Digitized by Google
FROM THE FUND BEC^t'EATHBD
BT
CHARLES SUMNER
(Clan of itjD)
SENATOR FROM MASSACHUSETTS
' For boolt» relating to Folitics »n.l Ftoe Art* "
MITTIIETLUNGEN
K. K. CENTRAL-COMMISSION
*
ZI K
ERFORSCHUNG UND ERHALTUNG DER BAUDENKMALE
MEKAI .■»«KOKIIfN UNTKK UKK 1.K1T1M!
SKIN'.R mCKI.I.K!« bKS l'II \S|U>.\T1A MIR k k. IKXmL-UIMUlSSIOA
JOSEPH ALEX AND ER FREI II EU RN VON IIE LFERT.
REDACTEUR: ANTON RITTER v. PEROER.
IX. JAHRGANG.
m U« HOLMCHWITTE« DM» U TAFEL»
WIEN, WA.
I N C 0 M M I S S I (» N B K 1 I' K A X 1» K 1. 1 X 1> K W A L U.
i'Wi-K i>r.R k, k. unr. t nd >ta vT»insri i,ki;ki.
Digitized by Google
JUL 12 1920
Digitized by Goo<
I N H A L T.
Über die christlichen Messkannchcn. Von Dr. Kran« Hock. iMit.'H! Holzschnitten 1 )
Salt«
1
D.i.-« 1 iWriuui SehaU • *<•» • horta-iTn-Stifte* K)..<>tcrm-.ib!inr in XiwU'rtfstrrruirh. Von Albert (.'amcnina. i Mit 2 Tafeln und
■K>
TO
95
Die Marienkirche in Krakau und ihre urti-stischen Merkwürdigkeiten. Von Jos. v. Lepkowski. (Mit (I Holzschnitten;
97
107
122
Die Buurcstc der l'istereieiniirkirche llr.oli.M bei Müuchciigrätz. Von J. E. Wocel. rMit 2 Tafeln und ; Holzschnitten)
129
147
Untersuchungen (Iber die Crypta und den Altar der christlichen Kirche. Von Joe. \:\t. M <■ s » m e r. i Mit 7 Holzschnitten)
21»
Neu entdeckte Wandgemälde in der katholischun Kirche zu Fekcte-Ardö. Von Uischof Dr. Michael 11«««. ■ Mit 4 Holzschnitten)
237
Die Staffel der österreichischen Hcjfenteii. Von Carl v. Suva < Fortsetzung). Die Staffel der Österreichischen Fürsten ans dem
242
2»iy
Kleinere Beiträge.
Die Kirc'np tu Ralliindburg in Dänemark und ihr Ein-
»tun im .lahm 1427. ' Mit ö Holzschnitten)
Beitrag zur Kviintniiu der Ulockenräder. Von J. A..
Mnimtr. (Mit t lloludiiiitt;
Kin Grabstein der' St. licorg»ea]jcllo in l.euuchsu. Von
W. Merl: las. (Mit 2 llolzsebniltoii)
Siegel »I« historische Denkmale Von Karl t. Sava.
(Mit I Holzschnitt i
Archäologische Kunde im i'islaucr Kreise. Von Kranz
B e ii e f c Ii
Die älteste Abbildung von Triest. (Mit 1 Holzschnitt) . ..
Corrsipandenten. I ber die Holikirchcn Ungarns. Von Bi-
»chof M. Haas
Die neuesten Ausgrabungen in Laibacii. Von Dr. H.
Costa
belle
IV
IV
VI
XI
XIII
Bssprochsngea. Loredan Larebey, Origines de l'Arttl-
lerie francaise. Pari« 1863. 4. — William Howitt,
Kuined abboys and Castles ofGrcat-ßrltain and Irclaad.
London 1864. — D. v an de r Kc llen, Nederlanda-
Oudhcdcn XI 11
Die Kanzel im alten Stift Heidlngsfeld. Von Dr. J. Sigbarl.
(Mit 1 Hol/schnitt) XVII
Pclcr Fischer und die Standbilder bei dem Grabdenkmale
Kaiser Maximilians I. zu Innsbruck. ... XVTII
Ein alte» Gemälde in der Zips. Von W. Merklas XXI
Cornnpondeai aus Prag. Von J. E. Wocel XXI
Besprechungen. Herinand et Dechsmps de Pas, Hi-
stoirc sigillaire de la ville de 8t. Omer. Paris 1860. 4. —
Anleitung zur Erforschung etc. der kirchlichen Bau-
denkmäler. Linz 1863. — Kuhn, Die Idee des Schö-
nen in ihrer Enlwickclung bei den Alten bis in unsere
Tage. Berlin 1863. M XXII
»
IV
Softe
Todauaieifts XXIV
Da« (iesehleeht dor Bonomo. Von Dr. MC nid et XXV
Da» Doxal zu Cöln XXVI
CormpondraMa. Au« Feldkireh. Von S i 0 rk e r ....... XXVII
An« Prag. Von K.J. Ilcnxtcb XXVIII
Bonprochncsj. Linns, Anelens v«Hemen« «aoerdoteaux etc.
Paris 18C.1. * XXIX
Hotiun XXX
Tode»aimii(r«B . XXXII
Die klugen und thSrlebteu Jungfrauen, (ilaagemülde in
der Stadtpfariklrclio tu Frictarli. (Mit t Holr, -
-rl.l .itt.Ti XXXIII
Die Kdlenvon Retter. Von HWnl.eh XXXIV
Di«- St. Martln.kircbe in Bremen Von H A Möller ... XXXIV
Arehäologlaclie Kunde XXXVIII
(her dip all» Kirehr de« ri»lrroieni;«T.;tiftiM lirln in <li-r
Steiermark. Von Dr. I XXXIX
Wotimn XI.
Steinmettteiehen und NUtUn an alten Bainlenfcmalen
Bobinen» gcmuinelt. Von Fr. J. Bene»eli. (Mit 'i
IVelm WA
BBiprechuDgen. Das k. k. iisterreiclilsebu Muneuin tlir Kcit.nl
und Indinitrie XL1V
Drival. I. f« lapie»erir» .l'A'r*». Im;4. K XI. IX
CorreipondeaiMi. Im Interess« 1 eine* cro«*arneen Kunst-
dt-nkmal« . , 1,1
Über die Seulpturen an dem Dum zu Verona. Van Wil-
helm von M e t» er i e h I.III
Kinige neuere Kunde in Mähren. Von Maurit/ T r a p |- I.V
Wo1:t nl.'T iln- nrrl -Ii l ; y i -i l.i' Mu-f.ini in Berlin , . , . I , V l
( her die r.'imiKrlie Militiiratadt in Crlejii und die Prneura
tur in Xnrieum, Von Dr. Kriedrieh Kenner I .VI I
Besprechungen, liononii ainl .S Ii a r |. - . The «lahiuler » \r -
eoiihagu« of Oimeriepthah 1. -Sulrer. Die Wieder-
aufllndiing derVrne dr» hrilipen Vigilius. GietVr*,
l'raktiaehe Krialt ringen, dioKrhaltung. Atmchmiirkung
und Aufhaltung der Kirehrn betreffend. — Beitrüge
tur Ent»iekelung»tf«eliin)itr der k:rebli<lien Hau -
Vnn.t in Tirol, - . , I AXII1
rorrciipcjdemtn. Sünde »kootrard bei Kol.liiiL'- i'Mit '-
Holii-eliriltten; ... I.XXV1I
Ar«liltol'<g'" be l-iniHe inTirol. Von l'r. .1. (i .Snlrer. I.XXV1I
■»»"' „ , I.XXVIII
Kleinere Beiträge und Besprechungen.
-KS-
Die Kirche zu KaUundborg in Dänemark 1 und ihr Einsturz im Jahre 1827.
Unter den Denkmälern Dänemarks , welche noch
immer an Waldemar den Grossen" und seine Ge-
nossen erinnern, nimmt die Kirche zn Kallundborg:
einen hervorragenden l'latz ein ; denn sie zeichnet sich
— schon aus der Ferne betrachtet — durch ihren eigen-
thümliehen Bau aus, indem man sie mit ihren Thilrmcn
eher filr eine Borg, als für ein der Andacht geweihtes
Gebäude Italien milchte.
Kallundborg liegt auf der Insel Seeland , vierzehn
Meilen westlich von Kopenhagen, an einer Meeresbucht,
welche der Kallundborgfiord genannt wird. Waldemar
und seine Freunde hatten Dänemark vor dem Unter«
gang gerettet. Kr erstürmte und zerstörte den Tempel
des Swantewit auf der Insel Bügen , und sorgte nun für
die innere Einheit und Festigkeit Dänemarks, indem er
zugleich, zum Schutze nach aussen hin, an den Grenzen
und Küsten des Landes Befestigungen nnd Wälle
erbaute. So errichtete er u. a. auch den starken Thnnn
bei Sprogo und die Festung Vordningborg u. s. w. Seine
beiden trenesten Anhänger, die Zwillingsbrüder Esbem
und Axel Snare, welcher letztere zugleich Bisehof und
Feldherr war und sieh nach der wunderlichen Weise jener
Zeit Absalom nannte, zeigten sich in der Errichtung sol-
cher Befestigungen nicht minder eifrig. Sie verschanzten
das Land in der Itichtnng gegen den grossen Belt und
erbauten die Vcrthcidignngswerke von üresund und die
Vestcn zu Hacrvig (dem späteren Kallundborg) und zn
Kjöbmend (dem heutigen Kopenhagen), und zwar nicht,
wie dieses in früheren Zeiten der Fall war, aus Baum-
stämmen (trac), sondern aus Backsteinen, wodurch diese
nicht nur an Festigkeit und Feuersicherheit gewannen,
sondern auch den Feinden nnd namentlich den wendi-
schen Seeräubern weit mehr imponirten.
Aber diese drei wUrdigen Männer vergassen über
ihren kriegerischen Bauten keineswegs die Kirche.
Schon einige ihrer Vorfahren hatten mehrere Holzkirch-
lein abgebrochen und grössere und schönere Bethänser
aus Bruch- oder Backsteinen erbaut.
1 Vergl. Ikftntkr Mir,,!* ,m*#Tkrr. udgivuc *f f n Termine. Ktft**«i>lMYn. 1n;,i.
M. FSp.1» Htllf, 1 1 V » «f.iii K.llutiilfcorK KIrlii f r I*J7. — > tiwMrb»
d.» Ii. IUI III.'. S Lt.lilm4i.iJ. <i«»rl>l'hlt «•» l>i»rm.,« T I f, SM.
IX.
Waldemar enveiterte nun auch die alte Kloster-
kirche zu Hingst cd, in welcher sein Vater, der heilige
Knud, bestattet war und bestimmte sie zu seiner eigenen
so wie znr Grabstätte seines ganzen Geschlechts. A b-
salom Snare erbaute die von seinen Vorfahren ge-
gründete Klosterkirche zu Sorii aufs Nene und Fsbern
Kl« i
Snare errichtete jene zu Kallundborg. Die Chrouikeu
geben nicht genau an. in welchen Jahren diese drei
Neubauten begannen, doch dürfte die Vollendung der
selben in die Zeit von 1100 bis 1180 fallen. Fshcrii
nannte diese Burg, die er, wie früher erwähnt, bei Hacr-
vig erbaute, Kaaluudborg oder KaUundborg, und zwar
wie mau behaupten will, wegen der grossen Zahl von
Krähen nnd Dohlen, die sich in jener Gegend aufhielten.
Digitized by Google
It
Er ningnh diese Barg mit Grüben und Wällen, er-
richtete in der Stadt, die er durch Thlirmc und Ring-
mauern schützte, einen grossen Marktplatz und erbaute
ein eigenes Rathhaus '. Da aber in jenen Tagen bei
allen Bauten auf taktische Verteidigung gesehen wurde,
erhielt auch die Kirche „Unserer lieben Frau k zu
Kallundhorg (Fig. Hjcne fünf Thttrme, durch welche sie
ein ho eigcnthllmlichcs Ansehen gewann.
Die Mauern der Kirche sind aus grossen Backstei-
nen aufgeführt und ruhen auf einem um die Kirche her-
umlaufenden Sockel von behaucnein Granit, welcher nach
oben mit einem Rundstab endet. DerGrundriss der Kirche
zeigt ein Quadrat mit vier gleichgroasen Kreuzarmen,
von deren jedem ein achteckiger Thurm aufsteigt. Diese
vier Thttrmc waren der heiligen Anna, der heiligen
Katharina, der heiligen Marin Magdalena und der heili-
gen Gertrudis geweiht. Der fünfte jedoch , der von dem
Gewölbe der Kirche getragen wurde, trug den Namen
Unserer lieben Fran (VorFroc), da die ganze Kirche
unter den Schutz der heiligen Maria gestellt war.
Ungeachtet der vielen Umbauten und Ausbesse-
rungen , welche diese Kirche im Verlauf der Zeiten
/u erleiden hatte, konnten auch selbst an der Ansscn-
seite nicht alle Spuren der ursprunglichen Bauweise
vertilgt werden. So gewahrt man am Thor des west-
lichen Thurmes, durch welchen man die Kirche betritt,
noch die Reste des alten Portals mit einem Bogcu aus
grauen Steinen und einer Futterung (Karm). Auch am
nördlichen Thor , welches nun aber zugemauert ist,
erblickt man noch diese alte Stcinftlttcruug.
Die Fenster, welche bei Erbauung der Kirche nie-
drig waren und erst später nach unten hin verlängert
' 1)1« illule AliMMum KdlundfcnTK». »u. rfw Z«ll Chrl«tr«n IV. taftodtt
• ,t I. ibllttg &'> .lIliiMrerail Liiuinirk» Historie* lu Tr 4p't „CrmMi»jiilei«*r »r
KJ"l.tl.«l.r*-- Ki. 11*1». -I. Iii J.,.. t lb.n *di.>b , ««Ulli*. l,p,. S , »,,1.1.» II...
kNv,l„ .( K"i>ij;r H.niMrk-, lell. Dt.l 1. |.. III
wurden, sind ebenfalls im Rundbogen gewölbt, tragen
als Zierrath nur eine Platte und ein flaches Karnies und
wurden oben, wo der Bogen aus der Mauer vorspringt, mit
Kupfer bedeckt. Auch an den ThUrmen (mit Ausnahme
des westlichen) waren drei Fenster, von denen man aber
späterhin je zwei, in der Form von Blenden , mit ziemlich
schlechtem Steinwerk vermauerte. AuBscrdiesen Fenstern
hesassen die Thümie noch mehrere kleinere oblonge oder
runde und im Viereck eingefasste Lichtöffnungen
(lyshuller) und am östlichen Thnrm, der als so-
genannter r Chortburm u bezeichnet wird, zeigt
sich oben eine Art von Ornament aus Zahnschnit-
ten, welches bei den Dhrigcn Thltrmen fehlt. Die
acht Seiten des westlichen und östlichen Thurmes
sind mit einfachen Giebeln gekrönt, wälhrend die
des Sttd- und Xordthurmes in wagrechtcr Linie
enden. Auch die Aussenscitc der vier Kirchcn-
wande ist oben mit einer Art Gesimse verziert,
welches durch „Uber Eck" gelegte und die Form
vou Zahnschnitten nachahmende Ziegel gebildet
wird, von denen jeder vierte dunkelgrün oder
schwarz glasirt ist.
Eben so einfach wie das Äussere, ist auch das
Innere der Kirche, und eigentliche Ornamente
scheinen hier gänzlich gefehlt zu haben. Das am
meisten Auffallende sind die vier Säulen, welche
nebstdem, dass das Gewölbe auf ihnen ruht, auch
den mittleren oder Licbfraucnthurm trugen (Fig. 3).
Sie sind ans Granit gcmeisselt, haben Uber zehn
Ellen Höhe und besitzen unten einen Durchmesser
von 26 und oben von 22 Zoll. Sic sollen die gröss-
ten Granitsüulcn sein, die man in Dänemark kannto
nnd waren aus vier Stücken zusammengesetzt,
wovon das unterste den Sockel, das oberste das
Capitäl und die zwei mittleren und längsten, den
Säulenschaft bildeten. Diese beiden MittelstHckc
waren an ihrer Zusammenlegung durch einen ein-
fachen aber starken Eisenring verbunden, ohne weder
Zapfen noch Bolzen zu besitzen. Die Sockel und beson-
ders die Kaiäufe mit ihren abgekanteten Ecken (Fig. 4)
erinnern lebhaft an die Säulen dtr Klostcrbauten zu
Sorö und Ringsted; wie denn Überhaupt der ganze Bau
an die alten Rund-Kirchen von Bjcreda und Thorsager
mahnt , obgleich bei diesen die Säulen , Knäufe und
Sockeln nur ganz einfach vou Backsteinen aufgeführt sind.
Bei der allmählichen Vergrüsscrnng der Stadt
Kallundborg und dem Anwachsen der Bevölkcrnng
reichte der innere Raum bald nicht mehr zur Aufnahme
der Uesucher hin und man musste dcsshalb, wahrschein-
lich im XV. Jahrhundert, zwischen dem .östlichen nnd
dem nördlichen Thnrm eine Sacristei anbauen. Eben so
brachte man neben dem westlichen Thurm einen Anbau zu
Stande, der zu einer Halle für die der Kirche geweihten
Waffen und für die Wappenschilder der früheren Eigcn-
thtlmcr jener Rüstungen bestimmt war. Diese späteren
Anbauten störten wohl den alterthümlichenTotaleindruck,
allein sie brachten dem Bauwerke noch keinen eigent-
lichen Schaden. Das Schicksal der Kirche war überhaupt
genau mit dem Geschicke des Schlosses zn Kallund-
borg verwebt, welches nach dcmTodc des E sb e rn S n are
zuerst auf dessen nächste männliche Verwandte, dann
aber, nach dem baldigen Aussterben derselben, in den
Besitz der königlichen Krone überging. Dort war es
nun, wo Waldemar III. Hof hielt, wo die Königin
Digitized by Goog
III
Margarethe 1 zu verschiedenen Zeiten verweilte, wo
Dorothea', die Gemahlin Königs Christian I., ihren
Wittwensitz hatte und die Bcsuehc ihres Sohnes
rit j.
Johannes' empfing; dort war es endlich, wo König
Christian II. seine letzten Jahre als Staatsgefangener
verlebte '. Die Kirche ward nun nach dem Wechsel
der Umstünde bald mehr bald minder in Ehren gehalten
i mäM
Fl*. <
Fli . &.
nnd mau erzahlt, dass die Sacristei endlich auch zu einer
Schule und als Siechenhaus benutzt wurde und dasB in
neuerer Zeit sogar der Kirchengarten in den Besitz eines
Privatmannes gelangte.
Man nimmt gewöhnlich an, dass die Verfallszeit der
Fraueukirche zu Kallundborg in die Tage der Keforuia-
tinn zu setzen sei. Aber das scheint unrichtig; denn noch
im Jahre IG.'!») schenkte der Lehnsherr von Kallund-
borg, Hans Li ndenov, welcher mit Elisabeth Au-
gust a, der Tochter Christians IV., vermlihlt war, der
Kirche jene stark vergoldete Altartafcl, welche sich noch
heute dort vorfindet. Erst im Jahre 1C59, als die Schwe-
den erschienen waren und das Schloss Kallundborg in
ihre Gewalt bekommen und niedergebrochen harten,
wurde auch die Kirche vernachlässigt. Gleichwohl fanden
sich zu Zeiten noch immer wieder Leute vor, die diesem
Ran auf helfen wollten, und selbst noch im Jahre 1750
hatte man so viele Geldmittel aufgetrieben , um die
Thtiruie aufs neue mit Blei decken , die alten Glocken
umgiesseu und neue Portale aufführen zu können, welche
letztere man freilich nicht in dem nltcrthümliehcn Styl,
' TU« Tochter Waldemar III. und OomahUii Hakan'« VIII., r-b UM,
t 1113 l nter Ihr mocht» 41« Klrrh« tu KalWn^Wr« manch« Vortheil« «calci. en,
4a »lo »Ich 41* Zaaeurnaf 4«» Volk« hannuäckdl. h 4urch rranimailrxli.uk'
tu gewinnen aueel«. — 1 Dorothea voo llrandenbarf , ajrl.br früher mit H.rr g
«•hrltlnjinj III vermählt war — 1 K'nig J>>hAnu. -Selm un4 Nachfolger ChrUtlan't I..
iah. UM. t IM-V. Im Jahre 1 1*1 haldUrtea Ihm 41a 1'iaea » Kalluadborg. —
• Gab. IUI, t I.'"-' Er wurde Im J. lilj grUngen gataui und »war «aertt
au H.,a4arliurf , nach IT Jahren aber «ach Kalluu.lfc .rir gerrarhl, »o man Ihm
sondern in dem damaligen barockenGcschmacke aufführte.
Auch scheinen diese Arbeiten mehr Ausserlichkeiten, als
wirklich nützlich gewesen zu sein, denn schon im Beginn
des XIX. Jahrhunderts fand man wieder für
uöthig, eine Hauptreparatur anzuordnen, zu
welcher, da die Kirche kein Vermögen hatte,
mittelst königlichen Befehls vom 2. Septem-
ber 1818 eine Sammlung im ganzen Laude
angeordnet wurde, die aber statt der erwar-
teten HJ.OOU Rciehsthalcr nur etwas über
8000 Thaler eintrug, so dass man nichts
Grossartiges unternehmen konnte. — Das
grösste Missgeschick erlitt die Kirche aber
im Jahre 1827.
Es wurde schon erwähnt, dass der mittlere Thurm
oder der Maricnthnrm blos von den Kreuzgewölben der
Kirche getragen und diese wieder nur von den vier
Granitsäulen gestützt wurden. Bei den Ausbesserungen
nnn , die man ober dem nordöstlichen Pfeiler an jenen
Wölbungen vornehmen musstc, auf welchen die nörd-
liche Kante des Thurmes ruhte, entdeckte man bei dem
Ilerabschlagen von Kalk nnd verwitterten Steinen, dass
die Arbeit ohne die grösste Gefahr fllr den Einsturz des
Thurmes nicht weiter fortgeführt werden konnte, und es
zeigte sich, trotzdem dass die Wölbungen reichlich
mittelst Gerüsten gestützt waren , schon nach wenigen
Tagen, dass der Thurm um einige Zolle gesunken war,
wesshalb denn auch die Kirchen Verwaltung am 4. Sep-
tember einen Berieht an die Stiftsobrigkeit erliess, wel-
chem zufolge sogleich ein bewahrter Baumeister nach
Kallundborg gesandt wurde. Allein dieser kam zu spät,
denn am 7. September Morgens acht Uhr, war der Thurm
schon eingestürzt nnd hatte die Wölbungen durchgeschla-
gen. Das Mauerwerk fiel in die Kirche, die vier Granit-
siiulcn sanken nach verschiedenen Seiten, Schiff und Chor
waren mit Steinen und Grus gefüllt und der Prcdigtstnhl,
das Altargitter und das Taufbecken zerschmettert. Die
Thurmspitze jedoch, die, wie angedeutet, im Jahre 17Ö0
mit starken Bleiplattcn belegt wurde, fiel glücklicher-
weise nach aussen hin und zwischen dem südlichen und
östlichen Thurm nieder, ohne das Mindeste zu beschädi-
gen. — So lag also eine der ehrwürdigsten Kirchen-
hauten des XII. Jahrhunderts mit einem Male in Trüm-
mern !
Die Commission, die nun aus dem Kirchcnvorstnnd,
dem erwähuten Baumeister und vier Bürgern von Kal-
lundborg zusammengesetzt wurde , begann sogleich mit
der WegrÄumung des Schuttes und hoffte schon im
Frühjahr 1828 die Granitsäulen wieder aufstellen zu
können; auch trug sie sich mit dem Gedanken, nach dem
Schloss der neu zu erbauenden Gewölbe wieder einen,
dem eingestürzten völlig ähnlichen Thurm auf dieselben
zu setzen. Indessen reichten einerseits die durch Collec-
ten eingegangenen Gelder dazu nicht hin, und anderseits
zogen sich die Verhandlungen darüber ran .Tiihrc- 1930
bis zum Jahre 1841 hinaus, so dass man im Jahre 1842 da-
hin kam, den Thurmban gänzlich aufzugeben. Mittlerweile
wurden aber doch die Gewölbe wieder gebaut und ein-
gedeckt, und die Kirche gewährt mit ihren vier Seiten-
thilnnen noch immer einen sehr merkwürdigen Anblick,
den man wohl so leicht nicht wiederfinden wird, da
man im Oegentheile zuweilen mittelalterliche Kirchen
trifft, deren einziger Thurm trotz aller Mühen nicht zur
gänzlichen Vollendung gelangen konnte. i'.
Digitized by Google
IV
Beitrag zur Kenntniss der Glockenräder.
Das königl. bayerische Natinnal-Museum wurde vor
kurze in mit einem Kirehengcräthc bereichert, das bis-
lang nur in der mittelalterlichen Literatur, keineswegs
aber in einem Iiis auf die (Segemvnrt erhaltenen Exem-
plare figurirte. Da* Glossarium von Du Cnnge-Hcnsehel
vi,. I.
Illlirt nämlich unter _l!ota u auch ein mit Gloeken und
Schellen besetztes Rad an, da« seitswärts vom l'horaltare
hefestigt war und bei der heilAYandlnng in der Messe /um
Lauten gebraucht wurde. Nebst den daselbst citirten Bclcg-
stellcn redet das von Dodsworfh Roger und Dugdale
Diöi» zu London herausgegebene Mouasticon Angliea-
uum Tom. I, 104 deutlich von Form und Zweck dieses
Glockeuradcs, wie die Erklärung des Glossariums die-
selbe vorangestellt hat. Die anderen Stellen lausen
zweifelhaft , ob darunter die erwiihnte Form verstanden
sei. Dcgcgen finde ich im „Kalcndarium Necrologicmn
Lnureshamcnse" bei Böhmer: Fontes rer. genn. III, I4ä,
untenn 2ß. Februar die Notiz: Salemnntii abbatis, lue...
«trat» pnvimenti perfecit... et ut de reliquis taceamus,
scilicet duobus uolarnm eircnlis, tribus libris etc.
Dies Ncerologicum ist bis ins XV. Jahrhundert fortge-
setzt, womit die Grenze für die Altersbestim-
mung der bezüglichen Notiz gegeben ist. —
Dass solche .Kotae cum tiutinnnbulis a oder
-eirculi nolanuii" auch im Süden gebräuchlich
waren, beweist das genannte Geräthe im
kilnigl. Nationalnmseuüi zu München, wel-
ches seitwärts im Chore des Doms zu Augs-
burg angebracht wnr. Die beiliegende Abbil-
dung (Fig. 1) zeigt dies merkwürdige Geräthe
genau nach dem Originale, nur sind die vier
Clocken deg inneren Rades hier in der alten
Form ergänzt, während das Original vier
_ moderne aufweist. Eben so verhält es sich
. L mit denen des äusseren Reifes, der nur mehr
III iL drei Gloc ken des alten Style» mit dein Brust-
bild eines Bischofs besitzt. Der Durchmesser
des äusseren Reifes betrügt 13 Zoll (Dccimal-
mass). Von der gekrümmten Handhabe hängt
der Riemen herab, mittelst dessen das Rad
leicht in Bewegung gesetzt werden kann.
Die später ergänzten Glocken beweisen,
dnss nicht blos im XV. Jahrhundert, dem
das Gerflthc dem Style nach angehört, son-
dern noch lange hernach dieses Itad im kirch-
lichen Gebrauche war und vielleicht erst in
unserem Jahrhundert bestimmungslos gewor-
den ist Der innere und äussere Zirkel, die
Speichen und Handhabe sind von Eisen , die
gezahnten altertümlichen Glocken mit der
Bischofshüstc aus Erz. Über die Bedeutung
dieses Exemplare« für die Geschichte der mittelalterlichen
Kirchetigeräthe kann kein Zweifel sein und vielleicht ist
die gegenwärtige Mittheilung im Stande, die allenfalls
noch anderwärts erhaltenen Exemplare dieser Art der
Vergessenheit zu entreissen nnd der Öffentlichen Kennt-
nissnnhme zuzuführen '. In dieser Absieht, die Aufmerk-
samkeit der Fachgenossen darauf zu lenken, wurden
diese Zeilen gesehrieben. ./. A. Metamer.
< In GtlltuUtHT» W«t* .1.' arrkllKtort du V «u XVII* ■!•»!»," Tum IV.
T«W* 18, IM «In hfff-tiM ikrUrhcr, nttl einet Meng* t*u <;)orkrft v«r»f-hrDer
.A|.p»r»ll de acm.erl« »•ttl. »L«.U.|U,- «u.iWr At>l»l tu » ul4« ■tj.Mlil.l. (A.4. R J
Ein Grabstein der St. Georgscapelle in Leutschau.
Als die St. Jakobskirche zu Leutschau um die
Mitte des verflossenen Jahrhunderts restaurirt, d. h. nnch
dem Brauche jener Zeit misshandelt wurde, traf das Loos
der Zerstörung auch die in der Kirche vorfindliehen
Grabsteine, mit Ausnahme jener wenigen, welche an
den Wänden aufgestellt waren. Wie die Überlieferung
erzählt, war der Boden der Kirche fast ganz mit Leichen-
steinen belegt, die damals zur Herstellung einer ebenen
Fläche entweder abgeschafft oder glatt gehauen wurden :
nur die weniger besuchte, der Nordseite der Kirche an-
geschlossene St. Georgscapclle blieb verschont, wo sich
daher mehrere in den Boden eingelassene Grabsteine
erhielten. Von diesen wird der besterhaltene und wahr-
scheinlich älteste in der beiliegenden Abbildung (Fig. 1)
mitgetheilt, der zwar keinen Anspruch auf einen höheren
Kunstwerth machen, aber dennoch, theils wegeD seines
Alter«, theils in heraldischer Hinsicht, nicht ohne
Interesse sein dürfte.
Digitized by Google
V
Kr liegt in der Mitte der Capelle, nahe den Stufen
des Altars, und bildet ein längliches Viereck von 6' 8"
Länge und 4' 3" Breite. Da» Helief der Oberfläche ist
noch jetzt, obgleich seit
Jahrhunderten den Tritten
ausgesetzt, ziemlich deut-
lich und nur au den erha-
bensten Stellen abgewetzt.
Auf allen vier Seiten längs
des Hände» ist in schön
geformten gotbischen Mi-
nuskeln die l'iiischrift zu
lesen: anno, bnt (dominil
inill' (esimo) r r.rrrij in
orto.no corporis .rpt (Christi)
obiit. qrorniua olrbarb fu (n)
oator bni (ni) raprllr oratr
pro (eo). Der grosse Mittcl-
raum enthält einen rechts
gelehnten Wappenschild ,
auf dessen oberer Spitze ein
Stechhelm mit einer ein-
fachen flatternden Hehn-
decke ruht ; als Helm-
schmuck dient ein Adler mit ausgebreiteten Klügeln. Das
auffallendste Stück des Ganzen ist das Wappenbild,
sehr ähnlich einem mittelalterlichen
Steinmetz- oder Kunstlerzeichen.
Selbes könnte beinahe den Schluss
gestatten, dass das Wappen ein von
dem Verstorbenen willkürlich erfun-
denes und gebrauchtes Abzeichen
gewesen sei, wenn sein Vorkommen
auf dem Grabsteine und die heral-
dischen Untcrscheidungsstücke es
nicht wahrscheinlicher machten,
dass wir ein ererbtes oder wirklich
verliehenes adeliges Wappen vor uns sehen. Dass
übrigens ähnliche Wappenfiguren nicht ungewöhnlich
waren, bezeugt ein Grabstein, der neben dem beschrie-
benen liegt und ( siehe Fig. 2| mit einem Zeichen der-
selben Art versehen ist; die l'nischrift ist aber leider
bis auf »venige, keinen Aufschluss gebende Hruchsfücke
unleserlich geworden.
Ober den unter dem Ix-ichensteine bestatteten
Georg Vlebaeh ist nusser der von der Umschrift gebo-
tenen Notiz, dass er der Gründer der St. Georgscapclle
gewesen , nichts Sicheres bekannt. Nach einer alten,
sonst dureh nichts begründeten, aber auch nicht wider-
legten Tradition war Georg, dessen Name in einem
älteren Visitationsprotocolle irrthümlich als „l'lebany* 1
angeführt wird, Pfarrer zu Leutschau, und es wäre iu
diesem Falle mit Grund zu vermuthen , dass er von den,
unter den Königen Geyza II. uud Heia IV. in die Zip«
berufenen sächsischen Colonistcn abstammte, weil Leut-
schau. bekanntlich eine von Sachsen gegründete und
vorherrschend bewohnte Stadt, nur einen der deutsehen
Sprache vollkommen kundigen Seelsorger haben konnte,
und bei dem alles Fremdartige abschliessenden Wesen
solcher Niederlassungen auch nur einen Stammgenossen
gewählt haben würde. Noch jetzt besteht, nur wenige
Stunden westlich von Leutschau entfernt, ein I'farrdorf
,.Velbach u , zwar jetzt durchgängig slaviseh, aber dem
Namen nach ehedem wie viele andere schon längst sla-
visirte Ortschaften der Gegend ohne Zweifel eine deut-
sche Ansiedelung: es ist daher möglich, dass unser
Georg als Glied einer daselbst ansässigen deutschen,
später geadelten Familie den Namen ihres Rcsitzthumcs
geführt habe, und dass die abweichende Benennung
r Vlebach u entweder von einem Fehler hei der Ausar-
beitung der Inschrift herrühre, oder der ältere damals
gebräuchliche Ortsname sei. W. Merkla*.
• Sollte dl» alfht TlellrUht .Plcblnui* hciiien I
Siegel als historische Denkmale.
Die Belagerung Wiens durch Sultan Solimnn im
Jahre 1520 war ein Kreigniss, welches die ganze christ-
liche Welt Enropa's berührte, und die siegreiche Ver-
teidigung der Stadt gegen den bisher unüberwundenen
Eroberer ein allgemeiner Triumph. Kein Wunder daher,
dass dieselbe dureh Wort und Bild in mannigfacher
Weise verherrlicht und verewigt wurde.
Das kaiserliche Münz- und Antikencabinet besitzt
eine goldene und drei silberne Klippen, auf der Vorder-
seite mit dem Wappen Kaiser Ferdinand'» I. und auf
der Kehrseite mit der Legende: TVRCK BLEGKHT
WIEN AN DEM 2:$. SE1TEMBEK. AN. 1529; — nnd
vier theils goldene, theils silberne Klippen verschiedenen
Gepräges mit der Legende: TVRCK BELGERT WIEN
1529.'
Ein ganz cigenthündiches Denkmal dieser Bege-
benheit bilden jedoch zwei Siegel der Stadt Baden,
beide in der Hauptdarstellung so wie in der Umschrift
identisch und nur durch Nebenausschmückungen von
einander verschieden. Die l'nischrift derselben enthält
weder die gewöhnliche Siegelbezcichnuug noch die
n ■
Benennung der Commune, welcher die Siegel angehören ;
sie meldet einfach nur das für das ganze Land bedeu-
tungsvolle Ereigniss :
• TVRCK • BELEGERT • WIEN • AM • 23. • TAG
• SEPTEM« • 1520 •
Auf einein der beiden Siegel ist die Umschrift von
einem Kranze umfangen, auf dem anderen zwischen
Stufenlinien auf einem erhöhten Rande angebracht.
Das Siegelbild zeigt einen
verschnörkelten deutschen Schild
mit dem österreichischen Wap-
pen, in dessen Querbalken sich
eine viereckige Kufe erhebt, in
der sich ein Mann und eine Frau
badend befinden , zwischen ihnen
steht eine Röhre , aus welcher zu
beiden Seiten die Heilquelle her-
vorsprudelt; das rothe Feld ist
damascirt und über dem Schilde befindet sich die
Jahreszahl 1488.
i n. i
Digitized by Google
VI
Das andere Siegel unterscheidet sich durch die
einfachere Form des Schildes, in welchem das rothe
Feld blank und an der untersten Spitze ein Kreuzehen
angebracht ist, Laubornamente füllen das Siegelfeld zu
Seiten des Schildes. Beide Siegel sind rund, mit 1 Z. 2L.
im Durchmesser; die Jahreszahl 1488 bezieht sich auf
die Verleihung des Stadtwappens durch Kaiser Fried-
rich III. , ist jedoch irrig, indem der Wappenbrief vom
Jahre 1480 datirt ist. Beide Siegel kommen ziemlich
selten vor, meistens in Abdrücken auf Papier Ober
grünem Wachs, sie blieben durch 37 Jahre im Gebrauch;
die Stempel derselben sind nicht mehr vorhanden. Sie
wichen zwei anderen Siegeln mit der Umschrift:
•SIGILLUM, CIVITATIS THERMENSIS IX AVSTRIA
1566, und im Felde zu Seiten des Wappenschildes mit
dem richtigen Wappcnverlcihungs - Datum : 1480 ; die
silbernen Stempel derselben werden noch im Rathhause
der Stadt Baden aufbewahrt. A'. c. Sam.
Archäologische Funde im ötelauer Kreise.
In dem Südosten Böhmens, von Miihren, dem chru-
dimer, jieiner, bunzlaner, prager und taborer Kreise
umschlossen, liegt, grösstenteils eine fruchtbare Rhene
bildend, der 68-6 Quadratmeilcn zählende cas lauer
Kreis. Er ist von den sanften Höhen seiner bewaldeten
Grenzgebirge umgeben, welche ihre Wülder in der Urzeit
sowohl an den Ufern der Zeliwka , Dubrava und
Sazava weit in sein Inneres vorschoben. Alle diese
Flusse nebst der Elbe dnrehströmen seine Flüchen und
tiefe Thaleinschnitte und ihre Ufer, nun reich bevillkert,
erfreuen sich der herrlichsten Cultur. Urkunden der Vor-
zeit erweisen, wie waldreich diese Gegend gewesen',
welche erst in spUtcrer Zeit mitunter fremde Colonisten,
wie überall in den Grenzgebieten des Landes, urbar
machten. Noch im Jahre 1233 sprechen die Urkunden
von ungeheurcnWaldgcbirgen, welche mit Sümpfen, öden
Höhen, Weiden und Wiesen bedeckt gewesen sind; und
nur das uralte Caslav (1052), Litosic (1167), Sedlec
(1142), Belany, Hllzov, Kafin, Lib6nic, Malin, Bestvina
(1137\ Chotchor, Üjezd Libccky, Vilcmnv (1120), Hahr
und Brod, Sadska (1110), Skrämntky (1052), Vrbcany
(1130), Voderady, Sazava (1032), Jenlkov u. s. w. treten
uns aus dem Dunkel der Vorzeit als urkundlich genannte
Stätten hervor; daher ist erklärbar, das» der nördliche,
nordwestliche und nordöstliche Theil des Kreises in der
heidni8cheu Urzeit cultivirter und bevölkerter gewesen
ist , wcsshalb sich auch dort die meisten Anticalicn
fanden und man vergebens nach solchen im Gebirge
und in den mit Urwald bedeckten Gebieten forschen
würde. Die gemachten Funde lagen meist in heidni-
schen BegrKbniss- und Opferstätten verborgen
und bestehen in Aschenurnen, Opfergcfässen , Stein-
wnffen, Bronzegegenständen, Schmuck, Mctallwaflcn u.
dgl. m. Die Orte, wo derlei gefunden wurden, sind fol-
gende :
Bc sinov, Krcchof, Nova ves, Ratay,
Caslau, Kfesctie, NW dvory, Sedlec,
Hllzov, Kuttenberg, Opocnic, Sedlov,
Horka, Lüne, Ovtfar, Skramnlk,
Kanfim, Lösau, Beeck, Snchdol,
Kbcl, Malin, Polna, Teynic,
Kolin, Nebovid, Radbor, Vysoka,
Vitie und Zabor.
Nebst dem zählt der easlaner Kreis vier bedeutende
Erdwälle n. z. in Libic, Hradisko, Hryzcl und Kaufim,
welche eben auch zu den Überresten der heidnischen
Vorzeit gerechnet werden müssen.
Der nahe an Kaufim gelegene fürstlich v. Liehten-
steinische Meierhof Bcsinov wurde von mir am 10. Juni
1849 besucht. Schon im Jahre 1797, als dort der Platz
geebnet wurde, fand man in dem vermeinten Wallgraben
der Burgstclle Kacov mehrere mit Asche und Knochen
gefüllte Urnen, und später 1801 entdeckte man auf der
FeldUar na Berank u ein 2 Klafter langes, 8 Fuss
breites unterirdisches Behältnis» mit Kohlenrcsten in der
Tiefe von 8 Fuss '. Ich fand die sanft eingetiefte Fläche
nm Felde Käcov CO Klafter lang und 10 Klafter breit,
sie bildete einen länglichen Umkreis. Eine reiche Qnclle
tritt dort hervor und versieht den nahen Meierhof mit
ihrem Wasserschatze. Das durch den Pflug aufgewühlte
Erdreich ist mit Urneutrümincru reichlich durchmengt,
und ich unterschied aus diesen Fragmenten 8 Gattungen
Urnen, worunter die mit Graphit versetzten Thon-
Scherben die Vorherrschendsten zu sein schienen. Sie
waren zart und glatt. Man findet Knochenreste aller
Art mit Pferde- und Eberzähnen gemengt und unter diesen
Urnen und OpfcrgcfässtrUmmcr. Nebstdem sah ich noch
hinter dem Scheuergebäude des genannten Hofes vier
kleine kegelförmige Erdhügel, nämlich Ehrcndcnkmale
heidnischer Todteu , welche jetzt zu ökonomischen
Zwecken verwendet werden uud in ihrem Innern zer-
trümmerte Urnen bergen.
Öaslau. Diese uralte böhmische Stadt, welche einst
an der alten und jetzt noch benutzten Heerstrassc nach
Mähren lag und als wohlbcfestigte Burg der caslauer
Zupa geschichtlich bekannt ist, brachte nur Stein-
objeetc', dann beim Baue der neuen Cascnic auch
heidnische Aschenurnen zum Vorschein.
Hllzov, '/, Meile nordöstlich von Kuttenberg
gelegen. Bei diesem Dorfe fand man mehrere Urnen,
z. B. traf man in offener Feldflur zuerst 6 Aschenurnen
verschiedener Grösse, dann noch eine dunkclgelbe,
stark ausgebauchte, mit eingedrückten Querstreifen
gezierte, von 7 Fuss Höhe und 6 Fuss 6 Zoll im Durch-
messer. Heinrich Graf v. Chotck verehrte diese Sachen
dem vaterländischen Museum Böhmens, welches sie in
der Abthcilnng seiner heidnischen Thongefässe unter
Nr. 164—168 und 200 aufbc wahrt.
Horka. Bei meiner diesjährigen Bercisung des
cAslnuer Kreises und meinem Besuche zu Zieh fand ich
in den reichen Sammlungen Sr. Durchlaucht des
kunstlicbcndeii Fürsten Vinzenz v. Allersberg auch
eine wohlerhaltcne stark ausgebauchte mit Knollen ver-
zierte Aschcnnrae, welche mit mehreren andern, je-
doch leider durch Unkenntnis» der Arbeiter zertrüm-
merten Thongefässcn Iwi dem fürstlichen Meierhofe
• K»llln.»™Jlith..il«l» „n.-hiu«.. heldnk.cb ? Opf« r lSt«,«rt-(.,.t
Od AIITIhUiu«" IM3. S.Uo l»3. - > )- F. Wocol
Digitized by Google
VII
Horka am 26. Decenibcr 1857 4'/, Fuss tief in der Erde
entdeckt worden ist,
Kauf im. P. Krobms fand daselbst eine mit einge-
drückten Punkten gezierte Urne von grauer Farbe,
4 Zoll hoch, 3 Zoll in der Öffnung — sie war sehr
beschädigt und wird im vaterländischen Museum zu
Prag unter Nr. 158 aufbewahrt.
Kbel. Am 26. Mai 1848 Überbrachte mir ein
Arbeiter der Suckdolcr Zuckerfabrik einen bedeutenden
Scherben vou einem durch Unvorsicht zertrümmerten
Aschcngcfässc , welches zwischen den von Suchdol
1 Stunde entfernten ürtern Kbllck und Kbel in einem Stein-
bruche 9 Zoll tief unter der Grasnarbe gefunden wurde.
Es war dies eine der grössten Ascbenurnen, von denen
unser vaterländisches Museum nur 2 Exemplare besitzt,
welche von Ovcncc und Kolin stammen. Nach dem
erhaltenen Scgiucute berechnete ich den Umfang jener
Urne auf 5 Fuss, ihre Hübe beiläufig auf 1 Fuss 3 Zoll.
Asche und Knochentrttmmer füllten ihr Inneres. Von
dort aus Hess ich mir den zwischen baumreichen Obst-
gärten gelegenen Ort zeigen, wo zwischen Kbel und
Klein -Loschan bei der Planirung der damals neu
angelegten Strasse, eben derselbe Arbeiter zwei Leichen-
gerippe tief in der Erde , uaeh Süden gelagert, aufge-
funden hat. Die Armknochen zierten spiralförmig gewun-
dene Bronzeringe mit glänzender Patina bedeckt, auch
eine Fibula von Hronze lag im Brustkorbe. Sie ist von
besonderem Wcrthe, indem sie sich in ihrer ganzen Elasti-
cität und mit allen Verzierungen erhielt Alle diese
Objeetc Ubergab der Finder Herrnjoseph Nachodsky Ritter
von Neudorf, welcher sie dem vaterländischen Museum
verehrte, wo sie unter Nr. 262 und 261) anfbewahrt
werden.
Schon Kallina von Jäthcnstcin erwähnt in seinem
Kreits angeführten Werke (Seite 168) der im Jahre
IS 30 zn
KolinandcrElbe, an den Mauern des evange-
lischen Friedhofs gefundenen Urnen. Das grösstc dieser
ungewöhnlichen Ascbcngcfitssc bat 5 Fuss l'/, Zoll im
Umfange, ist 1 Fuss 7 Zoll hoch und zählt 1 Fuss 8% Zoll
iu seinem grössten Durchmesser. Sie werden alle im vater-
ländischen Museum unter Nr. 2 — 7 aufbewahrt.
In dem Jahre 1859 wurden abermals in der caslaucr
Vorstadt daselbst, hei bem Graben der Gründe zur An-
lage der neuen Realschule, Urnen mit Erde und Knochcn-
Ubcrresten gefüllt aufgefunden, welche nebst andern
Thonscherben in den technischen Sammlungen der dor-
tigen Realschule zur Aufbewahrung gelangten.
K t e £ h o f. Im Frühlinge des Jahres 1 848 entdeckte
ich mitten in dem Dorfplatze einen ausgedehnten heid-
nischen Bcgrlihnissplatz. Fette, schwarze Erdschichten
deckten Kohlen und Knochenreste, reichlich untermengt
mit Tausenden von Urneuscherben von mannigfacher
Farbe und Form. Die Böden dieser Grabgefässe hatten
kreisförmige , oder dreieckige und punktirtc Abzeichen
und ihre schön gebogenen Ränder waren mit parallelen
Streifen, Zickzacklinien und gegitterten Umrandungen
geziert. Ein Jahr darauf verschwand der ganze Begräb-
uisspmtz. — Man ebnete die Stelle und Tausende von
Erdfuhren wurden von den Einwohnern auf ihre Felder
als Düngmittcl herausgeführt. Eiserne Waffen, die
hier häutig gefunden werden, sind Ueberreste des
anno 1757 durch Daun crfochtcncu Sieges Uber die
Preusscn.
Krcsctic. In diesem mit einer schönen Kirche
gezierten Dorfe entdeckte man im Jahre 1862 einen
heidnischen Opfer- und Bcgräbnissplatz, und zwar in
dem Gurten des Bauernhofes Nr. 67. Leider hat
der Besitzer mit den ihm unbekannten Asehengefässen
reine Arbeit gemacht — und ich sah nur ihre Trlltnnicr
auf das nahe Feld führen.
Kuttenberg. Wie sollte das schöne, von der
schäumenden Vrchlice dnrehwüssertc Thal, wo sich jetzt
die herrliche Stadt mit ihren unvergleichlichen Baudenk-
malcn ausbreitet, in der fernen Vorzeit nicht bekannt
gewesen sein, indem das nahe Sedlec, Hlizov, Nnve
Dvory uud Malin zahlreiche Fuude aus jenen Tagen
darboten?
Schon 1846 gelangte man mitten in der Stadt auf
Urnen und Steiuobjcete '; auch Ubergab in demselben
Jahre Herr Universitäts-Professor J. E. Wocel dem
vaterländischen Museum einen in Kuttenberg gefundenen
Bronzeschmuck in Gestalt eines Hufeisens und eine
Spirale aus ßronzedrath, welche in der genannten
Sammlung unter Nr. 437 und 438 aufgestellt wurden.
Im Jahre 1862 wurden beim Grundgraben und
Felsensprengen in der Nachbarschaft der M. B. Teller-
schen Zuckerfabrik im Felsen ausgehauene, viereckige,
4 Fuss 6 Zoll breite, 5 Fuss lange, circa 1 Klafter tiefe
überwölbte Gruben (besser Gräber) aufgedeckt, in
welche Aschenurnen nebst anderen Gefassen eingesenkt
waren. Der harte Fels, bedeckt mit Rasen, Sträuchern
und Bäumen, war nie näher untersucht worden, und man
konnte dort am wenigsten solche Funde ahnen. Die
Gcfässc hatten verschiedene Formen, waren meist mit
Asche gefüllt und von schwarzer Modererde umgeben.
In einem dieser Gräber befand sieh das Jochbein eines
Vierfüsslcrs, in einer Aschcnurue der Sehnabel eines
Vogels, und in einer dritten ein Ei. Das Ei war mit
Kalktuff stark incrustirt und im Innern der Schale
lag ein bereits verkalktes Kiümpchen, Reste des Ei-
weisses und Dotters. Die Gestalt der meisten Gcfässc
ist edel geformt und sie dürften schon den letzten Pe-
rioden des Heidentbnmes angehören. Sie sind meist glatt
gehalten und mit flachen Deckeln versehen. Der Thon
ist rein und fein bearbeitet. Bis zum 23. Juni 1862
waren 4 Gräber aufgedeckt. Die meisten jener GefJisse
besitzt die Kuttenberger Realschule, einige aber der Herr
Zuckerfabrikant M. B.Teller. Die Hand, welche einst
diese merkwürdigen Grabbehausungen im harten Ge-
steine mit seltenem Geschick ausmeisselte, war dem
Bergbau gewiss nicht fremd gewesen.
Libic. In dem uralten Sitze der Slavnikc zu Libic,
am Einflüsse der Cid Ii na in die Elbe, deren Gebiet Pro-
fessor Tomck so trefflich beschrieb fand ich umfang-
reiche Erdwälle, inner welchen das Pfarrdorf Libic
liegt, während ein anderer länglich runder Erdwall,
Feldfluren und einen Weingarten umschlic&send, eine
Menge Knochenrcsto und zertrümmerte Aschenumen
aufzuweisen pflegt, von welchen ich selbst eine ganze
Reihe besitze. Auch fand ich dort l>ei einer von mir
unternommenen Nachgrabung, innerhalb einer schön ver-
glasten Schlacke, eine Menscltenrippe eingeschlossen.
Dieser Knochen mag aus jener Katastropho herrühren,
in welcher die Vrsovccn am 25. September 996, als
Feinde des Hauses Slavnik, Libic eroberten und Alle, die
I 0. E W.cil r,n»d<ü«« 4er bbhsi. AIUrthum.ku.Mo 8*lw « - « f.
aiitky «rlM.ologl.kd I). III. 97-10!.
Digitized by Google
vm
sie lebend fanden, tödteten. Nicht fern von dort int
das alte, (Wie Üldfis, in dessen Niilie im September 1 858
fllnf höchst merkwürdige byzantinische Kreuze gefunden
wurden, welche in dem III. Theile der Pamätky archaeol.
S 363, so wie in den Mitteilungen der k. k. Central-
Commission durch Professor Wocel besehrieben wurden.
Mal in. Aueh hier fand man vor wenigen Jahren
bronzene Schmucksachen , die aber leider vom Kupfer-
oxyd sehr stark angegriffen waren. Sie bestanden aus
Kleiderheften, Ohrgehängen und Haarnadeln, auch
traf man hier Stcinobjcctc.
Nehovid. Im Herbste des Jahn» J S41> wurden von
mir in diesem einst zur ehemaligen Herrschaft Petsehkau
gehörigen Pfarrdorfc bei dem tiefen Dortbruiinen na
Smutonjku Spuren eines heidnischen Begräbnis*-
platzes entdeckt. Die Rasennarbe barg eine mächtige
Schichte von Aschenerde, worunter man l'nientrüninicr
mit Knoehetircsten vermengt vorfand, die mau später
auf die nahen Fehler zur Düngung verführte. Die l'roen-
seherben boten an ihren Rändern mannigfache Verzie-
rungen dar , waren aus einer rohen Thonmasae geformt
und ihre Böden seheinen mitunter Dreiecke, Kreise,
aueh andere nnregehnässige Striche zum Zeichen gehabt
zu haben. Ganze Gcfässe wurden nicht gefunden.
Zu Novaves (Neudorf) wurde durch P. Krotmns im
Jahre 1847 ein kleines heidnisches Grabgefiiss, 2 Zoll
4 Linien hoch, 2 Zoll b' Linien in der Öffnung, gefunden
und dein vaterländischen Museum Ubergeben.
Novc Dvory (Neuhofi. In den dem Städtehen
naheliegendeu Fcldtluren fand man Bronzeringe, unter
denen sieh auch ein kleiner eiserner King vorfand,
ferner Spiralringe von Bronzedrath, welche alle der
Besitzer von Neuhof, Herr Heinrieh Graf von Chotek,
dem Museum schenkte. Sie sind in dem Verzeichnisse
der archäologischen Sammlungen Seite 41 und 48
beschrieben.
Was die vier Orte: Ovcär, Peeek, Skramnik und
Vitie betrifft, so findet man sie in Anton Schmitt'« ar-
chäologischer Karte von Böhmen von 184.*>, als Fund-
orte heidnischer Begrithnissstätten bezeichnet.
Po Ina. Als ich im Jahre 1?C>7 am 21. Oetober
diese Stadt besuchte, wies man mir in dem Xntttralicn-
Cabinete der neuerbauten Hanptsehule eine cdelge-
fornite Urne aus hellgelbem Thone, glatt gearbeitet,
stark ausgebaucht (."> Zoll hoch und f> Zoll im mittleren
Durchmesser) und mit zwei, am engen Halse angebrach-
ten Henkeln. Dieses Gefiiss fand Karl Nowotny, Bürger
iu Polna, beim Strassenbane auf der Feldflur n a s 1 1 n a d I e
(Kichtstntte). Auch wird dort ein uraltes verrostetes
Sehwert gezeigt, welches im Spitalwalde bei Stäjc
nächst der mährischen Grenze gefunden wurde. Ks ist
dies die sogenannte altböhmisehe nozna (1 Fuss 1 '/, Zoll
langl mit einem Kreuzgriff.
Radhor, ehedem Ratibor genannt, hat sieh seit
dem Jahre 18f>7 als reicher Fundort heidnischer Altcr-
tliumer bekundet.
Bei der Anlage zur neuen Zuckerfabrik 1 8.">7 ent-
deckte man einen grossen heidnischen Lcichenucker.
und wo man grub, kamen Haue und Spaten auf Gebeine
von Menschen und Thieren, L'rnentrttnimer und Aschen-
sehichten, welche mehr als eine Klafter tief in der
schwarzen Erde lagen. In drei aufgeschlossenen Gräbern
land man drei granitene HandmUhlstcine, wovon zwei
vollkommen zu einander passen. Die Peripherie derselben
beträgt 4 Fnss 1 Zoll 5 Linien, die Dicke 3«/« Zoll.
Sic gleichen den HandmUhlsteineu, welcher sieh heut zu
Tage die Araber und Beduinen bedienen '. Diese Steine
deckten die, in Steinnestern aufbewahrten und von ihrer
Wucht zertrümmerten Urnen. Diese letzteren waren von
verschiedener Form und aus verschiedenen Thongartun-
gen gebildet, leider konnten nur wenige unzerbrocheu
herausgebracht werden, deun die meisten zerfielen.
Einige dieser Gefässe waren in einander gesteckt und
andere, schalenförmige kleinere, waren um grössere
Aschcngefässe gereiht Die grossen Geschirre waren
stark mit Graphit versetzt, Unter diesen Urntn und
rrnentrltmmern wurde aueh ein Bronzering in Gestalt
einer Sehlange, eine Annspange und eine Pfeilspitze
ans einem Thierknochen gefunden. Ncbstdetn wurde
später ein Spindelring aus gebranntem Thon, ein ähn-
licher aus grünem Glas, eine steinerne Pfeilspitze,
ein bronzenes Bettfragment, ein eiserner Pfeil mit star-
kem Widerhaken und ein Glaskugelchen gefunden,
welche Gegenstände im Besitze des dortigen Kastucrg
Herrn Joseph NawrAtil blieben. Haarnadeln, Kleider-
spangen und einfache Bronzeringe wurden aus Unkennt-
nis* verworfen. Aueh hinter dem Radbofer Wirthshause
fand man zwei HeidengrHbcr , welche ein trichter-
förmiges Profil hatten und mehr als J Klafter tief
reichlieh mit Asche, Kohle, Knoehenresteu angefüllt
waren. Häufig wurde in deren Mitte ein durchlöcherter
Stein (?) gefunden. Auch in der Remise oberhalb der
r Thcresien-Ruhe" — granatov^ remizek genannt —
sind solche Stätten sichtbar. Seihst als man aus dem
nahen Kofenicer Teiche den Schlamm auszuführen
begann, fand man dort eine Unzahl roher starker Uruen-
trtluimer. Dcssglcichen fanden Arbeiter nn dem südlichen,
sanft ansteigenden Uferrande der Seh od ec er Mühle
zwei bronzene, 4 Zoll 10 Linien lange Stäbe, die im
vaterländischen Museum unter Nr. 5"»4 und ">">"> nebst
den dort vorgefundenen Untenscherben aufbewahrt
werden. Auch als der südwestlich von Hadhor gelegene
Sedlover Tejch seines Schlammes entleert wurde,
fand man dort Überreste eines uralten Pfluges, dessen
Holz fast versteinert war, aber von rohen Händen zertrüm-
mert wurde. Sedlov selbst hat in einer flachen Feldflur, na
Hra.de genannt, einen 200 Schritte im Umfange haltenden
Erdwall aufzuweisen, dessen AnInge hufeisenförmig
f>8 Schritte lang, 22 breit, eher einer heidnischen Cultns-
stätte, denn einem Burgwnlle ähnlich ist, zudem weiss
man, das« sieh die ehemalige Vcste bei dem jetzigen
Meierhofe befand. Übrigens ist die Radhorer Gegend
reich an heidnischen Alterthümcrn. So hat das nahe
Bofetic vor Jahren Beweise geliefert, dass es mit
Radbof zusammenhängende Ustriiien und Opferstätten
hatte, und zwar auf den Feldfluren n a H ra d i s t i und n a
Vratove. Merkwürdig waren dort eine Reihe mit Thon
ausgefüllter Löcher, wie man sie in südslavischeu Län-
dern und auch in Ungarn zum Aufbewahren des Getrei-
des antrifft. In einigen dieser Löcher fand man stark ver-
glaste Schlacken, welche auf einen hier vorgenommenen
Schmelz- oder Klühproeess schliessen lassen, ohne das«
aber irgend ein Metall- oder Thongeräthe hiebei vorgefun-
den wurde, welches auf eine glückliche Hypothese hätte
führen können. Ich und Joseph Ritter von Nnchodsky
übergaben Urnen und andere Objeetc und endlich etwa
' I..,j»Kl Nlui" un.l ll.'.jloii, Srlt. rlii.
gitized by Google
IX
60 kleine Bronzeringe dem vaterländischen Museum zu
Prag '.
Katay, ein Stadtehen mit einem .Schlosse und
einer Pfarrkirche, wurde erat später dem caslancr Kreise
einverleibt.
Schon Kalliua von JäthenBtcin spricht in seinem
bereits erwähnten Werke (pag. 177) von den dort gefun-
denen merkwürdigen Bronzen, welche Professor J. E.
Wocel einer calkrometisehcn Probe unterzog und sie 3
in die Zeit der ältesten Bronze - Periode , wo das
Mischungsverhältnis» von Kupfer und Zinn zwischen
100 und 85 Percent lag, stellt. Das vaterländische
Museum zu Prag hat von dort nachstehende Objcete:
Nr. 44. Ein Beil mit Schaftloch, 3 Zoll 7 Linien lang,
1 Zoll 2 Linien in der Schneide.
„ 62. Eine grosse bronzene, mit Patina bedeckte
Sichel.
„ 64. Eil) Fragment eines spitzigen, sichelförmigen
bronzenen Messers, welche drei Gegenstände
im Jahre 1825 gefunden wurden,
ferner:
„ 222. Einen in zwei Hälften zerbrochenen Bronzcring.
Die eine Seite ist glatt, die andere durch 27
(etwa 1 Linie breite) erhabene Reliefstreifeu
in Felder abgetheilt, welche theils glatt, thcils
mit Linien geziert sind. (Er hat 4 Zoll im
Durchmesser.)
S e d 1 c e. Niemand wird in Abrede stellen, dass das
ehemalige Cistercienserstift daselbst ein uralter Bau sei.
Auch dort fand man dtlnne, glatte, einfache Bronzeringe
und Fragmente von Haarnadeln, die noch der Periode des
Heidenthnmcs angehören.
Zuletzt muss ich der Funde gedenken, welche vor
einigen Jahren in Suclidol (suehy dol, dllrres Thal)
vorkamen.
Das Städtchen Suchdol liegt 1 Stunde westlich von
Kuttenberg. Pfarrkirche, Sehloss und Meierhof bilden
die ansehnlichsten GcbUndc. Dort fanden wir bei der
Austiefung einer Grube, die in einem der untersten der
uralten SchlossrUuinc angelegt wurde, das Bruchstück
eines Steinhammers aus schwarzem Diorit (3 Zoll
8 Linien lang), dann den untern Theil eines breiten Stein-
keils von 4 Zoll Länge, 3 Zoll D Linien Breite, endlich
Fragmente vou Thongeschirren aus einer roh bearbeite-
ten Masse. Später eutdeckte man auf der Feldflur na
startim Suchdolc (alten Suchdol) wieder ein Frag-
ment eines starken Bronzeringes mit Patina Uberzogen.
Endlich sind der Sage nach unter dem Gipfel des
Wysoka-Berges häufig Steinkeile — hromove kllny
— Donnerkeile mit durchbohrten Löchern gefunden
worden.
Einer dieser Keile aus schwarzem Diorit (4 Zoll
3 Linien lang, 1 Zoll 6 Linien breit und 1 Zoll hoch) lag
frUhcr in der Dachfirste eines Häuschens, wo er dem
Aberglauben zufolge den Blitzstrahl abhalten sollte.
Später diente er als Heilmittel bei Brüchen kleiner Kinder,
' Vcrcl. mniMii «uirühriumn Birl.l.i
III, Mit» a*>. ' Im (UtcUBs.hrrlrlii*
<ml\cu NoTfwb.iUcft UM »1 Aprils« ig
IX.
lu iI.ii 1'amAikr »rjli»enlo»i--l.:
.Irr k Aki.lmiK iltr »Iiiid
und gelangte dann in meinen Besitz. Auch diente er bei
karg melkenden Ktlhen, um den Milchnutzen zu fördern,
indem man vor Sonnenaufgang den Milchstrahl durch
seine OefFhung in die Gefässe fliessen Hess. Alle die
zuvor erwähnten Objcete schenkte ich dem vaterlän-
dischen Museum zu Prag, wo sie unter den Nummern
136, 137 nnd 138 aufbewahrt werden.
Teynicc-labska (Elbctcinie). Nicht fern von
diesem zur Krondomaine Pardubic gehörigen Städtchen,
befindet sich auf der sudöstlich gelegenen Feldflur
na S värove ein heidnischer Begräbnissplatz mit bereits
längst verflachten Grabhügeln, in deren Innerem man die
gewöhnlichen Beigaben der Heidengräber: Holzkohle,
Asche, Moder, l'mentrllmmer, Knoehenreste. Bronzefrag-
mente n. s. w. auffand. Tagearbeiter, die mit dem Ebnen
der dortigen Wiesen beschäftigt waren, zerstörten ans
Unkeuntniss die meisten dieser Sachen.
Bei meiner Anwesenheit daselbst im Jahre 1860 be-
sichtigte ich na Svarovc und veranlasste, da*s ein d«rrt
gefundenes unbeschädigtes kleines schwarzbraunes.
1 Zoll 6 Linien langes, 2 Zoll 1> Linien in der Oeft'niing
breites Thongefäss, dann -ein Fragment einer l 'nie, nebst
einer Bronzenadel mit abgeplattetem Knopf und einem
Bronzeringe dem vaterländischen Museum Ubergeben nnd
dort unter den Nummern 100, 101, 585 und 586 auf-
gestellt werden konnten. In derselben Zeit gelangte
ich zur Kenntnis*, dass in dem von Kuttenberg 2 Stunden
östlich gelegenen Pfarrdorfe:
Zäbof, unfern Elbctcinie, ebenfalls Objecte aus der
heidnischen Vorzeit zum Vorscheine kamen.' Ich säumte
nicht, mich dorthin zu begeben.
Zabof ist bereits in den Mittheilungen II. Jahrgang
MaiheftS. 116 als uralter Kirchenort bekannt gegeben
und dessen merkwürdige romanische Kirche mit ihrem
köstlichen, leider durch eine dicke Kalkknistc verun-
stalteten Portale , durch Herrn E. 0. Wocel sehr genau
geschildert worden.
In dem Hofe Nr. 11 fand ein Bauer bei einem
Grundhaue l'raenscherben, von welchen sich ein be-
deutender l'rnenraiul in den Händen des dortigen
Üaplans P. Wenzel Wanek befindet. Derselbe Bauer fand
dort auch zwei höchst primitiv geformte eiserne Schlüs-
sel, einen stark oxydirten Sporn, das Fragment eines
gebrochenen, vom Roste fast verzehrten Schwertes, und
einen mit Pcrlmuttereinlngen versehenen Griff von einer
unbekannten Waffe, nebst 16 Sttlck Silbergroschen aus
der Hegicrungsepoche des Johann von Luxemburg
(1311—1346).
Alle diese Sachen Ubergab dieser unwissende Land-
mann an Unberufene, die da vorgaben, sie dem Museum
zu Übermitteln.
Es bleibt noch zu bemerken, dass alle die hier er-
wähnten AlterthUmer slavischen Ursprunges sind, weil
die metallinischen Mischungsverhältnisse der gefun-
denen Bronzeobjecte , bei welchen der Zinnzusat/, in
grösserem Verhältnisse erfolgte, darauf hindeuten.
Fram lieaetrh.
Digitized by Google
X
Die älteste Abbildung von Triest.
Der Dom zu Triest gehört bekanntlich zu den
ältesten christlichen Bauten im puizen Kaiserthum
Österreich , indem er schon im vierten Jahrhundert auf
den Fundamenten eines Tempels der eapitoliuisehei)
Götter gegründet wurde. Noch heute steht dieses alte
Hauptschiff mit der Apsis, in welcher die zwölf Apostel,
und Uber diesen die heilige Maria in Würfelmosaik dar-
gestellt sind'.
Im sechsten Jahrhundert baute man eine zweite
Kirche ganz nahe hinzu und schinllckte die Apsis der-
selben ebenfalls mit Mosaikarhcitcn, welche den Erlöser
zeigen, zu dessen beiden Seiten die Schutzheiligen
Triest's, nämlich St. Justus und St. Scrvulus angebracht
sind, l'm das Jahr l.'tOO vereinigte man endlich diese
beiden Kirchen dadurch , dass man zwischen ihnen ein
grösseres Mittelschiff aufführte. Somit wurde die ältere
Kirche zum linken Seitenschiff (nave di pietä), die
spätere aber zum rechten Seitenschiffe (nave di San
(Üusto), und in diesem zeigt sieh, wie schon angedeutet,
das Mosaikbild des hciligeu Justus, welcher iu seiner
Hechten eine Cypresse hält.
Unter dieser Mosaik ist der heilige Justus noch ein-
mal und zwar in Frese« dargestellt, der eine Art Mi»-
rewahrt
ilell der Stadt Triest auf der Hand trägt. Man
auf dieser Abbildung den ältesten Thcil der heutigen
Stadt Ja citta veechia). Oben zeigt sich der Dom mit
• S. 4. Miill.riln'.fm 4rr Outr.-CoM. f. IM u *ul
seinen drei Pforten und dem grossen Kundfenster, und
daneben steht der vierseitige Campanilc, au welchem
man noch jetzt mehrere antike Säulen wahrnimmt. Er
galt in früherer Zeit ganz gewiss als der Beffroy des
kleinen Tergestum, da man von ihm aus jede Annähe-
rung eines Feindes gewahren konnte.
Von ihm ziehen die crenaillirten Wallmauern herab,
welche die Stadt umschliesscn und von neun viereckigen
nach der Stadt zu offenen Thürmen vertheidigt werden.
Nach unten, gegen den Strand zu, liegt der grösste Bau
der Stadt, nämlich das Castell, mit einem Haupt- und
zwei Nebenthoren und vier Thürmen. Die Häuser inner
den Hingmaucru erscheinen alle ziemlich klein. Sie sind
keineswegs in strassenähnliche Reihen gestellt, auch
unterscheidet man unter ihnen keines, das sich durch
irgend einen architektonischen Schmuck als ein Municipal-
gebände oder i'alatium kennzeichnete.
Das Castell ist in einem Parallelogramm angelegt.
Ks hat links und rechts von dem Vor- oder Thorthurm
crenuillirte Mauern mit Schiessscharten , von welchen
letzteren sich an der linken Seite drei grössere, und an
der rechten sechs kleinere betinden. An jeder Kckc des
Castells steht ein Hochthurm, der westliche ist mit Zinnen
versehen, während der östliche mit einem Dach gedeckt
ist. Dieser Thann soll noch im vorigen Jahrhundert zum
Theilc gestanden sein und eine, freilich sehr tnittel-
mässige Abbildung desselhen in stueco findet sich an
einem der Häuser, welche an der (!renze der ehemaligen
citta vecchia stehen. Aus dein Mitteitheile der Burg
erhebt sich der vierte Thurm.
Es ist sehr zu hednuern, dass man bis jetzt noch
aller schriftlichen Quellen entbehrt, um den vorliegenden,
sowohl an und für sich als für die Geschichte des älteren
Städtebaues höchst wichtigen Plan genauer detail liren zu
können. Ein Plan von Triest, der um das Jahr 16IJO
unter der Stadthauptmannschaft des Benvenuto Pctazzi
aufgenommen wurde und aus dem man sich in Bezug auf
das ältere Triest gewiss manchen Rath hätte holen
können , ging leider gänzlich verloren , und man weiss
nicht einmal ob derselbe blos geometrisch oder in der
Vogelschau dargestellt war.
Rosctti führt in seinen Annotationen zu Tomasini's
Handschrift: „Tricstc ed i Triestini intorno al 16ÖO-
an, dass ihm nachfolgende ftlnf Darstellungen von Triest
zu Gesicht gekommen seien'.
1. „Die Malerei in der Apsis des Hauptschiffes von
San (Üusto, welche einen Heiligen vorstellt, der ein
Modell der Stadt Triest in der Hand hält. Opera del
secolo XV.« — (?)
2. Die Ansicht von Triest vom Jahre 168'.» bei VaJ-
vasor. (Ehren des Herzogthums Kraiu T. III, Taf. zu
pag. 5980
3. Eine Federzeichnung vom Jahre 1694, welche
einer Handschrift des Dr. Pietro Rosetti in der Stadt-
Bibliothek von Triest beigebunden ist.
• V«*l L'Archen g r»In Trloltno Trk.w IW, T I, p. Iii
Digitized by Google
XI
4. Das Bild in der Apsis mit dem St. Justusaltnr
(von welchem oben der Holzschnitt gegeben wurde) und
5. Der Plan der Stadt und des Hafens von Triest,
in Kupfer gestochen um das Jahr 1725. (Den einzigen
bisher bekannten Abdrark von dieser Platte besag» noch
um da« Jahr 1828 die Familie der Costanzi zu Triest.)
Vincenzo Scnssa gibt in seiner „Storia cronografiea
di Triebe- (Triette 18G3, 4.) zum Cap. XI (pag. 19)
eine Ansicht von Triest ans der Zeit r <|<iando Triestc
fn onorata d'esser colonin dc ! Roinani- 4 , die so ziem-
lich in das Bereich der Phantasie gehören dürfte, nml
eine zweite vom Jahre 1500 (zu pag. 101), gleichfalls
ohne eine Quelle davon anzuführen. Jedenfalls wäre es
sehr wün schens werth , dass man sieh in der reichen
Stadt, die sich „la tons-jours fedele" nennt, ernsten
Forschungen Uber ihre frühere Gestaltung hingHhr.
Correspondenzen.
Über die Holzkirchen im Bordosten Ungarns.
SwuhniÄr. «teil t?. Der. IRrt:.
Es wurde vor einigen Jahren an die Ccntrnl-Com-
mission berichtet, dass im ganzen Gross wardeiner Ge-
biete vor Zeiten keine deutschen Colouistcti lebten und
daher auch keine historischen Itandenkmnle derselben
vorhanden seien, eine Kirche in Nyie-Bathor im Sza-
bolcser Comitate ausgenommen.
Spater, nämlich im Jahre IflftO, wurden aber einige
interessante Daten und zwar nicht nur über eine, sondern
Uber zwei gothische Kirchen , in dem genannten Markt-
flecken geliefert. Es läiRst sich aber kaum denken, wie
gross mein Staunen war, als ich bald darauf in das
genannte Verwaltungsgebiet kam und nicht nur im Sza-
bolcser, sondern vorzüglich im weitgedchnten Szathmä-
rcr Comitate, ferner im Mittcl-Szolnoker, Marmaroser,
Ugocsaer, Bercgher, l'nghvarer, Templiner und Saroscher
Comitate viele, ja recht viele gothische und sogar roinnni-
sche Kirehenbauten und höchst interessante gothische
Holzkirchen fand , die bis jetzt Niemand beachtete und
von denen nur Herr Architekt Lippert einige in der
Eile abzeichnete. — Die Stadt Szathnuir wurde schon
unter Stephau dem Heiligen durch bayerische Colonisten,
die von der Königin Gisela nach Ungarn berufen wur-
den, gegründet. Unter Geysa II. kamen, zu Anfang des
12. Jahrhunderts, sogenannte Sachsen nach Ungarn und
zwar vorzüglich in die Zips, nnd spUter nach Kasehau, und
siedelten sich an den südlichen Karpathen, bis hinciu in
die Marmaros, bis nach Nagybanya und nach Sieben-
bürgen hinab an. Und wo sie sieh niedcrliessen, da er-
bauten sie auch Kirchen, die grossentheils noch Uberall,
bald mehr bald weniger erhalten, vorhanden sind und
glänzende Zeugnisse ihres Kunstsinnes, ihrer hohen
Religiosität und ihres lobenswilrdigen Cnltnrtriebes sind.
Es waren nlimlieh auch in Ungarn die Deutschen die
Arbeiter auf dem Felde der Cultur.
Aber nicht nur dort, wo einst Deutsche wohnten,
bestehen noch jetzt kirchliche Baudenkmäler , sondern
auch in solchen Orten und in solchen Dörfern, die von
I ngam bewohnt waren, denn «lie Handwerke waren
in Ungarn beinahe ausschliesslich den Deutschen
Uberlassen. Der durch seine Gelehrsamkeit bekannte
DomherrUeorg Fejt 4 r, königl. Univcrsitatsbibliothekar
in Pesth, gab vor mehreren Jahren ein treffliches AVerk-
chen Uber den Cultureintiuss der Städte in Ungarn
heraus ; aber sein literarischer Gegner Stephan von Hor-
väth bemühte sich , ihn zu widerlegen, und alle dics-
fitlligc Ehre den nngnrischen Prälaten zn vindiciren. Der
letztere bedachte aber dabei nicht, dass die ungarischen
Priilaten in den Gebieten der Baukunst, Bildnerei und
Malerei nur durch deutsche Künstler nnd Handwerker
etwas Rühmliches schaffen konnten. Alles was bisher von
byzantinischem Wirken in Ungarn behauptet wurde, muss
dem deutschen Bewohner Ungarns zum Verdienste ange-
rechnet werden. Es ist wahr, dass der heilige Stephan
auch Künstler aus Constnntinopcl nach Ungarn berufen
harte, aber es lilsst sich unwiderleglich nachweisen, dass
alle Bauten, die ihm zugeschrieben werden, nicht seiner,
sondern einer spiiteren Zeit angehören '.
Es kann demnach auch durchaus nichts nachgewiesen
werden, was mit Recht den byzantinischen Künstlern
zu verdanken wäre. Über den Einfluss des französischen
Baumeisters Vilain, der von sich selbst schreibt, dass er
unter Bela IV. r litngere Zeit" in Ungarn war, sind
die Acten noch nicht geschlossen. Ob er die Kirche zn
Zsambek nächst Ofen gebaut habe, kann noch nicht
nachgewiesen werden. Die in Aussicht stehende Veröf-
fentlichung Reiner Zeichnungsskizzen dürften vielleicht
einige Anhnltspiinete liefern.
Die Bnndenkniälcr der Zips und der Stadt Kaschnu
fnnden bereits ihre Besehreiber in den „Mirthcilungen-.
utid wir können insbesondere Herrn Merklas nicht ge-
nug Dank fllr den rühmlichen Eifer zollen , mit dem
er sieh der genannten Denkmäler angenommen hat.
Aber Kasehau ist die ultima Thüle geblieben , denn öst-
lich von Kasehau ist noch kein Archäolog vorgedrungen,
obwohl eine Reichsstrnssc von Kasehau bis Mannaros-
Szigeth und von da ein guter Fahrweg über Ugoesa
nach Nagybanya und Sr.athmar bis nach Siebenbürgen
führt, und sich Uberall an diesen Strassen herrliche
gothische Kirehenbauten finden. Unter anderen wollen
wir nur die grosse Kirche von Beregszasz nennen, die
einst von deutschen Ansiedlern zu Ehren des heiligen
Lampert gebaut und von aussen mit symbolischen Thier-
figuren geziert wurde; ferner die Pfarrkirche zu Gross-
Szöllös, wo die einstmalige zwcithUrmige schöne
Frnnciscnnerkirehe in Ruinen liegt : dann die Kirchen zu
Husth, Tecsö, Hosszumczö, Szigeth, Visk, Gynlat'alrt.
• l«f flnill» I» „ m »I " Ii » v»n rii.ifkirrhiM. , v.n ilrr »l«r Thür-, f.-
»ondrii. kUfh •»£[. 4»i .It Sutrum N»thf«litr I' e ( r r rttmi b.lo, -t«jt.iu uo.--,
Ul«il».l>c vn» Mim
b»
Digitized by Google
XU
dann zuArdö, Matyfalü, Aranyos-Medgycs, Erdüd, Bei-
tek, Varnlja n. s. w. Von der herrlichen Kirche zu Nagy-
banya, die unter Ludwig den» Grossen gebaut wurde, stehen
nur" noch der Thurm mit den Zeichen der Steinmetzen
und ein Thcil eines herrlichen Portales, welches zeigt,
wie grossartig nnd kunstvoll der Kau war.
Vor 20 Jahren stand noch die ganze Ruine, man
verkaufte sie aber fllr 3<X) fl. und zerstörte sie mit einem
heinahe unerhörten Vandalisinus. Nächst Nagybanya fin-
det »ich noch eine gothisehe Kirche inGirod-TYitfaln, und
wie ich hörte, stehen auch noch Überreste von den Statuen
der vierzehn Notbhelfcr, die einst das Seitenportal der
Kirche zu Nagybanya zierten.
Fünf Stunden von Szathmär liegt an der Krassna
die einstmalige Klosterkirche der Klarissinncn zu Äkos,
mit einem dreisehiftigen Langhaus ohne Kreuzgang,
wie die Kirche zu Zsämbck im romanischen Styl aufge-
führt und mit zwei ThUrmen geziert. Sie war einst dem
heiligen Achatius geweiht und ist gegenwärtig im Besitze
der Reformirten.
Zwischen der Tbeiss nnd der Sznuios , dann
zwischen der Szainos und Körös linden sich noch sehr
viele alte Kirchen, die in mehrfachen Beziehungen sehr
merkwürdig sind und besonders auch als Ziegelbauten
unsere Aufmerksamkeit verdienen.
Dass auf dem so eben berührten Terrain, das ist am
Kusse der südlichen Karpnthcnahhänge , auch die
Malerei mit Lust und Liehe gepflegt worden ist, da-
von zeugen noch jetzt so manche Überreste von Wand-
malereien, l uter anderen ist in Ardö die ganze nörd-
liche Wand, die wie in den meisten alten Kirchen
• dine Fenster ist, mit Votivmalereien bedeckt, die erst
vor kurzem entdeckt wurden nnd noch ziemlich gut er-
halten sind. Solehe Wandmalereien linden sich noch in
dem Stifte der Prämoustrateiieer zu Coless, und man sah
deren noch vor kurzem zu Helmecz, Csicseu, Manuaros-
Szigeth und anderen Orten.
Höchst beachtungswerth sind ferncrin dieserGegend
die im gothischen Style erbauten , mit hohen, zahnsto-
cherartigen Thtlmicn und vielen kleinen Thllnnehen
gezierten Holzkirchen, deren ich bereits oben er-
wähnte. In den r Mitthcilungen- < wurden vor kurzem die
Holzhauten des Nordens erwähnt und im Jahrgang
1858 i Aprilheft) von Ritter v. Wolfskron einige Holzbau-
ten in Miihren, Schlesien und Oalizien beschrieben, aber
diese Holzkirehen unterscheiden sich von denen in Un-
garn, da diese, wie zuvor angedeutet, meist im gothischen
Styl erbaut sind.
Was Riehl in seinen r Cullurstudicn u von der Charak-
teristik der KirclientbUrme Deutschlands so richtig sagt,
findet seine Illustration auch in Ungnrn. l ud wer einst
die Geschichte der Ctiltnr, welc he die Deutsehen nach
Osten getragen und verpflanzt haben, schreiben will,
ninss seine Aufmerksamkeit insbesondere den bisher
kaum noch gewürdigten Kirchen nnd ThUrmen des ge-
nannten Thciles von Ungarn zuwendeu.
Zum Schlüsse nnserer Anzeige gelangt, empfehlen
wir den Freunden des Alterthumes und der Cultnrge-
schichte die Durehsnehung dieser Holzbauwerke um so
dringender, als ihre Untersuchung bei dem gänzli-
chen Mangel an Vorarbeiten nicht mehr lange aufgescho-
ben werden kann, weil mnn bei uns, wie ich au vielen
Orten hörte, keine solche Holzbauten mehr anfzufUhrcn
versteht . und weil die bestehenden von Jahr zu Jahr
verfallen und Steinhauten Platz machen. Unter anderem
berichtet auch Herr Dr. Biedermann in seinem Werke :
„Die Rnthenen Ungarns", dass in den Eperjeser
und Unghvarerrathenisch-katholischen Diöccscn, in kur-
zer Zeit sehr viele kirchliche Steinbanten aufgeführt wur-
den, die alle an die Stelle von Holzkirehen traten. Es
darf daher nicht gezögert werden , um diese Denkmale
mindestens durch Schrift und Bild fllr die Kunst und
Culturgeschichte zu erhalten, du sie selbst den Wand-
lungen der Zeit und ihrem allumstaltenden Umschwünge
verfallen sind.
Übrigens kann ieh nicht umhin zn erwähnen, dass
Herr Dr. Riedermann in seinem' erwähnten Werke,
in welc hem er sieh mit besonderer Vorliebe der Rnthenen
annimmt und Land und Leute auf das Genaueste be-
schreibt, kein Auge, ja kein Wort fllr diese höchst interes-
sante Holzkirehen hatte, obwohl er zum Ruhme der Ru-
thenen anführt, wie viel Steinkirchen sie in der Neuzeit
erbauten.
Es ist aber auch wirklich sonderbar, dass in den
vielen Beschreibungen Ungarns diese Holzkirchen nicht
Einmal erwähnt wurden , nnd dass auch in dem
neuesten Werke: „Bilder aus Ungarn" (Unter Mitwir-
kung mehrcr deutscher Schriftsteller herausgegeben von
V. Homyansky. Pest, lfÜ4) niemand dieser Holzkirehen
gedachte, nnd keine derselben abgebildet wurde; wäh-
rend doch anderseits Herr Architekt Lippert bemerkte,
dass er staune , wie noch kein Landschaftsmaler auf die
Idee kam, seine Landschaften mit solchen höchst origi-
nellen Holzkirchen zu zieren.
Äusserst auffallend ist auch noch die reiche Man-
nigfaltigkeit, die sich in diesen gothischen Holzbauten dar-
stellt. Endlich muss ich noch anmerken, dass die römisch-
katholische Neutrner Diöcesc ebenfalls sehr viele Holz-
kirehen besitzt, die ieh aber nicht gesehen habe und von
denen ich auch nicht sagen kann, ob sie im gothischen
oder im Zopfstyl erbaut sind. Unter der grossen Kniseriii
Maria Theresia, deren unsterbliche Verdienste um Ungarn
noch bei weitem nicht genug gewürdigt sind, wurden
aus der Gegend von Ginnnden und Ischl Familien von
Holzlcntcn in die Marmaros , namentlich nach Dcutscb-
Mokra, Königsfeld, Dombn, Rahö, Visö und Körös-
Meztt verpflanzt, nm das Klansenwcsen und Holzflössen
zu betreiben. Nun wurden auch von diesen Ansied-
lern Holzkirehen erbaut, doch nicht mehr im gothi-
schen, sondern im Zopfstyl, wie es unter anderen die
noch gut erhaltene römisch-katholische Holzkirche in
Dcutseh-Mokra beweist.
Auch darf nicht mit Stillschweigen übergangen
werden, dass es bei nns Steinkirchen gibt, die mit
den oben bezeichneten , hohen , zahnstocherartigen
ThUrmen prangen, wie z. B. einer die Pfarrkirche zu
Ischl ziert. Diese Steinkirchen sind aber heut zu Tage
Eigenthnm der Reformirten, nachdem die, der griechischen
Kirche angehörigen Rnthenen und Rumänen erst in der
Neuzeit anfingen Steinkirchen aufzuführen.
Aus diesen nur fluchtig geschriebenen Zeilen erhellt
zur GenUge, welche reiche Ausbeute die vaterländische
Archäologie noch in Ungarn zu hoffen hat. Leider ist
hier durchaus kein Künstler aufzutreiben , der die be-
rührten Kirchenbauten und Wandmalereien auch nur
halbwegs zu copiren im Stande wäre.
Mirhael Uaaa,
Ul.rhM
Digitized by Google
xm
Die neuesten Ausgrabungen in Laibach.
Die zahllosen alten Münzen und fielen sonstigen
Anticaglien, die in Krain bereits da und dort zufällig aus-
gegraben wurden , beweisen , wie viel davon wohl in der
Erde verborgen liegen mag, doch leider, dass wir warten
müssen, bis eben der Zufall etwas von jenen noeh ver-
borgenen historischen Sehatzen zn Tage fördert.
So verdanken wir der Grabung eines Abzugcanales
längs dem Haupt- und respective l>omplatze in Laibach,
welche im August 1863 stattgefunden hat. eine ftlr die
ältere Geschichte wichtige Entdeckung, indem man hier
auf eine römische Wasserleitung stiess, von der man bis-
her keine Ahnung hatte; ja man hielt bis vor Kurzem so-
gar dafltr, dass am rechten L'fer der Laibach nie eine
römische Ansiedlung bestanden habe. Jetzt nber wurden
in der ganzen Länge des Domplatzes vor der Kathedral-
kirche, vom Hause Nr. 29« bis 309 wohlcrhaltcne irdene
Wasserleitungsröhren vorgefunden, deren eine 15 Zoll
Länge, vorne im Durchmesser 2 Zoll 3 Linien, hinten aber
von 3 Zoll 4 Linien misst. Diese Höhren waren eine in
die andere eingefügt, und so zu sagen hermetisch anein-
ander geschlossen, ohne eben verkittet zn sein, so dass
sehr leicht eine aus der andern herausgezogen werden
konnte. Die Köhren lagen in der Kichtang vom Schul-
platzc gegen das Magistratsgebände am Hauptplatzc,
und zwar, je naher dem Magistratsgebäude, nm so näher
der Oberfläche der Erde, so dass die letzten heraus-
gehobenen Köhren sieh kaum zwei und ein halb Schuh
tief befanden; es waren jedoch dieselben nicht die
äussersten, und müssen deren in dieser Richtung noch wel-
che in der Erde liegen, so wie man auch am entgegenge-
setzten Ende gegen den Schulplatz, wo mit der Canalgra-
bung abgebrochen wurde, die Fortsetzung dieser Wasscr-
loituugsriiliren sehen konnte. Diese Fortsetzung führt
höchst wahrscheinlich nber den Schulplatz, dann Uber
den Jahnnarktplatz und um den Schlossberg zum Gru-
ber sehen Canal , bei dessen eben stattfindender Vertie-
fung Behuf» der Entsumpfung des Laibnchcr Moors, man
ebenfalls auf ähnliche, der Stadt zugekehrte Köhren stiess,
nnd sollen deren, wie man jetzt erst aus dem Munde eines
Maurers erfährt, schon vor Jahren bei Anlegung der, jen-
seits des Gruber'schcn ( anals am Golove-Kerge liegen-
den Hradctzky-Vorstadt vorgefunden worden sein. Es
ist zu bedauern, dass es an Mitteln fehlt, uro in der an-
gezeigten Richtung weitere Nachgrabungen im Interesse
der Wissenschaft vornehmen zu könuen, gleichwohl dürfte
es so zu sagen constatirt sein, dass vor Jahrhunderten
eine Wasserleitung vom Golove- Berge nach der alten
Stadt, die auf dieser Stelle stand, bestanden habe, mag
es nun Aeraona gewesen sein oder nicht.
Die Thonmasse sowohl als der ausgezeichnete Brand
und die Form der Köhren lassen keinen Zweifel übrig,
dass dieselben der römischen Periode angehören. Auch
ist es bekannt, dass man in vielen andern alten Städten
Thonröbreu fand, die zu Wasserleitungen dienten , denn
die klugen Körner zogen dieselben den metallenen
und hölzernen Röhren vor, weil jene, nämlich die thöner-
nen Röhren , wenn sie sorgsam angefertigt nnd der
Zerstörung von aussen nicht ausgesetzt sind, durch
Jahrhundertc sich erhalten. Auch sind neben der eben
entdeckten Wasserleitung an verschiedenen Stellen
gleichzeitig einige andere römische AlterthUmcr vorge-
funden worden, als: Särge von verschiedener Grösse
ans Thonziegel geformt, wie deren einer von 21 Zoll
3 Linien Länge und 16 Zoll 2 Linien Breite dem histo-
rischen Verein ftlr Krain Ubergeben wurde , dann Grnb-
lampen, irdene Geschirre und Münzen. In den von den
Arbeitern leider zerschlagenen Särgen fand man Men-
schenkuoehen , und zwar einige sehr grosse, und in
dem einen kleinen Sarge Thcile eines Kopfes mit ganz
gut erhaltenen Kinderzähnen ; Zähne widerstehen be-
kanntlich am längsten der Zerstörung und erhielten
sich, wie Plinius sagt, sogar iu den Sarkophagen
aus jenem leichten, schwammigen Steine, welcher die
übrigen Knochen der laichen binnen 14 Tagen ver-
zehrte. Eine wohlerhaltene irdene Grablampe, die mau
am Domplatze ausgrub, trägt am äussern Boden die
Buchstaben CDESSI, worin der Name des Töpfers,
der sie verfertigte, zu suchen sein mag. Zwei Töpfe,
die an das hiesige Museum abgegeben wurden, ein
grösserer und ein kleiuercr, haben dlo gewöhnliche
heuttägige Topfform, zwei andere, aus den von den
Arbeitern herausgeworfenen Bruchtbeilen , so weit es
ging, zusammengestellte Töpfchen , haben die niedliche
Gestalt der derzeitigen Milehtöpflcin aus Porzellan
von '/, Seitel Gehalt, jedoch ohne Henkel, und haben
dieselben von Aussen bis Uber die Hälfte gekerbte
Streifen. Von den Münzen, die daselbst gefunden
wurden, soll eine ein Constans und eine zweite ein
Galienns gewöhnlicher Art sein, eine dritte Münze aber,
die man aus Gold vermeinte, wurde durch Feuer derart
zerstört und unentzifferbar gemacht, dass es sich nur ver-
muthen lässt, sie sei ein Nero. Dem Schreiber dieses ist
es nicht gelungen, eine der amDoniplatze vorgefundenen
MUnzen zu Gesicht zu bekommen. Dr. H. Cotta.
Besprechungen.
Loredan Larchey. Origines de rArtülerie francaise.
itti du XIV
ft da XV"
i\ l'irl» IBM, l>. (J«s PUnthei )
In Frankreich hält man das Studium der Geschichte
der Artillerie für sehr wichtig, denn tüchtige Xenenuigeu
können nur aus der genauen Kcnntniss des Alten her-
vorgehen, und aus diesem Grunde mochte sich auch der
jetzige Kaiser der Franzosen bewogen gefunden haben,
sein allgemein bekanntes Werk Ober die Artillerie zu
verfassen , wobei derselbe bis auf die ältesten Wurf-
maschinen, die Pleidcn, Tummcrcr n. s. w. zurückging,
deren auch Fnv6, Viollct-Leduc u. a. ausfürlich erwähnen.
1-archey's vorliegendes Werk schliesst sich an jene
Digitized by Google
XIV
Arbeiten an, un<l bringt viele Rehr interessante Ergän-
zungen nnd ErlKutemngen. Die Quellen, an* welehen
Larchey schöpfte, sind nebst den Werken des Froissard,
de« Valturi und des Paulus Sanctinus, von denen die
kais. Ribliotliek sin Paris Handschriften besitzt, haupt-
sächlich alte Mannseripte in den verschiedenen Biblio-
theken Frankreichs, der Schweiz nnd Belgiens, und
können daher wohl als echt angenommen werden.
Es ist begreiflich, das« das Auge des Beschanors
zuerst die ältesten Geschütze anfsneht. Es findet hier
(Table 48) die Bombarda eerbotana oder die
geschwänzte Kanone nnd (Table 67, ff.» die Scopetta
«der Bernharde portative , welche beide der Verfasser in
das XrV. Jahrhundert setzt, was indessen jedenfalls
etwas zu frllh »ein dürfte, wie auch das Costünie der
hinzu gezeichneten Figuren andeutet, welche bereits
Plattenhamischc haben. Die Cerhotane ( das Wort scheint
verwandt mit. Sarbaeane, Blaserohr) ist kurz, hat noch
Ähnlichkeit mit einem Morser, endet aber rückwärts in
einen langen dünnen Schwanz, der dann dient, das Bohr
zu richten, d. h. zu heben oder zu senken. Man findet
diese Cerbotanac auf Zapfen ruhend oder in einer (inbel
liegend, und bald nnr auf einem Ifosten, bald auf
einem vierräderigeu Wagen befestigt, der dann zuweilen
auch einen Schutzmantel (Mantelet) hat, hinter welchem
sich der Cerbotanist verbergen konnte.
Die Scopetta, wie ihre Benennung nndentet, wahr-
scheinlich aus Italien stammend, ist eigentlich ein lland-
geschütz, das man auch zu Pferde führen konnte. Sic ist
ähnlich gestaltet wie die Oerbotane, nur kleiner, ihre
Queue ist nicht gekrümmt, sondern gerade, nnd sie ruht
in einer eisernen Gabel, die von dem Sattel des Pferdes
aufsteigt. Die Scopetta geht im XV. Jahrhundert in die
Bombard eile Uber, von welcher der Verlasser (T. 20,
CD. (zwei aus Fave/s Werke hringt, die einst Karl dem
Kühnen gehört hatten. Sie haben schon mehr die Formen
ganz kleiner Kanonen oder Böller, und sind mittelst
Eisenhändern an einen hölzernen Löffel Itcfestigt, dessen
Stiel zur Handhabe dient. Verwandt mit den Bombardel-
les sind die Conlevri nes (Schlangenbllehscn\die sich
von jenen durch ihr langes Bohr, das kleinere Kaliber
und dadurch unterscheiden, dass sie nicht in einem
Löffel liegen, sondern dass die Hilze rückwärts am Stoss,
in Form einer Stange angebracht ist. Es gibt Handcou-
levrinen und (T. 70) Standconlevrinen . welche letztere
bei der späteren Ausbildung der Laffctten in die oft
genannten SchlnngenbUchsen, Serpentinen u. s. w. des
XVI. Jahrhunderts Übergingen. Table 6 zeigt zwei Miche-
lets. die bei der Vertheidigung von Mont Saint-Michel im
Jahre 1423 gebraucht wurden. Sie sind aus Eisenstangen
geschmiedet, geschweisst und mit Eisenringen nmfnsst '.
• <:«»« »kulleli *l,rt«r r r(.,Mliirkl.ch»llSr».rliolUf.^"k,k, A™o«l.. *,r
rrlllrh rl.i«T»lel»pSlrrfnZrll»nj;eli3«ui.4»tfUHli.ir>vrnc^.rodPr«nil.tli .1.
Die Tafeln 57,58, 50 und 63 zeigen R i b a u d e q u i n s
oder gekuppelte Kanonen ans der zweiten Hälfte des
XV. Jahrhunderts, als man nämlich schon auf den Ge-
danken gekommen war, schneller nach einander feuern
zu können, und dcsshalb zwei , drei bis sechs Bombar-
dellen auf demselben Tragblock anbrachte, der entweder
unbeweglich, oder wenn die Bombardellen in einen Kreis
gestellt wurden, drehbar war. Die Tafeln 60 nnd 64
bringen Rihaudcquins anf Bildern mit Lanzen und
Sicheln besetzt, und einen Mantelet roulant mit vierOou-
levrinen, zwischen denen Lanzen und Stangen stecken,
an welchen letzteren Feuerballen angebracht sind. Ob
derlei Maschinerien, die man häufig in Hnndschriften des
XV. Jahrhunderts, besonders in Erläuterungen des Ve-
getius findet, wirklich in Gebrauch oder mehr ein Spiel
der Einbildungskraft eines kriegerischen Theoretikers
waren, dürfte bisher noch nicht genügend zn entscheiden
sein ; jedenfalls zeugen sie aber von dem Eifer, mit wel-
chem man sich in jener Epoche auf die Belagernngskunst
verlegte.
Die nachfolgenden Tafeln bringen Hebczenge, Pul-
verwiigen, Munitionskästcn , Kanonenschirme, Katzen
und Batterien von zwei und mehreren Kanonen, und am
Schlüsse erscheinen die Siegel:
des J o h a u n v o n L v o n , Meister der Artillerie von
Frankreich 135H,
Jean Petit's. Obermeister der Artillerie im J. 141«,
des Louis de Crussol, Artilleriemeister im .1. 1460,
des Gaspard Bureau, nnd des Jehnn Bureau,
dessen Bildniss nach einein Stich von Grignon hei-
gegeben ist.
ferner jenes des Tristan l'Hermite, welcher
1436 Artillericmeister wnr. und mehrerer Anderer.
Die Tafeln sind nach den Originalen nntogmphirt
und anf Stein übertragen. Das wunderliche Titelblatt,
welches eine Bclagerungsmnschinc in der Gestalt eines
Drachen vorstellt, der in seinem Bachen eine Kanone
und in seiner Brust ein Ansfallsthor mit einer Leiter
nebst zwei anderen Kanonen hat, ist aus dem Werke des
Vnltnri (Ausgabe vom Jahre 1472) genommen, nnd
gehört unzweifelhaft zu jenen Phantasmen, deren früher
erwfthnt wurde, zn denen gewiss auch die Bombard c
a coude oder die „Kanone Uber Eck" gehört, in
deren aufrechten Tubus das Projectil, in deren wag-
rechten Lauf aber die Ladung gebracht werden sollte.
Dürfte man auch wünschen , dass solche Sonderlich-
keiten ganz aus dem Bereich der eigentlichen Wissen-
schaft gestrichen würden, so hnben sie doch wieder
etwas negativ l'nterrichtendes und mögen daher
mit hingehen. Im Ganzen bleibt alter Larchey's Werk
von grossem Interesse nnd ist jedem, der sich mit dem •
Studium der älteren Geschtltzkundc beschäftigt . von
Wichtigkeit.
William Howitt, „Ruined abbeys and Castles of Great Britain and Ireland". Second Series.
I.»lHon. mi V (Vit M.»n.«r«|.iii™.)
Jedermann, der sieh mit der Archäologie des Mittel-
alters beschäftigte, kennt die eben so schönen als gross-
artigen Burgen- nnd Abteien - Ruinen des fröhlichen
Englands. Das vorliegende Buch, eine Fortsetzung der
im Jahre 1863 erschienenen ersten Serie, spricht
wieder lebhaft für diese Denkmale, die aber auch, freilieh
nur in England, mit solcher Liebe und Sorgfalt gepflegt
und erhalten werden, dass man deutlich ersieht, wie viel
ihr Besitzer darauf hält sie sein Eigen zu nennen, und
wie er sich durch sie stets an die Geschichte seines
Vaterlandes — seinen grössten Stolz - erinnern lässt.
Ja er pflegt, wie seine alten Bäume, auch den Lpheu, der
Digitized by Google
x\
diese alten Mauern umranke, und schirmt ihn vor uuge-
wcihtcii Händen.
Die erste der uns hier vorgefllhrteu Ruinen sind die
von Kenilworth-CaBtle , dem einstigen Prachtbau, der
fasst ausschliesslich von Personen des königlichen Hauses
und ihren Günstlingen bewohnt wurde, und dessen ur-
sprüngliche Entstehung weit hinauf in die altsfiehsischcn
Tage reicht. Zur Zeit der Normannen kam es in den
Uesitz des Kronvasallcn Optone und unter Heinrich I.
besass es Gottfried von Clinton, der es, so wie das nahe-
bei liegende Kloster aufs Neue erbaute, und von dem es
dann in den Besitz der Krone gelangte. Doch dürfen wir
die Geschichte Kenilworths als bekannt genug annehmen,
um ihrer weiter erwähnen zu sollen. Die beigegebeuen
Photogramme geben eine Hauptansicht des Schlosses
vom Brook aus , dann die Ruinen der Bankctthallc mit
riesig hohen, gedrtlckt-spitzbogigen Fenstern und den,
reich von Epheu umschlungenen Mcrvins-Thurm.
Der zweite Abschnitt betrifft das an der Nordwest
ktiste von Wales liegende Castle of Caernarvon, welches
wie Beaumaris und Conway, unter Eduard I. seine Ent-
stehung fand. Es liegt unmittelbar am Meer und zeichnet
sich uächst dem mächtigen achteckigen Kiugangsthunu
noch durch vier andere sehr hohe, schlanke Thllnne aus.
Von da fuhrt uns der Autor an die Küste von North-
hnmberlnnd zu den Ruinen der Priory of I.indisfamo, die
sich auf der sogenannten „heiligen Insel- 1 befinden, und
nicht nur wegen ihrer Ausdehnung, sondern auch wegeti
ihres hohen Alters das grösste Interesse erregen. Zwei
Gegenstände sind es hier vorzüglich, welche die Auf-
merksamkeit des Beschauers in Anspruch nehmen, näm-
lich der Jtainbow-Arch" , der in bedeutender Höhe und
Weite von dem nordwestlichen zu dem südöstlichen Eck-
pfeiler hinüber gespannt ist und wegen seiner Schlank-
heit den obigen Namen erhielt, und das Bogcnthor aus
den Tagen der Normannen mit seinen edlen Fonneu und
den eigenthllmlichcn Zickzack - Zierrnthen an deu
Bögen. Auch die Tynemonth Priory (pag. 04) wurde
in der sächsischen Zeit gegründet ; allein ihre Überreste
bestehen nur mehr aus zwei, im rechten Winkel an ein-
ander stossenden sehr hohen Mauern der einstigen
Kirche, woran jedoch minder die Zeit als das räuberi-
sche Hinwegnehmen der Steine (dilapitation) Schuld trägt.
Des weiteren wird der Leser an die Küste von
Vorkshire zur Abtei von Whitby geführt.
r If c'cr to Whitby's silver Strand
Thy pilgrim Steps have strayed- 4 etc.
sagt die Ballado von der heiligen Hilda, von dieser einst
prachtvollen Abtei, die sich eben so schön vom Lande
aus als von der See her darstellt, obgleich sie sehr ver-
lallen ist, wie denn auch der Mittclthurm erst im Jahre
183U zusammen stürzte. Die noch vorhandenen Fenster
im Spitzbogenstyl sind in breiten Formen angelegt und aus
grossen Steinen zusammengesetzt. Die nächstfolgenden
Photographien (p. D2 und {>(!) zeigen das Östliche Fenster
und die Westfronte der Nctley Abbey, von wclchor sich
leider weder Jahrbücher noch andere Documenta vor-
finden. Doch zeugen die schönen und reinen Formen des
hier angewendeten Spitzbogcnstyles von der besten
Epoche dieser Bauweise, die später in England dun h
das „ogivale llamboyant 1 ' eine so eigentümliche
Wendung einschlug.
Hursliuonceux Castle, zur Zeit König Heinrich VI.
erbaut, ist vermuthlich der älteste Ziegelbau in ganz
England, und das Photogrnmm <p. IOJ) zeigt das von
zwei HalbthUniien beschützte Eingangsthor desselben.
Von du gebt der Verfasser zu den Ruinen der Croyland-
Abbey, welche einst eine der mächtigsten und wichtig-
sten Abteien des Landes war; ferner zu den Ruinen der
Priorei von Castleacre in Norfolk, die sich durch den
Rundbogcuslyl und durch die Eurethmie aller ihrer Ver-
hältnisse auszeichnet; dann zu dein Schloss von Rich-
mond, zur Abtei von Byland, zur Abtei Jedbnrgh . deren
westliches Thor so wie die südliche Pforte ans den Tagen
der Normannen herstammen und von merkwürdiger
Schönheit sind, des weiteren zur Dryburgh Abbey, und
führt den Leser sodanu nach Tipperary in Irland zu
dem r Rock of Cashel-, einer mächtigen Vcstc mit einer
Kathedrale und einem ungewöhnlich hohen Rnndthumi.
Den Beschlnss machen die Ruinen der Abtei zum heili-
gen Kreuz in Tipperary und des Schlosses Cahir,
beide gleichfalls in Irland.
Diese zweite Serie bringt denselben angenehmen
Eindruck hervor wie die erste , und ist eben so lehrreich
in Bezug auf Kirchen- und Burgenbau in England, wie
jene. Auch die Photographien lassen, obwohl sie nicht
gross sind, wohl kaum etwas zu wünschen übrig, wie
denn das ganze Buch mit engländischer Vorliebe aus-
gestattet und der Text mit grosser Kcnntniss verfasst ist.
D. van der Kellen. Nederlands-Oudhden.
Der Autor, Mitglied der Akademie der bildenden
Künste und der Alterthums-Gcnossenschaft zu Antwer-
pen, vereinte auf diesen 97 Blattern eine ansehnliche
Zahl von mittelalterlichen Gegenständen, die sich in den
verschiedensten Sammlungen Hollands zerstreut befinden.
Man trifft hier Leuchter, Becher, Trinkschalen und
Trinkhönier; kleine Kistchen, Stühle, Hcroldsstäbe, Gil-
denzeichen, Metall- und Holzfiguren u.s.w., von welchen
allen wir nnr die Interessantesten hervorheben wollen.
Das älteste dieser Denkmale ist wohl (Taf. 79) das
Crucifix aus dem XI. oder XU. Jahrhundert", welches
• Ai.tl. Im .Allctmtli» K»»>l- «u lM\trba4t- ISO«. Sr. 1, t»r«lt> bo-
apricbtu, .rmgltkli i.lfiil rl>-kt|.
aus der Kirche von Gorinchem stammt und sich im
Besitz des Pastors der Liebfraucnkircho vor dem Wcis-
senfranenthor zu Utrecht befand. Es ist aus Rothkupfer
verfertigt und konnte sowohl als Altar- denn als Trage-
kreuz gebraucht werden. Wie die meisten dieser alten
Crucifixe, ist auch dieses gegossen und ciselirt und an
der Rückseite mit gravirten Ornamenten verziert. Die
Krone, welche der Heiland auf dem Haupt hat, so wie
das reich verzierte Lendentuch deuten darauf hin , das»
Christus hier als .König" vorgestellt werden sollte. Die
Enden der Kreuzesarmc sind viereckig erweitert, und
von dem Felde des obersten Endes kommt ober den
Buchstaben I. N. R. I. eine segnende Hand herab. Die
Digitized by Google
XVI
Rückseite des Kreuzes ist tief und breit gravi«, zeigt in
der Mitte das Lamm Gottes und an den Kreuzesenden
die vier Zeichen der vier Evangelisten von Kreisen ein-
geschlossen. Dass Zeichnung und Proportion der
Fignr Christi sehr schwach seien, begreift sich bei dem
hohen Alter der Arbeit wohl von selbst , dennoch liegt
aber im Angesicht des Heilands der tief empfundene
Ausdruck des Leidens.
Der nHebstaltestc Gegenstand ist eine Rciter-
statnettc von Bronze ans dem Anfang des XIII. Jahr-
hunderts und im Besitz des Jnnkers J. P. Six zu Amster-
dam. Der Reiter ist in einen Ringpanzer (Kettinghemd)
gehüllt, Uber welches der Waffenrock gezogen ist. Er
tragt auf dem Kopf einen Sturzhelm mit schmalen Angcn-
spalten und auf demselben zeigen sich als Zimier zwei
gegen einander gebogene BUffelhürncr. In der Rechten
mochte die Figur einst eine Lanze gehalten haben,
mindestens deutet die Haltung der Hand darauf hin. Die
linke Hand führt den ZUgel. Das Pferd ist ungepanzert
und ohue Raveiten, die Hinterftlsse sind abgebrochen.
Am Brnstricmen sind vier Ringe angebracht, in denen
einst Schellen gchMngt haben mochten. Die Arbeit
erinnert an die alten Schachfiguren.
Für dns CostUme der zweiten Hälfte des XV. Jahr-
hunderts wichtig sind die zehn Figuren aus Erz, welche
auf dem Gitter des Gerichtshofes im alten Stadthause zu
Amsterdam standen und bei dem Brand desselben (im
Jahre 1(552) gerettet wurden. Sie stellen vor:
Die Gräfin Ada, Philipp den Guten,
König Wilhelm n., Michelle von Frankreich,
Johann II. von Avesnes, dessen erste Gemahlin,
Kaiser Ludwig V., Isabella von Portugal, des-
Margarethe , dessen Ge- sen dritte Gemahlin, und
mahlin, Maria von Burgund,
Wilhelm III.,
und haben abwechselnd eine Höhe von 55 bis 58 Ccn-
timetres. An diese Statuetten schliessen »ich vier andere
von Holz geschnitzte und tlberbronzirte, fast nochmal so
grosse an, welche Wilhelm VI., Jakobca von Bayern,
Philipp von Burgund und Isabella von Portugal vor-
stellen, wahrscheinlich aber Copicn nach bronzenen
Originalfiguren sein dürften.
Kirchliche Kronenleuchter (Kerkkroonen) fin-
den wir drei abgebildet. Zwei davon stammen aus dem
XV., der dritte aber ist von später Arbeit und gehört dem
XVII. Jahrhundert an. Der eine der ersteren (Taf. 37)
ist ein Eigenthum Seiner königl. Hoheit des Prinzen
Friedrich von den Niederlanden, und war früher in einer
Kirche zu Gouda. Er ist 73 Centimctres hoch, niisst
50 Centimctres im Durchmesser und hat in zwei Reihen
zwölf Lcuchtcrarmc , welche das oben angebrachte
Standbild der heiligen Maria mit dem Jesuskinde im
Kreise umgeben. Der andere Kronleuchter (Taf. 27)
gehört dem Herrn B. te Gempt zu Amsterdam und wurde
im Jahre 1857 bei der St. Peterskirche im Haag ausge-
graben, wo er, wahrscheinlich bei der Plünderung
Haags durch den Marsehall vonRossum, versteckt wurde.
Er hat sechs Lcuchtcrunne nnd oben das Standbild der
heiligen Maria (ohne Jesuskind) von Strahlen umgeben.
Der dritte Kronleuchter (Taf. 94) ist in dem Geschmack
gearbeitet, wie man derlei Lustres auf Kirchenbildern
von Neefs u. a. vorfindet.
»J«-tr»f ». R. V. Ftrrtr. - I>r»ik lt.
Merkwürdig sind auch die hier abgebildeten
Herolds- und Botenstttbe und die Stühe für die
Gilden kön ige. So zeigt Taf. 10 den Stab ftlr den
König der St. Sebastiansgilde. Dieser Stab ist aus
Elfenbein geschnitten und sehr reich mit Silber orna-
menrirt. Taf. 15 zeigt den Stab der St. Georgsgilde, wel-
cher aus Palisauderholz gemacht und mit Goldreifen
und Edelsteinen geschmückt ist. Taf. 39 bringt die
Botenstäbe der Städte Arnhein und Ticl, nnd Taf. 40
und 41 zwei Botenstabe von Zutphen, die alle sehr
schlank gehalten, geschmackvoll verziert und im XVI.
Jahrhundert verfertigt wurden.
Am reichsten sind die Trinkgcfässo vertreten;
das Kltcstc derselben ist wohl das schwarze Trink-
horn der Sehiffergildc von der heiligen Anna (Taf. 20).
Es trägt auf dem silbernen Einfassungsring die Jahres-
zahl 1369 und die Worte:
„Wetct giiedc manne, dit herne hoert de Rinshih-
per» vant Sant Anne".
Es hat als Stander zwei silberne Oreifenklaueu und
endet an der Spitze mit dem Kopf eines l'ngethüms.
Das Trinkhoro der St. Selwstiansgildc (Taf. 9) ist aus
einem Büffelhorn gebildet, mit Silberornamenten verziert
und im Jahre 1565 verfertigt. Dns Trinkhorn der St.
Georgsgilde oder der Bogenschützen, ist ganz aus Silber
getrieben und stammt gleichfalls aus dem XVI. Jahr-
hundert. Ein viertes Trinkhorn gehörte der HakenschUt-
zcngildc (Kloveniers-gild) zu Amsterdam und durfte
sammt dem dazu gehörigen Collier aus derselben Epoche
Btammen. Unter den übrigen Trinkgefässen zeichnet sich
ein sogenannter Doppclbecher (Dubbelbeker) von
der Stadt Zwolle aus, dessen Dekel wieder einen Becher
bildet. Er scheint indessen nicht von holländischer,
sondern von deutscher Arbeit zu sein, denn das eine der
darauf befindlichen Wappen zeigt den deutschen Adler
mit der Kaiserkrone und das andere die mailändische
Schlange mit einer Königskrone. Der Becher stammt
aus der Zeit Maximilians I. Taf. 38 zeigt eines der
unter dem Namen r Han»jc in den Kclder a (Hans im
Keller) bekannten Trinkgcfässc, die hauptsächlich dann
zu Toasten (Heildronkcn) benutzt wurden, wenn die
Frau des Hauses guter Hoflhung war. Es hat im Grunde
der Trinkschale eine kleine Wölbung, unter der die
Figur eines Kindes versteckt war, welche durch einen
eigenen Mechanismus aufsprang sobald der Becher
ausgetrunken wurde.
Endlich sind noch die Stürz ebec her (Stoortc-
beker) (Taf. 9, 26, 47, 48 und 92) zu erwähnen, die
nach jedesmaligem Einschenken sogleich geleert werden
mussten, weil sie keinen Fuss oder Stander haben. Eine
besondere Abart derselben sind die Mühlenbechcr
(Molenheker) (Taf. 47 und 48), welche eine Windmühle
darstellen, in deren Innerem ein Uhrwerk angebracht ist,
das sich, wenn der Wein eingeschenkt wird, alsogleich
in Bewegung setzt und den Trinker nöthigt , dns Gcfäss
schnell auszutrinken, da er sich sonst mittelst einer,
seitlich an dem Becher angebrachten Röhre, aus welcher
der Wein Uberströmt, beschütten würde.
Die Tafeln sind von van der Kellen eigenhändig in
malerischer, aber charakteristischer Weise radirt, und
dienen ganz besonders zu Vergleichen ähnlicher Geräthe
und Gefässe.
k k Hof d t<**fJr~.k.„, 1.. W, t,
Digitized by Google
XVII
Die Kanzel der alten Stiftskirche in Heidingsfeld.
Die prachtvollen Kanzeln der gothischenArchitectnr, an die Prcdigtstühle de» St. Stephansdomes in Wien,
welche sich noch in Osterreich und [Deutschland erhalten der Pfarrkirche in Braunau am Inn, der Stiftskirche
haben, verdienten gewiss eine ehen so umfassende St. Zeno hei lleichenhall , des Domes von Rcgenshurg.
n* i
Beschreibung und Würdigung, wie sie kürzlich den des Münsters von Ulm u. s. f. Für jetzt erlaube ich mir
Choratflhlen durch den zu früh uns entrissenen hier nur einen kleinen Beitrag zur künftigen Geschichte
O. Itiggenhach zu Theil geworden. Ich erinnere nur der Eutwickelung des Prcdigtstühle* zn geben, indem
Digitized by Gc
xvni
ich auf eine bisher unbekannt? treffliche Predigtkanzel
hinweise. Eh befindet »ich dieselbe in der Stadt Hei-
dingsfcld iu Franken, nur eine Stunde von Würz-
burg entfernt.
Die alte Stiftskirehe selbst, in der dieser Predigt-
stuhl prangt, ist von hohem Interesse. Die drei Schiffe
mit Weilersystem und Fluehdccke stammen noch aus
•ler romanischen Zeit (e. 1 100) , der Chor sainint dem
Krcuzsehiffe ist vom Jahre 1403 an im glänzendsten
gothischen Style ausgeführt worden. Gegen Ende
dieses Jahrhunderts wurde dann aueh die Kanzel
aufgebaut, deren Abbildung wir hier geben. Sie ist aus
Sandstein gehauen und ganz als organisches Gebilde
aufgefasst. Sowohl die Stüt/.silnlc der Kanzel als die
der Stiege ist als Astwerk mit Blätterkronen ausgeführt,
und Uber den fünf Heiligengestalteu der Polygonseiten
der Kanzel, wölbt sieh ein ganzes Laubdnch vou
Zweigen und Blättern. Leider fehlt der Sehalldeekcl.
Dennoch gehört diese Kanzel auch in ihrer jetzigen
Gestalt zu den zierlichsten Gebilden der Art uud hat
bei NeuschUpfungcn bereits mancherlei Motive abgeben
müssen'.
Hcidingsfcld hatte immer reiche hochangcseheiie
Gebieter: zuerst die Grafen von Itothenfels, dann die
Staufen, eudlieh den König und Kaiser Karl IV. von
Bühinen. Daher uud weil das Canonieat zum reichet!
Haugcrstift in WUrzburg gehörte, erklärt sieh der kuust-
Uppige Sehmuck, womit diese alte Kirche geziert
ward. Dr. J. Süjhart.
.Lb.» • o.d 6, .
liK. »ftbTMhl* Schild mll d.r WrlnklBpa, uod dto
i SW u m..««.lch.n, deatat .«hl »uf ols«o Wlaitr U. I
Peter Fischer (Vischer) und die Standbilder bei dem Grabdenkmale Kaiser Marimilian's L zu Innsbruck.
In der Beilage der Allgemeinen Zeitung (1863
Nr. 107 und 1-7) wurde die an uud Air sich interessante
Bemerkung gemacht, dass zwei jener aclitundzwuuzig
ehernen Statuen, welche das Monument Kaiser Maximi-
lian's I. umgeben, und zwar jene, welche den König
Arthur und den Theodorich darstellen, von der Hand
des oft genannten Erzgicssers Peter Fischer herrühren
dürften. Diese Ansieht wurde zuerst durch eine Notiz
angeregt, die sich in Joseph Baaders ..Beiträgen zur
Geschichte Nürnbergs " (zweite Reihe S. 43) vorfindet,
in welcher gesagt wird, dass Kaiser Maximilian I.
mehrere Gegenstände zu seinem Denkmal im Jahre 1513
von Peter Fischer giessen Hess.
Auch der Nürnbergische Gesandte Kaspar Nütze!
berichtet dem Kaiser (im Juni 1513) hierüber, indem er
sagt, dass Peter Fischer:
r der pild ains, dazu er den Form hat gantz zu
geruht" ,
in don nächsten Wochen zu giessen gesonnen sei, und
ferner werden in den zweiten der oben angedeuteten
Aufsätze in der Allgemeinen Zeitung mehrere Stellen
aus einem Innsbrucker-Invcntar angeführt, aus denen
sieh ergibt:
1. dass Gilg Sesslschreibcr von Augsburg, Hof-
maler Kaiser Maximilian I., mit der Oberleitung der
Ausführung des Monumentes betraut war;
2. dass seit dem I«. Deccniber 1508 bis zum Jahre
1513 nur ein einziges Standbild, und zwar das des
Königs Ferdinand von Castilien gegossen, dnss nur noch
eines geformt (d. h. in der Hohlform vorbereitet), dass
erst sechs in der Visirung, nämlich im Entwurf oder im
Aufriss seien : und:
3. dass sich Kaiser Maximilian I. in einem Schrei-
ben (d. d. Augsburg den 16. April 1513) bei der
IntiHbrncker Begicrung darüber beschwert. dnsR bisher
nur ein Bild nnd zwar für den Preis von 3000 Gulden
gegossen wurde, für welche Summe man in Nürnberg
sechs bis sieben Bilder hätte giessen lassen können.
Andere Citate aus Inventuren zeigen, dass im Jahre
1512 erst zwölf Statuen nach Meister Gilg's Entwür-
fen angefangen und nur sechs gegossen waren, unter
denen sich aber weder Arthur noch Theodorich befan-
den , deren Standbilder erst in einem Verzeichnis»
erscheinen, welches keineswegs vor dem Jahre 1535
angefertigt wurde.
Des Weiteren wird noch eine Schrift vom Jahre
1518 angeführt, in welcher Meister Stephau Godl für das
Messingbild des Grafen Albrecht von Habsburg 28 Gul-
den rheinisch für den Centner verlangt:
„wie diess dem Meister vou Nürnberg gegeben
wird-,
und endlich wird noch ein zweites Schreiben des Georg
Nützcl (vom Phinztag nach Jakobi 1517) beigezogen,
der sich im Auftrag Kaiser Maximilian I. an den
Ruth von Nürnberg wendet, um von diesem zu der
bereits vorgestreckten Anleihe von 10.000 Gulden noch
vier- bis fünftausend Gulden zu erhalten,
r damit die Arbeit zu Sr. Majestät Grab gefördert
und der Meister bezahlt werde**.
So viel Überraschendes nun die Annahme, dass die
Standbilder Thcodorich's nnd Arthurs von Peter Fischer
herrühren sollen, im ersten Augenblicke auch haben mag,
und so richtig die oben angegebenen Quellen sind, eben
so offen iiiuss man bekennen, dass jene Annahme
wohl nur in einer Beziehung als begründet anzu-
nehmen sei, und zwar aus nicht ganz unwichtigen
Erwägungen.
Das» sich die Statuen Theodorich 's und Arthurs vor
den übrigen sechsttndzwanzig Standbildern auf das Vor-
theilhafteste auszeichnen, ist wohl jedem Künstler
bekannt, der die Hofkirche zu Innsbruck besuchte <,
und wenn er unter diesen beiden Statuen noch eine
engere Wahl traf, so fiel diese gewiss auf König Arthur,
da es überhaupt in der mittelalterlichen Plastik wohl
kaum eine geharnischte Gestalt geben dürfte, welche eine
grössere Einfachheit und mehr Adel in der Haltung,
eine empfundeuere Feinheit der Formen und einen reine-
ren Geschmack imCostüme besässe«. Daher war es auch
von künstlerischer Seite von jeher festgestellt, dass die
Standbilder Arthnr's und Thcodorich's von einer anderen
nnd früheren Hand herrühren als die übrigen Figuren,
i s u » dar. S'oitgartw Morl*»*!*« '» IW. »*. «" «In n«ti Mil-
Lfld Kn«.nd,.r 41» «••■• «I*» StatUMi ■*! )»»« dr, Th.odt.rl«).. S. ..
Prlml.M-r.ti.ii««iSl*rdor I. «l.lMfctr«*.- <» InmbnKk'. «•. (p. 14 a. .1».
N n ..n — ■ Man .rtna*n .Irh hl.r «»«lllaBrll.-«. in d»f I'.sarual K.rl. d.r
K5h»^ ..nd d.r M,ri. »o. llarlMd I* d-r Fr.»...fc.r<l.« zu Hrll*«.. ... dl. „„I
A.i Toml.. Ii.g..«di.|..»u. Brom. r .«..,.r.. n «od v.„.Mr... »,(„„., ,aj< »„„II
,l,rm .dl.iil <i...liai.c« w* <•«< «■'«» '«' ,lir
Digitized by Google
XIX
die sieh von jenen durch ihren meist derben und gedrun-
genen Wuchs, dureh die gegen die Richtigkeit des
Costüms anstossenden plumpen Rüstungen und die
schwülstigen Draperien der weibliehen Gestalten unter-
scheiden.
Was nnn die zuvor angeführten Qnellen betrifft, so
deuten sie wohl unzweifelhaft darauf hin, das» Peter
Fischer ftlr das Grabmal Kaiser Maximilian'« besrhilftigt
war, allein sie belegen keineswegs, dass Fischer der
Erfinder oder Urheber irgend einer dieser Sintuen
gewesen witre. Aurh beriehtet Nützel niehts anderes an
den Kaiser, als dass Fischer eine Form herrichtete, die
er demnäehst zu giossen gesonnen sei. Von dem Com-
poniren, dem eigentlirhen Schaffen eines toreutischeu
Kunstwerkes, wird aber in allen erwithnten Oitaten
nicht» gesagt , was auf Peter Fischer hezogen werden
kiinnte; im G<*gcnthcile wird Gilg Sesslschreibcr, des
Kaisers Hofmaler, ab Visirer und Erfinder genannt, l ud
in der Handschriften-Sammlung der k. k. Hofhihliothek
zu Wien befindet sieh (C. Ms. 8329) wirklich ein
Band mit eolorirten Entwürfen zu jenen Standbildern,
.welche aller Wahrscheinlichkeit nach von der Hand
des Gilg Sesslschreiber herrühren durften, da dieser
Künstler in den Iuventaren deutlich genannt, Übrigens
aber kein weiterer Maler oder Plastiker angeführt wird,
der von Kaiser Maximilian I. mit dem Entwurf der Sta-
tuen beauftragt worden wJSrc '.
Dass sieh der Kaiser im Jahre 1513 an die
Fischer'sehe Giesserei zu Nürnberg wandte, mochte
ausserdem, dass diese Anstalt grossen Huf genoss, auch
wegen ökonomischer Rücksichten geschehen sein , weil
man dort (wie oben gesagt wurde) ftlr 3<>0l> Gulden
anstatt einer, sechs bis sieben Figuren hatte giessen
lassen können und es Überhaupt an Geld fehlte, wie
aus dem Anlehen bei dem Rath von Nürnberg hervor-
geht.
Als Beweisgrund dafür, dass die Figuren Arthur* s
und Theodorieh's nicht von der Erfindung des Peter
Fischer seien, ja dass sie nicht einmal bei ihm gegossen
sind, könnte auch das angesehen werden, dass ihrer vor
dem Jahre 1535 in keinem der Inventare erwähnt wird,
was doeh gewiss geschehen sein würde, wenn Peter
Fischer sie abgeliefert hatte. Auch ist hier zu erwähnen,
dass die ursprünglichen Plinthen jener zwei Statuen
kreisrund waren und daher von der Form der übrigen
abweichen, wesshalh man sie, um die Gleichmassigkeit
herzustellen, mit einem vierseitigen Anguss versah. End-
lieh halten alle übrigen Figuren die eine Hand, und meist
die Rechte so, dass man eine Wachskerze oder ein Flam-
bcau zwischen die Finger stecken konnte.
Noch ein weiterer und zwar rein künstlerischer
Grund dafür, dass Peter Fischer jene beiden Gestalten
nicht eigenhändig mndellirte, geht ans dem Vergleich
derselben mit den verschiedenen Gusswerken dieses
Meisters hervor. Denn jene beiden Fignren so wie das
Grabmal Karls des Kühnen und der Maria von Burgund
in Brügge sind wohl burgundischen, schwerlich aber
deutschen Ursprungs. König Arthur trügt noch den
Kolbentnrnierhelm , wie wir ihn in den Zeichnungen des
König Renatus von Anjou auf französischen Siegeln des
«nt« «In Entwurf ra «In.m Standbild 4c« .König Arrn. »
Fol. 30
,.Or«it« i« Ilabapnrg", ..
lAhnllriikatlmlt to In dar
Tin« larick kommt aerr nkM »«r.
XV. Jahrhunderts und in zahlreichen hurgnndischen
Miniaturen finden. Noch zeigt die Rüstung an den
Achseln keine Schienen, sondern nur Panzer und erst der
Vonlerarm hat Urassards. Der ßeinharnisch gehört
seiner ganzen Anordnung zufolge in die Epoche der
französisch • belgischen Waffenschmiede, das Schwert
und der .Schwertgürtel sind gleichfalls im Geschmack
dieser Meister gearbeitet nnd das zierliche Hals-
gesehmeide mit dem Drachen und dem goldenen Vliess
dürfte ziemlich sicher auf Burgund hindeuten.
Betrachten wir dagegen die ErzgUsse, welche von
Peter Fischer herrühren oder ihm zugeschrieben werden,
so finden wir in allen entschieden die deutsche Schule
ausgesprochen. Allenfalls vorkommende Waffenslücke,
wie z. B. die Ann- und Beinschienen der Grabmalfigur
de» Johann Cicero, Markgrafen von Rnindenburg, tragen
ebenfalls das Gepräge deutscher Rüstungen aus der
Zeit Maximilian'» I. Auch findet man anderseits bei
Nendörffer, bei Sandart n. a. den Peter Fischer keines-
wegs als Plastiker oder Bildhauer, sondern einfach als
„Rothschmidt 14 angeführt und er selbst zeichnet sieh auf
dem. im Jahre 14i>7 gegossenen Grabmal des Erz-
bisehofs Emst von Magdeburg: „Peter Fischer, rofgies-
ser J .
HcidelofTs Ansicht, dass in Fischers Werkstätte
mehr gegossen als modellirt wurde, mag daher um so
mehr ihn- Richtigkeit haben , als der Plastiker gewöhn-
lich nicht Zeit und Gelegenheit hat, die eigentümliche
Technik des Gusses zu erlernen, und derGuss seinerseits
wieder so grosse Schwierigkeit bietet, dass der Giesser
mit seiner eigenen Aufgabe vollauf beschäftigt ist.
Nichts desto minder hatte das Gusshaus Fischer's schon
von seinem Vnter her einen so grossen Ruf, dass es
häufig vom Adel und von Regenten besucht wnnle nnd
ging nach Peters Tod auf seinen Sohn über, aus wel-
chem letzteren Umstand es sich wieder ergibt, dass es
sieh mehr um ein Rothgiessergeschäft im Grossen, als
um ein artistisches Atelier bandelte, indem sich Kunst-
begahnng nicht leicht forterben lÄsst'.
Von den Innshrueker Standbildern kann man mit
Recht sagen, dass die Acten Uber sie nicht nur als nicht
geschlossen, sondern kaum als eröffnet zu betrachten
sind. Sie hatten wunderliche Schicksale uud mussten
nicht nur Umarbeitungen und Umglisse, sondern auch
gar manche willkürliche Umtaufen erleiden. So heisst es
z. B. in dem „ Verzeichnuss der Pildcr zu weylennt
Kavser Maximilianen hochlocblichester gedechtnus Grab
gehörig* (Handschrift der k. k. Hofbihliothck, Nr. 76 17,
fol. 18 ff.) u. a.':
„Clodoueus Rex Frannck horum.
Am diesem l*ild muess der Schilt uud Namen ver-
ändert, auch an der Claidung die Gilgen herabgestembt
und die Cron zu ainer Kaiserlichen Cron gemacht
werden.
Dieses Pild mag ftlr Rudolphen Rom. Imp. gebraucht
werden.
Rudolff, Rom. Kunig, Graf zu Habspurg.
Zu diesem Pild mues ain Fue,s sambt der Schlifft,
auch der Schildt, ain Herzog Huetl, Schwerdt und Ker-
zen gegossen werden. — Ist das Pild so den halben
Lewcn auf dem ilellm hatt.
t Wir hatwn In ntnrMtr Salt <U»«n>«n Fall la MtWkm, »• StlagalBial«
dta Gau. und Plutilar ili Krhvaatlialar o . A_ dir Modell« »eriiuullaa hallen.
- « Vnrjl. aarh Primiurr „D«nkaU<r dar Kirrt. ». k. Kreu p M, BaiUg« D.
Digitized by Google
XX
Diese* Pild soll Air Rudolf, Ducem Suaeviae ge-
braucht werden.
Klenorc, Prinzessin von Portugal, Vxor
Friderici III.
Diesen Pild ist das in dem langen Har vml Kleid,
hinden hinaus ganntz schlecht on alle Zier, mit plosscm
Haubt gelassen, ist rast locherig und am Guss Übel
gefallen, lind dasllaruit aussberait, niangelii dielleund,
fron, Kcrczcn, Schild und Schrillt. Dises Pild soll der
Kay.Mt.gnedigstcn Kntschluss und bcvcleb naeb wieder
änderst gegossen werden. u
Ausser dem Standbilde der Leonore, werden auch
noch folgende Statuen angeAlhrt, welche eines Umgus-
acs bedurtten:
„Nr. fl. Heuricus Placidus. Dux Austriac. Ab-
patruus.
Nr. 10. Rudolphe* Ingeniosus Dux Carinthiae, Co-
mics Tyrolis.
Nr. 20. Viridis, Filia Bnrnabae Ducis Mediolani,
uxor Lcopoldi Probi. Proavia.
Nr. 27. Albertus cum trica, Dux Austriac. Pro-
patruus.
Nr. 30. Friderieus Devotus, Dux Austriae. Abpa-
truus.
Nr. 31. Hartmannus Landtgravus AUatiae, Tritavi
tilius.«
Man ersiebt aus diesen Angaben, das» die damaligen
Hrzgiesscr, ausser Peter Fischer, eben keine allzu grosse
Geschicklichkeit in ihrem Fache besessen haben mögen,
da man es weder mit den Porträten , noch dem Go-
swine der verschiedenen Persönlichkeiten allzu genau
nahm, und endlich, dass das Ganze so ziemlich ohne
eigentlichen Plan angefangen wurde, wie man denn auch
später dreinnddreissig Standbilder um das Grab-
mal reiben wollte, welche aber nur Personen aus dem
Erzhausc Osterreich vorstellen sollten. Indessen nahm
Kaiser Ferdinand I. diesen Vorsehlag nicht an uud befahl
die schon vorhandenen Statuen zu verwenden'. Die
grösstc Anzahl derselben wurden, wie bekannt, von
Georg Lüffler in dem laudesfUrstlichen (Jusshanse
zu Büchsenhausen und einige wenige von deu
Meistern Hanns Landcnstrauch und Melchior und Ste-
phan Godl gegossen 1 . Die k. k. Hofbibllothck besitzt
in ihrer Handschriften - Sammlung noch einen Hand
(C. M. Nr. 8027) mit sieben getuschten Federzeichnun-
gen der Innsbrucker Statuen. Nämlich : Gisa Erz-
herzogin zu Österreich, Ottopcrtus, Stephanus Rex
Ungariae, Radepoto, Virida, Havg der grosz Fürst zu
Habspurg und Carolas Magnus.
Auf dem letzten Hlalt steht geschrieben :
„Dergleichen Pildtuuss sind maister Gregorj L5ff-
1er Khun. Mt. puchssengiesser geen Innsprugg gesehiekht
wordeu. Actum Wien, den 2. Octobcr Anno 48- (1548).
Wenn man Uber die Slatuen des Arthur und Theo-
dorich, die sich anch durch feinere Ciselirung vor deu
Übrigen Standbildern auszeichnen, eine Vermuthuug auf-
stellen durfte, so könnte esvielleicht die sein, dass sie
jene „zway gossene Pildcr^ wären , welche in der
St. I^orcnzcapelle zu Augsburg als Unterpfand für
erhaltene Geldvorsehüsse standen änderst am 29. Jänner
1532 vou Kaiser Ferdinand aus den Händen des Rent-
meisters des Bischofs Christoph von Augsburg gegen
Erstattung des Pfandschillings Übernommen wurden'.
Auf diese Weise wäre es denn auch erklärlich, dass jene
beiden Standbilder im Jahre 1535 zum erstenmal genannt
wurden. Jedenfalls wäre eine ausführliche Monographie
Uber das Denkmal Maximilian s in der h. Geist- Kirche
zu Innsbruck sehr zu wttnsehen, da sie Uberhaupt ein
bedeutendes Licht Uber die Geschichte der mittelalter-
lichen Plastik in Österreich verbreiten wUrdc. 1'.
' S 4 Co4, Mo. dar k k. Huft.iMiolhtk, Nr. TU« „B»»c>>r»ll)<jug dar k
k. Siedl laatbrurk" vir, von Jn.aplt Frrlharrn \nn t.'e.rhl 1 \<-,\ T 1. |> "*» ff-
_ » Ca.cal k k. O. — ■ Herr lull", Krnat Birk . w«l.aar trhr umfajwiida
FtirKtiaaum librr dla l>llh»r«l» S.t*rr«|. M»cb»n Kü»,Uar uu4 Kuuuatrki- macht,
»Ird uiatr Zeil <Uaaa. U« t< ».uu4 »atar tiSrt.ru.
Über ein altes Gemälde in der Zips.
Mehrere Kirchen der Zips besitzen noch eine ziem-
liche Anzahl von Bildern aus dem XV. und XVI. Jahr-
hunderte, deren manche, z. B. die Bilder derLeutschaucr
Jakobskirche und der Zipser Kathedrale, einen namhaften
Kunstwerth haben, während die meisten anderen nur
als Werke handwerksmässig arbeitender Meister zu be-
trachten sind '. Wcun wir ans dem Vorhandenen auf
die Masse des durch die Unbilden der Zeit zu Grunde
Gegangenen schliessen dürfen, so muss die Kunstthätig-
keit jener Zeit eine sehr erhebliche gewesen sein, leider
fehlt es uns hierüber an allen Nachrichten ; ja es ist bis
jetzt nicht einmal gelungen, auf einem der Bilder den
Namen des Kunstlers oder sonst eine Bezeichnung
aufzufinden ■.
Dem Gefertigten wurde vor kurzem ein, der Popra-
der kath. Pfarrkirche gehörendes Marienbild znr Ansicht
1 In dan kath Klr«b*n in fl# hriaabarg. Mühlanbarh und Kakaa-t^MliiiiU
■lud n>..ti i»«brarr Fi'iaatallari, in Ii HIMcrn •rba.llaiij »u>«.rd«ni andea »ich
Kate« in Katmark, Falka, MaUdorl. ] >»EiBf MRiark oud aii alidi rali Orten.
vuriiiflirKita «nur dicent) dürft« dar Tod Maria'. In dar I«rttil*lrapall* In
"[ »als. ala» l»Mtr .»Kr '«rtilichrn* aad n.lubiDdett* T»W, »<•
dar Ko|if dar Slarnand-n tiara at|aalhBnillab
druck b.alu« - > Ela klaiaaa OanUda du J,
i iui II and T
■ lo dan Kral, dar
vorgetegt. Die Tafel ist 2' 1" hoch, 1' 7" breit, mit Lein-
wand und dickem Kreidegruiide Uberzogen, in welchem
das leichte Laubwerk des Goldgrundes reliefartig ge-
schnitten ist. Der Kopf der in halber Figur dargestellten
h. Jungfrau hat ein volles Oval und regelmässige, sonst
aber durch nichts Besonderes ausgezeichnete Zuge; das
Kleid ist lichtgelb und schwarz gemustert ; der mit einer
goldenen Spange versehene dunkelgrüne Mantel wird an
den Enden von zwei kleinen wcissgekleidcten, in der
Höbe schwebenden Engeln emporgehalten. Die Heilige
trägt eine zierliche im Goldgründe ausgesparte Krone;
und zwischen den Reifen des Heiligenscheines ist in er-
habenen gothischen Buchstaben die Umschrift „aeeret/ina
celorum nutter re<ji* angelorvm" zn lesen. Das ganz ent-
blösste Jesuskind ruht halb liegend auf dem rechten Arme
der Mutter und scheint sieb zn einem grUnen Vögel-
chen vorbeugen zu wollen, das auf einem, den unteren
Theil des Bildes einnehmenden grünlichgrauen Stein -
geländer steht; in der Nähe liegen noch ein ofTenes Buch
und zwei Kirschen. Der Heiligenschein ist nicht eingegra-
ben, sondern nur mit Gold aufgemalt und enthält längs
des Randes die Worte: „tgo *>o» nifha et o". Die Zeich-
Digitized by Google
XXI
nnng dieser Figur ist mnnierirt und au(fallcntl schwacher
als jene der Mutter, welche, wenn auch nicht tiefgehende
Naturstudicii , doch eine gute praktische Schule verrilth.
Eine bemerken swcrthe Stärke zeigt der Meisier im Colo-
rit, dessen Anordnung /.war etwas schroff aber nirgends
grell erscheint, und in Hinsicht auf Glanz der Farben
nnd fleissige und gewandte Technik nichts zu wünschen
llbrig lässt. In den feineren Partien, insbesondere den
kalfröthlichcn Pleischthcilen . ist die Untcrmalung äus-
seret sorgsam ausgeglichen, eben geschliffen, nnd die
obere Farbenlage als zarte Lasur behandelt; nur auf
dem Mantel und den beiden Kngelknabcn kommen ver-
einzelte stark impasfirtc Pinselstriche vor. Die Erhal-
tung des Werke» ist im Ganzen , bis auf wenige durch
das Schwinden des Holzes bewirkte l'nebenheiteu der
Hiltlfläche nnd lose Farbstellen, befriedigend.
Die Tafel wird von einem flachen, auf Kreidegrund
gemusterten und vergoldeten Kähmen umschlossen, auf
dessen nntcrer Leiste in zollgrosscr erhaben geschnit-
tener gothischer Schrift nachstehende Notiz steht : niro-
lauft or Itarnil «nno b. »*8K h« .. . Das Ende, wo noeh
etwa ein oder zwei Buchstaben Kaum hiitten . ist bereits
zerstört, was zu bedauern ist, indem eben die fehlenden
Buchstaben den nöthigen Anfschluss Uber das Verhält-
nis» des genannten Mannes, ob er nämlich der Verfer-
tiger oder Donator des Dildes gewesen , gewahren
könnten. Indessen dürfte das Erstcrc das wahrschein-
lichere sein, und wir lernen so wenigstens den Namen
und die Heimat eines Künstlers kennen, der zu den
vorzüglicheren gerechnet werden muss, und allem An-
schein nach zn anderen bekannten Bildern der Gegend
in nächster Beziehung steht. Der Charakter des eben
besprochenen Bildes kommt nämlich der grossen Tafel
des schönen Flügelbildes der St. Jakobskirche zu Leut-
schan, welches die Heiligen Elisabeth, Stephan und
Florian darstellt und laut Inschrift im Jahre 149il aus-
geführt wnrde', so nahe, das» man an der Identität des
' Meisters beider kaum zweifeln darf. Insbesondere
mahnt das ebenfalls gelbe nnd schwarz gemnsterte Kleid
nnd der dunkelgrüne Mantel der h. Elisabeth in Farbe
und Behandlung an die eigentümliche Weise unseres
Meisters Nikolaus, wie auch die in ganz ähnlichen Buch-
staben gearbeiteten Umschriften der Heiligenscheine
deutlich auf ihn hinweisen*. Ob von dem reichen Bilder-
sehatze der Leutschauer Kirche noch andere Stücke dem
Nikolaus beizulegen wären, bleibt einstweilen dahin-
gestellt; am nächsten stehen ihn», insbesondere in Hiu-
sicht auf Colorit, die Bilder des Passionsaltars (1476—
141101 und vielleicht auch jene des Marinsclmccaltars ; ant
dem erstcren verhalten sich einige Partien des Gold-
grundes zu jenen des Marienbildes fast nur als Copieu.
Es scheint übrigens, dass die Thiitigkeit des Meisters
Nikolaus ungefähr bis gegen das Ende des XV. Jahr-
hunderts gedauert habe, weil in den Bildern vom An-
fange des XVI. Jahrhunderts bereits eine ganz andere,
von ihm verschiedene Malweise auftritt. V. SIerk/as.
> s Mllir.illur.irrD d.r k ». Omi-.l-CominL.I.D i*G0. Onuk,r. - 5 Kl.. In
d«r llodkr,cr.»r SrliU.jc.|.»l)« b«»«'ll!cli» «r.i.e, Ulli, nua il*r
liclnu Aeo»hm. di r Keil da« Alt»r. d« ZI(.»oJ Srhl'-.uc«p«M« , tnlbslt «b«u-
f.ll. dr»( HrIHgr In »»ollrbur An..rd«illif, und »uniar. •« w.ll «Isis ^.btrfliirl..
«ihr l ■terra chu r.K oi>d dir h.lbi.rnon. /.u.twd d.» Bild«. «« u«l«r..K«.d*u
«rl«uUo, uugtfiihr iut 5 lvicl,or Zill und tIcIujUili von dea»rll>*l. M»l.t»r.
Correspondenz.
Prag, 2-1. Jänner 1864.
Im Monate August v. J. wurde beim Grundgrabcn
eines Hauses gegenüber der k. k. Polizeidircetion ein
grosser mit einem Wappen gezierter Grabstein gefunden.
Bei Untersuchung dieser Grabplatte ergab sieb, dass es
derGrabstcin des PragcrPrimators Kroein von
Drahobil sei, welcher den Marmorbrunnen am Alt-
stildter Kinge, den man vor einem Jahre auf vandalische
Weise zerstörte, hatte aufführen lassen.
Das trefflich in Relief seulpirte Wappen der Grab-
platte entspricht vollkommen der Darstellung des AVap-
pens, welches Rndolf IL im Jahre 1587 dem Primator
Krocin verlieben hatte : ein schräg links geihciltcr Schild,
in dessen oberem schwarzen Felde ein halber goldener
Löwe eine Blume in der rechten Pranke hält. Das untere
halbe Feld durchbricht ein rother Schrägbalken, auf dem
zwei silberne Sterne ruhen ; über dem Sehilde erheben
sich ans dem offenen Turnierhelme zwei Ad.crr.ngcl, von
denen der eine halb schwarz, halb Gold tingirt, der
andere aber von Silber ist und mit einem rothen durch
zwei silberne Sterne gezierten Schrägbalken durch-
brochen erscheint. Dasselbe Wappen ist Uber der
Seitenthüre, welche den Eingang in den sogenannten
Pulverthurm verschlicsst, angebracht, und befindet sich
auch eingemauert in dem Bränhause ,u Halanko" am
Bethlcbemsplatzc , welches Haus Krocin von Drahobil
im Jahre 159" erkauft nnd zur Aufnahme und Verpfle-
gung jener Hilfsbedürftigen eingerichtet hatte, die
in dem anstoßenden Bcthlehcmsspitalc keinen Platz
fanden. Dasselbe Wappen war nach dem Berichte
Hammerschmieds (Prodromns gloriae Pragensis) zur
Seite des Hochaltars der kleineren St. Stephanskirche
gemalt, auf deren Friedhofe Krocin von Drahobil seine
Ruhestätte fand. Merkivtlrdig ist es, dass von den vielen
Grabsteinen jenes Kirchhofes hlos diese bis auf die
unkenntliche Aufschrift wohlerhaltenc Grabplatte die
Zeit verschont hatte, während die Gegenwart das gross-
artigstc Denkmal der Thätigkeit des um die Stadt Prag
hochverdienten Mannes muthwillig zertrümmerte.
In Betreff des von der Majorität des böhmischen Land-
tages angenommenen Baugesctz-Entwnrfes ist eine Ver-
handlung im Zuge, welche die Alinea 6 im §. 56 betrifft.
Es ist einleuchtend, dass durch den Passus der Alinea:
„Die Behörde hat dahin zu wirken, dass durch eine
P zweckmässige Stellung der neuen oder durch Umstal-
„tnng der alten Dachungen die Anbringung von Zwischen-
„rinnen entbehrlich werde", der Stab über die alten
Dachgiehe) Prags gebrochen wird; denn dies Gesetz
verpflichtet die Behörden, auf die Beseitigung der
Zwischenriunen an alten Häusern zu dringen. Wenn nun
die Behörden der ihnen hiemit auferlegten Verpflichtung
entsprechen sollten — was keineswegs bezweifelt werden
darf — so kann man mit grosser Zuversieht dem all
mählichen Verschwinden der Dachgiebel, dieses charak-
teristischen Schmuckes der Gassen und Plätze Prags,
entgegensehen. Welch' einen öden Anblick würde
Digitized by Google
XXII
sodann z. B. die Bruckengasse der Kleinseitc darbieten,
wenn alle Gicbclscbilde ihrer Häuser rasirt wären und
die Dächer Rieh in monotoner Einförmigkeit auf die
Fa^aden derselben herabsenken würden!
Am 24. November v. J. wurden mir mehrere Ge-
genstände von Gold, welche bei Zdie im Hofo-
viecr Bezirke gefunden wurden, mit der Auf-
forderung der k. k. Statthaltcrci zugeschickt, mein
Gutachten über diese Fnndobjcete abzugeben. —
Unter diesen Gegenständen fesselt insbesondere ein
47 Dueatcn schweres, aus acht Spiralen
gefügtes Gewinde vom reinsten Golde dio
Aufmerksamkeit. Dasselbe entspricht der Form nach
vollkommen einer Armilla oder llaudberge; da aber die
Öffnnng des Spirnlgewindcs blos 1 Zoll 4 Linien beträgt,
so dürfte sich dasselbe kaum zu einer Handberge geeig-
net haben, nnd man konnte eher vermuthen , dass das-
selbe zum Festhaltendes langen Kopfhaares gedient habe
(vgl. Klemm, germ. Alterthumsk. .S. 62). Die übrigen
bei diesem Spiralgewindc gefnndenen Goldobjecte
sind BrnchstOcke eines gewundenen Ringes, der-
gleichen nicht selten an den Fingerknochen der Gerippe
in heidnischen Gräbern gefunden werden. Nachdem
auf meinen Antrag der Directionsausschnss des Museums
des Königreichs Böhmen sich bereitwillig erklärt
hatte, jene Goldobjecte um den, vom Hofovieer Amte
angegebenen Betrag von 300 fl. zu kaufen, so theilt« ich
dieses dem Bezirksamte zu Horovie mit und bemerkte,
dass nicht der materielle Werth dieser Gegenstände,
sondern der Umstand, dass dieser Uberaus merkwürdige
und seltene Fond aus Böhmen herrührt , und daher mit
Fug nnd Recht als ein wichtiges Denkmal der fernen
Vorzeit in Böhmen verbleiben nnd aufbewahrt werden
sollte, den Muscums-Ausschuss bewogen habe, sich um
die Erwerbung derselben für dieses vaterländische
Institnt zu verwenden. Ferner fügte ich die Bitte hinzu,
dass das k. k. Bezirksamt im Interesse der Wissen-
schaft eine genaue Erhebung Uber die Auffindung jener
Goldobjecte veranlassen und ermitteln wolle, unter
welchen Localvorhältnissen nnd mit welchen Beigaben
dieselben anfgefnnden wurden. Leider erhielt ich bis zu
dieser Stunde keine Antwort auf meine Zuschrift.
