Wachskerze oder ein Flam- 
bcau zwischen die Finger stecken konnte. 

Noch ein weiterer und zwar rein künstlerischer 
Grund dafür, dass Peter Fischer jene beiden Gestalten 
nicht eigenhändig mndellirte, geht ans dem Vergleich 
derselben mit den verschiedenen Gusswerken dieses 
Meisters hervor. Denn jene beiden Fignren so wie das 
Grabmal Karls des Kühnen und der Maria von Burgund 
in Brügge sind wohl burgundischen, schwerlich aber 
deutschen Ursprungs. König Arthur trügt noch den 
Kolbentnrnierhelm , wie wir ihn in den Zeichnungen des 
König Renatus von Anjou auf französischen Siegeln des 



«nt« «In Entwurf ra «In.m Standbild 4c« .König Arrn. » 



Fol. 30 

,.Or«it« i« Ilabapnrg", .. 
lAhnllriikatlmlt to In dar 
Tin« larick kommt aerr nkM »«r. 



XV. Jahrhunderts und in zahlreichen hurgnndischen 
Miniaturen finden. Noch zeigt die Rüstung an den 
Achseln keine Schienen, sondern nur Panzer und erst der 
Vonlerarm hat Urassards. Der ßeinharnisch gehört 
seiner ganzen Anordnung zufolge in die Epoche der 
französisch • belgischen Waffenschmiede, das Schwert 
und der .Schwertgürtel sind gleichfalls im Geschmack 
dieser Meister gearbeitet nnd das zierliche Hals- 
gesehmeide mit dem Drachen und dem goldenen Vliess 
dürfte ziemlich sicher auf Burgund hindeuten. 

Betrachten wir dagegen die ErzgUsse, welche von 
Peter Fischer herrühren oder ihm zugeschrieben werden, 
so finden wir in allen entschieden die deutsche Schule 
ausgesprochen. Allenfalls vorkommende Waffenslücke, 
wie z. B. die Ann- und Beinschienen der Grabmalfigur 
de» Johann Cicero, Markgrafen von Rnindenburg, tragen 
ebenfalls das Gepräge deutscher Rüstungen aus der 
Zeit Maximilian'» I. Auch findet man anderseits bei 
Nendörffer, bei Sandart n. a. den Peter Fischer keines- 
wegs als Plastiker oder Bildhauer, sondern einfach als 
„Rothschmidt 14 angeführt und er selbst zeichnet sieh auf 
dem. im Jahre 14i>7 gegossenen Grabmal des Erz- 
bisehofs Emst von Magdeburg: „Peter Fischer, rofgies- 
ser J . 

HcidelofTs Ansicht, dass in Fischers Werkstätte 
mehr gegossen als modellirt wurde, mag daher um so 
mehr ihn- Richtigkeit haben , als der Plastiker gewöhn- 
lich nicht Zeit und Gelegenheit hat, die eigentümliche 
Technik des Gusses zu erlernen, und derGuss seinerseits 
wieder so grosse Schwierigkeit bietet, dass der Giesser 
mit seiner eigenen Aufgabe vollauf beschäftigt ist. 
Nichts desto minder hatte das Gusshaus Fischer's schon 
von seinem Vnter her einen so grossen Ruf, dass es 
häufig vom Adel und von Regenten besucht wnnle nnd 
ging nach Peters Tod auf seinen Sohn über, aus wel- 
chem letzteren Umstand es sich wieder ergibt, dass es 
sieh mehr um ein Rothgiessergeschäft im Grossen, als 
um ein artistisches Atelier bandelte, indem sich Kunst- 
begahnng nicht leicht forterben lÄsst'. 

Von den Innshrueker Standbildern kann man mit 
Recht sagen, dass die Acten Uber sie nicht nur als nicht 
geschlossen, sondern kaum als eröffnet zu betrachten 
sind. Sie hatten wunderliche Schicksale uud mussten 
nicht nur Umarbeitungen und Umglisse, sondern auch 
gar manche willkürliche Umtaufen erleiden. So heisst es 
z. B. in dem „ Verzeichnuss der Pildcr zu weylennt 
Kavser Maximilianen hochlocblichester gedechtnus Grab 
gehörig* (Handschrift der k. k. Hofbihliothck, Nr. 76 17, 
fol. 18 ff.) u. a.': 

„Clodoueus Rex Frannck horum. 

Am diesem l*ild muess der Schilt uud Namen ver- 
ändert, auch an der Claidung die Gilgen herabgestembt 
und die Cron zu ainer Kaiserlichen Cron gemacht 
werden. 

Dieses Pild mag ftlr Rudolphen Rom. Imp. gebraucht 
werden. 

Rudolff, Rom. Kunig, Graf zu Habspurg. 

Zu diesem Pild mues ain Fue,s sambt der Schlifft, 
auch der Schildt, ain Herzog Huetl, Schwerdt und Ker- 
zen gegossen werden. — Ist das Pild so den halben 
Lewcn auf dem ilellm hatt. 

t Wir hatwn In ntnrMtr Salt <U»«n>«n Fall la MtWkm, »• StlagalBial« 
dta Gau. und Plutilar ili Krhvaatlialar o . A_ dir Modell« »eriiuullaa hallen. 
- « Vnrjl. aarh Primiurr „D«nkaU<r dar Kirrt. ». k. Kreu p M, BaiUg« D. 



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XX 



Diese* Pild soll Air Rudolf, Ducem Suaeviae ge- 
braucht werden. 

Klenorc, Prinzessin von Portugal, Vxor 
Friderici III. 

Diesen Pild ist das in dem langen Har vml Kleid, 
hinden hinaus ganntz schlecht on alle Zier, mit plosscm 
Haubt gelassen, ist rast locherig und am Guss Übel 
gefallen, lind dasllaruit aussberait, niangelii dielleund, 
fron, Kcrczcn, Schild und Schrillt. Dises Pild soll der 
Kay.Mt.gnedigstcn Kntschluss und bcvcleb naeb wieder 
änderst gegossen werden. u 

Ausser dem Standbilde der Leonore, werden auch 
noch folgende Statuen angeAlhrt, welche eines Umgus- 
acs bedurtten: 

„Nr. fl. Heuricus Placidus. Dux Austriac. Ab- 
patruus. 

Nr. 10. Rudolphe* Ingeniosus Dux Carinthiae, Co- 
mics Tyrolis. 

Nr. 20. Viridis, Filia Bnrnabae Ducis Mediolani, 
uxor Lcopoldi Probi. Proavia. 

Nr. 27. Albertus cum trica, Dux Austriac. Pro- 
patruus. 

Nr. 30. Friderieus Devotus, Dux Austriae. Abpa- 
truus. 

Nr. 31. Hartmannus Landtgravus AUatiae, Tritavi 
tilius.« 

Man ersiebt aus diesen Angaben, das» die damaligen 
Hrzgiesscr, ausser Peter Fischer, eben keine allzu grosse 
Geschicklichkeit in ihrem Fache besessen haben mögen, 
da man es weder mit den Porträten , noch dem Go- 
swine der verschiedenen Persönlichkeiten allzu genau 
nahm, und endlich, dass das Ganze so ziemlich ohne 
eigentlichen Plan angefangen wurde, wie man denn auch 
später dreinnddreissig Standbilder um das Grab- 
mal reiben wollte, welche aber nur Personen aus dem 
Erzhausc Osterreich vorstellen sollten. Indessen nahm 
Kaiser Ferdinand I. diesen Vorsehlag nicht an uud befahl 



die schon vorhandenen Statuen zu verwenden'. Die 
grösstc Anzahl derselben wurden, wie bekannt, von 
Georg Lüffler in dem laudesfUrstlichen (Jusshanse 
zu Büchsenhausen und einige wenige von deu 
Meistern Hanns Landcnstrauch und Melchior und Ste- 
phan Godl gegossen 1 . Die k. k. Hofbibllothck besitzt 
in ihrer Handschriften - Sammlung noch einen Hand 
(C. M. Nr. 8027) mit sieben getuschten Federzeichnun- 
gen der Innsbrucker Statuen. Nämlich : Gisa Erz- 
herzogin zu Österreich, Ottopcrtus, Stephanus Rex 
Ungariae, Radepoto, Virida, Havg der grosz Fürst zu 
Habspurg und Carolas Magnus. 

Auf dem letzten Hlalt steht geschrieben : 
„Dergleichen Pildtuuss sind maister Gregorj L5ff- 
1er Khun. Mt. puchssengiesser geen Innsprugg gesehiekht 
wordeu. Actum Wien, den 2. Octobcr Anno 48- (1548). 

Wenn man Uber die Slatuen des Arthur und Theo- 
dorich, die sich anch durch feinere Ciselirung vor deu 
Übrigen Standbildern auszeichnen, eine Vermuthuug auf- 
stellen durfte, so könnte esvielleicht die sein, dass sie 
jene „zway gossene Pildcr^ wären , welche in der 
St. I^orcnzcapelle zu Augsburg als Unterpfand für 
erhaltene Geldvorsehüsse standen änderst am 29. Jänner 
1532 vou Kaiser Ferdinand aus den Händen des Rent- 
meisters des Bischofs Christoph von Augsburg gegen 
Erstattung des Pfandschillings Übernommen wurden'. 
Auf diese Weise wäre es denn auch erklärlich, dass jene 
beiden Standbilder im Jahre 1535 zum erstenmal genannt 
wurden. Jedenfalls wäre eine ausführliche Monographie 
Uber das Denkmal Maximilian s in der h. Geist- Kirche 
zu Innsbruck sehr zu wttnsehen, da sie Uberhaupt ein 
bedeutendes Licht Uber die Geschichte der mittelalter- 
lichen Plastik in Österreich verbreiten wUrdc. 1'. 

' S 4 Co4, Mo. dar k k. Huft.iMiolhtk, Nr. TU« „B»»c>>r»ll)<jug dar k 
k. Siedl laatbrurk" vir, von Jn.aplt Frrlharrn \nn t.'e.rhl 1 \<-,\ T 1. |> "*» ff- 
_ » Ca.cal k k. O. — ■ Herr lull", Krnat Birk . w«l.aar trhr umfajwiida 
FtirKtiaaum librr dla l>llh»r«l» S.t*rr«|. M»cb»n Kü»,Uar uu4 Kuuuatrki- macht, 
»Ird uiatr Zeil <Uaaa. U« t< ».uu4 »atar tiSrt.ru. 



Über ein altes Gemälde in der Zips. 



Mehrere Kirchen der Zips besitzen noch eine ziem- 
liche Anzahl von Bildern aus dem XV. und XVI. Jahr- 
hunderte, deren manche, z. B. die Bilder derLeutschaucr 
Jakobskirche und der Zipser Kathedrale, einen namhaften 
Kunstwerth haben, während die meisten anderen nur 
als Werke handwerksmässig arbeitender Meister zu be- 
trachten sind '. Wcun wir ans dem Vorhandenen auf 
die Masse des durch die Unbilden der Zeit zu Grunde 
Gegangenen schliessen dürfen, so muss die Kunstthätig- 
keit jener Zeit eine sehr erhebliche gewesen sein, leider 
fehlt es uns hierüber an allen Nachrichten ; ja es ist bis 
jetzt nicht einmal gelungen, auf einem der Bilder den 
Namen des Kunstlers oder sonst eine Bezeichnung 
aufzufinden ■. 

Dem Gefertigten wurde vor kurzem ein, der Popra- 
der kath. Pfarrkirche gehörendes Marienbild znr Ansicht 

1 In dan kath Klr«b*n in fl# hriaabarg. Mühlanbarh und Kakaa-t^MliiiiU 
■lud n>..ti i»«brarr Fi'iaatallari, in Ii HIMcrn •rba.llaiij »u>«.rd«ni andea »ich 
Kate« in Katmark, Falka, MaUdorl. ] >»EiBf MRiark oud aii alidi rali Orten. 
vuriiiflirKita «nur dicent) dürft« dar Tod Maria'. In dar I«rttil*lrapall* In 
"[ »als. ala» l»Mtr .»Kr '«rtilichrn* aad n.lubiDdett* T»W, »<• 
dar Ko|if dar Slarnand-n tiara at|aalhBnillab 



druck b.alu« - > Ela klaiaaa OanUda du J, 
i iui II and T 

■ lo dan Kral, dar 



vorgetegt. Die Tafel ist 2' 1" hoch, 1' 7" breit, mit Lein- 
wand und dickem Kreidegruiide Uberzogen, in welchem 
das leichte Laubwerk des Goldgrundes reliefartig ge- 
schnitten ist. Der Kopf der in halber Figur dargestellten 
h. Jungfrau hat ein volles Oval und regelmässige, sonst 
aber durch nichts Besonderes ausgezeichnete Zuge; das 
Kleid ist lichtgelb und schwarz gemustert ; der mit einer 
goldenen Spange versehene dunkelgrüne Mantel wird an 
den Enden von zwei kleinen wcissgekleidcten, in der 
Höbe schwebenden Engeln emporgehalten. Die Heilige 
trägt eine zierliche im Goldgründe ausgesparte Krone; 
und zwischen den Reifen des Heiligenscheines ist in er- 
habenen gothischen Buchstaben die Umschrift „aeeret/ina 
celorum nutter re<ji* angelorvm" zn lesen. Das ganz ent- 
blösste Jesuskind ruht halb liegend auf dem rechten Arme 
der Mutter und scheint sieb zn einem grUnen Vögel- 
chen vorbeugen zu wollen, das auf einem, den unteren 
Theil des Bildes einnehmenden grünlichgrauen Stein - 
geländer steht; in der Nähe liegen noch ein ofTenes Buch 
und zwei Kirschen. Der Heiligenschein ist nicht eingegra- 
ben, sondern nur mit Gold aufgemalt und enthält längs 
des Randes die Worte: „tgo *>o» nifha et o". Die Zeich- 



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XXI 



nnng dieser Figur ist mnnierirt und au(fallcntl schwacher 
als jene der Mutter, welche, wenn auch nicht tiefgehende 
Naturstudicii , doch eine gute praktische Schule verrilth. 
Eine bemerken swcrthe Stärke zeigt der Meisier im Colo- 
rit, dessen Anordnung /.war etwas schroff aber nirgends 
grell erscheint, und in Hinsicht auf Glanz der Farben 
nnd fleissige und gewandte Technik nichts zu wünschen 
llbrig lässt. In den feineren Partien, insbesondere den 
kalfröthlichcn Pleischthcilen . ist die Untcrmalung äus- 
seret sorgsam ausgeglichen, eben geschliffen, nnd die 
obere Farbenlage als zarte Lasur behandelt; nur auf 
dem Mantel und den beiden Kngelknabcn kommen ver- 
einzelte stark impasfirtc Pinselstriche vor. Die Erhal- 
tung des Werke» ist im Ganzen , bis auf wenige durch 
das Schwinden des Holzes bewirkte l'nebenheiteu der 
Hiltlfläche nnd lose Farbstellen, befriedigend. 

Die Tafel wird von einem flachen, auf Kreidegrund 
gemusterten und vergoldeten Kähmen umschlossen, auf 
dessen nntcrer Leiste in zollgrosscr erhaben geschnit- 
tener gothischer Schrift nachstehende Notiz steht : niro- 
lauft or Itarnil «nno b. »*8K h« .. . Das Ende, wo noeh 
etwa ein oder zwei Buchstaben Kaum hiitten . ist bereits 
zerstört, was zu bedauern ist, indem eben die fehlenden 
Buchstaben den nöthigen Anfschluss Uber das Verhält- 
nis» des genannten Mannes, ob er nämlich der Verfer- 
tiger oder Donator des Dildes gewesen , gewahren 
könnten. Indessen dürfte das Erstcrc das wahrschein- 
lichere sein, und wir lernen so wenigstens den Namen 
und die Heimat eines Künstlers kennen, der zu den 
vorzüglicheren gerechnet werden muss, und allem An- 



schein nach zn anderen bekannten Bildern der Gegend 
in nächster Beziehung steht. Der Charakter des eben 
besprochenen Bildes kommt nämlich der grossen Tafel 
des schönen Flügelbildes der St. Jakobskirche zu Leut- 
schan, welches die Heiligen Elisabeth, Stephan und 
Florian darstellt und laut Inschrift im Jahre 149il aus- 
geführt wnrde', so nahe, das» man an der Identität des 
' Meisters beider kaum zweifeln darf. Insbesondere 
mahnt das ebenfalls gelbe nnd schwarz gemnsterte Kleid 
nnd der dunkelgrüne Mantel der h. Elisabeth in Farbe 
und Behandlung an die eigentümliche Weise unseres 
Meisters Nikolaus, wie auch die in ganz ähnlichen Buch- 
staben gearbeiteten Umschriften der Heiligenscheine 
deutlich auf ihn hinweisen*. Ob von dem reichen Bilder- 
sehatze der Leutschauer Kirche noch andere Stücke dem 
Nikolaus beizulegen wären, bleibt einstweilen dahin- 
gestellt; am nächsten stehen ihn», insbesondere in Hiu- 
sicht auf Colorit, die Bilder des Passionsaltars (1476— 
141101 und vielleicht auch jene des Marinsclmccaltars ; ant 
dem erstcren verhalten sich einige Partien des Gold- 
grundes zu jenen des Marienbildes fast nur als Copieu. 
Es scheint übrigens, dass die Thiitigkeit des Meisters 
Nikolaus ungefähr bis gegen das Ende des XV. Jahr- 
hunderts gedauert habe, weil in den Bildern vom An- 
fange des XVI. Jahrhunderts bereits eine ganz andere, 
von ihm verschiedene Malweise auftritt. V. SIerk/as. 

> s Mllir.illur.irrD d.r k ». Omi-.l-CominL.I.D i*G0. Onuk,r. - 5 Kl.. In 
d«r llodkr,cr.»r SrliU.jc.|.»l)« b«»«'ll!cli» «r.i.e, Ulli, nua il*r 
liclnu Aeo»hm. di r Keil da« Alt»r. d« ZI(.»oJ Srhl'-.uc«p«M« , tnlbslt «b«u- 
f.ll. dr»( HrIHgr In »»ollrbur An..rd«illif, und »uniar. •« w.ll «Isis ^.btrfliirl.. 
«ihr l ■terra chu r.K oi>d dir h.lbi.rnon. /.u.twd d.» Bild«. «« u«l«r..K«.d*u 
«rl«uUo, uugtfiihr iut 5 lvicl,or Zill und tIcIujUili von dea»rll>*l. M»l.t»r. 



Correspondenz. 



Prag, 2-1. Jänner 1864. 

Im Monate August v. J. wurde beim Grundgrabcn 
eines Hauses gegenüber der k. k. Polizeidircetion ein 
grosser mit einem Wappen gezierter Grabstein gefunden. 
Bei Untersuchung dieser Grabplatte ergab sieb, dass es 
derGrabstcin des PragcrPrimators Kroein von 
Drahobil sei, welcher den Marmorbrunnen am Alt- 
stildter Kinge, den man vor einem Jahre auf vandalische 
Weise zerstörte, hatte aufführen lassen. 

Das trefflich in Relief seulpirte Wappen der Grab- 
platte entspricht vollkommen der Darstellung des AVap- 
pens, welches Rndolf IL im Jahre 1587 dem Primator 
Krocin verlieben hatte : ein schräg links geihciltcr Schild, 
in dessen oberem schwarzen Felde ein halber goldener 
Löwe eine Blume in der rechten Pranke hält. Das untere 
halbe Feld durchbricht ein rother Schrägbalken, auf dem 
zwei silberne Sterne ruhen ; über dem Sehilde erheben 
sich ans dem offenen Turnierhelme zwei Ad.crr.ngcl, von 
denen der eine halb schwarz, halb Gold tingirt, der 
andere aber von Silber ist und mit einem rothen durch 
zwei silberne Sterne gezierten Schrägbalken durch- 
brochen erscheint. Dasselbe Wappen ist Uber der 
Seitenthüre, welche den Eingang in den sogenannten 
Pulverthurm verschlicsst, angebracht, und befindet sich 
auch eingemauert in dem Bränhause ,u Halanko" am 
Bethlcbemsplatzc , welches Haus Krocin von Drahobil 
im Jahre 159" erkauft nnd zur Aufnahme und Verpfle- 
gung jener Hilfsbedürftigen eingerichtet hatte, die 



in dem anstoßenden Bcthlehcmsspitalc keinen Platz 
fanden. Dasselbe Wappen war nach dem Berichte 
Hammerschmieds (Prodromns gloriae Pragensis) zur 
Seite des Hochaltars der kleineren St. Stephanskirche 
gemalt, auf deren Friedhofe Krocin von Drahobil seine 
Ruhestätte fand. Merkivtlrdig ist es, dass von den vielen 
Grabsteinen jenes Kirchhofes hlos diese bis auf die 
unkenntliche Aufschrift wohlerhaltenc Grabplatte die 
Zeit verschont hatte, während die Gegenwart das gross- 
artigstc Denkmal der Thätigkeit des um die Stadt Prag 
hochverdienten Mannes muthwillig zertrümmerte. 

In Betreff des von der Majorität des böhmischen Land- 
tages angenommenen Baugesctz-Entwnrfes ist eine Ver- 
handlung im Zuge, welche die Alinea 6 im §. 56 betrifft. 
Es ist einleuchtend, dass durch den Passus der Alinea: 
„Die Behörde hat dahin zu wirken, dass durch eine 
P zweckmässige Stellung der neuen oder durch Umstal- 
„tnng der alten Dachungen die Anbringung von Zwischen- 
„rinnen entbehrlich werde", der Stab über die alten 
Dachgiehe) Prags gebrochen wird; denn dies Gesetz 
verpflichtet die Behörden, auf die Beseitigung der 
Zwischenriunen an alten Häusern zu dringen. Wenn nun 
die Behörden der ihnen hiemit auferlegten Verpflichtung 
entsprechen sollten — was keineswegs bezweifelt werden 
darf — so kann man mit grosser Zuversieht dem all 
mählichen Verschwinden der Dachgiebel, dieses charak- 
teristischen Schmuckes der Gassen und Plätze Prags, 
entgegensehen. Welch' einen öden Anblick würde 



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XXII 



sodann z. B. die Bruckengasse der Kleinseitc darbieten, 
wenn alle Gicbclscbilde ihrer Häuser rasirt wären und 
die Dächer Rieh in monotoner Einförmigkeit auf die 
Fa^aden derselben herabsenken würden! 

Am 24. November v. J. wurden mir mehrere Ge- 
genstände von Gold, welche bei Zdie im Hofo- 
viecr Bezirke gefunden wurden, mit der Auf- 
forderung der k. k. Statthaltcrci zugeschickt, mein 
Gutachten über diese Fnndobjcete abzugeben. — 
Unter diesen Gegenständen fesselt insbesondere ein 
47 Dueatcn schweres, aus acht Spiralen 
gefügtes Gewinde vom reinsten Golde dio 
Aufmerksamkeit. Dasselbe entspricht der Form nach 
vollkommen einer Armilla oder llaudberge; da aber die 
Öffnnng des Spirnlgewindcs blos 1 Zoll 4 Linien beträgt, 
so dürfte sich dasselbe kaum zu einer Handberge geeig- 
net haben, nnd man konnte eher vermuthen , dass das- 
selbe zum Festhaltendes langen Kopfhaares gedient habe 
(vgl. Klemm, germ. Alterthumsk. .S. 62). Die übrigen 
bei diesem Spiralgewindc gefnndenen Goldobjecte 
sind BrnchstOcke eines gewundenen Ringes, der- 
gleichen nicht selten an den Fingerknochen der Gerippe 
in heidnischen Gräbern gefunden werden. Nachdem 
auf meinen Antrag der Directionsausschnss des Museums 
des Königreichs Böhmen sich bereitwillig erklärt 
hatte, jene Goldobjecte um den, vom Hofovieer Amte 
angegebenen Betrag von 300 fl. zu kaufen, so theilt« ich 
dieses dem Bezirksamte zu Horovie mit und bemerkte, 
dass nicht der materielle Werth dieser Gegenstände, 
sondern der Umstand, dass dieser Uberaus merkwürdige 
und seltene Fond aus Böhmen herrührt , und daher mit 
Fug nnd Recht als ein wichtiges Denkmal der fernen 
Vorzeit in Böhmen verbleiben nnd aufbewahrt werden 
sollte, den Muscums-Ausschuss bewogen habe, sich um 
die Erwerbung derselben für dieses vaterländische 



Institnt zu verwenden. Ferner fügte ich die Bitte hinzu, 
dass das k. k. Bezirksamt im Interesse der Wissen- 
schaft eine genaue Erhebung Uber die Auffindung jener 
Goldobjecte veranlassen und ermitteln wolle, unter 
welchen Localvorhältnissen nnd mit welchen Beigaben 
dieselben anfgefnnden wurden. Leider erhielt ich bis zu 
dieser Stunde keine Antwort auf meine Zuschrift. 

Der bewährte Freund und Gönner archäologischer 
Studien, Sc. Exccllenz Graf Eugen ('ernin, hatte mich 
im November des verflossenen Jahres in Kenntnis* 
gesetzt, dass bei dem Dorfe Horovie (östlich von 
der Poststation Horoscdl) zahlreiche Alterthums- 
gegenständc ausgegraben wurden. Bald darauf 
sandte Herr Graf Cernin einige dieser Objccte und 
Herr Dr. Jicinsky eine ausführliche Schilderung des 
ganzen Fundes an das böhmische Museum. Unter 
diesen Fnndobjecten nehmen vier Bronzescheiben, die 
mit fein ausgeführten Maskenköpfen und anderen 
Ornamenten in getriebener Arbeit reich geziert sind, 
die erste Stelle ein. Ähnlieh diesen Bandscheiben 
sind die Phalerae der Römer, welche als Auszeichnung 
die Panzer der Krieger schmückten und bekanntlich 
auch an Pferdegeschirren angebracht zu werden pflegten. 
Die Uhrigen Bestandteile des Fundes bilden einige 
Goldblättchen, dann grosse llohlringe, wie auch kleine 
massive Ringe von Bronze , ferner zwei eigenthUmliche 
Metallobjecte, wahrscheinlich die Büchsen der Radacbse 
einer Riga, sodann ein grosser Feuerbock von Eisen. 
Fragmente von Wagenreifen, eiserne Steigbügel u. s. w. 
Diese Objecte wurden nebst zahllosen Urnenseherben 
unter einer ziemlich ausgedehnten Steinschichte , auf 
welcher die blos 5 Zoll mächtige Ackerkrume gelagert 
war, gefunden. Der Fund von Horovie gehört jedenfalls 
zu den interessantesten, welche jemals in Böhmen vor- 
gekommen siud. «/• £. Wocel. 



Besprechungen. 

Histoire sigilkire de la Tille de St. Omer, par A. Hermand et L. Dechamps de Pas. 

Il«*u.|cgi>kcli Tan 4er S*rl«U d«a AnH^iMlm do U MnHal«. IHlli l««0. 1*. (.Mit IS T«/«l» 1 



Diese schön ausgestattete Monographie, von den 
beiden genannten Autoren vor mehr als 25 Jahren be- 
gonnen und nach Hcnnand's Tode von L. Deschamps 
de Pas vollendet, gibt uns nebst dem wissenschaftlichen 
Text, 333 Sicgclabbildnngen auf 4"> Tafeln. Auf interes- 
sante Momente wird in der Einleitung aufmerksam ge- 
macht, wie namentlich der allgemeine Gebrauch der 
Siegel zuerst im geistlichen Stande Platz griff und hier- 
auf die Concilien wesentlichen Einrlnss nahmen. Schon 
das Concil zu Mainz verordnete (813), dass jeder Priester 
tlas h. Chrysma unter seinem Siegel verwahren soll, und 
jenes zu London (1237), welches wohl zunächst die 
Verhältnisse Englands ins Auge fasst, befiehlt, dass 
jeder geistliche Würdenträger, selbst die Landdcchante, 
sein eigenes Siegel haben soll; endlich verordnet das 
Concil zu Cognae (1238), dass jeder Pfarrer ein eigenes 
Siegel habe, worauf nicht sein Name, sondern nur der 
Name der Pfarre angebracht sein soll; eine Anordnung, 
welche in Osterreich nicht befolgt wurde, indem die 
Siegel unseres Curatelerus gewöhnlich den Tauf- und 



Zunamen des Pfarrers, so wie dessen Sitz benennen. — 
Dadurch, dass die Siegel bei der Geistlichkeit allgemein 
waren, geschah es. dass die Laien ihre Urkunden durch 
die geistlichen Würdenträger oder Commnnilätcn besie- 
geln nnd bekräftigen Hessen, und bald gaben die dafür 
cingehoheneii Betrüge ein reichliches Einkommen, und 
unbillige Forderungen in dieser Beziehung mochten das 
Concil zu Paris (1212) veranlassen, den Prälaten für das 
Anhängen der Siegel die Ahnahme einer Taxe zu ver- 
bieten, während eine spätere Synode desselben Jahr- 
hunderts erlaubte einen oder zwei Denare dafür anzu- 
nehmen. 

Die Monographie selbst umfasst nicht blos die 
Siegel der Stadt St. Omer, deren beide ältesten soge- 
nannte Münxsicgel sind, auf der Vorderseite das Stand- 
bild des h. Othmar, auf der Kehrseite die Versammlung 
der Schöppen darstellend, sondern sie benutzt ihre 
sphragistischen Forschungen zugleich als geschichtliche 
Belege ; daher finden wir hier auch die Siegel der Burg- 
vögte von St. Omer, welche, obwohl Vasallen der (Srnfen 



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XXIII 



von Artoitt, Hielt dennoch den Titel: von Gottes Gnaden 
anmasstcn, und grösstenteils Rcitcrsicgcl führten ; fer- 
ner die Siegel der Amtleute der Grafen vou Artois, mit 
dem Wappen der letzteren. Ihnen folgen die Wappen 
der hervorragenden BUrgergeschlechter, unter denen 
vor allen die Herren von St. Udelgondc zu nennen sind, 
nie waren Mitglieder der Hansa, und mehrmals Bürger- 
meister, von denen Johann im J. 1202 mit einem schonen 
iintiken Steinscbnitte, einer männlichen Büste, siegelt, 
und ein anderer Johann im Jahre 1336 sogar ein Keiter- 
sicgel fuhrt (Taf. 13, Fig. 81 und 87). 

Unter den Siegeln der geistliehen Poiumunitiiten 
nennen wirjene der Dompropstci und ihrer Würdenträger ; 
die Siegel der Ri schüfe vom Jahre 1 äö'J — 1790, der 
Pfarrer und endlieh der Ahteien und Uhrigen Klöster inSt. 
Omer, darunter vor allen jene der Abtei St. Bertin, deren 



ältestes Conveutsiegel (Num. 232) bis in das Jahr IOH7 
hinaufreicht, während die Siegel der Abte iu beinahe un- 
unterbrochener Reihe vom Jahre 1126 bis zu dem Jahre 
1723 herabreichen. Mit dem Abte Gernrd von Hamcri- 
court.f 1577, hören die Portrütsicgel auf. Diese letzteren, 
einen Zeitraum von 451 Jahren umfassend, mit 25 Ab- 
bildungen, sind von besonderem Interesse für da* Studium 
der Knnsteutwickelnng , vom einfachen Standbildc 
des Abtes mit Stab und Brevier bis zw reichen Ent- 
faltung der gothisihen Architectur, unter welcher die 
späteren Äbte sich befinden, und der allmählichen 
Ausartung und Verflachung dieses Styles. 

Zu den einzelnen Abtheilungeii, so wie Uber die be- 
treffenden SiegelfUhrcr enthält der mit Fleiss und Gründ- 
lichkeit bearbeitete Text die nöthigen historischen Daten. 

Sana. 



Anleitung zur Erforschung und Beschreibung der kirchlichen Kunstdeiüanälcr. 

Von J\ IV W. 1.1«. 1WU. Kigru.fiam de. Uoi.r UlSnua-Kaulttnl»!. (Mit I lIlh^ltr.^hJrM» T«f. l.) 



Bei dem genannten Vereine lieget ein Formular auf, 
in welchem der Laie in Kunst nnd Wissenschaft zur 
Erleichterung von Forschungen durch Fragen auf alle 
Kunstgegenstände aufmerksam gemacht wird, deren 
Itasein an und in einem Gotteshause mit einiger Wahr- 
scheinlichkeit vennuthet werden kann. Auf Grund dieses 
Formulare« wurde nnn obige Anleitung herausgegeben, 
damit Jedermann ohne Mühe den im Formular erwähnten 
Gegenstand der Frage verstehen und sonach ans eige- 
ner Erkenntnis« die gestellten Fragen beantworten 
kann. 

Obwohl zunächst für die Diöcesc Linz berechnet, 
gibt diese Anleitung dennoch umfassende und lcicht- 
fnssliche Erklärungen Uber Architectur, Einrichtung, 
Bilderwerk, Geräthc und Gcfiissc eines Gotteshauses 
im Allgemeinen, so wie Uber Reliquien von Heiligen. 
Alle Institute, welche sich mit Erforschung von 
kirchlichen Kunstdenkmälern beschäftigen, sollten dnher 
dieser Anleitung den Weg zur möglichsten Verbreitung 



bahnen. Nicht bald durfte ein Buch wie diese Anleitung 
so klar und einfach, mit so wohlthuender Anspruchs- 
losigkeit und Empfindung und zugleich so unwider- 
stehlich anregend ftlr jene Classe der Bevölkerung 
geschrieben sein, welcher für solche Forschungen 
eine cigenthüniliehe Scheu und Gleichgültigkeit 
innewohnt. Nur ein gründlicher und von seinem Fache 
innigst durchdrungener Kenner der kirchlichen Kiinst- 
denkmälcr tri fit diesen Ton und es wäre eine gleich 
prciswUrdigc Aufgabe, wenn irgend ein gewiegter For- 
scher eine ahnliche Anleitung zur Erforschung und 
Beschreibung weltlicher Baudenkmäler, wie z. B. 
Schlösser und Burgen, veröffentlichen wollte. 

Als Anhang zu seinem trefflichen Buche fügt der 
Herr Verfasser 1 einen Schlllsscl zur Erforschung 
der Heiligenbilder bei, welcher die bei Statuen nnd 
Bildnissen der Heiligen gewöhnlich angebrachten Attri- 
bute beschreibt nnd erklärt. L. S. 

• Ihn Vernein*« >'»«h llvrr l'»r. Hufleu Wiener Krem.iiitiii.ler 



Die Idee des Schönen in ihrer Entwickelung bei den Alten bis in unsere Tage. 

Vortrl*« u dlo KocUer. V.n Ur. A Kanu. Ucrlln 1SB.I. MylmOcIie Verln.bucbhinolili... k. II» **»*!■- 



Der Zweck dieses kleinen Werkes ist: „in verständ- 
licher Sprache den KUustlern und KnnstjUngem ein Ge- 
sammtbild Uber die Ansichten und Begriffsbestimmungen 
des Schönen zu geben". Dies hat der Verfasser anch 
wirklich erreicht und seine warme und klare Darstellung 
entschädigt ftlr manches, wns strenge Wissenschaftlich- 
keit vermissen lässt. Von Thaies ausgehend wird uns 
zuerst eine gelungene Parallele zwischen Plnton und 
Aristoteles geboten. Nachdem die Epiknräer mit einem 
allzustrengen Interdict in Sachen des Schönen belegt 
worden , kommen wir nach kurzer Berührung der 
Alexuntlriniscben Schule zu den Juden, wo mit gewandter 
Prägnanz dnrgethan wird, warum die Schönheitsidee bei 
denselben nicht zum Durchhrnchc kommen konnte. 

Voll Begeisterung schildert der Verfasser im V. Vor- 
trage den völligen Umschwung in der Ideenwelt mit 
dem Eintritte des ChriBtenthnmes und gelangt (pag. 40 1 



zu dem Auspruche: „War also das Charakteristische des 
anti'ken Ideals Äusserlichkeit, Endlichkeit, 
sinnliche Liebe — so können wir das christliche 
(moderne) Ideal Subj ectivität, Unendlichkeit, 
geistige Liebe nennen. - 1 

Nachdem auch die Nouplatoniker erwähnt werden, 
weist der Verfasser in zerstreuten Stellen der Kirchen- 
väter die Entwickelung deB christlichen Schönheits- 
ideale» nach, sehr richtig bemerkend, dass sie mit ihrer 
ganzen Bildung auf alt hellenischem Boden stand. 

Das Entstehen der christlichen Kunst, dann die wei- 
tere Entwickelung der Idee der Schönheit bei den 
Deutschen bis Hegel herab, findet ihren entsprechenden 
Platz und ihren Abschluss in der Bestimmung des Be- 
griffes der Schönheit. Der Verfasser gelangt zu dem Re- 
sultat, dass Heiden oder Christen, wenn sie auf der Höhe 
der Kunstbildung angelangt sind . auch in ihren Ansicu- 



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XXIV 



teil Uber die Kunst übereinstimmen. „Was schon Piaton 
(heisst es pag. 89) an die Spitze seiner oliersten Unter- 
suchungen gestellt, das nimmt auch das Christenthum 
alM die richtige Basis für Reine Erklärung de« Wesen» 
der Schönheit an. Die Erscheinung Gottes in den 
Dingen, die in einem Kunstwerke ausge- 
druckte göttliebe, sichtbar oder hörbar ge- 
wordene Idee — das ist das Schöue in ihm. a 

Diese Stelle steht in einigem Widerspruche mit der 
pag. 40 geäusserten Ansicht Uber da« antike und christ- 
liche Ideal , obwohl dort mehr das Ideal des Lebens als 
das der Kunst gemeint ist. 



In den Vorträgen A" und XI ist der Naturalismus 
und Idealismus scharf gezeichnet nnd die Notwendig- 
keit ihrer gegenseitigen Vereinigung schlagend dar- 
gethan. Zum .Schlüsse gibt der Verfasser seine eigenen 
Kunstanschauungen auf ruhige Weise knnd. 

Das Büchlein ist jedem kunstsinnigen Leser als an- 
regend anzucmpfehleu. 

Eine bessere Correctnr wäre erwünscht gewesen, 
um Ungleichheit in der Schreibart zu vermeiden. So 
wurde bald Punkt, bald l'tinct, bald charakteristisch, bald 
eharacteristisch , bald byzautinisek , bald bycantiniscb 
gedruckt. L. S. 



Todesanzeigen. 



Am 16. Jänner 1861 starb Herr Joseph Seba- 
stian Grüner, Magistrats- und Criminalrath zn Eger, 
Mitglied mehrerer gelehrten Gesellschaften und Con- 
servator der Baudenkmalo für den Egerer 
Kreis. Er war im Jahre 1780 geboren, und weihte jene 
Stunden, die ihm seine ernsten Bernfspflichten frei Hessen, 
mit grosser Liebe der Alterthumsknnde nnd den Natur- 
wissenschaften. 

Grüner hat der k. k. Ccntral-Commission als Corre- 
spondent für den Egerer Kreis von Anfang derActivirung 
dieses Institutes angehört. In dem Vorsehlage, wel- 
chen GrafForgaeh — damals Statthalterei-Vicc-l'rUsidcnt 
in Böhmen — Uber die Ernennung von Conscrvntorcn für 
die 13 Kreise des Landes an die k. k. Central-Comrais- 
sion erstattete, heisst es: 

„Grüner hat vielseitige Kenntnisse der historischen 
Denkwürdigkeiten des in dieser Beziehung sehr interes- 
santen Egerlandes." 

Auf Grund dieses Vorschlages wurde Grüner mittelst 
Decretes vom 18. Juli I8f>4, gleichzeitig mit Winaricky, 
Benesch, Schmoranz, Slawik u. s. w., zum Conservatnr 
ernannt 

Grüner hat von Anfang des ihm zugewiesenen 
Wirkungskreises eine rege Thätigkcit entwickelt und 
innerhalb desselben die Zwecke der Ccntral-Commission 
nach besten Kräften zu fördern gesucht, indem erder 
Erforschung nnd Erhaltung archäologischer Objecte 
Gönner nnd Freunde zu gewinnen strebte, von allen 
dieses Gebiet betreffenden Vorfallcnhciten die Ccntral- 
Commission in Kcnntniss setzte, der Zerstörung und 
Verwahrlosung historischer Bnudenkmale nach Thunlich- 
keit entgegenwirkte u. s. w. Vorzüglich waren es die 
Denkmale von Eger selbst, deuen er seine unmittelbare 
Aufmerksamkeit schenkte. Im ersten Bande der Mit- 
tbeilungen, pag. 89 ff., ist von ihm eine Notiz enthalten: 
r Die Kuincn der ehemaligen Juden - Synagoge zn 
Egcr. u 

Eben so nahm sich Grüner der Egerer Burg und 
Capelle so wie der, in der Dccanatskirche St. Niklas zn 
Egermit Kalk Übertünchten Fresken eifrigan. 1857 wurde 



Grüner vom damaligen Kreispräsidenten Grafen von 
Rothkirch in da» zur Consrituirung eine» Vereines wegen 
Restauration der Egerer Dccnnatkirche gebildete Comitc 
berufen. In seinen archäologischen Bestrebungen stand 
Grüner in nahen Beziehungen nnd lebhaftem Verkehr 
mit dem bekannten ehemaligen Scharfrichter zn Eger, 
später Custos und Numismatiker des fürst!. Metter- 
nich'schcu Cabinets zu Köiiigswart, Karl Husz, dessen 
Lebcnsgcsehichte Gruner in seine Schritt : r Bricfwcch- 
sel und mündlicher Verkehr mit Göthc- aufnahm. 



Am 30. Decemberl8t>3 verschied zu Klosterneubnrg 
der Capitnlurpriester Florian Thaller, Kanzleidirector 
und Archivar des dortigen Stiftes und Corrc spondent 
der k.k. Cent ral-Coiumission für Randenkmale. 
Er war im Jahre 1809 zu Wien geboren, zeigte schon 
frühzeitig eine ungewöhnliche Vorliebe für Kunst und 
Wissenschaft und besass eine ganz besondere Gabe für 
das Ordnen nnd Reiben mittelalterlicher Denkmale. So 
war er es, der die Gemäldesammlung des Stiftes, welche 
sieh bis zum Jahre 183f> in grosser l'nordnung befand, 
aufstellte und regelte; von ihm wurde mit Zuziehung 
des kais. Rathes nnd Conservators A. Camesina die 
dortige Schatzkammer neu und zweckmässig geordnet ; 
er Überwachte die Restauration des bekannten Kloster- 
neuburger Stammbaumes und erlebte auch noch seinen 
liebsten Wunsch , nämlich den , die Gemälde an 
der Rückseite des Verdttner-Altars, welche aus den 
Jahren 1324 bis 1330 stammen und bisher völlig unbe- 
achtet und unbekannt geblieben waren, an das Licht 
gezogen und zweckmässig hergestellt zu sehen. Zn 
diesem Eifer für alles Gute und Edle kam seine 
nuendliehe Güte und Liebenswürdigkeit, seine I'ner- 
müdlicbkcit im Vorweisen der Knnstschätze nnd die 
tiefen Kenntnisse, die er bei der Demonstration dersel- 
ben entwickelte. Nicht nur das Stift selbst, sondern 
die gelehrte Welt Österreichs erlitt durch sein 
Hinscheiden einen schweren Verlust. 



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XXV 



Das Seschlecl 

Über dieses Geschlecht bestehen blos vereinzelte, 
in verschiedenen Werken zerstreut vorkommende Nach- 
richten, welche wir zu sammeln und zu ordnen bemüht 
waren. 

Die Wiege der Bonomo liegt in Istrien, wo sie ge- 
schichtlich schon vor der Mitte des XIII. Jahrhunderts 
erscheinen, vun hier wandten sie sich nach Krain und 
später auch nach Steiermark. 

In Krain beBassen sie WolfsbUhcl und Mannsburg 
und nannten sich datier „Bonomo vun Mannshurg**. 

Ihr, mit einem Herzschilde bezeichnetes Wappen ist 
vierfcldig. Im ohern rechten und untern buken Quar- 
tiere befindet sich eine Leiter, im linken obern und 
rechten untern Felde ein gesenktes Schwert. Die sym- 
bolischen Kmbleme aller Feldnngcn haben eine schiefe 
Stellung. 

Der Herzschild zeigt zwei aufgerichtete Schlangen. 

Den Schild schmucken drei oftene, gekrönte Tur- 
nierhebne. Auf dem ersten Helm bemerkt man zwei 
Flügel mit den Schwertern, auf dem mittlem einen ge- 
krönten Vogel nnd auf dein letzten einen, mit zwei 
Sehlangen bezeichneten Pfaneiisehweif. 

Freiherr von Vnhasur hat das Wappen abgebildet ', 
bei Bnccllini und Schmutz 2 sind Uber dieses Geschlecht 
einige Nachrichten zn finden. 

Im Jahre 1 246 verbanden sieh zu Tricst, anf An- 
ratben des Minoritcn-Provincialcn Br. Pcllegrin, mehrere 
adelige Familien zu gemeinschaftlichen geistlichen An- 
dachtsübungen , nnter welchen sich auch die Bonomo 
befanden. Fnler dem Schutze des heiligen Franz von 
Assisi erbauten sie daselbst in dem Klostergange der 
Minoriten eine Capelle, welche noch gegenwärtig die 
.adelige Schule«' genannt wird, wo sie zu gewissen 
Zeiten zur Verrichtung ihrer Andacht zusammentrafen. 
An der Stirnwand dieser Capelle sieht man nebst dem 
Bildnisse des vorhenannten Heiligen die,Wnppcn folgen- 
der dreizehn adeligen Geschlechter, als: der Petazzi, 
Argenti, Bonomi. Burli. Giuliani, de Leo, Pcllegrini, 
Stella, Belli, Zigotti, Paduini, Tafln ni und Bnselli. 

Die dabei angebrachte Inschrift lautet: „Vetusta 
nobilitatig Tergcstinae congregatio tredeeim insignita 
familiis, instituta, anno 1246, secunda Februarii, sub 
auspieiis divi Francisci*'. 

Um die Mitte des XV. Jahrhunderts lebte Martin 
Bonomo, über dessen Leben verschiedene Ansichten 
herrschen. Freiherr von Vnlvasor nennt ihn 1449 einen 
Bischof von Piben und des Patriarchen von Aglar 
Gencralvicar zu Laibach'. An einer andern Stelle be- 
zeichnet er ihn als Bisehof, Gencralvicar zu Pettau nnd 
Pfarrer zu Laibach *. Aquilin Caesar fuhrt Martin als 
Bisehof und Gencralvicar zu Lnihach und zugleich als 
Pfarrer von Pettau an. Da jedoch der Bischofssitz von 
Laibach durch Kaiser Friedrich IV. erst 1461 entstand, 
so hegt Caesar die Ansicht, er durfte blos Bischof in 
partibus infidelium gewesen sein*. Bei Bowodcn' and 

• V*Itu. Rkr* 4. Hm. Kr. S Tbl., B4. IX, p. 91. * Seknau, hui. 
Up. 1^.1. i, Bl. p. IM. • Muten. V. Bd. p. M-tt. « t. TW,, Bttti IX., 
p. «W. » tMem p «M. • Anm«l. Im*. Slyr. I TM , p. Ii ' Gmfc. » CUM 

IX. 



t der Bonomo. 

Raisp' kommt Martin als Gencralvicar von Aglar nnd 
Pfarrer zu Pettau vor. 

Martin . Uber dessen frühere geistliche Stellung wir 
nicht unterrichtet sind, wnr schon 144.") Bisehof zu Piben, 
und hat daher nie zu Pettau gelebt. Zu dieser Verwechs- 
lung gab die. /.wischen den WiSrtcrn Pelina und Pettau 
obwaltende Ähnlichkeit Veranlassung. 

Pelina (Pedina), eine kleine Stadt in Istrien. auch 
Pibeu genannt, mit einem im Jahre .'124 durch Kaiser 
('»nstantin dem Grossen errichteten Bisthuiiic. hatte im 
XV. Jahrhundert gleichzeitig zwei Bischöfe, nämlich: 
Fr. IVlrus nnd Martin. Der Krstere, vom Papst Kugen IV. 
14.'t4 ernannt, war früher Prior des Predigerordens zu 
Venedig und stammte aus dem edlen Gesehleehtc der 
Justiniani. Kr sass durch 30 Jahre auf dem F.piseopalstuhl 
und starb 14(54'. 

.Martin, welcher 1445 durch Papst Felix V. den 
Bisehofsstiihl von Piben bestieg, wurde, da er sich die 
Würde eines Genernlvicars von Aquileju beilegte, noch 
in demselben Jahre mit Lorenz, Bisehof von Lavant. 
durch Papst Kugen V. exeommunieirt. Von diesen beiden 
Bischöfen behauptete sieh in der Wirklichkeit blos 
Fr. Petrus. Martin, im Catalogus Episcopormu Petinen- 
sium als ..PsendoKpiscopus" bezeichnet', hat von seinem 
Bischofsstuhle nie faetisehen Besitz ergriffen, sondern 
blos den leeren Titel geführt. 

Zur Vorbeugung von Misshclligkeiten ernannte ihn 
Ludwig III. Scarnmpus de Mezarotta, Patriarch von Aqni- 
leja, zum Geueralvicar in Krain. Martin weihte 14M den 
Altar in der Schlosseapelle zn Kciffnitz', und starb, 
nicht wie l'ghellus anfllhrt 1480, sondern nach Cunta- 
renus den 8. Juli 1456 und wurde in der St. Nikolai- 
kirche zu Laibach unter der Kanzel beigesetzt, wo 
dessen mit der Mitra und dem Stabe geschmückter , ans 
rothem Marmor gemcisselter, mit einem Schilde und 
drei M bezeichneter Grabstein folgendes Epitaph tragt : 
„Anno domini 145(5 in die Sancli Kiliani obiit reverend. 
patcr Martinas Episcopus petinensis" \ 

Im Jahre 14V8 erhielt Lorenz Bonomo vom Kaiser 
Friedrieh IV. in seiner Herrschaft Milterbnrg das 
Schloss Hegkl mit der gewöhnlichen Burghut in Ver- 
wahrung, und stellte über diese Verleihung den 19. Jän- 
ner desselben Jahres den Dienstrevers aus*. 

Den 14. April 1197 erscheint Peter Bonomo, kaiser- 
licher SeeretMr, in einer Urkunde , kraft welcher Hanns 
Kischharnvat das Schloss Andels pflegweise erhielt. Den 
Brief siegelte Jörg von Turn'. Peter war aus Tricst ge- 
bürtig, Kaiser Maximilian's l. und Kaiser Karl's V. 
Kanzler, nnd gehörte dem geistlichen Stande an. Als zu 
Anfange des XVI. Jahrhunderts bei seiner Ernennung 
zum Bischof die Bischofssitze zu Wien und Tricst 
gleichzeitig offen standen, und Kaiser Maximilian ihm 
über beide die Wahl frei stellte, erbat sich Peter Bonomo 
jenen von Tricst. Er starb von seiner Mitwelt hoch- 
geehrt, 88 Jahro alt, 1556, und wurde in der Domkirche 

> I'«ko a. Cm«, p. 1*0, «. ItöO. • feUrlu S. Tbl , V. Bd., p. «». ' M» 
rUi S. TM., V. Bd., p. 4««. » Vilm t. Tbl., p. «TS. » Itllonichek All 
in 4m Mlilh du tut V.r. I. Krün. 1447, p, 1*4. • Kond. f. «rt. OmcIi. qti.ll 
Bd in, f. III ' Mitth. d.W.l. V.r t, Statann- lt. Uft., p. t», Nr. 1MI. 

d 



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XXVI 



Reiner Vaterstadt zur Ruhe bestattet. Sein Leieheustcin 
hat folgende Inschrift: 

„Praesulis hic mmnlns Petri tegit ossa Bonhomi. 
Grata tuo civi, plebs pia vota refer- '. 

Im Jahre 1530 finden wir Nikolaus I. von Bonomo 
als Mitglied der steirischen Landmannschaft verzeichnet '. 

Johann Bonomo lebte 1570 als praktischer Arzt zn 
Pcttau , und war Doctor der Mediein und Philosophie. 
Dessen Gemahlin Palma, eine edle Tricsterin, starb da- 
selbst in ihrem 24. Lebensjahre den 24. Februar 1584 
und wurde in der Muioritcnkirchc eingesegnet. 

Der mit Kalk Übertüncht gewesene Grabstein kam 
erst 1859, als durch die besondere Sorgfalt des Herrn 
Mayemith, Guardian des Minoritenconrentcs, mit nicht 
geringem Kostenaufwandc in der Kirche zeitgemässe 
Renovirungcn statt fanden, zum Vorschein. 

Der ans weissem Marmor geformte, 3 Fuss hohe 
und eben so breite, vollkommen gut erhaltene, im oberen 
Felde mit dem gekreuzigten Heilande geschmückte Denk- 
stein befindet sieh an der Epistelscitc des St. Florinn- 
idtars in der Kirchenwand eingesetzt, und zeigt folgen- 
des Epitaph: r Palmac Bonomo de Rubertis nobili 
Tergestinae conjngi dilectissiinae, ae ob ingenuas virtu- 
tes desideratissimae obiit anno aetatis suac XX1III. 
Joannes Bonomus Philosophiac ac Mcdicinac Doctor 
moestissimus, Memoriae ergo P. F. Anno Domiui 1584 
mense Februarii XXIII L* 

Adam Ronomo besass 1572 Wolfsbühcl, er starb 
1507 und liegt zu Mannsbnrg begraben 3 . 

Nikolaus II. von Bonomo, ein Sohn des Vorigen 
und Erbe seiner Besitzung, war 1570 mit Ambro* Frei- 
herrn von Timm, Martin Gull, Thomas Reutlingen Dom- 
propst zu Laibach, und Leonhard Khrccn, Bürgermeister 
daselbst, Verordneter der Landschaft Krain nnd nach 
dem Tode Georg Hüfers von 1573 bis 1578 Vicedoui\ 
Er siegelte 1581 mit Christian Freiherrn von Abensberg, 
Wilhelm von Lanibcrg, Franz von Schcyer und Caspar 
Mauritsch , das Testament, welches Johann Beziist Frei- 
herr von Valvasor, zu Gnnsten der Mesknnischcn Familie 
errichtete. 

Niclas II. von Bonomo bekleidete nach dem Tode 
des Georg Ainkhllrn, von 1595 bis 151*8, die Stelle eines 
Landesverwalters in Krain. Er veriiusserte Wolfsbtthel 
an Leopold von KaumschUsscl, und starb den 4. März 

• Va!t„ 1. TM., f. «M. ' SoMntitl. I. Tb. I» 131. • Vwtm. *. TM.. 
,. ' Vilm J. TM., j.. Hfl. * IM4.i U p «I. 



1508 zu Gratz, wohin er von den Laudstäiiden gesandt 
wurde. Sein nach Laibach abgeführter I<eichnnhm fand 
in der Spitalskirche seine Ruhestiltte '. Gegen Ende des 
XVI. Jahrhunderts (151*0— 1(500), genau liisst sich die 
Zeit nicht bestimmen , hatte ein Edler von Bonomo 
Justina Freiin von Lanibcrg zur Gemahlin. Sie war die 
Tochter Wilhelms Freiherrn von Lanibcrg und der Anna 
Freiin von Auereberg'. 

Hanns II. von Bonomo war 1596 mit Georg Aink- 
hllrn und Christoph Meskeu zu Ortenegg ständisch krai- 
nerischer Verordneter, und hierauf von 1590 bis 1602 
Landesverwalter in Krain 1 . 

Zu Anfang des XVU. Jahrhunderts (1(513) hatte 
Magdalena von Bonomo Daniel von Raumsehtlssel ztuii 
Gemahl, dem sie drei Söhne gebar: Leopold, Kraxiiin* 
und Adam. Nach ihrem Tode verband sich Daniel von 
Raumsehtlssel mit Barbara Freiin von Dietrichstein'. 

Im Jahre 1651, 1G53 und 1(558 finden wir Franz 
von Bonomo als Guardian des Minoritcn -Convents zu 
Pcttau. Derselbe wurde im letzteren Jahre, als er auf 
Anordnung der hohen Regierung die ausgeschriebenen 
Steuern auf seinem Grundbezirke einsammelte, zu Sto- 
zerzen nächst l'ettau von seinen Unterthanen, welche 
im Wahn lebten, die neue Geldanlage käme blns dem 
Kloster zu Nutzen, sei daher eine eigenmächtige Hand 
hing, auf eine grausame Art erschlagen 1 . Nach dieser 
blutigen Katastrophe flüchteten sich die Morder thcils 
nach Croatien, theils in die Rohitseher Wälder. Zwei 
der eingefangenen ITbclthäter bllssten erst 1(572 ihre 
Blutschuld mit dem Leben, die übrigen, minder schwer 
Betheiligten erhielten iu Rücksicht ihrer aufrichtigen an 
den Tag gelegten Reue, dann wegen ihrer langen Ein- 
kerkerung und der ausgestandenen Schmerzen erst 
1675 durch kaiserliche Gnade die Freiheit r . 

Den 1. Deeember 1670 entschlief in ihrem Geburts- 
orte Asiaga an der Brentn die Nonne Giovanna Maria 
Bonomo, und ruht in der Kirche ihres Heimatsortes '. 

Im Jahre 1812 wurde Franz Xaver von Bonomo, 
k. k. Oberstlieutenant im Ingenieur-Corps, nachdem der- 
selbe den vollgültigen Beweis seiner directen Abstam- 
mung von Nikolaus I. von Bonomo lieferte, als Mitglied 
der steirischen Landinannsehaft aufgenommen , und den 
1 1. Juni des bezeichneten Jahres in die Ständeversamiu- 
lung feierlich eingeführt'. J)r. Hunim-h 

> V«|v«. 3. Tbl , p 11 ' Dnccdtial S TM , f. 7, i. Tbl . |,. Ii: . ' V«|- 

v» .1. Tbl . ji 71, ' llu«. III. ltd. f. IM. > liunlith, tie.ch.il«. !•••( Mit. 

Kl. M. :.. ii. RH. • p«t»u«r. Min. Artb. ' Ar.-b. (Or Kuurl, i.'.r «. 
HJ III (. SSM. « Sthmuli. I. »il. v Iii. 



Bas Doxal zu Cöln. 



Dem bekannten Cidner Schriftsteller Dr. Enner ist 
es gelungen, das wegen seiner reichen Verzierungen 
vielbesprochene Doxal in der Ki rchc der h. Maria 
im Capitol zu Ctiln als eine, nicht dieser Stadt ange- 
börige, sonderu als ausländische Kunstarbeit darzu- 
stellen. Es wurde nämlich von der Witwe des kaiserl. Ra- 
thes Georg Hacquenay, gemäss dessen letztwilliger Ver- 
fügung, in der Stadt Mechern bestellt , um dasselbe in 
der oben genannten Kirche „zum Lobe und zur Ehre des 
allmächtigen Gottes" aufrichten zu lassen. Im Jahre 1524 
wurde es vollendet und durch die Gebiete des Herzogs 



von Geldern und der Statthalterin der Niederlande nach 
Ciiln gebracht. Ein auf diesen Transport bezüglicher 
Brief ist von 13. Juni dalirt und an den Herzog von 
Geldern gerichtet, wclehcr gebeten wird, das Doxal ohne 
Beschwernis» und Zugeid durch sein Land ziehen zu 
lassen. Ein zweites Schreiben von 1. Juli desselben 
Jahres an die Erzherzogin Margarethe, spricht dieselben 
Wünsche aus. (Cölnische Blätter 1864. Nr. 2.) 

(i'b.r nu l>o»l nltnl .1«» Ka ( lct .KiuuIkmcUcM«* II. IM <»il 
dtixu .t,/r»l«Lt« ScbriKe»- 11 «1.; 



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XXVII 



Conrespondenz. 



Fi-WUirtb, im Jänner 18(14. 
Die im lctztvertlossenen August vorgenommene 
BeaugenschcinigungdesAltarszti Brand(Bczirk Bludcnz)' 
Überzeugte den Gefertigten, das? der artistische und 
knnsthistorischcWerth des Gegenstandes weit Uberschätzt 
werde. Da» ohnehin mehr fragmentarische Altärchen ist 
sehr einfach und zeichnet sich in nichts vor andern 
Werken dieser Art aus, wie man sie in Kirchen und 
Capellen hie und da antrifft. 

Der etwa vierthalh Knau hohe Sehrein läuft oben 
in ein aufgesetztes, schmäleres Rechteck au« , und von 
diesem letzteren erhobt sieh an den beiden Enden je 
eine, in keinem organischen Verbände stehende Fiale. 

Von der beiderseitigen innern Basis dieser Fialen 
her. begegnen sich zwei geschweifte und Uber der iMitte 
gekreuzte, gleich den Fialen selbst sehr magere Orna- 
mente. Den Baum zwischen diesen Ornamenten nimmt, 
in vcrhältnissmüssig kleinen Figuren von Sehnitzarbeit, 
die Kriinung Marien'« ein. 

Zwei weitere Fialen erheben sich an den beiden 
Endecken des Schreines , und zwischen ihnen und der 
Mittelausladnng desselben, wiederholen sich die ob- 
erwähuten, sich kreuzenden Banken. 

Das Innere des Schreines nehmen drei bemalte 
Scnlpturen von ziemlich guter Modellirung ein. Die 
mittlere derselben stellt die beilige Anna vor. auf deren 
Knieen Christus und Maria sitzen, beide in Kindergrössc, 
doch Maria schon mit ziemlich merkbarer Andeutung 
jungfräulicher Formen und eine grttn-schwärzliehe Frucht 
(vielleicht eine Feige) haltend, die sie mit nusgestreek- 
tcmArm ihrem Stthnlein hinüberbietet. Zu den Seiten 
dieses Bildes steht, links für den Beschauer, St. Katha- 
rina mit Schwert und Kad, rechts St. Barbara mit dem 
Thunne. 

Die Fltlgelthllrcn theilen sieh senkrecht in zwei 
Felder und tragen an der Innenseite Ilochreliefarbeiten. 
Die eine zeigt den heil. Nikolaus uud den heil. Johan- 

< Dk.fr Ort Hrti.1 In dem Barr, Ihm 



•IM« «In* Ale*, «« dl. daielbet St.rr.omB.rr.drn A1|>l««ii* 
eine t-auelle und auch einen von der Muttarprarr« in Iliira al 
halten; auch wurde am 7. Oetol.er I.V>a daaell.ei ein« Kirche; In 
htau« Vlrciala Maria» In co.lum a..omplt«, «ill^e.elbt. 

r.t kann daher la dleaer Kirch« wohl «tu Altar «i.n> Jahr» I.MI vor- 
handen »ein. wenn auch dl« dermalls« , waJmrhebillrh bei «ln«r eiiüleran Ue- 
Mauratl-on «aLlajidebo l'via tUr Ziffer aa Ihm anlaux.t>aj «Ji nnucht «r- 
kann! »Ird. 

(/?calw«.rlh gibt den >'OarB«ldenea Allärcbea dl« dann haftende l ber- 
llcferant- Im Munde de» Volkes , narh welcher «• rerdem In dar Pfarrkirche 
KB »eewla liti f raubundeaarben Thal« Critlgan , In du tob Brand aua aln 
Alliaiit»*»» fiilirt, »eine Slelle gehabt mtd dein l'aterFidal von S I {narl d g e n 
aar Darlirlncunic de- helliirrn Mea»r-j'^ur» daeelblt «edlem hauen »oll. Illeeer 
l'aler Fidel, ala l.ale anxcMlih Hirral Rain Keheleaen. war an» &la 
marinem , l-eldrr Ktflite I»OL-tor und Besatzer du» demal» öMerreirbUrbtn 
iierlehubnfea zu Kneheim in Obe-r*l»a»a , «r ward Kapuilnor und Guardian 
div.ee Orden» au Feldkjrch. Al* im blntlfen Händnerkrieic« de» Jahrca l«»"I 
o#terrelrhl»< he S*>liiaroii du refurmlrte l^ntfvulh in *eowl», Schier» uud (Iniieh 
zur Anhörung der lii'lllt(Ou Xuitc kwin«-en wollten, wurden beide Thelle band. 
Kernela «Ml am «nleti Orte hol der fUllWntclfrle« i'aUr , der T in telnem 
Kloatirr, dae wir da» (anie rorarlberfii« he Oberland daana-1» aum Cnurer 

S|irt'Dtrel gebort.- , tUlilu geh tuen war. am 1*4. Annl der Wuth dt» Vnlke» 

IQIU Opfer. Saiu llaujil ward «u den Kafvatarru n**h Feldkirch, wo «■ 
Boen vurwahrt und «erenrt wird, der t>ln aler narh t hnr In die liomklrrh« 
itnbrarni*. Der Altar ,...11 von «lauten . der kathollxhen I.ebr» Ir.ugelitiebtnen 
tlrmelndagllidern Uber dam Khkllkon (eallehlat and eo narh Brand fe 
kommen »ein. Jot tl<rymam. 



rij« 

, Kol 



br CI.U. IM« feit, Iii 



ffenkwiolifkcteo. be»a«»tfe|waru 



nes, die andere den heiligen Joachim und den heiligen 
Bischof Theodor. Die gleichfalls zweitheilige Aussen- 
seile der Flllgel ist bemalt und zeigt links die heilige 
Margaretha und die Verkündigung Maria, rechts eine 
unbestimmbare Heiligeugcstalt und eine sehreigenthüm- 
liehe Darstellung der Menschwerdung Christi. Ans einem 
Wolkenstreifen erhebt sich nämlich, in halber Figur, mit 
weissem Talar und rothein Mantel angethnn und von 
Engelchen nmgeben, Gott Vater, nnd unterhalb an dem 
besagten Wolkenstreifen in Tnubengestalt schwebt 
der heilige Geist. Vom Leibe des Vaters gehen diver- 
girende blutrothe Strahlen aus und reichen bis zu der 
nnten knieenden Jungfrau, in blauem Kleide und rothem 
Mantel. Durch den Strahleuhlindel nber fuhrt, die Füsse 
nach oben, das Köpfchen abwärts gekehrt, ein nacktes 
Kindlciii herab, dein ein zur Seite auffliegender Engel 
den Weg weist. 

Die Malereien sowohl als die Sculpturen des 
Schreines befinden sich in einem ziemlich gut erhaltenen 
Zustande und durften trotz der an einer Stelle des 
Altars vorkommenden Jahrzahl J.MI, die sich durch die 
Form der Ziffern unliiugbar als unecht zn erkennen gibt, 
dem Ende des XVI. Jahrhunderts angehören. Die Fialen 
und Banken jedoch sind höchst wahrscheinlich nur eine 
spätere Zuthut ; ganz gewiss lässt sich dies von der Pre- 
della nnd von dem Altartische selbst behaupten. 

Was dem bescheidenen Altärchen wenigstens einen 
anderweitigen nnd zwar loealen Werth gibt, ist eine 
sieh daran knüpfende, nicht verwerfliche Tradition. Nach 
dieser soll der Altar nämlich früher in der Pfarrkirche zu 
Sevis, im granhUndtnischeu Thale Prätigäu, in wel- 
ches von Brand aus ein Alpenpas* hinüberfuhrt, seine 
Stelle gehabt und dem heiligen Fidelis, dem ersten 
Märtyrer des Kapuzinerordens und damaligem Gnardian 
zn Feldkirch in Vorarlberg, zur Darbringung des heiligen 
Messopfers gedient haben, als sich derselbe zurBeforma 
tionszeit im Auftrage des Bischofs von Chnr nach dem 
IVätigän begeben hatte , um durch seine Predigten dem 
dort um sich greifenden Abfalle Einhalt zu thun. Nach- 
dem aber dieser deunoch erfolgt nnd Fidelis unter den 
Streichen der abtrünnigen Seviser gefallen war (am 
24. April 1622), sollen sich einige treugebliebene Ge- 
meindemitglieder Uber das Gebirg nach Brand gefluch- 
tet und den heimlich fortgenommenen Altar mit sich 
dorthin gebracht haben. 

Die Sache ist an und ftlr sich durchaus nicht 
unwahrscheinlich , und nlte ehren wert he Mäuner des 
Thaies versichern, diesen Hergang schon als Kinder 
von ihreu Vätern vernommen zn haben, welche sich 
eben so \vieder auf ihre eigenen Väter berufen hätten, so 
dass die Überlieferung wirklich bis nahezu auf die Zeit 
zurückreicht, in welche der Tod des heiligen Fidelis 
notorischer Maasscn fällt. 

Wofern demnach die Gemeinde Brand einmal ihre 
Kirche mit neuen Altären zu versehen und wenig- 
stens einen Theil der Kosten durch Veränsscrnng des 
besprochenen und Allerdings in ihre Kirche wenig 



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XXVIII 



hineinpassenden Altärlcin.« zu decken beabsichtiget, so 
möchte es am angemessensten sein, ihr das Letztere 
/war zu gestatten . doch nur in d e m Kalle , wenn das 
ehrwürdige Pherhlcibscl tili die Kapnzinerkirehe zu 



Pcldkirch acqnirirl wurde, wo dasselbe — die Richtig - 
keit der Volkssage angenommen — unter den übrigen 
dort aufbewahrten Reliquien des heiligen Blutzeugen 
die geeignetste Satte fände. Sr„rl-* r . 



1'r.ifr, 19. Min 1*64. 

Her < ' a s I a u e r T h u r tu b a u . eine der schwierig- 
sten Unternehmungen im Rayon des Kreisbezirkes, steht 
nun in schöner angemessener Form, seiner Vollendnng 
harrend, da! Es fehlt nur mu h die AnhcRung verzinnter 
Hlechtafcln. die Ausfüllung einiger Steinmctzomauicntc in 
der Gallerie uud den Ecktliltrmclien, und endlich die 
Stiegenverbindung bis zum Kipfel. Die Holzconstruction 
dieser slylrcchteu, ins Achteck geschlossenen, einfachen 
Zeltdächer lässt nichts zu wünschen Übrig. 

Betrachten wir die Brände von dem Jahre l.*>2'.', 
ItilM), 1703 und 1841 . wo immer wieder das innere Ge- 
bälke und das Dach dem Feuer zum Opfer fiel, so 
müssen wir uns wundern, das.« dieses Gemäuer bis zum 
Krongeshnsc gesund genug ist, dem enormen, senk- 
rechten Dach- und Galleriednicke sicheren Widerstand 
zu leisten. Die Höhe des Zeltdaches betrügt 22, die der 
Thunnmaner 23 und jene des Kreuzes 2°, womit also 
die gesammte Thurmhöhe 47° ausmacht. Der Kunst- 
kenner und Architekt würde mehr deeorative Motive zur 
Belebung des Ganzen und endlich ein.- Schiefereindeckung 
wünschen, allein man musste stets bei einem solchen 
Kaue der Ökonomie des Kaufendes mehr Rechnung 
tragen, als den Anforderungen der Kunst. Das einzig 
Störende bei dieser Kirche ist das unendlich niedrige, 
sehr flache Kirchendach, welches einen dcpriinircndcii 
Eindruck hervorruft und den hohen Thurmkörpcr gar zu 
sehr isolirt. Die aus dem Kutteniicrgcr Qnadersandstcin 
hergestellten Gallerien, mit fünf, je auf einer Seite im 
Kleeblatt ausgeschweiften Areadenbögeu, die FckthUnu- 
chen mit je einem Rundfester, ferner die SchallöfTniingcu 
in der Mitte der Zeltdachhöhe, würden dann mit ihreu 
Knöpfen und Fahnlein dem Thurtne ein sehr belebtes, 
schönes Ansehen verleihen. 

Noch an demselben Tage besuchte ich das pitto- 
resk auf einem kleinen Felsenhltgel im Pappel- und Er- 
leugchlisch ruhende, uralte, gothische Bnnifacius- 
k irr- hl ein zn Lochy, eine halbe Stunde nordwestlich 
von C'äslau entfernt. Ein Bau ans dem XIV. Jahrhundert. 
Die engen, kleinen Fenster, ohne Masswerk, erhellen den 
Kaum , der Chor ist im Achteck geschlossen. Der Altar 
im Renaissaneestyl mit dem Wappen seiner Stifter: 
Bernhard Grafen von Weznik und seiner frommen Ge- 
mahlin, geb. Gräfin von Areo, und eine sehr alte (»locke in 
dem niedern.mit einem Zwiebeldache versehenen Thurme 
sind Alles was das Auge fesselt. 

Auch das nahe Cholnsic, ein Städtchen mit einer 
St. Wenzclskjrche, welches am 17. Mai 1712 in dem 
Kampfe der Österreicher und Preusseu in einen Aschen- 
häufen verwandelt ward, wurde besucht. Die uralte Kirche, 
sonst Propstei von dem Cistercienscrstifte Sedlec, 1424 
dnreh die Hnssiten zerstört, ist seit dem siebenjährigen 
Kriege ein nüchterner Xolhdnrftsbau geworden. Nur in 
der geräumigen Sncristei erhielt sich ein schönes gothi- 
sches Kreuzgewölbe als Überbleibsel des alten Baues, 
dann einige leider sehr beschädigte Grabsteine, welche 
zu spät in die Kirchhofmaucr eingefügt wurden. 



Am l'.t. Oc tober wurde die kleine, aber sehr 
kunstgerecht erbaute Kirche zuMarkovic und das höchst 
merkwürdige, uralte Schloss £lcb besucht. 

Ein isolirter FclsenhUgel trägt den vorhussitischeu 
Kirchcubau vou Marko vic, dessen schlanke, gothischen 
Formen schon von der Feme auffallen. Leider wurde das 
Kirchlein vor etwa vierzig Jahren wegen bedrohlicher 
üautalligkeit des Schiffsraumes sehr verkürzt, jedoch 
das alte Portal wieder in der Maticrwand eingefügt. Uber 
wi lchein zwei leere Schilde mit der Jahreszahl I.YS1 an- 
gebracht erscheinen. Der einfache Renaissancealtar mit 
den Wappen des ehemaligen Besitzers von Zieh, Frei- 
herrn von Kaiserstein und dessen Gemahlin, gebornen 
Zäruba voll Husterau, geziert, dann drei, iu dem, ins 
Achleck geschlossenen Churraum eingefügte, ftlr den 
Heraldikcr , Genealogen und Loealgesehichtsschreibcr 
äusserst merkwürdige Grabsteine , mit interessanten 
Wappeiiscnlpturen, bilden die Sehenswürdigkeiten. Ein 
äusserst schönes, birnfömiiges Rippenprofile tragendes 
Kreuzgewölbe deckt das Ganze, während die Fenster 
gar kein Mass- und Stabwerk haben. Vor der Kirrhen- 
thttre ruht ein unbenutzter, alter und einfach geformter 
Taufstcin. Dieses Kirchlein kömmt schon in dem Jahre 
1382 in den Errichtnngsbüchern vor. Einige Schritte 
südlich ist die moderne St. Annakirche, mit zwei 
ThUrmcn und einer alten I*öwcnsculptur am obersten 
Giebelschlusse der westlichen Kirchetifronte verschen, 
welche weder dorthin passt noch dorthin gehört, und als 
ein Bestnndtheil der nlten, nachbarlichen St. Mareus- 
kirchc angesehen werden muss. 

Die Pfarrkirche zu Zieh ist ein unschöner, stylloser 
BedUrfnissbau, bei dem nur das polygonc Presbyteriutn 
vom alten, ursprünglichen Baue übrig blich. Diese 
Kirche enthält jedoch neun sehr alte Grabsteine der 
Familie Bohdanecky von Hodkow, einen steinernen, 
in verkommenem Barockstyl seulpirtcn Taufbrunnen aus 
dem Jahre 1*122, dann am llocbnltar eine uralte hölzerne, 
geschnitzte Madonna mit dem Kinde. 

Grossartig und in gewaltigen Formen, von einem 
unbekannten Bildhauer (vielleicht von H. B. Prachncr), 
sehr genial im Geschmacke der damaligen Zeit durch- 
geführt, sieht da» Grabdenkmal hier, welches Adam 
Fürst von Ancrsperg seiner 177.j verstorbenen Gemahlin 
Wilhebnine, gebornen Gräfin von Keupcrg. errichten 
liess. Eine Pyramide, oben mit mächtigen Palinenzwcigcn 
bedeckt, bildet den Hintergrund. Oben hängen zwei 
Medaillons , welche die Brustbilder beider fürstlichen 
Gatten eu rtlief'm sich schliessen. Vorne ruht ein sehr 
geschnörkelter Sarkophag, umstellt von Engeln , welche 
trefflich raodellirt und als Trauer, Ewigkeit und Tod 
sytnbolisirt sind. Das ganze, grossartig angeordnete 
Werk ist in Stncco meisterhaft ausgeführt 

Vor diesem Monumente ruht auf einem, mit schwar- 
zen Sammt bedeckten Tische die vom Kreuze herab- 
genommene Leiche des Heilandes, umgeben von dessen 
Marterwerkzeugen, und ausgeführt in carrarischem Mar- 
mor, 2 Fuss 3 Zoll lang, 1 Fuss 11 Zoll breit, ein aus 



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XXIX 



Italien herüber gebrachtes. bea<htcnswcrthes Kunstwerk. 
Es mahnt an die Schule des Lomhardi. Ein ehrwürdige» 
Vcriiiüchtniss einer längst verschollenen Zeit ist das 
grossartige Schlossgebäudc mit seinen Zinnen, 
Bastionen, KuiidthUrmen, holten , gothischen Eingängen, 
Zwingern, Söllern, der neuen Schlosscapclle und dem 
merkwürdigen Hofraume. Das* der Kern <les Gebäudes 
uralt sei, dass über demselben Jahrhunderte mit ihren 
gewaltigen Ereignissen wegzogen, dass diese daran 
geiyidcrt, geformt, verbessert und verschlechtert halten, 
wird beim ersten Wiek zur Gewissheit, mehr noeh treten 
die vielen Veränderungen der Gestaltung bei einer einge- 
henden Beobachtung an den Tag, namentlich wenn die oft 
veränderten Bauten unserer Tage hiebei erwogen werden. 

Dieses Sehloss, mit seinen Kunstschätxcn nlter und 
HKidemer Zeit, seinen kostbaren Glasmalereien aus dem 
XV.. XVI. und XVII. Jahrhunderte, die der kunst- 
liehcndc Fürst Vinccnz von Auerspcrg in Üentsehland und 
in Böhmen erkauft, gesammelt und beigefügt, dann die 
uralten Möbel. Gcräthc, Waffen und Trophäen, end- 
lich die höchst interessauten, uralten Glasmalereien in 
der neuen Schlosseapelle, deren prachtvoller gothiseher 
Flilgelaltar mit dem Bilde des englischen Grusses, des 
heiligen Viueentjns und des Einsiedlers Wilhelm geziert 
erscheint, verdienen eine eigene, selbständige Beschrei- 
bung. Ich trete daher zu der wichtigen Sache eines 
Berichtes über, welcher die, in den Mittheilungen. II. Jahr- 
gang l*r>7.S.]r>5 ff.,bcreits durch Professor J. E.Woeel so 
gediegen geschilderte St. Jakobskirche beiCirkvic betrifft. 

Es ist hier nicht der Kanin, noch der Zweck, das 
hohe lutcressc, welches die Kirche im Dorfe St. 
Jakob bei jedem Besucher erweckt nud wie hoch- 
wichtig dessen Erhaltung sei , auseinander zu setzen, 
zudem wir so glücklich sind ein historisches Datum auf- 
weisen zu konneu, welches uns das Entstehen dieses 
Bauwerkes nachweist uud es in die Mitte des XII. Jahr- 
hunderts stellt. Der erste König von Böhmen, Wla- 
dislav I., summt der Königin Judith, wie auch die 
Donatrix Maria und ihre Söhne Nawibor und I'aul, wohn- 
ten dem Wciheactc eines Altars hei, der im Empor- 
räume aufgestellt war, als Bischof Daniel denselben laut 
aufgefundener Urkunde um 1 lrj."> eonsecrirle. Heuer nach 
Ostern soll der Rcstaurntinnsbnu angefangen werden, 
welcher von dem Patron dieser Kirche , Herrn Heinrieh 
Grafen vou Chotek , nach folgenden Richtungen vor- 
genommen werden wird: 

1. Ursprüngliche Wiederherstellung der romanischen 
Sehallfenster am Thunne. 

1*. Heimgang der sechs steinernen Figuren auf der 
Südseite des Landhauses, Aufstellung der siebenten, 
welche herabgestürzt, unter dem Dache der Vorhalle 
liegt. Diese sieben lebensgrossen Steinfiguren sind ohne 
Widerrede die ältesten Sculpturen Böhmens, und dürften 
die Gründerin Maria mit ihrem Gemahl, den als Thoil- 



nchiner bei dem nächtlichen Überfall des Bischofs Zdik 
von Olmütz in Baun gethanen Nawibor von Övabenic 
i l I4V| vor dem segnenden Erlöser darstellen. Die übri- 
gen Fignrcn mögen die Bischöfe Zdik und Daniel, end- 
lieh die ritterliche Gestalt mit dem gezogenen Schwerte 
den König Wladislav I. vorstellen, welche Vermuthung 
Herinenegild Jireeek durch interessante urkundliche 
Comliinatioucn fast znr gewissen Klarheit brachte. 

il. Die allgemeine gründliche Herstellung des 
säinintliehen Mauer- und Dachwerkes mit Rücksicht auf 
stylreehte Ergänzungen der Liscncn. Streifen, des 
Soekelgetnäuers und Daehgesimses. 

4. Die Herstellung eines ganz einfachen, jedoch 
stylrechten Altars mit Rundbogen, einem entspre- 
chenden St. Jakobsbildc und eine monochrome Austün- 
c hnng mit einfacher, stylrechten Bordur der alten Ap-tis. 

Der gütige und kunstliebende Herr Graf versprach 
Alles aufzubieten, was er als Palron zu thun vermag, um 
durch seine Mutiiticcnz, nebst den Beiträgen der Einge- 
pfarrteii und des Kircbcnfondos, das ziemlich verkom- 
mene Baudenkmal zn Ehren zu bringen. — 

Bei der Restauration der St. Barbarakirche zu 
Kuttenberg wäre io das Auge zu fassen: die Abtra- 
gung und sorgfältige, nach den vorliegenden Mustern 
stylrechte Wiederherstellung des dritten und vierten 
Strebebogens an der Nordseite d is Langhauses, indem 
wirklieh hei beiden Bögen die Gefahr des Einsturzes 
droht, welche lange eiserne, ziemlich verrostete Sehlies- 
sen nur uothdUrftig hintanhaltcn. 

Die Sache wnrde dem verlässlichen Architekten 
Johann Ladislnv Uberlassen, welcher den ihm obliegen- 
den Bau im Laufe des Jahres 18(54 vornehmen wird. Er 
benutzt dazu denselben Sandstein, aus welchem die 
Bögen sammt ihren deeorntiven Zuthalen vor dreihun- 
dert Jahren hergestellt wurden. 

Ehe ich diesen Bericht sehliesse, darf ich des 
Modells der St. Barbarakirehe nicht vergessen, 
welches der dortige k.k. Bergamtsoflicial Herr Johann 
Kraus seit drei Jahren in Arbeit hat. Es ist dies ein 
Kunstwerk, das kaum seines Gleichen in Böhmen linden 
dürfte. Ein Zoll des Modells gleicht einer Klafter in der 
Wirklichkeit. Die genaueste Formähuliehkeit bis ins 
kleinste Detail überbietet Alles, was in ähnlichem Goure 
gemacht worden ist. 

Das Masswerk der Fenster mit seiner Vcrrippung 
nnd seinen Ornamenten setzt in Erstaunen. Herr Kraus 
hat bereits in dem Jahre 18fil dem Vereine Arkadia in 
Prag, bei der dort im September veranstalteten Aus- 
stellung (siehe Mittheilungen 1861, S.277) unter Nr.;Ji:i 
das gelungene Modell des „wälsehen Hofes-, nach dem 
Massstnbe eines halben Zolles' im Modell gleich einer 
Klafter in der Natur, eingesendet, welche Arbeit sich einer 
allgemeinen Thcilnahme erfreute und dieVeranlassung die- 
ser neuen, dankenswerthen Leitung wurde. F. J.Bene»ch. 



Besprechungen. 

Anciens vdtements sacerdotaru et anedens tissus conserves en France. Far Charles de Linas. 

III., .rfn. P.H. ia*3, pur.. „ D<„»uheU», Uknlm. Avm XXII ptaMh». 

Der dritte Theil dieses mit eben so grossem Fleisso verbreitet sich in ausführlicher Weise Uber die Fuss- 
als weitgreifender Gelehrsamkeit verfassten Werkes b ek leidung. Der Autor weiss seinen etwas einftJrmi- 



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XXX 



gen Vorwurf, durch die mannigfaltigsten Citate au» 
Historikern und an« griechischen und römischen Dich- 
tern angenehm zu würzen , und theilt ihn zur besseren 
fbersicht in zwölf Capitcl. 

Capitcl I beschäftigt sieh ausschliesslich mit den 
in Frankreich aufbewahrten Fußbekleidungen der hei- 
ligen Adelgunde (geb. 630), der heiligen Bathilde (gest. 
<!feO), des heiligen Bischofes Bertrand de Hle-Jourdain 
(IDH3— 1130), des heiligen Edmund (gest. 1240), des 
heiligen Louis d'Anjon (1207) und des heiligen Peter de 
l.nxembourg. Der Verfasser gelangt durch diese und 
andere dergleichen Helj<]uien und durch Erforschung 
von Denkmälern zu der Überzeugung, das» in den ersten 
Jahrhunderten der französischen .Monarchie die Form 
der Schuhe hei Miinnern und Frauen höheren Hanges 
ganz gleich war und dnss jene der Bischöfe sich nur 
durch einen clavus (Nage), Streit) in Kreuzesform davon 
unterschied. 

Capitel II handelt von den Fußbekleidungen der 
Alten üherhanpt und entwickelt die Entstehung und 
Notwendigkeit eines Schutzes bei dem menschlichen 
Fuss, wozu allererst Baumrinde verwendet worden sein 
mag. Später diente die Haut des erlegten Wildes zur 
Beschallung, welche sich allmählich vervollkommnete, 
als man die Häute in Leder umzuwandeln verstand. 
Nachdem die Beschulungen der alten Völker des Ori- 
entes betrachtet wurden , zählt der Verfasser jene der 
Griechen nnd Römer auf, indem er dieFusshcklcidungen 
in solche theilt, welche den oberen Fuss nackt Hessen, 
wie z. B. Solen, Sculponea, Carbatina, Caliga; oder 
bedeckten, wie z. B. Calecus, Mulleus, Lima, Soecus, 
Samlalium; dann in solche, welche Fuss und Bein zu- 
gleich schirmten, wie z.B. Cothurons, Pcro, Endromis etc. 

Capitel III enthält die Beschreibung kaiserlicher Fuss- 
bckleidungen zu Koni und Byzanz, wie z. B. Campagus, 
Zancha etc. 

Capitel IV berührt die Fussbcklcidungen des Mittel- 
alters in Frankreich, darunter: Estivaux, Heuses, Calcei 
rostrati, Fantoufles, Patins, Galoches etc. 

Capitel V enthalt eine kritische Beleuchtung der im 
Altcrthunie und bei den ersten Christen Üblichen litur- 
gischen Fußbekleidungen. 

Im Capitel VI werden die Sandalen der Bischöfe, 
ihr Gebrauch und ihre Ausschmückung nebst den Be- 
Kfhnhnngen des Übrigen Clerns umständlich aufgeführt. 
I»a schon damals sich .Mode und Lnxus sehr dabei 



geltend machten, und die Priester nicht bei der er- 
laubten schwarzen und braunen Farbe blieben , so 
wurden auf mehreren Synoden im XIII. und XIV. Jahr- 
hundert dagegen strenge Verbote erlassen. 

Capitcl VT1 bietet interessante Beschreibungen 
kaiserlicher nnd königlicher Fussbekleidungeu des Mit- 
telalters, worauf Capitel V III die eigentümlichen Beklei- 
dungen der Beine der Griechen, Börner und Barbaren 
bis zum Mittelalter schildert, namentlich folgende: 
Cnemides, Ocreae, Tihialia, Fasciae crurales, Tuhrugns. 
Hosa, Housiaux, Hosobindae nnd Hosarius. 

Im Capitel IX werden jene Bekleidungen geschil- 
dert, welche unter der Äusseren Fussumhttllnng getragen 
wurden; dem entsprechend Capitel X werkwürdige 
Arten von Beinkleidern und Strumpfen (chausses et hast 
des Mittelalters iu Wort und Bild vorfuhrt. 

Capitel XI ist der Beschreibung des Stoffes und 
der Farbe der geistlichen Strümpfe, von den ersten Zeiten 
des ChristentbuniB angefangen, gewidmet. 

Capitel XII bietet Forschungen Uber die Symbolik 
der Fussbekleidung im frühesten Altcrthuin und in der 
christlichen Periode. Bei den Kirchenvätern schon , wie 
auch bei den Theologen des Mittelalters, galt die Fuß- 
bekleidung nls ein Symbol der Fleischwerdiing des 
Wortes. Der heilige Basilius schreibt iu diesem Sinne : 
„Divinitatis calceamentum est caro Deuin ferens, per 
quam ad homines descendit." Nach der Vorschrift des 
heiligen Marens soll der Priester derartige Sandalen 
tragen, dass der Fuss, wenn auch gegen die Erde 
geschützt, dennoch unbedeckt bleibe. Dieses bedeu- 
tete , dass das Evangelium nicht geheim gehalten 
werden, sich aber auch nicht auf die Güter der Erde 
stützen soll. 

In verschiedenen Kirchenbüchern finden sich auch 
Gebete, welche auf die Sandalen Bezug nehmen. So 
heisst es in jenem zu Salzbnrg: ad sandalia. „Calcea, 
Domine, pedes meos in praeparatione Evangelii pacis, 
et protege in vclamento alarnm tuarum. u 

Nachdem durch diese Dct&illirung die Reichhaltig- 
keit und Gründlichkeit dieses Werkes anschaulich ge- 
macht wurde, fügen wir noch hinzu, dass dasselbe 
sowohl in Hinsicht auf Format (gr.8), treffliches Papier, 
schönen, correcten Druck, als auch durch zahlreiche 
( 22 Tafeln ), sorgfältig gezeichnete und eolorirtc Abbil- 
dungen seines Gegenstandes würdig ausgestattet wurde. 

L. S. 



Notizen. 



Die erste photographische Ausstellung in 
Wien im Mai und Juni des laufenden Jahres zählt in 
/.wanzig Gemächern mehr als 1200 Nummern, von wel- 
chen letzteren mehrere wieder ganze Reihen von kleine- 
ren i'hotopraphien enthalten. Es versteht sich wohl von 
selbst, dass in den vorliegenden Blättern nur von jenen 
Lichtbildern die Rede sein kann, welche ein archäolo- 
gisches Interesse darbieten und schon deshalb angeführt 
werden müssen, weil es, besonders in Beziehung auf 
vaterländische Gegenstände, von grosser Wichtigkeit ist 
zu wissen : we Ic he Denkmale Österreichs photographirt 
wurden und bei wem deren Photogramme zu allcnfnll- 
siger wissenschaftlicher Benützung zu haben seien. 



So findet man von mittelalterlichen Bandenkmalcn : 
(Nr. 4) die Stiege in der alten Burg zu Graz und (Nr. ">) 
das sehr gntc Photogramm des Iwkannten alten Hause* 
zu Bruck an der Mur (beide von Johann Bosch). Der, 
als Photograph höchst eifrige Corrcspondent der k. k. 
Central -Commission Herr Anton Widter stellte fol- 
gende ausgezeichnete Photogramme nach heimischen 
Bandenkmalcn aus: 

Das Erkerfenster zu Klosterneuburg (Nr. II I, a). 

Sehloss Pottcubruun , von aussen und von innen, 
(Nr. 115, a und b1. 

Der obere Thcil des Portals der Kirche zu Maria- 
Zell (Nr. 116, a). 



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XXX! 



Die Kjiriliau.se zn Gauting nnd der Tlmnii diese» 
ehemaligen Klosters {Nr. 117, a und b). 

Die verlassene Kirche zu Sehwarzau uud die Ruine 
der St. Wolfgangskirchc zn Kircbberg aui Wechsel 
(Nr. Iii), A, a uud b). 

Die Kirche zu Deutsch - Altenbnrg an der Donau 
uud St. Johann zu l'etronell (Nr. 111), 11, a und b) und 

Die Capelle Seuscnstcin an der Donau (Nr. 121, a). 

Von Burgen und Ruinen nahm derselbe folgende 
Ansichten auf: 

Die Ruinen vom Schloss Kreuzenstein, mit der Aus- 
sicht in die Ferne (Nr. 114, b). 

Die Burg Schlaining im Eiscnburgcr Comitat i Nr. 
1 1 7, A, a). 

Thurm und Capelle der Bergvcstc zu Haimbnrg und 
der untere Wasserthnrm dieser Stadt (Nr. 120, a und b). 

Die Ruine Kmmerberg (Nr. 121, b) und die höchst 
interessante: 

Vestc Aggstein (Nr. 122, a). 

Endlich linden wir in dieser Reihe sehr anzie- 
hender Lichtbilder auch noch vier plastische Gegenstünde, 
die sieh anf bestimmte Persönlichkeiten beziehen, näm 
lieh das sogenannte „Kaiser Friedrichs-Fenster" mit den 
vielen Wappen in der Burg zu Wiener-Neustadt (Nr. IIb*, 
b), ferner das Denkmal des Andreas Baumkirchncr in der 
Burg zu Schlaining (Nr.l 1 7, A, b) und die Grabsteine des 
Christoph Hoppel vom Hans zu Rogendorf, f 1582, und 
des Otto von Meissau, f 1440 (Nr. 122, b e). 

Die ungewöhnliche Mühe und die grossen Kosten, 
welche derlei archiiologische Aufnahmen in Anspruch 
nehmen, so wie die tadellose Reinheit der ausgestellten 
Photogramine des Herrn Anton Widter erwerben 
sich den vollsten Beifall der Kenner und erregen imAlter- 
thnmskundigen und im Vnterlandsfreund den Wunsch, 
dass noch viele derartige Aufnahmen stattfinden mögen, 
die dem Forscher von so grosser Bedeutung sind. 

Von einheimischen Baudenkmalen haben wir noch 
die römischen Brunnen zu Friesaeh, von Andreas 
Groll (Nr. .-130) zu erwähnen. 

Die Photographien von ägyptischen und römischen 
Hatulenkmalcn . so wie von Jerusalem und Chart res Über- 
gehe» wir als längst bekannt und vielfach gesehen. In- 



teressanter scheinen, wenigstens in der Erinnerung an 
Homer, Punar-Raschi und Tschiflik auf der Ebene von 
Troja (von Dr. Jos Szekely, Nr. im) und 2i«<), so wie 
anderseits die Architecturen und Basreliefs von Java, 
Madras und Peru (Ritter von Scherzer, Nr. 12D. 130. 
132 und 136 bis 1 Hl). 

Was mittelalterliche Waffen aubelaugt, von denen 
die k. k. Ambraser - Sammlung so wie das k. k. Arsenal 
einen hervorragenden Reichthum besitzt, sind in photo- 
graphiseher Beziehung die lilngst bekannten nnd schon 
früher genannten Herren A n t on W i d t e r und Andreas 
Groll zu erwlihnen, von denen besonders der erstere 
vielleicht die grösste Übung in der Aufnahme von 
Rüstungen besitzt, die besonders dcsshalh so schwierig 
ist, weil die grellen ('lanzlichter des polirten Eisens eben 
so schnell als die Sehattenstellen langsam auf die licht- 
empfindliche Platte einwirken, wodurch dann sehr leicht 
schroffe Gegensätze, aber keine weichen Übergänge zu 
Stande kommen, wie diese letztere doch in Herrn Widtcrs 
Photogrammen so klarnnd zart erscheinen. HerrWidter 
stellte 48 Blätter theils mit ganzen Rüstungen, theils mit 
einzelnen Rtls'tungsstUcken aus. Von den ganzen Rüstun- 
gen siud wohl jene Friedrichs des Siegreichen, 
Pfalzgraf am Rhein, und Erzherzog Sigi smun ds von 
Tirol (Nr. 80, a und b), so wie jene drei, Kaiser Maximi- 
lian I. zugehörenden (Nr. 'Jl n und b und 105, a) als die 
interessantesten zu betrachten, da sie Producte aus der 
frühesten Zeit der Plattnerei sind. 

Von nlterthllmlichen (ieräthen, Reehern, Elfenbein- 
schnitzereien u. s. w. bietet Groll (Nr 344) einige, in 
archäologischen Kreisen schon frtlher bekannte Blätter, 
bedeutender ist in dieser Richtung das Album von 30 Licht- 
bildern nach mittelalterlichen Gegenständen aus der 
Sammlung des Baron Rothschild zn Frankfurt a. M. 
von Franz W e i s b r o d. 

Möchten sich doch die Herren Photogrnphen in den 
Kronlündem herbeilassen, nuf gleiche Weise wie die ge- 
nannten Herrn in Wien für archäologische Zwecke zu 
wirkeu, da es in deu Provinzen noch so viele Denkmale 
gibt, welche entweder gar nicht oder nur höchst ober- 
flächlich gezeichnet wurden, und die Photographie über- 
dies die trenesten, man möchte sagen, die einzig rich- 
tigen Abbildungen liefert. g . - • 



Die Wiener Zeitung vom 8. Juni I. J. bringt die 
Nachricht, dass, den Angaben eines Herrn von Stcrn- 
Gwiazdowski zufolge, im Stiindehause zu Flensburg ein 
Ruder-Schiff von 79 Fuss 10 Zoll Länge und 1 1 Fuss 
10 Zoll Breite aufgestellt sein soll, welches im vorigen Jahre 
im Nydammer-Moor beiWester Satrup im Sundcwitt'schcn, 
etwa fllnf Fuss unter der Bodenfläche aufgefunden wurde 
und ein sogenanntes Vikiuger-Sehiff sein soll. Es wird 
anch angegeben, dass sich in diesem Fahrzeug Lanzen, 
Heile, Bogen, Streitäxte, hölzerne Keulen, Hausgeräthe, 
Schmucksachen u. s.w. fanden, von denen einige mit Ronen 
bezeichnet sind. Auch traf man daselbst römische Münzen. 
Wenn die Sache sich inderThat so verhält, so wäre dieses 
Schiff ein um so wichtigerer archäologischer Fund, als 
Uber die Sehiffiahrt und den Schiffbau der ersten zehn 
christlichen Jahrhunderte wohl nur wenig bekannt ist und 
selbst in den Handschriften des XIII.. XIV. und XV. Jahr- 



hunderts nur Belten Schiffe abgebildet vorkommeu. die 
dann überdies meist so unsicher und oberflächlich ge- 
zeichnet sind, dass sie eigentlich nicht viel sicher Beleh- 
rendes darbieten. Es wäre daher sehrwUnsehenswerth, — 
immer vorausgesetzt, dass dieses Schiff wirklich ans den 
ersteren christlichen Jahrhunderten hcrrUhrc — wenn sich 
der Nautik kundige Archäologen die Mühe nähmen, das- 
selbe genau zu untersuchen, und zwar besonders in Be- 
ziehung auf die Bauconstruction, nämlich die Legnng des 
Kiels und der beiden Steven, die Bildung des Flacks, der 
Innhölzer und BanchstUeke, und namentlich der Gestal- 
tung der Kieming. Eine solche Detaillirnng würde viel 
dazu beitragen jene oben angedeuteten Zeichnungen in 
alten Handschriften verständlicher zu machen, und A. 
Jal's „Archeologic navale," besondere T. I. Mem. No. 2, 
p. 121 ff., wo er von den „uavires desNormands- spricht, 
könnte hierzu nützliche Winke und Andeutungen geben. 



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xxxn 



Die k. k. Statthaltcrci in Böhmen crtheilte den 
Bezirksämtern folgenden sehr zur Nachahmung zu 
empfehlenden Erlass in Beziehung aut die Erhallung 
von Baudenkmalen: 

„Die Wahrnehmung, das» den historischen Bau- 
denkmalcn, altcrthUmlichcn Kunstgegenständen und 
archäologischen Funden im grossen Publicum nicht jene 
Aufmerksamkeit zugewendet wird, welche dieselben 
wegen ihres hohen Wcrthes fllr die vaterländische Ge- 
schichte verdienen, hat die k. k. Ccntrnl-Commision zur 
Erforschung und Erhaltung der Baudcnkmale bestimmt, 
für die, in den einzelnen Kronländern bestehenden Conser- 
vatoren eine neue Instruction zu erlassen, in welcher sie 
insbesondere verpflichtet werden, die gedachte Ccntral- 
Commission von allen, der Erhaltung solcher Alterthümer 
drohenden Gefahren rechtzeitig in Keuntniss zu setzen. 

Dieser Verpflichtung können die Conservatorcn mir 
dann vollkommen genügen, wenn sie selbst von allen 
derlei, den Kuustdcnkmalcn drohenden Gefahren Kcnnt- 
niss erlangen , wobei die Mittheilungen, welche sie aut 
dem Wege ihrer privaten Verbindungen beziehen, oder 



oft nur einem Zufalle verdanken, sich jedenfalls als unzu- 
reichend darstellen. 

Das k. k. Bezirksamt wird daher angewiesen, von 
allen in dem dortigen Bezirke vorkommenden Gefahren, 
welche einem dort vorhandenen Siteren Baudenkmal«- 
(z. B. Stadthoren) oder dessen Appcrtincnticn (Wand- 
gemälde, Sculpturen, luschriftcu u. dgl.) oder einer dort 
befindlichen Kunstreliquie (wie Gemtilde. Schnilzwerke, 
andere Kuiistaltcrthümcr, l'rkundcu u. s. w.) drohen soll- 
ten, sowie von jeder vorkommenden Entdeckung alter 
Grabstätten und von allen anderweitigen Funden und 
Ausgrabungen, jedesmal den Herrn Conservatur direet 
und ämtlich in die Kenntnis» zu setzen. 

Insbesondere sind die Gemeindevorsteher zur geeig- 
neten Mitwirkung hierbei anzuweisen. 

Prag, am 8. August 1863. 

Von der böbm. k. k. Statthaltern!. 



Todesanzeigen. 



Uber Joseph Ritter von Arneth, welcher der 
k. k. Ccntral-Commission am 31. October v.J. zu Karts- 
bad durch den Tod entrissen wurde, ist jüngster Zeit 
eine biographische Skizze von Dr. Friedrich Kenner, 
Gustos des k. k. Münz- und Antiken -Cabinets und Cor- 
respondenten der k. k. Central - Commission für Erfor- 
schung und Erhaltung der Baudcnkmale, erschienen. 
Dieselbe behandelt auf 5!) Seiten die äusseren I/ebens- 
verhältnisse, so wie das geistige Wirken und die admini- 
strative Thtitigkeit des Verblicheneu mit eingehender 
Pietät, und wird alleu Freunden und Verehrern desselben, 
in deren Hände das „als Manuscript gedruckte* Schrift- 
rhen gelangt, eine wcrthvollc Erinnerung sein. v. Arneth 
gehörte der k. k. (Vntral-Commission von Anbeginn als 
Mitglied an und förderte ihre Wirksamkeit wo immer 
ihm eine Gelegenheit geboteu wurde; Zeuge dafür sind 
dio Sitzungprotokollc, so wie die literarischen Publi- 
cationen derselben. 

Was das Abklatschen von Inschriften in natürlicher 
(Irösse betrifft, so hat v. Arneth. um die berühmte Trajani- 
M'he Inschrift am eisernen Thor in vollkommenster 
Weise zu erhalten, der k. k. Centrnl-rommission ein 
eigenes Verfahren mitgetheilt (Sitz, vom lü. Juni ISöö), 
von welchem dieselbe seitdem fortwährend durch ihre 
Organe Gebrauch machen lässt. 

In den Mittheilungen und im Jahrbuch finden sich 
folgende grössere Aufsätze aus v. Arneth's Feder: 

Mittheilungen, Jahrg. V, pag. 10*2—112: Der Fund 
von Gold- und Silbergegenständen auf der Pusztn Bäkod 
bei Kaloesa in Ungarn. Mit 14 Holzschnitten. 



Jahrbuch, Jahrg. I, pag. 51 — 72: Über das im Jahre 
1851 entdeckte Hypocaustum und die Inschrift der Gens 
Barbia zu Enns. Mit 7 Tafeln. Dann pag. — 90 : Die 
Trajans-Inschrift in der Nähe des eisernen Thores. Mit 
1 Tafel. 



Am 1. Juni des laufenden Jahres starb der bekannte 
Sphragistikcr Karl von Suva nach langer, Icidcnvollcr 
Krankheit in seinem 57. Lebensjahre. Er war Vice.-Hof- 
buchhalter der k.k. Tabak- und Stempel-Hofbnchhaltong 
und Mitglied mehrerer wissenshaftlichen Vereine. Aus- 
gerüstet mit vielfachen historischen und archäologischen 
Kenntnissen, warf er sich mit besonderer Vorliebe auf 
die Siegclkunde und legte eine sehr reichhaltige Samm- 
lung von österreichischen Siegeln, zum Theile in Origina- 
len, grösstenteils aber in Gypsabglisscn an; welche, da 
sie in ihrer Art wohl einzig darstehen dürfte, von irgend 
einer wissenschaftlichen Anstalt angekauft werden sollte, 
damit sie nicht, wie leider schon so manches Andere 
in die Hände von Händlern gerathe oder verschleppt 
werde. Die nächsten Hefte der „Mittheilungen- werden 
die letzte Arbeit des Verstorbenen bringen, nämlich 
eine ausführliche Abhnndlung über die Siegel der öster- 
reichischen Kegenten. Da Karl von Sava der Einzige in 
Wien war, der sich ausschliesslich mit Siegclkunde be- 
schäftigte, so erleidet dieser Theil der mittelalterlichen 
Archäologie durch sein Hinscheiden einen sehr schmerz- 
lichen Verlust. 



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XXXIII 



Die klugen und thörichten Jungfrauen. 

(3lug<xnUde In der SUdtj.rirrklrch.ti tu FrlwMb. 





Von den Glasgemäldcn der Stadtpfnrrc 
zu Friesach, welche die „klagen und thörich- 
ten Jungfrauen" vorstellen, sind nur die hier 
in Holzschnitten beigegebenen vier Figuren 
vollkommen erhalten und zwar zwei von 
den klugen und zwei von den thörichten 
Jungfrauen. Sie stehen auf Thürmen und 
befinden sich in Feldern, dio oben von 
einem Klcebogen geschlossen sind, der von 
Situlen getragen wird. Die Arbeit gehört 
dem XIV. Jahrhundert an, zeichnet sich 
durch hUbscho Motive in den Draperien nnd 
— besonders bei den thörichten Jung- 
frauen — durch den Schmerzensausdruck aus 
und wurde aller Wahrscheinlichkeit nach in 
Fricsach selbst gefertigt. Im Museum zn 
Klagenfurt befinden sich noch zwei andere 
dieser Jungfrauen, nämlich eine kluge und 
eine der thörichten, welche beide an der 
Spitze des Fensters angebracht waren, da 
bei denselben der Kleebogen nach oben mit 
eineT Lilie endet. Leider fehlt aber bei 
beiden die untere Hälfte der Malerei. Auch 
in Friesach selbst ist noch eine dieser Jung- 
frauen vorhanden, bei welcher aber das 
untere Drittheil der Figur fehlt 

Durch welche barbarischen Hände 
diese Verunstaltungen oder Zerstörungen 
geschahen, ist nicht bekannt; aber jeden- 
falls verdienen diese Fenster einige Auf- 
merksamkeit, da Glasgcmälde ans jener 
Epoche wohl nirgends sehr häufig anzu- 
treffen sind. 



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XXXIV 



Die Edlen von Reize:. 



Alte Genealogen und Geschichtsschreiber Ubergehen 
dieses im XVI. Jahrhundert ausgestorbene steierische 
Kdelgesehlerht , welches auch den Namen „der Kaitzcn 
oder Katzen" führte, mit Stillschweigen. Nur Freiherr 
von Stadl widmet demselben in seinem bisher zu wenig 
gewürdigten r Ebrenspiegeldes Herzogthums Steiermark" 
eine besondere Stelle. 

Die Hetzer besnssen in Steier: den Ret*- nnd Weich- 
sclbergcrhof, einen Hof bei Mureck, den Weitonnnerhof, 
dann die Herrschaft Herbersdorf und den Sehleicrhof bei 
Stainz. 

Sie waren verwandt mit denen von Herberstein, 
Rokal, Zinzendorf und Zollern und führten als Wappen 
ein rothes Kleid in Silber, das mit einer Kapnze Ähnlich- 
keit hatte. Auf dem offenen, gekrönten, mit einem weissen 
Flupe geschmückten Turiiicrhelm prangte dasselbe Kleid. 
Die Helmdceken waren roth und weiss. Da« Wappen erbten 
die Herren von Mtikritz 1 . 

Aus diesem Gescblechte lebte Swigardus de Hetze 
J 2-10. Derselbe erscheint in dem angeführten Jahre mit 
Hugo von Trank, Ortolf von Kapfenberg und Walther von 
Pasail, als Abgeordneter seines Lehensherrn Wülning von 
Stubenberg, der mit dem Bischof von Scckau wegen 
Zeht-nten in l'asail im Rechtsstreite war, in einer Urkunde \ 

Hndolf Hetzer war 1340 Propst des 1 1 10 durch Adel- 
rani von Waldeek zu Seekau gegründeten Chorherrn- 
stiftes des St. Augustiner-Ordens. Kr bekleidete jedoch 
diese Würde nur sehr kurze Zeit, indem er schon den 
1 1. Februar 13 18 mit Tod abging. Die Nekrologen von 
Seckau und Hein nennen ihn .dictum Rndolphum Ratzer" 

Im Jahre 1.W5 lebten Walther, 142S Andrä uud Hanns 
und 1130 Michael Hetzer*. 

Georg I. von Hetzer, der 1431 lebte und 1 116 dem 
ritterlichen Aufgebote gegen die Ungarn sich anschloss, 
war mit Ursula von Herberstein vermählt. 

Diese war die Toc hter Leonards von Herberstein und 
der Ursula von Lung und Leonard Katzianers Witwe*. 
Nach Stadl hatte Georg Hetzer die Katharina Payerliu zur 
Gemahlin". 

Dietrich und Balthasar, Gebrüder von Hetzer, welche 
um 1410 geschichtlich vorkommen, zogen gleichfalls 
144t» mit dem Autgebote der drei Länder Steier. Känithcn 
und Krain gegen die Ungarn. 

1 M»d1. Lrsp lr., Ehre <k'j It. St. II Dd., S. M9. >1 ! Aquilin, 

«,,.«, II. IM., S. MO. ■ 1H|.Io.mi. «lyr. II 114., V AM. A<| C«e». II. IM . 

- -J».v ♦ -«•»•II ». ' S '•'» > buc>'«lli>l .•.«..m.iui.^r.f.h Iii Ii.)., ». HC. 
' llütm. II. lld . s :,.*>. 



Kaspar und Ulrich Ketzer kommen 1440 vor. Der 
letztere gab im bezeichneten Jahre au Merth Nnrringer 
einen Verziehtsbrief 1 . 

Nach Ilueehini' hatte ein Edler von Retzcr eine 
Tochter des Thomas von Rokal und der Elisabeth Seidcn- 
maker zur Gemahlin. Thomas von Roknl lebte von 1419 
bis J479 und liegt zn K»nach in Kiirnthen begraben, 
seine Tochter durfte daher um das Jahr 1450 an den 
Edlen von Hetzer vermählt gewesen sein. 

Georg II. von Hetzer hatte 1520 Hosinu von Zinzcn- 
dorf zur Ehe. Er starb 1533 und liegt in der Pfarrkirche 
zu Radkersburg, wo sein aus Holz gearbeiteter, mit dem 
I'amilienwappeu en relief geschmückter Schild folgende 
Inschrift trägt : „Hier liegt begraben der edle und veste 
Georg Hetzer der jüngere, so gestorben den Freytag vor 
den I'almtag. im Jahre 1533^. 

Barthlmä von Hetzer, vermählt mit Margaretha, der 
Tochter Bernhards von TenfTenbach in Mayerhofen und 
der Dorothea Stadl, lebte 1530 bis 1543. 

Im Jahre 1541 erscheint Adam, ein Sohn Georgs II. 
von Hetzer. In seinem Namen wurde den 7. November 
1551 sein Vormund Tiburtius von Zinzendorf von 
Kaiser Ferdinand I. zn Graz mit Huben und Bergrecht 
zu Püllitz, Volhieken und Wagendorf belehnt. Er hinter- 
liess aus seiner Verbindung mit Barbara Zollner zu Massen- 
berg keinen Lcibeserben und starb, der Letzte seines 
Namens nnd Stammes, 157!). Seine hintcrlassene Witwe 
und Erbin der Besitzungen verehelichte sieh mit Hiero- 
nymusaus dem alten Geschlcchte der Grafen von Nognroll, 
das nach Bucchini schon 'J42 blühte. Sie veritusserte 
in knrzer Zeit den grössten Theil ihres Kigcnthums und 
endete ihr Leben um das Jahr 15H7. 

.Stammtafel der Killen vom Rflr.fr, 

Swlgardm i.'i't 

H»d«lf l:ili— t:;n W«lth«r 

Aidr» iij>. Uuu IMV «uhMl UOO ~ Of «r{ I. U.II lllr.' 

V»ul» v>u Hitrbtrftflii. 
IilkaHn r«j«.rllnl 

IH ctTich I I lii-lll« lilliujt H1-- Iii.: Cm«f»r lln Dinch llw 

^a. v. flrUer' 1 
< Soktl. 

Oforf IX. I'i-'.., ? ITiU. BfcrtBDlottl Ki3'>— IM! 

Retin» v-n Zinttfidvrf. Karftretha von Teuireabtrh- 

Adua i.mi, * i:.;i> 
B»rt»r» Z»li»«r r . Jlu.i ul.. ri t Ii''* 

' IWd.m ' Ilu«;,ltil III IM,, S IUI ' Sudl 1 f. s yii 

Hönisch. 



Die St, Martinskirche in Bremen. 



Zur RiujesdiKitf. 

Wie die Baugeschichte der St. Anschariikirchc 1 , so 
knüpft sieh auch die der St. Martinskirchc an das, für die 
Geschichte der kirchlichen Verhältnisse Bremens wich- 
tige Ereigniss der bekannten Theilung der U. L. Frauen- 
kirche in drei Parochicn, nämlich in U. L. Fruucn. 

< Vtrel OfjM fir thrl.rl. Kunj; 1*6:. Nr 3 



St. Anscharii und St. Martini, welche, im Jahre 1227 
dnreh den Erzbisehof von Bremen Gerhard II. beim 
Papste Gregor IX. (1227—1211) beantragt, von Letzte- 
rem in einem Schreiben' vom 31. Juli desselben Jahres 
genehmigt wnrde. In Folge dessen trug der Erzbiscbof 
dem Dechanten und dem Üomeapitcl auf, diese Theilung 

' llr»mo. I rku»if..lurl, I, S.II« >«.. 



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XXXV 



vorzuuchuicn. Sic wurde bestätigt durch ein Schreiben 1 
des Erzbischofs aus dem Jahre 1229, so das», wie der 
Bau des Langhauses der St. Anschariikirelic sofort iu 
Angriff genommen wurde', sehr wahrscheinlich auch 
gleichzeitig oder bald darauf der Bau der St. Martins- 
kirchc begann. Zwar gibt es keine den Anfang des 
Baues betreffende Urkunde, aber eine noch vorhandene 
au» dem Jahre 1290 beweist, das« die Martinskirchc 
schon eine geraume Zeit vorhanden gewesen sein muss. 
In diesem Schreiben 1 vom 2.'}. Jänner ertheiltder Papst 
Nicolaus IV. (1287— 1292) durch einen italienischen Erz- 
bischof und fünf Bischöfe allen denen, welche der St. Mar- 
tinskirche zu Bremen wegen der, durch das hohe Wasser 
sowohl der Kirche als dem Kirchhofe verursachten Schä- 
den, durch Almosen und Geschenke zu Hilfe kommen, und 
welche die Fest- und Hciligcntage in derselben besuchen, 
einen vierzigtägigen Ablas». Diese Feste sind der 1 r rkundo 
zufolge: die Geburt, die Auferstehung und die Himmel- 
fahrt Christi, Pfingsten, vier Feste der heiligen Jungfrau 
( Verkündigung, Heimsuchung, Reinigung, Himmelfahrt), 
die Kreuzeserfindung (3. Mai), die Kreu/.eserhöhnng 
(HJ. September) und das Fest des heiligen Martinns. 

Wenn der bekannte , Uberaus fleissige Erforscher 
der bremischen Vorzeit .loh. Phil. Cassel* nun hinzu- 
setzt, dass er nicht behaupten könne, ob diese erste 
Kirche so gross gewesen sei wie die jetzige, dass sie 
jedoch verninthlich denselben Thurm gehabt habe, den 
sie noch jetzt hat, was ans einem alten Abriss der Stadt 
Bremen bei Dilich 3 hervorgehe, so mUssten wir Air jene 
Frage, welche die Grösse der Kirche, d. h. ihre nördliche 
und südliche Umfassungsmauer und den Chor betrifft, anf 
den folgenden Theil der Baubeschreibung verweisen. 
Was aber den Thurm anbelangt, so können wir die 
Abbildung bei Dilich, w elche Bremen im Jahre 1300 dar- 
stellen soll, Air keinen Beweis halten, wie wir bereits 
bei unserer Beschreibung des Domes' sahen. In derglei- 
chen Dingen verfuhr Dilich chronologisch uicht genau, 
übrigen« hätte Cassel wohl bedenken sollen, dass, wenn 
er annimmt, die Martinskirchc habe schon zu Ende de« 
XIII. Jahrhunderts den noch vorhandenen Thurm ge- 
habt, darauB anch ein Schluss auf die damaligen Um- 
fassungsmauern, also auf den Flächenraum des Lang- 
hauses der Kirche zu ziehen ist. 

Wir werden also nicht irre gehen, wenn wir das 
zweite Viertel des XIII. Jahrhunderts als die erste Bau- 
periode der St. Martinikirche annehmen. 

Ahnliche Tndulgenzbriefe, wie der erwähnte ans 
dem Jnhre 1290, in denen jedoch der durch die nahe 
Weser verursachten Schilden keine Erwähnung geschieht, 
folgen noch aus den Jahren 1293, 1300 und 1.1-15. Sie 
werfen eben so wenig Licht auf den baulichen Zustand 
der Kirche, wie eine Urkunde vom Jahre 1371, in welcher 
der Math der Stadt der Kirche zu St. Martin einen Platz 
zwischen dem Kirchhof und dem Fischthor schenkt, 
weil die Bauherren derselben Kirche eine Mauer um den 
Kirchhof zur besseren Verteidigung der Stadt ziehen 
und aufbauen lassen. 

Die Veranlassung zu einer zweiten Bauperiode gab 
wahrscheinlich eine grosse Feuersbrunst, welche Ren- 
ner inseinerChronik ins Jahr 134-1 setzt. Er sagt: -Anno 

■ l>».«lt.»l I, Seil« 171 ' K-nrjrr'i Cl.ronlk mr» .Mir- Il- ( u fir 

rrirl.ll Kunii. » •. II » A'-i-lriKkl l.ri e»«-»l, Naeliilrlii»* »n .Irr 
S<. Mirtloklrc Ii« In llriruot, S.H» ■< »»». O .<,!•« 4, ■ <'h»ii. Urvta. 
TU. XI uo<t XII. • II A. JUII-r. Iwr D-m z* Ur-mm, It. 



1344 verbrande S. Martens Veerdendcel van dem Markts 
an wente tho der wc«serbrugge. a Ob dieser Brand im 
Jahr 1344 oder etwa« später fällt, ist gleichgiltig; jeden- 
falls hatte er zur Folge, dass ein Umbau und eine Haupt- 
reparatur mit der Martinskirche vorgenommen wurde. 
Renner setzt den Beginn desselben ins Jnhr 1376: _da 
befinde Her Ahrcndt Doneldey, Rathmann tho Bremen 
(welcher damals Bauherr war) S. Martens kercken tho 
bouwen vnd bouwede de in acht Jahren rede. Darna over 
rwe jähr geven Her Arent Munt , Johann Brandt vnd N. 
Windhusen de kopperen Döpe darin, so dar noch steit.- 
Darnach wäre dieser Umbau 1384 vollendet worden. 
Bestätigt wird dieser Bau. wenn auch nicht die, die Dauer 
desselben betreffende Nachricht, durch eine Urkunde vom 
6. September 1378, in welcher der Krzhischof Albertus 
denen, welche den Bau der Martinskirche unterstützen 
und ihm mit Geld oder Arbeit zu Hilfe kommen, einen 
vier/.igtiigigen Ablas« verspricht. Die Ecclesia Saudi 
Martini wird darin, ohuo Erwähnung eines vorhergehen- 
den Brandes, als edilicanda et reparunda bezeichnet. 
Wie weit sich dieser Wiederherstelliingsbau vermuthlich 
erstreckte, werden wir in der nachfolgenden Bau- 
beschreibung sehen. 

Unter den späteren, im Archive der Kirche noch 
vorhandenen Urkunden findet sich keine, welche irgend- 
wie die Sehicksnle des Gebäudes betriflt; jedoch ver- 
dienen einige derselben wegen der darin vorkommenden 
kirchlichen Utensilien und einer an die Kirche grenzen- 
den Capelle Erwähnung. In der ersten derselben (vom 
Jahre 1404) bestätigt der Krzbisehof Otto von Bremen 
den Altar: in capella contigna et eonfrontata EeelesiaeSti. 
Martini sitiim et consceraluro in honorem beatae Maria«* 
Virginis. Es grenzte also damals an die Kirche eine 
der heiligen Jungfran geweihte Capelle, deren Lage un« 
in einer niederdeutschen Urkunde vom Jahre 1417 
etwa« genauer angegeben wird. Der Altar beisst 
darin: „Altar unser leven Vromvcn, dat der i« 
ghclegen in der Capellen bitten der Kerken sunt« Mar- 
ten« vorscreven yut Norden.- Es ist demnach sehr 
wahrscheinlich, dass mit der Capelle der heiligen Jung- 
frau die jetzige, ausserhalb der nördlichen Umfassungs- 
mauer gelegene Vorhalle gemeint ist, die freilich so 
mannigfache Sehicksnle erlitten hat, dass ihreErbauung*- 
zeit unmöglich zu ermitteln ist. Und wenn, da sich im 
Übrigen keine Spur von einer andern im Norden der 
Kirche ehemals vorhanden gewesenen Capelle findet, 
diese Vcrmuthung richtig ist, so lässt sich sogar noch 
der Platz dieses Marienaltars in einer, noch jetzt in «1er 
östlichen Mauer dieser Vorhalle befindlichen, nischen- 
artigen Vertiefung nachweisen. Dazu kommt aus dem 
folgenden Jahre 1118 vom 2. Mai eine Urkunde, worin 
ein der Kirche gehöriges wunderthätiges Marienbild und 
ein Bild des heiligen Kreuzes erwähnt werden ; ersteres, 
das ein . ymngo beatae Mariac scnlpta miraculosis signis 
chorusenns* 4 genannt wird, habe sich befunden ,.in «piadam 
Capella in eimitcrio ceelesiac Sti. Martini construeta et 
ipsi eeelesiae contigna", letzteres auf dem hohen Lectorinm 
.in medio dictae ecclesiac". Ausser diesem Marienaltar 
werden in Urkunden, die bis zur Vollendung des Marien- 
altars reichen, noch andere Altäre der Kirche erwähnt, z. B. 
«lerdes heiligen Michael, des heiligen Jacobus, der l49o" von 
der St.AnnenbrUderschaft fundirte Altar der heiligen Anna, 
und der 1520 von dein Ratlimanne Reymer Prett gestif 
tefe, mit allerlei Kirchcngeräth versehene Altar des 

c* 



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XXXVI 



bitteren Leidem; Jean Christi. Doch geht aus diesen 
Altären, die sammt ihrem Geräth spurlos verschwanden 
sind, nicht da« Mindeste über die Beschaffenheit der 
Kirche im XV. nnd XVI. Jahrhundert hervor. 

Auch die Jahrhunderte der Renaissance nnd des 
Barockstyls scheinen die Kirche in ihrem mittelalterlichen 
Zustande unangetastet gelassen zu haben, ausser dass 
von Zeit sin Zeit wegen des zunehmenden Hochwassers 
der Weser, der Fussboden eine Erhöhung erfuhr. Der- 
selbe besteht jetzt in den vier, ztnn Gottesdienste 
benutzten Jochen des Langhauses, so wie ein Chor 
aus hölzernen Dielen, die etwa zwei Fuss Uber dem, aus 
dem Jahre 1 70t» datirendeu Steinfnssboden der übrigen 
Joche liefen. In den vierziger Jahren unseres Jnhrhun- 
derts wnrde eine Reparatur des Chors vorgenommen nnd 
die jetzige, westliche Schlnssmauer des Mittelschiffes 
gezogen, das sich frllhcr vermittelst einer Thurmvorhallc 
bis an die westliche Mauer des Thunues erstreckte. Der 
hierdurch gewonnene Raum, stimmt den unteren Ge- 
schossen des gewiss einst projectirten südlichen Thuruics 
wurde zur Schule des Kirchspieles eingerichtet. 



Vit Sl. Iiriinkir<bf ig&gMdcn. 

Das Inncrc fast aller Gotteshäuser Bremens macht 
einesthcils durch die dicke, meistens weisse Kalktünchc, 
welche alle Pfeiler, Gewölbe und Mauerflächen auf» 
Sorgfältigste und Reinlichste bedeckt , nndcrntheils 
durch den zum Thcil gänzlichen Mangel au kirch- 
lichen Kunstwerken nnd kirchlichem Schmucke, einen 
so kahlen, nüchternen Eindruck, wie wenige Gottes- 
häuser anderer Städte. Wenn irgendwo die Gleich- 
gültigkeit der Kirchenrefonuatiou gegen die Kunst bis 
zur bildcrstUrmcndcn Feindseligkeit ausgeartet zu sein, 
wenn irgendwo absichtliches Verdecken und Verwischen 
aller charakteristischen Battglicdcr zu herrschen scheint, 
so ist es hier der Fall, wo nicht mir alle, irgendwie an 
die Dogmen der katholischen Kirche erinnernden Kunst- 
werke fast bo spurlos verschwunden sind, dass man sich 
des Gedankens, nicht etwa an eine blosse HinwcgfUhntng, 
sondern an ein gewaltsames Zerstören und Vernichten 
nicht erwehren kann, sondern auch etwaige Vielfarbig- 
keit architektonischer Glieder für ungehörige Profanatiou 
oder wenigstens für Geschmacklosigkeit zu gelten schien. 
Kein Altarschrciu , kein Tabernakel, keine Monstranz, 
kein Reliquienbehälter, kein Ritualbuch, ja nicht einmal 
ein Tanfstein ist, mit Ausnahme einiger weniger Gegen- 
stände, welche der Zufall noch gerettet hat, den bremi- 
schen Kirchen geblieben. Das kahlste nber, an kirch- 
lichen Kunstwerken sowohl des Mittelalters als der 
Neuzeit leerste dieser Gotteshäuser ist wohl das räumlich 
und architektonisch nicht unbedeutendste derselben, die 
Martinskirche; die leerste auch in der Hinsicht, dass 
von den ueun grosseu Gewiilbejocheu ihres Langhauses 
nur vierztim Gottesdienst benutzt werden, und die übrigen 
fünf einen leeren, unbenutzten Raum ausmachen. 

Sowohl in dieser allerdings blos negativen Be- 
ziehung, als in Hinsicht auf den Charakter des t'hcr- 
gangsstyls und des in gothischcr Zeit, meistens wohl im 
XIV. Jahrhundert, mit mehreren bremischen Kirchen 
vorgenommenen Umbaues, kann die Martinskirchc als 
der Grandtypus der, in den Pfarrkirchen Bremens vor- 
herrschenden, mittelalterlichen Arcbitectur angesehen 



werden. Die geschichtlichen Nachrichten führten uns 
nämlich, wie wir sahen, ins zweite Viertel des XIII. und 
ins letzte Viertel des XIV. Jahrhunderts. Es fragt sich 
also, ob das vorhandene Gebäude seinen Hauptbestand- 
teilen nach wirklich diesen beiden Perioden und nur 
diesen beiden Perioden angehört, oder ob sich noch 
andere, urkundlich nicht nachweisbare Bauperioden 
darin zu erkennen geben. 

So klar es auf den ersten ßlick ist, dass der 
Chor mit seinem fünfseitigen Schlüsse der gothischen 
Periode, also wohl jenem letzten Viertel des XIV. Jahr- 
hunderts entstammt, eben so klar ist es auch, dass das 
Mittelschiff mit seinen breiten Quer- und l^ingengurteu 
und seinen scchslheiligcn, knppelartigcn Kreuzgewölben 
dem XIII. Jahrhundert, jener Übergangsperiode des 
RoinanismuH zur Gothik, zuzuschreiben ist. Hierin und 
in der Beseitigung der Zwischenpfeilcr und Zwischeu- 
nrcaden, so wie der dadurch nothwendig gewordenen 
Verstärkung der Hauptpfeiler, hat unsere Martins- 
kirchc grosse Ähnlichkeit mit der Anscharii- ' und Ste- 
phanskirchc. Es erhellt nämlich, sowohl aus den 
jetzigen, auffallend grossen PfcilerabstUnden (von Axe 
zu Axe etwa 38 Fuss), als aus der gewaltigen Ver- 
stärkung, welche diese Pfeiler erhalten haben, und aus 
den oben am Gewölbe Uber den Untermaucruugeu 
der Scheidbogen noch sichtbaren Rogcnansälzcn, dass 
iu der Mitte zwischen diesen Hauptpfcilern . jedes- 
mal noch ein anderer gestanden hat, dass also das 
Langhaus in seinein ursprünglichen Hau zwei Reihen 
von je fünf freistehenden Pfeilern gehabt haben mnss. 
Die Form seiner Hogcnansätzc beweist, dass die sich über 
die Pfeiler erhebenden Arcadcn nicht mehr rnndbogig, 
sondern spitzbogig gewesen sind. Die ursprüngliche 
Form der jetzt verstärkten Pfeiler lässt sich noch wohl 
erkennen. Sic waren von viereckigem Kern mit breiten 
Pilastcrvorlngcn und vier iu den Ecken sich erhebenden 
Halbsänlen als Träger der Diagonalrippen. Ahnlich 
waren vermuthlich auch die Zwischenpfeilcr gebildet, 
nur dass die Dienste fehlten. Die sechstheiligen, 
von einem Hauptpfeiler zum andern gehenden Gewölbe 
sind gewiss noch die ursprünglichen. Die Rippen der- 
selben sind Rundstäbe. Eine Basis der Pfeiler ist be- 
greiflicher Weise, da der Fnssboden der Kirche wegen 
der Wassersgefahr mehrmals eine Erhöbung erfuhr, 
nicht mehr sichtbar; dagegen zeigen mehrere der an 
den Pfeilern aufsteigenden Dienste noch ihr Knollen- 
capitJtl, wie es der Übergangsperiode des XIII. Jahr- 
hunderts entspricht. Die Uber diesem Capitäl befindliche 
Deckglicderung, bestehend aus einer Leiste uud einer 
Deckplatte, verknüpft sich um die Pilastcrvorlagcn. 
Die östlichen dieser Deckglicderungen stehen übereck. 
Am sichtbarsten ist das Zusammentreffen der Felier- 
gangsperiode des XIII. und der Gothik des XIV. Jahr- 
hunderts am Ostende des Langhauses, wo die wulgt- 
fiirmigen Diagonalrippcn des Langhauses von einem 
Kiiollcncnpitäl, die birnenförmigen Diagonalrippcn des 
Chores daneben von einem gothischeu Blättercapitäl 
aufsteigen. 

Bei Betrachtung der Seitenschiffe ist die Haupt- 
frage die, ob sie schon durch den ersten Bau des XIII. 
Jahrhunderts dieselbe Breite und Höhe erhielten, welche 
sie noch jetzt haben, wo sie, wenn auch unter sieh von 

' Or«.ij f5r rbrlttlirh« k.Hol \Ht. Noll, 31. 



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XXXVII 



etwa« verschiedener Breite, doch nur wenig schmaler 
and fast etwa so hoch sind als das Mittelschiff, ob also 
die Kirchepieith anfangs eine Hallenkirche war, oder ob 
die Seitenschiffe schmaler waren und so viel niedriger 
als das Mittelschiff, dass dieses durch Fensteröffnungen 
sein Oberlicht erhielt, ob also die Kirche anfangs eine 
Bnsilica war. Die beiden einzigen Knnstforscher, welche 
bis jetzt, wie Uber alle bremische Kirchen, so auch Uber 
die des heiligen Mnrtinus selbstständige Xotitzcn bei- 
gebracht haben, sind Kugler und Lotzc. Erstcrer 1 
scheint sich der Annahme einer Bnsilica zuzuneigen; 
dasselbe tliut in ausdrücklicher Weise auch Lotzc, der 
sie „ursprünglich eine Bnsilica ohne Querschilf mit 
einem Thurm vor der Westseite" nennt. Ich muss ge- 
stehen, dass ich diese Meinung, fltr welche sich meines 
Erachteus keine WnhrschcinlichkcitsgrUndc anfuhren 
lassen, für die Martinskirche eben so wenig theilen 
kann, wie ich sie in liezug nuf die Anschariikirchc 
theile'. Meine GrUndc fllr die Annahme einer ur- 
sprünglichen Hallenkirche sind vielmehr folgende: Krst- 
lich kommt es mir nicht sehr wahrscheinlich vor, dass, 
wtthrend man — was nun unumstösslich feststeht — die 
hiesige Liebfrancukirche wenige Jahre vorher als Hallen- 
kirche anlegte, man bei den bald nachher folgenden 
Kirchen des heiligen Anscharius nnd des heiligen Mar- 
tinas, die eben so gut Pfarrkirchen waren, wie die der 
heiligen Jungfrau, wieder zum Hasilikenschema zurück- 
gekehrt sein sollte, das in hiesiger Gegend und noch 
mehr in Wcstphalen bekanntlich sehr früh durch dio 
Hallenkirche verdrängt worden ist'. Neben diesem allge- 
meinen Wnhrscheinlichkeitsgrund gibt es aber zwei 
andere spcciellcrc, die positiver für unsere Annahme 
sprechen. Es erheben sich nämlich in der Mitte der 
Joche des südlichen Seitenschiffes an der Umfassungs- 
mauer noch die nlten Wanddienste, entweder ganz oder 
theilweisc. Der die Übergangsperiodo ehurakterisirendo 
Ring, durch welchen emer derselben in der Mitte abgc- 
theilt ist, und die Überreste ihres Knollencapitäbj 
führen uns ins XIII. Jahrhundert und zeigen uns die 
Breite und wenigstens annähernd auch die Höhe 
der nrsprUnglichcu Seitenschiffe. Dass diese Wand- 
dienste im nördlichen Seitenschiffe entfernt sind, crklilrt 
eich hier durch das Vorhandensein des Gestühls, dem 
sie hinderlich gewesen wären. Ausserdem steigen an 
der Ausscnscite der nördlichen nnd südlichen Um- 
fassungsmauer, in der Mitte der jetzigen Joche, Seitcn- 
pfeiler empor, die zwar für die ursprüngliche Form der 
Gewölbe der Seitenschiffe nichts beweisen, es aber wahr- 
scheinlich machen, dass sie anfanglich nur halb so 
gross als jetzt und der Zahl nach, nur sechs vorhauden 
waren. Endlich fuhrt auch die Gestalt des Thurmcs zu 
der Annahme, dass die Seitenschiffe gleich aufangs die 
jetzige Breite hatten. Es ist zwar nicht zu beweisen, 
dass das Mauerwerk des Thurmcs das des XIII. Jahr- 
hunderts sei ; mithin könnte man sagen, dass erst zugleich 
mit der Erweiterung der Seitenschiffe der jetzige Thurm 
begonnen wurde. Dass aber früher ein, etwaigen 
schmaleren Seitenschiffen entsprechender, schmälerer, 
nördlicher Thurm vorhanden gewesen oder auch nur 
begonnen worden ist, davon ist keine Spur vorbanden. 
Vielmehr lägst ein, am Westende des nördlichen Seiteu- 

• KIrln* SthrSflcTi j,ir KuL>l»j/liklit» It(| II, Seil* MS. « SUISttlk der 
.Icutirlitu K«t»l .10» MIIWUU,,, hd. I, » III 'Ori-.ii für <lirl«l. Kuul 
INI*, S, Sl 



Schiffes in der Mauer befindlicher, niedriger, runder 
Blendbogen, der noch auf einem hübschen, spät-romani- 
schen Oapitäl ruht und dabei die ganze Breite des 
Seitenschiffes umspannt, schliesscn, dass hier schon im 
XIII. Jahrhundert eine Empore sich befand oder doch 
weuigstens projectirt war. Auch dieser Bogen beweist 
also die ursprüngliche Breite der Seitenschiffe. Ich 
glaube daher, auch zufolge dieses Bogeus, dass schon 
im XU!. Jahrhundert zwei ThUnnc von der Grösse 
de* jetzigen projectirt worden sind und dass der jetzige 
in seinen unteren Geschossen wirklich aus der Mitte des 
XIII. Jahrhunderts herrührt. 

Die Seitenschiffe waren nnsercr Annahme zu- 
folge stets so breit nnd so hoch , wie sie jetzt sind und 
hatten je sechs Joche, deren Form fast ein Quadrat 
ausmachte. 

Die Gewölbe waren ohne Zweifel viertheilig mit 
Wulstrippen. Als nun im XIV. Jahrhundert die grosse 
Veränderung der Beseitigung der Zwischenpfeiler des 
Mittelschiffes gemacht wurde, fielen natürlich auch die 
damit verbundenen Dienste der Diagonal- nnd Quer- 
rippen weg. Die Joche der Seitenschiffe mussten sich 
also jetzt von einem Hauptpfeiler zum andern erstrecken 
und erhielten dadurc h die vorhandene etwas ungefällige 
Form. Im südlichen Seitenschiffe senken sieb die bim- 
förmigen Rippen fast nirgends auf Dienste herab, son- 
dern werden meistens von rohen , unbedeutenden 
Cousolen getragen: im nördlichen macht sich an den 
Areadenpfeilern des Mittelschiffs ein Dienst beinerklich, 
der, mit einem gegliedertem Cupitäl versehen, für die 
von ihm getragenen Rippen gar nicht passt, sondern 
viel zu stark dafür ist. Dieser Umstand und noch mehr 
das Muster der Gewölberippen im nördlichen, gegenüber 
dem einfachen im südlichen Seitenschiffe , so wie die 
Bildung der Fcnsterpfosteu und Gewände machen es 
wahrscheinlich, dass die Gewölbe des südlichen Seiten- 
schiffes von jenem Bau des XIV. Jahrhunderts, die des 
nördlichen dagegen aus einer späteren Zeit des Mittel- 
alters herrühren. Die Gliederung der Fensterlaibung des 
südlichen Seitenschiffs besteht meistens aus biruför- 
migen Stäben, mit Hohlkehlen abwechselnd. 

Das einzige architektonisch wirklich Erfreuliche der 
Martinskirche ist der rein gotbischc Chor, der, im Wesent- 
lichen wahrscheinlich der Bauperiode des XIV. Jahr- 
hunderts angehörend, aus einem quadratischen Joche 
und einem siebenseitigen Schlüsse besteht oder viel- 
mehr, cla noch zwei Seiten dieses Schlusses in gleicher 
Flncht mit den Chormauern liegen, aus fünf Seiten eines 
Zehnecks. Das Gewölbe des Chorhanses besteht dem- 
nach ans sieben Kappen. Ihre birnförmigen Kippen 
treffen in einem Schlussstein zusammen, welcher, wie es 
scheint, mit einem jetzt durch häufige Übcrtünchnng 
unkenntlich gewordenen Mcnschenantlitz geschmückt 
ist. Die Rippen ruhen nuf runden Eckdiensten die etwa 
acht Fuss Uber dem jetzigen Fussboden mit einer Con- 
sole endigen. Die Capitäle dieser Eckdienstc, so wie die 
des quadratischen Chorjoches sind meistens mit zwei 
Reihen hübscher, hoch aufliegender Eichen-, Ephcu- 
und Weinblätter umgeben. Die zweitheiligen Fenster des 
Chorhauptes und des dreiteiligen der nördlichen Mauer 
habcu eine Laibung, die ans abwechselnden birnför- 
migen Stäben und Hohlkehlen besteht, und Haustein- 
Masswerk von recht gutem Muster. Bei der, vor einigen 
Jahrzehenden im Chor vorgenommenen Restauratiou des 



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< 



XXXVIII 



Innern erhielt derselbe ein nenes geschmackvolles Gestühl 
au» Eichenholz und in den Fenstern buntfarbiges Glas. 

Hoffentlich wird man eine ähnliche, sich vorzugs- 
weise auf das Gestühl erstreckende Restauration de« 
Innern auch bnld im Laughansc vornehmen und dabei 
vor Allem nicht versäumen den gänzlich entstellenden 
hölzernen Eutporcncinban, welcher die .Stelle des soge- 
nannten Triumphbogens einnehmend, keinen freien 
lilick vom Laughanse bis ans Chorende gestattet, zu 
entfernen. Es konnte kaum ein widersinnigerer Platz 
ftlr eine hölzerne Empore gewühlt werden als dieser. 

Wenn die Kugler-Lolze'sehe Annahme begründet 
wäre, dass die Martinskirche ursprünglich eine Basilica 
gewesen, mithin schmälere Seitenschiffe als jetzt gehabt 
hat, so wtlrde daraus mit ziemlicher Gewissheit folgen, 
dass die Grundform des vorhandenen Thurm es nicht 
die ursprüngliche ist ; dass vielmehr entweder von dem 
.Mittelschiff ein, der Breite desselben entsprechender 
Tl. tinn oder von den Seitenschiffen zwei der IJrcite der- 
selben angemessene Thürmc, sei's projectirt, sei's zum 
Theil ausgeführt, vorhanden gewesen wären. Davon ist 
aber nicht die geringste Spur vorhanden; im Gegeiltheil 
llthrt uns der oben erwähnte Itlendhogcn am Westende 
des nördlichen Seitenschiffes zu der Annahme, dass mit 
der Breite der Seitenschiffe auch die Breite des Thurmes 
gegeben ist, dessen untere Geschosse gewiss noch das 
Mauerwerk des XIU. Jahrhunderts sind. Er besteht nur 
aus einem quadratischen massigen Unterbau, der sieh 
in mehreren durch spitze Blendbogen und hin und wieder 
durch Fensteröffnungen belebten Geschossen erhebt. 
Jode der vier Seiten des Unterbaues endigt mit einem 
Giebeldreieekc , zwischen welchem eine achtseilige, 
kupfergedeckte Pyramide aufsteigt. Das Mauerwerk 
des Thurmes war wahrscheinlich ursprünglich grössten- 
teils Haustein., jetzt ist es grösstenteils von Backstein. 

Wenn diese Anordnung des Thurmes unwillkürlich 
die Frage hervorruft, ob nicht auch von dem südlichen 
Seitenschiffe ursprünglich ein ähnlicher Thurm als 
Gegenstück projectirt gewesen war, so ist diese Frage 
natürlich nur zu bejahen; aber nachweisen liisst sich in 
der Wirklichkeit nichts mehr davon, ausser dass der, im 
Westen an das südliche Seiteuschiff grenzende, durch 
eine schmale Thür zugängliche Kaum ein, mit Kreuz- 
gewölben bedecktes l'iitcrgcschoss zeigt. Die westliche 
Fortsetzung des Mittelschiffes bildete ehemals eine 
Thnnnvorhalle; denn die jetzige Sehlussniauer des Mittel- 
schiffs wurde erst vor einigen Jahrzehenden gezogen. 

Leider ist das Äussere der Martinskirchc, mit Aus- 
nahme der Choqmrtie, dnreh manche moderne Anbau- 
ten verdeckt oder auf andere Weise schwer zugänglich. 
An der Nordseite, von Osten kommend, finden w ir zu- 
nächst eine kleine Vorhalle mit modern gothischem Por- 
tal, die ins östliche Joch des Seitenschiffes führt. Daran 
grenzt ein moderner Anbau, welcher zu Wohnungen 
des Kirchendieners und des Lehrers der Schule be- 



stimmt ist. Er umfasst aber auch die der Xordseite an- 
gebaute Capelle, in welcher sich die oben erwähnte 
Capelle der heiligen Jungfrau befindet. Über dem ein- 
fachen, gothischen Portal dieser Capelle befindet sich 
jetzt ein, in die Mauer eingelassenes, sehr gntes Bildwerk, 
das im Hautrelief den heiligen Mnrtinus zu Pferde dar- 
stellt, wie er den Armen und Krüppeln seinen Mantel 
mit dem Schwerte zerteilt. Die kräftige derbe Arbeit 
und das Costtlm der Hauptfigur lassen fUr die Entste- 
hung dieses Reliefs das Ende des XVI. oder den Anfang 
des XVII. Jahrhunderts vermuthen. Ein anderes, wenn 
auch nicht künstlerisch, aber wohl archäologisch in- 
teressantes, kleineres Bildwerk ist in die nördliche 
Seite des Thurmes, etwa 6«/ t Fuss von der Erde, ein- 
gemauert. Es stellt im flachen Relief den am Kreuze 
hängenden Christus dar, mit den gewöhnlich daneben 
stehenden («estalten der Maria und des Johannes. Uber 
den Enden des Querbalkens des Kreuzes stehen Sonne 
und Mond mit menschlichen Gesichtern und unter dem 
Querbalken links eine Maske. Die Kntstchungszcit die- 
ses Reliefs wage ich kanm zu bestimmen; sie scheint 
das XIII. Jahrhundert zu sein. 

Andere Anbanten der Kirche sind: im Westen die 
schon erwähnten, jetzt zur Sehnte des Kirchspiels 
eingerichteten Räume , die, vielfach umgestaltet, doch 
noch Spuren ihres mittelalterlichen l'rsprungH bewahrt 
haben. Ferner am Ostende des südliehen Seitenschiffes 
die wahrscheinlich im XVIII. Jahrhundert angebaute, 
sogeuannte Kirchenknmmer, ein Bau, dessen Oberge- 
bcIioss auch das Archiv der Kirche enthält. An diesen 
sehliesst sich südlich die Predigerwohnung, deren Gar- 
ten sieh längs der südlichen Untfangsmauer der Kirche 
hinzieht. Von diesem Gurten ans führt ins westliche 
Joch des Seitenschiffes eine Thür, über welcher man 
ein interessantes lielief erblickt, das, die Apotheose des 
heiligeu Martinns darstellend, leider so verstümmelt ist, 
dass sich über seine Entstchnngszeit schwerlich eine 
VeniHitliung aufstellen lässt. 

Wie bei fast allen bremischen Pfarrkirchen, sind die 
Mauern der beiden Langsciten auch hier mit Spitzgic- 
beln bekrönt, die, der Zahl der jetzigen Gewölbejoche 
entsprechend, mit hübschen eingeblendeten Nischen 
spätgothiseher Zeit versehen sind. Diese Spitzgiebel 
sind durch Dächer verbunden, so dass auch die Martins- 
kirche, wie die anderen lfarrkirchen Bremens, die 
Eigentümlichkeit zeigt, dass ihre Dächer, der Reihe der 
Gcwölbcjoehe entsprechend, also drei an der Zahl, 
parallel von Nord nach Süd laufen. 

Das Material des Gebäudes besteht im Äussern 
grösstenteils aus Backstein, dessen Verband der gewöhn- 
liche sogenannte wendische ist, nämlich regelmässige 
Schichten, in denen auf zwei Läufer ein Strecker folgt; 
im Innern ist Gussmnuerwerk. Nur die unteren Thcile 
des Thurmes und die Anssenseiten der Strebpfeiler 
zeigen Haustein. //. .1. Müller. 



Archäologische Funde. 

In der tiefen Erdschichte des städtischen Zie- gefunden. Sie lagen neben einander und die in gelben 
gelsehlages südwestlich von der Stadt Kol in haben Lehm gegrabene Grube wnrde nach ihrer Beisetzung 
Arbeiter 11' tief zwei Gerippe in wagrechtcr Lage mit schwarzer, humüser Erde ausgetollt. Sargspuren. 



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XXXIX 



fehlten gänzlich. Die norli festen Knochen gehörten, nach 
ärztlichem Gutachten einem älteren und einem jüngeren, 
männlichen Individuum au. 

Folgende Gegenstände sind hei diesen Gerippen 
gefunden worden : 

1. Ein silberner, inwendig stark vergoldeter Kcleh, 
dessen Copcrcnlum mit dem Fasse nur mittelst 
einer, mit arabeskem Laubwerke umschlossenen Ku- 
gel verbunden ist. Hauptfonnen, Ornamentik, Fuss 
und Schaft gemahnen an den Üenaissancestyl. Die 
Höhe dieses Kirehengeräthes betragt 5", Heine 
l'nterplattc hat 3", die oliere Kelchweite 4" im 
Durchmesser. Hin lilienartigeH Ornament schmückt 
den oberen Kelch- und den unteren Fussrand, wäh- 
rend längliche, oben abgcruudete, schräg eingekerbte 
Blattornamente den unteren Kelehtheil verzieren. 
Stellenweise ist dieses ziemlich gut erhaltene Kelch- 
gefilR« stark oxvdirt, sein Gewicht betrügt 40 Lotb. 
Ks besteht aus 1 .'Hüthigem Silber. 

2. Eine langhälsige, stark ausgebauchte, 5" hohe 
Flasche von grünem Glase. 

3. Eine gläserne, 7" im Durchmesser haltende S chale 
mit einem 1" hoben gereiften Rande , welche mit 
Kupfer plattirt und sonst unverziert gewesen ist. 
Man fand sie bereit ? eingedrückt. 

4. Trümmer eines Deckels aus grünem Glase, 
mit einem Knopfe versehen. 

5. Drei sehr put erhaltene silberne Rest and (heile 
e i n e s \V e Ii rg e h ä n g e s mit Ferien und Blattoma- 
menten. Sehr sorgfältig gearbeitet und stark ver- 
goldet. 

(i. Eine grosse hiezu gehörige Spange, 2 kleinere 
Schnallen, dann eine Schnallcnznnge. Alles von 
nlöthigem Silber und stark vergoldet. 

7. Fragmente von ciueui vergoldeten Kupfer- 
zierrath. 

.S. Zwei Stück, I " im Durchmesser haltende, schiin und 
zart ornamentirte, sehellenähnliclie Knöpfe von 
stark vergoldetem Metall. 
!>. Vier Stück eirunde, kleinere Knöpfe von ähnli- 
chem Stoffe und Arbeit. 
DJ. Zwei, fünffach der Länge nach gekerbte, blaue Glas- 
tropfen. 

11. Ein Bcrnsteinkllgelchcn, in der Mitte durch- 
bohrt. 

12. Fünfzehn, stark vergoldete, kupferne, an einen 
Draht gereihte , 3*" im Durchmesser haltende KU- 



gclchen, welche wahrscheinlich hIr Hehn- oder 
Wammszierden dienten. 

13. Ein einzölliges, 2"' breites Beins täbchen, dessen 
Mitte und Enden mit stark vergoldeten, zart geritn- 
derten Silherpliittehen eingefasst ist. 

14. Trümmer eines stark verrosteten, eisernen Hel- 
m e s. 

15. Ein 3' 4" langes, eisernes Schwert, dessen Flü- 
chen vom Boste stark angegriffen sind. 

IG. Ein 5" langer, kupferner, silberplattirter Sporn. 

Alle diese Sachen gehören der Spätzeit au und 
mochten der Schmuck eines, vielleicht in einem Kampfe 
bei Kolin (deren es in der dortigen Fläche so viele gab) 
gefallenen Kriegers und eines utraquistisehen 
Priesters gewesen sein. 

Jedenfalls erinnern Oalix und Patena an das 
Zeitalter des Kelches und die Formen aller dieser 
Geräthc an ilie, im XVI. Jahrhundert beginnenden Benai- 
sanceformeu, welche auch hier die Zeit tixiren, in welcher 
auf eine unerforschliehe Weise diese beiden Leichen so 
tief und an einem so entlegenen Orte, mit 1'/, l'fnnd 
13Iöthigen Silbergegenstilnden. der Erde Ubergeben 
wurden. 

Das Jahr 1531 dürfte der früheste Zeitraum sein, 
in welchen wir diese Funde einreihen dürfen. 

Fran; Jox/j./i Jien'frL 



Vor kurzem fand zuTesmny, im Iloinburger-Comitat 
(Ungarn) eine Bäuerin oder sogenannte Iläuslcrin als 
sie grub ein Gcfäss von gebrannter Erde, in welchem 
sechsuudzwunzig Goldmünzen waren, welche, den bis- 
herigen Nachrichten zu Folge, der Zeit des Matthias 
Corvinus angehören sollen. 



Zu Pistoja begab sich ein Soldat, der, um sich die 
Zeit zu kürzen, Vogelnester ausnehmen wollte, in die 
Kuiucn des verfallenen Klosters der ^niedrigen Brüder* 
(fratelli umiliati) und fand bei dieser Gelegenheit im 
Manenvcrke einen grossen silbernen Poeal der reich mit 
Figuren verziert ist. Dieser Fund machte begreiflicher 
Weise ein nicht geringes Aufsehen und die dortigen 
Kenner waren alsbald einig, die Arbeit dem Bcnvenuto 
Ccllini zuzuschreiben, der wohl Uberall mit seinem 
Namen herhalten mnss, wo sich in Italien eiue dem 
Cinquecento ungehörige getriebene Arbeit vorfindet. 



Über die alte Kirche des Cistercienserstiftes Rein in der Steiermark. 



In dem Maihefte v. J. des Anzeigers Air Kunde der 
deutschen Vorzeit (Sp. 172—175) bespricht Dr. F. Ilwof 
aus Gratz die Cistereienserkirehen der Steiermark und 
einiger Nachbarländer (nämlich Bein, Neuberg, Sittich, 
Landstrass, Vielring etc.), als Beitrag zur Beantwortung 
der von Dr. Prof. W. Bein (im Anzeiger v. J. Sp. 12— 1 4) 
aufgestellten Frage, ob gewisse Eigentümlichkeiten des 
Kirchcnbaucs, wie der geradlinige Chorabschluss, der 
Mangel einer Thunnanlage und des Kreuzschiffes allen 



oder doch den meisten Kirchen dieses Ordens eigen sei 
und somit zur Charakteristik derselben gehöre. 

Bezüglich der Cistercienserkirche zu Bein bemerkt 
Ilwof, dass die alte und ursprüngliche Stiftskirche nicht 
mehr bestehe, dass von derselben keine Spur mehr, 
wenigstens üusserlich, bemerkbar sei, dass anderen 
Stelle die jetzige Kirche, im Zopfstylc des XVII. bis 
XVIII. Jahrhunderts erbaut, gesetzt wurde und dass 
dieser Neubau aus eben dieser Ursache bezüglich der 



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XL 



Beantwortung oberwähnter Frage nicht in Betracht 
gezogen werden könne. 

Über die frühere, erst im XVIII. Jahrhundert gänz- 
lich entfernte .Stiftskirehe bringt Ilwof im neuesten 
Jänuerhefte des Organs des germanischen Museums 
(Sp. 12, 13) einige interessante Mittbeilungen, die der- 
selbe einem Olbilde entnommen bat , welches das ganze 
Still, in Vogelperspeetivc aufgcnoniinen, darstellt. 

Nach diesem Hilde stand die alte Kirche genan auf 
jenem Platze, den die jetzige einnimmt, nur mit dem 
Unterschiede, das* sie völlig orientirt war, während diese 
nach Westen gerichtet ist. Ihrer Form nach bildete sie 



ein langes schmales Gebäude mit geradem Cbor- 
nbschlusse, ohno Kreuzsehiff and ohne Thurm. Der gerade 
Chorabschluss bildete einen Theil der, den viereckigen 
Klosterhof westwärts abschliessenden Gebäude. Nach 
Norden, von wo dieses Gemälde aufgenommen ist, lagen 
drei Capellen vor, welche, wie es scheint, gleichzeitig 
mit der Kirche errichtet worden sind. Am Ostende des 
Daches, also beiläufig ober dem Hochaltar, erhebt sich 
ein kleiner Dachreiter. Die. Südseite ist nicht sichtbar, 
das uiedere, nördliche, Seitenschiff mit seinem Dache 
erscheint an die äussere Mauer des Hauptschiffes gelehnt, 
dessen Fenster über dem Dache des Seitenschiffes ange- 
bracht sind. Dr. L. 



Notizen. 



Dem „Sudtiroler Volkshlatt* (vom 11. Jali d. J.) zu- 
folge wurde in der am H. Juni abgehaltenen Frtthlings- 
versammbmg des Merancr Lesevereins für christliche 
Kunst beschlossen, die k. k. Central-Commissioii durch 
den Herrn Conscrvator Tinkhauser auf zwei an der West- 
facade und unter dem ThurmderNicolaikirche befind- 
liche alte Gcmählc aufmerksam zu machen , am durch 
competcutc Organe etwaige Restaurationen einleiten zn 
können. Zugleich wurden die Vereinsmitglieder ersucht, 
auch für die Zukuuft „Kunstwerke, alte Kircbeuutensilien 
u. s. w. a bei den Generalversammlungen ausstellen zu 
wollen, welchem Wunsche schon jetzt mehrere Herren 
entsprachen. Herr Maler Wasman legte die Cartons und 
Farhenskizzcn von Gemälden vor, welche für ein Kloster 



in Oberösterreich bestimmt sind, und Herr Bildhauer 
Peudl stellte die Gypsahgüsse von drei lcbensgrossen 
Statuen des h.Valeutin,des b.Corbinian unddes h.Vigilius 
und ein lebetisgrosses Crncifix aus, welche Arbeiten für 
die Kirche des h. Valentin in Obcnuais bestimmt sind. 
Von mittelalterlichen Gegenständen waren mehrere dem 
Herrn Altbürgenneister Haller gehörige Gemälde zn 
sehen , welche die vier Kirchenväter uud die berühmte- 
sten Ordensstifter darstellen. Auch Herr Vcrdross war 
so gefällig, vier alte Gemälde zur Schau zu bringen, 
unter denen sich das Porträt eines Patriciers und eine 
goldornamentirteTenipcratafel befanden, welche letztere 
acht verschiedene Darstellungen aus dem Leben Jesu 
enthält nnd bis in dns XIV. (oder XV.) Jahrhundert hin- 
aufreichen soll. Von Kirchenutensilien wurden eine dem 
Stifte Mnrienbcrg gehörige romanische Infula, eine 
romanische Tanfschltsscl und ein kupfernes und vergol- 
dete« Ciborium gezeigt. 

In demselben Blatt vom 15. Juni wird von einem 
Altar in gothischem Style in der Gnadencapellc im 
KlostcrSä ben gesprochen, der von dem Bildhauer Joseph 
K anbei, Professor an der kön. Akademie der bildenden 
Künste zu München, angefertigt und von dem Maler 
Christoph Oulleth zu I,atzfons decorirt wurde. In der 
Mitte steht die h. Maria mit dem Christuskindc und ihr 
zu den Seiten befinden sich die vier Bischöfe Cassian, 
Ingenninns, Albuin nnd Valentin. Die Mensa trägt ein 
Relief, welches die Anbetung der drei h. Weisen dar- 



stellt, und ober dcuiMuttcrgottcsbildc schweben an jeder 
Seite drei betende Engel. Den Andeutungen jenea 
Blattes zufolge scheint dieser Altar grossen Beifall 
gefunden zn haben. 



In der Zeitschrift „Christliche Kunstblätter* (Linz 
1864, Nr. 6) findet sich die Besprechung einer Hand- 
schrift von BernarduB Noricus, welche in der Bibliothek 
des Stiftes KremsmUnster aufbewahrt wird, ßernardus 
lebte um das Jahr 1300 uud verfnsstc u. a. auch eine 
Reihenfolge der Bisehöfe von Lorch, ein Verzeichnis» 
der Äbte von Kremsniüustcr, eine Reihenfolge der öster- 
reichischen und der baicrischen Fürsten u. 8. w. In 
seinen Schriften finden sich manche Angaben, die für 
die Kunstgeschichte von Kremsmünster von Bedeutung 
sein dürften, da sie sich auf die Gründung uud Ein- 
weihung von Gotteshäusern, auf die Übertragung von 
Reliquien u. a. w. beziehen. 

Aach erzählt Beruardus in seiner „Reihenfolge' der 
Loreber Bischöfe-', dass man nm das Jahr 1300, zur Zeit 
des Königs Rudolf uud Werners, .Bischof zu Passau, 
als die Bürger von Lorch ihre vor Alter mit Einsturz 
drohende Kirche wieder herstellten, an der Morgeuseite 
derselben mehrere Bilder und Inschriften auffand. Die 
eine der letzteren führt der Verfasser der erwähnten 
Besprechung (in Übersetzung) mit folgenden Worten an : 

„Scccius Sccnndus, Veteran der dritten italie- 
nischen Legion; Patcjula (Ejnla) Scveria, seine 
Gemahlin , haben noch bei Lebzeiten eich und dem 
Sohne Scccius Secundinus dieses Andenken ge- 
weiht. - 

Aus den Angaben des Bernardua geht auch hervor, 
dass die Kirche zu Lorch nicht blos ausgebessert wurde, 
sondern dass man sie in jener Zeit völlig umbaute und 
vielleicht nur Grundmauern, Unterbauten nnd Crypten 
stehen liess. Es wäre sehr zn wünschen, dass sich der 
Verfasser dieses Berichtes in möglichst genaue Details 
einlicssc, da gleichzeitige Baugescbichtcn gewöhn- 
lich viel Belehrendes enthalten. 



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XLI 

Steinmetzzeichen und Marken an alten Baudenkmalen Böhmens gesammelt. 



Meine Aufmerksamkeit lenkte »ich diesmal unfeinen 
zwar untergeordneten, aber desshalb nicht uninteressan- 
ten Gegenstand, die Steinmctzzeichcn nnd Marken 
oder figürlichen Monogramme, welche wir auf alten 
monumentalen Bauwerken Böhmens antreffen. 

Die Archäologen früherer Zeit licsaeu diesen Gegen- 
stand so ziemlich unbeachtet und frugen nie nach der Be- 
deutung dieser cigenthUmlichen Zeichen. Erst dernencren 
Zeit blieb es vorbehalten, denselben ihren prüfenden 
Blick zuzuwenden und mehrseitige, von einander stark 
divergirende Ansichten hervorzurufen, welche sich erst 
uach gegenseitigen Vergleichen des vorliegenden Stoffes 
einer klareren Lösung werden erfreuen können. 

Tn neuester Zeit brachten uns die Mittheilungen der 
k. k. Central-Commission (im VII. Jahrgänge, p. A. 1862, 
S. 52) einen von Herrn Alwin Schnlz veröffentlichten, 
sehr interessanten Anfsntz, die .Steinmetzzeichen Bres- 
laus betreffend, welchem ich nachstehende Bemerkung 
wörtlich entlehne : 

„Wenn es aueh wahrscheinlich ist, dass diese meist 
geradlinig gezeichneten Figuren ursprunglich dazu dien- 
ten, die Arbeiten der verschiedenen , bei dem Baue be- 
schäftigten Steinmetzen von einander zu unterscheiden 
(Didron, Annales areht'ologiqueH 1, p. 251), so kann man 
doch diese Erklärung nicht fllr alle Zeiten Air angemes- 
sen erachten. Ich halte diese Stcinmctzzeichcn für die 
erste Entwickelungsstnfe des Monogramms. Die erste 
Veränderung trat ein, als diese Handzeichen nicht blos 
auf dem Werkstück angebracht wurden, sondern bei 
selbstständigen Sculpturarbcitcn dem Meister als Mono- 
gramm dienten. Architekten und Steinmetzen waren aber 
oft identisch, und so finden wir denn auch architektonische 
Zeichnungen, z. B. die zum L inier Münster, unsern Zei- 
chen ähnlich angebracht. Von jenen Künstlern nahmen 
die Maler, von diesen die Kupferstecher, Holzschneider, 
GlockengieBser, Buchdruckern. b.w. diese Bezeichnungs- 
woisc an." 

So weit Herr Alwin Schulz, dessen Ansicht ich mich 
vollkommen anscblies.se. 

In einem Knnstberiehte des „Organs für christliche 
Knnst aus England^ (J. 1858, Seite 251») wird bemerkt, 
dass die mittelalterlichen Steinmetzen Irlands ausser ihreu 
Steinmetzzeichen, die ein Geheimniss der Hütte waren, 
auch ihre eigene, nur ihnen verständliche Sprache hat- 
ten, welche sich zum Thcil noch unter den irischen 
Steinmetzen und Maurern merkwürdiger Wciso erhal- 
ten hnt. Uber die Steinmetzzeichen sind also die Mei- 
nungen verschieden. Die meisten Archäologen sehen in 
denselben Unterscheidungszeichen der Mitglieder der 
Frcimauerci, deren ersten Sitz sie nach Irland verlegen. 
So viel ist gewiss, dass in vielen Logen jeder Steinmetz 
ein Zeichen in einem, zu demselben Zwecke gehaltenen 
Buche verzeichnen musstc nnd dasselbe nicht verändern 
durfte; dass die Zeichen der Meister verschieden von 
denen der Gesellen, dass in diesen der Kreis vermieden 
werden musste, und dass, wenn zwei Steininet zc an dem 
nämlichen Baue arbeiteten, die zufällig ein und dasselbe 
Zeichen hatten, einer derselben sein Zeichen verändern 
musstc. 

IX. 



Dass in Böhmen unabhängige Bauhütten waren, 
deren Rechte sorgsam und eifersüchtig von den alten 
Meistern überwacht wurden, ist ausser allen Zweifel 
gesetzt'; dass ferner die böhmischen Steinmetzen und 
Baumeister Zunftgeheimnisse bewahrten und mysteriöse 
Zeichen bei ihren Werken anwandten, lässt sich daraus 
sicherstellen, weil solche Zeichen bis auf unsere Tage ge- 
kommen sind. 

Ob die in B. Balbins Misccllanca hist. reg. Bohem. 
(D. I. Lib. 9. Traet. 1. sect. lö) enthaltene Nachricht, 
der zufolge die seit dem Jahre 1701 abgetragene merk- 
würdige Kirche des heil. Frohnleichnams Christi auf der 
Neustadt Prags, in dem Jahre 1382 von einer Bruder- 
schaft oder Ritterschaft ,,cuni signo eirculi quod vulgari- 
ter dicitur, et malleo in medio dependente» erbaut wor- 
den sei nnd nach mehrseitiger Meinung auf eine Bau- 
hütte oder Loge hinzudeuten scheine, ist uur eine, jeder 
tiefern Begründung bare VcrnfUthnng. 

Ein anderes, doch aber der Form nach ähnliches 
Bcwandtniss haben die böhmischen Steinmetzzeichen 
mit den Hans- und Hofmarken, Über welche Professor 
Homeycr in J. B. Wolfs Zeitschrift für deutsche Mytho- 
logie und Sittenknndc (I. Bd. S. 183) eine interessante 
Abhandlung geliefert. Man pflegt nämlich noch heut zu 
Tage in den ehemals von Slaven bewohuten und eulti- 
virten Gegenden bei Dauzig, Kypin, Stralsund, Lübeck, 
Holstein, wie auch in Skandinavien mit diesen sonder- 
baren kunstlosen Zeichen Giebel, Windfahnen, Haus- 
thüren, Fenstereinfassungen, Grabsteine, Kirchenstühlc 
Siegel nnd Korbhölzer zu bezeichnen. Es geht so weit, 
dass man mit demselben Zeichen in Holstein das Vieh, 
in Lübeck das Schwarzbrot, in der Vogtei Schönberg 
die ]*flugschaaren und in Thüringen die Kornsäcke 
u. dgl. m. bezeichnet, und dass diese einfachen Zeichen 
oft statt der unterschiedslosen Kreuze den Werth eigen- 
händiger Unterfertigung, ja selbst einen urkundlichen 
und rechtskräftigen Werth haben und in die Grundbücher 
intabulirt wurden. Sie werden dort iusgesammt Boll- 
marken, auch Bomarken genannt'. 

Honieyer nennt nebst den erwähnten Gegenden aueh 
die Städte Stralsund, Frankfurt n.M., Basel, Strass- 
bnrg und endlich Prag, wo solche Zeichen anzutref- 
fen sind. Die ältesten Zeichen solcher Art, welche Di- 
dron's Ansieht mehr entsprechen, weil sie keineswegs 
in die Reihe figürlicher Monogramme gehören und sich 
auf Werkstücken befinden, dürfte wohl in unserem Vater- 
lande der höchst merkwürdige Thurm zu Klingen- 
berg (Zvikov) enthalten, dessen Beschreibung uns 
bereits gediegene Gelehrte seit mehr als 40 Jahren vor- 
geführt haben*. (S. Taf. XI A.) 

' Vvfcl Paanälkj ar<hio1. a mlitoplano (dfl IV. IST). „I.lit kar»e- 
njektho cechu atarlho inrau. PnU.kVtic Kufuolicir»k?m a. r HS9." ttatt>klt<n 
In de» Mmi.clluugoa IHl 8. Ii>(. — < V.rgl. AdKaniltanitrn dar |t»rll»ar Ata- 
drtuk d.ir WI«Mtns<~t*ftoB ftir dai J IBM, worin «J» auch IlauBffvma) % eoannl War- 
den. — * I »Je mir bekannte Lltaralur üb«r dtvicu tiö'chit iDtrkw*irdtK«Q Tburm- 
bau and die ttnrg iat i»»br raleb au Intareaianten V«rr*iiiltiu»ff«r», und Ich fuhr« 
hl«r nur da« Wiclitlpte a», waa ülirr dl*»« fi<hrlftl «irrten K*a(-bri<>l>tli «TlTda, 
und f»ia?: \Vun«r ZelCarhrlft fQr Kuriet und Literatur Ii 1 . fUr. G rt» p a I n gl. — 
Ilonnar» Archiv 1<SH, Nr. I.SB und 15. ICrofoxor Minauer). — Vatar- 
Undl.ke Itfettar, li.i.llljonaMaU «»" S. Aoemi — Jiilllui, Aull« 

ett<I<-!..j.<di<|U«. ISIS, II. Ild., S. »II und Uli (Karl üroaaUu), — Aull- 
Muariake Aiitittrr, III Bd., !i. JW (Hofratli Haaamer). — lle>p«rua , April 
181», Bellet« Nr. IT, S. 5>0 rXnd. Dr. Aal»u J«»|mi»»J. - Z.luclulB daa 

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XLII 



Ans diesen ctwa35sich oft wiederholenden Zcichcu- 
gattnngen wollten Doctor F. R. Grossing und Professor 
Millaucr alte Charaktere der ältesten Slavensprachc in 
Form von Runen entdeckt haben; allein schon damals 
trat Doctor Anton Jungmann dieser Meinung entgegen, 
und erklärte sie fllr „Stciiimetzzeichcn 44 . Dasselbe thnten 
Heber, Dr. Legis-Clückselig. Hugo Thomann uud Pro- 
fessor Gruber. In diesen verschieden gestellten, stark 
verwitterten und von jedem Beobachter verschieden auf- 
gefassten und gezeichneten Zcicheu liessen sich nur an- 
nähernd höchstens sechs Runen — im entferntesten 
Sinne — hcruuskliigcln. Mit den Mikoriner und jenen, auf 
der nralten . den Ccrneboh vorstellenden Seulptur zu 
Ramberg vorkoimnenden slavischen Runen ist hier keine 
Ähnlichkeit. Die kühnste Phantasie konnte unmöglich 
eine einzige dieser Mauerhieroglyphen dem Runen- 
alpha bete anreihen. 

Mehr Ähnlickeit hüten diese Zeichen mit den ältc 
sten Sehriftzciehen der italischen Alphabete dar, deren 
ich 12 bis 13 dort entdeckte, und welche die interes- 
sante Vcnnuthung des, um die Alterthumskunde Roh- 
mens so hochverdienten k. k. UniversitäUprofcssors 
Herrn .1. K. Wocel, dass jener altcrgraue Thann von 
Zvikov sehr leicht ein Römerbau sein dürfte, stark 
unterstützen. Nehmen wir Friedrich Büllhorn 's , Zusam- 
menstellung der ältesten Schriftzeichen nnd Alpha- 
bete", dann «Mnzois _Les ruines de Pompe!" und 
endlich das dass is die Werk von Theodor Momsen 
„Die unterilalisehcn Dialekte" (1850) zu Hilfe, „so bie- 
ten uns die angefügten Tafeln manches Ähnliche 
alter Schrift- nnd Zahlenzeicheu dar. Jedenfalls siud 
diese tiefen , gegen die kleinen fadendUnncn Stcinmetz- 
zeichen des Lbcrgangsstyls und der Oothik in allen 
ihren Perioden verschieden! Bleiben jedoch Stein- 
metzzeichen , nach Art jener, wie man sie an alten 
Römerbnuten so gut, wie an andern Rau werken des 
Mittelalters in Europa zu tiuden pflegt. Einen Sinn aus 
diesem Zcieheiidiaos, wenn sie nlle auch den uralten 
italischen Sehriftchnmktcren gleichen würden, heraus- 
zudeuten . wiire wirklich eine vergebene Muhe. 

Sehen wir nun von dein räthselhnften Thnnnbaue 
ah und blicken in die älteste Periode der böhmischen 
Baukunst, so ist es der romanische Ranstyl, welcher sich 
in allmählichen Übergangen aus der altrümischen Archi- 
teetnr entwickelte und zur allgemeinen Geltung kam. 
Allein man würde in diesen Baiidenkmalen vergebens 
nach jenen Steinmetzzeichcn forschen, welche wir hei 
den l'bergangssl yl oder an früh- und spfitgothischen Run- 
denkmaleti so häufig finden. Die merkwürdige Doppel • 
Capelle in der alten Burg zu Eger, deren l nier- 
ban auf vier kräftigen, gedrungenen Säulen mit phanta- 
stisch verzierten C'apitälen ruht und romanische Styl- 
charaktere aufweist, während sich in der oberen Capelle 
ein spitzbojriges Rippengcwiilhe auf elegant gebaute 
Säulen stützt, liisst uns au ihren oberen und untern 
Ccbändetlieilen die'nnfTaf. XI, B dargestellten Stein- 
nietzzeichcn gewahren. 

TitrriKr.riUrhr n MiMtn. I"}* .Orr Marknm.iineMharm »ou K. H< h u ttkj*. 
Itn OiK.l,, rWic — tltbir, f. . Hihliim» Uarycn . Yr>lm tmil nartf- 

• lili »>i>r, ||. Iiil. K lül im«. — Cjs"|.l> «.».kan« Muhüi« l»M: . RiisaW 
»•>!• r |>rurh p-.d 4 Jan Fr»«. W»t»l, >tr vi - M. — lllu.ti.rt« l.'knuitk 
»cn H. i, II M S II ilir l,««l • • <'• Iii r k< I H-i — JWil>«llil«|n n 
A*r k 1c cViilr»l.rf.r,Mil»»lon »*>m J. 1- H»l ». tCrr-rea^r BafftKaril 

<.r«jl>»»l. - P.mi'kv attba'.loxfk«. I»SA. *<■■ ' «r. *»!: .N»»«l-T» M tM 
k-%- ...1 J V tl'.D-kr'^l,.,, ,„ im II Thl.. >. MI. Artr.».l< »Ick* f r..ti«ky 
f» Ji.al.h c.hi.l. u4 Hanoi» Hon.... - 



Der merkwürdige schwarze Thurm ebendaselbst, 
welcher in seiner Bauart mit dem sogenannten Marko- 
manncnthurni zu Klingenbergeine so auffallende Ähnlich- 
keit hat, trägtauf einer rohen Bosagenrläehe der Lava- 
quadern nicht die geringste Spur von Steinmetzzcieheu, 
welche wieder die chrwtlrdige Deeauatkirchc St. 
Nikolaus zu Eger in reicher Fülle bietet. (Tat*. XI, C.) 

So wie nun von ältester Zeit an die Hauptstadt 
Prag der Sitz aller geistigen und politischen Bestrebun- 
gen war. eben so fanden auch die künstlerischen Rich- 
tungen daselbst ihren Mittelpunkt; daher tiuden sich auch 
die bedeutendsten und zugleich verschiedenartigsten 
Monumente in l*rng, welche alle Bauarten und Rauperio - 
den repräsentiren. 

So bietet die anfgehohene St. Agneskire he (ge- 
stiftet von der Prinzessin Agucs, einer Tochter Pfcuiysl 
Ütakars I., im Jahre 1233) sowohl am Pfeilerbanc, wie 
an den Fenstereinfassungen hie und da 1 y. — 2 Zoll 
hohe, dünne, seicht eingetiefte Stcinmelzzeicheu (s. Taf. 
XI, D). Taf. XI, E führt uns die Steinmetzzei- 
chen des St. Veitsdomes vor das Auge. In ihnen 
erblicken wir fast alle möglichen Formen, und man kann 
dort mehr als 50 verschiedene Arten am Chor- so wie 
am SchilTbnue entdecken. Die erste Reihe gehört mehr 
dem Chorbaue an. Hier lassen sich aber, nebst dem 
häutig angebrachten Kleeblatte, schon die Buchstaben 
A mit B und P vereinigt, so wie M, W und V erkennen. 
Die Zeichen dieses, durch Mathias von Arras 1344 
begonnenen, und 1352 durch Peter Parier (unrichtig 
Arier) fortgeführten Baues priisentiren sich als zarte 
Linien von 2 Zoll Höhe und 1 </., Linien Breite. 

Der hohe BrUckenthnrm auf der Kleinscite, 
dessen (JrUndung unbekannt ist, der aber von Heinrich 
von Leipa ( 131 U> stark befestigt wurde', bietet eine 
seltene Fülle angebrachter Steinmetzzeichen von mannig- 
facher Form dar. Man sieht hier (Taf. XI, F) und 
bei andern Bauten, wie die gerade Linie sich durch Ver- 
kürzungen und Winkelstellnngcn fügsam und bildsam 
verändern Hess. 

Nnn folgen die Steinmetzzeichen der, am It. Juli 
1358, durch Karl IV. begonnenen und nuter Wladislaw II. 
1503 vollendeten Brücke, welche seitdem beide Stadt- 
theile Prags verbindet. Bogen und Pfeilerbau sind am 
meisten mit ihnen bedacht. Hier offenbaren sich schon 
wieder Bnebstahcn des nltgothischcu Alphabetes a, x 
und z, nebst dem lapidaren P. Am inneren Brückengelän- 
der findet man keine Zeichen mehr, sondern lauter Ruch- 
stabeu, welche jedoch der Neuzeit angehören, wobei 
der Ruchstabe K in Verbindung mit andern , als dem A, 
(.', K, F, (!, P u. s. w. vorherrscht. Diese grossen. 4 — 5 
Zoll langen, 3 --4 Linien breiten Lipidarbuch.stabcn ent- 
stammen wahrscheinlich dem Jahre 1741, wo laut In- 
schrift (Repa. 1741) und laut geschichtlicher Daten 
diese Brücke einer bedeutenden Reparatur unterzogen 
worden ist. Wir geben die älteren dieser Steinmetz 
zeichen auf Taf. XI, G. 

Auf der Tafel XII, II erscheinen die neuen Rnch- 
staben nebst zwei Jahreszahlen und drei Nameu , welche 

* _!»*•« H<t ^, 'tilg* Kl»ln,nten Urii^k^Tit*, Urin **it Irtiliar rr l>.at wvrd. 
aja Jrnrr i!*<r ANMaH. Wim i(b»i, dV,,.ru Au>»*re». lurti trbalEirn tili, vielen 
8>ii,ii.ilrxcii hi.ii auf nlii»:!, yua-li H-a\j ijn-r* 11^. uiliüitilli hkrl: uitd mrb.r 
Ab««Th.Ti|n£ KV Kadi-r-, .1. tr-aa alt' nr. i!» In A Mj»lÄil t» r Rrflrk»' nlMrrttir, KU tler 
Kjrthc iiivi lliClifi-n <<H't J- tri durfli M-m-Unwurl uujlt tnti.tr;, an Orr 
THukmr.r. ii, drm ki nllmim m M H-lf.rl.-h t. ». w t rl«T;. Mr k^inaaca, 
tnil dm ste-lituivearrkliaii 4.11 ili 1» »i.Rnnaiiiiu« MArkum-ina* iilliurtia .11 Klin.r. 
trrr« r.hr üliri-in- (Jul M»i St|i»lH.. I'nc »I. .»r .,, ,1 .i* ». l.l 
II lid. S. 1: 



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- 



XLm 



irgend einen gewerblichen Bezug bei Brttckenaus- 
besscrungen haben konnten. 

Nach der furchtbaren Überschwemmung vom Jahre 
1784, wo am 28. Februar das Eis dem ehrwürdigen 
Baue die grüssten Verwüstungen zufügte, bat sieh nach 
erfolgter Reparatur der Schaden Michael Komm als 
StcimnetzmeiBter an einer Sandsteinqnader mit den 
Emblemen seines Handwerkes und der Jahreszahl 1785 
verewigt. 

Der Pfeiler, auf welchem da» kunstvolle Crucifix 
prangt , igt mit grossen , G Zoll im Durchmesser halten- 
den tiefen Kreisen bedeckt. Es sollten daraus zum 
Andenken Zeichen der Kugeln ansgcmeisselt werden, 
welche wahrscheinlich die schwedischen Geschütze 
1648 dorthin warfen. 

An diesem Pfeiler bemerkt man die Jahreszahl 16ÖO, 
weiter im Flussbettc, wieder an einem Pfeiler steht: 
„Erasmy Bazimonus 1577 J und weiterhin r Jos. Kodl u 
ausgemeisselt. 

Ehe wir diesen merkwürdigen, mit Steinmetzzeichen 
aller Art und jeder Bauperiode versehenen Brückenbau 
verlassen, wollen wir noch der oft besprochenen, viel- 
gedeuteten und selbst in den Sagenkreis gezogenen 
Kolandsäule an dem Brückenpfeiler des östlichen 
Uferrandes der Insel Kampa gedenken, welche Ferdi- 
nand Mikowec in dem Jahrgange 1802 der Mitteilun- 
gen der k. k. Central-Commission S. n."> beschrieb. 

Die ganze Säule stammt aus dem Ende des XV. 
oder dem Anfange des XVI. Jahrhunderts; also aus 
den Zeiten Wladislaw II. Der sogenannte Eselsrucken 
und alle decorativen Elemente dieses Baudenkmals 
deuten zu sehr auf die Baumeister jener Tage. Unter 
dieser, vom Volke genannten Brunsvik- Säule, auf 
einem mit den bereits enviihntcn Steiumctzzeichcn be- 
deckten Brückenpfeiler, sind 11 unten abgerundete, 
etwa 8 Zoll hohe, 5 Zoll breite Schildchen mit 
Gcwcrkscbaftszeicbcn, wie man sie als sogenannte 
Marken an Grabmillcrn , Häusern, Thor- und Bogen- 
schlusssteinzierden, an Giebeln auch als figürliche 
Monogramme der Steinmetzen und Baumeister findet, 
angebracht. Diese Zeichen haben , wie die Säule 
selbst, den früheren Archäologen viel Kopfzerbrechens 
verursacht. Jedenfalls sind Bie wichtig, da man darin 
den klarsten Beweis von der Entstehung der Marken, 
des figürlichen Handzeichens oder Monogramme», des 
KUnBtlcrzeichens nnd der Hausmarke erblickt. Es war 
dies das bescheidene Zeichen des Steinmetzmeisters, 
des BankUnstlero, das Wappen des BürgerthumB und des 
mittelalterlichen Gcwerhsmnnnes. 

Betrachten wir obige Steinmetzzeichen näher, so 
finden wir sie mehr oder weniger verändert in der Marke 
wieder. Es sind nicht immer Buchstaben , Zahlen oder 
Monogramme im eigentlichsten Sinne der Sache zu 
Gründe gelegt, sondern wir finden wirkliche Werk- 
zeuge als Motive zu jenen Gewerbsbildern hiezu benutzt. 
Namentlich lassen sich gewisso Maurer - , Steinmetz- und 
Zimmcrinannsgcräthe sehr oft ziemlich deutlich heraus - 
finden, z. B. Setzwage, Spitz- nnd andere Hümmer, 
Winkelhaken, Maurerkelle, Giebel, Sparren, Rciss- 
zirkel u. s. w. jedoch hie und da gern mit einem Kreuzes- 
zeichen verbunden. Es lässt sich oft aus derartigen Mar- 
ken oder Zeichen auf einen ehemaligen Gewerkschafts- 
verband der betreffenden Familien selbst mit ziemlicher 
Sicherheit schliessen. Künstler, Kaufleutc undGcwcrken 



des Mittelalters waren in dieser Hinsicht sicher um vieles 
bescheidener; denn niemals findet man hei ihnen förm- 
liche Wappen mit Hehn nnd Kleinod. Aus diesem Grunde 
nun waren Marken nnd Zeichen bei jenem Stande nicht 
allein sehr häutig, sondern auch sehr beliebte Schildes- 
figuren, was man schon daraus ersieht, dass viele Fami- 
lien ihre alte Marke in Ehren hielten'. Wem diese 
1 1 Marken an der erwähnten Brunsvik - Säule an der 
Moldaubrücke angehören, wer vermag «lies zu bestim- 
men! Vielleicht den Meistern jener ilauhütte, welche den 
herrlichen Brückenbau vollführten. 

Hier möge noch erwähnt sein , dass Prag ähnliche 
Schilde auch an den beiden Steinbllstcn des Matthias 
von Arras und Peter von Gmünd oder Parier in dem 
Trifolium des St. Veitsdomes aufzuweisen hat'. In der 
Marienkirche zu Slup tragen zwei Bogenschlusssteine 
ähnliche Zeichen, welche man auch anderwärts, sowohl 
an Häusern nnd ihren Theilen , wie an Grabsteinen, oft 
ganz sinnreich zusammengefügt angebracht findet. 

Mchrals 30 verschiedene Arten von Steinmetzzeichen 
decken die glatten Flüchen des AltstädtcrBrückcn- 
thnrmcs. Sie sind fast eben so gross, so tief und schmal, 
wie jene des Thurmes auf der Kleinseite; doch sind ihre 
Formen ganz verschieden, was der Vergleich der abge- 
bildeten Zeichenreihe (s. Taf. IX , J) ermöglichen wird. 
Der Altstädter BrUckcnthumi wurde 1451 u. z. gleich- 
zeitig mit dem heutigen Neustädter Rathhausthurm, 
dessen Flächen aber Mörtclanwurf deckt, aufgeführt'. 

Der ehrwürdige Pul vc rt hu rm bietet, sowohl an 
seinem Unter- als Oberbau, fast auf einein jeden Quader- 
steine ähnliche Steinmetzzeichen dar. Der 1475 durch 
den Meister Vaclav begonnene Unterbau wurde schon 
das Jahr darauf durch Matthias Raisek, Buccalaorens und 
Rector der Teincrschule, fortgesetzt, blieb aber seit dem 
Jahre 1484 unvollendet stehen. Hier finden wir nebst 
Raisek's Brustbilde mit der Inschrift: „Ravsek de 
Prostyegow 1477- die auf Taf. XH, K abgebildeten 
Stcinmctzzeichcn. 

An der Teinkirche, die in ihrer jetzigen Gestalt 
schon vor dem Jahre 1407 angelegt und im Jahre 1419 
vollendet wurde, sind am hohen Chor nnd am Schiff 
nnr die, Taf. XII, L wiedergegebenen Zeichen zu finden. 

Anch der älteste Bautheil der königlichen Burg am 
H radein bietet uns unter dem abgelösten Anwürfe auf 
den nackten Flächen seiner Quadern hie nnd da sehr 
primitive Steinmetzzeichen dar, wie Taf. XII, M zeigt. 

Der isolirte Glockenthurm bei St. Heinrich 
in der Neustadt Prags, von welchem man ebenfalls nicht 
weiss wann er entstand (die Kirche wurde 1333 von 
Kaiser Karl IV. angelegt), ist von seinem Sockel bis zum 
Krongesimse mit den Buchstabenzoicbeu , wie sie Taf. 
XII, N abgebildet erscheinen, bedeckt. Es sind dort 
auch ganze Qundcrreihcn mit geringen Unterbrechungen 
mit den Bucbstnbcn A, B, C, D, E, G, II und O signirt. 

Eine ähnliche Erscheinung bietet der, laut einer 
dort angebrachten Inschrift 1598 erbaute, dem St. Hein- 
richstburm sehr ähnliche G locken thurm bei St. Peter 
am I'ofic, wo ähnliche, ja fast gleiche 4 — 5 Zoll 
lange, tiefe, 2 — 3 Linien breite Buchstabencharaktcre 
erscheinen. 

1 V#ml. M*l*r, Dr. K. RJllnr T^a , K«rtMUfli«t ABC -Rur*) l*5t 

- ■ Siehe MillbeiluiiKen IWi. V 13, «o 41« M»rk« <l«i M»rtl>_ t. Atr». 
»l.KebllJel erschein«. — Peter ». (-müsd bin «uen Wl>kelh«keii In SeallJe. 

— • b. Dobnor'» MoulifuvulA hi»U>r. DoeoW», T*f. IV. tfc. ii. 



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XLIV 



Die Übrigen alten gothischen Kirchen und öffent- 
lichen Privatgebände Prags sind theils durch Kalk- 
anwnrf, ho wie durch mehrmalige Übertunchungen zu sehr 
bedeckt und Überkrustet, als das« man an ihnen ähnlicho 
Zeichen wahrnehmen könnte. 

Merkwürdig sind die Steinmetzzeichen im Schiffs- 
und Chorbaader St. Bnrbnrakirchc zu Kuttenberg. 
Man trifft diese Zeichen an dem steinernen Geländen 
um den Hochaltar in den primitivsten Formen, ferner i n 
den Trifolien de» Chores und den Emporen des Lang- 
hauses an. Hier in dem Haue zweier grosser Meister 
aus der Wladislaw'schcn Kegierungspcriode , nämlich 
Matthias Ruisek (1490— 1506i>) und des BeneS von 
Laun (1511 — 1520), endlieh des gcrllhmteu Steinmetzen 
Meister Nikolaus, tinden wir deutlich, wie die alte, 
typische Linien - und Winkelform des Sfcinmctzzcichcns 
in den Buchstabcneharukter überging, und dieser seine 
Geltung fast bis zur Jetztzeit behielt, und nur durch 
Numerirung der Steinquadern in der Arehitectur unserer 
Tage sein Ende fand. Taf. XII, sub O, zeigt die 
Steinmetzzeichen an dem Geländer um den Hochaltar 
und sub P die wichtigsten Zeichen an den Emporen 
und Gnllerien dieser Kirche. 

Sehr karg sind die andern Bnndcnkmalc Kutten- 
bergs damit bedacht. So finden wir an dem ostlichen 
Erker der k. k. Normalhaup tschule nur zweier- 
lei Zeichen, Taf. XII, Q. 

Andern herrliehen, jedoch verkommenen steiner- 
nen Brunnen trifft mau die Jahreszahl J«01 und die 
Taf. XII, R wiedergegebenen drei Zeichen. 

Die Übrigen Baudcnknuilc dieser Stadt boten bis 
jetzt nichts Erhebliches dar. 

Ähnliche Zeichen , wie wir derlei an dem Thurme 
zu Klingenberg und bei andern Bauobjcctcn Prags wahr- 
nahmen, sehen wir auch auf dem nralten Kirchen- 
thurme zu Charvatee, siehe die Taf. XILS. An dem 



Stiegengehäuse des hohen, 1465 angelegten Kirchen- 
thurmes zu Oaslau erblicken wir die (Taf. XU, T) 
abgebildete Steinmetzmarke; ferner an einem Pfeiler des 
Musikchore» das sub ü wiedergcgcbcnc, endlich an dem 
westlichen Uauptportale das sub V abgebildete Zeichen 
dreimal, und das s. W tiargestellte, einmal ansgcmeissclt. 

In der uralten Kirchenruine zu Kloster, unfern 
Mttnchengrätz im Bunzlauor Kreise, wo schon 1054 ein 
Bcncdictinerstirt angelegt worden war, erscheint auf einer 
Gewtilhgurte das Buchstabenzeichen, welches Taf. XII 
sub X zeigt'. 

Merkwürdig bleibt das von mir entdeckte Mono- 
gramm in der uralten Pfarrkirche zu Zabof, C'aslauer 
Kreises. Es befindet sich in dem Kclchcapitäl einer 
Säule nächst dein Hochaltäre. (S. Taf. XII sub Y.) 

Bei all' diesen hier angeführten Zeichen ist ein 
grosser Unterschied sichtbar, und trotz der Formähnlich- 
keit stellen sich, in Böhmen so gut wie anderswo, eigen- 
thumliche Typen dieser Handwerkszeichen heraus; mnn 
vergleiche u. a. nur das treffliche Wcrkchen des Dr. 
II. Luchs „Denkmäler der St. Elisabethkirche zn 
Breslau J (1860); dann dessen: „Bildende Künstler 
in Schlesien nach Kamen und Monogrammen«» (1863). 
Die von mehreren Architekten und Archäologen ausge- 
sprochene Ansicht, dass die an den Quaderbauten alter 
Zeit vorkommenden Steinmetzzeichen, einiges Licht 
Uber die Bauzeit und Bauhütten verbreiten dürften, 
ist nicht ohne allen Grnnd. Bis jetzt ist die Kunde dieser 
Zeichen aber wohl noch zu unsicher, um ähnliche 
Schlüsse zu erlauben. 

Ich werde mich bemUhen in der nächsten Zeit eine 
Fortsetzung dieser Zeichen sowohl , wie einiger interes- 
santen Marken und Künstlermonogramme folgen zu 

la88en - Front Jotepk Benesch, 

• Sicht »tun T»r. IX, vl.rto Fi«, der ivl«. Kellt 



Besprechungen. 

Das L L österreichische Museum für Kunst und Industrie. 



Das k. k. Jjsterr. Museum fllr Kunst und Industrie 
wurde nach dem Vorbild des South-Kensiiigton-Musc- 
nms in das Leben gerufen, welches im Jahre 1852 auf 
Anregung des Prinzen Albert entstand, dessen Idee, den 
Geschmack des Puhlicums und vorzüglich den der Pro- 
ducenten zu veredeln, bei der Bevölkerung Englands in 
der That die energischste Unterstützung fand. Das Par- 
lament erkannte die hohe Wichtigkeit einer solchcu An- 
stalt und stellte mächtige Summen für Ankäufe zur Ver- 
fügung '. Private vermehrten die Samminngen durch 
reiche Geschenke und Legate, und so erklärt sich die 
GroHsartigkeif, mit welcher das Kcnsinglon-Mu.seum fast 
mit einem Schlage vor den Augen der Welt dastand. Es 
umfasst mehrere Gcbände, die eine „Kunstschule*', 
eine Bibliothek, welcher Handzeiehnnngen, Kupfer- 
stiche, Photographien u. s. w. beigegeben sind, eine 

Dl. tun J»hf. IMS »itkl ».nJg:tr « Million.* Wund St.rlln« 



Abtheilung von ornamentalen Gegenständen' und 
endlich eine Gemäldegallerie enthalten. 

Die GrUudung des k. k. österr. Museums fllr Kunst 
und Industrie fand zufolge einer allerhöchsten Ent- 
schliessnng vom 7. März 1863 statt, und wenn man die 
Schwierigkeiten bedenkt, mit welchen dieses neue In- 
stitut vor seiner Eröffnung zu kämpfen hatte, so muss 
man der Thätigkeit des provisorischen ComiteV volle 
Anerkennung zollen, welches ermöglichte, dass die Er- 
öffnung des Mnseums schon im Mai 1864 stattfinden 
konnte. Durch die wahrhaft grossartige Munificcnz, mit 
welcher Se. Majestät» der Kaiser die kostbarsten Gegen- 
stände aus der k. k. Hofbibliothek, aus der Belvcdere- 

' ISO motu Zthl. Diu« Ab'heilntii »Hein rief hlnntn kurMl» «0*0 IndnitrRilt 
Zclrhii.r !i«fv«r. von deatn die llr>wn bedeutend« Jinrcicebttl« toctahftn. 
* l'M jirnTt-eri.obe ComH* l>.>Und tut denn tlrrrn gneUoa.chtr T. L • « 1 n s k f. 
trm k.Uerl. Sfh»t«m,H«er S. G. 8eMI. t-trli-mwk O. Il.lder und Prof. 
RodnI|.|, ». Eltoll,. rger. K» wurde nten lleendlnutu ,.in.r Mf t «b» «n 
1. Mi« 1»« onl.f B«ei«<iu< **' AH««- Zoftl.d.nn.U •aripitlil 



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XLV 



Gallerie, an« dem Antikcncabinete , der kais. Schatz- 
kammer, der Ambrasersammlung, dem kais. Arsenale, 
der kais. Porccltanfabrik,aus den Vorriithcn an Tapeten 
und Mobilien der Hofburg und der kais. Schlosser, und 
aus allen kais. Akademien und Instituten zur Verfügung 
stellte, wurde das Inslebcntrcten der IH' tll't] Anstalt auf 
das Glänzendste gesichert. 

Das k. k. österr. Museum fllr Kunst und Indnstric, 
zu dessen Direetor Herr v. Eitclbcrger ernannt wurde, 
ist vorläufig in dem sogenannten Ballhause (erbaut 1740) 
nächst der kais. Burg untergebracht, und wurden dem- 
zufolge einige unumgänglich nothwendige Anbauten ge- 
macht. Es schliesst einen grossen Ausstellungssaal 
nebst vier kleineren Sälen nnd Zimmern in sich. Alle 
Objccte sind unter Glas und Kähmen aufgestellt und bei 
jedem ist die Nummer des Inventars, des Museal -Kata- 
loges und der Name des Eigcnthltmcrs angegeben. 
An allen Schränken sind Bretter zum Herausziehen 
angebracht , zur Bequemlichkeit derjenigen , welche 
zeichnen wollen, und Überdies ist ein Saal eigens 
fllr Zeichner mit grossen Tischen ausgestattet. Der 
Zweck des Museums ist in dem erwähnten kais. Hand- 
schreiben mit den Worten bezeichnet: 

„dass es fllr den Aufschwung der Cstcrr. Industrie 
ein dringendes Bedürfnis» sei, den vaterländischen In- 
dustriellen die Benützung der Hilfsmittel zu erleichtern, 
welche die Kunst und Wissenschaft für die Förderung 
der gewerblichen Thätigkcit und insbesondere fllr die 
Hebung des Geschmackes in so reichem Masse bieten." 

Das System der Sammlungen des Museums wurde 
in folgender Weise festgestellt: 

I. Das Geflecht (ans Rohr, Holz Stroh u.s.w.). 
n. Specielle textile Kunst und ihre Nach- 
bildungen: a) Stickereien, b) Spitzen, e) Go- 
belins U. 8. W. 
in. Laekiercrarbeiten. 
IV. Emaille. 
V. Mosaik. 
VI. Glasmalerei. 
Vn. Malerei. 

VIII. Schrift, Druck und graphische Künste. 
IX. Bücherausstattung (Einbände u. s. w.) 
X. Lederarbeiten. 

XI. Glasgefässe und Glasgeräth. 

XII. Thongefässe und decorative Thon- 
plastik. 

Xni. Arbeiten aus Holz. 

XIV. Kleinere Plastik in Horn, Bein, Elfen- 
bein, Wachs u. dgl. 

XV. Gefässe, Geräthe und Sculpturen in 
Marmor, Alabaster u. s. w. 

XVI. Gefässe und Geräthe aus Kupfer, 
Messing, Zink und Zinn. 

XVII. Eisenarbeiten. 
XVin. Glocken nnd Uhren. 

XIX. Bronzearbeiten. 

XX. Goldschmiedkunst. 
XXI. Bijouterie. 

•XXn. Graveurknnst. a) Münzen nnd Medaillen, 

b) Siegel, c) geschnittene Steine. 
XXIU. Allgemeine Ornament - Zeichnungen 

für Reliefausführung. 
XXIV. Sculptur im Grossen. 



Dieses System mag wohl durch Trennung der 
Kunstzweige uud Stoffe eine leichtere Orientirung für 
das, mit Aufstellung der Objecte im Museum betraut.- 
Personale bieten. Dem Publicum, selbst raubt es durch 
die vielen Abtheilungen jene Übersicht, welche es 
leicht festhalten könnte, wenn man vor allem versucht 
hätte, diese vielen Abtheilungen aus ciuigen wenigen 
Hauptclasscn entspringen zu lassen; allein das wird 
wohl nach und nach beseitigt werden, denn beim Beginne 
der Aufstellung verursachte der beschränkte Raum den 
Bera'lhungcn der Direction kaum zu besiegende Hemm- 
nisse; auch galt es vor allem, bald dahin zu gelangen, 
dass man die, in öffentlichen Gallerten, Cabincten und 
Instituten oder im Privatbesitze zerstreut befindlichen und 
iltrdic Ausstellung bestimmten Kunstschätze oder vorzüg- 
licheren Industrie-Arbeiten concentrirte und der Anschau- 
ung allgemein zugänglich machte. Da es aber im gros- 
sen Publicum nur Wenige gibt, welche durch Anschau- 
ung von Vorbildern oder durch Lecture die beabsichtig- 
ten Anregungen zu kunstgewerblicher Thätigkcit in sich 
selbst zu erwecken vermögen, so werden laut §. IM 
der Statuten, mit dem Museum Vorträge in Verbin- 
dung gebracht, welche alle Gegenstände in ihr Bereich 
ziehen, die auf den Zweck dieser Anstalt Bezug neh- 
men, welcher, wie schon angedeutet, darin besteht, 
durch Anschauung und Vorträge nicht nur bei den In- 
dustriellen, sondern im ganzen Publicum eine ge- 
steigerte Thcilnahmc für künstlerische Durchbildung zu 
erringen. Dass erst nach langjähriger, rastloser Bemü- 
hung eine sichtbare Einwirkung zu Tage kommen wird, 
liegt in der Natur der Umstände, und die zu Gebote ste- 
heuden Geldmittel, so wie die Thcilnahmc des industri- 
ellen Publicum8 werden auf die Erreichung dieses Zieles 
einen entscheidenden Einfluss üben. 

Um ferner die eigenen Sammlungen*) des Museums 
zu vermehren, gute Muster uud Vorlagen für Schulen, 
Fabriken und Handwerker zu bekommen, sowie zu be- 
liebigem Gebrauche des Publicum« Uberhaupt, sind mit 
dem Museum zwei Hilfsanstaltcn zur Vervielfältigung 
der ausgestellten Gegenstände beigegeben, nämlich 
eine Gypsgiesserci und ein pbotographisches 
Atelier. 

Werfen wir nun, nach diesen flüchtigen Ausein- 
andersetzungen, einen Blick in die Ausstellungsräume, 
so treten uns vor allem die dem Museum von dem kai- 
serlichen Hofe huldvollst übcrlassenen unschätzbaren 
Objecte imponirend entgegen. Doch auch Private, Klb- 
steT nnd Kirch enfU raten haben aus ihren kostbaren 
Sammlungen Vieles, nnd darunter sehr Werthvolles bei- 
gesteuert, und wenn uns auch manches (z. B. aus der 
archäologischen Ausstellung des Wiener Alterthumsverei- 
nes im November und December 1860) Bekannte hier 
wieder begegnet, so verdient dennoch die Bereitwillig- 
keit der Besitzer warmes Lob. dass sie nicht Anstand 
nahmen, ihre Kleinodien auch diesmal wieder der 
Öffentlichen Beschauung hinzugeben. In dieser Bezie- 
hung haben sich in archäologischer Rücksicht vorzüg- 
lich folgende Corporationen und Herren hervorgethan : 
Der dentschc Orden in Wien, die Convente: von Neu- 
kloster in Wr. Neustadt, Heiligenkreuz, Klostcrncuburg, 

■ Za a«a Simclnr,«in o*> Munal ftniirt b«nfu ahi« R«ib« »oe Oys«- 
at>cS»«n »u» d«u> Dmumomm lu Aua», im dem rcml.ch - «*riD»»lt<in» 
II««.« In NiiralM.r« i>«4 d«m AUU.r d.r ff«.«».. AkuUral. 

Itawn, in Pari« («af «RlilM.kU.aUca« und Stur«l« OraaartoUk B««u» atH 
ncadj. 



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XLVI 



Melk. St. Florian, Zwettl, St. Peter und da» Domeapitel in 
Salzburg, Stift Hein in Steiermark. Krcmsuiünstcr, Gött- 
weih, das Domeapitel /.n Rrünn. das Stift St. Paul in 
Kiirnthcn, Sc. Eminenz Cardinal Rauscher, Füret Jobann 
Liechtenstein, (traf Edmund Zichy, Itaron Rothschild, 
F. Z. M. von Uatislah , Consnl Ferdinand Fricdland , 
Dr. Sterne, Herr Adamberger u. A. und fast jeden Tag 
langen neue Zusendungen ein. Die Zahl der bis jetzt 
ausgestellten Gegenstände betrügt mehr als zweitausend. 

Die verschiedenen Abteilungen sind auf folgende 
Weise vertreten : 

I. Das Geflecht, n) Deckenartig; sieben 
Stücke aus Stroh und Hast, tbeils von den Schilluk-Ne- 
gern, theils in China, in Luzcni und lA-itmcrilz verfer- 
tigt. b> Korbartig, •_' Stllek aus liatavia. 

II. Spee ielle textile Kunst und ihre Nach- 
bildungen, a) Mittelalterliehe Stoffe. Eine 
Casula in Glockenforrn aus dem XII. Jahrhundert aus 
grünem Seidenstoff und einem Streifen Goldstoff, welcher 
mit Perlen und Rubinen omamentirt ist. Ferner eine 
Casuln von Leinwand mit aufgedrucktem schwarzen 
Muster; auf dem Stabe ist der gekreuzigte Christus ge- 
stickt. Das Kreuz ist durch einen noch mit der Kinde 
versehenen Baumstamm dargestellt, an weichein links 
und rechts ahgehauene Seitenilste in gleichinässigen 
Distanzen sichtbar sind. Eine Mitra aus dem XII. Jahr- 
hundert von gemustertem Seidenstoff, ist mit Goldorna- 
incnten bemalt: die sich senkrecht durchschneidenden 
Goldstreifen sind mit Metallornamentcn besetzt. Ii Ori- 
entalische Stoffe. Ein Teppich, ti Satteldecken und 
eine türkische Kappe. Interessant ist der persische 
Tcppich aus dem XVI. Jahrhundert mit einer grossen 
Zahl von Jagdsccnen naiver Art. Die Figuren sind theils 
über die Sammttlüche erhaben, theils mit derselben 
gleich, theils nnch Ausschneidung des Stoffes vertieft 
gewirkt, wodurch eine eigene Art von Schattirung ent- 
steht, c) Neuere Stoffe seit 1 :><)<>. ,/j Stickereien. 
14 Stücke, darunter zwei Mitreu aus gemustertem Sei- 
denstoff mit daraufgestickten Gold- und ISeidenomaiuen- 
ten aus dem XII. und XIII. Jahrhundert; ferner das 
Antipcndinm des Domschatzes zu Salzburg, welches 
zu den Seltenheiten kirchlicher Stickerei aus dem 
Beginne des XV. Jahrhunderts gehört. 

Besonder« anziehend für den Besucher des Museums 
ist aber der in frischen Farben und in nngcschwächtcm 
Gold- und Pcrlenglanze schimmernde bnrgundische 
Kirchenornat, der bei Hochämtern des goldenen 
Vliess- Ordens gebraucht wnrde und, wie bekannt, an 
Pracht, Schönheit und künstlerischer Vollendung nicht 
nur den ersten Hang unter den Kunstwerken des Mittel- 
alters in dieser Hichtnng einnimmt, sondern überhaupt 
kaum seines Gleichen finden dürfte. ^Entlehnt aus der 
kais. Schatzkammer.) Er besteht aus einem omntus in- 
teger, enthaltend eine Casula, zwei Lcvitenkleider i Dal- 
matica und Tunicclla) nnd drei Chorkappen (Pluvia- 
lia oder Vespermiintel}. Diese unübertrefflichen Kunst- 
schaustOcke stammen nns dem XV. Jahrhundert, aus der 
höchsten Blllthezeit der Kunststickerei, welche die Regie- 
rung der prachtliebenden hnrgundischcn Herzoge Phi- 
lipp des Guten und Karl des Kühnen umschliesst. Solche 
ausserordentliche Leistungen konnten sich nur unter 
Beihilfe der Malersehnlen entwickeln , und gerade zu 
jener Zeit brachte die christliche Kunst ihre wunder- 
barsten Werke auf dem Gebiete der Miniatur- und Tafel- 



malerei hervor. So seheint auch die Annahme der Kunst- 
kenner gerechtfertigt, dass dieser burgundische Mess- 
ornat, dessen Hauptwerth die unvergleichliche Schön- 
heit der künstlerischen Anordnung und Ausführung aus- 
macht, nach Vorbildern Johann von Eijck's selbst oder 
eines seiner tüchtigsten Schüler gearbeitet worden sei. 
Nicht ohne Selbstverliingnung wiederstehen wir der 
Verlockung, bei einer so passenden Gelegenheit eine 
ausführliche Beschreibung dieses umfangreichen und 
grossartigsten Monnmentes kirchlicher Kunststickerei 
zu bringen; aber Eduard Freiherr von Sacken bat 
davon im .Jahrgange 1858 Nr. 5 der Mittheilungen eine 
so treffliche Schilderung gegeben, dass wir gerne dar- 
auf verzichten. Wir erlauben uns nur den von dem 
geehrten Herrn Verfasser ausgedrückten Wunsch 
nach sechs Jahren wieder in dieser Zeitschrift aus- 
zusprechen, dass nämlich dem Herrn Professor Rös- 
ner die kostspielige Heransgabe seiner Abbildungen 
des burgundischen Messornatcs in Farbendruck möglich 
gemacht werde. 

Neben diesen Schaustücken von künstlerischer 
Pracht, erregt die Casula des Domeapi t eis iu 
Brünn, von violetter Seide mit Rclicfstiekcrci, wegen 
ihrer Seltsamkeit das Interesse. In der Mitte steht die 
heilige Jungfrau, Uber und unter welcher zu beiden Sei- 
ten je zwei Engel schweben, l'nter der heiligen Jungfrau 
steht der heilige Wcnzcslans in voller Rüstung, rechts 
ein Wappen und links die Jahreszahl 1487. Obgleich 
die erhabene Stickerei mit grosser Geschicklichkeit aus- 
geführt ist und der Zeichnung der Figuren keinen Ein- 
trag macht, so zeigt sich doch bereits in diesem Versuche 
der Kunststickerei derWunscb, nicht Mos mit der Malerei, 
sondern auch mit der plastischen Kunst in die Schranken 
zu treten, jene Vcrirrung, welche, vom Wege des Schönen 
abweichend, durch Schwierigkeiten und Vcrkünstclun- 
gen neue Effecte hervorbringen wollte, r) Spitzen. 
Zwölf Stück von Zwirn, darunter einige sehr hübsche 
Muster aus dem XVI. Jahrhundert./; Tapisserien, 
Gobelins, Möbelüberzüge. Fünf Teppiche, darun- 
ter der iiiteste ans dem XVI. Jahrhundert in Flandern 
gewirkt und zu Ehren des heiligen Leopold gestiftet 
von Johann Fuchs. In der Mitte kniet der Stifter vor dem 
heiligen Leopold, zu beiden Seiten stehen Persönlich- 
keiten ans dem Gcschleehte der Babenberger. Von den 
beiden niederlüudischen Teppichen ans dem Ende des 
XVI. Jahrhunderts , in Wolle und Goldfäden gearbeitet, 
den kaiscrlich-spanisch-hnbsbnrgisehen Adler mit natür- 
lichen Lauboniameulen darstellend, ist einer bis auf den 
etwas beschädigten Adler sehr gut erhalten; die Zeich- 
nung derBlnmen, Früchte und BUitter ist mit grosser 
Freiheit und Leichtigkeit ausgeführt. 

Besondere Aufmerksamkeit verdienen die beiden 
Teppiche, welche in die Reihe jener Wirkereien gehören, 
die Kaiser Karl VI. in den Jahren 1714 — 1717 in den 
Niederlanden verfertigen Hess, u. z. nach jenen zehn 
Cartons, welche Jan Cornelia Vermeycn im Auftrage 
Karls V. ausführte. Venneyen (geboren 1500 zu Bewer- 
wijk bei Hnarlem, gestorben zn Brüssel 1559) war ein 
ausgezeichneter Künstler nnd besass eine grosse Ge- 
wandtheit im Malen von Schlachten und Festlichkeiten. 
Kr w urde von Karl V. nach Madrid berufen und beglei- 
tete den Kaiser auf seinem Kriegs/.uge nach Tunis (153.Y). 
Mitten im Kriegsgetümniel entwarf der muthige Künst- 
ler seine Zeichnungen und führt« nach seiner Rückkehr 



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XLVII 



jene grossen Cartons aus (die meisten sind Uber 20 Fuss 
lang und 12 Fuss hoch), welche noch heut zu Tage 
die Bewunderung der Kunstkenner erregen und im 
Rclvederc zu Wien aufbewahrt werden 1 . Leider ist das 
Papier dieser Cartons an vielen Stellen rissig und brü- 
chig, und auch die Leinwand thcilwcise sehr schadhaft 
geworden, so da«? Rie wohl nicht öffentlich ausgestellt 
werden können; doch zeigen sie eine vollendete Tech- 
nik ihrer Art, und die Grossartigkeit der Composition. 
die llcissigc Ausführung, die trenc Auffassung des Histo- 
rischen, die klare Anordnung der Gruppen von mehre- 
ren hundert Figuren, von denen die im Vordergründe 
zuweilen mehrals lebctisgross sind, sowie die treffliche 
Perspective, machen diese Arbeiten Vermcyeiis zu 
einem Gegenstand der vollsten Bewnndcrnng' Warum 
nach diesen herrliehen Cartons nicht alsogleieh neue 
Tapeten gewirkt wurden, ist bisher noch unbekannt ge- 
blieben. Erst zu Anfange des XV1I1. Jahrhunderts wurden 
sie von Kaiser Karl VI. aus der Verborgenheit hervor- 
gezogen, und nach Brüssel an den in grossem Hufe ste- 
henden Jod oeus de V o s zum Verfertigen von Tape- 
ten gesendet und der Dichter Heraus beauftragt, dazu 
die erklärenden Inschriften in lateinischer Sprache zu 
machen. Der kaiscrl. Rath Bergmann thcilt in dem 
13. Bande der Sitzungsberichte der knis. Akademie der 
Wissenschaften einen Brief des Jodocus de Voh an 
Heraus tnit.ddo. Brüssel 12. November 1716, in welchem 
er diesen um die Inschrift für das Stück Nr. 10 bittet und 
bis zum nächsten Frühling abermals Wer Tapeten abzu- 
liefern verspricht, welche noch schöner sein sollen als 
die bisher vollendeten. Vos fugt zugleich in echt kauf- 
männischer Weise hinzu, die Verfertigung der Tape- 
ten geschehe mit solcher Sorgfalt, dass er ungeachtet 
der guten Bezahlung des Kaisers, doch mehr als 30.000 
Gulden Schaden dabei habe. 

Der grossere ausgestellte Tcppich stellt die Füh- 
rung des Heeres gegen Tunis, die Einschiffung der Ge- 
schütze und die Hcrbcischaffung des Proviantes vor. Es 
ist ein sehr reiches Bild und eine jede der vielen Figuren 
scheint von dem Gedanken: Auf nach Tunis! beseelt. 
Alles strebt gegen das l'fer hinab ; nicht nur die Sol- 
daten, welche sich an die schweren Geschütze ange- 
spannt haben, um dieselben nach den Schiffen zu brin- 
gen; nicht nnr die Reiterei im Mittelgründe, an deren 
Spitze der Kniser auf braunem Pferde zu sehen ist, 
sondern auch der im Vordergrunde sichtbare Tross, wel- 
cher Wasser. Schlacht) biere und andere Lebensmittel dem 
Heere beizustellen hat. 

DieserTcppich, sowie derfolgcnde aus Knmeclgnrn 
und Seide gewirkt, gehört zwar nicht in die Blüthezcit 
der flandrischen und niederländischen Tapisserie; doch 
ist er immer eine achtenswerthe Arbeit. Er würde anch 
ohne Zweifel einen Uberwilltigenden Eindruck auf den 
Beschatter machen, wenn die Farben nicht so sehr ver- 
bleicht willen, wodurch jene feinen Schattirungen und 
Farbennllancen verloren gingen , die den Teppichwirke- 
rcicii Flanderns schon im XV. Jahrhundert ihre Berühmt- 
heit verschafften. Nur die Krappfarhe hat ihr frisches, 
schönes Ruth beibehalten, sie liisstauf die entschwundene 
Lebhaftigkeit der andern schlicssen und gibt einen Be- 
griff vini der FarbenfUlle und Mannigfaltigkeit, mit wel- 

1 » r. 1 1- 1. .i- , a> Jtr k«l- >.l,i.l.l,o.m.r Fr, Irl. ».t l>»I Kl, .'Ilm* 

<<■ IJ..ira.»;r s Antl». Jibrgu« Nr. ; und 0. anertilirUrli li,«»bri.l..ii 



eher diese Tapete gleich nach ihrer Verfertigung das 
Auge erfreut haben mag. Auch das hineingewirkte Gold 
und Silber ist abgebleicht, was eine sorglose Bereitung 
der Gold- und Silberfäden verräth, während dagegen 
auf ähnlichen mittelalterlichen Arbeiten das Silber und 
vorzüglich das Gold in vollster Reinheit erhalten sind. 

Der kleinere Teppich, 22 Schuh lang und 16 Schuh 
hoch, stellt die Revnc des siegreichen Heeres bei Barcel- 
ona dar. Im Vordergrunde sieht man nebst dem Kaiser 
mehrere Notabilitittcn des Heeres zu Pferde in voller 
Rüstung. 

Venneyen soll nach einer Angabe des Herrn Cnstos 
Birk dem Kaiser Karl V. ancli in dein Schmal kaldiscben 
Kriege zur Seite gewesen sein und darauf bezügliche 
Cartons nach diesem Fcldznge gefertigt haben. Üb diese 
Cartons, welche gewiss keinen geringeren Kunstwerth 
haben als unsere zehn, noch erhalten sind uud au wel- 
chem Orte sie sich befinden, schwebt im Dunkel. 

Der Besnchcr tritt nun zu den Papiertape- 
ten und findet auch dessiuirtes Papier und all- 
gemeine Ornamentzeiehnungen zur Flächen- 
Verzierung. Diese letztem sind durch die orna- 
mentale Kupferstichsaniniluiig des Museums ergänzt, 
welche bereits mehr als 5000 Einzclblättcr zählt und 
aus der bekannten Sammlung des Leipziger Buchhänd- 
lers Dnigulin besteht, der zehn Jahre auf die Coinplc- 
tiruitg derselben verwendete. Sic enthalt ornamentale 
Entwürfe von J. v. Meckeren und Mart. Schön, dann 
architektonische Decorationen und Gnldsebmiedarbciteu 
ans de,r französischen uud italienischen Schule des 
XVI. Jahrhunderts. Daran reihen sich die Arabcskeii 
deutscherund französischer Künstler des XVI. undXVH. 
Jahrhunderts und die Sammlnug sehliesst mit den anti- 
kisirenden Arbeiten des XVIII. Jahrhunderts. An die Or- 
namentstichc reihen sich in chronologischer Ordnung die 
Schreib- und Zeichnenbücher von Daniel Hopfer, Albert 
Dürer. Jean Cousin, A. Alberti u. s. w. 

Hl. Lackierarbeiten. 15 Stücke: daruuter 
mehrere alt-japanische Dosen mit Goldlack auf Holz. 

IV. Emaille. 13 Stück aus dem Mittelalter. 
Darunter jene merkwürdige Reliquientafel vom XII. Jahr- 
hundert aus dem Domschatze von St. Stephan in Wien, die 
von Dr. G. Heider in den Mitlheilnngen (Jahrgang 185«) 
ausführlich beschrieben wurde. Die drei kleinen Reliquien- 
sehreine des Stiftes Klosterncuburg, ebenfall« aus dem 
XII. Jahrhundert, in Form von Häuschen ohne Fenster, 
interessireu durch ihr Alter, und die Gicsskanne von 
Kupfereinaille, mit weissen und goldenen Buckeln ver- 
ziert, ist eine sehr hübsche venetiauische Arbeit aus 
dein XV. Jahrhundert. — Orientalische Emailleu, 
44 Stück (Vasen. Schalen, Schüsseln von Kupfer, zum 
Theilc chinesisch). — Renaissance und moderne 
Emaillen, 45 StUeke (Salzfässer, Teller, Schaleu 
u. del. aus Limoges, dann von Jean de Court u. a. ). 

V. Mosaik. — a) Antik, b) Mittelalterlieh. 
r) Renn aissance und modern. 

VI. Glasmalerei. — a) Romanische Zeit. 
l>i Gothisehe Zeit, r, Keuaissance. 

VII. Malerei. • -«; Wandmalerei: decorative, 
ornamentale und tiguralisehe. b, Gemälde in Ver- 
wendung zu kirchlichem Geräthe. r, Proben 
der verschiedenen Technik. 6 Stücke, hierunter 
Fächer. Miniaturgemälde und ein Buch mit Malereien 
auf gepressteui Baummark ; theils chinesische . theils 



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XLVIII 



indische Arbeit. — «//Miniaturen, 17 Stücke. Besonders 
bemerfcenswerth ist die Arbeit des Minoriteu Fra Anto- 
nio aus Monza, ein kostbares Überbleibsel der lomb.ir- 
dischen Schule aus dem XV. Jahrhundert. Es besteht 
aus vier Pergamenthlättchen, näinlich au» zwei kleine- 
ren, einer grossen Raudeiufassnng und einem mittleren 
Blatt, Üieses stellt die Ausmessung des heiligen Geistes 
vor. Uber dem Hauptblatte, in der LUnette, ist das Port- 
rät des Papstes Alexander VI. angebracht. Die Randver- 
ziernng enthält oben als Hauptdarstellung das Agnus 
bei, und unten das Bild Christi mit der Dornenkrone. 
Dieses sehr wcrthvolle Stuck ist aus der Sammlung des 
Erzherzog Albrccht. 

Erwähnen mtlssen wir auch die Pcrgamentmalcrei 
von Hans Burgkmair (XVI. Jahrhundert), das Ori- 
ginal zu den bekannten grossen Holzschnitten, welche 
den Triumphzug Maximilians 1. darstellen, aus dem 
Stifte St Florian, welches die Blätter Nr. 45* bis 101) 
besitzt, während sich in der k. k. Hofbibliothek jene 
von 1—48 befinden. 

Der Tod der Frau des Willibald Pirkhcimcr auf 
Pergament, nach Angabe des Museal-Kntalogcs Nr. 11. 
von Albrocht Dttrer gemalt, durfte trotz des Monogram- 
me* und der Jahreszahl 1504, sammt der lateinischen 
Beisohrift, dem Kenner doch cinigermassen Schwierig- 
keiten bieten, diese Arbeit der Hand des genann- 
ten Meisters zuzuschreiben, da sie weder in der Zeich- 
nung noch in der Farbe an die authentischen Werke 
Dürer s erinnert. 

VUI. Schrift, Druck und graphische 
K II nstc. a) Schriftproben (25 Stücke). Darunter 
achtzehn Cimclien der kais. Ilofbibliothck, deren aus- 
führliche Besehreibung hier jedoch zu weit fuhren wurde. 
Wir erwähnen daher nur die beiden Pergament-Codices 
aus dem XV. Jahrhundert, welche Mathias Corviuus in 
Florenz bestellte und die mit herrlichen Miniatur- Male- 
reien, mit Randverzierungen uud Initialen in Gold und 
Farben prangen. Ferner die Canones aus dem VH. Jahr- 
hundert, die Seekarte vom Jahre 1318, die Chronik von 
Ungarn (XIV. Jahrhundert), den unvergleichlichen Clo- 
vio aus dem XVI. Jahrhundert, den Hocfnagel mit 
51 meisterhaften Malereien, so wie das Horarium und 
die^f'olumba." Auch das Missale (vom Kloster Rein ein- 
gesendet), eine Pergament-Handschrift des XV. Jahrhun- 
derts, reich gesehmUckt mit Initialen und Raudverzie- 
ningcn, kl. Folio, 150 Blätter, mit seinem prächtig orua- 
mentirten Titelblatte gehört zu den Kostbarkeiten dieser 
Abtbcilung. — b) Initialen und andere Schrift- 
proben. — cj Druckproben (7 Stücke), sämmtlich 
Incunabcln aus der kais. Ilofbibliothck. Darunter zweimal 
die Ars memorandi; fcrnerdieGutcnberg-Bibel, das 
erste mit beweglichen Lettern gedruckte Buch aus den 
Jahren 1450 — 1455. Ferner das Psalterium, das 
erste, mit bestimmter Angabc des Jahres und Druckers 
erschienene Buch, Mainz 1457, auf Pergament. — 
d, Typographische Verzierungen. — e) Proben 
der verschiedenen graphischen Künste. — 
f ) Hand Zeichnungen (55 Stücke), darunter viele von 
Albrecht Dürer, mehrere von Tizian, Raphael, FraBarto- 
lomco. I'ordenone, van Dyck, Rubeus, Leonardo da Vinci, 
l'aul Veroncsc u. A., zu denen seither viele Andere 
hinzugekommen sind. 

IX. Äussere Bucherausstattung (Iß Stucke), 
von denen acht ans der kais. Ilofbibliothck. Darunter 



besonders interessant der Einband aus dem 
X. Jahrhundert, enthaltend eine Pergamenthand- 
schrift, das Saeramentarium de circulo anni, expositum 
a S. Grcgorio Papa. Die Deckel sind von dickem Holze 
mit Messingrahmen. Auf der Vorderseite des Buches be- 
findet sich ein treflfliches Schnitzwerk von Elfenbein, 
einen Kirchenlehrer mit Buch und Griffel darstellend 
im antikeu CostUme. — Ferner ein vollständiger Buch- 
einband der ersten in deutscher Sprache ge- 
druckten Bibel, ans dem Ende des XV. Jahrhunderts, 
aus geschnitztem Lcder. 

^ X. Lederarbeiten. — a) Ledertapeten und 
Überzüge (4 Stücke), darunter eine zwei Schuh 
lange Decke von durchbrochener Arbeit aus dem XVI. 
Jahrhundert aus dem Stift St. Florian. — b) Leder- 
geräthe aller Art (29 Stucke). Darunter 2-' Falken- 
kappen aus dem XV. und XVI. Jahrhundert. — 
c) Lederplastik. 1 Stück Relief in Leder. 

XI. Glasgefäss— «;Hohlgcfässe(92 Stücke), 
Schalen, Trinkgläser, Poeale, Humpen, Kannen u. dgl. 
von der ältesten Zeit bis auf die neueste. — b) Gla s- 
geräthe (3 StUcke), venetianische Arbeit aas dem 
XVTL Jahrhundert, zwei Salzfässer und ein Kronleuch- 
ter. — <•) Millcfiori etc. 

XII. ThongefäsBC und Thonplastik. — 
a) Griechische und italienische der antiken 
Zeit (76 StUcke), Vasen, Becher, Schalen u. dgl., dem 
kais. Antikcncabinct und dein Polytechnicum ent- 
lehnt. — 6)Celto-gcrmani8chc Thonarheiten. — 
c) Spanisch - maurische und von Marokko 
(9 Stücke^); Töpfe, Vasen, Flaschen u. dgl.—«/; Mittel- 
alterliche (2 StUcke). Eine Schüssel von glasirtem 
Thon, mit ornamentirtera Rand; in der Mitte Christus 
am Kreuze, daneben Maria und'Johannes, die Contouren 
sind cingeätzt, Nürnberger Arbeit aus dem XV. Jahr- 
hundert. Ein Ofenkachel ans dem XTV. Jahrhundert — 

Italienische Arbeiten seit 1500 (61 StUcke), 
durchgängig Majoliken. Wir gehen au diesen, der 
Kunst völlig ferne liegenden Gegenständen mit dem Be- 
merken vorUber, dass dieselben allerdings wohl nur 
desshalb in das Museum gehiiren, weil dieses zugleich 
durch chronologische Aufstellung von Kunst- und Indu- 
striesachen zeigen soll, welche Phasen der Ausbildung 
und Verbildung Kunst und Industrie in diesem oder 
jenem Zweige durchgemacht haben; lernen lässt sich 
aber an diesen Majoliken sehr wenig, da sie ganz dem 
Verfall der italienischen Kunst angehören. — /; Fran- 
zösische Thonarbeiten seit 1500 (83 StUcke), 
Schltsselu, Teller, Vasen u. dgl. von Fayence. — g) Hol- 
ländische Thonarbeiten seit 1500 (8 StUcke), 
aus Thon und Fayence. — i) Deutsche Thonarbei- 
te n b e i 1 1500 (30 StUcke), KrUge, Kannen, Vasen, zumeist 
aus grünem Steingut. — h) Thonarbeiten aus Eng- 
land , Spanien und den übrigen Ländern (79 
Stücke), Teller, Kannen, Vasen n. dgl. aus Steingut und 
Fayence. — k) Thonarbeiten besonderer Na- 
tionalitäten (18 StUcke), KrUge, Trinkgcfässc u. dgl. 
aus Ungarn, Siebenbürgen, Brasilien u. s. w. — l, Indi- 
sche und andere Arbeiten desOrients föStueke), 
Schalen, Töpfe und französische Nachbildungen dersel- 
ben. Diesen Gegenstünden folgen nun Arbeiten in l'orccl- 
lan, die wir, als der Neuzeit und Gegenwart angehörend, 
hier ganz Ubergehen zu können glauben. Auch aus den 
noch Übrigen Kategorien können hier nur jene Gegen- 



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XL IX 



stände angeführt werden, welche einigen Bezug auf 
Alterfhumskunde haben, u. z. : 

Von den H o I z a r b c i t c n : ein Meda illon mit den Bil d- 
nissen Maiximilians I-, KarlsV. und Ferdinands I. und vicr- 
undzwanzig Dnmenbrettsteine, ebenfalls aus dem XVI. 
Jahrhundert und mit ähnlichen Medaillons. 

Von den Elfeubcinschnitzwerkcn: das Dipty- 
chon aus dem XV. Jahrhnndert, die Elfenbeinkartonen 
aus dem XIY. und XVI. Jahrhundert und der Reisealtar 
aus dem XVI. Jahrhundert. 

Vou Eisen arbeiten: der eiserne Schreibkasten, 
verfertigt von Joseph dcVioi 1567 und mehrere Schlösser 
aus dem XVI. und XVII. Jahrhundert. Unter den 78 
Waffen befinden sich mehrere sehr interessante Gegen- 
stände. Besonders schön ist die Stahlrüstung des Alexan- 
der Farnese, Herzogs von Parma ; sie ist ganz bedeckt 
mit gleichen, äusserst fein tnnschirten Ornamenten in 
Gold und Silber. Eben so beachtenswert Ii ist die Rüstung 
Rudolfs II., denn auf den Brust- und HUckentheilen des 
Harnisches, wie auch auf den Achsclblättcrn sind die 
Thaten des Hercules in getriebener Arbeit dargestellt 

Von den Gegenständen mitte I alterlich e r Gold- 
ach miedekunst sind hervorzuheben : 



Das Reliquiarium aus dem XIV. Jahrhundert (an- 
geblich eiu Buchdeckel); es ist von vergoldetem Silber 
in Form einer Tafel und zeigt zwei Etagen mit Nischen, 
in welchen Maria und verschiedene Heilige angebracht 
Bind; dann ein Kmmmstab von Elfenbein mit vergolde- 
ten Silberreifen aus dem XIII., und ein silberner Krumm- 
stab aus dem XV. Jahrhundert. Ihnen reihen sich die 
Arbeiten aus der Zeit der Renaissance an , unter denen 
sich schöne Pocnle, Schüsseln, Kröge, Kannen u. s. w. 
befinden, von denen viele Eigenthuin der kuis. Schatz- 
kammer und des deutschen Ordens sind , andere hinge- 
gen sich im Besitze des Fttrstcn Johann Liechtenstein, 
des Grafen Zichy u. s. w. befinden. Auch unter den 
Bijouterien trifft der Beschauer manche beachtnngs- 
werthe Arbeiten. 

Wir führten unseren Leser absichtlich mit einiger 
Ausführlichkeit durch die Räume des Museums, um zu 
zeigen mit welcher Aufmerksamkeit wir die wichtige An- 
stalt betrachten, für welche sich jeder Gebildete iutercs- 
siren muss und der wir auch ein recht praktisches, recht 
tief eingreifendes Gedeihen wünschen. 

Ludw. Sch. 



Lea tapisseries d'Arras. 

£tad < artl.Ua^c et tJ.torKja« t u Mr. VAbM <u Driral. Arr*. IM«. ». 



Im ersten Capitel behandelt der Verfasser die Ta- 
petenwirkerei bei den alten Völkern und gibt eine Über- 
sieht jener Stellen in der heiligen Schrift, bei Herodot, 
Aristoteles, Plinius u. s. w., welche auf Tapeten und 
deren Wirkerei hindeuten, die aber gewiss noch interes- 
santer geworden wäre, wenn er die, gleichfalls auf 
diesen Gegenstand bezüglichen Stellen in den Schriften 
Philostrats, Theokrits, Xcnophons, Cicero's, Diodors 
u. s. w. angeführt hätte, da sich bisher wohl noch kein 
Werk vorfindet, welches die Geschichte der Tapeten- 
wirkerei erschöpfend behandelt'. Der Verfasser unter- 
Hess dieses, da er gerade aufsein Ziel: „Die Tapeten 
von Arras u lossteuerte, jene Luxusartikel, welche einst 
so ausserordentlichen Absatz fanden. Verhältnissmässig 
kurz hat in Flandern und den Niederlanden die Blüthe- 
zeit der Tapetenwirkerei gedauert, während der Orient 
in graner Vorzeit nicht nnr die Wiege der Tapeten Ver- 
fertigung war, sondern auch bis zum heutigen Tage sei- 
nen Traditionen treu blieb , wie die aus Indien zur letz- 
ten Pariser nnd Londoner Ausscllung eingeschickten 
Tapetenarbeiten bezeugten. 

Im 2. Capitel ist von dem Purpur, dem Scharlach 
nnd den reichen Stoffen die Rede, welche man zu Arras 
in frühester Zeit zu kostbaren Kleidern verarbeitete 
und welche „vestes Atrcbaticae J genannt wurden; auch 

' Verls«»* <lr>* au aar fMffad* Srbrlft« Gr*r TaplMcrl» b**»ni.l 
«•«.r«>a. die «Ir fcior «oftthnn, Indem »ir dl« rKbraianrr rnickia . du 
FeMmd* fr«nndlkb crskni»n iu wollro , d» drr li<i;<o»t»Hd dir Wim um ..• 
»Icbllcrr l>t, «I. »Irh tl»r In k. » Bflv«lw dl» Tormifflirhoo Carlna. »°a 
V«ra.*jrni brtadaa, wekb« din Zu« Kurl» V a.<-b Tunli- yornrilra, und »a<-b 
»l»l» T»pft*n Im k. k. LuHschlo.ni SchSabniaa «uJUtwihrl »rrdca. - 
Peralban. N;llc* ni Ic» m*aur>ctur« dm laplitcrka d'Aubmjoa. da loHo- 
tln et ir BalkjaJd»- Mate«« fUI2. — »T. Mlcbnl ILn-h.tct,«, »lir I« 
coniniarc*, U fahrkation »l l'ul|l ■!♦» r't«llrs 4r ivir, d\.r rl d'untfn«. 
— Loflordilru, Xcik« mr Ic» naaauiacturn de« Gcaalia». 'Airs, l'ln- 
rbart. Mlmelre lar lo» taplmurkc d« l*l»adr<. C-^uruaad par rAtadraala 
rojraJa da !Wlgb|U>, IK59- - Jutilual Sur Im aiicknn.« la|>i»«rl«f blit»- 
rla». - W. Cb««u<*l. EwaJ >ar lai.Wrt «| 1» »UaaUcn utaalk d«> la»li- 
••rlta et lapli. 

DL 



von der Cultur und dem Verbrauche des Krapps geschieht 
umständliche Erwähnung. 

Capitel 3 spricht über den Anfang der Tapeten- 
wirkerei zu Arras und begründet durch Combinirung 
mehrerer Stellen aus Historikern, dass in Arras schon 
vordem Einfall der Normannen, also vor dem IX. Jahrhun- 
dert, Fabriken von reichen Stoßen und Tapeten bestan- 
den. Die Nennung eines bestimmten Fabricats entdeckte 
der Autor in der bischöflichen Bibliothek zu Arras, 
wo sich eine Copie des Cartulars der Abtei von St. 
Vaast, von Wimann oder Guymanu (aus der zweiten 
Hälfte des XII. Jahrhunderts) befindet, in welchem nnter 
den Kirchenschätzen eine „vexilla, opere plumario 
facta" nebst r cortinis et tapetibns" aufgezeichnet sind. 
Zur weitereu Begründung seiner historischen C'ombi- 
nation ttlhrt der Verfasser eine Stelle aus besagtem Car- 
tular an , welche das XI. Jahrhundert berührt, und wo 
es heisst, dass zu Arras jene Tapeten gewirkt wurden, 
welche das Leben des heiligen Alban vorstellten, und von 
Richard, dem damaligen Abte des Klosters St. Alban 
in England (reg. 1088—1119). angekauft wurden. Beide 
Citate deuten auf eine, bereits längere Zeit bestehende 
Ausübung der Tapetenwirkerei zu Arras. Gewiss scheint 
es, dass in Europa die Niederlande zuerst die Kunst 
„du tapissicr de haute lisse" (mit aufrecht gestellten 
Fäden oder Zettel) besassen, nnd auf diese Art wurden 
auch die Tapeten zu Arras gemacht. Anch Francisque 
Michel nennt Flandern die Wiegender Verfertigung hoch - 
schäftiger Tapeten. Eine beigegebene Beschreibung der 
Arbeit „de la haute lissc u von Lacordairc, gewährt gros- 
ses Interesse. 

Im 4. Capitel wird der, in dem Inventare Karls V. 
(veröffentlicht von dem Grafen de Labordc im Jahre 
1851, VII"* annee de la Revue archeologique) vor- 
kommende Ausdruck: l'oeuvre d'Arras oder opus Atrc- 



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L 



baticnm, einer Kritik unterworfen und als eine solche 
hingestellt, dass damit gleichsam die VorzUglichkeit 
des Fabrieatcs. anderen Tapeten gegenüber, beglaubigt 
wurde; nämlich „eine Arbeit, würdig, die Säle der Für- 
sten, die Ohiire der Kathedralen nnd Abteien , die 
Wohnungen der Souveräne und Päpste zu schmücken". 
In der That verdienten die Tapeten von Arras diese An- 
erkennung, denn schon die Cartons, nach welchen sio 
in der Glanzperiode gewirkt wurden, waren Kunstwerke, 
da dieselben nicht nur von geschickten Künstlern, son- 
dern sogar von Meistern ersten Hanges, wie z.H. Raphael 
Sanzio geliefert wurden. Diese Cartons waren nicht wie 
gewöhnlich blosse Zeichnungen mit schwarzer Kreitle, 
sondern sie mussten sorgsam eolorirt sein und näherten 
sich somit wirklichen Gemälden, deren Haupt- und 
Nebenfarben von den Tapetenwirkern auf das genaueste 
wiedergegeben wurden. Die herrlichen, im Belvederc 
zu Wien befindlichen Cartous von Vermeyen, welche 
Karl V. als Muster für Tapeten zur Erinnerung an seinen 
Zug nach Tunis anfertigen liess. erregen in dieser Re- 
ziehung die Bewunderung aller Kunstkenner. Ferner 
zeichneten sich die von den Wirkern gebrauchten Woll- 
nnd Scidenfäden durch die Lebhaftigkeit und feinsten 
Abstufungen der Farben aus, und denkt man sich dazu 
die, bei Waffen, Rüstungen und l'runkgewiiudcrn ver- 
wendeten Gold- nnd Silberfädcn, so kann mau sieh eine 
Vorstellung von der überraschenden Pracht und Herrlich- 
keit solcher Tapeten machen. Dazu kommt noch, dass 
die Wirker einen regen Kunstsinn und eine ausseror- 
dentliche Kunstfertigkeit besassen, dass sonach die Ta- 
peten der Blüthezeit (XIV. — XVI. Jahrb.) den Stempel 
der Vollendung an sich trugen. Sie wurden durch das 
Relief, durch die Modcllirung, die Bewegung nnd das 
Leben, welches den Gestalten gegeben wurde, zu wich- 
tigen Kunstwerken. Die Schatten und Lichter, die 
Nuancen, das Helldunkel, die vollendete und ergreifende 
Auffassung der Natur, zeichneten diese Tapeten aus nnd 
gabeu ihnen den Vorrang vor jenen des Orients. Manche 
bestanden sogar ganz aus Gold- und Silberarbeit. 

Die Erläuterung einiger technischer Ausdrücke, 
wie: chambre, draps, tenturc, etoffcs, welche in manchen 
archäologischen Schriften vorkommen dürften, wollen 
wir kurz mittheileii. Unter chambre verstand man Tape- 
ten oder Stoffe, bestimmt zur Ausschmückung eines 
Gemaches oder Bettraumes. Die Tapeten selbst wurden 
draps. panni, genannt. Tenturc bezeichnete ein Ensemble 
von mehreren Tapeten gleicher Höhe, jedoch verschiede- 
ner Breite, bestimmt zur Ausschmückung eines Gema- 
ches oder Saales, Eine tenturc zählte 15 — 20 Stücke, 
und niemals weniger als 5— (!. Des Wortes „ftonW be- 
diente man sieh zu allgemeiner Bezeichnung der Mate- 
rialien zur Verfertigung der Tapeten, als Wolle, Seide, 
Silber, Gold. Die Arbeiter selbst trugen verschiedene 
Namen; sie hiessen lange Zeit: Arrazinois (von Arras; 
ital : Arazzo), später tapissiers, ouvriers en la haute lisse, 
auch tappissiers hauts-lissiers, hault-licheurs. 

Das Capitel 5 bietet historische Daten Uber Anas 
und dessen Leistungen in der Tapctenfabrieation, vom 
XII. bis Ende des XIV. Jahrhunderts. Arras war schon im 
XL Jahrhundert die stolze Hauptstadt von Flandern und 
der Sitz der Regierung. Schon zu jener Zeit kamen alle 
nach England eingeführten Tapeten aus den Webstüh- 
len zu Arras. Im XIII. Jahrhundert verbot König 
Eduard III., der mit Flandern in Feindschaft stand, 



seinen Untcrthanen , Wolle dahin zu senden , dess- 
glciehcn verbot er auch die Einfuhr aller flamändischen 
Manufactur-Erzeugnissc nach England. Dadurch kam 
die Industrie in Arras sehr herab nnd viele Arbeiter 
wanderten in die Mark aus. Doch bald erholte sich 
Arras wieder und das Capitel 6 zeigt uns die höchste 
Stufe der Entfaltung der dortigou Tapetenwirkerei, unter 
den prnnkliebenden Herzogen von Burgund. In dieser 
Periode versah Arras, mehr denn jemals, ganz Europa 
mit seinen gepriesenen Luxuswerken. Maler und Zeich- 
ner, Hantlissenrs und Bildschnitzer, Sticker und 
Fabricanten kostbarer Stoffe, alles was die Kunst in 
den verschiedensten Formen ausübte, war damals in 
Arras zu linden. Philipp der Kühlte Hess seine Schlosser 
mit den schönsten Tapeten von Arras anfüllen und 
sandte viele Tapeten als Geschenke nach England; 
auch dein Sultan Bajazet wurden, behufs der Aus 
Hisung gefangener Christen, prächtige Tapeten von 
Arras von Seite des Clcrus übergeben. Der Verfasser 
führt die zahlreichen Arras-Tapclen an, welche die spä- 
teren Herzoge fremden Fürsten und Kirchen gaben, nnd 
bringt Auszüge aus amtlichen Rechnungen, die er in den 
Archiven Lille's gefunden, woraus die Preise ersichtlich 
sind, welche man den Kaufherren zu Arras zahlte. So 
heisst es in einer Rechnung vom Jahre 1435: A. Jehan 
Walois, man haut de tapisseries, demourant a Arras, 
pour hi vendue et delivrance de cinq tappiz de hanlte 
lice de l'onvraigc d'Arras tigurce, c'est assavoir: de )& 
nativitc nostre Scigncnr, de la resurrection du Lazarc, 
de la passion et crucitiement, de l'asccnsiou et des 
(|uinze signes et jugemeut de nostre Seigncur, ainsi 
quo vingt tappiz a sommiers aruioies des armes de 
MDS...MLXXIX fr. 

Nach den Schluchten bei Granson, Marten und Nancy 
fand man unter den unermesslichen Schätzen des Her- 
zogs Charles - le -Tcmcraire die theuersten Tapeten, 
welche dann nach Nancy, Bern und anderen Orten der 
Schweiz kamen, woselbst noch viele aufbewahrt werden. 
Sie enthalten, zufolge der ausführlichen Beschreibung 
des Verfassers, biblische und profanhistorischc Begeben- 
heiten oder allegorische Darstellungen. (Das Inventar 
des Herzogs Philipp weist G5 Stück grössere und klei- 
nere solcher Tapeten nach.) 

Im Jahre 1177 bemächtigte sich Ludwig XL der 
Stadt Arras mit AVaffengewalt und behandelte sie mit 
ziemlicher Schonung. Im Jahre 1-17!» jedoch vertrieb er 
siiinmtliehe Einwohner, weil sie mitgeholfen hatten seine 
Unternehmung gegen Donni zu vereiteln, und pflanzte 
französische Culonisten in die Stadt. Nach seinem Tode 
wurde unter Karl VIII. die frühere Ordnung der Dinge 
wieder hergestellt und aus einem Rechnungsauszug der 
Stadt Arras vom Jahre 14!>1 geht hervor, dass man da- 
selbst wieder grossartige Tapeten de haute lisse ver- 
fertigte. 

Hicrnnf gibt der Verfasser eine Besehreibung der 
10 Tapeten, welche in dem Museum zu Cluny noch jetzt 
bewnndert werden, und fügt bei, dass man kaum weiss, 
was man au diesen blendenden Pracht werken am meisten 
bewundern soll. Die Farben sind voll Glanz und Leb- 
haftigkeit. Gold und Silber schimmern in allen Thcilen, 
die ('osfUme sind eben so mannigfaltig als die Personen 
zahlreich. Die (lemälde entfalten eine ungemeine Ver- 
schiedenheit, und liefern zugleich eine Reihe der ergrei- 
fendsten Dramen und ein trefflich aufgefasstes Euscmblc, 



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LI 



eine Art lebendiger Epopflc aus König Davids Leben, 
deren Wirkung durch mehrfache Anachronismen in den 
Trachten nicht beeinträchtigt wird. Ihre Höhe beträgt 
4 Met. GO Centini., ihre Breite wechselt von 9 big 6 Mctres. 

Aus dem XV. und XVT. Jahrhundert und der ersten 
Hälfte des VII. Jahrhunderts haben sich noch viele Tape- 
ten erhalten, welche beweisen, dass die Wirkereien zu 
Arras noch in grossem Flore standen. Zu den berühm- 
testen gehören die im 8. Capitel beschriebenen Tapeten, 
welche Papst Leo X. um den Preis von 70.000 röm. 
Thalern für den Vatican machen Hess und zu denen 
Raphael 25 Cartons componirtc. Von diesen unschätz- 
baren Cartons wurden sieben wie durch ein Wunder ge- 
rettet und werden dieselhen im Schlosse Hampton-Conrt 
noch aufbewahrt. Die Arbeiter machten es mit diesen 
Cartons wie mit allen andern; sie schnitten sie senk- 
recht in mehrere Stücke, um sie fllr ihre Nachbildung 
bequemer benutzen zu können. Als die gewirkten Tape- 
ten schon lange in Rom die Bewunderung aller Künstler 
erregten, dachte man auch der herrlichen Cartons und er- 
fuhr, dass sie zu Arras in*cinem Keller lügen. Rubens, 
welcher den Werth derselben kannte, bewog König 
Karl I. sich um dieselben zu kümmern. Nur sieben davon 
passten zusammen, von den Übrigen fand man nur ein- 
zelne unzusammenhängende Stöcke. Karl I. kaufte sie und 
Hess sie nach England bringen; doch erst Wilhelm III. 
Hess sie zusammenlügen und, vor dem allmählichen Ver- 



falle gesichert, aufstellen. M. L. Viardo« sagt in seinem 
Buche Uber dieMuseen Englands (1860) darüber: „Diese 
Cartons stammen aus der Zeit von Iiafacls höchster Kunst- 
reife, sie sind vollendete Gemälde mit Wasserfarben und 
machen, in das Getäfel der Wände ciugefUgt, die Wir- 
kung von Fresken". 

Die Cartons Rafacls wurden öfters gewirkt nnd be- 
finden sich sechs solcher Tapeten zu Dresden und neun 
zn Berlin. 

Noch zählt der Verfasser mehrere merkwürdige 
Tapeten aus dieser Zeit auf und schlicsst diese Aufzäh- 
lung im 9. Capitel mit der Bemerkung, dass Arras vor 
der Belagerung durch die Franzosen im Jahre 1C40 noch 
1500 Werkstllhle hatte, nachher aber nur 7—8. Von 
dieser Zeit datirt der gänzliche Verfall der Tapetenwir- 
kerei zu Arras. Unter Ludwig XIV. und später wurden 
zwar Versuche gemacht, dieselbe wieder zu heben, doch 
vergebens. Man wirkte zwar fortwährend Tapeten, doch 
bekamen dieselben nicht mehr die Bestimmung, die 
Wände der Paläste zu schinUckcn, sondern den Estrich 
oder das Parket der Gemächer zu decken, und dieses 
gilt leider auch noch in neuester Zeit. 

Unter den Anmerkungen verdienen besonders jene 
über den Waid (Wede), Wau (la gaule) und andere Sub- 
stanzen erwähnt zu werden, welche gleich dem Krapp 
zum Färben der Fäden oder Stoffe gebraucht wurden. 

/,. Srk. 



Correspondenzen. 

Im Interesse eines grossartigen Kunstdenkmals. 



Tricst im September 18ßt. 

Ein Kunstbericht aus Triest, als vorzugsweise einer 
Hafen- und Handelsstadt, scheint nicht unmittelbar an- 
gezeigt, und doch dürfte man sich von dem wirklichen Ge- 
halte der betreffenden Sache und auch davon überzeugen, 
dass selbst eine grössere Verbreitung derselben Werth 
labe, wcsshalb es nöthig ist, etwas weiter auszuholen. 

Man kann es eigentlich nur als Widersinn bezeich- 
nen, Kuppeln und Seitcnmanern grosser Gebäude, statt 
mit Malereien oder einer Uberkleidung von Marmor- 
platten (glatten oder bearbeiteten), mit Mosaikgemäl- 
de n nuszuzieren, weil die feste Fläche der Mosaik doch 
immer nur den ebenen Boden bedeutet, auf dem der 
Mensch muss sieher fussen können. Dass man solchen 
Bodenflächen erst den Reiz bunten Farbenwechsels 
gab, dann Blumengewinde und ganze Vorstellungen 
hineinwirkte, war Nachahmung der Wiesenteppiche, 
welche die Natur eben so mit allem Schmucke ausstattet. 
Es gehörte einer späteren Zeit des Verfalles an, wo das 
Anssergewöhnlichc an die Stelle des einfach Schönen 
getreten war, diese mühsam, wenn auch noch so kunst- 
reich zusammengesetzten Bilder vom Boden an die 
Scitenwände und Decken der Gebäude zu heben. 
Man mttsflte dieser Ausartung des Geschmackes unver- 
söhnlich. zUrnen, erläge man nicht andererseits unwill- 
kürlich dem bewältigenden Eindrucke, in diesen Domen 
der späteren byzantinischen Zeit, zum Preise des Höch- 
sten, allen Reiehthum, allen Glanz der Erde in Metallen 
und Edelgestein bis an die Höhe der Kuppeln erhoben, 



nnd sich von diesen unvergänglichen Prachtgcbildcu 
umgeben zu sehen. 

Prachtvoll und unvergänglich, das wäre das Wort; 
aber nnvcrgängi ich sind diese Mosaikgemülde, obgleich 
aus so unverwüstlichen Stoffen 'bestehend, denn doch 
nicht; sie zerfallen, wenn der Kitt verwittert, in den die 
einzelnen Steinchen eingedrückt sind, oder die Mauern 
zcrklUften und Risse bekommen. 

• War es nicht wirklich ein wUrdiges Haus Gottes, 
diese herrliche Marenskirehe in Venedig, wo über und 
rings um den Beschauer alles makellos in Glanz und lieb- 
lichem Farbenspiel mit edlen, bedeutungsvollen Gestal- 
ten erstrahlte? Aber das gealterte Gewölbe drohte mit 
Einsturz, gefährliche Risse lösten alle Verbindung — wie 
helfen, ohne dicseB bewundernswerthe Festkleid der Mo- 
saikumbüllnng zu zerstören ? Man muss gestehen, dass der 
Weg, den die Fabricia der Kirche in der alten Muttenstadt 
der Künste einschlug, ganz gewiss an Kosten und Zeit 
den meisten Aufwand in Anspruch nahm. Man sicherte 
sich dnreh ein ungeheneres Gerüst die Annäherung an 
die innere Rundung der Kuppel, dann nahm man, mittelst 
Durchpausung eine ganz genaue Farbcnzciehnnng der 
Mosaikgemäldc auf, worauf man die Mosaik selbst stück- 
weise ablöste, und die Steinehen in flachen Kisten sorg- 
sam aufbewahrte. Die Untersuchung stellte das Mauer- 
werk als ernstlieh beschädigt heraus, die Gewölbung 
musste ganz neu aufgeführt werden. Die Bauarbeiten sind 
seitdem mit Meisterhaftigkcit beendet. Mit den Mosaiken 
aber ist das meines Wissens noch lange nicht der Fall ; 



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LII 



da muss gleichsam ein ganz neues Werk geschaffen 
werden, und die Regierung wird wohl zu den bereit« 
verwendeten Summen manchen nicht unbedeutenden 
Nachtrag heizuschaffen haben. Ausser aller Frage steht 
die Erhaltung und möglichste Wiederherstellung eines 
so wichtigen Denkmals; war das aber nur auf einem 
so gewaltigen Umwege zu erreichen? Hier unu ist der 
Platz für meinen Tricstcr Kunstbericht. 

Es fehlt viel, dass die hiesige Kathedrale 8. Giu s'to 
es anch nur versuchen wollte, neben dem Dome von 
S. Marco genannt zu werden , oder sich demselben nur 
annähernd an die Seite zu stellen. Aber einige beaehtens- 
werthe, für die Stadt theuere Denkmiiler hat auch die 
Tricstcr Kathedrale. In der einen Seitencapelle neben 
dem Hauptaltare sind F r e s e o m a 1 e r e i e n, so lieblich, so 
zart, wie nur irgend welche aus dein Mittelalter, und gut 
erhalten, so wenig Sorgfalt man auch dafUr hat (um 
z. B. grosse Nagellöeher zu verhüten). In dieser Capelle 
sowohl, wie in der zweiten auf der anderen Seite, sind 
die Kuppelgewölbe mit Mosaikgemiilden geziert, die 
auf jeden Fall zu den guten, aus den lcty.len Zeiten der 
byzantinischen Schule gehören und Behr wohl erhalten 
sind. Diese grossartigen Mosaikbilder, das Eine mit der 
kolossalen Gestalt des Erlösers, und das Andere mit 
jener der heiligen Mutter Gottes mit dem Jesukinde und 
den kolossalen Gestalten der heiligen Apostel, würden 
irgend einer noch so bedeutenden Kirche zur hohen 
Zierde gereichen, und sind für Triest sehr merkwürdige 
Zeugen des, in jener Epoche dort herrschenden Wohl- 
standes, wie zugleich eines ehrenden Selbstgefühls, das 
damals die Bürger beseelte '. 

Es zeigten sich in den letzteren Jahren Sprunge in 
dem Kuppelgewölbe der Seitencapelle mit dem Bilde 
der heiligen Jungfrau, die sich beunruhigend erweiterten, 
zugleich begann die Mosaik sieh zu lösen. Die einge- 
leitete Untersuchung ergab die volle Richtigkeit dieses 
allerdings schwer wiegenden Umstandcs; zugleich aber 
hatte man da ein neues Beispiel von der im Mittelalter, 
wo doch so Grosses geleistet wurde, so hiiutig zum Vor- 
gehein kommenden, ganz unbegreiflichen Sorglosigkeit, 
ja Unüberlegtheit. Ganz einfach nämlich halte man bei 
einem späteren Anbau eine senkrechte Hauptmauer mit 
der ganzen Schwere des, von derselben getragenen Dach- 
stuhles auf die Gcwölbnng dieser Kuppel gestutzt, die 
darauf nicht berechnet war. Der durch eine so lange 
Reihe von Jahren fortgesetzt andauernde, immer gleiche, 
ja wachsende Druck war nun daran, den förmlichen Ein- 
sturz der Kuppel, ja selbst des Gebäudes auf dieser Seite 
zu veranlassen. Vor Allem war die Mosaik in ihrer Ver- 
bindung mit der erschütterten Mauer so gelockert, dass 
man ein Herabfallen des musivischen Gemäldes in 
seiner ganzen Ausdehnung, man könnte sagen, von 
Stunde zu Stunde befürchten mnsste. Triest hätte damit 
zugleich eines von jenen nicht mehr zu ersetzenden Wahr- 
zeichen eingebUsst, die dazu dienen, den Weg der Ent- 
wickclung zu den folgenden Zustünden nachzuweisen, 
und worauf Völker wie Gemeinden nicht weniger achten 
dUrten, als man den Einzelnen auf irgend ein Andenken, 
das in seinem Leben sich bedeutungsvoll gestaltete, einen 
grossen Werth setzen sieht. 

t K « f I II a ai. J!b#r M<tftlhm&l*r»l mit Kilrtrltht ftuf 41* mutl«l»rh« Aul* 
KhroS<koGir In d»r it'ir.llicltra S«irm Aft\- 4«» )>»lm> >n« Tri««!" In J'U Uli- 
tbal!«ng<Q IV, S. irr, z<'l— l'J? mit I Taret ticd mehreren llolzKhalnco- 



Es stellte sich demnach hier beiläufig dieselbe Sach- 
lage heraus, wie in Venedig bei der Marcuskirchc ; ent- 
schiedene Gefährdung nämlich durch den schadhaften 
Stand der Baulichkeit und eine Vorbeugung nur möglich 
durch unvermeidliche Zerstörung eines wcrthvollcn Kunst- 
denkmals. Konnte aber Triest zu so kostspieligen Ret- 
tungsmitteln greifen, wie das monumentale Venedig, dos 
der Unterstützung gewiss war? 

Das Erste auf jeden Fall war, die Ingenieuro für das 
Gebäude sorgen zu lassen. Sic benahmen sich dabei mit 
eben so viel sorgsamer Umsicht als Geschicklichkeit. 
Sic fassten die senkrechte Hauptmauer, die eigentliche 
Veranlassung der Gefahr, gaben ihr nach der einen Seite 
hin, wo das Erforderniss war, einen mächtigen Wider- 
hall höhlten sie dann ober der Kuppel, auf die sie ge- 
stützt war, zu einem freien Bogen und gaben ihr solcher- 
gestalt die Stützung in sich selbst. 

Es erübrigte weiter die Wiederherstellung der schad- 
haften Kuppel, nämlich des morschen Mauerwerkes der- 
selben, woran, nach der innereu Seite zu, diu Mosaik 
klebte. Diese sollte nicht zfrstört werden — aber wie 
war das zu erreichen ? Die Mosaik war stellenweise sogar 
schon so abgelöst, dass sie ganz bohl lag. Man konnte 
mit Sicherheit darauf rechnen, sie stückweise herab- 
fallen zu sehen, so wie man an der oberen äusseren 
Seite an das Mauerwerk rührte. 

Man wäre nun unter allen Umständen ganz gewiss 
mit der möglichsten Sorgfalt verfahren und hätte nichts 
unversucht gelassen, um in irgend einer Weise zum 
Zwecke zu gelangen ; auch konnte es in dem gegen- 
wärtigen Falle nur als etwas sehr Günstiges in Ansehlag 
gebracht werden, dass gerade Dr. Gregorutti, ein 
sehr geachtetes Mitglied des Gcmcinderathcs, auf die 
Sache Einfluss zu nehmen hatte. Derselbe hatte bei der, 
vor einigen Jahren in Aquilino von Hrn. von Steinbü- 
chel geleiteten Aushebung der prachvollcn Mosaik mit 
dem Raube derEuropa, im Besitze des Grafen Cassis, Vor- 
liebe zu dieser besonderen Monnmentenclasse gewonnen 
und sich auch mit den Eigentümlichkeiten derselben ver- 
trauter gemacht. Es war wahrscheinlich auf seine Ver- 
anlassung, dass fllr die Wiederherstellung der Kuppel 
und der Mosaik eine eigene Verabredung von Männern 
vom Fache angeordnet wurde. Die Commission bestand 
aus: Dr. Nicolich, Ing. Sforzi, Ing. Righetti und 
v. Steinbüchel. DieAufgabo war: r Gibtcs cinMittel, 
das bereits zerbröckelnde Mosaikgcmäldc der Kuppel so 
von unten auf zu stützen, das es möglich würde, von 
aussen nnd von oben her au dem schadhaften Mauer- 
werke, woran die Mosaik eben durch Kitt gebunden ist, 
zu arbeiten uud dessen Erneuerung zu bewerkstelligen; 
dann die Mosaik durch frischen Kitt an der wieder- 
hergestellten Kuppel fest zu halten V- 4 

Eine bei einer andern Gelegenheit mehrere Jahre 
früher gemachte und erprobte Erfahrung erlaubte es 
Steinbüchel, mit voller Uebcrzeugung das Verfahren 
anzurathen , das sich auch hier wieder bewährte . Nach 
der ganzen Ausdehnung des Mosaikgcniäldcs Überklebt 
man dasselbe mittelst Leim mit einzelnen Bögen grossen 
gewöhnlichen, starken, aber nicht steifen I'ackpapieres, 
das sich nach allen Fugen und Wendungen, Erhöhungen 
und Vertiefungen genau anschmiegt und enge angedrückt 
wird. Auf diese erste l'apierlage wird eben so sorgfiiltig 
eine zweite aufgeleimt, dann eine dritte, vierte, fünfte. 
Ich weiss nicht genau, ob nicht mit der sechsten bereits 



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Lni 



ein Panzer gebildet war, dnrch den man, mit voller Zu- 
versicht, keinen einzelnen Theil zn beschädigen , aber 
anch keine Bewegung irgend eines einzelnen Thcilca, 
keine Verrtlckung hervorzurufen vermochte, wodurch 
es anch möglich wurde , das sonst bei Eingewöhnungen 
gewöhnliche Bretter- und Balkengerüstc aufzurichten, und 
man ungestört die weiteren Arbeiten fortfuhren konnte. 

Diese Arbeiten galten der Ansseuseitc der Kuppel 
nnd bestanden darin, die kleinen Thonziegel derselben, 
die fast durchans keinen festen Halt mehr hatten, mit 
Vorsicht wegzuheben, wodurch man auf die feine dllnne 
Lago des grösstenteils verwitterten Kittes kam, in wel- 
chen die Steinchen ursprünglich eingedrückt Ovaren, nun 
aber kaum mehr hielten. Die ganze Zeichnung der Mo- 
saikbilder zeigte sich da auf der rauhen Rückseite. Man 
fegte so viel thnnlich, diesen zu Staub verwitterten alten 
Kitt weg, nnd nun wurde die ganze Wölbung mit einer 
dicken Lage Portland-Cement Uberzogen, in diesen die 
Tbouziegcl der erneuerten Wölbung eingearbeitet, und 
so aus Mosaik und Gewölbemauer wieder ein Ganzes 
gebildet. 

Seit wenigen Wochen ist die Arbeit vollendet nnd 
die Kusscrc Rundong der Kuppel, von der drückenden 
Last der darauf gesetzten Hauptmauer befreit, erscheint 



ganz erneuert, in ursprünglicher Frische. Im Innern 
der Kirche wurde der Papierpanzer ohne Schwierigkeit 
abgelöst und das Mosaikgemälde darunter, das man 
kaum mehr zu berühren wagen konnte, hat ganz die 
Festigkeit gewonnen, wie im ersten Augenblicke, wo es 
vollendet war; man kann an allen Stellen ruhig mit der 
Hand darauf herumschlagen. Man benutzte die Gelegen- 
heit dos Gerüstes, das Ganze mit chemischen Keagentien 
zu reinigen, nnd wenn den GlJtubigcn jetzt bald wieder 
der freie Zutritt in diesen Theil der Kirche eröffnet sein 
wird, wird die erfreute Menge die ganze Kuppel in ur- 
sprünglicher Farbenpracht erglänzen sehen. In einer der 
letzten Beschreibungen hatte deren Verfasser das viel- 
versprechende Wort ÜPVS zu lesen geglaubt; nach der 
Reinigung ergab sich da ganz einfach der Name IACOBVS. 

Ichglaube, der erste Kostcuvoranschlag lautete auf 
mehr als 10.000 Gulden. Für die jetzt erreichte Herstel- 
lung genügte aber die Kumme von nur 7000 Gulden. Ich 
hoffe in Kurzem im Stunde zu sein, die genauen Zeich- 
nungen, siimnitlichc Rechnungen und alle Einzclnlicitcn 
des Verfahrens zu Ubermitteln, was in Beziehung auf das 
in Venedig eingeschlagene Verfahren nicht unwichtig 
sein dürfte, wo eigcntlibh nicht sowohl das alte Denkmal 
erhalten, als vielmehr ein neues geliefert wird. 



Über die Sculpturen ai 

Der Reißende pflegt die Kathedrale Verona'» ge- 
wöhnlich nur zn besuchen, um daselbst an dem ersten 
Seitenaltare links eine minder wcrthvolle Maria-Himmel- 
fahrt von Titian zu besichtigen ; mit mehr Recht verdiente 
manches Andere seine Aufmerksamkeit, das sich an der 
Ausseuscitc des Doms vorfindet nnd meistens ganz Uber- 
sehen wird — die Sculpturen nämlich an der Haupt- und 
Uber der Nebenpforte. 

Der Baustyl der Kirche ist der in Oberitalien vor- 
herrschende lonibardiseh-rornanische, zeigt sich aber hier 
nicht so scharf wie zu St. Zeno ausgeprägt, da die Giebel- 
form weniger rein hervortritt, das Rosenfenster (l'occhio) 
über dem hufeisenartigen Thorbogen des charakteristi- 
schen Schmuckes entbehrt und die beiden grossen Seiten- 
fenster eine gothische Bildung zeigen, wie denn auch die 
wunderlichen Thiergebilde an den Pfortenpfeilcrn den 
germanischen Ursprung verrathen. In reinerem Style ist 
das Portal ausgeführt; das auf Marmorsäulen vorsprin- 
gende Vestibül besteht aus zwciTheilcn, aus der Vorhalle, 
welche, wie bei den andern mittelalterlichen Gottes- 
häusern, zur Aufnahme der öffentlichen Büsser diente, und 
einer Loggia darüber, in welcher sich unter dem Schirm- 
dache die Uhr befindet. Die beiden ersten Säulen dieses 
Vestibüls entsteigen den Rücken von Greifen, welche, aus 
rothetn Marmor gehauen , nach altägyptischer Bauweise 
vor dem Eingänge lagern, uud wovou der eine zwei Stier- 
häupter und einen fratzenhaften Menschenkopf, der 
andere eine Schlange zwischen den Klauen hält. Hinter 
diesem grimmigen Vogelpaar treten an den beiden gegen- 
überstehenden Pilastcrn im Hautrelief zwei bewaffnete 
Man umgestalten als Tempelwachc hervor; die Haltung 
derselben ist drohend, doch würdevoll— denn es sind 
die zwei gefeierten Paladine Karls des Grossen, Roland 
undOlivier. Ersterer ist unverkennbar durch sein gewal- 
tiges Schwert, das auf der breiten Fläche den eingemeis- 



dem Dom zu Verona. 

selten Namen „Durindnrda" zeigt. Vor der näheren 
Betrachtung dieser sehenswürdigen Gebilde dürfte aber 
ein geschichtlicher Rückblick auf die Entstellung des 
Baudenkmals angezeigt sein. 

Der ursprüngliche Bau, der Sage nach den Trüm- 
mern eines Minerventempels entstiegen, bestand al* 
Kirchlein Santa Maria Matricolare schon im VII. Jahr- 
hundert. Erweitert wnrde derselbe (nach Canobbio) im 
Jahre 774; im Jahre 806 wurde er zur Kathedrale erho- 
ben. Mafien nnd andere bewährte Chronisten Verona s 
lassen ihn erst zur Zeit des Bischofs Rotaldo , der vom 
Jahre 803 — 840 den Krummstnb geführt , die Vollendung 
erreichen; als Beleg dafür sollen, auf Rotaldo's Namen 
anspielend, die Räder (rotac) dienen, welche sich unter 
den FlUgeln des rechts befindlichen Greifen befinden. 
Übereinstimmend damit und gestützt auf Documcntc des 
bischöflichen Archivs will mau ferner (Biancolini und 
Canobbio) in den drei gckröuteu Frauenhusten am Arelii- 
trav jene drei Königinnen dargestellt sehen, welche zum 
Kirchenban Geschenke gespendet hatten: Karl des Gros- 
sen Mutter, dessen Gattin uud jene des Lougobarden- 
königs Desiderius. Die Worte Fides , Caritas uud Spes , 
welche Uber den drei Köpfen stehen, lassen noch eine 
andere Auslegung zu, der znfolgc hier die göttlichen 
Tugenden repräsentirt sein sollen. 

Dass der eigentliche Ausbau des Domes in den 
Anfang des IX. Jahrhunderts zu verlegen sei, lehrt auch 
die polyglotte Grabschrift des gepriesenen Erzdiaeons 
Paciiicus, welche sich auf drei zusammengefügten Mar- 
mortafeln Uber dem Eiugnnge zur Canouical-Sacristet 
befindet, die Jahreszahl 846 an sich trägt und besagt, dass 
hier die Ruhestätte dieses gelehrten Mannes zn suchen sei, 
wenn auch das Monument bei Errichtung der Sacristei 
zerstört und zum Theile in das Alterthums-Museum über- 
tragen worden ist. Hinter diesem Orte zeigt sich in dem 



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LIV 



etwas niedriger gelegenen Vorhofe , welcher zur Tanf- 
capello San Giovanni in Fönte führt, nebst zwei mittel- 
alterlichen Sarkophagen eine Doppelreihe von kurzen, 
mannigfach nnd wunderlich geformten Säulen, welche 
ßogengewölbe tragen nnd zwei kleine Schiffe bilden — 
unzweifelhaft Reste eines heidnischen Tempels nnd 
jenes daraus hervorgegangenen ursprünglichen Kirch- 
leins Santa Maria Matricolnre, das Pacitieus gestiftet 
hatte und das gleichsam den Keim zu dem grossen Dom- 
bau in sich cuthielt. 

Ohne Zweifel fällt daher die erste Bauperiode in 
das Zeitalter Karl des Grossen, und es nehmen daher 
die beiden Steingebildc an der Hauptpfortc unser In- 
teresse um so mehr in Anspruch, als sie zu einer Zeit 
entstanden sein mnssten, wo die Helden, welche sie dar- 
stellen , noch frisch im Gedächtnis« der Zeitgenossen 
lebten. Wenigstens wird uns hier die damalige RUstungs- 
und Waffenart treu veranschaulicht. Dass die beiden 
Paladine auch nach Verona gekommen , lässt sich mit 
einem neueren Geschichtsforscher mit Grund vermuthen 
und zugleich annehmen, dass sie sich unter jouer auser- 
lesenen Kriegerschaar befunden hatten, welche Karl der 
Grosse (774) dahin führte, um seine, an diesem „unter 
allen longobardischcn Städten meistbefestigten- 4 Orte 
von Desiderius verborgen gehaltenen Drudersiihne und 
Adelchis, des ersteren Sohn, in die Hände zu bekommen. 

So viel ist gewiss, dass sie wohl lange vorher, als 
der Pfaffe Conrad das Rolandlicd geschrieben, hier zur 
Verherrlichung ihres Andenkens abgebildet worden Rind, 
da man entweder den, bei dem Kaiser hochangesehenen 
Männern huldigen oder etwa den Dank für die zum Dom- 
bau geleisteten Beiträge ausdrücken wollte. 

Roland, der vielbesungene Held von Roncesvallcs, 
trügt eine pbrygische Mütze, einen grossen keilförmigen 
Schild und ciu Panzerkleid, mit welchem auch das linke 
Bein bedeckt erscheint. Maffci hebt als auffallend hervor, 
dass Livius dieselbe Rüstung und die Sitte, nur das linke 
Bein zu bedecken, bei den alten Samnitern beschrieb. 
Olivicr, der bekanntlich nebst Turpin und Nnimes 1 zu 
Rolands treuesten Waffengefährten zählte, zeigt unbe- 
decktes, wallendes Haupthaar und eine cigenthllralieh 
construirte Handwaffe , einen sogenannten Morgenstern. 

Das Miniaturhündchen, welches zu Rolands Füssen 
liegt, ist ohne Zweifel nur ein Sinnbild der Treue und 
Wachsamkeit. 

Unter den Prophetenbildcrn und abenteuerlichen, 
mitunter höchst sonderlichen Thicrgestaltcn, welche zu 
den Seiten der Pforte an den zusammengesetzten Pila- 
stern emporziiklcttcrn scheinen, verdient namentlich ein 
Curiosuin erwähnt zu werden, das jedenfalls ein kunst- 
historisches Interesse beansprucht. Ks zeigt sich nicht 
weit von dem Bilde Rolands in der Gestalt eines Hundes, 
welcher auf den Hinterfussen steht und mit einer Mönchs- 
kutte bekleidet ist ; der Kopf ist erhoben und das Maul 
aufgesperrt, was mit Rücksicht nnf das aufgeschlagene 
Buch zwischen den Vorderpfoten das Ansehen hat, als 
ob der Hund predigen wolle. Auf den beiden Seiten des 
Buches bemerkt mau die Buchstaben A, B und darunter 

■ (\tr dl« BiiliWi, Inireicher dl« fceid» PtUdlno mm D«bu itebcn, 
diirfll »..hl Uten dl« lnirhrin <lnlf«i I.lrhl TcrbraiUn, »tlehi •» du KIrrli« [>»| 
S S Aponlnll In ri.-t.ax tickt und llutot: K.n.1«. r«i fondnrll Efl*. S. S. 
Ajmm. CoBMcnMia f»eu |.«r Arc»l<». Twolaum, t.tUbiu Itoiudn Ull»»rl». 



POR. CEL. (Alpha, Beta' — Porta Coeli). Der gelehrte 
Oanonicua Fumane hielt, wie man in einem im bischöfli- 
chen Archiv befindlichen Manuscript liest, dieses Buch für 
die heilige Schrift, den Hund aber für den geistlichen Ober- 
hirten, welcher seine Heerde getreulich bewachen und 
sie vor drohender Gefahr durch seinen Ruf warnen soll. 

Eine eben so sehenswürdige, aber noch seltener beach - 
tete Sculptur zeigt sich an einem Steinbocke, der in einer 
Mauernische Uber dem alten, nach dem bischöflichen 
Palaste (Vescovado) führenden Hinterpförtchen aufgestellt 
ist, ursprünglich ein Predigtstubl (ein sogenannter Am- 
hone) gewesen war und von dem Diacou, um von da das 
Evangelium hcrabzulcsen , bestiegen zu werden pflegte. 
An diesem Steinblockc ist eine Verkündigung Mariac in 
Hautrelief gearbeitet zu sehen, welche das Eigentümliche 
hat, dass die heilige Jungfrau ohne Nimbus und aufrecht 
stehend den Engel empfängt, da die althcbräische Sitte 
das Knien nicht gestattet, wogegen die späteren Abbil- 
dungen faRt durchweg Verstössen. 

Als versöhnender Gegensatz zu der rohen Behand- 
lung dieser Rclicfarbcitcn stellen sich dem Besucher des 
Doms die neueren Sculptnrcn an den Pilastcrn des Altars 
der heiligen Agatha, rechts vom Presbyterium dar. Sic 
scheinen dem XV. oder XVI. Jahrhundet zu entstammen, 
wo derlei Arbeiten besonders zum Pfortenschmnck 
dienten, wie wir sie noch häufig sowol an Palästen 
als auch an nnan sehnlichen Botteghen nls Spuren ehe- 
maliger Herrlichkeit vorfinden. Meistens sind es römi- 
sche Trophäen, Laubwerk, Blumen, Vögel nnd Arabes- 
ken in der zierlichsten Ausführung und harmonischer 
Anordnung. Das Material hierzu lieferte der Verona 
eigentümliche schwärzliche Brouzinstein, so genannt 
von dem Mctallklange , den er beim Bearbeiten von sich 
gibt. Diese Sculptnrcn, Reste eines Kunstzweiges, der, 
wenn auch nicht ganz verdorrt, doch kanm mehr bei allem 
Fleissc zu frischer Blüthe gebracht werden kann , haben 
für den Beschauer einen unbeschreiblichen Reiz; wir 
fanden sie am vollendetsten in der Capclla Pcllcgrini der 
San Bernardino-Kirchc. 

Um die Domkirche gruppiren sich, gleichsam wie 
unter ihren Eitrigen, fünf Kirchlein, ein Beweis, wie üppig 
dort zu Lande der Kirchcnban florirt hatte. Neben Sanf 
Elcua, wo (1320) Dante einen akademischen Vortrag 
gehalten, schlichst sich unmittelbar an den Dom die uralte 
Chiesa San Giovanni in Fönte mit ihrem riesigen, kunst- 
voll gearbeiteten Taufbecken an. Der Hauptpfortc gegen- 
über liegt San Giacopo. Noch näher steht Uber einem 
geschlossenen Pfürtlein San Pietro inCattcdra, mit einem 
verwitterten lebensgrossen Steinbild, und am westlichen 
Ende des Domplatzes ist San Giusto, halbverfallen 
und profanen Zwecken überlassen. An letzterem fiel uns 
und zwar Uber der Kirchenmauer, die jetzt ein Gärtlein 
nmhegt, ein allegorisches Bild in schwarzem Marmorbas- 
relicf auf. Einem Wolkenkranze entsteigt hier nämlich 
der Oberleib eines Greises ; seine Rechte erhebt sich seg- 
nend, während der, horizontal Uber die BrUBt gehaltenen 
Linken ein Kind und aus dessen Haupte wieder eine 
Taube entschwebt — ohne Zweifel soll dies eine Vcr- 
sinnlichung der heiligen Dreieinigkeit sein, welcher man 
bisher wohl kaum anderswo begegnet ist. 

IVilh. t>. Metserich. 

< Hklul|*r »»:«.« n - e u! A und 0. Abb. d R«d. 



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LV 



Einigß neuere Funds in Mähren. 



Die Hitll»lier(Ckraitlu-l«hl«iiti«r)lcUeBgrih<rlmBeilrk8- 
aroi kwm<ler. 

Als im heurigen Frtthjahre die Erdaufschüttungen 
Air den Damm der Eisenbnhnstrassc der Hullciner Sta- 
tion begonnen wurden, und die Lchmschichte auf dem 
Felde „Padilky", zwischen dem Dorfe Zahlenitz und 
ChraÄtian gelegen, abgegraben wurde, fanden die Arbeits- 
leutc in einer Tiefe von 4 — r> Schuh eine Menge Thicr- 
nnd Mcnschcnknochcn, die sie ihres materiellen Gewin- 
nes wegen gammelten und darauf ein viel grosseres 
Augenmerk richteten wahrend andere Gegenstände, 
wie kleine Töpfeheu (nach ihrer Ansicht und Äusserung) 
und Blechslückc als unnütz verworfen wurden. Erst spä- 
ter kam der miihrisehc Landtags - Abgeordnete Herr 
Franz Skopnlik aus Zahlenitz dazu und erhielt durch 
den Aufseher der Arbeitslcnte mehrere Ohjerte , welche 
er den Leuten dahin erklärte, das» diese Tüpfelten 
Urnen und die Blcehstücke Bronzegcgcnstäiidc aus 
einer heidnischen Periode seien. 

Nun rtlckten die Arbeiter mit mnnehem Gegenstande, 
den sie der Curiosilät wegen doch aufhoben, heraus, 
und Ubergaben das spater Gefundene ihrem Aufseher. 
Leider ist die Mehrzahl der Sachen zertrümmert, da 
hei so schnellen Eisenbahn-Arbeiten eine vorsichtige 
Grabung nicht zu erzielen war. 

Vorher musg aber bemerkt werden, dass bereits vor 
mehreren Jahren, als die Eisenbahn hier ins Leben trat, 
mannigfache Gegenstände, die anf eine grössere heid- 
nische Begräbnissstätte scbliessen Lessen, aufgefunden 
und gleichfalls aus Unachtsamkeit zerstört wurden. 

l'nter den mir zugekommenen Objeelen befinden 
sich starke Pferdezähne und Bruchstücke von H irs en- 
ge w ei hsp rossen, daher die Gewissheit, dass die 
Mehrzahl der ausgegrabeneu Knochen obigen Thieren 
angehörten. Von den Bronzen, welche durchgehend» 
mit Oxyd Überzogen sind, hnben einige die Form von it, 
4, auch 5 mal Uher einander gewundenen Spiralen, die 
entweder ans platt geschlagenen Metallstreifcn einen 
Kreisdurehmesser von 1«, ,\ Zoll und die Höhe von »/» 
und 1 Zoll geben, oder ans Draht gewundene Spiralringe 
Bind, welche mit einer besondern Genauigkeit auf eiu- 
ander gefügt wurden, and deren Kreisdurchmesser » > oder 
1 Zoll hat und die Höhe zwischen bis </» Zoll variirt. 

Weiter fanden sich grosse offene Bronzeringe von 
5 Zoll Durchmesser vor, die an den Enden spitz zu- 
laufen. Ferner verschiedene Blechsttlekc in Blattforra 
mit je 3 Löchern nin breitem Theile und Dessinirungcn, 
dann Spitzen von Wurflanzen, 3 Zoll lang; äussert sub- 
tile Haarnadeln in der Länge von 7 Zoll mit einem 
ammonitartigen Knopfe und gebogener Spitze. 

Unter den Kesten von Mcnschengcbcincn ist auch 
das erste Glied eines Fingers mit einem daran haftenden 
Ringe aufgehoben worden. Den Ring selbst bilden 
drei starke Bronzereife . welche sechsfache Knoten vor- 
weisen. Weitere Ausgrabungen werden jedenfalls noch 
mannigfache Objcctc zu Tage bringen , und hoffentlich 
auch ganze Skclete nebst vollständig erhaltenen Urnen 



vorweisen, dio zur Vcrglciehung mit andern Gräber- 
funden äusserst anregend sein durften. 

Eine chemische Analyse der Bronze aus besagtem 
Todtenluger wird später zum Abschlüsse gelangen. 

Die IeHeiigrlber bei Liieh im Beilrk«ant Brom 

Eine Viertelstunde hinter Lösch erhebt sich ein eigen - 
thllmlich geformter Hügel aus einer Umkreisung amphi- 
thcatralisch gelegener Waldhöhen, die einerseits den Lö- 
scher, anderseits den HorakowerWald bilden. Der Biiczka 
Bach messt in Sehlangen Windungen durch ein anmuthiges 
Thal am Fusse dieses Hügels hin und macht so die Ab- 
grenzung zwischen besagten Waldhöbcn und dem Hügel. 
Letzterer ist auf seiner Kuppe in ziemlicher Ausdehnung 
abgeplattet und lässt das Auge Uber den Waldcskranz 
bis gegen AuBterlitz und die fernen Berge gleiten. 

Der Anblick dieser von der Natur so eigentümlich 
und in seltener Form gebildeten Höhe ist wahrhaft merk- 
würdig. 

Man würde der Symmetrie des Ganzen wegen die Bil- 
dung Menschenhänden zumuthen, wenn die bedeutende 
Ausdehnung diesem nicht widerspräche. 

Das einige 100 Fuss hohe HUgelplateau führt den 
Namen „u stareho zärnku", und ein rUckwiirts desselben 
befindlicher Waldtbcil, der von einem in fast gerader 
Richtung weit sich ziehenden aufgeworfenen Walldamm 
abgegrenzt wird, die Bezeichnung „Aliklctna, Hnlok- 
lctna, Anakleti". 

Fast inmitten dieses an einigen Stellen bei 2 Klafter 
hohen Walles ist ein Durchhau, der in gerader Perspec- 
tive zu besagtem HUgelplateau zwei ebenfalls aufgewor- 
fene Erdwfllie erblicken lässt. 

Bereits im vorigen Jahre stiessen Arbeitslcute wäh- 
rend des Feldackcrns am Plateau auf eine Masse von 
Knochen und l'rncnschcrbcn, von welchen ersteren sie an 
8U Tragen voll in die Spodiumbüttc verkauften, nnd ein- 
zelne Eisen- nnd Bronze - Objcctc, die sie dabei ausgru- 
ben , veräusserten. Dabei ging natürlich manche ganze 
Urne in Trümmer. 

Doch wurden aus dieser Erdaiifwllhlung zwei 
gut erhaltene römische Münzen gerettet. 

Die erste silberne ist ein Vespasianus (69 — 7'J nach 
Christi) und die andere bronzene, ganz mit Patina über- 
zogene Münze eine Diva Faustitia (Gemahlin Marc 
Aurelius, 161 — 180), somit aus der Zeit des niarkomau- 
nischen Krieges. Daun sind ebenfalls zwei mit edlem 
Roste überzogene bronzene Celte, Wirtein aus unge- 
branntem Thon, Sporen, Pferdetrensen und kleine Mes- 
ser aus Eisen, jedoch stark oxydirt, aufgefunden und dem 
Herrschaft «-Verwalter übergeben worden. 

Herr Egbert Graf von Bclcredi , Besitzer der Herr- 
schaft Löseli, welcher von diesem Gebühren auf seinem 
Grunde Nachricht erhielt, Hess gleich diesem Vandalis- 
mus Einhalt thnn und am 21. Juui 1K64 die wissenschaft- 
liche Erforschung dieses archäologischen Terrains vor- 
nehmen. 



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LVI 



Der Beginn lieferte interessante Resultate, die bei 
der Fortsetzung sich noch ergiebiger gestalten werden, 
indem diese heidnische Grabstätte die bedeutende Aus- 
dehnung von 15 Metzen Aussaat hat, wie utan sie selten 
wo findet. Die ersten Funde brachten Urnen und L'rnen- 
seherben mit niedlicher Dcssinirung, viererlei Arten von 
Spinnwirteln , Mahlsteine von 18 Zoll im Durchmesser, 
Streithämmer aus Serpentin, Eiseupfeile, dann zerbro- 
chene Eiscnteller, so wie eine Masse von Menschen- 
und Thiergebeinen, starken Ilirschgeweihen, Pferd- und 
Eberzähnen etc. zu Tage. 

Die unter einer Huinusschichte von 2 — 4 Schuh lie- 
gende Lehmcrdc zeigte eine Masse gebrannten und zer- 
bröckelten Thons, Schlacken und Holzkohle. 

Das Ergebniss dieser für die vaterländische Altcr- 
thumskundc so wichtigen Grabstätte aus der heidnischen 
Periode wird später in ausführlicher Weise berichtet 
werden. — 

Schliesslich muss noch bemerkt werden, dass eben- 
falls im vorigen Jahre, beim Grundgraben für das Con- 
gregation8baus der hannherzigen Schwestern im Orte 
Lösch, mehrere Reihen glockenförmiger Gräber, die indem 
Lehmboden ausgeschaufelt waren, zum Vorschein traten. 
Dieselben waren circa 4— 6 Schuh tief unter dem Niveau, 
nnd ganz mit Asche vollgefüllt, darin viele Urncnscher- 
ben lagen. Bios eine einzige zierrathlose Urne aus halb- 
gebranntem Thon wurde im Ganzen erhalten heraus- 



7 Stucke, 



Mflnicnfund tt Sckektao im Icslrkuate IssktwlU. 

Bei Grabung des Grandes aus Anlass des Wieder- 
aufbaues des, bei Gelegenheit der am 1. Jänner 1. J. in 
der Gemeinde Schelctau ausgebroebenen Fcnersbrunst, 
abgebrannten Podsedkcrhauses (Nr. 46, des Franz Filip) 
wurden in einem vermoderten Sackchen in der Erde 
mehrere Silbermttnzen alten Gepräges aufgefunden, von 
denen der Herr Mauritz Graf von Strachwitz, Besitzer 
der Herrschaft Schelctau, 33 Stück dem Franzeus- 
Muscuin in Brunn widmete. — Sie zerfallen ihrem Ge- 
halte nach in folgende Prägungen : 
Prager -Groschen von Wladislaw U. . 
Eine Stadtmlinze von Zwoll, aus Kaiser 

Rudolfs U. Zeit 1 

Eine Stadtmlinze aus der Zeit K. Mathias 1 
Dreier, mährische Unionsmünze, IG 19. . . 1 
Dreier, ans K. Rudolfs Zeit von verschiede- 
nen inttnzbercehtigteu Herren uud Städten 8 „ 
Dreier, unter Mathias I., 1517 .. ..1 „ 
Vierundzwanziger • Pfennige aus Kaiser 
Rudolfs, Mathias und König Sigis- 
munds Zeit, mehrfacher und verschie- 
dener mttnzberechtigter Herren-Prägung. 12 „ 
Vicrundzwanziger-Pfennig der Stadt Lihto- 

polis mit dem Wappen des MUnzmeistcrs 1 „ 
Pfennig von August Herzog von Sachsen 

und dem Wappen des Münzmeisters. . 1 

Zusammen. - 33~Stticke. 
Mauriz Trapp. 



Notiz. 

Das chrisüidi-arcliäologißche Museum zu Berlin 1 . 



Dieses Museum wurde auf den Antrag des Professors 
Piper von dem Minister der Unterrichts- Angelegenheiten 
Herrn von Ladenberg am 23. Mai 1849 gegründet. Es 
wurde durch ausserordentliche aber regelmässige Bewilli- 
gungen von Geldern erhalten and die Summe der Aus- 
gaben daftlr bis zum Jahre 1860 betrug 3636 Thlr., 
nebst 743 Thlr. an Einrichtungskosten. Es war jedoch 
schon bei der Gründung dieses Museums von Herrn von 
Ladenberg in Aussicht gestellt, dass jährlich ein bestimm- 
ter Fond zur Erweiterung der Sammlung festgestellt 
werde, nnd die betreffenden Anträge von Seiten des 
Museums ergingen an die drei auf einander folgenden 
Minister: von Räumer, von Bethmann-Hollweg und von 
Mühler, und zwar in den Jahren 1855, 1856, 1859 und 
1862. Das Finanzministerium schien aber von der drin- 
genden Notwendigkeit einer Unterstützung des Mu- 
nieht überzeugt zu sein, und so wurde viel dafür 



li.rlto »>», 



und dawider gesprochen und geschrieben, bis Herr von 
MUbler an die Spitze der Untcrrichta-Angclegenheiteu 
trat und nun durchführte, was seine Vorgänger in der 
so lange schwebenden Sache entweder nicht durchfuhren 
konnten oder nicht durchfuhren wollten. Auch der Finanz- 
minister von der Heydt fand im Jahre 1862 nttthig, den 
Etat für das folgende Jahr vorzulegen, damit dieser noch 
vor dem Beginne desselben festgestellt werde. Es wird 
Herrn von der Heydt Uberhaupt nachgerühmt, dass er 
das Interesse des öffentlichen Unterrichtes aus einem 
höheren Gesichtspunkte betrachte und bereit war, den 
Anforderungen desselben gerecht zu werden, da beson- 
ders die Universitäten unter dem früheren System 
finanzieller Einschränkung notorisch gelitten hatten. 

Es ist nun der Ansatz für dieses Museum gültig ge- 
worden und der Betrag vom 22. April 1 862 ctatsmässig 
angewiesen. Dies ist als die zweite Gründung der An- 
stalt zu betrachten, welche dadurch — nach einem Pro- 
visorium von fünfzehn Jahren — endlich in eine gesicherte 
Existenz eintrat 



f"T" — IWk *n k. ». H.r. y.d 1 



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LVH 



üeber die römische Militärstadt in Celeja und die Procuratur von Noricum. 



An der Nordscitc der Stadt f'illi hat schon durch 
Funde aus trüberen Jahren der Garten und der Hofniuin 
hinter «lein Hause des Kaufmannes Herrn Stallner in 
<ler Grazcrvorstadt die Aufmerksamkeit der Epigraphiker 
als eine wichtige Fundstelle aut "sieh gezogen '. Es wur- 
den in den Jahren 1853 und LSMJ dreinndzwanzig solcher 
Denkmäler aufgegraben, alle .sowohl nach dem Stoffe — 
liacherer Marmor — und der sorgliiltigcn Behandlung, als 
auch nach ihrem Inhalte eine eigeiithtlmliche Gruppe 
fllr sieh hildeud, so dass sie von den Uhrigen Monu- 
menten des fundreiehen Cillicr Bodens schart' abste- 
chen'. Ihre antiquarische Bedeutung besteht darin, 
dass sie theils neue Anhaltspunkte fllr die Topographie 
der Stadt unter den Römern gewahren, theils eine Reihe 
von Namen kaiserlicher Statthalter bekannt geben, 
die im Laufe des 11. Jahrhunderts die Provinz No- 
ricuni verwaltet haben und bisher fast alle unbekannt 
waren. 

Im Jahre 1863 nun stiess man bei Fundamciitgra- 
bungen an derselben Stelle abermals auf sechs „Romer- 
steiiic" , die den früher gefundenen sich enge an- 
sehliessen. Sie mögen hier zunächst ihrer Ausstattung 
und dem Wortlaute der Inschriften nach verzeichnet 
werden , um hierauf die wichtigsten Erscheinungen an 
denselben mit Beziehung aut jene an den früher 
daselbst gefundenen Steinen hervorzuheben. 

1. Altar, 2' hoch, 1' breit, mit glattem Aufsatz, der 
an den Ecken hörnerartige Ausschnitte zeigt, und glat- 
tem Sockel, beide Theile von dem Spiegel des Steines 
durch Abläufe getrennt. Die Inschrift lautet: 

|v ()v mv 
S V R V Sv-Hv 
M EMMI APOLL 
PROCv AVG 
Vv Sv I.v M 

Jovi optiino maximo Surus, beue6eiarius Meuiuiis 
Apollinaris procuratoris Augtisti votnm solvit libeui 
merito. 

Inter der langen Reihe von Soldatennaiuen, welche 
auf einem älteren Cillicr Votivsteine vorkommeti, 
erscheint ein Pompeius SuniR 5 : einem anderen f'elejn- 
uer dieses Namens P. Aelius Sums, wurde zu Rom ein 
Grabstein gesetzt*, l'user Stein nennt also diesen Na- 
men zum dritten Male und aus verhältnissmässig früher 
Zeit; denn die Verwaltung von Memmius Apollinaris 
lässt sich mit ziemlicher Bestimmtheit in die Jahre !»6 bis 

' IJ«a Min*tiukiiipl»L. j,t ! uu-Lti-llt »iah* h*l J Arn? Ii., die oaut.iab 
ar<Ji*r-U>ttl»ekftn Fuudo tou rilll Slo.Uiig»li«nrhte d. k. Akad d W., plil! hLI. 
Hu» XXXII, S 417. — ' Vgl fctar 41« Im J 1*4:1 iMundaaiii Itu«JirtftaCri»a R 
Koabl In dpn Ml.ttv dp» lilMnr. Vereine» f. Molarmark 1H.VS, s 107 -i»:i. hui* 
VS.t I»*, ferner J. G. Seldl in diu lUltriigrii /.u «ni^r 1 nrctiik der arthüot 
Kutkdp In dar Sitarr. Monarchie Int Arctu' i. Kund* i'Marr. Occlj Quollen. 
Bd. XIII (Cilln, Vpiraiihdrurk Kit IV f. . n In den Bcltr. iu cuirnr. Namrnsvarx. 
d«r rön. Pr»«. In Snrlriini, S4U(al>. Hd XIII. S. «t f. — l'b«r dlo im ). I*:.» 
fafandrnftn *<l M* "t>t:D äugt Pinn* Abhandtunt; v J Am .'Iii, m«ln* Korr 
■etiaDK d»r Beitrag« tq olnrr <:Ar->olk d»r ar<-bii>>l. Kunde, Arfhl» XXIX, 4*. 
Nprtabdr l«M l«*l |VI1] V »7 «ml K.itl iu.len M.tth d 1.1. i V«r I Stelcr 
■"»' » IX IIWI.S. IB4 r-'J O, Oldl In den rrdgraphittkrii Karline* N 
». II, N« ¥0 fW. Jlirfc. .1. Lti . Bd III Am. III i - • I», r . « Ih. ej.ljjr. r.\tvTr, 
V. > 7, X.» 11 iWL.B-r Jfcrb. d L\l Hd Kr .iaf.nl fl. eMail, aut der Zelt 

der eritru Kai<«r 



i). Chr. ansetzen, mithin in die Regierung des Kaisers 
Nerva'. Er flllirt den Titel „proeurator Augusti 1 *. In 
den grosseren kaiserlichen Provinzen waren die Proeu- 
ratoren die ersten Finanzlieanitcn und standen für diese 
Abtheiliuig der Administration und, soweit sie hinein 
reichte auch der GcrcchtigkcitsphYge neben dem Civil- 
uud Militär-Gouverneur (legatus Augusti); in den kleine- 
ren kaiserlichen Provinzen jedoch hallen sie das ganze 
Gebiet der Verwaltung auf sich, waren also des Kaisers 
Statthalter oder Landplleger und diess, in weiterem 
Sinne', als es heute der l all ist, indem sie auch das 
„imperiuui-, den Oberbefehl Uber die Truppen hatten. 
Als ältestes Beispiel fllr diese Einrichtung lilsst sich 
schon in den Zeiten des Kaisera Tiherius dessen Pro« ura- 
tor in Judaea. der allbekannte Pontius Pilatus anführen, 
der mit der Macht Uber Leben und Tod zu entscheiden 
ausgerüstet ist. Kurze Zeit daraul nennt Tncitus. wo 
er von der politischen Lage des Reiches unter Vitcllin« 
sprich«', mehrere andere Provinzen, die gleicherweise 
von Procnratoren verwaltet wurden, und darunter aus- 
drücklich auch Noricum. E« unterliegt somit keinem 
Zweifel, dass procurator Augusti mit ..kaiserlicher 
Statthalter-* übersetzt werden muss. 

I'nser Stein erhiilt eine besondere Wichtigkeit da- 
durch, das» der bisher nur aus einem ausländischen 
Steine, dem zu Rieti. bekannte Procurator Memmius 
Apollinaris nun auch aus einem inländischen nachgewie- 
sen werden kann. 

Beueficiarins ist der von den niederen Soldateu- 
diensten befreite Lepionär , dem also nur das edle 
Kriegshandwerk oblag (immunes o per um militnriuiii, 
in tinum puguae laborem reservati, wie sich Livins 
ausdruckt»'; diese Befreiung mochte ausser der Ver- 
wendung in den Kanzleien' die nächste Aussicht aut 
Beförderung im Gefolge haben und wurde mit Ausnahme 
der Ritter und Veteranen, die sie als solche genossen, 
durch Vergünstigung ibeucticium) des Befehlshaber* 
vertilgt ; dem Namen desselben wird der Titel .beuencin- 
rins u beigefügt, und da in unserem Falle der l*rocnrator 
Augusti als Verleiher der Befreiung erscheint, so (olgt 
daraus, dass er zugleich eine Militarbch«rdc war. 

2. Altar, I , r >" hoch, S" breit, von ähnlicher Con 
strnetion, ohne hörnerartige Ausschnitte nm Aufsatze, 
Übrigens sehr einfach, aber sorgfältig gearbeitet ; die 
Inschrift lautet: 

1 v o v M 
L V C I L I V S 
I* I N IT V Sii FL 
TIT AM(sio v i'Rv ,.\ VG 
V v'svi.vm 

Jovi optituo maximo Lucilius Finitus, beueticiarius 
Flavii Titiani procuratoris Augusti votnm solvit libens 
merito. 

• J.G.Sfldl, tUlna«. zu rinr,n K.n^ntrfrarlrhnl,, .1.1 r5^, TVnnra 
! -r.n in Noficum lunH,,(i i,*if. d. S.Unnftu d k Akad. d. W...., i.MI.-nl.t. 
Ha... XIII, '.; f.s.,.rt.|.dr »).-«r 0t .,4!IJ. 7, UXH. « - 'III.. 1. II.- 
' MI, 7. - > B.t» , r llandb. d r ... StaaUall.r.» III - tl 

h 



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LVIII 



Der Procurator Flavias Titinnns erscheint auch auf 
einem der 1853 gefundenen Steine; er versah dieses 
Amt im Jahre 1(30 n. Chr'. 

3. Altar, 2' 11" hoch, 1' breit, der Aufsatz an den 
Ecken mit Rosetten verziert nnd stellenweise gebro- 
chen; sonst, wie No. 1, nur ist die Gliederung reicher; 
die Inschrift lautet: 

I O M 

I, v MESSIYS 
FRONTNVS 
Bv C CBXSOKI 
NIGRI 
PRO 
AVG 

Jovi optimo maximo Lucius Messias Frontinns, 
beneficiarins Caji Censorii Nigri proeuraloris Augnsti. 

Der Procurator C. Censorius Niger erscheint hier 
zum ersten Male; derselbe ist sonst unbekannt. 

4. Altar, 2' 8'/»" "«»••>. 1 breit , von ähnlicher 
Constmcrion; der Aufsatz, dessen Kcken mit l'alnictteu 
verkleidet waren, ist verstümmelt, der obere Ablauf mit 
einem Blnttornanient gcschniHekt; an der rechten Sei- 
tenfläche des Steines ist eine Opferschale, in Relief gc- 
meisselt, angebracht, die Innenseitc mit musehelartiger 
CanelUre ausgestattet, der Knopf mit Kügelehen besetzt ; 
ihr entspricht auf der linken Seitenfläche eine Kaune, 
gleichfalls mnschelartig eingezogen ; die Inschrift lautet : 

I v o v M v 
Mv VLPIVS 
CR ESC EN SB 
CCENSORIMGKI 
PROCvAVG 
V v Sv i.v M 

Jovi optimo inaximo Marcus Ulpius Creseens, bene- 
tieiarius Caji Censorii Nigri proettrntoris Angusti votuin 
solvit libens merito. 

Ks ist der zweite Stein dieses Fundes, der den bis. 
her unbekannten Procurator C. Censorius Niger nennt. 

5. Altar, 2 I" hoch, II "breit, wie No. I. Die Ans 
schnitte am Aufsätze tief; die Inschrift lautet : 

|v Ov Mv 
A CVSTANVS 
RvC.v RAS IM 
SILONISv PR0v A G 
Vv Sv I.vM 

Jovi optimo inaximo Augustauus, beneficiarins C.e- 
nialis (?) Rasiuii Silonis procuratoris Augusti votum sol- 
vit libens merito. 

Auch dieser Procurator erscheint hier zum ersten 
Male; wie bei dem vorigen ist die genaue Zeitbestim- 
mung seiner Verwaltung nicht möglich, da er auch sonst 
nicht genannt wird 1 . 

6. Altar, 3' 3'/» - hoch, 1 2"breit, wie No. 1 gebaut. 
Zwischen dem Aufsatze nnd dem oberen Ablauf befindet 



' J. il S»H1. BtMrtf« tu einem Nnoie>i»»trx«lrh. der rbiu Prof urw^rnii 
In N..rttnm «-».OS. ?S s.paratabdr. XI. S lB - ' Der Same Sil» \*mmt u .| 
Gr u *#r »cehanial v->r, «Urunier fllnraial auf latfiirlfuielnen In SpaiiJeu, ctnraaJ 
•Dfel.cn> Drtiaer Siel«., TlallaKhl nlad aueh die lla»lull Spanier e.we.e« »»'I 
kam na»«r Oenlallt «der OaJ«. um« Kal.er Tralau, der Ja auch «I» Spanier 
»ar, »ur mmralur In N'orirum. 



sich eine Platte eingeschoben, die in kleinen Buchslaben 
au der Stirnseite den Anfang der Inschrift zeigt: 

l'RO s a vi;«»- N> Xv 
Die Inschrift setzt auf dem Spiegel des Steines fort : 

|v OV >|v ¥. C I.s (si. V 
SAXCT 
Cv I.ICIMVS 
BKLLICIAN i VS 
BF v I.KGv II v ITAL 
Pv Fv PRO SE 
E Tv S VIS 
Vv Sv |.v M 
liKNTI ANO» Ti T II \SSO »• COS 
IDIB 

Pro salute Augustorum nostrorum Iovi optimo ma- 
ximo et Celejac sauetae Ca jus Licinius Bellicianns bene- 
ticiarius legionis seeundae nalicac piac lidelis pro sc et 
suis votuin solvit libens merito Ocntiano et Bass<>Consu- 
libus, Idibus 

Die Kaiser, fttr deren Wohlergehen der Stein 
gewidmet wurde, sind Caraealla und Gcta, wie aus der 
Datirung hervorgeht; das Cousulat von Gentianus und 
Basstis fallt in das Jahr 211 n. Chr. Im Monate Fe- 
bruar dieses .Jahres starb der Kaiser Septimiiis Severus 
und liinterlicss das Reich seinen eben genannten Söhnen 
zur gemeinschaftlichen Regierung. Auf diesen Umstand 
lässt sich eiue Vermnthung Uber die Kntstehnug der 
Dedication des Steines fllr du* Wohl der jungen Kaiser 
gründen, wenn damit eine andere Beobachtung verbun- 
den wird. Die Inschrift enthält nämlich, was nngewöhn. 
lieh ist, eine doppelte Widmung: erstlich die im Texte 
derselben ausgesprochene des Widmenden tur sieh und 
die Seiuigen, zweitens die über dem Anfang der Schritt 
auf den Kranzleistcn geschriebene für das Wohl der 
Kaiser. Letztere ist nach allen Anzeichen später ein- 
gegraben worden als die erstere: sonst wllrde bei der 
auf die Arbeit verwendeten Sorgfalt, bei der schönen 
Vcrthcilnng der Zeilen, endlich bei dem Gewichte und 
der Hoheit der Personen, für deren Heil das Gelübde 
gelöst wurde, gerade die Widmung lllr die Kaiser auf 
die Sehriftfläche selbst und sicher in auffallenderer 
Weise gesetzt worden sein, nls dies hier geschah, und 
wie es bei einem 1 S.M» gefundenen Steine wirklieh der 
Fall ist ( vgl. unten das Vcr/eiehniss N<>. XI). Bellicianns 
mochte den Stein haben arbeiten lassen, als noch Kai- 
ser Septimius am Leben war; in der Zeit bis zur Auf- 
stellung des Steines mochte aber der Hcgieruiigswechsel 
eingetreten sein und dies F.reigniss den Widmenden 
bewogen haben, dem Denkmale noch einen anderen Sinn 
zu geben, wornach er ihn vor allem fllr das Wohlergehen 
der neuen Kaiser setzte, um diesen seine Huldigung zu 
bezeigen ; er mag daher nachträglich die Widmung „pro 
salute Augustorum nostrorum- haben anbringen lassen, 
und zwar, da die Inschrift auf dem Spiegel des Sieines 
schon allen Kaum eingenommen hatte, auf einem 
unscheinbareren Orte, dem Kranzleisten. 

Bellicianns kann etwa als der Adoptivsohn jenes 
C. Bellicins angesehen werden, welcher in einem alt- 

' Du mit .Irnu RueltMabeii I, vrrKhriiiKc S r$an«a») ittwnlil nur ein V.r- 
»•bm de« MelnmeUen, »elrlier dai Won Sancta«. ungoachlel n. In Hltvtr Stfl- 
der trtten Zeito eebon enlhaitcn Ul. In der <«'i«.i,..,l|.la»dl« «lnlerl.-.lle. 



LIX 



bekannten Cillicr Steine als Duumvir von Celcja genannt 
wird '. 

Die legio II ilalira wurde vom Kaiser M. Aurel 
errichtet: inschriflliih erscheint sie zum ersten Male 
um 170 n. Chr. : ; sie wurde wie die leg. III Italica in 
Noricum ausgehoben , blieb hier auch durch lange Zeit 
in Garnison und erscheint mit dem Beinamen ,.pia fidehV 
zum ersten Male in einer aus dem Jahre 200 stammen- 
den Inschrift aus Ingaru'. 

Idihiis. Der Monat ist nicht angegeben: auch die- 
ser l'mstand kann fllr die oben ausgesprochene Ver- 
muthuug Uber die Widmung geltend gemacht werden ; 
ursprünglich mochte der Kaum ausgespart worden sein, 
um das Datum der Aufstellung, wenn der Monat 
bestimmt sein wurde , einzusetzen. Der Hcgierungs- 
autritt der jungen Kaiser machte, da er allgemein 
bekannt war. weiterhin die Nennung des Monates über- 
flüssig. 

Dies sind die im Jahre 1863 aufgegrabenen .Steine, 
welche mit den früher an gleicher Stelle gefundenen eine 
Anzahl von 2!) Denkmälern geben, deren Bedeutung 1 . fllr 
die Localgeschiehle von Celeja. 2. fttr die Vervollstän- 
digung des Namenverzeichnisses der Procnratorcii und 
der Kenntniss ihrer Thiitigkeit in Folgendem nachgewie- 
sen werden soll. Zu diesem Zwecke stellen wir ttir jene, 
denen die Dctailscbritten Uber die. früheren Funde von 
t'illi nicht zugänglich Bind, eine l ebersicht der Steine, 
die in den Jahren 18f.3. 1859 nnd 1863 gefunden wurden, 
zusammen und Aigen dazu das Jahr des Fundes und die 
Verwaltungsjahre der l'rocnrntoren, wie sie J. G. Scidl 
in der schon genannten Schrift ( „Beiträge zu einem Na- 
mensverzeichnisse der römischenProcuratoreti von Nori- 
cuin-' ) nachgewiesen hat. 

Die der Zeit nach bestimmbaren werden zuerst in 
ihrer Folge aufgeführt und daran die noch unbekannten 
gelugt : 

I. Ii. Chr. 96—98. Der in dieser Schrift unter No. 1 
mitgetheilte: gefunden 1863. 

II. n.Chr. 157. .1. O. M. \ C. Fusciuius Catullus 
bf. • VIp. Victoria i proc Aug. v. s. 1. in. nach- 
gewiesen v. K. Knabl, Mitth.dcs bist. Vereines 
f. Steiermark IX (1859), S. 174; gefunden 1853. 

III. n. Chr. 158. J. ü. M \ Q. Knninius | Lmanns 
bl. Vstieni j Secnndi | proc. Aug. v. s. 1. ui., 

Tertul et Sacerdos; gefunden 1853. 

IV. ii. Chr. 158. J. O. M. | Adnamius | Flnvintu bf. 
Vseni (»i'i Secnndi ' proc. Aug. v. s. I. m.; 
gefunden 1859. 

V. n.Chr. J55U.O.M. Licinius | Hilarusbf. ( Bas 
saci Huf. proc. ; Aug.v. ». I. m.; gefunden 1853. 

VI. n. Chr. 160. J. 0. M. | Canonius | Valens bf. 
Flavi. Titiani 1 proc. Aug. v. s. 1. m.; gefun- 
den 1853. 

VII. u. Chr. 160. Der in dieser Schrill mitgetheilte 
Stein No. 2. mit demselben Procuratomamen; 
gefunden 1863. 
\ III. n. Chr. 171. Bruchstück, Pos. p. Aug. Flacco et 
Gallo cos.; gefunden 1853. 

' S c hl I, . |.l||t»|.i.l"il'c Ui.lu.t V, ». tl YVImrr Julirl. d I.Ii U4- II»:, 
nl.i.J.u »ui \Vij,.n»li,r<c Lei Hill, Juui rlugi isiiirtl hu Freiha.i.i dutlt»), am 
"i|'BiL»ifii Aiiiikmk»;. -sptul; II. K IV.S.ü.'l — ' Jlir Iii,.' Tonrtflll'iit 
Uvliai.k - in. I,t ilci rui-.timil. .In», »k .11-. f Hrlmnuu a»M K (i.l'lmiii li*t«ll> 
.in, ,.lI.,u„ Mtl.- t rt.„lr,,i, (,,!,,(. auf Jliinxo K»l.»t. »I«gi» II Italie» 

\1 l> VI K A iu»U, Sjniip.li |,. lil.l- 



IX. ii. Chr. 192. J. O. M. | Q. Scxtius | Pullacni | üb 
bf. Cos | leg. II. Ital. | v. s. 1. m. | /////////////// 
(Commodo) 1 et Pertiiiacc cos; gefunden 1859. 
X. ii. Chr. 211. Der in dieser Schrift mitgetheilte 
Stein No 6; gefunden 1863. 

XI. n. Chr. 215. Fro. sal. D. n. I imp. Antonini pii f. 
a. | J. 0. M. Conser. | Arnbino et Cel. | »am- 
Vih. Cassins i Victoriuns | bf. cos. leg. II. Ita. 
p. f. Antoniuianne | v. s. I. m. | Leto II et Ccriale 
Cos.; gefunden 1859. 
XII. ii. Chr. 217. J. O. M. et D. D. | omnibus | M. 
Aurel. ] Justus bf. | Cos. leg. II. Ita. ] p. f. pro 
sc et | suis v. 8. | I. m. | Praeseute et Extriwu. 

XIII. n. Chr. 244—249. J. 0. M. | Adnamius | Fla- 
\inus bf. | Clpi Victoris | proc. Aug. v. s. I. in.; 
gefunden 1859'. 

XIV. Bisher nnbestimmt. J. 0. M. | Tit. Flavius | Dn- 
bitatus. bf. Lisinii Sa bin i j proc. Aug. | v. 8. 
I. in.; gefunden 1853. 

XV. Bisher unbestimmt | C.Mnstias | Tettianus 

| bf. Lisiui | Sa bin i proc. i Aug. v. s. 1. m.; 
gefunden 1853. 
XVI. Bisher unbestimmt. J. O. M. | Sacra m I Q. Cre- 
seentius | Marcellus — bf. Q L i * i n i i S a b i u i 
proc. Aug. v. | s. I. m.; gefunden 1859. 
XVII. Bisher unbestimmt. Eponae i Ang. [ sacr. | C. 
Mustius I Tettianus bf. | Lisini Sa Ii in i 
proc. , Aug. v. s. I. m. ; gefunden 1859. 
XVIII. Bisher unbestimmt. J. 0. M. | Antonius | Maxi- 
mits . bf. Q. Caecili | Redditi | proc. Aug. 
v.s.l. m.; gefunden 1853. 
XIX. Bisher unbestimmt. J. 0. M. | Gemelli . . | Adjn- 
tor | bf. Drusi Proc. | proc. Aug. | v. 8. I. in.; 
gefunden 185.1. 
XX. Bisher unbestimmt. J. O. M. | Luconius | pri- 
nms bf. IMautii | Caesiani procu. | Aug. v. 
s. 1. m. ; gefunden 1859. 

XXI. Bisher unbestimmt | (Uu) 

ti? | Gentiani | proc. Aug. ; gefnndeu 

1859. 

XXII. Bisher unbestimmt. Der in dieser Schrift mit- 
getheilte Stein No. 4 gefnndeu 1863. 

XXIII. Bisher nnbestimmt. Der in dieser Schrift mit- 
getheilte Stein No. 3 gefunden 1863 ; 

XXIV. Bisher unbestimmt. Der in dieser Schrift mit- 
getheilte Stein No. 5 gefunden 1863. 

XXV. Bisher unbestimmt. J. 0. M. | M. Iiipius | Acilia- 
nus | bf. cos. leg. i II. Ital. ! v. s. 1. m. ; gefunden 
1853. 

XXVI. Bisher unbestimmt. Jovi Dep(ulsori) | sacr. , 
Aurelius | Patercnlus | bf. | v. s. I. in.; gefunden 
1853. 

XXM1. Bisher unbestimmt. D. D. O. | Bellia | Sorana 
v. s. I. in. ; gefunden 1853. 

' S<ho*J. O S,.(J| b„ Ind.. H.ItU«» cu t'lnuu Nuiriuvr>Hlcbi.b< d.r 
Protur»! ■mu ISH,j,l,r Mll. Mj ttl«>rn> Oeriaratm jenait M. t°l r iua Viclnmnr 
S«:lc «vtlflll. wo.ti.rnirliorrlll lltni.i. 1*1» I., kW!" pwreflii. rrnrlnn«. 

-*«rdlt.Uc ««r K, lni,d,v .Uli »..Ii im <llt /.II mninn». K n • b I vrneljt Ihn 

.ii-UjJUii ) .7. daJ.i»<liu ll.U. Niiirln» AdU>UllU9 I UUllU. Illill TOO l\ I MKom 
•Mc Ifettvluiig .rMfll ,i,„ l.lama. i(»r Zill mdi.chr oaii» an |:i(nu. Vkior 
Frg^urmor In Norltum ii««»»»n ».lo iliirft. lu nun l'jllnitu n«<-h|(ii.l<-i«-ii<T 
iiia».#ii dir l"roouralar Im Jaiir* 1.'^ liine li»1l' «ti4 ili« f'OffFDdrn J*lire arlinii 
Ten bek.KL.r.U.11 l'r. 1 ur»lnr«n X« MUl »Js.di, **> iikütat« Llplu« iöt itto««» Jahr ce»etzl 
worilea. Allviu 4luti't /«lltwtairiiiiiinig »l»lit «nttseKfo, »l«»" uAth »lii«r »ail«r«n 
^n.li *u> S«riljali<o AUnutirii<1«ti InscJirlft tUplna Vitlöl 1'rifnn: \°u SarillnU^ 
ti 11 l « r K P h I I i ji p u # [ 3kt— wnr iOrelll il'Jbi. V4 bladvrl ntrhi» «ikuii^Ii- 
n'iti, Alt <ir,pr.r l'Jfln» VL-t^r illt»i>lbc rcr»*n mit Atvi ftardluUchcii rrüfe<tm 
*rwt,tn »I. und «1«» n«tli <tnf Vr.wuF.l.r v„ii Sorktum dl« PtwfocOu von Sirdi 
bl»u vi'rwkllil liAt-f. 



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LX 



XXVIII. Higher unbestimmt. ,1. 0. M. et Ccl(ejaet | et 
Noreiac | Sancte ÜuJi. | Senilis bf. cos. , pro sc 
et huis | v. s. I. m.; gefunden 

XXIX. Bisherunbestimint. Bruchstück CAKS - L. v Septi- 
mius) | i Pertill )ax Am gustus ; gefunden IS"»!». 

I. Lage and Bedentang der römischen Militftrutadt in 
Celeja. 

1. Wie schon vonie bemerkt wurde, bilden diese 
Steine uaeh allen Beziehungen hin eine lltr sich abge- 
schlossene Gruppe. Die Gleichförmigkeit in der genauen 
und sorgfältigen äußerlichen Ausführung, in den Wid 
mutigen, selbst in der Ausdrucksweise ist eine echt mili- 
tärische; auch sind es, wenn wir die Bruchstücke und 
den einen Stein (XXVII), der einen Frauennainen zeigt, 
abrechnen, durchgehend« Legionäre und zwar meist benc- 
fieiarii , die als Widmende erseheinen. Ks ist unter den 
21) Steinen nicht ein Grabstein, alle sind Votivsteine in 
Altarfonn, auf ihnen erscheint nicht die Buntheit in den 
Widmungen , wie aul den Privutsicincn einzelner Fami- 
lien oder auf den oftieielleu der bürgerlichen Angehöri- 
gen einer Gemeinde; zumeist ist es der allgemeine und 
oberste Gott Jupiter, und neben ihm <wic bei XII i. 
die Gesammtheit der Götter und Göttinen, hie und da 
auch noch die heilige Celeja und Noreja »X, XI. 
XXVIII), eine echt römische Deihcirung der Städte des 
Landes, welchen die Altare gewidmet sind. Auch ist 
hervorzuheben, dass ausser dem AUvaler Jupiter nur 
kriegerische Gottheiten als Gegenstand der Verehrung 
erscheinen, so neben Jupiter, „depulsor' (XXVI i die Kei- 
lergöttin „Epona-. Neben diesem militärischen Cha- 
rakter haben säinmtliche Steine mit wenigen Ausnahmen 
noch einen nfiiciellen. Abgesehen von den unstreitig 
oftieielleu Widmungen fllr das Wohl der Kaiser »X und 
XI aus den Jahren 211 und 21, r >) geben nur zwei 
(XII und XXVIII) ausdrücklich als Veranlassung den 
Wunsch des eigenen Wohlergehens des Stifters und jenes 
seiner Familie an, bei den übrigen findet sich eine solche 
Angabe nicht, vor allem nicht bei den von beneheiariis 
der Proenratoren gewidmeten. Gewöhnlich ist aber die 
Angabe der Veranlassung des Gelübde« ein wesentlicher 
Bestandthcil in dem Texte von Votivsteiucn, wie es sich 
von Reibst versteht. Ks intiss aus dem Mangel einer sol- 
chen auf unseren Steinen geschlossen werden, dass eben 
die Befreiung der Legionäre der Gegenstand des Ge- 
lübdes gewesen, und dieser l'mstand gewolinheits- 
niässig durch die Anführung des Wortes „beneficiarius" 
bemerklich gemacht worden sei. Es dürfte daher 
in der stereotypen Formel dieser Art von Votiv- 
steinen das Wort, „beueticiarins^ nicht schlechthin als 
blosser prunkender Titel , sondern als grundangebender 
zu nehmen nnd mit „faettis, noiuinatus- zu ergänzen 
sein, d. h. es wird nicht übersetzt werden müssen, als ob 
z. B. der beneticiarius des Procurators l'lpins Victor einen 
Stein zu Khren Jupiters gesetzt habe . wie er es gelohte, 
sondern so: dass z. B. C. Fuscinius Catnllus den Stein 
zu Ehren Jupiters gesetzt habe, als henefieiarins des 
Procurators l'lpins Victor, oder weil er von letzterem 
zum beneticiarius gemacht worden ist. 

Da nun eine so geschlossene und ansehnliche Beihc 
von Soldatensteinen vorliegt, die fast sämmtlich keinen 
privaten Charakter, sondern eine bestimmte und überaus 
eonscmicntc Beziehung auf den Proenrator haben, so 
folgt weiter daraus, das* der Ort. an dem sie errichtet 



waren, eine militärische und keine bürgerliche Bestim- 
mung gehabt habe ; auch ist dort nicht etwa ein gemein- 
samer Begräbnissplatz von Legionären, sondern ein dem 
othViellen Loben des Soldaten gewidmeter vorauszu- 
setzen, wodie Altäre derGötter, ihre Bildsäulen, die Votiv- 
steine u. s. w. aufgestellt wurden, also eiu vorzüglicher 
und ausgezeichneter Platz in dein für die Besatzung 
bestimmten Theile der Stadt. 

Damit stimmen die Notizen von Funden Ubcrcin, 
welche au der Fundstelle unserer Steine in früherer Zeit 
gemacht wurden'. Ganz in der Nähe derselben steht 
neben dem St. Maximilianskirehlein eine Capelle mit 
dem fons deeollationis des b. Maximilian, der hier um 
280 n. Chr. den Märtyrertod erlitt, also etwa 40 Jahre, 
nachdem der jüngste unserer Steine < XIII), soweit diese 
bestimmt sind, gesetzt worden war. in der Legende die- 
ses Märtyrers heisst es, dass er bei dem Mars t cm pel 
gelödtet worden sei, und wenn man den tausendfach 
bestätigten Gebrauch der römischen Kirche ins Auge 
fasst, die Tempel der heidnischen Gotter in Kirchen umzu- 
wandeln und dadurch zu entsühnen; weun ferner fest 
steht, dass das genannte Kirchlcin das älteste der Stadt 
ist, so kann die Angabe eines Marstempels in der Nähe 
des Stallncrschen Hauses tür wahrscheinlich gelten. 
Nicht weit davon , nahe an der Kirche zum heiligen 
Geiste, wurde die Statue eines schwörenden Legionärs' 
und etwa« näher gegen die Stadt zu , bei dem Grazer- 
thor. ein nicht mehr vorhandenes Relief, gefunden, 
reich ausgestattet mit allen erdenklichen Waffeustücken 
(Schilden, Beinschienen. Panzern, Speeren, Strcithäni- 
nieru, Tuben u. s. w.). Alle Spuren in der Umgegend des 
Fundortes unserer Iiischriftsteine deuten also auf eine 
militärische Niederlassung hin. 

Diese Beobachtungen erhalten ein eigentümliches 
Licht noch durch die Vcrgleiehung der hier gefundenen 
Steine mit den sonst an verschiedenen Punkteu in ('Uli 
ausgegrabenen. J. G. Sei dl hat in den oftergeiiannten 
epigraphischen Kxenrsen mit grösster Snrgfali alle auf 
Celeja bezüglichen epigraphischen Monumente zusammen- 
gestellt, soweit sie bis 1846 zu Tage gekommen waren. 
Weun davon nur die sicher in Cilli gefundenen, zum 
Theile noch vorhandenen in Betracht gezogen werden, 
so entfallen von 65 Inschriftsteinen Iii auf öffentliche 
Mminmonte (darunter 6 Meilensteine), 39 auf private 
(meist Grabsteine) und nur 10 anf militärische Personen, 
unter welchen wieder Veteranen sind. Ferner zeigen 
von 7 Privatsteinen nur zwei die Widmung an „Jnpiier-» 
nud die „Salus Celejanoruni" «der den „Diis Deabusque 
omnibus-, daneben aber erscheinen Widmungen an „Nep- 
tnnus Angnstus-. an den „Genius Angnsti" und an die 
„Lares-, an „Celeja Augusta-. an den „Genius Norico- 
rnm u und eine Collectiv-Widniuiig an „Mars Hercules 
Victoria und Noreja'. Diese Denkmäler zeigen also gerade 
die umgekehrten Erscheinungen von denen, welche an 
den im Stallnerschen llotraunic gefundenen beob- 
achtet worden sind. Hier erscheinen nämlich lauter Sol- 
daten als Widmende, daneben ein und dieselbe Wid- 
■unugsforinel auf 2!* Steinen , dort fast nur Bürger und 
Private, dann ganz verschiedene Widmungen und meist 
Grabschriften. Es liegt darin ein Fingerzeig, dass die 
Fundstelle unserer Steine ehedem nicht blos überhaupt, 

1 Y«l J s-lrf;, II, iträ^r zu . Int in Nfciin-c v«ri df! r>m Cr^rur44«r*in 
u. , », s. r. ^i'nm-iti.lr v ■_■»: i \ dio Ni.ii»*n ».'fürtnie fUiAmnitn- 

««•»III mit 4»t ■■!■}■ ir .l k -,l.il,M .,„4. _• A .. >> T.f II , Kl* i - 

• V > " 1 i r i 



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LXI 



sondern ausschliesslich ein militärische Stadt- 
r heil war. 

2. In welcher Art nun iliescr gedacht werden muss, 
das lässt sich annähern«! bestimmen, wenn die Weise in 
Betracht gezogen wird, in welrher die Römer nach 
Eroberung von Noricutu vorgingen. Ihre Kriege seit der 
Seeschlacht hei Actium (30 v. Chr.) hatten eine vorwie- 
gend defensive Tendenz; es waren Grenzkriege . theils 
um Feinde abzuhalten, theils um für da« Reich die iiatür- 
lichen Grenzen, die drei grossen Ströme Rhein, Donau 
und Enphrat zu gewinnen. Aus den eroberten Gebieten 
wurden weit ausgedehnte Provinzen, mit dem Charakter 
von Militiirgrenzländern gebildet , als ein breiter GUrtel 
zwischen den Ländern der elassischen Cultur und dem 
Wilsten Rarharenlande ; auf dem Boden derselben sollten 
Einfalle der Barbaren zurückgewiesen oder wenigstens 
so lauge aufgehalten werden , bis das Ceutrum des Rei- 
ches hinlänglich geschützt und gerüstet wäre. Damit 
stimmt die rein militärische Organisiruug dieser Länder 
Ubcrcin, deren erste Aufgabe die Bildung eines Strasseu- 
netzes und die Begründung von Militärstädten war. 
Letztere sind im Grunde nichts anderes als Standlager 
(castra stativa), die vielleicht etwas grösser angelegt 
wurden, statt der Erdwälle und Pallisadcn feste Mauern, 
statt der Zelte aufgemauerte Gebäude und Kasernen' 
erhielten; im Wesentlic hen aber sicher dieselben Bestand- 
theile aufwiesen wie früher, nämlich einen „oberen 
Theil-, in dem der Stab untergebracht wurde, also das 
„praetorium", das „quaestorium- 1 mit dem „torum* für 
Kauf und Verkauf und fllr gesellige Zusammenkünfte, die 
Quartiere der Oberofliciere, — und einen „unteren Theil», 
in welchem die Manusehaft sich befand. Zwischen beiden 
Tbeilen lief dann jeuer breite Kaum hin, die „prineipia*, 
der Schauplatz des officiellen Lebens der Soldaten. Da 
dort die Standarten, die Altäre der Götter', die Bild- 
nisse der Kaiser, hei denen die Soldaten schwuren, auf- 
gestellt waren; da sich dort die Rednerbühne fllr den 
Feldhcrrn befand, wenn er Öffentliche Ansprachen an 
das Heer hielt ; da dort die Militärgerichte abgehalten, 
endlich die Habseligkeiten der Ivegionärc wie an einem 
geheiligten Orte aufbewahrt wurden : so erhellt, dass dieser 
Ort weitaus der wichtigste im Lager war. Wie nun auch 
immer die Anlage der Militärstädtc nach localen Ver- 
hältnissen abgestuft wordeu sein mochte , gefehlt hat 
gewiss keiner der angeführten, mit den nächsten Bedürf- 
nissen eines langen und nach aussen abgeschlossenen 
Lagerlehens innig zusammenhängenden Theile, am aller- 
wenigsten der den „prineipiis- in den alten Standlageru 
aualoge Ort für die öffentlichen militärischen Acte. 

Eben diesen Breunpunkt des Soldatenlebens im alten 
Cereja zu bestimmen, dazu geben die neuen Cilliersteine 
die nothwendigen Anhaltspunkte. Nach dem, was vorne 
Uber sie gesagt worden ist, nach ihren inneren und 
äusseren Merkmalen, nach dem Zusammentreffen ver- 
schiedener Fundobjecte wird es nicht wohl bezweifelt 

■ »o hatte »che» t» v. Cur. R.iaaa» die ler.treul In der Audi Ken. ualvr 
Gebrachten eebortem dar I.ailmarhe in einer ktoi.ob Ka.erne (eaelra praefari.i 
untergebracht, Uta Me Immerund in ln,f,onlrettd*rKla>ke bei der II.Bd *u haben. 
Tae. Abb. IV, S — Die Ruinen dcr».lbrti »i.bl man noch heule iwl.cben 4«r 
l'orta Mml.tll, und nburllna in der Vinn» di XU.e . . e> tlnd die c.»elU«o» 
l-inruipmatirrn oiid lang. Ihrer aBhlrelche «.«olMe Kammern.— 1 .•>.. er«aliat 
. II Tedrui Am,. I, «9 d.r AUKrc Im l^ir« Ar. VbioroiB. Munellu. Pl.ncut, 
der Ton den autVr««leii Sold.t.n rar de.. Crbeber «Ii... ihnen uiiiünMicen 
Kaz.al»b..»,<blu.»f.> ».halt... und Terfulm ...r.le, flüihlrlc m der, reinen und 
Adlern, und hin« vlcht ein >il,i,.i,Cti t .r dal Au.t.r.i. ecrhlud.rl. ...i «Urde er 
•Ii Ar.afi.ndur de. rön.S.cl,« „ V..lke, in eln»m iorr.1^1,.1, |, M .r mit ,elnrn. 
lllule dir Altai, der (iiti.rb.,pnr«l h.l.rB - ... ,.;h.r nnlrr Kriudeu feilen 
«otbleht. V,l. Itter di..,„ ll.i.iplpi. d.i Lager n^rl, T.e, Ann.1. IV. 2. 7 . XV. 
;ü H,.t. III. n» 



werden können, dass die Fundstelle unserer Altäre eben 
jener Hauptpunkt der Militärstadt war. Es lässt sich 
daran eine weitere Vermuthuug knüpfen. Die Heraus- 
geber der Funde von IH53 und ISöU haben in den zahl- 
reichen Widmungen der Votivsteine an Jupiter optimus 
maximus ein Zeichen dafür gesehen, dass in der Nähe 
ein Tempel dieser Gottheit gestanden habe '. Friesstücke 
von reicher römischer ( »ruamentirnug, die mitgefuuden 
wurden, mnssten darin bestärken. Nachdem heutigen 
Stand der Funde au jener Stelle lässt sich nun ein zwin- 
gender Beweis weder dafür noch dagegen anbringen 1 . In 
nächster Nähe jedoch (imDcrcuiiischen Garten, öü*KÜd- 
lieh vom Stallnerschen j ' wurde ein Mosaikboden aufge- 
funden in einer Ausdehnung von 225 Q Schuh, der übri- 
gens eine noch grössere ursprüngliche Ausdehnung 
hatte, und als dessen Fortsetzung mit Recht die Trüm- 
mer von Mosaikböden erkannt wurden, die in einem 
andern benachbarten Garten aufgegraben worden sind'. 
Auch jene thönernen Rühren fanden sich vor, wie sie bei 
römischen Luftheizungen gebraucht wurden. Mauern, 
aufweiche man dabei stiess, wiesen auf ein Gemach von 
15' V" im Gevierte und zeigten Spnren von rolhcr Be- 
malnug*. Endlich ist der Stalluerschc Garten selbst 
in seinem Schottergrunde überall mit den Stiften eines 
zerrissenen Mosaikbodens durchsetzt'. Alle diese An- 
zeichen deuten auf ein ausgedehntes Wohn gebäud e 
hin, das in einem hohen Grade mit Comfort und Luxus 
ausgerüstet war. Zunächst am Mittelpunkte der Mili- 
tärstadt gelegen, konnte es wohl nur den befehligenden 
Offieieren zur Wohnung gedient haben. Ob es nun gerade 
den I'rueurator des Kaisers beherbergt habe, der, wie 
sich naehweiseu lassen wird, in Cilli seinen Amtssitz 
hatte und als Inhaber des „imperium- wohl in der Mi- 
litärstadt sein Quartier aufgeschlagen haben dürfte, dies 
nachzuweisen wäre eben so schwierig als von geringem 
Belang. Dagegen liegt in dieser Situation der Ofticicrs- 
wohnnngen ein Fingerzeig Air die gesammte Anlage der 
übrigen Militärstadt, welcher nicht Ubersehen werden 
darf. Da das Wohngebände für den Stab der römischen 
Legion südwärts von dem Mittelpunkte der Militärstadt, 
d. i. von der Stelle unserer Steine liegt, da folgerichtig 
nach der Anlage der Standlager dieser Mittelpnukt den 
„oberen- Theil vom „unteren-, fllr die Mannschaft 
bestimmten, trennte oder wenigstens sehr nahe bei 
diesem lag; da endlich noch weiter südwärts von den 
Officicrswohnungen — nämlich innerhalb des heutigen 

1 V£t. Aravtli. Die ueui.1?.. areiteul. l'unde v. CHI a. a. 'J. *. & f. — 
J (. So, dl , Kundrhri'n.k ien Archiv XIII, > e. C1I1J. Sprtabdr- s. 1!J. hält die 
Sülm Irgend «lue, Tempel, fd.tr IMIUtl.uB«4 Iwr '■.t.rsrheiulirb. — K- Kn abl, 
Mitth d. hin Ver. f. Slalemi ]«iS, IV ,.S. l"ri,\criiiutlivl eltirhf.l),- einen Juplm- 
teinpel Inder Nähe. 1 Iii« Widmung, a an Jup.teropUxnuB maiinu» und de» 
Dil» deabu.iiia* i.rnt.lbu» k »bau nüt e)el< her 1 'uu»..queti£, «lo auf den Cilller Slal« 
..an, au/ eiller Iteihu *nn In Trflf i> n {Kraln , ca>?r. l..il<>t-lr<.rrjcVi KTcr«iidi.nan 
■S*»ld»len. Villen, ror {& c t d 1. Kundrbr'< n ||; imAn-blv IX. hd lrni, Stnabdr. S. 54J, 
von denen 1 dlc,cl*<e \\ Idiimne; i J. O. M. rcUvnio loel oder Dlit ilealiu.t|u« uuuil- 
bun'i irafon. tlaxu aaui mich In dea Uuier* Jabreu ein glelelilatiiendvr. Auch 
Itel ihnen itl da. Ilatnin ajigegebeii. Sie d'irftto f8r die r*>lia Lacublronara el>*nae 
den rial« der .prlnrlpia" bezeichnen , «ie un,ere Sleine für die Mlhtäritadt in 
CH1I l*.raii« f^lcr anderereelte, da»e mau derlei Allar.lrinu ytunllcli uberall. auf 
den HauplplalEaa, In Staudiacern T<iTau..eiae<i dürJV, oliiteaul *ln*u Tiuipel *ur 
Krklärun( Ihre. Vorhaadanirine (rrctr.r. m uü»en. Schon dnr'b ihr« Aufilal- 
htag ».rd eb»n dieMir CUU ala Halliainui» Klc all K «ueli.eB Widnni»teu an den 
..fcerxun Holl und an »lle «iüiter und •■?ltl»eii Hlmmte« mit der kurzen und >w- 
niarltrhenSold.lenaudacfil in rebröbereln. und liud aa|[lnieJi. •« -la dl<VMdmnn( 
an den ,(ienlu. lo. |- >« oebl rimn.h, da.» maa au. Ihnen »•»hl auf die Mibe elnea 
].a«e». niebl «h.r »,r.de auf die ei».» JaplleMemnel. •cbllci.e« k»a» Inrer- 
e»a« iel in di...r II-^.lchuBg .11, Midi,.-)., Iliu«rlf..n« auf die »r-a-e ra|lu- 
liniKhe lireliielt der U-ller Jm|.H.t , ML.er.* »t.d J..U-. dl^ .uf ,<.<• » ill.fr- 
»lelne dnreh Abr-rlBcun« d.r Keltrl t enalten »t-n Jnn.) mb.I Mltu.va an den 
Selteu der Ära an.Kidiiickl lü ; Verr XVI.) V*I. meine }qrl,el»u..e d. Cund 
ebrool» fAitblv. X\IX, i.H. Spnabdr. S Iii u Aruetb t Schnfi üb>r d o.u.tan 
archV.I Inude ... lilli s. »f. - «s.Ui, Itei-r /» «Ine« SameMrrrMlekjiilaa 
d Pr-^r , 5.|U,...g.l... XIII, Uli Spii.bdr S. t». ->A • O. - » KaaM Mint. *. 
hin. Ver f. Kl. I«:.|V S I»I ( - * Herl.bide.Cnntere.l-n Herr., s, heller 
an die k. k Cr-Mial C*ntml>-I,.n.. 



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LXII 



CUM die Inscliriftsteiue jeueu bürgerlichen Charakter 
vcrrathcii. dass daraus geschlossen werden kann, liier 
bis in das Flussbeet der Saun hinein habe die Civilstadt 
gelegen, d. h. das nebeu der Militärsladl aus der 
ehemaligen Barbarenoilschaft /.um Muiiicipinui empor- 
gewachsene bürgerliche Cilli: so lässt sich leicht 
abnehmen, dass der grössere Theil der Militärsladl, 
welcher die Kasernen der Mannschaft in sich srhloss, 
sieh nordwärts von der Fundstelle unserer Steine aus- 
gedehnt habe. Da<s wirklich das alte Celeja in dieser 
Richtung ausgebreiteter war, als das heutige Cilli, dafltr 
liegt ein Anzeichen in der Sage, die Stadt habe nördlich 
bis zum heutige« „Galgenberge- gereicht '. 

3. Diess nun dürfte die Anlage der Militärstadt in 
Celeja gewesen «ein. Ihre Bedeutung fllr diesen Ort lag 
übrigens weniger in der tactischen Beschalt'cnlicit, 
welche vielmehr für die Herrschaft der Kölner selbst von 
Wichtigkeit war, als in dem Antheil, den sie, wie die 
Militärstädlc in barbarischen Grenzländern ü»<crhanpt. 
an der Komanisirung der Fmgcbuug. und am Autbltlheu 
des Handels dnreh dessen Bcschltuiittg genommen hat; 
dieser Antheil ist von culturgeschichtlicher Bedeutung 
und mag daher in Knr/.eiu beleuchtet werden. 

Ks hing mit dem /»ecke der MilitärMädtc zusam- 
men, dass sie mehr oder weniger nahe au dem Knoten- 
punkte jenes Verkehres angelegt wurden, der schon vor 
Ankunft der Kömer unter den Barbaren bestanden und 
die Entstehung zahlreicher Ortschatten bewirkt hatte. 
Die meisten Militärstädte führten ursprünglich allein, und 
Dach ihrer Erhebung zu Colonien oder Mtinieipien. neben 
dem olfieicllen einen andern Namen, in dem trotz der 
Latiuisiniug barbarische, meist keltische Klänge ver- 
nehmbar sind ; ein Umstand, der eben darauf hindeutet, 
dass diese Namen und mithin auch die Ortschaften schon 
vor der Ankunft der Körner bestanden haben. Die Folge 
der Nachbarschaft war eine mehrfache Berührung der 
Legionäre mit den Einwohnern des Landes, und aus die- 
nern Verkehre erwuchsen im Laufe der Zeit die ersten 
und kräftigsten Keime einer neuen Cullur in den Grenz 
lüiiderii, einer Mischbildung, wie sie sich in den ma'iutg- 
fnltigen archäologischen Funden zu erkennen gibt, durch 
welche nicht blos die Barbaren allmählich zum rümi 
scheu C'ulturleben herangezogen wurden, sondern auch 
die römische Bildung selbst, obgleich sie von ihrer Höhe 
und Feinheit verlor, eine neue Kraft und Frische erhielt. 
Fortan knüpfen sieh an die Militärstädte die historischen 
Erinnerungen der Barbaren; sie lernen Städte bauen 
und wohnen und ihre Angelegenheiten verwalten wie 
die Römer, sie werden durch das Soldateiileben mit in 
die Parteikämpfe um den fernen Kuiserthroii gezogen, 
ihre Söhne sind die gefttrclilcteu Leibgaftleu, welche den 
Pöbel der Hauptstadt im /.aunie halten: späterhin 
erseheinen die römisch-barbarischen Mischehen als die 
wichtigsten Zeugnisse fllr das Heranwachsen der neuen 
Cultur, die endlich, wie früher den Cultus römischer 
Gottheiten nun auch das Christeuthiim von römischen 
Tribunen aus den Militärstädten empfangt '. 

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Njirt.il.dr- '•'». — Ol« - Afe i . jul^ %■ ii CrfU-Ja. »,,'lcti.f dui Iis. I I., . ..1 r >.i- J*M:i 
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klnn 1 S. ir.l für i'vl^ja r -1 -il. >• . -I ..''.'.I V V Ii [,. tti k rl ^it.i:.! 

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N K VII Mit. S 7 * u. II , v^i lUniii .Ii- Sn.i..i, \ if hu 11 ■.. e»r um. tu in. 

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' / It -tiT S Ih.rliou* In I.. f.:.. 



Speciell in Noricum bat die Komanisirung einen 
sehr ungleichen (lang genommen; einen Gradmesser ftlr 
ihr Fortschreiten gibt die Erhebung der neben den Mili 
lärposten gelegenen Ortschaften zu Mtinieipien oder 
Colonien, da sie erst vertilgt wurde, wenn in ilmeu ein 
grösseres bürgerliches Gemeinwesen emporgekommen 
war. Im l ferlandedes heutigen Oesterreich trat dieselbe 
erst unter und nach Kaiser Hadrian 1 ein . also in der Zeit 
von II" — ISO u. Chr. Dagegen hatte der sltdlieh gele- 
gene Theil von Noricum schon 100 .lahre vorher diese 
Stute erstiegen- und ganz vorne treffen wir unter den 
wichtigsten Orten dieses Gebietes Celeja. Auf die Uber- 
raschem! schnelle Erhebung dieses Ortes hat die Begrün- 
duug einer Militärstadt einen entscheidenden Eintfus* 
ausgeübt, indem sie seinem blühenden Handel den notli 
wendigen Schutz gewährte. Es genügt in dieser Bezie- 
hung, auf wenige archäologische Funde in der Stadt Cilli 
hinzuweisen. Strabo. der um 24 n.Chr. starb, nennt den 
Ort noch nicht, obwohl nicht bezweifelt werden kann, 
dass er schon damals bestanden habe. Kaiser Claudius 
(41— -54) erhob ihn schon zu einem Municipiiiin 1 mit dem 
Namen Claudia Celeja, und schon zwischen tif und S'x 
dürfen wir in dein ausser der Militärstadt gelegenen 
Theile von Celeja die Herstellung weitläufiger nnd pradir 
voller Neubauten annehmen. Der k. k. Kreisiiigcuienr 
Hr. Bv lo II »Hess nämlich IHl'ti im Hofe des Beskoschen 
Hauses ^Postgasse 4T> ) auf einen Mosaikboden in einer 
Tiefe von '/.' unter der heutigen Oberfläche*, und als er 
ausgehoben wurde, fand sieh mitten in der Mörtel- 
schichte, in welche er gebettet war, eine Kupfermünze 
von Kaiser \ espasianns ( ti!i — 7!»); diese kann dahin gera- 
then sein nur bei der Anlegung des Bettes selbst; 
nun wurde unter Kaiser Nerva <;Mi— 'Jt* \ die Kupfermünze 
seiner V orgänger eingezogen und umgeprägt daher diese 
überhaupt in Funden selten vorkommt, dann aber fllr die 
Zeitbestimmung verlässlicher ist. als andere Fimdmliu 
zeu; man kann also annehmen, dass die Legiing des 
Mosaikbodens in die Kegieniugszeit der flanschen 
Kaiser fällt. Das Gebäude, zu welchem er gehörte, 
wurde selbst aber auf dem l'latze eines ültereu 
gemauerten und niedergebrannten aufgeführt; denn 
unter dem Mosaikboden fand sich Kohle und Sehntt, 
(eine Schicht von Tiefe) unter dieser eine Schicht von 
Flusskies ^J' stark), und wieder unter dieser eine Schicht 
von Damnierde ( I' '." lieft. Ferner ist das Mosaik an* 
weisse u Stiften von Bacherer Marmor, der bei Cilli bricht, 
die einfassende Bordüre, eine Spira. aus braunen Stif- 
ten eines gleichfalls in der Nähe vorkommenden Steines 
gebildet' ; also mussten um jene Zeit die Steinbrüche 
der Fmgebui g von Cilli schon bearbeitet und in der 
Stadt selbst die baulichen Kuustzweige ziemlich ans 
gebildet sein. Die Mauer, welche Hr. Byloff zugleich 
mit dem Mosaikboden aufgrub, zeigte genau jene 
Behandlung des Bewurfes, nämlich die stufenweise 
Verfeinerung der übereinander aufgetragenen Mörtel 
lagen, wie sie aus gleicher Zeit in Pompci vorkommt 
Von derselben Art dürften die Übrigen Mosaikboden gewe- 
sen sein, welche ISO!». 1S:'I>. ]$:'.;>, 1*17 u. s. f. au \er- 

1 > -»..-••MIZ Allti H-lll-ü.wl, KL . Ir. ii. Ii r-U r H ,-' A r Iii IMUü'H. 
VV. - A.,:i Hu Am - liiiUj-i, ... l.t<U «;«i>l . r 4 .-r l.v<r|4inni üili., > * ' 
* / 1-- I' ' v l «■ ■:• v-l-.'r... in Miti-1-N..Tt. um , ij.-l.-i. .1».t ;.»i;l lv, .1 i » C-.l 
K'x 'li.'r Ot, v. (r ,t i.'ti^^ii i l»|.M . I nl - , l,t\-t .Mi_ni. iplutu n l.itiilt , — * N * " 
.1. r ■- it t .it riM,.-,, «,f-,l rl.ei-i . V. 1 1 Ä i ^ 1 1 . It.li |!, f tCl.tr , jWy.t Iii di I 1; ' 1,'ti" 
llcr k (. MÜUJ Hu J \ IM tltl i- « «'Iii. I > - • M o ir. tu m- Ii , \ .Tt^.l vir., i i:.. Mü"" 1 
«••-ei,., in .Ii-» K.i:--. r/. :1 H.ro hl., <1* r - ?ii h> . I.— -II,. l.»fl .1 \V III u- n 

^ . — * Vi |. |l > I ,t i i ^ m-||..|i nii.-cTiii.rtt-iii Hern Me 



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LXIII 



s< hieilenen Punkten aufgegraben wurden, aber grUssten- 
tlieils wieder zu Grunde gegangen sind. 

Kaum 30 Iiis io ,lahre hatten als» hingereicht, 
einen früher nirlit einmal genannten Ort so Idtihend zu 
machen, dass nicht iu der .Militärstadt, sondern im Muni- 
cipimn scIIik» prächtige Neubauten itltcre verdrängten, 
ja dass sie mit den Kräften der Stadt seihst hergestellt 
werden konnten. Ks hat dann freilich nichts Befremd- 
liches an sich, wenn römische. Proenratoren hier ihren 
Aintsitz aufschlugen, und wenn wir aus der folgenden 
Epoche der Antonine weitere Spuren von Prachtbauten 
finden, wie Fricsstücke zierlicher Arbeit ans der Hadria- 
nischen Zeit' und selbst eine mit Ojiadcrn ausgelegte 
Siinlenhalle ". — Wieder andere Trllmmer zeigen viel 
spatere zur byzantinischen Weise hinneigende Ornamente, 
und erinnern an die lange Blllthe des Ortes, in welchem 
die ansXorikcni gebildete Legion ihr bleibendes Haupt- 
qusirtier hatte, und wo noch zu Constantius des Grossen 
Zeit der kaiserliche Statthalter rc*idirle; aus der Zeil 
der kurz vorhergehenden Deeennien wird er geschildert 
..als eine mit Keichlliiinicru angefüllte, dirhi bevölkerte, 
durch ihre Besatz ung mächtige Stadl, berühmt 
wegen ihrer edlen und ausgezeichneten BUrger, ihurin- 
gekrönl und prunkend mit marmornen Palästen , und 
für Kriegsfälle in Folge hä u figer 1' e h nnge n 
»ehr wohl versorgt- '. Man sieht aus dieser, wenn auc h 
späten Schilderung nicht blos wie blühend die Stadt 
war. sondern auch welches Oewicht in ihr die Militär 
Stadt hatte. An der llandclsstrnssc von Atpiilcja Uber 
Kniona her gelegen, konnte dem Orte die Errichtung 
eines befestigten Staudlagers in nächster Nähe nur zum 
Vortheile gereichen, l'nter dem Schutz «1er Börner und 
durch die mannigfache Anregung, welche die rnhigen 
und verständigen Einwohner aus dem Verkehre mit 
ihnen erhielten, konnte es nicht anders kommen, als 
dass der Ort rasch aufblühte und die römische Bildung 
tiefe Wurzeln schlug. 

4. l'nter den vielen anderen Monumenten, die Cilli 
aufweist, soll hier noch einiger gedacht werden, die chic 
Erscheinung an dem Funde unserer Inschriften erklären 
und nns eine Schattenseite der glücklichen und gesegne- 
ten Stadt kennen lehren. Ks ist eine mehrfach beohach- 

1 Ein '^Mif, i»-:h riunlis-li. r Wri-i; mit Cm „Tjü^tj . /..im. ■ Inn*! un..l 
c«*ii: Hirten C'oDiL.l.'D ^L'.ctimnrktt-^ liv-jlli„e f Amt nilji I nel'rn >inrm <"U 
trlg]*f>b>itrjiir*lj; aii£nl.r»i fati'D l'frll. i. 1k.ii «ti»ÄC»t«lr»-teii )<i »bd< nk m.il* . 4*. 
v,-r..r lu »hi,r \l»< h.- riit ..-.*itn!l. Hru»lMM iu ruudr? AiL.ll /.tm. Wim 
t'mh»n wiiie* llini nVrKit d-r k k, Itf , Ir k^liAur.!" 1 *" ..»i I: |U«i>. -'Ii I-Al 
huch.'T Tli'-r»'' lili,udi f*nd nun r rtwn :m .l.iiirvii ,c»m i s'»:i '•■»] v i- •' — In' 
I.41UC uud *' Itur.'h m . «I. . V..-II .'.-l-vntcn t ijm.'li nrn. iin.t .in d< r Hü' k v. tii-l 
■I,'« «liiiö^. r.nikitu ii ll*u>.- rlei. kirim: thr<-iirinl<. l'Unr aiL, llrr.^7- . >K. 
Ii. Knut': Mitih ii M.,i V,.- r. Si. s m «ut V „u fttnutr in:. 
AuiIi lii,r>irill^ri.|ni> k«»i»n (Imilj t.tt T«k» , iudn.-h iu klö'sll. Ii, in 
^Url4ii-1c. dftn lt"\ t>(ftninii|i, /nm«l Anhaltspunkt, 1 ^'ir «Ii» 1 (.r.>n ili* 
InrtlirintUrliu Itti'.eu, k*um inajfllrh. iruii diirftr. Per *Itil', in -rlu*r jii'ii*»-'i 
<ii«l«H «Ii, • l*r.»irl«er cfrllrr :n ,' riffri), ir.^1 dir Z«-il«n . . . «3III.M- 
Itk.Ir'.r ) r.xri osvKi:i. ml: urjjx-u j<n>.ti 

lliirli.t-il.il Hrr .indtr.-, <iii. 'l"»frl ».>u .VI" t jir»«« iil», Kail, ll.i'»i.u IUm! 
;,hit nii.l V iu lit, triiit i-iiio iur IlSiftr iraui v« r -<u:r l_i/»Hn., i.,»N.r|it.;i. du- 
titCi-itM in d*tu .-bon n tkruitva tl r«tid«nkin.ile fch, tu. t»lr Tufrl U: **ni- 
viucit. mit <.inir.il.il wrnorliir, K»kliicn unnjfli,». Ihm KuuJUnuvie iiu-- 
»<it-T»ii V tr .nrh-n .iul<.-| ort M«I1i«ii .Olli..' N<ni,or. .i.il 4«rn »frlf liir ,1.., 
lUrrn f«m,mi..i- S , h t l < < r «n dir k. k Cremt-) Vmrr.i..|.io rmn. iiuiiri. - 
' Clnr ui-iiiiJ« l»r.:r|]iiu« flüHn M,h in 4t> rarhrmril, t ,ii,nn1.n ll. r-n Itvi il> 
Aiiruthiurii ilt>x; diu MuH«»»» in ( Uli. jit/r In -t,r lllblloihrk <1-- k k MÜ1M- 
und .\,.rlkr„.C'»l.|,i.l.. — K.i,.- II- .rli/.-S(.,iiii dir.», ..Ii :it.-.. rl»u». rk.- Am 

l ud« ,1,-r |Utr«i.i-M(, B-K-B iL n l'l»lr l,.n, U.ul . ... «in,.,, ll-I.äfld.. J«> HUI 

.l.iii .S.-Iiürlpl.ti-- ii.nd. und,- -nb ti>.|rn r|.i^r l>n,r.,i. >.ii.l. <; S.iil:, 
V. .13. iW. Jlklb. d l.lt. III Ii:- Vtt l'l.in t lldc- . In Vl*r..k »..o ^■-l 1 .„»l,,. 
Maucru Viii i»V M. :t°r <•■' r>l.k. .1*> »hrt hin- •_•:« l.in^i- und ir.° llrrlt,- 
I.Jttr; ur ilnr. n ,-iii*n Mitt«-tu*.i^ in .ri-K- s« i:.-n r'iumr iie rl-.rlll. ilrri il 
1|AU,rn litt K*lk tirilcllity in.'t, . M«rni"r nn-1 Sflnd-t. inpUll. Ii >t«.-.d*.r und 
w«rjr,.hi-liilHi den Cntrirlritii , In», b.^hrr. t.rb-liidr- lii'-li ii ii, rn "<l.tu-jn viel 
Ii l-:)it «urh diu <>brti iu)|jrriilirlMn , »rl mji,lv,ii Süillwn i.-hcirten l.'lu T r ni p r I 
"irr tilt-r nli-lit nu'..iliT,rli,l,ili,li tu vrranilhiili , d'tr.li dir II, irnllruaii dr» 
l".>lr», -Ind d|> li|..,. e <|. t rrn >lAqrm «trd. r nrj.l. Iill.it «.» r.Un — ' |>i. 
S^SlH.riimi riilirl »u, dti r»«itrr> U'iiKli. dr. XJII J«litiiardirtn hrr. VIIA 
S -MitlltmlU.iul Arvliii-j.. l.»wr. 1'. / I. r-l. 2.1, n. ;l. 



tele Erscheinung, dass Uber dein ehemaligen römischen 
Strassenpflaster iu l'illi eine mächtige Schicht von 
Sannschotter liegt, die häutig die Stärke von scetm 
Schuhen erreicht. Auch an der Fundstelle unserer 
liischriftsteine nnd des Mosaiks im Dereanischen Gar- 
ten ist dies der Kall gewesen, obwohl sie noch jetzt ziem- 
lieh weit nordwärts vom FlIlRschcn Saun entfernt ist und 
ehemals sicher noch entfernter war. Herr Bylofl' fand 
auch die oben genannte Säulenhalle am Ende der „Hcrrcu- 
gasse- gegen den Hauptplatz hin in einer Tiefe von mehr 
als sechs Schuhen . also an der unserer Fundstelle ent- 
gegengesetzten Seite der Stadt und dem l'fer des Flltss- 
i hens ziemlich nahe. Damit verbindet der Konservator 
Herr Stheiger iu dem schriftlichen Berichte Uber den 
neuesten Fund von Inschriftsteinen an die k.k. Central- 
Connnission tlie fortlebende Sage, dass nach der Zer- 
störung der Stadt in der Zeit der Völkerwanderung im 
oberen Sannthale ein grosser See sein Becken durch- 
brochen und das ganze untere Sannthal überschwemmt 
habe. Emilich wurden mehrere römische Inschriflsteinc 
in der Sann selbst gefunden, die der Sage nach 
auch einen Theil der Stadt verschlungen hat. Wie 
damals, so müssen auch schon früher grosse Wasser- 
gefahren Uber die letztere hereingebrochen sein; oben 
ist angegeben worden, dass ein Mosaikliodcu (in der 
Postgasse l.Vi unter sich eine Schicht von Kohle 
und Schutt und unter dieser eine Schicht von Flusskies 
^2' tief) gehaltt habe, unter welcher erst die Dammerde 
lag. Das dürfte ein Zeichen abgehen, dass schon vor 
den Neubauten unter den navischen Kaisern ähnliche 
grosse rcbcrschwcmmungcn wie späterhin stattgefun- 
den haben. Mit dieser Eigenschaft des Flusses nun 
lassen sich sehr wohl ein Inschriftstein und mehrere 
Bebels verbinden, deren Existenz in f'illi sonst unerklär- 
lich wäre. 

Im Atrium der k. k. Hothiblioihek rindet sich ein 
um 1727 ans Cilli hieher gebrachter Votivstcin, welchen 
noch Duellins an der Aussenwaud des Kapuzinerklosters: 
in ( illi sah; er ist ein Allar, •_>• 7" hoch, 1' 6" breit; die 
Inschrift lautet '-. 

NKPTYXO 
AVG SAC- CEKEIAM 
PV BLICK 

Bei allen Inschriftsteinen Cillis einhalten die Wid- 
mungen nichts Seltsames; sie können leicht ans Ver- 
hältnissen erklärt werden, die eben überall im öffent- 
lichen und privaten Leben eines Munieipiums voraus- 
zusetzen sind : auch darf man nur hie nnd da ein beson- 
deres Ereignis* als Veranlassung annehmen, indem tlie 
Votivlönuclu sehr allgemein gehalleil sind. Wie aber, 
liiuss man fragen, kam die Civilstadt, tlie in einer von 
Höhen umzogenen kleinen Ebene lag, an einem FlUss- 
chen, das durchschnittlich nicht mehr als 30 Klafter 
Breite hat, dazu, öffcnllich, also nach Bcsehlnss der 
ganzen Gemeinde und auf ihre Kosten dem Neptttnns 
einen Votivstcin zu setzen? Ebenso nehmen sich unter 
den Übrigen Bebels, die iu Cilli gefunden wurden, jene 
seltsam aus, welche wenigstens jetzt keine Inschrift 
mehr tragen, aber mit jugendlichen gehörnten Köpfen 
ausgestaltet sind, die breite Gesichtszüge und dichten 
Haarwuchs zeigen; aus letzteren ragen statt mensch- 
licher Ohren Slicrohicn hervor, über diesen sitzen kurze 

■ J tl Si-Idt. .■i.lj.-r. K.riir» VI, S, I, IW J4hrl, • > Kl « « ti V, 
S. » (W. J«hrli. 11.1, Am III,) 



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LXIV 



starke Stierhörner. Ein solches Relief befindet sic h im 
Bräuhanse im he am LaibacherThore, ein »weites am „An- 
tikentbore" im Freihanse, ein drittes am Knthhatise ein 
gemauert, ein viertes nicht mehr vorhandene» befand 
»ich in der Kaserne '. Man hat -sie auf Isis gedeutet; 
allein wenn auch anderwärts in Steiermark Yotivnteine 
711 Ehren dieser Göttin gefunden wurden, sc» fehlt doeh 
in Cilli bisher jeder inscbriftliehe Nachweis filr den Cult 
derselben. Auch /.eigen die Helictköpfc weder die Lotos- 
blume noch die flachen Mondhörncr, welche der Isis 
beständig /.ngetheilt werden; vielmehr verriith der dicke 
runde Ansatz der Hörncr, der kurze Schwung an ihren 
Enden um! die Derbheit der Muskulatur des Kopfes 
deutlich ein stierartiges Wesen. Viel näher schiene uns 
die Deutung dieser Ueliefköpfe auf eine Flussgottheit 
zn liegen, und dass mit einer solchen nur der Saiintlnss 
gemeint sein kann, ist bei der Natur des wilden kleineu 
Wassers, das an der Stadt vortlberfloss und sie zu öfte- 
ren Malen überschwemmte, einleuchtend. Man stellte 
eben «ach den l'ebnngen der allegorisirenden Kunst den 
kleinen Fluss als einen noch jugendlichen Stromgott 
dar'. Einen anderen Sinn durfte wohl auch die ohen- 
angcfUhrte Votivinschrift nicht haben, als den, von dem 
obersten Gotte de» Meeres und der Wasser, von dem 
Vater der Simui und Fhissgöttcr die Abwendung ver- 
heerender Überschwemmungen zu erflehen. Es müssen 
aber grosse und dringende Gefahren ftlr die Stadt gewe- 
sen Hein, welche die Gemeinde veranlassten, ihre Zu- 
flucht zu einem Gelübde an Nrptiiuus zu nehmen, ob 
wohl sie zugleich den Flnssgott selbst durch Aufstellung 
seines Bildnisses zu besänftigen suchten. 

II. Die Proouratnr von Norioum. 

1 . Neben den Namen schlichter Legionäre, deren An- 
denken nur ihre Befreiung von den niederen Soldaten- 
dieusteu erhalten hat, und welche, in der Militflrxtndt ihr 
Leben verbringend, ftlr uns wie alle weiter unhernhiuten 
Einwohner derselben kein anderes Interesse haben, als 
insoferne sie ftlr die Vertreter der römischen Cullur in 
den unteren Volksschichten gelten kiinnen, — lieben 
ihren Namen erscheinen auf den netten Cillier Steinen 
die von höher gestellten Beamten, unter ihnen wieder 
manche bertthmte, die ailch in der grossen Geschichte 
des Weltreiches an die Oberfläche gekommen sind und 
uns in den Berichten der Gesehichtschreiber begegnen. 

Es ist oben davon die Hede gewesen, dass der 
Titel Proeimitor Augusti für Noricinn mit r kaiserlicher 
Statthalter 11 llbersctzt werden niltsse. Daraus erhellt 
schon, welche Bedeutung ftt» die Geschichte der römi- 
schen Verwaltung in Noricinn die Cillier Steine haben, 
zumal als bis zum Jahre 1803 nur wenige Namen von 
Procurntorcn aus Inschriften, die (ausserhalb Cilli i in 
Steiermark und in Cividale gefunden worden sind, be- 
kannt naren 1 . Zn diesen 4 hat nun Cilli 12 nette Na- 

' Au. II y I I r~» <il>«n aii|(u«iihrfe» ZelrhntuiiteA t .-.ii CMlierrn'Miumenrra. — 
V'(i J il Mit: a i O s M 1 Viel, «im ikallrkr l'inu;l«Dz tci Midi» 
liaJarlr mytho] I, T.-i, HIE; v,il IJe.irrl|,t|[>n.d*ft pietrt, gravi','! du dm d'OtUao» 
I. |>. Ii? — * E> .lud r..U«Eilc tn,cnrirU!cii>n : t. »'. Hi«d(l> P r ( u | Altlc» ) 
II rlr. J il | prinie,pll lea. V tiiaee,l»rt|e.jira«i | eiiiutlimi Mnrnaeet Trrl*allUe. 
• •rar.. ,|,||J1 | ir> »lpt1" ^lirkluii'U (r. mit. roh ; VIII . pr. prlm pkl «er l'rr.tn 
rator | T l'Uudl fecjantAiiic fiermaal*! J InN-jhc? | elTktar. '* sae, iiuiq cl Lakau- 
earbui. — II >4. (JhJ, I alailrr-n I praelet! | praetor ' I.. l'atnml | S*,-uitiill | p. p 
praef l«g. | ,«•«.-. Allij »n-le», a°» S#,k»u. II. K u»l.l, Min«. .1. hi.t V«. I 
Rlei.eir, V iuS «IM VI, lf.,\l.r.!lrnml ihn mll KTnier Wahruhelnlkhkcii an. die 
Zell zaluhtu 1:1» «. l.V» n. Chr. III MJtSraiit.li. IM.", am Ii»' her*-rblrxr bei 
Mnrn U»l (.'.linden. M. | Venu | pröe. 1 A« | lue | |»„ull. >eldl, 

•pur. lue«,, V. S. U. .. iW Jahrr. J 1.11. 11,1. u:.. .\,„. Hl.l - IV An. K.l- 
r.i,>l.li. «.vi S> II,««-,« 1.-1 r.UU. I. O U i M...|inlu 5 | 5»", -u, b.nef. I C 



inen geliefert, so dass jetzt 16 Proenratoren bekannt 
sind. Von ihnen gelang es jedoch nur 7 der Zeit nach 
zu bestimmen, indem bei 1» Namen jeder Anhaltspunkt 
fehlt, um eine sichere Zuweisung in das eine oder das 
andere Jahr oder uueh nur Jahrzehend vornehmen zu 
können. Die Name« der Proeuratoren sind keineswegs 
ungewöhnlich, vielmehr es begegnen in anderen Inschrif 
ten sehr viele ähnliche, auch bei den GeRchiehtsehreibern 
finden -sich zahlreiche Persönlichkeiten mit ähnlichen 
Namen. Allein es mangelt, zumal bei letzteren, wenn der 
Name selbst zutrifft, der Vorname oder der Beiname, 
oder es sind dort mit den gleichen Namen andere Vor- 
und Beinamen verbunden, als die Proeuratoren fuhren 
in anderen Fallen wieder befinden sich keine beglaubig- 
ten Mittelglieder, mittelst deren wir einen Proenrator- 
namen sicher auf diese oder jene von Gcschiehtsehrei- 
bem oder in Inschriften genannte Person bezichen 
könnten, so dass also nur das sehr weite und unsichere 
Gebiet der Vennuthungen Übrig bleibt, deren freilich für 
jeden Namen mehr als eine aufgestellt werden könnten. 
Es durfte zweckmässiger sein, noch andere Funde abzu- 
warten, welche der Cillier Boden an jener Stelle sieher 
noch gewähren wird, und vorläufig au dem bereits ge- 
wonnenen Materiale jene Ztlge zn beobachten, die ge- 
eignet sind, von der Verwaltung Norieums durch die 
kaiserlichen Proenratoren ein charakteristisches Bild 
zu geben. 

Zu diesem Behufe möge voran die Reihe der dem 
Verwaltuiigsjabre «der der Epoche nach schon bestimmten 
gestellt werden und ihnen jene der noch unbestimmten 
folgen. Zu ersteren mögen auch die wenigen von Ge- 
sehiebtsebreibern genannten , in Inschriften nicht vor- 
kommenden Namen gestellt werden (sie sind im folgen- 
den Verzeichniaa mit einem Sti rnehen bezeichnet): 

41 — 58 C. Baebius Atticus (Cividale^. 

* Ü8 Petronilla Crbicns (Tue. Hist. I, 70)'. 
!<6 !»8 Mcinniins Apollinaris i Cilli). 

138 — 161 L. f'aminins Seeundinns (Seekan). 
108 l'stienus Seeundinns 'Cilli). 
I,"i9 Bassacns Hufus (Cilli). 
160 Flavius TitiamiB (Cilli). 

* 203 Poleunius Sehen mis i Dio Ca««. 76, p. 864) 
244-249 Clpius Victor (Cilli). 

Zu den noch unbestimmten gehören: 
C, Anfistins Aitspex tlteifcnstein). 
i). Caeeilins Kcdditns (Cilli. siehe das Verzeichnis* 

oben No XVIII). 
C. Censorius Niger (Cilli, neuester Fund No. 3, 4). 
Drasns Proeulus (Cilli, im Verzeichnis» No. XIX). 
Q. Lisinius Sabinus (Cilli, im Verzeichnis« No. XIV 
bis XVII). 

| \ii»j,i, |, | |.rir An* | i , «, I m. 8f i d I. In den epicr Enurscn V, S. II, 
So t*;Wr J«>,rb J I n Ud III, Am. III • • Von l*kr «(»»<*> Wichtigkeit 
«irc rln auf dem Sehlvi »borge zu j.litz Im lAnd* ob der Kua gefundener 
llnh Tlr: , wen , der.c'b« «rliaKvii nüro; von dwr !«,,.< hrtfi kann ülir 

„»]. ...rilan il« l ... ol Untllf ' foiil, AI i lu.l'mltKl | (Ir-ilm,!,, Jt. p">- 

,'iir«*'>n») «cl- Prlts. Gc«chl<bt« dca Luid<i ob d#r Ku> I, 44 und 

} O • i > h !• r|« r Inn XIII. Befiehl d<l M.,»eum. Kr»mUe« Carolluwc I«5.1, S .'id, 
Nu. f,v Ohne /«u£r«t kttod M*r dor Namo nio«. Prucuratnr prfc**r>. il. h. riii** 
k«J..rll. itn Sunl,»ll.»» l>< d„r «r,1» Nleia Im l'rrtimicliin, drtdru Süll 
balliir ntnnl. Leider l^t rmn de, Nanir (1c«^elbl•ll Dlehtmclir zu entrüttuf |R; 4fr 
M«ln wl-d ubrlccn, In dir Zril n»rh M. Aurel TcneUt, wtleher 4le lr<(o X vom 
Uhrln nie,, Norlrum b«rU-r, w-> «10 über ÄHO Jahr* Turhlleb. 

' Ur.-lll.WJ» — ' «u<ur, »«l.-lnrauIdl.^SLIinaofnirrk.unmaeM«, 
»riKuth»!, .l»>» Her >«»T» il. III» III. i u IV -imriia.nntr S»»tlltn« Kell» auch 
Pruesrat.ir v.m Surlrum «ar; er hatte Im hanipfc Veipvlmn. rull Vllelliui arilt 
»leer »urUnJtchi n Kelter- 1 haar, aeht < - oli^n. u »lud der c o r I , , r. e u .1 o t o n d 
den Iud zu b«j.<z,n,iiin der. an Vilelliu, feaihallund»» Pr..<urai..r P mlo« S*z- 
Ublnu. zu t>.ul>nehiui. Mi t li,liUl »~hl. iUm .Se.lill«. Pi.iiim« von Xorifom 
»«r; «IlDlu aiiA.lrüekll.l, l>i d,,., nIOit «naef und ►• mit kann er eben aneb Bin 
änderet Heerfiilm r In 'I. n,. V«>p»>l»n auha^ll, hen Heere iiiruii •»!>. 



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LXJll 



Plautius Caesianu« (Cilli, im Verzeichnis» No. XX). 

M. Porcius Veras (Maria RostV 

G. Rasiuius .Silo (Cilli. neuester Fund No. 5). 

(Rn)fus?Gentianus:(Cilli,im Verzeichnis» No. XXI). 

Endlich lassen sich dieseu noch anreihen drei prae- 
*ides Norici .mediterrauei- mit dem Titel: „viri perle? - 
tissimi- au» dein Anfange des [V. Jahrhunderts, nämlich: 

Anrelius Hennodorus (311 n. Chr.)'. 

Fabius Claudius (aus der'/eit Constantins d.O.. an» 
Seckau) -. 

Martiiiiumis (etwa 3:57 n. Chr., au» Cilli)'. 
In Noriciun ripense wird au» derselben Zeit Aqtii- 
liutis als Verwalter genannt '. 



•2. Wie bestimmt und herkömmlich festgesetzt das 
allgemeine Schema fllr die Verwaltung des Reiche* der 
RJiuier w ar, zumal zur Zeit der Republik und der Kriege 
mit ausländischen Regierungen, st» schwankend und 
veränderlich im Einzelnen müssen jene Einrichtungen 
bedacht werden, welche in der Zeit der Kaiser von die- 
sen selbst, und in den ihrer eigenen Botuiässigkcit 
anheimgegebenen (kaiserliehen) Provinzen getroffen 
w urden. Denn einerseits waren sie bei Verleihung der 
Stelleu, bei Erweiterung und Einschränkung der mit 
diesen verbundenen Befugnisse unabhängig und an kein 
Herkommen gebunden; andererseits waren die Verhält- 
nisse in den neuerworbeuen Ländern, namentlich in jenen 
an der Üouaii. noch zu neu und zu wenig eonsolidirt, als 
dass ohne Weiteres die Anwendung des allgemeinen 
Vcrwaltnngsiiiechanismiis auf sie hätte statttindcu kön- 
nen. Sehr bezeichnend ist dafür die Einrichtung einer 
neuen Verwaltungsbehörde der kaiserlichen Proeura- 
tur in mehreren I'rov inzen, die gegenüber den soge- 
nannten Kcnatoriselicn (von Augustus dem Senat zur 
Administration Uberlusscuen) als kaiserliche Provinzen 
zu betrachten sind. d. h. als solche, deren vorwiegend 
militärische Verwaltung die Kaiser sich vorbehielten, 
die aber auch von diesen wieder in mannigfacher Hin- 
sicht abgesondert werden müssen. 

Schon die Entstehung der Proeuraturen deutet ilar- 
auf hin. So bedeutungsvoll nämlich der Gedanke Cae- 
sars, die natürlichen litviucn des Weltreiches zu gewin- 
nen, lllr dieses geworden, so politisch nothweudig und 
bewuudemsvverth er gewesen ist, so lässt sich doch nicht 
in Abrede stellen, dass seine Ausführung zugleich den 
Kaisern aus dein Julischen Hause sehr zu Statten kam. 
Nachdem die Eroberung Gallien* das militärische inter- 
gewicht Caesars begründet und seiue Finanzen gehoben 
hatte, war die Politik der nachfolgenden Kaiser, nament- 
lich von Tibcrius, Caligula und Claudius darauf gerich- 
tet, zur Befestigung der Hatt-marlit und der ererbten Stel- 
lung im Staate Provinzen zu erwerben, die recht eigent- 
lich KroiigUter genannt werden können. Hie Erwerbung 
selbst wurde nieist mit grosser Feinheit vorbereitet, 
manchesmal auch mit vieldeutiger Raschheit durch- 

' Or.l II khs«. d.r »I.Ii, I« In BranJ.lriur in Kürnli.cli. - ' Ortül MW. 
•Mi" K«'.'.r.. II,». i.V* (W J .1 1.1. K in;, «v» s.rkan -<s, , .11 

• m. O s. It O, „in. _>P« ,cr Anür I p ». S« au» i,r »IU St II« 
rl.ni. K ni.lii-.r.u h«ari..nunii.n «n muti, nacb p 10 mli dar U<.ild«nt In 
T.ni.rla.um, I^|,1,„t I.. dl. Kucnild»»«, »t, dir »liil ,1,1.11. «... M .rl.l auf 
»«•flihrlc I>«I«ht,Iu. S.ti«unu. l'r„rurai.,r «.„...ii *.|. IM,. r». 5! „r IT«, |. »CO 

• rt&hll. da« «r wo«. ,. >.ln«r fre»h.n l ur.crtobtltk.ill.il - 1,11 Jim PrK.ti In 
l'.i.noiil.ii Sabli.ui rf.n N„riWni inr Tcd«sir*r* ao.e.ln.r.it «„r.t.n, «a^as 
V<4|. jpr,rrti. rniTTi,r,<«|-. - .111 i,r ift „mrr IL.xUruni: ( ülirr ml nirk,u 
NdUII-l,.. «.tn.li Iuliio. !>.-. Im b.n.kl.n.n.l rC. dl.- Varaaltiin«, 
(..■Uli. «ual-lrli t>ur«.rtkli und ir,ll,l»'rl-rt, IM 

IX. 



geführt So geschah es mit Cappadocien. Schon bei 
Lebzeiten de» letzten Königs Arohelaus wurde von Augu- 
stus ein lWnrator eingesetzt 1 und nach des ersteren 
Tode von Kaiser Tiberins die Provinz eingezogen und 
bis auf die Zeit von Kaiser Vespasianus durch einen 
Proeurator verwaltet*. Nach Thrucicn sehicktc Kaiser 
Tiberius einen Beamteu mit praetorischem Rang« gleich 
nach dem Tode des Königs Cotys, um für dessen Kinder 
das Reich einstweilen zu regieren, römischen Einfluss zu 
siehern und das Volk an die römische Herrschaft zu ge- 
wöhnen ; Clandius macht das Land zu einer Provinz schon 
im Jahre 4»> und stellte einen Proeurator auf. Ebenso 
bestätigte Tibcrius den Sohn Juba's, des Königs beider 
Mauretanien, Ptoleiuacus und zeichnete ihn mit 
den alten Geschenken des Senates, einem elfenbeiner- 
nen Stabe und einem gestickten Rocke aus, als Bundes- 
genossen und Freund 4 . Caligula tödtete ihn. da er 
„wusRte, dass er reich war* \ Claudius theilte das Land 
in zwei Theile und richtete Proeuraturen ein r '. — In 
den Seealpen war der Konig Cottius selbst nurmehr 
eine Art von kaiserlichem Verwalter'. Uud um noch das 
wichtigste I-and anzuführen, Aegypten wurde seit 
Augustus durch einen Proeurator verwaltet, der unter 
dem ausgezeichneten Titcl r Pracfeotus u das Land regierte, 
in welchem Sinne, darf nicht gefragt werden nach den 
persönlichen Beziehungen, in denen Caesar und Augustus 
zu Cleopatra gestanden hatten, und nach der eminenten 
Wichtigkeit des Landes für den jeweiligen Herrscher 
in Rom*. Dagegen ward Judaea schon seit fi.'i v. 
Chr. vorzugsweise Stenerland, dessen Könige, soweit 
sie anerkannt wurden, nichts mehr als Proiuratoron 
waren \ 

Als Gründe, warum die genannton Länder in abwei- 
chender Weise von den übrigen sowohl seiintorischcn 
als kaiserlichen Provinzen verwaltet wurden, gibt Becker 
locnle Besonderheiten an , welche die Durchführung der 
römischen Einrichtungen in ihnen sehr in Frage gestellt 
haben würden, wenn sie sogleich versucht worden wäre, 
so theils den gebirgigen Charakter des Landes, wie in 
den Alpen, theils die niedere Stufe der Cnltur, wie in 
Thracien und Mauretanien; tbeils endlich die starre 
Anhänglichkeit der Einwohner an dem Hergebrachten, 
wie in Judaea und Aegypten. Diese Gründe troffen aller- 
dings zu und in einzelnen l*rocuratnren , wie in Radien 
und Thrncien. wurde die Verwaltung späterhin nach Art 
der kaiserlichen Provinzen wirklich eingerichtet; aus 
welchem Grunde ist aber wohl noch zweifelhaft . indem 
die Ausbreitung römischer Cnltur ja auch lllr andere 
{.ander nachweisbar wäre und daher auch hier die 
Änderung in der Verwaltung hätte eintreten müssen. 
Es istauchganz möglich, dass diese Gründe vorgewendet 
worden sind, ja dass sie für den Anfang wirklich die 

' l'io t :«».lit. II. — 'Tu . aun. 11. 4». Swl. TU. »;. t'aJU- 1 - Voll. in» 
II. 3». — Kai>rrTit-rrla» >'"♦"' Um » lc Thr»„ y|...]|. ...n S. bim ., I-.. :. i. n und V. r- 
.^T^hundf n ntrli |{«m rlDifrladru und al-dann beide nl-lit m.lir wrricrlUM:i, 
— Hii c k . r. 1Mb. .1, rüui Ma*t>altvrlli. III. I. S. IUI. - 'Tarlluj, Ann II. «17. ■ - 
* E u * . l> I u a, Chron. l> 1WU Iii. < Iht*. tiii.*«» Thttnr« »». .^!i.>ii » >tn Agtlfi t 
.»ctM »t<rd«ii. — 1 T»c. Ann. IV. ?U. ■ * mr ttfi\ht Zu r-t'.-i-il Dlt. i^*f-lii" i:i. 
» — * tiinC««« .1:0,». H I I n Iii. V, I, > 11 II • V: .:t-,\ ■■•nute M.« »I . r.i<-Oi 
Awnn n<il;iir>ti «rrk lil.l.n Hcnru .pr»nf.ttu>" H>-i Mb r.f.: K.i.rr 1 UuJIu. ver- 
^ri.non. U"th sein (i.bk*t. In wrkhtni .r Ilm ■n,-rknini hmr.v Sit.- f.'.k nncii 
<.ibihiiTh.Ii. dv.ii llKtln Surlc.il. S.10. I* — • l>le K«i>rr wnlltfli dl- Tjnd. <l.i> 
din .^r»Ui:lirh.le (,«!/. i>la|im »m« li.r Knai aar, al.lil . in.u, Slaal.imn.l. 1. ik.r- 
j.b.n. iltr bil ctw»i|i<-r K.tclllnn \(^m .l.r> d.Ti lairM Lrliaapun und dla 

sia.tl dur.t> lluux. r, w.m« »u.h am. i«, (ro.nr Kntrnrnutii:, ml Amrldii.»»« 
i.lniCT. k ,n..U. Tai. Iii« III. »; MI, «l>. Vgl. B«<..r, lldli. d tSm. Sw«l». 
«Ilatlii. III. 1. S- tm 9 »i-hr b.ltl.lmcn^ Itt. da» S I'MI-v adr Klar. T- VH7 du 
I .-.ml da> cr'i».;« all ■! IU-. U» Iii Ii nie 1 li.nnl f. 11(711:.. tiir. a-T.i.ii uu , 
urddaa. Ta.llu. »icn aunliärkla _t). |,.»auit Ol l»».l InCinult- Nl.l.l al» -laar.. 
iluttäac. ! ..dorn all Kinn «dnr llin,|(Tit nalitn Kai..r Aiicu-m. .la» Land fii 
.I.D In K«,.t«. » ll.ik.t, IKudl. .1. r. m S^aOalt. rit. III, I ;«. 

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LXJV 



massgebenden waren. Demungeachtct kann man «ich 
des Gedankens nieht erwehren, dass auch die Hanspoli- 
tik der Kaiser, namentlich die weitsehanende und feine 
der Kaiser Aogustus und Tiherius, mit in die Hinrich- 
tung der nen erworbenen Länder hincingcspiclt habe, in 
der Absicht, ans diesen, wie einzelne Posten durch das 
Keieh verstreuten Gebieten, Domänen der Krone itu 
machen. 

Es erhält diese Vcnnutbung noch mehr Wahrschein- 
lichkeit, wenn der Charakter der Verwaltungsbehörde, 
die in diesen Ländern eingeführt wurde, in nähere 
Betrachtung gezogen wird; namentlich der Titel, die 
amtliche Lantbahn und die Competenz der Procurato- 
reu wirft einiges Licht auf die Sonderstellung', die 
sie im, Körper der rtfmischen Beamten eingenommen 
haben. 

Voratis inuss bemerkt werden, dass Procuratoren, 
die ursprünglich eben nur „Verwalter- 1 der Guter von 
Privatpersonen sind, als deren Sclavcn oder Freigelas- 
sene am häufigsten vorkommen. Eine hervorragende 
Stelle nahmen unter ihnen die kaiserlichen Procurato- 
reu ein, die alle zunächst Verwalter kaiserlicher Güter 
waren, also zum Status der Hans- oder Hofbeaintcu 
gehörten. Demnächst bedeutet Procurator einen Verwal- 
ter Uberhaupt und es ist wichtig, dass bei der Theilung 
der Provinzen in kaiserliche und senatorische der Name 
auf jene Beamten in den erstcren überging, welche die 
Finanzgeschäfte der Provinz leiteten; sie waren sehr 
angesehen nnd standen dem Militärgouverneur heigeord- 
net, in derselben Weise, wie es den Proconsuleu in den 
senatorischen Provinzen die Qnästoren waren. Sie waren 
Kitter oder Freigelassene und führten zur näheren 
Bezeichnung ihres Amtes den Titel lVocurator seit Dio- 
cletian mit dem Beinamen „rationalis- ; wir heissen sie 
im Folgenden Finanzprocuratoren. Endlich trugen 
denselben Namen „proeurator - jene Beamten, die in den 
weiter obengenannten Ländern, als sie römische Provin- 
zen wurden, an die Spitze der gcsnmnitcn Verwaltung 
traten. Wir bezeichnen sie znm Unterschiede von den 
zuletzt genannten kurzweg als Procuratoren. 

Schou der Umstand, dass die neue Behörde jenen 
Titel erhielt, welcher vorzugsweise mit Finanzgeschäften 
verbunden war, weist darauf hin. dass man als die 
Hanptscitc ihrer Thätigkcit die finanzielle betrach- 
tete. Sonst würde gewiss irgend ein neuer bezeichnen- 
der für sie eingeführt worden sein ; sehr nahe lag es, 
dctiTitcl „prncses" für sie aufzunehmen, der zwar im All- 
gemeinen jeden Statthalter bezeichnete, aber insbeson- 
dere dem der obengenannten I*rovinzen hätte beigelegt 
werden können, indem er durch diesen Titel von den 
bestimmten der Statthalter in den kaiserlichen Provinzen 
(legatns Augusti) und in den senatorischen (proconsnl) 
deutlich hätte unterschieden werden können. Allein, 
obgleich auch der Procurator hie nnd da den Titel „prac- 
ses" wahrscheinlich zur Unterscheidung von den Finanz- 
procuratoren fährt, so ist fUr ihn der oiBeielle und daher 
vorzngweise in Inschriften und von Geschichtschreibern 
gebrauchte der eines r procurator". — Es stimmt 
damit Ubercin die Consequenz, mit welcher ein Procura- 
tor während seiner amtlichen Lanfbalm ftlr Finanz- 
geschäfte, verwendet wurde. Die Laufbahn dnreh die 
höheren Ämter begann für alle Beamten mit dem Militftr- 

' U.tkrt jl l. tl s. hui. - •■ V«i. M.ta*rT»,lti.,.W III, M. 



tribuuato; die Vertrautheit mit dem Commando Uber 
eine Hceresahtheilung ist durchweg die erste Bedingung: 
dafür. Bei den kaiserlichen Beamten, die keine Procura- 
toren .waren, führte der ordnungsmässige Weg der 
Beförderung stufenweise durch alle jene Stellen empor, 
in welchen die verschiedenen Zweige der öffentlichen 
Geschäfte repräsentirt waren, das Finanzwesen, die 
Polizei nnd die Justiz (die Quästnr, welche die nächste 
Stufe nach dem Militärtribunale ist, die Adilität oder 
das Volkstribunat , endlich die Praetur) ; hierauf folgte 
der Befehl Uber eine grössere combinirte Hecresabthei- 
luug (als Legatus) und erst dann konnte die Statthalter - 
stelle in eiuer kaiserlichen Provinz beansprucht werden. 
Bei dieser Art der Laufbahnen durch die höheren Ämter 
herrscht eine Folge nnd eine Buntheit, die in jenen der 
Procuratoren fehlt. 

Aus einigen Inschriftsteinen, welche die Titel der 
ciuzelneu Ämter , die jeder auf dem Steine genannte 
Procurator führte, nach der bekannten Ordnung (die nie- 
dersten zu nnterst) aufzählen, kann die Lantbahn 
mehr als eines dieser Beamten verfolgt werden ; es 
geutlgt einzelne Beispiele aufzuführen, in denen wie 
Uberhaupt immer das Militärtribunal die Ausgangsstellc 
bildet. So kam nach einer Inschrift , die sicher in die Zeit 
des Kaisers C.'landins zurückgeht, C. Baebius Atticus vom 
Militärtribnnat sogleich zur Procurwtur von Norieum und 
wird weiterhin r Präfect der Städte in den Scealpcn, 
dann jener in Mocsia und Treballia-'. Der auch anf 
einem Cillicr Steine genannte Bassacus Kufus kommt 
zunächst als Finanzprocurator nach Astnricn und Gal- 
laccicn, dann als Procurator nach Noricuiu, hierauf wie- 
der als Finanzprocurator nach Belgien (und beiden Ger- 
manien); dann erhält er die wichtige Stelle eines „prae- 
fectus Annonae- nnd wird hieran! Präfcct (Procurator) 
in Aegypten'. Ein C. Jnnius wird, nachdem er Procurator 
in den Seealpen gewesen , Finanzprocurator in Astnricn 
und Gnllaccicn und kommt hierauf in letzterer Eigenschaft 
in gallische Provinzen '. Auch L. Valerius Proculus 
beginnt seine Lnufhahn mit der Procuratur der Sce- 
alpcn und erscheint dann in Spanien (Baetiea)als Finanz- 
procurator, wird darauf Procurator in Cappadocien, dann 
abermals Finanzprocurator in Pamphilicu (Lycaoiiicu 
nnd Oyhera) '. Titus C'oruasidius Sabinus erhält nach der 
Procuratur in den atraefianischen nnd poeninischen Alpen 
jene von Dada apulensis*. Sextns Octavius Front«, der 
unter Domitian die Procuratur der Seealpen erhielt, 
machte früher auffallenderweise den Flottendienst in 
Britannien , dann auf der Flottille in Mocsicn und Fan- 
nonien durch", sowie der eben genannte Sabinus vor 
der Procuratur in den Alpen die Flotte von Ravenna 
befehligt hatte, und Proculus vor jener in den Seealpen 
Präfcct der Flotte in Alexandrien war. Noch licsse sich 
T. Varins Clemens anführen, der nach der Finanzpro- 
curatur in Belgien (nnd beiden Germanien) die Procura- 
tur von Raetien, dann jene von Maurctania Caesarieusis, 
endlich die Finnnzproeuratnrcii in Luxitania nnd Cilii ia 
versieht'. 

1 V S I. l'.iiMtui .m.1.1 .-..,•» Mt.'/»rnr ,1 Ii S,i4l in 1, <n DvJtr •«<<■■ *" 
«•ioam N*m*n>->*Tr.'lt-|i. ,1 !'iirnnll..ri'i. » Ni.rl.iim. Jiiu<r r H'l. \lll S. M — 
>.\,«.0. x. .4 Or> Iii — 'in-.-lliW.I >|..,ili.T,.T«,.|.. ist hl»t V Ti.«if-.>it« 

(«IlCll 1»JUirl, Hll1<»r IT, »1t «Ulli hl'lKU IllllU.. J«H,I Iii A,MI/I,TI Ulllt I , *l 

Iwimi »•...j»«l.»«.MfW..l. 4xuu Vi ,iii»i<t ,.. 4>a S. .-»Ijn-r. qa4 Klrt«ilf »lli«i.I- 
|ir,imr...,r in Arn galllxl.'» CroYi.in-.. wiml.' - • Ortlll JrtlO. «W» -• 1 »" »I 
an*. -•Oiflli 3UIH. > l>r.HH-y AikIi i,i«r ..riunlW I. K «-l««h l.lil^ in 
T.I.II..tj.. , In.l.-i-i »....,1 I..' rinui/j.rnill. lim Iii ü.l«,. und UrmuniLtunr »!•« 
Crutiiriliir l.ilgt, niclil «St.r r -.il.l.ri. v,.| ,ii k . „. 



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LXV 



Aus dienen Beispielen durfte zn folgern «ein : 

u) Dass an die Stelle der Quästur, welche in kaiser- 
lichen Provinzen nicht cxistirte, die Finanxprocuratnr in 
irgend einer kleineren kaiserlichen Provinz, wie Lusita- 
nia oder Asturia auf das Militürtribnnnt folgte. 

b) Dass jene Beamten , die einmal irgeud eine Pro- 
curatur versehen haben, nicht weiter Adilität nnd Prä- 
tur bekleiden, da ja die Procuratur, vermöge welcher 
eine Provinz nach allen Richtungen hin verwaltet wird, 
diese Stellen gewissermasseu cumnlativ in Bich fasst. 

<•) Dass ein gewesener Procurator weiterhin nur 
wieder als Finanzprocurator , sei es im Allgemeinen für 
die geaammte Finanzverwaltung cinca Landes oder ins- 
besondere für ein/eine Theilc, z. B. die Erbschaftssteuer 1 
verwendet wird, also specicll in dem finanziellen Depar- 
tement. Wenn er nicht wieder irgend eine Procuratur 
in einer anderen Provinz erhlilt, so erscheint er fast 
durc hgängig als Finanzprocurator iu verschiedenen Pro- 
vinzen. Das gläuzeudsle Beispiel einer solchen Lauf- 
bahn bietet die Anitcrfolge des Bassaeus Rufug; sie 
zeigt, dass nach der Finanzprocuratur in grossen 
kaiserlichen Provinzen, mit welcher wohl die Carriere 
der meisten mochte geschlossen haben , dem Emporstei- 
genden noch mehrere Stufen winkton, nämlich die „prac- 
feetnra annoiiae" und die Prätectnr von Aegypten, nach 
heutigen Begriffen ein Vicekfmigtlmm 7 : nur eine per- 
sönliche Auszeichnung für Bassaeus mochte es gewesen 
sein , dass er den höchsten Gipfel seiner Laufbahn als 
„prnefectU8praetorio a erstieg, die ihn zur nächsten Person 
nach dem Kaiser machte, aber im Grunde anch kein 
Staatsamt, sondern ein Hans- oder Hofamt war. 

Als Ergchuiss der bisherigen Betrachtung stellt 
sich also die bestimmte Wahrnehmung dar, dass aus der 
Ämterfolge derer, die Procuratoren waren, eine con- 
sequente Verwendung für das Finanzwesen sich abneh- 
men llisst, wie ja schon der Titel „Proeurator" anzeigt*. 
Dies rauBs vorlaufig festgehalten werden. — Wollte 
man noch eine weitere Folgerung aus den Laufbnhuen 
ziehen, die oben angeführt worden sind, so wäre es jene, 
dass fttr die Procuratur das Moutanweaen eine her- 
vorragende Rolle spielt ; es trifft damit zusammen, dass 
fast alle Länder, die von Procuratoren verwaltet wur- 
den, reich an Bergwerken waren. So wie für die Pro- 
curatur in den Seealpen und den ihnen zunäehstliegen- 
den Gebirgs'districteu eine nichtige Ausbildung im Flot- 
tendienst vorausgeht, ebenso erscheint, fast constant, 
Spanien in seinen einzelnen Thcilen, namentlich Gallae- 
eien undAsturien, eine wichtige Rolle in der Vorbildnng 
und Verwendung der Procuratoren gespielt zu haben; 
Spanien war aber vorzugsweise das Land des Bergbaues. 
In demselben Sinne dürfte auch die Verwendung des 
T. Comasidius Sabinus in Dacia apulensis zn verstehen 

' Hcljp.. !.. l.ol <>r rt II SWS, 3:111. :..VUi, lt*IS, fi?IT. »ni dur.lij. In nd« dir 
V.!TW»ltlilin .Irr l.rb. rb.lt. I.uer fpr^liralor ..d.r Ma|ri»l«r »|r»»lm»e hrrrdHa 
Uum.id.'rlieredltarlacJ l»t, xit welcher k< «e 't-pv l*r> .-tiT«((.r.;ii .drr }'ln.uiipri<e..ra- 
lereii lierurua «erden - lojchrim.. b keimet. »n<h drei Än.trrii>rg.ti ....lig«»!. - 
>eu werden, dl« hia «ur Prüfxlur <ran A«< > puu |H r 1 1 i f-Hl. »tili oder 
■ »aiK't»ii* •« Je"" d»r Annce (lihrten (Orelli Wl;| »II.- te-li.n Im [:n-,fnng.. 
de» rmanilellen Departemente vor «eh. - * Ali die elnilge Aumaiiuie kilnoln dir 
Tn*rhrUt bei Ürelll b'!rf4 All^ufübrl «r rdeu. de ritt I 1I511 ein I.. Ci-mel I u» im 1t de r 
l'rocurator ,.Keut>ole<M Mau'»!*!- .jurfdlru.* iu Alrtaiiilri.'t* wird und hleraet 
«um Prnon.uUle A.lrn. g.'lauirt, ativ ein ,l'ii<irepit und d.iMi dl' ccirnrnlc Adminl 
ptr»tl~n clavrseiiaterl.rhcn_Prr.vinr. erhalt. Allein r» l*t w^hl 111 bemerkru, 4«»» 
derselbe In keinem »einer Ämter el» rre.uraXor, »oiid.-r» In eilen »I» Flii*u»i>n>- 
.-urator ertrhelBt. Aach ili.' Kell«, Iii welchen dcrlrt rlean.le am Knde ihrer Car- 
riere Peiitificr» und ria»ilnei werder. , *!>■> prle.lerllrhL' Wurde erlangen, »lud 
M-hr «elten ; xwelanal erscheinen mit 4te»er Würde Klii»nKpro.-«trat>>reu tOrelli 
f IM. GülJ) und nur einmal ein Froeurawr Ii. de» r l,.„ Alpen (Ort III »15«) ; 
d(*i« Wurden dürften außerhalb der »mtlirh«e l.aull.abn llriren, und »ni >lt 
)a durch den KiliflllM der Kftl.er verliehen wurden, mttir *ln Kuh»j.i>»(ea> auf- 
aufaiaeu sein. 



sein, das ja auch, wie Dacieu Überhaupt , in montanisti- 
scher Beziehung sehr wichtig war. — Mit gleicher 
Beharrlichkeit kehrt in den genannten Ämterfolgen 
die Finanzprocnratnr in Belgien und den beiden Germa- 
nien wieder; nur folgt dieselbe in der Hegel der Pro- 
curatur, so dass sie fttr die Ausbildung der Beamten eine 
höhere Stufe bildet. Das lässt sich wohl damit verbin- 
den, dass diese Liindcr bei dem regen Militärleben, das 
in ihnen herrschte, eine tUchtige Schule für die Kennt 
uiss des Finanzwesens in Verbindung mit 
dem Heerwesen abgaben. 

Endlich muss auffallen, dass die Procuratoren, die den 
Staatsbeamten entgegen gesetzt werden, also wie schon 
gesagt wurde, Hofbeamte des Kaisers waren, nachdem sie 
die Procuratur verwaltet hatten, in den Status der Staats- 
beamten, als welche die Fiuanzproeuratoren doch zu 
fassen sind, wieder eintreten und darin weiter aufrücken; 
auch kommen sie dabei zu verschiedeneu Malen wieder 
als Hotheamte vor, z. B. wenn Bassaeus Rufus nach der 
Procuratur in Noricum die Fiuanzprocuratur in Belgien 
und spitter wieder eine Procuratur. nämlich jene von 
Aegypten erhalt. Es folgt daraus, daB8 eine scharfe 
Sonderung des Status der Hofbeamten von jenem der 
Staatsbeamten in den ä mt liehe n Lau fbahnen nicht 
eingehalten worden ist, wie es jener Zeit und der Regie - 
gierungsweise der ersten Kaiser entsprach, ftlrwelche es 
keiu fest bestimmtes Herkommen gab. 

N'och ist der Compctenz und der Stellung zu geden- 
ken, welche die Procuratoren vermöge der ihnen ein- 
geritumten Befugnisse genossen haben. Wie aus ge- 
schichtlichen Berichten ' und aus Inschriften : hervorgeht, 
hatten sie den Oberbefehl «her die im Lande liegenden 
Truppen und das Recht Uber Leben und Tod zu ent- 
scheiden, d. h. sie Übten in Stellvertretung des Kaisers 
das „Imperium" und das .jus gladii J aus. Dadurch 
erhielt ihre C'ompetenz das volle Gewicht, dessen sie 
bedurften, um die gesammte Administration eines Lan- 
des durchfuhren zu können. Es ist eigentümlich, dass 
derselbe Kaiser Claudius, der mit seinem wirtschaft- 
lichen Sinne mehr als ein fernes Königreich eingezogen 
hat, die Procuratoren in so besonderer Weise auszeich- 
nete und begUustigtc. Es hatte zwar schon Augustus 
verfllgt, dass die Priifccten Aegyptens ebenso rechts- 
kräftige Gerichtsverhandlungen .Uhren und ihre Be- 
schlüsse ebenso gelten sollten, als die der römischen 
Staatsbeamten (magistratus romani) ; viel mehr aber 
hob Kaiser Claudius das Institut der Procuratoren. Er liess 
öfter den Wunsch vernehmen, dass die Urtheile der Pro- 
curatoren dieselbe Kraft haben sollten, als wenn er 
selbst sie gefällt hätte. Der willfährige Senat erhob 
diesen Wunsch in einem vollständigen und ausführlichen 
Beschlüsse zum Gesetz (53 n. Chr. V, wodurch das An- 
sehen der Procuratoren auf das Höchste gesteigert nnd auf 
alle, nicht bl<»s jenem von Aegypten ausgedehnt wurde. 
Dazu kommt noch, dass der Kaiser selbst schon früher 
jenen Procuratoren, welche „ducenarii" waren, die „orna- 
menta consularia" verlieh«, also dieselben Ehrenzeichen, 
die den höheren Legaten oder Statthaltern in den kaiser- 
lichen Provinzen zukamen. Ducenarii waren jene Procura- 
toren, welche 200.000 Sesterzc Besoldung hatten (unge- 
fähr 13.000 Gulden unseren Geldes in Silber); sie standen 

' V(tl. T»c. HUt. I. Iii. — 1 II c p k o r, Uudb. d. rüm. Allorlhumer III. 
I, 8 .Vi| Aul laai-hririen «Ird die» Rrelil nur lile und da «ludriiialirb «*. 
aa>M,i. Il.orel II J«*>. - ' Tue. A.n. XU, «... - •Suete». Claud. I« 

i* 



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LXVI 



in der höchsten Gehaltstnfe, die es fllr die Provinzial- 
beamten Roms gab. (Die minderen waren mit lo.(X><> nnd 
60.<)OOScstorzen u. s.\v. bezahlt. ) In der eben angezogenen 
Stelle Suetons ist nicht ausdrücklich gesagt, ob uuter den 
.ducennriis- rlnanzproeuratoren oder Proeuratoren (Prae 
sides) zn verstehen seien, daher das Beiwort auf beide be- 
zogen werden mnss; es wird nun, wenn tinter den Finanz - 
proeuratoren schon ducenarii waren, tllr ziemlich sieber 
gelten können, dass auch die Proeuratoren in der höchsten 
Gehnltstufe standen', da sie den Kaiser selbst vertra- 
len und nicht hlos die Befugnisse, sondern auch die 
Abzeichen der angesehensten Statthalter führten. 

Die Proeuratoren standen also zwischen den Kaisern 
nnd den Provinzen, die sie zu verwalten hatten, ganz in 
der Art. wie wir im* einen Allerego oder einen Vice- 
könig denken wUrdcn. zngleieh so. das* sie Beamte des 
kaiserlichen Hauses sind, und, so gross auch ihre Com- 
jietenz sein mag, den Schwerpunkt ihrer ge««atnmlen Thä 
tigkeit in der bilanziellen Verwaltnng der anvenrauten 
Provinzen zn suchen haben, wie es ans ihrem Titel und ans 
ihrer iinitliehen Laufbahn hervorgeht. Dieser Punkt tritt 
so sehr in ihrer Verwendung hervor, dass Imperium und 
jus gladii nur als die Stützen «ler Finnnzverwaltnng gel- 
ten können, als Aeeedens, welches diese verlangt, nicht 
aber als Stittzen der römischen Herrschaft selbst. Denn 
wir linden keinen von ihnen in einem Kampfe für die 
Herrschaft Rom» verwickelt: die Provinzen, die von ihnen 
verwaltet werden, gemessen einer beinahe an Auto- 
nomie grenzenden Stellung gegen die Römer: sie wer- 
den so milde behandelt, wie weder kaiserliche noch 
senatorische sonst, und haben eine zn untergeordnete 
politische Bedeutung, als dass die Proeuratoren von der 
Militärgewalt einen grösseren Gebrauch als den rein 
administrativen hätten machen können. 

Ferner gemessen sie gegonllher den Staatsbeamten 
eine sehr bevorzugte Stellnng. sie tragen die Ehrenzei- 
chen der höchsten von ihnen, befinden sieh in der 
obersten Gehaltstufe und sind bei der weitestgehenden 
Macht nur dem Kaiser verantwortlich. Dadurch werden 
die Benmten fllr die Zeit, so lange sie den Procnrator- 
poslen verwallen, aus der Menge der Übrigen Beamten 
mit Auszeichnung hervorgehoben, ein ('instand, der dar- 
auf schliessen lässt , für wie «ehr wichtig dieser Posten 
am Hofe betrachtet worden sein mochte ; es folgt dar- 
aus, dass der l'rocurator immer eine Persönlichkeit sein 
musste. welche das vollste Vertrauen des Kaisers besass, 
vielleicht auch auf andere Weise von ihm abhängig war. 
Wie hätten auch die Kaiser wagen sollen . so wichtige 
Provinzen Beamten anzuvertrauen, die nach ihrem Oha 
raekter und den militärischen Mitteln im Stande gewe 
sen wären, sieh mit Erfolg aufzulehnen. 

Nach allen Anzeichen stellt sich also das Institut 
der Procuratnr in Gegensatz zu den übrigen kaiserlichen 
wie senatorischen Behörden ; es verräth alle Ansätze 
einer kaiserlichen Pri va f he hörd e. ausgestattet mit den 
grössten Befugnissen und mit der Bestimmung zu wer 
den, dem kaiserlichen Schatz in gesegneten Ländern 
Znflllsse zn gewinnen nnd zu erhalten, deren Besitz fllr 

Min vjrp ]>ra«*iit^-- »tiü*fli .Wi-vu Hit Nu.ll*vrli>u r vim > „pr*».i .-, w. I 

<fu-T> Tit. I JA auiti iük rr'ii-i, r ,tinrf ii liThrt.ti. Inder l.örh Ifii Im tf- 1 nl« -(ar.il 
N*<-h «invtti Stfiuu In KaveoDi l>r «In b.-frhl>hibur Art >*iiiiii1*ü it"ft «tattrimr 
U Ii l'l< I Ii- cl.rntiill. _ .1 uo.-t,«riu>-. In .Uli Ä ir-lt<rM<" »i all. r *iuK dl... M*ll'-, 
«Ii- '. trll III >.:Lkh in, Art Cni*,irait;r v,.rau, .o da^ .lirr- »n,- W\hft* Ktufw tili 
d*t. t.'ir***» f'i\l, da«, ili« l'r-iur**«:rt:n. at'K-.*-:lif n w-n *ciI|£.ti 7irfln-icu, 

mlndtuni. _i(ilMH»rll- »arci. 



die Herren von Rom sehr wichtig war. Den Anatoss mag 
Kaiser Augustus gegeben haben, als er Aegypten ftlr sich 
behielt, dessen Reichthum an Getreide ihm fnr die 
Beschwichtigung des Pöbels in Rom durchaus notwen- 
dig war. Den Gedanken nahm sein Nachfolger Tilierins 
auf und bereitete die Einziehung mehrerer Provinzen 
vor. Vollzogen hat sie aber zumeist Kaiser f'landius. und 
man dürfte nicht weit irre gehen . wenn man der 
Annahme folgte, dass die unsinnige und maxslose Ver- 
schwendung des Kaisers Caligula in den vier Jahren, 
bevor Claudius den Thron bestieg, diesen bestimmt 
habe, den Erwerb von neuen Gütern energischer zu 
betreiben. In der Thal boten die Länder, welche er 
in Procuratnreii umwandelte, die Aussicht auf beträcht- 
liche Zuflüsse gerade solcher Güter deren der Hof 
immer bedurfte, um seinen Aufwand zu bestreiten und 
den Pöbel der Hauptstadt an sich zu fesseln. Sowie anf 
dem einen Flügel Afrikas Aegypten sein Koni für dir 
Speisungen, so lieferte auf dem anderen Mauretanien die 
Heerden wilder Thiere für den Circus. Auch war e* 
reich an Kupfer, zumal aber an einer vorzüglichen Gat 
tung von Pupnrochnecken '. Cappndneien, in welcher 
unter Arehelaus auch der Metallbau blühte . spendete 
Edelsteine (Onyx. Alabaster, KrystallcV nnd vor allein 
treffliche Pferde \ - Thracien war nicht hlos ein vor 
zügliehcs Koniland \ zumal in den Küstenstrichen, son- 
dern auch durch seine Bergwerke, besonders durch jem- 
auf Gold, in hohem Grade ausgezeichnet; auch seine 
Halbedelsteine waren bekannt \ 

Die Aufgabe der Proeuratoren mag demnach vor- 
zugsweise darin bestanden haben, in dem Lande, das 
sie zur Verwaltung überkamen . ansehnliche Domänen, 
vorzugweise die Bergwerke in den Besitz der Kaiser *o 
bringen, sie Iflr dieselben zu verwalten nnd sie zn 
beschützen. Dafür Hessen sich aber jene Verhaltnisse 
dieser Länder vortrefflich ausbeuten, welche nach liecker 
die Eiiiriehtnng von Proeiiraturcn bedingten, nämlich 
der gebirgige Charaektcr mit dein Melallreieblliniu. das 
zähe Festhalten der Einwohner am Herkömmlichen, 
welches man schonte, um so gefügigere l'nterthanen 
zu linden: die geringe Stufe der Cnltur. welche die Cou- 
eurrenz der Einheimischen in der Benützung des Reich- 
thnmes der Länder ungefährlich macht«. 

t. Es dürfte nun leicht sein . die Verhältnisse m 
finden, welche, in Norienm vorwaltend, zur Eiiiriehtnng 
dieser Provinz in Form einer kaiserlichen Procuratnr 
führten. Schon früher ist mit Recht geltend gemacht 
worden, dass dieses Land in zwei der Natur nach ver- 
schiedene Theile zerfieL. Das I terland. der Land- 
strich zwischen der Donau und den norischeu Alpen, vom 
Inn abwärts lös zum Kahlenberge war nach allen Anzei- 
chen ärmer und in der Cnltur weiter zurück, als der 
südlich von den Alpen gelegene Thcil. Die Alpen selbst 
bildeten eine Grcn/.rtianer für den aus Oherilalien herauf- 
reichenden Wogenschlug einer höheren f'ultur; da" 
nördlich von der Donau gelegene meist unwirthliche 
und unwegsame, bergige Nachbarland war und blieb ein 
rauher Barbarentum, der ftlr den Handel weder Bahnen 
noch Waaren hol". Erst lief in der Mitte des IL.Iahr- 
hnnderts tauchen , wie schon bemerkt worden ist- 
einzelne spärliche Milifärcolonicii im l'fcrlande auf; 

' MinnKti it4 \. s im.'it ' stuf - xii. »i-i . »«1 ei». y. «• '* 

UBiit.tS » »v r M|rr lld. II S V.i-1 l'ltllil InlTil ll.JI.Vntl itl"" 1 
4. *>. .1 ' V II ej Iii • IS, IT 1-J * S I r » k . 1* |'. -- ' Pauli H t U ' 

s. |v>i - |.K. I.'V 



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LXV1I 



Municipien gab es aber, wenn wir etwa das im änssersk-n 
Westen liegende lovavum ausnehmen, anch dann noch 
keines, ein wichtiger Umstand, indem diese, obwohl nied- 
riger im Kunge als Militiircolonicn, immer ein Anzeichen 
«ind, dass ein grossere» einheimisches Gemeindeleben 
an den betreifenden Orten nicht hin* emporgekommen 
sei, sondern dabei anch einen nationalen Charakter 
bewahrt habe. Im Uferlande dürfte also neben wenigem 
Ackerbau die Viehzucht und die Jagd auch nach Ankunft 
der Römer so fortgedauert haben, wie es dort von jeher 
war: da« gewerbliche und bbrgerliche Leben blieb aber 
tlnrch lange Zeit sicher anf einer «ehr niedrigen Stufe 
stehen. Wichtig war für die Körner in diesem ganzen 
Landstriche nur die Donangrenze: ihre Bewachung 
durfte frühe durch die Anlage einer fortlaufenden Keihe 
von Ffercnstellen und Flottenstationen unterstützt wor- 
den sein, in welchen aber das römische Fachen ein- 
gegrenzt und abgeschlossen blieb, da fllr die Ausbrei- 
tung der Cultur die Grundlage im Lande selbst fehlte. 
Ganz anders dagegen stellte sieh das h innen lä n- 
disi-he Noricum von der Südseite der Alpen bis an die 
Sann undSavc hin den eindringenden Körnern dar. Das 
Land lag näher und offener gegen die oberitalische 
Ebene und blieb den Einflüssen der classischen Cultur 
aicher nicht fremd. Handel und Verkehr mit den süd- 
lichen Donauländern gingen anf der alten Strasse Uber 
das heutige Cilli ' ; strichweise blühte der Ackerbau -'. 
Die vorzüglichste Ursache eines höheren Grades einhei- 
mischer Oultnr war der Keichthum der Berge an Salz 
und Metallen. Die Salzwerke von Hallein und Hallstatt 
waren schon vor den Körnern in Betrieb, an letzterem 
Orte geht dieser in ein ziemlich hohes Alter hinauf. 
Der Keichthum an EiBcn aber hatte schnell einen grossen 
Ruf erlangt, sobald man das Land naher kennen lernte*. 
Wenn auch anzunehmen ist, dass eine ergiebigere Aus- 
beutung der Eisengruhen durch die IVovinzialen vor 
Ankunft der Romer noch nicht stattgefunden hnbc'. 
so reichte doch anch diese schon hin, um der vor- 
geschrittenen Montauistik der Römer lohnenden Gewinn 
ans dem Neichthume der Berge in Aussicht zu stellen. 
Nicht minder wichtig ist der alte Ruf der «Oldinger', 
welche, so unbedeutend sie auch sein mochten, den 
noch die Römer bei ihrer Ankunft zn neueu Versu- 
chen im Bergbau aufstacheln mussten. In Verbindung 
mit den friedlichen Beschäftigungen des Bergbanes nnd 
des Handels scheint auch die Bevölkerung eine ruhige 
und gewerbfleissige gewesen zn sein. Ausser dem kur- 
zen verzweifelten Kampfe um ihre Freiheit in jenem 
Sommerfeldzuge des Jahres 15 v. Chr., in welchem es 
Dnisus den Körnern unterwarf, findet sich keine Anf- 
lehnnng gegen ihre Herrschaft'-, vielmehr es blühen 

1 nuchae. I, n\. — 1 Strabc, IV Si>S — ' Kui (rati-ter npriertiei 
Summ hl-»- bekanntlich daetin Alauni .Sililrnlc". Plnt. II. U, 2 — ]>lv Au.- 
Kr»li «n Ren arn Mud*lfithlir*n» bei HallMatl und atn I>iirr«nb*Tj,. r-el llalleln find 
dlo unwiderleglichen «,■,!.. Iiietvr — • Vjl Strahn, in IV butl)« Mu-har 
N'Mf. I, 3.S». — s Ober den Heiner, der Kl-enfabMkatl >n bei den ■Ilm Ncrlkni. 
vorder KrobiTUns lii>«t »Ich ithvrr ein« bestimmte MelBUnx- bilden l'njiar ;r|,. 
t^tli--. KatlifO VII, ??1 »4«t ailitlrUrkUrh vnn der. lialJirr.t, da«» nie irn «r.ii:er->ane 
j»efcr enwaadt »('Ion, find da»» et itorl ifr.'x.f Ktaentfruben tfnf -* mannae fcrrarla*-. ; 
ih ein gUlelte. auch auf die NurlkeT und Taumkor anfeweedei »erden darr, 
»uhl daliiTi : 1J0 «arett aba-etelilo^en, ia des 'irblrirui lelieurl, ni-».i ...weil In 
Crtltur und ludattrtu hln*iii|ri<r*!liri> al» dir i;alller Anrli k-inrot litten In dorn 
gre-jr-eo llallatätterinnde nur tär Waffen tpariam anav ee n^er und mttnnvr In 
«/'»tharan f'»r.»iiniien *..r l*rh»ertfcllii|ern mit «triff, n an t ll,-;i:, dl« mit !trrn,t,.lti 
teneUt find, oder ll<:>l<hkllEiK*u In linldietividen , -äiirei..l da» iil'ric,e Oerüthi' 
am llrc-nxc Ur). pc-daa» man tti n irrten Werth daran- fjrVenn. es kann. w..|. hen nan 
anfdloio Maiirlair KU. IHc. deutet darauf, da« icr h.lriol. der l;t>««».-tke. 
«enu tiqd Int^welter tbb den 1'rc.vtnalaW 0 ifaiehah. *fhl »<».io der (~tni.t|ricten 
Technik und der KoM-plullnkeli . die er d»n minder üiiil.'-., Vn'kern »nnir 
.aeht«. u..1crj,.nrdnelMi. l.. - • Strahn IV . Sit». 'Nur „Ine Spur UM ., 
dafilr, riai* fi.rur.iii Im Lande anuhrarken; alloin .|e i>i ;u »th-arli und .u 



seilher die Militarcolonien und Municipien rasch empor, 
was auf die Empfänglichkeit nnd Vorbereitung dieses 
Theiles von Noricum für eine höhere Cultur hindeutet. 

Der natürliche Keichthum des Landes mochte den 
Kaisern in Rom den Wunsch nahe gelegt haben, ihn fllr 
ihre Macht auf das Beste zn verwertlieo. Bei einer klu- 
gen Verwaltung versprach es nicht nur eine wichtige 
■Quelle des Einkommens, sondern anch nnd vorzüglich 
eine der Haupt rüstkammern des Reiches zu wer- 
den. Das vorzügliche Kricgsmatcriale ans nächster und 
billigster Quelle zu beziehen, war keine unwichtige 
Frage fllr den Thron, der zunächst anf dem Heere 
bernhte. Ausserdem war im Norden des Landes die 
Donangrenze zn vertheidigen und dies ein (»rund 
mehr, die Verwaltung einer Behörde in die Hände zu 
zu geben, die beide Gewalten in sich vereinigte. 

4. So erklärlich es aus den Verhältnissen des Lan- 
des und ans der Handpolitik der ersten Kaiser nnn 
anch ist, dass ein Proeuralor fllr Noricum aufgestellt 
wurde, so unsicher ist die Bestimmung der Zeit, 
in welcher dieses geschehen sei. Es wird angenommen, 
dass gleich nach der Eroberung Procurutorcn hingesen- 
det worden seien 1 . Allein es hat etwas Bedenkliches in 
sich, dass man die Verwaltung einer neu eroberten 
Provinz sogleich einer Behörde übergeben haben sollte, 
in welcher trotz der Vereinigung von Civil- und Militär- 
gewalt , die eivile (finanzielle) Thätigkeit die überwie- 
gende war. zumal als nicht gar lange darauf die 
Anschläge der Germanen und Markomannen gegen die 
römische Herrschaft zu einem schweren Kampfe führten, 
an dem weiterhin anch die Legionen in Harmonien Theil 
nahmen, so dass Noricum ringsher von unruhigen Pro- 
vinzen umgeben war. Fllr diese Zeit und noch für eine 
Reihe von Jahren nach ihr wird daher die Anfrechthal- 
tung eines strengen Kriegszustandes in Noricum als 
wahrscheinlich angenommen werden müssen. Ferner 
hat ja eben Kaiser Claudius die Procnraturen ausgebil- 
det: wenn schon Augustns einen l'räfect Uber Aegypten und 
Tiberius einen Beamten mit prätoris« heui Range Uber 
Thracicii >etzte. so war es doch erst C lau d ins, der die 
beiden Mauretanien, der Cappadocleii in Frocuraturen 
umwandelte, der in .ludaea einen (von min an bleibenden) 
Proeuralor definitiv einsetzte , der die Einführung eines 
solchen in dem ottischen Alpen vorbereitete, der endlich 
die Stellung dieser neuen Behörde hob und auszeich- 
nete, somit das ganze Institut in seiner bleibenden 
Form begründet hat. Wenn damit verbunden wird, das« 
der Proeuralor Air seine finanziellen Obliegenheiten einen 
bestimmten Amtsitz nöthig halte, und derselbe doch 
wohl nicht in einem kleinen militärischen Posten, noch 
weniger in einer Rarbarenortschaft aufgeschlagen wer- 
den kounte, so erhalt der Finstand eine spcciclle Bedeu- 
tung, dass es wieder derselbe Kaiser Claudius gewesen 
ist, welcher in Celeja das erste Mnnicipinm Noricums er- 
richtete. Anch verwaltet der älteste Proeuralor. der 
iiischriftlich nachgewiesen werden kann. Noricum zur 

»ulir MiTelnirM . wn itari'l fi»>- >'< l-rr.n.fc t jtlii'i. / 11 k''lin«.|l, >MT |.|<|£llii(r.l 
im* dahir, ile Mer anf^i:fiihT,-fi rubirredia- Ihm lirirt ra Ta*r»ccn« 1c. Spa- 

nien (hei Omlll nennt n.äir>!irh .Ii.cü T. I I. ('»rdidu» all I<cj1j~ Autruali 
Jir-, prai-t..ri. prnvit.n«.. Ul.j.anjji' rlir rlnrl . «1 in *a .t.:.-i rra iii.i-l'tu.- advcran> 
i'Sfllp. «nun rr~-inn in;ns. ii-m A-l»., «ete. .Snrlear" etc. au« 

ili-i.. Heifluac der K.;l.-ruaC Kal-er- Tr.jan Kr halle früher Hie Frl., leoer- 
M r.allun« Ii. di e bi-lvixkeu und nrrii.ii.w her, emMiuan LiItt >k-r, Helneeiui 

I. :ln* . »ilill inn - die ITn« .iraL.r.'i. » ..• Nntiriltii, -nfur «l,er lt. t Ii firnnd 

auseinhcu »il Ji'i k.iu.1 ; denn J11.1 Ml»r|. u t-CaTalu- idvt-r r nWln «a* 
nur eine eilnurdlnare 

• dütn, Mu ■ l.ar I, 10» ... wt.l.h.n «in. 



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LXV1II 



Zeit des Kaisers Claudias. Aus dem Zusammentreffen die- 
ser Umstünde ergibt sieh eine grosse Wahrscheinlichkeit 
für die Annahme , äusserst Kaiser Claudius deu Kriegs- 
zustand in Noricum mit seiner strengen militärischen 
Verwaltung: aufgehoben, die Provinz in eine Procuratur 
verwandelt und dem neuen Verwalter den Auitsitz in 
jener Stadt angewiesen habe, die er eben dureh Krle- 
bung zum Munieipiiim ausgezeichnet hatte. 

5. Ks ist uiimlich seit der Auftindung der Cillier 
Iuschriftsteinc mit Procuratorcnnaiiicn die Vermuthung der 
Herausgeber derselben keine andere gewesen , als dass 
der Procurator in Celeja den Amtsitz gehabt habe. 
In der Tbat gab es keinen Ort, der geschickter biefür 
lag als dieser; den Procurator in die alte Hauptstadt 
das Landes, nach Noreja, zu versetzen, war gegen die 
Politik der Kömer, denen daran liegen musste, die 
Erinnerung au die alte Selbstständigkeit des Landes 
mit detu Orte selbst iu Vergessenheit sinken zu lassen; 
aber es war auch gegen ihren Aberglauben, da sie 
bei Noreja einst eine schwere Niederlage erlitten hat 
teu ' ; sonst aber gab es keinen Ort, der mit Celeja sieh 
hiltte messen können. Auch hatte dieses die wichtige 
Lage an der Strasse uach Pannonien hin fttr sich ; es 
war von Vortbeil für etwaige Unruhen, die sieh hier wie- 
derholen konnten, einen so nahe gelegenen militärischen 
Stutzpunkt zu haben, als es Celeja werden konnte. Kür 
die finanziellen Geschälte des Proeurators war endlich 
auch die Lage an der llandelsstrassc nach dem italieni- 
schen Küstenlande von Wichtigkeit. 

Nur ein Bedenken gibt es gegen die Annahme, 
dass in Celeja der Amtsitz des Proeurators gewe- 
sen sei; es ist uitmlieli sehr seltsam, dass der offi- 
ciellc römische Hauptort der Provinz hart an der süd- 
lichen Grenze lag, statt im Innern des Landes, und 
«war gerade an jenem Punkte, der von der Donau am 
weitesten entfernt lag, also vou jener Linie, welche im 
ganzen Noricum tactisch weitaus die wichtigste war. 
Allein es muss dagegen bemerkt werden , das« die 
Bedeutung der Doiiaugrenze gerade längs der Strecke 
des norisehen i'ferlaudcs nicht so gross war, dass sie 
für die Verwaltung des Landes hiltte entscheidend wer- 
den können. Denn wie schon gesagt worden ist, gibt 
das gegenüberliegende l'fcrlaiid vermöge seines bergi- 
geu Charakters keinen Kaum fllr Massenbewegungen; 
niemals hat dort in dem heutigen Mublviertel und 
dem Viertel ober dem Muubartshc rge — eine bedeutende 
kriegerische Actiou stattgefunden ; auch unter Kaiser Mar- 
cus Anrclius war es das Pannonien gegenüberlie- 
gende Marchtcld, in welches die Karbaren niederstiegen, 
um die Grenze lies Weltreiches zu beunruhigen, nicht 
das weiter aufwärts liegende (ferlnud. Für Überfülle 
einzelner Schnüren aber genügte die Postenlinie von 
Castellen, die sieh von Passau bis an den Kahlenberg 
zog. Nachdem dort der Dienst des Legionärs einmal 
eingerichtet war, dürfte es hingereicht haben, den Ober- 
befehl Uber das ganze l'fcrlaud einem tüchtigen Ober- 
ofricier, etwa dem Legaten einer Legion oder einem Tri- 
bun zu übergeben , der in den die Grenze betreffenden 
Militäraugelegeheitcn den Procurator vertrat. Dass der- 
selbe in Lauriacuiu sein Hauptquartier gehabt habe, 
dafür spricht die Lage des Ortes in der Mitte des l'fer 
lande« und der ('instand, dass er durch eine Flottcn- 

' 113 >rhlutrn htkaiinlN.b .11.' rimln.ru ilti rümliflicllrer utiinr Cu. f»»l- 
to. C.rtn. Murkar I. 2t! 



Station nnd eine grosse Waffenfabrik ausgezeichnet war. 
Der Procurator mochte von Zeit zn Zeit diese Posteu- 
linie inspicirt haben. 

Der Übrige und vorzüglichere Theil seiner Auitaftih- 
rung bat ihn wohl in Celeja festgehalten. Nachdem was 
oben Uber die Compctenz der Proeuraloren gesagt wor- 
den ist, katiu sein Wirkungskreis fUr Noricum, wie er 
im Allgemeinen gewesen sein mochte, leicht bestimmt 
werden. Ks musste sein Hauptaugenmerk sein, die 
Ausbreitung der römischen Cultur zu unterstützen und 
mit den Waffen des Friedens das I«aud dauernd zu 
gewinnen, deu Handel zu begünstigen und zu sichern, 
und so die natürlichen Keichthüuier des Landes der 
Hauptstadt des Reiches zuzuwenden. Vor Allem aber 
dürfte der Bergbau seine Thätigkeit in Anspruch 
genommen haben; sei es, dass die Kaiser als Froherer 
des Landes die Salz- und Eisenwerke für sich in 
Anspruch nahmen und nach römischer Weise deu Ver- 
scbleiss der Producto' verpachteten, wie es z.B. für die 
Goldbergwerke gewiss ist \ oder dass sie anfänglich die 
Provinzialen in dem Besitze der übrigen Bergwerke 
beliesseu, deren selbst erwarben nnd durch ihre Arbeiter 
ausbeuten Hessen; jedenfalls war es die Aufgabe der 
Verwalter, aus ihnen den möglichsten Nutzen tür den 
kaiserlichen Schatz und das Heer zu ziehen. 

6. Über ihre Wirksamkeit gibt es nun im Eiuzeluen 
keine Nachrichten. Allein aus Münzen, archäologischen 
Funden und einzelnen historischen Andeutungen können 
wir uns ein Bild wenigstens vou den Resultaten machen, 
die ihre Verwaltung hatte. 

Dabin gehört vor Allem der Übergang der Berg- 
werke in die kaiserliche Regie. Jene auf Gold waren, wie 
oben bemerkt wurde, schou unter Kaiser Tibcrius römisch, 
von denen auf Kisen und Kupfer lässt sich das Gleiche 
nicht sagen'; Thatsaebe aber ist, dass zu Hadrians 
Zeit, vielleicht schon unter der Regierung des Kaisers 
Trajau oder seiner Vorgänger auf dem Throne der 
gesummte Bergbau kaiserlich gewesen sei. Die wich- 
tigste Stütze dattlr bilden jeue kleineu seltenen Kupfer- 
niüiizeii, welche auf der eineu Seite das Brustbild des 
Kaisers Trajan oder des Kaisers Hadrian zeigen und 
damit au! der Rückseite die Namen der Bergwerke iu 
Dultnatien, Pannonien, Dardanus, Moesien, Noricum 
u. s. w. verbiuden. Die fllr unseren Zweck wichtigsten 
sind die letzteren. Drei im k. k. Münzcabiiicte befind- 
liche Kxemplare zeigen auf der Vorderseile das Brust- 
bild des Kaisers Hadrian (117 — 138 n. Chr.) vou rechts 
mit dem Lorbeerkranz und der Titelumschrift LMPerator 
CAKSar ANToninus TKAIANus HADRIANS s \\ Oustus ; 
auf der Rückseite steht innerhalb eines Lorbeerkranzes 
MKTalla , NOKica. Kekhel vermuthet, dass diese Mün- 
zen unter den genannten Kaisern geprägt worden seien, 
um mit ihnen die Arbeiter in den kaiserlichen Bergwer- 
ken zu bezahlen*. Wenn nun auch derlei Münzen erst 

' -tlß, .17, - ' Sacb Slnbo, IV, P J.X |„; u „| r -, .i,h ,rh.n> 

bei. du* b l.fbrtllfu i>r turli 14 n. ehr > «II» Ci r I d b »r i ir t rk <• dor 1 au 
rliknr im Krilt» dar KJsiiur. Ob dir. «u U v.,o data 41. Jim, litrK». fk(ii iu 
gfllni h»K. Iii ivrlfrUiafl i.li.lol, ilvi tum dt« K.i]if. r . Kiicu und SaU- 
werko im llcaiu«* -n-r >'r?ilurlal*?n uvlaateu hnh«, da S t ra t>n »uadrikk liefe nur 
dir Ooltlb^ncwrk« Guniat Muckat» Aailcbt ;l, IUI-, diu nun Kl*cat>*r* 
w»?k*> dm t>n+n naorfi iu'b Völkern k..(1ciUU • uuuafft» babr , uej lnn«u 
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mrbr hlnläftithrh brcrüodc-u. da ichr »ahrarbnallch dir l.i(enral>rikatl"ti rr.r 
durebj d<'ii Kämrrii iibrrl^goiia »1 hiiiKlie KrfklinaaK lu ^thamnaj gebracht 
vinrJa and rriilirrUlB ■ alir.rlifliitlrli mbl- iitilervordAnl , <.ciiii iihrrbacjpl Im 
lletrte-b'f- war. I'ür dt 0 (abritten erbllfbf u Ite-aJta dt r 'mim Ntri*«T % lautit Hu^Ur 
»ell»t | l, 4"il. dlo tJHa'.'UQg Tel* Seltr der Keiner al* wahrarrielutlch au - 
haeiipi'e. an eiiiaarai. — 1 I». S. V. VI. 4C>. — * Vgl Uber du- Ki'mcr- 
apurwu In den llcri«erkin der uorl-cheu AIjipji Mu>-Iiar I, f)i«r do» 



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LXIX 



von den Kaisern Trajan und Hadrian auageprägt wur- 
den , so kann dies nicht als Grnnd gelten , das« die 
rtfmischen Kaiser nicht schon frtther die Eigenthlimer 
der Bergwerke gewesen seien; denn die Ausprägung 
war nur eine vorübergehende, wie aus ihrer Seltenheit 
und der Beschränkung auf die Regierungsxcit der bei- 
den Kaiser hervorgeht Jedenfalls geben sie den 
Beweis, das« wenigstens damals die Bergwerke kaiser- 
lich waren. — Dasselbe lässt sich von den Salzwerken 
sagen. Im EeherntbaJe bei Hallstatt fand Herr Kamsauer 
1869 und 18<>0 die Überreste eines betimnit römischen 
Grabmonumentes von steierischem Marmor ans nach- 
hadrianischer Zeit nnd die Mauern eines weitläufigen 
Gebäudes, das bei der tactischganz unwichtigen Beschaf- 
fenheit der Hegend und der Abneigung der Römer gegen 
das Gebirge nur einen Aufseher oder Verwalter des 
kaiserlichen Salzwerkes beherbergt haben konnte '. In 
den eigentümlich gebauten Gräbern, die sich innerhalb 
des Gebäudes fanden, traf man auch zwciM Unzen der 
Kaiser Nero und Hadrian, die hier offenbar die Stelle 
des „Todtenobolos" vertreten haben. Auch für Hallein 
dürften sich Spnrcn dafttr nachweisen lassen, dass der 
Betrieb der dortigen Salinen ein römisch -kaiserlicher 
gewesen sei. — Für das gesammte Bergwesen in Nori- 
cnm lüsst sich annehmen, dass der ßlllthepunkt des 
Betriebes in die ruhige nnd friedliche Regierungszeit der 
Kaiser Trajan, Hadrian und Antonius Pius gefallen sei; 
seither blieb das Land die Rüstkammer der Donan- 
provinzen, indem die grossen Waffcnlabriken in Obcr- 
italien, Pannonicn und Moesicn ihren Bedarf an Roh- 
matcriale ans den norischen Alpen bezogen. — Dass 
aneh sonst die Erzengnisse des Landes ftlr den kaiser- 
lichen Schatz möglichst ausgebeutet worden seien, beweist 
der aus Plinius bekannte Handel mit einem wohlriechen- 
den Alpenkraute ans Noricum, der Spiea nardi (Speik) ; 
es wurde als Parfüm bald so beliebt, dass es nach des 
genannten Autors Redeweise anfing, Metall d. h. Geld 
zu sein („tantae suavitatis, nt met&llum esse eoeperit"). 
Mau liebte es insbesondere in die Kleider zn legen 
(„vestibus ciiaui interponi gratissimntu')'; die Ausfuhr 
desselben in grossen Mengen versteht sich darnach 
von selbst, sowie es sehr nahe liegt, zu glauben, dass 
auch der Handel damit, wenn nicht gerade ganz im 
Besitze des Kaisers war, doch für den kaiserlichen 
Schatz sehr nutzbringend gemacht worden sei. 