Der bewährte Freund und Gönner archäologischer
Studien, Sc. Exccllenz Graf Eugen ('ernin, hatte mich
im November des verflossenen Jahres in Kenntnis*
gesetzt, dass bei dem Dorfe Horovie (östlich von
der Poststation Horoscdl) zahlreiche Alterthums-
gegenständc ausgegraben wurden. Bald darauf
sandte Herr Graf Cernin einige dieser Objccte und
Herr Dr. Jicinsky eine ausführliche Schilderung des
ganzen Fundes an das böhmische Museum. Unter
diesen Fnndobjecten nehmen vier Bronzescheiben, die
mit fein ausgeführten Maskenköpfen und anderen
Ornamenten in getriebener Arbeit reich geziert sind,
die erste Stelle ein. Ähnlieh diesen Bandscheiben
sind die Phalerae der Römer, welche als Auszeichnung
die Panzer der Krieger schmückten und bekanntlich
auch an Pferdegeschirren angebracht zu werden pflegten.
Die Uhrigen Bestandteile des Fundes bilden einige
Goldblättchen, dann grosse llohlringe, wie auch kleine
massive Ringe von Bronze , ferner zwei eigenthUmliche
Metallobjecte, wahrscheinlich die Büchsen der Radacbse
einer Riga, sodann ein grosser Feuerbock von Eisen.
Fragmente von Wagenreifen, eiserne Steigbügel u. s. w.
Diese Objecte wurden nebst zahllosen Urnenseherben
unter einer ziemlich ausgedehnten Steinschichte , auf
welcher die blos 5 Zoll mächtige Ackerkrume gelagert
war, gefunden. Der Fund von Horovie gehört jedenfalls
zu den interessantesten, welche jemals in Böhmen vor-
gekommen siud. «/• £. Wocel.
Besprechungen.
Histoire sigilkire de la Tille de St. Omer, par A. Hermand et L. Dechamps de Pas.
Il«*u.|cgi>kcli Tan 4er S*rl«U d«a AnH^iMlm do U MnHal«. IHlli l««0. 1*. (.Mit IS T«/«l» 1
Diese schön ausgestattete Monographie, von den
beiden genannten Autoren vor mehr als 25 Jahren be-
gonnen und nach Hcnnand's Tode von L. Deschamps
de Pas vollendet, gibt uns nebst dem wissenschaftlichen
Text, 333 Sicgclabbildnngen auf 4"> Tafeln. Auf interes-
sante Momente wird in der Einleitung aufmerksam ge-
macht, wie namentlich der allgemeine Gebrauch der
Siegel zuerst im geistlichen Stande Platz griff und hier-
auf die Concilien wesentlichen Einrlnss nahmen. Schon
das Concil zu Mainz verordnete (813), dass jeder Priester
tlas h. Chrysma unter seinem Siegel verwahren soll, und
jenes zu London (1237), welches wohl zunächst die
Verhältnisse Englands ins Auge fasst, befiehlt, dass
jeder geistliche Würdenträger, selbst die Landdcchante,
sein eigenes Siegel haben soll; endlich verordnet das
Concil zu Cognae (1238), dass jeder Pfarrer ein eigenes
Siegel habe, worauf nicht sein Name, sondern nur der
Name der Pfarre angebracht sein soll; eine Anordnung,
welche in Osterreich nicht befolgt wurde, indem die
Siegel unseres Curatelerus gewöhnlich den Tauf- und
Zunamen des Pfarrers, so wie dessen Sitz benennen. —
Dadurch, dass die Siegel bei der Geistlichkeit allgemein
waren, geschah es. dass die Laien ihre Urkunden durch
die geistlichen Würdenträger oder Commnnilätcn besie-
geln nnd bekräftigen Hessen, und bald gaben die dafür
cingehoheneii Betrüge ein reichliches Einkommen, und
unbillige Forderungen in dieser Beziehung mochten das
Concil zu Paris (1212) veranlassen, den Prälaten für das
Anhängen der Siegel die Ahnahme einer Taxe zu ver-
bieten, während eine spätere Synode desselben Jahr-
hunderts erlaubte einen oder zwei Denare dafür anzu-
nehmen.
Die Monographie selbst umfasst nicht blos die
Siegel der Stadt St. Omer, deren beide ältesten soge-
nannte Münxsicgel sind, auf der Vorderseite das Stand-
bild des h. Othmar, auf der Kehrseite die Versammlung
der Schöppen darstellend, sondern sie benutzt ihre
sphragistischen Forschungen zugleich als geschichtliche
Belege ; daher finden wir hier auch die Siegel der Burg-
vögte von St. Omer, welche, obwohl Vasallen der (Srnfen
Digitized by Google
XXIII
von Artoitt, Hielt dennoch den Titel: von Gottes Gnaden
anmasstcn, und grösstenteils Rcitcrsicgcl führten ; fer-
ner die Siegel der Amtleute der Grafen vou Artois, mit
dem Wappen der letzteren. Ihnen folgen die Wappen
der hervorragenden BUrgergeschlechter, unter denen
vor allen die Herren von St. Udelgondc zu nennen sind,
nie waren Mitglieder der Hansa, und mehrmals Bürger-
meister, von denen Johann im J. 1202 mit einem schonen
iintiken Steinscbnitte, einer männlichen Büste, siegelt,
und ein anderer Johann im Jahre 1336 sogar ein Keiter-
sicgel fuhrt (Taf. 13, Fig. 81 und 87).
Unter den Siegeln der geistliehen Poiumunitiiten
nennen wirjene der Dompropstci und ihrer Würdenträger ;
die Siegel der Ri schüfe vom Jahre 1 äö'J — 1790, der
Pfarrer und endlieh der Ahteien und Uhrigen Klöster inSt.
Omer, darunter vor allen jene der Abtei St. Bertin, deren
ältestes Conveutsiegel (Num. 232) bis in das Jahr IOH7
hinaufreicht, während die Siegel der Abte iu beinahe un-
unterbrochener Reihe vom Jahre 1126 bis zu dem Jahre
1723 herabreichen. Mit dem Abte Gernrd von Hamcri-
court.f 1577, hören die Portrütsicgel auf. Diese letzteren,
einen Zeitraum von 451 Jahren umfassend, mit 25 Ab-
bildungen, sind von besonderem Interesse für da* Studium
der Knnsteutwickelnng , vom einfachen Standbildc
des Abtes mit Stab und Brevier bis zw reichen Ent-
faltung der gothisihen Architectur, unter welcher die
späteren Äbte sich befinden, und der allmählichen
Ausartung und Verflachung dieses Styles.
Zu den einzelnen Abtheilungeii, so wie Uber die be-
treffenden SiegelfUhrcr enthält der mit Fleiss und Gründ-
lichkeit bearbeitete Text die nöthigen historischen Daten.
Sana.
Anleitung zur Erforschung und Beschreibung der kirchlichen Kunstdeiüanälcr.
Von J\ IV W. 1.1«. 1WU. Kigru.fiam de. Uoi.r UlSnua-Kaulttnl»!. (Mit I lIlh^ltr.^hJrM» T«f. l.)
Bei dem genannten Vereine lieget ein Formular auf,
in welchem der Laie in Kunst nnd Wissenschaft zur
Erleichterung von Forschungen durch Fragen auf alle
Kunstgegenstände aufmerksam gemacht wird, deren
Itasein an und in einem Gotteshause mit einiger Wahr-
scheinlichkeit vennuthet werden kann. Auf Grund dieses
Formulare« wurde nnn obige Anleitung herausgegeben,
damit Jedermann ohne Mühe den im Formular erwähnten
Gegenstand der Frage verstehen und sonach ans eige-
ner Erkenntnis« die gestellten Fragen beantworten
kann.
Obwohl zunächst für die Diöcesc Linz berechnet,
gibt diese Anleitung dennoch umfassende und lcicht-
fnssliche Erklärungen Uber Architectur, Einrichtung,
Bilderwerk, Geräthc und Gcfiissc eines Gotteshauses
im Allgemeinen, so wie Uber Reliquien von Heiligen.
Alle Institute, welche sich mit Erforschung von
kirchlichen Kunstdenkmälern beschäftigen, sollten dnher
dieser Anleitung den Weg zur möglichsten Verbreitung
bahnen. Nicht bald durfte ein Buch wie diese Anleitung
so klar und einfach, mit so wohlthuender Anspruchs-
losigkeit und Empfindung und zugleich so unwider-
stehlich anregend ftlr jene Classe der Bevölkerung
geschrieben sein, welcher für solche Forschungen
eine cigenthüniliehe Scheu und Gleichgültigkeit
innewohnt. Nur ein gründlicher und von seinem Fache
innigst durchdrungener Kenner der kirchlichen Kiinst-
denkmälcr tri fit diesen Ton und es wäre eine gleich
prciswUrdigc Aufgabe, wenn irgend ein gewiegter For-
scher eine ahnliche Anleitung zur Erforschung und
Beschreibung weltlicher Baudenkmäler, wie z. B.
Schlösser und Burgen, veröffentlichen wollte.
Als Anhang zu seinem trefflichen Buche fügt der
Herr Verfasser 1 einen Schlllsscl zur Erforschung
der Heiligenbilder bei, welcher die bei Statuen nnd
Bildnissen der Heiligen gewöhnlich angebrachten Attri-
bute beschreibt nnd erklärt. L. S.
• Ihn Vernein*« >'»«h llvrr l'»r. Hufleu Wiener Krem.iiitiii.ler
Die Idee des Schönen in ihrer Entwickelung bei den Alten bis in unsere Tage.
Vortrl*« u dlo KocUer. V.n Ur. A Kanu. Ucrlln 1SB.I. MylmOcIie Verln.bucbhinolili... k. II» **»*!■-
Der Zweck dieses kleinen Werkes ist: „in verständ-
licher Sprache den KUustlern und KnnstjUngem ein Ge-
sammtbild Uber die Ansichten und Begriffsbestimmungen
des Schönen zu geben". Dies hat der Verfasser anch
wirklich erreicht und seine warme und klare Darstellung
entschädigt ftlr manches, wns strenge Wissenschaftlich-
keit vermissen lässt. Von Thaies ausgehend wird uns
zuerst eine gelungene Parallele zwischen Plnton und
Aristoteles geboten. Nachdem die Epiknräer mit einem
allzustrengen Interdict in Sachen des Schönen belegt
worden , kommen wir nach kurzer Berührung der
Alexuntlriniscben Schule zu den Juden, wo mit gewandter
Prägnanz dnrgethan wird, warum die Schönheitsidee bei
denselben nicht zum Durchhrnchc kommen konnte.
Voll Begeisterung schildert der Verfasser im V. Vor-
trage den völligen Umschwung in der Ideenwelt mit
dem Eintritte des ChriBtenthnmes und gelangt (pag. 40 1
zu dem Auspruche: „War also das Charakteristische des
anti'ken Ideals Äusserlichkeit, Endlichkeit,
sinnliche Liebe — so können wir das christliche
(moderne) Ideal Subj ectivität, Unendlichkeit,
geistige Liebe nennen. - 1
Nachdem auch die Nouplatoniker erwähnt werden,
weist der Verfasser in zerstreuten Stellen der Kirchen-
väter die Entwickelung deB christlichen Schönheits-
ideale» nach, sehr richtig bemerkend, dass sie mit ihrer
ganzen Bildung auf alt hellenischem Boden stand.
Das Entstehen der christlichen Kunst, dann die wei-
tere Entwickelung der Idee der Schönheit bei den
Deutschen bis Hegel herab, findet ihren entsprechenden
Platz und ihren Abschluss in der Bestimmung des Be-
griffes der Schönheit. Der Verfasser gelangt zu dem Re-
sultat, dass Heiden oder Christen, wenn sie auf der Höhe
der Kunstbildung angelangt sind . auch in ihren Ansicu-
Digitized by Google
XXIV
teil Uber die Kunst übereinstimmen. „Was schon Piaton
(heisst es pag. 89) an die Spitze seiner oliersten Unter-
suchungen gestellt, das nimmt auch das Christenthum
alM die richtige Basis für Reine Erklärung de« Wesen»
der Schönheit an. Die Erscheinung Gottes in den
Dingen, die in einem Kunstwerke ausge-
druckte göttliebe, sichtbar oder hörbar ge-
wordene Idee — das ist das Schöue in ihm. a
Diese Stelle steht in einigem Widerspruche mit der
pag. 40 geäusserten Ansicht Uber da« antike und christ-
liche Ideal , obwohl dort mehr das Ideal des Lebens als
das der Kunst gemeint ist.
In den Vorträgen A" und XI ist der Naturalismus
und Idealismus scharf gezeichnet nnd die Notwendig-
keit ihrer gegenseitigen Vereinigung schlagend dar-
gethan. Zum .Schlüsse gibt der Verfasser seine eigenen
Kunstanschauungen auf ruhige Weise knnd.
Das Büchlein ist jedem kunstsinnigen Leser als an-
regend anzucmpfehleu.
Eine bessere Correctnr wäre erwünscht gewesen,
um Ungleichheit in der Schreibart zu vermeiden. So
wurde bald Punkt, bald l'tinct, bald charakteristisch, bald
eharacteristisch , bald byzautinisek , bald bycantiniscb
gedruckt. L. S.
Todesanzeigen.
Am 16. Jänner 1861 starb Herr Joseph Seba-
stian Grüner, Magistrats- und Criminalrath zn Eger,
Mitglied mehrerer gelehrten Gesellschaften und Con-
servator der Baudenkmalo für den Egerer
Kreis. Er war im Jahre 1780 geboren, und weihte jene
Stunden, die ihm seine ernsten Bernfspflichten frei Hessen,
mit grosser Liebe der Alterthumsknnde nnd den Natur-
wissenschaften.
Grüner hat der k. k. Ccntral-Commission als Corre-
spondent für den Egerer Kreis von Anfang derActivirung
dieses Institutes angehört. In dem Vorsehlage, wel-
chen GrafForgaeh — damals Statthalterei-Vicc-l'rUsidcnt
in Böhmen — Uber die Ernennung von Conscrvntorcn für
die 13 Kreise des Landes an die k. k. Central-Comrais-
sion erstattete, heisst es:
„Grüner hat vielseitige Kenntnisse der historischen
Denkwürdigkeiten des in dieser Beziehung sehr interes-
santen Egerlandes."
Auf Grund dieses Vorschlages wurde Grüner mittelst
Decretes vom 18. Juli I8f>4, gleichzeitig mit Winaricky,
Benesch, Schmoranz, Slawik u. s. w., zum Conservatnr
ernannt
Grüner hat von Anfang des ihm zugewiesenen
Wirkungskreises eine rege Thätigkcit entwickelt und
innerhalb desselben die Zwecke der Ccntral-Commission
nach besten Kräften zu fördern gesucht, indem erder
Erforschung nnd Erhaltung archäologischer Objecte
Gönner nnd Freunde zu gewinnen strebte, von allen
dieses Gebiet betreffenden Vorfallcnhciten die Ccntral-
Commission in Kcnntniss setzte, der Zerstörung und
Verwahrlosung historischer Bnudenkmale nach Thunlich-
keit entgegenwirkte u. s. w. Vorzüglich waren es die
Denkmale von Eger selbst, deuen er seine unmittelbare
Aufmerksamkeit schenkte. Im ersten Bande der Mit-
tbeilungen, pag. 89 ff., ist von ihm eine Notiz enthalten:
r Die Kuincn der ehemaligen Juden - Synagoge zn
Egcr. u
Eben so nahm sich Grüner der Egerer Burg und
Capelle so wie der, in der Dccanatskirche St. Niklas zn
Egermit Kalk Übertünchten Fresken eifrigan. 1857 wurde
Grüner vom damaligen Kreispräsidenten Grafen von
Rothkirch in da» zur Consrituirung eine» Vereines wegen
Restauration der Egerer Dccnnatkirche gebildete Comitc
berufen. In seinen archäologischen Bestrebungen stand
Grüner in nahen Beziehungen nnd lebhaftem Verkehr
mit dem bekannten ehemaligen Scharfrichter zn Eger,
später Custos und Numismatiker des fürst!. Metter-
nich'schcu Cabinets zu Köiiigswart, Karl Husz, dessen
Lebcnsgcsehichte Gruner in seine Schritt : r Bricfwcch-
sel und mündlicher Verkehr mit Göthc- aufnahm.
Am 30. Decemberl8t>3 verschied zu Klosterneubnrg
der Capitnlurpriester Florian Thaller, Kanzleidirector
und Archivar des dortigen Stiftes und Corrc spondent
der k.k. Cent ral-Coiumission für Randenkmale.
Er war im Jahre 1809 zu Wien geboren, zeigte schon
frühzeitig eine ungewöhnliche Vorliebe für Kunst und
Wissenschaft und besass eine ganz besondere Gabe für
das Ordnen nnd Reiben mittelalterlicher Denkmale. So
war er es, der die Gemäldesammlung des Stiftes, welche
sieh bis zum Jahre 183f> in grosser l'nordnung befand,
aufstellte und regelte; von ihm wurde mit Zuziehung
des kais. Rathes nnd Conservators A. Camesina die
dortige Schatzkammer neu und zweckmässig geordnet ;
er Überwachte die Restauration des bekannten Kloster-
neuburger Stammbaumes und erlebte auch noch seinen
liebsten Wunsch , nämlich den , die Gemälde an
der Rückseite des Verdttner-Altars, welche aus den
Jahren 1324 bis 1330 stammen und bisher völlig unbe-
achtet und unbekannt geblieben waren, an das Licht
gezogen und zweckmässig hergestellt zu sehen. Zn
diesem Eifer für alles Gute und Edle kam seine
nuendliehe Güte und Liebenswürdigkeit, seine I'ner-
müdlicbkcit im Vorweisen der Knnstschätze nnd die
tiefen Kenntnisse, die er bei der Demonstration dersel-
ben entwickelte. Nicht nur das Stift selbst, sondern
die gelehrte Welt Österreichs erlitt durch sein
Hinscheiden einen schweren Verlust.
Digitized by Google
XXV
Das Seschlecl
Über dieses Geschlecht bestehen blos vereinzelte,
in verschiedenen Werken zerstreut vorkommende Nach-
richten, welche wir zu sammeln und zu ordnen bemüht
waren.
Die Wiege der Bonomo liegt in Istrien, wo sie ge-
schichtlich schon vor der Mitte des XIII. Jahrhunderts
erscheinen, vun hier wandten sie sich nach Krain und
später auch nach Steiermark.
In Krain beBassen sie WolfsbUhcl und Mannsburg
und nannten sich datier „Bonomo vun Mannshurg**.
Ihr, mit einem Herzschilde bezeichnetes Wappen ist
vierfcldig. Im ohern rechten und untern buken Quar-
tiere befindet sich eine Leiter, im linken obern und
rechten untern Felde ein gesenktes Schwert. Die sym-
bolischen Kmbleme aller Feldnngcn haben eine schiefe
Stellung.
Der Herzschild zeigt zwei aufgerichtete Schlangen.
Den Schild schmucken drei oftene, gekrönte Tur-
nierhebne. Auf dem ersten Helm bemerkt man zwei
Flügel mit den Schwertern, auf dem mittlem einen ge-
krönten Vogel nnd auf dein letzten einen, mit zwei
Sehlangen bezeichneten Pfaneiisehweif.
Freiherr von Vnhasur hat das Wappen abgebildet ',
bei Bnccllini und Schmutz 2 sind Uber dieses Geschlecht
einige Nachrichten zn finden.
Im Jahre 1 246 verbanden sieh zu Tricst, anf An-
ratben des Minoritcn-Provincialcn Br. Pcllegrin, mehrere
adelige Familien zu gemeinschaftlichen geistlichen An-
dachtsübungen , nnter welchen sich auch die Bonomo
befanden. Fnler dem Schutze des heiligen Franz von
Assisi erbauten sie daselbst in dem Klostergange der
Minoriten eine Capelle, welche noch gegenwärtig die
.adelige Schule«' genannt wird, wo sie zu gewissen
Zeiten zur Verrichtung ihrer Andacht zusammentrafen.
An der Stirnwand dieser Capelle sieht man nebst dem
Bildnisse des vorhenannten Heiligen die,Wnppcn folgen-
der dreizehn adeligen Geschlechter, als: der Petazzi,
Argenti, Bonomi. Burli. Giuliani, de Leo, Pcllegrini,
Stella, Belli, Zigotti, Paduini, Tafln ni und Bnselli.
Die dabei angebrachte Inschrift lautet: „Vetusta
nobilitatig Tergcstinae congregatio tredeeim insignita
familiis, instituta, anno 1246, secunda Februarii, sub
auspieiis divi Francisci*'.
Um die Mitte des XV. Jahrhunderts lebte Martin
Bonomo, über dessen Leben verschiedene Ansichten
herrschen. Freiherr von Vnlvasor nennt ihn 1449 einen
Bischof von Piben und des Patriarchen von Aglar
Gencralvicar zu Laibach'. An einer andern Stelle be-
zeichnet er ihn als Bisehof, Gencralvicar zu Pettau nnd
Pfarrer zu Laibach *. Aquilin Caesar fuhrt Martin als
Bisehof und Gencralvicar zu Lnihach und zugleich als
Pfarrer von Pettau an. Da jedoch der Bischofssitz von
Laibach durch Kaiser Friedrich IV. erst 1461 entstand,
so hegt Caesar die Ansicht, er durfte blos Bischof in
partibus infidelium gewesen sein*. Bei Bowodcn' and
• V*Itu. Rkr* 4. Hm. Kr. S Tbl., B4. IX, p. 91. * Seknau, hui.
Up. 1^.1. i, Bl. p. IM. • Muten. V. Bd. p. M-tt. « t. TW,, Bttti IX.,
p. «W. » tMem p «M. • Anm«l. Im*. Slyr. I TM , p. Ii ' Gmfc. » CUM
IX.
t der Bonomo.
Raisp' kommt Martin als Gencralvicar von Aglar nnd
Pfarrer zu Pettau vor.
Martin . Uber dessen frühere geistliche Stellung wir
nicht unterrichtet sind, wnr schon 144.") Bisehof zu Piben,
und hat daher nie zu Pettau gelebt. Zu dieser Verwechs-
lung gab die. /.wischen den WiSrtcrn Pelina und Pettau
obwaltende Ähnlichkeit Veranlassung.
Pelina (Pedina), eine kleine Stadt in Istrien. auch
Pibeu genannt, mit einem im Jahre .'124 durch Kaiser
('»nstantin dem Grossen errichteten Bisthuiiic. hatte im
XV. Jahrhundert gleichzeitig zwei Bischöfe, nämlich:
Fr. IVlrus nnd Martin. Der Krstere, vom Papst Kugen IV.
14.'t4 ernannt, war früher Prior des Predigerordens zu
Venedig und stammte aus dem edlen Gesehleehtc der
Justiniani. Kr sass durch 30 Jahre auf dem F.piseopalstuhl
und starb 14(54'.
.Martin, welcher 1445 durch Papst Felix V. den
Bisehofsstiihl von Piben bestieg, wurde, da er sich die
Würde eines Genernlvicars von Aquileju beilegte, noch
in demselben Jahre mit Lorenz, Bisehof von Lavant.
durch Papst Kugen V. exeommunieirt. Von diesen beiden
Bischöfen behauptete sieh in der Wirklichkeit blos
Fr. Petrus. Martin, im Catalogus Episcopormu Petinen-
sium als ..PsendoKpiscopus" bezeichnet', hat von seinem
Bischofsstuhle nie faetisehen Besitz ergriffen, sondern
blos den leeren Titel geführt.
Zur Vorbeugung von Misshclligkeiten ernannte ihn
Ludwig III. Scarnmpus de Mezarotta, Patriarch von Aqni-
leja, zum Geueralvicar in Krain. Martin weihte 14M den
Altar in der Schlosseapelle zn Kciffnitz', und starb,
nicht wie l'ghellus anfllhrt 1480, sondern nach Cunta-
renus den 8. Juli 1456 und wurde in der St. Nikolai-
kirche zu Laibach unter der Kanzel beigesetzt, wo
dessen mit der Mitra und dem Stabe geschmückter , ans
rothem Marmor gemcisselter, mit einem Schilde und
drei M bezeichneter Grabstein folgendes Epitaph tragt :
„Anno domini 145(5 in die Sancli Kiliani obiit reverend.
patcr Martinas Episcopus petinensis" \
Im Jahre 14V8 erhielt Lorenz Bonomo vom Kaiser
Friedrieh IV. in seiner Herrschaft Milterbnrg das
Schloss Hegkl mit der gewöhnlichen Burghut in Ver-
wahrung, und stellte über diese Verleihung den 19. Jän-
ner desselben Jahres den Dienstrevers aus*.
Den 14. April 1197 erscheint Peter Bonomo, kaiser-
licher SeeretMr, in einer Urkunde , kraft welcher Hanns
Kischharnvat das Schloss Andels pflegweise erhielt. Den
Brief siegelte Jörg von Turn'. Peter war aus Tricst ge-
bürtig, Kaiser Maximilian's l. und Kaiser Karl's V.
Kanzler, nnd gehörte dem geistlichen Stande an. Als zu
Anfange des XVI. Jahrhunderts bei seiner Ernennung
zum Bischof die Bischofssitze zu Wien und Tricst
gleichzeitig offen standen, und Kaiser Maximilian ihm
über beide die Wahl frei stellte, erbat sich Peter Bonomo
jenen von Tricst. Er starb von seiner Mitwelt hoch-
geehrt, 88 Jahro alt, 1556, und wurde in der Domkirche
> I'«ko a. Cm«, p. 1*0, «. ItöO. • feUrlu S. Tbl , V. Bd., p. «». ' M»
rUi S. TM., V. Bd., p. 4««. » Vilm t. Tbl., p. «TS. » Itllonichek All
in 4m Mlilh du tut V.r. I. Krün. 1447, p, 1*4. • Kond. f. «rt. OmcIi. qti.ll
Bd in, f. III ' Mitth. d.W.l. V.r t, Statann- lt. Uft., p. t», Nr. 1MI.
d
Digitized by Google
XXVI
Reiner Vaterstadt zur Ruhe bestattet. Sein Leieheustcin
hat folgende Inschrift:
„Praesulis hic mmnlns Petri tegit ossa Bonhomi.
Grata tuo civi, plebs pia vota refer- '.
Im Jahre 1530 finden wir Nikolaus I. von Bonomo
als Mitglied der steirischen Landmannschaft verzeichnet '.
Johann Bonomo lebte 1570 als praktischer Arzt zn
Pcttau , und war Doctor der Mediein und Philosophie.
Dessen Gemahlin Palma, eine edle Tricsterin, starb da-
selbst in ihrem 24. Lebensjahre den 24. Februar 1584
und wurde in der Muioritcnkirchc eingesegnet.
Der mit Kalk Übertüncht gewesene Grabstein kam
erst 1859, als durch die besondere Sorgfalt des Herrn
Mayemith, Guardian des Minoritenconrentcs, mit nicht
geringem Kostenaufwandc in der Kirche zeitgemässe
Renovirungcn statt fanden, zum Vorschein.
Der ans weissem Marmor geformte, 3 Fuss hohe
und eben so breite, vollkommen gut erhaltene, im oberen
Felde mit dem gekreuzigten Heilande geschmückte Denk-
stein befindet sieh an der Epistelscitc des St. Florinn-
idtars in der Kirchenwand eingesetzt, und zeigt folgen-
des Epitaph: r Palmac Bonomo de Rubertis nobili
Tergestinae conjngi dilectissiinae, ae ob ingenuas virtu-
tes desideratissimae obiit anno aetatis suac XX1III.
Joannes Bonomus Philosophiac ac Mcdicinac Doctor
moestissimus, Memoriae ergo P. F. Anno Domiui 1584
mense Februarii XXIII L*
Adam Ronomo besass 1572 Wolfsbühcl, er starb
1507 und liegt zu Mannsbnrg begraben 3 .
Nikolaus II. von Bonomo, ein Sohn des Vorigen
und Erbe seiner Besitzung, war 1570 mit Ambro* Frei-
herrn von Timm, Martin Gull, Thomas Reutlingen Dom-
propst zu Laibach, und Leonhard Khrccn, Bürgermeister
daselbst, Verordneter der Landschaft Krain nnd nach
dem Tode Georg Hüfers von 1573 bis 1578 Vicedoui\
Er siegelte 1581 mit Christian Freiherrn von Abensberg,
Wilhelm von Lanibcrg, Franz von Schcyer und Caspar
Mauritsch , das Testament, welches Johann Beziist Frei-
herr von Valvasor, zu Gnnsten der Mesknnischcn Familie
errichtete.
Niclas II. von Bonomo bekleidete nach dem Tode
des Georg Ainkhllrn, von 1595 bis 151*8, die Stelle eines
Landesverwalters in Krain. Er veriiusserte Wolfsbtthel
an Leopold von KaumschUsscl, und starb den 4. März
• Va!t„ 1. TM., f. «M. ' SoMntitl. I. Tb. I» 131. • Vwtm. *. TM..
,. ' Vilm J. TM., j.. Hfl. * IM4.i U p «I.
1508 zu Gratz, wohin er von den Laudstäiiden gesandt
wurde. Sein nach Laibach abgeführter I<eichnnhm fand
in der Spitalskirche seine Ruhestiltte '. Gegen Ende des
XVI. Jahrhunderts (151*0— 1(500), genau liisst sich die
Zeit nicht bestimmen , hatte ein Edler von Bonomo
Justina Freiin von Lanibcrg zur Gemahlin. Sie war die
Tochter Wilhelms Freiherrn von Lanibcrg und der Anna
Freiin von Auereberg'.
Hanns II. von Bonomo war 1596 mit Georg Aink-
hllrn und Christoph Meskeu zu Ortenegg ständisch krai-
nerischer Verordneter, und hierauf von 1590 bis 1602
Landesverwalter in Krain 1 .
Zu Anfang des XVU. Jahrhunderts (1(513) hatte
Magdalena von Bonomo Daniel von Raumsehtlssel ztuii
Gemahl, dem sie drei Söhne gebar: Leopold, Kraxiiin*
und Adam. Nach ihrem Tode verband sich Daniel von
Raumsehtlssel mit Barbara Freiin von Dietrichstein'.
Im Jahre 1651, 1G53 und 1(558 finden wir Franz
von Bonomo als Guardian des Minoritcn -Convents zu
Pcttau. Derselbe wurde im letzteren Jahre, als er auf
Anordnung der hohen Regierung die ausgeschriebenen
Steuern auf seinem Grundbezirke einsammelte, zu Sto-
zerzen nächst l'ettau von seinen Unterthanen, welche
im Wahn lebten, die neue Geldanlage käme blns dem
Kloster zu Nutzen, sei daher eine eigenmächtige Hand
hing, auf eine grausame Art erschlagen 1 . Nach dieser
blutigen Katastrophe flüchteten sich die Morder thcils
nach Croatien, theils in die Rohitseher Wälder. Zwei
der eingefangenen ITbclthäter bllssten erst 1(572 ihre
Blutschuld mit dem Leben, die übrigen, minder schwer
Betheiligten erhielten iu Rücksicht ihrer aufrichtigen an
den Tag gelegten Reue, dann wegen ihrer langen Ein-
kerkerung und der ausgestandenen Schmerzen erst
1675 durch kaiserliche Gnade die Freiheit r .
Den 1. Deeember 1670 entschlief in ihrem Geburts-
orte Asiaga an der Brentn die Nonne Giovanna Maria
Bonomo, und ruht in der Kirche ihres Heimatsortes '.
Im Jahre 1812 wurde Franz Xaver von Bonomo,
k. k. Oberstlieutenant im Ingenieur-Corps, nachdem der-
selbe den vollgültigen Beweis seiner directen Abstam-
mung von Nikolaus I. von Bonomo lieferte, als Mitglied
der steirischen Landinannsehaft aufgenommen , und den
1 1. Juni des bezeichneten Jahres in die Ständeversamiu-
lung feierlich eingeführt'. J)r. Hunim-h
> V«|v«. 3. Tbl , p 11 ' Dnccdtial S TM , f. 7, i. Tbl . |,. Ii: . ' V«|-
v» .1. Tbl . ji 71, ' llu«. III. ltd. f. IM. > liunlith, tie.ch.il«. !•••( Mit.
Kl. M. :.. ii. RH. • p«t»u«r. Min. Artb. ' Ar.-b. (Or Kuurl, i.'.r «.
HJ III (. SSM. « Sthmuli. I. »il. v Iii.
Bas Doxal zu Cöln.
Dem bekannten Cidner Schriftsteller Dr. Enner ist
es gelungen, das wegen seiner reichen Verzierungen
vielbesprochene Doxal in der Ki rchc der h. Maria
im Capitol zu Ctiln als eine, nicht dieser Stadt ange-
börige, sonderu als ausländische Kunstarbeit darzu-
stellen. Es wurde nämlich von der Witwe des kaiserl. Ra-
thes Georg Hacquenay, gemäss dessen letztwilliger Ver-
fügung, in der Stadt Mechern bestellt , um dasselbe in
der oben genannten Kirche „zum Lobe und zur Ehre des
allmächtigen Gottes" aufrichten zu lassen. Im Jahre 1524
wurde es vollendet und durch die Gebiete des Herzogs
von Geldern und der Statthalterin der Niederlande nach
Ciiln gebracht. Ein auf diesen Transport bezüglicher
Brief ist von 13. Juni dalirt und an den Herzog von
Geldern gerichtet, wclehcr gebeten wird, das Doxal ohne
Beschwernis» und Zugeid durch sein Land ziehen zu
lassen. Ein zweites Schreiben von 1. Juli desselben
Jahres an die Erzherzogin Margarethe, spricht dieselben
Wünsche aus. (Cölnische Blätter 1864. Nr. 2.)
(i'b.r nu l>o»l nltnl .1«» Ka ( lct .KiuuIkmcUcM«* II. IM <»il
dtixu .t,/r»l«Lt« ScbriKe»- 11 «1.;
Digitized by Google
XXVII
Conrespondenz.
Fi-WUirtb, im Jänner 18(14.
Die im lctztvertlossenen August vorgenommene
BeaugenschcinigungdesAltarszti Brand(Bczirk Bludcnz)'
Überzeugte den Gefertigten, das? der artistische und
knnsthistorischcWerth des Gegenstandes weit Uberschätzt
werde. Da» ohnehin mehr fragmentarische Altärchen ist
sehr einfach und zeichnet sich in nichts vor andern
Werken dieser Art aus, wie man sie in Kirchen und
Capellen hie und da antrifft.
Der etwa vierthalh Knau hohe Sehrein läuft oben
in ein aufgesetztes, schmäleres Rechteck au« , und von
diesem letzteren erhobt sieh an den beiden Enden je
eine, in keinem organischen Verbände stehende Fiale.
Von der beiderseitigen innern Basis dieser Fialen
her. begegnen sich zwei geschweifte und Uber der iMitte
gekreuzte, gleich den Fialen selbst sehr magere Orna-
mente. Den Baum zwischen diesen Ornamenten nimmt,
in vcrhältnissmüssig kleinen Figuren von Sehnitzarbeit,
die Kriinung Marien'« ein.
Zwei weitere Fialen erheben sich an den beiden
Endecken des Schreines , und zwischen ihnen und der
Mittelausladnng desselben, wiederholen sich die ob-
erwähuten, sich kreuzenden Banken.
Das Innere des Schreines nehmen drei bemalte
Scnlpturen von ziemlich guter Modellirung ein. Die
mittlere derselben stellt die beilige Anna vor. auf deren
Knieen Christus und Maria sitzen, beide in Kindergrössc,
doch Maria schon mit ziemlich merkbarer Andeutung
jungfräulicher Formen und eine grttn-schwärzliehe Frucht
(vielleicht eine Feige) haltend, die sie mit nusgestreek-
tcmArm ihrem Stthnlein hinüberbietet. Zu den Seiten
dieses Bildes steht, links für den Beschauer, St. Katha-
rina mit Schwert und Kad, rechts St. Barbara mit dem
Thunne.
Die Fltlgelthllrcn theilen sieh senkrecht in zwei
Felder und tragen an der Innenseite Ilochreliefarbeiten.
Die eine zeigt den heil. Nikolaus uud den heil. Johan-
< Dk.fr Ort Hrti.1 In dem Barr, Ihm
•IM« «In* Ale*, «« dl. daielbet St.rr.omB.rr.drn A1|>l««ii*
eine t-auelle und auch einen von der Muttarprarr« in Iliira al
halten; auch wurde am 7. Oetol.er I.V>a daaell.ei ein« Kirche; In
htau« Vlrciala Maria» In co.lum a..omplt«, «ill^e.elbt.
r.t kann daher la dleaer Kirch« wohl «tu Altar «i.n> Jahr» I.MI vor-
handen »ein. wenn auch dl« dermalls« , waJmrhebillrh bei «ln«r eiiüleran Ue-
Mauratl-on «aLlajidebo l'via tUr Ziffer aa Ihm anlaux.t>aj «Ji nnucht «r-
kann! »Ird.
(/?calw«.rlh gibt den >'OarB«ldenea Allärcbea dl« dann haftende l ber-
llcferant- Im Munde de» Volkes , narh welcher «• rerdem In dar Pfarrkirche
KB »eewla liti f raubundeaarben Thal« Critlgan , In du tob Brand aua aln
Alliaiit»*»» fiilirt, »eine Slelle gehabt mtd dein l'aterFidal von S I {narl d g e n
aar Darlirlncunic de- helliirrn Mea»r-j'^ur» daeelblt «edlem hauen »oll. Illeeer
l'aler Fidel, ala l.ale anxcMlih Hirral Rain Keheleaen. war an» &la
marinem , l-eldrr Ktflite I»OL-tor und Besatzer du» demal» öMerreirbUrbtn
iierlehubnfea zu Kneheim in Obe-r*l»a»a , «r ward Kapuilnor und Guardian
div.ee Orden» au Feldkjrch. Al* im blntlfen Händnerkrieic« de» Jahrca l«»"I
o#terrelrhl»< he S*>liiaroii du refurmlrte l^ntfvulh in *eowl», Schier» uud (Iniieh
zur Anhörung der lii'lllt(Ou Xuitc kwin«-en wollten, wurden beide Thelle band.
Kernela «Ml am «nleti Orte hol der fUllWntclfrle« i'aUr , der T in telnem
Kloatirr, dae wir da» (anie rorarlberfii« he Oberland daana-1» aum Cnurer
S|irt'Dtrel gebort.- , tUlilu geh tuen war. am 1*4. Annl der Wuth dt» Vnlke»
IQIU Opfer. Saiu llaujil ward «u den Kafvatarru n**h Feldkirch, wo «■
Boen vurwahrt und «erenrt wird, der t>ln aler narh t hnr In die liomklrrh«
itnbrarni*. Der Altar ,...11 von «lauten . der kathollxhen I.ebr» Ir.ugelitiebtnen
tlrmelndagllidern Uber dam Khkllkon (eallehlat and eo narh Brand fe
kommen »ein. Jot tl<rymam.
rij«
, Kol
br CI.U. IM« feit, Iii
ffenkwiolifkcteo. be»a«»tfe|waru
nes, die andere den heiligen Joachim und den heiligen
Bischof Theodor. Die gleichfalls zweitheilige Aussen-
seile der Flllgel ist bemalt und zeigt links die heilige
Margaretha und die Verkündigung Maria, rechts eine
unbestimmbare Heiligeugcstalt und eine sehreigenthüm-
liehe Darstellung der Menschwerdung Christi. Ans einem
Wolkenstreifen erhebt sich nämlich, in halber Figur, mit
weissem Talar und rothein Mantel angethnn und von
Engelchen nmgeben, Gott Vater, nnd unterhalb an dem
besagten Wolkenstreifen in Tnubengestalt schwebt
der heilige Geist. Vom Leibe des Vaters gehen diver-
girende blutrothe Strahlen aus und reichen bis zu der
nnten knieenden Jungfrau, in blauem Kleide und rothem
Mantel. Durch den Strahleuhlindel nber fuhrt, die Füsse
nach oben, das Köpfchen abwärts gekehrt, ein nacktes
Kindlciii herab, dein ein zur Seite auffliegender Engel
den Weg weist.
Die Malereien sowohl als die Sculpturen des
Schreines befinden sich in einem ziemlich gut erhaltenen
Zustande und durften trotz der an einer Stelle des
Altars vorkommenden Jahrzahl J.MI, die sich durch die
Form der Ziffern unliiugbar als unecht zn erkennen gibt,
dem Ende des XVI. Jahrhunderts angehören. Die Fialen
und Banken jedoch sind höchst wahrscheinlich nur eine
spätere Zuthut ; ganz gewiss lässt sich dies von der Pre-
della nnd von dem Altartische selbst behaupten.
Was dem bescheidenen Altärchen wenigstens einen
anderweitigen nnd zwar loealen Werth gibt, ist eine
sieh daran knüpfende, nicht verwerfliche Tradition. Nach
dieser soll der Altar nämlich früher in der Pfarrkirche zu
Sevis, im granhUndtnischeu Thale Prätigäu, in wel-
ches von Brand aus ein Alpenpas* hinüberfuhrt, seine
Stelle gehabt und dem heiligen Fidelis, dem ersten
Märtyrer des Kapuzinerordens und damaligem Gnardian
zn Feldkirch in Vorarlberg, zur Darbringung des heiligen
Messopfers gedient haben, als sich derselbe zurBeforma
tionszeit im Auftrage des Bischofs von Chnr nach dem
IVätigän begeben hatte , um durch seine Predigten dem
dort um sich greifenden Abfalle Einhalt zu thun. Nach-
dem aber dieser deunoch erfolgt nnd Fidelis unter den
Streichen der abtrünnigen Seviser gefallen war (am
24. April 1622), sollen sich einige treugebliebene Ge-
meindemitglieder Uber das Gebirg nach Brand gefluch-
tet und den heimlich fortgenommenen Altar mit sich
dorthin gebracht haben.
Die Sache ist an und ftlr sich durchaus nicht
unwahrscheinlich , und nlte ehren wert he Mäuner des
Thaies versichern, diesen Hergang schon als Kinder
von ihreu Vätern vernommen zn haben, welche sich
eben so \vieder auf ihre eigenen Väter berufen hätten, so
dass die Überlieferung wirklich bis nahezu auf die Zeit
zurückreicht, in welche der Tod des heiligen Fidelis
notorischer Maasscn fällt.
Wofern demnach die Gemeinde Brand einmal ihre
Kirche mit neuen Altären zu versehen und wenig-
stens einen Theil der Kosten durch Veränsscrnng des
besprochenen und Allerdings in ihre Kirche wenig
Digitized by Google
XXVIII
hineinpassenden Altärlcin.« zu decken beabsichtiget, so
möchte es am angemessensten sein, ihr das Letztere
/war zu gestatten . doch nur in d e m Kalle , wenn das
ehrwürdige Pherhlcibscl tili die Kapnzinerkirehe zu
Pcldkirch acqnirirl wurde, wo dasselbe — die Richtig -
keit der Volkssage angenommen — unter den übrigen
dort aufbewahrten Reliquien des heiligen Blutzeugen
die geeignetste Satte fände. Sr„rl-* r .
1'r.ifr, 19. Min 1*64.
Her < ' a s I a u e r T h u r tu b a u . eine der schwierig-
sten Unternehmungen im Rayon des Kreisbezirkes, steht
nun in schöner angemessener Form, seiner Vollendnng
harrend, da! Es fehlt nur mu h die AnhcRung verzinnter
Hlechtafcln. die Ausfüllung einiger Steinmctzomauicntc in
der Gallerie uud den Ecktliltrmclien, und endlich die
Stiegenverbindung bis zum Kipfel. Die Holzconstruction
dieser slylrcchteu, ins Achteck geschlossenen, einfachen
Zeltdächer lässt nichts zu wünschen Übrig.
Betrachten wir die Brände von dem Jahre l.*>2'.',
ItilM), 1703 und 1841 . wo immer wieder das innere Ge-
bälke und das Dach dem Feuer zum Opfer fiel, so
müssen wir uns wundern, das.« dieses Gemäuer bis zum
Krongeshnsc gesund genug ist, dem enormen, senk-
rechten Dach- und Galleriednicke sicheren Widerstand
zu leisten. Die Höhe des Zeltdaches betrügt 22, die der
Thunnmaner 23 und jene des Kreuzes 2°, womit also
die gesammte Thurmhöhe 47° ausmacht. Der Kunst-
kenner und Architekt würde mehr deeorative Motive zur
Belebung des Ganzen und endlich ein.- Schiefereindeckung
wünschen, allein man musste stets bei einem solchen
Kaue der Ökonomie des Kaufendes mehr Rechnung
tragen, als den Anforderungen der Kunst. Das einzig
Störende bei dieser Kirche ist das unendlich niedrige,
sehr flache Kirchendach, welches einen dcpriinircndcii
Eindruck hervorruft und den hohen Thurmkörpcr gar zu
sehr isolirt. Die aus dem Kutteniicrgcr Qnadersandstcin
hergestellten Gallerien, mit fünf, je auf einer Seite im
Kleeblatt ausgeschweiften Areadenbögeu, die FckthUnu-
chen mit je einem Rundfester, ferner die SchallöfTniingcu
in der Mitte der Zeltdachhöhe, würden dann mit ihreu
Knöpfen und Fahnlein dem Thurtne ein sehr belebtes,
schönes Ansehen verleihen.
Noch an demselben Tage besuchte ich das pitto-
resk auf einem kleinen Felsenhltgel im Pappel- und Er-
leugchlisch ruhende, uralte, gothische Bnnifacius-
k irr- hl ein zn Lochy, eine halbe Stunde nordwestlich
von C'äslau entfernt. Ein Bau ans dem XIV. Jahrhundert.
Die engen, kleinen Fenster, ohne Masswerk, erhellen den
Kaum , der Chor ist im Achteck geschlossen. Der Altar
im Renaissaneestyl mit dem Wappen seiner Stifter:
Bernhard Grafen von Weznik und seiner frommen Ge-
mahlin, geb. Gräfin von Areo, und eine sehr alte (»locke in
dem niedern.mit einem Zwiebeldache versehenen Thurme
sind Alles was das Auge fesselt.
Auch das nahe Cholnsic, ein Städtchen mit einer
St. Wenzclskjrche, welches am 17. Mai 1712 in dem
Kampfe der Österreicher und Preusseu in einen Aschen-
häufen verwandelt ward, wurde besucht. Die uralte Kirche,
sonst Propstei von dem Cistercienscrstifte Sedlec, 1424
dnreh die Hnssiten zerstört, ist seit dem siebenjährigen
Kriege ein nüchterner Xolhdnrftsbau geworden. Nur in
der geräumigen Sncristei erhielt sich ein schönes gothi-
sches Kreuzgewölbe als Überbleibsel des alten Baues,
dann einige leider sehr beschädigte Grabsteine, welche
zu spät in die Kirchhofmaucr eingefügt wurden.
Am l'.t. Oc tober wurde die kleine, aber sehr
kunstgerecht erbaute Kirche zuMarkovic und das höchst
merkwürdige, uralte Schloss £lcb besucht.
Ein isolirter FclsenhUgel trägt den vorhussitischeu
Kirchcubau vou Marko vic, dessen schlanke, gothischen
Formen schon von der Feme auffallen. Leider wurde das
Kirchlein vor etwa vierzig Jahren wegen bedrohlicher
üautalligkeit des Schiffsraumes sehr verkürzt, jedoch
das alte Portal wieder in der Maticrwand eingefügt. Uber
wi lchein zwei leere Schilde mit der Jahreszahl I.YS1 an-
gebracht erscheinen. Der einfache Renaissancealtar mit
den Wappen des ehemaligen Besitzers von Zieh, Frei-
herrn von Kaiserstein und dessen Gemahlin, gebornen
Zäruba voll Husterau, geziert, dann drei, iu dem, ins
Achleck geschlossenen Churraum eingefügte, ftlr den
Heraldikcr , Genealogen und Loealgesehichtsschreibcr
äusserst merkwürdige Grabsteine , mit interessanten
Wappeiiscnlpturen, bilden die Sehenswürdigkeiten. Ein
äusserst schönes, birnfömiiges Rippenprofile tragendes
Kreuzgewölbe deckt das Ganze, während die Fenster
gar kein Mass- und Stabwerk haben. Vor der Kirrhen-
thttre ruht ein unbenutzter, alter und einfach geformter
Taufstcin. Dieses Kirchlein kömmt schon in dem Jahre
1382 in den Errichtnngsbüchern vor. Einige Schritte
südlich ist die moderne St. Annakirche, mit zwei
ThUrmcn und einer alten I*öwcnsculptur am obersten
Giebelschlusse der westlichen Kirchetifronte verschen,
welche weder dorthin passt noch dorthin gehört, und als
ein Bestnndtheil der nlten, nachbarlichen St. Mareus-
kirchc angesehen werden muss.
Die Pfarrkirche zu Zieh ist ein unschöner, stylloser
BedUrfnissbau, bei dem nur das polygonc Presbyteriutn
vom alten, ursprünglichen Baue übrig blich. Diese
Kirche enthält jedoch neun sehr alte Grabsteine der
Familie Bohdanecky von Hodkow, einen steinernen,
in verkommenem Barockstyl seulpirtcn Taufbrunnen aus
dem Jahre 1*122, dann am llocbnltar eine uralte hölzerne,
geschnitzte Madonna mit dem Kinde.
Grossartig und in gewaltigen Formen, von einem
unbekannten Bildhauer (vielleicht von H. B. Prachncr),
sehr genial im Geschmacke der damaligen Zeit durch-
geführt, sieht da» Grabdenkmal hier, welches Adam
Fürst von Ancrsperg seiner 177.j verstorbenen Gemahlin
Wilhebnine, gebornen Gräfin von Keupcrg. errichten
liess. Eine Pyramide, oben mit mächtigen Palinenzwcigcn
bedeckt, bildet den Hintergrund. Oben hängen zwei
Medaillons , welche die Brustbilder beider fürstlichen
Gatten eu rtlief'm sich schliessen. Vorne ruht ein sehr
geschnörkelter Sarkophag, umstellt von Engeln , welche
trefflich raodellirt und als Trauer, Ewigkeit und Tod
sytnbolisirt sind. Das ganze, grossartig angeordnete
Werk ist in Stncco meisterhaft ausgeführt
Vor diesem Monumente ruht auf einem, mit schwar-
zen Sammt bedeckten Tische die vom Kreuze herab-
genommene Leiche des Heilandes, umgeben von dessen
Marterwerkzeugen, und ausgeführt in carrarischem Mar-
mor, 2 Fuss 3 Zoll lang, 1 Fuss 11 Zoll breit, ein aus
Digitized by Google
XXIX
Italien herüber gebrachtes. bea<htcnswcrthes Kunstwerk.
Es mahnt an die Schule des Lomhardi. Ein ehrwürdige»
Vcriiiüchtniss einer längst verschollenen Zeit ist das
grossartige Schlossgebäudc mit seinen Zinnen,
Bastionen, KuiidthUrmen, holten , gothischen Eingängen,
Zwingern, Söllern, der neuen Schlosscapclle und dem
merkwürdigen Hofraume. Das* der Kern <les Gebäudes
uralt sei, dass über demselben Jahrhunderte mit ihren
gewaltigen Ereignissen wegzogen, dass diese daran
geiyidcrt, geformt, verbessert und verschlechtert halten,
wird beim ersten Wiek zur Gewissheit, mehr noeh treten
die vielen Veränderungen der Gestaltung bei einer einge-
henden Beobachtung an den Tag, namentlich wenn die oft
veränderten Bauten unserer Tage hiebei erwogen werden.
Dieses Sehloss, mit seinen Kunstschätxcn nlter und
HKidemer Zeit, seinen kostbaren Glasmalereien aus dem
XV.. XVI. und XVII. Jahrhunderte, die der kunst-
liehcndc Fürst Vinccnz von Auerspcrg in Üentsehland und
in Böhmen erkauft, gesammelt und beigefügt, dann die
uralten Möbel. Gcräthc, Waffen und Trophäen, end-
lich die höchst interessauten, uralten Glasmalereien in
der neuen Schlosseapelle, deren prachtvoller gothiseher
Flilgelaltar mit dem Bilde des englischen Grusses, des
heiligen Viueentjns und des Einsiedlers Wilhelm geziert
erscheint, verdienen eine eigene, selbständige Beschrei-
bung. Ich trete daher zu der wichtigen Sache eines
Berichtes über, welcher die, in den Mittheilungen. II. Jahr-
gang l*r>7.S.]r>5 ff.,bcreits durch Professor J. E.Woeel so
gediegen geschilderte St. Jakobskirche beiCirkvic betrifft.
Es ist hier nicht der Kanin, noch der Zweck, das
hohe lutcressc, welches die Kirche im Dorfe St.
Jakob bei jedem Besucher erweckt nud wie hoch-
wichtig dessen Erhaltung sei , auseinander zu setzen,
zudem wir so glücklich sind ein historisches Datum auf-
weisen zu konneu, welches uns das Entstehen dieses
Bauwerkes nachweist uud es in die Mitte des XII. Jahr-
hunderts stellt. Der erste König von Böhmen, Wla-
dislav I., summt der Königin Judith, wie auch die
Donatrix Maria und ihre Söhne Nawibor und I'aul, wohn-
ten dem Wciheactc eines Altars hei, der im Empor-
räume aufgestellt war, als Bischof Daniel denselben laut
aufgefundener Urkunde um 1 lrj."> eonsecrirle. Heuer nach
Ostern soll der Rcstaurntinnsbnu angefangen werden,
welcher von dem Patron dieser Kirche , Herrn Heinrieh
Grafen vou Chotek , nach folgenden Richtungen vor-
genommen werden wird:
1. Ursprüngliche Wiederherstellung der romanischen
Sehallfenster am Thunne.
1*. Heimgang der sechs steinernen Figuren auf der
Südseite des Landhauses, Aufstellung der siebenten,
welche herabgestürzt, unter dem Dache der Vorhalle
liegt. Diese sieben lebensgrossen Steinfiguren sind ohne
Widerrede die ältesten Sculpturen Böhmens, und dürften
die Gründerin Maria mit ihrem Gemahl, den als Thoil-
nchiner bei dem nächtlichen Überfall des Bischofs Zdik
von Olmütz in Baun gethanen Nawibor von Övabenic
i l I4V| vor dem segnenden Erlöser darstellen. Die übri-
gen Fignrcn mögen die Bischöfe Zdik und Daniel, end-
lieh die ritterliche Gestalt mit dem gezogenen Schwerte
den König Wladislav I. vorstellen, welche Vermuthung
Herinenegild Jireeek durch interessante urkundliche
Comliinatioucn fast znr gewissen Klarheit brachte.
il. Die allgemeine gründliche Herstellung des
säinintliehen Mauer- und Dachwerkes mit Rücksicht auf
stylreehte Ergänzungen der Liscncn. Streifen, des
Soekelgetnäuers und Daehgesimses.
4. Die Herstellung eines ganz einfachen, jedoch
stylrechten Altars mit Rundbogen, einem entspre-
chenden St. Jakobsbildc und eine monochrome Austün-
c hnng mit einfacher, stylrechten Bordur der alten Ap-tis.
Der gütige und kunstliebende Herr Graf versprach
Alles aufzubieten, was er als Palron zu thun vermag, um
durch seine Mutiiticcnz, nebst den Beiträgen der Einge-
pfarrteii und des Kircbcnfondos, das ziemlich verkom-
mene Baudenkmal zn Ehren zu bringen. —
Bei der Restauration der St. Barbarakirche zu
Kuttenberg wäre io das Auge zu fassen: die Abtra-
gung und sorgfältige, nach den vorliegenden Mustern
stylrechte Wiederherstellung des dritten und vierten
Strebebogens an der Nordseite d is Langhauses, indem
wirklieh hei beiden Bögen die Gefahr des Einsturzes
droht, welche lange eiserne, ziemlich verrostete Sehlies-
sen nur uothdUrftig hintanhaltcn.
Die Sache wnrde dem verlässlichen Architekten
Johann Ladislnv Uberlassen, welcher den ihm obliegen-
den Bau im Laufe des Jahres 18(54 vornehmen wird. Er
benutzt dazu denselben Sandstein, aus welchem die
Bögen sammt ihren deeorntiven Zuthalen vor dreihun-
dert Jahren hergestellt wurden.
Ehe ich diesen Bericht sehliesse, darf ich des
Modells der St. Barbarakirehe nicht vergessen,
welches der dortige k.k. Bergamtsoflicial Herr Johann
Kraus seit drei Jahren in Arbeit hat. Es ist dies ein
Kunstwerk, das kaum seines Gleichen in Böhmen linden
dürfte. Ein Zoll des Modells gleicht einer Klafter in der
Wirklichkeit. Die genaueste Formähuliehkeit bis ins
kleinste Detail überbietet Alles, was in ähnlichem Goure
gemacht worden ist.
Das Masswerk der Fenster mit seiner Vcrrippung
nnd seinen Ornamenten setzt in Erstaunen. Herr Kraus
hat bereits in dem Jahre 18fil dem Vereine Arkadia in
Prag, bei der dort im September veranstalteten Aus-
stellung (siehe Mittheilungen 1861, S.277) unter Nr.;Ji:i
das gelungene Modell des „wälsehen Hofes-, nach dem
Massstnbe eines halben Zolles' im Modell gleich einer
Klafter in der Natur, eingesendet, welche Arbeit sich einer
allgemeinen Thcilnahme erfreute und dieVeranlassung die-
ser neuen, dankenswerthen Leitung wurde. F. J.Bene»ch.
Besprechungen.
Anciens vdtements sacerdotaru et anedens tissus conserves en France. Far Charles de Linas.
III., .rfn. P.H. ia*3, pur.. „ D<„»uheU», Uknlm. Avm XXII ptaMh».
Der dritte Theil dieses mit eben so grossem Fleisso verbreitet sich in ausführlicher Weise Uber die Fuss-
als weitgreifender Gelehrsamkeit verfassten Werkes b ek leidung. Der Autor weiss seinen etwas einftJrmi-
Digitized by Google
XXX
gen Vorwurf, durch die mannigfaltigsten Citate au»
Historikern und an« griechischen und römischen Dich-
tern angenehm zu würzen , und theilt ihn zur besseren
fbersicht in zwölf Capitcl.
Capitcl I beschäftigt sieh ausschliesslich mit den
in Frankreich aufbewahrten Fußbekleidungen der hei-
ligen Adelgunde (geb. 630), der heiligen Bathilde (gest.
<!feO), des heiligen Bischofes Bertrand de Hle-Jourdain
(IDH3— 1130), des heiligen Edmund (gest. 1240), des
heiligen Louis d'Anjon (1207) und des heiligen Peter de
l.nxembourg. Der Verfasser gelangt durch diese und
andere dergleichen Helj<]uien und durch Erforschung
von Denkmälern zu der Überzeugung, das» in den ersten
Jahrhunderten der französischen .Monarchie die Form
der Schuhe hei Miinnern und Frauen höheren Hanges
ganz gleich war und dnss jene der Bischöfe sich nur
durch einen clavus (Nage), Streit) in Kreuzesform davon
unterschied.
Capitel II handelt von den Fußbekleidungen der
Alten üherhanpt und entwickelt die Entstehung und
Notwendigkeit eines Schutzes bei dem menschlichen
Fuss, wozu allererst Baumrinde verwendet worden sein
mag. Später diente die Haut des erlegten Wildes zur
Beschallung, welche sich allmählich vervollkommnete,
als man die Häute in Leder umzuwandeln verstand.
Nachdem die Beschulungen der alten Völker des Ori-
entes betrachtet wurden , zählt der Verfasser jene der
Griechen nnd Römer auf, indem er dieFusshcklcidungen
in solche theilt, welche den oberen Fuss nackt Hessen,
wie z. B. Solen, Sculponea, Carbatina, Caliga; oder
bedeckten, wie z. B. Calecus, Mulleus, Lima, Soecus,
Samlalium; dann in solche, welche Fuss und Bein zu-
gleich schirmten, wie z.B. Cothurons, Pcro, Endromis etc.
Capitel III enthält die Beschreibung kaiserlicher Fuss-
bckleidungen zu Koni und Byzanz, wie z. B. Campagus,
Zancha etc.
Capitel IV berührt die Fussbcklcidungen des Mittel-
alters in Frankreich, darunter: Estivaux, Heuses, Calcei
rostrati, Fantoufles, Patins, Galoches etc.
Capitel V enthalt eine kritische Beleuchtung der im
Altcrthunie und bei den ersten Christen Üblichen litur-
gischen Fußbekleidungen.
Im Capitel VI werden die Sandalen der Bischöfe,
ihr Gebrauch und ihre Ausschmückung nebst den Be-
Kfhnhnngen des Übrigen Clerns umständlich aufgeführt.
I»a schon damals sich .Mode und Lnxus sehr dabei
geltend machten, und die Priester nicht bei der er-
laubten schwarzen und braunen Farbe blieben , so
wurden auf mehreren Synoden im XIII. und XIV. Jahr-
hundert dagegen strenge Verbote erlassen.
Capitcl VT1 bietet interessante Beschreibungen
kaiserlicher nnd königlicher Fussbekleidungeu des Mit-
telalters, worauf Capitel V III die eigentümlichen Beklei-
dungen der Beine der Griechen, Börner und Barbaren
bis zum Mittelalter schildert, namentlich folgende:
Cnemides, Ocreae, Tihialia, Fasciae crurales, Tuhrugns.
Hosa, Housiaux, Hosobindae nnd Hosarius.
Im Capitel IX werden jene Bekleidungen geschil-
dert, welche unter der Äusseren Fussumhttllnng getragen
wurden; dem entsprechend Capitel X werkwürdige
Arten von Beinkleidern und Strumpfen (chausses et hast
des Mittelalters iu Wort und Bild vorfuhrt.
Capitel XI ist der Beschreibung des Stoffes und
der Farbe der geistlichen Strümpfe, von den ersten Zeiten
des ChristentbuniB angefangen, gewidmet.
Capitel XII bietet Forschungen Uber die Symbolik
der Fussbekleidung im frühesten Altcrthuin und in der
christlichen Periode. Bei den Kirchenvätern schon , wie
auch bei den Theologen des Mittelalters, galt die Fuß-
bekleidung nls ein Symbol der Fleischwerdiing des
Wortes. Der heilige Basilius schreibt iu diesem Sinne :
„Divinitatis calceamentum est caro Deuin ferens, per
quam ad homines descendit." Nach der Vorschrift des
heiligen Marens soll der Priester derartige Sandalen
tragen, dass der Fuss, wenn auch gegen die Erde
geschützt, dennoch unbedeckt bleibe. Dieses bedeu-
tete , dass das Evangelium nicht geheim gehalten
werden, sich aber auch nicht auf die Güter der Erde
stützen soll.
In verschiedenen Kirchenbüchern finden sich auch
Gebete, welche auf die Sandalen Bezug nehmen. So
heisst es in jenem zu Salzbnrg: ad sandalia. „Calcea,
Domine, pedes meos in praeparatione Evangelii pacis,
et protege in vclamento alarnm tuarum. u
Nachdem durch diese Dct&illirung die Reichhaltig-
keit und Gründlichkeit dieses Werkes anschaulich ge-
macht wurde, fügen wir noch hinzu, dass dasselbe
sowohl in Hinsicht auf Format (gr.8), treffliches Papier,
schönen, correcten Druck, als auch durch zahlreiche
( 22 Tafeln ), sorgfältig gezeichnete und eolorirtc Abbil-
dungen seines Gegenstandes würdig ausgestattet wurde.
L. S.
Notizen.
Die erste photographische Ausstellung in
Wien im Mai und Juni des laufenden Jahres zählt in
/.wanzig Gemächern mehr als 1200 Nummern, von wel-
chen letzteren mehrere wieder ganze Reihen von kleine-
ren i'hotopraphien enthalten. Es versteht sich wohl von
selbst, dass in den vorliegenden Blättern nur von jenen
Lichtbildern die Rede sein kann, welche ein archäolo-
gisches Interesse darbieten und schon deshalb angeführt
werden müssen, weil es, besonders in Beziehung auf
vaterländische Gegenstände, von grosser Wichtigkeit ist
zu wissen : we Ic he Denkmale Österreichs photographirt
wurden und bei wem deren Photogramme zu allcnfnll-
siger wissenschaftlicher Benützung zu haben seien.
So findet man von mittelalterlichen Bandenkmalcn :
(Nr. 4) die Stiege in der alten Burg zu Graz und (Nr. ">)
das sehr gntc Photogramm des Iwkannten alten Hause*
zu Bruck an der Mur (beide von Johann Bosch). Der,
als Photograph höchst eifrige Corrcspondent der k. k.
Central -Commission Herr Anton Widter stellte fol-
gende ausgezeichnete Photogramme nach heimischen
Bandenkmalcn aus:
Das Erkerfenster zu Klosterneuburg (Nr. II I, a).
Sehloss Pottcubruun , von aussen und von innen,
(Nr. 115, a und b1.
Der obere Thcil des Portals der Kirche zu Maria-
Zell (Nr. 116, a).
Digitized by Google
XXX!
Die Kjiriliau.se zn Gauting nnd der Tlmnii diese»
ehemaligen Klosters {Nr. 117, a und b).
Die verlassene Kirche zu Sehwarzau uud die Ruine
der St. Wolfgangskirchc zn Kircbberg aui Wechsel
(Nr. Iii), A, a uud b).
Die Kirche zu Deutsch - Altenbnrg an der Donau
uud St. Johann zu l'etronell (Nr. 111), 11, a und b) und
Die Capelle Seuscnstcin an der Donau (Nr. 121, a).
Von Burgen und Ruinen nahm derselbe folgende
Ansichten auf:
Die Ruinen vom Schloss Kreuzenstein, mit der Aus-
sicht in die Ferne (Nr. 114, b).
Die Burg Schlaining im Eiscnburgcr Comitat i Nr.
1 1 7, A, a).
Thurm und Capelle der Bergvcstc zu Haimbnrg und
der untere Wasserthnrm dieser Stadt (Nr. 120, a und b).
Die Ruine Kmmerberg (Nr. 121, b) und die höchst
interessante:
Vestc Aggstein (Nr. 122, a).
Endlich linden wir in dieser Reihe sehr anzie-
hender Lichtbilder auch noch vier plastische Gegenstünde,
die sieh anf bestimmte Persönlichkeiten beziehen, näm
lieh das sogenannte „Kaiser Friedrichs-Fenster" mit den
vielen Wappen in der Burg zu Wiener-Neustadt (Nr. IIb*,
b), ferner das Denkmal des Andreas Baumkirchncr in der
Burg zu Schlaining (Nr.l 1 7, A, b) und die Grabsteine des
Christoph Hoppel vom Hans zu Rogendorf, f 1582, und
des Otto von Meissau, f 1440 (Nr. 122, b e).
Die ungewöhnliche Mühe und die grossen Kosten,
welche derlei archiiologische Aufnahmen in Anspruch
nehmen, so wie die tadellose Reinheit der ausgestellten
Photogramine des Herrn Anton Widter erwerben
sich den vollsten Beifall der Kenner und erregen imAlter-
thnmskundigen und im Vnterlandsfreund den Wunsch,
dass noch viele derartige Aufnahmen stattfinden mögen,
die dem Forscher von so grosser Bedeutung sind.
Von einheimischen Baudenkmalen haben wir noch
die römischen Brunnen zu Friesaeh, von Andreas
Groll (Nr. .-130) zu erwähnen.
Die Photographien von ägyptischen und römischen
Hatulenkmalcn . so wie von Jerusalem und Chart res Über-
gehe» wir als längst bekannt und vielfach gesehen. In-
teressanter scheinen, wenigstens in der Erinnerung an
Homer, Punar-Raschi und Tschiflik auf der Ebene von
Troja (von Dr. Jos Szekely, Nr. im) und 2i«<), so wie
anderseits die Architecturen und Basreliefs von Java,
Madras und Peru (Ritter von Scherzer, Nr. 12D. 130.
132 und 136 bis 1 Hl).
Was mittelalterliche Waffen aubelaugt, von denen
die k. k. Ambraser - Sammlung so wie das k. k. Arsenal
einen hervorragenden Reichthum besitzt, sind in photo-
graphiseher Beziehung die lilngst bekannten nnd schon
früher genannten Herren A n t on W i d t e r und Andreas
Groll zu erwlihnen, von denen besonders der erstere
vielleicht die grösste Übung in der Aufnahme von
Rüstungen besitzt, die besonders dcsshalh so schwierig
ist, weil die grellen ('lanzlichter des polirten Eisens eben
so schnell als die Sehattenstellen langsam auf die licht-
empfindliche Platte einwirken, wodurch dann sehr leicht
schroffe Gegensätze, aber keine weichen Übergänge zu
Stande kommen, wie diese letztere doch in Herrn Widtcrs
Photogrammen so klarnnd zart erscheinen. HerrWidter
stellte 48 Blätter theils mit ganzen Rüstungen, theils mit
einzelnen Rtls'tungsstUcken aus. Von den ganzen Rüstun-
gen siud wohl jene Friedrichs des Siegreichen,
Pfalzgraf am Rhein, und Erzherzog Sigi smun ds von
Tirol (Nr. 80, a und b), so wie jene drei, Kaiser Maximi-
lian I. zugehörenden (Nr. 'Jl n und b und 105, a) als die
interessantesten zu betrachten, da sie Producte aus der
frühesten Zeit der Plattnerei sind.
Von nlterthllmlichen (ieräthen, Reehern, Elfenbein-
schnitzereien u. s. w. bietet Groll (Nr 344) einige, in
archäologischen Kreisen schon frtlher bekannte Blätter,
bedeutender ist in dieser Richtung das Album von 30 Licht-
bildern nach mittelalterlichen Gegenständen aus der
Sammlung des Baron Rothschild zn Frankfurt a. M.
von Franz W e i s b r o d.
Möchten sich doch die Herren Photogrnphen in den
Kronlündem herbeilassen, nuf gleiche Weise wie die ge-
nannten Herrn in Wien für archäologische Zwecke zu
wirkeu, da es in deu Provinzen noch so viele Denkmale
gibt, welche entweder gar nicht oder nur höchst ober-
flächlich gezeichnet wurden, und die Photographie über-
dies die trenesten, man möchte sagen, die einzig rich-
tigen Abbildungen liefert. g . - •
Die Wiener Zeitung vom 8. Juni I. J. bringt die
Nachricht, dass, den Angaben eines Herrn von Stcrn-
Gwiazdowski zufolge, im Stiindehause zu Flensburg ein
Ruder-Schiff von 79 Fuss 10 Zoll Länge und 1 1 Fuss
10 Zoll Breite aufgestellt sein soll, welches im vorigen Jahre
im Nydammer-Moor beiWester Satrup im Sundcwitt'schcn,
etwa fllnf Fuss unter der Bodenfläche aufgefunden wurde
und ein sogenanntes Vikiuger-Sehiff sein soll. Es wird
anch angegeben, dass sich in diesem Fahrzeug Lanzen,
Heile, Bogen, Streitäxte, hölzerne Keulen, Hausgeräthe,
Schmucksachen u. s.w. fanden, von denen einige mit Ronen
bezeichnet sind. Auch traf man daselbst römische Münzen.
Wenn die Sache sich inderThat so verhält, so wäre dieses
Schiff ein um so wichtigerer archäologischer Fund, als
Uber die Sehiffiahrt und den Schiffbau der ersten zehn
christlichen Jahrhunderte wohl nur wenig bekannt ist und
selbst in den Handschriften des XIII.. XIV. und XV. Jahr-
hunderts nur Belten Schiffe abgebildet vorkommeu. die
dann überdies meist so unsicher und oberflächlich ge-
zeichnet sind, dass sie eigentlich nicht viel sicher Beleh-
rendes darbieten. Es wäre daher sehrwUnsehenswerth, —
immer vorausgesetzt, dass dieses Schiff wirklich ans den
ersteren christlichen Jahrhunderten hcrrUhrc — wenn sich
der Nautik kundige Archäologen die Mühe nähmen, das-
selbe genau zu untersuchen, und zwar besonders in Be-
ziehung auf die Bauconstruction, nämlich die Legnng des
Kiels und der beiden Steven, die Bildung des Flacks, der
Innhölzer und BanchstUeke, und namentlich der Gestal-
tung der Kieming. Eine solche Detaillirnng würde viel
dazu beitragen jene oben angedeuteten Zeichnungen in
alten Handschriften verständlicher zu machen, und A.
Jal's „Archeologic navale," besondere T. I. Mem. No. 2,
p. 121 ff., wo er von den „uavires desNormands- spricht,
könnte hierzu nützliche Winke und Andeutungen geben.
Digitized by Google
xxxn
Die k. k. Statthaltcrci in Böhmen crtheilte den
Bezirksämtern folgenden sehr zur Nachahmung zu
empfehlenden Erlass in Beziehung aut die Erhallung
von Baudenkmalen:
„Die Wahrnehmung, das» den historischen Bau-
denkmalcn, altcrthUmlichcn Kunstgegenständen und
archäologischen Funden im grossen Publicum nicht jene
Aufmerksamkeit zugewendet wird, welche dieselben
wegen ihres hohen Wcrthes fllr die vaterländische Ge-
schichte verdienen, hat die k. k. Ccntrnl-Commision zur
Erforschung und Erhaltung der Baudcnkmale bestimmt,
für die, in den einzelnen Kronländern bestehenden Conser-
vatoren eine neue Instruction zu erlassen, in welcher sie
insbesondere verpflichtet werden, die gedachte Ccntral-
Commission von allen, der Erhaltung solcher Alterthümer
drohenden Gefahren rechtzeitig in Keuntniss zu setzen.
Dieser Verpflichtung können die Conservatorcn mir
dann vollkommen genügen, wenn sie selbst von allen
derlei, den Kuustdcnkmalcn drohenden Gefahren Kcnnt-
niss erlangen , wobei die Mittheilungen, welche sie aut
dem Wege ihrer privaten Verbindungen beziehen, oder
oft nur einem Zufalle verdanken, sich jedenfalls als unzu-
reichend darstellen.
Das k. k. Bezirksamt wird daher angewiesen, von
allen in dem dortigen Bezirke vorkommenden Gefahren,
welche einem dort vorhandenen Siteren Baudenkmal«-
(z. B. Stadthoren) oder dessen Appcrtincnticn (Wand-
gemälde, Sculpturen, luschriftcu u. dgl.) oder einer dort
befindlichen Kunstreliquie (wie Gemtilde. Schnilzwerke,
andere Kuiistaltcrthümcr, l'rkundcu u. s. w.) drohen soll-
ten, sowie von jeder vorkommenden Entdeckung alter
Grabstätten und von allen anderweitigen Funden und
Ausgrabungen, jedesmal den Herrn Conservatur direet
und ämtlich in die Kenntnis» zu setzen.
Insbesondere sind die Gemeindevorsteher zur geeig-
neten Mitwirkung hierbei anzuweisen.
Prag, am 8. August 1863.
Von der böbm. k. k. Statthaltern!.
Todesanzeigen.
Uber Joseph Ritter von Arneth, welcher der
k. k. Ccntral-Commission am 31. October v.J. zu Karts-
bad durch den Tod entrissen wurde, ist jüngster Zeit
eine biographische Skizze von Dr. Friedrich Kenner,
Gustos des k. k. Münz- und Antiken -Cabinets und Cor-
respondenten der k. k. Central - Commission für Erfor-
schung und Erhaltung der Baudcnkmale, erschienen.
Dieselbe behandelt auf 5!) Seiten die äusseren I/ebens-
verhältnisse, so wie das geistige Wirken und die admini-
strative Thtitigkeit des Verblicheneu mit eingehender
Pietät, und wird alleu Freunden und Verehrern desselben,
in deren Hände das „als Manuscript gedruckte* Schrift-
rhen gelangt, eine wcrthvollc Erinnerung sein. v. Arneth
gehörte der k. k. (Vntral-Commission von Anbeginn als
Mitglied an und förderte ihre Wirksamkeit wo immer
ihm eine Gelegenheit geboteu wurde; Zeuge dafür sind
dio Sitzungprotokollc, so wie die literarischen Publi-
cationen derselben.
Was das Abklatschen von Inschriften in natürlicher
(Irösse betrifft, so hat v. Arneth. um die berühmte Trajani-
M'he Inschrift am eisernen Thor in vollkommenster
Weise zu erhalten, der k. k. Centrnl-rommission ein
eigenes Verfahren mitgetheilt (Sitz, vom lü. Juni ISöö),
von welchem dieselbe seitdem fortwährend durch ihre
Organe Gebrauch machen lässt.
In den Mittheilungen und im Jahrbuch finden sich
folgende grössere Aufsätze aus v. Arneth's Feder:
Mittheilungen, Jahrg. V, pag. 10*2—112: Der Fund
von Gold- und Silbergegenständen auf der Pusztn Bäkod
bei Kaloesa in Ungarn. Mit 14 Holzschnitten.
Jahrbuch, Jahrg. I, pag. 51 — 72: Über das im Jahre
1851 entdeckte Hypocaustum und die Inschrift der Gens
Barbia zu Enns. Mit 7 Tafeln. Dann pag. — 90 : Die
Trajans-Inschrift in der Nähe des eisernen Thores. Mit
1 Tafel.
Am 1. Juni des laufenden Jahres starb der bekannte
Sphragistikcr Karl von Suva nach langer, Icidcnvollcr
Krankheit in seinem 57. Lebensjahre. Er war Vice.-Hof-
buchhalter der k.k. Tabak- und Stempel-Hofbnchhaltong
und Mitglied mehrerer wissenshaftlichen Vereine. Aus-
gerüstet mit vielfachen historischen und archäologischen
Kenntnissen, warf er sich mit besonderer Vorliebe auf
die Siegclkunde und legte eine sehr reichhaltige Samm-
lung von österreichischen Siegeln, zum Theile in Origina-
len, grösstenteils aber in Gypsabglisscn an; welche, da
sie in ihrer Art wohl einzig darstehen dürfte, von irgend
einer wissenschaftlichen Anstalt angekauft werden sollte,
damit sie nicht, wie leider schon so manches Andere
in die Hände von Händlern gerathe oder verschleppt
werde. Die nächsten Hefte der „Mittheilungen- werden
die letzte Arbeit des Verstorbenen bringen, nämlich
eine ausführliche Abhnndlung über die Siegel der öster-
reichischen Kegenten. Da Karl von Sava der Einzige in
Wien war, der sich ausschliesslich mit Siegclkunde be-
schäftigte, so erleidet dieser Theil der mittelalterlichen
Archäologie durch sein Hinscheiden einen sehr schmerz-
lichen Verlust.
Digitized by Google
XXXIII
Die klugen und thörichten Jungfrauen.
(3lug<xnUde In der SUdtj.rirrklrch.ti tu FrlwMb.
Von den Glasgemäldcn der Stadtpfnrrc
zu Friesach, welche die „klagen und thörich-
ten Jungfrauen" vorstellen, sind nur die hier
in Holzschnitten beigegebenen vier Figuren
vollkommen erhalten und zwar zwei von
den klugen und zwei von den thörichten
Jungfrauen. Sie stehen auf Thürmen und
befinden sich in Feldern, dio oben von
einem Klcebogen geschlossen sind, der von
Situlen getragen wird. Die Arbeit gehört
dem XIV. Jahrhundert an, zeichnet sich
durch hUbscho Motive in den Draperien nnd
— besonders bei den thörichten Jung-
frauen — durch den Schmerzensausdruck aus
und wurde aller Wahrscheinlichkeit nach in
Fricsach selbst gefertigt. Im Museum zn
Klagenfurt befinden sich noch zwei andere
dieser Jungfrauen, nämlich eine kluge und
eine der thörichten, welche beide an der
Spitze des Fensters angebracht waren, da
bei denselben der Kleebogen nach oben mit
eineT Lilie endet. Leider fehlt aber bei
beiden die untere Hälfte der Malerei. Auch
in Friesach selbst ist noch eine dieser Jung-
frauen vorhanden, bei welcher aber das
untere Drittheil der Figur fehlt
Durch welche barbarischen Hände
diese Verunstaltungen oder Zerstörungen
geschahen, ist nicht bekannt; aber jeden-
falls verdienen diese Fenster einige Auf-
merksamkeit, da Glasgcmälde ans jener
Epoche wohl nirgends sehr häufig anzu-
treffen sind.
Digitized by G(
XXXIV
Die Edlen von Reize:.
Alte Genealogen und Geschichtsschreiber Ubergehen
dieses im XVI. Jahrhundert ausgestorbene steierische
Kdelgesehlerht , welches auch den Namen „der Kaitzcn
oder Katzen" führte, mit Stillschweigen. Nur Freiherr
von Stadl widmet demselben in seinem bisher zu wenig
gewürdigten r Ebrenspiegeldes Herzogthums Steiermark"
eine besondere Stelle.
Die Hetzer besnssen in Steier: den Ret*- nnd Weich-
sclbergcrhof, einen Hof bei Mureck, den Weitonnnerhof,
dann die Herrschaft Herbersdorf und den Sehleicrhof bei
Stainz.
Sie waren verwandt mit denen von Herberstein,
Rokal, Zinzendorf und Zollern und führten als Wappen
ein rothes Kleid in Silber, das mit einer Kapnze Ähnlich-
keit hatte. Auf dem offenen, gekrönten, mit einem weissen
Flupe geschmückten Turiiicrhelm prangte dasselbe Kleid.
Die Helmdceken waren roth und weiss. Da« Wappen erbten
die Herren von Mtikritz 1 .
Aus diesem Gescblechte lebte Swigardus de Hetze
J 2-10. Derselbe erscheint in dem angeführten Jahre mit
Hugo von Trank, Ortolf von Kapfenberg und Walther von
Pasail, als Abgeordneter seines Lehensherrn Wülning von
Stubenberg, der mit dem Bischof von Scckau wegen
Zeht-nten in l'asail im Rechtsstreite war, in einer Urkunde \
Hndolf Hetzer war 1340 Propst des 1 1 10 durch Adel-
rani von Waldeek zu Seekau gegründeten Chorherrn-
stiftes des St. Augustiner-Ordens. Kr bekleidete jedoch
diese Würde nur sehr kurze Zeit, indem er schon den
1 1. Februar 13 18 mit Tod abging. Die Nekrologen von
Seckau und Hein nennen ihn .dictum Rndolphum Ratzer"
Im Jahre 1.W5 lebten Walther, 142S Andrä uud Hanns
und 1130 Michael Hetzer*.
Georg I. von Hetzer, der 1431 lebte und 1 116 dem
ritterlichen Aufgebote gegen die Ungarn sich anschloss,
war mit Ursula von Herberstein vermählt.
Diese war die Toc hter Leonards von Herberstein und
der Ursula von Lung und Leonard Katzianers Witwe*.
Nach Stadl hatte Georg Hetzer die Katharina Payerliu zur
Gemahlin".
Dietrich und Balthasar, Gebrüder von Hetzer, welche
um 1410 geschichtlich vorkommen, zogen gleichfalls
144t» mit dem Autgebote der drei Länder Steier. Känithcn
und Krain gegen die Ungarn.
1 M»d1. Lrsp lr., Ehre <k'j It. St. II Dd., S. M9. >1 ! Aquilin,
«,,.«, II. IM., S. MO. ■ 1H|.Io.mi. «lyr. II 114., V AM. A<| C«e». II. IM .
- -J».v ♦ -«•»•II ». ' S '•'» > buc>'«lli>l .•.«..m.iui.^r.f.h Iii Ii.)., ». HC.
' llütm. II. lld . s :,.*>.
Kaspar und Ulrich Ketzer kommen 1440 vor. Der
letztere gab im bezeichneten Jahre au Merth Nnrringer
einen Verziehtsbrief 1 .
Nach Ilueehini' hatte ein Edler von Retzcr eine
Tochter des Thomas von Rokal und der Elisabeth Seidcn-
maker zur Gemahlin. Thomas von Roknl lebte von 1419
bis J479 und liegt zn K»nach in Kiirnthen begraben,
seine Tochter durfte daher um das Jahr 1450 an den
Edlen von Hetzer vermählt gewesen sein.
Georg II. von Hetzer hatte 1520 Hosinu von Zinzcn-
dorf zur Ehe. Er starb 1533 und liegt in der Pfarrkirche
zu Radkersburg, wo sein aus Holz gearbeiteter, mit dem
I'amilienwappeu en relief geschmückter Schild folgende
Inschrift trägt : „Hier liegt begraben der edle und veste
Georg Hetzer der jüngere, so gestorben den Freytag vor
den I'almtag. im Jahre 1533^.
Barthlmä von Hetzer, vermählt mit Margaretha, der
Tochter Bernhards von TenfTenbach in Mayerhofen und
der Dorothea Stadl, lebte 1530 bis 1543.
Im Jahre 1541 erscheint Adam, ein Sohn Georgs II.
von Hetzer. In seinem Namen wurde den 7. November
1551 sein Vormund Tiburtius von Zinzendorf von
Kaiser Ferdinand I. zn Graz mit Huben und Bergrecht
zu Püllitz, Volhieken und Wagendorf belehnt. Er hinter-
liess aus seiner Verbindung mit Barbara Zollner zu Massen-
berg keinen Lcibeserben und starb, der Letzte seines
Namens nnd Stammes, 157!). Seine hintcrlassene Witwe
und Erbin der Besitzungen verehelichte sieh mit Hiero-
nymusaus dem alten Geschlcchte der Grafen von Nognroll,
das nach Bucchini schon 'J42 blühte. Sie veritusserte
in knrzer Zeit den grössten Theil ihres Kigcnthums und
endete ihr Leben um das Jahr 15H7.
.Stammtafel der Killen vom Rflr.fr,
Swlgardm i.'i't
H»d«lf l:ili— t:;n W«lth«r
Aidr» iij>. Uuu IMV «uhMl UOO ~ Of «r{ I. U.II lllr.'
V»ul» v>u Hitrbtrftflii.
IilkaHn r«j«.rllnl
IH ctTich I I lii-lll« lilliujt H1-- Iii.: Cm«f»r lln Dinch llw
^a. v. flrUer' 1
< Soktl.
Oforf IX. I'i-'.., ? ITiU. BfcrtBDlottl Ki3'>— IM!
Retin» v-n Zinttfidvrf. Karftretha von Teuireabtrh-
Adua i.mi, * i:.;i>
B»rt»r» Z»li»«r r . Jlu.i ul.. ri t Ii''*
' IWd.m ' Ilu«;,ltil III IM,, S IUI ' Sudl 1 f. s yii
Hönisch.
Die St, Martinskirche in Bremen.
Zur RiujesdiKitf.
Wie die Baugeschichte der St. Anschariikirchc 1 , so
knüpft sieh auch die der St. Martinskirchc an das, für die
Geschichte der kirchlichen Verhältnisse Bremens wich-
tige Ereigniss der bekannten Theilung der U. L. Frauen-
kirche in drei Parochicn, nämlich in U. L. Fruucn.
< Vtrel OfjM fir thrl.rl. Kunj; 1*6:. Nr 3
St. Anscharii und St. Martini, welche, im Jahre 1227
dnreh den Erzbisehof von Bremen Gerhard II. beim
Papste Gregor IX. (1227—1211) beantragt, von Letzte-
rem in einem Schreiben' vom 31. Juli desselben Jahres
genehmigt wnrde. In Folge dessen trug der Erzbiscbof
dem Dechanten und dem Üomeapitcl auf, diese Theilung
' llr»mo. I rku»if..lurl, I, S.II« >«..
Digitized by Google
XXXV
vorzuuchuicn. Sic wurde bestätigt durch ein Schreiben 1
des Erzbischofs aus dem Jahre 1229, so das», wie der
Bau des Langhauses der St. Anschariikirelic sofort iu
Angriff genommen wurde', sehr wahrscheinlich auch
gleichzeitig oder bald darauf der Bau der St. Martins-
kirchc begann. Zwar gibt es keine den Anfang des
Baues betreffende Urkunde, aber eine noch vorhandene
au» dem Jahre 1290 beweist, das« die Martinskirchc
schon eine geraume Zeit vorhanden gewesen sein muss.
In diesem Schreiben 1 vom 2.'}. Jänner ertheiltder Papst
Nicolaus IV. (1287— 1292) durch einen italienischen Erz-
bischof und fünf Bischöfe allen denen, welche der St. Mar-
tinskirche zu Bremen wegen der, durch das hohe Wasser
sowohl der Kirche als dem Kirchhofe verursachten Schä-
den, durch Almosen und Geschenke zu Hilfe kommen, und
welche die Fest- und Hciligcntage in derselben besuchen,
einen vierzigtägigen Ablas». Diese Feste sind der 1 r rkundo
zufolge: die Geburt, die Auferstehung und die Himmel-
fahrt Christi, Pfingsten, vier Feste der heiligen Jungfrau
( Verkündigung, Heimsuchung, Reinigung, Himmelfahrt),
die Kreuzeserfindung (3. Mai), die Kreu/.eserhöhnng
(HJ. September) und das Fest des heiligen Martinns.
Wenn der bekannte , Uberaus fleissige Erforscher
der bremischen Vorzeit .loh. Phil. Cassel* nun hinzu-
setzt, dass er nicht behaupten könne, ob diese erste
Kirche so gross gewesen sei wie die jetzige, dass sie
jedoch verninthlich denselben Thurm gehabt habe, den
sie noch jetzt hat, was ans einem alten Abriss der Stadt
Bremen bei Dilich 3 hervorgehe, so mUssten wir Air jene
Frage, welche die Grösse der Kirche, d. h. ihre nördliche
und südliche Umfassungsmauer und den Chor betrifft, anf
den folgenden Theil der Baubeschreibung verweisen.
Was aber den Thurm anbelangt, so können wir die
Abbildung bei Dilich, w elche Bremen im Jahre 1300 dar-
stellen soll, Air keinen Beweis halten, wie wir bereits
bei unserer Beschreibung des Domes' sahen. In derglei-
chen Dingen verfuhr Dilich chronologisch uicht genau,
übrigen« hätte Cassel wohl bedenken sollen, dass, wenn
er annimmt, die Martinskirchc habe schon zu Ende de«
XIII. Jahrhunderts den noch vorhandenen Thurm ge-
habt, darauB anch ein Schluss auf die damaligen Um-
fassungsmauern, also auf den Flächenraum des Lang-
hauses der Kirche zu ziehen ist.
Wir werden also nicht irre gehen, wenn wir das
zweite Viertel des XIII. Jahrhunderts als die erste Bau-
periode der St. Martinikirche annehmen.
Ahnliche Tndulgenzbriefe, wie der erwähnte ans
dem Jnhre 1290, in denen jedoch der durch die nahe
Weser verursachten Schilden keine Erwähnung geschieht,
folgen noch aus den Jahren 1293, 1300 und 1.1-15. Sie
werfen eben so wenig Licht auf den baulichen Zustand
der Kirche, wie eine Urkunde vom Jahre 1371, in welcher
der Math der Stadt der Kirche zu St. Martin einen Platz
zwischen dem Kirchhof und dem Fischthor schenkt,
weil die Bauherren derselben Kirche eine Mauer um den
Kirchhof zur besseren Verteidigung der Stadt ziehen
und aufbauen lassen.
Die Veranlassung zu einer zweiten Bauperiode gab
wahrscheinlich eine grosse Feuersbrunst, welche Ren-
ner inseinerChronik ins Jahr 134-1 setzt. Er sagt: -Anno
■ l>».«lt.»l I, Seil« 171 ' K-nrjrr'i Cl.ronlk mr» .Mir- Il- ( u fir
rrirl.ll Kunii. » •. II » A'-i-lriKkl l.ri e»«-»l, Naeliilrlii»* »n .Irr
S<. Mirtloklrc Ii« In llriruot, S.H» ■< »»». O .<,!•« 4, ■ <'h»ii. Urvta.
TU. XI uo<t XII. • II A. JUII-r. Iwr D-m z* Ur-mm, It.
1344 verbrande S. Martens Veerdendcel van dem Markts
an wente tho der wc«serbrugge. a Ob dieser Brand im
Jahr 1344 oder etwa« später fällt, ist gleichgiltig; jeden-
falls hatte er zur Folge, dass ein Umbau und eine Haupt-
reparatur mit der Martinskirche vorgenommen wurde.
Renner setzt den Beginn desselben ins Jnhr 1376: _da
befinde Her Ahrcndt Doneldey, Rathmann tho Bremen
(welcher damals Bauherr war) S. Martens kercken tho
bouwen vnd bouwede de in acht Jahren rede. Darna over
rwe jähr geven Her Arent Munt , Johann Brandt vnd N.
Windhusen de kopperen Döpe darin, so dar noch steit.-
Darnach wäre dieser Umbau 1384 vollendet worden.
Bestätigt wird dieser Bau. wenn auch nicht die, die Dauer
desselben betreffende Nachricht, durch eine Urkunde vom
6. September 1378, in welcher der Krzhischof Albertus
denen, welche den Bau der Martinskirche unterstützen
und ihm mit Geld oder Arbeit zu Hilfe kommen, einen
vier/.igtiigigen Ablas« verspricht. Die Ecclesia Saudi
Martini wird darin, ohuo Erwähnung eines vorhergehen-
den Brandes, als edilicanda et reparunda bezeichnet.
Wie weit sich dieser Wiederherstelliingsbau vermuthlich
erstreckte, werden wir in der nachfolgenden Bau-
beschreibung sehen.
Unter den späteren, im Archive der Kirche noch
vorhandenen Urkunden findet sich keine, welche irgend-
wie die Sehicksnle des Gebäudes betriflt; jedoch ver-
dienen einige derselben wegen der darin vorkommenden
kirchlichen Utensilien und einer an die Kirche grenzen-
den Capelle Erwähnung. In der ersten derselben (vom
Jahre 1404) bestätigt der Krzbisehof Otto von Bremen
den Altar: in capella contigna et eonfrontata EeelesiaeSti.
Martini sitiim et consceraluro in honorem beatae Maria«*
Virginis. Es grenzte also damals an die Kirche eine
der heiligen Jungfran geweihte Capelle, deren Lage un«
in einer niederdeutschen Urkunde vom Jahre 1417
etwa« genauer angegeben wird. Der Altar beisst
darin: „Altar unser leven Vromvcn, dat der i«
ghclegen in der Capellen bitten der Kerken sunt« Mar-
ten« vorscreven yut Norden.- Es ist demnach sehr
wahrscheinlich, dass mit der Capelle der heiligen Jung-
frau die jetzige, ausserhalb der nördlichen Umfassungs-
mauer gelegene Vorhalle gemeint ist, die freilich so
mannigfache Sehicksnle erlitten hat, dass ihreErbauung*-
zeit unmöglich zu ermitteln ist. Und wenn, da sich im
Übrigen keine Spur von einer andern im Norden der
Kirche ehemals vorhanden gewesenen Capelle findet,
diese Vcrmuthung richtig ist, so lässt sich sogar noch
der Platz dieses Marienaltars in einer, noch jetzt in «1er
östlichen Mauer dieser Vorhalle befindlichen, nischen-
artigen Vertiefung nachweisen. Dazu kommt aus dem
folgenden Jahre 1118 vom 2. Mai eine Urkunde, worin
ein der Kirche gehöriges wunderthätiges Marienbild und
ein Bild des heiligen Kreuzes erwähnt werden ; ersteres,
das ein . ymngo beatae Mariac scnlpta miraculosis signis
chorusenns* 4 genannt wird, habe sich befunden ,.in «piadam
Capella in eimitcrio ceelesiac Sti. Martini construeta et
ipsi eeelesiae contigna", letzteres auf dem hohen Lectorinm
.in medio dictae ecclesiac". Ausser diesem Marienaltar
werden in Urkunden, die bis zur Vollendung des Marien-
altars reichen, noch andere Altäre der Kirche erwähnt, z. B.
«lerdes heiligen Michael, des heiligen Jacobus, der l49o" von
der St.AnnenbrUderschaft fundirte Altar der heiligen Anna,
und der 1520 von dein Ratlimanne Reymer Prett gestif
tefe, mit allerlei Kirchcngeräth versehene Altar des
c*
Digitized by Google
XXXVI
bitteren Leidem; Jean Christi. Doch geht aus diesen
Altären, die sammt ihrem Geräth spurlos verschwanden
sind, nicht da« Mindeste über die Beschaffenheit der
Kirche im XV. nnd XVI. Jahrhundert hervor.
Auch die Jahrhunderte der Renaissance nnd des
Barockstyls scheinen die Kirche in ihrem mittelalterlichen
Zustande unangetastet gelassen zu haben, ausser dass
von Zeit sin Zeit wegen des zunehmenden Hochwassers
der Weser, der Fussboden eine Erhöhung erfuhr. Der-
selbe besteht jetzt in den vier, ztnn Gottesdienste
benutzten Jochen des Langhauses, so wie ein Chor
aus hölzernen Dielen, die etwa zwei Fuss Uber dem, aus
dem Jahre 1 70t» datirendeu Steinfnssboden der übrigen
Joche liefen. In den vierziger Jahren unseres Jnhrhun-
derts wnrde eine Reparatur des Chors vorgenommen nnd
die jetzige, westliche Schlnssmauer des Mittelschiffes
gezogen, das sich frllhcr vermittelst einer Thurmvorhallc
bis an die westliche Mauer des Thunues erstreckte. Der
hierdurch gewonnene Raum, stimmt den unteren Ge-
schossen des gewiss einst projectirten südlichen Thuruics
wurde zur Schule des Kirchspieles eingerichtet.
Vit Sl. Iiriinkir<bf ig&gMdcn.
Das Inncrc fast aller Gotteshäuser Bremens macht
einesthcils durch die dicke, meistens weisse Kalktünchc,
welche alle Pfeiler, Gewölbe und Mauerflächen auf»
Sorgfältigste und Reinlichste bedeckt , nndcrntheils
durch den zum Thcil gänzlichen Mangel au kirch-
lichen Kunstwerken nnd kirchlichem Schmucke, einen
so kahlen, nüchternen Eindruck, wie wenige Gottes-
häuser anderer Städte. Wenn irgendwo die Gleich-
gültigkeit der Kirchenrefonuatiou gegen die Kunst bis
zur bildcrstUrmcndcn Feindseligkeit ausgeartet zu sein,
wenn irgendwo absichtliches Verdecken und Verwischen
aller charakteristischen Battglicdcr zu herrschen scheint,
so ist es hier der Fall, wo nicht mir alle, irgendwie an
die Dogmen der katholischen Kirche erinnernden Kunst-
werke fast bo spurlos verschwunden sind, dass man sich
des Gedankens, nicht etwa an eine blosse HinwcgfUhntng,
sondern an ein gewaltsames Zerstören und Vernichten
nicht erwehren kann, sondern auch etwaige Vielfarbig-
keit architektonischer Glieder für ungehörige Profanatiou
oder wenigstens für Geschmacklosigkeit zu gelten schien.
Kein Altarschrciu , kein Tabernakel, keine Monstranz,
kein Reliquienbehälter, kein Ritualbuch, ja nicht einmal
ein Tanfstein ist, mit Ausnahme einiger weniger Gegen-
stände, welche der Zufall noch gerettet hat, den bremi-
schen Kirchen geblieben. Das kahlste nber, an kirch-
lichen Kunstwerken sowohl des Mittelalters als der
Neuzeit leerste dieser Gotteshäuser ist wohl das räumlich
und architektonisch nicht unbedeutendste derselben, die
Martinskirche; die leerste auch in der Hinsicht, dass
von den ueun grosseu Gewiilbejocheu ihres Langhauses
nur vierztim Gottesdienst benutzt werden, und die übrigen
fünf einen leeren, unbenutzten Raum ausmachen.
Sowohl in dieser allerdings blos negativen Be-
ziehung, als in Hinsicht auf den Charakter des t'hcr-
gangsstyls und des in gothischcr Zeit, meistens wohl im
XIV. Jahrhundert, mit mehreren bremischen Kirchen
vorgenommenen Umbaues, kann die Martinskirchc als
der Grandtypus der, in den Pfarrkirchen Bremens vor-
herrschenden, mittelalterlichen Arcbitectur angesehen
werden. Die geschichtlichen Nachrichten führten uns
nämlich, wie wir sahen, ins zweite Viertel des XIII. und
ins letzte Viertel des XIV. Jahrhunderts. Es fragt sich
also, ob das vorhandene Gebäude seinen Hauptbestand-
teilen nach wirklich diesen beiden Perioden und nur
diesen beiden Perioden angehört, oder ob sich noch
andere, urkundlich nicht nachweisbare Bauperioden
darin zu erkennen geben.
So klar es auf den ersten ßlick ist, dass der
Chor mit seinem fünfseitigen Schlüsse der gothischen
Periode, also wohl jenem letzten Viertel des XIV. Jahr-
hunderts entstammt, eben so klar ist es auch, dass das
Mittelschiff mit seinen breiten Quer- und l^ingengurteu
und seinen scchslheiligcn, knppelartigcn Kreuzgewölben
dem XIII. Jahrhundert, jener Übergangsperiode des
RoinanismuH zur Gothik, zuzuschreiben ist. Hierin und
in der Beseitigung der Zwischenpfeilcr und Zwischeu-
nrcaden, so wie der dadurch nothwendig gewordenen
Verstärkung der Hauptpfeiler, hat unsere Martins-
kirchc grosse Ähnlichkeit mit der Anscharii- ' und Ste-
phanskirchc. Es erhellt nämlich, sowohl aus den
jetzigen, auffallend grossen PfcilerabstUnden (von Axe
zu Axe etwa 38 Fuss), als aus der gewaltigen Ver-
stärkung, welche diese Pfeiler erhalten haben, und aus
den oben am Gewölbe Uber den Untermaucruugeu
der Scheidbogen noch sichtbaren Rogcnansälzcn, dass
iu der Mitte zwischen diesen Hauptpfcilern . jedes-
mal noch ein anderer gestanden hat, dass also das
Langhaus in seinein ursprünglichen Hau zwei Reihen
von je fünf freistehenden Pfeilern gehabt haben mnss.
Die Form seiner Hogcnansätzc beweist, dass die sich über
die Pfeiler erhebenden Arcadcn nicht mehr rnndbogig,
sondern spitzbogig gewesen sind. Die ursprüngliche
Form der jetzt verstärkten Pfeiler lässt sich noch wohl
erkennen. Sic waren von viereckigem Kern mit breiten
Pilastcrvorlngcn und vier iu den Ecken sich erhebenden
Halbsänlen als Träger der Diagonalrippen. Ahnlich
waren vermuthlich auch die Zwischenpfeilcr gebildet,
nur dass die Dienste fehlten. Die sechstheiligen,
von einem Hauptpfeiler zum andern gehenden Gewölbe
sind gewiss noch die ursprünglichen. Die Rippen der-
selben sind Rundstäbe. Eine Basis der Pfeiler ist be-
greiflicher Weise, da der Fnssboden der Kirche wegen
der Wassersgefahr mehrmals eine Erhöbung erfuhr,
nicht mehr sichtbar; dagegen zeigen mehrere der an
den Pfeilern aufsteigenden Dienste noch ihr Knollen-
capitJtl, wie es der Übergangsperiode des XIII. Jahr-
hunderts entspricht. Die Uber diesem Capitäl befindliche
Deckglicderung, bestehend aus einer Leiste uud einer
Deckplatte, verknüpft sich um die Pilastcrvorlagcn.
Die östlichen dieser Deckglicderungen stehen übereck.
Am sichtbarsten ist das Zusammentreffen der Felier-
gangsperiode des XIII. und der Gothik des XIV. Jahr-
hunderts am Ostende des Langhauses, wo die wulgt-
fiirmigen Diagonalrippcn des Langhauses von einem
Kiiollcncnpitäl, die birnenförmigen Diagonalrippcn des
Chores daneben von einem gothischeu Blättercapitäl
aufsteigen.
Bei Betrachtung der Seitenschiffe ist die Haupt-
frage die, ob sie schon durch den ersten Bau des XIII.
Jahrhunderts dieselbe Breite und Höhe erhielten, welche
sie noch jetzt haben, wo sie, wenn auch unter sieh von
' Or«.ij f5r rbrlttlirh« k.Hol \Ht. Noll, 31.
Digitized'by Google
XXXVII
etwa« verschiedener Breite, doch nur wenig schmaler
and fast etwa so hoch sind als das Mittelschiff, ob also
die Kirchepieith anfangs eine Hallenkirche war, oder ob
die Seitenschiffe schmaler waren und so viel niedriger
als das Mittelschiff, dass dieses durch Fensteröffnungen
sein Oberlicht erhielt, ob also die Kirche anfangs eine
Bnsilica war. Die beiden einzigen Knnstforscher, welche
bis jetzt, wie Uber alle bremische Kirchen, so auch Uber
die des heiligen Mnrtinus selbstständige Xotitzcn bei-
gebracht haben, sind Kugler und Lotzc. Erstcrer 1
scheint sich der Annahme einer Bnsilica zuzuneigen;
dasselbe tliut in ausdrücklicher Weise auch Lotzc, der
sie „ursprünglich eine Bnsilica ohne Querschilf mit
einem Thurm vor der Westseite" nennt. Ich muss ge-
stehen, dass ich diese Meinung, fltr welche sich meines
Erachteus keine WnhrschcinlichkcitsgrUndc anfuhren
lassen, für die Martinskirche eben so wenig theilen
kann, wie ich sie in liezug nuf die Anschariikirchc
theile'. Meine GrUndc fllr die Annahme einer ur-
sprünglichen Hallenkirche sind vielmehr folgende: Krst-
lich kommt es mir nicht sehr wahrscheinlich vor, dass,
wtthrend man — was nun unumstösslich feststeht — die
hiesige Liebfrancukirche wenige Jahre vorher als Hallen-
kirche anlegte, man bei den bald nachher folgenden
Kirchen des heiligen Anscharius nnd des heiligen Mar-
tinas, die eben so gut Pfarrkirchen waren, wie die der
heiligen Jungfrau, wieder zum Hasilikenschema zurück-
gekehrt sein sollte, das in hiesiger Gegend und noch
mehr in Wcstphalen bekanntlich sehr früh durch dio
Hallenkirche verdrängt worden ist'. Neben diesem allge-
meinen Wnhrscheinlichkeitsgrund gibt es aber zwei
andere spcciellcrc, die positiver für unsere Annahme
sprechen. Es erheben sich nämlich in der Mitte der
Joche des südlichen Seitenschiffes an der Umfassungs-
mauer noch die nlten Wanddienste, entweder ganz oder
theilweisc. Der die Übergangsperiodo ehurakterisirendo
Ring, durch welchen emer derselben in der Mitte abgc-
theilt ist, und die Überreste ihres Knollencapitäbj
führen uns ins XIII. Jahrhundert und zeigen uns die
Breite und wenigstens annähernd auch die Höhe
der nrsprUnglichcu Seitenschiffe. Dass diese Wand-
dienste im nördlichen Seitenschiffe entfernt sind, crklilrt
eich hier durch das Vorhandensein des Gestühls, dem
sie hinderlich gewesen wären. Ausserdem steigen an
der Ausscnscite der nördlichen nnd südlichen Um-
fassungsmauer, in der Mitte der jetzigen Joche, Seitcn-
pfeiler empor, die zwar für die ursprüngliche Form der
Gewölbe der Seitenschiffe nichts beweisen, es aber wahr-
scheinlich machen, dass sie anfanglich nur halb so
gross als jetzt und der Zahl nach, nur sechs vorhauden
waren. Endlich fuhrt auch die Gestalt des Thurmcs zu
der Annahme, dass die Seitenschiffe gleich aufangs die
jetzige Breite hatten. Es ist zwar nicht zu beweisen,
dass das Mauerwerk des Thurmcs das des XIII. Jahr-
hunderts sei ; mithin könnte man sagen, dass erst zugleich
mit der Erweiterung der Seitenschiffe der jetzige Thurm
begonnen wurde. Dass aber früher ein, etwaigen
schmaleren Seitenschiffen entsprechender, schmälerer,
nördlicher Thurm vorhanden gewesen oder auch nur
begonnen worden ist, davon ist keine Spur vorbanden.
Vielmehr lägst ein, am Westende des nördlichen Seiteu-
• KIrln* SthrSflcTi j,ir KuL>l»j/liklit» It(| II, Seil* MS. « SUISttlk der
.Icutirlitu K«t»l .10» MIIWUU,,, hd. I, » III 'Ori-.ii für <lirl«l. Kuul
INI*, S, Sl
Schiffes in der Mauer befindlicher, niedriger, runder
Blendbogen, der noch auf einem hübschen, spät-romani-
schen Oapitäl ruht und dabei die ganze Breite des
Seitenschiffes umspannt, schliesscn, dass hier schon im
XIII. Jahrhundert eine Empore sich befand oder doch
weuigstens projectirt war. Auch dieser Bogen beweist
also die ursprüngliche Breite der Seitenschiffe. Ich
glaube daher, auch zufolge dieses Bogeus, dass schon
im XU!. Jahrhundert zwei ThUnnc von der Grösse
de* jetzigen projectirt worden sind und dass der jetzige
in seinen unteren Geschossen wirklich aus der Mitte des
XIII. Jahrhunderts herrührt.
Die Seitenschiffe waren nnsercr Annahme zu-
folge stets so breit nnd so hoch , wie sie jetzt sind und
hatten je sechs Joche, deren Form fast ein Quadrat
ausmachte.
Die Gewölbe waren ohne Zweifel viertheilig mit
Wulstrippen. Als nun im XIV. Jahrhundert die grosse
Veränderung der Beseitigung der Zwischenpfeiler des
Mittelschiffes gemacht wurde, fielen natürlich auch die
damit verbundenen Dienste der Diagonal- nnd Quer-
rippen weg. Die Joche der Seitenschiffe mussten sich
also jetzt von einem Hauptpfeiler zum andern erstrecken
und erhielten dadurc h die vorhandene etwas ungefällige
Form. Im südlichen Seitenschiffe senken sieb die bim-
förmigen Rippen fast nirgends auf Dienste herab, son-
dern werden meistens von rohen , unbedeutenden
Cousolen getragen: im nördlichen macht sich an den
Areadenpfeilern des Mittelschiffs ein Dienst beinerklich,
der, mit einem gegliedertem Cupitäl versehen, für die
von ihm getragenen Rippen gar nicht passt, sondern
viel zu stark dafür ist. Dieser Umstand und noch mehr
das Muster der Gewölberippen im nördlichen, gegenüber
dem einfachen im südlichen Seitenschiffe , so wie die
Bildung der Fcnsterpfosteu und Gewände machen es
wahrscheinlich, dass die Gewölbe des südlichen Seiten-
schiffes von jenem Bau des XIV. Jahrhunderts, die des
nördlichen dagegen aus einer späteren Zeit des Mittel-
alters herrühren. Die Gliederung der Fensterlaibung des
südlichen Seitenschiffs besteht meistens aus biruför-
migen Stäben, mit Hohlkehlen abwechselnd.
Das einzige architektonisch wirklich Erfreuliche der
Martinskirche ist der rein gotbischc Chor, der, im Wesent-
lichen wahrscheinlich der Bauperiode des XIV. Jahr-
hunderts angehörend, aus einem quadratischen Joche
und einem siebenseitigen Schlüsse besteht oder viel-
mehr, cla noch zwei Seiten dieses Schlusses in gleicher
Flncht mit den Chormauern liegen, aus fünf Seiten eines
Zehnecks. Das Gewölbe des Chorhanses besteht dem-
nach ans sieben Kappen. Ihre birnförmigen Kippen
treffen in einem Schlussstein zusammen, welcher, wie es
scheint, mit einem jetzt durch häufige Übcrtünchnng
unkenntlich gewordenen Mcnschenantlitz geschmückt
ist. Die Rippen ruhen nuf runden Eckdiensten die etwa
acht Fuss Uber dem jetzigen Fussboden mit einer Con-
sole endigen. Die Capitäle dieser Eckdienstc, so wie die
des quadratischen Chorjoches sind meistens mit zwei
Reihen hübscher, hoch aufliegender Eichen-, Ephcu-
und Weinblätter umgeben. Die zweitheiligen Fenster des
Chorhauptes und des dreiteiligen der nördlichen Mauer
habcu eine Laibung, die ans abwechselnden birnför-
migen Stäben und Hohlkehlen besteht, und Haustein-
Masswerk von recht gutem Muster. Bei der, vor einigen
Jahrzehenden im Chor vorgenommenen Restauratiou des
Digitized by Google
<
XXXVIII
Innern erhielt derselbe ein nenes geschmackvolles Gestühl
au» Eichenholz und in den Fenstern buntfarbiges Glas.
Hoffentlich wird man eine ähnliche, sich vorzugs-
weise auf das Gestühl erstreckende Restauration de«
Innern auch bnld im Laughansc vornehmen und dabei
vor Allem nicht versäumen den gänzlich entstellenden
hölzernen Eutporcncinban, welcher die .Stelle des soge-
nannten Triumphbogens einnehmend, keinen freien
lilick vom Laughanse bis ans Chorende gestattet, zu
entfernen. Es konnte kaum ein widersinnigerer Platz
ftlr eine hölzerne Empore gewühlt werden als dieser.
Wenn die Kugler-Lolze'sehe Annahme begründet
wäre, dass die Martinskirche ursprünglich eine Basilica
gewesen, mithin schmälere Seitenschiffe als jetzt gehabt
hat, so wtlrde daraus mit ziemlicher Gewissheit folgen,
dass die Grundform des vorhandenen Thurm es nicht
die ursprüngliche ist ; dass vielmehr entweder von dem
.Mittelschiff ein, der Breite desselben entsprechender
Tl. tinn oder von den Seitenschiffen zwei der IJrcite der-
selben angemessene Thürmc, sei's projectirt, sei's zum
Theil ausgeführt, vorhanden gewesen wären. Davon ist
aber nicht die geringste Spur vorhanden; im Gegeiltheil
llthrt uns der oben erwähnte Itlendhogcn am Westende
des nördlichen Seitenschiffes zu der Annahme, dass mit
der Breite der Seitenschiffe auch die Breite des Thurmes
gegeben ist, dessen untere Geschosse gewiss noch das
Mauerwerk des XIU. Jahrhunderts sind. Er besteht nur
aus einem quadratischen massigen Unterbau, der sieh
in mehreren durch spitze Blendbogen und hin und wieder
durch Fensteröffnungen belebten Geschossen erhebt.
Jode der vier Seiten des Unterbaues endigt mit einem
Giebeldreieekc , zwischen welchem eine achtseilige,
kupfergedeckte Pyramide aufsteigt. Das Mauerwerk
des Thurmes war wahrscheinlich ursprünglich grössten-
teils Haustein., jetzt ist es grösstenteils von Backstein.
Wenn diese Anordnung des Thurmes unwillkürlich
die Frage hervorruft, ob nicht auch von dem südlichen
Seitenschiffe ursprünglich ein ähnlicher Thurm als
Gegenstück projectirt gewesen war, so ist diese Frage
natürlich nur zu bejahen; aber nachweisen liisst sich in
der Wirklichkeit nichts mehr davon, ausser dass der, im
Westen an das südliche Seiteuschiff grenzende, durch
eine schmale Thür zugängliche Kaum ein, mit Kreuz-
gewölben bedecktes l'iitcrgcschoss zeigt. Die westliche
Fortsetzung des Mittelschiffes bildete ehemals eine
Thnnnvorhalle; denn die jetzige Sehlussniauer des Mittel-
schiffs wurde erst vor einigen Jahrzehenden gezogen.
Leider ist das Äussere der Martinskirchc, mit Aus-
nahme der Choqmrtie, dnreh manche moderne Anbau-
ten verdeckt oder auf andere Weise schwer zugänglich.
An der Nordseite, von Osten kommend, finden w ir zu-
nächst eine kleine Vorhalle mit modern gothischem Por-
tal, die ins östliche Joch des Seitenschiffes führt. Daran
grenzt ein moderner Anbau, welcher zu Wohnungen
des Kirchendieners und des Lehrers der Schule be-
stimmt ist. Er umfasst aber auch die der Xordseite an-
gebaute Capelle, in welcher sich die oben erwähnte
Capelle der heiligen Jungfrau befindet. Über dem ein-
fachen, gothischen Portal dieser Capelle befindet sich
jetzt ein, in die Mauer eingelassenes, sehr gntes Bildwerk,
das im Hautrelief den heiligen Mnrtinus zu Pferde dar-
stellt, wie er den Armen und Krüppeln seinen Mantel
mit dem Schwerte zerteilt. Die kräftige derbe Arbeit
und das Costtlm der Hauptfigur lassen fUr die Entste-
hung dieses Reliefs das Ende des XVI. oder den Anfang
des XVII. Jahrhunderts vermuthen. Ein anderes, wenn
auch nicht künstlerisch, aber wohl archäologisch in-
teressantes, kleineres Bildwerk ist in die nördliche
Seite des Thurmes, etwa 6«/ t Fuss von der Erde, ein-
gemauert. Es stellt im flachen Relief den am Kreuze
hängenden Christus dar, mit den gewöhnlich daneben
stehenden («estalten der Maria und des Johannes. Uber
den Enden des Querbalkens des Kreuzes stehen Sonne
und Mond mit menschlichen Gesichtern und unter dem
Querbalken links eine Maske. Die Kntstchungszcit die-
ses Reliefs wage ich kanm zu bestimmen; sie scheint
das XIII. Jahrhundert zu sein.
Andere Anbanten der Kirche sind: im Westen die
schon erwähnten, jetzt zur Sehnte des Kirchspiels
eingerichteten Räume , die, vielfach umgestaltet, doch
noch Spuren ihres mittelalterlichen l'rsprungH bewahrt
haben. Ferner am Ostende des südliehen Seitenschiffes
die wahrscheinlich im XVIII. Jahrhundert angebaute,
sogeuannte Kirchenknmmer, ein Bau, dessen Oberge-
bcIioss auch das Archiv der Kirche enthält. An diesen
sehliesst sich südlich die Predigerwohnung, deren Gar-
ten sieh längs der südlichen Untfangsmauer der Kirche
hinzieht. Von diesem Gurten ans führt ins westliche
Joch des Seitenschiffes eine Thür, über welcher man
ein interessantes lielief erblickt, das, die Apotheose des
heiligeu Martinns darstellend, leider so verstümmelt ist,
dass sich über seine Entstchnngszeit schwerlich eine
VeniHitliung aufstellen lässt.
Wie bei fast allen bremischen Pfarrkirchen, sind die
Mauern der beiden Langsciten auch hier mit Spitzgic-
beln bekrönt, die, der Zahl der jetzigen Gewölbejoche
entsprechend, mit hübschen eingeblendeten Nischen
spätgothiseher Zeit versehen sind. Diese Spitzgiebel
sind durch Dächer verbunden, so dass auch die Martins-
kirche, wie die anderen lfarrkirchen Bremens, die
Eigentümlichkeit zeigt, dass ihre Dächer, der Reihe der
Gcwölbcjoehe entsprechend, also drei an der Zahl,
parallel von Nord nach Süd laufen.
Das Material des Gebäudes besteht im Äussern
grösstenteils aus Backstein, dessen Verband der gewöhn-
liche sogenannte wendische ist, nämlich regelmässige
Schichten, in denen auf zwei Läufer ein Strecker folgt;
im Innern ist Gussmnuerwerk. Nur die unteren Thcile
des Thurmes und die Anssenseiten der Strebpfeiler
zeigen Haustein. //. .1. Müller.
Archäologische Funde.
In der tiefen Erdschichte des städtischen Zie- gefunden. Sie lagen neben einander und die in gelben
gelsehlages südwestlich von der Stadt Kol in haben Lehm gegrabene Grube wnrde nach ihrer Beisetzung
Arbeiter 11' tief zwei Gerippe in wagrechtcr Lage mit schwarzer, humüser Erde ausgetollt. Sargspuren.
Digitized by Google
XXXIX
fehlten gänzlich. Die norli festen Knochen gehörten, nach
ärztlichem Gutachten einem älteren und einem jüngeren,
männlichen Individuum au.
Folgende Gegenstände sind hei diesen Gerippen
gefunden worden :
1. Ein silberner, inwendig stark vergoldeter Kcleh,
dessen Copcrcnlum mit dem Fasse nur mittelst
einer, mit arabeskem Laubwerke umschlossenen Ku-
gel verbunden ist. Hauptfonnen, Ornamentik, Fuss
und Schaft gemahnen an den Üenaissancestyl. Die
Höhe dieses Kirehengeräthes betragt 5", Heine
l'nterplattc hat 3", die oliere Kelchweite 4" im
Durchmesser. Hin lilienartigeH Ornament schmückt
den oberen Kelch- und den unteren Fussrand, wäh-
rend längliche, oben abgcruudete, schräg eingekerbte
Blattornamente den unteren Kelehtheil verzieren.
Stellenweise ist dieses ziemlich gut erhaltene Kelch-
gefilR« stark oxvdirt, sein Gewicht betrügt 40 Lotb.
Ks besteht aus 1 .'Hüthigem Silber.
2. Eine langhälsige, stark ausgebauchte, 5" hohe
Flasche von grünem Glase.
3. Eine gläserne, 7" im Durchmesser haltende S chale
mit einem 1" hoben gereiften Rande , welche mit
Kupfer plattirt und sonst unverziert gewesen ist.
Man fand sie bereit ? eingedrückt.
4. Trümmer eines Deckels aus grünem Glase,
mit einem Knopfe versehen.
5. Drei sehr put erhaltene silberne Rest and (heile
e i n e s \V e Ii rg e h ä n g e s mit Ferien und Blattoma-
menten. Sehr sorgfältig gearbeitet und stark ver-
goldet.
(i. Eine grosse hiezu gehörige Spange, 2 kleinere
Schnallen, dann eine Schnallcnznnge. Alles von
nlöthigem Silber und stark vergoldet.
7. Fragmente von ciueui vergoldeten Kupfer-
zierrath.
.S. Zwei Stück, I " im Durchmesser haltende, schiin und
zart ornamentirte, sehellenähnliclie Knöpfe von
stark vergoldetem Metall.
!>. Vier Stück eirunde, kleinere Knöpfe von ähnli-
chem Stoffe und Arbeit.
DJ. Zwei, fünffach der Länge nach gekerbte, blaue Glas-
tropfen.
11. Ein Bcrnsteinkllgelchcn, in der Mitte durch-
bohrt.
12. Fünfzehn, stark vergoldete, kupferne, an einen
Draht gereihte , 3*" im Durchmesser haltende KU-
gclchen, welche wahrscheinlich hIr Hehn- oder
Wammszierden dienten.
13. Ein einzölliges, 2"' breites Beins täbchen, dessen
Mitte und Enden mit stark vergoldeten, zart geritn-
derten Silherpliittehen eingefasst ist.
14. Trümmer eines stark verrosteten, eisernen Hel-
m e s.
15. Ein 3' 4" langes, eisernes Schwert, dessen Flü-
chen vom Boste stark angegriffen sind.
IG. Ein 5" langer, kupferner, silberplattirter Sporn.
Alle diese Sachen gehören der Spätzeit au und
mochten der Schmuck eines, vielleicht in einem Kampfe
bei Kolin (deren es in der dortigen Fläche so viele gab)
gefallenen Kriegers und eines utraquistisehen
Priesters gewesen sein.
Jedenfalls erinnern Oalix und Patena an das
Zeitalter des Kelches und die Formen aller dieser
Geräthc an ilie, im XVI. Jahrhundert beginnenden Benai-
sanceformeu, welche auch hier die Zeit tixiren, in welcher
auf eine unerforschliehe Weise diese beiden Leichen so
tief und an einem so entlegenen Orte, mit 1'/, l'fnnd
13Iöthigen Silbergegenstilnden. der Erde Ubergeben
wurden.
Das Jahr 1531 dürfte der früheste Zeitraum sein,
in welchen wir diese Funde einreihen dürfen.
Fran; Jox/j./i Jien'frL
Vor kurzem fand zuTesmny, im Iloinburger-Comitat
(Ungarn) eine Bäuerin oder sogenannte Iläuslcrin als
sie grub ein Gcfäss von gebrannter Erde, in welchem
sechsuudzwunzig Goldmünzen waren, welche, den bis-
herigen Nachrichten zu Folge, der Zeit des Matthias
Corvinus angehören sollen.
Zu Pistoja begab sich ein Soldat, der, um sich die
Zeit zu kürzen, Vogelnester ausnehmen wollte, in die
Kuiucn des verfallenen Klosters der ^niedrigen Brüder*
(fratelli umiliati) und fand bei dieser Gelegenheit im
Manenvcrke einen grossen silbernen Poeal der reich mit
Figuren verziert ist. Dieser Fund machte begreiflicher
Weise ein nicht geringes Aufsehen und die dortigen
Kenner waren alsbald einig, die Arbeit dem Bcnvenuto
Ccllini zuzuschreiben, der wohl Uberall mit seinem
Namen herhalten mnss, wo sich in Italien eiue dem
Cinquecento ungehörige getriebene Arbeit vorfindet.
Über die alte Kirche des Cistercienserstiftes Rein in der Steiermark.
In dem Maihefte v. J. des Anzeigers Air Kunde der
deutschen Vorzeit (Sp. 172—175) bespricht Dr. F. Ilwof
aus Gratz die Cistereienserkirehen der Steiermark und
einiger Nachbarländer (nämlich Bein, Neuberg, Sittich,
Landstrass, Vielring etc.), als Beitrag zur Beantwortung
der von Dr. Prof. W. Bein (im Anzeiger v. J. Sp. 12— 1 4)
aufgestellten Frage, ob gewisse Eigentümlichkeiten des
Kirchcnbaucs, wie der geradlinige Chorabschluss, der
Mangel einer Thunnanlage und des Kreuzschiffes allen
oder doch den meisten Kirchen dieses Ordens eigen sei
und somit zur Charakteristik derselben gehöre.
Bezüglich der Cistercienserkirche zu Bein bemerkt
Ilwof, dass die alte und ursprüngliche Stiftskirche nicht
mehr bestehe, dass von derselben keine Spur mehr,
wenigstens üusserlich, bemerkbar sei, dass anderen
Stelle die jetzige Kirche, im Zopfstylc des XVII. bis
XVIII. Jahrhunderts erbaut, gesetzt wurde und dass
dieser Neubau aus eben dieser Ursache bezüglich der
Digitized by Google
XL
Beantwortung oberwähnter Frage nicht in Betracht
gezogen werden könne.
Über die frühere, erst im XVIII. Jahrhundert gänz-
lich entfernte .Stiftskirehe bringt Ilwof im neuesten
Jänuerhefte des Organs des germanischen Museums
(Sp. 12, 13) einige interessante Mittbeilungen, die der-
selbe einem Olbilde entnommen bat , welches das ganze
Still, in Vogelperspeetivc aufgcnoniinen, darstellt.
Nach diesem Hilde stand die alte Kirche genan auf
jenem Platze, den die jetzige einnimmt, nur mit dem
Unterschiede, das* sie völlig orientirt war, während diese
nach Westen gerichtet ist. Ihrer Form nach bildete sie
ein langes schmales Gebäude mit geradem Cbor-
nbschlusse, ohno Kreuzsehiff and ohne Thurm. Der gerade
Chorabschluss bildete einen Theil der, den viereckigen
Klosterhof westwärts abschliessenden Gebäude. Nach
Norden, von wo dieses Gemälde aufgenommen ist, lagen
drei Capellen vor, welche, wie es scheint, gleichzeitig
mit der Kirche errichtet worden sind. Am Ostende des
Daches, also beiläufig ober dem Hochaltar, erhebt sich
ein kleiner Dachreiter. Die. Südseite ist nicht sichtbar,
das uiedere, nördliche, Seitenschiff mit seinem Dache
erscheint an die äussere Mauer des Hauptschiffes gelehnt,
dessen Fenster über dem Dache des Seitenschiffes ange-
bracht sind. Dr. L.
Notizen.
Dem „Sudtiroler Volkshlatt* (vom 11. Jali d. J.) zu-
folge wurde in der am H. Juni abgehaltenen Frtthlings-
versammbmg des Merancr Lesevereins für christliche
Kunst beschlossen, die k. k. Central-Commissioii durch
den Herrn Conscrvator Tinkhauser auf zwei an der West-
facade und unter dem ThurmderNicolaikirche befind-
liche alte Gcmählc aufmerksam zu machen , am durch
competcutc Organe etwaige Restaurationen einleiten zn
können. Zugleich wurden die Vereinsmitglieder ersucht,
auch für die Zukuuft „Kunstwerke, alte Kircbeuutensilien
u. s. w. a bei den Generalversammlungen ausstellen zu
wollen, welchem Wunsche schon jetzt mehrere Herren
entsprachen. Herr Maler Wasman legte die Cartons und
Farhenskizzcn von Gemälden vor, welche für ein Kloster
in Oberösterreich bestimmt sind, und Herr Bildhauer
Peudl stellte die Gypsahgüsse von drei lcbensgrossen
Statuen des h.Valeutin,des b.Corbinian unddes h.Vigilius
und ein lebetisgrosses Crncifix aus, welche Arbeiten für
die Kirche des h. Valentin in Obcnuais bestimmt sind.
Von mittelalterlichen Gegenständen waren mehrere dem
Herrn Altbürgenneister Haller gehörige Gemälde zn
sehen , welche die vier Kirchenväter uud die berühmte-
sten Ordensstifter darstellen. Auch Herr Vcrdross war
so gefällig, vier alte Gemälde zur Schau zu bringen,
unter denen sich das Porträt eines Patriciers und eine
goldornamentirteTenipcratafel befanden, welche letztere
acht verschiedene Darstellungen aus dem Leben Jesu
enthält nnd bis in dns XIV. (oder XV.) Jahrhundert hin-
aufreichen soll. Von Kirchenutensilien wurden eine dem
Stifte Mnrienbcrg gehörige romanische Infula, eine
romanische Tanfschltsscl und ein kupfernes und vergol-
dete« Ciborium gezeigt.
In demselben Blatt vom 15. Juni wird von einem
Altar in gothischem Style in der Gnadencapellc im
KlostcrSä ben gesprochen, der von dem Bildhauer Joseph
K anbei, Professor an der kön. Akademie der bildenden
Künste zu München, angefertigt und von dem Maler
Christoph Oulleth zu I,atzfons decorirt wurde. In der
Mitte steht die h. Maria mit dem Christuskindc und ihr
zu den Seiten befinden sich die vier Bischöfe Cassian,
Ingenninns, Albuin nnd Valentin. Die Mensa trägt ein
Relief, welches die Anbetung der drei h. Weisen dar-
stellt, und ober dcuiMuttcrgottcsbildc schweben an jeder
Seite drei betende Engel. Den Andeutungen jenea
Blattes zufolge scheint dieser Altar grossen Beifall
gefunden zn haben.
In der Zeitschrift „Christliche Kunstblätter* (Linz
1864, Nr. 6) findet sich die Besprechung einer Hand-
schrift von BernarduB Noricus, welche in der Bibliothek
des Stiftes KremsmUnster aufbewahrt wird, ßernardus
lebte um das Jahr 1300 uud verfnsstc u. a. auch eine
Reihenfolge der Bisehöfe von Lorch, ein Verzeichnis»
der Äbte von Kremsniüustcr, eine Reihenfolge der öster-
reichischen und der baicrischen Fürsten u. 8. w. In
seinen Schriften finden sich manche Angaben, die für
die Kunstgeschichte von Kremsmünster von Bedeutung
sein dürften, da sie sich auf die Gründung uud Ein-
weihung von Gotteshäusern, auf die Übertragung von
Reliquien u. a. w. beziehen.
Aach erzählt Beruardus in seiner „Reihenfolge' der
Loreber Bischöfe-', dass man nm das Jahr 1300, zur Zeit
des Königs Rudolf uud Werners, .Bischof zu Passau,
als die Bürger von Lorch ihre vor Alter mit Einsturz
drohende Kirche wieder herstellten, an der Morgeuseite
derselben mehrere Bilder und Inschriften auffand. Die
eine der letzteren führt der Verfasser der erwähnten
Besprechung (in Übersetzung) mit folgenden Worten an :
„Scccius Sccnndus, Veteran der dritten italie-
nischen Legion; Patcjula (Ejnla) Scveria, seine
Gemahlin , haben noch bei Lebzeiten eich und dem
Sohne Scccius Secundinus dieses Andenken ge-
weiht. -
Aus den Angaben des Bernardua geht auch hervor,
dass die Kirche zu Lorch nicht blos ausgebessert wurde,
sondern dass man sie in jener Zeit völlig umbaute und
vielleicht nur Grundmauern, Unterbauten nnd Crypten
stehen liess. Es wäre sehr zn wünschen, dass sich der
Verfasser dieses Berichtes in möglichst genaue Details
einlicssc, da gleichzeitige Baugescbichtcn gewöhn-
lich viel Belehrendes enthalten.
*. IL r.rpr. - Unit» *.r k. k Ilm- *»' liMUlnu»«»! In Wl...
Digitized by Google
P V+ J; X- 1 ** *f<D VK
B
J> V/ $ J >T^ AH <k ^ Jt,
C
1 T-\<tAvX
V
T
V
7\
xty ah?o x ^
Digitized by Google
M wxn
FM K./A./A A.ICC K/KG. A M. I^J.C K. A&.PEM.
l/Hjr.R KF AI.ATVT i^jUPm WkxK*.
y v t- y " r i
4Ci # ix fbc^± y+
U V >f X Y
© r 1> x
Iii j > » *Or-y . .:,.,t. i',u i*>.
Digitized by Google
Digitized by Google
XLI
Steinmetzzeichen und Marken an alten Baudenkmalen Böhmens gesammelt.
Meine Aufmerksamkeit lenkte »ich diesmal unfeinen
zwar untergeordneten, aber desshalb nicht uninteressan-
ten Gegenstand, die Steinmctzzeichcn nnd Marken
oder figürlichen Monogramme, welche wir auf alten
monumentalen Bauwerken Böhmens antreffen.
Die Archäologen früherer Zeit licsaeu diesen Gegen-
stand so ziemlich unbeachtet und frugen nie nach der Be-
deutung dieser cigenthUmlichen Zeichen. Erst dernencren
Zeit blieb es vorbehalten, denselben ihren prüfenden
Blick zuzuwenden und mehrseitige, von einander stark
divergirende Ansichten hervorzurufen, welche sich erst
uach gegenseitigen Vergleichen des vorliegenden Stoffes
einer klareren Lösung werden erfreuen können.
Tn neuester Zeit brachten uns die Mittheilungen der
k. k. Central-Commission (im VII. Jahrgänge, p. A. 1862,
S. 52) einen von Herrn Alwin Schnlz veröffentlichten,
sehr interessanten Anfsntz, die .Steinmetzzeichen Bres-
laus betreffend, welchem ich nachstehende Bemerkung
wörtlich entlehne :
„Wenn es aueh wahrscheinlich ist, dass diese meist
geradlinig gezeichneten Figuren ursprunglich dazu dien-
ten, die Arbeiten der verschiedenen , bei dem Baue be-
schäftigten Steinmetzen von einander zu unterscheiden
(Didron, Annales areht'ologiqueH 1, p. 251), so kann man
doch diese Erklärung nicht fllr alle Zeiten Air angemes-
sen erachten. Ich halte diese Stcinmctzzeichcn für die
erste Entwickelungsstnfe des Monogramms. Die erste
Veränderung trat ein, als diese Handzeichen nicht blos
auf dem Werkstück angebracht wurden, sondern bei
selbstständigen Sculpturarbcitcn dem Meister als Mono-
gramm dienten. Architekten und Steinmetzen waren aber
oft identisch, und so finden wir denn auch architektonische
Zeichnungen, z. B. die zum L inier Münster, unsern Zei-
chen ähnlich angebracht. Von jenen Künstlern nahmen
die Maler, von diesen die Kupferstecher, Holzschneider,
GlockengieBser, Buchdruckern. b.w. diese Bezeichnungs-
woisc an."
So weit Herr Alwin Schulz, dessen Ansicht ich mich
vollkommen anscblies.se.
In einem Knnstberiehte des „Organs für christliche
Knnst aus England^ (J. 1858, Seite 251») wird bemerkt,
dass die mittelalterlichen Steinmetzen Irlands ausser ihreu
Steinmetzzeichen, die ein Geheimniss der Hütte waren,
auch ihre eigene, nur ihnen verständliche Sprache hat-
ten, welche sich zum Thcil noch unter den irischen
Steinmetzen und Maurern merkwürdiger Wciso erhal-
ten hnt. Uber die Steinmetzzeichen sind also die Mei-
nungen verschieden. Die meisten Archäologen sehen in
denselben Unterscheidungszeichen der Mitglieder der
Frcimauerci, deren ersten Sitz sie nach Irland verlegen.
So viel ist gewiss, dass in vielen Logen jeder Steinmetz
ein Zeichen in einem, zu demselben Zwecke gehaltenen
Buche verzeichnen musstc nnd dasselbe nicht verändern
durfte; dass die Zeichen der Meister verschieden von
denen der Gesellen, dass in diesen der Kreis vermieden
werden musste, und dass, wenn zwei Steininet zc an dem
nämlichen Baue arbeiteten, die zufällig ein und dasselbe
Zeichen hatten, einer derselben sein Zeichen verändern
musstc.
IX.
Dass in Böhmen unabhängige Bauhütten waren,
deren Rechte sorgsam und eifersüchtig von den alten
Meistern überwacht wurden, ist ausser allen Zweifel
gesetzt'; dass ferner die böhmischen Steinmetzen und
Baumeister Zunftgeheimnisse bewahrten und mysteriöse
Zeichen bei ihren Werken anwandten, lässt sich daraus
sicherstellen, weil solche Zeichen bis auf unsere Tage ge-
kommen sind.
Ob die in B. Balbins Misccllanca hist. reg. Bohem.
(D. I. Lib. 9. Traet. 1. sect. lö) enthaltene Nachricht,
der zufolge die seit dem Jahre 1701 abgetragene merk-
würdige Kirche des heil. Frohnleichnams Christi auf der
Neustadt Prags, in dem Jahre 1382 von einer Bruder-
schaft oder Ritterschaft ,,cuni signo eirculi quod vulgari-
ter dicitur, et malleo in medio dependente» erbaut wor-
den sei nnd nach mehrseitiger Meinung auf eine Bau-
hütte oder Loge hinzudeuten scheine, ist uur eine, jeder
tiefern Begründung bare VcrnfUthnng.
Ein anderes, doch aber der Form nach ähnliches
Bcwandtniss haben die böhmischen Steinmetzzeichen
mit den Hans- und Hofmarken, Über welche Professor
Homeycr in J. B. Wolfs Zeitschrift für deutsche Mytho-
logie und Sittenknndc (I. Bd. S. 183) eine interessante
Abhandlung geliefert. Man pflegt nämlich noch heut zu
Tage in den ehemals von Slaven bewohuten und eulti-
virten Gegenden bei Dauzig, Kypin, Stralsund, Lübeck,
Holstein, wie auch in Skandinavien mit diesen sonder-
baren kunstlosen Zeichen Giebel, Windfahnen, Haus-
thüren, Fenstereinfassungen, Grabsteine, Kirchenstühlc
Siegel nnd Korbhölzer zu bezeichnen. Es geht so weit,
dass man mit demselben Zeichen in Holstein das Vieh,
in Lübeck das Schwarzbrot, in der Vogtei Schönberg
die ]*flugschaaren und in Thüringen die Kornsäcke
u. dgl. m. bezeichnet, und dass diese einfachen Zeichen
oft statt der unterschiedslosen Kreuze den Werth eigen-
händiger Unterfertigung, ja selbst einen urkundlichen
und rechtskräftigen Werth haben und in die Grundbücher
intabulirt wurden. Sie werden dort iusgesammt Boll-
marken, auch Bomarken genannt'.
Honieyer nennt nebst den erwähnten Gegenden aueh
die Städte Stralsund, Frankfurt n.M., Basel, Strass-
bnrg und endlich Prag, wo solche Zeichen anzutref-
fen sind. Die ältesten Zeichen solcher Art, welche Di-
dron's Ansieht mehr entsprechen, weil sie keineswegs
in die Reihe figürlicher Monogramme gehören und sich
auf Werkstücken befinden, dürfte wohl in unserem Vater-
lande der höchst merkwürdige Thurm zu Klingen-
berg (Zvikov) enthalten, dessen Beschreibung uns
bereits gediegene Gelehrte seit mehr als 40 Jahren vor-
geführt haben*. (S. Taf. XI A.)
' Vvfcl Paanälkj ar<hio1. a mlitoplano (dfl IV. IST). „I.lit kar»e-
njektho cechu atarlho inrau. PnU.kVtic Kufuolicir»k?m a. r HS9." ttatt>klt<n
In de» Mmi.clluugoa IHl 8. Ii>(. — < V.rgl. AdKaniltanitrn dar |t»rll»ar Ata-
drtuk d.ir WI«Mtns<~t*ftoB ftir dai J IBM, worin «J» auch IlauBffvma) % eoannl War-
den. — * I »Je mir bekannte Lltaralur üb«r dtvicu tiö'chit iDtrkw*irdtK«Q Tburm-
bau and die ttnrg iat i»»br raleb au Intareaianten V«rr*iiiltiu»ff«r», und Ich fuhr«
hl«r nur da« Wiclitlpte a», waa ülirr dl*»« fi<hrlftl «irrten K*a(-bri<>l>tli «TlTda,
und f»ia?: \Vun«r ZelCarhrlft fQr Kuriet und Literatur Ii 1 . fUr. G rt» p a I n gl. —
Ilonnar» Archiv 1<SH, Nr. I.SB und 15. ICrofoxor Minauer). — Vatar-
Undl.ke Itfettar, li.i.llljonaMaU «»" S. Aoemi — Jiilllui, Aull«
ett<I<-!..j.<di<|U«. ISIS, II. Ild., S. »II und Uli (Karl üroaaUu), — Aull-
Muariake Aiitittrr, III Bd., !i. JW (Hofratli Haaamer). — lle>p«rua , April
181», Bellet« Nr. IT, S. 5>0 rXnd. Dr. Aal»u J«»|mi»»J. - Z.luclulB daa
f
Digitized by Google
XLII
Ans diesen ctwa35sich oft wiederholenden Zcichcu-
gattnngen wollten Doctor F. R. Grossing und Professor
Millaucr alte Charaktere der ältesten Slavensprachc in
Form von Runen entdeckt haben; allein schon damals
trat Doctor Anton Jungmann dieser Meinung entgegen,
und erklärte sie fllr „Stciiimetzzeichcn 44 . Dasselbe thnten
Heber, Dr. Legis-Clückselig. Hugo Thomann uud Pro-
fessor Gruber. In diesen verschieden gestellten, stark
verwitterten und von jedem Beobachter verschieden auf-
gefassten und gezeichneten Zcicheu liessen sich nur an-
nähernd höchstens sechs Runen — im entferntesten
Sinne — hcruuskliigcln. Mit den Mikoriner und jenen, auf
der nralten . den Ccrneboh vorstellenden Seulptur zu
Ramberg vorkoimnenden slavischen Runen ist hier keine
Ähnlichkeit. Die kühnste Phantasie konnte unmöglich
eine einzige dieser Mauerhieroglyphen dem Runen-
alpha bete anreihen.
Mehr Ähnlickeit hüten diese Zeichen mit den ältc
sten Sehriftzciehen der italischen Alphabete dar, deren
ich 12 bis 13 dort entdeckte, und welche die interes-
sante Vcnnuthung des, um die Alterthumskunde Roh-
mens so hochverdienten k. k. UniversitäUprofcssors
Herrn .1. K. Wocel, dass jener altcrgraue Thann von
Zvikov sehr leicht ein Römerbau sein dürfte, stark
unterstützen. Nehmen wir Friedrich Büllhorn 's , Zusam-
menstellung der ältesten Schriftzeichen nnd Alpha-
bete", dann «Mnzois _Les ruines de Pompe!" und
endlich das dass is die Werk von Theodor Momsen
„Die unterilalisehcn Dialekte" (1850) zu Hilfe, „so bie-
ten uns die angefügten Tafeln manches Ähnliche
alter Schrift- nnd Zahlenzeicheu dar. Jedenfalls siud
diese tiefen , gegen die kleinen fadendUnncn Stcinmetz-
zeichen des Lbcrgangsstyls und der Oothik in allen
ihren Perioden verschieden! Bleiben jedoch Stein-
metzzeichen , nach Art jener, wie man sie an alten
Römerbnuten so gut, wie an andern Rau werken des
Mittelalters in Europa zu tiuden pflegt. Einen Sinn aus
diesem Zcieheiidiaos, wenn sie nlle auch den uralten
italischen Sehriftchnmktcren gleichen würden, heraus-
zudeuten . wiire wirklich eine vergebene Muhe.
Sehen wir nun von dein räthselhnften Thnnnbaue
ah und blicken in die älteste Periode der böhmischen
Baukunst, so ist es der romanische Ranstyl, welcher sich
in allmählichen Übergangen aus der altrümischen Archi-
teetnr entwickelte und zur allgemeinen Geltung kam.
Allein man würde in diesen Baiidenkmalen vergebens
nach jenen Steinmetzzeichcn forschen, welche wir hei
den l'bergangssl yl oder an früh- und spfitgothischen Run-
denkmaleti so häufig finden. Die merkwürdige Doppel •
Capelle in der alten Burg zu Eger, deren l nier-
ban auf vier kräftigen, gedrungenen Säulen mit phanta-
stisch verzierten C'apitälen ruht und romanische Styl-
charaktere aufweist, während sich in der oberen Capelle
ein spitzbojriges Rippengcwiilhe auf elegant gebaute
Säulen stützt, liisst uns au ihren oberen und untern
Ccbändetlieilen die'nnfTaf. XI, B dargestellten Stein-
nietzzeichcn gewahren.
TitrriKr.riUrhr n MiMtn. I"}* .Orr Marknm.iineMharm »ou K. H< h u ttkj*.
Itn OiK.l,, rWic — tltbir, f. . Hihliim» Uarycn . Yr>lm tmil nartf-
• lili »>i>r, ||. Iiil. K lül im«. — Cjs"|.l> «.».kan« Muhüi« l»M: . RiisaW
»•>!• r |>rurh p-.d 4 Jan Fr»«. W»t»l, >tr vi - M. — lllu.ti.rt« l.'knuitk
»cn H. i, II M S II ilir l,««l • • <'• Iii r k< I H-i — JWil>«llil«|n n
A*r k 1c cViilr»l.rf.r,Mil»»lon »*>m J. 1- H»l ». tCrr-rea^r BafftKaril
<.r«jl>»»l. - P.mi'kv attba'.loxfk«. I»SA. *<■■ ' «r. *»!: .N»»«l-T» M tM
k-%- ...1 J V tl'.D-kr'^l,.,, ,„ im II Thl.. >. MI. Artr.».l< »Ick* f r..ti«ky
f» Ji.al.h c.hi.l. u4 Hanoi» Hon.... -
Der merkwürdige schwarze Thurm ebendaselbst,
welcher in seiner Bauart mit dem sogenannten Marko-
manncnthurni zu Klingenbergeine so auffallende Ähnlich-
keit hat, trägtauf einer rohen Bosagenrläehe der Lava-
quadern nicht die geringste Spur von Steinmetzzcieheu,
welche wieder die chrwtlrdige Deeauatkirchc St.
Nikolaus zu Eger in reicher Fülle bietet. (Tat*. XI, C.)
So wie nun von ältester Zeit an die Hauptstadt
Prag der Sitz aller geistigen und politischen Bestrebun-
gen war. eben so fanden auch die künstlerischen Rich-
tungen daselbst ihren Mittelpunkt; daher tiuden sich auch
die bedeutendsten und zugleich verschiedenartigsten
Monumente in l*rng, welche alle Bauarten und Rauperio -
den repräsentiren.
So bietet die anfgehohene St. Agneskire he (ge-
stiftet von der Prinzessin Agucs, einer Tochter Pfcuiysl
Ütakars I., im Jahre 1233) sowohl am Pfeilerbanc, wie
an den Fenstereinfassungen hie und da 1 y. — 2 Zoll
hohe, dünne, seicht eingetiefte Stcinmelzzeicheu (s. Taf.
XI, D). Taf. XI, E führt uns die Steinmetzzei-
chen des St. Veitsdomes vor das Auge. In ihnen
erblicken wir fast alle möglichen Formen, und man kann
dort mehr als 50 verschiedene Arten am Chor- so wie
am SchilTbnue entdecken. Die erste Reihe gehört mehr
dem Chorbaue an. Hier lassen sich aber, nebst dem
häutig angebrachten Kleeblatte, schon die Buchstaben
A mit B und P vereinigt, so wie M, W und V erkennen.
Die Zeichen dieses, durch Mathias von Arras 1344
begonnenen, und 1352 durch Peter Parier (unrichtig
Arier) fortgeführten Baues priisentiren sich als zarte
Linien von 2 Zoll Höhe und 1 </., Linien Breite.
Der hohe BrUckenthnrm auf der Kleinscite,
dessen (JrUndung unbekannt ist, der aber von Heinrich
von Leipa ( 131 U> stark befestigt wurde', bietet eine
seltene Fülle angebrachter Steinmetzzeichen von mannig-
facher Form dar. Man sieht hier (Taf. XI, F) und
bei andern Bauten, wie die gerade Linie sich durch Ver-
kürzungen und Winkelstellnngcn fügsam und bildsam
verändern Hess.
Nnn folgen die Steinmetzzeichen der, am It. Juli
1358, durch Karl IV. begonnenen und nuter Wladislaw II.
1503 vollendeten Brücke, welche seitdem beide Stadt-
theile Prags verbindet. Bogen und Pfeilerbau sind am
meisten mit ihnen bedacht. Hier offenbaren sich schon
wieder Bnebstahcn des nltgothischcu Alphabetes a, x
und z, nebst dem lapidaren P. Am inneren Brückengelän-
der findet man keine Zeichen mehr, sondern lauter Ruch-
stabeu, welche jedoch der Neuzeit angehören, wobei
der Ruchstabe K in Verbindung mit andern , als dem A,
(.', K, F, (!, P u. s. w. vorherrscht. Diese grossen. 4 — 5
Zoll langen, 3 --4 Linien breiten Lipidarbuch.stabcn ent-
stammen wahrscheinlich dem Jahre 1741, wo laut In-
schrift (Repa. 1741) und laut geschichtlicher Daten
diese Brücke einer bedeutenden Reparatur unterzogen
worden ist. Wir geben die älteren dieser Steinmetz
zeichen auf Taf. XI, G.