Diese Spuren finanzieller Thätigkeit von Seite der 
verwaltenden Behörden sind aber nicht so zu fassen, 
dass sie daa I«and bedrückt hätten, um die möglichst 
hohen Stenern zu erpressen, nicht vorzugsweise wie 
ein Steuerland, sondern wie eine Domäne der Krone 
wurde es regiert. Es kann hicftlr jene wichtige Stelle 
des Tacitus in Anspruch genommen werden, der gegen 
Endo des Aufstandes der deutschen Stämme am Rheine, 
welcher unter Ol. Civilis im Jahre 69 n. Ohr. ausgebro- 
chen war, den unglücklichen Rebellen Rerlectioncn Uber 
die Vortheilo in den Mund legt, welche die römische 
Herrschaft mit sich führe. Darnach befand sieh Raetien 

Kuttn d«. nvri4fb«n KU«.». y«I, H«ratlti» «d. 1, Iii, 9. — KyaJ. XVII, Tl. — 
Mamal IV, M. — Km 1 11 1 ii ■ Inn. I, X'il #. AViaiidVr S t r o « m 1, *"7. — 
l.)Ht du- Ki.intr dir («Mdbsricwcrk« In <iaAl«ln, auf dem N r «»rfotd« und in 
H'irksloln lr«1rlr.t»-l> liakfin, d««»<i ^«llrllaltn Kagiic. im I.AIld« *«]l>>t. )l u c h a r 

1, Ji.l, VN«. - J\.rt>l»*r III, 1»« 

1 Viel Arnoth. Arrhäolo^.. An«l«rt«7i. Hjls'ing^er. •! k. Akad. d. 
Wlas. phll.'KUi. l'l. XL, &'->.* ff. i*t»«r d«n I!«irti.-b tod SaliwcrkoD Auf d«m 
Unutlüiii Xoll/»]d« In K»MMh»o aliicliar 1, .Iii' — 1 l'llnlu. II. NII.IS, 

11 i-SIUtg! I'liaiu* Wi'tu liiiinua aiKb den Sinn h*l>«0, d*M «ninlarb« Kftnf- 
leut* »"Ii den Kr'"'» d«« llllidrln rol< ti g«w„rd« D celut, , ai«riaon H»l (-««In 
auch «Ib. M.uor daltir Ii, .l<n «l.ttt». 



wie Noricum in einem Zustande, der nahe an die Frei- 
heit streifte; „nicht Steuern legten ihnen die Römer auf, 
sondern sie verlangten nur Mannschaft und Tapferkeit 
von ihnen" '. Dass nun die Noriker gar keine Steuern 
hätten zahlen müssen, wäre nach Strabo 1 eine un- 
richtige Annahme. Dass der Proenrator aber mit 
grosser Schonung gegen die Eingeborncn des Landes 
vorging, ihnen die Steuern nicht herauspreßte, ihr 
Eigenthum und ihre Gewohnheiten vielmehr Hess nnd 
seine ganze Aufmerksamkeit den Domänen der Kaiser 
anwendete, ist zumal für die spätere Zeit sicher. 

Damit, schlicsst auch das Gebiet ab, auf welchem 
der norische Proenrator Erfolgreiches leisten konnte ; 
denn das politische Gewicht der Provinz war wie 
in allen von Procuratoren verwalteten Ländern ein sehr 
geringes. Schon bei der ersten Eroberung fällt es wie 
ein Anhang der benachbarten Länder Raetien und Vin- 
dclicien den erobernden Römern zu ; wie schon gesagt 
wurde, findet seit dem allerdings harten Kampfe bei die- 
ser ersten Eroberung weiter keine Auflehnung nnd kein 
Krieg auf seinem Gebiete statt. Sehr bezeichnend ist 
dafttr das Verfahren des Legaten Oaecina, welcher im 
Kriege zwischen Otto nnd Vitellins als Anhänger des 
letzteren auftrat , und seine Haltung gegen den damali- 
gen Proenrator von Noricum, lN>tronins Urhiens, der Miene 
machte, im Interesse seines Kaisers (Otto) die Vitcl- 
lianervom Lande abzuhalten; er hatte zu diesem Zwcke 
Hilfstruppen aufgeboten und die Brücken Uber die Flüsse 
abgebrochen. Oaecina verweilte damals in Helvetien 
und dachte daran, selbst dnreh Raetien hin gegen Petro- 
nius zu marsehiren , stand aber von diesem Plane ab 
in der Erwägung, „dass Norienm dem Sieger zufallen 
werde, wo nur immer der Kampf vor sich ginge 4 *. 
Auch jene Stelle darf nicht Übersehen werden, %vorin 
Tacitus im Allgemeinen die untergeordnete und 
sehwankende Rolle kennzeichnet , welche Uberhaupt 
die von Procuratoren verwalteten Provinzen in den 
grossen Parteikämpfen um den kaiserlichen Thron 
spielten ; „sie wurden je nach der Nähe eines grossen 
Heeres durch den Druck des Mächtigeren fUr oder gegen 
die eine oder andere Partei bestimmt •* '. Es erhellt aus 
dieser untergeordneten politischen Rolle des Proeurators 
abermals, wie wenig Gewicht seine militärische Stellung 
hatte. 

7. So wie im Allgemeinen die Quellen Uber die Pro- 
curatnren sehr spärlich (Hessen nnd wie wir uns vor- 
läufig für die Amtsführung der uorischen Statthalter 
mit den Resultaten begnügen mnssten, die auf sie 
zurückgeführt werden können, eben so kann auch nur 
das eine und andere Detail beigebracht werden über 
die weitere Gestaltung, welche dieses Institut im 
Laufe des II. und III. Jahrhunderts ftlr Noricum er- 
langt hat. 

In dieser Beziehung lassen sich ftlr die Zeit der 
Antoninc, in welche die Oillicr Steine vorwiegend ge- 
hören, aus diesen drcil*nnkte abnehmen. Erstlich war bis 

1 Tu Mm. V. 21 MV. p IM* Ali «r dl»«« iflirirli. .«artu «i »all dar 
Kr^biiuiiü iiVq .1.1 Jabr», dA>* dl« Norikdr dl» Stuuufb in Uuho «Ahlten-, 
*L>«rm*rh diirft«n *i« g'«ir.h iiArUdfr I *Qlur*«rfun" mit dun |f«wi'hi>)irh«n Al»j(a- 
P«n b«la«t«*. u.Tden A«iD Tasit»» Wnri« können d«un ^ n<.ic.|lelr|tt werden, 
d am «In SteneTnarhiaei clnKotreteii tei entweder bwi 1 : luv, «ndluiiR d«r CtotIh« 
Iii wln« Pmcuralnr durch KalAar Claudia» , »dvf alt auln>Qitti>ri«di'i> tbtUpl«) 
K*«fTettiifc«r d^li rti«iiili.rh«ll K«h«ll«n im Ja«l**" l>!) ti 4'hr. — > Tai . Iii»«. I, ,V, 
— ei m«»1'ii»".ii* eertatu*« (orrr. Nnrlci > In r^lera vtct^'l«' prae- 
n l a < m a > Ii r »" ■- fc Tar. IIIaI l,ll. tt ut culi|il« vx«r«llill »Ulli«*, ltA 

In rav^r«m am odtum i:onla«lu v a I « al l o r n in acutiAiitar-. Vsl. Ili»l. II, 
1«, da« H«u«hiu«n d»j IT'» uraln«» D«ci|lnu> l'aruliiA »vu Sardinien Im Kaiii|>I« 
l-l.rhcu Ollo »4 Vil.m,!. 



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LXX 



dahiu die Art der Ämter folge noch nicht verktulcrt 
worden; so weit wir dieselben von den iiorischcn Pro- 
curatoren, die auf jeuen Steinen genannt «erden, ken- 
nen , sahen sie anl die finanzielle und montanistische 
Thätigkeit aueh jetzt noch hauptsächlich ah und .sind 
daher Belege für das frtther Gesagte sowohl in Bezie- 
hung auf die durchgängige Verwendung der Procurato- 
reu für tinanzielle Posten, als am h tllr den Gang ihrer 
Beförderung, die aus gehirgigeu und mit Bcrgwerkcu 
gesegneten Proeuraturen zu jener von Noricum und von 
dieser weg zur Finanzprocuratur in Belgien und in den 
beiden Germanien führte', 

Zweitens folgt aus den Cillicr Steiuen. dass wenig 
stensinderZeitdes Kaisers Antoniuus l'ius diese Behörde 
eine einjährige war; sie erscheint in den Ämlerfolgeu 
der Proeuraturen als Durchgangspostenzu höheren Stel- 
len. Für das ofliciellc 1-eben der Provinz seihst dürfte 
sie aueh die eponyine Behörde gew esen sein, naeh deren 
Namen man wie in Rom uaeh jenen der Consiilcn, die 
einzelnen Jahrgänge unterschied. Wenigstens muss es 
autTallen, dass aul unseren Steinen, wenn kein Proeura- 
tor angegeben wird, die Zeit durch Nennung der 0<nsu 
len bestimmt wird; so dass umgekehrt geschlossen wer- 
den kann, die Neuuung der Procuratoren hiilie hinge- 
reicht, um das Jahr zu kennzeichnen, in welchem der eine 
oder andere Legionär Beneticiarius geworden sei. 

Dass nun von Anlang nu und tllr alle Zeiten die 
Amtsdaiier der l'rociiratur eine einjährige gewesen sei, 
kann nicht nachgewiesen werden und ist an sich 
unwahrscheinlich; denn zumal tllr die frühere Zeit, in 
welcher die Hinrichtung der Provinz stattgefunden hat. 
und iu jenen Epochen, in welchen die politischen Ver- 
bältnisse in den umliegenden Provinzen gefahrdrohend 
waren, ist eine längere Auitsdauer vorauszusetzen. 
Anders mag man späterhin verfahren haben, als Friede 
im Reiche herrschte und der Gang der Verwaltung* 
geschürte ein bestimmter und eiugewohnter geworden 
war; dies trifft zunächst mit der Regierungszeit des 
Kaisers Antoniuus l'ius zusammen. Auch noch ein ande- 
rer Umstand dürfte darauf eingewirkt haben, nämlich 
die Art . in welcher das Institut der Proeuratur von 
jeuen Kaisern aufgefasst wurde, die den Regenten des 
Julischen Hauses folgten. Die Anlage von Kiongütern, 
welche das letztere, zumal Kaiser Claudius, anstrebte, 
verlor mit seinein Aussterben (in Jahre öS n. Chr.) die 
intensive Bedeutung eiuer kaiserlichen Privatangelegen- 
heit; wenn auch noch die unmittelbaren Nnchlolger 
Neros und die navisehen Kaiser, vorzuglich der spar 
same Vespasianus. die Absiebten der Julischen Kaiser 
verfolgen mochten, so haben doch sicher die Antoniue 
in deu Proeuraturen nicht mehr Anstalten zur Berei- 
cherung und Sicherung ihrer Dynastie, sondern Staats - 
ausfallen gesehen. Damit hatten aber die engen und 
speeiellen Beziehungen des Pmcnrntors zum jeweili- 
gen Kaiser ein Knde, und um so weniger that eine eiu- 
jahrige Amtsdauer dem Zwecke des Institutes Eintrag. 

' An-.r-r dur.i .L-bi.n «.-»»linier. Iie,»n«l>' Äin1, -lU-lgi- <w, I!»..-». u, IMfu» 
- litt, r wci. Ii« »iKh I. <J Stlil im N»mer>»ir»»«rM-tii««» dir Vrm ur»i.irxn "i 
v.tkIci. hru i.t k,.r.nl mm. in*, brlflln Ii ti..i:ii Ja«- <iv. I, lln-lil u. Am 
» u» in» der Zill <!«• K »l>«r. I Uudiu» und J»u» Ai' Hnniclu, A).»II1q» 
ri* aua dum r.j.4« dt, I. jAlirKundert». [III« J n .« hriit^ 11 Min* ^It-If l.fal:» 
t.. I J. '■ Svl.il 0. a. 0,1 l'ir «r.rer.- »i.rd, rnnithvi Cricu d,-r sü.lte in 
Moi-il. il null Tr«ii»!U»i>- .Iami d*r Miidi..- in il,-r> Si.««l[..-u ; hUrA.11' »kdtr ■•>r- 
Bl„ r^-*li#nrl t.H:n Mllilwr ,«r» und , kAn. ir cu-likh PrnmrAl-.r umIi 
Nni-K'iin 1>i r »i.d.r« wurdi r>n.r.< Klu»iw|*-->'. nr«t.,T In Suite-, d«nr. In l.n-i 
(Aniun, firu.tr Kl Ii -uikti «ir» »llir . luira-if h in mr./. j.--m urAl.ir In Ml>p«!il« Tai 
»»rcuftul.. i'u,ll„6 |»r...-ur»t'ji- In N.irlium 



Wenn nun folgerichtig diese veränderte Auflassung 
der Procuratureu von Seite der Kaiser eine Änderung 
in der Stellung der Procurntoren selbst herbeiführte, 
wenn diese iu die Reihe der Übrigen Staatsbeamten 
zurücktraten, so verlor das Institut dadurch gerade das- 
jenige, was ihm bisher ein grosses Ansehen verliehen 
hatte, nämlich die auf seine nächste amtliche Verbin- 
dung mit dem Kaiser begründete Sonderstellung gegen 
die anderen Behörden des Reiches; damit beginnt sieh 
der Verfall des Institutes vorzubereiten, der im Laufe 
des III. Jahrhunderte» durch andere dazu tretende 
Momente beschleunigt wurde. 

Zu diesen gehört vor Allem die Änderung der Ver- 
hältnisse im Lande seit des Kaisers Marcos Aurclius 
Kriegen gegen die Markomannen. Es kann damit der 
dritte Puukt verbunden werden, der ans den CiUier 
Steinen für die weitere. Gestaltung der Proeuratur von 
Noricum gewonnen wird. 

Es zeigen sieh nämlich auf denselben auffallende 
Lücken in der Reihe der Procuratoren. Während für die 
Jahre 15H, 159, 160 drei verschiedene Procuratoren mit 
einjähriger Amtsduuer nachgewiesen werden können, 
fehlen solche aus den Jahren 174, li»*2, 1211, 2LV, 215, 
211. Iu den ersteren Jahren verleiht der Proeurator das 
militärische benetieium; in den letzteren hingegen 
werden mir beneliciarii coiisulis getiaunt , ein Umstand, 
welcher bei der Conscouenz. mit der zuerst beneri- 
ciarii des Procurators, dann solche des Consuls erschei- 
nen, sehr wichtig ist ; denn es Ittsst sieb daraus fol- 
gern, dass in den letzteren Jahren der l'rocurator nicht 
iu Celeja fnngirt habe. Es liegt nahe, diese Erscheinung 
mit eben den grossen markoinnnnisehen Kriegen in 
Verbindung zu bringen, welche iu der Zeit von lt>7 
bis 1ÖU den Kaiser Marcus Aurelius dreimal an die 
Donau führten, und auch späterhin die Coneentrirung 
eines grösseren Heeres unter dem Befehle eines erprob- 
teu Heerführers iiothweudig machten, am wahrschein 
liebsten des Statthalters im oberen Pauuouicn, wohin 
zunächst die Angriffe der Feinde zielten. Darauf weist 
auch die Stelle im Capitolinus hin, nach welcher der 
nachmalige Kaiser Pcrtinax, als Legat der ersten Legion, 
die für gewöhnlich zu Bregetium (O Szöny) in Panno- 
nieu lag, noch unter des Kaisers Marcus Aurelius 
Regierung Noricum und Ractien von deu Feinden befreite. 
Diese Feinde waren sicher nichts anderes als Streif- 
coloniicn, welche die Markomannen in die oberen Donau- 
länder entsendeten, um die Kräfte der Römer zu ver- 
theilen und die linke Flanke des kaiserlichen Heeres, 
das sein Hauptquartier in Camuntuni ib. PetroneU, hatte, 
zu bedrohen. Da nun in dieser Stelle von dem l'roeura- 
tor von Noricum nicht die Rede ist, so könnte geschlos- 
sen werden, dass er damals schon keine militärische 

* Ol,*,:» J*hr ila» Id «lfm nt'MB ril*Ninamn|r«tl*fllt«n \erxt kluil u« f«lill, 
..i n .t^.i,. ■ .nii , h Inirkrjf't »>]- 1 im \ lonr. |>l ebABi), wcl. hr .i. I; ,m 
lcd»x A.iiiLitmu, i.Tjtf, Jcr k. k HofMklUMink u^lor Nu. .U4i> i. M.ma 
.,.■>. (riil.il Ht.TIl llnJ.I u = .l ,\l,<l,rin t»lr )l.r, l>r..i..,.r l'm r Ulli ». 

r.,ll.»,l, I...UI \* Wim; fr,.i,..||,.h.l .n|::l . Ilu, Krlri K t n (f.aiKr»il.l>lfi. du 
\V„Tir 

I M H A N TUN I NO 

Im VVI>,k..l ,iv. tpU*,!. 

KT R A I.III Nor OS 

I'KUIA K 

A V <. 
P AKI.IVK 
V K H I N V s II K 
cos. ]' K ii si; 
KTSTIS 
V. S 1. M. 

«•aiataIU ii d M»lL..: ••r«n Oujultn Im Jun 215 n Ohr. • 1 In l'rrun. t - 



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1 



LXXI 



Uchörde mehr, sondern nur eine CivilbchOrde gewesen 
wäre; allein dem steht der Linser Inschriftstein entge- 
gen. Der auf demselben genannte Proeurator, mag 
er nnn wie immer geheissen haben, verlieh das benefi- 
cinm einem Soldaten der zehnten Legion; diese 
wurde aber erst von Kaiser Marens Anrelins zum Zweeke 
der nachdrücklichen Vertheidignng des Landes im Mar- 
komannenkriege aus den bisherigen Quartieren am Rhein 
an die Donan gezogen. Also verweilte um die Zeit die- 
ses Krieges der Proeurator nicht blos im Uferlandc, 
sondern hatte dort auch eine militärische Stellung inne. 
Daher bleibt nur noch die Annahme übrig, dass er dem 
Heerführer an der Donaugrenzc in militärischen Dingen 
unter- oder höchstens beigeordnet gewesen sei. In der 
Zeit des langen Friedens vor dem genannten Kriege war 
nnn die militärische Stellung des Procurators so wenig 
in den Vordergrund getreten, dass er auch in der Ange- 
legenheit der Bewachung der Grenze vollkommen selbst- 
ständig erschien. Seit aber dnreh die Markomannen- 
kriege der gefährliche Zustand der Donaugrcnzo perma- 
nent geworden und der bisher unbedeutende Wachc- 
dienst in einen mit den kriegerischen Actionen in Pan- 
nnnien eombinirten Felddienst übergegangen war , trat 
naturgemäss das militärische Übergewicht der panno- 
nischen Statthalter Ober die von llaus aus untergeord- 
nete militärische Stellung der norischen Proenratoren 
hervor, ein Umstand, der dem Ansehen und der Unab- 
hängigkeit der letzteren wesentlichen Eintrag thun 
musste. Denn auch in politischen Dingen waren die 
Statthalter in Pannonien vielvermögcnd. An der Spitze 
einer immer kampfbereiten grossen Armee waren sie 
für den jeweiligen Kaiser bedeutungsvolle Personen nnd 
gaben wichtige Parteigänger auch für die Prätenden- 
ten des kaiserlichen Purpurs ab, ja sie traten wohl auch 
selbst als solche auf, wie der eben genannte Pcrtinax ; 
um so mehr musste ihr Einfluss in eine Provinz hin- 
«berreichen, deren militärische und politische Be- 
deutung, an sich geringe, nur durch die Rückwirkung der 
damaligen Sachlage in Pannonien einen höheren Grad 
erhielt. 

Nur so kann jener eigentümliche Vorfall erklärt 
worden, welchen Dio Cassius aus dem Jahre 203 n. Chr. 
erzählt. Polennius Scbennus, damals Proeurator von 
Noricum, ein ränkevollcr, trotziger und despotischer 
Maun, wurde nämlich vom Präses in Pannonien .Sabinas 
den Norikeni zur Bestrafung mit dem Tode ausgeliefert, 
weil er die Verwaltung des Landes schlecht geführt 
habe. Er entkam derselben zwar; aber immer wird_ dar- 
aus abgenommen werden können, welch' ein Über- 
gewicht der Statthalter in Pannonien gegen den Proeu- 
rator von Noricum inne hatte. Diese Unterordnung ist 
auch in der Folge bestehen geblieben, da die Verhält- 
nisse, welche sio begründeten, selbst fortbestanden nnd 
an Bedeutung gewannen, seit die BarbarcnstUrme und 
die Throustrcitigkeiten im Laufe des III. Jahrhun- 
derts sich steigerten. Ja als gegen Ende desselben der 
am linken Douauufcr gelegene Theil vonDaeien verloren 
gegangen war, trat die Wichtigkeit Fanuuiiiens. die es 
seit dem Markomannenkriege als Schauplatz desselben 
erhalten hatte, noch mehr hervor; in ihm coneentrirle sich 
seither die Vertheidignng aller Grenzländer an der mittle- 
ren Donau und jene der Küste des adriatisehen Meeres; 
der gcsammteLändercomplex zwischen Inn, Etsch, Donan 
und Save, nicht blos Noricum allein war mit all' seiner 

IX. 



Zukunft auf die Vorgänge im Marchfelde und den unga- 
rischen Ebenen angewiesen. 

Aber nicht blos nach Aussen hin veränderten sich 
die Verhältnisse der Procuratur ; auch die innere Ver- 
waltung wurde im Laufe des II. und III. Jahrbnnderts 
eine andere nnd wirkte altcrirend auf den Charakter 
dieser Behörde zurück. 

Es ist schon oben angedeutet worden, dass erst 
unter Hadrian und seinen Nachfolgern im Uferlandc 
Militärcolouicn auftauchten, also erst nm diese Zeit von 
den Nationalen des Landes eine höhere Stufe der Bil- 
dung erreicht worden ist. Die Begründung der Colonicn 
muss auch hier einen durchgreifenden Einfluss auf die 
Erhaltung nnd Verbreitung der römischen Cultnr aus- 
geübt und dadurch das bürgerliche Leben der Provinzia- 
len gefördert haben, so dass die Verwaltung des Landes 
nicht mehr ciue blos militärische sein konnte, sondern 
auch Civilbehörden erheischte. Im bi nn enlitn dische n 
Noricum hatte die Romanisirung schon früher grössere 
Fortschritte gemacht; je länger hier der cultivirende 
Einfluss der Römer thätig war, um so tiefer drang er 
ein, um so mannigfaltiger wurden die Verhältnisse der 
Herrschenden zu den Provinzialen; das Rechtsleben, der 
Verkehr, das Handwerk musste grössere Dimensionen 
annehmen nnd so der Stoff für die Administration und 
Jurisdiction immer reicher werden. Neben die bisher 
vorwiegende finanzielle Thätigkeit des Procurators trat 
daher die administrative und judicielle mit gleicher Be- 
deutung und in gleichem Umfange, aber auch mit einer 
neuen Forderung. Denn auch die Verschiedenheit der 
beiden Theile des Landes nord- nnd südwärts von den 
Alpen spiegelte sich in dem aufblühenden Gemcindc- 
lehen ab ; nicht blos die Abslufuug nach dem Grade, in 
welchem hier wie dort die Bildung sich befand, sondern 
anch die loealen Abweichungen, die sie in den verschie- 
denen Theilen bei ihrer Entwicklung zeigte . verlangte 
eine verschiedene Art der Behandlung und Verwaltung 
in den einzelnen Landestheilcn. So war denn die Procu- 
ratur mit ihrer alten Einrichtung in der neuen Zeit all- 
mählich unmöglich geworden. Ursprünglich auf einen viel 
engeren Rahmen angelegt, nämlich auf den Znstand des 
Landes, wie er kurz nach der Eroberung war, und inner- 
halb desselben zunächst auf die finanzielle Ausnutzung 
der Schätze des I^andes und auf den Schutz der Donau- 
gren zc zielend, genügte sie einer Zeit nicht mehr, in 
welcher die Vcrmischuug der einheimischen Bildung 
mit jener der fremden Herren Thatsaehe geworden war 
und ein mehr weniger reiches bürgerliches Leben znr 
Blllthe gebracht hatte ; in welcher ferner der Schutz der 
Donangrenze aus dem Ressort der Proenratoren in jenen 
der Statthalter von Pannonien übergegangen ; in welcher 
endlich der ursprünglich sclbstständigc Proeurator zu- 
nächst durch die veränderte Richtung des Zeitgeistes 
ans seiner nahen Stellung znm Kaiser verdrängt, dann 
nach der kriegerischen Gestaltung der Verhältnisse zu 
den barbarischen Nachbarn längs der Donau hin, in eine 
bleibende Unterordnung unter die pannonische Statt- 
halterschaft gebracht worden war. 

So hatte das Institut alle jene charakteristischen 
Eigenschaften, mit denen es ursprünglich ausgestattet 
war, im Laufe des HL Jahrhundert« verloren ; die Ver- 
hältnisse drängten zu einer gründlichen Reform des- 
selben hin. Dass diese aber während der Zeit der 

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LXXTI 



« 

r dreissig Tyrannen" vorgenommen worden »ei, ist nicht 
denkbar. Die traurige Zeit der ärgsten staatlichen Ver- 
wirrung war in der That nicht dnzn angethan, eine neue 
dauerhafte Organiairong zur Keife zu bringen. Auch 
hahen überhaupt die Kcstaurationsvcrsncho in der Ver- 
waltung nicht vor Aurelian begonnen, nnd bekanntlich 
war es erst Diocletian, welchem es gelang, eine den 
veränderten Verhältnissen des Reiches entsprechende 
Neubildung der Administration durchzuführen. 

Daher können alle Versuche die Prociiratur den 
veränderten Zeitvcrhitltnissen anzupassen, bis zurOrga- 
nisirung unter Diocletian nur als Aushilfen betrachtet 
werden. Welcher Art sie gewesen seien, ist nicht Über- 
liefert, aber auch nicht schwer zu bestimmen. Da M. Ul- 
pius Victor noch um die Zeit des Kaisers Philippus, 
also um die Mitte des IJI. Jahrhunderts als Proeura- 
tor in Celeja erscheint, so muss die Bebttrde damals 
noch bestanden haben, vielleicht mit dem einzigen Unter- 
schiede, dass die strategischen Angelegenheiten des 
Ufcrlandes schon in jener Zeit an den Statthalter von 
Pannonien abgetreten waren. Die civile Verwaltung 
des Uferlandcs mochte durch einen in Lauriaeum expo- 
nirten Unferbeamten, der unter dem Procurator stand, 
versehen worden sein, wie sich dieses aus den Ver- 
hältnissen jener Zeit mit Notwendigkeit ergibt. Aach 
in Oilli mag die Kanzlei des Procurator« weit mehr uud 
gleich wichtige Abtheiinngen umfasst habeu als früher. 

Hierher könnte die Stelle aus einer freilich sehr 
spaten Qnelle bezogen werden, aus der Legende des 
heiligen Mnximilinnus, Bisehofes von Lorch 1 ; der ihn 
zum Abfall vom Christcnthumc auffordernde uud dann 
zum Tode vcrurtheilende Vertreter des Kaisers kann 
wohl nur der Procurator gewesen sein; die Legende 
nennt ihn aber schlechthin „judex", nicht Procurator, 
ein Ausdruck, der um so weniger auffallen kann, als ja 
die Thatsache der Verurtheilung selbst dafür spricht, 
dass der Procurator für die Gerechtigkcitspflcgc im 
Lande die oberste Instanz war; wichtig ist daran nur, 
dass er damals noch das ^us gladii" inne hatte, und 
vorzugsweise nach seiner richterlichen Thiitigkeit be- 
zeichnet wurde. — Wie nun immer die Auehilfeu beschaf- 
fen waren, um die Procuratur den veränderten Verhält- 
nissen des Landes entsprechend einzurichten, das 
dürfte anznnehmen sein, dass sie durch die factische 
Theilung der Provinz in zwei Theile und durch die Ver- 
mehrung der Verwaltungsgeschäfte nach allen Seiten 
hin bedingt worden seien. 

8. Weit mehr Licht wirft auf die allmilhlichc Um- 
gestaltung der Procuratur die neue Organ isation des 
ReicheR unter Diocletian, da sie ja nicht von vorne 
herein einen nenen Zustand schuf, sondern den Ver- 
änderungen und Nothwendigkeitcu sich anschliessend, 
welche im Laufe des III. Jahrhunderts hervorgetreten 
waren, diese xum klaren nnd deutlichen Ausdruck brachte, 
ihnen gewissermassen die officiclle Beseitigung ertheilte 
nnd so für uns die sicherste Quelle ist , aus der wir 
auf jene Veränderungen xurücksehliessen können. 

Ans einer Veronenser Handschrift hat Tb. Mommscn 
vor nicht langer Zeit ein Verzeichnis» der römischen 
Provinzen herausgegeben, welches schon von Maffei 
aufgenommen worden war 1 ; ex ist die ans dem VII. Jahr- 
hundert n. Ohr. stammende Copie einer Aufzählung der 

■ Pf f. !. .ol. M, Nr. a. - ■ Abhac.dln.nri. der k. Akadeniia d. «J„. I« 
Hrrlin !»«:•!. n. (h'p ff. mit e;". r Karle. 



Diöccscn und der diesen untergeordneten Provinzen, 
welche nach des berühmten Herausgebers Begründung 
um das Jahr 297 n. Ohr. geschrieben worden ist '. In 
dcrselbeu erscheinen unter der Diticese Pannonien nach 
dem „eonsul Pannoniae inferioris" und dem „correetor 
(Pannoniae) Savensis" die praesides von Dalmaria, Va- 
leria, Pannonia superior, Noricum ripense und Noricun 
mediterranenm. DieHandsehrift gibt das älteste Proviuzial- 
verzeichniss nnd es liegen alle Gründe vor, sie mit der 
Organisation des Reiches unter Diocletian in Verbindung 
zu bringen ; sie ist daher auch für unsere Frage die 
wichtigste Quelle. 

Es ergibt sieh nnn aus ihr, dass erstlich das fac- 
tische Übergewicht, welches Pannonien seit den Mar- 
komannenkriegen über die umliegenden Provinzen er- 
halten hatte, durch die administrative Unterordnung der 
letzteren unter die erstere eiue bleibende ofticielle Form 
erlangte; ferner wurde die Provinz nun auch officiell in 
jene zwei Theile zerlegt, welche naturgemäss bei der 
Kntwieklung der neuen Culrur in Noricum eineu ver- 
schiedenen Weg gegangen waren, sowie die Aufgab« 
der Verwaltung in ihnen verschiedene Gesichtspunkte 
verfolgen inusstc. An die Spitze der Civüverwaltun^ 
trat in jeder Provinz ein praeses, nnd zwar nicht mehr 
blos als finanzielle, sondern vorwiegend als Gerichts- 
behörde, wie aus der späteren Notitia hervorgeht, und mit 
dem .perfectissimatus", d. h. mit jener Rangstufe unter 
den höheren Beamten, welche zwischen dem „clarissi- 
matus" nnd der untersten Stufe, dem „egregiatus", die 
Mitte hielt. Darin liegt ein interessanter Hinweis anf 
die Stelle, die nun die ehemaligen Procuratoren gegen- 
über den Statthaltern der ehemaligen seuatoriseben 
und kaiserlichen Provinzen einnahmen, welche letztere 
seither gleichweise praesides hieasen. Diese, z. B. die 
praesides von Aquit&nia, Byzaeene, Dalmaria, Moesia 
superior, Pannonia snperior , Sardinia, Syria wurden 
viri c 1 a r i 8 s i m i ; die ehemaligen proenratorcs und prae- 
fecti, wie z. B. die (jetzigen) praesides der beiden Norica, 
die von den cotti sehen Alpen, der Inselprovinz, von Man- 
retania Sititensis wurden nur viri perfectissimi, ein 
Beweis, dass die ehemaligen Proenratoren keine Sonder- 
stellung mehr gegen die übrigen Behörden einnahmen, 
sondern in die Reihe der letzteren gestellt nnd nach der 
Grösse und Bedeutung der Länder, die sie zu ver- 
walten hatten , in die entsprechenden Rangstufen ein- 
gereiht wurden. Daher erscheinen auch in (der Verone- 
ser Handschrift die praesideB der beiden Norica nicht 
blos hinter dem consnl von Pannonia iuferior uud dem 

• Die FMie "«» <i" AufllMltii»» der Prolin. Sorlratn In «d „rinenee- 
and «In .mediterran««« erhell dad.rrh Ihr. endilllti-. I-IIeun« Mueh.r 
lle.. .!•> naeb elrj.eher.der ErSrterun* uobe.lliti.ut II. S. 7 ~n). J 0 S« I d I 
cnf die Zeitgrenioii clemllch en-e uo-d boHJmnita sie au» einer Steile In 
Paiiecrrikit» ßwrieaiaa (l'»JU«r Auigabe der 1'aaecrrlcl IB"!6, p. U3>. nachwel 
eher um Süi n. Chr «c*h *»m einem u u g e I h» 1 Ho n KorR-um dlo Kode l»t, 
und naeh »Inor Iniehrift »uf dl« Jahre Tr)~ SSM, kam ru>n dorn wnbre« Mil' 
*eWm]t r-ehr nahe ;.ee-i£r. r:xcur»e Wleu. Jahrb. 4. Llt. ltd. It>l, Anxefgeb 1 *"* 
ArnaraUlidr. II. $ t3|. T>e«*e*ea »tollt« Illidlne.or In der oaterrelcruWehen 
Oetchleblc &. in. dl« Behauptung auf, Norkam »ei erhon diu tW {'(bellt und 
Ton rwel Croeuratorcu rerwaftel worden Ortinde gibt er «Ufür nkhl au uud 
daher |,t e* rrhwer, ein t*rth«ll über dlaae Anklebt xu fällen, Da«e die Kal- 
vlckluue: der rvoat,. b-barbar|ju-Lon Mlaebbllduna: In Vcrbladnnif, mit den terrl- 
toriakit VrrkflUL-dcnbclteu du« I.andu» ein« Trenouna: dir CroTliu lü |rn« J»#4 
Thello t,«n t«lbi>t herbelÄoffthrl nnd die*» Tat flach «vhan »nr 5», l»a»unden 
bab«-, li< sehr »»ImrKvitilitli , allrln ort, l«ll auerk^not und orxatiUlrt ward« di« 
Trennung erst ?HT, Ebenhn u^wud< l'l rrfellratoron für beide Tnelte 

aniuiH'timen, da mit dlootn l'llel *tn anderer rl»-tfrlff varbnbdaa werden rnuu, 
alt der, welrKir die rnnipelrux der Statthalter narh der Tliellun* d»r l'rovlu 
brtalehoet. Ute IteKattptuuif lltidlnftnri wird iturtren aanubnibar. wenn uilt 
ilirnitr ftnejcuer Aushilfen, dl« el^n lipj.i>rö.'liwji »unteri ri,id. tezclfbnu-r werden 
will; nur Iht d&nn fe^tzutiallen. dari die TV"ill'4»K der Crevlc« wobt da faete, 
aber nneh nlcbl aU Kold* einer ruuen f>r(anislrun|t beaianden und »irh niiht 
auf dU Tlielluujr, aurK der f'oinpeUnz dt > eit» n Frnenratnr» eritrerkt hat 



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LXXIII 



correetor von Savcnsis aufgeführt, sondern auch hinter 
den praesides der Übrigen Tlieilc von Pannonien (supe- 
rior und Valeria), da diese« Land ehemals eine kaiser- 
liche Provinz war. 

Endlich ist es eine charakteristische Eigenschaft 
der nenen Organisirung, das» sie nicht blos die Provin- 
zen in kleinere Gebiete aufgetheilt hat, sondern auch 
die Competenzen, so dass die Civilgeschäfte dem „prae- 
se8 J ,dieMiutärgC8chRfte dem „dux* zukamen. Wie diese 
Theilung damals in Noricutn durchgeführt wurde, ist 
jedoch zweifelhaft. Für das Uferland wäre nach dem 
Gange der Entwickelung seit dem Markomauncnkriege 
anzunehmen, das« die Stelle des „dux- zugleich von 
dem dux in Pannonin versehen worden sei; denn es 
war von Wichtigkeit die gesammte Besatznng der 
mittleren üonaugrenze einer einheitlichen Leitung zu 
unterordnen, zumal da das l'ferland flir sich nur eine 
geringe tactischc Bedeutung hatte und nur flir die mili- 
tärischen Bewegungen in Pannonien wichtig war. Daher 
dürfte, wie in der Zeit der ersten Procuratoren die 
norischc Uferwache von einem militärischen Stellver- 
treter derselben geleitet worden sein mochte, ebenso jetzt 
der „dux- Pannoniac einen höheren Officier als Stell- 
vertreter im l'ferlandc gehabt haben, dem dann auch 
die wichtigen Waffenfabrikeu in Lauriacum untergeord- 
net waren. Diese Verbindung der Stellen der duces von 
Norieutu ripensc und Paunonia ist späterhin bestimmt 
durchgeführt worden, wie denn die Notitia dignitatura, 
das Staatshandbnch vom J.4U0 n. Chr. einen „dux Pan- 
noniae primae et Norici ripensis- 1 mit dem Pra- 
dicat Spectabiiis nennt'; mit Wahrscheinlichkeit 
darf sie aber auch schon fUr die Zeit Diocletians an- 
gcnomincu werden. — Für das binncnliindische Noricum 
kann dagegen Uber die Theilung der alten Procuratur 
in ein praesidium und einen dueatus kein Beleg anf- 
gebracht werden. Die Notitia liisst uns hierüber voll- 
kommen im Zweifel, indem sie die Verwaltung dieser 
Provinz nicht näher berührt. Vielleicht hat der diu von 
Savensis eine ähnliche Oberaufsicht Uber die militäri- 
schen Angelegenheiten in dieser Provinz, wie sie jener 
von Pannonia secunda im Ufernoricuin hatte ; «lies bleibt 
aber nnr eine Vermuthung, indem der Beweis hieftlr 
nicht geliefert werden kann. 

So hatte die Procuratur, deren militärische Bedcn- 
tang von Anfang sehr geringe war und eben nur aus- 

1 »««km« CXXXIII um. II, »»;.. 



reichte, die finanzielle Verwaltung des Landes und die 
Bouianisirung mit Nachdruck durchfuhren zu könneu, 
diesen Thcil ihrer Wirksamkeit ganz an eine rein mili- 
tärische Behörde abgegeben. Der Wirkungskreis der 
Civilverwaltnng selbst war aber verändert und so aus- 
gebreitet und geschäftereich geworden, dass auch das 
L'ferland eine eigene Civilbehördc erhielt. Damit hatte die 
Organisation Diocletian s jene Veränderungen sanetio- 
nirt, welche der Procuratur ihren alten Glanz und die 
charakteristischen Eigenschaften nahmen; selbst der 
Name schwindet aus der Amterlistc; es gibt fllrderhin 
keinen IVocurator und kein nngethciltes Noricum mehr. 

Wenn noch einmal anf die Ursachen zurückgesehen 
wird, welche die Procuratur so sehr verändert haben, so 
tritt unter ihnen neben den auch in anderen Beziehun- 
gen fUr die Donanländcr höchst folgereichen Marko- 
maunenkriegen zumeist die Umgestaltung der Provinz 
selbst hervor, die aus einem blossen Grenzlande zu einein 
Vorland« des Beiches mit reich entwickelter Misch- 
bildung herangewachsen war, bedeutend nicht durch 
seine tactischc oder politische Wichtigkeit , wohl aber 
durch seine materiellen Güter, namentlich durch den 
Segen der Berge, durch den Zwischenhandel und durch 
ein blühendes gewerbliches Leben. Es war die Aufgabe 
der Procuratur, das Land in diesen Znstand zn bringen, 
wenn sie auch zunächst darauf angelegt war, die Interes- 
sen des Beiches, nicht jene der Provinz zu wahren; und 
bezeichnend ist es, dass durch die Erfolge der Procuratur 
schliesslich die Verhältnisse im Lande so geändert 
wurden, dass sie Uber die ursprüngliche Anlage dieser 
Obrigkeit hinauswnehsen und eine gänzliche Umgestal- 
tung derselben bewirkten. — 

Es sind grösstcuthcils nur Vcrmuthungen, welche 
in den vorstehenden Blättern Uber die Procuratur von 
Noricum zusammengestellt werden konnten; dennoch 
schien es uns gerechtfertigt, nie mitzutheilen ; denn eine 
Frage iu Anregung zu bringen, welche, sowie sie viele 
andere in sich begreift, für die Geschichte der öster- 
reichischen Kronländcr unter den Römern von grosser 
Bedeutung ist, dies scheint uns eine Pflicht zu sein, zu- 
mal wenn der vaterländische Hoden selbst die lange und 
wohlverwahrten Zeugen jener längstvergangenen Zeit 
hervortreten lässt und uns vor Augen stellt. Hoffentlich 
werden deren noch mehrere kommen und die grossen 
Lücken ausfüllen helfen, die in dieser Schritt offen 
bleiben. Dr. Friedrich Kenner. 



Besprechungen. 



The alabaster sarcophagus of Oimenepthah I., 



I» SIf . 



n, Uik.I.'i I,.» 
(MI. 13 



Als im Octobcr 1815 der bekannte Belzoni in 
Theben war, bezeichnete er seinen Arbeitern eine Stelle 
in dem „Thal der Köuigsgräber-' am Fnsse der HUgcl 
von Bibau el Molook, und Hess dort nachgraben. Was 
ihn bewogen haben mochte, eben dort nachsuchen zu 
lassen, wo zur Regenzeit ein Bergbach durch das Thal 
rauscht, der sich dann in den Nil ergiesst, war vielleicht 



l»> J- llononi uii 
19 T4fol» ) 



dc.crt.ed b, S. Sli./p«. Uau« ua |h,i( f. 



nichts weiter als ciue „antiquarische Ahnung - , aber das 
Ergebnis« zeigte, dass Belzoni sehr richtig gerathen 
hatte, denn nach zwei Tagen (16. Octoher) stand man, 
achtzehn Fuss unter der Erde, vor einer Treppe, welche 
in einen Corridor von 36 Fuss Länge hinabführte. Hier 
fand sich eine zweite Treppe (von 23 Fuss Länge) und 
ein zweiter, 37 Fuss langer Gang, durch den man in 



- 



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i 



LXXIV 



ein kleines (30 Fuss tiefes und 1 4 Fuss breites) Gemach 
gelangte. Aus diesem führte eine, nur einen Yard breite 
üeffhnng in eine Halle mit vier Pfeilern, von welcher 
eine dritte Stiege nochmals in eine Halle nnd endlich 
eine vierte Treppe zudem eigentlichen Begräbnis« führte, 
welches mehrere Nebengemächer zeigte. In dem letzten 
derselben fand Bclzoni die Mumie eines Stieres und 
eine Menge höherner Mumienfiguren von 6 bis 8 Zoll 
Länge, von denen die eine den Namen des Königs 
Oimenepthah trug. Der Sarkophag selbst ist in Ala- 
baster gemeisselt. ßclzoni sammelte die einzelnen 
Theilc des zerfallenen Sarkophage», Hess sie au den Nil 
fnhrcn nnd brachte sie nach England , wo sie Sir John 
Soane von ihm kaufte und in seinem Museum aufstellte. 

Mr. Sharpe spricht nun in dem vorliegenden 
Buche zuerst von dem Namen des Königs. Kr erinnert 
daran, dass Diodor diesen König Osymandyaa, und 
Erathoatenes: Cho-niae-phta nannte, welches letztere so 
viel bedeuten Boll als: „the world belovcd by Hephaes- 
rns«, und geht dann auf das Alter des Sarkopbagcs 
Uber. Nach seiner Ansicht ist Oimenepthah einer jener 
zwanzig Könige, welche in einem Zeitraum von 500 Jah- 
ren vor dem König Shishank (S. Buch d. Könige I, 14) 
Ägypten beherrschten und die Tempel im Nilthal bauten, 
und zwar soll er der Vater Ramases des Zweiten gewe- 
sen, im 1 175. Jahre vor Christi gestorben und in obigen 
Sarkophag gelegt worden sein. 

Von Gebäuden, welche Oimenepthah errichtete, 
werden genannt: Der Tempel von Errebek (der Stadt 
der Sonne), die SHulenhalle zu Karaak. zwei Bauten zu 



Thys (Abydos) und der flaminianische Obelisk , der nnn 
auf der piazza del popolo zu Rom aufgestellt ist; das bri- 
tische Nationalmuscum besitzt auch eine Statue dieses 
Königs. 

Der Sarkophag ist 9 Fuss 4 Zoll lang, seine grösstc 
Breite (über die Brust) misst 3 Fuss 4 Zoll und die 
Höbe beträgt an den Schultern 32 und an den Fussen 
27 Zoll. Die Dicke des Steines wechselt von 2«/, bis zu 
4 Zoll. Der Sarkophag ist alleuthalben mit Hieroglyphen 
verziert , welche der Verfasser in zehn Bilder ab- 
theilt und beschreibt und erklärt. Nachdem auch der 
Boden des Sarges beschrieben ist, wird in einem Appen- 
dix von der Reihe der ägyptischen Könige gesprochen 
und auf einem besonderen Blatte sind die Namen der- 
selben bei Kratosthenes und auf den Tafeln von Abydos, 
mit der Manctho'schen Dynastie von Theben und von 
Memphis zusammengestellt. Der Autor, dem die ge- 
lehrte Welt schon mehrere Abhandlungen Aber das alte 
Ägypten verdankt', hat mit dieser neuen Schrift die Li- 
teratur Uber dieses geheimnissvolle Land auf eine wür- 
dige Weise bereichert. 

' nie um bckinatra ilail: 

.The iriplr mumm» riw ..f Aroerl-Ar, *ia egypUl» prle>t*. ilu. 
t)r. f.ee'i Mu*eiun.) 

„Tbr <lirüii<?logy ead geogrephy of Aurl«nt Ecypl." 

„Ttte lii»lory ot Egypl fK>» tbe earlleftt tliaei Uli tlie coflejueel by 
tho Artbi ia A. e*l*". [Viert« Auflage.) 

,.1'lcyptUB Injcrtption» frnrn che fiTllleh Mnieum »il olber i«uree»-. 
(MM !>0 Tafeln la Kell».) 

„K(y|itUtt hleri>e;UBln>> , beini au eilempt u> eiiilalu ihelr oelure. 
<irlaiD and mt-anln*." (Mit einem Wnrlerbiicb) uad 

.Kayptle* Uythololy and eaypllan carliliaalty, »Ith thflr inlhieare on 
tlie »pfulen» et meiern rhr l.ltLd. m- 



Die Wiederaufflndung der Urne des heiligen Vigilius. 

V«n 1. G. Sulaer. Trleat In« *». 



Obige Tumba. bestehend ans einer, aus einem ein- 
zigen tiroler Marniorblockc gemcisselten Arche (6 Fuss 
11 Zoll lang, 8 Fuss breit, 2 Fuss 11 Zoll hoch) fand 
der Verfasser im Jahre 1843 bei Besorgung von 
Restauratious - Arbeiten an der Kathedrale zu Trient 
im Hofe der Frohnvestc des dortigen Magistrates. 
Nach Constatirung der Echtheit wurde die altehrwttr- 
dige Tumba (n. d. V. Jahrhundert) in die Kathedrale 



gebracht und dient nun als mettsa zum Reliquienaltar in 
der Sacristei. Den Schicksalen dieser Tumba ist mit vie- 
lem Fleisse nachgeforscht und die Mittheilung derselben 
möglichst genau und umständlich geschehen. Im Anhang 
bringt der Verfasser mit lobenswerther SclbstverlKug- 
nung Gegenkritiken artistisch-gebildeter Alterthumsfor- 
scher, denen er sein Manuscript zur Einsicht vor dem 
Drucke Übersendete. S. 



Praktische Erfahrungen , die Erhaltung, Ausschmückung und Ausstattung der Kirchen betreffend, 

»iinäehjt «t deo l ler« ilrr IllXen« 1'aderr.nr». • »» I»r. Wllb. Koerlb. O 1 e (er Zweite Au/!«.- Pe4erb.rn 1*1«, »» *i Sellen. 



Ein kleines Werk und dennoch von so reichein lu- 
halt, so nützlichen Vorschlügen und belehrenden Bemer- 
kungen, wie in manchen weit wendigen Abhandlungen nicht 
zu finden. Wir erlauben uns daher, der Besprechung 
desselben einen etwas grösseren Raum anzuweisen. 

Der Verfasser nahm auf seinen Reisen durch die 
Diörese Paderborn gegen 290 Kirchen und Capellen 
in Augenschein, durchforschte auch die vorhandenen 
kirchlichen Geräthscbaften und stellte in obiger Schrillt 
die Grandsätze dar, welche seiner Ansicht nach hei 
Umhauten und Restaurationen von Kirchen, bei Anschaf- 
fung und Ausbesserung von kirchlichen Utensilien n. s.w. 



zu befolgen sind. Das Ganze zerfällt in 23 logisch nach- 
einander gereihte Paragraphc. 

§ 1. Erhaltung der Kirche. Die Ursachen 
eintretender Ranfälligkeiten sind genau zu untersuchen, 
denn Risse im Gewölbe oder in den Umfassungsmauern 
röhren oft nicht von den Fundamenten, sondern vom 
Dacbstuhle her, indem nämlich durch verfaulte Balken 
die Sparren auseinander wichen und die Mauer nach 
sich zogen. Zuweilen hatten die Stichbalkcn ihre Ver- 
bindungen verloren und die Sparrenpaare, welche in den 
Stichbalkeu ruhen sollten, trieben die Kirche auseinan- 
der. Wcitcrs wird bei flachen Decken die Schädlichkeit 



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LXXY 



der Scbeingcwölbe dargcthan, auf die zerstörende Wir- 
kung des Regens bei schlecht constrairten Strebepfeilern 
hingewiesen und wegen Ableitung des Wassers von dem 
Fundameute und Abhaltung der Feuchtigkeit mancher 
gute Wink gegeben. 

§ 2. Innere Ausschmückung der Kirche; 
W Unde und Gewölbe. An die Spitze seiner Bemer- 
kungen stellt der Verfasser die rullkommen richtige An- 
sicht, dass das Innere einer Kirche zur Andacht stimmen, 
das Sinnen und Denken der Menschen Ton dem Irdischen 
hinweg zuni Himmlischen emporheben soll. Kr eifert 
gegen das so beliebte Tünchen der Wände, ja selbst 
der Standbilder , Seulpturen und Capitälcr mit weisser, 
gelblicher oder rüthlicher Kalkmilch und plaidirt tlir 
Beibehaltung der natürlichen Farbe des Hausteines oder, 
wo ein Anstrich notbwendig ist, fltr Nachahmung der 
Steinfarbe. 

§3, Fenster. In den frühesten Zeiten des Chri- 
stenthums verhing man die Fenster der Kirche mit Tep- 
pichen oder schloss sie mit Glas, welches mosaikartig 
durch Gyps oder Bleistreifen verbunden war. Im X. Jabr- 
huudert begann die Glasmalerei und erreichte in der 
Zeit der Gorhik ihre höchste Rinthe. Rcichensbcrger 
(Fingerzeige aut dem Gebiete der kirchlichen Kunst) 
nennt gemalte Fenster das seelenvolle Auge des Kirchen- 
baues, den Heiligenschein, die Verklärung der christlichen 
Baukunst. Auch der Verfasser empfiehlt dieselben drin- 
gend oder mindestens farbloses Glas, welches vermittelst 
gegossener Bleistreifen so zusammengesetzt ist, dass 
ein Netz vou geometrischen Figuren gebildet wird; da- 
gegen werden helle Fenster mit Scheiben , wie man sie 
an eleganten Wohnungen findet, für ganz unzulässig 
erklärt. 

§4. Thllreu und Filssbode n. Die symbolische 
Bedeutung der Kirchenthtlrcn bedingt eine sorgfältige, 
dem Style der Kirche entsprechende Construirung der- 
selben aus Eichenholz. Auch der Fussboden soll mit 
der Verzierung der Wände, Gewölbe und Fenster barmo- 
niren, und iu Ennanglnng der ehedem angewandten 
Fliessc durch mehrfarbige Steine, geometrische Figuren, 
Sterne und Rosetten zusammengesetzt, die schachbrett- 
artige Bedeckung desselben durch verschieden farbige 
viereckige Platten jedoch vermieden werden. 

tj 6, 6, 7. Altäre. Vom II. Jahrhundert au wur- 
den in Folge einer Anordnung des Papstes Evaristus 
die Altäre aus Stein angefertigt. Bis zur Mitte des 
IX. Jahrhunderts bildet« den Hauptbestandteil des Al- 
tares der Altartisch (mensa), unter welchem sich ein 
Behiilter mit den Gebeinen eines Heiligen (confessio) 
befand , darüber wölbte sich auf freistehenden Säulen 
ein Baldachin von Holz oder Stein (eiborium). Auf dem 
Altar stand nichts, das Kreuz war an die Wand gemalt 
oder stand anf dem Ciborium, die Leuchter auf der Erde 
oder auf einem nahen Querbalken, und von der Mitte des 
('iborien-Gewölbes hing bis zum XI. Jahrhundert ein 
Gefäss in Gestalt einer Taube herab, in welchem das 
allerheiligste Saeramcnt aufbewahrt wurde. Hierauf 
werden die Veränderungen initgctheilt, welche der ur- 
sprüngliche Altar im Laufe der nächsten Jahrhunderte 
erlitt und dicEntstchiing und Vergrösscrung der Altaraut- 
sätze, mit Hinblick auf jene Ungeheuer von Aufsätzen, 
welche die Renaissance anfUiUrmte , kritisch beleuchtet 
und wird eine Umkehr, wenn auch nieht zur alten, doch 
wenigstens zu einer erträglichen Form gefordert. Über 



die Construetion neuer Altäre wagt der Verfasser keine 
Entscheidung, da sich die competenten Autoritäten in 
kirchlicher Kunst darüber noch nicht geeinigt haben; 
doch gibt er den Rath , sich an schöne Muster aus dem 
Mittelalter so genau als möglich hinsichtlich der Form 
und des Materials anzuschliessen. 

§ 8. Taufstein, Kanzel, Beichtstühle. Zur 
Erhaitnng alter Taufsteine, welche gesprungen sind, 
wird die Auslegung des Inneren mit Blei oder Zinn an- 
empfohlen und vor Zerschlagen derselben gewarnt, da 
sie nicht nur Denkmale romanischer und gotbischer 
Kunst, sondern auch Documentc sind, welche für das 
Alter einer christlichen Gemeinde Zeugnis« geben. 

Die Kanzeln entstanden in der gothiachen Zeit, denn 
ursprünglich wurde von einem Pulte (anibo) aus, das 
an den Chorschranken (eancelli) stand, gesprochen. 

Beichtstühle, als Richtersitze der Barmherzigkeit, 
wünscht der Verfasser so einfach als möglich, ohne dass 
sie deshalb alles sinnigen Schmuckes entbehren mussten. 

§9. Kirchenstuhle und Communionbank. 
Dazu soll Eichenholz genommen und Blattwerk oder 
Paneolverzierungen angebracht werden. Ausgezeichnete 
ChorstUhle aus dem Mittelalter fand der Verfasser in der 
Kirche zu Falkenhngen. 

§ 10, Orgel, Wcihwasscrbcckcn. Orgeln 
kommen seit dem XIV. Jahrhundert in Kirchen häufig 
.vor; bei der Decoration der Orgelbühnen und des Orgel- 
Gehäuses soll die höchste Einfachheit beobachtet wer- 
den, und der Anstrich nur mit reiner Holzfarbe geschehen. 

Die steinernen Weihwasserbecken ans alter Zeit, 
welche von grosser Pracht und Kunst zeugen, bilden 
einen schönen Gegensatz zu den jetzigen metallenen 
Kesseln und Becken , die ausserdem nicht sehr rein ge- 
halten werden, und wird Uber diese ein sehr berechtigtes 
Anathema ausgesprochen. 

§ 11, 12. Bilder und Crucifixe. DerVerfaaaer, 
ein begeisterter Kämpfer für kirchliche Kunst, fordert, 
dass sich bei kirchlichen Bildwerken nur Würdiges und 
Erhabenes zeigen, dagegen alles vermieden werden Boll, 
was für weltliche Zwecke geeignet scheint. Er spricht sein 
Bedauern' darüber aus, dass die Werke mittelalterlicher 
Kunst theils durch den Zahn der Zeit zernagt , theil« 
durch Restauration verdorben oder gar durch sogenannte 
„schönere" Bilder ersetzt sind: gelungene Statuen aus 
Stein fand er mit dicken Farbenschichten Uberzogen und 
die feinere Sculpturarbeit gänzlich verschmiert. Mit 
eindringlicher Energie kämpft er gegen das Bekleiden 
der Madonnenbilder und Bedecken derselben mit Kreu- 
zen und Schaustücken, wie auch gegen die Bekleidung 
der Statuen Uberhaupt und belegt seine Philippica mit 
kirchlichen Erlässen. Vorzüglich besteht er darauf, dass 
Crueifixbildcr, ob in Farbe, Holz oder Metall, mit künst- 
lerischer Weihe ausgeführt werden. 

§ 13. Grabdenkmäler. Ein strenges Urtheil 
trifft die Grabdenkmale in Kirchen und Friedhöfen, die 
meistens in griechischem , römischem oder ägyptischem 
Style, selten aber in kirchlichem Geiste gearbeitet sind. 
Statt mythologischer Sinnbilder, sollen Kreuze, Kronen, 
Anker, Palmen, Ölzweige und dergleichen angebracht 
werden. Auch bei den sogenannten Statinnsbildern 
soll die Kunst schaffend thätig sein, damit nicht 
widerliche Missgcstalten entstehen, welche die Andacht 
stören, sUtt anregen. (Auch in Wien und Umgebung 
fehlt es nieht an Verirrongen dieser Art. Wer die Stetions 



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LXXVI 



hänscheu besieht, welche von der Alscrvorstadt nach 
dem Calvarienberge in HernaU leiten, wird seinen Tadel 
über die Geschmacklosigkeit und Monstrosität der darin 
befindlichen grell bemalten Gruppen nicht unterdrücken 
können). 

8 14. Kelch. § 15. Ciborium. Uber Kelche 
wurde schon viel geschrieben; dennoch macht der Ver- 
fasser manche neae Bemerkung, welche seinen feinen 
kirchlichen Kunstsinn und sein eifriges Forschen beur- 
kunden. Er rtlgt nachdrücklich die vielen Verstösse der 
letzten Jahrhunderte gegen die kirchliche Form der 
romanischen und gothischen Kelche. 

§10. Monstranz. Eine Vergleichung der Mon- 
stranz im gothischen Style, wo sie als ein Dom im Klei- 
nen aufgefasst wurde, mit einer Monstranz aus der 
Renaissance, wo dieselben das Bild jener Glorie und 
Majestät darstellen sollte, mit welcher der König des 
Himmels im heiligsten Sacramcnte gleichsam hervor- 
tritt (Sonncnmoustranz), fällt natürlich zum Vortheil der 
Golhik aus. 

$ 17. Gefässe fltr die heiligen Öle, Weih- 
Wasserkessel, Ratichfass. Anch hier dringt der 
Verfasser auf Klickkehr /.nr kirchlichen Form dieser 
Gefässe älterer Zeiten und schildert, mit welcher Sin- 
nigkeit, .Sorgfalt und Kunst dieselben verfertigt wurden. 

g 18. Leuchter, Lampen. Laternen. Die 
romanischen Leuchter waren b' — 10 Zoll hoch und 
symbolisch gearbeitet. In der gothischen Zeit wuchsen 
sie bis zur Höhe von zwei Fuss, die Renaissance erhöhte 
sie noch mehr, beachtete aber die geistvolle Sym- 
bolik früherer Zeiten gar nicht. 

§ Hl, 20, 21. Pa/amentc, Casel und l'ln- 
viale. Der Verfasser beklagt es sehr, dass bei dem 
Streben nach Bequemlichkeit und der Sucht überall 
Verzierungen anzubringen, die Wurde und der kirchliche 
Ausdruck der priesterlichen Kleidung in neuerer Zeit 
gänzlich verloren ging. Indem er gegen die Producta 
der berühmten Lyoner l'aramcntcn - Fabrication seine 
Lanze einlegt , fuhrt er die rrtheile anerkannter Fach- 
männer, wie A. Reichcnsberger, P. Martin UberMessklci- 
der an, fordert die Verwerfung alles unechten Flitter- 
tandes und die Anfertigung der Paramcntc aus dauer- 



haften, echten, nach mittelalterlichen Mustern in kirch- 
lichem Style gehaltenen Seidenstoffen. 

§22. Baldachine und Fahnen. Die Fahnen 
als Symbole des Sieges und Triumphe» Christi und sei- 
ner Kirche, wie es heisst durch Constantin den Grossen 
eingeführt, hatten anfänglich die Form eines länglichen 
Rechteckes mit dem Namenszuge Christi. Dann brachte 
man gestickte uud später gemalte Heiligenbilder daran! 
an. Gegen die letzteren weudet sieh der Verfasser, weil 
durch Einsetzen der bemalten Leinwand die Fahnen 
steif werden und ihre schöne wallende Bewegung ver- 
liereu. 

§ '23. Alter Plunder. Wie alle Archäologen 
tritt der Verfasser in sogenannte r Rumpelkammern u mit 
geheimer Freude und es glückte ihm auch öfters, schön 
gearbeite Kirchen-Gefasse und Gcräthe aufzufinden, die 
thcils nicht ohne erheblichen Kunstwerth, theila durch 
ihr Alter ehrwürdig waren. Nach geschickter Restaura- 
tion konnten sie wieder zu kirchlichem Gebrauche ver- 
wendet werden oder verdienten wenigstens eine Stelle 
neben jenen modernen Kostbarkeiten, welche sorgsam 
unter Scbloss und Riegel aufbewahrt werden. 

Am Schluss eines jeden Paragraphes gibt der Ver- 
fasser Rathschläge hinsichtlich der Restauration im Gros- 
sen und Kleinen und bezüglich neuer Anschaffung von 
kirchlichen Sachen. Sogar die Kosten sind bei einzelnen 
angegeben und wo dieselben am besten und billigsten 
zu haben sind. Kurz, es ist dieses Wcrkehcn ein unent- 
behrliches Handbuch für jeden Seelsorger und sollte 
gleich dem „Leitfaden-*, zu deines ein schönes Scitcnsttlk 
bildet, selbst in dem kleinsten Bücherschränke eines 
Pfarrhofes nicht fehlcu; denn die darin gerügten Ü bei- 
stände, die daraus gezogenen Resultate und die darauf 
basirten Ansichten und Ruthschliigc, eignen sich zn 
massgebender Nutzauwendung in allen katholischen 
Bezirken. Dazn ist das Ganze in einfacher und auge- 
nehmer, leicht fasslicher Weise geschrieben, wie es eben 
nur ein Gelehrter vermag, der nüt seinem Wissen nicht 
prunken, sondern uützeu will, und ausserdem steigert 
sich der streng kirchliche Geist, welcher das Büchlein 
durchweht, selbst da wo er sich sehr decidirt äussert, 
niemals zum Zelotismus. 



Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der kirchlichen Baukunst in Tirol. 



11. Liefernd«. Die 



» )»r U»ui»uicr K>u«< Von K. A., W«llprl»U r. Mll flu Fltorim tut 
[)rfu* fiali» de* chrifttUrlwn Kuaitvprvlou» Iii TJrr-Ot'.) 



uiner T.r.l. Ilri^u ISfll. T« Sellen. 



Mit dieser Lieferung schlicsst der Verfasser seine 
Beiträge zur Entwickelungsgeschichtc u. s. w. Die Ab- 
handlung über die gothische Bauweise zerfallt in: 
I. Edlere Gothik. 1. Kleinere und grössere ein- 
schiffige Kirchen. 2. Die mehrschiffigen Kirchenbautcn. 
IL Die Verfall» eit de r Gothik. Diesem Abschnitte 
ist zur näheren Kenntnis*, wie sich die ftothik an den 
verschiedenen einzelnen kirchlichen Bandenkmaleu Ti- 
rols entwickelte und wie lange sie an derselben gepflegt 
wurde, bis sie gänzlich erlosch,, gleichwie bei der I. Lie- 
ferung bezüglich der romanischen Bauperiode, ein alpha- 
betisches Verzeichnisa von 150 Orten Tirols beigefügt, 
deren Kirchen der Verfasser durchforschte. Die Renais- 
sance-Bauweise , welche in der zweiten Hälfte des 
XVI. Jahrhunderts ihre Herrschaft begann, gibt dem 
Verfasser Gelegenheit, des sogenannten Kapuzincr- 



nnd Jesuitensty les, des Zopf-, Perlt c ken- oder 
Roccoco-Stylcs und zuletzt des The at erstyles 
zn erwähnen. Er findet bei Besprechung dieser Periode 
in Folgendem den Trost, dass sein Vaterland Tirol von 
allgemeiner architektonischer Vcrdcrbniss geschützt sei, 
zuerst desswegen, weil die Gothik in Tirol sehr viele 
und geräumige Seelsorgekirchcn und Capellen sehnt 
und daher der italienischen Bauweise wenig Gelegen- 
heit gab, Bauwerke ihrer Art aufzuführen. Dann weil iu 
jüngster Zeit bei Neubauten von Gotteshäusern, durch 
begonnene gründliche Stadien früherer christlicher 
Knnstpcrioden, ein entschiedenes Streben zum Besseren 
sich geltend macht. 

Als Anhang dient ein erklärendes Verzcichniss der 
gebrauchten Kunstausdrtlcke und der Vercinsbericht deB 
Bozener Kuustvereines. L. ScL 



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LXXVII 



Correspondenzen. 



8öDdiT»koogiuird bei Holding, 1864. 
Ich machte einen Ausflug nach Rippen und fand 
dort eine tUnfschittige Hasilica vom Jnhrc 1080, natür- 
lich im romanischen Style, in welchem hier faxt alle Kir- 
chen gebaut sind, wahrend die Gothik nur selten und 
last immer nur in Holzschnitt erken an Altären und 
Kanzeln vorkommt. Die Tant'steine und Taufbecken sind 
meist die ältesten Thcilc jeder Kirche und tragen fast 
jederzeit Inschriften. Zugleich Ubersende iehjdie Abbil- 




dung eines Runensteines (Fig. n), der sich zu Felbing 
in Jtttland befindet. Er ist aus grauem Granit uud misst 
6'/, Fuss Höhe. Die auf demselben befindliche Inschrift 
ist abbrevirt und lautet aufgelöst : 



r,* b. 

(ba ■peniik. lakn. mim. gud. in Kristi. rneuieacens.) 

Die Runen sind übrigens dadurch, dass sie von 
Moos überwuchert wurden, stellenweise schwer leserlich 
und manche beinahe unkenntlich geworden, so dass ich 
fllr meine Auflösung keineswegs vollkommen einstehen 
kann, auch das Wogen den Krieges keine genaue und 



umständliche Untersuchung erlaubt. Doch glaube ich, 
dass die ersteren Worte auf einen Spiritualcu Bezug 
haben könnten und das erste Zeichen durfte vielleicht 
auf p beatus a gedeutet werden. Der Stein scheint aus 
der Epoche vom Jahre 850 bis zum Jahre 9f>0 herzu- 
röhren. P. S. 



Archäologische Funde in Tirol. 

J'ricnt, den laAnRtmt 18C.4. 
Als man im Jahre 1860 zu Curtatsc h (der alten 
Gurtis ad Athesim, am rechten Ufer der Etsch zwischen 
Deutschmetz nnd Tramin) an einer Restanration des 
dortigen Pfarrhofes beschäftiget war, entdeckte man 
den dritthalb Fuss hohen, sehr meisterhaft und fein ge- 
arbeiteten marmornen Rumpf eines Mercur. Veriunth- 
lich befand sich dieses Standbild in einem, am Fundorte 
einst vorhandenen Tempel, und zwar um so mehr, als 
die alte Römerstrasse (die Via Claudia) nicht wie jetzt 
am linken, sondern am rechten Etschufer angelegt war, 
ein Umstand, der das einstmalige Vorhandensein solch 
geheiligter Stätten zum Schutze der Heeres- und Com- 
mercial-Stras8en nach heidnischem Gebrauche an derlei 
Stationen zur vollen Sicherheit erhebt. Mercur und 
Diana sind hierorts daher die gewöhnlichen alten Scbntz- 
gottheiten, von denen die Sage das Vorhandensein ehe- 
maliger Tempel bewahrt hat , und von welchen, zum 
thatsächliehen Beweise, von Zeit zu Zeit theils Lapidar- 
Inschriftcn (wie zu Cadine und Cavedine im Sarea- 
thale), theils Standbilder zu Tage gefördert werden. 
Deshalb könnte die alte Hermeskirche zu Calceraniea 
im Valsugan (da von einem frühzeitigen Glaubenspre- 
diger und Märtyrer dieses Namens, ausser den Sagen, 
für jene Gegend sich nichts Stichhaltiges auffinden 
lässt) eine Christianisirung erlebt haben, und an der 
Stelle de« griechischen Hermes, dem Cultc irgend eines 
Heiligen gleichen Namens gewidmet worden sein. Das 
griechische Element lässt sich hier gar leicht ans der 
einstmaligen Nähe der paphlagonischen Heneter er- 
klären , wie denn auch die Diana, welche laut einer in 
besagter Kirche noch vorhandenen Ära ebendaselbst ver- 
ehrt wordeu sein soll, den orientalischen Charakter be- 
kundet, und als Diana Antiochiac bezeichnet erscheint. 

Da man zu Trient im Angust des Jahres 1861 in- 
nerhalb der porta d'aquila mit der Ucgnng der steiner- 
neu Canälc beschäftigt war, welche die Stadt in 
Zukunft mit reinem Quellwnsser verschen sollten, 
sticss man auf einen 5 Fuss 10 Zoll hohen und 
2 Fuss 10 Zoll breiten Denkstein aus weissem 
Trienter Marmor, welcher inmitten architektonischer 
Ornamente folgende Inschrift trägt : 
V. F. 



Octavins L. L. 
Trophimus VIVIR 
sibi et 

Secundae uxori 
Optitnac et 



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lxxvfii 



Die ziemlich gute Erhaltung sowohl der architekto- 
nischen Hautreliofs, als der Inschrift verdaukt dieser 
Stein dem Umstände, dass er mit der Vorderseite ab- 
wärts vergraben wnrde. Referent versuchte es , in einer 
besonderen Abhandlung ' dessen Sinn durch analoge 
historische Daten an beleuchten, am hiednreh für Trient 
einige daranf Bezug habende Traditionen zn begründen. 

Endlich glaubt Referent noch berichten zu »ollen, 
dasB er voriges Jahr bei einem Ausfluge nach dein zwi- 
schen Trient und Verona gelegenen Ala (der alten, ad 
Palatium genannten, römischen Militärstation) die we- 
nige Minuten davon gelegene Cbtcsa di San Pietro 
in bosco besuchte, welche ihr Entstehen folgender 
Sage verdanken soll : 

Thcodolinde, auf ihrer Brautfahrt von den Franken 
verfolgt, barg sich in Ala, wo sie Authar, ihren Bräutigam 
und König der Longobardcu (584 — 594) fand und da- 
selbst mit ihm die Hochzeit feierte. Zum Andenken an 
dies Ereigniss sollen die Brautleute am Orte ihrer Ver- 
mählung eine Capelle haben errichten lassen, welche sie 
nachher von Mailand ans mit heil. Reliquien versahen. 
Weiters geht die Sage, dass Theodolinde die .Seiten- 
wände der besagten Capelle mit Frescogeraäldcn habe 
verzieren lassen, welche jedoch in neuerer Zeit (1804) 
verweiset wurden. Jetzt aber, wo die Uebertttncbuiig 
grnssentheils herabgefallen, kommen die so alt geglaub- 
ten Fresken wieder zum Vorschein . und zwar mit dem 
Unterschiede, dass jene auf der Nordseite auf einem 
vorherigen älteren Gemälde aufgetragen erscheinen, wo- 
von zwei Figuren in knieender Stclluug mit gefal- 
lenen Händen ganz deutlich erkennbar sind. Die bei- 
derseitigen (und wie sich ergibt) späteren Fresken sind 
figurirt , und jede derselben ist nach mittelalterlichem 
Gebrauche in zwei Felder querdurch getheilt, deren 
oberes von einem gemalten, auf Kragsteinen ruhenden 
Abtheilungs-Gesirase wie getragen erscheint. Das obere 
Feld auf der Nordseitc (also das Übermalte) stellt fol- 
gende, mit gothischen Lettern namhaft geinachte Hei- 
lige dar: S. Stephanus; S. M — ; S. Jacobus; S* Li- 
bera und S u Chatarina (sie). Als in letzter Zeit der 
alte Hochaltar dieser Kirche ganz renovirt und des- 
halb abgetragen wurde, tand sich in dessen Mitte ein 
römischer Meilenstein (eippns) eingemauert, in dessen 
verticaler Oberseite eine Vertiefung angebracht war, 
worin man Reliquien vorfand , welche sofort für die von 
Theodolinde gesandten angesehen und als solche in 
ehrwürdigen Verwahrsam gebracht wurden. 

Wer aber heut zu Tage die fragliche Kirche be- 
schaut, kann weder an dieser noch an den Fresken 
jenes hohe Alter ersehen, welches die Tradition zu ver- 
bürgen scheint Zwar stellt sich dem Beobachter, gleich 
unter dem Tiumphbogen auf der Südseite, das Bild eines 
Ritters zn Pferde (St. Georg) in sehr groben , rttthlichen 

■ I. d.r Tri.»««« «.II»« IMI. Nr. US uui Ui (la IUll.nl.ek.r8pr.el..). 



Conturcn zur Schau, welches eben seiner Einfachheil 
wegen ein viel höheres Alter zu beanspruchen scheint, 
allein der Platz, wo es aufgetragen ist, macht ihm die 
anscheinlich hohe Bejahrtheit streitig. Denn der Bao 
der gegenwärtigen Chiesa di San Pietro in bosco trägt 
deutlich die Spuren von vier verschiedenen Epoehen zur 
Schau. Allererst bestand nur die heutige Apais, jedoch 
keineswegs von der jetzigen Höhe , zu der sie sich erst 
in der dritten Epoche emporschwang. Hicrait harruonirt 
die Tradition, welche sagt, dass einst der Rcliqnienaltar 
wie in einer niederen Höhle placirt war. Theodolinde 
und Authar hatten nämlich eine ganz kleine halbrunde 
Capelle errichtet und diese mit Reliquien versehen. Inder 
zweiten Epoche kam ein um die Hälfte höheres Pres- 
byterium hinzu, und wahrscheinlich hat man schon da- 
mals die Apsis zu gleicher Höhe erhoben. Mittlerweile 
ward zur Zeit der Wirren Ezzelins von Romano nebst 
anderem auch diese Capelle entweder ganz oder doch 
zum Thcile zerstört , nachher aber von den Scaligem 
(1265 -1266 ) wieder hergestellt, und (wie ein vermauer- 
tes Fenster zn zeigen scheint) auch um etwas verlän- 
gert. Zu dieser Zeit könnten, nach der Meinung des Re- 
ferenten, jene Wandgemälde entstanden sein , welche 
später übermalt worden sind, und jene zwei knicenden 
Figuren, wovon oben Meldung geschah , könnten eben 
zwei dieser Wohlthäter vorstellen; ja wenn man einmal 
ihre Angesichter ganz vom Mörtel befreit haben würde, 
könnte man vielleicht ans ihren Zügen die Physiogno- 
mien der betreffenden Scaliger erkennen, von denen ver- 
schiedene Rüsten in Stein und Bronze vorhanden sind. 
Die ganze Höhe der jetzigen Kirche fällt sanimt deren 
Fronte erst in eine spätere Zeit. 

Jedenfalls wäre es nicht uninteressant , wenn da» 
ganze untere Gemälde von der, später daranf ange- 
brachten Malerei befreit und hlossgclegt würde, weil 
dadurch, wenn anch nicht die Kunst, so doch die Ge- 
schichte nicht unwichtige Entdeckungen machen könnte. 

I'r. Jo«eph Georg Sulzer. 



Notiz. 

Unserem geehrten Mitarbeiter, Herrn Hanns Petsch- 
ntg, Architekten und Professor an der k. k. Polytechnik, 
wnrde in Folge seiner crspriessliclicn Leistungen im 
Kirchenbaue von dem Herrn Fürstbischof von Lavanl, 
Jakob Maximilian, der Titel eines ^fUrstbischöflicben 
Lavanter Diöcesan -Architekten u crtheilt und zugleich 
die Diöccsangeistlichkeit aufmerksam gemacht, sich hei 
vorkommenden Kirchcnbanten und Restaurationen an 
denselben zu wenden, was wir hiermit zur Kenntnis« 
unserer freundlichen Leser bringen. 1K Htd. 




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Über die christlichen Messkännchen 



Von Dk. Fkanz Bock. 

I. Geschichtliche Mitteilungen üher Entstehung, Gebrauch und Form der Messkännchen seit 

der frühchristlichen Zeit bis zur Renaissance. 

I^as Studium der mittelalterlichen Kunst würde hinsichtlich der Kenntniss über die Ent- 
stehung und Gestaltung der verschiedenen kirchlichen Gefasse gefördert und zugleich für 
das praktische Neuschaffen nutzbar gemacht werden, wenn einzelne Forscher es unternähmen die 
Grundformen und die Weitergestaltung der liturgischen Geräthc auf historischem Wege nach- 
zuweisen und die Einflüsse der kirchlichen Satzungen in den verschiedenen Jahrhunderten zu 
bestimmen. Wenn in den nachfolgenden Zeilen der allerdings gewagte Versuch gemacht wird, die 
Entstehung, den Gebrauch und die künstlerische Gestaltung der Ampullac in geschichtlichem 
Zusammenhange vorzuführen, so geschieht dieses in der Absicht, vorerst einzelne Materialien 
vorzubereiten, die einem späteren, geübteren Nachfolger nicht unwillkommen sein dürften, um auf 
Grundlage derselben allseitige Nachforschungen anzustellen, die endlich zu einer erschöpfenden 
Monographie führen würden. 

Die geschichtlichen Forschungen Uber jene liturgischen Gefasse, welche als Wein- und 
Wasserbehälter mit dem heiligen eucharistischen Opfer in nächster Beziehung stehen, führen 
in die Frühzeit des apostolischen Zeitalters und erinnern uns an jene erhabene Handlung, 
durch welche der Heiland bei dem letzten Abcndmahle das unblutige Opfer des neuen Bundes 
unter beiderlei Gestalten einsetzte. 

Gediegene Forscher früherer Jahrhunderte stellten bereits Untersuchungen an, welche 
materielle und formelle Beschaffenheit jenes ewig denkwürdige Gefäss gehabt haben möge, in 
welchem der Herr in jener geheimnissvollcn Nacht zum ersten Male die Verwandlung des 
Weines vornahm; und erst neuerdings hat sich Abbe Corblet in einer gelehrten Abhandlung 
über das Herkommen und die Gestalt des Speisekelches (Ciboriums) ausgesprochen'. 

Ohne in weitere Discussionen darüber einzugehen, sei hier nur bemerkt, dass die Sage vom 
heiligen Graal hiermit wesentlich zusammenhängt, und dass bis zur Stunde von vielen Seiten 
behauptet wird, der noch heute zu Genua aufbewahrte Graal, welcher in der Glanzzeit der Dogen- 

• S. Jtevuo d Areh^lopic. T. II 
IX. | 



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2 



Du. Franz Bot e. 



herrschaft als ein vielbewundertes Kleinod fruit, sei jenes becherartige Trinkgcfäss, in welchen 
der Heiland bei dem letzten Abendmahl die Transsubstantiation des Weines vorgenommen habt 

Mit der Form dieses ältesten und ehrwürdigsten Abendmahlkelehes hangt auch die Fra<n 
zusammen, wie die Gefasse beschaffen waren, aus denen der Wein ministrirt wurde, den nuu 
in jener Nacht zur Einsetzung des eucharistischen Liebesmahles verwendete; aber ob dit>- 
Frage zu einer Lösung gefuhrt werden könne, muss vor der Hand wohl dahin gestellt bleiben. 
Indessen lassen sieh doch noch Analogien auffinden, welche Anhaltspunkte bieten, um auf «Iii 
ersten Opfer- und Weingefasse des apostolischen Zeitalters schliessen zu können. Es ist nämlich 
bekannt, dass in jenen Tagen, in welchen „das Scepter von Israel genommen wurde", bei dein 
auserwiihlten Volke griechisch-römische Sitten schon hingst Eingang gefunden hatten. So war 
— um nur eines anzuführen — der zweite herodianischc Tempel, im Gegensatz zu den phfl- 
nicUchen Formen des salomonischen Tempels, in den damals herrschenden Formen fies grie- 
chischen Styles gehalten, wie aus der detaillirten Beschreibung desselben bei JosephuH Flatus 
und des späteren Maimonides, so wie aus den speciellen Angaben älterer Talmudiaten un<l 
Uabliiner ausführlich bekannt ist. 

Auch die gottesdienstlichen Gefasse des Tempels, desgleichen die profanen GerHthschafitn 
der Juden zur Zeit des Messias, nahmen an jenen Gestaltungen Theil, welche die griechisch- 
römische Kunstweise vorzeichnete, die wir bei Geschirren, die für den Tischgebrauch bestimmt 
waren, noc h jetzt im Museo Borbonico an den von Pompeji und Herculanum herstammenden 
Getässen erblicken. Auf ähnliche Weise mochten auch die Hydriae und Amphorae gestaltet 
gewesen sein, deren sich die Juden zur Zeit des Erlösers bei feierlichen Gastmiihlern bedienten, 
und unstreitig waren auch die Misch- und Schöpfkrüge, worin bei dem letzten Ahcndmahle 
Wein und Wasser aufbewahrt waren, von derselben Form wie jene Hydriae, in welchen bei 
der Hochzeit zu Cana in Galilea der Wein herumgereicht wurde, wobei bekanntlich der 
Heiland sein erstes Wunder wirkte. 

In dem Schatze der St. Ursula - Kirche zu Cöln hat sich ein 
merkwürdiges Gefäss erhalten, von dem eine alte Tradition behaup- 
tet, es sei eine jener Hydriae (Fig. 1), worin Christus die Verwand 
hing des Wassers in Wein vorgenommen habe. Indem wir hier eint 
Abbildung dieses Gefilsses geben, dürften wir auch annäherungs- 
weise die Vcrmuthung aufstellen, dass die Amphorae bei dem 
letzten Abendmahle, so wie die Weinbehälter des Liebesmahle* 
zur Zeit der Apostel auf eine ähnliche Weise gestaltet sein mochten. 
Nebenstehende Hydria hat zur Bewahrheitung der angeführten 
Traditionen nicht nur eine durchaus altclassische Form, sondern 
es dürfte auch auf das Materiale als einen Beweis der Echtheit 
und Authenticität hingewiesen werden. Um nämlich im südlichen 
Klima den Wein, namentlich im Sommer, möglichst kühl z» 
erhalten, ist dieses Gefäss aus dickem, starkgeadertem , orientali- 
schen Alabaster angefertigt. An beiden Seiten ist dasselbe, wegen 
des Tragens, mit enge anliegenden Henkeln (Ansäe) versehen. 
Ein grösserer Henkel zum leichteren Ausgicssen der Flüssigkeit 
scheint ehemals den oben stark ausgekragten Hals mit der Bauchung des Gefilsses verbunden 




Fl». I 



1 Li itlcr sind wir nicht in iler I~i(cc über iI.ih Materialc und «Iii- Formen dJesos Kelche» etwa» N.'iheivs berichten zu können, d» 
<ler Zufall wollte, das» »ich, als wir zugleich mit Didrnnin Gcuua waren, der SchatEmeister, welcher die. Schliiitsel zudem Aufbewahrung 
orte diestt Kleinods besitzt, nicht in der Stallt befand, hl ilie wir hauptsächlich um diene» wichtigen (icfäase* willen vereinet war«- 



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4* 



Cbeji die tunisTLicnsK Mksskäkkcuek. 



3 



zu haben, wovon jetzt aber nur noch ein kleiner Bruchtheil zu sehen ist. Auch das Volumen 
dieses merkwürdigen Behälters ist zur Aufbewahrung einer grösseren Quantität Weines voll- 
kommen hinreichend, indem derselbe bei entsprechender Breite eine Hübe von zwei Fuss 
besitzt. Einen besonderen Fusstheil scheint er nicht gehabt zu haben, und wahrscheinlich ver- 
trat ein hölzerner Dreifuss die Stelle eines Fussstückes. 

Ohne weiter in die Details jener frühchristlichen eucharistischen GefUsse einzugehen, 
wollen wir uns hier nur auf folgende allgemeine Angaben beschränken. Bekanntlich ist die 
christliche Kunst iu ihren ersten leisen Anfangen uuf die Ruinen der sinkenden römisch-heid- 
nischen Kunst basirl, und die GelÜsse, welche bei dem christlichen Opfcrmahlc benutzt wurden, 
waren als« auch, wie schon früher angedeutet, an Stoff und Form jenen Gefässen analog, die 
damals von den Senatoren und den reichen Magistratspersonen Koma gebraucht wurden. 
Professor Krcuscr hat in seinen Vortrugen über die Kunst der Donibauten mit grosser 
Gelehrsamkeit dargethan , dass das Christenthum in seinem Entstehen und Auftreten zu Rom 
nicht ausschliesslich von der ärmeren Classe mit Beifall aufgenommen worden sei, sondern 
dass es auch unter den reichsten und geachtelten Familien treue und warme Anhänger gefunden 
habe. Gleichwie nun die ältesten priesterliehen Gewiinder auch aus den feinsten und edelsten 
Stoffen gefertigt waren, deren sich die Senatoren und Reichen zu ihrer Tracht bedienten ', so 
waren zweifelsohne auch die zum christlichen Opferwein bestimmten Gelasse derselben Art, 
wie sie in den Häusern der Senatoren und Patricier im Gebrauch waren. 

Das erste, aber fast noch unbewusste Selbstständigwerdcn der christlichen Kunst beginnt 
in der ersten Hälfte des IV. Jahrhunderts, nachdem unter Constanstin dem Grossen die 
christliche Religion im römischen Reiche zur Staatsreligion erklärt worden war. Seit dieser 
Zeit beginut nicht nur hinsichtlich des Materials ein grosser stofflicher Reichthum zu gottes- 
dienstlichcn Gewjüideni und Gefilssen verwendet zu werden, die besonders mit der Eucharistie 
in näclister Berührung standen, sondern es stellten sich von jetzt ab auch jene äusseren 
Fonnbildungen fest, welche namentlich für die kirchlichen Gefässe jenseits der Berge in den 
folgenden Jahrhunderten massgebend wurden. Mit dem V. Jahrhundert fingen durch die Völker- 
wanderung die alternden, morschen Säulen des römischen Weltkolosscs zu wanken au. Unauf- 
haltsam wälzten sich zwei Jahrhunderte hindurch barbarische Kriegeshorden über den Garten 
Italiens. Unter diesen furchtbaren Umwälzungen werden in diesem Lande allmählich die 
letzten Reste römischer Wissenschaft und Kunst zu Grabe getragen. Die barbarischen Völker 
bringen nach Rom und ganz Italien fremdartige, neue Gewänder, fremde bis dahin nie 
gebrauchte Geräthe und verschiedenartige Materialien. Das profane Rom nahm in Kleidern 
und Geräthen die neuen Formen der eingedningenen Sieger an, das kirchliche Rom jedoch 
blieb von den neuen Formen und Weisen des Tages unabhängig, und dies nicht nur im 
Ganzen und Grossen hinsichtlich der älteren kirchlichen Gewänder, sondern auch rücksichtlich 
der Gefässe, wie diese noch unter den letzten Kaisern im Gebrauch waren; und aus diesem 
mag erhellen, dass erst nach Ablauf der Völkerwanderung im VI. Jahrhundert in Rom und 
im übrigen Indien iin ein festes Bestehen von besonderen liturgischen Gewändern und an ein 
vollkommen bestimmt ausgeprägtes liturgisches Opfergeräthe gedacht werden kann, das sich 
nun von den profanen Gebrauchsformen des Tages deutlieh unterschied. 

Wir erinnern uns nicht zu Rom und Neapel in den dortigen altehristlichcn Kunstsammlungen 
Gefässe in Silber getrieben oder künstlich in Glasflüssen gestaltet gesehen zu haben, deren 

' Wir haben uns über <lic«eu Punkt in der dritten Lieferung unserer Geschichte der liturgischen Ucwäudcr des Mittt l- 
altcra «citUuiiger verbreitet und weise» deshalb auf diese .Stelle hin. 




4 



Du. Vhxhi Bock. 



Gebrauch als frühchristliche Aniac sich mit Sicherheit bestimmen Hesse. Glücklicherweise hat 
uns Blanchini in seinen Glossen zu dem Werke des Biographen der Päpste, Anastasius BiH- 
liothecarius zwei grössere Abbildungen bewalirt, die noch im XVIII. Jahrhundert als früh 
christliche Messkännchen von grosser Seltenheit in den Kunstsammlungen Roms gefunden 
wurden. Leider waren die Zeichner dieser unkritischen Epoche nicht mehr in der Lage, figür- 
liche Darstellungen aus der frühchristlichen Zeit im Geiste und in den adäquaten Können der 

ersten Anfertiger getreu wie- 
dergeben zu können. Wir 
haben uns dessweg-en erlaubt 
in den verkleinerten Copicn. 
die hier folgen, eine unbe- 
deutende stylistische Mo- 
dification der Figuren vor- 
zunehmen. 

Dass die hier wiedergege- 
benen äusserst formschönen 
Gefässe nicht einem Profan 
gebrauch dienten , sondern 
sich als Amulue im kirchlichen 
Gebrauche befanden , beweisen 
die religiösen Bildwerke, wo- 
mit beide Gefässe, in Silher 
getrieben, verziert sind. Oh 
diese beiden frühchristlichen 
Messkännchen heute noch in 
italienischen Museen exisriren, 
möchten wir fast bezweifeln, 
da beide da« Unglück hatten 
von edlem Metall zu sein, 
welches in Italien in den 
Augen fremder Kirehenplün- 
derer zu allen Zeiten, nament- 
lich aber am Schluss des 
vorigen Jalirhunderts einen 
zu grossen Werth erlangt hatte. Das grössere dieser Gefässe (Fig. 2) befand sich noch 1~2*> 
in dein Privalmuseum des Francesco Blanchini , Commentators und Herausgebers der Vitae 
Paparum Anastasii Bibliothecarii. Die hier gegebene Abbildung ist in der Grösse von zwei 
Drittel des Originals und zeigt noch vollständig die ältere überlieferte Form der römischen 
Amphorae. Als Anaglvphc in getriebener Arbeit erblickt man, ziemlich erhaben vorspringend, 
die Darstellung der Verwandlung des Wassers in Wein auf der Hochzeit zu Cana in Galilea, 
als Vorbild für die so wunderbare Verwandlung des Weines in das Blut des Herrn bei der 
eucharistischen Opferhandlung des neuen Bundes'. Ober dem Fusse dieses interessanten Gefässe.« 
sah man , ebenfalls in getriebener Arbeit, die in der frühchristlichen Kunst häufig dargestellten 
Thiersymbole der Lämmer, die mit den Köpfen nach oben gewendet auf die Stimme des 

' Vergl. Sc. Cyrillus l!iero»ol. in IV. «'»tech. mys«. 




Vig. 3. 



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Über i»ie christlichen Messk ännchkn. 



göttlichen Hirten hören. Blanehini folgert aus der Eleganz der getriebenen Arbeiten und den 
noch classischen Formen derselben, das« diese» Gefäss noch in den Zeiten unmittelbar vor 
Constantin angefertigt sein möge. Allein er dürfte, wie das Besitzer von Alterthümem öfter zu 
thun pflegen, das Alter seines Gefässes wohl etwas zu hoch angesehlagen haben. 

Zur Zeit, als jener Autor seine Amulae abzeichnen Hess und beschrieb, befanden sich, 
»einen Angaben zu Folge, in den Privatmuseen Roms noch mehrere solche mit biblischen 
Darstellungen in getriebener Arbeit verzierte Opferkännchen. Er erwähnt unter Andern eines 
derartigen in Silber getriebenen Gelasses, das sich in der Samndung des Leo Strozzi vorfand. 
Auf diesem Gefässe war auf der einen Seite als „opus caelatum" der Heiland vorgestellt, wie 
er dem heiligen Petrus die Schlüssel übergibt und ihn mit dem Pallium bekleidet, und die 
andere Seite zeigte den Herrn, wie er den Blindgebornen heilte 1 . Ein zweites derlei und dem 
vorigen ähnliches Gefäss, welches Blanehini ebenfalls abbildete, befand sich im Sabatinischen 
Museum zu Rom, welches später in den Besitz des Cardinais Albaui gelangte. Auch diese« 
Gefass war von Silber, getrieben, und auf der Bauchung desselben zeigten sich als Anaglvphen 
in Medaillons die Brustbilder des Heilandes und der Apostel. In zwei Umrandungen 
erblickte man die altchristlichen Symbole der Lilmmer und der Tauben und in der Mitte der 
letztgenannten das Zeichen des Kreuzes. Blanehini vermuthet, dass in diesem Gefässe ehemals 
vielleicht das C'hrisma bewahrt worden sei, welches bei der Ertheilung des Saerainentcs der 
Firmung schon in der ältesten Zeit im Gebrauch war, und auf diese heilige Handlung wäre 
dann auch die Darstellung der Taube als Symbol des heiligen Geistes und der Lämmer als 
der Heerde Christi zu deuten. 

Wenn dies Gefäss auch ursprünglich zur Aufnahme von geweihtem Öle bestimmt war, so 
glaubten wir doch es hier abbilden zu sollen, um zu veranschaulichen, wie in frühchristlicher 
Zeit die kleinen Behälter zur Darreichung des Weines beim Offertorium ihrer äusseren Gestalt 
nach beschaffen gewesen sein mögen, da es selbstredend ist, dass die Gefässe zur Aufnahme 
des Clirisma, so wie jenes zur Aufnahme des „oleum catechumenorum - den Gefässcn zur 
Darreichung des Weines ähnlich waren, wcsshalb bei den älteren Schriftstellern auch diese 
Salbengefässc, gleich den Opferkännchen r Ampullae -< genannt werden. 

Bevor wir aber weiter gehen, sei uns gestattet, zuerst die verschiedenen Benennungen der 
Oblationsgefässe und die Art und Weise anzuführen, wie in der ältesten Kirche der Opferwein 
von den Gläubigen selbst dargebracht wurde. Bekanntlich ward in den ersten Jahrhunderten 
der Kirche die Communion auch den Laien unter beiden Gestalten gereicht, wie sie noch 
heute von dem celebrirenden Priester genossen wird. Um in grössern Kirchen den zahlreichen 
Gläubigen die Communion auch unter der Gestalt des Weines reichen zu können, wurden die 
in der Regel mit zwei Henkeln versehenen „ealices ministeriales u zur Communion auf den 
Altar gebracht. Nach der Wandlung und Communion des Priesters wurde dieser consecrirtc 
Wein in derlei umfangreichen Hcnkelkelchcn von den Diaconen den Gläubigen mittelst einer 
.Saugröhrc „canna s. fistula" dargereicht*. Natürlich war von dem Umfang der Ministerialkelche 
der älteren Kirche auch die äussere Beschaffenheit der Gefässe abhängig, in welchen der 
Opferwein dargereicht wurde. Um Missverständnissen vorzubeugen, bemerken wir noch , dass 
nach der ältesten Liturgie eigentlich zwei Oblationsgefässe für den Wein kirchlich in Gebrauch 
waren, und dass sich dieselben sowohl in Beziehung auf Form als Umfang von einander 
wesentlich unterschieden. Gleichwie nämlich die Gläubigen das Brod darbrachten, das zur 



' V. Ana«uiiii Bibliothecarii de vlti» Pontiflcnm. <R. P. Blnucliini.) T.II, Par». II, P. 1. 79. - »Siehe hierüber du Nähere in 
Biaterim s „Voriü r lich.t« Denkwürdigkeiten der Kirche". T. IV, und Aupiitl, Handbuch der dinglichen Archäologie. T. Hl. 




<•> 



Db. Fkanz Bock. 



eucharistischen Consecration kommen sollte, bo opferten sie als Oblntion in kleineren Gefässen 
mich den Wein, der zur heiligen Ausspendung erforderlich war. Diese Gefässe waren meist in 
der Gestalt von Amphorac aus Terra Cotta, Glas oder Metall geformt, und unterschieden eich 
von den Mischgefilsscn und Behältern, in welche der geopferte Wein zusammen gegossen 
wurde, schon durch ihren bedeutend kleineren Umfang ; auch waren sie Eigenthum der einzelne]! 
GUiubigen, wülirend die Mischkrüge und grosseren Behälter zum Besitz der Kirche gehörten. 

Diese grösseren Behälter nannte man „Amue" und sie waren in reichen Kirchen von 
Silber oder einem anderen edlen Material. Kur in kleineren oder ärmeren Kirchen scheinen 
sie von Terra cotta oder aus einem anderen Stgffe geringerer Alt geformt gewesen zu sein. 
Aus diesen Amue wurde dann vor Beginn der heiligen Opferhandlung die zur Consecration 
erforderliche Quantität Wein in ein kleineres Gefäss (amula pontifieis), das eigentliche älttn 
Messkännchen, eingegossen und wurde endlich mittelst eines ff coluin u (Seihe) vom Archidia- 
eonus in kleinerer Menge als Opferwein in den Kelch gegossen, wenn, dem alten ordo roniamu 
zu Folge, das eigentliche Opfer seinen Anfang nehmen sollte. Auf diese Weise dürfte auch dü- 
nnten angeführte Stelle des älteren ordo romanus zu erklären sein 1 . 

Auch noch der spätere Anastasius Bibliothecarius nennt diese grösseren Sannnclgefasic 
des Weines „Amue offertoriae". Die kleineren Krüge oder Flaschen, in welchen der Opferwein 
von den Communicanten gebracht wurde, dessgleichcn jenes reichere Messgeräth, woraus beim 
Offertoriuui der Subdiaconus den Wein vermittelst der Seihe in den Kelch des Pontifex. goss, 
führen den Namen „Amulae" oder „Hamulae 4 , als Diminutivbczcichnungcu des obenerwähnten 
Wortes „Amn-. 

Von welcher Grösse und formellen Beschaffenheit waren aber jene Mischgcfässe , die iii 
der älteren römischen Liturgie „Amac" genannt wurden? Ks dürfte schwer halten, diese Frage 
zu bejahen, da sich, so viel bekannt ist, keines dieser frühchristlichen Opfergefässe erhielt. 
will jedoch scheinen, dass eine solche gewöhnliche „Ama u nicht allzugross war, da man sit 
sonst nicht leicht transportiren konnte. Dann scheint es aber nach den Berichten älterer 
Schriftsteller in grösseren Kirchen auch unbewegliche und umfangreichere Mischkrüge gegeben 
zu haben, in welchen grössere Mengen Weines aufbewahrt werden konnten*. 

Als die Oblationen jener Naturalien von Brod und Wein in den alten Kirchen nach und 
nach ausser Gebrauch kamen und bei der Ausdehnung des Christenthums in anderen Weisen 
geleistet wurden, waren auch die grösseren Sammelgefässe (Amac und Amphorac) nicht mehr 
dringend nöthig. Eine deutliche Reminiscenz der früheren Oblationen in Brod und Wein 
erhielt sich jedoch bei der feierlichen Consecration eines Bischofs, denn hierbei wird demselben, 
nebst einem grösseren mit Zierrathen versehenen Weizenbrod , auch eine Ama mit Wein in Form 
eines silbernen Fllsschens als Oblation dargereicht. Alle die Angaben , die wir bisher über dk 
Amae, Amulac u. s. f. zu bringen Gelegenheit hatten, beziehen sich nur auf die Epoche von der 
iipostolischen Zeit bis auf die Tage Gregor'« des Grossen, und zwar auf die Liturgie der 
abendländischen Kirche. Auch wagen wir es nicht, zu bestimmen, von welchem Materiale, von 
welcher Grösse und von welcher fonncllen Beschaffenheit die Weingefässe gewesen sein mttgru, 
welche in der so dunklen Periode von den Zeiten Gregors des Grossen bis zur Epoche der 
Karolinger bei der Feier der heiligen Messe zur Anwendung kamen, da sich keines dir 
betreffenden Oripinalgefässe bis heute erhielt und wir desshalb ganz auf das Feld der Hypo- 
these gestellt wären. Indessen glauben wir doch annehmen zu dürfen , dass das in der letzt 

' .Ornnto nltari, tunc ArchidiaconiM numit aiuulnui pontiticia de «ubitineüou obUutuüariu rcfponürio et rufundit sapt'r col«- 
in i-aliccia«. - - Vertf. daa Nähere in Nona: Ordo reruut liturtric§runi. Lib. II, Cup. IS. p*jr. U'JS, 3W- 



>qgje 



ÜnsH die cmusTLicnEN Messkännchen. 



T 



erwähnten Epoche zu Messgeräthschaften verwendete Material bei reichen Kirchen Gold und 
Silber war; dass man aber neben diesen kostbaren Anmlae, und besonders in ärmeren Gemein- 
den . auch Glasgcfiisse und künstlich bereitete Terracotten zu diesem kirchlichen Zwecke 
benutzte, ähnlich also wie in den früheren Jahrhunderten. 

Was nun die Form der Messgeräthschaften in der Zeit vom VI. bis IX. Jahrhundert, betrifft. 
s<> nehmen wir nicht an, dass das Christenthum für diese Gefässe eine durchaus neue und 
eigentliche Gestaltung aufgehellt habe ; sondern es dürfte wahrscheinlicher sein , dass diese 
kleineren Gefässe sich ihrer äusseren Beschaffenheit nach an jene Gefilsse anlehnten, wie sie 
ans den Tagen des bischöflichen Roms als historisch ererbt herrührten. Die Ampullae dieser 
Periode würden also, mein- oder weniger, noch immer den Grundtypus jener Gclässc, wenn 
auch in mehr ausgearbeiteter Form bewahrt haben , die sich aus dem classischen Hömerthum 
vererbt hatten, und diese Annahme dürfte um so weniger gewagt sein, als es feststeht, dass 
das ganze Mittelalter hindurch, sowohl in der romanischen bis selbst in die gothische Kunst- 
epoche, der Grundcharakter in Schöpf- und Trinkgefässen, in Wasser- und WeinbehHltem sich 
mit kleinen Modificationen so erhalten hatte, wie sie der Geschmack der Griechen und Römer 
in ihrem entwickelten Culturlcben aufgestellt hatte. 

In Bezug auf Form und Umfang jener Amulac, die in den vorliegenden Zeitraum in 
Gebrauch waren , Iässt sich mit ziemlicher Gewissheit annehmen , dass bei der Feier jener 
Opfcrhandlungcn, wobei die anwesenden Glilubigen nach der Comraunion des Priesters nicht 
unter beiderlei Gestalten communicirten, die Gefässe zur Darreichung des Weines und Wassers 
bedeutend kleiner gewesen sein mochten, als jene Amphorae, aus welchen der Wein in jenen 
umfangreichen Kelch gegossen wurde, der nach der älteren Praxis bei der Laiencommunimi 
dargereicht wurde. 



II. Über den Gebrauch und die Gestaltung der liturgischen „vasa vinaria" vom Beginne 
des IX. bis zum Schluss des XDI. Jahrhunderts. 



Mit der Krönung KoiTs des Grossen als Kaiser der abendländischen Christenheit, trat 
bekanntlich für den Aufschwung der christlichen Kunst eine neue Entwickelungsphase ein. 
Gleich wie Karl der Grosse bei Errichtung der neuen Kaisermonarchic die Herrlichkeiten des 
alten Horns im christlichen Geiste neu zu schaffen bemüht war, so ging auch das Bestreben 
desselben dahin, die Kunstweise der römischen und der späteren byzantinischen Epoche mit 
mehr oder weniger Glück auch diesseits der Alpen zu imitiren. 

Betrachtet man nämlich die Bauwerke und Kunstgegenstände, die aus den Tagen Karl's 
des Grossen und seiner nächsten Nachfolger auf uns gekommen sind, so wird man versucht 
anzunehmen, dass zur Zeit der Karolinger eigentlich die erste Renaissance der classischen, 
griechischen und römischen Formen angestrebt wurde, und dass mithin die Rückkehr zur 
lieidnischen Formenwelt in den von vielen so hoch gepriesenen Zeiten der Medicäcr als eine 
zweite Renaissance zu betrachten sein dürfte. Den Einfluss ckissisch römischer Vorbilder, 
namentlich auf die Metallarbeiten, welche auf Befehl Karl's des Grossen zur Ausschmückung 
seiner Pfalzcapelle zu Aachen unter der Leitung des *Baukundigen Ansigis ausgeführt worden 
sind, erkennt man noch heute deutlich an dem gegossenen Gitterwerk (cancella), welches die 
verschiedenen Seiten des Oktogones auf der Empore abschliesst. Der Einfluss der römischen 




Dr. Frawz Bock. 



Antike ist ebenfalls in den sogenannten Eierstäben, in den Akanthusblättern und den übrigen 
Ornamenten dieser Gitter ersichtlich. Zweifelsohne waren auch jene kostbaren Weihgeschenke, 
welche Karl der Grosse unmittelbar nach seiner Krönung der Basilica von St. Peter zum 
Geschenke machte, von den damaligen Goldschmieden und Erzkünstlern nach griechischen 
und römischen Vorbildern ausgeführt worden. Anastasius, der in seiner Lebensbeschreibung 
Leo 's III. die lange Reihe dieser kaiserlichen Geschenke namhaft macht, unter denen sich 
zwei silberne Altartischc und goldene Kronen von bedeutendem Gewichte befanden, fügt an 
zwei Stellen hinzu, dass der Neugekrönte auch die zu den Altären nöthigen heiligen Gerät- 
schaften gespendet habe. Die eine dieser Stellen lautet: 

„Obtulit et super altari beati Petri Apostoli, immo et in Basilica beati Pauli Apostoli, 
meusam argenteani minorem cum pedibus suis, pesantem libros quinquaginta quinque cum 
diversis vasis argenteis mirae magnitudinis, quae ad usum ipsius mensae pertinent. - 

Dass unter diesen verschiedenen heiligen GefHssen vornitmlicli goldene und silberne 
Kelche mit den dazu gehörigen Wein- und WasBcrgefässen in Bezug auf Materiale und der 
reichen artistischen Ausstattung eine bedeutende Stelle einnahmen, dürfte wohl kaum zu bezwei- 
feln sein; aber über ihre Form und ihren Umfang dürfte sich ebenfalls nichts Bestimmtes 
sagen lassen, da uns auch aus jenen Tagen keine Originalgefässe erhalten wurden. Mit Zu- 
grundelegung jener Gefiisse, welche der Grieche „s-jvo/Mj" und der Lateiner .praefericulum- 
nannte, dürfte sich, unter Bctrachtnahme jener römischen Weingefässe, wie sie heute in den 
grösseren Sammlungen des Abendlandes noch ersichtlich sind, niclu-ere Hypothesen aufstellen 
lassen, wie diese Gefässe äusserlich gestaltet gewesen sein mögen. 

Was die artistische und technische Ausstattung der in Bede stehenden Messgeräthschaften 
betrifft, so dürften wohl jene kunstreich verschlungenen, mit Pflanzenornamenten verbundenen 
Figurationen als massgebende Parallelen angenommen werden, die sich in so vielen, diesseits 
und jenseits der Alpen zur Zeit der Karolinger verfertigten Miniaturen und illuminirten Evau- 
gelistarien vorfinden. Für die technische Ausführung der Ampullac in der karolingischen Zeit 
bietet das grüsste Interesse jener prachtvolle Messkelch, der als ein Geschenk des bekannten 
Widersachers Karl's des Grossen, des Herzogs Thassilo von Bayern, noch heute in dessen 
Lieblingsstift zu Kremsmünster aufbewahrt wird. Wir haben dieses Meisterwerk der karolin- 
gischen Goldschmiedckunst sammt den dazu gehörigen Leuchtern in den Mitthcihingen der 
k. k. (,'entral-Conunission in dem Jänner- und Februarhefte 1859 beschrieben und durch Ab- 
bildungen erläutert 1 . 

Nach genauem Studium dieses Kelches dürfte es nicht schwer fallen, festzustellen, wie 
das Ornamentale jener Ampullac beschaffen gewesen sein mag, welche zur Zeit Thassilo's 
diesseits der Berge angefertigt wurden. Ehen so führen die oben angedeuteten Beschreibungen 
des Anastasius darauf hin, welches Gewicht und welchen Umfang die Ampullac und Amulae 
gehabt haben, die von verschiedenen Päpsten zur Zeit der Karolinger melu'eren Kirchen 
zum Geschenke gemacht wurden. Gleich wie Kaiser Constantin auf die Bitten des Papstes 
Sylvester den alten Tempel des Apollo zu einer christlichen Basilica umgestalten Hess, die 

1 Da lieh hier die Gelegenheit bietet, abermals auf den berühmte» Thaisilo-Kclch von Kremsnillnster zurückzukommen, 
so bemerken wir, dass wir in der Perion de» Stiftsarehivar» von Kremsmttnster, Herrn Beda Piringer, einen eben »o gelehrten 
«I» liebenswürdigen Gegner gefunden haben. Trotz »einer Gründe, das» da» fragliche Gefiii» kein Mesikeleh, Hindern ein pro- 
fanes Trinkgefiss »ei, können wir demselben nicht beipflichten, da ein »o reich verzierte», mit den Bildern de« Heilande« und 
der Aposteln geschmücktes Gefiii» wohl ohne Zweifel dem kirchlichen Dienst geweiht war. Auch stammt da» angeführte Citat. 
durch welches dieser Kelch zu einer einfachen „potn» meniura" herabgesetzt wird, erst aus dem XVI. Jahrhundert, wo man 
über den ursprünglichen Gebrauch dei Gefitssea Uingst nicht mehr im Klaren war. 



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ÜllEK DIE CUU18TLI0HKN MeMKÄNXCIIEN. 



9 



dem Apoatclfursten Petrus geweiht war und dieser liasilica unter vielen silbernen und goldenen 
Altargerathschaften auch zwei Mischkrlige (Amae) aus purein Gold, jeder zehn Pfund schwer, und 
fünf kleinere von Silber, jeder zu fünf Pfund Gewicht, als Geschenk darbrachte 1 ; so schenkte auch 
Papst Hadrian der Diaconatskirche des Heiligen gleichen Namens eine grössere Ama und eine 
kleinere Amula offertoria 8 . Dessgleichen spendete Gregor IV. sechs silberne Amae, welche 
zusammen dreizehn Pfund wogen', zum Gebrauche bei den Stationen 4 . 

Neben diesen kleineren, durchgängig von griechischen und lateinischen Metallkünstlern 
gefertigten Gefässcn zur Darreichung beider Substanzen mögen auch bereits in der karolin- 
gisehen Epoche von den Goldarbei- 
tern des Orients zierlich geformte 
Wembehältcr auf Handelswegcn in 
die Kirchen des Occidents gelangt 
und liturgisch in Gebrauch genom- 
men worden sein. 

So findet man in dem freilich 
aelir geleerten Schatz von St. Mau- 
rice zu Valois ein höchst merkwür- 
diges, reichverziertes, in Gold getrie- 
benes und mit Email und gefassten 
Edelsteinen geschmücktes Gefilss, 
welches möglicherweise ehemals als 
Ampulla liturgisch im Gebrauch 
gewesen sein dürfte. 

Die hier vorliegende Abbil- 
dung dieses GefUsses (Orceolus) ver- 
danken wir dem als archäologischen 
Forscher bekannten Abbe Martin, 
der diese Ampulla in seinen Melan- 
ges d' Archäologie (T. III, pag. 1S6) 
ausführlich bespricht und nachweist, 
dass dieselbe mit dem Lebensbaum 
(Horn) und zwei Löwen verziert ist 
und daher entweder ein echt arabi- 
sches Kunstwerk oder mindestens eine sehr alte Imitation eines solchen sei, welches Karl der 
Grosse unter anderen Geschenken von dem Khalifcn Harun-al-Kaschid erhalten hatte. (Fig. 4.) 

Diesem merkwürdigen Gefaase fügen wir hier ein anderes bei, welches von Sachkundigen 
gleichfalls als ein orientalisches Kunstwerk betrachtet wird. (Fig. h.) 

Dieses formschöne GerKth ist erst in den letzten Jahren für da* Münz- und Antikencabinet 
zu Paris angekauft worden. Nach einem Vergleich der sehr charakteristischen symbolischen Löwen 
mit anderen derlei Thieren auf orientalischen Seidengeweben des IX. Jahrhunderts möchten wir 
uns zur Annahme hinneigen, das« auch dieses Gefitss zu den Zeiten der Karolinger kirchlieh in 
Gebrauch gewesen sei. 

' Vecgl Ana«. BIM. d« vitht Pont. rom. in vit» 8. Silvestrf, «wo Christi 314. -* Obtulit araatn unatu - aiiitilam off.r- 
tnriam uiiiuu. i'Anaat. in vita Hailriani anno 772.» — 3 Kecit ama» »itenlras sex, ijuau pnirrcritint per omnes MatioKI, pM intet 
lili. XIII. (Anaat. in viu lirt'Korii IV. anno 897.) DttadlM Autor äugt auch in »einem Leta-n >\v» I'apatr» Hcmdict III. anno Sft&i 
Fecit ainaro unam ex arjjento purisainio, pennt Iii). X. 
IX. 



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10 



I»k. Fkasz Hock. 



Ausser den Amulae von Gold und Silber mit getriebenen oder ciselirten Arbeiten, mit 
Filigran und gefassten Edelsteinen, kamen im IX. Jahrhundert zur Zeit der Ottonen auch werth- 
volle Gcfässc bei dem Offertorium vor, welche aus Bcrgkrystall oder aus Sardonyx (Lapis onichini) 
verfertigt waren. Dass man schon im frühen Mittelalter in Bcrgkrystall arbeitete, geht aus dem 
Kvangclien-Ambo hervor, welches von Kaiser Heinrich II. dem Dome zu Aachen zum Oeschenk 
gemacht wurde. Auch dürfte die Ampulla aus Hergkrystall, die sich jetzt in Privatbesitz zu C'öln 
vorfindet, ans den Zeiten der Ottonen herstammen. 

Im Schatz zu St. Marco in Venedig befindet sich eine merkwürdige Parallele zu diesem 
Krystullgcliiss, die uns nicht nur bestätigt , dass dieses einst als Messkännchen kirchlich in 

Gebrauch war, sondern auch einige Anhaltspunkte über das Her- 
kommen desselben darbietet. Dieses Cölner Krystallgcfäss 
(Fig. 6) hat 22% ("entunetres in der Höhe und der Durchmesser 
des Fusscs betrügt 1 2 ( cntiinctres. Sowohl die Anlage des Fuss- 
stückes von feinstem Hold und äusserst zart ciselirt, als auch die 
Verstärkung des Henkels von Gold mit emaillirten Knüpfcheii 
scheinen dem XVI. Jahrhundert anzugehören. Der Krystall- 
bchältcr selbst mit seinem geschnittenen Laubwerk dürft« 
jedoch zweifelsohne aus dem IX. Jahrhundert stammen. Ähnlich 
wie auf dem Gefilsse von St. Mareo sitzen auch hier auf der Hau- 
chung des Gelasses zwei Tiger oder Leoparden, weicht' 
durch ein l'tlanzeiiornanient getrennt werden , welches deut- 
lich an den persischen Horn erinnert. Dass endlich diese* 
Gefüss wirklich aus dem Orient herrührt, beweisen auch die 
kufischen Inschriften, die unter dein Halse des Gcfasscs ange- 
bracht sind, deren Entzifferung aber bisher mich von keinem 
( Micntalistcn versucht wurde. 

Betrachtet man die umfangreichen C'aliees ministeriales, die 
in mehr als zehn prachtvollen Exemplaren den Schatz von 
St. Marco zieren und für die Coinmunion der Laien eingerichtet 
sind, so dürfte es nicht im mindesten befremden, dass die zu 
diesen Kelchen gehörenden Ampullae aus Bcrgkrystall ebenfalls 
ziemlich umfangreich sind. < »Heilbar dürften in Krystall geschnittene Getasse durch venetianische 
oder genuesische KauffartcisehitTc oder durch die Kreuzfahrer aus dem Orient und zunächst 
aus Hvzanz, als dem Hauptstapelplatz des Orients , als Seltenheiten nach dem Abendlande her- 
geführt worden sein, wo sie spllter von der Kirche als Ampullae benützt wurden. 

Hatten die Arbeiten in edlen Metallen an den Höfen der für die Kirche so frei- 
gebigen Ottonen schon einen erhöhten Aufschwung genommen, so wurden sie durch die pracht- 
liebende Griechin Theophania noch gesteigert, die allen ihren Kinfluss verwendete, um die 
Umgebung ihres Sohnes Otto III. zu verschönern. Welche Höhe die Goldschmiedekunst 
im Heginn des XI. Jahrhunderts unter der Kaiserin Theophania erreichte, das gewahrt man 
noch heute in dem reichhaltigen Schatzgewölbe der ehemaligen Stiftskirche zu Essen, und 
besonders an den vier äusserst kostbaren Kreuzen in Gold und Filigran, die mit den reichsten 
Zellencmails verziert sind, und ohne Zweifel waren auch jene Mcssgeräthe nicht vernach- 
lässigt, deren chronologische Beschreibung uns in der vorliegenden Abhandlung zur Aufgabe 
gestellt ist. 




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Über die christlicbex Messkännciien. 



II 



Auch der unmittelbare Nachfolger von Kaiser Otto III., nämlich Heinrich IL, ilen die Kirche 
mit zu ihren Heiligen zählt , erwies sich als ein grossmüthiger Spender, insbesondere gegen 
jene Kirchen, die ihm selbst ihre Entstehung verdankten, und die Dome zu Aachen, Bamberg, 
Kawel u. a. w. legen das ZeugnisB dafür ab, welche reiche Entwickelung die damalige Gold- 
Bchmicdekunst sowohl in Bezug auf Composition als auf Technik gewonnen hatte l . 

Das« auch in dieser Epoche, wie in den früheren, nebst den grosseren Ampullae kleinere 
Messkilnnchen zur Celcbrirung des hohen Opfers an gewöhnlichen Tagen in Gebrauch gewesen 
nein mögen, litest sich ans einer schönen Legende folgern , die sich in der Lebensgeschichte der 
heiligen Mathilde, Königin von Frankreich, vorfindet. Dieselbe pflegte niimlich bei ihrem tät- 
lichen Besuche der heiligen Messe die Oblationen von Wein und Wasser in kleinen goldenen 
Ampullen darzubringen. Wie nun die Chronik naiv crzHhlt, hatte eines Tages eine im Kloster 
gezilhnitc Hirschkuh unbegreiflicherweisc ein goldenes MesskRnnchen verschluckt. Als am andern 
Morgen die Ampulla vermisst wurde, befahl die Königin der Hirschkuh, das entwendete Gcfilss 
wieder zurück zu stellen, und sieh' da, die Hirschkuh gehorchte, zum Staunen der Umstehenden, 
dem Befehle der Königin. 

Neben diessen Ampullen, deren Namen einige von „ampla olla- und andere von „v;in 
amplum 1 - herleiten wollen, kommen auch schon zu Zeiten der Karolinger andere (Jerilthc vor. 
und zwar zur Aufbewalirung und Austheilung der heiligen Ole. Es waren drei und in der Kegel 
gleichgestaltetc GefUsse von Silber oder anderen edlen Stoffen, die jedoch von den alten Chro- 
nisten ebenfalls „Ampullae" genannt wurden. Schon in den Capitularicu Karl's des Grossen 
(Lib. I, Cap. 162) werden diese drei liturgischen ÖlgefHsse besonders erwähnt und zwar bei 
Gelegenheit, wo von der Weihe der heiligen Öle am Gründonnerstag die Rede ist. Diese Capitn- 
larien, welche, wie man vermuthet, aus dem Jahre 800 herrühren, verordnen nihnlich Folgendes: 

„Presbyter in coena domini tres ampullas secum deferat, unam ad chrisina, alteram ad 
oleum ad catechumenos inungendum, tertiam ad infirmos (ad oleum infirmoruni). * 

Ausser diesen drei grösseren Gefüssen zur Aufnahme und Consecration des Chrisams, des 
Öles für die Kranken und jenes für die Täuflinge, fanden sieh auch kleinere Ölvasen vor, in 
denen geringere Quantitäten von Ol vom Volke als Oblationen dargebracht wurden. Hierauf bezieht 
sich folgende Stelle in den „Sacramentalien" Gregors des Grossen: 

„In ipso die conficitur chrisina in ultimo ad missam. Antequani dicatur: per quem haee 
omnia, domine, semper bona creas, levantur de ampullis, quas offerunt populi, et benedicit tarn 
Dominus Papa, quam omnes Presbyteri. " 

Aus den Bollandisten (Act. SS. April. T. I, 35) ist zu ersehen, dass gegen das Jahr K42 
der heilige Johannes, Bischof von Neapel, zur Aufbewahrung des heiligen Chrisina eine grosse 
vergoldete Ampulla anfertigen liess. Die hierauf bezügliche Stelle lautet : 

„Ad «anetum igitur clirisma conficiendum fecit unam deauratam ampullam, in cujus labiis 
nomen suum descripsit" 

Diese drei Ölgefasse waren im Mittelalter, so wie noch heut zu Tage, an Gestalt und Ein- 
richtung den MesskUnnchen ähnlich , nur waren sie in früheren Epochen bedeutend grösser und 
umfangreicher als jetzt, und in verschiedenen Diöcesen mögen sich noch jetzt grössere aus Silber 
oder Zinn verfertigte Ölgefilsse befinden, die bisher von der Archäologie noch wenig beachtet 
wurden. 

> Leider wusste Basel die Geschenke des fromme» Raiten nicht gehörig zu würdigen, indem es vor kaum zwei Dee ennieu 
den kostbaren, in purem Gold getriebenen Altaraufaati der Domkirche, den Kaiser Heinrich einer darauf befindlichen Inschrift 
zu Folge dahin spendete, um geringe« Geld an einen AosUnder verkaufte, und man muss nun im H&tel Cluny zu l'nris auf- 
Sachen, was einst im Dom zu Basel zu deii^ ehrwürdigsten Gegenständen zählte. 



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12 



Du. Fhaxz Bock. 



Zu unserer nicht geringen Verwunderung fanden wir in cler Metropolitan- und Primatial- 
kirclie zu Gran drei merkwürdige Ölgefässe, die jedoch nicht die gewöhnliche Gestalt der 

Ampidlae, sondern die Form jener kunstreich 
verzierten „Conma" besitzen, die in mittel- 
alterlichen Inventarien hiiufig unter dem Namen 
„G reifen klauen" angeführt werden'. Wir 
veranschaulichen in der nebenstehenden Fig-ur 
(Fig. 7) eine dieser r Greifenklauen u zur Auf be- 
wahrung des Olei infirmorum, und bemerken 
dabei, dass diese drei Horner in den Tagen des 
Kaisers Sigismund angefertigt wurden und als 
Insignien und Geräthe zu dem von diesem 
Kaiser gestifteten G re i f e n o r d e n gehörten. 

Der Dom von Cöln besitzt indessen noch 
drei mittelalterliche Gcfässe von Zinn, aus 
denen «ich der Styl des Überganges von dem 
Romanischen zur Gothik ersehen lässt. 

Von Hhnlicher Form, aber in bedeutend 
kleinerem Massstahe, mögen auch jene beschei- 
denen MesskHnnchen gewesen sein, die man 
nur aus einfachen Metallen verfertigte und in 
den Kirchen zu Cöln wahrend des Ausganges 
des Mittelalters benützte. 

Da wir eben zuvor von den Ölgefassen 
sprachen, werden wir uns hier auch einige 
Bemerkungen über das historisch merkwürdige 
Salbengefäss erlauben, in welchem das Chrisam 
aufbewahrt wurde, womit die Könige Frank- 
reichs von Chlodowig an bis zu den Zeiten 
Ludwig XVI. in der Krönungskirchc zu Rheims 
gesalbt wurden. Es ist in der Geschichte hinlilnglich unter dem Kamen r la sainte ampule" 
bekannt und die Legende erzithlt, dem Bericht Hincmars von Rheims gemils, nachfolgendes: 

Der heil. Remigius war im Begriff, dem Frankenfürsten Chlodowig die Taufe zu ertheilen 
und die heiligen Ceremonien hatten schon begonnen, als plötzlich das Chrisam fehlte, da der 
Priester bei dem grossen Andrang des Volkes nicht damit in die Kirche gelangen konnte. Um 
jedoch die heilige Handlung nicht zu unterbrechen, richtete Remigius ein eifriges Gebet gegen 
Himmel, und zum Erstaunen Aller schwebte eine Taube weisser als Schnee hernieder, setzte sich 
auf die Schulter des Heiligen und trug die ersehnte Ampulla mit dem Salböl in ihrem Schnabel. 
Auch der Chronist Flodoard erzählt diesen Vorgang auf ähnliche Weise. Diese „Phiale" hatte 
sich als eine Art von Palladium in dem Schatze der Abtei zu St. Remy bis zu den Stürmen der 
grossen Staatsumwälzung wohl erhalten; aber kaum zwei Monate nach der beklagenswerthen 
Hinrichtung Ludwig XVI. schickte der Nationalconvent den Bürger Rubi nach Rheims, der 
sich dieser Ampulla bemächtigte und die Frechheit hatte, sie öffentlich zu zerschlagen. Nach der 

' Vercl- <1i" Abbildung und Beschreibung dieser drei Ölpefiisse im dritten Bande der Jahrbücher der k. k. Ccntnl-Cotn- 
luUsion unter dem Titel: „Der Schatz der Mctropolitankirchc zu Grun". 



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Flg. r. 



PIE t I1BISTLICI1BN MeMKÄNNCHES. 



13 



Wiedereinsetzung der Bourbonen lies» im Jahre 1825 Kairl X. die Reste der zerstörten „sainte 
ampule" sammeln und aus diesen und nach vorhandenen Zeichnungen mit gi'ossem Gcldaufwandc 
eine neue zu Beiner eigenen Krönung verfertigen. Dies neue Salbgefüss, dem freilieh die Weihe der 
.Jahrhundertc fehlt, sehen wir im Schatz zu Rheims ; dasselbe kann jedoch hinsichtlich der Fassung 
und Technik mit der alten ampule sainte durchaus keinen Vergleich eingehen. 

Den Ulteren Schatzverzeichnissen zu Folge scheinen die ehemals in kirchlichem Gebrauch 
befindlichen drei grossen Gefasse „ad conservanda olea säera" meistens von Silber, ja einige sogar 
von Gold gewesen zu sein. In dem Inventar von St. Paul zu London vom Jahre 1295 wird unter 
anderem gesagt: 

„TrcB ampullae argenteae cum chrismate et oleo", und in einem französischen Inventar vom 
Jahre 1379 heisst es: 

„Quatre empoulles d'or tuorses et chascun a an esmail rond, sur le convesete des armes 
de France, pesans XVIJI marcs, VI onces et demi d'or." 

Das interessante Schatzverzeichniss von St. Veit zu Prag, welches unter Karl IV. vom Schatz- 
meister Smilo im Jahre 1387 angefertigt wurde, weist drei silberne Ölgefasse nach, die den Namen 
„Cannulae" führen 1 . Es heisst daselbst: 

„Item tres cannulae argenteae, in quibus portantur liquores in coena domini." 

In einem anderen Schatzverzeichniss von St. Veit, vom Jahr 1354, welches der Sacristan- 
priester Szarvisius (Zavis) aufzeichnete, werden die drei eben gedachten Cannulae mit den Worten 
angeführt: 

„Item vasa argen tea tria ad opus sacrorum liquomin." 

Zu welchen Zwecken sich unter den Präger Kirchenutensilien das auf folgende Weise be- 
zeichnete GefHss: 

„Item una ampulla cum ansa longa cuprea deaurata" — 
vorgefunden habe, ist nicht angeführt; vielleicht wurde es aber mit 
seinem grossen kupfernen und vergoldeten Henkel als Aquamanile 
(Giesskanne) bei der Handwaschung des Bischofs in Gebrauch 
genommen. Zavis führt in demselben Inventar vom Jahre 1354 
auch noch ein Krystallgefiiss auf, welches vermuthlich zu einem 
ähnlichen Zweck wie die „ampule sainte" gebraucht wurde, denn 
er sagt davon: 

„Item vasculum chrystallinum pro repositione chrismatis 
regum Bohemiae et reginarum, quod idem rex (Carolus PV.) pro 
coronationibus ipsorum dedit et refruari niandavit." 

Unter den Kunst- und Reliquienschiltzen von St. Veit zu 
Prag erhielt sich glücklicherweise eine merkwürdig grosse Ampulla 
aus Bergkrystall , die uns Anhaltspunkte bietet, wie vielleicht die 
grösseren Behälter zur Aufnahme der heiligen Öle im XIII. und 
XIV. Jahrhundert gestaltet gewesen sein mochten. (Fig. 8.) 

Wie die hier gegebene Abbildung zeigt, ist der Krystall- 
behälter nach aussen vieleckig geschliffen, und sein Fuss, Henkel 
und Deckverschluss in vergoldetem Silber zierlich gearbeitet. Das er- 
wähnte Inventar vom Jahre 1 354 beschreibt ihn auf folgende Weise : v\g. ». 




1 Dieser Ausdruck ist du Diminutivuin 
Vcrgl. auch caona fusllt» (Givsakanne). 



woher 



Wort 



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14 Dk. Franz Bock. 

„Item cannula magna crystallina, circumdata argento, dcaurata, cum gemmis et perlis, in qua 
est inensale domini nostri Jesu Christi, quam idem rcx (Carolus IV.) donavit." 

In diesem seltenen Gefäss erblickt man noch heute ein feines Byssusgewebe , welches da* 
Inventar als jene» Tischtuch bezeichnet, welches beim letzten Abendmahle des Herrn in Gebrauch 
gewesen sein soll. 

Kehren wir aber nach diesen Bemerkungen über die heiligen Olgefässe wieder zu den 
eigentlichen Messkännchen zurück, so Huden wir bereits im XI. Jahrhundert in Bezug auf Grösse. 
Zahl und Matcriale mannigfache Angaben bei den alteren Schriftstellern . Einem Dichter jener 
Epoche zu Folge dürften im XI. und XII. Jaluhundert die Messkünnchen nicht in jeder Kirche 
dieselbe Grosse gehabt haben, so zwar, dass das für den Wein grösser als jenes für das Wasser 
war. Der Anonymus, der das Eob der Bischöfe von Evreux besingt, sagt nämlich unter anderem : 

„Jussit ut Übriizo (Evreux) non parvo ponderis auro Ampulla major ficret, qua vino sacc-r- 
dos hinderet in ealicem, solenmia sacra celebrans.* 

Das» aber im XI. Jahrhundert bei Darbringung des heiligen Messopfers nach kirchlicht ! i 
Vorschriften stets zwei Messkännchen vorfindlich sein mussten, gleichviel ob mehr oder weniger 
Wasser zu dem zu consecrirenden Wein gemischt wurde, beweist unter vielen anderen Stellen, in 
denen immer von einem Paar Ampullen die Rede ist, auch eine Angabe in Johann von Gur- 
lande's Dictionarium (vom Jahre 10HO), in welchem vorgeschrieben wird: 

„In ecelesiis debent esse pliialac, una cum vino et alia cum aqua." 

Auch die Stelle , welche Baronius aus einem vaticanischen Codex aus den Tagen des 
Papstes Lucius mitthcilt, spricht von zwei kostbaren Messkännchen, nämlich : 
„Dedit etiam ampullas ad servitium altaris optimas et mirabiles." 

Dem bekannten Chronicon Moguntineuse zu Folge, das aus dem Beginne des XII. Jahrhun- 
derts herrühren durfte, will es den Anschein gewinnen , als ob zu den reicheren Kelchen des 
MainzerDomschat7.es, sowie anderer Kathedralkirehen, in damaliger Zeit auch immer zwei besondere 
Messkannchen gehört hatten. So liest man in jenem Chronicon von Mainz, das uns Urstitius nn't- 
theilt, unter der reichhaltigen Rubrik: „de indumentis quoditinnis, erueibus, ampullis attinentibus-. 

„Caliccs erant speciales ampullae argenteae et pyxis argenteis ad hostias deputatac. Praeter 
hos calices erant tres aurei, in uno horum poterat eckbrari, qui etiam suas habuit ampullas.' 4 

Das Dunkel, das Uber Gestalt und Verzierungswcise der Messkilnnchen vor dem XII. Jahr- 
hundert herrscht, beginnt sich gegen die Mitte jenes Säeulums aufzuhellen , indem sich glück- 
licherweise MesskUnnchen jener Zeit an verschiedenen Orten bis auf unsere Tage erhalten haben, 
die nun die besten Anhaltspunkte darbieten. 

Vor Allem ist hier das treffliche Werk des bekannten Mönches Theophilus „Artiunt diver- 
sarum schedulae" zu erwähnen, in welchem er (Lib. III, Cap. f»8 et f>9) eine eigene Abhandlung 
über die technische Anfertigung und Ornamentik der Messkännchen gibt, wie diese zu seiner Zeit 
in Gebrauch waren. Aus diesen Angaben geht deutlich hervor, dass man gegen die Mitte des 
XIT. Jahrhunderts die Messkannchen zuweilen mit erhaben getriebenen oder mit ciselirten Arbeiten 
verzierte; auch brachte man manchmal auf der Oberfläche derselben emaillirte oder niellirte Zier- 
rathen an. * 

Interessant ist es, bei Theophilus zu finden, dass man zu seiner Zeit an den Messkännchen 
sehr oft kleinere Giessröhren anzubringen pflegte, vermittelst welcher man Wein und Wasser nach 
Belieben des celebrirenden Priesters in den Kelch giessen konnte'. Nach diesen Angaben des 

» Di« hiuraaf bezügliche Stelle lautet. „Wenn du willst , »o mache an dem Measkännchen eine gegossene Handhabe, in 
Wtiau wie du dun Henkel an dem silbernen Kelche gestaltet hast; und an dem vorderen Theile de» Käuncuen» inarhe 



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ÜflEK HIE CHRISTLICHE!! MbMKÄNSCHEN. lJ 

Theophilus wollen wir nun unter den jetzt noch vornndlichen Ampullen Umschau halten, und 
erwiigen, in welchem Grade sie mit seinen Andeutungen in Verbindung zu setzen sind, und so 
Heien denn zunächst die drei merkwürdigen MesskUnnchen in Betracht gezogen, welche sich nebst 
andern liturgischen Seltenheiten in dem Schutze von San Marco zu Venedig befinden 1 , und zwar 
besonders desshalb, weil sie bisher von Seite der Altcrthumsforscher noch nicht ausführlich unter- 
sucht und besprochen wurden. 

Die erste und formschönste Ampulla von San Marco, die wir in nebenstehender Abbildun 
(Fig. 9) wiedergeben, stimmt mit den erwähnten Angaben des Theophilus vollkommen überein. Sic 
hat -J8 Centimetres Hohe, und hat vier Hauptbestandtheile, 
namtich den eigentlichen Krystal lbehalter zur Aufnahme 
der Flüssigkeit, das Fuss stück; den Henkel und das Au s- 
gU8sröhrchen. Der Krystallbehälter misst 16 Centimetres. 
Die erhaben geschliffenen Ornamente an der Bauchung des- 
selben sind ohne Zweifel orientalischen Ursprungs und durch- 
aus analog mit jenen saracenischen Seidengeweben, die im 
XII. Jahrhundert in Menge als „pallia saracenica cum flosculis 
et bestiolis" in Kuropa eingeführt wurden. Mit ähnlichen der 
Natur entlehnten Ornamenten ist aüch der runde Fusstheil 
geschmückt. Ein in der Technik des Ciselircns iiusserst geübter 
Goldschmied hat den ganzen Fuss nebst dem trichterförmigen 
Ständer ä jour durchbrochen und mit einer silbernen und ver- 
goldeten Blatte unterlegt. In diesen Durchbrechungen stellte 
er den Kampf des Menschen mit den XaturkrHften dar und 
umgab das Ganze mit Laubverschlingungen. Dieselbe Idee in 
derselben Technik ist auch oben am Halse des Gelasses ange- 
bracht, indem hier Jager im Kampf mit Löwen, Drachen u. s. w. 
dargestellt sind. Das Ausgussrohrchen ist lang und geschwun- 
gen, und mit ciselirtem Laub und niellirten Flachen in verscho- 
benen Quadraten verziert, während die Mündung einen phan- 
tastischen Thierkopf bildet. Der Henkel ist als ein „Thier- 
tmhold" gestaltet, welcher jeneVi salamanderartigen Bestiolae 
anzugehören scheint, die im XII. Jahrhundert eine so grosse 
Rolle spielten. Auch diese Ansa ist zum Thcil ciselirt und 
zum Thcil niellirt. Leider fehlt der Deckel dieses, zu den 
schönsten Ampullen der zweiten Hiilfte des XII. Jahrhunderts 
gehörigen Gewisses. 

Ein zweites in demselben Schatze befindliches Messkilnnchcn , welches ebenfalls mit den 
Angaben des Theophilus übereinkommt, und eben so interessant ist als das vorige, ist aus 
Onyx geschnitten, und zwar in der Form einer Blumenvase, welche unten zwei vorspringende 
Henkel hat. (Fig. 10.) Sie misst 18 Centimetres, Höhe und 11 Centimetres Breite. Sowohl das runde 

ilir «'in Röhrchcn 'dcduetoriunii, vermittelst welchem der Wein »umgegossen werden kann. Du magst es mit einer Verbindung von 
Kupier und .Silber anlöthou, wie da» früher angedeutet wurde. I>arauf magst du es, wenn ea in deiner Absicht liegt, mit niel- 
lirten Ornamenten vertieren und die Oberfläche de» Ganzen vergolden..' 

1 Zur Zeit der Franzosenherrschaft in Italien wurde auf Befehl Napoleon'» der grosse Sehatt von San Marco auf die Münte 
nun Einschmelzen und später uach Pari» geschafft. Jene Gebisse, die nur einen geringen MeUllwerth versprachen, blieben in der 
Mimte zu Venedig, bis der Gerechtigkeitssinn Kauer Franz I. anordnete, diese noch vorhandenen Gelasse der Katbedralkirche 
wieder turtlck tu «teilen. 




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16 



Du. Kranz Bock. 



Fussstück dieser Polla, als Ausgussröhrchen und Handhabe sind glatt und ohne Verzierungen von 
vergoldetem Silber ausgeführt. Das Ausgus6röhrchen zeigt an der Mündung ebenfalls einen cise- 
lirten Thierkopf. Jedenfalls dürfte das Onyxgefäss bedeutend älter sein als die spätronianischc- 
Fassung. Ähnliche Messklinnchen aus Lapis onychini mögen sich wohl in vielen Kathedralen und 
Stiftsschätzen des Abendlandes vorgefunden haben. Namentlich waren ähnliche grössere und 

kleinere OnyxgefUsse in dem ehemaligen Schatz der Grabeskirche 
der französischen Könige zu St Denys, wie das aus dem trefflichen 
illustrirten Werke des Benedictiners Felibien „Le tresor de l'abbaye 
royalc de St. Denys " deutlich zu entnehmen ist. Sie befanden sich 

dort bis zur grossen französischen 
Revolution, nach welcher sie aber 
spurlos verschwunden waren, da 
man sie vermuthlich vernichtet 
hatte. 

Das dritte Messklinnchen des 
Schatzes von San Marco, welches 
hier in zwei Drittel seiner natür- 
lichen Grösse abgebildet ist, hat 
(wie Fig. 11 zeigt) ebenfalls einen 
Henkel und eine Ausgussröhre in 
der Weise wie sie Theophilus an- 
gibt. Obwohl nun dieser Ausgu.ss 
so wie der Henkel einfach und glatt 
gearbeitet sind, so entfaltet sich 
doch ein reiches Ornament sowohl 
am Halse als auch auf der oberen 
Bauchung des Gewisses. Der Gold- 
schmied hat hier je vier Flächen 
angebracht, die im Innern mit fil i- 
granirten Verzierungen ausgefüllt 
sind. Von diesen Filigranzügen 
umgeben, erblickt man in gezahnten 





Fig II- 



Fig. 10. 



Kapseln kleine ungeschliffene Türkise und Rubinen. Der jetzt äusserst schmale Fuss war ehemals 
gewiss mit Metall umkleidet und es scheint, dass sich die Zierrathen auf der Bauchung, hier 
wiederholten. Es unterhegt nicht dem mindesten Zweifel, dass diese Gefässe von San Marco ehe- 
mals als Ampullac in Gebrauch waren; auffallend bleibt es jedoch, dass sie sich sämmtlich einfach 
und nicht gedoppelt vorfinden; es dürfte daher anzunehmen sein, dass das enrrespondireiide 
GefiUs verloren gegangen ist , oder dass in diesen kostbaren Gefässen blos Wein ministrirt, das 
Wasser hingegen in einfacheren Behältern dargereicht wurde. 

Eben so befindet sich eine aus dem XH. Jahrhundert stammende Messampulla in einer IYivat- 
sammlung Englands, die in der Kunstausstellung zu Manchester bei den Archäologen , in Anbe- 
tracht der Seltenheit solcher GefÜsse, grosses Aufsehen erregte. Schon auf den ersten Blick 
gewahrt man an dieser fonnschönen Ampulla nicht nur einen selbststündigen Henkel, sondern 
dieser Ansa entgegengesetzt , an der Vorderseite des Deductoriums eine Mündung in der Form 
einer Auricula fusilis, »im die betreffende Flüssigkeit (Wein oder Wasser) tropfenweise ausflicssen 



ÜllER T.IE CHRISTL1CUBN MeSSKÄNNI KEN. 



17 




lassen zu können. Die Bauchung ist, wie Theophilus anräth, mit Blumen verliert, die jedoch nicht 
in Silber getrieben oder nur gravirt sind, sondern durch opera smalta erzielt wurden. 

Kin anderes nicht minder merkwürdiges 
und vollkommen authentisches Mcsskilnnchen 
aus dem Beginne des XIII. Jahrhunderts 
befindet sich noch jetzt in der Sammlung der 
kaiserlichen Bibliothek zu Paris. Es hat eine 
Höhe von 14 Ccntimetrcs und misst 7 Centi- 
metres in der Bauchung. (Fig. 12.) 

Obwohl der Fuss an dieser Atnpulla 
fehlt und die ganze Form derselben an eine 
Giesskanne erinnert, wie sich solche zuProfan- 
zweckeu im Mittelalter auch an den Höfen 
befanden, so zeigt doch der auf der Hauchung 
in Email angebrachte Engel, dass dieses Ge- 
fUss ursprünglich in kirchlichem Gebrauch 
war 1 . Was den technischen Theil desselben 
betrifft, ist zu bemerken, dass c» von Kupfer 
getrieben und auf der Oberfläche in emaille 
champleve mit jenen charakteristischen Pflan- 
zenornamenten verziert wurde, die sieh im 
XIII. Jahrhundert so häufig vorfinden. Dieses 
Gctass dürfte von einem jener berühmten 
Kmailleure von Limoges verfertigt worden sein. 

Der für die Alterthumskundc leider zu früh verstorbene Abbtf Texier, der sich in Bezug auf die 
mittelalterliche Goldscluniedckunst in ihrer Anwendung auf liturgische Getsisse grosse Verdienste 
erwarb, machte uns auf ein höchst merkwürdiges Mcsskilnnchen aufmerksam , welches sich einst 
in der alten Abtei Grandmont befand und zum Glücke noch heute in der 
Kirche von St. George les Landes (Haute Vienne) aufbewahrt wird. Diese 
Polla, die jetzt als Reliquiarium dient, hat 20 Centimetres Höhe und dürfte 
mehr als die beiden zuvor erwähnten Gefilssc auf den feststehenden Tvpus 
der Messkännchen im XII. und XIII. Jahrhundert hindeuten. (Fig. 13.) 

Sic ist aus Bergkrystall geschnitten und mit einer silbernen und ver- 
goldeten Fassung umgeben. Das Deductorium fehlt, dafür befindet sich aber 
oben an der Randmündung eine Art kurzen Schnabels oder Schnute. Der 
Kry stall zeigt auf seiner Oberfläche nach zwei Seiten hin das Bild eines auf- 
rechten Adlers. Es ist nicht zu verkennen, dass die naturhistorische Auf- 
fassung der Ornamente dieses Messkännchen einigermafisen an den früher 
erwähnten Krystallbehälter erinnert, und wir zweifeln daher nicht, dass 
beide Gelasse demselben Lande und derselben Kunstepoche ihren 
Ursprung verdanken. 

Da sieh, ausser der hier angeführten Messpollen des XI. bis Ende des XIII. Jahrhunderts, 
weder in Kirchenschützen noch in öffentlichen Sammlungen derlei Gegenstände erhalten haben, 

1 Diene« firfii»» wurde auch vou A. \Vaj» im Archacolngical-Journul T. II, png. 1 .*>o — 1 72 abgebildet uud als Ampull 
bezeichnet. Eben *o bat es Dillrun in seinen Annale« archeulogiquea, Jahrg. IfCi'J, pag. 1">3 benannt und dasselbe in natürlic her 



n* is. 




Fig 13. 



OL 



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Du. Fiiasz Bock. 



ho durfte liier wohl eine Aufzählung solcher Messgeritthe eine Stelle finden, die wir in meist noch 
angedruckten alteren Schatzvcrzcichnissen angetroffen haben'. 

So lesen wir in einem Schatzverzeichnisse aus* den Tagen des Königs Ladislaus von 
Ungarn (1077—1093), welches «ich in der vom König Stephan getrifteten Abtei Martingberg 
befindet, folgende Stelle*: 

„Duo ureeoli argentei, urecolus argenteus cum pclve ad abluendas manus, IV. Vhsh ar^entcji 
ad benedictain aquam.** 

Diesem Inventar zu Folge wurden bereits im IX. Jahrhundert die Ampullae auch Ureeoli - 
genannt, obschonUrceolus die feststehende Bezeichnung für jede kleinere Wasserkanne zum Waschen 
ist, wie das in dem Folgenden weiter zu erörtern ist. Dass die Bezeichnung „Ureeoli argentei u hier 
mit den öfter vorkommenden Aquamanilia nicht identisch sei, erhellt auch aus einer Karte vom 
Jahre 1197, die Ughcllus (T. VII, pag. 1274) mittheilt. Ks heisst daselbst: 

„Duos ureeolos argentcos pro vino et aqua.- 

In älteren Schatzverzeichnissen fuhrt auch zuweilen das Gefllss zur Aufnahme des Weih- 
wassers, unser heutiger Sprcngkessel, den Namen Urceolus. In dem oben erwähnten Schatz- 
verzeichntss von Martinsberg werden vier solche silberne Sprcngkessel angeführt. Was die Mcss- 
pollen betrifft, so werden in dem Inventar von St. IVter zu Olinütz vom Jahre 1130 angcfillirt : 

„Ampullae duac argenteae et ovum struthionis argento fabricatum. u 

Das merkwürdige Inventar des Domschatzes zu Bamberg vom Jahre Iii* bezeichnet die 
Messpollen mit einem anderen Ausdruck ; es heisst daselbst : 

r Item vasa argentea ad sacriticium , " 
und in demselben Inventar werden die Gelasse zur Aufbewahrung des Chrisanis .Ampullae- 
genannt, nämlich : 

r Ampullae V ad chrisma, ex argento, et scutclla et patella ex auro cum gemmis." 
Zwei andere Salbgelasse mit Chrisam, die vielleicht bei der Salbung Kaiser Heinrich II. 
gebraucht wurden, stehen unter folgender Bezeichnung: 
„Duo vasa chrismalia auro ornnta." 

In der Schenkungs-Urkundc des Bischofs Konrad von Halberstadt über die reichen 
Kunst- und lleliquienschHtze, die er bei seiner Kuckkehr aus den Kreuzzügen (um 1208) seiner 
Domkirche zu Halberstadt übergab , stehen unter den nieist orientalischen Geschenkeu auch 
mehrere Ampullen verzeichnet; es heisst nämlich daselbst: 

„Trcs ainpullas nobile» quas ad consecrationem chrismatis deputamus, et unam in qua 
ehrisma ad fontem sabbato saneto fundatur." 

In den» reichhaltigen Inventar der „Ecclesia Sarum" 1 in England vom Jahre 1214 kommen 
mehrere reich verzierte Gefasse vor, welche die Gestalt und Ornamentirung der Messpollcn im 
Beginne des XIII. Jahrhunderts ahnen lassen. Diese Gefasse, sowohl für die Aufbewahrung der 
heiligen Öle als des bei der Messe vorzureichenden Weines und Wassers, führen hier verschiedene 
Namen, als: „Phialae, Ampullae, Vasa cristallina etc. etc., wie u. a. folgt: 

„Item ampullae III argenteae ad oleum. Ampullae II de dono episcopi Cicestrensis, benc 
operatae et ornatae lapidibus praetiosis. a 

.Phialae II cristallinac ornatae argento a parte superiori. u 

1 Für «Ii«- Erforschung dur kirchlichen Uoldsehiuiudckuuat de» Mittelalter» sind derlei In Venture von größter Wiuliti^kcit. 
Wir IihI»l'H c» nicht unterlassen, anf unseren ausgedehnten Krisen solche SchaUvcrzeiehnisse in eu|iiren. und i»*r gelang o» 
im« ilercn 3'J aufzulinden, au« welchen wir die obigen Ansahen entnehmen. — • Ilt-i einein Hcsuche dieser noch heute bltihen- 
d n Abtei hatte der dortijre hoehwiirdige CapUular uud Archivar Maurua die tJute, uns eine Abschritt de* SchaUinvcntars 
mit iutereasantcii Noten von seiner Hand ruitzutheilrn. 



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Über tue chkistliches MwsKÄNNrncn. 



19 



„Item duae phialae argenteac. Vasa VIII cristallina, in quibus continetur balsamus. Vaseuhun 
luumi vitivuni minimum." 

Nach den langen und ausführlichen Aufzählungen dieses englischen Inventars werden auch 
die zu jedem Nebenaltar der Doinkirehe gehörigen Gebrauchsgegenstände angegeben, woraus sich 
ergibt, dass auf diesen Nebenaltliren, wie noch heut zu Tage, Messpollen von Zinn in Anwendung 
waren. So fanden sich auch in der Arche (Truhe) bei dem Altare des heiligen Nikolaus daselbst 
r fialae II stanneae u , dergleichen auch zwei an dem Altar des Märtyrers Thomas. Nur am Aller- 
heiligen-Altar fanden sich zwei silberne Messpollen als ein Geschenk des dortigen Vorsängers 
(fialae II argenteae de dono J. Succintoris). 

Wir könnten diese Angaben aus Inventuren rileksichtlich der Mcsspollen der romanischen 
Epoche noch viel weiter fortführen, wollen aber zum Schlüsse nur noch jene Pollen citiren, die in 
einem Inventar des Domschatzes zu Trier vom Jahre 1238 aufgezeichnet sind, wie fol»t: 

1. r Ampulla8 IV argenteas ad aquam et vinum. praeter duas Archicpiscopi. - 

2. .Duas ampullas argenteas insuper cistam apostolorum invenimus. * 

3. „Ampullas duas operis de Lemagis. - 

Aus dieser letzten Angabe geht hervor, dass bereits gegen die Mitte des XIII. Jahr- 
hunderts Emaillen aus Limousin und besonders aus der Stadt Limoges auf Handelswegen in die 
christlichen Abendlander gebracht wurden. Aus dieser Epoche stammen auch jene vielen email- 
lirten kleineren und grösseren Lichttrilger und jene häufig vorkommenden Ueliquienkästchcn, die 
unter den Namen „Cistula", P Areula u und „Scriniolum - in filteren Inventaren aufgeführt werden, 
und zwar mit der erklärenden Hinzufügung „opus Iemoviticum" oder „opus lemovicense*. 

Bevor wir diesen zweiten Abschnitt unserer Abhandlung abschliessen, wollen wir uns noch 
einige allgemeine Bemerkungen Uber den kirchlichen Gebrauch und die Aufstellung der Am- 
pullen bei der heiligen Messe erlauben. Bekanntlich wurden ehemals , wie heute , die Pollen vor 
dem Beginne des heiligen Messopfers von dem Sarnstall mit Wein und Wasser gefüllt, und dann 
von dem Ministranten auf den Altar gebracht. Es entstellt nun die Frage: wohin stellte der Mini- 
strant im Mittelalter diese Messkännchen und gehörte zu denselben ursprünglich eine kleine flache 
Schüssel oder „Pollen teilet, wie das noch jetzt Gebrauch ist? 

Eine sorgfältige Besichtigung älterer Temperabilder der deutschen Schule , auf denen die 
Misxa Sancti Gregorii dargestellt ist, hat uns bewogen, anzunehmen, dass im XIV. und XV. 
Jahrhundert die Messkännchen von dem Ministranten immer ohne Teller, unmittelbar auf den 
Altar, und zwar an der Offertorium- oder Kpistelseite hingestellt wurden. Die zwei Mess- 
kännchen auf einem Bilde in der Sacristei von St. Martin zu Cöln zeigen genau die einstige 
ganz einfache Aufstellung derselben auf dem Altar 1 . Wir glauben jedoch annehmen zu 
können, dass in der romanischen und frühgothischen Epoche die Ampullen entweder auf 
einer geeigneten Stelle der Piscina oder zuweilen auf einem besonderen Credenztisch an der 
Episk'lseite des Altars aufgestellt wurden. Was die zweite Frage betrifft, ob in der romanischen 
Kpoche bei den Messkännchen stets ein entsprechender Teller war, der auch bei der Hand- 
waschung zum Auffangen des ausgegossenen Wassers diente, so sei darauf geantwortet, diu»« 
»ich heut zu Tage kein solcher Pollenteller aus jener Epoche melir vorfindet, und dass auch 
keines der früher angezogenen Inventare von irgend einer derlei Schüssel Erwähnung macht. 
Andere Gründe scheinen hingegen dafür Zeugnis» zu geben, dass im früheren Mittelalter 

' Auch auf »lern Flli^c lultar von Muh. Wolgeiimth im k. k. Belvedere, vom Jahre 1.11 1, »teilen bei der .Messe de* 
Eiligen Gregor, die beiden Menakäuueiien ohne I'ollenteller gegenüber vom Kvangelieubuch auf dein Altar. Aiun. d>r 



Kedaelion.i 




Dk. Franz Bock. 



die mit Wasser angefüllte Messpollc einmal den Zweck hatte, den zu consecrirenden Wein nach 
liturgischer Yorschrift mit einigen Tropfen Wasser zu vermischen, und das anderemal, das zu der 
zweiten Ablution nach der heiligen Communiou erforderliche Wasser aufnehmen zu können. Dil» 
Wasser für die Handwasehung unmittelbar nach dem Offertorimn wurde, unserer vollen Überzeu- 
gung nach, in vielen Kirchen des Occidentes, insbesondere in der romanischen Epoche, nicht aus 
der Polle dargereicht, sondern die Handwaschung beim Offertorimn wurde von dem celebrircndeTi 
Priester vorgenommen, indem er entweder die Stufen des Altars herabstieg und aus einem in der 
Piscina an einer Kette hangenden Aquamanile den Ausguss des Wassers erzielte, oder der 
Ministrant trat bei der Handwaschung die Stufen des Altars heran und goss aus einein Wasser- 
behälter (Aquamanile) das Wasser über die Hitndc der Priesters, das er dann wieder in einem aus- 
getieften Hecken auffing. Diese Aquamauilia waren häufig in der Gestalt eines phantastischen 
Thieres geformt; in England und Frankreich jedoch benützte man zu dieser Handwaschung zwei 
sehüsscltonnigc Hecken, die man r Pelves scyphi" nannte und die meistens mit emaillirten 
Ornamenten verziert waren. Dieselben finden sieh heute in Kirchen nur selten 1 , öfter aV»er in 
öffentlichen und Privatsanimlungcn , sie haben sämmtlich das Stylgeprüge des XIII. Jalu-hundcrts 
und ihre Ornamente erscheinen beinahe stereotyp. Sie scheinen von den Schmelzarbeitem von 
Lhnousin massenweise für den Handel angefertigt worden zu sein und weiden fast immer zu zwei 
und zwei angetroffen. Sie haben meist einen Durchmesser von 22 bis 24 Centimetres, sind nicht 
sehr vertieft und zeigen in der Mitte häufig von Kreisen eingeschlossene Wappenschilder und 
Pflanzen- oder Thiergebilde, von denen die letzteren auch zuweilen in den Thierphysiologien des 
Mittelalters vorkommen. Das Schatzverzeichniss von Trier vom Jahre 1238 führt zwei Hecken 
:in, die mit Limosiner Email verziert waren, nämlich: 

altern invenimus et duas pelves, operis Linnigis." 

Auch das erwähnte englische Inventar der Ecclesia Sarum vom Jahre 1222 weist solche 
Waschbecken, und vielleicht auch als integrirende Theilc der Messkännchen auf, z. B. : 
.Pelves III argenteae, ad ministerimn altaris." 
„II pelves argenteae, de dono Osmundi Episcopi." 

Auch finden sich in diesem Schatzverzeichnisse für jeden Nebcnaltar der Kathedrale stets 
zwei Waschbecken angegeben, und zwar zugleich mit der Angabe: „fialae II stangneae 1 - (stanneae). 
Im Sehatzverzeichnisse des Hamberger Domes von 1128 werden diese Becken nicht Pelves, sondern 
„Yasa manualia" (Handwasehgcfässe) genannt. Man liest nämlich daselbst: 

„Yasa II manualia argentea, teitium avis struthionis cum rcccptaculo. - 

Das dritte Waschgcfäss hatte Tiäuilieh die Gestalt eines Strausses, * auch gehörte dazu noch 
■•in silbernes Becken. 

Da sich in den Schatzkammern deutscher Kathedralen und Stiftskirchen keine solchen Paare 
von Hecken erhalten haben, und auch in den Schatzverzeichnissen keine derselben erwähnt werden, 
so glauben wir annehmen zu dürfen, dass die Ilandwaschung beim Offertorium in deutschen Kir- 
chen durch anders gestaltete Gelasse vorgenommen wurden, die man einfach Yasa manualia 
nannte. In deutschen und lateinischen Kirchen scheint nämlich in der romanischen Kunstepoche das 
Wasser beim Offertorium aus einem, eigens in der Form einer kleinen Giesskannc gestaltete» 

1 Wir erinnern uns, in dein Schatz des Domes zu Halhcrstadt zwei solche mit F.raail verzierte , zur llandwMciliing 
bestimmte Berken gesehen zu haben. — - Auch das alte Sehatxvcrzeirhniss von St. Paul in London spricht von zwei Paar 
■»lieber Becken, die zur ll»iidwanchung dienten, nnd auf welche auch die Mcsskännchen in die Nähe de» Altar» hin|re«t?Ht 
».irden »ein mögen. Verffl. dazu'Dugdale ^Monasticum anglicnnum" , wo es heisst; ,Üu«: pelves arfrenteae tum imajrinibu» ropira 
in Imidin di auratae, et scutis et lenneuli« siiuiliter dcaurati». Item du«« pelves argenteae cum fundi» gravatia et HoscolU *d 
juodum crueis in tireuitu gravatis». 



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ÜltEK MK I HBISTLICHEN MeSSKÄNSCUES. 



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"Wasserbehälter Uber die Hände des Priesters gegossen worden zu sein, während der Ministrant 
mit der linken Hnnd eine Schüssel darreichte, die als Wasserbecken zu jener Giesskanne gehörte. 
Diese kleine Wasserkanne führte den Namen „Urceolus"' und das dazu gehörende Becken zur 
Aufnahme des Wassers wird von äiteren Schriftstellern durchgängig „Aquamanile" genannt. Mit 
«lieser Angabe stimmt auch die Erklärung des Erzbischofs von Canterbury. Lanfranc (Epist. 1), 
iiberein, indem dieser des Urceolus als des oberen Gefässes erwähnt, das bei der Handwaschung 
beniltzt wurde. Er sagt: 

„ Urceolus quid sit liquide patet, est enim vas superiusunde lavandismanibus a«pia infunditur." 

Uber »las dazu gehörige Becken sagt, er: 

„Aquamanile est vas inferius, in quod manibus infusa aqua delabitnr. " 

Diese Angabe stimmt auch mit der Angabe des Johannes de Janua überein, welcher sagt: 

„Aquamanile dicitur vas super quod cadit aqua, qua abluuntur digiti sacerdotum post sump- 
tionem corporis Christi." 

Dieser Urceolus und das Aquamanile finden sich als zusammengehörend auch bei vielen 
Chronisten aufgeführt, z. B. im Clironicon Eontancllcnse (Cap. 14): 

„Urccos duos cum aquamanilibus"; dann (Cap. 16): „Aquamanile et urceum argenteum mira- 
bili opere, ■ und in einem anderem Clironicon : 

„Urceolum quoque cum aquamanili suo 1 ." 

Es würde zu weit vom vorliegenden Thema abführen , wenn wir die vielgestaltigen Formen 
der Urceoli und der dazu gehörigen Aquamanilen hier näher 
zur Sprache bringen wollten, wir sparen uns daher diese 
Aufgabe für eine besondere Abhandlung auf. Indessen sei 
hier nur bemerkt , dass uns eine grosse Zahl solcher Giess- 
kännchen aus der romanischen Kunstepoche bekannt sind, 
die meistens in der Gestalt von phantastischen Vierfüsslern 
(Fig. 11) oder Vögel erscheinen, namentlich kommen Löwen, 
Tauben und Hüh- 
ner in ornamen- 
taler Auffassung 
als Urceoli vor. 
Von solchen Ur- 
eeolen ausderspiit 
romanischen Zeit 
befinden sich zwei 
in der königlichen 

Kunstkammer 
des Mittelalters zu 
München. Auch 
«ler Domschatz zu 
Aachen hat ein 

derlei Gefäss aus dem XIII. Jahrhundert aufzuweisen, welches wahrscheinlich bei den verschie- 
denen Handwaschungen gebraucht wurde, die bei den Krönungen der deutschen Könige daselbst 
stattfanden. Ob dasselbe von griechischen oder lateinischen Künstlern herrühre, und welche 




Fig. 15. 



Vcrgl. die hierzu gebarenden f'itate ad vocetn: aquamanile in Ducange s „Glossarium UtiniUti» medii et infimi aevt«. 



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Dr. Fiiakj! Bock. 



mythologische Gestalt (Fig. 1 5) durch das Gusswerk vorgestellt werde, darüber wird iu unserem Werk 
.der Sehatz des .Münsters unserer lieben Frau zu Aachen" das Nähere angegeben werden. Auch das 

k. k. Münz- und Antikencabinet zu Wien besitzt 
einen merkwürdigen Urceolus in der Form «des 
sogenannten Vogels Greif, der in den Physiologien 
des .Mittelalters eine hervorragende Holle spielt. 
Wie die Blattomiunentc deutlieh zeigen, rührt 
iliese Giesskanne, die wir unter Fig. 16 im ver- 
kleinerten Massstabe wiedergeben, aus der vor- 
romanischen Kunstepoche, gegen den Schills« des 
XII. Jahrhunderts. Das letzte Blatt der rückwür- 
tigen Verjüngung bildet den beweglichen Ver- 
m-IiImss, um das Wasser aufzunehmen; durch den 
geöffneten Schnabel findet das Wasser seinen 
Abflug«. 

Das oben citirte Bamberger Inventar spricht 
von einem dritten „Vas manuale" in der Gestalt 
ili > Vogels Strauss. Das erzbischöfliche Museuni 
in Cöln besitzt ein derlei Wasscrgefüss in der 
Gestalt der Taube aus der Arche Noa. Die Stelle 
zum Eingiessen befindet Bich, von dem l'almzwcige 
Fig. 16. umgeben, auf dem Klicken der Taube. 

III. Geschichtlicher Entwicklungsgang der Messkännchen in der gothischen Knnstepoche, 
von der letzten Hälfte des XIII. bis zur Mitte des XVI. Jahrhunderts. 

Gleichwie das Aultreten des Spitzbogenstyle« mit dein Schlüsse des XII. Jahrhunderts 
als die erste Revolution auf dem Boden mittelalterlicher Kunst bezeichnet werden kann, und von 
jetzt ab die Geheimkunst aus den Klostermauern auf die Bauhütte der Laienmeister überging, so 
kann auch auf dem Gebiete der mittelalterlichen Goldschmiedekunst das Aufleben der Gothik als 
eine artistische Umwälzung von grosser Tragweite bezeichnet werden, indem auch die .ars fabrilis- 
nicht mehr klösterlich geübt, sondern von C'onfratcrnitäten und Zunftmeistern der Laien betrieben 
wurde. Hatte bis dahin die von der Kirche und ihren Dienern geübte Goldschiniedckunst ver- 
schiedene andere Kleinkünste in Sold und Pflege genommen, indem sie z. B. der Schmelzmalerei 
und der Xiclloarbeit eine bedeutendere Stelle einrilumte und der Elfenbeinschnitzerei ein weiteres 
Fehl darbot, so begann sie mit dem Durchbruch des neuen germanischen Style« vielfach einseitig 
und unduldsam zu werden. Der Goldschmied, der bis dahin bei seinen Gebilden mit Absicht 
grössere Flüchen geschaffen hatte, die er mit Email, Filigran, mit getriebener Arbeit oder mit 
Elfenbein und Edelsteinen schmückte, ging nun, mehr als dies früher der Fall war, mit dem Archi- 
tekten zu Rathe. Er lernte von diesem in gegossenen und ciselirten Arbeiten zierliche und reiche, der 
Architcctur entlehnte Formen gestalten, die den erwähnten Zweigkünsten nach und nach den Weg 
in die Werkstätte des Aurifabcr versperrten. Anstatt sich in die Breite auszudehnen, strebte der 
Goldschmied jetzt, den Gesetzen der Gothik folgend, nach der Höhe. Die Kunst, «dt dem Hammer 
figürliche Darstellungen zu treiben, verschwand jetzt immer mehr, indem man sieh bestrebte, bei 




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ÜBEIt ME CHRISTJ.U'IIEX ^Il^SK \SNCHEN. 23 

Monstranzen, Reliquiarien n. s. w. fast einen WaM von Fialen , Widcrlagspfeilern und Strebebogen 
zu gestalten. Dieser Umschwung in der technischen Ornamcntirung folgte auf «lern Gebiete der 
kirchlichen Goldschmiedekunst im XIII. Jahrhundert nicht plötzlieh. Der Architekt ging zuerst 
voran und .stellte seine Schöpfungen nach den Hegeln de» neuen Style» im grossartigen Massstabe 
auf. Der Goldschmied folgte selbstverständlich bescheiden naph, und konnte sich erst dann dazu ent- 
schließen mit der neuen Kunstweise gemeinschaftliche Sache zu machen, als die Gothik gänzlich 
klar geworden und zur vollkommenen Herrschaft gekommen war. Auch konnten nicht alle liturgi- 
schen Gcfässe alsogleich nach dem neuen Style verfertigt w erden, indem man bei denselben, ihrer 
Bestimmung nach, der Fialenconsti-uction nicht unbedingt nachkommen konnte, und dieses war 
besonders bei den Messkännchen der Fall , bei denen sich die Reininisccnzen des älteren romani- 
schen Stvles, ähnlich wie bei den Kelchen am Jüngsten erhielten. Wir glauben nicht etwas Gewag- 
te» auszusprechen wenn wir sagen, dass noch bis zum Beginne des XIV. Jahrhundert« von den 
Meistern der Goldschmiedekunst die altromanischen Formen bei den Messpollen beibehalten 
wurden und dass sie diese noch immer in der Weise gestalteten, wie sie in der „Schedula-' des 
Thcophilus angegeben w ird. Auch durften cmaillirte, niellirte und gravirte Ornamente auf den 
Flächen und Bauchungen der Pollen noch in der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts gewiss 
nicht zu den Seltenheiten gehört haben. Wie die Goldschmiede zur Zeit des romanischen Styles 
Fuss, Deckel und Bauchung der Messkännchen mit Filigranarbeit und Edelsteinen schmückten, 
so wird man an den eben erwähnten Stellen der Vollen noch im Beginn des XIV. Jahrhunderts, 
mindestens bei den reicheren Ampullae derlei Arbeiten wiederlinden. 

Nebst dem Einfluss, den die Gothik allmählich auf die kirchlichen Gefässc ausübte, begann 
aber auch die, seit der Mitte des XIV. Jahrhunderts zur Entwickelung gekommene Malerei einzu- 
wirken, und zwar zuerst in Italien; denn gleich w ie die Maler im nördlichen Italien gegen den Schills» 
des XIV. Jahrhunderts den Seidenwebern in Eucca, Florenz und Mailand als Musterzeichner an 
die Hand gingen und ihnen Dessins oder Einzelfiguren, oder selbst ganze Scenen aus der 
religiösen «»der profanen Geschichte entwarfen, so boten sie auch den Goldschmieden ihn' guten 
Dienste an. Unter dem Einfluss der Maler und nicht der Architekten entstanden in Italien und 
vielfach auch in Deutschland jene in Gold und Silber getriebenen Gefässc, die in Gestalt von Engeln 
11. s. w. dazu dienten, grössere oder geringere Quantitäten von Flüssigkeiten aufzunehmen. Hierher 
sind zu rechnen: Die grösseren und kleineren Weihbecken (vasa lustralia), die Giesskännchen mit 
ihren dazu gehörigen Becken (ureeoli cum nquamanilibus) und die Messpollen 1 . Es ist nicht zu 
verkennen, das» bei den merkwürdigen in dem Aachener Domschatz befindlichen Messkänncheu in 
Gestalt von ministrirenden Engeln, der Einfluss eines Malers thiitig war. Diese beiden Mcsskänn- 
clicn gehören bereits dem Schlüsse des XIV. Jahrhunderts an, wo die ältere Malerschule Cölns 
schon einen bedeutenden Aufschwung genommen hatte. 

Wir geben auf der nächsten Seite (Fig. 17) eine derselben in der natürlichen Grösse. Diese 
Engelgestalt ist mit einer Albe und einem Pluviale bekleidet, elas am Halse mit Schnüren zusam- 
men gebunden ist. Diese Schnüre gestalten sich als Ausguss zu einer kleinen Röhre. Der Kopf 
des Engel» ist bew eglich und mittelst einer Schraube mit dem eigentlichen Behälter in Verbindung 
gebracht. Beim Wegnehmen de» Köpfchen» liUst sich die Flüssigkeit cingiessen. Das ganze Gefäs» 
ist in Feuer vergoldet , die Flügel des Engels sind in emaille translucide eingelassen und 
beweglich , so dass man sie auch allenfalls als Handhabe benutzen konnte. Jede dieser beiden 
Kngclsfiguren ist auf einen kleinen Sockel gestellt, der die Form eines Sechseckes bildet. Das» 

i Vcrpl. un»4 rn Angaben über den Einflimu der Malerbruder*ch;iften auf dl« Seidenweberei, in Lieferung 1 unserer 
Geschichte der liturtfiitchcn (iewäiidtT de« Mittelatters. 



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Du. Fhanx Bock. 



dieselben 
A (aqua) 



als Messpollen angefertigt wurden, beweist das Vorkommen der beiden Majuskeln 
und V (vinum), die auf dem Fusse sechsmal eingravirt sind, welche Buchstaben sich 

auch auf vielen Mcsskilnnchen des XIV. Jahrhunderts 

befinden. 

Didron, der in seinen „Annales archeologiques" 
diese Ampullen in kleiner Abbildung veranschaulicht, 
setzt sie mit der aus der griechischen Kirche stammenden 
„liturgia divina" in nilchste Beziehung. Es ist niimlich 
im griechischen Cultus eine häufig vorkommende Sache, 
auf grösseren Mauertlilchen der Kirchen, namentlich Uber 
den Chorapsiden und in der Kuppel, die heilige Liturgie 
bildlich darzustellen, niimlich den Heiland wie erals Opfer- 
priester und zugleich als Opfer das sacrificium divinum 
feiert, wobei die Kugel als Ministranten gedacht wurden, 
welche die zum Opfer nöthigen Gerathschaften herbei- 
bnichten, niimlich: Leuchter, Kauchfass, Kreuz, Kelch. 
Patcna und Mcsskilnnchen. Solche Darstellungen fanden 
sich auch in den Chorapsiden der Kirchen zu Rheims 
und Lyon. In der Kathedrale zu Rheims, wo sich diese 
Darstellung der aus dem Oriente stammenden Ceremo- 
nien bis zum Schlüsse des vorigen Jahrhunderts erhalten 
hatte, waren Kugel als Chorknaben dargestellt, die vor 
Beginn des Ofl'crtoriuins in geregelter Aufeinanderfolge 
die verschiedenen bezeichneten MessgerHthe einzeln aus 
der Sacristei herbei brachten. Und gleichwie ehemals in 
dieser Kathedrale ein Chorknabe als Kngel gekleidet die 
Messkiinnchen zur Feier der heiligen Geheimnisse gemes- 
senen Schrittes zum Altar brachte, gleichwie in der 
griechischen Monumentalmalerei bei der Darstellung der 
heiligen Liturgie Engelsgestalten mit den Ampullen her- 
bei eilen, so sind auch die Messkiinnchen im Aachner 
Schatz in der Gestalt von Engeln gebildet. Hinsichtlich 
F,g " 1 ' des Gebrauches dieser beiden Kiinnchen sei hier bemerkt, 

dass mit vieler Wahrscheinlichkeit anzunehmen »ein dürfte, dass auch sie, wie die früher bespro- 
chenen Aachner Urceolen, bei den Krönungsfeierlichkeiten der alteren deutschen Könige benutzt 
worden seien. 

Wie das heute noch der Fall ist, so befanden sich auch im Mittelalter die Messkiinnchen 
beim Altardienst in den Hitnden der Knaben, die bei der heiligen Opferhandlung ministrirten. Da 
diese Pollen aber tilglieh mehrmals gebraucht wurden, und bei der Sorglosigkeit jeuer Knaben oft 
Stösse bekamen oder gar zur Erde fielen und zuweilen auch ein Gegenstand des Haders 
wurden, wenn von Seite der Chorknaben der Übrig gebliebene Wein heimlich zur Theilung 
kommen sollte, so darf es uns nicht Wunder nehmen, dass von allen liturgischen Gelassen des 
Mittelalters sich gerade die Messpollen am seltensten vorfinden. Ein anderer Umstand der 
Seltenheit dieser Kiinnchen liegt auch darin, dass man schon im Mittelalter die durch den 
liHufigen Gebrauch beschädigten Messkiinnchen einschmelzen und umarbeiten Hess, und überdies 
wurden noch die Ampullen des XIII. und XIV. .Jahrhunderts, welche selbst die Stürme der 




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Über die christlichen Messkännches. 



23 



französischen Revolution (iberdauert hatten, meist durch Unkenntnis» oder Mangel an Interesse 
in den letzten zwanzig Jahren eingeschmolzen , um neuere im modernen Fabriksstyl dafür 
anzuschaffen. 

Mit dem Aufblühen der Stttdtc in XIV. Jahrhundert , durch welches der Bürgerstand zu 
Ansehen und Vermögen gekommen war, und bei dem eingetretenen Hange zu Pracht und Luxus, 
der nicht nur an den Höfen der Grossen und in den Burgen und Schlössern, sondern selbst in 
den Wohnungen reicher Patrieier herrschte, war auch die Goldschmiedekunst, namentlich zu 
profanen Zwecken, zu grösserer Entwickelung in den Formen und den technischen Hülfsmittclu 
gelangt. In jener Zeit waren die Goldschmiede in den grösseren Städten als Zünfte zusammen- 
getreten, und die Kirche, welche durch weise Verwaltung ihrer Güter zu ansehnlichem Wohlstand 
gelangt war, trug dem Reiehthum der Formen uud der Pracht des Gottesdienstes Rechnung, 
indem sie ihre geheiligten Orte und deren Diener mit kostbaren Geweben und prunkvollen 
GerHthen bedachte. 

Bei den vielen Bestellungen, welche nunmehr grössere und kleinere Kirchen bei den Gold- 
schmieden machten, und bei der Opferwilligkeit der hohen und der niedriger stehenden Laien, kann 
es nicht auffallend erscheinen , dass die vielen noch erhaltenen Inventare der bischöflichen so wie 
der Pfarr- und Stiftskirchen des XIV. Jahrhunderts um ein Hedeutendes reicher sind als die 
Schatzverzeichnisse der früheren Jahrhunderte. Unmittelbar nach der langen Aufzahlung der 
verschiedenen einfacheren oder wieheren Kelche finden sich dort zuweilen ausführliche Notizen 
über die vielen McsskUnnchen vor, die in Form und Materiale sehr verschieden waren. Wir 
wollen hier Einiges aus diesen Inveutaren anführen. 

Nachdem in dem reicldialtigen Prager Schatzinventar vom Jahre 1354, welches unter dem 
ersten dortigen Erzbischof und Metropoliten Arnost von Pardubitz angefertigt wurde, fünfzig 
verschiedenartig verzierte Kelche aufgeführt sind , die der damalige Schatz von St. Veit besass, 
und nachdem ferner in einer Anmerkung gesagt wird, dass weitere fünf Kelche dieses Schaty.es 
zum Umguss behufs der Anfertigung einer silbernen Einfassung eines Evangeliarinms bestimmt 
waren, liest man Folgendes : 

.„Item ampullae argenteae VIII." 

„Item cupreae ampullae duae." 

„Item una ampulla cum ansa longa, cuprea dcaurata. - 

Wahrscheinlich ist es, da»s diese zwei kupfernen Messkilnnchen mit incrustirter Email 
oder Limousiner Arbeit verziert waren. Die dritte, mit dem langen Henkel, mochte vielleicht als 
Ampulla major gedient haben, um den zu consecrirenden Wein in den Kelch (calix ministerialis) zu 
giessen, der nach der älteren liturgischen Praxis bei der Communion unter beiderlei Gestalten den 
Laien dargereicht wurde. Dass dieser Laicnkelch den Communicirenden noch im spilten Mittel- 
alter im Prager Dom gereicht worden sein dürfte, lUsst sich aus den Citatcn desselben Schatz- 
verzeichnisses entnehmen. Es finden sich hier nämlich die Augaben: 

„Item calix magnus argenteus, cum imaginibus et ansibus duabus; u und 

»Item calami argentei duo pro summendo sanguine Christi pro comniunicantihiis." 

In einem spütcren Prager Schatzvcrzeichniss, vorn Jahre 1378, sind im Domschatz zu 
St. Veit nebst den früheren noch vier neue verzeichnet, und zwar: 

„Item octo ampullae non deauratae, argenteae. u 

„Item quatuor ampullae argenteae deauratae, duae ad modum cannularum iusilhim. 
vulgariter dictac sezaphi, aliae autem duae sunt ad modum ainpullarum. u 
„Item duae ampullae cupreae de smelz. u 

IX. 



Du. Fiiakz Hock. 



Was die ornamentale Ausstattung dieser beiden letztem in emaille chaniplevee betrifft, s«. 
dürfte sie wahrscheinlich von ähnlicher Weise gewesen .sein, wie wir dieselbe bei Fi«?. 12 sahen. 
Nicht uninteressant ist es, zu gewahren, dass dieses letztere, aus der Zeit des Königs Wenzel 
stammende Inventar vom Jahre 1.178 einen Unterschied zwischen der Form der kleineren Giros- 
kiinnehen und ih r Form der eigentlichen Ampullen macht, und es dünkt uns wahrscheinlich, dass 
unler der C'annula fusilis ein Messkiinnchen verstanden wurde, das den profanen Giesskanncit 
ähnlich mid mit einem langen geschweiften Ausgussrolu- versehen war. Die eigentliche Ampulhi 
hingegen, als ein absolut liturgisches Gcfüss, mochte sich den Formen von Fig. M und IS 
genähert haben. 

Has Inventar des Domes zu Freising vom Jahre 1352 zählt u. a. auch auf: 
„Item rpiatuor ampullac argenteac. - 

Aus französischen Sehatzverzeichnissen des XIV. Jahrhunderts können wir ebenfalls eine 
grosse Zahl von Messkännchen namhaft machen, die sich meistens in fürstlichem Besitz fanden 
und mitunter auch zur Haus- und Reisecapelle gehörten. In den königlichen Rechnungen vom 
Jahre 1323 liest man: 

„Nicolaus de Nigella, auri faber parisiensis, pro uno eipho argentco esmaillato ad tripedein, 
et duobus potis, uno ad vinum et altern ad aquam'. J 

Ob diese cmaillirte Silberschüssel mit dem Dreifuss als Pollenteller zur Aufnahme der 
Messkännchen gehörte, wollen wir als zweifelhaft dahingestellt sein lassen. Der Ausdruck Potus, 
der sieh hier synonym mit „Anipulla" vorfindet, ist nach Du (lange gleichbedeutend mit 
_Pocuhnn" oder „Vaseuhun*. Im Nekrologium der Kirche Notre-Dame zu Paris vom August des 
Jahres 12711 werden drei solcher „Poti argentei" als Sterbevcrmäehtnissc aufgeführt: es waren 
aber grössere, zur Aufnahme der drei geweihten Ole bestimmte CJefässe, denn es wird daselbst 
gesagt: 

„Stcphanus Parisiensis episcopus qui dedit Kcclesiae Parisiensi et nobis III potos argenteo» 

deauratos, pendentes XXII marcarum et III uneiaruni." 

l'nter den königlichen Rechnungen vom Jahre 1353 steht verzeichnet: 

_Une burette a biberon de chapelle, pesant II marcs, V onces d'argcnt.- 

Die heute noch übliche französische Benennung burette ä biberon (Messkännchen) würde 

Thcophilus durch den Ausdruck „Ampulla cum deduetorio" bezeichnet haben. 

Kiuen interessanten Beitrag über Form und Ornamentik der Messkännchen gegen die 

Mitte des XIV. Jahrhunderts liefert das reichhaltige Inventar des Duc d'Anjou aus dem Jahre 

1.".0ü. Zum leichteren Ycrständniss lassen wir hier die Übersetzung im Wortlaut folgen: 

.Zwei runde Messkännchen in ganz gleicher Form, ohne Henkel, mit einem runden Knopf 

auf jedem der Dekel, von denen das eine 1 Mark 5 Unzen, und das andere 1 Mark 4 Unzen 

12 Drachmen wiegt." 

„Kin goldenes Messkännchen, dessen Fuss mit einem Metallreif versehen ist. In der Mitte 
desselben, an der Mündung und auf dem Dekel befinden sich abermals solche Metallreife ; an der 
Mündung ist ein .Schnabel in halbrunder Form angebracht und der Deckel besitzt eine runde hell- 
rothe Kmailplatte, in deren Mitte man den Buchstaben A sieht. Dasselbe wiegt im Ganzen 1 Mark 
2 Unzen 3 Drachmen." 

„Kin zweites Messkännchen, dem eben beschriebenen vollkommen gleich, nur mit dem Un- 
terschiede , dass sich auf der Kmailplatte der Buchstabe V befindet. Dasselbe wiegt im Ganzen 
1 Mark 3 Unzen 6 Drachmen." 

1 ViTgl. Notioc «k>» einaux de Louvrr, 11« purtic, gloMairc, |>. C, U r 45, 47, et 179. 



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Über die christlichen Messkaxxchen. 27 

„Ein silberner, vergoldeter und emaillirter Kelch, dessen Fuss, Kuppe, Nodus und Patena 
mit den figürlichen Darstellungen der Apostel in Email verziert sind. Auf dem Fuss desselben 
gewahrt man auch Engel und Heilige. Auf der Patena ist unsere liebe Frau dargestellt, wel- 
cher ein Engel die Krone auf das Haupt setzt. Im Ganzen hat der Kelch ein Gewicht von 4 Mark 
7 Unsen." 

„Zwei silberne, vergoldete und emaillirte Messkännehen, jedes mit sechs Seitenflächen , auf 
denen der Reihe nach die zwölf Apostel in gleicher Ausführung wie auf dem obigen Kelch dar- 
gestellt sind. Das eine wiegt 1 Mark 1 Unze, das andere 1 Mark 18 Drachmen. u 

„Zwei andere, weisse, Messkännchen in Silber mit liingerem Halse und durch vergoldete 
Metallreifen verbunden. Auf den cmaillirtcn Deckeln derselben steht bei dem einen der Buch- 
stabe A und auf dem zweiten der Buchstabe F." 

Der Gebrauch und die Anwendung des kostspieligen und schwer zu bearbeitenden Berg- 
k r y s t a 1 1 s , dessen wir schon bei den Gefassen aus der romanischen Kunstepoche erwähnten, hatte 
sich auch beim Emporkommen und in der Blüthezeit der Gothik erhalten. Anstatt dass man aber die 
Wölbung oder Bauchung der Messkännchen, wie das zur romanischen Zeit der Fall war, anaglyptisch 
mit groteskem Laubwerk und Thierfiguren belebte, so pflegte man in den Tagen der Gothik 
die Bauchungen dieser Gefässe in polygoner Form zu schleifen, und es war dann die Aufgabe des 
Goldschmiedes, diese geschliffenen Krystallbchälter mit einem Dekel, Henkel . Ausguss und FlUw 
zu versehen. Um nun diesen Krystallpolleu eine 
grössere Festigkeit zu geben und die geschliffe- 
nen Ecken derselben bei einem Fall zu schützen, 
pflegten dieGoldschmiede die angesetzten Deckel 
und Fusstheile durch verzierte Metallstreifen in 
Verbindung zu setzen, was die beiden Abbil- 
dungen (Fig. IS und 11)) deutlich veranschau- 
lichen, welche nach den beiden Krvstallpolleil 
gemacht wurden, die sieh ehemals in der grossen 
Kunstsammlung Dcbruge - Dumonil zu Paris 
befanden und von Jules Labarte vorübergehend 
beschrieben wurden '. Ilue interessanten Detail- 
formen lassen deutlich erkennen, dass sie in der 
letzten Hälfte des XIV. Jahrhunderts ihre Ent- 
stehung landen und Labarte fügt hinzu, dass sie 
als Kunstwerke französischer Goldschmiede zu 
erkennen seien, worauf allerdings bei Fig. 11) die 
an dem Fusse desselben angebrachten Lilien 
hindeuten mögen. Der untere Theil des Henkels ist ebenfalls aus Krystall geschnitten und mit dem 
Ganzen aus einem Stück gebildet. Die obere Handhabe, von vergoldetem Silber, ist mit azurblauer 
Email geziert. Der Ausguss besteht nicht wie bei den romanischen Pollen ans einer langen 
Röhre, sondern zeigt sich gleich unter dem Deckel in der Form eines Thierkopfes. Das ganz«' 
(iefilss misst 22 Centimetres Höhe. 

Die unter Fig. 18 abgebildete Krystall- Ampulle ist in artistischer Beziehung minder 
peschmackvoll und reich als die vorige. Sie misst gleichfalls 22 ( 'entimetres Höhe und hat als 

Sicht' fetten: Dc»eription de» objets «l'art qui ronpoMUl 1» "•oll.Ttw.n Defcnfe-DuMflU, pri'ti'il«' «l uiic iiHrmluetH.ii 
Urturiqae. Paris |«47, p«g. 689. 

4' 




28 



Dr. Franz Bock. 



Ausguss einen Drachenkopf*. I)er Deckel hat eine kleine Zinnenkrönung, auf welcher sich ein kniccn- 
der Mönch (vielleicht »1er Geschenkgeber oder Yerfertiger des Gefüsses) befindet. 

Wir haben in dem vorhergehenden Abschnitte den geschichtlichen Kntwickelungsgang der 
Messpollen in Bezug auf Gestalt, Materiale und artistische Beschaffenheit näher anzudeuten 
gesucht; besonders wie derselbe, tmter stetem Vergleiche mit alteren Originalgefässen dieser Art. 
das XIV. Jahrhundert hindurch seinen Verlauf nahm. Zur Lösung der früher gestellten Frage 
erübrigt es noch, die formelle Beschaffenheit der Messkiinnchen näher in Betracht zu ziehen, 
wie dieselbe von den Goldschmieden zu Ausgang des Mittelalters, im XV. und in der ersten Hälfte 
des XVI. Jahrhunderts aufgefasst und wiedergegeben worden ist. Dieser Nachweis ist verhältniss- 
mUMig mit weniger Schwierigkeit verbunden, zumal sich aus dieser Ausgangsperiode des Mittel- 
alters noch eine grössere Zahl solcher Gefässe erhalten hat. Zunächst dürfte man hier die 
Krage aufstellen : 

Hat die entwickelte Gotliik eine neue und von den früheren traditionellen Formen 
abweichende Gestaltung der Mcsskännchen aufgestellt, und hat man ein neues bis dahin nicht 
gebräuchliches Material bei Anfertigung dieser liturgischen Gerätschaften zur Geltung kommen 
hissen? 

Der erste Theil dieser Frage ist durchaus zu verneinen; der 
zweite Theil kann blos bedingungsweise zugegeben werden; denn gleich 
wie die Kunst der Romanen ihre Vorbilder und Modelle zu den ver- 
schiedenen Altar-Utensilien theilweise classisch römischen Kunstformen 
entlehnte , so hat auch die Gothik bei der weiteren Durchbildung kirch- 
licher Gcbrauchsgcräthschaften fast durchgängig jene alten Fonntypen 
zu Grunde gelegt, und nach ihren Stylgesetzen im Detail umgestaltet 
und ausgebildet. Mit anderen Worten: 

Die entwickelte Gothik lässt noch immer den romanisirenden 
Grundkern der älteren Ampullae durchblicken , wenn auch die hinzuge- 
fügten Ornamente den Kinfluss des deutschen Spitzbogcnstyles deutlich 
erkennen lassen. Das Gesagte wird sofort verständlicher, wenn wir hier 
die Zeichnung eines Gcfässcs wiedergeben (Fig. 20) , das sich als Reli- 
quiarium in der Schatzkammer der St. Dambcrtus-Pfarrkirche in Düs- 
seldorf erhalten hat. 

Sowohl der runde, silberne und vergoldete Fuss der Polle, als 
auch die Form und die Bauchung des inneren Behälters aus Berg- 
krystall, wie nicht weniger die Gestaltung des Deckels und des Henkels lassen noch deutlich den 
romanischen Grundtypus und die älteren ( berlieferungen der romanischen Kunstweise wahr- 
nehmen, obschon die polygone Schleifung des Krystallbehälters, dessgleichen die kleinen Vier- 
pnssrosen in den Vertiefungen des Fussrandes und des Deckels, so wie auch in den Höhlungen 
der vertical laufenden Einfassungsstrcifchcn die Stylweise der Goldschmiedekunst aus dem 
Beginne des XV. Jahrhunderts klar erkennen lassen. Wir glauben nichts Unrichtiges zu behaup- 
ten, wenn wir sagen, dnss auch in der romanischen und frühgothischen Kunstepochc eine 
Menge von Mcsskännchen angefertigt worden sind , die in ihrem äusseren Aufriss eine ähnliche 
Gestaltung und Formbildung zeigten, wie das Mcsskännchen, das wir hier veranschaulichen. 
Nur die Blattornamente am Deckel und der Handhabe, dessgleichen auch an dem langgezogenen 
Halse des Gefüsses lassen die unverkennbare Einwirkung der Spätgothik deutlich zur Geltung 
kommen. 




ÜBE* HIE CHRISTLICHES Messkännchen. 



29 



Gegen die Mitte des XV. Jahrhundert» macht »ich im Bereiche der Goldschmiedekunst nicht 
mir l>ci Anfertigung von kirchlichen, sondern auch bei profanen Gerätschaften ein neue» System 
, der Ornamentation geltend. Die Meister des Godschmiedegcwerkcs, deren bertdnnteste Sitze damals 
in den Zünften am Rhein, nämlich in Mainz und Cöln zu finden sind, hatten sich gegen Ausgang 
den Mittelalters eine grosse manuelle Fertigkeit in der Darstellung 
der schwierigsten Arten von getriebenen Arbeiten zu erwürben gewusst. 
Diese Leichtigkeit aus freier Hand mit dem Hannner das „Opus propul- 
satum- darzustellen, chnrakterisirt die Leistungen der deutschen Gold- 
schmiede der angegebenen Epoche, insbesondere wenn es sich darum 
handelt, die frühere gTattc Bauchung von Behältern zur Aufnahme von 
Flüssigkeiten durch getriebene Formen zu beleben und zu verzieren. 

Es war das jener interessante Zeitabschnitt des deutschen 
Goldschmiedcgewerkes, aus welcher heute noch in verschiedenen 
i'iffentliehen Museen und Privateammlungen jene reichen, gekuppelten 
Trinkbecher herrühren, wie sie in den Schlössern und Burgen von 
Fürsten und Grafen, insbesondere aber auf den Tischen der 
prunkliebenden Höfe Philipp des Guten und Karl des Kühnen von 
Burgund, als Pracht- und Schaugefässe in Menge ersichtlich waren. 
Auch die Temperamalereien des späteren Mittelalters, welche die 
Anbetung der heiligen drei Könige zum Gegenstande haben, lassen 
in der Kegel in den Händen der drei opfernden Weisen goldene F'k- 
Praclitgefässe erkennen, die in gekuppelter, annanasfbnniger Gestalt die Kunst des „Opus 
propulsatum- damaliger Goldschmiede auf der Höhe der Entwickclung anschaulich machen. 

Dieselbe Technik des „Opus elevatum", wie es auch anderwärts genannt wird, findet sich 
in der angeregten Zeitepoche auch auf Messkännchen aus edleren» Metall consequent Ubertragen. 
So besitzt die Pfarrkirche de» heiligen Florian zu Aachen noch ein paar solcher Pollen, die als 
Musterwerke der Kunst des Treiben» auch den heutigen Meistern dieses Gewerkes anempfohlen 
werden können. 

Dieselben rühren, einer unverbürgten Tradition zu Folge, au» der heute noch existirenden 
Capelle her, mit welcher Gerhard Ohorns die Ostscite des alterthümlichen Saale» schmückte, 
der am Kathhause zu Aachen in der Vorzeit jene fürstlichen Gäste aufnahm , die der deutsche 
neugekrönte König zu dem Krönung»- und Huldigungscssen geladen hatte. Der Fuss dieser 
Messkännchen (Fig. 21) ist sternförmig im Sechseck angelegt. Auf demselben erhebt »ich in 
getriebener Arbeit ein niedriger Ständer, ebenfalls aus sechs polygonen Köhren bestehend, 
der die Bestimmung hat, die halbkugelförmige Bauchung des Gefässes zu tragen. Sowohl diese 
untere Bauchung als auch der darauf befindliche Hals und Deckel des Gefässes sind auf dem 
Wege der Treibung schuppenartig verziert. Ein formverwandtes Messkännchen, ebenfalls aus 
der letzten Hälfte des XV. Jahrhunderts herrührend, zeigt sich auf einem Bilde der Verkündigung 
Mariae, welches sich im Besitze des Conservator» Kambaux in Cöln befindet Auch dieses GefUss 
ist in der früher angedeuteten Weise des Treibens hergestellt, und dürfte als feststehende 
Type betrachtet werden, wie durch die damals übliche Technik de» Treibens die Pollen, 
namentlich in Deutschland eine höhere Stylausprägung fanden. 

Noch machen wir hier auf jenes schöne Kännchen von getriebener Arbeit aufmerksam und 
veranschaulichen es unter Fig. 22 , das sich auf dem niederdeutschen Bildwerke in der 
Pinakothek zu München dargestellt findet, welches den Tod der allerseligsten Jungfrau vor- 




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30 



Db. Frasz Bock. 




Fig. ■}>. 



stellt, und von Einigen dem bekannten Maler Schorcel zugeschrieben wird. Langjährige und 
ausgedehnte Forschungen auf dem Gebiete der kirchlichen Goldschmiedekunst haben uns die 
Überzeugung beigebracht, das* in verschiedenen Zeitabschnitten des Mittelalters eine verschiedene 
Technik und Ürnamcntationsweise bei den Meistern des Goldschmiedegewerkes gang: und gilbe 

waren, die sich eine gewisse Periode hindurch behaupteten und später 
wieder von einer anderen Ornamentik verdrängt wurden. So behaupteten 
in den Tagen der Ottonen in der kirchlichen Goldsehmicdckunst di< 
„Emaux cloisonnees- durchgiingig die Oberhand. In den Zeiten der 
Kaiser aus der Dynastie der Hohenstauffen traten die kostbaren Sohmel» 
matt und durchsichtig auf vertieft ausgegrabenen Flachen (Emaux ehani- 
pleves) auf. 

Der Durchbruch der Gothik in den Tagen Rudolfs von Habsbmg 
bis zum Erlöschen der Kaiser aus dem Hause der Luxemburger besei- 
tigte diese matten, incrustirten Flächeiumails und setzte an ihre .Stell, 
durchwegs kleinere Flüchen von durchsichtigem Schmelz (Emaux 
franslucidcs). 

Das XV. Jahrhundert, die Ausgangzeit des Spitzbogensty lea, cha- 
rakterisirt sich auf dem Felde der kirchlichen Goldschmiedekunst durch 
üguralische und ornamentale Flilchenbelebungen , erzielt durch die Radirnadel und Punze, ins- 
besondere aber durch die beliebt gewordene Anwendung zweier Farbentöne: des Silbers und der 
Vergoldung. 

Die Meister der Goldschmiede-Innungen liebten es in der angegebenen Epoche, alle Glatt- 
sciten der Utensilien sowohl für kirchliche als fUr profane Zwecke in Silber ohne Vergoldung zu 
Tage treten zu lassen. Hingegen wurden alle ciselirten Details von reicher gestalteten Gelassen 
stark im Feuer vergoldet. 

Auf diese Weise hatte man eine vortheilhaftc Farbenwirkung in zwei Tönen erreicht, die 
dann noch cffectvoller wurde, wenn im Laufe der Zeit der Glanz des Silbers erlosch , und die 
Verzierung auf diese Art einen Anstrich von Niello gewann. Wir haben eine grosse Anzahl von 
kirchlichen GeWithschaften, fast sämmtlich aus dem XV. Jahrhundert vorgefunden, die alle 
in der eben angedeuteten Weise, in zweifacher Färbung des Metalls als vollendete Meisterstücke 
der Goldschmiedekunst dastehen. Auch den Messkitnnchen dieser Epoche wurde durch Anwen- 
dung zweier Farbentöne eine erhöhte Wirkung gegeben, indem alle ciselirten und vergoldeten Or- 
namente aus kleineren Detailsformen, sich durch die Feuervergoldung starker markirten , wäh- 
rend die übrigen getriebenen Flachtheile des Gelasses einfach in Silber gehalten waren. 

Im Vorhergehenden ist an einer Stelle die Frage aufgeworfen worden, ob man in der Ver- 
fallszeit der Gothik bei Anfertigung der Messkitnnchen andere , bis dahin nicht gebräuchliche 
Materiale zur Anwendung kommen Hess? Wir gehen darauf zur Antwort, dass anstatt der kost- 
spieligen, in der romanischen Kunstepoche nicht selten vorkommenden Messkilnnchen aus Berg- 
krystall, viele dergleichen aus Glas angefertigt worden waren. Messkilnnchen aus Terra Cotta mit 
Anwendung verschiedener Farbentöne kommen seit den Tagen der Mediceer in den Kirchen ItaUeus 
hiiutig vor. Auch Messkilnnchen von gebranntem Thon, mit eingeritzten oder auch mit erhaben 
gehaltenen Ornamenten, waren gegen Ende des XV. Jahrhunderts in ärmeren Kirc hen Deutsch- 
lands vielfach anzutreffen. Sogar Messkilnnchen von Zinn, wie sie noch heute am Rheine, in W est- 
phalen und dem übrigen nordwestlichen Deutschland häutig angetroffen werden, kamen in höchst 
einfacher Form sowohl im früheren Mittelalter, als namentlich zu Ausgang desselben, zum 
Gebrauche an Wochentagen sehr häutig vor. 



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UBEB ( I>n CHRISTLICHEN MeSSKÄKNCHEN. 



31 



Es sei gestattet, in Nachfolgendem in kurzen Zügen die Form und Beschaffenheit jener 
Pollen näher zu skizziren , die aus diesen einfachen und billigeren ^laterialen filr ärmere Land- 
kirchen und insbesondere" für den Ciebraueh verschiedener religiöser Orden angefertigt zu 
werden pflegten. 

Wir beginnen die Reihe dieser Surrogatstoffe mit dem Zinn. In jenen Gegenden Deutsch- 
lands, wo dieses billige Material bei Verfertigung verschiedener profaner Gerätschaften eine 
gehäufte Anwendung fand , Inges auch nahe, kirchliche Gebrauchsgegenstände, als: Leuchter, 
Wcihkcssel und Messkiinnchen aus diesem leicht zu bearbeitenden Materialc herzustellen. Vornäm- 
lich in jenen Ländern, wo der deutsche Hierkrug von Zinn das Vorbild für die Übrigen Flüssigkeits- 
bcltültcr war, ist es sehr leicht zu erklären, dass nicht nur für Messkiinnchen zum Gebrauche an 
Wochentagen, namentlich auf dem Lande, Zinn gewühlt wurde, sondern dass man sogar noch 
weiter ging und von der Hierkaune die Form und Gestalt für die Ampullac entlehnte. 

So haben wir auf grösseren Reisen , namentlich in jenen Provinzen Deutschlands, wo die 
Rebe nicht zu Hause ist, heute noch solche zinnerne Ampullae von sehr grosser Einfachheit der 
Form angetroffen, deren Ähnlichkeit mit der profanen Kanne sich auffallend zu erkennen gibt. 
Unter andern erinnern wir uns, in der, an mittelalterlichen Kunstschiltzcn so reichhaltigen Lieb- 
frauenkirche zu Danzig mehrere äitcre Mcsskünnehcn von Zinn in äusserst schlichter Form vorge- 
funden zu haben. Die Abbildung der Zinupollen verdanken wir der entgegenkommenden Freund- 
lichkeit des Herrn Senators Culemann in Hannover, der dieselben in originali besitzt 1 . 

Dass sie wirklich als Messkiinnchen in Gebrauch 
waren, beweist die vollständige Übereinstimmung der Form 
dieser Gefässe mit den obengedachten in der Liebfrauen- 
kirche zu Danzig. Überdies befinden sieh, wie das die 
beifolgende Abbildung in Naturgrössc unter Fig. 23 zeigt, 
auf dem Deckel derselben, wie gewöhnlich die Anfangs- 
buchstaben der Worte: Wasser und Wein, nilmlich: 
a und v. 

Wir wagen es nicht zu bestimmen, ob auch bereits 
in der romanischen und friiligothischcn Kunstepoche bei 
der Anfertigung der Ampullen andere stoffliche Surrogate 
statt edler Metalle zur Gebrauchnahme gekommen sind. 
Ks gibt jedoch eine beträchtliche Anzahl von jenen klei- 
neren Flüssigkeitsbeliiiltern, wie wir sie in den Museen zu 
Berlin und Paris, besonders aber in den reichhaltigen 
Sammlungen chwsiacher Kunstwerke zu Rom und im 
Museum Bourbonicum zu Neapel gesehen haben, der 
Vermuthung Kaum, dass bereits in den ersten Jahrhun- 
derten der christlichen Zeitrechnung die Hingangs erwähn- 
ten Amulae sowohl aus Terra cotta mit eingebrannten 
Ornamenten, als auch aus vielfarbig gehaltenen Glasflüssen häufig in Gebrauch genommen 
worden sind. 

' Wir benutzen liier die Gelegenheit , darauf hinzuweisen, das* Senator Culemann eine grosse .Sammlung mittelalterlicher 
Kunstwerke in edlem Metall, in Email und Elfenbein, desgleichen auch eine grosse Sammlung »eltener Druckwerke en mininturci 
besitzt, wie solche bei Privaten selten in Deutschland in diesem Umfange zu finden ist. Der liebenswürdige Besitzer dieser sel- 
tenen ( ollection nimmt gerne die Gelegenheit wahr, in Person seine KunstselmUe vorzuzeigen und die näheren archäologischen 
Erläuterungen einHiesseu zu lassen. 




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32 



Dm. Franz Bock. 



Indessen scheint das vielfache Vorkommen von Pollen in gebranntem Thon und in Gkfr 
Iltissen, namentlich auf italienischem Hoden, seit der letzten Hälfte des XV. Jahrhunderts daran) 
hinzudeuten, dass sowohl die Technik als auch das Material zu Messkännchen aus den eben ge- 
dachten billigen Stoffen, als Reminiscenz aus früheren Jahrhunderten, den Quinqueeentisten der 
Mediccer-Zcit traditionell Uberliefert worden sei. Sucht mnn in Deutschland kleinere Qefksse tu 
den eben gedachten einfachen Stoffen, so durften die königlichen Museen zu Berlin in jenen 
Sälen, worin die Majolicas aufgestellt sind, eine grössere Zahl derartiger GefHsse in p-ebranntem 
und glasirteni Thon besitzen, die, wenn sie auch nicht ursprünglich als Messkannchen angefertigt 
worden sind , doch in ihrer Formation durchaus mit den thönernen Ampullen ärmerer Kirchen 
Ähnlichkeit besitzen. Fig. 24 gibt in halber Naturgrössc ein interessantes Gefass, dessen Original 
sich im gedachten Museum vorfindet. Dasselbe ist aus Thon geformt und zeigt auf seiner mittleren 
Bauchung drei kreisförmige Medaillons mit halben Durchbrechungen, die durch ihre Einzebdicitcn 






Fi*. SS. 



Fip. 24. Fig. 26. 

kundgeben dürften, dass das GefHss deutschen Ursprungs und gegen den Ausgang des Mittelalters 
angefertigt worden sei, nitmlich in einer Zeit, wo auch in der Sculptur die spatgothischen Bildungen 
des sogenannten Frauenschuhes und der Fischblase immer wieder angewendet wurden, beider 
ist der obere Theil des Gefilsses heute abgebrochen. Fig 25 veranschaulicht ebenfalls in halber 
Grösse ein Gcfäss in Terra cotta, das in seinen Einzcluhcitcu den Einfluss der Renaissauce gewahre« 
iMsst, und das in seiner Form als Pendant zu jenen thönernen Messkannchen betrachtet werden 
dürfte, die sich mit kleinen Basreliefs, meist religiösen Inhalts, verziert, häufig noch am Rhein 
erhalten haben. 

Wir wagen nicht zu behaupten, dass «las rautenförmig gemusterte Gcfass, das wir unter 
Fig. 26 in halber Naturgröße wiedergeben, und das sich ebenfalls in der Terracotta- Sammlung 
Berlin befindet, ehemals ein Mcsakiinnchcu gewesen sei; das aber h'lsst sich mit Grund annehmen, 
dass jene Pollen, die bei den strengen Mendicantcn - Orden zu Ausgang des Mittelalters in Ge- 
brauch waren, von ähnlicher Form gewesen sein mögen. 

Um nitmlich sogar bei den verschiedenen Gebrauchsgeräthschaften des öffentlichen Cultii" 
die strenge Entsagung durchblicken zu lassen, liebten es die Franciscaner und Dominicaner niebt 
nur die edlen Metalle, sondern auch alle Husscrcn Zierrathen von der Kirche fem zu halten; dalier 
finden sich noch jetzt in den Klöstern von so strenger Observanz hilufig Messkannchen von 
gebranntem Thon. 



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Über die christliches Messkäxnches. 



33 



Da» Glas fand schon in den Tagen des classischen Roms eine vielgestaltige Anwendung. 
Aus älteren Schriftstellern wissen wir, dass in der Frühzeit des Christenthums bei der Anuuth der 
Kirche nicht selten Kelche aus Glas zur Feier des eucharistischen Mahles in Gebrauch genommen 
wurden. So ist ea ferner bekannt, dass man in den Katakomben jene altrömischen Thränenfläsch- 
chen aus Glas auffand , worin man das Blut der Märtyrer aufgesammelt und beigesetzt hatte. 

Es lag nun bei der vielfachen Verwendung, die die Gerätschaften aus Glas in dem 
apostolischen Zeitalter fanden, sehr nahe, auch die Oblationsgefässe für Wasser und Wein aus 
demselben Materiale anfertigen zu lassen. Während die Vülkerzüge verheerend über Italien ein- 
brachen und die Cultur des alten Roms grüssten Theils vernichteten , scheint die Technik der 
künstlichen Fabrication des Glases allmählich verloren gegangen zu sein. Erst im XV. Jaluhundert 
hob sich, und zwar zuerst in Venedig, dieser Kunstzweig zu einer ungeahnten Blüthe. Wir 
erinnern hier nur an die stattlichen Kelche und Flügelglilser, an die milchfarbigen und faden- 
förmigen Glasflüsse venetianischer Fabriken, die heute von Liebhabern sehr gesucht sind. Weil 
nun die Messkännchen aus edlem Metall nach ihrem Gebrauche wegen ihrer Kostspieligkeit stets 
eine sorgfältige Reinigung erforderten, weil ferner die Pollen von Zinn einem schwärzlichen Anlaufe 
ausgesetzt waren, so lag es nahe, dass von den Industriellen Venedigs Messkännchen in Glas 
angefertigt wurden. Ausser der Reinlichkeit und Billigkeit dieser Glasgefilsse gewahrten dieselben 
dem celebrirenden Priester auch noch den erheblichen Vortheil, 
dass er sich durch einen Blick von dem Inhalte der Polle überzeugen 
konnte, wenn er durch Körperleiden nicht in ih r Lage war, sich, wie 
das die Vorschrift befiehlt, durch den Geruch von dem Dasein des 
Weines zu Uberzeugen. Zudem be- 
sitzen diese Messkannen von Glas, 
die wir noch in den ineisten Kirchen 
Frankreichs, Italiens und Öster- 
reichs im Gebrauch gefunden haben, 
den Vorzug, dass sich der Geistliche 
durch die visio oculorum davon 
überzeugen kann, ob der Messner 
die Tugend der Reinlichkeit besitzt, 
und ob das Wasser klar und hell 
und der Wein fehlerfrei sei. Bei den 
Messkttnnchen von Zinn, wie sie am 
Rhein, in Westphalen und dem übri- 
gen Deutschland vielfach in Gebrauch 
sind, entbehrt der Priester die eben- 
gedachten Annehmlichkeiten, durch 
welche sich die gläsernen Mess- 




Fi»t. äs. 



Fi*. 37. 

könnchen auch vom praktischen Standpunkte aus sehr empfehlen. Wir thcilen beifolgend in 
getreuen Abbildungen die Formationen einzelner Messkännchen von venetianischeui Glase mit, die 
aus einer ehemals in Siena befindlichen Sammlung von ähnlichen Gläsern herstammen 
und sich nun in einem Schranke des Majolica-Saales zu Berlin befinden. Fig. 27 veranschaulicht 
in % der Naturgrösse ein Messkännchen, das der Blüthezeit der Fabrication der venetianischen 
Band- und Farbengläser angehört. Aus dem Umstände, dass sich dieses, so wie auch die nächst- 
folgenden Glasgefilsse jedesmal paarweise vorfinden, lässt sich mit Grund schliessen, dass diesel- 
ben als Ampullae in Gebrauch waren. Fig. 28 gibt in % der natürlichen Grösse ein Messkännchen 
IX. a 



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34 



Dr. Franz Bock. 



wieder, dessen Copirung wir, wie von der vorigen und der folgenden Figur, der Freundlichkeit des 
Cieheimrathes von Olfers, Generaldirectors der königlichen Museen zu Berlin, verdanken. 

Diese interessante Anipulla veranschaulicht die entwickelte Glasfabrication des nördlirlicu 
Italiens in Verbindung mit der venetianischen Qoldsehmiede- und Filigrankunst. Sowohl die 
Handhabe als auch der Fuss und der Deckel des Gcfässes sind der gröBsern Dauerhaftigkeit wegen 
in Silber angefertiget. Die drei Blumen auf dem Deckel, wovon die eine nunmehr fehlt, dcssglei- 
chen auch sammtliehe auf der Flllchc des Deckels , sind in jenen feinen und leichten 
Verschlingungen ausgeführt, wodurch das Filigran aus der Zeit der Cinquecentisten nachgeahmt 
wurde, welches sich durch delicate Ausführung so vortheilhaft empfahl. 

Wir lassen es dahin gestellt sein, ob das Gefäss mit den beiden Henkeln und den durch- 
sichtigen Glasornamenten in GlasHuss (Fig. 29) ursprünglich als Messkilnnehen angefertigt 
worden sei, denn da sich auf dem Halse ein beweglicher und einschiebbarer Verschluss ebenfalls 

aus Glas vorfindet, so dürfte es wahrscheinlich 
sein, dass dieser Flaeon ehemals zur Aufbewah- 
rung von wohlriechenden Essenzen gedient habe. 

Auch der Gebrauch der cigenthflmlichcn 
Phiale, die wir in halber Naturgrosse unter 
Fig. 30 bildlich wieder geben, dürfte sich nicht 
mit Bestimmtheit als kirchlich nachweisen 
hissen , allein sowohl die Form als auch die in 
farbigem Glase dargestellten Brustbilder von 
Heiligen in einem fast griechischen Typus, 
haben uns zu der Vermuthung geführt, es dürften 
diese ebenfalls in Doppelzahl vorfindlichen Ge- 
lasse als Ampullac in der griechischen Kirche in 
Ge brauch gewesen sein. 

Als wir den Winter des Jahres 18~>9 in 
Herlin zu dein Zwecke zubrachten, die dortigen Quellen der königlichen Bibliothek zur Heraus- 
gabe der III. Lieferung unserer Geschichte der liturgischen Gewander des Mittelalters zu benützen, 
nahmen wir auch die Gelegenheit wahr, die Materialien zu der vorliegenden Abhandlung zu 
sammeln. Einer freundlichen Einladung Folge leistend, statteten wir dem Conservator der 
preussischen Kiinstdenkmäler, Geheimrath v. Quast, auf seiner Besitzung Kadensleben bei llerz- 
berg in der Mark einen Besuch ab, und waren nicht wenig erstaunt , im Besitze des genannten 
Kunstgelehrten eine interessante Sammlung von mittelalterlichen Kunstreliquien vorzufinden, die 
derselbe im Jahre 1*38 und 1 s 3 1> in Italien käuflich erworben hatte. Unter diesen werthvollen 
Objccten sahen wir auch jene äusserst interessanten Messkiinnchen, die wir von Fig. 31 Iii» 33 
veranschaulichen. 

Wir glauben hier mit Grund sagen zu dürfen, dass diese Pollen als die reichsten und zier- 
lichsten gelten können, die in dem zerbrechlichen Materiale des Glases auf uns gekommen 
sind. Fig. 31 zeigt in s /, natürlicher Grösse ein seiner äusseren Forin nach höchst gcfillligcs 
Messkiinnchen der gedachten Privatsammlung. 

Um die untere Bauchung der eigentlichen Fusstheile zu verstärken, hat der Glasarbeiter hier 
mehrere erhaben vorstehende Knoten angebracht Uber dem weissen Glase des Henkels ist von 
dunkelblauem Glase noch eine Kainmverzierung zur Verstärkung angefügt, die auch au der 
Ausflussröhre in gleicher Farbe wiederkehrt. 




ttg. 21». 



n» so. 



Über die chr istli chbn Messkänhchen. 



3S 



Ein zweites daselbst befindliche» Glasgefäss ist dem vorigen sehr Hhnlich, zum Unter- 
schiede jedoch mit einem Fuss versehen; auch ist dasselbe nicht durchsichtig, sondern von 
Milchglas. Die Ausmündung des Deductoriums, so wie die Einfassung der Halsmündung sind mit 
einem knotenförmigen Glasfuss von rubinröthlieher Farbe ver- 
ziert. Anstatt der unschönen und nichtssagenden Messkttnnchen, 
die nicht selten den profanen Essig- und Ölbehältern für den 
Tischgebraueh Uhnlich sind, dürfte der so weit vorgeschrittenen 
Glasfabrication, namentlich in Böhmen, die getreue Nachbildung 
dieser formschönen Gcfiisse für kirchlichen Gebrauch dringend 
zu empfehlen sein, zumal in Österreich und dem übrigen 
Deutschland, dessgleichen auch in Italien und Frankreich, wo, 
wie wir aus Erfahrung wissen, ein ausgedehnter Absatz in Aus- 
sicht stehen dürfte. 

Die unstreitig reichsten Ampullae der oben gedachten 
Privatsammlung sind offenbar jene zierlichen Messkünnchen, 
die wir unter Fig. 32 und 33, ebenfalls in der IlUlfte der natür- 
lichen Grösse, bildlich veranschaulichen. 

Ausser der reich verzierten Handhabe an dein Messkünn- 
chen (Fig. 32) befinden sich an der untern Bauchung, dess- 
gleichen auch an der Ausgussrührc Medaillons, die wie goldene 
Pasten erhaben aufliegen und als massive Glasflüsse drei Büren- oder Löwenköpfe vorstellen. 

An dem untern Theile des Gefdsses, zu beiden Seiten der Thierköpfe, erblickt man, aus 




Fig. 31. 



Derselbe farbige 



grünlich-blilulichen Glasflüssen bestehend, je zwei saphirartige PerlvorsprUnge. 
Glasfluss ist auch als vorspringende Einfassung an 
dem Ausflussröhrchen angebracht, und wiederholt 
derselbe sich auch in zwei blüulichen Hingen am 
oberen Halse. Das Messkünnchen (Fig. 33) ist in 
seiner Gesanuntfonn und Ornamentik mit dem der 
vorhergehenden ziemlich identisch ; nur ist dasselbe 
ausserdem mit einem runden Fusse von Glas ver- 
sehen, und sind die vergoldeten Pasten, in der 
Gestalt von Löwenköpfen, nach oben hin fast hom- 
lörmig verlängert und umgebogen. Sowohl au dein 
Uusscren Baude als auch in der Peripherie des 
Kusses war ehemals ein stark vergoldeter Einfas- 
sungsstreifen ersichtlich, der heute sehr verwischt ist. 

Zur selben Zeit, in welcher italienische Glas- 
arbeiter gläserne Messkünnchen in Menge für den 
Handel anfertigten, wurden diesseits der Berge noch 
grössere und kleinere Bcrgkrystalle zu Messkünn- 
chen verarbeitet. Unter diesen Pollen , unmittelbar 
aus dein Ausgange des XV. Jahrhunderts herrührend, ist auch jenes interessante Vasculmn cristal- 
liuum zu rechnen, das wir (Fig. 34) in */, naturlicher Grösse wiedergeben und das sich heute als 
Keliquienbehülter in dem Schatze der St. Lambertuskirehe zu Düsseldorf vorfindet. Sümrathchc 
Üetailformeu an dem reich gearbeiteten Deckel, dessgleichen auch an dem sternförmig construirten 
Fusse, noch mehr aber die eingraviiten Ornamente, die auf diesem Fussstück in vergoldetem 

5* 




Fi«. Vi. 



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Du. I i; vn, Bock. 



Silber vorkommen, sind als Belege zu betrachten, das» diese Ampulla am Schlüsse de» XV. Jahr- 
hunderts angefertigt worden sei. 

Es erübriget uns noch im Folgenden eine kurze Übersicht von der Gestalt und der artisti- 
schen und technischen Beschaffenheit jener Messkännchen anzufügen , die gegen Ausgang des 

Mittehilters bereits unter dem Einfluss der Renaissance nament- 
lich diesseits der Berge entstanden. Indem wir eine hervor- 
ragende Polle aus dieser interessanten Epoche in Abbildung 
veranschaulichen und in Kürze beschreiben, wollen wir vorher 

Gelegenheit nehmen, anzudeuten, 
über welche reiche technische 
Mittel der Goldschinied in jenen 
Tagen verfügte, als der Hltere 
Styl mit den modern <n wülschen 
Formen den Kampf auf Sein und 
Nichtsein angetreten hatte. Der 
Goldschmied vom alten Schlage, 
der in seinen jüngeren Jahren 
die phantasiereichen Gebilde des 
in seinen Formen bereits un- 
sicher gewordenen gothisehen 
Styles geübt hatte, brachte von 
Haus aus eine grosse Fertigkeit 
in der Darstellung von getriebe- 
nen ciselirten , gravirten und 
F'K- 33. Rf. 34 emaillirten Arbeiten mit. Es war 

ihm eben so leicht, mit dein Treibhammer als mit dem Stichel und der Gravirnadel die schwierig- 
sten Arbeiten auszuführen. Diese grosse Fertigkeit der Hand bot aber auch die Veranlassung, 
dass er sich innerhalb der Grenzen, welche die Gothik um sein Metier gezogen hatte, nicht mehr 
heimisch fühlte und desswegen den Versuch machte, statt der mehr constrnetiven von der Arehi- 
tectur entlehnten Formen, sich den Gebilden der Pflanzenwelt zuzuwenden, um sich auf diese 
Weise der Nachahmung der Natur ungetheilt hingeben zu können. Die grosse Meisterschaft, die 
sich der Goldschmied bei Beginn des XVI. Jahrhunderts errungen hatte, war für ihn also eine 
gefahrliche Verlockung die ernsteren Gebilde des ererbten Styles zu verlassen, und sich mit 
besonderer Vorliebe in den Formen der sogenannten Renaissance zu versuchen, die ihm ein 
grosses Feld für neue Gestaltungen und weitere Entwiekelungen darzubieten schien. 