Auf der Tafel XII, II erscheinen die neuen Rnch-
staben nebst zwei Jahreszahlen und drei Nameu , welche
* _!»*•« H<t ^, 'tilg* Kl»ln,nten Urii^k^Tit*, Urin **it Irtiliar rr l>.at wvrd.
aja Jrnrr i!*<r ANMaH. Wim i(b»i, dV,,.ru Au>»*re». lurti trbalEirn tili, vielen
8>ii,ii.ilrxcii hi.ii auf nlii»:!, yua-li H-a\j ijn-r* 11^. uiliüitilli hkrl: uitd mrb.r
Ab««Th.Ti|n£ KV Kadi-r-, .1. tr-aa alt' nr. i!» In A Mj»lÄil t» r Rrflrk»' nlMrrttir, KU tler
Kjrthc iiivi lliClifi-n <<H't J- tri durfli M-m-Unwurl uujlt tnti.tr;, an Orr
THukmr.r. ii, drm ki nllmim m M H-lf.rl.-h t. ». w t rl«T;. Mr k^inaaca,
tnil dm ste-lituivearrkliaii 4.11 ili 1» »i.Rnnaiiiiu« MArkum-ina* iilliurtia .11 Klin.r.
trrr« r.hr üliri-in- (Jul M»i St|i»lH.. I'nc »I. .»r .,, ,1 .i* ». l.l
II lid. S. 1:
Digitized by Google
-
XLm
irgend einen gewerblichen Bezug bei Brttckenaus-
besscrungen haben konnten.
Nach der furchtbaren Überschwemmung vom Jahre
1784, wo am 28. Februar das Eis dem ehrwürdigen
Baue die grüssten Verwüstungen zufügte, bat sieh nach
erfolgter Reparatur der Schaden Michael Komm als
StcimnetzmeiBter an einer Sandsteinqnader mit den
Emblemen seines Handwerkes und der Jahreszahl 1785
verewigt.
Der Pfeiler, auf welchem da» kunstvolle Crucifix
prangt , igt mit grossen , G Zoll im Durchmesser halten-
den tiefen Kreisen bedeckt. Es sollten daraus zum
Andenken Zeichen der Kugeln ansgcmeisselt werden,
welche wahrscheinlich die schwedischen Geschütze
1648 dorthin warfen.
An diesem Pfeiler bemerkt man die Jahreszahl 16ÖO,
weiter im Flussbettc, wieder an einem Pfeiler steht:
„Erasmy Bazimonus 1577 J und weiterhin r Jos. Kodl u
ausgemeisselt.
Ehe wir diesen merkwürdigen, mit Steinmetzzeichen
aller Art und jeder Bauperiode versehenen Brückenbau
verlassen, wollen wir noch der oft besprochenen, viel-
gedeuteten und selbst in den Sagenkreis gezogenen
Kolandsäule an dem Brückenpfeiler des östlichen
Uferrandes der Insel Kampa gedenken, welche Ferdi-
nand Mikowec in dem Jahrgange 1802 der Mitteilun-
gen der k. k. Central-Commission S. n."> beschrieb.
Die ganze Säule stammt aus dem Ende des XV.
oder dem Anfange des XVI. Jahrhunderts; also aus
den Zeiten Wladislaw II. Der sogenannte Eselsrucken
und alle decorativen Elemente dieses Baudenkmals
deuten zu sehr auf die Baumeister jener Tage. Unter
dieser, vom Volke genannten Brunsvik- Säule, auf
einem mit den bereits enviihntcn Steiumctzzeichcn be-
deckten Brückenpfeiler, sind 11 unten abgerundete,
etwa 8 Zoll hohe, 5 Zoll breite Schildchen mit
Gcwcrkscbaftszeicbcn, wie man sie als sogenannte
Marken an Grabmillcrn , Häusern, Thor- und Bogen-
schlusssteinzierden, an Giebeln auch als figürliche
Monogramme der Steinmetzen und Baumeister findet,
angebracht. Diese Zeichen haben , wie die Säule
selbst, den früheren Archäologen viel Kopfzerbrechens
verursacht. Jedenfalls sind Bie wichtig, da man darin
den klarsten Beweis von der Entstehung der Marken,
des figürlichen Handzeichens oder Monogramme», des
KUnBtlcrzeichens nnd der Hausmarke erblickt. Es war
dies das bescheidene Zeichen des Steinmetzmeisters,
des BankUnstlero, das Wappen des BürgerthumB und des
mittelalterlichen Gcwerhsmnnnes.
Betrachten wir obige Steinmetzzeichen näher, so
finden wir sie mehr oder weniger verändert in der Marke
wieder. Es sind nicht immer Buchstaben , Zahlen oder
Monogramme im eigentlichsten Sinne der Sache zu
Gründe gelegt, sondern wir finden wirkliche Werk-
zeuge als Motive zu jenen Gewerbsbildern hiezu benutzt.
Namentlich lassen sich gewisso Maurer - , Steinmetz- und
Zimmcrinannsgcräthe sehr oft ziemlich deutlich heraus -
finden, z. B. Setzwage, Spitz- nnd andere Hümmer,
Winkelhaken, Maurerkelle, Giebel, Sparren, Rciss-
zirkel u. s. w. jedoch hie und da gern mit einem Kreuzes-
zeichen verbunden. Es lässt sich oft aus derartigen Mar-
ken oder Zeichen auf einen ehemaligen Gewerkschafts-
verband der betreffenden Familien selbst mit ziemlicher
Sicherheit schliessen. Künstler, Kaufleutc undGcwcrken
des Mittelalters waren in dieser Hinsicht sicher um vieles
bescheidener; denn niemals findet man hei ihnen förm-
liche Wappen mit Hehn nnd Kleinod. Aus diesem Grunde
nun waren Marken nnd Zeichen bei jenem Stande nicht
allein sehr häutig, sondern auch sehr beliebte Schildes-
figuren, was man schon daraus ersieht, dass viele Fami-
lien ihre alte Marke in Ehren hielten'. Wem diese
1 1 Marken an der erwähnten Brunsvik - Säule an der
Moldaubrücke angehören, wer vermag «lies zu bestim-
men! Vielleicht den Meistern jener ilauhütte, welche den
herrlichen Brückenbau vollführten.
Hier möge noch erwähnt sein , dass Prag ähnliche
Schilde auch an den beiden Steinbllstcn des Matthias
von Arras und Peter von Gmünd oder Parier in dem
Trifolium des St. Veitsdomes aufzuweisen hat'. In der
Marienkirche zu Slup tragen zwei Bogenschlusssteine
ähnliche Zeichen, welche man auch anderwärts, sowohl
an Häusern nnd ihren Theilen , wie an Grabsteinen, oft
ganz sinnreich zusammengefügt angebracht findet.
Mchrals 30 verschiedene Arten von Steinmetzzeichen
decken die glatten Flüchen des AltstädtcrBrückcn-
thnrmcs. Sie sind fast eben so gross, so tief und schmal,
wie jene des Thurmes auf der Kleinseite; doch sind ihre
Formen ganz verschieden, was der Vergleich der abge-
bildeten Zeichenreihe (s. Taf. IX , J) ermöglichen wird.
Der Altstädter BrUckcnthumi wurde 1451 u. z. gleich-
zeitig mit dem heutigen Neustädter Rathhausthurm,
dessen Flächen aber Mörtclanwurf deckt, aufgeführt'.
Der ehrwürdige Pul vc rt hu rm bietet, sowohl an
seinem Unter- als Oberbau, fast auf einein jeden Quader-
steine ähnliche Steinmetzzeichen dar. Der 1475 durch
den Meister Vaclav begonnene Unterbau wurde schon
das Jahr darauf durch Matthias Raisek, Buccalaorens und
Rector der Teincrschule, fortgesetzt, blieb aber seit dem
Jahre 1484 unvollendet stehen. Hier finden wir nebst
Raisek's Brustbilde mit der Inschrift: „Ravsek de
Prostyegow 1477- die auf Taf. XH, K abgebildeten
Stcinmctzzeichcn.
An der Teinkirche, die in ihrer jetzigen Gestalt
schon vor dem Jahre 1407 angelegt und im Jahre 1419
vollendet wurde, sind am hohen Chor nnd am Schiff
nnr die, Taf. XII, L wiedergegebenen Zeichen zu finden.
Anch der älteste Bautheil der königlichen Burg am
H radein bietet uns unter dem abgelösten Anwürfe auf
den nackten Flächen seiner Quadern hie nnd da sehr
primitive Steinmetzzeichen dar, wie Taf. XII, M zeigt.
Der isolirte Glockenthurm bei St. Heinrich
in der Neustadt Prags, von welchem man ebenfalls nicht
weiss wann er entstand (die Kirche wurde 1333 von
Kaiser Karl IV. angelegt), ist von seinem Sockel bis zum
Krongesimse mit den Buchstabenzoicbeu , wie sie Taf.
XII, N abgebildet erscheinen, bedeckt. Es sind dort
auch ganze Qundcrreihcn mit geringen Unterbrechungen
mit den Bucbstnbcn A, B, C, D, E, G, II und O signirt.
Eine ähnliche Erscheinung bietet der, laut einer
dort angebrachten Inschrift 1598 erbaute, dem St. Hein-
richstburm sehr ähnliche G locken thurm bei St. Peter
am I'ofic, wo ähnliche, ja fast gleiche 4 — 5 Zoll
lange, tiefe, 2 — 3 Linien breite Buchstabencharaktcre
erscheinen.
1 V#ml. M*l*r, Dr. K. RJllnr T^a , K«rtMUfli«t ABC -Rur*) l*5t
- ■ Siehe MillbeiluiiKen IWi. V 13, «o 41« M»rk« <l«i M»rtl>_ t. Atr».
»l.KebllJel erschein«. — Peter ». (-müsd bin «uen Wl>kelh«keii In SeallJe.
— • b. Dobnor'» MoulifuvulA hi»U>r. DoeoW», T*f. IV. tfc. ii.
Digitized by Google
XLIV
Die Übrigen alten gothischen Kirchen und öffent-
lichen Privatgebände Prags sind theils durch Kalk-
anwnrf, ho wie durch mehrmalige Übertunchungen zu sehr
bedeckt und Überkrustet, als das« man an ihnen ähnlicho
Zeichen wahrnehmen könnte.
Merkwürdig sind die Steinmetzzeichen im Schiffs-
und Chorbaader St. Bnrbnrakirchc zu Kuttenberg.
Man trifft diese Zeichen an dem steinernen Geländen
um den Hochaltar in den primitivsten Formen, ferner i n
den Trifolien de» Chores und den Emporen des Lang-
hauses an. Hier in dem Haue zweier grosser Meister
aus der Wladislaw'schcn Kegierungspcriode , nämlich
Matthias Ruisek (1490— 1506i>) und des BeneS von
Laun (1511 — 1520), endlieh des gcrllhmteu Steinmetzen
Meister Nikolaus, tinden wir deutlich, wie die alte,
typische Linien - und Winkelform des Sfcinmctzzcichcns
in den Buchstabcneharukter überging, und dieser seine
Geltung fast bis zur Jetztzeit behielt, und nur durch
Numerirung der Steinquadern in der Arehitectur unserer
Tage sein Ende fand. Taf. XII, sub O, zeigt die
Steinmetzzeichen an dem Geländer um den Hochaltar
und sub P die wichtigsten Zeichen an den Emporen
und Gnllerien dieser Kirche.
Sehr karg sind die andern Bnndcnkmalc Kutten-
bergs damit bedacht. So finden wir an dem ostlichen
Erker der k. k. Normalhaup tschule nur zweier-
lei Zeichen, Taf. XII, Q.
Andern herrliehen, jedoch verkommenen steiner-
nen Brunnen trifft mau die Jahreszahl J«01 und die
Taf. XII, R wiedergegebenen drei Zeichen.
Die Übrigen Baudcnknuilc dieser Stadt boten bis
jetzt nichts Erhebliches dar.
Ähnliche Zeichen , wie wir derlei an dem Thurme
zu Klingenberg und bei andern Bauobjcctcn Prags wahr-
nahmen, sehen wir auch auf dem nralten Kirchen-
thurme zu Charvatee, siehe die Taf. XILS. An dem
Stiegengehäuse des hohen, 1465 angelegten Kirchen-
thurmes zu Oaslau erblicken wir die (Taf. XU, T)
abgebildete Steinmetzmarke; ferner an einem Pfeiler des
Musikchore» das sub ü wiedergcgcbcnc, endlich an dem
westlichen Uauptportale das sub V abgebildete Zeichen
dreimal, und das s. W tiargestellte, einmal ansgcmeissclt.
In der uralten Kirchenruine zu Kloster, unfern
Mttnchengrätz im Bunzlauor Kreise, wo schon 1054 ein
Bcncdictinerstirt angelegt worden war, erscheint auf einer
Gewtilhgurte das Buchstabenzeichen, welches Taf. XII
sub X zeigt'.
Merkwürdig bleibt das von mir entdeckte Mono-
gramm in der uralten Pfarrkirche zu Zabof, C'aslauer
Kreises. Es befindet sich in dem Kclchcapitäl einer
Säule nächst dein Hochaltäre. (S. Taf. XII sub Y.)
Bei all' diesen hier angeführten Zeichen ist ein
grosser Unterschied sichtbar, und trotz der Formähnlich-
keit stellen sich, in Böhmen so gut wie anderswo, eigen-
thumliche Typen dieser Handwerkszeichen heraus; mnn
vergleiche u. a. nur das treffliche Wcrkchen des Dr.
II. Luchs „Denkmäler der St. Elisabethkirche zn
Breslau J (1860); dann dessen: „Bildende Künstler
in Schlesien nach Kamen und Monogrammen«» (1863).
Die von mehreren Architekten und Archäologen ausge-
sprochene Ansicht, dass die an den Quaderbauten alter
Zeit vorkommenden Steinmetzzeichen, einiges Licht
Uber die Bauzeit und Bauhütten verbreiten dürften,
ist nicht ohne allen Grnnd. Bis jetzt ist die Kunde dieser
Zeichen aber wohl noch zu unsicher, um ähnliche
Schlüsse zu erlauben.
Ich werde mich bemUhen in der nächsten Zeit eine
Fortsetzung dieser Zeichen sowohl , wie einiger interes-
santen Marken und Künstlermonogramme folgen zu
la88en - Front Jotepk Benesch,
• Sicht »tun T»r. IX, vl.rto Fi«, der ivl«. Kellt
Besprechungen.
Das L L österreichische Museum für Kunst und Industrie.
Das k. k. Jjsterr. Museum fllr Kunst und Industrie
wurde nach dem Vorbild des South-Kensiiigton-Musc-
nms in das Leben gerufen, welches im Jahre 1852 auf
Anregung des Prinzen Albert entstand, dessen Idee, den
Geschmack des Puhlicums und vorzüglich den der Pro-
ducenten zu veredeln, bei der Bevölkerung Englands in
der That die energischste Unterstützung fand. Das Par-
lament erkannte die hohe Wichtigkeit einer solchcu An-
stalt und stellte mächtige Summen für Ankäufe zur Ver-
fügung '. Private vermehrten die Samminngen durch
reiche Geschenke und Legate, und so erklärt sich die
GroHsartigkeif, mit welcher das Kcnsinglon-Mu.seum fast
mit einem Schlage vor den Augen der Welt dastand. Es
umfasst mehrere Gcbände, die eine „Kunstschule*',
eine Bibliothek, welcher Handzeiehnnngen, Kupfer-
stiche, Photographien u. s. w. beigegeben sind, eine
Dl. tun J»hf. IMS »itkl ».nJg:tr « Million.* Wund St.rlln«
Abtheilung von ornamentalen Gegenständen' und
endlich eine Gemäldegallerie enthalten.
Die GrUudung des k. k. österr. Museums fllr Kunst
und Industrie fand zufolge einer allerhöchsten Ent-
schliessnng vom 7. März 1863 statt, und wenn man die
Schwierigkeiten bedenkt, mit welchen dieses neue In-
stitut vor seiner Eröffnung zu kämpfen hatte, so muss
man der Thätigkeit des provisorischen ComiteV volle
Anerkennung zollen, welches ermöglichte, dass die Er-
öffnung des Mnseums schon im Mai 1864 stattfinden
konnte. Durch die wahrhaft grossartige Munificcnz, mit
welcher Se. Majestät» der Kaiser die kostbarsten Gegen-
stände aus der k. k. Hofbibliothek, aus der Belvcdere-
' ISO motu Zthl. Diu« Ab'heilntii »Hein rief hlnntn kurMl» «0*0 IndnitrRilt
Zclrhii.r !i«fv«r. von deatn die llr>wn bedeutend« Jinrcicebttl« toctahftn.
* l'M jirnTt-eri.obe ComH* l>.>Und tut denn tlrrrn gneUoa.chtr T. L • « 1 n s k f.
trm k.Uerl. Sfh»t«m,H«er S. G. 8eMI. t-trli-mwk O. Il.lder und Prof.
RodnI|.|, ». Eltoll,. rger. K» wurde nten lleendlnutu ,.in.r Mf t «b» «n
1. Mi« 1»« onl.f B«ei«<iu< **' AH««- Zoftl.d.nn.U •aripitlil
Digitized by Google
XLV
Gallerie, an« dem Antikcncabinete , der kais. Schatz-
kammer, der Ambrasersammlung, dem kais. Arsenale,
der kais. Porccltanfabrik,aus den Vorriithcn an Tapeten
und Mobilien der Hofburg und der kais. Schlosser, und
aus allen kais. Akademien und Instituten zur Verfügung
stellte, wurde das Inslebcntrcten der IH' tll't] Anstalt auf
das Glänzendste gesichert.
Das k. k. österr. Museum fllr Kunst und Indnstric,
zu dessen Direetor Herr v. Eitclbcrger ernannt wurde,
ist vorläufig in dem sogenannten Ballhause (erbaut 1740)
nächst der kais. Burg untergebracht, und wurden dem-
zufolge einige unumgänglich nothwendige Anbauten ge-
macht. Es schliesst einen grossen Ausstellungssaal
nebst vier kleineren Sälen nnd Zimmern in sich. Alle
Objccte sind unter Glas und Kähmen aufgestellt und bei
jedem ist die Nummer des Inventars, des Museal -Kata-
loges und der Name des Eigcnthltmcrs angegeben.
An allen Schränken sind Bretter zum Herausziehen
angebracht , zur Bequemlichkeit derjenigen , welche
zeichnen wollen, und Überdies ist ein Saal eigens
fllr Zeichner mit grossen Tischen ausgestattet. Der
Zweck des Museums ist in dem erwähnten kais. Hand-
schreiben mit den Worten bezeichnet:
„dass es fllr den Aufschwung der Cstcrr. Industrie
ein dringendes Bedürfnis» sei, den vaterländischen In-
dustriellen die Benützung der Hilfsmittel zu erleichtern,
welche die Kunst und Wissenschaft für die Förderung
der gewerblichen Thätigkcit und insbesondere fllr die
Hebung des Geschmackes in so reichem Masse bieten."
Das System der Sammlungen des Museums wurde
in folgender Weise festgestellt:
I. Das Geflecht (ans Rohr, Holz Stroh u.s.w.).
n. Specielle textile Kunst und ihre Nach-
bildungen: a) Stickereien, b) Spitzen, e) Go-
belins U. 8. W.
in. Laekiercrarbeiten.
IV. Emaille.
V. Mosaik.
VI. Glasmalerei.
Vn. Malerei.
VIII. Schrift, Druck und graphische Künste.
IX. Bücherausstattung (Einbände u. s. w.)
X. Lederarbeiten.
XI. Glasgefässe und Glasgeräth.
XII. Thongefässe und decorative Thon-
plastik.
Xni. Arbeiten aus Holz.
XIV. Kleinere Plastik in Horn, Bein, Elfen-
bein, Wachs u. dgl.
XV. Gefässe, Geräthe und Sculpturen in
Marmor, Alabaster u. s. w.
XVI. Gefässe und Geräthe aus Kupfer,
Messing, Zink und Zinn.
XVII. Eisenarbeiten.
XVin. Glocken nnd Uhren.
XIX. Bronzearbeiten.
XX. Goldschmiedkunst.
XXI. Bijouterie.
•XXn. Graveurknnst. a) Münzen nnd Medaillen,
b) Siegel, c) geschnittene Steine.
XXIU. Allgemeine Ornament - Zeichnungen
für Reliefausführung.
XXIV. Sculptur im Grossen.
Dieses System mag wohl durch Trennung der
Kunstzweige uud Stoffe eine leichtere Orientirung für
das, mit Aufstellung der Objecte im Museum betraut.-
Personale bieten. Dem Publicum, selbst raubt es durch
die vielen Abtheilungen jene Übersicht, welche es
leicht festhalten könnte, wenn man vor allem versucht
hätte, diese vielen Abtheilungen aus ciuigen wenigen
Hauptclasscn entspringen zu lassen; allein das wird
wohl nach und nach beseitigt werden, denn beim Beginne
der Aufstellung verursachte der beschränkte Raum den
Bera'lhungcn der Direction kaum zu besiegende Hemm-
nisse; auch galt es vor allem, bald dahin zu gelangen,
dass man die, in öffentlichen Gallerten, Cabincten und
Instituten oder im Privatbesitze zerstreut befindlichen und
iltrdic Ausstellung bestimmten Kunstschätze oder vorzüg-
licheren Industrie-Arbeiten concentrirte und der Anschau-
ung allgemein zugänglich machte. Da es aber im gros-
sen Publicum nur Wenige gibt, welche durch Anschau-
ung von Vorbildern oder durch Lecture die beabsichtig-
ten Anregungen zu kunstgewerblicher Thätigkcit in sich
selbst zu erwecken vermögen, so werden laut §. IM
der Statuten, mit dem Museum Vorträge in Verbin-
dung gebracht, welche alle Gegenstände in ihr Bereich
ziehen, die auf den Zweck dieser Anstalt Bezug neh-
men, welcher, wie schon angedeutet, darin besteht,
durch Anschauung und Vorträge nicht nur bei den In-
dustriellen, sondern im ganzen Publicum eine ge-
steigerte Thcilnahmc für künstlerische Durchbildung zu
erringen. Dass erst nach langjähriger, rastloser Bemü-
hung eine sichtbare Einwirkung zu Tage kommen wird,
liegt in der Natur der Umstände, und die zu Gebote ste-
heuden Geldmittel, so wie die Thcilnahmc des industri-
ellen Publicum8 werden auf die Erreichung dieses Zieles
einen entscheidenden Einfluss üben.
Um ferner die eigenen Sammlungen*) des Museums
zu vermehren, gute Muster uud Vorlagen für Schulen,
Fabriken und Handwerker zu bekommen, sowie zu be-
liebigem Gebrauche des Publicum« Uberhaupt, sind mit
dem Museum zwei Hilfsanstaltcn zur Vervielfältigung
der ausgestellten Gegenstände beigegeben, nämlich
eine Gypsgiesserci und ein pbotographisches
Atelier.
Werfen wir nun, nach diesen flüchtigen Ausein-
andersetzungen, einen Blick in die Ausstellungsräume,
so treten uns vor allem die dem Museum von dem kai-
serlichen Hofe huldvollst übcrlassenen unschätzbaren
Objecte imponirend entgegen. Doch auch Private, Klb-
steT nnd Kirch enfU raten haben aus ihren kostbaren
Sammlungen Vieles, nnd darunter sehr Werthvolles bei-
gesteuert, und wenn uns auch manches (z. B. aus der
archäologischen Ausstellung des Wiener Alterthumsverei-
nes im November und December 1860) Bekannte hier
wieder begegnet, so verdient dennoch die Bereitwillig-
keit der Besitzer warmes Lob. dass sie nicht Anstand
nahmen, ihre Kleinodien auch diesmal wieder der
Öffentlichen Beschauung hinzugeben. In dieser Bezie-
hung haben sich in archäologischer Rücksicht vorzüg-
lich folgende Corporationen und Herren hervorgethan :
Der dentschc Orden in Wien, die Convente: von Neu-
kloster in Wr. Neustadt, Heiligenkreuz, Klostcrncuburg,
■ Za a«a Simclnr,«in o*> Munal ftniirt b«nfu ahi« R«ib« »oe Oys«-
at>cS»«n »u» d«u> Dmumomm lu Aua», im dem rcml.ch - «*riD»»lt<in»
II««.« In NiiralM.r« i>«4 d«m AUU.r d.r ff«.«».. AkuUral.
Itawn, in Pari« («af «RlilM.kU.aUca« und Stur«l« OraaartoUk B««u» atH
ncadj.
Digitized by Google
XLVI
Melk. St. Florian, Zwettl, St. Peter und da» Domeapitel in
Salzburg, Stift Hein in Steiermark. Krcmsuiünstcr, Gött-
weih, das Domeapitel /.n Rrünn. das Stift St. Paul in
Kiirnthcn, Sc. Eminenz Cardinal Rauscher, Füret Jobann
Liechtenstein, (traf Edmund Zichy, Itaron Rothschild,
F. Z. M. von Uatislah , Consnl Ferdinand Fricdland ,
Dr. Sterne, Herr Adamberger u. A. und fast jeden Tag
langen neue Zusendungen ein. Die Zahl der bis jetzt
ausgestellten Gegenstände betrügt mehr als zweitausend.
Die verschiedenen Abteilungen sind auf folgende
Weise vertreten :
I. Das Geflecht, n) Deckenartig; sieben
Stücke aus Stroh und Hast, tbeils von den Schilluk-Ne-
gern, theils in China, in Luzcni und lA-itmcrilz verfer-
tigt. b> Korbartig, •_' Stllek aus liatavia.
II. Spee ielle textile Kunst und ihre Nach-
bildungen, a) Mittelalterliehe Stoffe. Eine
Casula in Glockenforrn aus dem XII. Jahrhundert aus
grünem Seidenstoff und einem Streifen Goldstoff, welcher
mit Perlen und Rubinen omamentirt ist. Ferner eine
Casuln von Leinwand mit aufgedrucktem schwarzen
Muster; auf dem Stabe ist der gekreuzigte Christus ge-
stickt. Das Kreuz ist durch einen noch mit der Kinde
versehenen Baumstamm dargestellt, an weichein links
und rechts ahgehauene Seitenilste in gleichinässigen
Distanzen sichtbar sind. Eine Mitra aus dem XII. Jahr-
hundert von gemustertem Seidenstoff, ist mit Goldorna-
incnten bemalt: die sich senkrecht durchschneidenden
Goldstreifen sind mit Metallornamentcn besetzt. Ii Ori-
entalische Stoffe. Ein Teppich, ti Satteldecken und
eine türkische Kappe. Interessant ist der persische
Tcppich aus dem XVI. Jahrhundert mit einer grossen
Zahl von Jagdsccnen naiver Art. Die Figuren sind theils
über die Sammttlüche erhaben, theils mit derselben
gleich, theils nnch Ausschneidung des Stoffes vertieft
gewirkt, wodurch eine eigene Art von Schattirung ent-
steht, c) Neuere Stoffe seit 1 :><)<>. ,/j Stickereien.
14 Stücke, darunter zwei Mitreu aus gemustertem Sei-
denstoff mit daraufgestickten Gold- und ISeidenomaiuen-
ten aus dem XII. und XIII. Jahrhundert; ferner das
Antipcndinm des Domschatzes zu Salzburg, welches
zu den Seltenheiten kirchlicher Stickerei aus dem
Beginne des XV. Jahrhunderts gehört.
Besonder« anziehend für den Besucher des Museums
ist aber der in frischen Farben und in nngcschwächtcm
Gold- und Pcrlenglanze schimmernde bnrgundische
Kirchenornat, der bei Hochämtern des goldenen
Vliess- Ordens gebraucht wnrde und, wie bekannt, an
Pracht, Schönheit und künstlerischer Vollendung nicht
nur den ersten Hang unter den Kunstwerken des Mittel-
alters in dieser Hichtnng einnimmt, sondern überhaupt
kaum seines Gleichen finden dürfte. ^Entlehnt aus der
kais. Schatzkammer.) Er besteht aus einem omntus in-
teger, enthaltend eine Casula, zwei Lcvitenkleider i Dal-
matica und Tunicclla) nnd drei Chorkappen (Pluvia-
lia oder Vespermiintel}. Diese unübertrefflichen Kunst-
schaustOcke stammen nns dem XV. Jahrhundert, aus der
höchsten Blllthezeit der Kunststickerei, welche die Regie-
rung der prachtliebenden hnrgundischcn Herzoge Phi-
lipp des Guten und Karl des Kühnen umschliesst. Solche
ausserordentliche Leistungen konnten sich nur unter
Beihilfe der Malersehnlen entwickeln , und gerade zu
jener Zeit brachte die christliche Kunst ihre wunder-
barsten Werke auf dem Gebiete der Miniatur- und Tafel-
malerei hervor. So seheint auch die Annahme der Kunst-
kenner gerechtfertigt, dass dieser burgundische Mess-
ornat, dessen Hauptwerth die unvergleichliche Schön-
heit der künstlerischen Anordnung und Ausführung aus-
macht, nach Vorbildern Johann von Eijck's selbst oder
eines seiner tüchtigsten Schüler gearbeitet worden sei.
Nicht ohne Selbstverliingnung wiederstehen wir der
Verlockung, bei einer so passenden Gelegenheit eine
ausführliche Beschreibung dieses umfangreichen und
grossartigsten Monnmentes kirchlicher Kunststickerei
zu bringen; aber Eduard Freiherr von Sacken bat
davon im .Jahrgange 1858 Nr. 5 der Mittheilungen eine
so treffliche Schilderung gegeben, dass wir gerne dar-
auf verzichten. Wir erlauben uns nur den von dem
geehrten Herrn Verfasser ausgedrückten Wunsch
nach sechs Jahren wieder in dieser Zeitschrift aus-
zusprechen, dass nämlich dem Herrn Professor Rös-
ner die kostspielige Heransgabe seiner Abbildungen
des burgundischen Messornatcs in Farbendruck möglich
gemacht werde.
Neben diesen Schaustücken von künstlerischer
Pracht, erregt die Casula des Domeapi t eis iu
Brünn, von violetter Seide mit Rclicfstiekcrci, wegen
ihrer Seltsamkeit das Interesse. In der Mitte steht die
heilige Jungfrau, Uber und unter welcher zu beiden Sei-
ten je zwei Engel schweben, l'nter der heiligen Jungfrau
steht der heilige Wcnzcslans in voller Rüstung, rechts
ein Wappen und links die Jahreszahl 1487. Obgleich
die erhabene Stickerei mit grosser Geschicklichkeit aus-
geführt ist und der Zeichnung der Figuren keinen Ein-
trag macht, so zeigt sich doch bereits in diesem Versuche
der Kunststickerei derWunscb, nicht Mos mit der Malerei,
sondern auch mit der plastischen Kunst in die Schranken
zu treten, jene Vcrirrung, welche, vom Wege des Schönen
abweichend, durch Schwierigkeiten und Vcrkünstclun-
gen neue Effecte hervorbringen wollte, r) Spitzen.
Zwölf Stück von Zwirn, darunter einige sehr hübsche
Muster aus dem XVI. Jahrhundert./; Tapisserien,
Gobelins, Möbelüberzüge. Fünf Teppiche, darun-
ter der iiiteste ans dem XVI. Jahrhundert in Flandern
gewirkt und zu Ehren des heiligen Leopold gestiftet
von Johann Fuchs. In der Mitte kniet der Stifter vor dem
heiligen Leopold, zu beiden Seiten stehen Persönlich-
keiten ans dem Gcschleehte der Babenberger. Von den
beiden niederlüudischen Teppichen ans dem Ende des
XVI. Jahrhunderts , in Wolle und Goldfäden gearbeitet,
den kaiscrlich-spanisch-hnbsbnrgisehen Adler mit natür-
lichen Lauboniameulen darstellend, ist einer bis auf den
etwas beschädigten Adler sehr gut erhalten; die Zeich-
nung derBlnmen, Früchte und BUitter ist mit grosser
Freiheit und Leichtigkeit ausgeführt.
Besondere Aufmerksamkeit verdienen die beiden
Teppiche, welche in die Reihe jener Wirkereien gehören,
die Kaiser Karl VI. in den Jahren 1714 — 1717 in den
Niederlanden verfertigen Hess, u. z. nach jenen zehn
Cartons, welche Jan Cornelia Vermeycn im Auftrage
Karls V. ausführte. Venneyen (geboren 1500 zu Bewer-
wijk bei Hnarlem, gestorben zn Brüssel 1559) war ein
ausgezeichneter Künstler nnd besass eine grosse Ge-
wandtheit im Malen von Schlachten und Festlichkeiten.
Kr w urde von Karl V. nach Madrid berufen und beglei-
tete den Kaiser auf seinem Kriegs/.uge nach Tunis (153.Y).
Mitten im Kriegsgetümniel entwarf der muthige Künst-
ler seine Zeichnungen und führt« nach seiner Rückkehr
Digitized by Google
XLVII
jene grossen Cartons aus (die meisten sind Uber 20 Fuss
lang und 12 Fuss hoch), welche noch heut zu Tage
die Bewunderung der Kunstkenner erregen und im
Rclvederc zu Wien aufbewahrt werden 1 . Leider ist das
Papier dieser Cartons an vielen Stellen rissig und brü-
chig, und auch die Leinwand thcilwcise sehr schadhaft
geworden, so da«? Rie wohl nicht öffentlich ausgestellt
werden können; doch zeigen sie eine vollendete Tech-
nik ihrer Art, und die Grossartigkeit der Composition.
die llcissigc Ausführung, die trenc Auffassung des Histo-
rischen, die klare Anordnung der Gruppen von mehre-
ren hundert Figuren, von denen die im Vordergründe
zuweilen mehrals lebctisgross sind, sowie die treffliche
Perspective, machen diese Arbeiten Vermcyeiis zu
einem Gegenstand der vollsten Bewnndcrnng' Warum
nach diesen herrliehen Cartons nicht alsogleieh neue
Tapeten gewirkt wurden, ist bisher noch unbekannt ge-
blieben. Erst zu Anfange des XV1I1. Jahrhunderts wurden
sie von Kaiser Karl VI. aus der Verborgenheit hervor-
gezogen, und nach Brüssel an den in grossem Hufe ste-
henden Jod oeus de V o s zum Verfertigen von Tape-
ten gesendet und der Dichter Heraus beauftragt, dazu
die erklärenden Inschriften in lateinischer Sprache zu
machen. Der kaiscrl. Rath Bergmann thcilt in dem
13. Bande der Sitzungsberichte der knis. Akademie der
Wissenschaften einen Brief des Jodocus de Voh an
Heraus tnit.ddo. Brüssel 12. November 1716, in welchem
er diesen um die Inschrift für das Stück Nr. 10 bittet und
bis zum nächsten Frühling abermals Wer Tapeten abzu-
liefern verspricht, welche noch schöner sein sollen als
die bisher vollendeten. Vos fugt zugleich in echt kauf-
männischer Weise hinzu, die Verfertigung der Tape-
ten geschehe mit solcher Sorgfalt, dass er ungeachtet
der guten Bezahlung des Kaisers, doch mehr als 30.000
Gulden Schaden dabei habe.
Der grossere ausgestellte Tcppich stellt die Füh-
rung des Heeres gegen Tunis, die Einschiffung der Ge-
schütze und die Hcrbcischaffung des Proviantes vor. Es
ist ein sehr reiches Bild und eine jede der vielen Figuren
scheint von dem Gedanken: Auf nach Tunis! beseelt.
Alles strebt gegen das l'fer hinab ; nicht nur die Sol-
daten, welche sich an die schweren Geschütze ange-
spannt haben, um dieselben nach den Schiffen zu brin-
gen; nicht nnr die Reiterei im Mittelgründe, an deren
Spitze der Kniser auf braunem Pferde zu sehen ist,
sondern auch der im Vordergrunde sichtbare Tross, wel-
cher Wasser. Schlacht) biere und andere Lebensmittel dem
Heere beizustellen hat.
DieserTcppich, sowie derfolgcnde aus Knmeclgnrn
und Seide gewirkt, gehört zwar nicht in die Blüthezcit
der flandrischen und niederländischen Tapisserie; doch
ist er immer eine achtenswerthe Arbeit. Er würde anch
ohne Zweifel einen Uberwilltigenden Eindruck auf den
Beschatter machen, wenn die Farben nicht so sehr ver-
bleicht willen, wodurch jene feinen Schattirungen und
Farbennllancen verloren gingen , die den Teppichwirke-
rcicii Flanderns schon im XV. Jahrhundert ihre Berühmt-
heit verschafften. Nur die Krappfarhe hat ihr frisches,
schönes Ruth beibehalten, sie liisstauf die entschwundene
Lebhaftigkeit der andern schlicssen und gibt einen Be-
griff vini der FarbenfUlle und Mannigfaltigkeit, mit wel-
1 » r. 1 1- 1. .i- , a> Jtr k«l- >.l,i.l.l,o.m.r Fr, Irl. ».t l>»I Kl, .'Ilm*
<<■ IJ..ira.»;r s Antl». Jibrgu« Nr. ; und 0. anertilirUrli li,«»bri.l..ii
eher diese Tapete gleich nach ihrer Verfertigung das
Auge erfreut haben mag. Auch das hineingewirkte Gold
und Silber ist abgebleicht, was eine sorglose Bereitung
der Gold- und Silberfäden verräth, während dagegen
auf ähnlichen mittelalterlichen Arbeiten das Silber und
vorzüglich das Gold in vollster Reinheit erhalten sind.
Der kleinere Teppich, 22 Schuh lang und 16 Schuh
hoch, stellt die Revnc des siegreichen Heeres bei Barcel-
ona dar. Im Vordergrunde sieht man nebst dem Kaiser
mehrere Notabilitittcn des Heeres zu Pferde in voller
Rüstung.
Venneyen soll nach einer Angabe des Herrn Cnstos
Birk dem Kaiser Karl V. ancli in dein Schmal kaldiscben
Kriege zur Seite gewesen sein und darauf bezügliche
Cartons nach diesem Fcldznge gefertigt haben. Üb diese
Cartons, welche gewiss keinen geringeren Kunstwerth
haben als unsere zehn, noch erhalten sind uud au wel-
chem Orte sie sich befinden, schwebt im Dunkel.
Der Besnchcr tritt nun zu den Papiertape-
ten und findet auch dessiuirtes Papier und all-
gemeine Ornamentzeiehnungen zur Flächen-
Verzierung. Diese letztem sind durch die orna-
mentale Kupferstichsaniniluiig des Museums ergänzt,
welche bereits mehr als 5000 Einzclblättcr zählt und
aus der bekannten Sammlung des Leipziger Buchhänd-
lers Dnigulin besteht, der zehn Jahre auf die Coinplc-
tiruitg derselben verwendete. Sic enthalt ornamentale
Entwürfe von J. v. Meckeren und Mart. Schön, dann
architektonische Decorationen und Gnldsebmiedarbciteu
ans de,r französischen uud italienischen Schule des
XVI. Jahrhunderts. Daran reihen sich die Arabcskeii
deutscherund französischer Künstler des XVI. undXVH.
Jahrhunderts und die Sammlnug sehliesst mit den anti-
kisirenden Arbeiten des XVIII. Jahrhunderts. An die Or-
namentstichc reihen sich in chronologischer Ordnung die
Schreib- und Zeichnenbücher von Daniel Hopfer, Albert
Dürer. Jean Cousin, A. Alberti u. s. w.
Hl. Lackierarbeiten. 15 Stücke: daruuter
mehrere alt-japanische Dosen mit Goldlack auf Holz.
IV. Emaille. 13 Stück aus dem Mittelalter.
Darunter jene merkwürdige Reliquientafel vom XII. Jahr-
hundert aus dem Domschatze von St. Stephan in Wien, die
von Dr. G. Heider in den Mitlheilnngen (Jahrgang 185«)
ausführlich beschrieben wurde. Die drei kleinen Reliquien-
sehreine des Stiftes Klosterncuburg, ebenfall« aus dem
XII. Jahrhundert, in Form von Häuschen ohne Fenster,
interessireu durch ihr Alter, und die Gicsskanne von
Kupfereinaille, mit weissen und goldenen Buckeln ver-
ziert, ist eine sehr hübsche venetiauische Arbeit aus
dein XV. Jahrhundert. — Orientalische Emailleu,
44 Stück (Vasen. Schalen, Schüsseln von Kupfer, zum
Theilc chinesisch). — Renaissance und moderne
Emaillen, 45 StUeke (Salzfässer, Teller, Schaleu
u. del. aus Limoges, dann von Jean de Court u. a. ).
V. Mosaik. — a) Antik, b) Mittelalterlieh.
r) Renn aissance und modern.
VI. Glasmalerei. — a) Romanische Zeit.
l>i Gothisehe Zeit, r, Keuaissance.
VII. Malerei. • -«; Wandmalerei: decorative,
ornamentale und tiguralisehe. b, Gemälde in Ver-
wendung zu kirchlichem Geräthe. r, Proben
der verschiedenen Technik. 6 Stücke, hierunter
Fächer. Miniaturgemälde und ein Buch mit Malereien
auf gepressteui Baummark ; theils chinesische . theils
Digitized by Google
XLVIII
indische Arbeit. — «//Miniaturen, 17 Stücke. Besonders
bemerfcenswerth ist die Arbeit des Minoriteu Fra Anto-
nio aus Monza, ein kostbares Überbleibsel der lomb.ir-
dischen Schule aus dem XV. Jahrhundert. Es besteht
aus vier Pergamenthlättchen, näinlich au» zwei kleine-
ren, einer grossen Raudeiufassnng und einem mittleren
Blatt, Üieses stellt die Ausmessung des heiligen Geistes
vor. Uber dem Hauptblatte, in der LUnette, ist das Port-
rät des Papstes Alexander VI. angebracht. Die Randver-
ziernng enthält oben als Hauptdarstellung das Agnus
bei, und unten das Bild Christi mit der Dornenkrone.
Dieses sehr wcrthvolle Stuck ist aus der Sammlung des
Erzherzog Albrccht.
Erwähnen mtlssen wir auch die Pcrgamentmalcrei
von Hans Burgkmair (XVI. Jahrhundert), das Ori-
ginal zu den bekannten grossen Holzschnitten, welche
den Triumphzug Maximilians 1. darstellen, aus dem
Stifte St Florian, welches die Blätter Nr. 45* bis 101)
besitzt, während sich in der k. k. Hofbibliothek jene
von 1—48 befinden.
Der Tod der Frau des Willibald Pirkhcimcr auf
Pergament, nach Angabe des Museal-Kntalogcs Nr. 11.
von Albrocht Dttrer gemalt, durfte trotz des Monogram-
me* und der Jahreszahl 1504, sammt der lateinischen
Beisohrift, dem Kenner doch cinigermassen Schwierig-
keiten bieten, diese Arbeit der Hand des genann-
ten Meisters zuzuschreiben, da sie weder in der Zeich-
nung noch in der Farbe an die authentischen Werke
Dürer s erinnert.
VUI. Schrift, Druck und graphische
K II nstc. a) Schriftproben (25 Stücke). Darunter
achtzehn Cimclien der kais. Ilofbibliothck, deren aus-
führliche Besehreibung hier jedoch zu weit fuhren wurde.
Wir erwähnen daher nur die beiden Pergament-Codices
aus dem XV. Jahrhundert, welche Mathias Corviuus in
Florenz bestellte und die mit herrlichen Miniatur- Male-
reien, mit Randverzierungen uud Initialen in Gold und
Farben prangen. Ferner die Canones aus dem VH. Jahr-
hundert, die Seekarte vom Jahre 1318, die Chronik von
Ungarn (XIV. Jahrhundert), den unvergleichlichen Clo-
vio aus dem XVI. Jahrhundert, den Hocfnagel mit
51 meisterhaften Malereien, so wie das Horarium und
die^f'olumba." Auch das Missale (vom Kloster Rein ein-
gesendet), eine Pergament-Handschrift des XV. Jahrhun-
derts, reich gesehmUckt mit Initialen und Raudverzie-
ningcn, kl. Folio, 150 Blätter, mit seinem prächtig orua-
mentirten Titelblatte gehört zu den Kostbarkeiten dieser
Abtbcilung. — b) Initialen und andere Schrift-
proben. — cj Druckproben (7 Stücke), sämmtlich
Incunabcln aus der kais. Ilofbibliothck. Darunter zweimal
die Ars memorandi; fcrnerdieGutcnberg-Bibel, das
erste mit beweglichen Lettern gedruckte Buch aus den
Jahren 1450 — 1455. Ferner das Psalterium, das
erste, mit bestimmter Angabc des Jahres und Druckers
erschienene Buch, Mainz 1457, auf Pergament. —
d, Typographische Verzierungen. — e) Proben
der verschiedenen graphischen Künste. —
f ) Hand Zeichnungen (55 Stücke), darunter viele von
Albrecht Dürer, mehrere von Tizian, Raphael, FraBarto-
lomco. I'ordenone, van Dyck, Rubeus, Leonardo da Vinci,
l'aul Veroncsc u. A., zu denen seither viele Andere
hinzugekommen sind.
IX. Äussere Bucherausstattung (Iß Stucke),
von denen acht ans der kais. Ilofbibliothck. Darunter
besonders interessant der Einband aus dem
X. Jahrhundert, enthaltend eine Pergamenthand-
schrift, das Saeramentarium de circulo anni, expositum
a S. Grcgorio Papa. Die Deckel sind von dickem Holze
mit Messingrahmen. Auf der Vorderseite des Buches be-
findet sich ein treflfliches Schnitzwerk von Elfenbein,
einen Kirchenlehrer mit Buch und Griffel darstellend
im antikeu CostUme. — Ferner ein vollständiger Buch-
einband der ersten in deutscher Sprache ge-
druckten Bibel, ans dem Ende des XV. Jahrhunderts,
aus geschnitztem Lcder.
^ X. Lederarbeiten. — a) Ledertapeten und
Überzüge (4 Stücke), darunter eine zwei Schuh
lange Decke von durchbrochener Arbeit aus dem XVI.
Jahrhundert aus dem Stift St. Florian. — b) Leder-
geräthe aller Art (29 Stucke). Darunter 2-' Falken-
kappen aus dem XV. und XVI. Jahrhundert. —
c) Lederplastik. 1 Stück Relief in Leder.
XI. Glasgefäss— «;Hohlgcfässe(92 Stücke),
Schalen, Trinkgläser, Poeale, Humpen, Kannen u. dgl.
von der ältesten Zeit bis auf die neueste. — b) Gla s-
geräthe (3 StUcke), venetianische Arbeit aas dem
XVTL Jahrhundert, zwei Salzfässer und ein Kronleuch-
ter. — <•) Millcfiori etc.
XII. ThongefäsBC und Thonplastik. —
a) Griechische und italienische der antiken
Zeit (76 StUcke), Vasen, Becher, Schalen u. dgl., dem
kais. Antikcncabinct und dein Polytechnicum ent-
lehnt. — 6)Celto-gcrmani8chc Thonarheiten. —
c) Spanisch - maurische und von Marokko
(9 Stücke^); Töpfe, Vasen, Flaschen u. dgl.—«/; Mittel-
alterliche (2 StUcke). Eine Schüssel von glasirtem
Thon, mit ornamentirtera Rand; in der Mitte Christus
am Kreuze, daneben Maria und'Johannes, die Contouren
sind cingeätzt, Nürnberger Arbeit aus dem XV. Jahr-
hundert. Ein Ofenkachel ans dem XTV. Jahrhundert —
Italienische Arbeiten seit 1500 (61 StUcke),
durchgängig Majoliken. Wir gehen au diesen, der
Kunst völlig ferne liegenden Gegenständen mit dem Be-
merken vorUber, dass dieselben allerdings wohl nur
desshalb in das Museum gehiiren, weil dieses zugleich
durch chronologische Aufstellung von Kunst- und Indu-
striesachen zeigen soll, welche Phasen der Ausbildung
und Verbildung Kunst und Industrie in diesem oder
jenem Zweige durchgemacht haben; lernen lässt sich
aber an diesen Majoliken sehr wenig, da sie ganz dem
Verfall der italienischen Kunst angehören. — /; Fran-
zösische Thonarbeiten seit 1500 (83 StUcke),
Schltsselu, Teller, Vasen u. dgl. von Fayence. — g) Hol-
ländische Thonarbeiten seit 1500 (8 StUcke),
aus Thon und Fayence. — i) Deutsche Thonarbei-
te n b e i 1 1500 (30 StUcke), KrUge, Kannen, Vasen, zumeist
aus grünem Steingut. — h) Thonarbeiten aus Eng-
land , Spanien und den übrigen Ländern (79
Stücke), Teller, Kannen, Vasen n. dgl. aus Steingut und
Fayence. — k) Thonarbeiten besonderer Na-
tionalitäten (18 StUcke), KrUge, Trinkgcfässc u. dgl.
aus Ungarn, Siebenbürgen, Brasilien u. s. w. — l, Indi-
sche und andere Arbeiten desOrients föStueke),
Schalen, Töpfe und französische Nachbildungen dersel-
ben. Diesen Gegenstünden folgen nun Arbeiten in l'orccl-
lan, die wir, als der Neuzeit und Gegenwart angehörend,
hier ganz Ubergehen zu können glauben. Auch aus den
noch Übrigen Kategorien können hier nur jene Gegen-
Digitized by Goo,
XL IX
stände angeführt werden, welche einigen Bezug auf
Alterfhumskunde haben, u. z. :
Von den H o I z a r b c i t c n : ein Meda illon mit den Bil d-
nissen Maiximilians I-, KarlsV. und Ferdinands I. und vicr-
undzwanzig Dnmenbrettsteine, ebenfalls aus dem XVI.
Jahrhundert und mit ähnlichen Medaillons.
Von den Elfeubcinschnitzwerkcn: das Dipty-
chon aus dem XV. Jahrhnndert, die Elfenbeinkartonen
aus dem XIY. und XVI. Jahrhundert und der Reisealtar
aus dem XVI. Jahrhundert.
Vou Eisen arbeiten: der eiserne Schreibkasten,
verfertigt von Joseph dcVioi 1567 und mehrere Schlösser
aus dem XVI. und XVII. Jahrhundert. Unter den 78
Waffen befinden sich mehrere sehr interessante Gegen-
stände. Besonders schön ist die Stahlrüstung des Alexan-
der Farnese, Herzogs von Parma ; sie ist ganz bedeckt
mit gleichen, äusserst fein tnnschirten Ornamenten in
Gold und Silber. Eben so beachtenswert Ii ist die Rüstung
Rudolfs II., denn auf den Brust- und HUckentheilen des
Harnisches, wie auch auf den Achsclblättcrn sind die
Thaten des Hercules in getriebener Arbeit dargestellt
Von den Gegenständen mitte I alterlich e r Gold-
ach miedekunst sind hervorzuheben :
Das Reliquiarium aus dem XIV. Jahrhundert (an-
geblich eiu Buchdeckel); es ist von vergoldetem Silber
in Form einer Tafel und zeigt zwei Etagen mit Nischen,
in welchen Maria und verschiedene Heilige angebracht
Bind; dann ein Kmmmstab von Elfenbein mit vergolde-
ten Silberreifen aus dem XIII., und ein silberner Krumm-
stab aus dem XV. Jahrhundert. Ihnen reihen sich die
Arbeiten aus der Zeit der Renaissance an , unter denen
sich schöne Pocnle, Schüsseln, Kröge, Kannen u. s. w.
befinden, von denen viele Eigenthuin der kuis. Schatz-
kammer und des deutschen Ordens sind , andere hinge-
gen sich im Besitze des Fttrstcn Johann Liechtenstein,
des Grafen Zichy u. s. w. befinden. Auch unter den
Bijouterien trifft der Beschauer manche beachtnngs-
werthe Arbeiten.
Wir führten unseren Leser absichtlich mit einiger
Ausführlichkeit durch die Räume des Museums, um zu
zeigen mit welcher Aufmerksamkeit wir die wichtige An-
stalt betrachten, für welche sich jeder Gebildete iutercs-
siren muss und der wir auch ein recht praktisches, recht
tief eingreifendes Gedeihen wünschen.
Ludw. Sch.
Lea tapisseries d'Arras.
£tad < artl.Ua^c et tJ.torKja« t u Mr. VAbM <u Driral. Arr*. IM«. ».
Im ersten Capitel behandelt der Verfasser die Ta-
petenwirkerei bei den alten Völkern und gibt eine Über-
sieht jener Stellen in der heiligen Schrift, bei Herodot,
Aristoteles, Plinius u. s. w., welche auf Tapeten und
deren Wirkerei hindeuten, die aber gewiss noch interes-
santer geworden wäre, wenn er die, gleichfalls auf
diesen Gegenstand bezüglichen Stellen in den Schriften
Philostrats, Theokrits, Xcnophons, Cicero's, Diodors
u. s. w. angeführt hätte, da sich bisher wohl noch kein
Werk vorfindet, welches die Geschichte der Tapeten-
wirkerei erschöpfend behandelt'. Der Verfasser unter-
Hess dieses, da er gerade aufsein Ziel: „Die Tapeten
von Arras u lossteuerte, jene Luxusartikel, welche einst
so ausserordentlichen Absatz fanden. Verhältnissmässig
kurz hat in Flandern und den Niederlanden die Blüthe-
zeit der Tapetenwirkerei gedauert, während der Orient
in graner Vorzeit nicht nnr die Wiege der Tapeten Ver-
fertigung war, sondern auch bis zum heutigen Tage sei-
nen Traditionen treu blieb , wie die aus Indien zur letz-
ten Pariser nnd Londoner Ausscllung eingeschickten
Tapetenarbeiten bezeugten.
Im 2. Capitel ist von dem Purpur, dem Scharlach
nnd den reichen Stoffen die Rede, welche man zu Arras
in frühester Zeit zu kostbaren Kleidern verarbeitete
und welche „vestes Atrcbaticae J genannt wurden; auch
' Verls«»* <lr>* au aar fMffad* Srbrlft« Gr*r TaplMcrl» b**»ni.l
«•«.r«>a. die «Ir fcior «oftthnn, Indem »ir dl« rKbraianrr rnickia . du
FeMmd* fr«nndlkb crskni»n iu wollro , d» drr li<i;<o»t»Hd dir Wim um ..•
»Icbllcrr l>t, «I. »Irh tl»r In k. » Bflv«lw dl» Tormifflirhoo Carlna. »°a
V«ra.*jrni brtadaa, wekb« din Zu« Kurl» V a.<-b Tunli- yornrilra, und »a<-b
»l»l» T»pft*n Im k. k. LuHschlo.ni SchSabniaa «uJUtwihrl »rrdca. -
Peralban. N;llc* ni Ic» m*aur>ctur« dm laplitcrka d'Aubmjoa. da loHo-
tln et ir BalkjaJd»- Mate«« fUI2. — »T. Mlcbnl ILn-h.tct,«, »lir I«
coniniarc*, U fahrkation »l l'ul|l ■!♦» r't«llrs 4r ivir, d\.r rl d'untfn«.
— Loflordilru, Xcik« mr Ic» naaauiacturn de« Gcaalia». 'Airs, l'ln-
rbart. Mlmelre lar lo» taplmurkc d« l*l»adr<. C-^uruaad par rAtadraala
rojraJa da !Wlgb|U>, IK59- - Jutilual Sur Im aiicknn.« la|>i»«rl«f blit»-
rla». - W. Cb««u<*l. EwaJ >ar lai.Wrt «| 1» »UaaUcn utaalk d«> la»li-
••rlta et lapli.
DL
von der Cultur und dem Verbrauche des Krapps geschieht
umständliche Erwähnung.
Capitel 3 spricht über den Anfang der Tapeten-
wirkerei zu Arras und begründet durch Combinirung
mehrerer Stellen aus Historikern, dass in Arras schon
vordem Einfall der Normannen, also vor dem IX. Jahrhun-
dert, Fabriken von reichen Stoßen und Tapeten bestan-
den. Die Nennung eines bestimmten Fabricats entdeckte
der Autor in der bischöflichen Bibliothek zu Arras,
wo sich eine Copie des Cartulars der Abtei von St.
Vaast, von Wimann oder Guymanu (aus der zweiten
Hälfte des XII. Jahrhunderts) befindet, in welchem nnter
den Kirchenschätzen eine „vexilla, opere plumario
facta" nebst r cortinis et tapetibns" aufgezeichnet sind.
Zur weitereu Begründung seiner historischen C'ombi-
nation ttlhrt der Verfasser eine Stelle aus besagtem Car-
tular an , welche das XI. Jahrhundert berührt, und wo
es heisst, dass zu Arras jene Tapeten gewirkt wurden,
welche das Leben des heiligen Alban vorstellten, und von
Richard, dem damaligen Abte des Klosters St. Alban
in England (reg. 1088—1119). angekauft wurden. Beide
Citate deuten auf eine, bereits längere Zeit bestehende
Ausübung der Tapetenwirkerei zu Arras. Gewiss scheint
es, dass in Europa die Niederlande zuerst die Kunst
„du tapissicr de haute lisse" (mit aufrecht gestellten
Fäden oder Zettel) besassen, nnd auf diese Art wurden
auch die Tapeten zu Arras gemacht. Anch Francisque
Michel nennt Flandern die Wiegender Verfertigung hoch -
schäftiger Tapeten. Eine beigegebene Beschreibung der
Arbeit „de la haute lissc u von Lacordairc, gewährt gros-
ses Interesse.
Im 4. Capitel wird der, in dem Inventare Karls V.
(veröffentlicht von dem Grafen de Labordc im Jahre
1851, VII"* annee de la Revue archeologique) vor-
kommende Ausdruck: l'oeuvre d'Arras oder opus Atrc-
Digitized by Google
L
baticnm, einer Kritik unterworfen und als eine solche
hingestellt, dass damit gleichsam die VorzUglichkeit
des Fabrieatcs. anderen Tapeten gegenüber, beglaubigt
wurde; nämlich „eine Arbeit, würdig, die Säle der Für-
sten, die Ohiire der Kathedralen nnd Abteien , die
Wohnungen der Souveräne und Päpste zu schmücken".
In der That verdienten die Tapeten von Arras diese An-
erkennung, denn schon die Cartons, nach welchen sio
in der Glanzperiode gewirkt wurden, waren Kunstwerke,
da dieselben nicht nur von geschickten Künstlern, son-
dern sogar von Meistern ersten Hanges, wie z.H. Raphael
Sanzio geliefert wurden. Diese Cartons waren nicht wie
gewöhnlich blosse Zeichnungen mit schwarzer Kreitle,
sondern sie mussten sorgsam eolorirt sein und näherten
sich somit wirklichen Gemälden, deren Haupt- und
Nebenfarben von den Tapetenwirkern auf das genaueste
wiedergegeben wurden. Die herrlichen, im Belvederc
zu Wien befindlichen Cartous von Vermeyen, welche
Karl V. als Muster für Tapeten zur Erinnerung an seinen
Zug nach Tunis anfertigen liess. erregen in dieser Re-
ziehung die Bewunderung aller Kunstkenner. Ferner
zeichneten sich die von den Wirkern gebrauchten Woll-
nnd Scidenfäden durch die Lebhaftigkeit und feinsten
Abstufungen der Farben aus, und denkt man sich dazu
die, bei Waffen, Rüstungen und l'runkgewiiudcrn ver-
wendeten Gold- nnd Silberfädcn, so kann mau sieh eine
Vorstellung von der überraschenden Pracht und Herrlich-
keit solcher Tapeten machen. Dazu kommt noch, dass
die Wirker einen regen Kunstsinn und eine ausseror-
dentliche Kunstfertigkeit besassen, dass sonach die Ta-
peten der Blüthezeit (XIV. — XVI. Jahrb.) den Stempel
der Vollendung an sich trugen. Sie wurden durch das
Relief, durch die Modcllirung, die Bewegung nnd das
Leben, welches den Gestalten gegeben wurde, zu wich-
tigen Kunstwerken. Die Schatten und Lichter, die
Nuancen, das Helldunkel, die vollendete und ergreifende
Auffassung der Natur, zeichneten diese Tapeten aus nnd
gabeu ihnen den Vorrang vor jenen des Orients. Manche
bestanden sogar ganz aus Gold- und Silberarbeit.
Die Erläuterung einiger technischer Ausdrücke,
wie: chambre, draps, tenturc, etoffcs, welche in manchen
archäologischen Schriften vorkommen dürften, wollen
wir kurz mittheileii. Unter chambre verstand man Tape-
ten oder Stoffe, bestimmt zur Ausschmückung eines
Gemaches oder Bettraumes. Die Tapeten selbst wurden
draps. panni, genannt. Tenturc bezeichnete ein Ensemble
von mehreren Tapeten gleicher Höhe, jedoch verschiede-
ner Breite, bestimmt zur Ausschmückung eines Gema-
ches oder Saales, Eine tenturc zählte 15 — 20 Stücke,
und niemals weniger als 5— (!. Des Wortes „ftonW be-
diente man sieh zu allgemeiner Bezeichnung der Mate-
rialien zur Verfertigung der Tapeten, als Wolle, Seide,
Silber, Gold. Die Arbeiter selbst trugen verschiedene
Namen; sie hiessen lange Zeit: Arrazinois (von Arras;
ital : Arazzo), später tapissiers, ouvriers en la haute lisse,
auch tappissiers hauts-lissiers, hault-licheurs.
Das Capitel 5 bietet historische Daten Uber Anas
und dessen Leistungen in der Tapctenfabrieation, vom
XII. bis Ende des XIV. Jahrhunderts. Arras war schon im
XL Jahrhundert die stolze Hauptstadt von Flandern und
der Sitz der Regierung. Schon zu jener Zeit kamen alle
nach England eingeführten Tapeten aus den Webstüh-
len zu Arras. Im XIII. Jahrhundert verbot König
Eduard III., der mit Flandern in Feindschaft stand,
seinen Untcrthanen , Wolle dahin zu senden , dess-
glciehcn verbot er auch die Einfuhr aller flamändischen
Manufactur-Erzeugnissc nach England. Dadurch kam
die Industrie in Arras sehr herab nnd viele Arbeiter
wanderten in die Mark aus. Doch bald erholte sich
Arras wieder und das Capitel 6 zeigt uns die höchste
Stufe der Entfaltung der dortigou Tapetenwirkerei, unter
den prnnkliebenden Herzogen von Burgund. In dieser
Periode versah Arras, mehr denn jemals, ganz Europa
mit seinen gepriesenen Luxuswerken. Maler und Zeich-
ner, Hantlissenrs und Bildschnitzer, Sticker und
Fabricanten kostbarer Stoffe, alles was die Kunst in
den verschiedensten Formen ausübte, war damals in
Arras zu linden. Philipp der Kühlte Hess seine Schlosser
mit den schönsten Tapeten von Arras anfüllen und
sandte viele Tapeten als Geschenke nach England;
auch dein Sultan Bajazet wurden, behufs der Aus
Hisung gefangener Christen, prächtige Tapeten von
Arras von Seite des Clcrus übergeben. Der Verfasser
führt die zahlreichen Arras-Tapclen an, welche die spä-
teren Herzoge fremden Fürsten und Kirchen gaben, nnd
bringt Auszüge aus amtlichen Rechnungen, die er in den
Archiven Lille's gefunden, woraus die Preise ersichtlich
sind, welche man den Kaufherren zu Arras zahlte. So
heisst es in einer Rechnung vom Jahre 1435: A. Jehan
Walois, man haut de tapisseries, demourant a Arras,
pour hi vendue et delivrance de cinq tappiz de hanlte
lice de l'onvraigc d'Arras tigurce, c'est assavoir: de )&
nativitc nostre Scigncnr, de la resurrection du Lazarc,
de la passion et crucitiement, de l'asccnsiou et des
(|uinze signes et jugemeut de nostre Seigncur, ainsi
quo vingt tappiz a sommiers aruioies des armes de
MDS...MLXXIX fr.
Nach den Schluchten bei Granson, Marten und Nancy
fand man unter den unermesslichen Schätzen des Her-
zogs Charles - le -Tcmcraire die theuersten Tapeten,
welche dann nach Nancy, Bern und anderen Orten der
Schweiz kamen, woselbst noch viele aufbewahrt werden.
Sie enthalten, zufolge der ausführlichen Beschreibung
des Verfassers, biblische und profanhistorischc Begeben-
heiten oder allegorische Darstellungen. (Das Inventar
des Herzogs Philipp weist G5 Stück grössere und klei-
nere solcher Tapeten nach.)
Im Jahre 1177 bemächtigte sich Ludwig XL der
Stadt Arras mit AVaffengewalt und behandelte sie mit
ziemlicher Schonung. Im Jahre 1-17!» jedoch vertrieb er
siiinmtliehe Einwohner, weil sie mitgeholfen hatten seine
Unternehmung gegen Donni zu vereiteln, und pflanzte
französische Culonisten in die Stadt. Nach seinem Tode
wurde unter Karl VIII. die frühere Ordnung der Dinge
wieder hergestellt und aus einem Rechnungsauszug der
Stadt Arras vom Jahre 14!>1 geht hervor, dass man da-
selbst wieder grossartige Tapeten de haute lisse ver-
fertigte.
Hicrnnf gibt der Verfasser eine Besehreibung der
10 Tapeten, welche in dem Museum zu Cluny noch jetzt
bewnndert werden, und fügt bei, dass man kaum weiss,
was man au diesen blendenden Pracht werken am meisten
bewundern soll. Die Farben sind voll Glanz und Leb-
haftigkeit. Gold und Silber schimmern in allen Thcilen,
die ('osfUme sind eben so mannigfaltig als die Personen
zahlreich. Die (lemälde entfalten eine ungemeine Ver-
schiedenheit, und liefern zugleich eine Reihe der ergrei-
fendsten Dramen und ein trefflich aufgefasstes Euscmblc,
Digitized by Googl
LI
eine Art lebendiger Epopflc aus König Davids Leben,
deren Wirkung durch mehrfache Anachronismen in den
Trachten nicht beeinträchtigt wird. Ihre Höhe beträgt
4 Met. GO Centini., ihre Breite wechselt von 9 big 6 Mctres.
Aus dem XV. und XVT. Jahrhundert und der ersten
Hälfte des VII. Jahrhunderts haben sich noch viele Tape-
ten erhalten, welche beweisen, dass die Wirkereien zu
Arras noch in grossem Flore standen. Zu den berühm-
testen gehören die im 8. Capitel beschriebenen Tapeten,
welche Papst Leo X. um den Preis von 70.000 röm.
Thalern für den Vatican machen Hess und zu denen
Raphael 25 Cartons componirtc. Von diesen unschätz-
baren Cartons wurden sieben wie durch ein Wunder ge-
rettet und werden dieselhen im Schlosse Hampton-Conrt
noch aufbewahrt. Die Arbeiter machten es mit diesen
Cartons wie mit allen andern; sie schnitten sie senk-
recht in mehrere Stücke, um sie fllr ihre Nachbildung
bequemer benutzen zu können. Als die gewirkten Tape-
ten schon lange in Rom die Bewunderung aller Künstler
erregten, dachte man auch der herrlichen Cartons und er-
fuhr, dass sie zu Arras in*cinem Keller lügen. Rubens,
welcher den Werth derselben kannte, bewog König
Karl I. sich um dieselben zu kümmern. Nur sieben davon
passten zusammen, von den Übrigen fand man nur ein-
zelne unzusammenhängende Stöcke. Karl I. kaufte sie und
Hess sie nach England bringen; doch erst Wilhelm III.
Hess sie zusammenlügen und, vor dem allmählichen Ver-
falle gesichert, aufstellen. M. L. Viardo« sagt in seinem
Buche Uber dieMuseen Englands (1860) darüber: „Diese
Cartons stammen aus der Zeit von Iiafacls höchster Kunst-
reife, sie sind vollendete Gemälde mit Wasserfarben und
machen, in das Getäfel der Wände ciugefUgt, die Wir-
kung von Fresken".
Die Cartons Rafacls wurden öfters gewirkt nnd be-
finden sich sechs solcher Tapeten zu Dresden und neun
zn Berlin.
Noch zählt der Verfasser mehrere merkwürdige
Tapeten aus dieser Zeit auf und schlicsst diese Aufzäh-
lung im 9. Capitel mit der Bemerkung, dass Arras vor
der Belagerung durch die Franzosen im Jahre 1C40 noch
1500 Werkstllhle hatte, nachher aber nur 7—8. Von
dieser Zeit datirt der gänzliche Verfall der Tapetenwir-
kerei zu Arras. Unter Ludwig XIV. und später wurden
zwar Versuche gemacht, dieselbe wieder zu heben, doch
vergebens. Man wirkte zwar fortwährend Tapeten, doch
bekamen dieselben nicht mehr die Bestimmung, die
Wände der Paläste zu schinUckcn, sondern den Estrich
oder das Parket der Gemächer zu decken, und dieses
gilt leider auch noch in neuester Zeit.
Unter den Anmerkungen verdienen besonders jene
über den Waid (Wede), Wau (la gaule) und andere Sub-
stanzen erwähnt zu werden, welche gleich dem Krapp
zum Färben der Fäden oder Stoffe gebraucht wurden.
/,. Srk.
Correspondenzen.
Im Interesse eines grossartigen Kunstdenkmals.
Tricst im September 18ßt.
Ein Kunstbericht aus Triest, als vorzugsweise einer
Hafen- und Handelsstadt, scheint nicht unmittelbar an-
gezeigt, und doch dürfte man sich von dem wirklichen Ge-
halte der betreffenden Sache und auch davon überzeugen,
dass selbst eine grössere Verbreitung derselben Werth
labe, wcsshalb es nöthig ist, etwas weiter auszuholen.
Man kann es eigentlich nur als Widersinn bezeich-
nen, Kuppeln und Seitcnmanern grosser Gebäude, statt
mit Malereien oder einer Uberkleidung von Marmor-
platten (glatten oder bearbeiteten), mit Mosaikgemäl-
de n nuszuzieren, weil die feste Fläche der Mosaik doch
immer nur den ebenen Boden bedeutet, auf dem der
Mensch muss sieher fussen können. Dass man solchen
Bodenflächen erst den Reiz bunten Farbenwechsels
gab, dann Blumengewinde und ganze Vorstellungen
hineinwirkte, war Nachahmung der Wiesenteppiche,
welche die Natur eben so mit allem Schmucke ausstattet.
Es gehörte einer späteren Zeit des Verfalles an, wo das
Anssergewöhnlichc an die Stelle des einfach Schönen
getreten war, diese mühsam, wenn auch noch so kunst-
reich zusammengesetzten Bilder vom Boden an die
Scitenwände und Decken der Gebäude zu heben.
Man mttsflte dieser Ausartung des Geschmackes unver-
söhnlich. zUrnen, erläge man nicht andererseits unwill-
kürlich dem bewältigenden Eindrucke, in diesen Domen
der späteren byzantinischen Zeit, zum Preise des Höch-
sten, allen Reiehthum, allen Glanz der Erde in Metallen
und Edelgestein bis an die Höhe der Kuppeln erhoben,
nnd sich von diesen unvergänglichen Prachtgcbildcu
umgeben zu sehen.
Prachtvoll und unvergänglich, das wäre das Wort;
aber nnvcrgängi ich sind diese Mosaikgemülde, obgleich
aus so unverwüstlichen Stoffen 'bestehend, denn doch
nicht; sie zerfallen, wenn der Kitt verwittert, in den die
einzelnen Steinchen eingedrückt sind, oder die Mauern
zcrklUften und Risse bekommen.
• War es nicht wirklich ein wUrdiges Haus Gottes,
diese herrliche Marenskirehe in Venedig, wo über und
rings um den Beschauer alles makellos in Glanz und lieb-
lichem Farbenspiel mit edlen, bedeutungsvollen Gestal-
ten erstrahlte? Aber das gealterte Gewölbe drohte mit
Einsturz, gefährliche Risse lösten alle Verbindung — wie
helfen, ohne dicseB bewundernswerthe Festkleid der Mo-
saikumbüllnng zu zerstören ? Man muss gestehen, dass der
Weg, den die Fabricia der Kirche in der alten Muttenstadt
der Künste einschlug, ganz gewiss an Kosten und Zeit
den meisten Aufwand in Anspruch nahm. Man sicherte
sich dnreh ein ungeheneres Gerüst die Annäherung an
die innere Rundung der Kuppel, dann nahm man, mittelst
Durchpausung eine ganz genaue Farbcnzciehnnng der
Mosaikgemäldc auf, worauf man die Mosaik selbst stück-
weise ablöste, und die Steinehen in flachen Kisten sorg-
sam aufbewahrte. Die Untersuchung stellte das Mauer-
werk als ernstlieh beschädigt heraus, die Gewölbung
musste ganz neu aufgeführt werden. Die Bauarbeiten sind
seitdem mit Meisterhaftigkcit beendet. Mit den Mosaiken
aber ist das meines Wissens noch lange nicht der Fall ;
Digitized by Google
LII
da muss gleichsam ein ganz neues Werk geschaffen
werden, und die Regierung wird wohl zu den bereit«
verwendeten Summen manchen nicht unbedeutenden
Nachtrag heizuschaffen haben. Ausser aller Frage steht
die Erhaltung und möglichste Wiederherstellung eines
so wichtigen Denkmals; war das aber nur auf einem
so gewaltigen Umwege zu erreichen? Hier unu ist der
Platz für meinen Tricstcr Kunstbericht.
Es fehlt viel, dass die hiesige Kathedrale 8. Giu s'to
es anch nur versuchen wollte, neben dem Dome von
S. Marco genannt zu werden , oder sich demselben nur
annähernd an die Seite zu stellen. Aber einige beaehtens-
werthe, für die Stadt theuere Denkmiiler hat auch die
Tricstcr Kathedrale. In der einen Seitencapelle neben
dem Hauptaltare sind F r e s e o m a 1 e r e i e n, so lieblich, so
zart, wie nur irgend welche aus dein Mittelalter, und gut
erhalten, so wenig Sorgfalt man auch dafUr hat (um
z. B. grosse Nagellöeher zu verhüten). In dieser Capelle
sowohl, wie in der zweiten auf der anderen Seite, sind
die Kuppelgewölbe mit Mosaikgemiilden geziert, die
auf jeden Fall zu den guten, aus den lcty.len Zeiten der
byzantinischen Schule gehören und Behr wohl erhalten
sind. Diese grossartigen Mosaikbilder, das Eine mit der
kolossalen Gestalt des Erlösers, und das Andere mit
jener der heiligen Mutter Gottes mit dem Jesukinde und
den kolossalen Gestalten der heiligen Apostel, würden
irgend einer noch so bedeutenden Kirche zur hohen
Zierde gereichen, und sind für Triest sehr merkwürdige
Zeugen des, in jener Epoche dort herrschenden Wohl-
standes, wie zugleich eines ehrenden Selbstgefühls, das
damals die Bürger beseelte '.
Es zeigten sich in den letzteren Jahren Sprunge in
dem Kuppelgewölbe der Seitencapelle mit dem Bilde
der heiligen Jungfrau, die sich beunruhigend erweiterten,
zugleich begann die Mosaik sieh zu lösen. Die einge-
leitete Untersuchung ergab die volle Richtigkeit dieses
allerdings schwer wiegenden Umstandcs; zugleich aber
hatte man da ein neues Beispiel von der im Mittelalter,
wo doch so Grosses geleistet wurde, so hiiutig zum Vor-
gehein kommenden, ganz unbegreiflichen Sorglosigkeit,
ja Unüberlegtheit. Ganz einfach nämlich halte man bei
einem späteren Anbau eine senkrechte Hauptmauer mit
der ganzen Schwere des, von derselben getragenen Dach-
stuhles auf die Gcwölbnng dieser Kuppel gestutzt, die
darauf nicht berechnet war. Der durch eine so lange
Reihe von Jahren fortgesetzt andauernde, immer gleiche,
ja wachsende Druck war nun daran, den förmlichen Ein-
sturz der Kuppel, ja selbst des Gebäudes auf dieser Seite
zu veranlassen. Vor Allem war die Mosaik in ihrer Ver-
bindung mit der erschütterten Mauer so gelockert, dass
man ein Herabfallen des musivischen Gemäldes in
seiner ganzen Ausdehnung, man könnte sagen, von
Stunde zu Stunde befürchten mnsste. Triest hätte damit
zugleich eines von jenen nicht mehr zu ersetzenden Wahr-
zeichen eingebUsst, die dazu dienen, den Weg der Ent-
wickclung zu den folgenden Zustünden nachzuweisen,
und worauf Völker wie Gemeinden nicht weniger achten
dUrten, als man den Einzelnen auf irgend ein Andenken,
das in seinem Leben sich bedeutungsvoll gestaltete, einen
grossen Werth setzen sieht.
t K « f I II a ai. J!b#r M<tftlhm&l*r»l mit Kilrtrltht ftuf 41* mutl«l»rh« Aul*
KhroS<koGir In d»r it'ir.llicltra S«irm Aft\- 4«» )>»lm> >n« Tri««!" In J'U Uli-
tbal!«ng<Q IV, S. irr, z<'l— l'J? mit I Taret ticd mehreren llolzKhalnco-
Es stellte sich demnach hier beiläufig dieselbe Sach-
lage heraus, wie in Venedig bei der Marcuskirchc ; ent-
schiedene Gefährdung nämlich durch den schadhaften
Stand der Baulichkeit und eine Vorbeugung nur möglich
durch unvermeidliche Zerstörung eines wcrthvollcn Kunst-
denkmals. Konnte aber Triest zu so kostspieligen Ret-
tungsmitteln greifen, wie das monumentale Venedig, dos
der Unterstützung gewiss war?
Das Erste auf jeden Fall war, die Ingenieuro für das
Gebäude sorgen zu lassen. Sic benahmen sich dabei mit
eben so viel sorgsamer Umsicht als Geschicklichkeit.
Sic fassten die senkrechte Hauptmauer, die eigentliche
Veranlassung der Gefahr, gaben ihr nach der einen Seite
hin, wo das Erforderniss war, einen mächtigen Wider-
hall höhlten sie dann ober der Kuppel, auf die sie ge-
stützt war, zu einem freien Bogen und gaben ihr solcher-
gestalt die Stützung in sich selbst.
Es erübrigte weiter die Wiederherstellung der schad-
haften Kuppel, nämlich des morschen Mauerwerkes der-
selben, woran, nach der innereu Seite zu, diu Mosaik
klebte. Diese sollte nicht zfrstört werden — aber wie
war das zu erreichen ? Die Mosaik war stellenweise sogar
schon so abgelöst, dass sie ganz bohl lag. Man konnte
mit Sicherheit darauf rechnen, sie stückweise herab-
fallen zu sehen, so wie man an der oberen äusseren
Seite an das Mauerwerk rührte.
Man wäre nun unter allen Umständen ganz gewiss
mit der möglichsten Sorgfalt verfahren und hätte nichts
unversucht gelassen, um in irgend einer Weise zum
Zwecke zu gelangen ; auch konnte es in dem gegen-
wärtigen Falle nur als etwas sehr Günstiges in Ansehlag
gebracht werden, dass gerade Dr. Gregorutti, ein
sehr geachtetes Mitglied des Gcmcinderathcs, auf die
Sache Einfluss zu nehmen hatte. Derselbe hatte bei der,
vor einigen Jahren in Aquilino von Hrn. von Steinbü-
chel geleiteten Aushebung der prachvollcn Mosaik mit
dem Raube derEuropa, im Besitze des Grafen Cassis, Vor-
liebe zu dieser besonderen Monnmentenclasse gewonnen
und sich auch mit den Eigentümlichkeiten derselben ver-
trauter gemacht. Es war wahrscheinlich auf seine Ver-
anlassung, dass fllr die Wiederherstellung der Kuppel
und der Mosaik eine eigene Verabredung von Männern
vom Fache angeordnet wurde. Die Commission bestand
aus: Dr. Nicolich, Ing. Sforzi, Ing. Righetti und
v. Steinbüchel. DieAufgabo war: r Gibtcs cinMittel,
das bereits zerbröckelnde Mosaikgcmäldc der Kuppel so
von unten auf zu stützen, das es möglich würde, von
aussen nnd von oben her au dem schadhaften Mauer-
werke, woran die Mosaik eben durch Kitt gebunden ist,
zu arbeiten uud dessen Erneuerung zu bewerkstelligen;
dann die Mosaik durch frischen Kitt an der wieder-
hergestellten Kuppel fest zu halten V- 4
Eine bei einer andern Gelegenheit mehrere Jahre
früher gemachte und erprobte Erfahrung erlaubte es
Steinbüchel, mit voller Uebcrzeugung das Verfahren
anzurathen , das sich auch hier wieder bewährte . Nach
der ganzen Ausdehnung des Mosaikgcniäldcs Überklebt
man dasselbe mittelst Leim mit einzelnen Bögen grossen
gewöhnlichen, starken, aber nicht steifen I'ackpapieres,
das sich nach allen Fugen und Wendungen, Erhöhungen
und Vertiefungen genau anschmiegt und enge angedrückt
wird. Auf diese erste l'apierlage wird eben so sorgfiiltig
eine zweite aufgeleimt, dann eine dritte, vierte, fünfte.
Ich weiss nicht genau, ob nicht mit der sechsten bereits
Digitized by Google
Lni
ein Panzer gebildet war, dnrch den man, mit voller Zu-
versicht, keinen einzelnen Theil zn beschädigen , aber
anch keine Bewegung irgend eines einzelnen Thcilca,
keine Verrtlckung hervorzurufen vermochte, wodurch
es anch möglich wurde , das sonst bei Eingewöhnungen
gewöhnliche Bretter- und Balkengerüstc aufzurichten, und
man ungestört die weiteren Arbeiten fortfuhren konnte.
Diese Arbeiten galten der Ansseuseitc der Kuppel
nnd bestanden darin, die kleinen Thonziegel derselben,
die fast durchans keinen festen Halt mehr hatten, mit
Vorsicht wegzuheben, wodurch man auf die feine dllnne
Lago des grösstenteils verwitterten Kittes kam, in wel-
chen die Steinchen ursprünglich eingedrückt Ovaren, nun
aber kaum mehr hielten. Die ganze Zeichnung der Mo-
saikbilder zeigte sich da auf der rauhen Rückseite. Man
fegte so viel thnnlich, diesen zu Staub verwitterten alten
Kitt weg, nnd nun wurde die ganze Wölbung mit einer
dicken Lage Portland-Cement Uberzogen, in diesen die
Tbouziegcl der erneuerten Wölbung eingearbeitet, und
so aus Mosaik und Gewölbemauer wieder ein Ganzes
gebildet.
Seit wenigen Wochen ist die Arbeit vollendet nnd
die Kusscrc Rundong der Kuppel, von der drückenden
Last der darauf gesetzten Hauptmauer befreit, erscheint
ganz erneuert, in ursprünglicher Frische. Im Innern
der Kirche wurde der Papierpanzer ohne Schwierigkeit
abgelöst und das Mosaikgemälde darunter, das man
kaum mehr zu berühren wagen konnte, hat ganz die
Festigkeit gewonnen, wie im ersten Augenblicke, wo es
vollendet war; man kann an allen Stellen ruhig mit der
Hand darauf herumschlagen. Man benutzte die Gelegen-
heit dos Gerüstes, das Ganze mit chemischen Keagentien
zu reinigen, nnd wenn den GlJtubigcn jetzt bald wieder
der freie Zutritt in diesen Theil der Kirche eröffnet sein
wird, wird die erfreute Menge die ganze Kuppel in ur-
sprünglicher Farbenpracht erglänzen sehen. In einer der
letzten Beschreibungen hatte deren Verfasser das viel-
versprechende Wort ÜPVS zu lesen geglaubt; nach der
Reinigung ergab sich da ganz einfach der Name IACOBVS.
Ichglaube, der erste Kostcuvoranschlag lautete auf
mehr als 10.000 Gulden. Für die jetzt erreichte Herstel-
lung genügte aber die Kumme von nur 7000 Gulden. Ich
hoffe in Kurzem im Stunde zu sein, die genauen Zeich-
nungen, siimnitlichc Rechnungen und alle Einzclnlicitcn
des Verfahrens zu Ubermitteln, was in Beziehung auf das
in Venedig eingeschlagene Verfahren nicht unwichtig
sein dürfte, wo eigcntlibh nicht sowohl das alte Denkmal
erhalten, als vielmehr ein neues geliefert wird.
Über die Sculpturen ai
Der Reißende pflegt die Kathedrale Verona'» ge-
wöhnlich nur zn besuchen, um daselbst an dem ersten
Seitenaltare links eine minder wcrthvolle Maria-Himmel-
fahrt von Titian zu besichtigen ; mit mehr Recht verdiente
manches Andere seine Aufmerksamkeit, das sich an der
Ausseuscitc des Doms vorfindet nnd meistens ganz Uber-
sehen wird — die Sculpturen nämlich an der Haupt- und
Uber der Nebenpforte.
Der Baustyl der Kirche ist der in Oberitalien vor-
herrschende lonibardiseh-rornanische, zeigt sich aber hier
nicht so scharf wie zu St. Zeno ausgeprägt, da die Giebel-
form weniger rein hervortritt, das Rosenfenster (l'occhio)
über dem hufeisenartigen Thorbogen des charakteristi-
schen Schmuckes entbehrt und die beiden grossen Seiten-
fenster eine gothische Bildung zeigen, wie denn auch die
wunderlichen Thiergebilde an den Pfortenpfeilcrn den
germanischen Ursprung verrathen. In reinerem Style ist
das Portal ausgeführt; das auf Marmorsäulen vorsprin-
gende Vestibül besteht aus zwciTheilcn, aus der Vorhalle,
welche, wie bei den andern mittelalterlichen Gottes-
häusern, zur Aufnahme der öffentlichen Büsser diente, und
einer Loggia darüber, in welcher sich unter dem Schirm-
dache die Uhr befindet. Die beiden ersten Säulen dieses
Vestibüls entsteigen den Rücken von Greifen, welche, aus
rothetn Marmor gehauen , nach altägyptischer Bauweise
vor dem Eingänge lagern, uud wovou der eine zwei Stier-
häupter und einen fratzenhaften Menschenkopf, der
andere eine Schlange zwischen den Klauen hält. Hinter
diesem grimmigen Vogelpaar treten an den beiden gegen-
überstehenden Pilastcrn im Hautrelief zwei bewaffnete
Man umgestalten als Tempelwachc hervor; die Haltung
derselben ist drohend, doch würdevoll— denn es sind
die zwei gefeierten Paladine Karls des Grossen, Roland
undOlivier. Ersterer ist unverkennbar durch sein gewal-
tiges Schwert, das auf der breiten Fläche den eingemeis-
dem Dom zu Verona.
selten Namen „Durindnrda" zeigt. Vor der näheren
Betrachtung dieser sehenswürdigen Gebilde dürfte aber
ein geschichtlicher Rückblick auf die Entstellung des
Baudenkmals angezeigt sein.
Der ursprüngliche Bau, der Sage nach den Trüm-
mern eines Minerventempels entstiegen, bestand al*
Kirchlein Santa Maria Matricolare schon im VII. Jahr-
hundert. Erweitert wnrde derselbe (nach Canobbio) im
Jahre 774; im Jahre 806 wurde er zur Kathedrale erho-
ben. Mafien nnd andere bewährte Chronisten Verona s
lassen ihn erst zur Zeit des Bischofs Rotaldo , der vom
Jahre 803 — 840 den Krummstnb geführt , die Vollendung
erreichen; als Beleg dafür sollen, auf Rotaldo's Namen
anspielend, die Räder (rotac) dienen, welche sich unter
den FlUgeln des rechts befindlichen Greifen befinden.
Übereinstimmend damit und gestützt auf Documcntc des
bischöflichen Archivs will mau ferner (Biancolini und
Canobbio) in den drei gckröuteu Frauenhusten am Arelii-
trav jene drei Königinnen dargestellt sehen, welche zum
Kirchenban Geschenke gespendet hatten: Karl des Gros-
sen Mutter, dessen Gattin uud jene des Lougobarden-
königs Desiderius. Die Worte Fides , Caritas uud Spes ,
welche Uber den drei Köpfen stehen, lassen noch eine
andere Auslegung zu, der znfolgc hier die göttlichen
Tugenden repräsentirt sein sollen.
Dass der eigentliche Ausbau des Domes in den
Anfang des IX. Jahrhunderts zu verlegen sei, lehrt auch
die polyglotte Grabschrift des gepriesenen Erzdiaeons
Paciiicus, welche sich auf drei zusammengefügten Mar-
mortafeln Uber dem Eiugnnge zur Canouical-Sacristet
befindet, die Jahreszahl 846 an sich trägt und besagt, dass
hier die Ruhestätte dieses gelehrten Mannes zn suchen sei,
wenn auch das Monument bei Errichtung der Sacristei
zerstört und zum Theile in das Alterthums-Museum über-
tragen worden ist. Hinter diesem Orte zeigt sich in dem
Digitized by Google
LIV
etwas niedriger gelegenen Vorhofe , welcher zur Tanf-
capello San Giovanni in Fönte führt, nebst zwei mittel-
alterlichen Sarkophagen eine Doppelreihe von kurzen,
mannigfach nnd wunderlich geformten Säulen, welche
ßogengewölbe tragen nnd zwei kleine Schiffe bilden —
unzweifelhaft Reste eines heidnischen Tempels nnd
jenes daraus hervorgegangenen ursprünglichen Kirch-
leins Santa Maria Matricolnre, das Pacitieus gestiftet
hatte und das gleichsam den Keim zu dem grossen Dom-
bau in sich cuthielt.
Ohne Zweifel fällt daher die erste Bauperiode in
das Zeitalter Karl des Grossen, und es nehmen daher
die beiden Steingebildc an der Hauptpfortc unser In-
teresse um so mehr in Anspruch, als sie zu einer Zeit
entstanden sein mnssten, wo die Helden, welche sie dar-
stellen , noch frisch im Gedächtnis« der Zeitgenossen
lebten. Wenigstens wird uns hier die damalige RUstungs-
und Waffenart treu veranschaulicht. Dass die beiden
Paladine auch nach Verona gekommen , lässt sich mit
einem neueren Geschichtsforscher mit Grund vermuthen
und zugleich annehmen, dass sie sich unter jouer auser-
lesenen Kriegerschaar befunden hatten, welche Karl der
Grosse (774) dahin führte, um seine, an diesem „unter
allen longobardischcn Städten meistbefestigten- 4 Orte
von Desiderius verborgen gehaltenen Drudersiihne und
Adelchis, des ersteren Sohn, in die Hände zu bekommen.
So viel ist gewiss, dass sie wohl lange vorher, als
der Pfaffe Conrad das Rolandlicd geschrieben, hier zur
Verherrlichung ihres Andenkens abgebildet worden Rind,
da man entweder den, bei dem Kaiser hochangesehenen
Männern huldigen oder etwa den Dank für die zum Dom-
bau geleisteten Beiträge ausdrücken wollte.
Roland, der vielbesungene Held von Roncesvallcs,
trügt eine pbrygische Mütze, einen grossen keilförmigen
Schild und ciu Panzerkleid, mit welchem auch das linke
Bein bedeckt erscheint. Maffci hebt als auffallend hervor,
dass Livius dieselbe Rüstung und die Sitte, nur das linke
Bein zu bedecken, bei den alten Samnitern beschrieb.
Olivicr, der bekanntlich nebst Turpin und Nnimes 1 zu
Rolands treuesten Waffengefährten zählte, zeigt unbe-
decktes, wallendes Haupthaar und eine cigenthllralieh
construirte Handwaffe , einen sogenannten Morgenstern.
Das Miniaturhündchen, welches zu Rolands Füssen
liegt, ist ohne Zweifel nur ein Sinnbild der Treue und
Wachsamkeit.
Unter den Prophetenbildcrn und abenteuerlichen,
mitunter höchst sonderlichen Thicrgestaltcn, welche zu
den Seiten der Pforte an den zusammengesetzten Pila-
stern emporziiklcttcrn scheinen, verdient namentlich ein
Curiosuin erwähnt zu werden, das jedenfalls ein kunst-
historisches Interesse beansprucht. Ks zeigt sich nicht
weit von dem Bilde Rolands in der Gestalt eines Hundes,
welcher auf den Hinterfussen steht und mit einer Mönchs-
kutte bekleidet ist ; der Kopf ist erhoben und das Maul
aufgesperrt, was mit Rücksicht nnf das aufgeschlagene
Buch zwischen den Vorderpfoten das Ansehen hat, als
ob der Hund predigen wolle. Auf den beiden Seiten des
Buches bemerkt mau die Buchstaben A, B und darunter
■ (\tr dl« BiiliWi, Inireicher dl« fceid» PtUdlno mm D«bu itebcn,
diirfll »..hl Uten dl« lnirhrin <lnlf«i I.lrhl TcrbraiUn, »tlehi •» du KIrrli« [>»|
S S Aponlnll In ri.-t.ax tickt und llutot: K.n.1«. r«i fondnrll Efl*. S. S.
Ajmm. CoBMcnMia f»eu |.«r Arc»l<». Twolaum, t.tUbiu Itoiudn Ull»»rl».
POR. CEL. (Alpha, Beta' — Porta Coeli). Der gelehrte
Oanonicua Fumane hielt, wie man in einem im bischöfli-
chen Archiv befindlichen Manuscript liest, dieses Buch für
die heilige Schrift, den Hund aber für den geistlichen Ober-
hirten, welcher seine Heerde getreulich bewachen und
sie vor drohender Gefahr durch seinen Ruf warnen soll.
Eine eben so sehenswürdige, aber noch seltener beach -
tete Sculptur zeigt sich an einem Steinbocke, der in einer
Mauernische Uber dem alten, nach dem bischöflichen
Palaste (Vescovado) führenden Hinterpförtchen aufgestellt
ist, ursprünglich ein Predigtstubl (ein sogenannter Am-
hone) gewesen war und von dem Diacou, um von da das
Evangelium hcrabzulcsen , bestiegen zu werden pflegte.
An diesem Steinblockc ist eine Verkündigung Mariac in
Hautrelief gearbeitet zu sehen, welche das Eigentümliche
hat, dass die heilige Jungfrau ohne Nimbus und aufrecht
stehend den Engel empfängt, da die althcbräische Sitte
das Knien nicht gestattet, wogegen die späteren Abbil-
dungen faRt durchweg Verstössen.
Als versöhnender Gegensatz zu der rohen Behand-
lung dieser Rclicfarbcitcn stellen sich dem Besucher des
Doms die neueren Sculptnrcn an den Pilastcrn des Altars
der heiligen Agatha, rechts vom Presbyterium dar. Sic
scheinen dem XV. oder XVI. Jahrhundet zu entstammen,
wo derlei Arbeiten besonders zum Pfortenschmnck
dienten, wie wir sie noch häufig sowol an Palästen
als auch an nnan sehnlichen Botteghen nls Spuren ehe-
maliger Herrlichkeit vorfinden. Meistens sind es römi-
sche Trophäen, Laubwerk, Blumen, Vögel nnd Arabes-
ken in der zierlichsten Ausführung und harmonischer
Anordnung. Das Material hierzu lieferte der Verona
eigentümliche schwärzliche Brouzinstein, so genannt
von dem Mctallklange , den er beim Bearbeiten von sich
gibt. Diese Sculptnrcn, Reste eines Kunstzweiges, der,
wenn auch nicht ganz verdorrt, doch kanm mehr bei allem
Fleissc zu frischer Blüthe gebracht werden kann , haben
für den Beschauer einen unbeschreiblichen Reiz; wir
fanden sie am vollendetsten in der Capclla Pcllcgrini der
San Bernardino-Kirchc.
Um die Domkirche gruppiren sich, gleichsam wie
unter ihren Eitrigen, fünf Kirchlein, ein Beweis, wie üppig
dort zu Lande der Kirchcnban florirt hatte. Neben Sanf
Elcua, wo (1320) Dante einen akademischen Vortrag
gehalten, schlichst sich unmittelbar an den Dom die uralte
Chiesa San Giovanni in Fönte mit ihrem riesigen, kunst-
voll gearbeiteten Taufbecken an. Der Hauptpfortc gegen-
über liegt San Giacopo. Noch näher steht Uber einem
geschlossenen Pfürtlein San Pietro inCattcdra, mit einem
verwitterten lebensgrossen Steinbild, und am westlichen
Ende des Domplatzes ist San Giusto, halbverfallen
und profanen Zwecken überlassen. An letzterem fiel uns
und zwar Uber der Kirchenmauer, die jetzt ein Gärtlein
nmhegt, ein allegorisches Bild in schwarzem Marmorbas-
relicf auf. Einem Wolkenkranze entsteigt hier nämlich
der Oberleib eines Greises ; seine Rechte erhebt sich seg-
nend, während der, horizontal Uber die BrUBt gehaltenen
Linken ein Kind und aus dessen Haupte wieder eine
Taube entschwebt — ohne Zweifel soll dies eine Vcr-
sinnlichung der heiligen Dreieinigkeit sein, welcher man
bisher wohl kaum anderswo begegnet ist.
IVilh. t>. Metserich.
< Hklul|*r »»:«.« n - e u! A und 0. Abb. d R«d.
Digitized by Google
LV
Einigß neuere Funds in Mähren.
Die Hitll»lier(Ckraitlu-l«hl«iiti«r)lcUeBgrih<rlmBeilrk8-
aroi kwm<ler.
Als im heurigen Frtthjahre die Erdaufschüttungen
Air den Damm der Eisenbnhnstrassc der Hullciner Sta-
tion begonnen wurden, und die Lchmschichte auf dem
Felde „Padilky", zwischen dem Dorfe Zahlenitz und
ChraÄtian gelegen, abgegraben wurde, fanden die Arbeits-
leutc in einer Tiefe von 4 — r> Schuh eine Menge Thicr-
nnd Mcnschcnknochcn, die sie ihres materiellen Gewin-
nes wegen gammelten und darauf ein viel grosseres
Augenmerk richteten wahrend andere Gegenstände,
wie kleine Töpfeheu (nach ihrer Ansicht und Äusserung)
und Blechslückc als unnütz verworfen wurden. Erst spä-
ter kam der miihrisehc Landtags - Abgeordnete Herr
Franz Skopnlik aus Zahlenitz dazu und erhielt durch
den Aufseher der Arbeitslcnte mehrere Ohjerte , welche
er den Leuten dahin erklärte, das» diese Tüpfelten
Urnen und die Blcehstücke Bronzegcgcnstäiidc aus
einer heidnischen Periode seien.
Nun rtlckten die Arbeiter mit mnnehem Gegenstande,
den sie der Curiosilät wegen doch aufhoben, heraus,
und Ubergaben das spater Gefundene ihrem Aufseher.
Leider ist die Mehrzahl der Sachen zertrümmert, da
hei so schnellen Eisenbahn-Arbeiten eine vorsichtige
Grabung nicht zu erzielen war.
Vorher musg aber bemerkt werden, dass bereits vor
mehreren Jahren, als die Eisenbahn hier ins Leben trat,
mannigfache Gegenstände, die anf eine grössere heid-
nische Begräbnissstätte scbliessen Lessen, aufgefunden
und gleichfalls aus Unachtsamkeit zerstört wurden.
l'nter den mir zugekommenen Objeelen befinden
sich starke Pferdezähne und Bruchstücke von H irs en-
ge w ei hsp rossen, daher die Gewissheit, dass die
Mehrzahl der ausgegrabeneu Knochen obigen Thieren
angehörten. Von den Bronzen, welche durchgehend»
mit Oxyd Überzogen sind, hnben einige die Form von it,
4, auch 5 mal Uher einander gewundenen Spiralen, die
entweder ans platt geschlagenen Metallstreifcn einen
Kreisdurehmesser von 1«, ,\ Zoll und die Höhe von »/»
und 1 Zoll geben, oder ans Draht gewundene Spiralringe
Bind, welche mit einer besondern Genauigkeit auf eiu-
ander gefügt wurden, and deren Kreisdurchmesser » > oder
1 Zoll hat und die Höhe zwischen bis </» Zoll variirt.
Weiter fanden sich grosse offene Bronzeringe von
5 Zoll Durchmesser vor, die an den Enden spitz zu-
laufen. Ferner verschiedene Blechsttlekc in Blattforra
mit je 3 Löchern nin breitem Theile und Dessinirungcn,
dann Spitzen von Wurflanzen, 3 Zoll lang; äussert sub-
tile Haarnadeln in der Länge von 7 Zoll mit einem
ammonitartigen Knopfe und gebogener Spitze.
Unter den Kesten von Mcnschengcbcincn ist auch
das erste Glied eines Fingers mit einem daran haftenden
Ringe aufgehoben worden. Den Ring selbst bilden
drei starke Bronzereife . welche sechsfache Knoten vor-
weisen. Weitere Ausgrabungen werden jedenfalls noch
mannigfache Objcctc zu Tage bringen , und hoffentlich
auch ganze Skclete nebst vollständig erhaltenen Urnen
vorweisen, dio zur Vcrglciehung mit andern Gräber-
funden äusserst anregend sein durften.
Eine chemische Analyse der Bronze aus besagtem
Todtenluger wird später zum Abschlüsse gelangen.
Die IeHeiigrlber bei Liieh im Beilrk«ant Brom
Eine Viertelstunde hinter Lösch erhebt sich ein eigen -
thllmlich geformter Hügel aus einer Umkreisung amphi-
thcatralisch gelegener Waldhöhen, die einerseits den Lö-
scher, anderseits den HorakowerWald bilden. Der Biiczka
Bach messt in Sehlangen Windungen durch ein anmuthiges
Thal am Fusse dieses Hügels hin und macht so die Ab-
grenzung zwischen besagten Waldhöbcn und dem Hügel.
Letzterer ist auf seiner Kuppe in ziemlicher Ausdehnung
abgeplattet und lässt das Auge Uber den Waldcskranz
bis gegen AuBterlitz und die fernen Berge gleiten.
Der Anblick dieser von der Natur so eigentümlich
und in seltener Form gebildeten Höhe ist wahrhaft merk-
würdig.
Man würde der Symmetrie des Ganzen wegen die Bil-
dung Menschenhänden zumuthen, wenn die bedeutende
Ausdehnung diesem nicht widerspräche.
Das einige 100 Fuss hohe HUgelplateau führt den
Namen „u stareho zärnku", und ein rUckwiirts desselben
befindlicher Waldtbcil, der von einem in fast gerader
Richtung weit sich ziehenden aufgeworfenen Walldamm
abgegrenzt wird, die Bezeichnung „Aliklctna, Hnlok-
lctna, Anakleti".
Fast inmitten dieses an einigen Stellen bei 2 Klafter
hohen Walles ist ein Durchhau, der in gerader Perspec-
tive zu besagtem HUgelplateau zwei ebenfalls aufgewor-
fene Erdwfllie erblicken lässt.
Bereits im vorigen Jahre stiessen Arbeitslcute wäh-
rend des Feldackcrns am Plateau auf eine Masse von
Knochen und l'rncnschcrbcn, von welchen ersteren sie an
8U Tragen voll in die Spodiumbüttc verkauften, nnd ein-
zelne Eisen- nnd Bronze - Objcctc, die sie dabei ausgru-
ben , veräusserten. Dabei ging natürlich manche ganze
Urne in Trümmer.
Doch wurden aus dieser Erdaiifwllhlung zwei
gut erhaltene römische Münzen gerettet.
Die erste silberne ist ein Vespasianus (69 — 7'J nach
Christi) und die andere bronzene, ganz mit Patina über-
zogene Münze eine Diva Faustitia (Gemahlin Marc
Aurelius, 161 — 180), somit aus der Zeit des niarkomau-
nischen Krieges. Daun sind ebenfalls zwei mit edlem
Roste überzogene bronzene Celte, Wirtein aus unge-
branntem Thon, Sporen, Pferdetrensen und kleine Mes-
ser aus Eisen, jedoch stark oxydirt, aufgefunden und dem
Herrschaft «-Verwalter übergeben worden.
Herr Egbert Graf von Bclcredi , Besitzer der Herr-
schaft Löseli, welcher von diesem Gebühren auf seinem
Grunde Nachricht erhielt, Hess gleich diesem Vandalis-
mus Einhalt thnn und am 21. Juui 1K64 die wissenschaft-
liche Erforschung dieses archäologischen Terrains vor-
nehmen.
Digitized by Google
LVI
Der Beginn lieferte interessante Resultate, die bei
der Fortsetzung sich noch ergiebiger gestalten werden,
indem diese heidnische Grabstätte die bedeutende Aus-
dehnung von 15 Metzen Aussaat hat, wie utan sie selten
wo findet. Die ersten Funde brachten Urnen und L'rnen-
seherben mit niedlicher Dcssinirung, viererlei Arten von
Spinnwirteln , Mahlsteine von 18 Zoll im Durchmesser,
Streithämmer aus Serpentin, Eiseupfeile, dann zerbro-
chene Eiscnteller, so wie eine Masse von Menschen-
und Thiergebeinen, starken Ilirschgeweihen, Pferd- und
Eberzähnen etc. zu Tage.
Die unter einer Huinusschichte von 2 — 4 Schuh lie-
gende Lehmcrdc zeigte eine Masse gebrannten und zer-
bröckelten Thons, Schlacken und Holzkohle.
Das Ergebniss dieser für die vaterländische Altcr-
thumskundc so wichtigen Grabstätte aus der heidnischen
Periode wird später in ausführlicher Weise berichtet
werden. —
Schliesslich muss noch bemerkt werden, dass eben-
falls im vorigen Jahre, beim Grundgraben für das Con-
gregation8baus der hannherzigen Schwestern im Orte
Lösch, mehrere Reihen glockenförmiger Gräber, die indem
Lehmboden ausgeschaufelt waren, zum Vorschein traten.
Dieselben waren circa 4— 6 Schuh tief unter dem Niveau,
nnd ganz mit Asche vollgefüllt, darin viele Urncnscher-
ben lagen. Bios eine einzige zierrathlose Urne aus halb-
gebranntem Thon wurde im Ganzen erhalten heraus-
7 Stucke,
Mflnicnfund tt Sckektao im Icslrkuate IssktwlU.
Bei Grabung des Grandes aus Anlass des Wieder-
aufbaues des, bei Gelegenheit der am 1. Jänner 1. J. in
der Gemeinde Schelctau ausgebroebenen Fcnersbrunst,
abgebrannten Podsedkcrhauses (Nr. 46, des Franz Filip)
wurden in einem vermoderten Sackchen in der Erde
mehrere Silbermttnzen alten Gepräges aufgefunden, von
denen der Herr Mauritz Graf von Strachwitz, Besitzer
der Herrschaft Schelctau, 33 Stück dem Franzeus-
Muscuin in Brunn widmete. — Sie zerfallen ihrem Ge-
halte nach in folgende Prägungen :
Prager -Groschen von Wladislaw U. .
Eine Stadtmlinze von Zwoll, aus Kaiser
Rudolfs U. Zeit 1
Eine Stadtmlinze aus der Zeit K. Mathias 1
Dreier, mährische Unionsmünze, IG 19. . . 1
Dreier, ans K. Rudolfs Zeit von verschiede-
nen inttnzbercehtigteu Herren uud Städten 8 „
Dreier, unter Mathias I., 1517 .. ..1 „
Vierundzwanziger • Pfennige aus Kaiser
Rudolfs, Mathias und König Sigis-
munds Zeit, mehrfacher und verschie-
dener mttnzberechtigter Herren-Prägung. 12 „
Vicrundzwanziger-Pfennig der Stadt Lihto-
polis mit dem Wappen des MUnzmeistcrs 1 „
Pfennig von August Herzog von Sachsen
und dem Wappen des Münzmeisters. . 1
Zusammen. - 33~Stticke.
Mauriz Trapp.
Notiz.
Das chrisüidi-arcliäologißche Museum zu Berlin 1 .
Dieses Museum wurde auf den Antrag des Professors
Piper von dem Minister der Unterrichts- Angelegenheiten
Herrn von Ladenberg am 23. Mai 1849 gegründet. Es
wurde durch ausserordentliche aber regelmässige Bewilli-
gungen von Geldern erhalten and die Summe der Aus-
gaben daftlr bis zum Jahre 1860 betrug 3636 Thlr.,
nebst 743 Thlr. an Einrichtungskosten. Es war jedoch
schon bei der Gründung dieses Museums von Herrn von
Ladenberg in Aussicht gestellt, dass jährlich ein bestimm-
ter Fond zur Erweiterung der Sammlung festgestellt
werde, nnd die betreffenden Anträge von Seiten des
Museums ergingen an die drei auf einander folgenden
Minister: von Räumer, von Bethmann-Hollweg und von
Mühler, und zwar in den Jahren 1855, 1856, 1859 und
1862. Das Finanzministerium schien aber von der drin-
genden Notwendigkeit einer Unterstützung des Mu-
nieht überzeugt zu sein, und so wurde viel dafür
li.rlto »>»,
und dawider gesprochen und geschrieben, bis Herr von
MUbler an die Spitze der Untcrrichta-Angclegenheiteu
trat und nun durchführte, was seine Vorgänger in der
so lange schwebenden Sache entweder nicht durchfuhren
konnten oder nicht durchfuhren wollten. Auch der Finanz-
minister von der Heydt fand im Jahre 1862 nttthig, den
Etat für das folgende Jahr vorzulegen, damit dieser noch
vor dem Beginne desselben festgestellt werde. Es wird
Herrn von der Heydt Uberhaupt nachgerühmt, dass er
das Interesse des öffentlichen Unterrichtes aus einem
höheren Gesichtspunkte betrachte und bereit war, den
Anforderungen desselben gerecht zu werden, da beson-
ders die Universitäten unter dem früheren System
finanzieller Einschränkung notorisch gelitten hatten.
Es ist nun der Ansatz für dieses Museum gültig ge-
worden und der Betrag vom 22. April 1 862 ctatsmässig
angewiesen. Dies ist als die zweite Gründung der An-
stalt zu betrachten, welche dadurch — nach einem Pro-
visorium von fünfzehn Jahren — endlich in eine gesicherte
Existenz eintrat
f"T" — IWk *n k. ». H.r. y.d 1
Digitized by Google
LVH
üeber die römische Militärstadt in Celeja und die Procuratur von Noricum.
An der Nordscitc der Stadt f'illi hat schon durch
Funde aus trüberen Jahren der Garten und der Hofniuin
hinter «lein Hause des Kaufmannes Herrn Stallner in
<ler Grazcrvorstadt die Aufmerksamkeit der Epigraphiker
als eine wichtige Fundstelle aut "sieh gezogen '. Es wur-
den in den Jahren 1853 und LSMJ dreinndzwanzig solcher
Denkmäler aufgegraben, alle .sowohl nach dem Stoffe —
liacherer Marmor — und der sorgliiltigcn Behandlung, als
auch nach ihrem Inhalte eine eigeiithtlmliche Gruppe
fllr sieh hildeud, so dass sie von den Uhrigen Monu-
menten des fundreiehen Cillicr Bodens schart' abste-
chen'. Ihre antiquarische Bedeutung besteht darin,
dass sie theils neue Anhaltspunkte fllr die Topographie
der Stadt unter den Römern gewahren, theils eine Reihe
von Namen kaiserlicher Statthalter bekannt geben,
die im Laufe des 11. Jahrhunderts die Provinz No-
ricuni verwaltet haben und bisher fast alle unbekannt
waren.
Im Jahre 1863 nun stiess man bei Fundamciitgra-
bungen an derselben Stelle abermals auf sechs „Romer-
steiiic" , die den früher gefundenen sich enge an-
sehliessen. Sie mögen hier zunächst ihrer Ausstattung
und dem Wortlaute der Inschriften nach verzeichnet
werden , um hierauf die wichtigsten Erscheinungen an
denselben mit Beziehung aut jene an den früher
daselbst gefundenen Steinen hervorzuheben.
1. Altar, 2' hoch, 1' breit, mit glattem Aufsatz, der
an den Ecken hörnerartige Ausschnitte zeigt, und glat-
tem Sockel, beide Theile von dem Spiegel des Steines
durch Abläufe getrennt. Die Inschrift lautet:
|v ()v mv
S V R V Sv-Hv
M EMMI APOLL
PROCv AVG
Vv Sv I.v M
Jovi optiino maximo Surus, beue6eiarius Meuiuiis
Apollinaris procuratoris Augtisti votnm solvit libeui
merito.
Inter der langen Reihe von Soldatennaiuen, welche
auf einem älteren Cillicr Votivsteine vorkommeti,
erscheint ein Pompeius SuniR 5 : einem anderen f'elejn-
uer dieses Namens P. Aelius Sums, wurde zu Rom ein
Grabstein gesetzt*, l'user Stein nennt also diesen Na-
men zum dritten Male und aus verhältnissmässig früher
Zeit; denn die Verwaltung von Memmius Apollinaris
lässt sich mit ziemlicher Bestimmtheit in die Jahre !»6 bis
' IJ«a Min*tiukiiipl»L. j,t ! uu-Lti-llt »iah* h*l J Arn? Ii., die oaut.iab
ar<Ji*r-U>ttl»ekftn Fuudo tou rilll Slo.Uiig»li«nrhte d. k. Akad d W., plil! hLI.
Hu» XXXII, S 417. — ' Vgl fctar 41« Im J 1*4:1 iMundaaiii Itu«JirtftaCri»a R
Koabl In dpn Ml.ttv dp» lilMnr. Vereine» f. Molarmark 1H.VS, s 107 -i»:i. hui*
VS.t I»*, ferner J. G. Seldl in diu lUltriigrii /.u «ni^r 1 nrctiik der arthüot
Kutkdp In dar Sitarr. Monarchie Int Arctu' i. Kund* i'Marr. Occlj Quollen.
Bd. XIII (Cilln, Vpiraiihdrurk Kit IV f. . n In den Bcltr. iu cuirnr. Namrnsvarx.
d«r rön. Pr»«. In Snrlriini, S4U(al>. Hd XIII. S. «t f. — l'b«r dlo im ). I*:.»
fafandrnftn *<l M* "t>t:D äugt Pinn* Abhandtunt; v J Am .'Iii, m«ln* Korr
■etiaDK d»r Beitrag« tq olnrr <:Ar->olk d»r ar<-bii>>l. Kunde, Arfhl» XXIX, 4*.
Nprtabdr l«M l«*l |VI1] V »7 «ml K.itl iu.len M.tth d 1.1. i V«r I Stelcr
■"»' » IX IIWI.S. IB4 r-'J O, Oldl In den rrdgraphittkrii Karline* N
». II, N« ¥0 fW. Jlirfc. .1. Lti . Bd III Am. III i - • I», r . « Ih. ej.ljjr. r.\tvTr,
V. > 7, X.» 11 iWL.B-r Jfcrb. d L\l Hd Kr .iaf.nl fl. eMail, aut der Zelt
der eritru Kai<«r
i). Chr. ansetzen, mithin in die Regierung des Kaisers
Nerva'. Er flllirt den Titel „proeurator Augusti 1 *. In
den grosseren kaiserlichen Provinzen waren die Proeu-
ratoren die ersten Finanzlieanitcn und standen für diese
Abtheiliuig der Administration und, soweit sie hinein
reichte auch der GcrcchtigkcitsphYge neben dem Civil-
uud Militär-Gouverneur (legatus Augusti); in den kleine-
ren kaiserlichen Provinzen jedoch hallen sie das ganze
Gebiet der Verwaltung auf sich, waren also des Kaisers
Statthalter oder Landplleger und diess, in weiterem
Sinne', als es heute der l all ist, indem sie auch das
„imperiuui-, den Oberbefehl Uber die Truppen hatten.
Als ältestes Beispiel fllr diese Einrichtung lilsst sich
schon in den Zeiten des Kaisera Tiherius dessen Pro« ura-
tor in Judaea. der allbekannte Pontius Pilatus anführen,
der mit der Macht Uber Leben und Tod zu entscheiden
ausgerüstet ist. Kurze Zeit daraul nennt Tncitus. wo
er von der politischen Lage des Reiches unter Vitcllin«
sprich«', mehrere andere Provinzen, die gleicherweise
von Procnratoren verwaltet wurden, und darunter aus-
drücklich auch Noricum. E« unterliegt somit keinem
Zweifel, dass procurator Augusti mit ..kaiserlicher
Statthalter-* übersetzt werden muss.
I'nser Stein erhiilt eine besondere Wichtigkeit da-
durch, das» der bisher nur aus einem ausländischen
Steine, dem zu Rieti. bekannte Procurator Memmius
Apollinaris nun auch aus einem inländischen nachgewie-
sen werden kann.
Beueficiarins ist der von den niederen Soldateu-
diensten befreite Lepionär , dem also nur das edle
Kriegshandwerk oblag (immunes o per um militnriuiii,
in tinum puguae laborem reservati, wie sich Livins
ausdruckt»'; diese Befreiung mochte ausser der Ver-
wendung in den Kanzleien' die nächste Aussicht aut
Beförderung im Gefolge haben und wurde mit Ausnahme
der Ritter und Veteranen, die sie als solche genossen,
durch Vergünstigung ibeucticium) des Befehlshaber*
vertilgt ; dem Namen desselben wird der Titel .beuencin-
rins u beigefügt, und da in unserem Falle der l*rocnrator
Augusti als Verleiher der Befreiung erscheint, so (olgt
daraus, dass er zugleich eine Militarbch«rdc war.
2. Altar, I , r >" hoch, S" breit, von ähnlicher Con
strnetion, ohne hörnerartige Ausschnitte nm Aufsatze,
Übrigens sehr einfach, aber sorgfältig gearbeitet ; die
Inschrift lautet:
1 v o v M
L V C I L I V S
I* I N IT V Sii FL
TIT AM(sio v i'Rv ,.\ VG
V v'svi.vm
Jovi optituo maximo Lucilius Finitus, beueticiarius
Flavii Titiani procuratoris Augusti votnm solvit libens
merito.
• J.G.Sfldl, tUlna«. zu rinr,n K.n^ntrfrarlrhnl,, .1.1 r5^, TVnnra
! -r.n in Noficum lunH,,(i i,*if. d. S.Unnftu d k Akad. d. W...., i.MI.-nl.t.
Ha... XIII, '.; f.s.,.rt.|.dr »).-«r 0t .,4!IJ. 7, UXH. « - 'III.. 1. II.-
' MI, 7. - > B.t» , r llandb. d r ... StaaUall.r.» III - tl
h
Digitized by Google
LVIII
Der Procurator Flavias Titinnns erscheint auch auf
einem der 1853 gefundenen Steine; er versah dieses
Amt im Jahre 1(30 n. Chr'.
3. Altar, 2' 11" hoch, 1' breit, der Aufsatz an den
Ecken mit Rosetten verziert nnd stellenweise gebro-
chen; sonst, wie No. 1, nur ist die Gliederung reicher;
die Inschrift lautet:
I O M
I, v MESSIYS
FRONTNVS
Bv C CBXSOKI
NIGRI
PRO
AVG
Jovi optimo maximo Lucius Messias Frontinns,
beneficiarins Caji Censorii Nigri proeuraloris Augnsti.
Der Procurator C. Censorius Niger erscheint hier
zum ersten Male; derselbe ist sonst unbekannt.
4. Altar, 2' 8'/»" "«»••>. 1 breit , von ähnlicher
Constmcrion; der Aufsatz, dessen Kcken mit l'alnictteu
verkleidet waren, ist verstümmelt, der obere Ablauf mit
einem Blnttornanient gcschniHekt; an der rechten Sei-
tenfläche des Steines ist eine Opferschale, in Relief gc-
meisselt, angebracht, die Innenseitc mit musehelartiger
CanelUre ausgestattet, der Knopf mit Kügelehen besetzt ;
ihr entspricht auf der linken Seitenfläche eine Kaune,
gleichfalls mnschelartig eingezogen ; die Inschrift lautet :
I v o v M v
Mv VLPIVS
CR ESC EN SB
CCENSORIMGKI
PROCvAVG
V v Sv i.v M
Jovi optimo inaximo Marcus Ulpius Creseens, bene-
tieiarius Caji Censorii Nigri proettrntoris Angusti votuin
solvit libens merito.
Ks ist der zweite Stein dieses Fundes, der den bis.
her unbekannten Procurator C. Censorius Niger nennt.
5. Altar, 2 I" hoch, II "breit, wie No. I. Die Ans
schnitte am Aufsätze tief; die Inschrift lautet :
|v Ov Mv
A CVSTANVS
RvC.v RAS IM
SILONISv PR0v A G
Vv Sv I.vM
Jovi optimo inaximo Augustauus, beneficiarins C.e-
nialis (?) Rasiuii Silonis procuratoris Augusti votum sol-
vit libens merito.
Auch dieser Procurator erscheint hier zum ersten
Male; wie bei dem vorigen ist die genaue Zeitbestim-
mung seiner Verwaltung nicht möglich, da er auch sonst
nicht genannt wird 1 .
6. Altar, 3' 3'/» - hoch, 1 2"breit, wie No. 1 gebaut.
Zwischen dem Aufsatze nnd dem oberen Ablauf befindet
' J. il S»H1. BtMrtf« tu einem Nnoie>i»»trx«lrh. der rbiu Prof urw^rnii
In N..rttnm «-».OS. ?S s.paratabdr. XI. S lB - ' Der Same Sil» \*mmt u .|
Gr u *#r »cehanial v->r, «Urunier fllnraial auf latfiirlfuielnen In SpaiiJeu, ctnraaJ
•Dfel.cn> Drtiaer Siel«., TlallaKhl nlad aueh die lla»lull Spanier e.we.e« »»'I
kam na»«r Oenlallt «der OaJ«. um« Kal.er Tralau, der Ja auch «I» Spanier
»ar, »ur mmralur In N'orirum.
sich eine Platte eingeschoben, die in kleinen Buchslaben
au der Stirnseite den Anfang der Inschrift zeigt:
l'RO s a vi;«»- N> Xv
Die Inschrift setzt auf dem Spiegel des Steines fort :
|v OV >|v ¥. C I.s (si. V
SAXCT
Cv I.ICIMVS
BKLLICIAN i VS
BF v I.KGv II v ITAL
Pv Fv PRO SE
E Tv S VIS
Vv Sv |.v M
liKNTI ANO» Ti T II \SSO »• COS
IDIB
Pro salute Augustorum nostrorum Iovi optimo ma-
ximo et Celejac sauetae Ca jus Licinius Bellicianns bene-
ticiarius legionis seeundae nalicac piac lidelis pro sc et
suis votuin solvit libens merito Ocntiano et Bass<>Consu-
libus, Idibus
Die Kaiser, fttr deren Wohlergehen der Stein
gewidmet wurde, sind Caraealla und Gcta, wie aus der
Datirung hervorgeht; das Cousulat von Gentianus und
Basstis fallt in das Jahr 211 n. Chr. Im Monate Fe-
bruar dieses .Jahres starb der Kaiser Septimiiis Severus
und liinterlicss das Reich seinen eben genannten Söhnen
zur gemeinschaftlichen Regierung. Auf diesen Umstand
lässt sich eiue Vermnthung Uber die Kntstehnug der
Dedication des Steines fllr du* Wohl der jungen Kaiser
gründen, wenn damit eine andere Beobachtung verbun-
den wird. Die Inschrift enthält nämlich, was nngewöhn.
lieh ist, eine doppelte Widmung: erstlich die im Texte
derselben ausgesprochene des Widmenden tur sieh und
die Seiuigen, zweitens die über dem Anfang der Schritt
auf den Kranzleistcn geschriebene für das Wohl der
Kaiser. Letztere ist nach allen Anzeichen später ein-
gegraben worden als die erstere: sonst wllrde bei der
auf die Arbeit verwendeten Sorgfalt, bei der schönen
Vcrthcilnng der Zeilen, endlich bei dem Gewichte und
der Hoheit der Personen, für deren Heil das Gelübde
gelöst wurde, gerade die Widmung lllr die Kaiser auf
die Sehriftfläche selbst und sicher in auffallenderer
Weise gesetzt worden sein, nls dies hier geschah, und
wie es bei einem 1 S.M» gefundenen Steine wirklieh der
Fall ist ( vgl. unten das Vcr/eiehniss N<>. XI). Bellicianns
mochte den Stein haben arbeiten lassen, als noch Kai-
ser Septimius am Leben war; in der Zeit bis zur Auf-
stellung des Steines mochte aber der Hcgieruiigswechsel
eingetreten sein und dies F.reigniss den Widmenden
bewogen haben, dem Denkmale noch einen anderen Sinn
zu geben, wornach er ihn vor allem fllr das Wohlergehen
der neuen Kaiser setzte, um diesen seine Huldigung zu
bezeigen ; er mag daher nachträglich die Widmung „pro
salute Augustorum nostrorum- haben anbringen lassen,
und zwar, da die Inschrift auf dem Spiegel des Sieines
schon allen Kaum eingenommen hatte, auf einem
unscheinbareren Orte, dem Kranzleisten.
Bellicianns kann etwa als der Adoptivsohn jenes
C. Bellicins angesehen werden, welcher in einem alt-
' Du mit .Irnu RueltMabeii I, vrrKhriiiKc S r$an«a») ittwnlil nur ein V.r-
»•bm de« MelnmeUen, »elrlier dai Won Sancta«. ungoachlel n. In Hltvtr Stfl-
der trtten Zeito eebon enlhaitcn Ul. In der <«'i«.i,..,l|.la»dl« «lnlerl.-.lle.
LIX
bekannten Cillicr Steine als Duumvir von Celcja genannt
wird '.
Die legio II ilalira wurde vom Kaiser M. Aurel
errichtet: inschriflliih erscheint sie zum ersten Male
um 170 n. Chr. : ; sie wurde wie die leg. III Italica in
Noricum ausgehoben , blieb hier auch durch lange Zeit
in Garnison und erscheint mit dem Beinamen ,.pia fidehV
zum ersten Male in einer aus dem Jahre 200 stammen-
den Inschrift aus Ingaru'.
Idihiis. Der Monat ist nicht angegeben: auch die-
ser l'mstand kann fllr die oben ausgesprochene Ver-
muthuug Uber die Widmung geltend gemacht werden ;
ursprünglich mochte der Kaum ausgespart worden sein,
um das Datum der Aufstellung, wenn der Monat
bestimmt sein wurde , einzusetzen. Der Hcgierungs-
autritt der jungen Kaiser machte, da er allgemein
bekannt war. weiterhin die Nennung des Monates über-
flüssig.
Dies sind die im Jahre 1863 aufgegrabenen .Steine,
welche mit den früher an gleicher Stelle gefundenen eine
Anzahl von 2!) Denkmälern geben, deren Bedeutung 1 . fllr
die Localgeschiehle von Celeja. 2. fttr die Vervollstän-
digung des Namenverzeichnisses der Procnratorcii und
der Kenntniss ihrer Thiitigkeit in Folgendem nachgewie-
sen werden soll. Zu diesem Zwecke stellen wir ttir jene,
denen die Dctailscbritten Uber die. früheren Funde von
t'illi nicht zugänglich Bind, eine l ebersicht der Steine,
die in den Jahren 18f.3. 1859 nnd 1863 gefunden wurden,
zusammen und Aigen dazu das Jahr des Fundes und die
Verwaltungsjahre der l'rocnrntoren, wie sie J. G. Scidl
in der schon genannten Schrift ( „Beiträge zu einem Na-
mensverzeichnisse der römischenProcuratoreti von Nori-
cuin-' ) nachgewiesen hat.
Die der Zeit nach bestimmbaren werden zuerst in
ihrer Folge aufgeführt und daran die noch unbekannten
gelugt :
I. Ii. Chr. 96—98. Der in dieser Schrift unter No. 1
mitgetheilte: gefunden 1863.
II. n.Chr. 157. .1. O. M. \ C. Fusciuius Catullus
bf. • VIp. Victoria i proc Aug. v. s. 1. in. nach-
gewiesen v. K. Knabl, Mitth.dcs bist. Vereines
f. Steiermark IX (1859), S. 174; gefunden 1853.
III. n. Chr. 158. J. ü. M \ Q. Knninius | Lmanns
bl. Vstieni j Secnndi | proc. Aug. v. s. 1. ui.,
Tertul et Sacerdos; gefunden 1853.
IV. ii. Chr. 158. J. O. M. | Adnamius | Flnvintu bf.
Vseni (»i'i Secnndi ' proc. Aug. v. s. I. m.;
gefunden 1859.
V. n.Chr. J55U.O.M. Licinius | Hilarusbf. ( Bas
saci Huf. proc. ; Aug.v. ». I. m.; gefunden 1853.
VI. n. Chr. 160. J. 0. M. | Canonius | Valens bf.
Flavi. Titiani 1 proc. Aug. v. s. 1. m.; gefun-
den 1853.
VII. u. Chr. 160. Der in dieser Schrill mitgetheilte
Stein No. 2. mit demselben Procuratomamen;
gefunden 1863.
\ III. n. Chr. 171. Bruchstück, Pos. p. Aug. Flacco et
Gallo cos.; gefunden 1853.
' S c hl I, . |.l||t»|.i.l"il'c Ui.lu.t V, ». tl YVImrr Julirl. d I.Ii U4- II»:,
nl.i.J.u »ui \Vij,.n»li,r<c Lei Hill, Juui rlugi isiiirtl hu Freiha.i.i dutlt»), am
"i|'BiL»ifii Aiiiikmk»;. -sptul; II. K IV.S.ü.'l — ' Jlir Iii,.' Tonrtflll'iit
Uvliai.k - in. I,t ilci rui-.timil. .In», »k .11-. f Hrlmnuu a»M K (i.l'lmiii li*t«ll>
.in, ,.lI.,u„ Mtl.- t rt.„lr,,i, (,,!,,(. auf Jliinxo K»l.»t. »I«gi» II Italie»
\1 l> VI K A iu»U, Sjniip.li |,. lil.l-
IX. ii. Chr. 192. J. O. M. | Q. Scxtius | Pullacni | üb
bf. Cos | leg. II. Ital. | v. s. 1. m. | ///////////////
(Commodo) 1 et Pertiiiacc cos; gefunden 1859.
X. ii. Chr. 211. Der in dieser Schrift mitgetheilte
Stein No 6; gefunden 1863.
XI. n. Chr. 215. Fro. sal. D. n. I imp. Antonini pii f.
a. | J. 0. M. Conser. | Arnbino et Cel. | »am-
Vih. Cassins i Victoriuns | bf. cos. leg. II. Ita.
p. f. Antoniuianne | v. s. I. m. | Leto II et Ccriale
Cos.; gefunden 1859.
XII. ii. Chr. 217. J. O. M. et D. D. | omnibus | M.
Aurel. ] Justus bf. | Cos. leg. II. Ita. ] p. f. pro
sc et | suis v. 8. | I. m. | Praeseute et Extriwu.
XIII. n. Chr. 244—249. J. 0. M. | Adnamius | Fla-
\inus bf. | Clpi Victoris | proc. Aug. v. s. I. in.;
gefunden 1859'.
XIV. Bisher nnbestimmt. J. 0. M. | Tit. Flavius | Dn-
bitatus. bf. Lisinii Sa bin i j proc. Aug. | v. 8.
I. in.; gefunden 1853.
XV. Bisher unbestimmt | C.Mnstias | Tettianus
| bf. Lisiui | Sa bin i proc. i Aug. v. s. 1. m.;
gefunden 1853.
XVI. Bisher unbestimmt. J. O. M. | Sacra m I Q. Cre-
seentius | Marcellus — bf. Q L i * i n i i S a b i u i
proc. Aug. v. | s. I. m.; gefunden 1859.
XVII. Bisher unbestimmt. Eponae i Ang. [ sacr. | C.
Mustius I Tettianus bf. | Lisini Sa Ii in i
proc. , Aug. v. s. I. m. ; gefunden 1859.
XVIII. Bisher unbestimmt. J. 0. M. | Antonius | Maxi-
mits . bf. Q. Caecili | Redditi | proc. Aug.
v.s.l. m.; gefunden 1853.
XIX. Bisher unbestimmt. J. 0. M. | Gemelli . . | Adjn-
tor | bf. Drusi Proc. | proc. Aug. | v. 8. I. in.;
gefunden 185.1.
XX. Bisher unbestimmt. J. O. M. | Luconius | pri-
nms bf. IMautii | Caesiani procu. | Aug. v.
s. 1. m. ; gefunden 1859.
XXI. Bisher unbestimmt | (Uu)
ti? | Gentiani | proc. Aug. ; gefnndeu
1859.
XXII. Bisher unbestimmt. Der in dieser Schrift mit-
getheilte Stein No. 4 gefnndeu 1863.
XXIII. Bisher nnbestimmt. Der in dieser Schrift mit-
getheilte Stein No. 3 gefunden 1863 ;
XXIV. Bisher unbestimmt. Der in dieser Schrift mit-
getheilte Stein No. 5 gefunden 1863.
XXV. Bisher unbestimmt. J. 0. M. | M. Iiipius | Acilia-
nus | bf. cos. leg. i II. Ital. ! v. s. 1. m. ; gefunden
1853.
XXVI. Bisher unbestimmt. Jovi Dep(ulsori) | sacr. ,
Aurelius | Patercnlus | bf. | v. s. I. in.; gefunden
1853.
XXM1. Bisher unbestimmt. D. D. O. | Bellia | Sorana
v. s. I. in. ; gefunden 1853.
' S<ho*J. O S,.(J| b„ Ind.. H.ItU«» cu t'lnuu Nuiriuvr>Hlcbi.b< d.r
Protur»! ■mu ISH,j,l,r Mll. Mj ttl«>rn> Oeriaratm jenait M. t°l r iua Viclnmnr
S«:lc «vtlflll. wo.ti.rnirliorrlll lltni.i. 1*1» I., kW!" pwreflii. rrnrlnn«.
-*«rdlt.Uc ««r K, lni,d,v .Uli »..Ii im <llt /.II mninn». K n • b I vrneljt Ihn
.ii-UjJUii ) .7. daJ.i»<liu ll.U. Niiirln» AdU>UllU9 I UUllU. Illill TOO l\ I MKom
•Mc Ifettvluiig .rMfll ,i,„ l.lama. i(»r Zill mdi.chr oaii» an |:i(nu. Vkior
Frg^urmor In Norltum ii««»»»n ».lo iliirft. lu nun l'jllnitu n«<-h|(ii.l<-i«-ii<T
iiia».#ii dir l"roouralar Im Jaiir* 1.'^ liine li»1l' «ti4 ili« f'OffFDdrn J*lire arlinii
Ten bek.KL.r.U.11 l'r. 1 ur»lnr«n X« MUl »Js.di, **> iikütat« Llplu« iöt itto««» Jahr ce»etzl
worilea. Allviu 4luti't /«lltwtairiiiiiinig »l»lit «nttseKfo, »l«»" uAth »lii«r »ail«r«n
^n.li *u> S«riljali<o AUnutirii<1«ti InscJirlft tUplna Vitlöl 1'rifnn: \°u SarillnU^
ti 11 l « r K P h I I i ji p u # [ 3kt— wnr iOrelll il'Jbi. V4 bladvrl ntrhi» «ikuii^Ii-
n'iti, Alt <ir,pr.r l'Jfln» VL-t^r illt»i>lbc rcr»*n mit Atvi ftardluUchcii rrüfe<tm
*rwt,tn »I. und «1«» n«tli <tnf Vr.wuF.l.r v„ii Sorktum dl« PtwfocOu von Sirdi
bl»u vi'rwkllil liAt-f.
Digitized by Google
LX
XXVIII. Higher unbestimmt. ,1. 0. M. et Ccl(ejaet | et
Noreiac | Sancte ÜuJi. | Senilis bf. cos. , pro sc
et huis | v. s. I. m.; gefunden
XXIX. Bisherunbestimint. Bruchstück CAKS - L. v Septi-
mius) | i Pertill )ax Am gustus ; gefunden IS"»!».
I. Lage and Bedentang der römischen Militftrutadt in
Celeja.
1. Wie schon vonie bemerkt wurde, bilden diese
Steine uaeh allen Beziehungen hin eine lltr sich abge-
schlossene Gruppe. Die Gleichförmigkeit in der genauen
und sorgfältigen äußerlichen Ausführung, in den Wid
mutigen, selbst in der Ausdrucksweise ist eine echt mili-
tärische; auch sind es, wenn wir die Bruchstücke und
den einen Stein (XXVII), der einen Frauennainen zeigt,
abrechnen, durchgehend« Legionäre und zwar meist benc-
fieiarii , die als Widmende erseheinen. Ks ist unter den
21) Steinen nicht ein Grabstein, alle sind Votivsteine in
Altarfonn, auf ihnen erscheint nicht die Buntheit in den
Widmungen , wie aul den Privutsicincn einzelner Fami-
lien oder auf den oftieielleu der bürgerlichen Angehöri-
gen einer Gemeinde; zumeist ist es der allgemeine und
oberste Gott Jupiter, und neben ihm <wic bei XII i.
die Gesammtheit der Götter und Göttinen, hie und da
auch noch die heilige Celeja und Noreja »X, XI.
XXVIII), eine echt römische Deihcirung der Städte des
Landes, welchen die Altare gewidmet sind. Auch ist
hervorzuheben, dass ausser dem AUvaler Jupiter nur
kriegerische Gottheiten als Gegenstand der Verehrung
erscheinen, so neben Jupiter, „depulsor' (XXVI i die Kei-
lergöttin „Epona-. Neben diesem militärischen Cha-
rakter haben säinmtliche Steine mit wenigen Ausnahmen
noch einen nfiiciellen. Abgesehen von den unstreitig
oftieielleu Widmungen fllr das Wohl der Kaiser »X und
XI aus den Jahren 211 und 21, r >) geben nur zwei
(XII und XXVIII) ausdrücklich als Veranlassung den
Wunsch des eigenen Wohlergehens des Stifters und jenes
seiner Familie an, bei den übrigen findet sich eine solche
Angabe nicht, vor allem nicht bei den von beneheiariis
der Proenratoren gewidmeten. Gewöhnlich ist aber die
Angabe der Veranlassung des Gelübde« ein wesentlicher
Bestandthcil in dem Texte von Votivsteiucn, wie es sich
von Reibst versteht. Ks intiss aus dem Mangel einer sol-
chen auf unseren Steinen geschlossen werden, dass eben
die Befreiung der Legionäre der Gegenstand des Ge-
lübdes gewesen, und dieser l'mstand gewolinheits-
niässig durch die Anführung des Wortes „beneficiarius"
bemerklich gemacht worden sei. Es dürfte daher
in der stereotypen Formel dieser Art von Votiv-
steinen das Wort, „beueticiarins^ nicht schlechthin als
blosser prunkender Titel , sondern als grundangebender
zu nehmen nnd mit „faettis, noiuinatus- zu ergänzen
sein, d. h. es wird nicht übersetzt werden müssen, als ob
z. B. der beneticiarius des Procurators l'lpins Victor einen
Stein zu Khren Jupiters gesetzt habe . wie er es gelohte,
sondern so: dass z. B. C. Fuscinius Catnllus den Stein
zu Ehren Jupiters gesetzt habe, als henefieiarins des
Procurators l'lpins Victor, oder weil er von letzterem
zum beneticiarius gemacht worden ist.
Da nun eine so geschlossene und ansehnliche Beihc
von Soldatensteinen vorliegt, die fast sämmtlich keinen
privaten Charakter, sondern eine bestimmte und überaus
eonscmicntc Beziehung auf den Proenrator haben, so
folgt weiter daraus, das* der Ort. an dem sie errichtet
waren, eine militärische und keine bürgerliche Bestim-
mung gehabt habe ; auch ist dort nicht etwa ein gemein-
samer Begräbnissplatz von Legionären, sondern ein dem
othViellen Loben des Soldaten gewidmeter vorauszu-
setzen, wodie Altäre derGötter, ihre Bildsäulen, die Votiv-
steine u. s. w. aufgestellt wurden, also eiu vorzüglicher
und ausgezeichneter Platz in dein für die Besatzung
bestimmten Theile der Stadt.
Damit stimmen die Notizen von Funden Ubcrcin,
welche au der Fundstelle unserer Steine in früherer Zeit
gemacht wurden'. Ganz in der Nähe derselben steht
neben dem St. Maximilianskirehlein eine Capelle mit
dem fons deeollationis des b. Maximilian, der hier um
280 n. Chr. den Märtyrertod erlitt, also etwa 40 Jahre,
nachdem der jüngste unserer Steine < XIII), soweit diese
bestimmt sind, gesetzt worden war. in der Legende die-
ses Märtyrers heisst es, dass er bei dem Mars t cm pel
gelödtet worden sei, und wenn man den tausendfach
bestätigten Gebrauch der römischen Kirche ins Auge
fasst, die Tempel der heidnischen Gotter in Kirchen umzu-
wandeln und dadurch zu entsühnen; weun ferner fest
steht, dass das genannte Kirchlcin das älteste der Stadt
ist, so kann die Angabe eines Marstempels in der Nähe
des Stallncrschen Hauses tür wahrscheinlich gelten.
Nicht weit davon , nahe an der Kirche zum heiligen
Geiste, wurde die Statue eines schwörenden Legionärs'
und etwa« näher gegen die Stadt zu , bei dem Grazer-
thor. ein nicht mehr vorhandenes Relief, gefunden,
reich ausgestattet mit allen erdenklichen Waffeustücken
(Schilden, Beinschienen. Panzern, Speeren, Strcithäni-
nieru, Tuben u. s. w.). Alle Spuren in der Umgegend des
Fundortes unserer Iiischriftsteine deuten also auf eine
militärische Niederlassung hin.
Diese Beobachtungen erhalten ein eigentümliches
Licht noch durch die Vcrgleiehung der hier gefundenen
Steine mit den sonst an verschiedenen Punkteu in ('Uli
ausgegrabenen. J. G. Sei dl hat in den oftergeiiannten
epigraphischen Kxenrsen mit grösster Snrgfali alle auf
Celeja bezüglichen epigraphischen Monumente zusammen-
gestellt, soweit sie bis 1846 zu Tage gekommen waren.
Weun davon nur die sicher in Cilli gefundenen, zum
Theile noch vorhandenen in Betracht gezogen werden,
so entfallen von 65 Inschriftsteinen Iii auf öffentliche
Mminmonte (darunter 6 Meilensteine), 39 auf private
(meist Grabsteine) und nur 10 anf militärische Personen,
unter welchen wieder Veteranen sind. Ferner zeigen
von 7 Privatsteinen nur zwei die Widmung an „Jnpiier-»
nud die „Salus Celejanoruni" «der den „Diis Deabusque
omnibus-, daneben aber erscheinen Widmungen an „Nep-
tnnus Angnstus-. an den „Genius Angnsti" und an die
„Lares-, an „Celeja Augusta-. an den „Genius Norico-
rnm u und eine Collectiv-Widniuiig an „Mars Hercules
Victoria und Noreja'. Diese Denkmäler zeigen also gerade
die umgekehrten Erscheinungen von denen, welche an
den im Stallnerschen llotraunic gefundenen beob-
achtet worden sind. Hier erscheinen nämlich lauter Sol-
daten als Widmende, daneben ein und dieselbe Wid-
■unugsforinel auf 2!* Steinen , dort fast nur Bürger und
Private, dann ganz verschiedene Widmungen und meist
Grabschriften. Es liegt darin ein Fingerzeig, dass die
Fundstelle unserer Steine ehedem nicht blos überhaupt,
1 Y«l J s-lrf;, II, iträ^r zu . Int in Nfciin-c v«ri df! r>m Cr^rur44«r*in
u. , », s. r. ^i'nm-iti.lr v ■_■»: i \ dio Ni.ii»*n ».'fürtnie fUiAmnitn-
««•»III mit 4»t ■■!■}■ ir .l k -,l.il,M .,„4. _• A .. >> T.f II , Kl* i -
• V > " 1 i r i
Digitized by Googl
LXI
sondern ausschliesslich ein militärische Stadt-
r heil war.
2. In welcher Art nun iliescr gedacht werden muss,
das lässt sich annähern«! bestimmen, wenn die Weise in
Betracht gezogen wird, in welrher die Römer nach
Eroberung von Noricutu vorgingen. Ihre Kriege seit der
Seeschlacht hei Actium (30 v. Chr.) hatten eine vorwie-
gend defensive Tendenz; es waren Grenzkriege . theils
um Feinde abzuhalten, theils um für da« Reich die iiatür-
lichen Grenzen, die drei grossen Ströme Rhein, Donau
und Enphrat zu gewinnen. Aus den eroberten Gebieten
wurden weit ausgedehnte Provinzen, mit dem Charakter
von Militiirgrenzländern gebildet , als ein breiter GUrtel
zwischen den Ländern der elassischen Cultur und dem
Wilsten Rarharenlande ; auf dem Boden derselben sollten
Einfalle der Barbaren zurückgewiesen oder wenigstens
so lauge aufgehalten werden , bis das Ceutrum des Rei-
ches hinlänglich geschützt und gerüstet wäre. Damit
stimmt die rein militärische Organisiruug dieser Länder
Ubcrcin, deren erste Aufgabe die Bildung eines Strasseu-
netzes und die Begründung von Militärstädten war.
Letztere sind im Grunde nichts anderes als Standlager
(castra stativa), die vielleicht etwas grösser angelegt
wurden, statt der Erdwälle und Pallisadcn feste Mauern,
statt der Zelte aufgemauerte Gebäude und Kasernen'
erhielten; im Wesentlic hen aber sicher dieselben Bestand-
theile aufwiesen wie früher, nämlich einen „oberen
Theil-, in dem der Stab untergebracht wurde, also das
„praetorium", das „quaestorium- 1 mit dem „torum* für
Kauf und Verkauf und fllr gesellige Zusammenkünfte, die
Quartiere der Oberofliciere, — und einen „unteren Theil»,
in welchem die Manusehaft sich befand. Zwischen beiden
Tbeilen lief dann jeuer breite Kaum hin, die „prineipia*,
der Schauplatz des officiellen Lebens der Soldaten. Da
dort die Standarten, die Altäre der Götter', die Bild-
nisse der Kaiser, hei denen die Soldaten schwuren, auf-
gestellt waren; da sich dort die Rednerbühne fllr den
Feldhcrrn befand, wenn er Öffentliche Ansprachen an
das Heer hielt ; da dort die Militärgerichte abgehalten,
endlich die Habseligkeiten der Ivegionärc wie an einem
geheiligten Orte aufbewahrt wurden : so erhellt, dass dieser
Ort weitaus der wichtigste im Lager war. Wie nun auch
immer die Anlage der Militärstädtc nach localen Ver-
hältnissen abgestuft wordeu sein mochte , gefehlt hat
gewiss keiner der angeführten, mit den nächsten Bedürf-
nissen eines langen und nach aussen abgeschlossenen
Lagerlehens innig zusammenhängenden Theile, am aller-
wenigsten der den „prineipiis- in den alten Standlageru
aualoge Ort für die öffentlichen militärischen Acte.
Eben diesen Breunpunkt des Soldatenlebens im alten
Cereja zu bestimmen, dazu geben die neuen Cilliersteine
die nothwendigen Anhaltspunkte. Nach dem, was vorne
Uber sie gesagt worden ist, nach ihren inneren und
äusseren Merkmalen, nach dem Zusammentreffen ver-
schiedener Fundobjecte wird es nicht wohl bezweifelt
■ »o hatte »che» t» v. Cur. R.iaaa» die ler.treul In der Audi Ken. ualvr
Gebrachten eebortem dar I.ailmarhe in einer ktoi.ob Ka.erne (eaelra praefari.i
untergebracht, Uta Me Immerund in ln,f,onlrettd*rKla>ke bei der II.Bd *u haben.
Tae. Abb. IV, S — Die Ruinen dcr».lbrti »i.bl man noch heule iwl.cben 4«r
l'orta Mml.tll, und nburllna in der Vinn» di XU.e . . e> tlnd die c.»elU«o»
l-inruipmatirrn oiid lang. Ihrer aBhlrelche «.«olMe Kammern.— 1 .•>.. er«aliat
. II Tedrui Am,. I, «9 d.r AUKrc Im l^ir« Ar. VbioroiB. Munellu. Pl.ncut,
der Ton den autVr««leii Sold.t.n rar de.. Crbeber «Ii... ihnen uiiiünMicen
Kaz.al»b..»,<blu.»f.> ».halt... und Terfulm ...r.le, flüihlrlc m der, reinen und
Adlern, und hin« vlcht ein >il,i,.i,Cti t .r dal Au.t.r.i. ecrhlud.rl. ...i «Urde er
•Ii Ar.afi.ndur de. rön.S.cl,« „ V..lke, in eln»m iorr.1^1,.1, |, M .r mit ,elnrn.
lllule dir Altai, der (iiti.rb.,pnr«l h.l.rB - ... ,.;h.r nnlrr Kriudeu feilen
«otbleht. V,l. Itter di..,„ ll.i.iplpi. d.i Lager n^rl, T.e, Ann.1. IV. 2. 7 . XV.
;ü H,.t. III. n»
werden können, dass die Fundstelle unserer Altäre eben
jener Hauptpunkt der Militärstadt war. Es lässt sich
daran eine weitere Vermuthuug knüpfen. Die Heraus-
geber der Funde von IH53 und ISöU haben in den zahl-
reichen Widmungen der Votivsteine an Jupiter optimus
maximus ein Zeichen dafür gesehen, dass in der Nähe
ein Tempel dieser Gottheit gestanden habe '. Friesstücke
von reicher römischer ( »ruamentirnug, die mitgefuuden
wurden, mnssten darin bestärken. Nachdem heutigen
Stand der Funde au jener Stelle lässt sich nun ein zwin-
gender Beweis weder dafür noch dagegen anbringen 1 . In
nächster Nähe jedoch (imDcrcuiiischen Garten, öü*KÜd-
lieh vom Stallnerschen j ' wurde ein Mosaikboden aufge-
funden in einer Ausdehnung von 225 Q Schuh, der übri-
gens eine noch grössere ursprüngliche Ausdehnung
hatte, und als dessen Fortsetzung mit Recht die Trüm-
mer von Mosaikböden erkannt wurden, die in einem
andern benachbarten Garten aufgegraben worden sind'.