Dieses Hin- und Herschwanken zwischen den überlieferten Hlteren Stylformen und den 
naturalistischen Fonnbildungen, die der neue Styl in Fluss gebracht hatte, sehen wir am deutlich- 
sten an jener äusserst prachtvollen und in ilu-en Detailformen reich entwickelten Ampulla, die, 
irren wir nicht, dem Schatze der bischöflichen Kirche zu Grosswardein angehörte und jetzt in 
dem ungarischen Nationalmuseum zu Pest ein ehrenvolles Unterkommen gefunden hat Die Abbil- 
dung (Fig. 35) veranschaulicht dieses Gefüss in */, der natürlichen Grösse. Ein flüchtiger Blick 
darauf Uberzeugt sofort, dass der innere Kern, der bei dem Entwurf dieses MesskHnnchens zu 
Grunde gelegt wurde, durchaus noch dem Mittelalter angehört und als Reminiscenz zu betrachten 
sein dürfte. 

Die zierlichen Fruchtbildungen jedoch, die in der Zahl von zwölf Birnen die innere Bauchung 
dieses MesskHnuehens in getriebener Arbeit darstellen, huldigen schon vollständig dem naturalistisch 




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f'iiEu die ciinisTMi lies Messkännchen. 



37 



aufge&ssten Pflanzcnornamentc, du» von der Renaissance, besonder« seit den Tagen des phantasie- 
reichsten der Goldschmiede, de» bekannten Benevennto Cellini, mit vielen» Glück weiter aus- 
gebildet wurde. Der Fuss desGefässcs entwickelt sieh ans einer sechsblätterigen Rose und es ist auch 
die sechskantig' -polygone Form im Ständer und im 
Halse einheitlich durchgeführt. Als wesentlicher 
Hauptbestandteil macht sich an dem vorliegenden 
Messkännchen die Ausgussröhre kenntlich, die dem 
Henkel parallel gegenüber gestellt wurde. Dieses 
Deduetorium ist nach der oben angezogene n Vor- 
schrift des Theophilus regelrecht als ausgeschweifte 
Rühre der unteren Bauchung eingefügt. Sowohl die 
Kussßre traditionelle Form dieses Gefässcs, als auch 
das Vorfinden eines Majuskelbuchstaben im Innern 
des Dekels, beurkunden hinlänglich, dass es ursprüng- 
lich als Ampulla für kirchliche und nicht für profane 
Zwecke angefertigt worden sei. Man erblickt näni- 
lich in einem runden Medaillon, von blauem Email 
umgeben in Storker Vergoldung, die gebräuchliche 
Abkürzung A (aqua), die seit dem XV. Jahrhundert 
auf reicheren Pollen immer pflegte angebracht zu wer- 
den , damit einer Irrung bei Celebrationen möglichst 
vorgebeugt werde. Die netzförmige Bildung des 
Filigrans, womit alle Flachtheile dieser Ampulla über- 
sponnen sind, dessgleichen auch die Formation der 
Birnen und das spätgothischc Blätterwerk, das sich 
in der Vertiefung dieser Fruchtbildungen hinschlän- 
gelt, noch mehr aber das groteske Figürchen, das den 
Knauf des Deckes abschliesst, besagen deutlieh, dass 
dieses formreiche Messkännchen im Beginn des 
XVI. Jahrhunderts seine Entstehung gefunden habe, 
als die Vorboten der Renaissance sich schon voll- 
zählig eingestellt hatten. 

Als uns vor einiger Zeit die Vergünstigung zu 
Theil wurde, die reichhaltige Sammlung des Baron 
Anselm von Rothschild näher in Augenschein nehmen 
zu können, waren wir nicht wenig erstaunt, unter den 
vielen dortigen Objectcn der Goldschmiedekunst, 
meistenteils dem Ausgange des Mittelalters und 
der Renaissance angehörend, auch zwei äusserst 
reich gestaltete Gefässe vorzufinden, die wir so- 
fort als Messkännchen erkannten und die sich bei 
näherer Untersuchimg auch durch das Vorfinden der 
bekannten Anfangsbuchstaben A. und V. als solche 
bestätigten. 

Es würde der vorliegenden Abhandlung eine zu grosse Ausdehnung geben , wenn wir es 
versuchen wollten, alle die zahlreichen Citate folgen zu lassen, die sich in Schatzbesehreibungen 




Fig. 3:.. 



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38 



Dr. Fkasz Bock. 



in Menge vorfinden und zuweilen auch Uber die Gestalt und materielle Beschaffenheit jener Mess- 
kilnnchen, die noch in XV. und XVI. Jahrhundert den Sacristeien von bischöflichen und Stifts- 
kirchen zur Zierde gereichten, mehrfache Kunde verbreiten. Aus den vielen Iuventarien, die uns 
aus dieser letzteren Zeit zu Gebot stehen, wollen wir, wie das bei jeder Epoche eingehalten worden 
ist, auch hier einige Aufeiihlungen als Parallelstellen zu den früheren Angaben folgen lassen. 

Wir beginnen unsere Atifzilhlung von Pollen nach dem Wortlaute von Invcntarien 
grösserer Kirchen Deutschlands, und bemerken zugleich, dass seit der letzten Hiilfte des XV. Jahr- 
hunderts die meisten Schatzverzeielmisse nicht mehr in lateinischer, sondern vorzugsweise in 
deutscher Sprache aufgezeichnet wurden. So liest man in einem Vcrzeichniss der Schütze des 
Domes von Würzburg vom Jahre 1484: 

„Vier silberne Messkihidlin." 

Auffallend bleibt es, dass sowohl hier als auch bei den folgenden Aufzeichnungen niemals von 
dem Pollerteller zum Aufsetzen der Messkiinnchen oder zum Auffangen des Wassers beim Offer- 
torium die Rede ist. Wir folgern daraus, dass in den meisten Kirchen Deutschlands gegen 
Sehluss des XV. und im Beginn des XVI. Jahrhunderts diese bassinförmige Schüssel, die heute 
fast überall in Gebrauch ist, damiüs durehgilngig fehlte und die Handwaschung noch immer ver- 
mittelst eines Aquamanile vorgenommen wurde. 

In einem Inventar der Benedictiner - Abtei Michelsberg zu Bamberg, einer Stiftung der 
heiligen Cunigundis, stellt vom Jahre 1483 angeführt: 

„Item duas auipullas argenteas." 

In einem alten Vcrzeichniss der ehemaligen Kleinodien des Domes von Bern, welche walu-- 
seheinlich die Tage des prachtliebenden Philipp des Guten und seines Sohnes Karl des Kühnen 
gesehen hatten, liest man im Schweizeridiom die damals gebräuchliche Diminutivbenennung für 
Messkünnchen : 

„Item 8 paar silbern und vergülte Messstitzly, jedes par minder nitt, dann 8 lod." 

In demselben Vcrzeichniss geht diesem „Item u ein anderes vorher, in welchem walirschein- 
lich jene Becken aufgezählt werden, die zu diesen Messkiinnchen gehört haben mögen; man liest 
daselbst die Angabe : 

„Item G silberi Beki, ein yeder minder nitt dann 1% mesyg, ussgetribne Arbeit." 

In einem alten Kirchenbuche zu St. Brigitta von Colli vom Jahre 1;">41 stehen unter andern 
verzeichnet: 

„Item 14 par pollen klein und gross." 

Hier begegnen wir zuerst dem niederrheinisehen Ausdruck „Pollen*, der offenbar von 
Ampulla, Pulln, herrührt, Unter diesen 11 paar Messkiinnchen fanden sich wahrscheinlich auch 
mehrere einfache aus Thon. Zinn und anderen einfachen Stoffen. 

In einem aus dem Ende des XVI. Jahrhunderts herstammenden Inventar der Schütze der 
St. Sebalduskirche in Nürnberg, die sich noch nach der Einführung der neuen Lehre daselbst 
befanden, stehen hinsichtlich der Messkiinnchen folgende Angaben : 

„Zwey neue Silbern vergölte Messkündclein mit Granatäpfeln auff den Deckeln , mit einem 
Löwen vnd hiesiger Stadt Nürnberg, wie Auch des Edlen, Elircnvesten, Fürsiclitigeii vnd hoch- 
weissen Herrn Christoff Führers alss dumah liger Zeit Kirchenpflegers, wappen." 

Ferner: 

„Mehr Zwey neue Silbern vergulte glatte Messkündclein mit gemeiner dieser Statt, und des 
Edlen Elircnvesten, Fürsichtigen vnd hochweisseii Herrn Ulrichs Grundherrens, als Kirchen- 
pflegers, wappen." 



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Über nie christliches Messkänn« hes. 39 

Was die Aufstellung eh r MesskUnnchen betrifft, so scheint man sie, wie das aus älteren Tem- 
peramalereien hervorgeht, auch noch im Beginne des XVI. Jahrhunderts nicht auf ein Credcnz- 
tischchen an der Epistelseite aufgestellt, sondern gleich bei Heginn der Messe auf den Altar gesetzt 
BU haben und zwar ohne Untersatz oder Schüssel. 

In dieser Weise ersieht man auf einem älteren Bilde des XVI. Jahrhunderts in der Sacristci 
v.\\ St. Martin in Cüln zwei MesskUnnchen unmittelbar auf dem Altare stehend, ohne Teller'. 

Auf einem steinernen Keliefbilde, welches in einen Pfeilerbündel an dem südwestlichen 
Thcile des Domes von St. Stephan zu Wien eingelassen ist, sieht man die bekannte Darstellung 
der Messe des heiligen Gregorius. Auch hier sind die Mess- 
kUnnchen unmittelbar auf den Altar an die Epistelseite, aber 
auf einer kleinen ovalen Schüssel hingestellt. | 

Da es nicht in das Bereich unserer Aufgabe gehört, 
die MesskUnnchen noch nach der Entwickelung der Renais- 
sance zu besprechen, so deuten wir nur in Kürze an, dass 
die Aufnahme und Wiedergeburt der „schönen Künste" seit 
den Tagen der Mediccer vornehmlich darin bestand, die ver- 
schiedenen Kunstgebilde wieder auf den Urtypus des elas- 
tischen Alterthums zurückzuführen. Auch zur Gestaltung der 
kirchlichen Ampullae wurden die römischen Vasen der Cäsa- 
renzeit aufgesucht und benützt; mit anderen Worten: die 
traditionellen Formen und Grundtypen, die das Mittelalter 
für diese Art der kirchlichen GefiLsse aufgestellt und weiter 
entwickelt hatte, wurde als veraltet bei Seite geschoben und 
man begann die Grundformen für die Gestaltung dieser Ge- 
lasse wieder da aufzusuchen, wo sie das Cluustcnthum bei 
seinem ersten Entstehen entlehnt und für seine Zwecke all- 
mählich umgebildet hatte. Dass der ausgeprägte kirchliche 
Charakter, den diese liturgischen Gefässe im Laufe der 
Jahrhunderte erhalten hatten, bei dem Bestreben diese Gc- 
räthschaften wieder auf die heidnische Urform zurückzuführen verloren gehen musste, leuchtet ein. 

Eines der edleren Gefässe, welche die Zunft der Goldschmiede seit den Tagen des Bene- 
venuto Cellini als mehr oder minder gelungene Imitationen des ebengedachten Meisters producirt 
hatten, theilen wir hier (Fig. 36) zum Schlüsse in der Hälfte der natürlichen Grösse mit. Es ist 
ein MesskUnnchen in den Formen der italienischen Renaissance aus dem Schlüsse des XV. Jahr- 
hunderts, das als Modell betrachtet werden kann, nach welchem im XVI. und XVII. Jahrhundert 
die meisten Pollen aus Glas, Zinn, Silber und Gold gestaltet zu werden pflegten. Dasselbe findet 
sich in einer öffentlichen Sammlung zu München, und wir verdanken dessen Copirung der zuvor- 
kommenden Freundlichkeit des Herrn Malers Herwegen. Der Corpus dieses Gelasses besteht aus 
einem ausgehöhlten Bergkrystall mit ornamentalen Reliefschweifungen auf der äusseren Bauchung. 
Die einfassenden Ränder, wodurch die einzelnen Theile zusammengefügt werden, sind in Gold 
und mit reichen Emaillirungen geschmückt. 

Schliesslich erachten wir es für unsere Pflicht, allen Freunden und Strebensgenossen, welche 
entweder durch Einsendung von Copien älterer Ampullae oder durch andere wissenschaftliche 
Beiträge die vorliegende Arbeit gefördert haben, hiermit unsern aufrichtigsten Dank abzustatten. 

i Siilu- Aura: d. Kedacl. S. 19. 




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40 



Das Ciborium 

im Schatz des Chorherrn-Stiftes zu Klosterneuburg in Niederösterreich. 

Von Alhekt Caxesisa. 
Kit * T»f«ln. 

Ohne erst, in der Form eines Eingangs, ant* die geschichtliche Entwicklung der verschie- 
denartigen Können der Speisekelche hinzudeuten, worüber in so vielen liturgischen und archUo- 
logischen Werken bereit« alles Nöthige gesagt ist, soll hier nur eine einfache, aber möglichst gcnam 
Beschreibung der Details dieses schönen Werkes der Hltereu Goldsehiniedckunst gegeben werden, 
und zwar um so mehr, als dasselbe schon früher in diesen Müttern vorgeführt wurde 1 . 

Schon bei dem ersten Anblick dieses Kirchcngeräthes , welches eine Gesammthöhe v<u; 
3.V5 Centimetres hat, gewahrt man, dass zwei Hauptthcilc desselben ihre Entstehung ver- 
schiedenen Kunstepochen verdanken, indem der Obertheil, nitmlich Cuppa und Coperculum, einer 
früheren Zeit angehören als der Fuss und der Schaft. Es bewilhrt sich dieses nicht nur durch die 
Hnuptformen und die Umrisse der Profile, sondern auch durch die verschiedene Ornamentik umi 
vorzüglich dadurch, dass die Schale und der Deckel mit Email geschmückt sind, von denen sich 
am Stünder keine Spur vorfindet, was doch gewiss der Fall sein würde, wenn dieses GefHss an« 
der Idee eines einzigen Meisters hervorgegangen wilrc. 

Das Email an der Innenseite des Fusscs, welches nur tlann sichtbar wird , wenn man da* 
Ciborium emporhebt, kann hier nicht massgebend sein, da es vermuthlic-h erst spilter «um- 
bracht wurde. Ja man könnte noch weiter gehen und sogar bemerken , dass selbst der ercniul- 
lirte Knauf des Deckels nicht ursprünglich zur Cuppa gehöre , da an demselben gleichfalls da« 
Email fehlt und vorzüglich die Perlenreihen mangeln, mit denen die KHnder der sechzehn HildVr 
des Ciboriums gesclunückt sind. 

Cuppa und Deckel zusammen erinnern noch immer au die Form der alten Thuribula, und dir 
auf denselben angebrachten Schmelzarbeiten zeigen nur zwei Farben, nämlich Smalte zu den 
Umrissen und zum Grund, und Roth zu den architektonischen Verzierungen, alles Übrige ist Gold, 
wie es die Oberfläche des GetÜsses darbietet. 

Die bildlichen Darstellungen reihen sich auf folgende Weise an einander: 

i Ziehe Mittheil, der k. k. Ontral-Oorani. vom J. I8G1, p. 295 ff. und Tafel VII. 



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Klostenicuburg. 

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Klosterneuburg, u. 

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Das Ciboriusi vosc Klosters e tu c ro. . 



41 



A. Auf dem Co per etil um. 

1. Der englische Gruss. Gabriol und die heilige Jungfrau siml stellend abgebildet. 1 )er 
Erzengel hidt eine Holle (Cartoecia), auf welcher die Worte „Ave Maria- 4 zu lesen sind. Zur Seite 
der heiligen Maria zeigt sieh ein Stuhl, auf dem ein aufgeschlagenes Buch liegt. — 2. Die Geburt 
Christi. Maria liegt auf einem niedrigen Ruhelager und halt den neugebornen Heiland in den 
Annen. Zur Seite sitzt der heilige Joseph, ermüdet an einen Krüekenstook gelehnt. Im Hinter- 
gründe ist die Krippe mit dem Oehs und dem Esel. — o. Die Opferung im Tempel. Die 
stehende heilige Maria hillt das Christiiskhid in den Armen. Ihr ziu* Linken beiludet sieh der 
heilige Joseph. Auf der anderen Seite zeigt Hieb eine weibliche Figur mit einer Tasche in 
der Rechten, in welcher wahrscheinlich die Opfergabe bewahrt ist. In der Linken lullt sie 
eine gedrehte Kerze. Von dem architektonischen, baldachinartigen Abschluss hängt eine 
Lampe herab, durch welche angedeutet wird, dass die Scene im Tempel vor sich ge he. - 
4. und 5. Die drei Weisen des Morgenlandes. Der Verfertiger dieser Emaillen, dem wahr- 
scheinlich alle Kenntnisse der Perspective fehlten, wusste verniuthlicb nicht, wie er auf der 
beschrankten Fläche nebst der heiligen Mutter auch noch die drei Weisen anbringen sollte, und 
benutzte daher zu dieser Darstellung zwei Felder, wie dieses auch auf mehreren anderen alten 
Kirchengeräthen vorkommt. Auf dein ersteren jener Felder sitzt die gekrönte heilige Maria auf 
einem Sedile. Einer der drei Weisen, ohne Krone, reicht einen Herber dar, nach welchem 
das Christuskind langt. Oben sieht man den leitenden Stern. Auf dem anderen Fehle zeigen 
sich die Übrigen zwei Weisen; beide stehend und gekrönt, und derart gesticulirend, als ob sie 
sich über den Heiland besprächen. — 6. Die heilige Maria führt den Knaben Jesus an 
der Hand. Er scheint jedoch, wie seine Stellung zeigt, nicht gern zu folgen, wesshalb seine 
Mutter einen Hlüthenzweig von einem Strauch bricht, um ihren Sohn zum Weitergehen zu 
bewegen. Der Knabe tragt am rechten Arm eine Buchtaschc , welche verniuthlicb die Schrift 
enthalt , aus welcher er mit den Schriftgelehrten im Tempel disputirte. Die lebhafte und naive 
Phantasie des Künstlers mochte ihn wohl auf den Gedanken gebracht haben, dass sieh der 
geistreiche Knabe von einer ihm so interessanten Besprechung nicht gm- leicht trennen mochte. 
Derlei psychologisch naive Züge finden sich auch nicht selten auf alten Miniaturen , nur wer- 
den sie, so wie die Technik , nicht immer gehörig gewürdigt. — 7. Der Tod der heiligen 
Maria. Die Sterbende liegt, das Haupt auf einem Kissen ruhend, auf einem mit einem 
faltenreichen Tuche bedeckten Lager. Zu jeder Seite befinden sich (bei der Apostel und in 
der Mitte steht Christus mit einer Kindergestalt in den Armen, welche die Seele der Hinschei- 
denden vorstellt, die er in seinen Schutz nimmt. -- 8. Die Krönung Mariens. Christus 
mit einer Krone auf dem Haupt und ein Buch in der Linken haltend, sitzt auf einem langen Sedile 
imd hebt segnend seine Rechte gegen seine betend geneigte Mutter. Der heilige Geist in Gestalt 
einer Taube schwebt herab und setzt ihr die Krone auf. 

Wird der Deckel zurückgeschlagen, so zeigt sich in einem achteckigen Felde , welches den 
acht Seiten des Copcreulums entspricht, die Auferstehung des Heilandes (Taf. In), der 
die Rechte segnend erhebt und in der Linken die Osterfahne hält. Unter den drei Bogen des 
Grabmals erblickt man drei schlafende Krieger, welche mit ihren Ringpanzern. Helmen und Schil- 
dern an die Kriegergestalten des „Hortus deliciarum" der Herrad von Landsberg erinnern, und 
daher wohl oinigermassen auf die Zeit schliesseu lassen , in welcher diese Schmelzarbeiten oder 
ihre Vorbilder verfertigt wurden. 
IX. 



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42 



Albert Cahesina. 



B. A»if der Cuppu des Ciboriums. 
Die Emaillen auf der Cuppa sind durch einen architektonischen Abschlug» in zwei 
ungleiche Hälften getheilt. In der oberen und grösseren Hiilfte zeigen sich acht Scenen aus der 
Leidensgeschichte-, und in der unteren, kleineren sind acht rropheten dargestellt, von denen jeder 
eine Rolle in der Hand lullt, auf denen aber leider kein Name angegeben ist, so dass man auch 
nicht bestimmen kann, welche Propheten hier eigentlich gemeint seien. Sie haben übrigens meist 
lebhafte .Stellungen und deuten mit der einen Hand auf die ober ihnen vorgehende Handlung 
(siehe Tafel II). 

1. Christus am Ölberg. Von oben erscheint eine segnende Hand, Zur Seite sind, anstatt 
wie gewöhnlich drei Junger, sechs derselben angebracht. — 2. Die G e fangen n eh mung 
Christi. Der Yerräthcr küsst eben seinen Herrn, der von einem Kriegsmann am Hals und am 
linken Arm gefasst wird. Rechts steht der heilige Petrus, welcher das Seh wert zog, um dem Mal- 
chin« das Ohr abzuhauen. Rückwärts hält einer eine (gedrehte) Fackel. Der Krieger, welcher 
den Heiland anfasst, eiinnert mit seinem Ringpanzer, Waffenrock, Schwcrthilze und Gürtel eben- 
falls an die Gewappneten im Hortus deliciarum. — 3. Christus vor Pilatus. Pilatus ist 
gekrönt, er halt in der Rechten das Seepter und sitzt mit gekreuzten Beinen auf einem Sedile '. Die 
Hiiude «les Heilands sind gebunden. Ihm zur Linken steht ein Krieger mit einer Lanze , zur 
Rechten aber ein Ankläger mit dem spitzigen Judenhütlein. — I. Die Geisselung. Christus ist 
mit den Händen an eine Säule gebunden und wird von zwei Schergen gegeisselt. — ">. Die ver- 
höhnende Krönung. Jesus, dem man einen weiten Mantel umhängte und das Spottrohr in die 
Hand gab, ist sitzend dargestellt. Kin Scherge drückt ihm mit einem Stock die Dornenkrone tiefer 
in dieStirne. Diesem Schergen gegenüber steht ein zweiter, welcher den Herrn zu verspotten scheint. 
— (». Christus trägt das Kreuz. Kin Scherge mit einem Hammer hält den linken Querarm des 
Kreuzes. Zur anderen Seite des Heilandes stehen zwei heilige Frauen, von denen die eine den rech- 
ten Querarm des Kreuzes ergreift, um dem Gesalbten das Tragen zu erleichtern. — 7. C hristus am 
K reu z. Die Fitsse des Heilands sind nicht gerade gestreckt, sondern nach rechts zur Seite gebogen 
l vermuthlich wegen der geringen Höhe des Fehles) und nur mit Einem Nagel befestigt. Am Kreuze 
fehlt die Tafel mit den Buchstaben: 1. X. E. 1. Rechts vom Heiland befindet sich die heilige Maria, 
die eben in Ohnmacht sinkt und von einer der heiligen Frauen unterstützt wird. Zur anderen Seite 
steht der trauernde Johannes und hinter diesem wieder ein durch die Spitzkappe Gekennzeichneter, 
der mit der Linken nach dem Gekreuzigten deutet. — 8. Die Abnahme vom Kreuz. Die Arme 
des Heilandes sind bereits vom Kreuze abgelöst und Joseph von Arimuthia hält den theuren 
Leichnam, während ein Jüngling mittelst einer Zange den Nagel herauszieht, mit welchem die 
Füsse Christi noch an den Kreuzesstamm befestigt sind. Ein Dritterauf einer Leiter hält die Nägel, 
womit die Hände festgemacht waren. 

In der Höhlung des Fusses (Taf. II b) zeigt sich, von einem rothen Kreise eingeschlossen, 
der symbolische Löwe, welcher, ein Gleichniss der künftigen Auferstehung, seine Jungen erweckt. 

Diese Schmelzarbeit mag anfangs unten an dem Boden der Cuppa vorhanden gewesen und, 
da das Mass übereinstimmt, später an der Unterseite des Fusses angebracht worden sein. 

Die Zeichnung aller dieser Bilder ist natürlicher Weise nicht sehr correct, allein man sieht 
deutlich, wie der Künstler bei jeder einzelnen Darstellung dachte und wie er sich bei seinen 
geringen artistischen Mitteln in die darzustellende Situation zu versetzen wusste; daher haben auch 
alle diese Scenen mehr Leben, als man dies bei vielen späteren und weit grösseren Arbeiten 
vorfindet. 

' Der Riehter »oll suen auf dem Kichter&tole als ein ffriMgriiumcnder Lowe, und »oll den rechteren Fu»« «chlnhen Uber 
den linkem. Keutaeh.- Denkuiiiler p. XXVII., 



Das Cibobiux VOM KlOITSUKÜBUBG. 



43 




Die Cuppa, welche im Hauptdurchmesser 12*2 Centimeties hat. endet nach unten mit 
einer Kreisrundung und zeigt da zwischen zwei schmalen Streifen eine sehr zarte Perlenreihe. Von 
dort an beginnt der spitter angesetzte, schon der rein gothischen Epoche angehürige Fuss, dessen 
eine Hiflfte in beifolgender Figur in der Vogelschau gegeben ist. 

Dieser Fuss ist achttheilig und' - 
zwar so, dass je eine rechtwinkelige 
Spitze mit einer aus zwei geschweiften 
BOgen gebildeten abwechselt. Die Basis 
dieses Fusses ist ungewöhnlich niedrig. 
Auf den vier mit geschweiften Spitzen 
endenden Theilen desselben sind in 
Kreisen die vier Symbole der Evange- 
listen in getriebener Arbeit angebracht 
und an zwei der rechtwinkeligen Ecken 
zeigen sich Propheten in ganzer Figur. 

Jeder derselben (vergl. Fig. 2 und 4) liH.lt eine Cartoecia in der Hand und blickt nach oben. 
Ihnen zu den Seiten ist eine Art von Fialen angebracht. Der Abschluss ist kleeblatt-ähnlich 
und die fünfseitige Flüche, da wo sie sich dem Schaft anschlichst, crenaillirt. 

Auf den beiden noch übrig bleibenden Feldern ist je ein Eichenblatt (s. Fig. 3) angebracht, 
welchem aber aller ornamentale Schwung der früheren Kunstperiode fehlt, da es nur ganz flach 
hingelegt erscheint. 

Audi hier zeigt sich der Anschlussrund crenaillirt und bei den Eichenblättern sowohl, als bei 
den beiden Propheten ist der Fond kreuzweise mit Grabstichelschnitteu durchzogen , welche , da 
sie sehr wenig parallel und 
nicht gleich tief sind, eben von (^b 

keiner allzu grossen Sorgfalt «rv— ',V~tt« rl\N^\ 
zeugen und vermuthlich dess- 
halb angebracht wurden, weil 
das Mattiren des Grundes mit 
der Bunze schon etwas zu 
mühsam oder zu langweilig er- ^ 
scheinen mochte. 

Der Schaft steigt nach 
einem kurzen Bogensegment 
(von weitem Halbmesser) em- 
por, hat hier eine Etage, die 
mit ungleich grossen Spitzbogenfcnsterchcu geziert ist, und geht zu dem ziemlich flach gedrückten 
Knauf hinauf, welcher vier rautenförmige , sogenannte , Pasten- zeigt, zwischen denen sich wieder 
vier, der Krönung angepasste, Eichenbliltter befinden. 

Am Hals des Standers, nämlich am l bergang des Schaftes zur Cuppa, sind über den polv- 
gonen Sittlichen abermals Eichenblatter angebracht, welche dadurch, dass sie etwas nach vorwärts 
gebeugt sind, die Verbindung des Schaftes mit der Cuppa vermitteln. 

Vom Knauf des Dekcls ist wenig zu sagen. Er hat, wie schon erwähnt, keine Perlenreihen, 
und auch die EichenblHtter fehlen. Er besitzt nach unten acht senkrecht gestellte Kugelschnitte 
und nimmt dann im Aufsteigen die Gestalt eines kleinen, aber stets etwas breiter werdenden 
Thürmchens an, welches mit Zinnen endigt. 

G* 




Fig. •>. 



Fi«. 3. 



Fiff. 4. 



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44 



Das Ciborum von Ki.ostbrneibiro. 



Als Ergebniss der hier gemachten Untersuchungen stellt sich nun heraus , dass t'uppa und 
Deckel dem Knde des dreizelmten oder dem Anfang des vierzehnten Jahrhunderts angehören 
dürften, indem ihre Hauptformen noch etwas an die Endzeit der romanischen Kunstepoche 
erinnern, während der ganze Stiluder mit seinen entschieden gothischen Kiementen in die erste 
Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts fallt, da ein so bedeutend flach gedrückter Fuss (s. Tafel 
VII der.Mitth. v. 1861) bei alteren Kirchcngcräthcn wühl nicht vorkommt. 

Diese neue Fassung erhielt das Ciborium mithin höchst wahrscheinlich unter «lern Propst 
Stephan von Sierendorf (reg. v. 1517 bis 1335); denn es heisst in der kleinen Chronik von 
Klostcrncuburg (s. Zeihig p. 6) bei dem Jahre 1324: 

„Die Goldschmidt machten das schöne zibam, darauf]' unser frauenbildt mitten in der eeren 
darin-, 

und diese letztere Angabe dürfte auf die Krönung der heiligen Maria hindeuten, welche auf der 
Patena dargestellt ist, deren Fertigung mit Bestimmtheit dem Stephan von Sierendorf zugeschrieben 
wird. Auch stimmt die Gewandung der am Fuss des Ciborinnis befindlichen zwei Propheten mit 
dem Faltenwurf bei der Krönung der heiligen Maria vollkommen überein, so wie auch hier die- 
selben kreuzweisen und ungleichen Grahstichelschnitte im Fonde vorkommen, die sich bei den 
Propheten und den beiden Kichcnblittrcm zeigen. 

Es ging mit den kirchlichen Gcrüthcn hiUilig auf die nilniliche Weise zu, wie mit den 
Kirchen selbst, denn man veränderte mit dem Eintreten irgend einer neuen Geschmacksrichtung 
das Vorhandene, um es der Zeit möglichst anzupassen. Daher stammt auch grossenthcils das 
Zusammenwürfelt! von vielerlei Uaustylen an einer und derselben Kirche, daher auch die 
Ungleichheit der einzelnen Theile so mancher, nicht nur liturgischer, sondern auch profaner 
Gefässe, indem man bald zu einer alten Schale einen neuen Stünder anfertigen liess, bald — 
und besonders in späterer Zeit — ältere Ständer benützte, um neue Cuppen auf dieselben zu 
setzen'. Ging es doch bei »1er Vcränderuugssucht der Menschen auch selbst mit Rüstungen 
nicht nuders, die der Erbe nur zu oft nach Massgabe seines eigenen Körpers und des eben 
herrschenden Geschmackes umschmieden liess, wesshalb sich auch verhältnismässig so wenig 
Plattenharnische aus dem fünfzehnten Jahrhundert vorfinden. Indessen bleibt die Untersuchung 
solcher, aus Producten verschiedener Zeiten zusammengesetzter antiquarischer Gegenstände für 
den Forscher immer von grossem kritischen Interesse , obgleich ein Denkmal dieser Art nie 
jenen vollkommen künstlerischen Eindruck hervorbringen kann, der durch Kunstwerke her- 
vorgerufen wird, welche ihr Dnsein einer einzigen Idee verdanken und als ein durchaus gleich 
gegliedertes, organisches Ganzes dastehen. 

1 So besitzt i. I». iIit SrbaU ilci» ilcutiM'luji OnkiiM r.n W 'umi ».»vi KokoiMiimb.'cbor an* <I.-r jiwviteii Hälfte ilrs XVI. 
.I;ihrlinii<ltrt», »ebbe :iul' frotliii'cbe StamU-r »In. XV. .Iiihrliunil. il» g<'»t. Ilt «iml. Kbm so i«t der Schaft de» bekannten Kri-uxe* 

\.m Molk Ii iiide.-trti* drei Jahrhunderte jüiöter; ein l all. der auch bi'i dein IMieiil'urter Kreuxc vorkommt. f.S. Nr. T"> mul 

so de* Katalog. .. der Au^ti-llung des Wiener AltcrtbnuiH- Vereine» 1*Ü0.; 



... , IV. j-. rvt.k J.- k l H J !'«>!. ... U.<ii 



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4!i 



Beiträge zur Geschichte des Kirchenbaues in Schlesien. 

Von K. Drescher. 



I. Allgemeine Bemerkungen. 

Jedes der gegenwärtigen deutschen Lilnder erlebte seine besondere, nach der geographischen 
Lnge einestheils , nach den speciellen Stammeseigenthümlichkeiten anderenteils modificirte 
Entwickelungsgeschichtc: jedes gelangte auf einem anderen Wege zu seinen gegen wartigen 
Sitten und provinziellen Eigentümlichkeiten, so wie zu seiner gegenwärtigen Culturstuie, und zwar 
um so selbststündiger, um so individueller, je grösser die Abgeschlossenheit war, in welcher es 
sich in der Vergangenheit befunden hatte. Wie sich dies bei näherer Untersuchung in 
allen Beziehungen kund gibt, so geschieht dies auch bei den künstlerischen Erzeugnissen, viel- 
leicht aber ganz besonders in der Architcctur. Es bewahrheitet sich von Jahr zu Jahr immer 
mehr, das«, trotz aller Gemeinsamkeit in den Charakteren und noch mehr in den Details der 
Bauformen, doch einst fast eben so zahlreiche und wesentliche Modificationcn der Bauweisen 
innerhalb der Gesetze eines jeden einzelnen Baustyles existirten, als gesonderte Landschaften 
vorhanden waren. 

Es war daher von vornherein zu erwarten, dass, so gut wie die übrigen deutschen 
Lauder, auch das Schlesierland seine besondere Architecturgattung würde aufzuweisen haben, 
und nur der dürftigen Kcnntniss der schlesischen Architccturverhältnisse war es zuzuschreiben, 
wenn die mittelalterliche Baukunst dieses Landes bis vor Kurzem theils ohne Weiteres der 
norddeutschen Ziegolarchitectur untergeordnet', theils, was jedenfalls das Bessere war, gar 
nicht berücksichtigt wurde. Überdies wurde lange Zeit unter mittelalterlicher Architcctur in 
Schlesien nur die des gothischen Stylcs verstanden. Von Bauwerken des romanischen Styles 
innerhalb Schlesien drangen bis zur Gegenwart nur dürftige Nachrichten in die Öffentlichkeit, 
deren Gegenstände ausschliesslich der Hauptstadt des Landes und deren nächster Umgebung 
entnommen waren '. 

• Olte. Archiv p. 149—163. — 1 Biisching, Wöchentliche Nachrichten für Freunde. Bd. I, 1817. Breslau, p. 139. Fischer, 
Die IVachtthÜr der Maria MiigdMena-Kirehc. Breslau 1H17. Görlich, Die Priitnonstratcnser und ihre Abtei xuni heiligen Vinceuz. 
Breslau 1841, 1, pag. 146. Luchs, Über einige mittelalterlich«! Kuustdenkuialcr Breslau'«. 1«55, pag. 36. Luchs, Romanische, und 
gothiacho Stylproben aus Breslau und TrebuiU. Breslau 1859. 

IX. 7 



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4(5 



K. Dl!ES( 11EK. 



Was ausserdem von romanischen Bauwerken in Schlesien auftritt, wurde in der Form 
beiläufiger Erwähnungen abgefunden '. Der folgende Aufsatz soll so viel als möglich dazu bei- 
tragen, das Dunkel über die schlesisehe Baukunst des Mittelalters, besonder« zur Zeit des 
romanischen Baustyls, ein wenig aufzuhellen. 

Obwohl es historisch feststeht, dass schon in der zweiten Hälfte des X. Jahrhunderts 
«las jetzige Schlesien bis zur Oder hin zu dem Sprengel des neuen Bisthums von Prag 1 geschlagen 
und dadurch dem Christenthum zugänglich gemacht wurde, wäre es doch gewagt, schon von 
dieser Zeit an die Erbauung zahlreicher Kirchen in diesem Lande anzunehmen. "Wenn auch 
im Jahre 1000 das Bisthum Breslau gegründet wurde, scheint es dennoch äusserst wenig 
Christen unter der Bevölkerung des Landes gegeben zu haben; denn wie hätte sonst die 
spätere Reaetion gegen das Christenthum, welche den Zeitraum von 103-1 bis 1052 ausfüllte, 
so durchgreifend auftreten können, wie das doch thatsächlich der Fall war? Dafür fasste das 
Christenthum in der darauffolgenden Geschichtsepoche auch um so festere Wurzeln , so dass 
»>s bald allen slavisehen Xachbarlanden, mit Ausnahme Böhmens, durch seinen Eifer für den 
neuen Glauben voranleuchtete. Zwar mag immerhin wahr sein, was Worbs* berichtet, dass 
noch im Jahre 1121 in der Gegend von Sagau Heiden existirten. Doch will dies vereinzelte 
Factum nicht viel sagen. Denn zu derselben Zeit (im Jahre 1174), als die heidnischen Wen- 
den aus Pommern und den östlichen Theilen der späteren Mark Brandenburg zum letzten 
Mab? durch einen gewaltsamen Uberfall alles Land östlich von der Elbe und nördlich von 
Schlesien auf einige Zeit zurückeroberten, verpflanzten sie auch die christliche Cultur dahin. 
Zu derselben Zeit wurde in der Hauptstadt Schlesiens an einer steinernen Kathedrale gebaut 3 : 
ausserdem aber prangten schon zwei bethürmte Klosterkirchen in der Form mächtiger Basiliken. 
Das Mittelschiff der einen ruhte mit seinen übennaueni auf kolossalen Säulen von Granit, mit 
mächtigen Capitiilen meist in Würfelgestalt von demselben Gestein 1 , die Portale prangten im 
reichsten Bilderschmuck, daneben aber standen die stattlichen Abteien mit Mauern von den- 
selben hellfarbigen Quadersteinen, wie die Kirchen selbst*. Zu einer dritten, nicht minder 
reieli ausgestatteten Abtei wurde im Jahre 1175 von Herzog Bolcslaus I. von Schlesien der 
Grundstein gelegt , nämlich zu der Cistercicnserabtei von Leubus , und zugleich die ersten 
deutschen Mönche und mit ihnen die ersten deutschen Colonisten ins Land gerufen. Doch 
vergeblich sucht, der Archäologe jetzt nach einem einzigen der so eben angeführten kirchlichen 
Bauwerke; sie fielen der Zeit zum Opfer und Hessen nur Spuren zurück. Nur aus mangel- 
hatten Gemälden und Besclueibungen , und aus den wenigen auf uns gekommenen Besten 
können wir auf ihre ehemalige Pracht schliessen. Was sonst noch um diese Zeit ausserhalb 
der Hauptstadt in Schlesien von steinernen Kirchengebäuden errichtet wurde, war einestheils 
sicherlich nicht von erheblicher Bedeutung und verfiel anderentheils ebenfalls bis auf gering- 
lügige Reste dem Untergange. Schlesien wäre in Folge dieses Missgeschickes in der Lage, 
gar keine Bauwerke aus der romanischen Stylperiode aufweisen zu können, wenn diese mit dem 
XII. Jahrhundert abgeschlossen hätte. Da dies aber glücklicherweise nicht der Fall war, 
blieben uns doch einige wesentliche Denkmale aus jener Zeit. 

1 Weingiirtner, Charakteristik der schleaiscbeu, besonders Broalaner Architectnrcn ; in der Zeitschrift des Vereine» für Ge- 
schichte und Altcrthunicr Schlesien», 18110, pug. 27. Luchs, Über rumänischen Styl etc. in den schlesischcn Provinzialbliittern. ISC.2 
pug. SO?. Stemel, Schleslfche Geschichte, pug. 34ti. — * Archiv für die Geschichte Schlesiens und der Lausitz, p»g. 103. — 3 De 
institiitmne cecle». Wratisl. in der Chronica I'rincipnm Poloniiw, in Stünzel'* Scnptores rerum silcsiacjtrutn 1, pag. 150. — 4 Siehe 
Luchs: über einige mittelalterliche Kuiistdcnkffiäler, IS.Vi. p.36. Dnss die Süulencapitüle der Klosterkirche von St. Ylnccnz zu Bres- 
lau sänimtlioh von Granit waren, davon hübe ich selbst mich erst vor Kurzem durch eine genaue Untersuchung der vorhandenen lteste 
überzeugt. Ich scbliesse daran*, dass die dazu gehörigen Säulenschäfte von demselben Material gewesen sein werden. — »Zu ersehen 
ans der vorhandenen farbigen Originalabbildung des ehemaligen Vinceuzkloste» nebst dessen Umgebung, jetzt im Museum der 
»chlesifchen Alterthüiuer zu Breslau. 



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Beiträge zvr Geschichte des Kibchenb.ues ix Schlesien. 



47 



In einem Lande, dessen Kathedrale im Jahre 1052 sicheren Nachrichten zu Folge noch 
von Holz erbaut wurde', dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir erst ein Jahrhundert 
später die ersten steinernen Kirchengebäude mit Grund nachweisen können *. Obwohl nun 
zwar in der Folgezeit mehrere grössere, zum Theil sogar reich ausgestattete steinerne Kirchen 
kurz hinter einander aufgeführt wurden, so darf man doch annehmen, dass die bei weitem 
grösste Zahl der Kirchen in Schlesien sowohl in Städten als in Dürfern von Holz errichtet 
war. Wir glauben, dass vor dem Jahre 1200 in ganz Schlesien, ausserhalb der Hauptstadt, 
keine anderen steinernen Kirchen existirt haben, als vielleicht die Klosterkirche zu Leubus 
nebst der auf dem Gipfel des Zobtenberges von Peter Wlast erbauten Kirche und den 
Kirchen in den jetzigen Ortschaften Zobten und Gorkau. Mit dem Regierungsantritt Herzog 
Heinrichs I. jedoch, und zugleich mit dem Beginne des XIII. Jahrhunderte begann ein völliger 
Umschwung in diesen Verhältnissen. Nicht allein dem um diese Zeit stattfindenden langen 
Frieden ist dieser Umschwung zuzuschreiben, sondern auch der Thütigkeit der deutschen 
Colonisten, welche auf die Einladung des Herzogs nach Schlesien strömten und ihre Cultur 
mitbrachten. 

Schon im Jahre 1203 erhob sich im Walde von Trebnitz 8 , vielleicht an der Stätte eines 
uralten heidnischen Heiligthums 4 , ein so stattlicher Kirchen- und Klosterbau, dass ein Jalir- 
hundert spiiter die Nachwelt noch mit Bewunderung von demselben berichtete 5 , niimlich das 
Kloster und die Kirche des heiligen Bartholomaus. Diesem Beispiele folgte zunächst die Stadt 
Goldberg mit einem höchst stattlichen Kirchenbau, der Sage nach aus den damaligen reichen 
Einkünften des Goldbergbaues erbaut. Zu gleicher Zeit entstanden auch, einiger ansehnlicher 
Klosteranlagen nicht zu gedenken, zahlreiche Dorfkirchen aus gefügten Quadersteinen mit 
zum Theile reich geschmückten Apsiden. Alle diese Kirchenhauten gehören dem romanischen 
Style in seinein spätesten Eutwickelungsstadium an. 

Von diesen spätromanischen Kirchenbauten Schlesiens, welche noch in der Gegenwart 
existiren, besitzen wir bis jetzt leider nur zwei, über deren Erbauungszeit wir urkundliche 
Belege beizubringen im Stande sind; aber diese beiden sind glücklicherweise von solcher 
Beschaffenheit, dass sie uns genügende Folgerungen über das Verhältniss der spätromanischen 
Bauten in Schlesien zu denen im übrigen Deutschland gestatten. Zunächst erfahren wir, dass 
die Kathedrale zu Breslau, die früher von Holz gebaut war, von Bischof Walther (reg. von 
1149 bis 1169), also um die Mitte des XII. Jahrhunderte in Stein aufgcfülirt worden sei 0 . Wir 
erhalten ferner die Nachricht, dass Herzog Boleslaus H. von Schlesien im Jahre 1244 dem 
Bischof Thomas I. wesentliche Freiheiten und Hechte zur Förderung des Dombaues einräumte 
und ilim bedeutende Unterstützungen zukommen licss 7 ; wir erfahren endlich, dass Bischof 
Thomas I. bis zum Jahre 12G7, in welchem er starb, den Chor des Domes bis zur Höhe des 
Daches hinauf fertig brachte 8 . Bisher hat man diese Nachrichten so aufgefasst, dass Bisehof 

1 Dp institutione eecles. Wrat. in der Chronica Principuin Poluniae, In Stenz cl'», Script, r. S. I, p. 1 59. — s Ob der steinerne 
Bau drr l.icbfrauenkirche iSandkirchr-, zu Breslau, von der beut noch da« Tyinpanon eine« ihrer Portale übrig ist, schon um Hos 
von dein Stifter, dem trafen Petrus Yl<>stidc« oder erst mich der Übersiedlung der Mouche vom Zobtenberge nach Breslau um ll.V) 
errichtet wurde, ist nicht luit Sicherheit zu ersehen ; eben so wen!« auch, ob die anderen, derselben Stiftung Angehörigen Kirchen auf 
dem Gipfel de» Zobtenberges und zu Gorkau schon ursprüglich von Stein erbaut wurden. Jedoch unterliegt es keinem Zweifel, dass 
dies bei der grossartigen Kirche de« St. Vincenz-Klosters zu Breslau der Fall war, deren Bau im Jahre 1 139 begann und schon im 
Jahre 1 149 so weit gediehen war, das» die Einweihung erfolgen konnte. Siehe Luch s. Milthcilungen Uber die Kunstdcnkinälcr zu Breslau, 
pag. 37. und GCrlinh, pag. 14«. — 3 Trclmitz existirte aU Ort schon zu den Zeiten des Herzogs Wladislans II. von Polen. Klose, 
Docuinent, Geschichte von Breslau I, pag. liO. — * J. K. Wocel, Grundzüge der böhmischen Altcrthumskundc , pag. .'»,1. — yjt a 
S. Iledwigi», in Stünzel'» Script, r. S. II, pag. 29. - «Chronica Principum Poloniae in .Stcnzcl'B Script, r. S. I, pag. ] ."»;>. — 
: Stenz. I. Urkunden zur Geschichte des BiMhuws Breslau. Breslau 184Ö, pag. 6. — » Caulogus Episcoporuw Wrat. in Stünzel'» 
Script, r. S. II. p. 114. 

7» 



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K. Drescher. 



Wnlther zwar einen steinernen Dombau in romanischem Stvl errichtete, dass aber Bischof Tho- 
mas 100 Jahre später einen ganz neuen Dombau anfing; denn die ältesten Theile des jetzt 
noch stehenden Kathedralgebiludes wurden bisher von Allen als dem frühg'othiachen Styl 
gehörig aufgeführt und ausschliesslich dem Bischof Thomas I. zugeschrieben*. 

Uns aber scheint die Annahme viel glaubwürdiger, dass jene ältesten Theile eben 
sowohl von dem Hau des Rischof Walther, als von dem des Bischof Thomas I. herrühren. 
Betrachten wir dieselben in ihren charakteristischen Eigentümlichkeiten, so finden wir in 
denselben einen Bau, dessen Constrnction zwar auf die Frühgothik hinweist, dessen Detail.« 
aber noch typisch das Gepräge des romanischen Styls an sich tragen, wenn auch in der 
spatesten Kntwickelung desselben. An den östlichen Anssenseiten der beiden unvollendet 
gebliebenen Ostthürme bemerken wir Ecklisenen von typisch romanischer Form. Strebepfeiler 




finden sich an keiner Stelle dieses Bautheiles, an den Wänden des Mittelschiffes über höchst 
einfache Strebebögen, die so niedrig angebracht sind, dass sie nur wenig über die Dächer der 
Seitenschiffe hervortreten. In den schmalen, kleinen und stark nach innen verengten Fenstern 
des Obertheils treffen wir Masswerke von typisch frähgothischer Form. (Fig. 1.) 

Alle übrigen Details besitzen jedoch Formen, die durchgehends dem romanischen Style 
in dem spätesten Stadium seiner Entwicklung angehören. Die (Japitäle z. B. gehören zu der 
Gattung der Knospencapitäle (Fig. 2), oder zu solchen, die mit volutenartig zusammengerollten, 
od« in anderer Weise gruppirten Blättern geschmückt sind. 

t brigens ist der Spitzbogen im Innern wie am Äussern , an Arcadcn , Wölbungen und 
lYiistcröffnungen schon gleichmäßig angeordnet. Zum besseren Verständnis» des Ganzen 
lassen wir hier noch einige ckaraktc ristische Details folgen. Fig. 3 gibt den Querdurchschnitt 
einer Fensterwandung aus dem Obertheil des Chores; Fig. 4 zeigt zwei Grundrisse der alter- 

' Lncb», Stylprobon, pag. (i und 20. Wein gärt nur, Chunikttristik, eic. psig. 3- 



7*GoogIe 



Beitrag« zur Gkachtciitb des Kibchksbaues ik Schlesien. 



411 



nircnden Pfeiler, und Fig. 5 den Grundriss eines Pfeilers in der nordöstlichen Ecke de« 
Mittelschiffe». 

Aber wie kommt es, dasB von dem Bau des Bischof Walther gar nichts übrig blieb, der 
doch gewiss nach einem bestimmten Plan arbeiten liess, so das» man nicht annehmen kann, 
dass der Dom schon im Jahre 1244 als unbrauchbar betrachtet und umgebaut werden musste. 
Nun erhalten wir aber Uber den Bischof Walther noch die Nachricht : er habe in der Breslauer 
Kathedrale nicht nur den kirchlichen Ritus nach französischem Muster umgestaltet, sondern 
auch die französische Kirchenmusik und kirchliche Kleidung eingefülirt und die Lilien des 
französischen Wappens in das Wappen des Bisthums Breslau aufgenommen woraus schon von 
dem Verfasser der „Vita; Episcopomm Wratislaviensium", also im XV. Jahrhundert, geschlossen 
wird, dass er sich längere Zeit in Frankreich aufgehalten habe'. In Frankreich aber wurden 
bekanntlich schon in der ersten Hälfte des XII. Jahrhunderts bei zahlreichen Kirchenbauten 
des romanischen Styles Strebepfeiler an den Wänden der Seitenschiffe und des Querschiffes, 
so wie Strebebögen von gleich primitiver Form, wie wir sie an dem Chor der Breslauer 
Kathedrale sehen, zum Widerlager gegen den Druck der Gewölbe des Mittelschiffes verwendet '. 
Mochte nun Walther eine oder die andere derartige Kirche in Frankreich gesehen haben oder 
nicht, so wird es doch, du er die inneren kirchlichen Einrichtungen nach französischem Vor- 
bilde vornahm, mindestens sehr wahrscheinlich, dass er auch den Neubau der Breslauer Ka- 
thedrale nach französischem Vorbilde habe ausführen lassen, was auch bis vor wenigen Jalux-n 
von Jedermann angenommen und geglaubt wurde 4 . Dass der Bau dann sehr langsam vorge- 
schritten, von Walthers nächsten Nachfolgern vielleicht wenig gefördert und der Chorbau erst 
nach 100 Jahren durch Bischof Thomas vollendet worden, wird und kann wohl Niemanden 
auffällig erscheinen, zumal wenn er sieht, wie noch viel längere Zeit an anderen grösseren 
deutschen Kathedralen gebaut worden ist. Wie die Anwendung von Strebepfeilern und Strebe- 
bögen Uberhaupt noch keineswegs bedingt, dass ein Kirch engebäude, welches deren hat, dem 
gotlüschen Styl zugerechnet werden muss, sondern nur die bestimmte Art, in welcher diese 
Anwendung erfolgt, so kann auch der Chor der Breslauer Kathedrale nach unserer Ansicht 
noch gar nicht den frühgothischen Bauten beigezählt werden, sondern ist ein entschieden 
romanischer Bau, der sich nur in dem Fenstermasswerk und den Saulencapitälen des Ober- 
theils, die ja beide dem Bau des Bischof Thomas I. (von 1244 bis 1267) angehören müssen, 
der Formenbildung zur Zeit der Frllhgothik nähert. Eine Auflösung der Mauermassen, so da-ss 
nur die stützenden Theile übrig bleiben, ist hier nicht im Entferntesten wahrzunehmen; wohl 
aber an zahlreichen Kirchen des gothischen Baustyls in Schlesien , z. B. den Kirchen zu unserer 
lieben Frau und zum heiligen Kreuz zu Breslau, der Kirche St. Petri und Pauli zu Stric- 
gau u. u. m. Auch findet die vierthürmige Anlage, so wie der durchaus einem Plan folgende 
Grundriss mit dem geradlinigen Chorschluss durchaus keine Analogie unter den zahlreichen 
grösseren kirchlichen Gebäuden des gothischen Styles in Schlesien 4 . 

Der zweite spätromanische Kirchenbau Schlesiens, über dessen Erbauungszeit wir durch 
historische Documente genau unterrichtet sind, ist die ehemalige Klosterkirche des h. Bartho- 
lomäus zu Trebnitz bei Breslau. Die Beschaffenheit dieses Baues ist vollkommen geeignet, 

1 Catalogus Episcopomm Lubenslum, in Wattonbach'*: Monument* Lubcnsla. Breslau 1801 , pag. II. — * Dtugoss, Vit* 
Kpincopor: Wrst pag. KCl. — * Kupier, Kunstgeschichte I, pag. 44V, 4M) und 531; eben so ( aumon t, Abecedaire d'Archeoiogie, I, 
pag. 1*4. — 4 H. Klos e, Document. Geschichte von Breslau I, pag. 315. — 1 Mit Ausnahme der einzigen Magdalcnen-Kirche zn 
Breslau, deren Chorbau, aus der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts, in seinem geradlinigen .Schluss eine Reminiacrnt des romani- 
schen Styles wiederzugeben seheint, und welche überhaupt in ihrer ganzen Anlage auffüllende Ähnlichkeit mit der des Domes besitzt. 
Auch die Klosterkirche tu Leubus ist nach Luchs (Stylproben pag. IC) platt geschlossen. 



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K. Drescher. 



uns 7.11 der Vermuthung zu bringen, dass man sich, wenigstens für die Construction der Ge- 
wölbcstützcn, die noch im Bau begriffene Breslauer Kathedrale zum Muster genommen habe. 
Nur finden wir hier theilweise andere und einfachere Details des spjltromanischen Styls und 
zugleich eine andere, der Bestimmung der Kirche entsprechende Grundrissform mit einem 
Querschiff, einem besonderen Chorraum von quadratischem Grundriss und drei halbkreisför- 
migen Apsiden am Ost ende 1 . Der Bau dieser Kirche begann im Jahre. 1203* und die Ein- 
weihuii'r fand schon im Jahre 1219 statt. Die ausnehmend grosse Geldsumme, welche als 
Betrag der Haukosten bis zum Jahre 1219 angegeben wird, macht es, in Verbindung mit den 
über den Bau erhaltenen schriftlichen Nachrichten .und dem im Ganzen einheitlichen Charakter 
aller Theile des Baues, höchst wahrscheinlich, dass er bis zu diesem Jahr vollkommen voll- 
endet war. An diesem Bau finden wir kleine rundbogige Fenster, an den Arcaden, Gewölben 
und Portalen jedoch den Spitzbogen consequent durchgeführt, ausserdem aber ebenfalls durch- 
gehend:; Strebepfeiler an den Seitenschiffen, am Chorraum und Querschiff, so wie Strebebögen 
von gleich primitiver Form und Anwendung, an den Aussenmaucrn des Mittelschiffes, ahnlich 
jenen am Chor der Breslauer Kathedrale. 

Dagegen zeigt die Domkirchc zu G log au, deren Bau nach beglaubigten Docnmenten 
im Jahre 1242 begonnen und schon 1262 beendet wurde, recht, deutlich die Periode an, in 
welcher der gothisehe Haustyl in Schlesien zur vollen Herrschaft gelangte. Dieselbe ist eine 
Nachahmung der Pfarrkirche zu Goldberg, nitmlich eine dreischifrige Hallenkirche mit ein- 
schiffiger Quervorlagc und einschiffig vorgestrecktem Chor. Nur fehlen hier die beiden Thlirme 
an der Wcstfatjade. Wahrend aber die kleinen, schmalen, auf zwei Stockwerke vertheilten Spitz- 
bogenfenster des Querschiffes, welche mit ihrem frühgothischen Masswerk den Fensteröffnungen 
am Obcrtheilc des Chores vom Breslauer Dome ausnehmend ähnlich geformt sind, wahrend ferner 
der Rundbogenfries unter dem Hauptgesims an der Nord- und Südwand des Querschiffes, so wie 
das ursprüngliche (es wurden nachträglich Strebebögen angebracht) Fehlen von Strebepfei- 
lern an eben demselben Bautheile, dann der, der attischen Basis nachgebildete Sockel sammt 
dem Dachsiins, welche beide um das ganze Geb Hude herumlaufen, sich deutlich als romani- 
sche Kemiuisccnzeu herausstellen, liefern uns im Gegensatz dazu der regelmässige Kranz von 
schlank gebildeten und jedenfalls ursprünglichen Strebepfeilern, welcher um alle übrigen 
Theile des GebHudcs herumlilufr, so wie die ebenfalls ursprünglichen, weiten und ausnehmend 
hohen Fensteröffnungen zwischen diesen Strebepfeilern, und endlich der kreisförmige Umriss 
der Pfeiler im Inneren den deutlichsten Beweis, dass man trotz jener Rcminiscenzen wHhrend 
des Baues, also in der Zeit von 1242 bis 1202, schon mit der Bauweise des romanischen 
Style« gebrochen hatte. 

So gehört auch die M i n orit enkirche d e s h. Jac o bu s zu Br e s 1 au (jetzt Vincenzkirche), 
deren Hau nach documentirten Nachrichten aus der Zeit unmittelbar nach 1241 datirt', selbst in 
ihren iiitesten Theilen vollkommen dem Constructionssystem des gothischen Style« an; desgleichen 
auch die Iledwigscapelle an der Trebnitz er Klosterkirche, zu welcher Bischof Wladislaus von Salz- 
burg, laut Urkunde vom 28. April 1268, den Grundstein legte und deren Bau rasch gefördert 
worden sein muss, da schon am 17. August desselben Jahres die Überreste der heiligen Hedwig 
feierlich in den neuen Bau Ubertragen wurden 4 , und endlich auch der Chor der, von Herzog Hein- 
rich IV. von Breslau im Jahre 1288 gestifteten schönen Kirche zum heiligen Kreuz zu Breslau. 

i Siehe den (Jrundriss in Luch*: Stylproben pag. 1 1 , Tab. I. — * „Fandatnui est autem teroplimi et claustrom ad bonorciu 
omnipotentia Dci et gloriose Virginia .Mari« atque beati Itartboloinei Ap«»»toli, »um» DoidIüI 1203, rtedicatuin vor» anno Domini 1219. u 
Vita S. Ilidwlgts iu Stpniel'a, Script, r. S. II, pag. 2<>. - ■> Stemel, ScblesUcbe Geschichte , pag. 34G und 3J«.>. — 1 Original- 
urkunde im l'rovlniiahirchiv iu Breslau. 



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BciTUÄOB ZI K GmCUICHTE DES KlKCHESBAVES IN SCHLESIEN - . 



Weit entfernt, behaupten zu wollen, dass alle jene romanischen Kirchengebihide Schlesiens, 
über deren Erbauungszeit wir keine historischen Nachweise beibringen können, die aber auch 
keine Strebebögen und Strebepfeiler an ihren Wilnden aufzuweisen haben, nothwendig einer 
älteren Periode als die Kathedrale zu Breslau und die Klosterkirche zu Trebnitz angehören dürften, 
sind wir im Gegenthcilc der Meinung, dass sie gleichzeitig mit diesen oder nicht erheblich später 
entstanden seien. 

Die Zahl der Dorf- und Stadtkirchen scheint in ganz Schlesien im Anfange des XIII. Jahr- 
hunderts noch ausnehmend gering gewesen zu sein. Wenn auch erwiesen wäre, was die schlesi- 
schen Geschichtsschreiber vom XIV. Jahrhundert an behaupten, dass Graf Petrus Mostides (Peter, 
der Sohn des Wladimir Mosbach) schon lange vor dieser Zeit in Polen nicht nur sieben Klöster, 
sondern sogar 77 Kirchen gestiftet und erbaut habe, so würden davon fürs Erste nicht allzuviel auf 
jenen Theil des damaligen Polenlandes gekommen sein, welchen wir jetzt Schlesien nennen; aus- 
serdem wilren ohne Zweifel auch bei weitem die meisten davon als nur von Holz erbaut gewesen 
anzunehmen. Was die Auswahl des Platzes bei der Anlage neuer Kirchen betrifft, so liefert uns 
die Lage mancher hervorragender sehr alter Kirchen den Beweis, dass hierbei völlig andere 
Principien geltend waren, als in der Folgezeit. Wenn es uns scheint, als sei vom Beginn des 
XIII. Jahrhunderts ab, bei Anlage einer neuen Kirche die Grösse und Ansehnlichkeit eines Ortes 
massgebend gewesen, so Huden wir durch Vergleiche, dass dieser Umstand in früherer Zeit nicht 
das leitende Princip war. Zwar möchte es so scheinen, wenn wir die Kirche des heiligen Petrus 
zu Striegau (geweiht durch Bischof Walter im XII. Jahrhundert), die Liebfrauenkirchc zu Schlaup 
(schon 1202 vorhanden) und die Kirche zu Zobten betrachten, welcher Ort schon anno II IS ein 
Markt genannt wird. Allein den Gegensatz dazu liefern: die Kirche auf dem Gipfel des Zobteu- 
berges, jene auf den befestigten Höhen von Hohen-Poseritz und Hochkirch (bei Glogau), die 
Kirchen auf den steilen Berghöhen ober Wertha und Löche, bei denen gewiss nicht auf die Seelen- 
zahl der nächsten Anwohner gerechnet wurde. Wesentlich anders war das schon wtthrend der 
Regierungszeit Herzog Heinrichs I. Zwar gab es auch immer noch relativ wenig Kirchen ; doch 
lagen diese wenigen, mit alleiniger Ausnahme derjenigen, die schon aus früherer Zeit her existirten, 
sämmtlich in mehr oder weniger ansehnlichen Ortschaften. So existirten um das Jahr 1230 in der 
Gegend von Schweidnitz und Striegau folgende Kirchen: die schon erwähnte Kirche St. Petri 
(jetzt Petri und Pauli) zu Striegau (Ztregom), die Kirche zu Puschkau (Pascuchow), die Kirche zu 
Rauske (Rusike), die Kirche zu Gabersdorf (Udanin vel Gebhardi villa); ferner bei Puschkau die 
schon erwähnte Kirche zu Hohen-Poseritz (Poharishe), dann die Kirchen zu Gorkau (Gorka), in 
dem Marktflecken Zobten (Sobotha) und auf dem Gipfel des Zobtenberges (mons Zlenz), die 
Kirche zu Goglau (Gogulevo), ferner die 1214 gestiftete Liebfrauenkirchc des Franeiscaner- 
klosters zu Schweidnitz (Suidonicz), die Kirchen zu Obcr-Weistritz (Bistrice) und zu Polsnitz bei 
Freiburg (Polsnicz) und endlich die Kirche zu Salzbrunn (Salzborn). Eine grossere Anzahl dürfte 
sich in diesen Districtcn aus der oben angegebenen Zeit kaum nachweisen lassen. Auch ist von 
allen diesen angeführten Kirchen, mit alleiniger Ausnahme der Kirche zu Puschkau, keine mehr 
im ursprünglichen Zustande vorhanden, da sie theils umgebaut, theils ganzlich entstellt wurden. 
Auch von diesen dürften einige ursprünglich nur von Holz gebaut gewesen sein. 

Ein anderes Verhältniss treffen wir iu den fruchtbaren Thälcni des niedersehlesischen 
Gebirgslandes , da sich hier in derselben Epoche weit mehr Kirchen vorfanden, und zwar ver- 
muthlich in Folge einer früheren Einwanderung der Deutschen. Wohl mögen auch einige der- 
selben, wie z. B. die Marienkirche auf dem Berge Lahn (Ulean), sla vischen Ursprungs sein; allein 
die andern aus dem Anfang des XUI. Jaltrhunderts wurden sicher von deutschen Händen erbaut. 
Hier finden wir aber um das Jahr 1230 Kirchen an folgenden Orten: zu Naumburg am Queis 




K. Drmciier. 



(Niiwenburch) die Kirche des 1217 ncugegrUndctcn Kloster» der Magdalenerinncn, die Kirche 
zu Giesmannsdorf (Gozwini villa), die Pfarrkirche zu Löwenberg (Leubergh), die Bergkirehe zu 
Lüchn (Wlan), die Kirche zu Deutmannsdorf (TuzemanBdorfT) , die Kirchen zu Probsthain (Pro- 
bostougay vel Probisthayn, 1206), zu Harpersdorf (Twardoczice vel Harprechtisdorff), zu Gold- 
l>erg (Aureus inons), Neukirch (Nova ecelesia), Rövcrsdorf (Reinvridi villa), Rüchlitz (Rochetniez) 
und Sehlaup (Slup). 

Im Jahre 1228 stellte Herzog Heinrich I. der von ihm aufs Neue fundirten Kirche zu 
Polsnitz (bei Freiburg) zu Liebe die Regel auf: es sollten von allen künftig neu anzulegenden 
deutschen Dürfern in der Nachbarschaft von Polsnitz, im Umkreise von einer Meile, nur diejenigen 
selbst eine Kirche bauen dürfen, welche 100 und mehr Huben Landes besitzen würden, die 
übrigen aber mussten die Polsnitzer Kirche benützen'. Diesem Grundsatz zufolge nahm die Zahl 
der Dorfkirchen rasch zu, da jedes Dorf mit hundert Huben seine eigene Kirche haben wollte. Und 
kaum hundert Jahre spater erhielten vermöge des steigenden Woldstandes auch selbst kleinere 
Dörfer ihre eigenen Kirchen. Zugleich wuchsen spater die Städte und es entstand auch in diesen 
eine nicht geringe Anzahl neuer kirchlicher Stiftungen. So erklart sich die grosse Anzahl von 
Dorf- und Stadtkirchen in Schlesien , welche in den verschiedensten Varietäten des gothischen 
Baustvls errichtet wurden. 

Zu Breslau scheint man im XII. Jahrhundert die Kirchen nur aus Sandstein oder Granit- 
quadern errichtet zu haben, zugleich fing aber auch schon der Backsteinbau an sich geltend zu 
machen, und zwar vor der Hand iu der Weise, dass das Mauerwerk von Ziegeln, die decorativen 
Thcile aber von Sandstein ausgeführt wurden. Bald darauf wich aber der Saudstein gänzlich und man 
benutzte die Ziegeln auch zu den ornamentalen Theilen. Wir sehen dieses besonders an der Pfarr- 
kirche zu Glogau, die sich vor allen anderen Kirchen durch ihren Rohbau aus Ziegeln auszeichnet. 

Die geographische Grenze des Rohbaues aus Backsteinen zieht Uber Bunzlau, Hainau, 
Liegnitz, Kostenbluth, Kanth, Bohrau, Strehlen, Grottkau, Neissc und Neustadt, bis beiläufig nach 
Jügerndorf. Südwestlich von dieser Linie herrscht fast ausnahmsweise der Steinbau , doch trifft 
man auch Gebäude, die von Backsteinen erbaut und mit behauenen Steinen verkleidet sind, so z. B. 
die hübsche Liebfrauenkirche (aus dem XIV. Jahrhundert) zu Breslau, einige spätgothische Capel- 
len an der Kathedrale und vorzüglich das grossartige Rathhaus daselbst. 

Was die Form der Kirchengebäude anlangt, so scheint im XII. Jahrhundert eine andere 
Kintheilung des Raumes üblich gewesen zu sein als in der Folgezeit. Wenn nämlich den noch vor- 
handenen Abbildungen Glauben zu schenken ist, so hat sowohl die Klosterkirche des heiligen 
Vincenz, als die kleine Kirche des heiligen Michael zu Breslau einen Thurm vor der Westfacade, 
wie wir sie auf dem Originalbildc in dem Museum für schlesische Alterthümer zu Breslau dar- 
gestellt finden. Ferner sehen wir auf demselben Gemälde an der einschiffigen Michaelskirche die 
halbkreisförmige Apsis am Ostende unvermittelt dem Kirchenschiff angefügt, eine Eigentümlich- 
keit, die wir sonst an keiner andern unter den einschiffigen romanischen Kirchen in Schlesien, 
wahrgenommen haben. Ziehen wir aber in Betracht, dass K. Wocel dieselben Eigentümlich- 
keiten auch von den romanischen einschiffigen Kirchen Böhmens berichtet*, ferner dass die 
meisten unter den noch vorhandenen Kirchen dieser Art in Schlesien von Deutschen erbaut 
wurden, so scheint es beinahe, als würde durch diese Übereinstimmung die charakteristische 
Gestalt der einschiffigen slavisch-romanischcn Kirchen in ältester Zeit festgestellt. Jedenfalls 
findet sich, in Schlesien wenigstens, an späteren einschiffigen Kirchen der romanischen Styl- 
periode diese Form nicht; vielmehr bildete sich nachfolgendes constantes Schema aus. An eine 

' Urkunde vom >R. Augiist Siehe Sommerubcrg: Script, r. S. I, 929-930. - * Miuheilungen der k. k. Central-Com- 

uiission 1SS7, p»ff. 155. 



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Beiträge zun GEsenicnTE des Kirchenraues in Schlesien. 



83 



thnriulose, meist durch ein mehr oder minder reich ausgestattetes Portal und ein oder mehrere 
enge Kreisfenster in dem sonst schmucklosen Giebel gegliederte Westfucade seldoss sich 
ein meist länglicher Schiffraum, der in der Kegel mit je drei kleinen, engen und schlicht einge- 
fassten rundbogigen Fensteröffnungen in der Nord- und Südwand versehen und in der Regel nicht 
überwölbt war. An diesen Raum stiess östlich, durch den Triumphbogen verbunden, der 
Chorraum, meist von quadratischer Grundform, aber regelmässig um einige Fuss schmäler 
und niedriger als das Schiff 1 , nur mit je einer rundbogigen Fensteröffnung in der Nord- 
und Südwand, und fast stets mit einem einfachen Kreuzgewölbe überdeckt. Auf den Chor 
folgte als östlicher Abschluss die meist halbkreisförmige, seltener polygonal gebildete Apsis, deren 
Mauer von drei bis fünf, meist einfach gegliederten Fensteröffnungen durchbrochen zu sein pflegte. 
Jedoch sind schon in dieser Periode einschiffige Kirchengebilude nicht selten, denen die Apsis ganz 
fehlt und deren Chor platt abscldiesst. Auf dem Dache des Schiffes sass endlich stets in der 
Mitte ein hölzerner, jetzt meist nicht mehr vorhandener Dachreiter. 

Denken wir uns aber eine einschiffige Kirche mit wesentlich demselben Grundriss, wie wir 
ihn eben beschrieben, nur das Rechteck des Chores nicht mehr wie bisher, wenigstens annähernd 
quadratisch, sondern mehr nacli Osten verlängert und constant geradlinig geschlossen; denken wir 
uns hiezu noch die Mauern von langgestreckten und spitzbogigen Fenstern durchbrochen, ferner 
das etwas höhere und weitere östliche Chorfenster mit. zierlichem Masswerk geschmückt, dazu ein 
spitzbogiges, aber in seinen Formen noch stark romanisirendes Portal an irgend einer, keineswegs 
constanten Seite des Hauptschiffes, dann eine völlig nackte Westfacade und wieder einen Dach- 
reiter über dem Kirchenschiff, so erhalten wir den äusseren Typus einer schlesischen Dorfkirche 
aus frühgothischer Zeit. Fügen wir an Schiff und Chor noch mehrere plumpe Pfeiler hinzu, zum 
Zeichen das« entweder der ganze Innenraum oder wenigstens der Chorraum mit hoch hinauf gezo- 
genen Gewölben überdeckt ist; denken wir uns ausserdem in die meisten der, jetzt noch länger ge- 
streckten spitzbogigen Fenster oder wenigstens in das grössere Fenster der Chorschlusswand 
ein einfaches Masswerk von ausgebildeter Gothik und dazu ein oder zwei Spitzbogeuportale in 
den Wänden des Schiffes mit einfach profilirten und nicht mehr stark in die Mauer vertieften 
Wandungen, die Westfacade aber schon durch ein kleines spitzbogiges Fenster belebt oder viel- 
leicht gar schon mit einem einfachen Blendengiebcl von Backsteinen, und immer noch einen 
Dachreiter auf dem Dachfirst des Schiffes, so erhalten wir das schlichte Bild einer schlesischen 
Dorfkirche aus dem XIV. Jahrhundert. 

Stellen wir uns endlich diese Kirche vor mit etwas schlank construirten Strebepfeilern, 
mit Fischblasenmasswerk in allen Fenstern , mit einem oder zwei Spitzbogenportalen , an 
deren Wandungen uns Durchkreuzungen so wie in Spiralen verzierte Sockel der Ruudstäbe 
in die Augen fallen, dazu aber einen schlanken, unten viereckigen, oben in die Forin 
eines Achteckes übergehenden Thurm mit pyramidalem Steinhelm oder mit Schiefer oder 
Schindeln gedecktem Spitzdach, entweder vor der Westfacade oder in dem einen Winkel zwischen 
Schiff und Chor stehend, und obendrein fast regelmässig einen Westgiebel von Backstein mit 
mclir oder minder reicher Belebung an Flächen und Rändern , durch Treppenabsätze und man- 
cherlei farbige oder plastische Gliederung, im Innern nun endlich auch durchgehends Gewölbe 
mit noch stark überhöhtem Scheitel, und zwar meist in mehr oder minder complicirten Netz-, 
Stern- oder Fächerformen, so erlangen wir die Vorstellung, in welcher Gestalt eine einschif- 
fige schlesische Dorf kirche im Verlauf des XV. bis zur Mitte des XVI. Jahrhunderts erbaut wurde. 

Während der angegebene Typus für den Grundriss der einschiffigen Kirchen in Schlesien aus 
der Zeit des romanischen Styls noch mehr oder weniger der, von den meisten gleichzeitigen 
Kirchen derselben Art in ganz Deutschland sein dürfte (vielleicht nur in Böhmen ausgenommen, 

IX. M 



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K. Drescher. 



wo der abgesonderte quadratische Chorraum in der Regel zu fehlen scheint) , hat es dagegen den 
Anschein, als wäre wenigstens das constante Fehlen eines gemauerten Thurmes für die schlesischen 
einschiffigen Kirchen aus der romanischen Stylperiode speciell charakteristisch. Dagegen wird der 
nüchterne platte Chorschluss als charakteristischer Unterschied der einschiffigen Kirchen des gothi- 
sehen Styls von denen des romanischen Styls , in gleicherweise wie hier aus Schlesien, auch aus 
den angrenzenden sächsischen und thüring'sehen Gegenden berichtet 1 . Als ein Zeichen derArmuth 
darf man unseres Erachtens jenes Fehlen eines gemauerten Thurmes nicht ansehen; denn einer- 
seits finden wir ja an den grösseren romanischen Kirchen in Schlesien nicht nur einen, sondern 
sogar zwei Wcstthürme; andererseits sehet» wir auf den plastischen Schmuck im Innern und Äus- 
sern zuweilen viele Sorgfalt verwendet, so dass es an den Mitteln zum Hau eines Thurmes nicht 
gefehlt haben kann. Vielmehr scheint es, als sei für den Zweck derartiger kirchlicher Bauten ein 
gemauerter Thurm entbehrlich gewesen und darum mit Absicht erspart worden, während man 
statt dessen mehr Kosten auf die Ausschmückung der Apsis verwendete. 

Ober die Kigcnthümlichkeitcn der mehrschiffigen romanischen Kirchen, deren in ganz 
Schlesien überhaupt nur vier vorhanden sind, nltmlich die Breslauer Kathedrale in ihren ältesten 
Tlieihn, die Klosterkirche zu Trebnitz und die beiden Stadtpfarrkirchen zu Goldberg und 
Löwenberg, ist nur wenig zu sagen. Die letzteren drei haben die Kreuzfonn des Grundrisses 
mit einander gemein, die Goldberger und Löwcnbcrgcr ausserdem noch die Anordnung von 
zwei Thürtnen an der Westfront, von denen aber nur die an der Löwenberger Kirche zur 
Vollendung gelangt sind. Auch in der Belebung der Wcstfacadc durch ein grosses Haupt- 
purtal und ein grosses Kreisfenster über demselben ist eine Übereinstimmung der letzteren 
Kirchen nicht zu verkennen; aber nur im Plan, nicht in der Ausführung, welche bei der 
Goldberger Kirche in der Periode des vollkommen entwickelten gothischen Styls erfolgte. Sonst 
unterscheiden sich alle vier Kirchen wesentlich von einander. Wührend die Trebnitzer Kloster- 
kirche eine typische spiltromanische Pfeilcrbasiliea mit Kreuzvorlagc repräsentirt, bei der nur 
der Chorraum mit den Apsiden, nicht aber die Seitenschiffe über das QuerschifT heraustreten, 
zeigte die Goldberger Kirche ursprünglich die Gestalt einer romanischen Hallenkirche, mit einem, 
ohne Seitenschiffe über das Querschiff hervortretenden Chorraum und einer polygonalen Apsis. 
Von dem ursprünglichen Bau der Löwenberger Kirche ist sogar nur die Westfa^ade mit den 
Thürmen erhalten, wührend das ganze übrige Kirchengebäude im XV. Jahrhundert einen voll- 
stündigen Umbau in der Form einer spätgothischen Hallenkirche erlitt, welcher den ursprüng- 
lichen Gruudplan nur noch mit Mühe herauserkennen lüsst. Wohl wegen seiner Bestimmung 
als Kathedrale weicht dagegen der Dom zu Breslau im Grundriss noch bedeutender von den 
eben genannten Kirchen ab. Eigenthümlich ist in diesem der platte Chorschluss mit dem ent- 
sprechenden Chorunigange, eben so auch das gänzliche Fehlen eines Querschiffes. Sonst ent- 
spricht er mit seinem erhöhten Mittelschiff und den vier Thürmen an den Ecken in der 
Hauptsache dem Grundrisstypus der meisten Kathedralkirchen in der romanischen Styl- 
epoche. 

An Schönheit und Reichthun» des decorativen Schmuckes bleiben freilich die grösseren 
romanischen Bauten Schlesiens hinter den gleichzeitigen in Thüringen, Franken und dem 
übrigen Deutschland weit zurück; dagegen aber keineswegs die kleinen einschiffigen Kirchen- 
gebiiude, welche zuweilen im Innern und Äussern so reich und mannigfaltig mit plastischer 
Decoration versehen sind, wie wir das wohl in nur wenigen anderen deutschen Ländern an 
derartigen Gebäuden antreffen. 

' Put I rieh, Denkmäler der Baukunst. 11. 2, psg. 3 und die folgt ndeu Seiten 



GiessmaiiiisdoiT. 



Taf. III. 




Fig. a. 



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V\g. b. 

|M«I* drr k. Ii M»f- I MHMmkMl Hl »'»«• 



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Beiträge zur Geschichte de* Kircuenbaues in* Schlesien. 



Über die einstige farbige Ausschmückung im Innern der romanischen Kirchen in Schlesien 
endlich sind wir glücklicherweise in den Stand gesetzt, uns nicht allein auf Muthinassungen 
beschränken zu müssen. Mehrere in einschiffigen KirchengebUuden aus der Zeit des spätroma- 
nischen Styls erhaltenen Reste zeigen uns, dass man im Beginn des XIII. Jahrhunderts in 
Schlesien nicht nur plastische Darstellungen mit einem farbigen Überzuge zu verschen pflegte, 
Bondern dass es unter anderem auch üblich war die Wandhachen der Apsis mit Palmcttcn- 
mustern zu bemalen, so wie an den Wandflächen des übrigen inneren Kirchenraumes, unter den 
stets hoch angebrachten Fenstern figürliche Darstellungen friesartig anzubringen, deren 
mehr monumentaler Charakter trotz der augenscheinlich sehr mangelhaften Technik, dennoch 
sehr gut dem Ganzen dieser Bauwerke in ihrer ursprünglichen Gestalt entsprochen haben 
mag. In der Vollendung dieser farbigen Ausschmückung, so wie in Bezug auf den Formcn- 
8inn und Geschmack bei ihrer Anwendung, scheinen die schlesischen Leistungen allerdings 
hinter den gleichzeitigen in den westlicheren deutschen Ländern weit zurückgeblieben 
zu sein. 



II. Einzelschildeningen. 

Nach diesen allgemeinen Bemerkungen gehen wir nunmehr zu den Detailschilde- 
rungen über und beginnen mit der Kirche zu Giessmannsdorf bei B unzlau. (Siehe 
Tafel III a.) 

Südwestlich, in nur zweistündiger Entfernung von Dünzlau, liegt unweit der alten Lan- 
desgrenze zwischen der Obellausitz und Schlesien in einem fruchtbaren Seitenthale das grosse 
Dorf Giessmannsdorf. Fast eine Meile lang zieht es sieh in der Richtung von Nordwest nach 
Südost in dem fruchtbaren anmuthigen Thalc hin, stosst nordwestlich an das Nachbardorf 
Herzogswalde und bildet mit diesem zusammen eine ununterbrochene Dorfgasse bis zu dem 
kleinen Nachbarstädtchen Naumburg. 

Dass dieses Thal schon in vorchristlicher Zeit eine Bevölkerung gehabt, geht aus dein 
Vorhandensein einer heidnischen Grabstätte hervor, welche sich in einer Entfernung von nur 
wenigen Minuten genau westlich von der alten Kirche zu Giessmannsdorf befindet und deren 
Platz noch jetzt den Namen „der alte Kirchhof 14 führt. Dieselbe liegt auf einem Territorium, 
das, ursprünglich zur kirchlichen Widemuth gehörig, erst vor wenigen Jahrzehenten dadurch 
von derselben getrennt wurden ist, dass das Bauerngut, dessen Inhaber bisher diese Abtheihnig 
der Widemuth säcker gegen einen jährlichen Zins bebaut hatte , in Folge der allgemeinen Auf- 
hebung der Erbunterthünigkeit zu einem selbstständigen Eigenthum erklärt wurde, dessen Äcker 
aber noch bis zum heutigen Tage die Äcker r dcs Widemuthbauers" genannt werden. Die Grabstätte 
bedeckt einen Flächenraum von zwei Morgen Landes, ist am südlichen Abhang des Thaies 
gelegen und seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts eine fortwährende Fundgrube von heid- 
nischen Aschenkrügen mit den Resten verbrannter menschlicher Gebeine gewesen. Historisch 
tritt Giessmannsdorf erst im Jahre 1233 hervor, wo wir es unter den Dörfern mit erwähnt 
finden, über welche Herzog Heinrich I. von Schlesien dem Themo, einem seiner Getreuen, 
ausnahmsweise die obere Gerichtsbarkeit verlieh , als er ihn beauftragte unter den Mauern 
seiner „neuen Burg- 4 am Queis eine Stadt mit deutschen Colonisten, nach deutschen Rechten, 
zu bevölkern. 

8 * 



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•><» K. Drescher. 

• 

JJass das Dorf von den Deutschen neu gegründet wurde, seheint darum unwahrschein- 
lich zu nein, weil wir in einer relativ frühen Zeitperiode eine herzogliche Burg zu Giessinanns- 
dorf vorfinden, die, ihrer mehrmaligen historischen Erwähnung nach zu schlicsscu, nicht ganz 
unhedeiitend gewesen sein kann. Die Nuwenhureh (ursprüngliche Schreihart im XIII. und XIV. 
.Jahrhundert) am Queis, war schon vor »lern Jahre 1217 vorhanden; denn in diesem Jahre 
legte Herzog Heinrich I. am Fuss derselben das Kloster der büssenden Magdalenerinnen an. 

Auch die Lage der alten Kirche zu Giessmannsdorf, deren jedenfalls von der ersten 
Erbauung herrührendes Portal mit augenscheinlicher Rücksicht auf die naheliegende Burg 
angebracht worden ist, beweist ein weit längeres Vorhandensein derselben , als seit dem Jalire 
1277. Die Kirche war nämlich deutlich unter dem Schutz der Burg, dicht neben dieselbe 
gebaut, wie noch jetzt zu ersehen ist, und wahrscheinlich in den Kreis der Befestigung 
derselben hineingezogen. 

Ungefähr in der Mitte des lang ausgedehnten Dorfes Giessmannsdorf erhebt sich auf 
einer kleinen Anhöhe, an der Seite des nordöstlichen Thalrandes, das jetzt im Besitz der frei- 
herrlichen Familie von Schönberg- Bibran befindliche, ehrwürdige Schloss gleichen Namens. 
Südlich grenzt unmittelbar an den Schlossgraben der schattige Friedhof. Ein festes Thorhaus 
beschützte ihn an der Westseite, wo die Dorfstrasse an ihm vorUber führt, noch bis zum 
Jahre 1MU.">, in welchem es dem gegenwärtigen einfachen Thorbogen Platz machte 1 . 

Wir betreten durch den gegenwärtigen Haupteingang, unter der Turmhalle von Westen her, 
zunächst das Inncrc des Gotteshauses, welches völlig regelrecht von Westen nach Osten orientirt 
ist. Das Schiff der Kirche, welches uns zuerst aufnimmt, hat bei 30 Fuss rhciid. Breite, eine 
Länge von 50 Fuss rhcinl. im Lichten und, gleich allen übrigen Theilen des Gebäudes, eine 
Manerstärke von 4 Fuss. Es wird auf der Südseite durch 3 Fensteröffnungen von verschiedener 
Grösse erhellt, von denen die beiden westlicheren flachbogig, das neben der Südostecke jedoch 
im Spitzbogen geschlossen ist. Eben dasselbe ist auch von beträchtlicher Höhe und mit spät- 
gothisehem Fischblasenmasswerk ausgeschmückt. Die Wandung des letzteren und zugleich auch 
des westlich angrenzenden sind einfach nach innen und aussen abgeschrägt. Das nächst der 
Südwestecke befindliche verdankt seine noch einfachere Form sogar erst der allemeuesten 
Zeit. An der Nord wand befindet sich, genau in der Mitte, noch das ursprüngliche Hauptportal, 
über demselben aber zwei wiederum flachbogig geschlossene Fenster von geringeren Dimensionen- 
Die dritte an dieser Seite befindliehe Fensteröffnung ist dadurch, dass sie schon in früherer 
Zeit in Folge eines Anbaues an der Aussenseite zugemauert wurde, noch allein unter den sechs 
ursprünglichen Fensteröffnungen des Kirchenschiffes in ihrer ursprünglichen Gestalt erhalten 
geblieben. Aus der Lage , Grösse und Gestalt vermochten wir mit Hinzuziehung der übri- 
gen noch im alten Zustande befindlichen Fensteröffnungen des Gebäudes den Sclduss 
zu ziehen , dass sowohl an der Nord- als an der Südwand des Kirchenschiffes sich ursprüng- 
lich je drei kleine rundbogige Fenster befanden, welche in einer Höhe von 13'/, Fuss Uber dem 
Pflaster begannen, und deren jedes eine grösste Höhe von 8 Fuss, bei einer grössten Weite von 
3'/. Fuss innen und aussen besassen, wülircnd die innerste , eigentliche Lichtöffnung bei der 
starken Verengung der Wandung nach der Mitte der Mauerdicke zu, kaum mehr als 5 Fuss 
Höhe bei 1 Fuss Weite besitzen mochte. Demnach muss es sehr düster in der Kirche ge- 
wesen sein , zumal alle übrigen Fenster von entsprechend kleiner Gestalt waren. Über 
den weissgetünchten Wänden ruht eine flache Holzdeckc, deren Täfelung sehr ansprechend mit 
buntfarbigen Honetten in geschmackvollen und mannigfaltigen Kenaissanccmustern in Roth, 

> Frolxi»*, p. 42. 



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BkitrXgk zv.h Gkschic-hte de» Kikchbnbauks in Schlksikk. 



!>7 



131au und Braun, auf weissem Grunde bemalt ist. Wer diese Decke hat bauen lassen, erfahren wir 
aus folgender Inschrift, welche gleichsam als ein gemalter Wandfries über dem Triumphbogen 
angebracht ist: r Im MDXCV: Ihare hat die edle clircntugendreichc Fraw Barbara Nostizin, Her 
Siegmundt v. Warnsdorfs auf Giessmansdorf seligen, nachgelassene Wittfraw, der Zeit regierende 
Ilerscliaft alliier die Decke bawen lassen, dazu Ibrdret 70 Thalcr- 4 . Dieselbe Bemalung finden wir 
auch an der Wandtäfelung einer hölzernen Empore, welche auf geschnitzten Säulen von entspre- 
chender Form ruht und sich an der West- und Nordwand des Kirchenschiffes hinzieht. Dass auch 
diese Bemalung von demselben Handwerker herrülirt, wie die an der Decke, wird, ausser durch die 
völlige Übereinstimmung der farbigen Muster, auch durch die Jahreszahl 1395 und die Inschrift: 
„Cas: Bes.- (Caspar Besser) Kirchvatcr" bewiesen, welche an dieser Empore angebracht ist 
und es augenscheinlich macht, dass die Empore von der Gemeinde beschafft und ausgestattet 
wurde, wUhrcnd die Herrschaft die Kosten fUr die neue Deekentäfelung trug 1 . Eine zweite 
Empore, welche gegenwärtig die Orgel trägt, befindet sich, ein Stockwerk höher, un derWestwand 
und von ihr führt eine enge Spitzbogenthilr mit schlicht an den Kanten abgefasstem Steinrahmen 
in das zweite Geschoss des Thurmes. Diese Empore aber beweist durch die Täfelung, an der nach 
unten gerichteten Seite ihres Fussbodens, welche in einer bunten Bemalung mit den brillantesten 
spätgothischen Teppichmustem prangt, dass sie aus weit früherer Zeit herrührt. Die Muster bilden 
nicht, wie die an der Deekentäfelung, Rosetten, sondern ahmen theils Teppiche nach, mit einer 
farbigen, in Roth und Blau auf weissem Grunde ausgeführten Zeichnung von alternirend au ein- 
ander gereihten Vierpässen, theils sind es Zeichnungen von entsprechender Form, wie die Fenster- 
öffnungen der spätgothischen Stylperiode, belebt durch eine erstaunliche Fülle und Mannigfaltigkeit 
von Pfosten und Masswerk, mit reichen Mustern in der Form von Fischblasen und mancherlei ande- 
ren Formen jener Zeit. Die Entstehung dieser älteren Empore dürfte gleichzeitig mit der Erbau- 
ung des, der Westfacade vorgebauten Thurmes sein, zu dessen oberen Stockwerken sie noch heute 
durch eine kleine spitzbogige Thür den einzigen Zugang vermittelt. Wir setzen sie desshalb in 
die wahrscheinliche Erbauungszeit des Thurmes (um 1519), welcher auch jene spätgothischen 
Muster noch völlig entsprechen würden. An dem südlichen Pfeiler der Porta triumphalis ist die 
Kanzel angebracht. Die Porta triumphalis selbst, deren Kanten einfach abgefasst sind, beschreibt 
einen stumpfen Spitzbogen, welcher unvermittelt aus ihren seitlichen Pfeilern aufsteigt. In dem 
Raum dieses Spitzbogens befand sich bis zur letzten Renovation der Kirche, auf noch vorhandenen 
einfachen Steinconsolen ruhend , über einem reich geschnitzten Querbalken ein Crucifix 
von beiläufig 12 Fuss Höhe, in der üblichen Darstellungsweise mit Maria und Johannes, welches 
seitdem an einem höchst unpassenden Platze und in gedrückter Stellung, nämlich Uber dem 
Triumphbogen angebracht ist. Die ganze Gruppe ist laut einer Jahreszahl am Sockel der 
letztgenannten Figur vom Jahre 1503 und hat noch durchgängig und wohlerhalten die ursprüng- 
liche bunte Bemalung. Mit besonderer Liebe sind die Figur des Heilandes und die der knienden 
Frau am Kreuzesfussc behandelt, welche wir für die Stifterin des Ganzen zu halten geneigt sind, 
da nicht nur ihre Tracht gänzlich von der der audern Personen verschieden ist, sondern ihre 
Gestalt auch, gleichsam zum Zeichen der Demuth, in kaum halb so grossen Dimensionen ausge- 
führt ist als die übrigen drei Figuren. Demnach würde sie vielleicht die Gattin oder eine Tochter 
Fabians v. Warnsdorf darstellen. 

Der Chorraum, welchen wir nunmehr, durch den Triumphbogen hindurchschreitend, betreten, 
bildet im Lichten kein vollständiges Quadrat, sondern hat bei einer Länge von 16% Fuss eine 

1 Ilrrrn Paator Frobötis zu Giesfmannsdnrf hat die Gegenwart die Erhaltung dieaor farbigen Bemaltiug zu verdanken, indem er 
dieselbe sowohl vor der Gefahr der übertünchung mit weisser Farbe rettete, als auch die atellenwcU erforderliche Ergänzung 
derselben veranlasste. 



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K. Dkmcuer. 



Breite von 18 Fuss (Fig. 6). Sein Pflaster scheint ursprünglich wohl, wie in andern sehlesischen 
Dorfkirchen vom gleichen Alter, mindesteng um eine Stufe erhöht gewesen zu sein, und erst durch 

oftmaliges Umpflastern sein jetziges mit dem Kirchenschiff gemeinsames 
Niveau erhalten zu haben. Kr ist durch ein einfaches Kreuzgewölbe mit nur 
schwach überhöhtem Scheitel überwölbt, dessen SchiMbögen gleich dem 
Triumphbogen, die Gestalt eines stumpfen Spitzbogens haben. An den 
Näthen des Gewölbes laufen Rippen hinauf, deren Profil jederseits eine 
tiefe Uohlkehle besitzt und sich ausserdem nur durch eine schwache 
Spitzung nach unten, von der Rippenform mit einem vorgelegten Rund- 
stabe unterscheidet. Die Rippen haben an ihren Basen in analoger Form 
gebildete Blendschilde, welche auf den Deckplatten von vier diagonal 
gestellten Capititlcn an den vier Ecken des Raumes ruhen , zu denen 
ursprünglich eben so viel frei hervortretende Ecksaulen gehörten, die aber 
sammt den zugehörigen Basen und Sockeln leider alle zerstört und besei- 
tigt sind. 

Von den Säulenschäften lässt sich die Umrissform und ihre ringsum 
freie Stellung, aus dem noch erhaltenen vertieften Umriss ihres An- 
schlusses an die CapitUle, vollkommen erkennen. Drei davon hatten 
nämlich einen kreisrunden, einer aber einen achteckigen Umriss. Da die 
Capitäle 8% Fuss Uber dem jetzigen Pflaster beginnen, so werden die da- 
zugehörigen Schäfte wohl an 7 Fuss Höhe besessen haben und der Rest 
des Raumes von den Basen und Sockeln eingenommen worden sein. Die 
Deckplatten haben durch die Verbindung von drei Plitttehen und zwei 
tiefen Hohlkehlen mit zwei stark hervortretenden rundlichen Gliedern, in umgekehrter Aufeinander- 
folge wie bei der attischen Basis, eine reiche Gliederung gebildet. Die Form der Blendschilde, wie 
die Form der Gewölberippen und die tief ausgekehlten Deckplatten scheinet! fllr die Erbauungszeit 
der Kirche charakteristisch zu sein. Wir finden fast genau dieselbe Rippenform zunächst in Schlesien 
wieder an den romanischen Kirchen zu Neukirch bei Schönau und Goldberg, so wie im Chor des 
Breslauer Domes. Derartige Blendschilde überhaupt, obwohl von anderer Gestalt, finden wir 
ausserdem noch in zahlreichen spätromanischen Kirchen, z. B. in der schon genannten Kirche zu 
Tischnowic, in den Kreuzgüngen der Klöster Uciligcnkrcuz und Lilieufeld, in der Dcchanteikirche 
zu Kaufim, der Abteikirche zu Hohenfurt, der St. Johanneskirche zu Neuhaus, der St. Agneskirche 
zu Prag u. a. m. : lauter Kirchen, von denen allen mit mehr oder minder Gewissheit feststeht, dass 
sie in den ersten Jahrzehenten des XIII. Jahrhunderts erbaut wurden 1 . An der nördlichen Wand 
des Chorraumes befindet Bich, allerdings auch zugemauert, aber doch noch in ihrem ursprünglichen 
Umriss, die rundbogige Öffnung eines Fensters von G'/, Fuss Höhe und 3 Fuss Breite in einer 
Höhe von 10 Fuss 3 Zoll über dem Pflaster. Die entsprechende Fensteröffnung in der Südwand 
des Chorraums ist gleichfalls mit einem gedrückten Flachbogen geschlossen. Doch ist diese 
Wand noch von einer schmalen spitzbogigen Thüröffnung durchbrochen, deren äussere Einfas- 
sung mit einer tiefen Hohlkehle und sich kreuzenden Rundstilben, welche zugleich auf schrauben- 
förmig gearbeiteten Sockeln aufsitzen, auf eine ungcfalir gleichzeitige Entstehung mit dem spHt- 
gothischen Fenster im Kirchenschiff, dem Saeramenthauschen im Chor, dem Riesencrucifix und der 
älteren Empore hinweist. Die Thür daselbst i«t mit einem, mit erhabenen Kenaissanccmustcrn 
geschmückten Eisengriff und einem hübschen Beschlag in Gestalt eines deutschen Reichsadlers 

i Vergleiche K. Wocel. Dil- Klosterkirche Porta tueli xuTi»chnowk-;ini Jahrbuch der k.k. I cntraUomra. ISM). Dd. III. 3. p. iil- 




Beiträge zi-r Geschichte des Kirchen» ales ix Schlesien-. 



versehen, zum Zeiehen, dass sie von einem kaiserlichen Landeshauptmann, nämlich von Kaspar 
v. Warnsdorf gestiftet wurde. 

Zuniiehst an der Xordwand bemerken wir eine Wappcntafel des Geschlechts von Wamsdorf 
(ein goldener Stern über einem silbernen Halbmond im blauen Felde, über dem Sehilde ein Hehn 
mit drei Straussfedern) mit der Inschrift: „Jacob von Warnsdorf lfifiO*; ferner dieser zur Rechten 
ein kleines unansehnliches Votivgemälde in Tempera, mit dem Portrilt des eben genannten Jacob 
von Warnsdorf und der Angabc seines Todesjahres 1575; ferner ein sehr grosses stattliches 
zweites Votivgemälde , mit ausserordentlich reich geschnitztem und auf das Mannigfaltigste 
farbig geschmücktem Renaissanccrahmen, welcher zwei getrennte Gemälde (in Tempera) eines 
untergeordneten Meisters umschliesst, von denen das eine die Auferstehung und das andere die 
Kreuzigung Christi darstellt, beide aber zugleich die damaligen Mitglieder der Warnsdorf sehen 
Familie in kniender Stellung enthalten. Die Inschriften melden uns, dass Anno 1575 Hans von 
Warnsdorf, ferner 1588 sein Bruder Siegmund von Warnsdorf, und endlieh 1598 die schon er- 
wähnte Wittwe Siegmunds, Barbara geb. „Nostizin", das Zeitliche segneten. Von einem der beiden 
Brüder scheint auch der zierliche steinerne Taufstein inmitten des Chors herzurühren. Die Errich- 
tung desselben datirt, laut Jahreszahl, von 1575. Er ist im Ganzen einfach gehalten und tragt nur 
wenige, aber charakteristische Ornamente des Renaissance-Geschmackes. Bedeutender sind an 
seinen Wanden die plastischen Darstellungen der Scenen: wie Christus die Kindlein zu sich 
kommen litsst und die Taufe im .Jordan. Bei der ersteren sehen wir eine sinnig componirtc 
Gruppe, wie die jungen Mütter in der um 1575 üblichen deutschen Frauentracht sich mit 
den Kindern um den Heiland versammeln, und unter anderen ein Knabe auf einem Stecken- 
pferde angeritten kommt Endlieh finden wir zunächst der Nordostecke des Chorraums, mit zwei 
Seiten frei aus der Wand hervortretend, ein elegantes spätgothisehes Saeramenthäuschen, wie 
es selten in Dorfkirchen vorkommt. Es ruht auf einer einzigen, ringsum freistehenden schlanken 
und nach Art einer Schraube gleichsam gedrechselten Silule und erhebt sich in drei Etagen, 
gebildet von einer Vereinigung von Säulen in den mannigfaltigsten Formen , mit schlank 
aufstrebenden Eselsrücken, Fialen, Kreuzblumen und anderen Details der spiitesten Gothik. 
Diese Details, besonders aber die sich gegenseitig kreuzenden Rundstäbe in den Einzelglie- 
derungen, verweisen dieses Werkes Entstehung in die Zeit der völlig zu Ende gehenden Gothik, 
etwa zwischen 1510 und 1520, und machen es zweifellos, dass es ebenfalls als eine Warns- 
dorfsche Stiftung anzusehen ist. 

An der Ostgrenze des Chors steht seit 1805*) der Altar der Kirche. Dieser Altar und 
die schon erwähnte Kanzel dürften in ihrer Art in Schlesien fast einzig dastehen, nicht nur wegen 
ihrer ausserordentlichen Fülle von plastischem und farbigem Schmuck, sondern auch wegen des 
gothischen Stylgefühls , das sich in demselben, einem Werk der spiiteren Renaissancezeit, noch 
deutlich ausprägt. Der Altar baut sich in vier Etagen auf, von denen jede in der Mitte eine 
biblische plastische Darstellung enthält , nämlich das Abendmahl Christi , die Kreuzigung , die 
Kreuzabnahme und die Himmelfahrt des Heilandes. Diese in sehr kleinem Massstabe gehaltenen 
Darstellungen sind übrigens das Schwächste an der ganzen Leistung. 

Ganz in derselben Weise ist auch der plastische und farbige Schmuck der, ebenfalls von 
Holz geschnitzten Kanzel und des Kanzeldeckels gehalten. Wir finden hier denselben Uberaus 
grossen Rcichthmn der Schmuckformen und dieselben Mangel in der plastischen Darstellung von 
menschlichen Gestalten. Die Wandungen der Kanzel selbst und der zu ihr hinaufführenden 
Treppe schmücken sechs, aus der Geschichte des alten Testaments entnommene plastische Dar- 

> Frobös«. p. 42. 



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f.0 



K. Dmscher. 



Stellungen. Am Rande des Kanzcldeckels stehen die zwölf Apostel und über diesen erheben sich 
eben so viele Baldachine. 

Treten wir hinter den Altar, so bemerken wir zunächst, dass der beschriebene Chorraum 
»ich noch in denselben Hüben- und Weiten-Dimensionencn weiter fortsetzt und zwar, wie die 
Messung ergibt, noch um 15 Fuss nach Osten, bis dahin, wo sich der dreiseitig construirte östliche 
Abschluss des Raumes ansetzt. Gleich hinter dem Altar nimmt man an der Nord- und Südseite, 
vom Fussboden an , auf den Wiinden und dem Gewölbe hinauflaufend, einen zackigen Mauer- 
bruch wahr, dessen unebene Oberfläche nur schlecht durch die weisse Übcrtünchung verbor- 
gen wird. Auf diesen folgt an der Südseite eine glatte ebene Wand von behauenen Quaderblöcken, 
wie jene in dem westlichen Theil der Kirche. An der Nordseite jedoch steht eine unebene buck- 
liche Wand von Übertünchten Bruchsteinen. Über beiden wölbt sich ein Kreuzgewölbe mit kaum 
merklich erhöhtem Scheitel, das sich durch die mangelhafte Technik in seiner Ausführung und 
durch das Fehlen von Transversalgurten und Gewölberippen sehr zu seinem Nachtheil von dem 
westlichen Gewölbe des Chorraunis unterscheidet. 

Auch die drei Fenster des Chorschlusses enden oben mit flachen Bögen. Wir haben es dem- 
nach deutlich mit einer östlichen Verlängerung des Kirchenraums zu thun, welche in neuerer Zeit, 
aber nur durch die Hand eines ungeübten Maurers in dieser rohen Gestalt geschehen sein konnte, 
deren Zeit aber, der gleichgeformten Fensteröffnungen wegen mit derjenigen zusammenfallen 
müsste, in der jene grossen, unschönen, flachbogigen Fensteröffnungen in den Mauern des Kirchen- 
schiffes ausgebrochen wurden. Für die Bestimmung dieser Zeit besitzen wir folgende Anhalts- 
punkte. An der Nordwand des eben beschriebenen Raumes sehen wir einen vergoldeten Helm 
nebst Schild und Schwert neben einer alten Fahne hangen. Diese Stücke gehören zu zwei statt- 
lichen steinernen Grabdenkmälern , welche die Mitte des Raumes einnehmen und wieder mit 
zahlreichen Wappen und Basreliefs-Ornamenten in Renaissancemanier geziert sind, aber deutlich 
von der Hand eines andern Meisters, als dem des Altars. Unter der nördlicheren Tumba ruht, 
laut Inschrift, der sterbliche Leib des „edlen, ehrenfesten und wohl benahmbten Herrn 
Caspar von Warnsdorf auf Ober- und Nieder - Giessmannsdorf, Semraelwitz und (Schloss) 
Hainaue, dreier Römischer Kaiser Rad und Kümmerer und beider Fürstentümer Schweidnitz 
und .lauer in IC Jahr wohlbestallter und vollmächtiger Landeshauptmann* 
etc. etc. Kr starb CO Jahre alt, im Jahre Christi 1631. Die andere, 
süilliche Tumba bedeckt das Grab seiner Gemahlin, „Helena Warns- 
dorffin, geb. Czedlitzin und Leipa" (von Zedlitz-Leipa), welche im Alter 

von 56 Jahren das Zeitliche gesegnet hatte. Auf ihrer Tumba erblicken wir 
unter Anderen ein Wappen mit einer Schnalle, laut Inschrift, das eigene Wap- 
pen der Verstorbenen und das der Familie von Zedlitz. Wenn wir nun an 
der Treppenthür der Kanzel, sowohl das Warnsdorf sehe als das Zcdlitz'sche 
Wappen neben einander innerhalb eines Rahmens angebracht sehen, so wird 
klar, dass Kanzel und Altar nur von dem genannten Ehepaar, nämlich von 
Kaspar und Helene von Warnsdorf gestiftet sein können. 

Diesem Warnsdorf also haben wir, wie es scheint, diese wenigstens im 
Ausseren grosse Verunstaltung der Kirche zu verdanken, weil er sich und 
seine Gemahlin nach alter Sitte vor dem Altar beisetzen lassen wollte, 
wozu sonst, da alle Plätze besetzt gewesen sein mögen, wold keine 
Aussicht gewesen wäre. Möglicherweise aber wurde diese Vergrösse- 
rung (man vergleiche den Plan der ursprünglichen Kirche Fig. 7) auch zugleich durch 
eine um jene Zeit selir wohl annehmbare starke Vermehrung der Dorfgemeinde veranlasst. 



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Beiträge zi « Geschichte des Kirchesbaim in Scm-esre». 



(11 



Trotz dieses bcklagenswerthen Übelstandes aber besitzt diese Kirche durch ihre fast einheitliche 
und zugleich glänzende Ausstattung des Innern eine solche Harmonie aller Thcilc unter einander, 
wie sie in einer Dorfkirche nicht leicht schöner gedacht werden kann ; und dies musste in 
noch höherem Grade der Fall sein, als das bunte Riesenerucifix mit. seinen Nchentiguren 
noch den Raum des Triumphbogens belebte. Der ursprüngliche einfachere Charakter, reprä- 
sentirt durch die zugemauerten Kundbogenfenster, die Ecksäulcn und Gewölberippen im Chor, 
ist freilich vollständig verdrängt und nur noch mit Mühe heraus zu finden. 

Wir verlassen das Innere der Kirche durch die erwähnte kleine Pforte an der Südseite 
des alten Chores , und betrachten nunmehr die Ausscnseite. Die Kirche war ursprünglich durch- 
gehend» von behauenen Quadern erbaut. Dieselben bestehen aus einem sehr dauerhaften, fein- 
körnigen und gut zubearbeiteten weissen Sandstein, welcher an der Nordseite des Dorfes in 
unmittelbarster Nähe gewonnen wird 1 . Überhaupt liegt das Dorf Giessmannsdorf in dem- 
jenigen Gebiete Schlesiens, durch dessen Reichthum an feinkörnigem und technisch gut ver- 
wendbarem Sandstein fast ganz Schlesien und ein grosser Theil der nahen Oherlausitz seit 
alten Zeiten mit derartigen Werkstücken versorgt wird. Das Schiff besitzt bis unter da« Dach 
eine Höhe von 32 Fuss rhcinl., der Chor eine Höhe von 25 Fuss, und die der Apsis mag 
ursprünglich 20 bis 22 Fuss betragen haben, was sich jetzt nur nach der Analogie vermuthen 
lässt. An dem unteren Theil der Mauern von Schiff und Chor tritt noch jetzt ein zierlich 
profilirter Sockel hervor, der ursprünglich auch um die Mauern der Apsis herumlief. Seine 
Höhe variirt, je nach den Unebenheiten des Bodens an den verschiedenen Thcilcn des Gebäudes, 
zwischen 3'/, Fuss und 9 Zoll. Der tief ausgekehlte obere Theil desselben dient zugleich als 
Basis für die Portalwandung und die Ecksäulen der Apsis. 

Im Übrigen sind die Mauern von Chor und Schiff völlig glatt und schmucklos bis zu 
dem Hauptgesims unter dem Dach (von einem Fuss Höhe), welches noch gegenwärtig um 
alle Theile des Gebäudes herumläuft, mit alleiniger Ausnahme des erwähnten jüngeren Chor- 
anbaues. Die einzige, fast vollständig erhaltene Fensteröffnung an der Nordseite des Chores, 
deren Lage schon oben angegeben wurde, lässt, da nur ihre innere Hälfte vermauert ist, an 
der Aussenwand einige charakteristische Details erkennen. Sie verengt sich nämlich sowohl an 
den Seiten, als oben und unten so stark nach innen , dass für ihren innersten Raum im 
Mittelpunkt der Mauerdicke, bei 4'/, Fuss Höhe, nur eine lichte Weite von 1 Fuss übrig bleibt. 
Die Wandungen sind glatt und nur der äussere Rand ist in gefälliger Weise mit einem Rundstal» 
und 2 Hohlkehlen eingefasst. Der nach dem Innern der Kirche gerichtete, jetzt vermauerte 
Theil der Wandung war ohne Zweifel, analog den vollständig erhaltenen Wandungen der Ap- 
sidenfeustcr, völlig ohne Gliederung und einfach erweitert. Der an der Aussenwand befindliche 
Umri8s dieser Fensteröffnung ist von völlig übereinstimmenden Dimensionen mit dem an der 
Innenwand, nämlich bei 6% Fuss Höhe und 3 Fuss Weite. Von dieser Fensterform aus- 
gehend , dürfen wir nach Analogie der übrigen romanischen Dorfkirchen in Schlesien mit 
grosser Wahrscheinlichkeit die Vermuthung aufstellen, dass auch die sechs gegenwärtig theils 
vermauerten, theils erweiterten ursprünglichen Fensteröffnungen des Kirchenschiffes ungefähr 
eben so gestaltete Wandungen gehabt haben werden*. An der Nordseite des SchiffeH befindet 

■ K. Drescher. Über diu Kreidebildungen der Gegend von Lflwenberg, in der Zeitschrift der deutschen geologischen Gesell- 
schaft. Jahrgang 18K3, pxg. 291—366. — 4 ltie Erhaltung der Fensteröffnung am Chor ist nur dem glücklichen Zufall zu verdanken, 
dass an dieser Chorscitu in gotbheher Zeit die ehemalige Sacristei angebunt wurdu, deren Pultdach dies« Fensteröffnung 
bedeckte. Ebeo demselben Imstande haben wir auch die, nur an dieser Stelle vollständige Erhaltnng des eben erwähn- 
ten Manersockel* zu verdanken, der ringsum an allen Theihn des (JcbSudes von der Witterung stark besehii- 
digt ist. 

IX. !) 




62 



K. DuEERCHS. 



sieh noch das ursprüngliche Hauptportal. Seine Lage ist darum von Bedeutung, weil der Zu- 
gang von der Dorfstrasse her auf den Kirchhof stets nn der Westseite desselben befindlich war, 
und auch darum, weil in spilterer Zeit der gegenwärtige Haupteingang gerade dem Einfahrtsthor 
gegenüber nachträglich in die ursprünglich geschlossene Westfacade eingebrochen wurde. Das 
ursprüngliche Hauptportal jedoch liegt an der Nordseite gegen das benachbarte herrschaftliche 
Schloss hinauf, und noch heute führt aus dem hinteren Thorwegc des Schlosses ein kurzer Fuss- 
pfad durch eine besondere Pforte in der Kirchhofsmauer direct nach diesem Portal. Dasselbe 
ist noch im ursprünglichen Zustande; denn seine Wandungsgliederung besitzt denselben schon 
erwähnten Sockel, welcher rings um die ganze Kirche läuft, und zwar in derselben Höhe, wie an 
allen Theilen der Kirche. Daraus geht mit Evidenz hervor, dass das historische Piastenschloss 
zu Giessmannsdorf schon existirt haben muss, bevor unsere Kirche erbaut wurde, da bei deren 
ursprünglicher Errichtung augenscheinlich auf das dicht neben dem Kirchhofe befindliche Schloss, 
behufs der Aidage des Hauptportals Rücksicht genommen wurde. Vielleicht machten es auch 
strategische Rücksichten rathsam, bei der Erbauung der Kirche das Portal nicht, wie sonst in 

dir Regel, an der Westfacade anzulegen. Es ist (Fig. 8) in einem 
Stumpfen Spitzbogen geschlossen, und obwohl es in der rechtwink- 
lichen Auskantung seiner Wandgliederungen und seinen kreisrund 
profilirten Wandsaulcn sich noch vollkommen dem romanischen Portal- 
typus anschliesst, nähert es sich im Vergleich zu anderen Portalen 
von gleichem Alter und ähnlicher Einfachheit dennoch durch das 
Fehlen der WandsttulencapitHlc , deren Linie hier nur durch drei 
ringförmige Knäufe um je drei Säulen an jeder Wandung angedeutet 
ist, während die übrigen Theile der Wandgliederung unvermittelt in 
die Schlussbögen übergehen, ferner dadurch, dass sich die Wand- 
säulen und Archivoltenthcile nicht völlig frei von den Wänden ab- 
lösen , endlich durch das Fehlen besonderer Wandsaulcnbasen und 
eines Tyinpanums, schon in ungewöhnlichem Grade dem Portal- 
typus zur Zeit des gothischen Baustyls, und bildet thatsächlich 
einen Ubergang zu demselben. Die Westfacade, welche ursprünglich 
wenigstens, bis zur Basis des Giebels ganz nackt und ohne Öffnungen 
gewesen zu sein scheint, vermögen wir nach dem, was sich von ihrem 
ursprünglichen Zustande noch erhalten hat, nur in Bezug auf den 
ehemaligen Wcstgiebel zu schildern, da der nachträglich vorgebaute 
Thurm die Beobachtung sehr erschwert. Dieser Giebel war durch die 
Anordnung von drei Kreisfenstern und einer grösseren viereckigen 
Öffnung, alle mit schlicht abgefassten Kanten eingefasst (jetzt 
sUmmtlich zugemauert), wenigstens nicht ganz ohne Belebung gelassen. 
Auch die beiden übrigen Giebel der Kirche hatten ursprünglich den 
einfach begrenzten Umriss. 

Das Dach des Schiffes hat noch gegenwärtig die massig steile Sattelform, welche es ursprüng- 
lich erhielt. Aus dem gegenwärtigen Gebälk desselben ergibt sich, dass das noch jetzt vorhandene 
Dach ursprünglich einen hölzernen Dachreiter von achteckiger Form über seiner Mitte getragen 
hat, der wohl bei der Erbauung des gegenwärtigen massiven Thunnes an der Westseite entfernt 
worden sein mag. Das Dach über dem verlängerten Chor ist augenscheinlich neueren Ursprungs, 
und zeichnet sich im Vergleich zu dem eben geschilderten Schiffdache durch die bedeutende Steil- 
heit seines Sattels auffallend aus. 





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Beiträge zvh Geschichte des Kirchenbaics i» Schlesien. 



63 



Wir gelungen nun zu dem Äusseren des umgebauten östlichen Theiles der Kirche, zu dem 
nach Osten verlängerten Chorraume. Dieser Umbau ist äusserlich noch auffallender als im 
Innern, einestheils weil liier die Mauern des ursprünglichen Chors mit denen des angebauten 
Theiles nicht in einer Flucht fortlaufen, sondern gegen diese letztere auf beiden Seiten um 
6 Zoll vorspringen ; anderntheüs weil der erste Blick überzeugt, dass zmn Bau des gegenwartigen 
Chorschlusses die Werkstücke des ursprünglichen Chorschlusses, und zwar von einer polygonalen 
romanischen Apsis verwendet worden sind. Schon oben wurde erwilhnt , dass die Nordseitc des 
neueren Choranbaues aus groben Bruchsteinen erbaut sei, während die Südwand gleich den übri- 
gen Theilen des ganzen Gebäudes aus behaltenen Quadern errichtet ist. Eben so ist auch der 
gegenwärtige Ostgiebel der Verlängerung aus unbehauenen Bruchsteinen aufgeführt Auf seiner 
Spitze erhebt sich noch dasselbe Steinkreuz, dns den Ostgiebel des ursprunglichen Chores geziert 
hatte. Der Chorschluss ist polygonal, durch drei Seiten von verschiedener Länge gebildet, indem 
nämlich die Ostwand aussen eine Länge von 11 Fuss 10 Zoll besitzt, während die beiden angren- 
zenden Wände eine Länge von 12 Fuss 3 Zoll haben. Alle drei schliessen sich ohne Ab- 
satz direct an die Nord- und Südwand des neueren Choranbaues an. Doch sind die drei Schluss- 
niauern etwa um 4 Fuss niedriger, und so ist auch dieser Chorschluss immer noch ein apsiden- 
artiger, obwohl von ganz abnormer Gestalt. An den vier Ecken desselben erheben sich 
Dreiviertelsäulen über besonderen, stark hervortretenden Basen und Sockeln, welche oben von 
Capitälcn und lisenenartigen Wandvorsprüngen gekrönt werden. In jedem Felde zwischen 
diesen Säulen befindet sich ein schlankes, flachbogig geschlossenes Fenster, jedoch mit Wand- 
gliedcrungcn des romanischen Styls. Uber den Fenstern läuft ein zierlicher Rundbogenfries 
rings um alle drei Seiten des Chorschlusses, darüber ein Zahnfries, und endlich dasselbe Huupt- 
gesims unter dem Dache, dessen wir schon oben erwähnten ; nur hier noch hie und da mit einem 
besonderen friesartigen Schmuckrelief von der Form des romanischen Schachbrett- und Uauten- 
Ornaments in unsymmetrischer Anordnung versehen. Aber auch dem ungeübten Auge fällt beim 
Anblick dieses Chorschlusses deutlich auf, dass die Werkstücke, aus welchen die Mauern über- 
haupt bestehen, besonders aber die, aus welchen jener Friesschmuck zusammengesetzt ist, 
fast durchgängig nicht zusammen passen, und mindestens unharmonisch, theilweise sogar 
vollkommen widersinnig zusammengestellt Bind. Aus einer sorgfältigeren Betrachtung dieses 
Gebäudetheiles ergibt sich bald jedem aufmerksamen Beobachter einestheils die Entstehung 
dir jetzigen Gestalt des Chorschlusses, andcrntheils wenigstens annähernd seine ursprüngliche 
Gestalt. Wie wir schon oben behauptet, zeigt das heutige Aussehen des östlichen Abschlusses 
unserer Kirche schon von vornherein, dass die Werkstücke, aus denen er besteht, von einer poly- 
gonalen romanischen Apsis herrühren, welche einst den ursprünglichen östlichen Abschluss der- 
selben bildete. Dass diese ursprüngliche Apsis aber gegen die Ostwand des Chores zurücktrat, 
ergibt sich zunächst mit völliger Gewissheit aus der augenfälligen Notwendigkeit, dass die 
genannten, wesentlich in ihrer ursprünglichen Stellung an dem jetzigen Chorschluss wieder ange- 
brachten Friesbänder nebst dem Uber ihnen befindlichen Hauptgesims und den lisenenartigen 
Vorsprängen, welche die Bekrönung der Ecksäulen bilden, schon anfangs beträchtlich über 
die Apsidenmauern hervorgeragt haben müssen. Nun ist aber an den beiden noch vollkommen 
erhaltenen Ostecken des Chores auch nicht die Spur einer Vermittelung dieser Hervorragung 
wahrzunehmen, die doch stattgefunden haben müsste, wenn der frühere Ansclduss der 
Apsis an den Chor dem gegenwärtigen entsprochen hätte. Sie wird daher, gleich anderen Apsi- 
den von romanischen Dorfkirchen in Schlesien, sich derartig an die Ostwand des Chores ange- 
schlossen haben, dass diese noch an jeder Ecke um vielleicht V/. bis 2 Fuss über die angrenzenden 
Apsidenthcile vorsprang. Der Maurer, welcher den Umbau machte, führte, wie die Beobachtung 



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r>4 



K. Dkeschf.r. 



der gegenwärtigen Grundmauern ergibt, augenscheinlich zuerst, nachdem er die Apsis nebst 
dem ursprünglichen Otttgiebel des Chorraums abgebrochen, im Anschluss an die aus demselben 
Material hergestellte nördliche und südliche Grundmauer der neuen Chorverlängerung, eine 
Grundmauer von groben Bruchsteinen auf, welche den neuen Anbau dreiseitig abschloss, und 
aus der er nur an den Ecken schmale Pfeiler vorspringen Hess , auf denen weiter oberhalb 
die Ecksäulen ruhen sollten. Über dieser Grundmauer errichtete er an der Südseite aus einem 
Theil der durch den Abbruch gewonnenen Quadersteine zunächst diejenige Wand, welche wir 
jetzt die Verlängerung der Sudwand des ursprünglichen Chores bilden sehen. Zu der Errichtung 
der drei Wände des östlichen Abschlusses benutzte er dann vollends den grössten Theil der 
noch übrigen Werkstücke, die natürlich nicht auch noch zur Errichtung der nördlichen Wand 
des neuen Anbaues ausreichten, welche darum von Bruchsteinen aufgeführt und abgeputzt 
wurde. Kür die drei Schlusswünde benützte er auch Werkstücke zu den Wandungen von drei 
der ursprünglichen Apsidenfenstern (vielleicht waren überhaupt nur drei vorhanden gewesen), 
stellte sie aber um einen Fuss weiter aus einander, als sie sich früher befunden hatten. 
Dadurch gewann er zwar an Licht für den Innenraum und ersparte erheblich an dem vorhandenen 
Material; er war aber dadurch auch verhindert, die ursprünglichen Schlusssteine der Fenster- 
öffnungen wieder zu benutzen. So entstand der ungeschickte Abschluss der neuen Fensteröffnun- 
gen durch gedrückte Flachbögen, gleich den beiden grösseren Fensteröffnungen in der Nord- und 
Südwand der Chorverlüngerung. Die Friesbänder, das Hauptgesims und die Ecksäulen der 
ursprünglichen Apsis wurden augenscheinlich wieder an entsprechenden Stellen verwendet Da 
sie aber über Wänden angebracht wurden, welche vor der Nord- und Südwand des angrenzenden 
neuen Choranbaues nicht zurücktreten, so kam es, dass seitdem diejenigen Säulen und Säulen- 
eapitäle, welche nebst ihren Bekrönungen an die eben genannten Wände angrenzen, weit über 
dieselben hervortreten. Unglücklicherweise aber wählte man für diese Stellen gerade die- 
jenigen EcksHulen und zugehörigen Bekrönungen, welche sich ursprünglich in derselben Stel- 
lung an die Ostwand des Chors angelehnt hatten, und daher natürlich an ihren nach Westen 
gerichteten Flächen nur roh bearbeitet waren. Gerade diese Stücke aber harmoniren alle durch- 
aus nicht mit den angrenzenden Friestheilen, sondern bilden vielmehr mit demselben einen 
stumpfen Winkel und halten deutlich dieselbe Richtung inne, wie die angrenzende Nord- und 
Südseite der Chorverlängerung. Daraus ergibt sich, dass diese Stücke Apsidenwänden angehörten, 
welche in eben derselben Richtung fortliefen; es ergibt sich aber auch ferner, dass die ursprüng- 
liche Form der Apsis von mehr als drei und zwar wenigstens von fünf Seiten gebildet worden sein 
muss. Da wir ausserdem alle übrigen Werkstücke wenigstens in ihrem Gefüge im Allgemeinen 
harmoniren sehen , so gewinnt, es in der That den Anschein, als ob diejenigen Wände, welche jetzt 
den dreiseitigen Chorschluss bilden, auch unter denselben Winkeln an den Ecken zusammensticssen. 

An jeder Wand ist ein Rundbogenfries mit je 7 Rundbögen, im Ganzen also 21 Rund- 
bögen. Ein einzelner Rundbogen aber von völlig übereinstimmender Form und Grösse, gegen- 
wärtig an der Südostecke des neueren Choranbaues, dicht unter dem Dach eingemauert, gehörte 
offenbar ursprünglich auch zu demselben Friese. Da wir fünf Apsidenseiten annehmen müssen, 
so werden wir wohl kaum irre gehen, wenn wir jeder derselben einen Bogenfries von fünf 
Bögen zutheilen und die Werkstücke mit den drei jetzt fehlenden Bögen als anderswo ver- 
mauert annehmen. Auch von dem über dem Bogenfriese angebrachten Zahnfriese finden wir 
Stücke, die offenbar bei dem Umbau übrig geblieben sind, als Ergänzung für das Uber ihm liegende 
Dachgesims benützt. Eine von gleicher Nachlässigkeit und Rohheit zeugende Ergänzung finden 
wir an der Basis der südlichsten Ecksäule, indem für dieselbe ein Bruchstück des schon 
erwähnten Sockels benützt ist, der ursprünglich in gleicher Höhe, wie der um Schiff und Chor 



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Beiträge zir Geschichte des Kikchenbaies in Schlesien. 



65 




Fig. <>. 



noch jetzt herumlaufende Wandsockel, auch um die Apsis geführt war. Dieser Sockel lief ur- 
Bprünglich in analoger Weise, wie an dem llauptportale der Kirche, zugleich auch als Basis um 
den Fuss der Ecksaulen herum, ist aber an diesen Stellen regelmässig durch 
zwei Eckblatter oder Eckknollen ausgezeichnet (Fig. 9). Überhaupt sind unter 
dreien von den Ecksiiulen die Werkstücke von den ursprünglichen Sockeln von 
neuem angebracht worden und nur durch Einsatzstücke und ein Mauerwerk 
von Bruchsteinen nach unten stark verlängert, wie überhaupt der ganze 
gegenwärtige Chorschluss um mehr als 3 Fuss im Vergleich zu der, aus 
den Überresten leicht zu berechnenden Höhe der ursprünglichen Apsis 
erhöht ist. 

Vor der Westfacade der Kirche erhebt sich jetzt ein aus Bruch- 
steinen erbauter und darum abgeputzter viereckiger Thurm von etwa 
150 Fuss Höhe mit einem höchst unglücklichen Übergange ins Achteck, *£| 
und einem Spitzdach versehen, da» an Plumpheit und Hohheit der Ausfüh- ~ 
rang seinesgleichen sucht. Die Details, reprätsentirt durch steinerne Thür- >^ 
und Fensterwandungen, deren Gliederung aus sich kreuzenden Rundstilben 
und Hohlkehlen besteht, so wie durch weite und hohe Spitzbogenfenster in 
dem obersten Stockwerke, welche einige Variationen von spHtgothischem Fischblasenmasswerk 
enthalten, verweisen die Erbauungszeit etwa in die ersten Jahrzeliente des XVI. Jahrhunderts. 
Der ungeschlachte Thurmhelm, so wie der achteckige kurze Aufsatz rühren höchst wahrscheinlich 
von Kaspar von Warnsdorf her. Diese Vermuthung wird bestärkt durch die Inschrift einer 
Glocke auf diesem Thurme, welche berichtet, dass Kaspar von Warnsdorf 
und seine Gattin im Jahre 1607 dieselbe gestiftet haben 1 ; ausserdem aber 
auch durch die verbürgte Nachricht, dass Kaspar von Warnsdorf im Jahre 
1598 eine Denkschrift in den Thurmknopf niedergelegt hat, deren Inhalt 
leider verloren gegangen ist*. 

Die Fenster, welche sich nach der Analogie der Chorfensters so- 
wohl , als auch nach Fensteröffnungen an anderen romanischen Dorf- 
kirchen in Schlesien jedenfalls bis zur Mitte der Mauerdicke zu einer 
Weite von nur.l Fuss verengt haben und, nach der Beschaffenheit 
ilu*er erhaltenen! Wandungen zu schliessen, wohl an den äussersten 
Kiiudeni ihrer Innenseite eine Weite von 3 Fuss, an der Aussenseite 
dagegen eine von 4 Fuss bei einer Höhe von etwa 8 Fuss beses- 
sen haben werden (jetzt sind sie in ilirer stärksten Verengung 
2 Fuss weit und an den AussenrHndern 8 Fuss hoch), sind an ihren 
Wandungen auch reicher gegliedert als die übrigen Fensteröffnungen der 
Kirche. Die Gliederung ist bei allen dreien verschieden und besteht, 
wie die nebenstehenden Zeichnungen es angeben (Fig. 10 und 11), wesent- Flg. io. Fig. IL 
lieh aus einem Wechsel von rechtwinklichen Eckglicdern in Verbindung mit Hohlkehlen, 
Rundstäben und schrägen glatten Flächen bis zur Mitte der Mauer. Diese wird durch einen 
schmalen glatten Streifen von 3 Zoll Breite bezeichnet, worauf die dem Kircheninneren 
zugewendeten Theile der Wandungen beginnen, welche ohne jegliche Gliederung einfach 
divergirend gebildet sind. In dieser Wandgliederung zeigt sich eine unverkennbare Ver- 
wandtschaft mit derjenigen, welcher wir an den Fensteröffnungen der nicht minder schmuck - 




• Frobötfc p. Hl, — » Der Guss dieser zierlichen Glocke geschah, laut derselben Inschrift, zu Görlitz durch .Meister 



.Marti» 



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K. DhKSCHEB. 



reichen Apsis der Kirche in dem nahen Röversdorf bei Schönau begegnen. Bei zweien unter 
den erhaltenen drei Apsidenfenstern reichen die Rundstäbe und Hohlkehlen, in analoger Weise 
wie an dein Chorfenster, säinmtlich unvermittelt bis zur Fensterbasis herab, bei dem dritten 
jedoch findet am äussersteu Rande eine eigentümliche Vermittlung der Basis statt. 

Der Rundbogenfries (Tal'. III , Fig. b) (Iber den Fenstern besitzt ein für diese Art der 
Anwendung höchst seltenes Profil, das dem der umgekehrten attischen Basis sein- nahe kommt und 
nur aus zwei Rundungen mit dazwischen liegender Hohlkehle besteht. Kr tritt ohne besondere 
Vermittelung direct aus den Mauern hervor. Höchst bemerkenswerth ißt an diesem Bogenfriese, 
dass die von den einzelnen Bogen umschlossenen Felder grüsstentheils mit figürlichen Darstellun- 
gen belebt sind. Wir sehen unter diesen eine Figur, die wie ein Rad aussieht, wolü aber das 
decorativ behandelte Monogramm Christi mit einem ringförmigen Rahmen darstellen soll ferner 
die Darstellungen eines springenden Pferdes mit fliegender Mähne, eines Büren, eines Fisches, 
rtines Hasen, eines Rindskopfes, eines Kindes oder vielmehr einer menschlichen rohen Figur 
mit unförmlich grossem Kopfe, einer Kugel, eines Kreuzes mit gleich langen Armen und endlich 
einer Figur, die man für die so häufige heraldische Lilie des Mittelalters halten würde, 
wenn sie nicht deutlich die Form einer Helebardeu spitze hatte. Wir werden kaum 
irren, wenn wir annehmen, dass allen diesen Figuren ein christlich symbolischer Sinn 
zu Grunde liegt; wir halten jedoch unsere Ansicht über dieselben zurück, da sie 
uns in dieser Anwendung bisher nicht bekannt waren. 

Der Rundbogenfries wird nach oben von einem Zahnfries mit einem darüber 
fortlaufenden Wulste bekrönt, über welchem dann ein glatter Streifen von 9 Zoll 
Höhe und endlich, als Abschluss nach oben, das Hauptgesims unter dem Dache folgt. 
Beide laufen um die lisenenartigen BekrÖnungen der Ecksäulencapitäle herum. Das 
Hauptgesims hat, wie schon oben erwilhnt, zwar dasselbe Profil und dieselbe Höhe, 
wie dasjenige, welches unter dem Dache des Chors und Schiffes fortläUift, ist aber hier 
an der Apsis noch mit einzelnen Streifen eines besondern Schmuckes verbunden, welcher 
Ki£. 12. a i 8 cm starker runder Wulst in ursprünglich wohl gleichmässigcn Zwischenräumen, 
aus der Hohlkehle des Gesimses vortritt und auf der Oberfläche abwechselnd mit dem 
romanischen Rauten- und Schachbrctornament bedeckt ist. Das Gesims selbst besteht, abgesehen 
von dem nur stellenweise angewendeten Schmuck, aus einem Wulst und einer grossen flachen 
Hohlkehle (Fig. 12). Die vier Capitata über den Ecksäulen an der Apsis entsprechen in ilirer 
Höhe von 1 Fuss rheinl. der Höhe des Rundbogenfrieses, den sie an den Ecken des Gebäudes 
gewissermassen ersetzen. Sie haben sämmtlich die kelchförmige Gestalt, welche in der letzten 
Periode des spätromanischen Styls allgemein für Capitäle angewendet wurde. Das erste von ihnen, 
an der südlichen Ecke der Apsis, zeigt eine Bekleidung von stylisirten, nicht aus dem 
Pflanzenreiche entnommenen Blättern, zwischen denen einige Weintrauben hervorblicken. Das 
Blattwerk ist aber so unharmonisch und willkürlich angeordnet, dass das ganze Capitäl den Ein- 
druck m:icht, als habe sich ein Stümper in dei Bildimg von phantastischen Blattformcn ver- 
sucht. Das nächstfolgende Capitäl gehört zu der Gattung der Knospencapitäle, welche vorzugs- 
weise die Periode des spätromanischen Styls in Deutscldand charaktcrisiren; ist aber ebenfalls in 
äusserst wenig entsprechender Weise ausgeführt. Das hierauf folgende Capitäl an der Kordostecke 
der Apsis (Fig. 13) zeigt eine grössere Belebung der Oberfläche. Zwischen den Blättern laufen in 
der Mitte an jeder von den drei freien Seiten zwei Facettenschnüre hinauf, die sich weiter oben 
kreuzen und um je eine Blattgruppc herumlegen, welche mit der von ihr eingerahmten Maske an 



Vergleiche: De Uumont , Abc«d«lre, ou rudiment <!' Arehculogie (Architectnro rvlijficuei- . pa^. Ol. 



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Hritiiäge zm GEscnicnTE dks Kibchesbaies in Schlesien. 



67 



die modemc Darstellung eines von zwei Flügeln cingefassten Engelsköpfchens erinnern. Besser 
pelnnpen ist schon das Capitill an der Nordecke der Apsis, welches (Fig. 14) zwar auch styli- 
sirtes Blattwerk, aber wenigstens in etwas ansprechender Gruppirung aufweist. Die Wülste, welche 
diese vier Capitale mit den Säulenschätften verbinden, haben vollkommen abgerundete Umrisse 
und sind als unmittelbare Fortsetzungen deB unteren Wulstes an dem Profil des Rundbogenfrieses 
anzusehen. 




Fi*. 13. Fig. I I. Fig. 15. Fl*. 16. 



Mit weit grösserer Sorgfalt und besserem Geschmack sind dagegen die Capitäle Uber 
den EeksHulen im Innern des Chors gebildet. Sie Hessen noch die Spuren einer grünen Bema- 
lung auf ziegelrothem Grunde erkennen, als man sie von der weissen Tünche befreite, die sie 
zuletzt bedeckte. Bire Dimensionen sind etwas grösser als die der äusseren Capitäle, denn sie 
besitzen eine Höhe von 14 Zoll rheinl. Ihre Gestalt ist wieder die kclchförmige ; eben so haben 
auch hier die Wülste zwischen Capitill und Schaft einen abgerundeten Umriss. 

Dass sie mit den äusseren Capitülen gleichzeitig sind und von demselben Meister herrühren, 
ergibt sich mit Evidenz aus der völligen Übereinstimmung, die sich in der eigentümlichen Auswahl 
von BlHttergruppirungen zwischen beiden offenbart, wenn man die vorigen Capitale an der 
AuBsenseite mit dem Capital an der Südostecke des Chorraums (Fig. 15) vergleicht. Dieses 
zeigt einen eigenthümlichen Wechsel von stylisirtem romanischen Blattwerk mit solchem, wel- 
ches deutlich dem von einheimischen Wasserpflanzen nachgebildet ist. Die Blatter des ersteren 
sind zu zweien gruppirt und erscheinen wie durch Bilnder zusammen gehalten. Das Ganze 
wird unterhalb von einem breiten Gürtel gleichsam zusammengefasst, der nach Art einer, aus 
beweglichen Gliedern zusammengesetzten Kette behandelt ist 

Das Capitsil an der Nordostecke des Chors (Fig. 16) zeigt eine gleichartige Bekleidung mit 
eigentümlich gestalteten Blattern von charakteristisch spatromanischer Form ', über denen phan- 
tastische Thiergestalten sichtbar werden , deren Technik einer sehr untergeordneten Kunststufe 
angehört. 

Bemerkenswerth ist aber, dass wir unter diesen Thiergcstalten wiederum, wie aussen unter 
dem Bogenfries der Apsis, den Darstellungen eines Fisches und springender Pferde begegnen. 

I >ns nun folgende CapitMl in der Nordwestecke des Chors (Fig. 1 7) zeigt eine gleichförmige 
Bekleidung mit Blattern in durchaus unkünstlerischer Gruppirung, welche, wie es scheint, 
WeinblHttcr sein sollen, da wir ähnliche an der romanischen Kirche zu Puschkau in Gesellschaft 

i Man findet eben dieselbe BUttform an einem t'.pittl in der Sehto««c*pelle in Freibnrg- an der ün»trut- 



68 



K. Drescher. 




Fig. 17. 



Fig. 18. 



von Weintrauben wiederfinden. Das noch übrig bleibende Capital in der Südwestcckc des Chors 
besitzt unter allen die eigentümlichste Gestalt (Fig. 18). Der Künstler gab ihm eine von den 

übrigen wesentlich abweichende Form , und wandte Iiier 
merkwürdigerweise eine dem antiken Akanthusblatt 
ähnliche Blattform an, jedoch in ungefüger Gruppirung 
mit noch zahlreichen anderen Blattformen aus der ein- 
heimischen Flora, denen an der Vorderseite ausserdem 
die Gestalt einer Helebardenspitze hinzugefügt ist, welche 
aber in der hier gewählten Weise wohl wiederum nur 
eine modificirte Form des ältesten Monogrammes Christi 
vorstellen soll. 

So sehr auch alle diese plastischen Gebilde den 
allgemeinen Charakter ihrer Entstehungszeit in deut- 
lichster Ausprägung offenbaren, bleibt ihnen dennoch 
so viel Eigentümliches, dass Niemand läugnen kann, 
dass wir hier keine blossen Copien irgend einer all- 
gemein gebräuchlichen plastischen Schmuckfurm derselben Stylgattung vor uns haben. 

Eben so wenig liisst die Wahl der angewendeten Formen die Behauptung zu, dass sich 
darin eine offenbare Verwandtschaft mit den entsprechenden Architect Urformen in irgend einem 
andern deutschen Lande ausspräche. Im Gegentheil scheint es, als seien alle die vorgeführten 
Bildungen durchaus originelle selbststümlige Äusserungen eines im Geist seiner Zeit schaffenden 
Bildners, der auch in seiner schwächsten Leistung, nämlich bei den figürlichen Darstellungen, 
zeigte, dass er die von der Natur gebotenen Vorbilder doch im Ganzen richtig verstand 
und wiederzugeben bemüht war. 

Die polygonal geformte Gestalt der Apsis, so wie sammtliche Details des KirchengebBudes 
beweisen, abgesehen von den geschichtlichen Daten, dass dasselbe ein Bau des spatromanischen 
Styles ist. Sein Grundriss ist, wenn man von dem Fehlen des Thurmes an der Westfacade absieht, 
typisch für die romanischen Dorfkirchen wohl fast in ganz Deutschland. Auch abgesehen vom 
Grundriss, besitzt diese Kirche viel Ähnlichkeit mit der zierlichen, aber im Allgemeinen einfacher 
behandelten Dorfkirche zu Steinbach an der Unstrut', weniger mit der schnmekreichen Kirche zu 
Schöngrabern *. 

Was den Charakter ihrer Chorwölbung anlangt, so ist schon oben naher angegeben worden, 
welche spatromanischen Kirchen in Schlesien und welche ausserhalb Schlesiens denselben Cha- 
rakter zeigen. Dieselbe Aufeinanderfolge von Friesen und Gesimsen, nur mit einem weit grösseren 
Kcichthum in den Details, finden wir wieder an den Apsiden der prachtvollen spatromanischen 
Kirche zu St. Jak in Ungarn 3 , und ausserdem noch an einer Reihe von ahnlichen Baudenkmalern 
in Ungarn, Niederösterreich und Steiermark. Unter den schlesischen romanischen Kirchen steht 
sie in Bezug auf diesen Schmuck, wie es bis jetzt scheint, ganz vereinzelt da. Was die Form des 
Sockels und der Deckplatten Uber den Capitülen anlangt, so ist auch diese eine der gewöhnlich- 
sten bei spatromanischen Bauten, und wir führen von zahlreichen Beispielen nur an, dass ausser in 
den schlesischen Kirchen zu Neukirch, Goldberg und Puschkau bei Schweidnitz, fast genau dieselbe 
Gestalt des Sockels und der Deckplatte sich in der Franciaeanerkirche zu Salzburg, der Abtei- 
kirche zu St. Paul im Lavantthale in Kürnthen, dem Dome zu Naumburg, der Kirche zu Kloster 
Mannsfeld, in dem romanischen Theil der St. Sebaldkirche zu Nürnberg und wohl noch vielen 



SchJ'ui 



' Put trieb. Denkmäler der Baukunst. II. 2, pag. 27, Tab. 17. — * U. Hei der. Die romanische Kirche zu 
grabern in Niederüaterreicb. Wien 1855. — »Siehe Eitel berger von Edelberg. Die romanisch.; Kirche zu St. Jak in l'ngani. 



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Beiträge zun Geschichte oes Kikchenbaum m Schlesien*. 



IUI 



andern von gleichem Alter in Deutschland wiederfinden. Von mehreren dieser Kirchen, z. B. von 
der zu Tiachnowic, der Frauciscanerkirche zu Salzburg und dem Dom zu Naumburg a. d. S. ist 
historisch erwiesen, dass sie in den ersten Jahrzehnten des XHI. Jahrhundert« erbaut wurden. 
Da wir nun oben schon von grösseren spUtromanischen Kirchen in Schlesien nachgewiesen 
haben, dass ihre Erbauung keineswegs spilter erfolgt ist, als zu der Zeit, in welcher in ganz 
Dcutsclüand der spütromanische Styl herrschend war, so glauben wir, das auch mit demselben 
Rechte von den kleineren einschiffigen Kirchen voraussetzen zu dürfen, und zwar um so mehr, als 
diese Voraussetzung, durch zahlreiche Analogien bestätigt wird. Wir wagen daher die Behauptung, 
dass im Jahre 1233, in welchem wir das Vorhandensein des Dorfes Giessmannsdorf zum ersten 
Male historisch nachgewiesen erhalten, auch die Kirche dieses Ortes entweder schon existirt hat, 
oder doch nicht lange darauf erbaut worden ist 1 . Dass man diese Dorfkirche mit so vorzüglichen 
architektonischem Schmuck versehen, dazu dürfte sich wohl die Erklärung in der unmittelbaren 
Nachbarschaft des uralten herzoglichen Schlosses finden lassen, in welchem sich Herzog Heinrich I. 
während des XHI. Jahrhunderts oftmals aufgehalten haben mag, als dasselbe noch zu den ansehn- 
licheren Landesvesten geborte. Ja es ist sogar mehr als möglich, dass Schlesiens Landespatronin, 
die heilige Fürstin Hedwig das Meiste dazu beigetragen hat, dass dieser Bau so prächtig ausge- 
führt wurde ; erfahren wir doch, dass sie sich ihr Lebelang vorzugsweise gern in der Gegend von 
Goldberg und Lüwenberg aufhielt, in der auch unsere Kirche liegt*. Somit wäre dieselbe 
ursprünglich als eine fürstliche Schlosscapelle anzusehen , was an Wahrscheinlichkeit gewinnt, 
wenn wir uns die Lage der herzoglichen Burgcapelle zu Lähn, bekanntlich der Lieblingssitz 
der frommen Fürstin, vergegenwärtigen, welche auch ausserhalb der Mauern der Burg, aber 
etwa eben so dicht neben derselben errichtet ist, wie unsere Küche hier neben der Burg zu 
Giessmannsdorf 

Die älteste historische Erwähnung einer Kirche zu Giessmannsdorf datirt erst vom Jahre 
1310, in welchem ihre Existenz aus zwei Originalurkunden des Magdalenerinnen-Klosters zu 
Naumburg am Queis ersichtlich wird *, da in demselben beide Male der Pfarrer (plebanus) von Gos- 
winsdorff (so in der einen, Gozwini villa in der andern) Namens Arnold als Zeuge angeführt wird. 

1 Ihre ExUtez vor dorn Beginn des XIII. Jahrhundert« anzunehmen, wagen wir nicht, weil das Bestehen des Ortes mid 
selbst der herzuglichen Hurg vor dieser Zeit allzu fraglich ist — * Vergl. Vita s. lledwigis in S t e n i e 1. ar r. r. S. II, pajr. I — 1 2(1. - 
' Originalurkunden im prov. Archiv zu BreaUiu. Magdsl. Naumburg am Queis, Nr. 27 nnd 28- 



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Jakob Seiseneggcr, 

Kaiser Ferdinand I. Hofmaler. 
1531 —1567. 

Eine Studie zur österreichischen Kunstgeschichte aus bisher unbenutzten Quellen. 

V'OK EkNST IllKK. 

Die Kunstgeschichte bedarf zu ihrem Gedeihen vor Allem einer sicheren urkundlichen Grund- 
lage. Di*-' Wahrheit dieses Satze« hat in unseren Tagen allgemeine Anerkennung gefunden. Die 
BeischarTung des unentbehrlichen Materials, das noch reichlich vorhanden, bietet jedoch bo cigen- 
thümliche Schwierigkeiten, das» bisher nur Wenige diesem Zweige historischer Forschung »ich zuge- 
wendet haben. Es ist dies auch leicht erklärlich. Archive sind ein spröder Schacht „den nicht 
erwählt ein Scherz u , um des Dichters Worte zu gebrauchen. Treten wir einmal in die ehrwürdigen 
Räume eines reichen Archive». Lange Bändereihen alter (JopialbÜcher und Hechnungen, dann zahl- 
lose. Aetenhündel starren uns von den Wänden herab ai\. Welche Zeit und Muhe erfordert es , die 
vergilbten Überbleibsel nur eines Jahrhunderts auch nur in einem einzigen grösseren Archive zu 
durchforschen, und wie gering ist nicht selten die Ausbeute für unseren speciellen Zweck. Dennoch 
nniBS das allein verlässliche handschriftliche Material erschöpfend aufgesammelt werden, ohne 
Rücksicht auf den dazu erforderlichen Aufwand von Kraft und Zeit. Erst nach Vollendung dieser 
wenig dankbaren Arbeit wird die Kunstgeschichte eine unverrückbare chronologische Grundlage 
haben und reiches Materiale finden ihre Aunalen mit den Namen manches verschollenen Meisters 
zu bereichern, dessen noch vorhandene Werke unter fremden, aber berühmteren Namen gehen. 
Neuen Aufschwung und eine früher ungeahnte Sicherheit bei Bestimmung der Meisternamen wird 
ferner die Kunstgeschichte der glänzendsten Erfinduugder Neuzeit, der Photographie, zu verdanken 
haben, sobald sie umfassend auf Gemälde wie Handzeichnungen Anwendung findet. Nur auf diesem 
Weife wird es möglich die auf weite Entfernungen zerstreuten Kunstwerke zu unmittelbarem Ver- 
gleiche neben einander zu haben, und überraschenden Ergebnissen lässt sich mit Sicherheit ent- 
gegen sehen. 

Besondere Anwendung findet das eben Gesagte auf die Kunstgeschichte der öster- 
reichischen Lande. Für Aufsuchung von Quellenmaterial in den reichen Archiven des Kaixcr- 
staates ist bisher noch wenig geschehen. J. Kv. Schlager'» „Materialien zur österreichischen 
Kunstgeschichte" im Archiv für Kunde österreichischer Geschichtsquellen (Wien 1850, Bd. »i 
("»Ol ff.) sind sehr lückenhaft und wenig verlässlich. Ausserdem ist nur hie und da Vereinzelte» 



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Jakob Seisbnbooeh. 



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zu Tage gefördert worden. Leider steht für die Kunstgeschichte Österreichs in früheren Jahrhun- 
derten aus Archiven nur wenig Ausbeute zu hoffen. Vereinzelte Notizen dürften da» spärliche Er- 
gebnis» der sorgfältigsten Nachforschung sein. Erst vom XVI. Jahrhunderte an fliessen die 
Quellen ergiebiger und manche unerwartete Ausbeute ist noch aus der Spreu zahlloser Actenstücke 
zu heben. Dies an einem einzelnen Falle nachzuweisen ist der Zweck dieser Zeilen. 

Zu den hervorragendsten Künstlern am Hofe Kaiser Ferdinand I. gehört ohne Zweifel 
dessen Hofmaler Jakob Seisenegger. Das Gediegenste, was bisher Uber dessen Leben bekaimt 
geworden, hat der um vaterländische Geschichte hochverdiente Dircctor des k. k. Münz- und 
Antikcn-Cabinetes, Joseph Bergmann, im Jahre 1818 in den Wiener Jahrbüchern der Literatur, 
Band CXXI1, Auzeigeblatt Seite 1 — 6 veröffentlicht. Weder Schlager a. a. O. (Archiv, Band V, 
Seite 75ü — 757) noch Nagler (Künstlerlexikon, Band XXH, Seite 268 — 269) waren in der Lage 
Neues hinzuzufügen. Im kaiserlichen Finanzministerialarchiv aufgefundene Documente machten 
es nunmehr möglich, eine genauere Darstellung der Lebensverhältnisse dieses Mannes wie des Zeit- 
raumes seiner künstlerischen Wirksamkeit zu entwerfen , auch ein Verzeichnis» von Werken des- 
selben den Kunstfreunden zu weiterer Nachforschung zu bieten. Leider bleiben manche Lücken, 
deren Ausfüllung aus den hierortigen Archiven nicht zu ermöglichen war. 

In welchem Jahre und wo Jakob Seisenegger das Licht der Welt erblickte , ist unbekannt. 
Er selbst erwähnt in späteren Jahren nur, daas er in den österreichischen Erblanden, die dem 
damaligen Infanten Ferdinand in der Theilung mit seinem Bruder Kaiser Karl zugefallen, geboren 
und erzogen worden, und dcsshalb alle Anträge fremder Fürsten ihn in ilirc Dienste zu nehmen 
abgelehnt habe „in ansehung, das ich vnder eur khüniglichen maiestat geporn vnd erezogeu". 
(Supplik desselben an K. Ferdinand vom Jahre 1553.) Unter welchem Meister er seine Kunst, die 
damals und noch lange nachher als Handwerk galt , erlernt und welche Arbeiten er bereits voll- 
endet, ehe es ihm gelang eine bleibende Stellung am Hofe zu erreichen, hierüber finden sich keine 
näheren Nachweisungen. Der Lebenslauf unseres Kunstlers lässt sich Uberhaupt erst vom Jalire 
1530 an mit ziemlicher Sicherheit verfolgen. 

In diesem Jahre zog Meister Jakob auf den denkwürdigen Reichstag nach Augsburg, den 
Kaiser Karl V. am 15. Juni 1530 eröffnete und erst am 22. November desselben Jahres schloss. Es 
war gewöhnlich, dass Reichstage von Künstlern besucht wurden, da bei dem Zusammenströmen so 
vieler prachtliebender geistlicher wie weltlicher Fürsten und Edlen des deutschen Reiches manche 
Gelegenheit sieh darbot Aufträge zu erhalten. Auch Seisenegger täuschte sich nicht in seiner 
Erwartung. Ausser Kaiser Karl ertheilte dessen Bruder der Infant Ferdinand , der mit seiner Ge- 
mahlin und seinen Kindern anwesend war, dem Meister Jakob verschiedene Aufträge, unter andern 
den, ein Bildniss seines kaiserlichen Bruders in ganzer Figur zu malen. Wie sehr sich Seisenegger 
durch seine Leistungen «He Gunst seines kunstliebendcn Gönners erworben, geht wohl daraus 
hervor, dass Ferdinand, der am 5. Januar 1531 zum römischen Könige erwühlt worden, ihn vom 
1. Januar dieses Jahres an zu seinem Hofmaler aufnahm und jährlich sechzig Gulden rhein. 
llofbesoldung zu erfolgen befald. Fortan war Seisenegger verpflichtet, dem häufig wechselnden 
Hof lager seines Herren zu folgen und dessen Aufträge auszuführen. Die Zahlung für gelieferte 
Arbeiten blieb späterer Schätzung und Vereinbarung vorbehalten. 

Unter diesen Verhältnissen überreichte Seisenegger im Juli 1535 ein erneuertes Gesuch um 
Zahlung des Rückstandes an der wohlverdienten Summe von 629 Gulden rhein. für die seit dem 
Jahre 1530 gelieferten Arbeiten, nachdem zwei frühere (nicht mehr vorhandene) Bittschrillen 
erfolglos geblieben waren. Da diese bisher unbekannte Supplik sowohl Uber den Vorgang der 
Schätzung seiner Arbeiten , als auch auf des Meistere Sorgfalt bei Ausführung seiner Gemälde 
einiges Licht wirft, so dürfte sie wohl hier eine Stelle verdienen. Sic lautet wörtlich: 



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Kkkst Birk. 



^Allerdurchleuchtigistcr, grosmcchtigister könig. allergcnedijj ister Litt, cur kö. mt. gib ich 
gancz vnterthenigist zuuernemeii, miclidem vnd ich e. kö. mt. ain zeit her in der khunst der nialle- 
rt-y mit meinem bessten vleiss gedient vnd etlicli arbait eur mt. gemacht vnd verfertigt, doran ich 
bis in die sechshundert vnd newnvndczwainczig gülden reinisch wol verdient, wie ich dann daran 
ain» tails empfanngen. Aber von wegen des resst, ho mir aussen stect, bin ich auf mein ansuchen 
durch den herrn giafNiclasen von Salm, auch durch den herrn Wilhalm von Rogen dorf e. nit. 
hotmiaistcr angestrengt ain nachlassung zu thuen, alsdann soll ich beczalh werden, weliehs ich tu 
zwayen malin gethan vnd jeezunder abermals vber mein vermögen (des ich doch in warhait nit 
stathafYt) noch aüi merers thue, das ich also bis in di funfl'czigkh gülden reinisch nachgelassen. 
Damit aber e. kö. mt. vnd meniclich sech, das ich je nit zuvil, sonnder auf das wenig-ist, so ich 
doch 011 sonndern meynen mercklichen schaden tliun mag, beger, dadurch ich der grossen notrurfft 
nach beczallung vberkhomen möcht, bin ich geursacht alle possten nach lengs vnd doch mit dem 
khurezisten anezuezaigen, darinnen zu bedencken, was ich dem geglanczten gold von färben 
gleich sol herfur bringen, der geleichen seyden, samat, atlaa, perl vnd edlgestain, wie lang vnd 
schwer ich doran succhen vnd die färben miischen muess, ehe vnd ich dem gleich khomb; wil 
des grossen vleiss der liniamenten geschweige?) , doran auch vil gelegen, darezu auch was souü 
inanicherlay an aynem pild zu machen vnd herfur zu bringen ist, weliche ir vil sehen, aber aolicher 
ding nit acht haben, noch derselben halben tail warnemen vnd so ich in rayttung dieselben possten 
mit khurcz angeezaigt, ist der khains bedacht, sonnder in vergessen khomen, der vrsach ahnall 
mein vordrung zuuil gesehen gewesen ist. Bit demnach eur kö. mt. welle aus genaden dise mein 
raittung vnd anezaigen sambt meiner nachlassung verlesen vnd bewegen lassen mir dorauf gene- 
digiste beczallung des ausstenden resst verschallen vnd genedigist bedenckhen die tewrn jar und 
zeit her mit meinem weib vnd khindern hin vnd wider raysens, desgleichen di herbergen, so 
schwerlich zu beckhomen vnd grossy zins daruon geben muess, auch wo ich zu erhalltung meiner 
hawiifrawn, kind vnd mein selb», auch die schulden, so ich von e. mt. wegen noch an der arbait 
schuldig, diselben zu beczallen so gar gröslich nit notdurfftig, woldt icli eur mt. diser zeit nit also 
anlangen. Hit abermals c. kö. mt. welle in ansehung meiner annuet vnd notturfft auch mit genaden 
bedenckhen vnd gedachten resst mir forderlich zu geben genedigist verschaffen, das wil ich vmb 
e. kö. mt. als meinem allergenedigisten herrn in aller gehorsam vnterthenigist verdiennen , thiic 
mich damit c. kö. mt. beuclhen. 

E. kö. mt. vnterthenigister Jacob Seyseneckher hoffmaller*. 

Von besonderem Werthe ftlr die Kunstgeschichte ist aber das obiger Supplik beiliegende Ver- 
zeiehniss aller jener Arbeiten, die Seisenegger in den Jahren 1530 bis 1535 für seinen Herren, deu 
römischen König Ferdinand vollendete, nebst beigefügter Preisangabe jedes einzelnen Stückes. 
Ks hat sich darin die genaue Beschreibung von vierundzwanzig Gemäiden erhalten, die in diesem 
Zeiträume aus seiner Hand hervorgingen. Höchst selten nur dürfte es gelingen, aus so früher Zeit 
eine gleich eingehende, dctaillirte Schilderung aufzufinden. Sie setzt uns in den Stand, die meisten 
Bilder, besonders grössere, wenn sie noch irgendwo vorkommen sollten, mit Sicherheit zu erkennen 
und ihrem Urheber zuzutheilen. Zu diesem Behufe folgt das Verzeichniss der Arbeiten hier in 
vollständigem Abdruck mit Beifügung der Zeitbestimmung ilurer Anfertigung, soweit dies erreich- 
bar, und der nöthigen historischen Nachweisungen. 

r Vermcrckt mein Jacoben Seyseneckher Römisch könniglicher maiestat etc. hofmaller arbait 
so ich seiner maiestat gemacht, vnd die aus vrsach nach lengs anezaig, wie hernach : 

r 1. Item zu end des reichstag zu Augspurg hat mir di kö. mt. (K. Ferdinand) mein genedigi- 
ster herr zwo lang tafl, darinen zway perspectifische angesicht nach stetlicher ausczielmng sambt 
ainem diirchsehunden venster in ain lanndtschafft geund, hne die in seiner rechten gröss, wie die 



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Jakob Seisexbgger. 



7» 



aeiud, abczuconterfeten zugestellt vnd aigentlich also abczumachen beuolben, zu denen ich erstlich 
von dem tischler zwo solich gleichmeasige tafl bestellt vnd di von meinem gelt beezallt, di ich auch 
mit seinen grünten zugericht, nachmals mit grosser muc alle vnd jede puneten, linen vnd anders 
ig-clichs BonderUch mit dem zirckl gancz vleissigclich abtragen vnd seezen muesaen, weliches lange 
zeit vnd weil genomen, das aller ersten mit den färben auch an ir stat sowol als die punckten mit 
dein zirckl abtragen vnd vermallen muessen, welichs sich nit wie ain cotrafectur, so von freyen 
gesiebt gesehen wirt, machen leset. Ist also eim maller gancz vngewondlich solich ding mit irrigen 
vnerkhentlichen lynien, auoh so swer, das solichs nit anezaigt mag werden, zu machen. Wiewol 
ich für soliche müe 10 gülden verdient het vnd der, so sy gemacht, nit 20 gülden genomen, domit 
man ihe seeh, das ich der Sachen nit zuuil thue. so beger ich für alles nuer ftinff gulden 
reinisch". 

Üa der Reichstag erst am 22. November 1530 endigte, so könnten beide Tafeln wohl in 
diesem Monat vollendet worden sein. Von wessen Hand die Originale herrührten, dürfte schwer 
au errathen sein. Die Arbeit scheint dem an solche Gegenstände nicht gewohnten Maler grosse 
IVlühe verursacht zu haben. Vielleicht lag in diesem Auftrage die Veranlassung, dass Seisenegger 
sich fortan eifrig auf das Studium der Perspective verlegte, „in der hochberuembten khunst der 
geometria von wegen seines in sonderhait darzue tragenden grossen lusst vnd begierde" vielfältig 
übte und späterhin darin grosse Erfahrung erlangte, wie der kaiserliche Wappen- und Adelsbrief d. 
d. Wien 16. October 1558 von ihm rühmt 

r 2. Item mer in obangeezaigten reiehstag hat mir die ktfn. maiestat (K. Ferdinand) seine 
vier könieliche khinder, nemblich Elysabet, Maximilian, Anna vnd Ferdinandum, wie ich di 
kayserlicher maiestat (Karl V.) gemacht, abzueonterfeten beuolben, darezu ich von dem tischler 
vier tafln mit leisten vnd schubprettlen genomen vnd beezallt Vnd nachdem ich sonst mit min- 
der arbait, auch aus beuelh kön. maiestat mit abconterfehung kayserlicher maiestat beladen gewest, 
hab ich zu diser Zurichtung (nachdem vnd sy eylents haben sollen verfertiget werden) andere 
maister vnd gesellen aufgenomen, di die tafln leimgetrenckht , grundt vnd farbn vnd anders 
geriben vnd zugericht, di nachmals vorgeundt vnd an die stat zu dem gemel verfertigt. Di hab ich 
mit essen, trinckhen vnd Ion, auch mit zins, herberg vnd petten di gancz czeit aushallten muessen. 
Als di berait, hab ich sy in kön. maiestat camer geantwort vnd geben. Wiewol auch von notten, 
in was claidung vud zier sy gemacht scind worden anezuezaigen, damit ie di mue vnd khunst 
aygentlicher vernomen wurde, so bab ich salichs aus leng der schrifft vnterlassen, sonder ich wil 
sölichs in nachuolgunden grossem stuckhen melden vnd beger also für alles für ain tafl siben 
gulden reinisch, brechten di vier tafln 28 gülden." 

Der Reichstag zu Augsburg dauerte vom 15. Juni bis 22. November 1530. In diesen Zeit- 
raum fallt demnach die Anfertigung obiger Bildnisse der Kinder Fcrdinand's. Erzherzogin Elisabeth, 
geboren zu Linz am 9. Juli 1526, war damals vier, Erzherzog Maximilian, geboren zu Wien am 
1. August 1527, drei, Erzherzogin Anna, geboren zu Prag den 7. Juli 1528, zwei und das jüngste 
der Kinder, Erzherzog Ferdinand, geboren zu Linz am 14. Juni 1529, wenig mehr als ein Jahr 
alt. Die sichersten Angaben Uber die Geburtstage der königlichen Kinder finden sich in einem 
Gebetbuche ihres Vaters in der kaiserlichen Ambraser-Sammlung zu Wien. S. Ridler's österr. 
Archiv 1831, Jahrg. I, 551 — 552, 556 und Dudik's iter Roman um I. 225. 

,3. Item mer in dem rcichstag hab ich aus beuelh kön. maiestat (Ferdinand's) kayserlicher 
maiestat (Karl V.) sun auf pergamen von öllfarben nach ainem anderm illmninirten abgeconterfet, 
der mich nach so ainem clainen gancz hart abczumachen anckhomen ist, darfur ich doch nurd 
1 gulden beger. da ich sonnst nit gern drey nemen woldt u 



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Erkst Birk. 



Kaiser Kail'» erstgcborner Sohn, der Infant Don Philipp, war am 21. Mai 1527 zur Welt 
gekommen. Die Anfertigung obiger Copie nach einem Miniaturbilde fallt in die Monat« Juni 
bis November 1530. 

r 4. Item zu Prag bat mir di königliche maiestat (K. Ferdinand) kayserliche maiestat 
(Karl V.) in seiner rechten gancaen vnd volkhomblichen gross auf ain tuech von Ölfarben abceu- 
conterfehen bcuolhen, den ich in ainem spanischen schwaiczen mantl mit ainer kapen mit schwar- 
czen atlass vnterezogen, di kapen auch den mantl mit gülden gewunden schnuern oben herab vnd 
vnden hiuvmb verprämbt, darezu in ainem schwarezen samaten wapenrockh, auch mit gülden 
schniern allenthalben vmb vnd vmb verpriimbt, an der Seiten ain gülden rapir, darezue ainen gülden 
tolch mit Bchwarczen seyden tolln vnd gülden khnöpfen gemacht, auf dem haubt ain schwarcz 
»amatens piret, an dem leib in schwaiczen tuechen hosen vnd schwarezen samaten schnellen ; das 
gancz corpus seiner maiestat gestellt auf ainen perspectiuischen estrich in ain gehays. Wiewol ich 
auf soliehen vleiss vnd mue, so ich gehabt, vil ain merers verdient, so wil ich doch auf da» weni- 
gist di sach seezen vnd beger nurd 48 gülden reinisch. - 

„5. Item als ich solieh der kay »erliehen maiestat abconterfehung verfertigt het, hat mich di 
königlich maiestat in eyll durch den camerpoten zu seiner maiestat sambt dem gemel von Prag 
aus gen Prüu in Merhern zu khomen eruordert, mit anezaigung, das ich che geldt aufbringen vud 
ain ross khauffen vnd vnuerczogenlich auf sein vnd zu seiner maiestat ziehen soll. Das ich also 
gethan vnd vmb ross, satl vnd anders ausgeben 1 2'/, gülden rein., vnd nachdem es hinein vnsicher 
bin ich etlich meil vmbgoriten vnd verezert 4 gülden. Als ich zu königlicher maiestat khomen vnd 
das gemel besehen, hat mich sein maiestat widerumben abgefertigt vnd bcuolhen, in aller gestallt, 
wie obangeezaigt kayserlichcr maiestat contrafetur ist, ainen zu Prag zu machen. Hab ich wider- 
umb hinauf 3 gülden verezert ; so hab ich das ross ob mir ain gancz monat , da« ich es nit ver- 
khauffen mögen, gehalten, darinn es verezert 2 gülden rein., thuet alles 2 1 1 /, gülden rein. Als ich 
nachmals das ross vnd satl verkaufet, hab ich es nit teurer als vmb 6 l / s gülden reinisch geben. 
Also stet mir noch aussen 15 gülden reinisch, di beger ich mir auch widerumben zu geben." 

„6. Item auf obangeezaigten königlichen benelh hab ich kayserheh maiestat also abconter- 
fet vnd beger auch souil als von den obera 48 gülden." 

König Ferdinand verweilte vom 17. April bis Ende Juni 1531 in Prag. (S. Gevay, Itinerar 
K. Ferd. Wien 1*43, 4".) In diesem Zeitraum also uniss Seisenegger obigen Auftrag erhalten 
haben. Das lebensgrosse Bildniss Kaiser Karl's dürfte im Juli vollendet worden sein, da Seisen- 
egger auf besonderen königlichen Befehl mit seinem fertigen Gemälde nach Brünn eilte, wo König 
Ferdinand zwischen 4. und 7. August 1531 durchzog. Für die Gediegenheit seiner Leistung spricht 
der Umstand, dass der König nach Besichtigung des Bildes ihm sogleich den Befehl ertheilte eine 
Wiederholung desselben anzufertigen. Seisenegger vollführte diesen Auftrag, sobald er nach Prag 
zurückgekehrt war. 

„7. Item zu Rcgenspurg hab ich auf kayserlichcr maiestat beuclh di jung königin Eliczabet 
in aynem roten kainiasinen atlasen rockh mit gülden stuckhen verprämbt, mit zerschniten ermlcn, 
darunter weisse seyden, so heraus gepauscht vnd widervmben mit gülden schnierlein zugepunden, 
vmb sy ain gnrtl von zogen goldt mit geslossen cknöpfen vnd gülden tolln, auf dem haubt ain 
güldene haubn, darauf ain rots negelens krenezly mit gülden zweyfelsknöpfen vmbwunden , da» 
alles mit vleiss geconterfet; vmb den hals ain gulclens hembdlein mit gülden strailfcn herab geeziert, 
darüber ain guldens halspandt von schmaracten, diemueten, rubin vnd pcrlein in gülden geschmelczt 
röslein eingesetzt, darhinter vnd vber ir ain durchsichtig gepew mit welischen seuln, di ire capitl 
vnd postament gehabt haben, dardurch man hinaus ain lanndtachafft vnd den himl gesehen hat, 
weliche abconterfehung königlich maiestat zuuor, wie di verfertigt , selb» besehen vnd der könig- 




Jakob Seiseuigcer. 



liehen wird gen Polln zugeschigkht hat. Hab also «las auf das aller ringist geseezt vnd beger 
25 g-ulden. a 

Der Reichstag zu Regensburg dauerte von Emle Februar bis Anfang September 1532. In 
diesen Zeitraum fällt demnach die Ausführung dieses Gemälde». König Ferdinand sendete «las 
Bihlniss der sechsjährigen Erzherzogin Elisabeth dem Könige Sigmund von Polen, dessen Sohn 
Sigmund August, geboren am I.August 1520, mit derselben im Jahre 15-43 vermählt wurde- 
Dieses Ehebündniss dauerte jedoch nur luu-zc Zeit, da Elisabeth schon am 15. Juni 1545 zu 
Wilno starb. 

„8. Item auf beuelh königlicher maiestat etc. hoffmaister herrn Wilhalm von Rogendorf hab 
ieh zum andcrmall di vier kunicliehe khinder in aller inass vnd gröss, wie ich die erstlich konig- 
lieher maiestat in di canier zu Augspurg zugestellt vnd vberantwort hab, in iren gülden stuckhen 
samat vnd schönen khlainaten geeziert, gemacht und abconterfet. Dauon beger ich auch souil als 
oben, nemblich 28 gülden." 

Die vier königlichen Kinder waren Erzherzogin Elisabeth, Erzherzog Maximilian, Erz- 
herzogin Anna und Erzherzog Ferdinand. Seisenegger malte sie zu Regensburg wahrend des 
Reichstages im Jahre 1532, wie er sie früher zu Augsburg 1530 vollendet hatte. 

„9. Item auf königlicher maiestat etc. (K. Ferdinand s) beuelh hab ich zu Ispruckh irer 
königlichen maiestat gemahel (Königin Anna), mein gnedigiste fraw sambt den koniclichen klün- 
dem zu conterfehen angefangen vnd di zu Regenspurg gar ausgemacht, wie hernach uolgt: Erst- 
lich mein genedigiste fraw in ainem roten karmasineu atlasen rockh, daran di prust mit gülden 
tiiech verpriimbt, mit zerschniten ennblcn, di mit weisser seiden vnterzogen vnd pauschund heraus 
gangen vnd di schnidt mit gülden schnuern widerumb verkhnupft, vnd vnden herumb den rockh 
zwifach verwulstlt, darezwischen der rockh zerschniten, darunter mit ainem silberen stuckh vnter- 
fuetert, das durch di schnit heraus gesehen hat; vmb den leib ain gurtl von zogen gold, rot und 
gemacht mit knöpfen auf di art der parfuser munich , doch darezwischen frömbde khnopf ander 
art mit anhangunden tollen voller geslossuer khöpf; auf dem haubt aiue schöne wolgeczirte gül- 
dene hauben, darauf ain rot säumten piret, vmb den halls ain seer mucsaine arbait von naterey 
mit gold gemacht^ darüber ain guldcns halspant mit fröinbder selczamer goldtsehmidarbait kh<»nst- 
lich gemacht, mit gülden wurmlein vnd mit edlen gestain von robinen, schmarakten vnd diemueten 
vnd von vasst, schönen perlen, das mir vast grosse mue genomen hat, darezu noch ain zwifachc 
guldens kctl von zogen gold, mer ain klains geschmelezt khetlein mit pucchstaben irer maiestat 
vber di prust gehangen. Auf der seiten zwo colon mit iren capiteln vnd postamenten, darauf ain 
zwifaehs gesimbs vnd zwischen dem gesimbs ain merbelstain auf di antiquitetis art eingeseezt vnd 
auf ainen estrich gestellt, der da von allerlay merbelstain zusamen geseezt gewesen ist. Das alles 
ist auf ain tuech von Ölfarben, das «loch hart ankhombt, gemacht" 4 . 

„Mer auf zway tuech di königlichen khinder, als Maximilian, Ferdinand, Eliczabet, Anna vnd 
Maria, hab ich in roten samaten röckhen, auch mit zerschniten emdein vnd aller mass verprambt, 
vnterfuetert, mit khlainaten vnd ander zier, wie mein genedigiste fraw, auch von öharben 
gemacht vnd hab auf ain ieklichs, wicwol es nit so gross gewesen, gleich die mhue vnd arbait wie 
mit meiner genedigisten frawen gehabt, die mit ainem schwipogen, darein ich gülden rosen 
gestellt, «ler auf runden marblseuln gestanden, di auch ire capitl vnd postament gehabt haben, 
darezue ainen estrich von mHrblstcin gemacht, darauf di sewlu vnd pilder gestellt, vnd doch «Ii 
Maria hab ich syczund in ainem welisclien. gegossen vergolten wagen gemacht mit vil zierlichen 
«Hilgen vnd noch ander arbait mer, «Ii ich von verdruss alles so nach lengs zu lesen vnterlass.Vnd 
nachdem ich von fuiilrung der arbait hab di bessten zweu maister so iu teutschen lannden darezu 
brauchen vnd ob mir hallten niuessen, hab ich inen auch darnach für anndere zallung aines tayl 



76 



Krnst Bibk. 



gethan vnd doch nit gm- vernuegt zu beezallen, sonndcr bin denen noch doran ain summa zu 
thuen schuldig sambt denen, so mir sonst auch gellt dargestreckht haben. Weliche gemel königlich 
maiestat, mein gcnedigister hcrr, zu hanndt kayscrlichcr maiestat geschcnckht vnd in Hispanien 
gescndt vnd gefiirt worden, von weliehen ich, dieweil mir souil dorauf gangen, wie nach lengs vnd 
doch mit dem kurczisten erczellt, nit weniger nemen khan als 210 gülden römisch. * 

Nach Seisenegger's ausführlicher Schilderung und dem geforderten höheren Preise zu 
urtheilen, dürften diese drei Gemälde wohl zu den Vollendetsten gehören, die er je geschaffen. Der 
Beginn der Arbeit fällt in den Zeitraum vom November 1531 bis Februar 1532, während dessen 
Königin Anna, ein Bild vollendeter Weiblichkeit (geboren am 23. Juli 1503) sich mit ihren Kin- 
dern, den Erzherzogen Maximilian und Ferdinand, und den Erzherzoginnen Elisabeth , Anna und 
Maria (geboren zu Prag am 15. Mai 1531), zu Innsbruck aufhielt. Seisenegger, zu schleuniger 
Vollendung seiner Arbeit angehalten , beendete die Gemälde unter Beihilfe zweier Meister, der 
besten in deutschen Landen, deren Namen er leider verschweigt, während des Reichstages zu 
Regensburg, wohin sich das königliche Hoflager Ende Februar 1532 begab und bis Anfang 
September verweilte. 

Die Trefflichkeit dieser Leistungen veranlasste Kaiser Karl V. durch seinen Seeretilr 
D. Francisco de los Covos mit Seisenegger unterhandeln zu lassen, ob er nicht in kaiserliche 
Dienste treten wolle. Meister Jakob sollte jährlich 200 Goldgulden erhalten und frei zu Antwerpen, 
Brüssel oder Löwen sitzen, wo es ihm am gelegensten wäre. Zu gleicher Zeit bot ihm D. Fernando 
Alvarez de Toledo, Herzog von Alba, 200 Ducaten jährlicher Besoldung und freien Unterhalt für 
sich, sein Weib und einen Knaben. Auch von andern geistlichen und weltlichen Fürsten erhielt 
der Meister Anerbietungen. Seisenegger lehnte jedoch alle Anträge ab und blieb mit weit geringerem 
Solde im Dienste König Ferdinand'». (Supplik Seisenegger's an den König vom Jahre 1549.) 

„10. Item zu Regenspurg hab ich di kayserlich maiestat aus beuelh königlicher maiestat 
abermals in aller mass vnd gross, wie ich zuuor sein maiestat zu Augspurg abconterfet hab, vnd 
darezue vber sein maiestat ain gülden tuech mit schönen gewarchten pluemen wolgecziert gemacht, 
beger darfur 50 gülden reinisch. u 

Auch dieses Gemälde vollendete Seisenegger zwischen März und September 1532 zu 
Regensburg. Zu bedauern ist, das» keine genaueren Angaben über das im Jahre 1530 zu Augs- 
burg gemalte Bild des Kaisers und diese 1532 bestellte Wiederholung desselben vorliegen. 

„11. Item mer zu Regenspurg aus beuelh königlicher maiestat gemacht das gross gülden 
panir in das veld, weliches in di leng bey 14 werchschuech vnd in di höch bei 8 schuehen 
vngeuerlich gehabt hat, wie auch der noch verhannden ist, darezu ich ausser der seiden allen zeug 
von goldfarben vnd den grundt zu machen verlegt, darein ich zwen gross schwarcz adler mit 
küniglicher maiestat drifachen schildt oder waren in di prust gemacht hab, das mir ser vill goldts, 
färb vnd arbait genomen hat. Beger für alles 60 gülden reinisch." 

„12. Item mer zu Regenspurg königlicher maiestat rennfendlein , gancz geuirt, auf aineu 
weissen tamaschkh, darein auf icliche seiten ain Mariapild mit dem khindlein in ainer gülden sun 
vnd zu beden Seiten mit gülden leisten vnd Hamen, mit guetem gcslagcnem gold allenthalben 
geeziert, wie dann derselb noch in irer maiestat camer verhannden ist. Beger mir darfur auf das 
liegst zw geben 8 gülden reinisch." 

„13. Item den hereziem hab ich allermass, wie königlicher maiestat rhennfendl gewesen, 
gemacht, allain das diser fan zwen zipfl gehabt hat. Beger auch souil als oben darfur 8 gülden." 

Die Anfertigung dieser prachtvollen Paniere befahl König Ferdinand seinem Hofmaler 
während des Regensburger Reichstages, auf dem ein Zug gegen die Osmanen beschlossen 
worden, die mit grosser Heeresmaeht in Ungarn eingefallen waren und die Stadt Wien abermals 



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Jakob Seisbmegger. 



77 



bedrohten. Schon am 23. September 1532 langte Kaiser Karl mit zahlreichen spanischen und 
deutschen Kriegsvölkern in Wien an. Auch König Ferdinand mit »einem Hof lager und seinen Ge- 
treuen war dahin geeilt. Seisenegger folgte seinem Gebieter nach Wien. Die drohende Gefahr 
schwand jedoch bald. Die Osmanen wagten keinen Angriff und zogen sengend und plündernd 
heim. Schon am 4. October 1532 konnte Kaiser Kail durch Steiermark und Kilmthen nach Italien 
ziehen und traf am 13. November in Bologna ein. Seisenegger im Auftrage seines Herrn war im 
kaiserlichen Gefolge gleichfalls dahin gekommen, wie folgende Stelle beweist. 

„14. Itemmer di Römisch kay serlich maiestat, so ich zu Wononi abconterfet hab, wie dann 
die kuuiglich maiestat den noch vor äugen hat, der in ainem weyssen silberen atuckh mit zobl 
vnterfuetert vnd in ainem cordowanischen lidrem goller, dassclb vber die prusst herab zerschniten 
vnd mit gülden gewunden schnyern vcrprUmbt, in ainem weissen zerschniten attlasen wamass, dns 
auch mit gülden schnyren verprämbt, in weissen tuechen hosen vnd samaten zerschniten schuhen, 
ain rapir und gülden tolch mit seiden tollen an der sehen, auf dem haubt ain schwarcz samaten 
piret mit ainem weissen federlein, neben ime ain grosser englischer wasserhundt, steund auf 
ainem marbalierten Ostrich vnd hinter vnd neben ime ain grucner taffanter Vorhang, lieger darfur 
auch nnrd 50 gülden rheinisch." 

Kaiser Karl verweilte vom 13. November 1532 bis letzten Februar 1533 in Bologna. 
Seisenegger inusH also innerhalb dieser Zeit jenes Gemälde vollendet haben , das sich noch im 
Jahre 1535 im Besitze des römischen Königs Ferdinand befand. Überraschender Weise trifft die 
von unserem Meister gegebene eingehende Schilderung Zug für Zug mit einem Gemälde der könig- 
lichen Gallerie zu Madrid zusammen, das aber Niemand geringerem als Ti z ian o Vc cell i zugeschrie- 
ben wird. S. Madrazo, catalogo de los cuadros del Real museo de pintura. Madrid 1850. 8". pag. 176. 
Nr. 765. Es ist auf Leinwand gemalt, 6 Fuss 10 Zoll 6 Linien hoch und 3 Fuss 11 Zoll 6 Linien 
breit. Eine gelungene Lithographie dieses Bildes enthalt die „Coleccion litografica de cuadros del 
Rey de Espana 4 , die unter Jose de Madrazo's Leitung zu Madrid 1832 u. fT. in Folio erschien, im 
2. Bande, Nr. CL Jose Musso y Valiente lieferte dazu eine bis in das kleinste Detail eingehende 
Schilderung, die mit Seisenegger's Angaben aufs genaueste zusammenstimmt Nur hült Musso den 
mit seidenen Dolden gezierten Dolch für einen Fliegenwedel aus Silberfaden, mit goldenem perlen- 
besetzten Griff („con un mosqueador de hilo de plata y mango de oro, guamecido de perlas J ), 
was offenbar auf einem Irrthum beruht. Viardot, les musees d'Espagne. Paris 1843, 12°. pag. 50 
rühmt davon: „Brille autantpar sa conservation parfaite, que par l'execution mcrvcilleuse de toutes 
»es parties et l'expression de grandeur, de majeste qui regne dans l'cnsemblc." Passavant bezeich- 
net dasselbe als „ein Uberaus elegantes stattliches Bildniss . . . des grossen Fürsten von der feinsten 
Ausführung". Im ersten Augenblick drängt sich allerdings die Verniuthung auf, Seisenegger habe 
Vecelli's Bild , das dieser zur selben Zeit in Bologna gemalt haben soll, für seinen Herren König 
Ferdinand copirt. Dagegen spricht jedoch Seisenegger's Gewissenhaftigkeit, mit der er jedesmal 
anfülirt, wenn ihm Copirarbeiten aufgetragen wurden. Den Beweis hiefür gibt vorliegendes Ver- 
zeichniss unter 1. 3 und 16. Der Zweifel, ob dieses Bild von Vecelli oder Seisenegger herrühre, 
scheint um so berechtigter, je weniger Tizian's Anwesenheit in Bologna wahrend des obigen Zeit- 
raums erwiesen sein dürfte. Die Lösung dieser interessanten Frage kann natürlich nur durch 
genaue Untersuchung des Bildes zu Madrid angebahnt werden, und wir waren hocherfreut erneuerte 
Forschungen hierüber anregen zu können. 

15. „Item mer funff tafln, darauf ich di herrn von dem hawss Burgundi von des herrn 
Wilhalmen von Rogendorf tarin abconterfet hab, wie auch die noch verbanden, darezue ich von 
dem tischler di tafln genomen vnd beczallt, di vergrundt vnd gemalt hab, beger für aine 3 gülden 
reinisch .... 15 gülden." 

IX. 11 



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78 



Ernst Birk. 



Hiermit endigt das von Seisencgger vorgelegte Verzeichniss. Für alle diese Arbeiten hatte 
er den Betrag von 599 Gulden rhein. gefordert, und da er bereits 228 Gulden darauf empfangen, 
noch einen Rest von 371 Gulden zu erhalten. Am 26. Juli 1535 befahl König Ferdinand seinem 
obersten Hofmeister und Grafen Niklas von Salm, mit Meister Jakob deshalb einen Vergleich zu 
treffen, und die Hofkammer sollte verordnen, „das er mit der zeit bezallt werde". Ih'e Vereinbarung 
kam zu Stande, jedoch nicht zu Seiscnegger's Vortheil. Die königliche Entechliessung lautete : 
„Die ku. mt. hatt bcwylligt, das meister Jacoben maller alle die obgeschriben posten, also wie sv 
gestelt, pezalt sollen werden, doch so sollen imeann denselben fünfzig gülden abgezogen vnndt vmb 
so vvl dest weniger pezaldt werden.'' Aber auch diesen herabgesetzten Betrag konnte er nicht 
erlangen. In seiner grossen Bedriingniss wiederholte er sein Gesuch um Zahlung. „Nachdem ich 
so schrieb er, „vor kurezen tagen für cur kön. maiestat suplicirt vnd vnderthanigist gebetten mir 
nach laut meiner raytung, di ich eur kön. maiestat darneben zugestellt, meiner armut vnd ehehaff- 
ten naeli genadigiste bezallung zu verschaffen, so hab ich von eur kön. maiestat hoffcamerHtten 
(den mein raittung zu vberschen beuolhen) in antwort empfangen soliches laut meiner raittung . . . 
an cur kön. maiestat gelangen lassen. So bin ieii ganezer vnterthanigister hoffnung eur kön. mt. 
haben» in genadigister gedachtnus, das ich solichs nach laut gemelter meiner raittung aus eur kön. 
maiestat beuelh verfertigt vnd gcantwort. Bit demnach eur kön. mt. . . . sy wellen ansehen mein armut, 
das ich in den tewrn jarn wenig gewinens vnd nicht« erspani hab mögen vnd mich zu vnterhalltung 
meins weibs vnd khindes u\ grossen schulden gesteckht vnd mich hart vmb beczallung onstrengt 
wirdt, eur kun. maiestat wellen mir geniidigste bcczallung versebaffen- etc. Die Hofkammer 
ertheilte ihm hierauf am 5. August 1535 den Beseheid: „Im ist hiefor auf sein supplication zu 
erledigung dewclbn beschaid gegeben worden vnd khonndc die hofehamer ausser derselben 
erlediguug nichts mit ime hanndln." Noch im Oetobcr 1537 hatte die Hofkauuner die Zahlung 
nicht geleistet, wie ein um diese Zeit llbergebenes Gesuch Seisenegger's beweist, das jedoch nicht 
mehr vorliegt (Hofkammcr-Expcditsbuch 1537, Fol. 10Ö). 

Im Jahre 154 3 befand sich Soisencgger mit dem königlichen Hoflager in Nürnberg. Hier 
erhielt er am 17. März durch den Hofzahlmeister Bans Holczer .in abschlug der schulden, so ime 
ir kuniglich maiestat etc. vmb ettlich gemachte arbait zu thun sein" zwanzig (iulden rhein. (Hof- 
zahlamtsrechnung 1543, Fol. 7s }. Zur selben Zeit verweilte der als Geometer, Baumeister und 
Stecher bekannte Augustin Hirschvogel gleichfalls zu Nürnberg und veröffentlichte ein Büchlein 
-Ein aigentliche und grundtliche anweysung in die Geometria", das er seinem „furderer", dem Nürn- 
berger Bürger Hans Starek widmete. Am Schlüsse dieser Widmung d. d. Nürnberg am 1. April 
1543, kommt die Stelle vor: „Damit will ich also des erbarn vnd kunstreichen meines guten 
freund», Jacoben Zeyssnecker, röm. köu. maiest. hoffmallers begern volzogcn haben." 

Diese nur hier vorkommende verunstaltete Form des Namens Seisenegger veranlasste 
spUterdie irrige Deut ung eines Stiches in diesem Werkchen, die bis in die G egenwart sich fortpflanzte 
und desshalb Widerlegung verdient. Auf der ersten Kupferphittc der beigegebenen Abbildungen, 
welche die Überschrift enthält: „Gcometria, das puch geometria ist mein namen, al freye kinst aus mir 
zum ersten kamen. Ich pring architeetura vndt perspeetiva zusamen 1 ' tindet sich unter Hirseh- 
vogel's Monogramm eine sitzende Eule, um die drei kleinere V ögel heruinschwilrmen. Job. Fr. 
Christ iu »einer „Anzeige und Auslegung der Monogrammatum" (Leipzig 1747, 8. S. 398) glaubte 
darin eine Anspielung auf einen oder andern dieser beiden Malemameu zu finden. Der fran- 
zösische Übersetzer dieses Werkes, Gottfried Sellius von Danzig, behauptet, schon Hirschvogel 
habe dieses Büchlein „pour lc compte de Jean Zeyssncckcr" herausgegeben und fügt zur Erklä- 
rung bei: -Zeys en allcmaud signifie serin et vogel veut dire oiseau, ainsi ce logogryphe doit peut- 
etre exprimer un de ce» deux noms, ou meme tous les deux* (Pariser Ausgabe 1750, 8. pag. 305). 



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Jakob Sf.isexkogf.k. 



79 



Brulliot (dictionnaire des monogrammes pag. 432, Nr. 3273) erfand endlich die Deutung: „Zcys 
signifie en allemand Berin, railler se dit cu alleroand necken, et eomine les petits oiscaux raillent les 
grands, cc logogryphe doit exprimer le nom de Zeysnecker. " Selbst der treffliche Nagler (Mono- 
graministenlll. 195) neigt «ich der Auffassung zu, dass diese Eule mit den Vögeln gleichsam die Dedi- 
cation an den kais. Hofmaler Zeyssnccker bilde. Die« ist die allmähliche Entstehung einer eben so 
gezwungenen als falschen Auslegung. Schon die Umschrift r Spero fortune regressum" , die auch auf 
einem Porträte Ilirschvogers erscheint (Bartsch L\ G. IX. ISO, Nr. 39), zeigt, dass die Vorstellung 
nur auf diesen Bezug haben kann. Mit Weib und Kindern in misslichen Verhältnissen lebend, dürfte 
er sich wohl öfter wie die Eule vorgekommen sein, an der kleinere Vögel bei Tag ungestraft ihren 
Muth kühlen. Wie dem auch sein mag, so viel steht doch fest, dass diese Vorstellung auf Scisen- 
egger nicht den entferntesten Bezug hat, noch haben kann. 

Seiseneggers Schicksale in dem Dcecnnium 1 Mo bis 1545 sind aus Mangel an Quellen wenig 
klar. Häufig unterbrachen Reisen seinen Aufenthalt am Hofe. Mit Bewilligung seines Herrn und 
unter Zusicherung des Fortbezuges seiner Hofbesoldung reiste er zu zweienmalen zu Kaiser 
Karl V., zog an das Hoflager der Kaiserin Isabella nach Spanien, besuchte Belgien und andere 
Orte, wo er aus Noth Arbeiten unternehmen inusste. Seiner eigenen Angabc nach verwendete er 
dazu „eczlich zeit vnd jar u . Belege für das Gesagte sind in nachstehendem Gesuche zu finden, das 
Seisenegger hn Mai 1545 zu Wien überreichte, während sich König Ferdinand und sein Hof zu 
Worms befanden. 

„Em* ko. mt. sein meines vunderthenigen virhoffens in gnadigister gedilchtnus, das ich der- 
selben mit dem allervnnderthenigisten nun in das funffezeheudt jar her gediennt vnnd derselben 
nach- vill raisens mit weib vnd kindt thuen rauessen. Nun haben aber cur ko. mt. meiner arbait, so 
ich eurko. mt. etc. vnderthänigist gethon, durch herm graffNiclascn von Salm vnnd Martin Cosman 
(Gusman) den 26. tag July des 34. (sie, soll 35 heissen) jars abraiten vnnd durch ir gnad mit mir 
hanndlu lassen, vber das, so ich zuuor in derselben raittung ob 50 gülden nachgelassen, das ich 
noch 50 gülden nachlassen sol, so solle mir derselben raittung auf uiumal gar bezallt werden, 
darauff ich die nachlassung thon vnd also verhofft, das die ganuez bezalluug beschehen solle, die 
aber nit beschehen vnnd bleiben eur ko. mt. mir an derselben rayttung vnnd nachmals was ich 
weiter bisher eur ko. mt. gemaldt vnnd gearbait, lautt hiebeygclcgter verzaiehnus vnnd ausszug, 
was ich allenthalben an meiner besoldung vnnd arbait empfangen vnnd eur ko. mt. mir noch pro 
resto schuldig beleiben, bitt ich vnnderthenigist zuuernemen*'. 

„Allergnädigister könig, nachdem ich eczlich zeit vnnd jar, dieweill ich eur ko. mt. etc. vnnder- 
thänigistcr dienner bin, aus eur ko. mt. beuelh vnnd gnedigistem erlauben zu zwayen malln bei- 
der kayserlichen mt. etc. vnnd irer mt. geinahl vnnd annder enden gewesen, von der khainen ich 
nie khain besoldung gehabt, vnd dieweil sonnst die besoldung, als monattlich 5 gülden, so ich 
vonn eiu* ko. mt. hab, klain vnnd mich darmitt mit weib vnnd kindt nit ausshallten khan, eur ko. mt. 
hoff nachzuraisen nit muglich vnnd also kain aigen haimwesen hab, wiewoll ich allemal vertröst 
besserling meiner besoldung, das aber bisher nit beschehen , vnnd dieweill ich auch meines ressts 
vorgemelt nit bezallt, aus not annder enden arbaitten mucssn, damit ich mich, mein weib vnnd 
kindt erhallt vnnd auch in grosse schulden erwachsen , ist demnach an eur ko. mt. mein vnnder- 
thenigiste bitt, sy wellen mir an meiner besoldung cur ko. mt. aignen gnädigisten zusagen nach für 
mein aussensein nichts abziehen lassen vnnd mir den resst, die mir eur ko. int. an meiner besoldung 
vnd arbait laut hiebeygelegts particulars noch schuldig, yeezt doch den mein tail in ansehung 
meiner nott zu bezalln vnnd mir vmb den vbrigen resst ain Versicherung vnnd verschreibung 
allergnedigist zu geben verschaffen, damit ich aus meinen schulden khome vnnd meine glaubiger 
zum thail zufriden stellen möge vnnd mich mit nachraisen eur ko. mt. hoff desstattlieher erhallten 

ll* 



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80 



Erhst Birk. 



möge, das will ich vmb cur königlich maiestat in aller vnnderthenigister gehorsam allezeit 
zuuerdienncn gcflisscn sein. 

Eur königlichen maiestat vnnderthenigister Jacob Seissennegkher, hofmaller." 

Dieser Supplik schloss Seisenegger ein Verzeichnisa aller Arbeiten bei, die er vom 26. Juli 
1535 bis Mai 1515 im Auftrag des Königs vollendet hatte. Es ist lange nicht so reichhaltig als 
das frühere, auch weniger ausführlich abgefasst. Zur Vervollständigung der Reihe von Sciaen- 
egger's Arbeitcu ist es jedoch immer noch sehr schätzbar. Wir theilen es in derselben Weise 
mit, wie das erste Verzeiclmiss: 

„Item zu Prag hab ich dy kuniglieh maiestat, auch seiner maiestat gemahel auf zwo tafel 
condterfet vnd auswendig irer niaiestat nerrin die Elss auch conterfet, dafür 40 gülden." 

Vielleicht im Jahre 1543 gemalt, als Seisenegger mit dem königlichen Hoflager von Nürn- 
berg nach Prag kam, und König Ferdinand mit seiner Familie vom 1. Mai bis 25. August daselbst 
sich aufhielt. Ein kleines Bildniss der Närrin Else findet sich in der kais. Ambraaersammlung. 
Vgl. Sacken II. 55, Nr. 905. 

„Item dy kuniglieh maiestat zu liegenspurg im 32"." jar in der kinigin frauen pethpuechl 
auch conterfet, daran verdiennt 10 gülden." 

Während des Reichstages zu Regensburg, das ist im Zeiträume zwischen Ende Februar 
und Anfang September 1532, gemalt. Auffallend ist, dass Seisenegger dieses Bild erst jetzt auf- 
rechnet, während es im Verzeichnisse von 1535 fehlt. 

„Item zway künigcliche khinder Leonora vnnd Kliaterina hie zu Wienn abconderfet, daran 
verdiennt 20 gülden." 

Erzherzogin Katharina war zu Wien am 25. September 1533 geboren, Erzherzogin Leonom 
ebendaselbst am 2. November 1 534. 

„Item dy drey kayserlichen khinder in Iiispanien abconterfet auf tuech, darfur thuet 
93 gülden." 

Es waren dies der Infant D. Philipp, geboren 21. Mai 1527, und die Infantinen D. Maria, 
geboren 21. Juni 152$, und D. Johanna, geboren am 27. Juni 1538. In welchem Jahre Seisenegger 
nach Spanien zog und diese Bilder malte, ist ungewiss. Er selbst erwähnt nur, dass er zu Kaiser 
Kurl's Gemahlin eine Reise nach Spanien unternommen. Da die Kaiserin Isabella am 1. Mai 
1 539 im 3ü. Lebensjahre zu Toledo starb, muss Seisenegger früher hingekommen sein. Sollte nicht 
auf dieser Reise auch das schöne Bild der Kaiserin entsanden sein, das jetzt in der königlichen 
Gallerie zu Madrid dem Tizian o Vecelli zugeschrieben wird? S. Madrazo, catalogo etc. Madrid 
1S50, pag. 205, Nr. 878. Betrachtet man die lithographirtc Copie in der Coleccion litografica etc. 
Tom. III, Nr. CLXVIH, so drängt sich unwillkürlich der Gedanke auf, dass dieses Bild kein 
Tizian, wohl aber die Arbeit eines tüchtigen deutschen Meisters (Seisenegger's?) sei. Passavant's 
IJrthcil bekräftigt diesen Zweifel. Er sagt (christliche Kunst in Spanien S. 168): „Das Colorit 
ist blass und das Ganze so wenig lebendig behandelt, dass es scheint, Tizian habe dasselbe 
wie auch das des Königs von Frankreich, Franz I. (Louvre), nicht nach der Wirklichkeit gemalt". 

„Item zu Prag hab ich der kuniglichen maiestat gemahel, mein genedigste fraw zweymal ab- 
conterfet, nachmals irer kuniglichen maiestat tochter, kinigin Anna conterfet, wie die noch vor 
äugen, für ains 50 gülden, thuet 1 50 gülden. u 

Erzherzogin Anna, geboren zu Prag am 7. Juli 1528, verlobt an Theodor, Herzog von Bayern, 
und nach dessen Tod an Karl, Herzog von Orleans am 18. September 1544, wurde am 4. Juli 154G 
mit Herzog Albrecht von Bayern vermählt. Oberwähntes Bildniss der Erzherzogin Anna dürfte Seisen- 
egger um 15-14 gemalt haben, wahrscheinlich bei Verlobung derselben mit dem Herzog von Orleans. 

„Item die kiuigin in meines allergenedigsten herrn petpuechl abconderfet, darfur 12 gülden.* 



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81 



Seisenegger malte die Königin Anna in ihrem 4 1 . Jahre auf einem 20 Centimetres hohen 
und 14 Centim. breiten Pergamentblatte mit Ölfarben. Das Bild ist mit seinem Monogramm $ 
und der Jahreszahl 1544 bezeichnet, und findet sich auf dem vorletzten Blatte des Gebetbuches 
ihres Gatten, König Ferdinand (derzeit in der kaiserl. Ambrasersammlung Nr. 123) eingeklebt. 
S. Sacken II. 210 — 211. Es ist die einzige bisher mit voller Bestimmtheit nachweisbare Arbeit 
Seisenegger'». Das Brustbild der Königin ist von einem rothbraunen Kähmen umgeben, der im 
untern Theile eine Marmortafel unischlicsst mit der Inschrift: „Anna dei gracia Romanorum, 
Hungarie, et Bohemie etc. regina, archiducissa, austric etc. ctatis sue anno XLI." Der trefflich 
gemalte Kopf tritt plastisch hervor und das blaue Auge ist voll Majestiit und Anmuth. Seisenegger'» 
Eigenthümliclikeit, einen besonderen FleiBS auf die naturgetreue Nachalunung reicher Kleiderstoffe 
und glänzender Schmucksachen zu verwenden, ohne darüber die Hauptsache zu vernachlässigen, 
tritt auch in diesem kleinen Bilde hervor. Ein zurückgeschlagener Vorhang von grünem Seiden- 
stoff hinter der Figur gestattet den Ausblick in eine Gebirgsgegend mit einem schiffbaren Flusse. 
Obgleich in unverkennbarer Eile angefertigt, zeigt dies Bild doch in jedem Strich die Hand des 
Meisters und berechtigt zu dem Schlüsse, dass ausgefllhrtere Gemälde desselben von besonderem 
Wcrthc sein müssen. 

„Item nur für die kinigin Khaterina zu Prag ubconterfet vnd dem herezog von Mantua zuege- 
schickht, darfiir thuet 30 gülden." 

Erzherzogin Katharina wurde durch Vertrag ddo. Nürnberg 17. März 1543 dem Herzoge 
Franz von Mantua verlobt. In diesem Jahr dürfte Seisenegger bei seiner Heimkehr von Nürnberg 
obiges Bild der jugendlichen Braut gemalt haben. 

„Item mer aus beneich römisch kuniglicher maiestat uin hirschnkhuern in ain stockh verwaxen 
zwaymall abconterfet, thut 4 gülden." 

Wahrscheinlich das in der kaiserl. Ambrasersammlung befindliche merkwürdige Stück, ein 
Hirschgeweih von 22 Enden in einen mächtigen Eichenbaum eingewachsen, gerade am Zwiesel 
des Baumes , so dass die Spitzen des Geweihes nach abwärts gekehrt sind. S. Sacken Ambraser- 
samml. II. 87. Woher es König Ferdinand erhalten, ist unbekannt. Nach dem Tode dieses Fürsten 
bei Theilung des Erbes unter dessen drei Söhne mag es an den jagdliebenden Erzherzog Fer- 
dinand gekommen sein , der es nach Tirol brachte. 

„Item zway rindl (rindo althochdeutsch cortex libri) hab ich inwendig auf das ain ain crueifix 
vnd auf das annder das grab vnd creiez sambt ainem fespcrpildt gemacht. Auswendig hab ich auf 
das ain die erden schlanngen vnd Moysen, auf das annder der kuniglichen maiestat etc. wappen 
gemacht, so gewenclich dy kuniglich maiestat etc. solches bey seinem peth gehalten, für fassen 
vnd alles 15 gülden." 

Sahen wir Seisenegger bisher meist als Porträtmaler thätig, so erscheint hier eine religiöse 
Malerei desselben. Es war ein kleiner FlUgelaltar, dessen Mittelbild eine Pieta bildete. Die Innen- 
seite beider Flügel enthielt den Erlöser am Kreuz und das Grab, die Aussenseite Moses mit der 
ehernen Schlange und des Königs Wappenschild, vielleicht von Engclsgestalten gehalten. König 
Ferdinand scheint auf diesen kleinen Altar besondern Werth gelegt zu haben , da er stets neben 
seinem Bette hing. 

_ltem der kuniglichen maiestat etc. gemacht vnnser frauen pildt zu der tafl, so der Ducian 
(Tiziano Vccelli) in Venedig gemalt hatt, darfur von der tat! einezufassen thuet 18 gülden." 

.Item für dj herezogin von Mailandt zu Gent in Flandern abconterfet, darfur 20 gülden." 

Wir sehen, das» Seisenegger auch in Belgien war und zu Gent in Flandern Christinen, die 
Tochter des unglücklichen Königs Christicm II. von Dänemark, malte. Christine war nach dem am 
_'4. October 1535 erfolgten Tode ihres Gatten Franz Sforza, Herzogs von Mailand, zu ihrer Tante 



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82 



Ernst Birk. 



Maria, der verwitweten Königin von Ungern und Statthalterin der Niederlande, zurückgekehrt. 
Am 10. Juli 1541 vermählte sie sich zum zweitenmal mit dem Herzoge Franz von Lothringen. 
Die Anfertigung dieses Gemäldes fällt daher in die Jahre 1536 — 1541. 

Der Betrag, den Seisenegger für alle aufgezählten Arbeiten ansprach , belief sich auf 
412 Gulden rheinisch, gewiss eine massige Forderung. Zugleich überreichte Meister Jakoh eine 
zweite Rechnung Uber Verfertigung gemalter goldener Paniere für die Trompeter und Heerpauker 
deB Königs mit der Bitte um Bezahlung. Dieselbe mag hier gleichfalls eine Stelle finden, da den 
mit der Abrechnung beauftragten Hofleuten für diese handwerksmäßige Leistung der Preis nie 
zu hoch schien, während das Kntgelt für wahre Kunstsehöpfungen stets bedeutend herabgemin- 
dert wurde. Seisenegger berichtete: 

„Erstlich hab ich der königlichen maiestat etc. in grosser eyl zu Praag zweit! panier, auch 
zwo heerpauckn, damit die an dein wettcr, als regen oder sehnee, bestendig beleihen, gemacht. Zu 
sölichem hab ich bey den tischlern hulczene reem, dorauf ich die seyden vnd tamast aiügespandt, 
inachen lassen, inen die beezallt; darezu hab ich alle farbu vnd golt auch beczallt. Zu solicher 
arbait hab ich maistcr vnd gesellen zu abreibung der färben, ausstreychung der grundt, zu den 
veldem dj zuuergnlden gebraucht; ich hab auch zimer, darinnen ich zu der arbait vnd den leutn 
placz gehabt, besteen vnd die beczallu muessen. Di fei der der panier hab ich mit lauttcrui 
guetem feingoldt zu beden seitn verguldt vnd an di stat «Ii gemalt. Ist mir grosser vncosstn also 
darüber gangen. Beger für ain panier, so auf beden seitn gemalt 8 gülden vnd für di zway panier 
vber die zwo heerpauckn, rait soliche zway panier an den heeqwuckn für der andern ains, darfur 
auch 8 gülden, thuet 104 gülden.-' 

„Mer hab ich zum Pudweis in Behem abermals hcw panier, wie die obem, mit aller arbait 
ze machen angefangen. Hab ich die in den aufbrach wiederum!) abspanen muessen. di gen Linez 
gefuert, mich auf ain newes eingerieht vnd also ausgemacht. Beger auch sovil als oben gemelt . . 
104 gülden. u 

„Zum drittn hab ich hie zu Wienn abermals uew tnnnettor panier, aber zu den heerpauckhn 
khains gemacht, di ich mit aller arbait, wie die ersten, verriebt, beger auch s guhlen für ains. 
thuet 96 gülden." 

„Suina tuet 304 gülden. 1 ' 
Als Seisenegger' s Supplik nebst ihren Beilagen an das königliche Hof lager zu Worms 
gelangte, wurde dieselbe einstweilen aufgehoben , bis der Supplicant selbst an den Hof kommen 
würde. Da dies nicht erfolgte, verzog sieh die Verhandlung bis zur Rückkehr König F erdinand s 
nach Wien. Am 29. Oetober 1545 erliess der König einen Befehl an seinen Ilorzahhneistcr und 
dessen Controlor, die Rechnungen des Malers in seiner (»egenwart zu übersehen und über das 
Ergebnis» den Hofkaminerräthen Bericht zu erstatten. Erst am 9. December 1545 gelangten diese 
Verhandlungen zum Ahsehluss. Folgendes war das Ergebnis*. Meister Jakob hatte von den Hofzahl- 
meistern Angerer und Holzer 722 Gulden Vorschüsse erhalten. Dagegen hatte Seisenegger an 
der am 26. Juli 1535 beschlossenen Abrechnung für gelieferte Arbeiten 599 Gulden zu fordern, 
wovon jedoch nach dem getroffenen ("hereinkommen 50 Gulden abgezogen werden sollten. Der 
Meister wendete dagegen jetzt ein: „er hab dieselben funfezig gülden allain darum)) nachgelassen, 
das im zuegesagt worden den vbrigen resst seiner arbayt auf ain mall zu beczallen; weyll es aber 
nicht beschechen vnd hernach lanng angestanden sey, khun er dieselben numer nicht nachlassen". 
Die seit jener Abrechnung gelieferten Arbeiten berechnete Seisenegger , wie bereits erwähnt, mit 
dem mässigen Betrage von 412 Gulden rheinisch. Er musste »ich jedoch zu einem Abkommen mit 
dem obersten Kämmerer Graf Niklas von Salm verstehen, in der ihm nur die Hälfte des gefor- 
derten Betrages mit 206 Gulden rheinisch zuerkannt wurde. An der für Anfertigung der Troui- 



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Jakob Sei«sbocer. 



83 



peterpaniere aufgerechneten Summe von SO 4 Gulden wurde dagegen nicht der geringste Abzug 
liclicbt. Seiseneggcr's siimmtliche Fordenmgen beliefeu »ich somit auf 110!) Gulden rheinisch, und 
nach Abzug der erhaltenen Vorschüsse hatte er nur noch 387 Giddcn zu erhalten. Auch an seiner 
unbedeutenden Hofbesoldung jährlicher 60 Gulden rheinisch waren ihm vom Beginne seine* 
Dienstes her bis Ende 1543 nicht mehr als 160 Gulden bezahlt worden. 

Seisenegger's dringende Bitte um Zahlung seiner Fordeningen fand endlieh Erhörung. Am 
19. December 1545 erhielt er vom Hofzahlmeister Hans Holzer in Abschlag seiner Forderung „von 
wegen etlicher arhaü", die er dem König gemacht, 200 Gulden rheinisch (Hofzahlamtsrechnung 
1Ö45, Fol. 61). Für den Rest von 187 Gulden wurde ihm ein in des Königs Namen ausgefertigter 
Schuldbrief ddo. Wien 17. Januar 1516 eingehändigt (Ged. B. 59, Fol. lu). Am letzten Dcccm- 
ber 1545 wurde ihm überdies seine ausstellende Besoldung mit 350 Gahlen rheinisch erfolgt, die 
ihm der König aus Gnade pussirte, „wiewoll er dieselb zeit etlicli mall von hof gewest", daher 
nach der Hofordnung für die Dauer seiner Abwesenheit keinen Sold ansprechen konnte. Die 
niederösterreiehisehe Kammer erhielt ferner am 16. Juli 154 7 den Auftrag, dem königlichen 
Diener und Hofmaler Jakob Seisenegger den ausständigen liest von 150 Gulden an seiner Arbeit 
und dem Dienstgelde von der nitehsten Confiscafion oder Strafe, die eingehen würde, zu bezahleu 
(Ged. B. 61, Fol. 92 1. Schon im Mai des nächsten Jahres erhielt er auf Abschlag eine vom Haus- 
grafen in Osterreich Laslawen von Edlasperg erlegte Strafsummc von 10U Gulden. 

Aber auch ein bleibendes Zeichen der Anerkennung für seine fleissigen , vieljährigen und 
treuen Dienste sollte Seisenegger zu Theil werden. König Ferdinand wies ihm „zu dester stat- 
licher seiner vndcrhalltung" am 29. September 1547 lebenslänglich 100 Gulden rheinisch jährlich 
als Provision aus den Einkünften des Vicedomamtes in Österreich unter der Enus an. Wenn 
Seisenegger an den königlichen Hof erfordert oder sonst in des Königs Sachen gebraucht würde, 
soll ihm nebst dieser Provision auch seine Besoldung monatlicher fünf Gulden gereicht werden 
(Ged. B. 60, Fol. 299, Ged. B. 61, Fol. 167). 

Ein trauriges Ereigniss in der königlichen Familie gab Veranlassung, dass Seisenegger bald 
hernach den Auftrag erhielt, seine erprobte Kunstfertigkeit wieder zu zeigen. Ferdinands 
geliebte Gemahlin , Königin Anna, war drei Tage nach der Geburt ihres fünfzehnten Kindes, der 
Erzherzogin Johanna, am 27. Januar 1517 zu Prag dahingeschieden. Die sterblichen Überreste 
der allgemein beklagten Fürstin fanden in dem St. Veits-Dome auf dem Prager Schlosse ihre letzte 
Ruhestsitte. Die beschlossene Ausführung eines Denkmals von Bildhauerarbeit verzögerte sich 
jedneh durch König Ferdinand'» Kriegszug nach Sachsen. Als Sieger heimgekehrt, stiftete der 
König eine Messe: „super altare divae virginis matris Mariae, ante quod tumulus . . nostrae con- 
thoralis dilectissimae piae recordationis oxistit" (Stiftbrief ddo. Leitmeritz 10. Juni 1547. 
Bucholtz IX. 220 ff.). Seisenegger erhielt den Auftrag, eine Altartafel dahin zu malen und empfing 
zu Prag am 10. October 1547 vom Hofzahlmeister Hans Holzer 50 Gulden rheinisch in Abschlag 
fler Arbeit «die er an der taftt vor der Romischen khunigin sei. gedechtnus begrebnuss zw Prag 
mit mal weich thucn sol" (Hofzahlamtsrechnung 1547, Fol. 103). Zu rascherer Förderung dieser 
grossen Arbeit nahm Seisenegger als Gehilfen Meister Hansen, Maler von Salzburg, zuweilen von 
Linz genannt. Wahrend beide in voller Thatigkeit waren, befahl König Ferdinand auf Seisen- 
egger's Ansuchen, aus Augsburg am 14. Januar 1548. der böhmischen Kammer, seinem Hofmaler 
„in abslag vnd zu stat Hoher Verrichtung seines in hannden habennden werchs vnd arbeit" 
100 Gulden rheinisch zu erfolgen. Weder Uber die Zeit der Vollendung dieser Altartafel, noch 
Uber die Vorstellungen auf derselben haben sich Nachrichten erhalten. Das Gemälde ging wohl bei 
«lor Bilderstürmerei in der St. Veitskirchc am 21. December 1619 spurlos zu Grunde. Folgende Stelle 
in dem Berichte eines Augenzeugen (Pragerische Reformation s. 1. 1620. 4. Fol. 3) scheint hier- 



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84 



Ernst Birk. 



über AufschluBs zu geben: „Der mitlere (Altar), so vnser lieben frawen consecriert vnd zwischen 
dem chor vnd der kais. begräbnus gewesen, ist biss zur erden geschnurrt". 

Auch noch eine andere grössere Arbeit zu Prag war Meister Jakob Seisenegger zugedacht. 
König Ferdinand Hess 1548 den prachtvollen , unter König Wladislaw's Regierung erbauten Saal 
im königlichen Schlosse, da er bei dem verheerenden Brande am 2. Juui 1541 stark gelitten, 
wieder herstellen. Als die Arbeit der Vollendung nahe war , stellte Erzherzog Ferdinand , Statt- 
halter in Böhmen , den Antrag, zur grösseren Zierde dieses schönen Baues an den Wänden und 
zwischen den Fenstern die Bildnisse aller Lande sftlrstcn Böhmens, wie sie vor der Brunst im 
oberen Gemache gewesen, nebst jenen König Ferdinand'», seiner Gemahlin und Kinder malen zu 
lassen. Er bezeichnete dazu r maister Halingen maller von Salczburg, so vorhin maister Jacoben 
(Seisenegger) in mallung der tatin geholffen, der dann für ainen ziniblich gueten und hehennden 
maller beruembt wirdet- 1 , dem etwa auch ein guter niederländischer Maler beigegeben werden 
könnte. König Ferdinand gab zu Wien am 19. Juli 1548 seine Zustimmung, befahl jedoch, früher 
für den untern Theil des Saales „ain klains musster vnd conterfech" machen zu lassen, „wo, wie 
vnd welcher ortn vnser, vnserer lieben gmahl seliger vnd kiuder, dergleichen auch der kaiser, 
kunig und herzogen in Behain bildnuss daselbst im saal ordennlich vnd mit gueter zier nochein- 
ander gesteh werden sollen u . Erzherzog Ferdinand antwortete seinem Vater aus Prag am letzten Juli : 
r nachdem es alhie nit vil köstlich wcrchleut hat* 4 , sei es wohl am besten Meister Hansen kommen 
zulassen, „so möcht derselb alsdann neben maister Jacoben (Seisenegger) di conter- 
fe hung herunden . . . machen vnd verrichten- ; nur so könne der gewünschte Entwurf zu Stande 
kommen. Seisenegger's erprobte Meisterschaft im Portriitfache hatte gewiss Werth volles geschaffen. 
Da jedoch Meister Hans wegen anderweits übernommener Arbeiten diesem Kufe nicht folgen 
konnte, so scheint auch Seisenegger den Antrag abgelehnt zu haben. Schon im November 1548 
wurde ein Entwurf hiezu dem Maler Giovanni Battista Ferro aufgetragen. Verschiedene Ursachen 
bewirkten jedoch, dass das Vorhaben bald ganz aufgegeben wurde. 

Seisenegger hatte seine Dienstleistung am Hofe König Ferdinand's bis in das neunzehnte 
Jahr fortgesetzt, als seine Gesundheit zu wanken begann und Spuren des Alters sich zeigten. 
Sorgen für Weib und Kinder verdüsterten seine Lage. Seine geringe Hof besoldung hatte nicht 
hingereicht, die Kosten der Reisen mit dem königlichen Hoflager zu decken. Alles, was der Mei- 
ster sonst durch seine Kunst erworben, war darauf gegangen und überdies war er noch in Schulden 
gerathen, während er in den Tagen seiner vollen Kraft wiederholt glänzende Dienstanerbietungtn 
aus treuer Anhänglichkeit an seinen Herrn ausgeschlagen hatte. In dieser peinlichen Lage über- 
reichte er dem Könige Ferdinand im Juni 1549 nachstehendes Gesuch: 

„Allerduchleuchtigister, grossmechtigistcr khunig etc. allergenedigister herr! 