Auch jene thönernen Rühren fanden sich vor, wie sie bei
römischen Luftheizungen gebraucht wurden. Mauern,
aufweiche man dabei stiess, wiesen auf ein Gemach von
15' V" im Gevierte und zeigten Spnren von rolhcr Be-
malnug*. Endlich ist der Stalluerschc Garten selbst
in seinem Schottergrunde überall mit den Stiften eines
zerrissenen Mosaikbodens durchsetzt'. Alle diese An-
zeichen deuten auf ein ausgedehntes Wohn gebäud e
hin, das in einem hohen Grade mit Comfort und Luxus
ausgerüstet war. Zunächst am Mittelpunkte der Mili-
tärstadt gelegen, konnte es wohl nur den befehligenden
Offieieren zur Wohnung gedient haben. Ob es nun gerade
den I'rueurator des Kaisers beherbergt habe, der, wie
sich naehweiseu lassen wird, in Cilli seinen Amtssitz
hatte und als Inhaber des „imperium- wohl in der Mi-
litärstadt sein Quartier aufgeschlagen haben dürfte, dies
nachzuweisen wäre eben so schwierig als von geringem
Belang. Dagegen liegt in dieser Situation der Ofticicrs-
wohnnngen ein Fingerzeig Air die gesammte Anlage der
übrigen Militärstadt, welcher nicht Ubersehen werden
darf. Da das Wohngebände für den Stab der römischen
Legion südwärts von dem Mittelpunkte der Militärstadt,
d. i. von der Stelle unserer Steine liegt, da folgerichtig
nach der Anlage der Standlager dieser Mittelpnukt den
„oberen- Theil vom „unteren-, fllr die Mannschaft
bestimmten, trennte oder wenigstens sehr nahe bei
diesem lag; da endlich noch weiter südwärts von den
Officicrswohnungen — nämlich innerhalb des heutigen
1 V£t. Aravtli. Die ueui.1?.. areiteul. l'unde v. CHI a. a. 'J. *. & f. —
J (. So, dl , Kundrhri'n.k ien Archiv XIII, > e. C1I1J. Sprtabdr- s. 1!J. hält die
Sülm Irgend «lue, Tempel, fd.tr IMIUtl.uB«4 Iwr '■.t.rsrheiulirb. — K- Kn abl,
Mitth d. hin Ver. f. Slalemi ]«iS, IV ,.S. l"ri,\criiiutlivl eltirhf.l),- einen Juplm-
teinpel Inder Nähe. 1 Iii« Widmung, a an Jup.teropUxnuB maiinu» und de»
Dil» deabu.iiia* i.rnt.lbu» k »bau nüt e)el< her 1 'uu»..queti£, «lo auf den Cilller Slal«
..an, au/ eiller Iteihu *nn In Trflf i> n {Kraln , ca>?r. l..il<>t-lr<.rrjcVi KTcr«iidi.nan
■S*»ld»len. Villen, ror {& c t d 1. Kundrbr'< n ||; imAn-blv IX. hd lrni, Stnabdr. S. 54J,
von denen 1 dlc,cl*<e \\ Idiimne; i J. O. M. rcUvnio loel oder Dlit ilealiu.t|u« uuuil-
bun'i irafon. tlaxu aaui mich In dea Uuier* Jabreu ein glelelilatiiendvr. Auch
Itel ihnen itl da. Ilatnin ajigegebeii. Sie d'irftto f8r die r*>lia Lacublronara el>*nae
den rial« der .prlnrlpia" bezeichnen , «ie un,ere Sleine für die Mlhtäritadt in
CH1I l*.raii« f^lcr anderereelte, da»e mau derlei Allar.lrinu ytunllcli uberall. auf
den HauplplalEaa, In Staudiacern T<iTau..eiae<i dürJV, oliiteaul *ln*u Tiuipel *ur
Krklärun( Ihre. Vorhaadanirine (rrctr.r. m uü»en. Schon dnr'b ihr« Aufilal-
htag ».rd eb»n dieMir CUU ala Halliainui» Klc all K «ueli.eB Widnni»teu an den
..fcerxun Holl und an »lle «iüiter und •■?ltl»eii Hlmmte« mit der kurzen und >w-
niarltrhenSold.lenaudacfil in rebröbereln. und liud aa|[lnieJi. •« -la dl<VMdmnn(
an den ,(ienlu. lo. |- >« oebl rimn.h, da.» maa au. Ihnen »•»hl auf die Mibe elnea
].a«e». niebl «h.r »,r.de auf die ei».» JaplleMemnel. •cbllci.e« k»a» Inrer-
e»a« iel in di...r II-^.lchuBg .11, Midi,.-)., Iliu«rlf..n« auf die »r-a-e ra|lu-
liniKhe lireliielt der U-ller Jm|.H.t , ML.er.* »t.d J..U-. dl^ .uf ,<.<• » ill.fr-
»lelne dnreh Abr-rlBcun« d.r Keltrl t enalten »t-n Jnn.) mb.I Mltu.va an den
Selteu der Ära an.Kidiiickl lü ; Verr XVI.) V*I. meine }qrl,el»u..e d. Cund
ebrool» fAitblv. X\IX, i.H. Spnabdr. S Iii u Aruetb t Schnfi üb>r d o.u.tan
archV.I Inude ... lilli s. »f. - «s.Ui, Itei-r /» «Ine« SameMrrrMlekjiilaa
d Pr-^r , 5.|U,...g.l... XIII, Uli Spii.bdr S. t». ->A • O. - » KaaM Mint. *.
hin. Ver f. Kl. I«:.|V S I»I ( - * Herl.bide.Cnntere.l-n Herr., s, heller
an die k. k Cr-Mial C*ntml>-I,.n..
Digitized by Google
LXII
CUM die Inscliriftsteiue jeueu bürgerlichen Charakter
vcrrathcii. dass daraus geschlossen werden kann, liier
bis in das Flussbeet der Saun hinein habe die Civilstadt
gelegen, d. h. das nebeu der Militärsladl aus der
ehemaligen Barbarenoilschaft /.um Muiiicipinui empor-
gewachsene bürgerliche Cilli: so lässt sich leicht
abnehmen, dass der grössere Theil der Militärsladl,
welcher die Kasernen der Mannschaft in sich srhloss,
sieh nordwärts von der Fundstelle unserer Steine aus-
gedehnt habe. Da<s wirklich das alte Celeja in dieser
Richtung ausgebreiteter war, als das heutige Cilli, dafltr
liegt ein Anzeichen in der Sage, die Stadt habe nördlich
bis zum heutige« „Galgenberge- gereicht '.
3. Diess nun dürfte die Anlage der Militärstadt in
Celeja gewesen «ein. Ihre Bedeutung fllr diesen Ort lag
übrigens weniger in der tactischen Beschalt'cnlicit,
welche vielmehr für die Herrschaft der Kölner selbst von
Wichtigkeit war, als in dem Antheil, den sie, wie die
Militärstädlc in barbarischen Grenzländern ü»<crhanpt.
an der Komanisirung der Fmgcbuug. und am Autbltlheu
des Handels dnreh dessen Bcschltuiittg genommen hat;
dieser Antheil ist von culturgeschichtlicher Bedeutung
und mag daher in Knr/.eiu beleuchtet werden.
Ks hing mit dem /»ecke der MilitärMädtc zusam-
men, dass sie mehr oder weniger nahe au dem Knoten-
punkte jenes Verkehres angelegt wurden, der schon vor
Ankunft der Kömer unter den Barbaren bestanden und
die Entstehung zahlreicher Ortschatten bewirkt hatte.
Die meisten Militärstädte führten ursprünglich allein, und
Dach ihrer Erhebung zu Colonien oder Mtinieipien. neben
dem olfieicllen einen andern Namen, in dem trotz der
Latiuisiniug barbarische, meist keltische Klänge ver-
nehmbar sind ; ein Umstand, der eben darauf hindeutet,
dass diese Namen und mithin auch die Ortschaften schon
vor der Ankunft der Körner bestanden haben. Die Folge
der Nachbarschaft war eine mehrfache Berührung der
Legionäre mit den Einwohnern des Landes, und aus die-
nern Verkehre erwuchsen im Laufe der Zeit die ersten
und kräftigsten Keime einer neuen Cullur in den Grenz
lüiiderii, einer Mischbildung, wie sie sich in den ma'iutg-
fnltigen archäologischen Funden zu erkennen gibt, durch
welche nicht blos die Barbaren allmählich zum rümi
scheu C'ulturleben herangezogen wurden, sondern auch
die römische Bildung selbst, obgleich sie von ihrer Höhe
und Feinheit verlor, eine neue Kraft und Frische erhielt.
Fortan knüpfen sieh an die Militärstädte die historischen
Erinnerungen der Barbaren; sie lernen Städte bauen
und wohnen und ihre Angelegenheiten verwalten wie
die Römer, sie werden durch das Soldateiileben mit in
die Parteikämpfe um den fernen Kuiserthroii gezogen,
ihre Söhne sind die gefttrclilcteu Leibgaftleu, welche den
Pöbel der Hauptstadt im /.aunie halten: späterhin
erseheinen die römisch-barbarischen Mischehen als die
wichtigsten Zeugnisse fllr das Heranwachsen der neuen
Cultur, die endlich, wie früher den Cultus römischer
Gottheiten nun auch das Christeuthiim von römischen
Tribunen aus den Militärstädten empfangt '.
l J i. > r t ij * , lli'irr ro*iti,iii Siiii*ii«»it» Ii - ■ •> Uli,
Njirt.il.dr- '•'». — Ol« - Afe i . jul^ %■ ii CrfU-Ja. »,,'lcti.f dui Iis. I I., . ..1 r >.i- J*M:i
Tcrli-tfi. dürri*, >l, Ii ii,-1ltWui «jf timi. K-r, it.iitru r.'jttu jf-.kn irm , .Vi Li-r
rtnu >n «ii' ili mifdiiiu lii-lllir* irlf^yti* II „Si Kl y t'vl»* - xc^^i-u-. lulii tL. «rnlin
klnn 1 S. ir.l für i'vl^ja r -1 -il. >• . -I ..''.'.I V V Ii [,. tti k rl ^it.i:.!
ic.in«<-iv n. MI. für l. hir d.r Ni-vlt i'.lli In ,1-r -vi-rTiiirk Zi i: ...hnf
N K VII Mit. S 7 * u. II , v^i lUniii .Ii- Sn.i..i, \ if hu 11 ■.. e»r um. tu in.
"'«IM. .llllillllii Ii •. ». IH» Ii Ihi.-iiiI (:ir dl« A-jl.J. um 31,111,1 .läilK-., 111,
» I "IVI, n..d diu SlW« «..' Jm.i -«»If.fc., Ü »t. 1 > M- 1 1.. II. » » —
' / It -tiT S Ih.rliou* In I.. f.:..
Speciell in Noricum bat die Komanisirung einen
sehr ungleichen (lang genommen; einen Gradmesser ftlr
ihr Fortschreiten gibt die Erhebung der neben den Mili
lärposten gelegenen Ortschaften zu Mtinieipien oder
Colonien, da sie erst vertilgt wurde, wenn in ilmeu ein
grösseres bürgerliches Gemeinwesen emporgekommen
war. Im l ferlandedes heutigen Oesterreich trat dieselbe
erst unter und nach Kaiser Hadrian 1 ein . also in der Zeit
von II" — ISO u. Chr. Dagegen hatte der sltdlieh gele-
gene Theil von Noricum schon 100 .lahre vorher diese
Stute erstiegen- und ganz vorne treffen wir unter den
wichtigsten Orten dieses Gebietes Celeja. Auf die Uber-
raschem! schnelle Erhebung dieses Ortes hat die Begrün-
duug einer Militärstadt einen entscheidenden Eintfus*
ausgeübt, indem sie seinem blühenden Handel den notli
wendigen Schutz gewährte. Es genügt in dieser Bezie-
hung, auf wenige archäologische Funde in der Stadt Cilli
hinzuweisen. Strabo. der um 24 n.Chr. starb, nennt den
Ort noch nicht, obwohl nicht bezweifelt werden kann,
dass er schon damals bestanden habe. Kaiser Claudius
(41— -54) erhob ihn schon zu einem Municipiiiin 1 mit dem
Namen Claudia Celeja, und schon zwischen tif und S'x
dürfen wir in dein ausser der Militärstadt gelegenen
Theile von Celeja die Herstellung weitläufiger nnd pradir
voller Neubauten annehmen. Der k. k. Kreisiiigcuienr
Hr. Bv lo II »Hess nämlich IHl'ti im Hofe des Beskoschen
Hauses ^Postgasse 4T> ) auf einen Mosaikboden in einer
Tiefe von '/.' unter der heutigen Oberfläche*, und als er
ausgehoben wurde, fand sieh mitten in der Mörtel-
schichte, in welche er gebettet war, eine Kupfermünze
von Kaiser \ espasianns ( ti!i — 7!»); diese kann dahin gera-
then sein nur bei der Anlegung des Bettes selbst;
nun wurde unter Kaiser Nerva <;Mi— 'Jt* \ die Kupfermünze
seiner V orgänger eingezogen und umgeprägt daher diese
überhaupt in Funden selten vorkommt, dann aber fllr die
Zeitbestimmung verlässlicher ist. als andere Fimdmliu
zeu; man kann also annehmen, dass die Legiing des
Mosaikbodens in die Kegieniugszeit der flanschen
Kaiser fällt. Das Gebäude, zu welchem er gehörte,
wurde selbst aber auf dem l'latze eines ültereu
gemauerten und niedergebrannten aufgeführt; denn
unter dem Mosaikboden fand sich Kohle und Sehntt,
(eine Schicht von Tiefe) unter dieser eine Schicht von
Flusskies ^J' stark), und wieder unter dieser eine Schicht
von Damnierde ( I' '." lieft. Ferner ist das Mosaik an*
weisse u Stiften von Bacherer Marmor, der bei Cilli bricht,
die einfassende Bordüre, eine Spira. aus braunen Stif-
ten eines gleichfalls in der Nähe vorkommenden Steines
gebildet' ; also mussten um jene Zeit die Steinbrüche
der Fmgebui g von Cilli schon bearbeitet und in der
Stadt selbst die baulichen Kuustzweige ziemlich ans
gebildet sein. Die Mauer, welche Hr. Byloff zugleich
mit dem Mosaikboden aufgrub, zeigte genau jene
Behandlung des Bewurfes, nämlich die stufenweise
Verfeinerung der übereinander aufgetragenen Mörtel
lagen, wie sie aus gleicher Zeit in Pompci vorkommt
Von derselben Art dürften die Übrigen Mosaikboden gewe-
sen sein, welche ISO!». 1S:'I>. ]$:'.;>, 1*17 u. s. f. au \er-
1 > -»..-••MIZ Allti H-lll-ü.wl, KL . Ir. ii. Ii r-U r H ,-' A r Iii IMUü'H.
VV. - A.,:i Hu Am - liiiUj-i, ... l.t<U «;«i>l . r 4 .-r l.v<r|4inni üili., > * '
* / 1-- I' ' v l «■ ■:• v-l-.'r... in Miti-1-N..Tt. um , ij.-l.-i. .1».t ;.»i;l lv, .1 i » C-.l
K'x 'li.'r Ot, v. (r ,t i.'ti^^ii i l»|.M . I nl - , l,t\-t .Mi_ni. iplutu n l.itiilt , — * N * "
.1. r ■- it t .it riM,.-,, «,f-,l rl.ei-i . V. 1 1 Ä i ^ 1 1 . It.li |!, f tCl.tr , jWy.t Iii di I 1; ' 1,'ti"
llcr k (. MÜUJ Hu J \ IM tltl i- « «'Iii. I > - • M o ir. tu m- Ii , \ .Tt^.l vir., i i:.. Mü"" 1
«••-ei,., in .Ii-» K.i:--. r/. :1 H.ro hl., <1* r - ?ii h> . I.— -II,. l.»fl .1 \V III u- n
^ . — * Vi |. |l > I ,t i i ^ m-||..|i nii.-cTiii.rtt-iii Hern Me
Digitized by Google
LXIII
s< hieilenen Punkten aufgegraben wurden, aber grUssten-
tlieils wieder zu Grunde gegangen sind.
Kaum 30 Iiis io ,lahre hatten als» hingereicht,
einen früher nirlit einmal genannten Ort so Idtihend zu
machen, dass nicht iu der .Militärstadt, sondern im Muni-
cipimn scIIik» prächtige Neubauten itltcre verdrängten,
ja dass sie mit den Kräften der Stadt seihst hergestellt
werden konnten. Ks hat dann freilich nichts Befremd-
liches an sich, wenn römische. Proenratoren hier ihren
Aintsitz aufschlugen, und wenn wir aus der folgenden
Epoche der Antonine weitere Spuren von Prachtbauten
finden, wie Fricsstücke zierlicher Arbeit ans der Hadria-
nischen Zeit' und selbst eine mit Ojiadcrn ausgelegte
Siinlenhalle ". — Wieder andere Trllmmer zeigen viel
spatere zur byzantinischen Weise hinneigende Ornamente,
und erinnern an die lange Blllthe des Ortes, in welchem
die ansXorikcni gebildete Legion ihr bleibendes Haupt-
qusirtier hatte, und wo noch zu Constantius des Grossen
Zeit der kaiserliche Statthalter rc*idirle; aus der Zeil
der kurz vorhergehenden Deeennien wird er geschildert
..als eine mit Keichlliiinicru angefüllte, dirhi bevölkerte,
durch ihre Besatz ung mächtige Stadl, berühmt
wegen ihrer edlen und ausgezeichneten BUrger, ihurin-
gekrönl und prunkend mit marmornen Palästen , und
für Kriegsfälle in Folge hä u figer 1' e h nnge n
»ehr wohl versorgt- '. Man sieht aus dieser, wenn auc h
späten Schilderung nicht blos wie blühend die Stadt
war. sondern auch welches Oewicht in ihr die Militär
Stadt hatte. An der llandclsstrnssc von Atpiilcja Uber
Kniona her gelegen, konnte dem Orte die Errichtung
eines befestigten Staudlagers in nächster Nähe nur zum
Vortheile gereichen, l'nter dem Schutz «1er Börner und
durch die mannigfache Anregung, welche die rnhigen
und verständigen Einwohner aus dem Verkehre mit
ihnen erhielten, konnte es nicht anders kommen, als
dass der Ort rasch aufblühte und die römische Bildung
tiefe Wurzeln schlug.
4. l'nter den vielen anderen Monumenten, die Cilli
aufweist, soll hier noch einiger gedacht werden, die chic
Erscheinung an dem Funde unserer Inschriften erklären
und nns eine Schattenseite der glücklichen und gesegne-
ten Stadt kennen lehren. Ks ist eine mehrfach beohach-
1 Ein '^Mif, i»-:h riunlis-li. r Wri-i; mit Cm „Tjü^tj . /..im. ■ Inn*! un..l
c«*ii: Hirten C'oDiL.l.'D ^L'.ctimnrktt-^ liv-jlli„e f Amt nilji I nel'rn >inrm <"U
trlg]*f>b>itrjiir*lj; aii£nl.r»i fati'D l'frll. i. 1k.ii «ti»ÄC»t«lr»-teii )<i »bd< nk m.il* . 4*.
v,-r..r lu »hi,r \l»< h.- riit ..-.*itn!l. Hru»lMM iu ruudr? AiL.ll /.tm. Wim
t'mh»n wiiie* llini nVrKit d-r k k, Itf , Ir k^liAur.!" 1 *" ..»i I: |U«i>. -'Ii I-Al
huch.'T Tli'-r»'' lili,udi f*nd nun r rtwn :m .l.iiirvii ,c»m i s'»:i '•■»] v i- •' — In'
I.41UC uud *' Itur.'h m . «I. . V..-II .'.-l-vntcn t ijm.'li nrn. iin.t .in d< r Hü' k v. tii-l
■I,'« «liiiö^. r.nikitu ii ll*u>.- rlei. kirim: thr<-iirinl<. l'Unr aiL, llrr.^7- . >K.
Ii. Knut': Mitih ii M.,i V,.- r. Si. s m «ut V „u fttnutr in:.
AuiIi lii,r>irill^ri.|ni> k«»i»n (Imilj t.tt T«k» , iudn.-h iu klö'sll. Ii, in
^Url4ii-1c. dftn lt"\ t>(ftninii|i, /nm«l Anhaltspunkt, 1 ^'ir «Ii» 1 (.r.>n ili*
InrtlirintUrliu Itti'.eu, k*um inajfllrh. iruii diirftr. Per *Itil', in -rlu*r jii'ii*»-'i
<ii«l«H «Ii, • l*r.»irl«er cfrllrr :n ,' riffri), ir.^1 dir Z«-il«n . . . «3III.M-
Itk.Ir'.r ) r.xri osvKi:i. ml: urjjx-u j<n>.ti
lliirli.t-il.il Hrr .indtr.-, <iii. 'l"»frl ».>u .VI" t jir»«« iil», Kail, ll.i'»i.u IUm!
;,hit nii.l V iu lit, triiit i-iiio iur IlSiftr iraui v« r -<u:r l_i/»Hn., i.,»N.r|it.;i. du-
titCi-itM in d*tu .-bon n tkruitva tl r«tid«nkin.ile fch, tu. t»lr Tufrl U: **ni-
viucit. mit <.inir.il.il wrnorliir, K»kliicn unnjfli,». Ihm KuuJUnuvie iiu--
»<it-T»ii V tr .nrh-n .iul<.-| ort M«I1i«ii .Olli..' N<ni,or. .i.il 4«rn »frlf liir ,1..,
lUrrn f«m,mi..i- S , h t l < < r «n dir k. k Cremt-) Vmrr.i..|.io rmn. iiuiiri. -
' Clnr ui-iiiiJ« l»r.:r|]iiu« flüHn M,h in 4t> rarhrmril, t ,ii,nn1.n ll. r-n Itvi il>
Aiiruthiurii ilt>x; diu MuH«»»» in ( Uli. jit/r In -t,r lllblloihrk <1-- k k MÜ1M-
und .\,.rlkr„.C'»l.|,i.l.. — K.i,.- II- .rli/.-S(.,iiii dir.», ..Ii :it.-.. rl»u». rk.- Am
l ud« ,1,-r |Utr«i.i-M(, B-K-B iL n l'l»lr l,.n, U.ul . ... «in,.,, ll-I.äfld.. J«> HUI
.l.iii .S.-Iiürlpl.ti-- ii.nd. und,- -nb ti>.|rn r|.i^r l>n,r.,i. >.ii.l. <; S.iil:,
V. .13. iW. Jlklb. d l.lt. III Ii:- Vtt l'l.in t lldc- . In Vl*r..k »..o ^■-l 1 .„»l,,.
Maucru Viii i»V M. :t°r <•■' r>l.k. .1*> »hrt hin- •_•:« l.in^i- und ir.° llrrlt,-
I.Jttr; ur ilnr. n ,-iii*n Mitt«-tu*.i^ in .ri-K- s« i:.-n r'iumr iie rl-.rlll. ilrri il
1|AU,rn litt K*lk tirilcllity in.'t, . M«rni"r nn-1 Sflnd-t. inpUll. Ii >t«.-.d*.r und
w«rjr,.hi-liilHi den Cntrirlritii , In», b.^hrr. t.rb-liidr- lii'-li ii ii, rn "<l.tu-jn viel
Ii l-:)it «urh diu <>brti iu)|jrriilirlMn , »rl mji,lv,ii Süillwn i.-hcirten l.'lu T r ni p r I
"irr tilt-r nli-lit nu'..iliT,rli,l,ili,li tu vrranilhiili , d'tr.li dir II, irnllruaii dr»
l".>lr», -Ind d|> li|..,. e <|. t rrn >lAqrm «trd. r nrj.l. Iill.it «.» r.Un — ' |>i.
S^SlH.riimi riilirl »u, dti r»«itrr> U'iiKli. dr. XJII J«litiiardirtn hrr. VIIA
S -MitlltmlU.iul Arvliii-j.. l.»wr. 1'. / I. r-l. 2.1, n. ;l.
tele Erscheinung, dass Uber dein ehemaligen römischen
Strassenpflaster iu l'illi eine mächtige Schicht von
Sannschotter liegt, die häutig die Stärke von scetm
Schuhen erreicht. Auch an der Fundstelle unserer
liischriftsteine nnd des Mosaiks im Dereanischen Gar-
ten ist dies der Kall gewesen, obwohl sie noch jetzt ziem-
lieh weit nordwärts vom FlIlRschcn Saun entfernt ist und
ehemals sicher noch entfernter war. Herr Bylofl' fand
auch die oben genannte Säulenhalle am Ende der „Hcrrcu-
gasse- gegen den Hauptplatz hin in einer Tiefe von mehr
als sechs Schuhen . also an der unserer Fundstelle ent-
gegengesetzten Seite der Stadt und dem l'fer des Flltss-
i hens ziemlich nahe. Damit verbindet der Konservator
Herr Stheiger iu dem schriftlichen Berichte Uber den
neuesten Fund von Inschriftsteinen an die k.k. Central-
Connnission tlie fortlebende Sage, dass nach der Zer-
störung der Stadt in der Zeit der Völkerwanderung im
oberen Sannthale ein grosser See sein Becken durch-
brochen und das ganze untere Sannthal überschwemmt
habe. Emilich wurden mehrere römische Inschriflsteinc
in der Sann selbst gefunden, die der Sage nach
auch einen Theil der Stadt verschlungen hat. Wie
damals, so müssen auch schon früher grosse Wasser-
gefahren Uber die letztere hereingebrochen sein; oben
ist angegeben worden, dass ein Mosaikliodcu (in der
Postgasse l.Vi unter sich eine Schicht von Kohle
und Schutt und unter dieser eine Schicht von Flusskies
^2' tief) gehaltt habe, unter welcher erst die Dammerde
lag. Das dürfte ein Zeichen abgehen, dass schon vor
den Neubauten unter den navischen Kaisern ähnliche
grosse rcbcrschwcmmungcn wie späterhin stattgefun-
den haben. Mit dieser Eigenschaft des Flusses nun
lassen sich sehr wohl ein Inschriftstein und mehrere
Bebels verbinden, deren Existenz in f'illi sonst unerklär-
lich wäre.
Im Atrium der k. k. Hothiblioihek rindet sich ein
um 1727 ans Cilli hieher gebrachter Votivstcin, welchen
noch Duellins an der Aussenwaud des Kapuzinerklosters:
in ( illi sah; er ist ein Allar, •_>• 7" hoch, 1' 6" breit; die
Inschrift lautet '-.
NKPTYXO
AVG SAC- CEKEIAM
PV BLICK
Bei allen Inschriftsteinen Cillis einhalten die Wid-
mungen nichts Seltsames; sie können leicht ans Ver-
hältnissen erklärt werden, die eben überall im öffent-
lichen und privaten Leben eines Munieipiums voraus-
zusetzen sind : auch darf man nur hie nnd da ein beson-
deres Ereignis* als Veranlassung annehmen, indem tlie
Votivlönuclu sehr allgemein gehalleil sind. Wie aber,
liiuss man fragen, kam die Civilstadt, tlie in einer von
Höhen umzogenen kleinen Ebene lag, an einem FlUss-
chen, das durchschnittlich nicht mehr als 30 Klafter
Breite hat, dazu, öffcnllich, also nach Bcsehlnss der
ganzen Gemeinde und auf ihre Kosten dem Neptttnns
einen Votivstcin zu setzen? Ebenso nehmen sich unter
den Übrigen Bebels, die iu Cilli gefunden wurden, jene
seltsam aus, welche wenigstens jetzt keine Inschrift
mehr tragen, aber mit jugendlichen gehörnten Köpfen
ausgestaltet sind, die breite Gesichtszüge und dichten
Haarwuchs zeigen; aus letzteren ragen statt mensch-
licher Ohren Slicrohicn hervor, über diesen sitzen kurze
■ J tl Si-Idt. .■i.lj.-r. K.riir» VI, S, I, IW J4hrl, • > Kl « « ti V,
S. » (W. J«hrli. 11.1, Am III,)
Digitized by Google
LXIV
starke Stierhörner. Ein solches Relief befindet sic h im
Bräuhanse im he am LaibacherThore, ein »weites am „An-
tikentbore" im Freihanse, ein drittes am Knthhatise ein
gemauert, ein viertes nicht mehr vorhandene» befand
»ich in der Kaserne '. Man hat -sie auf Isis gedeutet;
allein wenn auch anderwärts in Steiermark Yotivnteine
711 Ehren dieser Göttin gefunden wurden, sc» fehlt doeh
in Cilli bisher jeder inscbriftliehe Nachweis filr den Cult
derselben. Auch /.eigen die Helictköpfc weder die Lotos-
blume noch die flachen Mondhörncr, welche der Isis
beständig /.ngetheilt werden; vielmehr verriith der dicke
runde Ansatz der Hörncr, der kurze Schwung an ihren
Enden um! die Derbheit der Muskulatur des Kopfes
deutlich ein stierartiges Wesen. Viel näher schiene uns
die Deutung dieser Ueliefköpfe auf eine Flussgottheit
zn liegen, und dass mit einer solchen nur der Saiintlnss
gemeint sein kann, ist bei der Natur des wilden kleineu
Wassers, das an der Stadt vortlberfloss und sie zu öfte-
ren Malen überschwemmte, einleuchtend. Man stellte
eben «ach den l'ebnngen der allegorisirenden Kunst den
kleinen Fluss als einen noch jugendlichen Stromgott
dar'. Einen anderen Sinn durfte wohl auch die ohen-
angcfUhrte Votivinschrift nicht haben, als den, von dem
obersten Gotte de» Meeres und der Wasser, von dem
Vater der Simui und Fhissgöttcr die Abwendung ver-
heerender Überschwemmungen zu erflehen. Es müssen
aber grosse und dringende Gefahren ftlr die Stadt gewe-
sen Hein, welche die Gemeinde veranlassten, ihre Zu-
flucht zu einem Gelübde an Nrptiiuus zu nehmen, ob
wohl sie zugleich den Flnssgott selbst durch Aufstellung
seines Bildnisses zu besänftigen suchten.
II. Die Proouratnr von Norioum.
1 . Neben den Namen schlichter Legionäre, deren An-
denken nur ihre Befreiung von den niederen Soldaten-
dieusteu erhalten hat, und welche, in der Militflrxtndt ihr
Leben verbringend, ftlr uns wie alle weiter unhernhiuten
Einwohner derselben kein anderes Interesse haben, als
insoferne sie ftlr die Vertreter der römischen Cullur in
den unteren Volksschichten gelten kiinnen, — lieben
ihren Namen erscheinen auf den netten Cillier Steinen
die von höher gestellten Beamten, unter ihnen wieder
manche bertthmte, die ailch in der grossen Geschichte
des Weltreiches an die Oberfläche gekommen sind und
uns in den Berichten der Gesehichtschreiber begegnen.
Es ist oben davon die Hede gewesen, dass der
Titel Proeimitor Augusti für Noricinn mit r kaiserlicher
Statthalter 11 llbersctzt werden niltsse. Daraus erhellt
schon, welche Bedeutung ftt» die Geschichte der römi-
schen Verwaltung in Noricinn die Cillier Steine haben,
zumal als bis zum Jahre 1803 nur wenige Namen von
Procurntorcn aus Inschriften, die (ausserhalb Cilli i in
Steiermark und in Cividale gefunden worden sind, be-
kannt naren 1 . Zn diesen 4 hat nun Cilli 12 nette Na-
' Au. II y I I r~» <il>«n aii|(u«iihrfe» ZelrhntuiiteA t .-.ii CMlierrn'Miumenrra. —
V'(i J il Mit: a i O s M 1 Viel, «im ikallrkr l'inu;l«Dz tci Midi»
liaJarlr mytho] I, T.-i, HIE; v,il IJe.irrl|,t|[>n.d*ft pietrt, gravi','! du dm d'OtUao»
I. |>. Ii? — * E> .lud r..U«Eilc tn,cnrirU!cii>n : t. »'. Hi«d(l> P r ( u | Altlc» )
II rlr. J il | prinie,pll lea. V tiiaee,l»rt|e.jira«i | eiiiutlimi Mnrnaeet Trrl*allUe.
• •rar.. ,|,||J1 | ir> »lpt1" ^lirkluii'U (r. mit. roh ; VIII . pr. prlm pkl «er l'rr.tn
rator | T l'Uudl fecjantAiiic fiermaal*! J InN-jhc? | elTktar. '* sae, iiuiq cl Lakau-
earbui. — II >4. (JhJ, I alailrr-n I praelet! | praetor ' I.. l'atnml | S*,-uitiill | p. p
praef l«g. | ,«•«.-. Allij »n-le», a°» S#,k»u. II. K u»l.l, Min«. .1. hi.t V«. I
Rlei.eir, V iuS «IM VI, lf.,\l.r.!lrnml ihn mll KTnier Wahruhelnlkhkcii an. die
Zell zaluhtu 1:1» «. l.V» n. Chr. III MJtSraiit.li. IM.", am Ii»' her*-rblrxr bei
Mnrn U»l (.'.linden. M. | Venu | pröe. 1 A« | lue | |»„ull. >eldl,
•pur. lue«,, V. S. U. .. iW Jahrr. J 1.11. 11,1. u:.. .\,„. Hl.l - IV An. K.l-
r.i,>l.li. «.vi S> II,««-,« 1.-1 r.UU. I. O U i M...|inlu 5 | 5»", -u, b.nef. I C
inen geliefert, so dass jetzt 16 Proenratoren bekannt
sind. Von ihnen gelang es jedoch nur 7 der Zeit nach
zu bestimmen, indem bei 1» Namen jeder Anhaltspunkt
fehlt, um eine sichere Zuweisung in das eine oder das
andere Jahr oder uueh nur Jahrzehend vornehmen zu
können. Die Name« der Proeuratoren sind keineswegs
ungewöhnlich, vielmehr es begegnen in anderen Inschrif
ten sehr viele ähnliche, auch bei den GeRchiehtsehreibern
finden -sich zahlreiche Persönlichkeiten mit ähnlichen
Namen. Allein es mangelt, zumal bei letzteren, wenn der
Name selbst zutrifft, der Vorname oder der Beiname,
oder es sind dort mit den gleichen Namen andere Vor-
und Beinamen verbunden, als die Proeuratoren fuhren
in anderen Fallen wieder befinden sich keine beglaubig-
ten Mittelglieder, mittelst deren wir einen Proenrator-
namen sicher auf diese oder jene von Gcschiehtsehrei-
bem oder in Inschriften genannte Person bezichen
könnten, so dass also nur das sehr weite und unsichere
Gebiet der Vennuthungen Übrig bleibt, deren freilich für
jeden Namen mehr als eine aufgestellt werden könnten.
Es durfte zweckmässiger sein, noch andere Funde abzu-
warten, welche der Cillier Boden an jener Stelle sieher
noch gewähren wird, und vorläufig au dem bereits ge-
wonnenen Materiale jene Ztlge zn beobachten, die ge-
eignet sind, von der Verwaltung Norieums durch die
kaiserlichen Proenratoren ein charakteristisches Bild
zu geben.
Zu diesem Behufe möge voran die Reihe der dem
Verwaltuiigsjabre «der der Epoche nach schon bestimmten
gestellt werden und ihnen jene der noch unbestimmten
folgen. Zu ersteren mögen auch die wenigen von Ge-
sehiebtsebreibern genannten , in Inschriften nicht vor-
kommenden Namen gestellt werden (sie sind im folgen-
den Verzeichniaa mit einem Sti rnehen bezeichnet):
41 — 58 C. Baebius Atticus (Cividale^.
* Ü8 Petronilla Crbicns (Tue. Hist. I, 70)'.
!<6 !»8 Mcinniins Apollinaris i Cilli).
138 — 161 L. f'aminins Seeundinns (Seekan).
108 l'stienus Seeundinns 'Cilli).
I,"i9 Bassacns Hufus (Cilli).
160 Flavius TitiamiB (Cilli).
* 203 Poleunius Sehen mis i Dio Ca««. 76, p. 864)
244-249 Clpius Victor (Cilli).
Zu den noch unbestimmten gehören:
C, Anfistins Aitspex tlteifcnstein).
i). Caeeilins Kcdditns (Cilli. siehe das Verzeichnis*
oben No XVIII).
C. Censorius Niger (Cilli, neuester Fund No. 3, 4).
Drasns Proeulus (Cilli, im Verzeichnis» No. XIX).
Q. Lisinius Sabinus (Cilli, im Verzeichnis« No. XIV
bis XVII).
| \ii»j,i, |, | |.rir An* | i , «, I m. 8f i d I. In den epicr Enurscn V, S. II,
So t*;Wr J«>,rb J I n Ud III, Am. III • • Von l*kr «(»»<*> Wichtigkeit
«irc rln auf dem Sehlvi »borge zu j.litz Im lAnd* ob der Kua gefundener
llnh Tlr: , wen , der.c'b« «rliaKvii nüro; von dwr !«,,.< hrtfi kann ülir
„»]. ...rilan il« l ... ol Untllf ' foiil, AI i lu.l'mltKl | (Ir-ilm,!,, Jt. p">-
,'iir«*'>n») «cl- Prlts. Gc«chl<bt« dca Luid<i ob d#r Ku> I, 44 und
} O • i > h !• r|« r Inn XIII. Befiehl d<l M.,»eum. Kr»mUe« Carolluwc I«5.1, S .'id,
Nu. f,v Ohne /«u£r«t kttod M*r dor Namo nio«. Prucuratnr prfc**r>. il. h. riii**
k«J..rll. itn Sunl,»ll.»» l>< d„r «r,1» Nleia Im l'rrtimicliin, drtdru Süll
balliir ntnnl. Leider l^t rmn de, Nanir (1c«^elbl•ll Dlehtmclir zu entrüttuf |R; 4fr
M«ln wl-d ubrlccn, In dir Zril n»rh M. Aurel TcneUt, wtleher 4le lr<(o X vom
Uhrln nie,, Norlrum b«rU-r, w-> «10 über ÄHO Jahr* Turhlleb.
' Ur.-lll.WJ» — ' «u<ur, »«l.-lnrauIdl.^SLIinaofnirrk.unmaeM«,
»riKuth»!, .l»>» Her >«»T» il. III» III. i u IV -imriia.nntr S»»tlltn« Kell» auch
Pruesrat.ir v.m Surlrum «ar; er hatte Im hanipfc Veipvlmn. rull Vllelliui arilt
»leer »urUnJtchi n Kelter- 1 haar, aeht < - oli^n. u »lud der c o r I , , r. e u .1 o t o n d
den Iud zu b«j.<z,n,iiin der. an Vilelliu, feaihallund»» Pr..<urai..r P mlo« S*z-
Ublnu. zu t>.ul>nehiui. Mi t li,liUl »~hl. iUm .Se.lill«. Pi.iiim« von Xorifom
»«r; «IlDlu aiiA.lrüekll.l, l>i d,,., nIOit «naef und ►• mit kann er eben aneb Bin
änderet Heerfiilm r In 'I. n,. V«>p»>l»n auha^ll, hen Heere iiiruii •»!>.
Digitized by Google
LXJll
Plautius Caesianu« (Cilli, im Verzeichnis» No. XX).
M. Porcius Veras (Maria RostV
G. Rasiuius .Silo (Cilli. neuester Fund No. 5).
(Rn)fus?Gentianus:(Cilli,im Verzeichnis» No. XXI).
Endlich lassen sich dieseu noch anreihen drei prae-
*ides Norici .mediterrauei- mit dem Titel: „viri perle? -
tissimi- au» dein Anfange des [V. Jahrhunderts, nämlich:
Anrelius Hennodorus (311 n. Chr.)'.
Fabius Claudius (aus der'/eit Constantins d.O.. an»
Seckau) -.
Martiiiiumis (etwa 3:57 n. Chr., au» Cilli)'.
In Noriciun ripense wird au» derselben Zeit Aqtii-
liutis als Verwalter genannt '.
•2. Wie bestimmt und herkömmlich festgesetzt das
allgemeine Schema fllr die Verwaltung des Reiche* der
RJiuier w ar, zumal zur Zeit der Republik und der Kriege
mit ausländischen Regierungen, st» schwankend und
veränderlich im Einzelnen müssen jene Einrichtungen
bedacht werden, welche in der Zeit der Kaiser von die-
sen selbst, und in den ihrer eigenen Botuiässigkcit
anheimgegebenen (kaiserliehen) Provinzen getroffen
w urden. Denn einerseits waren sie bei Verleihung der
Stelleu, bei Erweiterung und Einschränkung der mit
diesen verbundenen Befugnisse unabhängig und an kein
Herkommen gebunden; andererseits waren die Verhält-
nisse in den neuerworbeuen Ländern, namentlich in jenen
an der Üouaii. noch zu neu und zu wenig eonsolidirt, als
dass ohne Weiteres die Anwendung des allgemeinen
Vcrwaltnngsiiiechanismiis auf sie hätte statttindcu kön-
nen. Sehr bezeichnend ist dafür die Einrichtung einer
neuen Verwaltungsbehörde der kaiserlichen Proeura-
tur in mehreren I'rov inzen, die gegenüber den soge-
nannten Kcnatoriselicn (von Augustus dem Senat zur
Administration Uberlusscuen) als kaiserliche Provinzen
zu betrachten sind. d. h. als solche, deren vorwiegend
militärische Verwaltung die Kaiser sich vorbehielten,
die aber auch von diesen wieder in mannigfacher Hin-
sicht abgesondert werden müssen.
Schon die Entstehung der Proeuraturen deutet ilar-
auf hin. So bedeutungsvoll nämlich der Gedanke Cae-
sars, die natürlichen litviucn des Weltreiches zu gewin-
nen, lllr dieses geworden, so politisch nothweudig und
bewuudemsvverth er gewesen ist, so lässt sich doch nicht
in Abrede stellen, dass seine Ausführung zugleich den
Kaisern aus dein Julischen Hause sehr zu Statten kam.
Nachdem die Eroberung Gallien* das militärische inter-
gewicht Caesars begründet und seiue Finanzen gehoben
hatte, war die Politik der nachfolgenden Kaiser, nament-
lich von Tibcrius, Caligula und Claudius darauf gerich-
tet, zur Befestigung der Hatt-marlit und der ererbten Stel-
lung im Staate Provinzen zu erwerben, die recht eigent-
lich KroiigUter genannt werden können. Hie Erwerbung
selbst wurde nieist mit grosser Feinheit vorbereitet,
manchesmal auch mit vieldeutiger Raschheit durch-
' Or.l II khs«. d.r »I.Ii, I« In BranJ.lriur in Kürnli.cli. - ' Ortül MW.
•Mi" K«'.'.r.. II,». i.V* (W J .1 1.1. K in;, «v» s.rkan -<s, , .11
• m. O s. It O, „in. _>P« ,cr Anür I p ». S« au» i,r »IU St II«
rl.ni. K ni.lii-.r.u h«ari..nunii.n «n muti, nacb p 10 mli dar U<.ild«nt In
T.ni.rla.um, I^|,1,„t I.. dl. Kucnild»»«, »t, dir »liil ,1,1.11. «... M .rl.l auf
»«•flihrlc I>«I«ht,Iu. S.ti«unu. l'r„rurai.,r «.„...ii *.|. IM,. r». 5! „r IT«, |. »CO
• rt&hll. da« «r wo«. ,. >.ln«r fre»h.n l ur.crtobtltk.ill.il - 1,11 Jim PrK.ti In
l'.i.noiil.ii Sabli.ui rf.n N„riWni inr Tcd«sir*r* ao.e.ln.r.it «„r.t.n, «a^as
V<4|. jpr,rrti. rniTTi,r,<«|-. - .111 i,r ift „mrr IL.xUruni: ( ülirr ml nirk,u
NdUII-l,.. «.tn.li Iuliio. !>.-. Im b.n.kl.n.n.l rC. dl.- Varaaltiin«,
(..■Uli. «ual-lrli t>ur«.rtkli und ir,ll,l»'rl-rt, IM
IX.
geführt So geschah es mit Cappadocien. Schon bei
Lebzeiten de» letzten Königs Arohelaus wurde von Augu-
stus ein lWnrator eingesetzt 1 und nach des ersteren
Tode von Kaiser Tiberins die Provinz eingezogen und
bis auf die Zeit von Kaiser Vespasianus durch einen
Proeurator verwaltet*. Nach Thrucicn sehicktc Kaiser
Tiberius einen Beamteu mit praetorischem Rang« gleich
nach dem Tode des Königs Cotys, um für dessen Kinder
das Reich einstweilen zu regieren, römischen Einfluss zu
siehern und das Volk an die römische Herrschaft zu ge-
wöhnen ; Clandius macht das Land zu einer Provinz schon
im Jahre 4»> und stellte einen Proeurator auf. Ebenso
bestätigte Tibcrius den Sohn Juba's, des Königs beider
Mauretanien, Ptoleiuacus und zeichnete ihn mit
den alten Geschenken des Senates, einem elfenbeiner-
nen Stabe und einem gestickten Rocke aus, als Bundes-
genossen und Freund 4 . Caligula tödtete ihn. da er
„wusRte, dass er reich war* \ Claudius theilte das Land
in zwei Theile und richtete Proeuraturen ein r '. — In
den Seealpen war der Konig Cottius selbst nurmehr
eine Art von kaiserlichem Verwalter'. Uud um noch das
wichtigste I-and anzuführen, Aegypten wurde seit
Augustus durch einen Proeurator verwaltet, der unter
dem ausgezeichneten Titcl r Pracfeotus u das Land regierte,
in welchem Sinne, darf nicht gefragt werden nach den
persönlichen Beziehungen, in denen Caesar und Augustus
zu Cleopatra gestanden hatten, und nach der eminenten
Wichtigkeit des Landes für den jeweiligen Herrscher
in Rom*. Dagegen ward Judaea schon seit fi.'i v.
Chr. vorzugsweise Stenerland, dessen Könige, soweit
sie anerkannt wurden, nichts mehr als Proiuratoron
waren \
Als Gründe, warum die genannton Länder in abwei-
chender Weise von den übrigen sowohl seiintorischcn
als kaiserlichen Provinzen verwaltet wurden, gibt Becker
locnle Besonderheiten an , welche die Durchführung der
römischen Einrichtungen in ihnen sehr in Frage gestellt
haben würden, wenn sie sogleich versucht worden wäre,
so theils den gebirgigen Charakter des Landes, wie in
den Alpen, theils die niedere Stufe der Cnltur, wie in
Thracien und Mauretanien; tbeils endlich die starre
Anhänglichkeit der Einwohner an dem Hergebrachten,
wie in Judaea und Aegypten. Diese Gründe troffen aller-
dings zu und in einzelnen l*rocuratnren , wie in Radien
und Thrncien. wurde die Verwaltung späterhin nach Art
der kaiserlichen Provinzen wirklich eingerichtet; aus
welchem Grunde ist aber wohl noch zweifelhaft . indem
die Ausbreitung römischer Cnltur ja auch lllr andere
{.ander nachweisbar wäre und daher auch hier die
Änderung in der Verwaltung hätte eintreten müssen.
Es istauchganz möglich, dass diese Gründe vorgewendet
worden sind, ja dass sie für den Anfang wirklich die
' l'io t :«».lit. II. — 'Tu . aun. 11. 4». Swl. TU. »;. t'aJU- 1 - Voll. in»
II. 3». — Kai>rrTit-rrla» >'"♦"' Um » lc Thr»„ y|...]|. ...n S. bim ., I-.. :. i. n und V. r-
.^T^hundf n ntrli |{«m rlDifrladru und al-dann beide nl-lit m.lir wrricrlUM:i,
— Hii c k . r. 1Mb. .1, rüui Ma*t>altvrlli. III. I. S. IUI. - 'Tarlluj, Ann II. «17. ■ -
* E u * . l> I u a, Chron. l> 1WU Iii. < Iht*. tiii.*«» Thttnr« »». .^!i.>ii » >tn Agtlfi t
.»ctM »t<rd«ii. — 1 T»c. Ann. IV. ?U. ■ * mr ttfi\ht Zu r-t'.-i-il Dlt. i^*f-lii" i:i.
» — * tiinC««« .1:0,». H I I n Iii. V, I, > 11 II • V: .:t-,\ ■■•nute M.« »I . r.i<-Oi
Awnn n<il;iir>ti «rrk lil.l.n Hcnru .pr»nf.ttu>" H>-i Mb r.f.: K.i.rr 1 UuJIu. ver-
^ri.non. U"th sein (i.bk*t. In wrkhtni .r Ilm ■n,-rknini hmr.v Sit.- f.'.k nncii
<.ibihiiTh.Ii. dv.ii llKtln Surlc.il. S.10. I* — • l>le K«i>rr wnlltfli dl- Tjnd. <l.i>
din .^r»Ui:lirh.le (,«!/. i>la|im »m« li.r Knai aar, al.lil . in.u, Slaal.imn.l. 1. ik.r-
j.b.n. iltr bil ctw»i|i<-r K.tclllnn \(^m .l.r> d.Ti lairM Lrliaapun und dla
sia.tl dur.t> lluux. r, w.m« »u.h am. i«, (ro.nr Kntrnrnutii:, ml Amrldii.»»«
i.lniCT. k ,n..U. Tai. Iii« III. »; MI, «l>. Vgl. B«<..r, lldli. d tSm. Sw«l».
«Ilatlii. III. 1. S- tm 9 »i-hr b.ltl.lmcn^ Itt. da» S I'MI-v adr Klar. T- VH7 du
I .-.ml da> cr'i».;« all ■! IU-. U» Iii Ii nie 1 li.nnl f. 11(711:.. tiir. a-T.i.ii uu ,
urddaa. Ta.llu. »icn aunliärkla _t). |,.»auit Ol l»».l InCinult- Nl.l.l al» -laar..
iluttäac. ! ..dorn all Kinn «dnr llin,|(Tit nalitn Kai..r Aiicu-m. .la» Land fii
.I.D In K«,.t«. » ll.ik.t, IKudl. .1. r. m S^aOalt. rit. III, I ;«.
i
Digitized by Google
LXJV
massgebenden waren. Demungeachtct kann man «ich
des Gedankens nieht erwehren, dass auch die Hanspoli-
tik der Kaiser, namentlich die weitsehanende und feine
der Kaiser Aogustus und Tiherius, mit in die Hinrich-
tung der nen erworbenen Länder hincingcspiclt habe, in
der Absicht, ans diesen, wie einzelne Posten durch das
Keieh verstreuten Gebieten, Domänen der Krone itu
machen.
Es erhält diese Vcnnutbung noch mehr Wahrschein-
lichkeit, wenn der Charakter der Verwaltungsbehörde,
die in diesen Ländern eingeführt wurde, in nähere
Betrachtung gezogen wird; namentlich der Titel, die
amtliche Lantbahn und die Competenz der Procurato-
reu wirft einiges Licht auf die Sonderstellung', die
sie im, Körper der rtfmischen Beamten eingenommen
haben.
Voratis inuss bemerkt werden, dass Procuratoren,
die ursprünglich eben nur „Verwalter- 1 der Guter von
Privatpersonen sind, als deren Sclavcn oder Freigelas-
sene am häufigsten vorkommen. Eine hervorragende
Stelle nahmen unter ihnen die kaiserlichen Procurato-
reu ein, die alle zunächst Verwalter kaiserlicher Güter
waren, also zum Status der Hans- oder Hofbeaintcu
gehörten. Demnächst bedeutet Procurator einen Verwal-
ter Uberhaupt und es ist wichtig, dass bei der Theilung
der Provinzen in kaiserliche und senatorische der Name
auf jene Beamten in den erstcren überging, welche die
Finanzgeschäfte der Provinz leiteten; sie waren sehr
angesehen nnd standen dem Militärgouverneur heigeord-
net, in derselben Weise, wie es den Proconsuleu in den
senatorischen Provinzen die Qnästoren waren. Sie waren
Kitter oder Freigelassene und führten zur näheren
Bezeichnung ihres Amtes den Titel lVocurator seit Dio-
cletian mit dem Beinamen „rationalis- ; wir heissen sie
im Folgenden Finanzprocuratoren. Endlich trugen
denselben Namen „proeurator - jene Beamten, die in den
weiter obengenannten Ländern, als sie römische Provin-
zen wurden, an die Spitze der gcsnmnitcn Verwaltung
traten. Wir bezeichnen sie znm Unterschiede von den
zuletzt genannten kurzweg als Procuratoren.
Schou der Umstand, dass die neue Behörde jenen
Titel erhielt, welcher vorzugsweise mit Finanzgeschäften
verbunden war, weist darauf hin. dass man als die
Hanptscitc ihrer Thätigkcit die finanzielle betrach-
tete. Sonst würde gewiss irgend ein neuer bezeichnen-
der für sie eingeführt worden sein ; sehr nahe lag es,
dctiTitcl „prncses" für sie aufzunehmen, der zwar im All-
gemeinen jeden Statthalter bezeichnete, aber insbeson-
dere dem der obengenannten I*rovinzen hätte beigelegt
werden können, indem er durch diesen Titel von den
bestimmten der Statthalter in den kaiserlichen Provinzen
(legatns Augusti) und in den senatorischen (proconsnl)
deutlich hätte unterschieden werden können. Allein,
obgleich auch der Procurator hie nnd da den Titel „prac-
ses" wahrscheinlich zur Unterscheidung von den Finanz-
procuratoren fährt, so ist fUr ihn der oiBeielle und daher
vorzngweise in Inschriften und von Geschichtschreibern
gebrauchte der eines r procurator". — Es stimmt
damit Ubercin die Consequenz, mit welcher ein Procura-
tor während seiner amtlichen Lanfbalm ftlr Finanz-
geschäfte, verwendet wurde. Die Laufbahn dnreh die
höheren Ämter begann für alle Beamten mit dem Militftr-
' U.tkrt jl l. tl s. hui. - •■ V«i. M.ta*rT»,lti.,.W III, M.
tribuuato; die Vertrautheit mit dem Commando Uber
eine Hceresahtheilung ist durchweg die erste Bedingung:
dafür. Bei den kaiserlichen Beamten, die keine Procura-
toren .waren, führte der ordnungsmässige Weg der
Beförderung stufenweise durch alle jene Stellen empor,
in welchen die verschiedenen Zweige der öffentlichen
Geschäfte repräsentirt waren, das Finanzwesen, die
Polizei nnd die Justiz (die Quästnr, welche die nächste
Stufe nach dem Militärtribunale ist, die Adilität oder
das Volkstribunat , endlich die Praetur) ; hierauf folgte
der Befehl Uber eine grössere combinirte Hecresabthei-
luug (als Legatus) und erst dann konnte die Statthalter -
stelle in eiuer kaiserlichen Provinz beansprucht werden.
Bei dieser Art der Laufbahnen durch die höheren Ämter
herrscht eine Folge nnd eine Buntheit, die in jenen der
Procuratoren fehlt.
Aus einigen Inschriftsteinen, welche die Titel der
ciuzelneu Ämter , die jeder auf dem Steine genannte
Procurator führte, nach der bekannten Ordnung (die nie-
dersten zu nnterst) aufzählen, kann die Lantbahn
mehr als eines dieser Beamten verfolgt werden ; es
geutlgt einzelne Beispiele aufzuführen, in denen wie
Uberhaupt immer das Militärtribunal die Ausgangsstellc
bildet. So kam nach einer Inschrift , die sicher in die Zeit
des Kaisers C.'landins zurückgeht, C. Baebius Atticus vom
Militärtribnnat sogleich zur Procurwtur von Norieum und
wird weiterhin r Präfect der Städte in den Scealpcn,
dann jener in Mocsia und Treballia-'. Der auch anf
einem Cillicr Steine genannte Bassacus Kufus kommt
zunächst als Finanzprocurator nach Astnricn und Gal-
laccicn, dann als Procurator nach Noricuiu, hierauf wie-
der als Finanzprocurator nach Belgien (und beiden Ger-
manien); dann erhält er die wichtige Stelle eines „prae-
fectus Annonae- nnd wird hieran! Präfcct (Procurator)
in Aegypten'. Ein C. Jnnius wird, nachdem er Procurator
in den Seealpen gewesen , Finanzprocurator in Astnricn
und Gnllaccicn und kommt hierauf in letzterer Eigenschaft
in gallische Provinzen '. Auch L. Valerius Proculus
beginnt seine Lnufhahn mit der Procuratur der Sce-
alpcn und erscheint dann in Spanien (Baetiea)als Finanz-
procurator, wird darauf Procurator in Cappadocien, dann
abermals Finanzprocurator in Pamphilicu (Lycaoiiicu
nnd Oyhera) '. Titus C'oruasidius Sabinus erhält nach der
Procuratur in den atraefianischen nnd poeninischen Alpen
jene von Dada apulensis*. Sextns Octavius Front«, der
unter Domitian die Procuratur der Seealpen erhielt,
machte früher auffallenderweise den Flottendienst in
Britannien , dann auf der Flottille in Mocsicn und Fan-
nonien durch", sowie der eben genannte Sabinus vor
der Procuratur in den Alpen die Flotte von Ravenna
befehligt hatte, und Proculus vor jener in den Seealpen
Präfcct der Flotte in Alexandrien war. Noch licsse sich
T. Varins Clemens anführen, der nach der Finanzpro-
curatur in Belgien (nnd beiden Germanien) die Procura-
tur von Raetien, dann jene von Maurctania Caesarieusis,
endlich die Finnnzproeuratnrcii in Luxitania nnd Cilii ia
versieht'.
1 V S I. l'.iiMtui .m.1.1 .-..,•» Mt.'/»rnr ,1 Ii S,i4l in 1, <n DvJtr •«<<■■ *"
«•ioam N*m*n>->*Tr.'lt-|i. ,1 !'iirnnll..ri'i. » Ni.rl.iim. Jiiu<r r H'l. \lll S. M —
>.\,«.0. x. .4 Or> Iii — 'in-.-lliW.I >|..,ili.T,.T«,.|.. ist hl»t V Ti.«if-.>it«
(«IlCll 1»JUirl, Hll1<»r IT, »1t «Ulli hl'lKU IllllU.. J«H,I Iii A,MI/I,TI Ulllt I , *l
Iwimi »•...j»«l.»«.MfW..l. 4xuu Vi ,iii»i<t ,.. 4>a S. .-»Ijn-r. qa4 Klrt«ilf »lli«i.I-
|ir,imr...,r in Arn galllxl.'» CroYi.in-.. wiml.' - • Ortlll JrtlO. «W» -• 1 »" »I
an*. -•Oiflli 3UIH. > l>r.HH-y AikIi i,i«r ..riunlW I. K «-l««h l.lil^ in
T.I.II..tj.. , In.l.-i-i »....,1 I..' rinui/j.rnill. lim Iii ü.l«,. und UrmuniLtunr »!•«
Crutiiriliir l.ilgt, niclil «St.r r -.il.l.ri. v,.| ,ii k . „.
Digitized by Google
LXV
Aus dienen Beispielen durfte zn folgern «ein :
u) Dass an die Stelle der Quästur, welche in kaiser-
lichen Provinzen nicht cxistirte, die Finanxprocuratnr in
irgend einer kleineren kaiserlichen Provinz, wie Lusita-
nia oder Asturia auf das Militürtribnnnt folgte.
b) Dass jene Beamten , die einmal irgeud eine Pro-
curatur versehen haben, nicht weiter Adilität nnd Prä-
tur bekleiden, da ja die Procuratur, vermöge welcher
eine Provinz nach allen Richtungen hin verwaltet wird,
diese Stellen gewissermasseu cumnlativ in Bich fasst.
<•) Dass ein gewesener Procurator weiterhin nur
wieder als Finanzprocurator , sei es im Allgemeinen für
die geaammte Finanzverwaltung cinca Landes oder ins-
besondere für ein/eine Theilc, z. B. die Erbschaftssteuer 1
verwendet wird, also specicll in dem finanziellen Depar-
tement. Wenn er nicht wieder irgend eine Procuratur
in einer anderen Provinz erhlilt, so erscheint er fast
durc hgängig als Finanzprocurator iu verschiedenen Pro-
vinzen. Das gläuzeudsle Beispiel einer solchen Lauf-
bahn bietet die Anitcrfolge des Bassaeus Rufug; sie
zeigt, dass nach der Finanzprocuratur in grossen
kaiserlichen Provinzen, mit welcher wohl die Carriere
der meisten mochte geschlossen haben , dem Emporstei-
genden noch mehrere Stufen winkton, nämlich die „prac-
feetnra annoiiae" und die Prätectnr von Aegypten, nach
heutigen Begriffen ein Vicekfmigtlmm 7 : nur eine per-
sönliche Auszeichnung für Bassaeus mochte es gewesen
sein , dass er den höchsten Gipfel seiner Laufbahn als
„prnefectU8praetorio a erstieg, die ihn zur nächsten Person
nach dem Kaiser machte, aber im Grunde anch kein
Staatsamt, sondern ein Hans- oder Hofamt war.
Als Ergchuiss der bisherigen Betrachtung stellt
sich also die bestimmte Wahrnehmung dar, dass aus der
Ämterfolge derer, die Procuratoren waren, eine con-
sequente Verwendung für das Finanzwesen sich abneh-
men llisst, wie ja schon der Titel „Proeurator" anzeigt*.
Dies rauBs vorlaufig festgehalten werden. — Wollte
man noch eine weitere Folgerung aus den Laufbnhuen
ziehen, die oben angeführt worden sind, so wäre es jene,
dass fttr die Procuratur das Moutanweaen eine her-
vorragende Rolle spielt ; es trifft damit zusammen, dass
fast alle Länder, die von Procuratoren verwaltet wur-
den, reich an Bergwerken waren. So wie für die Pro-
curatur in den Seealpen und den ihnen zunäehstliegen-
den Gebirgs'districteu eine nichtige Ausbildung im Flot-
tendienst vorausgeht, ebenso erscheint, fast constant,
Spanien in seinen einzelnen Thcilen, namentlich Gallae-
eien undAsturien, eine wichtige Rolle in der Vorbildnng
und Verwendung der Procuratoren gespielt zu haben;
Spanien war aber vorzugsweise das Land des Bergbaues.
In demselben Sinne dürfte auch die Verwendung des
T. Comasidius Sabinus in Dacia apulensis zn verstehen
' Hcljp.. !.. l.ol <>r rt II SWS, 3:111. :..VUi, lt*IS, fi?IT. »ni dur.lij. In nd« dir
V.!TW»ltlilin .Irr l.rb. rb.lt. I.uer fpr^liralor ..d.r Ma|ri»l«r »|r»»lm»e hrrrdHa
Uum.id.'rlieredltarlacJ l»t, xit welcher k< «e 't-pv l*r> .-tiT«((.r.;ii .drr }'ln.uiipri<e..ra-
lereii lierurua «erden - lojchrim.. b keimet. »n<h drei Än.trrii>rg.ti ....lig«»!. -
>eu werden, dl« hia «ur Prüfxlur <ran A«< > puu |H r 1 1 i f-Hl. »tili oder
■ »aiK't»ii* •« Je"" d»r Annce (lihrten (Orelli Wl;| »II.- te-li.n Im [:n-,fnng..
de» rmanilellen Departemente vor «eh. - * Ali die elnilge Aumaiiuie kilnoln dir
Tn*rhrUt bei Ürelll b'!rf4 All^ufübrl «r rdeu. de ritt I 1I511 ein I.. Ci-mel I u» im 1t de r
l'rocurator ,.Keut>ole<M Mau'»!*!- .jurfdlru.* iu Alrtaiiilri.'t* wird und hleraet
«um Prnon.uUle A.lrn. g.'lauirt, ativ ein ,l'ii<irepit und d.iMi dl' ccirnrnlc Adminl
ptr»tl~n clavrseiiaterl.rhcn_Prr.vinr. erhalt. Allein r» l*t w^hl 111 bemerkru, 4«»»
derselbe In keinem »einer Ämter el» rre.uraXor, »oiid.-r» In eilen »I» Flii*u»i>n>-
.-urator ertrhelBt. Aach ili.' Kell«, Iii welchen dcrlrt rlean.le am Knde ihrer Car-
riere Peiitificr» und ria»ilnei werder. , *!>■> prle.lerllrhL' Wurde erlangen, »lud
M-hr «elten ; xwelanal erscheinen mit 4te»er Würde Klii»nKpro.-«trat>>reu tOrelli
f IM. GülJ) und nur einmal ein Froeurawr Ii. de» r l,.„ Alpen (Ort III »15«) ;
d(*i« Wurden dürften außerhalb der »mtlirh«e l.aull.abn llriren, und »ni >lt
)a durch den KiliflllM der Kftl.er verliehen wurden, mttir *ln Kuh»j.i>»(ea> auf-
aufaiaeu sein.
sein, das ja auch, wie Dacieu Überhaupt , in montanisti-
scher Beziehung sehr wichtig war. — Mit gleicher
Beharrlichkeit kehrt in den genannten Ämterfolgen
die Finanzprocnratnr in Belgien und den beiden Germa-
nien wieder; nur folgt dieselbe in der Hegel der Pro-
curatur, so dass sie fttr die Ausbildung der Beamten eine
höhere Stufe bildet. Das lässt sich wohl damit verbin-
den, dass diese Liindcr bei dem regen Militärleben, das
in ihnen herrschte, eine tUchtige Schule für die Kennt
uiss des Finanzwesens in Verbindung mit
dem Heerwesen abgaben.
Endlich muss auffallen, dass die Procuratoren, die den
Staatsbeamten entgegen gesetzt werden, also wie schon
gesagt wurde, Hofbeamte des Kaisers waren, nachdem sie
die Procuratur verwaltet hatten, in den Status der Staats-
beamten, als welche die Fiuanzproeuratoren doch zu
fassen sind, wieder eintreten und darin weiter aufrücken;
auch kommen sie dabei zu verschiedeneu Malen wieder
als Hotheamte vor, z. B. wenn Bassaeus Rufus nach der
Procuratur in Noricum die Fiuanzprocuratur in Belgien
und spitter wieder eine Procuratur. nämlich jene von
Aegypten erhalt. Es folgt daraus, daB8 eine scharfe
Sonderung des Status der Hofbeamten von jenem der
Staatsbeamten in den ä mt liehe n Lau fbahnen nicht
eingehalten worden ist, wie es jener Zeit und der Regie -
gierungsweise der ersten Kaiser entsprach, ftlrwelche es
keiu fest bestimmtes Herkommen gab.
N'och ist der Compctenz und der Stellung zu geden-
ken, welche die Procuratoren vermöge der ihnen ein-
geritumten Befugnisse genossen haben. Wie aus ge-
schichtlichen Berichten ' und aus Inschriften : hervorgeht,
hatten sie den Oberbefehl «her die im Lande liegenden
Truppen und das Recht Uber Leben und Tod zu ent-
scheiden, d. h. sie Übten in Stellvertretung des Kaisers
das „Imperium" und das .jus gladii J aus. Dadurch
erhielt ihre C'ompetenz das volle Gewicht, dessen sie
bedurften, um die gesammte Administration eines Lan-
des durchfuhren zu können. Es ist eigentümlich, dass
derselbe Kaiser Claudius, der mit seinem wirtschaft-
lichen Sinne mehr als ein fernes Königreich eingezogen
hat, die Procuratoren in so besonderer Weise auszeich-
nete und begUustigtc. Es hatte zwar schon Augustus
verfllgt, dass die Priifccten Aegyptens ebenso rechts-
kräftige Gerichtsverhandlungen .Uhren und ihre Be-
schlüsse ebenso gelten sollten, als die der römischen
Staatsbeamten (magistratus romani) ; viel mehr aber
hob Kaiser Claudius das Institut der Procuratoren. Er liess
öfter den Wunsch vernehmen, dass die Urtheile der Pro-
curatoren dieselbe Kraft haben sollten, als wenn er
selbst sie gefällt hätte. Der willfährige Senat erhob
diesen Wunsch in einem vollständigen und ausführlichen
Beschlüsse zum Gesetz (53 n. Chr. V, wodurch das An-
sehen der Procuratoren auf das Höchste gesteigert nnd auf
alle, nicht bl<»s jenem von Aegypten ausgedehnt wurde.
Dazu kommt noch, dass der Kaiser selbst schon früher
jenen Procuratoren, welche „ducenarii" waren, die „orna-
menta consularia" verlieh«, also dieselben Ehrenzeichen,
die den höheren Legaten oder Statthaltern in den kaiser-
lichen Provinzen zukamen. Ducenarii waren jene Procura-
toren, welche 200.000 Sesterzc Besoldung hatten (unge-
fähr 13.000 Gulden unseren Geldes in Silber); sie standen
' V(tl. T»c. HUt. I. Iii. — 1 II c p k o r, Uudb. d. rüm. Allorlhumer III.
I, 8 .Vi| Aul laai-hririen «Ird die» Rrelil nur lile und da «ludriiialirb «*.
aa>M,i. Il.orel II J«*>. - ' Tue. A.n. XU, «... - •Suete». Claud. I«
i*
Digitized by Google
LXVI
in der höchsten Gehaltstnfe, die es fllr die Provinzial-
beamten Roms gab. (Die minderen waren mit lo.(X><> nnd
60.<)OOScstorzen u. s.\v. bezahlt. ) In der eben angezogenen
Stelle Suetons ist nicht ausdrücklich gesagt, ob uuter den
.ducennriis- rlnanzproeuratoren oder Proeuratoren (Prae
sides) zn verstehen seien, daher das Beiwort auf beide be-
zogen werden mnss; es wird nun, wenn tinter den Finanz -
proeuratoren schon ducenarii waren, tllr ziemlich sieber
gelten können, dass auch die Proeuratoren in der höchsten
Gehnltstufe standen', da sie den Kaiser selbst vertra-
len und nicht hlos die Befugnisse, sondern auch die
Abzeichen der angesehensten Statthalter führten.
Die Proeuratoren standen also zwischen den Kaisern
nnd den Provinzen, die sie zu verwalten hatten, ganz in
der Art. wie wir im* einen Allerego oder einen Vice-
könig denken wUrdcn. zngleieh so. das* sie Beamte des
kaiserlichen Hauses sind, und, so gross auch ihre Com-
jietenz sein mag, den Schwerpunkt ihrer ge««atnmlen Thä
tigkeit in der bilanziellen Verwaltnng der anvenrauten
Provinzen zn suchen haben, wie es ans ihrem Titel und ans
ihrer iinitliehen Laufbahn hervorgeht. Dieser Punkt tritt
so sehr in ihrer Verwendung hervor, dass Imperium und
jus gladii nur als die Stützen «ler Finnnzverwaltnng gel-
ten können, als Aeeedens, welches diese verlangt, nicht
aber als Stittzen der römischen Herrschaft selbst. Denn
wir linden keinen von ihnen in einem Kampfe für die
Herrschaft Rom» verwickelt: die Provinzen, die von ihnen
verwaltet werden, gemessen einer beinahe an Auto-
nomie grenzenden Stellung gegen die Römer: sie wer-
den so milde behandelt, wie weder kaiserliche noch
senatorische sonst, und haben eine zn untergeordnete
politische Bedeutung, als dass die Proeuratoren von der
Militärgewalt einen grösseren Gebrauch als den rein
administrativen hätten machen können.
Ferner gemessen sie gegonllher den Staatsbeamten
eine sehr bevorzugte Stellnng. sie tragen die Ehrenzei-
chen der höchsten von ihnen, befinden sieh in der
obersten Gehaltstufe und sind bei der weitestgehenden
Macht nur dem Kaiser verantwortlich. Dadurch werden
die Benmten fllr die Zeit, so lange sie den Procnrator-
poslen verwallen, aus der Menge der Übrigen Beamten
mit Auszeichnung hervorgehoben, ein ('instand, der dar-
auf schliessen lässt , für wie «ehr wichtig dieser Posten
am Hofe betrachtet worden sein mochte ; es folgt dar-
aus, dass der l'rocurator immer eine Persönlichkeit sein
musste. welche das vollste Vertrauen des Kaisers besass,
vielleicht auch auf andere Weise von ihm abhängig war.
Wie hätten auch die Kaiser wagen sollen . so wichtige
Provinzen Beamten anzuvertrauen, die nach ihrem Oha
raekter und den militärischen Mitteln im Stande gewe
sen wären, sieh mit Erfolg aufzulehnen.
Nach allen Anzeichen stellt sich also das Institut
der Procuratnr in Gegensatz zu den übrigen kaiserlichen
wie senatorischen Behörden ; es verräth alle Ansätze
einer kaiserlichen Pri va f he hörd e. ausgestattet mit den
grössten Befugnissen und mit der Bestimmung zu wer
den, dem kaiserlichen Schatz in gesegneten Ländern
Znflllsse zn gewinnen nnd zu erhalten, deren Besitz fllr
Min vjrp ]>ra«*iit^-- »tiü*fli .Wi-vu Hit Nu.ll*vrli>u r vim > „pr*».i .-, w. I
<fu-T> Tit. I JA auiti iük rr'ii-i, r ,tinrf ii liThrt.ti. Inder l.örh Ifii Im tf- 1 nl« -(ar.il
N*<-h «invtti Stfiuu In KaveoDi l>r «In b.-frhl>hibur Art >*iiiiii1*ü it"ft «tattrimr
U Ii l'l< I Ii- cl.rntiill. _ .1 uo.-t,«riu>-. In .Uli Ä ir-lt<rM<" »i all. r *iuK dl... M*ll'-,
«Ii- '. trll III >.:Lkh in, Art Cni*,irait;r v,.rau, .o da^ .lirr- »n,- W\hft* Ktufw tili
d*t. t.'ir***» f'i\l, da«, ili« l'r-iur**«:rt:n. at'K-.*-:lif n w-n *ciI|£.ti 7irfln-icu,
mlndtuni. _i(ilMH»rll- »arci.
die Herren von Rom sehr wichtig war. Den Anatoss mag
Kaiser Augustus gegeben haben, als er Aegypten ftlr sich
behielt, dessen Reichthum an Getreide ihm fnr die
Beschwichtigung des Pöbels in Rom durchaus notwen-
dig war. Den Gedanken nahm sein Nachfolger Tilierins
auf und bereitete die Einziehung mehrerer Provinzen
vor. Vollzogen hat sie aber zumeist Kaiser f'landius. und
man dürfte nicht weit irre gehen . wenn man der
Annahme folgte, dass die unsinnige und maxslose Ver-
schwendung des Kaisers Caligula in den vier Jahren,
bevor Claudius den Thron bestieg, diesen bestimmt
habe, den Erwerb von neuen Gütern energischer zu
betreiben. In der Thal boten die Länder, welche er
in Procuratnreii umwandelte, die Aussicht auf beträcht-
liche Zuflüsse gerade solcher Güter deren der Hof
immer bedurfte, um seinen Aufwand zu bestreiten und
den Pöbel der Hauptstadt an sich zu fesseln. Sowie anf
dem einen Flügel Afrikas Aegypten sein Koni für dir
Speisungen, so lieferte auf dem anderen Mauretanien die
Heerden wilder Thiere für den Circus. Auch war e*
reich an Kupfer, zumal aber an einer vorzüglichen Gat
tung von Pupnrochnecken '. Cappndneien, in welcher
unter Arehelaus auch der Metallbau blühte . spendete
Edelsteine (Onyx. Alabaster, KrystallcV nnd vor allein
treffliche Pferde \ - Thracien war nicht hlos ein vor
zügliehcs Koniland \ zumal in den Küstenstrichen, son-
dern auch durch seine Bergwerke, besonders durch jem-
auf Gold, in hohem Grade ausgezeichnet; auch seine
Halbedelsteine waren bekannt \
Die Aufgabe der Proeuratoren mag demnach vor-
zugsweise darin bestanden haben, in dem Lande, das
sie zur Verwaltung überkamen . ansehnliche Domänen,
vorzugweise die Bergwerke in den Besitz der Kaiser *o
bringen, sie Iflr dieselben zu verwalten nnd sie zn
beschützen. Dafür Hessen sich aber jene Verhaltnisse
dieser Länder vortrefflich ausbeuten, welche nach liecker
die Eiiiriehtnng von Proeiiraturcn bedingten, nämlich
der gebirgige Charaektcr mit dein Melallreieblliniu. das
zähe Festhalten der Einwohner am Herkömmlichen,
welches man schonte, um so gefügigere l'nterthanen
zu linden: die geringe Stufe der Cnltur. welche die Cou-
eurrenz der Einheimischen in der Benützung des Reich-
thnmes der Länder ungefährlich macht«.
t. Es dürfte nun leicht sein . die Verhältnisse m
finden, welche, in Norienm vorwaltend, zur Eiiiriehtnng
dieser Provinz in Form einer kaiserlichen Procuratnr
führten. Schon früher ist mit Recht geltend gemacht
worden, dass dieses Land in zwei der Natur nach ver-
schiedene Theile zerfieL. Das I terland. der Land-
strich zwischen der Donau und den norischeu Alpen, vom
Inn abwärts lös zum Kahlenberge war nach allen Anzei-
chen ärmer und in der Cnltur weiter zurück, als der
südlich von den Alpen gelegene Thcil. Die Alpen selbst
bildeten eine Grcn/.rtianer für den aus Oherilalien herauf-
reichenden Wogenschlug einer höheren f'ultur; da"
nördlich von der Donau gelegene meist unwirthliche
und unwegsame, bergige Nachbarland war und blieb ein
rauher Barbarentum, der ftlr den Handel weder Bahnen
noch Waaren hol". Erst lief in der Mitte des IL.Iahr-
hnnderts tauchen , wie schon bemerkt worden ist-
einzelne spärliche Milifärcolonicii im l'fcrlande auf;
' MinnKti it4 \. s im.'it ' stuf - xii. »i-i . »«1 ei». y. «• '*
UBiit.tS » »v r M|rr lld. II S V.i-1 l'ltllil InlTil ll.JI.Vntl itl"" 1
4. *>. .1 ' V II ej Iii • IS, IT 1-J * S I r » k . 1* |'. -- ' Pauli H t U '
s. |v>i - |.K. I.'V
Digitized by Googjjp
LXV1I
Municipien gab es aber, wenn wir etwa das im änssersk-n
Westen liegende lovavum ausnehmen, anch dann noch
keines, ein wichtiger Umstand, indem diese, obwohl nied-
riger im Kunge als Militiircolonicn, immer ein Anzeichen
«ind, dass ein grossere» einheimisches Gemeindeleben
an den betreifenden Orten nicht hin* emporgekommen
sei, sondern dabei anch einen nationalen Charakter
bewahrt habe. Im Uferlande dürfte also neben wenigem
Ackerbau die Viehzucht und die Jagd auch nach Ankunft
der Römer so fortgedauert haben, wie es dort von jeher
war: da« gewerbliche und bbrgerliche Leben blieb aber
tlnrch lange Zeit sicher anf einer «ehr niedrigen Stufe
stehen. Wichtig war für die Körner in diesem ganzen
Landstriche nur die Donangrenze: ihre Bewachung
durfte frühe durch die Anlage einer fortlaufenden Keihe
von Ffercnstellen und Flottenstationen unterstützt wor-
den sein, in welchen aber das römische Fachen ein-
gegrenzt und abgeschlossen blieb, da fllr die Ausbrei-
tung der Cultur die Grundlage im Lande selbst fehlte.
Ganz anders dagegen stellte sieh das h innen lä n-
disi-he Noricum von der Südseite der Alpen bis an die
Sann undSavc hin den eindringenden Körnern dar. Das
Land lag näher und offener gegen die oberitalische
Ebene und blieb den Einflüssen der classischen Cultur
aicher nicht fremd. Handel und Verkehr mit den süd-
lichen Donauländern gingen anf der alten Strasse Uber
das heutige Cilli ' ; strichweise blühte der Ackerbau -'.
Die vorzüglichste Ursache eines höheren Grades einhei-
mischer Oultnr war der Keichthum der Berge an Salz
und Metallen. Die Salzwerke von Hallein und Hallstatt
waren schon vor den Körnern in Betrieb, an letzterem
Orte geht dieser in ein ziemlich hohes Alter hinauf.
Der Keichthum an EiBcn aber hatte schnell einen grossen
Ruf erlangt, sobald man das Land naher kennen lernte*.
Wenn auch anzunehmen ist, dass eine ergiebigere Aus-
beutung der Eisengruhen durch die IVovinzialen vor
Ankunft der Romer noch nicht stattgefunden hnbc'.
so reichte doch anch diese schon hin, um der vor-
geschrittenen Montauistik der Römer lohnenden Gewinn
ans dem Neichthume der Berge in Aussicht zu stellen.
Nicht minder wichtig ist der alte Ruf der «Oldinger',
welche, so unbedeutend sie auch sein mochten, den
noch die Römer bei ihrer Ankunft zn neueu Versu-
chen im Bergbau aufstacheln mussten. In Verbindung
mit den friedlichen Beschäftigungen des Bergbanes nnd
des Handels scheint auch die Bevölkerung eine ruhige
und gewerbfleissige gewesen zn sein. Ausser dem kur-
zen verzweifelten Kampfe um ihre Freiheit in jenem
Sommerfeldzuge des Jahres 15 v. Chr., in welchem es
Dnisus den Körnern unterwarf, findet sich keine Anf-
lehnnng gegen ihre Herrschaft'-, vielmehr es blühen
1 nuchae. I, n\. — 1 Strabc, IV Si>S — ' Kui (rati-ter npriertiei
Summ hl-»- bekanntlich daetin Alauni .Sililrnlc". Plnt. II. U, 2 — ]>lv Au.-
Kr»li «n Ren arn Mud*lfithlir*n» bei HallMatl und atn I>iirr«nb*Tj,. r-el llalleln find
dlo unwiderleglichen «,■,!.. Iiietvr — • Vjl Strahn, in IV butl)« Mu-har
N'Mf. I, 3.S». — s Ober den Heiner, der Kl-enfabMkatl >n bei den ■Ilm Ncrlkni.
vorder KrobiTUns lii>«t »Ich ithvrr ein« bestimmte MelBUnx- bilden l'njiar ;r|,.
t^tli--. KatlifO VII, ??1 »4«t ailitlrUrkUrh vnn der. lialJirr.t, da«» nie irn «r.ii:er->ane
j»efcr enwaadt »('Ion, find da»» et itorl ifr.'x.f Ktaentfruben tfnf -* mannae fcrrarla*-. ;
ih ein gUlelte. auch auf die NurlkeT und Taumkor anfeweedei »erden darr,
»uhl daliiTi : 1J0 «arett aba-etelilo^en, ia des 'irblrirui lelieurl, ni-».i ...weil In
Crtltur und ludattrtu hln*iii|ri<r*!liri> al» dir i;alller Anrli k-inrot litten In dorn
gre-jr-eo llallatätterinnde nur tär Waffen tpariam anav ee n^er und mttnnvr In
«/'»tharan f'»r.»iiniien *..r l*rh»ertfcllii|ern mit «triff, n an t ll,-;i:, dl« mit !trrn,t,.lti
teneUt find, oder ll<:>l<hkllEiK*u In linldietividen , -äiirei..l da» iil'ric,e Oerüthi'
am llrc-nxc Ur). pc-daa» man tti n irrten Werth daran- fjrVenn. es kann. w..|. hen nan
anfdloio Maiirlair KU. IHc. deutet darauf, da« icr h.lriol. der l;t>««».-tke.
«enu tiqd Int^welter tbb den 1'rc.vtnalaW 0 ifaiehah. *fhl »<».io der (~tni.t|ricten
Technik und der KoM-plullnkeli . die er d»n minder üiiil.'-., Vn'kern »nnir
.aeht«. u..1crj,.nrdnelMi. l.. - • Strahn IV . Sit». 'Nur „Ine Spur UM .,
dafilr, riai* fi.rur.iii Im Lande anuhrarken; alloin .|e i>i ;u »th-arli und .u
seilher die Militarcolonien und Municipien rasch empor,
was auf die Empfänglichkeit nnd Vorbereitung dieses
Theiles von Noricum für eine höhere Cultur hindeutet.
Der natürliche Keichthum des Landes mochte den
Kaisern in Rom den Wunsch nahe gelegt haben, ihn fllr
ihre Macht auf das Beste zn verwertlieo. Bei einer klu-
gen Verwaltung versprach es nicht nur eine wichtige
■Quelle des Einkommens, sondern anch nnd vorzüglich
eine der Haupt rüstkammern des Reiches zu wer-
den. Das vorzügliche Kricgsmatcriale ans nächster und
billigster Quelle zu beziehen, war keine unwichtige
Frage fllr den Thron, der zunächst anf dem Heere
bernhte. Ausserdem war im Norden des Landes die
Donangrenze zn vertheidigen und dies ein (»rund
mehr, die Verwaltung einer Behörde in die Hände zu
zu geben, die beide Gewalten in sich vereinigte.
4. So erklärlich es aus den Verhältnissen des Lan-
des und ans der Handpolitik der ersten Kaiser nnn
anch ist, dass ein Proeuralor fllr Noricum aufgestellt
wurde, so unsicher ist die Bestimmung der Zeit,
in welcher dieses geschehen sei. Es wird angenommen,
dass gleich nach der Eroberung Procurutorcn hingesen-
det worden seien 1 . Allein es hat etwas Bedenkliches in
sich, dass man die Verwaltung einer neu eroberten
Provinz sogleich einer Behörde übergeben haben sollte,
in welcher trotz der Vereinigung von Civil- und Militär-
gewalt , die eivile (finanzielle) Thätigkeit die überwie-
gende war. zumal als nicht gar lange darauf die
Anschläge der Germanen und Markomannen gegen die
römische Herrschaft zu einem schweren Kampfe führten,
an dem weiterhin anch die Legionen in Harmonien Theil
nahmen, so dass Noricum ringsher von unruhigen Pro-
vinzen umgeben war. Fllr diese Zeit und noch für eine
Reihe von Jahren nach ihr wird daher die Anfrechthal-
tung eines strengen Kriegszustandes in Noricum als
wahrscheinlich angenommen werden müssen. Ferner
hat ja eben Kaiser Claudius die Procnraturen ausgebil-
det: wenn schon Augustns einen l'räfect Uber Aegypten und
Tiberius einen Beamten mit prätoris« heui Range Uber
Thracicii >etzte. so war es doch erst C lau d ins, der die
beiden Mauretanien, der Cappadocleii in Frocuraturen
umwandelte, der in .ludaea einen (von min an bleibenden)
Proeuralor definitiv einsetzte , der die Einführung eines
solchen in dem ottischen Alpen vorbereitete, der endlich
die Stellung dieser neuen Behörde hob und auszeich-
nete, somit das ganze Institut in seiner bleibenden
Form begründet hat. Wenn damit verbunden wird, das«
der Proeuralor Air seine finanziellen Obliegenheiten einen
bestimmten Amtsitz nöthig halte, und derselbe doch
wohl nicht in einem kleinen militärischen Posten, noch
weniger in einer Rarbarenortschaft aufgeschlagen wer-
den kounte, so erhalt der Finstand eine spcciclle Bedeu-
tung, dass es wieder derselbe Kaiser Claudius gewesen
ist, welcher in Celeja das erste Mnnicipinm Noricums er-
richtete. Anch verwaltet der älteste Proeuralor. der
iiischriftlich nachgewiesen werden kann. Noricum zur
»ulir MiTelnirM . wn itari'l fi»>- >'< l-rr.n.fc t jtlii'i. / 11 k''lin«.|l, >MT |.|<|£llii(r.l
im* dahir, ile Mer anf^i:fiihT,-fi rubirredia- Ihm lirirt ra Ta*r»ccn« 1c. Spa-
nien (hei Omlll nennt n.äir>!irh .Ii.cü T. I I. ('»rdidu» all I<cj1j~ Autruali
Jir-, prai-t..ri. prnvit.n«.. Ul.j.anjji' rlir rlnrl . «1 in *a .t.:.-i rra iii.i-l'tu.- advcran>
i'Sfllp. «nun rr~-inn in;ns. ii-m A-l»., «ete. .Snrlear" etc. au«
ili-i.. Heifluac der K.;l.-ruaC Kal-er- Tr.jan Kr halle früher Hie Frl., leoer-
M r.allun« Ii. di e bi-lvixkeu und nrrii.ii.w her, emMiuan LiItt >k-r, Helneeiui
I. :ln* . »ilill inn - die ITn« .iraL.r.'i. » ..• Nntiriltii, -nfur «l,er lt. t Ii firnnd
auseinhcu »il Ji'i k.iu.1 ; denn J11.1 Ml»r|. u t-CaTalu- idvt-r r nWln «a*
nur eine eilnurdlnare
• dütn, Mu ■ l.ar I, 10» ... wt.l.h.n «in.
Digitized by Google
LXV1II
Zeit des Kaisers Claudias. Aus dem Zusammentreffen die-
ser Umstünde ergibt sieh eine grosse Wahrscheinlichkeit
für die Annahme , äusserst Kaiser Claudius deu Kriegs-
zustand in Noricum mit seiner strengen militärischen
Verwaltung: aufgehoben, die Provinz in eine Procuratur
verwandelt und dem neuen Verwalter den Auitsitz in
jener Stadt angewiesen habe, die er eben dureh Krle-
bung zum Munieipiiim ausgezeichnet hatte.
5. Ks ist uiimlich seit der Auftindung der Cillier
Iuschriftsteinc mit Procuratorcnnaiiicn die Vermuthung der
Herausgeber derselben keine andere gewesen , als dass
der Procurator in Celeja den Amtsitz gehabt habe.
In der Tbat gab es keinen Ort, der geschickter biefür
lag als dieser; den Procurator in die alte Hauptstadt
das Landes, nach Noreja, zu versetzen, war gegen die
Politik der Kömer, denen daran liegen musste, die
Erinnerung au die alte Selbstständigkeit des Landes
mit detu Orte selbst iu Vergessenheit sinken zu lassen;
aber es war auch gegen ihren Aberglauben, da sie
bei Noreja einst eine schwere Niederlage erlitten hat
teu ' ; sonst aber gab es keinen Ort, der mit Celeja sieh
hiltte messen können. Auch hatte dieses die wichtige
Lage an der Strasse uach Pannonien hin fttr sich ; es
war von Vortbeil für etwaige Unruhen, die sieh hier wie-
derholen konnten, einen so nahe gelegenen militärischen
Stutzpunkt zu haben, als es Celeja werden konnte. Kür
die finanziellen Geschälte des Proeurators war endlich
auch die Lage an der llandelsstrassc nach dem italieni-
schen Küstenlande von Wichtigkeit.
Nur ein Bedenken gibt es gegen die Annahme,
dass in Celeja der Amtsitz des Proeurators gewe-
sen sei; es ist uitmlieli sehr seltsam, dass der offi-
ciellc römische Hauptort der Provinz hart an der süd-
lichen Grenze lag, statt im Innern des Landes, und
«war gerade an jenem Punkte, der von der Donau am
weitesten entfernt lag, also vou jener Linie, welche im
ganzen Noricum tactisch weitaus die wichtigste war.
Allein es muss dagegen bemerkt werden , das« die
Bedeutung der Doiiaugrenze gerade längs der Strecke
des norisehen i'ferlaudcs nicht so gross war, dass sie
für die Verwaltung des Landes hiltte entscheidend wer-
den können. Denn wie schon gesagt worden ist, gibt
das gegenüberliegende l'fcrlaiid vermöge seines bergi-
geu Charakters keinen Kaum fllr Massenbewegungen;
niemals hat dort in dem heutigen Mublviertel und
dem Viertel ober dem Muubartshc rge — eine bedeutende
kriegerische Actiou stattgefunden ; auch unter Kaiser Mar-
cus Anrclius war es das Pannonien gegenüberlie-
gende Marchtcld, in welches die Karbaren niederstiegen,
um die Grenze lies Weltreiches zu beunruhigen, nicht
das weiter aufwärts liegende (ferlnud. Für Überfülle
einzelner Schnüren aber genügte die Postenlinie von
Castellen, die sieh von Passau bis an den Kahlenberg
zog. Nachdem dort der Dienst des Legionärs einmal
eingerichtet war, dürfte es hingereicht haben, den Ober-
befehl Uber das ganze l'fcrlaud einem tüchtigen Ober-
ofricier, etwa dem Legaten einer Legion oder einem Tri-
bun zu übergeben , der in den die Grenze betreffenden
Militäraugelegeheitcn den Procurator vertrat. Dass der-
selbe in Lauriacuiu sein Hauptquartier gehabt habe,
dafür spricht die Lage des Ortes in der Mitte des l'fer
lande« und der ('instand, dass er durch eine Flottcn-
' 113 >rhlutrn htkaiinlN.b .11.' rimln.ru ilti rümliflicllrer utiinr Cu. f»»l-
to. C.rtn. Murkar I. 2t!
Station nnd eine grosse Waffenfabrik ausgezeichnet war.
Der Procurator mochte von Zeit zn Zeit diese Posteu-
linie inspicirt haben.
Der Übrige und vorzüglichere Theil seiner Auitaftih-
rung bat ihn wohl in Celeja festgehalten. Nachdem was
oben Uber die Compctenz der Proeuraloren gesagt wor-
den ist, katiu sein Wirkungskreis fUr Noricum, wie er
im Allgemeinen gewesen sein mochte, leicht bestimmt
werden. Ks musste sein Hauptaugenmerk sein, die
Ausbreitung der römischen Cultur zu unterstützen und
mit den Waffen des Friedens das I«aud dauernd zu
gewinnen, deu Handel zu begünstigen und zu sichern,
und so die natürlichen Keichthüuier des Landes der
Hauptstadt des Reiches zuzuwenden. Vor Allem aber
dürfte der Bergbau seine Thätigkeit in Anspruch
genommen haben; sei es, dass die Kaiser als Froherer
des Landes die Salz- und Eisenwerke für sich in
Anspruch nahmen und nach römischer Weise deu Ver-
scbleiss der Producto' verpachteten, wie es z.B. für die
Goldbergwerke gewiss ist \ oder dass sie anfänglich die
Provinzialen in dem Besitze der übrigen Bergwerke
beliesseu, deren selbst erwarben nnd durch ihre Arbeiter
ausbeuten Hessen; jedenfalls war es die Aufgabe der
Verwalter, aus ihnen den möglichsten Nutzen tür den
kaiserlichen Schatz und das Heer zu ziehen.
6. Über ihre Wirksamkeit gibt es nun im Eiuzeluen
keine Nachrichten. Allein aus Münzen, archäologischen
Funden und einzelnen historischen Andeutungen können
wir uns ein Bild wenigstens vou den Resultaten machen,
die ihre Verwaltung hatte.
Dabin gehört vor Allem der Übergang der Berg-
werke in die kaiserliche Regie. Jene auf Gold waren, wie
oben bemerkt wurde, schou unter Kaiser Tibcrius römisch,
von denen auf Kisen und Kupfer lässt sich das Gleiche
nicht sagen'; Thatsaebe aber ist, dass zu Hadrians
Zeit, vielleicht schon unter der Regierung des Kaisers
Trajau oder seiner Vorgänger auf dem Throne der
gesummte Bergbau kaiserlich gewesen sei. Die wich-
tigste Stütze dattlr bilden jeue kleineu seltenen Kupfer-
niüiizeii, welche auf der eineu Seite das Brustbild des
Kaisers Trajan oder des Kaisers Hadrian zeigen und
damit au! der Rückseite die Namen der Bergwerke iu
Dultnatien, Pannonien, Dardanus, Moesien, Noricum
u. s. w. verbiuden. Die fllr unseren Zweck wichtigsten
sind die letzteren. Drei im k. k. Münzcabiiicte befind-
liche Kxemplare zeigen auf der Vorderseile das Brust-
bild des Kaisers Hadrian (117 — 138 n. Chr.) vou rechts
mit dem Lorbeerkranz und der Titelumschrift LMPerator
CAKSar ANToninus TKAIANus HADRIANS s \\ Oustus ;
auf der Rückseite steht innerhalb eines Lorbeerkranzes
MKTalla , NOKica. Kekhel vermuthet, dass diese Mün-
zen unter den genannten Kaisern geprägt worden seien,
um mit ihnen die Arbeiter in den kaiserlichen Bergwer-
ken zu bezahlen*. Wenn nun auch derlei Münzen erst
' -tlß, .17, - ' Sacb Slnbo, IV, P J.X |„; u „| r -, .i,h ,rh.n>
bei. du* b l.fbrtllfu i>r turli 14 n. ehr > «II» Ci r I d b »r i ir t rk <• dor 1 au
rliknr im Krilt» dar KJsiiur. Ob dir. «u U v.,o data 41. Jim, litrK». fk(ii iu
gfllni h»K. Iii ivrlfrUiafl i.li.lol, ilvi tum dt« K.i]if. r . Kiicu und SaU-
werko im llcaiu«* -n-r >'r?ilurlal*?n uvlaateu hnh«, da S t ra t>n »uadrikk liefe nur
dir Ooltlb^ncwrk« Guniat Muckat» Aailcbt ;l, IUI-, diu nun Kl*cat>*r*
w»?k*> dm t>n+n naorfi iu'b Völkern k..(1ciUU • uuuafft» babr , uej lnn«u
dif C,Wfi;<'ril.|.|! na r-.-Kmrn . »ifli Waffen xia r'iniilarlc«. )äa>.t »Mi j'i'lal aUUt
mrbr hlnläftithrh brcrüodc-u. da ichr »ahrarbnallch dir l.i(enral>rikatl"ti rr.r
durebj d<'ii Kämrrii iibrrl^goiia »1 hiiiKlie KrfklinaaK lu ^thamnaj gebracht
vinrJa and rriilirrUlB ■ alir.rlifliitlrli mbl- iitilervordAnl , <.ciiii iihrrbacjpl Im
lletrte-b'f- war. I'ür dt 0 (abritten erbllfbf u Ite-aJta dt r 'mim Ntri*«T % lautit Hu^Ur
»ell»t | l, 4"il. dlo tJHa'.'UQg Tel* Seltr der Keiner al* wahrarrielutlch au -
haeiipi'e. an eiiiaarai. — 1 I». S. V. VI. 4C>. — * Vgl Uber du- Ki'mcr-
apurwu In den llcri«erkin der uorl-cheu AIjipji Mu>-Iiar I, f)i«r do»
Digitized by Google
LXIX
von den Kaisern Trajan und Hadrian auageprägt wur-
den , so kann dies nicht als Grnnd gelten , das« die
rtfmischen Kaiser nicht schon frtther die Eigenthlimer
der Bergwerke gewesen seien; denn die Ausprägung
war nur eine vorübergehende, wie aus ihrer Seltenheit
und der Beschränkung auf die Regierungsxcit der bei-
den Kaiser hervorgeht Jedenfalls geben sie den
Beweis, das« wenigstens damals die Bergwerke kaiser-
lich waren. — Dasselbe lässt sich von den Salzwerken
sagen. Im EeherntbaJe bei Hallstatt fand Herr Kamsauer
1869 und 18<>0 die Überreste eines betimnit römischen
Grabmonumentes von steierischem Marmor ans nach-
hadrianischer Zeit nnd die Mauern eines weitläufigen
Gebäudes, das bei der tactischganz unwichtigen Beschaf-
fenheit der Hegend und der Abneigung der Römer gegen
das Gebirge nur einen Aufseher oder Verwalter des
kaiserlichen Salzwerkes beherbergt haben konnte '. In
den eigentümlich gebauten Gräbern, die sich innerhalb
des Gebäudes fanden, traf man auch zwciM Unzen der
Kaiser Nero und Hadrian, die hier offenbar die Stelle
des „Todtenobolos" vertreten haben. Auch für Hallein
dürften sich Spnrcn dafttr nachweisen lassen, dass der
Betrieb der dortigen Salinen ein römisch -kaiserlicher
gewesen sei. — Für das gesammte Bergwesen in Nori-
cnm lüsst sich annehmen, dass der ßlllthepunkt des
Betriebes in die ruhige nnd friedliche Regierungszeit der
Kaiser Trajan, Hadrian und Antonius Pius gefallen sei;
seither blieb das Land die Rüstkammer der Donan-
provinzen, indem die grossen Waffcnlabriken in Obcr-
italien, Pannonicn und Moesicn ihren Bedarf an Roh-
matcriale ans den norischen Alpen bezogen. — Dass
aneh sonst die Erzengnisse des Landes ftlr den kaiser-
lichen Schatz möglichst ausgebeutet worden seien, beweist
der aus Plinius bekannte Handel mit einem wohlriechen-
den Alpenkraute ans Noricum, der Spiea nardi (Speik) ;
es wurde als Parfüm bald so beliebt, dass es nach des
genannten Autors Redeweise anfing, Metall d. h. Geld
zu sein („tantae suavitatis, nt met&llum esse eoeperit").
Mau liebte es insbesondere in die Kleider zn legen
(„vestibus ciiaui interponi gratissimntu')'; die Ausfuhr
desselben in grossen Mengen versteht sich darnach
von selbst, sowie es sehr nahe liegt, zu glauben, dass
auch der Handel damit, wenn nicht gerade ganz im
Besitze des Kaisers war, doch für den kaiserlichen
Schatz sehr nutzbringend gemacht worden sei.
Diese Spuren finanzieller Thätigkeit von Seite der
verwaltenden Behörden sind aber nicht so zu fassen,
dass sie daa I«and bedrückt hätten, um die möglichst
hohen Stenern zu erpressen, nicht vorzugsweise wie
ein Steuerland, sondern wie eine Domäne der Krone
wurde es regiert. Es kann hicftlr jene wichtige Stelle
des Tacitus in Anspruch genommen werden, der gegen
Endo des Aufstandes der deutschen Stämme am Rheine,
welcher unter Ol. Civilis im Jahre 69 n. Ohr. ausgebro-
chen war, den unglücklichen Rebellen Rerlectioncn Uber
die Vortheilo in den Mund legt, welche die römische
Herrschaft mit sich führe. Darnach befand sieh Raetien
Kuttn d«. nvri4fb«n KU«.». y«I, H«ratlti» «d. 1, Iii, 9. — KyaJ. XVII, Tl. —
Mamal IV, M. — Km 1 11 1 ii ■ Inn. I, X'il #. AViaiidVr S t r o « m 1, *"7. —
l.)Ht du- Ki.intr dir («Mdbsricwcrk« In <iaAl«ln, auf dem N r «»rfotd« und in
H'irksloln lr«1rlr.t»-l> liakfin, d««»<i ^«llrllaltn Kagiic. im I.AIld« *«]l>>t. )l u c h a r
1, Ji.l, VN«. - J\.rt>l»*r III, 1»«
1 Viel Arnoth. Arrhäolo^.. An«l«rt«7i. Hjls'ing^er. •! k. Akad. d.
Wlas. phll.'KUi. l'l. XL, &'->.* ff. i*t»«r d«n I!«irti.-b tod SaliwcrkoD Auf d«m
Unutlüiii Xoll/»]d« In K»MMh»o aliicliar 1, .Iii' — 1 l'llnlu. II. NII.IS,
11 i-SIUtg! I'liaiu* Wi'tu liiiinua aiKb den Sinn h*l>«0, d*M «ninlarb« Kftnf-
leut* »"Ii den Kr'"'» d«« llllidrln rol< ti g«w„rd« D celut, , ai«riaon H»l (-««In
auch «Ib. M.uor daltir Ii, .l<n «l.ttt».
wie Noricum in einem Zustande, der nahe an die Frei-
heit streifte; „nicht Steuern legten ihnen die Römer auf,
sondern sie verlangten nur Mannschaft und Tapferkeit
von ihnen" '. Dass nun die Noriker gar keine Steuern
hätten zahlen müssen, wäre nach Strabo 1 eine un-
richtige Annahme. Dass der Proenrator aber mit
grosser Schonung gegen die Eingeborncn des Landes
vorging, ihnen die Steuern nicht herauspreßte, ihr
Eigenthum und ihre Gewohnheiten vielmehr Hess nnd
seine ganze Aufmerksamkeit den Domänen der Kaiser
anwendete, ist zumal für die spätere Zeit sicher.
Damit, schlicsst auch das Gebiet ab, auf welchem
der norische Proenrator Erfolgreiches leisten konnte ;
denn das politische Gewicht der Provinz war wie
in allen von Procuratoren verwalteten Ländern ein sehr
geringes. Schon bei der ersten Eroberung fällt es wie
ein Anhang der benachbarten Länder Raetien und Vin-
dclicien den erobernden Römern zu ; wie schon gesagt
wurde, findet seit dem allerdings harten Kampfe bei die-
ser ersten Eroberung weiter keine Auflehnung nnd kein
Krieg auf seinem Gebiete statt. Sehr bezeichnend ist
dafttr das Verfahren des Legaten Oaecina, welcher im
Kriege zwischen Otto nnd Vitellins als Anhänger des
letzteren auftrat , und seine Haltung gegen den damali-
gen Proenrator von Noricum, lN>tronins Urhiens, der Miene
machte, im Interesse seines Kaisers (Otto) die Vitcl-
lianervom Lande abzuhalten; er hatte zu diesem Zwcke
Hilfstruppen aufgeboten und die Brücken Uber die Flüsse
abgebrochen. Oaecina verweilte damals in Helvetien
und dachte daran, selbst dnreh Raetien hin gegen Petro-
nius zu marsehiren , stand aber von diesem Plane ab
in der Erwägung, „dass Norienm dem Sieger zufallen
werde, wo nur immer der Kampf vor sich ginge 4 *.
Auch jene Stelle darf nicht Übersehen werden, %vorin
Tacitus im Allgemeinen die untergeordnete und
sehwankende Rolle kennzeichnet , welche Uberhaupt
die von Procuratoren verwalteten Provinzen in den
grossen Parteikämpfen um den kaiserlichen Thron
spielten ; „sie wurden je nach der Nähe eines grossen
Heeres durch den Druck des Mächtigeren fUr oder gegen
die eine oder andere Partei bestimmt •* '. Es erhellt aus
dieser untergeordneten politischen Rolle des Proeurators
abermals, wie wenig Gewicht seine militärische Stellung
hatte.
7. So wie im Allgemeinen die Quellen Uber die Pro-
curatnren sehr spärlich (Hessen nnd wie wir uns vor-
läufig für die Amtsführung der uorischen Statthalter
mit den Resultaten begnügen mnssten, die auf sie
zurückgeführt werden können, eben so kann auch nur
das eine und andere Detail beigebracht werden über
die weitere Gestaltung, welche dieses Institut im
Laufe des II. und III. Jahrhunderts ftlr Noricum er-
langt hat.
In dieser Beziehung lassen sich ftlr die Zeit der
Antoninc, in welche die Oillicr Steine vorwiegend ge-
hören, aus diesen drcil*nnkte abnehmen. Erstlich war bis
1 Tu Mm. V. 21 MV. p IM* Ali «r dl»«« iflirirli. .«artu «i »all dar
Kr^biiuiiü iiVq .1.1 Jabr», dA>* dl« Norikdr dl» Stuuufb in Uuho «Ahlten-,
*L>«rm*rh diirft«n *i« g'«ir.h iiArUdfr I *Qlur*«rfun" mit dun |f«wi'hi>)irh«n Al»j(a-
P«n b«la«t«*. u.Tden A«iD Tasit»» Wnri« können d«un ^ n<.ic.|lelr|tt werden,
d am «In SteneTnarhiaei clnKotreteii tei entweder bwi 1 : luv, «ndluiiR d«r CtotIh«
Iii wln« Pmcuralnr durch KalAar Claudia» , »dvf alt auln>Qitti>ri«di'i> tbtUpl«)
K*«fTettiifc«r d^li rti«iiili.rh«ll K«h«ll«n im Ja«l**" l>!) ti 4'hr. — > Tai . Iii»«. I, ,V,
— ei m«»1'ii»".ii* eertatu*« (orrr. Nnrlci > In r^lera vtct^'l«' prae-
n l a < m a > Ii r »" ■- fc Tar. IIIaI l,ll. tt ut culi|il« vx«r«llill »Ulli«*, ltA
In rav^r«m am odtum i:onla«lu v a I « al l o r n in acutiAiitar-. Vsl. Ili»l. II,
1«, da« H«u«hiu«n d»j IT'» uraln«» D«ci|lnu> l'aruliiA »vu Sardinien Im Kaiii|>I«
l-l.rhcu Ollo »4 Vil.m,!.
Digitized by Google
LXX
dahiu die Art der Ämter folge noch nicht verktulcrt
worden; so weit wir dieselben von den iiorischcn Pro-
curatoren, die auf jeuen Steinen genannt «erden, ken-
nen , sahen sie anl die finanzielle und montanistische
Thätigkeit aueh jetzt noch hauptsächlich ah und .sind
daher Belege für das frtther Gesagte sowohl in Bezie-
hung auf die durchgängige Verwendung der Procurato-
reu für tinanzielle Posten, als am h tllr den Gang ihrer
Beförderung, die aus gehirgigeu und mit Bcrgwerkcu
gesegneten Proeuraturen zu jener von Noricum und von
dieser weg zur Finanzprocuratur in Belgien und in den
beiden Germanien führte',
Zweitens folgt aus den Cillicr Steiuen. dass wenig
stensinderZeitdes Kaisers Antoniuus l'ius diese Behörde
eine einjährige war; sie erscheint in den Ämlerfolgeu
der Proeuraturen als Durchgangspostenzu höheren Stel-
len. Für das ofliciellc 1-eben der Provinz seihst dürfte
sie aueh die eponyine Behörde gew esen sein, naeh deren
Namen man wie in Rom uaeh jenen der Consiilcn, die
einzelnen Jahrgänge unterschied. Wenigstens muss es
autTallen, dass aul unseren Steinen, wenn kein Proeura-
tor angegeben wird, die Zeit durch Nennung der 0<nsu
len bestimmt wird; so dass umgekehrt geschlossen wer-
den kann, die Neuuung der Procuratoren hiilie hinge-
reicht, um das Jahr zu kennzeichnen, in welchem der eine
oder andere Legionär Beneticiarius geworden sei.
Dass nun von Anlang nu und tllr alle Zeiten die
Amtsdaiier der l'rociiratur eine einjährige gewesen sei,
kann nicht nachgewiesen werden und ist an sich
unwahrscheinlich; denn zumal tllr die frühere Zeit, in
welcher die Hinrichtung der Provinz stattgefunden hat.
und iu jenen Epochen, in welchen die politischen Ver-
bältnisse in den umliegenden Provinzen gefahrdrohend
waren, ist eine längere Auitsdauer vorauszusetzen.
Anders mag man späterhin verfahren haben, als Friede
im Reiche herrschte und der Gang der Verwaltung*
geschürte ein bestimmter und eiugewohnter geworden
war; dies trifft zunächst mit der Regierungszeit des
Kaisers Antoniuus l'ius zusammen. Auch noch ein ande-
rer Umstand dürfte darauf eingewirkt haben, nämlich
die Art . in welcher das Institut der Proeuratur von
jeuen Kaisern aufgefasst wurde, die den Regenten des
Julischen Hauses folgten. Die Anlage von Kiongütern,
welche das letztere, zumal Kaiser Claudius, anstrebte,
verlor mit seinein Aussterben (in Jahre öS n. Chr.) die
intensive Bedeutung eiuer kaiserlichen Privatangelegen-
heit; wenn auch noch die unmittelbaren Nnchlolger
Neros und die navisehen Kaiser, vorzuglich der spar
same Vespasianus. die Absiebten der Julischen Kaiser
verfolgen mochten, so haben doch sicher die Antoniue
in deu Proeuraturen nicht mehr Anstalten zur Berei-
cherung und Sicherung ihrer Dynastie, sondern Staats -
ausfallen gesehen. Damit hatten aber die engen und
speeiellen Beziehungen des Pmcnrntors zum jeweili-
gen Kaiser ein Knde, und um so weniger that eine eiu-
jahrige Amtsdauer dem Zwecke des Institutes Eintrag.
' An-.r-r dur.i .L-bi.n «.-»»linier. Iie,»n«l>' Äin1, -lU-lgi- <w, I!»..-». u, IMfu»
- litt, r wci. Ii« »iKh I. <J Stlil im N»mer>»ir»»«rM-tii««» dir Vrm ur»i.irxn "i
v.tkIci. hru i.t k,.r.nl mm. in*, brlflln Ii ti..i:ii Ja«- <iv. I, lln-lil u. Am
» u» in» der Zill <!«• K »l>«r. I Uudiu» und J»u» Ai' Hnniclu, A).»II1q»
ri* aua dum r.j.4« dt, I. jAlirKundert». [III« J n .« hriit^ 11 Min* ^It-If l.fal:»
t.. I J. '■ Svl.il 0. a. 0,1 l'ir «r.rer.- »i.rd, rnnithvi Cricu d,-r sü.lte in
Moi-il. il null Tr«ii»!U»i>- .Iami d*r Miidi..- in il,-r> Si.««l[..-u ; hUrA.11' »kdtr ■•>r-
Bl„ r^-*li#nrl t.H:n Mllilwr ,«r» und , kAn. ir cu-likh PrnmrAl-.r umIi
Nni-K'iin 1>i r »i.d.r« wurdi r>n.r.< Klu»iw|*-->'. nr«t.,T In Suite-, d«nr. In l.n-i
(Aniun, firu.tr Kl Ii -uikti «ir» »llir . luira-if h in mr./. j.--m urAl.ir In Ml>p«!il« Tai
»»rcuftul.. i'u,ll„6 |»r...-ur»t'ji- In N.irlium
Wenn nun folgerichtig diese veränderte Auflassung
der Procuratureu von Seite der Kaiser eine Änderung
in der Stellung der Procurntoren selbst herbeiführte,
wenn diese iu die Reihe der Übrigen Staatsbeamten
zurücktraten, so verlor das Institut dadurch gerade das-
jenige, was ihm bisher ein grosses Ansehen verliehen
hatte, nämlich die auf seine nächste amtliche Verbin-
dung mit dem Kaiser begründete Sonderstellung gegen
die anderen Behörden des Reiches; damit beginnt sieh
der Verfall des Institutes vorzubereiten, der im Laufe
des III. Jahrhunderte» durch andere dazu tretende
Momente beschleunigt wurde.
Zu diesen gehört vor Allem die Änderung der Ver-
hältnisse im Lande seit des Kaisers Marcos Aurclius
Kriegen gegen die Markomannen. Es kann damit der
dritte Puukt verbunden werden, der ans den CiUier
Steinen für die weitere. Gestaltung der Proeuratur von
Noricum gewonnen wird.
Es zeigen sieh nämlich auf denselben auffallende
Lücken in der Reihe der Procuratoren. Während für die
Jahre 15H, 159, 160 drei verschiedene Procuratoren mit
einjähriger Amtsduuer nachgewiesen werden können,
fehlen solche aus den Jahren 174, li»*2, 1211, 2LV, 215,
211. Iu den ersteren Jahren verleiht der Proeurator das
militärische benetieium; in den letzteren hingegen
werden mir beneliciarii coiisulis getiaunt , ein Umstand,
welcher bei der Conscouenz. mit der zuerst beneri-
ciarii des Procurators, dann solche des Consuls erschei-
nen, sehr wichtig ist ; denn es Ittsst sieb daraus fol-
gern, dass in den letzteren Jahren der l'rocurator nicht
iu Celeja fnngirt habe. Es liegt nahe, diese Erscheinung
mit eben den grossen markoinnnnisehen Kriegen in
Verbindung zu bringen, welche iu der Zeit von lt>7
bis 1ÖU den Kaiser Marcus Aurelius dreimal an die
Donau führten, und auch späterhin die Coneentrirung
eines grösseren Heeres unter dem Befehle eines erprob-
teu Heerführers iiothweudig machten, am wahrschein
liebsten des Statthalters im oberen Pauuouicn, wohin
zunächst die Angriffe der Feinde zielten. Darauf weist
auch die Stelle im Capitolinus hin, nach welcher der
nachmalige Kaiser Pcrtinax, als Legat der ersten Legion,
die für gewöhnlich zu Bregetium (O Szöny) in Panno-
nieu lag, noch unter des Kaisers Marcus Aurelius
Regierung Noricum und Ractien von deu Feinden befreite.
Diese Feinde waren sicher nichts anderes als Streif-
coloniicn, welche die Markomannen in die oberen Donau-
länder entsendeten, um die Kräfte der Römer zu ver-
theilen und die linke Flanke des kaiserlichen Heeres,
das sein Hauptquartier in Camuntuni ib. PetroneU, hatte,
zu bedrohen. Da nun in dieser Stelle von dem l'roeura-
tor von Noricum nicht die Rede ist, so könnte geschlos-
sen werden, dass er damals schon keine militärische
* Ol,*,:» J*hr ila» Id «lfm nt'MB ril*Ninamn|r«tl*fllt«n \erxt kluil u« f«lill,
..i n .t^.i,. ■ .nii , h Inirkrjf't »>]- 1 im \ lonr. |>l ebABi), wcl. hr .i. I; ,m
lcd»x A.iiiLitmu, i.Tjtf, Jcr k. k HofMklUMink u^lor Nu. .U4i> i. M.ma
.,.■>. (riil.il Ht.TIl llnJ.I u = .l ,\l,<l,rin t»lr )l.r, l>r..i..,.r l'm r Ulli ».
r.,ll.»,l, I...UI \* Wim; fr,.i,..||,.h.l .n|::l . Ilu, Krlri K t n (f.aiKr»il.l>lfi. du
\V„Tir
I M H A N TUN I NO
Im VVI>,k..l ,iv. tpU*,!.
KT R A I.III Nor OS
I'KUIA K
A V <.
P AKI.IVK
V K H I N V s II K
cos. ]' K ii si;
KTSTIS
V. S 1. M.
«•aiataIU ii d M»lL..: ••r«n Oujultn Im Jun 215 n Ohr. • 1 In l'rrun. t -
Digitized by Google
1
LXXI
Uchörde mehr, sondern nur eine CivilbchOrde gewesen
wäre; allein dem steht der Linser Inschriftstein entge-
gen. Der auf demselben genannte Proeurator, mag
er nnn wie immer geheissen haben, verlieh das benefi-
cinm einem Soldaten der zehnten Legion; diese
wurde aber erst von Kaiser Marens Anrelins zum Zweeke
der nachdrücklichen Vertheidignng des Landes im Mar-
komannenkriege aus den bisherigen Quartieren am Rhein
an die Donan gezogen. Also verweilte um die Zeit die-
ses Krieges der Proeurator nicht blos im Uferlandc,
sondern hatte dort auch eine militärische Stellung inne.
Daher bleibt nur noch die Annahme übrig, dass er dem
Heerführer an der Donaugrenzc in militärischen Dingen
unter- oder höchstens beigeordnet gewesen sei. In der
Zeit des langen Friedens vor dem genannten Kriege war
nnn die militärische Stellung des Procurators so wenig
in den Vordergrund getreten, dass er auch in der Ange-
legenheit der Bewachung der Grenze vollkommen selbst-
ständig erschien. Seit aber dnreh die Markomannen-
kriege der gefährliche Zustand der Donaugrcnzo perma-
nent geworden und der bisher unbedeutende Wachc-
dienst in einen mit den kriegerischen Actionen in Pan-
nnnien eombinirten Felddienst übergegangen war , trat
naturgemäss das militärische Übergewicht der panno-
nischen Statthalter Ober die von llaus aus untergeord-
nete militärische Stellung der norischen Proenratoren
hervor, ein Umstand, der dem Ansehen und der Unab-
hängigkeit der letzteren wesentlichen Eintrag thun
musste. Denn auch in politischen Dingen waren die
Statthalter in Pannonien vielvermögcnd. An der Spitze
einer immer kampfbereiten grossen Armee waren sie
für den jeweiligen Kaiser bedeutungsvolle Personen nnd
gaben wichtige Parteigänger auch für die Prätenden-
ten des kaiserlichen Purpurs ab, ja sie traten wohl auch
selbst als solche auf, wie der eben genannte Pcrtinax ;
um so mehr musste ihr Einfluss in eine Provinz hin-
«berreichen, deren militärische und politische Be-
deutung, an sich geringe, nur durch die Rückwirkung der
damaligen Sachlage in Pannonien einen höheren Grad
erhielt.
Nur so kann jener eigentümliche Vorfall erklärt
worden, welchen Dio Cassius aus dem Jahre 203 n. Chr.
erzählt. Polennius Scbennus, damals Proeurator von
Noricum, ein ränkevollcr, trotziger und despotischer
Maun, wurde nämlich vom Präses in Pannonien .Sabinas
den Norikeni zur Bestrafung mit dem Tode ausgeliefert,
weil er die Verwaltung des Landes schlecht geführt
habe. Er entkam derselben zwar; aber immer wird_ dar-
aus abgenommen werden können, welch' ein Über-
gewicht der Statthalter in Pannonien gegen den Proeu-
rator von Noricum inne hatte. Diese Unterordnung ist
auch in der Folge bestehen geblieben, da die Verhält-
nisse, welche sio begründeten, selbst fortbestanden nnd
an Bedeutung gewannen, seit die BarbarcnstUrme und
die Throustrcitigkeiten im Laufe des III. Jahrhun-
derts sich steigerten. Ja als gegen Ende desselben der
am linken Douauufcr gelegene Theil vonDaeien verloren
gegangen war, trat die Wichtigkeit Fanuuiiiens. die es
seit dem Markomannenkriege als Schauplatz desselben
erhalten hatte, noch mehr hervor; in ihm coneentrirle sich
seither die Vertheidignng aller Grenzländer an der mittle-
ren Donau und jene der Küste des adriatisehen Meeres;
der gcsammteLändercomplex zwischen Inn, Etsch, Donan
und Save, nicht blos Noricum allein war mit all' seiner
IX.
Zukunft auf die Vorgänge im Marchfelde und den unga-
rischen Ebenen angewiesen.
Aber nicht blos nach Aussen hin veränderten sich
die Verhältnisse der Procuratur ; auch die innere Ver-
waltung wurde im Laufe des II. und III. Jahrbnnderts
eine andere nnd wirkte altcrirend auf den Charakter
dieser Behörde zurück.
Es ist schon oben angedeutet worden, dass erst
unter Hadrian und seinen Nachfolgern im Uferlandc
Militärcolouicn auftauchten, also erst nm diese Zeit von
den Nationalen des Landes eine höhere Stufe der Bil-
dung erreicht worden ist. Die Begründung der Colonicn
muss auch hier einen durchgreifenden Einfluss auf die
Erhaltung nnd Verbreitung der römischen Cultnr aus-
geübt und dadurch das bürgerliche Leben der Provinzia-
len gefördert haben, so dass die Verwaltung des Landes
nicht mehr ciue blos militärische sein konnte, sondern
auch Civilbehörden erheischte. Im bi nn enlitn dische n
Noricum hatte die Romanisirung schon früher grössere
Fortschritte gemacht; je länger hier der cultivirende
Einfluss der Römer thätig war, um so tiefer drang er
ein, um so mannigfaltiger wurden die Verhältnisse der
Herrschenden zu den Provinzialen; das Rechtsleben, der
Verkehr, das Handwerk musste grössere Dimensionen
annehmen nnd so der Stoff für die Administration und
Jurisdiction immer reicher werden. Neben die bisher
vorwiegende finanzielle Thätigkeit des Procurators trat
daher die administrative und judicielle mit gleicher Be-
deutung und in gleichem Umfange, aber auch mit einer
neuen Forderung. Denn auch die Verschiedenheit der
beiden Theile des Landes nord- nnd südwärts von den
Alpen spiegelte sich in dem aufblühenden Gemcindc-
lehen ab ; nicht blos die Abslufuug nach dem Grade, in
welchem hier wie dort die Bildung sich befand, sondern
anch die loealen Abweichungen, die sie in den verschie-
denen Theilen bei ihrer Entwicklung zeigte . verlangte
eine verschiedene Art der Behandlung und Verwaltung
in den einzelnen Landestheilcn. So war denn die Procu-
ratur mit ihrer alten Einrichtung in der neuen Zeit all-
mählich unmöglich geworden. Ursprünglich auf einen viel
engeren Rahmen angelegt, nämlich auf den Znstand des
Landes, wie er kurz nach der Eroberung war, und inner-
halb desselben zunächst auf die finanzielle Ausnutzung
der Schätze des I^andes und auf den Schutz der Donau-
gren zc zielend, genügte sie einer Zeit nicht mehr, in
welcher die Vcrmischuug der einheimischen Bildung
mit jener der fremden Herren Thatsaehe geworden war
und ein mehr weniger reiches bürgerliches Leben znr
Blllthe gebracht hatte ; in welcher ferner der Schutz der
Donangrenze aus dem Ressort der Proenratoren in jenen
der Statthalter von Pannonien übergegangen ; in welcher
endlich der ursprünglich sclbstständigc Proeurator zu-
nächst durch die veränderte Richtung des Zeitgeistes
ans seiner nahen Stellung znm Kaiser verdrängt, dann
nach der kriegerischen Gestaltung der Verhältnisse zu
den barbarischen Nachbarn längs der Donau hin, in eine
bleibende Unterordnung unter die pannonische Statt-
halterschaft gebracht worden war.
So hatte das Institut alle jene charakteristischen
Eigenschaften, mit denen es ursprünglich ausgestattet
war, im Laufe des HL Jahrhundert« verloren ; die Ver-
hältnisse drängten zu einer gründlichen Reform des-
selben hin. Dass diese aber während der Zeit der
k
Digitized by Google
LXXTI
«
r dreissig Tyrannen" vorgenommen worden »ei, ist nicht
denkbar. Die traurige Zeit der ärgsten staatlichen Ver-
wirrung war in der That nicht dnzn angethan, eine neue
dauerhafte Organiairong zur Keife zu bringen. Auch
hahen überhaupt die Kcstaurationsvcrsncho in der Ver-
waltung nicht vor Aurelian begonnen, nnd bekanntlich
war es erst Diocletian, welchem es gelang, eine den
veränderten Verhältnissen des Reiches entsprechende
Neubildung der Administration durchzuführen.
Daher können alle Versuche die Prociiratur den
veränderten Zeitvcrhitltnissen anzupassen, bis zurOrga-
nisirung unter Diocletian nur als Aushilfen betrachtet
werden. Welcher Art sie gewesen seien, ist nicht Über-
liefert, aber auch nicht schwer zu bestimmen. Da M. Ul-
pius Victor noch um die Zeit des Kaisers Philippus,
also um die Mitte des IJI. Jahrhunderts als Proeura-
tor in Celeja erscheint, so muss die Bebttrde damals
noch bestanden haben, vielleicht mit dem einzigen Unter-
schiede, dass die strategischen Angelegenheiten des
Ufcrlandes schon in jener Zeit an den Statthalter von
Pannonien abgetreten waren. Die civile Verwaltung
des Uferlandcs mochte durch einen in Lauriaeum expo-
nirten Unferbeamten, der unter dem Procurator stand,
versehen worden sein, wie sich dieses aus den Ver-
hältnissen jener Zeit mit Notwendigkeit ergibt. Aach
in Oilli mag die Kanzlei des Procurator« weit mehr uud
gleich wichtige Abtheiinngen umfasst habeu als früher.
Hierher könnte die Stelle aus einer freilich sehr
spaten Qnelle bezogen werden, aus der Legende des
heiligen Mnximilinnus, Bisehofes von Lorch 1 ; der ihn
zum Abfall vom Christcnthumc auffordernde uud dann
zum Tode vcrurtheilende Vertreter des Kaisers kann
wohl nur der Procurator gewesen sein; die Legende
nennt ihn aber schlechthin „judex", nicht Procurator,
ein Ausdruck, der um so weniger auffallen kann, als ja
die Thatsache der Verurtheilung selbst dafür spricht,
dass der Procurator für die Gerechtigkcitspflcgc im
Lande die oberste Instanz war; wichtig ist daran nur,
dass er damals noch das ^us gladii" inne hatte, und
vorzugsweise nach seiner richterlichen Thiitigkeit be-
zeichnet wurde. — Wie nun immer die Auehilfeu beschaf-
fen waren, um die Procuratur den veränderten Verhält-
nissen des Landes entsprechend einzurichten, das
dürfte anznnehmen sein, dass sie durch die factische
Theilung der Provinz in zwei Theile und durch die Ver-
mehrung der Verwaltungsgeschäfte nach allen Seiten
hin bedingt worden seien.
8. Weit mehr Licht wirft auf die allmilhlichc Um-
gestaltung der Procuratur die neue Organ isation des
ReicheR unter Diocletian, da sie ja nicht von vorne
herein einen nenen Zustand schuf, sondern den Ver-
änderungen und Nothwendigkeitcu sich anschliessend,
welche im Laufe des III. Jahrhunderts hervorgetreten
waren, diese xum klaren nnd deutlichen Ausdruck brachte,
ihnen gewissermassen die officiclle Beseitigung ertheilte
nnd so für uns die sicherste Quelle ist , aus der wir
auf jene Veränderungen xurücksehliessen können.
Ans einer Veronenser Handschrift hat Tb. Mommscn
vor nicht langer Zeit ein Verzeichnis» der römischen
Provinzen herausgegeben, welches schon von Maffei
aufgenommen worden war 1 ; ex ist die ans dem VII. Jahr-
hundert n. Ohr. stammende Copie einer Aufzählung der
■ Pf f. !. .ol. M, Nr. a. - ■ Abhac.dln.nri. der k. Akadeniia d. «J„. I«
Hrrlin !»«:•!. n. (h'p ff. mit e;". r Karle.
Diöccscn und der diesen untergeordneten Provinzen,
welche nach des berühmten Herausgebers Begründung
um das Jahr 297 n. Ohr. geschrieben worden ist '. In
dcrselbeu erscheinen unter der Diticese Pannonien nach
dem „eonsul Pannoniae inferioris" und dem „correetor
(Pannoniae) Savensis" die praesides von Dalmaria, Va-
leria, Pannonia superior, Noricum ripense und Noricun
mediterranenm. DieHandsehrift gibt das älteste Proviuzial-
verzeichniss nnd es liegen alle Gründe vor, sie mit der
Organisation des Reiches unter Diocletian in Verbindung
zu bringen ; sie ist daher auch für unsere Frage die
wichtigste Quelle.
Es ergibt sieh nnn aus ihr, dass erstlich das fac-
tische Übergewicht, welches Pannonien seit den Mar-
komannenkriegen über die umliegenden Provinzen er-
halten hatte, durch die administrative Unterordnung der
letzteren unter die erstere eiue bleibende ofticielle Form
erlangte; ferner wurde die Provinz nun auch officiell in
jene zwei Theile zerlegt, welche naturgemäss bei der
Kntwieklung der neuen Culrur in Noricum eineu ver-
schiedenen Weg gegangen waren, sowie die Aufgab«
der Verwaltung in ihnen verschiedene Gesichtspunkte
verfolgen inusstc. An die Spitze der Civüverwaltun^
trat in jeder Provinz ein praeses, nnd zwar nicht mehr
blos als finanzielle, sondern vorwiegend als Gerichts-
behörde, wie aus der späteren Notitia hervorgeht, und mit
dem .perfectissimatus", d. h. mit jener Rangstufe unter
den höheren Beamten, welche zwischen dem „clarissi-
matus" nnd der untersten Stufe, dem „egregiatus", die
Mitte hielt. Darin liegt ein interessanter Hinweis anf
die Stelle, die nun die ehemaligen Procuratoren gegen-
über den Statthaltern der ehemaligen seuatoriseben
und kaiserlichen Provinzen einnahmen, welche letztere
seither gleichweise praesides hieasen. Diese, z. B. die
praesides von Aquit&nia, Byzaeene, Dalmaria, Moesia
superior, Pannonia snperior , Sardinia, Syria wurden
viri c 1 a r i 8 s i m i ; die ehemaligen proenratorcs und prae-
fecti, wie z. B. die (jetzigen) praesides der beiden Norica,
die von den cotti sehen Alpen, der Inselprovinz, von Man-
retania Sititensis wurden nur viri perfectissimi, ein
Beweis, dass die ehemaligen Proenratoren keine Sonder-
stellung mehr gegen die übrigen Behörden einnahmen,
sondern in die Reihe der letzteren gestellt nnd nach der
Grösse und Bedeutung der Länder, die sie zu ver-
walten hatten , in die entsprechenden Rangstufen ein-
gereiht wurden. Daher erscheinen auch in (der Verone-
ser Handschrift die praesideB der beiden Norica nicht
blos hinter dem consnl von Pannonia iuferior uud dem
• Die FMie "«» <i" AufllMltii»» der Prolin. Sorlratn In «d „rinenee-
and «In .mediterran««« erhell dad.rrh Ihr. endilllti-. I-IIeun« Mueh.r
lle.. .!•> naeb elrj.eher.der ErSrterun* uobe.lliti.ut II. S. 7 ~n). J 0 S« I d I
cnf die Zeitgrenioii clemllch en-e uo-d boHJmnita sie au» einer Steile In
Paiiecrrikit» ßwrieaiaa (l'»JU«r Auigabe der 1'aaecrrlcl IB"!6, p. U3>. nachwel
eher um Süi n. Chr «c*h *»m einem u u g e I h» 1 Ho n KorR-um dlo Kode l»t,
und naeh »Inor Iniehrift »uf dl« Jahre Tr)~ SSM, kam ru>n dorn wnbre« Mil'
*eWm]t r-ehr nahe ;.ee-i£r. r:xcur»e Wleu. Jahrb. 4. Llt. ltd. It>l, Anxefgeb 1 *"*
ArnaraUlidr. II. $ t3|. T>e«*e*ea »tollt« Illidlne.or In der oaterrelcruWehen
Oetchleblc &. in. dl« Behauptung auf, Norkam »ei erhon diu tW {'(bellt und
Ton rwel Croeuratorcu rerwaftel worden Ortinde gibt er «Ufür nkhl au uud
daher |,t e* rrhwer, ein t*rth«ll über dlaae Anklebt xu fällen, Da«e die Kal-
vlckluue: der rvoat,. b-barbar|ju-Lon Mlaebbllduna: In Vcrbladnnif, mit den terrl-
toriakit VrrkflUL-dcnbclteu du« I.andu» ein« Trenouna: dir CroTliu lü |rn« J»#4
Thello t,«n t«lbi>t herbelÄoffthrl nnd die*» Tat flach «vhan »nr 5», l»a»unden
bab«-, li< sehr »»ImrKvitilitli , allrln ort, l«ll auerk^not und orxatiUlrt ward« di«
Trennung erst ?HT, Ebenhn u^wud< l'l rrfellratoron für beide Tnelte
aniuiH'timen, da mit dlootn l'llel *tn anderer rl»-tfrlff varbnbdaa werden rnuu,
alt der, welrKir die rnnipelrux der Statthalter narh der Tliellun* d»r l'rovlu
brtalehoet. Ute IteKattptuuif lltidlnftnri wird iturtren aanubnibar. wenn uilt
ilirnitr ftnejcuer Aushilfen, dl« el^n lipj.i>rö.'liwji »unteri ri,id. tezclfbnu-r werden
will; nur Iht d&nn fe^tzutiallen. dari die TV"ill'4»K der Crevlc« wobt da faete,
aber nneh nlcbl aU Kold* einer ruuen f>r(anislrun|t beaianden und »irh niiht
auf dU Tlielluujr, aurK der f'oinpeUnz dt > eit» n Frnenratnr» eritrerkt hat
Digitized by Google
LXXIII
correetor von Savcnsis aufgeführt, sondern auch hinter
den praesides der Übrigen Tlieilc von Pannonien (supe-
rior und Valeria), da diese« Land ehemals eine kaiser-
liche Provinz war.
Endlich ist es eine charakteristische Eigenschaft
der nenen Organisirung, das» sie nicht blos die Provin-
zen in kleinere Gebiete aufgetheilt hat, sondern auch
die Competenzen, so dass die Civilgeschäfte dem „prae-
se8 J ,dieMiutärgC8chRfte dem „dux* zukamen. Wie diese
Theilung damals in Noricutn durchgeführt wurde, ist
jedoch zweifelhaft. Für das Uferland wäre nach dem
Gange der Entwickelung seit dem Markomauncnkriege
anzunehmen, das« die Stelle des „dux- zugleich von
dem dux in Pannonin versehen worden sei; denn es
war von Wichtigkeit die gesammte Besatznng der
mittleren üonaugrenze einer einheitlichen Leitung zu
unterordnen, zumal da das l'ferland flir sich nur eine
geringe tactischc Bedeutung hatte und nur flir die mili-
tärischen Bewegungen in Pannonien wichtig war. Daher
dürfte, wie in der Zeit der ersten Procuratoren die
norischc Uferwache von einem militärischen Stellver-
treter derselben geleitet worden sein mochte, ebenso jetzt
der „dux- Pannoniac einen höheren Officier als Stell-
vertreter im l'ferlandc gehabt haben, dem dann auch
die wichtigen Waffenfabrikeu in Lauriacum untergeord-
net waren. Diese Verbindung der Stellen der duces von
Norieutu ripensc und Paunonia ist späterhin bestimmt
durchgeführt worden, wie denn die Notitia dignitatura,
das Staatshandbnch vom J.4U0 n. Chr. einen „dux Pan-
noniae primae et Norici ripensis- 1 mit dem Pra-
dicat Spectabiiis nennt'; mit Wahrscheinlichkeit
darf sie aber auch schon fUr die Zeit Diocletians an-
gcnomincu werden. — Für das binncnliindische Noricum
kann dagegen Uber die Theilung der alten Procuratur
in ein praesidium und einen dueatus kein Beleg anf-
gebracht werden. Die Notitia liisst uns hierüber voll-
kommen im Zweifel, indem sie die Verwaltung dieser
Provinz nicht näher berührt. Vielleicht hat der diu von
Savensis eine ähnliche Oberaufsicht Uber die militäri-
schen Angelegenheiten in dieser Provinz, wie sie jener
von Pannonia secunda im Ufernoricuin hatte ; «lies bleibt
aber nnr eine Vermuthung, indem der Beweis hieftlr
nicht geliefert werden kann.
So hatte die Procuratur, deren militärische Bedcn-
tang von Anfang sehr geringe war und eben nur aus-
1 »««km« CXXXIII um. II, »»;..
reichte, die finanzielle Verwaltung des Landes und die
Bouianisirung mit Nachdruck durchfuhren zu könneu,
diesen Thcil ihrer Wirksamkeit ganz an eine rein mili-
tärische Behörde abgegeben. Der Wirkungskreis der
Civilverwaltnng selbst war aber verändert und so aus-
gebreitet und geschäftereich geworden, dass auch das
L'ferland eine eigene Civilbehördc erhielt. Damit hatte die
Organisation Diocletian s jene Veränderungen sanetio-
nirt, welche der Procuratur ihren alten Glanz und die
charakteristischen Eigenschaften nahmen; selbst der
Name schwindet aus der Amterlistc; es gibt fllrderhin
keinen IVocurator und kein nngethciltes Noricum mehr.
Wenn noch einmal anf die Ursachen zurückgesehen
wird, welche die Procuratur so sehr verändert haben, so
tritt unter ihnen neben den auch in anderen Beziehun-
gen fUr die Donanländcr höchst folgereichen Marko-
maunenkriegen zumeist die Umgestaltung der Provinz
selbst hervor, die aus einem blossen Grenzlande zu einein
Vorland« des Beiches mit reich entwickelter Misch-
bildung herangewachsen war, bedeutend nicht durch
seine tactischc oder politische Wichtigkeit , wohl aber
durch seine materiellen Güter, namentlich durch den
Segen der Berge, durch den Zwischenhandel und durch
ein blühendes gewerbliches Leben. Es war die Aufgabe
der Procuratur, das Land in diesen Znstand zn bringen,
wenn sie auch zunächst darauf angelegt war, die Interes-
sen des Beiches, nicht jene der Provinz zu wahren; und
bezeichnend ist es, dass durch die Erfolge der Procuratur
schliesslich die Verhältnisse im Lande so geändert
wurden, dass sie Uber die ursprüngliche Anlage dieser
Obrigkeit hinauswnehsen und eine gänzliche Umgestal-
tung derselben bewirkten. —
Es sind grösstcuthcils nur Vcrmuthungen, welche
in den vorstehenden Blättern Uber die Procuratur von
Noricum zusammengestellt werden konnten; dennoch
schien es uns gerechtfertigt, nie mitzutheilen ; denn eine
Frage iu Anregung zu bringen, welche, sowie sie viele
andere in sich begreift, für die Geschichte der öster-
reichischen Kronländcr unter den Römern von grosser
Bedeutung ist, dies scheint uns eine Pflicht zu sein, zu-
mal wenn der vaterländische Hoden selbst die lange und
wohlverwahrten Zeugen jener längstvergangenen Zeit
hervortreten lässt und uns vor Augen stellt. Hoffentlich
werden deren noch mehrere kommen und die grossen
Lücken ausfüllen helfen, die in dieser Schritt offen
bleiben. Dr. Friedrich Kenner.
Besprechungen.
The alabaster sarcophagus of Oimenepthah I.,
I» SIf .
n, Uik.I.'i I,.»
(MI. 13
Als im Octobcr 1815 der bekannte Belzoni in
Theben war, bezeichnete er seinen Arbeitern eine Stelle
in dem „Thal der Köuigsgräber-' am Fnsse der HUgcl
von Bibau el Molook, und Hess dort nachgraben. Was
ihn bewogen haben mochte, eben dort nachsuchen zu
lassen, wo zur Regenzeit ein Bergbach durch das Thal
rauscht, der sich dann in den Nil ergiesst, war vielleicht
l»> J- llononi uii
19 T4fol» )
dc.crt.ed b, S. Sli./p«. Uau« ua |h,i( f.
nichts weiter als ciue „antiquarische Ahnung - , aber das
Ergebnis« zeigte, dass Belzoni sehr richtig gerathen
hatte, denn nach zwei Tagen (16. Octoher) stand man,
achtzehn Fuss unter der Erde, vor einer Treppe, welche
in einen Corridor von 36 Fuss Länge hinabführte. Hier
fand sich eine zweite Treppe (von 23 Fuss Länge) und
ein zweiter, 37 Fuss langer Gang, durch den man in
-
Digitized by Google
i
LXXIV
ein kleines (30 Fuss tiefes und 1 4 Fuss breites) Gemach
gelangte. Aus diesem führte eine, nur einen Yard breite
üeffhnng in eine Halle mit vier Pfeilern, von welcher
eine dritte Stiege nochmals in eine Halle nnd endlich
eine vierte Treppe zudem eigentlichen Begräbnis« führte,
welches mehrere Nebengemächer zeigte. In dem letzten
derselben fand Bclzoni die Mumie eines Stieres und
eine Menge höherner Mumienfiguren von 6 bis 8 Zoll
Länge, von denen die eine den Namen des Königs
Oimenepthah trug. Der Sarkophag selbst ist in Ala-
baster gemeisselt. ßclzoni sammelte die einzelnen
Theilc des zerfallenen Sarkophage», Hess sie au den Nil
fnhrcn nnd brachte sie nach England , wo sie Sir John
Soane von ihm kaufte und in seinem Museum aufstellte.
Mr. Sharpe spricht nun in dem vorliegenden
Buche zuerst von dem Namen des Königs. Kr erinnert
daran, dass Diodor diesen König Osymandyaa, und
Erathoatenes: Cho-niae-phta nannte, welches letztere so
viel bedeuten Boll als: „the world belovcd by Hephaes-
rns«, und geht dann auf das Alter des Sarkopbagcs
Uber. Nach seiner Ansicht ist Oimenepthah einer jener
zwanzig Könige, welche in einem Zeitraum von 500 Jah-
ren vor dem König Shishank (S. Buch d. Könige I, 14)
Ägypten beherrschten und die Tempel im Nilthal bauten,
und zwar soll er der Vater Ramases des Zweiten gewe-
sen, im 1 175. Jahre vor Christi gestorben und in obigen
Sarkophag gelegt worden sein.
Von Gebäuden, welche Oimenepthah errichtete,
werden genannt: Der Tempel von Errebek (der Stadt
der Sonne), die SHulenhalle zu Karaak. zwei Bauten zu
Thys (Abydos) und der flaminianische Obelisk , der nnn
auf der piazza del popolo zu Rom aufgestellt ist; das bri-
tische Nationalmuscum besitzt auch eine Statue dieses
Königs.
Der Sarkophag ist 9 Fuss 4 Zoll lang, seine grösstc
Breite (über die Brust) misst 3 Fuss 4 Zoll und die
Höbe beträgt an den Schultern 32 und an den Fussen
27 Zoll. Die Dicke des Steines wechselt von 2«/, bis zu
4 Zoll. Der Sarkophag ist alleuthalben mit Hieroglyphen
verziert , welche der Verfasser in zehn Bilder ab-
theilt und beschreibt und erklärt. Nachdem auch der
Boden des Sarges beschrieben ist, wird in einem Appen-
dix von der Reihe der ägyptischen Könige gesprochen
und auf einem besonderen Blatte sind die Namen der-
selben bei Kratosthenes und auf den Tafeln von Abydos,
mit der Manctho'schen Dynastie von Theben und von
Memphis zusammengestellt. Der Autor, dem die ge-
lehrte Welt schon mehrere Abhandlungen Aber das alte
Ägypten verdankt', hat mit dieser neuen Schrift die Li-
teratur Uber dieses geheimnissvolle Land auf eine wür-
dige Weise bereichert.
' nie um bckinatra ilail:
.The iriplr mumm» riw ..f Aroerl-Ar, *ia egypUl» prle>t*. ilu.
t)r. f.ee'i Mu*eiun.)
„Tbr <lirüii<?logy ead geogrephy of Aurl«nt Ecypl."
„Ttte lii»lory ot Egypl fK>» tbe earlleftt tliaei Uli tlie coflejueel by
tho Artbi ia A. e*l*". [Viert« Auflage.)
,.1'lcyptUB Injcrtption» frnrn che fiTllleh Mnieum »il olber i«uree»-.
(MM !>0 Tafeln la Kell».)
„K(y|itUtt hleri>e;UBln>> , beini au eilempt u> eiiilalu ihelr oelure.
<irlaiD and mt-anln*." (Mit einem Wnrlerbiicb) uad
.Kayptle* Uythololy and eaypllan carliliaalty, »Ith thflr inlhieare on
tlie »pfulen» et meiern rhr l.ltLd. m-
Die Wiederaufflndung der Urne des heiligen Vigilius.
V«n 1. G. Sulaer. Trleat In« *».
Obige Tumba. bestehend ans einer, aus einem ein-
zigen tiroler Marniorblockc gemcisselten Arche (6 Fuss
11 Zoll lang, 8 Fuss breit, 2 Fuss 11 Zoll hoch) fand
der Verfasser im Jahre 1843 bei Besorgung von
Restauratious - Arbeiten an der Kathedrale zu Trient
im Hofe der Frohnvestc des dortigen Magistrates.
Nach Constatirung der Echtheit wurde die altehrwttr-
dige Tumba (n. d. V. Jahrhundert) in die Kathedrale
gebracht und dient nun als mettsa zum Reliquienaltar in
der Sacristei. Den Schicksalen dieser Tumba ist mit vie-
lem Fleisse nachgeforscht und die Mittheilung derselben
möglichst genau und umständlich geschehen. Im Anhang
bringt der Verfasser mit lobenswerther SclbstverlKug-
nung Gegenkritiken artistisch-gebildeter Alterthumsfor-
scher, denen er sein Manuscript zur Einsicht vor dem
Drucke Übersendete. S.
Praktische Erfahrungen , die Erhaltung, Ausschmückung und Ausstattung der Kirchen betreffend,
»iinäehjt «t deo l ler« ilrr IllXen« 1'aderr.nr». • »» I»r. Wllb. Koerlb. O 1 e (er Zweite Au/!«.- Pe4erb.rn 1*1«, »» *i Sellen.
Ein kleines Werk und dennoch von so reichein lu-
halt, so nützlichen Vorschlügen und belehrenden Bemer-
kungen, wie in manchen weit wendigen Abhandlungen nicht
zu finden. Wir erlauben uns daher, der Besprechung
desselben einen etwas grösseren Raum anzuweisen.
Der Verfasser nahm auf seinen Reisen durch die
Diörese Paderborn gegen 290 Kirchen und Capellen
in Augenschein, durchforschte auch die vorhandenen
kirchlichen Geräthscbaften und stellte in obiger Schrillt
die Grandsätze dar, welche seiner Ansicht nach hei
Umhauten und Restaurationen von Kirchen, bei Anschaf-
fung und Ausbesserung von kirchlichen Utensilien n. s.w.
zu befolgen sind. Das Ganze zerfällt in 23 logisch nach-
einander gereihte Paragraphc.
§ 1. Erhaltung der Kirche. Die Ursachen
eintretender Ranfälligkeiten sind genau zu untersuchen,
denn Risse im Gewölbe oder in den Umfassungsmauern
röhren oft nicht von den Fundamenten, sondern vom
Dacbstuhle her, indem nämlich durch verfaulte Balken
die Sparren auseinander wichen und die Mauer nach
sich zogen. Zuweilen hatten die Stichbalkcn ihre Ver-
bindungen verloren und die Sparrenpaare, welche in den
Stichbalkeu ruhen sollten, trieben die Kirche auseinan-
der. Wcitcrs wird bei flachen Decken die Schädlichkeit
Digitized by Google
LXXY
der Scbeingcwölbe dargcthan, auf die zerstörende Wir-
kung des Regens bei schlecht constrairten Strebepfeilern
hingewiesen und wegen Ableitung des Wassers von dem
Fundameute und Abhaltung der Feuchtigkeit mancher
gute Wink gegeben.
§ 2. Innere Ausschmückung der Kirche;
W Unde und Gewölbe. An die Spitze seiner Bemer-
kungen stellt der Verfasser die rullkommen richtige An-
sicht, dass das Innere einer Kirche zur Andacht stimmen,
das Sinnen und Denken der Menschen Ton dem Irdischen
hinweg zuni Himmlischen emporheben soll. Kr eifert
gegen das so beliebte Tünchen der Wände, ja selbst
der Standbilder , Seulpturen und Capitälcr mit weisser,
gelblicher oder rüthlicher Kalkmilch und plaidirt tlir
Beibehaltung der natürlichen Farbe des Hausteines oder,
wo ein Anstrich notbwendig ist, fltr Nachahmung der
Steinfarbe.
§3, Fenster. In den frühesten Zeiten des Chri-
stenthums verhing man die Fenster der Kirche mit Tep-
pichen oder schloss sie mit Glas, welches mosaikartig
durch Gyps oder Bleistreifen verbunden war. Im X. Jabr-
huudert begann die Glasmalerei und erreichte in der
Zeit der Gorhik ihre höchste Rinthe. Rcichensbcrger
(Fingerzeige aut dem Gebiete der kirchlichen Kunst)
nennt gemalte Fenster das seelenvolle Auge des Kirchen-
baues, den Heiligenschein, die Verklärung der christlichen
Baukunst. Auch der Verfasser empfiehlt dieselben drin-
gend oder mindestens farbloses Glas, welches vermittelst
gegossener Bleistreifen so zusammengesetzt ist, dass
ein Netz vou geometrischen Figuren gebildet wird; da-
gegen werden helle Fenster mit Scheiben , wie man sie
an eleganten Wohnungen findet, für ganz unzulässig
erklärt.
§4. Thllreu und Filssbode n. Die symbolische
Bedeutung der Kirchenthtlrcn bedingt eine sorgfältige,
dem Style der Kirche entsprechende Construirung der-
selben aus Eichenholz. Auch der Fussboden soll mit
der Verzierung der Wände, Gewölbe und Fenster barmo-
niren, und iu Ennanglnng der ehedem angewandten
Fliessc durch mehrfarbige Steine, geometrische Figuren,
Sterne und Rosetten zusammengesetzt, die schachbrett-
artige Bedeckung desselben durch verschieden farbige
viereckige Platten jedoch vermieden werden.
tj 6, 6, 7. Altäre. Vom II. Jahrhundert au wur-
den in Folge einer Anordnung des Papstes Evaristus
die Altäre aus Stein angefertigt. Bis zur Mitte des
IX. Jahrhunderts bildet« den Hauptbestandteil des Al-
tares der Altartisch (mensa), unter welchem sich ein
Behiilter mit den Gebeinen eines Heiligen (confessio)
befand , darüber wölbte sich auf freistehenden Säulen
ein Baldachin von Holz oder Stein (eiborium). Auf dem
Altar stand nichts, das Kreuz war an die Wand gemalt
oder stand anf dem Ciborium, die Leuchter auf der Erde
oder auf einem nahen Querbalken, und von der Mitte des
('iborien-Gewölbes hing bis zum XI. Jahrhundert ein
Gefäss in Gestalt einer Taube herab, in welchem das
allerheiligste Saeramcnt aufbewahrt wurde. Hierauf
werden die Veränderungen initgctheilt, welche der ur-
sprüngliche Altar im Laufe der nächsten Jahrhunderte
erlitt und dicEntstchiing und Vergrösscrung der Altaraut-
sätze, mit Hinblick auf jene Ungeheuer von Aufsätzen,
welche die Renaissance anfUiUrmte , kritisch beleuchtet
und wird eine Umkehr, wenn auch nieht zur alten, doch
wenigstens zu einer erträglichen Form gefordert. Über
die Construetion neuer Altäre wagt der Verfasser keine
Entscheidung, da sich die competenten Autoritäten in
kirchlicher Kunst darüber noch nicht geeinigt haben;
doch gibt er den Rath , sich an schöne Muster aus dem
Mittelalter so genau als möglich hinsichtlich der Form
und des Materials anzuschliessen.
§ 8. Taufstein, Kanzel, Beichtstühle. Zur
Erhaitnng alter Taufsteine, welche gesprungen sind,
wird die Auslegung des Inneren mit Blei oder Zinn an-
empfohlen und vor Zerschlagen derselben gewarnt, da
sie nicht nur Denkmale romanischer und gotbischer
Kunst, sondern auch Documentc sind, welche für das
Alter einer christlichen Gemeinde Zeugnis« geben.
Die Kanzeln entstanden in der gothiachen Zeit, denn
ursprünglich wurde von einem Pulte (anibo) aus, das
an den Chorschranken (eancelli) stand, gesprochen.
Beichtstühle, als Richtersitze der Barmherzigkeit,
wünscht der Verfasser so einfach als möglich, ohne dass
sie deshalb alles sinnigen Schmuckes entbehren mussten.
§9. Kirchenstuhle und Communionbank.
Dazu soll Eichenholz genommen und Blattwerk oder
Paneolverzierungen angebracht werden. Ausgezeichnete
ChorstUhle aus dem Mittelalter fand der Verfasser in der
Kirche zu Falkenhngen.
§ 10, Orgel, Wcihwasscrbcckcn. Orgeln
kommen seit dem XIV. Jahrhundert in Kirchen häufig
.vor; bei der Decoration der Orgelbühnen und des Orgel-
Gehäuses soll die höchste Einfachheit beobachtet wer-
den, und der Anstrich nur mit reiner Holzfarbe geschehen.
Die steinernen Weihwasserbecken ans alter Zeit,
welche von grosser Pracht und Kunst zeugen, bilden
einen schönen Gegensatz zu den jetzigen metallenen
Kesseln und Becken , die ausserdem nicht sehr rein ge-
halten werden, und wird Uber diese ein sehr berechtigtes
Anathema ausgesprochen.
§ 11, 12. Bilder und Crucifixe. DerVerfaaaer,
ein begeisterter Kämpfer für kirchliche Kunst, fordert,
dass sich bei kirchlichen Bildwerken nur Würdiges und
Erhabenes zeigen, dagegen alles vermieden werden Boll,
was für weltliche Zwecke geeignet scheint. Er spricht sein
Bedauern' darüber aus, dass die Werke mittelalterlicher
Kunst theils durch den Zahn der Zeit zernagt , theil«
durch Restauration verdorben oder gar durch sogenannte
„schönere" Bilder ersetzt sind: gelungene Statuen aus
Stein fand er mit dicken Farbenschichten Uberzogen und
die feinere Sculpturarbeit gänzlich verschmiert. Mit
eindringlicher Energie kämpft er gegen das Bekleiden
der Madonnenbilder und Bedecken derselben mit Kreu-
zen und Schaustücken, wie auch gegen die Bekleidung
der Statuen Uberhaupt und belegt seine Philippica mit
kirchlichen Erlässen. Vorzüglich besteht er darauf, dass
Crueifixbildcr, ob in Farbe, Holz oder Metall, mit künst-
lerischer Weihe ausgeführt werden.
§ 13. Grabdenkmäler. Ein strenges Urtheil
trifft die Grabdenkmale in Kirchen und Friedhöfen, die
meistens in griechischem , römischem oder ägyptischem
Style, selten aber in kirchlichem Geiste gearbeitet sind.
Statt mythologischer Sinnbilder, sollen Kreuze, Kronen,
Anker, Palmen, Ölzweige und dergleichen angebracht
werden. Auch bei den sogenannten Statinnsbildern
soll die Kunst schaffend thätig sein, damit nicht
widerliche Missgcstalten entstehen, welche die Andacht
stören, sUtt anregen. (Auch in Wien und Umgebung
fehlt es nieht an Verirrongen dieser Art. Wer die Stetions
Digitized by Google
LXXVI
hänscheu besieht, welche von der Alscrvorstadt nach
dem Calvarienberge in HernaU leiten, wird seinen Tadel
über die Geschmacklosigkeit und Monstrosität der darin
befindlichen grell bemalten Gruppen nicht unterdrücken
können).
8 14. Kelch. § 15. Ciborium. Uber Kelche
wurde schon viel geschrieben; dennoch macht der Ver-
fasser manche neae Bemerkung, welche seinen feinen
kirchlichen Kunstsinn und sein eifriges Forschen beur-
kunden. Er rtlgt nachdrücklich die vielen Verstösse der
letzten Jahrhunderte gegen die kirchliche Form der
romanischen und gothischen Kelche.
§10. Monstranz. Eine Vergleichung der Mon-
stranz im gothischen Style, wo sie als ein Dom im Klei-
nen aufgefasst wurde, mit einer Monstranz aus der
Renaissance, wo dieselben das Bild jener Glorie und
Majestät darstellen sollte, mit welcher der König des
Himmels im heiligsten Sacramcnte gleichsam hervor-
tritt (Sonncnmoustranz), fällt natürlich zum Vortheil der
Golhik aus.
$ 17. Gefässe fltr die heiligen Öle, Weih-
Wasserkessel, Ratichfass. Anch hier dringt der
Verfasser auf Klickkehr /.nr kirchlichen Form dieser
Gefässe älterer Zeiten und schildert, mit welcher Sin-
nigkeit, .Sorgfalt und Kunst dieselben verfertigt wurden.
g 18. Leuchter, Lampen. Laternen. Die
romanischen Leuchter waren b' — 10 Zoll hoch und
symbolisch gearbeitet. In der gothischen Zeit wuchsen
sie bis zur Höhe von zwei Fuss, die Renaissance erhöhte
sie noch mehr, beachtete aber die geistvolle Sym-
bolik früherer Zeiten gar nicht.
§ Hl, 20, 21. Pa/amentc, Casel und l'ln-
viale. Der Verfasser beklagt es sehr, dass bei dem
Streben nach Bequemlichkeit und der Sucht überall
Verzierungen anzubringen, die Wurde und der kirchliche
Ausdruck der priesterlichen Kleidung in neuerer Zeit
gänzlich verloren ging. Indem er gegen die Producta
der berühmten Lyoner l'aramcntcn - Fabrication seine
Lanze einlegt , fuhrt er die rrtheile anerkannter Fach-
männer, wie A. Reichcnsberger, P. Martin UberMessklci-
der an, fordert die Verwerfung alles unechten Flitter-
tandes und die Anfertigung der Paramcntc aus dauer-
haften, echten, nach mittelalterlichen Mustern in kirch-
lichem Style gehaltenen Seidenstoffen.
§22. Baldachine und Fahnen. Die Fahnen
als Symbole des Sieges und Triumphe» Christi und sei-
ner Kirche, wie es heisst durch Constantin den Grossen
eingeführt, hatten anfänglich die Form eines länglichen
Rechteckes mit dem Namenszuge Christi. Dann brachte
man gestickte uud später gemalte Heiligenbilder daran!
an. Gegen die letzteren weudet sieh der Verfasser, weil
durch Einsetzen der bemalten Leinwand die Fahnen
steif werden und ihre schöne wallende Bewegung ver-
liereu.
§ '23. Alter Plunder. Wie alle Archäologen
tritt der Verfasser in sogenannte r Rumpelkammern u mit
geheimer Freude und es glückte ihm auch öfters, schön
gearbeite Kirchen-Gefasse und Gcräthe aufzufinden, die
thcils nicht ohne erheblichen Kunstwerth, theila durch
ihr Alter ehrwürdig waren. Nach geschickter Restaura-
tion konnten sie wieder zu kirchlichem Gebrauche ver-
wendet werden oder verdienten wenigstens eine Stelle
neben jenen modernen Kostbarkeiten, welche sorgsam
unter Scbloss und Riegel aufbewahrt werden.
Am Schluss eines jeden Paragraphes gibt der Ver-
fasser Rathschläge hinsichtlich der Restauration im Gros-
sen und Kleinen und bezüglich neuer Anschaffung von
kirchlichen Sachen. Sogar die Kosten sind bei einzelnen
angegeben und wo dieselben am besten und billigsten
zu haben sind. Kurz, es ist dieses Wcrkehcn ein unent-
behrliches Handbuch für jeden Seelsorger und sollte
gleich dem „Leitfaden-*, zu deines ein schönes Scitcnsttlk
bildet, selbst in dem kleinsten Bücherschränke eines
Pfarrhofes nicht fehlcu; denn die darin gerügten Ü bei-
stände, die daraus gezogenen Resultate und die darauf
basirten Ansichten und Ruthschliigc, eignen sich zn
massgebender Nutzauwendung in allen katholischen
Bezirken. Dazn ist das Ganze in einfacher und auge-
nehmer, leicht fasslicher Weise geschrieben, wie es eben
nur ein Gelehrter vermag, der nüt seinem Wissen nicht
prunken, sondern uützeu will, und ausserdem steigert
sich der streng kirchliche Geist, welcher das Büchlein
durchweht, selbst da wo er sich sehr decidirt äussert,
niemals zum Zelotismus.
Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der kirchlichen Baukunst in Tirol.
11. Liefernd«. Die
» )»r U»ui»uicr K>u«< Von K. A., W«llprl»U r. Mll flu Fltorim tut
[)rfu* fiali» de* chrifttUrlwn Kuaitvprvlou» Iii TJrr-Ot'.)
uiner T.r.l. Ilri^u ISfll. T« Sellen.
Mit dieser Lieferung schlicsst der Verfasser seine
Beiträge zur Entwickelungsgeschichtc u. s. w. Die Ab-
handlung über die gothische Bauweise zerfallt in:
I. Edlere Gothik. 1. Kleinere und grössere ein-
schiffige Kirchen. 2. Die mehrschiffigen Kirchenbautcn.
IL Die Verfall» eit de r Gothik. Diesem Abschnitte
ist zur näheren Kenntnis*, wie sich die ftothik an den
verschiedenen einzelnen kirchlichen Bandenkmaleu Ti-
rols entwickelte und wie lange sie an derselben gepflegt
wurde, bis sie gänzlich erlosch,, gleichwie bei der I. Lie-
ferung bezüglich der romanischen Bauperiode, ein alpha-
betisches Verzeichnisa von 150 Orten Tirols beigefügt,
deren Kirchen der Verfasser durchforschte. Die Renais-
sance-Bauweise , welche in der zweiten Hälfte des
XVI. Jahrhunderts ihre Herrschaft begann, gibt dem
Verfasser Gelegenheit, des sogenannten Kapuzincr-
nnd Jesuitensty les, des Zopf-, Perlt c ken- oder
Roccoco-Stylcs und zuletzt des The at erstyles
zn erwähnen. Er findet bei Besprechung dieser Periode
in Folgendem den Trost, dass sein Vaterland Tirol von
allgemeiner architektonischer Vcrdcrbniss geschützt sei,
zuerst desswegen, weil die Gothik in Tirol sehr viele
und geräumige Seelsorgekirchcn und Capellen sehnt
und daher der italienischen Bauweise wenig Gelegen-
heit gab, Bauwerke ihrer Art aufzuführen. Dann weil iu
jüngster Zeit bei Neubauten von Gotteshäusern, durch
begonnene gründliche Stadien früherer christlicher
Knnstpcrioden, ein entschiedenes Streben zum Besseren
sich geltend macht.
Als Anhang dient ein erklärendes Verzcichniss der
gebrauchten Kunstausdrtlcke und der Vercinsbericht deB
Bozener Kuustvereines. L. ScL
Digitized by Google
LXXVII
Correspondenzen.
8öDdiT»koogiuird bei Holding, 1864.
Ich machte einen Ausflug nach Rippen und fand
dort eine tUnfschittige Hasilica vom Jnhrc 1080, natür-
lich im romanischen Style, in welchem hier faxt alle Kir-
chen gebaut sind, wahrend die Gothik nur selten und
last immer nur in Holzschnitt erken an Altären und
Kanzeln vorkommt. Die Tant'steine und Taufbecken sind
meist die ältesten Thcilc jeder Kirche und tragen fast
jederzeit Inschriften. Zugleich Ubersende iehjdie Abbil-
dung eines Runensteines (Fig. n), der sich zu Felbing
in Jtttland befindet. Er ist aus grauem Granit uud misst
6'/, Fuss Höhe. Die auf demselben befindliche Inschrift
ist abbrevirt und lautet aufgelöst :
r,* b.
(ba ■peniik. lakn. mim. gud. in Kristi. rneuieacens.)
Die Runen sind übrigens dadurch, dass sie von
Moos überwuchert wurden, stellenweise schwer leserlich
und manche beinahe unkenntlich geworden, so dass ich
fllr meine Auflösung keineswegs vollkommen einstehen
kann, auch das Wogen den Krieges keine genaue und
umständliche Untersuchung erlaubt. Doch glaube ich,
dass die ersteren Worte auf einen Spiritualcu Bezug
haben könnten und das erste Zeichen durfte vielleicht
auf p beatus a gedeutet werden. Der Stein scheint aus
der Epoche vom Jahre 850 bis zum Jahre 9f>0 herzu-
röhren. P. S.
Archäologische Funde in Tirol.
J'ricnt, den laAnRtmt 18C.4.
Als man im Jahre 1860 zu Curtatsc h (der alten
Gurtis ad Athesim, am rechten Ufer der Etsch zwischen
Deutschmetz nnd Tramin) an einer Restanration des
dortigen Pfarrhofes beschäftiget war, entdeckte man
den dritthalb Fuss hohen, sehr meisterhaft und fein ge-
arbeiteten marmornen Rumpf eines Mercur. Veriunth-
lich befand sich dieses Standbild in einem, am Fundorte
einst vorhandenen Tempel, und zwar um so mehr, als
die alte Römerstrasse (die Via Claudia) nicht wie jetzt
am linken, sondern am rechten Etschufer angelegt war,
ein Umstand, der das einstmalige Vorhandensein solch
geheiligter Stätten zum Schutze der Heeres- und Com-
mercial-Stras8en nach heidnischem Gebrauche an derlei
Stationen zur vollen Sicherheit erhebt. Mercur und
Diana sind hierorts daher die gewöhnlichen alten Scbntz-
gottheiten, von denen die Sage das Vorhandensein ehe-
maliger Tempel bewahrt hat , und von welchen, zum
thatsächliehen Beweise, von Zeit zu Zeit theils Lapidar-
Inschriftcn (wie zu Cadine und Cavedine im Sarea-
thale), theils Standbilder zu Tage gefördert werden.
Deshalb könnte die alte Hermeskirche zu Calceraniea
im Valsugan (da von einem frühzeitigen Glaubenspre-
diger und Märtyrer dieses Namens, ausser den Sagen,
für jene Gegend sich nichts Stichhaltiges auffinden
lässt) eine Christianisirung erlebt haben, und an der
Stelle de« griechischen Hermes, dem Cultc irgend eines
Heiligen gleichen Namens gewidmet worden sein. Das
griechische Element lässt sich hier gar leicht ans der
einstmaligen Nähe der paphlagonischen Heneter er-
klären , wie denn auch die Diana, welche laut einer in
besagter Kirche noch vorhandenen Ära ebendaselbst ver-
ehrt wordeu sein soll, den orientalischen Charakter be-
kundet, und als Diana Antiochiac bezeichnet erscheint.
Da man zu Trient im Angust des Jahres 1861 in-
nerhalb der porta d'aquila mit der Ucgnng der steiner-
neu Canälc beschäftigt war, welche die Stadt in
Zukunft mit reinem Quellwnsser verschen sollten,
sticss man auf einen 5 Fuss 10 Zoll hohen und
2 Fuss 10 Zoll breiten Denkstein aus weissem
Trienter Marmor, welcher inmitten architektonischer
Ornamente folgende Inschrift trägt :
V. F.
Octavins L. L.
Trophimus VIVIR
sibi et
Secundae uxori
Optitnac et
Digitized by Google
lxxvfii
Die ziemlich gute Erhaltung sowohl der architekto-
nischen Hautreliofs, als der Inschrift verdaukt dieser
Stein dem Umstände, dass er mit der Vorderseite ab-
wärts vergraben wnrde. Referent versuchte es , in einer
besonderen Abhandlung ' dessen Sinn durch analoge
historische Daten an beleuchten, am hiednreh für Trient
einige daranf Bezug habende Traditionen zn begründen.
Endlich glaubt Referent noch berichten zu »ollen,
dasB er voriges Jahr bei einem Ausfluge nach dein zwi-
schen Trient und Verona gelegenen Ala (der alten, ad
Palatium genannten, römischen Militärstation) die we-
nige Minuten davon gelegene Cbtcsa di San Pietro
in bosco besuchte, welche ihr Entstehen folgender
Sage verdanken soll :
Thcodolinde, auf ihrer Brautfahrt von den Franken
verfolgt, barg sich in Ala, wo sie Authar, ihren Bräutigam
und König der Longobardcu (584 — 594) fand und da-
selbst mit ihm die Hochzeit feierte. Zum Andenken an
dies Ereigniss sollen die Brautleute am Orte ihrer Ver-
mählung eine Capelle haben errichten lassen, welche sie
nachher von Mailand ans mit heil. Reliquien versahen.
Weiters geht die Sage, dass Theodolinde die .Seiten-
wände der besagten Capelle mit Frescogeraäldcn habe
verzieren lassen, welche jedoch in neuerer Zeit (1804)
verweiset wurden. Jetzt aber, wo die Uebertttncbuiig
grnssentheils herabgefallen, kommen die so alt geglaub-
ten Fresken wieder zum Vorschein . und zwar mit dem
Unterschiede, dass jene auf der Nordseite auf einem
vorherigen älteren Gemälde aufgetragen erscheinen, wo-
von zwei Figuren in knieender Stclluug mit gefal-
lenen Händen ganz deutlich erkennbar sind. Die bei-
derseitigen (und wie sich ergibt) späteren Fresken sind
figurirt , und jede derselben ist nach mittelalterlichem
Gebrauche in zwei Felder querdurch getheilt, deren
oberes von einem gemalten, auf Kragsteinen ruhenden
Abtheilungs-Gesirase wie getragen erscheint. Das obere
Feld auf der Nordseitc (also das Übermalte) stellt fol-
gende, mit gothischen Lettern namhaft geinachte Hei-
lige dar: S. Stephanus; S. M — ; S. Jacobus; S* Li-
bera und S u Chatarina (sie). Als in letzter Zeit der
alte Hochaltar dieser Kirche ganz renovirt und des-
halb abgetragen wurde, tand sich in dessen Mitte ein
römischer Meilenstein (eippns) eingemauert, in dessen
verticaler Oberseite eine Vertiefung angebracht war,
worin man Reliquien vorfand , welche sofort für die von
Theodolinde gesandten angesehen und als solche in
ehrwürdigen Verwahrsam gebracht wurden.
Wer aber heut zu Tage die fragliche Kirche be-
schaut, kann weder an dieser noch an den Fresken
jenes hohe Alter ersehen, welches die Tradition zu ver-
bürgen scheint Zwar stellt sich dem Beobachter, gleich
unter dem Tiumphbogen auf der Südseite, das Bild eines
Ritters zn Pferde (St. Georg) in sehr groben , rttthlichen
■ I. d.r Tri.»««« «.II»« IMI. Nr. US uui Ui (la IUll.nl.ek.r8pr.el..).
Conturcn zur Schau, welches eben seiner Einfachheil
wegen ein viel höheres Alter zu beanspruchen scheint,
allein der Platz, wo es aufgetragen ist, macht ihm die
anscheinlich hohe Bejahrtheit streitig. Denn der Bao
der gegenwärtigen Chiesa di San Pietro in bosco trägt
deutlich die Spuren von vier verschiedenen Epoehen zur
Schau. Allererst bestand nur die heutige Apais, jedoch
keineswegs von der jetzigen Höhe , zu der sie sich erst
in der dritten Epoche emporschwang. Hicrait harruonirt
die Tradition, welche sagt, dass einst der Rcliqnienaltar
wie in einer niederen Höhle placirt war. Theodolinde
und Authar hatten nämlich eine ganz kleine halbrunde
Capelle errichtet und diese mit Reliquien versehen. Inder
zweiten Epoche kam ein um die Hälfte höheres Pres-
byterium hinzu, und wahrscheinlich hat man schon da-
mals die Apsis zu gleicher Höhe erhoben. Mittlerweile
ward zur Zeit der Wirren Ezzelins von Romano nebst
anderem auch diese Capelle entweder ganz oder doch
zum Thcile zerstört , nachher aber von den Scaligem
(1265 -1266 ) wieder hergestellt, und (wie ein vermauer-
tes Fenster zn zeigen scheint) auch um etwas verlän-
gert. Zu dieser Zeit könnten, nach der Meinung des Re-
ferenten, jene Wandgemälde entstanden sein , welche
später übermalt worden sind, und jene zwei knicenden
Figuren, wovon oben Meldung geschah , könnten eben
zwei dieser Wohlthäter vorstellen; ja wenn man einmal
ihre Angesichter ganz vom Mörtel befreit haben würde,
könnte man vielleicht ans ihren Zügen die Physiogno-
mien der betreffenden Scaliger erkennen, von denen ver-
schiedene Rüsten in Stein und Bronze vorhanden sind.
Die ganze Höhe der jetzigen Kirche fällt sanimt deren
Fronte erst in eine spätere Zeit.
Jedenfalls wäre es nicht uninteressant , wenn da»
ganze untere Gemälde von der, später daranf ange-
brachten Malerei befreit und hlossgclegt würde, weil
dadurch, wenn anch nicht die Kunst, so doch die Ge-
schichte nicht unwichtige Entdeckungen machen könnte.
I'r. Jo«eph Georg Sulzer.
Notiz.
Unserem geehrten Mitarbeiter, Herrn Hanns Petsch-
ntg, Architekten und Professor an der k. k. Polytechnik,
wnrde in Folge seiner crspriessliclicn Leistungen im
Kirchenbaue von dem Herrn Fürstbischof von Lavanl,
Jakob Maximilian, der Titel eines ^fUrstbischöflicben
Lavanter Diöcesan -Architekten u crtheilt und zugleich
die Diöccsangeistlichkeit aufmerksam gemacht, sich hei
vorkommenden Kirchcnbanten und Restaurationen an
denselben zu wenden, was wir hiermit zur Kenntnis«
unserer freundlichen Leser bringen. 1K Htd.
r,*« - Oed ... k. k. ««r «..* •u.i.inek.r.. .. w...
Digitized by Goog Z
Über die christlichen Messkännchen
Von Dk. Fkanz Bock.
I. Geschichtliche Mitteilungen üher Entstehung, Gebrauch und Form der Messkännchen seit
der frühchristlichen Zeit bis zur Renaissance.
I^as Studium der mittelalterlichen Kunst würde hinsichtlich der Kenntniss über die Ent-
stehung und Gestaltung der verschiedenen kirchlichen Gefasse gefördert und zugleich für
das praktische Neuschaffen nutzbar gemacht werden, wenn einzelne Forscher es unternähmen die
Grundformen und die Weitergestaltung der liturgischen Geräthc auf historischem Wege nach-
zuweisen und die Einflüsse der kirchlichen Satzungen in den verschiedenen Jahrhunderten zu
bestimmen. Wenn in den nachfolgenden Zeilen der allerdings gewagte Versuch gemacht wird, die
Entstehung, den Gebrauch und die künstlerische Gestaltung der Ampullac in geschichtlichem
Zusammenhange vorzuführen, so geschieht dieses in der Absicht, vorerst einzelne Materialien
vorzubereiten, die einem späteren, geübteren Nachfolger nicht unwillkommen sein dürften, um auf
Grundlage derselben allseitige Nachforschungen anzustellen, die endlich zu einer erschöpfenden
Monographie führen würden.
Die geschichtlichen Forschungen Uber jene liturgischen Gefasse, welche als Wein- und
Wasserbehälter mit dem heiligen eucharistischen Opfer in nächster Beziehung stehen, führen
in die Frühzeit des apostolischen Zeitalters und erinnern uns an jene erhabene Handlung,
durch welche der Heiland bei dem letzten Abcndmahle das unblutige Opfer des neuen Bundes
unter beiderlei Gestalten einsetzte.
Gediegene Forscher früherer Jahrhunderte stellten bereits Untersuchungen an, welche
materielle und formelle Beschaffenheit jenes ewig denkwürdige Gefäss gehabt haben möge, in
welchem der Herr in jener geheimnissvollcn Nacht zum ersten Male die Verwandlung des
Weines vornahm; und erst neuerdings hat sich Abbe Corblet in einer gelehrten Abhandlung
über das Herkommen und die Gestalt des Speisekelches (Ciboriums) ausgesprochen'.
Ohne in weitere Discussionen darüber einzugehen, sei hier nur bemerkt, dass die Sage vom
heiligen Graal hiermit wesentlich zusammenhängt, und dass bis zur Stunde von vielen Seiten
behauptet wird, der noch heute zu Genua aufbewahrte Graal, welcher in der Glanzzeit der Dogen-
• S. Jtevuo d Areh^lopic. T. II
IX. |
Digitized by Google
2
Du. Franz Bot e.
herrschaft als ein vielbewundertes Kleinod fruit, sei jenes becherartige Trinkgcfäss, in welchen
der Heiland bei dem letzten Abendmahl die Transsubstantiation des Weines vorgenommen habt
Mit der Form dieses ältesten und ehrwürdigsten Abendmahlkelehes hangt auch die Fra<n
zusammen, wie die Gefasse beschaffen waren, aus denen der Wein ministrirt wurde, den nuu
in jener Nacht zur Einsetzung des eucharistischen Liebesmahles verwendete; aber ob dit>-
Frage zu einer Lösung gefuhrt werden könne, muss vor der Hand wohl dahin gestellt bleiben.
Indessen lassen sieh doch noch Analogien auffinden, welche Anhaltspunkte bieten, um auf «Iii
ersten Opfer- und Weingefasse des apostolischen Zeitalters schliessen zu können. Es ist nämlich
bekannt, dass in jenen Tagen, in welchen „das Scepter von Israel genommen wurde", bei dein
auserwiihlten Volke griechisch-römische Sitten schon hingst Eingang gefunden hatten. So war
— um nur eines anzuführen — der zweite herodianischc Tempel, im Gegensatz zu den phfl-
nicUchen Formen des salomonischen Tempels, in den damals herrschenden Formen fies grie-
chischen Styles gehalten, wie aus der detaillirten Beschreibung desselben bei JosephuH Flatus
und des späteren Maimonides, so wie aus den speciellen Angaben älterer Talmudiaten un<l
Uabliiner ausführlich bekannt ist.
Auch die gottesdienstlichen Gefasse des Tempels, desgleichen die profanen GerHthschafitn
der Juden zur Zeit des Messias, nahmen an jenen Gestaltungen Theil, welche die griechisch-
römische Kunstweise vorzeichnete, die wir bei Geschirren, die für den Tischgebrauch bestimmt
waren, noc h jetzt im Museo Borbonico an den von Pompeji und Herculanum herstammenden
Getässen erblicken. Auf ähnliche Weise mochten auch die Hydriae und Amphorae gestaltet
gewesen sein, deren sich die Juden zur Zeit des Erlösers bei feierlichen Gastmiihlern bedienten,
und unstreitig waren auch die Misch- und Schöpfkrüge, worin bei dem letzten Ahcndmahle
Wein und Wasser aufbewahrt waren, von derselben Form wie jene Hydriae, in welchen bei
der Hochzeit zu Cana in Galilea der Wein herumgereicht wurde, wobei bekanntlich der
Heiland sein erstes Wunder wirkte.
In dem Schatze der St. Ursula - Kirche zu Cöln hat sich ein
merkwürdiges Gefäss erhalten, von dem eine alte Tradition behaup-
tet, es sei eine jener Hydriae (Fig. 1), worin Christus die Verwand
hing des Wassers in Wein vorgenommen habe. Indem wir hier eint
Abbildung dieses Gefilsses geben, dürften wir auch annäherungs-
weise die Vcrmuthung aufstellen, dass die Amphorae bei dem
letzten Abendmahle, so wie die Weinbehälter des Liebesmahle*
zur Zeit der Apostel auf eine ähnliche Weise gestaltet sein mochten.
Nebenstehende Hydria hat zur Bewahrheitung der angeführten
Traditionen nicht nur eine durchaus altclassische Form, sondern
es dürfte auch auf das Materiale als einen Beweis der Echtheit
und Authenticität hingewiesen werden. Um nämlich im südlichen
Klima den Wein, namentlich im Sommer, möglichst kühl z»
erhalten, ist dieses Gefäss aus dickem, starkgeadertem , orientali-
schen Alabaster angefertigt. An beiden Seiten ist dasselbe, wegen
des Tragens, mit enge anliegenden Henkeln (Ansäe) versehen.
Ein grösserer Henkel zum leichteren Ausgicssen der Flüssigkeit
scheint ehemals den oben stark ausgekragten Hals mit der Bauchung des Gefilsses verbunden
Fl». I
1 Li itlcr sind wir nicht in iler I~i(cc über iI.ih Materialc und «Iii- Formen dJesos Kelche» etwa» N.'iheivs berichten zu können, d»
<ler Zufall wollte, das» »ich, als wir zugleich mit Didrnnin Gcuua waren, der SchatEmeister, welcher die. Schliiitsel zudem Aufbewahrung
orte diestt Kleinods besitzt, nicht in der Stallt befand, hl ilie wir hauptsächlich um diene» wichtigen (icfäase* willen vereinet war«-
Digitized by GootfTe
4*
Cbeji die tunisTLicnsK Mksskäkkcuek.
3
zu haben, wovon jetzt aber nur noch ein kleiner Bruchtheil zu sehen ist. Auch das Volumen
dieses merkwürdigen Behälters ist zur Aufbewahrung einer grösseren Quantität Weines voll-
kommen hinreichend, indem derselbe bei entsprechender Breite eine Hübe von zwei Fuss
besitzt. Einen besonderen Fusstheil scheint er nicht gehabt zu haben, und wahrscheinlich ver-
trat ein hölzerner Dreifuss die Stelle eines Fussstückes.
Ohne weiter in die Details jener frühchristlichen eucharistischen GefUsse einzugehen,
wollen wir uns hier nur auf folgende allgemeine Angaben beschränken. Bekanntlich ist die
christliche Kunst iu ihren ersten leisen Anfangen uuf die Ruinen der sinkenden römisch-heid-
nischen Kunst basirl, und die GelÜsse, welche bei dem christlichen Opfcrmahlc benutzt wurden,
waren als« auch, wie schon früher angedeutet, an Stoff und Form jenen Gefässen analog, die
damals von den Senatoren und den reichen Magistratspersonen Koma gebraucht wurden.
Professor Krcuscr hat in seinen Vortrugen über die Kunst der Donibauten mit grosser
Gelehrsamkeit dargethan , dass das Christenthum in seinem Entstehen und Auftreten zu Rom
nicht ausschliesslich von der ärmeren Classe mit Beifall aufgenommen worden sei, sondern
dass es auch unter den reichsten und geachtelten Familien treue und warme Anhänger gefunden
habe. Gleichwie nun die ältesten priesterliehen Gewiinder auch aus den feinsten und edelsten
Stoffen gefertigt waren, deren sich die Senatoren und Reichen zu ihrer Tracht bedienten ', so
waren zweifelsohne auch die zum christlichen Opferwein bestimmten Gelasse derselben Art,
wie sie in den Häusern der Senatoren und Patricier im Gebrauch waren.
Das erste, aber fast noch unbewusste Selbstständigwerdcn der christlichen Kunst beginnt
in der ersten Hälfte des IV. Jahrhunderts, nachdem unter Constanstin dem Grossen die
christliche Religion im römischen Reiche zur Staatsreligion erklärt worden war. Seit dieser
Zeit beginut nicht nur hinsichtlich des Materials ein grosser stofflicher Reichthum zu gottes-
dienstlichcn Gewjüideni und Gefilssen verwendet zu werden, die besonders mit der Eucharistie
in näclister Berührung standen, sondern es stellten sich von jetzt ab auch jene äusseren
Fonnbildungen fest, welche namentlich für die kirchlichen Gefässe jenseits der Berge in den
folgenden Jahrhunderten massgebend wurden. Mit dem V. Jahrhundert fingen durch die Völker-
wanderung die alternden, morschen Säulen des römischen Weltkolosscs zu wanken au. Unauf-
haltsam wälzten sich zwei Jahrhunderte hindurch barbarische Kriegeshorden über den Garten
Italiens. Unter diesen furchtbaren Umwälzungen werden in diesem Lande allmählich die
letzten Reste römischer Wissenschaft und Kunst zu Grabe getragen. Die barbarischen Völker
bringen nach Rom und ganz Italien fremdartige, neue Gewänder, fremde bis dahin nie
gebrauchte Geräthe und verschiedenartige Materialien. Das profane Rom nahm in Kleidern
und Geräthen die neuen Formen der eingedningenen Sieger an, das kirchliche Rom jedoch
blieb von den neuen Formen und Weisen des Tages unabhängig, und dies nicht nur im
Ganzen und Grossen hinsichtlich der älteren kirchlichen Gewänder, sondern auch rücksichtlich
der Gefässe, wie diese noch unter den letzten Kaisern im Gebrauch waren; und aus diesem
mag erhellen, dass erst nach Ablauf der Völkerwanderung im VI. Jahrhundert in Rom und
im übrigen Indien iin ein festes Bestehen von besonderen liturgischen Gewändern und an ein
vollkommen bestimmt ausgeprägtes liturgisches Opfergeräthe gedacht werden kann, das sich
nun von den profanen Gebrauchsformen des Tages deutlieh unterschied.
Wir erinnern uns nicht zu Rom und Neapel in den dortigen altehristlichcn Kunstsammlungen
Gefässe in Silber getrieben oder künstlich in Glasflüssen gestaltet gesehen zu haben, deren
' Wir haben uns über <lic«eu Punkt in der dritten Lieferung unserer Geschichte der liturgischen Ucwäudcr des Mittt l-
altcra «citUuiiger verbreitet und weise» deshalb auf diese .Stelle hin.
4
Du. Vhxhi Bock.
Gebrauch als frühchristliche Aniac sich mit Sicherheit bestimmen Hesse. Glücklicherweise hat
uns Blanchini in seinen Glossen zu dem Werke des Biographen der Päpste, Anastasius BiH-
liothecarius zwei grössere Abbildungen bewalirt, die noch im XVIII. Jahrhundert als früh
christliche Messkännchen von grosser Seltenheit in den Kunstsammlungen Roms gefunden
wurden. Leider waren die Zeichner dieser unkritischen Epoche nicht mehr in der Lage, figür-
liche Darstellungen aus der frühchristlichen Zeit im Geiste und in den adäquaten Können der
ersten Anfertiger getreu wie-
dergeben zu können. Wir
haben uns dessweg-en erlaubt
in den verkleinerten Copicn.
die hier folgen, eine unbe-
deutende stylistische Mo-
dification der Figuren vor-
zunehmen.
Dass die hier wiedergege-
benen äusserst formschönen
Gefässe nicht einem Profan
gebrauch dienten , sondern
sich als Amulue im kirchlichen
Gebrauche befanden , beweisen
die religiösen Bildwerke, wo-
mit beide Gefässe, in Silher
getrieben, verziert sind. Oh
diese beiden frühchristlichen
Messkännchen heute noch in
italienischen Museen exisriren,
möchten wir fast bezweifeln,
da beide da« Unglück hatten
von edlem Metall zu sein,
welches in Italien in den
Augen fremder Kirehenplün-
derer zu allen Zeiten, nament-
lich aber am Schluss des
vorigen Jalirhunderts einen
zu grossen Werth erlangt hatte. Das grössere dieser Gefässe (Fig. 2) befand sich noch 1~2*>
in dein Privalmuseum des Francesco Blanchini , Commentators und Herausgebers der Vitae
Paparum Anastasii Bibliothecarii. Die hier gegebene Abbildung ist in der Grösse von zwei
Drittel des Originals und zeigt noch vollständig die ältere überlieferte Form der römischen
Amphorae. Als Anaglvphc in getriebener Arbeit erblickt man, ziemlich erhaben vorspringend,
die Darstellung der Verwandlung des Wassers in Wein auf der Hochzeit zu Cana in Galilea,
als Vorbild für die so wunderbare Verwandlung des Weines in das Blut des Herrn bei der
eucharistischen Opferhandlung des neuen Bundes'. Ober dem Fusse dieses interessanten Gefässe.«
sah man , ebenfalls in getriebener Arbeit, die in der frühchristlichen Kunst häufig dargestellten
Thiersymbole der Lämmer, die mit den Köpfen nach oben gewendet auf die Stimme des
' Vergl. Sc. Cyrillus l!iero»ol. in IV. «'»tech. mys«.
Vig. 3.
Digitized by Googj
Über i»ie christlichen Messk ännchkn.
göttlichen Hirten hören. Blanehini folgert aus der Eleganz der getriebenen Arbeiten und den
noch classischen Formen derselben, das« diese» Gefäss noch in den Zeiten unmittelbar vor
Constantin angefertigt sein möge. Allein er dürfte, wie das Besitzer von Alterthümem öfter zu
thun pflegen, das Alter seines Gefässes wohl etwas zu hoch angesehlagen haben.
Zur Zeit, als jener Autor seine Amulae abzeichnen Hess und beschrieb, befanden sich,
»einen Angaben zu Folge, in den Privatmuseen Roms noch mehrere solche mit biblischen
Darstellungen in getriebener Arbeit verzierte Opferkännchen. Er erwähnt unter Andern eines
derartigen in Silber getriebenen Gelasses, das sich in der Samndung des Leo Strozzi vorfand.
Auf diesem Gefässe war auf der einen Seite als „opus caelatum" der Heiland vorgestellt, wie
er dem heiligen Petrus die Schlüssel übergibt und ihn mit dem Pallium bekleidet, und die
andere Seite zeigte den Herrn, wie er den Blindgebornen heilte 1 . Ein zweites derlei und dem
vorigen ähnliches Gefäss, welches Blanehini ebenfalls abbildete, befand sich im Sabatinischen
Museum zu Rom, welches später in den Besitz des Cardinais Albaui gelangte. Auch diese«
Gefass war von Silber, getrieben, und auf der Bauchung desselben zeigten sich als Anaglvphen
in Medaillons die Brustbilder des Heilandes und der Apostel. In zwei Umrandungen
erblickte man die altchristlichen Symbole der Lilmmer und der Tauben und in der Mitte der
letztgenannten das Zeichen des Kreuzes. Blanehini vermuthet, dass in diesem Gefässe ehemals
vielleicht das C'hrisma bewahrt worden sei, welches bei der Ertheilung des Saerainentcs der
Firmung schon in der ältesten Zeit im Gebrauch war, und auf diese heilige Handlung wäre
dann auch die Darstellung der Taube als Symbol des heiligen Geistes und der Lämmer als
der Heerde Christi zu deuten.
Wenn dies Gefäss auch ursprünglich zur Aufnahme von geweihtem Öle bestimmt war, so
glaubten wir doch es hier abbilden zu sollen, um zu veranschaulichen, wie in frühchristlicher
Zeit die kleinen Behälter zur Darreichung des Weines beim Offertorium ihrer äusseren Gestalt
nach beschaffen gewesen sein mögen, da es selbstredend ist, dass die Gefässe zur Aufnahme
des Clirisma, so wie jenes zur Aufnahme des „oleum catechumenorum - den Gefässcn zur
Darreichung des Weines ähnlich waren, wcsshalb bei den älteren Schriftstellern auch diese
Salbengefässc, gleich den Opferkännchen r Ampullae -< genannt werden.
Bevor wir aber weiter gehen, sei uns gestattet, zuerst die verschiedenen Benennungen der
Oblationsgefässe und die Art und Weise anzuführen, wie in der ältesten Kirche der Opferwein
von den Gläubigen selbst dargebracht wurde. Bekanntlich ward in den ersten Jahrhunderten
der Kirche die Communion auch den Laien unter beiden Gestalten gereicht, wie sie noch
heute von dem celebrirenden Priester genossen wird. Um in grössern Kirchen den zahlreichen
Gläubigen die Communion auch unter der Gestalt des Weines reichen zu können, wurden die
in der Regel mit zwei Henkeln versehenen „ealices ministeriales u zur Communion auf den
Altar gebracht. Nach der Wandlung und Communion des Priesters wurde dieser consecrirtc
Wein in derlei umfangreichen Hcnkelkelchcn von den Diaconen den Gläubigen mittelst einer
.Saugröhrc „canna s. fistula" dargereicht*. Natürlich war von dem Umfang der Ministerialkelche
der älteren Kirche auch die äussere Beschaffenheit der Gefässe abhängig, in welchen der
Opferwein dargereicht wurde. Um Missverständnissen vorzubeugen, bemerken wir noch , dass
nach der ältesten Liturgie eigentlich zwei Oblationsgefässe für den Wein kirchlich in Gebrauch
waren, und dass sich dieselben sowohl in Beziehung auf Form als Umfang von einander
wesentlich unterschieden. Gleichwie nämlich die Gläubigen das Brod darbrachten, das zur
' V. Ana«uiiii Bibliothecarii de vlti» Pontiflcnm. <R. P. Blnucliini.) T.II, Par». II, P. 1. 79. - »Siehe hierüber du Nähere in
Biaterim s „Voriü r lich.t« Denkwürdigkeiten der Kirche". T. IV, und Aupiitl, Handbuch der dinglichen Archäologie. T. Hl.
<•>
Db. Fkanz Bock.
eucharistischen Consecration kommen sollte, bo opferten sie als Oblntion in kleineren Gefässen
mich den Wein, der zur heiligen Ausspendung erforderlich war. Diese Gefässe waren meist in
der Gestalt von Amphorac aus Terra Cotta, Glas oder Metall geformt, und unterschieden eich
von den Mischgefilsscn und Behältern, in welche der geopferte Wein zusammen gegossen
wurde, schon durch ihren bedeutend kleineren Umfang ; auch waren sie Eigenthum der einzelne]!
GUiubigen, wülirend die Mischkrüge und grosseren Behälter zum Besitz der Kirche gehörten.
Diese grösseren Behälter nannte man „Amue" und sie waren in reichen Kirchen von
Silber oder einem anderen edlen Material. Kur in kleineren oder ärmeren Kirchen scheinen
sie von Terra cotta oder aus einem anderen Stgffe geringerer Alt geformt gewesen zu sein.
Aus diesen Amue wurde dann vor Beginn der heiligen Opferhandlung die zur Consecration
erforderliche Quantität Wein in ein kleineres Gefäss (amula pontifieis), das eigentliche älttn
Messkännchen, eingegossen und wurde endlich mittelst eines ff coluin u (Seihe) vom Archidia-
eonus in kleinerer Menge als Opferwein in den Kelch gegossen, wenn, dem alten ordo roniamu
zu Folge, das eigentliche Opfer seinen Anfang nehmen sollte. Auf diese Weise dürfte auch dü-
nnten angeführte Stelle des älteren ordo romanus zu erklären sein 1 .
Auch noch der spätere Anastasius Bibliothecarius nennt diese grösseren Sannnclgefasic
des Weines „Amue offertoriae". Die kleineren Krüge oder Flaschen, in welchen der Opferwein
von den Communicanten gebracht wurde, dessgleichcn jenes reichere Messgeräth, woraus beim
Offertoriuui der Subdiaconus den Wein vermittelst der Seihe in den Kelch des Pontifex. goss,
führen den Namen „Amulae" oder „Hamulae 4 , als Diminutivbczcichnungcu des obenerwähnten
Wortes „Amn-.
Von welcher Grösse und formellen Beschaffenheit waren aber jene Mischgcfässe , die iii
der älteren römischen Liturgie „Amac" genannt wurden? Ks dürfte schwer halten, diese Frage
zu bejahen, da sich, so viel bekannt ist, keines dieser frühchristlichen Opfergefässe erhielt.
will jedoch scheinen, dass eine solche gewöhnliche „Ama u nicht allzugross war, da man sit
sonst nicht leicht transportiren konnte. Dann scheint es aber nach den Berichten älterer
Schriftsteller in grösseren Kirchen auch unbewegliche und umfangreichere Mischkrüge gegeben
zu haben, in welchen grössere Mengen Weines aufbewahrt werden konnten*.
Als die Oblationen jener Naturalien von Brod und Wein in den alten Kirchen nach und
nach ausser Gebrauch kamen und bei der Ausdehnung des Christenthums in anderen Weisen
geleistet wurden, waren auch die grösseren Sammelgefässe (Amac und Amphorac) nicht mehr
dringend nöthig. Eine deutliche Reminiscenz der früheren Oblationen in Brod und Wein
erhielt sich jedoch bei der feierlichen Consecration eines Bischofs, denn hierbei wird demselben,
nebst einem grösseren mit Zierrathen versehenen Weizenbrod , auch eine Ama mit Wein in Form
eines silbernen Fllsschens als Oblation dargereicht. Alle die Angaben , die wir bisher über dk
Amae, Amulac u. s. f. zu bringen Gelegenheit hatten, beziehen sich nur auf die Epoche von der
iipostolischen Zeit bis auf die Tage Gregor'« des Grossen, und zwar auf die Liturgie der
abendländischen Kirche. Auch wagen wir es nicht, zu bestimmen, von welchem Materiale, von
welcher Grösse und von welcher fonncllen Beschaffenheit die Weingefässe gewesen sein mttgru,
welche in der so dunklen Periode von den Zeiten Gregors des Grossen bis zur Epoche der
Karolinger bei der Feier der heiligen Messe zur Anwendung kamen, da sich keines dir
betreffenden Oripinalgefässe bis heute erhielt und wir desshalb ganz auf das Feld der Hypo-
these gestellt wären. Indessen glauben wir doch annehmen zu dürfen , dass das in der letzt
' .Ornnto nltari, tunc ArchidiaconiM numit aiuulnui pontiticia de «ubitineüou obUutuüariu rcfponürio et rufundit sapt'r col«-
in i-aliccia«. - - Vertf. daa Nähere in Nona: Ordo reruut liturtric§runi. Lib. II, Cup. IS. p*jr. U'JS, 3W-
>qgje
ÜnsH die cmusTLicnEN Messkännchen.
T
erwähnten Epoche zu Messgeräthschaften verwendete Material bei reichen Kirchen Gold und
Silber war; dass man aber neben diesen kostbaren Anmlae, und besonders in ärmeren Gemein-
den . auch Glasgcfiisse und künstlich bereitete Terracotten zu diesem kirchlichen Zwecke
benutzte, ähnlich also wie in den früheren Jahrhunderten.
Was nun die Form der Messgeräthschaften in der Zeit vom VI. bis IX. Jahrhundert, betrifft.
s<> nehmen wir nicht an, dass das Christenthum für diese Gefässe eine durchaus neue und
eigentliche Gestaltung aufgehellt habe ; sondern es dürfte wahrscheinlicher sein , dass diese
kleineren Gefässe sich ihrer äusseren Beschaffenheit nach an jene Gefilsse anlehnten, wie sie
ans den Tagen des bischöflichen Roms als historisch ererbt herrührten. Die Ampullae dieser
Periode würden also, mein- oder weniger, noch immer den Grundtypus jener Gclässc, wenn
auch in mehr ausgearbeiteter Form bewahrt haben , die sich aus dem classischen Hömerthum
vererbt hatten, und diese Annahme dürfte um so weniger gewagt sein, als es feststeht, dass
das ganze Mittelalter hindurch, sowohl in der romanischen bis selbst in die gothische Kunst-
epoche, der Grundcharakter in Schöpf- und Trinkgefässen, in Wasser- und WeinbehHltem sich
mit kleinen Modificationen so erhalten hatte, wie sie der Geschmack der Griechen und Römer
in ihrem entwickelten Culturlcben aufgestellt hatte.
In Bezug auf Form und Umfang jener Amulac, die in den vorliegenden Zeitraum in
Gebrauch waren , Iässt sich mit ziemlicher Gewissheit annehmen , dass bei der Feier jener
Opfcrhandlungcn, wobei die anwesenden Glilubigen nach der Comraunion des Priesters nicht
unter beiderlei Gestalten communicirten, die Gefässe zur Darreichung des Weines und Wassers
bedeutend kleiner gewesen sein mochten, als jene Amphorae, aus welchen der Wein in jenen
umfangreichen Kelch gegossen wurde, der nach der älteren Praxis bei der Laiencommunimi
dargereicht wurde.
II. Über den Gebrauch und die Gestaltung der liturgischen „vasa vinaria" vom Beginne
des IX. bis zum Schluss des XDI. Jahrhunderts.
Mit der Krönung KoiTs des Grossen als Kaiser der abendländischen Christenheit, trat
bekanntlich für den Aufschwung der christlichen Kunst eine neue Entwickelungsphase ein.
Gleich wie Karl der Grosse bei Errichtung der neuen Kaisermonarchic die Herrlichkeiten des
alten Horns im christlichen Geiste neu zu schaffen bemüht war, so ging auch das Bestreben
desselben dahin, die Kunstweise der römischen und der späteren byzantinischen Epoche mit
mehr oder weniger Glück auch diesseits der Alpen zu imitiren.
Betrachtet man nämlich die Bauwerke und Kunstgegenstände, die aus den Tagen Karl's
des Grossen und seiner nächsten Nachfolger auf uns gekommen sind, so wird man versucht
anzunehmen, dass zur Zeit der Karolinger eigentlich die erste Renaissance der classischen,
griechischen und römischen Formen angestrebt wurde, und dass mithin die Rückkehr zur
lieidnischen Formenwelt in den von vielen so hoch gepriesenen Zeiten der Medicäcr als eine
zweite Renaissance zu betrachten sein dürfte. Den Einfluss ckissisch römischer Vorbilder,
namentlich auf die Metallarbeiten, welche auf Befehl Karl's des Grossen zur Ausschmückung
seiner Pfalzcapelle zu Aachen unter der Leitung des *Baukundigen Ansigis ausgeführt worden
sind, erkennt man noch heute deutlich an dem gegossenen Gitterwerk (cancella), welches die
verschiedenen Seiten des Oktogones auf der Empore abschliesst. Der Einfluss der römischen
Dr. Frawz Bock.
Antike ist ebenfalls in den sogenannten Eierstäben, in den Akanthusblättern und den übrigen
Ornamenten dieser Gitter ersichtlich. Zweifelsohne waren auch jene kostbaren Weihgeschenke,
welche Karl der Grosse unmittelbar nach seiner Krönung der Basilica von St. Peter zum
Geschenke machte, von den damaligen Goldschmieden und Erzkünstlern nach griechischen
und römischen Vorbildern ausgeführt worden. Anastasius, der in seiner Lebensbeschreibung
Leo 's III. die lange Reihe dieser kaiserlichen Geschenke namhaft macht, unter denen sich
zwei silberne Altartischc und goldene Kronen von bedeutendem Gewichte befanden, fügt an
zwei Stellen hinzu, dass der Neugekrönte auch die zu den Altären nöthigen heiligen Gerät-
schaften gespendet habe. Die eine dieser Stellen lautet:
„Obtulit et super altari beati Petri Apostoli, immo et in Basilica beati Pauli Apostoli,
meusam argenteani minorem cum pedibus suis, pesantem libros quinquaginta quinque cum
diversis vasis argenteis mirae magnitudinis, quae ad usum ipsius mensae pertinent. -
Dass unter diesen verschiedenen heiligen GefHssen vornitmlicli goldene und silberne
Kelche mit den dazu gehörigen Wein- und WasBcrgefässen in Bezug auf Materiale und der
reichen artistischen Ausstattung eine bedeutende Stelle einnahmen, dürfte wohl kaum zu bezwei-
feln sein; aber über ihre Form und ihren Umfang dürfte sich ebenfalls nichts Bestimmtes
sagen lassen, da uns auch aus jenen Tagen keine Originalgefässe erhalten wurden. Mit Zu-
grundelegung jener Gefiisse, welche der Grieche „s-jvo/Mj" und der Lateiner .praefericulum-
nannte, dürfte sich, unter Bctrachtnahme jener römischen Weingefässe, wie sie heute in den
grösseren Sammlungen des Abendlandes noch ersichtlich sind, niclu-ere Hypothesen aufstellen
lassen, wie diese Gefässe äusserlich gestaltet gewesen sein mögen.
Was die artistische und technische Ausstattung der in Bede stehenden Messgeräthschaften
betrifft, so dürften wohl jene kunstreich verschlungenen, mit Pflanzenornamenten verbundenen
Figurationen als massgebende Parallelen angenommen werden, die sich in so vielen, diesseits
und jenseits der Alpen zur Zeit der Karolinger verfertigten Miniaturen und illuminirten Evau-
gelistarien vorfinden. Für die technische Ausführung der Ampullac in der karolingischen Zeit
bietet das grüsste Interesse jener prachtvolle Messkelch, der als ein Geschenk des bekannten
Widersachers Karl's des Grossen, des Herzogs Thassilo von Bayern, noch heute in dessen
Lieblingsstift zu Kremsmünster aufbewahrt wird. Wir haben dieses Meisterwerk der karolin-
gischen Goldschmiedckunst sammt den dazu gehörigen Leuchtern in den Mitthcihingen der
k. k. (,'entral-Conunission in dem Jänner- und Februarhefte 1859 beschrieben und durch Ab-
bildungen erläutert 1 .
Nach genauem Studium dieses Kelches dürfte es nicht schwer fallen, festzustellen, wie
das Ornamentale jener Ampullac beschaffen gewesen sein mag, welche zur Zeit Thassilo's
diesseits der Berge angefertigt wurden. Ehen so führen die oben angedeuteten Beschreibungen
des Anastasius darauf hin, welches Gewicht und welchen Umfang die Ampullac und Amulae
gehabt haben, die von verschiedenen Päpsten zur Zeit der Karolinger melu'eren Kirchen
zum Geschenke gemacht wurden. Gleich wie Kaiser Constantin auf die Bitten des Papstes
Sylvester den alten Tempel des Apollo zu einer christlichen Basilica umgestalten Hess, die
1 Da lieh hier die Gelegenheit bietet, abermals auf den berühmte» Thaisilo-Kclch von Kremsnillnster zurückzukommen,
so bemerken wir, dass wir in der Perion de» Stiftsarehivar» von Kremsmttnster, Herrn Beda Piringer, einen eben »o gelehrten
«I» liebenswürdigen Gegner gefunden haben. Trotz »einer Gründe, das» da» fragliche Gefiii» kein Mesikeleh, Hindern ein pro-
fanes Trinkgefiss »ei, können wir demselben nicht beipflichten, da ein »o reich verzierte», mit den Bildern de« Heilande« und
der Aposteln geschmücktes Gefiii» wohl ohne Zweifel dem kirchlichen Dienst geweiht war. Auch stammt da» angeführte Citat.
durch welches dieser Kelch zu einer einfachen „potn» meniura" herabgesetzt wird, erst aus dem XVI. Jahrhundert, wo man
über den ursprünglichen Gebrauch dei Gefitssea Uingst nicht mehr im Klaren war.
Digitized by Google
ÜllEK DIE CUU18TLI0HKN MeMKÄNXCIIEN.
9
dem Apoatclfursten Petrus geweiht war und dieser liasilica unter vielen silbernen und goldenen
Altargerathschaften auch zwei Mischkrlige (Amae) aus purein Gold, jeder zehn Pfund schwer, und
fünf kleinere von Silber, jeder zu fünf Pfund Gewicht, als Geschenk darbrachte 1 ; so schenkte auch
Papst Hadrian der Diaconatskirche des Heiligen gleichen Namens eine grössere Ama und eine
kleinere Amula offertoria 8 . Dessgleichen spendete Gregor IV. sechs silberne Amae, welche
zusammen dreizehn Pfund wogen', zum Gebrauche bei den Stationen 4 .
Neben diesen kleineren, durchgängig von griechischen und lateinischen Metallkünstlern
gefertigten Gefässcn zur Darreichung beider Substanzen mögen auch bereits in der karolin-
gisehen Epoche von den Goldarbei-
tern des Orients zierlich geformte
Wembehältcr auf Handelswegcn in
die Kirchen des Occidents gelangt
und liturgisch in Gebrauch genom-
men worden sein.
So findet man in dem freilich
aelir geleerten Schatz von St. Mau-
rice zu Valois ein höchst merkwür-
diges, reichverziertes, in Gold getrie-
benes und mit Email und gefassten
Edelsteinen geschmücktes Gefilss,
welches möglicherweise ehemals als
Ampulla liturgisch im Gebrauch
gewesen sein dürfte.
Die hier vorliegende Abbil-
dung dieses GefUsses (Orceolus) ver-
danken wir dem als archäologischen
Forscher bekannten Abbe Martin,
der diese Ampulla in seinen Melan-
ges d' Archäologie (T. III, pag. 1S6)
ausführlich bespricht und nachweist,
dass dieselbe mit dem Lebensbaum
(Horn) und zwei Löwen verziert ist
und daher entweder ein echt arabi-
sches Kunstwerk oder mindestens eine sehr alte Imitation eines solchen sei, welches Karl der
Grosse unter anderen Geschenken von dem Khalifcn Harun-al-Kaschid erhalten hatte. (Fig. 4.)
Diesem merkwürdigen Gefaase fügen wir hier ein anderes bei, welches von Sachkundigen
gleichfalls als ein orientalisches Kunstwerk betrachtet wird. (Fig. h.)
Dieses formschöne GerKth ist erst in den letzten Jahren für da* Münz- und Antikencabinet
zu Paris angekauft worden. Nach einem Vergleich der sehr charakteristischen symbolischen Löwen
mit anderen derlei Thieren auf orientalischen Seidengeweben des IX. Jahrhunderts möchten wir
uns zur Annahme hinneigen, das« auch dieses Gefitss zu den Zeiten der Karolinger kirchlieh in
Gebrauch gewesen sei.
' Vecgl Ana«. BIM. d« vitht Pont. rom. in vit» 8. Silvestrf, «wo Christi 314. -* Obtulit araatn unatu - aiiitilam off.r-
tnriam uiiiuu. i'Anaat. in vita Hailriani anno 772.» — 3 Kecit ama» »itenlras sex, ijuau pnirrcritint per omnes MatioKI, pM intet
lili. XIII. (Anaat. in viu lirt'Korii IV. anno 897.) DttadlM Autor äugt auch in »einem Leta-n >\v» I'apatr» Hcmdict III. anno Sft&i
Fecit ainaro unam ex arjjento purisainio, pennt Iii). X.
IX.
Digitized by Google
10
I»k. Fkasz Hock.
Ausser den Amulae von Gold und Silber mit getriebenen oder ciselirten Arbeiten, mit
Filigran und gefassten Edelsteinen, kamen im IX. Jahrhundert zur Zeit der Ottonen auch werth-
volle Gcfässc bei dem Offertorium vor, welche aus Bcrgkrystall oder aus Sardonyx (Lapis onichini)
verfertigt waren. Dass man schon im frühen Mittelalter in Bcrgkrystall arbeitete, geht aus dem
Kvangclien-Ambo hervor, welches von Kaiser Heinrich II. dem Dome zu Aachen zum Oeschenk
gemacht wurde. Auch dürfte die Ampulla aus Hergkrystall, die sich jetzt in Privatbesitz zu C'öln
vorfindet, ans den Zeiten der Ottonen herstammen.
Im Schatz zu St. Marco in Venedig befindet sich eine merkwürdige Parallele zu diesem
Krystullgcliiss, die uns nicht nur bestätigt , dass dieses einst als Messkännchen kirchlich in
Gebrauch war, sondern auch einige Anhaltspunkte über das Her-
kommen desselben darbietet. Dieses Cölner Krystallgcfäss
(Fig. 6) hat 22% ("entunetres in der Höhe und der Durchmesser
des Fusscs betrügt 1 2 ( cntiinctres. Sowohl die Anlage des Fuss-
stückes von feinstem Hold und äusserst zart ciselirt, als auch die
Verstärkung des Henkels von Gold mit emaillirten Knüpfcheii
scheinen dem XVI. Jahrhundert anzugehören. Der Krystall-
bchältcr selbst mit seinem geschnittenen Laubwerk dürft«
jedoch zweifelsohne aus dem IX. Jahrhundert stammen. Ähnlich
wie auf dem Gefilsse von St. Mareo sitzen auch hier auf der Hau-
chung des Gelasses zwei Tiger oder Leoparden, weicht'
durch ein l'tlanzeiiornanient getrennt werden , welches deut-
lich an den persischen Horn erinnert. Dass endlich diese*
Gefüss wirklich aus dem Orient herrührt, beweisen auch die
kufischen Inschriften, die unter dein Halse des Gcfasscs ange-
bracht sind, deren Entzifferung aber bisher mich von keinem
( Micntalistcn versucht wurde.
Betrachtet man die umfangreichen C'aliees ministeriales, die
in mehr als zehn prachtvollen Exemplaren den Schatz von
St. Marco zieren und für die Coinmunion der Laien eingerichtet
sind, so dürfte es nicht im mindesten befremden, dass die zu
diesen Kelchen gehörenden Ampullae aus Bcrgkrystall ebenfalls
ziemlich umfangreich sind. < »Heilbar dürften in Krystall geschnittene Getasse durch venetianische
oder genuesische KauffartcisehitTc oder durch die Kreuzfahrer aus dem Orient und zunächst
aus Hvzanz, als dem Hauptstapelplatz des Orients , als Seltenheiten nach dem Abendlande her-
geführt worden sein, wo sie spllter von der Kirche als Ampullae benützt wurden.
Hatten die Arbeiten in edlen Metallen an den Höfen der für die Kirche so frei-
gebigen Ottonen schon einen erhöhten Aufschwung genommen, so wurden sie durch die pracht-
liebende Griechin Theophania noch gesteigert, die allen ihren Kinfluss verwendete, um die
Umgebung ihres Sohnes Otto III. zu verschönern. Welche Höhe die Goldschmiedekunst
im Heginn des XI. Jahrhunderts unter der Kaiserin Theophania erreichte, das gewahrt man
noch heute in dem reichhaltigen Schatzgewölbe der ehemaligen Stiftskirche zu Essen, und
besonders an den vier äusserst kostbaren Kreuzen in Gold und Filigran, die mit den reichsten
Zellencmails verziert sind, und ohne Zweifel waren auch jene Mcssgeräthe nicht vernach-
lässigt, deren chronologische Beschreibung uns in der vorliegenden Abhandlung zur Aufgabe
gestellt ist.
Digitized by Google
Über die christlicbex Messkännciien.
II
Auch der unmittelbare Nachfolger von Kaiser Otto III., nämlich Heinrich IL, ilen die Kirche
mit zu ihren Heiligen zählt , erwies sich als ein grossmüthiger Spender, insbesondere gegen
jene Kirchen, die ihm selbst ihre Entstehung verdankten, und die Dome zu Aachen, Bamberg,
Kawel u. a. w. legen das ZeugnisB dafür ab, welche reiche Entwickelung die damalige Gold-
Bchmicdekunst sowohl in Bezug auf Composition als auf Technik gewonnen hatte l .
Das« auch in dieser Epoche, wie in den früheren, nebst den grosseren Ampullae kleinere
Messkilnnchen zur Celcbrirung des hohen Opfers an gewöhnlichen Tagen in Gebrauch gewesen
nein mögen, litest sich ans einer schönen Legende folgern , die sich in der Lebensgeschichte der
heiligen Mathilde, Königin von Frankreich, vorfindet. Dieselbe pflegte niimlich bei ihrem tät-
lichen Besuche der heiligen Messe die Oblationen von Wein und Wasser in kleinen goldenen
Ampullen darzubringen. Wie nun die Chronik naiv crzHhlt, hatte eines Tages eine im Kloster
gezilhnitc Hirschkuh unbegreiflicherweisc ein goldenes MesskRnnchen verschluckt. Als am andern
Morgen die Ampulla vermisst wurde, befahl die Königin der Hirschkuh, das entwendete Gcfilss
wieder zurück zu stellen, und sieh' da, die Hirschkuh gehorchte, zum Staunen der Umstehenden,
dem Befehle der Königin.
Neben diessen Ampullen, deren Namen einige von „ampla olla- und andere von „v;in
amplum 1 - herleiten wollen, kommen auch schon zu Zeiten der Karolinger andere (Jerilthc vor.
und zwar zur Aufbewalirung und Austheilung der heiligen Ole. Es waren drei und in der Kegel
gleichgestaltetc GefUsse von Silber oder anderen edlen Stoffen, die jedoch von den alten Chro-
nisten ebenfalls „Ampullae" genannt wurden. Schon in den Capitularicu Karl's des Grossen
(Lib. I, Cap. 162) werden diese drei liturgischen ÖlgefHsse besonders erwähnt und zwar bei
Gelegenheit, wo von der Weihe der heiligen Öle am Gründonnerstag die Rede ist. Diese Capitn-
larien, welche, wie man vermuthet, aus dem Jahre 800 herrühren, verordnen nihnlich Folgendes:
„Presbyter in coena domini tres ampullas secum deferat, unam ad chrisina, alteram ad
oleum ad catechumenos inungendum, tertiam ad infirmos (ad oleum infirmoruni). *
Ausser diesen drei grösseren Gefüssen zur Aufnahme und Consecration des Chrisams, des
Öles für die Kranken und jenes für die Täuflinge, fanden sieh auch kleinere Ölvasen vor, in
denen geringere Quantitäten von Ol vom Volke als Oblationen dargebracht wurden. Hierauf bezieht
sich folgende Stelle in den „Sacramentalien" Gregors des Grossen:
„In ipso die conficitur chrisina in ultimo ad missam. Antequani dicatur: per quem haee
omnia, domine, semper bona creas, levantur de ampullis, quas offerunt populi, et benedicit tarn
Dominus Papa, quam omnes Presbyteri. "
Aus den Bollandisten (Act. SS. April. T. I, 35) ist zu ersehen, dass gegen das Jahr K42
der heilige Johannes, Bischof von Neapel, zur Aufbewahrung des heiligen Chrisina eine grosse
vergoldete Ampulla anfertigen liess. Die hierauf bezügliche Stelle lautet :
„Ad «anetum igitur clirisma conficiendum fecit unam deauratam ampullam, in cujus labiis
nomen suum descripsit"
Diese drei Ölgefasse waren im Mittelalter, so wie noch heut zu Tage, an Gestalt und Ein-
richtung den MesskUnnchen ähnlich , nur waren sie in früheren Epochen bedeutend grösser und
umfangreicher als jetzt, und in verschiedenen Diöcesen mögen sich noch jetzt grössere aus Silber
oder Zinn verfertigte Ölgefilsse befinden, die bisher von der Archäologie noch wenig beachtet
wurden.
> Leider wusste Basel die Geschenke des fromme» Raiten nicht gehörig zu würdigen, indem es vor kaum zwei Dee ennieu
den kostbaren, in purem Gold getriebenen Altaraufaati der Domkirche, den Kaiser Heinrich einer darauf befindlichen Inschrift
zu Folge dahin spendete, um geringe« Geld an einen AosUnder verkaufte, und man muss nun im H&tel Cluny zu l'nris auf-
Sachen, was einst im Dom zu Basel zu deii^ ehrwürdigsten Gegenständen zählte.
Digitized by Google
12
Du. Fhaxz Bock.
Zu unserer nicht geringen Verwunderung fanden wir in cler Metropolitan- und Primatial-
kirclie zu Gran drei merkwürdige Ölgefässe, die jedoch nicht die gewöhnliche Gestalt der
Ampidlae, sondern die Form jener kunstreich
verzierten „Conma" besitzen, die in mittel-
alterlichen Inventarien hiiufig unter dem Namen
„G reifen klauen" angeführt werden'. Wir
veranschaulichen in der nebenstehenden Fig-ur
(Fig. 7) eine dieser r Greifenklauen u zur Auf be-
wahrung des Olei infirmorum, und bemerken
dabei, dass diese drei Horner in den Tagen des
Kaisers Sigismund angefertigt wurden und als
Insignien und Geräthe zu dem von diesem
Kaiser gestifteten G re i f e n o r d e n gehörten.
Der Dom von Cöln besitzt indessen noch
drei mittelalterliche Gcfässe von Zinn, aus
denen «ich der Styl des Überganges von dem
Romanischen zur Gothik ersehen lässt.
Von Hhnlicher Form, aber in bedeutend
kleinerem Massstahe, mögen auch jene beschei-
denen MesskHnnchen gewesen sein, die man
nur aus einfachen Metallen verfertigte und in
den Kirchen zu Cöln wahrend des Ausganges
des Mittelalters benützte.
Da wir eben zuvor von den Ölgefassen
sprachen, werden wir uns hier auch einige
Bemerkungen über das historisch merkwürdige
Salbengefäss erlauben, in welchem das Chrisam
aufbewahrt wurde, womit die Könige Frank-
reichs von Chlodowig an bis zu den Zeiten
Ludwig XVI. in der Krönungskirchc zu Rheims
gesalbt wurden. Es ist in der Geschichte hinlilnglich unter dem Kamen r la sainte ampule"
bekannt und die Legende erzithlt, dem Bericht Hincmars von Rheims gemils, nachfolgendes:
Der heil. Remigius war im Begriff, dem Frankenfürsten Chlodowig die Taufe zu ertheilen
und die heiligen Ceremonien hatten schon begonnen, als plötzlich das Chrisam fehlte, da der
Priester bei dem grossen Andrang des Volkes nicht damit in die Kirche gelangen konnte. Um
jedoch die heilige Handlung nicht zu unterbrechen, richtete Remigius ein eifriges Gebet gegen
Himmel, und zum Erstaunen Aller schwebte eine Taube weisser als Schnee hernieder, setzte sich
auf die Schulter des Heiligen und trug die ersehnte Ampulla mit dem Salböl in ihrem Schnabel.
Auch der Chronist Flodoard erzählt diesen Vorgang auf ähnliche Weise. Diese „Phiale" hatte
sich als eine Art von Palladium in dem Schatze der Abtei zu St. Remy bis zu den Stürmen der
grossen Staatsumwälzung wohl erhalten; aber kaum zwei Monate nach der beklagenswerthen
Hinrichtung Ludwig XVI. schickte der Nationalconvent den Bürger Rubi nach Rheims, der
sich dieser Ampulla bemächtigte und die Frechheit hatte, sie öffentlich zu zerschlagen. Nach der
' Vercl- <1i" Abbildung und Beschreibung dieser drei Ölpefiisse im dritten Bande der Jahrbücher der k. k. Ccntnl-Cotn-
luUsion unter dem Titel: „Der Schatz der Mctropolitankirchc zu Grun".
Digitized by Google
Flg. r.
PIE t I1BISTLICI1BN MeMKÄNNCHES.
13
Wiedereinsetzung der Bourbonen lies» im Jahre 1825 Kairl X. die Reste der zerstörten „sainte
ampule" sammeln und aus diesen und nach vorhandenen Zeichnungen mit gi'ossem Gcldaufwandc
eine neue zu Beiner eigenen Krönung verfertigen. Dies neue Salbgefüss, dem freilieh die Weihe der
.Jahrhundertc fehlt, sehen wir im Schatz zu Rheims ; dasselbe kann jedoch hinsichtlich der Fassung
und Technik mit der alten ampule sainte durchaus keinen Vergleich eingehen.
Den Ulteren Schatzverzeichnissen zu Folge scheinen die ehemals in kirchlichem Gebrauch
befindlichen drei grossen Gefasse „ad conservanda olea säera" meistens von Silber, ja einige sogar
von Gold gewesen zu sein. In dem Inventar von St. Paul zu London vom Jahre 1295 wird unter
anderem gesagt:
„TrcB ampullae argenteae cum chrismate et oleo", und in einem französischen Inventar vom
Jahre 1379 heisst es:
„Quatre empoulles d'or tuorses et chascun a an esmail rond, sur le convesete des armes
de France, pesans XVIJI marcs, VI onces et demi d'or."
Das interessante Schatzverzeichniss von St. Veit zu Prag, welches unter Karl IV. vom Schatz-
meister Smilo im Jahre 1387 angefertigt wurde, weist drei silberne Ölgefasse nach, die den Namen
„Cannulae" führen 1 . Es heisst daselbst:
„Item tres cannulae argenteae, in quibus portantur liquores in coena domini."
In einem anderen Schatzverzeichniss von St. Veit, vom Jahr 1354, welches der Sacristan-
priester Szarvisius (Zavis) aufzeichnete, werden die drei eben gedachten Cannulae mit den Worten
angeführt:
„Item vasa argen tea tria ad opus sacrorum liquomin."
Zu welchen Zwecken sich unter den Präger Kirchenutensilien das auf folgende Weise be-
zeichnete GefHss:
„Item una ampulla cum ansa longa cuprea deaurata" —
vorgefunden habe, ist nicht angeführt; vielleicht wurde es aber mit
seinem grossen kupfernen und vergoldeten Henkel als Aquamanile
(Giesskanne) bei der Handwaschung des Bischofs in Gebrauch
genommen. Zavis führt in demselben Inventar vom Jahre 1354
auch noch ein Krystallgefiiss auf, welches vermuthlich zu einem
ähnlichen Zweck wie die „ampule sainte" gebraucht wurde, denn
er sagt davon:
„Item vasculum chrystallinum pro repositione chrismatis
regum Bohemiae et reginarum, quod idem rex (Carolus PV.) pro
coronationibus ipsorum dedit et refruari niandavit."
Unter den Kunst- und Reliquienschiltzen von St. Veit zu
Prag erhielt sich glücklicherweise eine merkwürdig grosse Ampulla
aus Bergkrystall , die uns Anhaltspunkte bietet, wie vielleicht die
grösseren Behälter zur Aufnahme der heiligen Öle im XIII. und
XIV. Jahrhundert gestaltet gewesen sein mochten. (Fig. 8.)
Wie die hier gegebene Abbildung zeigt, ist der Krystall-
behälter nach aussen vieleckig geschliffen, und sein Fuss, Henkel
und Deckverschluss in vergoldetem Silber zierlich gearbeitet. Das er-
wähnte Inventar vom Jahre 1 354 beschreibt ihn auf folgende Weise : v\g. ».
1 Dieser Ausdruck ist du Diminutivuin
Vcrgl. auch caona fusllt» (Givsakanne).
woher
Wort
Digitized by Google
14 Dk. Franz Bock.
„Item cannula magna crystallina, circumdata argento, dcaurata, cum gemmis et perlis, in qua
est inensale domini nostri Jesu Christi, quam idem rcx (Carolus IV.) donavit."
In diesem seltenen Gefäss erblickt man noch heute ein feines Byssusgewebe , welches da*
Inventar als jene» Tischtuch bezeichnet, welches beim letzten Abendmahle des Herrn in Gebrauch
gewesen sein soll.
Kehren wir aber nach diesen Bemerkungen über die heiligen Olgefässe wieder zu den
eigentlichen Messkännchen zurück, so Huden wir bereits im XI. Jahrhundert in Bezug auf Grösse.
Zahl und Matcriale mannigfache Angaben bei den alteren Schriftstellern . Einem Dichter jener
Epoche zu Folge dürften im XI. und XII. Jaluhundert die Messkünnchen nicht in jeder Kirche
dieselbe Grosse gehabt haben, so zwar, dass das für den Wein grösser als jenes für das Wasser
war. Der Anonymus, der das Eob der Bischöfe von Evreux besingt, sagt nämlich unter anderem :
„Jussit ut Übriizo (Evreux) non parvo ponderis auro Ampulla major ficret, qua vino sacc-r-
dos hinderet in ealicem, solenmia sacra celebrans.*
Das» aber im XI. Jahrhundert bei Darbringung des heiligen Messopfers nach kirchlicht ! i
Vorschriften stets zwei Messkännchen vorfindlich sein mussten, gleichviel ob mehr oder weniger
Wasser zu dem zu consecrirenden Wein gemischt wurde, beweist unter vielen anderen Stellen, in
denen immer von einem Paar Ampullen die Rede ist, auch eine Angabe in Johann von Gur-
lande's Dictionarium (vom Jahre 10HO), in welchem vorgeschrieben wird:
„In ecelesiis debent esse pliialac, una cum vino et alia cum aqua."
Auch die Stelle , welche Baronius aus einem vaticanischen Codex aus den Tagen des
Papstes Lucius mitthcilt, spricht von zwei kostbaren Messkännchen, nämlich :
„Dedit etiam ampullas ad servitium altaris optimas et mirabiles."
Dem bekannten Chronicon Moguntineuse zu Folge, das aus dem Beginne des XII. Jahrhun-
derts herrühren durfte, will es den Anschein gewinnen , als ob zu den reicheren Kelchen des
MainzerDomschat7.es, sowie anderer Kathedralkirehen, in damaliger Zeit auch immer zwei besondere
Messkannchen gehört hatten. So liest man in jenem Chronicon von Mainz, das uns Urstitius nn't-
theilt, unter der reichhaltigen Rubrik: „de indumentis quoditinnis, erueibus, ampullis attinentibus-.
„Caliccs erant speciales ampullae argenteae et pyxis argenteis ad hostias deputatac. Praeter
hos calices erant tres aurei, in uno horum poterat eckbrari, qui etiam suas habuit ampullas.' 4
Das Dunkel, das Uber Gestalt und Verzierungswcise der Messkilnnchen vor dem XII. Jahr-
hundert herrscht, beginnt sich gegen die Mitte jenes Säeulums aufzuhellen , indem sich glück-
licherweise MesskUnnchen jener Zeit an verschiedenen Orten bis auf unsere Tage erhalten haben,
die nun die besten Anhaltspunkte darbieten.
Vor Allem ist hier das treffliche Werk des bekannten Mönches Theophilus „Artiunt diver-
sarum schedulae" zu erwähnen, in welchem er (Lib. III, Cap. f»8 et f>9) eine eigene Abhandlung
über die technische Anfertigung und Ornamentik der Messkännchen gibt, wie diese zu seiner Zeit
in Gebrauch waren. Aus diesen Angaben geht deutlich hervor, dass man gegen die Mitte des
XIT. Jahrhunderts die Messkannchen zuweilen mit erhaben getriebenen oder mit ciselirten Arbeiten
verzierte; auch brachte man manchmal auf der Oberfläche derselben emaillirte oder niellirte Zier-
rathen an. *
Interessant ist es, bei Theophilus zu finden, dass man zu seiner Zeit an den Messkännchen
sehr oft kleinere Giessröhren anzubringen pflegte, vermittelst welcher man Wein und Wasser nach
Belieben des celebrirenden Priesters in den Kelch giessen konnte'. Nach diesen Angaben des
» Di« hiuraaf bezügliche Stelle lautet. „Wenn du willst , »o mache an dem Measkännchen eine gegossene Handhabe, in
Wtiau wie du dun Henkel an dem silbernen Kelche gestaltet hast; und an dem vorderen Theile de» Käuncuen» inarhe
"Digitized by Google^
ÜflEK HIE CHRISTLICHE!! MbMKÄNSCHEN. lJ
Theophilus wollen wir nun unter den jetzt noch vornndlichen Ampullen Umschau halten, und
erwiigen, in welchem Grade sie mit seinen Andeutungen in Verbindung zu setzen sind, und so
Heien denn zunächst die drei merkwürdigen MesskUnnchen in Betracht gezogen, welche sich nebst
andern liturgischen Seltenheiten in dem Schutze von San Marco zu Venedig befinden 1 , und zwar
besonders desshalb, weil sie bisher von Seite der Altcrthumsforscher noch nicht ausführlich unter-
sucht und besprochen wurden.
Die erste und formschönste Ampulla von San Marco, die wir in nebenstehender Abbildun
(Fig. 9) wiedergeben, stimmt mit den erwähnten Angaben des Theophilus vollkommen überein. Sic
hat -J8 Centimetres Hohe, und hat vier Hauptbestandtheile,
namtich den eigentlichen Krystal lbehalter zur Aufnahme
der Flüssigkeit, das Fuss stück; den Henkel und das Au s-
gU8sröhrchen. Der Krystallbehälter misst 16 Centimetres.
Die erhaben geschliffenen Ornamente an der Bauchung des-
selben sind ohne Zweifel orientalischen Ursprungs und durch-
aus analog mit jenen saracenischen Seidengeweben, die im
XII. Jahrhundert in Menge als „pallia saracenica cum flosculis
et bestiolis" in Kuropa eingeführt wurden. Mit ähnlichen der
Natur entlehnten Ornamenten ist aüch der runde Fusstheil
geschmückt. Ein in der Technik des Ciselircns iiusserst geübter
Goldschmied hat den ganzen Fuss nebst dem trichterförmigen
Ständer ä jour durchbrochen und mit einer silbernen und ver-
goldeten Blatte unterlegt. In diesen Durchbrechungen stellte
er den Kampf des Menschen mit den XaturkrHften dar und
umgab das Ganze mit Laubverschlingungen. Dieselbe Idee in
derselben Technik ist auch oben am Halse des Gelasses ange-
bracht, indem hier Jager im Kampf mit Löwen, Drachen u. s. w.
dargestellt sind. Das Ausgussrohrchen ist lang und geschwun-
gen, und mit ciselirtem Laub und niellirten Flachen in verscho-
benen Quadraten verziert, während die Mündung einen phan-
tastischen Thierkopf bildet. Der Henkel ist als ein „Thier-
tmhold" gestaltet, welcher jeneVi salamanderartigen Bestiolae
anzugehören scheint, die im XII. Jahrhundert eine so grosse
Rolle spielten. Auch diese Ansa ist zum Thcil ciselirt und
zum Thcil niellirt. Leider fehlt der Deckel dieses, zu den
schönsten Ampullen der zweiten Hiilfte des XII. Jahrhunderts
gehörigen Gewisses.
Ein zweites in demselben Schatze befindliches Messkilnnchcn , welches ebenfalls mit den
Angaben des Theophilus übereinkommt, und eben so interessant ist als das vorige, ist aus
Onyx geschnitten, und zwar in der Form einer Blumenvase, welche unten zwei vorspringende
Henkel hat. (Fig. 10.) Sie misst 18 Centimetres, Höhe und 11 Centimetres Breite. Sowohl das runde
ilir «'in Röhrchcn 'dcduetoriunii, vermittelst welchem der Wein »umgegossen werden kann. Du magst es mit einer Verbindung von
Kupier und .Silber anlöthou, wie da» früher angedeutet wurde. I>arauf magst du es, wenn ea in deiner Absicht liegt, mit niel-
lirten Ornamenten vertieren und die Oberfläche de» Ganzen vergolden..'
1 Zur Zeit der Franzosenherrschaft in Italien wurde auf Befehl Napoleon'» der grosse Sehatt von San Marco auf die Münte
nun Einschmelzen und später uach Pari» geschafft. Jene Gebisse, die nur einen geringen MeUllwerth versprachen, blieben in der
Mimte zu Venedig, bis der Gerechtigkeitssinn Kauer Franz I. anordnete, diese noch vorhandenen Gelasse der Katbedralkirche
wieder turtlck tu «teilen.
Digitized by Google
16
Du. Kranz Bock.
Fussstück dieser Polla, als Ausgussröhrchen und Handhabe sind glatt und ohne Verzierungen von
vergoldetem Silber ausgeführt. Das Ausgus6röhrchen zeigt an der Mündung ebenfalls einen cise-
lirten Thierkopf. Jedenfalls dürfte das Onyxgefäss bedeutend älter sein als die spätronianischc-
Fassung. Ähnliche Messklinnchen aus Lapis onychini mögen sich wohl in vielen Kathedralen und
Stiftsschätzen des Abendlandes vorgefunden haben. Namentlich waren ähnliche grössere und
kleinere OnyxgefUsse in dem ehemaligen Schatz der Grabeskirche
der französischen Könige zu St Denys, wie das aus dem trefflichen
illustrirten Werke des Benedictiners Felibien „Le tresor de l'abbaye
royalc de St. Denys " deutlich zu entnehmen ist. Sie befanden sich
dort bis zur grossen französischen
Revolution, nach welcher sie aber
spurlos verschwunden waren, da
man sie vermuthlich vernichtet
hatte.
Das dritte Messklinnchen des
Schatzes von San Marco, welches
hier in zwei Drittel seiner natür-
lichen Grösse abgebildet ist, hat
(wie Fig. 11 zeigt) ebenfalls einen
Henkel und eine Ausgussröhre in
der Weise wie sie Theophilus an-
gibt. Obwohl nun dieser Ausgu.ss
so wie der Henkel einfach und glatt
gearbeitet sind, so entfaltet sich
doch ein reiches Ornament sowohl
am Halse als auch auf der oberen
Bauchung des Gewisses. Der Gold-
schmied hat hier je vier Flächen
angebracht, die im Innern mit fil i-
granirten Verzierungen ausgefüllt
sind. Von diesen Filigranzügen
umgeben, erblickt man in gezahnten
Fig II-
Fig. 10.
Kapseln kleine ungeschliffene Türkise und Rubinen. Der jetzt äusserst schmale Fuss war ehemals
gewiss mit Metall umkleidet und es scheint, dass sich die Zierrathen auf der Bauchung, hier
wiederholten. Es unterhegt nicht dem mindesten Zweifel, dass diese Gefässe von San Marco ehe-
mals als Ampullac in Gebrauch waren; auffallend bleibt es jedoch, dass sie sich sämmtlich einfach
und nicht gedoppelt vorfinden; es dürfte daher anzunehmen sein, dass das enrrespondireiide
GefiUs verloren gegangen ist , oder dass in diesen kostbaren Gefässen blos Wein ministrirt, das
Wasser hingegen in einfacheren Behältern dargereicht wurde.
Eben so befindet sich eine aus dem XH. Jahrhundert stammende Messampulla in einer IYivat-
sammlung Englands, die in der Kunstausstellung zu Manchester bei den Archäologen , in Anbe-
tracht der Seltenheit solcher GefÜsse, grosses Aufsehen erregte. Schon auf den ersten Blick
gewahrt man an dieser fonnschönen Ampulla nicht nur einen selbststündigen Henkel, sondern
dieser Ansa entgegengesetzt , an der Vorderseite des Deductoriums eine Mündung in der Form
einer Auricula fusilis, »im die betreffende Flüssigkeit (Wein oder Wasser) tropfenweise ausflicssen
ÜllER T.IE CHRISTL1CUBN MeSSKÄNNI KEN.
17
lassen zu können. Die Bauchung ist, wie Theophilus anräth, mit Blumen verliert, die jedoch nicht
in Silber getrieben oder nur gravirt sind, sondern durch opera smalta erzielt wurden.
Kin anderes nicht minder merkwürdiges
und vollkommen authentisches Mcsskilnnchen
aus dem Beginne des XIII. Jahrhunderts
befindet sich noch jetzt in der Sammlung der
kaiserlichen Bibliothek zu Paris. Es hat eine
Höhe von 14 Ccntimetrcs und misst 7 Centi-
metres in der Bauchung. (Fig. 12.)
Obwohl der Fuss an dieser Atnpulla
fehlt und die ganze Form derselben an eine
Giesskanne erinnert, wie sich solche zuProfan-
zweckeu im Mittelalter auch an den Höfen
befanden, so zeigt doch der auf der Hauchung
in Email angebrachte Engel, dass dieses Ge-
fUss ursprünglich in kirchlichem Gebrauch
war 1 . Was den technischen Theil desselben
betrifft, ist zu bemerken, dass c» von Kupfer
getrieben und auf der Oberfläche in emaille
champleve mit jenen charakteristischen Pflan-
zenornamenten verziert wurde, die sieh im
XIII. Jahrhundert so häufig vorfinden. Dieses
Gctass dürfte von einem jener berühmten
Kmailleure von Limoges verfertigt worden sein.
Der für die Alterthumskundc leider zu früh verstorbene Abbtf Texier, der sich in Bezug auf die
mittelalterliche Goldscluniedckunst in ihrer Anwendung auf liturgische Getsisse grosse Verdienste
erwarb, machte uns auf ein höchst merkwürdiges Mcsskilnnchen aufmerksam , welches sich einst
in der alten Abtei Grandmont befand und zum Glücke noch heute in der
Kirche von St. George les Landes (Haute Vienne) aufbewahrt wird. Diese
Polla, die jetzt als Reliquiarium dient, hat 20 Centimetres Höhe und dürfte
mehr als die beiden zuvor erwähnten Gefilssc auf den feststehenden Tvpus
der Messkännchen im XII. und XIII. Jahrhundert hindeuten. (Fig. 13.)
Sic ist aus Bergkrystall geschnitten und mit einer silbernen und ver-
goldeten Fassung umgeben. Das Deductorium fehlt, dafür befindet sich aber
oben an der Randmündung eine Art kurzen Schnabels oder Schnute. Der
Kry stall zeigt auf seiner Oberfläche nach zwei Seiten hin das Bild eines auf-
rechten Adlers. Es ist nicht zu verkennen, dass die naturhistorische Auf-
fassung der Ornamente dieses Messkännchen einigermafisen an den früher
erwähnten Krystallbehälter erinnert, und wir zweifeln daher nicht, dass
beide Gelasse demselben Lande und derselben Kunstepoche ihren
Ursprung verdanken.
Da sieh, ausser der hier angeführten Messpollen des XI. bis Ende des XIII. Jahrhunderts,
weder in Kirchenschützen noch in öffentlichen Sammlungen derlei Gegenstände erhalten haben,
1 Diene« firfii»» wurde auch vou A. \Vaj» im Archacolngical-Journul T. II, png. 1 .*>o — 1 72 abgebildet uud als Ampull
bezeichnet. Eben *o bat es Dillrun in seinen Annale« archeulogiquea, Jahrg. IfCi'J, pag. 1">3 benannt und dasselbe in natürlic her
n* is.
Fig 13.
OL
Digitized by Google
18
Du. Fiiasz Bock.
ho durfte liier wohl eine Aufzählung solcher Messgeritthe eine Stelle finden, die wir in meist noch
angedruckten alteren Schatzvcrzcichnissen angetroffen haben'.
So lesen wir in einem Schatzverzeichnisse aus* den Tagen des Königs Ladislaus von
Ungarn (1077—1093), welches «ich in der vom König Stephan getrifteten Abtei Martingberg
befindet, folgende Stelle*:
„Duo ureeoli argentei, urecolus argenteus cum pclve ad abluendas manus, IV. Vhsh ar^entcji
ad benedictain aquam.**
Diesem Inventar zu Folge wurden bereits im IX. Jahrhundert die Ampullae auch Ureeoli -
genannt, obschonUrceolus die feststehende Bezeichnung für jede kleinere Wasserkanne zum Waschen
ist, wie das in dem Folgenden weiter zu erörtern ist. Dass die Bezeichnung „Ureeoli argentei u hier
mit den öfter vorkommenden Aquamanilia nicht identisch sei, erhellt auch aus einer Karte vom
Jahre 1197, die Ughcllus (T. VII, pag. 1274) mittheilt. Ks heisst daselbst:
„Duos ureeolos argentcos pro vino et aqua.-
In älteren Schatzverzeichnissen fuhrt auch zuweilen das Gefllss zur Aufnahme des Weih-
wassers, unser heutiger Sprcngkessel, den Namen Urceolus. In dem oben erwähnten Schatz-
verzeichntss von Martinsberg werden vier solche silberne Sprcngkessel angeführt. Was die Mcss-
pollen betrifft, so werden in dem Inventar von St. IVter zu Olinütz vom Jahre 1130 angcfillirt :
„Ampullae duac argenteae et ovum struthionis argento fabricatum. u
Das merkwürdige Inventar des Domschatzes zu Bamberg vom Jahre Iii* bezeichnet die
Messpollen mit einem anderen Ausdruck ; es heisst daselbst :
r Item vasa argentea ad sacriticium , "
und in demselben Inventar werden die Gelasse zur Aufbewahrung des Chrisanis .Ampullae-
genannt, nämlich :
r Ampullae V ad chrisma, ex argento, et scutclla et patella ex auro cum gemmis."
Zwei andere Salbgelasse mit Chrisam, die vielleicht bei der Salbung Kaiser Heinrich II.
gebraucht wurden, stehen unter folgender Bezeichnung:
„Duo vasa chrismalia auro ornnta."
In der Schenkungs-Urkundc des Bischofs Konrad von Halberstadt über die reichen
Kunst- und lleliquienschHtze, die er bei seiner Kuckkehr aus den Kreuzzügen (um 1208) seiner
Domkirche zu Halberstadt übergab , stehen unter den nieist orientalischen Geschenkeu auch
mehrere Ampullen verzeichnet; es heisst nämlich daselbst:
„Trcs ainpullas nobile» quas ad consecrationem chrismatis deputamus, et unam in qua
ehrisma ad fontem sabbato saneto fundatur."
In den» reichhaltigen Inventar der „Ecclesia Sarum" 1 in England vom Jahre 1214 kommen
mehrere reich verzierte Gefasse vor, welche die Gestalt und Ornamentirung der Messpollcn im
Beginne des XIII. Jahrhunderts ahnen lassen. Diese Gefasse, sowohl für die Aufbewahrung der
heiligen Öle als des bei der Messe vorzureichenden Weines und Wassers, führen hier verschiedene
Namen, als: „Phialae, Ampullae, Vasa cristallina etc. etc., wie u. a. folgt:
„Item ampullae III argenteae ad oleum. Ampullae II de dono episcopi Cicestrensis, benc
operatae et ornatae lapidibus praetiosis. a
.Phialae II cristallinac ornatae argento a parte superiori. u
1 Für «Ii«- Erforschung dur kirchlichen Uoldsehiuiudckuuat de» Mittelalter» sind derlei In Venture von größter Wiuliti^kcit.
Wir IihI»l'H c» nicht unterlassen, anf unseren ausgedehnten Krisen solche SchaUvcrzeiehnisse in eu|iiren. und i»*r gelang o»
im« ilercn 3'J aufzulinden, au« welchen wir die obigen Ansahen entnehmen. — • Ilt-i einein Hcsuche dieser noch heute bltihen-
d n Abtei hatte der dortijre hoehwiirdige CapUular uud Archivar Maurua die tJute, uns eine Abschritt de* SchaUinvcntars
mit iutereasantcii Noten von seiner Hand ruitzutheilrn.
Digitized by Google
Über tue chkistliches MwsKÄNNrncn.
19
„Item duae phialae argenteac. Vasa VIII cristallina, in quibus continetur balsamus. Vaseuhun
luumi vitivuni minimum."
Nach den langen und ausführlichen Aufzählungen dieses englischen Inventars werden auch
die zu jedem Nebenaltar der Doinkirehe gehörigen Gebrauchsgegenstände angegeben, woraus sich
ergibt, dass auf diesen Nebenaltliren, wie noch heut zu Tage, Messpollen von Zinn in Anwendung
waren. So fanden sich auch in der Arche (Truhe) bei dem Altare des heiligen Nikolaus daselbst
r fialae II stanneae u , dergleichen auch zwei an dem Altar des Märtyrers Thomas. Nur am Aller-
heiligen-Altar fanden sich zwei silberne Messpollen als ein Geschenk des dortigen Vorsängers
(fialae II argenteae de dono J. Succintoris).
Wir könnten diese Angaben aus Inventuren rileksichtlich der Mcsspollen der romanischen
Epoche noch viel weiter fortführen, wollen aber zum Schlüsse nur noch jene Pollen citiren, die in
einem Inventar des Domschatzes zu Trier vom Jahre 1238 aufgezeichnet sind, wie fol»t:
1. r Ampulla8 IV argenteas ad aquam et vinum. praeter duas Archicpiscopi. -
2. .Duas ampullas argenteas insuper cistam apostolorum invenimus. *
3. „Ampullas duas operis de Lemagis. -
Aus dieser letzten Angabe geht hervor, dass bereits gegen die Mitte des XIII. Jahr-
hunderts Emaillen aus Limousin und besonders aus der Stadt Limoges auf Handelswegen in die
christlichen Abendlander gebracht wurden. Aus dieser Epoche stammen auch jene vielen email-
lirten kleineren und grösseren Lichttrilger und jene häufig vorkommenden Ueliquienkästchcn, die
unter den Namen „Cistula", P Areula u und „Scriniolum - in filteren Inventaren aufgeführt werden,
und zwar mit der erklärenden Hinzufügung „opus Iemoviticum" oder „opus lemovicense*.
Bevor wir diesen zweiten Abschnitt unserer Abhandlung abschliessen, wollen wir uns noch
einige allgemeine Bemerkungen Uber den kirchlichen Gebrauch und die Aufstellung der Am-
pullen bei der heiligen Messe erlauben. Bekanntlich wurden ehemals , wie heute , die Pollen vor
dem Beginne des heiligen Messopfers von dem Sarnstall mit Wein und Wasser gefüllt, und dann
von dem Ministranten auf den Altar gebracht. Es entstellt nun die Frage: wohin stellte der Mini-
strant im Mittelalter diese Messkännchen und gehörte zu denselben ursprünglich eine kleine flache
Schüssel oder „Pollen teilet, wie das noch jetzt Gebrauch ist?
Eine sorgfältige Besichtigung älterer Temperabilder der deutschen Schule , auf denen die
Misxa Sancti Gregorii dargestellt ist, hat uns bewogen, anzunehmen, dass im XIV. und XV.
Jahrhundert die Messkännchen von dem Ministranten immer ohne Teller, unmittelbar auf den
Altar, und zwar an der Offertorium- oder Kpistelseite hingestellt wurden. Die zwei Mess-
kännchen auf einem Bilde in der Sacristei von St. Martin zu Cöln zeigen genau die einstige
ganz einfache Aufstellung derselben auf dem Altar 1 . Wir glauben jedoch annehmen zu
können, dass in der romanischen und frühgothischen Epoche die Ampullen entweder auf
einer geeigneten Stelle der Piscina oder zuweilen auf einem besonderen Credenztisch an der
Episk'lseite des Altars aufgestellt wurden. Was die zweite Frage betrifft, ob in der romanischen
Kpoche bei den Messkännchen stets ein entsprechender Teller war, der auch bei der Hand-
waschung zum Auffangen des ausgegossenen Wassers diente, so sei darauf geantwortet, diu»«
»ich heut zu Tage kein solcher Pollenteller aus jener Epoche melir vorfindet, und dass auch
keines der früher angezogenen Inventare von irgend einer derlei Schüssel Erwähnung macht.
Andere Gründe scheinen hingegen dafür Zeugnis» zu geben, dass im früheren Mittelalter
' Auch auf »lern Flli^c lultar von Muh. Wolgeiimth im k. k. Belvedere, vom Jahre 1.11 1, »teilen bei der .Messe de*
Eiligen Gregor, die beiden Menakäuueiien ohne I'ollenteller gegenüber vom Kvangelieubuch auf dein Altar. Aiun. d>r
Kedaelion.i
Dk. Franz Bock.
die mit Wasser angefüllte Messpollc einmal den Zweck hatte, den zu consecrirenden Wein nach
liturgischer Yorschrift mit einigen Tropfen Wasser zu vermischen, und das anderemal, das zu der
zweiten Ablution nach der heiligen Communiou erforderliche Wasser aufnehmen zu können. Dil»
Wasser für die Handwasehung unmittelbar nach dem Offertorimn wurde, unserer vollen Überzeu-
gung nach, in vielen Kirchen des Occidentes, insbesondere in der romanischen Epoche, nicht aus
der Polle dargereicht, sondern die Handwaschung beim Offertorimn wurde von dem celebrircndeTi
Priester vorgenommen, indem er entweder die Stufen des Altars herabstieg und aus einem in der
Piscina an einer Kette hangenden Aquamanile den Ausguss des Wassers erzielte, oder der
Ministrant trat bei der Handwaschung die Stufen des Altars heran und goss aus einein Wasser-
behälter (Aquamanile) das Wasser über die Hitndc der Priesters, das er dann wieder in einem aus-
getieften Hecken auffing. Diese Aquamauilia waren häufig in der Gestalt eines phantastischen
Thieres geformt; in England und Frankreich jedoch benützte man zu dieser Handwaschung zwei
sehüsscltonnigc Hecken, die man r Pelves scyphi" nannte und die meistens mit emaillirten
Ornamenten verziert waren. Dieselben finden sieh heute in Kirchen nur selten 1 , öfter aV»er in
öffentlichen und Privatsanimlungcn , sie haben sämmtlich das Stylgeprüge des XIII. Jalu-hundcrts
und ihre Ornamente erscheinen beinahe stereotyp. Sie scheinen von den Schmelzarbeitem von
Lhnousin massenweise für den Handel angefertigt worden zu sein und weiden fast immer zu zwei
und zwei angetroffen. Sie haben meist einen Durchmesser von 22 bis 24 Centimetres, sind nicht
sehr vertieft und zeigen in der Mitte häufig von Kreisen eingeschlossene Wappenschilder und
Pflanzen- oder Thiergebilde, von denen die letzteren auch zuweilen in den Thierphysiologien des
Mittelalters vorkommen. Das Schatzverzeichniss von Trier vom Jahre 1238 führt zwei Hecken
:in, die mit Limosiner Email verziert waren, nämlich:
altern invenimus et duas pelves, operis Linnigis."
Auch das erwähnte englische Inventar der Ecclesia Sarum vom Jahre 1222 weist solche
Waschbecken, und vielleicht auch als integrirende Theilc der Messkännchen auf, z. B. :
.Pelves III argenteae, ad ministerimn altaris."
„II pelves argenteae, de dono Osmundi Episcopi."
Auch finden sich in diesem Schatzverzeichnisse für jeden Nebcnaltar der Kathedrale stets
zwei Waschbecken angegeben, und zwar zugleich mit der Angabe: „fialae II stangneae 1 - (stanneae).
Im Sehatzverzeichnisse des Hamberger Domes von 1128 werden diese Becken nicht Pelves, sondern
„Yasa manualia" (Handwasehgcfässe) genannt. Man liest nämlich daselbst:
„Yasa II manualia argentea, teitium avis struthionis cum rcccptaculo. -
Das dritte Waschgcfäss hatte Tiäuilieh die Gestalt eines Strausses, * auch gehörte dazu noch
■•in silbernes Becken.
Da sich in den Schatzkammern deutscher Kathedralen und Stiftskirchen keine solchen Paare
von Hecken erhalten haben, und auch in den Schatzverzeichnissen keine derselben erwähnt werden,
so glauben wir annehmen zu dürfen, dass die Ilandwaschung beim Offertorium in deutschen Kir-
chen durch anders gestaltete Gelasse vorgenommen wurden, die man einfach Yasa manualia
nannte. In deutschen und lateinischen Kirchen scheint nämlich in der romanischen Kunstepoche das
Wasser beim Offertorium aus einem, eigens in der Form einer kleinen Giesskannc gestaltete»
1 Wir erinnern uns, in dein Schatz des Domes zu Halhcrstadt zwei solche mit F.raail verzierte , zur llandwMciliing
bestimmte Berken gesehen zu haben. — - Auch das alte Sehatxvcrzeirhniss von St. Paul in London spricht von zwei Paar
■»lieber Becken, die zur ll»iidwanchung dienten, nnd auf welche auch die Mcsskännchen in die Nähe de» Altar» hin|re«t?Ht
».irden »ein mögen. Verffl. dazu'Dugdale ^Monasticum anglicnnum" , wo es heisst; ,Üu«: pelves arfrenteae tum imajrinibu» ropira
in Imidin di auratae, et scutis et lenneuli« siiuiliter dcaurati». Item du«« pelves argenteae cum fundi» gravatia et HoscolU *d
juodum crueis in tireuitu gravatis».
Digitized by Google
ÜltEK MK I HBISTLICHEN MeSSKÄNSCUES.
21
"Wasserbehälter Uber die Hände des Priesters gegossen worden zu sein, während der Ministrant
mit der linken Hnnd eine Schüssel darreichte, die als Wasserbecken zu jener Giesskanne gehörte.
Diese kleine Wasserkanne führte den Namen „Urceolus"' und das dazu gehörende Becken zur
Aufnahme des Wassers wird von äiteren Schriftstellern durchgängig „Aquamanile" genannt. Mit
«lieser Angabe stimmt auch die Erklärung des Erzbischofs von Canterbury. Lanfranc (Epist. 1),
iiberein, indem dieser des Urceolus als des oberen Gefässes erwähnt, das bei der Handwaschung
beniltzt wurde. Er sagt:
„ Urceolus quid sit liquide patet, est enim vas superiusunde lavandismanibus a«pia infunditur."
Uber »las dazu gehörige Becken sagt, er:
„Aquamanile est vas inferius, in quod manibus infusa aqua delabitnr. "
Diese Angabe stimmt auch mit der Angabe des Johannes de Janua überein, welcher sagt:
„Aquamanile dicitur vas super quod cadit aqua, qua abluuntur digiti sacerdotum post sump-
tionem corporis Christi."
Dieser Urceolus und das Aquamanile finden sich als zusammengehörend auch bei vielen
Chronisten aufgeführt, z. B. im Clironicon Eontancllcnse (Cap. 14):
„Urccos duos cum aquamanilibus"; dann (Cap. 16): „Aquamanile et urceum argenteum mira-
bili opere, ■ und in einem anderem Clironicon :
„Urceolum quoque cum aquamanili suo 1 ."
Es würde zu weit vom vorliegenden Thema abführen , wenn wir die vielgestaltigen Formen
der Urceoli und der dazu gehörigen Aquamanilen hier näher
zur Sprache bringen wollten, wir sparen uns daher diese
Aufgabe für eine besondere Abhandlung auf. Indessen sei
hier nur bemerkt , dass uns eine grosse Zahl solcher Giess-
kännchen aus der romanischen Kunstepoche bekannt sind,
die meistens in der Gestalt von phantastischen Vierfüsslern
(Fig. 11) oder Vögel erscheinen, namentlich kommen Löwen,
Tauben und Hüh-
ner in ornamen-
taler Auffassung
als Urceoli vor.
Von solchen Ur-
eeolen ausderspiit
romanischen Zeit
befinden sich zwei
in der königlichen
Kunstkammer
des Mittelalters zu
München. Auch
«ler Domschatz zu
Aachen hat ein
derlei Gefäss aus dem XIII. Jahrhundert aufzuweisen, welches wahrscheinlich bei den verschie-
denen Handwaschungen gebraucht wurde, die bei den Krönungen der deutschen Könige daselbst
stattfanden. Ob dasselbe von griechischen oder lateinischen Künstlern herrühre, und welche
Fig. 15.
Vcrgl. die hierzu gebarenden f'itate ad vocetn: aquamanile in Ducange s „Glossarium UtiniUti» medii et infimi aevt«.
Digitized by Google
22
Dr. Fiiakj! Bock.
mythologische Gestalt (Fig. 1 5) durch das Gusswerk vorgestellt werde, darüber wird iu unserem Werk
.der Sehatz des .Münsters unserer lieben Frau zu Aachen" das Nähere angegeben werden. Auch das
k. k. Münz- und Antikencabinet zu Wien besitzt
einen merkwürdigen Urceolus in der Form «des
sogenannten Vogels Greif, der in den Physiologien
des .Mittelalters eine hervorragende Holle spielt.
Wie die Blattomiunentc deutlieh zeigen, rührt
iliese Giesskanne, die wir unter Fig. 16 im ver-
kleinerten Massstabe wiedergeben, aus der vor-
romanischen Kunstepoche, gegen den Schills« des
XII. Jahrhunderts. Das letzte Blatt der rückwür-
tigen Verjüngung bildet den beweglichen Ver-
m-IiImss, um das Wasser aufzunehmen; durch den
geöffneten Schnabel findet das Wasser seinen
Abflug«.
Das oben citirte Bamberger Inventar spricht
von einem dritten „Vas manuale" in der Gestalt
ili > Vogels Strauss. Das erzbischöfliche Museuni
in Cöln besitzt ein derlei Wasscrgefüss in der
Gestalt der Taube aus der Arche Noa. Die Stelle
zum Eingiessen befindet Bich, von dem l'almzwcige
Fig. 16. umgeben, auf dem Klicken der Taube.
III. Geschichtlicher Entwicklungsgang der Messkännchen in der gothischen Knnstepoche,
von der letzten Hälfte des XIII. bis zur Mitte des XVI. Jahrhunderts.
Gleichwie das Aultreten des Spitzbogenstyle« mit dein Schlüsse des XII. Jahrhunderts
als die erste Revolution auf dem Boden mittelalterlicher Kunst bezeichnet werden kann, und von
jetzt ab die Geheimkunst aus den Klostermauern auf die Bauhütte der Laienmeister überging, so
kann auch auf dem Gebiete der mittelalterlichen Goldschmiedekunst das Aufleben der Gothik als
eine artistische Umwälzung von grosser Tragweite bezeichnet werden, indem auch die .ars fabrilis-
nicht mehr klösterlich geübt, sondern von C'onfratcrnitäten und Zunftmeistern der Laien betrieben
wurde. Hatte bis dahin die von der Kirche und ihren Dienern geübte Goldschiniedckunst ver-
schiedene andere Kleinkünste in Sold und Pflege genommen, indem sie z. B. der Schmelzmalerei
und der Xiclloarbeit eine bedeutendere Stelle einrilumte und der Elfenbeinschnitzerei ein weiteres
Fehl darbot, so begann sie mit dem Durchbruch des neuen germanischen Style« vielfach einseitig
und unduldsam zu werden. Der Goldschmied, der bis dahin bei seinen Gebilden mit Absicht
grössere Flüchen geschaffen hatte, die er mit Email, Filigran, mit getriebener Arbeit oder mit
Elfenbein und Edelsteinen schmückte, ging nun, mehr als dies früher der Fall war, mit dem Archi-
tekten zu Rathe. Er lernte von diesem in gegossenen und ciselirten Arbeiten zierliche und reiche, der
Architcctur entlehnte Formen gestalten, die den erwähnten Zweigkünsten nach und nach den Weg
in die Werkstätte des Aurifabcr versperrten. Anstatt sich in die Breite auszudehnen, strebte der
Goldschmied jetzt, den Gesetzen der Gothik folgend, nach der Höhe. Die Kunst, «dt dem Hammer
figürliche Darstellungen zu treiben, verschwand jetzt immer mehr, indem man sieh bestrebte, bei
- Digitized by-Googl©
ÜBEIt ME CHRISTJ.U'IIEX ^Il^SK \SNCHEN. 23
Monstranzen, Reliquiarien n. s. w. fast einen WaM von Fialen , Widcrlagspfeilern und Strebebogen
zu gestalten. Dieser Umschwung in der technischen Ornamcntirung folgte auf «lern Gebiete der
kirchlichen Goldschmiedekunst im XIII. Jahrhundert nicht plötzlieh. Der Architekt ging zuerst
voran und .stellte seine Schöpfungen nach den Hegeln de» neuen Style» im grossartigen Massstabe
auf. Der Goldschmied folgte selbstverständlich bescheiden naph, und konnte sich erst dann dazu ent-
schließen mit der neuen Kunstweise gemeinschaftliche Sache zu machen, als die Gothik gänzlich
klar geworden und zur vollkommenen Herrschaft gekommen war. Auch konnten nicht alle liturgi-
schen Gcfässe alsogleich nach dem neuen Style verfertigt w erden, indem man bei denselben, ihrer
Bestimmung nach, der Fialenconsti-uction nicht unbedingt nachkommen konnte, und dieses war
besonders bei den Messkännchen der Fall , bei denen sich die Reininisccnzen des älteren romani-
schen Stvles, ähnlich wie bei den Kelchen am Jüngsten erhielten. Wir glauben nicht etwas Gewag-
te» auszusprechen wenn wir sagen, dass noch bis zum Beginne des XIV. Jahrhundert« von den
Meistern der Goldschmiedekunst die altromanischen Formen bei den Messpollen beibehalten
wurden und dass sie diese noch immer in der Weise gestalteten, wie sie in der „Schedula-' des
Thcophilus angegeben w ird. Auch durften cmaillirte, niellirte und gravirte Ornamente auf den
Flächen und Bauchungen der Pollen noch in der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts gewiss
nicht zu den Seltenheiten gehört haben. Wie die Goldschmiede zur Zeit des romanischen Styles
Fuss, Deckel und Bauchung der Messkännchen mit Filigranarbeit und Edelsteinen schmückten,
so wird man an den eben erwähnten Stellen der Vollen noch im Beginn des XIV. Jahrhunderts,
mindestens bei den reicheren Ampullae derlei Arbeiten wiederlinden.
Nebst dem Einfluss, den die Gothik allmählich auf die kirchlichen Gefässc ausübte, begann
aber auch die, seit der Mitte des XIV. Jahrhunderts zur Entwickelung gekommene Malerei einzu-
wirken, und zwar zuerst in Italien; denn gleich w ie die Maler im nördlichen Italien gegen den Schills»
des XIV. Jahrhunderts den Seidenwebern in Eucca, Florenz und Mailand als Musterzeichner an
die Hand gingen und ihnen Dessins oder Einzelfiguren, oder selbst ganze Scenen aus der
religiösen «»der profanen Geschichte entwarfen, so boten sie auch den Goldschmieden ihn' guten
Dienste an. Unter dem Einfluss der Maler und nicht der Architekten entstanden in Italien und
vielfach auch in Deutschland jene in Gold und Silber getriebenen Gefässc, die in Gestalt von Engeln
11. s. w. dazu dienten, grössere oder geringere Quantitäten von Flüssigkeiten aufzunehmen. Hierher
sind zu rechnen: Die grösseren und kleineren Weihbecken (vasa lustralia), die Giesskännchen mit
ihren dazu gehörigen Becken (ureeoli cum nquamanilibus) und die Messpollen 1 . Es ist nicht zu
verkennen, das» bei den merkwürdigen in dem Aachener Domschatz befindlichen Messkänncheu in
Gestalt von ministrirenden Engeln, der Einfluss eines Malers thiitig war. Diese beiden Mcsskänn-
clicn gehören bereits dem Schlüsse des XIV. Jahrhunderts an, wo die ältere Malerschule Cölns
schon einen bedeutenden Aufschwung genommen hatte.
Wir geben auf der nächsten Seite (Fig. 17) eine derselben in der natürlichen Grösse. Diese
Engelgestalt ist mit einer Albe und einem Pluviale bekleidet, elas am Halse mit Schnüren zusam-
men gebunden ist. Diese Schnüre gestalten sich als Ausguss zu einer kleinen Röhre. Der Kopf
des Engel» ist bew eglich und mittelst einer Schraube mit dem eigentlichen Behälter in Verbindung
gebracht. Beim Wegnehmen de» Köpfchen» liUst sich die Flüssigkeit cingiessen. Das ganze Gefäs»
ist in Feuer vergoldet , die Flügel des Engels sind in emaille translucide eingelassen und
beweglich , so dass man sie auch allenfalls als Handhabe benutzen konnte. Jede dieser beiden
Kngclsfiguren ist auf einen kleinen Sockel gestellt, der die Form eines Sechseckes bildet. Das»
i Vcrpl. un»4 rn Angaben über den Einflimu der Malerbruder*ch;iften auf dl« Seidenweberei, in Lieferung 1 unserer
Geschichte der liturtfiitchcn (iewäiidtT de« Mittelatters.
Digitized by Google
24
Du. Fhanx Bock.
dieselben
A (aqua)
als Messpollen angefertigt wurden, beweist das Vorkommen der beiden Majuskeln
und V (vinum), die auf dem Fusse sechsmal eingravirt sind, welche Buchstaben sich
auch auf vielen Mcsskilnnchen des XIV. Jahrhunderts
befinden.
Didron, der in seinen „Annales archeologiques"
diese Ampullen in kleiner Abbildung veranschaulicht,
setzt sie mit der aus der griechischen Kirche stammenden
„liturgia divina" in nilchste Beziehung. Es ist niimlich
im griechischen Cultus eine häufig vorkommende Sache,
auf grösseren Mauertlilchen der Kirchen, namentlich Uber
den Chorapsiden und in der Kuppel, die heilige Liturgie
bildlich darzustellen, niimlich den Heiland wie erals Opfer-
priester und zugleich als Opfer das sacrificium divinum
feiert, wobei die Kugel als Ministranten gedacht wurden,
welche die zum Opfer nöthigen Gerathschaften herbei-
bnichten, niimlich: Leuchter, Kauchfass, Kreuz, Kelch.
Patcna und Mcsskilnnchen. Solche Darstellungen fanden
sich auch in den Chorapsiden der Kirchen zu Rheims
und Lyon. In der Kathedrale zu Rheims, wo sich diese
Darstellung der aus dem Oriente stammenden Ceremo-
nien bis zum Schlüsse des vorigen Jahrhunderts erhalten
hatte, waren Kugel als Chorknaben dargestellt, die vor
Beginn des Ofl'crtoriuins in geregelter Aufeinanderfolge
die verschiedenen bezeichneten MessgerHthe einzeln aus
der Sacristei herbei brachten. Und gleichwie ehemals in
dieser Kathedrale ein Chorknabe als Kngel gekleidet die
Messkiinnchen zur Feier der heiligen Geheimnisse gemes-
senen Schrittes zum Altar brachte, gleichwie in der
griechischen Monumentalmalerei bei der Darstellung der
heiligen Liturgie Engelsgestalten mit den Ampullen her-
bei eilen, so sind auch die Messkiinnchen im Aachner
Schatz in der Gestalt von Engeln gebildet. Hinsichtlich
F,g " 1 ' des Gebrauches dieser beiden Kiinnchen sei hier bemerkt,
dass mit vieler Wahrscheinlichkeit anzunehmen »ein dürfte, dass auch sie, wie die früher bespro-
chenen Aachner Urceolen, bei den Krönungsfeierlichkeiten der alteren deutschen Könige benutzt
worden seien.
Wie das heute noch der Fall ist, so befanden sich auch im Mittelalter die Messkiinnchen
beim Altardienst in den Hitnden der Knaben, die bei der heiligen Opferhandlung ministrirten. Da
diese Pollen aber tilglieh mehrmals gebraucht wurden, und bei der Sorglosigkeit jeuer Knaben oft
Stösse bekamen oder gar zur Erde fielen und zuweilen auch ein Gegenstand des Haders
wurden, wenn von Seite der Chorknaben der Übrig gebliebene Wein heimlich zur Theilung
kommen sollte, so darf es uns nicht Wunder nehmen, dass von allen liturgischen Gelassen des
Mittelalters sich gerade die Messpollen am seltensten vorfinden. Ein anderer Umstand der
Seltenheit dieser Kiinnchen liegt auch darin, dass man schon im Mittelalter die durch den
liHufigen Gebrauch beschädigten Messkiinnchen einschmelzen und umarbeiten Hess, und überdies
wurden noch die Ampullen des XIII. und XIV. .Jahrhunderts, welche selbst die Stürme der
Digitized by Google
Über die christlichen Messkännches.
23
französischen Revolution (iberdauert hatten, meist durch Unkenntnis» oder Mangel an Interesse
in den letzten zwanzig Jahren eingeschmolzen , um neuere im modernen Fabriksstyl dafür
anzuschaffen.
Mit dem Aufblühen der Stttdtc in XIV. Jahrhundert , durch welches der Bürgerstand zu
Ansehen und Vermögen gekommen war, und bei dem eingetretenen Hange zu Pracht und Luxus,
der nicht nur an den Höfen der Grossen und in den Burgen und Schlössern, sondern selbst in
den Wohnungen reicher Patrieier herrschte, war auch die Goldschmiedekunst, namentlich zu
profanen Zwecken, zu grösserer Entwickelung in den Formen und den technischen Hülfsmittclu
gelangt. In jener Zeit waren die Goldschmiede in den grösseren Städten als Zünfte zusammen-
getreten, und die Kirche, welche durch weise Verwaltung ihrer Güter zu ansehnlichem Wohlstand
gelangt war, trug dem Reiehthum der Formen uud der Pracht des Gottesdienstes Rechnung,
indem sie ihre geheiligten Orte und deren Diener mit kostbaren Geweben und prunkvollen
GerHthen bedachte.
Bei den vielen Bestellungen, welche nunmehr grössere und kleinere Kirchen bei den Gold-
schmieden machten, und bei der Opferwilligkeit der hohen und der niedriger stehenden Laien, kann
es nicht auffallend erscheinen , dass die vielen noch erhaltenen Inventare der bischöflichen so wie
der Pfarr- und Stiftskirchen des XIV. Jahrhunderts um ein Hedeutendes reicher sind als die
Schatzverzeichnisse der früheren Jahrhunderte. Unmittelbar nach der langen Aufzahlung der
verschiedenen einfacheren oder wieheren Kelche finden sich dort zuweilen ausführliche Notizen
über die vielen McsskUnnchen vor, die in Form und Materiale sehr verschieden waren. Wir
wollen hier Einiges aus diesen Inveutaren anführen.
Nachdem in dem reicldialtigen Prager Schatzinventar vom Jahre 1354, welches unter dem
ersten dortigen Erzbischof und Metropoliten Arnost von Pardubitz angefertigt wurde, fünfzig
verschiedenartig verzierte Kelche aufgeführt sind , die der damalige Schatz von St. Veit besass,
und nachdem ferner in einer Anmerkung gesagt wird, dass weitere fünf Kelche dieses Schaty.es
zum Umguss behufs der Anfertigung einer silbernen Einfassung eines Evangeliarinms bestimmt
waren, liest man Folgendes :
.„Item ampullae argenteae VIII."
„Item cupreae ampullae duae."
„Item una ampulla cum ansa longa, cuprea dcaurata. -
Wahrscheinlich ist es, da»s diese zwei kupfernen Messkilnnchen mit incrustirter Email
oder Limousiner Arbeit verziert waren. Die dritte, mit dem langen Henkel, mochte vielleicht als
Ampulla major gedient haben, um den zu consecrirenden Wein in den Kelch (calix ministerialis) zu
giessen, der nach der älteren liturgischen Praxis bei der Communion unter beiderlei Gestalten den
Laien dargereicht wurde. Dass dieser Laicnkelch den Communicirenden noch im spilten Mittel-
alter im Prager Dom gereicht worden sein dürfte, lUsst sich aus den Citatcn desselben Schatz-
verzeichnisses entnehmen. Es finden sich hier nämlich die Augaben:
„Item calix magnus argenteus, cum imaginibus et ansibus duabus; u und
»Item calami argentei duo pro summendo sanguine Christi pro comniunicantihiis."
In einem spütcren Prager Schatzvcrzeichniss, vorn Jahre 1378, sind im Domschatz zu
St. Veit nebst den früheren noch vier neue verzeichnet, und zwar:
„Item octo ampullae non deauratae, argenteae. u
„Item quatuor ampullae argenteae deauratae, duae ad modum cannularum iusilhim.
vulgariter dictac sezaphi, aliae autem duae sunt ad modum ainpullarum. u
„Item duae ampullae cupreae de smelz. u
IX.
Du. Fiiakz Hock.
Was die ornamentale Ausstattung dieser beiden letztem in emaille chaniplevee betrifft, s«.
dürfte sie wahrscheinlich von ähnlicher Weise gewesen .sein, wie wir dieselbe bei Fi«?. 12 sahen.
Nicht uninteressant ist es, zu gewahren, dass dieses letztere, aus der Zeit des Königs Wenzel
stammende Inventar vom Jahre 1.178 einen Unterschied zwischen der Form der kleineren Giros-
kiinnehen und ih r Form der eigentlichen Ampullen macht, und es dünkt uns wahrscheinlich, dass
unler der C'annula fusilis ein Messkiinnchen verstanden wurde, das den profanen Giesskanncit
ähnlich mid mit einem langen geschweiften Ausgussrolu- versehen war. Die eigentliche Ampulhi
hingegen, als ein absolut liturgisches Gcfüss, mochte sich den Formen von Fig. M und IS
genähert haben.
Has Inventar des Domes zu Freising vom Jahre 1352 zählt u. a. auch auf:
„Item rpiatuor ampullac argenteac. -
Aus französischen Sehatzverzeichnissen des XIV. Jahrhunderts können wir ebenfalls eine
grosse Zahl von Messkännchen namhaft machen, die sich meistens in fürstlichem Besitz fanden
und mitunter auch zur Haus- und Reisecapelle gehörten. In den königlichen Rechnungen vom
Jahre 1323 liest man:
„Nicolaus de Nigella, auri faber parisiensis, pro uno eipho argentco esmaillato ad tripedein,
et duobus potis, uno ad vinum et altern ad aquam'. J
Ob diese cmaillirte Silberschüssel mit dem Dreifuss als Pollenteller zur Aufnahme der
Messkännchen gehörte, wollen wir als zweifelhaft dahingestellt sein lassen. Der Ausdruck Potus,
der sieh hier synonym mit „Anipulla" vorfindet, ist nach Du (lange gleichbedeutend mit
_Pocuhnn" oder „Vaseuhun*. Im Nekrologium der Kirche Notre-Dame zu Paris vom August des
Jahres 12711 werden drei solcher „Poti argentei" als Sterbevcrmäehtnissc aufgeführt: es waren
aber grössere, zur Aufnahme der drei geweihten Ole bestimmte CJefässe, denn es wird daselbst
gesagt:
„Stcphanus Parisiensis episcopus qui dedit Kcclesiae Parisiensi et nobis III potos argenteo»
deauratos, pendentes XXII marcarum et III uneiaruni."
l'nter den königlichen Rechnungen vom Jahre 1353 steht verzeichnet:
_Une burette a biberon de chapelle, pesant II marcs, V onces d'argcnt.-
Die heute noch übliche französische Benennung burette ä biberon (Messkännchen) würde
Thcophilus durch den Ausdruck „Ampulla cum deduetorio" bezeichnet haben.
Kiuen interessanten Beitrag über Form und Ornamentik der Messkännchen gegen die
Mitte des XIV. Jahrhunderts liefert das reichhaltige Inventar des Duc d'Anjou aus dem Jahre
1.".0ü. Zum leichteren Ycrständniss lassen wir hier die Übersetzung im Wortlaut folgen:
.Zwei runde Messkännchen in ganz gleicher Form, ohne Henkel, mit einem runden Knopf
auf jedem der Dekel, von denen das eine 1 Mark 5 Unzen, und das andere 1 Mark 4 Unzen
12 Drachmen wiegt."
„Kin goldenes Messkännchen, dessen Fuss mit einem Metallreif versehen ist. In der Mitte
desselben, an der Mündung und auf dem Dekel befinden sich abermals solche Metallreife ; an der
Mündung ist ein .Schnabel in halbrunder Form angebracht und der Deckel besitzt eine runde hell-
rothe Kmailplatte, in deren Mitte man den Buchstaben A sieht. Dasselbe wiegt im Ganzen 1 Mark
2 Unzen 3 Drachmen."
„Kin zweites Messkännchen, dem eben beschriebenen vollkommen gleich, nur mit dem Un-
terschiede , dass sich auf der Kmailplatte der Buchstabe V befindet. Dasselbe wiegt im Ganzen
1 Mark 3 Unzen 6 Drachmen."
1 ViTgl. Notioc «k>» einaux de Louvrr, 11« purtic, gloMairc, |>. C, U r 45, 47, et 179.
Digitized by Google
Über die christlichen Messkaxxchen. 27
„Ein silberner, vergoldeter und emaillirter Kelch, dessen Fuss, Kuppe, Nodus und Patena
mit den figürlichen Darstellungen der Apostel in Email verziert sind. Auf dem Fuss desselben
gewahrt man auch Engel und Heilige. Auf der Patena ist unsere liebe Frau dargestellt, wel-
cher ein Engel die Krone auf das Haupt setzt. Im Ganzen hat der Kelch ein Gewicht von 4 Mark
7 Unsen."
„Zwei silberne, vergoldete und emaillirte Messkännehen, jedes mit sechs Seitenflächen , auf
denen der Reihe nach die zwölf Apostel in gleicher Ausführung wie auf dem obigen Kelch dar-
gestellt sind. Das eine wiegt 1 Mark 1 Unze, das andere 1 Mark 18 Drachmen. u
„Zwei andere, weisse, Messkännchen in Silber mit liingerem Halse und durch vergoldete
Metallreifen verbunden. Auf den cmaillirtcn Deckeln derselben steht bei dem einen der Buch-
stabe A und auf dem zweiten der Buchstabe F."
Der Gebrauch und die Anwendung des kostspieligen und schwer zu bearbeitenden Berg-
k r y s t a 1 1 s , dessen wir schon bei den Gefassen aus der romanischen Kunstepoche erwähnten, hatte
sich auch beim Emporkommen und in der Blüthezeit der Gothik erhalten. Anstatt dass man aber die
Wölbung oder Bauchung der Messkännchen, wie das zur romanischen Zeit der Fall war, anaglyptisch
mit groteskem Laubwerk und Thierfiguren belebte, so pflegte man in den Tagen der Gothik
die Bauchungen dieser Gefässe in polygoner Form zu schleifen, und es war dann die Aufgabe des
Goldschmiedes, diese geschliffenen Krystallbchälter mit einem Dekel, Henkel . Ausguss und FlUw
zu versehen. Um nun diesen Krystallpolleu eine
grössere Festigkeit zu geben und die geschliffe-
nen Ecken derselben bei einem Fall zu schützen,
pflegten dieGoldschmiede die angesetzten Deckel
und Fusstheile durch verzierte Metallstreifen in
Verbindung zu setzen, was die beiden Abbil-
dungen (Fig. IS und 11)) deutlich veranschau-
lichen, welche nach den beiden Krvstallpolleil
gemacht wurden, die sieh ehemals in der grossen
Kunstsammlung Dcbruge - Dumonil zu Paris
befanden und von Jules Labarte vorübergehend
beschrieben wurden '. Ilue interessanten Detail-
formen lassen deutlich erkennen, dass sie in der
letzten Hälfte des XIV. Jahrhunderts ihre Ent-
stehung landen und Labarte fügt hinzu, dass sie
als Kunstwerke französischer Goldschmiede zu
erkennen seien, worauf allerdings bei Fig. 11) die
an dem Fusse desselben angebrachten Lilien
hindeuten mögen. Der untere Theil des Henkels ist ebenfalls aus Krystall geschnitten und mit dem
Ganzen aus einem Stück gebildet. Die obere Handhabe, von vergoldetem Silber, ist mit azurblauer
Email geziert. Der Ausguss besteht nicht wie bei den romanischen Pollen ans einer langen
Röhre, sondern zeigt sich gleich unter dem Deckel in der Form eines Thierkopfes. Das ganz«'
(iefilss misst 22 Centimetres Höhe.
Die unter Fig. 18 abgebildete Krystall- Ampulle ist in artistischer Beziehung minder
peschmackvoll und reich als die vorige. Sie misst gleichfalls 22 ( 'entimetres Höhe und hat als
Sicht' fetten: Dc»eription de» objets «l'art qui ronpoMUl 1» "•oll.Ttw.n Defcnfe-DuMflU, pri'ti'il«' «l uiic iiHrmluetH.ii
Urturiqae. Paris |«47, p«g. 689.
4'
28
Dr. Franz Bock.
Ausguss einen Drachenkopf*. I)er Deckel hat eine kleine Zinnenkrönung, auf welcher sich ein kniccn-
der Mönch (vielleicht »1er Geschenkgeber oder Yerfertiger des Gefüsses) befindet.
Wir haben in dem vorhergehenden Abschnitte den geschichtlichen Kntwickelungsgang der
Messpollen in Bezug auf Gestalt, Materiale und artistische Beschaffenheit näher anzudeuten
gesucht; besonders wie derselbe, tmter stetem Vergleiche mit alteren Originalgefässen dieser Art.
das XIV. Jahrhundert hindurch seinen Verlauf nahm. Zur Lösung der früher gestellten Frage
erübrigt es noch, die formelle Beschaffenheit der Messkiinnchen näher in Betracht zu ziehen,
wie dieselbe von den Goldschmieden zu Ausgang des Mittelalters, im XV. und in der ersten Hälfte
des XVI. Jahrhunderts aufgefasst und wiedergegeben worden ist. Dieser Nachweis ist verhältniss-
mUMig mit weniger Schwierigkeit verbunden, zumal sich aus dieser Ausgangsperiode des Mittel-
alters noch eine grössere Zahl solcher Gefässe erhalten hat. Zunächst dürfte man hier die
Krage aufstellen :
Hat die entwickelte Gotliik eine neue und von den früheren traditionellen Formen
abweichende Gestaltung der Mcsskännchen aufgestellt, und hat man ein neues bis dahin nicht
gebräuchliches Material bei Anfertigung dieser liturgischen Gerätschaften zur Geltung kommen
hissen?
Der erste Theil dieser Frage ist durchaus zu verneinen; der
zweite Theil kann blos bedingungsweise zugegeben werden; denn gleich
wie die Kunst der Romanen ihre Vorbilder und Modelle zu den ver-
schiedenen Altar-Utensilien theilweise classisch römischen Kunstformen
entlehnte , so hat auch die Gothik bei der weiteren Durchbildung kirch-
licher Gcbrauchsgcräthschaften fast durchgängig jene alten Fonntypen
zu Grunde gelegt, und nach ihren Stylgesetzen im Detail umgestaltet
und ausgebildet. Mit anderen Worten:
Die entwickelte Gothik lässt noch immer den romanisirenden
Grundkern der älteren Ampullae durchblicken , wenn auch die hinzuge-
fügten Ornamente den Kinfluss des deutschen Spitzbogcnstyles deutlich
erkennen lassen. Das Gesagte wird sofort verständlicher, wenn wir hier
die Zeichnung eines Gcfässcs wiedergeben (Fig. 20) , das sich als Reli-
quiarium in der Schatzkammer der St. Dambcrtus-Pfarrkirche in Düs-
seldorf erhalten hat.
Sowohl der runde, silberne und vergoldete Fuss der Polle, als
auch die Form und die Bauchung des inneren Behälters aus Berg-
krystall, wie nicht weniger die Gestaltung des Deckels und des Henkels lassen noch deutlich den
romanischen Grundtypus und die älteren ( berlieferungen der romanischen Kunstweise wahr-
nehmen, obschon die polygone Schleifung des Krystallbehälters, dessgleichen die kleinen Vier-
pnssrosen in den Vertiefungen des Fussrandes und des Deckels, so wie auch in den Höhlungen
der vertical laufenden Einfassungsstrcifchcn die Stylweise der Goldschmiedekunst aus dem
Beginne des XV. Jahrhunderts klar erkennen lassen. Wir glauben nichts Unrichtiges zu behaup-
ten, wenn wir sagen, dnss auch in der romanischen und frühgothischen Kunstepochc eine
Menge von Mcsskännchen angefertigt worden sind , die in ihrem äusseren Aufriss eine ähnliche
Gestaltung und Formbildung zeigten, wie das Mcsskännchen, das wir hier veranschaulichen.
Nur die Blattornamente am Deckel und der Handhabe, dessgleichen auch an dem langgezogenen
Halse des Gefüsses lassen die unverkennbare Einwirkung der Spätgothik deutlich zur Geltung
kommen.
ÜBE* HIE CHRISTLICHES Messkännchen.
29
Gegen die Mitte des XV. Jahrhundert» macht »ich im Bereiche der Goldschmiedekunst nicht
mir l>ci Anfertigung von kirchlichen, sondern auch bei profanen Gerätschaften ein neue» System
, der Ornamentation geltend. Die Meister des Godschmiedegcwerkcs, deren bertdnnteste Sitze damals
in den Zünften am Rhein, nämlich in Mainz und Cöln zu finden sind, hatten sich gegen Ausgang
den Mittelalters eine grosse manuelle Fertigkeit in der Darstellung
der schwierigsten Arten von getriebenen Arbeiten zu erwürben gewusst.
Diese Leichtigkeit aus freier Hand mit dem Hannner das „Opus propul-
satum- darzustellen, chnrakterisirt die Leistungen der deutschen Gold-
schmiede der angegebenen Epoche, insbesondere wenn es sich darum
handelt, die frühere gTattc Bauchung von Behältern zur Aufnahme von
Flüssigkeiten durch getriebene Formen zu beleben und zu verzieren.
Es war das jener interessante Zeitabschnitt des deutschen
Goldschmiedcgewerkes, aus welcher heute noch in verschiedenen
i'iffentliehen Museen und Privateammlungen jene reichen, gekuppelten
Trinkbecher herrühren, wie sie in den Schlössern und Burgen von
Fürsten und Grafen, insbesondere aber auf den Tischen der
prunkliebenden Höfe Philipp des Guten und Karl des Kühnen von
Burgund, als Pracht- und Schaugefässe in Menge ersichtlich waren.
Auch die Temperamalereien des späteren Mittelalters, welche die
Anbetung der heiligen drei Könige zum Gegenstande haben, lassen
in der Kegel in den Händen der drei opfernden Weisen goldene F'k-
Praclitgefässe erkennen, die in gekuppelter, annanasfbnniger Gestalt die Kunst des „Opus
propulsatum- damaliger Goldschmiede auf der Höhe der Entwickclung anschaulich machen.
Dieselbe Technik des „Opus elevatum", wie es auch anderwärts genannt wird, findet sich
in der angeregten Zeitepoche auch auf Messkännchen aus edleren» Metall consequent Ubertragen.
So besitzt die Pfarrkirche de» heiligen Florian zu Aachen noch ein paar solcher Pollen, die als
Musterwerke der Kunst des Treiben» auch den heutigen Meistern dieses Gewerkes anempfohlen
werden können.
Dieselben rühren, einer unverbürgten Tradition zu Folge, au» der heute noch existirenden
Capelle her, mit welcher Gerhard Ohorns die Ostscite des alterthümlichen Saale» schmückte,
der am Kathhause zu Aachen in der Vorzeit jene fürstlichen Gäste aufnahm , die der deutsche
neugekrönte König zu dem Krönung»- und Huldigungscssen geladen hatte. Der Fuss dieser
Messkännchen (Fig. 21) ist sternförmig im Sechseck angelegt. Auf demselben erhebt »ich in
getriebener Arbeit ein niedriger Ständer, ebenfalls aus sechs polygonen Köhren bestehend,
der die Bestimmung hat, die halbkugelförmige Bauchung des Gefässes zu tragen. Sowohl diese
untere Bauchung als auch der darauf befindliche Hals und Deckel des Gefässes sind auf dem
Wege der Treibung schuppenartig verziert. Ein formverwandtes Messkännchen, ebenfalls aus
der letzten Hälfte des XV. Jahrhunderts herrührend, zeigt sich auf einem Bilde der Verkündigung
Mariae, welches sich im Besitze des Conservator» Kambaux in Cöln befindet Auch dieses GefUss
ist in der früher angedeuteten Weise des Treibens hergestellt, und dürfte als feststehende
Type betrachtet werden, wie durch die damals übliche Technik de» Treibens die Pollen,
namentlich in Deutschland eine höhere Stylausprägung fanden.
Noch machen wir hier auf jenes schöne Kännchen von getriebener Arbeit aufmerksam und
veranschaulichen es unter Fig. 22 , das sich auf dem niederdeutschen Bildwerke in der
Pinakothek zu München dargestellt findet, welches den Tod der allerseligsten Jungfrau vor-
Digitized by Google
30
Db. Frasz Bock.
Fig. ■}>.
stellt, und von Einigen dem bekannten Maler Schorcel zugeschrieben wird. Langjährige und
ausgedehnte Forschungen auf dem Gebiete der kirchlichen Goldschmiedekunst haben uns die
Überzeugung beigebracht, das* in verschiedenen Zeitabschnitten des Mittelalters eine verschiedene
Technik und Ürnamcntationsweise bei den Meistern des Goldschmiedegewerkes gang: und gilbe
waren, die sich eine gewisse Periode hindurch behaupteten und später
wieder von einer anderen Ornamentik verdrängt wurden. So behaupteten
in den Tagen der Ottonen in der kirchlichen Goldsehmicdckunst di<
„Emaux cloisonnees- durchgiingig die Oberhand. In den Zeiten der
Kaiser aus der Dynastie der Hohenstauffen traten die kostbaren Sohmel»
matt und durchsichtig auf vertieft ausgegrabenen Flachen (Emaux ehani-
pleves) auf.
Der Durchbruch der Gothik in den Tagen Rudolfs von Habsbmg
bis zum Erlöschen der Kaiser aus dem Hause der Luxemburger besei-
tigte diese matten, incrustirten Flächeiumails und setzte an ihre .Stell,
durchwegs kleinere Flüchen von durchsichtigem Schmelz (Emaux
franslucidcs).
Das XV. Jahrhundert, die Ausgangzeit des Spitzbogensty lea, cha-
rakterisirt sich auf dem Felde der kirchlichen Goldschmiedekunst durch
üguralische und ornamentale Flilchenbelebungen , erzielt durch die Radirnadel und Punze, ins-
besondere aber durch die beliebt gewordene Anwendung zweier Farbentöne: des Silbers und der
Vergoldung.
Die Meister der Goldschmiede-Innungen liebten es in der angegebenen Epoche, alle Glatt-
sciten der Utensilien sowohl für kirchliche als fUr profane Zwecke in Silber ohne Vergoldung zu
Tage treten zu lassen. Hingegen wurden alle ciselirten Details von reicher gestalteten Gelassen
stark im Feuer vergoldet.
Auf diese Weise hatte man eine vortheilhaftc Farbenwirkung in zwei Tönen erreicht, die
dann noch cffectvoller wurde, wenn im Laufe der Zeit der Glanz des Silbers erlosch , und die
Verzierung auf diese Art einen Anstrich von Niello gewann. Wir haben eine grosse Anzahl von
kirchlichen GeWithschaften, fast sämmtlich aus dem XV. Jahrhundert vorgefunden, die alle
in der eben angedeuteten Weise, in zweifacher Färbung des Metalls als vollendete Meisterstücke
der Goldschmiedekunst dastehen. Auch den Messkitnnchen dieser Epoche wurde durch Anwen-
dung zweier Farbentöne eine erhöhte Wirkung gegeben, indem alle ciselirten und vergoldeten Or-
namente aus kleineren Detailsformen, sich durch die Feuervergoldung starker markirten , wäh-
rend die übrigen getriebenen Flachtheile des Gelasses einfach in Silber gehalten waren.
Im Vorhergehenden ist an einer Stelle die Frage aufgeworfen worden, ob man in der Ver-
fallszeit der Gothik bei Anfertigung der Messkitnnchen andere , bis dahin nicht gebräuchliche
Materiale zur Anwendung kommen Hess? Wir gehen darauf zur Antwort, dass anstatt der kost-
spieligen, in der romanischen Kunstepoche nicht selten vorkommenden Messkilnnchen aus Berg-
krystall, viele dergleichen aus Glas angefertigt worden waren. Messkilnnchen aus Terra Cotta mit
Anwendung verschiedener Farbentöne kommen seit den Tagen der Mediceer in den Kirchen ItaUeus
hiiutig vor. Auch Messkilnnchen von gebranntem Thon, mit eingeritzten oder auch mit erhaben
gehaltenen Ornamenten, waren gegen Ende des XV. Jahrhunderts in ärmeren Kirc hen Deutsch-
lands vielfach anzutreffen. Sogar Messkilnnchen von Zinn, wie sie noch heute am Rheine, in W est-
phalen und dem übrigen nordwestlichen Deutschland häutig angetroffen werden, kamen in höchst
einfacher Form sowohl im früheren Mittelalter, als namentlich zu Ausgang desselben, zum
Gebrauche an Wochentagen sehr häutig vor.
Digitized by Google*
UBEB ( I>n CHRISTLICHEN MeSSKÄKNCHEN.
31
Es sei gestattet, in Nachfolgendem in kurzen Zügen die Form und Beschaffenheit jener
Pollen näher zu skizziren , die aus diesen einfachen und billigeren ^laterialen filr ärmere Land-
kirchen und insbesondere" für den Ciebraueh verschiedener religiöser Orden angefertigt zu
werden pflegten.
Wir beginnen die Reihe dieser Surrogatstoffe mit dem Zinn. In jenen Gegenden Deutsch-
lands, wo dieses billige Material bei Verfertigung verschiedener profaner Gerätschaften eine
gehäufte Anwendung fand , Inges auch nahe, kirchliche Gebrauchsgegenstände, als: Leuchter,
Wcihkcssel und Messkiinnchen aus diesem leicht zu bearbeitenden Materialc herzustellen. Vornäm-
lich in jenen Ländern, wo der deutsche Hierkrug von Zinn das Vorbild für die Übrigen Flüssigkeits-
bcltültcr war, ist es sehr leicht zu erklären, dass nicht nur für Messkiinnchen zum Gebrauche an
Wochentagen, namentlich auf dem Lande, Zinn gewühlt wurde, sondern dass man sogar noch
weiter ging und von der Hierkaune die Form und Gestalt für die Ampullac entlehnte.
So haben wir auf grösseren Reisen , namentlich in jenen Provinzen Deutschlands, wo die
Rebe nicht zu Hause ist, heute noch solche zinnerne Ampullae von sehr grosser Einfachheit der
Form angetroffen, deren Ähnlichkeit mit der profanen Kanne sich auffallend zu erkennen gibt.
Unter andern erinnern wir uns, in der, an mittelalterlichen Kunstschiltzcn so reichhaltigen Lieb-
frauenkirche zu Danzig mehrere äitcre Mcsskünnehcn von Zinn in äusserst schlichter Form vorge-
funden zu haben. Die Abbildung der Zinupollen verdanken wir der entgegenkommenden Freund-
lichkeit des Herrn Senators Culemann in Hannover, der dieselben in originali besitzt 1 .
Dass sie wirklich als Messkiinnchen in Gebrauch
waren, beweist die vollständige Übereinstimmung der Form
dieser Gefässe mit den obengedachten in der Liebfrauen-
kirche zu Danzig. Überdies befinden sieh, wie das die
beifolgende Abbildung in Naturgrössc unter Fig. 23 zeigt,
auf dem Deckel derselben, wie gewöhnlich die Anfangs-
buchstaben der Worte: Wasser und Wein, nilmlich:
a und v.
Wir wagen es nicht zu bestimmen, ob auch bereits
in der romanischen und friiligothischcn Kunstepoche bei
der Anfertigung der Ampullen andere stoffliche Surrogate
statt edler Metalle zur Gebrauchnahme gekommen sind.
Ks gibt jedoch eine beträchtliche Anzahl von jenen klei-
neren Flüssigkeitsbeliiiltern, wie wir sie in den Museen zu
Berlin und Paris, besonders aber in den reichhaltigen
Sammlungen chwsiacher Kunstwerke zu Rom und im
Museum Bourbonicum zu Neapel gesehen haben, der
Vermuthung Kaum, dass bereits in den ersten Jahrhun-
derten der christlichen Zeitrechnung die Hingangs erwähn-
ten Amulae sowohl aus Terra cotta mit eingebrannten
Ornamenten, als auch aus vielfarbig gehaltenen Glasflüssen häufig in Gebrauch genommen
worden sind.
' Wir benutzen liier die Gelegenheit , darauf hinzuweisen, das* Senator Culemann eine grosse .Sammlung mittelalterlicher
Kunstwerke in edlem Metall, in Email und Elfenbein, desgleichen auch eine grosse Sammlung »eltener Druckwerke en mininturci
besitzt, wie solche bei Privaten selten in Deutschland in diesem Umfange zu finden ist. Der liebenswürdige Besitzer dieser sel-
tenen ( ollection nimmt gerne die Gelegenheit wahr, in Person seine KunstselmUe vorzuzeigen und die näheren archäologischen
Erläuterungen einHiesseu zu lassen.
Digitized by Google
32
Dm. Franz Bock.
Indessen scheint das vielfache Vorkommen von Pollen in gebranntem Thon und in Gkfr
Iltissen, namentlich auf italienischem Hoden, seit der letzten Hälfte des XV. Jahrhunderts daran)
hinzudeuten, dass sowohl die Technik als auch das Material zu Messkännchen aus den eben ge-
dachten billigen Stoffen, als Reminiscenz aus früheren Jahrhunderten, den Quinqueeentisten der
Mediccer-Zcit traditionell Uberliefert worden sei. Sucht mnn in Deutschland kleinere Qefksse tu
den eben gedachten einfachen Stoffen, so durften die königlichen Museen zu Berlin in jenen
Sälen, worin die Majolicas aufgestellt sind, eine grössere Zahl derartiger GefHsse in p-ebranntem
und glasirteni Thon besitzen, die, wenn sie auch nicht ursprünglich als Messkannchen angefertigt
worden sind , doch in ihrer Formation durchaus mit den thönernen Ampullen ärmerer Kirchen
Ähnlichkeit besitzen. Fig. 24 gibt in halber Naturgrössc ein interessantes Gefass, dessen Original
sich im gedachten Museum vorfindet. Dasselbe ist aus Thon geformt und zeigt auf seiner mittleren
Bauchung drei kreisförmige Medaillons mit halben Durchbrechungen, die durch ihre Einzebdicitcn
Fi*. SS.
Fip. 24. Fig. 26.
kundgeben dürften, dass das GefHss deutschen Ursprungs und gegen den Ausgang des Mittelalters
angefertigt worden sei, nitmlich in einer Zeit, wo auch in der Sculptur die spatgothischen Bildungen
des sogenannten Frauenschuhes und der Fischblase immer wieder angewendet wurden, beider
ist der obere Theil des Gefilsses heute abgebrochen. Fig 25 veranschaulicht ebenfalls in halber
Grösse ein Gcfäss in Terra cotta, das in seinen Einzcluhcitcu den Einfluss der Renaissauce gewahre«
iMsst, und das in seiner Form als Pendant zu jenen thönernen Messkannchen betrachtet werden
dürfte, die sich mit kleinen Basreliefs, meist religiösen Inhalts, verziert, häufig noch am Rhein
erhalten haben.
Wir wagen nicht zu behaupten, dass «las rautenförmig gemusterte Gcfass, das wir unter
Fig. 26 in halber Naturgröße wiedergeben, und das sich ebenfalls in der Terracotta- Sammlung
Berlin befindet, ehemals ein Mcsakiinnchcu gewesen sei; das aber h'lsst sich mit Grund annehmen,
dass jene Pollen, die bei den strengen Mendicantcn - Orden zu Ausgang des Mittelalters in Ge-
brauch waren, von ähnlicher Form gewesen sein mögen.
Um nitmlich sogar bei den verschiedenen Gebrauchsgeräthschaften des öffentlichen Cultii"
die strenge Entsagung durchblicken zu lassen, liebten es die Franciscaner und Dominicaner niebt
nur die edlen Metalle, sondern auch alle Husscrcn Zierrathen von der Kirche fem zu halten; dalier
finden sich noch jetzt in den Klöstern von so strenger Observanz hilufig Messkannchen von
gebranntem Thon.
Google^
Über die christliches Messkäxnches.
33
Da» Glas fand schon in den Tagen des classischen Roms eine vielgestaltige Anwendung.
Aus älteren Schriftstellern wissen wir, dass in der Frühzeit des Christenthums bei der Anuuth der
Kirche nicht selten Kelche aus Glas zur Feier des eucharistischen Mahles in Gebrauch genommen
wurden. So ist ea ferner bekannt, dass man in den Katakomben jene altrömischen Thränenfläsch-
chen aus Glas auffand , worin man das Blut der Märtyrer aufgesammelt und beigesetzt hatte.