Wiewol ich wais vnnd nicht zweifei, das ewer ku. mt. aus angeborner guete vnnd mildigkhait 
her getrewen gehorsamen dienner vnndertkenig vleissig diensst aus aigner kunigelichen bewegnus 
jeder zeit genedigist bedennckhen vnnd dieselben mit gnaden zu belonen vnnd zuuersecheu genaigt 
seyen, so wierd ich doch verursacht meine langwierige diennst ewer maiestat mit dem khürezisten 
hieinit zu crzellen. 

Es ist yeez das neunezechendt jar, das ich an ewer khu. mt. hof vnnd diensten bin vnnd 
mich auch bissher mit der geringen besoldung, nämlich monatlich mit funff gülden (doch beschwer- 
lich) enthallten vnnd gennuegeu lassen, vnnd ob ich gleichwol im anfanng meines dieussts vnndt 
hernach durch ewer mt. hofmaistcr weillenndt herrn Wilhelmen von RogendorfT gewisse vertröss- 
tung gehebt, das mir solch mein besoldung gar in khurcz gewisslichen gepessert solt werden , ho 
ist doch daBsclb bissher nie erfolgt vnnd ich nichts weniger alls der gehorsamist yeder zeit an 
ewer mt. hof, wann vnd wohin ich erfordert vnnd beschaidn worden bin, mit viel mueh vnnd 




Jakob Seiskneookr. 8!> 

arbat nachgefolgt vnnd dadurch alles, das ich in annder weg erobert vnnd erhallten, an worden 
vnd mit grundt zu schreyben drcymal mer, all« sich mein besöldung erraicht , verzert vnnd ein- 
piesst hab, vnnd mich darüber noch in schulden gcstossen, darczue in solchen nachuolgen von 
wegen armuet vnnd vnuennugens, auch der hartten scharffen wintterszeit nicht allain zum tail 
vmb mein gcsundt khomen, sonder auch die khinder durch todtlicben abganng verloren hab. 

Nun ist ewr. kliu. mt., auch etlichen derselben gehuimen dienner vnnd rätten vnuerporgen, 
wasmassen die Ro. kay. mt. im verschinen zwayunddreyssigisten jar durch den herrn Cobas zu 
Rcgenspurg vmb diennst mit mir haundlen vnnd anczaigen lassen, das mich ir mt. jttrlich mit 
zwayhundert goldtgulden versechen vnnd da» ich zu Antorff, Brussl oder Leuen , wo es mir am 
gelegenisten frey siezen solle. Dergleichen vnnd eben derselben zeit der dueo de Alba mit zway- 
hundert ducaten järlichcr besöldung sambt der vnnderhallttung auff mich, mein weib vnnd ain 
khnaben sich auch angebotten vnnd annder mer furssten vnnd cardinall, die ich mit namen vnnd 
warhait anzuzaigen wisste, aber khurcz halben vnndterlass, glcichsfals mit mir handien lassen, aber 
aus vnndterthenigiater, starckher vnnd vnzweifelhatfter zuuersicht, das ewr. khun. mt. mich, mein 
weib vnnd khindle mit der zeit auch genedigist bedenckhen vnnd versechen wuerde, der obermellten 
diennsten vnnd anbietten aller vnnd all annder mein gelegcnhait , die mir bissher in vil weg vor- 
gestannden, hindan geseezt vnnd aussgeschlagen. 

Dieweil ich dann bissher von ewer mt. khain genad nie emphanngen, mich mit der clainen 
geringen besöldung vnnderthenigelich betragen , das mein dardurch cinpiesst, mich in schulden 
gestossen, in ewer mt. diensten nun eraltendt vnd ewer mt. in den beschwerlichen zeitten vnnd 
khriegssleuffen, damit ewer mt. bissher beladen gewest, nie anlauffen wöllcn, so verhoff ich vnder- 
thenigclich ewer mt. werden solches alles merers zu herezen fassen vnnd auss oberzellten \Tsachen, 
furnemblich meines allters vnnd schwachait halben mich mit weib vnnd kinndien bedennckhen. 
versechen vnnd der vil jar gehabten gcdult genedigist gemessen lassen. 

Vnnd ist darauff an ewer khu. mt. mein vnnderthenigist bit, sy Wüllen mich mit ainer jär- 
lichen prouision hundert gülden reinisch in muncz mein leben lang vnd nach meinem tödtlichen 
abganng den halben tail meinem weib vnnd khindlen genedigist versechen vnnd dieselben mir 
vnd meiner jeez gemeltcn hausfrawen aus dem gefcll der maut zu Ybbs oder Stain quottemberlich 
zu geben genedigist verordnen, das wil ich vmb ewer khuniglich maiestat mein lebcnlang zuuer- 
dienen geflissen sein. 

Eur Ro. ku. mt. vnderthenigister diener vnd hofmaller Jacob Seisseneckher. - 

Blieb auch dieses Gesuch ohne Erledigung, so befahl der König doch zur Linderung des 
Nothstandes seines treuen Dieners am Juni 1549 zu Prag dem Hofzahlmeister Mangen Seiez, 
seinem Hofmaler Jacob Seisenegger die seit letzten Juni 1548 unbezahlt ausstehende Ilofbesol- 
dung von 60 Gulden, ferner 300 Gulden für gelieferte Arbeiten und überdies als wohl verdientes 
Gnadengeld 100 Gulden rheinisch ohne Vorzug und auf einmal zu bezahlen (Ged. B. 63, Fol. 174). 
Die volle Zahlung dieser Betrüge erfolgte am 21. und letzten Juni 1549 (Hofzahlamtsrechnung 
1549, Fol. 94 und 334). 

Als König Ferdinand im Juli 1550 nach Augsburg zog, war ihm Seisenegger dahin gefolgt. 
In derselben Stadt, wo vor zwanzig Jahren der aufstrebende Künstler die erste Anerkennung fand, 
weilte jetzt der alternde Meister. Er erhielt hier einen neuen Beweis der fortdauernden Gnade 
seines Herren. König Ferdinand bewilligte daselbst am 1. September 1550, dass Seisenegger fortan 
.seine bisherige Hofbesoldung jährlicher 60 Gulden auf seine Lebenszeit als Provision zu der 
bereits früher im Betrage von 100 Gulden angewiesenen, aus dem Vieedomamte zu Wien beziehen 
sollte (Ged. B. 66, Fol. 252). 

IX. u 



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Ebmst Birk. 



Das Schmerzlichste für Seisenegger musate die Abnahme seine» Augenlichte* »ein, die lang- 
sam fortschritt und die Ausübung seiner Kunst bedrohte. Was er in seinen Blütejahren erworben, 
war längst dahin. Er hatte zwar zu Wien eiue kleine Behausung erkauft, doch hafteten Schulde» 
darauf, die ihn leicht zum Wiederverkaufe nöthigen konnten. Als daher Seisenegger'« alter Freund, 
Augustin Hirachvogel , am Anfang des Jahres 1553 zu Wien gestorben war, bat Meister Jakob 
den König, ihm die durch Kirschvogels Ableben erledigte Provision von 100 Gulden rheinisch zu 
verleihen. Er schrieb desshalb im Februar 1553 an den römischen König Ferdinand: 

p Ewr Rö. khwniglich mt. tragen sonnders zweitls gnedigist guett wissen, wie ich curkhw. mt. als 
derselben hofmaller nun lannge jar here verhoffenbeh eerlich vnnd getreulich gedienndt, auch allcrlaj 
zuegestanndne anschliche, eerlich vnnd mir wol ersprieslichc conditionen von bäbstlicher heilligkhait, 
Franckhreich, Emigelanndt vnnd anndern cristlichen pottenttaten, die mich in ire diennst anzenem- 
nien vnnd anschlich zu vnderhalltcn sich angebotten, ich aber solches alles (in ansehung das ich 
vnder cur khw. mt. geporn vnnd erezogen) ausgeschlagen hab. Vnnd so ich dann derselben meiner 
kunsst vnnd handtwerchs mit dem beschwerlichen vill hin vnnd widerraissen sonnst in annder 
weeg nicht wol gemessen miigen , auch mein ordinarj hofbcsoldung dermassen schlecht vnnd 
gering gewesen , das ich mich sambt meiner hausfrawen vnnd kindern darbej schwerlich ernern 
vnnd enthallten mögen, hab ich die pesste zeit meins lebens also verschhssen vnnd nicht souil ftlr 
mich bringen khünden, das ich jeezo in meinen erlebten tagen vnnd sonnderlich bej dem mangl 
meins gsichts (den ich von tag zu tag je mehr emphinde) mein notturfftige vnndcrhalltung gehaben 
möchte. Dann ob ich gleichwol mir zu Wienn ain behausung erkhaufft, so hab ich mich doch dar- 
durch dermassen in schulden gesteckht, das ich dieselben ausser widerverkhanming des hauss bej 
disen beschwerlichen vnnd grossen steurn nicht beczallen khan, sonnder bin armuetthalbcn drün- 
genlich verursacht solche behausung widerumb zuuerkhauffen vnnd mich sambt meiner immer 
schwachen vnnd kranckhen hausfraucn herberigsweiss zu enthallten. Damit ich aber meiner lann- 
«•en getreuen diennstc in meinen alten tagen geniessen vnnd sambt meiner schwachen hausfraucn 
die übrigen vnnsere täg zu leben haben mögen , so lanngt an cur khw. mt. mein vnnderthenigist 
diemücttigist bitt, die wölle mir die jerlichen ainhundert gülden reinisch, bo cur khw. mt. weilennd 
dem AuguHtin Hirschvogl auf sein leben lanng aus dem viezdombambt zu Wienn verschriben 
vnnd er diser tag mit tod abganngen, derhalben eur mt. widerumb haimbgefallen, auf mein leben 
lanng zu ainer zuepuess vnnd crgeczlicheit meiner diennstc allergnedigist bewilligen vnnd 
eruolgen lassen, der vnnderthenigisten zueversicht eur khw. mt. obbemelten vrsachen halben mir 
solches nicht abschlagen werden vnnd das vmb cm* khw. mt. vnnd derselben khw. khindem in 
aller vnnderthenigkhait zuuerdiennen, will ich mich die zeit meins lebens vngesparts und höch- 
stes vleiss bevleissen, dem ich mich damit zu gnaden beuelchcn thuc." 

Der Erfolg entsprach jedoch nicht der gehegten Erwartung. Der König schlug die Bitte ab. 
Seisenegger, hiedurch nicht entmutlngt, wendete sich an des römischen Königs iiitesten Sohn, 
Maximilian König von Böhmen, auf dessen Begehren er zwei Knaben zur Malerei heranbildete, 
mit der Bitte um gnädige Fürsprache (das Gesuch ist abgedruckt in den Wiener Jahrbüchern der 
Literatur, Bd. 122, A. Bl. S. 2). Nunuiclir wurde Seisenegger'* Bitte wenigstens zum Theil erhört. 
König Ferdinand bewilligte in Erwägung der treuen und fleissigen Dienste, die er dem 
König „vill jar vnnd zeit heer gehorsamblich bewisen hat vnnd sich des noch furhin, so weit sich 
sein leibsvermugen vnd gesundthait erstrekht, zu thuen vnnderthenigist erpietten thuef, zu seiner 
bisherigen Provision von lüO Gulden noch 50 Gulden jährlich auf seine Lebenszeit, alles aus dem 
Viccdoraamte zu Wien (Ged. B. 71, Fol. 107). 

Seinem Anerbieten treu strebte Seisenegger, so weit es seine Kräfte zulicsscn, seiner 
Dienstpflicht nachzukommen. So erhielt er am letzten Februar 1554 zu Wien vom Hofeahlmeistcr 



Jakob Seisbnegger. 



«7 




60 Gulden rheinisch r so ime die khuniglich maiestat von wegen abconnderfehung irer 
khuniglichen maiestat geliebten khunigclichen khinder" zu geben verordnet (Hofzahlamtsrech- 
nung 1554, Fol. 165). Im August desselben Jahres malte und vergoldete er eine ungarische Feld- 
fahne, die der römische König dem Palatin Nndasdy zustellen liesB (Hofzahlamtsrechnung 1554, 
Fol. 303). Auch noch in späteren Jahren finden wir Scisenegger nach Kräften thätig. So malte er 
im April 1557 abermals eine Feldfahne für den römischen König, wofür er 50 Gulden rheinisch 
erhielt (Hofzahlamtsrechnung 1557, Fol. 130). 

Zur Vergütung der in früheren Jahren im königlichen Dienste erlittenen schweren Einbusgen 
bewilligte König Ferdinand zu Wien am 13. December 1557 seinem Hofmaler, der nunmehr 
27 Jahre treu und fleissig gedient, 500 Gulden rheinisch aus heimfallenden Lehen, PönfäUen etc. 
(Ged. B. 78, Fol. 212). Die Realisirung 
derartiger Exspectanzen , wie man sie 
nannte, war jedoch höchst unsicher 
und konnte Jahre lang dauern. Zur 
Abhilfe dagegen versprach der König 
zu Wien am 29. August 1558 dem Sci- 
senegger in Anbetracht seiner voll- 
brachten und noch täglichen treuen 
Dienste, dass ihm von diesem Gnaden- 
geld alsbald 100 Gulden und am ersten 
Januar 1559 50 Gulden und sofort am 
Anfang jedes Jahres derselbe Betrag 
bis zu gänzlicher Entrichtung der 500 
G ulden aus dem Wiener Salzamte erfolgt 
werden sollen (Ged. B. 79, Fol. 262). 

Im October 1558 stellte Scisen- 
egger an seinen Gebieter, den am Fig " *' F,g ' 2 * 
14. Mai dieses Jahres erwählten römischen Kaiser, die Bitte um Verbesserung seines alten Wap- 
pens, wie auch um taxfreie Nobilitation für sich und seine ehelichen Leibeserben. Diese Supplik 
liegt im Adelsarchiv des k. k. Staatsministeriums und wurde von Bergmann in den Jahrbüchern 
der Literatur Bd. 122, A. Bl. S. 4, veröffentlicht. Zur Ergänzung folgen hier die beiden auf dem 
Gesuche vorkommenden Wappenschilde, zur Linken das einfache alte Wappen (Fig. 1), der 
schwarze Greif im goldenen Felde, zur Rechten die beantragte Besserung mit dem quadrirten 
Schilde (Fig. 2). 

Kaiser Ferdinand zögerte nicht diesem Ansuchen seines Hofmalers Folge zu geben. In huld- 
voller Anerkennung der vielen Verdienste Seisenegger's, der in der Kunst des Bildnissmalens 
dieser Zeit als der berühmteste anerkannt und befunden worden, erhob er ihn und seine ehe- 
lichen Leibeserben am 16. October 1558 zu Wien in den Adelsstand und verbesserte sein alther- 
gebrachtes Wappen ; überdies wurde ihm später am 16. März 1559 auch die Taxbefreiung bewilligt. 
Seisenegger's Adels- und Wappenbrief, ein schönes Denkmal der Würdigung wahren Verdienstes 
wie der Kunstliebe Kaiser Ferdinand's, lautet : 

„Wir Ferdinand etc. bekhennen öffentlich mit disem brief vnd thuen khundt allermenigelich, 
wiewoll wir aus Römischer khaiserlicher hüche vnd wierdigkhait, darein vns der allmcchtig nach 
seinem göttlichen willen geaeezt hat, auch angeborner guettc vnd miltigkhait allzeit genaigt sein 
aller vnd jegücher vnserer vnd des heilligen reichs, auch vnserer khunigreich vnd furstenthumben 
vnderthonen vnd getrewen er, wierd, aufnemben, nutz vnd pesstes furzuneniben, zu befurderen vnd 





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88 Ers»t Bikk. 

zu betrachten, so ist doch vnser khaiserlich gemuet in sonder bewegt vnd hegierlieh denen vnser 
genad mitzutaillcn, welche in erberm, redlichem standt vnd wesen herkhumen sein vnd siel» geegen 
vns vnd dem heilligen reiche vnd vnserm löblichen hauss Osterreich in sonderlicher, gehorsamer 
vnd vndertheniger getrewen dienstbarkhait ftlr annder guetw iiiig erzaigen, halten vnd beweisen, 
sy dieselben verdientten vnd teugliche personen in noch höchcre eer, wierd vnd standt zu erheben 
vnd zu wierdigen. Als wir dann genedigelich angesehen, wargenumben vnd betracht sollich erber- 
khait, redligkhait, vernunfft, schickhligkhait, guet adelich sitten, weesen vnd tugent, darinnen wir 
vnsern diener, hofmaller vnd getrewen lieben Jacoben Seisenegger erkhennen, auch die vnder 
thenigen, vleissigen vnd willigen dienst, die er Seisenegger mit seiner khunst der illuministrcy vnd 
abeonterfethur, darinnen er diser zeit für den beruembtisten erkhent vnd befunden , sich auch in 
der hoehberuembten khunst der geometria von weegen seines in sonderhait darzue tragenden 
grossen lusst vnd begierde vilfeltigclich geuebet vnd erfaren ist vnd sunsten auch in annder weeg 
vns an vnserm khaiserlichen hole vnd bei vnser selbst aignen person, dessgleichen weillendt vnser 
liebsten gemahl der Römischen khunigin löblicher vnd seeliger gedechtnus vnd vnsern geliebden 
khaiserlichen sunen vnd tochtern immer ob den dreyssig jareu beer yederzeit zu vnsern vnd irer 
liebden sojidern angenämen genedigisten willen , wolgefallen vnd benuegen erzaigt vnd bewisen 
hat, dasselbig noch täglichen mit sonnderm getrewem embsigem vleiss thuet vnd hinfuron nicht 
weniger zu thuen des vnderthenigisten erbiettens ist, auch woll thuen mag vnd solle , dammb vnd 
damit sich er Seisenegger vnd die scinigen solcher seiner vorelltern vnd seiner selbst redligkhait, 
tugent vnd verdienen von vns, als pillich ist, genossen zu haben beruemen vnd dardurch hinfur 
annder gegen vns, dem heilligen reich vnd vnserm löblichen hauss Osterreich zu dergleichen 
gueten tilgenden vnd nuczlicher gehorsamer vnd williger dienstbarkhait geraiezt werden, so haben 
wir demnach mit guetter vorbetrachtung, wolbedachtem muet, rechter wissen vnd von sonndern 
vnsern khaiserlichen gnaden wegen den genannten vnsern diener Jacoben Seisenegger vnd all 
sein eelich leibsserben vnd derselben erbeng erben, mann vnd frawenpersonen für vnd für ewige- 
lich in den stanndt vnd grad des adls der recht edl gebornen lehens thurniersgenoss vnd ritter- 
massigen leut erhebt, darzue gewierdigt vnd edl gemacht vnd sy der schar, gesellschafft vnd 
gemainschalFt vnserer vud des heilligen Römischen reiehs , auch vnserer klmnigreich , erblichen 
fursstenthumben vnd lannden recht edl geboren leben thurniers genossen vnd rittermJissigen edl- 
leutten zuegeselt, geleichet vnd zuegefuegt zu gleicher weiss, als ob sy von iren vier anen vnd 
geschlechten za baiden seitten recht edl rittermassig lehen thurniers genoss edlleut geboren wären 
vnd zu noch merer zeugnus, glaubens vnd gedechtnus solcher erhebung vnd wierdigung gemeltem 
vnserm diener Jacoben Seisenegger sein allt wappen vnd clainat , so mit namen ist ain gelber 
oder goldtfarber schilt, darinnen auf ainem weissen oder silberfarben drifachem schrofigem grundt 
ain gancz s« hwarezer greift" steendt auf seinen hinderen fuessen auffrecht geegen dem vonlern 
obern egg des schilts, haltent in seinen vorderen waffen ainen gehawen oder formierten stain von 
sechs eggen, mit seinen aufgethonen flugin, vndergeschlagnem schwantz, offnem schnabl vnd rotter 
aussgeschlagner zungen, auf dem schüllt ain stechhelbm mit gelber oder goldtfarber vnd schwar- 
tzer helbmdeckhen geziert, darauf ain krantz von gelbem oder goldtfarbein laubwerch aus dem- 
selben neben einander entspringent zwo aufgethon adlersfllig schwarezer färb, zwischen denselben 
auch ain sechseggetter stain, wie in dem schilt erscheinent, nachuolgunder massen geziert, ver- 
Hnndert, gepessert, auch ime , seinen erben vnd nachkhumen des namens Seisenegger zu fueren 
vnd zu gebrauchen genedigelicheu vergunt vnd erlaubt haben mit namen ainen quartierten schilt, 
dessen vnnder hinder vnd ober vorder fierung plaw oder lasurfarb, in yetweder derselben in ainem 
flachen geometrischen circkhl oder ainer figur drey gelbe oder goltfarbc quadratstuckh triangl»- 
weise mit den spiezen oder winckheln zusamengciüegt , vnud dann die andern zwo tierungen die 



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Jakob Seisexeugek. 



89 



«chilts gelb oder goltfarb, in yetweder derselben auf seinen hindern messen für »ich aufrecht* 
steent ain schwarezer greift" mit vnndter sich gekrimptem schwanntz, beder seits erhobnen flugeln, 
offnem schnabell vnd ausgeschlagner rotter zungen, sein recht waff ausgeprait gegen dem vordem 
obem egkli , die lingkh für sich vnnd darinn vuderhalb des khopffs haltendt ain schlangen irer 
natürlichen färb vnnd gestallt, den koph gegen ime kherendt mit aufgethanem maul, heckhender 
zunpren vnd vnnder sich gewundtnem leib vnd sehwancz; auf dem schildt ain offner adelicher 
fumiershelmb, dessen pogen der visier oder aussehen sambt den wulssten vmb den hals» gelb 
oder jgoltfarb, auf der rechten mit schwarezer, linggeu plaw oder lasur vnnd btderseits gelber oder 
g;oltf»rber helmbdeckhen vnd darob ainer guldin khunigelichen cron geziert, daraus zwischen 
zwaien gegen einander aufgethonen schwartzen adlersflugen , deren sachssen gegen einander 
gekhert ersebeinent, mit seinem spiez vber »ich ain ploss schwert mit schwarezem hefft vnd ver- 
hülltem glattem schlechtem ereuez vnnd zwerchpüglin , alsdann sollich adenlich wappen vnnd 
clainat mit der verennderung, zicrang vnd pesserung in mitt dits vnnsers kaiserlichen briefs gema- 
let vnd mit färben aigentlicher ausgestrichen ist , thuen vnd geben inen auch vorgemelte gnad vnd 
frey hait, erheben, wierdigen vnd schöpfen sy in den standt vnd gi'ad des adls , adlen , gleichen, 
gesellen vnd fliegen sy zu der schar, gesellschafft vnd gemeinsebafft vnserer vnd des heilligen 
reichs, auch vnsers löblichen hauss Österreichs gebornen ritttrmUssigen leben» vnd thurnierss- 
genossen cdlleuten, erlauben vnd geben inen zue. das sy obgeschriben wappen vnd clainat mit 
der pesserung, wie obsteet, fueren vnd sich der in allen eerlichen, redlichen, adelichen vnd ritter- 
lichen sachen vnd geschafften, zu schimpf vnd zu ernnst, es scy in streitten, stürmen, khempfen, 
thurnieren, gestechen, gefechten, rittcrspillen, veltzugen, panieren, gezellten, aufschlagen, innsigln, 
pettschafften, clainaten, gemillden, venstem, begrebnussen vnd sunst an allen andern orten vnd 
ennden nach iren ecren, notturfften, willen vnd wolgefallen gebrauchen sollen vnd mugen, alles 
aus Römischer khaiserlicher macht wissentlich in crafli dits briefs vnd mainen, seezen vnd wellen, 
das sy furbasshin in ewig zeit der genant Seisenegger , all sein eclich leibsserben vnd derselben 
erbens erben, mann vnd frawenpersonen, recht edl geboren rittermSlssig lehen vnd thurniers 
genossleut sein, von menigelich vnd an allen ortten vnd ennden in allen vnd yeden handlungcn 
sachen vnd geschafften, geistlichen vnd weltliehen, darfür halten vnd ceren vnd sunst all vnd 
iegelich eer, wierde, vortail, freihait, recht, gereehtigkhait, allt herkhumen vnd guet gewonhait 
haben, mit beneficien auf thuembstifften , hohen vnd nidern ambtern, geistlichen vnd weltlichen 
leben zu emphahen, zu halten vnd zu tragen mit andern vnsern vnd des heilligen Römischen 
reich« vnd vnserer kunigreich erblichen furstenthumben vnd lannden recht edl gebornen Ichens 
thurniers genossen vnd rittermHssigen leutten in all vnd jegelich thurnier zu reitten, zu thurnieren, 
mit inen lehen vnd all annder gericht vnd recht zu besitzen, vrttl zu schöpfen vnd recht zu 
sprechen vnd der vnd aller anderer adelichen sachen, handlungcn vnd geschafften, eeren, wierden, 
vortailen, freihaiten, gewonhaiten, gesellschafften vnd gemainschaften an allen ennden, innerhalb 
vnd ausserhalb gerichts, mit inen zu handien, zu thuen vnd zu lassen, tailhafftig, wierdig, 
emphengelich vnd darzue teuglich, schickhlicb vnd guet sein, sich auch der obgeschribnen wappen 
vnd clainaten mit der verUnnderung , zierung vnd pesserung sambt den vermelten genaden vnd 
freihalten allenthalben nach iren ehren, notturfften, willen vnd wolgefallen freyen, gemessen vnd 
gebrauchen mugen vnd sollen in allerinassen, als ob solliches alles von iren vier anen, vattern, 
muettern vnd geschlechten zu baider seit« erblich auf sy khumen vnd gewachsen wäre, vnd als 
ander vnser vnd des reich«, auch anderer vnserer kunigreich, erblichen furstenthumben vnd lann- 
den recht edl geboren rittermiissig lehen vnd thuruiersgenoss edlleut, so solches alles haben, sich 
deren gebrauchen vnd gemessen von recht oder gewonhait, von allermenigclich vnuerhindert, vnd 
gebietten darauf n. allen vnd yeden churfursten, fursten geistlichen vnd weltlichen, prelaten, 



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90 



Ernst Birk. 



grauen, freyen , herren , rittern, knechten, landtmarschalchcn , landsshaubtleutten, haubtleutten, 
landtuogten, viczthumben, Vögten, pflegern, vcrwesern, ambtleutten , »chulthaissen , kliundig-ero 
oder wappen crnholden , perseuantcn, burgermaistera , richtern, rttten, burgern, gemainden vnd 
«unst allen anndern vnsern vnd de« reichs, auch amiderer vnserer khunigreich , furstenthtimb vnd 
lande vnderthonen vnd getrewen, in was wierden, stanndta oder wesens die 8ein, ernnstlich vnd 
vesstigclich mit disem brief vnd wellen, das sy obgedachten Jacoben Seisenegger vnd seine erben 
vnd derselben erbens erben in ewig zeit für vnser und des hcilligcn reichs vnd vnserer khunig- 
reich, erblichen furstenthumben vnd landt recht geboren lehensthurniers genossen vnd ritter- 
mässige edlleut eeren, halten vnd erkliennen, inen auch an diser vnser erhebung ires «tandts 
vnd grad des adls pesserung vnd zierung des Wappens vnd clainats vnd allen anndern vor- 
geraelten vnsern khaiserlichen gnaden, eeren, wierden vnd freihalten nicht hindern noch irren, 
sonnder sy deren allenthalben berneblich freyen, gebrauchen, gemessen vnd genczlich dabey 
bleiben lassen, darwider nicht thuen, noch des yemandts anderm zu thuen gestatten in khain 
weis, als lieb ainem yeden sey vnser vnd des reichs schwilre vngnad vnd straff, darzue ain 
peen, benantlich funffzig marckh lotigs goldes, zuuernicidcn , die ain yeder so offt er frauenlich 
hiewider thüte, halb in vnser vnd des reichs camer vnd den anndern halben taill obgenanten 
Jacoben Seisenegger, seinen erben vnd derselben erbens erben obgemellt vnnachlässlich zu 
bezallen verfallen sein solle , doch anndern , die vielleicht den obgeschriben wappen vnd 
»lähmten gleich fuerten, an denselben iren wappen, rechten und gerechtigkaiten vnuerg-riffen 
vnd vnschedheh. Mit vrkhundt dits briefs besiglt mit vnserm khaiserlichen anhangunden insigl. 
Geben zu Wienn den sechzehenden tag Octobris nach C'liristi vnsers lieben herrn gepurt XV*» 
vnd im achtundlunffzigistcn, vnserer reiche des Komischen im 28. vnd der anndern im 32. jaren. -4 
(Original-Coneept im Adelsarchiv des k. k. Staatsministcriums.) 

Hatte Seisenegger in früheren Tagen bei Schätzung seiner Arbeiten manche empfindliche 
Verkürzung erlitten, durch lange Jahre die Zahlung der auf die Hiüftc herabgesetzten Betrage 
erwarten müssen \md dennoch in treuer Pflichterfüllung sein Erworbenes zugesetzt, so vergalt 
des Kaisers Huld dem alternden Meister reichlich jene früheren Unbilden. So wurde ihm zu 
Wien am 18. Februar 1560 abermals eine Expectanz auf 300 Gulden in Münze erfolgt, in 
Anbetracht seiner langjährigen Dienste „in eonterfeten, auch malwerckli vnd andern Sachen", 
die ihm der Kaiser zu verrichten befohlen (Ged. B. 86, Fol. 75). In demselben Jahre am 
19. November zu Wien bewilligte ihm Kaiser Ferdinand aus besonderer Gnade und in Berück- 
sichtigung der Fürbitte des jungen Königs von Böhmen Maximilian vom 1. November 1560 
an fortan jährlich sein Leben lang 50 Gulden rheinisch in Münze als Provision und Gnaden- 
gcld aus den Gefallen des Salzamtes zu Wien „in gnedigister envegung seiner vnns vnnd 
auch weillenndt vnnsrer liebsten gemahl der Römischen khunigin selligcr vnnd milter gedächt- 
nus, auch vnnsern geliebten sunen vnd töchtern von vill vnnd lanngen jaren beer gethannen 
vnnd noch teglichen, aufrichtigen, getreuen vnd vleissigen diennst vnnd darinn erlanngtcn 
althers" (Ged. Ii. «6, Fol. 481). 

Seiscncgger's warme Anhänglichkeit an seinen kaiserlichen Herrn bewies sich, ah) er und 
seine Gattin Susanna von ihrer geringen Habe demselben zu seinen „ gegen württigen hohan- 
gelegnen aussgaben" 1000 Gulden rheinisch gegen acht Procente jährlicher Verzinsung 
darliehen und diese Summe am 1. Mai 1561 zu Wien dem Hofzahlmeister Sebastian Fuchs 
überantworteten. Noch an demselben Tage wurden sie mit Capital und Interesse auf das Salz- 
amt zu Wien, insbesondere auf das Gefall „der aindlif aufgabkueffl salcz J verwiesen (Ged. B. 87, 
Fol. 139; Ged. 13. 88, Fol. 30). 



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Jakob ÖKismr.ciOER. 



91 



Bald darauf beschloss Seisenegger von Wien wegzuziehen und in Linz sich häuslich nieder- 
zulassen. Er bat desshalb den Kaiser ihm seine Provision jahrlicher 210 Gulden, die er 
bisher aus dem Vicedomamte zu Wien bezogen, „vmb pesserer seiner gelegcnhait willen" vom 
1. Juli 1561 an auf die Gefälle des Vieedomamtes zu Linz zu verweisen. Der Kaiser areneh- 
iiiigte dies zu Wien am 14. Juni 15GI mit dem Beifügen, „doch solle er Seiscnegger jeder 
zeit, wann wir sein bedurffen vnd als vill sein leibsvermugen geben wierdet, an vnsern hof 
auf vriser erfordern zu verraisen a schuldig und verbunden sein (Ged. B. 87, Fol. 194). Da 
Seiscnegger zur Zeit seiner Übersiedlung nach Linz vom Vicedomamte in Österreich unter der 
Enns noch 210 Gulden rückständige Provision zu erhalten hatte, so befahl König Maximilian 
zu Linz am 30. Dccembcr 1561 auf dessen Bitte „vnd die vnns genuegsamblich daneben 
furgebrachte vrsachen a dem Vicedom zu Linz, Cosmas Gienger, ihm diesen Rückstand gleich- 
falls daselbst zu erfolgen (Ged. B. 83, Fol. 208). 

Auch für das Schicksal der Gattin Seiscnegger'» im Falle des früheren Ablebens ihres 
Gatten sorgte grossmüthig Kaiser Ferdinand. Er bewilligte ihr zu Wien am 30. August 1563 
in Anbetracht der langwierigen, treuen und fleissigen Dienste desselben nach dessen Hinscheiden 
durch vier Jahre 40 Gulden rheinisch Gnadengeld in Münze. Das Nöthige solle aufgerichtet, 
gefertigt und zugestellt werden, wenn sich dieser Todesfall zutragen wird (Ged. B. 92, Fol. 241). 

Seiscnegger hatte, wie bereits erwähnt, in früheren Jahren seine geringen Ersparnisse 
verwendet ein kleines Haus in Wien zu kaufen, um sein Leben am eigenen Herde in Ruhe 
zu bcschliesscn, obgleich er sich zu diesem Ende in Schulden stürzen musste. Wahrscheinlich 
bei seiner Übersiedlung nach Linz verkaufte er diese Behausung, nicht ohne früher mit Mieths- 
leuten schmerzliche Erfahrungen gemacht zu haben. Am 10. üctober 1557 hatte er sein Haus 
an einen königlichen Diener bei der niederösterreichischen Kammerbuchhalterci, Leopold Pichler, 
um den jährlichen Zins von 110 Gulden rheinisch vermiethet. Der noch erhaltene Miethsver- 
trag zählt genau die einzelnen Bestandtheile des Hauses auf, enthält jedoch leider nicht die 
geringste Andeutung, wo dasselbe gelegen war. Der neue Miethsmann blieb aber bald mit 
dem Zinse für anderthalb Jahre in Rückstand und nur durch das kräftige Einschreiten des 
Kaisers wie seines Sohnes König Maximilian gelang es Seiscnegger im August 1563 den 
ausstandigen Zins von 165 Gulden rheinisch hereinzubringen. 

Im Mai 1564 bestürmte Seiscnegger, alternd und seines geschwächten Gesichtes halber 
unfähig zu jedem Erwerb, neuerdings die oft erprobte Grossmuth seines Gebieters. Er bat 
dringend um Verbesserung seiner Provision und insbesondere um Verleihung der Hälfte der- 
selben für seine Gattin nach seinem Ableben, gleichfalls auf deren Lebenszeit. Das Gesuch 
enthält einige Angaben Uber sein früheres Leben und die Mittheilung desselben dürfte daher 
nicht unwillkommen sein. Es lautet: 

„Allerdurchleuchtigister grossinächtigister vniiberwindlichister Römischer khayser, auch zu 
Hungern vnd Behaimb etc. khönig etc. 

Allergenadigister herr, eur Röm. khay. mt. etc. khunden sich noch allergenadigist selb» woll 
erinnern vnd zw etwas erfrischung meines folgenden anzaigens fueg ich derselben mit grundt der 
warhait in vnderthanigister gehorsam zuuememen, das ich eur Röm. khay. mt. etc. von meiner 
jugendt her bis in das funfunddreissigist jar mit meiner gelcrntn khonst, souill mir gott 
geuadt geben, vnnderthänigist , gehorsamist, vleissigist vnnd treulichist nur vmb fünf phund phe- 
ning monatlich gedient vnd doch offt am hin- und widerraysen ain monat zu gar vnuenneidlicher 
mein selbs, meiner hausfraucn, voriger gehabten khinder vnd gesynndt notturfften vber zwainezig 
phunt phenig vnd offt vill merverzern muessen vnd wiewoll eur Röm. khay. mt. etc. meine menig- 
feltige gemachte arbaithu vnd conterfecturn in sonderhait zu bezallcn allergenadigist verordnet 



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<»2 



Ernst RtBK. 



gehabt, so ist mir dnnnacht niemals der halb taill meines verdienens daran vnd inner achtzehen 
jarn warlich gar nichts bczalt worden, wie cur Rüm. khay. mt. etc. gewesener rath vnnd obrister 
chamrer etc. herr Martin von Gusraan etc. vor seiner gnaden in Hispanien von hie vernikhen 
mir selbs khundtschatft gegeben vnd dis mein warhafftig anzaign bestätigt hat, dcrhalbcn cur Röm. 
khay. mt. etc. mir noch in nechst verschinen 60""' jur ain prouision jürlich fünfzig phunt phening 
vnd darnach fünfhundert phunt phening gnadcngelt im sybenundfunfezigisten jar aus confisciertn 
verfallen guettern , die ich aber nindert bekhumen mögen, allergenädigist verschriben , alsdann 
mir dieselben auch im achtundfunfezigistcu jar aus eur khay. mt. etc. salczumbt hie, namblich alle 
jar in abschlag fnnfezig phunt phen. zu bezallcn bis zu folliger erstatung derselben funflmndert 
phunt phen. allergenädigist verordnet laut capy mit A hieneben, dauon ich noch nur zway jar frisstn 
vnd bezallung zu emphahen liab, vnnd nachdem ich nun gar ain schwach alter erlanngt vnnd 
was ich alle meine tag in Hispanien. Wiilhischen vnd anndern lannden hertigkhlich vberkhomen 
vnd erspart , in solchem meinem dienst eingepucsst vnd das vbrig alhie «u Wienn an ain haus 
gelegt vnd dasselb gepaut, des furnemens gleich alhie sambt weib vnnd gesindt mein leben zuuer- 
zern vnd zu schliessen, so bin ich doch ye lonnger mer darneben in gross schulden gerathn, das 
ich ermeltes haus mit grassen schaden verkhauffen vnd meine grassc crlanngte schulden vnd in- 
teresse darmit bezallen muessen vnnd also nur von den khlainen vberbeliben vnd ersparten resst- 
lein, auch ringen prouision vnd gnadengeltlein noch auf heut an zere, dan ich laider meines alters 
schwachait vnd pleden gesichts halber nichts mer zu gewynnen wais vnd gleich sorg trag, ich 
werde in meinem leben paldt gar aufzern. Nun hat der allmechtig barmbherezig gott aus sonnde- 
rcr gnadigen schickhung jeezo mein liebe hausfraw, so auch etwas schwach vnd miedt, schwanngers 
leibs gemacht, das ich in khuerezer zeit mich aines khindts vertrest, dem wolt ich (wie pillich) 
sambt meiner lieben hausfrauen (woferr sy mich vberlebtc) vmb ieres eelichen getreuen channdli- 
chen wolhaltens wegen auch herczlich gern ain zimbliche erliche vnderhaltung lassen, dieweill 
ichs dan ja aus meinem guetl nit hab vnd eur khay. mt. etc. mir verordnet gnadengelt der järlichen 
funfezig phunt phen. sich nechst khunfftigs sechsvndsechczigisten jars ennden wierdet vnd eur 
khay. mt. etc. gleichwol auf mein vnderthanigist gehorsamist bithn meiner geliebten hausfrauen 
nach meinem todt vier jar lang vnd jedes besonder vierzig phunt phening hilfgclt zu genaden 
bewilligt, damit sy doch auf khain gewiss ort versehen noch verwisen worden, laut copy mit B, 
das ich mich in ain als den anndern wege vnnderthanigist bedanckhe, vnd aber eur Köm. 
khay. mt. etc. als ain heilliger, gerechtster , mildtreichister khayser alle derselben alte getreue 
gehorsamiste diener in ierem leben nit mangl leiden lassen, sonnder sy allergenädigist vnd 
viltterlihist begaben. Hierauf lanngt an cur Röin. khay. mt. etc. ferrer mein allervnderthanigist, 
gehorsamist vnd diemuetigist bitthn, die wellen in erwegung meiner so langwierigen, getreuen, 
willigisten dienst, meines vilfeltigen grassen einpuessens, nachsehens in bezallung meiner 
incnigfeltigeu eur khay. mt. etc. volprachtn arbaitn, contherfecturn vnd anndern gemälln, auch 
meines erlanngten schwachen alters vnd aus besondern khayserlichen mildtreichisten genaden 
mir die funfezig phunt phening genadengaben nach endung der angemeltcu verschreibung, die 
ich hinaus zu geben gehorsamist vrpüttig, widerumb von neuem mein lebe lang neben den 
vorigen funfezig phunt phening, thuet hundert phunt phening prouision vnd nach meinem 
todt meiner geliebtn hausfrauen auch ir lebe lang dy funfezig phunt phening, wellichcs nur 
vmb zehen phunt phening mer ist, aus dem gemelten salczambt zu raichen allergenädigist 
bewilligen vnd derhalbcn an herrn salczambtman ainen neuen beuelch zuuerfertigen verordnen. 
Das wellen wir bede schwache chonleut die zeit vnnsers lebeus, das wol zu besorgen khuercz 
sein wirdet, vmb eur Rom. khay. mt. etc. vnd derselben geliebste khayserlichc khinder mit 
vnnserm andächtigen tätlichen gepeth gegen gott treulichist zuuerdienen nit vergessen vnd thue 



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Jakob Skisekecokr. 



93 



cur Rom. khay. mt. etc. mich aambt meiner geliebtn schwachen getreuen hausfraun hiemit vmb 
allcrgenädigisten wilfarigen besehaidt vnnderthanigist beuelhen. 

Eur Römisch khayserlichen maiestat etc. vnnderthanigister gehorsamister alter dienner vnd 
liofmaller Jacub Scysencckher. w 

Der Erfolg war, da.ss Kaiser Ferdinand seinem alten Diener Seisenegger „zu desst besser 
seiner vndtcrhaltung" aus besonderer Gnade zu Wien am 10. Mai 1564 durch seinen Hofzahlmcistcr 
Schastian Fuchs 50 Thaler zu erfolgen befahl (Hofzahlamtsreehnung 1561, Fol. 281). Seisenegger'« 
Supplik aber wurde am 11. Mai mit den Worten erledigt: „Die römisch kayserlich maiestat 
etc. viiser allergenadigister herr habn des supplicanten begern derzeit mit gnaden cingesteldt*. 

Nach Ableben Kaiser Ferdinand'» (f 25. Juli 1564) erneuerte Seisenegger seine frühere 
Bitte bei dessen Sohne Kaiser Maximilian im Januar 1566, aber gleichfalls ohne den gewünschten 
Erfolg; dagegen wurden ihm am 7. Januar aus Gnaden auf einmal 34 Gulden aus dem Hof- 
zahlamte bewilligt (David Hagen's Hofzahlauitsrechnung 1566, Fol. 610). 

Als Kaiser Ferdinands Söhne Maximilian, Ferdinand und Karl am 6. Januar 1566 die 
angefallenen Erblande unter sich theilten und einen brüderlichen Vergleich schlössen, übernahm 
es Erzherzog Ferdinand, dem Tirol und die Vorlandc zugefallen, Seisenegger« Provision jähr- 
licher 210 Gulden vom 1. Januar 1566 an aus dem Tiroler Kammermeisteramte zu bezahlen. 
Eine Zuschrift Kaiser Maximilian'» aus Augsburg vom 3. Februar 1566 setzte Seisenegger von 
dieser Veränderung in Kenntnis» (Ged. B. 100, Fol. 1. Ged. B. 101, Fol. 17). 

Altersschwach und lebensmüde starb Meister Jakob Seisenegger noch vor Ablauf des 
Jahres 1567. Bestimmtere Angaben Uber seinen Todestag fehlen. 

Aus Gnaden bewilligte Erzherzog Ferdinand seiner hinterlassenen Witwe Susanna die Aus- 
zahlung des vollen Provisionsbetrages für dieses Jahr, ^vnangeschen das er das bemelt 67. jar 
nit völlig erlebt'. In Folge dieses Befehls erhielt die Witwe am 11. Juni 1568 112 Gulden 
:t0 Kreuzer und am 4. Dccember den Rest von 97 Gulden 30 Kreuzer zu Händen Erasmen 
Haidenreichs zu Pidncgg, erzherzoglichen Hofkammerrathes und Pflegers zu Frageustain (Tiroler 
Kammcnncisteramtsrcchnung 1568, Fol. 217 im Innsbnicker Statthaltern- Archiv). Das Gnaden- 
geld von 40 Gulden jahrlich auf die Dauer von vier Jahren, das weiland Kaiser Ferdinand der 
Witwe Seisenegger'» nach Ableben ihres Gatten am 30. August 1563 bewilligt hatte, wurde ilir 
am 10. April 1568 angewiesen. 

Möchte es gelungen sein, auf dem mühevollen Wege historischer Forschung dem ver- 
schollenen Namen des wackeren Meisters Jakob Seisenegger den ihm gebührenden Ehrenplatz 
in der Kunstgeschichte Österreichs im XVI. Jahrhundert gesichert zu haben. Erneuerter 
kritischer Forschung muss es vorbehalten bleiben Gemälde dieses Kunstlers, die gewiss noch, 
wenn auch unter fremdem Namen, erhalten sind, aufzufinden und auf ihren wahren Urheber zurück 
zu führen, wobei die hier mitgcthcilten urkundlichen Nachweise vielleicht nicht ganz ohne Werth 
sein dürften. Gelingt dies, wie kaum zu bezweifeln, so ist der Weg gebahnt, eingehender, als es 
bisher möglich war, die Conception und Technik dieses Meisters kennen zu lernen und seine Ver- 
dienste um die Kunst im Vergleich mit den Werken seiner berühmteren Zeitgenossen, eines Tiziano 
Vecelli, Holbein, Amberger und Anderer, nach Gebühr zu würdigen. 



Nachtrag. 

Der Druck vorstehender Zeilen war noch nicht vollendet, als uns der kaiserliche Rath und 
Director Bergmann gefalligst mittheilte, das kaiserliche Münz- und Antikencabinet habe in neuerer 
Zeit eine Medaille mit dem Bildnisse Jakob Seisenegger'» erworben. Wir glauben eine Abbildung 
EX. 13 



/ 

94 



Erxst Birk. 



derselben hier nachträglich beigeben zu «ollen, da es nur erwünscht sein kann, die Züge eine* 1 
Mannes kennen zu lernen, der Treffliches schul', wenn auch sein Name, durch Ungunst der Zeit, 
in der Kunstgeschichte kaum genannt ist. Aber auch das bisher nicht zu ermittelnde Geburts- 
jahr Seisenegger's wird durch dieses gleichzeitige Denkmal bestimmt. Meister Jakob wurde im 
Jahre 1505 geboren, erlangte mit 26 Jahren die Stelle eines Hofmalers bei König Ferdinand 
und starb 62 Jnhre alt 1567. 

Die Medaille, deren Nachbildung unten folgt, hat 13 Linien im Durchmesser und ist in Zinn 
gegossen, ohne spätere Überarbeitung mit dem Stichel. Die Vorderseite zeigt Seisenegger's erhaben 
gearbeitetes Brustbild mit kurzem Haupthaar und starkem Vollbart in einer Schaube von der 
rechten Seite. Am Rumpfe findet sich das Monogram M. G. Die Umschrift lautet: „IACOB .SEISN- 
ECK11FR (aet. sve) XXXVHI J . Die in Klammern stehenden Worte sind aus Versehen bei Model- 
lirung der Medaille weggeblieben. Auf der Kehrseite erscheint eine nackte weibliche Gestalt, 
stehend. Sie hiilt mit der Linken Seisenegger's altes Familienwappen, den Greif mit dem Stein in 
den Fängen, und fasst mit der Hechten den am Boden stehenden Stechhelm mit seiner Helmdecke 
und den beiden Adlerflilgen an den Spitzen der Letzteren. Die Umschrift lautet: „IN. LIEB. 
VNANGENKM . M . D . XLHI-. 

Die Medaille ist die tüchtige Arbeit eines Nürnberger Stiimpclschnciders oder Goldschmiede »" 
der seine Werke mit den Buchstaben M.G. bezeichnete. Sie entstand als Seisenegger im Jahre 1543 
mit dem königlichen Hoflager zu Nürnberg verweilte. Gleichzeitig fertigte derselbe Meister die 
schöne Medaille auf Seisenegger's Freund, Augustin Hirschvogel, in gleicher Grösse. Vgl. Will's 
Nümbergische Münzbelustigungen HI. 185 ft'. — Bergmann, Medaillen auf berühmte und aus- 
gezeichnete Männer des österreichischen Kaiserstaates. I. 280 ff. 



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95 



Drei Tapetenmuster 

aus dem Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts. 

■ 

I 

Vos Albekt Cawesina. 
(Taftl 17, V ani VI.) 

I 

Lcdertaptten aus Hlteren Zeiten zählen mit zu den grösseren Seltenheiten, wie denn selbst die mit 
Gold gedruckten Ledertapeten des XVII. Jahrhunderts, welche vorzüglich in Frankreich verfertigt 
wurden, nicht mehr sehr häutig anzutreffen sind. Die Tapeten theüen sich nach der Art ihrer 
Erzeugung in „Faden-" und „Drucktapeten". Die ersteren sind entweder gestickt oder gewebt 
(Hautelisses, Basselisscs, Hattues a or, Gobelins etc.), und die zweiten werden durch Autdrucken 
einer sich stets wiederholenden Zeichnung vermittelst eines hölzernen Models hervorgebracht. 
Es versteht sich wohl von selbst, das« das Sticken mit der Nadel die älteste Produktionsweise für 
I Ta-jH-ten und Teppiche war, und dass man erst später, als man schneller und mit weniger Mühe 
erzeugen wollte, zu mechanischen Hülfsmitteln die Zuflucht nahm ; und zu diesen letzteren gehörte 
der Model, den mau auch zum Zeugdruck verwendete, nämlich eine starke, vollkommen ebene Holz- 
platte, in welche die Zeichnung (Dessin) vertieft ausgeschnitten war und deren glatte Oberfläche 
zum Aufdrucken des Grundes (Fond du tapis) diente, von welchem sich die Figuren und Orna- 
mente licht abhoben. 

Alle älteren Aufdrucktapeten sind wohl nur zweifarbig, und zwar wurde die eine Farbe dein 
Leder selbst gegeben oder man benutzte ein bereits gefärbtes Leder und druckte die zweite, 
nach der eben erwähnten Methode darauf. Als Bindemittel konnte man Leim (wie noch bei den 
heutigen Tapeten), oder wo es sich um grossere Dauerhaftigkeit handelte, Ölfirnis» anwenden, 
wie es bei den drei vorliegenden Tapeten der Fall ist 1 . 

Die erste Tapete (Taf. IV) wird durch zwei fortlaufende, bald geradlinig ziehende, bald in 
einen Halbkreis gestellte Parallellinien in Felder getheilt, und zwar so, dass zwischen je vier dieser 
Hauptfelder ein fünftes oder Zwischenfeld entsteht, welches eine kreuzithnlichc Form bildet. Im 
Hauptfelde sind zwei aufrechtstehende Ungethümc mit gegen einander gerichteten Köpfen und 
fächerartigen Flügeln' angebracht, und zu ihren Füssen zeigen sich Zweige mit Kleeblättern. Das 

' Die bereits durch Ferd. Keller in den Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Jnhrg. 1856— 18.'»7, 
pag. 139 ff. beschriebene Tapete von Sitten ist aus Hanf leinwand und mit Ölfarbe (reilruckt, die bei den Figuren aus Kieii- 
rui»s nnd bei den Ornamenten au« Köthel und Ölfirnis» besteht. — * Ähnliche fäcberftiruiißc Flügel haben unter Anderen auch 
die beiden Greife auf einem Kirebenstoff von Aix-la-Chapellu in den „Melungra d'Archeologie" Ton Cahier und Martin (T. II, 
pL 13), und die beiden Ungetkfluie auf dem italienischen Seidenstoff »on Ruth und Gold in demselben Werke <T. 11t, pl. 23). 

13* 



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96 



Albert Cameüisa. 



Zwischenfall! ist mit einfachen Ornamenten ausgefüllt. Das Leder dieser Tapete iat roth «-efilrbt 
nnd der Aufdruck schwarz. 

Die zweite Tapete (Taf. V), deren Dessin in <lie Quere fortliiuft, zeigt in steter "Wiederkehr 
ein laufendes Ungethütn und unter dcmselhen einen Adler mit einem Federschopf. In die Flifchen 
zwischen den Thiercn sind, um diese Felder nicht zu leer zu lassen, allerlei ornamentale Zieratheii 
eingeschnitten, die keine besondere Bedeutung zu haben scheinen. Auch bei dieser Tapete ist das 
Leder roth und der Aufdruck schwarz. 

Bei dem dritten dieser Muster (Taf. VI) ist hingegen das Leder gelb gefärbt und der Auf- 
druck grün. Der Model oder der stets wiederkehrende Dessin zeigt oben eine Krone, durch 
welche zwei Palmbliitter gesteckt sind, und je zur Seite einen Adler. Auf der unteren Hillfte sieht 
man zwei mit dem Rücken gegen einander gekehrte Hunde und zwei zusammengeneijrte l'alm- 
bbltter. Die einzelnen Dessins sind der Höhe nach über einander gereiht. 

Wo sich diese Tapeten ursprünglich befunden haben mochten, dürfte etwas seh wer zu 
bestimmen sein, aber es wäre möglich, ihiss sie einst an Chorstühlen oder an der Rückwand des 
Sediles eines Abtes oder eines anderen vornehmeren Geistlichen angebracht waren. Die noch 
jetzt vorhandenen l'berrestc derselben wurden (zu welcher Zeit ist nicht bekannt) zu Kinbiindc/i 
von vier Handschriften aus dem XV. Jahrhundert benützt, welche in dem Büchersehatzc des 
Stiftes Melk aufbewahrt weiden. 



k H y. ft, t vi — l«r k l MH I H»»|..|.«rk.i»| .„ «... 



97 



Die Marienkirche in Krakau 

und ihre artistischen Merkwürdigkeiten. 

Von Josepu v. Lkhkowski. 

\Vawcl, Alma Mater und die Marienkirche in Krakau bilden die berühmtesten Denkmale Polens; 
denn sie bieten die sprechendsten Zeugnisse der Vergangenheit dieses Landes. Die Kathedrale 
Wawels birgt in ihren Gewölben Kronen , Scepter und Bischofstabe. Dagegen steht die jagcl- 
lonische Hochschiüe als ein Zeugniss der schon frühzeitigen Bildung Polens da. Die Marienkirche 
endlich bezeugt in ihren Grab- und Kunstdenkmälero die fast 700jährige Geschichte des Bürger- 
thums von Krakau. 

Schon der Bau der Kirche selbst lässt die verschiedenen architektonischen Style, wie solche 
vom Beginn des XIII. bis in die zweite Hälfte des XVIII. Jahrhunderts vorherrschend waren, an 
sich nachweisen. Obwohl die Erectionsurkunde dieser Kirche zeigt, dass Bischof Iwo Odrovqz ' 
die Krakauer Pfarre von der heiligen Dreifaltigkeitskirche hierher übertrug, jene hingegen den 
Dominicanern Ubergab , so finden wir doch bei niiherer Betrachtung der Mauern aus jenen Zeiten 
nur mehr den Plan der Kirche (Fig. 1), nämlich: das Ausmaass der beiden niedrigeren Seiten- 
schiffe und deren Absonderung von dem mittleren Schiffe, den aus fünf Wänden in Gestalt eines 
Achteckes bestehenden Chor und die beiden auf Quadersteingrundlagen ruhenden Thürme, welche 
die Fronte der Kirche bilden*. Aber auch die so eben angedeutete Gestalt unserer Kirche bietet 
Abweichungen von der im Xni. Jahrhundert im übrigen Europa üblichen Bauart Um sich 
nicht in Einzelheiten einzulassen, erwähnen wir nur den Umstand, dass die rechtwinkeligen 
(ehemals mit Fenstern versehenen) Wände die Seitenschiffe einschliesscn, ohne dass man das 
sogenannte Transseptum oder das Querschiff, das den Kirchen die Gestalt des Kreuzes ver- 
leiht, findet. 

Diese Gründe bewogen mehrere der deutschen Gelehrten, den Beginn des Aufbaues unserer 
Kirche in viel spätere Zeiten zu verlegen; ja es gibt auch solche, welche, wie Herr Essenwein, 
selbst in den zuerst aufgeführten Theilen des ganzen Baues nur den Charakter des XV. Jahr- 

1 Siehe Hostowaki: fcywot Biakupa Treeblekiego Str. 230 ff. (Biactmf Trxebicki'a Loben). — * Nach Herrn Esacn- 
woins Notaten in Organe lUr christliche Kunst. ( ölo, Jahr K »n B VIII. Nr. 2. 

IX. 14 



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«18 



Joseph v. Lepkowski. 



hundcrts finden wollen. Wir werden diese Urtheile anführen, nachdem wir 11118 zuerst in den 
Mauern, in Daten und Urkunden umgesehen haben. Unserer Ansieht nach wurden die Grund- 
steine unserer Kirche im XIII. Jahrhundert gelegt, und gleichzeitig begannen auch die Mauern 
sich zu erheben. In diesem und im folgenden Jahrhundert entstanden das Haupt- und die Seiten- 
schiffe, welche (zusammen mit den Thurmeapellen) 
15 rechtwinkelige Felder eines Spitzbogen- und kreuz- 
förmigen Gewölbes bilden. Diese Gewölbefelder ent- 
falten sich aus zehn achteckigen Pfeilern, welche in 
acht spitzbogenförmige Arcaden gebunden sind; ihre 
Kippen schliessen da, wo sie sich an die Wand lehnen, 
mit in Stein gehauenen Baldachinen (Fig. 2). 

Die früheren Beschreibungen der Stadt Krakau, 
von der bei Sil beneiehcr im Jahre 1 003 erschienenen 
angefangen, bezeichnen zwar Iwo Odrowaz als den 
Gründer unserer Pfarrkirche, schreiben aber deren 
Ausftihrung «lein berühmten Schatzmeister König» 
Kasimir des Grossen , Nicolaus Wicrzynek, zu. Beson- 
ders wurde ein Theil des Presbvtcriums um die 
Mitte des XIV. Jahrhunderts auf Wierzvnek's und 
anderer frommer Leute Unkosten vollendet. Die schrift- 
liche Überlieferung spricht auch, dass sich hinter den 
grossen ChorstUhlen , die bei der Südwand stehen, 
Wierzynek's Denkmal befinden soll , mit der beschei- 
denen Inschrift, welche durch das Wegschieben der 
Blinke ans Tageslicht zu fördern der Midie wertli 
wJlre: „Emulator ehori istius A. D. 13GÜ, Francisci 
festo, die solis, Dapifer Wirziak (sie) obiit". 

Trotzdem, dass dieses Datum die Gründung der 
Kirche nachweist, beweisen andere die Fortführung 
des Baues auch in spitteren Zeiten; denn im Jahre 
1399 spricht man von dieser Kirche als von einer 
neu aufgeführten. Im Jahre 14U0 verleiht Papst 
Bonifatius IX. auf Wladislaw Jagello's Bitte Ablasse 
und Kirchengnaden zu Gunsten derjenigen , die zum 
Bau der in Hede stehenden Kirche beigetragen haben. 
Ja, um's Jahr 14 15 findet man Testamente, in denen 
Geldsummen zur Vollendung des Baues dieser Pfarr- 
kirche verschrieben werden. Es wurde daher im XIV. 
und am Anfange des XV. Jahrhunderts der Bau fort- 
iretührt, oder es wurde, was früher entstanden war, umgearbeitet, erweitert und ausgeschmückt. 
In diese Zeit sind auch die beiden mit steinernen Thiirpfosten versehenen Seiteneingänge, auf 
denen Krabben mit auf die Wilnde auslaufenden Kreuzblumen angebracht sind, zu versetzen. Eben 
so gehören der Mitte des XV. Jahrhunderts die schönen steinernen Pinnakeln der Strebepfeiler an, 
die an der Ost- und Südseite der Kirche zu sehen sind (Fig. 3, 4, 5, 6, 1). 

Das Sterngewölbe des Chors, ein Werk des Maurers Czipser von Kazimierz, wurde im 
Jahre 1442 von neuem ausgeführt, nachdem das ehemalige Gewölbe dieses Theiles der Kirche 




fig- 1. 



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Dir Marienkirche h» Krakau. 



99 



zusammengestürzt war. Dieses frühere Gewölbe hielt sich nicht lange, wie dies ans den Stadt- 
rechnungen zu ersehen ist; es wurde im Jahre 1359 vollendet und ausgemalt, da gleichzeitig der 
Maurer oder Baumeister Werner daa Geld für diese Arbeit erhielt Im ^ \\ | 
Allgemeinen kann man das Ende des XIV. und den Anfang des XV. Jahr- \ \\ Jll 
hunderte als die Zeit der Vollendung des Banes der 
Marienkirche betrachten , ohne jedoch angeben zu 
können, warum der Bau so lange gedauert habe. 

Indem man für gewiss annimmt, dass die 
Anlage der Kirche oder die Fundamente der 
Kirchenmauern dem Anfange des XIII. Jalirhunderts 
angehören , so kann man Essenwein's Ansicht nur 
in soferne beistimmen, als eben die allgemeinste Be- 
trachtung des ganzen Gebäudes dasselbe für ein 
Denkmal des auf die Neige gehenden Spitzbogen- 
styls vom XV. Jalirhundert ansehen lasst. Das 
Leichte der Form, das Aufstreben der Kirche 
nach oben und die reiche Beleuchtung mit fast bis 



nach unten laufenden Fenstern reiht diese Kirche den schönsten Denkmälern der uns eigen- 
tümlichen Backsteinbauten an ; übrigens besitzt sie vor andern auch den Vorrang, dass sie die in 




flg. 4. Fl«. :.. Vit;, ß. Fig. 7. 



Stein gehauenen Verzierungen, deren wir in den Zeiten des Mittelalters entweder wenige besassen, 
oder welche die spatere Zeit vernichtet hat, noch immer an sich trägt. 

Was aber das Einzelne und Besondere anbetrifft, so erweisen es die Daten, dass viele Thcile 
dieser Kirche einer früheren Zeit angehören. Deutsche Gelehrte bekennen es selbst, dass ihr 
Urtheil Uber manche Arten unserer Backsteinbanten noch nicht reif ist; denn diese Denkmäler 
haben unverkennbar eigentümliche Merkmale , wie man solche nur zwischen der Weichsel und 
dem baltischen Meere vorfindet. Von jenen deutschen Forschem versetzt Heinrich Otte die ältesten 
Partien dieser Kirche in das XIV. Jahrhundert; Alexander Müller begeht einen nicht geringen Fehler. 

14« 



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100 



JoäBPH V. LkpKOWSKI. 




Fl». 9. 



indem er da» Jahr 1360 als die Zeit der Entstehung des heutigen Chorgewölbes ', und dieZeit vom 
Jahre 1450 bis 1460 als die Zeit der Aufführung der Seiten- und des Mittelschiffes angibt. 

Die Fenstermasswerke von einem Theil des Chors geben den besten Begriff vom Charakter 
des Styls sowohl , als auch von der Zeit des Baues. Die Capellen wurden an die beiden Seiten- 
schiffe zu ungleichen Zeiten angebaut, woher sich auch die Verschiedenheit des Styls zu erkennen 

gibt. So bezeichnet das an der Hussein Nord wand der Kirche 
zugleich mit dem Datum (1516) angebrachte sogenannte Ibriel- 
oder Boner'sche Wappen , dass die Oratorien sammt dem Ge- 
wölbe aus der Übergangsperiode des Spitzbogen- in den Rcnais- 
sanccstyl entstanden. 

Denselben Charakter tragen auch andere Capellen ; der 
Rcnaissaneestyl glänzt nur im Chor der Sehneidereapellc, das 
Barocke hingegen (vom Ende des XVI. und dem XVII. Jahr- 
hundert) hinterlicss kaum Spuren in zwei Capellen, in der 
Sacristei, in der Schatzkammer, in dem an die Aussenwand des 
Hochaltars angebrachten Anbaue, und in den Mauern des 
Gebäudes selbst. Fig. 8 gibt einen deuüichcn Begriff von der 
Anordnung* weise der Masswerke an den Fenstern der angebauten Capellen. 

Nach den Gründern Iwo und Wierzynek und nach den Thurzo, Fugger, Boner, Pemus, Fo- 
gclder und Salomo, welche im XVI. Jahrhundert die Kirche mit Capellen gleichsam wie mit einem 
Kranze umschlossen und die Wände mit Kunstwerken ausschmückten, kam auch die Reihe an da*« 
XVIII. Jahrhundert und der verdorbene Geschmack der Baukunst jeuer Zeit fand einen kräftigen 
Anhänger in der Person des Prälaten Hyazinth Lopacki, eines ehrwürdigen , um den Gottesdienst 
und die Ausschmückung der Kirche, als Pfarrers derselben, sehr sorgsamen Priesters. Das« er 
aber zur Vemnstaltung der Kirche beitrug, ist nicht seine eigene Schuld, sondern die der Zeit, in 
welcher er lebte, denn es ist nicht Jedermann zu Theil geworden, sich Uber den ausschliesslich 
vorherrschenden Geschmack zu erheben; das XVIII. Jahrhundert duldete weder mittelalterliche 
Begriffe noch Denkmäler, und zeichnete sich in der Geschichte der Kunst vor allem dadurch aus, 
dass es die Denkmäler des Mittelalters mit leidenschaftlicher Wuth vernichtete. 

Damals war es (1723 — 1761), als der ehrwürdige Domherr und Arzt, Hyazinth Lopacki 
der Marienkirche als Pfarrer vorstand. Dieser verwendete theil» aus eigenem Ersparten, theil ans 
Almosen last eine Million polnischer Gulden, um das Dach mit Kupfcr-zu decken, die Vorhalle zu 
bauen und die inneren Wände der Kirche umzumodeln. 

Das Grabmal, welches hopacki's Nachfolger demselben (am Eingange von der Seite der 
St. Barbarakirche) an der Aussenwand setzen Hessen, zeugt von seinen Tugenden und edlen Ab- 
sichten und zilhlt zugleich die damals zu Stande gebrachten Umgestaltungen auf. 

Lopacki fand zwar die Gemälde auf den mit Goldsternen besäten Gewölben in der Kirche 
nicht mehr und viele Flügelaltäre wurden schon im XVI. Jahrhundert durch andere ersetzt; aber 
er übernahm die Kirche in demselben Zustande, wie sie sich nach der, durch den Geistlichen Po- 
wodowski im Jahre 15*5 durchgeführten Herstellung befand ; Powodowski selbst hatte den An- 
fang zu den Umgestaltungen der Kirche gemacht. 

Die bunten Glasgemälde der Fenster hüllten damals den ganzen Chor in ein feierliches 
Dunkel. Viele Pfeiler standen frei, so dass das Auge die schönen Linien, in welchen die Gewölb- 
rippen nach unten abliefen, genau verfolgen konnte. 

' Die iiiirteUltiMrlichro KirthenjffMude Dculnrhland». Ldpzig. I8ÖB. 



UigitIZGd 



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DlK MARirSKtRCH« IS KraKAT'. 



101 



Altire und Ballustraden der Capellen , welche Lopacki aus schwarzem Marmor aufführte, 
so wie die zwischen den Arcaden eingezwängten Pilaster mit korinthisch-römischen CapitHlern, 
und endlich die in der ganzen Kirche angebrachten barocken Verzierungen benahmen derselben 
den früheren bezaubernden Eindruck, und doch kann man mit Kraszewski sagen: r Es gibt bei uns 
keine Kirche, die das religiöse Gefühl so zu wecken und einen solchen 
Eindruck auszuüben im Stande wllre, als die Marienkirche. Das Innere 
derselben , überfüllt mit Schnitzwerk , mit GrabmäUem . Altären und 
Denkmälern der Vergangenheit, fallt wie ein Bild auf. Die thätigste Kraft 
war hierbei die Frömmigkeit." 

Den grössten Schaden erlitt die Kirche durch die schon erwähnte Ent- 
fernung der vielfarbigen Fenster, deren nur drei zurückblieben; ferner durch 
die Theilung der Wandhöhen des Hauptschiffes in zwei Felder und durch 
den auf hölzernen Gesimsen ruhenden neu zugebauten Gang. Nachdem wir 
uns vorläufig in den Mauern der Marienkirche umsahen, wollen wir zur Be- 
trachtung der Thürme und zur Angabe der Maasse derselben Ubergehen. 

Die Lange der Kirche (ohne die Dicke der Mauern) betragt 236, die 
grösste Breite 106 poln. Fuss. Die Höhe bis an den Gipfel des Gewölbes 88, 
bis au den Gipfel des Daches 1 33 Fuss. Der höhere sogenannte Stadt- oder 
Marienthurm misst bis an den Gipfel des Fähnleins 246 W. Fuss (Fig. 9). 

Dieser Thurm gleicht wohl den Thürmen ersten Ranges an Höhe 
nicht, Ubersteigt aber jenen der Sebalduskirche in Nürnberg, und ist 
mit dem Notre-Dame-Thurme fast gleich hoch; er unterscheidet sich von 
anderen in Vergleich kommenden Thürmen dadurch , dass jene grössten- 
teils mit durchbrochenen Steinzierarten pyramidalisch emporschiessen» 
unser Thurm hingegen bis zur Höhe von 180 Fuss aus Ziegeln gebaut ist. 
Heide Thürme der Marienkirche bilden, wie erwähnt, dieFacade derselben; 
sie erheben sich (nach der im XHI. Jahrhundert üblichen Art) aus vier- 
eckigen Grundlagen. 

Der niedrigere Thurm ändert seine Gestalt bis nach oben hin 
gar nicht, denn er ist dort mit einer Helmspitze gedeckt, wo der höhere 
Thurm aus einem Viereck in ein Achteck übergeht. Sein gekrönter von 
16 kleineren Thürmchen umgebener Gipfel schicsst aus einer sechzehn- 
eckigen hölzernen Bedeckung empor. Sobald der erste Sonnenstrahl auf den 
Gipfel unseres Thunnes fällt und seine Krone von Gold erglänzt, verstummt Fi«-. 9. 

die Nachtigall in unsern Wcichsclhainen ; denn vom Thurme herab begrüsst das Morgenlied (Heynal) 
den Tagesanbruch ; das dauert den ganzen Mai hindurch und wird an dieser Übung bis auf den 
"heutigen Tag festgehalten. Hört man den Wiederhall der Trompeten, welche die Stadt mit dem Liede 
zur allerheiligsten Jungfrau aus dem Schlafe wecken, und sieht man das Uber Krakau sich erhebende 
Diadem unseres Thurmcs in der Sonne wie im Feuermeere glänzen, so meint man, dass diese uralte 
Metropolis, diese nunmehr verwaiste Residenz, ihre Krone dem Himmel Ubergibt! 

Hejnaly oder Keveilles bei Sonnenaufgang wurden zur Zeit der Königin Hedwig in Polen 
allgemein und man nahm diese Sitte von den Ungarn. Hejnal oder ejnal bedeutet bei den 
Magyaren den Morgen. Die Wächter, welche vom Marienthurm herab auch die ausbrechenden 
Feuer zu verkünden hatten , bliesen diese Reveille die ganze Adventzeit von Mitternacht an bis 
zum Tagesanbruch. Im Mai, als in de.m der allerheiligsten Jungfrau Maria geheiligten Monate, 
wird diese Reveille von fünf bis sechs Uhr Früh geblasen. Den Text und die Noten dazu 



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102 



Josf.pii v. Lkpkow«ki. 



haben wir im Tygodnik illustrowani Wansawsky (Warschauer illustrirte Wochenschrift Bd. HI.) 
veröffentlicht Wie fast Uberall in der Welt, wo man zwei gleich hohe Thürme aufführen wollte, nur 
einer die bestimmte Höhe erreichte und eine Legende die Ursache des nicht weiter fortgeführten 
BaueBdes zweiten Thurmes erzählt, so gibt es auch bei uns eine Sage von einem in den „Tuchlaubcn" 
aufgehängten Messer, welches mit dem Bau der beiden Thtirme in Verbindung stehe. Als der Senat 
der Krakauer Republik im Jahre 1843 die Herstellung des Giebels des höheren Thurmes vornahm, 
fand man daselbst Documente, welche, mit anderen Quellen verglichen, erwiesen, dass der Giebel 
vor dem Jahre 1478 mit Schindern gedeckt war. Aber dennoch glauben wir, dass er bereits damals, 
der Grundform nach, dieselbe Gestalt hatte wie jetzt , wiewohl wir andererseits bekennen müssen, 
dass erst zu Knde des XV. Jahrhunderts die ganze Gruppe der kleinen Giebelthürme ihre auffallend 
reichen Formen und die Verzierungen erhielt, welche den Thurm den originellen Werken beizählen 
lassen. Auch ältere Zeichnungen der Stadt Krakau beweisen, dass sich die Form des Giebels 
traditionell erhielt, wiewohl das Giebeldach in spateren Zeiten mehrmals hergestellt wurde; und 
die Zimmerleute James von Krakau und Johann von Speier (1545) hatten nicht nur an der Wieder- 
herstellung, sondern auch an der Umgestaltung des ganzen Zimmerwerkes gearbeitet. 

Der niedrigere Thurm wurde im Jahre 1592 gedeckt. Die Wiinde der beiden Thtirme werden 
durch Masswerk nach dem Geschmack des Spitzbogenschnitts mannigfaltig verziert und die durch 
horizontale Gesimse abgetheilten Felder durch Nischen belebt, und erreichen dadurch ein leich- 
teres und schlankeres Emporschiessen. 

An der Wand des höheren Thurmes, von der Seite der Florianigasse, sind Spuren einer ge. 
malten Uhrscheibe vorhanden. Das Künstliche jener Uhr bewunderte man noch im XVIH. Jahr- 
hundert. Man beschreibt nämlich , wie sich darauf ein Mondglobus drehte , welcher die Mondes- 
viertel angab, und wie alle Stunden Statuen hervortraten, welche die Zähne fletschten und auf- 
einander losschlugen. An der Scheibe waren die 24 Stunden nach altem Brauche vertheilt. 

Auf dem niedrigeren Thurm hängen fünf Glocken, deren grösste Johann Fredental im Jahre 
1435 gegossen hatte, aus dessen Werkstätte auch das schöne , jetzt wieder hergestellte, in der 
Kreuzkirche befindliche Taufbecken hervorging. 

Wenn wir das Innere der Marienkirche betreten und die Fülle des Reichthums daselbst 
überschauen, so milssen wir zuerst den Hochaltar betrachten, dessen Holzschnitzwerk wohl zu den 
grössten und bedeutendsten Werken dieser Art gehört 

Es ist bekannt, dass die Holzschnitzkunst hauptsächlich im XV. bis XVI. Jahrhundert 
geübt wurde, als nämlich in der Architectur das Licht- und Farbenspiel ein grosses Feld gewonnen 
hatte. Damals fanden sich derlei Schnitzwerke nicht nur in Kirchen, sondern auch in Wohnungen, 
und der Geschmack an denselben verbreitete sich selbst bis in das XVH. Jahrhundert, wo diese 
Kunstweise aber durch die Einflüsse des Barocken in Verfall gerieth. So häufig sich auch nun 
Schnitzwerke vorfinden, so kann man doch erst in der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts Namen 
von Männern anfüliren, die auf diesem Gebiete der Kunst eine Berühmtheit erlangten. Die Reihe 
dieser Meister ist kurz und beschränkt sich auf die Namen: Syrlin aus Ulm, Bajdcr aus Constanz, 
Wohlgcmuth aus Nürnberg, Herlin aus Nördlingen, Stavoez und Giese aus Westphalen. Nebst 
diesen Meistern verleiht die Kunstgeschichte dem gleichzeitigen Veit Stwosz aus Krakau einen der 
ersten Plätze in der Ubergangsperiode des Spitzbogenstyls in den Geschmack der Renaissance. 

Ambros Grabowski sammelte die einzelnen Nachrichten aus dem Leben dieses Meisters, 
Raslawiecki ergänzte sie und verband sie in ein kritisches Ganzes, und Vincenz Pol machte durch 

• Dieter Altar i*t in des «rufen Pn.idiieiki : „Monument» du nio.vfp-ige et de I» ren»i»»ance" Iii. »ttW, caJ.i. r 11 et 
12 cfaromolitboffraphUcb abgebildet 



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Die Mamskkikciik tu Khakau. 



loa 



ein Gedicht das Volk mit dem Namen des Meisters bekannt, der sich seit vier Jahrhunderten durch 
JageUo'fl Grabmal in der Krakauer Kathedrale dem Andenken der Nachwelt empfahl 1 . 

Alle deutschen und französischen Schriftsteller über Veit Stwosz wiederholen, dass der in 
Rede stehende Altar ein äusserst berühmtes Kunstwerk sei, oline dass es jemand von ihnen mit 
eigenen Augen gesehen hatte. Neuere Forscher, wie Rettberg, Otte, Dursch und Springer schätzen 
die ihnen bekannten in Deutschland zerstreuten kleineren Arbeiten dieses Künstlers sehr hoch; 
wenn sie nun dieses Meisterwerk sähen, so wurden sie gewiss ein sehr günstiges Urtbeil darüber 
fällen. Jetzt, da dieser Hochaltar von W. Rzewuski photographisch aufgenommen wurde und mein 
Bruder Ludwig ein Aquarell für die „Denkmäler der mittelalterlichen Kunst" vollendete, wird das 
herrliche Werk erst vollkommen gewürdigt werden können. Auch bei ims pflegte man im XIV. 
und XV. Jahrhundert das gemalte Sehnitzwerk mit grosser Vorliebe, wovon sich viele Denkmäler 
in den Gegenden Krakau'», Plocks, am baltischen Meere und um Danzig erhalten haben. Der 
auf Wierzynek's Kosten aufgeführte Altar wurde von dem im Jahre 1395 zusammenfallen- 
den Gewölbe zerschmettert, und es musste ein neuer gebaut werden. Wie die von Grabowski 
aufgefundenen Urkunden nachweisen, begann diese Arbeit im Jahre 1477, und wiewohl die Kosten 
dazu 2888 Gulden betrugen, so hatte man doch nichts vom Staatsschätze dazu erhalten. Liest 
man die Namen der Geber, so findet man mitunter auch Handwerker und arme Gesellen. So heisst 
es z. B: Johann Stanko vermacht eine arme Spende, Krupek und der Apotheker Paulus geben ihr 
Silber, die Hutmacherin Anna Bartoszowa und ihre Schwester Martha vermachen ein Haus als 
Fond für den Altarbau u. s. w. Die meiste Sorge und Pflege trugen: Johann Karnowski, Stanis- 
laus Przedbor, Johann Gawron, Johann Turzo, Stanislaus Zygmuntowicz, Johann Wierzynek, 
Jakob Wilkowski und Stanislaus Zarogowski. 

Man erwälinte des Veit Stwosz mit warmer Liebe, stellte ihm ein Zeugnis« aus, dass er 
äusserst gesetzt, fleissig und wohlwohlend gewesen, und durch seinen Verstand sowohl als durch 
seine Werke im ganzen Christcnthume berühmt geworden war, und fügte endlich hinzu, dass auch 
der aufgeführte Altar seinen Namen dem ewigen Andenken der Nachwelt empfehlen wird. 

Der Stadtscbreiber Johann Hajdek aus Danzig schrieb diese Bemerkung auf Pergament, und 
legte dies in einer Büchse Uber dem Hochaltar zum fortdauernden Andenken nieder. 

Die Andacht für die allcrheiligstc Jungfrau Maria hatte in jenen Tagen einen sehr hohen 
Grad erreicht Ks wurden ihr zu Elnren neue Feiertage festgesetzt, besondere unter Gregor XI., 
Urban VL und Benedict XIU. Gleichzeitig führte die Kirche das Läuten zu Ehren der allerheilig- 
sten Jungfrau, die ScapuUerc, den Rosenkranz und marianische Ritterorden ein. 

Unter Ludwig von Ungarn (1382) wurde der Czestochauer Berg in Polen berühmt. 
Dlugosz gibt an, dass die Krakauer Kathedrale zu Zeiten Hedwig's vom Lob der Mutter Gottes 
fortwährend ertönte. Daher stammen auch die Darstellungen aus dem Leben der allerheiligsten 
Jungfrau , besonders ihr Entschlafen und ihre Krönung. Diesen ersteren Gegenstund wählten 
auch die Stadtruthe Krakau's zu dem zu errichtenden Altar. 

In der Tiefe des oben bogenförmig geschlossenen Rahmens hat der Künstler die Apostel in 
natürlicher Grösse gruppirt, welche die in Ohnmacht fallende allerheiligste Jungfrau umgeben 
und stützen. In der mittlem Nische des Altars sieht man auf deren rückwärtiger Fläche die heilige 
Dreifaltigkeit von Engeln umgeben, und in den obern Ecken sitzen die Kirchenväter. Den obern 
Theil schmücken Figuren, Säulchen, Baldachine und Fialen- Rechts und links schlicssen den Altar 
Flügel nach Art eines Schrankes ein, auf welchen in sechs Feldern: Mariä Verkündigung, die 

■ Veit Htos« «Stuo») ist zu Nürnberg geboren nnd »ein Name steht m den BürgerTereeiebnUaeii dieser SUdt. Im 

Jahre 147? wird er unter jenen Nürnberger Bürgern aufgexabl t, welche ihr Bürgerrecht wegen Auawanderung aufgaben. Im 

Jahre 141N5 kehrte er nach »einer Oburtaatadt iiirück und labile für »eiui? Wiederaufnahme drei rheinische Gulden. — 
S. Baader Beitrage zur Kaustgesehiehte Nürnberg'» II. Reihe p. 45. (A. d. K.) 



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104 Joseph v. Lkpkowski. 

Geburt Christi, die Ankunft der h. drei Könige, Christi Auferstehung, die Himmelfahrt und die Ver- 
sammlung der Apostel in den letzten Augenblicken des irdischen Lebens Maria im Basrelief dar- 
gestellt sind. Die geschlossenen Hügel stellen auf der äussern Seite zwölf Scenen aus dem Leiten 
und Leiden Christi dar. Überdem obern Gesimse des ganzen mittlem Theils des Altars erheben sich 
aus zierlichen Unterlagen auf feinen Pfeilern leichte Baldachingewölbe. Unter dem mittleren Gewölbe 
krönen Gott Vater und Gott Sohn die allerhciligste Jungfrau, und der heilige Geist schwebt Uber dem 
Gipfel des Baldachingewölbcs. Der heilige Adalbert und der heilige Stanislaus, ferner Engel mit 
musikalischen Instrumenten stehen an den Säulchen. Ursprünglich, ja bis unlängst umgab diesen 
oberen Theil eine durchsichtige Strahlung, und verband ihn mit dem mittleren Theile, von welchem 
er jetzt zu abgesondert steht. Unten (über der Mensa selbst) steht der Stammbaum der allerheiligsten 
Jungfrau, und gepanzerte Rittergestalten strengen sich an, diese Last auf ihren Schultern zu erhalten. 

Die Höhe des ganzen Schnitzwerkes erreicht 44, die Breite 34 Fuss, die Tiefe der Nische 
beträgt 4 Fuss. Die Figuren selbst sind 4 — 4'/, Ellen hoch. Was den Charakter des Schnitz- 
werkes und den Styl der Ornamente anbetrifft, so ist hier die Dürer'sche Art vorherrschend. Es 
ist dies die Neige des gothischen Styls, der gleichsam von den herannahenden Formen der Renais- 
sance ein Vorgefühl zu haben scheint. 

Die Wiederherstellung des Hochaltars der Marienkirche, welche in Angriff genommen 
werden wird, sobald die Kirchenfonds von den Behörden revindicirt wurden, forderte vor allem 
eine genaue Untersuchung desGefüges des Ganzen. Es versammelte sich daher imJalu-e 1859 eine 
(Kommission aus den Ruthen der Kirchenaufsicht, aus den Mitgliedern der archäologischen Abtheilung 
der Krakauer Gelehrten -Gesellschaft, aus Malern und Tischlern. Herr Faul von Popiel, Con- 
servator der k. k. Central - Commission für die Erhaltung der Denkmäler, wurde eingeladen, 
seine Ansicht in dieser Angelegenheit zu eröflhen, und nahm an den Berathungen Theil, welche unter 
dem Vorsitze des Herrn Karl Kremer wiederholt gepflogen wurden. Es zeigte sich in Folge dieser 
Untersuchungen, dass die Pfeiler der am Giebel des Altars stehenden Baldachine von Würmern 
stark beschädigt seien und dass ein Pfeiler, welcher zur Unterstützung der daselbst stehenden 
Figuren unentbehrlich ist, gänzlich fehle. Von den feinen Strahlungen und den weit verzweigten 
Ornamenten, welche den Giebel des Altars mit dem Mitteitheile verbanden, fand man nur Überreste. 

Das Holz, woraus die Hauptfiguren geschnitzt sind, zerfällt an einzelnen Stellen, wenn man 
es nur berührt. Diese Beschädigung betrifft besonders den Hintertheil des Altars, da die Figuren 
der Apostel hohl sind, ein Firniss aber gar nicht angewendet wurde oder im Laufe der Zeiten 
gänzlich verschwand. Die die Hiuterwand des Altars bildenden Bretter sind im guten Zustande. 
Die hervorragenden Theile der Figuren sind in Folge öfteren Auf- und Zumachens der Flügel an 
vielen Stellen stark beschädigt. Die architektonischen Verzierungen fielen theil« ganz ab , theil« 
halten sie sich noch kaum, und sind sehr zerbrechlich. Dass die Haupttheile, welche den ganzen 
Bau halten, ebenfalls beschädigt sind, ergibt sich aus dem Beben und Knistern des Altar«, sobald 
nur ein Wagen an der Kirche vorbeifuhrt. In Folge dieser Untersuchung stellte sich die Notwendig- 
keit einer unverzüglichen Abhilfe heraus, daher beschloss man eine (conservative) Herstellung. 
Man beschloss, die abgebrochenen, aber aufbewahrten Theile aneinander zu fügen, kleine verloren 
gegangene Partien durch neue zu ersetzen , den ganzen Bau des Altars fester zu machen, und dar 
Schnitzwerk sorgfältig zu reinigen; ferner die äusseren Theile mit reinem Terpentinlack, die inneren 
und rückwärtigen (unbemalteu) Theile mit Steinöl, Sublimat und Kolophonium zu überziehen, um 
sie vor den Einflüssen der Luft und dem weiteren Faulen zu schützen. Aber wann wird die Arbeit in 
Angriff genommen werden, da nicht einmal die Revindicirung des Fonds so gar bald erfolgen dürfte? 

Ursprünglich hatte die Marienkirche keine Bänke; wodurch die Grösse derselben sich 
desto auffallender zeigte. Im XVI. Jahrhundert wurden Bänke für Schöppen und Rathsherreu 



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Die Marienkirche in Krakau. 



105 



errichtet. Von den vier noch übrig gebliebenen sind die grössten (links am Eingange vom Haupt- 
tliore) mit den geschnitzten Wappen Polens, Litthauens und Krakau' 8 geschmückt, und reich 
gemalte vergoldete Cassettonen zieren ilire DeckenstUcke. 

Zu den dortigen Schnitzwerken des XVI. Jahrhundert» gehören auch die grossen Chorstühle 
und der Altar des heiligen Stanislaus im linken Seitenschiff. Jene Stühle stellen im Basrelief fünf- 
zehn Scencn aus dem Leben der allerheiligsten Jungfrau Maria vor. Die Kanzel und der Altar des 
heiligen Stanislaus sind so wie die Chorstühle vom Priester Stanislaus Grodski, der 1675 im hohen 
Alter starb, ausgeführt. 

Was plastische Arbeiten von Stein anbetrifft, so hat diese Kirche erst Denkmäler aus dem 
XVI. Jahrhundert aufzuweisen. Einen höheren Werth haben die Grabmaler der Montelupi aus 
Florenz und ihrer Verwandten, der Basi und Morceki, ferner jene der Ccllari ans Mailand, die mit 
den Familien der Chodovowski und Miaczynski verwandt sind. 

Endlich gehören auch hieher die Grabmäler des Bürgers Dobryssowski, des Übersetzers 
der Bibel Johann Leopolita, des Rechtsgclchrtcn Kirstein , des Castellans von Podlachien Martin 
Leäniowolski und des Christoph Kochanowski. Die Grabmäler der Familien Stadnieki, Mala- 
chowski, Szembeck, Darowski, Wodzicki und Mieroszcwski sind im Roecocostylc im XVII. und 
XVIII. Jahrhundert ausgefUlirt 

Auf Grabmälern von minderem Reichthum findet man die Familiennamen der Zatorski, Wier- 
zychowski, Ciepielowski , Wicrzbica, Krupski und Maczynski ; ferner die Familien der Fogclder 
ausBoboliee, der Bertold, Altansy, Delpacy, Cirus, Pernus, Zaidlic, Korzbok, Tamberk. Schilder, 
Pestaloci, Nagot, Czeki, Gajer, Ronnenberg, Rap und endlich des persischen Kaufmannes Alek- 
sydze. Im Ganzen zählt die Kirche im Innern sowohl als an den äussern Wanden 108 Denkmäler, 
diejenigen ungerechnet, die nach dem Jahre 1794 aufgeführt wurden. Fast alle Denkmäler des 
XVI. Jahrhunderts sind von rothem , die spateren von schwarzem Marmor. Simon Albimontanus, 
Mansionarius dieser Kirche, liegt in der St Antonscapelle begraben. 

Man kann auch den Altar des allerheiligsten Sacraments nicht übergehen , welcher um die 
Mitte des XVI. Jahrhunderts von Johann Maria Padovano in Marmor gemeisselt wurde, wobei ihm 
Bernhard Poderini half, der die aus Alabaster bestehenden Theile schnitzte. Dies erhellt aus dem 
Streite , welcher sich zwischen den beiden Meistern bei der Bezahlung der Arbeit in den Jahren 
1554 und 1555 entspann. Eine der Hauptzierden des Innern der Kirche sind sieben bronzene 
Grabmäler. Sie reichen in das Ende des XV. und in den Anfang des XVI. Jahrhunderts; eines 
derselben fällt aber in den Anfang des XVII. Jahrhunderts. Sic sind zum Andenken der drei 
Salomonc aus Bencdyktowice, des Lucas Noskowski, Severin Boner und dessen Gemahlin Sophie, 
geborene Bettnau , endlich zum Andenken des Erasmus Danigicl , Verwalters von Lobzöw , aus- 
geführt. Das in der St. Antonscapelle ciselirte Grabmal Salomons ist das älteste , und das Peter 
Salomons, vom Jahre 1556, das schönste. Danigiel's Grabmal vom Jahre 1624 trägt den Namen 
des Meisters, der es gegossen, nämlich Jakob Vein Man. V. N. 

Da» bronzene Taufbecken in Form eines Kelches und die Weihkcssel von Zinn (an beiden Seiten- 
eingängen) gehören, wie man aus der Form der Inschriftbuchstaben ersieht, dem XV. Jahrhundert an. 
Auf den Weihkesseln ist „Ave Maria" und ein Text aus der heiligen Schrift angebracht Die Schatz- 
kammer ist noch gegenwärtig an Kirchenapparaten reich, die grösstentheils dem XVII. Jahrhundert 
entstammen. Die Zahl der Ornate beträgt Uber 300 und unter den Teppichen gibt es mehrere Arazzi. 

Das Archiv enthält Originaldocumente aus den ersten JahreD des XV. Jahrhunderts, welche 
von dem Kirchenprocurator Andreas Karczynski geordnet wurden. Abgesehen von den grossen 
Bildern, welche die oberen Wände die ganze Kirche entlang schmücken und von denen eines von 
Michael Stachowicz und das andere von A. Wenesla (der am Ende des XVII. Jahrhunderts lebte) 

IX. 15 



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106 



JoMPH V. LePKCWSKI. 



herrührt, erwähnen wir nur, dass sich hier Werke von Dolabella, Luc«» Orlowski, Smuglewicz und 
Hadziewicz finden. In der Thunncapcllc ist das Bild des heiligen Paulus im Jahre 1522 gemalt. 
Endlich giebt es auch in der Sacristei Bilder aus dieser Epoche, darunter verdient das Bild Maria 
Verkündigung von Jakob Mertens, Martius genannt, erwähnt zu werden. Er lebte am Ende des 
XVI. Jahrhunderts in Krakau; die Zeitgenossen nennen ihn einen Niederländer. 

Unter allen Bildern ragen die Gemälde des Johann Suess hervor, von dem es in Krakau 
vierzehn giebt: in der heiligen Florianikirche vier, in der Schatzkammer der Marienkirche acht, 
eines in der Gonerschen Capelle, und eines in der Wohnung des infulirten Archipresbytcrs. Die der 
Schatzkammer sind an die Thören der Schränke gemalt und stellen, gleich dem des Archipres- 
byters, Scenen aus dem Leben der heiligen Katharina vor; die übrigen bildeten wahrscheinlich 
ein Tryptychon und stellen Scenen aus dem Leben Johannes des Täufers und des Johannes 
Olivetus vor. Auf dem Bilde in der Boucr'schcn Capelle steht die Inschrift: „Haue divi Johannis 
Apostoli historiam Johannes Sues civis Norimbcrgensis complevit 15 IG" und das Monogramm, 
welches Johann von Kulmbach zu gebrauchen pflegte. 

Auf jenem in der Schatzkammer ist folgendes schon verwischtes Epigraph: „Haue dive 
Virginia Catharinae historiam Johannes Sues Norimbergensis civis faciebat anno dni 1515" und 
gleichfalls das Kulmbachischc Monogramm. Über Suess hat J. Kreiner in seinen „Listy z Krakowa 
(Briefe aus Krakau) und Kastawiecki im „Slownik malarzy a (Malerlexikon) geschrieben. Wir 
fügten bereits im Jahre 1847 in unseren „Starozytnos'ci - (Alterthümcr und Denkmäler von 
Krakau) eine Lithographie davon bei ; Grabowski erhielt von Hcidelofl' die Nachricht, dass man 
von diesen Maler nichts mehr wisse, als dass er in Nürnberg geboren und der Sohn eines 
dortigen Schusters Konrad Suess gewesen sei. Was mag es aber auf jenen Bildern mit dem Kulm- 
bachischen Monogramm für ein Bewandtnis» haben? 

Wir schliessen hiermit die Übersicht der Denkmäler der Pfarrkirche von Krakau, und wollen 
noch der drei übergebliebenen gemalten Fenster erwähnen. 

über diese Fenster wurde schon im Jahre 1835 ein Artikel im „Powszcchny Pamietnik 
Krakowski " veröffentlicht. Hierauf schrieben darüber: Grabowski, Maezynaki, Rastawiecki. 
Sobicszczanski, Siemienski und endlich auch Essenwein. Alle stimmen darüber ein , dass diese 
Fenster in die Zeit Kasimir des Grossen, das ist in die zweite Hälfte des XVI. Jahrhunderts fallen; 
uns erscheint es aber, dass sie wenigstens um ein halbes Jahrhundert später entstunden; denn wir 
glauben, dass die Fensterscheiben nicht vor den Verzierungen des Masswerkes angebracht werden 
konnten, welche einer späteren Zeit angehören. 

Auf diesen Scheiben sind in den mit eisernen Stuben zusammengefassten Tafeln Scenen aus 
dem Leben Christi und der allerheiligsten Jungfrau Maria dargestellt. 

Die in letzter Zeit oben an den Fenstern angebrachten (bei Rosetten schmälern den Kin- 
dmck, welchen das Ganze bewirken sollte. Um die Harmonie des Lichtes zu gewinnen, niuss man 
sie durch andere iindunhsiehtigc ersetzen. Die Kirehenaufsicht dachte schon daran, und die 
Commie8ion, welche den Altar untersuchte, erstattete auch über den Zustand der gemalten Fen- 
ster einen eingehenden Bericht. 

Über die seit dem Jahre 1403 in Krakau lebenden Erzpriester findet man in den Schriften 
Grabowsky's die nöthigen Angaben, wo sich auch eine Menge von Daten zu einer Monographie 
der Marienkirche vorfinden. Constans Hoszowski lieferte in seinem Werke über den Bischof 
Trzcbicki treffliche Forschungen Uber die Geschichte der Bruderschaft der Himmelfahrt Mariac, 
welche seit dem XIV. Jahrhundert in dieser Pfarrkirche besteht. Auch die „Geschichte der 
Krakauer Bürgerschaft" würde hierzu ein reichliches Materiale liefern. 




107 



Über das Gailthal in Kärnthen'. 



I. Reisebericht über mittelalterliche Kirchenbauten im Gaillhale. 



Vos Hans Pltschnig, .Whitbkt. 



Auf Anregimg »los correspotidirenden Mitgliedes Herrn B. Lewitschnig, Dcchant* von 
St. Hermagor, fand sich die k. k. Ocntral-C'ommission veranlasst, das untere und obere Gail- 
thal in archäologischer Richtung durchforschen zu lasseu und mich mit dieser Aufgabe zu 
betrauen. 

Meine erste Station in Kilrnthen war Klagenfurt, und mein erster Besuch galt dem 
Lamhsmuseum. Passelbe bietet manches Wichtige, und zeigt, dass auch hier die Thcilnahme 
tllr mittelalterliche Kunstdenkmale Wurzel fasste. 
Um so mein- 6el es mir auf, dass drei interessante 
romanische Scujptureu im Kreise der Alterthums- 
forscher bisher so wenig Beachtung gefundeu haben. 
Es sind dies nämlich drei Löwen, wovon der eine 
am Villacher Thor, der zweite (Fig. 1) ehemals beim 
St. Veiter Thor, der dritte beim Völkermarkter Thor 
aufgestellt waren. Die beiden letzteren, basrclief 
gehalten, sind gegenwärtig an Häusern in der Nähe 
dieser demolirten Thore eingemauert. Wie man mir 
versicherte, soll auch beim Viktringer Thor ein vierter 
solcher Lowe gewesen sein, doch ist es mir nicht 
gelungen, denselben aushndig zu machen. 

Diese Löwen sind aus dunkelgrünem Chlorit- 
schiefer gemeisselt, dessen Farbe die Unterscheidung der Linien erschwert; dazu haben sich 
Staub und Schmutz in die Details der Sculptur festgelegt, und so ist es erklärlich, dass 
nur ein geübtes Auge die Stylistik dieser Arbeiten erkennen kann. Sobald man jedoch ihre 




Fi*. I. 



• Da fast zu gleicher Zeit zwei 
mögen sie auch hier nach einander 
vor das Auge treten tu lauen. 



über d 
u> Bild 



Thaies in 



gegenseitig ergänzen, ao 
Hinsicht desto lebhafter 
A. 4. JL 

16» 



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108 



Hans PetschsiO. 



einzelnen Formen studirt, so gewahrt man, daas dieselben der spätromanischen Periode zuge- 
zählt werden müssen. 

Was dieselben ursprünglich fUr eine Bestimmung gehabt, und ob sie einem Bauwerke 
gleichen Styls zur Zierde gedient haben , ist eine Frage , welche von den Fachmännern 
Kärnthens in Betracht zu ziehen wäre. Dass diese Überreste einer früheren Zeit an den spHter 
erbauten Thoren einen Platz fanden, ändert nichts .an der Sache. 

Auffällig ist der zweischwänzige Löwe (Fig. 2), welcher an den böhmischen Löwen erinnert, 
und mich auf den Gedanken brachte, ob derselbe nicht etwa aus der Zeit Ottokar's IL, Herzogs 
von Steiermark und Kämthen, stamme. Es fällt dies in die zweite Hälfte des XIII. Jahrhunderts, 
in dem die eben genannte Stylart in Übung war. 

Da meine Überzeugung, dass diese Sculpturen romanischen Ursprungs seien, von Fach- 
männern in Klagenfurt angezweifelt und mir die Beliauptung entgegen gestellt wurde, das« 




Flf. 2. Fig. 3. 



diese Löwen dem XVII. Jahrhundert angehören, so halte ich es für nöthig, um auf die Ana- 
logie der Auffassung hinzuweisen, an den Löwen bei der Kanzel der Franciscaner - Kirche zu 
Salzburg zu erinnern, von dem es erwiesen ist, dass derselbe der romanischen Periode ange- 
hört, und ferner (Fig. 3) den Löwen an der Kanzel in Wolfsberg anzuführen, welcher der 
frülu-omanischen Weise zugezahlt werden muss. Gerade in dem Löwen, diesem so häufig 
gebrauchten symbolischen Thicre, ist die Stylistik am prägnantesten ausgedrückt, und es ist 
die Auffassung der gothischen Periode so wesentlich von der romanischen verschieden, dass 
sie nicht leicht verwechselt werden können. Die Renaissance aber geht in ihrer Auffassung 
auf das naturalistische Gebiet über, bis sie endlich dahin gelangt, die früher atylistisch gebil- 
deten symbolisircnden Thiere in der Menagerie zu studiren. 

Nie hat ein Künstler der späteren Renaissanceperiode den Löwen gothisch und noch 
weniger romanisch gestaltet, da die selbstständigc Entfaltung und der Aufschwung der neuen 
Stylart, so wie sich diese einmal klar geworden, die frühere Richtung vollständig ignorirt, ja 
missachtet hat. 

Unserer Zeit war es vorbehalten, den Styl früherer Perioden zu reproduciren und wieder 
im Geiste jener Zeiten zu arbeiten. So sind besonders in der zweiten Hälfte diese« Jahrhun- 
derts Werke im Geschmack der griechischen, römischen, romanischen, gothischen und Renais- 
sance- Architectur entstanden, die früheren Perioden anzugehören scheinen, und oft tüchtig 
durchgebildet sind, obgleich sie doch nur desshalb entstanden, weil wir keine selbstständige 
Richtung, keinen einheitlichen, massgebenden Styl besitzen. 



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Reisebericht. 



109 



Es wäre zu wünschen, das» jene Löwen zu Klagenfurt, die sich ohnedies nicht mehr 
an der ursprünglichen Stelle befinden, im Interesse der Kunstgeschichte einen geschützten 
Platz im Landhausgebäude fänden. 

Ich kann nicht umhin, nochmals auf den Löwen (Fig. 3) an der Kanzel in der Kirche 
zu Wolfsberg zurückzukommen, der als ein archäologisches Räthsel schwer zu erklären sein 
dürfte. Der weibliche Kopf mit der aus Rauten gebildeten Stirnbinde, und die Kugel, welche 
der Löwe in der linken Hinterpranke hält, sind zu auffallend, um Ubergangen zu werden. Die 
Lösung Uberlasse ich Fachgelehrten dieser Richtung, und gebe nur eine subjective Andeutung, 
ob es nicht eine Darstellung der Sphinx sei , wie sie zuweilen auch in der christlichen Sym- 
bolik vorkommt. 

Um die 8erie der Löwen zu vollenden, komme ich nun auf die zwei zierlich gearbei- 
teten Säulcnträger der Kirche „St. Maria an der Gail a bei Villach zu sprechen. 

Die Kirche selbst ist einschiffig mit eingebauten Pfeilern und mit einem decorativen 
spfttgothischen Netzgewölbe geschossen. Zwischen dem im Achteck geschlossenen Chore und 
dem Langschiff steht der massige 
viereckige Thurm, welcher jeden- 
falls einer früheren Periode als 
das Fenster angehört. Eine kleine 
gothische Capelle mit dem Grab- 
male der Grottenek lehnt sich 
seitwärts an Thurm und Chor. 
Die Fenster haben ein einfaches 
Masswerk und das Portal ist nur 
mit Rundstab und Hohlkehle pro- 
filirt. Der Orgelchor, an die 
Innenpfeiler gelehnt, zieht sich 
von diesen in schiefem Winkel 
gegen die Mittelpartie zurück, wo 
er zwei stumpfe Ecken bildet, an 
welchen zwei Säulen als Gewülb- 



Diese gewundenen »spät- 
gothischen Säulenschäfte tragen 
die Segmentbogen des Orgel- 
chors und ruhen auf zwei roma- 
nischen Löwen aus marmorähn- 
lichem Kalkstein. Diese Löwen 
sind ohne Zweifel italienische 
Arbeit, indem derlei an Portalen 
italienischer Kirchen der roma- 
nischen Periode allenthalben vor- 
kommen. Deutlich ist das Auf- 
setzen der gothischen Säulen- 
gehäfte sichtbar; da sie aber aus 




rig. 4. 



dem gleichen Materiale gemeisselt sind, so dürften die Löwen seiner Zeit an einem älteren Bau- 
werke in dieser Gegend aufgestellt gewesen sein, und die Steine zu beiden Theilen einem und 



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110 



Hans Pktschnig. 



demselben Bruche entnommen sein. Erklärlich wird ihr italienischer Ursprung- auch dadurch, 
dass dieser Theil Kärnthens in kirchlicher Beziehung einst zu Aquilcja gehörte. Nicht un- 
erwähnt kann ich den äusserst zierlich geschnitzten Flügelaltar lassen, welcher ehemal» die 
Schlosscapelle der jetzt in Ruinen liegenden Burg Landskron zierte. Er ist im Kleebog-en 
geschlossen. Sieben Reliefdarstelluugen , noch in der ursprünglichen Polychrome, zeigen die 
Geburt Christi, die heiligen drei Könige, Maria unter den Aposteln am Pfingstfeste, den Tod 
Marias u. s. w., und sind sowohl in Composition als Ausfuhrung vorzüglich, so wie auch die 
durch Menschen- und Thiergestalten belebten Ornamente zu den besten ihrer Art gehören. 
Die beiden Statuen, St. Georg und St. Florian, welche sich gegenwärtig am ürgelchor in Nischen 
befinden, dürften ursprünglich ebenfalls Theile dieses Altars gebildet haben. 

Das Gitter des Orgelchors Uber der Balustrade ist aus flach geschnittenem, durch- 
brochenen und bemalten Masswerk gebildet, und es dürften derlei Schutzgitter aus der gothi- 
schen Periode bei uns nicht so häufig zu finden sein. 

Ich kehre nun wieder zurück in die Nähe von Klagenfurt, um der Stiftskirche von Viktriiifr 
zu erwähnen. Diese dreischiffige romanische Basilica war, was sich am deutlichsten ober dem 
jetzigen Gewölbe zeigt, früher im Mittelschiffe flach gedeckt und nur von Pfeiler zu Pfeiler 
mit einer Gurte unterstützt. Später wurde sie mit einem Tonnengewölbe versehen. (Fig. 4 auf 
Seite 100 gibt den Grundriss.) Die vorgekragten Liscncn sind nicht senkrecht aufgeführt, sondern 
laden sich mehr nach unten aus, wie es scheint, um der Gliederung Kaum zu geben. Das erhaltene, 
jetzt aber vermauerte Portal (Fig. 5) ist einfach durchgebildet, und es scheint, dass man den 

Capitälen absichtlich die Form der Basen gab und ihre Ecken 
mit einfachen Knollen ausfüllte. In der Ecke neben dem Thor 
lastet ein Gurtbogen auf einer polygoniseh gegliederten Con- 
solc. An einer Thurmecke ist ein Kopf eingemauert, der eben- 
falls derselben Stylperiode angehört. Die Kirche selbst war um 
mehrere Joche länger, ward aber baufällig, und da Niemand 
die Erhaltungskosten auf sich nehmen wollte, so wurde ein 
Theil derselben demolirt. Das Mauerwerk war indessen so fest, 
dass man es mit Pulver sprengen musste. Zu bedanern ist, dass 
dabei das romanische Hauptportal, welches in ziemlich reicher 
Weise durchgebildet war, zu Grunde ging. Es wurde mir ver- 
sichert, dass sich an den vermauerten Theilen der Portal- 
gewandungen römische Sculpturen befanden, ein Fall, der öfter 
vorkommt, weil alte Römersteine häufig umgearbeitet und ver- 
wendet wurden, wie ich mich auch an den Ruinen einer Kirche 
auf der Margarethen-Insel bei Pest zu überzeugen Gelegenheit 
hatte, wo an der einen Seite gothische Thürprofile und auf der andern römische Inschriften 
zu finden waren. Der später gebaute gothische Chor ist, wie der Grundriss zeigt, im halben 
Achteck geschlossen, ein kleiner Capellenraum mit netzförmigem Gewölbe schliesst sich seit- 
wärts an den Chor und ist gegen das Querschiff zu geöffnet. An dasselbe ist eine grössere 
Capelle mit einem sehr hübschen Netzgewölbe angebaut, welche an ihrer Breitseite ein Chör- 
lein enthält, dessen Scheidebogen durch zierliche Baldachine, welche die birnenförmige Mittel- 
gliederung unterbrechen, geschmückt ist. Die Gewölbrippen der Capelle fussen auf Consolen 
mit doppelten und einfachen Wappenschilden, die an den gothischen Theil von Maria-Saal 
erinnern. Die Kirche enthält mehrere interessante Grabsteine; aber ihr bester Theil aus der 
gothischen Periode sind die drei gemalten Fenster im Chor, welche ganz gut erhalten sind 




Fig. 



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111 



und die Behandlungswcise des XIV. Jahrhunderts zeigen. Sowohl die Farbenpracht als auch 
die Linienführuug der Gewandung, die correcte Zeichnung und die lebendige Composition 
verleihen ihnen einen hohen Kunstwerth. 

Das Stift selbst, jetzt ein Fabriksgebäude, enthält einige gothische Details an Thürcn, 
Fenstern und einem Krker. Der grüsste Theil desselben gehört jedoch der italienischen Renais- 
sance an; mehrere der Plafonds sind hier mit Stucco überladen und mit Sculpturen ausgestattet. 

Auf meiner Weiterreise, die mich an das Ufer des Wörthcrsee's führte, erblickte ich 
jenseits am See die Kirche ^Maria am Wörth". Die Zeit gestattete mir leider nicht, diese 
Kirche, welche durch üire Krypta interessant ist. zu besuchen. 

Ich kam nach Vi 11 ach. Die Stadtpfarrkirche, von bedeutenden Dimensionen, ist eine drei- 
«chiffige Hallenkirche mit runden Säulen, deren Capitäle nur gegliedert und ohne Ornamentik 
sind. Das Gewölbe gehört vollkommen der Verfallszeit an und enthält nur decoratives Leisten- 
werk mit geringen Ausladungen und unbedeutender Profilirung. Ich vermuthe, dass diese 
leistenartigen Hippen nicht aus Stein, sondern aus Stucco gemacht sind, wie ich solche auch 
noch anderwärts antraf. Der italienische Einiluss der Technik dürfte hier mitgewirkt haben; 
auch ist nicht das* correcte Kreuzgewölbe durchgeführt, sondern eine Tonne mit Schilden. Im 
Chore gehen die Hippen bis an das Kaffgesims, durchdrungen dieses und haben eigentüm- 
lich gestaltete Consolen. Das Mittelfenster an dem im Achteck geschlossenen Chor hat aussen 
in der Hohlkehle zwei Baldachine nebst Consolen, was demselben, nebst dem sehr stark ver- 
schlungenen Masswerke des Bogenfcldes, ein sehr decoratives Aussehen verleiht. Am Orgel- 
chor sind, wie ich vermuthe, Schlusssteine einer früheren Ein Wölbung eingemauert: denn die 
jetzige Einwölbung der Schiffe gehört in die erste Hälfte des XVI. Jahrhunderte , während 
die Kirche dem XV. Jahrhundert angehört. Portale so wie Strebepfeiler sind einlach gehalten. 

Der Thurm ist mit der Kirche durch eine hohe offene Halle verbunden. Das erste 
Geschoss des Thurmes aus Quadern ist mit einem romanischen Rundbogenfrics geschlossen. 
Auch der Sockel gehört der romanischen Periode an. Das Gesims schliesst jedoch den Fries 
gothisch ab. Der Thurm ist massig aufgebaut und dürfte früher mit vier Giebeln und einem 
spitzigen Helm geschlossen haben, jetzt aber schliesst er im Achteck und hat oben ein gothisch 
sein sollendes Dach , welcher Umbau durch die späteren Baubehörden ausgeführt worden ist. 

Ausser einer auffallenden Menge von mitunter sehr schön ausgeführten Grabsteinen, 
welche theilweise als Bodenpflastcr dienen, zum Theil an den Wänden aufgestellt sind, bietet 
die Kirche noch manc he interessante Einzelheiten dar. So hat die SacristeithUre ein grosses, 
sehr hübsch ornamentirtes Schlossblech mit Klopfer. Eine angebaute Seitencapelle wird durch 
ein Gitter von starken Eisenstangen geschlossen. Die massiven Eckstangen haben das beliebte 
gothische Profil mit einer Hohlkehle und schiefen Blättchen. Das Schlüsselloch hat eine hübsche 
Eisen Verzierung, obenauf sind im Geschmack des XV. Jahrhunderts Lilien, Hosen, Disteln, 
Eicheln etc. aus Blech geschnitten , und mit dem flachgebogenen Eisenwerk in harmonische 
Verbindung gebracht. Die ganze Krönung ist sehr lebendig und zierlich, und zeigt Spuren 
früherer Bemalung und Vergoldung, die einst den Eindruck bedeutend gehoben haben mögen. 

Ich kann nicht umhin, dieser Eisenarbeit eine andere, welche sich an dem grossen 
Brunnen am Hauptplatzc zu Klagenfurt findet und dem X\TI. Jahrhundert angehört, gegen- 
überzustellen. Wahrend nämlich die Arbeiten der gothischen Periode blos einem ästhetischen 
Bedürfnisse entsprungen zu sein scheinen, tragen die Arbeiten der Renaissance einen gewissen 
Prunk an sich und sind, wie man zu sagen pflegt, auf Effect berechnet. Elegant und von 
vorzüglicher Technik, tragen sie aber in ihrer Auffassung und Composition, gegen die Arbeiten 
des Mittelalters gehalten, doch den Charakter des Gesuchten. 




112 



IIa ms Pbtschnio. 



Das Blattwerk ist hier noch immer aus der Natur geschöpft, was in der späteren Periode mehr 
und mehr verschwindet. Die, wenn auch in ihrer Form stark verschnittenen Wappenschilder zeigen 
deutlich ihre Abstammung aus dem Mittelalter. Kunstvoll und von schöner Form ist die Eckrose. Jeden- 
falls verdienen diese Arbeiten desKunsthandwerkes aus jener Periode volle Beachtung undWürdigu 1 1 $s. 
Kehren wir aber zur Kirche zurück. In einer Ecke derselben steht ein Tyrnpanum, welches früher 
einem Portale angehört haben mag. Die Arbeit ist roh und in ziemlich porösem Sandstein ausgeführt ; 
allein die Eigentümlichkeit der Composition erregt Interesse. Costümc und Form des Wappen- 
schildes deuten auf da* XIV. Jahrhundert. Maria mit der Krone sitzt auf einem Stuhle und 
hält das Christuskind. Der heilige Joseph befindet sich ihr zur Linken. Er ist im Reisekleid 
mit einer geflochtenen Tasche dargestellt, und hült ein Gefäss oder eine Art von Laterne. 
Rechts zeigen sich die heiligen drei Könige. Der Erste kniet und hat die Arme ausgebreitet, 
während ein Diener seine Krone hült. Hinter ihm deutet der Zweite der Könige auf den Stern, 
welchen ein Engel über der heiligen Familie hält. Der Dritte der Könige, welcher mit vor- 
gebeugtem Haupte nach dem Stern sieht, trügt wie die andern, ein zur Gabe bestimmtes 

Gefäss. Endlich zeigt . sich auch ein Wappenträger mit 
einem Schwert und einem Spruchband-, auf welchem ich 
jedoch keine Spuren einer Schrift entdecken konnte. Oberhalb 
dieser Gruppe sieht man die heilige Maria unter den Engeln 
als geklönte Himmelskönigin. Die Composition ist lebendig 
und die Figuren sind gut vertheilt 

Unweit davon steht ein Taufstein (Fig. ü), dessen 
Fuss abgebrochen zu sein scheint. Die Fialen an den 
acht Ecken sind mit geschweiften Wimbergen verbunden 
und die Felder durch Reliefs von sehr guter Arbeit belebt. 
An dem untern Theil des Fusses sind Wappenschilder 
angebracht. 

Die Form derWappenschilder, so wie die der Krabben 
und der geschweiften Bogen weisen auf den Anfang des 
XVI. Jahrhunderts hin, und da das Materiale, ein marmor- 
ähnlicher Kalkstein, ein feines Korn hat, so konnte die 
Arbeit auch geglättet durchgeführt werden. Besonders die 
Köpfe sind gut gearbeitet und zeigen eine feinere Technik. 
Eine gewisse Politur ist überhaupt an dem ganzen Werke sichtbar, und man kann diesen 
Taufstein zu den reichern zählen. Schade, dass der Fuss beschädigt ist , und ein plumper 
hölzerner Deckel das Ganze verunziert. 

Ein schönes und mit Ausnahme der oberen Wappenschilde, ganz gut erhaltenes Werk 
der Kunstschnitzerei ist der Chorstuhl aus Eichenholz. (Fig. 7.) Die Wangenstücke zeigeu Samson 
mit dem Löwen und einen Steinbock, der an Trauben nascht Das erstere trägt die Jahres- 
zahl 14G4. Sehr bizarr erfunden sind die Aufsätze der Wangenstücke. (Siehe Tafel VI.) Die Tech- 
nik dieser Arbeit ist vorzüglic h und zeugt von ausserordentlicher Sicherheit im Handhaben 
des Meisscis. 

Noch habe ich der Kanzel zu erwähnen, an deren Fuss der Stammbaum Christi in 
Hautrelief aus Sandstein dargestellt ist, eine dem Ende des XVI. Jahrhunderts angehörige 
Arbeit. Leider ist die Kanzel durch einen neuen, in sogenannter Tischlergothik verfertigten, 
plumpen hölzernen Aufsatz verunstaltet Eine kleinere, einschiffige gothische Kirche mit sehr 
hohem Innenraum wird gegenwärtig als Heumagazin benütat 




Fig. c. 



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Reisebericht. 



113 




Hf. 7- 



Ausserhalb Villach, auf einem Hügel mit prachtvoller Aussicht , steht die kleine Filial- 
kirche St. Johann (Fig. 8). Es ist ein einschiffiger Bau mit flacher Decke und einer polygonisch 
abgeschlossenen Apsis. Pfeiler und Kirchendach, so wie 
der hölzerne Dachreiter sind , wie an den meisten Land- 
kirchen in Kilmthen, mit Schindeln gedeckt. Auffallend ist, 
dass der hölzerne Dachreiter noch die ursprüngliche Form 
beibehalten hat. Indens erklärt s^ch dieser Umstand 
dadurch, dass die allenfalls nöthig gewesenen Ausbesse- 
rungen von simpeln Zimmerleuten im Orte gemacht wur- 
den, welche die überkommenen Formen beibehielten. Die 
Fenster dieses kleinen Kirchleins mit einfachem Masswerk 
hatten noch Glasmalerei und zwar, wie sowohl das Or- 
nament im Dreipass als auch die Gewandung und Behand- 
lung der Figuren etc. zeigt, aus dem Ende des XIV. oder 
Anfang des XV. Jahrhunderts. Die Farben zeichnen sich 
durch Intensität aus und die Zusammenstellung derselben 
ist sehr wirkungsvoll. 

Von Villach über Arnoidstein weiter kam ich in's 
untere Gailthal und besuchte die Kirche in Hohenthurm 
(Straja ves, Wachdorf). Der hochgelegene Thurm bietet eine 
weite Rundschau und bei dem Umstände, dass das Mauerwerk altersgrau auf die liebliche 
Gegend herabsieht, ist es erklärlich , dass man diesen Thurm für einen Wach- oder Auslug- 
thurm hielt und weit in's Alterthum zurück versetzte. Auch 
die offen gelassenen Gerüstlöcher in der Höhe geben der 
Phantasie einen Anhaltspunkt, als wenn sich da ein Wehr- 
gang befunden haben müsste. Möglich dass der Thurm auf 
altem Fundamente steht, aber in seiner jetzigen Gestalt fand 
ich keinen Anhaltspunkt hiefür. Die oberen Thurmfenster 
haben stumpfe Spitzbögen ohne Masswerk. Der untere Theil 
des Thunnes bildet einen mit einem Kreuzgewölbe aus dem 
XV. Jahrhundert geschlossenen Capellenraum. Die sehr 
gedrückt und im Zehneck geschlossene Apsis dürfte Hltcr 
sein. Die Kippen ruhen auf Consolen, und statt Pfeilern 
sind aussen nur Liscnen angebracht. Das Mittelfenster ist 
bemerkeuswerth, da es im mittleren Pfosten eine romanische 
Reminiscenz zeigt. Übrigens ist die ganze Arbeit sehr primi- 
tiv und roh. In St. Göriach und Feistritz sind einfache ein- 
schiffige Kirchen aus der spKtgothischen Periode , wie denn 
die meisten Kirchen in diesen Thälera aus jener Zeit stam- 
men. Die Kirche in St. Stephan ist dreischiffig angelegt mit 
wenig überhöhtem Mittelschiff. Achteckige einfache Pfeiler 
theilen die Schiffe, und die Rippen entwickeln sich aus den- 
selben. Strebepfeiler und Portal sind meist einfach geglie- 
dert, letztere mit offenen Spitzbogen. Die Strebepfeiler, 

namentlich jene des Chores, sind meist dreieckig, eine f, k- 8 

Eigentümlichkeit, die der letzten gothischen Periode angehört. Auffallend sind hie und da die 




IX. 



16 



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114 



IIams Petscukio 



rumänischen Reminiscenzen an den FenBtern der Glockenthlirme. Es kommen gekuppelte Rund- 
fenster mit einer Mittelsäule vor, so in Maria an der Gail, in Feistritz, in Emersdort, 
St. Daniel u. s. w. , allein bei niiherer Besichtigung zeigt die Mittelsäule oder der Pfeiler die 
gothische Form. 

Ein Spaziergang von St. Hcrmagor nach Vellach und Eck lohnte die Mühe. In V eil ac h 
stehen in der kleinen gothischen Kirche zwei vollkommen erhaltene Flügelaltäre, deren einer 
dem XV. Jahrhundert angehört. Dieser ist einfach, aber von guter Composition und schonein 
Schnitzwerk. Der gegenüberstehende zweite Altar zeigt in der Ornamentik und Gewandung 
schon den Einfluss der Renaissance, und ist mit weniger Verständnis* und Sicherheit gearbeitet. 
Die Bemalung der Apsia gebort dem XVII. Jaluhundcrte an. In der Küche von Eck befinden 
sich in einer Seitencapellc Grabsteine der Kühnburge. Zwei noch erhaltene Glasfenster sind von 
guter Arbeit, Christus mit Maria und Johannes, dann einen knieenden Ritter nebst einem 
Wappenschild darstellend. Sie gehören zwar schon in den Anfang der Renaissance, müssen 
aber von einem tüchtigen Meister herrühren. Leider ist ein Feld der in prachtvoller Farbe 
ausgeführten Wappenschilder in Gefahr beim nächsten Unwetter zerstört zu werden, da dasselbe 
bereits ausser Verbindung mit dem Masswerk gekommen ist. In der Sacristei befindet sich ein 
hübscher gothischer Kelch und am Pfarrhausc ein zierlich gearbeiteter Tbürklopfer. St. 11er- 
magor hat eine dreischiflige Hallenkirche von milssigen Dimensionen mit achteckigen Pfeilern, 
aus welchen sich die Rippen entwickeln. Das Gewölbe ist netzartig, . und bei den llauptkreuzungeu 
der Rippen sind quadratische Schlusssteine angebracht, während in den Gewölbkappen vertiefte 
Vierpässe vorkommen. Der Chor ist achteckig geschlossen, auf der einen seiner Seiten ist 
eine Capelle, auf der andern der massige Thurm angebaut. Das Thurmdach ist durch eine Restau- 
ration ganz verunstaltet und schlichst mit einer blechernen, achteckigen, gothisch sein sollen- 
den Laterne. Das Portal, einfach profilirt und im Spitzbogen geschlossen, hat noch das ursprüngliche 
Beschläge von einfacher Arbeit. Auch finden sich in der Kirche bronzene Leuchter mit einem 
Wappenschilde versehen, worauf eine Chiffre gleich einem Steinmetzzeichen gravirt ist. 

Durch das obere Gailthal blicken allerorts, wne nach einer Schablone gearbeitete 
spätgothische Kirchen hervor. Der Thurm steht meist seitwärts, ist viereckig, mit Giebeln und 
spitzem Helm und trägt als Sellins» einen Hahn. Zu Kirchbach fesselt das Kirchhofthor die 
Aufmerksamkeit des Reisenden. Es ist dies ein einfaches Thor mit halbrundem Bogen. Der 
obere Theil, in drei Felder getheilt, enthält Fresken aus dem Ende des XV. Jahrhunderts von 
vorzüglicher Schönheit und noch zicmUch gut erhalten. In dem vertieften Mittelfelde sieht man 
den heiligen Martinus auf milehweissem Pferde in Hauskleidung, mit reich gemustertem Stoff. 
Zwei Engel halten die Infel Uber seinem Haupte, während der Heilige niit dein Schwerte den 
Mantel zerschneidet, um denselben an die beiden Bettler zu vertheilen. Eine einfache Gebirgs- 
landschaft bildet den Hintergrund. Das Ganze ist in der Abschräguug von einem reichen Or- 
namente, wie solche in Miniaturen vorkommen, eingerahmt. Die Schrift ist unleserlich und nur 
die Worte „hier sind" vermochte ich deutlich zu lesen, ebenso ist von der Jahreszahl nur 
14 — 4 zu erkennen. Rechts neben dem Mittelfelde sind St. Zacharias und St Ursula, Unks 
St. Johannes mit dem Lamm und St. Jacobus Major abgebildet. Man verweilt mit Vergnügen 
vor diesen Bildern, und muss dem Herrn Conservator von Steiermark, Postdircctor Scheiger, 
zu Dank verpflichtet sein, dass er die Demolirung dieses Thores, die schon beschlossen war, 
verhinderte. Die Kirche selbst bietet nichts von besonderem Interesse. Weiteroben im Thale liegt 
G rafendorf, dessen Kirche ebenfalls aus der spätgothischen Bauperiode stammt, sonst aber 
nichts Bemerkenswerthes an sich hat. Dafür ist die kleine Filiale St. Helena am Wieserberge 
desto interessanter. 



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IIS 




Hoch oben auf dem Plateau des Wieserberges, eine halbe Stunde von Grafendorf entfernt, 
Migen sich noch Grundmauern eines ehemaligen Schlosses, vielleicht Klosters, auch eine Art 
Cisternc oder Brunnen ist daselbst erkennbar. In geringer 
Kntfernung davon, beinahe an der Abdachung des Berges 
liegt da« noch jetzt fiir den Gottesdienst verwendete Kirch- 
lein St. Helena am Wieserberge (Fig. 9). Schmucklos, 
theilweise verwittert, übt dieser Bau mit dem moosbewach- 
senen Schindeldach und dem schlichten, seitwärts ange- 
bauten Thurm, einen eigenthtlmlichen Reiz auf den Be- 
schauer. DasKirchlcin (siehe den Grundriß» Fig. 10) hat ein 
oblonges Schiff mit flacher Decke und eine halbrunde vor- 
springende Apsi.s mit einer Halbkuppel eingewölbt. Die 
vordere Ansicht hat, ausser einem kleinen halbkreisförmig 
geschlossenen Portal, nur im Giebel eine kleine viereckige 
Fensteröffnung. Seitwärts von der Thllre, wenige Fuss 
hoch von der Erde, ist ein einfacher, consolenartig gothisch geformter Stein, ungefähr wie ein 
Weihwasserbehaltniss, in eine kleine Nische eingemauert, jedoch fehlt demselben die Aushöhlung. 
Dafür ist ein Loch von zwei Zoll Durchmesser eingemeisselt, das 
schief nach abwärts in die Kirchenmaucr verlauft. Wozu dieses 
bestimmt war, habe ich nicht ermitteln können ; vielleicht dass es 
zum Einsetzen einer Fahnenstange gedient hat. An der Südseite ist 
unter einem kleinen Holzdache ein St. Christoph gemalt, welcher 
schon in der Cmrahmung den Einfluss der Renaissance zeigt. Es ist 
dies eine jugendlich ritterliche Gestalt, und trotz der bedeutenden 
Dimensionen mit grosser Delicatesse durchgeführt. Es muss Uber- 
haupt in dieser Periode, nämlich zu Ende des XV. und im Anfang 
des XVI. Jahrhunderts, hier zu Lande die Malerei sehr gut betrieben 
worden sein, wie schon die Fresken des erwähnten Kirchhofthors zu 
Kirchbach bezeugen. Ausserdem sah ich auf dem Wege zwischen 
Kirchdorf und Grafendorf mehrere einfache gemauerte Wegkreuze, 
wovon die Mehrzahl aus dem XVI. Jahrhundert noch auf allen 
Seiten die frühere Bemalung zeigen. Ich sah an einem derselben 
eine sehr schön ausgeführte Madonna, und an anderen Darstellungen aus dem Leben Jesu. Aller- 
orts sind an diesen Wegkreuzen Wappenschilder und Spruchbänder angebracht. Jede Kirche hat, 
meistens gegen die Strasse zugekehrt, ihren heiligen Christoph von möglichst grosser Dimension. 
Alle stammen aus der voran geführten Periode und sind mehr oder minder gut dargestellt. Der 
Thurm der St. Helenakirche, ebenfalls auf der Südseite stehe nd, ist ein spaterer Zubau, obgleich 
derselbe im ersten Augenblick den Eindruck macht, als ob er ursprünglich schon zum Bau gehört 
habe. Die Fenster zeigen romanische Reminiscenzen , allein die Mittelpfosten, wovon einer am 
Fusse des Thurmes im Grase lag, zeigen die gothische Form. Wie man mir sagte, ist dieser Pfosten 
beim Herabnehmen einer Glocke ausgebrochen und nicht wieder eingesetzt worden. Das kleine 
Giebelfenster hat die Gestalt eines gleicharmigen Kreuzes. Das pyramidale Dach der Apsis hat 
als Zierrath einen primitiv geschnitzten tind bemalten Kopf, der durch ein aufgesetztes Querbret 
geschützt ist. Solche eigenthümliche Küpfe habe ich auch an zwei gleichartigen romanischen 
Kirchen im oberen Drauthale gefunden. Das kleine rundbogige Mittelfenster der Apsis hat nach 
innen eine gemalte Quadrirung in dunkelrother Farbe. An der Nordseite hatte die Kirche ehemals 

16» 




H-TTT-! 



FifC- 10. 



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116 



Hans Pktschsio. 



gar kein Fenster; das vorhandene ist gleichzeitig mit dem gegenüberliegenden grösseren Fenster 
ausgehrochen worden. Eben so wurde, um mehr Licht zu gewinnen, ein zweites Fenster erst spiiter 
in die Apsis eingebrochen. Das Innere der Kirche ist schlicht und hat, wie schon erwilhnt, 
eine Holzdecke mit Leistenwerk, an deren Durehschneidungspunkten kleine Rosetten angebracht 
sind. Ein plumper hölzerner Orgelchor gehört der neueren Zeit an. Die Apsis ist in ursprünglicher 
Weise bemalt. In der Halbkuppel zeigt sich Christus mit dem Testamente, mit der rechten Hand 
segnend, auf einem doppelten Hegenbogen, umgeben von den vier symbolischen Thieren; primitiv 
und in typischer Weise dargestellt. Unterhalb dieser Darstellung füllen die Apostel, in ganzer 
Figur, den Halbkreis aus. Eine der Figuren ist durch das rechtzeitige Fenster durchbrochen, 
wesshalb, wie vor erwülint, auch anzunehmen ist, das« diese Durchbrechung erst in späterer Zeit 
ausgeführt wurde. In der Apsis stand früher eine einfache Mensa, jetzt aber wird die ganze Apsis 
von einem barocken, unverhältnissmässigen Altar ausgefüllt. Der weggehobene Flügclaltar, den 
ich spiiter im ganz zerfallenen Zustande zur Reparatur bei einem Dorfbildhauer fand, war 
ehemals der Hauptaltar, er zeigt im Mittelfelde die heilige Helena. Das Schnitzwerk ist sehr gut 
gearbeitet , eben so lobenswcrth ist die Malerei an der inneren Seite der Altarflügel; die äussere 
Seite jedoch ist sehr stark übermalt. Der gute Mann hatte leider die besser erhaltenen übermalten 
Fitfuren aus dem Hügel herausgeschnitten, um sie in dieser Form zu verwenden , auch lagen die 
einzelnen Schnitzereien zerbrochen am Boden. Es that mir leid um diesen kleinen, aber sehr nett 
ercsehnitzten Altar. Auch zwei andere Flügel mit Bemalung auf Goldgrund, fand ich in einem 
Winkel der Kirche, was mich auf die Vermuthung führte, dass noch ein zweiter Flügelaltar in der 
Kirche stand. Ein kleines, spitzbogig geschlossenes, gothisches Ptörtlcin mit Absehrägung und der 
beliebten Wasserschlagsvcrmittlung, führt aus der Kirche in den Thurm und beweist ebenfalls den 
späteren Anbau desselben. 

Unwillkürlich kam mir der Gedanke, ob nicht vielleicht über dem niedrigen Kreuzgewölbe 
im Thurm noch mehr zu finden wäre, und meine Vermuthung ward bestätigt; denn ich fand ganz 

gut erhalten den oberen Theil eines 
heil. Christopherus. (Fig. 11). sieben 
Fuss hoch, in rothem Mantel mit weissen 
Sternenmustern und gelbem Unterkleide 
mit rothbraunem Muster. Christus, mit 
der Hechten segnend, und in der Linken 
das neue Testament haltend, sitzt auf der 
linken Schulter des Christopherus , der, 
eine Gestalt mit jugendlichem Angesicht 
und lichtblondem Haar, den Stamm 
einer Dattelpalme in der Rechten hält. 
Es dürfte dies eine der wenigen noch 
vorhandenen gemalten Darstellungen 
des heiligen Christopherus aus der ro- 
manischen Periode sein, und gibt die- 
selbe den Beweis, wie sehr hier zu Lande, 
selbst in der iiitesten Zeit diese Art bild- 
licher Darstellung beliebt war. Noch ist ein halbkugelförmig ausgehöhlter Taufstein oder Behälter für 
Weihwasser aus der Periode des ursprünglichen Baues erwälmenswcith. Auch Eisenarbeiten sind 
zu bemerken, darunter ein Osterleuchter (Fig. 12), ein Wandleuchter, ein Glockenhälter; der erste 
noch gothisch, die beiden letzteren Gegenstände der darauf folgenden Renaissance augehörend. 



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Yig. II. Fig. 13. 



117 




Vig. 13. 



Weiter aufwärts über Grafendorf soll auf dem Kirchhofe zu S t. D a n i c 1, aus einer noch früheren 
Periode als das so eben beschriebene Kirchlein, eine Kundcapellc mit Fresken und einem unter- 
irdischen gewölbten Räume gestanden haben, die aber aus Unverständnis», 
um Platz zu gewinnen, vor etwa zwanzig Jahren demolirt wurde, eine 
Arbeit , die wegen der Festigkeit des Mauerwerks grosse Schwierigkeiten 
machte. Ks ist zwar ein sehr geringer, aber immerhin doch ein Trost, dass 
man mir mit Bedauern diesen Fall erzählte, zugleich hinzusetzend, dass 
heut zu Tage dergleichen nicht geschehen würde. 

Am Schluss des oberen Gailthales liegt Ketsch ach mit einer spät- 
gothischen Kirche und einem Kloster. Die Kirche hat verhältnissmässig 
grosse Dimensionen und eine eigentümliche Anordnung der Schifte. An das 
Mittelsehift' von vier Klafter Breite, baut sich einerseits ein Seitenschiff' von 
zwei Klafter und ein Fuss Weite an, wahrend auf der anderen Seite die 
gegliederten Arcaden nur vier Fuss entfernt von der Hauptmauer stehen 
(Fig. 13), und so nur einen Durchgang von dieserWeite offen lassen. Das Ge- 
wölbe der Kirche, welche in die Periode der Verfallszeit gehört und einen Ausläufer der Gothik 
bildet, ist eigentlich ein Tonnengewölbe mit Schilden aus den Arcaden. Der ganze Gewölbrauin 
ist mit leistenartigem decorativen Netzwerk überzogen, in . ^\-\ Tß~t 
einer Weise, dass selbst auf den Grat der Schilde keine '^OiJ^^'^yV/'* 
Rücksicht genommen ist. Fig. 14 zeigt die Entwickelung 
dieses Netzes. Durch einen gewundenen Wulst , welcher die 
Stelle eines Oapitüls vertritt, sind die einzelnen Leisten 
gleichsam durchgesteckt, entwickeln und kreuzen sich dann, 
und enden hie und da in Kleeblättern. Es ist Stuccaturarbeit, 
die von grosser Geschicklichkeit in der Technik zeigt. Die innere 
Gliederung der Arcadcnbogen ruht auf Consolcn. Doppelte Hohlkehlen 
gliedern die Arcadcnbogen und Pfeiler. Am Fusse sind hochgezogene 
Wasserschläge angeordnet. Das Seitenschiffgewölbe ist einfacher, und 
das gegenüberliegende Halbschiff zeigt einen Vierpass. Eben so ist das 
Gewölbe unter dem Orgelchor vielfach verschlungen und es ist schwer, 
sich in den Linien zurecht zu finden. Der Triumphbogen enthält ein 
starkes Birnenprofil; der Chor ist einfacher. Die Rippen des Kreuz- 
gewölbes und des achteckigen Abschlusses fussen auf Diensten mit oroa- 
mentirten (Kapitalen. Die Rippen haben ein Bimenprofil und sind aus 
Stein. Dieser Theil des Kreuzgewölbes stammt aus früherer Zeit, und es 
dürften die Gewölbe der Kirchenschiffe nach einem Brande in dieser 
decorativen Weise ausgeführt worden sein. Zwei Wappenschilde in einer 
Fenstergewandung zeigen drei Dolche und einen Eicheubaum, darüber 
die Jahreszahl 1 "> 1 8 . Der massige viereckige Thurm legt sich dem Mit- 
telschiff vor und bildet eine Vorhalle. Derselbe hat keine Pfeiler, dafür 
aber sind die Mauern klafterdick. Ohne Verjüngung und Gliederung steigt 
der Thurm <;latt in die Höhe; erst über dem Dachfirst mit einem einfach 
profilirten Gesims gegliedert, auf welchem Spitzbogenfenster mit reichem 
Masswerk in der bekannten spätgothischen Fischblasenform ruhen, 
endigt derselbe in vier steilen Giebeln, in welchen wieder Spitzbogenfenster mit Masswerk ange- 
bracht sind. Der Helm läuft spitzig zu, und obwohl noch jetzt von bedeutender Höhe, scheint 




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118 



Hans IVmchwio. 



er doch ursprünglich noch höher gewesen zu sein. Einfache steinerne Rinnen springen, als Wasser- 
abläufe, an dem Zusanunenstoss der Giebel vor. Auffallend massig sind die Pfeiler der Kirche, 
namentlich die Eckpfeiler. Auch die Kirchenmauern sind auffallend stark und messen vier, auch 
fünf Schuh. Diese Stiirke der Mauer- und Pfeilcrdimensionen dürfte daher stammen, dass diese 
Örtlichkeit von jeher durch starke Anschwemmung von Schutt und Steingeröll zu leiden hatte, 
welche durch das Schmelzen des Schnees und bei stärkeren Regengüssen aus den Bergen in Masse 




Flg. lö. Kig. 16. 

herabgeführt, die Strassen und Höfe oft mehrere Fuss hoch verschütten. Die Kirche, zu welcher 
man jetzt auf Stufen niedersteigt, war früher Uber das Niveau der Strasse erhöht, was auch glaub- 
würdig erscheint , da aussen nur mehr der obere Theil des Sockels sichtbar ist, während der 
untere in der Erde liegt. 

Kaum eine halbe Stunde ausserhalb Kötschach, gegen den Gailbcrg zu. liegt die Kirche zu 
Laas, ein zierlich durchgeführtes Werk der Spätgothik. Diese Kirche kann als der Typus der Bau- 
weise, welcher sHmmtliche Kirchen dieser Thäler mehr oder weniger angehören, betrachtet werden. 
Einschiffig, von müssigen Dimensionen, mit decorativem Netzgewölbe, der Thurm, mit Giebel und 
spitzem Helm, seitwärts stehend , ist diese Kirche jedoch sclnnuckrcicher und mit einem gewissen 



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IiKlStBKRICHT. 



119 



deeorativen Aufwand an den Pfeilern und den Portalen ausgeführt (s.Fig. Iß). Auch hier konnte ich 
mich Uberzeugen, dass die Hippen, welche vergleichsweise mehr als in Kötschach ausladen, ans 
Stucco gearbeitet sind. Der ganze Bau macht einen sein- günstigen Eindruck und ist von einer Zier- 
lichkeit in den Details, welche zeigt, dass der Baumeister hier ein Werk mit Liebe durchführen 
konnte. Der Fuss der Thorgewandung ist, der besseren Deutlichkeit wegen (Fig. 16) im 
1 )etail gezeichnet. Man sieht hier einen reichen, decorativen Aufbau, der aus der Übercckstellung 
der Polygone sich entwickelt und durch profilirte WasserschlUge vermittelt ist. Die Rundstiibt: 
sind als Säulensehüfte behandelt und haben schuppen- und netzartige Verzierungen, welche 
wesentlich zur Belebung beitragen und von der ausgezeichneten Technik dieser Zeit Zeugen- 
schaft geben. 

Das Tyuipanum enthalt flaches Masswerk, wie solches in der Spittzeit häufig an Holz- 
arbeitern vorkommt. Die Hohlkehle wird am Scheitel des Spitzbogens mit einem Spruchband 
ausgefüllt, welches die Jahreszahl 1518 zeigt, gleich jener über dem Wappenschilde in Kötschach. 
Um dem Portale eine grössere Höhe zu geben, ist dasselbe noch mit einem geschweiften 
Spitzbogen geschlossen, welcher auf einem Sims aufsteht. Die fiankirenden starken Rundstübc 
durchdringen das Gesims zwar in etwas unschöner Weise, beleben aber dennoch diese Parti«'. 
Statt der sonst gebräuchlichen Fialen sind I heiviertclrundstübe durch das Sims gesteckt und 
sitzen unten auf kleinen Wappenschildern auf: oben haben diese Stühe einen Knauf von Lilien- 
artigem Blattwerk, und eben so ist der Schluss des Spitz- 
bogens gebildet, dessen Krabben den Charakter der Holz- 
schnitzerei an sich tragen. 

Ich konnte nicht klar darüber werden, ob von diesen 
Knäufen ein Theil abgebrochen sei, oder ob sie sich 
schon ursprünglich in drei Rundstübe theilten, welche scharf 
abgeschnitten , die Profile derselben sichtbar machen. In 
der Fläche dieses Spitzbogens ist ein Wappenschild mit 
einem links aufspringenden Löwen angebracht. Die Pfeiler 
.sind eben so decorativ gelöst und die Vermittlungen, statt 
mit Wasserschlägen, hier mit Lilien hergestellt. Als Schluss 
ist ein kleines Dach aus drei geschweiften, flachen Spitz- 
bogen, an Kötschach erinnernd, gebildet und mit einem 
Knauf geziert. Ein kleines Wappenschildchen zwängt sich 
in den vorderen Spitzbogen. 

Eigentümlich ist das eisenbeschlagcne Thor mit 
starken flachen Eisenstangen gekreuzt und mit runden 
Nägeln befestigt. Ein schildartiger Rahmen aus gleichartigen 
Eisenstangen ist an der Stelle des Schlosses angebracht; und 
oben hängt ein gewundener Anziehring. Diese Art Beschläge 
sind mir an mehreren Kirchcnthüren dieser Thaler vor- 
gekommen und dürften alle aus einer und derselben Schmiede 
stammen. 

Das Hauptportal ist in ähnlicher Weise durchgeführt, 
nur durch den hier zu Lande beliebten Vorbau, der eher Ffe 17. 

zu einer Schmiede als zu einer Kirche gehören würde, verunstaltet und theilweise versteckt. 
Es wäre zu wünschen, dass diese unschönen Zuthaten demolirt würden. Die Pfeiler am 
Chore sind ebenfalls sehr decorativ aufgelöst. Das Fenstermasswerk trägt Fischblasenmuster. 




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120 



Hans Petschnio. 



Im Innern fallt am Chor »las Frescobild des Baumeisters auf. Es ist schlicht gemalt 
und stellt denselben im Festgewandc, mit pelzverbränitcm Oberkleide, Puflarincln und einem 
runden Kappchen, auf einem Polster kniend, dar. Dan Richtscheid, mit einem Kreuzlein 
geziert, kennzeichnet Beinen Stand auch ohne die Inschrift, welche sagt: „Meister Bar- 
tholomä Firtaler hat gemacht die Kirchen 1535". Es ist ausser Zweifel, dass dieser 
„Bartholoms! Firtaler" ein angeschener Baumeister seiner Zeit war und Vieles in der Gegend 
gebaut hat. Kotschach ist ganz gewiss sein Werk ; aber auf die Kirche von Laas scheint der- 
selbe, vielleicht durch einen Stifter bewogen, wie die Wappenschilde über den Seitenportalen 
vermuthen lassen, besondere Aufmerksamkeit verwendet zu haben. Zeugniss hiefür gibt der Kanzel- 
fuss (siehe Fig. 17). Am Fussc, welcher an die Auflösung des Portalfusses erinnert, schlingen sich 
Rundstäbe an einem Säulenschaft und kreuzen sich oben, sich an ebenfalls überkreuztes Stabwerk 
anschliessend. Der Ausbau des oberen Theiles, mit verschlungenem Stabwerk belebt, schliesst 




i'ig. i*. Fig. i<j. 



mit einer llohlkehlengliederung, welche auf abgeschnittenen Ecken das obere Polygon über Eck 
stellt. Brüstung und Dach sind eine spiiterc, ganz werthlose Dorftischlerarbeit. 

Auch das Sacramentshiluschen, dessen oberster Theil leider abgebrochen wurde, ist ein nette« 
Stück Steinmetzarbeit. Ks zeigt einen achteckigen profilirten Sockel mit gekreuztem Stabwerk; 
der Schaft ist durch Hohlkehlen gegliedert und in der Mitte mit einem Gesimse gebunden. Oben 
vermitteln Wasserschlilge das Viereck, welches sehr weit ausladet und den Fuss des Gehäuses 
bildet. An den Ecken stehen Silulchen , welche TrHger von Fialen waren. Flache , geschweifte 
Spitzbogen, der Gesatnmtarchitectur entsprechend, bekrönen den geraden Abschluss des Gehäuses, 
welches seinerseits mit einem einfachen eisernen Gitter geschlossen ist. Der Thürklopfer an der 
Sacristeithür (Fig. 18) ist eine hübsche Eisenarbeit, wie nicht minder der Osterleuchter (Fig. 19), 
welcher schon zur Frührenaissance gezahlt werden muss , aber noch die Technik und Auffassung 



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Rkiskhf.rickt. 



121 



der gothischen Stylperiode nicht ganz verläugnet, wie überhaupt das Kunsthandwerk sich nur 
schwer und vermittelnd der neuen Kunstrichtung zuwandte. 

Ich schlie8sc hiermit den Bericht, da Laas schon nahe am Cbergangspunkte in das obere 
Drauthal liegt und dies das letzte Object im Gailthale. ist 

Im Ganzen stellt sich heraus, dass die romanische Periode in diesen beiden Thulcrn ein 
einziges Object, nitmlich die Filialkirche St. Helena am Wieserberge aufzuweisen hat. Es dürft« 
in dieser Periode, so wie selbst in der ersten gothischen Zeit, nämlich Knde des XIII. und 
Anfang des XIV. Jahrhunderts überhaupt keiue besondere Bauthiitigkeit entwickelt worden sein, 
weil sonst doch hie und da Fragmente, Simsungen etc. aus dieser Zeit sich erhalten haben würden; 
denn es ist uicht anzunehmen, dass alle Objecte, wie es bei der kleineu KuudeapeHc in St Daniel 
der Fall war, vollständig demolirt und vernichtet worden seien. Die eigentliche Bauthatigkcit füllt 
in das Ende der gothischen Periode bis zu deren Verfall, das ist in das Ende des XV. und den 
Anfang des XVI. Jahrhunderts. In dieser Zeit wurden die Kirchen so ziemlieh nach einer Schab- 
lone gebaut und meist schlicht angelegt Hie und da hat man, dem spatern Geschmaeke folgend, 
die ursprünglichen Thurmdächcr durch sogenannte „watsche Hauben 14 ersetzt, oder in der Neu- 
zeit in einer missverstnndenen Gothik restaurirt. Was Altäre betrifft, so fand ich leider nirgends 
einen gothischen Hauptaltar, wohl aber beinahe in jeder Kirche einzelne Heiligenfiguren, bemalte 
Predellen und ausnahmsweise auch Scitenaltäre noch ziemlich wohl erhalten. In Sacristcien, Bein- 
häusern, Vorhallen liegen allerorts geschnitzte Bruchstücke, Altarküstehen und bemalte Altarflügel 
unbeachtet umher. 

Wir wollen hoffen, dass der jüngere Clerus sich dieser Fragmente annehmen und bei 
Restaurationen so viel wie möglich bedacht sein werde, den Altarschmuck in der ursprünglichen 
Weise wieder herzustellen. 

Meine Rückreise führte mich durch das Drauthal, wo ich ebenfalls mehrere interessante 
Kirchenbauten aufsuchte und Skizzen in meine Mappe sammelte, die ich in einem Nachtrage diesem 
Berichte anzuschliessen die Absicht habe. 



IX. 17 



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TL Baudenkmale des Gailthales. 

Von B.\KTnni,oMA(-s Lkvitschniu. 



A. Aus alter Zeit. 

Dir selige Conservtttor von Kürnthen, Freiherr von Ankers Hofen, äusserte einmal das 
Bedauern, dass Kärnthen aus heidnischer Zeit fast keine Baudenk male erhalten habe. Diese Äusse- 
rung beschäftigte den Heferenten bezüglich heidnischer Baudenkmale de» Gailthales schon viele 
Jahre, und er gewann in Folge von Combinationen und Thatsaehen das nachstehende Resultat: 

Erdbeben und Bergstürze haben das Angesicht des Gailthales wiederholt und schrecklich 
heimgesucht. Der Dobratsch stürz vom Jahre 1348 oder nach auderer Angabc vom Jahre 1359, 
welcher 17 Dörfer, 9 Gotteshäuser und 3 Schlüsser verschüttet hat, mag auch Baudenkmale der 
iiitesten Zeit begraben haben. 

In der Nähe der Capelle St. Ruperts in Presseggen , unweit des Pfarrdorfes Fürolach , soll 
eine Stadt, Klcinvillaeh zubenannt, gestanden sein; man sieht noch Spuren von Mauern zwischen 
der Landstrasse und zwischen besagter Capelle. Vor undenklichen Jahren verschlang eine Berg- 
lawine das Städtchen und somit manches noch filtere Denkmal. 

Der Reiskofel im Obergailthale barg vor fast zweitausend Jahren einen See , der vielleicht 
zur Zeit jener Katastrophe, welche anno 79 nach Christus Herculanum und Pompeji begrub, aus- 
brach, worauf haushohe Felsentrüinmer die Stadt Risa bedeckten, welche drei Stunden im Umfange 
hatte. Von dieser heidnischen Stadt wird ein Terminus gezeigt, der von jenem Ereignisse einzig 
und allein übrig geblieben sein soll. Er trügt folgende Inschrift : 

D . . . . ftf. 
Amando . T. IV. 
Saturnini . Ser . S. 
Maturus. E. Mercator. 
Vilici . B. M. 

Die Gemälde dieses Terminus haben bereits christliche Formen überkommen. Eingedeckt 
ist das Denkmal gut und sein Bau ist noch für Generationen vor Umsturz gesichert. 



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TifVIl 




l»r»rk in k k ll»f u lUttoinrfcmi ■»'»• 

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Bai dexkmai.e des Gailtiialm. 



123 



Eine römische Inschrift ouf der „Plöcke", aus Julius Cäsar's Zeit stammend, ist sehr stark 
verwittert. Eine andere Insclirift, welche die ersterc Inschrift und Casars Züge nach Kärnthen 
erklJlren soll, ist jüngeren Ursprungs. Zu Denkmalen aus der ältesten Zeit soll auch jene etrurische 
Inschrift zählen, welche oberhalb Wurmlach nächst Mauthen im Obergailthale entdeckt und schon 
vielfach besprochen wurde. 

Theilweise gingen die itltestcn Baudenkmale des Gailthalcs auch in der Völkerwanderung und 
durch Eroberungssttirme zu Grunde. Das Gailthal bildet die Pforte von Italien, und auf mehreren 
Stellen , z. H. Uber das Nassfcld (auch im Gailthale gibt es ein Nassfeld) und über die Plöeke, 
können Kriegshorden hin und her ziehen. Die slovenisehen Gailthaler mit ihren originellen 
Sitten in Tracht, Hochzeiten, Kirchtagen, Musik und Gesang stammen angeblich von einer Truppe 
des Attila ab, welche nicht mclir nach Pannonien zurückkehren wollte. So wie sie mit Weib und 
Kind auszogen, blieben sie im untern Gailthale sitzen. Sie bewahren trotz aller Anfechtungen 
schon viele Jahrhunderte hindurch ihre Nationalität, und der Anzug einer windischen Braut kann 
füglich ein Denkmal heidnischer Zeit genannt werden. Aber jene Schlösser, wie Kapel (Bad) im 
Gitschthale, Gurina (Bergel) ober St Daniel u. s. w. hatte der Feind, und dies schon vor Attila, 
zerstört und die Zeit sie der Erde gleich gemacht. Und dennoch ist der Besuch des eben genann- 
ten Kapel interessant. Um auf der Stelle, welche das Gitschthal beherrschen sollte, eine Burg zu 
erbauen, musste der Bergesgipfel abgestemmt werden; der Zugang ist in Felsen gehauen. Diese 
Thatsachcn und die erhaltenen Sagen deuten daraufhin, dass hier einst ein Schloss gestanden sei. 
Aber vom Bau ist fast kein Stein mehr übrig. Diese Festung soll schon vor Christus gebrochen 
worden sein. 

Wann Gurina fiel, ist auch unbekannt. Aber der Landmann findet dort beim Pflügen 
seiner Äcker römische Münzen und Alterthümer. 

Die Kirchthürnic von Hohenthurm , Hermagor und Weissbriach , der schwarze Thurm des 
Thurnhofes bei II irmagor, vielleicht auch die Kirchthürme von Vorderberg, Kirchbach und 
St. Daniel dürften wold ältesten Ursprungs sein und zu Kriegszwecken gedient haben. So ist es 
bekannt, dass der Unterbau des Stadtpfarrthurmcs zu Villach römischen Ursprungs ist, und das 
Dorf Hohenthurm, dessen Thurm gleichen Ursprungs sein soll, heisst in der windischen Sprache 
straja ves (Dorf der Wache). Manches Denkmal aus heidnischer Zeit ging auch bei der Christia- 
nisirung Kärnthcns zu Grunde, welche im Gailthale von Aquileja, von Salzburg und Baiern aus 
in's Werk gesetzt wurde. 

Wir kommen auf einen weiteren Punkt zu reden: ob es nämlich im Gailthale nicht auch 
Götter- oder Götzentempel gab, welche etwa noch als Andenken auf jene grauen Tage zurück- 
weisen, oder demolirt oder in christliche Kirchen umgewandelt wurden? 

Wenn von den berühmtesten Bauwerken der Kömer nur etwa die drei Amphitheater von 
Horn, Pola und Verona, und selbst diese als gespenstige Trümmer dem Zahne der, Eisen und Mar- 
mor zerstörenden Zeit trotzen wolleu, so kann von noch vorhandenen Götzentempeln im armen 
Gailthale wohl nicht mehr die Rede sein. Zwar erzählt die Kirchengeschichte von Kärnthen, dass 
der Apostel dreier Nationen, der Friauler, Wenden und Deutschen , Bischof Hermagoras aus Aqui- 
leja, vielleicht selbst an der Stätte stand, wo heute der Markt Hermagor steht, und nach Zando- 
nati's Geschichte von Aquileja suchte er, im Jahre 63 nach Christi Geburt mit dem Hirtenstabe 
geziert, mit einem Übernatürlichen Muthe die verlornen Schäflein in den verborgensten Winkeln 
seines weiten Sprengeis. Sie erzählt ferner, dass die Decanal- und Marktpfarre zu St. Her- 
magor nicht nur für eine der ältesten Pfarren im Gailthale, sondern von vielen für eine der 
ersten christlichen Kirchen im Lande Carantanien gehalten wird. Überdies ist bekannt , dass die 

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124 



IUuTHOLOMÄl'8 LeVITSCHSIG. 



Glaubensprediger, ein Paulus, Bonifatius u. dgl. , eben unter den Statuen des alten Cultus ihre 
Predigten begannen. Allein das jetzige grosse und schöne Gotteshaus zu St Ilermagor muss schon 
sehr viele Umbauten erlitten haben, eine Chronik derselben ist niemand bekannt, und es 
kann durchaus nicht gesagt werden, ob oben am Felsenbühel der heutigen Kirche ein Heiden- 
tempel stand und welcher Gottheit er geweiht war. Ähnlicher Weise soll sich zu St Daniel 
im Obcrgailthale ein Götzentempel befunden haben. Das Nähere hüllt sich, wie bei allen alten 
Geschichten, in Widersprüche und Nebel. 

Aber sicherer ist der Götzendienst der Wenden, eben weil er länger dauerte, als jener der 
Körner. Und hier muss noch bemerkt werden, dass die Wenden keine Tempel hatten, sondern ihre 
Götter unter heiterem Himmel, im Schatten buschiger Linden mit Gesängen und Tänzen ver- 
ehrten. Ihre Priester waren Wettermacher , Wahrsager und Zauberer, welche Lieder dichteten, 
Anreden hielten, die Tänze leiteten und friedliche Dämonen kannten. 

Zum Beweise alles dessen mögen vier Beispiele dienen. In der Pfarre St. Georgen vor 
dem Blciberge befindet sich der Zeit eine Filiale „St. Lucia und Jodocus" zu Tratten. Diese 
Filiale Tratten ist auf einem wendischen Tanzplatzc erbaut worden, und heisst noch jetzt in 
der Volkssprache Plesisce (Tanzplatz). Erbaulich ist die Benennung des Patrociniums oder 
Kirchtages daselbst, sie heisst: Plosisei zogen, i. c. der Tanzplatz Segen. Und in der That 
steht da noch eine Linde, wie überall im Untergailthalc, wo am Kirchtage nach dem kirch- 
lichen Dienste unter uralten Ansprachen uud Ccremonien, weidlich gelärmt und getanzt wird. 

In der Curatie Mitschigg im Gailthale heisst eine Ortschaft „Tanz". Dort sind die Ver- 
hältnisse ähnlich jenen auf der „Tratten". In der Nähe stand auf einem Vorgebirge des Gail- 
flusses ein Thurm, der „Heidcnthurm" genannt. Jetzt findet sich vom Tliurmc keine Spur 
mehr. Die Wenden sind aus dieser Gegend verschwunden, alles ist stille und traurig, es 
gibt keine Linde, keine Musik, keinen Tanz mehr. Protestanten traten an die Stelle, die heilige 
Capelle wurde aufgelassen und in einen Pferdestall umgewandelt. Nur die Namen des Ortes 
„Tanz" und des „ Hcidenthurmes u blieben als Denkmale alter Tage. 

Im Pfarrorte TrÖpelaeh (eigentlich ein wendischer Name, Dobropolach, Gutenfeld, wie 
eine Urkunde aus dem Jahre 1288 sagt) stand noch vor ein paar Jahren eine vielästige, uralte 
Linde, von welcher nördlich, aber ganz nahe, eine Art Mensa wie vor einem Altare stand. 
Diese Mensa war gemauert und mit einer grossen Steinplatte überdeckt. Ursprünglich mögen 
die Slaven, welche eigentlich das ganze Gailthal inne hatten, auf dieser Mensa ihre Libationen 
gefeiert haben. Nun waren diese Linde und die Mensa immerhin ein Gegenstand mannig- 
faltiger Reflexionen. Da fiel es einem sonderlichen Kopf ein, die Linde könnte umfallen, und 
ein Nachbarhaus eindrücken; was zur Folge hatte, dass eines schönen Abends an den Bürger- 
meister der Bcfeld erging, die Linde ohne weiteres umzuhauen. Gesagt, gethan, und das 
Gailthal war um ein Denkmal aus uralter Zeit ärmer. 

In der Pfarre Hermagor befindet sich die sehr alte Filiale Radnik, ehemals eine wen- 
dische Ansiedelung, wofür die meisten Realitätennamen ein Zeugniss ablegen. Auch hier war 
der Naturcultus einheimisch, und seit Thassilo's Zeiten, der das Heidenthum in Kärnthcn an- 
griff, erhielt sich noch der Name des dortigen Zauberers. Bei einem, auf einem Bühel stehenden, 
sicher an tausend Jahre alten Hause, heisst es noch jetzt beim „Tscharra". Und Care heisst 
im slovenischen: Zauberer, Hexenmeister, Schwarzkünstler. Der Besitzer ist jetzt Protestant 
Das Merkwürdigste aber bleibt, dass der gegenwärtige „Tscharra" bei den Hochzeiten und 



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ß ATD FMC MALI DBS GaILTHAXIS. 



125 



Beerdigungen die hier üblichen Bettelpredigten hält; ein langer, stattlicher Mensch und 
von einem Uberspannten Temperamente. 

Demgemäss hat also das Gailthal doch einige Erinnerungen aus heidnischer Zeit bewahrt, 
welchen nicht der Vorwurf von phantastischen Einbildungen gemacht werden kann , und 
welche von einem fleissigen Forscher noch weitläufiger aufgedeckt werden konnten. 



B. Aus dem Mittelalter. 

Mit schwerem Herzen nehme ich von der alten Zeit Abschied , indem ich glaube, 
dass alle die vielen Burgen und Kirchen des Unter- und Obergailthales mit ihren Grundlagen 
noch tief im grauen Alterthume haften. Allein Mangel an Quellen, an denen besonders unser 
Thal leidet, indem durch Feuer, durch Türken und Christen viele der Stiftungsurkunden ver- 
loren gingen, verhindert jede Feststellung. Dieser Mangel an Quellen bemüssiget mich auch 
in eine Zeit überzutreten , wo es bereits etwas heller und lichter wird. 

Die besterhaltene Burgruine des ganzen Gailthales ist die von Khünburg, unweit des 
Dorfes Untervellach bei Hermagor, mit ihrem kühnen Wartthurme hoch in die Lüfte ragend, 
und Blitz und Sturm mit fester Stirn herausfordernd. Diese Khünburg ist unser Leuchtthurm, 
der uns aus dem Waldermeerc in den sichern Hafen führt. 

Ks war Kaiser Heinrich n., der Heilige, der Gemahl Kunigundcns, welcher im Jahre 1006 
das Bisthum Bamberg gründete. Zu diesem Bisthume gehörten in Kitrnthen mehrere Städte, 
Märkte, Ortschaften und Herrschaften, u. a. Arnoldstein und unsere Khünburg. Die Bischöfe 
von Bamberg sind gegen Bauten nicht gleichgiltig gewesen. Sic restaurirten nicht etwa blos, 
sondern es entstanden neue Kirchen unter ihnen, welche theilweise den Namen der kaiserlichen 
Stifter zum ewigen Zeugnisse des Ursprunges erhielten. In der Nähe vom Schlosse Khünburg 
entstanden, rechts und links des Gailflusses, zwei Kirchen auf schönen, weithin schauenden 
Hügeln; jene am linken Gailufer zu Götschach, ist dem heiligen Kaiser Heinrich, und jene 
am rechten Ufer zu Nampolnch, ist der heiligen Kaiserin Kunigunde geweiht. Als ein Be- 
weis des civilisatorisch.cn Eifers der Bamberger wird angeführt, dass zu Bleiberg - Gorunth, 
nahe am Gailthale, welches Thal auch zu Bamberg gehörte, eine Kirche gebaut wurde, die 
ebenfalls dem Kaiser Heinrich gewidmet ward. An dir Filiale Obervellach, bei Hermagor, 
besteht eine Messenstiltung mit der Widmung: „Für einen Fürstbischof von Bamberg". Der 
Name wird leider nicht angegeben. 

Durch die Inhaber von Khünburg und Amoldstcin hat im ganzen Gailthal in kirchlicher 
Beziehung um so gewisser und bestimmter eine neue Aera begonnen, als im Jahre 1107 Fürst- 
bischof Otto von Bamberg die Feste Amoldstcin brach und auf dem verwüsteten Felsen eine 
Benedictiner-Abtei errichtete, deren Äbte Jahrhunderte hindurch Erzpriester oder Dechante 
über das ganze Gailthal wurden. 

Die Baudenkmale des Gailthales nahmen in der Folge nachstehenden Ausgang. 

Die Erfindung de» Pulvers, schwere Regiekosten, Abschaffung des Faustrechtes, der 
drei88i<rjährige Krieg, die Türkcneinfttlle, das Aussterben der Adelsgeschlcchter, schlechte Be- 
wirtbschaftung durch fremde Beamte und, wie wir von Khüuberg und Khünegg etc. wissen, 



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I2«5 



B*RTHOI.O)IÄIS LeVITSCÜMG. 



das Missratben der Söhne, endlich andere Zeitereignisse brachten die alten Burgen in Verfall. Am 
Fusse derselben wurden bequemere Wohnsitze hergestellt, und die schönen Gebilde oben auf den 
Felsenstirnen wurden dem Verfalle Uberlassen. Das spätere Mittelalter war also für die weltlichen 
Baudenkmale des Gailthales verhängnissvoll und wirkte so gewaltig, dass keine Restauration zu 
hoffen ist, die auch nur eine Burgruine zu neuem Leben erwecken würde. Vielmclir munkelt 
man unter dem Volke, dass den zerstörten Burgen binnen wenigen Jahren noch einige, kaum 
mehr erkennbare Überreste folgen werden. 

Dagegen nehmen bürgerliche Baudenkmale im Gailthale einen Aufschwung. Die Phan- 
tasie des Volkes ist durch illustrirtc Blatter, Eisenbahnen und theilweise durch Corrcspon- 
denten für Baudenkmale erwärmt worden. Und indem fast keine Kirche des Gailthales mehr 
ist, welche nicht eine oder mehrere neue Schönheiten zeigen würde, so geht das Publicum 
von seinen Andachten aufgeweckter heim und fängt an, bei seinen Realitäten ähnliche Ver- 
besserungen in Angriff zu nehmen. 

Was die kirchlichen Baudenkmale des Gailthales anbelangt, diene zur Wissenschaft, dass 
ursprünglich alle hiesigen Kirchen klein waren. Aber alle diese Kirchen, wovon einige noch 
in unverfälschter Ursprünglichkeit sich erhielten, z. B. St. Maria in Graben, St. Magdalena 
zu Untervellach , St. Stephan, an der Gail und St. Martin zu Kirchbach, wurden mit einer 
Feinheit und Splendidität ausgestattet, welche auf KunstgcfUhl und Opferwilligkeit zurück- 
führen. 

Auch wird es interessiren zu wissen, dass das untere und obere Gailthal, wie in vielen 
Punkten , so im Style der Kirchenbauten e diametro sich von einander unterscheiden. Im 
unteren Gailthale ist der gothische Styl, im oberen der byzantinische Styl repräsentirt. Im 
Untergailthale sieht man Spitzthürme, Fenster und Thüren mit Spitzbogen u. s. w., im Ober- 
gailthale findet man, in Weidegg, in Kirchbach, St. Daniel, Mauthen u. s. w. Thürme mit 
Kuppeln, die Fenstergiebel und Thore mit dreiblättrigem Kleeblatte. Hier waren italienische, 
dort deutsche Werkmeister verwendet worden. Nur einzelne Ausnahmen im Obcrgailthale griffen 
zum gothischen Style über, z. B. ist die imposante Frauenkirche zu Kötschach, dann jene zu 
Licsing durch und durch gothisch. Hingegen lies sich das untere Gailthal weniger zum 
Byzantinismus hinführen; Vorderbcrg's und Mitschigg's Kirchthurm, so wie jener zu Feistritz 
an der Gail sind jedoch wieder mit Kuppeln zu sehen, eine Manier, welche im benachbarten 
Krain so sehr beliebt ist. 

Nachdem das Wendenthum im Gailthale noch immer eine grosse Rolle spielt, Hesse sich 
fragen, ob diese Nation auch einen eigenen Baustyl habe, oder ob sie sich in dieser Beziehung mit 
der deutschen oder italienischen Manier amalgamirte V 

Der Wende liebt den Flitter , helle rothe und gelbe und bunte Farben ; auf Altären und 
Lustern viele Blumensträussc und Bänder; ihm gefallen in Musik und Gesang hohe Töne 
und ein wirbelnder schwingender Vortrag. Bei Kirchenbauten ist er nachlässig. Daher baut 
er einfache Thürme und lässt das Dach naturfarben , damit es wohlfeiler ist und die Ein- 
dachung hält. • 

Als sich jedoch mit der Zeit das Cliristenthum und die Population mehr ausgebreitet hatten 
und die primitiven Kirchen zu enge wurden, trat im Gailthale jene bedauerliche Knickerei ein, 
welche man leider wohl auch anderwärts findet Meistens wurde die kirchlich bekannte Laube oder 
der Vorhof als Sündenbock hergenommen, die Kirche höchst prosaisch verlängert und dann noch 
eine Vorlaube angesetzt, oder es wurde eine Seitencapelle ausgebrochen, ein paar Fenster wurdeu 



Hai Denkmale des Gailthales. 



12? 



neu, oft ohne Symmetrie angebracht und alte Fenster vermauert Dergestalt sind einige Filialen und 
Pfarrkirchen des öailthales schon elend zugerichtet worden. Am meisten fallt dieses Ersparungs- 
system bei der Pfarrkirche zu Grafend orf im Obergailthale auf, wo die neue Capelle grösser ist 
als die alte Kirche sammt dem Hochaltar. Beinahe berühmt in dieser Art kann man aber die 
Filialkirche Steven oder St. Stephan, Propstei in der Pfarre St. Stephan an der Oail, nennen. Diese 
Kirche ist schon dreimal angestückt worden , aber aus Mangel an Raum musste man schnecken- 
artig bauen. Tritt man in diese Kirche, so kommt man in eine Art Vorgemach, ohne aber den 
Hochaltar zu sehen. Über einige Stufen geht man in die zweite Kirche, und dann in die dritte, wo 
man erst den Hochaltar gewahrt-. 

Bedaneriich ist es , wenn das Element des Wassers Kirchen bedroht. So ist die imposante 
Kirche zu Kutsch ach wegen Wasaergefalir von aussen schon so hoch verschüttet, dass man über 
mehrere Stufen zum Eingangsthor hinuntergehen muss'. Die inneren Theile sind jedoch erhalten. 
Trauriger kam die Kirche in Rattendorf weg. Nach Jahrhunderte langen Versandungen von 
aussen, fing bei längerer Regenzeit das Wasser an in der Kirche hoch aufzusteigen, und der Fuss- 
boden musste über einen Schuh hoch angeschüttet werden, wodurch das Höhenuiass stark alterirt 
wurde. Die einzige Kirche zu Kirchbach stellt in reinem byzantinischen Style unverändert 
da. Sie hat im Innern gute Fresken, aussen sind die Felder an Kirche und Thurm roth, die 
Rahmen weiss. Diese Manier der äusseren Ausstattung war einst sehr im Gebrauch, denn die zwei 
vom selben Baumeister, dessen Name mir aber unbekannt ist, erbauten Kuppelkirchen zu St. Peter 
in der Perau bei Villach und zu St. Peter in Laibach sind auf gleiche Weise getüncht. Auch die 
Kirche in Kirchbach ist eine Kuppelkirche. Sie steht beinahe in der Mitte des ganzen Gailthales 
und präisentirt sich gegen Osten wie gegen Westen in gleich schöner Weise. 

Die traurigste Epoche für die Baudenkmalc des Gailthales war jedoch, wie schon angedeutet, 
die Zeit der Reformation; denn da« ganze Thal fiel alsbald von der kunstfördernden katholischen 
Kirche ab; selbst der Abt und Erzpriester von Arnoldstcin wurde von dem Treiben der Zeit 
ergriffen. In dein XVII. Jahrhunderte treten uns aber plötzlich zahlreiche Restaurationen, ja sogar 
Neubauten von Filialen vor Augen. Denn nachdem Kaiser Ferdinand H. im Jahre 1600 zu 
Kötschach, St. Daniel, Grafendorf, Rattendorf, Kirchbach, Hcrmagor, St. Stephan an der Gail, 
St. Georgen vor dem Bleibcrgc u. s. w. den katholischen Gottesdienst wieder eingeführt hatte, 
fing man an einzusehen, dass man bisher eine Winterperiode durchgekämpft habe. Demzufolge 
findet man auch am Plafonde des Presbyteriums zu Unter vellach folgende Aufschrift: 

r lm Jahre 1613 ist dieser Chor ausgewählt und verneuert worden. Dieser Zeit ist der ehr- 
würdige und geistliche, auch wohlgelchrtc Herr Joannes Knipffcnberger , Pfarrer gebest alhir." 

Auf der anderen Seite wird ein Pfleger der Herrschaft Grünburg genannt. Was es mit 
dem Pfarrer Knipffcnberger für ein Bewandtniss habe, ist unbekannt, indem die Urkunden der 
Pfarre Hermagor nur bis zum Jahre 1719 zurückgreifen. 

Die Filiale Radnig wurde in den Jahren 1616 und 1670 erneuert. Am Guggen berge, 
ober Hermagor, erbaute im Jahre 1685 ein reicher Bauer, Ulrich Guggenberger, auf eigene Un- 
kosten ein Kirchlcin , verschaffte ilun die Messlicenz und dotirte es mit einem Antheil des Erbes 
seiner Kinder. Auf der Ebene zwischen Untervellach und Hermagor stiftete der Marktrichter zu 
Hermagor, Kaspar Pregcl, die Filialkirche St. Trinitas, wie folgende ober dem Hochaltare be- 
findliche Inschrift anzeigt: 

> Siehe den rorigen Antat* Seite 116, Zelle 8 von unten. 



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Bartuolomac« Levitsoiiiuo. 
1686. 

In honorem S. S. Trinitatis, 
B.V. Mariae ac S. Antonii de 
Padua, nec non pro Christiana 
devotioue hoc templum cum 

smnmo Altare fundavit et 
aedifieavit Dominus Casperus 
Pregel (Ad Sanctum Hennagorum). 

Dieae Kirche ist das jüngste Gotteshaus de« Guilthak-a. 



Hraili.il. 



T«r. vui . 




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129 



Die Baureste der Cistercienserkirche Hradist 

bei Münchengrätz. 

Von J. E. Wocrl. 

Zwei Meilen nördlich von der Kreisstadt Jungbunzlau liegt am linken Ufer der Iscr die Stadt 
Münchengrätz mit dem grossartigen gräflich Waldstcin'schen Schlosse, dessen langgestreckte 
Facade dem Reisenden schon ans weiter Feme entgegen schimmert. In diesem Schlosse fand im 
Jahre 1832 die bekannte Zusammenkunft Kaiser Frauz I. mit dem ('zur von Kussland statt; und 
wenn wir noch erwilhnen, dass in der St. Annakirehe dieses Ortes die Reste de« hoehstrebeiiden 
Friedlünder - Herzog Albrecht von Waldstein ruhen , so haben wir die historischen Denkwürdig- 
keiten dieses friedlichen Landstädtchens ziemlich vollständig angeführt. Dass in der Nilhe von 
Münchengrätz sich noch andere, in geschichtlicher und kunsthistorischer Beziehung interessante 
Alterthnmsreste bergen, war bis jetzt den wenigsten Besuchern dieser Gegend bekannt. Es sind dies 
die- Überreste der Kirche der ehemaligen Cistercienserabtei Hradist (Gredis, Gr.ulis), deren Name 
späterhin auf die nahe liegende , zu den chenuiligen Besitzungen jener Abtei gehörige ( Jrtschaft 
Münchengrätz (Gradist monachorum) Übergangen ist. Den Wanderer, der von Münchengrätz aus 
seine Schritte nach den Trümmern der Abteikirche lenkt, führt ein anmutiger Weg hinab ins 
Iserthai, und nachdem er die Brücke, die sich Uber die Iscr spannt, überschritten, steigt er zwi- 
schen Obstbäumen, welche die anmutige, von lang gestreckten Hügeln umschlossene Wiesenflur 
umsäumen, allmählich empor zu der Anhöhe, auf welcher das Dorf Kloster gelagert ist. Der erste 
Gegenstand, der beim Eintritte in das Dorf die Aufmerksamkeit fesselt, ist die im spätgotischen 
Style erbaute Kirche, deren Thurm schon von der Ferne dem Besucher entgegenwinkte. Einige 
Sehritte weiter, und sein Blick wird durch einen Gegenstand angezogen , der sieh hier, unter den 
ländlichen Wohnungen und den modernen Wirtschaftsgebäuden, iti seiner monumentalen Grösse, 
gleich einem erratischen Blocke der fernen Vorzeit, auf der Feldflur überraschend darstellt. Es ist 
das Portal der ehemaligen Klosterkirche, das, aus der Umfassungsmauer des zerstörten Gottes- 
hauses hervertretend, den Altertumsforscher mit eigentümlichen Zauber an sieh zieht. Aus der 
reichen, kunstvollen Ornamentik dieses Portals weht ein Hauch der Erinnerung an die hoch ent- 
wickelte Kunstthätigkeit vergangener Jahrhunderte, und fordert den Wanderer auf, bei dieser iti 
Stein gemeisselten Urkunde der Vorzeit zu verweilen und den sinnenden Blick jener Kunstepoehe 
des Vaterlandes zuzuwenden, die durch einen Zeitraum von fast siebenhundert Jahren von •Ii i- 
Gegenwart getrennt ist. 

IX. 1* 



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«T. E. Wot KL. 



Das Dort' Kloster ist auf dem abgeflachten Gipfel einer felsigen Anhöhe gelagert, die aus 
dem Thale, welches vor Zeiten höchst wahrscheinlich die Iscr durchströmte, sich emporhebend, 
blos auf der Nordseite mit der Ebene zusammenhangt. Es ist eine vorspringende Bergzunge , der- 
gleichen insbesondere die Slaven zur Anlage ihrer Burgen mit Vorliebe zu wühlen pflegten. Eine 
weite, herrliche Aussicht eröffnet sich von diesem Funkte. In dem freundlichen, am Kusse der 
Anhöhe hingedehnten Thale leuchtet der blaue Spiegel der Iser, an deren Ufer die Stadt 
MUnchcngrätz sich erhebt: im Iiiutergrunde der Stadt gewuhrt man den Basaltberg „Musky", an 
den sich die Sandsteinfelsen anschliessen, welche die Huine Valecov tragen; vom linken Iserufer 
ragt in geringer Entfernung die Kuine Zasadka herüber, und weiterhin gegen Norden dämmern die 
blauen Gipfel des JcSkengebirgts. In südlicher Kerne erheben sich die „Hole vrehy" um! der 
„t'hlomek - , welche die Jungbunzhiuer Ebene von den» südlichen, gegen die Elbe abfallenden 
Flachlande scheiden; am äussersten östlichen Horizonte tauchen die Kuppen des Kiesengebirges 
und weiterhin der Kamm des Isergebirges empor; dem Auge näher genickt , steigt der Kozakov 
«•lnpor, in dessen Nähe die Stadt Turnau sichtbar wird. Dass auf dieser, die weite Umgegend 
dominirenden Stelle bereits in ferner Vorzeit eine Burg sich erhob, wird nicht blos durch den 
Namen p hradiätc" (Burgstelle), sondern auch dadurch bestätigt, dass in alten Urkunden der 
Name des Ilradister Decanats vorkommt: und da die Eintheilung in Decanate der viel älteren Ein- 
tlieilung des Landes in Zupen entsprach, so kann kein Zweifel darüber obwalten, dass unser 
Ilradist die Stelle bezeichnet, wo vor Zeiten eine Zupenburg, der Hauptort eines zum Territorium 
der vorderen Charvaten gehörigen Gaues, stand'. Die C'astellane (Zupanc) dieses Gaues waren 
ohne Zweifel die Markvarticc, die Gründer und freigebigen Donatoren des Klosters Ilradist, weil 
nach dem Zeugnisse der Urkunden die Besitzungen dieses mächtigen altböhmischen Geschlechtes 
sich Uber einen ansehnlichen Theil dieser £upa erstreckten. 

( her das Kloster Hradist (Gredis, Gradis. Gradist) enthalten die Geschiehtsquellen nur 
sehr spärliche Nachrichten, weil dessen Archiv in den Hammen des Hussitenkrieges aufging; 
Uber die Baugeschichte des Klosters und der Kirche gewähren die historischen Quellen gar keine 
Kunde. 

PaprockV' berichtet, Hermann von Kalsko habe aus dem Kloster Ilradist die Benedictiner- 
mönche vertrieben und im Jahre 10*>4 an ihrer Stelle die Cistcrcienser cingefülirt. Diese Zeit- 
angabe ist offenbar eine irrige; denn das erste Cistercienserkloster (Citeaux in Frankreich) wurde 
bekanntlich erst im Jahre 1098 gegründet; hingegen schöpfte Palaeky aus den Annalen des, im 
Jahre 1145 gegründeten Cistercienserklosters Plass die Nachricht, der zweite Abt dieses Klosters, 
Meinher, habe im Jahre 1177 Cisterciensermönchc aus Plass in das Kloster Hradist eingeführt: 
weil nun um eben diese Zeit Hermann von Kalsko, der Sohn Markwart's, von dem das 
gesammte Geschlecht der Herren von Michalovic, Lemberg, Zvirctic, Wartenberg und Waldstein in 
Böhmen abstammt , Oberstkämmerer Soböslav's II. gewesen , so können wir die, von Paprock v 
aus den Aufzeichnungen des Turnauer Klosters entlehnte Nachricht, dass Hermann von Kalsko 
die Cistcrcienser in den Besitz des Klosters Hradist eingesetzt habe, immerhin als eine richtige 
ansehen, wobei nur, dem Plasser Documente entsprechend, die Einführung derselben auf das Jahr 
1177 zu setzen wäre*. Die Übergabe eines ursprünglich für Benedictiner gegründeten Klosters an 
einen andern Mönchsorden ist ein im XII. Jahrhunderte nicht ungewöhnlicher Vorfall, indem auch 
andere Benedictinerklöster in Böhmen und Mähren theils in Prämonstratenserklöster, wie Strahow. 
Leitomischl, Scelau und Hradist bei Olmütz, theils in Cistercienserordenshäuser, wie unser Gredis. 
umgewandelt wurden. 

i Vergl. Toinek'» Abhandlung über die ZnpeneintiVilnng Böhmen». t'A»op. c. Mit*. IS39, png. 193. — s i'al. Dfjioy lur. 
i. I, >. p*g. 3t"H>. 



Die Baubeste per Cistercienserkibche Hradist. 



131 



Der Cistercienserordcn war bekanntlich eine auf strengerem und thiltigerem Leben 
beruhende Reformation des Benedietinerordens, eben so wie die vom heiligen Norbert vorgenom- 
mene Reformation der Chorherren des heiligen Augustinus auf einer ähnlichen Sittenstrenge 
beruhte. Jene alte Nachricht , dass Hermann von Ralsko die Benedictiner au» Gradcc vertrieben 
und an ihrer Stelle die Cistereienser eingeführt habe, mochte in der gelockerten Lebensweise 
der Benedictiner zu Hradist, hauptsächlich aber in des heiligen Bernhard begeisternder An- 
empfehlung des neuen zu Citcaux gegründeten Ordens ihren Grund gehabt, haben. Aus der 
Untersuchung der Baureste der Kirche zu Hradist geht aber hervor, dass die AnInge derselben 
vollkommen den Bauregeln entsprach, welche sich in den meisten vorhandenen Cistercienser- 
kirchen darstellen und dass daselbst kein Merkmal eines altem Baues wahrgenommen wird, 
woraus geschlossen werden mnss, dass der gesammte Kirclicnhau in jener Zeit ausgeführt Wirde, 
wo bereits der Cistercienserordcn daselbst eingeführt war. 

Hermann von Ralsko war, wie gesagt, ein Sohn Markwarts : der Sohn Hermann s war BeiuS 
(Benedict), jener Benes Hermanöv, den die Königinhofer Handschrift als den Befreier des Vater- 
landes preiset'. 

Der erste Abt von Hradist, dessen Name in gleichzeitigen Urkunden vorkommt, ist 
Theodorich. 

Thidricus, abbas de Gradis, erscheint als Zeuge in einer Urkunde vom Jahre 118-1, 
laut welcher Herzog Friedrich von Böhmen den Austausch einiger Güter zwischen Hermann, dem 
Sohne Wilhelm'», und den Ordensbrüdern zu Pias» genehmigt". Ferner kommt Theodoricus 
abbas de Gradis als Zeuge in einem Documentc vor, in welchem Herzog Friedrich dein 
Johanniterorden den Güterbesitz in Böhmen bestätigt und vermehrt 3 . Eben derselbe wird als 
Zeuge in einer Urkunde vom Jahre 1188 genannt , durch welche dieser Herzog die Güterschen- 
kung des Hroznata an den Johanniterorden bestätigt 4 ; und endlich finden wir den Abt von 
Gredis, Tidericus, in der, auf dieselbe Schenkung sich beziehenden Bestiitigungsurkunde des 
Herzogs Otto vom Jahre 1189 1 . Da die erste urkundliche Erwähnung des Abtes Theodorich nur 
sieben Jahre später geschieht, als die Einführung der Cistereienser in Hradist stattgefunden , so 

> Die Dichtung „Bene* Hermanöv" schildert Jen Kaubzug der Sachsen in Rohmen, den Dietrich, Markgraf von Meissen., 
im Jahre 120.1 f« Abwesenheit des König» Premyal Otakar I. unternommen, um an dem Könige, «Irr seine tiattin Allele, rinc 
Schwerer de« Markgrafen, Verstössen hatte, Hache zu üben; Boncs, der Snhn Hermanns, rief aber die Mannschaft des (laue» 
tu den Waffen and schlug die eingedrungenen Sachsen in die Flucht. Man war bisher der Meinung, das» Bcnrs Hermanöv 
identisch sei mit dem in gleichzeitigen Urkunden vorkommenden Bene*, Castellan von Budisin (Bautzen,; meine aus Ver- 
anlassung des gegenwärtigen Aufsatzes vorgenommenen Forschungen führten aber zu einem anderen Resultate. Bern -s Hermanni 
ftHna iBene* Hermanöv) erscheint als Zeuge in der (irftmlungsurkunde de« Plasser Klosters vom Jahre IM*? Erb. Reg. |<)|<, 
sodann in Urkunden von den Jahreu IlSril, 1211 (Erb. Reg. 21)1, 243 1; heutiger noch kommt Benes» rilius Hermanni cum tratre 
*uo Marcquardo in gleichzeitigen Urkunden als Zeuge vor (Erb. Reg. pag. Ii».'», 2Ci, 27*>, 292 u. f. w. bis zum Jahre 122". 
Reg. pag. 316). Nun wird aber in einer, im k. k. Wiener Hofarchive bewahrten Urkunde vom Jahre 1219 Erb. Reg. pag. 2><7 
erklärt, dass Bene«, Burggraf von Budisin (Bencsa burgravius Budisensis), einem verarmten Edelmann, der sein (Jut «lern Plaascr 
Kloster um den Betrag von 100 Mark verkauft hatte, nachtraglich noch 5 Mark im Namen des Klosters ausgezahlt habe. Unter 
den Zeugen werden nun Benes» et Mnrquardus frater ejus angeführt. Dieser Beness ist allerdings jener Benessins Hermanni iiliu» 
et Marquardt frater, aber jedenfalls eine von dem gleichnamigen Burggrafen von Budissin verschiedene Person, weil dieser, eben 
so wiu der Plasscr Abt Henricus und der verarmte Junker Ziivift, als Partei in der Streitsache erseheint, und daher unter den 
Zeugen (subnotatls tustihua, qui huic facto interfuerunt) unmöglich angeführt werden kann. Daraus ergibt sich, das» Benes 
Hermanöv nicht Borggraf «der t'astcllau von Budisin, sondern ein Markvartiee gewesen sei. AI» der Mächtigste, und 
als Zupan des Hradiitcr Gaues, war er daher durch seine Stellung berufen, das Volk zur Abwehr des feindlichen Ein- 
falls zu versammeln und anzuführen. Im Jahre 1S17, als die Königinhofer Handschrift entdeckt wurde, waren jene Urkunden 
gar nieht bekannt und niemand hatte damals eine Ahnung von der historischen Existenz eines Reuo.4 Hermanöv, dessen genea 
logisches Verhältnis« erst durch die, in neuerer Zeit erschienenen Regcsten Böhmens festgestellt und demgemäss sein 'rutschic 
denos Auftreten in jenem Kampfe motivirt werden konnte. — * Erb. Reg. pag. 171. — :l Erb. Reg. pag. I7.'t. — * Erb. R> g, 
pag. 181. - » Erb. Reg. pag. 1S.T 

I*" 



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132 



J. E. Wocw.. 



kann immerhin angenommen werden, das« Theodoricus der erste Abt der zu Gredis neu 
gegründeten Klostergenieinde gewesen sei. 

In der Urkunde Pl-emysl Otakar's I. vom Jahre 1221, in welcher die Privilegien der Prager- 
kirche erneuert und bestätigt werden , kommen in der langen Reihe der hohen geistlichen 
Würdenträger, welche in jenem wichtigen Documentc als Zeugen angeführt werden, zwei Äbte 
von Gradist vor, und zwar Joannes, ubbas de Gradist, und Bonifatius, abbas de Gradist 1 . Es 
unterliegt keinem Zweifel, dass Johannes als der Abt unseres Gradist monachoruru zu bezeich- 
nen ist, während Bonifacius als der Abt «les Klosters Hradist bei Olmtitz erscheint; die Reihe der 
Zeugen jener Urkunde eröffnen nämlich die Bischöfe von Olmütz , Weitra und Breslau, 
ferner Leopold, Herzog von Österreich, und der Graf Hardeg ; sodann folgen die Äbte der böhmi- 
schen Klöster Braunau, Wilimow, Ostrow, Hradist (Joannes), Strahow, Milewsk, Seelau 
und Leitomi8chl , an diese schliesscu sich die Abte der mährischen Klöster Hradist 
(Bouifacius) und Luka an , und endlich wurden die Äbte der österreichischen Klöster Heiligen- 
kreuz, Klosterm uburg, Göttweih, Lilienfeld, Zwettel, und schliesslich andere, zumeist weltliche 
Zeugen angeführt. 

Der nächste in den Urkunden genannte Abt von Hradist ist Henricus. Derselbe wird als 
abbas Gradieensis unter den Zeugen der Contirmationsurkunde angeführt, durch welche Pfemysl 
Otakar die Schenkung des Romanus von Teinic dem Plasserkloster bestätigt*. Diese Con- 
tirmationsurkunde wurde im Jahre 1230, also blos neun Jahre später als die Urkunde der Prager- 
kirche, in welcher der Abt Joannes als Zeuge vorkommt, ausgestellt; daher mit grosser Wahr- 
scheinlichkeit angenommen werden kann, dass Heinrich der unmittelbare Nachfolger des Joannes 
in der Abtswürde gewesen sei. In dem, von König Wenzel dem Kloster Velehrad bestätigten 
Privilegium erscheint Rivinus, Abt von Hradist, zugleich mit Henricus, dem Abte des Klosters 
Plass als Zeuge \ Da zur seilten Zeit die Urkunden den Gerlacus als Abt des mährischen Klosters 
Hradist bezeichnen , so muss Rivinus notwendigerweise unter die Äbte des böhmischen Klosters 
Hradist eingereiht werden. 

In einer Urkunde vom Jahre 12. r »0, durch welche das Olmützcr Domcapitel das Dorf 
Prethoca (Pfitoky bei Kuttenberg) dem Kloster Scdlcc käuflich abtritt, kommt unter den Zeugen 
Modlik, abbas von Hradisch, und zwar in folgender Reihenfolge vor: Testes huius rei sunt: 
Henricus, abbas de Plaz; Vinandus, abbas de Ozzec; Bertholdus, abbas de Pomuk; Modlic, abbas 
de Hradisch; Paulus, abbas de Vclegrad etc. 4 . Durch diese Angabc wird nicht sicher gestellt, ob 
Modlik als Abt des Klosters Hradist in Böhmen oder des mährischen Klosters gleichen Namens 
angeführt erscheint, d. h. ob sein Name die Reihe der böhmischen, daselbst verzeichneten Äbte 
von Plass, Ossek, Nepomuk und Hradist schliesst, oder die Reihe der darauf folgenden kirch- 
lichen Würdenträger Mährens, d. i. der Äbte von Hradist bei Olmütz, von Velehrad, Znaim u.s.w. 
anfange. Da jedoch gleichzeitige Urkunden einen Abt Rupertus zu Hradist bei Olmütz nennen, 
so kann kein Zweifel darüber obwalten, dass Modlik im Jahre 1250 dem böhmischen Kloster 
Hradist als Abt vorgestanden habe 5 . 

Die Nachkommen des Stifters der Cistercicnserabtei Hradist, des Markwartic (Markwart 's 
Sohn) Hermann von Ralsko, waren die Herren der, an die Besitzungen der Abtei angrenzenden 
Güter. Markwart's Enkel hatten sich in mehrere Acstc gesondert, welche nach den Burgen Zvifetic, 
Wartenberg, Tornau, Michalovic, Lemberg und Waldstein genannt wurden. Der Sage nach erbaute 

1 Erb. Reg. pag. 300. — - Erb. Reg. pag. 357. - » Erb. Rfg. pag. 365. — * Erb. Reg. pag. &78. — 1 Da iui Index zu 
Erb. Reg. pag. 734 alle liier angeführten Äbte unseres Kloster» Hradist uuter den Äbten des rriimonstratcnscrltloMers Hradist 
bei Ohnutz verzeichnet erscheinen, so fühlte ich mich veranlagst aus der Reihe der letzteren die Äbte des böhmischen Cister- 
cicnserklusters Hradist auszuscheiden und die Orttnde einer solchen Ausscheidung anzugeben. 



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Die Hacheste der Ci«ti!rciek«khkihoue Hbadist. 



13:* 



Gallun, ein Sohn de« Hermann von Ralsko, die Burg Zviretic, deren imposante Trümmer noch 
jetzt südlich von Münchengrätz am rechten Ufer der Iser emporragen , um einen festen Verthei- 
digungspunkt für das von seinem Vater gegründete Gotteshaus zu gewinnen '. Hermann und seine 
Nachkommen waren die Sehinnvögte der Abtei Hradist und da» Kloster stand somit in nächster 
Beziehung zu diesem Zweige der ratlchtigen Markwartice. Wohl mochte ehemals das Archiv jenes 
Klosters zahlreiche schriftliche Documente dieser gegenseitigen Beziehung bewahrt und die Mauern 
seiner Kirche so manches Denkmal umschlossen haben , welches von der Pietät der Almen der 
Waldstcin- Wartenberge Kunde gab; doch verwüstende Flammen, rohe Kriegerfauste und der 
barbarische Stumpfsinn der späteren Geschlechter hat alle diese Erinnerungen vernichtet bis auf 
einen Grabstein, der gleichsam den Sargdeckel bildet, unter dem die Kegesten jenes Klosters in 
ewiger Nacht begraben ruhen. Es ist die machtige Grabplatte des Jenko von Wartenberg und Vesele, 
eines der bedeutendsten Sprossen der alten Markwartice , dessen bei der Schilderung der Baureste 
näher erwähnt werden soll. 

Vom Jahre 1250 bis in die zweite Hälfte des XIV. Jahrhunderts enthalten die vorhandenen 
schriftlichen Quellen keine Andeutungen Uber das Kloster U radist, noch wird, in so weit mir 
bekannt , in den Documenten aus jener Periode irgend ein Abt jenes Klosters genannt. Nur ein 
aus den Trümmern der Kirche geretteter Grabstein bewahrt die Erinnerung an einen Abt 
Paulus, den die Grabschrift „vir patiens et mitis" nennt. Erst in einer Urkunde aus der 
Zeit Karl IV. (um das Jahr 13(50) taucht der Name eines Abtes Pf edbor des „monasterii in 
Hradysczi u auf, welcher die vom Kloster weit entlegenen Dörfer Boskov, Hostoky, Jeseni u. s. w. 
(nördlich von dem Städtchen Semil) gegen die näher gelegenen Güter des Hasek von Lemberg 
und Zviretic, Rokyta und Krupka (Rokytai und Krupai, Dörfer nordwestlich von Münchengratz) 
austauschte 8 . 

Einzelne Erinnerungen an das Kloster Hradist tauchen in den Errichturigsbüchern (Libri 
erectionum) auf. So berichten dieselben (vol. I. D, 3) der Abt und das Convent des Cistercienser- 
klostcra in Gradis, habe im Jahre 1361 einen Vertrag mit dem Pleban zu Ossieck (Vosek) in Betreff 
iles dem Kloster zu entrichtenden Zchcnts abgeschlossen. Ferner berichten die Lib. er. (t. I, F, 0), 
die Witwe des Hynek von Zleb, Agnes (aus dem Geschlechte der Wartenberge) , habe zu Zleb 
(bei C'aslau) ein Spital zur Pflege der Armen im Jahre 1370 errichtet und weiterhin wird angeführt, 
die Erben der Agnes von Zleb, Markwart und Peter von Wartenberg, hätten sechs Ordensbrüder 
aus dem Kloster Hradist nach Zleb berufen und denselben die Verwaltung und geistliche Obsorge 
jenes Spitals anvertraut Die Errichtungsbücher (Lib. er. XHI, t. 1, 2, 3) erwähnen noch eines 
Abtes von Hradist, Namens Nemogius, der im Jahre 1410 von der Prager Gemeinde eine Geld- 
summe als Darlehen empfangen hatte. Endlich finden wir in den, zur Sicherstellung des Grund- 
besitzes nach dem Hussitenkriege vorgenommenen Einschreibungen vom Jahre 1454 die Erwäh- 
nung, dass der Vater des Johann Cclak vom Abte Johann und dem Convente des Klosters 
Hradist den Hof Bad ry und das Dorf Lhota käuflich erworben habe*. Dieser Kauf musste kurz 
vor dem Ausbruche des Hussitenkriegen stattgefunden haben, weil 34 Jahre nach dem Untergange 
jenes Klosters der Sohn des Mannes, der jene Besitzungen vom Abte Johann erkaufte, sein Eigen- 
thumsrecht auf dieselben vor der ständischen Commission nachzuweisen strebte. — Im Jalire 1419 
brach der Sturm des furchtbaren Hussitenkrieges los. Gleichzeitige Quellen berichten, das«, auf- 
gestachelt von «lern aus Königgrätz vertriebenen Priester Ambros, eine grosse bewaffnete Volks- 
sehaar sich auf der Anhöhe Horeb im Königgrätzer Kreise versammelt hatte, und, angeführt von 
Hynek Krusina von Lichtenburk und Schrecken und Verwüstung rings verbreitend, in den Bunz- 

' Hob*r » Burgen 4. Th«ü, pag. 137. - * Diplom«. W*ldat. Wwtenb. Dobn. monum. 1, 242. - » Pul. AwWt 
cr»k$ . II, pig. 444. 



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134 



J. E. Wocsl. 



lauer Kreis zog. Diese Horebitenschaar nahm, wie der Zeitgenosse Laurentius von Bfezove erzählt, 
das stark befestigte Kloster Hradist beiValccov mit Sturm ein (am 30. April 1420), und nachdem 
das Kloster geplündert und den Flammen preisgegeben worden , zogen die Schaaren nach Prag, 
wo sie am 2. Mai (die St. Sigismundi) unter Vorantritt der Priester mit dem Kelche und den 
Hymnen und Ehrenbezeigungen der Bevölkerung ihren feierlichen Einzug hielten'. 

An einem andern Orte versuchte ich nachzuweisen*, dass die Berichte der Historiker Uber 
die Zerstörung der Klöster durch die Hussiten nicht in dem Sinne aufzufassen sind, als ob jene 
Fanatiker die Kloster- und Kirchengebäude völlig zerstört und demolirt, sondern dass sie nach 
der Plünderung und Verwüstung derselben das Holzwerk angezündet und dem verheerenden Kie- 
mente des Feuers preisgegeben hatten. 

So berichtet Uber die Zerstörung des Klosters Mühlhausen Laurentius von Bfezove: ,mnna- 
Stenum Milevsc diruunt et comburunt - , und «loch hat sich die Basilica desselben bis auf den heu- 
tigen Tag grosscntheils in ihrem ursprünglichen Zustande erhalten; hingegen erwähnt derselbe 
Zeitgenosse der Verwüstung des Kloster Hradist durch die Orchiten mit den Worten: „monastcrium 
Hradist — vi obtinent et bonis, quae intus erant direptis monasterioque ipso exusto, civitatem 
Pragensem intravemnt" 3 . L. von Bfezove spricht hier somit blos von einem Niederbrennen des 
Klosters und keineswegs, wie bei Mühlhausen, von einer Zerstörung der KlostergebUude. Dass 
an eine völlige Zerstüning dieser Bauten dabei nicht gedacht werden kann , ergibt sieh überdies 
aus der überaus kurzen Zeit, innerhalb welcher das Werk der Verwüstung vollbracht worden war. 
Am 30. April wurde das stark befestigte Kloster mit Stunn eingenommen und am 2. Mai, also am 
zweiten Tag nach der Einnahme desselben, zogen die Verwüster bereits unter Jubelsängen in 
Prag ein. Die Haufen der Orchiten mussteu somit bereits am 1. Mai, d. i. den Tag nach der Er- 
stürmung des Klosters aufgebrochen sein, um am nächstfolgenden Tage in Prag im Triumphe auf- 
ziehen zu können. 

Die Besitzungen des Klosters Hradist fielen, ebenso wie die Güter der übrigen im Hussiten- 
kriege zerstörten Klöster, der Krone anheim , und wurden vom Kaiser Siegmund und von den 
nachfolgenden Königen Böhmens verpfändet. Aus gleichzeitigen Urkunden entnehmen wir, dass 
König Georg von Podebrad einen Theil der Hradister Klostergüter, zu welchem zehn Dörfer ge- 
hörten, dem Obcrsthofincister der Königin, Hynek von Waldstein verpfändete; dass aber dieser 
bereits im Jahre 1175 diesen Pfandbesitz dem Ojfl- vonOeedelie abtrat 4 . Aus einer Urkunde König 
Wladislaw's II. vom Jahre 1493 erhellt, dass ein anderer aus fünf Ortschaften bestehender Bestandteil 
der Hradister Güter von den Brüdern Burian und Georg von Dube erworben ward; diesen Güter- 
eoniplex löste König Wladislaw wieder ein und verpfändete denselben um eine bedeutende Summe 
an die Brüder Johann und Bernhard von Waldstein \ Eine andere aus fünf Dörfern bestehende 
Pareelle wurde von König Georg an Johann von Wartenberg um die Summe von 300 Schock 
böhmische Groschen verpfändet, und ein dritter Güterantheil ging in den Pfandbesitz der Brüder 
Ctibor und Adam von Cimburg über*. Der bedeutendste Bestandthcil jener Güter, zu welchem 
auch das ehemalige Kloster gehörte, gelangte in den Pfandhesitz der Herren Berka von Dube, und 
wurde von diesen bald darauf dem Cenck von Barchov abgetreten, der diese Pfandgüter sodann der 
Gemeinde der Altstadt Prag verkaufte 1 . Von der Prager Gemeinde löste König Wladislaw im Jahre 
1493 diesen Antheil um den Betrag von 2250 Schock bömische Groschen ein, um ihn bald darauf 
um eine viel grössere Summe den Brüdern Johann und Bernhard von Waldstein zu ver- 

1 l'al. (ieachjekte von Böhmen. III. 2. pag. 1Q1. — 3 Die Kirch« dea ('Mterciatiu-r Nouui'iiklosterr. ,1'orU cm-li" zu Ti«- 
novic. Jahrbuch der k. k. C'cntraJ-CoiumissiiMi , III. — ' L. de Hrozovc (unrichtig Brrzina) in Höfler'» 'ieachicblsnohnibmig der 
huasitiachen Bewegung in Böhmen, pag. 3.VH. - « Dipl. Wald«. Wart. Dnhn. Monum. I. pag. »:>3. - '• Dipl. Waldat. Wart, 
ua«. 2;><J. - « Dipl. \\ aldat. Wart. pag. -»«0. - 1 Dipl- Walds'. Wart. pag. 269. 




DlK lUl'RKSTK l)EB ClSTERCIENSERKIROHE ÜBAIlläT. 



13:; 



pfänden 1 . Aus den, auf die Verpländung der Hradister Güter »ich beziehenden Urkunden ersieht 
mau zunächst, wie ausgedehnt und grossartig das Besitzthum des Klosters gewesen; jene Docu- 
mente enthalten überdies die schlagendsten Beweise des egoistischen Verfahrens der Könige mit 
den Gütern der, im Hussitenkriege eingegangenen Klöster. Solche, durch die Kriegsfurie 
verwüsteten Besitzungen wurden anfangs um geringe Summen verpfändet, späterhin aber, als ihr 
Ertrag und Werth durch die Pfandinhaber gehoben ward, löste sie König Wludislaw r utpote 
dominus hcreditarius , haben» in hoc jus Biifficiens*, wie er in der Urkunde vom Jahre 1493 
sich ausdrückt, wieder ein, um dieselben Air viel höhere Summen wieder zu verpfänden. Eine 
einfache zwar, aber ausgiebige Finanzoperation, nni die Einnahmen der königlichen Kammer zu 
lieben! — 

Der Pfandbesitz des dem Johann von Waldstein gehörigen Antheils der Klostergüter 
wurde vom König Wladislaw II. durch ein Diplom vom Jahre 141)0 bestätigt. Beachten swerth 
ist die Stelle dieser Urkunde König Wladislaw'», in welcher angeordnet wird, dass diese 
Güter von niemand anderem als nur von dem Abte und dem Convente des Hradister Klosters 
und zwar erst dann eingelöst werden dürfen , bis die Mönche das Kloster abermals bewohnen und 
den Gottesdienst daselbst abhalten würden*. 

Die Brüder Johann und Bernhard von Waldstein traten durch einen am 21. November 1512 
abgeschlossenen Vergleich die MUnehengrätzer Güter an Johann Svojanovsky^ von Boskovic, Herrn 
auf Skal, ab, unter der Bedingung, dass, wenn Johann von Boskowic ohne männliche Nach- 
kommen mit dem Tode abgehen sollte, die Güter wieder an die Herren von Waldstein zurück- 
fallen, oder aber den letzteren von den Erben des Johann von Boskovic 5000 Schock böhmische 
Groschen ausgezahlt werden sollten*. In der That gelangten nach dem Tode des Svojanovsky 
vou Boskovic jene Güter wieder in den Besitz des Johann von Waldstein, der dieselben bald dar- 
auf im Jahre 1528 dem Johann von Wartenberg verkaufte. Im Texte der Urkunde vom 29. Juli 
1530, in welcher Johann und Albert von Waldstein ihr Eigenthumsrecht auf jene KlostcrgÜtcr 
dem Johann von Wartenberg abtreten 1 , kommt die Stelle vor: „Omnia illa bona praenominata 
cum monasterio et omnibus literis et juribus praefatis dominis — cedere debeant", aus welcher 
hervorzugehen scheint , da-ss damals das Kloster im bewohnbaren Zustande sich befunden habe, 
widrigenfalls es nicht, im Gegensatze zu den dazu gehörigen Ortschaften und Gütern, in der Ües- 
sionsurkunde ausdrücklich erwähnt worden wäre. 

In Anbetracht der wichtigen Dienste, welche der Oberstburggraf Johann von Wartenberg 
auf Zvirctic und dessen Sohn Adam der Krone Böhmens geleistet, wies Ferdinand I. denselben auf 
den MUnehengrätzer Gütern die Summe von 1400 Schock Prager Groschen an, dergestalt, dass 
ein jeder, der mit der Zeit diese Besitzungen wieder auslösen wollte, den Herren von Wartenberg, 
ausser den auf jenen Gütern bereits haftenden Pfandsummen, den obenerwähnten Geldbetrag zu 
erlegen verbunden sein sollte*. Erst in dem Gnadenbriefe Kaiser Ferdinand I. vom Jahre 1538 
wird 1 {radist als ein wüstes Kloster („desertum monasterium") bezeichnet. 

Adam von Wartenberg trat die Hradister Güter an Kaiser Ferdinand I. ab und von diesem 
wurde ein Theil derselben im Jahre 1550 an Georg Labounsky von Laboun , und ein anderer 
Be.standtheil dem Heinrich Zibrid von Velechov veräussert 6 . Georg Labounsky war Procu- 
rator der böhmischen Landtafcl und wurde im Jahre 1552 in den böhmischen Ritterstand erhoben. 

1 Dipl. Waldst. Wart. pag. 260. — 1 Ea rouss ausdrücklich bemerkt werden, dass die im Hussitenkriege zerstörten und 
eingegangenen Klöster durch keinen Latultagsbesehluss aufgehoben wurden ; daher es in der Macht der geistlichen Corporationen 
lag, die Klostergüter von der Krone oder den PfandhcsiUcrn wieder einzulösen, wenn es ihnen nämtieb gelang, die zur Aus- 
lösung derselben notwendigen Ccldsummen aufzutreiben, was allerdings in den damaligen politischen und oonfeasionellen Vor- 
hältnift&en des Landes kaum möglieh war. — » Dipl. Waldst. Wart. pag. 276. — * Dipl. Waldst. Wart. pag. 277. — » Dipl. Waldst. 
Wart. pag. 2H6. — 8 Sommer, Königreich Böhmen, IL pag. 195- 



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13ß 



J. E. Wockl. 



Ihm und seinen Nachfolgern ward gestattet, dass sie Bich „von Laboun" schreiben und sich eines 
Wappens bedienen dürfen, welches auf folgende Weise beschrieben wird: „Ein viergetheilter 
Schild. In zwei Feldern desselben zwei rothe mit weissen Binden gegürtete Ochsen, in den 
zwei übrigen Feldern zwei rothe Keulen im blauen Felde; Uber dem Helme der Wappendecke 
erscheint eine runde, gesehachte Scheibe, von Pfauenaugen umgeben - Genau dasselbe Wappen 
stellt sich, in Stein gehauen, am Wartthurme des gegenwärtigen Schlosses zu Kloster Hradi&t dar. 
woraus man schliessen muss, dass die Umwandlung des wüsten Klosters in ein Herrenhaus, zu 
jener Zeit stattgefunden habe, als sich die Familie Labounsky im Besitze der Hradiöter Kloster- 
güter befand. Die gesammte Bauweise des gegenwartigen Schlosses weist auf die Periode des 
Rcnaissancestyles hin und nur einzelne Pfeiler und Bogen im Erdgeschosse stellen sich als isolirte 
Reste des ursprünglichen Klosterbaues dar. Von dieser Zeit an war das auf den Grundmauern des 
alten Cistercienserstiftes aufgeführte Schloss der Wohnsitz der Eigenthümer der Herrschaft Mün- 
chengratz, bis derselbe in das, in der Stadt Münchengriitz erbaute grossartige Schloss über- 
tragen ward. 

Georgs Labounsky von Laboun Sohn .Johann war ein eifriger Anhänger und Vertheidiger 
«ler böhmischen Brüder, ein Mann, der, wie Jar. Schaller schreibt, sich sowohl durch seine eigene 
Gelehrsamkeit, als auch durch eine thiltigc Unterstützung gelehrter Männer einen immerwährenden 
Ruhm bei der Nachwelt erworben hatte *. Nach dem Tode des Johann von Laboun gelangte der 
demselben gehörige Antheil der Münchengriitzer Besitzungen an dessen Töchter Magdalena und 
Kunigunde, welche jedoch diese Güter im Jahre 16*12 dem Wenzel Budovec vonBudova verkauften. 
Da bald ilarauf der von Heinrich Zibrid von Vclechov erkaufte Antheil durch die Tochter 
des letzteren, die mit Christoph von Budova vermählt war, an die Familie Budovec Uberging, so 
gelangten sämmtliche Münchengriitzer Besitzungen in den Besitz des Wenzel Budovec von 
Budova. Unstreitig gehörte Wenzel von Budova zu den ausgezeichnetsten und gelehrtesten 
Mannern seiner Zeit; er bereiste den grössten Theil von Europa und der asiatischen Türkei, 
und brachte mehrere Jahre im Dienste der kaiserlichen Gesandtschaft in Constantinopel zu. Bei 
seiner Rückkehr nach Böhmen trat er in den Staatsdienst, ward Geheimrath Rudolf b H. und 
Kaisers Mathias und Director des utraquistischen Conciliums. Mehrere Werke, die er schrieb, 
unter welchen der Antialkoran (in böhmischer Sprache) das Bedeutendste ist, sind sprechende 
Beweise seiner wissenschaftlichen Bildung. „Patriae decus eximium, subditorum non dominus sed 
pater - nennt ihn Raph. Ungar in seinem ('ommentar zu Balbins „Bohemia docta - . Da sein vorzüg- 
lichstes Streben dahin gerichtet war, seinem Volke die Religionsfreiheit und insbesondere den 
böhmischen Brüdern die freie Uebung ihrer Confession zu erringen, so rnusste er in den. am An- 
fange des XVII. Jahrhunderts ausgebrochenen Religionsstreitigkeitcn in heftige Opposition mit 
der Regierung geratheil. W. von Budova war das Haupt der dreissig Dircctoren und stand an der 
Spitze derjenigen , die Kaiser Rodolf den verhängnissvollen Majestätabrief abdrängten. Friedrich 
der Winterkönig, ernannte ihn zum Appellationspräsidenten, in welchem Amte er bis zur Schlacht 
am weissen Berge verharrte. Nach jener verhängnissvollen Katastrophe wollte der dreiundsiebzig- 
jithrige Greis, um der ihm drohenden Gefahr zu entgehen, sein Vaterland doch nicht verlassen, 
und sein Haupt fiel am 21. .luni 1021 auf dem Blutgerüste des Altstadter Ringes. 

In wie weit der Vorwurf fanatischer Intoleranz gegen Andersgläubige, den Schaller dem 
Besitzer von Münchengriitz Wenzel von Budova macht, sich auf Thatsachen gründet, lässt sich 
schwer entscheiden; die Angabe Schaller' s hingegen, dass W. von Budova die prächtige Kirche 

1 Landt. 43. X. 1. Xacb der Aufzeichnung des Herrn Anton Kyhitka, die mir durch Herrn Moriz Lüs&ner notist anderen 
rieh auf diesen Gegenstand beziehenden intcreitiiiuten Andeutungen ubennittelt wurde, woftlr ich den genannten llorreu meinen 
Dank auszusprechen mich verpflichtet fohle. — - .Schuller, Topogr. Höhnt. Kunz). Kr. <0 



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Die Balbeste dek Cistercienserkikciie IIbadi^t. 



137 



zu Kloster in einen scheusslichen Pferdestall uingesoh äffen hatte', ist, wie sich aus der Schilde- 
rung ihrer Haureste ergeben wird , eine offenbare Unwahrheit. 

Sämmfliche confiscirte Güter des W. von Budova wurden im Jahre 1622 von Albreeht von 
Waldstein, dem nachmaligen Herzog von Friedland, um die Summe von 216.000 fl. erkauft, in 
welchem Betrage der Werth der Hradister Klostergüter mit 64.599 Schock Groschen angeführt 
erscheint. Nach des Friedlanders gewaltsamem Tode fielen diese Güter abermals an den könig- 
lichen Fiscus; ein grosser Theil derselben, und unter diesen auch unser Hrndist, wurde von Kaiser 
Ferdinand HI. dem Oberstkämnierer Maximilian Grafen von Wald stein zur Belohnung 
seiner um den Staat erworbenen Verdienste geschenkt. Diese Güter besitzt bis auf den heutigen 
Tag die MünehengrUtzer Linie der Grafen von Waldstein-Wartenberg , aus deren Stamme der 
mächtige Friedender Herzog entsprossen war. 

Noch zu Balbin's Zeit in der zweiten Hillfte des XVH. Jahrhunderts stand die alte Abtei- 
kirche, allerdings wüst und profanirt, aufrecht und war in so weit erhalten, dass sie eine Schaf- 
heerde vor Wind und Wetter zu schirmen vermochte 2 . Wahrscheinlich erst zu Anfang des XVHI. 
Jahrhunderts ward das Werk der Verwüstung vollendet und der ehrwürdige Bau eines der bedeu- 
tendsten Denkmale der kirchlichen Arehitectur in Böhmen bis auf wenige Reste abgetragen und der 
Boden der Kirche zu landwirtschaftlichen Zwecken umgewandelt. 



Baubeschreibung. 



Durch das Portal an der Nordseite der Umfassungsmauer der ehemaligen Klosterkirche ein- 
tretend, gewahren wir einen weiten Hofraum, der auf drei Seiten theils von Gartenmauern, tlieils 
von niedrigen Wohngebäuden und Stallungen eingeschlossen , auf der Südseite aber von der 
Facade des auf den Grundmauern des ehemaligen Klosters aufgeführten Schlosses begrenzt wird. 
Erst bei näherer Untersuchung der Reste jener Umfassungsmauer und der an dieselbe angebauten 
Wohnungen Uberzeugen wir uns, dass wir den Boden eines ehemaligen Gotteshauses betreten, 
von dessen Pracht und Grossartigkeit die einzelnen , theils aus der Mauer vorragenden , zumeist 
aber in Bruchstücken umherliegenden, architektonischen Überreste ein Zeugniss geben. Die Höhe 
der erhaltenen Umfassungsmauer beträgt zwischen 3 bis 4 Klafter; an dieselbe ist rechts vom 
Kingangsportalc die Wohnung des Thorwäehters, links jene des Schlosscaplans und des gräflichen 
Bauinspcctors angebaut. Der östliche gerade Abschluss des Kirchenraumes ragt, die Ein- 
friedung eines Gartens bildend, nur wenig über die Bodenflüclie empor. Die durch sieben 
mächtige Strebepfeiler gefestigte Mauer der Stirnseite senkt sich aber tief hinab gegen das am 
Fusse der Anhöhe sich ausbreitende Thal. Das noch vorhandene Mauerwerk der ehemaligen 
Kirche ist von Bruchsteinen, die Strebepfeiler, wie auch die ein- und vorspringenden Ecken sind 
von festem Quadersandstein aufgemauert. Unter der gerade abgeschlossenen Stirnseite der 
Kirche dehnt sich eine langgestreckte gewölbte Halle aus; der Eingang in dieselbe öffnet sich an 
der Südseite des chinaligen Chores, und man steigt auf schmalen, theüweise zerstörten Stufen in 
den unterirdischen Raum. Fünf kurze viereckige Pfeiler thcilen die, 15 Klafter lange und blos 
4 Klafter breite Halle in zwei Schiffe ; die Gratbogen der zwölf Travecn entspringen aus den 

1 Schüller, TopogT. v. Btthtn., Ranz). Kr. pa£. ."»2. — s Gradlcensi« coenobii eelcberrlml ordinis cisterciensi», in Boles- 
lHVien»! diatrictu Bobcmiac siti, null» vxtat wrmoriu, tctuplo ciiaw in ovile converso. Iliüb. MUccU. L.V1, II, pnff. 112. 
IX. 19 



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1.38 



J. E. Wookl. 




W" -I-T---- 

H- >.~ 



lYi!Vi!Vi|\/ nVi ViVH 

\i^!/w\r 



Seitenflächen der Pfeiler und bilden scharfkantige, gedrückte Wölbungen. Durch sechs romanische, 
nach innen sich bedeutend verengende Fensteröffnungen fällt das Tageslicht in das düstere Ge- 
wölbe, auf dessen Boden Menschengebeine zerstreut umherliegen. Die Construetion dieses Raumes 
deutet darauf hin, dass die Anlage desselben dem Anfange des XIII. Jahrhunderts angehört. 
Diese Halle stellt sich nämlich keineswegs als eine Krypte dar , wie sie im XI. und im XII. Jahr- 
hundert unter dem Kirchenchore aufgeführt zu werden pflegte. Die Anlage bietet bei ilirer 
geringen Ausdehnung von Ost nach West keinen geigneten Punkt für die Aufstellung eines 
Altars oder Martyriums dar, und dass der Raum nicht, wie die Krypten der romanischen 
Periode, zum Versammlungsorte andachtiger Gläubigen bestimmt war, erhellt aus der rohen Con- 
struetion und der völligen Sclimucklosigkeit sämmtlichcr Bauglieder, wie auch daraus, dass der- 
selbe sich nicht Über die Grundfläche des Chores erhob, sondern völlig unter dem Niveau der 

Kirche angelegt war. Die schmalen, von Rundbogen 
überhöhten Fenster entsprechen zwar der Bauweise des 
romanischen Styles; aber ähnliche Fenster gewahrt man 
häufig genug an Kirchenbauten des Übergangsstyles ; 
da aber daa Gratgewölbe der Halle in Spitzbogen 
construirt erscheint und solche Gewölbe bekanntlich 
den Übergang des romanischen in den gothischen Styl 
charakterisiren, so muss angenommen werden, das» 
dieses Hypogeum am Anfange des XIH. Jahrhundert» 
angelegt und keineswegs eine „Krypta* im eigent- 
lichen Sinne, sondern ein Todtengewölbe gewesen war. 
.-U. ..Iii. j Nachdem wir diesen unheimlichen Raum verlassen , be- 
treten wir das nächst gelegene, an die nördliche Ecke 
der Chorseite angebaute Wohnhaus. In den , zu ebener 
Erde gelegenen Zimmern und Stuben hat sich gar 
keine Spur der ursprünglichen architektonischen Details 
erhalten. Alles ist da glatt gemacht und modern her- 
gestellt. Dagegen findet man am Dachboden, der 
unmittelbar über der Decke jener ebenerdigen Woh- 
nung aufgeführt ist, interessante Baureste, welche zum 
VcrBtändniss der Anlage der Kirche wesentlich beitragen. 
Unmittelbar Uber dem Fussboden ragen nämlich in regel- 
mässigen Abständen von zwei Klaftern drei verstümmelte 
Capitäle von Wandsäulen mit den Fragmenten der, von 
denselben gestützten Kreuz- und Quergurten empor. Es 
sind Blättercapitäle mit umgelegten Eckknolleu, wie sie 
an Denkmalen des Übergangsstyles vorkommen ; auf 
jedem Capitälruht eine hohe, aus mehreren stark profilirten 
Gliedern bestehende Deckplatte, aus welcher sich der massive Scheidebogen und die einfach pro- 
filirten Kreuzrippen, deren Auflagpunkte durch hohe Blendschilde verdeckt sind, erheben; auf 
der flachen Vorderfläche des einen Scheidebogens ist das Monogram eingehauen. Der Dach- 
boden ist in einer Höhe von etwa 8 Fuss abgeschlossen; aus der Krümmung der oben abge- 
brochenen Gewölbrippen ergibt sich, dass die Fortsetzung der Bogenkrüramung noch etwa 2 Fuss 
betrug, ehe dieselbe mit der gegenüber sich emporschwingenden Gewölbrippe zusammentraf. 
Wenn man nun zu dieser Höhe der Gewölbbogen die Dicke des Dachbodens und die Höhe der 




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Die Baubeste der Cisterciensekkirche IIradist. 



IM 



darunter befindlichen Wohnzimmer, aus welchen die Schufte der Säulencapitäle abgeschlagen wur- 
den, hinzugefügt, so kann die Gesammthöhe der ehemaligen Arcaden auf 22 Fuss angenommen 
werden. Da feiner die Entfernung von einer Wandsäule der Areade zur andern 12 Fuss betragt 
und an dieser nördlichen, 8 Klafter langen Chormauer vier Traveen angeordnet waren, so müssen 
an die entgegengesetzte südliche Mauer, von derselben Lange, ebenfalls vier Gewölbjoche sich an- 
geschlossen haben. Aus dem vorliegenden Grundrisse (Fig. 1) ist zu ersehen, dass längs dem 
geraden Chorschlusse sechs Traveen sich hinzogen , von denen die erste und letzte Travee mit 
den äussersten Gewölbjochen an den beiden Seitenmauern zusammenfallen ; es ergibt sich somit, 
dass sich um den Chor ein niedriger Umgang von zwölf Capellen hinzog. Es stellen sich uns 
daher die Reste einer Kirche mit einem flachen Abschlüsse und einem niedrigen Umgang um den 
Chor dar, eine Anlage, die sieh in den meisten Kirchen des Cistercienscrordens wiederholt. Auf- 
fallend ist vor Allem die Ähnlichkeit der Anlage der Kirche zu Hradiät mit jener des Klosters 
Lilienfeld in Osterreich. Man vergleiche einmal den Grundriss der Lilienfelder Kirche (Jahrbuch 
der k. k. Central-Commission, II. Band) mit dem vorliegenden Plane , und man wird gewiss die 
grüsste Übereinstimmung, nicht blos in der Anordnung, sondern auch in den Grössenverhältnissen 
beider Kirchenanlagen finden. Längs dem flachen Chorschlusse der Lilienfelder Kirche sind ebenso 
wie zu IIradist sechs Traveen angeordnet, an welche an der Nord- uud Südseite des Chores je 
drei Traveen sich anschliessen , wahrend noch zu beiden Seiten eine Travöe in die Kreuzvorlage 
vorspringt, welches wahrscheinlich auch zu Hradist der Fall gewesen war. Zu Lilienfeld betragt 
die Länge des geraden Chorschlusses 1Ü Klafter und genau so viel misst der östliche Abschluss 
der Ilradister Kirche. Die Kreuzvorlage tritt auf der Ostseite der Ilradister Kirche um 3 Klafter 
2 Fuss, auf ihrer Westseite aber um 5 Klafter 2 Fuss vor, so dass die nördliche Umfassungsmauer 
des Langhauses bedeutend zurücktritt und nicht in einer Flucht mit der Kordseite des Chores 
sich befindet Ein gleiches Verhältnis» gewahrt man in der Anlage der Kirche zu Lilienfeld, deren 
Querschiff eine Breite von 10 Klafter, genau so viel wie jenes zu IIradist zählt. Auch das Lang- 
haus beider Kirchen hatte dieselbe Länge, nämlich 22 Klafter. 

Von dem südlichen Arme der Kreuzvorlage und der südlichen Hauptmauer des Langhauses 
der Hradister Klosterkirche haben sich keine Spuren erhalten; da aber aus den aufgefundenen 
Fundamenten zweier Pfeiler, und aus dem massiven , zum Theil in die neue Mauer zunächst dem 
Portale eingefügten Mittelpfeiler des Langhauses hervorgeht, dass die Breite des Mittelschiffes von 
Achse zu Achse der Pfeiler 5 Klafter und jene der beiden Seitenschiffe zusammen 6 Klafter betrug, 
so ergibt sich daraus genau dieselbe Breite von 11 Klafter, welche das Langhaus der Lilienfelder 
Kirche zählt. Die aufgefundenen Grundlagen der Pfeiler (in unserem Grundrisse schwarz schraffirt) 
deuten an, dass der Durchschnitt derselben zwei sich durchschneidende Kreuze bildete, und dass 
sich an die Pfeiler selbst halbsäulenförmigc Dienste anscldossen, eine Constructionsweise, die der 
Pfeilerform im Langhause der Lilienfelder Kirche entspricht '. 

Diese auffallende, selbst auf die Unregelmässigkeiten der Anlage sich erstreckende Über- 
einstimmung des Grundrisses der Hradister Kirche mit jenem der Stiftskirche zu Lilienfeld berech- 
tigt zu dem Schlüsse, dass beim Aufbaue beider Kirchen ein und derselbe Plan zu Grunde lag. 
Der Grundstein zur Kirche des Klosters zu Lilienfcld wurde von Herzog Leopold dem Glor- 
reichen am 10. April 1202 gelegt; das Hradister Kloster ward aber, wie oben erwähnt wurde, 
bereits im Jahre 1177 dem Cistercienserorden Ubergeben und in den Urkunden wird schon im 
Jahre 1184 ein Abt zu Gradis (Thidericus) genannt. Dieses könnte uns zu der Annahme berech- 

1 Der mit tüchtiger Fachkenntnis» im (rroseen Maaestebe ausfreftthrte Grundriss der Hradister Baudenkmal« wurde mir. 
nebst anderen in dipser Schilderung mithwondifren Behelfen, von dem prüf lieh Waldstcin'schcn Baudiruetor Herrn A. Wunder 
(riltijr mitgetheilt, wofür ich deuuclbun weinen verbindlichsten Dank hiermit ausspreche. 



Iii* 




J. E. Wocel. 



tigcn , dass das Alter der Hradister Abtcikirche um mehr als zwanzig Jahre liülter hinaufreicht, 
wenn nicht der Umstand in Erwägung kilnie, dass die vorhandenen Baureste zunächst den 
charakteristischen Typus des Lbergangsstylcs , wie er im ersten Viertel des XIII. Jahrhunderts 
sich entwickelt hatte, aufweisen. I )ieser Widerspruch kann nur durch die Annahme gehoben werden, 
dass die Cistcrciensergemeinde im Jahre 1177 in das, bis dahin von den Benedictinern bewohnt«' 
Kloster Hradist einzog und an der Stelle eines älteren Gotteshauses im Verlaufe der nächstfolgen- 
den Jahre eine neue, den Hegeln des Cistercienserordens entsprechende Kirche aufführte, deren 
Aufbau wohl mehrere Decennien in Anspruch nahm. Es muss unentschieden bleiben , ob der 
ursprüngliche Grundriss beider Kirchen von den Cistercicnscrn zu Hradist oder zu Lilienfeld her- 
rührt; nur so viel möge erwähnt werden, dass die Aufsicht über den Hau der Kirche zu Lilienfehl 
die Brüder aus Hciligenkreuz führten, wilhrend doch die Stiftskirche zu Heiligenkreuz, wiewohl im 
Osten gerade abgeschlossen, doch nach einem ganz andern Plane gebaut ist '. Nach dem Plane 
der Mutterkirche zu Citeaux war aber weder das Lilienfelder noch das Hradister Kloster angelegt, 
denn dieses zeichnete sich, wie bekannt, blos durch seine Einfachheit und Schmucklosigkeit aus. 
Doch ging man bei den späteren Cistercienserkirchcn zu Foigny, Longpont, Vaux-Clair u. a. von 
dieser strengen Hegel ab; alle französischen Cistercienserkirchen hatten aber die in gerader Linie 
geschlossene östliche Stirnseite (chevet), an welche sich zu jeder Seite des Chores vier Capellen 
anschliessend Wahrscheinlich ist es, dass zu jener Zeit ein Wcchselverkehr zwischen den öster- 
reichischen und böhmischen Ordenshäusern stattgefunden habe. Unter den Zeugen der in Böhmen 
ausgestellten Urkunden kommen ja nicht selten Äbte österreichischer Klöster vor; und in eine 
noch frühere Zeit füllt der Bericht des Biographen des Passauer Bischofs Altmann, dass nämlich 
der Gründer des Göttwcihcr Klosters, Bischof Altmann, von den böhmischen Fürsten ein herrliches 
Bild der Mutter Gottes erhalten und dasselbe dem neuen Gotteshause geweiht habe 3 . 

Die auffallende Ubereinstimmung des Grundrisses der Lilienfelder Stiftskirche mit unserem, 
am hohen Felsenufer der Iser vor Zeiten sich erhebenden Gotteshause berechtigt zu der Voraus- 
setzung, dass beide Kirchen in der Gesammtanlagc mit einander übereinstimmten. Auf diese 
Voraussetzung gestützt, können wir uns ein Bild der ehemaligen Kirche zu Hradist entwerfen und 
dieselbe analog der Kirchcnanlage zu Lilienfeld reconstruirend, annehmen, dass sich an das hohe 
Mittelschiff des Langhauses niedrige Seitenschiffe anschlössen; ferner, dass dieses Mittelschiffsich 
bis in die Mitte der Kreuzvorlage erstreckte und mit einem aus dem Achteck gefügten Chore, um 
welches ein, vierzehn Traveen oder Capellen zählender Umgang angeordnet war, abschloss. Siehe 
den Grundriss, auf welchem die noch vorhandenen Mauerreste mit schwarzen Linien ange- 
deutet sind ; jene Theile «1er Kirche aber, von denen sich keine Spuren erhalten haben, dem Lilicn- 
felder Grundrisse (im II. Bande des Jahrbuches) entsprechend, mit Punkten angedeutet erscheinen. 

Mochte auch «ler Plan der Gesammtanlage der Stiftskirche zu Hradist aus der Fremde her- 
rühren, so werden wir bei dem Anblicke der vorhandenen Baurestc, insbesondere aber bei der 
Beobachtung der architektonischen Ornamente derselben, zu der Überzeugung gedrängt, das« die 
Ausführung dieses Baues einheimischen Architekten anvertraut gewesen und dass insbesondere 

' In Ainbr. Becziezka's historisch-topographischer Darstellung von Liltenfcld wird erwähnt, dass die Brüder de* Stiftes 
IKiligcnkrcux Ockerus (der naclmiallge erste Alit rn UlicnlchL, Gebhard und Gerold, die Aufsicht Ober den Bau des von Uerzog 
Leopold gegründeten Kloster» führten, damit ulles der Forui von Citeaux und den Forderungen des Orden* entspreche. Au» 
den . dein gründlichen Werke über Lilienfeld beigefügten Urkunden geht aln-r nirgends hervor, woher der Man der nrnen 
Klosterauhige herrührte. In dem von dem Genendabt zu (Jiteaux an Herzog Leopold gerichteten Schreiben kommt blos fol- 
gendc, mit' die Leitung des neugegründeten Klosters sieh beziehende Stelle vor: „Fccimus qnod ju»si«tis, et dilecto ac vene- 
rando eo-abhati nostro Marquarflo Sanetae Crucis ore ad o» mandavicius, ut saneti propositi vestri fidelem se ministrujn vobis 
exhibeat. cuinque steterit lorns du fratribu» boui Testimonii e greroio suo eidcui prouidvat." — » Hevue de I'art cbxctieu. VI. 
pag. 4 >:>. - 3 Vita beati Altmanui eplsc. Tatav. ap. !■«». I. pag. J4C. 



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Dik Backeste der Cisterciensebkibcue IIuanist. 



141 



die ornamentalen Partien einer Kunstrichtung angehören, deren charakteristische Eigcnthümlich- 
keit sich auch an anderen gleichzeitigen Baudcnkmalen in Böhmen und Mähren kundgibt. 

Wenden wir vorerst unsere Betrachtung dem Portale der Hradister Kirche zu. Der Sockel 
desselben wird durch einfache, kräftig gegliederte Süulenfüsse gebildet. An jeder Seite des Ein- 
gangs bilden drei stärkere und ebenso viel schwächere Basen die Grundingen der schlanken Drei- 
viertelsäulen, welche die, nach innen sich verengende Leibung in sechs Felder theilen, deren 
Felder mit Laubwerk auf das zierlichste geschmückt sind. Von diesen Säulen haben sich blos die 
Capitäle erhalten, welche auf der linken Wandung mit Weinlaub , auf der rechten aber grössten- 
theils mit Akanthusblilttern umschlungen sind. Die elegante Zeichnung und energische Ausführung 
dieser Ornamente zeugt eben so von dem Gcschmacke und der Kunstfertigkeit des Künstlers , wie 
die prachtvolle Composition des Arabeskenschmuckes, welcher die zwölf Felder der Leibung 
bedeckt. Weinlaub, Kleeblatt und Distel boten die Elemente dar, aus welchen in lebendigem 
Schwünge und zierlicher Mannigfaltigkeit der Schmuck der Portalflüchcn gefügt ward. Diese 
Ornamente sind aber im Gegensatze zu den meisten Kunstwerken dieser Art in sehr flachen 
Reliefs ausgeführt, und stellen sich wie ein reicher, die Portalleibung schmückender Teppich dar. 
Die schlanken Schäfte der Säulen sind herausgeschlagen; bestimmte, zumal an der linken Seite 
des Portals walirnehmbare Spuren deuten an, dass diese Säulchen in der Mitte durch Ringe in 
zwei Theile geschieden waren. Auf polygonalen, in der Mitte stark ausgekehlten Deckplatten 
ruhen die einfachen, vielkantigen Unterlagen auf, aus denen sich die Gurt*: der gedrückten Spitz- 
bogen, welche das Portal krönen, emporschwingen. Fünf flache Bogengurtcn und ein Rundstal) 
sind mit Arabesken geschmückt, während die übrigen Rundstäbe und Gurte sich nackt dar- 
stellen. Die vorspringenden Kanten der Wandung zu beiden Seiten des Portals sind abgeschrägt 
und mit Weinlaub und Arabesken geziert; wahrscheinlich war ehemals der wagrechte Sturz 
über dem Eingange auf ähnliche Weise geschmückt. Das von dem Portalbogen umspannte 
Tympanon, mit seinen, den Anschauungen der katholischen Kirche entsprechenden Darstellungen 
wurde wahrscheinlich im XVII. Jahrhundert vernichtet, an dessen Stelle ein flacher Rundbogen 
gespannt und über demselben auf das kahle Mauerwerk ein mystisches Gemälde von sehr mittel- 
mässigem Werthe hingepinselt. Dasselbe stellt zwei Todtenköpfe dar, aus denen Weizenähren 
emporwachsen. Zwischen den Todtenschädeln gewahrt man ein Herz und an jeder Seite desselben 
zwei Lilien; unter dieser Darstellung ragen zwei einander fassende Hände, von Wolken umgeben, 
«mpor. Über dieser Malerei stehen folgende Wahlsprüche: „Pomni na wieeznost (denke an die 
Ewigkeit), in Christo sincere et constanter. — Wiernie a stille." Jene symbolische Dar- 
stellung sowohl, als auch diese Wahlsprüche entsprechen vollkommen den Anschauungen der 
böhmischen Brüder, und rüliren ohne Zweifel von Wenzel von Budova her'. 

Das Portal der Kirche zu Hradist ist in der Constitution , wie auch in seiner Ornamentik 
durchaus verschieden von dem Portale der Lilienfelder Kirche. Das letztere, in neuerer Zeit bedeu- 
tend umgeänderte Portal wurde mit Benützung der ursprünglichen Säulenanlage dem alten nach- 
gebildet. Auf jeder Seite der schriig zusammenlaufenden Gewände, gewahrt man dort vier Bündeln 
von je vier Halbsäulen, deren Capitäle mit knospenartig umgebogenen Blättern geziert sind. Diese 
Wahrnehmung allein reicht hin, um den wesentlichen Unterschied der Form und der Verzierungs- 
weise beider Portale zu kennzeichnen. 

1 In den FnndpnilM-n des Oriente» wird, Seite 502, die Meinung geäussert, daas jene», am Thore zu HradiSt »ich darstellende 
.Sinnbild von den Tempelherren herrühre. Jene Darstellung bezieht sieb offenbar »uf die Stelle der hciL Schrift (Jon. K. 12, 
V. 24,. „Wenn da» Weizenkorn nicht in die Erde füllt und erstirbt, so bleibt es allein; wenn es aber erstorben ist, trägt es 
viele Früchte». - Ausführlich schrieb Uber jene Abbildung Millauer in Grafs „Geschichte der Tempelherren in Böhmen.* 
Prag. 1835. 



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142 



J. E. Wocel. 



Aus den Trümmern der Hradister Kirche wurden mehrere Säulen capitälle und ein Schluss- 
stein (Fig. 2) hervorgezogen. Diese Capitllle sind mit breitem, zierlich geschwungenem BlHtter- 

werk bedeckt, und ihre oberen Thcile haben die, dem Lber- 
gangsstyle eigenthtimliche, an die romanische Form mahnende 
Ausladung; sie gehörten offenbar dem Chorumgange an, denn 
die Hülse derselben sind kreisrund und man fand in ihrer Nähe 
Hruchstücke von gerundeten Süulenschäften. Dass nun diese 
Säulenform nur auf die, den niedrigen Chorumgang begrenzenden 
Säulen und keineswegs auf die Stützen des Langhauses bezogen 
werden kann, ergibt sich aus der Betrachtung der aufgedeckten 
Basamente der Pfeiler, und jener zum Theil in das Mauerwerk 
eingelassenen machtigen Pfeiler im ehemaligen Kirchenschiffe. 
Der Chorumgang zu Lilienfcld wird hingegen nicht von Rund- 
süulen, sondern von schlanken achteckigen Pfeilern gebildet, 
deren Capitüle ein eigentümliches, aus massiven schilffürmigeii 
Blattern , deren Spitzen in Kugeln auslaufen , bestehendes Ornament haben , welches von kegel- 
förmigen Consolen getragen wird. (Vergleiche Jahrbuch der k. k. Central -Commission, IL Band, 
pag. 115.) 

Die achteckigen Deckplatten der Hradister Säulencapitäle deuten an , dass sie die Unter- 
lagen von acht Gewülbgurten bildeten, von denen sich zahlreiche Bruchstücke erhalten haben. 

Die Vergleichung der noch vorhandenen ornamentalen Elemente der Hradister Kirche mit 
jenen der Abteikirchc zu Lilienfeld berechtigt uns zu dem Ausspruche, dass, wiewohl beide Kir- 
chen nach einem und demselben Plane angelegt wurden , die Detailausführung beider Bauwerke 
von Architekten und Bildhauern herrührt, die, unabhängig von einander, nach eigenthümlichen, 
selbstständigen Conceptionen ihre künstlerische Thiltigkcit geltend machten. Indem wir uns nach 
Kunstformen umsehen, welche eine nähere Verwandtschaft mit jenen der Hradister Kirche haben, 
werden wir durch die auffallende Ähnlichkeit überrascht, die zwischen den Fragmenten zu Hra- 
dist und den ornamentalen Motiven an einigen der noch vorhandenen Architecturdenkmaleu Böh- 
mens und Mährens aus der ersten Hälfte des XIII. Jahrhunderts herrscht. Vor allem ist es die 
Kirche des, von der böhmischen Königin Constantia im Jahre 1233 gegründeten Cistercienser- 
Nonnenklosters zu Tiänovic in Mähren, welche hier in erster Reihe in Betracht kommt Das Portal 
dieser Kirche hat, insbesondere in seinen ornamentalen Partien, eine unverkennbare Ähnlichkeit 
mit jenem zu Hradist. In beiden erscheint die Leibung der Portalwände in sechs Felder getheilt, 
und zwar durch fünf schlanke Säulchen, in deren Mitte Theilungsringc vorsprangen; nur sind die 
Blättercapitäle derselben zu Hradist reicher compoiiirt und kräftiger modellirt, als die Knospencapi- 
täle zuTisnovic. Hingegen stehen in den, von den Säulchen eingerahmten Zwischenfeldcm zuTisno- 
vic Apostelgestalten; die unteren Partieen dieser Felder sind auf ähnliche Weise plastisch aus- 
geschmückt wie die Zwischenfelder der Hradister Portalwändc. Es sind aus schön styüsirteni 
Laubwerk gebildete Guirlanden, die sich an den Flächen emporranken. Weinlaub, Kleeblatt, Distel 
und Akanthus schmücken gleichfalls die Bogengurte des Tisnovicer Portals, ja sogar die Vogelgestalt 
im ersten Felde der rechten Portalwand auf unserem Bilde findet ihr Pendent am Tisnovicer Por- 
tale. Die Capitäle der Wandsäulen im Chorumgang zu Hradist, mit den auf ihnen aufruhenden 
Gewölbfragmenten entsprechen der Form nach den aus den Mauern der Seitenschiffe hervor- 
tretenden Dreiviertelsäulcn zu Tisnovic. In beiden sind zur Festigung der Punkte, wo die Gurte 
auf den Deckplatten aufruheu , Blcndschilde mit oben abgerundeten Kanten angebracht und die 
Capitüle dieser Waudsäulen haben in beiden Architectur - Denkmalen die, dem Cbergangs- 



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Die Bal-bkste deu Cistercieksebkibcdb JIradiSt. 



143 



style eigene starkrippige Blattform mit knollenförmig umgebogenen Spitzen ; selbst die Capitlil- 
forinen mit ausgezackten, in doppelter Lage angeordneten Blättern kommen an einigen der 
TUnovicer Wandsäulcn ebenfalls vor. Ferner sind die Capitäle der ehemals freistehenden SiUllcn 
zu Hradist auf gleiche Weise mit Laubwerk geziert, wie die Capitäle und Consolen im Kreuz- 
gange zu TiÖuovic. Noch auffallender aber (ist die Ähnlichkeit der Sshilenkniiufe von 
Hradist mit den CapitUlen der Halbsäulen, welche den, auf dieselbe Weise profdirten, auf 
Blendschilden aufruhenden Gewölbgurten der St. Agneskirche zu Prag zur Stütze dienen. 
Vergleicht man ferner den mit breitem, kräftigen Blattwerk ornamnntirten SehlussBtein aus 
den Hradister Trümmern, mit den , auf gleiche Art gezierten Schlusssteiuen aus der St. Agnes- 
kirche, so wird man noch mehr geneigt, die Ansicht auszusprechen, dass die Form und Anord- 
nung dieser architektonischen Motive einer, zu derselben Zeit sich entwickelnden einheimi- 
schen Kunstrichtung angehören. Die St. Agnes- (eigentlich St. Franciscus-) Kirche wurde von 
Agnes, der Tochter I*remyal Otakar'a I. um das Jalir 1234 gegründet und um dieselbe Zeit wurde 
wahrscheinlich auch die Abteikirche zu Hradist ausgebaut. 

Die schönen, einander entsprechenden Motive der Pflanzenornamente an den Schlusssteinen 
und Capitälcn zu Hradist, Tifinovic und in der St. Agneskirche, insbesondere aber die verschwen- 
derisch mit Arabeskenschmuck ausgestatteten Portale der beiden erstgenannten Kirchen, deuten 
auf einen südlichen, italienischen oder, was wahrscheinlicher ist, französischen Finfhiss hin, der 
sich vielleicht zur Zeit des Sazauer Abtes Reginhard in Böhmen eingebürgert und daselbst später- 
hin eigentümlich entwickelt hatte 1 . Die weichen Formen der plastischen Bildwerke an jenen 
Portalen sind weit entfernt von den strengen und massvollen, aber auch nüchternen Formen und 
Ornamenten, die sich an deutschen Baudenkmalcn des Übergangsstyles darstellen. Die Forschung 
weiset somit auf die Thatsachc hin, dass sich im XIII. Jahrhundert in Böhmen und Mäliren eine 
eigentümliche Kunstschule entwickelt hatte , deren bedeutendste Werke leider von der Ober- 
fläche der Erde lüngst verschwunden sind. Die grosse Anzahl und Pracht jener Kirchenbauten 
veranlasste ja selbst einen, mit den Kunstdenkmalen der südlichen Culturlünder vertrauten Kenner. 
Aeneas Sylvius, zu der Behauptung: „Nullum ego regnum aetate nostra in tota Europa tarn fre- 
quentibus , tarn augustis , tarn ornatis templis dicatum fuisse quam Boe*miam , reor ! J 

Im südlichen Arme des Querschiffes der Hradister Kirche wurden im Jahre 1853 beim 
Wegräumen des Schuttes Grabplatten aufgefunden, welche die Ocflnungen der in Felsen aus- 
gehauenen Gräber verschlossen. Die bedeutendste derselben ist die Grabplatte des Jenko von 
Wartenberg, deren bereits in der Geschichte des Klosters erwähnt wurde. Es ist eine Platte von 
rothein Marmor, von mehr als 6' Länge ; auf derselben gewahrt man die tief eingegrabenen Con- 
touren einer männlichen und einer weiblichen Gestalt, wie auch die undeutlichen Umrisse zweier Wap- 
penschilde, und lilngs den Bändern der Platte zieht sich folgende, theilweise unlesbare Aufschrift: 

A.D. MCCCLXIX . V . KA . OCTO 

OBIT . 1ENCO . D . WARTE . . DMN 

I . VESE VXOR ... VA . DNA 

El A . O . A . D . MCCCL . 

(Anno Douiini MCCCLXIX . V . Kalcndas octobris . . obiit Jenen de Wartenberg dominus in Vesele . . . 

ujor Biia domina Elisabetha . obiit A. D. MCCCL.) 

1 Reginhard!» — Metcnsi« genere — — fait in eo peritia pirurere vel »culpere qna»libet imngim'R \igoo vid osw vel <-ii.im 
div<!r»i Könens DietAllo, fabrili« quoquci non ignarus fuit artis, et omni», quae ex vitro fieri »olet, compositiouis. Cosmae ( ontin. 



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1U 



J. E. Wocei.. 



Man bemerkt deutlich, dass auf diesem auffallend grossen Grabsteine Figuren von 
Metall befestigt waren, und das» Metallstreifen in die roh eingemeißelten Umrisse, sowohl der 
Figuren und Wappen , als auch der Umschrift eingelassen waren. Leider ist dieser hochwichtige 
Grabstein arg beschädigt und liegt gegenwartig in der 8t. Annakirche der Stadt Münchengrätz, 
wo er nach seiner Restaurirung aufgestellt werden soll. 

Jenco (Jesco, Jesek = Johann) von Wartenberg und Wessele war unter Karl IV. Oberst - 
landkämnierer (vom Jahre 1353 — 130O), worauf er zu der Würde eines Oberstburggrafen erhoben 
ward. In Palacky's synchronistischer Uebersicht der höchsten Würdenträger Böhmens- 1 wird 
dessen Amtsverwnltung als Oberstburggraf vom Jahre 13f»Ü— 137« angegeben; die Aufschrift 
auf dessen Grabstein gibt aber den 27. September 1369 als den Tag seines Hinscheiden« an. 

Der zweite wohlerhaltene Grabstein (Fig. 3) ist aus hartem Sandstein , misst W Länge und 
1' 10" Breite. In der Mitte desselben stellt sieh ein Krummstab von alterthümlichcr Form dar. Die 



7t B B K S ■ IM GRS 3)ll?.yi RPK CS I Ei S 



> 




Form der Buchstaben der lHngs dem Kunde sich hinziehenden Aufschrift weiset auf die erste 
Hiilftc des XHI. Jahrhunderts hin. Dieselbe lautet: 

..Iii nonas niarcii 0 quondam Tenerabilis Patting alibas in Orcdis vir paciens et mitis- '. 

Leider wird in der Aufschrift das Todesjahr nicht angegeben. — Nicht weniger interessant 
ist eine dritte Grabplatte (Fig. 4) von demselben Material wie die vorbesehriebene. Ihre Höhe ist 




D 
ffi 

O 



E 



Fig. 4. 

5' 8", die Breite 2' 3". Die Mitte der Platte nimmt ein Schild von der Form eines gezogeneu 

' Dus H in der Aufschrift iM Ziichnct das ni^ruiu ttieta «ier Atta = f- 



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Die Backeste der Cisterciexse&kircue IIradist. 



14.1 




Fl*. ». 



Dreieckes ein , auf dem keine Spur irgend eines Wappens sichtbar ist. Der Schild ruht 
auf einem nackten Schwert, dessen Griff eine Hand umfasst halt. Die Umschrift enthalt die 
Worte : 

„Hic jacet dominus . . . Nitolaus de Ceietic cum liberis suis in nomine Domini. » 

Heide Grabsteine wurden in jüngster Zeit in die Filialkirche der Dorfes Kloster Uber- 
tragen 

Ausse r diesen Grabplatten wurde noch im südlichen Kreuzarme der ehemaligen Klosterkirche 
ein Grabstein aufgefunden, an dem sich ein der Länge nach in zwei Felder getheilter Schild mit 
s ehicfgelegten Querbalken darstellt. Auf diesem Steine gewahrt man blos die Buchstaben W. V. Z.V. 
Der Charakter der Buchstaben und die heraldische Behandlung des Wappens weisen auf den 
Schluss des XVI. Jahrhunderts hin. Jedenfalls wird durch diesen Grabstein bestätigt, dass noch 
im XVI. Jahrhundert die Klosterkirche zur Begräbnissstätte diente. 

Im Jahre 1853 wurden überdies und zwar im ehemaligen Mittelschiffe der Kirche, dem 
Portale gegenüber, die Reste des ehemaligen Kirc henpflas ters gefunden, welche wegen 
ihrer Eigcnthümlichkeit eine besondere Beachtung verdienen. Es ist ein aus Thonfliesen gefügtes 
Mosaikfragmeut, dessen Lange 4 Klafter und die Breite 1 — 2 Klafter betrügt. Die Fliesen haben 
einen farbigen , theils rothen, theils schwarzen oder gelb- 
lichen Überzug und waren grösstenteils in Bandstreifen 
augeordnet, welche sieh zu einem zierlichen, das Auge 
durch harmonische Mannigfaltigkeit anziehenden Ganzen 
fügten. Die einzelnen Thonfliesen stellen sich als Qua- 
drate, Kauten, Zickzackornamente oder als rothe ver- 
schlungene Blinder dar, in deren Knotenpunkte cylin- 
derförmige Thonziegeln eingelassen sind. Die rothe 
Farbe, welche im Gesammtbilde dieser eigentümlichen 
Mosaik domiuirt, ist nachViollet-le-Duc's Bemerkung* ein 
Kennzeichen, dass dieses Werk aus der ersten Hälfte des 
XIII. Jahrhunderts herrührt. Die Fig. 5, ü, 7, zeigen die 
Art und Weise der ZusammenfÜ^un«; der verschieden- 
artigen Thonplatten, von welchen eine bedeutende Anzahl 
dem böhmischen Museum übergeben wurde. 

Da sich eben im Mittelschiffe, dessen Pflaster durch 
häufiges Betreten am meisten leiden musstc, jenes Frag- 
ment des glänzenden Bodenschmuckes vorgefunden hatte, 
so müssen wir daraus schliesscn , dass sich das Mosaik- 
pflaster Uber den ganzen Fussboden der Kirche erstreckte, 
und insbesondere, dass ein solches im Presbyterium , als 
der bedeutungsvollsten Stelle des Gotteshauses, wahrscheinlich in erhöhter Zierlichkeit ange- 
ordnet gewesen war. Die aufgefundenen Bestandteile der Mosaik waren durch einige Steinplatten 
unterbrochen, welche entweder die Stellen andeuteten, wo ehemals Grabsteine lagen oder, was 
walirscheinlicher ist, die Unterlagen zerstörter Mosaikpartien bildeten. 

Der Gebrauch, den Fussboden der Kirchen mit bunten Thonfliesen zu verzieren , lässt sich 
auf die Mosaik der Römer zurückführen, deren weitere Modifikation das, aus bunten Steinen gefügte 

' Diese Kirche ist ein kleiner apätgothiachcr Bau, itebt aber ohne Zweifel an der Stelle einer älteren Kirche, die in 
Zeit, als das Clstcrdeuaerkluatcr gegründet ward, erbaut wurde. Ein kleine* in dieaelbe eingemauerte! Portal trägt 
de» Übergangaatjle». — » Viollet-le-Duc, Dictionnairc de l Architect. franc, IL pag. 204. 




Fig. 7. 



IX. 



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14« 



J. E. Woi-Ei.. 



sogenannte Opus Alcxandrinum war, welches im frtlhcrn Mittelalter iu Italien, seltener in Frank- 
reich und England, angewendet ward. Häufiger wurde das Pflaster aus hartem Kalkstein gefügt und 
mit gravirten Ornamenten, welche mit Blei oder buntfarbigem Mastix ausgefüllt wurden, verziert. 
Ncbcu dieser, allerdings kostspieligen und dabei sehr vergänglichen Verzierungsweise des Kirchen- 
pflanters entwickelte sich, vorzüglich in Frankreich, die Technik des Pflasters aus bunten Thon- 
fliesen. Herrliche Muster einer solchen, aus Thonziegeln gefügten Mosaik hüben sich in einigen 
Scitcncapcllcn zu St. Denis in Frankreich erhalten. Seltener kommen in Deutschland Ucberreste 
solch einer Fliesenmosaik vor, wie z. B. die aus bunten, viereckigen Ziegclplilttch.cn gebildeten 
Grabplatten einiger Glieder des mecklenburgischen Fürsteuhauses (aus dem XIII. Jahrhundert) in 
der Klosterkirche zu Doberan und die Fliesen aus dem Kloster Zelle im Museum zu Dresden. In 
Oesterreich sind Fussböden aus Fliesen von derselben alterthilmlichen Technik , wie sie unsere 
llradister Mosaik weiset, bisher nicht bekannt geworden; hingegen findet mau Fliesen von gebrann- 
tem Ziegelthon mit eingedrückten Verzierungen und heraldischen Thiergestalten iu einzelnen Exem- 
plaren ziemlich häufig vor. Diese Art von Verzierung der Fussbodeu gehört aber grösstenteils 
dem XV. und XVI. Jahrhundert an. 

Oben wurde bereits erwähnt, das« wir in der Lage sind, nach dem Vorbilde der Kirche zu 
Lilienfeld uns eine Vorstellung von der Gesammtanlage der ehemaligen Kirche des Klosters Hradist 
zumachen. Wenn wir nun, um dieses Nachbild zu vervollständigen und in seiner Individuaütilt auszu- 
führen, die in diesem Aufsatze geschilderten eigentümlichen Elemente : die BundsHulenin.it ihren Capi- 
täilcn und Gewölbrippen, die Schlusssteine, das prachtvolle Portal und insbesondere den glänzenden 
Schmuck des Fussbodens der Kirche an die jedem dieser Elemente entsprechenden Stellen hinein- 
tügen, so stellt sich uns ein prachtvolles imponirendes Bauwerk dar, dessen bildliche Darstellung 
einem gewandten Zeichner und Kenner der Architectur des Mittelalters nicht schwer fallen dürfte. 
Der Versuch einer solchen bildlichen Reeonstruirung ist meiner Ueberzeugung nach wenigstens 
eben so berechtigt, wie die graphische Wiederherstellung der antiken Tempel zu Selinunt, Agri- 
gent oder des Zcustempels zu Samos, des Athenaetempels zu Bricnne, des Tempels der Diana 
zu Magnesia u. s. w., von denen sich nur Trümmerhaufen oder blos einzelne Süulcnfragmentc 
erhalten haben , und welche die Altertumskenner , den im Tempelbau der Alten waltenden Ge- 
setzen folgend, in ihrer ursprünglichen Gestalt in Bildern darzustellen pflegen. Jede Epoche des 
Mittelalters hatte ihre eigentümlich nuancirten Stylgesetze; es hängt nur davon ab, dass berufene 
Künstler sich mit diesen Gesetzen vertraut machen und, auch die nationalen Eigenthümliclikcitcn der 
mittelalterlichen Architectur mit Entschiedenheit auffassend, aus den vorhandenen Kesten bedeu- 
tender Baudenkmale des Mittelalters die ursprünglichen Anlagen derselben unserer Gegenwart in 
Bildern vorführen, welche eben so belebend auf das Verstündniss der culturhistorischen Momente 
des christlichen Mittelalters einwirken würden, wie die allgemein verbreiteten Abbildungen der 
heidnischen Tempel zur richtigen Auffassung des Culturlebens der antiken Völker beitragen. 



tr..l,r..,.. I « . v.-t" — n,ik u, k . k H.l -ml iluMfmm. i« W».. 



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147 



Die Siegel der österreichischen Regenten. 

Von Kahl von Sava # ). 

I. ABTHEILUNG. 
Einleitung. 

er Gebrauch, den Urkunden die Siegel des Ausstellers und der Zeugen als Bestätigungs- 
zeichen aufzudrucken oder anzuhängen, durfte in Deutschland unter Kail dem Grossen begonnen 
haben, obgleich in den Zeiten der Karolinger die Diplome der Grafen und Herzoge grössten- 
theils durch deren Namens unter sclirift bestätigt sind'. Bei den älteren Urkunden wurden über- 
dies noch am unteren Rande Leder- oder Pergamentstreifen durchgezogen und in diese von den 
Zeugen Knoten geschlungen, daher die Zeugen auch nodatores hiessen. Bei dieser altherkömm- 
lichen Einrichtung verblieb man selbst lange nach der allgemeineren Einfülxrung der Siegel*. 

Als in späterer Zeit die Schreibekunst unter den Laien immer seltener wurde, mochte man 
auf ein anderes Mittel sinnen , welches andeuten sollte dass der Aussteller der Urkunde mit dem 
Inhalte derselben bekannt und einverstanden sei , und glaubte ein solches in dem Beifugen der 
Siegel, sowohl des eigenen als auch jener der erbetenen Zeugen, gefunden zu haben. 

In Österreich ist das älteste Fürsteusiegel jenes von Emst I. (reg. 1056 — 1075); von seinem 
Sohne ist keines bekannt; dagegen beginnt mit seinem Enkel, Leopold dem Frommen, die unun- 
terbrochene Reihe der österreichischen Furstensiegel. 

Allmählich wurde das Aufdrücken oder Anhängen der Siegel bei den Urkunden der Kaiser 
und Könige, so wie der höheren Fürsten, eine nothwendige Kanzleifeierlichkeit, und in mehr 
oder weniger umfangreichen Formeln lesen wir in öffentlichen so wie in Privaturkunden, dass die 
Siegel angehängt wurden, als Zeichen der Wahrheit, als eine dauernde Bekräftigung, damit die 
Sache stät und unzerbrochen bleibe, als ein Schild gegen Übelwollende und eine Bestärkung 
gegen jede Einwendung. 

*) Wir glnnben diene ausführliche Abhandlung am nn mehr in den „Mittheilnngcn" niederlegen zu tollen, »1» nach 
Karl von 8ava wohl kaum Jemand kommen dürfte, der sich au eifrig mit der österreichischen Sicgvlkundc bcaebÄftigt, wie 
er. Möge ihm damit in diesen Blättern zugleich ein dauernde« Andenken geactxt »ein. da e» die letzte »einer Arbeiten war, 
die ihm noch auf seinem Sterbelager die einzige Erheiterung bot , nnd die er als eine Art von wi«»en»chaftllcbem Vermächt- 
nis» in die Hände der k. k. CVntral-Commfesion niederlegte. D. R. 

' Heinneccius, 27. — * (iruber, Lehrbuch der Piplouiatik 1, 204. 
IX. »1 



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US 



Kari. von Sava. 



Dabei ist manchmal angegeben, das* der Aussteller kein eigenes Insiegcl habe und darum 
eine andere Person ersuchte, die Urkunde mit ihrem Siegel zu bestätigen , ihr ohne Nachtheil und 
.Schaden. Man wollte aus solchen Fallen die Behauptung aufstellen , dass nicht Jedermann zur 
Führung eines Siegels berechtigt gewesen sei; allein in der bei weitein grösseren Zahl dieser Fülle 
bedeutet die Formel: „eo, quod proprio sigillo carcam" oder „da wir nicht eigen Insiegel haben" 
nichts anderes , als dass der Aussteller der Urkunde sich entweder noch kein Siegel machen Hess. 
■ oder dasselbe zufälligerweise nicht bei sich hatte; denn wir treffen eben jene Formeln bei Per- 
sonen , Uber deren Siegclberechtigung kein Zweifel obwaltet. Um nur einige Beispiele anzuführen : 
Johann von Witolzhofcn verbindet sieh im Jahre 1353 in einer Urkunde für das Stift Pollingen 
unter dem Siegel seines Bruders, weil er kein eigenes hat, im Jahre 1367 dagegen siegelt er mit 
seinem eigenen Insiegcl 1 . Herzog Rudolf IV. von Österreich, dessen Bruder Herzog Friedrich 
und Johann Bischof von Gurk, der Kanzler des ersteren, geben dem Ulrich Strobmayr, Bürger 
zu Nürnberg, eine Urkunde über schuldige Zehrungskosten zu Schwabach am Freitag vor St. 
Thomastag 1360, besiegelt mit Herzogs Rudolfs Siegel, unter dem sieh auch Herzog Friedrich 
und der Bischof verbinden , weil sie „nicht eigen Insicgcl haben* 1 . 

Wenn Fürsteu nicht mit dem gewöhnlichen Siegel, sondern mit ihrem Petschafte siegeln, 
so pflegen sie dieses in der Urkunde zu bemerken 3 , denn auch die Siegelung mit dem Petschafte 
geschah entweder, weil das Siegel nicht zur Hand war oder weil der Fürst noch kein eigenes 
Insiegel hatte. Im letzten Falle geschah es bisweilen, dass die mit dem Petschafte ausgefertigten 
Urkunden in spaterer Zeit unter dem fürstlichen Siegel neuerdings bestätigt wurden. Besonders 
interessant sind zwei Urkunden Herzog Rudolfs IV., beide vom 20. August 1360, in der einen 
ertheilt er dem Richter und Rath von Klosterneuburg das ausschliessliche Privilegium, die 
Fertigungen über alle Güterverkäufe in der Stadt und den Vorstädten daselbst auszustellen; die 
andere ist eine Verordnung wegen Ablösung der Uberzinse in Klostemeuburg, Wiedererbauung 
der wüstliegcnden und Befreiung der neuen Häuser auf drei Jahre von allen Steuern vom Tage 
des beginnenden Baues. Beide Urkunden sind mit dem grossen anhängenden Siegel der Stadt 
Wien bestätiget, weil sich der Herzog nicht in Österreich befindet; sobald er aber zurückkehrt, 
will er sie mit dem fürstlichen Siegel bestätigen*. 

Übrigens gab es dennoch Verhältnisse, unter denen der Aussteller der Urkunde wirklich 
sein Siegel nicht haben konnte, und zwar, wenn er eben Wappen, Helm und Schild nebst dem 
Siegel an einen Anderen verkauft hatte, so wie Hans Tragauer, welcher im Jahre 1168 sein 
Wappen, nämlich einen schwarzen Schild mit einem weissen Sparren, dessen „Örtcr aufgekehrt-' 
sind und die „Flug auf dem Helm derselben Varib" nebst seinem Insiegel an Pilgrim von Wolt's- 
thal verkauft, und da er nun r nicht eigen Insiegel-' mehr hat, sich unter den Siegeln Rudolfs von 
Stadcck und seines Schwagers Niklas Grucbcr von Chublitz verbindet, das verkaufte Wappen 
nie mehr zu führen 5 . Derlei ganze oder theilweise Verkäufe, Tausche oder Vererbungen von 
Wappen, und Änderungen der Siegel kommen Öfter vor", da die Wappen als Lehen mit Be- 
willigung des Lehensherrn veräussert oder verschenkt werden konnten. 

Die Rechtskraft der Siegel war anerkannt ; wir entnehmen dies den Vorkehrungen gegen 
Siegel Verfälschungen, deren wir später erwähnen werden, so wie aus Verordnungen ; unter anderem 

i Mon. boic. X, tOG, 1.19, 140. - * Stierer: commentaria pro histor. AlbertJ II. addit. eol. 313. — * S.d.fblg. Verivichnii» 
Nr. 90, 105, 117. — * Kaiserl. Haan- und Klosterneuburgcr Stadtarchiv. — I.ichnowsky, Geschiebte de» Hauses Habsburg, IV, 
paff. DXCV1I. seq. Nr. 204 und 208. — b Wurmbrand: collcctanes geuealog. 75. Da» beschriebene Wappen sing von den 
Herren von Wolfsthal an die Fürsten von Windischgriitz Ober. — ■ Lentold von Regensburg verkauft einen Theil »eines Wap- 
pen«, den Brakcnkqpf und das Helnikleinod am 3t> Mark Silber an den Burggrafen Friedrich von Nürnberg, I30O. welcher 
darüber mit den Grafen von Otlingen in Streit geratb. (Ötter. Geschichte der Burggrafen von Nürnberg. 1. Versuch. 70;. 

Über Vergleiche und Vererbungen siehe Wunnbrand, I. c. 20, und Horroayr'. Taschenbuch. 27. Jahrgang. 9ter der neuen 
Folge. Berlin, Reimer IM«, pag. 273—27«. 



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Die Siegel der ("Sstekreichischen Kegektkn. 



149 



sagt Kaiser Siegmund : „Man soll wissen, dass im geistlichen und weltlichen Stand alle Dinge 
bestätiget und besfestiget sind mit dem Insiegel, und es bezeichnet auch alle Wahrheit; wenn 
eine Sache verbrieft ist, so soll es bestätiget werden durch das Zeichen der Wahrheit, das ist 
das Insiegel. Brief und Siegel sind bei Eiden erkannt, darum sie auch bestehen sollen" '. 

Eine Urkunde ohne Unterschrift und an welcher keine Spur zu treffen ist, dass sich je ein 
Siegel daran befand, kann daher mit ziemlicher Gewissheit als eine unausgefertigte, nie in Wirk- 
samkeit getretene betrachtet werden. Urkunden ohne Siegel, aber mit deutlichen Spuren, dass 
solche vorhanden waren, kommen häufig vor; Alter, sehlechte Aufbewahrung, verbunden mit dem 
Umstände, dass die Siegel, ob aufgedruckt oder angehängt, gar nicht gegen Verletzung geschützt 
waren, mitunter auch Indolenz, sind mchrenthcils die Schuld ihrer Zerstörung. Bisweilen wurden 
die Siegel aber auch vorsätzlich abgeschnitten, wenn bei Schuldbriefen. Burgschaftsurkunden 
u. s. w. die eingegangenen Verpflichtungen erfüllt worden waren; dieses Abschneiden der Siegel 
war einer Annullirung der Urkunde gleich, und durch die Rückgabe des Siegels wurde der Schuld- 
ner oder Bürge von seiner Verpflichtung losgesprochen s . 

Bei dieser wichtigen Rolle, welche die Siegel hu Rechtswesen des Mittelalters behaupteten, 
war es natürlich, dass frühzeitig einerseits Versuche zur Verfälschung derselben gemacht, anderer- 
seits Vorsichtsmassrcgeln und scharfe Verordnungen dagegen erlassen wurden; hauptsächlich 
suchte man dem Missbrauche der vorhandenen Siegelstempel, womit gesiegelt wurde, so wie der 
unberechtigten Anfertigung derselben vorzubeugen. 

Die Siegelstempel (typare, typarium) der Kaiser und Könige, befanden sich in der stren- 
gen Verwahrung des Kanzlers, oder in dessen Abwesenheit in jener des Pfalzgrafen*. Bis in 
die neuere Zeit niusste der Krzbischof von Mainz als Reichskanzler bei der Inauguraltafel des 
Kaisers das grosse Siegel am Halse tragen, bis zu Ende der Tafel, worauf es nach Anordnung der 
goldenen Bulle Kaiser Karl IV. auf einem prachtvoll geschmückten Pferd e in die Kanzlei zurück- 
gebracht wurde 4 . Die Siegel regierender Fürsten befanden sich in den Händen ihrer Kanzler oder 
besonders vertrauungswürdiger Notare 5 . Bei den Byzantinern bildete sich das Amt des Grosslogo- 
theten, in England und Frankreich jenes des Gross-Siegclbewahrcrs aus. Mit gleicher, oft über- 
triebener Sorgfalt, wurden die Siegeltypare der Domcapitel und Convcnte aufbewahrt". 

Nach dem Tode des Fürsten wurden die Stempel, um Missbrauch zu verhüten, Klöstern, 
besonders Frauenklöstern zur Aufbewahrung übergeben; so verordnete König Philipp August von 
Frankreich in einer Urkunde vom Jahre 1 208, dass die Sororcs leprosariae de Salceyn seine gol- 
denen Siegel haben sollten, was auch die Könige Ludwig VIII., IX. und X. thaten, der Letztere 
fügte auch noch die silbernen hinzu'. Wahrscheinlich ist hier nur von den Siegelringen und 
den Handsiegeln für den Privatgebrauch die Rede. Bisweilen wurden die Stempel mit dem Be- 
sitzer derselben begraben , wie der zu Tournay im Grabe des fränkischen Königs Childerich auf- 
gefundene Ring beweist"; eben so wurden dem Erzbischof Otto von Magdeburg (1325 — 1361) 
seine sämmtlichen Siegelstempel mit in daa Grab gelegt 9 . Am häutigsten aber wurden die Siegel 
nach dem Ableben der Fürsten zerschlagen, wie die Fischerringe der Päpste; so befahlen auch 
Herzog Albrecht V. von Österreich und Pfalzgraf Christoph am 11. October 1437 dem kaiser- 
lichen Kanzler Kaspar Schlick, Freiham von Bassano, nach dem Tode Kaiser Siegmund's dessen 
» Siegel zu zerbrechen' 0 . Dieses Zerstören des Stempels geschah entweder durch förmliches Brechen 

' Heinnecciu», 1. c. JO. - * Splcss, archlvischc Nebenarbeiten, II. 2 und 3 führt ein Beispiel an, wo die llürge» die Rück- 
gabe ihrer Siegel verlangten. Anno 1551. — » Heinnecciu», I. c. 12. — * Der Furst-Priwa» Freiherr von Dalberg liens «ich auf 
.lern l.ehensaicgel fUr da* Füntenthum Aachaffenburg, noch 1804, mit dem auf der Brual hängenden Reichaairgcl abbilden. — 
•' IVz. Codex dipl. eptat. II, 18«, 187. — « Die mittelalterlichen Siegel der Abteien und RegularaÜRa in Österreich. Jahrbuch 
der k. k. Central-Comroiajiion, HI. Hand, pag. lyy. — 1 Heinnecciu», L c. 15 und Gruber'* Lehrbuch der Diplomatik, 1, 2o5. — 
» Grober, I. c. I, 20.',. - » Lcpaiu», Sphragiatlache Aphorismen, I. Heft, - >« Hanthaler, Fauli campil. 11, M7. 

21 * 



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150 



Kahl vos Sava. 



und Zerschlagen , oder es wurden in den Stempel mit einem spitzigen Instrument hie und da Ver- 
tiefungen gehauen' oder Risse Uber denselben gemacht. In diesem Gebrauche, die Stempel nach 
dem Tode des Fürsten zu vernichten, ist auch der Grund zu suchen, dass sich von den Siegeln 
unserer Fürsten bis einschliessig Kaiser Friedrich III. kein einziges Typar erhalten hat. — Der 
Fall , dass der Nachfolger da» Siegel seines Vorfahren gebrauchte und nur den Namen abändern 
Hess, kommt bei den österreichischen Fürstensiegelu im Mittelalter nicht vor*. 

In gleicher Weise wurden auch die Siegel geistlicher und weltlicher Communitäten ausser 
Gebrauch gesetzt; so kam die KUsterin des Klosters Kubach im Jahre 1418 vor das offene Ge- 
richt zu Aychach und zeigte die Conventsiegel; in das eine war der heilige Magnus gegraben, 
das wollten sie verändern und hatten ein neues machen lassen, darin der Convent gegraben 
war. Da Hcbs der Landrichter «las alte zerschlagen und jede Urkunde, welche damit nach dem 
Datum dieser Handlung besiegelt wäre, als ungültig erklären und gab dem Convente einen Ge- 
richtsbrief zur Bestätigung des neuen Siegels*. 

Wenn die Siegel in Verlust geriethen oder verfälscht worden waren, so wurden sie im erste- 
ren Falle verrufen*; im letzteren Falle wurden die Urkunden einberufen und mit dem neuen echten 
Siegel neuerdings bestätiget; dies geschah besonders hUufig in Ungarn, so unter Andreas II., 
dessen drittes Siegel sogar in seiner Umschrift eine Verrufung der beiden früheren enthält, indem 
die dritte Zeile der Umschrift lautet: Alia sigilla sunt falsa, istud Bigillum est verum*. So berief 
auch Kaiser Sigmund im Jahre 1406 alle vom Konig Ludwig, so wie von den Königinnen Klisa- 
beth und Maria ausgestellten Urkunden binnen Jahresfrisst zur neuen Bestätigung ein, bei Strafe 
der Ungültigkeit*. Nachdem bei einem Brande des Feldlagers die Typare der goldenen Bulle und 
deB Reichssiegels Kaiser Friedriche II. in Verlust gerathen waren, warnt derselbe vor den, mit 
diesen Siegeln bekräftigten Urkunden und verbietet, ihnen Glauben zu schenken. Ein anderesmal 
wurde ein Mönch mit einem gefälschten kaiserlichen Siegel aufgegriffen, Friedrich sendete den 
falschen Stempel unter seinem Ringsiegel einem Abte zur Aufbewahrung, um weitem Missbrauch 
zu verhüten, und licss den Mönch einkerkern'. Als im Jahre 1457 Johann von Witowitz den 
Kaiser Friedrich III. überfiel und letzterer sich nur mit Mühe in das Schloss Obcr-Cilly rettete, 
fiel das Siegel in die Hände der Feinde. Friedrich liess daher bekannt geben , dass Niemand 
Briefen unter seinem Namen und Siegel Glauben schenken möge, bis er sich anders erklärt habe *. 

Eben so liessen auch Privatleute ihre Siegel, falls sie verloren oder nachgemacht wurden, 
gerichtlich verrufen und verlangten die Vorlage ihrer Urkunden , um sie mit dem neuen Siegel zu 
bestätigen: so liess Leonhard der Urbätsch sein und seines Vaters Siegel, welche durch Juden 
gefälscht worden waren, in den Jahren 1388 und 1389 verrufen*; und im Jahre 1428 befiehlt 
Herzog Albrecht allen Bürgermeisterndes Landes ob und unter derKnns, die verlorenen Siegel des 
Hauptmanns ob der Enns, Reinpreeht von Walsee zu verrufen; wer Urkunden von ihm hat, soll 
sie bis künftigen Quatember vor Weihnachten bringen '*. 

Überdies suchte man der Verfälschung auch durch Gesetze in Beziehung auf die Verferti- 
gung der Siegelstempel entgegenzutreten. Herzog Albert HI. und sein Bruder Leopold verord- 
neten in einem Briefe für die Goldschmiede in Wien (1366), dass weder diese, noch ein Geist- 
licher , ein Laie oder ein Jude ein Siegel graben soll , ohne zu wissen , dass es in rechter Weise 
und unverfänglich bestellt sei. In der Bestätigung dieses Briefes im Jahre 1446 setzt Kaiser . 

> Lepsin». I. c - * Spiess, Abhandlung über die Reitersiegel-Hnlle bei Gebauer, 1784, §7. — 1 Senkenbe.rg, Selccu 
juris et hiatorinrum IV, 4*1. — * Heinueccius, 1. c. 12 und 14- — 4 Abguaa in meiner Sammlung Xr. 864 an einer Urkunde 
vom Jahre 1233 Im Stifbnrchive von Heiligenkrcui. — « Spie»», archiviaehc Nebenarbeiten. II, 5, 6. — 7 I'ctru» de Vineia 
lib. II, epUt. 41 und Üb. V, eptat. 22. — » Birken, Spiegel der Ehren de» Hauses Österreich. 635. — 9 Schlager, Wiener- 
SkUien II. SO, 0O, weitere Beispiele eben da 03 und 05, «ua dem Hoffrohnbncb* vom XIV. Jahrhundert — "» Wien, am 
j. Februar, 20. April und 13. September 142S. Kaiacrl. lluusareblv und Kegeaten bei Lichnowaky, I. c. 



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Die Sieoel per österreichischen Regenten. 



131 



Friedrich III. fest, dass nur anerkannte und in Wien sesshafte Goldschmiede, oder mit ihrem Vor- 
wissen deren Gesellen, Siegel und Petschafte verfertigen dürfen, um Schaden und Übeltliat aus 
unberechtigter Führung eines Siegels zu verhindern. Welcher Goldschmied hierin gegen die Ehr- 
lichkeit Verstössen würde, soll aus der Innung ausgeschlossen werden, und sein Mciaterrecht ver- 
lieren 1 . Nach einer Polizeiverordnung für die Handwerker in Wien vom Jahre 1527 waren nur 
die Goldarbeiter berechtigt, Siegel zu graben, jedoch nur bekannten Personen. Wenn sie nicht 
überzeugt waren, dass das Siegel ehrlich und ohne Gefährde bestellt sei, oder eine fremde 
Person Siegel oder Petschaft zu graben begehrte, so mussto dies dem Bürgermeister angezeigt 
werden, und die gestochenen Siegel wurden bei dem Magistrate in einem eigenen Buche ver- 
zeichnet 5 . 

In Beziehung auf Diplomatik ist hier zu bemerken, dass ein falsches Siegel allein nicht 
gegen die Echtheit der Urkunde beweiset, wenn nicht auch andere Kriterien dagegen stimmen; 
denn die Wichtigkeit der Siegel, verbunden mit dem Umstände, dass sie leicht beschädigt oder gar 
zerbrochen werden konnten, mochten den Besitzer einer wichtigen Urkunde wohl zu Versuchen 
bewegen, einem solchen unverschuldeten Rechtsmangel abzuhelfen, um nicht zu Schaden zu kom- 
men; eben so wenig aber entscheidet ein echtes Siegel für die Echtheit der Urkunde; denn einer- 
seits kann der Inhalt der letzteren durch Abänderungen entstellt, andererseits das echte Siegel 
an eine ganz falsche Urkunde Übertragen worden sein. 

Das Materiale, in welches die an den Urkunden befindlichen Siegel abgedruckt wurden, 
ist entweder Wachs oder Metall. • 

Die Metalle, welche theils in Deutschland , theils bei anderen Völkern zur Besicgclung der Ur- 
kunden in Anwendung kamen, sind Blei, Gold, seltener Silber, noch seltener aber Erz. Die in Me- 
tall abgedruckten Siegel werden vorzugsweise Bullen genannt, daher von den Bleibullen der 
Papste der Name auf die Urkunden selbst überging; die Byzantiner nennen jedoch auch die 
Wachssiegel x-jjwpuA/ov afp^ioa. 

Blei stand bei den byzantinischen Kaisern und Grossen im Gebrauch, eben so bei den 
Patriarchen von Constantinopel; von da verbreitete eich dasselbe weiter in Europa. Heinneccius setzt 
die Zeit, in welcher sich die Papste des Bleies, und zwar abwechselnd mit dem Wachse bedienten, 
in das VII. und den ausschliesslichen Gebrauch des Bleies in das VIII. Jahrhundert 5 . Noch nicht 
consecrirte PHpste führten blos die Vorderseite der Bulle mit den Köpfen der Apostel Petrus und 
Paulus 4 . Von deutschen Bischöfen, welche mit Blei siegelten, fuhrt Heinneccius an: Bruno von 
Würzburg anno 1036, Ratbod von Trier, Lienar von Bremen. Auch Konrad, Bischof von Hal- 
berstadt hatte im Jahre 1206 eine Bleibulle, jedoch nur als Präses des Conciliums 5 , für das Bisthum 
selbst bediente er sich eines Wachssiegels. Erst auf dem Concil zu Pisa wurde die Form der 
Synodalsiegel ausgedacht, und diese bei den Concilien zu Basel und Constanz beibehalten'. 
Die Dogen von Venedig bedienten sich beständig des Bleies und sollen dieses Recht vom Papste 
Alexander IH. erhalten, nach Anderen aber bereits früher damit gesiegelt haben 7 . Auch König 
Alphons von Portugal siegelte im Jahre 1451 mit einer Blcibulle.* 

Von deutschen Kaisern und Königen sind Bleibullen bekannt von Otto III. und Konrad II. 
und eine besonders schöne von Heinrich IU*. 

> Chmel's Geschichtsforscher, I. — * Kaltcnhäck, Zeitschrift ISXj, Nr. >VJ, pag. 208, und Bucholts, Geschichte Kaistr 
Ferdinands I., VW. 266. - 3 Heinneccius, 1. c. 49. Grober, kurzgefasstes Lchrsystcm seiner diplomatischen und heraldischen 
Collegicn, Wien, I7W, behauptet, Gregor der Grosso habe zuerst mit Blei gesiegelt, pag. 125. — * Heinneccius, I. c. pag. 14«. 
»LeyBcr, Pulycarp, de Contmsigillia, pag. 10. — « Heinneccius, T»t XV, Fig. 1 und 2. — 1 Heinneccius, I. c. pag. 47 — 4«. 
Höpping de priseo et novo jure slgllloniin 59. — * Heinneccius, l. c. pag. 42—44. — » Aus demselben Typare bclindet sich 
im k. k. Hausarchive auch eine GoldbuUe von Kaiser Heinrich II. 



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1Ö2 



Kaiu. vox Savx. 



Bullen von Silber und Erz kommen am liHufigßten bei den Byzantinern vor, eine silberne 
Bulle Kaiser Heinricb's II. ist vergoldet und vertritt daher die Stelle einer goldenen 1 . 

Eben so ging der Gebrauch des Goldes zum Besiegeln der Urkunden von den Byzan- 
tinern aus, kam von da zu den Franken und den deutschen Kaisern. Von Kaiser Friedrich II. 
sind drei verschiedene goldene Bullen bekannt; mich seinem Ableben verschwand im Zwischen- 
reiche der frühere Glanz, und es kommen in dieser Periode keine goldenen Bullen vor. Erst mit 
Kaiser Rudolf I. beginnen sie wieder, und die goldene Bulle desselben, welche an dem Be- 
lehnungsbriefe Uber Österreich und Steiermark für «eine Söhne Albrecht und Rudolf hängt, ist 
von zierlicher Ausführung*. Nach ihm haben Ludwig von Baiern, Karl IV. Sigmund und 
Friedrich III. goldene Bullen und zwar Karl und Friedrich jeder zwei, nämlich eine königliche 
»ind eine kaiserliche. Friedrich ist unter den , im nachfolgenden Verzeichnisse aufgeführten öster- 
reichischen Fürsten der einzige, welcher in Gold siegelt, da von den frühern Herzogen Österreichs, 
welche die deutsche Krone besassen, nämlich von Kaiser Albrecht I., Friedrich dem Schönen und 
Kaiser Albrecht II. keine Bullen bekannt sind. 

Die Päpste gebrauchten goldene Bullen sehr selten, so Clemens VII., an der Urkunde, durch 
welche er dem Könige Heinrich VIII. vom England den Titel eines Beschützers des Glaubens 
crthciltc'. In Ungarn hatten Emerich und dessen Bruder Andreas II. goldene Bullen 4 , nach Hein- 
neccius siegelten im XV. Jahrhundert auch die Herzoge vom Lothringen mit Gold. 

Im Gewichte waren die goldenen Bullen sehr verschieden; so schenkte Kaiser Heinrich III. 
dem Kloster St. Simon und Juda einen Brief, den er von» einem griechischen Kaiser erhalten hatte, 
woran sich eine Goldbulle von solchem Gewichte befand, dass daraus ein Kelch verfertigt wer- 
den konnte*; dagegen bestehen andere wieder aus ganz dünnen Goldblechen , wie jene Kaiser 
Friedrich'» II. im Stifte Heiligenkreuz s ; bisweilen sind die aus dünnen Goldblechen bestehenden 
Bullen der grösseren Haltbarkeit wegen mit Harz ausgegossen. Bei den Byzantinern waren die 
Goldbullen bisweilen mit Edelsteinen besetzt. Die goldenen Bullen wurden angewendet bei wich- 
tigeren Mnjestätsacten , Gründungen von Universitäten oder Klöstern, oder um eine Person oder 
eine Corporation besonders zu ehren. Übrigens hing es auch von dem Willen der Parteien ab, ob sie 
ihre Urkunde mit Gold oder Wachs besiegelt haben wollten; so hat die Stadt Frankfurt am Main 
das Reichsgesetz Kaiser Karl'« IV. mit einer goldenen Bulle, Nürnberg dagegen nur mit Wachs 
besiegelt. Nach der Waldcapitulation Kaiser Ferdinand« III. darf ein nicht regierender römischer 
König keine goldene Bulle geben'. 

Häufiger als die Metalle wurde das W a c h s zum Besiegeln der Urkunden verwendet ; die 
grössere Weichheit, vor allem aber die grössere Wohlfeilheit sicherten ihm den Vorzug des 
allgemeinen Gebrauches; Fürsten, geistliche und weltliche Communitäten , so wie Privatpersonen 
bedienten sich desselben zur Besiegelung ihrer Urkunden. Anfangs nahm man ungcfärbtcsWachs 
entweder ganz oder halb gebleichtes, meistens hat es eine unbestimmte dunklere, bisweilen eine 
bräunliche Farbe. Manchmal ist es durchscheinend und compact, bald undurchsichtig und 
blätterig, theils in Folge des hohen Alters, theils durch Beimengung von fremden Stoffen, wie 
Harz, Kreide u. s. w. — Das ungefärbte Wachs erhielt sich bei den Reiter- und Tlironsiegeln der 

' Iliinmcciu«, I. c. pag. 41 and 49. — Kine schöne Silberbulle von Michael Komncnus vom Jabre J26I befindet sieb im 
ktu*. Ilausarchivc. — * Die Urkunde ist gegeben zu Augsburg am 27. Decembcr 1382. Das Original befindet sieb iui kaieerl. 
Iluusarchivc. Abbildungen der Bulle bei Lichnowsky, 1. c. I «ehr gilt, bei Spie»«, Abhandlung über die goldene Bulle Kaiser 
Kudolfs f., minder gelungen. — a Heinneccius, I. c. pag. 36. — 1 Abbildungen: .Schwartner, introduetio in artem diplomaticam 
praeeipue hungaricam. Pesth, 8°. 1790. Taf. I, Fig. 4, und Gruber kurzgefaßtes Lcuraysteni, Taf. IV, Fig. 2. Letzterer gibt 
eben da aueb die Abbildung einer goldonen Bulle König OUkura I. von Böhmen, Fig. 1; mit demselben Typare aicgeltu 
Otakar I. auch in Wach«. - * Heinnecciu», I. e. p»g. 37. - « Abgebildet bei Heinneceius, l. c. Taf. XVIII, Fig. 1. - * (Jruber. 
kurzgefasstes LchrsyaUm etc. pag. 12«, 13<). 



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Die Siegel der ösTEitREiomsciiK* Rekkntks. 



österreichischen Fürsten als vorherrschend bis cinschliessig Kaiser Friedricli III., dessen kaiser- 
liche und königliche Majcstätssiegel ich immer in weisses Wachs abgedruckt fand; er verlieh auch 
den, von ihm zu Herzogen von Modena und Reggio erhobenen Fürsten aus dem Hause Este das 
Recht mit weissem Wachs zu siegeln'. Gelbes Wachs findet sich nur bei einigen Klöstern. Wachs 
von entschiedener brauner Färbung kommt am häufigsten bei den niederländischen Fürsten- 
.sitgeln vor, auch das grosse Doppelsiegel Kaiser SieginundV, so wie einzelne deutsche StUdtc- 
siegel erscheinen in dieser Farbe. Friedrich der Streitbare hat einmal dunkles, leberbraunes 
Wachs. 

Bereits im XII. Jahrhundert fing man an das Wachs zu färben, und zwar anfangs roth. 
Friedrich Barbarossa war der Erste, welcher rothes Wachs ge brauchte, nach ihm Philipp, doch sind 
diese Fälle vereinzelt, indem bei den Thronsiegcln der deutschen Kaiser das ungefärbte Wachs 
vorherrschend blieb. Auch die pitpstlichen Breve wurden roth gesiegelt. In Österreich treffen wir 
zuerst bei Leopold dem Glorreichen rothes Wachs, nach ihm bei Friedrich dem Streitbaren und 
bei Otakar, dann bei Albert I. als Reichsvicar; bei den drei ersteren jedoch abwechselnd mit 
ungefärbtem Wachs. Die gefärbten Siegel waren anfangs einfarbig, d. h. die ganze Wachsmasse 
war roth oder grün u. s. w. In der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts dagegen fing 
man an das Siegelbild in eine dünne Schichte farbigen Wachses abzudrucken, und presste 
dieses hierauf in einem Ballen von ungefärbtem Wachs ein, so dass das Siegelbild wie in 
einer Schale vertieft lag, und dadurch theilweise gegen Verletzungen geschützt war; man nennt 
diese Siegel doppelfärbige. Als Herzog siegelte Albert I. mit weissem Wachs, eben so seine 
Nachfolger; Rudolf IV. ist wieder der erste, dessen Münzsiegel durchaus roth gefärbt ist, 
während sein grosses Reitersiegcl doppelfitrbig, roth in weisser Schale erscheint. Nach ihm 
wird wieder das weisse Wachs vorherrschend, und es finden sich nur einzelne rothe Siegel von 
Leopold IV., Ernst, Albert V., Ladislaus Posthumus und Albert VI.; von Kaiser Friedrieh er- 
scheint nur das Münzsiegel in rothem Wachs. * 

Das eben Erwähnte von der rothen Wachsiegelung gilt jedoch nur von den Porträt-, 
nämlich den Reiter- und Thronsiegeln; bei den kleineren Wappen-, so wie bei den Secret- 
und Contrasiegeln dagegen behauptet «Los rothe Wachs in ungefärbter Schale das Übergewicht, 
und die Siegelung mit weissem Wachs bei Friedrieh dem Schönen, Leopold L, Heinrich und 
Friedrieh bildet die Ausnahme. Die Ringsiegel Kaiser Friedrich'« IU. sind auf seinen Majestäts- 
siegeln in die Thronstufen bald mit rothem, bald mit weissem Wachs eingedrückt, eben so 
wechselt das Contiasiegel die Farben. 

Siegel in grüncmWachs, und zwar einfärbige, kommen nur bei Leopold dem Glorreichen vor. 

Im XIV. Jahundert begannen in Österreich mehrere Abte und Pröpste statt des weissen, 
mit rothem Wachs zu siegeln, wie jene zu Melk, Göttweih, und des Schottenklosters in Wien, 
Mährend die Convente sich des weissen und grünen Wachses bedienten. Auch die mächtigeren 
Adelsgeschleehter fingen an mit rothem Wachs zu siegeln, so die Grafen von Schaumburg, wäh- 
rend der niedere Adel das weisse beibehielt, und das grüne Wachs der Geistlichkeit, den StÄdten und 
Bürgeln überlassen wurde. Erst im XV. Jahrhundert verwendete auch der Adel grünes Wachs 
zur Siegelung. Allmählich wurde das Recht, mit rothem Wachs zu siegeln, ein Gegenstand der Aus- 
zeichnung; so erhielt die Stadt Krems dasselbe von Ladislaus Posthumus; Kaiser Friedrich III. 
erthcilte dasselbe den Herren von Starhemberg und den Grafen von Roggendorf in den Jahren 
1476 und 1480 3 . Unter den Städten siegelt zuerst Wien und zwar bereits im XIII. Jahrhun- 
dert roth, Retz im XIV., Krems und Stein im XV. Jahrhundert. 

1 Heinnecciu», I. c. paj:. — -' Köiuer-Iiiicliner, die Siegel der deutschen Kaiser etc. pag. 51, Xr. 73. - » Scliwerdüuic, 
(ieaciliclite de» Hauses ätarhemberg, 443, und Wunulirand, eollcctanea % euealogica , IKi. 



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1S4 



Kahl von Sava. 



Bei Stallten war das Recht mit rothetn oder grünem Wachs zu siegeln, nicht gleichgültig'. 
Die Stadtgerichte , welche zur rothen Wachssiegel ung nicht berechtigt waren , konnten nur 
die unter ihrer Gerichtsbarkeit stehenden Personen, unter dem rothen Siegel aber, unter bestimm- 
ten gesetzlichen Einschränkungen, Jedermann als Zeugen vorladen 1 . 

Während wir bemerken, dass in Österreich das grüne Wachs gegen das rothe und 
ungefärbte gleichsam eine niedrige Rangstufe einnimmt, siegeln dagegen die byzantinischen 
Kaiser und Patriarchen, die Könige von Frankreich, die niederländischen Fürsten, namentlich 
die Herzoge von Burgund, darunter auch Maria, die Gemahlin Kaiser Maximilian's I., und viele 
deutsche Fürsten mit grünem Wachs. 

Blaues und sc h warzes Wachs kommt bei österreichischen Fürstensiegeln gar nicht, 
bei den übrigen Siegelgattungen nur höchst Belten vor. 

Ein blaues Siegel von Seiz von Chuenring vom Jahre 1372* fand ich im Stiftsarchive 
Heiligcnkreuz, auch die Schenken von Tautenberg siegelten blau 3 . 

Der Markt Mödliug erhielt da« Recht in blauem Wachs zu siegeln von Friedrich Hl. im 
Jahre und Dr. Stockhammer zu Nürnberg von Kaiser Karl V. im Jahre l. r >24*. 

Schwarz siegelt Leopold von Suneck im Jahre 1262, und die Stadt Baden im XVI. 
Jahrhundert *. 

Die metallenen Bullen wurden mittelst Hanf- und Seidenschnüren oder Fäden an die Ur- 
kunden gehängt ; die Wachssiegel dagegen wurden in der älteren Zeit den Urkunden aufgedruckt 
Es geschah dies auf eine zweifache Art, entweder wurde an jener Stelle, wo das Siegel angebracht 
werden sollte, in das Pergament ein Kreuzschnitt gemacht, die Ecken umgebogen und das warme 
Wachs darauf gelegt; durch die Gewalt des Druckes drang ein Theil des Wachses durch die 
Oefmung und bildete an der Kehrseite der Urkunde einen Knopf, welcher das Siegel festhielt; — 
oder man machte in die Urkunde zwei, von einander nicht weit abstehende Einschnitte, zog 
durch diese einen kurzen Pergamentstreifen und dessen Ende durch einen Wachsballen, auf den 
man das Siegel druckte, welches auf diese Art gleichsam aufgeheftet war. Bisweilen war das Siegel 
auch auf der Kehrseite der Urkunde angebracht. 

Friedrich Barbarossa war der erste deutsche Kaiser, welcher die Wachssiegel nach Art der 
Bullen den Urkunden anhängte, und eben so der, mit ihm gleichzeitige Heinrich Jasomirgott in 
Österreich, dessen Siegel den Urkunden bald aufgedruckt, bald angehängt sind. Sein Sohn 
Leopold hat wieder aufgedruckte, und erst nach der Erwerbung Steiermarks anhängende Siegel. 
Friedrich der Katholische hat durchwegs anhängende Siegel. Leopold der Glorreiche wechselt 
anfangs, endlich aber erhalten die anhängenden durch die Einführung der Münzsiegel das 
Ubergewicht, und bleiben, von ihm angefangen, ununterbrochen im Gebrauch. 

Beim Anhängen der Siegel wurde der untere Rand der Urkunde nach einwärts umgeschlagen, 
und ein Querschnitt von der Breite des Pergamentstreifens darein gemacht, dieser einfach 
durchgezogen, und dessen beide Enden über einandei gelegt, so dass beide am Siegel unten 
wieder herausragen, oder es wurde der Pergamentetreifen in der Mitte zu einem Knoten ver- 
schlungen, so dass ein Ende unten, das andere zur Seite, oder beide zu entgegengesetzten 
Seiten vorstehen. Manchmal wurde am unteren Rande der Urkunde ein schmaler Streif, jedoch 
nicht bis an das Ende abgeschnitten, derselbe durch einen Querschnitt gezogen und daran 
das Siegel gehängt. Um die Siegel an Hanf- oder Scidenschnürcn oder derlei Fäden anzuhängen, 
wurden an der Urkunde zwei runde Lücher durchgeschnitten , durch diese die Fäden oder 

' Taschoppe nnd Stemel, (Iber den Ursprnog der Städte Schlesiens, pag. 246. — * Abgebildet: Uanthaler, Kccensu» 
diplom. genealog. Taf. 29, Fig. 15. - > Grober, kurzgefasstw» Lehrsystem , pag. 124. — 4 Mclly, Beitrüge xur Siegclknndc des 
Mittelalters, pag. 33. — * Ik'innc«cius, 1. c. pag. .Vi. — « Hanthalrr, Rocrnau» etc. I, 22<S. 



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Die Siegel deb Österreichischen- Reoentem. 



Schnüre gezogen, hart am Ende der Urkunde in einen Knoten geschlungen und nun das Siegel 
daran gelegt 

Bei Siegeln, welche förmliche Halbkugeln bilden, von 1 bis 2 Pfunden im Gewichte, wie 
jene der Könige Emerich und Andreas II. von Ungarn, ist die Urkunde in der Mitte an zwei 
Stellen durchlöchert, und die Scidenschnilre von der Dicke eines kleinen Fingers sind durch diese 
Öffnungen und die Halbkugel gezogen*. Um die Anlegung des Siegels und das Aufdrucken des 
Typars zu bewerkstelligen, mochte man in älterer Zeit eine WachsflUche von der Grösse des Typars 
in das letztere eingedrückt haben, auf diese wurden sodann die Pergamentstreifen, Faden oder 
Schnüre zurechtgelegt, und eine dickere Wachsschichte darüber geknetet, wodurch beide Wachs- 
schichten zu einem Ganzen verbunden wurden, worauf man das Siegel vom Typare abnahm. 
SpHter scheint man die für das Siegelbild bestimmte Wachsschichte dem Typare nicht eingedruckt, 
sondern aufgegossen zu haben, wofür die gleichmlissige Auftrngung bei der oft äusserst dünnen 
färbigen Wachsschichte spricht. Im Übrigen wurde wie früher verfahren. Um das Abnehmen vom 
Typare zu erleichtern, wurde am Rücken des Siegels eine kammartige Erhöhung geknetet, in 
welcher sich gewöhnlich die Finger- oder sonstigen Eindrücke befinden. Als im XIV. Jahrhundert 
die Wachsschalen in Gebrauch kamen, wurden diese mittelst eigener Formen an den Pergament- 
streifen oder Schnüren befestigt, und hierauf die, dem Typare aufgegossene Bildschichte in die 
Schale eingedruckt. 

Die kleineren Siegel, Secrete, findet man auch in späterer Zeit öfters aufgedruckt; es wurde 
nämlich am Schlüsse der Urkunde oder auf deren Rücken eine dünne Wachsschichte, und auf 
diese ein vier- oder mehreckiges Papier gelegt, und hierauf das Siegel wahrscheinlich mit einem 
kräftigen Hammerschlage abgedruckt, welcher das Wachs mit der Urkunde und mit dem Papiere 
verband; diese Siegelung fand sowohl bei Pergament- als auch bei Papierurkunden statt, und 
wird besonders bei letzteren im XV. Jahrhundert sehr beliebt. 

Briefe wurden in älterer Zeit zusammengefaltet, an zwei Stellen mit Quercinschnitten ver- 
schen, durch diese ein Pergamentstreifen gezogen, dessen Enden auf dem Rücken des Briefes über- 
einander gelegt und darauf das Siegel gedruckt. Beim Offnen des Briefes wurde der Pergament- 
streifen an der Vorderseite durchgeschnitten und das Siegel unverletzt gelassen. 

In ähnlicher Weise wurden im XVI. Jahrhundert ämtliche Zuschriften gefaltet, mit einem 
Zwirnfaden kreuzweise Überbunden und auf der Rückseite über dem Knoten des Zwirnes besiegelt. 

Zu den Schüttren oder Fäden, an welchen die Siegel hängen, ward häufiger Seide als 
Zwirn verwendet; sie sind entweder einfarbig oder, was meistens der Fall ist, mehrfärbig; die 
Farben sind jedoch nicht analog mit den Wappen- oder Landesfarben. Schnüre oder Fäden von 
einer Farbe sind entweder grau, grün, roth, braun, gelb, schwarz, violet; am häufigsten sind zwei 
Farben, und zwar: gelb und grün, gelb und-roth, grün und weiss, grlln und grau; am beliebtesten 
aber waren grün und roth; später kommen, auf die Landesfarben hinweisend, auch rothe und 
weisse Schuüre vor; seltener sind dreifarbige Fäden oder Schnüre, gelb, grün und roth; blau, 
gelb und orange; und bei Ladislaus, wahrscheinlich als ungarische Farben, grün, roth und weiss. 
Vier Farben, nämlich: blau, gelb, roth und weiss finden wir nur einmal bei Heinrich dem Jün- 
geren von Mödling. 

Metallfäden mit Seide gemengt gehören einer späteren Zeit an; Kaiser Maximilian I. 
gebrauchte zuerst goldene und schwarze Schnüre, Kaiser Ferdinand I. goldene und rothe, der 

1 Spiest , archiviache Nebenarbeiten II , 1 , erwähnt eines Siegels Andreas' II. von Ungarn im Gewichte von 1 Pfand 
24 Loth, Hanthaler eines desselben Königs mit 3 Pfand. Reeetssus diplom. geneal. I, 189. Aach das Stift Heiligenkreuz bewahrt 
Siegel von Emerich und Andreas II. im beiläufigen Gewicht von 1 Pfund. Siehe aneh Uniber : Kurz gefasstes Lehrsystem seiner 
diplomatischen nnd heraldischen f'ollegien, Tat IV, Fig. 4. 

IX 22 



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136 



Kael vox Sava. 



crsterc nach den Farben de» deutschen Reichswappens, der andere nach den Farben des Hauses 
Habsburg. 

Der Gattung nach lassen sich die österreichischen Fürstensiegel eintheilen in: Hauptsiegel, 
Secrete, Petschafte, Contrasiegel und Amtssiegel. 

Die Hauptsiegel (sigilla authentica) , welche in der Umschrift mit dem Namen und Titel 
des Fürsten bezeichnet sind , denen später das Wort Sigillum oder dessen Abkürzung S. voraus- 
geht, sind Anfangs die allein gebräuchlichen. Wir treffen in der Periode der Habeuberger, so wie 
im Zwischenreiche keine anderen, und sie sind sämmtlich, mit Ausnahme der Babenbergischen 
Nebenlinie, Porträtsiegcl. Als man diese in der späteren Zeit immer mehr zu vergrössern 
anfing, kamen neben ihnen auch kleinere Siegel mit Wappendarstellungen für gewöhnliche Aus- 
fertigungen als Hauptsiegel in Gebrauch, während die ersteren für wichtige Urkunden aufbewahrt 
blieben. Aus diesem Grunde werden die Porträtsiegel in den Urkunden auch öfter als Majestäts- 
siegel bezeichnet, wie jene Rudolfs IH., Alberts II. und Otto des Fröhlichen 1 , dann Alberts VI. 
welche Benennung bisweilen auch in der Siegclumschrift Eingang fand: sigillum majestatis^ 
sigillum majus. Man legte einen besonderen Werth darauf, dass die zwischen Fürsten ausgestellten 
Vertragsurkunden unter dem grossen Hauptsiegel als einer erhöhten Kanzleifeierlichkeit aus- 
gefertigt wurden ; darum musstc sich auch Herzog Rudolf IV. verpflichten, die dem Kaiser Karl IV. 
gegebenen Bundesbriefe, welche unter dem kleinen Siegel ausgefertigt waren, mit dem neuen 
grossen Siegel zu versehen, sobald letzteres fertig sein würde*. 

In späterer Zeit fing man an, für verschiedene Provinzen verschiedene Hauptsiegel zu führen ; 
so hatte Albert V. neben dem österreichischen Rcitersiegel noch ein eigenes für die Markgrafschaft 
Mähren und nach seiner Wald zum deutschen Könige ein Thronsicgel für das Herzogthum 
Schweidnitz, dann zwei kleinere Siegel für das Herzogthum Österreich, eines vor und eines nach 
der Wald zum deutschen Könige. Ladislaus Posthumus hatte für Österreich, Böhmen, Ungarn 
und das Herzogthum Schweidnitz besondere Majestätssiegel, und unter den kleineren Haupt- 
siegeln eines für Österreich, eben so führte Kaiser Friedrich ni. nach Keiner Kaiserkrönung 
nebst zwei kleineren Wappcnsicgcln auch ein eigenes Majestätssiegel für die österreichischen 
Angelegenheiten. 

Ausserdem dass man für verschiedene Provinzen eigene Hauptsiegel führte, wurden letztere 
überdies noch öfter gewechselt. Neuer Ländererwerb oder Abfall von Provinzen, Verlust des früheren 
Siegels, Erhöhung der Würde, Streitigkeiten über bestimmte Rechte und Titel, Erbtheilungen 
u. s. w. gaben hierzu die Veranlassung, und von vielen Aondcrungen sind die Gründe unbekannt. 

Wir wollen hier nur einige dieser Änderungen erwähnen: Als Herzog Heinrich Jaaomirgott 
Baiern an den Kaiser abtrat und Österreich zum Herzogthum erhoben wurde, verschwand das 
Siegel mit der Umschrift : dux Bavariae. Durch die Erwerbung Steiermarks entstand ein neues 
Siegel und ein zweite« durch die Wiedervereinigung beider Herzogthümer unter Leopold dem 
Glorreichen. Nach seiner Krönung zum Könige von Böhmen nahm Otakar ein Thronsiegel 
an und wechselte dieses, nachdem er Kämthen und Egcr erworben hatte; eben so verschwinden 
die Reitersiegel Alberts I., Friedrichs des Schönen, Alberts V. und Friedrichs V. nach ihrer 
Wahl zu römischen Königen, und letzterer wechselt wieder nach seiner Kaiserkrünung die 
königlichen Siegel und bemerkt es ausdrücklich in den Urkunden, wenn er ein königliches Siegel 
auch noch nach der Kaiserkrönung gebraucht. Nach dem Wiedernnfalle Kärnthens ändern 
Herzog Albert II. und Otto ihre Reitersiegel. Wegen des Titels eines Pfalzerzherzogs in Schwaben 

' Maxim. Fischer. Merkwürdigere Schicksale Act Stifte» und der Stadt KloMcriieuburjr. L'rkundenl.uch Nr. 131 und 157. 
* Schöpflin, AUacia dlploinatie» II, 234. 



Die Siegel der österreichische!* Regenten. 



137 



und Elsass musstc Herzog Rudolf IV. sein Münz- so wie ein kleineres Siegel ablegen. Da« neue 
Reitersiegel Rudolf» erhielt eine Abänderung durch die Erwerbung Tirols ; endlich deutet das 
Siegel Leopolds III. mit den Wappen von Österreich und Tirol als den Hanptschilden auf die 
Lündertheilung. Dieses Wechseln der Siegel geschah nicht immer durch eine gilnzliche Beseitigung 
des früheren Siegel«, sondern es wurden oft nur einzelne Theile desselben geändert; so wurde bei 
Rudolf IV. nur die UuHOhrift des Siegels ausgehoben und umgeändert Eben so wurden auf 
dem grossen Reitersiegel desselben, in der Fahne statt des österreichischen Wappens, der 
Adler von Tirol und die Überschrift : „Dyrol" nachgegraben. In gleicher Weise sind auf der 
goldenen Bulle und auf dem kaiserlichen Majestätssicgcl Kaiser Friedrichs III. nur einzelne Theile 
der früheren königlichen Siegel umgearbeitet. 

In späterer Zeit hatte man auch von den Hauptsiegeln mit Wappendarstellungen grössere 
und kleinere, und erwähnte der ersteren genau in der Urkunde: fl mit unserem fürstlichen grossen 
anhängenden InsiegeK Unter den kleinen Hauptsiegeln kommen, jedoch sehr selten, auch solche 
vor, welche gar keine Umschrift oder statt dieser nur einzelne Anfangsbuchstaben haben. 

Die Sccretsiegel werden in der Umschrift gewöhnlich als solche bezeichnet, Bind gegen die 
Hauptsiegel viel kleiner, und werden meistens zu geringeren Ausfertigungen verwendet, was mit 
der Ansicht der älteren Zeit im Widerspruche steht, wo die Siegelung mit dem Secrete für ein 
Zeichen besonderer Zuneigung und Gnade galt; so hatte Kaiser Heinrich III. der Kirche zu 
Nivelles eine Urkunde besiegelt: „quod specialis dclcctionis indicium est, ( non communi sigillo, 
fsed secreto suo a '. Die deutschen Könige führten auf ihren Secreten einen einfachen, die deutschen 
Kaiser, von Sigmund angefangen, einen doppelten Adler. 

Die Petschafte, auch Signete genannt, sind entweder Ring- oder Handsiegel, welche in der 
Regel bei Privatschreiben verwendet wurden; sie haben selten Umschriften, bisweilen nur den 
Namen des Eigenthttmers oder nur den Anfangsbuchstaben des Namens, meistens aber sind sie 
ohne Umschrift ; die Siegelung mit dem Petschafte wird in der Urkunde in der Sigillationsformel 
gewöhnlich besprochen, und manches Mal werden die unter dem Petschafte gegebeucn Urkunden, 
sobald der Fürst ein Siegel hat, unter diesem neu ausgefertigt; so bestätigt Rudolf IV. der Burg- 
capelle die in den Jahren 135G und 1357 ausgestellten Urkunden im Jahre 1358 neuerdings, 
weil er nun ein eigenes fürstliches Siegel hat. 

Amtssiegel sind solche, unter welchen bestimmte Personen in einem, vom Fürsten ihnen 
übertragenen Wirkungskreise Urkunden ausstellen, so die von den Berg- und Kellermeistern in 
Österreich geführten Bergrechtssiegel, ferner unter Ladislaus Postlmmua das Siegel der Landes- 
verweser und unter Kaiser Friedlich in. jenes der Anwälte in Österreich, und das Hofgcrichtssiegcl. 

Contrasiegel nennt man diejenigen, welche auf der Rückseite eines anderen Siegels ein- 
gedrückt sind, und sie können sowohl bei den Haupt- als Secretsiegcln, ja sogar bei den Pet- 
schaften in Anwendung kommen, so wie dagegen die beiden letzteren häufig als Contrasiegel 
verwendet werden, was auch bisweilen mit kleineren Hauptsicgeln bei den grösseren sogenannten 
Majcstätssiegcln geschieht. Es scheint, das« die gewöhnlichen Contrasiegel sich unmittelbar in 
den Händen der fürstlichen Personen befanden, denn manche sind, der Grösse nach zu schliessen, 
in Ringe gefasst gewesen, was sich besonders bei den geschnittenen Steinen als ganz sicher vor- 
aussetzen lässt Heinneccius glaubt, dass besonders die Cachets, worunter er kleine achteckige 
Siegel versteht, die nicht blos auf der Rückseite, sondern bisweilen auch auf der Vorderseite des 
Hauptsiegels eingedrückt wurden, ein Zeichen seien, dass die Urkunden nicht ohne Vorwissen des 
Fürsten ausgestellt waren, und daher die Stelle der Untersclirift vertraten*. Diese Ansicht wird 

• Heinneccius, L c. pag 77,78.— * IIHnnetciu», I. c. pag. IC5, C»p. 1.'», III. 

22 • 



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158 Karl von Sava. 

* 

auch durch einen Brief Kaiser Friedrichs III. an die Bürger von Erfurt bestätigt: „Wir haben 
auch mit einem unsern kayserlicheu Brive unter unsern anhangunden In s i gel und Secret zu 
versehen zugesagt". In der Ausführung dieses Versprechens wurde Friedrich durch den Verlust 
des Secretes gebindert, und um seine Zusage zu erfüllen, gab er den Boten der Stadt „einen Briv 
unter unsern kayserlichen anhangenden Insigcl und an unsers Secrets statt mit unser selbst 
Hand unterschrieben" *. 

Unter den sechs Contrasiegeln Kaiser Friedrichs III. sind zwei, welche seinem Majestäts- 
siegel und zwar an der Thronstufe, bald mit weissem, bald mit rothem Wachs eingedruckt sind. 
Ks lässt sich also im Ganzen annehmen, dass, nachdem die Urkunde von dem Kanzler aus- 
gefertigt und mit dem Hauptsiegel versehen war, dem letzteren das Contrasiegel entweder von 
dem Fürsten oder doch wenigstens in seiner Gegenwart aufgedrückt wurde; und dass dort, wo 
Secrete oder kleinere Haupt- als Contrasiegel verwendet wurden, sich die verschiedenen Siegel in 
verschiedenen Händen befanden, um bei wichtigeren Urkunden eine Controle herzustellen. Wenn 
daher Private Contrasiegel gebrauchten, so geschah dies wohl hauptsächlich aus Nachahmungssucht. 
In der niederländischen Sphragistik kommen die Contrasiegel sehr häufig und in mannigfachen 
Formen vor*. 

Ausser den kleinen Hauptsiegeln, welche als Contrasiegel verwendet werden, lassen sich 
von letzteren folgende Arten unterscheiden: 

1. Jene, die in ihrer Umschrift ausdrücklich ab Contrasiegel bezeichnet sind. 

2. Solche, deren Umschrift die Fortsetzimg der Umschrift des Hauptsiegels enthalt, und 
welche daher nie allein gebraucht werden konnten*; was 

3. auch bei jenen der Fall ist, deren Umschrift aus Formeln besteht, wie: Austria felis oder 
secretum comitis, secretum meum, sigilhnn secretum meum, ohne Angabe des Siegelftlhrers. 
Hieher gehören auch die Contrasiegel der deutschen Könige mit der Umschrift: Juste jndicate 
filii hominum, welche schon Kaiser Heinrich VI. gebraucht haben soll*. 

4. Die gar keine Verbindung mit dem Hauptsiegel haben, wie Figuren, Lilien, antike oder 
spätere Steinschnitte; feiner Wappcngmppen , einzelne Wappenfiguren, Helme mit Krone und 
Zimier, ohne Umschrift. 

5. Jene, worauf sich die Büste des Siegelführers mit oder ohne Umsclirift befindet. 

6. Deren Umschriften nur die Würde des Siegelftllirers oder auch den Namen desselben 
angeben ; dann solche, deren Umschrift mit den Worten : sigillum minus , oder secretum , oder nur 
mit der Abkürzung S. beginnt, und welche hauptsachlich nur als Contrasiegel gebraucht werden, 
aber bisweilen auch selbstständig vorkommen. 

7. Welche gleiche Darstellung und Umschrift mit dem Hauptsiegel haben , aber bedeutend 
kleiner sind, wie bei den Hofgerichtssiegeln der deutschen Könige und Kaiser, oder welche 
gleiche Umschrift, aber verschiedene Darstellung haben. 

8. Die Siegel der Amtspersonen auf der Kehrseite der Amtssiegel, so des Kellermeisters 
Johann Steger auf dem Bergrcchtssiegel Herzog Alberts V.; oder des Grafen Johann von 
Werdenberg auf der Rückseite des Landfriedensiegels Kaiser Wenzels für Franken und Baiern 
aufgedruckt, vom Jahre 1395*. Bisweilen sind auf der Kehrseite des Hauptsiegels Siegel 
von Personen aufgedruckt, welche in der Urkunde gar nicht genannt erscheinen; Leyser hält sie 

i Holtmann, vermischte Beobachtungen aus dm deutschen Staatsgeschichten und Rechten, IV. 231. — Hoflmann meint 
jedoch das» unter dem Secret« das Monogramm in verstehen sei (?). - * Vredin», Sigilla comitum FUndriae und Gcnealogia 
comit Flandr. - * Vrcdiu», Sigill. pag. 26. Hauptsiegel: Sigillum Fernand! comitis Flaudriae. Contrasiegel: et couies Hauole. 
_ « Castoldu» do linper. quaest. «'.», Nr. G. — 5 In einer Urkunde im Stadtarchive »u Eger. 



Diqit ized byjGoogje 



Die SieoeL i>eb östekkkichischen Rf.cestex. 



1Ü9 



für die Verfasser der Urkunde '. Kin solche» Notariatssiegel durfte das Rücksicgel bei der Stadt 
Leitmeritz seiu\ 

Heinneccius führt als da« alterte geistliche Contrasiegel jenes des Erzbischofs Gebhurd von 
Mainz sin, anno 1299 :I ; allein Bischof Kndolf von Halberstadt hatte bereits ein solches im Jahre 
1148 , und zwar auf einem der Urkunde aufgedruckten Hauptsiegel, also der an der Rückseite 
der Urkunde befindlichen Wachsmasse eingedruckt'. Eben *<> irrt Ihinneecius, wenn er angibt, 
dass Städte als solche nie ein Contrasiegel hatten 5 . 

Unter den österreichischen Fürsten führte Albert I. die Contrasiegel ein, und seine 
Schwiegertochter Bianca von Frankreich ist unter den österreichischen Fürstinnen die erste, 
welche ein solches hat. 

Im Jahre 1287 hat der oberste Schenk Leutold von Chuenriug auf der Rückseite seines Amts- 
Siegels den vertieften Eindruck einer Camee, und im Jahre 1310 der oberste Kümmerer einen Hehn 
mit zwei Flügen; eben so gebrauchten die Grafen von Schaumburg im XIII. und XIV 7 . Jahr- 
hundert Contrasiegel. 

Unter den österreichischen Conventen findet sieh bei Klosterneuburg im Jahre 120b", 
bei Lilienfeld im Jahre 1467 ein Contrasiegel vor*. Die Siegel der Cistcrzicnserklöstcr mit der 
Umschrift: Contrasigillum Abbatiae oder Conventus, welche aber immer als selbstständige in 
Gebrauch kamen, gehören nicht hieher. 

Von den österreichischen Städten hat nur Wien Contrasiegel und zwar bereits im Jahre 
1303, ein zweites, nur für das Grundbuchssiegel bestimmt, blieb vom Jahre 1372 bis zuui Jahre 
1585 in Gebrauch". Am häufigsten aber kamen im XIV. Jahrhundert Cuntrasiegel an den Siegeln 
der Wiener Bürger vor, was sich nur aus einer besonderen Vorliebe für antike Steinschnitte 
erklären litsst, denn eben aus solchen bestehen dieselben \ 

Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass die l'rkundensicgel entweder nur auf der 
Vorderseite Siegelbildcr haben, man nennt sie einseitige, oder dass sie auch auf der Kehrseite 
Bilder verschiedener All aufgedruckt haben, weshalb man sie doppelseitige nennt. Unter die 
letzteren gehören die sogenannten Milnzsicgcl, das sind solche, welche auf beiden Seiten 
Darstellungen von gleicher Grösse haben, daher so wie eine Münze geprägt sind; es ist 
dies nicht blos bei den Bullen, sondern auch bei den Wachssiegeln der Fall. In Österreich 
führte sie Leopold der Glorreiche ein, nach ihm hatten sie sein Sohn und Otakar, unter den 
Habsburgern verschwinden sie wieder, nur Herzog Rudolf IV. hatte ein solches vorübergehend. 
Bei Ladislaus Posthumus sind die Thronsiegel für Österreich, Ungarn und Böhmen Münz' 
siegcl, und eben so führte sie Kaiser Friedrich als Herzog, König und Kaiser. 

In Ungarn war diese Form seit König Behl IV. (reg. 1235 — 1270), also etwas später 
als in Österreich , die allgemein gebräuchliche. Die Kehrseite wird bei Sigmund und Mathias 
Corvin: Sigillum secundum, bei Wladislaus (anno 1490): altera pars duplicis sigilli genannt. 

Frühzeitiger als in Österreich flnden wir die Münzsiegel in Böhmen: ihr Anfang geht 
bis zu König Wladislaus (anno 1158 — 1173) zurück: denn wenn gleich bei den Crkundcn 
mit aufgedruckten Siegeln nicht dieselbe Wachsmasse münzförmig bedruckt werden konnte, so 
befanden sich doch bei Wladislaus und seinen Nachfolgern auf der Schrift- so wie auf der 

1 Leyser Polycarp, Commcntatio de contrasigillis medii aevi. 4°. Hclrostadt, 1726, pag. 3S. — 3 Nutiien-Blatt, heraus- 
gegeben von der historischen l'oimnission der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, IS."i. r >, pag. 305. — H c. pag. 166. — 
* Leyser, I. c. pag. 30 und Fig. 32. — * I. c. pag. ISO. Sieho Melly, I. c. pag. Ii«, welcher drei Contrusiegel von Städten 
anftthrt, swei von Wien nnd eines von Marburg. Da** das Secret de* Bürgermeisters dem HauptsR-gel der 8t*dt auf der 
Rückseite als Contrasiegel aufgedruckt wurde, kommt öfter vor. — « Sava, die mittelalterlichen Siegel der Abteien und 
Regularstifto in Österreich. Jahrbuch der k. k. Ccntral-Commission, III. Jahrg., pag. 22'.»- 234. — 5 Ebenda, |«»s. — * Melly, 
c. pag. 61 und 62. — 9 Melly, I. c. pag. 2ö3 seq. 



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160 



Kam. von Sava. 



Kehrseite der Urkundcnsicgel von gleicher Grösse, die durch das Wachs, welches den in das 
Pergament gemachten Kreuzschnitt durchdrang, mit einander verbunden waren und gleichsam 
ein Stück ausmachten. 

Ausser den Münzsiegeln der Herzoge von Österreich sind von deutschen Fürsten wenige 
bekannt; Praun in seinen Anmerkungen Uber die Fusssiegel erwähnt drei: Graf Albert von Orhv- 
münde anno 1224, ein verdachtiges Siegel des Landgrafen Conrad von Thüringen anno 1234 
und eines von Herzog Heinrich von Braunschweig anno 1320 1 . Unter den deutschen Kaisern 
haben nur Sigmund* und Friedrich III. Münzsiegel in Wachs. In England blieb diese Art bis 
auf den heutigen Tag in Gehrauch. 

Die Könige von Spanien führten häufig Münzsiegel, vereinzelt kommen sie heinahe in 
allen Ländern vor. 

Seit dem XVI. Jahrhundert führten die deutschen Kaiser vier Siegel 5 : 

1. Goldene Bullen, die innen hold und mit Wachs ausgegossen waren. Sie durften nur 
von der Reichskanzlei für Fürsten-, Grafen- und Freiherrn-Bricfc gebraucht werden. An Taxen 
mussten für dieselben 40 Ducatcn und 6 Ducaten Macherlohn entrichtet werden, während für 
dasselbe Siegel in Wachs 12 Gulden und 1 n\ 30 kr. für die Kapsel zu bezahlen waren. 

2. Das grosse Siegel wurde nach der Reiehshofkanzlei-Ordnung von l, r ) 70 bei allen hohen 
Regalien, Lehen und Hauptverschrcibungen angewendet; die Kapsel dazu war je nach Ver- 
langen der Partei von Gold, Silber oder Holz. 

3. Das mittlere Siegel war für geringe Gnadenbriefe. 

4. Das kleine Siegel wurde den Urkunden nicht angehängt, sondern aufgedruckt. 
Uber die landesfürstlichen Siegelgebühren in Österreich im Mittelalter ist mir nichts 

bekannt. 

Die Form der Österreichischen Fürstensiegel ist beinahe durchwegs die runde, nur 
einige wenige Contrasiegel und Petschafte haben die Form Überhöhter Achtecke, und nur ein 
Petschaft und zwei Contrasiegcl, letztere antike geschnittene Steine, bilden Ovale. 

Verschiedener sind die Siegel in der GrOsse. Die Rcitersiegel der Babenberger haben 
durchschnittlich 3 Zoll im Durchmesser ; unter Friedrich dein Streitbaren, Hermann von Baden 
und Otakar werden sie etwas grosser, und die beiden Majestätssiegel der letzteren haben 
das eine 3'/,, das andere 4 Zoll im Durchmesser. Unter den Hubsburgera schwankt die Grösse 
der Rcitersiegel zwischen V/, und 4 Zoll , und unter Rudolf IV. erhalten sie 4'/ ä und 5 Zoll 
im Durchmesser. Die Porträtsiegel Kaiser Friedrichs III, mit Ausnahme der goldenen Bullen 
(2" 10'") und des Hofgerichtssiegels (3" I'"), haben "» Zoll im Durehmesser. 

Die Wappensiegcl sind kleiner als die Portrittsiegel; die grössten Hauptsiegel mit Wappen- 
darstellungen sind jene von Friedrieh III., Ladislaus und Albert VI. mit 3 und 3'/, Zoll, das kleinste 
hat Rudolf IV. mit 10 Linien. Das grösstc Petschaft besitzt Friedrich III. mit 7 Zoll, das kleinste 
Albert V. mit % Zoll. Die grössten Contrasiegcl führt Rudolf IV. , welche jedoch sehr häutig 
auch als Hauptsiegel gebraucht wurden, mit 17, Zoll, das kleinste Albert IV., einen antiken Stein- 
schnitt von 5 Linien. 

Zur Bezeichnung des Siegt Ifülirers , wohl auch des Siegels selbst (sigillum majestatis, 
sigillum majus, sigillum secretum) sind die Siegel mit Umschriften versehen (epigrapha); Siegel 
ohne Umschriften (anepigrapha) kommen mit Ausnahme der Ring- und Contrasiegel selten vor. 

Die Umschrift ist an der Peripherie, dem sogenannten Schriftrande angebracht und nimmt 
in der Regel den ganzen Umkreis ein ; als sich später die Ländertitel mehren, geht sie in eine zweite 

■ (l'raiin, anonym.. Anmerkungen von den Sigillis pcdestrilm» etc. Braunschwciir, 1779. 4°. IG .Selten. .Siehe«. 10, § 17. 
* Römer-Hurhncr, I. c. Nr. 7-'J. — * Muner, deutsches Staatsrecht, III, OY 



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Die SlEOtL HER ÖSTEUUBICIIIiCHCS Rkgenten-. 



161 



und auch in eine dritte Zeile über. Auf den späteren Thronsicgcln füllt der Baldachin über dem 
Throne den oberen Theil des Schriftrandes aus, so das« für die Schrift ungefähr drei Viertheile 
bleiben. Bieten diese nicht hinlänglichen Raum, so ist die zweite Zeile zu beiden Seiten des Siegel- 
bildes vertheilt. 

In der alteren Zeit ist die Umschrift bald zwischen zw ei Linien, bald frei , d. i. vom Siegel- 
bilde durch keine Linie getrennt; zweimal kommt der Schriftnind Uber das Siegelfeld, d. i. über 
den Raum, in welchem sich das Siegelbild befindet, erhöht vor. Seit dem XIII. Jahrhundert aber 
ist derselbe immer von Linien begrenzt, deren äussere den Rand des Siegels bildet, walircnd die 
innere die Umschrift vom Siegelfeldc scheidet. Bei mehrzelligen Umschriften sind auch die Zeilen 
durch Linien von einander getrennt; nimmt die zweite oder dritte Zeile nur einen kleinen Theil 
des Umkreises in Anspruch, so ist derselbe frei im Siegelfelde. 

Die Linien sind entweder einfach oder stufenförmig erhöht, oder sie gleichen an einander 
gereihten Perlen und an einander gereihten Blumen. Die Perhnlinien sind bis in die zweite Hlilftc 
des XIV. Jahrhunderts vorherrschend; gegen Schluss des XIV. und XV. Jahrhunderts erlangen 
die Stufenlinien das Übergew icht und sind gew öhnlich an der inneren, schief aufsteigenden Flüche 
mit Masswerk oder Blumen verziert. Bisweilen kommen auf einem Siegel mehrere Gattungen von 
Linien vor; in diesem Falle bilden gewöhnlich die Perlenlinien den Sicgclrand und die Scheidunga- 
linic zwischen den Zeilen, wahrend eine Stufcnlinie das Siegelfeld begrenzt. 

Umschriften auf Schriftbildern , welche besonders im XV. Jahrhundert bei einigen Sicgcl- 
gattungen sehr beliebt waren, kommen auf den österreichischen Fürstensiegeln selten vor , wohl 
aber erseheinen Inschriften theils in Devisen, theils in Jahreszahlen bestehend, im Sicgelbilde 
selbst auf Blindem angebracht. 

Die einzelnen Worte sind entweder durch grössere Zwischenräume oder durch Punkte, 
entweder einzelne oder mehrere über einander, getrennt. Kleine Rosen oder andere Blumen- und 
Blütterverzierungeu, auch Sterne oder andere Ornamente, vertreten bisweilen die Stelle der Punkte. 
Bleiben am Schlüsse der Umschrift im Siegelrandc grössere Rüume leer, so werden diese durc 
Blumen oder Blüttcrzwcige ausgefüllt. 

Ausser den Umschriften kommen noch Auf- oder Inschriften vor, welche als erklärende 
oder ergänzende Bcisiitzc, als Devisen oder Jahreszahlen entweder frei im Siegelfelde oder im 
Sicgelbilde auf Schriftbündern oder auf dem Sockel der Architectur, oder am Thronschcmel 
angebracht sind. 

Randschriften am äusseren Rande (Lxergue) finden sich nur auf den Siegeln Otakars 
und Rudolfs. 

Abschnittschriften unter einem Querstrich kommen auf den österreichischen Fürsten- 
siegeln gar nicht vor. 

Die Schriftallen, welche auf den Siegeln der österreichischen Fürsten gebraucht w erden, sind 
die gothische Majuskel, die deutsche Minuskel und die Übergangslapidar. 

Die sogen, gothische Majuskel ist ein Gemisch aus altrömischcn Buchstaben (gerad- 
linige, litterae quadratac) und aus Uncialen (gerundeten Buchstaben). Sie ist die eigentliche 
Monumentalschrift des früheren Mittelalters , bis in die zweite Hülftc des XIV. Jahrhunderts die 
allein gebrauchliche , und kommt bis zum Schlüsse desselben Jahrhunderts abwechselnd mit der 
deutschen Minuskel vor. Anfangs erscheinen nur die Buchstaben E und M gerundet und meistens 
vereinzelt neben den geradlinigen gleichen Buchstaben; das M hat jedoch zuweilen auch die 
Form eines O, an welches sich ein, nach abwürts geschweifter Balken anschliesst; im XIII. Jahr- 
hundert besteht dasselbe aus drei Balken, von denen der mittlere gerade ist, wUhrend die beiden 
äusseren symmetrisch geschweift sind. 



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1G2 



Kahi. von Sava. 



Im XIII. Jahrhundert meliren sich die Uneiulen immer mehr, und es erscheinen gerundete 
II, X, T und U in mannigfachen Formen; der erste Balken des A wird geschweift, und da sich 
beide Haiken oben nicht berühren, so werden sie durch einen Querstrich mit einander verbunden, 
die G und D werden oben ausgesehweift, die C und E vorne geschlossen. In der zweiten Hälfte 
des XIII. Jahrhunderts werden die gerundeten Linien an den Anfangen und Ausgängeu 
dlinn, in der Mitte dagegen stark und markig. Die Schrift ist gewöhnlich sehr erhoben, bisweilen 
in der Mitte kantig und nach beiden Seiten abgedacht, liüutiger aber sind die Buchstaben- 
balken gebaucht, seltener flach und scharfkantig; im XIV. Jahrhundert werden die Buchstaben 
schlank und zierlich. 

Die deutsche Minuskel sehr ift beginnt mit der 2. Hillfte des XIV. Jahrhunderts, zum 
ersten Male finden wir sie auf dem grossen Reitersiegel Rudolfs IV. Die Buchstabenbalken sind 
viereckig , scharfkantig geschnitten und mit glatter Oberfläche. Im XV. Jahrhundert beginnen die 
einzelnen Worte bei dieser Schriftgattung mit Majuskelbuehstaben. welche mit mannigfaltigen Ver- 
zierungen geschmückt, an den Enden gespalten und ubergebogen sind. 

Die Übergangslapidar erhalt ihre Ausbildung unter Friedrich III. und ist eine will- 
kürliche Mischung von Lapidar-, Uncial- und Fracturbuchstaben ; sie erscheint auf unseren 
Fürstensiegeln, namentlich auf jenen Kaiser Friedrichs III. und seines Bruders Herzog Alberts VI. 
in ziemlich einfachen Formen, schlank und scharf geschnitten , ist aber auf anderen Siegel- 
gattungen durch Schnörkel, Spaltungen und Ausbiegungen reich, oft Uberladen verziert; hieher 
gehört auch die durch ihre doppelwülstigen Formen an den Enden der Balken bekannte Knochen- 
schrift. Allmählich wird sie mehr und mehr mit Lapidarbuchstaben untermengt, bis sie endlich im 
XVI. Jahrhundert der neuen Lapidarschrift vollständig weicht. 

Die Umschriften so wie alle Gattungen von Beischriften sind mit einziger Ausnahme des 
Siegels Kaiser Friedrichs III. (.S. konig Fridrciehs anweit in osterreich-) durchwegs in 
lateinischer Sprache. Bezüglich der Rechtschreibung hlsst sich im Allgemeinen bemerken, dass 
der lateinische Ausgang ue bei den Ländernamen durchaus mit einfachem e geschrieben, und 
das r mit wenigen Ausnahmen dort gebraucht wird, wo sonst der Buchstabe / den gleichen Laut 
vertritt: gracia, Alsacia, alcius statt altius; wahrend das t seinen angestammten Laut behalt, 
daher Karintie statt Karinthie. Der Buchstabe y steht bisweilen statt «V, z. B. Lantgravy. Das Uwird 
hiiufig statt des U gebraucht, und zwar nicht blos bei der alteren gothischen Majuskel, sondern 
auch bei der deutschen Minuskelschrift und der Übergangslapidar; doch kommt bei allen diesen 
Schriftarten das U in einzelnen Worten neben dem T' vor und wird bei der Übergangslapidar 
sogar vorherrschend. 

Von Taufuamen erscheinen: Arncstus und Ernestus; Heinricus, Hainricus und Henricus; 
Leupoldus . Liupoldus , Lupoldus und Leopoldus , die erstereti zwei Schreibarten am 
häufigsten; Ottacharu» und Otakarus; Rudolfu.s und Ruodolfus. Eben so wechselt die 
Schreibweise in den Ländernamen, so: Burgovia und Purgovia; Dyrol, Tyrol und Tirol; 
Carniola, Camyola und Karniola; Karintie, Karinthie, Karinthyc und Karynthie; Pherretis, 
Ferretis und Phyretnun; Habsburc, Habsburg, Habspurch und Habspurg: Stiria und Styria 
halten sich ziemlich das Gleichgewicht. Ferner kommen noch vor: Vngaria und Huugaria; 
Gallicie und Gallecie ; Camanie, Comanie und Cumanie; Bavwarie und Bawarie; Lantgravius 
und Lantgrafius. 

Fehler in den Umschriften sind selten, so marcio statt marchio, gradia statt gracia 
und die Verwechslung der Mitlaute c und d in ardicux. 

Die LKndernameu folgen nach dem Titel des Fürsten im Genitiv: Austriae, Stiriae, Boemiac 
u. s. w.: an die Stelle des Ländernamens tritt bisweilen jener des Volkes: Boemorum, Romanorum, 



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Die Siegel de» österkeicuischkn Reoestex. 



1(53 



Pliyrotamm. Auch zum Adjectivum wird der Name der Besitzung oder der Provinz öfter umge- 
staltet: dux Medellicensis, Lueemburgensis, Swidniccnsis , Jnwrensis. . 

Um bei grösseren Umschriften Kaimt zu gewinnen, wurden die einzelnen Wörter abgekürzt, 
indem die letzten Buchstaben oder häufiger die letzte Silbe weggelassen wurde : Sigillu., Secretu., 
Austr., Styr., Port. Naon., Romano, statt Sigillum, Seeretum, Austriae, Styriae, Portus Naonis, 
llomanorum. — Bei sehr bekannten Wörtern wurden oft nur der erste oder die beiden ersten 
Buchstaben gesetzt: S. ftir sigillum, auch ftlr saneti, Fi: ftlr Fridericiis, D. statt de und I. statt in. 
Oft wurden Buchstaben aus der Mitte des Wortes weggelassen: Naois statt Naonis, Albti ftir Alberti, 
dns. und dni. statt dominus und domini. — Die Formel „dei gratia* erscheint abgekürzt: </. g. oder 
di. gra., »in hiiufigsten aber: dei gra. — Manclmiul sind die Abkürzungen ganz willkürlich, wie 
Augts. für Augustus; Ipate. statt imperatoris, Konor. statt Romanorum; Sep. und Sp. ftlr semper; 
supior. ftir superioris. Das Wort „et u wird in der Abkürzung durch ein gerundetes T oder durch 
ein /fangedeutet, die Worte „et cetera" durch: zo. etc. ez. tc. 

Im Ganzen ist der Schlüssel zu den Abkürzungen wohl leicht zu finden , den schwierigeren 
wurde in der nachfolgenden Siegelbeschreibung gleich die Lösung beigegeben, am zahlreichsten 
kommen sie auf den Siegeln des Ladislaus Posthumus vor. Sic werden gewöhnlich durch 
Apostrophe oder durch schräge Striche , welche am Kusse des letzten Buchstabens durchgezogen 
sind, endlich durch gerade oder geschlungene Querstriche bezeichnet, die Uber der abgekürzten 
Silbe oder dem abgekürzten Worte angebracht sind. 

Eine andere Weise, um mehr Raum für die Umschrift zu gewinnen, besteht in der Ver- 
schrllnkung der Buchstaben, wobei der letzte Balken des vorhergehenden, zugleich den Anfangs- 
balken des nachfolgenden Buchstabens bildet, am hiiufigsten sind die Zusammenziehungen des A 
mit den Buchstaben: B. C, L, N, R und V; bei der Verschrankung mit dem 0 ist am zweiten 
Balken des A oben und unten ein kleiner Querstrich wie bei einem E angesetzt. Ausserdem kom- 
men noch folgende Verschränk ungen vor: das vorne geschlossene Uncial C mit A, N und H — D 
mit E — £ mit .A", R und 'L\ wobei das letztere den oberen Querbalken nur zur Httlftc hat; — M 
mit E — endlich 0, U und V mit R. Die ällteste derartige Zusammenziehung ist jene des V mit S, 
wobei der aufsteigende Strich des V zu einem halben S ausgebogen ist. — Bei der deutschen 
Minuskelschrift kommen nur auf einem einzigen Siegel die Verschrilnkungen : he, de und ve vor, 
bei der Übergangslapidar fehlen sie ganz. 

Da die Umschriften, welche die Bezeichnung des Siegelführers enthalten, bezüglich des 
Unifanges der Titulatur, so wie bezüglich ilirer Formulirung auf den Reiter- und Thron-, so wie 
auf den Wappensiegeln sicli wesentlich unterscheiden, so wollen wir dieselben, nach diesen drei 
Gruppen abgetheilt, ausführlicher besprechen. 

Auf den Reiter siegeln beginnt die Umschrift zu oberst, und mit wenigen Ausnahmen mit 
dem Kreuzeszeichen. In spllterer Zeit, wo die Helmzierde der Reiterfigur bis an den Siegelrand 
reicht, ist der Anfang der Umschrift etwas nach links gerückt. Bei zweizeiligen Umschriften wird 
die innere Zeile ziemlich häufig, seltener auch die äussere bis zum Sicgelrande, von dem 
Kopfe des Reiters, dann von den Vorder- und Hinterfüssen des Pferdes, somit an drei Stellen 
unterbrochen , indem die benannten Theile in den Schriftrand hineinragen. Zuweilen wird nur 
die innere Schriftlinie an den drei betreffenden Stellen unterbrochen und das Siegelfeld durch 
angesetzte Kreistheile erweitert, so dass die Rciterfigur von dem sogenannten Hehnornamente 
umgeben ist. 

Das Kreuzeszeichen besteht aus vier Balken, welche in der Mitte zusammenlaufen und an 
den Enden gewöhnlich etwas ausgebogen, seltener nach Art der Maltheserkreuze eingeschnitten 
sind, bisweilen wird es aus Blumen- oder Klecomamenten gebildet. Auf das Kreuz folgt der Name 
ix. n 



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1(54 



Kaul vos Sa va. 



und die Würde dos Fürsten, bei den fünf ältesten Siegeln bald mit, bald ohne Benennung der 
Provinz. Lcoppld der Heilige nennt sich zuerst .von Gottes Gnaden" , welche Formel von allen 
folgenden österreichischen Fürsten beibehalten wird. Liupoldus dei gratia marehio Austriae, lautet 
die Umschrift auf dem letzten Siegel des heiligen Leopold, wahrend »eine beiden Söhne Leopold 
und Heinrich, belehnt mit dem Herzogtlmmc Baiern, nur den Titel von diesem FUrstcnthumc füh- 
ren und der Markgrafschaft Österreich gar nicht erwähnen. Nach der Abtretung Baierns und der 
Erhebung Österreichs zu einem Herzogtlmmc nennt sich Heinrich Jasomirgott: dei gratia dux 
Austriae, und eben so dessen Sohn Leopold, welcher nach der Erwerbung Steiermark^ noch: ac 
Stiriae beifügt. Nach Leopolds Tod theilten sich seine Söhne in die Kegierung der beiden Lander, 
und Friedrich nennt sich Herzog von Österreich, Leopold Herzog von Steiermark; nach dem 
Ableben des älteren Bruders führt Leopold der Glorreiche wieder, wie sein Vater, die Titel von 
beiden Herzogtümern. Fr war der erste österreichische Fürst, welcher Münzsiegel annahm und 
wie auf diesen jede der beiden Seiten, nach den Wappenfiguren in Schild und Fahne , nur einem 
der beiden Länder gewidmet ist, so benennt auch die Umschrift auf jeder Seite nur die entspre- 
chende Provinz, und zwar die Vorderseite : Liupoldus dei gratia dux Austriae, die Kehrseite : dux 
Stiriae. Auf gleiche Weise lauten die Umschriften bei seinem Sohne Friedrich II. 

Nach dem Erlöschen der Babenberger führte der Prätendent Hermann von Baden den 
Titel eines Herzogs von Österreich. Mit Otakar mehrt sich die Liinderzahl. Auf seinem ersten 
österreichischen Siegel nennt er sich auf der Vorderseite: Przemisl dei gratia juvenis rex 
Boemorum, auf der Kehrseite: Ottacliarus dei gratia dux Austriae et Stiriae. Auf den Siegeln nach 
der Krönung erschienen die Titel eines Königs von Böhmen, Markgrafen von Mähren, Herzogs von 
Österreich und von Steiermark und später kommen noch die Titel eines Herzogs von Kärnthcn, 
Herrn von Egcr, Kram, der windischen Mark und Pordcnonc hinzu. Überdies beginnt auf diesen 
beiden letzteren Siegeln die Umschrift zum ersten Male mit dem Worte: Sigillum, abgekürzt durch: 
„S u , worauf der Name und Titel des Fürsten im Genitiv folgen. Nach Otakar verschwindet diese 
Bezeichnung auf den österreichischen Rcitersicgeln für immer und erscheint nur auf dem für Mäh- 
ren bestimmten Reitersiegel Alberts V., dann auf einigen späteren Thronsiegeln, so wie auf Wap- 
pensicgeln, deren wir spiiter erwähnen werden; mit ihm hören auch für eine längere Zeit die 
Münzsiegel auf. 

Als Reichsverweser nennt sich Albert I. auf seinem Siegel nach den Stammlanden: Graf von 
Hababurg und Kiburg, Landgraf in Elsas« und Vicar des Königs Rudolf in Österreich und 
Steiermark, und nach der Belehnung: Herzog von Österreich und Steiermark, Graf von Habs- 
burg und Kiburg, Landgraf in Elsass, welchen Titeln sein Sohn Rudolf noch jene eines Herrn 
von Krain, der Mark und Pordenone beifügt: dei gratia dux Austriae, Stirie, dominus Carnio- 
lae, Marchiae acPortus Naonis, comes de Habsburg et Kiburg, lantgravius Alsatiae. Gleiche Siegel- 
umschriften finden wir bei dessen Brüdern ; nur Heinrich und Otto fügen dem Elsass noch die 
nähere Bezeichnung bei: superioris Alsatiae. Nach dem Anfalle Kärntnern* erscheint dieses Herzog- 
thum nach Steiermark aufgeführt, und Albert II. erwähnt überdies am Schlüsse der durch seine 
Heirath erworbenen Grafschaft Pfirt: dominusque Phyretarum. 

Prunkhaft wird die Umschrift auf dem älteren Portratsiegel Rudolfs IV., welcher unter 
den Habsburgern zuerst ein Müuzsiegel führt, dessen Vorderseite den Herzog zu Pferde, die 
Kehrseite aber zu Fuss darstellt. Hier erscheint zuerst die Zählung nach dem Namen: Rudolfus 
quartus, er nennt sich mit Bezug auf das Privilegium majus Kaiser Friedrichs I.: Pfalz erz- 
h erzog; und legt sich diesen Titel nicht blos von Österreich, Steiermark und Kümthcn, sondern 
auch von Schwaben und Elsass bei. Diese beiden letzteren Titel zogen die Aufmerksamkeit der 
Reichsfürsten und des Kaisers auf eich, und Rudolf musstc auf dem Reichstage zu Esslingen am 



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Dik Siegel deb üstbrbeicuisciien Kegekten. 



16!) 



5. September 1300 sich urkundlich verpflichten, die Siegel mit den Titeln eines Herzogs von Schwa- 
ben und von Klsass brechen und sich bis Weihnachten desselben Jahres neue Siegel anfertigen zu 
lassen, in der Weise, wie seiu Vater und andere seiner Vorfahren sie führten. Auch verspricht er, 
die Hundes- und andere Urkunden, welche er dem Kaiser zu Esslingen unter seinem gegenwärtigen 
kleinen Siegel ausgestellt hatte, mit dem neuen grossen Siegel, da« man ihm machen soll, zu 
bestätigen. Diese Verpflichtungen wurden aber in der bedungenen Frist nicht erfüllt, und Rudolf 
niusste auf dem Reichstage zu Nürnberg im Februar 13fil wiederholt geloben, diese Titel abzu- 
legen, da er auf die Pfalz kein Recht habe und in Schwaben und Elsass nicht Herzog sei. Ferner 
musste er versprechen, die Lehen in diesen beiden Lilndern künftig nicht mehr in Hut und 
Mantel und anderen fürstliehen Zierden , die nur einem Herzoge angehören, zu verleihen'. Der 
Erzherzogstitel selbst wurde nicht bestritten. 

Ausserdem nennt sich Rudolf auf diesem Siegel noch einen Herrn von Krain , der Mark und 
von Portcnnu, und schliesst mit der Angabe seines Geburtsjahres. Auf der Kehrseite legt er Bich 
den Titel eines ErzjOgermeisters des heiligen römischen Reiches bei, und fügt die genealogische 
Angabe hinzu: der Erstgeborene des Herzogs Albert und der Herzogin Johanna. Als Beischrift fin- 
det sieh die Angabe des Geburtstages : Natus in die omnium sanetorum. Endlich ist auch der äussere 
Hand (Exergue) mit einer Inschrift versehen , in welcher sich abermals auf daa Friderieianische 
Privilegium majus berufen wird, sie lautet: Imperii scutum ferturque cor Austritte tutum , primus 
Fiidericus testatur Caesar Augustus illud scriptum, quam roborat aurea bulla. 

Dieses Münzsiegel wich in Folge des ausgestellten Reverses und wiederholter Mahnungen, 
einem nicht minder prachtvollen und grösseren Reitersiegel, auf welchem die Umschrift zum ersten 
Male in deutscher Minuskel erscheint, der Titel Archidux ist beibehalten, der Zusatz palatinus fehlt, 
eben so die Namen der Herzogtümer Schwaben und Elsass, dafür folgt nach Kärnthen: dominus Car- 
niolae, Marchiae ac Portus Naonis, comea in Habsburg, Ferretis et Kiburg, marchio Burgoviae ac 
lantgravius Alsatiae; hier also erscheint zum ersten Male die Markgrafschaft Burgau, obgleich die- 
selbe bereits seit 1301 unter österreichischer Herrschaft stand. — Nach der Erwerbung Tirols im 
Jahre 13G3 wurde auf diesem Siegel in der Fahne statt des österreichischen Wappens der einfache 
Adler und darüber die Beischrift „DyroP' angebracht, im Übrigen blieb der Stempel unverändert. 

Die Umschriften auf den beiden Reitersiegeln seiner Brüder stimmen mit jener auf 
dem letzten Siegel Rudolfs bis auf drei Stücke übereilt: statt archidux erscheint der frühere 
Titel dux, nach Kärnthen erscheint Krain als Herzogthum, und nach Habsburg die Grafschaft 
Tirol aufgeführt. Wilhelm hat auf seinem Siegel die gleiche Umschrift wie sein Vater Leopold, 
nur fügt er der Benennung: Marchiae noch das Wort Sclavonicae bei, also die windische Mark, 
und von da an bleiben bei allen folgenden Reitersicgcln unserer Fürsten, bis cinschlüssig 
Albert VI., die Umschriften gleichlautend: dei gratia dux Austritte, Stiriae, Karinthiae et Carnio- 
hic, dominus Marchiae Sclavonicae et Portus Naonis, Oomes in Habsburg, Tirolis, Ferretis, 
et in Kiburg, marchio Burgoviae ac lantgravius Alsatiae. Nur Ernst der Eiserne gebraucht wieder 
den Titel eines Erzherzogs und auf dem Siegel für die Markgrafschaft Mohren von Albert V. 
lautet die Umschrift einfach: Sigillum Alberti d. g. ducis Austriae et marchionis Moraviae. 

Bei Herzog Friedrich V., welcher wieder ein Münzsiegel führt, hat die Kelirseite des herzog- 
lichen Siegels vor seiner Wahl zum deutschen Könige keine Umschrift ; die darauf befindliche 
Inschrift werden wir spOtcr besprechen. 

« Die Mtratif Heiug ueluuenden l.'rkundcn botindcu sich bei .Schöpflin : AUail» diplomatic* II, 234 und 23«. — Pelicl, 
Kai»ir Karl IV., Konife' in lUHiroen II, 32 », seq. -'0O. «e<j- _ Glafty, Aiiicduturum »at. Kotn. imp. biBtorianj ac juo public. illu»trant. 
collcrtin, paff. .'»:>!). 

23* 



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IG« 



Kahl von Sava. 



Die Umschriften auf eleu Thronsiegeln König Otakars wurden bereits erwähnt. Auf 
jenen, welche die österreichischen Fürsten aus dem Hause Habsburg als deutsche Könige 
oder Kaiser fülirten, lautet die Umschrift Anfangs tinfach: d. g. Komanoruin rex »cinper Augustus, 
so z.B. bei Albert und seinem Sohne Friedrich; denn neben der Würde des römischen Königs tre- 
ten die übrigen Titel in den Hintergrund. Allein nach einem Jahrhundert hatten sich die An- 
sichten geändert und König Albert II. nennt sich auf seinem Keichssiegcl: Albertus d. g. 
Romunor. rex, semper August, ac Hungariac, Boemiae, Dalmatiae, Ooatiae, Ramae, Scrviae, Gali- 
ciae, Lodomeriae, Comaniae Bulgariaeque rex, Austriae et Luxemburg «lux. 

Auf den grossen königlichen und kaiserlichen Milnzsiegeln König Friedrichs III. fehlt das 
Kreuz am Anfange der Umschrift, und diese beginnt auf der Vorderseite mit den Worten: »Sigillum 
majestatis. Nach dem Titel: Romauorum regisRonianorum und: imperatoris semper Augusti werden 
die Herzogtümer Österreich, Steiennark, Karnthen und Krain, und endlich die Grafschaft Tirol 
aufgeführt. Grösser ist der Titel auf dem grossen herzoglichen Siegel, welches Friedrich nach 
seiner Kaiserkrönung für die österreichischen Angelegenheiten führt«-, worauf er auf der Vorderseite 
thronend und auf der Kehrseite im herzoglichen Ornate zu l'ferde dargestellt ist. Auf diesem 
-Sigillum majus ducalc J kommen neben dem Titel eines römischen Kaisers auch jene eines Königs 
von Ungarn, Dalmaticn, Croatien, eines Herzogs von Österreich und Steiennark. Kämthcn und Krain, 
Herrn der windischen Mark und Pottenau, Grafen von Habsburg, Tirol, Pfirt und Kibnrg, Mark- 
grafen von Burgau und Landgrafen von Klsass vor; hierbei bildet zum ersten Male die Umschrift 
der Kehrseite die Fortsetzung von jener der Vorderseite. Auifallcml ist, das« Kaiser Friedrich, welcher 
dem Hause Österreich den erzherzoglichen Titel im Jahre 1 lf>ö bestätigte, sich selbst auf seinen Sie- 
geln nie Erzherzog nennt, und dass auch sein Bruder diesen Titel nur auf zwei Wappensiegeln führt. 

Unter den drei Münzsiegeln des Ladislaus Posthumus, auf deren Vorderseite der König thro- 
nend erscheint, wahrend die Kehrseiten Wappengruppen zeigen, beginnt bei zweien die Um- 
schrift auf beiden Seiten mit der Formel: Sigillum majestatis, während auf dem dritten Siegel 
die Unischrift mit dem Namen des Königs anfangt . aut der Vorderseite ohne , auf der Kehr- 
seite mit Vorsetzung des Kreuzes. Ks werden die Titel eines Königs von Ungarn und Böh- 
men, die ungarischen Nebenlitnder, die übrigen österreichischen Besitzungen, dann Mähren 
und Luxemburg, und auf dem für das Königreich Böhmen bestimmten Siegel auch die Lausitz 
aufgeführt. Bei jedem dieser drei Siegel sind die Umschriften der Vorder- so wie jene der Kehr- 
seiten für sich sclbststündig, und dabei jene der Kehrseiten stets umfassender, weil die Wappen- 
gruppen einen grösseren Raum für die Schrift gewähren, während auf der Vorderseite die thronende 
Figur einen grösseren Raum für sich, und der Baldachin des Thronstnhles sogar einen Theil des 
Schriftrandes für das Sicgelbild in Anspruch nimmt. Auf den Thronsiegeln für kleinere Provinzen 
sind die Umschriften einfacher, so auf jenen für das Herzogtum Schweidnitz von König Albert II. 
und von Ladislaus, worauf sich der erste: römischer König, dann König von Böhmen und Her- 
zog von Schweidnitz, der andere: König von Böhmen und Herzog von Schweidnitz und Jauer nennt. 

Die Umschriften der beiden goldenen Bullen Kaiser Friedrichs III. auf der Vorderseite sind 
gleichlautend mit den beiden Majestätssiegeln, während das Hofgerichtssiegel neben dem Königs- 
titel nur die Herzogtümer Österreich, Steiermark und Kärnthen benennt. 

Von den beiden kleinen Porträtsiegeln Kaiser Friedrichs III., welche nur als Contrasiegcl 
benützt wurden, hat jenes, welches ein mit dem Herzogshute bedecktes Haupt darstellt, keine 
Umschrift, sondern nur die beiden Minuskelbuchstaben: -fr (Fridcricvs); das andere, auf dem der 
König gekrönt ist, trägt die Umschrift: Rex Fridcricus. 

Kinigc Porträtsiegel werden durch die Umschrift als Hanptsiegel bezeichnet, so bei Kaiser 
Friedrich III. und Ladislaus Posthumus: „Sigillum majestatis- oder „Sigillum majus 



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Du; .Sn:ciKt. i>i:r. cisTKXKCtcmsi • :..\ Rkcentlk. 



J(i? 



ducalc", wodurch zugleich angegeben ist, «las« dieses Sirgcl nur in österreichischen Angelegen- 
heiten verwendet wurde; eben so deutet die Formel: Sigillum judieii curiac, den bestimmten 
Zweck dieses Siegels an. 

Ausser dein Namen und den Würden de» Fürsten und der Aufzahlung der einzelnen Pro- 
vinzen enthalten die Umschriften bisweilen noch andere Angilben, und zwar tlieils historische, thcils 
genealogische Daten: so nennt sich Otakar dreimal den fünften König von Böhmen und einmal 
den Solln Wenzels IV.. Königs von Böhmen. Albert I. fügt als Reiehsverweser bei: Domini Rudolfi 
Roman, regia primogentius et ejusdem per Austriam et Stiriam Vitalins generalis. — Rudolf IV. 
gibt auf der Vorderseite sein Geburtsjahr an: natus anno domini MCCCXXXIX.. und auf der 
Kehrseite: Alberti ducis et Johannae ducissae primogenitns. — Manche Umschriften haben 
Devisen A. E. I. O. V. 

Endlich kommen Umschriften vor, welche des Sicgelführers gar nicht erwähnen; sie enthalten 
allgemeine Beziehungen auf die Würde desselben, bestehen gewöhnlich aus Versen und sind auf 
der Kehrseite von Portriitsiegeln angebracht; so auf den Majestätssiegeln Kaiser Friedrich» III., 
auf welchen der einfache und später der zweiköptige Adler von folgender Umschrift umgeben ist: 
Aquila Ezechielis Sponsac Missa Est De Coclis Volat Jpsa Sine Meta, Quo Nec Vates Xcc Propheta 
Evolavit Altius. Diese Verse kommen zuerst auf der Kehrseite des grossen Mtinzsiegels Kaiser 
Sigmunds vor, wo der Doppeladler zum ersten Male nimbirt erscheint'. Sie nehmen auf die Stelle 
des Propheten Ezechiel : ! De binis aquilis grandibus, magnarnm alarum,longorninmenihroriim duetu, 
Rczug. Hcineecius 5 deutet dieselben dahin, dass der Adler (als Symbol des römischen Reiches) seiner 
Braut (der Kirche) vom Himmel als Schutz und Schirm (die Kaiser waren Vögte der Kirche) 
gesendet worden sei und bis an das Ende aller Tage dauern wird. — Hierher gehört auch die 
Umschrift auf der Kehrseite der goldenen Bullen: Roma capnt mundi, regit orbis frena rotundi*, 
durch welche Rom und somit der Kaiser als Herr der Welt bezeichnet wird. 

Handschriften (an derExergue) kommen nur selten vor, so an den Majestiltssiegcln König 
Otakar« und an dem Milnzaiegel Herzog Rudolfs IV. Die letztere wurde bereits besprochen, die 
erstcre lautet einmal: Pax Otakari regis quinti sit in manu saneti Wenceslai: das auderemal: Pax 
regis Otakari sit in manu saneti Wenceslai. Diese Formel kommt auf den Siegeln der älteren 
Herzoge und Könige von Böhmen ineist als Umschrift der Kehrseite vor, auf welcher der Herzog 
Wenzel sitzend dargestellt ist. 

Inschriften und Beischriften im Siegelfelde oder an Theilen des Siegelbildes kom- 
men seit der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts öfter vor, und zwar von sehr verschiedener 
Art. Die ersten Beispiele treffen wir auf den Siegeln Herzog Rudolfs IV. und zwar zuerst die 
Beischrift: Ruodolphus zu Haupten des Herzogs und über «lern Portale: Natus in die omnium 
sanetorum; dann über dem Banner: Dyrol. 

Bei Friedrich III. erscheint die erste Inschrift auf der Kehrseite des Siegels, vor seiner 
Wahl zum deutschen Könige, sie befindet sich auf dem Sockel, worauf der Herzog steht, und 
lautet: Qui natus in die Mathei saneti apostoli anno domini MC'CCCXV. — Engel über den zwei 
Seitennischen halten Schriftbiinder, worauf wahrscheinlich die Worte: ave Maria amen stehen. Die. 
gleiche Angabe des Geburtstages und Jahres befindet sieh ebenfalls als Inschrift, und zwar au der 
Thronstufe auf den beiden Majcstittssicgcln. Die Inschrift: Aurea Roma unter dein Stadtthore zur 
Bezeichnung der goldenen Bullen kommt bereit« im XI. Jahrhundert, und sonderbarerweise zuerst 
auf einer Blcibulle Kaise r Heinrichs III. vor 1 . Figuren mit Schriftbändern erscheinen auf dem 

' Kiknier-IUiclmer, die Siegel der dexitache» Kaiser. K<>ni^e und Ciejrenktinige. Frankfurt IS.jI. pag. 51. — 2 (.'*[>. XVII, 
V. 3 inul 7. — 5 I. e. HO. — * DiiBO Cn>?chrift erscheint zuer*t auf der >?< >l«U-nen Bullr Kaiger Heuirieh* II. anno 104 V — 
» Otto III. hat anf einer lileibnlle um »ein Hrustbild die L'msehriU : I rl.» K<.ro»; Heinrich III. >.A» Kaiser Il.j auf Act Kehrseite 
seiner lUeibiillev.amu» 101'. Uber der -sta.lt : Aurea Knina; Friedrich Harham»»* unter dem sudtthor »nf ». Siegel : Koma. Auf der 



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1C.8 



Kari. von Sava. 



Königssiegel Alberts II. auf I'ilastern zu beiden Seiten des Baldachins, die Inschriften sind jedoch 
nicht lesbar. 

Jahreszahlen mit Beziehung auf die Anfertigung des Siegels kommen zuerst bei Ladislaus 
Posthumus vor, und zwar auf Sehriftbiindem, von Kugeln gehalten, einmal 1454, das nndereuial 
145G und zu Seiten des Thrones: L. Ii. (Ladislaus rex). Auf den« österreichischen Thronsiegel die- 
ses Fürsten hiilt ein Engel ein Schriftband mit den bisher noch ungedeuteten Buchstaben : A. D. 
C. I. 1'., welche auch auf der Kclu-scitc desselben Siegels , und dann auf dem ebenfalls tlir Öster- 
reich bestimmten Wappensiegel vorkommen. Eben so finden wir auf den Siegeln Kaiser Fried- 
richs III. auf Schriftbiindern die Buchstaben: A. E. I. O. V., und auf der Kehrseite des 
grossen herzoglichen Siegels stehen diese Buchstaben unter dem Monogramme des Kaisers 
und mit der Jahreszahl 1159 in Verbindung. Die Buchstaben A. K. I. O. V. haben mannig- 
fache Deutungen erfahren, grösstenteils Spielereien, wenn auch gut und patriotisch gemeint'. 
Übrigens lüsst sich nicht in Abrede stellen, dass Friedrich selbst diesen fünf Vocalen ver- 
schiedene Deutungen gab, und wir wollen die verbürgten anfuhren. In einem von Kaiser 
Friedrieh eigenhitndig geführten Tagebuch', welches die Hofbibliothek aufbewahrt, und welches 
im Jahre 14157 begonnen wurde, befindet sich folgende Bemerkung: „Bei welchem Bau 

oder auf 'welchem Kirchengeschirr oder andern Kleinodien der Strich und die fünf Buchstaben 
\ K I 0 V 

stehen — — — das ist mein Herzogs Friedrichs des .Jüngeren gewesen, oder ich habe dassel- 
bige bauen oder machen lassen" ; und gleich darunter: 

4 ustriB T? Ät T iHjitrar»? /^i ru ' »Tuiverso 

x\.lles üjrdri-k'li J.st V^«' 3 ' 1 ' 1 '"-''«:' 1 V utcrthnn 

und auf den untersten Zeilen des dritten Bhutes steht: 

En Amor Klecti Jnjustis Ordinat Vltor Sic Friderieus ego rengna (regna) mea rego. 

In der k. k. Ambrasr r-Samndung befindet sich ein krystallcner llofbcchcr, darauf neben 
einigen Wappen auch fünf Genien angebracht sind , deren jeder einen der fünf Vocalc trügt, dar- 
über auf einem Bande die Worte: 

Aquila Ejus Jvste Omnia Vincet". 

Es sind also hier vier gleichzeitige Deutungen. Aus einer alten Handschrift der Hofkanzlei 
in Wien' erfahren wir, dass schon unter König Friedrich die fünf Vocale zu beissenden Anspie- 
lungen benützt wurden, wie dies auch später, namentlich im spanischen Successionskriege ge- 
schah. Als nämlich der Kaiser im Jahre 1442 von der Krönung zu Frankfurt heimgekehrt war, 
Hess er einen Theil der Burg bauen und an mehreren Stellen der Mauer die fünf Vocale anbrin- 
gen: „Da hat einer dem König zu Schmach Uber dieselben Buchstaben die Worte geschrieben: 

Aller Erst Ist Oesterreich Verdorben. 

Dem König das misstiel, und Hess die abthun u& . — 

Siegel , welche nur Wappeiidarstelhmgen enthalten , sind von den regierenden Fürsten aus 
dein Hause Babenberg, so wie im Zwischenreiche nicht bekannt; nur die Nebenlinie der Baben- 

Giddhullc, welche Friedrich II. als König tührtc, erscheint wieder die Hczcichunng: Aurea Horn»; aut »einer kaiserlichen <>uld- 
bulle, so wie bei Kniser Rudolf I. und Kaiser Ludwig IV. fehlt tde ganz, und von Karl IV. angefangen bleibt sie dauernd. 

> (ienesis Austriaca. Viennae V. Johannes Hauch, Organist de» .Schotteuklosters, gibt mehrere hundert Deutungen. 

Köhler, historische Münibclustigungcii, 1731 III. 170 sco... gibt 40 lateinische Deutungen. — • Lambecius diuriuni sarri itiueria 
Celensls. UiOß. — 3 Bergmann, .Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wissenschaften t*49, ti.llcft. pag. r>7. — * Capitcl 
vou Kaiser Friedrichs ( hrönung und Erwi-Ilung in Komischen Keieh vnd seiner tierhabselwft in dem Ucrzogthutrib Österreich. 
* Kaltenbach, Auatria IS4-», pag. Uli». 



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Die Siegel der österheiciiislhen Regenten. 169 

berger, die beiden Heinriche von Mödling, führen solche. Auf diesen lautet die Umschrift bei Hein- 
rich dem älteren einmal einfach: f HAINRCYS ohne weitere Titulatur, das andere Mal: f Hcn- 
rievs dei gratia de Medellieo, und sein Solin legt sieh den Hcrzogstitel bei: f Sigillum Hennci 
dei gratia ducis Mcdelliccnsis. 

Unter den Habsburgern werden die Wappen siege 1 allgemein; sie haben thcils keine Um- 
schrift, thcils nur einzelne Buchstaben oder nur den Namen des Fürsten ohne weitere Titulatur; 
die bei weitem grossere Mehrzahl jedoch besitzt vollständige Umschriften mit dem Namen und 
Titel des Siegelführers; nur ist die Titulatur, schon des kleineren Umfanges wegen , welchen diese 
Siegel haben, kürzer gefasst, indem nur die bedeutenden Provinzen genannt, die Herrschaften 
dagegen weggelassen werden. Umfassendere Titel finden sich auf dieser Gattung von Siegeln nur 
bei jenen unserer Herzoge, die entweder kein Rcitersiegcl führen, wie Herzog Friedrich II. , der 
Sohn Otto des Fröhlichen, auf dessen Wappensicgcl dieselbe Umschrift erscheint, wie auf dem 
Reitersiegel seines Vaters ; oder bei jenen, welche neben dem Portrittsiegel noch ein sogenanntes 
prosses Wappensicgcl führten, wie Albert VI., dessen „grosses fürstliches Insicgel" ganz gleiche 
Umschrift mit seinem Rcitersiegcl hat, das in den Urkunden zum Unterschiede als r Majestäts- 
Insicgcl - bezeichnet wird. 

Die Siegel ohne Umschriften sind meistens Ring- oder Handsiegel, welche entweder als 
Contrasiegel verwendet wurden , und bisweilen aus antiken geschnittenen Steinen bestehen, 
oder zum persönlichen Gebrauche des Fürsten dienten, und in den Urkunden, wenn sie zu deren 
Resiegelung selbststilndig verwendet wurden, als Petschafte oder Signette bezeichnet werden; 
„unter unserem Petschaft, weil wir unser Insicgcl nicht bei uns hatten", oder als Albert V. im 
Jahre 1111 die Regierung in seinem 1">. Jahre tibernahm: r mit unserm Signet, da wir noch 
kein Siegel haben - . Gleiches Bewandtnis* hat es mit den Siegeln, worauf einzelne Buchstaben als 
Namens-Chirt'er oder als Devise vorkommen, oder nur der Name des Fürsten ohne weitere Be- 
zeichnung erscheint. — Nur zwei Hauptsiegel sind ohne Umschrift: eines von Kaiser Friedrich III., 
dessen wir später noch erwähnen werden, und eines von Albert VI., auf welchem bereits, neueren 
Formen entsprechend, der Schild vou zwei feuerspeienden Panthern gehalten wird. 

Auf den Wappensiegeln, welche eine vollständige Umschrift haben, beginnt diese mit dein 
Kreuzeszeichen bis zu Albert V., unter welchem auf den kleinen Siegeln das Kreuz bald vorhanden, 
bald wieder weggelassen ist; beide Fälle, halten sich, eben so bei seinem Sohne Ladislaus, ziem 
lieh das Gleichgewicht. Dagegen beginnt unter den zahlreichen Wappensiegcln Kaiser Friedrichs III. 
nur auf einem einzigen die Umschrift mit dem Kreuze und ebenso bei Albert VI. Bisweilen 
ist das Kreuz mit dem Siegelbilde in sinniger Weise verbunden, als Theil eines Ornamentes oder 
als das auf dem Ilerzogsliute befindliche Kreuz. 

Nach dem Kreuze folgt in früherer Zeit die Abkürzung S. für Sigillum, und dann der 
Name und die Würde des Fürsten im Genitiv, eben so die Provinzen: nur bei Albert 1. fehlt der 
Name des Herzogs: f S. Ducis Austrine, vielleicht deshalb, weil dieses Siegel nur als Contra- 
siegel vorkommt; und ein einziges Mal folgt nach dem S. der Name und Titel im Nominativ und 
es muss daher, um keinen Fehler von Seite des Stempel Schneiders vorauszusetzen, die Abkürzung 
mit „Signat" anstatt Sigillum gelesen werden. — Häufiger aber folgt nach dem Kreuze unmittelbar 
der Name und Titel des Fürsten im Nominativ. Bei Friedrich dem Schönen erscheint die Formel : 
Dei gratia, welche dann in der Mehrzahl beibehalten wird; bei Rudolf IV. fehlt sie häufig, indem 
sie nur auf zwei Siegeln desselben vorkommt. Von den Ländern werden, wie bereite erwähnt wurde, 
nur die Hauptprovinzen in der Umschrift genannt, meistens Österreich allein, bisweilen Österreich 
und Steicr, nach der Erwerbung Kärnthens auch dieses im Vereine mit den beiden früheren Hcr- 
zogthümern. Des Stammsitzes, der Grafschaft Ilabsburg, erwähnen inj XIV. Jahrhundert nur zwei 



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1?0 Kam. von Sava. 

Wnppensiegel , jenes von Leopold: dux Anstriae et Stiriae net- 11011 Cornea in Habsburg, und 
Friedrich II.; im XV. Jahrhundert nur Albeit VI. Mit Rudolf IV. erweitern sich die Titula- 
turen vorübergeliend, er nennt sieh Herzog von Österreich, Steier, Kiirntlien, Schwaben und EUus», 
und nachdem diese» Siegel umgeändert war, nannte er sich Erzherzog von Österreich, Steier, 
Kärntheti, Tirol und Krain ; seine Brüder Albert und Leopold fuhren von denselben Landern de« 
Herzogstitel. Nach Rudolf IV. nennen sich einmal Sigmund von Tirol und zweimal Albert VI. Erz- 
herzoge. Der Titel eines Grafen von Tirol erscheint einmal im Verein mit jenem eines Herzogs* 
von Österreich, einmal mit Österreich und Steier. endlich mit Österreich, Steier und Kiirntlien. 

Die Umschriften enden meistens mit der letztgenannten Provinz, gewöhnlich einfach, in 
wenigeren Füllen mit der Formel : et cetera. Interessant ist das Contrasiegel Ernst'», worauf als Um- 
schrift die Devise: Austria feüx. Ein Contrasiegel Kaiser Friedrichs III. hat die Unischritt: Sigilluin 
meum secretum. 

Auf den Wappensiegeln , welche Albert I. und Friedrich der Schöne als römische 
Könige führten, lautet die Umschrift bei ersterem : f S. Secretum Alberti Romanorum regis ; bei 
Friedrich einmal einfach: f Secretum Friderici; das undcremal: f S. Friderici dei gratia regis Ro- 
manorum. Bei König Albert III. und Friedrich III. mehren sich die Titel, indem der erstere sieh 
noch: Semper Augustus und dann: König von Ungarn und Böhmen, und Herzog von Osterreich 
nennt. Auf einem anderen Siegel desselben fehlt die Formel: Semper Augustus. Als König führt 
Friedrich nach: semper Augustus, noch die Herzogtümer von Österreich, Steier, Kiirntlien, Krain 
und die Grafschaft Tirol auf, wahrend auf den kaiserlichen Siegeln nach: Romanorum hnpera- 
tor, semper Augustus, nur die Herzogstitel von Österreich und Steiermark folgen. Das Wappen- 
siegel, welches ausschliesslich nur für Österreich bestimmt ist, hat die Umschrift: S. Friderici 
Romanorum regis pro causis ducatus Austriae. Ein einziges kleineres Hauptsiegcl Friedrichs ist 
ohne Umschrift, doch wird dieselbe durch das unter dem zweiköpfigen Adler angebrachte Mono- 
gramm des Kaisers in sinniger Weise ersetzt. 

Nach der Krönung zum Könige von Ungarn uud vor der Wahl zum deutschen und böhmi- 
schen Könige, nennt sich Albert II. „König von Ungarn. Dahnatien, Croatien, Herzog von 
Österreich und Markgraf von Mähren". Ladislaus Posthumus führt auf seinen Wappensiegeln drei 
verschiedene Titel: König von Ungarn und Böhmen, Herzog von Österreich und Markgraf von 
Mähren; König von Ungarn, Böhmen, Dahnatien. Kroatien, Herzog von Österreich und Mark- 
graf von Mähren; und endlich König von Ungarn und Böhmen. — Ein anderes Siegel hat blos 
die Buchstaben L. K. V. (Ladislaus Kral Vhersky.) 

Als eigentliche Amtssiegel erscheinen die Bergrechtssiegel von Österreich für die Wcin- 
bergs-Angelegenheiten in Mödling, Perchtoldsdorf und Gunipoldskirchen, deren Umschrift den 
Fürsten und die Bestimmung des Siegels benennt: f S. ducis Rudolü ad jura montaua in Austria 
oder: super jure fundi montano; und bei Friedrich: super fundos juris muntani in medling. Diese 
Siegel führte entweder der oberste Kellermeister in Österreich oder der Bergmeister in Mödling. 
Hieher gehört auch das Siegel, welches Ulrich Eyzinger als Verweser und Hauptmann in Öster 
reich führte: Sigilluin Serenissimi Ladislai Ungariae Bohemiae regis et supremi eapitauei prae- 
fectorum ducatus Austriae, so wie jenes der Anwälte in Österreich während Friedrichs Abwesenheit 
iui Jalu - e 1 142 (S. kvnig Friedrichs anweit in Österreich) und das Hofgerichtssiegel. 

Bei Friedrich schliesst die Umschrift einmal mit den Buchstaben : A. E. J. ( ). U. und der Jahres- 
zahl 124..., deren letzte Ziffer durch den österreichischen Bindenschil l verdeckt ist, ein anderes, 
mal endet sie mit der Jahreszahl 1248; beide Zahlen deuten das Datum der Anfertigung des 
Siegels an. 



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Die Siegel deb östebbekiiischen Regenten. 



171 



Als Beischriften treffen wir die Buchstaben: J. M. R. V. auf dem Bergrechtssiegel 
Rudolfs IV.: (Jura Montana. RVdolfi), dann A. A. und L. L. Albertus und Leopoldus 
— A. E. J. O. V. auf den Siegeln Friedrichs und die noch angedeuteten Buchstaben : F. H bei 
Friedrich und A. D. C. J. P. bei Ladislaus Posthumus. Ausserdem kommen Jahreszahlen entweder 
frei im Siegelfelde oder auf Schriftbiindern im Siegclbilde vor. — 

Nach den Siegelbildem lassen sich die österreichischen Fürstensiegel eintheilen in: Portrüt-, 
Wappen- und Bildnisssiegel. 

Unter den Porträtsiegeln versteht man diejenigen, auf welchen sich die Fürsten selbst dur- 
stellen lassen, und zwar entweder zu Pferde oder stehend in ganzer Figur, oder zu Throne sitzend ; 
es kommen aber auch solche Siegel vor, auf welchen nur halbe Figuren oder gar nur die 
Büsten der Siegelführer erseh einen. 

Für die Kenntniss des weltlichen Costumes, so wie der Bewaffnung sind besonders die 
drei erstgenannten Darstcllungsweisen von Belang, weil die Fürsten darauf in vollem Waffen- 
schmucke oder im Friedenskleide mit den Abzeichen ihrer Würde abgebildet sind. 

Wir finden im Allgemeinen auf diesen verschiedenen Arten der Porträtsiegel Waffen und 
Bekleidung je nach Ländern und nach Zeitaltern höchst verschieden. Ja sogar Siegel ein und des- 
selben Fürsten, welche durch mehrere Jahre auseinander gerückt sind, bieten, namentlich bei den 
Schutzwaffen, solche Veränderungen dar, welche uns die Überzeugung verschaffen, dass die Künstler 
nicht nach einem conventionellen Typus arbeiteten, sondern sich an die Wirklichkeit hielten; so 
wie sich auch dort, wo Haupt und Gesicht frei erscheinen, das Anstreben einer Porträtähnlich- 
keit nicht verkennen lässt. wofür namentlich in späterer Zeit die Siegel des Ladislaus Posthumus 
Belege geben. 

Unter den Porträtsiegeln unserer Landesfürsten wollen wir zuerst die sogenannten Reiter- 
und Fusssiegel in das Auge fassen, aufweichen sie zu Pferde oder stehend in ganzer Figur in 
vollem Waffenschmucke und zum Theile mit Attributen ihrer herzoglichen Würde dargestellt sind. 
Auf einem einzigen Siegel erscheint der Fürst im Friedenskleide zu Pferde, und zwar so, wie er 
nach den österreichischen Ilausprivilegien die Belehnung vom Kaiser zu empfangen berech- 
tiget war. 

Wir finden diese beiden Gattungen von Porträtsiegeln, nämlich die Reiter- und Fusssiegel 
um häufigsten bei den höheren Reichs- oder sonstigen unabhängigen Fürsten, welche die könig- 
liche Würde nicht bekleiden; was aber nicht ausschliefst , ilass auch mächtigere Dynasten, 
ja selbst einzelne Glieder angesehener landessässiger Geschlechter bisweilen solche Siegel führ- 
ten; so hat in Österreich der Graf Heinrich von Schauinburg im Jahre 1375' in Tirol, Hugo von 
Tauvers im Jahre 1301 ein Reiter- und der steirische Edle Leopold von Sunek im Jahre 1262 
ein Fusssiegel. 

Im Allgemeinen kommen die Reitelsiegel häufiger vor als die Fusssiegel, wir treffen die 
letzteren bei den böhmischen Herzogen im XH- Jahrhundert, bei den askanischen Markgrafen von 
Brandenburg', bei beiden mit der Fahne in der Hand, während Heinrich Graf von Waldeck anno 
1254 und Gebhard Graf von Holstein anno 1317, die Rechte auf das Schwert stützen. Unmündige, 
noch unter Vormundschaft befindliche Fürsten, stehen barhaupt in Tuniken und halten den Schild, 
so die Herzoge Johann und Albert von Sachsen anno 1302'\ und die Fürsten Otto und Heinrich 
von Anhalt anno 1267'. — Häufiger finden wir die Fusssiegel bei den Herzogen von Schlesien, 
<lie bald mit der Fahne, bald mit dem Schwerte in der Hand, meistens unter dem Stadthore als 

' Hanthalcr Recvna., Taf. XL111, Fig. 13. - « HciBncccin«, Tal. XVII, Fi*. »1. - ' Ötti-w WHiiiK-nl><-u»Ügujw>n, 4 St.. 
|iagr- 4*. — ' HelBuecciu-o, I. c. Taf. X. Fi*. <J- 

IX. 24 



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172 



Karl von Sav.v. 



Schutz- und Schirmherren stehen, dann blasen auf den Seitenthürmcn des Thoren die Burg- 
warte in die Hörner, oder ein Diener reiclit dem Herzoge den Hehn, als wolle sieh der Fürst 
zum Kampfe rüsten, oder es stehen ihm die Waffenträger, mit Helm und Speer gewärtig, zur 
Seite. — Ander» wieder die Fürsten von Pommern, die Herzoge von Polen und Knjavien, 
welche auf ihren Fusssiegeln, vor den Stadtthoren mit Drachen oder Löwen kiimpfeud, dar- 
gestellt Bind. 

Auf den Fusssiegeln Herzog Rudolfs IV. und Friedrichs V. tragen beide den Herzogshut 
auf dem Haupte, den Mantel um die Schulter und den Herrseherstab in der Rechten. Der 
ersterc steht auf zwei Hirschen, der andere auf einem Piedestal, während sonst auf den Fuss- 
siegeln die Figuren auf keinem Grunde stehen, sondern im Siegelfelde gleichsam schweben. 

Auf den Reitersiegeln, worauf die österreichischen Fürsten in Waffen erscheinen, haben 
alle den Speer mit der Fahne oder dem Panier in der Hand, nur der Herzog Johann allein 
hillt das gezogene Schwert in der Rechten; vielleicht soll dadurch angedeutet werden, dass er die 
Ritterwürde besass. aber noch nicht regierender Herr war. Übrigens wäre diese Andeutung selbst 
wieder als eine besondere Ausnahme zu betrachten, denn so wie es unter den deutschen Fürsten 
solche gibt, die auf ihrem Siegel immer nur mit der Fahne erscheinen, wie die Herzoge von 
Raiern, Böhmen, Sachsen, Kärntheu und Zilhringen, die Landgrafen von Meissen und Thü- 
ringen, die Fürsten von Anhalt und die Grafen von Görz, und dagegen andere nur mit dem 
Schwerte vorkommen, wie die Grafen von Baden, Hessen und Würtembcrg; so gibt es auch 
solche, die bald das Schwert, bald die Fahne in der Rechten haben, wie die Grafen von Holstein 1 , 
die Grafen von Nassau und die Pfalzgrafcn von Tübingen*. 

Die niederländischen Fürsten führen auf ihrem Siegel bald die Fahne, wie die Herzoge von 
Geldern, bald das Schwert, wie die Herzoge von Burgund. 

Andere Waffen als Schwert und Speer kommen in der Hand des Reiters selten vor, so die 
Streitaxt auf den Siegeln der italienischen Pfalzgrafen von Lomello , dann der Streitkolben auf den 
Siegeln der obersten Marschälle in Österreich*, und auf jenem des Grafen Berthold von Urach 
anno 1238 In den Niederlanden führen noch nicht wehrhaft gemachte Prinzen Reitersiegel, worauf 
sie barhaupt, in gegürteter Tunik und ohne Waffen erscheinen, auf der Hand tragen sie einen 
Falken; dabei geht das Pferd im Schritte. 

Die Behauptung Hanthalcrs', dass nur die regierenden Fürsten, nicht aber auch die nach- 
gebomen, Rcitersiegel führten, bildet einigen haltbaren Grund in den Siegeln der Haben- 
bergischen Nebenlinie, der Herzoge von Mödling. Die Fürsten aus dem Hause Habsburg 
binden sich an diese Siegel nicht, es mag sieh dies einerseits auf die Gesainmtbelehnung, anderer- 
seits auf die im Jahre 1364 am 18. November vereinbarte und am 15. December 1379 
erneuerte Hausordnung gründen, nach welcher alle Herzoge von Österreich berechtigt waren, gleiche 
Wappen und Siegel zu führen; ja es kommt sogar vor, dass gerade regierende Herzoge, wie 
Albert IV., und in Tirol Herzog Friedrich IV. und dessen Sohn Sigismund gar keine Reitersiegel 
haben. 

Kaiser gebrauchten als solche nie Reitersiegel , und jenes Kaiser Friedrichs III. zeigt 
schon durch seine Umschrift: Sigillum majus ducale, dass er dasselbe als herzogliches führte, 

1 Die Grafen von llol»tein wechseln überhaupt ihre Sicyrelhildcr «ebr hantig. Johann hat ein IJe UeMicgcl mit iIiüq Schwerte; 
Gerhard Gr*f von Holstein iiml UcyuesberK 'anno 1317» stilut auf schien) FiHwiegel diu Rechte auf da«, in der Scheide 
befindliche, mit ilem WelirgeliHiigc umwundene Schwert. — Adolf VIII., Grat' von Holstein, anno i.T.U. hat ein Iteitersiefrel mit dem 
Schwerte. — Adolf Graf von Holstein und Scha'imlnirx nnno 13,'tr, fuhrt eiu Kcitersiegel mit dci Kahne. — (iorhurd Graf von Hol- 
stein und Sctummburjr hält auf seinem Itritcrühwl die Zügel de» Tfetdes mit beiden Händen und hat da» Schwert *n der 
linken Seite. - * Für*t Hohenlohe -Waldenburg l>ic Siegel der Ifalügrafcn von Tübiü|?ei«. .Stuttgart, IS«, 4". Tal. I und II. 
— * Mitthoiluusun des Alterthunn-vireines in Wien. !*<;!, 'Inf. 1. Fij;. 3. 4. — < Kecen». di|>h>m. 



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Dib Siegel ukr östeuuekuisciien I'ecesten. 



173 



uml darum erscheint auch die Reiterfigur auf der Kehrseite nicht in der Rüstung, sondern im 
herzoglichen Ornate. 

Ebenso fuhren Könige als solche keine Reitersiegel, sie gebrauchen dieselben entweder 
zii Kehrseiten ihrer Münzsiegel, wie die Könige von England und jene von Böhmen seit 
Otakar II. bis Johann von Luxemburg (auch Stephan hat als jüngerer König von Ungarn 
und Herzog von Steiermark auf der Kehrseite seines Münzsiegels eine Reiterfigur), oder 
wenn sie solche als selbststUndige Siegel fuhren, so gehören diese für bestimmte, von dem König- 
reiche unabhängige, nur durch eine Personalunion verbundene Fürstcnthümer. So hat Johann 
von Böhmen für die Grafschaft Luxemburg zwei verschiedene selbstständige Reitersiegel, worauf 
er mit dem Schwerte in der Hand abgebildet ist, wilhrend auf seinen Milnzsiegeln für das König- 
reich Böhmen die auf der Kehrseite befindliche Reitertigur das Banner trägt. Die Reitersiegel 
König Wenzels I. mit der Titulatur „junior rex" von» Jahre U221», und Otakars II. mit „juvenis rex 
Boemorum* gehören nicht hicher, weil beide Fürsten dieselben nicht als Könige, sondern aU 
Kronprinzen führten, und Otakar selbst nach den» Tode seines Vaters bis zu seiner Krönung sich 
nicht König, sondern nur Herr des Königreiches Böhmen nannte. 

Die Reitersiegel der österreichischen Fürsten sind Anfangs höchst einfach: der Reiter hat in 
Schild und Fuhne kein Wappenzeichen, die Pferde haben einfache Satteldecken, die Helme sind 
ohne Krone, ohne Zimier und Decke. Allmählich aber werden Schild und Fahne mit Wappen- 
tiguren verziert und die Fahne zum l'auier umgestaltet: die einfache Bickelhaube wird zum ge- 
schlossenen Helm und dieser mit Krone, Zimier und Decke geschmückt; die einfache Satteldecke 
weicht der Kaperation, welche das ganze Pferd verhüllt, mit Borten verbrämt und mit Sternen 
bestickt ist, und am Vorbuge und am Hintertheile mit Wappen belegt wird. Als bei der Ausfüh- 
rung der Reiterligur eine grössere Kunstfertigkeit sich geltend machte, suchte man auch den 
leeren Raum um die Figur, das Siegelfeld, auszuschmücken, indem man dasselbe mit Orna- 
menten ausfüllte oder wenigstens die Reiterfigur mit einer Ornamentik umrahmte, um durch die 
symmetrische Begrenzung einen gefälligeren Kindruck zu erzielen; endlich indem man die Reiter- 
figur gruppenweise mit Wappcnschilden umgab, weil diese zu zahlreich wurden, um in Schild und 
Fahne und auf der Pferdedecke angebracht zu werden. 

Otto der Frühliche ist der erste, welcher das Siegelfeld mit schräg gekreuzten Streifen und 
dazwischen gestreuten Blümchen ausgefüllt hat, während bei Albert und Leopold III. bereits eine 
zierliche Damascirung die Wirkung der künstlerisch durchgefülirten Reiterfigur erhöht. Minder 
geschmackvoll ist die Füllung des Feldes auf dem mährischen Siegel Alberts V., die aus horizon- 
talen Reihen von Lilien, wechselnd mit vierblätterigen Blumen besteht. Auch Albert VI. hat das 
Siegelfeld mit Blumenornamenten bestreut. Die zarten Blätterranken im Siegelfelde Wilhelms 
verschwinden gegen das massige Relief der Reiterfigur. Phantastisch ist die Ausfüllung des Feldes 
auf der Vorderseite des Rudolfinisehen Münzsiegels; in kleinen Vierpassen, die in horizontalen 
Reihen neben einander gestellt sind, befinden sich geflügelte Drachen, von denen der erste und 
zweite und so fort einander zugekehrt sind. Innerhalb der Masswerkverzierungen, die zwischen 
vier einander berührenden Vierpassen entstehen, sind einfache Adler angebracht. 

In der früheren Zeit ragen bei den galoppirenden Keitertiguren die Helmzierden, die Vorder- 
und HintertÜsse der Pferde in den Schriftrand hinein und unterbrechen die Umschrift an diesen 
Stellen ohne weitere Motivirung. Rudolf IV. trennte auf seinen grösseren Siegeln die Reiterfigur 
ganz von der Umschrift, indem er sie mit einem Rosenornamente umrahmte, welches aus einem 
Zwölfpasse besteht ; ein gleiches finden wir auch bei Leopold IV. Bei Rudolf sind die Ausscn- 
winkel des Rosenoruainentes abwechselnd mit Engelsbüsten und Löwenköpfen, letztere mit einer 
Umrahmung aus Masswerk , bei Leopold blos mit Masswerk aufgefüllt. Bei Wilhelm sind an 

21* 



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174 



Kam. vos Sava. 



die innere Schriftlinie, dort wo die Hehnzierde und die Füsse des Pferdes in den Schriftraum 
hineinragen, ausgesogene Zirkeltheile angesetzt, welche den Raum für das Siegelfeld vergrüsaera : 
man nennt diese ornamentale Umrahmung des Siegelbilde» das Helmornament, welches auch bei 
Ernst, Albert V. und Friedrich V. vorkommt Bei Albert und Leopold III. sind zum ersten Male 
an die innere Schriftlinic spitzen art ige Verzierungen angelehnt, die in mehr oder weniger reichen 
Formen auch bei dem Helmornamentc in Anwendung kommen , withrend sich dem letzteren bei 
Ernst dem Eisernen eine Masswerkverzierung aus ungleichen Bogcnscgmenten anschliesst. 

Ausser diesen ornamentalen Füllungen und Umrahmungen des Siegelfeldes suchte man die 
Eintönigkeit allzu grosser Flüchen auch diu-ch das Anbringen von Wappenschilden oder Figuren 
zu beseitigen. Der erste , überaus schüchterne Versuch dieser Art zeigt sich auf dem Siegel 
Leopolds I., indem der steirische Panther frei unter dem Pferde angebracht ist ; der zweite Versuch 
dagegen stammt unstreitig aus der Hand eines tüchtigen Künstlers. Auf dem grossen Siegel 
Rudolfs IV. halten, in den Bugen des Rosenornamentes mit Verständnis« angebracht, abwechselnd 
Engel und Waldmünner die Wappen der verschiedenen Provinzen. Die ganze Gruppe hat viel 
Leben und Bewegung, so der Engel, welcher dem Herzog mit dem steirischen Wappen entgegen 
fliegt, und der Waldmann, welcher das Wappen von Kürnthen trügt; vor allen aber ist der Engel, 
welcher dem Herzoge nachschwebt, die linke Hand wie zum Schutze erhoben , eine trefflich 
gedachte und durchgeführte Figur. Keines der späteren Siegel, auf welchen die Reiterfigur 
in ähnlicher Weise mit Wappen umgeben ist, kann sich in Bezug auf die sinnige Anordnung und 
die geschmackvolle Ausführung mit dem Rudolfinisehen Siegel messen; zum Thcile mag hierbei 
der Umstand mitwirken . dass alle folgenden Siegel dieser Art zum Theilc bedeutend 
kleiner sind, wodurch das Ganze zusammengezwüngt und überladen erscheint. — Sehr nüchtern 
sieht der unter den Nüstern des Pferdes frei schwebende Bindenschild auf dem mährischen Siegel 
Albert» V. aus. Auf dem österreichischen Siegeldesselben Fürsten ist die Reiterfigur von neun Wnp- 
pcnschilden umgeben, deren einer von einem Engel getragen , ein zweiter von einer affenartigen, 
ein dritter von einer jugendlichen Gestalt gehalten wird, während die übrigen sechs frei im Siegel 
felde angebracht sind. Die Compositum dieses Siegels ist verständig angelegt und zierlich 
ausgeführt ; aber bei dem engen Räume . welchen das Siegclfcld bietet , sieht das Ganze 
überfüllt aus. 

In gleicher Weise ist bei Leopold IV. und bei Emst die Reiterfigur mit Wappenschildeii 
umgeben, welche theils von fliegenden Engeln getragen, thcils von Waldmännern gehalten werden, 
oder in den Krümmungen der Ornamente oder im Siegelfelde schwebend angebracht sind. Auf 
dem herzoglichen Siegel König Friedrichs III. vor seiner Wahl zum deutschen Könige befindet 
sich, zur Füllung des Siegelfeldes, unterhalb des Pferdes eine Gruppe, bestehend aus drei Männern, 
wovon der eine ein Gaukler, die beiden anderen Jagdtreiber zu sein scheinen; bei ihnen befindet 
sich ein Windhund. Auf dem Majestütssiegel für Österreich , nach der Kaiserkrönung, ist das 
Feld mit sehrüg gekreuzten Linien gegittert und dazwischen mit Punkten besäet, über der Reiter- 
figur sind acht Wappenschilde in Form eines Bogens gestellt, und vor dem Pferde befindet sich da» 
Monogramm des Kaisers, und danmter die Buchstaben: A. E. I. O. V. mit der Jahreszahl 1459. 
Zum ersten Male ist hier der Boden auf welchem das Pferd steht, angedeutet, während auf den frühem 
Reitcrsicgeln das Plerd, ob im Schritte gehend oder galoppirend, nie einen Gnind unter seinen 
Füssen hat, sondern im Siegelfelde schwebt, und dies nicht nur in österreichischen, sondern auch in 
Siegeln anderer Länder. Zu den seltenen Ausnahmen dieser Art gehören die Reitersiegel des öster- 
reichischen Paniertrügers Otto Grafen von Plaieu anno 12M \ Karl des Kühnen von Burgund und 

1 Sava, die Siegel der Lamles-Erbiimter im Ertherzojrtiitini Österreich unter der Enni». Mittlii-iliinp'ii de* Altertkiitn*< 
Vereine» in Wien. IK(U, Taf II, Vig. 12. 



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Die Siegel i»eu österreichischen Hegkntkk. 



173 



seiner Tochter Maria, die allein mit einem Falken auf der Hand erscheint ; alle drei sprengen Uber 
einen mit Gras und Blumen bewachsenen Boden dahin. Auf einem spateren »Siegel Märiens , wo 
sie neben ihrem Gemälde Maximilian I. reitet, hat sie ebenfalls den Falken auf der Hand und wird 
von zwei Jagdhunden gefolgt; aus einer Höhle des mit Gras bewachsenen Bodens guckt ein 
Kaninchen hervor. In späterer Zeit erhalt der Boden bisweilen einen landschaftliehen Hinter- 
grund, wie auf den Siegeln Olivier Oromwells und König Georgs III. von England. 

Die als Beiwerke im Sicgelfelde angebrachten Wappenschilde haben die gewöhnliche drei- 
eckige Form, deren Langseiten sich gegen die Spitze (den Fuss) dos Schildes einbiegen ; auf der 
Kehrseite des Münzsiegels Herzog Friedrichs V. ist der Schildesfuss gerundet, und auf den in Nischen 
angebrachten Wappen Schilden ruhen gekrönte, mit Decke und Zimier geschmückte Stechhelme. 
Die Schilde auf dem österreichischen Majestiltssiegel haben die sogenannte deutsche Form und 
sind auf einer Seite etwas eingebogen, der Schildesfuss ist rund. 

Die Engel sind in langen , theils gegürteten , theils ungegUrtcten Gcwilndern , welche den 
Hals frei lassen, sich bisweilen dem Oberkörper knapp anschliessen und von den Hüften ange- 
fangen in einen weiten faltigen Rock übergehen. Wenn die Engel fliegend dargestellt sind, reicht 
die Gewandung weit über die Füsse hinaus und schwingt sich wellenförmig. Die Hügel sind meist 
zierlich ausgearbeitet und die Haare an den Seiten in leichte Locken gelegt; meistens tragen 
sie Wappen, einmal halten sie Schriftbündcr und einen Inschriftstein, und auf dem grossen Rudol- 
finischen Siegel erscheint ein Engel als schützender Genius. 

Die beiden Frauengcstaltcn , welche auf dem Münzsiegel Herzog Rudolfs IV. die Schilde 
von Burgau und Kiburg tragen, haben lange, die Füsse verhüllende Kleider, und darüber an den 
Achseln verbrämte und vorne an der Brust durch Spangen festgehaltene Mantel, die Haare sind in 
dichte Locken gelegt. 

Die Waldmänner , groteske Figuren , nackt , am ganzen Körper mit langen Haaren dicht 
bewachsen, werden theils als Schildträger, theils als Telamone verwendet Als letztere kommen 
auch Figuren in Stellungen wie Gaukler vor. 

Von den drei Männern auf der Vorderseite des ersten herzoglichen Siegels Kaiser Fried- 
richs III. scheint jener mit dem Stock über dem Rücken, und den in den Stock verschlungenen 
Armen und mit dem ausgezackten Halskragcn ein Gaukler zu sein, wahrend die anderen beiden, 
der eine mit spitzem Hut und anliegender Kleidung, sowie der bilrtige, lang behaarte Mann mit 
kurzer gegürteter Tunik, beide mit Stöcken versehen , zur Jagd bestimmte Treiber sein dürften, 
worauf wohl auch der mitfolgcnde Windhund deutet. 

Die beiden liegenden Hirsche, aufweichen Rudolf IV. steht, nehmen, was auch durch die 
t'mschrift bestätiget wird , auf das Erzjägermeisteramt des heiligen römischen Reiches Bezug, 
welches Amt mit dem Anfalle Kärnthens an Österreich übergegangen war 1 . 

Interessant ist die Beigabe des Monogrammcs auf dem Siegel Kaiser Friedrichs III. ; die 
Jahreszahl 1 459 bezieht sich auf die Verfertigung desselben. 

Als architektonische Beiwerke finden wir die reichgeschmückten Nischen, unter welchen 
Herzog Rudolf IV. und Friedrieh V. stellen, deren erstcro oben durch einen mit Blumen 
geschmückten Giebel geschlossen, die andere von einem, auf Spitzbogen ruhenden . mit Giebeln 
und Fialen geschmückten Baldachin überragt wird. Die Hintcrwand der letzteren Nische ist mit 
einem zierlich gestickten Teppich belegt. Spitzsäulen scheiden zu jeder Seite der Hauptnischen 
drei, nach oben und unten sich verjüngende Nischenreihen, welche zur Aufnahme der Wappen - 
sehildc und ihrer Träger bestimmt sind , und die ganze Architektur gibt das Bild eines geöffneten 
Flügelnltars. 

' Srhrüttcr» Alihamliung im» «lein ilgtonvichfechfn ShiiiUrt-rhtc. II, 201. VI. 



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170 



Karl vom Sava. 



Die beiden kleinen Löwen auf Pilastern zu Seiten des Baldachins über der Mittelnischc sind 
nichts weiter als eine der gothisehen Architektur eigentümliche Ausschmückung durch Thier- 
gestalten. 

Wenden wir uns nach diesem allgemeinen Überblick Uber die Reitersiegel und deren orna- 
mentalen Ausschmückung, so wie der auf ihnen vorkommenden Heiwerke wieder dem Hauptbilde, 
nämlich dem Ritter und seinem Pferde zu, so haben wir noch die Bewaffnung des Reiters, und 
zwar sowohl die Schutzwaffen : Hehn. Schild und Panzer, als auch die Angriffswaffen, wie Lanze, 
Schwert und Dolch; so wie deren Verzierungen, wie Helmzimicre, Decken, Kronen, Waffen- 
röcke, Gürtel, Fahnen u. s. w., dann Würdeabzeichen : Herzogshut, Sccpter und Mantel, endlich 
auch die Pferderüstung und deren Ausschmückung näher zu beleuchten. 

Die auf dem ältesten österreichischen Fürstensicgel, nämlich jenem Ernst's des Tapferen 
(reg. 10.">(i— 1078) vorkommende gerundete und anschliessende Kopibedeckung, welche das 
Gesicht frei lüsst, scheint, nach den rückwärts herabhängenden Bändern oder Kiemen zu urthei- 
len, eine Sturmhaube zu sein, we lche über die Kapuze des Panzers aufgebunden wurde. 

Die nächst bekannten Siegel sind jene von Ernst's Enkel, Leopold dem Heiligen, von wel- 
chem sich vier von einander verschiedene erhalten haben. Auf den beiden älteren erscheint ein ni cd- 
riger, konisch geformter, offerier Helm (Sturmhaube, Bickclhauhe, bacinetum, has- 
chtet), der oben in eine Spitze endet und in «1er Mitte einen von vorne nach rückwärts lmi- 
fenden Riegel hat. Dieser Hehn sicherte nur den Oberkopf, das Gesicht blieb frei, das Hinterhaupt, 
der Hals und der Nacken dagegen wurden durch die hinaufgezogene Kapuze des Panzerhemdes ge- 
schützt, indem das Bassinet entweder über das Panzerwerk aufgebunden oder letzteres an den 
Rändern des Bassinet* befestiget wurde. Eine ähnliche Sturmhaube zeigt auch das verdächtige 
Siegel am Stiftsbriefc von Klosterneuburg, während dieselbe auf dem Siegel an dem Stiftsbriefe 
von Heiligeukreuz den Riegel verliert, höher ist und mit der Spitze nach vorwärts gekrümmt wird. 
Diese letztere Form bildete sich vorzüglich unter Heinrich Jasomirgott aus. Fntcr Leopold 
dem Tapferen treten bei dein Helme mehrere Veränderungen ein. l'm das Gesicht theilweise 
zu schützen , befestigte man vorne eine schmale , über die Nase herabreichende Spange, Nasen- 
spange (nasal), welche anfangs unbeweglich war, in späterer Zeit aber auch zum Hinauf- 
schieben eingerichtet wurde. Diese Nasenspangen kommen bereits im XI. Jahrhunderte vor 1 und 
überdies sind bisweilen auch am Hinterhaupte verlängerte Schienen zum Nackenschutze auge- 
bracht \ 

Ferner verschwinden unter Leopold dem Tapferen die kegelförmigen Sturmhauben und an 
ihre Stelle treten cylinderförmige, welche oben abgerundet und mit einem Riegel versehen sind. 
Anfangs ist an denselben ebenfalls das Nasal angebracht, später aber geht die Nasenspange in eine 
Blechplatte über , welche das Gesicht bedeckt , nicht weit über die Nase herabreicht und mit 
Ausschnitten für die Augen versehen ist, wie wir sie auch auf den Bildern der Herrad von Lands- 
berg treffen'. 

Gleiche Form zeigen die Helme auf den Siegeln Friedrichs des Katholischen und 
Leopolds des Glorreichen. Auf einem späteren Siegel des letzteren ist der niedere cylinder- 
förmige Helm mit der Gcsichtsplatte oben gerade abgeschnitten , und diese letztere Form 
bildete den Übergang zu den Helmen, welche das ganze Haupt umschlossen, und auf den öster- 
reichischen und deutschen Fürstensiegeln im Anfange des XIII. Jahrhunderts erscheinen. 

' Auf dem Siegel des PfaUgrafen aiu Rhein, Heinrich il«' Lacii. nnu« 1018— H»«l5. — 1 .S. Herrad von Landabere, Äbtissin 
von Hohenfurt »der .St. Ottilien in Elsa«!) im XII. Ji»lirliututert, und ihr Wirk: lli>rtus delkiaruru. Herausgegeben von C hristian 
MorU Engelhardt. Stuttgart, 1*18. Auch auf dem Siegel des (irafen Wilhelm von Luxemburg;, anno 1122, erscheint ein Helm 
mit einer .Schiene am Hinterhaupte. — » 1. e. 



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DiK .SlKOFf. PKK < i.s TGR!tF.CCIUÄ( HKS Uno kn rt.v. 



177 



Bisweilen bildeten diese Gcsichtsplattt n tili förmliches Gitter, wo dann selbstverständlich die 
Ausschnitte für die Augen fehlen'. 

Federn, Rossschweife oder sonstige 1 Zierden kommen auf den Sturmhauben weder auf den 
Siegeln vor, noch sind sie mir in gleichzeitigen Abbildungen bekannt; wohl aber ist bei Herrad 
von Landsberg der untere Rand mit einem messingenen Reife umgeben, und Fürsten habet» statt 
dieses Ringes eine Krone um den Helm. Dass diese Sturmhauben aus gediegenem Kisen waren, 
zeigen die Farben auf den Abbildungen der Jlcmid 2 , und die alten Heldengedichte erwilhnen 
hitufig, dass von den gewaltigen Sehwerthieben die feuerrothcii Funken aus den Helmen stoben, 
als ob man Brande schwang. Sic werden hilrter als ein Adamas oder Krystall geschildert, sind 
verfertigt von Stahl aus dem inneren Indien und „lichter als ein Schwert" \ 

Manchmal hilngen die Riemen und Sc hnüre, mit welchen man die Bassinets Uber die Kapuze 
des Panzerhemdes band , rückwärts herab und sind an den Enden mit Kugeln oder Quasten 
verziert *. 

Auf den Siegeln der schlesischen Fürsten erhalt sieh der offene Helm bis in die zweite 
Hälfte des XIII. und auf jenen der Markgrafen von Brandenburg sogar bis in das XIV. Jahr- 
hundert. Thatsiiehlieh bleiben diese KisenhUte, zum Tlieile mit Andcrnnircn in der Form , vor- 
ziiglich mit Stirnstulpen und Geniekstücken , oder mit rund um den Kopf laufenden Räindern 
fortwährend im Gebrauch, und Wiens Bürgermeister führte im Jahre 1487 keinen besseren Eisen- 
hut als jeder andere Bürger, nämlich zu dem l'reise von 1 Pfund Wiener Pfennige*. In den Ab- 
bildungen der Hcdwigslegcnde' 1 erscheint die Bickelhaube als Kopfbedeckung der Tataren und 
der gemeinen christlichen Krieger, seltener bei den Rittern, und auch Otakar von Horneck 
erwähnt, dass das Fussvolk glanzende Bickelhauben trug. 

Übrigens finden wir die Sturmhauben auf den Siegeln von höchst verschiedenen Formen; 
so sind die kegelförmigen, nach vorwärts gekrümmten, oben nicht selten abgerundet'; dagegen 
sind die cylindcrföriuigen und oben gerade abgeschnittenen auf den niederländischen Reiter- 
siegeln bald sehr niedrig, fast wie die Reif barette , bald wieder sehr hoch*. Eine andere Eigen- 
tümlichkeit zeigen die niederländischen Reiteisiegcl darin , dass, um den Hals zu schützen, zu 
beiden Seiten des Hauptes viereckige Platten (Achselscheiben, aisles , aislettes) an den Helmen 
befestiget sind; sie kommen zum ersten Male im Jahre 11 6*' vor und werden dann im XIII. und 
XIV. Jahrhundert auch bei den Kübelhehnen beibehalten und mit Wappenfiguren verziert; sie 
verschwinden erst mit den Bourgignots. 

Leopold der Glorreiche ist der erste österreichische Fürst, auf dessen Siegeln der geschlos- 
sene Helm erscheint. Kr ist oben gerade abgeschnitten , vorne mit einer Kante verseilen und 
am Hinterkopfe gerundet. Statt eines bewegliehen Gitters oder Visirs hat er an beiden Seiten der 
Kante einen langen horizontalen Ausschnitt in der Richtung der Augen (von Otakar von Homeck 
Helmfenster genannt), sowohl zum Sehen als auch zum Einströmen der Luft. Anfangs ist der 
Helm gegen das Kinn zu eingesehweift und unterhalb desselben nach dem Hinterhaupte verjüngt 
ausgeschnitten; gegen die zweite Hiilffc des XIII. Jahrhunderts aber bildet sich die vordere 
Helmwand allmählich ganz gerade und in gleicher Weise wird auch der untere Rand nicht mehr 
verjüngt, sondern ebenfalls gerade abgeschnitten; die ganze Form ähnelt einer Tonne, daher der 

1 Auf dem Siesel de» (trafen Heinrich von Luxemburg, »nno 121t>. — -' I. e. — :1 Wigiilois, •>(),'» und Ulrich 
von Liechtenstein. — 1 (Jottfried Herzog von Lothringen, anno llftS. Ot.ikar als Mark^r.if und Herzog von Steiermark, anno 
1163 und IIS'». — 1 Schlager, Wiener Skizzen, J, MS. — c Die Rilder der Uedwigslcgcndc. Nach einer Handschrift vom .lahre 
l:t:>3, in der Bibliothek der I'. I*. Puristen in Schlack, nwertb. Herausgegeben von Adolf Hilter von Wolfrkron. Wien 1*16, 
bei Matthäus Knppit-rb. - • Wilhelm l'flazgraf am Itboin «nno im; und tiolltried Herzog von Lothringen, anno Iltis. - 
» Herzog Heinrich von Lothringen, anno 121« nnd Ural" Friedrich von Hiti-ch. — '■> Auf dem Siegel Herzog Gottfried %«n 
Lothringen. 



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178 



Kaul von Sava. 



Name: Fasshelm, Kubelhcliu, oder wie Otakar von Hornek nagt: Helm las». In ihrer 
vollendeten Ausbildung erseheint diese Ilcluiform zuerst bei llernmun von Baden, dem Gemälde 
Gertrudens von Österreich, und wird von Otakar bis zu seiner Königskröuung beibehalten. 

Nach der Krönung zum Könige von Böhmen (anno 1261) zeigt uns das Münzsicgel Otakars 
auf der Kehrseite eine Reiterfigur mit wesentlichen Veründerungen in der Bewaffnung. Noch ist 
die alte Form des Fasshelmes da , aber unterhalb des Sehschnittes sind in die Helmwand zwei 
Reihen viereckiger Locher eingeschlagen, um durch dieses Gitter ein reichlicheres Zuströmen der 
Luft zu erzielen und die drückende Wilrme in dieser Eisenhülle zu mindern. Am Hinterkopfe ist 
eine anliegende , stufenförmig ausgezackte Decke , und Uber dem Hehn ragen zwei horizontal 
gelegte Adlerflügcl als Zimier empor. Wir begegnen also hier ziuu ersten Male auf einem öster- 
reichischen Fürstensiegel der Helmdecke und dein Zimier. Beide waren aber schon früher 
wirklich im Gebrauche, und Ulrich von Liechtenstein bietet uns hierüber in seinem Frauendienste 
zahlreiche Beispiele dar. Sein Bruder Heinrich führte auf dem Helme eine Welle von Gold , die 
an den „Orten'' mit Pfauenfedern besteckt war, und der Graf von Görz, dessen Hehn Hellt von Gold 
und hart wie ein Adamas war, hatte einen Kranz von Pfauenfedern, an welchem viele Blatter aus 
Silber hingen; endlich Otto von Meissau: 

„öf Hinein heim der biderbc tnioc 
ein kränz von gnnsvederu wiz 

Aber nicht blos beim Tiost, auch in der Schlacht wurde die Helmzierde getragen; so singt 
Ennenkel von Ulrich dem Jüngeren von Käirnthen, welchen Friedrich der Streitbare in der Schlacht 
bei Laa gefangen nahm : 

„daz duz zimier soldc stn 

duz wären zwei lioni lieriidn, 

von phävedem so dicke 

daz dii der suniien blicke 
üf dem beim nicht bacteu sebtu 
sü dicke warn die vedern stn'> 

Bei Suchenwirth heisst es: 

.,Da AM er wandelt* Ireye 

selber sein vcrchrHiitcn heim, 

den man durch staub und auch durch melben 

Vil diche sach erhitzen \ u 

Als Roiiz zum Kampfe ging, trug er einen Hehn mit breitem goldenen Rand , über dein 
Scheitel war ein Diamant mit Schmelz umlegt und darauf befand sich ein Drache aus Gold, als 
ob er lebte und Uber dem Hehn schwebte' . 

Die He lin auf siitze, H elmzierden, Zimiere (einrier, crest, lat. : apex, eimerium) waren 
wohl eine Erinnerung an die Sitten unserer Voriiltern, die Kopfhäute wilder Thiere sammt deren 
Waffen, wie Hörnern, Hauern, Zilhnen, Uber den Kopf zu stülpen, um sich ein fürchterliches Aus- 
sehen zu geben. Sie dienten auch als Abzeichen im Kanipfgemenge, wohl auch, wie die Federn, 
blos zur Zierde. In spiiterer Zeit wurden sie mit den Wappen in innigere Verbindung gebracht 
und gingen in plastische Darstellungen der Wappenfiguren Uber , oder sie zeigten das Wappen 
selbst auf sogenannten Schirnibrcttem , ovalen oder eckigen Scheiben , welche im letzteren 
Falle an den Ecken mit Kugeln, Schellen , Quasten oder Pt'auenspiegeln besteckt waren. Auch 
auf Landes- und Krbiiniter nahmen die Helmzierdeu bisweilen Bezug, so der Marschallshut auf 

' LUrioli vou Liec1it.-itM.-iii. Ilfranftffeirebe» von Liichmaim. Merlin 1841, vag. 483. — * tauch, .ScrljUürei» rw. Anstriw. I, 
pa*. 34U — J SuclK-r.wirtlj. Iii rausifejfcbeu vun l'riwisscr. VIII, v. l.V<— Mil. — « Winjfaloix, I.e. 



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Die Siegel heu üsterreichischkn Regenten. 



179 



den Siegeln der Herzoge von Sachsen und auf jenen der Grafen von Gürz , welche letzteren 
das Erbmarschallsamt des Patriarchates von Aquileja innc hatten ; oder e ine Schüssel als Zeichen 
der Truchsesswürde: 

pSein Helm war reich an Zier 
l'nd kiistlicli sein Zimier — 



Auf der Spitze glänzte hell 
Eine Schüssel vom Golde, 
An der man wissen sollte, 
Dass er dort Truchsesse war'.- 

Die Hclmzierden waren so wie die Wappen bisweilen Lehen von dem Landesfllrsten ; so 
bittet der oberste Marschall von Österreich, Otto von Meissau, den Herzog, das Wappen, welches 
er von ihm zu Lehen getragen und das er, falls er ohne iiiilnnlichen Erben stürbe, dem obersten 
Kämmerer Hanns von Ebersdorf' vermacht habe, diesem letzteren zu bestätigen. Im Yermachtniss- 
briefe selbst wird das Wappen beschrieben: Ein schwarzes Einhorn in einem gelben Schild; 
und die Hehnzierde: ein Gansnest, darin ein Huschen Federn und drei daraus hervor- 
sehende Giinse -. 

Die Herzoge Albert und Otto verleihen dem Bruno Vicecomite und den von Matthäus und 
Ubert Vicecomite abstammenden Gliedern dieser Familie unter dem Titel eines Lehens das Recht, 
eine Krone auf dem Hute, Helme, im Panier oder Schild zu führen: und Herzog Albert II. und 
dessen Gemahlin Johanna verleihen dem Ulrich von Stubenberg ihr Kleinod von der Herrschaft 
Ptirt. eine goldene Posche 3 , auf dem Helme zu führen'. 

Oft waren diese Heinizierden der Gegenstand ernsthafter Zwistigkeiten; so bekennt Rein- 
precht von Ebersdorf, oberster Kümmerer in Österreich , dass ihm nach langem Streite auf seine 
eigene und auf die Bitte anderer elnbarer Herren, Georg der Zändlein gestattet habe, für sich und 
seine Erben als Helmzierde zwei Flügel zu führen, beide quer getheilt, unten schwarz und oben 
golden , und anders nicht. Dogegen soll Georg der Zilndel nur einen Flügel führen , unten Gold 
und oben Schwarz. Überdies verpflichtet sieh Rcinpreeht von Ebersdorf, diese Helmzierdc, falls 
er ohne Leibeserben stürbe, niemand Anderem zu schaffen oder zu geben \ 

Um die Helme gegen Rost zu schützen, wurden sie versilbert oder vergoldet, auch mit Far- 
ben bemalt, und um die zu grosse Erhitzung durch Sonnenstrahlen zu verhindern, überzog man 
sie mit hellfarbigen Tüchern, oder wie die Schilde, mit Summt oder Seidenstoffen; ausserdem wur- 
den sie auch mit Gold und edlen Steinen verziert. 

„Min schilt, min heim was puene gar." 
„iMin heim was wiz, min schilt alsam*." 

Beim Überziehen und Bemalen der Helme wurden die Wappenfarben berücksichtiget, wohl 
auch das Wappen selbst angebracht. So tmg Wigalois , der im Schilde ein goldenes Rad im 
schwarzen Felde führte, auf dem mit Gold und Gestein verzierten Helm ein Rad als Zimier, das sich 
drehte, so oft er buhurdirte. Der Helm selbst war mit Zobel Uberzogen, und eine Leiste von Gold 
lief quer Uber die Augen'; und auf dem Siegel des Herzogs Ferri von Lothringen (anno 127G) 
ist auf dem Helme der rothe Schrägebalken mit den gcstümmcltcn silbernen Adlern angebracht. 

ß 

i V.ny von Waleia, der Kitter mit dem Rade, von Wirnt von (irafenborp. Übersetzt von Adolf (irafen von BaudUatn. 
Lcipiip, Broekhaus 1*4«, v. .Ts-tf—Wi. - Hormayr, Taschenbuch für vaterländische Ueachichle, W.W Merlin bei Keioicr, 
»jap. >7:i und Wurinbramlt, collcctanea peneal. 72. — 3 Posse, Bosse, eine abenteuerlich« Kipur, Tetanol»»«. Frisch, Wörter- 
buch. Hier also wohl dir Jungfrau mit den Flachen. — * Lichnowsky, (icBchirhtc den Hause» Habsbiirp. Hegest. pap. CCCCXXXII 
und ('< «'('I.XV, Nr. und H3«, anno 1330 und 1347. — 4 Wunubrandt, I. e. _>0. — « Ulrich von Liechtenstein. I. c. pap. 

73 und 1GI. -- • üuy von Walei», 1. c. v. 365C— I.Kifi. 

IX. J5 



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180 



Kam. von Sava. 



Diese Sitte, die Helme mit Stoffen zu überziehen, gab bei Kampfspielen Veranlassung zu 
manchen Scherzen. So hatte Herr Zachäus von Himmelberg', ab Sänger bekannt, ein Münchskleid 
Uber den Harnisch gelegt und trug auf dem Helme ein Haarbündel , in das eine breite Platte 
geschoren war; und Otto von Buchau trug eine Gohdcsc, d. i. ein windisches Weiberkleid ; auf 
dem glänzenden Helm war ein weiter King ge macht und kostliche Ohrringe hingen von dem 
Helme herab, während rückwärts zwei blanke Zöpfe bis zu dem Sattel niederwallten 1 . 

Spitter kamen die fliegenden Helmdeckcn in Gebrauch , die unter dem Ziniier oder der 
Krone hervorwallend das Hinterhaupt deckten , bis auf den Rücken hinab reichten und mit 
Stickereien und Verbrämungen verziert waren. Die Farben der Helmdecke richten sich meistens 
nach jenen des Wappens oder der Helmzierde; es kommt übrigens auch vor, das« sie das Wappen 
selbst darstellen. So hat Herzog Albert HI. auf der, im Codex num. 2765 der kaiserlichen Hof- 
bibliothek abgebildeten Reiterfigur eine Helmdeckc, welche aussen roth und nach innen weiss ist 1 , 
eben so im Arlbcrger Bruderschaftsbuche; dagegen erscheint in letzterem die Helmdecke bei 
Leopold dem Stolzen roth mit dem weissen Querbalken'. König Wenzel I. von Böhmen und Ota- 
kar haben auf den Reiterfiguren im Stadtbuche von Iglau schwarze mit goldenen Blättern besäete 
Helmdecken , nach dem Zimier einen schwarzen Adlerflügel, der am unteren Theile mit zwei Rei- 
hen goldener Blätter belegt ist'. 

Dass die fliegenden Helmdecken im Kampfe zu Schimpf und Ernst sehr litten, ist begreiflich. 
Eine zerschlitzte Helmdeckc galt gleichsam als ein Ehrenzeichen; man fing an damit zu prunken, 
und begann am Schlüsse des XIV. und im Laufe des XV. Jahrhunderts die Helmdecken auf den 
Wappensiegeln auszu zacken, und ging damit immer weiter, je mehr das Ritterwesen selbst ver- 
schwand, bis man endlich die arabeskenartig verschlungenen Helmdeckcn der neueren Heraldik 
herausgekünstelt hatte. 

Ein späteres Siegel Otakars zeigt uns abermals eine veränderte Helmform, die sich 
durch das ganze XIV. Jahrhundert erhielt. Der Helm ist an der Vorderseite kantig , am 
Hinterkopfe gerundet, und verjüngt sich oberhalb der Sehlöchcr zu einer mehr oder weniger 
stumpfen Spitze, welche jedoch durch das Zimier, einen horizontal gelegten Adlerflug, verdeckt 
wird. Die „Orte" der Sehlöcher sind mit Spangen verziert, und eine solche scheidet auch die 
vordere Wand des Helmes von dem Rücktheile. Oberhalb der Sehlöcher, so wie an der Rück- 
wand ist der Helm mit kleinen an einander gereihten Buckeln besetzt , welche vielleicht eine 
anliegende gestickte Decke darstellen sollen. Das Gitter unter dem Augenschnitte ist 
versehwunden. 

Diese Helmgattung ist zusammengesetzt aus dem früheren Fasshelm und eine auf diesem 
aufgesetzte zugespitzte Kuppe ; sie bot den Vortheil , dass Schwerthiebc und Kolbenschläge 
abglitten, während der oben gerade abgeschnittene FasBhelm mit seiner ebenen Schlussplatte 
der betäubenden Wucht des Schlages ein breites Feld gewährte. 

Eine interessante Eigenthümliehkeit finden wir bei dieser Helmgattung sowohl auf den 
Reiter- als auch auf den Wappensiegeln der Herzoge von Kärnthen aus dem Hause Görz-Tirol : 
auf dein Helme ruht nämlich ein Eisenhut mit einer breiten Krempe und auf letzterem erhebt sich 
ein Pfauenfederbusch als Zimier *. Dieser Eisenhut auf dem Helme kommt auch auf den Siegeln 
des kürnthnerischen Landesadels ziemlich häufig vor. 

• Ulrich von Liechtenatein. 1. e. — • Codex Nr. STfi'i, F«L 42 a. — 3 S. «las Arlbivger Bnidcrechaftsbuch, ein Pergamcnt- 
Cmlex im kaiserlichen Haiiüurchive. ee enthält die ältesten (inttbatvr der St. Christoph-Capelle und des Haute« auf dem Arl- 
berjre mit ihren Wappen; eg beginnt mit dem Jahre 1303 und endet mit 1415. Von den Herzogen von Österreich erscheinen 
folgende: Albert III. nebst seiner (ieni.ihlin Beatrix von Zollern. Blatt 5; Albert IV. nebgt seiner Gemahlin Johann» von 
Haiern, Blatt <i; Wilhelm, Blatt 7 rtv.; Leopold IV., Blatt H av. und 0 rev. — « Codex im Archive der Stadt Iglau, vertasst 
zu Ende des XIV. oder zu Anfang des XV. Jahrhunderts mit Miniaturen - '- Meinhard a. IL'01 ; Otto a. 1303; Heinrich a. 1307. 



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DlK SlKCEL UtR ÖSTERliF.lCIUSClIEN RüGENTEX. 



181 



Unter den Fürsten aus dem Hause Habsburg erscheint der Helm zum ersten Male gekrönt 
und aus der Krone ragt ein reicher Pfau e n st n tz als die zu dem Österreichischen Bindenschild 
gehörige Helmzierde empor; das frühere Zimier der Habsburger war, wie aus den Reitersiegeln 
derselben in Herrgotts Genealogie , so wie aus dem Siegel, welches Albert I. noch als Reichs- 
verweser in Österreich führte, zu ersehen ist, ein hervorwachsender rother Löwe mit einem Kamm 
von Pfauenspiegeln auf dem Rücken. Der Pfauenstutz bleibt mit wenigen Ausnahmen der eon- 
stante Helmschinuck auf den Siegeln unserer Fürsten. 

Noch Herzog Rudolf III. hat eine anliegende Helmdecke , die am Rande mit Perlen oder 
Knöpfen besitumt ist; Heinrieh und Leopold dagegen haben im zweiten Jalirzehent des 

XIV. Jahrhundert* zum ersten Male fl i ege n de Decken, welche von da an im Gebrauche bleiben. 

Die vordere Kante des Helmes, so wie die Sehlöcher sind mit Spangen, wahrscheinlich 
von anderem Metalle verziert, und die Helme selbst reichen bald mein - , bald weniger über das 
Kinn herab. Rudolf IV. hat zuerst wieder die vordere Helmwand unter dem Augenschnitte gitter- 
artig durchbrochen. Wie aus gleichzeitigen Wappensiegeln mit nach vorne gestellten Helmen her- 
vorgeht, befindet sich dieses Gitter meistens nur auf einer Seite des Helmes , bisweilen erscheint 
an dessen Stelle oder an der anderen Seite des Helmes eine kleine Öffnung in Gestalt einer vier- 
blätterigen Blume, welche dazu diente, den vom Haupte abgebundenen Helm an einer von der 
Achsel herabhängenden Kette mittelst eines Hakens zu befestigen. Mit dem Beginne des 

XV. Jahrhunderts, zuerst bei Wilhelm dem Freundlichen, anno 1404, kommt der Stech h Ii e Im in 
Gebrauch, welcher von da an der allein herrschende wird, bis er auf dem Siegel König Fried- 
richs III. vor seiner Wahl zum deutschen Könige zum letzten Mal erscheint. Der Stechhelm ist 
ein geschweifter Kübelhelm, dessen oberer Thcil der Rundung des Kopfes, der untere Theil der 
Biegung des Halses sich anschmiegt. Zwischen beiden befindet sich ein Spalt (Querriss, Quer- 
schranz) zum Durchsehen , ohne Spange. Der untere Theil ist in der Mitte kantig und nach 
oben stark ausgebogen, so dass er in der Profilirung eine Spitze bildet. Der Stechhelm reicht auf 
Brust und Rin ken herab, wo er angeschraubt oder angebunden wird. 

Von jenen Helmen, die mit einem bewegliehen Visir versehen. Kinn-, Hals- und Nacken- 
schutz durch eine geschickte Gliederung mit einander bilden, sogenannte Bourgignots, bietet 
die österreichische Sphragistik nur ein einziges Beispiel auf dem Rcitcrsiegel Alberts VI. dar. 
Der Name deutet auf das Vaterland dieser Helmform hin und Albert , welcher sich sehr häufig in 
den Vorlanden aufhielt, hat sie wohl aus Burgund herübergebracht. In den Niederlanden ent- 
wickelte sich diese Helmlorin bedeutend früher und in mannigfaltigen Formen, später treffen wir 
sie auch auf den Reitelsiegeln Maximilians I. für die Niederlande '. 

Der Kol bentu rn i erh clm, kugelförmig mit weit gegittertem Rost, kommt auf den öster- 
reichischen Fürsteiisiegeln nicht vor, wohl aber auf den Wappensiegeln deutscher und nieder- 
ländischer Fürsten *. 

Um den Kopf gegen die Schwere des Helmes und nach Möglichkeit gegen die Wucht 
gewaltiger Schwert- und Kolhenschliige zu schützen, wovon u. a. Kniienehel sagt: 

„Den kolben er df» zuckte, 
hindern scliild er sieh smiiikle, 
und tet dem l'rinzel seinen slao, 
daz er weder enliörte noch ensaeh, 
waa im daz houbet betonbet was, 

' Abgebildet: Vredieu» Siplla coiuitaiu Flandriae, Taf. XUI b, und Hcrr-rott: Mnnuincuta I, Tal' XI, Fi K . und .1. - 
* Am r.rahsteinen erseheint or fmlizcitig, so auf jenem Friedrich* von Kreusbach. S. Leber, «lie Kitt-rbiir-en von Kauheneek. 
Uaul.enst. in und .Seliarfcueck. Wien 1S44, Taf. VII. 

25» 



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182 



Kahl von Sava. 



daz er der fliege gar vergaz, 
und daz er viel ftf diu knie'.« 

trug der Ritter unter dem Helme eine Bundhaube (Hersenir*, auch Harn isc h kap pc), welche 
von Leinwand mit Wolle oder Werg dicht abgesteppt und bisweilen auch mit Seide oder Damast 
Uberzogen war. Sie reichte rückwärts Uber die Ohren herab und Hess das Gesicht , gewöhnlich 
auch das Kinn frei, - wir treffen sie in dieser Form bereit» auf Grabsteinen aus dem XIII. Jahr- 
hundert. Da die Fasshelme ohne Hals und Naekentheile Uber den Kopf gestürzt wurden und 
an diesen nicht anschlössen, so mussten sie mittelst Riemen oder Seidenschnüren un die Rüstungs- 
theile am Halse oder an den Achseln befestiget werden. Aber auch an der Bundhaube waren 
Schnüre oder Riemen (Hclinlöre, von: lorum) angebracht, welche durch darauf gerichtete Löcher 
des Helmes gezogen wurden , um denselben fest zu halten. Dennoch geschah ua im Tioat nicht 
selten, dass durch die Gewalt des Lanzenstosses die Schnüre rissen und dem Ritter der Helm 
vom Haupte gestochen wurde: 

„Des tage« mit tjoat mir daz geschaeh, 

daz man mir von dem houbet stach 

fllr war dristunt den heim mtn, 

den ich mit snlleren doch sidln 

üfgebunden het vil wol, 

als man die helmc binden sol \ J 

Über den Tiost mit Berthold von Emmerberg sagt Ulrich von Liechtenstein: „Schön und 
lang war der Buneis, das Feuer sprang aus beiden Helmen, beide Speere zerbrachen und er 
stach mir den Helm am Kinne, dass mir das letztere vom Blute nasa wurde; ich band den Hehn 
fester und das war nöthig, denn seine Riemen waren abgerissen. * Ein solcher Stoss galt für 
einen Meistcrstoss , denn auch bei Guy von Waleis heist es: „jeder hatte zum Ziele erkoren den 
Hals des Gegners unter dem Kinn" \ 

Zusammengesetzter als die Bundhaubc war die Turnierhaube (anno 1436), die im vollstän- 
digen Zustande aus einem Wulste (Stimbund) und zwei Schläfcnkissen bestand, und drei starke 
Riemen mit Doppelschnallen und dreizehn Schnürriemen mit Stiften hatte *. 

Um sich durch die Schwere des Helmes nicht unnötigerweise zu ermüden , wurde derselbe 
kurz vor dem Kampfe oder Turniere aufgestürzt und gebunden; Ulrich von Liechtenstein erwähnt 
dieses Umstandes oft und sagt unter anderem von dem Domvogte von Regensburg: r als er inieh sah, 
band er den Helm zu Haupt und nahm einen Speer zur Hand^ s ; und die Limburger Chronik 
erwähnt zum Jahre 1350, das» man den Rittern die gekrönten Helme auf einem Kloben nachfühlte 

Dagegen wurde aber auch dem Besiegten das Sehwert weggenommen und das Haupt ent- 
waffnet, indem man ihm den Helm abband: 

„GArel, der kttene wtgant, 

den heim er im abe baut 

und nam imz swert und liez in liegen*." 

Das Abbinden der Helme vor Damen gehörte zur höfischen Sitte; darum heisst es von 
Wigalois : 

' Ennonkcl bei Rauel). Scriptor. I, .14«». — ! „Durch Helm und Hersenlr ward mancher da im Tiost erscbUj?en.' ; Guy von 
Waleis. I. c. v. 10944 und 101)4.%. — 3 Ulrich von Liechtenstein, 1. c. 26!>. -'Lt.». 544 und 545. — * Leber, Wien* kaiser- 
liche» Zeughaus, Leipzig bei Köhler, |«16, paff. 178. — s I. c. — 7 Annalen de« Vereines fllr nasssuteche Alterthiiinckunde, 
VI, 431. — * Die Fresken des Schlosse» Runkelstein. Blatt S), col. 1 und Matt 10, col. •», ana dem Gedichte: „Uairl von 
blühendem Thüle.« 



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Die Siegel den österreichischen Recehtex. 



183 



„Er ritt zn der Mauer 
Wo er die Königin fand, 
Seinen Helm er sogleich abband 
L'nd setzt ihn auf den Sattelbogen. 
Er war höfisch und wohlerzogen, 
Dcsshalb sein Haupt entwaffnet er'." 



Die Helmzierdc der Österreichischen Fürsten aus dem Hause Habsburg ist auf ihren 
Reitersiegeln der erwähnte Pfauenstutz ; als Ausnahme treffen wir auf dem Siegel Albert* V. 
für die Markgrafschaft Mähren einen Adlcrflügel, nach vorwärts gekehrt und mit herzförmigen 
Blattern bestreut, als das Zimier Mährens, welches aus zwölf Feldern bestand, deren je drei 
abwechselnd golden und schwarz waren; und bei Albert VI. einen aus der Krone hervor- 
wachsenden Adler, als Helmzierde zu dem Schilde mit den fünf Adlern gehörig. 

Die Kronen , welche seit der Belehnung der Habsburger mit Osterreich auf den 
Siegeln unserer Herzoge vorkommen , sind theils Laub- , theils Lilienkrouen , je nach- 
dem sich auf dem Kronreife Blätter oder Lilien erheben. Zwischen den Blättern sind auch 
L'erlen angebracht, und nur bei Rudolf IV. sind der Kronenreif und die Blatter mit Steinen 
besetzt. Die Zahl der Blätter oder Lilien beträgt auf dem ganzen Umkreise des Kronreifes 
vier, höchstens sechs. Diese Kronenform war übrigens im Mittelalter kein Abzeichen der 
Fürstcnwürdc ; denn obgleich die deutschen Könige, von Wilhelm von Holland bis zu Wenzel 
(1247 — 1400), auf ihren Majestiltssiegcln die einfache Laubkrone tragen, so linden wir sie 
dagegen auch auf den Siegeln der Dynasten, wie der Grafen von Plaicn und Hardek, und 
im XV. Jahrhundert als gewöhnlichen Hclmschmuok des niederen Adels auf den Wappen- 
siegeln. Übrigens war die Sitte, Kronen auf den Helmen zu tragen, älter als sie die Siegel 
unserer Fürsten nachweisen; in den Abbildungen der Herrad von Landsberg, einer Zeit- 
genossin Friedrich Barbarossa'«, ist der offene Hehn eines Kriegers, wie bereits erwähnt wurde, 
mit einer Krone umgeben ; und Ulrich von Liechtenstein sagt : 



Auch Graf Otto von Plaien hat auf seinem Reitersiegel, als Panierträger des Herzogthumes 
Österreich, bereits im Jahre 1254 den Helm gekrönt*. 