Es lag nun bei der vielfachen Verwendung, die die Gerätschaften aus Glas in dem
apostolischen Zeitalter fanden, sehr nahe, auch die Oblationsgefässe für Wasser und Wein aus
demselben Materiale anfertigen zu lassen. Während die Vülkerzüge verheerend über Italien ein-
brachen und die Cultur des alten Roms grüssten Theils vernichteten , scheint die Technik der
künstlichen Fabrication des Glases allmählich verloren gegangen zu sein. Erst im XV. Jaluhundert
hob sich, und zwar zuerst in Venedig, dieser Kunstzweig zu einer ungeahnten Blüthe. Wir
erinnern hier nur an die stattlichen Kelche und Flügelglilser, an die milchfarbigen und faden-
förmigen Glasflüsse venetianischer Fabriken, die heute von Liebhabern sehr gesucht sind. Weil
nun die Messkännchen aus edlem Metall nach ihrem Gebrauche wegen ihrer Kostspieligkeit stets
eine sorgfältige Reinigung erforderten, weil ferner die Pollen von Zinn einem schwärzlichen Anlaufe
ausgesetzt waren, so lag es nahe, dass von den Industriellen Venedigs Messkännchen in Glas
angefertigt wurden. Ausser der Reinlichkeit und Billigkeit dieser Glasgefilsse gewahrten dieselben
dem celebrirenden Priester auch noch den erheblichen Vortheil,
dass er sich durch einen Blick von dem Inhalte der Polle überzeugen
konnte, wenn er durch Körperleiden nicht in ih r Lage war, sich, wie
das die Vorschrift befiehlt, durch den Geruch von dem Dasein des
Weines zu Uberzeugen. Zudem be-
sitzen diese Messkannen von Glas,
die wir noch in den ineisten Kirchen
Frankreichs, Italiens und Öster-
reichs im Gebrauch gefunden haben,
den Vorzug, dass sich der Geistliche
durch die visio oculorum davon
überzeugen kann, ob der Messner
die Tugend der Reinlichkeit besitzt,
und ob das Wasser klar und hell
und der Wein fehlerfrei sei. Bei den
Messkttnnchen von Zinn, wie sie am
Rhein, in Westphalen und dem übri-
gen Deutschland vielfach in Gebrauch
sind, entbehrt der Priester die eben-
gedachten Annehmlichkeiten, durch
welche sich die gläsernen Mess-
Fi»t. äs.
Fi*. 37.
könnchen auch vom praktischen Standpunkte aus sehr empfehlen. Wir thcilen beifolgend in
getreuen Abbildungen die Formationen einzelner Messkännchen von venetianischeui Glase mit, die
aus einer ehemals in Siena befindlichen Sammlung von ähnlichen Gläsern herstammen
und sich nun in einem Schranke des Majolica-Saales zu Berlin befinden. Fig. 27 veranschaulicht
in % der Naturgrösse ein Messkännchen, das der Blüthezeit der Fabrication der venetianischen
Band- und Farbengläser angehört. Aus dem Umstände, dass sich dieses, so wie auch die nächst-
folgenden Glasgefilsse jedesmal paarweise vorfinden, lässt sich mit Grund schliessen, dass diesel-
ben als Ampullae in Gebrauch waren. Fig. 28 gibt in % der natürlichen Grösse ein Messkännchen
IX. a
Digitized by Google
34
Dr. Franz Bock.
wieder, dessen Copirung wir, wie von der vorigen und der folgenden Figur, der Freundlichkeit des
Cieheimrathes von Olfers, Generaldirectors der königlichen Museen zu Berlin, verdanken.
Diese interessante Anipulla veranschaulicht die entwickelte Glasfabrication des nördlirlicu
Italiens in Verbindung mit der venetianischen Qoldsehmiede- und Filigrankunst. Sowohl die
Handhabe als auch der Fuss und der Deckel des Gcfässes sind der gröBsern Dauerhaftigkeit wegen
in Silber angefertiget. Die drei Blumen auf dem Deckel, wovon die eine nunmehr fehlt, dcssglei-
chen auch sammtliehe auf der Flllchc des Deckels , sind in jenen feinen und leichten
Verschlingungen ausgeführt, wodurch das Filigran aus der Zeit der Cinquecentisten nachgeahmt
wurde, welches sich durch delicate Ausführung so vortheilhaft empfahl.
Wir lassen es dahin gestellt sein, ob das Gefäss mit den beiden Henkeln und den durch-
sichtigen Glasornamenten in GlasHuss (Fig. 29) ursprünglich als Messkilnnehen angefertigt
worden sei, denn da sich auf dem Halse ein beweglicher und einschiebbarer Verschluss ebenfalls
aus Glas vorfindet, so dürfte es wahrscheinlich
sein, dass dieser Flaeon ehemals zur Aufbewah-
rung von wohlriechenden Essenzen gedient habe.
Auch der Gebrauch der cigenthflmlichcn
Phiale, die wir in halber Naturgrosse unter
Fig. 30 bildlich wieder geben, dürfte sich nicht
mit Bestimmtheit als kirchlich nachweisen
hissen , allein sowohl die Form als auch die in
farbigem Glase dargestellten Brustbilder von
Heiligen in einem fast griechischen Typus,
haben uns zu der Vermuthung geführt, es dürften
diese ebenfalls in Doppelzahl vorfindlichen Ge-
lasse als Ampullac in der griechischen Kirche in
Ge brauch gewesen sein.
Als wir den Winter des Jahres 18~>9 in
Herlin zu dein Zwecke zubrachten, die dortigen Quellen der königlichen Bibliothek zur Heraus-
gabe der III. Lieferung unserer Geschichte der liturgischen Gewander des Mittelalters zu benützen,
nahmen wir auch die Gelegenheit wahr, die Materialien zu der vorliegenden Abhandlung zu
sammeln. Einer freundlichen Einladung Folge leistend, statteten wir dem Conservator der
preussischen Kiinstdenkmäler, Geheimrath v. Quast, auf seiner Besitzung Kadensleben bei llerz-
berg in der Mark einen Besuch ab, und waren nicht wenig erstaunt , im Besitze des genannten
Kunstgelehrten eine interessante Sammlung von mittelalterlichen Kunstreliquien vorzufinden, die
derselbe im Jahre 1*38 und 1 s 3 1> in Italien käuflich erworben hatte. Unter diesen werthvollen
Objccten sahen wir auch jene äusserst interessanten Messkiinnchen, die wir von Fig. 31 Iii» 33
veranschaulichen.
Wir glauben hier mit Grund sagen zu dürfen, dass diese Pollen als die reichsten und zier-
lichsten gelten können, die in dem zerbrechlichen Materiale des Glases auf uns gekommen
sind. Fig. 31 zeigt in s /, natürlicher Grösse ein seiner äusseren Forin nach höchst gcfillligcs
Messkiinnchen der gedachten Privatsammlung.
Um die untere Bauchung der eigentlichen Fusstheile zu verstärken, hat der Glasarbeiter hier
mehrere erhaben vorstehende Knoten angebracht Uber dem weissen Glase des Henkels ist von
dunkelblauem Glase noch eine Kainmverzierung zur Verstärkung angefügt, die auch au der
Ausflussröhre in gleicher Farbe wiederkehrt.
ttg. 21».
n» so.
Über die chr istli chbn Messkänhchen.
3S
Ein zweites daselbst befindliche» Glasgefäss ist dem vorigen sehr Hhnlich, zum Unter-
schiede jedoch mit einem Fuss versehen; auch ist dasselbe nicht durchsichtig, sondern von
Milchglas. Die Ausmündung des Deductoriums, so wie die Einfassung der Halsmündung sind mit
einem knotenförmigen Glasfuss von rubinröthlieher Farbe ver-
ziert. Anstatt der unschönen und nichtssagenden Messkttnnchen,
die nicht selten den profanen Essig- und Ölbehältern für den
Tischgebraueh Uhnlich sind, dürfte der so weit vorgeschrittenen
Glasfabrication, namentlich in Böhmen, die getreue Nachbildung
dieser formschönen Gcfiisse für kirchlichen Gebrauch dringend
zu empfehlen sein, zumal in Österreich und dem übrigen
Deutschland, dessgleichen auch in Italien und Frankreich, wo,
wie wir aus Erfahrung wissen, ein ausgedehnter Absatz in Aus-
sicht stehen dürfte.
Die unstreitig reichsten Ampullae der oben gedachten
Privatsammlung sind offenbar jene zierlichen Messkünnchen,
die wir unter Fig. 32 und 33, ebenfalls in der IlUlfte der natür-
lichen Grösse, bildlich veranschaulichen.
Ausser der reich verzierten Handhabe an dein Messkünn-
chen (Fig. 32) befinden sich an der untern Bauchung, dess-
gleichen auch an der Ausgussrührc Medaillons, die wie goldene
Pasten erhaben aufliegen und als massive Glasflüsse drei Büren- oder Löwenköpfe vorstellen.
An dem untern Theile des Gefdsses, zu beiden Seiten der Thierköpfe, erblickt man, aus
Fig. 31.
Derselbe farbige
grünlich-blilulichen Glasflüssen bestehend, je zwei saphirartige PerlvorsprUnge.
Glasfluss ist auch als vorspringende Einfassung an
dem Ausflussröhrchen angebracht, und wiederholt
derselbe sich auch in zwei blüulichen Hingen am
oberen Halse. Das Messkünnchen (Fig. 33) ist in
seiner Gesanuntfonn und Ornamentik mit dem der
vorhergehenden ziemlich identisch ; nur ist dasselbe
ausserdem mit einem runden Fusse von Glas ver-
sehen, und sind die vergoldeten Pasten, in der
Gestalt von Löwenköpfen, nach oben hin fast hom-
lörmig verlängert und umgebogen. Sowohl au dein
Uusscren Baude als auch in der Peripherie des
Kusses war ehemals ein stark vergoldeter Einfas-
sungsstreifen ersichtlich, der heute sehr verwischt ist.
Zur selben Zeit, in welcher italienische Glas-
arbeiter gläserne Messkünnchen in Menge für den
Handel anfertigten, wurden diesseits der Berge noch
grössere und kleinere Bcrgkrystalle zu Messkünn-
chen verarbeitet. Unter diesen Pollen , unmittelbar
aus dein Ausgange des XV. Jahrhunderts herrührend, ist auch jenes interessante Vasculmn cristal-
liuum zu rechnen, das wir (Fig. 34) in */, naturlicher Grösse wiedergeben und das sich heute als
Keliquienbehülter in dem Schatze der St. Lambertuskirehe zu Düsseldorf vorfindet. Sümrathchc
Üetailformeu an dem reich gearbeiteten Deckel, dessgleichen auch an dem sternförmig construirten
Fusse, noch mehr aber die eingraviiten Ornamente, die auf diesem Fussstück in vergoldetem
5*
Fi«. Vi.
Digitized by Google
Du. I i; vn, Bock.
Silber vorkommen, sind als Belege zu betrachten, das» diese Ampulla am Schlüsse de» XV. Jahr-
hunderts angefertigt worden sei.
Es erübriget uns noch im Folgenden eine kurze Übersicht von der Gestalt und der artisti-
schen und technischen Beschaffenheit jener Messkännchen anzufügen , die gegen Ausgang des
Mittehilters bereits unter dem Einfluss der Renaissance nament-
lich diesseits der Berge entstanden. Indem wir eine hervor-
ragende Polle aus dieser interessanten Epoche in Abbildung
veranschaulichen und in Kürze beschreiben, wollen wir vorher
Gelegenheit nehmen, anzudeuten,
über welche reiche technische
Mittel der Goldschinied in jenen
Tagen verfügte, als der Hltere
Styl mit den modern <n wülschen
Formen den Kampf auf Sein und
Nichtsein angetreten hatte. Der
Goldschmied vom alten Schlage,
der in seinen jüngeren Jahren
die phantasiereichen Gebilde des
in seinen Formen bereits un-
sicher gewordenen gothisehen
Styles geübt hatte, brachte von
Haus aus eine grosse Fertigkeit
in der Darstellung von getriebe-
nen ciselirten , gravirten und
F'K- 33. Rf. 34 emaillirten Arbeiten mit. Es war
ihm eben so leicht, mit dein Treibhammer als mit dem Stichel und der Gravirnadel die schwierig-
sten Arbeiten auszuführen. Diese grosse Fertigkeit der Hand bot aber auch die Veranlassung,
dass er sich innerhalb der Grenzen, welche die Gothik um sein Metier gezogen hatte, nicht mehr
heimisch fühlte und desswegen den Versuch machte, statt der mehr constrnetiven von der Arehi-
tectur entlehnten Formen, sich den Gebilden der Pflanzenwelt zuzuwenden, um sich auf diese
Weise der Nachahmung der Natur ungetheilt hingeben zu können. Die grosse Meisterschaft, die
sich der Goldschmied bei Beginn des XVI. Jahrhunderts errungen hatte, war für ihn also eine
gefahrliche Verlockung die ernsteren Gebilde des ererbten Styles zu verlassen, und sich mit
besonderer Vorliebe in den Formen der sogenannten Renaissance zu versuchen, die ihm ein
grosses Feld für neue Gestaltungen und weitere Entwiekelungen darzubieten schien.
Dieses Hin- und Herschwanken zwischen den überlieferten Hlteren Stylformen und den
naturalistischen Fonnbildungen, die der neue Styl in Fluss gebracht hatte, sehen wir am deutlich-
sten an jener äusserst prachtvollen und in ilu-en Detailformen reich entwickelten Ampulla, die,
irren wir nicht, dem Schatze der bischöflichen Kirche zu Grosswardein angehörte und jetzt in
dem ungarischen Nationalmuseum zu Pest ein ehrenvolles Unterkommen gefunden hat Die Abbil-
dung (Fig. 35) veranschaulicht dieses Gefüss in */, der natürlichen Grösse. Ein flüchtiger Blick
darauf Uberzeugt sofort, dass der innere Kern, der bei dem Entwurf dieses MesskHnnchens zu
Grunde gelegt wurde, durchaus noch dem Mittelalter angehört und als Reminiscenz zu betrachten
sein dürfte.
Die zierlichen Fruchtbildungen jedoch, die in der Zahl von zwölf Birnen die innere Bauchung
dieses MesskHnuehens in getriebener Arbeit darstellen, huldigen schon vollständig dem naturalistisch
Digitized by Goo^e
f'iiEu die ciinisTMi lies Messkännchen.
37
aufge&ssten Pflanzcnornamentc, du» von der Renaissance, besonder« seit den Tagen des phantasie-
reichsten der Goldschmiede, de» bekannten Benevennto Cellini, mit vielen» Glück weiter aus-
gebildet wurde. Der Fuss desGefässcs entwickelt sieh ans einer sechsblätterigen Rose und es ist auch
die sechskantig' -polygone Form im Ständer und im
Halse einheitlich durchgeführt. Als wesentlicher
Hauptbestandteil macht sich an dem vorliegenden
Messkännchen die Ausgussröhre kenntlich, die dem
Henkel parallel gegenüber gestellt wurde. Dieses
Deduetorium ist nach der oben angezogene n Vor-
schrift des Theophilus regelrecht als ausgeschweifte
Rühre der unteren Bauchung eingefügt. Sowohl die
Kussßre traditionelle Form dieses Gefässcs, als auch
das Vorfinden eines Majuskelbuchstaben im Innern
des Dekels, beurkunden hinlänglich, dass es ursprüng-
lich als Ampulla für kirchliche und nicht für profane
Zwecke angefertigt worden sei. Man erblickt näni-
lich in einem runden Medaillon, von blauem Email
umgeben in Storker Vergoldung, die gebräuchliche
Abkürzung A (aqua), die seit dem XV. Jahrhundert
auf reicheren Pollen immer pflegte angebracht zu wer-
den , damit einer Irrung bei Celebrationen möglichst
vorgebeugt werde. Die netzförmige Bildung des
Filigrans, womit alle Flachtheile dieser Ampulla über-
sponnen sind, dessgleichen auch die Formation der
Birnen und das spätgothischc Blätterwerk, das sich
in der Vertiefung dieser Fruchtbildungen hinschlän-
gelt, noch mehr aber das groteske Figürchen, das den
Knauf des Deckes abschliesst, besagen deutlieh, dass
dieses formreiche Messkännchen im Beginn des
XVI. Jahrhunderts seine Entstehung gefunden habe,
als die Vorboten der Renaissance sich schon voll-
zählig eingestellt hatten.
Als uns vor einiger Zeit die Vergünstigung zu
Theil wurde, die reichhaltige Sammlung des Baron
Anselm von Rothschild näher in Augenschein nehmen
zu können, waren wir nicht wenig erstaunt, unter den
vielen dortigen Objectcn der Goldschmiedekunst,
meistenteils dem Ausgange des Mittelalters und
der Renaissance angehörend, auch zwei äusserst
reich gestaltete Gefässe vorzufinden, die wir so-
fort als Messkännchen erkannten und die sich bei
näherer Untersuchimg auch durch das Vorfinden der
bekannten Anfangsbuchstaben A. und V. als solche
bestätigten.
Es würde der vorliegenden Abhandlung eine zu grosse Ausdehnung geben , wenn wir es
versuchen wollten, alle die zahlreichen Citate folgen zu lassen, die sich in Schatzbesehreibungen
Fig. 3:..
Digitized by Google
38
Dr. Fkasz Bock.
in Menge vorfinden und zuweilen auch Uber die Gestalt und materielle Beschaffenheit jener Mess-
kilnnchen, die noch in XV. und XVI. Jahrhundert den Sacristeien von bischöflichen und Stifts-
kirchen zur Zierde gereichten, mehrfache Kunde verbreiten. Aus den vielen Iuventarien, die uns
aus dieser letzteren Zeit zu Gebot stehen, wollen wir, wie das bei jeder Epoche eingehalten worden
ist, auch hier einige Aufeiihlungen als Parallelstellen zu den früheren Angaben folgen lassen.
Wir beginnen unsere Atifzilhlung von Pollen nach dem Wortlaute von Invcntarien
grösserer Kirchen Deutschlands, und bemerken zugleich, dass seit der letzten Hiilfte des XV. Jahr-
hunderts die meisten Schatzverzeielmisse nicht mehr in lateinischer, sondern vorzugsweise in
deutscher Sprache aufgezeichnet wurden. So liest man in einem Vcrzeichniss der Schütze des
Domes von Würzburg vom Jahre 1484:
„Vier silberne Messkihidlin."
Auffallend bleibt es, dass sowohl hier als auch bei den folgenden Aufzeichnungen niemals von
dem Pollerteller zum Aufsetzen der Messkiinnchen oder zum Auffangen des Wassers beim Offer-
torium die Rede ist. Wir folgern daraus, dass in den meisten Kirchen Deutschlands gegen
Sehluss des XV. und im Beginn des XVI. Jahrhunderts diese bassinförmige Schüssel, die heute
fast überall in Gebrauch ist, damiüs durehgilngig fehlte und die Handwaschung noch immer ver-
mittelst eines Aquamanile vorgenommen wurde.
In einem Inventar der Benedictiner - Abtei Michelsberg zu Bamberg, einer Stiftung der
heiligen Cunigundis, stellt vom Jahre 1483 angeführt:
„Item duas auipullas argenteas."
In einem alten Vcrzeichniss der ehemaligen Kleinodien des Domes von Bern, welche walu--
seheinlich die Tage des prachtliebenden Philipp des Guten und seines Sohnes Karl des Kühnen
gesehen hatten, liest man im Schweizeridiom die damals gebräuchliche Diminutivbenennung für
Messkünnchen :
„Item 8 paar silbern und vergülte Messstitzly, jedes par minder nitt, dann 8 lod."
In demselben Vcrzeichniss geht diesem „Item u ein anderes vorher, in welchem walirschein-
lich jene Becken aufgezählt werden, die zu diesen Messkiinnchen gehört haben mögen; man liest
daselbst die Angabe :
„Item G silberi Beki, ein yeder minder nitt dann 1% mesyg, ussgetribne Arbeit."
In einem alten Kirchenbuche zu St. Brigitta von Colli vom Jahre 1;">41 stehen unter andern
verzeichnet:
„Item 14 par pollen klein und gross."
Hier begegnen wir zuerst dem niederrheinisehen Ausdruck „Pollen*, der offenbar von
Ampulla, Pulln, herrührt, Unter diesen 11 paar Messkiinnchen fanden sich wahrscheinlich auch
mehrere einfache aus Thon. Zinn und anderen einfachen Stoffen.
In einem aus dem Ende des XVI. Jahrhunderts herstammenden Inventar der Schütze der
St. Sebalduskirche in Nürnberg, die sich noch nach der Einführung der neuen Lehre daselbst
befanden, stehen hinsichtlich der Messkiinnchen folgende Angaben :
„Zwey neue Silbern vergölte Messkündclein mit Granatäpfeln auff den Deckeln , mit einem
Löwen vnd hiesiger Stadt Nürnberg, wie Auch des Edlen, Elircnvesten, Fürsiclitigeii vnd hoch-
weissen Herrn Christoff Führers alss dumah liger Zeit Kirchenpflegers, wappen."
Ferner:
„Mehr Zwey neue Silbern vergulte glatte Messkündclein mit gemeiner dieser Statt, und des
Edlen Elircnvesten, Fürsichtigen vnd hochweisseii Herrn Ulrichs Grundherrens, als Kirchen-
pflegers, wappen."
Digitized by Googl
Über nie christliches Messkänn« hes. 39
Was die Aufstellung eh r MesskUnnchen betrifft, so scheint man sie, wie das aus älteren Tem-
peramalereien hervorgeht, auch noch im Beginne des XVI. Jahrhunderts nicht auf ein Credcnz-
tischchen an der Epistelseite aufgestellt, sondern gleich bei Heginn der Messe auf den Altar gesetzt
BU haben und zwar ohne Untersatz oder Schüssel.
In dieser Weise ersieht man auf einem älteren Bilde des XVI. Jahrhunderts in der Sacristci
v.\\ St. Martin in Cüln zwei MesskUnnchen unmittelbar auf dem Altare stehend, ohne Teller'.
Auf einem steinernen Keliefbilde, welches in einen Pfeilerbündel an dem südwestlichen
Thcile des Domes von St. Stephan zu Wien eingelassen ist, sieht man die bekannte Darstellung
der Messe des heiligen Gregorius. Auch hier sind die Mess-
kUnnchen unmittelbar auf den Altar an die Epistelseite, aber
auf einer kleinen ovalen Schüssel hingestellt. |
Da es nicht in das Bereich unserer Aufgabe gehört,
die MesskUnnchen noch nach der Entwickelung der Renais-
sance zu besprechen, so deuten wir nur in Kürze an, dass
die Aufnahme und Wiedergeburt der „schönen Künste" seit
den Tagen der Mediccer vornehmlich darin bestand, die ver-
schiedenen Kunstgebilde wieder auf den Urtypus des elas-
tischen Alterthums zurückzuführen. Auch zur Gestaltung der
kirchlichen Ampullae wurden die römischen Vasen der Cäsa-
renzeit aufgesucht und benützt; mit anderen Worten: die
traditionellen Formen und Grundtypen, die das Mittelalter
für diese Art der kirchlichen GefiLsse aufgestellt und weiter
entwickelt hatte, wurde als veraltet bei Seite geschoben und
man begann die Grundformen für die Gestaltung dieser Ge-
lasse wieder da aufzusuchen, wo sie das Cluustcnthum bei
seinem ersten Entstehen entlehnt und für seine Zwecke all-
mählich umgebildet hatte. Dass der ausgeprägte kirchliche
Charakter, den diese liturgischen Gefässe im Laufe der
Jahrhunderte erhalten hatten, bei dem Bestreben diese Gc-
räthschaften wieder auf die heidnische Urform zurückzuführen verloren gehen musste, leuchtet ein.
Eines der edleren Gefässe, welche die Zunft der Goldschmiede seit den Tagen des Bene-
venuto Cellini als mehr oder minder gelungene Imitationen des ebengedachten Meisters producirt
hatten, theilen wir hier (Fig. 36) zum Schlüsse in der Hälfte der natürlichen Grösse mit. Es ist
ein MesskUnnchen in den Formen der italienischen Renaissance aus dem Schlüsse des XV. Jahr-
hunderts, das als Modell betrachtet werden kann, nach welchem im XVI. und XVII. Jahrhundert
die meisten Pollen aus Glas, Zinn, Silber und Gold gestaltet zu werden pflegten. Dasselbe findet
sich in einer öffentlichen Sammlung zu München, und wir verdanken dessen Copirung der zuvor-
kommenden Freundlichkeit des Herrn Malers Herwegen. Der Corpus dieses Gelasses besteht aus
einem ausgehöhlten Bergkrystall mit ornamentalen Reliefschweifungen auf der äusseren Bauchung.
Die einfassenden Ränder, wodurch die einzelnen Theile zusammengefügt werden, sind in Gold
und mit reichen Emaillirungen geschmückt.
Schliesslich erachten wir es für unsere Pflicht, allen Freunden und Strebensgenossen, welche
entweder durch Einsendung von Copien älterer Ampullae oder durch andere wissenschaftliche
Beiträge die vorliegende Arbeit gefördert haben, hiermit unsern aufrichtigsten Dank abzustatten.
i Siilu- Aura: d. Kedacl. S. 19.
Digitized by Google
40
Das Ciborium
im Schatz des Chorherrn-Stiftes zu Klosterneuburg in Niederösterreich.
Von Alhekt Caxesisa.
Kit * T»f«ln.
Ohne erst, in der Form eines Eingangs, ant* die geschichtliche Entwicklung der verschie-
denartigen Können der Speisekelche hinzudeuten, worüber in so vielen liturgischen und archUo-
logischen Werken bereit« alles Nöthige gesagt ist, soll hier nur eine einfache, aber möglichst gcnam
Beschreibung der Details dieses schönen Werkes der Hltereu Goldsehiniedckunst gegeben werden,
und zwar um so mehr, als dasselbe schon früher in diesen Müttern vorgeführt wurde 1 .
Schon bei dem ersten Anblick dieses Kirchcngeräthes , welches eine Gesammthöhe v<u;
3.V5 Centimetres hat, gewahrt man, dass zwei Hauptthcilc desselben ihre Entstehung ver-
schiedenen Kunstepochen verdanken, indem der Obertheil, nitmlich Cuppa und Coperculum, einer
früheren Zeit angehören als der Fuss und der Schaft. Es bewilhrt sich dieses nicht nur durch die
Hnuptformen und die Umrisse der Profile, sondern auch durch die verschiedene Ornamentik umi
vorzüglich dadurch, dass die Schale und der Deckel mit Email geschmückt sind, von denen sich
am Stünder keine Spur vorfindet, was doch gewiss der Fall sein würde, wenn dieses GefHss an«
der Idee eines einzigen Meisters hervorgegangen wilrc.
Das Email an der Innenseite des Fusscs, welches nur tlann sichtbar wird , wenn man da*
Ciborium emporhebt, kann hier nicht massgebend sein, da es vermuthlic-h erst spilter «um-
bracht wurde. Ja man könnte noch weiter gehen und sogar bemerken , dass selbst der ercniul-
lirte Knauf des Deckels nicht ursprünglich zur Cuppa gehöre , da an demselben gleichfalls da«
Email fehlt und vorzüglich die Perlenreihen mangeln, mit denen die KHnder der sechzehn HildVr
des Ciboriums gesclunückt sind.
Cuppa und Deckel zusammen erinnern noch immer au die Form der alten Thuribula, und dir
auf denselben angebrachten Schmelzarbeiten zeigen nur zwei Farben, nämlich Smalte zu den
Umrissen und zum Grund, und Roth zu den architektonischen Verzierungen, alles Übrige ist Gold,
wie es die Oberfläche des GetÜsses darbietet.
Die bildlichen Darstellungen reihen sich auf folgende Weise an einander:
i Ziehe Mittheil, der k. k. Ontral-Oorani. vom J. I8G1, p. 295 ff. und Tafel VII.
Digitized by Qoogft:
Klostenicuburg.
i
4
KkJ.. k. k. M.rf »<l »■Ml»lr»<k > r« 1 Im WM»
Qoogle
Digitized by Google
Klosterneuburg, u.
1 2 3
l>r»rt Iii l k. Hof »ad MmMMmNI I. Rln, *"' " ■ r " "•
Digitized by Google
Das Ciboriusi vosc Klosters e tu c ro. .
41
A. Auf dem Co per etil um.
1. Der englische Gruss. Gabriol und die heilige Jungfrau siml stellend abgebildet. 1 )er
Erzengel hidt eine Holle (Cartoecia), auf welcher die Worte „Ave Maria- 4 zu lesen sind. Zur Seite
der heiligen Maria zeigt sieh ein Stuhl, auf dem ein aufgeschlagenes Buch liegt. — 2. Die Geburt
Christi. Maria liegt auf einem niedrigen Ruhelager und halt den neugebornen Heiland in den
Annen. Zur Seite sitzt der heilige Joseph, ermüdet an einen Krüekenstook gelehnt. Im Hinter-
gründe ist die Krippe mit dem Oehs und dem Esel. — o. Die Opferung im Tempel. Die
stehende heilige Maria hillt das Christiiskhid in den Armen. Ihr ziu* Linken beiludet sieh der
heilige Joseph. Auf der anderen Seite zeigt Hieb eine weibliche Figur mit einer Tasche in
der Rechten, in welcher wahrscheinlich die Opfergabe bewahrt ist. In der Linken lullt sie
eine gedrehte Kerze. Von dem architektonischen, baldachinartigen Abschluss hängt eine
Lampe herab, durch welche angedeutet wird, dass die Scene im Tempel vor sich ge he. -
4. und 5. Die drei Weisen des Morgenlandes. Der Verfertiger dieser Emaillen, dem wahr-
scheinlich alle Kenntnisse der Perspective fehlten, wusste verniuthlicb nicht, wie er auf der
beschrankten Fläche nebst der heiligen Mutter auch noch die drei Weisen anbringen sollte, und
benutzte daher zu dieser Darstellung zwei Felder, wie dieses auch auf mehreren anderen alten
Kirchengeräthen vorkommt. Auf dein ersteren jener Felder sitzt die gekrönte heilige Maria auf
einem Sedile. Einer der drei Weisen, ohne Krone, reicht einen Herber dar, nach welchem
das Christuskind langt. Oben sieht man den leitenden Stern. Auf dem anderen Fehle zeigen
sich die Übrigen zwei Weisen; beide stehend und gekrönt, und derart gesticulirend, als ob sie
sich über den Heiland besprächen. — 6. Die heilige Maria führt den Knaben Jesus an
der Hand. Er scheint jedoch, wie seine Stellung zeigt, nicht gern zu folgen, wesshalb seine
Mutter einen Hlüthenzweig von einem Strauch bricht, um ihren Sohn zum Weitergehen zu
bewegen. Der Knabe tragt am rechten Arm eine Buchtaschc , welche verniuthlicb die Schrift
enthalt , aus welcher er mit den Schriftgelehrten im Tempel disputirte. Die lebhafte und naive
Phantasie des Künstlers mochte ihn wohl auf den Gedanken gebracht haben, dass sieh der
geistreiche Knabe von einer ihm so interessanten Besprechung nicht gm- leicht trennen mochte.
Derlei psychologisch naive Züge finden sich auch nicht selten auf alten Miniaturen , nur wer-
den sie, so wie die Technik , nicht immer gehörig gewürdigt. — 7. Der Tod der heiligen
Maria. Die Sterbende liegt, das Haupt auf einem Kissen ruhend, auf einem mit einem
faltenreichen Tuche bedeckten Lager. Zu jeder Seite befinden sich (bei der Apostel und in
der Mitte steht Christus mit einer Kindergestalt in den Armen, welche die Seele der Hinschei-
denden vorstellt, die er in seinen Schutz nimmt. -- 8. Die Krönung Mariens. Christus
mit einer Krone auf dem Haupt und ein Buch in der Linken haltend, sitzt auf einem langen Sedile
imd hebt segnend seine Rechte gegen seine betend geneigte Mutter. Der heilige Geist in Gestalt
einer Taube schwebt herab und setzt ihr die Krone auf.
Wird der Deckel zurückgeschlagen, so zeigt sich in einem achteckigen Felde , welches den
acht Seiten des Copcreulums entspricht, die Auferstehung des Heilandes (Taf. In), der
die Rechte segnend erhebt und in der Linken die Osterfahne hält. Unter den drei Bogen des
Grabmals erblickt man drei schlafende Krieger, welche mit ihren Ringpanzern. Helmen und Schil-
dern an die Kriegergestalten des „Hortus deliciarum" der Herrad von Landsberg erinnern, und
daher wohl oinigermassen auf die Zeit schliesseu lassen , in welcher diese Schmelzarbeiten oder
ihre Vorbilder verfertigt wurden.
IX.
Digitized by Google
42
Albert Cahesina.
B. A»if der Cuppu des Ciboriums.
Die Emaillen auf der Cuppa sind durch einen architektonischen Abschlug» in zwei
ungleiche Hälften getheilt. In der oberen und grösseren Hiilfte zeigen sich acht Scenen aus der
Leidensgeschichte-, und in der unteren, kleineren sind acht rropheten dargestellt, von denen jeder
eine Rolle in der Hand lullt, auf denen aber leider kein Name angegeben ist, so dass man auch
nicht bestimmen kann, welche Propheten hier eigentlich gemeint seien. Sie haben übrigens meist
lebhafte .Stellungen und deuten mit der einen Hand auf die ober ihnen vorgehende Handlung
(siehe Tafel II).
1. Christus am Ölberg. Von oben erscheint eine segnende Hand, Zur Seite sind, anstatt
wie gewöhnlich drei Junger, sechs derselben angebracht. — 2. Die G e fangen n eh mung
Christi. Der Yerräthcr küsst eben seinen Herrn, der von einem Kriegsmann am Hals und am
linken Arm gefasst wird. Rechts steht der heilige Petrus, welcher das Seh wert zog, um dem Mal-
chin« das Ohr abzuhauen. Rückwärts hält einer eine (gedrehte) Fackel. Der Krieger, welcher
den Heiland anfasst, eiinnert mit seinem Ringpanzer, Waffenrock, Schwcrthilze und Gürtel eben-
falls an die Gewappneten im Hortus deliciarum. — 3. Christus vor Pilatus. Pilatus ist
gekrönt, er halt in der Rechten das Seepter und sitzt mit gekreuzten Beinen auf einem Sedile '. Die
Hiiude «les Heilands sind gebunden. Ihm zur Linken steht ein Krieger mit einer Lanze , zur
Rechten aber ein Ankläger mit dem spitzigen Judenhütlein. — I. Die Geisselung. Christus ist
mit den Händen an eine Säule gebunden und wird von zwei Schergen gegeisselt. — ">. Die ver-
höhnende Krönung. Jesus, dem man einen weiten Mantel umhängte und das Spottrohr in die
Hand gab, ist sitzend dargestellt. Kin Scherge drückt ihm mit einem Stock die Dornenkrone tiefer
in dieStirne. Diesem Schergen gegenüber steht ein zweiter, welcher den Herrn zu verspotten scheint.
— (». Christus trägt das Kreuz. Kin Scherge mit einem Hammer hält den linken Querarm des
Kreuzes. Zur anderen Seite des Heilandes stehen zwei heilige Frauen, von denen die eine den rech-
ten Querarm des Kreuzes ergreift, um dem Gesalbten das Tragen zu erleichtern. — 7. C hristus am
K reu z. Die Fitsse des Heilands sind nicht gerade gestreckt, sondern nach rechts zur Seite gebogen
l vermuthlich wegen der geringen Höhe des Fehles) und nur mit Einem Nagel befestigt. Am Kreuze
fehlt die Tafel mit den Buchstaben: 1. X. E. 1. Rechts vom Heiland befindet sich die heilige Maria,
die eben in Ohnmacht sinkt und von einer der heiligen Frauen unterstützt wird. Zur anderen Seite
steht der trauernde Johannes und hinter diesem wieder ein durch die Spitzkappe Gekennzeichneter,
der mit der Linken nach dem Gekreuzigten deutet. — 8. Die Abnahme vom Kreuz. Die Arme
des Heilandes sind bereits vom Kreuze abgelöst und Joseph von Arimuthia hält den theuren
Leichnam, während ein Jüngling mittelst einer Zange den Nagel herauszieht, mit welchem die
Füsse Christi noch an den Kreuzesstamm befestigt sind. Ein Dritterauf einer Leiter hält die Nägel,
womit die Hände festgemacht waren.
In der Höhlung des Fusses (Taf. II b) zeigt sich, von einem rothen Kreise eingeschlossen,
der symbolische Löwe, welcher, ein Gleichniss der künftigen Auferstehung, seine Jungen erweckt.
Diese Schmelzarbeit mag anfangs unten an dem Boden der Cuppa vorhanden gewesen und,
da das Mass übereinstimmt, später an der Unterseite des Fusses angebracht worden sein.
Die Zeichnung aller dieser Bilder ist natürlicher Weise nicht sehr correct, allein man sieht
deutlich, wie der Künstler bei jeder einzelnen Darstellung dachte und wie er sich bei seinen
geringen artistischen Mitteln in die darzustellende Situation zu versetzen wusste; daher haben auch
alle diese Scenen mehr Leben, als man dies bei vielen späteren und weit grösseren Arbeiten
vorfindet.
' Der Riehter »oll suen auf dem Kichter&tole als ein ffriMgriiumcnder Lowe, und »oll den rechteren Fu»« «chlnhen Uber
den linkem. Keutaeh.- Denkuiiiler p. XXVII.,
Das Cibobiux VOM KlOITSUKÜBUBG.
43
Die Cuppa, welche im Hauptdurchmesser 12*2 Centimeties hat. endet nach unten mit
einer Kreisrundung und zeigt da zwischen zwei schmalen Streifen eine sehr zarte Perlenreihe. Von
dort an beginnt der spitter angesetzte, schon der rein gothischen Epoche angehürige Fuss, dessen
eine Hiflfte in beifolgender Figur in der Vogelschau gegeben ist.
Dieser Fuss ist achttheilig und' -
zwar so, dass je eine rechtwinkelige
Spitze mit einer aus zwei geschweiften
BOgen gebildeten abwechselt. Die Basis
dieses Fusses ist ungewöhnlich niedrig.
Auf den vier mit geschweiften Spitzen
endenden Theilen desselben sind in
Kreisen die vier Symbole der Evange-
listen in getriebener Arbeit angebracht
und an zwei der rechtwinkeligen Ecken
zeigen sich Propheten in ganzer Figur.
Jeder derselben (vergl. Fig. 2 und 4) liH.lt eine Cartoecia in der Hand und blickt nach oben.
Ihnen zu den Seiten ist eine Art von Fialen angebracht. Der Abschluss ist kleeblatt-ähnlich
und die fünfseitige Flüche, da wo sie sich dem Schaft anschlichst, crenaillirt.
Auf den beiden noch übrig bleibenden Feldern ist je ein Eichenblatt (s. Fig. 3) angebracht,
welchem aber aller ornamentale Schwung der früheren Kunstperiode fehlt, da es nur ganz flach
hingelegt erscheint.
Audi hier zeigt sich der Anschlussrund crenaillirt und bei den Eichenblättern sowohl, als bei
den beiden Propheten ist der Fond kreuzweise mit Grabstichelschnitteu durchzogen , welche , da
sie sehr wenig parallel und
nicht gleich tief sind, eben von (^b
keiner allzu grossen Sorgfalt «rv— ',V~tt« rl\N^\
zeugen und vermuthlich dess-
halb angebracht wurden, weil
das Mattiren des Grundes mit
der Bunze schon etwas zu
mühsam oder zu langweilig er- ^
scheinen mochte.
Der Schaft steigt nach
einem kurzen Bogensegment
(von weitem Halbmesser) em-
por, hat hier eine Etage, die
mit ungleich grossen Spitzbogenfcnsterchcu geziert ist, und geht zu dem ziemlich flach gedrückten
Knauf hinauf, welcher vier rautenförmige , sogenannte , Pasten- zeigt, zwischen denen sich wieder
vier, der Krönung angepasste, Eichenbliltter befinden.
Am Hals des Standers, nämlich am l bergang des Schaftes zur Cuppa, sind über den polv-
gonen Sittlichen abermals Eichenblatter angebracht, welche dadurch, dass sie etwas nach vorwärts
gebeugt sind, die Verbindung des Schaftes mit der Cuppa vermitteln.
Vom Knauf des Dekcls ist wenig zu sagen. Er hat, wie schon erwähnt, keine Perlenreihen,
und auch die EichenblHtter fehlen. Er besitzt nach unten acht senkrecht gestellte Kugelschnitte
und nimmt dann im Aufsteigen die Gestalt eines kleinen, aber stets etwas breiter werdenden
Thürmchens an, welches mit Zinnen endigt.
G*
Fig. •>.
Fi«. 3.
Fiff. 4.
Digitized by Google
44
Das Ciborum von Ki.ostbrneibiro.
Als Ergebniss der hier gemachten Untersuchungen stellt sich nun heraus , dass t'uppa und
Deckel dem Knde des dreizelmten oder dem Anfang des vierzehnten Jahrhunderts angehören
dürften, indem ihre Hauptformen noch etwas an die Endzeit der romanischen Kunstepoche
erinnern, während der ganze Stiluder mit seinen entschieden gothischen Kiementen in die erste
Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts fallt, da ein so bedeutend flach gedrückter Fuss (s. Tafel
VII der.Mitth. v. 1861) bei alteren Kirchcngcräthcn wühl nicht vorkommt.
Diese neue Fassung erhielt das Ciborium mithin höchst wahrscheinlich unter «lern Propst
Stephan von Sierendorf (reg. v. 1517 bis 1335); denn es heisst in der kleinen Chronik von
Klostcrncuburg (s. Zeihig p. 6) bei dem Jahre 1324:
„Die Goldschmidt machten das schöne zibam, darauf]' unser frauenbildt mitten in der eeren
darin-,
und diese letztere Angabe dürfte auf die Krönung der heiligen Maria hindeuten, welche auf der
Patena dargestellt ist, deren Fertigung mit Bestimmtheit dem Stephan von Sierendorf zugeschrieben
wird. Auch stimmt die Gewandung der am Fuss des Ciborinnis befindlichen zwei Propheten mit
dem Faltenwurf bei der Krönung der heiligen Maria vollkommen überein, so wie auch hier die-
selben kreuzweisen und ungleichen Grahstichelschnitte im Fonde vorkommen, die sich bei den
Propheten und den beiden Kichcnblittrcm zeigen.
Es ging mit den kirchlichen Gcrüthcn hiUilig auf die nilniliche Weise zu, wie mit den
Kirchen selbst, denn man veränderte mit dem Eintreten irgend einer neuen Geschmacksrichtung
das Vorhandene, um es der Zeit möglichst anzupassen. Daher stammt auch grossenthcils das
Zusammenwürfelt! von vielerlei Uaustylen an einer und derselben Kirche, daher auch die
Ungleichheit der einzelnen Theile so mancher, nicht nur liturgischer, sondern auch profaner
Gefässe, indem man bald zu einer alten Schale einen neuen Stünder anfertigen liess, bald —
und besonders in späterer Zeit — ältere Ständer benützte, um neue Cuppen auf dieselben zu
setzen'. Ging es doch bei »1er Vcränderuugssucht der Menschen auch selbst mit Rüstungen
nicht nuders, die der Erbe nur zu oft nach Massgabe seines eigenen Körpers und des eben
herrschenden Geschmackes umschmieden liess, wesshalb sich auch verhältnismässig so wenig
Plattenharnische aus dem fünfzehnten Jahrhundert vorfinden. Indessen bleibt die Untersuchung
solcher, aus Producten verschiedener Zeiten zusammengesetzter antiquarischer Gegenstände für
den Forscher immer von grossem kritischen Interesse , obgleich ein Denkmal dieser Art nie
jenen vollkommen künstlerischen Eindruck hervorbringen kann, der durch Kunstwerke her-
vorgerufen wird, welche ihr Dnsein einer einzigen Idee verdanken und als ein durchaus gleich
gegliedertes, organisches Ganzes dastehen.
1 So besitzt i. I». iIit SrbaU ilci» ilcutiM'luji OnkiiM r.n W 'umi ».»vi KokoiMiimb.'cbor an* <I.-r jiwviteii Hälfte ilrs XVI.
.I;ihrlinii<ltrt», »ebbe :iul' frotliii'cbe StamU-r »In. XV. .Iiihrliunil. il» g<'»t. Ilt «iml. Kbm so i«t der Schaft de» bekannten Kri-uxe*
\.m Molk Ii iiide.-trti* drei Jahrhunderte jüiöter; ein l all. der auch bi'i dein IMieiil'urter Kreuxc vorkommt. f.S. Nr. T"> mul
so de* Katalog. .. der Au^ti-llung des Wiener AltcrtbnuiH- Vereine» 1*Ü0.;
... , IV. j-. rvt.k J.- k l H J !'«>!. ... U.<ii
Digitized by Google
4!i
Beiträge zur Geschichte des Kirchenbaues in Schlesien.
Von K. Drescher.
I. Allgemeine Bemerkungen.
Jedes der gegenwärtigen deutschen Lilnder erlebte seine besondere, nach der geographischen
Lnge einestheils , nach den speciellen Stammeseigenthümlichkeiten anderenteils modificirte
Entwickelungsgeschichtc: jedes gelangte auf einem anderen Wege zu seinen gegen wartigen
Sitten und provinziellen Eigentümlichkeiten, so wie zu seiner gegenwärtigen Culturstuie, und zwar
um so selbststündiger, um so individueller, je grösser die Abgeschlossenheit war, in welcher es
sich in der Vergangenheit befunden hatte. Wie sich dies bei näherer Untersuchung in
allen Beziehungen kund gibt, so geschieht dies auch bei den künstlerischen Erzeugnissen, viel-
leicht aber ganz besonders in der Architcctur. Es bewahrheitet sich von Jahr zu Jahr immer
mehr, das«, trotz aller Gemeinsamkeit in den Charakteren und noch mehr in den Details der
Bauformen, doch einst fast eben so zahlreiche und wesentliche Modificationcn der Bauweisen
innerhalb der Gesetze eines jeden einzelnen Baustyles existirten, als gesonderte Landschaften
vorhanden waren.
Es war daher von vornherein zu erwarten, dass, so gut wie die übrigen deutschen
Lauder, auch das Schlesierland seine besondere Architecturgattung würde aufzuweisen haben,
und nur der dürftigen Kcnntniss der schlesischen Architccturverhältnisse war es zuzuschreiben,
wenn die mittelalterliche Baukunst dieses Landes bis vor Kurzem theils ohne Weiteres der
norddeutschen Ziegolarchitectur untergeordnet', theils, was jedenfalls das Bessere war, gar
nicht berücksichtigt wurde. Überdies wurde lange Zeit unter mittelalterlicher Architcctur in
Schlesien nur die des gothischen Stylcs verstanden. Von Bauwerken des romanischen Styles
innerhalb Schlesien drangen bis zur Gegenwart nur dürftige Nachrichten in die Öffentlichkeit,
deren Gegenstände ausschliesslich der Hauptstadt des Landes und deren nächster Umgebung
entnommen waren '.
• Olte. Archiv p. 149—163. — 1 Biisching, Wöchentliche Nachrichten für Freunde. Bd. I, 1817. Breslau, p. 139. Fischer,
Die IVachtthÜr der Maria MiigdMena-Kirehc. Breslau 1H17. Görlich, Die Priitnonstratcnser und ihre Abtei xuni heiligen Vinceuz.
Breslau 1841, 1, pag. 146. Luchs, Über einige mittelalterlich«! Kuustdenkuialcr Breslau'«. 1«55, pag. 36. Luchs, Romanische, und
gothiacho Stylproben aus Breslau und TrebuiU. Breslau 1859.
IX. 7
Digitized by Google
4(5
K. Dl!ES( 11EK.
Was ausserdem von romanischen Bauwerken in Schlesien auftritt, wurde in der Form
beiläufiger Erwähnungen abgefunden '. Der folgende Aufsatz soll so viel als möglich dazu bei-
tragen, das Dunkel über die schlesisehe Baukunst des Mittelalters, besonder« zur Zeit des
romanischen Baustyls, ein wenig aufzuhellen.
Obwohl es historisch feststeht, dass schon in der zweiten Hälfte des X. Jahrhunderts
«las jetzige Schlesien bis zur Oder hin zu dem Sprengel des neuen Bisthums von Prag 1 geschlagen
und dadurch dem Christenthum zugänglich gemacht wurde, wäre es doch gewagt, schon von
dieser Zeit an die Erbauung zahlreicher Kirchen in diesem Lande anzunehmen. "Wenn auch
im Jahre 1000 das Bisthum Breslau gegründet wurde, scheint es dennoch äusserst wenig
Christen unter der Bevölkerung des Landes gegeben zu haben; denn wie hätte sonst die
spätere Reaetion gegen das Christenthum, welche den Zeitraum von 103-1 bis 1052 ausfüllte,
so durchgreifend auftreten können, wie das doch thatsächlich der Fall war? Dafür fasste das
Christenthum in der darauffolgenden Geschichtsepoche auch um so festere Wurzeln , so dass
»>s bald allen slavisehen Xachbarlanden, mit Ausnahme Böhmens, durch seinen Eifer für den
neuen Glauben voranleuchtete. Zwar mag immerhin wahr sein, was Worbs* berichtet, dass
noch im Jahre 1121 in der Gegend von Sagau Heiden existirten. Doch will dies vereinzelte
Factum nicht viel sagen. Denn zu derselben Zeit (im Jahre 1174), als die heidnischen Wen-
den aus Pommern und den östlichen Theilen der späteren Mark Brandenburg zum letzten
Mab? durch einen gewaltsamen Uberfall alles Land östlich von der Elbe und nördlich von
Schlesien auf einige Zeit zurückeroberten, verpflanzten sie auch die christliche Cultur dahin.
Zu derselben Zeit wurde in der Hauptstadt Schlesiens an einer steinernen Kathedrale gebaut 3 :
ausserdem aber prangten schon zwei bethürmte Klosterkirchen in der Form mächtiger Basiliken.
Das Mittelschiff der einen ruhte mit seinen übennaueni auf kolossalen Säulen von Granit, mit
mächtigen Capitiilen meist in Würfelgestalt von demselben Gestein 1 , die Portale prangten im
reichsten Bilderschmuck, daneben aber standen die stattlichen Abteien mit Mauern von den-
selben hellfarbigen Quadersteinen, wie die Kirchen selbst*. Zu einer dritten, nicht minder
reieli ausgestatteten Abtei wurde im Jahre 1175 von Herzog Bolcslaus I. von Schlesien der
Grundstein gelegt , nämlich zu der Cistercicnserabtei von Leubus , und zugleich die ersten
deutschen Mönche und mit ihnen die ersten deutschen Colonisten ins Land gerufen. Doch
vergeblich sucht, der Archäologe jetzt nach einem einzigen der so eben angeführten kirchlichen
Bauwerke; sie fielen der Zeit zum Opfer und Hessen nur Spuren zurück. Nur aus mangel-
hatten Gemälden und Besclueibungen , und aus den wenigen auf uns gekommenen Besten
können wir auf ihre ehemalige Pracht schliessen. Was sonst noch um diese Zeit ausserhalb
der Hauptstadt in Schlesien von steinernen Kirchengebäuden errichtet wurde, war einestheils
sicherlich nicht von erheblicher Bedeutung und verfiel anderentheils ebenfalls bis auf gering-
lügige Reste dem Untergange. Schlesien wäre in Folge dieses Missgeschickes in der Lage,
gar keine Bauwerke aus der romanischen Stylperiode aufweisen zu können, wenn diese mit dem
XII. Jahrhundert abgeschlossen hätte. Da dies aber glücklicherweise nicht der Fall war,
blieben uns doch einige wesentliche Denkmale aus jener Zeit.
1 Weingiirtner, Charakteristik der schleaiscbeu, besonders Broalaner Architectnrcn ; in der Zeitschrift des Vereine» für Ge-
schichte und Altcrthunicr Schlesien», 18110, pug. 27. Luchs, Über rumänischen Styl etc. in den schlesischcn Provinzialbliittern. ISC.2
pug. SO?. Stemel, Schleslfche Geschichte, pug. 34ti. — * Archiv für die Geschichte Schlesiens und der Lausitz, p»g. 103. — 3 De
institiitmne cecle». Wratisl. in der Chronica I'rincipnm Poloniiw, in Stünzel'* Scnptores rerum silcsiacjtrutn 1, pag. 150. — 4 Siehe
Luchs: über einige mittelalterliche Kuiistdcnkffiäler, IS.Vi. p.36. Dnss die Süulencapitüle der Klosterkirche von St. Ylnccnz zu Bres-
lau sänimtlioh von Granit waren, davon hübe ich selbst mich erst vor Kurzem durch eine genaue Untersuchung der vorhandenen lteste
überzeugt. Ich scbliesse daran*, dass die dazu gehörigen Säulenschäfte von demselben Material gewesen sein werden. — »Zu ersehen
ans der vorhandenen farbigen Originalabbildung des ehemaligen Vinceuzkloste» nebst dessen Umgebung, jetzt im Museum der
»chlesifchen Alterthüiuer zu Breslau.
Digitized by Google
Beiträge zvr Geschichte des Kibchenb.ues ix Schlesien.
47
In einem Lande, dessen Kathedrale im Jahre 1052 sicheren Nachrichten zu Folge noch
von Holz erbaut wurde', dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir erst ein Jahrhundert
später die ersten steinernen Kirchengebäude mit Grund nachweisen können *. Obwohl nun
zwar in der Folgezeit mehrere grössere, zum Theil sogar reich ausgestattete steinerne Kirchen
kurz hinter einander aufgeführt wurden, so darf man doch annehmen, dass die bei weitem
grösste Zahl der Kirchen in Schlesien sowohl in Städten als in Dürfern von Holz errichtet
war. Wir glauben, dass vor dem Jahre 1200 in ganz Schlesien, ausserhalb der Hauptstadt,
keine anderen steinernen Kirchen existirt haben, als vielleicht die Klosterkirche zu Leubus
nebst der auf dem Gipfel des Zobtenberges von Peter Wlast erbauten Kirche und den
Kirchen in den jetzigen Ortschaften Zobten und Gorkau. Mit dem Regierungsantritt Herzog
Heinrichs I. jedoch, und zugleich mit dem Beginne des XIII. Jahrhunderte begann ein völliger
Umschwung in diesen Verhältnissen. Nicht allein dem um diese Zeit stattfindenden langen
Frieden ist dieser Umschwung zuzuschreiben, sondern auch der Thütigkeit der deutschen
Colonisten, welche auf die Einladung des Herzogs nach Schlesien strömten und ihre Cultur
mitbrachten.
Schon im Jahre 1203 erhob sich im Walde von Trebnitz 8 , vielleicht an der Stätte eines
uralten heidnischen Heiligthums 4 , ein so stattlicher Kirchen- und Klosterbau, dass ein Jalir-
hundert spiiter die Nachwelt noch mit Bewunderung von demselben berichtete 5 , niimlich das
Kloster und die Kirche des heiligen Bartholomaus. Diesem Beispiele folgte zunächst die Stadt
Goldberg mit einem höchst stattlichen Kirchenbau, der Sage nach aus den damaligen reichen
Einkünften des Goldbergbaues erbaut. Zu gleicher Zeit entstanden auch, einiger ansehnlicher
Klosteranlagen nicht zu gedenken, zahlreiche Dorfkirchen aus gefügten Quadersteinen mit
zum Theile reich geschmückten Apsiden. Alle diese Kirchenhauten gehören dem romanischen
Style in seinein spätesten Eutwickelungsstadium an.
Von diesen spätromanischen Kirchenbauten Schlesiens, welche noch in der Gegenwart
existiren, besitzen wir bis jetzt leider nur zwei, über deren Erbauungszeit wir urkundliche
Belege beizubringen im Stande sind; aber diese beiden sind glücklicherweise von solcher
Beschaffenheit, dass sie uns genügende Folgerungen über das Verhältniss der spätromanischen
Bauten in Schlesien zu denen im übrigen Deutschland gestatten. Zunächst erfahren wir, dass
die Kathedrale zu Breslau, die früher von Holz gebaut war, von Bischof Walther (reg. von
1149 bis 1169), also um die Mitte des XII. Jahrhunderte in Stein aufgcfülirt worden sei 0 . Wir
erhalten ferner die Nachricht, dass Herzog Boleslaus H. von Schlesien im Jahre 1244 dem
Bischof Thomas I. wesentliche Freiheiten und Hechte zur Förderung des Dombaues einräumte
und ilim bedeutende Unterstützungen zukommen licss 7 ; wir erfahren endlich, dass Bischof
Thomas I. bis zum Jahre 12G7, in welchem er starb, den Chor des Domes bis zur Höhe des
Daches hinauf fertig brachte 8 . Bisher hat man diese Nachrichten so aufgefasst, dass Bisehof
1 Dp institutione eecles. Wrat. in der Chronica Principuin Poluniae, In Stenz cl'», Script, r. S. I, p. 1 59. — s Ob der steinerne
Bau drr l.icbfrauenkirche iSandkirchr-, zu Breslau, von der beut noch da« Tyinpanon eine« ihrer Portale übrig ist, schon um Hos
von dein Stifter, dem trafen Petrus Yl<>stidc« oder erst mich der Übersiedlung der Mouche vom Zobtenberge nach Breslau um ll.V)
errichtet wurde, ist nicht luit Sicherheit zu ersehen ; eben so wen!« auch, ob die anderen, derselben Stiftung Angehörigen Kirchen auf
dem Gipfel de» Zobtenberges und zu Gorkau schon ursprüglich von Stein erbaut wurden. Jedoch unterliegt es keinem Zweifel, dass
dies bei der grossartigen Kirche de« St. Vincenz-Klosters zu Breslau der Fall war, deren Bau im Jahre 1 139 begann und schon im
Jahre 1 149 so weit gediehen war, das» die Einweihung erfolgen konnte. Siehe Luch s. Milthcilungen Uber die Kunstdcnkinälcr zu Breslau,
pag. 37. und GCrlinh, pag. 14«. — 3 Trclmitz existirte aU Ort schon zu den Zeiten des Herzogs Wladislans II. von Polen. Klose,
Docuinent, Geschichte von Breslau I, pag. liO. — * J. K. Wocel, Grundzüge der böhmischen Altcrthumskundc , pag. .'»,1. — yjt a
S. Iledwigi», in Stünzel'» Script, r. S. II, pag. 29. - «Chronica Principum Poloniae in .Stcnzcl'B Script, r. S. I, pag. ] ."»;>. —
: Stenz. I. Urkunden zur Geschichte des BiMhuws Breslau. Breslau 184Ö, pag. 6. — » Caulogus Episcoporuw Wrat. in Stünzel'»
Script, r. S. II. p. 114.
7»
Digitized by Google
48
K. Drescher.
Wnlther zwar einen steinernen Dombau in romanischem Stvl errichtete, dass aber Bischof Tho-
mas 100 Jahre später einen ganz neuen Dombau anfing; denn die ältesten Theile des jetzt
noch stehenden Kathedralgebiludes wurden bisher von Allen als dem frühg'othiachen Styl
gehörig aufgeführt und ausschliesslich dem Bischof Thomas I. zugeschrieben*.
Uns aber scheint die Annahme viel glaubwürdiger, dass jene ältesten Theile eben
sowohl von dem Hau des Rischof Walther, als von dem des Bischof Thomas I. herrühren.
Betrachten wir dieselben in ihren charakteristischen Eigentümlichkeiten, so finden wir in
denselben einen Bau, dessen Constrnction zwar auf die Frühgothik hinweist, dessen Detail.«
aber noch typisch das Gepräge des romanischen Styls an sich tragen, wenn auch in der
spatesten Kntwickelung desselben. An den östlichen Anssenseiten der beiden unvollendet
gebliebenen Ostthürme bemerken wir Ecklisenen von typisch romanischer Form. Strebepfeiler
finden sich an keiner Stelle dieses Bautheiles, an den Wänden des Mittelschiffes über höchst
einfache Strebebögen, die so niedrig angebracht sind, dass sie nur wenig über die Dächer der
Seitenschiffe hervortreten. In den schmalen, kleinen und stark nach innen verengten Fenstern
des Obertheils treffen wir Masswerke von typisch frähgothischer Form. (Fig. 1.)
Alle übrigen Details besitzen jedoch Formen, die durchgehends dem romanischen Style
in dem spätesten Stadium seiner Entwicklung angehören. Die (Japitäle z. B. gehören zu der
Gattung der Knospencapitäle (Fig. 2), oder zu solchen, die mit volutenartig zusammengerollten,
od« in anderer Weise gruppirten Blättern geschmückt sind.
t brigens ist der Spitzbogen im Innern wie am Äussern , an Arcadcn , Wölbungen und
lYiistcröffnungen schon gleichmäßig angeordnet. Zum besseren Verständnis» des Ganzen
lassen wir hier noch einige ckaraktc ristische Details folgen. Fig. 3 gibt den Querdurchschnitt
einer Fensterwandung aus dem Obertheil des Chores; Fig. 4 zeigt zwei Grundrisse der alter-
' Lncb», Stylprobon, pag. (i und 20. Wein gärt nur, Chunikttristik, eic. psig. 3-
7*GoogIe
Beitrag« zur Gkachtciitb des Kibchksbaues ik Schlesien.
411
nircnden Pfeiler, und Fig. 5 den Grundriss eines Pfeilers in der nordöstlichen Ecke de«
Mittelschiffe».
Aber wie kommt es, dasB von dem Bau des Bischof Walther gar nichts übrig blieb, der
doch gewiss nach einem bestimmten Plan arbeiten liess, so das» man nicht annehmen kann,
dass der Dom schon im Jahre 1244 als unbrauchbar betrachtet und umgebaut werden musste.
Nun erhalten wir aber Uber den Bischof Walther noch die Nachricht : er habe in der Breslauer
Kathedrale nicht nur den kirchlichen Ritus nach französischem Muster umgestaltet, sondern
auch die französische Kirchenmusik und kirchliche Kleidung eingefülirt und die Lilien des
französischen Wappens in das Wappen des Bisthums Breslau aufgenommen woraus schon von
dem Verfasser der „Vita; Episcopomm Wratislaviensium", also im XV. Jahrhundert, geschlossen
wird, dass er sich längere Zeit in Frankreich aufgehalten habe'. In Frankreich aber wurden
bekanntlich schon in der ersten Hälfte des XII. Jahrhunderts bei zahlreichen Kirchenbauten
des romanischen Styles Strebepfeiler an den Wänden der Seitenschiffe und des Querschiffes,
so wie Strebebögen von gleich primitiver Form, wie wir sie an dem Chor der Breslauer
Kathedrale sehen, zum Widerlager gegen den Druck der Gewölbe des Mittelschiffes verwendet '.
Mochte nun Walther eine oder die andere derartige Kirche in Frankreich gesehen haben oder
nicht, so wird es doch, du er die inneren kirchlichen Einrichtungen nach französischem Vor-
bilde vornahm, mindestens sehr wahrscheinlich, dass er auch den Neubau der Breslauer Ka-
thedrale nach französischem Vorbilde habe ausführen lassen, was auch bis vor wenigen Jalux-n
von Jedermann angenommen und geglaubt wurde 4 . Dass der Bau dann sehr langsam vorge-
schritten, von Walthers nächsten Nachfolgern vielleicht wenig gefördert und der Chorbau erst
nach 100 Jahren durch Bischof Thomas vollendet worden, wird und kann wohl Niemanden
auffällig erscheinen, zumal wenn er sieht, wie noch viel längere Zeit an anderen grösseren
deutschen Kathedralen gebaut worden ist. Wie die Anwendung von Strebepfeilern und Strebe-
bögen Uberhaupt noch keineswegs bedingt, dass ein Kirch engebäude, welches deren hat, dem
gotlüschen Styl zugerechnet werden muss, sondern nur die bestimmte Art, in welcher diese
Anwendung erfolgt, so kann auch der Chor der Breslauer Kathedrale nach unserer Ansicht
noch gar nicht den frühgothischen Bauten beigezählt werden, sondern ist ein entschieden
romanischer Bau, der sich nur in dem Fenstermasswerk und den Saulencapitälen des Ober-
theils, die ja beide dem Bau des Bischof Thomas I. (von 1244 bis 1267) angehören müssen,
der Formenbildung zur Zeit der Frllhgothik nähert. Eine Auflösung der Mauermassen, so da-ss
nur die stützenden Theile übrig bleiben, ist hier nicht im Entferntesten wahrzunehmen; wohl
aber an zahlreichen Kirchen des gothischen Baustyls in Schlesien , z. B. den Kirchen zu unserer
lieben Frau und zum heiligen Kreuz zu Breslau, der Kirche St. Petri und Pauli zu Stric-
gau u. u. m. Auch findet die vierthürmige Anlage, so wie der durchaus einem Plan folgende
Grundriss mit dem geradlinigen Chorschluss durchaus keine Analogie unter den zahlreichen
grösseren kirchlichen Gebäuden des gothischen Styles in Schlesien 4 .
Der zweite spätromanische Kirchenbau Schlesiens, über dessen Erbauungszeit wir durch
historische Documente genau unterrichtet sind, ist die ehemalige Klosterkirche des h. Bartho-
lomäus zu Trebnitz bei Breslau. Die Beschaffenheit dieses Baues ist vollkommen geeignet,
1 Catalogus Episcopomm Lubenslum, in Wattonbach'*: Monument* Lubcnsla. Breslau 1801 , pag. II. — * Dtugoss, Vit*
Kpincopor: Wrst pag. KCl. — * Kupier, Kunstgeschichte I, pag. 44V, 4M) und 531; eben so ( aumon t, Abecedaire d'Archeoiogie, I,
pag. 1*4. — 4 H. Klos e, Document. Geschichte von Breslau I, pag. 315. — 1 Mit Ausnahme der einzigen Magdalcnen-Kirche zn
Breslau, deren Chorbau, aus der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts, in seinem geradlinigen .Schluss eine Reminiacrnt des romani-
schen Styles wiederzugeben seheint, und welche überhaupt in ihrer ganzen Anlage auffüllende Ähnlichkeit mit der des Domes besitzt.
Auch die Klosterkirche tu Leubus ist nach Luchs (Stylproben pag. IC) platt geschlossen.
Digitized by Google
K. Drescher.
uns 7.11 der Vermuthung zu bringen, dass man sich, wenigstens für die Construction der Ge-
wölbcstützcn, die noch im Bau begriffene Breslauer Kathedrale zum Muster genommen habe.
Nur finden wir hier theilweise andere und einfachere Details des spjltromanischen Styls und
zugleich eine andere, der Bestimmung der Kirche entsprechende Grundrissform mit einem
Querschiff, einem besonderen Chorraum von quadratischem Grundriss und drei halbkreisför-
migen Apsiden am Ost ende 1 . Der Bau dieser Kirche begann im Jahre. 1203* und die Ein-
weihuii'r fand schon im Jahre 1219 statt. Die ausnehmend grosse Geldsumme, welche als
Betrag der Haukosten bis zum Jahre 1219 angegeben wird, macht es, in Verbindung mit den
über den Bau erhaltenen schriftlichen Nachrichten .und dem im Ganzen einheitlichen Charakter
aller Theile des Baues, höchst wahrscheinlich, dass er bis zu diesem Jahr vollkommen voll-
endet war. An diesem Bau finden wir kleine rundbogige Fenster, an den Arcaden, Gewölben
und Portalen jedoch den Spitzbogen consequent durchgeführt, ausserdem aber ebenfalls durch-
gehend:; Strebepfeiler an den Seitenschiffen, am Chorraum und Querschiff, so wie Strebebögen
von gleich primitiver Form und Anwendung, an den Aussenmaucrn des Mittelschiffes, ahnlich
jenen am Chor der Breslauer Kathedrale.
Dagegen zeigt die Domkirchc zu G log au, deren Bau nach beglaubigten Docnmenten
im Jahre 1242 begonnen und schon 1262 beendet wurde, recht, deutlich die Periode an, in
welcher der gothisehe Haustyl in Schlesien zur vollen Herrschaft gelangte. Dieselbe ist eine
Nachahmung der Pfarrkirche zu Goldberg, nitmlich eine dreischifrige Hallenkirche mit ein-
schiffiger Quervorlagc und einschiffig vorgestrecktem Chor. Nur fehlen hier die beiden Thlirme
an der Wcstfatjade. Wahrend aber die kleinen, schmalen, auf zwei Stockwerke vertheilten Spitz-
bogenfenster des Querschiffes, welche mit ihrem frühgothischen Masswerk den Fensteröffnungen
am Obcrtheilc des Chores vom Breslauer Dome ausnehmend ähnlich geformt sind, wahrend ferner
der Rundbogenfries unter dem Hauptgesims an der Nord- und Südwand des Querschiffes, so wie
das ursprüngliche (es wurden nachträglich Strebebögen angebracht) Fehlen von Strebepfei-
lern an eben demselben Bautheile, dann der, der attischen Basis nachgebildete Sockel sammt
dem Dachsiins, welche beide um das ganze Geb Hude herumlaufen, sich deutlich als romani-
sche Kemiuisccnzeu herausstellen, liefern uns im Gegensatz dazu der regelmässige Kranz von
schlank gebildeten und jedenfalls ursprünglichen Strebepfeilern, welcher um alle übrigen
Theile des GebHudcs herumlilufr, so wie die ebenfalls ursprünglichen, weiten und ausnehmend
hohen Fensteröffnungen zwischen diesen Strebepfeilern, und endlich der kreisförmige Umriss
der Pfeiler im Inneren den deutlichsten Beweis, dass man trotz jener Rcminiscenzen wHhrend
des Baues, also in der Zeit von 1242 bis 1202, schon mit der Bauweise des romanischen
Style« gebrochen hatte.
So gehört auch die M i n orit enkirche d e s h. Jac o bu s zu Br e s 1 au (jetzt Vincenzkirche),
deren Hau nach documentirten Nachrichten aus der Zeit unmittelbar nach 1241 datirt', selbst in
ihren iiitesten Theilen vollkommen dem Constructionssystem des gothischen Style« an; desgleichen
auch die Iledwigscapelle an der Trebnitz er Klosterkirche, zu welcher Bischof Wladislaus von Salz-
burg, laut Urkunde vom 28. April 1268, den Grundstein legte und deren Bau rasch gefördert
worden sein muss, da schon am 17. August desselben Jahres die Überreste der heiligen Hedwig
feierlich in den neuen Bau Ubertragen wurden 4 , und endlich auch der Chor der, von Herzog Hein-
rich IV. von Breslau im Jahre 1288 gestifteten schönen Kirche zum heiligen Kreuz zu Breslau.
i Siehe den (Jrundriss in Luch*: Stylproben pag. 1 1 , Tab. I. — * „Fandatnui est autem teroplimi et claustrom ad bonorciu
omnipotentia Dci et gloriose Virginia .Mari« atque beati Itartboloinei Ap«»»toli, »um» DoidIüI 1203, rtedicatuin vor» anno Domini 1219. u
Vita S. Ilidwlgts iu Stpniel'a, Script, r. S. II, pag. 2<>. - ■> Stemel, ScblesUcbe Geschichte , pag. 34G und 3J«.>. — 1 Original-
urkunde im l'rovlniiahirchiv iu Breslau.
Digitized by Google
BciTUÄOB ZI K GmCUICHTE DES KlKCHESBAVES IN SCHLESIEN - .
Weit entfernt, behaupten zu wollen, dass alle jene romanischen Kirchengebihide Schlesiens,
über deren Erbauungszeit wir keine historischen Nachweise beibringen können, die aber auch
keine Strebebögen und Strebepfeiler an ihren Wilnden aufzuweisen haben, nothwendig einer
älteren Periode als die Kathedrale zu Breslau und die Klosterkirche zu Trebnitz angehören dürften,
sind wir im Gegenthcilc der Meinung, dass sie gleichzeitig mit diesen oder nicht erheblich später
entstanden seien.
Die Zahl der Dorf- und Stadtkirchen scheint in ganz Schlesien im Anfange des XIII. Jahr-
hunderts noch ausnehmend gering gewesen zu sein. Wenn auch erwiesen wäre, was die schlesi-
schen Geschichtsschreiber vom XIV. Jahrhundert an behaupten, dass Graf Petrus Mostides (Peter,
der Sohn des Wladimir Mosbach) schon lange vor dieser Zeit in Polen nicht nur sieben Klöster,
sondern sogar 77 Kirchen gestiftet und erbaut habe, so würden davon fürs Erste nicht allzuviel auf
jenen Theil des damaligen Polenlandes gekommen sein, welchen wir jetzt Schlesien nennen; aus-
serdem wilren ohne Zweifel auch bei weitem die meisten davon als nur von Holz erbaut gewesen
anzunehmen. Was die Auswahl des Platzes bei der Anlage neuer Kirchen betrifft, so liefert uns
die Lage mancher hervorragender sehr alter Kirchen den Beweis, dass hierbei völlig andere
Principien geltend waren, als in der Folgezeit. Wenn es uns scheint, als sei vom Beginn des
XIII. Jahrhunderts ab, bei Anlage einer neuen Kirche die Grösse und Ansehnlichkeit eines Ortes
massgebend gewesen, so Huden wir durch Vergleiche, dass dieser Umstand in früherer Zeit nicht
das leitende Princip war. Zwar möchte es so scheinen, wenn wir die Kirche des heiligen Petrus
zu Striegau (geweiht durch Bischof Walter im XII. Jahrhundert), die Liebfrauenkirchc zu Schlaup
(schon 1202 vorhanden) und die Kirche zu Zobten betrachten, welcher Ort schon anno II IS ein
Markt genannt wird. Allein den Gegensatz dazu liefern: die Kirche auf dem Gipfel des Zobteu-
berges, jene auf den befestigten Höhen von Hohen-Poseritz und Hochkirch (bei Glogau), die
Kirchen auf den steilen Berghöhen ober Wertha und Löche, bei denen gewiss nicht auf die Seelen-
zahl der nächsten Anwohner gerechnet wurde. Wesentlich anders war das schon wtthrend der
Regierungszeit Herzog Heinrichs I. Zwar gab es auch immer noch relativ wenig Kirchen ; doch
lagen diese wenigen, mit alleiniger Ausnahme derjenigen, die schon aus früherer Zeit her existirten,
sämmtlich in mehr oder weniger ansehnlichen Ortschaften. So existirten um das Jahr 1230 in der
Gegend von Schweidnitz und Striegau folgende Kirchen: die schon erwähnte Kirche St. Petri
(jetzt Petri und Pauli) zu Striegau (Ztregom), die Kirche zu Puschkau (Pascuchow), die Kirche zu
Rauske (Rusike), die Kirche zu Gabersdorf (Udanin vel Gebhardi villa); ferner bei Puschkau die
schon erwähnte Kirche zu Hohen-Poseritz (Poharishe), dann die Kirchen zu Gorkau (Gorka), in
dem Marktflecken Zobten (Sobotha) und auf dem Gipfel des Zobtenberges (mons Zlenz), die
Kirche zu Goglau (Gogulevo), ferner die 1214 gestiftete Liebfrauenkirchc des Franeiscaner-
klosters zu Schweidnitz (Suidonicz), die Kirchen zu Obcr-Weistritz (Bistrice) und zu Polsnitz bei
Freiburg (Polsnicz) und endlich die Kirche zu Salzbrunn (Salzborn). Eine grossere Anzahl dürfte
sich in diesen Districtcn aus der oben angegebenen Zeit kaum nachweisen lassen. Auch ist von
allen diesen angeführten Kirchen, mit alleiniger Ausnahme der Kirche zu Puschkau, keine mehr
im ursprünglichen Zustande vorhanden, da sie theils umgebaut, theils ganzlich entstellt wurden.
Auch von diesen dürften einige ursprünglich nur von Holz gebaut gewesen sein.
Ein anderes Verhältniss treffen wir iu den fruchtbaren Thälcni des niedersehlesischen
Gebirgslandes , da sich hier in derselben Epoche weit mehr Kirchen vorfanden, und zwar ver-
muthlich in Folge einer früheren Einwanderung der Deutschen. Wohl mögen auch einige der-
selben, wie z. B. die Marienkirche auf dem Berge Lahn (Ulean), sla vischen Ursprungs sein; allein
die andern aus dem Anfang des XUI. Jaltrhunderts wurden sicher von deutschen Händen erbaut.
Hier finden wir aber um das Jahr 1230 Kirchen an folgenden Orten: zu Naumburg am Queis
K. Drmciier.
(Niiwenburch) die Kirche des 1217 ncugegrUndctcn Kloster» der Magdalenerinncn, die Kirche
zu Giesmannsdorf (Gozwini villa), die Pfarrkirche zu Löwenberg (Leubergh), die Bergkirehe zu
Lüchn (Wlan), die Kirche zu Deutmannsdorf (TuzemanBdorfT) , die Kirchen zu Probsthain (Pro-
bostougay vel Probisthayn, 1206), zu Harpersdorf (Twardoczice vel Harprechtisdorff), zu Gold-
l>erg (Aureus inons), Neukirch (Nova ecelesia), Rövcrsdorf (Reinvridi villa), Rüchlitz (Rochetniez)
und Sehlaup (Slup).
Im Jahre 1228 stellte Herzog Heinrich I. der von ihm aufs Neue fundirten Kirche zu
Polsnitz (bei Freiburg) zu Liebe die Regel auf: es sollten von allen künftig neu anzulegenden
deutschen Dürfern in der Nachbarschaft von Polsnitz, im Umkreise von einer Meile, nur diejenigen
selbst eine Kirche bauen dürfen, welche 100 und mehr Huben Landes besitzen würden, die
übrigen aber mussten die Polsnitzer Kirche benützen'. Diesem Grundsatz zufolge nahm die Zahl
der Dorfkirchen rasch zu, da jedes Dorf mit hundert Huben seine eigene Kirche haben wollte. Und
kaum hundert Jahre spater erhielten vermöge des steigenden Woldstandes auch selbst kleinere
Dörfer ihre eigenen Kirchen. Zugleich wuchsen spater die Städte und es entstand auch in diesen
eine nicht geringe Anzahl neuer kirchlicher Stiftungen. So erklart sich die grosse Anzahl von
Dorf- und Stadtkirchen in Schlesien , welche in den verschiedensten Varietäten des gothischen
Baustvls errichtet wurden.
Zu Breslau scheint man im XII. Jahrhundert die Kirchen nur aus Sandstein oder Granit-
quadern errichtet zu haben, zugleich fing aber auch schon der Backsteinbau an sich geltend zu
machen, und zwar vor der Hand iu der Weise, dass das Mauerwerk von Ziegeln, die decorativen
Thcile aber von Sandstein ausgeführt wurden. Bald darauf wich aber der Saudstein gänzlich und man
benutzte die Ziegeln auch zu den ornamentalen Theilen. Wir sehen dieses besonders an der Pfarr-
kirche zu Glogau, die sich vor allen anderen Kirchen durch ihren Rohbau aus Ziegeln auszeichnet.
Die geographische Grenze des Rohbaues aus Backsteinen zieht Uber Bunzlau, Hainau,
Liegnitz, Kostenbluth, Kanth, Bohrau, Strehlen, Grottkau, Neissc und Neustadt, bis beiläufig nach
Jügerndorf. Südwestlich von dieser Linie herrscht fast ausnahmsweise der Steinbau , doch trifft
man auch Gebäude, die von Backsteinen erbaut und mit behauenen Steinen verkleidet sind, so z. B.
die hübsche Liebfrauenkirche (aus dem XIV. Jahrhundert) zu Breslau, einige spätgothische Capel-
len an der Kathedrale und vorzüglich das grossartige Rathhaus daselbst.
Was die Form der Kirchengebäude anlangt, so scheint im XII. Jahrhundert eine andere
Kintheilung des Raumes üblich gewesen zu sein als in der Folgezeit. Wenn nämlich den noch vor-
handenen Abbildungen Glauben zu schenken ist, so hat sowohl die Klosterkirche des heiligen
Vincenz, als die kleine Kirche des heiligen Michael zu Breslau einen Thurm vor der Westfacade,
wie wir sie auf dem Originalbildc in dem Museum für schlesische Alterthümer zu Breslau dar-
gestellt finden. Ferner sehen wir auf demselben Gemälde an der einschiffigen Michaelskirche die
halbkreisförmige Apsis am Ostende unvermittelt dem Kirchenschiff angefügt, eine Eigentümlich-
keit, die wir sonst an keiner andern unter den einschiffigen romanischen Kirchen in Schlesien,
wahrgenommen haben. Ziehen wir aber in Betracht, dass K. Wocel dieselben Eigentümlich-
keiten auch von den romanischen einschiffigen Kirchen Böhmens berichtet*, ferner dass die
meisten unter den noch vorhandenen Kirchen dieser Art in Schlesien von Deutschen erbaut
wurden, so scheint es beinahe, als würde durch diese Übereinstimmung die charakteristische
Gestalt der einschiffigen slavisch-romanischcn Kirchen in ältester Zeit festgestellt. Jedenfalls
findet sich, in Schlesien wenigstens, an späteren einschiffigen Kirchen der romanischen Styl-
periode diese Form nicht; vielmehr bildete sich nachfolgendes constantes Schema aus. An eine
' Urkunde vom >R. Augiist Siehe Sommerubcrg: Script, r. S. I, 929-930. - * Miuheilungen der k. k. Central-Com-
uiission 1SS7, p»ff. 155.
Digitized by Google
Beiträge zun GEsenicnTE des Kirchenraues in Schlesien.
83
thnriulose, meist durch ein mehr oder minder reich ausgestattetes Portal und ein oder mehrere
enge Kreisfenster in dem sonst schmucklosen Giebel gegliederte Westfucade seldoss sich
ein meist länglicher Schiffraum, der in der Kegel mit je drei kleinen, engen und schlicht einge-
fassten rundbogigen Fensteröffnungen in der Nord- und Südwand versehen und in der Regel nicht
überwölbt war. An diesen Raum stiess östlich, durch den Triumphbogen verbunden, der
Chorraum, meist von quadratischer Grundform, aber regelmässig um einige Fuss schmäler
und niedriger als das Schiff 1 , nur mit je einer rundbogigen Fensteröffnung in der Nord-
und Südwand, und fast stets mit einem einfachen Kreuzgewölbe überdeckt. Auf den Chor
folgte als östlicher Abschluss die meist halbkreisförmige, seltener polygonal gebildete Apsis, deren
Mauer von drei bis fünf, meist einfach gegliederten Fensteröffnungen durchbrochen zu sein pflegte.
Jedoch sind schon in dieser Periode einschiffige Kirchengebilude nicht selten, denen die Apsis ganz
fehlt und deren Chor platt abscldiesst. Auf dem Dache des Schiffes sass endlich stets in der
Mitte ein hölzerner, jetzt meist nicht mehr vorhandener Dachreiter.
Denken wir uns aber eine einschiffige Kirche mit wesentlich demselben Grundriss, wie wir
ihn eben beschrieben, nur das Rechteck des Chores nicht mehr wie bisher, wenigstens annähernd
quadratisch, sondern mehr nacli Osten verlängert und constant geradlinig geschlossen; denken wir
uns hiezu noch die Mauern von langgestreckten und spitzbogigen Fenstern durchbrochen, ferner
das etwas höhere und weitere östliche Chorfenster mit. zierlichem Masswerk geschmückt, dazu ein
spitzbogiges, aber in seinen Formen noch stark romanisirendes Portal an irgend einer, keineswegs
constanten Seite des Hauptschiffes, dann eine völlig nackte Westfacade und wieder einen Dach-
reiter über dem Kirchenschiff, so erhalten wir den äusseren Typus einer schlesischen Dorfkirche
aus frühgothischer Zeit. Fügen wir an Schiff und Chor noch mehrere plumpe Pfeiler hinzu, zum
Zeichen das« entweder der ganze Innenraum oder wenigstens der Chorraum mit hoch hinauf gezo-
genen Gewölben überdeckt ist; denken wir uns ausserdem in die meisten der, jetzt noch länger ge-
streckten spitzbogigen Fenster oder wenigstens in das grössere Fenster der Chorschlusswand
ein einfaches Masswerk von ausgebildeter Gothik und dazu ein oder zwei Spitzbogeuportale in
den Wänden des Schiffes mit einfach profilirten und nicht mehr stark in die Mauer vertieften
Wandungen, die Westfacade aber schon durch ein kleines spitzbogiges Fenster belebt oder viel-
leicht gar schon mit einem einfachen Blendengiebcl von Backsteinen, und immer noch einen
Dachreiter auf dem Dachfirst des Schiffes, so erhalten wir das schlichte Bild einer schlesischen
Dorfkirche aus dem XIV. Jahrhundert.
Stellen wir uns endlich diese Kirche vor mit etwas schlank construirten Strebepfeilern,
mit Fischblasenmasswerk in allen Fenstern , mit einem oder zwei Spitzbogenportalen , an
deren Wandungen uns Durchkreuzungen so wie in Spiralen verzierte Sockel der Ruudstäbe
in die Augen fallen, dazu aber einen schlanken, unten viereckigen, oben in die Forin
eines Achteckes übergehenden Thurm mit pyramidalem Steinhelm oder mit Schiefer oder
Schindeln gedecktem Spitzdach, entweder vor der Westfacade oder in dem einen Winkel zwischen
Schiff und Chor stehend, und obendrein fast regelmässig einen Westgiebel von Backstein mit
mclir oder minder reicher Belebung an Flächen und Rändern , durch Treppenabsätze und man-
cherlei farbige oder plastische Gliederung, im Innern nun endlich auch durchgehends Gewölbe
mit noch stark überhöhtem Scheitel, und zwar meist in mehr oder minder complicirten Netz-,
Stern- oder Fächerformen, so erlangen wir die Vorstellung, in welcher Gestalt eine einschif-
fige schlesische Dorf kirche im Verlauf des XV. bis zur Mitte des XVI. Jahrhunderts erbaut wurde.
Während der angegebene Typus für den Grundriss der einschiffigen Kirchen in Schlesien aus
der Zeit des romanischen Styls noch mehr oder weniger der, von den meisten gleichzeitigen
Kirchen derselben Art in ganz Deutschland sein dürfte (vielleicht nur in Böhmen ausgenommen,
IX. M
Digitized by Google
K. Drescher.
wo der abgesonderte quadratische Chorraum in der Regel zu fehlen scheint) , hat es dagegen den
Anschein, als wäre wenigstens das constante Fehlen eines gemauerten Thurmes für die schlesischen
einschiffigen Kirchen aus der romanischen Stylperiode speciell charakteristisch. Dagegen wird der
nüchterne platte Chorschluss als charakteristischer Unterschied der einschiffigen Kirchen des gothi-
sehen Styls von denen des romanischen Styls , in gleicherweise wie hier aus Schlesien, auch aus
den angrenzenden sächsischen und thüring'sehen Gegenden berichtet 1 . Als ein Zeichen derArmuth
darf man unseres Erachtens jenes Fehlen eines gemauerten Thurmes nicht ansehen; denn einer-
seits finden wir ja an den grösseren romanischen Kirchen in Schlesien nicht nur einen, sondern
sogar zwei Wcstthürme; andererseits sehet» wir auf den plastischen Schmuck im Innern und Äus-
sern zuweilen viele Sorgfalt verwendet, so dass es an den Mitteln zum Hau eines Thurmes nicht
gefehlt haben kann. Vielmehr scheint es, als sei für den Zweck derartiger kirchlicher Bauten ein
gemauerter Thurm entbehrlich gewesen und darum mit Absicht erspart worden, während man
statt dessen mehr Kosten auf die Ausschmückung der Apsis verwendete.
Ober die Kigcnthümlichkeitcn der mehrschiffigen romanischen Kirchen, deren in ganz
Schlesien überhaupt nur vier vorhanden sind, nltmlich die Breslauer Kathedrale in ihren ältesten
Tlieihn, die Klosterkirche zu Trebnitz und die beiden Stadtpfarrkirchen zu Goldberg und
Löwenberg, ist nur wenig zu sagen. Die letzteren drei haben die Kreuzfonn des Grundrisses
mit einander gemein, die Goldberger und Löwcnbcrgcr ausserdem noch die Anordnung von
zwei Thürtnen an der Westfront, von denen aber nur die an der Löwenberger Kirche zur
Vollendung gelangt sind. Auch in der Belebung der Wcstfacadc durch ein grosses Haupt-
purtal und ein grosses Kreisfenster über demselben ist eine Übereinstimmung der letzteren
Kirchen nicht zu verkennen; aber nur im Plan, nicht in der Ausführung, welche bei der
Goldberger Kirche in der Periode des vollkommen entwickelten gothischen Styls erfolgte. Sonst
unterscheiden sich alle vier Kirchen wesentlich von einander. Wührend die Trebnitzer Kloster-
kirche eine typische spiltromanische Pfeilcrbasiliea mit Kreuzvorlagc repräsentirt, bei der nur
der Chorraum mit den Apsiden, nicht aber die Seitenschiffe über das QuerschifT heraustreten,
zeigte die Goldberger Kirche ursprünglich die Gestalt einer romanischen Hallenkirche, mit einem,
ohne Seitenschiffe über das Querschiff hervortretenden Chorraum und einer polygonalen Apsis.
Von dem ursprünglichen Bau der Löwenberger Kirche ist sogar nur die Westfa^ade mit den
Thürmen erhalten, wührend das ganze übrige Kirchengebäude im XV. Jahrhundert einen voll-
stündigen Umbau in der Form einer spätgothischen Hallenkirche erlitt, welcher den ursprüng-
lichen Gruudplan nur noch mit Mühe herauserkennen lüsst. Wohl wegen seiner Bestimmung
als Kathedrale weicht dagegen der Dom zu Breslau im Grundriss noch bedeutender von den
eben genannten Kirchen ab. Eigenthümlich ist in diesem der platte Chorschluss mit dem ent-
sprechenden Chorunigange, eben so auch das gänzliche Fehlen eines Querschiffes. Sonst ent-
spricht er mit seinem erhöhten Mittelschiff und den vier Thürmen an den Ecken in der
Hauptsache dem Grundrisstypus der meisten Kathedralkirchen in der romanischen Styl-
epoche.
An Schönheit und Reichthun» des decorativen Schmuckes bleiben freilich die grösseren
romanischen Bauten Schlesiens hinter den gleichzeitigen in Thüringen, Franken und dem
übrigen Deutschland weit zurück; dagegen aber keineswegs die kleinen einschiffigen Kirchen-
gebiiude, welche zuweilen im Innern und Äussern so reich und mannigfaltig mit plastischer
Decoration versehen sind, wie wir das wohl in nur wenigen anderen deutschen Ländern an
derartigen Gebäuden antreffen.
' Put I rieh, Denkmäler der Baukunst. 11. 2, psg. 3 und die folgt ndeu Seiten
GiessmaiiiisdoiT.
Taf. III.
Fig. a.
|B WWW*-
V\g. b.
|M«I* drr k. Ii M»f- I MHMmkMl Hl »'»«•
Digitized by Google
Beiträge zur Geschichte de* Kircuenbaues in* Schlesien.
Über die einstige farbige Ausschmückung im Innern der romanischen Kirchen in Schlesien
endlich sind wir glücklicherweise in den Stand gesetzt, uns nicht allein auf Muthinassungen
beschränken zu müssen. Mehrere in einschiffigen KirchengebUuden aus der Zeit des spätroma-
nischen Styls erhaltenen Reste zeigen uns, dass man im Beginn des XIII. Jahrhunderts in
Schlesien nicht nur plastische Darstellungen mit einem farbigen Überzuge zu verschen pflegte,
Bondern dass es unter anderem auch üblich war die Wandhachen der Apsis mit Palmcttcn-
mustern zu bemalen, so wie an den Wandflächen des übrigen inneren Kirchenraumes, unter den
stets hoch angebrachten Fenstern figürliche Darstellungen friesartig anzubringen, deren
mehr monumentaler Charakter trotz der augenscheinlich sehr mangelhaften Technik, dennoch
sehr gut dem Ganzen dieser Bauwerke in ihrer ursprünglichen Gestalt entsprochen haben
mag. In der Vollendung dieser farbigen Ausschmückung, so wie in Bezug auf den Formcn-
8inn und Geschmack bei ihrer Anwendung, scheinen die schlesischen Leistungen allerdings
hinter den gleichzeitigen in den westlicheren deutschen Ländern weit zurückgeblieben
zu sein.
II. Einzelschildeningen.
Nach diesen allgemeinen Bemerkungen gehen wir nunmehr zu den Detailschilde-
rungen über und beginnen mit der Kirche zu Giessmannsdorf bei B unzlau. (Siehe
Tafel III a.)
Südwestlich, in nur zweistündiger Entfernung von Dünzlau, liegt unweit der alten Lan-
desgrenze zwischen der Obellausitz und Schlesien in einem fruchtbaren Seitenthale das grosse
Dorf Giessmannsdorf. Fast eine Meile lang zieht es sieh in der Richtung von Nordwest nach
Südost in dem fruchtbaren anmuthigen Thalc hin, stosst nordwestlich an das Nachbardorf
Herzogswalde und bildet mit diesem zusammen eine ununterbrochene Dorfgasse bis zu dem
kleinen Nachbarstädtchen Naumburg.
Dass dieses Thal schon in vorchristlicher Zeit eine Bevölkerung gehabt, geht aus dein
Vorhandensein einer heidnischen Grabstätte hervor, welche sich in einer Entfernung von nur
wenigen Minuten genau westlich von der alten Kirche zu Giessmannsdorf befindet und deren
Platz noch jetzt den Namen „der alte Kirchhof 14 führt. Dieselbe liegt auf einem Territorium,
das, ursprünglich zur kirchlichen Widemuth gehörig, erst vor wenigen Jahrzehenten dadurch
von derselben getrennt wurden ist, dass das Bauerngut, dessen Inhaber bisher diese Abtheihnig
der Widemuth säcker gegen einen jährlichen Zins bebaut hatte , in Folge der allgemeinen Auf-
hebung der Erbunterthünigkeit zu einem selbstständigen Eigenthum erklärt wurde, dessen Äcker
aber noch bis zum heutigen Tage die Äcker r dcs Widemuthbauers" genannt werden. Die Grabstätte
bedeckt einen Flächenraum von zwei Morgen Landes, ist am südlichen Abhang des Thaies
gelegen und seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts eine fortwährende Fundgrube von heid-
nischen Aschenkrügen mit den Resten verbrannter menschlicher Gebeine gewesen. Historisch
tritt Giessmannsdorf erst im Jahre 1233 hervor, wo wir es unter den Dörfern mit erwähnt
finden, über welche Herzog Heinrich I. von Schlesien dem Themo, einem seiner Getreuen,
ausnahmsweise die obere Gerichtsbarkeit verlieh , als er ihn beauftragte unter den Mauern
seiner „neuen Burg- 4 am Queis eine Stadt mit deutschen Colonisten, nach deutschen Rechten,
zu bevölkern.
8 *
Digitized by Google
•><» K. Drescher.
•
JJass das Dorf von den Deutschen neu gegründet wurde, seheint darum unwahrschein-
lich zu nein, weil wir in einer relativ frühen Zeitperiode eine herzogliche Burg zu Giessinanns-
dorf vorfinden, die, ihrer mehrmaligen historischen Erwähnung nach zu schlicsscu, nicht ganz
unhedeiitend gewesen sein kann. Die Nuwenhureh (ursprüngliche Schreihart im XIII. und XIV.
.Jahrhundert) am Queis, war schon vor »lern Jahre 1217 vorhanden; denn in diesem Jahre
legte Herzog Heinrich I. am Fuss derselben das Kloster der büssenden Magdalenerinnen an.
Auch die Lage der alten Kirche zu Giessmannsdorf, deren jedenfalls von der ersten
Erbauung herrührendes Portal mit augenscheinlicher Rücksicht auf die naheliegende Burg
angebracht worden ist, beweist ein weit längeres Vorhandensein derselben , als seit dem Jalire
1277. Die Kirche war nämlich deutlich unter dem Schutz der Burg, dicht neben dieselbe
gebaut, wie noch jetzt zu ersehen ist, und wahrscheinlich in den Kreis der Befestigung
derselben hineingezogen.
Ungefähr in der Mitte des lang ausgedehnten Dorfes Giessmannsdorf erhebt sich auf
einer kleinen Anhöhe, an der Seite des nordöstlichen Thalrandes, das jetzt im Besitz der frei-
herrlichen Familie von Schönberg- Bibran befindliche, ehrwürdige Schloss gleichen Namens.
Südlich grenzt unmittelbar an den Schlossgraben der schattige Friedhof. Ein festes Thorhaus
beschützte ihn an der Westseite, wo die Dorfstrasse an ihm vorUber führt, noch bis zum
Jahre 1MU.">, in welchem es dem gegenwärtigen einfachen Thorbogen Platz machte 1 .
Wir betreten durch den gegenwärtigen Haupteingang, unter der Turmhalle von Westen her,
zunächst das Inncrc des Gotteshauses, welches völlig regelrecht von Westen nach Osten orientirt
ist. Das Schiff der Kirche, welches uns zuerst aufnimmt, hat bei 30 Fuss rhciid. Breite, eine
Länge von 50 Fuss rhcinl. im Lichten und, gleich allen übrigen Theilen des Gebäudes, eine
Manerstärke von 4 Fuss. Es wird auf der Südseite durch 3 Fensteröffnungen von verschiedener
Grösse erhellt, von denen die beiden westlicheren flachbogig, das neben der Südostecke jedoch
im Spitzbogen geschlossen ist. Eben dasselbe ist auch von beträchtlicher Höhe und mit spät-
gothisehem Fischblasenmasswerk ausgeschmückt. Die Wandung des letzteren und zugleich auch
des westlich angrenzenden sind einfach nach innen und aussen abgeschrägt. Das nächst der
Südwestecke befindliche verdankt seine noch einfachere Form sogar erst der allemeuesten
Zeit. An der Nord wand befindet sich, genau in der Mitte, noch das ursprüngliche Hauptportal,
über demselben aber zwei wiederum flachbogig geschlossene Fenster von geringeren Dimensionen-
Die dritte an dieser Seite befindliehe Fensteröffnung ist dadurch, dass sie schon in früherer
Zeit in Folge eines Anbaues an der Aussenseite zugemauert wurde, noch allein unter den sechs
ursprünglichen Fensteröffnungen des Kirchenschiffes in ihrer ursprünglichen Gestalt erhalten
geblieben. Aus der Lage , Grösse und Gestalt vermochten wir mit Hinzuziehung der übri-
gen noch im alten Zustande befindlichen Fensteröffnungen des Gebäudes den Sclduss
zu ziehen , dass sowohl an der Nord- als an der Südwand des Kirchenschiffes sich ursprüng-
lich je drei kleine rundbogige Fenster befanden, welche in einer Höhe von 13'/, Fuss Uber dem
Pflaster begannen, und deren jedes eine grösste Höhe von 8 Fuss, bei einer grössten Weite von
3'/. Fuss innen und aussen besassen, wülircnd die innerste , eigentliche Lichtöffnung bei der
starken Verengung der Wandung nach der Mitte der Mauerdicke zu, kaum mehr als 5 Fuss
Höhe bei 1 Fuss Weite besitzen mochte. Demnach muss es sehr düster in der Kirche ge-
wesen sein , zumal alle übrigen Fenster von entsprechend kleiner Gestalt waren. Über
den weissgetünchten Wänden ruht eine flache Holzdeckc, deren Täfelung sehr ansprechend mit
buntfarbigen Honetten in geschmackvollen und mannigfaltigen Kenaissanccmustern in Roth,
> Frolxi»*, p. 42.
Digitized by Google
BkitrXgk zv.h Gkschic-hte de» Kikchbnbauks in Schlksikk.
!>7
131au und Braun, auf weissem Grunde bemalt ist. Wer diese Decke hat bauen lassen, erfahren wir
aus folgender Inschrift, welche gleichsam als ein gemalter Wandfries über dem Triumphbogen
angebracht ist: r Im MDXCV: Ihare hat die edle clircntugendreichc Fraw Barbara Nostizin, Her
Siegmundt v. Warnsdorfs auf Giessmansdorf seligen, nachgelassene Wittfraw, der Zeit regierende
Ilerscliaft alliier die Decke bawen lassen, dazu Ibrdret 70 Thalcr- 4 . Dieselbe Bemalung finden wir
auch an der Wandtäfelung einer hölzernen Empore, welche auf geschnitzten Säulen von entspre-
chender Form ruht und sich an der West- und Nordwand des Kirchenschiffes hinzieht. Dass auch
diese Bemalung von demselben Handwerker herrülirt, wie die an der Decke, wird, ausser durch die
völlige Übereinstimmung der farbigen Muster, auch durch die Jahreszahl 1395 und die Inschrift:
„Cas: Bes.- (Caspar Besser) Kirchvatcr" bewiesen, welche an dieser Empore angebracht ist
und es augenscheinlich macht, dass die Empore von der Gemeinde beschafft und ausgestattet
wurde, wUhrcnd die Herrschaft die Kosten fUr die neue Deekentäfelung trug 1 . Eine zweite
Empore, welche gegenwärtig die Orgel trägt, befindet sich, ein Stockwerk höher, un derWestwand
und von ihr führt eine enge Spitzbogenthilr mit schlicht an den Kanten abgefasstem Steinrahmen
in das zweite Geschoss des Thurmes. Diese Empore aber beweist durch die Täfelung, an der nach
unten gerichteten Seite ihres Fussbodens, welche in einer bunten Bemalung mit den brillantesten
spätgothischen Teppichmustem prangt, dass sie aus weit früherer Zeit herrührt. Die Muster bilden
nicht, wie die an der Deekentäfelung, Rosetten, sondern ahmen theils Teppiche nach, mit einer
farbigen, in Roth und Blau auf weissem Grunde ausgeführten Zeichnung von alternirend au ein-
ander gereihten Vierpässen, theils sind es Zeichnungen von entsprechender Form, wie die Fenster-
öffnungen der spätgothischen Stylperiode, belebt durch eine erstaunliche Fülle und Mannigfaltigkeit
von Pfosten und Masswerk, mit reichen Mustern in der Form von Fischblasen und mancherlei ande-
ren Formen jener Zeit. Die Entstehung dieser älteren Empore dürfte gleichzeitig mit der Erbau-
ung des, der Westfacade vorgebauten Thurmes sein, zu dessen oberen Stockwerken sie noch heute
durch eine kleine spitzbogige Thür den einzigen Zugang vermittelt. Wir setzen sie desshalb in
die wahrscheinliche Erbauungszeit des Thurmes (um 1519), welcher auch jene spätgothischen
Muster noch völlig entsprechen würden. An dem südlichen Pfeiler der Porta triumphalis ist die
Kanzel angebracht. Die Porta triumphalis selbst, deren Kanten einfach abgefasst sind, beschreibt
einen stumpfen Spitzbogen, welcher unvermittelt aus ihren seitlichen Pfeilern aufsteigt. In dem
Raum dieses Spitzbogens befand sich bis zur letzten Renovation der Kirche, auf noch vorhandenen
einfachen Steinconsolen ruhend , über einem reich geschnitzten Querbalken ein Crucifix
von beiläufig 12 Fuss Höhe, in der üblichen Darstellungsweise mit Maria und Johannes, welches
seitdem an einem höchst unpassenden Platze und in gedrückter Stellung, nämlich Uber dem
Triumphbogen angebracht ist. Die ganze Gruppe ist laut einer Jahreszahl am Sockel der
letztgenannten Figur vom Jahre 1503 und hat noch durchgängig und wohlerhalten die ursprüng-
liche bunte Bemalung. Mit besonderer Liebe sind die Figur des Heilandes und die der knienden
Frau am Kreuzesfussc behandelt, welche wir für die Stifterin des Ganzen zu halten geneigt sind,
da nicht nur ihre Tracht gänzlich von der der audern Personen verschieden ist, sondern ihre
Gestalt auch, gleichsam zum Zeichen der Demuth, in kaum halb so grossen Dimensionen ausge-
führt ist als die übrigen drei Figuren. Demnach würde sie vielleicht die Gattin oder eine Tochter
Fabians v. Warnsdorf darstellen.
Der Chorraum, welchen wir nunmehr, durch den Triumphbogen hindurchschreitend, betreten,
bildet im Lichten kein vollständiges Quadrat, sondern hat bei einer Länge von 16% Fuss eine
1 Ilrrrn Paator Frobötis zu Giesfmannsdnrf hat die Gegenwart die Erhaltung dieaor farbigen Bemaltiug zu verdanken, indem er
dieselbe sowohl vor der Gefahr der übertünchung mit weisser Farbe rettete, als auch die atellenwcU erforderliche Ergänzung
derselben veranlasste.
Digitized by Google
K. Dkmcuer.
Breite von 18 Fuss (Fig. 6). Sein Pflaster scheint ursprünglich wohl, wie in andern sehlesischen
Dorfkirchen vom gleichen Alter, mindesteng um eine Stufe erhöht gewesen zu sein, und erst durch
oftmaliges Umpflastern sein jetziges mit dem Kirchenschiff gemeinsames
Niveau erhalten zu haben. Kr ist durch ein einfaches Kreuzgewölbe mit nur
schwach überhöhtem Scheitel überwölbt, dessen SchiMbögen gleich dem
Triumphbogen, die Gestalt eines stumpfen Spitzbogens haben. An den
Näthen des Gewölbes laufen Rippen hinauf, deren Profil jederseits eine
tiefe Uohlkehle besitzt und sich ausserdem nur durch eine schwache
Spitzung nach unten, von der Rippenform mit einem vorgelegten Rund-
stabe unterscheidet. Die Rippen haben an ihren Basen in analoger Form
gebildete Blendschilde, welche auf den Deckplatten von vier diagonal
gestellten Capititlcn an den vier Ecken des Raumes ruhen , zu denen
ursprünglich eben so viel frei hervortretende Ecksaulen gehörten, die aber
sammt den zugehörigen Basen und Sockeln leider alle zerstört und besei-
tigt sind.
Von den Säulenschäften lässt sich die Umrissform und ihre ringsum
freie Stellung, aus dem noch erhaltenen vertieften Umriss ihres An-
schlusses an die CapitUle, vollkommen erkennen. Drei davon hatten
nämlich einen kreisrunden, einer aber einen achteckigen Umriss. Da die
Capitäle 8% Fuss Uber dem jetzigen Pflaster beginnen, so werden die da-
zugehörigen Schäfte wohl an 7 Fuss Höhe besessen haben und der Rest
des Raumes von den Basen und Sockeln eingenommen worden sein. Die
Deckplatten haben durch die Verbindung von drei Plitttehen und zwei
tiefen Hohlkehlen mit zwei stark hervortretenden rundlichen Gliedern, in umgekehrter Aufeinander-
folge wie bei der attischen Basis, eine reiche Gliederung gebildet. Die Form der Blendschilde, wie
die Form der Gewölberippen und die tief ausgekehlten Deckplatten scheinet! fllr die Erbauungszeit
der Kirche charakteristisch zu sein. Wir finden fast genau dieselbe Rippenform zunächst in Schlesien
wieder an den romanischen Kirchen zu Neukirch bei Schönau und Goldberg, so wie im Chor des
Breslauer Domes. Derartige Blendschilde überhaupt, obwohl von anderer Gestalt, finden wir
ausserdem noch in zahlreichen spätromanischen Kirchen, z. B. in der schon genannten Kirche zu
Tischnowic, in den Kreuzgüngen der Klöster Uciligcnkrcuz und Lilieufeld, in der Dcchanteikirche
zu Kaufim, der Abteikirche zu Hohenfurt, der St. Johanneskirche zu Neuhaus, der St. Agneskirche
zu Prag u. a. m. : lauter Kirchen, von denen allen mit mehr oder minder Gewissheit feststeht, dass
sie in den ersten Jahrzehenten des XIII. Jahrhunderts erbaut wurden 1 . An der nördlichen Wand
des Chorraumes befindet Bich, allerdings auch zugemauert, aber doch noch in ihrem ursprünglichen
Umriss, die rundbogige Öffnung eines Fensters von G'/, Fuss Höhe und 3 Fuss Breite in einer
Höhe von 10 Fuss 3 Zoll über dem Pflaster. Die entsprechende Fensteröffnung in der Südwand
des Chorraums ist gleichfalls mit einem gedrückten Flachbogen geschlossen. Doch ist diese
Wand noch von einer schmalen spitzbogigen Thüröffnung durchbrochen, deren äussere Einfas-
sung mit einer tiefen Hohlkehle und sich kreuzenden Rundstilben, welche zugleich auf schrauben-
förmig gearbeiteten Sockeln aufsitzen, auf eine ungcfalir gleichzeitige Entstehung mit dem spHt-
gothischen Fenster im Kirchenschiff, dem Saeramenthauschen im Chor, dem Riesencrucifix und der
älteren Empore hinweist. Die Thür daselbst i«t mit einem, mit erhabenen Kenaissanccmustcrn
geschmückten Eisengriff und einem hübschen Beschlag in Gestalt eines deutschen Reichsadlers
i Vergleiche K. Wocel. Dil- Klosterkirche Porta tueli xuTi»chnowk-;ini Jahrbuch der k.k. I cntraUomra. ISM). Dd. III. 3. p. iil-
Beiträge zi-r Geschichte des Kirchen» ales ix Schlesien-.
versehen, zum Zeiehen, dass sie von einem kaiserlichen Landeshauptmann, nämlich von Kaspar
v. Warnsdorf gestiftet wurde.
Zuniiehst an der Xordwand bemerken wir eine Wappcntafel des Geschlechts von Wamsdorf
(ein goldener Stern über einem silbernen Halbmond im blauen Felde, über dem Sehilde ein Hehn
mit drei Straussfedern) mit der Inschrift: „Jacob von Warnsdorf lfifiO*; ferner dieser zur Rechten
ein kleines unansehnliches Votivgemälde in Tempera, mit dem Portrilt des eben genannten Jacob
von Warnsdorf und der Angabc seines Todesjahres 1575; ferner ein sehr grosses stattliches
zweites Votivgemälde , mit ausserordentlich reich geschnitztem und auf das Mannigfaltigste
farbig geschmücktem Renaissanccrahmen, welcher zwei getrennte Gemälde (in Tempera) eines
untergeordneten Meisters umschliesst, von denen das eine die Auferstehung und das andere die
Kreuzigung Christi darstellt, beide aber zugleich die damaligen Mitglieder der Warnsdorf sehen
Familie in kniender Stellung enthalten. Die Inschriften melden uns, dass Anno 1575 Hans von
Warnsdorf, ferner 1588 sein Bruder Siegmund von Warnsdorf, und endlieh 1598 die schon er-
wähnte Wittwe Siegmunds, Barbara geb. „Nostizin", das Zeitliche segneten. Von einem der beiden
Brüder scheint auch der zierliche steinerne Taufstein inmitten des Chors herzurühren. Die Errich-
tung desselben datirt, laut Jahreszahl, von 1575. Er ist im Ganzen einfach gehalten und tragt nur
wenige, aber charakteristische Ornamente des Renaissance-Geschmackes. Bedeutender sind an
seinen Wanden die plastischen Darstellungen der Scenen: wie Christus die Kindlein zu sich
kommen litsst und die Taufe im .Jordan. Bei der ersteren sehen wir eine sinnig componirtc
Gruppe, wie die jungen Mütter in der um 1575 üblichen deutschen Frauentracht sich mit
den Kindern um den Heiland versammeln, und unter anderen ein Knabe auf einem Stecken-
pferde angeritten kommt Endlieh finden wir zunächst der Nordostecke des Chorraums, mit zwei
Seiten frei aus der Wand hervortretend, ein elegantes spätgothisehes Saeramenthäuschen, wie
es selten in Dorfkirchen vorkommt. Es ruht auf einer einzigen, ringsum freistehenden schlanken
und nach Art einer Schraube gleichsam gedrechselten Silule und erhebt sich in drei Etagen,
gebildet von einer Vereinigung von Säulen in den mannigfaltigsten Formen , mit schlank
aufstrebenden Eselsrücken, Fialen, Kreuzblumen und anderen Details der spiitesten Gothik.
Diese Details, besonders aber die sich gegenseitig kreuzenden Rundstäbe in den Einzelglie-
derungen, verweisen dieses Werkes Entstehung in die Zeit der völlig zu Ende gehenden Gothik,
etwa zwischen 1510 und 1520, und machen es zweifellos, dass es ebenfalls als eine Warns-
dorfsche Stiftung anzusehen ist.
An der Ostgrenze des Chors steht seit 1805*) der Altar der Kirche. Dieser Altar und
die schon erwähnte Kanzel dürften in ihrer Art in Schlesien fast einzig dastehen, nicht nur wegen
ihrer ausserordentlichen Fülle von plastischem und farbigem Schmuck, sondern auch wegen des
gothischen Stylgefühls , das sich in demselben, einem Werk der spiiteren Renaissancezeit, noch
deutlich ausprägt. Der Altar baut sich in vier Etagen auf, von denen jede in der Mitte eine
biblische plastische Darstellung enthält , nämlich das Abendmahl Christi , die Kreuzigung , die
Kreuzabnahme und die Himmelfahrt des Heilandes. Diese in sehr kleinem Massstabe gehaltenen
Darstellungen sind übrigens das Schwächste an der ganzen Leistung.
Ganz in derselben Weise ist auch der plastische und farbige Schmuck der, ebenfalls von
Holz geschnitzten Kanzel und des Kanzeldeckels gehalten. Wir finden hier denselben Uberaus
grossen Rcichthmn der Schmuckformen und dieselben Mangel in der plastischen Darstellung von
menschlichen Gestalten. Die Wandungen der Kanzel selbst und der zu ihr hinaufführenden
Treppe schmücken sechs, aus der Geschichte des alten Testaments entnommene plastische Dar-
> Frobös«. p. 42.
Digitized by Google
f.0
K. Dmscher.
Stellungen. Am Rande des Kanzcldeckels stehen die zwölf Apostel und über diesen erheben sich
eben so viele Baldachine.
Treten wir hinter den Altar, so bemerken wir zunächst, dass der beschriebene Chorraum
»ich noch in denselben Hüben- und Weiten-Dimensionencn weiter fortsetzt und zwar, wie die
Messung ergibt, noch um 15 Fuss nach Osten, bis dahin, wo sich der dreiseitig construirte östliche
Abschluss des Raumes ansetzt. Gleich hinter dem Altar nimmt man an der Nord- und Südseite,
vom Fussboden an , auf den Wiinden und dem Gewölbe hinauflaufend, einen zackigen Mauer-
bruch wahr, dessen unebene Oberfläche nur schlecht durch die weisse Übcrtünchung verbor-
gen wird. Auf diesen folgt an der Südseite eine glatte ebene Wand von behauenen Quaderblöcken,
wie jene in dem westlichen Theil der Kirche. An der Nordseite jedoch steht eine unebene buck-
liche Wand von Übertünchten Bruchsteinen. Über beiden wölbt sich ein Kreuzgewölbe mit kaum
merklich erhöhtem Scheitel, das sich durch die mangelhafte Technik in seiner Ausführung und
durch das Fehlen von Transversalgurten und Gewölberippen sehr zu seinem Nachtheil von dem
westlichen Gewölbe des Chorraunis unterscheidet.
Auch die drei Fenster des Chorschlusses enden oben mit flachen Bögen. Wir haben es dem-
nach deutlich mit einer östlichen Verlängerung des Kirchenraums zu thun, welche in neuerer Zeit,
aber nur durch die Hand eines ungeübten Maurers in dieser rohen Gestalt geschehen sein konnte,
deren Zeit aber, der gleichgeformten Fensteröffnungen wegen mit derjenigen zusammenfallen
müsste, in der jene grossen, unschönen, flachbogigen Fensteröffnungen in den Mauern des Kirchen-
schiffes ausgebrochen wurden. Für die Bestimmung dieser Zeit besitzen wir folgende Anhalts-
punkte. An der Nordwand des eben beschriebenen Raumes sehen wir einen vergoldeten Helm
nebst Schild und Schwert neben einer alten Fahne hangen. Diese Stücke gehören zu zwei statt-
lichen steinernen Grabdenkmälern , welche die Mitte des Raumes einnehmen und wieder mit
zahlreichen Wappen und Basreliefs-Ornamenten in Renaissancemanier geziert sind, aber deutlich
von der Hand eines andern Meisters, als dem des Altars. Unter der nördlicheren Tumba ruht,
laut Inschrift, der sterbliche Leib des „edlen, ehrenfesten und wohl benahmbten Herrn
Caspar von Warnsdorf auf Ober- und Nieder - Giessmannsdorf, Semraelwitz und (Schloss)
Hainaue, dreier Römischer Kaiser Rad und Kümmerer und beider Fürstentümer Schweidnitz
und .lauer in IC Jahr wohlbestallter und vollmächtiger Landeshauptmann*
etc. etc. Kr starb CO Jahre alt, im Jahre Christi 1631. Die andere,
süilliche Tumba bedeckt das Grab seiner Gemahlin, „Helena Warns-
dorffin, geb. Czedlitzin und Leipa" (von Zedlitz-Leipa), welche im Alter
von 56 Jahren das Zeitliche gesegnet hatte. Auf ihrer Tumba erblicken wir
unter Anderen ein Wappen mit einer Schnalle, laut Inschrift, das eigene Wap-
pen der Verstorbenen und das der Familie von Zedlitz. Wenn wir nun an
der Treppenthür der Kanzel, sowohl das Warnsdorf sehe als das Zcdlitz'sche
Wappen neben einander innerhalb eines Rahmens angebracht sehen, so wird
klar, dass Kanzel und Altar nur von dem genannten Ehepaar, nämlich von
Kaspar und Helene von Warnsdorf gestiftet sein können.
Diesem Warnsdorf also haben wir, wie es scheint, diese wenigstens im
Ausseren grosse Verunstaltung der Kirche zu verdanken, weil er sich und
seine Gemahlin nach alter Sitte vor dem Altar beisetzen lassen wollte,
wozu sonst, da alle Plätze besetzt gewesen sein mögen, wold keine
Aussicht gewesen wäre. Möglicherweise aber wurde diese Vergrösse-
rung (man vergleiche den Plan der ursprünglichen Kirche Fig. 7) auch zugleich durch
eine um jene Zeit selir wohl annehmbare starke Vermehrung der Dorfgemeinde veranlasst.
Digitized by Google
Beiträge zi « Geschichte des Kirchesbaim in Scm-esre».
(11
Trotz dieses bcklagenswerthen Übelstandes aber besitzt diese Kirche durch ihre fast einheitliche
und zugleich glänzende Ausstattung des Innern eine solche Harmonie aller Thcilc unter einander,
wie sie in einer Dorfkirche nicht leicht schöner gedacht werden kann ; und dies musste in
noch höherem Grade der Fall sein, als das bunte Riesenerucifix mit. seinen Nchentiguren
noch den Raum des Triumphbogens belebte. Der ursprüngliche einfachere Charakter, reprä-
sentirt durch die zugemauerten Kundbogenfenster, die Ecksäulcn und Gewölberippen im Chor,
ist freilich vollständig verdrängt und nur noch mit Mühe heraus zu finden.
Wir verlassen das Innere der Kirche durch die erwähnte kleine Pforte an der Südseite
des alten Chores , und betrachten nunmehr die Ausscnseite. Die Kirche war ursprünglich durch-
gehend» von behauenen Quadern erbaut. Dieselben bestehen aus einem sehr dauerhaften, fein-
körnigen und gut zubearbeiteten weissen Sandstein, welcher an der Nordseite des Dorfes in
unmittelbarster Nähe gewonnen wird 1 . Überhaupt liegt das Dorf Giessmannsdorf in dem-
jenigen Gebiete Schlesiens, durch dessen Reichthum an feinkörnigem und technisch gut ver-
wendbarem Sandstein fast ganz Schlesien und ein grosser Theil der nahen Oherlausitz seit
alten Zeiten mit derartigen Werkstücken versorgt wird. Das Schiff besitzt bis unter da« Dach
eine Höhe von 32 Fuss rhcinl., der Chor eine Höhe von 25 Fuss, und die der Apsis mag
ursprünglich 20 bis 22 Fuss betragen haben, was sich jetzt nur nach der Analogie vermuthen
lässt. An dem unteren Theil der Mauern von Schiff und Chor tritt noch jetzt ein zierlich
profilirter Sockel hervor, der ursprünglich auch um die Mauern der Apsis herumlief. Seine
Höhe variirt, je nach den Unebenheiten des Bodens an den verschiedenen Thcilcn des Gebäudes,
zwischen 3'/, Fuss und 9 Zoll. Der tief ausgekehlte obere Theil desselben dient zugleich als
Basis für die Portalwandung und die Ecksäulen der Apsis.
Im Übrigen sind die Mauern von Chor und Schiff völlig glatt und schmucklos bis zu
dem Hauptgesims unter dem Dach (von einem Fuss Höhe), welches noch gegenwärtig um
alle Theile des Gebäudes herumläuft, mit alleiniger Ausnahme des erwähnten jüngeren Chor-
anbaues. Die einzige, fast vollständig erhaltene Fensteröffnung an der Nordseite des Chores,
deren Lage schon oben angegeben wurde, lässt, da nur ihre innere Hälfte vermauert ist, an
der Aussenwand einige charakteristische Details erkennen. Sie verengt sich nämlich sowohl an
den Seiten, als oben und unten so stark nach innen , dass für ihren innersten Raum im
Mittelpunkt der Mauerdicke, bei 4'/, Fuss Höhe, nur eine lichte Weite von 1 Fuss übrig bleibt.
Die Wandungen sind glatt und nur der äussere Rand ist in gefälliger Weise mit einem Rundstal»
und 2 Hohlkehlen eingefasst. Der nach dem Innern der Kirche gerichtete, jetzt vermauerte
Theil der Wandung war ohne Zweifel, analog den vollständig erhaltenen Wandungen der Ap-
sidenfeustcr, völlig ohne Gliederung und einfach erweitert. Der an der Aussenwand befindliche
Umri8s dieser Fensteröffnung ist von völlig übereinstimmenden Dimensionen mit dem an der
Innenwand, nämlich bei 6% Fuss Höhe und 3 Fuss Weite. Von dieser Fensterform aus-
gehend , dürfen wir nach Analogie der übrigen romanischen Dorfkirchen in Schlesien mit
grosser Wahrscheinlichkeit die Vermuthung aufstellen, dass auch die sechs gegenwärtig theils
vermauerten, theils erweiterten ursprünglichen Fensteröffnungen des Kirchenschiffes ungefähr
eben so gestaltete Wandungen gehabt haben werden*. An der Nordseite des SchiffeH befindet
■ K. Drescher. Über diu Kreidebildungen der Gegend von Lflwenberg, in der Zeitschrift der deutschen geologischen Gesell-
schaft. Jahrgang 18K3, pxg. 291—366. — 4 ltie Erhaltung der Fensteröffnung am Chor ist nur dem glücklichen Zufall zu verdanken,
dass an dieser Chorscitu in gotbheher Zeit die ehemalige Sacristei angebunt wurdu, deren Pultdach dies« Fensteröffnung
bedeckte. Ebeo demselben Imstande haben wir auch die, nur an dieser Stelle vollständige Erhaltnng des eben erwähn-
ten Manersockel* zu verdanken, der ringsum an allen Theihn des (JcbSudes von der Witterung stark besehii-
digt ist.
IX. !)
62
K. DuEERCHS.
sieh noch das ursprüngliche Hauptportal. Seine Lage ist darum von Bedeutung, weil der Zu-
gang von der Dorfstrasse her auf den Kirchhof stets nn der Westseite desselben befindlich war,
und auch darum, weil in spilterer Zeit der gegenwärtige Haupteingang gerade dem Einfahrtsthor
gegenüber nachträglich in die ursprünglich geschlossene Westfacade eingebrochen wurde. Das
ursprüngliche Hauptportal jedoch liegt an der Nordseite gegen das benachbarte herrschaftliche
Schloss hinauf, und noch heute führt aus dem hinteren Thorwegc des Schlosses ein kurzer Fuss-
pfad durch eine besondere Pforte in der Kirchhofsmauer direct nach diesem Portal. Dasselbe
ist noch im ursprünglichen Zustande; denn seine Wandungsgliederung besitzt denselben schon
erwähnten Sockel, welcher rings um die ganze Kirche läuft, und zwar in derselben Höhe, wie an
allen Theilen der Kirche. Daraus geht mit Evidenz hervor, dass das historische Piastenschloss
zu Giessmannsdorf schon existirt haben muss, bevor unsere Kirche erbaut wurde, da bei deren
ursprünglicher Errichtung augenscheinlich auf das dicht neben dem Kirchhofe befindliche Schloss,
behufs der Aidage des Hauptportals Rücksicht genommen wurde. Vielleicht machten es auch
strategische Rücksichten rathsam, bei der Erbauung der Kirche das Portal nicht, wie sonst in
dir Regel, an der Westfacade anzulegen. Es ist (Fig. 8) in einem
Stumpfen Spitzbogen geschlossen, und obwohl es in der rechtwink-
lichen Auskantung seiner Wandgliederungen und seinen kreisrund
profilirten Wandsaulcn sich noch vollkommen dem romanischen Portal-
typus anschliesst, nähert es sich im Vergleich zu anderen Portalen
von gleichem Alter und ähnlicher Einfachheit dennoch durch das
Fehlen der WandsttulencapitHlc , deren Linie hier nur durch drei
ringförmige Knäufe um je drei Säulen an jeder Wandung angedeutet
ist, während die übrigen Theile der Wandgliederung unvermittelt in
die Schlussbögen übergehen, ferner dadurch, dass sich die Wand-
säulen und Archivoltenthcile nicht völlig frei von den Wänden ab-
lösen , endlich durch das Fehlen besonderer Wandsaulcnbasen und
eines Tyinpanums, schon in ungewöhnlichem Grade dem Portal-
typus zur Zeit des gothischen Baustyls, und bildet thatsächlich
einen Ubergang zu demselben. Die Westfacade, welche ursprünglich
wenigstens, bis zur Basis des Giebels ganz nackt und ohne Öffnungen
gewesen zu sein scheint, vermögen wir nach dem, was sich von ihrem
ursprünglichen Zustande noch erhalten hat, nur in Bezug auf den
ehemaligen Wcstgiebel zu schildern, da der nachträglich vorgebaute
Thurm die Beobachtung sehr erschwert. Dieser Giebel war durch die
Anordnung von drei Kreisfenstern und einer grösseren viereckigen
Öffnung, alle mit schlicht abgefassten Kanten eingefasst (jetzt
sUmmtlich zugemauert), wenigstens nicht ganz ohne Belebung gelassen.
Auch die beiden übrigen Giebel der Kirche hatten ursprünglich den
einfach begrenzten Umriss.
Das Dach des Schiffes hat noch gegenwärtig die massig steile Sattelform, welche es ursprüng-
lich erhielt. Aus dem gegenwärtigen Gebälk desselben ergibt sich, dass das noch jetzt vorhandene
Dach ursprünglich einen hölzernen Dachreiter von achteckiger Form über seiner Mitte getragen
hat, der wohl bei der Erbauung des gegenwärtigen massiven Thunnes an der Westseite entfernt
worden sein mag. Das Dach über dem verlängerten Chor ist augenscheinlich neueren Ursprungs,
und zeichnet sich im Vergleich zu dem eben geschilderten Schiffdache durch die bedeutende Steil-
heit seines Sattels auffallend aus.
Google
Beiträge zvh Geschichte des Kirchenbaics i» Schlesien.
63
Wir gelungen nun zu dem Äusseren des umgebauten östlichen Theiles der Kirche, zu dem
nach Osten verlängerten Chorraume. Dieser Umbau ist äusserlich noch auffallender als im
Innern, einestheils weil liier die Mauern des ursprünglichen Chors mit denen des angebauten
Theiles nicht in einer Flucht fortlaufen, sondern gegen diese letztere auf beiden Seiten um
6 Zoll vorspringen ; anderntheüs weil der erste Blick überzeugt, dass zmn Bau des gegenwartigen
Chorschlusses die Werkstücke des ursprünglichen Chorschlusses, und zwar von einer polygonalen
romanischen Apsis verwendet worden sind. Schon oben wurde erwilhnt , dass die Nordseitc des
neueren Choranbaues aus groben Bruchsteinen erbaut sei, während die Südwand gleich den übri-
gen Theilen des ganzen Gebäudes aus behaltenen Quadern errichtet ist. Eben so ist auch der
gegenwärtige Ostgiebel der Verlängerung aus unbehauenen Bruchsteinen aufgeführt Auf seiner
Spitze erhebt sich noch dasselbe Steinkreuz, dns den Ostgiebel des ursprunglichen Chores geziert
hatte. Der Chorschluss ist polygonal, durch drei Seiten von verschiedener Länge gebildet, indem
nämlich die Ostwand aussen eine Länge von 11 Fuss 10 Zoll besitzt, während die beiden angren-
zenden Wände eine Länge von 12 Fuss 3 Zoll haben. Alle drei schliessen sich ohne Ab-
satz direct an die Nord- und Südwand des neueren Choranbaues an. Doch sind die drei Schluss-
niauern etwa um 4 Fuss niedriger, und so ist auch dieser Chorschluss immer noch ein apsiden-
artiger, obwohl von ganz abnormer Gestalt. An den vier Ecken desselben erheben sich
Dreiviertelsäulen über besonderen, stark hervortretenden Basen und Sockeln, welche oben von
Capitälcn und lisenenartigen Wandvorsprüngen gekrönt werden. In jedem Felde zwischen
diesen Säulen befindet sich ein schlankes, flachbogig geschlossenes Fenster, jedoch mit Wand-
gliedcrungcn des romanischen Styls. Uber den Fenstern läuft ein zierlicher Rundbogenfries
rings um alle drei Seiten des Chorschlusses, darüber ein Zahnfries, und endlich dasselbe Huupt-
gesims unter dem Dache, dessen wir schon oben erwähnten ; nur hier noch hie und da mit einem
besonderen friesartigen Schmuckrelief von der Form des romanischen Schachbrett- und Uauten-
Ornaments in unsymmetrischer Anordnung versehen. Aber auch dem ungeübten Auge fällt beim
Anblick dieses Chorschlusses deutlich auf, dass die Werkstücke, aus welchen die Mauern über-
haupt bestehen, besonders aber die, aus welchen jener Friesschmuck zusammengesetzt ist,
fast durchgängig nicht zusammen passen, und mindestens unharmonisch, theilweise sogar
vollkommen widersinnig zusammengestellt Bind. Aus einer sorgfältigeren Betrachtung dieses
Gebäudetheiles ergibt sich bald jedem aufmerksamen Beobachter einestheils die Entstehung
dir jetzigen Gestalt des Chorschlusses, andcrntheils wenigstens annähernd seine ursprüngliche
Gestalt. Wie wir schon oben behauptet, zeigt das heutige Aussehen des östlichen Abschlusses
unserer Kirche schon von vornherein, dass die Werkstücke, aus denen er besteht, von einer poly-
gonalen romanischen Apsis herrühren, welche einst den ursprünglichen östlichen Abschluss der-
selben bildete. Dass diese ursprüngliche Apsis aber gegen die Ostwand des Chores zurücktrat,
ergibt sich zunächst mit völliger Gewissheit aus der augenfälligen Notwendigkeit, dass die
genannten, wesentlich in ihrer ursprünglichen Stellung an dem jetzigen Chorschluss wieder ange-
brachten Friesbänder nebst dem Uber ihnen befindlichen Hauptgesims und den lisenenartigen
Vorsprängen, welche die Bekrönung der Ecksäulen bilden, schon anfangs beträchtlich über
die Apsidenmauern hervorgeragt haben müssen. Nun ist aber an den beiden noch vollkommen
erhaltenen Ostecken des Chores auch nicht die Spur einer Vermittelung dieser Hervorragung
wahrzunehmen, die doch stattgefunden haben müsste, wenn der frühere Ansclduss der
Apsis an den Chor dem gegenwärtigen entsprochen hätte. Sie wird daher, gleich anderen Apsi-
den von romanischen Dorfkirchen in Schlesien, sich derartig an die Ostwand des Chores ange-
schlossen haben, dass diese noch an jeder Ecke um vielleicht V/. bis 2 Fuss über die angrenzenden
Apsidenthcile vorsprang. Der Maurer, welcher den Umbau machte, führte, wie die Beobachtung
Digitized by Google
r>4
K. Dkeschf.r.
der gegenwärtigen Grundmauern ergibt, augenscheinlich zuerst, nachdem er die Apsis nebst
dem ursprünglichen Otttgiebel des Chorraums abgebrochen, im Anschluss an die aus demselben
Material hergestellte nördliche und südliche Grundmauer der neuen Chorverlängerung, eine
Grundmauer von groben Bruchsteinen auf, welche den neuen Anbau dreiseitig abschloss, und
aus der er nur an den Ecken schmale Pfeiler vorspringen Hess , auf denen weiter oberhalb
die Ecksäulen ruhen sollten. Über dieser Grundmauer errichtete er an der Südseite aus einem
Theil der durch den Abbruch gewonnenen Quadersteine zunächst diejenige Wand, welche wir
jetzt die Verlängerung der Sudwand des ursprünglichen Chores bilden sehen. Zu der Errichtung
der drei Wände des östlichen Abschlusses benutzte er dann vollends den grössten Theil der
noch übrigen Werkstücke, die natürlich nicht auch noch zur Errichtung der nördlichen Wand
des neuen Anbaues ausreichten, welche darum von Bruchsteinen aufgeführt und abgeputzt
wurde. Kür die drei Schlusswünde benützte er auch Werkstücke zu den Wandungen von drei
der ursprünglichen Apsidenfenstern (vielleicht waren überhaupt nur drei vorhanden gewesen),
stellte sie aber um einen Fuss weiter aus einander, als sie sich früher befunden hatten.
Dadurch gewann er zwar an Licht für den Innenraum und ersparte erheblich an dem vorhandenen
Material; er war aber dadurch auch verhindert, die ursprünglichen Schlusssteine der Fenster-
öffnungen wieder zu benutzen. So entstand der ungeschickte Abschluss der neuen Fensteröffnun-
gen durch gedrückte Flachbögen, gleich den beiden grösseren Fensteröffnungen in der Nord- und
Südwand der Chorverlüngerung. Die Friesbänder, das Hauptgesims und die Ecksäulen der
ursprünglichen Apsis wurden augenscheinlich wieder an entsprechenden Stellen verwendet Da
sie aber über Wänden angebracht wurden, welche vor der Nord- und Südwand des angrenzenden
neuen Choranbaues nicht zurücktreten, so kam es, dass seitdem diejenigen Säulen und Säulen-
eapitäle, welche nebst ihren Bekrönungen an die eben genannten Wände angrenzen, weit über
dieselben hervortreten. Unglücklicherweise aber wählte man für diese Stellen gerade die-
jenigen EcksHulen und zugehörigen Bekrönungen, welche sich ursprünglich in derselben Stel-
lung an die Ostwand des Chors angelehnt hatten, und daher natürlich an ihren nach Westen
gerichteten Flächen nur roh bearbeitet waren. Gerade diese Stücke aber harmoniren alle durch-
aus nicht mit den angrenzenden Friestheilen, sondern bilden vielmehr mit demselben einen
stumpfen Winkel und halten deutlich dieselbe Richtung inne, wie die angrenzende Nord- und
Südseite der Chorverlängerung. Daraus ergibt sich, dass diese Stücke Apsidenwänden angehörten,
welche in eben derselben Richtung fortliefen; es ergibt sich aber auch ferner, dass die ursprüng-
liche Form der Apsis von mehr als drei und zwar wenigstens von fünf Seiten gebildet worden sein
muss. Da wir ausserdem alle übrigen Werkstücke wenigstens in ihrem Gefüge im Allgemeinen
harmoniren sehen , so gewinnt, es in der That den Anschein, als ob diejenigen Wände, welche jetzt
den dreiseitigen Chorschluss bilden, auch unter denselben Winkeln an den Ecken zusammensticssen.
An jeder Wand ist ein Rundbogenfries mit je 7 Rundbögen, im Ganzen also 21 Rund-
bögen. Ein einzelner Rundbogen aber von völlig übereinstimmender Form und Grösse, gegen-
wärtig an der Südostecke des neueren Choranbaues, dicht unter dem Dach eingemauert, gehörte
offenbar ursprünglich auch zu demselben Friese. Da wir fünf Apsidenseiten annehmen müssen,
so werden wir wohl kaum irre gehen, wenn wir jeder derselben einen Bogenfries von fünf
Bögen zutheilen und die Werkstücke mit den drei jetzt fehlenden Bögen als anderswo ver-
mauert annehmen. Auch von dem über dem Bogenfriese angebrachten Zahnfriese finden wir
Stücke, die offenbar bei dem Umbau übrig geblieben sind, als Ergänzung für das Uber ihm liegende
Dachgesims benützt. Eine von gleicher Nachlässigkeit und Rohheit zeugende Ergänzung finden
wir an der Basis der südlichsten Ecksäule, indem für dieselbe ein Bruchstück des schon
erwähnten Sockels benützt ist, der ursprünglich in gleicher Höhe, wie der um Schiff und Chor
Digitized by Google
Beiträge zir Geschichte des Kikchenbaies in Schlesien.
65
Fig. <>.
noch jetzt herumlaufende Wandsockel, auch um die Apsis geführt war. Dieser Sockel lief ur-
Bprünglich in analoger Weise, wie an dem llauptportale der Kirche, zugleich auch als Basis um
den Fuss der Ecksaulen herum, ist aber an diesen Stellen regelmässig durch
zwei Eckblatter oder Eckknollen ausgezeichnet (Fig. 9). Überhaupt sind unter
dreien von den Ecksiiulen die Werkstücke von den ursprünglichen Sockeln von
neuem angebracht worden und nur durch Einsatzstücke und ein Mauerwerk
von Bruchsteinen nach unten stark verlängert, wie überhaupt der ganze
gegenwärtige Chorschluss um mehr als 3 Fuss im Vergleich zu der, aus
den Überresten leicht zu berechnenden Höhe der ursprünglichen Apsis
erhöht ist.
Vor der Westfacade der Kirche erhebt sich jetzt ein aus Bruch-
steinen erbauter und darum abgeputzter viereckiger Thurm von etwa
150 Fuss Höhe mit einem höchst unglücklichen Übergange ins Achteck, *£|
und einem Spitzdach versehen, da» an Plumpheit und Hohheit der Ausfüh- ~
rang seinesgleichen sucht. Die Details, reprätsentirt durch steinerne Thür- >^
und Fensterwandungen, deren Gliederung aus sich kreuzenden Rundstilben
und Hohlkehlen besteht, so wie durch weite und hohe Spitzbogenfenster in
dem obersten Stockwerke, welche einige Variationen von spHtgothischem Fischblasenmasswerk
enthalten, verweisen die Erbauungszeit etwa in die ersten Jahrzeliente des XVI. Jahrhunderts.
Der ungeschlachte Thurmhelm, so wie der achteckige kurze Aufsatz rühren höchst wahrscheinlich
von Kaspar von Warnsdorf her. Diese Vermuthung wird bestärkt durch die Inschrift einer
Glocke auf diesem Thurme, welche berichtet, dass Kaspar von Warnsdorf
und seine Gattin im Jahre 1607 dieselbe gestiftet haben 1 ; ausserdem aber
auch durch die verbürgte Nachricht, dass Kaspar von Warnsdorf im Jahre
1598 eine Denkschrift in den Thurmknopf niedergelegt hat, deren Inhalt
leider verloren gegangen ist*.
Die Fenster, welche sich nach der Analogie der Chorfensters so-
wohl , als auch nach Fensteröffnungen an anderen romanischen Dorf-
kirchen in Schlesien jedenfalls bis zur Mitte der Mauerdicke zu einer
Weite von nur.l Fuss verengt haben und, nach der Beschaffenheit
ilu*er erhaltenen! Wandungen zu schliessen, wohl an den äussersten
Kiiudeni ihrer Innenseite eine Weite von 3 Fuss, an der Aussenseite
dagegen eine von 4 Fuss bei einer Höhe von etwa 8 Fuss beses-
sen haben werden (jetzt sind sie in ilirer stärksten Verengung
2 Fuss weit und an den AussenrHndern 8 Fuss hoch), sind an ihren
Wandungen auch reicher gegliedert als die übrigen Fensteröffnungen der
Kirche. Die Gliederung ist bei allen dreien verschieden und besteht,
wie die nebenstehenden Zeichnungen es angeben (Fig. 10 und 11), wesent- Flg. io. Fig. IL
lieh aus einem Wechsel von rechtwinklichen Eckglicdern in Verbindung mit Hohlkehlen,
Rundstäben und schrägen glatten Flächen bis zur Mitte der Mauer. Diese wird durch einen
schmalen glatten Streifen von 3 Zoll Breite bezeichnet, worauf die dem Kircheninneren
zugewendeten Theile der Wandungen beginnen, welche ohne jegliche Gliederung einfach
divergirend gebildet sind. In dieser Wandgliederung zeigt sich eine unverkennbare Ver-
wandtschaft mit derjenigen, welcher wir an den Fensteröffnungen der nicht minder schmuck -
• Frobötfc p. Hl, — » Der Guss dieser zierlichen Glocke geschah, laut derselben Inschrift, zu Görlitz durch .Meister
.Marti»
Digitized
K. DhKSCHEB.
reichen Apsis der Kirche in dem nahen Röversdorf bei Schönau begegnen. Bei zweien unter
den erhaltenen drei Apsidenfenstern reichen die Rundstäbe und Hohlkehlen, in analoger Weise
wie an dein Chorfenster, säinmtlich unvermittelt bis zur Fensterbasis herab, bei dem dritten
jedoch findet am äussersteu Rande eine eigentümliche Vermittlung der Basis statt.
Der Rundbogenfries (Tal'. III , Fig. b) (Iber den Fenstern besitzt ein für diese Art der
Anwendung höchst seltenes Profil, das dem der umgekehrten attischen Basis sein- nahe kommt und
nur aus zwei Rundungen mit dazwischen liegender Hohlkehle besteht. Kr tritt ohne besondere
Vermittelung direct aus den Mauern hervor. Höchst bemerkenswerth ißt an diesem Bogenfriese,
dass die von den einzelnen Bogen umschlossenen Felder grüsstentheils mit figürlichen Darstellun-
gen belebt sind. Wir sehen unter diesen eine Figur, die wie ein Rad aussieht, wolü aber das
decorativ behandelte Monogramm Christi mit einem ringförmigen Rahmen darstellen soll ferner
die Darstellungen eines springenden Pferdes mit fliegender Mähne, eines Büren, eines Fisches,
rtines Hasen, eines Rindskopfes, eines Kindes oder vielmehr einer menschlichen rohen Figur
mit unförmlich grossem Kopfe, einer Kugel, eines Kreuzes mit gleich langen Armen und endlich
einer Figur, die man für die so häufige heraldische Lilie des Mittelalters halten würde,
wenn sie nicht deutlich die Form einer Helebardeu spitze hatte. Wir werden kaum
irren, wenn wir annehmen, dass allen diesen Figuren ein christlich symbolischer Sinn
zu Grunde liegt; wir halten jedoch unsere Ansicht über dieselben zurück, da sie
uns in dieser Anwendung bisher nicht bekannt waren.
Der Rundbogenfries wird nach oben von einem Zahnfries mit einem darüber
fortlaufenden Wulste bekrönt, über welchem dann ein glatter Streifen von 9 Zoll
Höhe und endlich, als Abschluss nach oben, das Hauptgesims unter dem Dache folgt.
Beide laufen um die lisenenartigen BekrÖnungen der Ecksäulencapitäle herum. Das
Hauptgesims hat, wie schon oben erwilhnt, zwar dasselbe Profil und dieselbe Höhe,
wie dasjenige, welches unter dem Dache des Chors und Schiffes fortläUift, ist aber hier
an der Apsis noch mit einzelnen Streifen eines besondern Schmuckes verbunden, welcher
Ki£. 12. a i 8 cm starker runder Wulst in ursprünglich wohl gleichmässigcn Zwischenräumen,
aus der Hohlkehle des Gesimses vortritt und auf der Oberfläche abwechselnd mit dem
romanischen Rauten- und Schachbrctornament bedeckt ist. Das Gesims selbst besteht, abgesehen
von dem nur stellenweise angewendeten Schmuck, aus einem Wulst und einer grossen flachen
Hohlkehle (Fig. 12). Die vier Capitata über den Ecksäulen an der Apsis entsprechen in ilirer
Höhe von 1 Fuss rheinl. der Höhe des Rundbogenfrieses, den sie an den Ecken des Gebäudes
gewissermassen ersetzen. Sie haben sämmtlich die kelchförmige Gestalt, welche in der letzten
Periode des spätromanischen Styls allgemein für Capitäle angewendet wurde. Das erste von ihnen,
an der südlichen Ecke der Apsis, zeigt eine Bekleidung von stylisirten, nicht aus dem
Pflanzenreiche entnommenen Blättern, zwischen denen einige Weintrauben hervorblicken. Das
Blattwerk ist aber so unharmonisch und willkürlich angeordnet, dass das ganze Capitäl den Ein-
druck m:icht, als habe sich ein Stümper in dei Bildimg von phantastischen Blattformcn ver-
sucht. Das nächstfolgende Capitäl gehört zu der Gattung der Knospencapitäle, welche vorzugs-
weise die Periode des spätromanischen Styls in Deutscldand charaktcrisiren; ist aber ebenfalls in
äusserst wenig entsprechender Weise ausgeführt. Das hierauf folgende Capitäl an der Kordostecke
der Apsis (Fig. 13) zeigt eine grössere Belebung der Oberfläche. Zwischen den Blättern laufen in
der Mitte an jeder von den drei freien Seiten zwei Facettenschnüre hinauf, die sich weiter oben
kreuzen und um je eine Blattgruppc herumlegen, welche mit der von ihr eingerahmten Maske an
Vergleiche: De Uumont , Abc«d«lre, ou rudiment <!' Arehculogie (Architectnro rvlijficuei- . pa^. Ol.
Digitized by Google
Hritiiäge zm GEscnicnTE dks Kibchesbaies in Schlesien.
67
die modemc Darstellung eines von zwei Flügeln cingefassten Engelsköpfchens erinnern. Besser
pelnnpen ist schon das Capitill an der Nordecke der Apsis, welches (Fig. 14) zwar auch styli-
sirtes Blattwerk, aber wenigstens in etwas ansprechender Gruppirung aufweist. Die Wülste, welche
diese vier Capitale mit den Säulenschätften verbinden, haben vollkommen abgerundete Umrisse
und sind als unmittelbare Fortsetzungen deB unteren Wulstes an dem Profil des Rundbogenfrieses
anzusehen.
Fi*. 13. Fig. I I. Fig. 15. Fl*. 16.
Mit weit grösserer Sorgfalt und besserem Geschmack sind dagegen die Capitäle Uber
den EeksHulen im Innern des Chors gebildet. Sie Hessen noch die Spuren einer grünen Bema-
lung auf ziegelrothem Grunde erkennen, als man sie von der weissen Tünche befreite, die sie
zuletzt bedeckte. Bire Dimensionen sind etwas grösser als die der äusseren Capitäle, denn sie
besitzen eine Höhe von 14 Zoll rheinl. Ihre Gestalt ist wieder die kclchförmige ; eben so haben
auch hier die Wülste zwischen Capitill und Schaft einen abgerundeten Umriss.
Dass sie mit den äusseren Capitülen gleichzeitig sind und von demselben Meister herrühren,
ergibt sich mit Evidenz aus der völligen Übereinstimmung, die sich in der eigentümlichen Auswahl
von BlHttergruppirungen zwischen beiden offenbart, wenn man die vorigen Capitale an der
AuBsenseite mit dem Capital an der Südostecke des Chorraums (Fig. 15) vergleicht. Dieses
zeigt einen eigenthümlichen Wechsel von stylisirtem romanischen Blattwerk mit solchem, wel-
ches deutlich dem von einheimischen Wasserpflanzen nachgebildet ist. Die Blatter des ersteren
sind zu zweien gruppirt und erscheinen wie durch Bilnder zusammen gehalten. Das Ganze
wird unterhalb von einem breiten Gürtel gleichsam zusammengefasst, der nach Art einer, aus
beweglichen Gliedern zusammengesetzten Kette behandelt ist
Das Capitsil an der Nordostecke des Chors (Fig. 16) zeigt eine gleichartige Bekleidung mit
eigentümlich gestalteten Blattern von charakteristisch spatromanischer Form ', über denen phan-
tastische Thiergestalten sichtbar werden , deren Technik einer sehr untergeordneten Kunststufe
angehört.
Bemerkenswerth ist aber, dass wir unter diesen Thiergcstalten wiederum, wie aussen unter
dem Bogenfries der Apsis, den Darstellungen eines Fisches und springender Pferde begegnen.
I >ns nun folgende CapitMl in der Nordwestecke des Chors (Fig. 1 7) zeigt eine gleichförmige
Bekleidung mit Blattern in durchaus unkünstlerischer Gruppirung, welche, wie es scheint,
WeinblHttcr sein sollen, da wir ähnliche an der romanischen Kirche zu Puschkau in Gesellschaft
i Man findet eben dieselbe BUttform an einem t'.pittl in der Sehto««c*pelle in Freibnrg- an der ün»trut-
68
K. Drescher.
Fig. 17.
Fig. 18.
von Weintrauben wiederfinden. Das noch übrig bleibende Capital in der Südwestcckc des Chors
besitzt unter allen die eigentümlichste Gestalt (Fig. 18). Der Künstler gab ihm eine von den
übrigen wesentlich abweichende Form , und wandte Iiier
merkwürdigerweise eine dem antiken Akanthusblatt
ähnliche Blattform an, jedoch in ungefüger Gruppirung
mit noch zahlreichen anderen Blattformen aus der ein-
heimischen Flora, denen an der Vorderseite ausserdem
die Gestalt einer Helebardenspitze hinzugefügt ist, welche
aber in der hier gewählten Weise wohl wiederum nur
eine modificirte Form des ältesten Monogrammes Christi
vorstellen soll.
So sehr auch alle diese plastischen Gebilde den
allgemeinen Charakter ihrer Entstehungszeit in deut-
lichster Ausprägung offenbaren, bleibt ihnen dennoch
so viel Eigentümliches, dass Niemand läugnen kann,
dass wir hier keine blossen Copien irgend einer all-
gemein gebräuchlichen plastischen Schmuckfurm derselben Stylgattung vor uns haben.
Eben so wenig liisst die Wahl der angewendeten Formen die Behauptung zu, dass sich
darin eine offenbare Verwandtschaft mit den entsprechenden Architect Urformen in irgend einem
andern deutschen Lande ausspräche. Im Gegentheil scheint es, als seien alle die vorgeführten
Bildungen durchaus originelle selbststümlige Äusserungen eines im Geist seiner Zeit schaffenden
Bildners, der auch in seiner schwächsten Leistung, nämlich bei den figürlichen Darstellungen,
zeigte, dass er die von der Natur gebotenen Vorbilder doch im Ganzen richtig verstand
und wiederzugeben bemüht war.