In späterer Zeit verstand man unter dem Ausdrucke „gekrönter Helm" einen Mann vom 
höheren Adel ; so waren in der Schlacht bei Scmpach viele Personen von Adel, darunter 350 
.gekrönte Helme' a . 

Ehe wir zur zweiten Schutzwafte des Ritters, dem Panzer, Ubergehen, möge hier die 
Bemerkung Platz finden, dass nur jene Formen der Schlachthclme besprochen wurden, welche 
auf den mittelalterlichen Reiter- und Fusssiegeln, zum Theile auch auf den Wappensiegeln 
vorkommen; in der Wirklichkeit gab es mannigfache Abweichungen von diesen Hauptformen 
sowohl zum Gebrauche beim Turnier, als in offener Feldschlacht, nach Willkür oder nach 
Bedürfnis« des Besitzers , selbst nach Ansichten, die sich in bestimmten Zeitperioden ent- 
wickelten und wieder verschwanden, um neuen Formen Platz zu machen. Ausführlicheres 
hierüberbieten .Lebers kaiserliches Zeughaus* \ und an Reichhaltigkeit der Abbildungen das 
r Heraldische A-B-C-Buch von Dr. Karl Ritter von Mayer" e . — 

' Guy v. WiüVi», ). c. pag. 12. — "-' 1. o. pag. \C>\ — s nie Sieg«l der Landes-Erbäuiter in Österreich untt»r dor Knna. 
Mittlnilimjfin di's AUerthumnverpine» in Wien. 1801. Tat I, Vig. i >. — « Krisch, Wörterbuch I, pag. 441. — 1 1. c. ps#. 178. 
* Mllnchrn. |w:>7. 



r Dä bf fuort man den heim mtn: 
der moht ouch lichter nicht gesfn, 
er was gekroenet meisterlich, 



diu kröne, diu was koste rteh '. u 




184 



Karl von Sava. 



Die wichtigste Schutzwaffe des Ritters war die Rüstung, der Panzer oder Harnisch. Sie 
bestand aus der Halsberge, Brüne (brune, brunia, halsberga, französ. houbert, g-enannt) 1 , 
welche den Oberleib bis zu den Knieen, und den Beinbergen, welche die Füsse deckten. 
Der Name Halsberg stammt entweder von dem obersten Theilc der Rüstung, oder von al, 
alla und bergen: alles bergend, nämlich den Körper, für welche Ableitung der Gegen- 
satz: Beinberge für die Fussrüstung spricht. 

Eben so leiten einige das Wort Brüne von dein slavischen bronja, Schutz, Vertheidi- 
gung her, andere von dem angelsächsischen bron, Brust, wieder andere von dem deutschen 
brun, brünieren, durch Policren blank, gliinzend, leuchtend machen. Für die letzere Ableitung 
spricht cinigermassen der Umstand, duss die altdeutschen Dichter die glänzenden Harnische 
als brennend darstellen: so heisst es im Hcldcnbuchc: 

r I)n rief einer ah der zinnen, 
Ir traget feueriu schein, 
wie fast ir nun jetzt Itrinnen 
so liisst mau euch nicht ein V 

Und bald darauf wird einer, welcher eine solche Brüne trug, geschildert: „von Füssen 
bis auf's Haupt ist er gezündet an 4 . Auch Wolfram von Eschenbach sagt, er erblickte einen 
Mann n dess Harnisch lucht und bran — recht als er wert« fuerin 5 ; und Ulrich von Liechten- 
stein erzählt: „ich legte einen Halsberg nn von festem leuchtenden Stahl". 

Gediegene Platten hämische entstanden erst spät; das frühere Mittelalter weiset 
uns einfachere, wenig gegliederte, daher auch ziemlich unbeholfene Rüstungen. Sie hatten die 
Form anliegender Tuniken, welche bis an das Knie reichten, und vorne und rückwärts auf- 
geschlitzt waren. Man verfertigte sie aus mehnnal Uber einander gelegter und abgenähter 
Leinwand und nietete oder heftete mit Ochsensehnen Schuppen von gesottenem Leder, 
Horn oder Metall auf dieselben (Brigantinen): 

pEine Urllne truy; er stark und weit, 

die war ein heidnischex Werk 
von starken Hutten, gefllgt ans Horu, 
darauf «all man als Zierrath vorn 
Gold mit edlen Steinen *.- 

Die metallenen Sehuppen selbst waren »chindcl- oder zungenförmig, bisweilen auch 
rautenförmig getrieben. Statt der Schuppen nahm man auch Scheiben, entweder flache 
oder kugel- und rautenförmig getriebene (Sehei beuhemde, cottes a rondaehes). Am häufig- 
sten aber waren Rin« , werke , indem man Anfangs einzelne Ringe tu horizontalen Reihen 
neben einander mit Sehnen aufheftete [einfaches Ringhemci). - Das geschobene 
Ringhemd bestand in wagreehten Heihen von Ringen, von denen jeder folgende zur Hälfte auf 
dein vorhergehenden auflag, und jeder Ring wurde oben und unten auf die Unterlage ange- 
heftet, wobei man die Vorsicht gebrauchte , dass die obere Reihe gegen rechts, die untere 
Reihe gegen links und so abwechselnd empor stand, damit sieh die Hiebe nicht verfangen konnten. 

i Im Mittellioehdeutselien int dir Brüne und dir ll:dal>rrt,'o oder Panier «Oer unterschieden : Er spultet ihm Brüne und 
Eiseupewalid; — und. «ine Itriinr trujf er atark und weit über der weissen HsUlierse. Ka Keheint, d:ii>B in diesen Füllen die 
Brüne an» einzelnen Platte» oder grüasomi Schuppen Instand und mehrfach die Brust bedeckte. In dem Ilaudwerker-Ordnnnp- 
buche der Stndt Wien du^ejjen sind die „Brunner und .Sarburber* , d. i. l'niuerwirker, ^leicliludeutend. — * friseli. Wörter- 
bach I, 14(i. — 1 I.ü». I. 2, de llectnre. — 4 Witfalui», v. 737 1 »ei|. 



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Die Siegel pf.b üstekkeichtschb* Regenten. 



185 



Um die Nähte zu schützen, suchte man sie durch Leder zu verdecken, so entstand das soge- 
nannte leder streifige Ringhemd; ein solches Huden wir in den Bildern der Hedwigslegende 
und auf dem ältesten Landeasicgel von Böhmen. 

Endlich kamen die Panzerhemde (eottes des maillc), die aus in einander gefloch- 
tenen Ringen bestanden. Da jeder Ring die neben ihm befindlichen vier Ringe aufnahm, 
so bot dieses Geflecht eine ziemlich undurchdringliche Hülle. Die Schwierigkeit jedoch, welche 
die Verfertigung desselben darbot, so wie der Umstand, das» die Erfindung des Drahtziehens 
erst dem Anfange des XIV. Jahrhunderts angehört, früher also der Draht geschmiedet wer- 
den niusste, hatten zur Folge, dass die Panzerhemde in früherer Zeit seltener vorkamen. 
Sowohl die Ring- als auch die Panzerhemde wurden beim Wappnen des Ritters über den 
Kopf gestülpt, daher waren beide, um in die Armcl gelangen zu können, an der Brust auf- 
geschlitzt, welche Öffnung durch Spangen zu schliessen war; darunter trug der Ritter eine 
Platte, unter welcher jedoch Anfangs keine gediegene Eisenplatte zu verstehen ist; denn 
gleichzeitige Dichter erwähnen ihrer als aus mehreren Stücken bestehend , und Ulrich von 
Liechtenstein erzählt, dass ihm Schild und Harnisch durchstochen wurden, und an einer 
anderen Stelle, dass ihm der Speer durch die Platte drang '. Wahrscheinlich war die letztere, 
so wie die Brüne aus Ring- und Panzerwerk, wenigstens sehen wir auf dem Siegel des Her- 
zogs Bolko von Schlesien vom Jahre 1298, welcher eine solche Platte Uber dem Waffenrock 
trägt, dieselbe aus Ringgeflecht verfertiget. Doch nicht blos Lanzenstösse , auch gewaltige 
Hiebe drangen oft durch die Brüne und deren Eisengeflecht : 

„Herr Gny von Waleis den Heiden, 

Als er ihn narh genug erreicht, 

Mit des .Schwertes Spitze streicht: 

Er spaltet ihm Brune nnd Eisengawand, 

Durch die Brust er ihm zu Hand 

Schlug eine starke Wunden, 

Davon er Überwunden 

Dem Tod sich musst ergeben 

Im XV. Jahrhundert kommt der Ausdruck „mailanische Panezir" vor, das ist ein Panzer- 
hemd von besonders fleissiger Arbeit, wie Italien überhaupt gute Waffen lieferte; dagegen ist 
das schlechte Panczier ein einfaches Panzerhemd*. 

Obgleich das Panzerhemd schon durch die Verschlingung seiner Hinge zusammenhielt 
und hierzu nicht wie das Ringhemd einer Unterlage bedurfte, so niusste doch ein mit Werg 
oder Wolle gut abgenähtes Wamms (Lendner genannt, auch Untcrwanibas, bamaz, bombeis 
oder Joppen; lateinisch: bombasium , wambasium; französisch: wamboison, gambeson; 
italien. rl zupon) von Leinwand oder Leder darunter getragen werden, weil gewaltige Hiebe 
und Lanzenstüsse schmerzliche Quetschungen verursacht oder die Ringe selbst in das Fleisch 
getrieben haben würden. Im XIV. Jalirhundcrt wurden diese Lendner stark abgesteppt , oft 
bis zu einem Finger dick, häufig durch Eisentlieile , „Musisen", Musseisen 1 verstärkt und statt 
der Rüstung selbst getragen , vorzüglich die Beinberge , welche au den Knieen mit eisernen 
Becklein versehen waren 4 . Der Sitte, Eisenplatten oder Spangen in das Gewand einzunähen, 
erwähnt auch schon Seifried Helbling, indem er von einem Knappen erzählt: 

* L. c. 223 und 2)lL>. - * Guis v. Walnia, 1. c. v. 76 V. sc.]. - 3 Leber, kaincrlichos Zcughau.1 . paff. |8». — » Stücke 
von Panzer. Frisch, Wörterbuch, I, G7Ü. - » Annahm des n:«*sauisohnn Altcrthumitvereinc* VI, 427, 431, 4-VJ. 



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181) 



Kam. von Sava. 



„Für gespitzet was stu huot, 
dä was Isen tn vernaet, 
gin küllcr fest uude stact 
nf ntiz an das kinne, 
da was oueh Isen inuc 
daz «In zc rechte was genuoe 

Mit den Ring- so wie mit den Panzerhemden stand eine Kapuze in Verbindung, 
welche Uber den Kopf gezogen das Hinterhaupt so wie die Seitentheile des Gesichtes deckte. 
Auf dem Heerzuge wurde sie, der Bequemlichkeit wegen, nicht Uber das Haupt gezogen und 
hing dann Uber die Schulter herab. 

Die Handschuhe waren mit den Ärmeln der Brüne entweder in einem Stücke oder von 
derselben getrennt. Im erstcren Falle waren sie auf der belederten Handfläche aufgeschlitzt, sodass 
man hier die Hand herausgeben und den Handschuh zurückfallen lassen konnte; im letzteren 
Falle waren sie häufig mit Schuppen oder kleinen Schienen verstärkt, „verblecht". 

Auf gleiche Weise, wie der Oberleib, waren auch die Beine durch Hosen mit Schuppen, 
Ringen oder Panzergeflecht geschützt, wobei noch des älteren Gebrauches zu erwähnen ist, 
dass nur der rechte Fuss mit einem Ringhamisehe bekleidet wurde, weil den anderen der lange 
„fussabreichende" Schild deckte. Auf den Bildern der Herrad von Landsberg lauft das Geflecht an 
den Waden und an den Fusssohlen nicht ununterbrochen fort, sondern man sieht in stellen- 
weisen regelmässigen Kntferuungen braune Zwischenräume , wahrscheinlich Leder , sei es 
dass das Geflecht darauf genäht , oder frei darüber gezogen , und zusammen geheftet oder 
geschnallt wurde. 

In dieser Rüstung bot der Ritter dem minder gut geschützten, «emeinen Krieger , so wie 
den Geschossen der Schützen, wie hinter einer Mauer Trotz : 

„Ir besten schützen vier 
liez ich mit willen zuo uiicr 
ir schtlzxc satcu, 
wau ich in minor platen 
und minem hclmvaz 

ir schiezens niae genesen V — 

aber nur so lange er auf seinem starken Streitross süss. Wurde ihm dieses erschossen oder ersto- 
chen, so war er unter der Wucht seiner Rüstung zu unbehülflich zur Wehre : 

„Wen man im daz roz crslUcge, 
er mlieste sich gevangen geben 
wolt er behalten da» leben V — 

und mancher, der im Schlachtgemenge zu Boden fiel , erstickte unter der Last des Panzers und 
Helmes. Als Friedrich der Streitbare den Böhmen bei der Stadt Laa mit nur 70 Mann entgegen 
ritt, Hess er dreissig Schützen vorzüglich auf die Pferde der Feinde schiessen ; als sie auf diese 
Weise vielen Schaden erlitten, riefen sie allgemein: „Ihr Herren von Osterreich, ihr seid Ritter 
und sollt uns deswegen ritterlich bestehen und mit dem Schwerte hauen, um willen aller Frauen. 
So aber schiesst ihr uns die Pfeile in die ftisendecke und auf die Pferde , dass wir auf das Moos 
fallen, das ist nicht ritterlich gethan. Verflucht sei dessen Hand , der euch du* Schwert umband, 
und der euch den Schild gesegnet hat, dem werde kein Seelenheil, er hätte euch lieber einen 

' .Seyfricd, HWblingl.v. 324-329. - Otakar v<m Hornel:. - 3 Knoonkel, tauch, Script.), 34«. 



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DlE SlfcOEL PER OSTERItLKHISCItLS Kkgknte.n. 



187 



Köcher einsegnen sollen." Doch es h«alf weder Rufen noch Klugen, wer auf den Plan niederkam, 
inusste sich mit der Hand fangen lassen Und der Herr von Meisberg sagt Uber den Zug des 
Ulrich von Walsee: „Man halt mich sonst für einen Mann, wir begegneten einmal den Leuten 
Walsee's auf offenen» Felde; das ungeharnischte Volk hat uns aber hart zugesetzt und durch das 
Schicssen auf das Gras gebracht, und wenn wir unten waren, kamen die Knechte mit ihren klafter- 
langen Schwertern und wir mussten uns «efangen geben. Es mag einer mit aller Pracht aufreiten, 
die mit der blossen Haut machen ihn so milde, dass er alles von sich wirft 5 ." 1 

Wie gross die Last des Helmes und Panzers war , geht aus der Erzählung Otakars von 
Horneck hervor. Als der Erzbischof von Cöln in der Schlacht bei Wurnieh im Jahre 1288 gefan ; 
gen worden war, Hess ihn der Herzog von Brabant einsperren , so gekleidet , wie er gerade war. 
Keines der UllstungsstUcke durfte er ablegen, als ginge er stets zum Streite; mit. aufgebundenem 
Helm, mit Gurthosen, Halsberg, Chursit, Platten und Schwert musste er dasitzen. Nur zum Essen 
band man ihm Helm und Manikel ab. Wäre er des Harnisches ungewohnt gewesen, er hätte Kraft 
und Verstand verloren 3 . 

Dennoch galt es bei den Niederländern nach Ansicht der Frauen für Schande, die Rüstung 
abzulegen und durch verstellte Flucht oder aus der Ferne durch Geschosse Vortheil zu 
erringen : 

r Üie Xydcrlander waren in dem wan, 

es was nncrlieh getan, 

daz man den harnasch soltc ziehen 

und undcrwileii vliehen. 

An rittern preisent die frouwen 

nit anders dan huuwen 

und feste vorhalten',- 1 

Allein der Feldherr Alberts. Ulrich von Walsee, lässt diese Ansicht keineswegs gelten und 
meint, im Turniere diene er wohl den Frauen mit dem Speere; aber im Dienste seines Herrn, wo 
es gelte des Feindes Gelegenheit zu erspähen , räume er ihnen kein Urtheil ein. In Österreich 
legten selbst Ritter den Harnisch ab, um behender mit dem Bogen kämpfen zu können, was jedoch 
dem steirischen Ritter Friedrich von Harneck übel ausschlug: 

r L>» hat derselb hell guet 
durch seinen stolzen mnet 
Seinen guten hämisch abgezogen, 
durch das er mit dem pogen 
dester behender wär, 
des? wart er vcrlustpür; 

do in der veint aincr sltiog 
In den dyez-adcr ainen slag, 
Davon er gclag 
Tot so znhantV 

In der zweiten Hälfte des XD7. Jahrhunderts fing man an einzelne Glieder mit Stahlplatten 
zu schützen, zuerst die Schienbeine, dann den Oberarm, die Ellbogen und die Knie; auch Blech- 
handschuhc wurden getragen, sowohl gefingerte als auch Fäustlinge. 

' Ennenkel, 1. c. :U0. — » Otakar von Hnrncrk. Cap. 714. paff. «563, col. a. - < Otakar von Horneck, Cap. :».*»:». p» K . .VW. 
etil. n. - » Otakar von Hornttk. f'sp. 714, pag. 668, ml. a, l>. im Kru-p«' ngen <len ChurfUrsten ven Mainz. - •'• Otakar von 
Hornerk, Cap. 713, pag. 667, col. b. 

IX. oß 



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ISS 



Kaki. vos Sava. 



Den Hals, welchen anfangs « in „Gollir* aus Panzerwerk oder von Leder, zum Theil mit ein- 
genähtem Eisen deckte, schützte in späterer Zeit der „Barf (anno 1436), auch Magenblech, Hnist- 
bleeh, Oherbrnsthleeh genannt; er war ungefähr anderthalb Spannen hing und eine Spanne breit. 
Ks seheint, dass die Rüstung am Halse, so wie der Schoos* die meisten Blossen gaben: 

r IIic gefang, dort stich und flucti 

da nincr auf dem andern lakch, 

Mit inczzcm kitzeln imb den nakh, 



Man sah gar feindlich tasten 

under go Iiier, under schozz 

mit schärften swerten-spitzen klozz'." 

Als in spilterer Zeit der Helm ein Kinn hatte, verloren sich die Härte an den Feldhamischen 
und blieben nur bei Turnieren als l'berstüek in Gebrauch. Auch die Brust deckte eine halb« 
Platte , die nur den unteren Theil der Rippen sehfitzte . Hein» und Platte waren bisweilen mir 
Sammt von derselben Farbe überzogen. Zu einem Zweikampfe erscheint im Jahre 11 (»4 festgesetzt, 
dass der Panzer oder Riugharnisch nicht mehr als zwanzig .Münchner Pfunde haben, und frei und 
ledig über die Joppen gelegt sein soll , und weder zusammengezogen noch aufgebunden 
sein darf-. 

Die erwähnten Plattenstücke waren anfangs einzeln angeschnallt, ohne Verbindung unter 
sich; bald wurden der Stücke mehrere, bis sich im XV. Jahrhundert der gegliederte Platten- 
oder Blech harn i ß c h herausgebildet hatte. Bei dem Plattcnharnisch war die Brust bisweilen 
ein Krebs, d. h. sie bestand aus übereinander geschobenen Leihstreifeii ; gingen diese bis zum 
Halse, so nannte man sie einen ganzen, war nur die untere Hälfte geschoben, einen halben 
Krebs. Zum Einlegen der Lanze befand sich an der Brust ein „Gerüst, Rüsthaken". Zur Deckung 
der Achselhohlen waren Flüge angebracht; hatten diese eine aufrecht stehende eiserne Wand 
(jrarde-cou), so nannte man sie ein Paar „Rendt-'; Achsel mit Aehselscheiben hiessen ein Paar 
„Spangeroi" (anno 1436). Flüge von Panzerwerk, um die Stellen zu schützen, welche der Blecb- 
hannsch nicht deckte, nannte man ein Paar Herren flanken. Das Armzeug fing vier Finger 
unter der Achsel an und reichte bis zum Handgelenk, die „Mäuscln u zum Schutze der Ellbogen 
waren aus Eisen getriebene kleine Becken, und so wie die Kniebuckeln gewöhnlich zum Abstecken 
eingerichtet , in den Armbeugen waren PunzerHecke angebracht. Zum Feldgcbrauchc wurden 
gewöhnlich die Panzerärmel als leichtere Bedeckung beibehalten. 

Der Bei n hämisch fisenhose^ deckte Sehenkel und Schienbein» bis au die Knöchel , 
der D iechharni seh aber blos die Schenkel und Knie, manchmal nur die ersteren allein, dann 
waren die Knie durch Buckeln geschützt. Der „eiserne Bruch" war eine Panzerhose. welche die 
Hüften und Dickbeine umgab. An den Schienbeinen wurden entweder Beinröhren getragen, 
welche auch die Waden umschlossen, oder Halbseidenen, die nur die Vorderseiten «leckten. Die 
Schuht bestanden entweder aus Panzer- oder Plattenwerk. Her kurze Schooss war gewöhnlich 
geschoben und unter demselben trug man einen Schurz aus Ringwerk (tablier des mailies). 

Dass ein solcher Plattenharnisch dem Körper seines Eigcnthümers genau angepasst sein 
musste . um die freie Bewegung der Anne und Beine nicht zu hemmen , versteht sich wohl von 
selbst. Herzog Sigmund von Tirol hatte dem Könige Matthias Corvin einen Harnisch zum Ge- 
schenke gemacht, und wollte durch den Überbringer wissen , wie er ihm passe; in seinem Dank- 

' .Snchfnwirtli. I. c. XV, v. Iii. ff. - '-' I.Micr, k»i*. Z> usli uis. |s.> m<). 



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Die Sieoki. der ösTEnnEicHisciiF.s Rkgentrn. 189 

schreiben erwidert der König, dass der Harnisch sich seinem Körper so anfüge, dasa es nicht 
besser der Kall sein könnte, wenn an ihm selbst das Mass genommen worden wäre 1 . 

Die Panzerhemde , Pnnzerilruiel , Panzcrsehnrze wurden von einer eigenen Innung, den 
Ii r ii ii c r u oder Sarwirkern 3 verfertiget, in deren Handwerk die Helmschmiede und 
Pin t tu er nicht Übergreifen durften. Die letzteren verfertigten Plattcnharnische , und keiner 
durfte »ich in Wien als Meister festsetzen , der nicht einen ganzen Mannsharnisch machen 
konnte. 

Endlich ist noch des Corazines zu erwähnen, eines Schuppenharnische», bei welchem 
der bunk- Stoff mit den Nieten nach auswHrts gerichtet , die Schuppen nach Innen angebracht 
waren. Dadurch glich er einem mit zahlreichen Stahlpunktcn bellten, knapp anliegenden Gewände; 
manchmal wurden die Nieten vergoldet oder man gab ihnen zierliche Formen. Die Stoffe, aus 
welchen die Coraziue verfertiget wurden, waren Sanimt, Seide und Goldstoff mit starker Leinwand 
nnterfiWtcrt; sie waren der schnellen Abnützung wegen ein I*runkgewand und dienten weder zum 
Streite noch zum Turniere. 

Wenden wir uns nach dieser Einleitung zu den Siegeln der österreichischen Herzoge , so 
finden wir im XII. Jahrhundert das einfache Ringhcmd mit dem umgehenden Schurze , wie die 
nebeneinander liegenden Hinge auf den Siegeln Heinrich Jasomirgotts und Leopolds des Tapferen 
erweisen. Die feineren halben Hinge an der Halsriistung Leopohls des (j lorreichen und Fried- 
richs des Streitbaren deuten entweder auf ein geschobenes Ringhemd oder bereits auf einen 
geflochtenen Panzer; beide waren damals im Gebrauche, wie aus gleichzeitigen Gedichten her- 
vorgeht, welche von Hieben sprechen, unter denen die Ringe von der Halsberge wegstoben oder 
verschnitten und aufgetrennt wurden; dann aber auch wieder melden, da-ss die blanke Halsberge 
mit Fleiss gewirkt war: 

.Er sluoe eiu »lue vreisam 
duz die rin^e von stäl 
stillten Uber nl 
au dein halsliergt* sin;- 1 — 

und dagegen : 

„lr «lecke, ir lialxbergc wiz 
{reworeht mit guotem vliz^ 

Auch die folgende Stelle bei Wigalois deutet auf ein geflochtenes Panzerhemd : 

r Selbcr streift er das Ki.«eii{rcwa»d 
In seinen Schild hernieder '. u 

Die Habsburger haben, so weit sich dies aus einzelnen Theik», namentlich der Armrüstun»- 
erkennen lüsst, ebenfalls thcils Hing- theils Panzerhemden. Rudolf IV. hat auf der Kehrseite 
seines Mllnzsiegels am Halse und am Arme Hinggeflechte und an den Hiindcn gefingerte Hlech- 
handschuhc. Den Leib deckt ein Gorazin, unter welchem ein Panzerschurz hervorragt: die Hosen 
Uber den Knieen sind Ringwerk, Plattenstücke schützen Knie und Schienbein, und die Füsse 
sind mit Schnabelschuhen aus Ringwerk bekleidet. Diesem Fusssiegel gleicht, hinsichtlich der 
Wüstung, auch die auf der Vorderseite beiindliche Reiterfigur. Auf seinem grossen Heitel siegel hat 

' Anna, <|ii:u> fniumiu» vo*tri» nobis misit, im cunviiiiunt i-rirpori noatro. Ht neqiie melius ethm mihi« 

iacn*ur..tii pnu-bpnlilms labricari pntiiiMant. OlmüU, 20. A»gu»i 146*. Lk-linowaky , Cpschiohtc de» Hauses Hab.ibunr. llvg- 
Xr. 1300. - -'Vom Althochdeutschen: .Saro = Panier; .Sarring, Paiuerrlujr; Si.rmck. -Sarwat; Sarbulv. das lederne Dehiiltais» für 
«kii Paunr. - Knnenkcl Lei Ranch. Script. I. 362 und 3-11. — * 1. c. pap. t:,, v. 3<M un.i Z»:>. 



UM) 



Kaki. vok Sava. 



Rudolf IV r . statt des Oorazins ein Schuppenwamms und gleiche Hosen, eben so suine beiden 
Brüder Albert und Leopold III. Noch Leopold der Stolze (anno 1408) hat den Oberleib 
mit einem Panzerhemd bekleidet , dagegen Huden wir bereits bei Wilhelm dem Freundlichen 
(anno 1404) den Plattenharnisch, eben so bei Ernst dem Eisernen. Der letztere hat unter dem 
geschobenen Schoos« ein ausgezacktes Panzerhemd, und die innere Seite des Armzeuges nmOher- 
arme besteht aus Ringwerk, während der Unterarm in Rühren mit gespitzten Mäuseln und »c- 
fingerten Blechhandschuhen steckt. Albert V. hat auf seinem Osterreichischen Reitersiegel den Unter- 
leib durch einen Panzerschurz gedeckt, wilhrend auf jenem für die Markgrafschaft Mähren ein 
Plattenharniseh mit geschobenem Schoos* vorkommt. Die Kelu-seite des österreichischen Herzog 
Siegels, welches Friedrich V. vor seiner Wahl zum deutschen Könige führte, zeigt den Herzog 
stehend mit dem Fürstenhut auf dem Haupte. Der Hals ist durch ein Collier ans RinggeHechr 
geschützt, das Bruststück des Plattenhamisehes ist hohl geschliffen, die Beintaschen sind gescho- 
ben, vorne ausgeschnitten, und unter denselben ragt ein ausgezackter Panzerschurz hervor. Den 
Oberarm schützen nach Aussen theils geschobene Platten mit Achselscheiben, theils Panzerwerk, 
nach Innen durchaus RinggefiVcht. Die Unterarme stecken in Schienenröhren mit gespitzten Mihi- 
sein an dm Ellbogen , die Handschuhe scheinen Fäustlinge zu sein. Eben so besteht die Bein- 
rüstung aus Platten mit gespitzten Kniestücken und geschobenen Schuhen. Eine gleiche Rüstung 
trügt der Fürst auf der Vorderseite desselben Siegels, nur hat er den Stechhelm auf dem Haupte 
Ähnliche Wappnung finden wir auf dem Reitersiegel Alberts VI., nur sind die Kniebuckeln rund 
und haben an den Seiten abstehende Scheiben. 

Sowie man die Helme durch Überzüge und Decken theils gegen die Einwirkung der Sonnen- 
strahlen zu schützen, theils zu schmücken suchte, ho geschah dies auch bei den Panzern, 
indem man Waffenröcke Uber denselben trug. Diese waren weite Tuniken ohne Ärmel und um 
die Mitte gegürtet. Sie reichten manchmal bis an die Knöchel, manchmal nur bis an die Knie: um 
den Reiter nicht zu belästigen', waren sie vorne und rückwärts von unten bis zur „ Gabel- 4 hinauf 
geschlitzt , bisweilen sind sie an den Seiten von dem Gürtel nach abwärts auseinander geschnitten. 
Sie kommen zum erstenmale auf den Siegeln Leopolds des Glorreichen vor, einfach, ohne Verbrä- 
mung am Halse oder den übrigen Säumen, anfangs unten ausgezackt und gezattelt, später gerade 
abgeschnitten. In dieser Form erhalten sie sich bis zu Otakar, auf dessen grossem Doppelsiegel 
der Waffenrock zum erstenmale am unteren Saume mit einer breiten Borte besetzt ist. Bei den 
Habsburgern sind sie wieder ohne Verbrämung und fangen au kürzer zu werden , indem sie nur 
bis an das Knie reichen; auch scheinen die Schösse nicht geschlitzt zu sein, indem die Waffen 
l ocke knapp anliegen. Auf zwei späteren Siegeln Alberts II. und seines Bruders Otto sind die Rin ke 
vorn unter dem Gürtel abgeschnitten, so dass der Panzerschurz sichtbar wird, während der rück- 
wärtige Theil, der bis an den Schenkel geht, in der Luft flattert. Unter Rudolf IV., welcher auf seinem 
Doppelsiegel ein Corazin und auf dem späteren grossen Reitersiegel, so wie seine Brüder Albert III 
und Leopold III., ein Schuppcnwamms trägt, verliert sich der Waffenrock gänzlich. Mit den Platten- 
harnischen kommen statt der Waffenröcke an den Schultern befestigte Lappen .Flüge 1 " vor; 
zuerst unter Wilhelm kurz, bei Emst dem Eisernen, Albert V., König Friedrich III. und Albert VI 
aber von ziemlicher Länge. 

Die Waffenrücke waren oft prächtig, von Sammt oder Seide, Pfelber oder Scharlach, aus 
Gold- oder Silberstoffen, mit Gold- oder Silberborten verbrämt oder besetzt, mit Stickereien ver- 
ziert, mit Pelzwerk ausgeschlagen und mit Seidenstoffen gefüttert. Der Waffenrock des Vogte* 
von Lengenbach war aus rothem Sammt geschnitten und mit goldenen Eichenblättern durchwirkt. 
Meistens aber stellten die Stickereien die Wappenfigurren dar. In diesem Falle hatte der Warfen- 
rock die Farbe des Schildfeldcs und darauf wiederholte sich die Wappenfigur. Otto von Meissau. 



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DlE StECEL DER «»STERBEICUISCHEN REGENTEN. 



191 



der ,»o gezimiret wm\ dass ein Kaiser daran genug gehabt hätte", trug einen Waffenrock aus guter 
Seide und Gold, auf welchem „zobclfarbene Einhorn" gestreut waren 1 , und Wok von Rosenberg 
hatte einen Waffenrock von rothem Sannnt und darauf weisse Rosen mit Perlen zierlich einge- 
wirkt 1 . Das Wappen des ersteren war ein schwarzes Einhorn im goldenen, jenes des letzteren 
eine silberne Rose im rothen Felde. Bisweilen stellt der Waffenrock da« Wappen selbst dar; denn als 
Friedrich der Streitbare sich bei den Schotten mit dein Schwerte umgürten Hess und zweihundert 
Edle zu Rittern sehlug, da trugen alle Österreichs Farben: 

r Von ganzem sehärläcli kleit 
da durch ein strich gemeit, 
der was wizer dnn ein swan'." 

Auf einer Reiterabbildung Herzog Alberts III. 1 trägt der Herzog über dein Panzerhemde einen 
Waffenrock ohne Ärmel, der an Brust, Leib und Hüften knapp anliegt und um die Säume eine Ver- 
brämung von doppelten Goldborten hat. Er ist nach den Farben Österreichs roth und hat nur 
in der Mitte des Leibes einen breiten weisen Streif mit Goldborten besäumt. 

Mit Wappen verzierte Waffenrücke kommen auf den österreichischen Siegeln nicht vor, 
wohl abe r auf den niederländischen, englischen und französischen. Hat das Wappen nur eine Figur, 
so ist der Waffenrock mit derselben bestreut; hat das Wappen mehrere Felder, wie z. B. das eng- 
lische, so zeigt der Theil des Waffenrockes über dem Gürtel das erste und zweite Feld, der Theil 
unter dem Gürtel das dritte und vierte Feld, und zwar sowohl auf der Brust als auf dem Rücken 
des Ritters. 

Beim rkenswerth ist, dass in Füllen, wo von vorzüglicher Pracht oder von Reichthum der 
Rüstungen, von ausserordentlicher Kraft und Tapferkeit, oder von Gewandtheit im Kampfe die 
Redt' ist, die österreichischen Dichter stets die Ritter am Rhein als Vorbild oder Vergleich anfuhren. 
Als Herr Urning von Scheufeiich mit Ulrich von Liechtenstein tiostirte, führte er wohl 500 Schellen 
an sieh, sein Ross sprang in kleinen Sprüngen , laut erklang sein Zimier, Silber und Gold war auf 
grünem Zendaf geschlagen und glänzte so licht, dass um den Rhein kein Ritter schöner gezimirt war". 
Als Friedrich der Streitbare in der Schlucht bei Laa mit einem fremden Ritter kämpfte und diesem 
vun dem Zimier ein Horn sannnt dem Helmdache abgebrochen hatte, und beinahe vier Finger 
abhielt, versetzte der Ritter dein Herzog einen Schlag, dass ihm du« Blut von der Hand rann; da gab 
der Fürst seinem Pferde die Sporen und führte auf den Fremden einen Streich, dass die Ringe 
von der Halsberge wegstoben: man mochte Wunder an dem Rheine sagen, wie er ihn schlug. Der 
Kampf wurde immer erbitterter, bis der Herzog dein Ritter den Hehn durchschlug, dass das Blut 
aus den Ohren stürzte und er gezwungen war sich zu ergeben". An einer anderen Stelle sagt 
Ennenkel : 

„Dö kämen die von liudisstn, 
und waereuz rilter von dem Rin 
gewesen, es waere genuoe 
si wneren behende und kluocv * 

Die Fussbekleidung bei den Ring- und Panzerhemden, so wie bei dem Schuppenpanzer, 
gewöhnlich in unmittelbarer Verbindung mit den Hembergen, ist meistens sehr lang und spitz zulau- 
fend; dadurch geschieht es, dass sie sich, sobald der Ritter zu Pferde sitzt, nach abwärts senkt. Auf 
den Österreichischen Fürstensiegeln kommen diese Schnabelschuhe (sollcrets) vom XII. Jahr- 
hundert angefangen bis in die zweite Hälfte des XIII. vor. Auf den Siegeln Otakars erscheinen 

1 Ulrich v»n Liechtenstein. 1. c. 4S2. — * Rauch. I. c. 1, 341. — » Rauch, I. c. .11«. — » Codex der k. k. Hofbibliotliek Xr. >7<iö. 
Ful. -13. ». — •'• LMchman, I. c. 205. — « Ennenkel, 1. e. 3ßü. — T Ennenkel, I. c 343. 



192 



Karl vom Sava. 



sie nicht, erst Rudolf IV. (anno hat sie wieder, und von da an dauern sie bis zu dem Ver- 

schwinden der Reitersiegel fort. 

Sporen treffen wir auf den Siegeln Leopolds des Heiligen und Heinrichs Jasomirgott; bei 
letzterem einmal mit Kadern, sonst mit kegelförmiger Spitze. Von Heinrieh Jasomirgott bis zu 
Hennann von Baden sind Sporen auf den Reitersiegeln der österreichischen Fürsten nicht bemerk- 
bar, wahrscheinlich waren sie sehr kurz und bestanden nur aus einem einfachen Dorn; anderer- 
seits muss bemerkt werden, dass der Ausführung der Heine und der Kussbekleidung der Reiter- 
siegel im XII. Jahrhundert wenig Sorgsamkeit zugewendet wurde. Sporen mit kurzem einfachen 
Dorn kommen bereits im XI.', mit langen Hülsen und Pfeilspitzen im XII. Jahrhundert vor*. 
Hermann von Baden hat Kädersporcn, Olakar, wie zum Theile die ersten Habsburger, einen 
kurzen Dorn; mit Heinrich beginnen wieder die Rädersporen, anfangs mit kurzen, im Verlaufe des 
XV. Jahrhunderts mit langen Hälsen. 

Ulrich von Liechtenstein erwähnt goldener Sporen, und es ist in den Bildern der 
Hedwigslegende auffallend, dass durchwegs nur weisse Rädersporen vorkommen, da doch die Ritter 
goldene oder vergoldete Sporen trugen. Ohne solche reiten zu müssen war eine Ehrenstrafe für 
Edellcutc, welche sich nicht ritterlich gehalten oder sonst vergangen hatten*. Die zu den deutschen 
Krönungsinsignien gehörigen goldenen Sporen wan n am Schlüsse des Halses mit einer Thierfratze 
verziert, in deren Rachen die beweglichen Räder angebracht waren 1 . 

Im XVI. Jahrhundert gab es für die verschiedenen Gattungen des Kampfes verschiedene 
Sporen: Khuressporen, Stechsporen, Kennsporen s . 

Der Seltenheit wegen erwähnen wir noch eines Sporenlehens: Das Nonnenkloster zu St. 
Martin in Erfurt hatte' von den Grafen von Gleichen eine Hube Landes und einen Hof zu Lehen 
unter der Bedingung, dafür jährlich zu St. Walpurgis zwei Rittersporen im Wcrthe zu drei Schil- 
lingen Erfurter Pfennige, oder den letzteren Geldbetrag zu reichen". — , 

Die Schilde bilden in ihrer Hanptforin ein Dreieck, das im XII. Jahrhundert oben abge- 
rundet, an den Seiten ausgebogen und gegen die Spitze zu bedeutend verjüngt ist; ihre Länge 
reicht von der Achsel bis zur Hälfte des Schienbeines, mit ihnen wechseln kürzere, breite, herz- 
förmige Schilde, welche zu Ende des XII. Jahrhunderts das Übergewicht behalten. Unter Fried- 
rich dem Streitbaren (anno 12 HU) verwandelt sieh die bisherige Form in ein geradliniges Dreieck, 
dessen Seitentheile sich allmählich stark ansbiegen, während die Schilde seihst immer kleiner 
werden. 

Auf den Siegeln König Friedrichs III. und Herzog Alberts VI. erscheint das Stechschild 
oder die Tartschc, welche auf einer Seite mehr geschweift ist als auf der anderen und an der 
rechten Seite einen tiefen Einschnitt hat, durch welchen beim Turniere die Lanze ging. 

Die Schilde waren im XII. Jahrhundert gewölbt oder sie hatten in der Mitte eine Kante, 
von welcher die beiden Seiten dachförmig abliefen 7 , so dass sie den Leib zum Theile umschlossen. 
Sobald die Schilde die Form des geradlinigen Dreieckes annehmen, verliert sich die Wölbung und 
das Schildfeld wird flach; erst unter Rudolf IV. kommen wieder gebauchte Schilde vor. 

Mittelst eines an Ringen befestigten Riemens von Leder oder von starken seidenen 
Borten (Schildlöre, Schildfessel) wurden die langen fussabreichenden Schilde über die 
Schulter gehangen; sie waren mitunter von bedeutendem Gewichte, so heisst es von Roaz: 

1 Auf dem Siesel Heinrich», I'fal/grafen vom Rhein: Douinn« de Lacu, anno HK>3. — '-' Auf den .Siegeln Wilhelms von 
Luxemburg, anno II und Dlrichs von Kärnthen, anno 1194. — J (Jrimin, Rcchtsuhcrthüiuer II, 712. — * Mltthciliingen der 
k. k. ('entral-l'oininiüüiuu zur Erforschung und Erhaltung der Handenkmale II, 127. — s Leber, kaiserliche» Zcuglnnm, |»ag. 
— « Menker. Script. .S.ix. I. col. ööi. — ; Aueh in den Bildern dir llcrrad von Landaberg, ). c. 



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Dl»: SlEQEL ÜEK ÖSTERREICHISCHEN HecESTKN. 



1113 



„Einen Schild am Ann er trag, 
Daran hilft' ein Mann genng 
Zu schleppen auf dem Klicken, 
Kr mochte zu einer breiten Krücken 
Dienen Uber Küche'." 

Die kleineren Schilde wurden lose um den Hals an der Brust getragen , und die Riemen 
oder Schnüre sind an den Enden mit Quasten besetzt, welche über den Kücken des Reiters herab- 
hängen. Mittelst zweier anderer Riemen, welche zwei horizontale Schlingen bildeten, durch die 
man den linken Arm von unten nach oben schob, wurde er gelenkt". 

„Kr stach mir abe den arm niYn 
den schild. daz al die riemen stn 
bra sten" . . . .* 

Nach der Lagerordnung des Friedrich Barbarossas soll der Ritter, sobald er zu Pferde sitzt, 
den Schild um den Hals und die Lanze in der Hand haben; im Kampfe wurde der Schild an den 
Hals genommen : 

r Kcy den Schild zu Halse nahm, 
Mit Zum er aus dem Kurglmf kam, 
Er wollt" erjagen den Gewinn, 
Mit grossen Schimpf verlor er ihn'." 

Die Art die Schilde zu tragen war verschieden, die langen wurden schräg mit der Spitze 
nach rückwärts gehalten , die kürzeren herzförmigen trug man anfangs mit der Spitze 
senkrecht nach abwärts, spiiter war die letztere nach vorwärts gekelirt, die dreieckigen endlich 
wurden horizontal mit der Spitze nach rückwärts gehalten. Die Limburger Chronik erwähnt zum 
.fahre 1:151, dass man den Rittern ihre Tartschen, Schilde und Giern- auf den HcerzUgen nach- 
führt, während sie zum Jahre 1380 angibt, dass unter hundert Kittern kaum Einer einen Schild 
oder eine Tartschc in der Schlacht oder heim Stürmen hatte*. 

Die Schilde waren in älterer Zeit von Holz, mit Leder oder Leinwand überzogen, und 
bisweileu mit einer Spange von Metall umfangen, dem Schildrand, von welchem das Schild selbst 
Hand genannt wurde: 

r Dü «ach man von in schinen 
vil mnnegen herlirhen rant'. u 

In der Mitte waren sie mit einer Spitze aus Eisen versehen ; vorzüglich ist dies auf den Siegeln 
der älteren Herzoge von Böhmen der Fall. Die Verfertigung der Schilde aus Holz erklärt die in 
den mittelhochdeutschen Heldengedichten vorkommenden Erwähnungen von durchbohrten, 
zcrklobenen und zerhiiuencn Schilden, von welchen die Splitter zu Thal, d. i. zur Erde 
fielen. 

.Kr sluoe mit cllcnthafter hant 
dem l'rinzclin dei schiltcs rant, 
daz im ein grozzer schiel 
zc tal von einem scbilde viel'." 

und : 

r Von unser beider speres ort 

wart loch durch schilt mit tj.ist gebort \- 

1 Wigaloia. 1. c. v, 7:t.'»H — 7."1(>'J- — • Diese Art, die Scbililc zu tragen, ist l>e«undfr» deutlich mit dem Siegel des t träfe» 
Adolf von «kr Mnrk, anno 1 2-I0. — ' Ulrich von Liechtenstein, l. c. piig. '>09. — 4 Wigalois, I. c. v. &l; auch bei Ulrich 

von Liechtenstein kommen hierauf bezügliche Stellen vor. — » AiiiihIoii des nMsaiiisehcn Altcrthumsvercines, VI, VM und 4« 4 
« Niebelmigenlicd, v. t«fi- — 7 Enncnkel bei Knuch, I. c. I, 3.'.7. — * Ulrich von Liechtenstein, I. c. >V> 



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1114 



Kahl von Sava. 



In den Bildern der Herrad von Landsberg wird ein Hitter durch Schild und Panzer mit dem 
Speere durchstochen, und auch im Wigalois heisst es, dass die Speere ho grimm und wild ver- 
Btocheri wurden, dass von den goldenen Scldlden bald keines mein* brauchbar war \ 

Die Schilde wurden gefärbt oder mit farbigen Stoffen, Leinwand. Seide oder Sammt 
Uberzogen. Anfangs waren sie einfarbig, auf den Abbildungen der Herrad von Landuberg meist 
roth, grün und weiss, selten violet, sie sind ledig, d. i. ohne Wappen, höchstens mit Quer- 
oder Sehrägbalken verziert, erst später werden in dieselben Wappen aufgenommen. 

Nur freie, waffenfähige Männer durften den Schild tragen, daher sie auch Schi Id hurtig c 
genannt wurden. 

Nur Ritterbilrtige waren lebensfähig und gehörten als solche zum Heerschild. In so 
ferne von höheren oder niederen Heerschilden die Rede ist, deutet dies auf die Abstufungen der 
Lebensfähigkeit. Wer Lehensmann seines Genossen wurde und Mannschaft leistete, dessen Heer- 
schild wurde dadurch erniedrigt. 

In den ersten Heerschild gehörte der König, er hatte keine Genossen und konnte Niemandes 
Mann sein. In den zweiten Heerschild gehörten die geistlichen Reichsfürsten , deren Mannschaft 
sich durch die Investitur mit den Regalien herausbildete; sie durften keines Genossen und keines 
Laien Mann sein. Den dritten Heerschild nahmen die weltlichen Fürsten ein, sie konnten Mannen 
des Königs und der geistlichen Fürsten sein. In dem vierten Heerschild standen die freien Herren, 
welche vom Reiche oder von Fürsten Lehen hatten, in den fünften und sechsten gehörten die 
Mittelfreien und Dienstmannen. Der Sachsenspiegel erwähnt noch eines siebenten Heersehihle*; 
in diesen konnten wohl nur nicht ritterbürtige Freie gereiht sein, welche aber keine Lebensfähig- 
keit hatten, wälhrend gerade die letztere zum Heerschild berechtigte. Das Bestreben , die Ernie- 
drigung des Heerschildes zu umgehen, ohne die mit dem Lehen verbundenen Vortheile aufzuopfern, 
waren Ursache, dass die Einthcilung in Heerschilde bereits im XIV. Jahrhundert kaum mehr 
beachtet wurde s . 

Bei Leichenbegängnissen wurde der Schild des Verstorbenen verkehrt getragen , „der ort 
ze tal, der spitz empor" 3 . War mit einem Schildbürtigen das Geschlecht ausgestorben , so wurde 
der Schild zerbrochen und an dem Grabsteine oder dem Sarkophage umgekehrt angelehnt. Im 
Sachsenrechte hat der nicht ebenbürtige Sohn eines freien Vaters ebenfalls den Schild verkehrt 
am Halse hängen. Wenn ein im offenen Kampfe Gefallener nicht beeidigt werden konnte, so 
erwies man ihm die letzte Ehre dadurch, dass man ihm das Schwert unter das Haupt legte und 
den Schild über ihn deckte 4 . 

Auf dem Siegel Ernst 1 s des Tapferen erscheint im erhaltenen Obertheil des Schildes eine 
Zeichnung, welche einem Vogelkopfe ähnlich ist; ich wage jedoch nicht zu behaupten , dass auf 
diesem Siegel ein Adler im Schilde gewesen sei 5 . Das idteste Siegel des heiligen Leopold, vom 
Jahre 11 15, ist zu stumpf, tun etwas anderes als die Umrisse der Figur entnehmen zu lassen; auf 
den beiden folgenden sind zwei Querstreifen, vielleicht Riemen oder Mctallspangcn erkennbar, 
und auf jenem am Stiftsbriefe von Heiligenkreuz, welches ziemlich gut erhalten ist, lässt sich 
ebenfalls keine Wappenfigur erkennen, obgleich Herrgott dasselbe mit einem Adler im Schilde 
abbildet*. 

1 Wigalois v. 6<i60 *c<). — 3 Ficker. Vom Heer»chi)d. Kin Beitrag iur deutschen Reich», und Rechtsgrsehichte. Innsbruck 1S62- 

— 1 Suclicnwirth, 1. c. pag. 7, v. ltil. — 4 Wigaloi*. I. c. v. ;t<l*»f>. — » Streun, welcher «las Siegel noch unverletzt »ah, behaupte 
eit. Iluelier Austria ex archiv. mellicen. illuatrat. und Herrgott de Sifillis, bilden dasselbe bereit» frngnientirt ab, und »war 
beide, Taf. I, Fig. I. Herrgott mit einem Adlcrkopfe auf dem erhaltenen Sehildtheile. der ältere Hneber dagegen ohne die»e<>- 

- « Herrgott, l. c Taf. I, Fig. J. 



■ 



Die Siegel de» ösTcnnEicmsciiEX Reüentf.s. 



195 



Heinrich Jasomirgott hat einmal ein Ornament, ein anderesmal sind in dem von einem breiten 
Rande umfangenen Schilde vier Kugeln in Form einer Blume zusammengestellt, erst im Jahre 1170 
erscheint der Adler unzweifelhaft auf einem trefflieh erhaltenen Reitersiegel an einer Urkunde im 
Stiftsarchive zu den Schotten in Wien; und bleibt von da an bis zum Regierungsantritte Friedrich 
des Streitbaren (a. 1230) als das österreichische Wappen sowohl auf den Reitersiegeln der regieren- 
den Herzoge als auch auf den Wappensiegeln der Nebenlinie, der beiden Heinriche von Mödling. 

Leopold der Glorreiche fuhrt bei Lebzeiten seines Bruders Friedrich I., als Herzog von 
Steiermark, den Panther im Sehilde, und als er später ein Münzsicgcl annimmt, hat die Rciterfigur 
auf der Vorderseite den Adler, auf der Kehrseite den steirischen Panther im Schilde. 

Mit Friedrich dem Streitbaren verschwindet der Adler 1 auf der Vorderseite des Münzsicgcls 
und an seine Stelle tritt der silberne Querbalken im rothen Felde als Wappen des 
Herzogthumes Österreich, wälirend auf der Kehrseite das Wappen von Steiermark beibehalten wird. 

Was den Herzog zu dieser auffallenden Änderung des Wappens bewog, darüber schweigen 
die gleichzeitigen Chronisten. Möglich, dass er gleich bei dem Antritte seiner Regierung durch 
die Empörung der Brüder Heinrich und Hadamar von Chuenring, von denen der eratere als ober- 
ster Marschall die Siegel des früheren Landesfürsten in den Händen hatte, „officio et sigillo ducis 
abusus est", dazu gezwungen wurde um Fälschungen vorzubeugen. Eben so unbekannt ist, warum 
gerade der weisse Balken im rothen Felde gewühlt wurde. Die Sage, dass bereits Leopold der 
Tapfere dieses Wappen nach der Erstürmung von Ptolomais im Jahre 1 191, wo sein von Feindes- 
blut gerötheter Waffenrock nur an der vom Schwertgürtel bedeckten Stelle weiss geblieben war, 
(daher der Name Bindenwappen, Bindenschild) darum angenommen habe, weil Richard 
Löwenherz das österreichische Banner mit dem früheren Wappen beschimpft hatte , zerfallt von 
selbst. Ptolomais ging durch Capitulation über, und sowohl Leopold als auch seine beiden Sühne 
Friedlich der Katholische und Leopold der Glorreiche führten den Adler im Schilde fort , ja Leo- 
pold der Tapfere ist sogar der Erste, welcher den Adler nach der Erwerbung des Herzogthumes 
Steiermark auch in die Fahne aufnahm. 

Haselbach erzählt, Leopold der Tapfere habe dieses Wappen vom Kaiser für die Gefangcn- 
nchmung einer schönen Frau erhalten, deren Gesichtsfarbe roth und die Zähne inmitten blendend 
weiss waren. Einige halten den weissen Querbalken für den Donaustrom, andere für die Milch- 
strasse, und Höping deutet die Farben so, dass sich dieses Wappen im Kriege und Frieden bewähren 
werde, wobei roth als die Kriegs-, weiss als die Friedensfarbe angenommen wird. 

Was auch immer die Veranlassung zur Annahme dieses Wappens gegeben habe , das ist 
gewiss, dass seit Friedrich dem Streitbaren der silberne Querbalken im rothen Felde fortan das 
Wappen von Osterreich blieb und nach dem Erlöschen der Babenberger von Hermann von Baden, 
dann von König Otakar und endlich von den Habsburgern aufgenommen wurde. Wir treffen den 
Bindenschild häufig auf mannigfache Weise verziert, und zwar das Feld gekörnt, gemutet oder 
damascirt oder auch blos von schräglaufenden Streifen durchkreuzt. Die Binde blank , damascirt, 
von schrägen Linien durchkreuzt oder gemutet Selten erscheint ein anderes Wappen in dem 
\<m der Reiterfigur getragenen Schild, de» steirischen Panthers auf den Siegeln der Babenberger 
wurde bereits erwähnt. Otakar hat auf der Vorderseite seines kleinen Siegels den böhmischen 
Löwen im Schilde, Albert I. führt als Reichsverweser in Österreich den habsburgischen Löwen, 
Albert V. auf dem Siegel der Markgrafschaft Mähren, wie sich von selbst versteht, den mähri- 
sche» Adler als das Hauptwappen, Albert VI. endlich hat in der Tartsche das Wappen mit den 
fünf Adlern. 

' Die Abbildung bei Hanthaler: Kcccn». diplom. geucul. Tat XXI. ist ein FaUifieal. 
IX. •>; 



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1% 



Karl von Sava. 



Die Wappen wurden auf die Schilde entweder gemalt, oder diese nach der Farbe des 
Feldes mit Pelzwerk, Sammt, Seide und Gold- oder Silberstoff tiberzogen und die Wappen- 
figuren entweder darauf gestickt oder in ähnlichen Stoffen ausgeschnitten oder auch in Metall 
ausgeschlagen und darauf befestiget. Die in späterer Zeit vorkommenden runden Schilde 
(Rundellen, auch Rondaches genannt), welche von Eisen waren , wurden ebenfalls bemalt oder mit 
Tauschir- 1 oder mit getriebener Arbeit geschmückt und an den Rändern mit Fransen verziert*. 

Von der Pracht der Sehilde und deren Verzierung mit Pelzwerk, mit Gold und edlen Stei- 
nen erzählen die mittelalterliehen Dichter vieles. Wir wollen hier nur einige Beispiele aus unsere» 
vaterländischen Dichtern anfuhren. Ulrich von Liechtenstein trug einen Schild mit Hermelin 
überzogen , darauf die zwei schwarzen Schrägbalken aus Zobel geschnitten waren , in der Mitte 
befand »ich ein küstlicher Buckel*; ein anderesmal führte er einen mit Scharlach überzogene» 
Schild, der mit Borten pgegattert" und mit Schellen behängt war, die lauten Klang von sich 
gaben. Schellen waren überhaupt im Mittelalter eine sehr beliebte Verzierung, man behängte die 
Helmzierden, die Speere, den Waffenrock und die Pferdedecken damit und trug sie im gewöhn- 
lichen Leben an den Schuhen, besonders in jener Zeit, wo die Schnabclschuhe im Gebrauche waren. 

An Pracht des Schildes tibertraf unseren Ulrich der, ebenfalls im Frauendienste vorkommende 
(iraf von Götz; sein Schild war schräg getheilt. im oberen Felde, blau wie ein lichter Saphir, 
befand sich ein aus Gold geschlagener Löwe , dessen Krone reich mit edlen Steinen geschmückt 
war, während das untere rothe Feld durch darauf gelegte Streifen von Hermelin, achtmal roth 
und weiss getheilt war*. Der prachtvoll gerüstete Otto von Meissau hatte einen Schild von Roth und 
Gold und darauf ein zobelfarbenes Einhorn. 

Die Innung der „Seidennater - ' (Seidensticker) in Wien verfertigte Messgewänder, Kirchen- 
falinen und Rossdecken, und jeder, welcher Meister werden wollte, musstc ein Bild aus Seide und 
eines aus Perlen sticken und ausserdem noch einen Schild verwappnen, d.h. auf selben das Wappen 
in Stickerei ausführen 5 . 

Dass die in der Schlacht gebrauchten Schilde einfacher waren, versteht sich wohl von selbst; 
allein wenn schon bei Turnieren, wo derlei Wappen einer Beschädigung kaum entgehen konnten, 
eine derartige Pracht entfaltet wurde, so darf es wohl nicht Wunder nehmen, wenn bei Prunk- 
festen ein noch grösserer, fast UbermäsHiger Aufwand entwickelt wurde. Ich will hier nur ein Bei- 
spiel aufführen, dessen Otakar von Hornek erwähnt. 

Als König Wenzel H. (der Schwager des deutschen Königs Albert I.) sich im Jahre 129" 
zu Prag krönen Hess, bestrebte er sich Böhmens Reichthum durch ungemeine Pracht zur Schau 
zu tragen, die Krone, welche ihn an diesem Tage schmückte, hatte 2000 Mark im Werthe. 
Der Schild, welcher ihm vorgetragen wurde, stellte das böhmische Wappen dar, der weisse 
Löwe von ziemlicher Grösse war ganz aus Perlen geformt und die Klauen aus Rubinen 
gemacht. Das rothe Feld bestand aus feinstem Golde und war mit kostbaren Steinen geschmückt, 
diesen Schild und das Prachtschwert, welches man ihm vortrug, schätzte man zusammen auf 
3000 Mark. 

In der Schlacht wurden von den gemeinen Kriegern halbrunde oder ovale Schilde getragen, 
welche von ihrer convexen Form auch „Buklcr* genannt wurden. Ein grosser Schild für das 

1 Di« Zeichnung: wurde tief i» das Eisen gegraben und die Furchen mit Gold oder Silber ausgefüllt. — * Die cirkel- 
runden Schild«? sind uralt und wurden hiiufig bei den Angelsachsen gebraucht, sie verschwanden nach und nach, und wurde» 
erst im XVI. Jahrhundert, und zwar bei Personen höheren Hanges allgemein. Zu den seltenen Abbildungen solcher Schilde 
nua älterer Zeit gehören der runde Schild de» Goliath bei Herrad von I.andsberg; dann bei Hefner, II. Abtheilung, Taf. VII, oacli 
■ iner Miniatur aus dem XIV. Jahrhundert. — 3 I. c. 2!I6. — Zobel- und Horraelinpe Ix wurden statt schwarzer und weisser Farbe ver 
wendet, statt letzterer auch Perlen; und Sucbenwirth, 1. c. p»g. 23, nennt Zobel und Perlen die besten zwei unter den sechs heral- 
dische» Farben. — « I. c. 174. — 1 Feil, Beitrüge zur alteren Geschiebte der Kunst- und Gewerbctbätigkcit in Wien „ScideDnatef". 



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Dib Siegel der österreichischen Regenten. 



197 



Fnssvolk war die Pavenc, vorzüglich eine böhmische Nutionulwaffe, obwohl die pedites pavesati 
bereit« im XIV. Jahrhundert bei den Franzosen und Italienern häufig vorkommen. Die böhmische 
Paveza, auch Paffes un genannt, war eine vier bis ftlnfthalb Schuh hohe und dritthalb Schuh breite 
Setztartschc aus starkem Holz verfertiget, inwendig mit Kuhhaut überzogen, mit Handgriffen von 
Ochsensehnen benagelt, auswendig mit zerklopftem Werg und darüber mit gefirnisster Leinwand 
überklebt und mit Wappen, Heiligen etc. übermalt. Sie lief unten in eine Spitze aus, mit der 
man sie in die Erde sticss, und war 20 bis 25 Pfund schwer. Jede Truppenabtheilung hatte 
ihre bestimmte Anzahl Pafesner, deren jeder einen llilkler und einen Lichtschützen (ganz gehar- 
nischten Mann) mit einem Ahlspiesse hatte. Im Falle eines Angriffes zog sich das Kriegsvolk 
hinter seine Pafesner zurück, die Hakler schlössen die Schilde mit Ketten oder Eisenhaken 
aneinander, die Lichtschützen streckten ihre langen Ahlspicssc darüber, die hinteren Glieder 
schössen und der Pafesner vertheidigte seine Brustwehr mit dem Schwerte, der Streitaxt oder 
dem Busikan '. 

Unter den Angriffswaffen war der Speer, die Lanze (sper, scaft), auch Gl efe genannt , die 
Königin der Waffen, sowohl ihrer leichten Handhabung als ihrer fürchterlichen Wirkung wegen. 
Der Name Speer , welcher der ganzen Waffe beigelegt wird, gehört eigentlich nur der eisernen 
Spitze derselben an: 

r Er stach im einen sollten stich 
daz das isern sper sich 
loste von dem Schafte, 
unde fm übe hafte V 

Die Glefe (glevy, glavie, glevc, gleffc) war eine der gebräuchlichsten Gattungen der Lanze 
und dürfte aus dem alten Celt (Streitmeissel) entstanden sein , in dessen hohlen Handgriff ein langer 
Schaft gesteckt wurde. Sie hiess bei den Wallisern Hawnawr und später Gleddyw. Auch von dem 
französischen Worte glaive wird der Name dieser Waffe abgeleitet, indem sie Ähnlichkeit mit einem 
kurzen Schwerte oder einem langen Messer hatte und einschneidig war. 

Die ritterliche Lanze wurde so edel geachtet, dass sie mit dem Seepter die gleiche symbolische 
Bedeutung hatte und wirklich für dasselbe galt: „so lieze ich sper und ul die kröne". Die 
Ubergabe des Speeres war bei dem Könige das Zeichen der t hergäbe von Land und Leuten: Hex 
hastam quam manu gerebat nepoti tradidit, hoc amandissimc nepos indicio noveris te mihi sueees- 
surum in regno\ Auch in anderen Beziehungen spielte die Lanze eine Rolle im Rechtswesen des 
Mittelalters, so bei Bestimmungen der Grenzen, welche entweder so weit reichen, als einer in den 
Fluss reiten und mit dem Speere werfen kann, oder so weit als er, an's Ufer des Flusses reitend, 
mit dem Speere zu laugen vermag. Auf der Strasse soll der Burggraf dem Herzoge vorreiten und 
einen recht gemessenen Speer vor sieh auf dem Rosse haben, und so weit soll man ihm die Strasse 
räumen um und um (Münchner Salbuch anno 1278); und die freie Königsstrasse wird bestimmt, 
indem ein Ritter in voller Rüstung dem Könige vorreitet und einen 16 Fuss langen Speer vor sich 
quer über den Sattel liegen hat*. Die Übersendung des Speeres galt als Kriegserklärung, und nach 
den beiden wichtigsten Waffen wurden die männlichen Verwandten, als Speer-, Ger- oder Schwert- 
magen bezeichnet, im Gegensatze zu den Spindel- oder Kunkelmagen*: „das nächste Blut vom 
Schwert geboren erbt, und wenn kein Schwert vorhanden, erbt die Spille"*. 

Wenn sich das Heer in Schlachtordnung aufstellte, wurden die Speere auf die Schenkel 
gestützt und die Spitzen vor die Rotten gehalten ' ; im Kampfe oder Turniere wurden die Speere 

' Loher, kaiserlichen Zeughaus, pag. 188. — - Iwcln, v. 503V. — 9 Jakob Grimm, deutsche RechUalterthümer, i, 163. 
« Grimm, I. c I, 59, «0, 69. - » Mage, Anverwandter. — • Grimm, 1. c — ' Suchcnwirth, I. c. VIII, v. 94 und die Statuta 
castrensia von Friedrich Barbarossa: Si quis sedens in dextrario sentum habet in coli», laneeam in manu. Heinneedu», I. c 130. 

27* 



198 



Kahl vok Sava. 



kunstgerecht unter den Ann geschlagen'; in späterer Zeit war zum Auflegen «Kr Lanze an der 
Brustplatte derRttsthaken angebracht, und die Lanze selbst ging durch den Ausschnitt der Tartschf. 
Als Ziel des Stosses wühlte man entweder den Hals s oder die Brust des Gegners : 

„Die Speere druckten sie nieder 

Genau des Zieles bewnsst, 

Durch den Schild auf des Gegners Brust 

Beide so mächtig stachen, 

Dass die .Schäfte zerbrachen. 

Da nahmen sie zween andere Speer, 

Und trafen sich wieder mit solcher Kraft, 
Dass die beiden Eisen sich vom Schaft 
Los rissen und stecken blieben 1 ." 

Und an einem anderen Orte: 

„Der Waleise drückte nieder 
Den Schaft mit beiden Armen, 
Zornig und ohn' Erbarmen 
Wie ihn sein Vater lehrte. 

Seinen starken Speer er durch ihn stach, 
Dass man todt ihn sah 
Niederfallen auf das Gras 4 .« 

Endlieh ehen da: 

„Mit Speeren ward da mancher Stich 

Gebort durch Eisengewand 

Dass das Herz ihn darunter empfand*." 

In der Schlacht wurde mit den Glefen „geschoben" im Turniere wurden die Speere ver- 
stochen. Die Speer- und Glefeneisen waren von Stahl, und als besonders vorzüglich wird der harte 
indische Stahl gepriesen welcher übrigens schon den Römern bekannt war. Zum Tyost oder 
Puneis waren die Schäfte von Eibenholz *, für die Schlacht und zum ernsten Kampf dagegen von 
Eschenholz : 

„Zuletzt reicht man beiden dar 
Eschener Schafte zween, 
Weil leider sollte geschehen 
Des einen Tod an selber statt'.« 

Zu den Kampfspielen wurden die Speere gefärbt, vergoldet, mit Blumen umwunden und mit 
Schellen behängt 10 ; in späterer Zeit hatte die Lanze beim Turniere statt der Spitze vier stumpfe 
Pfosten, den sogenannten Krönig, und Suchenwirth bedauert, dass die Turniere verfallen, indem 
statt des Rennens das Stechen überhand nehme". 

Sowohl in der Feldschlacht als im Turniere waren an der Lanze Fähnlein angebracht; in älterer 
Zeit schmale wimpelförmigc, von der Mitte angefangen in mehrere Lappen „Flammen" geschlitzt. 
Sie waren aus verschiedenen Stoffen, mit netzförmigen Streifen, mit Borten oder Stickereien verziert 
und an den Enden befranst, später wurden in dieselben auch Wappen aufgenommen, und dann 

< Ouy v. Waleis, I. c. v. GG30. — * Guy \. Wolfis, I. c. v. 544 und 545. — s Guy v. Walois, 1. c. v. 3525 ff. — « Guy von 
Walii», I. c. v. 3553 ff. — 5 Guy v. Walci*, 1. c. v I0U3C ff. — « Suchenwirth XVII, v. 57. — 1 Guy v. Waleia, L c. v. 7382. — 
« Ibid. 1. c. v. 3519. Schäfte von EibcnhoU. beschlagen mit scharfen Speer. — » Eben da, v. 3543 ff. — 10 Ulrich von Licchtcn- 
atein. - " I. c. Einleitung, pag. 31. 



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Die Siegel der östehiieiciiisciiex Reoesten. 



hatte die Fahne die Farbe des Feldes, worauf die Figur in ihrer Farbe angebracht war und zwar ent- 
weder gestickt oder gemalt, in späterer Zeit auch mit einem Holzstock darauf gedruckt 1 . Zu Ende 
des XIII. Jahrhunderts befestigte man statt der Fahnen kleine Parallelogramme, und zwar mit der 
längeren Seite an den Lanzensehaft, Banner. Auf diesen waren ebenfalls die Wappen in ähnlicher, 
oft prachtvoller Weise ausgeführt, wie in den bereits geschilderten Stickereien auf den Schilden und 
Waffenröcken. Auf den Minaturen des Iglauer Stadtbuches s hat König Wenzel I. im rothen 
Banner den böhmischen Löwen. Otakar II. als Markgraf von Mähren, zu Throne sitzend dargestellt, 
hält in der Rechten das Landespanicr, worauf im blauen Tuche der weiss und roth geschachtc 
Adler mit goldenen Klauen zu sehen ist, wälirend Otakar als König zu Pferde eine lange Fahne 
trägt, welche in drei Flammen zerschlitzt ist und in roth und blau quadrirt die Wappen von Böhmen 
und Mähren zeigt. 

An dem oberen Rande dieser Banner wurde in späterer Zeit ein schmaler langer Streif ange- 
bracht, der sogenannte Panierschwenkel. Diese Fahnen oder Banner unterscheiden Bich von den 
Fahnen oder Panieren, welche in der Schlacht als Heeres- oder Landeszeichen vorgetragen wurden, 
durch die Grösse der letzteren; die Hut dieser wurde stets einem der Tapfersten anvertraut; so 
fährte Graf Otto von Plaien, welcher da» Amt eines Panierträgers von Österreich inne hatte, do-s 
Landespanier im Jahre 1260 in der Schlacht König Otakars gegen die Ungarn, in welcher er 
auch seinen Tod fand ; und in der Schlacht bei Poitiers übergab der Prinz Eduard von Wallis dem 
tapferen Ritter Hanns von Traun das Panier. 

Durch das Aufrichten der Fahne wurde das Volk faugeboten. Das Aufstecken derselben auf 
einem Thurme oder im Lager war das Zeichen der obersten Gewalt, daher dem Könige im Kriege 
wie im Frieden die Landesfahne vorgetragen wurde*; und Fürsten Hessen sich so viele Fahnen 
vortragen als sie Provinzen besassen*. Doch stand dieses Recht nicht jedem zu , wie das Diplom 
Kaiser Heinrichs IV. vom Jahre 1058 erweiset 4 , durch welches Markgraf Ernst von Österreich 
für sich und seine Nachfolger im Lande die Begünstigung erhielt, sich das Gerichtsschwert und die 
Fahne vor dem Reiche und der Welt vortragen zu lassen. Hier galt das Schwert als das Symbol der 
Gerichtsbarkeit und die Fahne als jenes des Heerbannes. In jedem Falle aber deutete die Fahne auf 
die Reichsunmittel barkeit, nach dem Grundsatze: des Reiches Lehen leiht der Kaiser den Bischöfen 
und Abten mit dem Seepter, den Weltlichen mit der Fahne. Es scheint, dass dabei der Vasall 
dem Lehensherrn die Fahne darreichte und dieser sie ihm wieder bot: „Ein vanen böt er im ze hant 
— damit« lihct ir mir daz lauf Nach der Belohnung wurden die grossen Banner der Reichs- 
fUrsten von dem Königsstuhle herabgeworfen und dem Kriegsvolke Preis gegeben. 

Sobald der Herzog von Österreich in das Feld zog, hatte der Marschall die Vorhut und 
beim Rückmärsche die Nachhut zu führen; er hatte jede genommene Burg mit den Seinigen 
zuerst zu besetzen, und richtete der Herzog auf derselben seine Fahne auf, so stand ilnn das Recht 
zu, die scinige daneben aufzustecken. Bei dem Begräbnisse eines Herzogs von Österreich hat der 
Marschall die Landesfahne zu tragen". 

Auf den Reitersiegeln der österreichischen Landesfürsten, worauf dieselben gewappnet 
erscheinen, haben alle den Speer in der Rechten, mit einziger Ausnahme des Johannes Parricidn, 
welcher das gezogene Schwert in der Hand hat und in seinem Schilde das österreichische Wap- 
pen führt. 

1 Schlager, Wiener Skizzen II, .HS. — - Die erste Anlegung desselben dürfte zu Ende de» XIV. oder so Anfang de» 
XV. Jahrhundert« begonnen haben, wie Aua den, mit einer einzigen Ausnahme ausschliesslich vorkommenden .Stechhelmen und 
den Plattenhariiischcn hervorgeht; die betreffenden Abbildungen befinden sieb auf Fol. 1 a, cot 1, Fol. 1 b, col. 1 und Fol. 37 a, voL 2. 
> Grimm, 1. c. I, 242- — 4 Heluneccitu, I. c. läV. — i Schrötter, Abhandlangen über daa österreichische Staatsrecht. 1. Abtbeil, 
pag. 137. — s Die Siegel der Landcs-Erbätnter im Ertherzogthumo Österreich unter der Enns. Mittheilungen des Alterthums- 
vereines in Wien. 1801. 



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Karl von Sava. 



Schon unter Ernst dem Tapferen befindet sich die Fahne an dem Speere, deren Tuch 
anfangs einen hingen schmalen Wimpel bildet, welcher von der Mitte angefangen meistens in 
zwei, manchmal auch in drei Flammen zerschlitzt und mittelst Ringen an den Schaft de» Speeres 
befestigt ist. Bei Friedrieh dem Streitbaren sind die Flammen befranst und bei Otakar verbrämt, 
mit Sternchen belegt und ebenfalls mit Fransen besetzt. Auf dem grossen Majestätssiegcl de« 
letzteren hat da« Fahnentuch zum erstenmale die Form eines (Iberhöhten Viereckes , das mit der 
lungeren Seite an der Speerstange befestiget ist (Panier). Diese Form bleibt bis zu Rudolf IV., 
unter welchem sie nur unbedeutend geändert wird, indem auf seinem grossen Reitersiegel zuerst 
vom oben» Rande des Banners eine schmale bandartige Zunge auslauft, die sich bis zum Schlüsse 
des Mittelalters auf den österreichischen Fürstensiegeln erhält. Die Fahnentücher sind bei den 
österreichischen Markgrafen und den ersten Herzogen nur mit gegitterten Streifen oder ringförmigen 
Verzierungen ausgeschmückt. Leopold der Tugendhafte ist der Erste, welcher in seiner Fahne 
den Adler führt, den seine Söhne Friedrich der Katholische und Leopold der Glorreiche beibehalten, 
und als dieser letztere ein Münzsiegel annahm, prangt auf der Vorderseite der Österreichische Adler, 
auf der Kehrseite der steierische Panther in der Fahne. Unter Friedrich dem Streitbaren, Hermann 
von Baden und auf den beiden alteren Siegeln Otakar* sind die Fahnen wieder ohne Wappcn- 
liguren, nur mit netzförmigen Streifen, Verbrämungen und Sternchen verziert. Auf der Reiterseite 
des grossen MajestHtssiegels Otakars erblicken wir den böhmischen Löwen in der Fahne, und nach 
der Erhebung der Habsburger auf den österreichischen Uerzogsstuhl erscheint der steierische Pan- 
ther als das zweitwichtige Wappen in dem Banner, wahrend im Schilde Österreichs eine weisse Binde 
im rothen Felde prangt. Auf dem grossen Reitersiegel Rudolfs IV. kommt das österreichische 
Wappen in Schild und Fahne vor, auf einer späteren Variante desselben erscheint im Banner der 
tirolische Adler. Die spateren Fürstensiegel zeigen wieder das steierische Wappen in dem Banner 
und nur drei das österreichische, nämlich jene Alberte III., Alberte V. für die Markgrafsclmft Mähren 
und das Alberte VI. 

Den zweiten Rang unter den ritterlichen Waffen nimmt das Schwert ein, welches vom IX. 
bis zum XV. Jahrhundert sich in derselben einfachen Form erhielt. Die gerade Klinge , gegen die 
Spitze verjüngt, ist zweischneidig' und hat ungefähr drei Schuh in der Lange, gleich geschickt zum 
Hiebe wie zum Stosse. In der Mitte der Klinge war gewöhnlich eine Vertiefung angebracht, die 
sogenannte Blutrinne; interessant in dieser Beziehung ist das Siegel des Herzogs Heinrich von 
Limburg (anno 1208), auf welchem die Schwertklinge nach ihrer ganzen Länge von einer Reihe vier- 
eckiger Löcher durchbrochen ist. Der Griff war mittelmässig lang, so das» er von der Faust um- 
schlossen werden konnte, und um das Ausgleiten aus der Hand zu verhindern, eingekerbt und mit 
Drathgeflecht oder auch mit Leder umwunden. Eine grosse , aufrecht stehende stählerne Scheibe, 
bei drei Zoll im Durchmesser und einen halben Zoll dick , bildete den Knauf. Die Parirstangc ist 
entweder halbmondförmig gegen die Klinge gekehrt oder gerade , und hat im letzteren Falle die 
Form eines ausgeschweiften Kreuzbalkens. Mit schwarzem Griff, stählernem Knauf und gleicher 
l\arirstangc sehen wir die Schwerter auf den Miniaturen des Iglauer Stadtbuches. 

Die Sagen von Schicksalsschwertern, so vom Schwerte Sachs, vom Balmung und Weisung *, 
so wie die Sagen von kunstreichen Waffcnsclunieden, namentlich vom Schmiede Wieland, der mit 
dem Schwerte „Mitnung u den Schmied Amilias besiegte, reicheu in den deutschen Helden- 

I 

1 „Kin »wert er uro die alten truoc, 
daz wol ze beiden ecken sneit 
Kz was scharf undc breit.« 

Seifri.d IlftMi.g T. v MO »i| 

* Über da» Schwert: Sachs, s. W. Grimm'« Heldensage, pag. :»«. Von Dietrich von Steier lit-isat es: Da führte der I»eg cn 
jung — sein Schwert Welnung — hoch in »einer Hand. I.aurin, v. 232C. 



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i 



Dib Siegel der Österreichischen Regenten. 



201 



und Volkssagen weit hinauf. Ein anderes Schwert Wielands fuhrt wie der Blitz durch den Feind 
und spaltet ihn mit einem Hiebe ', und auch Wigalois spaltet mit des Schwerte» Spitze Bäume und 
Eisengcwande Von festem indischen Stald , hart wie Diamant und Krystall , waren die Schwerter, 
bei deren Hieben Funken aus den Helmen flogen ; „wohl eine Spanne breit waren sie, tödtlich scharf 
und gefeit- '. 

Das Schwert wurde an einem Gürtel getragen und die Scheide war meist von schwarzem 
seltener von buntem Leder, an den Enden, bisweilen auch in der Mitte mit Metall beschlagen (Mund- 
blech, Mittel - und Ortband). Das Schwert, mit welchem der Fürst in voller ltüstung umgürtet ist, 
wurde ihm, sobald er in» Hausklcidc war, gewöhnlich von einem Diener nachgetragen , wobei das- 
selbe nach aufwärts gehalten und an die Achsel gelehnt wird, und das Wehrgehänge lose um die 
Scheide geschlungen ist \ Auf den Bildern der Hedwigslegende stützt sich Heinrich der Bärtige 
auf das Schwert, an dem ein kleiner Schild mit dem schlesischen Adler hängt, wie auf einen Stock B ; 
und Heinrich Graf von Waldcck (anno 1354) stützt sich auf seinem Fusssiegel in ähnlicher Weise 
auf das in der Scheide befindliche Schwert. 

Der Knauf des Schwertes war, besonders im XIV. Jahrhundert, sehr häufig mit einer Kette 
verbunden, welche an der Achsel des Panzerhemdes oder an der Brustplatte befestiget war. Vor- 
züglich ist dies auf den Heitersiegeln der niederländischen Fürsten der Fall, und die beiden 
Luxemburger Karl IV. und dessen Sohn Sigmund haben sie auch auf ihren Siegeln für Mähren 
und Brandenburg. Unter den deutschen Fürsten treffen wir sie bei den Landgrafen von Hessen, 
den Grafen von Nassau und Würtemberg, dann bei den Herzogen von Österreich, bei den Grafen 
von Schaumburg und anderen. Diese Ketten hatten den Zweck, die Entwaffnung des Kitters im 
Gefechte zu verhüten, weil er das der Hand entwundene oder entfallene Schwert wieder zu gewinnen 
vermochte. 

Der Ritterschlag wurde mit dem Schwerte ertheilt, mit diesem wurde der neue Ritter 
feierlich umgürtet , und die Übersendung des Schwertes galt als Aufforderung zum Streite. Der 
Marschall sandte dem Könige durch die Herolde zwei blanke Schwerter, damit er nicht in dem 
Wald liege, sondern herauszöge auf das freie Feld, sie wollten mit ihm Streites pflegen 7 . Uber- 
haupt spielte das Schwert in der Rechtssymbolik des Mittelalters eine bedeutende Rolle. Ks galt 
als Zeichen der höchsten, besonders aber der richterlichen Gewalt, darum trug nach dem schwäbi- 
schen Landrechte (Art. 13) der Marschall dem Könige das Schwert vor, und bei der Belehnung 
wurden Königreiche durch das Schwert und Fürstenthümer durch die Falmc (den Speer) verliehen 
und empfangen: „Est consuetudo curiae, ut regna per gladium, provinciae per vexillum a principe 
tradantur et reeipiantur"'. Im Sachsenrechte und in anderen Denkmalen des Mittelalters finden wir 
das Schwert in der Hand oder auf dem Schoss des eben dargestellten Grafen, Herzogs oder Königs, 
in letzterer Lage aber nur dann, wenn die dargestellte Person selbst als Richter erscheint, daher 
auf den Hofgerichtssiegeln der deutschen Kaiser und Könige, letztere das Schwert wagrecht vor 
sich halten, während sie auf den Landesgerichtssiegcln dasselbe aufrecht tragen, weil bei dein 
Landgerichte nicht der König selbst, sondern der Landrichter in dessen Namen Recht spricht 9 . 
Der Freigraf wurde durch die Übergabe des Schwertes und des Strickes, als der Zeichen der pein- 
lichen Gerichtsbarkeit, investirt 10 und der alte Comes erschien nie ohne Schwert vor Gericht. Bei 
Schwüren und Gelübden wurde die Hand auf den Griff des Schwertes gelegt und die Spitze des- 
selben in die Erde gesteckt, und Ehe versprechen wurden feierlich befestiget, indem man die 

1 Wilhelm Grimm, die deutsche Heldensage, p»g. 41. — Laurin, v. 7657. - * Wigaloi», I. c. v. 7355 »eq. — 4 Sowohl auf 
den Bildern der Hedwigglcgende als auf den Miniaturen dea Iglaucr Stsidtbuchcs. — » Auf den Bildern der Herrad von Landa- 
berg und der ned wiegende - * Taf. XI, XXII, XXX. - ' Grimm, 1. e. 1, 168. - • Grimm, I. c. I, 167- - • Romer-Büchner. 
die Siegel der deutschen Kaiser, Könige und Gcsrcukönige. Frankfurt am Main 1851, 8»., Nr. «3, «5, 66, 68, 75 und 80. — 
" Uriiuui, L c. I, 167 „per gladium et funis traditionetn* anno 1376. 




202 



Karl von Sava. 



Daumen auf das Schwert legte'. Die Freischöffen der Vclime legten beim Schwüre ihre Hand auf 
dasselbe und in früherer Zeit wurde durch das Ausziehen desselben geschworen *. 

DesAusdruckes Schwertmagen für die Verwandten des Mannsstammes und ihres Erbrecht« 
haben wir bereits früher erwSihnt \ Nach dem friesischen Rechte konnte derMann die ehebrecherische 
Frau schlagen oder enthaupten, daher wurde als Zeichen der Gewalt des Mannes über Leben und Tod 
der Braut bei der Hochzeit das Schwert vorgetragen*. Im Alterthume war es Sitte, wenn ein Mann 
bei einer Frau schlief, die er nicht berühren wollte, dass er zwischen sie und sich ein Schwert 
legte, ein Gebrauch, welcher bis in die spätere Zeit beobachtet wurde. Wenn der Bevollmächtigte 
mit einer fürstlichen Braut das Beilager zum Schein vollziehen musste, hatte er den rechten Fuss 
und den rechten Arm mit einem leichten Harnisch angethan und ein blosses Schwert wurde zwi- 
schen ihn und die Braut gelegt. Dieses war noch im Jahre 1477 bei der Vermahlung der Maria 
von Burgund der Fall, wobei Herzog Ludwig von Baiern zum Stellvertreter des Erzherzogs Maxi- 
milian bestimmt wurde 5 ). 

Bei du Fresne finden wir des Schwertes in vielen Diplomen als eines Attributes der Grafen- 
würde erwähnt"; dagegen klagt Scifricd Helblhig, dass in Österreich sogar die Bauern anfingen 
Schwerter zu tragen und sagt, Leopold der Glorreiche licss sie Knittel tragen für die Hunde: 

„der swert mau in niht gundc 
noch der langen mlsicar ; . u 

In Deutschland treffen wir die Fahnen in der Regel nur auf den Siegeln der höheren Reiehs- 
fürsten; nitmlich der Herzoge und Markgrafen , seltener bei den Grafen , die letzteren halten meist 
das gezückte Schwert in der Rechten. So führen, nebst den österreichischen Fürsten, die Herzoge 
von Böhmen auf ihren Fusssiegeln, die Könige Böhmens auf der Kehrseite ihrer Majestätssiegel, die 
Herzoge von Baiern, Sachsen, Schwaben und Kilnithen, die Markgrafen und Herzoge von Steier- 
mark, die Landgrafen von Thüringen und die Markgrafen von Meissen Fahnen, auch die Mark- 
grafen von Brandenburg auf ihren Fusssiegeln, während sie auf den Reitersiegeln das Schwert in 
der Hand tragen; das letztere zeigt sich auch auf den Siegeln der Markgrafen von Baden, der 
Landgrafen von Elsass und Hessen, der Grafen von Waldeck und Würtcmberg; während die 
Grafen von Anhalt, von Görz und Tirol wieder Fahnen haben. Bei den Dynasten und dem niederen 
landsüssigen Adel findet sich, wenn sie schon Reitersicgel führen, nur das Schwert. Eine Ausnahme 
bilden die Siegel der LandesHmter, auf welchen die Würdenträger mit dein Abzeichen ihres Amtes 
erscheinen *. 

Die älteren Siegel des heiligen Leopold bieten dem Beschauer die rechte Seite dar, aus 
welchem Grunde auch das Schwert nicht sichtbar ist; auf dem Siegel am Stiftsbriefe von Hciligen- 
kreuz sehen wir die linke Seite des Reiters, und diese Stellung bleibt von da an auf allen fol- 
genden bis zu dem grossen Reitersiegel Rudolfs IV. beibehalten. Alle Bubenbergcr , bis auf 
Friedrich den Streitbaren, sind mit einem kurzen Schwert umgürtet, dessen Griff jedoch so wie 
Gürtel und Gehänge durch den Schild verdeckt sind. Auf den Siegeln Friedrichs des Streitban-n 
und Hermanns von Baden , so wie auf dem Siegel Ötakars vor seiner Krönung, fehlt das Sehwert. 

» Grimm, i. c. 1, 166- — * Grimm, L c. I, 165. ~ * pag. 1»7. — * Grünn, L c. I, 167. — & Birken , Ehrenspiegel de» 
Mause» Österreich, 865. — 6 „Hie locus pertinet ad justitiam gladii mei. — Coimtatua Klint pertinet ad K'»dium Cestriae. — 
llunc locum possidet liberum ac glndiuro." Hcinneccius de Sigillis etc. 129. — ' Selfric-d Holding, VIII, v. t<7<j— 1>19. l>a» Innen 
Messer, Stochmesacr, kurzer als ein Schwert und länger als ein Dolch, trug der Bürger im Staate niu Gürte). I>a« Stcoh- 
messer versteckt zu tragen, war nach dem, von Kaiser Kudolf I. im Jahre 1278 gegebenen Stadtrechte von Wien bei HtnuV des 
HaDdabhaueus oder einer Pöu von 10 Pfund Wiener Pfennigen verboten. Feil, Beitrüge zur alteren Ginehichte der Kunst- und 
üewerbethiitigkeit in Wien. - * Mittbclluiigcii de» Altertbunisvereiiie« zu Wien 18GI. DK- Siegel der Erlmnter. Taf. II.Kij.'. Ii 



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DlK SlSOKL DKR ÖSTERREICHISCHEN RrOENTKN. 



203 



Auf den Kehrseiten der beiden Majcstätssiegel dagegen trägt Otakar ein langes, breites Schlacht- 
schwert an der Seite, mit einem einfachen Griff, der oben in einen grossen Knopf endet und eine 
gerade Parirstange hat; ein breites Gehänge, das am verzierten Mundblech der Scheide befestiget 
ist, verbindet es mit dem Gürtel. Mit den Habsburgern verschwinden die Schwerter abermals aus 
den Siegeln, möglich, dass sie auf der rechten Seite am Sattelknopfe hängend getragen wurden, 
denn der Rücktheil der Sättel, welcher schon unter dem letzten Babenberger und unter Otakar 
eine förmliche Lehne bildete, bekam nun Arme (Ohren), welche die Hüfte des Reiters umschlossen 
und ihm das Auf- und Absitzen, wenn er mit dem Schwerte umgürtet war, sehr unbequem machten. 
Erst Rudolf IV. hat auf der Reitcrscitc seines Münzsiegels wieder eine Seitenwaffe, und zwar 
einen dünnen kurzen Degen, mit einer nach abwärts gebogenen (sichelförmigen) Parirstange, 
wohl ein sogenanntes „perswert" (Bohrschwert). Auf der Kehrseite dagegen, welche den Herzog 
zu Fuss darstellt, ist er mit einem langen Schwerte umgürtet, dessen Knopf mit einer an der Brust 
befestigten Kette verbunden ist; ein ähnliches Schwert zeigt uns auch das Fusssiegel Kaiser 
Friedrichs III., während Albert VI. einen langen Stossdegen mit einem Kreuzgriff an der Linken 
trägt. Das grosse Reitersiegel Rudolfs IV. zeigt uns wieder die rechte Seite des Herzogs, so auch die 
Siegel seiner Nachfolger, mit einziger Ausnahme Alberts VI. Bei Rudolf IV. treffen wir zum crstenmale 
einen Dolch, er trägt denselben im Gürtel an der rechten Seite, und der Knopf desselben ist an 
eine Kette befestiget, welche von der Achsel herabwallt; der Griff ist nach oben, die Klinge nach 
unten gestellt. Bei Rudolfs Brüdern, Albert und Leopold HL, so wie bei Leopold IV. und auf dem 
österreichischen Siegel Alberts V. vermissen wir den Dolch. Wilhelm und Albert V., auf dem Siegel 
für Mähren, tragen ihn wieder und zwar den Griff nach unten, die Klinge nach aufwärts gerichtet, 
während er bei Ernst und dessen Sohn Friedrich wagrecht, mit dem Griffe nach vorn am Gürtel 
befestigt ist. Ich traf diese Waffe auf Siegeln nur bei den österreichischen Herzogen, mit einziger 
Ausnahme des Siegels des nachmaligen Kaisers Sigmund für die Mark Brandenburg. Auf mittel- 
alterlichen Abbildungen dagegen kommen sie häufig vor, so in der Hedwigslegende, wo besonders 
der Schwertträger einen zierlichen Dolch mit vergoldetem Griffe trägt; auch füliren eben 
da 1 die Tataren plumpe Dolche, deren Parirstangen sichelförmig gegen die Klinge gebogen 
sind, während die Knäufe die Form von Halbmonden haben. Die Bilder des Iglauer Stadtbuches 
zeigen uns ebenfalls in den breiten Goldgürteln den Dolch in schwarzer Scheide mit gelbem Griff 
und einmal auch mit einem runden Stichblatte von gleicher Farbe 5 . 

Der Streitkolben, welcher in der Schlacht oft geführt wurde 1 , erscheint auf den Siegeln 
der österreichischen Marschälle als Würdezeichen 1 , sonst traf ich ihn noch, und zwar in der aus- 
geprägten Form eines Morgensternes, auf dem Siegel des Grafen Berthold von Urach. 

Die Streitaxt kommt nur auf den Siegeln der Pfalzgrafen von Lomello vor, eine breite 
ausgehöhlte Barte an einem Stiele befestigt*. 

Der Gürtel, an welchem das Schwert und in späterer Zeit auch der Dolch befestiget 
waren, ist auf den Siegeln des XII. und XIH Jahrhunderts thcils durch den Schild, thtils durch 
den überhängenden Waffenrock verdeckt. Auf gleichzeitigen Miniaturen besteht er meistens aus 
einfachen schwarzen, bisweilen auch aus schwarz und weiss gestreiften Riemen: in das eine Ende 
desselben ist ein Loch geschlitzt, durch welches das andere Ende durchgezogen und dann in einen 
Knoten verschlungen wurde, doch trifft man auch Schnallen mit einem einfachen Dorn. Wird das 
Schwert dem Fürsten nachgetragen, so ist die Scheide mit dem Gürtel lose umwunden, so bei dem 
Waffenträger des Uerodes, welcher den weissen Gürtel um die Schwertscheide geschlungen hat*. 

• I. c Nr. 6. — * Fol. 37b, col. 2 und Fol. 48«, col. 2- — ' Eoncnkel bei Kauch, Seriptor. I, 349. — 4 Mlttheilungeii de» 

Altfrtbunmvtreincs in Wien. Jahrgang 1861, Taf. I, Fig. 2, 3 und 4. — 4 Der Originalstuinpul des lutztcren befindet «ich im 
k. k. Antiken Cabinot — « Herrad von Landabcrg. 

IX. 28 



204 Karl von Sava. 

Bald aber fing man an die Gürtel zu verzieren, indem man da» Leder bunt färbte oder mit Tuch, 
Summt oder Silber- und Goldborten überzog, oder mit Buckeln oder Rosetten von Metall 
beschlagen Hess; endlich verfertigte man die Gürtel aus gegliederten Mctallplatten, welche von 
mannigfaltigen, bisweilen sehr zierlichen Formen waren. Sehon Ulrich von Liechtenstein erwähnt 
glänzender Gürtel, dann eines solchen, welcher aus grünen Borten mit Gold beschlagen ver- 
fertiget war, und Suchenwirth sagt, dass die Kitter silberne Gürtel trugen 1 . 

Die ersten Prachtgürtel finden wir bei Rudolf IV. Einmal besteht derselbe aus blumen- 
fttrmigen Gliedern, deren je zwei immer durch einen Ring zusammengehalten sind; das anderemal 
ist abwechselnd eine runde Scheibe in der Mitte mit einem Stern belegt und dann sind zwei Uber 
einander stehende kleine Blumen axif einem Riemen befestiget. Ähnliche verzierte Gürtel finden 
sich auch auf den Reitersiegeln seiner Brüder Albert und Leopold, dann bei Wilhelm und 
Albert V. Am Standbilde Rudolfs IV. am Singerthore der St. Stephanskirchc besteht der Gürtel 
aus gegliederten Platten, in der Mitte mit einer Rosette, und bei Albert III. am Bisehofsthore 
aus geränderten Scheiben, deren mittlere grosser und mit dem Bindenschilde verziert ist. Der 
Gürtel, welcher sich im Grabe Ernst des Eisernen befand, war mit einer Reihe von Rosen 
besetzt und hatte eine viereckige Schnalle*. Im Iglaucr Stadtbuche kommen meistens goldene 
Gürtel vor. 

Auch die Kleider wurden um die Mitte durch Gürtel zusammengehalten, die oft von 
gleichem Stoffe wie das Kleid waren, häufiger aber aus Borten bestanden oder mit Metall 
beschlagen waren, auch belüingte man sie mit Schellen. Die Zunft der Gürtler verdankt dieser 
Mode ihre Entstehung »nid ihren Namen. In Wien durften nur die Gürtler (anno 1367) genähte 
und mit dem Hammer geschlagene Gürtel aus was immer für einem Metall machen; die Taschner 
dagegen durften ihr Gurtwerk nur mit versteckten Ringen besteppen und mit Riemen besetzen, aber 
ohne Hammer und Nagel; die Riemer endlich nur Pfennigwerth- tind Helbeit-Gürtel für Kinder 
verfertigen*. Es wurde mit den Gürteln, besonders bei den Frauen, ein solcher Luxus getrieben, 
dass man denselben in den Kleiderordnimgen durch besondere Gesetze zu steuern suchte und 
deren Gewicht genau bestimmte. Die Limburger Chronik meldet zum Jahre 1389, dass die Männer 
die Gürtel kurz oder lang trugen, wie jeder wollte und daran lange Tücher befestigten, welche 
bis zur Erde hinabreichten '. — 

Nachdem wir die Rüstung und Bewaffnung des Ritters auf den österreichischen FUrstcnsie- 
geln besprochen haben, wenden wir unsere Aufmerksamkeit dem beständigen Kampfgefährten des- 
selben zu, nämlich dem Pferde. Ohne dieses war der Ritter, wie bereits bemerkt wurde, durch die 
Schwere seiner Rüstung unbehülflich und zum Kampfe untauglich, darum wurde auch der mächtige 
Streithengst zum ernsten Kampfe wie zum Turniere gewappnet und geschmückt. So wie die 
Rüstung des Ritters im XI. und XII. Jahrhundert einfacher ist, so auch jene des Pferdes, bis auch 
dieses allmählich nebst den Lederdecken mit Schuppen und Ringdecken, mit einzelnen Platten an 
Kopf und Brust, und endlich mit einem förmlich gegliederten Blcchharnisch verhüllt wurde, wie 
die Pferderüstung bei Maximilian I. in der Ambraser-Sammlung , oder jene auf den beiden Titel- 
kupfern in Leber' s Werk über das kaiserliche Zeughaus zeigen. 

Die Pferde selbst wurden unterschieden in „Rosse", in den mittelalterlichen Gedichten 
„Ors", gleichbedeutend mit schwerem Streithengstc, und in „May den", leichtere Pferde, vielleicht 
Walachen. Berthold von Ellerbach, dem Alten, wurden in einer Schlacht ein Ross und zwei Mayden 
unter dem Leibe erschlagen 1 . 

1 1. c pag. 32. — ' nerrgoti, Taphographie Taf. XXI. — » Feil. Beiträge war älteren Gcuhicbte der Knnat- und 
Oewerbethütigkeil io Wien. — * AudsIio de» uawauUcbeii AUertbumsvercines, VI, 483. — 6 Sucbenwirth, pag. 26, ». III. 



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Di« Siegel der ösTERnEicniscHBN Reo exten. 



2()<i 



Die Zäumung des Pferdes besteht aus einem einfachen Kopfgestelle mit einem Stirn-, bis- 
weilen auch mit einem Nasenriemen. Das Gebiss (gipiz, salivare) ist gewöhnlich ohne Kinnkette 
(chinireif) und hat an den Seiten eine Scheibe, häufig in der Form einer Rose, unter welcher der 
Zügel (prittil) befestiget war. Auf den Bilderu der Herrad von Landsberg fehlt der Nasenriemen ; 
auf dem Siegel des Pfalzgrafen am Rhein Heinrich von Lach (anno 1093)' kommt er vor. Das 
Stangengebiss reicht in die frühesten Zeiten des Mittelalters zurück und war bei den gewaltigen 
Streitrossen nöthig, seine Bestandteile: die Balken (Anzüge), das Mundstück und die Kinnkette 
blieben sich in» Laufe der Zeiten ziemlich ähnlich ; die Balken und auch das Gebiss waren öfters 
aus Messing oder mit solchem überlegt. Das Kopfgestcll und die Stangenzügel wurden bisweilen 
mit Sammt überzogen und mit Messing- oder Stahlverzierungen belegt; auf den Abbildungen des 
Iglauer Stadtbuches treffen wir die Zügel einmal von schwarzen Leder, das anderemal roth*. Die 
beiden Reitpferde in der Hedwigslegende (keine Streitrosse) * haben das Riemzeug aus Goldborten 
und Ulrich von Lichtenstein spricht von Zäumen, welche köstlich waren. Im XIV. und XV. Jahr- 
hundert kommt auf den österreichischen Fürstensiegeln auch die Trense vor, sie besteht entweder 
aus einer reichen Borte oder aus Leder mit Stickereien , oder mit Metallbeschlägen verziert und 
der Riemen des Stangenzügels wird durch eine Kette ersetzt. Mit einem Zaume aus Bast zu reiten 
galt als eine Ehrenstrafe für die Ritter 4 . 

Der Sattel hatte gewöhnlich einen hohen Vorder- und Rücktheil (Sattelbogen) und war durch 
den Brustriemen und den Bauchgurt befestiget. Der letztere ist auf den älteren Siegeln häufig durch 
den Fuss des Reiters, so wie durch die schon sehr bald vorkommenden Schabracken verdeckt, und 
dürfte besonders in früherer Zeit wohl oft durch ein Versehen des Stcmpelschneiders fehlen. Dieser 
Umstand verleitete manche Diplomatikcr* zu der Behauptung, dass man im XI. und XII. .Jahr- 
hundert keine Sättel, sondern nur einfache Rcitkissen gehabt habe, welche blos durch den Brust- 
riemen festgehalten wurden. Allein die auf den Siegeln schon frühzeitig vorkommenden hohen 
Vorder- und Rücklehnen sprechen für förmliche Sättel, deren Befestigung durch den Brustriemen 
allein nicht recht denkbar ist. Auf den Siegeln Leopold des Heiligen und seines Sohnes 
Heinrich sind unter den Sätteln Schabracken angebracht, die über den Bauch des Pferdes 
hinabreichen, und so kommt es, dass der Bauchgurt zum erstenmalc auf den Siegeln Leo- 
pold des Tapferen deutlich erscheint; dagegen zeigt das Siegel Heinrichs, Pfalzgrafen am Rhein 
und Herren von Lach vom Jahre 1093, einen doppelten Bauehgurt, weicherauch auf den Bil- 
dern der Herrad von Landsberg vorkommt. 

Den Schwanzriemen fand ich auf mittelalterlichen Reitcrsiegeln bei keinem unbedeckten 
Pferde, selbst nicht auf den Siegeln König Friedrichs III. vom Jahre 1459. Gerken s führt eines 
an, nämlich jenes Balduins von Flandern vom Jahre 1203, welches er aber nur aus einer Abbil- 
dung kennt So wie das Kopfgestcll und die Zügel mit Sammt überzogen, gestickt und mit 
Buckeln beschlagen wurden, so geschah dies noch häufiger bei dem breiten Brustriemen, 
der schon frühzeitig mit Borten verziert, mit Ringen und Buckeln beschlagen und mit Fran- 
sen, wohl auch, wie im Nibelungenliede erwähnt wird, mit goldenen Schellen behängt war. 
Noch eine sehr primitive Form hat der Brustriemen in der Abbildung der Ilerrad. In 
den kürzeren Riemen , welcher von einer Seite des Sattels ausgeht , ist ein Loch geschlitzt, 
durch welches der längere Riemen, der von der anderen Seite des Sattels ausgehend sich um 
die Brust schlingt, durchgezogen und in einander geschlungen ist. Eben da scheint auch der 

" Abgebildet: AeU Academ. Palat. III , ad paff. 53. — * Fol. la, col. 1 und Fol. 37 a, ool. 2. — » I.e. 
Nr. 58. - * Grimm, I. c II, 712. — * Vrcdio» de «igülts comltum Flandriac. Ilcinnucclu», de »igillia vetenim G.nnanorum. Gut 
torer, dement» artU diplomaticac. - « Gcrkcu, Philipp, Anmerkungen über die Siegel mm Nntien der Diploinallk, Stendal 



1786, Ii, 278. 



28« 




206 



Karl von Sata. 



Bauchgurt mit Ringgeflecht überzogen zu sein. Als in späterer Zeit der Sattel nebst dem Kreuz- 
oder Bauchgurt noch einen Übergurt erhielt, war der letztere meist mit farbigen Stickereien 
reich verziert. 

Die Süttel der Schlachtrosse haben viele Ähnlichkeit mit den sogenannten deutschen oder 
Schulsätteln, nur hatten sie statt des Sattelknopfes eine hohe Krempe, die der Ritter, wenn 
er im Turniere oder im Kampfe zauni- und bügellos geworden war, nicht selten erfasste um 
sich vor dem Sturze zu wahren. Auch die Rückseite des Sattels bildete eine hohe Lehne. 
Die Sättel waren mit Leder, auch mit Stoffen, Tuch, Snmmt und Seide überzogen und 
mit Stickereien verziert, ja sogar mit Steinen besetzt. Die Abbildung des Herzogs Albert III. 1 
zeigt einen Sattel mit einem hohen Vorderbuge und rückwärts mit Armen, von braunem 
Leder mit einem weissen Bauchgurt, wahrend König Johann von Böhmen im Ig-laucr Stadt- 
buchc 3 einen schwarzen Sattel mit Goldstickerei hat. Auf den Sattelbogen sind vorne und 
rückwärts Verzierungen, Sterne, Rosetten oder Wappen angebracht, und zwar zuerst bei Ota- 
kar auf der Rücklehnc das österreichische Wappen, eben so bei Rudolf III., Albert IT., und 
Otto. Auf den Reitersiegeln Rudolfs IV. findet sieh das österreichische Wappen auf beiden 
Sattelbogen. Unter Albert I. erhielt die Rilcklehne des Sattels Arme (Ohren) , welche die 
Hüften des Reiters umschlossen. Scyfricd Hclbling sagt in seinem „Lucidarius", dass diese so wie 
manche andere üble Sitte von den Schwaben, welche mit den Habsburgcrn hergezogen waren, 
nach Österreich gebracht wurde, und ist sehr ungehalten darüber; 

„Nfl bant uns die Swfihe, 

des ich got immer lobe, 

her in ditzc lant braht, 

des ich S nie gedabt, 

sätcl als die krippc 

gent uns um die rippe 

als die zarge umb den tnorn»." 

Auf dem Siegel Wilhelms des Freundlichen bildet der vordere Sattelbogen einen Kamm, 
der zu beiden Seiten herabreicht und die Schenkel des Reiters schützt. Als man die Rosse 
mit Plattenharnischen verdeckte, waren auch diese Kämme des Sattels von Eisen, wie wir es 
auf dem Siegel Alberts VI. bemerken, auf welchem dieser Theil gleich einer Muschel geformt 
und hohl geschliffen ist. Unter Leopold dem Stolzen, Albert VI., Emst, Albert V. und König 
Friedrich III. werden die Satteltaschen, welche früher kurz waren, lang und sind zugleich mit 
reicher Stickerei verziert, die drei letzteren haben statt des vorderen Bogens blos einen 
Sattclknopf. 

Auf einem nicht zum Streite gerüsteten Rosse wird der Sattel durch einen breiten Bauch- 
gurt (darmgurtili , darmgurtilla) , dem Brustriemen (forpoige) und das Hintcrzcug (aftirreif) 
festgehalten, letzteres ist zierlich ausgeschnitten und mit Schellen behängt*. Auf dem Siegel, 
worauf König Friedrich III. im herzoglichen Ornate erscheint, ist von der ganzen Pferdezäu- 
mung nur das Kopfgcstell mit dem Stirnriemen, dem schmalen Stangenzüngcl und den beiden 
reich gestickten Trensen zu sehen, der Brustriemen fehlt und sind Sattel und Baucbgurt durch 
die Tunica des Reiters verdeckt. 

> Im Codex Kr. 2765 dor k*l8. Hofbibliothek. — ' Fol. 37 b, coL 2. — » Pag. 216. — * Bcdwigalcgeode Kr. 58. 



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Die Siegel »er 



Reoenten. 



207 



Die Turniersättel hatten ebenfalls hohe Vorder- und Rllcklehnen; der hohe Stechsattel 
war der höchste; die Rennsüttel dagegen waren nieder und unseren englischen Pritschen Hhn- 
lich. Den höchsten Vorbug führte man beim Hohenzeugestech , dessen bereits im Jahre 1390 
erwähnt wird. Der Khüressattcl , auch Fechtsattel genannt, war mit Leder (Iberzogen. Zum 
Stechsattel gehörten Stechstege (Sattelbogen), Steigleder und Stegreife, zu den Rennsilttcln 
nur die beiden letzteren und zum Kübelstechsattel nur der Bauchgurt. 

Steigbügel treffen wir bereits bei Leopold dem Heiligen und von da an auf allen fol- 
genden Rcitcrsiegeln der österreichischen Fürsten. Sie bilden kleine ausgebogene Dreiecke mit 
einer engen Öffnung, damit nicht der ganze Fuss durchgehen konnte, weil man, um festeren 
Halt zu gewinnen, den Vorderfuss bis zu dem Rist in den Stegreif schob. Sowohl die letzteren 
als auch die Ringe am Riemzeuge waren von Messing oder mit diesem Uberzogen; auch im 
Iglauer Stadtbuche finden wir gelbe Steigbügel ' , einmal fehlen sie ganz '. Eigentümlich ist 
die Stellung des Reiters seit Leopold dem Glorreichen. Bei den früheren Fürsten ist der Fuss 
in einer geraden natürlichen Stellung und ruht bequem in dem Steigbügel. Auf den Münz- 
siegeln Leopold des Glorreichen dagegen ist er nach vorwärts gestreckt, so dass er an die Brust 
des Pferdes zu liegen kommt; der Fuss musste daher straff gegen die Steigbügel gestemmt 
werden. Erst unter den Habsburgern verlor sich diese Stellung, welche sich in derselben Zeit- 
periode auch auf den Reitersiegcln anderer Länder theilweise vorfindet, allmählich wieder. 

Bis in die Mitte des X1H. Jahrhunderts kommen kleine, theils viereckig, theils rund 
geschnittene Schabracken vor, an den Säumen mit Borten, auch mit Fransen oder Schellen 
besetzt. Sie wechseln mit schmalen bis über den Bauch reichenden Decken, die mit Borten 
gegittert und mit Fransen verziert sind. Von einer Pferderüstung findet sich noch keine 
Spur, nur bei Heinrich Jasomirgott sind unter dem Brustriemen einzelne Ringe sichtbar, 
welche darauf hinzuweisen scheinen, dass die Brust mit einem einfachen Ringhemde, ähnlich 
der Schutzwehr des Ritters, bedeckt war. Später hüllte man die Pferde in Decken aus Lcder, 
die namentlich au Brust und Kopf mit Ringwerk und Platten verstärkt waren. Solcher „ver- 
liegerter" und verdeckter Pferde erwähnt Otakar von Horneck öfter und auch in älteren Helden- 
gedichten kommen sie vor: 

r Durcta die CouvertUre schlug 
er Tristaus Kossc weg den Bug." 

Als das Panzergeflecht in Gebrauch kam, wurde auch das Pferd durch ein solches geschützt; 
auf Siegeln finden wir dasselbe bei Anton Herzog von Lothringen anno 1406, dann bei Amadeus 
und Ludwig von Savoycn in den Jahren 1440 und 1450 s . Über diese Rüstungen wurden Decken 
aus verschiedenen Stoffen gelegt, welche das ganze Pferd verhüllten (Couverture, Rossdecke, Ross- 
kappe, im XV. Jahrhundert auch Ge liger, und wenn die Decke für das ganze Pferd aus eiuem 
ganzen Stück bestand, auch Sack genannt); 

„Ir ore warn verdecket zwar 
mit Isen uf den fuoz gar 
dar obe ein decke sidin *. a 

und auch Wigalois erwähnt, dass die Ritter ihre Rosse bereit hielten, jedes mit zwei Decken, die 
eine von Eisen, die andere von Pfeile*. Gewöhnlich besteht die Decke aus zwei Theilen, dem Vor- 

« I. c. Fol. 1 », coL 1. — » I. c. Fol. .17b, col. 2. — » Cibrario: SigilH dei Principi di 8»voU. Turin. I834, 4». Taf. XVII und 
XIX, Fig. 94 und 104. - « Ennenkel, Hauch, Script. I, 340. - » I. c. v. 10896 m^. 



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208 



Karl von Sava. 



dertheil (Fürbug), welcher die Ohren und den Kopf des Pferdes, mit Ausnahme der Augen, big zo 
den Nüstern, dann den Vorderleib bis zu der Mitte verhüllt; er reicht bis zu den Fesseln hinab 
und ist vorne von der Brust nach abwärts geschlitzt, um den Vorderfussen freie Bewegung zu 
lassen. Die Rückseite (Hintertheil, Geliger) ist über den Schweif des Pferdes gele»t und gewöhn- 
lich durch Ringe an den Sattel befestiget. Das Gereit, eine aus schmalen Riemen zierlich 
geflochtene Bedeckung des Kreuzes am Rosse, kommt auf den österreichischen Fürstensiegeln 
nicht vor. Um die freie Bewegung des Pferdes in der Schlacht nicht zu hemmen, wurden die Decken 
in die Höhe geschlagen 

Als in späterer Zeit die Pferde durch förmliche Plattenharnische geschützt wurden, und zwar 
entweder ganz oder theilweise, waren im letzteren Falle die Plattenstücke über der Decke ange- 
bracht, so der Rosskopf von Stahl, welcher die Vorderseiten und die Kinnbacken des Pferdekopfes 
deckte und bisweilen hohl geschliffen ist. Die sogenannte halbe Stirn dagegen Hess des Gaules 
Nüstern unbedeckt; der Mühnenschutz, aus einer Schienenreihe bestehend , der eiserne Kanz und 
der panzerne Rosshals schützten im XVI. Jahrhunderte den Hals des Pferdes. 

Die Pferdedecken waren von verschiedenen Stoffen, von Sammt, Scharlach, Pfeiler, Seide, 
von Tuch oder von Buckram , auch von Lcder und mit Leinwand , wohl auch mit leichteren Sei- 
denstoffen, meistens mit Zendal gefüttert. Sie waren der Gegenstand eines grossen Prachtauf- 
wandes, besonders bei festlichen Gelegenheiten und Kampfspielen. 

Die Decken aus Leder wurden bemalt, daher musste jeder, der in die Zunft der geistlichen 
Maler als Meister eintreten wollte (anno 1410) zur Erprobung seiner Meisterschaft ein Bild auf 
polirtem Goldgründe in drei Wochen malen, aber ausserdem auch Alles, was zum Stech- oder 
Turnierzeug gehört, nach Verlangen der Herren mit eigener Hand bemalen können. Eben so 
mussten auch die Schilter Schild- und Rüstzeug bemalen können, und „wer sich auf den 
Schiltwerch" als Meister setzen will, muss nach der Innungsordnnng vom Jahre 1410 in sechs, 
nach jener vom Jahre 1446 in acht Wochen vier Neustücke machen: einen Stechsattel, ein Brust- 
leder, einen Rosskopf und einen Stechschild a . 

Die Decken aus Stoffen dagegen waren meistens mit Stickereien verziert, mit Borten 
besetzt, mit Sternen oder Rosen und anderen Verzierungen aus Metall beschlagen, mit Schellen 
behängt und an den Säumen mit Borten oder Fransen verbrämt. So war das Ross Ulrichs 
von Lichtenstein einmal mit Scharlach verdeckt, die Decke war lang und weit geschnitten, 
mit goldenen Borten reich gegittert und dort, wo sich die Borten kreuzten, waren aus Silber 
geschlagene Rosen befestiget 5 und die Decke mit gelbem Zendal unterfüttert. Ein anderesmal 
schildert er ein Pferd, verdeckt mit blauem Zendal, worauf Schapel gestreut waren, „die leuch- 
teten von allen Blumen, die mir des Maien Zeit gibt". Bisweilen war die CouvertUrc auf jeder 
Seite von anderer Farbe, so schildert Wigalois eine solche von Sammt, auf der rechten Seite 
grün wie Gras, auf der linken Seite roth wie Blut. Im Iglauer Stadtbuche hat das Pferd 
KönigWenzels I. eine gelbe Decke, die mit Blümchen und mit blau und weissen Blättern, bestreut 
und blau gefüttert ist 4 ; während die Pferdedecke bei König Johann* aus Goldstoff mit 
rothem Futter besteht. Die Stickereien sind oft willkürlich, bald Blumen, bald Thiere, bald 
menschliche Figuren. So liess Herzog Ernst «1er Eiserne, als er nach seiner Rückkclir aus 
dem heiligen Lande auf dem Hoftagc zu Ofen bei Kaiser Sigmund erschien, auf seine Pferde- 
decken die Figuren von Dreschern malen, worüber der Kaiser sehr ungehalten war (warum 
ist unbekannt), so dass Herzog Albert V. durch seine Vermittlung das Missfallen des Kaisers 
beschwichtigen musste 8 . 

' OUkar von Horoek, C*p. VII. - » Feil. Beiträge. I. c Maler, lllominatoren un4 Scbiltor. - » L«chm«iiD, I.e. 
2»C - « I. & Fol. la, col. l.-»U Fol. 37 b, col. 2. — « He», Script. II, coL 844. 



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Die Siegel der österreichisches Reoenten. 



209 



Häufiger aber nahmen derlei Stickereien auf die Wappen Bezug, so führte Otto von 
Meissau eine Decke aus Seide und Gold, die mit zobelfarbenen Unicornen bestreut war; bei 
Herzog Albert III.' treffen wir die Pferdedecke ohne Stickerei, aber nach den Wappenfarben 
roth mit weitem Futter. Übrigens finden wir auf den Österreichischen, so wie überhaupt auf 
den deutschen Siegeln die Wappen in der Regel in dreieckigen Schilden auf die Pferdedecken 
gestickt oder geheftet, während auf den englischen und französischen, vorzüglich aber auf den 
niederländischen Siegeln, sowohl der Fürbtig als auch das Gcliger das Wappen selbst mit 
den verschiedenen Farben und Figuren seiner Felder darstellen. Hatte nun das Wappen 
nur ein Feld, so hatte die Decke die Farbe desselben, und die Wappenfigur erscheint beson- 
ders auf dem Flirbug, welcher bei einer grösseren Länge eine verhältnissmässig geringere 
Breite darbietet, lang gestreckt und dabei sehr schmächtig ist. Dies blieb nicht ohne Einfluss 
auf den heraldischen Typus in diesen Ländern; daher auch auf den Wappensiegeln ins- 
besondere die aufrechten Figuren, im Verhältnisse zu ihrer Höhe meist Uberschlank dargestellt 
sind. Im Iglauer Stadtbuche ist bei König Wenzel I. die Pferdedecke am Halse und am 
Schenkel mit den beiden böhmischen Wappenschilden belegt und zwar an der Brust mit einem 
silbernen Schilde, worin ein schwarzer geflammter Adler, am Schenkel mit einem rothen Schilde, 
darin der silberne Lüwc *. 

Bei der Reiterfigur Otakars zeigen sich die, durch die Luxemburger herüber gebrachten 
Einflüsse der niederländischen Heraldik*, die Pferdedecke ist sowohl am Vorbuge, als am 
Gcliger schräg geviert und zeigt an erstcrem oben und unten im grünen Felde den silbernen 
Panther von Steiermark ohne Feuerflammen und an den Füssen mit je vier gelben Adlcr- 
kr allen, und rechts und links im gelben Felde drei Uber einander schreitende schwarze Löwen; 
am Geliger befindet sich im oberen und unteren Felde das Wappen Känithens und rechts und 
links jenes von Steiermark. 

Die Stellen aus Ulrich von Liechtenstein und Ennenkel beweisen , dass das Verdecken 
der Pferde früher im Gebrauche war, als es auf den habsburgischen Reitersicgcln vorkommt, 
nämlich bei Otakar. In Frankreich erscheinen die Pferdedecken viel früher, so auf dem Rciter- 
siegel Walthers von Moutmorency bereits im Jahre 1209*; auch auf den Siegeln der Herzoge 
von Brabant sind die Pferde schon in der ersten Hälfte des XIU. Jahrhunderts verdeckt. In 
Deutschland zeigt sich dieser Pferdeschmuck auf den Siegeln der Dynasten und Grafen früher, 
als auf jenen der höheren Rcichsfürsten, so bei Konrad I. von Hohenlohe-Brauneck im Jahre 
1246, bei Poppo von Durne* anno 1248, bei Bernhard von Lippe und bei Gcrhart Graf von 
Dietz in den Jahren 1245 und 1250. 

Von Otakar angefangen bleiben die Pferdedecken auf den österreichischen Fürstensiegeln 
in ununterbrochener Folgcnreihe. Nur auf der Kehrseite des Majestätssiegcls für die österrei- 
chischen Angelegenheiten reitet König Friedrich III., jedoch im Friedenskleide, auf einem un- 
virdeckten Pferde. Bei Otakar sind die Pferdedecken mit Rosen bestreut, verbrämt und mit 
Wappenschildcn belegt, einmal sind an den Ohren Schellen angebracht. Auf den kleineren 
Siegeln befinden sich die Schilde von Böhmen, Mähren und Steiermark; auf dem grossen Maje- 
stätssiegcl jene von Kärnthen, Mähren, Steiermark und wahrscheinlich von Krain. Schmuckloser 
sind die Pferdedecken bei den Habsburgern, nämlich durchaus ohne Stickereien, selten mit einer 
Verbrämung, manchmal sogar ohne Wappenschilde; die Anzahl der letzteren beträgt mit einer 

1 Codex Nr. 2763 der k. k. Holbibliothek. — * I. c. Fol. la, eol. 1. — J Da» Iglauer Sudtbucb wurde xu Ende des XIV. 
oder in Anfang de» XV. Jahrhundert« begonnen. — * Ucrkcn, I. c. II, 179, mit Berufung auf: du Cheaoe bistoiro de la 
naiaon Montooreoey. - » Gudentu Codei diploiuaticu» Mogunt IU, Taf. III. 



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210 



Karl vom Sava. 



einzigen Ausnahme höchstens drei. Die Wahl der Wappenschildo selbst ist willkürlich, anfangs 
Steiermark und Habsburg; einmal Osterreich und Habsburg; nach der Erwerbung Kärntliens 
der Wappenschild dieses Herzogthumes nebst dem steierischen, bei Rudolf IV. neben Steier- 
mark und Kämthen das neu angeerbte Pfirt, bei seinen beiden Brüdern Steiermark, Kärnthen 
und Tirol. 

Leopold der Stolze hat nur den tirolischen Adler, Friedrich V. den Schild mit den fünf 
Adlern. Die Schilde selbst sind auf der Decke am Halse, an der Brust oder am Schenkel des 
Pferdes angebracht. Albrecht VI. hat auf der Pferdedecke zwölf Wappcnschilde und zwar in 
zwei Reihen von der Brust nach rückwärts gehend; in der oberen Reihe befinden sich die 
Wappen der windischen Mark, Oberösterreichs, von Pfirt und Burgau, in der unteren Reibe: 
von Steiermark, KUrnthen, Krnin, Portenau, Habsburg, Tirol, Kiburg und Elsass. 

Ausser den Decken trugen die Pferde noch anderen Schmuck, auf dem llaupte Kronen. 
Federblische oder dem Wappen entnommene Figuren und Embleme, eine auf den flandrischen, 
französischen und englischen Siegeln vorherrschende Sitte, während die mittelalterliche Sphra- 
gistik Deutschlands diesfalls, mit Ausnahme Österreichs, wenige Beispiele darbietet , von 
welchen wir nur die beiden Grafen Ulrich und Eberhard von Würtemberg nennen wollen 
(anno 1315 und 1361), auf deren Reitersiegel die Herde einen Schlachthelm auf dem Haupt« 
tragen, worauf als Zimier das Hüfthorn mit der verschlungenen Schnur ruht. Auf den öster- 
reichischen Fürstensiegeln hat bei Johann von Schwaben (Parricida) das Pferd eine Krone mit 
einem niederen Pfauenstutz auf dem Haupte. Auf den Siegeln des prachtliebendcn Herzogs 
Rudolf IV. ist das Pferd ebenfall» gekrönt, über der Krone schwebt ein Adler mit ausgebrei- 
teten Flögeln, während ein an der Krone befestigtes Kreuz auf die Stirne herabhängt. Das 
Pferd Friedrichs V. trägt eine Krone mit einem hervorwachsenden Adler, also die Hehnzicrde 
zu dem Schilde mit den fünf Adlern, welchen letzteren das Pferd auf der Brust hat. Bei Albert VI. ! 
ist an der eisernen Rossstirne der österreichische Bindenschild angebracht und darüber eine 
Krone, aus welcher ein hoher Pfauenstutz emporragt. 

Von dem Hufbe schlage ist nur auf dem grossen Reitersiegcl Herzogs Rudolf IV. die Form 
des Hufeisens, der heutigen ähnlich, erkennbar; das Auslaufen der Nägel am Hufe ist durcli 
gleichförmig von einander abstehende Punkte angedeutet. Auf den Siegeln des Grafen Wilhelm 
von Holland und des Herzogs Reinald von Geldern ist die Sohle des Hufes geriffelt. 

Als Ehrenstrafe für Edelleute galt es auf einem unbeschlagencn oder nur theilweise beschla- 
genen Pferde, oder ohne Sattel zu reiten 1 . — 

Unter den Hauptsiegeln, welche ausschliesslich Wappenbilder haben, sind jene der 
beiden Heinriche von Mödling, des Sohnes und Enkels Heinrichs Jasomirgott, die ältesten. Heinrich 
der ältere führte Anfangs das österreichische Wappen, den einfachen Adler frei im Siegelfelde: 
als aber später sein Nefle Mönzsicgel annahm, gebrauchte auch Heinrich ein solches, welches auf 
beiden Seiten Wappendarstellungen enthillt, und zwar erscheint auf der Vorderseite der österreichi- 
sche Adler frei, auf der Kehrseite jedoch sind zwei Uber einander schreitende Löwen in einem herzför- 
migen Schilde, wahrscheinlich das alte Geschlechtswappen der Babenberger. Ein gleiches Münx- 
sicjrel finden wir bei seinem Sohne, nur sind sowohl der Adler als auch die beiden Löwen frei im 
Siegt Ifelde, und zwischen den beiden letzteren zieht sich ein schmaler Querbalken durch die ganze 
Breite des Siegelfeldes. Diese zwei Münzsiegel der Heinriche von Mödling sind in der österrei- 
chischen Sphragistik die einzigen, welche auf beiden Seiten blos Wappenbildcr haben, während 
diese in der späteren Zeit nur auf der Kehrseite solcher Münzsiegel vorkommen, auf deren Vorder- 

> Griuin», 1. c. II, 712- 



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i 



Die Siegel der ösTEBRKicniscnES Rt.gesten. 



211 



seitc der Fürst zu Throne sitzend dargestellt ist, wie auf den Siegeln des Ladislaus Posthumus und 
Kaiser Friedrichs III. 

Im Zwischenreiche führten Hermann von Baden und Otakar von Böhmen eben so wenig 
Wappensicgcl, als dies bei den regierenden Fürsten aus dem Ilause Babenberg der Fall war. 
Erst mit den Habsburgern kommen sie in Aufschwung, und lassen sich nach der Zitlil und 
Zusammenstellung der Wappenschilde in verschiedene Gruppen einthcileii. 

Unter Herzog Albert 1. beginnen sie hauptsächlich als Contrasiegel und es erscheint darauf, 
um die Vereinigung der Herzogtümer Österreich und Steier symbolisch darzustellen, der Panther 
frei im Siegelfelde und dessen Körper mit dem Bindenschildc belegt; gleiche Siegel führten seine 
Nachfolger und gebrauchten sie bei Urkunden von minderer Wesenheit, auch als selbstständige 
Siegel, bei Papierurkunden gewöhnlich nur aufgedruckt. Das letzte Siegel dieser Art, ohne Um- 
schrift und immer nur als Contrasiegel verwendet, hat Herzog Rudolf IV. Ähnliche Zusammen- 
stellungen finden wir bei den Herzogen von Buh tu, wo der pfälzische Löwe mit dem Rauten- 
schild, und bei einigen Bischöfen von Passau, wo der Wolf mit dem Familienwappen der Bischöfe 
belegt ist. 

Von Leopold I. angefangen kommen Hauptsiegel mit dem österreichischen Bindenschilde 
allein vor, bald grössere mit 2'/ s Zoll im Durchmesser, bald von kleineren Dimensionen, 10 Linien 
und 1 Zoll. Anfangs sind sie ohne Ornamente, nur ist das Sicgclfeld mit Blattwerk, der Schild 
mit Damaseirungen ausgefüllt oder auch gegittert und mit Blümchen belegt. Später wird der 
Schild mit Ornamenten umgeben, so mit dem Klecornamente, welches besonders häufig auf den 
Amtssicgcln für das Bergrecht, so wie Air die Anwälte von Österreich vorkommt. Bei dem Blnmen- 
ornamente wurde es nöthig die Räume des Vierpasses auszufüllen, daher wurde der Schild oben 
von einem Kugel gehalten und ringsum von Blattwerk umrankt, oder es halten Engel den Schild 
oben und zu beiden Seiten, während ihn unten ein Drache stützt. Auf Petschaften finden wir 
den Bindenschild zweimal von einem Drachen umschlungen und einmal von einem Kranze 
umfangen. 

Nach der Erwerbung des Herzogthuines Kärnthen führte Herzog Albert II. ein kleines 
Hauptsiegcl, worauf drei Sehilde vorkommen, oben zwei: Österreich und Steier, unten 
einer für Kämthen. Bald aber wich diese Stellung jener zu einem und zwei Schilden, wobei 
Österreich stets den oberen Platz einnimmt, und unten Steier und Kärnthen, Steier und Tind, 
Kärnthen und Tirol mit einander wechseln. Nur bei Kaiser Friedrich III. uinnnt der Reichsschild 
den oberen Platz ein und unter demselben sind Österreich und Steier gegen einander gelehnt. 
Bei dieser Gruppe von drei Schilden sind entweder alle mit den Spitzen senkrecht nach abwärts 
gestellt oder die beiden unteren Schilde gegen einander gelehnt, oder es sind die drei Schilde 
mit den unteren Spitzen einander zugekehrt. 

Diese letztere Zusammenstellung gab bei vermehrter Anzahl der Schilde Veranlassung zu 
der sternförmigen Gruppirung derselben, indem sich nämlich fünf Schilde mit den unteren Spitzen 
oder Füssen zugekehrt sind. Die Mitte dieses Sternes wird einmal durch die Quaste der Schildcs- 
fcsscl, ein anderesmal durch einen Stern oder eine Rose, oder einem Löwenkopf ausgefüllt. So 
wie sich bei der Gruppirung von drei Schilden das Kleeomament als die natürlichste Umrahmung 
des Siegclbildes darbietet, so ist es bei fünf Schilden der Fünfpass. 

Eine seltene Zusammenstellung von fünf Schilden ist jene in Form eines Kreuzes, wie auf 
dem Siegel Kaiser Alberts II. für Österreich, auf welchem der Reichsschild, Österreich und Mähren 
den Pfahl, Ungarn und Böhmen die Kreuzesarme bilden. 

Herzog Rudolf IV. war der erste, welcher so wie auf «einem Porträts! egeln, auch in 
die kleinen Siegel nebst den Wappen der Herzogthümer jene der Graf- und Herrschaften auf- 
IX VJ 




212 



Karl von Sava. 



nahm. Auf «einem ersten Sittel dieser Art ist «Ins Feld mit einer reichen Ornamentik aus Maasswerk 
in Form einer zierlichen Fensterrose ausgefüllt: in der Mitte befinden sich innerhalb eine?» Drei- 
passe» die »Schilde von Österreich, Steiermark und Kärnthcn . wiihrend jene von llabsburg, Ptirt. 
Kram, Portenau und der windisclien Mark rund umher in den Bogenkrümmungcn angebracht 
sind. Albert. VI. hat in der Mitte drei Schilde von einem Kleeornamente umrahmt, Tim welche eilt 
Wappenschilder zivisehen zwei Linien in einen Kreis gestellt sind. 

Endlich wurde bei grösseren Wappcngruppcn ein Sediild in die Mitte gestellt und dieser 
von einem Elidel oder einem Löwen gehalten, die übrigen Schilde sind in mannigfacher Weise um 
diese Miüelgruppc gereiht und das Ganze wird von einein Ornamente umrahmt. Bisweilen werden 
silmmtliche Schilde an den mittleren durch Kette und Sellins» befestiget, manchmal sind auch die 
Neheuschilde von Engeln gehalten oder durch deren Flügel gestützt. Diese Gattung von Siegel- 
bildern findet sich ausschliesslich nur bei Ladislaus Posthumus, und es behauptet dabei der öster- 
reichische Schild stets den mittleren Platz. Auch auf den Kehrseiten seiner Majestietssiegel 
treffen wir gleiche Darstellungen in reichen Compositionen und mit zierlichen Ausschm il ekungen : 
nur nimmt auf diesen Kehrseiten auf dem österreichischen Siegel der Bindensehild, auf dem 
böhmischen der Löwe und auf dem ungarischen Siegel der Schild mit dem Patriarchcnkrcuz 
den mittleren Kaum ein. Auf dem österreichischen Siegel schwellt über der Wappeiigru ppe 
eine Bilgelkronc, aus der Ketten herabreichen , durch welche die Schilde an einander befestiget 
sind, während der Bindenschild von einem Löwen gehalten wird. Auf dem böhmischen Majestüts- 
siegel halten drei Engel den Schild mit dem Löwen, die übrigen sind in den Krümmungen eine." 
Sicbenpasses angebracht, während auf dem ungarischen Siegel ein Engel, welcher sich Uber den 
Mittelschild emporhebt, die Wappen von Altungarn und Böhmen halt und zwei Waldmilmier den 
Mittelschild an langen, mit Bingen an den Schild befestigten Staugen halten. Das reich verzierte 
Siegelfeld ist von einem Sechspass umgeben, in dessen Krümmungen die übrigen Schilde ange- 
bracht sind, in den Ausseniviiikeln dagegen befinden sieh geflügelte Drachen. 

Auf den bisher besprochenen Wappensiegeln nimmt der österreichische Schild mit wenigen 
Ausnahmen den llauptplatz ein, und nur auf einem Sccretc Sigmunds von Tirol kommt der, mit 
einem Ilerzogshute bedeckte und von einem Klceornamente umgebene Schild mit dein tirolischen 
Adler allein vor. 

Wir wenden uns nun jenen Siegeln mit Wappenschilden zu, auf denen einzelne Schilde mit 
den ihnen angehörigen Helmen und deren Zierden vorkommen. Das erste Siegel dieser Art hat 
Friedrich der Schöne mit dem Bindensehihle, auf welchem der gekrönte Schlachthelm mit dem 
Pfauenstutz ruht, hierauf Friedrich II. , bei welchem der Helm auch eine Decke hat. Herzog 
Rudolf IV. umgibt den behelmten Hauptschild noch mit anderen Wappen, welche auf zwei 
Siegeln an vier Löwen angebracht sind, welche den österreichischen Schild und dessen Helm 
halun; unfeinem dritten Siegel Rudolfs, ho wie auf jenen seiner Brüder Albert und Leopold, 
dann auf einem Siegel Kaiser Friedrichs III. sind diese Wappeuschildc in den Krümmungen 
von Roseiioniamcntcn angebracht. Auf allen diesen Siegeln ist der llanptschild schräg rechts 
gestellt-, so dass der Hehn auf der linken Ecke des Schildes ruht; nur bei Kaiser Friedrich III. steht 
der Schild aufrecht und der Helm ist auf den Hauptrand des Schilde s gesetzt 

Herzog Leopohl III. hat zuerst zwei gegen einander gekehrte Schilde mit ihren Helmen und 
Kleinodien , es sine! elics die Schilde von Osterrcii'h und Tired, auf welchen die gekrönten Helme 
mit ausgezackter Decke ruhen, elcr eine mit dem Pfauenstutz, der andere mit dem schwarzen Adler- 
flügel geschmückt, den ein goldenes Band mit gleichen herabhängenden Blättern durchzieht. Diese 
beiden Hauptachilde stützen sich auf die äussere Schriftlinie und die Helmzicrden n ichen oben 



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Du: $n:> 1:1. deh österreh hisciies Reoextes. 



213 



ebenfalls in den Scliriftraum, zwischen beiden Helmen sind die Schilde von Steiermark, Kärnthcn 
und Krain pfahlweise gestellt. Unter den folgenden Siegeln dieser Art ist jenes von Herzog Albert V. 
von einem gestürzten Kiehclnornamcnte umgeben; in den oberen beiden Krümmungen ist der 
Schild mit den fünf Adlern dem österreichischen Bindenschilde entgegengestellt. Auf ersterem ruht ein 
gekrönter Stechhelm mit einem hervorwachsenden Adler, auf dem anderen ein Stechhelm mit dem 
Pfauenstutz, und in der kleineren unteren Krümmung beiludet sieh ein Schild mit einem Adler. In 
gleicher Weise hat Herzog Friedrich V. den Schild mit den fünf Adlern und dem österreichischen 
Hindenschild, beide jedoch von einem ovalfönnigcn Aehtpass umrahmt, und zwischen beiden 
Schilden erheben »ich, durch Baumgeästc gestützt und von Gewappneten, Waldmänncrn und 
Engeln gehalten, pfahlweise über einander die Schilde von Tirol. Krain, Kiirnthen und zu oberst 
von Steiermark. Das am häufigsten vorkommende Ornament auf den Siegeln mit zwei, von ihren 
Helmen überragten Schilden, ist der Vierpass. Sigmund hat den österreichischen und steierischen 
Schild mit den Helmen und den dazu gehörigen Ilelmzierden , und zwischen beiden Steehhehnen 
den tirolischen Adler. Herzog Friedrich V. und Albert VI. haben nur die beiden Schilde von 
Österreich und Steiermark gegen einander gestellt, wobei aber der auflallende Umstand vorkommt, 
dass beide zu dem steierischen Helm nicht das richtige Zimier haben (nämlich den Panther in 
einem achteckigen Sehinnbrett, dessen Ecken mit Pfauenspiegeln besteckt sind) sondern Friedrich 
führt statt dessen zwei Büflelhömer von Stäben durchzogen, an denen Blätter herabhängen , also 
die Ilebnzierdc von Kiirnthen, während Albert VI. einen hervorwaehseuden Adler, also das 
zu dem fünf Adlerschilde gehörige Zimier hat. Auch auf dieser Siegelgattung nimmt von den 
I leiden behelmten Schilden der österreichische in der Mehrzahl den rechten Platz ein und weicht 
nur xwcimsd dem Schilde mit den fünf Adlern. 

Endlich kam man darauf, die einzelnen Schilde nicht mehr in Gruppen zusammen zu stellen, 
sondern gleich mehrere Wappen in einem Schilde mit mehreren Feldern zu vereinigen. Zuerst 
treffen wir dies bei Kaiser Albert H, indem ein quadrirter Schild im 1. und 4. Felde das altuuga- 
risehe, im 2. das österreichische, im 3. Felde das mährische Wappen zeigt. Sein Sohn hat zwei 
Siegel mit quadrirten Schilden, auf einem Altungarn, Böhmen, Mähren und Oberösterreich, 
und im Mittelschilde den österreichischen Querbalken; auf dem anderen mit Altungarn und Böhmen, 
Osteneich und Mähren; ein drittes Mal ist der gekrönte Schild gespalten, im rechten Felde mit 
Altungarn, im linken mit Böhmen, dazu zwei Raben als Schildhalter; die Wappen von 
Österreich, Mähren und Schlesien siud im Sclu-iftrande angebracht. Auffallend ist ein Siegel Kaiser 
Friedrich III., worauf sich ein quadrirter Schild mit einem Mittelschilde befindet, die vier Fehler 
zeigen: das 1. die fünf Adler, das 2. Krain, das 3. den Adler von Tirol, das 4. Oberösterreich 
und im Mittelschilde befindet sich der einfache Reichsadler. Das österreichische Bindenwappen 
fehlt gänzlich und dennoch wird dieses Siegel als jenes bezeichnet, welches er im Fiirstentliume 
Österreich gebraucht, ein Zeichen, dass man anfing die fünf Adler als ein Wappen des Herzog- 
fhumes Osterreich zu betrachten, welches vor dem Bindenschilde den Vorrang habe, was auch 
bereits bei zwei früher erwähnten Siegeln der Fall war. Auf einem Siegel Alberts VI. nehmen 
die fünf Adler das erste und der Querbalken das vierte Feld ein, während das ober-österreichische 
Wappen sich im zweiten und dritten Felde wiederholt, so dass das erste und vierte Kehl 
gleichsam identisch erscheinen, was jedoch bei einem zweiten quadrirten Schilde auf einem 
anderen Siegel desselben Fürsten nicht mit gleicher Consequenz durchgeführt ist, indem sich im 
ersten Felde die Alnf Adler, im zweiten da* Wappen von Steiermark, im dritten jenes von 
Krain, im vierten Felde jenes vou Tirol befinden und das Biudenwappen als Mittelschild 
erscheint. 



214 



Kaul von Sava. 



Aul' diesen beiden Sicheln Alberte VI. ruht auf den Schilden der Österreichische- Herzog. 
)int mit der Zinkenkrone und dem Bügel, worauf das Kreuz, und auf dem letzteren Siegel 
sind zwei feuerspeiende Panther als Sehildhalter angebracht. 

Auf den Sicheln jener österreichischen Fürsten, welche die deutsehe Königs- oder Kaisir 
würde bekleideten, ist der einfache oder zweiköpfige Adler die herrschende Wnppentigur. 
Rudolf I. führt unter den (K utschen Königen ihn einfachen Adler zum erstemnalc auf seinem 
f ontrasiegcl, und zwar frei im Siefreifeide 1 , und in gleicher Weise erseheint er auch auf dem 
königlichen Seerete Albert I. Eben so zeigen auch die beiden Secrcte Kaiser Friedrichs des 
Schönen den einfachen Adler, nur trägt derselbe auf dem kleineren Siegel zum erstenmal'' 
das Hauswappen des Fürsten , nämlich den österreichischen Bindenschild auf der Drust, was 
nur noch auf den Bergrechtssiegeln Kaiser Friedrichs Ul. vorkommt. Fs sind diese Sicgtl 
gleichsam die Vorläufer jener späteren grossen Staatssiegel, auf welchen die Brust des Doppel- 
adlers mit dem llaussehilde des Kaisers belegt ist, und welche nach dem Verschwinden der Portrait- 
siegcl seit Kaiser Karl V. in Gebrauch kamen. 

Kaiser Albert II. führte unter den österreichischen Fürsten als deutscher König kleine Haupt- 
sicgel mit Wappcubildern, worauf der Adler als die vornehmste Figur erscheint. Des einen, worauf 
der Adler im Schilde angebracht ist, wurde bereits erwähnt, auf dem anderen kommt derselhc 
frei im Siegelfelde vor, und die Wappen von Ungarn, Böhmen und Österreich sind in den 
Schriftrand gewiesen. In gleicher Weise ist auf den Wappcnsicgeln, welche König Friedrieh III. 
als König oder Kaiser führte, der einfache oder doppelte Adler entweder von den Wappen- 
schilden des H;iu*bcsitzes kreisförmig umgeben, oder es sind die letzteren im Schriftrande 
oder in einem Si< geil'elde angebracht , und nur ein einzigesnial sind auch die Flügel des kaiser- 
liehen Adlers mit den Wappenschilden von Österreich und Steier belegt. Auf den Siegeln, 
welche Friedrich für Österreich führte, kommt der einfache Adler in einem Herzsehilde und 
du- Doppeladler in einem abgesonderten Hauptschihlc am ersten Platze vor, letzteres ist auch 
auf dem fachet der Fall. 

Auf den Kehrseiten der beiden Majestätssieg« I sind die Adler je von einem Siebenpassi 
umgeben, in de ssen Krümmungen eben so viele Besitzwappen mit ihren Helmen und Zimicrcn 
augebracht sind, während die Ausscnwinkcl dieses Maasswerk-Ornamentes durch EngclsbUsteii 
und Drachen ausgefüllt werden. Die Stempel dieser beiden Siegel sind mit einander identisch, 
indem nur der einfache Adler auf dein späteren kaiserlichen Siegel in einen zweiköpfigen 
verwandelt wurde. Dir einfache Bcichsadlcr erscheint als Wappcniigur ohne Nimbus, während 
der zweiköpfige Adler auf den Siegeln Kaiser Friedrichs III. stets nimbirt ist und mit diesem 
Schmucke zuerst auf den Siegeln König Sigismunds nach dessen Kaiserkrönung vorkommt. 

Zu den .Siegeln mit Wappenbildcrn gehören noch zwei Petschafte, nämlich jenes Herzog 
Kudulfs IV., auf welchem nur der gekrönte Helm mit dem Pfauenstutz als heraldisches Ab- 
zeichen vorkommt ; und das zierliche Kingsiegel Herzog Alberte V. mit dem, auf einem Felsen 
ruhenden Hirschen, worauf di r österreichische Bindensehild gleichsam nur als Beizeichen, wenn 
auch als bedeutsames erscheint. 

Die heraldischen Schilde, welche auf den Siegeln mit Wappenbildern vorkommen, sind unter 
den Babenbergein herzförmig; unter den Habsburgern dagegen erscheinen die sogenannten 
Dreieckschilde, die an den Seiteutheilen ausgebogen sind, während der Schildfuss selbst iu 
eine Spitze endet. 

i S]>i«»x, aribiviscbc Ni'bcnarlicitoD J. Tlieil. AtiliiMuiit? auf tUm Tilelblattr. 



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Die Sieoel der östehbeiciiischrs Rkcuxtf.*. 



21;i 



Von Herzog Allu-rt V. angefangen werden die unten abgerundeten Schilde mit geraden 
Seitcnihcilen vorherrschend, und bei Sigmund und Albert VI. kommen auch Sehilde in Gebrauch, 
die auf einer Seite stark nnsgebogen sind, jedoch ohne den, die Tartschc charakterisirenden Aus- 
schnitt zum Einlegen der Lanze zu zeigen. 

Die auf den Schilden ruhenden Ilchnc sind anfangs der oben gerade abgeschnittene 
Fasshelm, später der oben gewölbte, mitunter spitz zulaufende Kübelhelm, der bisweilen eine 
sehr zierliche Form hat und mit Luftgittern und einem bhnnenförmigen Durchschlag versehen 
Lssi , um den vom Haupte genommenen Hehn mittelst einer Kette an dem Ringpanzer zu 
befestigen. Auf den Siegeln der Herzoge Sigmund, Friedrieh V. und Albert VI. kommt der 
Stechhelm vor. Der Kolbenturnierhelm erscheint bei den österreichischen Fürsten nur auf den 
Siegeln Max I. für die Niederlande. 

Auf den Helmen belinden sieh, wie auf den Rcitcrsicgcln, tluis Laub- theils Lilienkronen. 
tu LS ihnen ragt das Zimier empor, während sie selbst, mit einer einzigen Ausnahme, auf den 
Helmdecken ruhen. 

Da die Helmzierden bereits in der Ubersicht über die Wnppengruppcn im Allgemeinen 
besprochen wurden, so gehen wir gleich zu den Helmdecken über. 

Bei Friedlich dein Schönen fehlt dieselbe noch, auf dem Siegel Herzog Friedrichs II. 
dagegen bildet sie ein mantelartiges Tuch, das zu beiden Seiten des Helmes symmetrisch in 
Falten gelegt ist. 

In gleicher Weise finden wir sie bei Herzog Rudolf IV. und seinen Brüdern Albert und 
Leopold. Ein spateres Siegel des ktzteren zeigt uns die Helmdecke bereits mit Verschlingungen 
und theilweise ausgezackt, obwohl noch weit entfernt von jenen arabeskenartigen Formen, 
in welchem sich das XVI. Jahrhundert ergeht und für welche die ausgezackten Helmdecken 
auf den Siegeln Herzog Friedrichs V. und seines Bruders Albcrts VI. die ersten Anfänge bilden. 

er r? r? 

Um grössere leere Räume und deren Eintönigkeit zu vermeiden, wurde das Sicgelfeld 
mit Damascirungen ausgefüllt, die gewöhnlich aus Zweigen mit Blättern und Blumen bestehen, 
oder es wurde dasselbe mit gegitterten oder sehrilg gekreuzten Streifen durchzogen , zwischen 
welche Blumen oder Sterne gestreut sind, oder es ist das Fehl ohne eine solche Vergitterung, 
mit Blumen oder Ste rnen besäet. Ein anderesmal bestehen diese Füllungen aus Maasswerk 
oder aus Strahlen, « eiche den Schild umgeben. Ausserdem wurden zur Füllung des Sicgelfeldes 
auch Beiwerke angebracht, wie Säulen und Vögel inmitten von Maasswerk. Derlei Beiwerke 
dienten bisweilen zur Motivirung der Gruppirung der Schilde, welche zum Theilc von Engeln, 
Reisigen, Waldmännern, Drachen u. s. w. gehalten oder getragen werden. 

Bei der sternförmigen Zusammenstellung von fünf mit den Spitzen einander zugekehrten 
Schilden ist der in der Mitte befindliche Raum mit einem Sterne, einer Rose oder mit einem 
Löwenkopf und einmal auch durch die Quaste der Schildesfissel ausgefüllt. 

Unter den Wappenschilden bietet der österreichische mit dem rothen Felde, und dem 
weissen Querbalken für die Plastik durchaus glatte Flächen. Man suchte daher, besonders 
bei grosseren Schilden, diese Monotonie entweder durch Damascirung des Querbalkens oder 
des Feldes zu beseitigen. Meistens aber ist das Feld mit sclirüg gekreuzten Streifen und 
dazwischen gestreuten Sternen oder Blumen ausgefüllt, wobei die Binde entweder blank 
bleibt, oder von einer schräg gekreuzten Straflirung durchzogen ist. Bisweilen erscheint das 
Feld gekörnt oder vou wellenförmigen Linien durchzogen. Auf den österreichischen Siegeln 
des Ladislaus I'osthumus ist der Querbalken mit einer rautenförmigen Verzierung ausgefüllt und 
dabei das Feld einmal blank, das anderemal damascirt. 



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2t<; 



Kakl von Sava. 



Bei der Zusammenstellung mehrerer Schilde in Gruppen, sowohl mit Helmen, als auch 
ohne diese, suchte man nicht blos der Symmetrie Rechnung zu tragen, sonderu man bestrebte sich 
auch, das Ganze in künstlerischer Beziehung zu einem Bilde zu gestalten; hierzu diente di«- Anwen- 
dung von Umrahmungen, welche gewöhnlich aus Ornamenten bestehen, die aus Bogcnthcileii 
zusammengesetzt find. Am häufigsten kommt hierbei der Dreipass oder das Klccomauicut vor. 
sowohl aufrecht, nämlich ein Bogen oben und zwei Bogen unten, als auch in verkehrter Ordnung 
oder gcstilrzt. Der Vicrpass wird meistens auf Siegeln mit einem Sehilde verwendet, kommt aber 
auch bei kreuzförmiger Zusammenstellung der Sehilde als sogenanntes Bluinenornament vor; auch 
bei zwei gegen einander gekehrten Schilden mit Helmen wird er angebracht, ist aber dann anders 
gestellt, indem er gleichsam ein an den Ecken abgerundetes Viereck bildet, dessen Seiten je in der 
Mitte eingebogen sind. Ausserdem kommen, der Zusammenstellung des Siegelbildes entsprechend, 
derlei Umrahmungen vor, welche aus fünf bis zwölf Zirkeltlieilen componirt sind. 

Die Berührungspunkte der Zirkeltheile werden meistens durch Blätter- oder Blumenknorren 
verdeckt und an die Concavseiten des Ornamentes, so wie an «lie innere Schriftlinie schlicsscu sich 
öfter spitzenartige Verzierungen an, welche aus einer Reihe mit einander verbundener Halbbogen 
bestellen , deren Spitzen mit Blumen oder Kleeblättern besetzt sind. Die Aussenwinkel der Or- 
namente werden mit Engelbüsten, hervorwachsenden Adlern, Drachen und Ungethümen, 
mit Blumen und Blattornamenten, mit ausspringenden Winkeln und mit zierlichem Maasswerke 
ausgefüllt, wie sie die reich entwickelte gothischc Architectur darbietet. Ein sehr zierliches Orna- 
ment in Form einer reich gesclunückten gothisehen Fensterrose zeigt das Siegel Herzog Rudolfs IV. 
und eine aus einem Dreipasse und drei ausspringenden Winkeln zusammengesetzte Umrahmung 
befindet sich auf einem Siegel Kaiser Friedrichs HL 

Die Bogentheile dieser Ornamente sind meist markig hervortretend und an der profilirten 
Seite mit Blumen, Sternen und anderen Verzierungen geschmückt, seltener bestehen sie aus soge- 
nannten Stufenlinien. 

Ausser den, der Architectur und dem Pflanzenreiche entnommenen, ornamentalen Aus- 
schmückungen auf den Siegeln mit Wappenbildern, kommen auch noch Darstellungen von leben- 
den und idealen Wesen vor. 

Engel finden sich als Schild- und Kronentritger mit ausgebreiteteten, über das Haupt erho- 
benen Flügeln, welche nach aussen nmgerollt, lang und fein befiedert sind; die Haare sind gewöhn- 
lich reich gekräuselt, und auf den Siegeln des Ladislaus Posthumus haben sie das Haupt mit einem 
Stimreif »imgeben, an welchem sich vorne ein Kreuz erhellt, nur einmal ist das Haupt mit Strahlen 
nimhirt. Das Kleid, um den Hals weit ausgeschnitten, ist um die Mitte gegürtet und überhängend, 
die Ärmel sind weit und lang und die Gewandung reicht dort, wo die ganze Figur erscheint, über 
die Füs.se und ist faltenreich geschwungen. Bisweilen tragen die Engel über die Brust gekreuzte Stolen. 
Als Schildträger haben sie die Schilde gewöhlich vor sieh, und sind bis zur Hälfte des Körpers 
sichtbar, bisweilen wird der Schild überdies noch zu jeder Seite von Engeln gehalten, oder die 
Flügel der letzteren dienen den Schilden zur Stütze. Auf einem Siegel Kaiser Alberts II. schwebt 
über dem einfachen Adler ein Engel, der nur bis an die Brust sichtbar ist und aus seinen Hiiuden 
geht, als Zeichen des Sc hutzes, die das Siegelfeld umrahmende Linie hervor. Auch als Träger von 
Sehriftbändein erscheinen Engel, und als halbe Figuren oder Brustbilder sind sie in den Aussen- 
winkeln der Ornamente angebracht. 

Ge wappnete mit Fähnlein in knapp anliegender Kleidung, sonst keine nähere Beschrei- 
bung zulassend, kommen als Schildhalter nur einmal und Waldmänner in gleicher Eigenschaft 
nur zweimal vor. 



Die Siegel dek österreichisch»:* Rkgentes. 



217 



Löwen und zwar zwei den Schild und zwei den Helm haltend, befinden sieh 'zum er.steu- 
i Male auf den »Siegeln Rudolphs IV., sie tragen Wappensehilde, welche an ihrem Körper in Form 
von Klügeln angebracht sind. Bei Ladislaus Posthumus erseheint ein Löwe als .Schildträger auf 
den österreichischen Siegeln; aufrecht sitzend und stark bemühnt, hat er den österreichischen 
Hindcnsc hild vor sich und hält, die umgebenden Schilde mit den Vorder- und Hintertatzen. 

Drachen, zweifüssige geflügelte Ungeheuer mit Schlangenschweifen und fantastischer 
Kopfbildung, dienen bald als Stützen des Schildes , bald sind sie als Thtile der Ornamentik in 
den Aossenwinkeln der Umrahmungen angebracht; als letztere kommen auch hervorwaehsende 
Adler vor. 

Der ungeflügeltc Lind wurm mit vier Füssen, welcher auf den Siegeln Frnst's und Alberts IV. 
den österreichischen Bindenschild umschlingt, gehört unter die be leutiingsvollt n Beiwerke, indem 
er das Abzeichen des von Kaiser Sigmund gegründeten Drachenordens ist. Den in der Sieg* I- 
lusehrcibun« gegebenen Andeutungen über den Drachenorden fügen wir hier noch folgende Bemer- 
kungen bei : Herzog Frust der Fiserne, auf dessen Siegel der Drache bereits im Jahre 1102 
erscheint, trat nach einer, dem Kaiser Sigismund am 16. Februar 1400 zu Odenburg gegebenen 
Urkunde, mit 21 Fdlen aus Osterreich und Steier dem Drachenorden bei. Ks lässt sieh dies entweder 
dahin erklären, dass er den ihm verliehenen Orden früher trug, ohne eine feierliche Erklärung hier- 
über abzugeben, oder dass er, um die Gunst des Kaisers zu erwerben , der zum Obmann der 
Schiedsrichter in den Streitigkeiten zwischen Ernst und dessen Bruder Leopohl gewählt war. die 
geänderten oder erweiterten Statuten dieses Ordens anerkannte und auch seine Landesedlen hiezu 
liewojr. Nach dem Tode Kaiser Sigmunds wurde der Drachenorden zwar von den österreichischen 
Fürsten verliehen, auf den Siegeln aber findet sich keine weiter«; Spur desselben. Dass ihn die 
Fürsten jedoch selbst trugen, geht daraus hervor, dass unter den Kleinodien, welche Herzog Albert V. 
den Kanfleuten zu Wien ftlr ein Darlehen von 1900 ungarischen Gulden verpfändete (Wien. 
2ü\ März 1432), sieh auch das Ordenszeichen des Drachen befand: „ein Wurm mit filnf Diamanten, 
einem Kubin und Perlen". 

Der Orden wurde in zwei Graden verliehen, mit und ohne Kreuz; so sendet König Albrecht II. 
dem Herzog Johann von Norfolk das Ordenszeiehen des Drachen mit dem geflammten Kreuze und 
elien so dein Brande Schelen, einem Netten des Bischofs Johann von Lübeck', während Kaiser 
Friedrich III. den Johann de Schilinis und den Johann Franz Suardus einfach zu Rittern des 
Drachenordens ernennt \ 

Der auf dem Siegel Herzog Friedrichs IV. vorkommende Kranz um den österreichischen 
bindenschild dürfte ebenfalls das Abzeichen eines Ordens oder einer Gesellschaft sein. 

Der Hirsch auf Filsen ruhend, mit landschaftlichem Hintergrund, deutet, wie die zwei 
Hirsehe auf dem Münzsiegel Rudolfs IV. , auf das Erzjägermeisterarat des heiligen römischen 
Reiches, welc he Würde mit dem Anfalle Kärnthens an Österreich Uberging und deren Titel auch 
Maximilian nach seiner Vermählung mit Maria von Burgund führte'. 

Die auf den Schilden ruhenden Würdezeichen, nämlich Kronen und Herzogshute, wurden 
bereits bei Besprechung der Thronsiegel berücksichtiget. 

Schildhalter im Siune der neueren Heraldik, finden sich auf einem Siegel des Königs 
Ladislaus Posthumus vor ; nämlich zwei Raben und bei Albert VT. zwei feuerspeiende Panther. 

i Liilmowsky, Geschichte des Iluuaes Hubsburg, V. pag. CCCLXX1 und CCCLXXV. Hegest Nr. 4350 und 4407. Ofen, 
im 11. .Imii und 10. Juli UM. - 2 Im Jahre Hol. Cbmcl's Kenten Nr. 28C8 uod 28C9. — ' Ucrrgo«, Monuiu. August. 
Dumus AuKtriac I, 112. 



218 



Karl vok Sava. Die Siegel der österbeichischkn Rkgentkn. 



Siegel mit Bildnissen, welche über weder die Person des Fürsten darstellen, noch Wappen oder 
heraldische Abzeichen enthalten, kommen bisweilen als Seerete oder Petschafte, meisten» aber als 
C'ontrasiegel vor: sie sind gewöhnlich antike Steinschnitte, welche mannliche oder weibliche Büsten 
darstellen. Bisweilen finden sich mehrere Köpfe die mit phantastischen Kopfbedeckungen 
versehen sind. Einmal stellt der Steinschnitt einen Hahn dar. Alle diese Siegel sind, mit Ausnahm 
von zweien, ohne Umsclirift, und diese letztere bezeichnet auf einem der beiden Siegel den Siegel- 
fdlirer: r f S. Hudoluhi ducis Austriae", auf dem anderen die Gattung des Siegels: ,Sigillura 
uicttm secretum". 



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219 



Untersuchungen 

über die Crypta und den Altar der christlichen Kirche. 

Von Jos. Ant. Messmkk. 



L 

Im Frühalter der Kirche, nachdem durch die apostolische Thätigkeit Gemeinden gegründet 
waren, machen sich zwei Arten von Cultusstätten bemerklich, die wir der Kürze halber 
ordentliche und ausserordentliche nennen. 

Unter jenen verstehen wir die, in einer Christengemeinde erwählten, ständigen Versammlungs- 
orte, in 'welchen der, die örtliche Gemeinde constituirende Cultus geübt wurde, falls nicht 
Bedritngniss von Aussen störend dazwischen trat. Unter den ausserordentlichen Cultusstätten 
begreifen wir alle jene Orte und Räumlichkeiten, welche nur zu bestimmten Zeiten zur Begehung 
des Gedächtnisses eines Märtyrers oder für Privatandacht dienten, oder das Andenken an ein 
verelirungswürdiges Ereignis« bewahrten. Sie dienten in Zeiten der Verfolgung aushilfsweise 
anstatt der ordentlichen Ecclesiae. 

Die frühesten Gemeinden (ecclesiae) fanden in den Häusern der Vermüglichen die ersten 
Stätten zur Ausübung ihres Cultus. In dem Complex der römischen Palastanlagen war ausser den 
Sälen, Triclinien etc. gewöhnlich auch eine eigene Basilica für Privatversammlungen 
vorhanden, und selbst von den genannten Sälen bemerkt Vitruv, dass sie der römischen Basilica 
ähnlich waren. Bei der, mit dem christlichen Zwecke harmonirenden Bestimmung solcher Haus- 
basiliken und Säle lässt sich annehmen , dass die Ecclesia vorzüglich hier ihre Unterkunft fand. 
Den Beweis liefert ein, schon von Origenes angeführter christlicher Schriftsteller des beginnenden 
dritten Jahrhunderts , welchem zufolge die nachmals so berühmte Kirche zu Antiochia ihren 
Ursprung in der Palastbasilica eines der Vornehmsten dieser Stadt fand. Denselben Sachverhalt 
bezeugt eine Äusserung des heiligen Hieronymus über die Palastbasilica des lateranensischen 
Geschlechtes zu Rom, welche zu seiner Zeit bereits die Hauptkirche geworden war; anderer hiefür 
sprechender Belege nicht zu gedenken. Wenn dies nun auch nicht überall stattfinden konnte und 
die Christen sich nach Massgabe der Verhältnisse mit jeder Art von Räumlichkeit begnügten, so 
hat doch die bestimmte und ausgebildete Form der Basilica Uber alle anderen Anlagen für den 
kirchlichen Zweck die Oberhand gewonnen , da wohl überall die ausgeprägte Gestalt über das 

IX. 30 



220 



Jos. Ast. Messmer. 



Unbestimmte den Sieg erringt. Die Form der Hau»- oder Privatbasilica glich (nach Vitruv) im 
Allgemeinen jener der öffentlichen oder forensichen Basilica; nur fielen die für letztere 
notwendigen Modificationen selbstverständlich weg, da jene nur dem einen Zwecke, nilmh'ch der 
Privatversammlung zu dienen hatte. Der in das Innere römischer Hausanlagen führende , von 
Säulengängen umschlossene Vorhof (Atrium) mit dem Brunnen unter freiem Himmel ward von der 
christlichen Kirche gleichfalls beibehalten. In solchen Hiiumliclikeiten hatte sich der christliche 
Cultus wührend der Zeit der Verborgenheit und Verfolgung eingelebt , hatte die vorerst fremde 
Form mit seinem Geiste durchdrungen und seinen Bedürfhissen anbequemt, und als endlich durch 
Constantin die Zeit der Freiheit angebrochen war, bestand ein bereits festes, vom christlichen Cultus 
veredeltes System des christlichen Kirchenbaues, das nun zur vollsten Ausbildung gelang-en konnte. 

Wenden wir uns nun zur zweiten Art christlicher Cultusstätten. So weit die spilrlichen 
Nachrichten (Iber die Beschaffenheit des ältesten Cultus der christlichen Kirche reichen, rinden «-fr 
fast gleichzeitig mit den ordentlichen Stätten der Ecclcsia auch die ausserordentlichen erwähnt. 
Die Gemeinde versammelte sich nämlich an dem Todestage eines Märtyrers bei dessen Grabes- 
stätte , das Andenken an denselben feiernd. Der Tag, an welchem der Märtyrer vollendet hatte, 
ward Natalis (Geburtstag) und die Feier desselben Natalitium genannt Die Begräbnissplätze werden 
in den bezüglichen Urkunden übereinstimmend als ausserhalb der bewohnten Stadt angeführt, in 
welcher nach römischem Gesetze kein Leichnam bestattet werden durfte. Das gewöhnliche 
Versammlungshaus der Kcclesia befand sich aber im Innern der Stadt , somit konnten diese 
Versammlungen am Grabe eines Märtyrers nicht mit den ordentlichen identisch sein, und nicht an 
einem und demselben Orte stattfinden. Die gemeinsamen Grabstätten der Christen heissen , auf 
Christi Wort gestützt, r cocmeteria a , d. h. Schlaf- oder Ruhestätten. Die früheste Erwähnung solcher 
Stätten einer ausserordentlichen Versammlung enthält der Bericht über das Martyrium des Apostel- 
schülers und Bischofs der berühmten antiochenischen Kirche, des heiligen Ignatius Teophorus. 
Derselbe hatte zwar in den Rachen der Raubthiere im Jahre 1 1 5 zu Rom sein Grab gefunden, es waren 
aber von seinen grösseren Gebeinen einige übrig geblieben, welche die Scinigen sammelten und 
in Linnen verwahrt nach Antiochia zurückbrachten, wo sie bestattet wurden. Am Tage seines 
Martyriums kamen die Christen zusammen und priesen .im Andenken seiner, unsern Herrn Jesus 
Christus". Dies Grab war nach dem Berichte des Hieronymus im Cümeterium bei dem daph- 
nitischen Thorc ausserhalb der Stadt. Erst unter dem jüngeren Thcodosius wurden die Überreste 
in die Stadt selbst überführt und in einer Kirche niedergelegt, die aus dem sogenannten 
Tvchaeum, Tempel der Stadt Tychc, gebildet wurde. Die alte christliche Kirche Antiochiens 
befand sich aber in der Stadt selbst und führte den Namen „die apostolische", weil ihr Ursprung 
bis auf den heiligen Petrus zurückgeführt wird. Über den hier gegebenen Sachverhalt lässt 
Chrysostomus keinen Zweifel und rücksichtlich der Beweiskraft des genannten Märtyrer-Berichtes 
braucht hier um so weniger etwas beigebracht zu werden, als der nun folgende (bei Eusebius fast 
vollständig wiederholte) Uber den Hingang des heiligen Polykarpus unbestreitbar und noch voll- 
ständiger ist. Es ist nämlich das Schreiben «1er Kirche von Smyrna , deren Bischof Polykarpus 
gewesen, welches sagt: Nachdem die Christen des Märtyrers Gebeine sorgfältig gesammelt hatten, 
bestatten sie dieselben r wo es geziemend war". .,Hier" — so fährt der Schreiber fort — „wird 
uns der Herr verleihen, den Tag des Martyriums des Polykarpus, seinen zweiten Geburtstag, in 
Jubel und Freude zu begehen, sowohl zur Erinnerung an diejenigen, welche den Kampf bereits 
vollendet haben, als auch 'zur Übung und Rüstung für die, welche der Kampf noch erwartet". 
Diese Stelle sagt ausdrücklich, man versammle sich an dem Orte, wo der Märtyrer zur Ruhe 
niedergelegt war. Polykarpus wurde im Jahre 16G verbrannt und aus derselben Zeit ist auch dies 
Schreiben an die benachbarten Kuchen. 



Untersuchungen Cbee die Crypta. 



221 



Tcrtullian (im folgenden Jahrhundert) führt unter den, bei Christen allgemein herkömmlichen 
Übungen, die, ohne in den heiligen Schriften verzeichnet zu sein, gleichwohl Uberall angetroffen 
werden, auch die am Jahrestage für die Verstorbenen und die an den Gedachtnisstagen der 
Märtyrer (pronatalitiis) üblichen Opfer (oblationes) auf, deren auch Cyprianus gedenkt, wenn er 
den Presbytern und Diakonen der karthaginiensischen Kirche aufträgt, den Sterbetag jener 
welche hinscheiden, aufzusclireiben, damit ihrer beim Gedächtnis» der Märtyrer mitgedacht werden 
könne. Die damit gleichzeitigen, also der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts angehörenden 
„apostolischen Constitutionen" fixiren diesen alten Gebrauch also: „Convenitc in coemeteriis ad 
legendum sacros libros et canendum psalmos pro mortuis martyribus et sanetis Omnibus , qui a 
saeculo sunt defuneti ac pro fratribus vestris, qui in Domino mortui sunt. Et eucharistiam i. e. 
sacramentum regalis corporis Christi Offerte in ecclesiis vestris et in coemeteriis u . Die kaiser- 
lichen Edicte dieser Periode enthalten immer das Verbot, Versammlungen zu halten und die 
Cömeterien zu betreten. Ausdrücklich eingeschärft ward dies Verbot z. B. dem heiligen Dionys 
von Alexandrien und dem heiligen Cyprian von Karthago, und Tertullian bezeugt, dass unter 
dem Präses Hilarion das Volk geschrieen habe: „Arcac non sint*, d. i. die Christen sollen 
keine Cömeterien (areae) haben. Umgekehrt trafen aber die Bischöfe Vorsorge , dass die Cöme- 
terien zur Aufnahme einer grösseren Versammlung in Zeiten solcher Verfolgung geeignet 
waren , auch endeten sie häufig an diesen Stätten durch das Martyrium , wie z. B. ein Brief 
Cyprian'« von 258 berichtet, „dass Papst Sixtus und Quartus im Cömeterium getödtet worden 
seien". Von Papst Fabianus, dessen Regierung zwischen die Jahre 236 bis 250 fällt, erzählt der 
alte Papst-Katalog, dessen Herstellung und Fortführung die Zeit von 232 bis 352 umfasst, er habe 
die Regionen den Diakonen zugcthcilt und viele Bauten in den Cömeterien herstellen lassen '. Da 
dieser, in seinen Notizen sonst so sparsame alte Katalog von der Bauthätigkeit des Fabianus in 
den römischen Cömeterien eigens Erwähnung thut, so dürften die daselbst entdeckten capcllen- 
artigen grösseren Räumlichkeiten mit einer zur Feier dos ganzen Gottesdienstes tauglichen 
Anordnung und Verbindung der Gänge, die Taufquellen u. dgl. diesem Papste vorzüglich 
zugeschrieben werden. Da keine Kirche bei ausbrechender Verfolgung so sehr der Gefahr aus- 
gesetzt war, als begreiflicherweise die römische , so waren derartige Einrichtungen hier besonders 
geboten und mehr als anderswo kam die secundäre Bestimmung dieser Stätten, die Aufnahme für 
die ordentliche Ecclesia zu ermöglichen, mit der primären, zur Gedächtnissfeier der Märtyrer zu 
dienen, zusammen und trat bei zunehmender Bedrängniss in den Vordergrund. 

Über letztere Bestimmung übst sich des, um das Jahr 200 lebenden Presbyters Cajus bei 
Eusebius aufbewahrte Nachricht anführen. Eusebius bringt aus einem damals bekannten, jetzt 
untergegangenen Buche dieses Cajus, das gegen Proculus, das Haupt der kataphrygischen Secte, 
vertagst war, folgende Stelle über die Begräbnissstätten der beiden Apostel Petrus und Paulus 
und leitet dieselbe also ein: „Auch ein gewisser Cajus, ein Oleriker, der zur Zeit des römischen 
Bischofs Zephirinus lebte, spricht in dem Buche, das er gegen Proculus . . . geschrieben, von dem 
Orte, an welch ein die heiligen Leichname der genannten Apostel beigesetzt worden" 
und lässt dann des Cajus Worte folgen: „Magst du gegen den Vaticanus oder zur ostiensischen 
Strasse gehen, so werden dir die Trophäen derer begegnen, welche eben diese Kirche gründeten*. 
Da Eusebius ausdrücklich bemerkt, Cajus rede hier von dem Begräbnissorte der Apostel, und 
ihm wie Andern die Schrift selbst vorlag, so ist kein Zweifel, dass diese Apostel um das Jahr 200 
auf dem Vatican und an der Strasse von Ostia bestattet waren. Der Ausdruck des Cajus „die 
Trophäen* lässt irgend eine Auszeichnung dieser Ruhestätten der Apostel und hätte dieselbe auch 

« „Hic regionc« divtgit diaconihn« vt multas fabrica» per cocmetwia fieri jn»git." Virffl. Th. Momniset): Über den Chrono, 
jfraphen vom Jahre .IM, Leipzig 18'»0. 

.10* 



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222 



Jos. Ast. Messmkr. 



nur in der Verehrung der römischen Gemeinde bestanden, voraussetzen, wenn auch an irgend 
eine Art von Capelle über der Erde, zumal in der Nähe des neronischen Circus nicht zu denken 
ist, wesshalb die Notiz des jüngeren Katalogs (VI. Jahrhundert) als habe daselbst schon Anakletus 
dem heiligen Petrus eine „memoria^ errichtet, in diesem Verstände auf sich beruhen muss. Beide 
Orte befanden sich, wie bekannt ist, ausserhalb der Stadt, durch die Tiber getrennt , so das« 
das vaticanische Cömeterium auf der rechten, das ostiensische von St. Paul auf der linken Seite 
des Flusses lagen, wie auch Prudentius sagt: 

„Dividit ogsa duum Thyberiu sacer ex ntraque ripa 
inter saerata dum fluit corpora." 

Dass nun der Gedüchnisstag der beiden Gründer der römischen Kirche, analog dem Andenken 
der Bischöfe von Antiochien und Smyrna, an deren Ruhestätten gefeiert wurde, lässt sich mit 
Sicherheit voraussetzen und mit des genannten Cajus Worten insofern ohne Zwang verbinden, 
als das nur zwanzig Jahre später angelegte Dcpositions-Verzeichniss der römischen Bischöfe ' den 
Tag der Deposition und deren Ort, nämlich das betreffende Cömeterium, genau angibt, weil an 
diesem Tage daselbst das Gedächtniss derselben begangen wurde. Den beregten Zweck dieser 
Tagesangaben bezeugt der obige Bericht über den heiligen Ignatius ausdrücklich und die Worte 
Tertullian's und Cyprian's lassen hierüber keinen Zweifel. Die spätere Sitte, an diesen Tag-en die 
bezüglichen Cömeterien zu besuchen und die Station daselbst kirchlich abzuhalten, führte nur den 
uralten Gebrauch auch fernerhin fort. Dazu dienten die sogenannten Calendarien, welche für den 
betreffenden Tag das Cömeterium angaben und auf officiellen Documenten , den Martyrologien 
beruhten, wie das römische, als das älteste dieser Documente, in Verbindung mit dem Depositions- 
Verzeichnissc der Bisehöfe beweist. Denn beide zusammengenommen enthalten «lic Namen alier 
Bischöfe von 231 bis 352, Anterus ausgenommen , der nur einundvierzig Tage im Amte war, 
ebenso den Ort ihrer Ruhe 3 . Die auf Grundlage der in denselben aufbewahrten Anzeigen von 
J. B. de Rossi gemachten Entdeckungen beweisen neuerdings die Zuverlässigkeit dieser Urkunden. 
Obschon noch manche bisher für apokryph gehaltene Notiz anderweitiger Documente hier mitauf- 
geführt werden könnte, so vermeiden wir dies, um das Resultat dieser Untersuchung ganz sicher 
zu stellen, wesshalb wir auch sorgfältig die Theile des sogenannten Liber Pontiiicalis auseinander 
gehalten haben. Sehen wir uns nun um die Beschaffenheit dieser Cömeterien oder Friedhöfe etwas 
näher um. Wie in Alexandrien und Antiochien, so waren dieselben auch zu Rom, Neapel, Syrakus u. s.w 
unterhalb des Erdbodens in langen Gängen oder Gallerien angelegt, entweder so, dass wie zu 
Rom, Neapel u. s. w. die Leiche ihrer Länge nach in die Tufstcinwand niedergelegt , oder wie zu 
Alexandrien, analog den altjüdischen Schi ebgräbern. der Tiefe nach in die ausgehöhlte Fels- 
wand hineingeschoben wurde. Die afrikanischen, respective die von Karthago und dessen Um- 
gegend, werden entweder letztern und somit den jüdischen Grabstätten ähnlieh an Hügeln, Abhängen 
oder künstlich hergestellten Felswänden errichtet oder in dem Planum (wie unsere Friedhöfe) 

i Dcpositin Episcoporam bei Momtnsen 631 ff — s Es sei bei der Wichtigkeit dieser Urkunden gestattet, hier kurz da» 
Historische davim zusammen zu fassen. Der Liber poutificalis beisteht aus zwei Thcilen, einem älteren Iiis zu Liborius i. e. 3hi 
reichend; und einem jüngeren, der bis Felix geht i. e. ii30. Jener ist wieder aus zwei Urkunden zusammengesetzt, einer »Heren, 
die Hippolyt von Port ii» anno 233 bis zu 1'ohtinmis angefertigt und nur die Name», Heiuuith und Ordinationen ent lii.lt, und 
einer jüngeren von .154, welche die (.'oiisulatsaiiKabcn , nicht aber die Hciinath und Ordinationen gibt. Der Kedacteur der 
letzteren hat dtinn mich den Katalog de» Hippolyt nach den Consularfastcn ergänzt und ein gleichförmiges Verzeichnis» her- 
gestellt. Die deposiiio episcopormu und depositio martyriim lag dem Fortsetzer de» Katalogs, bis Felix oder 530, ebeufall« 
vor und er entlehnte daritus bezügliche Notizen. Heide Depositions -Verzeichnisse sind die zuverlässigsten Quellen, und hierin 
dem zweiten ih.il de» älteren Katalogs, nämlich von Pontianus bis Lilierius, also von 333-353, gleich. Endlich setzte Anasta- 
sius Hibliotheesrius, nach ihm noch vorliegenden, bisher aber nicht wieder gefundenen Handschriften de vitis Fontif. des 
Katalog bis N»J7, nämlich bis F. Nkolaus fort, und ergänzte mancherorts den aiten Kj talog. 



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Untersuchungen über die Crypta. 



angelegt gewesen sein ; letzteres war nber abgeschlossen und für melu*ere bestimmt. Daher dk 
Bezeichnung r ,area u , welche in den bezüglichen Documenten stets wiederkehrt. Der Ausdruck 
„area L bezeichnet zunächst das zu einer Grabstätte gehörige Territorium. Erstere Art wird durch 
einige Stellen echter Martyracten als gleichfalls bestehend wahrscheinlich gemacht, ja das dem 
heiligen Cyprian eingeschärfte Verbot, die Cünictcricn zu besuchen, hat keinen Sinn, wenn nicht 
an eine ähnliche Anlage gedacht werden darf". In einem späteren Documente 1 ist der Bezeichnung 
„in area" beigefügt „ubi orationes facitis - und wiederholt von Versammlungen daselbst die Rede. 
Diese sind aber nur an abgesperrten und mehr oder minder unzugänglichen Orten möglich 
und das Verlangen des heidnischen Volkes an den Präses „nreae non sint" erhalt unter solcher 
Voraussetzung den rechten Verstand, indem es nur wiederholte, was das kaiserliche Edict ausge- 
sprochen hatte. In jeden» Falle lagen sie ausserhalb der bewohnten Stadt und bildeten die ausser- 
ordentlichen Stätten der Ecclesia. 

Die zweite Art von ausserordentlichen Cultusstiltten begreift solche Orte in sich, welche 
durch das daran haftende Andenken an Jesus Christus selbst geheiligt sind. Selbstverständlich 
findet sieh dieselbe nur in Palästina. Am frühesten erwähnt ist die Höhle der Gehurt des Herrn zu 
Bethlehem (Justinus M. und Origenes), dann die Stätte seiner Himmelfahrt auf dem Ölberge und das 
heilige Grab zu Jerusalem. Nach Bethlehem wird schon zur Zeit des Origenes, Anfangs des III. Jahr- 
hunderts, gewallfahrtet und gegen die Mhte desselben wird durch den heiligen Cyprian und 
Macarius von Cappadocien das Gleiche von Jerusalem bezeugt. 

Für beide Arten tritt unter Constäntin eine erfolgreiche, ja entscheidende Wendung ein. 



IL 

Beide Allen von Cultusstätten wurden vereinigt; entweder so, das« die Basilica über 
dem Cömeterium oder der sonst durch ein kirchl ich es Andenken ausgezeichneten 
Stätte errichtet ward, oder so, das» in die bereits bestehende Basilica Beste von 
Märtyrern Ubergetragen wurden. Im ersteren Falle war also die Stätte der kirchlichen 
Erinnerung, die memoria das Primäre, in letzterem aber die ordentliche Ecclesia oder Basilica. 
Hier ward zur Basilica die Memoria, dort zur Memoria die Basilica gefügt. Daher werden von 
jetzt an beiderlei Bezeichnungen für das Kirchengebäude üblich. Genauer unterscheiden nur 
einige der alten christlichen Autoren, wo es nämlich gilt, die örtliche Beschaffenheit eines Kirchen- 
gebäudes näher zu bezeichnen ; ausserdem gebrauchen die nämlichen Schriftsteller wieder unter- 
schiedslos beide Benennungen. 

Betrachten wir nun die erste Art dieser Vereinigung beider Stätten. 

Wurde wie in den meisten Fällen Uber einem Cömeterium selbst eine Kirche errichtet, 
so war die unterirdische Gruft oder Grabkammer bereits vorhanden und es galt, die Gebäude 
in Zusammenhang zu bringen. Dies wurde durch die Anlegung von Stiegen bewerkstelligt 
(Fig. 1 E.), auf welchen man von der Oberkirche in die Gruft hinubsteigen konnte. Die bezügliche 
Grabkammer (cubiculum) bildete den Unterbau für den Altarraum mit der ihn umschliessenden 

1 „Ge.Ma qulbus constat traditorem esse Silvanum" etc. bei Bahuius Miscell. 11,84 und 102. „Clvcs iu are» martyruui 
fueront in du ai" und dies dann gleichbedeutend, pag. 104, mit „inclusi in casa majore". Diese Verhandlungen landen zu Cirteini 
Jahre 314 oder :I24 statt. Violleicht war diese area ein mit Mauern umhegter Bezirk unter freiem Himmel, an den Mauern mit 
Säulengängen versehen, die wahrscheinlich auch eine bestimmte Abtheilung von Grabstätten Tür die MärtjTer einschlössen und 
weil gedeckt auch cae» heisscu konnten , wenn man uieht vorzieht, in der Mitte oder in Verbindung mit dem l'ortitus der Are», 
ein Gebäude anzunehmen, wo die Zubereitung der Leiche u. dgl. ungestört geschehen konnte. Letzteres scheint das Richtige. 



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224 



Jos. Ast. Mksümkh. 



Apsis. Bei der Huumheschrtlnkung der Gruft war es nöfhig, für das die Grabkammer besuchende 
Volk auf der einen Seite eine Stiege zum Hinab- und auf der andern Seite eine zum Heraufsteigen 

anzuordnen. Diese Gruft (Fig. 2) heisst im IV. Jahr- 
hundert crypta, führt aber auch noch die früheren 
Bezeichnungen, martyrium (confessio) oder memo- 
ria. Letztere gehen auf den Inhalt, erstere aber auf 
die Form der Grabstiltte. 

Die Crypta ist immer ein Martyrium oder eine 
Memoria, aber diese sind durchaus nicht immer iden- 
tisch mit jener, wie ausser den orientalischen Kirchen 
dieser Periode insbesondere Paulinus Nolanus beweist, 
bei dem sich die Bezeichnung crypta nach unseren 
bisherigen Forschungen gar nicht findet. Der Grund 
davon wird sich bald zeigen. Dsigegen ist es begreif- 
lich, wenn Hieronymus und Prudentius hie und da 
auch die Cönietericn Crypten nennen. War über dem 
Cümeterium, beziehungsweise über dessen mit dem 
bevorzugten Martyrgrabe versehenen Cubiculum, eine 
Basilica erbaut, so entbehrte bis zum VI. Jahr- 
hundert die Crypta eines Altares; war aber 
nur in der Niihe des bezüglichen Cümeteriums eine Kirche errichtet, gewöhnlich wieder einem 
anderen Heiligen geweiht, so führte die Cömeteriums-Crypta iliren eigenen Altar, weil 




sje 




zugleich mehr oder minder zu einer förmlichen unterirdischen Kirche erweitert und vom 
Volke an den bezüglichen Tagen besucht, wurde. Dies war der Fall mit der Crypta des von Pru- 
dentius verherrlichten Martyrs Hippolyt, die, ohne selbst von einer Basilica überbaut zu sei«, 
einen aufs kostbarste über der Grabesstätte errichteten Altarbau besass und zur Begehung der 
Natalitiae doch einigennas.sen eingerichtet war. Unweit davon war dann die auf dem ager veranu* 
erbaute Basilica des heil. Laurentius. Es irren daher Bellermann, Bunsen u. s. w., wenn sie die in 
dem bezüglichen Hymnus (Pcristeph. XI ed. Dressel vers. 215 ff.) gegebene Beschreibung auf eine 
Basilica Ilippolytana beziehen wollen, während hier nur von der des heiligen Laurentius die Kcde 
ist. Hingegen lassen die Verse 170 ff. über den in der genannten Cömeterius-Crypta des heiligen 
Hippolyt erbauten Altai- keinen Zweifel. Es ist bezeichnend , dass Prudentius (v. 184) diese 



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UsTERSUCnüNORH (InER DIE C«YPTA. 



22^ 



Crypta mit einem Altar auch aedieula nennt. In dem gegebenen Falle war sie eine förmliche, 
kleine Kirche und der Altarbau jenem nachgebildet, der uns sogleich beschilftigen wird. 

Da solche über einer Cömeteriums-Crypta errichteten Basiliken ausserhalb der Stadt lagen, 
wo wie zu Rom Cömcterium an Cömeterium sticss, so führten sie augenscheinlich die ursprüng- 
liche Memoria oder ausserordentliche Cultusstiitte fort und die von Prudentius geschilderte Form 
derselben ohne die oberirdische Kirche, wie auch die am Eingange zur echten Calixtus-Crypta 
von .1. B. de Rossi in neuester Zeit entdeckte kleine Basilica des Damasus, zeigen nachdrücklich, 
dass bei diesen Anlagen das Andenken an die hier Ruhenden in dem Vordergründe stand. Wenn 
bei letzterer Form der Altar-Raum auch nicht in directem Zusammenhang mit dem uralten Cubi- 
culum der römischen Pontilices Pontianus, Antherus etc. oder dem der heiligen Cacilia gebracht 
war, so kommt dies von der grossen, bis zum 9. Jahrhundert diesem Cömeterium gewidmeten Ver- 
ehrung her und beweist, dass man sich auch damit begnügte, am Eingänge des bezüglichen 
Cömeteriums eine Kirche zu erbauen, die an solcher Stelle ohnehin über lauter Grabern empor- 
stieg. Ahnlich verhält es sich mit der alten S. Felix-Basilica zu Nola. 

Dagegen ist die berühmte Basilica des heiligen Petrus Uber demVatican-Cömeterium, die des 
heiligen Paulus (Iber dem der Lucina an der via ostiensi in der gewöhnlichen Weise angelegt. Ferner 
sind S. Agnes an der via nomentana, S. Laurentius an der via tiburtina, S. Sebastianus an der 
via appia, S. Pancratius an der via aurelia. S. Praxedis u. s. w. über lauter Cömetcrien errichtet, 
und zwar, so weit sich dies bisher ermitteln liess, nach der beschriebenen allgemeinen Form. 
Leider wurden in späterer Zeit die Zugänge zu den betreffenden Cömetericn bei diesen Basiliken 
vermauert. Bei der hier als regelmässig geschilderten Anlage stand somit der Altar in der 
Basilica und zwar über dem Cubicul um, d. h. der Crypta, woselbst die Depositions- 
stätte des Martyrs war, der also zu Füssen des Altars ruhte. 

Halten wir einstweilen dies ^tatsächliche Verhältnis» fest und wenden wir uns zu der 
zweiten Art von Denkmalkirchen , nämlich zu denjenigen, welche an Stätten anderweitiger 
Erinnerung errichtet wurden. 

Es ist schon jener Ürtlichkeiten des heiligen Landes gedacht worden, die bereits in 
dem vor-constantinischen Zeitalter die Verelirung der Christen genossen haben und in der Zeit 
Coiistantin's durch Prachtbauten ausgezeichnet wurden. Die Grotte der Geburt zu Bethlehem, die 
Stätte der Auffahrt und des Grabes unseres Herrn waren die frühesten Sammelpunkte für die im 
Orient durch Constantin und Helena entfaltete Bauthütigkeit. Die ursprüngliche Beschaffenheit 
dieser Ürtlichkeiten ward bereits hervorgehoben und mit Ausnahme der Basilica über der Höhle 
zu Bethlehem, findet sich keine mit der im Abendlande üblichen Mcmoria-Basilica. Vielmehr nahm 
die, von einer Capelle umgebene heilige Stätte des Grabes und der Fussspuren die Mitte der 
Geaammt-Architectur als selbstständiger isolirter Bau ein. Zu dieser Capelle stieg man 
nicht hinab, sondern ging vom Planum der umgebenden Kirche hinein. Bei der, die Fussspuren 
Christi auf dem Ülberge umgebenden Capelle stieg man sogar mehrere Stufen hinauf, um die 
Spuren von Oben sehen zu können. Weder über dieser noch jener heiligen Stätte war unmittelbar 
ein Altar errichtet. Dieser befand sich wohl in der grossen, die kleine Capelle umgebenden 
Rotunde oder in der damit vereinigten Basilica. Erst aus der Zeit des Renovators der, durch die 
Perser zerstörten heiligen Grabkirche, des Patriarchen Modestus wird von einem, vor der Grab- 
capelle errichteten Altäre gesprochen, der aus dem einen Stücke des ursprünglich am Eingange 
dieser Grabcapelle gelegenen Steines gebildet wurde. Der Bau des Modestus fällt in das Jahr 616 
oder 6'26. 

Es bedarf nach dieser Darlegung wohl keiner weiteren Worte mehr, um die Irrthümlichkeit 
der Annahme einzusehen, welche die Crypta des Abendlandes aus der heiligen Grabcapellc zu 



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226 Jos. Ant. KcMim. 

Jerusalem ableiten wollte. Diese Form stimmte auch vollkommen zur Central -Anlage, die von 
Con8tantin besonders im Orient für christliche Kirchen in Anwendung gebracht wurde. Sie bot 
sich Uberhaupt in allen Füllen, wo kein unter der Erde befindliches Grab war, als die einfachste 
Art von selbst dar. So zeichnete auch Paulinus Nol. die Grabstätte des heiligen Felix in ähnlicher 
Weise aus. Nach seinen eigenen Worten (Carm. 18, 170 bei Muratori) deckte ein Hügel die 
Gebeine des Heiligen. Kr legte bei seinem Neubau eine Marmorplatte auf die Stelle und bekleidete 
sie mit Silber. Schrauben und Klammern befestigten dieselbe an eine sichere Unterlag*. 
(Nat. 13, 589 und 623.) Ringsherum führte er Geländer (cancelli) auf, welche diese Stelle 
abschlössen. Aus Nat. 13, 585, 588 und 029 erfahren wir, dass die bezüglichen I berreste in 
einer arca unter der erwähnten Platte aufbewahrt waren. Vor Paulinus Bauthätigkeit umscbloss 
eine so enge Kirche diesen Ort, dass die sacra agenda (collccta) kaum verrichtet werden und die 
Betenden fast ihre Hände nicht ausstrecken konnten (Carm. 26). Die darauf erbaute Basilica 
hatte geschmacklose Pfeiler u. s. w. , kurz Paulinus legte eine neue Basilica in Verbindung 
mit dieser älteren an. Das Grabmal des heiligen Felix war aber am Eingänge derselben und 
nicht wie gewöhnlich am Altarplatze. (Carm. 24, 373 — 379.) Der oben beschriebenen Um- 
hegung dieser Grabstätte conform, wird auch die der Basilica Pontiana vor den Mauern Mailands 
gewesen sein, denn der heilige Ambrosius gebraucht in dem Briefe an »eine Schwester (Hb. VII, 
54) gleiche Ausdrücke und bedient sich hiebet so wenig als Paulinus der Bezeichnung „crypta-. 
Zeigt doch die Basilica des Keparatus zu Orleansville in ihren Resten noch eine analoge Ein- 
richtung und überdies das Grabmal an der, dem Altar entgegengesetzten Schmalseite. In all' 
diesen Fällen tritt zwar die Vereinigung der Memoria mit der Kirche hervor, aber mit grös- 
serem oder geringerem Nachdrucke, d. h. der Isolirung der Memoria oder des Martyriums in 
derselben. Ferner fällt hiebet die sinnige Anordnung des Altares über dem bezüglichen Mar- 
tyrium oder der Memoria selbstverständlich weg und es wird erst in der nunmehr zu betrach- 
tenden Constructionswcise diesem Bedürfniss entsprochen. 

Als die zweite Art der Vereinigung der ausserordentlichen Cultusstätte mit der Kirche 
bezeichneten wir jene, wo die Basilica oder Ecclesia erst nachträglich mit Reliquien aus- 
gestattet wurde, indem man dieselben hier 
deponirte. Hiebei ist natürlich das primitive 
Verhältnis» vorausgesetzt. Dies erkannten w ir 
aber darin, dass innerhalb der Stadt die 
eigentliche Ecclesia oder deren mehrere schon 
in frühester Zeit, also vor der Verfolgungs- 
periode existirten und zwar nicht blos zu Rom, 
sondern auch zu Antiochien, Tyrus, Alexan- 
drien, Nicomedia, Edessa, in Algerien u. s. w. 
Wir übersehen dabei keineswegs , dass in den 
Zeiten des Friedens, namentlich zwischen 
der Mitte des III. Jahrhunderts und dem Be- 
ginne des IV. (303) nach Eusebius Bemer- 
kung, auch schon von Grund aus gebaute 
christliche Kirchen vorhanden waren, die 
unter Diocletian fielen. In diese ursprüng- 
lich ledigl ich der ordentlichen Eccle- 
sia und deren Gottesdienst gewidmeten Basiliken wurden die Martyrreste 
zu Constantins Zeit Ubertragen und gewöhnlich unter dem Altare beigesetzt. 



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Fi*. 3. 



UsTERSrCHrSGEN CUBU tilE CbVPTA. 



227 



Dass hierzu eine künstliche Crypta (Fig. 3) angelegt werden konnte , versteht »ich von 
selbst, aber es darf nicht vergessen werden, dass, welcher Modus der Deposition auch nur 
immer beliebt wurde, die Ecclesia oder Basilica das Priniiire gewesen und die Memoria 
auf diese Weise erat dazukam. Die gewöhnliche Construction zu diesem Zwecke bestand jedoch 
in Folgendem: Der Altartisch wurde auf einen Unterbau gestellt und letzterer 
zu einer Kammer eingerichtet, welche die, im Sarkophag beigesetzten Reli- 
quien aufnahm und mit Thüren versehen war. Diese Thttrcn bestanden gewöhnlich 
aus Erz mit durchbrochenen gegitterten Theilen, durch welche man in diese Kammer hinein- 
sehen, auch mittelst Tücher u. dgl. den Sarg berühren konnte. Weil dieser Unterbau sammt 
der Grabkamtner mit dem Boden der Basilica in gleichem Niveau lag, so führten zu dessen 
rechter und linker Seite Stiegen zu dem Altarplatze hinauf. Dieser Unterbau heisst ausser: 
Memoria und Martyrium , auch locus testificationis, confessio, soliuni, aedicida und titulus. 

Augenscheinlich ruhte der Märtyrer auch bei dieser Construction zu Füssen des 
Altares, unter dem Tische des Allerhciligsten. Es erhebt sich nun die Frage: Stammt die 
bezeichnete Anordnung des Altarstisches über dem Martyrgrabe erst au« der hier in Rede stehen- 
den Periode, wo beide Arten von Cultusstittten unter demselben KirchengcbHude vereinigt 
wurden, oder muss sie als eine Hltererc Uberlieferung der Kirche angesehen werden? Gewiss 
ist jedenfalls, dass die Form derselben in der Basilica des vierten Jahrhunderts die schönste 
Verwirklichung dieser Idee ist und als solche auch dieser Zeit angehört Die Idee selbst 
tritt bekanntlich in der Apokalypse VI. 9. zum erstenmale auf: „vidi subtus altare animas 
interfectorum propter verbum Dei et propter testimonium" . . . Damit allein ist aber obige Frage 
noch nicht gelöst. Denn es handelt sich jetzt darum, ob bei den früheren Lehrern des Christeu- 
thums eine Reminiscenz dieser Stelle bei Johannes zu finden ist und ob dieselbe mit der bezeich- 
neten Altarbcstimmung im Zusammenhange erscheint. Das ist nun allerdings der Fall. 

Den ersten Theil dieser Frage beantworten klare Stellen kirchlicher Autoren, den zweiten 
Theil derselben aber ein einfacher, wiederum auf den deutlichen Ausspruch massgebender Docu- 
mente gegründeter Schluss. Tertullian erwähnt nämlich in der antignostischen „Scorpiace" 
betitelten Schrift, die um das Jahr 210 geschrieben wurde, ausdrücklich dieser Stelleder 
Apokalypse. Er fährt dann fort: „Quinam isti beati victores, nisi proprie martyres? Illorum 
enim victoriae, quorum et pugnae; eonim vero pugnae, quorum et sanguis. Sed et interim 
sub altari martyrum animae placidum quiescunt et fiducia ultionis patientiam pascunt et indutae 
stolis candidam claritatis usurpant, donee et alii consortium illorum gloriae impleant". Die 
zweite, schon von Kreuser angeführte Stelle enthält die keineswegs ausgesprochene 
Erwähnung der apokalyptischen Worte, obwohl sie implicite die ganze Apostrophe zu Tage 
treten lUsst. Der heilige Cyprianus giebt eine Ermahnung an die Bekenner (de laude martyrii) : 
„Vos intra se sanetum illud altare, vos intra se magna illa venerandi nominis sedes, vcluti 
sinu quodam gremii amplectentis includit, vos imperia perennis temporis sustinent et illud quo 
regnaturi Semper estis semperque victuri". Hiermit ist die Contimutilt in dieser Auffassung der 
Kirche des HI. und IV. Jahrhunderts hergestellt, denn im IV. Jahrhundert steht dieselbe allent- 
halben fest. Ambrosius, Prudentius, Hieronymus, Paulinus Nol., Augustinus, Athanasius Chry- 
sostomus, Maximus Tyr. haben also diesen Zusammenhang von Altar und Martyrgrab nicht 
erst zum Bewusstscin gebracht, da er schon im HI. Jahrhundert festgestellt war. Freilich ist 
hier vorerst nur von der Idee, nicht von deren bildlicher Realisirung im Altar- 
bau die Rede, welche letztere für das IV. Jahrhundert zweifellos feststeht. Wir urgiren also 
die Worte Tertullian's und Cyprian's, des Ersteren „sed et interim" und des Letzteren „magna 
sedes . . . includit" nicht weiter, wir constatiren hieraus nur die Continuität der bezüglichen Auf- 
IX. 31 



22S 



Jos. Akt. Mkmmeb. 



fassung. Nun wissen wir, dass an den Grabstatten der Märtyrer die natalitiae schon im zweiten 
Jahrhundert begangen, dass gcniUss Tertullian und Cyprian die oblationes zur r"eier derselben 
dargebracht wurden und das» au» der nämlichen Zeit auch in den Cömeterien diese „Darbrin- 
gung" durch die constitutione» apostol. bezeugt ist. Diese „Darbringung" konnte selbst- 
verständlich nur auf einem Tische oder dessen gelegentlichem Ersatzmittel, einer sieh sonst hiezu 
als geeignet darbietenden grösseren Fläche, stattfinden. Im Cömeterium war diese einfach dar- 
geboten in der Oberflüche eines Sarkophages unter dem Areosolium oder eines anderen Grabes 
in dem Cubiculum. Es mag nun dies in der zunächst sich darbietenden, eben bezeichneten An- 
ordnung oder vielleicht in der Weise bewerkstelligt worden sein, dass der tragbare Irisch für 
die Oblationes im bezüglichen Cubiculum niedergestellt ward und auf denselben die Gaben 
niedergelegt, so wie von demselben an die Gläubigen vertheilt wurden. 

Zur Zeit der Verfolgung wurde der ordentliche Gottesdienst gleichfal Is in 
den Cömeterien abgehalten und zum Wesen 1 desselben gehört diese „Darbrin- 
gung u , welche schon Justinus Martyr, der um 1G7 starb (Apolog. I, 65 ff.), nicht mir 
erwähnt, sondern auch aufs genaueste besehreibt und Eucharistia nennt. Das „dem 
Vorsteher der Brüder gebrachte Brod und der mit Wasser gemischte Wein in einem 
Kelche-, welche nach der feierlichen Danksagung des Vorstehers durch die Diakonen 
an die Versammelten vertheilt wurden und über deren sacramentale Bedeutung, als Fleisch 
und Blut Christi, daselbst eingehend gesprochen wird — diese Gaben wurden selbstver- 
ständlich auf einem Tische bis zur Vollendung des heiligen Actes niedergestellt. Darum ist 
schon im I. Korinther- und Hebräerbriefe 2 , bei Ignatius und Irenaeus von diesem heiligen 
Tische oder Altar die Rede. Tertullian gebraucht fast immer die Bezeichnung „Altar-", eben so 
Cyprian, und sein Zeitgenosse Dionys von Alexandrien (llouth, reliq. sacr. II, 392), und wenn 
auch Ritscld's Bemerkung* zufolge, das von Döllinger * in Anspruch genommene Fragment 
aus Hippolyt, nicht die vom Letzteren behauptete Beweiskraft haben soll, für unsere Argumen- 
tation reicht auch das zugestandene Cyprianische Datum der Stelle hin, die von dem Opfer 
Christi auf dem mystischen und göttlichen Tische zum Andenken an den ersten und denkwür- 
digen Tisch des geheiiunissvollen göttlichen Muhles spricht. Die Erinnerung an diese Periode der 
Bedrängnis» und Verlegenheit lebte in der späteren Form des Altarbaues sinnig fort, indem das 
Martyrgrab, sei es im Cubiculum des Cömeteriums, sei es in der Grabkammer unter dein Altar- 
tische zu Füssen des Altares ungeordnet war. Im Hinblicke auf die Natalitiae und die Interiins- 
Eeclesia in den Cömeterien konnte also schon Tertullian die apokalyptische Stelle mit einem 
realen Verhältnisse in der christlichen Gottesdienstform im Zusammenhange verstehen und die 
betreffenden Worte verwirklicht erkennen. Dessgleichcn der heilige Cyprianus. 

Die ordentliche, zur Friedenszeit besuchte Stätte der christlichen Ecclesia hatte laut den 
mitgetheUteu Beweisstellen zwar einen Tisch oder Altai* für die Darbringung der Eucharistia, 
aber kein Martyrgrab unter demselben, denn dieses befand sich ausserhalb der Stadt im 
Cömeterium. 

1 Ausser den bekannten apostolischen Helenen redet der eetite Hriet' des heiligen ('Jemens ad l'orinth. vom 
Jahre »>? eindringlich von der Ordnung und festsetzten Zeit des Gottesdienstes und nennt < hrislu« den „ä&xitjMW 

Bischof, Presbyter und LHakouen werden hier gleichfalls genannt, wie bei I'olycarp, llcnnas u. 8. w. - 
* In jenem, 10, -*() und 21 heisst er „rpiiir«;« = mens», in diesem 10 T jj«caiT^j>io<" = idlure. Kbe» so bei Ignatius 
ad Kphcs. f», ad I'hilad. 4. Oanu da» Fragment iu Irenaus (ed. .Stierem I, tC.4. Die hier von diesen Stellet» beanspruchte Autorität 
wird bei ungleich früherer Bezeugung dieses Gegenstandes von dem Streit um die Authentizität und Interpolation der Ignatisehen 
Briefe uubejrruif lieber Weise nicht alterirt. Denn falls das zulet/.t erwähnte Fragment des Irenaus auch unecht sein sollte, an 
hat Irenaus adv. haeres. 4, I7i die Sache selbst, nämlich die Feier des Abendmahles, eben so unzweideutig documeutirt, al» 
.Ii.stii.us M. - * Die Entstehung der altkatholischeo Kirche, 1 857. pag. MU». - * Hippolyt.« und Kallistus, 18M, pag. JM4. 



Untbrslchunoex 6ber die Crypta. 



229 



Von dieser Zeit an begegnen wir der bezeichneten Form nicht nur in den, mit keinem 
Cömeterium zusammenhängenden Stadt - Basiliken , sondern auch in solchen, die über einem 
Grabe angelegt waren, ja wie die Stelle des Prudentius von der Crypta des heiligen Hippolyt dar- 
thut, seihst in der eigentlichen Gruft des Murtyrs, freilich hier noch wegen Mangels einer 
darüber erbauten Basilica. Demselhen Gedanken entsprach die, jetzt gleichfalls in Aufnahme 
kommende Sitte, in Ermangelung grösserer Überreste von Märtyrern, in einer Area oder 
Capsa unter dem Altartische kleinere Reliquien zu deponiren und so den unteren Theil des 
Altarcs zum Sepulclirum zu machen. Bei Paulinus Nolanus und in der orientalischen Praxis blieb 
diese Art von Deposition die herrschende. Der Altar wurde hierauf in der grossen Kirche, ganz 
analog mit anderen Kirchen, angeordnet und eben so ausgestattet. Der Eifer, jeder Kirche mög- 
lichst viele und theure Überreste der christlichen Vorzeit zu verschaffen und hiedurch ihr Ansehen 
zu erhöhen, war im V. Jahrhundert erstaunlich gross, eben so nahm die Vermehrung der Kirchen 
an allen Orten in hohem Grade zu. Damit hängt aber die Vermehrung der Altäre in der 
Kirche zusammen, und die schon von Paulinus Nolanus an seiner Basilica angeordneten Cubi- 
culae, fllr Privatandacht und Begräbnisse bestimmt, analog den „recessus, qui laterum seriein 
jugiter exsinuant" in des Prudentius Beschreibung der Laurentius-Basiliea zu Rom, lassen mit der 
hierorts möglichen Deposition eines Martyrs oder Confessors die gleichzeitige Entstehung eines 
Altares begreifen. Die im IV. Jahrhundert vollzogene Vereinigung beider Stätten, der Ecclesia 
oder Basilica mit der Memoria (martyrium) bleibt zwar auch in der Folge aufrecht, aber mit bald 
stärkerer, bald schwächerer Berücksichtigung der Memoria. Endlieh erhält im VI. Jahrhundert 
die Crypta, obschon mit der Basilica vereinigt, gleichfalls einen Altar, der ursprünglich 
schöne Zusammenhang ist alterirt und die Capelle, das Oratorium und die Memoria nehmen ihre 
i8olirte Stellung der Ecclesia gegenüber, dauernd ein. Nun ist aber auch die Beschaffenheit 
des Altarbaucs selbst und die Begründung der oben angeführten Benennungen genauer ins 
Auge zu fassen. 



III. 



Die einfachste Form, zugleich dem Primitiv-Charakter der christlichen Ecclesia in den 
Häusern Einzelner entsprechend, bezeichnet der Name „Tisch" (mensa, trapeza). Obwohl wir 
über dessen genauere Beschaffenheit nicht unterrichtet sind, so lässt 
schon der Sachverhalt im voraus die Behauptung zu, derselbe werde 
dem Haushalt entnommen und nach Maassgabe der Verhältnisse mehr 
oder minder künstlerisch behandelt gewesen sein. Die Entdeckung 
des echten Cömcteriums des Calixtus auf dem uralten Besitzthum der 
Comelicr zu Rom und die von dem Entdecker im Spicileg. Solesniens. 
(1858, pag. 505 ff.) hierüber gegebenen Mittheilungen und bildlichen 
Darstellungen setzen uns sogar in den Stand, eine dieser Tischarten 
genau zu bezeichnen. J. B. de Rossi fand nämlich in einem Cubicu- 
lum dieses Cömcteriums in der Lünette die interessante Darstellung 
eines zwischen sieben Körben stehenden tlrcifüssigen Tisches 
(Fig. 4), auf dessen runder Tafel je in einem Teller ein Fisch und 
ein rundes Brod liegen. Die krummen Beine dieses kleinen Tisches 
Inf diesem Wandgemälde enden ganz deutlich in Löwen- oder andere Thierfüssc, so 
ein getreues Exemplar des, auch auf pompejanischen Gemälden dargestellten, gew 

{| • 




das» wir 
öhnlicheu 



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230 Jos. Axt. Messmek. 

Tisches, der p mensa tripes" bei den Römern liiess, vor uns haben. Er wurde gewöhnlich schon 
gedeckt in das Zimmer gestellt und nach dem Essen wieder entfernt. Auch zum Niederstellen der 

Trinkgeschirre bediente man sieb 
solcher runder oder viereckiger 
Tischchen. 

Dass die dortigen Gemälde 
noch Uberreste der, von Papst 
Fabianus 1 vor dem Jahre 250 hier 
vorgenommenen Einrichtungen sind, 
hat der genannte Gelehrte ausführ- 
lich dargethan, wovon hier nur Fol- 
gendes summarisch mitgetheilt wer- 
den kann: 

1. Der Styl der Gemälde 
weist entschieden auf das III. Jahr- 
hundert. 

2. Das Costüm entspricht 
dem um die Mitte dieses Silculunu 
üblichen. 

3. Das Symbol des Ankern 
mit dem Delphin, das Decorative 
u. s. w. sprechen für die früheste 
Zeit der Herstellung, wo für viele 
Gegenwinde die bestimmte christ- 
liche Auffassung und Darstellung 
noch fehlte, wesshalb unverfängliche 
Symbole des Heidenthums dafür 
gebraucht wurden. 

4. Ist hier von den sonst in den Cömeterien gewöhnlichen Bilderkreisen keine Spur 
wahrzunehmen, bo dass es klar ist, der Cyklus habe entweder noch gar nicht existirt oder er war 
noch nicht allgemein angenommen, und der calixtinische Maler hat zum erstenmale diese 
Darstellungen gewagt. Dazu kommt, dass die ganze unterirdische Anlage, die Gallerie mit den 
fünf Zellen (Fig. 5) (eubiculae) sich als ein Werk der nümlichen Zeit erweisen und die Inschriften, 
das dem dritten Jahrhundert allein eigene Monogramm. )|( die kurze Dietion, die vielen griechischen 
Epitaphien und endlich die Schriftzeichen durchaus für das genannte dritte Jahrhundert zeugen. 

Hauten wie die Verbindung des Altartisches mit dem Grabmale des Märtyrers waren schon 
im vorchristlichen Zeitalter, zumal bei dem römischen Todtcncidtus bekannt, und ein Blick auf 
bezügliche Münzen genügt, sich davon zu überzeugen. Bei Donaldson (Architectura numismatica, 
1S59) finden sich belehrende Beispiele dafür, wovon wir nur den kleinen Monopteros des Maxhuiun- 
Grabmals namhaft machen. Da wir gelegentlich der Besprechung* eines im hiesigen National- 
Museum aufbewahrten Elfenbeinrcliefs mit der Capelle des heiligen Grabes den Unterschied des 
Constantinischen Baues hinlänglich betonten , so sei hier nur hervorgehoben, dass die Hnupt- 
formen solcher Anlagen bereits vorhanden und dem christlichen Bauwerk zu Grunde gelegt 
waren; dass aber keineswegs die Ausbildung dieser Grundformen , die ohnehin von der cin- 

' Auffallend nennt Kossi durchaus den Vorgänger de» Fabianus. den Antcrua als (JrhcbOf dieser R.iuten im CiiiDeWniiu), 
wibmd der „alte Katalog" der Tapste doch nur bei Fabianus diese Notiz enthält — • Mittheilungeu ISliJ, Aprilliett 




Uktersucirägen übeb wie Cbypta. 



2:h 



bohlten Beschaffenheit sein mussten, durch die christliche Kunst hier in Frage gestellt sein soll. 
Auf die Bedeutung .solcher Einzelbaue für die Architectur des Christenthums im IV. und V. Jahr- 
hundert hat ausser Bötticher und Weingärtner auch K. Th. Pyl (die griechischen Kundbauten. 
1861) hinlänglich aufmerksam gemacht Wir wenden nun ausschliesslich dem Altarbau dieser 
Periode die Aufmerksamkeit zu, und müssen im Zusammenhange mit Obigem voranstellen, dass 
der V her bau tles Altares, das sogenannte Ciborium auf vier (s. Fig.^6 und 7) Silulcn sich als 




Fig. C. Kijf. 7. 



die einfache, dem neuen Zwecke conforme Übertragung des sonst geschlossenen Umbaues 
des Grabmales Christi u. s. w. darstellt. Indem man die Wände entfernte und die kuppelforinige 
Decke auf Säulen basirte, konnte der Altartisch in schönster Weise die eminente Stellung in der 
Basilica erhalten und durch zwischen den Silulcn befindliche Vorhänge auch dem Blicke entzogen 
werden. Wenn Prudentius an der mehrgedachten Stelle die Altar-Architcetur mit dem Namen 
aedicula bezeichnet und Paulinus das Wort „soliuni" dafür gebraucht, so lilsst sich die 
entsprechende Vorstellung gewiss in der eben geschilderten Construetion wiederfinden, so wie der 
Zusammenhang mit ähnlichen Einzelbauten der Römer in Tempeln und Grabmonumcnten. Die 
Verbindung des Altares mit der Depositionsstiitte fand schon in der Architectur des heidnischen 
Korns hiefür ausgebildete Formen vor, deren Verwendung und Ausbildung in «lieser Periode um so 
weniger abgelehnt werden mochte, als mit denselben längst andere Begriffe verbunden wurden. 

Nachdem der christlichen Idee und deren Ursprünglichkeit hinlängliche Aufmersamkeit 
geschenkt worden, kann hier in Bezug auf deren Ausdruck in der Architectur nicht umgangen 
werden, dass derselbe sich an die zunächst gebotene Form ansehloss und desshalb auch die 
nämliche Bezeichnung dafür nicht unterliess. Soliuni bedeutet nämlich in der römischen Kunst 
auch Sarkophag und die Benennung „tribunal" hängt innig mit dieser Vorstellung und 
Bezeichnung zusammen, welche letztere bekanntlich in der beregten Periode den Altarraum 
gleichfalls vor den übrigen Theilen der Basilica auszeichnete. Die Kömer kannten Form und 
Benennung dieses Gegenstandes bei Grabmonumenten bereits lange Zeit, wie ausser Tacitus 
(Ann. II, G3) die Inschrift (Orelü, Inscript. lat. coli. II, 307) des Aelius Venerianus und die gleich- 



uigmz 



2:52 



Jo*. Ant. Messmeb. 



falls zu Bonevent gefundene (bei Mommsen, Iiiscript, regn. Ncapol. 1502) so wie andere DenkmHkr 
sattsam beweisen. Dass aedicula den Ort bezeichnet, wo unter entsprechend kleiner Architectur 
das Götterbild oder (bei Grabmälcrn) Asehenkrüge standen, ist ebenfalls klar, und wenn Cyprian«» 
in der angeführten Stelle die Worte gebraucht: „vos intra sc illud altare, voa intra se magna illa 
venernndi nominis sedos, vt luti sinu quodam gremii aniplectentis includit", so wird der Gedankt 
an die hergebrachte Sitte ähnlicher Grabdenkmale, analog deren Benennung als solium und tribnnaL 
nicht völlig auszuschliesscn sein. Die Erhöhung des Altarplatzes und die daselbst bewerk- 
stelligte Errichtung eines ähnlichen Einzelbaues für den Altar rechtfertigen diese Bezeichnungen 
auch in der christlichen Basiliea, nämlich tribunal, solium, aedicula für den Altarbau und dessen 
Umgebung. Wir wollen andre Benennungen des Altares, wie Thron oder Sitz des Herrn, des 
Leibes und Blutes Christi u. s. w. nicht hervorheben , erblicken aber darin Anspielungen, die mir 
der Ausstattung des Allare» in einer der bezeichneten Grundformen zusammenfallen. Die Uber- 
einstimmung des Formellen musste selbstverständlich immer mehr hervortreten, je mehr es Sitte , 
wurde, den Altartisch aus Stein herzustellen und so ein architektonisches Ganze aufzu- 
führen. Was von einem Deerete des Papstes Evaristus in Bezug auf die steinernen Altäre behauptet 
wird, lässt sich nicht beweisen. Dagegen machen die verdienten Verfasser der „Studien über die 
Geschichte des Altares u einen andern Versuch, den steinernen Altar für diese frühe Zeit der 
christlichen Kirche nachzuweisen, dessen sofort gedacht werden wird. Gewiss ist, das« erst vom 
IV. Jahrhundert an der christliche Altarbau in der Architectur der Kirche eine auch durch die 
Form eminente Stellung erhielt und die hölzernen Altäre allmählich verschwanden. Der auf dem 
steinernen Unterbau mit dem Sepulcrum ständig befestigte Altartisch ward analog den neuen 
Verhältnissen und in Übereinstimmung mit dem Materiale des ganzen Baues gleichfalls aus dem- 
selben Stoffe gebildet, so dass die Platte auf Säulchen ruhte, die bei splendiden Bauten aus kost- 
barem Metall, aus Erz, gewöhnlich aber aus Stein waren. Trat nun zu dieser Construction noch 
der oben erörterte Überbau, der, einem Baldachin vergleichbar, den heiligen Tisch überschattet» 
oder wie eine kleine, aber geöffnete Capelle umhegte, so ist die architektonische Ausstattung dieser 
bedeutsamsten Stätte vollendet. Es braucht nicht wiederholt zu werden, dass alles, der Hauptsache 
nach, im antiken Styl und nach antiken Mustern ausgeführt war. In Byzanz besonders bildete dieser 
Altar-Überbau — später Ciborium genannt — den Glanzpunkt der Kirche, den ein Aufwand von 
kostbarem Metall auszeichnete. 

Von dem Repositorinm für die heilige Wegzehrung innerhalb dieses capellenförmigen Altar- 
Umbaues kann hier nur bemerkt werden, dass aus der Stelle bei Tertullian (adv. Valentin. 3) nach 
unserem Dafürhalten für diese Sache nichts geschlossen werden kann, wenn es nicht gelingt, 
durch anderweitige Belege die Interpretation zu sichern. Eben so wenig lässt sich die Stelle 
des Anastasius im Leben Sylvesters hiefür in Anspruch nehmen, weil der hier allein 
einschlägige „alte Katalog" davon nichts enthält, und sogar der Katalog von 530 die bezügliche 
Notiz nicht beibringt, dieselbe somit dem IX. Jahrhundert angehört. Dass aber in einer Nische der 
Apsis oder in einem kleinen Schrank in der Nähe der Kathedra die heilige Wegzehrung im IV. Jaiu- 
hundert aufbewahrt worden, machen ausser Paulinus Nol. 1 auch die Verhandlungen- zur Zeit 
Constantins über angeblich abtrünnige Bischöfe in Nord-Afrika wahrscheinlich, wo von einem 
Schlüssel zu den Büchern der Kathedra die Rede ist und aufgetragen wird, ja acht zu geben, dass 
die OfHciulcn nicht das Öl und Wcizenbrod (nc tollant oleum et tricticum) wegnehmen. Für das 
VI. Jahrhundert ist aber diese Art von Repositorien in Gestalt von Tauben und kleinen Thürmchen 
hinlänglich bezeugt. 