Die polygonal geformte Gestalt der Apsis, so wie sammtliche Details des KirchengebBudes
beweisen, abgesehen von den geschichtlichen Daten, dass dasselbe ein Bau des spatromanischen
Styles ist. Sein Grundriss ist, wenn man von dem Fehlen des Thurmes an der Westfacade absieht,
typisch für die romanischen Dorfkirchen wohl fast in ganz Deutschland. Auch abgesehen vom
Grundriss, besitzt diese Kirche viel Ähnlichkeit mit der zierlichen, aber im Allgemeinen einfacher
behandelten Dorfkirche zu Steinbach an der Unstrut', weniger mit der schnmekreichen Kirche zu
Schöngrabern *.
Was den Charakter ihrer Chorwölbung anlangt, so ist schon oben naher angegeben worden,
welche spatromanischen Kirchen in Schlesien und welche ausserhalb Schlesiens denselben Cha-
rakter zeigen. Dieselbe Aufeinanderfolge von Friesen und Gesimsen, nur mit einem weit grösseren
Kcichthum in den Details, finden wir wieder an den Apsiden der prachtvollen spatromanischen
Kirche zu St. Jak in Ungarn 3 , und ausserdem noch an einer Reihe von ahnlichen Baudenkmalern
in Ungarn, Niederösterreich und Steiermark. Unter den schlesischen romanischen Kirchen steht
sie in Bezug auf diesen Schmuck, wie es bis jetzt scheint, ganz vereinzelt da. Was die Form des
Sockels und der Deckplatten Uber den Capitülen anlangt, so ist auch diese eine der gewöhnlich-
sten bei spatromanischen Bauten, und wir führen von zahlreichen Beispielen nur an, dass ausser in
den schlesischen Kirchen zu Neukirch, Goldberg und Puschkau bei Schweidnitz, fast genau dieselbe
Gestalt des Sockels und der Deckplatte sich in der Franciaeanerkirche zu Salzburg, der Abtei-
kirche zu St. Paul im Lavantthale in Kürnthen, dem Dome zu Naumburg, der Kirche zu Kloster
Mannsfeld, in dem romanischen Theil der St. Sebaldkirche zu Nürnberg und wohl noch vielen
SchJ'ui
' Put trieb. Denkmäler der Baukunst. II. 2, pag. 27, Tab. 17. — * U. Hei der. Die romanische Kirche zu
grabern in Niederüaterreicb. Wien 1855. — »Siehe Eitel berger von Edelberg. Die romanisch.; Kirche zu St. Jak in l'ngani.
Digitized by Google
Beiträge zun Geschichte oes Kikchenbaum m Schlesien*.
IUI
andern von gleichem Alter in Deutschland wiederfinden. Von mehreren dieser Kirchen, z. B. von
der zu Tiachnowic, der Frauciscanerkirche zu Salzburg und dem Dom zu Naumburg a. d. S. ist
historisch erwiesen, dass sie in den ersten Jahrzehnten des XHI. Jahrhundert« erbaut wurden.
Da wir nun oben schon von grösseren spUtromanischen Kirchen in Schlesien nachgewiesen
haben, dass ihre Erbauung keineswegs spilter erfolgt ist, als zu der Zeit, in welcher in ganz
Dcutsclüand der spütromanische Styl herrschend war, so glauben wir, das auch mit demselben
Rechte von den kleineren einschiffigen Kirchen voraussetzen zu dürfen, und zwar um so mehr, als
diese Voraussetzung, durch zahlreiche Analogien bestätigt wird. Wir wagen daher die Behauptung,
dass im Jahre 1233, in welchem wir das Vorhandensein des Dorfes Giessmannsdorf zum ersten
Male historisch nachgewiesen erhalten, auch die Kirche dieses Ortes entweder schon existirt hat,
oder doch nicht lange darauf erbaut worden ist 1 . Dass man diese Dorfkirche mit so vorzüglichen
architektonischem Schmuck versehen, dazu dürfte sich wohl die Erklärung in der unmittelbaren
Nachbarschaft des uralten herzoglichen Schlosses finden lassen, in welchem sich Herzog Heinrich I.
während des XHI. Jahrhunderts oftmals aufgehalten haben mag, als dasselbe noch zu den ansehn-
licheren Landesvesten geborte. Ja es ist sogar mehr als möglich, dass Schlesiens Landespatronin,
die heilige Fürstin Hedwig das Meiste dazu beigetragen hat, dass dieser Bau so prächtig ausge-
führt wurde ; erfahren wir doch, dass sie sich ihr Lebelang vorzugsweise gern in der Gegend von
Goldberg und Lüwenberg aufhielt, in der auch unsere Kirche liegt*. Somit wäre dieselbe
ursprünglich als eine fürstliche Schlosscapelle anzusehen , was an Wahrscheinlichkeit gewinnt,
wenn wir uns die Lage der herzoglichen Burgcapelle zu Lähn, bekanntlich der Lieblingssitz
der frommen Fürstin, vergegenwärtigen, welche auch ausserhalb der Mauern der Burg, aber
etwa eben so dicht neben derselben errichtet ist, wie unsere Küche hier neben der Burg zu
Giessmannsdorf
Die älteste historische Erwähnung einer Kirche zu Giessmannsdorf datirt erst vom Jahre
1310, in welchem ihre Existenz aus zwei Originalurkunden des Magdalenerinnen-Klosters zu
Naumburg am Queis ersichtlich wird *, da in demselben beide Male der Pfarrer (plebanus) von Gos-
winsdorff (so in der einen, Gozwini villa in der andern) Namens Arnold als Zeuge angeführt wird.
1 Ihre ExUtez vor dorn Beginn des XIII. Jahrhundert« anzunehmen, wagen wir nicht, weil das Bestehen des Ortes mid
selbst der herzuglichen Hurg vor dieser Zeit allzu fraglich ist — * Vergl. Vita s. lledwigis in S t e n i e 1. ar r. r. S. II, pajr. I — 1 2(1. -
' Originalurkunden im prov. Archiv zu BreaUiu. Magdsl. Naumburg am Queis, Nr. 27 nnd 28-
10
Digitized by Google
70
Jakob Seiseneggcr,
Kaiser Ferdinand I. Hofmaler.
1531 —1567.
Eine Studie zur österreichischen Kunstgeschichte aus bisher unbenutzten Quellen.
V'OK EkNST IllKK.
Die Kunstgeschichte bedarf zu ihrem Gedeihen vor Allem einer sicheren urkundlichen Grund-
lage. Di*-' Wahrheit dieses Satze« hat in unseren Tagen allgemeine Anerkennung gefunden. Die
BeischarTung des unentbehrlichen Materials, das noch reichlich vorhanden, bietet jedoch bo cigen-
thümliche Schwierigkeiten, das» bisher nur Wenige diesem Zweige historischer Forschung »ich zuge-
wendet haben. Es ist dies auch leicht erklärlich. Archive sind ein spröder Schacht „den nicht
erwählt ein Scherz u , um des Dichters Worte zu gebrauchen. Treten wir einmal in die ehrwürdigen
Räume eines reichen Archive». Lange Bändereihen alter (JopialbÜcher und Hechnungen, dann zahl-
lose. Aetenhündel starren uns von den Wänden herab ai\. Welche Zeit und Muhe erfordert es , die
vergilbten Überbleibsel nur eines Jahrhunderts auch nur in einem einzigen grösseren Archive zu
durchforschen, und wie gering ist nicht selten die Ausbeute für unseren speciellen Zweck. Dennoch
nniBS das allein verlässliche handschriftliche Material erschöpfend aufgesammelt werden, ohne
Rücksicht auf den dazu erforderlichen Aufwand von Kraft und Zeit. Erst nach Vollendung dieser
wenig dankbaren Arbeit wird die Kunstgeschichte eine unverrückbare chronologische Grundlage
haben und reiches Materiale finden ihre Aunalen mit den Namen manches verschollenen Meisters
zu bereichern, dessen noch vorhandene Werke unter fremden, aber berühmteren Namen gehen.
Neuen Aufschwung und eine früher ungeahnte Sicherheit bei Bestimmung der Meisternamen wird
ferner die Kunstgeschichte der glänzendsten Erfinduugder Neuzeit, der Photographie, zu verdanken
haben, sobald sie umfassend auf Gemälde wie Handzeichnungen Anwendung findet. Nur auf diesem
Weife wird es möglich die auf weite Entfernungen zerstreuten Kunstwerke zu unmittelbarem Ver-
gleiche neben einander zu haben, und überraschenden Ergebnissen lässt sich mit Sicherheit ent-
gegen sehen.
Besondere Anwendung findet das eben Gesagte auf die Kunstgeschichte der öster-
reichischen Lande. Für Aufsuchung von Quellenmaterial in den reichen Archiven des Kaixcr-
staates ist bisher noch wenig geschehen. J. Kv. Schlager'» „Materialien zur österreichischen
Kunstgeschichte" im Archiv für Kunde österreichischer Geschichtsquellen (Wien 1850, Bd. »i
("»Ol ff.) sind sehr lückenhaft und wenig verlässlich. Ausserdem ist nur hie und da Vereinzelte»
Digitized by Google
Jakob Seisbnbooeh.
71
zu Tage gefördert worden. Leider steht für die Kunstgeschichte Österreichs in früheren Jahrhun-
derten aus Archiven nur wenig Ausbeute zu hoffen. Vereinzelte Notizen dürften da» spärliche Er-
gebnis» der sorgfältigsten Nachforschung sein. Erst vom XVI. Jahrhunderte an fliessen die
Quellen ergiebiger und manche unerwartete Ausbeute ist noch aus der Spreu zahlloser Actenstücke
zu heben. Dies an einem einzelnen Falle nachzuweisen ist der Zweck dieser Zeilen.
Zu den hervorragendsten Künstlern am Hofe Kaiser Ferdinand I. gehört ohne Zweifel
dessen Hofmaler Jakob Seisenegger. Das Gediegenste, was bisher Uber dessen Leben bekaimt
geworden, hat der um vaterländische Geschichte hochverdiente Dircctor des k. k. Münz- und
Antikcn-Cabinetes, Joseph Bergmann, im Jahre 1818 in den Wiener Jahrbüchern der Literatur,
Band CXXI1, Auzeigeblatt Seite 1 — 6 veröffentlicht. Weder Schlager a. a. O. (Archiv, Band V,
Seite 75ü — 757) noch Nagler (Künstlerlexikon, Band XXH, Seite 268 — 269) waren in der Lage
Neues hinzuzufügen. Im kaiserlichen Finanzministerialarchiv aufgefundene Documente machten
es nunmehr möglich, eine genauere Darstellung der Lebensverhältnisse dieses Mannes wie des Zeit-
raumes seiner künstlerischen Wirksamkeit zu entwerfen , auch ein Verzeichnis» von Werken des-
selben den Kunstfreunden zu weiterer Nachforschung zu bieten. Leider bleiben manche Lücken,
deren Ausfüllung aus den hierortigen Archiven nicht zu ermöglichen war.
In welchem Jahre und wo Jakob Seisenegger das Licht der Welt erblickte , ist unbekannt.
Er selbst erwähnt in späteren Jahren nur, daas er in den österreichischen Erblanden, die dem
damaligen Infanten Ferdinand in der Theilung mit seinem Bruder Kaiser Karl zugefallen, geboren
und erzogen worden, und dcsshalb alle Anträge fremder Fürsten ihn in ilirc Dienste zu nehmen
abgelehnt habe „in ansehung, das ich vnder eur khüniglichen maiestat geporn vnd erezogeu".
(Supplik desselben an K. Ferdinand vom Jahre 1553.) Unter welchem Meister er seine Kunst, die
damals und noch lange nachher als Handwerk galt , erlernt und welche Arbeiten er bereits voll-
endet, ehe es ihm gelang eine bleibende Stellung am Hofe zu erreichen, hierüber finden sich keine
näheren Nachweisungen. Der Lebenslauf unseres Kunstlers lässt sich Uberhaupt erst vom Jalire
1530 an mit ziemlicher Sicherheit verfolgen.
In diesem Jahre zog Meister Jakob auf den denkwürdigen Reichstag nach Augsburg, den
Kaiser Karl V. am 15. Juni 1530 eröffnete und erst am 22. November desselben Jahres schloss. Es
war gewöhnlich, dass Reichstage von Künstlern besucht wurden, da bei dem Zusammenströmen so
vieler prachtliebender geistlicher wie weltlicher Fürsten und Edlen des deutschen Reiches manche
Gelegenheit sieh darbot Aufträge zu erhalten. Auch Seisenegger täuschte sich nicht in seiner
Erwartung. Ausser Kaiser Karl ertheilte dessen Bruder der Infant Ferdinand , der mit seiner Ge-
mahlin und seinen Kindern anwesend war, dem Meister Jakob verschiedene Aufträge, unter andern
den, ein Bildniss seines kaiserlichen Bruders in ganzer Figur zu malen. Wie sehr sich Seisenegger
durch seine Leistungen «He Gunst seines kunstliebendcn Gönners erworben, geht wohl daraus
hervor, dass Ferdinand, der am 5. Januar 1531 zum römischen Könige erwühlt worden, ihn vom
1. Januar dieses Jahres an zu seinem Hofmaler aufnahm und jährlich sechzig Gulden rhein.
llofbesoldung zu erfolgen befald. Fortan war Seisenegger verpflichtet, dem häufig wechselnden
Hof lager seines Herren zu folgen und dessen Aufträge auszuführen. Die Zahlung für gelieferte
Arbeiten blieb späterer Schätzung und Vereinbarung vorbehalten.
Unter diesen Verhältnissen überreichte Seisenegger im Juli 1535 ein erneuertes Gesuch um
Zahlung des Rückstandes an der wohlverdienten Summe von 629 Gulden rhein. für die seit dem
Jahre 1530 gelieferten Arbeiten, nachdem zwei frühere (nicht mehr vorhandene) Bittschrillen
erfolglos geblieben waren. Da diese bisher unbekannte Supplik sowohl Uber den Vorgang der
Schätzung seiner Arbeiten , als auch auf des Meistere Sorgfalt bei Ausführung seiner Gemälde
einiges Licht wirft, so dürfte sie wohl hier eine Stelle verdienen. Sic lautet wörtlich:
72
Kkkst Birk.
^Allerdurchleuchtigistcr, grosmcchtigister könig. allergcnedijj ister Litt, cur kö. mt. gib ich
gancz vnterthenigist zuuernemeii, miclidem vnd ich e. kö. mt. ain zeit her in der khunst der nialle-
rt-y mit meinem bessten vleiss gedient vnd etlicli arbait eur mt. gemacht vnd verfertigt, doran ich
bis in die sechshundert vnd newnvndczwainczig gülden reinisch wol verdient, wie ich dann daran
ain» tails empfanngen. Aber von wegen des resst, ho mir aussen stect, bin ich auf mein ansuchen
durch den herrn giafNiclasen von Salm, auch durch den herrn Wilhalm von Rogen dorf e. nit.
hotmiaistcr angestrengt ain nachlassung zu thuen, alsdann soll ich beczalh werden, weliehs ich tu
zwayen malin gethan vnd jeezunder abermals vber mein vermögen (des ich doch in warhait nit
stathafYt) noch aüi merers thue, das ich also bis in di funfl'czigkh gülden reinisch nachgelassen.
Damit aber e. kö. mt. vnd meniclich sech, das ich je nit zuvil, sonnder auf das wenig-ist, so ich
doch 011 sonndern meynen mercklichen schaden tliun mag, beger, dadurch ich der grossen notrurfft
nach beczallung vberkhomen möcht, bin ich geursacht alle possten nach lengs vnd doch mit dem
khurezisten anezuezaigen, darinnen zu bedencken, was ich dem geglanczten gold von färben
gleich sol herfur bringen, der geleichen seyden, samat, atlaa, perl vnd edlgestain, wie lang vnd
schwer ich doran succhen vnd die färben miischen muess, ehe vnd ich dem gleich khomb; wil
des grossen vleiss der liniamenten geschweige?) , doran auch vil gelegen, darezu auch was souü
inanicherlay an aynem pild zu machen vnd herfur zu bringen ist, weliche ir vil sehen, aber aolicher
ding nit acht haben, noch derselben halben tail warnemen vnd so ich in rayttung dieselben possten
mit khurcz angeezaigt, ist der khains bedacht, sonnder in vergessen khomen, der vrsach ahnall
mein vordrung zuuil gesehen gewesen ist. Bit demnach eur kö. mt. welle aus genaden dise mein
raittung vnd anezaigen sambt meiner nachlassung verlesen vnd bewegen lassen mir dorauf gene-
digiste beczallung des ausstenden resst verschallen vnd genedigist bedenckhen die tewrn jar und
zeit her mit meinem weib vnd khindern hin vnd wider raysens, desgleichen di herbergen, so
schwerlich zu beckhomen vnd grossy zins daruon geben muess, auch wo ich zu erhalltung meiner
hawiifrawn, kind vnd mein selb», auch die schulden, so ich von e. mt. wegen noch an der arbait
schuldig, diselben zu beczallen so gar gröslich nit notdurfftig, woldt icli eur mt. diser zeit nit also
anlangen. Hit abermals c. kö. mt. welle in ansehung meiner annuet vnd notturfft auch mit genaden
bedenckhen vnd gedachten resst mir forderlich zu geben genedigist verschaffen, das wil ich vmb
e. kö. mt. als meinem allergenedigisten herrn in aller gehorsam vnterthenigist verdiennen , thiic
mich damit c. kö. mt. beuclhen.
E. kö. mt. vnterthenigister Jacob Seyseneckher hoffmaller*.
Von besonderem Werthe ftlr die Kunstgeschichte ist aber das obiger Supplik beiliegende Ver-
zeiehniss aller jener Arbeiten, die Seisenegger in den Jahren 1530 bis 1535 für seinen Herren, deu
römischen König Ferdinand vollendete, nebst beigefügter Preisangabe jedes einzelnen Stückes.
Ks hat sich darin die genaue Beschreibung von vierundzwanzig Gemäiden erhalten, die in diesem
Zeiträume aus seiner Hand hervorgingen. Höchst selten nur dürfte es gelingen, aus so früher Zeit
eine gleich eingehende, dctaillirte Schilderung aufzufinden. Sie setzt uns in den Stand, die meisten
Bilder, besonders grössere, wenn sie noch irgendwo vorkommen sollten, mit Sicherheit zu erkennen
und ihrem Urheber zuzutheilen. Zu diesem Behufe folgt das Verzeichniss der Arbeiten hier in
vollständigem Abdruck mit Beifügung der Zeitbestimmung ilurer Anfertigung, soweit dies erreich-
bar, und der nöthigen historischen Nachweisungen.
r Vermcrckt mein Jacoben Seyseneckher Römisch könniglicher maiestat etc. hofmaller arbait
so ich seiner maiestat gemacht, vnd die aus vrsach nach lengs anezaig, wie hernach :
r 1. Item zu end des reichstag zu Augspurg hat mir di kö. mt. (K. Ferdinand) mein genedigi-
ster herr zwo lang tafl, darinen zway perspectifische angesicht nach stetlicher ausczielmng sambt
ainem diirchsehunden venster in ain lanndtschafft geund, hne die in seiner rechten gröss, wie die
Digitized by Google
Jakob Seisexbgger.
7»
aeiud, abczuconterfeten zugestellt vnd aigentlich also abczumachen beuolben, zu denen ich erstlich
von dem tischler zwo solich gleichmeasige tafl bestellt vnd di von meinem gelt beezallt, di ich auch
mit seinen grünten zugericht, nachmals mit grosser muc alle vnd jede puneten, linen vnd anders
ig-clichs BonderUch mit dem zirckl gancz vleissigclich abtragen vnd seezen muesaen, weliches lange
zeit vnd weil genomen, das aller ersten mit den färben auch an ir stat sowol als die punckten mit
dein zirckl abtragen vnd vermallen muessen, welichs sich nit wie ain cotrafectur, so von freyen
gesiebt gesehen wirt, machen leset. Ist also eim maller gancz vngewondlich solich ding mit irrigen
vnerkhentlichen lynien, auoh so swer, das solichs nit anezaigt mag werden, zu machen. Wiewol
ich für soliche müe 10 gülden verdient het vnd der, so sy gemacht, nit 20 gülden genomen, domit
man ihe seeh, das ich der Sachen nit zuuil thue. so beger ich für alles nuer ftinff gulden
reinisch".
Üa der Reichstag erst am 22. November 1530 endigte, so könnten beide Tafeln wohl in
diesem Monat vollendet worden sein. Von wessen Hand die Originale herrührten, dürfte schwer
au errathen sein. Die Arbeit scheint dem an solche Gegenstände nicht gewohnten Maler grosse
IVlühe verursacht zu haben. Vielleicht lag in diesem Auftrage die Veranlassung, dass Seisenegger
sich fortan eifrig auf das Studium der Perspective verlegte, „in der hochberuembten khunst der
geometria von wegen seines in sonderhait darzue tragenden grossen lusst vnd begierde" vielfältig
übte und späterhin darin grosse Erfahrung erlangte, wie der kaiserliche Wappen- und Adelsbrief d.
d. Wien 16. October 1558 von ihm rühmt
r 2. Item mer in obangeezaigten reiehstag hat mir die ktfn. maiestat (K. Ferdinand) seine
vier könieliche khinder, nemblich Elysabet, Maximilian, Anna vnd Ferdinandum, wie ich di
kayserlicher maiestat (Karl V.) gemacht, abzueonterfeten beuolben, darezu ich von dem tischler
vier tafln mit leisten vnd schubprettlen genomen vnd beezallt Vnd nachdem ich sonst mit min-
der arbait, auch aus beuelh kön. maiestat mit abconterfehung kayserlicher maiestat beladen gewest,
hab ich zu diser Zurichtung (nachdem vnd sy eylents haben sollen verfertiget werden) andere
maister vnd gesellen aufgenomen, di die tafln leimgetrenckht , grundt vnd farbn vnd anders
geriben vnd zugericht, di nachmals vorgeundt vnd an die stat zu dem gemel verfertigt. Di hab ich
mit essen, trinckhen vnd Ion, auch mit zins, herberg vnd petten di gancz czeit aushallten muessen.
Als di berait, hab ich sy in kön. maiestat camer geantwort vnd geben. Wiewol auch von notten,
in was claidung vud zier sy gemacht scind worden anezuezaigen, damit ie di mue vnd khunst
aygentlicher vernomen wurde, so bab ich salichs aus leng der schrifft vnterlassen, sonder ich wil
sölichs in nachuolgunden grossem stuckhen melden vnd beger also für alles für ain tafl siben
gulden reinisch, brechten di vier tafln 28 gülden."
Der Reichstag zu Augsburg dauerte vom 15. Juni bis 22. November 1530. In diesen Zeit-
raum fallt demnach die Anfertigung obiger Bildnisse der Kinder Fcrdinand's. Erzherzogin Elisabeth,
geboren zu Linz am 9. Juli 1526, war damals vier, Erzherzog Maximilian, geboren zu Wien am
1. August 1527, drei, Erzherzogin Anna, geboren zu Prag den 7. Juli 1528, zwei und das jüngste
der Kinder, Erzherzog Ferdinand, geboren zu Linz am 14. Juni 1529, wenig mehr als ein Jahr
alt. Die sichersten Angaben Uber die Geburtstage der königlichen Kinder finden sich in einem
Gebetbuche ihres Vaters in der kaiserlichen Ambraser-Sammlung zu Wien. S. Ridler's österr.
Archiv 1831, Jahrg. I, 551 — 552, 556 und Dudik's iter Roman um I. 225.
,3. Item mer in dem rcichstag hab ich aus beuelh kön. maiestat (Ferdinand's) kayserlicher
maiestat (Karl V.) sun auf pergamen von öllfarben nach ainem anderm illmninirten abgeconterfet,
der mich nach so ainem clainen gancz hart abczumachen anckhomen ist, darfur ich doch nurd
1 gulden beger. da ich sonnst nit gern drey nemen woldt u
Digitized by Google
74
Erkst Birk.
Kaiser Kail'» erstgcborner Sohn, der Infant Don Philipp, war am 21. Mai 1527 zur Welt
gekommen. Die Anfertigung obiger Copie nach einem Miniaturbilde fallt in die Monat« Juni
bis November 1530.
r 4. Item zu Prag bat mir di königliche maiestat (K. Ferdinand) kayserliche maiestat
(Karl V.) in seiner rechten gancaen vnd volkhomblichen gross auf ain tuech von Ölfarben abceu-
conterfehen bcuolhen, den ich in ainem spanischen schwaiczen mantl mit ainer kapen mit schwar-
czen atlass vnterezogen, di kapen auch den mantl mit gülden gewunden schnuern oben herab vnd
vnden hiuvmb verprämbt, darezu in ainem schwarezen samaten wapenrockh, auch mit gülden
schniern allenthalben vmb vnd vmb verpriimbt, an der Seiten ain gülden rapir, darezue ainen gülden
tolch mit Bchwarczen seyden tolln vnd gülden khnöpfen gemacht, auf dem haubt ain schwarcz
»amatens piret, an dem leib in schwaiczen tuechen hosen vnd schwarezen samaten schnellen ; das
gancz corpus seiner maiestat gestellt auf ainen perspectiuischen estrich in ain gehays. Wiewol ich
auf soliehen vleiss vnd mue, so ich gehabt, vil ain merers verdient, so wil ich doch auf da» weni-
gist di sach seezen vnd beger nurd 48 gülden reinisch. -
„5. Item als ich solieh der kay »erliehen maiestat abconterfehung verfertigt het, hat mich di
königlich maiestat in eyll durch den camerpoten zu seiner maiestat sambt dem gemel von Prag
aus gen Prüu in Merhern zu khomen eruordert, mit anezaigung, das ich che geldt aufbringen vud
ain ross khauffen vnd vnuerczogenlich auf sein vnd zu seiner maiestat ziehen soll. Das ich also
gethan vnd vmb ross, satl vnd anders ausgeben 1 2'/, gülden rein., vnd nachdem es hinein vnsicher
bin ich etlich meil vmbgoriten vnd verezert 4 gülden. Als ich zu königlicher maiestat khomen vnd
das gemel besehen, hat mich sein maiestat widerumben abgefertigt vnd bcuolhen, in aller gestallt,
wie obangeezaigt kayserlichcr maiestat contrafetur ist, ainen zu Prag zu machen. Hab ich wider-
umb hinauf 3 gülden verezert ; so hab ich das ross ob mir ain gancz monat , da« ich es nit ver-
khauffen mögen, gehalten, darinn es verezert 2 gülden rein., thuet alles 2 1 1 /, gülden rein. Als ich
nachmals das ross vnd satl verkaufet, hab ich es nit teurer als vmb 6 l / s gülden reinisch geben.
Also stet mir noch aussen 15 gülden reinisch, di beger ich mir auch widerumben zu geben."
„6. Item auf obangeezaigten königlichen benelh hab ich kayserheh maiestat also abconter-
fet vnd beger auch souil als von den obera 48 gülden."
König Ferdinand verweilte vom 17. April bis Ende Juni 1531 in Prag. (S. Gevay, Itinerar
K. Ferd. Wien 1*43, 4".) In diesem Zeitraum also uniss Seisenegger obigen Auftrag erhalten
haben. Das lebensgrosse Bildniss Kaiser Karl's dürfte im Juli vollendet worden sein, da Seisen-
egger auf besonderen königlichen Befehl mit seinem fertigen Gemälde nach Brünn eilte, wo König
Ferdinand zwischen 4. und 7. August 1531 durchzog. Für die Gediegenheit seiner Leistung spricht
der Umstand, dass der König nach Besichtigung des Bildes ihm sogleich den Befehl ertheilte eine
Wiederholung desselben anzufertigen. Seisenegger vollführte diesen Auftrag, sobald er nach Prag
zurückgekehrt war.
„7. Item zu Rcgenspurg hab ich auf kayserlichcr maiestat beuclh di jung königin Eliczabet
in aynem roten kainiasinen atlasen rockh mit gülden stuckhen verprämbt, mit zerschniten ermlcn,
darunter weisse seyden, so heraus gepauscht vnd widervmben mit gülden schnierlein zugepunden,
vmb sy ain gnrtl von zogen goldt mit geslossen cknöpfen vnd gülden tolln, auf dem haubt ain
güldene haubn, darauf ain rots negelens krenezly mit gülden zweyfelsknöpfen vmbwunden , da»
alles mit vleiss geconterfet; vmb den hals ain gulclens hembdlein mit gülden strailfcn herab geeziert,
darüber ain guldens halspandt von schmaracten, diemueten, rubin vnd pcrlein in gülden geschmelczt
röslein eingesetzt, darhinter vnd vber ir ain durchsichtig gepew mit welischen seuln, di ire capitl
vnd postament gehabt haben, dardurch man hinaus ain lanndtachafft vnd den himl gesehen hat,
weliche abconterfehung königlich maiestat zuuor, wie di verfertigt , selb» besehen vnd der könig-
Jakob Seiseuigcer.
liehen wird gen Polln zugeschigkht hat. Hab also «las auf das aller ringist geseezt vnd beger
25 g-ulden. a
Der Reichstag zu Regensburg dauerte von Emle Februar bis Anfang September 1532. In
diesen Zeitraum fällt demnach die Ausführung dieses Gemälde». König Ferdinand sendete «las
Bihlniss der sechsjährigen Erzherzogin Elisabeth dem Könige Sigmund von Polen, dessen Sohn
Sigmund August, geboren am I.August 1520, mit derselben im Jahre 15-43 vermählt wurde-
Dieses Ehebündniss dauerte jedoch nur luu-zc Zeit, da Elisabeth schon am 15. Juni 1545 zu
Wilno starb.
„8. Item auf beuelh königlicher maiestat etc. hoffmaister herrn Wilhalm von Rogendorf hab
ieh zum andcrmall di vier kunicliehe khinder in aller inass vnd gröss, wie ich die erstlich konig-
lieher maiestat in di canier zu Augspurg zugestellt vnd vberantwort hab, in iren gülden stuckhen
samat vnd schönen khlainaten geeziert, gemacht und abconterfet. Dauon beger ich auch souil als
oben, nemblich 28 gülden."
Die vier königlichen Kinder waren Erzherzogin Elisabeth, Erzherzog Maximilian, Erz-
herzogin Anna und Erzherzog Ferdinand. Seisenegger malte sie zu Regensburg wahrend des
Reichstages im Jahre 1532, wie er sie früher zu Augsburg 1530 vollendet hatte.
„9. Item auf königlicher maiestat etc. (K. Ferdinand s) beuelh hab ich zu Ispruckh irer
königlichen maiestat gemahel (Königin Anna), mein gnedigiste fraw sambt den koniclichen klün-
dem zu conterfehen angefangen vnd di zu Regenspurg gar ausgemacht, wie hernach uolgt: Erst-
lich mein genedigiste fraw in ainem roten karmasineu atlasen rockh, daran di prust mit gülden
tiiech verpriimbt, mit zerschniten ennblcn, di mit weisser seiden vnterzogen vnd pauschund heraus
gangen vnd di schnidt mit gülden schnuern widerumb verkhnupft, vnd vnden herumb den rockh
zwifach verwulstlt, darezwischen der rockh zerschniten, darunter mit ainem silberen stuckh vnter-
fuetert, das durch di schnit heraus gesehen hat; vmb den leib ain gurtl von zogen gold, rot und
gemacht mit knöpfen auf di art der parfuser munich , doch darezwischen frömbde khnopf ander
art mit anhangunden tollen voller geslossuer khöpf; auf dem haubt aiue schöne wolgeczirte gül-
dene hauben, darauf ain rot säumten piret, vmb den halls ain seer mucsaine arbait von naterey
mit gold gemacht^ darüber ain guldcns halspant mit fröinbder selczamer goldtsehmidarbait kh<»nst-
lich gemacht, mit gülden wurmlein vnd mit edlen gestain von robinen, schmarakten vnd diemueten
vnd von vasst, schönen perlen, das mir vast grosse mue genomen hat, darezu noch ain zwifachc
guldens kctl von zogen gold, mer ain klains geschmelezt khetlein mit pucchstaben irer maiestat
vber di prust gehangen. Auf der seiten zwo colon mit iren capiteln vnd postamenten, darauf ain
zwifaehs gesimbs vnd zwischen dem gesimbs ain merbelstain auf di antiquitetis art eingeseezt vnd
auf ainen estrich gestellt, der da von allerlay merbelstain zusamen geseezt gewesen ist. Das alles
ist auf ain tuech von Ölfarben, das «loch hart ankhombt, gemacht" 4 .
„Mer auf zway tuech di königlichen khinder, als Maximilian, Ferdinand, Eliczabet, Anna vnd
Maria, hab ich in roten samaten röckhen, auch mit zerschniten emdein vnd aller mass verprambt,
vnterfuetert, mit khlainaten vnd ander zier, wie mein genedigiste fraw, auch von öharben
gemacht vnd hab auf ain ieklichs, wicwol es nit so gross gewesen, gleich die mhue vnd arbait wie
mit meiner genedigisten frawen gehabt, die mit ainem schwipogen, darein ich gülden rosen
gestellt, «ler auf runden marblseuln gestanden, di auch ire capitl vnd postament gehabt haben,
darezue ainen estrich von mHrblstcin gemacht, darauf di sewlu vnd pilder gestellt, vnd doch «Ii
Maria hab ich syczund in ainem welisclien. gegossen vergolten wagen gemacht mit vil zierlichen
«Hilgen vnd noch ander arbait mer, «Ii ich von verdruss alles so nach lengs zu lesen vnterlass.Vnd
nachdem ich von fuiilrung der arbait hab di bessten zweu maister so iu teutschen lannden darezu
brauchen vnd ob mir hallten niuessen, hab ich inen auch darnach für anndere zallung aines tayl
76
Krnst Bibk.
gethan vnd doch nit gm- vernuegt zu beezallen, sonndcr bin denen noch doran ain summa zu
thuen schuldig sambt denen, so mir sonst auch gellt dargestreckht haben. Weliche gemel königlich
maiestat, mein gcnedigister hcrr, zu hanndt kayscrlichcr maiestat geschcnckht vnd in Hispanien
gescndt vnd gefiirt worden, von weliehen ich, dieweil mir souil dorauf gangen, wie nach lengs vnd
doch mit dem kurczisten erczellt, nit weniger nemen khan als 210 gülden römisch. *
Nach Seisenegger's ausführlicher Schilderung und dem geforderten höheren Preise zu
urtheilen, dürften diese drei Gemälde wohl zu den Vollendetsten gehören, die er je geschaffen. Der
Beginn der Arbeit fällt in den Zeitraum vom November 1531 bis Februar 1532, während dessen
Königin Anna, ein Bild vollendeter Weiblichkeit (geboren am 23. Juli 1503) sich mit ihren Kin-
dern, den Erzherzogen Maximilian und Ferdinand, und den Erzherzoginnen Elisabeth , Anna und
Maria (geboren zu Prag am 15. Mai 1531), zu Innsbruck aufhielt. Seisenegger, zu schleuniger
Vollendung seiner Arbeit angehalten , beendete die Gemälde unter Beihilfe zweier Meister, der
besten in deutschen Landen, deren Namen er leider verschweigt, während des Reichstages zu
Regensburg, wohin sich das königliche Hoflager Ende Februar 1532 begab und bis Anfang
September verweilte.
Die Trefflichkeit dieser Leistungen veranlasste Kaiser Karl V. durch seinen Seeretilr
D. Francisco de los Covos mit Seisenegger unterhandeln zu lassen, ob er nicht in kaiserliche
Dienste treten wolle. Meister Jakob sollte jährlich 200 Goldgulden erhalten und frei zu Antwerpen,
Brüssel oder Löwen sitzen, wo es ihm am gelegensten wäre. Zu gleicher Zeit bot ihm D. Fernando
Alvarez de Toledo, Herzog von Alba, 200 Ducaten jährlicher Besoldung und freien Unterhalt für
sich, sein Weib und einen Knaben. Auch von andern geistlichen und weltlichen Fürsten erhielt
der Meister Anerbietungen. Seisenegger lehnte jedoch alle Anträge ab und blieb mit weit geringerem
Solde im Dienste König Ferdinand'». (Supplik Seisenegger's an den König vom Jahre 1549.)
„10. Item zu Regenspurg hab ich di kayserlich maiestat aus beuelh königlicher maiestat
abermals in aller mass vnd gross, wie ich zuuor sein maiestat zu Augspurg abconterfet hab, vnd
darezue vber sein maiestat ain gülden tuech mit schönen gewarchten pluemen wolgecziert gemacht,
beger darfur 50 gülden reinisch. u
Auch dieses Gemälde vollendete Seisenegger zwischen März und September 1532 zu
Regensburg. Zu bedauern ist, das» keine genaueren Angaben über das im Jahre 1530 zu Augs-
burg gemalte Bild des Kaisers und diese 1532 bestellte Wiederholung desselben vorliegen.
„11. Item mer zu Regenspurg aus beuelh königlicher maiestat gemacht das gross gülden
panir in das veld, weliches in di leng bey 14 werchschuech vnd in di höch bei 8 schuehen
vngeuerlich gehabt hat, wie auch der noch verhannden ist, darezu ich ausser der seiden allen zeug
von goldfarben vnd den grundt zu machen verlegt, darein ich zwen gross schwarcz adler mit
küniglicher maiestat drifachen schildt oder waren in di prust gemacht hab, das mir ser vill goldts,
färb vnd arbait genomen hat. Beger für alles 60 gülden reinisch."
„12. Item mer zu Regenspurg königlicher maiestat rennfendlein , gancz geuirt, auf aineu
weissen tamaschkh, darein auf icliche seiten ain Mariapild mit dem khindlein in ainer gülden sun
vnd zu beden Seiten mit gülden leisten vnd Hamen, mit guetem gcslagcnem gold allenthalben
geeziert, wie dann derselb noch in irer maiestat camer verhannden ist. Beger mir darfur auf das
liegst zw geben 8 gülden reinisch."
„13. Item den hereziem hab ich allermass, wie königlicher maiestat rhennfendl gewesen,
gemacht, allain das diser fan zwen zipfl gehabt hat. Beger auch souil als oben darfur 8 gülden."
Die Anfertigung dieser prachtvollen Paniere befahl König Ferdinand seinem Hofmaler
während des Regensburger Reichstages, auf dem ein Zug gegen die Osmanen beschlossen
worden, die mit grosser Heeresmaeht in Ungarn eingefallen waren und die Stadt Wien abermals
Digitized by Google
Jakob Seisbmegger.
77
bedrohten. Schon am 23. September 1532 langte Kaiser Karl mit zahlreichen spanischen und
deutschen Kriegsvölkern in Wien an. Auch König Ferdinand mit »einem Hof lager und seinen Ge-
treuen war dahin geeilt. Seisenegger folgte seinem Gebieter nach Wien. Die drohende Gefahr
schwand jedoch bald. Die Osmanen wagten keinen Angriff und zogen sengend und plündernd
heim. Schon am 4. October 1532 konnte Kaiser Kail durch Steiermark und Kilmthen nach Italien
ziehen und traf am 13. November in Bologna ein. Seisenegger im Auftrage seines Herrn war im
kaiserlichen Gefolge gleichfalls dahin gekommen, wie folgende Stelle beweist.
„14. Itemmer di Römisch kay serlich maiestat, so ich zu Wononi abconterfet hab, wie dann
die kuuiglich maiestat den noch vor äugen hat, der in ainem weyssen silberen atuckh mit zobl
vnterfuetert vnd in ainem cordowanischen lidrem goller, dassclb vber die prusst herab zerschniten
vnd mit gülden gewunden schnyern vcrprUmbt, in ainem weissen zerschniten attlasen wamass, dns
auch mit gülden schnyren verprämbt, in weissen tuechen hosen vnd samaten zerschniten schuhen,
ain rapir und gülden tolch mit seiden tollen an der sehen, auf dem haubt ain schwarcz samaten
piret mit ainem weissen federlein, neben ime ain grosser englischer wasserhundt, steund auf
ainem marbalierten Ostrich vnd hinter vnd neben ime ain grucner taffanter Vorhang, lieger darfur
auch nnrd 50 gülden rheinisch."
Kaiser Karl verweilte vom 13. November 1532 bis letzten Februar 1533 in Bologna.
Seisenegger inusH also innerhalb dieser Zeit jenes Gemälde vollendet haben , das sich noch im
Jahre 1535 im Besitze des römischen Königs Ferdinand befand. Überraschender Weise trifft die
von unserem Meister gegebene eingehende Schilderung Zug für Zug mit einem Gemälde der könig-
lichen Gallerie zu Madrid zusammen, das aber Niemand geringerem als Ti z ian o Vc cell i zugeschrie-
ben wird. S. Madrazo, catalogo de los cuadros del Real museo de pintura. Madrid 1850. 8". pag. 176.
Nr. 765. Es ist auf Leinwand gemalt, 6 Fuss 10 Zoll 6 Linien hoch und 3 Fuss 11 Zoll 6 Linien
breit. Eine gelungene Lithographie dieses Bildes enthalt die „Coleccion litografica de cuadros del
Rey de Espana 4 , die unter Jose de Madrazo's Leitung zu Madrid 1832 u. fT. in Folio erschien, im
2. Bande, Nr. CL Jose Musso y Valiente lieferte dazu eine bis in das kleinste Detail eingehende
Schilderung, die mit Seisenegger's Angaben aufs genaueste zusammenstimmt Nur hült Musso den
mit seidenen Dolden gezierten Dolch für einen Fliegenwedel aus Silberfaden, mit goldenem perlen-
besetzten Griff („con un mosqueador de hilo de plata y mango de oro, guamecido de perlas J ),
was offenbar auf einem Irrthum beruht. Viardot, les musees d'Espagne. Paris 1843, 12°. pag. 50
rühmt davon: „Brille autantpar sa conservation parfaite, que par l'execution mcrvcilleuse de toutes
»es parties et l'expression de grandeur, de majeste qui regne dans l'cnsemblc." Passavant bezeich-
net dasselbe als „ein Uberaus elegantes stattliches Bildniss . . . des grossen Fürsten von der feinsten
Ausführung". Im ersten Augenblick drängt sich allerdings die Verniuthung auf, Seisenegger habe
Vecelli's Bild , das dieser zur selben Zeit in Bologna gemalt haben soll, für seinen Herren König
Ferdinand copirt. Dagegen spricht jedoch Seisenegger's Gewissenhaftigkeit, mit der er jedesmal
anfülirt, wenn ihm Copirarbeiten aufgetragen wurden. Den Beweis hiefür gibt vorliegendes Ver-
zeichniss unter 1. 3 und 16. Der Zweifel, ob dieses Bild von Vecelli oder Seisenegger herrühre,
scheint um so berechtigter, je weniger Tizian's Anwesenheit in Bologna wahrend des obigen Zeit-
raums erwiesen sein dürfte. Die Lösung dieser interessanten Frage kann natürlich nur durch
genaue Untersuchung des Bildes zu Madrid angebahnt werden, und wir waren hocherfreut erneuerte
Forschungen hierüber anregen zu können.
15. „Item mer funff tafln, darauf ich di herrn von dem hawss Burgundi von des herrn
Wilhalmen von Rogendorf tarin abconterfet hab, wie auch die noch verbanden, darezue ich von
dem tischler di tafln genomen vnd beczallt, di vergrundt vnd gemalt hab, beger für aine 3 gülden
reinisch .... 15 gülden."
IX. 11
Digitized by Google
78
Ernst Birk.
Hiermit endigt das von Seisencgger vorgelegte Verzeichniss. Für alle diese Arbeiten hatte
er den Betrag von 599 Gulden rhein. gefordert, und da er bereits 228 Gulden darauf empfangen,
noch einen Rest von 371 Gulden zu erhalten. Am 26. Juli 1535 befahl König Ferdinand seinem
obersten Hofmeister und Grafen Niklas von Salm, mit Meister Jakob deshalb einen Vergleich zu
treffen, und die Hofkammer sollte verordnen, „das er mit der zeit bezallt werde". Ih'e Vereinbarung
kam zu Stande, jedoch nicht zu Seiscnegger's Vortheil. Die königliche Entechliessung lautete :
„Die ku. mt. hatt bcwylligt, das meister Jacoben maller alle die obgeschriben posten, also wie sv
gestelt, pezalt sollen werden, doch so sollen imeann denselben fünfzig gülden abgezogen vnndt vmb
so vvl dest weniger pezaldt werden.'' Aber auch diesen herabgesetzten Betrag konnte er nicht
erlangen. In seiner grossen Bedriingniss wiederholte er sein Gesuch um Zahlung. „Nachdem ich
so schrieb er, „vor kurezen tagen für cur kön. maiestat suplicirt vnd vnderthanigist gebetten mir
nach laut meiner raytung, di ich eur kön. maiestat darneben zugestellt, meiner armut vnd ehehaff-
ten naeli genadigiste bezallung zu verschaffen, so hab ich von eur kön. maiestat hoffcamerHtten
(den mein raittung zu vberschen beuolhen) in antwort empfangen soliches laut meiner raittung . . .
an cur kön. maiestat gelangen lassen. So bin ieii ganezer vnterthanigister hoffnung eur kön. mt.
haben» in genadigister gedachtnus, das ich solichs nach laut gemelter meiner raittung aus eur kön.
maiestat beuelh verfertigt vnd gcantwort. Bit demnach eur kön. mt. . . . sy wellen ansehen mein armut,
das ich in den tewrn jarn wenig gewinens vnd nicht« erspani hab mögen vnd mich zu vnterhalltung
meins weibs vnd khindes u\ grossen schulden gesteckht vnd mich hart vmb beczallung onstrengt
wirdt, eur kun. maiestat wellen mir geniidigste bcczallung versebaffen- etc. Die Hofkammer
ertheilte ihm hierauf am 5. August 1535 den Beseheid: „Im ist hiefor auf sein supplication zu
erledigung dewclbn beschaid gegeben worden vnd khonndc die hofehamer ausser derselben
erlediguug nichts mit ime hanndln." Noch im Oetobcr 1537 hatte die Hofkauuner die Zahlung
nicht geleistet, wie ein um diese Zeit llbergebenes Gesuch Seisenegger's beweist, das jedoch nicht
mehr vorliegt (Hofkammcr-Expcditsbuch 1537, Fol. 10Ö).
Im Jahre 154 3 befand sich Soisencgger mit dem königlichen Hoflager in Nürnberg. Hier
erhielt er am 17. März durch den Hofzahlmeister Bans Holczer .in abschlug der schulden, so ime
ir kuniglich maiestat etc. vmb ettlich gemachte arbait zu thun sein" zwanzig (iulden rhein. (Hof-
zahlamtsrechnung 1543, Fol. 7s }. Zur selben Zeit verweilte der als Geometer, Baumeister und
Stecher bekannte Augustin Hirschvogel gleichfalls zu Nürnberg und veröffentlichte ein Büchlein
-Ein aigentliche und grundtliche anweysung in die Geometria", das er seinem „furderer", dem Nürn-
berger Bürger Hans Starek widmete. Am Schlüsse dieser Widmung d. d. Nürnberg am 1. April
1543, kommt die Stelle vor: „Damit will ich also des erbarn vnd kunstreichen meines guten
freund», Jacoben Zeyssnecker, röm. köu. maiest. hoffmallers begern volzogcn haben."
Diese nur hier vorkommende verunstaltete Form des Namens Seisenegger veranlasste
spUterdie irrige Deut ung eines Stiches in diesem Werkchen, die bis in die G egenwart sich fortpflanzte
und desshalb Widerlegung verdient. Auf der ersten Kupferphittc der beigegebenen Abbildungen,
welche die Überschrift enthält: „Gcometria, das puch geometria ist mein namen, al freye kinst aus mir
zum ersten kamen. Ich pring architeetura vndt perspeetiva zusamen 1 ' tindet sich unter Hirseh-
vogel's Monogramm eine sitzende Eule, um die drei kleinere V ögel heruinschwilrmen. Job. Fr.
Christ iu »einer „Anzeige und Auslegung der Monogrammatum" (Leipzig 1747, 8. S. 398) glaubte
darin eine Anspielung auf einen oder andern dieser beiden Malemameu zu finden. Der fran-
zösische Übersetzer dieses Werkes, Gottfried Sellius von Danzig, behauptet, schon Hirschvogel
habe dieses Büchlein „pour lc compte de Jean Zeyssncckcr" herausgegeben und fügt zur Erklä-
rung bei: -Zeys en allcmaud signifie serin et vogel veut dire oiseau, ainsi ce logogryphe doit peut-
etre exprimer un de ce» deux noms, ou meme tous les deux* (Pariser Ausgabe 1750, 8. pag. 305).
Digitized by Google
Jakob Sf.isexkogf.k.
79
Brulliot (dictionnaire des monogrammes pag. 432, Nr. 3273) erfand endlich die Deutung: „Zcys
signifie en allemand Berin, railler se dit cu alleroand necken, et eomine les petits oiscaux raillent les
grands, cc logogryphe doit exprimer le nom de Zeysnecker. " Selbst der treffliche Nagler (Mono-
graministenlll. 195) neigt «ich der Auffassung zu, dass diese Eule mit den Vögeln gleichsam die Dedi-
cation an den kais. Hofmaler Zeyssnccker bilde. Die« ist die allmähliche Entstehung einer eben so
gezwungenen als falschen Auslegung. Schon die Umschrift r Spero fortune regressum" , die auch auf
einem Porträte Ilirschvogers erscheint (Bartsch L\ G. IX. ISO, Nr. 39), zeigt, dass die Vorstellung
nur auf diesen Bezug haben kann. Mit Weib und Kindern in misslichen Verhältnissen lebend, dürfte
er sich wohl öfter wie die Eule vorgekommen sein, an der kleinere Vögel bei Tag ungestraft ihren
Muth kühlen. Wie dem auch sein mag, so viel steht doch fest, dass diese Vorstellung auf Scisen-
egger nicht den entferntesten Bezug hat, noch haben kann.
Seiseneggers Schicksale in dem Dcecnnium 1 Mo bis 1545 sind aus Mangel an Quellen wenig
klar. Häufig unterbrachen Reisen seinen Aufenthalt am Hofe. Mit Bewilligung seines Herrn und
unter Zusicherung des Fortbezuges seiner Hofbesoldung reiste er zu zweienmalen zu Kaiser
Karl V., zog an das Hoflager der Kaiserin Isabella nach Spanien, besuchte Belgien und andere
Orte, wo er aus Noth Arbeiten unternehmen inusste. Seiner eigenen Angabc nach verwendete er
dazu „eczlich zeit vnd jar u . Belege für das Gesagte sind in nachstehendem Gesuche zu finden, das
Seisenegger hn Mai 1545 zu Wien überreichte, während sich König Ferdinand und sein Hof zu
Worms befanden.
„Em* ko. mt. sein meines vunderthenigen virhoffens in gnadigister gedilchtnus, das ich der-
selben mit dem allervnnderthenigisten nun in das funffezeheudt jar her gediennt vnnd derselben
nach- vill raisens mit weib vnd kindt thuen rauessen. Nun haben aber cur ko. mt. meiner arbait, so
ich eurko. mt. etc. vnderthänigist gethon, durch herm graffNiclascn von Salm vnnd Martin Cosman
(Gusman) den 26. tag July des 34. (sie, soll 35 heissen) jars abraiten vnnd durch ir gnad mit mir
hanndlu lassen, vber das, so ich zuuor in derselben raittung ob 50 gülden nachgelassen, das ich
noch 50 gülden nachlassen sol, so solle mir derselben raittung auf uiumal gar bezallt werden,
darauff ich die nachlassung thon vnd also verhofft, das die ganuez bezalluug beschehen solle, die
aber nit beschehen vnnd bleiben eur ko. mt. mir an derselben rayttung vnnd nachmals was ich
weiter bisher eur ko. mt. gemaldt vnnd gearbait, lautt hiebeygclcgter verzaiehnus vnnd ausszug,
was ich allenthalben an meiner besoldung vnnd arbait empfangen vnnd eur ko. mt. mir noch pro
resto schuldig beleiben, bitt ich vnnderthenigist zuuernemen*'.
„Allergnädigister könig, nachdem ich eczlich zeit vnnd jar, dieweill ich eur ko. mt. etc. vnnder-
thänigistcr dienner bin, aus eur ko. mt. beuelh vnnd gnedigistem erlauben zu zwayen malln bei-
der kayserlichen mt. etc. vnnd irer mt. geinahl vnnd annder enden gewesen, von der khainen ich
nie khain besoldung gehabt, vnd dieweil sonnst die besoldung, als monattlich 5 gülden, so ich
vonn eiu* ko. mt. hab, klain vnnd mich darmitt mit weib vnnd kindt nit ausshallten khan, eur ko. mt.
hoff nachzuraisen nit muglich vnnd also kain aigen haimwesen hab, wiewoll ich allemal vertröst
besserling meiner besoldung, das aber bisher nit beschehen , vnnd dieweill ich auch meines ressts
vorgemelt nit bezallt, aus not annder enden arbaitten mucssn, damit ich mich, mein weib vnnd
kindt erhallt vnnd auch in grosse schulden erwachsen , ist demnach an eur ko. mt. mein vnnder-
thenigiste bitt, sy wellen mir an meiner besoldung cur ko. mt. aignen gnädigisten zusagen nach für
mein aussensein nichts abziehen lassen vnnd mir den resst, die mir eur ko. int. an meiner besoldung
vnd arbait laut hiebeygelegts particulars noch schuldig, yeezt doch den mein tail in ansehung
meiner nott zu bezalln vnnd mir vmb den vbrigen resst ain Versicherung vnnd verschreibung
allergnedigist zu geben verschaffen, damit ich aus meinen schulden khome vnnd meine glaubiger
zum thail zufriden stellen möge vnnd mich mit nachraisen eur ko. mt. hoff desstattlieher erhallten
ll*
Digitized by Google
80
Erhst Birk.
möge, das will ich vmb cur königlich maiestat in aller vnnderthenigister gehorsam allezeit
zuuerdienncn gcflisscn sein.
Eur königlichen maiestat vnnderthenigister Jacob Seissennegkher, hofmaller."
Dieser Supplik schloss Seisenegger ein Verzeichnisa aller Arbeiten bei, die er vom 26. Juli
1535 bis Mai 1515 im Auftrag des Königs vollendet hatte. Es ist lange nicht so reichhaltig als
das frühere, auch weniger ausführlich abgefasst. Zur Vervollständigung der Reihe von Sciaen-
egger's Arbeitcu ist es jedoch immer noch sehr schätzbar. Wir theilen es in derselben Weise
mit, wie das erste Verzeiclmiss:
„Item zu Prag hab ich dy kuniglieh maiestat, auch seiner maiestat gemahel auf zwo tafel
condterfet vnd auswendig irer niaiestat nerrin die Elss auch conterfet, dafür 40 gülden."
Vielleicht im Jahre 1543 gemalt, als Seisenegger mit dem königlichen Hoflager von Nürn-
berg nach Prag kam, und König Ferdinand mit seiner Familie vom 1. Mai bis 25. August daselbst
sich aufhielt. Ein kleines Bildniss der Närrin Else findet sich in der kais. Ambraaersammlung.
Vgl. Sacken II. 55, Nr. 905.
„Item dy kuniglieh maiestat zu liegenspurg im 32"." jar in der kinigin frauen pethpuechl
auch conterfet, daran verdiennt 10 gülden."
Während des Reichstages zu Regensburg, das ist im Zeiträume zwischen Ende Februar
und Anfang September 1532, gemalt. Auffallend ist, dass Seisenegger dieses Bild erst jetzt auf-
rechnet, während es im Verzeichnisse von 1535 fehlt.
„Item zway künigcliche khinder Leonora vnnd Kliaterina hie zu Wienn abconderfet, daran
verdiennt 20 gülden."
Erzherzogin Katharina war zu Wien am 25. September 1533 geboren, Erzherzogin Leonom
ebendaselbst am 2. November 1 534.
„Item dy drey kayserlichen khinder in Iiispanien abconterfet auf tuech, darfur thuet
93 gülden."
Es waren dies der Infant D. Philipp, geboren 21. Mai 1527, und die Infantinen D. Maria,
geboren 21. Juni 152$, und D. Johanna, geboren am 27. Juni 1538. In welchem Jahre Seisenegger
nach Spanien zog und diese Bilder malte, ist ungewiss. Er selbst erwähnt nur, dass er zu Kaiser
Kurl's Gemahlin eine Reise nach Spanien unternommen. Da die Kaiserin Isabella am 1. Mai
1 539 im 3ü. Lebensjahre zu Toledo starb, muss Seisenegger früher hingekommen sein. Sollte nicht
auf dieser Reise auch das schöne Bild der Kaiserin entsanden sein, das jetzt in der königlichen
Gallerie zu Madrid dem Tizian o Vecelli zugeschrieben wird? S. Madrazo, catalogo etc. Madrid
1S50, pag. 205, Nr. 878. Betrachtet man die lithographirtc Copie in der Coleccion litografica etc.
Tom. III, Nr. CLXVIH, so drängt sich unwillkürlich der Gedanke auf, dass dieses Bild kein
Tizian, wohl aber die Arbeit eines tüchtigen deutschen Meisters (Seisenegger's?) sei. Passavant's
IJrthcil bekräftigt diesen Zweifel. Er sagt (christliche Kunst in Spanien S. 168): „Das Colorit
ist blass und das Ganze so wenig lebendig behandelt, dass es scheint, Tizian habe dasselbe
wie auch das des Königs von Frankreich, Franz I. (Louvre), nicht nach der Wirklichkeit gemalt".
„Item zu Prag hab ich der kuniglichen maiestat gemahel, mein genedigste fraw zweymal ab-
conterfet, nachmals irer kuniglichen maiestat tochter, kinigin Anna conterfet, wie die noch vor
äugen, für ains 50 gülden, thuet 1 50 gülden. u
Erzherzogin Anna, geboren zu Prag am 7. Juli 1528, verlobt an Theodor, Herzog von Bayern,
und nach dessen Tod an Karl, Herzog von Orleans am 18. September 1544, wurde am 4. Juli 154G
mit Herzog Albrecht von Bayern vermählt. Oberwähntes Bildniss der Erzherzogin Anna dürfte Seisen-
egger um 15-14 gemalt haben, wahrscheinlich bei Verlobung derselben mit dem Herzog von Orleans.
„Item die kiuigin in meines allergenedigsten herrn petpuechl abconderfet, darfur 12 gülden.*
Digitized by Google
81
Seisenegger malte die Königin Anna in ihrem 4 1 . Jahre auf einem 20 Centimetres hohen
und 14 Centim. breiten Pergamentblatte mit Ölfarben. Das Bild ist mit seinem Monogramm $
und der Jahreszahl 1544 bezeichnet, und findet sich auf dem vorletzten Blatte des Gebetbuches
ihres Gatten, König Ferdinand (derzeit in der kaiserl. Ambrasersammlung Nr. 123) eingeklebt.
S. Sacken II. 210 — 211. Es ist die einzige bisher mit voller Bestimmtheit nachweisbare Arbeit
Seisenegger'». Das Brustbild der Königin ist von einem rothbraunen Kähmen umgeben, der im
untern Theile eine Marmortafel unischlicsst mit der Inschrift: „Anna dei gracia Romanorum,
Hungarie, et Bohemie etc. regina, archiducissa, austric etc. ctatis sue anno XLI." Der trefflich
gemalte Kopf tritt plastisch hervor und das blaue Auge ist voll Majestiit und Anmuth. Seisenegger'»
Eigenthümliclikeit, einen besonderen FleiBS auf die naturgetreue Nachalunung reicher Kleiderstoffe
und glänzender Schmucksachen zu verwenden, ohne darüber die Hauptsache zu vernachlässigen,
tritt auch in diesem kleinen Bilde hervor. Ein zurückgeschlagener Vorhang von grünem Seiden-
stoff hinter der Figur gestattet den Ausblick in eine Gebirgsgegend mit einem schiffbaren Flusse.
Obgleich in unverkennbarer Eile angefertigt, zeigt dies Bild doch in jedem Strich die Hand des
Meisters und berechtigt zu dem Schlüsse, dass ausgefllhrtere Gemälde desselben von besonderem
Wcrthc sein müssen.
„Item nur für die kinigin Khaterina zu Prag ubconterfet vnd dem herezog von Mantua zuege-
schickht, darfiir thuet 30 gülden."
Erzherzogin Katharina wurde durch Vertrag ddo. Nürnberg 17. März 1543 dem Herzoge
Franz von Mantua verlobt. In diesem Jahr dürfte Seisenegger bei seiner Heimkehr von Nürnberg
obiges Bild der jugendlichen Braut gemalt haben.
„Item mer aus beneich römisch kuniglicher maiestat uin hirschnkhuern in ain stockh verwaxen
zwaymall abconterfet, thut 4 gülden."
Wahrscheinlich das in der kaiserl. Ambrasersammlung befindliche merkwürdige Stück, ein
Hirschgeweih von 22 Enden in einen mächtigen Eichenbaum eingewachsen, gerade am Zwiesel
des Baumes , so dass die Spitzen des Geweihes nach abwärts gekehrt sind. S. Sacken Ambraser-
samml. II. 87. Woher es König Ferdinand erhalten, ist unbekannt. Nach dem Tode dieses Fürsten
bei Theilung des Erbes unter dessen drei Söhne mag es an den jagdliebenden Erzherzog Fer-
dinand gekommen sein , der es nach Tirol brachte.
„Item zway rindl (rindo althochdeutsch cortex libri) hab ich inwendig auf das ain ain crueifix
vnd auf das annder das grab vnd creiez sambt ainem fespcrpildt gemacht. Auswendig hab ich auf
das ain die erden schlanngen vnd Moysen, auf das annder der kuniglichen maiestat etc. wappen
gemacht, so gewenclich dy kuniglich maiestat etc. solches bey seinem peth gehalten, für fassen
vnd alles 15 gülden."
Sahen wir Seisenegger bisher meist als Porträtmaler thätig, so erscheint hier eine religiöse
Malerei desselben. Es war ein kleiner FlUgelaltar, dessen Mittelbild eine Pieta bildete. Die Innen-
seite beider Flügel enthielt den Erlöser am Kreuz und das Grab, die Aussenseite Moses mit der
ehernen Schlange und des Königs Wappenschild, vielleicht von Engclsgestalten gehalten. König
Ferdinand scheint auf diesen kleinen Altar besondern Werth gelegt zu haben , da er stets neben
seinem Bette hing.
_ltem der kuniglichen maiestat etc. gemacht vnnser frauen pildt zu der tafl, so der Ducian
(Tiziano Vccelli) in Venedig gemalt hatt, darfur von der tat! einezufassen thuet 18 gülden."
.Item für dj herezogin von Mailandt zu Gent in Flandern abconterfet, darfur 20 gülden."
Wir sehen, das» Seisenegger auch in Belgien war und zu Gent in Flandern Christinen, die
Tochter des unglücklichen Königs Christicm II. von Dänemark, malte. Christine war nach dem am
_'4. October 1535 erfolgten Tode ihres Gatten Franz Sforza, Herzogs von Mailand, zu ihrer Tante
Digitized by Google
82
Ernst Birk.
Maria, der verwitweten Königin von Ungern und Statthalterin der Niederlande, zurückgekehrt.
Am 10. Juli 1541 vermählte sie sich zum zweitenmal mit dem Herzoge Franz von Lothringen.
Die Anfertigung dieses Gemäldes fällt daher in die Jahre 1536 — 1541.
Der Betrag, den Seisenegger für alle aufgezählten Arbeiten ansprach , belief sich auf
412 Gulden rheinisch, gewiss eine massige Forderung. Zugleich überreichte Meister Jakoh eine
zweite Rechnung Uber Verfertigung gemalter goldener Paniere für die Trompeter und Heerpauker
deB Königs mit der Bitte um Bezahlung. Dieselbe mag hier gleichfalls eine Stelle finden, da den
mit der Abrechnung beauftragten Hofleuten für diese handwerksmäßige Leistung der Preis nie
zu hoch schien, während das Kntgelt für wahre Kunstsehöpfungen stets bedeutend herabgemin-
dert wurde. Seisenegger berichtete:
„Erstlich hab ich der königlichen maiestat etc. in grosser eyl zu Praag zweit! panier, auch
zwo heerpauckn, damit die an dein wettcr, als regen oder sehnee, bestendig beleihen, gemacht. Zu
sölichem hab ich bey den tischlern hulczene reem, dorauf ich die seyden vnd tamast aiügespandt,
inachen lassen, inen die beezallt; darezu hab ich alle farbu vnd golt auch beczallt. Zu solicher
arbait hab ich maistcr vnd gesellen zu abreibung der färben, ausstreychung der grundt, zu den
veldem dj zuuergnlden gebraucht; ich hab auch zimer, darinnen ich zu der arbait vnd den leutn
placz gehabt, besteen vnd die beczallu muessen. Di fei der der panier hab ich mit lauttcrui
guetem feingoldt zu beden seitn verguldt vnd an di stat «Ii gemalt. Ist mir grosser vncosstn also
darüber gangen. Beger für ain panier, so auf beden seitn gemalt 8 gülden vnd für di zway panier
vber die zwo heerpauckn, rait soliche zway panier an den heeqwuckn für der andern ains, darfur
auch 8 gülden, thuet 104 gülden.-'
„Mer hab ich zum Pudweis in Behem abermals hcw panier, wie die obem, mit aller arbait
ze machen angefangen. Hab ich die in den aufbrach wiederum!) abspanen muessen. di gen Linez
gefuert, mich auf ain newes eingerieht vnd also ausgemacht. Beger auch sovil als oben gemelt . .
104 gülden. u
„Zum drittn hab ich hie zu Wienn abermals uew tnnnettor panier, aber zu den heerpauckhn
khains gemacht, di ich mit aller arbait, wie die ersten, verriebt, beger auch s guhlen für ains.
thuet 96 gülden."
„Suina tuet 304 gülden. 1 '
Als Seisenegger' s Supplik nebst ihren Beilagen an das königliche Hof lager zu Worms
gelangte, wurde dieselbe einstweilen aufgehoben , bis der Supplicant selbst an den Hof kommen
würde. Da dies nicht erfolgte, verzog sieh die Verhandlung bis zur Rückkehr König F erdinand s
nach Wien. Am 29. Oetober 1545 erliess der König einen Befehl an seinen Ilorzahhneistcr und
dessen Controlor, die Rechnungen des Malers in seiner (»egenwart zu übersehen und über das
Ergebnis» den Hofkaminerräthen Bericht zu erstatten. Erst am 9. December 1545 gelangten diese
Verhandlungen zum Ahsehluss. Folgendes war das Ergebnis*. Meister Jakob hatte von den Hofzahl-
meistern Angerer und Holzer 722 Gulden Vorschüsse erhalten. Dagegen hatte Seisenegger an
der am 26. Juli 1535 beschlossenen Abrechnung für gelieferte Arbeiten 599 Gulden zu fordern,
wovon jedoch nach dem getroffenen ("hereinkommen 50 Gulden abgezogen werden sollten. Der
Meister wendete dagegen jetzt ein: „er hab dieselben funfezig gülden allain darum)) nachgelassen,
das im zuegesagt worden den vbrigen resst seiner arbayt auf ain mall zu beczallen; weyll es aber
nicht beschechen vnd hernach lanng angestanden sey, khun er dieselben numer nicht nachlassen".
Die seit jener Abrechnung gelieferten Arbeiten berechnete Seisenegger , wie bereits erwähnt, mit
dem mässigen Betrage von 412 Gulden rheinisch. Er musste »ich jedoch zu einem Abkommen mit
dem obersten Kämmerer Graf Niklas von Salm verstehen, in der ihm nur die Hälfte des gefor-
derten Betrages mit 206 Gulden rheinisch zuerkannt wurde. An der für Anfertigung der Troui-
Digitized by Google
Jakob Sei«sbocer.
83
peterpaniere aufgerechneten Summe von SO 4 Gulden wurde dagegen nicht der geringste Abzug
liclicbt. Seiseneggcr's siimmtliche Fordenmgen beliefeu »ich somit auf 110!) Gulden rheinisch, und
nach Abzug der erhaltenen Vorschüsse hatte er nur noch 387 Giddcn zu erhalten. Auch an seiner
unbedeutenden Hofbesoldung jährlicher 60 Gulden rheinisch waren ihm vom Beginne seine*
Dienstes her bis Ende 1543 nicht mehr als 160 Gulden bezahlt worden.
Seisenegger's dringende Bitte um Zahlung seiner Fordeningen fand endlieh Erhörung. Am
19. December 1545 erhielt er vom Hofzahlmeister Hans Holzer in Abschlag seiner Forderung „von
wegen etlicher arhaü", die er dem König gemacht, 200 Gulden rheinisch (Hofzahlamtsrechnung
1Ö45, Fol. 61). Für den Rest von 187 Gulden wurde ihm ein in des Königs Namen ausgefertigter
Schuldbrief ddo. Wien 17. Januar 1516 eingehändigt (Ged. B. 59, Fol. lu). Am letzten Dcccm-
ber 1545 wurde ihm überdies seine ausstellende Besoldung mit 350 Gahlen rheinisch erfolgt, die
ihm der König aus Gnade pussirte, „wiewoll er dieselb zeit etlicli mall von hof gewest", daher
nach der Hofordnung für die Dauer seiner Abwesenheit keinen Sold ansprechen konnte. Die
niederösterreiehisehe Kammer erhielt ferner am 16. Juli 154 7 den Auftrag, dem königlichen
Diener und Hofmaler Jakob Seisenegger den ausständigen liest von 150 Gulden an seiner Arbeit
und dem Dienstgelde von der nitehsten Confiscafion oder Strafe, die eingehen würde, zu bezahleu
(Ged. B. 61, Fol. 92 1. Schon im Mai des nächsten Jahres erhielt er auf Abschlag eine vom Haus-
grafen in Osterreich Laslawen von Edlasperg erlegte Strafsummc von 10U Gulden.
Aber auch ein bleibendes Zeichen der Anerkennung für seine fleissigen , vieljährigen und
treuen Dienste sollte Seisenegger zu Theil werden. König Ferdinand wies ihm „zu dester stat-
licher seiner vndcrhalltung" am 29. September 1547 lebenslänglich 100 Gulden rheinisch jährlich
als Provision aus den Einkünften des Vicedomamtes in Österreich unter der Enus an. Wenn
Seisenegger an den königlichen Hof erfordert oder sonst in des Königs Sachen gebraucht würde,
soll ihm nebst dieser Provision auch seine Besoldung monatlicher fünf Gulden gereicht werden
(Ged. B. 60, Fol. 299, Ged. B. 61, Fol. 167).
Ein trauriges Ereigniss in der königlichen Familie gab Veranlassung, dass Seisenegger bald
hernach den Auftrag erhielt, seine erprobte Kunstfertigkeit wieder zu zeigen. Ferdinands
geliebte Gemahlin , Königin Anna, war drei Tage nach der Geburt ihres fünfzehnten Kindes, der
Erzherzogin Johanna, am 27. Januar 1517 zu Prag dahingeschieden. Die sterblichen Überreste
der allgemein beklagten Fürstin fanden in dem St. Veits-Dome auf dem Prager Schlosse ihre letzte
Ruhestsitte. Die beschlossene Ausführung eines Denkmals von Bildhauerarbeit verzögerte sich
jedneh durch König Ferdinand'» Kriegszug nach Sachsen. Als Sieger heimgekehrt, stiftete der
König eine Messe: „super altare divae virginis matris Mariae, ante quod tumulus . . nostrae con-
thoralis dilectissimae piae recordationis oxistit" (Stiftbrief ddo. Leitmeritz 10. Juni 1547.
Bucholtz IX. 220 ff.). Seisenegger erhielt den Auftrag, eine Altartafel dahin zu malen und empfing
zu Prag am 10. October 1547 vom Hofzahlmeister Hans Holzer 50 Gulden rheinisch in Abschlag
fler Arbeit «die er an der taftt vor der Romischen khunigin sei. gedechtnus begrebnuss zw Prag
mit mal weich thucn sol" (Hofzahlamtsrechnung 1547, Fol. 103). Zu rascherer Förderung dieser
grossen Arbeit nahm Seisenegger als Gehilfen Meister Hansen, Maler von Salzburg, zuweilen von
Linz genannt. Wahrend beide in voller Thatigkeit waren, befahl König Ferdinand auf Seisen-
egger's Ansuchen, aus Augsburg am 14. Januar 1548. der böhmischen Kammer, seinem Hofmaler
„in abslag vnd zu stat Hoher Verrichtung seines in hannden habennden werchs vnd arbeit"
100 Gulden rheinisch zu erfolgen. Weder Uber die Zeit der Vollendung dieser Altartafel, noch
Uber die Vorstellungen auf derselben haben sich Nachrichten erhalten. Das Gemälde ging wohl bei
«lor Bilderstürmerei in der St. Veitskirchc am 21. December 1619 spurlos zu Grunde. Folgende Stelle
in dem Berichte eines Augenzeugen (Pragerische Reformation s. 1. 1620. 4. Fol. 3) scheint hier-
Digitized by Google
84
Ernst Birk.
über AufschluBs zu geben: „Der mitlere (Altar), so vnser lieben frawen consecriert vnd zwischen
dem chor vnd der kais. begräbnus gewesen, ist biss zur erden geschnurrt".
Auch noch eine andere grössere Arbeit zu Prag war Meister Jakob Seisenegger zugedacht.
König Ferdinand Hess 1548 den prachtvollen , unter König Wladislaw's Regierung erbauten Saal
im königlichen Schlosse, da er bei dem verheerenden Brande am 2. Juui 1541 stark gelitten,
wieder herstellen. Als die Arbeit der Vollendung nahe war , stellte Erzherzog Ferdinand , Statt-
halter in Böhmen , den Antrag, zur grösseren Zierde dieses schönen Baues an den Wänden und
zwischen den Fenstern die Bildnisse aller Lande sftlrstcn Böhmens, wie sie vor der Brunst im
oberen Gemache gewesen, nebst jenen König Ferdinand'», seiner Gemahlin und Kinder malen zu
lassen. Er bezeichnete dazu r maister Halingen maller von Salczburg, so vorhin maister Jacoben
(Seisenegger) in mallung der tatin geholffen, der dann für ainen ziniblich gueten und hehennden
maller beruembt wirdet- 1 , dem etwa auch ein guter niederländischer Maler beigegeben werden
könnte. König Ferdinand gab zu Wien am 19. Juli 1548 seine Zustimmung, befahl jedoch, früher
für den untern Theil des Saales „ain klains musster vnd conterfech" machen zu lassen, „wo, wie
vnd welcher ortn vnser, vnserer lieben gmahl seliger vnd kiuder, dergleichen auch der kaiser,
kunig und herzogen in Behain bildnuss daselbst im saal ordennlich vnd mit gueter zier nochein-
ander gesteh werden sollen u . Erzherzog Ferdinand antwortete seinem Vater aus Prag am letzten Juli :
r nachdem es alhie nit vil köstlich wcrchleut hat* 4 , sei es wohl am besten Meister Hansen kommen
zulassen, „so möcht derselb alsdann neben maister Jacoben (Seisenegger) di conter-
fe hung herunden . . . machen vnd verrichten- ; nur so könne der gewünschte Entwurf zu Stande
kommen. Seisenegger's erprobte Meisterschaft im Portriitfache hatte gewiss Werth volles geschaffen.
Da jedoch Meister Hans wegen anderweits übernommener Arbeiten diesem Kufe nicht folgen
konnte, so scheint auch Seisenegger den Antrag abgelehnt zu haben. Schon im November 1548
wurde ein Entwurf hiezu dem Maler Giovanni Battista Ferro aufgetragen. Verschiedene Ursachen
bewirkten jedoch, dass das Vorhaben bald ganz aufgegeben wurde.
Seisenegger hatte seine Dienstleistung am Hofe König Ferdinand's bis in das neunzehnte
Jahr fortgesetzt, als seine Gesundheit zu wanken begann und Spuren des Alters sich zeigten.
Sorgen für Weib und Kinder verdüsterten seine Lage. Seine geringe Hof besoldung hatte nicht
hingereicht, die Kosten der Reisen mit dem königlichen Hoflager zu decken. Alles, was der Mei-
ster sonst durch seine Kunst erworben, war darauf gegangen und überdies war er noch in Schulden
gerathen, während er in den Tagen seiner vollen Kraft wiederholt glänzende Dienstanerbietungtn
aus treuer Anhänglichkeit an seinen Herrn ausgeschlagen hatte. In dieser peinlichen Lage über-
reichte er dem Könige Ferdinand im Juni 1549 nachstehendes Gesuch:
„Allerduchleuchtigister, grossmechtigistcr khunig etc. allergenedigister herr!
Wiewol ich wais vnnd nicht zweifei, das ewer ku. mt. aus angeborner guete vnnd mildigkhait
her getrewen gehorsamen dienner vnndertkenig vleissig diensst aus aigner kunigelichen bewegnus
jeder zeit genedigist bedennckhen vnnd dieselben mit gnaden zu belonen vnnd zuuersecheu genaigt
seyen, so wierd ich doch verursacht meine langwierige diennst ewer maiestat mit dem khürezisten
hieinit zu crzellen.
Es ist yeez das neunezechendt jar, das ich an ewer khu. mt. hof vnnd diensten bin vnnd
mich auch bissher mit der geringen besoldung, nämlich monatlich mit funff gülden (doch beschwer-
lich) enthallten vnnd gennuegeu lassen, vnnd ob ich gleichwol im anfanng meines dieussts vnndt
hernach durch ewer mt. hofmaistcr weillenndt herrn Wilhelmen von RogendorfT gewisse vertröss-
tung gehebt, das mir solch mein besoldung gar in khurcz gewisslichen gepessert solt werden , ho
ist doch daBsclb bissher nie erfolgt vnnd ich nichts weniger alls der gehorsamist yeder zeit an
ewer mt. hof, wann vnd wohin ich erfordert vnnd beschaidn worden bin, mit viel mueh vnnd
Jakob Seiskneookr. 8!>
arbat nachgefolgt vnnd dadurch alles, das ich in annder weg erobert vnnd erhallten, an worden
vnd mit grundt zu schreyben drcymal mer, all« sich mein besöldung erraicht , verzert vnnd ein-
piesst hab, vnnd mich darüber noch in schulden gcstossen, darczue in solchen nachuolgen von
wegen armuet vnnd vnuennugens, auch der hartten scharffen wintterszeit nicht allain zum tail
vmb mein gcsundt khomen, sonder auch die khinder durch todtlicben abganng verloren hab.
Nun ist ewr. kliu. mt., auch etlichen derselben gehuimen dienner vnnd rätten vnuerporgen,
wasmassen die Ro. kay. mt. im verschinen zwayunddreyssigisten jar durch den herrn Cobas zu
Rcgenspurg vmb diennst mit mir haundlen vnnd anczaigen lassen, das mich ir mt. jttrlich mit
zwayhundert goldtgulden versechen vnnd da» ich zu Antorff, Brussl oder Leuen , wo es mir am
gelegenisten frey siezen solle. Dergleichen vnnd eben derselben zeit der dueo de Alba mit zway-
hundert ducaten järlichcr besöldung sambt der vnnderhallttung auff mich, mein weib vnnd ain
khnaben sich auch angebotten vnnd annder mer furssten vnnd cardinall, die ich mit namen vnnd
warhait anzuzaigen wisste, aber khurcz halben vnndterlass, glcichsfals mit mir handien lassen, aber
aus vnndterthenigiater, starckher vnnd vnzweifelhatfter zuuersicht, das ewr. khun. mt. mich, mein
weib vnnd khindle mit der zeit auch genedigist bedenckhen vnnd versechen wuerde, der obermellten
diennsten vnnd anbietten aller vnnd all annder mein gelegcnhait , die mir bissher in vil weg vor-
gestannden, hindan geseezt vnnd aussgeschlagen.
Dieweil ich dann bissher von ewer mt. khain genad nie emphanngen, mich mit der clainen
geringen besöldung vnnderthenigelich betragen , das mein dardurch cinpiesst, mich in schulden
gestossen, in ewer mt. diensten nun eraltendt vnd ewer mt. in den beschwerlichen zeitten vnnd
khriegssleuffen, damit ewer mt. bissher beladen gewest, nie anlauffen wöllcn, so verhoff ich vnder-
thenigclich ewer mt. werden solches alles merers zu herezen fassen vnnd auss oberzellten \Tsachen,
furnemblich meines allters vnnd schwachait halben mich mit weib vnnd kinndien bedennckhen.
versechen vnnd der vil jar gehabten gcdult genedigist gemessen lassen.
Vnnd ist darauff an ewer khu. mt. mein vnnderthenigist bit, sy Wüllen mich mit ainer jär-
lichen prouision hundert gülden reinisch in muncz mein leben lang vnd nach meinem tödtlichen
abganng den halben tail meinem weib vnnd khindlen genedigist versechen vnnd dieselben mir
vnd meiner jeez gemeltcn hausfrawen aus dem gefcll der maut zu Ybbs oder Stain quottemberlich
zu geben genedigist verordnen, das wil ich vmb ewer khuniglich maiestat mein lebcnlang zuuer-
dienen geflissen sein.
Eur Ro. ku. mt. vnderthenigister diener vnd hofmaller Jacob Seisseneckher. -
Blieb auch dieses Gesuch ohne Erledigung, so befahl der König doch zur Linderung des
Nothstandes seines treuen Dieners am Juni 1549 zu Prag dem Hofzahlmeister Mangen Seiez,
seinem Hofmaler Jacob Seisenegger die seit letzten Juni 1548 unbezahlt ausstehende Ilofbesol-
dung von 60 Gulden, ferner 300 Gulden für gelieferte Arbeiten und überdies als wohl verdientes
Gnadengeld 100 Gulden rheinisch ohne Vorzug und auf einmal zu bezahlen (Ged. B. 63, Fol. 174).
Die volle Zahlung dieser Betrüge erfolgte am 21. und letzten Juni 1549 (Hofzahlamtsrechnung
1549, Fol. 94 und 334).
Als König Ferdinand im Juli 1550 nach Augsburg zog, war ihm Seisenegger dahin gefolgt.
In derselben Stadt, wo vor zwanzig Jahren der aufstrebende Künstler die erste Anerkennung fand,
weilte jetzt der alternde Meister. Er erhielt hier einen neuen Beweis der fortdauernden Gnade
seines Herren. König Ferdinand bewilligte daselbst am 1. September 1550, dass Seisenegger fortan
.seine bisherige Hofbesoldung jährlicher 60 Gulden auf seine Lebenszeit als Provision zu der
bereits früher im Betrage von 100 Gulden angewiesenen, aus dem Vieedomamte zu Wien beziehen
sollte (Ged. B. 66, Fol. 252).
IX. u
Digitized by Google
Ebmst Birk.
Das Schmerzlichste für Seisenegger musate die Abnahme seine» Augenlichte* »ein, die lang-
sam fortschritt und die Ausübung seiner Kunst bedrohte. Was er in seinen Blütejahren erworben,
war längst dahin. Er hatte zwar zu Wien eiue kleine Behausung erkauft, doch hafteten Schulde»
darauf, die ihn leicht zum Wiederverkaufe nöthigen konnten. Als daher Seisenegger'« alter Freund,
Augustin Hirachvogel , am Anfang des Jahres 1553 zu Wien gestorben war, bat Meister Jakob
den König, ihm die durch Kirschvogels Ableben erledigte Provision von 100 Gulden rheinisch zu
verleihen. Er schrieb desshalb im Februar 1553 an den römischen König Ferdinand:
p Ewr Rö. khwniglich mt. tragen sonnders zweitls gnedigist guett wissen, wie ich curkhw. mt. als
derselben hofmaller nun lannge jar here verhoffenbeh eerlich vnnd getreulich gedienndt, auch allcrlaj
zuegestanndne anschliche, eerlich vnnd mir wol ersprieslichc conditionen von bäbstlicher heilligkhait,
Franckhreich, Emigelanndt vnnd anndern cristlichen pottenttaten, die mich in ire diennst anzenem-
nien vnnd anschlich zu vnderhalltcn sich angebotten, ich aber solches alles (in ansehung das ich
vnder cur khw. mt. geporn vnnd erezogen) ausgeschlagen hab. Vnnd so ich dann derselben meiner
kunsst vnnd handtwerchs mit dem beschwerlichen vill hin vnnd widerraissen sonnst in annder
weeg nicht wol gemessen miigen , auch mein ordinarj hofbcsoldung dermassen schlecht vnnd
gering gewesen , das ich mich sambt meiner hausfrawen vnnd kindern darbej schwerlich ernern
vnnd enthallten mögen, hab ich die pesste zeit meins lebens also verschhssen vnnd nicht souil ftlr
mich bringen khünden, das ich jeezo in meinen erlebten tagen vnnd sonnderlich bej dem mangl
meins gsichts (den ich von tag zu tag je mehr emphinde) mein notturfftige vnndcrhalltung gehaben
möchte. Dann ob ich gleichwol mir zu Wienn ain behausung erkhaufft, so hab ich mich doch dar-
durch dermassen in schulden gesteckht, das ich dieselben ausser widerverkhanming des hauss bej
disen beschwerlichen vnnd grossen steurn nicht beczallen khan, sonnder bin armuetthalbcn drün-
genlich verursacht solche behausung widerumb zuuerkhauffen vnnd mich sambt meiner immer
schwachen vnnd kranckhen hausfraucn herberigsweiss zu enthallten. Damit ich aber meiner lann-
«•en getreuen diennstc in meinen alten tagen geniessen vnnd sambt meiner schwachen hausfraucn
die übrigen vnnsere täg zu leben haben mögen , so lanngt an cur khw. mt. mein vnnderthenigist
diemücttigist bitt, die wölle mir die jerlichen ainhundert gülden reinisch, bo cur khw. mt. weilennd
dem AuguHtin Hirschvogl auf sein leben lanng aus dem viezdombambt zu Wienn verschriben
vnnd er diser tag mit tod abganngen, derhalben eur mt. widerumb haimbgefallen, auf mein leben
lanng zu ainer zuepuess vnnd crgeczlicheit meiner diennstc allergnedigist bewilligen vnnd
eruolgen lassen, der vnnderthenigisten zueversicht eur khw. mt. obbemelten vrsachen halben mir
solches nicht abschlagen werden vnnd das vmb cm* khw. mt. vnnd derselben khw. khindem in
aller vnnderthenigkhait zuuerdiennen, will ich mich die zeit meins lebens vngesparts und höch-
stes vleiss bevleissen, dem ich mich damit zu gnaden beuelchcn thuc."
Der Erfolg entsprach jedoch nicht der gehegten Erwartung. Der König schlug die Bitte ab.
Seisenegger, hiedurch nicht entmutlngt, wendete sich an des römischen Königs iiitesten Sohn,
Maximilian König von Böhmen, auf dessen Begehren er zwei Knaben zur Malerei heranbildete,
mit der Bitte um gnädige Fürsprache (das Gesuch ist abgedruckt in den Wiener Jahrbüchern der
Literatur, Bd. 122, A. Bl. S. 2). Nunuiclir wurde Seisenegger'* Bitte wenigstens zum Theil erhört.
König Ferdinand bewilligte in Erwägung der treuen und fleissigen Dienste, die er dem
König „vill jar vnnd zeit heer gehorsamblich bewisen hat vnnd sich des noch furhin, so weit sich
sein leibsvermugen vnd gesundthait erstrekht, zu thuen vnnderthenigist erpietten thuef, zu seiner
bisherigen Provision von lüO Gulden noch 50 Gulden jährlich auf seine Lebenszeit, alles aus dem
Viccdoraamte zu Wien (Ged. B. 71, Fol. 107).
Seinem Anerbieten treu strebte Seisenegger, so weit es seine Kräfte zulicsscn, seiner
Dienstpflicht nachzukommen. So erhielt er am letzten Februar 1554 zu Wien vom Hofeahlmeistcr
Jakob Seisbnegger.
«7
60 Gulden rheinisch r so ime die khuniglich maiestat von wegen abconnderfehung irer
khuniglichen maiestat geliebten khunigclichen khinder" zu geben verordnet (Hofzahlamtsrech-
nung 1554, Fol. 165). Im August desselben Jahres malte und vergoldete er eine ungarische Feld-
fahne, die der römische König dem Palatin Nndasdy zustellen liesB (Hofzahlamtsrechnung 1554,
Fol. 303). Auch noch in späteren Jahren finden wir Scisenegger nach Kräften thätig. So malte er
im April 1557 abermals eine Feldfahne für den römischen König, wofür er 50 Gulden rheinisch
erhielt (Hofzahlamtsrechnung 1557, Fol. 130).
Zur Vergütung der in früheren Jahren im königlichen Dienste erlittenen schweren Einbusgen
bewilligte König Ferdinand zu Wien am 13. December 1557 seinem Hofmaler, der nunmehr
27 Jahre treu und fleissig gedient, 500 Gulden rheinisch aus heimfallenden Lehen, PönfäUen etc.
(Ged. B. 78, Fol. 212). Die Realisirung
derartiger Exspectanzen , wie man sie
nannte, war jedoch höchst unsicher
und konnte Jahre lang dauern. Zur
Abhilfe dagegen versprach der König
zu Wien am 29. August 1558 dem Sci-
senegger in Anbetracht seiner voll-
brachten und noch täglichen treuen
Dienste, dass ihm von diesem Gnaden-
geld alsbald 100 Gulden und am ersten
Januar 1559 50 Gulden und sofort am
Anfang jedes Jahres derselbe Betrag
bis zu gänzlicher Entrichtung der 500
G ulden aus dem Wiener Salzamte erfolgt
werden sollen (Ged. B. 79, Fol. 262).
Im October 1558 stellte Scisen-
egger an seinen Gebieter, den am Fig " *' F,g ' 2 *
14. Mai dieses Jahres erwählten römischen Kaiser, die Bitte um Verbesserung seines alten Wap-
pens, wie auch um taxfreie Nobilitation für sich und seine ehelichen Leibeserben. Diese Supplik
liegt im Adelsarchiv des k. k. Staatsministeriums und wurde von Bergmann in den Jahrbüchern
der Literatur Bd. 122, A. Bl. S. 4, veröffentlicht. Zur Ergänzung folgen hier die beiden auf dem
Gesuche vorkommenden Wappenschilde, zur Linken das einfache alte Wappen (Fig. 1), der
schwarze Greif im goldenen Felde, zur Rechten die beantragte Besserung mit dem quadrirten
Schilde (Fig. 2).
Kaiser Ferdinand zögerte nicht diesem Ansuchen seines Hofmalers Folge zu geben. In huld-
voller Anerkennung der vielen Verdienste Seisenegger's, der in der Kunst des Bildnissmalens
dieser Zeit als der berühmteste anerkannt und befunden worden, erhob er ihn und seine ehe-
lichen Leibeserben am 16. October 1558 zu Wien in den Adelsstand und verbesserte sein alther-
gebrachtes Wappen ; überdies wurde ihm später am 16. März 1559 auch die Taxbefreiung bewilligt.
Seisenegger's Adels- und Wappenbrief, ein schönes Denkmal der Würdigung wahren Verdienstes
wie der Kunstliebe Kaiser Ferdinand's, lautet :
„Wir Ferdinand etc. bekhennen öffentlich mit disem brief vnd thuen khundt allermenigelich,
wiewoll wir aus Römischer khaiserlicher hüche vnd wierdigkhait, darein vns der allmcchtig nach
seinem göttlichen willen geaeezt hat, auch angeborner guettc vnd miltigkhait allzeit genaigt sein
aller vnd jegücher vnserer vnd des heilligen reichs, auch vnserer khunigreich vnd furstenthumben
vnderthonen vnd getrewen er, wierd, aufnemben, nutz vnd pesstes furzuneniben, zu befurderen vnd
Digitized by Google
88 Ers»t Bikk.
zu betrachten, so ist doch vnser khaiserlich gemuet in sonder bewegt vnd hegierlieh denen vnser
genad mitzutaillcn, welche in erberm, redlichem standt vnd wesen herkhumen sein vnd siel» geegen
vns vnd dem heilligen reiche vnd vnserm löblichen hauss Osterreich in sonderlicher, gehorsamer
vnd vndertheniger getrewen dienstbarkhait ftlr annder guetw iiiig erzaigen, halten vnd beweisen,
sy dieselben verdientten vnd teugliche personen in noch höchcre eer, wierd vnd standt zu erheben
vnd zu wierdigen. Als wir dann genedigelich angesehen, wargenumben vnd betracht sollich erber-
khait, redligkhait, vernunfft, schickhligkhait, guet adelich sitten, weesen vnd tugent, darinnen wir
vnsern diener, hofmaller vnd getrewen lieben Jacoben Seisenegger erkhennen, auch die vnder
thenigen, vleissigen vnd willigen dienst, die er Seisenegger mit seiner khunst der illuministrcy vnd
abeonterfethur, darinnen er diser zeit für den beruembtisten erkhent vnd befunden , sich auch in
der hoehberuembten khunst der geometria von weegen seines in sonderhait darzue tragenden
grossen lusst vnd begierde vilfeltigclich geuebet vnd erfaren ist vnd sunsten auch in annder weeg
vns an vnserm khaiserlichen hole vnd bei vnser selbst aignen person, dessgleichen weillendt vnser
liebsten gemahl der Römischen khunigin löblicher vnd seeliger gedechtnus vnd vnsern geliebden
khaiserlichen sunen vnd tochtern immer ob den dreyssig jareu beer yederzeit zu vnsern vnd irer
liebden sojidern angenämen genedigisten willen , wolgefallen vnd benuegen erzaigt vnd bewisen
hat, dasselbig noch täglichen mit sonnderm getrewem embsigem vleiss thuet vnd hinfuron nicht
weniger zu thuen des vnderthenigisten erbiettens ist, auch woll thuen mag vnd solle , dammb vnd
damit sich er Seisenegger vnd die scinigen solcher seiner vorelltern vnd seiner selbst redligkhait,
tugent vnd verdienen von vns, als pillich ist, genossen zu haben beruemen vnd dardurch hinfur
annder gegen vns, dem heilligen reich vnd vnserm löblichen hauss Osterreich zu dergleichen
gueten tilgenden vnd nuczlicher gehorsamer vnd williger dienstbarkhait geraiezt werden, so haben
wir demnach mit guetter vorbetrachtung, wolbedachtem muet, rechter wissen vnd von sonndern
vnsern khaiserlichen gnaden wegen den genannten vnsern diener Jacoben Seisenegger vnd all
sein eelich leibsserben vnd derselben erbeng erben, mann vnd frawenpersonen für vnd für ewige-
lich in den stanndt vnd grad des adls der recht edl gebornen lehens thurniersgenoss vnd ritter-
massigen leut erhebt, darzue gewierdigt vnd edl gemacht vnd sy der schar, gesellschafft vnd
gemainschalFt vnserer vud des heilligen Römischen reiehs , auch vnserer klmnigreich , erblichen
fursstenthumben vnd lannden recht edl geboren leben thurniers genossen vnd rittermJissigen edl-
leutten zuegeselt, geleichet vnd zuegefuegt zu gleicher weiss, als ob sy von iren vier anen vnd
geschlechten za baiden seitten recht edl rittermassig lehen thurniers genoss edlleut geboren wären
vnd zu noch merer zeugnus, glaubens vnd gedechtnus solcher erhebung vnd wierdigung gemeltem
vnserm diener Jacoben Seisenegger sein allt wappen vnd clainat , so mit namen ist ain gelber
oder goldtfarber schilt, darinnen auf ainem weissen oder silberfarben drifachem schrofigem grundt
ain gancz s« hwarezer greift" steendt auf seinen hinderen fuessen auffrecht geegen dem vonlern
obern egg des schilts, haltent in seinen vorderen waffen ainen gehawen oder formierten stain von
sechs eggen, mit seinen aufgethonen flugin, vndergeschlagnem schwantz, offnem schnabl vnd rotter
aussgeschlagner zungen, auf dem schüllt ain stechhelbm mit gelber oder goldtfarber vnd schwar-
tzer helbmdeckhen geziert, darauf ain krantz von gelbem oder goldtfarbein laubwerch aus dem-
selben neben einander entspringent zwo aufgethon adlersfllig schwarezer färb, zwischen denselben
auch ain sechseggetter stain, wie in dem schilt erscheinent, nachuolgunder massen geziert, ver-
Hnndert, gepessert, auch ime , seinen erben vnd nachkhumen des namens Seisenegger zu fueren
vnd zu gebrauchen genedigelicheu vergunt vnd erlaubt haben mit namen ainen quartierten schilt,
dessen vnnder hinder vnd ober vorder fierung plaw oder lasurfarb, in yetweder derselben in ainem
flachen geometrischen circkhl oder ainer figur drey gelbe oder goltfarbc quadratstuckh triangl»-
weise mit den spiezen oder winckheln zusamengciüegt , vnud dann die andern zwo tierungen die
Digitized by Google
Jakob Seisexeugek.
89
«chilts gelb oder goltfarb, in yetweder derselben auf seinen hindern messen für »ich aufrecht*
steent ain schwarezer greift" mit vnndter sich gekrimptem schwanntz, beder seits erhobnen flugeln,
offnem schnabell vnd ausgeschlagner rotter zungen, sein recht waff ausgeprait gegen dem vordem
obem egkli , die lingkh für sich vnnd darinn vuderhalb des khopffs haltendt ain schlangen irer
natürlichen färb vnnd gestallt, den koph gegen ime kherendt mit aufgethanem maul, heckhender
zunpren vnd vnnder sich gewundtnem leib vnd sehwancz; auf dem schildt ain offner adelicher
fumiershelmb, dessen pogen der visier oder aussehen sambt den wulssten vmb den hals» gelb
oder jgoltfarb, auf der rechten mit schwarezer, linggeu plaw oder lasur vnnd btderseits gelber oder
g;oltf»rber helmbdeckhen vnd darob ainer guldin khunigelichen cron geziert, daraus zwischen
zwaien gegen einander aufgethonen schwartzen adlersflugen , deren sachssen gegen einander
gekhert ersebeinent, mit seinem spiez vber »ich ain ploss schwert mit schwarezem hefft vnd ver-
hülltem glattem schlechtem ereuez vnnd zwerchpüglin , alsdann sollich adenlich wappen vnnd
clainat mit der verennderung, zicrang vnd pesserung in mitt dits vnnsers kaiserlichen briefs gema-
let vnd mit färben aigentlicher ausgestrichen ist , thuen vnd geben inen auch vorgemelte gnad vnd
frey hait, erheben, wierdigen vnd schöpfen sy in den standt vnd gi'ad des adls , adlen , gleichen,
gesellen vnd fliegen sy zu der schar, gesellschafft vnd gemeinsebafft vnserer vnd des heilligen
reichs, auch vnsers löblichen hauss Österreichs gebornen ritttrmUssigen leben» vnd thurnierss-
genossen cdlleuten, erlauben vnd geben inen zue. das sy obgeschriben wappen vnd clainat mit
der pesserung, wie obsteet, fueren vnd sich der in allen eerlichen, redlichen, adelichen vnd ritter-
lichen sachen vnd geschafften, zu schimpf vnd zu ernnst, es scy in streitten, stürmen, khempfen,
thurnieren, gestechen, gefechten, rittcrspillen, veltzugen, panieren, gezellten, aufschlagen, innsigln,
pettschafften, clainaten, gemillden, venstem, begrebnussen vnd sunst an allen andern orten vnd
ennden nach iren ecren, notturfften, willen vnd wolgefallen gebrauchen sollen vnd mugen, alles
aus Römischer khaiserlicher macht wissentlich in crafli dits briefs vnd mainen, seezen vnd wellen,
das sy furbasshin in ewig zeit der genant Seisenegger , all sein eclich leibsserben vnd derselben
erbens erben, mann vnd frawenpersonen, recht edl geboren rittermSlssig lehen vnd thurniers
genossleut sein, von menigelich vnd an allen ortten vnd ennden in allen vnd yeden handlungcn
sachen vnd geschafften, geistlichen vnd weltliehen, darfür halten vnd ceren vnd sunst all vnd
iegelich eer, wierde, vortail, freihait, recht, gereehtigkhait, allt herkhumen vnd guet gewonhait
haben, mit beneficien auf thuembstifften , hohen vnd nidern ambtern, geistlichen vnd weltlichen
leben zu emphahen, zu halten vnd zu tragen mit andern vnsern vnd des heilligen Römischen
reich« vnd vnserer kunigreich erblichen furstenthumben vnd lannden recht edl gebornen Ichens
thurniers genossen vnd rittermHssigen leutten in all vnd jegelich thurnier zu reitten, zu thurnieren,
mit inen lehen vnd all annder gericht vnd recht zu besitzen, vrttl zu schöpfen vnd recht zu
sprechen vnd der vnd aller anderer adelichen sachen, handlungcn vnd geschafften, eeren, wierden,
vortailen, freihaiten, gewonhaiten, gesellschafften vnd gemainschaften an allen ennden, innerhalb
vnd ausserhalb gerichts, mit inen zu handien, zu thuen vnd zu lassen, tailhafftig, wierdig,
emphengelich vnd darzue teuglich, schickhlicb vnd guet sein, sich auch der obgeschribnen wappen
vnd clainaten mit der verUnnderung , zierung vnd pesserung sambt den vermelten genaden vnd
freihalten allenthalben nach iren ehren, notturfften, willen vnd wolgefallen freyen, gemessen vnd
gebrauchen mugen vnd sollen in allerinassen, als ob solliches alles von iren vier anen, vattern,
muettern vnd geschlechten zu baider seit« erblich auf sy khumen vnd gewachsen wäre, vnd als
ander vnser vnd des reich«, auch anderer vnserer kunigreich, erblichen furstenthumben vnd lann-
den recht edl geboren rittermiissig lehen vnd thuruiersgenoss edlleut, so solches alles haben, sich
deren gebrauchen vnd gemessen von recht oder gewonhait, von allermenigclich vnuerhindert, vnd
gebietten darauf n. allen vnd yeden churfursten, fursten geistlichen vnd weltlichen, prelaten,
Digitized by Google
90
Ernst Birk.
grauen, freyen , herren , rittern, knechten, landtmarschalchcn , landsshaubtleutten, haubtleutten,
landtuogten, viczthumben, Vögten, pflegern, vcrwesern, ambtleutten , »chulthaissen , kliundig-ero
oder wappen crnholden , perseuantcn, burgermaistera , richtern, rttten, burgern, gemainden vnd
«unst allen anndern vnsern vnd de« reichs, auch amiderer vnserer khunigreich , furstenthtimb vnd
lande vnderthonen vnd getrewen, in was wierden, stanndta oder wesens die 8ein, ernnstlich vnd
vesstigclich mit disem brief vnd wellen, das sy obgedachten Jacoben Seisenegger vnd seine erben
vnd derselben erbens erben in ewig zeit für vnser und des hcilligcn reichs vnd vnserer khunig-
reich, erblichen furstenthumben vnd landt recht geboren lehensthurniers genossen vnd ritter-
mässige edlleut eeren, halten vnd erkliennen, inen auch an diser vnser erhebung ires «tandts
vnd grad des adls pesserung vnd zierung des Wappens vnd clainats vnd allen anndern vor-
geraelten vnsern khaiserlichen gnaden, eeren, wierden vnd freihalten nicht hindern noch irren,
sonnder sy deren allenthalben berneblich freyen, gebrauchen, gemessen vnd genczlich dabey
bleiben lassen, darwider nicht thuen, noch des yemandts anderm zu thuen gestatten in khain
weis, als lieb ainem yeden sey vnser vnd des reichs schwilre vngnad vnd straff, darzue ain
peen, benantlich funffzig marckh lotigs goldes, zuuernicidcn , die ain yeder so offt er frauenlich
hiewider thüte, halb in vnser vnd des reichs camer vnd den anndern halben taill obgenanten
Jacoben Seisenegger, seinen erben vnd derselben erbens erben obgemellt vnnachlässlich zu
bezallen verfallen sein solle , doch anndern , die vielleicht den obgeschriben wappen vnd
»lähmten gleich fuerten, an denselben iren wappen, rechten und gerechtigkaiten vnuerg-riffen
vnd vnschedheh. Mit vrkhundt dits briefs besiglt mit vnserm khaiserlichen anhangunden insigl.
Geben zu Wienn den sechzehenden tag Octobris nach C'liristi vnsers lieben herrn gepurt XV*»
vnd im achtundlunffzigistcn, vnserer reiche des Komischen im 28. vnd der anndern im 32. jaren. -4
(Original-Coneept im Adelsarchiv des k. k. Staatsministcriums.)
Hatte Seisenegger in früheren Tagen bei Schätzung seiner Arbeiten manche empfindliche
Verkürzung erlitten, durch lange Jahre die Zahlung der auf die Hiüftc herabgesetzten Betrage
erwarten müssen \md dennoch in treuer Pflichterfüllung sein Erworbenes zugesetzt, so vergalt
des Kaisers Huld dem alternden Meister reichlich jene früheren Unbilden. So wurde ihm zu
Wien am 18. Februar 1560 abermals eine Expectanz auf 300 Gulden in Münze erfolgt, in
Anbetracht seiner langjährigen Dienste „in eonterfeten, auch malwerckli vnd andern Sachen",
die ihm der Kaiser zu verrichten befohlen (Ged. B. 86, Fol. 75). In demselben Jahre am
19. November zu Wien bewilligte ihm Kaiser Ferdinand aus besonderer Gnade und in Berück-
sichtigung der Fürbitte des jungen Königs von Böhmen Maximilian vom 1. November 1560
an fortan jährlich sein Leben lang 50 Gulden rheinisch in Münze als Provision und Gnaden-
gcld aus den Gefallen des Salzamtes zu Wien „in gnedigister envegung seiner vnns vnnd
auch weillenndt vnnsrer liebsten gemahl der Römischen khunigin selligcr vnnd milter gedächt-
nus, auch vnnsern geliebten sunen vnd töchtern von vill vnnd lanngen jaren beer gethannen
vnnd noch teglichen, aufrichtigen, getreuen vnd vleissigen diennst vnnd darinn erlanngtcn
althers" (Ged. Ii. «6, Fol. 481).
Seiscncgger's warme Anhänglichkeit an seinen kaiserlichen Herrn bewies sich, ah) er und
seine Gattin Susanna von ihrer geringen Habe demselben zu seinen „ gegen württigen hohan-
gelegnen aussgaben" 1000 Gulden rheinisch gegen acht Procente jährlicher Verzinsung
darliehen und diese Summe am 1. Mai 1561 zu Wien dem Hofzahlmeister Sebastian Fuchs
überantworteten. Noch an demselben Tage wurden sie mit Capital und Interesse auf das Salz-
amt zu Wien, insbesondere auf das Gefall „der aindlif aufgabkueffl salcz J verwiesen (Ged. B. 87,
Fol. 139; Ged. 13. 88, Fol. 30).
Digitized by Googkr
Jakob ÖKismr.ciOER.
91
Bald darauf beschloss Seisenegger von Wien wegzuziehen und in Linz sich häuslich nieder-
zulassen. Er bat desshalb den Kaiser ihm seine Provision jahrlicher 210 Gulden, die er
bisher aus dem Vicedomamte zu Wien bezogen, „vmb pesserer seiner gelegcnhait willen" vom
1. Juli 1561 an auf die Gefälle des Vieedomamtes zu Linz zu verweisen. Der Kaiser areneh-
iiiigte dies zu Wien am 14. Juni 15GI mit dem Beifügen, „doch solle er Seiscnegger jeder
zeit, wann wir sein bedurffen vnd als vill sein leibsvermugen geben wierdet, an vnsern hof
auf vriser erfordern zu verraisen a schuldig und verbunden sein (Ged. B. 87, Fol. 194). Da
Seiscnegger zur Zeit seiner Übersiedlung nach Linz vom Vicedomamte in Österreich unter der
Enns noch 210 Gulden rückständige Provision zu erhalten hatte, so befahl König Maximilian
zu Linz am 30. Dccembcr 1561 auf dessen Bitte „vnd die vnns genuegsamblich daneben
furgebrachte vrsachen a dem Vicedom zu Linz, Cosmas Gienger, ihm diesen Rückstand gleich-
falls daselbst zu erfolgen (Ged. B. 83, Fol. 208).
Auch für das Schicksal der Gattin Seiscnegger'» im Falle des früheren Ablebens ihres
Gatten sorgte grossmüthig Kaiser Ferdinand. Er bewilligte ihr zu Wien am 30. August 1563
in Anbetracht der langwierigen, treuen und fleissigen Dienste desselben nach dessen Hinscheiden
durch vier Jahre 40 Gulden rheinisch Gnadengeld in Münze. Das Nöthige solle aufgerichtet,
gefertigt und zugestellt werden, wenn sich dieser Todesfall zutragen wird (Ged. B. 92, Fol. 241).
Seiscnegger hatte, wie bereits erwähnt, in früheren Jahren seine geringen Ersparnisse
verwendet ein kleines Haus in Wien zu kaufen, um sein Leben am eigenen Herde in Ruhe
zu bcschliesscn, obgleich er sich zu diesem Ende in Schulden stürzen musste. Wahrscheinlich
bei seiner Übersiedlung nach Linz verkaufte er diese Behausung, nicht ohne früher mit Mieths-
leuten schmerzliche Erfahrungen gemacht zu haben. Am 10. üctober 1557 hatte er sein Haus
an einen königlichen Diener bei der niederösterreichischen Kammerbuchhalterci, Leopold Pichler,
um den jährlichen Zins von 110 Gulden rheinisch vermiethet. Der noch erhaltene Miethsver-
trag zählt genau die einzelnen Bestandtheile des Hauses auf, enthält jedoch leider nicht die
geringste Andeutung, wo dasselbe gelegen war. Der neue Miethsmann blieb aber bald mit
dem Zinse für anderthalb Jahre in Rückstand und nur durch das kräftige Einschreiten des
Kaisers wie seines Sohnes König Maximilian gelang es Seiscnegger im August 1563 den
ausstandigen Zins von 165 Gulden rheinisch hereinzubringen.
Im Mai 1564 bestürmte Seiscnegger, alternd und seines geschwächten Gesichtes halber
unfähig zu jedem Erwerb, neuerdings die oft erprobte Grossmuth seines Gebieters. Er bat
dringend um Verbesserung seiner Provision und insbesondere um Verleihung der Hälfte der-
selben für seine Gattin nach seinem Ableben, gleichfalls auf deren Lebenszeit. Das Gesuch
enthält einige Angaben Uber sein früheres Leben und die Mittheilung desselben dürfte daher
nicht unwillkommen sein. Es lautet:
„Allerdurchleuchtigister grossinächtigister vniiberwindlichister Römischer khayser, auch zu
Hungern vnd Behaimb etc. khönig etc.
Allergenadigister herr, eur Röm. khay. mt. etc. khunden sich noch allergenadigist selb» woll
erinnern vnd zw etwas erfrischung meines folgenden anzaigens fueg ich derselben mit grundt der
warhait in vnderthanigister gehorsam zuuememen, das ich eur Röm. khay. mt. etc. von meiner
jugendt her bis in das funfunddreissigist jar mit meiner gelcrntn khonst, souill mir gott
geuadt geben, vnnderthänigist , gehorsamist, vleissigist vnnd treulichist nur vmb fünf phund phe-
ning monatlich gedient vnd doch offt am hin- und widerraysen ain monat zu gar vnuenneidlicher
mein selbs, meiner hausfraucn, voriger gehabten khinder vnd gesynndt notturfften vber zwainezig
phunt phenig vnd offt vill merverzern muessen vnd wiewoll eur Röm. khay. mt. etc. meine menig-
feltige gemachte arbaithu vnd conterfecturn in sonderhait zu bezallcn allergenadigist verordnet
Digitized by Google
<»2
Ernst RtBK.
gehabt, so ist mir dnnnacht niemals der halb taill meines verdienens daran vnd inner achtzehen
jarn warlich gar nichts bczalt worden, wie cur Rüm. khay. mt. etc. gewesener rath vnnd obrister
chamrer etc. herr Martin von Gusraan etc. vor seiner gnaden in Hispanien von hie vernikhen
mir selbs khundtschatft gegeben vnd dis mein warhafftig anzaign bestätigt hat, dcrhalbcn cur Röm.
khay. mt. etc. mir noch in nechst verschinen 60""' jur ain prouision jürlich fünfzig phunt phening
vnd darnach fünfhundert phunt phening gnadcngelt im sybenundfunfezigisten jar aus confisciertn
verfallen guettern , die ich aber nindert bekhumen mögen, allergenädigist verschriben , alsdann
mir dieselben auch im achtundfunfezigistcu jar aus eur khay. mt. etc. salczumbt hie, namblich alle
jar in abschlag fnnfezig phunt phen. zu bezallcn bis zu folliger erstatung derselben funflmndert
phunt phen. allergenädigist verordnet laut capy mit A hieneben, dauon ich noch nur zway jar frisstn
vnd bezallung zu emphahen liab, vnnd nachdem ich nun gar ain schwach alter erlanngt vnnd
was ich alle meine tag in Hispanien. Wiilhischen vnd anndern lannden hertigkhlich vberkhomen
vnd erspart , in solchem meinem dienst eingepucsst vnd das vbrig alhie «u Wienn an ain haus
gelegt vnd dasselb gepaut, des furnemens gleich alhie sambt weib vnnd gesindt mein leben zuuer-
zern vnd zu schliessen, so bin ich doch ye lonnger mer darneben in gross schulden gerathn, das
ich ermeltes haus mit grassen schaden verkhauffen vnd meine grassc crlanngte schulden vnd in-
teresse darmit bezallen muessen vnnd also nur von den khlainen vberbeliben vnd ersparten resst-
lein, auch ringen prouision vnd gnadengeltlein noch auf heut an zere, dan ich laider meines alters
schwachait vnd pleden gesichts halber nichts mer zu gewynnen wais vnd gleich sorg trag, ich
werde in meinem leben paldt gar aufzern. Nun hat der allmechtig barmbherezig gott aus sonnde-
rcr gnadigen schickhung jeezo mein liebe hausfraw, so auch etwas schwach vnd miedt, schwanngers
leibs gemacht, das ich in khuerezer zeit mich aines khindts vertrest, dem wolt ich (wie pillich)
sambt meiner lieben hausfrauen (woferr sy mich vberlebtc) vmb ieres eelichen getreuen channdli-
chen wolhaltens wegen auch herczlich gern ain zimbliche erliche vnderhaltung lassen, dieweill
ichs dan ja aus meinem guetl nit hab vnd eur khay. mt. etc. mir verordnet gnadengelt der järlichen
funfezig phunt phen. sich nechst khunfftigs sechsvndsechczigisten jars ennden wierdet vnd eur
khay. mt. etc. gleichwol auf mein vnderthanigist gehorsamist bithn meiner geliebten hausfrauen
nach meinem todt vier jar lang vnd jedes besonder vierzig phunt phening hilfgclt zu genaden
bewilligt, damit sy doch auf khain gewiss ort versehen noch verwisen worden, laut copy mit B,
das ich mich in ain als den anndern wege vnnderthanigist bedanckhe, vnd aber eur Köm.
khay. mt. etc. als ain heilliger, gerechtster , mildtreichister khayser alle derselben alte getreue
gehorsamiste diener in ierem leben nit mangl leiden lassen, sonnder sy allergenädigist vnd
viltterlihist begaben. Hierauf lanngt an cur Röin. khay. mt. etc. ferrer mein allervnderthanigist,
gehorsamist vnd diemuetigist bitthn, die wellen in erwegung meiner so langwierigen, getreuen,
willigisten dienst, meines vilfeltigen grassen einpuessens, nachsehens in bezallung meiner
incnigfeltigeu eur khay. mt. etc. volprachtn arbaitn, contherfecturn vnd anndern gemälln, auch
meines erlanngten schwachen alters vnd aus besondern khayserlichen mildtreichisten genaden
mir die funfezig phunt phening genadengaben nach endung der angemeltcu verschreibung, die
ich hinaus zu geben gehorsamist vrpüttig, widerumb von neuem mein lebe lang neben den
vorigen funfezig phunt phening, thuet hundert phunt phening prouision vnd nach meinem
todt meiner geliebtn hausfrauen auch ir lebe lang dy funfezig phunt phening, wellichcs nur
vmb zehen phunt phening mer ist, aus dem gemelten salczambt zu raichen allergenädigist
bewilligen vnd derhalbcn an herrn salczambtman ainen neuen beuelch zuuerfertigen verordnen.
Das wellen wir bede schwache chonleut die zeit vnnsers lebeus, das wol zu besorgen khuercz
sein wirdet, vmb eur Rom. khay. mt. etc. vnd derselben geliebste khayserlichc khinder mit
vnnserm andächtigen tätlichen gepeth gegen gott treulichist zuuerdienen nit vergessen vnd thue
Digitized by Google
Jakob Skisekecokr.
93
cur Rom. khay. mt. etc. mich aambt meiner geliebtn schwachen getreuen hausfraun hiemit vmb
allcrgenädigisten wilfarigen besehaidt vnnderthanigist beuelhen.
Eur Römisch khayserlichen maiestat etc. vnnderthanigister gehorsamister alter dienner vnd
liofmaller Jacub Scysencckher. w
Der Erfolg war, da.ss Kaiser Ferdinand seinem alten Diener Seisenegger „zu desst besser
seiner vndtcrhaltung" aus besonderer Gnade zu Wien am 10. Mai 1564 durch seinen Hofzahlmcistcr
Schastian Fuchs 50 Thaler zu erfolgen befahl (Hofzahlamtsreehnung 1561, Fol. 281). Seisenegger'«
Supplik aber wurde am 11. Mai mit den Worten erledigt: „Die römisch kayserlich maiestat
etc. viiser allergenadigister herr habn des supplicanten begern derzeit mit gnaden cingesteldt*.
Nach Ableben Kaiser Ferdinand'» (f 25. Juli 1564) erneuerte Seisenegger seine frühere
Bitte bei dessen Sohne Kaiser Maximilian im Januar 1566, aber gleichfalls ohne den gewünschten
Erfolg; dagegen wurden ihm am 7. Januar aus Gnaden auf einmal 34 Gulden aus dem Hof-
zahlamte bewilligt (David Hagen's Hofzahlauitsrechnung 1566, Fol. 610).
Als Kaiser Ferdinands Söhne Maximilian, Ferdinand und Karl am 6. Januar 1566 die
angefallenen Erblande unter sich theilten und einen brüderlichen Vergleich schlössen, übernahm
es Erzherzog Ferdinand, dem Tirol und die Vorlandc zugefallen, Seisenegger« Provision jähr-
licher 210 Gulden vom 1. Januar 1566 an aus dem Tiroler Kammermeisteramte zu bezahlen.
Eine Zuschrift Kaiser Maximilian'» aus Augsburg vom 3. Februar 1566 setzte Seisenegger von
dieser Veränderung in Kenntnis» (Ged. B. 100, Fol. 1. Ged. B. 101, Fol. 17).
Altersschwach und lebensmüde starb Meister Jakob Seisenegger noch vor Ablauf des
Jahres 1567. Bestimmtere Angaben Uber seinen Todestag fehlen.
Aus Gnaden bewilligte Erzherzog Ferdinand seiner hinterlassenen Witwe Susanna die Aus-
zahlung des vollen Provisionsbetrages für dieses Jahr, ^vnangeschen das er das bemelt 67. jar
nit völlig erlebt'. In Folge dieses Befehls erhielt die Witwe am 11. Juni 1568 112 Gulden
:t0 Kreuzer und am 4. Dccember den Rest von 97 Gulden 30 Kreuzer zu Händen Erasmen
Haidenreichs zu Pidncgg, erzherzoglichen Hofkammerrathes und Pflegers zu Frageustain (Tiroler
Kammcnncisteramtsrcchnung 1568, Fol. 217 im Innsbnicker Statthaltern- Archiv). Das Gnaden-
geld von 40 Gulden jahrlich auf die Dauer von vier Jahren, das weiland Kaiser Ferdinand der
Witwe Seisenegger'» nach Ableben ihres Gatten am 30. August 1563 bewilligt hatte, wurde ilir
am 10. April 1568 angewiesen.
Möchte es gelungen sein, auf dem mühevollen Wege historischer Forschung dem ver-
schollenen Namen des wackeren Meisters Jakob Seisenegger den ihm gebührenden Ehrenplatz
in der Kunstgeschichte Österreichs im XVI. Jahrhundert gesichert zu haben. Erneuerter
kritischer Forschung muss es vorbehalten bleiben Gemälde dieses Kunstlers, die gewiss noch,
wenn auch unter fremdem Namen, erhalten sind, aufzufinden und auf ihren wahren Urheber zurück
zu führen, wobei die hier mitgcthcilten urkundlichen Nachweise vielleicht nicht ganz ohne Werth
sein dürften. Gelingt dies, wie kaum zu bezweifeln, so ist der Weg gebahnt, eingehender, als es
bisher möglich war, die Conception und Technik dieses Meisters kennen zu lernen und seine Ver-
dienste um die Kunst im Vergleich mit den Werken seiner berühmteren Zeitgenossen, eines Tiziano
Vecelli, Holbein, Amberger und Anderer, nach Gebühr zu würdigen.
Nachtrag.
Der Druck vorstehender Zeilen war noch nicht vollendet, als uns der kaiserliche Rath und
Director Bergmann gefalligst mittheilte, das kaiserliche Münz- und Antikencabinet habe in neuerer
Zeit eine Medaille mit dem Bildnisse Jakob Seisenegger'» erworben. Wir glauben eine Abbildung
EX. 13
/
94
Erxst Birk.
derselben hier nachträglich beigeben zu «ollen, da es nur erwünscht sein kann, die Züge eine* 1
Mannes kennen zu lernen, der Treffliches schul', wenn auch sein Name, durch Ungunst der Zeit,
in der Kunstgeschichte kaum genannt ist. Aber auch das bisher nicht zu ermittelnde Geburts-
jahr Seisenegger's wird durch dieses gleichzeitige Denkmal bestimmt. Meister Jakob wurde im
Jahre 1505 geboren, erlangte mit 26 Jahren die Stelle eines Hofmalers bei König Ferdinand
und starb 62 Jnhre alt 1567.
Die Medaille, deren Nachbildung unten folgt, hat 13 Linien im Durchmesser und ist in Zinn
gegossen, ohne spätere Überarbeitung mit dem Stichel. Die Vorderseite zeigt Seisenegger's erhaben
gearbeitetes Brustbild mit kurzem Haupthaar und starkem Vollbart in einer Schaube von der
rechten Seite. Am Rumpfe findet sich das Monogram M. G. Die Umschrift lautet: „IACOB .SEISN-
ECK11FR (aet. sve) XXXVHI J . Die in Klammern stehenden Worte sind aus Versehen bei Model-
lirung der Medaille weggeblieben. Auf der Kehrseite erscheint eine nackte weibliche Gestalt,
stehend. Sie hiilt mit der Linken Seisenegger's altes Familienwappen, den Greif mit dem Stein in
den Fängen, und fasst mit der Hechten den am Boden stehenden Stechhelm mit seiner Helmdecke
und den beiden Adlerflilgen an den Spitzen der Letzteren. Die Umschrift lautet: „IN. LIEB.
VNANGENKM . M . D . XLHI-.
Die Medaille ist die tüchtige Arbeit eines Nürnberger Stiimpclschnciders oder Goldschmiede »"
der seine Werke mit den Buchstaben M.G. bezeichnete. Sie entstand als Seisenegger im Jahre 1543
mit dem königlichen Hoflager zu Nürnberg verweilte. Gleichzeitig fertigte derselbe Meister die
schöne Medaille auf Seisenegger's Freund, Augustin Hirschvogel, in gleicher Grösse. Vgl. Will's
Nümbergische Münzbelustigungen HI. 185 ft'. — Bergmann, Medaillen auf berühmte und aus-
gezeichnete Männer des österreichischen Kaiserstaates. I. 280 ff.
u
gitized by Google
Molk.
TV. V
*ll-rn I'uMm
Digitized by Google
Digitized by Google |
L'V-rU\
tIXt-U< r 'U
Hautet
h!ltr s
t> VIT
T;i\i.-n
<\<r>\
ybtt.
Li-
na
1k
wi
:
1
i
Digitized by Google
95
Drei Tapetenmuster
aus dem Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts.
■
I
Vos Albekt Cawesina.
(Taftl 17, V ani VI.)
I
Lcdertaptten aus Hlteren Zeiten zählen mit zu den grösseren Seltenheiten, wie denn selbst die mit
Gold gedruckten Ledertapeten des XVII. Jahrhunderts, welche vorzüglich in Frankreich verfertigt
wurden, nicht mehr sehr häutig anzutreffen sind. Die Tapeten theüen sich nach der Art ihrer
Erzeugung in „Faden-" und „Drucktapeten". Die ersteren sind entweder gestickt oder gewebt
(Hautelisses, Basselisscs, Hattues a or, Gobelins etc.), und die zweiten werden durch Autdrucken
einer sich stets wiederholenden Zeichnung vermittelst eines hölzernen Models hervorgebracht.
Es versteht sich wohl von selbst, das« das Sticken mit der Nadel die älteste Produktionsweise für
I Ta-jH-ten und Teppiche war, und dass man erst später, als man schneller und mit weniger Mühe
erzeugen wollte, zu mechanischen Hülfsmitteln die Zuflucht nahm ; und zu diesen letzteren gehörte
der Model, den mau auch zum Zeugdruck verwendete, nämlich eine starke, vollkommen ebene Holz-
platte, in welche die Zeichnung (Dessin) vertieft ausgeschnitten war und deren glatte Oberfläche
zum Aufdrucken des Grundes (Fond du tapis) diente, von welchem sich die Figuren und Orna-
mente licht abhoben.
Alle älteren Aufdrucktapeten sind wohl nur zweifarbig, und zwar wurde die eine Farbe dein
Leder selbst gegeben oder man benutzte ein bereits gefärbtes Leder und druckte die zweite,
nach der eben erwähnten Methode darauf. Als Bindemittel konnte man Leim (wie noch bei den
heutigen Tapeten), oder wo es sich um grossere Dauerhaftigkeit handelte, Ölfirnis» anwenden,
wie es bei den drei vorliegenden Tapeten der Fall ist 1 .
Die erste Tapete (Taf. IV) wird durch zwei fortlaufende, bald geradlinig ziehende, bald in
einen Halbkreis gestellte Parallellinien in Felder getheilt, und zwar so, dass zwischen je vier dieser
Hauptfelder ein fünftes oder Zwischenfeld entsteht, welches eine kreuzithnlichc Form bildet. Im
Hauptfelde sind zwei aufrechtstehende Ungethümc mit gegen einander gerichteten Köpfen und
fächerartigen Flügeln' angebracht, und zu ihren Füssen zeigen sich Zweige mit Kleeblättern. Das
' Die bereits durch Ferd. Keller in den Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Jnhrg. 1856— 18.'»7,
pag. 139 ff. beschriebene Tapete von Sitten ist aus Hanf leinwand und mit Ölfarbe (reilruckt, die bei den Figuren aus Kieii-
rui»s nnd bei den Ornamenten au« Köthel und Ölfirnis» besteht. — * Ähnliche fäcberftiruiißc Flügel haben unter Anderen auch
die beiden Greife auf einem Kirebenstoff von Aix-la-Chapellu in den „Melungra d'Archeologie" Ton Cahier und Martin (T. II,
pL 13), und die beiden Ungetkfluie auf dem italienischen Seidenstoff »on Ruth und Gold in demselben Werke <T. 11t, pl. 23).
13*
.. Digitized by Google
96
Albert Cameüisa.
Zwischenfall! ist mit einfachen Ornamenten ausgefüllt. Das Leder dieser Tapete iat roth «-efilrbt
nnd der Aufdruck schwarz.
Die zweite Tapete (Taf. V), deren Dessin in <lie Quere fortliiuft, zeigt in steter "Wiederkehr
ein laufendes Ungethütn und unter dcmselhen einen Adler mit einem Federschopf. In die Flifchen
zwischen den Thiercn sind, um diese Felder nicht zu leer zu lassen, allerlei ornamentale Zieratheii
eingeschnitten, die keine besondere Bedeutung zu haben scheinen. Auch bei dieser Tapete ist das
Leder roth und der Aufdruck schwarz.
Bei dem dritten dieser Muster (Taf. VI) ist hingegen das Leder gelb gefärbt und der Auf-
druck grün. Der Model oder der stets wiederkehrende Dessin zeigt oben eine Krone, durch
welche zwei Palmbliitter gesteckt sind, und je zur Seite einen Adler. Auf der unteren Hillfte sieht
man zwei mit dem Rücken gegen einander gekehrte Hunde und zwei zusammengeneijrte l'alm-
bbltter. Die einzelnen Dessins sind der Höhe nach über einander gereiht.
Wo sich diese Tapeten ursprünglich befunden haben mochten, dürfte etwas seh wer zu
bestimmen sein, aber es wäre möglich, ihiss sie einst an Chorstühlen oder an der Rückwand des
Sediles eines Abtes oder eines anderen vornehmeren Geistlichen angebracht waren. Die noch
jetzt vorhandenen l'berrestc derselben wurden (zu welcher Zeit ist nicht bekannt) zu Kinbiindc/i
von vier Handschriften aus dem XV. Jahrhundert benützt, welche in dem Büchersehatzc des
Stiftes Melk aufbewahrt weiden.
k H y. ft, t vi — l«r k l MH I H»»|..|.«rk.i»| .„ «...
97
Die Marienkirche in Krakau
und ihre artistischen Merkwürdigkeiten.
Von Josepu v. Lkhkowski.
\Vawcl, Alma Mater und die Marienkirche in Krakau bilden die berühmtesten Denkmale Polens;
denn sie bieten die sprechendsten Zeugnisse der Vergangenheit dieses Landes. Die Kathedrale
Wawels birgt in ihren Gewölben Kronen , Scepter und Bischofstabe. Dagegen steht die jagcl-
lonische Hochschiüe als ein Zeugniss der schon frühzeitigen Bildung Polens da. Die Marienkirche
endlich bezeugt in ihren Grab- und Kunstdenkmälero die fast 700jährige Geschichte des Bürger-
thums von Krakau.
Schon der Bau der Kirche selbst lässt die verschiedenen architektonischen Style, wie solche
vom Beginn des XIII. bis in die zweite Hälfte des XVIII. Jahrhunderts vorherrschend waren, an
sich nachweisen. Obwohl die Erectionsurkunde dieser Kirche zeigt, dass Bischof Iwo Odrovqz '
die Krakauer Pfarre von der heiligen Dreifaltigkeitskirche hierher übertrug, jene hingegen den
Dominicanern Ubergab , so finden wir doch bei niiherer Betrachtung der Mauern aus jenen Zeiten
nur mehr den Plan der Kirche (Fig. 1), nämlich: das Ausmaass der beiden niedrigeren Seiten-
schiffe und deren Absonderung von dem mittleren Schiffe, den aus fünf Wänden in Gestalt eines
Achteckes bestehenden Chor und die beiden auf Quadersteingrundlagen ruhenden Thürme, welche
die Fronte der Kirche bilden*. Aber auch die so eben angedeutete Gestalt unserer Kirche bietet
Abweichungen von der im Xni. Jahrhundert im übrigen Europa üblichen Bauart Um sich
nicht in Einzelheiten einzulassen, erwähnen wir nur den Umstand, dass die rechtwinkeligen
(ehemals mit Fenstern versehenen) Wände die Seitenschiffe einschliesscn, ohne dass man das
sogenannte Transseptum oder das Querschiff, das den Kirchen die Gestalt des Kreuzes ver-
leiht, findet.
Diese Gründe bewogen mehrere der deutschen Gelehrten, den Beginn des Aufbaues unserer
Kirche in viel spätere Zeiten zu verlegen; ja es gibt auch solche, welche, wie Herr Essenwein,
selbst in den zuerst aufgeführten Theilen des ganzen Baues nur den Charakter des XV. Jahr-
1 Siehe Hostowaki: fcywot Biakupa Treeblekiego Str. 230 ff. (Biactmf Trxebicki'a Loben). — * Nach Herrn Esacn-
woins Notaten in Organe lUr christliche Kunst. ( ölo, Jahr K »n B VIII. Nr. 2.
IX. 14
Digitized by Google
«18
Joseph v. Lepkowski.
hundcrts finden wollen. Wir werden diese Urtheile anführen, nachdem wir 11118 zuerst in den
Mauern, in Daten und Urkunden umgesehen haben. Unserer Ansieht nach wurden die Grund-
steine unserer Kirche im XIII. Jahrhundert gelegt, und gleichzeitig begannen auch die Mauern
sich zu erheben. In diesem und im folgenden Jahrhundert entstanden das Haupt- und die Seiten-
schiffe, welche (zusammen mit den Thurmeapellen)
15 rechtwinkelige Felder eines Spitzbogen- und kreuz-
förmigen Gewölbes bilden. Diese Gewölbefelder ent-
falten sich aus zehn achteckigen Pfeilern, welche in
acht spitzbogenförmige Arcaden gebunden sind; ihre
Kippen schliessen da, wo sie sich an die Wand lehnen,
mit in Stein gehauenen Baldachinen (Fig. 2).
Die früheren Beschreibungen der Stadt Krakau,
von der bei Sil beneiehcr im Jahre 1 003 erschienenen
angefangen, bezeichnen zwar Iwo Odrowaz als den
Gründer unserer Pfarrkirche, schreiben aber deren
Ausftihrung «lein berühmten Schatzmeister König»
Kasimir des Grossen , Nicolaus Wicrzynek, zu. Beson-
ders wurde ein Theil des Presbvtcriums um die
Mitte des XIV. Jahrhunderts auf Wierzvnek's und
anderer frommer Leute Unkosten vollendet. Die schrift-
liche Überlieferung spricht auch, dass sich hinter den
grossen ChorstUhlen , die bei der Südwand stehen,
Wierzynek's Denkmal befinden soll , mit der beschei-
denen Inschrift, welche durch das Wegschieben der
Blinke ans Tageslicht zu fördern der Midie wertli
wJlre: „Emulator ehori istius A. D. 13GÜ, Francisci
festo, die solis, Dapifer Wirziak (sie) obiit".
Trotzdem, dass dieses Datum die Gründung der
Kirche nachweist, beweisen andere die Fortführung
des Baues auch in spitteren Zeiten; denn im Jahre
1399 spricht man von dieser Kirche als von einer
neu aufgeführten. Im Jahre 14U0 verleiht Papst
Bonifatius IX. auf Wladislaw Jagello's Bitte Ablasse
und Kirchengnaden zu Gunsten derjenigen , die zum
Bau der in Hede stehenden Kirche beigetragen haben.
Ja, um's Jahr 14 15 findet man Testamente, in denen
Geldsummen zur Vollendung des Baues dieser Pfarr-
kirche verschrieben werden. Es wurde daher im XIV.
und am Anfange des XV. Jahrhunderts der Bau fort-
iretührt, oder es wurde, was früher entstanden war, umgearbeitet, erweitert und ausgeschmückt.
In diese Zeit sind auch die beiden mit steinernen Thiirpfosten versehenen Seiteneingänge, auf
denen Krabben mit auf die Wilnde auslaufenden Kreuzblumen angebracht sind, zu versetzen. Eben
so gehören der Mitte des XV. Jahrhunderts die schönen steinernen Pinnakeln der Strebepfeiler an,
die an der Ost- und Südseite der Kirche zu sehen sind (Fig. 3, 4, 5, 6, 1).
Das Sterngewölbe des Chors, ein Werk des Maurers Czipser von Kazimierz, wurde im
Jahre 1442 von neuem ausgeführt, nachdem das ehemalige Gewölbe dieses Theiles der Kirche
fig- 1.
Digitized by Google
Dir Marienkirche h» Krakau.
99
zusammengestürzt war. Dieses frühere Gewölbe hielt sich nicht lange, wie dies ans den Stadt-
rechnungen zu ersehen ist; es wurde im Jahre 1359 vollendet und ausgemalt, da gleichzeitig der
Maurer oder Baumeister Werner daa Geld für diese Arbeit erhielt Im ^ \\ |
Allgemeinen kann man das Ende des XIV. und den Anfang des XV. Jahr- \ \\ Jll
hunderte als die Zeit der Vollendung des Banes der
Marienkirche betrachten , ohne jedoch angeben zu
können, warum der Bau so lange gedauert habe.
Indem man für gewiss annimmt, dass die
Anlage der Kirche oder die Fundamente der
Kirchenmauern dem Anfange des XIII. Jalirhunderts
angehören , so kann man Essenwein's Ansicht nur
in soferne beistimmen, als eben die allgemeinste Be-
trachtung des ganzen Gebäudes dasselbe für ein
Denkmal des auf die Neige gehenden Spitzbogen-
styls vom XV. Jalirhundert ansehen lasst. Das
Leichte der Form, das Aufstreben der Kirche
nach oben und die reiche Beleuchtung mit fast bis
nach unten laufenden Fenstern reiht diese Kirche den schönsten Denkmälern der uns eigen-
tümlichen Backsteinbauten an ; übrigens besitzt sie vor andern auch den Vorrang, dass sie die in
flg. 4. Fl«. :.. Vit;, ß. Fig. 7.
Stein gehauenen Verzierungen, deren wir in den Zeiten des Mittelalters entweder wenige besassen,
oder welche die spatere Zeit vernichtet hat, noch immer an sich trägt.
Was aber das Einzelne und Besondere anbetrifft, so erweisen es die Daten, dass viele Thcile
dieser Kirche einer früheren Zeit angehören. Deutsche Gelehrte bekennen es selbst, dass ihr
Urtheil Uber manche Arten unserer Backsteinbanten noch nicht reif ist; denn diese Denkmäler
haben unverkennbar eigentümliche Merkmale , wie man solche nur zwischen der Weichsel und
dem baltischen Meere vorfindet. Von jenen deutschen Forschem versetzt Heinrich Otte die ältesten
Partien dieser Kirche in das XIV. Jahrhundert; Alexander Müller begeht einen nicht geringen Fehler.
14«
Digitized by Google
100
JoäBPH V. LkpKOWSKI.
Fl». 9.
indem er da» Jahr 1360 als die Zeit der Entstehung des heutigen Chorgewölbes ', und dieZeit vom
Jahre 1450 bis 1460 als die Zeit der Aufführung der Seiten- und des Mittelschiffes angibt.
Die Fenstermasswerke von einem Theil des Chors geben den besten Begriff vom Charakter
des Styls sowohl , als auch von der Zeit des Baues. Die Capellen wurden an die beiden Seiten-
schiffe zu ungleichen Zeiten angebaut, woher sich auch die Verschiedenheit des Styls zu erkennen
gibt. So bezeichnet das an der Hussein Nord wand der Kirche
zugleich mit dem Datum (1516) angebrachte sogenannte Ibriel-
oder Boner'sche Wappen , dass die Oratorien sammt dem Ge-
wölbe aus der Übergangsperiode des Spitzbogen- in den Rcnais-
sanccstyl entstanden.
Denselben Charakter tragen auch andere Capellen ; der
Rcnaissaneestyl glänzt nur im Chor der Sehneidereapellc, das
Barocke hingegen (vom Ende des XVI. und dem XVII. Jahr-
hundert) hinterlicss kaum Spuren in zwei Capellen, in der
Sacristei, in der Schatzkammer, in dem an die Aussenwand des
Hochaltars angebrachten Anbaue, und in den Mauern des
Gebäudes selbst. Fig. 8 gibt einen deuüichcn Begriff von der
Anordnung* weise der Masswerke an den Fenstern der angebauten Capellen.
Nach den Gründern Iwo und Wierzynek und nach den Thurzo, Fugger, Boner, Pemus, Fo-
gclder und Salomo, welche im XVI. Jahrhundert die Kirche mit Capellen gleichsam wie mit einem
Kranze umschlossen und die Wände mit Kunstwerken ausschmückten, kam auch die Reihe an da*«
XVIII. Jahrhundert und der verdorbene Geschmack der Baukunst jeuer Zeit fand einen kräftigen
Anhänger in der Person des Prälaten Hyazinth Lopacki, eines ehrwürdigen , um den Gottesdienst
und die Ausschmückung der Kirche, als Pfarrers derselben, sehr sorgsamen Priesters. Das« er
aber zur Vemnstaltung der Kirche beitrug, ist nicht seine eigene Schuld, sondern die der Zeit, in
welcher er lebte, denn es ist nicht Jedermann zu Theil geworden, sich Uber den ausschliesslich
vorherrschenden Geschmack zu erheben; das XVIII. Jahrhundert duldete weder mittelalterliche
Begriffe noch Denkmäler, und zeichnete sich in der Geschichte der Kunst vor allem dadurch aus,
dass es die Denkmäler des Mittelalters mit leidenschaftlicher Wuth vernichtete.
Damals war es (1723 — 1761), als der ehrwürdige Domherr und Arzt, Hyazinth Lopacki
der Marienkirche als Pfarrer vorstand. Dieser verwendete theil» aus eigenem Ersparten, theil ans
Almosen last eine Million polnischer Gulden, um das Dach mit Kupfcr-zu decken, die Vorhalle zu
bauen und die inneren Wände der Kirche umzumodeln.
Das Grabmal, welches hopacki's Nachfolger demselben (am Eingange von der Seite der
St. Barbarakirche) an der Aussenwand setzen Hessen, zeugt von seinen Tugenden und edlen Ab-
sichten und zilhlt zugleich die damals zu Stande gebrachten Umgestaltungen auf.
Lopacki fand zwar die Gemälde auf den mit Goldsternen besäten Gewölben in der Kirche
nicht mehr und viele Flügelaltäre wurden schon im XVI. Jahrhundert durch andere ersetzt; aber
er übernahm die Kirche in demselben Zustande, wie sie sich nach der, durch den Geistlichen Po-
wodowski im Jahre 15*5 durchgeführten Herstellung befand ; Powodowski selbst hatte den An-
fang zu den Umgestaltungen der Kirche gemacht.
Die bunten Glasgemälde der Fenster hüllten damals den ganzen Chor in ein feierliches
Dunkel. Viele Pfeiler standen frei, so dass das Auge die schönen Linien, in welchen die Gewölb-
rippen nach unten abliefen, genau verfolgen konnte.
' Die iiiirteUltiMrlichro KirthenjffMude Dculnrhland». Ldpzig. I8ÖB.
UigitIZGd
by Google
DlK MARirSKtRCH« IS KraKAT'.
101
Altire und Ballustraden der Capellen , welche Lopacki aus schwarzem Marmor aufführte,
so wie die zwischen den Arcaden eingezwängten Pilaster mit korinthisch-römischen CapitHlern,
und endlich die in der ganzen Kirche angebrachten barocken Verzierungen benahmen derselben
den früheren bezaubernden Eindruck, und doch kann man mit Kraszewski sagen: r Es gibt bei uns
keine Kirche, die das religiöse Gefühl so zu wecken und einen solchen
Eindruck auszuüben im Stande wllre, als die Marienkirche. Das Innere
derselben , überfüllt mit Schnitzwerk , mit GrabmäUem . Altären und
Denkmälern der Vergangenheit, fallt wie ein Bild auf. Die thätigste Kraft
war hierbei die Frömmigkeit."
Den grössten Schaden erlitt die Kirche durch die schon erwähnte Ent-
fernung der vielfarbigen Fenster, deren nur drei zurückblieben; ferner durch
die Theilung der Wandhöhen des Hauptschiffes in zwei Felder und durch
den auf hölzernen Gesimsen ruhenden neu zugebauten Gang. Nachdem wir
uns vorläufig in den Mauern der Marienkirche umsahen, wollen wir zur Be-
trachtung der Thürme und zur Angabe der Maasse derselben Ubergehen.
Die Lange der Kirche (ohne die Dicke der Mauern) betragt 236, die
grösste Breite 106 poln. Fuss. Die Höhe bis an den Gipfel des Gewölbes 88,
bis au den Gipfel des Daches 1 33 Fuss. Der höhere sogenannte Stadt- oder
Marienthurm misst bis an den Gipfel des Fähnleins 246 W. Fuss (Fig. 9).
Dieser Thurm gleicht wohl den Thürmen ersten Ranges an Höhe
nicht, Ubersteigt aber jenen der Sebalduskirche in Nürnberg, und ist
mit dem Notre-Dame-Thurme fast gleich hoch; er unterscheidet sich von
anderen in Vergleich kommenden Thürmen dadurch , dass jene grössten-
teils mit durchbrochenen Steinzierarten pyramidalisch emporschiessen»
unser Thurm hingegen bis zur Höhe von 180 Fuss aus Ziegeln gebaut ist.
Heide Thürme der Marienkirche bilden, wie erwähnt, dieFacade derselben;
sie erheben sich (nach der im XHI. Jahrhundert üblichen Art) aus vier-
eckigen Grundlagen.
Der niedrigere Thurm ändert seine Gestalt bis nach oben hin
gar nicht, denn er ist dort mit einer Helmspitze gedeckt, wo der höhere
Thurm aus einem Viereck in ein Achteck übergeht. Sein gekrönter von
16 kleineren Thürmchen umgebener Gipfel schicsst aus einer sechzehn-
eckigen hölzernen Bedeckung empor. Sobald der erste Sonnenstrahl auf den
Gipfel unseres Thunnes fällt und seine Krone von Gold erglänzt, verstummt Fi«-. 9.
die Nachtigall in unsern Wcichsclhainen ; denn vom Thurme herab begrüsst das Morgenlied (Heynal)
den Tagesanbruch ; das dauert den ganzen Mai hindurch und wird an dieser Übung bis auf den
"heutigen Tag festgehalten. Hört man den Wiederhall der Trompeten, welche die Stadt mit dem Liede
zur allerheiligsten Jungfrau aus dem Schlafe wecken, und sieht man das Uber Krakau sich erhebende
Diadem unseres Thurmcs in der Sonne wie im Feuermeere glänzen, so meint man, dass diese uralte
Metropolis, diese nunmehr verwaiste Residenz, ihre Krone dem Himmel Ubergibt!
Hejnaly oder Keveilles bei Sonnenaufgang wurden zur Zeit der Königin Hedwig in Polen
allgemein und man nahm diese Sitte von den Ungarn. Hejnal oder ejnal bedeutet bei den
Magyaren den Morgen. Die Wächter, welche vom Marienthurm herab auch die ausbrechenden
Feuer zu verkünden hatten , bliesen diese Reveille die ganze Adventzeit von Mitternacht an bis
zum Tagesanbruch. Im Mai, als in de.m der allerheiligsten Jungfrau Maria geheiligten Monate,
wird diese Reveille von fünf bis sechs Uhr Früh geblasen. Den Text und die Noten dazu
Digitized by Google
102
Josf.pii v. Lkpkow«ki.
haben wir im Tygodnik illustrowani Wansawsky (Warschauer illustrirte Wochenschrift Bd. HI.)
veröffentlicht Wie fast Uberall in der Welt, wo man zwei gleich hohe Thürme aufführen wollte, nur
einer die bestimmte Höhe erreichte und eine Legende die Ursache des nicht weiter fortgeführten
BaueBdes zweiten Thurmes erzählt, so gibt es auch bei uns eine Sage von einem in den „Tuchlaubcn"
aufgehängten Messer, welches mit dem Bau der beiden Thtirme in Verbindung stehe. Als der Senat
der Krakauer Republik im Jahre 1843 die Herstellung des Giebels des höheren Thurmes vornahm,
fand man daselbst Documente, welche, mit anderen Quellen verglichen, erwiesen, dass der Giebel
vor dem Jahre 1478 mit Schindern gedeckt war. Aber dennoch glauben wir, dass er bereits damals,
der Grundform nach, dieselbe Gestalt hatte wie jetzt , wiewohl wir andererseits bekennen müssen,
dass erst zu Knde des XV. Jahrhunderts die ganze Gruppe der kleinen Giebelthürme ihre auffallend
reichen Formen und die Verzierungen erhielt, welche den Thurm den originellen Werken beizählen
lassen. Auch ältere Zeichnungen der Stadt Krakau beweisen, dass sich die Form des Giebels
traditionell erhielt, wiewohl das Giebeldach in spateren Zeiten mehrmals hergestellt wurde; und
die Zimmerleute James von Krakau und Johann von Speier (1545) hatten nicht nur an der Wieder-
herstellung, sondern auch an der Umgestaltung des ganzen Zimmerwerkes gearbeitet.
Der niedrigere Thurm wurde im Jahre 1592 gedeckt. Die Wiinde der beiden Thtirme werden
durch Masswerk nach dem Geschmack des Spitzbogenschnitts mannigfaltig verziert und die durch
horizontale Gesimse abgetheilten Felder durch Nischen belebt, und erreichen dadurch ein leich-
teres und schlankeres Emporschiessen.
An der Wand des höheren Thurmes, von der Seite der Florianigasse, sind Spuren einer ge.
malten Uhrscheibe vorhanden. Das Künstliche jener Uhr bewunderte man noch im XVIH. Jahr-
hundert. Man beschreibt nämlich , wie sich darauf ein Mondglobus drehte , welcher die Mondes-
viertel angab, und wie alle Stunden Statuen hervortraten, welche die Zähne fletschten und auf-
einander losschlugen. An der Scheibe waren die 24 Stunden nach altem Brauche vertheilt.
Auf dem niedrigeren Thurm hängen fünf Glocken, deren grösste Johann Fredental im Jahre
1435 gegossen hatte, aus dessen Werkstätte auch das schöne , jetzt wieder hergestellte, in der
Kreuzkirche befindliche Taufbecken hervorging.
Wenn wir das Innere der Marienkirche betreten und die Fülle des Reichthums daselbst
überschauen, so milssen wir zuerst den Hochaltar betrachten, dessen Holzschnitzwerk wohl zu den
grössten und bedeutendsten Werken dieser Art gehört
Es ist bekannt, dass die Holzschnitzkunst hauptsächlich im XV. bis XVI. Jahrhundert
geübt wurde, als nämlich in der Architectur das Licht- und Farbenspiel ein grosses Feld gewonnen
hatte. Damals fanden sich derlei Schnitzwerke nicht nur in Kirchen, sondern auch in Wohnungen,
und der Geschmack an denselben verbreitete sich selbst bis in das XVH. Jahrhundert, wo diese
Kunstweise aber durch die Einflüsse des Barocken in Verfall gerieth. So häufig sich auch nun
Schnitzwerke vorfinden, so kann man doch erst in der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts Namen
von Männern anfüliren, die auf diesem Gebiete der Kunst eine Berühmtheit erlangten. Die Reihe
dieser Meister ist kurz und beschränkt sich auf die Namen: Syrlin aus Ulm, Bajdcr aus Constanz,
Wohlgcmuth aus Nürnberg, Herlin aus Nördlingen, Stavoez und Giese aus Westphalen. Nebst
diesen Meistern verleiht die Kunstgeschichte dem gleichzeitigen Veit Stwosz aus Krakau einen der
ersten Plätze in der Ubergangsperiode des Spitzbogenstyls in den Geschmack der Renaissance.
Ambros Grabowski sammelte die einzelnen Nachrichten aus dem Leben dieses Meisters,
Raslawiecki ergänzte sie und verband sie in ein kritisches Ganzes, und Vincenz Pol machte durch
• Dieter Altar i*t in des «rufen Pn.idiieiki : „Monument» du nio.vfp-ige et de I» ren»i»»ance" Iii. »ttW, caJ.i. r 11 et
12 cfaromolitboffraphUcb abgebildet
Digitized by Google j
Die Mamskkikciik tu Khakau.
loa
ein Gedicht das Volk mit dem Namen des Meisters bekannt, der sich seit vier Jahrhunderten durch
JageUo'fl Grabmal in der Krakauer Kathedrale dem Andenken der Nachwelt empfahl 1 .