> l'.mlin. V Kp. :!», |:5, Mi. - » N.ilimi Mi»e. II. *4. 



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Untersuchungen über die Crypta. 



233 



Doch kehren wir zu unserem Gegenstände zurück. Der Altarbau führte ausser den angeführten 
Namen auch die Bezeichnung „titulus". Derselbe ist von grösserer Wichtigkeit als die übrigen, 
zumal noch eo wenig Sicheres darüber aufgestellt wurde. Bei Prudentius heisst es (Peristeph. V, in 
S. Vincent, v. 302) „nc sit sepulchrum funeris, quod plebs gregalis excolat, titulumque fingat 
martyris" in Verbindung mit 510 und 513 ebendaselbst: „tumuloque corpus creditum . . . pace 
reddita altar quietem debitam praestat beatis ossibus" und aus dem Hymn. 12 auf SS. Peter und 
Paul, V. 45 „parte nlia titulum Pauli via servat Ostiensis" geht hervor, dass titulus so viel als 
memoria bedeutet und zwar die Verbindung von dieser und dem Altare, die im IV. Jahrhundert, 
wie gezeigt worden, im Abendlande üblich wurde. Dazu kommen Belege aus dem römischen Gritber- 
dienste, die gleichfalls das Monument also benennen. Vgl. bei Orelli, Inscript. lat. collect. II, 1400, 
4. r )94 und 4222, woar^Xr, mit titulus übersetzt ist, dann 4636, 7303 (III. Band), 7383, 7401, 7370, so 
dass kein Zweifel herrschen kann, diese Bezeichnung sei eine, bei den Römern für Grabmäler her- 
kömmliche gewesen. 

Die von Muratori in seinem Werke (Arezzo 1771) zuerst publicirten Grabinschriften des 
Gregor Nazianz (Tom. XII, p. 113 — 151) beweisen das Fortleben der Sitte, auf den Verstorbenen 
ausführliche Inschriften zu verfassen und dieselben an der Grabesstätte (vgl. ibid. Poem. 137, 
151 etc.) anzubringen, wcsshalb Inschrift und deren Trilger mit Recht den Namen titulus führten. 
Der Titel sollte vor entweihender Hand schützen. Daus letzteres damals auch für die Christen 
gemeint war, ersieht man aus den citirten Stellen hinlänglich. 

Die Märtyrer-Grabstätten und deren Memoria führten somit diesen Namen mit Auszeichnung. 
Diese Memoria war ein titulus katexoehen und völlig unantastbar. 

Der mit der Memoria vereinigte, beziehungsweise diese in sich schlicssendc Altarbau wurde als 
Ganzes gleichfalls so benannt, wie er ja auch auf dieselbe Weise memoria, martyrium u. s. w. heisst. 
Gerade so wurde auch die Bezeichnung titulus auf den ganzen Altarbau bezogen, obschon er gleich 
den erwähnten Benennungen (memoria, martyrium etc.) eigentlich nur die Martyr-Grabstütte anzeigte. 

Wie ferner nach diesem Haupttheil der Kirche endlich diese se 1 b s t memoria oder martyrium 
genannt wurde, so auch nach der in Rom besonders üblichen Bezeichnung desselben: titulus. 
Titulus bezeichnet somit eine Kirche, welche einen mit dem Martyrergrabe verbundenen Altar besitzt. 
Da im IV. Jahrhundert aber jede Basilica oder Kirche zu Rom in dieser Weise ausgestattet war, 
so heisst auch jede Basilica daselbst titulus. 

Die Richtigkeit dieser Folgerung bestätigt die angeführte Stelle aus Prudentius, der die Basi- 
lica S. Paul an der Strasse nach Ostia den titulus S. Pauli in dem erörterten ursprünglichen Sinne 
nennt, und dann der Brief des Papstes Innocentius I. ad Deccntium Kpisc. wo es heisst: 
„de fermento vero, quod die dominica per titulos inittimus, superflue consulerc nos voluisti, 
cum omnes ecclesiae nostrae intra civitatem sint constitutae; quarum presbyteri, quia die ipsa 
propter plcbcm sibi creditam nobiscum convenire non possunt, ideirco fermentum a nobis con- 
feetum per acolythos aeeipiunt." Dass hier tituli gleichbedeutend mit ecclesiae gebraucht ist, 
leuchtet ein, denn Innoccnz sagt, er schicke „fermentum" am Sonntag zu den Titeln oder Kirchen 
in der Stadt und zu deren Priestern etc. Es empfingen also die Presbyteri der unmittelbar zuvor- 
genannten „ecclesiae omnes" das fermentum. Die an den Cömeterien angestellten Priester hin- 
gegen erhielten dasselbe nicht, „quia nec longe portanda sunt sacramenta" und die Presbyteri 
P jus habeant atque licentiam eomm (sacramenta) conficiendorum". Der anfragende Bischof wollte 
die Sacramcntc (i. e. fermentum) sogar an die Pfarreien seiner Diöcese schicken, was Innocenz 
aus obigen Gründen für unstatthaft erklärt. Damals (den 19. Marz 416 ist dieser Brief geschrieben) 

' Ed. d. ConsUnt. Fol. 8(50 ff. t-p. 25, Nr. 8. 




234 



Jos. AlS-T. Me8SMEK. 



hatten aber die Cümeterien bereit« viele über ihrer Hatiptgruft erbaute Basiliken , z. 13. S. Paul. 
8. Peter, S. Laurentius u. 8. w., die der Brief blos Cümetcria nennt oder obiges „intra civitatem- 
nieht näher bestimmt, sondern blos der Frage gegenüber verstanden haben will, in welcher Rücksicht 
freilich auch die Coraeterium-Basiliken noch nahe der Stadt erscheinen und Innocenz hier nnr 
die alte Bezeichnung (coemetcrium) fortgeführt haben kann , um die Wiederholung der nümlichtn 
Benennung zu vermeiden. Denn S. Paul heisst auch titulus, wie Prudentius beweist, und ausser- 
dem werden in den Unterschriften des Concils unter Symmachus im Jahre 499 aucli die Basilika 
S. Praxedis und Tigridis. die über Cömeterien standen, tituli genannt, wie auch das Schreiben de* 
römischen Clerus an Kaiser Honorius vom Jahre 418 wohl die Priester an Cömeterien-Basilikeu 
gleichfalls mit zu jenen rechnet, die einen Stellvertreter zurücklassen, um mit dem Papste gemcin&wi 
vor dein Kaiser die Wahl des Eulalius zu verhandeln, so das» der Ausdruck „relictis enim sin- 
gulis per titulos presbyteris omnes aderunt" auch auf dieselben zu beziehen sein wird. Dass 
diese Benennung übrigens zu genannter Zeit des Concils unter Symmachus nur bestimmten 
Basiliken Roms zukam (28 an der Zahl) und mit dem Presbyterium an denselben umfassenden: 
Rechte verbunden waren, wissen wir, aber es ist hier nicht der Ort, der Fortbildung dieser Einrich- 
tung weiter zu folgen ; hier handelt es sich lediglich um die Erfassung des ursprünglichen Begriffe;! 
und diese hoffen wir getroffen zu haben, wenn wir sagen: titulus ist ursprünglich so viel als 
memoria oder martyrium, tritt nur in der dem IV. Jahrhundert eigenen baulichen Vereinigung 
von Altar und Martyrgrab auf, und wird wie die Bezeichnungen memoria, martyrium gleichfalls 
zur Benennung der Basilica angewendet. Spitter, etwa um die Mitte des V. Jahrhunderts, kommt 
aber diese Bezeichnung nur bestimmten, mit bleibenden Rechten ausgestatteten Basiliken Rom« 
zu. Wir leiten somit die Benennung nicht direct vom Altar, sondern vom martyrium oder der 
memoria im engeren Sinne ab, und weichen hierin von den Verfassern der „Studien zur Geschieh* 
des Altares 0 ab, die sich auf die Stelle: Genes. 28 berufen. Wir halten nämlich die Berufung auf , 
diese Stelle so lange für unstatthaft, bis bewiesen wird, dass wenigstens ein einziger Autor dieser 
Periode von der Stelle den hier einschlägigen Gebrauch macht. Bis jetzt ist uns wenigstens dieser 
Erweis nicht gelungen, wohl aber die, unsere oben gegebene Darstellung unterstützende Auslegung 
bei den bezüglichen Vätern begegnet Allerdings hat die versio antiqua (Itala) bei Sabatier I. für 
das arffa der Septuaginta an beiden Stellen v. 18 und 22: titulus, aber Cyprianus 1 (Testim. II, 16) 
gebraucht den Ausdruck nicht, sondern sagt: „lapidem consecravit et unxit sacramento unctiomV 
Ambrosius' wiederholt zwar denselben Ausdruck des Textes, fügt aber als Erklärung bei: „net 
mirum si pacem haberet, qui columnam statuerat et unxerat Deo, quae est ecelesia. Cohunna 
enim et firniamentum dicta est veritatis. Eam nngit, qui in Christum fidei, in paupercs misen- 
cordiae fundit unguentnm". Augustinus und Hieronymus constatiren lediglich den Text ohne ein- 
schl Hgigc Erörterung. Letzterer' übersetzt hingegen den Ausdruck des Eusebius (H. eccl. II, 23) 
vom Grabmal des Apostels Jacobns zu Jerusalem „oty^tj" wieder mit dem Worte „titulus", wm 
hier nur monumentum oder Grabmal heissen kann. „Juxta temphun, ubi praeeipitatus ftaerat, 
sepultus est; titulum nsque ad obsidionem Titi et ultimam Hadrian i notissimum habuif.Ls ist 
also offenbar, dass die ursprüngliche Bedeutung r Denkmal, Mal" bei dem Ausdrucke „titulus" 1 
die stets lebendig erhaltene war und der Nachdruck nicht auf „Altar", sondern auf das damit ver- 
einigte Martyr-Sepulcrum , die memoria, gelegt blieb. Von Stellen aber, wie im Briefe Pius' I- 
an Justus Episc. Vienn. und an Veras Ep. Flor., ferner von den sogenannten Acten des Papste* 
Stcphanus, kann kein wissenschaftlicher Gebrauch gemucht werden, weil jene Briefe entschieden 

' Eil. Rahu. P»ri». Erführt durch Stellen der Uaias, Zacharias, Joroe und Act. Ap. 4 de» Heweis, das« Chri«tM der Cnnd- 
»fein der nenen Scliöpfnng; aei. .. ,qucm lapidem consecravit et onxit lacr. nnetionis Christum signiticau» , seil. Jacob«»- — • 
Jacubo et Vita beatn, lib. II, 28 u. 5. — > Do ncriptnr. eccles. ('. 2. 



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TJuTEKsrcnuKOEN- fntu die Crypta. 



2M> 



unterschoben, diese Acten aber im IV. Jahrhundert rcdigirt sind, worüber alle Auctoritäten ein- 
stimmig sind '. Im Hinblicke auf die letzteren Documente über P. Stephan können nüudich die 
Worte „crypta, titnlus u u.dgl. nicht als dem Martyrium gleichzeitg beansprucht werden, 
sondern beweisen lediglich für die Zeit der Redaction, die um 352 angenommen wird. Dabei 
wird der dargestellte Sachverhalt hiermit nicht verhindert 

Die von den Verfassern der „Studien der Geschichte des Altares" gebrauchte Wendung, 
dass vom Papst Sylvester die Einrichtung eines Oratoriums als titulus des Equitius und von 
Evaristus die Vertheilung der „Titel* berichtet wird, diese aber den Altar postuliren, kann im 
Resultat, welches die Herren Verfasser constatiren, wohl nicht bestritten werden, aber die 
Belege sind unzureichend, weil nicht authentisch, Bartolini beweist seine Behauptung Uber 
Evaristus u. s. w. keineswegs; die Verweisung auf ihn hat also keine Bedeutung, so 
gelehrt die betreffende Abhandlung auch sein mag. Weder der alte noch der jüngere Katalog 
enthalten diese Notiz und Anastasius bezeichnet mit den Begriffen seiner Zeit das mehr oder 
minder sicher Überlieferte der Vorzeit. Im Resultat, dass das Denkmal oder titulus der Kirche 
diesen Namen gab, aber verbunden gedacht mit dem Altar, nicht dieser ohne jenes, stimmen 
wir den Verfassern vollkommen bei. Es leuchtet ein, dass auch aus der Auffassung derselben, der 
Altar st ein sei der eigentliche titulus, dasselbe folgt, was aus der unserigen folgt, nHmlich dass 
jede Kirche titulus heissen konnte, nach dem ursprünglichen Begriffe. Für die Richtigkeit unserer 
Darlegung sprechen aber noch Urkunden spaterer Zeit so deutlich, dass es erlaubt sein mag 
derselben zu gedenken. Der Bibliothekar Anastasius im IX. Jahrhundert gebraucht wiederholt 
diese Benennung als gleichbedeutend mit basilica, so im Leben Damasus'. . „constituit titulum in 
urbe Roma, scilieet basilicam" ; ausführlicher in dem des Innocenz (v. 102), wo das damit zusammen- 
hangende Rechtsverhältnis» betont erscheint. 

Der für die christliche Archäologie hochverdiente Pellicia 5 führt bei Behandlung dieser 
Frage eine Stelle aus Eulogius vom Jahre 850 (Memorial. II, 1. in Collectio SS. Patrum ecclesiae 
Toletanae, Matriti 1785, fol. 457) an, welche von der Bestattung des Martyrs Perfectus zu Cordoba 
sagt: „in basilica b. Aciscli in eo titulo, quo felicia ejus membra quiescunt, humatur". Er deutet 
auch die Inschrift: „T. I. X. N. ego Damasius" etc. also: „titulus in C hristi Nomine" und erklärt 
alle Kirchen, wo ein Altar mit Reliquien stand, als Titel; denn auf der Rückseite des Steines 
obiger Inschrift befanden sieh die Worte: „hic requiescit caput saneti Crescentini 31. et reliquiae 
s. Supant". Seine geistreiche Erklärung des Wortes titulus — tutulus, d. h. testudo, tectum, abge- 
leitet von tueri seu tegere, mag hier nur angemerkt sein, weil nach unserem Dafürhalten dieser 
uralte Begriff zu der Zeit, als das Christenthum von dem Ausdrucke desselben Gebrauch machte, 
längst dem oben ausführlich Dargestellten, also dem der memoria Platz gemacht hatte. Übrigens 
i rscheint die Thatsache merkwürdig, da.ss durch den christlichen Altarbau bezeichneter Art dieser 
uralte Wortbegriff wieder zur vollen Wahrheit wurde. Unter den, aus dem IX. Jahrhundert stam- 
menden Reichenauer A 1t ar - Insehr i ften 1 lautet eine: „miscrere Gerolto qui titulo tali ornavit 
templum virginis". Die dem XI. Jahrhundert angehörige Notitia fundationis des S. Georgs- Klosters 
auf dem Schwarzwalde 4 enthalt cap. 18 die Worte: „haec ergo domini Hezelonis de translatione 
monasterii relatio . . . deditio facti est . . . in cella S. Georgii, in capella lignea. super reliquias . . 
adhuc non repositas sed ad hoc reservat«», ut reeoudautur in oratorio consummato, ubi statorius 
ejusdem martyris futurus irit titulus 4 ; und Leo v. Ostia hat ((,'hron. H, 3) dieselbe Wortbedeu- 
tung: „in ecclesia etiam titulum con confessione sua . . . satis decorum adauxit", wozu lib. III, 28, 

"Vgl. (.'nnatant op: c. Kol. 20 im Appcndi*, Hninart Acta MM. l'.rO IT. und Selielstrate Fol. 201, Toni. I. — * Ausmalte 
von Hilter, II. Hand, pag. 42 ff. — 3 Mone, Quellcnsammlung zur badischcit Lumlesgcschiclite III, 133- — 1 Mono, Zeitschrift 
Ali- Geschichte du» ObirrUein» 1*0$, IX. Band, pag. 20O. 
IX. 



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230 



.To«. Amt. Mkssmek. 



gehört: „fenestras omncs tamnavis quam tituli plumbo . . . inclusiv wo, wie bei der Bezeichnung; 
tribunal auch der den Titel, d. h. die memoria zunächst umschließende Raum denselben Namen fiilut. 

Fassen wir das Ergebnis« der etwas ausgedehnten Untersuchung zusammen , so finden wir 
die analysirten Benennungen fUr den Altarbau: memoria , titulus, tribunal, solium, martyrium. 
confessio, aedicula, mit der im IV. Jahrhundert in Aufnahme gekommenen Construction gleich- 
zeitig und von dem Denkmal oder Sepulchrum des Martyrs auf das Ganze: Grabstätte und 
Altartisch, übertragen, dann auf den Altarraum Uberhaupt bezogen und endlich zur Bezeichnung 
der ganzen Kirche als memoria, martyrium und titulus gebraucht. Die Crypta führte im IV. und 
V. Jahrhundert gleichfalls die Namen memoria, martyrium, confessio und behielt für «las Abend- 
land ihre Lage unter dem Altarplatze bis ins XIII. Jahrhundert bei. Der tiefsinnige Zusammen- 
hang zwischen Altaitisch und Martyrstätte in der Crypta wurde im VI. Jahrhundert durch Errich- 
tung eines eigenen Altares in der letzteren alterirt, jedoch dieser Art von Anlage in Deutschland, 
Frankreich und England vor der im Orient gebräuchlichen und der in Rom durch Coiistantin 
eingeführten — Deposition im Unterbau des Altarcs — durchweg im IX. und X. Jahr- 
hundert der Vorzug gegeben. Die Crypta unter dem Altarplatz kommt erst in der Periode Con- 
stantins in Aufnahme, weil vorher Basilica (Ecclesia) und Cömeterium räumlich getrennt, jene 
innerhalb, dieses, ausserhalb der Stadt waren. Dies allein lässt die, bis zu Cavedoni's Unter- 
suchung afrikanischer Inschriften dem Jahre 252 vindicirte Basilica des Reparatus zu Orleanville, 
in die Constantinische Zeit setzen , weil hier die Crypta mit der Basilica bereits vereinigt 
erscheint. Obwohl uns bis zur Stunde, trotz der freundlichsten Bemühung des hiesigen königliche» 
Bibliothekars Hen-n Füringer, diese Abhandlung 1 noch nicht zu Händen ist, so lassen uns die auf 
Grund gelegentlicher Äusserungen de Rossi's in der erwähnten Abhandlung und der „Stimmen 
aus Rom" Uber die bezügliche Beweisführung des modenesischen Gelehrten angestellten Nach- 
forschungen nicht mclir im Zweifel, dass dessen Berechnung der Mauritanischen Ära die richtige, 
folglich die genannte Basilica im Jahre 325 oder 327 gegründet sei. Nach Tillcmout und Sehe/- 
starte (II, 497 und 223) wurde (laut Plinius V, 1 und Dio. 55 und 60) Mauritanien erst im Jahre 42 
nach Chr. durch Kaiser Claudius zur römischen Provinz erklärt. Zu der auf der Inschrift jener Bnsiliea 
bezeichneten Zahl 285 müssen somit 42 (nach Cavedoni 40) Jahre hinzugezählt werden, um das Jahr 
unserer Zeitrechnung zu erhalten, also resultirt 327 oder 325. Caligula liess nämlich im Jahre 
40 den letzten König Ptolomäus ermorden, um sich des Reiches und der Schätze desselben zu 
bemächtigen, und von diesem Jahre scheint Cavedoni die Ära zu datiren. Dass aber die Anlage 
einer Crypta in Nordafrika in der hier aufgefundenen Form Uberhaupt gewöhnlich gewesen, 
ersieht man auch aus der Erzählung, die S. Augustinus (de Civit. Dei 22, 8) von der Heilung 
zweier Geschwister an der Memoria des heiligen Stephan zu Hippo mittheilt — 

Möchte es uns nur einigermassen gelungen sein , zu der trefflichen Arbeit von Laib und 
Schwarz und zu den im Organ für christliche Kunst von Kreuser publicirten Aufsätzen Uber 
dieses schwierige Thema der altcliristlichcn Kunst etwas beigetragen zu haben, auf das» es unserer 
schönen Wissenschaft beschieden sein möge, die Klage des altchristlichen Dichters auf unsere 
Zeiten unanwendbam zu machen, wenn er ausruft : 

Ü vctitstatis silentis obsoleta oblivio! 
Iuvidcntur ista nobis, fama et ipsa exstingnitur. 

» IUgtpwfflio critico di aliauiote Uerulonl Christiane scoperte nell' Algeri* a que»ti Ultimi anni. Moden«, IS.V.t. 



... Wivl;. 



237 



Neu entdeckte Wandgemälde 



in der katholischen Kirche zu Fekete-Ardö im Ugocsaer Comitate in Oberungarn. 



Von Dr. Michael Haas, 



Bi.i-U.if «B Sj»ltinUr tiK. 



i\.uf der Strasse, welche von Szathntar durch die Ugocsaer Gespanschaft in die Mannarosch führt, 
gelangt man im Mittelpunkte der genannten Gcspansehaft in den Marktnecken Fekete-Ardö, das 
ist Seh warz-Ardö, der gegenwärtig von 1") lateinischen Katholiken, G06 griechisch-katholischen 
Ruthencn, 340 Reformirtcn und 160 Israeliten bewohnt wird. 

Dieser Flecken wurde einst von Sachsen oder r Flandrens cm a bewohnt und war eine 
königliche Villa (villa rcgalis oder eigentlich reginalisj. In einer Urkunde vom Jahre 1337 wird 
der Ort: r Regalis villa Ordow" genannt und eine Urkunde Ludwigs des Grossen vom Jahre 1361 
nennt die Bewohner von Fekete-Ardö wie auch die von Ugucha und Zaaz Jiospites nostri-, 
denn Ardö gehörte zu jener Zeit zur königlichen Burg in der genannten Gespanschaft. In der 
nächsten Nähe dieses Marktfleckens liegt heut zu Tage noch Szäszfalu, das ist Sachs endo r f. 
und weiter gegen Norden lag einst Felszasz, das ist Ober-Sachsen, und östlich das Dorf 
Bathar. In diesem Dorfe wohnten im Jahre 1201 Flaudrenser. In dem Regestrum (deVarad) von 
Grosswardein vom Jahre 1201 — 123") heisst es bezüglich des zu Grosswardein stattgefundenen 
Gottesurtlicils des glühenden Eisens unter Nr. 243: „Paul de villa Beltuk (bei Szathmar) 
impeeiit omnes Flaudrenser de Batar, pro occisione fratris sui Benedicti. Quod cum predicti 
Flandrenses non dillitereiitur, sed dicerent se illum in latrocinio occidisse, Ksau comes de Hugosa 
ex preeepto regis diseuciens, per pristaldum nomine Martinum misit Uaradinum ad candentis ferri 
iudicium, ubi Faul portato ferro iustiheatus est'. u Hieraus erhellt, dass bereits in dem ersten Jahre 
des XIII. Jahrhunderts in der Nähe von Fekete-Ardö Flaudrenser wohnten. Bei Thuröczy heisst 
es (2, 22), dass unter Stephan dein Heiligen und Geysa I. unter andern auch „Rhenense»", das 
heisst Rheinländer, nach Ungarn einwanderten und vemutthlich sind das die obigen Flaudrenser. 
Bekanntlich wanderten die .Sachsen" aus Holland, Flandern und aus verschiedenen Gegenden 
Deutschlands nach Ungarn und Siebenbürgen. Sie kamen in kleinen und grösseren Abtheilungen 
und erschienen in Siebenbürgen um das Jahr 1141. 

1 .Siihr Knitlichrr Munuiuenta Ihm«. Sanjfsil. IS II), \mtf. 7o|. 



IX. 




238 



Dr. Michael Haas. 



Ferner besitzen wir ein Breve Papst Urbans an König Stephan V., den Sohn ßela IV., vom 
Jahre 12G4, in welchem der Papst schreibt, dass er vernommen habe, dass Stephan V. mehrere 
Dürfer im Ugocsaer Comitate, wie Scölös, Kiralyhaza (beide von Sachsen bewohnt) und andere, 
die von uralten Zeiten an stets den Königinen Ungarns gehörten, sieh auf ungerechte Weise 
zugeeignet habe, und er (der Papst) ermahnt ihn daher, diese Dörfer, unter Strafe der Kxcommu- 
nication, ihrer EigeuthUmerin (der Königin) zurückzuerstatten, „quasdam villas.... »pias et ceterae 
Ke-ginae Ilungariae, quae praecesserant, a tempore, cuius memoria non existit, tenuerunt pacifice 
et quiete" (siehe Pray Anno 1, 318). 

Aus diesen und mehreren Gründen behauptet nun Anton Szirmay in seiner „Notitia Comitatus 
Ugochiensis" ('S. 139), dass sich die deutschen Bewohner der gedachten Gespanschaft zweifelsohne 
schon unter Stephan dem Heiligen in den genannten Ortschaften ansiedelten, wie z. B. die Hewohner 
von Szathmar-Nemethi, von denen es historisch bewiesen ist, dass sie sich, von der ersten ungarischen 
Königin Gisela berufen, unter der Regierung des heil. Stephan an der Samos hauslich niederliessen. 

Übrigens erfreuten sich diese deutschen Ansiedlungen im Ugocsaer Comitate vieler könig- 
liehen Privilegien. So verlieh Ludwig der Grosse den ebenfalls deutschen Kronstiidten in der Mar- 
niarosch alle jene Privilegien, deren sieh die Bürger der königlichen Stadt Scölös im Ugocsaer 
Comitate „eives de civitate regia" seit alten Zeiten erfreuten. 

Die Bewohner von Felszasz (Obersachsen) waren verpflichtet, den Ugocsaer Grafen einmal 
des Jahres zu bewirthen. Die königlichen Wagen mussten sie in den Grenzen ihres Gebietes 

befördern und Schnitter für den König liefern. Stephan V. gibt ihnen 
1272: „hospitibus nostris de villa Pelzig (Obersachsen) apud douium 
nostram videlicet in Ugocha constitutis", freie Kichterwahl. Der 

Richter hat die Befugnis», alle Klagen 
ausser in Criminalfailcn , zu ent- 
scheiden. Letzere sind dem Ugocsaer 
Grafen vorbehalten. Die Kirche von 
Felszasz (Obersachsen) war, einer 
königlichen Capelle gleich, von jeder 
geistlichen Jurisdiction befreit. 

Nach all dem kann demnach 
kein Zweifel darüber obwalten, dass 
Feketc-Ardö seit den Zeiten des heil. 
Stephan von Deutschen bewohnt und 
Kigeuthum des Königs oder vielmehr 
der Königinen von Ungarn war, 
und dass nun diese Deut scheu die 
fragliche Kirche, von der sogleich 
die Hede sein wird, erbaut haben (siehe Mailäth, Geschichte der Magyaren I. 2f>l). 

Was Stephan V. anbelangt, der, mit seinem königlichen Vater stets hadernd, die obgedachten 
Besitzungen der Königin sich höchst, ungerecht zueignete und den ungarischen Thron noch vor 
dein Hinscheiden seines Vaters mit Gewalt besteigen wollte, und daher sich wiederholt gegen 
seinen Vater empörte, so gelten von ihm die folgenden Worte der heiligen Schrill so treffend, dass 
es anmOglich ist, etwas Besseres zu sagen ; Fessler hat sie zuerst auf Stephan angewendet, und 
sie lauten: „D&fl Erbe, danach mau zuerst sehr eilet, wird zuletzt nicht gesegnet sein, denn wer 
den Vater entrüstet und die Mutter verjaget, der ist ein schändlicher und verfluchter Sohn, dessen 
Leuchte wird ausgelöscht in der dicksten Pinsterniss iSjuichw. 20, 2lj. 




Vfe I. 




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Ntr entdeckte Wandgemälde. 



2'tl) 



Wann die Kirche zu Fekete-Ardö erbaut worden ist, das werden die beiliegende Zeichnung 
(Fig. 2) und der höchst einfache Grundriss (Fig. 1) beiläufig andeuten. Im Jahre 1560 umstellte 
Gabriel von Pcrdn den Pfarrhof zu Fekete-Ardö mit einer bewaffneten Sehaar und zwang den 
damaligen Pfarrer Stephan Karoly durch Hunger und Durst zur Übergabe seiner Kirche an die 
Protestanten (Szinnay 138). Zweifelsohne Hessen die neuen Kigenthümer der Kirche die fraglichen 
Wandgemälde, die ihnen ein Gräuel waren, übertünchen, das gothische Gewölbe des Langhauses 
der Kirche einschlagen und mit einer Stuccaturdecke ersetzen, wie sie dies an vielen Orten in 
Ungarn bewerkstelligten. 

Im Jahre 1754 ward die Kirche durch Baron Sigismund von Pcrcn den Reformirfen entzogen 
und den früheren Kigenthümern wiedergegeben. Vor beiläufig zwanzig Jahren wurde das Lang- 
haus und der Thurm durch einen Sturmwind grösstenteils di r Dachung beraubt und dem Verfalle 
preisgegeben und seit dieser Zeit wird zum Gottesdienste nur das noch mit seinem alten Gewölbe 
versehene Sanctuarium verwendet. Da nun endlich auch die letzten Ki ste der Bedachung des 
Langhauses einstürzten, so wurde die westliche Wand, die ohne Fenster ist, durch den ein- 
dringenden Regen von ihrer Übertünchung befreit und es zeigten sieh auf ihr sechs grosse Wand- 
gemälde. Ausser diesen sechs Gemälden dürften wenigstens noch vier andere an der nämlichen 
Wand unter der alldort noch haftenden Übertünchung vorhanden sein. 

Vor vierzig Jahren besass diese Kirche noch eine gotliiscjie, reich verzierte, grosse eiserne 
Thüre, wie mir alte Bewohner des Dorfes erzählen, niemand weiss jetloch, wo dieselbe hingekommen 
sei. Auch sind in die nördliche Mauer der Kirche von aussen fünf beiläufig fllnfpfündige Kanonen- 
kugeln eingemauert 1 . 

Gegenwärtig ist die Kirche wieder hergestellt, und ich wünsche nichts mehr, als die auf- 
gedeckten Wandgemälde derselben sammt denen, die noch der Befreiung von der sie bedeckenden 
Übertünchuug harren, kunstgerecht herstellen lassen zu können. Schliesslich will ich nur noch 
bemerken , dass in der Umgegend von Fekete-Ardö noch 8 alte gothische Kirchen bestehen, die 
ich ebenfalls näher untersuchen zu lassen gedenke. 



Das Schiff der Kirche zu Fekete-Ard6 ist, r ex Oriente lux" , mit der Altnrseite nach Osten 
gewendet. Au der Xordscitc hat der Bau keiue Fenster, an der südlichen belinden sich aber fünf, 
von denen zwei mit gut erhaltenem gothischen Maaswerk verziert sind. Der Thurm ist an die 
Kirche angebaut und an demselben ist auch das Portal angebracht , dessen Gewölbe und Rippen 
nicht im eigentlichen Spitzgewölbe, sondern in einem etwas stumpferen Bogen ausgeführt, sind. Die 
Ecken des Thurmcs und der Kirche sind von Quadersteinen aufgeführt, wie denn der ganze Bau 
sehr solid und für eine lange Dauer berechnet ist. Die Mauern haben eine Dicke von 4% Fuss. 
Die Wölbung im Inneren wurde zerstört und von dem Chor sieht man nur noch einige Spuren. 
Die Bilder sind auf der nördlichen (fensterlosen) Wand angebracht und dürften aus dem 
XV. Jahrhundert stammen. Leider sind sie durch die Übertünchung so beschädigt worden, dass 
man manche Thcile nicht mehr deutlich sieht, und daher auch die dargestellten Gegenstände nicht 
mit absoluter Gewissheit bestimmen kann. Von demjenigen, der diese Bilder malte, hat man keine 
Kenntniss; jedenfalls sah er aber gute Vorbilder, wie die Anlage der Draperien zeigt. Die Pro- 
portion der Figuren ist ziemlich richtig, Hände und Füssc sind jedoch höchst unbehülflich 

1 Im GcBFtziirtikel 14 vom Jahn- 1S25 und Artikel 2!» vom Jahre IMS wird Fekete-Ardö unter die ersten Pfarreien 
de» Landes ge*iihlt, und der Pfarrer hatte iwui wohlausgerllslete Reiter zu »teilen. 

33* 



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240 



Dn. Micha«. IIaa*. 



gezeichnet und deuten auf einen Arbeiter Inn, der mehr von seinem Talente oder fleiner Xach- 
ahmungsgjtbc, als von der Sehlde {releitet wurde. 




Fig. i. 



Das erste Bild (Fig. 1) zeigt, zur linken Seite des Beschauers, die Auffindung des Kreuzes mit 
der heil. Helena und zur Beeilten die heil. Maria mit dem Christuskinde. Die heil. Mutter hiilt eine 
(kleine) Weltkugel; und da« Christkind den heil. Geist in der Gestalt der Taube in der Hand. 
Zur Seite der Mutter Gottes stehen Kindergestaltcn mit Schreibtafeln und Büchern und zwei 
weibliche Heilige. Die heil. Anna breitet ihren Mantel über die ganze Gruppe aus. Die Kleider 
der heil. Maria und des kleinen Jesus, die Taube, die Weltkugel und das Kopftuch der heil. Anna, 
so wie das, der ihr zu Rechten stehenden Heiligen, sind weiss. Das Kleid dieser letzteren ist rotli 
und der Mantel violett. Alle diese Figuren sind barfiissig, nur die heil. Maria hat spitze Schuhe. 
Der Rahmen ist mit unregelmässig hingestellten, Beitrügen Parallelogrammen ausgefüllt und die 
Unterschrift kaum mehr lesbar (vielleicht: Anna mater Mariac?). 

Das zweite Bild (Fig. 2) soll wahrscheinlich die heil. Gisela und den heil. Emerich vorstellen. 
Der Mantel der Heiligen ist dunkelblau, das Unterkleid rüthlich. Der Nimbus ist roth, gegen den 
Rand zu dunkler und mit Perlen besetzt. Der heil. Emerich (oder Stephanus?) erscheint im Harnisch, 
mit einem schriig-quadrirten, eng anliegenden Waffenrock. Die Ärmel sind von Punzerwerk und 
Schwert und Dolch sind an Brustketten befestigt. An den Oberschenkeln zeigen sich Dilgen. Die 
Handschuhe sind an den Fingern geschient. Das Scepter ist rüthlich und der Nimbus von gleicher 
Art wie bei der Heiligen. 

Das dritte Bild stellt die heil. Margaretha mit einem Drachen in der Hand und den 
heil. Antonius Eremita mit dem Patriachenkreuz, der Glocke und dem Schweine dar. Die Chlamys 



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Neu ENTDECKTE 



24! 



der heil. Margaretha ist roth und das mit Knöpfen besetzte Unterkleid bläulich-grau. Die Krone 
ist ebenfalls roth wie der Nimbus, der auch hier mit weissen Perlen besetzt ist. Das Münchskleid 
des heil. Anton und das Kreuz sind roth, die Glocke gelb. 

Das vierte Gemälde zeigt deu heil. Stephan, der die heil. Maria kniend verehrt, während 
ein rothgeflügelter Engel die Krone über ihn hält. Der Mantel de» Heiligen ist roth, das Kleid 
des Engels weiss und die Krone, ver- ^^f^^^ b^^^b?^ 
muthlich in Ermanglung des Goldes, 
braun. Die heilige Maria sitzt, mit dem 
C'hristuskinde auf dem Schosse , vor 
einer Hütte auf einem hölzernen Stuhl. 
Das Kleid der heil. Mutter ist roth mit 
dunkleren , radfönnigen Zierathen , das 
des kleinen Jesus aber gelblich mit 
bräunliehen Verzierungen. Rückwärts 
vom heil. Stephan steht ein gerüsteter 
Waffenknecht mit einer Hellebarde. 

Das fünfte Bild, dessen Mitte, so 
weit es die Beschädigungen noch er- 
kennen lassen, vennuthlich die Ent- 
hauptung der heil. Agnes darstellt, zeigt 
an der linken Seite den heil. Paulus mit 
Buch und Schwert, und diesem gegen- 
über eine Gestalt mit einer Patena, auf 
welcher letzteren das Osterlannn abge- 
bildet ist. Neben dem Gerüste, auf wel- 
chem die heil. Agnes steht, befindet sich 
der Henker. 

Das sechste Bild endlich, welches 
wohl am meisten gelitten haben mag, 




Fifr. 2. 



dürfte, so viel sich aus den noch vorhandenen Überresten entnehmen lässt, den heil. Petrus dar- 
stellen, dem der Heiland befiehlt, auf dem Wasser zu wandeln. 

Da, wie im Eingang gezeigt wurde, die früheren Einwohner von Fekete-Ardö Deutsche 
waren, mag wohl auch der Maler mit eingewandert sein. Jedenfalls ist es sehr interessant, in 
einem Klecken, der so fern von der deutschen Grenze liegt, eine Kirche mit alten Wand- 
gemälden zu finden, und es wäre sehr zu wünschen, dass die noch übrigen Bilder — nicht 
vom Regen — sondern durch eine geschickte und sorgfältige Hand von der Cbertünchung befreit 
würden; denn es Hesse sich dann auch etwas Uber die Idee des ganzen Bildercyklus sprechen, 
der gewiss seine besondere Bedeutung hatte 



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2V> 



Die Siegel der österreichischen Regenten. 

Vox Kaiil von Sava. 

II. A 13 T II E I L U X G. 
Die Siegel der österreichischen Fürsten aus dem Hause Babenberg. 

Ernst der Tapfere. Der Enkel Leopolds I., geboren 1027; folgte seinem Vater Adalbert I. 
in der Regierung 10'>G und starb an seinen in der Sehlaeht an der Unstrut am 8. Juni 107f> 
erhaltenen Wunden am folgenden Tage. Von dem Siegel dieses Fürsten ist nur ein einziges 

Exemplar bekannt, welches einer undatirten Urkunde 
im Archive des Stiftes Melk aufgedruckt war 1 ; v.» ist 
von der Urkunde abgefallen und in zwölf grössere und 
kleinere Theile zerbröckelt; die ersteren setzte der 
kaiserliche Cabinctsofficial Löschner nach Möglichkeit 
. zusammen und nahm davon Gypsabgüssc. Von der 
| Umschrift zwischen zwei Linien in Lapidarbuchstaben 
| ist nur mehr lesbar: t (Ernestvs. M) ARCHIO . AVS- 
/ TRIK. (Fig. 1.) Die Reiteriigur ist rechts gekehrt 1 , der 
Markgraf trilgt eine niedere, anliegende Kopfbedeckung, 
welche «las Gesicht frei lilsst und, nach den rückwärts 
herabhängenden Händern oder Riemen zu schliessen, 
eine Uber die Kapuze des Panzerhemdes aufgebundene 
Sturmhaube zu sein scheint. In der Fahne, einem 
schmalen Wimpel, befindet sich keine Wappenfigur, vom 
Schilde ist nur ein kleiner Theil sichtbar. Die darauf 
warnehmbare Zeichnung ähnelt einem Vogelkopfe. Das Pferdgeschirr besteht in einem einfachen 
Kopfgestelle mit Stangenzügel und in dem Brustriemen; die übrigen Theile fehlen. Das runde 
Siegel, in ungefärbtes Wachs abgedrückt, hat 3 Zoll im Durchmesser. Freiherr von Strein sah das 
Siegel noch ganz und behauptet, die Wappenfigur im Schilde sei ein Adler; Herrgott (Monument 
August. Domus Austr. Tom. 1 de Sigillis, Wien 1750) und Hueber 1. c. bilden es bereits 
fragmeutirt ab (beide Tab. I, Fig. 1), bei ersterem erscheint im erhaltenen Schildtheile ein Adler- 
kopf, welcher auf der älteren Abbildung bei Hueber fehlt. Die Abbildung bei Schrötter und Rauch, 
Osterreichische Geschichte I, "238, ist nach jener bei Herrgott gearbeitet. 

1 Hup her Auntria ex arrhiv. Melliceottib. illustraU, pag. 1, Nr. I. — * Die Ausdrücke reibt* und link» sind durchgehend« 
im heruldiachcn Sinne zu nehmen. 




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Die Siegel der österreichisches Rkgektex. 



243 



Leopold der Heilige folgte seinem Vater Leopold dem Schönen in der Regierung im Jalire 
109G, f 113G. — Die Unterschrift zwischen zwei Linien ist unlesbnr. Das sehr stumpfe Siegel 
lässt nur die Umrisse einer links gewendeten Reiterfigur erkennen, in einem Panzerhemde, mit 
einem niederen zugespitzten Helm auf dem Haupte. Am linken Arm trägt sie einen Schild , in der 
Hechten einen Speer, ob mit, ob ohne Banner lässt sich nicht entscheiden. Das Pferd ist im 
Schritt. — Das Siegel befindet sich an einer Urkunde des Stiftes S^ Florian vom Jahre 1115' in 
weissem Wachs. Rund, Durchmesser 3 Zoll. Die Abbildung bei Max. Fischer, Merkwürdigere 
Schicksale des Stiftes und der Stadt Klosterneuburg, Taf. I, ist willkürlich ergänzt. 

LEVPOLDYS MARCHIO. (Fig. 2.) Gothische Majuskel, weder von einer äusseren Randlinie 
umfangen , noch durch eine Linie vom Siegelfelde getrennt. — Das Siegelbild zeigt den Mark- 
grafen zu Pferde links gekehrt. Er tragt ein Panzer- 
hemd, das bis zu den Knien reicht , die Gugel des- 
selben ist über den Kopf gezogen und darauf die 
niedere konisch geformte Sturmhaube gesetzt, welche 
das Gesicht frei lässt; in der Mitte derselben zieht 
sich vom Rande bis zur Spitze ein Riegel empor. In 
der Rechten hält der Markgraf einen Speer mit einem 
kleinen in zwei Lappen getheilteu Fähnlein. Über 
den Schild gehen zwei riemenartige Streifen; der 
Fuss des Reiters bangt gerade herab und ist mit 
Sehnabelschuhen bekleidet, Sporen und Steigbügel 
fehlen. Das Pferd im Schritte hat einen langen herab- 
hängenden Schweif; die Zäumung besteht in einem 
einfachen Kopfgcstelle mit Stangenzügel und einem 
Brustriemen. Der Sattel hat vorne und rückwärts 
hohe ausgeschweifte Lehnen (Sattelbogen); Decke 
Jst keine vorhanden. — Dieses Siegel ist auf der 
Rückseite der Pergamcnturkundc mittelst eines durchzogenen Pergamcnistrcifes befestigt, gleich- 
sam aufgeheftet; dasselbe, in braunem Wachs, hat einen erhabenen Rand, der über der Reitcrfigur 
ausgebogen ist, ein Zeichen, dass das Sicgcltypar in einen Zapfen auslief. Der Inhalt der im kaiser- 
lichen Hausarchive befindlichen Urkunde lautet : Hermann Propst zu Salzburg hat von zwei Kremser 
Bürgern einen Weingarten zu Trillant gekauft und denselben zum Nutzen seiner Mitbrüder ver- 
wendet. Als Markgraf Leopold in der Folge die Kirche des heil. Rupprecht zu Salzburg besuchte, 
schenkte er dem Doinstifte, mit Einwilligung seiner Gemahlin Agnes, alle seine Rechte auf diesen 
Weingarten. Ohne Datum. Zwischen 1122 und 1136. Rund, Durchmesser 3 Zoll. Die Abbildung 
bei Fischer 1. c. Taf. II, nach einem Originale im Stiftsarchive zu Göttweig, ist gänzlich misshingen. 

LEVPOLDYS MARCHIO. Gothische Majuskel, ohne Schriftliuien , die Umschrift geht 
von der rechten zur linken Seite, und der grössere Tlieil der Buchstaben ist verkehrt , somit auf 
dem Stempel lesbar gestochen. Die Reiterfigur gleicht jener auf dem vorigen Siegel, nur ist deren 
Ausführung plumper und gewiss von einer ganz unbeholfenen Hand. Dieses Siegel, in unge- 
färbtem dunkelbraunen Wachs, ist dem Stiftsbriefe von Klosterneuburg aufgedruckt". Herrgott 3 
hiilt es für falsch, weil die Kopfbedeckung einer Münchskapuze gleicht, der Schild viereckig ist, 
die Steigbügel und Sporen fehlen, und die l.' Inschrift so wie deren einzelne Buchstaben verkehrt 
sind; ferner weil die Umschrift nur den Namen und die Würde, nicht aber auch die Provinz angibt; 
endlich erwähnt er einer im Stifte befindlichen Abbildung, in der auf dem Schilde zwei Streifen vor- 

' Gedruckt bei Kur»: Österreich unter Herzog Aibrcclit IV. II, 4M. — * Fischer, i. c. II, 124. — * De Sigillis, p*K- *• 




• Kig. 2. 



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244 



Karl von Saya. 



kommen, von denen im Originale, welches überhaupt schlecht erhalten und undeutlich sei, nichts 
vorkommt. Zuletzt spricht er die Meinung au», dass das ursprüngliche Siegel wahrscheinlich 
zerbrochen und durch das jetzt vorhandene ersetzt wurde. — Die Ansicht Hcrrgott's, dass eine 
Restituirung durch ein verunglücktes Falsificat stattfand, theile ich vollkommen, um so mehr 
als sich durch die auffallende Ähnlichkeit der Reiterfigur mit jener auf dem vorgeschriebenen 
Siegel unwillkürlich die Üb<*zeugung aufdringt, dass letzteres dem falschen als Muster vor- 
gelegen sei. Mangel an technischer Gewandtheit liess die Figur nicht gelingen, und Ungeübtheit 
und Unvorsichtigkeit verursachten, dass der Verfälscher Umschrift und Buchstaben auf dem Stem- 
pel richtig grub und beide daher auf dem Siegehibdrucke verkehrt erscheinen. Herrgott'» einzelne 
Gründe aber kann ich nicht gelten lassen. Die Form des Helmes oder der Sturmhaube ist die 
damals gewöhnliche, auch auf anderen gleichzeitigen Siegeln erscheinende ; der Schild ist nicht 
viereckig, sondern oben abgerundet und dachförmig. Die beiden Kiemen oder Streifen auf dem- 
selben sind deutlich zu erkennen und das Siegel ist überhaupt nicht schlecht erhalten. Steigbügel 
und Sporen fehlen auf den alteren Siegeln hilufi», die ersteren auf dem echten Siegel Leopohls im 
kaiserlichen Haus- und im Stiftsarchive zu Göttweig und auf vielen Siegeln der flandrischen 
Grafen 1 ; die letzteren auf allen Siegeln der Babenberger , bis auf jenes Leopolds am Stiftsbriefe 
von Heiligenkreuz und auf die Siegel Heinrichs Jasomirgott; die Weglassung des Namens der 
Provinz ist im XI. und in der ersten Hälfte des XII. Jahrhunderts nichts ungewöhnliches. Einzelne 
verkehrte Buchstaben kommen oft vor; in solcher Menge wie auf dem vorliegenden Siegel wirken 
sie allerdings verdächtigend. Rund, Durchmesser drei Zoll. Abbildung: Fischer 1. c. Taf. 3. 

t LIVPOLDVS.DI.GRA. MARCHIO. AVSTRIK. (Fig. 3.) Gothische Majuskel, ohne 
Kinfassungshnien , im ersten Worte V und S zusammengezogen. Rechtsgekehrte Reiterfigur im 

Fanzei hemde, dessen Kapuze den Nacken deckt, auf 
dem Haupte einen niederen konisch geformten Helm, 
dessen Spitze nach vorwärts gekrümmt ist. Der 
Markgraf ist mit dem Schwerte umgürtet, dessen 
Griff durch den Schild verdeckt wird. Der letztere 
ist gewölbt , oben gerundet, lang und verjüngt sich 
gegen unten bedeutend. Eine Wappenfigur lüsst 
sich auf demselben nicht mehr erkennen. 1 he Fahne 
gegen das Ende in mehrere Lappen getheilt, ist im 
Vordertheile mit Streifen und Ringen verziert. 
Steigbügel und Sporen sind vorhanden, die letzteren 
haben statt der Räder eine konische Spitze. Das 
Pferd in galoppirender Stellung — welche auch auf 
den folgenden Siegeln die vorherrschende bleibt, 
daher nur die Ausnahmen werden erwähnt « erden — 
hat einen mit Buckeln verzierten Brustriemen und 
Fig. zum ersten Male eine Satteldecke, welche bis über 

den Bauch reicht und mit gegitterten Streifen verziert und unten mit Fransen besetzt ist. Das 
Pferd ist ein Kurzschweif. Rund, Durchmesser S Zoll. Dieses Siegel ist, in ungefärbtem lichten 
Wachse mit einigen schwarzen Adern, dem Stiftsbriefe des Klosters Heiligenkreuz vom Jahre 
1 130 aufgedruckt * Abbildungen: Herrgott 1. c. Taf. 1, Fig. 2, und nach diesem Schrütter und 
Rauch, Österreichische Geschichte I, 335. Beide leiden an vielen Mängeln, der Helm ist als 

' Vre diu» Sicllta und Gcnealogi» Cuuütuin Fluudriae. - * Pcx, Thesaurus VI, I, 31 S und Funtt-a rer. Auatriac, 
II. Abteilung. XI, I. 




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Die Siegel der östebreichiscues Rege.vt 



2« 



faltige Haube dargestellt, die Sporen haben Räder, im Schilde befindet sich ein Adler, und der 
lirustriemen des Pferdes ist mit einer Damascirung verziert. 

Leopold der Freigebige folgte «einem Vater Leopold dem Heiligen in der Regierung 
1 137, wurde von seinem Halbbruder Kaiser Konrad mit Baiern belehnt (1138) und starb 1141. 

t LEVPOLDVS . DVX . BAVWAH1E. Gotlnsehc Majuskel /.wischen einfachen Kreislinien. 
Rechtsgewendete Reiterfigur. Der Herzog trügt einen niederen konischen Helm, einen langen 
schmalen Schild und in der Rechten die Fahne, 
welche in drei gerundete Lappen endet und mit 
einem Kreuze besetzt ist. Über Rüstung und Beklei- 
dung lässt sich nichts bestimmen. Das Pferd ist im 
Schritte und von der Zäumung nur der Stangenzllgel 
sichtbar. Eine elende Abbildung in den Monument, 
boicis XUI, Taf. 1, an einer in demselben Bande 
S. 169 gedruckten Urkunde, durch welche Leopold 
einen Gütertausch zwischen dem Kloster Pliening 
in Baiern und Otto, dem Präfecten von Regensburg, 
bestätigt. Anno 1140. Rund, Durchmesser drei Zoll. 

Heinrich Jasomirgott folgte seinem Bruder 
Leopold dem Freigebigen als Markgraf von Österreich 
und Herzog von Kaiern im Jahre 1141, trat 1156 
Baiern ab und erhielt Österreich mit der Mark ob 
der Enns als Herzogthum ; t H 7 7. 

t 1IEINRICVS . DI . G RA. DVX. BAWARIE. 
(Fig. 4.) Gothischc Majuskel ohne Einfassungslinien. Das E in Heinricus geradlinig, in Bawarie 
gerundet. Rechtsgekehrte Rciterfigur, jener auf dem Siegel Leopold des Heiligen ähnlich, nur ist 
der Helm höher und dessen Krüuunung nach vor- 
wärts stärker, und die Fussbekleidung besteht in 
langen, nach abwärts gebogenen Sehnabelschuhcn 
mit Sporen, im Schilde befindet sich ein Ornament. 
Das Pferd, ein Langschweif, hat einen, mit langen 
Fransen verzierten Brustriemen, dann eine unten 
ausgezackte Satteldecke mit gegitterten Streifen. 
Rund, Durchmesser drei Zoll. Das Original, in 
ungefärbtem Wachs, ist einer undatirten Urkunde 
aufgedruckt, durch welche Heinrich dem Stifte zu 
Heiligenkreuz Münchendorf schenkt, circa 1150'. 
Abbildungen: Herrgott 1. c. Taf. I, Fig. 3, und 
Schrotter und Rauch, Österreichische Geschichte 
I, 382, mit manchen Fehlern, der Helm zu plump, 
oben gerundet, im Schilde- ein Adler, bei Herrgott 
in der Umschrift Hainricus, bei Schrotter dagegen 
das E in diesem Worte gerundet. 

t HEINRICVS . D. GRA.DVX . AVSTRIE. (Fig. 5.) Gothische Majuskel mit einer äusseren 
Randlinie umfangen; gerades und gerundetes E. Rechtsgewendete Rciterfigur in einem Panzer- 





Flg. r». 



1 Fontes rer. Amttriac. II. Abtheiluiitf, XI, <;. 
IX. 



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24(5 



Kabl von Sava. 



hemde mit umgebendem Schurz, die Kapuze deckt Nacken und Hinterkopf ; auf dem Haupte ruht 
ein konisch gespitzter lielm, etwas nach vorwärts gekrümmt, mit abstehendem Rand. - In der 
Rechten hält der Fürst den Speer mit einem winkelförmigen, undeutlichen Banner. Mit dem 
linken Arm trägt er den, am Halse hängenden Schild, welcher oben gerundet, g-e wölbt und 
lang ist, aber sich schnell und stark verjüngt; eine Wappenfigur lässt sich nicht erkennen. 
Das Pferd mit einem Stangenztigel und einem Sattel mit Bogen, ist mit einer schmalen 
gegitterten, am unteren Saume befransten Decke belegt. Steigbügel sind vorhanden, Sporen 
nicht erkennbar. Das Schwert ist durch den Schild verdeckt. Das Original, in ungefärbtem 
Wachs, ist im Stiftsarchive Klosterneuburg einer Urkunde vom Jahre 1162 1 aufgedruckt; im 
Archive des Schottenklosters in Wien fand ich es an drei Urkunden angehängt*, und zwar bei 
der ersten an einem, durch den unteren Band der Urkunde durchzogenen Pergamentstreif; 
bei der zweiten an einem Pergamentstreifc , welcher durch Einschneiden des unteren Randes 
der Urkunde entstand und mit dieser unmittelbar zusammenhangt; bei der dritten, undatirten 

Urkunde endlich, an grünen und roth.cn Seiden- 
fäden. Es zerfällt also die bisherige Annahme, 
dass Friedrich der Katholische der Erste ge- 
weseu sei, welcher seine Siegel den Urkunden 
anhängte. Rund, Durchmesser 3 Zoll. Die Ab- 
bildung bei Herrgott Taf. 1 , Fig. 4 zeigt uns 
den Helm des Reiters spitz zulaufend, nach vor- 
wärts gekrümmt, die Kapuze des Panzerhemdes 
schützt das Hinterhaupt , nur ist sie so ab- 
gebildet, als wäre sie von Tuch, das Panzer- 
hemd ist unten verbrämt; der Herzog hat das 
Schwert an der Seite und Schnabclschuhc ohne 
Sporen. Im Schilde befindet sich ein Adler. 
Das Fahnentuch, von der Mitte an in zwei 
Theilc geschlitzt, hat in der vorderen Hälfte 
zwei Kreise als Verzierung ; der breite gestickte 
Brustricmen des Pferdes hat keinen Fransen- 
besatz, die gegitterte Satteldecke ist am unteren 
Saume auHgezaekt. 

t HEUS'RICVS.DEI.GRA.DVX.AVSTRIE. (Fig. 6.) Gothische Majuskel zwischen ein- 
fachen Kreislinien, eckige und gerundete E. Die rechtsgewendete Reiterfigur hat eine sehr niedere, 
gespitzte Sturmhaube auf dem Kopfe, dazu ein bis an die Knie reichendes Panzerhemd. Der 
lange Schild wird am linken Arme schräg, mit der Spitze nach rückwärts getragen und hat eine 
breite Einfassung (Rand), innerhalb welcher sich vier Kugeln befinden zu 1, 2 und 1 gestellt. 
Das kurze Fahnentuch theilt sich von der Mitte angefangen in zwei Lappen. Der Herzog trägt 
kein Schwert, an der kurzen Fussbekleidung fehlen die Sporen. Die Satteldecke ist mit scliräg 
gekreuzten Streifen verziert und am unteren Rande entweder ausgezackt oder befranst. Rund, 
Durchmesser 3% Zoll. Das Original, in ungefärbtem Wachs, im Stiftsarchive zu Seitenstetten an 
einer Urkunde vom Jahre 1145; daher der Titel: DVX. AVSTRIAE in der Umschrift allerdings 
auffällt. Meiller: (Rcgestcn zur Geschichte der Babenberger) setzt diese Urkunde in das Jahr 1170'. 
DieAbbildung inSchrötters und Rauchs „Österreichischer Geschichte" I, 285, ist durchaus verfehlt, 

i Fischer, I. c. II, 148. - * Oedruck« iu Horwayr'« „Geschichte Wien»,* 1,| png. 23 seq. Nr. VII und VIII; d»oa 
p*g. 28, Nr. IX. — 3 pag. 2>9, Note 234. 




Die Siegel heb österreichische* Reoehten. 



247 




Fig. 7. 



der Helm oben gerundet mit aufgezogenem Viair und einem Kinntheile stellt einen fformlicb.cn 
Bourguignot dar, welchen man im XII. Jalirhundert noch gar nicht kannte ; ausserdem ist die 
Satteldecke als breiter Bauchgurt und das Panzerhemd als Wappcnrock dargestellt. 

t HEINRICVS . DI . GRA . DVX. AVSTRD2. (Fig. 7.) Gothische Majuskel, gerundete E. 
Rechtsgekehrte Reiterfigur. Der bis zum Knie reichende Panzer ist ein einfaches Ringhemd (mit 
neben einander aufgenähten Ringen), ein konischer, 
leicht nach vorne gekrümmter Helm schützt das 
Haupt, im herzförmigen flachen Schilde prangt ein 
einfacher Adler. Die Fahne lang und schmal, ist 
vorne mit gekreuzten Streifen verziert und gegen 
das Ende in zwei Wimpeln ausgeschnitten, welche 
keine Streifen, dagegen an den Enden Fransen 
haben. Das Schwert fehlt, die Sporen bestehen in 
einem einfachen Dorn. Der Sattel hat vorne und 
rückwilrts hohe Bogen; die viereckige kurze Sattel- 
decke ist am unteren Saume mit Fransen besetzt. 
Der Brustriemen gleicht einem gewundenen Seile, 
an denselben hängt Ringwerk zum Schutze der Brust. 
Das Pferd ist ein Kurzschweif. Rund, Durchmesser 
2 Zoll 11 Linien. Das Original, in ungefärbtem, 
blättrigem Wachs, ist der, im Archive des Stiftes 
Schotten befindlichen Urkunde vom Jahre 1170 auf- 
gedruckt, durch welche Heinrich bestätigt, dass der Pfarrer Berthold von Fischamend all sein 
Besitzthum dem Schottenkloster in Wien geschenkt, sich und seinem Nachfolger aber den Nutz- 
genuss gegen jährliche Bezahlung eines Talentes 
an das Stift vorbehalten habe 1 . Die Abbildung 
bei Herrgott 1. c. Taf. 1 , Fig. 5 gehört zu den 
Besseren. 

t HEINRICVS . DEI . GRA . DVX . AVS- 
TRD2. (Fig. 8.) Gothische Majuskel zwischen 
zwei Kreislinien, gerundete offene E. Rechts- 
gewendete Reiterfigur im Panzerhemde mit um- 
gehendem Schurz, der bis an die Knien reicht, 
einen konischen Helm auf dem Haupte, an den 
Füssen Schnabelschuhe mit Sporen. Der Schild, 
welcher schräg mit der Spitze nach rückwärts 
gehalten wird, ist oben etwas gerundet, lang 
und verjüngt sich gegen unten bedeutend, eine 
Zeichnung darauf lässt sich nicht erkennen, eben 
so sind Lanze und Fahne undeutlich, das Schwert 
fehlt. Die Satteldecke ist mit einer Verbrämung 
und mit Fransen verziert. Rund, Durchmesser 
3'/,, Zoll. Das Original befindet sich an einer Urkunde des Stiftes Güttweig, in ungefärbtem Wachs, 
auf der Rückseite der Urkunde aufgedruckt und ist mit zwei gekreuzten Lederstreifen befestigt. 




rtg. s. 



Hormay r: Geschichte Wiens, I, pug. i>>. 



34« 



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248 



Kahl von Sava. 



Herzog Heinrich bezeugt, das er einen Streit zwischen dem Stifte Güttweig unter Abt Johann und 
der Tochter des Wahle», eines Edlen, über ein Gut „in grie" geschlichtet. Wien am 1. Mai 1171'. 

Leopold der Tugendhafte, geboren 1157; folgte als Erstgebomer seinem Vater Heinrich II. 
in der Regierung 1177; erwarb Steiermark 1186 und starb 1194. 

t LEVPOLDVS. DI. GRA. DVX AVSTRIE. (Fig. 9.) Gothisehe Majuskel, itussere Rand- 
Knie; gerundete offene E; V und S im ersten Worte zusammengezogen. Rechtsgekehrte Reiterfigur 

mit einem einfachen Ringhcmdc bekleidet, das bis 
zu den Knieen reicht, die Kapuze ist über den 
Kopf gezogen und darauf ruht ein gespitzter nie- 
derer Hehn mit einem Nasal. Auf dem g-ebauchten 
Schild, der mit einem Rande umfangen ist, zeigt 
sich der einfache Adler, der Herzog- trsigrt das 
jl^^*' '^Ü^T* "V|Kf Schwert an der Linken, dessen Griff der Schild 

//J^jK WJT verdeckt. An das kleine, viereckige Fahnentuch. 

mit Streifen und zwei Kreisen verziert, sind zwei 
lange Wimpel mit befransten Enden angesetzt. 
Die Fussbckleidung bestellt in Sehnabelschuhen 
ohne Sporen. Ein einfaches Kopfgestell mit einem 
Stirn-, aber keinem Nasenriemen, dazu ein Stangen- 
zügcl, bilden die Ztiumung des Pferdes. Der Sattel 
hat vorne und rückwärts hohe Bogen, die Satte)- 
taschen sind rund geschnitten mit einem breiten 
Haueligurt, der Brustriemen ist an den Orten mit 
Doppelstreifen, wahrscheinlich Horten und in der 
Mitte mit Ringen verziert. — Das Siegel ist trefflich erhalten, die Reiterfigur hat ein starkes 
Relief und die Ausführung verräth, ungeachtet vieler Zeichnungsfehler, eine tüchtige gewandte 
Hand. Rund, Durehmesser ;V/ S Zoll. Das Original ist im Stiftsarchive von Heiligcnkrcuz, in 
ungefärbtem Wachs, der Urkunde aufgedruckt, durch welche Leopohl dem genannten Stifte, mit 
Einwilligung seines Bruders Heinrich und seiner Gemahlin Helene, all seine Rechte auf München- 
dorf gibt, und zwar auf jenem von den zwei Original-Exemplaren, welche hierüber ausgefertigt 
wurden, in welchem im Texte der Urkunde die Datirung fehlt Dasselbe Siegel ist, ebenfalls 
in ungefilrbtem Wachs, der Urkunde aufgedruckt, durch welche Leopold die Streitigkeiten über 
den Zehent in Trumau und Tallern zwischen den Stiften Heiligenkreuz und Melk schlichtet*. Die 
Abbildung dieses Siegels bei Herrgott, Taf. 1, Fig. G ist nicht genau; auch hat mir die Benützung 
der Stiftsarchive von Klostcmeuburg und Hciligcnkreuz die Überzeugung verschafft, dass sicli 
das vorbeschriebenc Siegel auch an jenen Urkunden befindet, auf welche sieh Herrgott zu seinen 
Abbildungen Taf. II, Fig. 1, 2 und 3 beruft, und die auf letzteren vorkommenden verschiedenen 
Verzierungen des Pferde- Brustriemens bestehen auf den Originalsiegeln gar nicht. Was die 
charakteristische Auflassung der figuralischen Darstellung belangt, sind alle vier Abbildungen zu 
verwerfen. In Schrötter's und Raueh's Österreichischer Geschichte befindet sich II, 126 ebenfalls 
eine Abbildung dieses Siegels roll gearbeitet, di r Hehn ohne Nasenspange. 

t LI VPOLDVS.DEI.GR A. DVX AVSTRIE. (Fig. 10.) Gothisehe Majuskel mit einer 
äusseren Randlinie, welche über dem Kreuze ausgebogen ist. Die Wappnung des Ritters besteht 




1 llorinny r: QeseHckte Wien», I. Urkuntli-uhuch jjujt. 30, Nr. 1] M eil lor, Redest, pajf. ÄO, Nr. SO. — * Herrgott,, L 

c. L'Oil, uud FouU'k MT. Austriac. 11. Alitluil. XI, 11, mit tl< r DutiruiiK Krem», am Ii». Juui 1178. Sicht* auch Keiller 1 ! Regelte» 



DlK SlEGKL DEK ÖSTBBREICHISCIIEX Uf.U ESTEN. 



249 



in einem Ringhemde, welches bis zu den Knien reicht, und in einem cylinderförmigen , oben 
gerundeten Helm mit einem Nasal, der kurze Schild ist. oben rund und gebaucht, darauf ein ein- 
facher Adler. Das Schwert fehlt. In der Rechten hält der Fürst die Fahne, welche mit einer netz- 
förmigen Verzierung ausgefüllt und ungefähr von der Mitte angefangen in zwei Streifen aus- 
geschnitten ist. Die Fussbekleidung des Reiters, die Zäumung des Pferdes und der Sattel sind wie 
auf dem vorigen Siegel, nur ist der Brustriemen schmal und ohne Ringverzierung, dagegen 
«her mit Fransen, vielleicht auch mit Schellen behangen. Zeichnung und Ausführung roh. Rund, 




Fig. 10. Fig. II. 



Durchmesser 3 Zoll; das Siegel ist der Urkunde, durch welche Leopold, mit Einwilligung seiner 
Gemahlin und seines Bruders, dem Stifte Heiligenkreuz seine Rechte auf Münchendorf gibt, 
in ungefärbtem blilttcrigcn Wachs aufgedruckt, und zwar jenem Exemplare, welches mit der 
Datirung: Anno [nearnacionis dominicae MCLXXXVII, XV. kal. April, in Salchenawc (Solenau 
18. März) verschen ist'. Die Abbildung bei Herrgott Taf. 2, Fig. 4, ist ganz verfehlt. 

t LEV?OLDVS. DI. GRA.DVX. AVSTRIE. (Fig. 11.) Gothische Majuskel ohne Ein- 
fassungslinien; im Worte Leupoldus ist bei dem E der senkrechte Strich stark hervorgehoben, 
während die drei horizontalen Striche nur schwach angedeutet sind, wodurch der Buchstabe mehr 
einem I ähnlieh wird, V und S am Schlüsse desselben Wortes sind zusammengezogen. Das Siegel- 
bild gleicht jenem unter Fig. !>, nur ist die Figur kleiner und der Helm am Rande ausgebogeu, in 
der Fahne fehlen die kreisförmigen Verzierungen. Das Siegel, in ungefärbtem Wachs, ist den 
Urkunden vom Jahre 1188 aufgedruckt, durch welche Leopold dem Stifte lleiligcnkrcuz das Gut 
Koreck zurückstellt und demselben Stifte einen Theil des Waldes schenkt, in welchem es liegt 2 . 
Rund, Durchmesser 3'/, Zoll. — Die Abbildung bei Herrgott Taf. II, Fig. ö ist mangelhaft. 

f LIVPOLDVS . (dei Graci) A. DVX . AVSTRIE AC. STIRIE. Lapidarschrift auf einem 
erhöhten Rande, gerundete E. Die rechts gewendete Reiterngur trügt einen eylinderförniigen 
Helm, der oben abgerundet und mit einem Riegel versehen ist, an demselben seheint statt der 
Xasenspange eine Platte angebracht zu sein, welche das ganze Gesicht deckt und Augen-Aus- 
schnitte hat. - Wir treffen solche Gesiehtsplatten auch in den Abbildungen der Herrad von 

1 Herrpott, I r. «iictar. diplom. SOI, Xr. 3, m\i\ Fontes rer. Austriuc. II. Alitlieiliing, XI, 10. — Pult, cod. diploni. epi&tol. 
II, 43 und 44. Herrpott, 1. c. uuetur. diploui. SOS. Fontes rer. Au»triac. II. Abtheilung, XI, S3 und 24. 



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2ü0 



Kam, von Sava. 



Landsberg 1 . Der Schild ist breiter und kürzer, und verjüngt sich weder so schnell, noch so stark 
wie auf den früheren Siegeln, er deckt den Oberleib des Reiters ganz und reicht bis zur Hälfte 
des Schenkels, so dass ein Theil des Panzerhemdes und vom Schwert da» Ende sichtbar ist; auch 
die Art, den Schild zu tragen, hat sich geitndert; früher wurde er schräg, mit der Spitze nach rück- 
wärts gehalten, hier erscheint er in senkrechter Richtung mit der Spitze nach abwärts. Im Schilde 
befindet sich der einfache Adler, an dessen Flügelu die Saxen sichelförmig nach aufwärts gebogen 
sind und in einen Knauf enden. Zum ersten Male kommt der Adler auch in der schmalen Fahne 
vor, deren Feld zu Anfang und Ende eine Verbrämung hat; sie wird durch vier Ringe an der 
Lanze festgehalten und läuft in zwei lange, gezackte oder befranste Streifen aus. Das Kopfgestell 
der I'ferdezäumung lässt sich nicht erkennen, dagegen ist der Stangenzügel deutlich, und eben so 
der mit Ringen oder Schellen behängte Brustriemen, der Steighügel und Bauchgurt und die 
viereckige Satteldecke. Rund, Durchmesser 3'/ 4 Zoll. — Dieses Siegel, in ungefärbtem Wachs, 
hängt mittelst grauer Zwirnfäden an der Urkunde, durch welche Leopold dem Stifte Melk einen 
Wald schenkt, um dessen Holzmangel abzuhelfen 11 . Die Urkunde ist undatirt, und der in ihr 
genannte Abt Konrad, so wie der unter Zeugen vorkommende „ Friedenau» Filius Ducis" 
geben keine vollkommen genügenden Anhaltspunkte, um entscheiden zu können, ob dieselbe 
Leopold dem Tugendhaften oder Leopold dem Glorreichen angehöre. Im ersteren Falle wäre die 
Urkunde ungefähr zwischen den Jahren 1192 und 1194 ausgestellt worden, zur Zeit des Abtes 
Konrad I., und der Sohn ist Friedrich der Katholische; im letzteren Falle hätte die Schenkung 
zwischen den Jahren 1218 und 1224 stattgefunden, wo Konrad HI. Abt von Melk und Friedrich 
der Streitbare der Sohn des Herzogs war. Herr von Meiller (Regesten der Babenberger S. 241, 
Anmerkung 284) nimmt die Urkunde für Leopold den Tugendhaften in Anspruch , weil unter den 
Zeugen Chraft von Einzingspach (Amzinsbach) , Unzpach erscheint, welcher in keiner nach dem 
Jahre 1203 ausgefertigten Urkunde mehr vorkommt und eben so wenig ein anderer dieses 
Geschlechtes ; dann weil das an dieser Urkundo hängende Siegel ein einfaches Reitersicgel ist, 
während Leopold der Glorreiche seit den» Jahre 1207 sich gewöhnlich eines Mü::zsiegels bediente. 
Dieser letztere Grund kann nicht unbedingt gelten , denn nach dem benannten Jahre kommen 
Urkunden von Leopold dem Glorreichen vor, die nur mit einer Seite eines Münzsicgels, also mit 
einem einfachen Siegel besiegelt sind; ausserdem hängt an einer Urkunde, gegeben zu Wien am 
13. Mai 1217, vermöge welcher die Johanniter einige Acker und Grundstücke von Heinrich von 
Willcndorf kaufen, ein einfaches Reitersiegel dieses Herzogs, das von seinen übrigen gänzlich 
abweicht. Nicht unberührt darf dagegen bleiben, dass Leopold der Glorreiche ein Reitersiegel 
führte, welches dem vorliegenden an Grösse, in der Darstellung und in der Umschrift ganz ähnlich 
ist; ja man müsste es für identisch mit demselben halten, wären nicht die Buchstaben der Um- 
schrift auf dem notorisch von Leopold dem Glorreichen herrührenden Siegel etwas kleiner und 
schlanker; es befindet sich an den Urkunden von den Jahren 1202 und 1203, welche Meiller 1. c. 
S. 87 und 90, Nr. 29, 31 und 42 anführt, und dieses Siegel ist mir an einer Urkunde nach 
dem Jahre 1207 noch nicht vorgekommen, und in soferne ist Herrn v. Meiller's Ansicht richtig. 

Im kaiserlichen Hausarchive befindet sich eine Urkunde, durch welche Leopold, Herzog 
von Osterreich und Steier, die Vogtei Uber das neu gegründete Spital am Pylu'n Ubernimmt und 
dasselbe von fremder Gerichtsbarkeit befreit; auch diese Urkunde ist undatirt*; auf der Aussen- 
seite steht jedoch von gleichzeitiger Handgeschrieben: „privilcgivm Leopoldi senioris dveis 
avstric et styrie". Der Zusatz „ Senioris J passt nur auf Leopold den Tugenhaften. An diesem 

1 Hernusgrgebcn von Engelhardt. Stuttgurt hei Cotta. ISIS. — J lluehor, I. r. lt). — » Melllcr, I. c. pag. 71, Nr. ">7 
circa ann. 111)2 und .S. HO, Anmerkung 2« > 



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Die Siegel der österreichischen Regenten. 




Fig. 12. 



Diplome hängt, mittelst Perganicntetreifcn, ein einfaches Reitersiegel, dessen Umschrift weg- 
gebrochen ist ; der noch übrige Theil der Reiterfigur ist Ubereinstimmend mit dem nn der Melker 
Urkunde befindlichen, und es ist somit festgestellt, das Leopold 
sowohl in Urkunden als auch auf diesem Siegel den Titel eines 
Herzogs von Steiermark führte. — Abbildung bei Hueber 1. c.Taf. I, 
Fig. 4 entstellt. Nebst den erwähnten zwei undatirten Urkunden, 
an welche die Siegel angehängt sind, erwähnt Stülz in seiner 
Geschichte des Klosters Wilhering 1 zweier Urkunden Herzogs 
Leopold des Tugendhaften mit anhängenden Siegeln; bei der 
einen, vom 24. Februar 1 188, sind nur mehr die rothen Seidenfäden 
vorhanden, das Siegel aber ist abgefallen, bei der anderen, vom 
28. Februar 1188, ist das Siegel zwar vorhanden, jedoch sehr ver- 
letzt. Die an den räthselhaften Urkunden für das Stift Gleink, 
welche diesem Herzoge zugeschrieben werden 3 , hängenden Siegel 
können hier nicht in Betracht gezogen werden, da Urkunden und Siegel, wenn nicht ganz falsch, 
im günstigsten Falle einer späteren Zeit angehörig sind*. 

Heinrich von MOdling, der Ältere. Zweiter Sohn Heinrichs Jasomirgott, Bruder Leopolds des 
Tugendhaften, geb. 1158, gest. am 19. September 1223. 

t HALNRICVS. (Fig. 1 2.) Gothischc Majuskel zwischen einfachen Linien, die einzelnen Buch- 
staben weit aus einander gestellt. Rund, Durchmesser 2 Zoll. Das Original, in ungefärbtem Wachs, 
hängt an zwei Ur- 
kunden des Stiftes 
Heiligenkreuz 4 . — 
Eine Variante diese» 
Siegels mit gleicher 
Umschrift und Dar- 
stellung, nur etwas 
grösser, zwei Zoll 
eine Linie im Durch- 
messer, ist einer 
Urkunde vom Jahre 
1203 im Stiftsar- 
chive Heiligenkreuz, 




Fig. 13. 



Fig. 14. 



in ungefärbtem blät- 
terigen Wachs, auf- 
gedruckt. Abbildungen von beiden Siegeln gibt Herrgott 1. c. Taf. H , Fig. 8 u. 9 , und von 
einem Schnitter und Rauch, Österreichische Geschichte U, 88. 

Münzsiegel, a) Vorderseite, f HEINRIC VS . DKI . GRACIA DE MEDELICCO. (Fig. 13.) 
Gothische Majuskel zwischen 2 Linien; gerundete M N und E, mit Ausnahme des Wortes DE. Im 
Siegelfeldc ein einfacher Adler mit ausgebreiteten Flügeln, b) Kehrseite. (Fig. 14.) Gleiche 

> Seite 485 und 486. — * Kurl, Beiträge zur Geschichte de» Lande» ob dir Eons, III, 311—315. — » StQlz, über die 
iilteBtnn Urkunden des Kloster« Gleink im Archvie dir Kunde ÖBterreiehiiicber Geschiehtaquellen , Jahrgang 1849, II, 273. — 
4 jJ)ie eine gedruekt bei U errgott, I. c. Anctar. diplom. 200 nnui. 5, lallt zwischen die Jahre 1182—1185 (a. Chmel'a Geschichtsfor- 
scher. II, 490. Aiimcrkuug 25), die andere ebenfalls uudatirte Urkunde wurde von mir in Chmel's (Jeschichtsforscher l. c. 483, 
mitgetheilt, sie fällt nach dein Jahre 1149, nach dem Tode Leopold des Tugendhaften, dessen mit dem Beisätze „beatc me- 
niorie* erwähnt wird. Die Urkunde, an welcher sich die Variaute befindet, bei Herrgott, I.e. 205, num. 4 alle drei in den Fon- 
tes rer. Austriac. II. Abtheilung, XI, 12, 27, 31. 



2'J2 



Kabl TOR Sava. 



Umschrift, wie auf der Vorderseite, nur ist im Worte HEINRICVS ein geradliniges N und die E sind 
dlirchwegfl gerundet. Im Siegelfelde ein gebauchter herzförmiger Schild, darin zwei Uber einander 
sclireitendc Leoparden. Herrgott 1. c. S. 6 bemerkt, dass Heinrich kein Reitersiegel, wohl aber das 
Wappen der Babenberger, den Adler, führte. Xach dem vorliegenden Siegel aber scheint der Adler 
das österreichische Landes- und die beiden Leoparden das Familienwappen der Babenberger zu 
sein. Das Original hilngt, in ungefärbtem Wachs, mittelst Pergamentstreifen an der Urkunde, 
durch welche Heinrich dem Stifte Melk den Weinzehent in Solenau übergibt, der Titel, den er in 
dieser Urkunde führt, lautet : Heinrich von Gottes Gnaden das, was ich bin. 1 Rund, Durchmesser 
2 % Zoll. Die Abbildung bei Hueber 1. c. Taf. 2, Fig. 6 ist, wie gewöhnlich, schlecht, das Siegel 
verkleinert und die Verzierung nach »lern Worte Medellico fehlt auf dem Originale. 

Heinrich von Mödling, der Jüngere, des Vorigen Sohn; f circa 123G. Münzsiegel, a) Vor- 
der se i te. f SIGILLVM . HENRICI .DELGRACIA . DVCIS. MEDELICENSIS. (Fig. 1 5.) Gothische 




Flg. IS. Fig. Iß. 



Majuskel zwischen zwei Linien, die gerundeten E sind vorne geschlossen. Im Siegelfelde schwebt 
ein einfacher links schauender Adler, b) Kehrseite. (Fig. 10.) Die Umschrift wie auf der Vorder- 
seite. Im Siegelfelde frei zwei über einander schreitende Leoparden , durch einen Querbalken von 
einander getrennt. Das Original, in ungefärbtes Wachs abgedruckt, fand ich an rothen, blauen, 
weissen und gelben Seidenladen im Stiftsarchive von Heiligenkreuz, einer Urkunde vom Jahre 1233 
angehängt. 2 und an Pergamentstreifen im Stiftsarchive von Klosterneuburg an der, bei Pez cod. 
diplom. epist II, 83 und Fischer 1. c. II, 189 gedruckten Urkunde. Rund, Durehmesser 2 % Zoll. 
Abbildungen Herrgott Taf. III, Fig. 1, Schnitter und Rauch 1. c. H, 1)2, beide mittclmiissig. 

Friedrich der Katholische. Erhielt nach dem Tode seines Vaters Leopold Österreich. 
Reg. 1194 bis 1198. 

FRIDERICVS . DEI . GRACIA . DUX. AVSTRYE. (Fig. 17.) Lapidar, zwischen zwei breiten 
Linien, gerundete E mit Ausnahme des letzten, eigentümlich verschnörkelt ist das T. Die rechts 
gewendete Reiterfigur ist sowohl in der Zeichnung als im Costum jener auf dem Siegel Leopolds des 
Tugendhaften iilmlich. Als Abweichungen sind zu bemerken, dass sich auf der Brust des Adlers 
(im Schilde) vier gekrümmte Streifen kreuzen, und der vordere Theil des Fahnentuches, in welchem 
sich ebenfalls ein Adler befindet, netzförmig verziert ist. Die Fahne wird durch drei Ringe an der 
Lanze festgehalten. Rund, Durchmesser 3 Zoll. — Dieses Siegel, in ungefärbtem Wachs, hängt 

i HuctMT, I. <• pajr. IT,. — i Chmcl. Geit«hk-hl*fors<'li«T II, 4*4 und KnoN-a rer. Austriac. II. Abtheiluag, XI, •»(*. 



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Die SlKOCb DB» ÖSTF.nutn ai.scHKx Rküksten. 



2-y.i 



mittelst Pergamentstreifen an der im Stiftsarchive von Heiligenkreuz befindlichen, bei Pez cod. 
diplom. II, 49 und Fontes rer. Austritte. 2. Abtheilung XI, 28, gedruckten Urkunde vom Jahre 
1196. Abbildungen: Herrgott 1.' c. Taf. 2, Fig. 6; Monum. boic. XII. Tat". 1, Fig. 1 fragmentirt 
und schlecht; Schnitter und Hauch 1. c. II. 133; eine Nachbildung jener bei Herrgott. 

Leopold der Glorreiche, Erhielt nach dem Tode seines Vaters, Leopold des Tugendhaften, 
die Steiermark 1191 — 1198, und nach dem Tode seines Bruders Friedrich auch Österreich 
1198—1230. 

I. Die Umschrift zwischen zwei Linien ist unleserlich, die rechts gewendete Reiterfigur 
trügt einen niederen, oben gerade abgeschnittenen Hehn, im herzförmigen Schild scheint der 
steierische Panther zu sein. Von der wimpclartigen Fahne ist nur so viel zu erkennen, dass sie in 
zwei Lappen zerschlitzt ist, der Reiter hatte einen Wappcurock. Dieses Siegel, schon ursprünglich 




Flg. 17. Fig. I*. 



undeutlich abgedruckt , in ungefilrbtem Wachs mit vielen Rissen, hängt an einer Urkunde vom 
Jahre 1197 im Stiftsarchivo von Hciligcnkrcuz. Siehe Meiller's Regesten 81, Nr. 3 und Fontes 
Rer. Austriac. 2. Abtheilung, XI, 30. Rund, Durchmesser 3 Zoll. Herrgott fand im Stifte Admont 
an einer Urkunde vom Jahre 1206 ein Siegel, von welchem er 1. c. Taf. III, Fig. 3 eine Abbildung 
gibt, Uber deren Werth ich nicht urtheilen kann, da mir das Original unbekannt ist. Herrgott hillt 
dafür, dass Leopold dasselbe besonders für Steiermark geführt habe. Die Abbildung, 3 Zoll im 
Durchmesser, zeigt zwischen zwei Linien die Umschrift in gothischer Majuskel: f L1VPOLDVS. 
DKI GRA. DVX. AVSTRIK. KT. STIRIK. Die rechtsgewendete Reiterfignr hat einen niederen, 
oben gerundeten Hehn, ohne Nasenspange und Gesichtsplatte ; der Nacken ist durch die Kapuze 
des Panzerhemdes geschützt, der Wappenrock mit reichen Falten geht bis über den Hauch des 
Pferdes; der Schild, oben gerade abgeschnitten, verjüngt sich nach abwärts und ist unten gerundet, 
in demselben befindet sich der feuersprühende Panther, und in der wimpelartigen Fahne mit zwei 
Lappen der österreichische Adler. Die Ziiumung besteht in einem Stangenzügel ohne (?) Kopf- 
gestell, breiten Rrustriemen mit Streifen verziert und einem rund geschnittenen Sattel. Für identisch 
mit dem vorbeschriebenen Siegel im Stiftsarchive von Heiligen kreuz halte ich es nicht, und fast 
möchte ich vermuthen, dass hier eine verfehlte Abbildung des nachfolgenden Siegels vorliege. 
IX. 3:» 



2!>4 Kahl von Sava. 

t LIVPOLDVS . DEI . GRACIA . DVX . AUSTRIE . AC . STIRIE. (Fig. 18.) Gothische 
Majuskel auf einem erhQhten Rande. Reiterfigur, jener auf dem Siegel »eines Vaters ganz ähnlich ; 
der Hauptunterschied besteht darin, das« auf dem vorliegenden Siegel die Buchstaben kleiner und 
schlanker sind, als auf jenem Leopold des Tugendhaften. Ich fand dieses Siegel im Stiftsarchive von 
Ileiligenkreuz an der Urkunde, durch welche Leopold der genannten Abtei den Besitz von Wetzels- 
dorf bestätigt, anno 1203', in ungefärbtem blätterigen Wachs aufgedruckt; dann im kaiserl. Ilaus- 
archive an der Urkunde, durch welche Leopold der Propstei in Berchtesgaden die Mautfreiheit 
verleiht, Gratz am 8. Juni 1202, an Pergamentstreifen; endlich an dem Bestiltigungsbriefe für das 
Stift Sekkau Uber das von den steierischen Otakaren erhaltene Recht, nebst Verleihung der Maut- 
freiheit in Osterreich und Steiermark, Admont 2. Juni 1202, an rothen, grünen und gelben Seidcn- 
fiiden hängend 1 . Mit gelben Seidenfaden war dieses, nunmehr fragmentirte Siegel an der Urkunde 
vom Jahre 1195, gegeben zu Marburg ftlr das Kloster Seitz, befestigt'. Iu der Urkunde selbst 




Fl«. 19. Fig. 20. 



fllhrt Leopold nur den Titel dux styrie, und es ist mir auffallend, dass er dieses Siegel, mit der Titu- 
latur vön Osterreich und Steicr und mit dem österreichischen Wappen im Schilde, bereits bei Leb- 
zeiten seines Bruders gebraucht halten soll, wahrend der letztere in seinem Siegel jede Hinweisung 
auf Steiermark vermeidet. Die Echtheit des Siegels unterliegt keinem Zweifel, jene der Urkunde 
dürfte einer Prüfung zu unterziehen sein. Rund, Durchmesser .'V/, Zoll. Abbildungen: Herrgott 
L c. Taf. II, Fig. 7 und Hueber L c. Taf. I, Fig. 4. 

Bei Fischer: Merkwürdigere Schicksale des Stiftes und der Stadt Klosterneuburs? H, Taf. 7 
befindet sich ein (Jontrasicgel abgebildet, welches der Rückseite des Klosterneuburgcr Couvcnt- 
siegels an einer Urkunde vom Jahre 1206 (1. c. 162, Nr. 22 j aufgedruckt ist. Die Abbildung 
zeigt einen links gewendeten, behelmten Kopf mit der Umschrift in gothischer Majuskel: LUI- 
POLD . DUO IS . ALST . E . ST. und ist nach einer älteren, im Klosterarchive befindlichen 
Zeichnung iu Kupfer gestochen. Der Umstand, dass Leopold weder Aussteller der Urkunde ist, 
noch als Zeuge in derselben vorkommt, sondern seiner nach dem Datum nur mit den Worten 
erwähnt wird: „Tempore Liupoldi Ducis Austriae et Styriae, qui fuit sororius Belae liberi regis 

i Gedruckt bei Herrgott, 1. c. 20.V Nr. IV, und Font«-» rcr. Austriae. II. Abtlieilung, XI, 31. — I Meiller, Regelten 
87, Nr. ä'J uud 31. — J Im kaiserlichen Hauaarchive. Mciller, 1. c. 80. 



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Die Siegel der österreichisches Regenten. 



Ungariae", machte mir die Abbildung verdächtig, und die mir gewührte Hinsicht des Originals 
bestätigte meine Vermuthung. Das Siegel ist der Abdruck eine« antiken Steinsehnittes, einen 
behelmten Kopf darstellend, welcher von einem Kranze umfangen ist, und diesen letzteren ver- 
wandelte die Phantasie des Zeichner» in die oben erwähnte Umschrift. 

Münzsiegel. Vorderseite, f LIVPOLDVS . DKI . GRACIA . DVX . AVSTltlK. (Fig. 10.) 
Gothische Majuskel, durch einen Kreis, dessen innere Flüche sich schriig gegen das Siegelfeld 
senkt und von einer Perlenlinie begrenzt ist, vom Siegelbilde getrennt. Linksgekehrte Reiter- 
figur im Panzerhemde, durcli welches auch Hals, Kinn und Nacken geschützt sind. Über dem 
Panzerhemde trügt der Herzog einen Wappenrock ohne Ärmel, der um die Mitte gegürtet und 
unten ausgezackt ist Der Hehn hat zum Schutze des Gesichtes ein«' Platte mit Ausschnitten für 
die Augen. Der kleine herzförmige Schild mit dem Adler ist mittelst eines Riemens um den Hals 
gehilngt und ruht auf der Brust. Die lange Fahne zeigt zwischen zwei netzförmigen Streifen den 




Fig. 21. Fig. 12. 



Adler und ist in zwei Theile geschlitzt, deren Knden befranst sind. Der Fuss des Reiters ist gegen 
die Brust des Pferdes gestreckt Die Satteldecke, welche nicht über die Hülftc des Hauches geht, 
ist rund zugeschnitten und mit gekreuzten Streifen verziert, b) Kehrseite, f LIVPOLDVS. DEI . 
GRACIA . DUX . STIRIK. (Fig. 20.) Die Reiterfigur ist rechts gewendet, Rüstung, Helm, Wappen- 
rock wie auf der Vorderseife, in dem grösseren herzförmigen Schilde und in der Fahne erscheint 
der steierische Panther. Der Herzog ist mit dem Schwerte umgürtet, die kurze rund geschnittene 
Satteldecke ist mit Fransen besetzt. Rund, Durchmesser 3 Zoll. An einer Urkunde im Archive 
des Stiftes Heiligenkreuz hangt dieses Siegel mittelst Perganientstreifen , an einer andern im kais. 
Hausarchive an grünen Zwirnfäden'. Die Abbildung in den Monnm. boic. IV, Tuf. I, Fig. 1, anno 
1210, ist durchaus verfehlt. Die Umschrift hat auf beiden Seiten den Titel: DVX AVSTltlK; und 
die Zacken am Wappenrocke sind als Streifen, die an der Satteldecke billigen, behandelt. Die 
Abbildung im 11. Rande der Mon. boic. Taf. 11, Fig. 21, vom Jahre 1198 ist eine derartige, dass 
man nicht entscheiden kann, welches von den drei Miinzsicgeln Leopolds sie darstellen soll. 

Münzsiegel, a) Vorderseite, f LIVPOLDVS. DEI. GRACIA. DVX . AVSTRIK. (Fig. 21.) 
b) Kehrseite, f LIVPOLDVS . DEI. GRACIA . DVX . STIRIE. (Fig. 22.) Gothische Majuskel 

' Ponte» rer. Autlriftc. II. Abthi-ilung. XI, 37 und Mciller, I.e. Nr. 17.1. 



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Karl von Sava. 



zwischen einfachen Linien. Auf jeder »Seite dieses Doppelsiegels befindet sieh eine rechtsgewendete 
Reiterfigur in voller Rüstung, mit dem Sehwerte umgürtet, ein Fasshelm bedeckt das Haupt und 
der Wappenrock ist an den unteren Säumen ausgezackt,- der flache herzlbrmige Schild ist kurz, 
oben sehr breit und zeigt auf der Vorderseite den Adler, auf der Kehrseite den Panther, die gleichen 
Embleme befinden sich in den Fahnen, welche wimpelformig und ungefähr von der Mitte angefangen 
in zwei Theile geschnitten sind. Die Fussbekleidung besteht in Schnnbclschuhen, der Sattel liegt 
auf einer kleinen rund geschnittenen Schabracke. Rund, Durchmesser 3% Zoll, vom Jahre 1213. 
Dieses Siegel in grünem Wachs (die Fläche sehr licht, der Bruch dunkel) hangt an rothen Seiden- 
schnüren an einer Urkunde im kais. Hausarchive, durch welche Leopold bezeugt, dass Thimo von 
Klsnitz ein Gut, welches er vom Herzoge besass, der Karthause Scitz theils geschenkt, theils um 
1 2 Mark verkauft habe. Gegeben zu Marburg. 

t (LI V) POLDVS . DKI . G RACIA . DVX AV (Fig. 23.) Gothische Majuskel zwischen zwei 

Kreislinien. Das Siegel ist fragmentirt, von der rechtsgekelnten Reiterfigur fehlen der Kopf des 
Reiters und der Vordertheil der Fahne, von letzterer sind nur zwei befranste Wimpel zu sehen. 




l ig. >3. Ii* 24. 



Der Herzog im Panzerhemd, welches bis zum Knie reicht, tragt das Schwert an der linken Seite, 
dessen Grill* eine einfache Parirstange hat. Der herzförmige, gebauchte Schild, mit der Spitze senk- 
recht nach abwärts gehalten, zeigt den einfachen Adler. Die Fussbekleidung besteht in Schnabel- 
schuhen, der Sattel hat vorn und rückwärts hohe Rogen. Zeichnung und Ausführung des Siegels 
sind ziemlich gelungen. Sniittnier fand dasselbe an einer Urkunde vom Jalue 1217 im Malteser- 
Grossprii>rats-Archive zu Prag, durch welche die Johanniter einige Acker und Grundstücke von 
Heinrich von Willendorf erkaufen. Acta publice in ecclesia S. Petri Wienne Anno dominice 
incarnacionis 1217. Indict. VI. iii Idas Maji (13. Mai), Anno poutificatus Honorii primo, regnante 
Fridrico, Ulrico pataviensi Kpiscopo, Luipoldo duce Austrie. Rund, Durchmesser 3 Zoll 3 Linien. 

Münzsiegel, a) V ord er s e ite. f LIVPOLDVS . DKI GRATIA. DVX. AVSRIH (sie). (Fig. 24.) 
Gothische Majuskel zwischen Perlenlinien. Das Siegelbild zeigt einen rechtsgewendeten Reiter, 
welcher über dem Panzerhemde einen Wappenrock trügt und mit dem Schwerte umgürtet ist. 
Das Ilnupt bedeckt ein Hehn , w elcher den ganzen Kopf unischliesst und w ie eine Tonne übe r 



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Die Siegel beb ösTEnREiqniscitRX Rkgkkten. 



257 



denselben gestürzt wurde, daher auch die Benennung Fasshclui oder Kübelhelm. Er hat kein 
bewegliche» Visir , sondern zwei an der vorderen Helmwand in der Richtung der Augen ange- 
brachte horizontale Ausschnitte, dienen sowohl zum Sehen als auch zum Einströmen der nöthigen 
Luft, und sind an den Orten mit Spangen, wahrscheinlich von anderein Metalle, verziert. Die 
vordere Helmwand ist in der Mitte kantig und gegen das Kinn zu eingeschweift. Der Helm ist 
oben gerade abgeschnitten, unten aber vom Kinne gegen den Nacken verjüngt er sich, und zwar 
im Bogen ausgeschnitten. Der gewölbte Schild, welcher von der Achsel his Uber das Knie reicht, 
ist oben gerade, die Ecken abgerundet und verjüngt sieh gegen die Spitze sehr schnell, er wird 
schräg mit der Spitze nach vorwilrts gehalten. Im Schilde und in der Fahne zeigt sich der öster- 
reichische Adler , und zwar in letzterer zwischen zwei netzförmigen Streifen, welche Hanthaler 
irrig für den österreichischen Querbalken hält '. Vor dem Adler befindet sich in der Fahne ein 
Kreuzchen, welches Herrgott* auf den Kreuzzug 
deutet, zu welchem Leopold, wie die Melker und 
Klosterneuburger Chroniken melden, im Jahre 
1208 rüstete. Von der Mitte an ist die Fahne 
in drei Theile zerschlitzt. Der Fuss des Reiters 
ist gegen die Brust des Pferdes gestreckt, aber 
nicht horizontal gehalten. Sporen fehlen; die 
Zäumung des Streitliengstes besteht in einem 
Kopfgcstelle mit Stangenzügel , einem Sattel, 
vorne und rückwärts mit hohem Bogen, Brust- 
riemen und Bauehgurt. Die kleine Satteldecke 
ist rund geschnitten. — b) Kehrseite, f LIV- 
POLDVS DEI GRATIA DVX STIRIE. (Fig. 2ö.) 
Gothische Majuskel zwischen l'erlenlinien. Das 
Siegelbild jenem der Vorderseite gleich, nur be- 
findet sieh der steierische Panther in Schild und 
Fahne, und letztere ist nur in zwei Theile 
«reschnitten, der Fuss des Reiters ruht in natür- 
licher Stellung. Rund, Durchmesser 3 Zoll. Dieses Siegel Leopolds kommt am häufigsten vor 
und blieb bis zu seinem Tode im Gebrauch; im Melker Archive hängt es an einer Urkunde 
vom Jahre 1317» in ungefärbtem Wachs, an grauen Zwirnfäden. Im Stiftsarchive von Heiligen- 
kreuz an Urkunden von den Jahren 1216, 1219 und 1237*. Hanthaler fand es an zwei Urkunden 
vom Jahre 1208 5 mit rothen , grünen und gelben Seidenfäden befestigt, während Smittmer 
erwähnt, dass dasselbe an der Urkunde für das Nonnenkloster Göss, vom Jalire 1214°, an gold- 
gelben Seidenfäden hängt. — Manche Urkunden sind nur mit einer Seite dieses Siegels bekräftigt, 
eine im Melker Archive vom Jahre 1227 1 mit der österreichischen Seite, dagegen die im Malteser 
Grosspriorats-Archive zu Prag befindliche Urkunde, durch w elche Leopold den Johannitern die von 
Ulrich von Stubenberg beatae memoriae geschenkten Dörfer Hartwigesdorf und Chrcbezbach 
bestätiget, actum in obsidione Damiate 1218, nur mit der steirischen Seite (Smittmer Siegel- 
katalog). Bezüglich der Farbe des Wachses und der Seidenfäden ist von den verschiedeneu 
Siegeln Leopolds noch zu erwähnen , dass an einer für das Kloster Wilherung vom Jahre 1 202, 
das nunmehr abgefallene Siegel an grünen und rothen Seidenfäden hing*. An einer Urkunde vom 

1 fiuntlmlrr Recen». diplot» geneul. I, 905» — t le.7. — t Ilueber, I. & pag. 14, Nr. 4. — * Herrgott, 1. e. I, 207 
uml ronte« rer. Au.«triiic. II. Abteilung, XI, 45), :><>, 6«. — » Hanthaler, I. e. I, 205. — « Fröhlich, diplomatar. Stir. I, 30. — 
: Ilueber, I. c. pag. 10. Xr. 8. - » Stütz, Ue*chichte dei Kloster« Wilhering. 4113. 




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2Ü8 



Kari, vos Sava. 



Jahre 1212 befindet eich ein Münzsiegel in grünem Wachs mit rothen Seidenfaden, an einer 
anderen vom Jahre 1215 sind die Seidenfaden grün und das Wachs roth 1 . Abbildungen dieses 
Siegels, mehr oder weniger misslungen bei: Herrgott 1. c. Taf. 3, Fig. 2. 4 und 5; Hueber 1. c. 
Taf. 1, Fig. 5, Taf. 2, Fig. 2 und 4, Taf. 3, Fig. 1. alle drei sehr entbehrlich; Hanthaler 1. c. 
Taf. 21, Fig. 1 ganz verfehlt; Sehrotter- Hauch 1. c. II. 382 nach Herrgott, ganz misslungen; Kauz 
Österreichischer Wappenschild Taf. IV. nach Herrgott. 

Heinrich der Grausame, Sohn Leopold» des Glorreichen, geboren 1208, gestorben 122*. 
In einer Urkunde vom Jahre 1227 (Monum. boic. XXVIII. II. 271, num. 48 mit der irri«ren 
Jahreszahl 1 207 j von Leopold dem Glorreichen, lautet die Sigillationsformel : nostro et filii nostri 
Heinrici sigillo. Hisher kam mir ein Siegel desselben noch nicht zu Gesicht. 

Friedrich der Streitbare, geboren in Neustadt 15. Juni 121 1 ; folgt seinem Vater in der 
Regierung 1234, fallt in der Schlacht bei Neustadt 15. Juni 1240. Münzsiegel. Auf der Vorder- 
seite lautet die Umschrift: FRIDERICVS DEI GRACIA DVX AVSTRIE (Fig. 26), auf der 





Fif. •_>«. 



Fl«. 27. 



Kehrseite: f FRIDKUICVS DEI GRACIA DVX STIRIK. (Fig. 27.) In gothischer Majuskel 
zwischen Perlenlinien. Die auf beiden Seiten des Siegels rechtsgewendete Reiterfigur trügt 
einen oben gerade abgeschnittenen Fasshelm auf dem Haupte, am Halse ist das Panzerhemd 
sichtbar, über welchem der Fürst einen langen faltigen Wappenrock hat. Das Schwert fehlt. Der 
Schild bildet ein geradliniges Dreieck und wird schrälge mit der Spitze nach rückwiirts gehalten, 
er zeigt auf der Vorderseite zum ersten Male den weissen Querbalken im rothen Fehle und auf der 
Kehrseite den steierischen Panther. Das Fahnentuch, an dem Speere durch vier Ringe befestigt 
und wimpelfünnig, ist ungefähr von der Mitte an in zwei Theile zerschlitzt, die an den Enden 
befranst sind. Dort wo die Theilung beginnt hat die Fahne einen netzförmigen Besatz , Wappen- 
figuren befinden sich in derselben nicht. Der Sattel ruht auf einer rund geschnittenen kleinen 
Decke und hat an der Rilcklehnc Anne, sogenannte Ohren, welche die Hüften umschliesseu. Der 
Fuss des Reiters ist, besonders auf der Kehrseite, beinahe horizontal ausgestreckt. Die Sporen 
fehlen. Rund, Durchmesser 3 1 /, Zoll. Das Original billigt an der Urkunde Rüdigers, Bischofs 



I Stülz, OoBchichte von St. Florian, 2*1 und 2M, Nr. 4(5 und 4!». 



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Die Siegki. der österreichischen Reokktex. 



2:»«) 



von Passau, durch welche dieser einen Tau seh vertrag des Abtes Egelolf von Heiligenkreuz mit 
dem Pfarrer Leopold von Alland bestätiget, im Stiftsarchive von Heiligenkreuz '. Es ist in 
leberbraunem Wachs abgedruckt und hängt an gleichfarbigen Seidenschnüren, sonst traf ich 
es meistens in ungefärbtem Wachs an Perganicntstreifen. Stiilz erwähnt , dass er dieses Siegel 
an den beiden Urkunden für das Stift St. Florian, gegeben zu Krems am 8. December 1243 4 , 
in rothem Wach» vortrefflich erhalten und an gelben, orangefarbigen und blauen Seidenfaden 
billigend, gefunden habe. Manche Urkunden sind nur mit einer Seite dieses Siegels, gewöhnlich 
mit der österreichischen (der Vorderseite) besiegelt, so die bei Hueber 1. c. 18 mitgctheilte 
vom Jahre 1231, und jene in den Mon. boic. XII. 392 vom Jahre 1241 für das Kloster Oster- 
hofen. — Die Monum. boic. XXIX, II, 360, Nr. 29 geben einen Brief, welchen Friedrich 
in der Nacht vor seinem Todestage (15. Juni 1246) an Albrccht von Polheim sclirieb, auf 
der Kehrseite befinden sich noch Fragmente eines Wachssiegels. Die zusammengelegten 
Briefe wurden nUmlich an zwei Orten durchschnitten, durch die Öffnungen ein Pergament- 
streif durchzogen , dessen Enden auf der Rückseite über einander gelegt und darauf das Siegel 
gedruckt. Uni den Brief zu öffnen, durchschnitt man den Pergamentstreif an der Vorderseite, und 
das Siegel blieb unverletzt. Ob aber jenes Fragment ein bisher unbekanntes Seeret, ob eine 
der beiden Seiten des bekannten Münzsiegels, ist nicht angegeben. — Die Abbildungen dieses 
Siegels sind theils mittelmiissig, theils ganz unbrauchbar. Herrgott 1. c. Taf. 4, Fig. 1; Schlutter 
und Rauch 1. c. II, 523 ; Hueber 1. c. Taf. 5, Fig. 3 nur die Vorderseite ; eben so Monum. boic. XII, Taf. 1 , 
Fig. 2; Kreuz 1. c. Taf. 1, jener bei Herrgott nachgebildet; Hanthaler, Rceens. diplom. geneul. 
Taf. 21, Fig. 2, gibt die Abbildung eines Doppelsiegels Friedrichs, auf welcher sich auf der Vor- 
derseite im Schilde des Reiters der einfache Adler, wie ihn noch Leopold der Glorreiche als 
österreichisches Wappen führte , und in der Fahne der österreichische Bindenschild und der 
steierische Panther befinden, der letztere frei, d. i. in keinem Schilde ; auf der Kehrseite dagegen 
erscheint im Schilde der steierische Panther und in der Fahne das Bindenwappen zwischen zwei 
netzförmigen Streifen. Nach Hanthaler's Angabe befand sich dieses Siegel, und zwar in weisses 
Wachs abgedruckt, an gelben Seidenfitdcn hängend, ander Urkunde, durch welche Friedrich 
dem Stifte Lilienfeld die von seinem Vater gemachten Schenkungen iui vollen Umfange bestätigt, 
die Gebrüder von Altenburg für ihre Ansprüc he wiederholt entschädiget und dem Stifte ausserdem 
neue Schenkungen macht, darunter 35 Huben mit allem dazu Gehörigen. Witzlinsdorf. Datum 
anno incarnacionis dominice MCCXXX. Pridie Kai. Decembris (30. November) in Lilinveld. — 
Auch an der Urkunde vom Jahre 1232, durch welche Friedrich dein Stifte Lilienfeld 2 Lehen zu 
Rcklinsdorf und bei Traisma übergibt, welche ihm Kourad von Immenerleh zu diesem Ende 
abgetreten hatte, soll sich dasselbe Siegel befunden haben*, und die bei Hueber (Taf. 5, Fig. 3) 
befindliche Abbildung mit dein Querbalken im Schilde hält llanthaler für falsch. Aus dieser 
Behauptung sollte sieh wohl schliessen lassen , dass Hauthaler, welcher seine Siegel selbst 
zeichnete, kein Bindenschild im Originale gesehen habe, und bei der von ihm gelieferten Abbil- 
dung kein Irrthum unterlaufen sein könne. Ungeachtet dessen kam mir dasselbe stets verdächtig 
vor, einerseits wegen der Angabe, dass dieses Siegel noch im Jahre 1232 vorkomme, während das 
Siegel mit dem Bimlensehilde schon im Jahre 1231 erscheint, und dann aus dem Grunde, weil 
sich bei Hanthaler's Abbildungen bald die Überzeugung aufdringt, dass sie durch Zugaben 
oder Weglassungen entstellt, wold auch ganz fingirt sind, indem beinahe keine "mit den bisher 
bekannten österreichischen Fürstcnsiegcln übereinstimmt. Ich habe mein Bedenken hierüber in 
den ,. Quellen und Forschungen- S. 344 (Wien, 1849) ausgesprochen, und glaubte damals, dass diese 

' Gedruckt bei Herrgott 1. e. 2<>9 und Fönte» rer. Auatriac. II. Abtheilung. XI, W, Nr. SO — • Gedruckt bei Ludwig, 
Krlii|. mnuu»c. IV, > >\ und JJ3. — •> Hau thaler 1. c. I. 20Ö, mit» g. 



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2<;o 



Karl vos Sava. 



Urkunde , so wie manche andere de» Stiften Lilienfeld , wahrend der Aufhebung desselben zu 
Grunde gegangen sei. Seither erfuhr ich, das» ein grosser Theil der Urkunden dem Stifte bei 
einer Restitution wieder zurückgestellt wurde; nur von den Urkunden Friedrichs des Streitbaren 
ist jene vom Jahre 1232 in Verlust gerathen, die vom Jahre 123Ü aber noch vorhanden , um! 
Uber Verwendung des damaligen Stiftshofmeisters Wilhelm Steger erhielt ich sie 1851 zur Einsicht. 
An derselben hing au gelben und orangefarbigen Seidenfaden das gewöhnliche Doppelsicgel 
Friedrichs, zwar zerbrochen und Theile fehlend, aber von der Vorderseite der Schild des Reiters 
mit deni Querbalken glücklicherweise erhalten, um die Abbildung Hanthaler' s mit voller Gewissheit 
iu das Reich müssiger Erfindungen weisen zu können. An einer Urkunde vom Jahre 1237 flir 
das Nonnenkloster zu Erlau 1 im kaiserlichen Huusarchive hängt ein sehr verletztes Doppelsiegel, 
von dem vorigen nur in Zeichnung und Ausführung verschieden, beide sind aber so mauierirt, 
dass das Siegel dadurch eben so verdächtig wird, als es die Urkunde selbst ist. 



Das Zwischenreich. 

Hermann von Baden, vermäihlt mit Gertrud, der Enkelin Leopolds des Glorreichen, 
1248, stirbt 1250. 

HERMANNVS DEI GRACIA DVX AVSTRIE. (Fig. 28.) Gothische Majuskel zwischen 
Perlenlinien. Rechtsgewendete Reiteriigur; die Rüstung des Fürsten und die Pfcrdczilumtiug sind 
wie auf dem Siegel Friedrichs des Streitbaren, der breite Brustriemen des Pferdes ist mit Buckeln 




Fig. 28. Fig. H. 



besetzt, der Bauchgnrt mit gekreuzten Streifen verziert ; im dreieckigen Schilde befindet sich da* 
Bindenwappen. Rund, Durchmesser 3 1 /, Zoll. Dieses trefflich erhabene Siegel in ungefärbtem 
Wachs hUngt an der Urkunde, durch welche Hermann, Herzog von Österreich und Steier, Mark- 
graf von Baden, dem Kloster Zwettel 2 Talente Salz „majori« ligamiuis" mautlifrei auf der Donau 

1 Meiller, Regcatcn der Babeuberger, pag. Kw, Nr. 48. 



Googl 



Die Siegel de« österreichischen Recksten. 



261 




Fig. 30. 



herabzuftihren gestattet. Link Annal. Clar. Vallens. I, 335; in den Mon. boic. III, Taf. 4, Fig. 30 
befindet sich eine schlechte Abbildung. 

Otakar, vennilhlt mit Margaretha, der Schwester de» letzten Babenbergers, 1252; Herr von 
Böhmen durch den Tod seines Vaters, 22. Sep- 
tember 1253, als König gekrönt 1262, leistet 
auf die österreichischen Länder Verzicht 1276. — 
Milnzsiegel. a) Vo rd ersehe, f PREMIZL DEI 
GUACIA JVVENIS REX BOEMOH. (Fig. 20.) 
b) Kehrseite, f OTACHAUVS DEI GRACIA 
ÜVX AVSTRIE ETSTIRIE. (Fig.30.) Gothische 
Majuskel zwischen l'erlenlinien. Auf beiden 
Seiten eine rechtsgewendete Reiterfigur. In der 
Rüstung und übrigen Bekleidung, in der Form 
des Schildes und der Art ihn zu tragen, herrscht 
vollkommene Ähnlichkeit mit dem Münzsiegel 
Friedrichs des Streitbaren; nur hat Otakar auf 
der Vorderseite den böhmischen Löwen und auf 
der Rückseite den österreichischen Querbalken 
im Schilde. Otakar bediente sich dieses Siegels 
sowohl bei Lebzeiten seines Vaters, seit «lern 
Jahre 1252, als auch nach dem Tode desselben 
(22. September 1253) bis zum Jahre 12G1 , in 

welchem er sich krönen Hess und den Königstitel annahm, während er sich bis dahin in den 
Urkunden „dominus regni Bohcmiae" 
nannte. Obwohl auf der Kehrseite der 
Titel eines Herzogs von Steier erscheint, 
behielt Otakar dieses Siegel «loch auch 
nach dem Jahre 1354 bei, in welchem 
er Steiermark an den König von Ungarn 
abgetreten hatte; in den Urkunden aber 
wird der Titel von Steiermark bis zum 
Jahre 1200, wo dieses wieder an Ota- 
kar kam, weggelassen. Wir finden also 
in den Urkunden, an welchen dieses 
Siegel vorkommt, folgende Titulaturen : 
l. Otacharus de graeia dux Avstrie et 
Stiric et Marchio Moravie, vor dem 
Ableben seines Vaters (Mon. boic. XII, 
398, anno 1252). 2. Otacharus deigracia 
dominus regni Boemie, dux Austrie et 
Marchio Moravie; Fischer 1. c. U. 241 
und 243, Nr. 75 und 76, anno 1256 
und 1259. Nach dem Ableben seines 
Vaters und dem Verluste der Steiermark ; 

bisweilen kommt statt dominus: „haeres regni Boemie" vor; Schrötter und Bauch 1. e. III. 140. 
3. Otacharus d. g. dominus regni Boemic, dux Austrie et Stirie ac maichio Moravie, nach der 
IX. 30 



OPV 

i.A. / 




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2(52 



Karl von Sava. 



Wiedereroberung Stciermarks (Fischer I.e. II, 247 Nr. 80) anno 1261 am 2. October; die Krönung 
•fand am Festtage der Geburt des Herrn statt. Rund, Durchmesser 3 '/, Zoll. Manche Urkunden sind 
nur mit einer Seite des Münzsiegels bestätiget Abbildungen desselben, meist misslungen, zum Theile 
von verstümmelten Originalen , treffen wir bei Huebcr, 1. c. Taf. 4, Fig. 2 ; Schrötter und Rauch, 
1. c. III, 676; Steinbach, historische Merkwürdigkeiten des Stiftes Saar, II. Taf. 1; Mon. boic. VI. 
Taf. 3, Fig. 12, unbrauchbar; XII. Taf. 1, Fig. 3; III. Taf. 5, Fig. 31 die böhmische Seite, statt des 
Fasshelms ein offener Hehn; XI. Taf. 5, Fig. 28, die österreichische Seite, ungenügend; Pubitsclika, 
chronologische Geschichte Böhmens IV. II. 449, nicht sonderlich gelungen , ausserdem ist die 
Reiterfigur auf der Vorderseite rechts, auf der Kehrseite links gewendet; Kauz, vollständige 
Aufklärung über die Geschichte des österreichischen Wappenschildes , Taf. 1, nach der bei Han- 
thaler befindlichen Abbildung. Diese letztere (Hanthalcr 1. c. Taf. 20, Fig. 1) ist nach Angabe I In. 
thaler's einem Münzsicgcl entnommen, welches er im Stiftsarchive an jener Urkunde Otakars, durch 
welche dieser das eingeschaltete Privilegium Kaiser Friedrichs II. Uber die Verleihung des Landes- 
gerichtes und Marchfutters bestätiget, dat. in Lilenvelt xiiii kal. Augusti (19. Juli) 1257, an rothen 
und weissen Schnüren hangend fand. Die Umschrift auf der Abbildung ist dieselbe wie auf dem 

vorbeschriebenen Siegel, die figuralischc 
Darstellung dagegen weicht bedeutend ab, 
nicht blos in dem, was den künstlerischen 
und archäologischen Typus der Zeichnung 
anbelangt, sondern es erscheinen ausserdem 
in der breiten langen Fahne auf der Vor- 
derseite der österreichische Bindenscliild 
und der steierische Panther frei, auf der 
Kehrseite zeigt die Fahne, in zwei abge- 
thciltcn Feldern, den böhmischen Löwen 
und den Panther. Überdies ist der Fürst 
mit einem gekrümmten Säbel umgürtet. 
Hanthaler bespricht dieser Abweichungen 
wegen die bei Hueber befindliche Ab- 
bildung, welche er sogar für unrichtig 
hält , weil auf ihr die Wappenfiguren in 
der Fahne fehlen ', und sagt, dass er aus 
diesem Grunde seine Siegel mit um so 
grösserer Sorgfalt gezeichnet habe. Den- 
noch sind Bild und Wort bei Hantlialer 
falsch, denn bei Hinsicht des Originales 
fand ich an derselben Urkunde, an rothen und goldgelben Seidenfäden, das von mir beschrie- 
bene Doppelsiegel ohne die geringste Variante. 

Münzsicgcl nach der Königskrönung, a) Vorderseite, f. S f OTAKARI # SIVE * 
PREMIZLAI f QVINTI f REG IS * BOEMOR * MARCHIOXLS # (2. Zeile) MORAVffi ♦ FILII 
* WKNZEZLAI * REG IS • QVARTI. (Fig. 31.) Gothischc Majuskel, scharfe, kräftig hervor- 
tretende Schrift zwischen drei Perlenlienien, nach jedem Worte eine kleine Blume; häufiges 

I l'arium interim titnlorum sipillura aeque getninum, praeterquam quod pro voce „Boomorum 11 legatur: „Boemie* (was bei 
Huebcr wirklich gefehlt ist , , »od non paulo minus in imagiuibu» reipua intdeiu, plane tarnen alleriu» et »implicioria moduli, in 
quo vexill» nulluni pror.tus insigne habent , videre est in Aust. Mellic. Tab. IV, Nr .2; »i tarnen illi delineationi aliquomodo 
fidendum propter nntwn et pateutam aeulptoris inertiain. Nu» ldcirco nostra sigilla tanto studiotius expre»gimus. 
Hunthaler I. c. 1, 184. 




Fig. \\ >. 



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Oll SlEOBL DER ÖSTERREICHISCHEM Rf.OBSTEX. 



263 



Zusammenziehen der Buchstaben AR, ON und OR in den Worten : Otakari , Quarti, Marchionis 
Moravie. Der König sitzt auf einem einfachen Thronstuhle , ohne Kücken- und Armlehnen , mit 
einer Laubkrone auf dem Haupte, die Haare in schlichte Locken gelebt. In der Rechten hält er ein 
Lilienscepter, in der ausgestreckten Linken den Reichsapfel mit dem Kreuze. Die Kleidung 
besteht aus einem um die Mitte gegürteten Talare, welcher am Halse und am unteren Saume 
verbrämt ist, die Ärmel reichen bis zur Hälfte des Vorderarms und lassen die anliegenden, bis 
zum Ilandknöchcl reichenden Ärmel des Unterkleides sehen. Darüber trägt er einen verbrämten 
und mit Quasten verzierten Mantel, der vorne durch eine Schnur festgehalten wird, b) Kehrseite, 
f » 8 • OTAKARI . DEI • GRA # REG IS * BOEMOR • QVINTI # MORAV * MAR- 
CHIONIS # (2. Zeile) AVSTRIE • ET * STIRIE » DVCIS. (Fig. 32.) Gotlnschc Majuskel 
zwischen 3 Perlenlinien, nach jedem Worte eine vierblätterige Blume. AR und OB in Otakari, 
Morav, Marchionis, zusammengezogen. Die zweite Zeile der LTmschrift, ist durch die Vorder- und 
Hintei-fUsse, dann den Kopf des Pferdes, 
endlich durch die Fahne unterbrochen. 
Rechtsgekehrte Reiterfigur. Der Helm 
des Ritters hat unter dem Queraus- 
schnitte für die Augen ein Gitter aus 
zwei Reihen viereckiger Löcher, um 
eine reichlichere Lufteinströmung zu 
bewirken, und rückwärts eine anlie- 
gende, stufenförmig ausgezackte Hchn- 
decke. Zwei kammartig gelegte Adler- 
flügel bilden das Zimier. Der Schild 
mit dem österreichischen Wappen ist 
grösser als auf dem früher beschrie- 
benen Siegel und hat ausgebogenc 
Seitentheile; er wird schräg mit der 
Spitze nach rückwärts gehalten. Über 
dem Panzerhemde trägt der Fürst einen 
bis zu den Knieen reichenden Wappen- 
rock. Er ist mit einem Schwerte um- 
gürtet, dessen Griff" eine gerade Parier- 
stange hat und oben in einen Knopf 
endet. In der rechten Hand hält Okikar die Fahne, deren langes aber schmales Tuch sich 
zwischen den beiden Perlenlinien befindet, welche die 2. Zeile der Umschrift einschliessen. 
Die Fahne, von der Mitte angefangen in drei befranste Lappen zerschlitzt, enthält keine Wappen- 
figur; dort jedoch, wo sie an dem Speere befestigt, dann wo die Lappentheilung beginnt, sind 
Borten und auf diesen drei Sterne, pfahlweise gestellt, als Verzierung angebracht. Die niedere 
RUcklehne des Sattels hat keine Ohren und ist mit dem österreichischen Schilde geschmückt. Zum 
ersten Male erscheint das Pferd in eine Decke gehüllt, welche aus zwei Thcilcn, dem Fürbug und 
dem Hinterzeuge, besteht und bis an die Fesseln reicht, der Bauch ist frei. Der Fürbug ist vorne 
au der Brust nach abwärts aufgeschnitten, um die Bewegung der Vorderfüsse nicht zu hemmen. Die 
Kopfhülle geht bis zu den Nüstern, an den Ohrenspitzen befinden sich Schellen. Die Decke, au 
den Säumen verbrämt und reich mit Sternen besäet, ist überdies mit den Länderwappen in 
dreieckigen Schildchen belegt, und zwar am Halse des Pferdes mit dem böhmischen und unter der 
Brust mit dem mährischen Wappen, welches zum Theil durch den Fuss des Reiters verdeckt ist; 

3Ü» 




Fi* 33. 



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204 



Kaki. von Sava. 



am Schenkel des Pferdes be findet sich der steierische Panther. Der Fuss des Reiters wird minder 
horizontal und gestreckt gehalten, als dies auf den Siegeln des letzten Babenbergers und dem 
alteren Siegel Otakars der Fall ist, Sporen sind noch immer nicht vorhanden, c) Kehrseite, 
Variante. (Fig. 33.) Von der Kehrseite kommt eine Variante in Verbindung mit der beschrie- 
benen Vorderseite a vor. Die Reiterfigur ist gegen b in der Zeichnung schöner, die Aus- 
führung eine zierlichere und schwungvollere; ausserdem erscheinen noch folgende Unterschiede: 
in der Umschrift, gleichlautend mit jener der Kehrseite b, sind die Buchstaben schlanker, die C 
vorne geschlossen und im Worte: Bocmor. die letzten zwei Buchstaben zusammengezogen; 
endlieh sind die einzelnen Worte statt der Blumen durch Punkte getrennt. Der Schlachtham, ohne 
Gitter, nur mit dem Sehschnitte, verjüngt sich über dem letzteren in eine konische Spitze, welche 
durch den Adlerflug verdeckt wird, dieser selbst ist langer und seine Form gefälliger. Auf der 

Rückwand des Helmes befinden 



/ s~ 




Kl*. :u. 



sich kleine dicht .an einander ge- 
reihte Buckeln , vielleicht soll 
dies eine anliegende gestickte 
Decke darstellen. Die bedeutend 
breitere Fahne unterbricht die 
Perlenlinie, welche die zweite 
Zeile der Umschrift vom Siegel- 
felde scheidet; jeder der drei be- 
fransten Streifen ist, nebst der Ver- 
brämung, mit einem Sterne be- 
setzt, die Fahne ist am Anfange 
und wo dieWimpel angesetzt sind, 
mit Borten verziert , auf deren 
ersterer fünf Sterne, auf der letz- 
teren vier Sterne in pfahlweiser 
Stellung erscheinen. Die Seiten- 
theile des kleineren Schildes bie- 
gen sich weniger aus, das Schwert 
ist bedeutend länger. Die Uhren 
des Pferdes stehen aus der Decke 
frei heraus; der Fuss des Reiters 
deckt den mahrischen Wappen- 
schild nicht, sondern ist über 



demselben gerade gegen die 

Brust des Pferdes vorgestreckt, an der Rücklehne des Sattels fehlt das österreichische Wappen. 
In den Urkunden, an welchen das Thronsiegel mit den beiden Varianten der Kclirscitc vorkommt, 
ftthrt Otakar den Titel: Rex Boemiae, Dax Austriac et Stiriae, Marehio Moraviae. Nach der 
Angabe Hanthalers sind manche Urkunden nur mit einer Seite dieses Münzsiegels bekräftiget, 
wobei er erwähnt, dass das Siegel a und c im Lilienfehler Archive, an rothen und gelben Schnüren 
hängend, zum ersten Male im Jahre 12(58 (die Abbildung Taf. 20, Fig. 2 aber hat die Jahres- 
zahl 126"), die Reiterseite allein aber schon 1265 vorkomme. Beide Münzsicgel a, b und a, c 
haben bisweilen die Randschrift (exergue) „Pax Ottakari Regis Qvinti Sit In Manv Sancti Wen- 
ceslai" , welche Formel wir auf den Siegeln der älteren Herzoge und Könige von Böhmen als 
Umschrift der Kehrseite, worauf der heilige Wenzel sitzend dargestellt ist, bisweilen aber auch 



DlE SlECEL I>EK OSTEKBEICIIISCIIEN KeGEXTEN. 



als Umschrift der Vorderseite antreffen, so auf der Kehrseite des Siegels Herzogs Friedrieli vom 
Jahre 1 183: „Pax Ducis Friderici In Manv Sri . Wencealai - , und eben so auf der Vorderseite de« 
Siegels Königs Wenzel I. vom Jahre L229: „Fax regia Weneeslai In" etc. Rund, Durchmesser 
y/ t Zoll. Das Siegel «, b fand ieh in ungefärbtem Wachse, an Pergamentstreifen hiingend, an einer 
Urkunde im Stiftsarehive von Heiligenkreuz vom Jahre 12G2 1 . Eine nicht ganz entsprechend«' 
Abbildung desselben befindet 
sich bei Herrgott I. c. Taf. 4, 
Fig. 5, nebst der Kxcrgue, und 
nach dieser bei Pubit.schka 
1. c. IV, II, 449. Das Siegel 
a, c befindet sich im Malteser- 
Archive zu Prag, an einer Ur- 
*kunde, gegeben zu Znaiin 
xviii Kai. Septembris (15. Au- 
gust) anno domini 12CS, durch 
welche Otakar den Johannitern 
Maevrenperge (Mailberg) in 
Niederösterreich und das Pa- 
tronat der Pfarrkirche zu March- 
eck schenkt. Hanthaler's Ab- 
bildung, 1. c. Taf. 20, Fig. 2, 
leidet an wesentlichen Mangeln ; 
auf der Vorderseite gehören 
die Streifen , mit welchen das 
Siegelfeld gegittert ist, weg. 
Ausserdem sind die Umschrif- 
ten der Vorder- und Rückseite 
verwechselt, einzelne Worte 
derselben versetzt und abge- 
kürzte Worte vollständig ge- 
geben; bei ihm lautet die Umschrift der Vorderseite: „S . OTAKARI . DEI . GRAOIA . RKGIS . 
BOEMOR . QVINTI . MORAVH:. MAR (2. Zeile) CHIONIS . FILII . WENCESLÄ1 . REGIS . 
QVARTI". Nach jedem Worte eine Rose. — Kehrseite: „8 . OTAKARI . SIVK . PREMIZLAI. 
QVINTI . REGIS . BOEMIE . MARCHIONIS (2. Zeile) MORAVTE . AVSTRIE . ET . STIRIE . 
DVCIS". Die Worte durch Rlumcn, auf dem Originale aber durch Punkte getrennt. Hueber's 
Abbildung 1. c. Taf. 5, Fig. 6, anno 12G9, ist ganz unbrauchbar. Pubitschka, Geschichte von 
Rohmen, rV,H, Taf. 3, nach Herrgott. 

Nach der Erwerbung Kümthens im Jahre 1269 treffen wir ein drittes Münzsiegel Otakars. 
grosser und prachtvoller als die beiden früheren, a) Vorderseite. » S . OTAKARI • DEI ♦ GRA- 
TIA • QVINTI • REGIS »BOEMORUM » MARC HIONIS ♦ MO (2. Zeile) RAVTE ♦ DVCIS . KARIN- 
TIE ♦ ET DOMINI . EGRE. (Fig. 34.) Zierliche gothische Majuskel zwischen drei Perlenlinien, 
die einzelnen Worte durch je eine Rose geschieden. Die zweite Zeile der Umschrift ist oben 
und unten durch das Haupt der Figur und den Thronschemel unterbrochen. Das Siegelbild zeigt 
den König thronend, die Krone auf dem Haupte, das Haar zu beiden Seiten in schlichte Locken 




Elp 35. 



i Kiintc» rer. Austrur. II. Abthtikug, XI. IM. 



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2c»r, 



Karl vom ?ava. 



gelegt. In der Rechten halt er ein Liliensceptcr, in der Linken den Reichsapfel. Der lange, 
gegürtete Talar, mit weiten Ober- und engen Unterilrmeln ist am unteren Saume verbrämt, 
darüber trägt er den Mantel, der nach Art der Chlamys an der rechten Schulter durch eine 
Spange festgehalten wird, die rechte Seite frei lässt und über dem Schoss in reiche Falten 
gelegt ist. Die Seitenstabe der verzierten Rücklehne des Thrones enden oben in Lilicnknäufe. 
Im Siegelfelde schwebt zur rechten Seite des Königs ein dreieckiger Schild mit dem gekrönten 
böhmischen Löwen, zur linken ein ähnlicher Schild, darin von einer Perlenlinie umfangen 
ein Adler, wahrscheinlich das alte böhmische Wappen, der geflammte Adler. Die Zeichnung 
des Siegels ist verständig, besonders gut ist der Kopf behandelt. Die Figur hat ein bedeutendes 
Relief und die Anwendung des Faltenwurfes, so wie die ganze Ausführung verrathen einen tüch- 
tigen und gewandten Meister, b) Kehrseite. S . OTAKARI . DEI . GRATIA . DVCTS - AUS- 
TRIE . ET . STIRIE . DOMINI . CAR (2. Zeih) NIOLE . ET . MARCH IE . PORTVSNAONIS. 
(Fig. 35.) Gothische Majuskel zwischen drei Perlcnlinien. Die 2. Zeile der Umschrift, durch 
den Kopf des Reiters, den Kopf, dann die Vorder- und Hinterfüsse des Pferdes an vier 
Stellen unterbrochen. Die reehtsgewendete Reiterfigur ist in Zeichnung und Ausführung, bis auf 
die grössere Dimension und das stärkere Relief, der Kehrseite des vorigen ahnlich, nur erscheint 
statt der bisherigen Fahne mit Wimpeln ein Banner, und zwar als ein überhöhtes Viereck, am 
Speere an der lungeren Seite mit zehn Ringen befestigt , darin der böhmische Löwe. Im Schilde 
befindet sich das österreichische Wappen, der Querbalken blank, das Feld gekörnt. Auch der 
Obcrtheil und die Rückwand des Helmes sind in ähnlicher Weise gekrönt. Der Wappenrock ist 
verbrämt, das Schwert hängt an einer breiten Kuppel und die Wappenschilde auf der Pferdedecke 
haben sich verändert und vermelu't. Am Halse befindet sich das Wappen von Kärnthen, ein senk- 
recht getheilter Schild, rechts im goldenen Felde drei über einander schreitende schwarze Leo- 
parden, links ein weisser Querbalken im rothen Felde; unterhalb der Brust der mälirische Adler, 
am Schenkel das steierische Wappen und darunter ein Schild mit einem Adler, wohl jener von 
Kram; vielleicht, aber weniger wahrscheinlich, das von Eger'. Auch dieses Siegel hat eine Rund- 
schrift : PAX . REG IS . OTAKARI . SIT . IN . MANV . SANCTI . WEXOESLAI. Ruud, Durch- 
messer 4'/, Zoll. — Hanthaler fand dieses Siegel an zwei Urkunden von den Jahren 1271 und 
1272, aber immer zerbrochen; ungeachtet dessen hält er die Abbildung bei Hucher 1. c. Taf. 4, 
Fig. 4, für einen Irrthum (allerdings konnte auch diese Abbildung zu einem solchen Glauben ver- 
leiten). In ungefärbtem Wachs hängt dieses Siegel, gut erhalten, an der Urkunde Otakars vom 
7. Juli 1273, durch welche er dem Ulrich von Capellen und seinen Nachkommen beiderlei 
Geschlechtes 2 Höfe in Dobra verleiht (im kais. Hausarchive) *. Ebenfalls in ungefärbtem Wachs, 
an rothen Seidenfäden hängend, traf ich es im Archive des Stiftes Heiligenkreuz, an einer Urkunde 
vom Jahre 1274 3 ; in demselben Jahre erscheint es an einer Melker Urkunde, deren Datirung 
Hueber (1. c. 25) irrig mit 1264 gelesen hat. An der Urkunde bei Fischer 1. c. II, 264 vom 
Jahre 1276, ist das Siegel ganz zerbrochen. An der im kais. Hausarchive in duplo vorhandenen 
Urkunde vom Jahre 1276, gegeben zu Prag den 13. März, durch welche Otakar dem Nonnen- 
stifte Doxan den Privilegienbrief König Otakars Przemysl I. vom Jahre 1226 und die von dem- 
selben verliehenen, namentlich aufgeführten Stiftsgüter und die Uber selbe geschlossenen Tausch- 
und Kaufverträge bestätigt , hängt dieses Siegel an gelben und rothen Seidenfäden, in orangefar- 
bigem Wachs abgedruckt. Den erneuerten Friedensschlnss endlich mit Kaiser Rudolph I. (6. Mai 
1277) besiegelt Otakar mit dem besprochenen Siegel, weil er sich noch kein neues hatte machen 

' Eger» Wappen vor der Verpfandung war ein sehwarzer Adler, nachher hatte ea im oberen Felde efnen halben Adler, 
die untere Hälfte war mit einem schrägen »ilbernen (Jitter in rothein Felde eaneellirt. Jarosl. Schal ler Topographie de» König- 
reiches Böhmen, II, _ J Gedruckt in Honnayr's Taschenbuch IS-JM, pag. 493. - * Fönte» rcr. Austriac. II. Abthcil. XI, 187. 



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Die Siegel der österreichischen Reoentes. 



2C.7 




lassen; er bemerkt daher ausdrücklich in der Urkunde, dass er auf die, im Siegel vorkommenden Titel, 
ausser jenem eines Königs v on Böhmen und Markgrafen von Mühren, weder einen Anspruch habe, 
noch einen Anspruch machen werde. (Manch, österr. Geschichte III, 610.) — Die Vorderseite fand 
ich im kais. Hausarchive auf den Rücken eines Pergamentbriefes aufgedruckt, das zusammen- 
gelegte Pergament ist bedeutend kleiner als der 
Umfang des Siegels , welches daher über das 
erstere hinausstand. Jetzt ist von dem Siegel nur 
mehr die Figur vorhanden, diese aber besonders 
scharf und gut erhalten. Bis zu dem Jahre 1276 
nennt sich Otakar in jenen Urkunden, an welchen 
dieses Siegel hitngt: Rex Boemiae, Dux Austriae, ^ 
Stiriae et Karinthiae, Marchioque Moraviae, domi- 
uns Carniolae, Egrae ac Portus Naonis. Abbildung 2£c ji 
bei Hueber 1. c. Taf. 4, Fig. 4, nur 3 Zoll im 
Durchmesser, auf der Vorderseite fehlt der böh- 
mische Schild, die Verzierungen des Thronstuhles 
sind verändert, auf der Kehrseite ist der böh- 
mische Löwe nicht gekrönt; Wappenrock und 
Pferdedecke ohne Verbrämung , der steierische 
Panther auf der Pferdedecke in keinem Schilde; 
des verfehlten Charakters der Zeichnung will ich 
kaum erwähnen. 

Albert, Sohn Kaiser Rudolphs I. , als Reichsverweser in Österreich und Steiermark. Im 
Jahre 1281 und 1282. (ALBERT V) S . DEI . GRA . DE . HABSBVRC . ET . (KIBVRC COME) 
S . LAN . RAVI ALSACIE . DMI RVD . R< >M . REG IS (2. Zeile) PRIMOGEN1T . ET . EJVSDE 
(M PER) AVSTR . ET STYR»\TCARI GENERALIS*. (Fig. 36.) Gothische Majuskel zwischen 
zwei Perlenlinien, die C und E gerundet und vorne geschlossen, M, N und T theils gerundet, thcils 
geradlinig. Nach Styr und Generalis eine Rose, sonst die einzelnen Worte durch Punkte getrennt. 
Sehr häufige Zusammenziehung von Buchstaben, so : DE in Dei, AL in Alsacie, EN in primogenit. 
AR und ER in den beiden letzten Worten. Die rechts gewendete Reiterfigur trägt über dem Ring- 
hemde einen langen Wappenrock ohne Ärmel; in der Rechten hält sie das gezückte Schwert, im 
kleinen, dreieckigen Schilde prangt der habsburgisehe Löwe. Das Haupt deckt ein Eihelm, 
darauf der hervorwachsende Löwe, über dem ein Kamm von Pfauenfedern als Zimicr. Die 
anliegende Decke ist mit einem Doppelsaume verbrämt, unter dem Sehschnitte sind in die 
Helmwand sieben Löcher eingeschnitten, welche eine Rose bilden. Das Pferd ohne Couverture, 
hat ein einfaches Kopfgestcll mit Stangeuzügel , einen gestickten Brustriemen und breiten Bauch- 
gurt. Am Sattel befinden sich Vorder- und Rücklehnen; Steigbügel und Sporen sind vorhanden. 
Rund, Durchmesser 3 Zoll 2 Linien. Das Original, in rothem Wachs, hängt mittelst Seidenfäden 
an dem Privilegium über das Niederlagsrccht der Stadt Wien. Gegeben am St. Jakobsabend 
(24. Juli) 1281 (im Archive der Stadt Wien). Abbildung bei Herrgott Taf. 5, Fig. 1 a, 1821; 
mittelmässig. 



Fig. 36. 



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2IJS 



Kxki. von Sava. 



NACHTRAG. 

Da Herr v. Sava das Seite 245 beschriebene Siegel Leopold des Freigebigen nicht in 
seiner Sammlung hesass und die Abbildung desselben in den Monutn. boie. XIII, Taf. I sclir 

schwach, ja beinahe unkenntlieli ist, wandte sieh die 
k. k. ( YntrEil-Commission an den Herrn Prälaten von 
Rcichersberg , welcher hierauf die Güte hatte die 
bezügliche, in dem dortigen Stifte befindliche Urkunde 
mit dem Siegel Leopolds des Freigebigen einzusenden. 
Nach diesem Siegel wurde als Ergänzung der hier bei- 
gegebene Holzschnitt gefertigt. Die Reitertigur ist nach 
rechts gewendet. Der Herzog trügt einen konischen, in 
eine Spitze auslaufenden Helm, von welchem die Hclm- 
decke, in zwei Lappen getheilt, nach rückwärts herab- 
wallt. Das Antlitz ist nur durch ein Nasal geschützt. Der 
Schild ist oben abgerundet und schmal und endet mit 
einer ziemlich langen Spitze. Die Schildfessel ist über 
die Achsel gezogen. Der Herzog ist mit einem langen 
Wafteurock bekleidet und trügt, wilhrend er mit der 
Linken den Zügel hült, in der Rechten das Banner 
(oder Gleve), welches in drei Streifen endet. Das 
Schwert ist schmal und hängt beinahe senkrecht herab, die Handhabe desselben wird vom Schilde 
verdeckt. Der Fuss des Reiters steht senkrecht im Steigbügel. Vor- und Hinterbug des Sattels 
sind deutlich, die Satteldecke reicht bis zudem Bauch des Pferdes, das galoppirende Pferd 
hat, so viel jetzt noch kenntlich ist, mir einen Staiigenzügcl und einen Brustriemen. Rück- 
wärts vom Reiter befindet sich im Siegelfelde ein Stern . welcher in der genannten Abbildung 
in den Mon. boie. vergessen wurde. 

Die von zwei Kreislinien eingefasste Umschrift in gothischen Majuskeln lautet: f LIVT- 
POLDYS . DVX . BAVWARIK. (Das E ist gerundet.) 

Das Siegel ist in (ursprünglich) weissem, nunmehr aber durch das Alter gebräuntem Wachs 
abgedruckt. 



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Wien. 




"I 



I 



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2I5Ü 



Einige Details 

von dem ältesten Theile des St. Stephansdomes zu Wien. 

X:: 3 T»M:i 

Es ist wohl allen Männern vom Fach bekannt, dass «kr Architekt Leopold Öse her im 
Frühlinge des Jahres 1840 von der nieder-österreichischen Kegicrung den Auftrag erhielt, den 
Dom zu St. Stephan mit genauer Sorgfalt zu messen und Details davon zu zeichnen; eben so 
bekannt ist es auch, das« Öseher mit dem sogenannten „Kiesenthor* und den beiden Kund- 
fenstern, in welche man in neuester Zeit Uhren einsetzte, den Anfang machte. Mehrere dieser 
Zeichnungen werden nun bei der k. k. Landesbau-Direction aufbewahrt und blieben, seit Eduard 
Mclly sein Buch „Das Westportal des Domes zu Wien" (Wien 1850, 4") herausgab, zu welchem 
er mehrere jener Studien von dem Zeichner des k. k. Antiken-Cabinetes, Albert Schindler, in 
verkleinertem Masse auf Holz übertragen liess', so ziemlich unbenutzt. Zufolge einer Anrcgun«; 
von Seite des kaiserliehen Käthes Albert C^mesina fand sich das Präsidium der k. k. Central- 
Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kaudenkmale bewogen, jene Zeichungen Öse her 's 
ausheben zu lassen, um die interessantesten derselben in den vorliegenden Muttern zur allgemeinen 
Anschauung zu bringen. 

Es wurde seit Ogesser's „Besehreibung der Metropolitankirche von St. Stephan" (Wien 
1770. x") schon so vieles und mitunter höchst Schiitzenswcrthes Uber den ehrwürdigem Dom 
verfasst*, dass eine neue Beschreibung der hier gegebenen Objectc vielleicht nur zu unpassenden 
Weitläufigkeiten führen dürfte. Um also möglichst gerade auf das Endziel loszuschreiten, mögen 
die Abbildungen für sich selbst zu dem Beschauer sprechen und es sollen ihnen nur so viele 
Worte beigefügt werden, als zu kurzen Andeutungen unumgänglich nöthig sind. 

Fig. 1 gibt den (wagieehten) Durchschnitt des liiesenthores, über den Sockeln der Säulen. 
Die äussere Thoröffnung hat 2 Klafter 5 Fuss und l 1 j Zoll Breite. Die grösste Breite der Halle 
(bei dem ersten Silulcnpaar) beläuft .sieh auf 3 Klafter 3 Fuss und der Eingang zur Kirche an der 
grössten Verengerung der Halle misst 7 Schuh und S'/, Zoll. Die Tiefe der Halle betrügt 2 Klafter 
und 2'/, Zoll. 

# 

1 Skhe «Iii* «»geführte Werk \ng. l.Y — - So seien mir andeutungsweise erwähnt: Tscbischka'a „Metropolitimkirclie 
zu St. Stephan" (Wien I8:.'3 t S-\ iu zweiter Auflage 1843 , dann desselben Autor» Werk mit Kupfern von Wilder und Hyrtl, 
,I>er St. MU'ph.'inndoin und seine alten Kunetdenkiualc, Wien 183:». Fol. I'rluiisüer's lleechreibung der Mt .Stephanskirehe im 
secht»ten Hände von llormayrs ^fiesehkhte Wiens"; die Forschungen Feil» im Jahrgang 1845 der tisterreiebiaehen Mütter 
für Literatur und Kunst iXr. 18 bia 21 und Nr. 30 bia 34,, anderer einzelner Aufwitze u. s. w. nicht zu gedenken. 
IX. .i 7 



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270 



Details vom St. Stephansddmk m Wiek. 



Die Dicke der SäulenschHfte variirt auf folgende Weise: 

Säulenreihe links. Sttulenreihc rechts. 



Nr. J. 

9 



7 " 9" 



Nr. 1. 

9 



r 4 6" 9«/,'" 

. ö 6" 6"' 

r 0 6" 3*/,"' 

„ 7 6'' 6«/,'" 

Der grosste SUulendurchmesscr bctrKgt also 



3. 
4. 
5. 
6. 
7. 



7" 
7" 
7" 
7" 
7" 
7" 
6" 



7'" 
.... 

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Zoll 9 Linien, der kleinste 6 Zoll 



3% Linien und der mittlere proportionale beliefe sich auf 7 Zoll und 0-777 Linien. 




h rt 1 1 [ 1 i 



Fi*. 1. 



Durch Fig. 2 ist der wagrechte Durchschnitt de.r Halle Uber den Capitillen der Siiulen, bei 





Fi* 2. 

dem Friese und dem Beginne des Gewölbes gegeben. Man vergleiche hiermit den senkrechten 
Durchschnitt des Riesenthores, welcher auf der Tafel XV dargestellt ist. Fig. 3 zeigt den Quei- 



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Details vom St. Stepiiansdome zu Wiex. 



27! 




durchschnitt des äussersten oder ersten Bogens der, mit einem Spitzbogen geschlossenen Vorlage 
der Halle; Fig. 4 den Qnerdurchschnitt der Rippen, welche, links und rechts in der Vorlage, von der 
ersten und zweiten Säule ausgehen; Fig. 5 das Profil der Sockeln jener Säulen, von denen die 
Kundbogen des eigentlichen Thores getragen werden , und Fig. 6 das Profil der Sockeln der vier 
Siitden der Vorlage. 

Der Querschnitt (Fig. 3) zeigt in seiner Silhouette eigenthtlmliche, durch starke Einschnitte 
nuffallcnde Formen. Aber diese Einschnitte haben ihre triftigen Gründe; denn durch sie entstehen 
kräftige Schatten, durch welche die vorspringenden 
Theile der Gliederung wieder um so heller hervortreten, 
sie gehören mit zur plastischen Technik im Grossen. 
Wir erinnern hier beziehungsweise an die antiken 
Gesimsungen, namentlich an einige zu Pom- 
peji, bei denen die Ausladungen und Flä- 
chen mit so tiefem 
künstlerischen Ge- 
fühl angeordnet sind, 
dass lichte Flächen, 
Halbschatten und 
Kernschatten auf die 
angenehmste Weise 
wechseln und einen 
harmonischen Effect 

hervor bringen, eine Kunst, die man heut zu Tage kaum mehr kennt, für die man aber im 
Mittelalter um so mehr Sinn hatte, als die Bauweisen dieser Epoche einen freieren Spielraum 
gestatteten, während in der antiken Kunst die strengere Regel der Symmetrie 
grössere Beschränkungen auflegte. Das eigenthümliche Studium der Gesim- 
sungen u. s. w. besteht also durchaus nicht 
in einer willkürlichen Zusammenstellung von 
Flächen, Höhlungen und Wölbungen, sondern 
ist ein Product des rein künstlerischen Ge- 
schmackes, das von den Epigonen freilich 
oft nur ganz oberflächlich hingenommen und 
leichthin nachgeahmt wurde. 

Es lag ursprünglich im Plan, den oben er- 
wähnten senkrechten Durchschnitt desRiesen- 
thores (Taf. XV) in Farben zu geben, um die 
frühere Bemalung dieses Portales darzustellen 
und man wollte dieser Arbeit die Aufzeich- 
nungen Eduard Melly's, in dessen schon 
früher erwähntem Werk : „ Das Westportal des 
Domes zu Wien in seinen Bildwerken und 
Bemalung" zu Grunde legen. Als man jedoch 

zur Probe schritt und ein Exemplar dieses Buches, nach den in den Koten angegebenen Farben 
coloriren wollte, stellte sich nur zu bald heraus, dass diese Angaben zu solchem Zwecke nicht 
vollkommen zureichend seien, indem einestheils die Farben nur schlechthin mit -gelb, blau, roth, 
grün" u. 8. w. angegeben sind, wo doch um der grösseren Bestimmtheit willen: Engelroth, grüne 

37* 




Fig. lt. 



Fi*. X. 



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272 



Detail.« vom St. Stephansdome zu Wien. 




Erde, Unibra, Oker, gebrannter Oker u. s. f. genannt sein sollten, wodurch allein die richtigen 
Farbentöne zu treffen witren; und andererseits (wie z. B. 8. 23 des genannten Werkes) Bezeich- 
nungen vorkommen, wie: „unbestimmt" — „scheint dunkelroth" — „vielleicht grau" — die in 
der That keinen sicheren Anhaltspunkt gewähren. Eine andere Schwierigkeit, die ursprüngliche 
Polyehromie des Riescnthores wieder zu geben, lag auch darin, dass das Portal vielleicht zwei bis 
dreimal neu übermalt, oder nach dem technischen Ausdrucke „neu gefassf wurde, und schon 

Melly bemerkt unter an- 
deren, in dieser BeziYhun- 
bei der, an der linken Seite 
des Thores befindlichen 
Halbfigur, welche ein Buch 
in der Hand hält, dass das 
Unterkleid derselben (s. d. 
angef. Seite d. W. Note 
13) ursprünglich blau, 
spiiter grün, und endlich 
roth gefärbt gewesen sei. 
Wunsch und Mühe waren 
daher vergeblich, indessen 
hoffen wir in der Folge 
Gelegenheit zu haben, über 
die mittelalterliche Poly- 
chromie, mit Bezugnahme 

auf die Färbung plastischer Werke der antiken Welt, etwas eingehender zu sprechen, da der 
Gegenstand selbst viel des Interessanten darbietet. 

Fig. 7 gibt eine Partie und den Durchschnitt des eckigen Gurtentheile» oberhalb der 
Z wisch en weite von der zweiten zur dritten Süule. Die Thierköpfe und Schnecken sind, so wie der 
Zickzack bei den anderen Gurten, nicht eingesetzt, sondern aus dem Ganzen (unterhöhlt) 
gemeisselt. Die Einfassung, die Sehneeken und die Köpfe waren nach Melly's Angabe ('S. -10 1 
fleischfarben, die Haare der Köpfe dunkelroth (?) und die „ Aussenseite- blau. 

Fig. 8 zeigt Profil und Ansieht jener Gurte, welche in der Zwischenweite von der fünften 
zur sechsten Süule aufsteigt und sich durch einen rechtwinkeligen Zickzack kennzeichnet, und 
Fig. 0 die Gurte in dem Raum ober «1er sechsten und siebenten Silulc. Sie zeigt kleine Rundbogen, 
die bei ihrem Zusaniincnstosscn in einem Lilienornament endigen. Die äussere Seitenfläche der- 
selben war gelb, die innere roth. (Melly, s. a. a. (). S. 3*. Note 2.) 

Fig. lü stellt das untere Bitgenfries dar, welches sich, seitwärts vom Ricsenthor, gegen den 
rechts stehenden Heidenthurm hinzieht, und zwar in einer Höhe von vier Klafter und einem Fuss 
über der Grundlinie der Kirche oder, wie Oscher es auf seiner Zeichnung angibt, Uber dein 
Pflaster des St. Stcphansplatzcs. Die hier im Holzschnitt dargestellte Partie dieses Frieses misst 
in der Natur 1 Klafter 2 Fuss und * 4 Zoll Breite. 

Die Einzelnmasse der Gliederung dieses Frieses sind auf dem Profile (Fig. 11) mit 
Öscher's bekannter Genauigkeit und Sorgfalt angegeben. 

Die beiden Rundfenster an der Stirnseite des St. Stephansdomes, in denen sich jetzt, wie 
früher bereits erwähnt, Uhren befinden, sind durch die Aufstellung dieser letzteren für eine nähere 
wissenschaftliche Untersuchung ihrer Details, und namentlich der Lichtungen, für längere Zeit 
unzugänglich geworden, wesshalb die hierher gehörigen Studien Öscher's um so mehr Werth 



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Details vom St. Stepiianshome zv Wies. 



273 



.«*. ; 



erhalten. Fig. 12 zeigt ein Segment (einen Viertelkreis) der Einfügung jenes Rundfensters, 
welches sich an dem sogenannten ..linken Läuthause" befindet. Sic ist reich constrnirt und wird 
durch einen, den Ausscnrand verzierenden, Doppelzickzack charakterisirt. 

Fig. 13 (s. d. nUchste Seite) gibt die Gliederung und die Profilirung des Fenstergewändes. 
I >er senkrechte Strich, welcher durch den Holzschnitt geht, zeigt die Stelle der Fenstereinsetzung 
an, von welcher rechts (vom Beschauer) die älussere und 
links die innere Lichtung des Fensters liegt, welche letz- 
tere selbstverständlich weit einfacher gehalten ist. 

Die Gesimsung des Hundfensters am „rechten 
Liluthnusc" ist nicht so reich wie die des vorigen (s. den 
Lichtungsdurchschnitt Fig. 14), dafUr hat es aber eine 
ornamentale Umrahmung, in welcher Laubgewinde, 
Eicheln und Trauben nebst der Gestalt eines (klettern- 
den) Knaben angebracht sind. (S. Fig. 15 und 10.) 

Ober dem Kiesen- ^„„m 
thore, an der Aussenwand 
desselben, an deren ober- 
ster Partie man noch jetzt 
die Spuren von einst 
dagewesenen kleinen 
Säulchen oder Pfeilern 
sieht, die ehemals viel- 
leicht ein Rundhogenfries 
trugen und bei Eröffnung 
des hohen Spitzbogen- 
fensters Uber dem Thore 
weggenommen wurden, 
zeigen sich mehrere alte 
Sculpturen, nämlich Lö- 
wen, ein Samson, ein- 
zelne Köpfe u. 8. w., leider 
aber sind diese Gegen- 
stände durch den Verlauf 
der Zeiten so bestaubt 
und beschmutzt worden, 
dass es schwer sein diirfte, 



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sie auch nur mit einiger 



Flg. 11. 




Genauigkeit zu copiren. Es wurden daher nur die zwei am besten erhaltenen, nämlich der Löwe 
rechts vom Riesenthor (Fig. 17) und der, scliräg ober diesem befindliche Greif, zu dessen Füssen 
ein Menschenkopf liegt (Fig. LS) zur Darstellung ausgewählt. Vielleicht könnte allen diesen 
plastischen Gebilden bei einer einstigen Eingerüstung des Riesenthores , die so wünschenswerthe 
Reinigung zu Theil werden. — 

Da wir hier (mit Ausnahme des Löwen, Fig. 17 und des Greifen, Fig. 18, welche der kais. 
Rath Camesina neu zeichnen liess,) die nicht allgemein zugänglichen Zeichnungen Öschers 
veröffentlichen, so dürfte es weder uninteressant noch unwichtig sein, auch jene Orginalzeich- 
iiimgen anzuführen, die sich, in Betreff des Domes zu St. Stephan, noch anderweitig zu Wien 



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274 



Details vom St. Stkphanspome zv Wien. 



vorfinden und zwar um so mehr, als man bisher zwar der Literatur auf das Genaueste nachging, die 
»Studien der Künstler aber beinahe als eine Nebensache betrachtete, wahrend doch der Archäologe — 

ausser wenn er sich im all- 
gemeinen bewegt — der 
Abbildungen absolut nicht 
entbehren kann, und des- 
halb immer nach den treue- 
sten oder „quellengemässe- 
sten" forscht, da sie ihm 
einen guten Theil seiner 
Mühe ersparen und seine 
schwierigen Arbeiten zu- 
ganglicher machen. Zugleich 
ist es auch angemessen und 
zweckdienlich , zu wissen, 
wann man «ich und wer 
sich angeregt fühlte, eine 
besondere Aufmerksamkeit 
auf unsere Baudenkmale zu 
lenken. 

So verwahrt die k. k. 
Hofbibliothek in einem be- 
sonderen Portefeuille zwei- 
unddreissig Studien von 
Öacher, welche, er alle 
nach den Einzelheiten des 
Kiesenthors von St. Stephan 
zeichnete, mit welcher Ar- 
beit er am 14. April des 





lig- 13 



Jahres 184G begann. Diese Studien zeigen: 

Die erste Säule links, die zweite und dritte Säule rechts. 
Kin inneres Eckstück links, ein inneres Kckstück rechts. 

Eine Gruppe von vier Säulen rechts. Die zweite und dritte Säule links mit dem Fries (mit 
Sphinxen). Die vierte und fünfte Säule mit dem Fries (mit Löwen). DerArchitrav ober der sechsten 
und siebenten Siiule links (mit Figuren), die erste und zweite Säule links und den Fries mit dem 
Drachen. Ein Ornament der ersten Säule links, eines der zweiten und ein drittes der sechsten 
Säule rechts; ferner Figuren von der linken Seite, z. B. den Mann mit dem Beil und vier 
Apostel, und endlich Ansichten des rechten und des linken Frieses mit den Knäufen u. s. w. Alle 
diese Studien sind mit Bleistift gezeichnet. 

In der Vedutensammlung der k. k. llofbibliothek befinden sich auch fünf sehr gute Skizzen 
von F. Wilder und zwar: 

1. Eine mit Sepia getuschte Bleistiftzeichnung vom 10. und LI. November 1819, von der 
Seite des unausgebauten Thurmes „bei Ausbesserung des Portals". 

2. und 3. Die Chorseite der St. Stephanskirche, gezeichnet 1S20. Bleistift mit Sepia, nebst 
einem darnach gefertigten Aquarell. 



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Details vom St. Stephansdome zu Wies. 



4. Das Innere der St. Stephanskirche gegen den Hochaltar. Die Zeichnung ist nach oben 
mit Sepia ausgetuscht, nach unten nur Bleistiftcontour (ohne Jahreszahl, vcrmuthlich aber vom 
Jahre 1820). 

5. Abermals das Innere der St. Steplianskirehe, colorirte Zeichnung vom Jahre 1824. 

Ferner findet sich da- 
selbst: eine Ansicht des Sin- 
gerthores der St. Stephanskirche 
(vom Stockimeisen -Platz her), 
gezeichnet 1817 von J. F. 
(Joseph Fischer ?) und eine 
Studie nach dem Riescnthor 
mit dem Grundriss von» Jahre 
1819, vermuthlich von dem- 
selben Zeichner; endlich ein 
Grundriss der St. Stephans- 
kirehe, gezeichnet von Mel- 
chior Seltzam. 

Auch die getuschte Feder- 
zeichnung eines Grabmals findet 
sich vor. Das Grabmal zeigt 
oben einen Sarg und tiarunter 
einen Wappenschild mit Kno- 
chen, der von Schlangen um- 
geben ist. Unten befindet sich 
ein liegendes Gerippe. Eine 
Rolle trügt die Aufschrift: 

„M. G. WAIL. HERNACH. 1502«. 
Auf der Federzeichnung steht geschrieben: 
„Stein von rothen Marmor auf dem Altare, der von drey Seiten offen gothisch zierathirten Todten- 
Capelle, ausserhalb der St. Stephanskirche, neben dem unausgebauten Thurme, gegenüber 
des erzbischöflichen Palastes; 1788". 
Unter der Zeichnung ist zu lesen: 
^Die Capelle wurde samt allen übrigen, auf dieser Seite befindlichen Grabmillern, wegen dem 
Haue eines Schulhauses abgebrochen; dieses (das Schulhaus?) wurde jedoch nach der Vollen- 
dung, wegen Verunstaltung der Kirche, in Folge Befehls Kaiser Joseph II. bey seiner Zurück- 
kunft aus dem Türkenkriege, auf Kosten des Wr. Mag. Stadtunterkäünnicres. Stephan Wohl- 
leben, wieder demolirt. anno 1788." 

Was den Zeichner bewogen haben mochte, diesen etwas sonderlichen Grabstein zu copiren, 
ist nicht angegeben. 

Unter den angeführten Zeichnungen befindet sich auch ein Aquarell aus den Katakom- 
ben (von Seger oder Leybold), aber es ist zu skizzenhaft um von einigem Belang zu sein. — 

Die sehr reiche Ansichtensammlung des Herrn von Karajan, k. k. Custos und Viceprii- 
sidenten der kais. Akademie der Wissenschaften, besitzt folgende den St. Stephansdom betreffend«- 
Zeichnungen und seltene oder unicpie Stiche: 

Ein Entwurf zum Dach der Hauptkanzel, Federzeichnung auf braunem Papier aus dem 
XVI. Jahrhundert, mit der Beischrift: „der obige thail des Predigstuel bey St. Steph." 




Fi*. 14. 



276 Details vom St. Stf.phansdohk zr Wik*. 



Der Fuss dieser Kanzel, von derselben Hand mit der Heischrift: -der unterig-e tliu.il des 
Predigstuel bey St. Stephan sanibt «lern Maister so guett getroffen ist. Er hat diesen Predijr- 
stuel inuentirt vnd von Stain uerfertigt, ist woll gemacht, auch von ftlmehmen, verständigen 




►V- 17- Fig. in. 



Leithen hochgehalten". — (Vermutblicb machte diese beiden Skizzen ein Faehgennssc, um eine 
Erinnerung oder ein Vorbild daran zu haben.) 

Eine getnaehte Federzeichnung der Kanzel «Ich Johannes Capiotranua, bei zwei Fuss bock, 
v.J. 17^17, mit dein Profil lind dem Grundriaa; und dem Namen „Keines de Uottiers" unterzeielinet. 



Googl 



Detmi,* vom St. Stki-ii vuspomi; /l Wiks. 



277 



Ein senkrechter Durchschnitt des ausgebauten Thurmes v. J. 1810 mit der Beisehrift: 
„Der Durchschnitt geschah mittelst einer Ebene, deren Erweiterung den Horizont im Südosten 
trifft, obgleich in dieser Lage die Krümmung des Thuraus nicht ersichtlich wird, da dieselbe 
gegen Nordost geneigt ist, so musste man der Sehnittebeiie dennoch vorbesagte Richtung 
geben, um den angebrachten Wetterableiter deutlich ausnehmen zu können. * 
„Die geometrische Aufnahme wurde von Wenzel l'ilsnk und Cliristian Maschncr, Otnciere des 
k. k. Bombardicr-Corps im J. 1810 vorgenommen und die Zeichnung von Ersterem ausge- 
führt. In Kupier geatzt (mordantirt) von W. F. Schlotterbeek." 

Eine getuschte Federzeichnung von Kuhardts Grabmal, aus dem Ende des XVIII. Jahrhun- 
dert, eben nicht schau gemacht, aber dadurch interessant, dass an der Tuinba um fünf Figuren 
mehr als jetzt zu sehen sind. 

Hierauf folgt eine Reihe von eilf Zeichnungen von .1. Fischer, und zwar: 
Das Innere des Siugcrthorcs. — Der Eingang vom Curathause her (das Primthor). — Die 
Tumbu des Grabmales Rudolphs des Stifters. — Die grosse Kanzel. — Die Kanzel an «1er Wand 
mit der Büste des Baumeisters, in zwei Blättern. — Der Steinbaldacldn nitchst der Sacristei und 
die beiden Baldachine beim Singerthor und dem Adlerthor. — Ein Pfeiler aus dem Innern der 
Kirche mit den Standbildern des heiligen Sebastian, St. Marcus und St. Jacobus (?) und endlich 
Details der beiden Friese des Riesenthores. Siimmtlieh Federzeichnungen, mit Ausnahme der 
Friese, welche mit Sepia getuscht sind. 

Dieser Reihe schliesst sich eine Serie von zwölf Zeichnungen und fünf Radirungen von 
Wilder an ; ntünlich : 

Ein senkrechter Durchschnitt des auagebauten Thurmes, mit Angabc der Maasse. Bleistift- 
pause auf Strohpapier über ein Croquis gemacht, als Behelf zu einem Kupferstiche. 

Aufriss des ausgebauten Thurmes von der Seite des Curatcnhauses. Selir Heissige Bleistift- 
zeichnung von 3 Fuss 4 Zoll Höhe. 

Die untere Partie desselben Thurmes, vom Grund bis zur Gallerie. Bleistiftzeichnung. 

Der friidrieianisehe Giebel nitchst dem Singerthore. In zwei Federzeichnungen dargestellt. 

Das Grabmal Kaiser Friedrichs, Fensterseite. Sehr ausgeführte Federzeichnung vom 
Jahre IS 25. 

Die Chorstuhle von St. Stephan. Federzeichnung, mit Sepia getuscht. 
Die beiden Fenster der Eligiuscapelle. Federzeichnung vom Mai 1826. 
Details von Riaasswerken und Fensterrosetten, vom April 182(3. 

Die Grabmalstatue des Kithart Fuchs und eine Seitenansicht der Tumbu mit «lern Basrelief. 
Sehr schöne Bleistiftzeichnungen vom 19. December 1825. 

Das Taufbecken. Die Seite mit dem Heiland. Bleistiftzeichnung vom 24. December PS24. 

Senkrechter Durchschnitt der St. Stephanskirche, ltadirung vom Jahre 1828. 

Der Flügelaltar in der Schatzkammer, consecrirt 1807 von dem Bischof von Chiemsee. 
Radirung vom Jahre 1727. 

Der Schlussstein in der St. Katharinencapellc. Hadirt im Mai 1827. 

Die Moustrauze in der Schatzkammer zu St. Stephan. Am Fuss der Monstranze liest man 
auf einer Holle „Konrnd Reittcr 1882* und „renovirt lfi07 - . Hndirung. 
Das Denkmal des Martinus Globris. Radirt im Jahre 1828. 

Diese Radirungen sind insoferne Unica, als bisher keine anderen als die eben genannten 
Probedrucke vorhanden sind. Der Künstler, der bei seiner besonderen Neigung für altdeutsche 
Architektur wenig Unterstützung im grossen Publicum fand, war genöthigt seine Studien und 
Abdrücke für erhaltene Geldvorschüsse bei Franz Tschischka einzusetzen. Nach dem Tode des 



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278 



Details vom St. Stei-iiaxsdome zv Wibn. 



Letzteren kamen sie in die Hände ihres jetzigen Besitzer«, welcher ausser den eben genannten 
Blättern noch eine Ansicht der St. Stephanskirche. Federzeichnung von Jacob Alt und zwei 
Aquarcllskizzeu aus den Catakombeu von St. Stephan besitzt. Die eine derselben, von Carl 
Hutter, zeigt eine Gruppe von Gerippen in einein Gewölbe, dessen rückwärtige Wand durch- 
brochen ist und zum Theile die hinter ihr aufgeschichteten Särge sehen lässt. Die zweite Skizzt 
ist von Franz Sager und stellt eines der vielen Todtengewölbe dar. Beide Skizzen wurden 
im Jahre 1859 gefertigt, sind aber — so wie jene in der k. k. Hofbibliothek — eben nicht« als 
flüchtige Erinnemngcn ohne weitere Genauigkeit. 

Noch ist einer aquarellirten Federzeichnung bei Herrn von Karajan zu erwähnen , welche 
als Skizze zu einem Kupferstiche diente, und den Kaiser Franz den Ersten mit seinem Gefolge 
vor dem Riesenthore darstellt, wo derselbe von dem Erzbischofc und der Clerisei empfangen 
wird. Das Blatt ist auf der Rückseite mit der Censurserlaubniss von Sartoy, vom IT». Juni 1814. 
bezeichnet. 

Auch die Originalzeichnungen von Wilder, welche derselbe für Herrn Tschischka 
fertigte, als dieser sein Werk über die St. Stephanskirche herausgab, befinden sich in den 
Händen eines kunstsinnigen Privaten. Während wir ersuchen uns noch auf weitere Gegenstände 
dieser Art aufmerksam zu machen, möchten wir den Wunsch aussprechen, dass man allenthalben 
auf derlei künstlerische Studien Rücksicht nehmen möge, die schon desshalb um so wichtiger wer- 
den, da sie bei dem jetzt herrschenden Eifer, alles Alte niederzureissen , in vieler Beziehung fast 
als die einzigen Quellen solcher zerstörter Denkmale zu betrachten sind. 



«. * « . P.r,,r - Dr.<k«.k. «. U.< 1.1 «WrtvUM il, Wim,. 



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V 



REGISTER 

der 

in diesem Bande angefahrten Personen, Orte und Sachen. 



A. 

Ada, Gräfin, p. XVI. 

Agnes, Tochter Pfzemysl Otakars L 143; 

pag. XLII. 
Alba, Fernando, Alvarez de Toledo 7JL 
Albimontanus, .Simon (dessen Grabmal I 

105. 

Albertus, «um triea, deasen .Standbild zu 

Innsbruck pag. XX. 
Albert, Erzbisehof v. Bremen, pag. XXXV. 
Albert, Herzog v. Sachsen 171. 
Albrecht L, Kaiser 15jL Iii IMi 15> - 

164. 167. 160. 181. 195. 214. Ülfl. 
Albrecht 11, Kaiser 152. 166_i IMi 

211, 314, 216. 
A 1b recht III., König 170. 
Albrecht L, Herzog 200, g±L 
Albrecht IL, Herzog 179, 190, 206, 211, 

213. 

Alb recht III., Herzog 150, 17:1, 180, 194), 

191, 200, 206, 009. 
Albrecbt IV., Herzog 156, 160, 172, ZU, 
Albrecht V., Herzog ». Österreich 149, 

153, 156, 158, 169, 174, 190, 195, 200, 

203. 206, 208. 213, 214. 215, -217 
Alb recht VT. 153, 165, 169. 170, 181, 183, 

190, 192, 185, 200, 203, äOti, 210, 21 l. 

213, 214, 215, gl 7. 
A I bre cht, Graf v. Habsburg, ätaodbild des- 

aelben zu Innsbruck pag. XVIII. 
Alexander III., Papst 151. 
A 1 p Ii o a s , KSnig v. Portugal IM, 
Alt, Jakob, Maler 2I& 



Altar, der, zu Brand im Bezirk Bluden* 
pag. XXVII. 

Altar, Untersuchungen Uber dicCrypta und 
den Altar der christlichen Kirche 219. 

Ambro«, Priester aus Königgrätz 133. 

Andreas II., König v. Ungarn 155. 

Anna, Gemahlin Kaiser Ferdinand L '5. 

Anna, Königin 81. 8JL 

Anna, Tochter Kaiser Ferdinand L 73, 75j 
pag. XX. 

Anna, Erzherzogin äiL 

A n * i g i S , iiaukundiger Z. 

Anton, Herzog v. Lothringen ä<>" 

Arncth, Jos., Kitter *., Todesanzeige des- 
selben pag. XXXII. 

Arnoldatein, der Abt », 121. 

Arnost v. Pardubitz, Erzbiscbof v. l'raff 25. 

Arthur, Künig,ätandbild desselben zu Inns- 
bruck pag. Will, 

Ausgrabungen, die neuesten In Laibacb 
pag. XIII. 

Ausstellung, erste, photagraphische, in 
Wien pag. XXX. 



B. 

Baden, zwei Siegel der Stadt pag. V. 

Bajdcr aus Constanz, Holzschnitzer lfV9. 

Balduin t. Flandern 205. 

8t Barbarakirche in Kuttenberg, Re- 
stauration und das Modell derselben Ton 
Job. Kraus pag. XXIX. 

Barchor, Cen*k 134. 

Bartholomäuskircho zn Trebnitz 49 



Bartosiowa, Anna und Martha 103. 
Basi, Grabmal der Familie »05. 
Baudenkmal« des Gailthales 122. 
Baureste, die, der Cistercienscrkirehe zu 

H radist 129. 
Bazimonus, Erasroy pag. Xl.ni. 
Beiträge zur Geschichte des Kirchenbaue« 

in Schlesien 45. 
Bela IV., KSnig 159. 
Benedikt XIII., Papst 103. 
Berieht Uber die erste pbotographische 

Ausstellung zu Wien pag. XXX. 
Bernardna Noricu«, des, Handschrift im 

Stift KremsmCinster pag. XL. 
Bernhard t. Lippe 2ÜJL 
Bertbold, Pfarrer». Fi schämend 242. 
Dertboldus, Abb»» de Pomuk (als Zeuge) 

132. 

Besprechungen. Anleitung zur Erfor- 
schung etc. der kirchlichen Baudonkmale 
von Fl. W. Linz 1863. 8». pag. XXIII. 
— Bonomi and Sbarpe. The alabaster- 
sarcopbagus ofOimeneptah. London 1864, 
4*. pag. LXXIII. — Drival. )>■» tapls- 
serie* d' Arras. Arraa 1864, 8*. pag. 
XLIX. — Giefers, Engelbr. Praktische 
Erfahrungen, die Erhaltung u. s. w. der 
Kirchen betreffend pag. LXXIV. - - Her- 
mand et Pechamps. HlaL sigillairo de 
la Ville de St Omer. Pari» 1860, 8». 
pag. XXII. — Will. Howitt. Kuined 
»bbeys and Castles of Great-Britain etc. 
London 1664, 4«. pag. XIV. — K. A. 
Beiträge zur Entwickelungageacbiehte 
der kirchlichen Baukunst in Tirol pag. 



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LXXV1. — Van der Kellen- Nedcrlands 
Oudhedcn pag. XV. — Kuhn, A. Die 
Idee de» SchBnen ctc Berlin, 1863, 8». 
pag. XXIII. — Lin», Charles de. Ancies 
vehement* sacerdotaux rte, Paria 1863, 
8». pag. XXIX. — Lorcdan Larohey.Ori- 
gines dr l'artillerle franeaise.Pari». 1863, 
I*. pag. XIII. — >ulzer, J. G. Die Wic- 
deraufflndung der Urne des heil. Vigi- 
lius pag. LXXIV. 
Ueiaer, Kaspar, Kirchenvater JLL 
Bodhaneeky t. Hodkow (Grabsteine die- 

»er Kamille) pag. XXVIII. 
Boleslaus 1., Heriog v. Schlesien OL 
BoUiUue II., Herzog v. Schlesien iL. 
Bolko, Herzog v. Schlesien Uli. 
Bonifaclus IX., Papst älL 
B o n i f a c i u s . abbas de Gradint L3JL 
Bonifaciua-Kirchlein, das, zu Lochy in 

BBhrnen pag. XXVIII. 
Bo nemo, das Geschlecht der, pag. XXV. 
Brand im Bezirk Bindenz, Altar daselbst 

pag. XXVII. 
Brand-Schelen, Neffe des Bischof» Joh. 

v. Lübcek 2LL 
Bremen, allgemeiner Eindniok der bremi- 
schen Kirchen pag. XXXVI. 
Bremen, die St. Martinskirebc daselbst 

pag. XXXIV. 
Breslau , Kathedrale zu AI- 
Breslau, die Mlnoritenkirehe zum heil. Ja- 
kob (jetzt St. Vincenz) ÜL 
Brei o vi, Laurentius t. 124. 
Bruno, Bischof v. Wilrzburg L1L. 
B run sv ic- Säule tu Prag pag. XLIU. 
Buchau, Otto v. ISSL 
Budova, Christoph v. 136. 
Budova, Wenzet Budovec v. L3JL 
Budovec. Wenzel, von Budova 13JL 
Bureau, Oaspard und Jean (Artilleriemei- 
ster) pag. XIV. 
Burlan, die Brüder IAA. 



c 

Cislau, archäologische Funde daselbst 
pag. VI. 

Ciislau, Strinmetzzoichen in dem Stiegen- 
haus des Kirchcnthurmes pag. XLIV. 
Ci»|»u , der Thunnbau daselbst pag. 

xxvni. 

Ceietic, Nicolaus de, Grabstein desselben 

: i/.. 

Celak, Johann L3JL 

Ccleja, über die römische Militärttadl pag. 
LVU. 

Cellari aus Mailand, Grabmäler dieser Fa- 
milie 105. 

C e Ui n i , Benvcnuto 21, 

Cbarvatec, Steinmetzzeichen amKiroben- 
thurm daselbst pag. XLIV. 

Ch ilderi eh, König 112. 



VI 

Chlodnwig 1*. 

Chlodowigs Standbild zu Innsbruck pag. 
XIX. 

Ohorns, Gerhard ÜL 

Chorstubl in der Stadtpfarre »u Villaeh 
112» 

C h 0 1 a i i c , St. WenzcUklrche daselbst pag. 
XXVIII. 

Chraft von Einzingspacb (Unzbach oder 

Amzinsbacb) 2AU. 
Christian v. Danemark pag. III. 
Chriiticrn IL, KSnig v. Dänemark HL. 
Christ in a, Tochter Künigs Christiern IL. 

v. Dänemark ÜL 
Christoph , Bischof v. Augsburg pag. XX. 
Christoph, I'faizgraf 112. 
Chrislophorus, der heil., 115, 1-1JL 
Chuenring, Leutold von, oberster Schenk 

I..9 

Ci bor iura, das, zu Klosterneuburg 12, 
Cllli, über die Klinische Militärstadt Ccleja 

pag. LVU. 
Ciraburg, Adam v., 1 3* 
Clemens VII., Papst 152. 
Cöln, das Doxal daselbst pag. XXVI. 
Constantia, Konigin v. Böhmen LDL 
Constantin der Grosse 3, IL 
Corvinus, Mathias IM, 
Cosman (Gusman), Martin 12» 
Cromwell, Olivier 175. 
Crussol, Louis de, Artilleriemeister pag. 

XIV. 

Crypte, Untersuchungen über dieselbe und 
über den Altar der chrisÜiehenKirche 'AUL 
Ctlbor, die Bruder IAA. 
Culemann, Senator in Hannover 11. 
Guniffundis, die heilige 'ÜL 
Czestoebauer-Berg L03. 
Czip »er v. Kazimicrz, Maurer SUL 

IL 

Details der St. Stephanskirche 2ü!L 
Dictz , Uraf Gerhard v. 2SÜL 
Dobryssowsky, Bürger v. Krakau (dessen 

Grabmal) Uli» 
Dolabella (Maler) liML 
Domkirche zu Ologau &U» 
Doneid er, \hrendt, Kathsberr v. Bremen 

pag. XXXV. 
Doppelbecher (Dubbelbeker) pag. XVI. 
Doppeleapclle, die, in der Burg zu Eger, 

Steinmetzzeichen daselbst pag. XLU. 
Doxal, das, zu Ctfln pag. XXVI. 
Dub6, Georg v., l.H 
Durne, Poppo v., 20JL 

E. 

Ebersdorf, Hans und Relnprecht v. L7JL 
Eduard, Prinz v. "Wallis 1JÜL 



Egclolf, Abt v. Heilige akreuz 25JL 
Eger, Su-inmetzzoichen in der Capelle des 

Schlosses undderDecanatkirehe daselbst 

pag. XLU. 

Eisenarbeit am Brunnen zu Klagenfurt 
LH. 

Elenora v. Portugal, deren Standbild zu 

Innsbruck pag. XX. 
Elisabeth, Kaiser Ferdinand L Tochter 

73, Ii. 

Elisabeth Augusta, Tochter Christians IV. 

v. Dänemark pag. IU. 
Else, Närrin 80^ 
Emerich, König v. Ungarn 155. 
Emiuerherg, Berthold v. 1Ä2. 
Erlass der k. k. Statthaitcroi in Böhmen in 

Beziehung auf Erhaltung der Baudenk 

male pag. XXXII. 
E rnst der Eiserne 174^ 190, S08. 217. 
Ernst, Herzog v. Oesterreich 163, 20JL 
Ernst der Tapfere 2 OD, (dessen Siegel) 24?. 
Ernst, Ertbischof v. Magdeburg (dessen 

Grabdenkmal) pag. XIX. 
Eyzingcr Ulrich Hü. 



V. 

Fekete-ArdA, neu entdeckte Wandge- 
mälde daselbst £37. 
Ferdinand L l±, 72, 73, 74, 75, 76, 78, 
HO, 81, M2, 83, 81, »5, 86. 87, 8'.«, frr. 
»I, 'J3. 135, Iii 
Ferdinand II., Kaiser 127. 
Fe rdinand, Sohn Kaiser Ferdinand I. 'S, 

75,84, iLL 
Ferdinand III., Kaiser 137, 152. 
Ferdinand v. Castilicn, pag. XVIII. 
Ferrl, Herzog v. Lothringen 179. 
Fidelis, der heil. pag. XXVII 
Kirtaler Bartholomäus, Baumeister 1 10- 
Fischer (Viseher) Peter und die Standbil- 
der bei dem Grabdenkmale Kaiser Ma- 
ximilians L zu Innsbruck pag. XVUL 
Fischer Joseph, Arehitccl 27JL 
Flodoard , Chronist VL 
Flügelaltar, verfallener zu St Helena 

am Wiesenberge im üailthale 1 16. 
Flügelaltar in der Schlosscapelle zu 

Landskran 1 10- 
Flügelal türe, zwei su Vellach im Gail- 
thale LLL 

Franz 1., Kaiser v. Österreich 129, 278. 

Franz I., v. Frankreich tüL 

Franz, Herzog v. Lothringc n £2. 

Friedrich Barbarossa 153, 151, UüL 

Friedrich L, Kaiser 164. 

Friedrich IL, Kaiser 150, 152, 160, 170. 
811, 813. 214, 216. 

Friedrich III., Kaiser 150, 151, 152, 153, 
154, 156, 157, 158, 159. 160. 164, 166, 
167, 168^ 169, 170, Hl, lü iü 176, 
181, 803, 205, 206, 212, 217 p. XXV. 



^oogie j 



VII 



Fr i e.l rieh V., r8m. Kanin LifL 

Friedrich II., Herzog, Sohn ütlo des 
FKlhliehen 169, 815 

Friedrieh IV., Herzog ITj^ 

Friedrich V., Herzog v. (lmcrreic.il 165, 
172, 174^ ITSj all). 813, 215. 

Friederieus Devotu«, Herzog t. Öster- 
reich (dessen Standbild tu Innsbruck^ 
pag. XX. 

Friedrich. Herzog v. Österreich, Sohn 

Leopold L Lüi, 
Friedrich, der Katholische 154^ 1.76, 2fl£L 
Friedrich der Schrine 162, 153, 156, 169, 

170, ill. 

Frie d ri ch . Herzog v. Oalcrreich (Bruder 
Herzog Rudolph IV., 118, 

Friedrich der Streitbare 1 53, 160, 1 C4 , 1 78, 
IKn, 191. 192, 196, SQQ. 208, 209; dei- 
nen Siegel 258. 

Friesach, die klugen und tböriohtcn 
Jungfrauen, Glasgeuiäldc daselbst pag. 
XXXIII. 

Fuchs, Sebastian. Hofzal»lniei»t*r Iii. 
Ftthrer, Christoph, Kirch). Heger zu Nürn- 
berg -1H. 

Kunde, archäologische pag. XXX VUL 
Funde, arcjjäolugiache, in Mahren pag. I.V. 
Funde, archäologische, im t'islaucr Kreise 
pag. VI. 

Funde, archäologische , in Tirol pag. 
LXXVII. 

Funde, archäologische, zu /die im Uofo- 
vicer Bezirk pag. XXII. 

G. 

(Jailthal , Ober das, in Kärnthen 107. 
(1 a 1 1 1 h a I , Bauden kmale daselbst IS'-' 
Gasron, Johann L0JL 
Gebhard, Krzblschof t. Mainz 159 
Gebhard, Graf v. Holstein 171. 
Gemälde, Uber ein altes, in der Zips pag. 
XX 

Georg Iii., KSnig v. England 175. 

St. Georgscapelle zu Leutschau pag. IV. 

Gerhard H^ Erzbisehof r. Bremen pag. 

XXXIV. 
Gcrlacus, Abt v. llradiJt 132 
Geysa I. 237. 
Geysa IL pag. XI. 

Giese, Bildschnitzer aus Westpbalen 1"?, 

Gisela, Königin v. Ungarn pag. XI. 

Giessniannsdorf bei Dünzlau, Kirche da- 
selbst 55. 

Gleichen, Graf t. 198. 

Globris, Martin, Grabmal desselben '-!7r.. 

Gloekenrad pag. IV. 

Glogaii, Dorakirche daselbst 50. 

Göttertempel im Gallthal 123. 

Godl, Melchior und Stephan, Erzgietter 
pag. XX 

Godl, Stephan, Gieaser pag. XVIII. 
Goldberg in Schlesien iL 



Onldge w inde, aufgefunden zu Zdic pag. 

XXII. 
Graal, der heil. L_ 

Grabmal der Fürstin Wilhelmine Ton 
Aucrsperp zu Zieh pag. XXVIII. 

Grabinäler in der Marienkirche zu Krakau. 
Albimontanu* — Boncr und dessen | 
Frau Sophia — Oanlgiel — Dobry«- i 
snwsky — Klerstein — Knchanowiiki 
— Job. Lepoltta -- I^ciiniowolski — 
Noskowski. Hann die Familiengräber 
der: Altanty - Baai — Bertold — Bo- 
botice — Ollari • (_'rekiehodoTow«ki — 
Ciepielowski — t.'irus - l>arow«ki 
Uelpacy — Gajcr — Korcbnk — Krupiki 
- Malachoweki — M«ex<n*ki — Mie- 
roszewski — Montclupi — Morecki -- 
Negot — Fcmui' — Pcstaloci — Kap - 
Ronnenberg — Madnitiki — Salome — 
Schilder — Szembek — Tamberk — 
Wierbica — Wierzychowski — Wod- 
zicki — Zaidlic — Zalorski 105 

Grabplatte des Jenko von Wartenberg 
143. 

Grabstein der Familie Bodhaneek^ ron 
Hodkow pag. XXVIII. 

Grabstein Inder ficorgscapcllc xu Leut- 
schau pag. IV. 

Grabstein des Jenko v. Wartenberg und 
Vesele 13.1. 

Grabstein des Kroein v Drahobil. Prima* 
cor von Frag pag. XXI. 

Grabstein des Nicolaus de L'eietio 144 

Grabstein des Paulus, abha» in (Jrcdle 
LLL 

Gregor der Crosse Ii. M. 
Gregor IX., Papst pag. XXXIV. 
Gregor XI., Papst 103. 
Oreifenklauen LL 
Greife norden Li. 
Grodski, Stanislaus, Priester 105. 
Grueber, Niklas, t. Chubiitz 148. 
Grüner, Jos. Seb., Criminalrath zu Eger 

'Anzeige ron dessen Tod) pag. XXIV. 
Gngenberger, Ulrich, ein Bauer baut ein 

Kirchlein bei Hcrmagor im GaiUhal Ii". 

IL 

Hadzlcwiez, Maler Kl«. 
Hajdek, Johann, Stadtselireiber t. Han- 
tig UUL 

Haidenreich, Erasmus, zu Pidncgg, erz- 
bcrzoglicher Hofkammcrrath 93. 

Hans, Meister, Maler v. Salzburg 83. 

Hardeg, Graf (als Zeuge 821) 132, 

Harnek, Friedrich v. 187. 

Hartmann, Landgraf zu Etsass i dessen 
Standbild zo Innsbruck) pag. XX. 

Harun al Raschid 2, 

Ha ick v. Lemberg 133. 

Ueidengräber, die, bei Losch im Bezirks- 
amt Brünn pag. LV. 



Hcidingsfcld, die Kanzel in der Stifts- 
kirehe ataselbst pag. XVII. 

Heinrich II., Kaiser 10, ll_t 18, 125, lü. 

Heinrich III., Kaiser l_51j 152, 157, 1ÜL. 

Heinrich IV., Kaiser 155, im 

Heinrich VIII., Konig v. England 15g. 

Heinrich der Bartige 801 

Heinrich der Grausame '-'.ts, 

Heinrich ,la»nrnirgott 154 , 156 . 176, 
189, 1 92. 195, 807. 24«. (dessen Siegel) 
245—847. 

Heinrich v Mödling lfiJL 

Hei nrieh v. Mildling der ältere 201, 1 dessen 
Sirgel) 851 

Heinrich t. Mödling, der jüngere (dessen 
Siegel) 242, 

Hein rieb, Fürst v. Anhalt 171. 

Heinrieh, Herzog v. Braunschweig 160. 

Heinrieh L Herzog Ton Schlesien 47^ 5i, 
55^56, CiL 

Heinrich IV.. tierzog zu Breslau pag. 

Hedwig, die Heilige 103. 

Hedwig, Königin v. Polen LUL 

Helena, Gemahlin Leopold des Tugend- 
haften 248. 

Hcnrleiiü Placidus v. Österreich (dessen 
Standbild in Innsbruck; pag. XX. 

Henricus, Abt v. HradiJl « M 
Henri i ii*. abbas de Plaz lala Zeuge} 
Heriii] au» Niirdlingcn, Bildsehnitxcr U12. 
Hertnagor, St. im Guiithale LLL. 
Hcruiann t. Baden 160, 164, 195. 202, 

(dessen Siegel) 2JU2. 
I.'Hcrm ite, Tristan pag. XIV, 
Herolds- und UotensUbe pag. XVI. 
Herstellung der Kirche zu St Johann in 

Böhmen durch den Grafen Heinrich t. 

Cholek pag. XXIX. 
Herwegen, Maler 39. 
Hey n al , das Krakauer Morgenlied 101 . 
Himmelberg, Zachaus ». 180. 
Uinemarv. Rheims 12. 
Hirschvogel, Augnstin 78, 8«. 
HU iot, archäologische Fände zu, pag. VI. 
Hochaltar der Marienkirche zu Krakau, 

Herstellung desselben 104. 
Hohenthurm im Oailthalc, Kirche daselbst 

113. 

Holeser Hans, Hofxabliueister 78. 83. 
Holzkirche ii im Nordosten t. Ungarn pag 
XI. 

Horka, archäologische Funde daselbst pag. 
VI. 

liofovic, archäologische Funde daselbst 
pag XXII. 

Hradi St, Baureste der Cistereienser- Kirche 

daselbst 122. 
Hynek, Kroüna ». Liehtenburk 133. 
Hynek y. Waldstein, Oberstholmeister 134 
Hynek t. Zleb, die Witwe desselben, Agnes, 

ans dem Geschlecht der Wartenberge 

133. 



vur 



j. 

Jagello, Wladislaw Jtä. 

Jakobski rc ho iu Breslau (jetzt Vlncenz- 
kirehe) pag. HL 

James t, Krakau, Zimmermann I.u2. 

Joanne» atitiM de Uradiat 1 M. 

Jobann, König t. BShmen '206, 

Johann v. Schwabe» (Parriclda) 199, 310. 

Johann IL, v. Avesnes pag. XVI. 

Johann Cicoro, Markgraf von Branden- 
burg (dessen Grabmal) pag. XIX. 

Johann t. Luxemburg 178. 

Johann. Herzog v. Norfolk 217. 

Johann, Herzog v. Sachsen LLL 

Johann, BiaehofT. Gurk I4H. 

Johann, Bischof v. Neapel 1 1. 

Jobann, Abt au USttweig üä, 

Johann, Abt v. Hradist LLL 

Johann v. Lyon, Artilleriemeister pag. XIV. 

Johann t. Speyer Uli. 

Johann t. Wilowitz 1ÜIL 

Jobanna, Infantin v. Spanien 00. 

Johannes König Dänemark pag. III. 

Joseph IL, Kaiser 257 . 

1 nntbruck, Peter Fischer und ilie Standbil- 
der bei dem Grabdenkmal Kaiser Maxi- 
milians I. pag. XVII. 
Iaabella, Kaiserin JSL 
Iaabella v. Portugal, dritte Gemahlin Phi- 
lipp de* Guten pag. XVI. 

Jungfrauen, die klugen und thSrichten, 
Glasgemälde zu Friesaoh pag. XXXIII. 

K. 

Kärntben, Ober da« Gailtbal daseihat 107. 
Kaiserstein, Freiherr v. und dessen Krau 

geb. Zäruba t. Hustefan pag. XXVIll. 
Kalllna v. Jäthenstcin pag. VII. 
Kallundborgin Dänemark L 
Kamel, die, der Stiftskirche in lleidings- 

feld pag. XVII. 
Kanzclfuss der Kirche v. Laos hu Galt- 

thale niL 

Karajan, de« Herrn 0. Th. t., Sammlung 

von Prospekten 275. 
Karezyäskl, Andreas, Kirchcnprocnrator 

ift.t 

Karl der Grosso L 

Karl IV., Kaiserin 1^ 133^ 144, 149t L4i. 

156, 201; pag. XUH. 
Karl V., 71t 73, 7«, 77, 7g, 164. 214; pag. 

XXV. 

Karl der Kühne 20, 174, dessen Grabmal in 

BrUggc pag. XIX. 
Karl, Sohn Kaiser Ferdinand I. 2i 
Kart, Herzog v. Orteana Ü1L 
Karl X. v. Frankreich 1 3. 
Karnowski, Johann 103. 
Karoly, Stephan, Pfarrer 2ÜL 
Kasimir der Grosse IIS. 
Katharina, Königin 8_L 



Katharina, Erzherzogin ÜL 
Kauf im. archäologische Funde zu pag. VII. 
Kbel, archäologische Funde daselbst pag. 
VII. 

Kirch bach im Gailthalo 114. 
Kirche St. Daniel im Uailthale LLL. 
Kirche, die von Kok im Gaüthal« LLA, 
Kirche zu Uicsnmannsdorf bei Breslau ilZu 
Kirche St. Helena am Wiesenberge im 

Uailthale lTL LUu 
Kirche Sl. Hennagor im Oailthal LLL. 
Kirche, die, in Hohenthurm im Oailtbale 

LLL 

Kirche im Dorfo St. Jakob in Böhmen pag. 
XXIX. 

Kirche St. Johann hei Villach LLL 
Kirche zu Kallundborg in Danemark pag. L 
Kirche zu Kolschach IruOlier-Gailthale 117. 
Kirohe, die, zu Laus im Gailthalo 1 IH. 
Kirche St. Lucia und Jodocus zu Tratten 

im Gailthalo 124. 
Kirche St. Marin an der Gail bei Villach 
109. 

Kirche zu Markorie pag. XXVIll. 
Kircho, die alte, des Ciaterelenser- Stiftes 

Kein in Steiermark pag. XXXIX. 
Kirche von St. Stephan im Hai Ithale LLL 
Kirche zu Zleb pag. XXVIll. 
Kirchen, verunstaltete, im Gailthalo 126, 

12L. 

Kirchcnpflastc r zu Hradiit 145. 
Kirchhofthor, das. zu Kirchbach im Oail- 
thal LLL 

Kicrstein, Rechtsgclehrter (dessen Grab- 
mal) 105. 

Klagenfurt, Eisenarbeit am Brunnen da- 
selbst Hl 

Klagcnfurt, steinerne Lüwen daaelbst lilZ. 
Kloatcr, Dorf bei Hradiat KtO, HL 
Knipffcnbcrgor Johann, Pfarrer zu Un- 
tervellach I -7. 

Kocbsnowiki, Christoph (dessen Grabmal) 
105. 

Kodl, Joseph pag. XLIII. 

Kol in, archäologische Funde daselbst pag- 

VII, XXXVIII. 
Komm, Michael, Steinmetz pag. XLIII. 
Konrad I., Kaiser 254. 
Konrad IL, Kaiser 151. 
Konrad 1 . v. Hohenlohe llrauneck 2fl2. 
Konrad, Abt zu Melk 250. 
Konrad, BiaehofT. Ii alters tadt 1_8, im 
Kötschuch, im Obcr-Gailthale 1 17. 
Krakau, die Marienkirche daselbst iLL 
K remsroflnster, eine Handschrift des Ber- 

nardus Noricus daselbst pag. XL 
Kfelhof, archäologische Funde daselbst 

pag. VII. 

Kreactlc, archäologische Funde dasolbst 
pag. VII. 

Kr o ein v. Drahobil, Primator v. Prag (des- 
sen Grabstein) pag. XXI. 
Kronenlcuchtcr pag. XVI. 



KQhnberge, Grabstein der Herren v. 114. 

Kühnburg, Ruine im Gailthale 135. 

Kuttenberg, die St. Barbarakirche da- 
aelbst pag. XXIX. 

Kuttenberg, archäologische Funde da 
selbst pag. VII. 

Kuttenborg, Stclnmetxzeiehcn an der St. 
Barbarakirche, dem Erker der Normal- 
achulo und am steinernen Brunnen pag. 
XLIV. 

L. 

Labounsky, Georg »., Laboun, Procur»tor 

der böfam. Landtafel 135- 
Labounsky, Johann v. Laboun L14L 
Labounsky, Magdalena und Kunigunde 

136 

Laeh, Heinrich v,, Pfalzgraf am Rhein 

•>n.i. 

Ladislaus Posthumus 18, 153, 155, 156, 
16», 166, 170, 212, 217. 

Laibach, die neuesten Ausgrabungen da- 
selbst pag. XI U. 

Landskron, Flügclaltar in der Capelle da- 
selbst 1 10. 

Lan dene t ra ue h , Hans, Erzgieseer p*p. 
XX. 

Leo III., Papst &, 
Leonhard der Urbatsch t .'»0. 
Leonore, Erzherzogin tüh 
Leopold L iv. Babenberg) 164, 211. 
Leopold der Heilige 164, 176, 192^ 202, 

206, (dessen Siegel) 243, JH. 
Leopold der Freigebige, 200. ( dessen 

Siegel; 245, 268. 
Leopold der Tugendhafte 134, 2PU, (deaaen 

Siegel) 248j 249, 250, 251. 
Leopold der Glorreiche 153, 154, 159, 164. 

176, 177, 190, 195, 2O0, 207, (dessen 

Siegel) 2Ü 
Leopold III.. Herzog 157, 173, 174, 190, 

203, 2JX 

Leopold IV., Herzog 173, 174, 803. 
Leopold der Stolze (1408) 190, 206, 
mo. 

Leopold der Tapfere 176, 182. L2k 
Leopold, Pfarrer t. Alland 259. 
Lepolita, Johanne«, Übersetzer der Bibel 

-dessen Grabmal) 105. 
Leii ni a wo tsk i , Martin, Caatellan v. Pod- 

lachieu (sein Grabmal) 105. 
Leutsc hau. Qcorgscapollc daselbst pag. I V. 
Li bin, archäologische Funde daselbst pag. 

VII. 

Liechtenstein, Ulrioh und Heinrich \., 
IIS. 191. 195, 196, 204, 205, 2ülL 

Lionar, Bischof v. Bremen 151. 

Linde, die, zu 'I'rö'pclach im Gailthale LLL 

Linde toi, Hans v. Kallundborg pag. III. 

Lilienfeld, Cistercienserkirche daselbst, 
verglichen mit der Cistercienserkirche 
zu UradUt LUL 



IX 



Lochy, das Bonifaciuskirchlcin daaelbat 

jag. XXVIII. 
LBffler, Georg, Entgiesser pag. XX. 
Ii ö ach, bei Brünn, die Ueideogräber da- 

selbat pag. I.V. 
Lome Mo, die Pfatzgrafcn v. 21Ü. 
Lopacki, Hyacinth, Prälat 100- 
Ludwig t. Raiern 302. 
L udwig V., Kaiser pag. XVI. 
Ludwig VIII. v. Krankreich L19_ 
Ludwig IX. LLL 
Ludwig X. LLL 
Ludwig XVI. J2, 
Ludwig, König Litt. 
Ludwig, König v. Ungarn 1ÜX 
Ludwig III.. Scarampus de Mczarotta, Pa- 

Irlach v. Aquilcjn pag. XXV. 



M. 

Malin, archäologische Funde daselbst pag. 
VUL 

Mangen, Seiet, Hnfzahhneiater S5j UZ. 
Margaretha, Kaller Ludwig V. Gcniaün 

P ag. XVI. 
Margarethe y. Dänemark pag. III. 
Maria t. Burgund IM, 175. 202; pag. XVI, 

ihr Grabmal iu Brügge pag. XJX. 
Maria, Infantin v. .Spanien HQ, 
Marienkirche, dir, in Krakau 07. 
Markovic, Kirch.- daselbst pag. XXVIII. 
8t Martinakirche in Bremen pag. XXXIV. 
Maschner, Chriattan, k. k. Officicr 212. 
Mathiaa, Kaiser l.iti- 

Mathiaa v. Arraa, Baumeister pag. XLII, 
XLIII. 

Mathilde, Königin v. Frankreich LL 
Maximilian L. 155^ lTflj 18^ 202, 204, 

215 ; pag. XXV. 
Maximll lane L ttrabdcnkmal zu Innsbruck 

und Peter Fi>rher pag. XVIII. 
Maximilian. Sohn Kaiser Ferdinand L 73, 

75, Ejj, 80, 81. 33. 
Melasau, Ott« t., 17«, [7», 106, 2ÜSL 
Marten; iMartiu»., Jakob, Maler 106. 
Michel le v. Frankreich, erste Geiualin Phi- 
lipp des Hüten pag. XVI. 
M inorlten ki rclic dea heiligen Jakob zu 

Breslau (jeUt Vinccnikirche) 50^ 
Modlik, abbaa de Hradiseh Lü. 
Montclupi. Grabmal derselben 105, 
Montniorcncy, Watther t. 209. 
Morecki, Grabinälcr der Familie 105. 
Mosaiken, die, zu S. GuiaUi in Triest und 

ihre Wiederherstellung pag. LI. 
Münzen fund zu Srheletau im Bezirksamt 

Rnskuwitx pag. IiVI. 
Museum, das christlich-arcbäologiache, zu 

Berlin pag. LVI. 
Museum, das k. k. österreichische, für Kunst 

und Industrie pag. XI. IV. 



N. 



Nadasdy, Palatin B7. 

Ncborid, archäologische Funde daselbst 

pag. VIII. 
Neiuogiua, Abt *. Hradiät I 33. 
Nicolaus IV., PapBt pag. XXXV. 
Nicolaila de Nigcllaaurifaberpari*icnsis26. 
Nikiaua, Meister i Maler) pag. XXI. 
Nostizln, Frau Barbara, Witwe Sigismunds 

»on Warnadorf 42. 
Notiz über eine Handschrift de» Bcrnardti« | 

Norlcus in d>?r Bibliothek in Krcmsmün- 1 

ater pag XL. 
Notiz au* dem Südtiroler Volksblatt pag. X L. 
Notiz Uber Han» Petaehnig LXXVH. 
Novo D vory (Neuhof), archäologische Funde 

daaclbst pag. VIII. 
Noravea (Neudorf), archäologische Funde 

daselbst pag. VIII. 
Nützet, Kaspar, Nürnberg-Gesandter pag. 

XVIII. 

O. 

Ocicdiilic, Ojir t. HL 

Odrowui , Iwo, Biachof 97^ 9JL 

Oschcr, Leopold, Zeichnungen deaaelben 

269, 272. 
Orlamünde , Albert Oraf v. im). 
Orlowaki , I.ucaa. Maler l<l* 
Oatcrlcuehler LUL 

ü« te r I c u c h t er in der Kirche zu Laas im 

Guiltbal i--'n 
Otakar Pfeuiyzl II. I 32, 1 53, 156, 160. 161, 



160. 167, 173, 



?fi 1KO, 191 192, 195, 



1»9. 20Q.ä0a,2»3, J09, 211, (dessen Sie- 
gel) 2£J Ii. 

Otakar (Ottokar) IL, Herzog v. Steiermark 

und Kärntben 10H. 
Otto III. 1^ 151. 
Otto der Fröhliche 156, 17^ 190. 
Otto, Fiirat t. Anhalt HL 
Otto, Erzbuchof r. Bremen pag. XXXV. 
Otto, Erzbischof v. Magdeburg 149. 
Otto, I'riifoct v. liegensburg 214. 



l'aiiovano, .loh. Maria, Bildhauer 105. 
Parlef, l'eter (Arier), Baumeister pag. XLII. 
Paulus, Abt zu Hradist 1 33. 
Paulus (abbas in Gradis), dessen Grabstein 



Paulus, abbaa de Vclegrad (als Zeuge) 1S9. 
Pellegrln, Minoriten-Provincial zu Triest 

pag. XXV. 
Peren, Gabriel t. 239. 
Poren. Sigismund, Baron t. 239. 
Peter ?. GmUnd pag. XLIII. 
Petit, Jean, Artilleriemeister pag. XIV. 
Philipp August, König v. Frankreich 119. 
Philipp der Out« 2j>j pag. XVL 



Philipp, Infant Sil 
Pichler, I-eopold, kSnigl. Diener 91. 
Pilaak, Wentel, k. k. Officicr £21. 
Pistoja, Fund eines Poeales dasei bat pag. 
XXXIX. 

P I a i c n , Otto Graf v. 171, 183, 199. 
I'odrbrad , Georg t. l.ta 
Poderini, Bernhard, Bildhauer 105. 
Pol he im, Albrecht ». •>'■<> 
l'o I na , archäologische Funde daselbst pag. 
VIII. 

Prag, die Kolanda- oder Brunsvik -Säule da- 
aclbst pag. XLIII. 

Prag, Steinmetr reichen an der St. Agnea- 
kirche, am St. Veitsdome, am Brücken 
thurra und an der Brücke pag. XLII. 

— ferner am Altatädter Brückcnthurm, am 
Pulverüiurm , an der Teinkirehe, am 
Glockenthurm bei St. Heinrich und 
St. l'eter am Pofic pag. XLIII. 

Pfedbor, Abt zu Hradiüt I2i 

Pfemyzl, Otakar II., *. Otakar. 

I'rcgcl, Kaspar, stiftet die Kirche St Trini- 
tatis bei Hermagor 2L 

Prz cdbor, Stanislaus Ina 

Q. 

Quaat, Geheimrath t. iL 
H. 

Rad bor, archäologische Funde dasei l>nt 

pag. VUL 
liadnik im Gailthal LLL 
Kai sek, Mathias, Baccalaureiu pag. XLIII, 

XLIV. 
KaUko, Gallun t. 13:1 

Kalako, Hermann v., Obcrstkäminercr So- 
bealar'a II. USL 

Ii am bau i, Conaerrator in Cdln 29. 

liatay, archäolog. Funde ilaselbat pag. IX. 

Katbod, Bischof v. Trier 151. 

Rein, in Steiermark, über die alte Ciater- 
cienaerkirche daselbst pag. XXXIX. 

Reinald, Herzog «. Geldern '-'» l 

Keinprecbtv. Wallte e 150. 

Reisebericht über das Gailtlial in Kärn- 
then 107. 

Keitter, Conrad. Goldschmied 277. 

Kcmigiu», der heil. LL 

Ketzer, die Edlen v. pag. XXXIV. 

Bisa, ehemalige Stadt im Gailthale 128 

Klvinus, Abt v. Ilradut 

Itogendorf, Wilhelm v. 77^ HJ. 

Koggendorf, die Grafen t. is:t. 

Rolandssäule, die, zu Prag pag. XLIII. 

Rnaenberg, Wok v. IUI 

Rothschild, Anselm Itaron v. 4L 

Roltiers, E<|uea de 'J76. 

Rudolph 1^ Kiinig 152^ »IL 

Rudolph v. Uabsburg's Standbild zu Inns- 
bruck pag. XIX. 



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X 



Rudolph (Sohn König Rudolphs* 1 52, 
Rudolph II. L24L 
Rudolph III.. 166. 18^ ÄÜJL 
Rudolph IV., Herzog v. Österreich [48, 
15:1. 166, liTj 159. 160. ICSj 167, 

icü. 17«, 172, i:a, L7JL isi_, IK9. 19<), 
goo, 20g, go:», nu. -jufi, 8io, vii. 218. 

216, 216. 217 
Rudolph. Bischof v. Halberstadt 15A. 
Kudolpuu», Ingeniosu». Herzog v. K»rn- 

tbcn dessen Standldld zu Innsbruck) 

pag. XX. 
Rüdjgcr, Bischof v. Passau 25JL 
Ruhl. Bürger 12. 

Runenstein, bei Kolding pag. LXXV1I. 
Kupertus, Abt zu II radial bei OhnüU 132. 



Sacristeithüre, die, der Stadtpfarrkirche 

zu Villnoh III 
Kager Kranz, Aquarellist 27 H. 
Salm, Graf Niki«» v. 78, 79, JÜ 
Sava, Karl v., Anzeige seines Tode« pag. 

XXXII. 

S c h a um bu rg , die, Grafen v. 16.1. 
Sehaumburg, Graf Heinrich v. 1*1. 
Scheietau (Mähren/, Münzenfund daselbst 

pag. LVJ. 
Srhcnken, die, v. Tautenburg 1 54 . 
Scbcuflicli, lUung \. 191. 
Schilinis, Johann de. Ritter de« Drarhen- 

ordens 217. 
Schlesien, Beiträge zur Geschichte dm 

Kirrbenbaue» daselbst 46. 
Schlick, Kaspar, Freiherr v. Hnstauo 140. 
Schlotterbeck. Vi. F., Kupferstecher 217, 
Schorcl (Maler.i 3t>. 

Seulpturen. über die 7 ni: dem Horn von 

Verona pag. LI II. 
Scdlec, archäologische Funde daselbst pag. '. 

IX. 

Sein. Mang.ii, Hofzahlineister 86. 

Sciheiicggcr, J.ikol', Kaiser Ferdinand L 
Hofmaler TO; die Medaille leoselben 
93. 94. 

Seiscneggcr Susanns 92, 93. 
Sellius, Gottfried t. Danzig 78. 
Seltram, Melchior. Architecturzeichner 
275. 

Scssl Schreiber, Ollg, Hofmaler Mali 
mllians L pag. XVIII, XIX. 

Selz *. Chuenring 154. 

Sforza, Franz, Herzog v. Malland Sl_. 

Siegel als bistnrischo Denkmale pag. V. 

Siegel, die, der österreichischen Regen- 
ten, L Abtheilung 147 ; IL Abtheilung. 
Die Siegel der österreichischen Fürsten 
aus dem Hause Babenberg 242. 

Sigmund, Kaiser 134, 149, 150, 152, 169, 
160, 201, 203, 208, 217. 

Sigmund, Herzog 215. 

Sigmund t. Tirol 212. 



Snardus. Johann Franz, Kitter des Dra 

cbenordens 2 1 7. 
•Siuuglewicz, Maler 1 Ofi. 
.Snare, Esborn und Axel pag. L IL 
Snare, Absaloin patf. L 
Soliina n, Sultan pag. V. 
Stadeck. Rudolph v. 1ÜL 
Stadtpfarrkirche /u Villach LU_ 
Stachowltz, Michael, Maler loa. 
S t an k o , Johann loa. 
S t arh e tu b e rg. die Herren v, 1 53. 
Stark, Hann, Nürnberger Bürger 7JL 
Sutui'i, Rildschitittcr, aus We?tphalen 102. 
Steger, Johann, Kellermeister l&S. 
Steger, Wilhelm, StifUbofmelster 260. 
Steiermark. Uber die römische Militär- 

Stadt Celeja pag. LV1I. 
Steinmetz zeichen und Marken, an alten 

Raudenkmulen Rehmens gesammelt pag. 

XI. I 

Stephan der Heilige 18. 237, *38. 

Stephan V., König t. I'ngarn 23Ü. 

Stephan v. Siereildorf, Probst t. Kloster- 
neuburg 4A 

St. Stepbansdom in Wien. Detail« des- 
selben 269. 

Stephanus, Parisicnsis episeopus, 26. 

Stiftskirche, die, zu Viktring 1 10. 

Stnck bammer, Dr., zu Nürnberg 154, 

Stoss (Stwos«), Veit, Bildschnitzer 102, 103. 

Strohmayr. Ulrich, Bürger zu Nürnberg 
pag, LUL 

Stubenberg, Ulrioh v. 257. 

Stürzehechor ■ Sloortebeoker) pag. XVI. 

StvroBz (Sto»S), Veit log. KU. 

Suceintor, J.. Vorsänger UL 

Suehdol, archäologische Funde daselbst 
pag. IX. 

Suess. Johann, Maler 106. 

Sunek, I .lupoid t. 154, 171. 

Svojano v sk V , Johann v. ßoskovic 135. 

Sylvester Papst 2. 

Sylvlus, Aeneas 143. 

Syrlin aus Ulm. Holzschnitzer pag. 1 08. 

SzarvWiu» (Z»vi»i, Saeris'i-nnriester 19. 

T. 

Tanz, Ortschaft int Liailthale 124. 

Tapetenmuster, drei aus dem Anfange 
des XV. Jahrhundert» 95. 

Taufstein in der Stadtpfarrkircbe zu Vil- 
lach Ui 

Tauvers, Hugo t. i ; |. 

Tel njee -labska lElhetrinicl. archäologische 
Funde daselbst pag. IX. 

Terminus der Stadt Riss 122. 

Tesmay 'In Ungarn), MUnzenfund daselbst 

pag. xxxrx. 

Thaller, Florian, (Japitularpriester zu Klo- 
sterneuhurg (Anzeige von dessen Todl 
pag. XXIV. 

Therao, Gründer der Stadt Queis pag. 65. 



Thimo v. ElsiiiU 25JL 
Theodor, Herzog v. Itayem flJL 
Theodurichs Standbild zu Innsbruck pac. 
XVIII. 

Thendorieh. erster Abt v. Hraditt L1L 

Theophania. Kaiserin 10. 

Theophilas, der Mitneb 14, 15. In. IL 

Thomas Ij Bisehof v. Breslau 47^ 4iL 

Thiirklopfcr an der Satcristeithüre d*r 
Kirche xu Laas. 12Ü. 

T i i n o v i c, Cistcrncic nser- Nonne» k loster da- 
selbst 142. 

Tiziano, S. Veoelli. 

Todesanzeigen pag. XXIV, XXJtll. 

Tragauer, Hans (verkauft «ein Siegel/ pag. 
148. 

Trebnitz in Schlesien IX; Bartholomäai- 

kirehe daselbst 49. 
Tricst, älteste Abbildung v. pag. X. 
Tricst, Schreiben wegen 4er Mosaiken in 

St. Giusto pag. LI. 
Tristan I'Hermite pag. XrV. 
Trö'pelach (Drobopolach) im OaJlthale HL 
Turzo, Johann 103. 

Tympanum der Stadtpfarrklrche zu Vil- 
Uch 112. 

u. 

Ulrich der Jüngere von Kirnthen 178. 
Ungarn, neuentdeckte Wandgemälde zu 

Fekete- Ardo 22L 
Ungarn, HoUklrohen iin Nordosten dieses 

Lande* pag. XI. 
Urach. Berthold Graf 2JÜ 
Urban VI., Papst lOjtj 'IM. 

V. 

Vaclav, Baumeister Lag. XLHL 
Viktring, die Stiftskirche daselbst L1SL 
Vecel 11, Tiziano 7^ 4L. 
Vein Man I Feinmann i , Jakob , Ersgiesapr 
IM 

Vellacb, Im Gailthale, zwei FlOgelalt^« 

daselbst 114. 
Verona, über die Seulpturen an dem Doote 

daselbst pag. LI IL 
Vicccomite, Bruno, Matthäus nnd Uber! 

179. 

ViLiaoh, die Stadtpfarrkirche daselbst III. 
V i n a n d u s , Abbas de Otxek (als Zeuge) LH 
Viridis, Gemahlin des Leopoldus Probas 

(ihr Standbild zu Innsbruck) pag- XX. 
Vi sc her, Peter, s. Fischer. 
Vieh ach, Georg's Grabmal zu Leatack»» 

pag. IV. 
Vlostide», Petrus Graf iL. 

w. 

Waldeek, Heinrich Graf v. 2JIL 
Waldemar der Grosse (von Dänemark! Iii 

r*g- L iL 



XI 



Waldo, die Tochter desselben ill 
Waldstein, Joh. und Albert r., 129. 1 3.'», 
137. 

Waldstein, Johann und Bernhard v., 134, 
I.V. 

Waldstein, Maximilian Graf t.. 137. 

WalUeo, Ulrioh t., IüL 

Walther, Bischof v. Breslau 47_i -IS, *«■ 

W a n d g e m * I d e, neu entdeckt«, in der katho- 
lischen Kirche <u Fskete-Ard6 in Un- 
garn 137. 

Wappen, derer v. ftonomo pag. XXV. 
Wappen, derer t. Laboun 136. 
Wartenberg, Joh. v. 131, 13A. 
Warnsdorf, Barbara, geborne Nostitzln 

Warnsdorf, Fabian v. 4Z. 
Warnsdorf, Hans v. ä!L 
Warnsdorf, Jaeobr. äfi» 
Warnadorf, Kaspar v. 60, 65j Helene de*- 

aen Gemahlin, geb. CedliUin iSL 
Wartenberg, Jenko *., Grabstein desselben 
133, 

Wartenberg, Joh. »., Obentborggraf und 

dessen Sohn Adain LÜL 
Wenesla, A. .., Maler lfli. 



Wentel, König t. HiShincn 132, l.'.H. 

173, 18U, 'JoS. 
Wen »elll.. Kani F 1'Jft 
Wentclskircke, St. jcu Chotusio pag. 

XXVIII. 

Werdenberg, .lob. Gr*f v. IAH. 

Werner, Baumeister 9!) 

Wiinlk, Bernhard Uraf v. , und dessen 
Gemahlin. Gräfin f. Areo pag. XXVIII. 

Wien, Detail» der St. Stephanskirrhe Ü6'.i. 

Wlerzynek, Johann 103. 

Wierzyuek, Nikolaus, .Schatzmeister 9h. 

W ik ingerschiff imStändehause zu Flens- 
burg pag. XXXI. 

Wilder. F.. Zeichner 87«, •n~>- 

Wilhelm der Freundliche 190, 206. 

Wilhelm. Herzog v. Österreich 165, 903 

Wilhelm II.. Konig v. Holland pag. XVI. 

Wilhelm III. v. Holland pag. XVI. 

Wi I h e 1 m , Graf v. Holland im. 

Wilkowski. Jakob 103. 

W i 1 1 e n d o rf , Heinrich v. 2M). •ift« 

Wladislaua, Bischof v. Salzburg älL. 

Wladislaw, König. Si, iaa 

Wladislavr und Judith pag. XXIX. 

Wladislaw II. t. Böhmen UA. I -V» ; pag, 
XI, III. 



Wlast, Toter 12. 

Wolfsberg, der LiJwe an der Kanzel da- 
selbst isuL ioa. 
Wohlgemuthaus Nürnberg U12. 
Wohlleben, Stephan, Sudtuiiterkammerer 

2JJL 

Wilrtemberg, Ulrich und Eberhard Gra- 
fen v. 3UL 

Z 

Zabor, archäologische Funde daselbst pag, 

IX; Steinmetzzelehen an der Kirchen- 

rnine daselbst pag. XI.IV. 
Zündlein (Zündel), Georg der IIS. 
Zahlenitz in Mühren. arrhiologische Kunde 

dasolbst pag. I.Y. 
Zarogowski. Stanislaus l"3. 
ZaTiä, Saorutanpriester IX 
Zdic, archäologischo Funde daselbst pag. 

XXII. 

Zibfid, Heinrioh *. Veleehov 13JL L3Ä. 
Zips, Uber ein altes Oemülde daselbst pag. 

XX. 

Zleb, die Kirche daselbst pag. XXVIII; das 

Sehloss pag. XXIX. 
Zygmuntowicz, Stanislaus 103. 



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