Alle deutschen und französischen Schriftsteller über Veit Stwosz wiederholen, dass der in
Rede stehende Altar ein äusserst berühmtes Kunstwerk sei, oline dass es jemand von ihnen mit
eigenen Augen gesehen hatte. Neuere Forscher, wie Rettberg, Otte, Dursch und Springer schätzen
die ihnen bekannten in Deutschland zerstreuten kleineren Arbeiten dieses Künstlers sehr hoch;
wenn sie nun dieses Meisterwerk sähen, so wurden sie gewiss ein sehr günstiges Urtbeil darüber
fällen. Jetzt, da dieser Hochaltar von W. Rzewuski photographisch aufgenommen wurde und mein
Bruder Ludwig ein Aquarell für die „Denkmäler der mittelalterlichen Kunst" vollendete, wird das
herrliche Werk erst vollkommen gewürdigt werden können. Auch bei ims pflegte man im XIV.
und XV. Jahrhundert das gemalte Sehnitzwerk mit grosser Vorliebe, wovon sich viele Denkmäler
in den Gegenden Krakau'», Plocks, am baltischen Meere und um Danzig erhalten haben. Der
auf Wierzynek's Kosten aufgeführte Altar wurde von dem im Jahre 1395 zusammenfallen-
den Gewölbe zerschmettert, und es musste ein neuer gebaut werden. Wie die von Grabowski
aufgefundenen Urkunden nachweisen, begann diese Arbeit im Jahre 1477, und wiewohl die Kosten
dazu 2888 Gulden betrugen, so hatte man doch nichts vom Staatsschätze dazu erhalten. Liest
man die Namen der Geber, so findet man mitunter auch Handwerker und arme Gesellen. So heisst
es z. B: Johann Stanko vermacht eine arme Spende, Krupek und der Apotheker Paulus geben ihr
Silber, die Hutmacherin Anna Bartoszowa und ihre Schwester Martha vermachen ein Haus als
Fond für den Altarbau u. s. w. Die meiste Sorge und Pflege trugen: Johann Karnowski, Stanis-
laus Przedbor, Johann Gawron, Johann Turzo, Stanislaus Zygmuntowicz, Johann Wierzynek,
Jakob Wilkowski und Stanislaus Zarogowski.
Man erwälinte des Veit Stwosz mit warmer Liebe, stellte ihm ein Zeugnis« aus, dass er
äusserst gesetzt, fleissig und wohlwohlend gewesen, und durch seinen Verstand sowohl als durch
seine Werke im ganzen Christcnthume berühmt geworden war, und fügte endlich hinzu, dass auch
der aufgeführte Altar seinen Namen dem ewigen Andenken der Nachwelt empfehlen wird.
Der Stadtscbreiber Johann Hajdek aus Danzig schrieb diese Bemerkung auf Pergament, und
legte dies in einer Büchse Uber dem Hochaltar zum fortdauernden Andenken nieder.
Die Andacht für die allcrheiligstc Jungfrau Maria hatte in jenen Tagen einen sehr hohen
Grad erreicht Ks wurden ihr zu Elnren neue Feiertage festgesetzt, besondere unter Gregor XI.,
Urban VL und Benedict XIU. Gleichzeitig führte die Kirche das Läuten zu Ehren der allerheilig-
sten Jungfrau, die ScapuUerc, den Rosenkranz und marianische Ritterorden ein.
Unter Ludwig von Ungarn (1382) wurde der Czestochauer Berg in Polen berühmt.
Dlugosz gibt an, dass die Krakauer Kathedrale zu Zeiten Hedwig's vom Lob der Mutter Gottes
fortwährend ertönte. Daher stammen auch die Darstellungen aus dem Leben der allerheiligsten
Jungfrau , besonders ihr Entschlafen und ihre Krönung. Diesen ersteren Gegenstund wählten
auch die Stadtruthe Krakau's zu dem zu errichtenden Altar.
In der Tiefe des oben bogenförmig geschlossenen Rahmens hat der Künstler die Apostel in
natürlicher Grösse gruppirt, welche die in Ohnmacht fallende allerheiligste Jungfrau umgeben
und stützen. In der mittlem Nische des Altars sieht man auf deren rückwärtiger Fläche die heilige
Dreifaltigkeit von Engeln umgeben, und in den obern Ecken sitzen die Kirchenväter. Den obern
Theil schmücken Figuren, Säulchen, Baldachine und Fialen- Rechts und links schlicssen den Altar
Flügel nach Art eines Schrankes ein, auf welchen in sechs Feldern: Mariä Verkündigung, die
■ Veit Htos« «Stuo») ist zu Nürnberg geboren nnd »ein Name steht m den BürgerTereeiebnUaeii dieser SUdt. Im
Jahre 147? wird er unter jenen Nürnberger Bürgern aufgexabl t, welche ihr Bürgerrecht wegen Auawanderung aufgaben. Im
Jahre 141N5 kehrte er nach »einer Oburtaatadt iiirück und labile für »eiui? Wiederaufnahme drei rheinische Gulden. —
S. Baader Beitrage zur Kaustgesehiehte Nürnberg'» II. Reihe p. 45. (A. d. K.)
Digitized by Google
104 Joseph v. Lkpkowski.
Geburt Christi, die Ankunft der h. drei Könige, Christi Auferstehung, die Himmelfahrt und die Ver-
sammlung der Apostel in den letzten Augenblicken des irdischen Lebens Maria im Basrelief dar-
gestellt sind. Die geschlossenen Hügel stellen auf der äussern Seite zwölf Scenen aus dem Leiten
und Leiden Christi dar. Überdem obern Gesimse des ganzen mittlem Theils des Altars erheben sich
aus zierlichen Unterlagen auf feinen Pfeilern leichte Baldachingewölbe. Unter dem mittleren Gewölbe
krönen Gott Vater und Gott Sohn die allerhciligste Jungfrau, und der heilige Geist schwebt Uber dem
Gipfel des Baldachingewölbcs. Der heilige Adalbert und der heilige Stanislaus, ferner Engel mit
musikalischen Instrumenten stehen an den Säulchen. Ursprünglich, ja bis unlängst umgab diesen
oberen Theil eine durchsichtige Strahlung, und verband ihn mit dem mittleren Theile, von welchem
er jetzt zu abgesondert steht. Unten (über der Mensa selbst) steht der Stammbaum der allerheiligsten
Jungfrau, und gepanzerte Rittergestalten strengen sich an, diese Last auf ihren Schultern zu erhalten.
Die Höhe des ganzen Schnitzwerkes erreicht 44, die Breite 34 Fuss, die Tiefe der Nische
beträgt 4 Fuss. Die Figuren selbst sind 4 — 4'/, Ellen hoch. Was den Charakter des Schnitz-
werkes und den Styl der Ornamente anbetrifft, so ist hier die Dürer'sche Art vorherrschend. Es
ist dies die Neige des gothischen Styls, der gleichsam von den herannahenden Formen der Renais-
sance ein Vorgefühl zu haben scheint.
Die Wiederherstellung des Hochaltars der Marienkirche, welche in Angriff genommen
werden wird, sobald die Kirchenfonds von den Behörden revindicirt wurden, forderte vor allem
eine genaue Untersuchung desGefüges des Ganzen. Es versammelte sich daher imJalu-e 1859 eine
(Kommission aus den Ruthen der Kirchenaufsicht, aus den Mitgliedern der archäologischen Abtheilung
der Krakauer Gelehrten -Gesellschaft, aus Malern und Tischlern. Herr Faul von Popiel, Con-
servator der k. k. Central - Commission für die Erhaltung der Denkmäler, wurde eingeladen,
seine Ansicht in dieser Angelegenheit zu eröflhen, und nahm an den Berathungen Theil, welche unter
dem Vorsitze des Herrn Karl Kremer wiederholt gepflogen wurden. Es zeigte sich in Folge dieser
Untersuchungen, dass die Pfeiler der am Giebel des Altars stehenden Baldachine von Würmern
stark beschädigt seien und dass ein Pfeiler, welcher zur Unterstützung der daselbst stehenden
Figuren unentbehrlich ist, gänzlich fehle. Von den feinen Strahlungen und den weit verzweigten
Ornamenten, welche den Giebel des Altars mit dem Mitteitheile verbanden, fand man nur Überreste.
Das Holz, woraus die Hauptfiguren geschnitzt sind, zerfällt an einzelnen Stellen, wenn man
es nur berührt. Diese Beschädigung betrifft besonders den Hintertheil des Altars, da die Figuren
der Apostel hohl sind, ein Firniss aber gar nicht angewendet wurde oder im Laufe der Zeiten
gänzlich verschwand. Die die Hiuterwand des Altars bildenden Bretter sind im guten Zustande.
Die hervorragenden Theile der Figuren sind in Folge öfteren Auf- und Zumachens der Flügel an
vielen Stellen stark beschädigt. Die architektonischen Verzierungen fielen theil« ganz ab , theil«
halten sie sich noch kaum, und sind sehr zerbrechlich. Dass die Haupttheile, welche den ganzen
Bau halten, ebenfalls beschädigt sind, ergibt sich aus dem Beben und Knistern des Altar«, sobald
nur ein Wagen an der Kirche vorbeifuhrt. In Folge dieser Untersuchung stellte sich die Notwendig-
keit einer unverzüglichen Abhilfe heraus, daher beschloss man eine (conservative) Herstellung.
Man beschloss, die abgebrochenen, aber aufbewahrten Theile aneinander zu fügen, kleine verloren
gegangene Partien durch neue zu ersetzen , den ganzen Bau des Altars fester zu machen, und dar
Schnitzwerk sorgfältig zu reinigen; ferner die äusseren Theile mit reinem Terpentinlack, die inneren
und rückwärtigen (unbemalteu) Theile mit Steinöl, Sublimat und Kolophonium zu überziehen, um
sie vor den Einflüssen der Luft und dem weiteren Faulen zu schützen. Aber wann wird die Arbeit in
Angriff genommen werden, da nicht einmal die Revindicirung des Fonds so gar bald erfolgen dürfte?
Ursprünglich hatte die Marienkirche keine Bänke; wodurch die Grösse derselben sich
desto auffallender zeigte. Im XVI. Jahrhundert wurden Bänke für Schöppen und Rathsherreu
Digitized by Google
Die Marienkirche in Krakau.
105
errichtet. Von den vier noch übrig gebliebenen sind die grössten (links am Eingange vom Haupt-
tliore) mit den geschnitzten Wappen Polens, Litthauens und Krakau' 8 geschmückt, und reich
gemalte vergoldete Cassettonen zieren ilire DeckenstUcke.
Zu den dortigen Schnitzwerken des XVI. Jahrhundert» gehören auch die grossen Chorstühle
und der Altar des heiligen Stanislaus im linken Seitenschiff. Jene Stühle stellen im Basrelief fünf-
zehn Scencn aus dem Leben der allerheiligsten Jungfrau Maria vor. Die Kanzel und der Altar des
heiligen Stanislaus sind so wie die Chorstühle vom Priester Stanislaus Grodski, der 1675 im hohen
Alter starb, ausgeführt.
Was plastische Arbeiten von Stein anbetrifft, so hat diese Kirche erst Denkmäler aus dem
XVI. Jahrhundert aufzuweisen. Einen höheren Werth haben die Grabmaler der Montelupi aus
Florenz und ihrer Verwandten, der Basi und Morceki, ferner jene der Ccllari ans Mailand, die mit
den Familien der Chodovowski und Miaczynski verwandt sind.
Endlich gehören auch hieher die Grabmäler des Bürgers Dobryssowski, des Übersetzers
der Bibel Johann Leopolita, des Rechtsgclchrtcn Kirstein , des Castellans von Podlachien Martin
Leäniowolski und des Christoph Kochanowski. Die Grabmäler der Familien Stadnieki, Mala-
chowski, Szembeck, Darowski, Wodzicki und Mieroszcwski sind im Roecocostylc im XVII. und
XVIII. Jahrhundert ausgefUlirt
Auf Grabmälern von minderem Reichthum findet man die Familiennamen der Zatorski, Wier-
zychowski, Ciepielowski , Wicrzbica, Krupski und Maczynski ; ferner die Familien der Fogclder
ausBoboliee, der Bertold, Altansy, Delpacy, Cirus, Pernus, Zaidlic, Korzbok, Tamberk. Schilder,
Pestaloci, Nagot, Czeki, Gajer, Ronnenberg, Rap und endlich des persischen Kaufmannes Alek-
sydze. Im Ganzen zählt die Kirche im Innern sowohl als an den äussern Wanden 108 Denkmäler,
diejenigen ungerechnet, die nach dem Jahre 1794 aufgeführt wurden. Fast alle Denkmäler des
XVI. Jahrhunderts sind von rothem , die spateren von schwarzem Marmor. Simon Albimontanus,
Mansionarius dieser Kirche, liegt in der St Antonscapelle begraben.
Man kann auch den Altar des allerheiligsten Sacraments nicht übergehen , welcher um die
Mitte des XVI. Jahrhunderts von Johann Maria Padovano in Marmor gemeisselt wurde, wobei ihm
Bernhard Poderini half, der die aus Alabaster bestehenden Theile schnitzte. Dies erhellt aus dem
Streite , welcher sich zwischen den beiden Meistern bei der Bezahlung der Arbeit in den Jahren
1554 und 1555 entspann. Eine der Hauptzierden des Innern der Kirche sind sieben bronzene
Grabmäler. Sie reichen in das Ende des XV. und in den Anfang des XVI. Jahrhunderts; eines
derselben fällt aber in den Anfang des XVII. Jahrhunderts. Sic sind zum Andenken der drei
Salomonc aus Bencdyktowice, des Lucas Noskowski, Severin Boner und dessen Gemahlin Sophie,
geborene Bettnau , endlich zum Andenken des Erasmus Danigicl , Verwalters von Lobzöw , aus-
geführt. Das in der St. Antonscapelle ciselirte Grabmal Salomons ist das älteste , und das Peter
Salomons, vom Jahre 1556, das schönste. Danigiel's Grabmal vom Jahre 1624 trägt den Namen
des Meisters, der es gegossen, nämlich Jakob Vein Man. V. N.
Da» bronzene Taufbecken in Form eines Kelches und die Weihkcssel von Zinn (an beiden Seiten-
eingängen) gehören, wie man aus der Form der Inschriftbuchstaben ersieht, dem XV. Jahrhundert an.
Auf den Weihkesseln ist „Ave Maria" und ein Text aus der heiligen Schrift angebracht Die Schatz-
kammer ist noch gegenwärtig an Kirchenapparaten reich, die grösstentheils dem XVII. Jahrhundert
entstammen. Die Zahl der Ornate beträgt Uber 300 und unter den Teppichen gibt es mehrere Arazzi.
Das Archiv enthält Originaldocumente aus den ersten JahreD des XV. Jahrhunderts, welche
von dem Kirchenprocurator Andreas Karczynski geordnet wurden. Abgesehen von den grossen
Bildern, welche die oberen Wände die ganze Kirche entlang schmücken und von denen eines von
Michael Stachowicz und das andere von A. Wenesla (der am Ende des XVII. Jahrhunderts lebte)
IX. 15
Digitized by Google
106
JoMPH V. LePKCWSKI.
herrührt, erwähnen wir nur, dass sich hier Werke von Dolabella, Luc«» Orlowski, Smuglewicz und
Hadziewicz finden. In der Thunncapcllc ist das Bild des heiligen Paulus im Jahre 1522 gemalt.
Endlich giebt es auch in der Sacristei Bilder aus dieser Epoche, darunter verdient das Bild Maria
Verkündigung von Jakob Mertens, Martius genannt, erwähnt zu werden. Er lebte am Ende des
XVI. Jahrhunderts in Krakau; die Zeitgenossen nennen ihn einen Niederländer.
Unter allen Bildern ragen die Gemälde des Johann Suess hervor, von dem es in Krakau
vierzehn giebt: in der heiligen Florianikirche vier, in der Schatzkammer der Marienkirche acht,
eines in der Gonerschen Capelle, und eines in der Wohnung des infulirten Archipresbytcrs. Die der
Schatzkammer sind an die Thören der Schränke gemalt und stellen, gleich dem des Archipres-
byters, Scenen aus dem Leben der heiligen Katharina vor; die übrigen bildeten wahrscheinlich
ein Tryptychon und stellen Scenen aus dem Leben Johannes des Täufers und des Johannes
Olivetus vor. Auf dem Bilde in der Boucr'schcn Capelle steht die Inschrift: „Haue divi Johannis
Apostoli historiam Johannes Sues civis Norimbcrgensis complevit 15 IG" und das Monogramm,
welches Johann von Kulmbach zu gebrauchen pflegte.
Auf jenem in der Schatzkammer ist folgendes schon verwischtes Epigraph: „Haue dive
Virginia Catharinae historiam Johannes Sues Norimbergensis civis faciebat anno dni 1515" und
gleichfalls das Kulmbachischc Monogramm. Über Suess hat J. Kreiner in seinen „Listy z Krakowa
(Briefe aus Krakau) und Kastawiecki im „Slownik malarzy a (Malerlexikon) geschrieben. Wir
fügten bereits im Jahre 1847 in unseren „Starozytnos'ci - (Alterthümcr und Denkmäler von
Krakau) eine Lithographie davon bei ; Grabowski erhielt von Hcidelofl' die Nachricht, dass man
von diesen Maler nichts mehr wisse, als dass er in Nürnberg geboren und der Sohn eines
dortigen Schusters Konrad Suess gewesen sei. Was mag es aber auf jenen Bildern mit dem Kulm-
bachischen Monogramm für ein Bewandtnis» haben?
Wir schliessen hiermit die Übersicht der Denkmäler der Pfarrkirche von Krakau, und wollen
noch der drei übergebliebenen gemalten Fenster erwähnen.
über diese Fenster wurde schon im Jahre 1835 ein Artikel im „Powszcchny Pamietnik
Krakowski " veröffentlicht. Hierauf schrieben darüber: Grabowski, Maezynaki, Rastawiecki.
Sobicszczanski, Siemienski und endlich auch Essenwein. Alle stimmen darüber ein , dass diese
Fenster in die Zeit Kasimir des Grossen, das ist in die zweite Hälfte des XVI. Jahrhunderts fallen;
uns erscheint es aber, dass sie wenigstens um ein halbes Jahrhundert später entstunden; denn wir
glauben, dass die Fensterscheiben nicht vor den Verzierungen des Masswerkes angebracht werden
konnten, welche einer späteren Zeit angehören.
Auf diesen Scheiben sind in den mit eisernen Stuben zusammengefassten Tafeln Scenen aus
dem Leben Christi und der allerheiligsten Jungfrau Maria dargestellt.
Die in letzter Zeit oben an den Fenstern angebrachten (bei Rosetten schmälern den Kin-
dmck, welchen das Ganze bewirken sollte. Um die Harmonie des Lichtes zu gewinnen, niuss man
sie durch andere iindunhsiehtigc ersetzen. Die Kirehenaufsicht dachte schon daran, und die
Commie8ion, welche den Altar untersuchte, erstattete auch über den Zustand der gemalten Fen-
ster einen eingehenden Bericht.
Über die seit dem Jahre 1403 in Krakau lebenden Erzpriester findet man in den Schriften
Grabowsky's die nöthigen Angaben, wo sich auch eine Menge von Daten zu einer Monographie
der Marienkirche vorfinden. Constans Hoszowski lieferte in seinem Werke über den Bischof
Trzcbicki treffliche Forschungen Uber die Geschichte der Bruderschaft der Himmelfahrt Mariac,
welche seit dem XIV. Jahrhundert in dieser Pfarrkirche besteht. Auch die „Geschichte der
Krakauer Bürgerschaft" würde hierzu ein reichliches Materiale liefern.
107
Über das Gailthal in Kärnthen'.
I. Reisebericht über mittelalterliche Kirchenbauten im Gaillhale.
Vos Hans Pltschnig, .Whitbkt.
Auf Anregimg »los correspotidirenden Mitgliedes Herrn B. Lewitschnig, Dcchant* von
St. Hermagor, fand sich die k. k. Ocntral-C'ommission veranlasst, das untere und obere Gail-
thal in archäologischer Richtung durchforschen zu lasseu und mich mit dieser Aufgabe zu
betrauen.
Meine erste Station in Kilrnthen war Klagenfurt, und mein erster Besuch galt dem
Lamhsmuseum. Passelbe bietet manches Wichtige, und zeigt, dass auch hier die Thcilnahme
tllr mittelalterliche Kunstdenkmale Wurzel fasste.
Um so mein- 6el es mir auf, dass drei interessante
romanische Scujptureu im Kreise der Alterthums-
forscher bisher so wenig Beachtung gefundeu haben.
Es sind dies nämlich drei Löwen, wovon der eine
am Villacher Thor, der zweite (Fig. 1) ehemals beim
St. Veiter Thor, der dritte beim Völkermarkter Thor
aufgestellt waren. Die beiden letzteren, basrclief
gehalten, sind gegenwärtig an Häusern in der Nähe
dieser demolirten Thore eingemauert. Wie man mir
versicherte, soll auch beim Viktringer Thor ein vierter
solcher Lowe gewesen sein, doch ist es mir nicht
gelungen, denselben aushndig zu machen.
Diese Löwen sind aus dunkelgrünem Chlorit-
schiefer gemeisselt, dessen Farbe die Unterscheidung der Linien erschwert; dazu haben sich
Staub und Schmutz in die Details der Sculptur festgelegt, und so ist es erklärlich, dass
nur ein geübtes Auge die Stylistik dieser Arbeiten erkennen kann. Sobald man jedoch ihre
Fi*. I.
• Da fast zu gleicher Zeit zwei
mögen sie auch hier nach einander
vor das Auge treten tu lauen.
über d
u> Bild
Thaies in
gegenseitig ergänzen, ao
Hinsicht desto lebhafter
A. 4. JL
16»
Digitized by Google
108
Hans PetschsiO.
einzelnen Formen studirt, so gewahrt man, daas dieselben der spätromanischen Periode zuge-
zählt werden müssen.
Was dieselben ursprünglich fUr eine Bestimmung gehabt, und ob sie einem Bauwerke
gleichen Styls zur Zierde gedient haben , ist eine Frage , welche von den Fachmännern
Kärnthens in Betracht zu ziehen wäre. Dass diese Überreste einer früheren Zeit an den spHter
erbauten Thoren einen Platz fanden, ändert nichts .an der Sache.
Auffällig ist der zweischwänzige Löwe (Fig. 2), welcher an den böhmischen Löwen erinnert,
und mich auf den Gedanken brachte, ob derselbe nicht etwa aus der Zeit Ottokar's IL, Herzogs
von Steiermark und Kämthen, stamme. Es fällt dies in die zweite Hälfte des XIII. Jahrhunderts,
in dem die eben genannte Stylart in Übung war.
Da meine Überzeugung, dass diese Sculpturen romanischen Ursprungs seien, von Fach-
männern in Klagenfurt angezweifelt und mir die Beliauptung entgegen gestellt wurde, das«
Flf. 2. Fig. 3.
diese Löwen dem XVII. Jahrhundert angehören, so halte ich es für nöthig, um auf die Ana-
logie der Auffassung hinzuweisen, an den Löwen bei der Kanzel der Franciscaner - Kirche zu
Salzburg zu erinnern, von dem es erwiesen ist, dass derselbe der romanischen Periode ange-
hört, und ferner (Fig. 3) den Löwen an der Kanzel in Wolfsberg anzuführen, welcher der
frülu-omanischen Weise zugezahlt werden muss. Gerade in dem Löwen, diesem so häufig
gebrauchten symbolischen Thicre, ist die Stylistik am prägnantesten ausgedrückt, und es ist
die Auffassung der gothischen Periode so wesentlich von der romanischen verschieden, dass
sie nicht leicht verwechselt werden können. Die Renaissance aber geht in ihrer Auffassung
auf das naturalistische Gebiet über, bis sie endlich dahin gelangt, die früher atylistisch gebil-
deten symbolisircnden Thiere in der Menagerie zu studiren.
Nie hat ein Künstler der späteren Renaissanceperiode den Löwen gothisch und noch
weniger romanisch gestaltet, da die selbstständigc Entfaltung und der Aufschwung der neuen
Stylart, so wie sich diese einmal klar geworden, die frühere Richtung vollständig ignorirt, ja
missachtet hat.
Unserer Zeit war es vorbehalten, den Styl früherer Perioden zu reproduciren und wieder
im Geiste jener Zeiten zu arbeiten. So sind besonders in der zweiten Hälfte diese« Jahrhun-
derts Werke im Geschmack der griechischen, römischen, romanischen, gothischen und Renais-
sance- Architectur entstanden, die früheren Perioden anzugehören scheinen, und oft tüchtig
durchgebildet sind, obgleich sie doch nur desshalb entstanden, weil wir keine selbstständige
Richtung, keinen einheitlichen, massgebenden Styl besitzen.
Digitized by Google
Reisebericht.
109
Es wäre zu wünschen, das» jene Löwen zu Klagenfurt, die sich ohnedies nicht mehr
an der ursprünglichen Stelle befinden, im Interesse der Kunstgeschichte einen geschützten
Platz im Landhausgebäude fänden.
Ich kann nicht umhin, nochmals auf den Löwen (Fig. 3) an der Kanzel in der Kirche
zu Wolfsberg zurückzukommen, der als ein archäologisches Räthsel schwer zu erklären sein
dürfte. Der weibliche Kopf mit der aus Rauten gebildeten Stirnbinde, und die Kugel, welche
der Löwe in der linken Hinterpranke hält, sind zu auffallend, um Ubergangen zu werden. Die
Lösung Uberlasse ich Fachgelehrten dieser Richtung, und gebe nur eine subjective Andeutung,
ob es nicht eine Darstellung der Sphinx sei , wie sie zuweilen auch in der christlichen Sym-
bolik vorkommt.
Um die 8erie der Löwen zu vollenden, komme ich nun auf die zwei zierlich gearbei-
teten Säulcnträger der Kirche „St. Maria an der Gail a bei Villach zu sprechen.
Die Kirche selbst ist einschiffig mit eingebauten Pfeilern und mit einem decorativen
spfttgothischen Netzgewölbe geschossen. Zwischen dem im Achteck geschlossenen Chore und
dem Langschiff steht der massige
viereckige Thurm, welcher jeden-
falls einer früheren Periode als
das Fenster angehört. Eine kleine
gothische Capelle mit dem Grab-
male der Grottenek lehnt sich
seitwärts an Thurm und Chor.
Die Fenster haben ein einfaches
Masswerk und das Portal ist nur
mit Rundstab und Hohlkehle pro-
filirt. Der Orgelchor, an die
Innenpfeiler gelehnt, zieht sich
von diesen in schiefem Winkel
gegen die Mittelpartie zurück, wo
er zwei stumpfe Ecken bildet, an
welchen zwei Säulen als Gewülb-
Diese gewundenen »spät-
gothischen Säulenschäfte tragen
die Segmentbogen des Orgel-
chors und ruhen auf zwei roma-
nischen Löwen aus marmorähn-
lichem Kalkstein. Diese Löwen
sind ohne Zweifel italienische
Arbeit, indem derlei an Portalen
italienischer Kirchen der roma-
nischen Periode allenthalben vor-
kommen. Deutlich ist das Auf-
setzen der gothischen Säulen-
gehäfte sichtbar; da sie aber aus
rig. 4.
dem gleichen Materiale gemeisselt sind, so dürften die Löwen seiner Zeit an einem älteren Bau-
werke in dieser Gegend aufgestellt gewesen sein, und die Steine zu beiden Theilen einem und
Digitized by Google
110
Hans Pktschnig.
demselben Bruche entnommen sein. Erklärlich wird ihr italienischer Ursprung- auch dadurch,
dass dieser Theil Kärnthens in kirchlicher Beziehung einst zu Aquilcja gehörte. Nicht un-
erwähnt kann ich den äusserst zierlich geschnitzten Flügelaltar lassen, welcher ehemal» die
Schlosscapelle der jetzt in Ruinen liegenden Burg Landskron zierte. Er ist im Kleebog-en
geschlossen. Sieben Reliefdarstelluugen , noch in der ursprünglichen Polychrome, zeigen die
Geburt Christi, die heiligen drei Könige, Maria unter den Aposteln am Pfingstfeste, den Tod
Marias u. s. w., und sind sowohl in Composition als Ausfuhrung vorzüglich, so wie auch die
durch Menschen- und Thiergestalten belebten Ornamente zu den besten ihrer Art gehören.
Die beiden Statuen, St. Georg und St. Florian, welche sich gegenwärtig am ürgelchor in Nischen
befinden, dürften ursprünglich ebenfalls Theile dieses Altars gebildet haben.
Das Gitter des Orgelchors Uber der Balustrade ist aus flach geschnittenem, durch-
brochenen und bemalten Masswerk gebildet, und es dürften derlei Schutzgitter aus der gothi-
schen Periode bei uns nicht so häufig zu finden sein.
Ich kehre nun wieder zurück in die Nähe von Klagenfurt, um der Stiftskirche von Viktriiifr
zu erwähnen. Diese dreischiffige romanische Basilica war, was sich am deutlichsten ober dem
jetzigen Gewölbe zeigt, früher im Mittelschiffe flach gedeckt und nur von Pfeiler zu Pfeiler
mit einer Gurte unterstützt. Später wurde sie mit einem Tonnengewölbe versehen. (Fig. 4 auf
Seite 100 gibt den Grundriss.) Die vorgekragten Liscncn sind nicht senkrecht aufgeführt, sondern
laden sich mehr nach unten aus, wie es scheint, um der Gliederung Kaum zu geben. Das erhaltene,
jetzt aber vermauerte Portal (Fig. 5) ist einfach durchgebildet, und es scheint, dass man den
Capitälen absichtlich die Form der Basen gab und ihre Ecken
mit einfachen Knollen ausfüllte. In der Ecke neben dem Thor
lastet ein Gurtbogen auf einer polygoniseh gegliederten Con-
solc. An einer Thurmecke ist ein Kopf eingemauert, der eben-
falls derselben Stylperiode angehört. Die Kirche selbst war um
mehrere Joche länger, ward aber baufällig, und da Niemand
die Erhaltungskosten auf sich nehmen wollte, so wurde ein
Theil derselben demolirt. Das Mauerwerk war indessen so fest,
dass man es mit Pulver sprengen musste. Zu bedanern ist, dass
dabei das romanische Hauptportal, welches in ziemlich reicher
Weise durchgebildet war, zu Grunde ging. Es wurde mir ver-
sichert, dass sich an den vermauerten Theilen der Portal-
gewandungen römische Sculpturen befanden, ein Fall, der öfter
vorkommt, weil alte Römersteine häufig umgearbeitet und ver-
wendet wurden, wie ich mich auch an den Ruinen einer Kirche
auf der Margarethen-Insel bei Pest zu überzeugen Gelegenheit
hatte, wo an der einen Seite gothische Thürprofile und auf der andern römische Inschriften
zu finden waren. Der später gebaute gothische Chor ist, wie der Grundriss zeigt, im halben
Achteck geschlossen, ein kleiner Capellenraum mit netzförmigem Gewölbe schliesst sich seit-
wärts an den Chor und ist gegen das Querschiff zu geöffnet. An dasselbe ist eine grössere
Capelle mit einem sehr hübschen Netzgewölbe angebaut, welche an ihrer Breitseite ein Chör-
lein enthält, dessen Scheidebogen durch zierliche Baldachine, welche die birnenförmige Mittel-
gliederung unterbrechen, geschmückt ist. Die Gewölbrippen der Capelle fussen auf Consolen
mit doppelten und einfachen Wappenschilden, die an den gothischen Theil von Maria-Saal
erinnern. Die Kirche enthält mehrere interessante Grabsteine; aber ihr bester Theil aus der
gothischen Periode sind die drei gemalten Fenster im Chor, welche ganz gut erhalten sind
Fig.
Digitized by Google
111
und die Behandlungswcise des XIV. Jahrhunderts zeigen. Sowohl die Farbenpracht als auch
die Linienführuug der Gewandung, die correcte Zeichnung und die lebendige Composition
verleihen ihnen einen hohen Kunstwerth.
Das Stift selbst, jetzt ein Fabriksgebäude, enthält einige gothische Details an Thürcn,
Fenstern und einem Krker. Der grüsste Theil desselben gehört jedoch der italienischen Renais-
sance an; mehrere der Plafonds sind hier mit Stucco überladen und mit Sculpturen ausgestattet.
Auf meiner Weiterreise, die mich an das Ufer des Wörthcrsee's führte, erblickte ich
jenseits am See die Kirche ^Maria am Wörth". Die Zeit gestattete mir leider nicht, diese
Kirche, welche durch üire Krypta interessant ist. zu besuchen.
Ich kam nach Vi 11 ach. Die Stadtpfarrkirche, von bedeutenden Dimensionen, ist eine drei-
«chiffige Hallenkirche mit runden Säulen, deren Capitäle nur gegliedert und ohne Ornamentik
sind. Das Gewölbe gehört vollkommen der Verfallszeit an und enthält nur decoratives Leisten-
werk mit geringen Ausladungen und unbedeutender Profilirung. Ich vermuthe, dass diese
leistenartigen Hippen nicht aus Stein, sondern aus Stucco gemacht sind, wie ich solche auch
noch anderwärts antraf. Der italienische Einiluss der Technik dürfte hier mitgewirkt haben;
auch ist nicht das* correcte Kreuzgewölbe durchgeführt, sondern eine Tonne mit Schilden. Im
Chore gehen die Hippen bis an das Kaffgesims, durchdrungen dieses und haben eigentüm-
lich gestaltete Consolen. Das Mittelfenster an dem im Achteck geschlossenen Chor hat aussen
in der Hohlkehle zwei Baldachine nebst Consolen, was demselben, nebst dem sehr stark ver-
schlungenen Masswerke des Bogenfcldes, ein sehr decoratives Aussehen verleiht. Am Orgel-
chor sind, wie ich vermuthe, Schlusssteine einer früheren Ein Wölbung eingemauert: denn die
jetzige Einwölbung der Schiffe gehört in die erste Hälfte des XVI. Jahrhunderte , während
die Kirche dem XV. Jahrhundert angehört. Portale so wie Strebepfeiler sind einlach gehalten.
Der Thurm ist mit der Kirche durch eine hohe offene Halle verbunden. Das erste
Geschoss des Thurmes aus Quadern ist mit einem romanischen Rundbogenfrics geschlossen.
Auch der Sockel gehört der romanischen Periode an. Das Gesims schliesst jedoch den Fries
gothisch ab. Der Thurm ist massig aufgebaut und dürfte früher mit vier Giebeln und einem
spitzigen Helm geschlossen haben, jetzt aber schliesst er im Achteck und hat oben ein gothisch
sein sollendes Dach , welcher Umbau durch die späteren Baubehörden ausgeführt worden ist.
Ausser einer auffallenden Menge von mitunter sehr schön ausgeführten Grabsteinen,
welche theilweise als Bodenpflastcr dienen, zum Theil an den Wänden aufgestellt sind, bietet
die Kirche noch manc he interessante Einzelheiten dar. So hat die SacristeithUre ein grosses,
sehr hübsch ornamentirtes Schlossblech mit Klopfer. Eine angebaute Seitencapelle wird durch
ein Gitter von starken Eisenstangen geschlossen. Die massiven Eckstangen haben das beliebte
gothische Profil mit einer Hohlkehle und schiefen Blättchen. Das Schlüsselloch hat eine hübsche
Eisen Verzierung, obenauf sind im Geschmack des XV. Jahrhunderts Lilien, Hosen, Disteln,
Eicheln etc. aus Blech geschnitten , und mit dem flachgebogenen Eisenwerk in harmonische
Verbindung gebracht. Die ganze Krönung ist sehr lebendig und zierlich, und zeigt Spuren
früherer Bemalung und Vergoldung, die einst den Eindruck bedeutend gehoben haben mögen.
Ich kann nicht umhin, dieser Eisenarbeit eine andere, welche sich an dem grossen
Brunnen am Hauptplatzc zu Klagenfurt findet und dem X\TI. Jahrhundert angehört, gegen-
überzustellen. Wahrend nämlich die Arbeiten der gothischen Periode blos einem ästhetischen
Bedürfnisse entsprungen zu sein scheinen, tragen die Arbeiten der Renaissance einen gewissen
Prunk an sich und sind, wie man zu sagen pflegt, auf Effect berechnet. Elegant und von
vorzüglicher Technik, tragen sie aber in ihrer Auffassung und Composition, gegen die Arbeiten
des Mittelalters gehalten, doch den Charakter des Gesuchten.
112
IIa ms Pbtschnio.
Das Blattwerk ist hier noch immer aus der Natur geschöpft, was in der späteren Periode mehr
und mehr verschwindet. Die, wenn auch in ihrer Form stark verschnittenen Wappenschilder zeigen
deutlich ihre Abstammung aus dem Mittelalter. Kunstvoll und von schöner Form ist die Eckrose. Jeden-
falls verdienen diese Arbeiten desKunsthandwerkes aus jener Periode volle Beachtung undWürdigu 1 1 $s.
Kehren wir aber zur Kirche zurück. In einer Ecke derselben steht ein Tyrnpanum, welches früher
einem Portale angehört haben mag. Die Arbeit ist roh und in ziemlich porösem Sandstein ausgeführt ;
allein die Eigentümlichkeit der Composition erregt Interesse. Costümc und Form des Wappen-
schildes deuten auf da* XIV. Jahrhundert. Maria mit der Krone sitzt auf einem Stuhle und
hält das Christuskind. Der heilige Joseph befindet sich ihr zur Linken. Er ist im Reisekleid
mit einer geflochtenen Tasche dargestellt, und hült ein Gefäss oder eine Art von Laterne.
Rechts zeigen sich die heiligen drei Könige. Der Erste kniet und hat die Arme ausgebreitet,
während ein Diener seine Krone hült. Hinter ihm deutet der Zweite der Könige auf den Stern,
welchen ein Engel über der heiligen Familie hält. Der Dritte der Könige, welcher mit vor-
gebeugtem Haupte nach dem Stern sieht, trügt wie die andern, ein zur Gabe bestimmtes
Gefäss. Endlich zeigt . sich auch ein Wappenträger mit
einem Schwert und einem Spruchband-, auf welchem ich
jedoch keine Spuren einer Schrift entdecken konnte. Oberhalb
dieser Gruppe sieht man die heilige Maria unter den Engeln
als geklönte Himmelskönigin. Die Composition ist lebendig
und die Figuren sind gut vertheilt
Unweit davon steht ein Taufstein (Fig. ü), dessen
Fuss abgebrochen zu sein scheint. Die Fialen an den
acht Ecken sind mit geschweiften Wimbergen verbunden
und die Felder durch Reliefs von sehr guter Arbeit belebt.
An dem untern Theil des Fusses sind Wappenschilder
angebracht.
Die Form derWappenschilder, so wie die der Krabben
und der geschweiften Bogen weisen auf den Anfang des
XVI. Jahrhunderts hin, und da das Materiale, ein marmor-
ähnlicher Kalkstein, ein feines Korn hat, so konnte die
Arbeit auch geglättet durchgeführt werden. Besonders die
Köpfe sind gut gearbeitet und zeigen eine feinere Technik.
Eine gewisse Politur ist überhaupt an dem ganzen Werke sichtbar, und man kann diesen
Taufstein zu den reichern zählen. Schade, dass der Fuss beschädigt ist , und ein plumper
hölzerner Deckel das Ganze verunziert.
Ein schönes und mit Ausnahme der oberen Wappenschilde, ganz gut erhaltenes Werk
der Kunstschnitzerei ist der Chorstuhl aus Eichenholz. (Fig. 7.) Die Wangenstücke zeigeu Samson
mit dem Löwen und einen Steinbock, der an Trauben nascht Das erstere trägt die Jahres-
zahl 14G4. Sehr bizarr erfunden sind die Aufsätze der Wangenstücke. (Siehe Tafel VI.) Die Tech-
nik dieser Arbeit ist vorzüglic h und zeugt von ausserordentlicher Sicherheit im Handhaben
des Meisscis.
Noch habe ich der Kanzel zu erwähnen, an deren Fuss der Stammbaum Christi in
Hautrelief aus Sandstein dargestellt ist, eine dem Ende des XVI. Jahrhunderts angehörige
Arbeit. Leider ist die Kanzel durch einen neuen, in sogenannter Tischlergothik verfertigten,
plumpen hölzernen Aufsatz verunstaltet Eine kleinere, einschiffige gothische Kirche mit sehr
hohem Innenraum wird gegenwärtig als Heumagazin benütat
Fig. c.
Digitized by Google
Reisebericht.
113
Hf. 7-
Ausserhalb Villach, auf einem Hügel mit prachtvoller Aussicht , steht die kleine Filial-
kirche St. Johann (Fig. 8). Es ist ein einschiffiger Bau mit flacher Decke und einer polygonisch
abgeschlossenen Apsis. Pfeiler und Kirchendach, so wie
der hölzerne Dachreiter sind , wie an den meisten Land-
kirchen in Kilmthen, mit Schindeln gedeckt. Auffallend ist,
dass der hölzerne Dachreiter noch die ursprüngliche Form
beibehalten hat. Indens erklärt s^ch dieser Umstand
dadurch, dass die allenfalls nöthig gewesenen Ausbesse-
rungen von simpeln Zimmerleuten im Orte gemacht wur-
den, welche die überkommenen Formen beibehielten. Die
Fenster dieses kleinen Kirchleins mit einfachem Masswerk
hatten noch Glasmalerei und zwar, wie sowohl das Or-
nament im Dreipass als auch die Gewandung und Behand-
lung der Figuren etc. zeigt, aus dem Ende des XIV. oder
Anfang des XV. Jahrhunderts. Die Farben zeichnen sich
durch Intensität aus und die Zusammenstellung derselben
ist sehr wirkungsvoll.
Von Villach über Arnoidstein weiter kam ich in's
untere Gailthal und besuchte die Kirche in Hohenthurm
(Straja ves, Wachdorf). Der hochgelegene Thurm bietet eine
weite Rundschau und bei dem Umstände, dass das Mauerwerk altersgrau auf die liebliche
Gegend herabsieht, ist es erklärlich , dass man diesen Thurm für einen Wach- oder Auslug-
thurm hielt und weit in's Alterthum zurück versetzte. Auch
die offen gelassenen Gerüstlöcher in der Höhe geben der
Phantasie einen Anhaltspunkt, als wenn sich da ein Wehr-
gang befunden haben müsste. Möglich dass der Thurm auf
altem Fundamente steht, aber in seiner jetzigen Gestalt fand
ich keinen Anhaltspunkt hiefür. Die oberen Thurmfenster
haben stumpfe Spitzbögen ohne Masswerk. Der untere Theil
des Thunnes bildet einen mit einem Kreuzgewölbe aus dem
XV. Jahrhundert geschlossenen Capellenraum. Die sehr
gedrückt und im Zehneck geschlossene Apsis dürfte Hltcr
sein. Die Kippen ruhen auf Consolen, und statt Pfeilern
sind aussen nur Liscnen angebracht. Das Mittelfenster ist
bemerkeuswerth, da es im mittleren Pfosten eine romanische
Reminiscenz zeigt. Übrigens ist die ganze Arbeit sehr primi-
tiv und roh. In St. Göriach und Feistritz sind einfache ein-
schiffige Kirchen aus der spKtgothischen Periode , wie denn
die meisten Kirchen in diesen Thälera aus jener Zeit stam-
men. Die Kirche in St. Stephan ist dreischiffig angelegt mit
wenig überhöhtem Mittelschiff. Achteckige einfache Pfeiler
theilen die Schiffe, und die Rippen entwickeln sich aus den-
selben. Strebepfeiler und Portal sind meist einfach geglie-
dert, letztere mit offenen Spitzbogen. Die Strebepfeiler,
namentlich jene des Chores, sind meist dreieckig, eine f, k- 8
Eigentümlichkeit, die der letzten gothischen Periode angehört. Auffallend sind hie und da die
IX.
16
Digitized by Google
114
IIams Petscukio
rumänischen Reminiscenzen an den FenBtern der Glockenthlirme. Es kommen gekuppelte Rund-
fenster mit einer Mittelsäule vor, so in Maria an der Gail, in Feistritz, in Emersdort,
St. Daniel u. s. w. , allein bei niiherer Besichtigung zeigt die Mittelsäule oder der Pfeiler die
gothische Form.
Ein Spaziergang von St. Hcrmagor nach Vellach und Eck lohnte die Mühe. In V eil ac h
stehen in der kleinen gothischen Kirche zwei vollkommen erhaltene Flügelaltäre, deren einer
dem XV. Jahrhundert angehört. Dieser ist einfach, aber von guter Composition und schonein
Schnitzwerk. Der gegenüberstehende zweite Altar zeigt in der Ornamentik und Gewandung
schon den Einfluss der Renaissance, und ist mit weniger Verständnis* und Sicherheit gearbeitet.
Die Bemalung der Apsia gebort dem XVII. Jaluhundcrte an. In der Küche von Eck befinden
sich in einer Seitencapellc Grabsteine der Kühnburge. Zwei noch erhaltene Glasfenster sind von
guter Arbeit, Christus mit Maria und Johannes, dann einen knieenden Ritter nebst einem
Wappenschild darstellend. Sie gehören zwar schon in den Anfang der Renaissance, müssen
aber von einem tüchtigen Meister herrühren. Leider ist ein Feld der in prachtvoller Farbe
ausgeführten Wappenschilder in Gefahr beim nächsten Unwetter zerstört zu werden, da dasselbe
bereits ausser Verbindung mit dem Masswerk gekommen ist. In der Sacristei befindet sich ein
hübscher gothischer Kelch und am Pfarrhausc ein zierlich gearbeiteter Tbürklopfer. St. 11er-
magor hat eine dreischiflige Hallenkirche von milssigen Dimensionen mit achteckigen Pfeilern,
aus welchen sich die Rippen entwickeln. Das Gewölbe ist netzartig, . und bei den llauptkreuzungeu
der Rippen sind quadratische Schlusssteine angebracht, während in den Gewölbkappen vertiefte
Vierpässe vorkommen. Der Chor ist achteckig geschlossen, auf der einen seiner Seiten ist
eine Capelle, auf der andern der massige Thurm angebaut. Das Thurmdach ist durch eine Restau-
ration ganz verunstaltet und schlichst mit einer blechernen, achteckigen, gothisch sein sollen-
den Laterne. Das Portal, einfach profilirt und im Spitzbogen geschlossen, hat noch das ursprüngliche
Beschläge von einfacher Arbeit. Auch finden sich in der Kirche bronzene Leuchter mit einem
Wappenschilde versehen, worauf eine Chiffre gleich einem Steinmetzzeichen gravirt ist.
Durch das obere Gailthal blicken allerorts, wne nach einer Schablone gearbeitete
spätgothische Kirchen hervor. Der Thurm steht meist seitwärts, ist viereckig, mit Giebeln und
spitzem Helm und trägt als Sellins» einen Hahn. Zu Kirchbach fesselt das Kirchhofthor die
Aufmerksamkeit des Reisenden. Es ist dies ein einfaches Thor mit halbrundem Bogen. Der
obere Theil, in drei Felder getheilt, enthält Fresken aus dem Ende des XV. Jahrhunderts von
vorzüglicher Schönheit und noch zicmUch gut erhalten. In dem vertieften Mittelfelde sieht man
den heiligen Martinus auf milehweissem Pferde in Hauskleidung, mit reich gemustertem Stoff.
Zwei Engel halten die Infel Uber seinem Haupte, während der Heilige niit dein Schwerte den
Mantel zerschneidet, um denselben an die beiden Bettler zu vertheilen. Eine einfache Gebirgs-
landschaft bildet den Hintergrund. Das Ganze ist in der Abschräguug von einem reichen Or-
namente, wie solche in Miniaturen vorkommen, eingerahmt. Die Schrift ist unleserlich und nur
die Worte „hier sind" vermochte ich deutlich zu lesen, ebenso ist von der Jahreszahl nur
14 — 4 zu erkennen. Rechts neben dem Mittelfelde sind St. Zacharias und St Ursula, Unks
St. Johannes mit dem Lamm und St. Jacobus Major abgebildet. Man verweilt mit Vergnügen
vor diesen Bildern, und muss dem Herrn Conservator von Steiermark, Postdircctor Scheiger,
zu Dank verpflichtet sein, dass er die Demolirung dieses Thores, die schon beschlossen war,
verhinderte. Die Kirche selbst bietet nichts von besonderem Interesse. Weiteroben im Thale liegt
G rafendorf, dessen Kirche ebenfalls aus der spätgothischen Bauperiode stammt, sonst aber
nichts Bemerkenswerthes an sich hat. Dafür ist die kleine Filiale St. Helena am Wieserberge
desto interessanter.
^ DigitizecLby. Google
IIS
Hoch oben auf dem Plateau des Wieserberges, eine halbe Stunde von Grafendorf entfernt,
Migen sich noch Grundmauern eines ehemaligen Schlosses, vielleicht Klosters, auch eine Art
Cisternc oder Brunnen ist daselbst erkennbar. In geringer
Kntfernung davon, beinahe an der Abdachung des Berges
liegt da« noch jetzt fiir den Gottesdienst verwendete Kirch-
lein St. Helena am Wieserberge (Fig. 9). Schmucklos,
theilweise verwittert, übt dieser Bau mit dem moosbewach-
senen Schindeldach und dem schlichten, seitwärts ange-
bauten Thurm, einen eigenthtlmlichen Reiz auf den Be-
schauer. DasKirchlcin (siehe den Grundriß» Fig. 10) hat ein
oblonges Schiff mit flacher Decke und eine halbrunde vor-
springende Apsi.s mit einer Halbkuppel eingewölbt. Die
vordere Ansicht hat, ausser einem kleinen halbkreisförmig
geschlossenen Portal, nur im Giebel eine kleine viereckige
Fensteröffnung. Seitwärts von der Thllre, wenige Fuss
hoch von der Erde, ist ein einfacher, consolenartig gothisch geformter Stein, ungefähr wie ein
Weihwasserbehaltniss, in eine kleine Nische eingemauert, jedoch fehlt demselben die Aushöhlung.
Dafür ist ein Loch von zwei Zoll Durchmesser eingemeisselt, das
schief nach abwärts in die Kirchenmaucr verlauft. Wozu dieses
bestimmt war, habe ich nicht ermitteln können ; vielleicht dass es
zum Einsetzen einer Fahnenstange gedient hat. An der Südseite ist
unter einem kleinen Holzdache ein St. Christoph gemalt, welcher
schon in der Cmrahmung den Einfluss der Renaissance zeigt. Es ist
dies eine jugendlich ritterliche Gestalt, und trotz der bedeutenden
Dimensionen mit grosser Delicatesse durchgeführt. Es muss Uber-
haupt in dieser Periode, nämlich zu Ende des XV. und im Anfang
des XVI. Jahrhunderts, hier zu Lande die Malerei sehr gut betrieben
worden sein, wie schon die Fresken des erwähnten Kirchhofthors zu
Kirchbach bezeugen. Ausserdem sah ich auf dem Wege zwischen
Kirchdorf und Grafendorf mehrere einfache gemauerte Wegkreuze,
wovon die Mehrzahl aus dem XVI. Jahrhundert noch auf allen
Seiten die frühere Bemalung zeigen. Ich sah an einem derselben
eine sehr schön ausgeführte Madonna, und an anderen Darstellungen aus dem Leben Jesu. Aller-
orts sind an diesen Wegkreuzen Wappenschilder und Spruchbänder angebracht. Jede Kirche hat,
meistens gegen die Strasse zugekehrt, ihren heiligen Christoph von möglichst grosser Dimension.
Alle stammen aus der voran geführten Periode und sind mehr oder minder gut dargestellt. Der
Thurm der St. Helenakirche, ebenfalls auf der Südseite stehe nd, ist ein spaterer Zubau, obgleich
derselbe im ersten Augenblick den Eindruck macht, als ob er ursprünglich schon zum Bau gehört
habe. Die Fenster zeigen romanische Reminiscenzen , allein die Mittelpfosten, wovon einer am
Fusse des Thurmes im Grase lag, zeigen die gothische Form. Wie man mir sagte, ist dieser Pfosten
beim Herabnehmen einer Glocke ausgebrochen und nicht wieder eingesetzt worden. Das kleine
Giebelfenster hat die Gestalt eines gleicharmigen Kreuzes. Das pyramidale Dach der Apsis hat
als Zierrath einen primitiv geschnitzten tind bemalten Kopf, der durch ein aufgesetztes Querbret
geschützt ist. Solche eigenthümliche Küpfe habe ich auch an zwei gleichartigen romanischen
Kirchen im oberen Drauthale gefunden. Das kleine rundbogige Mittelfenster der Apsis hat nach
innen eine gemalte Quadrirung in dunkelrother Farbe. An der Nordseite hatte die Kirche ehemals
16»
H-TTT-!
FifC- 10.
Digitized by VjOOQle
116
Hans Pktschsio.
gar kein Fenster; das vorhandene ist gleichzeitig mit dem gegenüberliegenden grösseren Fenster
ausgehrochen worden. Eben so wurde, um mehr Licht zu gewinnen, ein zweites Fenster erst spiiter
in die Apsis eingebrochen. Das Innere der Kirche ist schlicht und hat, wie schon erwilhnt,
eine Holzdecke mit Leistenwerk, an deren Durehschneidungspunkten kleine Rosetten angebracht
sind. Ein plumper hölzerner Orgelchor gehört der neueren Zeit an. Die Apsis ist in ursprünglicher
Weise bemalt. In der Halbkuppel zeigt sich Christus mit dem Testamente, mit der rechten Hand
segnend, auf einem doppelten Hegenbogen, umgeben von den vier symbolischen Thieren; primitiv
und in typischer Weise dargestellt. Unterhalb dieser Darstellung füllen die Apostel, in ganzer
Figur, den Halbkreis aus. Eine der Figuren ist durch das rechtzeitige Fenster durchbrochen,
wesshalb, wie vor erwülint, auch anzunehmen ist, das« diese Durchbrechung erst in späterer Zeit
ausgeführt wurde. In der Apsis stand früher eine einfache Mensa, jetzt aber wird die ganze Apsis
von einem barocken, unverhältnissmässigen Altar ausgefüllt. Der weggehobene Flügclaltar, den
ich spiiter im ganz zerfallenen Zustande zur Reparatur bei einem Dorfbildhauer fand, war
ehemals der Hauptaltar, er zeigt im Mittelfelde die heilige Helena. Das Schnitzwerk ist sehr gut
gearbeitet , eben so lobenswcrth ist die Malerei an der inneren Seite der Altarflügel; die äussere
Seite jedoch ist sehr stark übermalt. Der gute Mann hatte leider die besser erhaltenen übermalten
Fitfuren aus dem Hügel herausgeschnitten, um sie in dieser Form zu verwenden , auch lagen die
einzelnen Schnitzereien zerbrochen am Boden. Es that mir leid um diesen kleinen, aber sehr nett
ercsehnitzten Altar. Auch zwei andere Flügel mit Bemalung auf Goldgrund, fand ich in einem
Winkel der Kirche, was mich auf die Vermuthung führte, dass noch ein zweiter Flügelaltar in der
Kirche stand. Ein kleines, spitzbogig geschlossenes, gothisches Ptörtlcin mit Absehrägung und der
beliebten Wasserschlagsvcrmittlung, führt aus der Kirche in den Thurm und beweist ebenfalls den
späteren Anbau desselben.
Unwillkürlich kam mir der Gedanke, ob nicht vielleicht über dem niedrigen Kreuzgewölbe
im Thurm noch mehr zu finden wäre, und meine Vermuthung ward bestätigt; denn ich fand ganz
gut erhalten den oberen Theil eines
heil. Christopherus. (Fig. 11). sieben
Fuss hoch, in rothem Mantel mit weissen
Sternenmustern und gelbem Unterkleide
mit rothbraunem Muster. Christus, mit
der Hechten segnend, und in der Linken
das neue Testament haltend, sitzt auf der
linken Schulter des Christopherus , der,
eine Gestalt mit jugendlichem Angesicht
und lichtblondem Haar, den Stamm
einer Dattelpalme in der Rechten hält.
Es dürfte dies eine der wenigen noch
vorhandenen gemalten Darstellungen
des heiligen Christopherus aus der ro-
manischen Periode sein, und gibt die-
selbe den Beweis, wie sehr hier zu Lande,
selbst in der iiitesten Zeit diese Art bild-
licher Darstellung beliebt war. Noch ist ein halbkugelförmig ausgehöhlter Taufstein oder Behälter für
Weihwasser aus der Periode des ursprünglichen Baues erwälmenswcith. Auch Eisenarbeiten sind
zu bemerken, darunter ein Osterleuchter (Fig. 12), ein Wandleuchter, ein Glockenhälter; der erste
noch gothisch, die beiden letzteren Gegenstände der darauf folgenden Renaissance augehörend.
Digitized by Google
Yig. II. Fig. 13.
117
Vig. 13.
Weiter aufwärts über Grafendorf soll auf dem Kirchhofe zu S t. D a n i c 1, aus einer noch früheren
Periode als das so eben beschriebene Kirchlein, eine Kundcapellc mit Fresken und einem unter-
irdischen gewölbten Räume gestanden haben, die aber aus Unverständnis»,
um Platz zu gewinnen, vor etwa zwanzig Jahren demolirt wurde, eine
Arbeit , die wegen der Festigkeit des Mauerwerks grosse Schwierigkeiten
machte. Ks ist zwar ein sehr geringer, aber immerhin doch ein Trost, dass
man mir mit Bedauern diesen Fall erzählte, zugleich hinzusetzend, dass
heut zu Tage dergleichen nicht geschehen würde.
Am Schluss des oberen Gailthales liegt Ketsch ach mit einer spät-
gothischen Kirche und einem Kloster. Die Kirche hat verhältnissmässig
grosse Dimensionen und eine eigentümliche Anordnung der Schifte. An das
Mittelsehift' von vier Klafter Breite, baut sich einerseits ein Seitenschiff' von
zwei Klafter und ein Fuss Weite an, wahrend auf der anderen Seite die
gegliederten Arcaden nur vier Fuss entfernt von der Hauptmauer stehen
(Fig. 13), und so nur einen Durchgang von dieserWeite offen lassen. Das Ge-
wölbe der Kirche, welche in die Periode der Verfallszeit gehört und einen Ausläufer der Gothik
bildet, ist eigentlich ein Tonnengewölbe mit Schilden aus den Arcaden. Der ganze Gewölbrauin
ist mit leistenartigem decorativen Netzwerk überzogen, in . ^\-\ Tß~t
einer Weise, dass selbst auf den Grat der Schilde keine '^OiJ^^'^yV/'*
Rücksicht genommen ist. Fig. 14 zeigt die Entwickelung
dieses Netzes. Durch einen gewundenen Wulst , welcher die
Stelle eines Oapitüls vertritt, sind die einzelnen Leisten
gleichsam durchgesteckt, entwickeln und kreuzen sich dann,
und enden hie und da in Kleeblättern. Es ist Stuccaturarbeit,
die von grosser Geschicklichkeit in der Technik zeigt. Die innere
Gliederung der Arcadcnbogen ruht auf Consolcn. Doppelte Hohlkehlen
gliedern die Arcadcnbogen und Pfeiler. Am Fusse sind hochgezogene
Wasserschläge angeordnet. Das Seitenschiffgewölbe ist einfacher, und
das gegenüberliegende Halbschiff zeigt einen Vierpass. Eben so ist das
Gewölbe unter dem Orgelchor vielfach verschlungen und es ist schwer,
sich in den Linien zurecht zu finden. Der Triumphbogen enthält ein
starkes Birnenprofil; der Chor ist einfacher. Die Rippen des Kreuz-
gewölbes und des achteckigen Abschlusses fussen auf Diensten mit oroa-
mentirten (Kapitalen. Die Rippen haben ein Bimenprofil und sind aus
Stein. Dieser Theil des Kreuzgewölbes stammt aus früherer Zeit, und es
dürften die Gewölbe der Kirchenschiffe nach einem Brande in dieser
decorativen Weise ausgeführt worden sein. Zwei Wappenschilde in einer
Fenstergewandung zeigen drei Dolche und einen Eicheubaum, darüber
die Jahreszahl 1 "> 1 8 . Der massige viereckige Thurm legt sich dem Mit-
telschiff vor und bildet eine Vorhalle. Derselbe hat keine Pfeiler, dafür
aber sind die Mauern klafterdick. Ohne Verjüngung und Gliederung steigt
der Thurm <;latt in die Höhe; erst über dem Dachfirst mit einem einfach
profilirten Gesims gegliedert, auf welchem Spitzbogenfenster mit reichem
Masswerk in der bekannten spätgothischen Fischblasenform ruhen,
endigt derselbe in vier steilen Giebeln, in welchen wieder Spitzbogenfenster mit Masswerk ange-
bracht sind. Der Helm läuft spitzig zu, und obwohl noch jetzt von bedeutender Höhe, scheint
Digitized by Google
118
Hans IVmchwio.
er doch ursprünglich noch höher gewesen zu sein. Einfache steinerne Rinnen springen, als Wasser-
abläufe, an dem Zusanunenstoss der Giebel vor. Auffallend massig sind die Pfeiler der Kirche,
namentlich die Eckpfeiler. Auch die Kirchenmauern sind auffallend stark und messen vier, auch
fünf Schuh. Diese Stiirke der Mauer- und Pfeilcrdimensionen dürfte daher stammen, dass diese
Örtlichkeit von jeher durch starke Anschwemmung von Schutt und Steingeröll zu leiden hatte,
welche durch das Schmelzen des Schnees und bei stärkeren Regengüssen aus den Bergen in Masse
Flg. lö. Kig. 16.
herabgeführt, die Strassen und Höfe oft mehrere Fuss hoch verschütten. Die Kirche, zu welcher
man jetzt auf Stufen niedersteigt, war früher Uber das Niveau der Strasse erhöht, was auch glaub-
würdig erscheint , da aussen nur mehr der obere Theil des Sockels sichtbar ist, während der
untere in der Erde liegt.
Kaum eine halbe Stunde ausserhalb Kötschach, gegen den Gailbcrg zu. liegt die Kirche zu
Laas, ein zierlich durchgeführtes Werk der Spätgothik. Diese Kirche kann als der Typus der Bau-
weise, welcher sHmmtliche Kirchen dieser Thäler mehr oder weniger angehören, betrachtet werden.
Einschiffig, von müssigen Dimensionen, mit decorativem Netzgewölbe, der Thurm, mit Giebel und
spitzem Helm, seitwärts stehend , ist diese Kirche jedoch sclnnuckrcicher und mit einem gewissen
Digitized^by Google
IiKlStBKRICHT.
119
deeorativen Aufwand an den Pfeilern und den Portalen ausgeführt (s.Fig. Iß). Auch hier konnte ich
mich Uberzeugen, dass die Hippen, welche vergleichsweise mehr als in Kötschach ausladen, ans
Stucco gearbeitet sind. Der ganze Bau macht einen sein- günstigen Eindruck und ist von einer Zier-
lichkeit in den Details, welche zeigt, dass der Baumeister hier ein Werk mit Liebe durchführen
konnte. Der Fuss der Thorgewandung ist, der besseren Deutlichkeit wegen (Fig. 16) im
1 )etail gezeichnet. Man sieht hier einen reichen, decorativen Aufbau, der aus der Übercckstellung
der Polygone sich entwickelt und durch profilirte WasserschlUge vermittelt ist. Die Rundstiibt:
sind als Säulensehüfte behandelt und haben schuppen- und netzartige Verzierungen, welche
wesentlich zur Belebung beitragen und von der ausgezeichneten Technik dieser Zeit Zeugen-
schaft geben.
Das Tyuipanum enthalt flaches Masswerk, wie solches in der Spittzeit häufig an Holz-
arbeitern vorkommt. Die Hohlkehle wird am Scheitel des Spitzbogens mit einem Spruchband
ausgefüllt, welches die Jahreszahl 1518 zeigt, gleich jener über dem Wappenschilde in Kötschach.
Um dem Portale eine grössere Höhe zu geben, ist dasselbe noch mit einem geschweiften
Spitzbogen geschlossen, welcher auf einem Sims aufsteht. Die fiankirenden starken Rundstübc
durchdringen das Gesims zwar in etwas unschöner Weise, beleben aber dennoch diese Parti«'.
Statt der sonst gebräuchlichen Fialen sind I heiviertclrundstübe durch das Sims gesteckt und
sitzen unten auf kleinen Wappenschildern auf: oben haben diese Stühe einen Knauf von Lilien-
artigem Blattwerk, und eben so ist der Schluss des Spitz-
bogens gebildet, dessen Krabben den Charakter der Holz-
schnitzerei an sich tragen.
Ich konnte nicht klar darüber werden, ob von diesen
Knäufen ein Theil abgebrochen sei, oder ob sie sich
schon ursprünglich in drei Rundstübe theilten, welche scharf
abgeschnitten , die Profile derselben sichtbar machen. In
der Fläche dieses Spitzbogens ist ein Wappenschild mit
einem links aufspringenden Löwen angebracht. Die Pfeiler
.sind eben so decorativ gelöst und die Vermittlungen, statt
mit Wasserschlägen, hier mit Lilien hergestellt. Als Schluss
ist ein kleines Dach aus drei geschweiften, flachen Spitz-
bogen, an Kötschach erinnernd, gebildet und mit einem
Knauf geziert. Ein kleines Wappenschildchen zwängt sich
in den vorderen Spitzbogen.
Eigentümlich ist das eisenbeschlagcne Thor mit
starken flachen Eisenstangen gekreuzt und mit runden
Nägeln befestigt. Ein schildartiger Rahmen aus gleichartigen
Eisenstangen ist an der Stelle des Schlosses angebracht; und
oben hängt ein gewundener Anziehring. Diese Art Beschläge
sind mir an mehreren Kirchcnthüren dieser Thaler vor-
gekommen und dürften alle aus einer und derselben Schmiede
stammen.
Das Hauptportal ist in ähnlicher Weise durchgeführt,
nur durch den hier zu Lande beliebten Vorbau, der eher Ffe 17.
zu einer Schmiede als zu einer Kirche gehören würde, verunstaltet und theilweise versteckt.
Es wäre zu wünschen, dass diese unschönen Zuthaten demolirt würden. Die Pfeiler am
Chore sind ebenfalls sehr decorativ aufgelöst. Das Fenstermasswerk trägt Fischblasenmuster.
Digitized by Google
120
Hans Petschnio.
Im Innern fallt am Chor »las Frescobild des Baumeisters auf. Es ist schlicht gemalt
und stellt denselben im Festgewandc, mit pelzverbränitcm Oberkleide, Puflarincln und einem
runden Kappchen, auf einem Polster kniend, dar. Dan Richtscheid, mit einem Kreuzlein
geziert, kennzeichnet Beinen Stand auch ohne die Inschrift, welche sagt: „Meister Bar-
tholomä Firtaler hat gemacht die Kirchen 1535". Es ist ausser Zweifel, dass dieser
„Bartholoms! Firtaler" ein angeschener Baumeister seiner Zeit war und Vieles in der Gegend
gebaut hat. Kotschach ist ganz gewiss sein Werk ; aber auf die Kirche von Laas scheint der-
selbe, vielleicht durch einen Stifter bewogen, wie die Wappenschilde über den Seitenportalen
vermuthen lassen, besondere Aufmerksamkeit verwendet zu haben. Zeugniss hiefür gibt der Kanzel-
fuss (siehe Fig. 17). Am Fussc, welcher an die Auflösung des Portalfusses erinnert, schlingen sich
Rundstäbe an einem Säulenschaft und kreuzen sich oben, sich an ebenfalls überkreuztes Stabwerk
anschliessend. Der Ausbau des oberen Theiles, mit verschlungenem Stabwerk belebt, schliesst
i'ig. i*. Fig. i<j.
mit einer llohlkehlengliederung, welche auf abgeschnittenen Ecken das obere Polygon über Eck
stellt. Brüstung und Dach sind eine spiiterc, ganz werthlose Dorftischlerarbeit.
Auch das Sacramentshiluschen, dessen oberster Theil leider abgebrochen wurde, ist ein nette«
Stück Steinmetzarbeit. Ks zeigt einen achteckigen profilirten Sockel mit gekreuztem Stabwerk;
der Schaft ist durch Hohlkehlen gegliedert und in der Mitte mit einem Gesimse gebunden. Oben
vermitteln Wasserschlilge das Viereck, welches sehr weit ausladet und den Fuss des Gehäuses
bildet. An den Ecken stehen Silulchen , welche TrHger von Fialen waren. Flache , geschweifte
Spitzbogen, der Gesatnmtarchitectur entsprechend, bekrönen den geraden Abschluss des Gehäuses,
welches seinerseits mit einem einfachen eisernen Gitter geschlossen ist. Der Thürklopfer an der
Sacristeithür (Fig. 18) ist eine hübsche Eisenarbeit, wie nicht minder der Osterleuchter (Fig. 19),
welcher schon zur Frührenaissance gezahlt werden muss , aber noch die Technik und Auffassung
Digitized by Goog le
Rkiskhf.rickt.
121
der gothischen Stylperiode nicht ganz verläugnet, wie überhaupt das Kunsthandwerk sich nur
schwer und vermittelnd der neuen Kunstrichtung zuwandte.
Ich schlie8sc hiermit den Bericht, da Laas schon nahe am Cbergangspunkte in das obere
Drauthal liegt und dies das letzte Object im Gailthale. ist
Im Ganzen stellt sich heraus, dass die romanische Periode in diesen beiden Thulcrn ein
einziges Object, nitmlich die Filialkirche St. Helena am Wieserberge aufzuweisen hat. Es dürft«
in dieser Periode, so wie selbst in der ersten gothischen Zeit, nämlich Knde des XIII. und
Anfang des XIV. Jahrhunderts überhaupt keiue besondere Bauthiitigkeit entwickelt worden sein,
weil sonst doch hie und da Fragmente, Simsungen etc. aus dieser Zeit sich erhalten haben würden;
denn es ist uicht anzunehmen, dass alle Objecte, wie es bei der kleineu KuudeapeHc in St Daniel
der Fall war, vollständig demolirt und vernichtet worden seien. Die eigentliche Bauthatigkcit füllt
in das Ende der gothischen Periode bis zu deren Verfall, das ist in das Ende des XV. und den
Anfang des XVI. Jahrhunderts. In dieser Zeit wurden die Kirchen so ziemlieh nach einer Schab-
lone gebaut und meist schlicht angelegt Hie und da hat man, dem spatern Geschmaeke folgend,
die ursprünglichen Thurmdächcr durch sogenannte „watsche Hauben 14 ersetzt, oder in der Neu-
zeit in einer missverstnndenen Gothik restaurirt. Was Altäre betrifft, so fand ich leider nirgends
einen gothischen Hauptaltar, wohl aber beinahe in jeder Kirche einzelne Heiligenfiguren, bemalte
Predellen und ausnahmsweise auch Scitenaltäre noch ziemlich wohl erhalten. In Sacristcien, Bein-
häusern, Vorhallen liegen allerorts geschnitzte Bruchstücke, Altarküstehen und bemalte Altarflügel
unbeachtet umher.
Wir wollen hoffen, dass der jüngere Clerus sich dieser Fragmente annehmen und bei
Restaurationen so viel wie möglich bedacht sein werde, den Altarschmuck in der ursprünglichen
Weise wieder herzustellen.
Meine Rückreise führte mich durch das Drauthal, wo ich ebenfalls mehrere interessante
Kirchenbauten aufsuchte und Skizzen in meine Mappe sammelte, die ich in einem Nachtrage diesem
Berichte anzuschliessen die Absicht habe.
IX. 17
Digitized by Google
122
TL Baudenkmale des Gailthales.
Von B.\KTnni,oMA(-s Lkvitschniu.
A. Aus alter Zeit.
Dir selige Conservtttor von Kürnthen, Freiherr von Ankers Hofen, äusserte einmal das
Bedauern, dass Kärnthen aus heidnischer Zeit fast keine Baudenk male erhalten habe. Diese Äusse-
rung beschäftigte den Heferenten bezüglich heidnischer Baudenkmale de» Gailthales schon viele
Jahre, und er gewann in Folge von Combinationen und Thatsaehen das nachstehende Resultat:
Erdbeben und Bergstürze haben das Angesicht des Gailthales wiederholt und schrecklich
heimgesucht. Der Dobratsch stürz vom Jahre 1348 oder nach auderer Angabc vom Jahre 1359,
welcher 17 Dörfer, 9 Gotteshäuser und 3 Schlüsser verschüttet hat, mag auch Baudenkmale der
iiitesten Zeit begraben haben.
In der Nähe der Capelle St. Ruperts in Presseggen , unweit des Pfarrdorfes Fürolach , soll
eine Stadt, Klcinvillaeh zubenannt, gestanden sein; man sieht noch Spuren von Mauern zwischen
der Landstrasse und zwischen besagter Capelle. Vor undenklichen Jahren verschlang eine Berg-
lawine das Städtchen und somit manches noch filtere Denkmal.
Der Reiskofel im Obergailthale barg vor fast zweitausend Jahren einen See , der vielleicht
zur Zeit jener Katastrophe, welche anno 79 nach Christus Herculanum und Pompeji begrub, aus-
brach, worauf haushohe Felsentrüinmer die Stadt Risa bedeckten, welche drei Stunden im Umfange
hatte. Von dieser heidnischen Stadt wird ein Terminus gezeigt, der von jenem Ereignisse einzig
und allein übrig geblieben sein soll. Er trügt folgende Inschrift :
D . . . . ftf.
Amando . T. IV.
Saturnini . Ser . S.
Maturus. E. Mercator.
Vilici . B. M.
Die Gemälde dieses Terminus haben bereits christliche Formen überkommen. Eingedeckt
ist das Denkmal gut und sein Bau ist noch für Generationen vor Umsturz gesichert.
Google
Yiliarh
TifVIl
l»r»rk in k k ll»f u lUttoinrfcmi ■»'»•
Digitized by Google
Bai dexkmai.e des Gailtiialm.
123
Eine römische Inschrift ouf der „Plöcke", aus Julius Cäsar's Zeit stammend, ist sehr stark
verwittert. Eine andere Insclirift, welche die ersterc Inschrift und Casars Züge nach Kärnthen
erklJlren soll, ist jüngeren Ursprungs. Zu Denkmalen aus der ältesten Zeit soll auch jene etrurische
Inschrift zählen, welche oberhalb Wurmlach nächst Mauthen im Obergailthale entdeckt und schon
vielfach besprochen wurde.
Theilweise gingen die itltestcn Baudenkmale des Gailthalcs auch in der Völkerwanderung und
durch Eroberungssttirme zu Grunde. Das Gailthal bildet die Pforte von Italien, und auf mehreren
Stellen , z. H. Uber das Nassfcld (auch im Gailthale gibt es ein Nassfeld) und über die Plöeke,
können Kriegshorden hin und her ziehen. Die slovenisehen Gailthaler mit ihren originellen
Sitten in Tracht, Hochzeiten, Kirchtagen, Musik und Gesang stammen angeblich von einer Truppe
des Attila ab, welche nicht mclir nach Pannonien zurückkehren wollte. So wie sie mit Weib und
Kind auszogen, blieben sie im untern Gailthale sitzen. Sie bewahren trotz aller Anfechtungen
schon viele Jahrhunderte hindurch ihre Nationalität, und der Anzug einer windischen Braut kann
füglich ein Denkmal heidnischer Zeit genannt werden. Aber jene Schlösser, wie Kapel (Bad) im
Gitschthale, Gurina (Bergel) ober St Daniel u. s. w. hatte der Feind, und dies schon vor Attila,
zerstört und die Zeit sie der Erde gleich gemacht. Und dennoch ist der Besuch des eben genann-
ten Kapel interessant. Um auf der Stelle, welche das Gitschthal beherrschen sollte, eine Burg zu
erbauen, musste der Bergesgipfel abgestemmt werden; der Zugang ist in Felsen gehauen. Diese
Thatsachcn und die erhaltenen Sagen deuten daraufhin, dass hier einst ein Schloss gestanden sei.
Aber vom Bau ist fast kein Stein mehr übrig. Diese Festung soll schon vor Christus gebrochen
worden sein.
Wann Gurina fiel, ist auch unbekannt. Aber der Landmann findet dort beim Pflügen
seiner Äcker römische Münzen und Alterthümer.
Die Kirchthürnic von Hohenthurm , Hermagor und Weissbriach , der schwarze Thurm des
Thurnhofes bei II irmagor, vielleicht auch die Kirchthürme von Vorderberg, Kirchbach und
St. Daniel dürften wold ältesten Ursprungs sein und zu Kriegszwecken gedient haben. So ist es
bekannt, dass der Unterbau des Stadtpfarrthurmcs zu Villach römischen Ursprungs ist, und das
Dorf Hohenthurm, dessen Thurm gleichen Ursprungs sein soll, heisst in der windischen Sprache
straja ves (Dorf der Wache). Manches Denkmal aus heidnischer Zeit ging auch bei der Christia-
nisirung Kärnthcns zu Grunde, welche im Gailthale von Aquileja, von Salzburg und Baiern aus
in's Werk gesetzt wurde.
Wir kommen auf einen weiteren Punkt zu reden: ob es nämlich im Gailthale nicht auch
Götter- oder Götzentempel gab, welche etwa noch als Andenken auf jene grauen Tage zurück-
weisen, oder demolirt oder in christliche Kirchen umgewandelt wurden?
Wenn von den berühmtesten Bauwerken der Kömer nur etwa die drei Amphitheater von
Horn, Pola und Verona, und selbst diese als gespenstige Trümmer dem Zahne der, Eisen und Mar-
mor zerstörenden Zeit trotzen wolleu, so kann von noch vorhandenen Götzentempeln im armen
Gailthale wohl nicht mehr die Rede sein. Zwar erzählt die Kirchengeschichte von Kärnthen, dass
der Apostel dreier Nationen, der Friauler, Wenden und Deutschen , Bischof Hermagoras aus Aqui-
leja, vielleicht selbst an der Stätte stand, wo heute der Markt Hermagor steht, und nach Zando-
nati's Geschichte von Aquileja suchte er, im Jahre 63 nach Christi Geburt mit dem Hirtenstabe
geziert, mit einem Übernatürlichen Muthe die verlornen Schäflein in den verborgensten Winkeln
seines weiten Sprengeis. Sie erzählt ferner, dass die Decanal- und Marktpfarre zu St. Her-
magor nicht nur für eine der ältesten Pfarren im Gailthale, sondern von vielen für eine der
ersten christlichen Kirchen im Lande Carantanien gehalten wird. Überdies ist bekannt , dass die
17«
Digitized oogle
124
IUuTHOLOMÄl'8 LeVITSCHSIG.
Glaubensprediger, ein Paulus, Bonifatius u. dgl. , eben unter den Statuen des alten Cultus ihre
Predigten begannen. Allein das jetzige grosse und schöne Gotteshaus zu St Ilermagor muss schon
sehr viele Umbauten erlitten haben, eine Chronik derselben ist niemand bekannt, und es
kann durchaus nicht gesagt werden, ob oben am Felsenbühel der heutigen Kirche ein Heiden-
tempel stand und welcher Gottheit er geweiht war. Ähnlicher Weise soll sich zu St Daniel
im Obcrgailthale ein Götzentempel befunden haben. Das Nähere hüllt sich, wie bei allen alten
Geschichten, in Widersprüche und Nebel.
Aber sicherer ist der Götzendienst der Wenden, eben weil er länger dauerte, als jener der
Körner. Und hier muss noch bemerkt werden, dass die Wenden keine Tempel hatten, sondern ihre
Götter unter heiterem Himmel, im Schatten buschiger Linden mit Gesängen und Tänzen ver-
ehrten. Ihre Priester waren Wettermacher , Wahrsager und Zauberer, welche Lieder dichteten,
Anreden hielten, die Tänze leiteten und friedliche Dämonen kannten.
Zum Beweise alles dessen mögen vier Beispiele dienen. In der Pfarre St. Georgen vor
dem Blciberge befindet sich der Zeit eine Filiale „St. Lucia und Jodocus" zu Tratten. Diese
Filiale Tratten ist auf einem wendischen Tanzplatzc erbaut worden, und heisst noch jetzt in
der Volkssprache Plesisce (Tanzplatz). Erbaulich ist die Benennung des Patrociniums oder
Kirchtages daselbst, sie heisst: Plosisei zogen, i. c. der Tanzplatz Segen. Und in der That
steht da noch eine Linde, wie überall im Untergailthalc, wo am Kirchtage nach dem kirch-
lichen Dienste unter uralten Ansprachen uud Ccremonien, weidlich gelärmt und getanzt wird.
In der Curatie Mitschigg im Gailthale heisst eine Ortschaft „Tanz". Dort sind die Ver-
hältnisse ähnlich jenen auf der „Tratten". In der Nähe stand auf einem Vorgebirge des Gail-
flusses ein Thurm, der „Heidcnthurm" genannt. Jetzt findet sich vom Tliurmc keine Spur
mehr. Die Wenden sind aus dieser Gegend verschwunden, alles ist stille und traurig, es
gibt keine Linde, keine Musik, keinen Tanz mehr. Protestanten traten an die Stelle, die heilige
Capelle wurde aufgelassen und in einen Pferdestall umgewandelt. Nur die Namen des Ortes
„Tanz" und des „ Hcidenthurmes u blieben als Denkmale alter Tage.
Im Pfarrorte TrÖpelaeh (eigentlich ein wendischer Name, Dobropolach, Gutenfeld, wie
eine Urkunde aus dem Jahre 1288 sagt) stand noch vor ein paar Jahren eine vielästige, uralte
Linde, von welcher nördlich, aber ganz nahe, eine Art Mensa wie vor einem Altare stand.
Diese Mensa war gemauert und mit einer grossen Steinplatte überdeckt. Ursprünglich mögen
die Slaven, welche eigentlich das ganze Gailthal inne hatten, auf dieser Mensa ihre Libationen
gefeiert haben. Nun waren diese Linde und die Mensa immerhin ein Gegenstand mannig-
faltiger Reflexionen. Da fiel es einem sonderlichen Kopf ein, die Linde könnte umfallen, und
ein Nachbarhaus eindrücken; was zur Folge hatte, dass eines schönen Abends an den Bürger-
meister der Bcfeld erging, die Linde ohne weiteres umzuhauen. Gesagt, gethan, und das
Gailthal war um ein Denkmal aus uralter Zeit ärmer.
In der Pfarre Hermagor befindet sich die sehr alte Filiale Radnik, ehemals eine wen-
dische Ansiedelung, wofür die meisten Realitätennamen ein Zeugniss ablegen. Auch hier war
der Naturcultus einheimisch, und seit Thassilo's Zeiten, der das Heidenthum in Kärnthcn an-
griff, erhielt sich noch der Name des dortigen Zauberers. Bei einem, auf einem Bühel stehenden,
sicher an tausend Jahre alten Hause, heisst es noch jetzt beim „Tscharra". Und Care heisst
im slovenischen: Zauberer, Hexenmeister, Schwarzkünstler. Der Besitzer ist jetzt Protestant
Das Merkwürdigste aber bleibt, dass der gegenwärtige „Tscharra" bei den Hochzeiten und
Digitized by Google
ß ATD FMC MALI DBS GaILTHAXIS.
125
Beerdigungen die hier üblichen Bettelpredigten hält; ein langer, stattlicher Mensch und
von einem Uberspannten Temperamente.
Demgemäss hat also das Gailthal doch einige Erinnerungen aus heidnischer Zeit bewahrt,
welchen nicht der Vorwurf von phantastischen Einbildungen gemacht werden kann , und
welche von einem fleissigen Forscher noch weitläufiger aufgedeckt werden konnten.
B. Aus dem Mittelalter.
Mit schwerem Herzen nehme ich von der alten Zeit Abschied , indem ich glaube,
dass alle die vielen Burgen und Kirchen des Unter- und Obergailthales mit ihren Grundlagen
noch tief im grauen Alterthume haften. Allein Mangel an Quellen, an denen besonders unser
Thal leidet, indem durch Feuer, durch Türken und Christen viele der Stiftungsurkunden ver-
loren gingen, verhindert jede Feststellung. Dieser Mangel an Quellen bemüssiget mich auch
in eine Zeit überzutreten , wo es bereits etwas heller und lichter wird.
Die besterhaltene Burgruine des ganzen Gailthales ist die von Khünburg, unweit des
Dorfes Untervellach bei Hermagor, mit ihrem kühnen Wartthurme hoch in die Lüfte ragend,
und Blitz und Sturm mit fester Stirn herausfordernd. Diese Khünburg ist unser Leuchtthurm,
der uns aus dem Waldermeerc in den sichern Hafen führt.
Ks war Kaiser Heinrich n., der Heilige, der Gemahl Kunigundcns, welcher im Jahre 1006
das Bisthum Bamberg gründete. Zu diesem Bisthume gehörten in Kitrnthen mehrere Städte,
Märkte, Ortschaften und Herrschaften, u. a. Arnoldstein und unsere Khünburg. Die Bischöfe
von Bamberg sind gegen Bauten nicht gleichgiltig gewesen. Sic restaurirten nicht etwa blos,
sondern es entstanden neue Kirchen unter ihnen, welche theilweise den Namen der kaiserlichen
Stifter zum ewigen Zeugnisse des Ursprunges erhielten. In der Nähe vom Schlosse Khünburg
entstanden, rechts und links des Gailflusses, zwei Kirchen auf schönen, weithin schauenden
Hügeln; jene am linken Gailufer zu Götschach, ist dem heiligen Kaiser Heinrich, und jene
am rechten Ufer zu Nampolnch, ist der heiligen Kaiserin Kunigunde geweiht. Als ein Be-
weis des civilisatorisch.cn Eifers der Bamberger wird angeführt, dass zu Bleiberg - Gorunth,
nahe am Gailthale, welches Thal auch zu Bamberg gehörte, eine Kirche gebaut wurde, die
ebenfalls dem Kaiser Heinrich gewidmet ward. An dir Filiale Obervellach, bei Hermagor,
besteht eine Messenstiltung mit der Widmung: „Für einen Fürstbischof von Bamberg". Der
Name wird leider nicht angegeben.
Durch die Inhaber von Khünburg und Amoldstcin hat im ganzen Gailthal in kirchlicher
Beziehung um so gewisser und bestimmter eine neue Aera begonnen, als im Jahre 1107 Fürst-
bischof Otto von Bamberg die Feste Amoldstcin brach und auf dem verwüsteten Felsen eine
Benedictiner-Abtei errichtete, deren Äbte Jahrhunderte hindurch Erzpriester oder Dechante
über das ganze Gailthal wurden.
Die Baudenkmale des Gailthales nahmen in der Folge nachstehenden Ausgang.
Die Erfindung de» Pulvers, schwere Regiekosten, Abschaffung des Faustrechtes, der
drei88i<rjährige Krieg, die Türkcneinfttlle, das Aussterben der Adelsgeschlcchter, schlechte Be-
wirtbschaftung durch fremde Beamte und, wie wir von Khüuberg und Khünegg etc. wissen,
Digitized by Google
I2«5
B*RTHOI.O)IÄIS LeVITSCÜMG.
das Missratben der Söhne, endlich andere Zeitereignisse brachten die alten Burgen in Verfall. Am
Fusse derselben wurden bequemere Wohnsitze hergestellt, und die schönen Gebilde oben auf den
Felsenstirnen wurden dem Verfalle Uberlassen. Das spätere Mittelalter war also für die weltlichen
Baudenkmale des Gailthales verhängnissvoll und wirkte so gewaltig, dass keine Restauration zu
hoffen ist, die auch nur eine Burgruine zu neuem Leben erwecken würde. Vielmclir munkelt
man unter dem Volke, dass den zerstörten Burgen binnen wenigen Jahren noch einige, kaum
mehr erkennbare Überreste folgen werden.
Dagegen nehmen bürgerliche Baudenkmale im Gailthale einen Aufschwung. Die Phan-
tasie des Volkes ist durch illustrirtc Blatter, Eisenbahnen und theilweise durch Corrcspon-
denten für Baudenkmale erwärmt worden. Und indem fast keine Kirche des Gailthales mehr
ist, welche nicht eine oder mehrere neue Schönheiten zeigen würde, so geht das Publicum
von seinen Andachten aufgeweckter heim und fängt an, bei seinen Realitäten ähnliche Ver-
besserungen in Angriff zu nehmen.
Was die kirchlichen Baudenkmale des Gailthales anbelangt, diene zur Wissenschaft, dass
ursprünglich alle hiesigen Kirchen klein waren. Aber alle diese Kirchen, wovon einige noch
in unverfälschter Ursprünglichkeit sich erhielten, z. B. St. Maria in Graben, St. Magdalena
zu Untervellach , St. Stephan, an der Gail und St. Martin zu Kirchbach, wurden mit einer
Feinheit und Splendidität ausgestattet, welche auf KunstgcfUhl und Opferwilligkeit zurück-
führen.
Auch wird es interessiren zu wissen, dass das untere und obere Gailthal, wie in vielen
Punkten , so im Style der Kirchenbauten e diametro sich von einander unterscheiden. Im
unteren Gailthale ist der gothische Styl, im oberen der byzantinische Styl repräsentirt. Im
Untergailthale sieht man Spitzthürme, Fenster und Thüren mit Spitzbogen u. s. w., im Ober-
gailthale findet man, in Weidegg, in Kirchbach, St. Daniel, Mauthen u. s. w. Thürme mit
Kuppeln, die Fenstergiebel und Thore mit dreiblättrigem Kleeblatte. Hier waren italienische,
dort deutsche Werkmeister verwendet worden. Nur einzelne Ausnahmen im Obcrgailthale griffen
zum gothischen Style über, z. B. ist die imposante Frauenkirche zu Kötschach, dann jene zu
Licsing durch und durch gothisch. Hingegen lies sich das untere Gailthal weniger zum
Byzantinismus hinführen; Vorderbcrg's und Mitschigg's Kirchthurm, so wie jener zu Feistritz
an der Gail sind jedoch wieder mit Kuppeln zu sehen, eine Manier, welche im benachbarten
Krain so sehr beliebt ist.
Nachdem das Wendenthum im Gailthale noch immer eine grosse Rolle spielt, Hesse sich
fragen, ob diese Nation auch einen eigenen Baustyl habe, oder ob sie sich in dieser Beziehung mit
der deutschen oder italienischen Manier amalgamirte V
Der Wende liebt den Flitter , helle rothe und gelbe und bunte Farben ; auf Altären und
Lustern viele Blumensträussc und Bänder; ihm gefallen in Musik und Gesang hohe Töne
und ein wirbelnder schwingender Vortrag. Bei Kirchenbauten ist er nachlässig. Daher baut
er einfache Thürme und lässt das Dach naturfarben , damit es wohlfeiler ist und die Ein-
dachung hält. •
Als sich jedoch mit der Zeit das Cliristenthum und die Population mehr ausgebreitet hatten
und die primitiven Kirchen zu enge wurden, trat im Gailthale jene bedauerliche Knickerei ein,
welche man leider wohl auch anderwärts findet Meistens wurde die kirchlich bekannte Laube oder
der Vorhof als Sündenbock hergenommen, die Kirche höchst prosaisch verlängert und dann noch
eine Vorlaube angesetzt, oder es wurde eine Seitencapelle ausgebrochen, ein paar Fenster wurdeu
Hai Denkmale des Gailthales.
12?
neu, oft ohne Symmetrie angebracht und alte Fenster vermauert Dergestalt sind einige Filialen und
Pfarrkirchen des öailthales schon elend zugerichtet worden. Am meisten fallt dieses Ersparungs-
system bei der Pfarrkirche zu Grafend orf im Obergailthale auf, wo die neue Capelle grösser ist
als die alte Kirche sammt dem Hochaltar. Beinahe berühmt in dieser Art kann man aber die
Filialkirche Steven oder St. Stephan, Propstei in der Pfarre St. Stephan an der Oail, nennen. Diese
Kirche ist schon dreimal angestückt worden , aber aus Mangel an Raum musste man schnecken-
artig bauen. Tritt man in diese Kirche, so kommt man in eine Art Vorgemach, ohne aber den
Hochaltar zu sehen. Über einige Stufen geht man in die zweite Kirche, und dann in die dritte, wo
man erst den Hochaltar gewahrt-.
Bedaneriich ist es , wenn das Element des Wassers Kirchen bedroht. So ist die imposante
Kirche zu Kutsch ach wegen Wasaergefalir von aussen schon so hoch verschüttet, dass man über
mehrere Stufen zum Eingangsthor hinuntergehen muss'. Die inneren Theile sind jedoch erhalten.
Trauriger kam die Kirche in Rattendorf weg. Nach Jahrhunderte langen Versandungen von
aussen, fing bei längerer Regenzeit das Wasser an in der Kirche hoch aufzusteigen, und der Fuss-
boden musste über einen Schuh hoch angeschüttet werden, wodurch das Höhenuiass stark alterirt
wurde. Die einzige Kirche zu Kirchbach stellt in reinem byzantinischen Style unverändert
da. Sie hat im Innern gute Fresken, aussen sind die Felder an Kirche und Thurm roth, die
Rahmen weiss. Diese Manier der äusseren Ausstattung war einst sehr im Gebrauch, denn die zwei
vom selben Baumeister, dessen Name mir aber unbekannt ist, erbauten Kuppelkirchen zu St. Peter
in der Perau bei Villach und zu St. Peter in Laibach sind auf gleiche Weise getüncht. Auch die
Kirche in Kirchbach ist eine Kuppelkirche. Sie steht beinahe in der Mitte des ganzen Gailthales
und präisentirt sich gegen Osten wie gegen Westen in gleich schöner Weise.
Die traurigste Epoche für die Baudenkmalc des Gailthales war jedoch, wie schon angedeutet,
die Zeit der Reformation; denn da« ganze Thal fiel alsbald von der kunstfördernden katholischen
Kirche ab; selbst der Abt und Erzpriester von Arnoldstcin wurde von dem Treiben der Zeit
ergriffen. In dein XVII. Jahrhunderte treten uns aber plötzlich zahlreiche Restaurationen, ja sogar
Neubauten von Filialen vor Augen. Denn nachdem Kaiser Ferdinand H. im Jahre 1600 zu
Kötschach, St. Daniel, Grafendorf, Rattendorf, Kirchbach, Hcrmagor, St. Stephan an der Gail,
St. Georgen vor dem Bleibcrgc u. s. w. den katholischen Gottesdienst wieder eingeführt hatte,
fing man an einzusehen, dass man bisher eine Winterperiode durchgekämpft habe. Demzufolge
findet man auch am Plafonde des Presbyteriums zu Unter vellach folgende Aufschrift:
r lm Jahre 1613 ist dieser Chor ausgewählt und verneuert worden. Dieser Zeit ist der ehr-
würdige und geistliche, auch wohlgelchrtc Herr Joannes Knipffcnberger , Pfarrer gebest alhir."
Auf der anderen Seite wird ein Pfleger der Herrschaft Grünburg genannt. Was es mit
dem Pfarrer Knipffcnberger für ein Bewandtniss habe, ist unbekannt, indem die Urkunden der
Pfarre Hermagor nur bis zum Jahre 1719 zurückgreifen.
Die Filiale Radnig wurde in den Jahren 1616 und 1670 erneuert. Am Guggen berge,
ober Hermagor, erbaute im Jahre 1685 ein reicher Bauer, Ulrich Guggenberger, auf eigene Un-
kosten ein Kirchlcin , verschaffte ilun die Messlicenz und dotirte es mit einem Antheil des Erbes
seiner Kinder. Auf der Ebene zwischen Untervellach und Hermagor stiftete der Marktrichter zu
Hermagor, Kaspar Pregcl, die Filialkirche St. Trinitas, wie folgende ober dem Hochaltare be-
findliche Inschrift anzeigt:
> Siehe den rorigen Antat* Seite 116, Zelle 8 von unten.
Digitized by Google
Bartuolomac« Levitsoiiiuo.
1686.
In honorem S. S. Trinitatis,
B.V. Mariae ac S. Antonii de
Padua, nec non pro Christiana
devotioue hoc templum cum
smnmo Altare fundavit et
aedifieavit Dominus Casperus
Pregel (Ad Sanctum Hennagorum).
Dieae Kirche ist das jüngste Gotteshaus de« Guilthak-a.
Hraili.il.
T«r. vui .
Digitized by Googl»
Digitized by GoOQle
129
Die Baureste der Cistercienserkirche Hradist
bei Münchengrätz.
Von J. E. Wocrl.
Zwei Meilen nördlich von der Kreisstadt Jungbunzlau liegt am linken Ufer der Iscr die Stadt
Münchengrätz mit dem grossartigen gräflich Waldstcin'schen Schlosse, dessen langgestreckte
Facade dem Reisenden schon ans weiter Feme entgegen schimmert. In diesem Schlosse fand im
Jahre 1832 die bekannte Zusammenkunft Kaiser Frauz I. mit dem ('zur von Kussland statt; und
wenn wir noch erwilhnen, dass in der St. Annakirehe dieses Ortes die Reste de« hoehstrebeiiden
Friedlünder - Herzog Albrecht von Waldstein ruhen , so haben wir die historischen Denkwürdig-
keiten dieses friedlichen Landstädtchens ziemlich vollständig angeführt. Dass in der Nilhe von
Münchengrätz sich noch andere, in geschichtlicher und kunsthistorischer Beziehung interessante
Alterthnmsreste bergen, war bis jetzt den wenigsten Besuchern dieser Gegend bekannt. Es sind dies
die- Überreste der Kirche der ehemaligen Cistercienserabtei Hradist (Gredis, Gr.ulis), deren Name
späterhin auf die nahe liegende , zu den chenuiligen Besitzungen jener Abtei gehörige ( Jrtschaft
Münchengrätz (Gradist monachorum) Übergangen ist. Den Wanderer, der von Münchengrätz aus
seine Schritte nach den Trümmern der Abteikirche lenkt, führt ein anmutiger Weg hinab ins
Iserthai, und nachdem er die Brücke, die sich Uber die Iscr spannt, überschritten, steigt er zwi-
schen Obstbäumen, welche die anmutige, von lang gestreckten Hügeln umschlossene Wiesenflur
umsäumen, allmählich empor zu der Anhöhe, auf welcher das Dorf Kloster gelagert ist. Der erste
Gegenstand, der beim Eintritte in das Dorf die Aufmerksamkeit fesselt, ist die im spätgotischen
Style erbaute Kirche, deren Thurm schon von der Ferne dem Besucher entgegenwinkte. Einige
Sehritte weiter, und sein Blick wird durch einen Gegenstand angezogen , der sieh hier, unter den
ländlichen Wohnungen und den modernen Wirtschaftsgebäuden, iti seiner monumentalen Grösse,
gleich einem erratischen Blocke der fernen Vorzeit, auf der Feldflur überraschend darstellt. Es ist
das Portal der ehemaligen Klosterkirche, das, aus der Umfassungsmauer des zerstörten Gottes-
hauses hervertretend, den Altertumsforscher mit eigentümlichen Zauber an sieh zieht. Aus der
reichen, kunstvollen Ornamentik dieses Portals weht ein Hauch der Erinnerung an die hoch ent-
wickelte Kunstthätigkeit vergangener Jahrhunderte, und fordert den Wanderer auf, bei dieser iti
Stein gemeisselten Urkunde der Vorzeit zu verweilen und den sinnenden Blick jener Kunstepoehe
des Vaterlandes zuzuwenden, die durch einen Zeitraum von fast siebenhundert Jahren von •Ii i-
Gegenwart getrennt ist.
IX. 1*
Digitized by Google
«T. E. Wot KL.
Das Dort' Kloster ist auf dem abgeflachten Gipfel einer felsigen Anhöhe gelagert, die aus
dem Thale, welches vor Zeiten höchst wahrscheinlich die Iscr durchströmte, sich emporhebend,
blos auf der Nordseite mit der Ebene zusammenhangt. Es ist eine vorspringende Bergzunge , der-
gleichen insbesondere die Slaven zur Anlage ihrer Burgen mit Vorliebe zu wühlen pflegten. Eine
weite, herrliche Aussicht eröffnet sich von diesem Funkte. In dem freundlichen, am Kusse der
Anhöhe hingedehnten Thale leuchtet der blaue Spiegel der Iser, an deren Ufer die Stadt
MUnchcngrätz sich erhebt: im Iiiutergrunde der Stadt gewuhrt man den Basaltberg „Musky", an
den sich die Sandsteinfelsen anschliessen, welche die Huine Valecov tragen; vom linken Iserufer
ragt in geringer Entfernung die Kuine Zasadka herüber, und weiterhin gegen Norden dämmern die
blauen Gipfel des JcSkengebirgts. In südlicher Kerne erheben sich die „Hole vrehy" um! der
„t'hlomek - , welche die Jungbunzhiuer Ebene von den» südlichen, gegen die Elbe abfallenden
Flachlande scheiden; am äussersten östlichen Horizonte tauchen die Kuppen des Kiesengebirges
und weiterhin der Kamm des Isergebirges empor; dem Auge näher genickt , steigt der Kozakov
«•lnpor, in dessen Nähe die Stadt Turnau sichtbar wird. Dass auf dieser, die weite Umgegend
dominirenden Stelle bereits in ferner Vorzeit eine Burg sich erhob, wird nicht blos durch den
Namen p hradiätc" (Burgstelle), sondern auch dadurch bestätigt, dass in alten Urkunden der
Name des Ilradister Decanats vorkommt: und da die Eintheilung in Decanate der viel älteren Ein-
tlieilung des Landes in Zupen entsprach, so kann kein Zweifel darüber obwalten, dass unser
Ilradist die Stelle bezeichnet, wo vor Zeiten eine Zupenburg, der Hauptort eines zum Territorium
der vorderen Charvaten gehörigen Gaues, stand'. Die C'astellane (Zupanc) dieses Gaues waren
ohne Zweifel die Markvarticc, die Gründer und freigebigen Donatoren des Klosters Ilradist, weil
nach dem Zeugnisse der Urkunden die Besitzungen dieses mächtigen altböhmischen Geschlechtes
sich Uber einen ansehnlichen Theil dieser £upa erstreckten.
( her das Kloster Hradist (Gredis, Gradis. Gradist) enthalten die Geschiehtsquellen nur
sehr spärliche Nachrichten, weil dessen Archiv in den Hammen des Hussitenkrieges aufging;
Uber die Baugeschichte des Klosters und der Kirche gewähren die historischen Quellen gar keine
Kunde.
PaprockV' berichtet, Hermann von Kalsko habe aus dem Kloster Ilradist die Benedictiner-
mönche vertrieben und im Jahre 10*>4 an ihrer Stelle die Cistcrcienser cingefülirt. Diese Zeit-
angabe ist offenbar eine irrige; denn das erste Cistercienserkloster (Citeaux in Frankreich) wurde
bekanntlich erst im Jahre 1098 gegründet; hingegen schöpfte Palaeky aus den Annalen des, im
Jahre 1145 gegründeten Cistercienserklosters Plass die Nachricht, der zweite Abt dieses Klosters,
Meinher, habe im Jahre 1177 Cisterciensermönchc aus Plass in das Kloster Hradist eingeführt:
weil nun um eben diese Zeit Hermann von Kalsko, der Sohn Markwart's, von dem das
gesammte Geschlecht der Herren von Michalovic, Lemberg, Zvirctic, Wartenberg und Waldstein in
Böhmen abstammt , Oberstkämmerer Soböslav's II. gewesen , so können wir die, von Paprock v
aus den Aufzeichnungen des Turnauer Klosters entlehnte Nachricht, dass Hermann von Kalsko
die Cistcrcienser in den Besitz des Klosters Hradist eingesetzt habe, immerhin als eine richtige
ansehen, wobei nur, dem Plasser Documente entsprechend, die Einführung derselben auf das Jahr
1177 zu setzen wäre*. Die Übergabe eines ursprünglich für Benedictiner gegründeten Klosters an
einen andern Mönchsorden ist ein im XII. Jahrhunderte nicht ungewöhnlicher Vorfall, indem auch
andere Benedictinerklöster in Böhmen und Mähren theils in Prämonstratenserklöster, wie Strahow.
Leitomischl, Scelau und Hradist bei Olmütz, theils in Cistercienserordenshäuser, wie unser Gredis.
umgewandelt wurden.
i Vergl. Toinek'» Abhandlung über die ZnpeneintiVilnng Böhmen». t'A»op. c. Mit*. IS39, png. 193. — s i'al. Dfjioy lur.
i. I, >. p*g. 3t"H>.
Die Baubeste per Cistercienserkibche Hradist.
131
Der Cistercienserordcn war bekanntlich eine auf strengerem und thiltigerem Leben
beruhende Reformation des Benedietinerordens, eben so wie die vom heiligen Norbert vorgenom-
mene Reformation der Chorherren des heiligen Augustinus auf einer ähnlichen Sittenstrenge
beruhte. Jene alte Nachricht , dass Hermann von Ralsko die Benedictiner au» Gradcc vertrieben
und an ihrer Stelle die Cistereienser eingeführt habe, mochte in der gelockerten Lebensweise
der Benedictiner zu Hradist, hauptsächlich aber in des heiligen Bernhard begeisternder An-
empfehlung des neuen zu Citcaux gegründeten Ordens ihren Grund gehabt, haben. Aus der
Untersuchung der Baureste der Kirche zu Hradist geht aber hervor, dass die AnInge derselben
vollkommen den Bauregeln entsprach, welche sich in den meisten vorhandenen Cistercienser-
kirchen darstellen und dass daselbst kein Merkmal eines altem Baues wahrgenommen wird,
woraus geschlossen werden mnss, dass der gesammte Kirclicnhau in jener Zeit ausgeführt Wirde,
wo bereits der Cistercienserordcn daselbst eingeführt war.
Hermann von Ralsko war, wie gesagt, ein Sohn Markwarts : der Sohn Hermann s war BeiuS
(Benedict), jener Benes Hermanöv, den die Königinhofer Handschrift als den Befreier des Vater-
landes preiset'.
Der erste Abt von Hradist, dessen Name in gleichzeitigen Urkunden vorkommt, ist
Theodorich.
Thidricus, abbas de Gradis, erscheint als Zeuge in einer Urkunde vom Jahre 118-1,
laut welcher Herzog Friedrich von Böhmen den Austausch einiger Güter zwischen Hermann, dem
Sohne Wilhelm'», und den Ordensbrüdern zu Pias» genehmigt". Ferner kommt Theodoricus
abbas de Gradis als Zeuge in einem Documentc vor, in welchem Herzog Friedrich dein
Johanniterorden den Güterbesitz in Böhmen bestätigt und vermehrt 3 . Eben derselbe wird als
Zeuge in einer Urkunde vom Jahre 1188 genannt , durch welche dieser Herzog die Güterschen-
kung des Hroznata an den Johanniterorden bestätigt 4 ; und endlich finden wir den Abt von
Gredis, Tidericus, in der, auf dieselbe Schenkung sich beziehenden Bestiitigungsurkunde des
Herzogs Otto vom Jahre 1189 1 . Da die erste urkundliche Erwähnung des Abtes Theodorich nur
sieben Jahre später geschieht, als die Einführung der Cistereienser in Hradist stattgefunden , so
> Die Dichtung „Bene* Hermanöv" schildert Jen Kaubzug der Sachsen in Rohmen, den Dietrich, Markgraf von Meissen.,
im Jahre 120.1 f« Abwesenheit des König» Premyal Otakar I. unternommen, um an dem Könige, «Irr seine tiattin Allele, rinc
Schwerer de« Markgrafen, Verstössen hatte, Hache zu üben; Boncs, der Snhn Hermanns, rief aber die Mannschaft des (laue»
tu den Waffen and schlug die eingedrungenen Sachsen in die Flucht. Man war bisher der Meinung, das» Bcnrs Hermanöv
identisch sei mit dem in gleichzeitigen Urkunden vorkommenden Bene*, Castellan von Budisin (Bautzen,; meine aus Ver-
anlassung des gegenwärtigen Aufsatzes vorgenommenen Forschungen führten aber zu einem anderen Resultate. Bern -s Hermanni
ftHna iBene* Hermanöv) erscheint als Zeuge in der (irftmlungsurkunde de« Plasser Klosters vom Jahre IM*? Erb. Reg. |<)|<,
sodann in Urkunden von den Jahreu IlSril, 1211 (Erb. Reg. 21)1, 243 1; heutiger noch kommt Benes» rilius Hermanni cum tratre
*uo Marcquardo in gleichzeitigen Urkunden als Zeuge vor (Erb. Reg. pag. Ii».'», 2Ci, 27*>, 292 u. f. w. bis zum Jahre 122".
Reg. pag. 316). Nun wird aber in einer, im k. k. Wiener Hofarchive bewahrten Urkunde vom Jahre 1219 Erb. Reg. pag. 2><7
erklärt, dass Bene«, Burggraf von Budisin (Bencsa burgravius Budisensis), einem verarmten Edelmann, der sein (Jut «lern Plaascr
Kloster um den Betrag von 100 Mark verkauft hatte, nachtraglich noch 5 Mark im Namen des Klosters ausgezahlt habe. Unter
den Zeugen werden nun Benes» et Mnrquardus frater ejus angeführt. Dieser Beness ist allerdings jener Benessins Hermanni iiliu»
et Marquardt frater, aber jedenfalls eine von dem gleichnamigen Burggrafen von Budissin verschiedene Person, weil dieser, eben
so wiu der Plasscr Abt Henricus und der verarmte Junker Ziivift, als Partei in der Streitsache erseheint, und daher unter den
Zeugen (subnotatls tustihua, qui huic facto interfuerunt) unmöglich angeführt werden kann. Daraus ergibt sich, das» Benes
Hermanöv nicht Borggraf «der t'astcllau von Budisin, sondern ein Markvartiee gewesen sei. AI» der Mächtigste, und
als Zupan des Hradiitcr Gaues, war er daher durch seine Stellung berufen, das Volk zur Abwehr des feindlichen Ein-
falls zu versammeln und anzuführen. Im Jahre 1S17, als die Königinhofer Handschrift entdeckt wurde, waren jene Urkunden
gar nieht bekannt und niemand hatte damals eine Ahnung von der historischen Existenz eines Reuo.4 Hermanöv, dessen genea
logisches Verhältnis« erst durch die, in neuerer Zeit erschienenen Regcsten Böhmens festgestellt und demgemäss sein 'rutschic
denos Auftreten in jenem Kampfe motivirt werden konnte. — * Erb. Reg. pag. 171. — :l Erb. Reg. pag. I7.'t. — * Erb. R> g,
pag. 181. - » Erb. Reg. pag. 1S.T
I*"
Digitized by Google
132
J. E. Wocw..
kann immerhin angenommen werden, das« Theodoricus der erste Abt der zu Gredis neu
gegründeten Klostergenieinde gewesen sei.
In der Urkunde Pl-emysl Otakar's I. vom Jahre 1221, in welcher die Privilegien der Prager-
kirche erneuert und bestätigt werden , kommen in der langen Reihe der hohen geistlichen
Würdenträger, welche in jenem wichtigen Documentc als Zeugen angeführt werden, zwei Äbte
von Gradist vor, und zwar Joannes, ubbas de Gradist, und Bonifatius, abbas de Gradist 1 . Es
unterliegt keinem Zweifel, dass Johannes als der Abt unseres Gradist monachoruru zu bezeich-
nen ist, während Bonifacius als der Abt «les Klosters Hradist bei Olmtitz erscheint; die Reihe der
Zeugen jener Urkunde eröffnen nämlich die Bischöfe von Olmütz , Weitra und Breslau,
ferner Leopold, Herzog von Österreich, und der Graf Hardeg ; sodann folgen die Äbte der böhmi-
schen Klöster Braunau, Wilimow, Ostrow, Hradist (Joannes), Strahow, Milewsk, Seelau
und Leitomi8chl , an diese schliesscu sich die Abte der mährischen Klöster Hradist
(Bouifacius) und Luka an , und endlich wurden die Äbte der österreichischen Klöster Heiligen-
kreuz, Klosterm uburg, Göttweih, Lilienfeld, Zwettel, und schliesslich andere, zumeist weltliche
Zeugen angeführt.
Der nächste in den Urkunden genannte Abt von Hradist ist Henricus. Derselbe wird als
abbas Gradieensis unter den Zeugen der Contirmationsurkunde angeführt, durch welche Pfemysl
Otakar die Schenkung des Romanus von Teinic dem Plasserkloster bestätigt*. Diese Con-
tirmationsurkunde wurde im Jahre 1230, also blos neun Jahre später als die Urkunde der Prager-
kirche, in welcher der Abt Joannes als Zeuge vorkommt, ausgestellt; daher mit grosser Wahr-
scheinlichkeit angenommen werden kann, dass Heinrich der unmittelbare Nachfolger des Joannes
in der Abtswürde gewesen sei. In dem, von König Wenzel dem Kloster Velehrad bestätigten
Privilegium erscheint Rivinus, Abt von Hradist, zugleich mit Henricus, dem Abte des Klosters
Plass als Zeuge \ Da zur seilten Zeit die Urkunden den Gerlacus als Abt des mährischen Klosters
Hradist bezeichnen , so muss Rivinus notwendigerweise unter die Äbte des böhmischen Klosters
Hradist eingereiht werden.
In einer Urkunde vom Jahre 12. r »0, durch welche das Olmützcr Domcapitel das Dorf
Prethoca (Pfitoky bei Kuttenberg) dem Kloster Scdlcc käuflich abtritt, kommt unter den Zeugen
Modlik, abbas von Hradisch, und zwar in folgender Reihenfolge vor: Testes huius rei sunt:
Henricus, abbas de Plaz; Vinandus, abbas de Ozzec; Bertholdus, abbas de Pomuk; Modlic, abbas
de Hradisch; Paulus, abbas de Vclegrad etc. 4 . Durch diese Angabc wird nicht sicher gestellt, ob
Modlik als Abt des Klosters Hradist in Böhmen oder des mährischen Klosters gleichen Namens
angeführt erscheint, d. h. ob sein Name die Reihe der böhmischen, daselbst verzeichneten Äbte
von Plass, Ossek, Nepomuk und Hradist schliesst, oder die Reihe der darauf folgenden kirch-
lichen Würdenträger Mährens, d. i. der Äbte von Hradist bei Olmütz, von Velehrad, Znaim u.s.w.
anfange. Da jedoch gleichzeitige Urkunden einen Abt Rupertus zu Hradist bei Olmütz nennen,
so kann kein Zweifel darüber obwalten, dass Modlik im Jahre 1250 dem böhmischen Kloster
Hradist als Abt vorgestanden habe 5 .
Die Nachkommen des Stifters der Cistercicnserabtei Hradist, des Markwartic (Markwart 's
Sohn) Hermann von Ralsko, waren die Herren der, an die Besitzungen der Abtei angrenzenden
Güter. Markwart's Enkel hatten sich in mehrere Acstc gesondert, welche nach den Burgen Zvifetic,
Wartenberg, Tornau, Michalovic, Lemberg und Waldstein genannt wurden. Der Sage nach erbaute
1 Erb. Reg. pag. 300. — - Erb. Reg. pag. 357. - » Erb. Rfg. pag. 365. — * Erb. Reg. pag. &78. — 1 Da iui Index zu
Erb. Reg. pag. 734 alle liier angeführten Äbte unseres Kloster» Hradist uuter den Äbten des rriimonstratcnscrltloMers Hradist
bei Ohnutz verzeichnet erscheinen, so fühlte ich mich veranlagst aus der Reihe der letzteren die Äbte des böhmischen Cister-
cicnserklusters Hradist auszuscheiden und die Orttnde einer solchen Ausscheidung anzugeben.
Dioitized bv Google
Die Hacheste der Ci«ti!rciek«khkihoue Hbadist.
13:*
Gallun, ein Sohn de« Hermann von Ralsko, die Burg Zviretic, deren imposante Trümmer noch
jetzt südlich von Münchengrätz am rechten Ufer der Iser emporragen , um einen festen Verthei-
digungspunkt für das von seinem Vater gegründete Gotteshaus zu gewinnen '. Hermann und seine
Nachkommen waren die Sehinnvögte der Abtei Hradist und da» Kloster stand somit in nächster
Beziehung zu diesem Zweige der ratlchtigen Markwartice. Wohl mochte ehemals das Archiv jenes
Klosters zahlreiche schriftliche Documente dieser gegenseitigen Beziehung bewahrt und die Mauern
seiner Kirche so manches Denkmal umschlossen haben , welches von der Pietät der Almen der
Waldstcin- Wartenberge Kunde gab; doch verwüstende Flammen, rohe Kriegerfauste und der
barbarische Stumpfsinn der späteren Geschlechter hat alle diese Erinnerungen vernichtet bis auf
einen Grabstein, der gleichsam den Sargdeckel bildet, unter dem die Kegesten jenes Klosters in
ewiger Nacht begraben ruhen. Es ist die machtige Grabplatte des Jenko von Wartenberg und Vesele,
eines der bedeutendsten Sprossen der alten Markwartice , dessen bei der Schilderung der Baureste
näher erwähnt werden soll.
Vom Jahre 1250 bis in die zweite Hälfte des XIV. Jahrhunderts enthalten die vorhandenen
schriftlichen Quellen keine Andeutungen Uber das Kloster U radist, noch wird, in so weit mir
bekannt , in den Documenten aus jener Periode irgend ein Abt jenes Klosters genannt. Nur ein
aus den Trümmern der Kirche geretteter Grabstein bewahrt die Erinnerung an einen Abt
Paulus, den die Grabschrift „vir patiens et mitis" nennt. Erst in einer Urkunde aus der
Zeit Karl IV. (um das Jahr 13(50) taucht der Name eines Abtes Pf edbor des „monasterii in
Hradysczi u auf, welcher die vom Kloster weit entlegenen Dörfer Boskov, Hostoky, Jeseni u. s. w.
(nördlich von dem Städtchen Semil) gegen die näher gelegenen Güter des Hasek von Lemberg
und Zviretic, Rokyta und Krupka (Rokytai und Krupai, Dörfer nordwestlich von Münchengratz)
austauschte 8 .
Einzelne Erinnerungen an das Kloster Hradist tauchen in den Errichturigsbüchern (Libri
erectionum) auf. So berichten dieselben (vol. I. D, 3) der Abt und das Convent des Cistercienser-
klostcra in Gradis, habe im Jahre 1361 einen Vertrag mit dem Pleban zu Ossieck (Vosek) in Betreff
iles dem Kloster zu entrichtenden Zchcnts abgeschlossen. Ferner berichten die Lib. er. (t. I, F, 0),
die Witwe des Hynek von Zleb, Agnes (aus dem Geschlechte der Wartenberge) , habe zu Zleb
(bei C'aslau) ein Spital zur Pflege der Armen im Jahre 1370 errichtet und weiterhin wird angeführt,
die Erben der Agnes von Zleb, Markwart und Peter von Wartenberg, hätten sechs Ordensbrüder
aus dem Kloster Hradist nach Zleb berufen und denselben die Verwaltung und geistliche Obsorge
jenes Spitals anvertraut Die Errichtungsbücher (Lib. er. XHI, t. 1, 2, 3) erwähnen noch eines
Abtes von Hradist, Namens Nemogius, der im Jahre 1410 von der Prager Gemeinde eine Geld-
summe als Darlehen empfangen hatte. Endlich finden wir in den, zur Sicherstellung des Grund-
besitzes nach dem Hussitenkriege vorgenommenen Einschreibungen vom Jahre 1454 die Erwäh-
nung, dass der Vater des Johann Cclak vom Abte Johann und dem Convente des Klosters
Hradist den Hof Bad ry und das Dorf Lhota käuflich erworben habe*. Dieser Kauf musste kurz
vor dem Ausbruche des Hussitenkriegen stattgefunden haben, weil 34 Jahre nach dem Untergange
jenes Klosters der Sohn des Mannes, der jene Besitzungen vom Abte Johann erkaufte, sein Eigen-
thumsrecht auf dieselben vor der ständischen Commission nachzuweisen strebte. — Im Jalire 1419
brach der Sturm des furchtbaren Hussitenkrieges los. Gleichzeitige Quellen berichten, das«, auf-
gestachelt von «lern aus Königgrätz vertriebenen Priester Ambros, eine grosse bewaffnete Volks-
sehaar sich auf der Anhöhe Horeb im Königgrätzer Kreise versammelt hatte, und, angeführt von
Hynek Krusina von Lichtenburk und Schrecken und Verwüstung rings verbreitend, in den Bunz-
' Hob*r » Burgen 4. Th«ü, pag. 137. - * Diplom«. W*ldat. Wwtenb. Dobn. monum. 1, 242. - » Pul. AwWt
cr»k$ . II, pig. 444.
Digitized by Google
134
J. E. Wocsl.
lauer Kreis zog. Diese Horebitenschaar nahm, wie der Zeitgenosse Laurentius von Bfezove erzählt,
das stark befestigte Kloster Hradist beiValccov mit Sturm ein (am 30. April 1420), und nachdem
das Kloster geplündert und den Flammen preisgegeben worden , zogen die Schaaren nach Prag,
wo sie am 2. Mai (die St. Sigismundi) unter Vorantritt der Priester mit dem Kelche und den
Hymnen und Ehrenbezeigungen der Bevölkerung ihren feierlichen Einzug hielten'.
An einem andern Orte versuchte ich nachzuweisen*, dass die Berichte der Historiker Uber
die Zerstörung der Klöster durch die Hussiten nicht in dem Sinne aufzufassen sind, als ob jene
Fanatiker die Kloster- und Kirchengebäude völlig zerstört und demolirt, sondern dass sie nach
der Plünderung und Verwüstung derselben das Holzwerk angezündet und dem verheerenden Kie-
mente des Feuers preisgegeben hatten.
So berichtet Uber die Zerstörung des Klosters Mühlhausen Laurentius von Bfezove: ,mnna-
Stenum Milevsc diruunt et comburunt - , und «loch hat sich die Basilica desselben bis auf den heu-
tigen Tag grosscntheils in ihrem ursprünglichen Zustande erhalten; hingegen erwähnt derselbe
Zeitgenosse der Verwüstung des Kloster Hradist durch die Orchiten mit den Worten: „monastcrium
Hradist — vi obtinent et bonis, quae intus erant direptis monasterioque ipso exusto, civitatem
Pragensem intravemnt" 3 . L. von Bfezove spricht hier somit blos von einem Niederbrennen des
Klosters und keineswegs, wie bei Mühlhausen, von einer Zerstörung der KlostergebUude. Dass
an eine völlige Zerstüning dieser Bauten dabei nicht gedacht werden kann , ergibt sieh überdies
aus der überaus kurzen Zeit, innerhalb welcher das Werk der Verwüstung vollbracht worden war.
Am 30. April wurde das stark befestigte Kloster mit Stunn eingenommen und am 2. Mai, also am
zweiten Tag nach der Einnahme desselben, zogen die Verwüster bereits unter Jubelsängen in
Prag ein. Die Haufen der Orchiten mussteu somit bereits am 1. Mai, d. i. den Tag nach der Er-
stürmung des Klosters aufgebrochen sein, um am nächstfolgenden Tage in Prag im Triumphe auf-
ziehen zu können.
Die Besitzungen des Klosters Hradist fielen, ebenso wie die Güter der übrigen im Hussiten-
kriege zerstörten Klöster, der Krone anheim , und wurden vom Kaiser Siegmund und von den
nachfolgenden Königen Böhmens verpfändet. Aus gleichzeitigen Urkunden entnehmen wir, dass
König Georg von Podebrad einen Theil der Hradister Klostergüter, zu welchem zehn Dörfer ge-
hörten, dem Obcrsthofincister der Königin, Hynek von Waldstein verpfändete; dass aber dieser
bereits im Jahre 1175 diesen Pfandbesitz dem Ojfl- vonOeedelie abtrat 4 . Aus einer Urkunde König
Wladislaw's II. vom Jahre 1493 erhellt, dass ein anderer aus fünf Ortschaften bestehender Bestandteil
der Hradister Güter von den Brüdern Burian und Georg von Dube erworben ward; diesen Güter-
eoniplex löste König Wladislaw wieder ein und verpfändete denselben um eine bedeutende Summe
an die Brüder Johann und Bernhard von Waldstein \ Eine andere aus fünf Dörfern bestehende
Pareelle wurde von König Georg an Johann von Wartenberg um die Summe von 300 Schock
böhmische Groschen verpfändet, und ein dritter Güterantheil ging in den Pfandbesitz der Brüder
Ctibor und Adam von Cimburg über*. Der bedeutendste Bestandthcil jener Güter, zu welchem
auch das ehemalige Kloster gehörte, gelangte in den Pfandhesitz der Herren Berka von Dube, und
wurde von diesen bald darauf dem Cenck von Barchov abgetreten, der diese Pfandgüter sodann der
Gemeinde der Altstadt Prag verkaufte 1 . Von der Prager Gemeinde löste König Wladislaw im Jahre
1493 diesen Antheil um den Betrag von 2250 Schock bömische Groschen ein, um ihn bald darauf
um eine viel grössere Summe den Brüdern Johann und Bernhard von Waldstein zu ver-
1 l'al. (ieachjekte von Böhmen. III. 2. pag. 1Q1. — 3 Die Kirch« dea ('Mterciatiu-r Nouui'iiklosterr. ,1'orU cm-li" zu Ti«-
novic. Jahrbuch der k. k. C'cntraJ-CoiumissiiMi , III. — ' L. de Hrozovc (unrichtig Brrzina) in Höfler'» 'ieachicblsnohnibmig der
huasitiachen Bewegung in Böhmen, pag. 3.VH. - « Dipl. Wald«. Wart. Dnhn. Monum. I. pag. »:>3. - '• Dipl. Waldat. Wart,
ua«. 2;><J. - « Dipl. \\ aldat. Wart. pag. -»«0. - 1 Dipl- Walds'. Wart. pag. 269.
DlK lUl'RKSTK l)EB ClSTERCIENSERKIROHE ÜBAIlläT.
13:;
pfänden 1 . Aus den, auf die Verpländung der Hradister Güter »ich beziehenden Urkunden ersieht
mau zunächst, wie ausgedehnt und grossartig das Besitzthum des Klosters gewesen; jene Docu-
mente enthalten überdies die schlagendsten Beweise des egoistischen Verfahrens der Könige mit
den Gütern der, im Hussitenkriege eingegangenen Klöster. Solche, durch die Kriegsfurie
verwüsteten Besitzungen wurden anfangs um geringe Summen verpfändet, späterhin aber, als ihr
Ertrag und Werth durch die Pfandinhaber gehoben ward, löste sie König Wludislaw r utpote
dominus hcreditarius , haben» in hoc jus Biifficiens*, wie er in der Urkunde vom Jahre 1493
sich ausdrückt, wieder ein, um dieselben Air viel höhere Summen wieder zu verpfänden. Eine
einfache zwar, aber ausgiebige Finanzoperation, nni die Einnahmen der königlichen Kammer zu
lieben! —
Der Pfandbesitz des dem Johann von Waldstein gehörigen Antheils der Klostergüter
wurde vom König Wladislaw II. durch ein Diplom vom Jahre 141)0 bestätigt. Beachten swerth
ist die Stelle dieser Urkunde König Wladislaw'», in welcher angeordnet wird, dass diese
Güter von niemand anderem als nur von dem Abte und dem Convente des Hradister Klosters
und zwar erst dann eingelöst werden dürfen , bis die Mönche das Kloster abermals bewohnen und
den Gottesdienst daselbst abhalten würden*.
Die Brüder Johann und Bernhard von Waldstein traten durch einen am 21. November 1512
abgeschlossenen Vergleich die MUnehengrätzer Güter an Johann Svojanovsky^ von Boskovic, Herrn
auf Skal, ab, unter der Bedingung, dass, wenn Johann von Boskowic ohne männliche Nach-
kommen mit dem Tode abgehen sollte, die Güter wieder an die Herren von Waldstein zurück-
fallen, oder aber den letzteren von den Erben des Johann von Boskovic 5000 Schock böhmische
Groschen ausgezahlt werden sollten*. In der That gelangten nach dem Tode des Svojanovsky
vou Boskovic jene Güter wieder in den Besitz des Johann von Waldstein, der dieselben bald dar-
auf im Jahre 1528 dem Johann von Wartenberg verkaufte. Im Texte der Urkunde vom 29. Juli
1530, in welcher Johann und Albert von Waldstein ihr Eigenthumsrecht auf jene KlostcrgÜtcr
dem Johann von Wartenberg abtreten 1 , kommt die Stelle vor: „Omnia illa bona praenominata
cum monasterio et omnibus literis et juribus praefatis dominis — cedere debeant", aus welcher
hervorzugehen scheint , da-ss damals das Kloster im bewohnbaren Zustande sich befunden habe,
widrigenfalls es nicht, im Gegensatze zu den dazu gehörigen Ortschaften und Gütern, in der Ües-
sionsurkunde ausdrücklich erwähnt worden wäre.
In Anbetracht der wichtigen Dienste, welche der Oberstburggraf Johann von Wartenberg
auf Zvirctic und dessen Sohn Adam der Krone Böhmens geleistet, wies Ferdinand I. denselben auf
den MUnehengrätzer Gütern die Summe von 1400 Schock Prager Groschen an, dergestalt, dass
ein jeder, der mit der Zeit diese Besitzungen wieder auslösen wollte, den Herren von Wartenberg,
ausser den auf jenen Gütern bereits haftenden Pfandsummen, den obenerwähnten Geldbetrag zu
erlegen verbunden sein sollte*. Erst in dem Gnadenbriefe Kaiser Ferdinand I. vom Jahre 1538
wird 1 {radist als ein wüstes Kloster („desertum monasterium") bezeichnet.
Adam von Wartenberg trat die Hradister Güter an Kaiser Ferdinand I. ab und von diesem
wurde ein Theil derselben im Jahre 1550 an Georg Labounsky von Laboun , und ein anderer
Be.standtheil dem Heinrich Zibrid von Velechov veräussert 6 . Georg Labounsky war Procu-
rator der böhmischen Landtafcl und wurde im Jahre 1552 in den böhmischen Ritterstand erhoben.
1 Dipl. Waldst. Wart. pag. 260. — 1 Ea rouss ausdrücklich bemerkt werden, dass die im Hussitenkriege zerstörten und
eingegangenen Klöster durch keinen Latultagsbesehluss aufgehoben wurden ; daher es in der Macht der geistlichen Corporationen
lag, die Klostergüter von der Krone oder den PfandhcsiUcrn wieder einzulösen, wenn es ihnen nämtieb gelang, die zur Aus-
lösung derselben notwendigen Ccldsummen aufzutreiben, was allerdings in den damaligen politischen und oonfeasionellen Vor-
hältnift&en des Landes kaum möglieh war. — » Dipl. Waldst. Wart. pag. 276. — * Dipl. Waldst. Wart. pag. 277. — » Dipl. Waldst.
Wart. pag. 2H6. — 8 Sommer, Königreich Böhmen, IL pag. 195-
Digitized by
13ß
J. E. Wockl.
Ihm und seinen Nachfolgern ward gestattet, dass sie Bich „von Laboun" schreiben und sich eines
Wappens bedienen dürfen, welches auf folgende Weise beschrieben wird: „Ein viergetheilter
Schild. In zwei Feldern desselben zwei rothe mit weissen Binden gegürtete Ochsen, in den
zwei übrigen Feldern zwei rothe Keulen im blauen Felde; Uber dem Helme der Wappendecke
erscheint eine runde, gesehachte Scheibe, von Pfauenaugen umgeben - Genau dasselbe Wappen
stellt sich, in Stein gehauen, am Wartthurme des gegenwärtigen Schlosses zu Kloster Hradi&t dar.
woraus man schliessen muss, dass die Umwandlung des wüsten Klosters in ein Herrenhaus, zu
jener Zeit stattgefunden habe, als sich die Familie Labounsky im Besitze der Hradiöter Kloster-
güter befand. Die gesammte Bauweise des gegenwartigen Schlosses weist auf die Periode des
Rcnaissancestyles hin und nur einzelne Pfeiler und Bogen im Erdgeschosse stellen sich als isolirte
Reste des ursprünglichen Klosterbaues dar. Von dieser Zeit an war das auf den Grundmauern des
alten Cistercienserstiftes aufgeführte Schloss der Wohnsitz der Eigenthümer der Herrschaft Mün-
chengratz, bis derselbe in das, in der Stadt Münchengriitz erbaute grossartige Schloss über-
tragen ward.
Georgs Labounsky von Laboun Sohn .Johann war ein eifriger Anhänger und Vertheidiger
«ler böhmischen Brüder, ein Mann, der, wie Jar. Schaller schreibt, sich sowohl durch seine eigene
Gelehrsamkeit, als auch durch eine thiltigc Unterstützung gelehrter Männer einen immerwährenden
Ruhm bei der Nachwelt erworben hatte *. Nach dem Tode des Johann von Laboun gelangte der
demselben gehörige Antheil der Münchengriitzer Besitzungen an dessen Töchter Magdalena und
Kunigunde, welche jedoch diese Güter im Jahre 16*12 dem Wenzel Budovec vonBudova verkauften.
Da bald ilarauf der von Heinrich Zibrid von Vclechov erkaufte Antheil durch die Tochter
des letzteren, die mit Christoph von Budova vermählt war, an die Familie Budovec Uberging, so
gelangten sämmtliche Münchengriitzer Besitzungen in den Besitz des Wenzel Budovec von
Budova. Unstreitig gehörte Wenzel von Budova zu den ausgezeichnetsten und gelehrtesten
Mannern seiner Zeit; er bereiste den grössten Theil von Europa und der asiatischen Türkei,
und brachte mehrere Jahre im Dienste der kaiserlichen Gesandtschaft in Constantinopel zu. Bei
seiner Rückkehr nach Böhmen trat er in den Staatsdienst, ward Geheimrath Rudolf b H. und
Kaisers Mathias und Director des utraquistischen Conciliums. Mehrere Werke, die er schrieb,
unter welchen der Antialkoran (in böhmischer Sprache) das Bedeutendste ist, sind sprechende
Beweise seiner wissenschaftlichen Bildung. „Patriae decus eximium, subditorum non dominus sed
pater - nennt ihn Raph. Ungar in seinem ('ommentar zu Balbins „Bohemia docta - . Da sein vorzüg-
lichstes Streben dahin gerichtet war, seinem Volke die Religionsfreiheit und insbesondere den
böhmischen Brüdern die freie Uebung ihrer Confession zu erringen, so rnusste er in den. am An-
fange des XVII. Jahrhunderts ausgebrochenen Religionsstreitigkeitcn in heftige Opposition mit
der Regierung geratheil. W. von Budova war das Haupt der dreissig Dircctoren und stand an der
Spitze derjenigen , die Kaiser Rodolf den verhängnissvollen Majestätabrief abdrängten. Friedrich
der Winterkönig, ernannte ihn zum Appellationspräsidenten, in welchem Amte er bis zur Schlacht
am weissen Berge verharrte. Nach jener verhängnissvollen Katastrophe wollte der dreiundsiebzig-
jithrige Greis, um der ihm drohenden Gefahr zu entgehen, sein Vaterland doch nicht verlassen,
und sein Haupt fiel am 21. .luni 1021 auf dem Blutgerüste des Altstadter Ringes.
In wie weit der Vorwurf fanatischer Intoleranz gegen Andersgläubige, den Schaller dem
Besitzer von Münchengriitz Wenzel von Budova macht, sich auf Thatsachen gründet, lässt sich
schwer entscheiden; die Angabe Schaller' s hingegen, dass W. von Budova die prächtige Kirche
1 Landt. 43. X. 1. Xacb der Aufzeichnung des Herrn Anton Kyhitka, die mir durch Herrn Moriz Lüs&ner notist anderen
rieh auf diesen Gegenstand beziehenden intcreitiiiuten Andeutungen ubennittelt wurde, woftlr ich den genannten llorreu meinen
Dank auszusprechen mich verpflichtet fohle. — - .Schuller, Topogr. Höhnt. Kunz). Kr. <0
Digitized by, Google
Die Balbeste dek Cistercienserkikciie IIbadi^t.
137
zu Kloster in einen scheusslichen Pferdestall uingesoh äffen hatte', ist, wie sich aus der Schilde-
rung ihrer Haureste ergeben wird , eine offenbare Unwahrheit.
Sämmfliche confiscirte Güter des W. von Budova wurden im Jahre 1622 von Albreeht von
Waldstein, dem nachmaligen Herzog von Friedland, um die Summe von 216.000 fl. erkauft, in
welchem Betrage der Werth der Hradister Klostergüter mit 64.599 Schock Groschen angeführt
erscheint. Nach des Friedlanders gewaltsamem Tode fielen diese Güter abermals an den könig-
lichen Fiscus; ein grosser Theil derselben, und unter diesen auch unser Hrndist, wurde von Kaiser
Ferdinand HI. dem Oberstkämnierer Maximilian Grafen von Wald stein zur Belohnung
seiner um den Staat erworbenen Verdienste geschenkt. Diese Güter besitzt bis auf den heutigen
Tag die MünehengrUtzer Linie der Grafen von Waldstein-Wartenberg , aus deren Stamme der
mächtige Friedender Herzog entsprossen war.
Noch zu Balbin's Zeit in der zweiten Hillfte des XVH. Jahrhunderts stand die alte Abtei-
kirche, allerdings wüst und profanirt, aufrecht und war in so weit erhalten, dass sie eine Schaf-
heerde vor Wind und Wetter zu schirmen vermochte 2 . Wahrscheinlich erst zu Anfang des XVHI.
Jahrhunderts ward das Werk der Verwüstung vollendet und der ehrwürdige Bau eines der bedeu-
tendsten Denkmale der kirchlichen Arehitectur in Böhmen bis auf wenige Reste abgetragen und der
Boden der Kirche zu landwirtschaftlichen Zwecken umgewandelt.
Baubeschreibung.
Durch das Portal an der Nordseite der Umfassungsmauer der ehemaligen Klosterkirche ein-
tretend, gewahren wir einen weiten Hofraum, der auf drei Seiten theils von Gartenmauern, tlieils
von niedrigen Wohngebäuden und Stallungen eingeschlossen , auf der Südseite aber von der
Facade des auf den Grundmauern des ehemaligen Klosters aufgeführten Schlosses begrenzt wird.
Erst bei näherer Untersuchung der Reste jener Umfassungsmauer und der an dieselbe angebauten
Wohnungen Uberzeugen wir uns, dass wir den Boden eines ehemaligen Gotteshauses betreten,
von dessen Pracht und Grossartigkeit die einzelnen , theils aus der Mauer vorragenden , zumeist
aber in Bruchstücken umherliegenden, architektonischen Überreste ein Zeugniss geben. Die Höhe
der erhaltenen Umfassungsmauer beträgt zwischen 3 bis 4 Klafter; an dieselbe ist rechts vom
Kingangsportalc die Wohnung des Thorwäehters, links jene des Schlosscaplans und des gräflichen
Bauinspcctors angebaut. Der östliche gerade Abschluss des Kirchenraumes ragt, die Ein-
friedung eines Gartens bildend, nur wenig über die Bodenflüclie empor. Die durch sieben
mächtige Strebepfeiler gefestigte Mauer der Stirnseite senkt sich aber tief hinab gegen das am
Fusse der Anhöhe sich ausbreitende Thal. Das noch vorhandene Mauerwerk der ehemaligen
Kirche ist von Bruchsteinen, die Strebepfeiler, wie auch die ein- und vorspringenden Ecken sind
von festem Quadersandstein aufgemauert. Unter der gerade abgeschlossenen Stirnseite der
Kirche dehnt sich eine langgestreckte gewölbte Halle aus; der Eingang in dieselbe öffnet sich an
der Südseite des chinaligen Chores, und man steigt auf schmalen, theüweise zerstörten Stufen in
den unterirdischen Raum. Fünf kurze viereckige Pfeiler thcilen die, 15 Klafter lange und blos
4 Klafter breite Halle in zwei Schiffe ; die Gratbogen der zwölf Travecn entspringen aus den
1 Schüller, TopogT. v. Btthtn., Ranz). Kr. pa£. ."»2. — s Gradlcensi« coenobii eelcberrlml ordinis cisterciensi», in Boles-
lHVien»! diatrictu Bobcmiac siti, null» vxtat wrmoriu, tctuplo ciiaw in ovile converso. Iliüb. MUccU. L.V1, II, pnff. 112.
IX. 19
Digitized oogle
1.38
J. E. Wookl.
W" -I-T----
H- >.~
lYi!Vi!Vi|\/ nVi ViVH
\i^!/w\r
Seitenflächen der Pfeiler und bilden scharfkantige, gedrückte Wölbungen. Durch sechs romanische,
nach innen sich bedeutend verengende Fensteröffnungen fällt das Tageslicht in das düstere Ge-
wölbe, auf dessen Boden Menschengebeine zerstreut umherliegen. Die Construetion dieses Raumes
deutet darauf hin, dass die Anlage desselben dem Anfange des XIII. Jahrhunderts angehört.
Diese Halle stellt sich nämlich keineswegs als eine Krypte dar , wie sie im XI. und im XII. Jahr-
hundert unter dem Kirchenchore aufgeführt zu werden pflegte. Die Anlage bietet bei ilirer
geringen Ausdehnung von Ost nach West keinen geigneten Punkt für die Aufstellung eines
Altars oder Martyriums dar, und dass der Raum nicht, wie die Krypten der romanischen
Periode, zum Versammlungsorte andachtiger Gläubigen bestimmt war, erhellt aus der rohen Con-
struetion und der völligen Sclimucklosigkeit sämmtlichcr Bauglieder, wie auch daraus, dass der-
selbe sich nicht Über die Grundfläche des Chores erhob, sondern völlig unter dem Niveau der
Kirche angelegt war. Die schmalen, von Rundbogen
überhöhten Fenster entsprechen zwar der Bauweise des
romanischen Styles; aber ähnliche Fenster gewahrt man
häufig genug an Kirchenbauten des Übergangsstyles ;
da aber daa Gratgewölbe der Halle in Spitzbogen
construirt erscheint und solche Gewölbe bekanntlich
den Übergang des romanischen in den gothischen Styl
charakterisiren, so muss angenommen werden, das»
dieses Hypogeum am Anfange des XIH. Jahrhundert»
angelegt und keineswegs eine „Krypta* im eigent-
lichen Sinne, sondern ein Todtengewölbe gewesen war.
.-U. ..Iii. j Nachdem wir diesen unheimlichen Raum verlassen , be-
treten wir das nächst gelegene, an die nördliche Ecke
der Chorseite angebaute Wohnhaus. In den , zu ebener
Erde gelegenen Zimmern und Stuben hat sich gar
keine Spur der ursprünglichen architektonischen Details
erhalten. Alles ist da glatt gemacht und modern her-
gestellt. Dagegen findet man am Dachboden, der
unmittelbar über der Decke jener ebenerdigen Woh-
nung aufgeführt ist, interessante Baureste, welche zum
VcrBtändniss der Anlage der Kirche wesentlich beitragen.
Unmittelbar Uber dem Fussboden ragen nämlich in regel-
mässigen Abständen von zwei Klaftern drei verstümmelte
Capitäle von Wandsäulen mit den Fragmenten der, von
denselben gestützten Kreuz- und Quergurten empor. Es
sind Blättercapitäle mit umgelegten Eckknolleu, wie sie
an Denkmalen des Übergangsstyles vorkommen ; auf
jedem Capitälruht eine hohe, aus mehreren stark profilirten
Gliedern bestehende Deckplatte, aus welcher sich der massive Scheidebogen und die einfach pro-
filirten Kreuzrippen, deren Auflagpunkte durch hohe Blendschilde verdeckt sind, erheben; auf
der flachen Vorderfläche des einen Scheidebogens ist das Monogram eingehauen. Der Dach-
boden ist in einer Höhe von etwa 8 Fuss abgeschlossen; aus der Krümmung der oben abge-
brochenen Gewölbrippen ergibt sich, dass die Fortsetzung der Bogenkrüramung noch etwa 2 Fuss
betrug, ehe dieselbe mit der gegenüber sich emporschwingenden Gewölbrippe zusammentraf.
Wenn man nun zu dieser Höhe der Gewölbbogen die Dicke des Dachbodens und die Höhe der
Digitized by Google
Die Baubeste der Cisterciensekkirche IIradist.
IM
darunter befindlichen Wohnzimmer, aus welchen die Schufte der Säulencapitäle abgeschlagen wur-
den, hinzugefügt, so kann die Gesammthöhe der ehemaligen Arcaden auf 22 Fuss angenommen
werden. Da feiner die Entfernung von einer Wandsäule der Areade zur andern 12 Fuss betragt
und an dieser nördlichen, 8 Klafter langen Chormauer vier Traveen angeordnet waren, so müssen
an die entgegengesetzte südliche Mauer, von derselben Lange, ebenfalls vier Gewölbjoche sich an-
geschlossen haben. Aus dem vorliegenden Grundrisse (Fig. 1) ist zu ersehen, dass längs dem
geraden Chorschlusse sechs Traveen sich hinzogen , von denen die erste und letzte Travee mit
den äussersten Gewölbjochen an den beiden Seitenmauern zusammenfallen ; es ergibt sich somit,
dass sich um den Chor ein niedriger Umgang von zwölf Capellen hinzog. Es stellen sich uns
daher die Reste einer Kirche mit einem flachen Abschlüsse und einem niedrigen Umgang um den
Chor dar, eine Anlage, die sieh in den meisten Kirchen des Cistercienscrordens wiederholt. Auf-
fallend ist vor Allem die Ähnlichkeit der Anlage der Kirche zu Hradiät mit jener des Klosters
Lilienfeld in Osterreich. Man vergleiche einmal den Grundriss der Lilienfelder Kirche (Jahrbuch
der k. k. Central-Commission, II. Band) mit dem vorliegenden Plane , und man wird gewiss die
grüsste Übereinstimmung, nicht blos in der Anordnung, sondern auch in den Grössenverhältnissen
beider Kirchenanlagen finden. Längs dem flachen Chorschlusse der Lilienfelder Kirche sind ebenso
wie zu IIradist sechs Traveen angeordnet, an welche an der Nord- uud Südseite des Chores je
drei Traveen sich anschliessen , wahrend noch zu beiden Seiten eine Travöe in die Kreuzvorlage
vorspringt, welches wahrscheinlich auch zu Hradist der Fall gewesen war. Zu Lilienfeld betragt
die Länge des geraden Chorschlusses 1Ü Klafter und genau so viel misst der östliche Abschluss
der Ilradister Kirche. Die Kreuzvorlage tritt auf der Ostseite der Ilradister Kirche um 3 Klafter
2 Fuss, auf ihrer Westseite aber um 5 Klafter 2 Fuss vor, so dass die nördliche Umfassungsmauer
des Langhauses bedeutend zurücktritt und nicht in einer Flucht mit der Kordseite des Chores
sich befindet Ein gleiches Verhältnis» gewahrt man in der Anlage der Kirche zu Lilienfeld, deren
Querschiff eine Breite von 10 Klafter, genau so viel wie jenes zu IIradist zählt. Auch das Lang-
haus beider Kirchen hatte dieselbe Länge, nämlich 22 Klafter.
Von dem südlichen Arme der Kreuzvorlage und der südlichen Hauptmauer des Langhauses
der Hradister Klosterkirche haben sich keine Spuren erhalten; da aber aus den aufgefundenen
Fundamenten zweier Pfeiler, und aus dem massiven , zum Theil in die neue Mauer zunächst dem
Portale eingefügten Mittelpfeiler des Langhauses hervorgeht, dass die Breite des Mittelschiffes von
Achse zu Achse der Pfeiler 5 Klafter und jene der beiden Seitenschiffe zusammen 6 Klafter betrug,
so ergibt sich daraus genau dieselbe Breite von 11 Klafter, welche das Langhaus der Lilienfelder
Kirche zählt. Die aufgefundenen Grundlagen der Pfeiler (in unserem Grundrisse schwarz schraffirt)
deuten an, dass der Durchschnitt derselben zwei sich durchschneidende Kreuze bildete, und dass
sich an die Pfeiler selbst halbsäulenförmigc Dienste anscldossen, eine Constructionsweise, die der
Pfeilerform im Langhause der Lilienfelder Kirche entspricht '.
Diese auffallende, selbst auf die Unregelmässigkeiten der Anlage sich erstreckende Über-
einstimmung des Grundrisses der Hradister Kirche mit jenem der Stiftskirche zu Lilienfeld berech-
tigt zu dem Schlüsse, dass beim Aufbaue beider Kirchen ein und derselbe Plan zu Grunde lag.
Der Grundstein zur Kirche des Klosters zu Lilienfcld wurde von Herzog Leopold dem Glor-
reichen am 10. April 1202 gelegt; das Hradister Kloster ward aber, wie oben erwähnt wurde,
bereits im Jahre 1177 dem Cistercienserorden Ubergeben und in den Urkunden wird schon im
Jahre 1184 ein Abt zu Gradis (Thidericus) genannt. Dieses könnte uns zu der Annahme berech-
1 Der mit tüchtiger Fachkenntnis» im (rroseen Maaestebe ausfreftthrte Grundriss der Hradister Baudenkmal« wurde mir.
nebst anderen in dipser Schilderung mithwondifren Behelfen, von dem prüf lieh Waldstcin'schcn Baudiruetor Herrn A. Wunder
(riltijr mitgetheilt, wofür ich deuuclbun weinen verbindlichsten Dank hiermit ausspreche.
Iii*
J. E. Wocel.
tigcn , dass das Alter der Hradister Abtcikirche um mehr als zwanzig Jahre liülter hinaufreicht,
wenn nicht der Umstand in Erwägung kilnie, dass die vorhandenen Baureste zunächst den
charakteristischen Typus des Lbergangsstylcs , wie er im ersten Viertel des XIII. Jahrhunderts
sich entwickelt hatte, aufweisen. I )ieser Widerspruch kann nur durch die Annahme gehoben werden,
dass die Cistcrciensergemeinde im Jahre 1177 in das, bis dahin von den Benedictinern bewohnt«'
Kloster Hradist einzog und an der Stelle eines älteren Gotteshauses im Verlaufe der nächstfolgen-
den Jahre eine neue, den Hegeln des Cistercienserordens entsprechende Kirche aufführte, deren
Aufbau wohl mehrere Decennien in Anspruch nahm. Es muss unentschieden bleiben , ob der
ursprüngliche Grundriss beider Kirchen von den Cistercicnscrn zu Hradist oder zu Lilienfeld her-
rührt; nur so viel möge erwähnt werden, dass die Aufsicht über den Hau der Kirche zu Lilienfehl
die Brüder aus Hciligenkreuz führten, wilhrend doch die Stiftskirche zu Heiligenkreuz, wiewohl im
Osten gerade abgeschlossen, doch nach einem ganz andern Plane gebaut ist '. Nach dem Plane
der Mutterkirche zu Citeaux war aber weder das Lilienfelder noch das Hradister Kloster angelegt,
denn dieses zeichnete sich, wie bekannt, blos durch seine Einfachheit und Schmucklosigkeit aus.
Doch ging man bei den späteren Cistercienserkirchcn zu Foigny, Longpont, Vaux-Clair u. a. von
dieser strengen Hegel ab; alle französischen Cistercienserkirchen hatten aber die in gerader Linie
geschlossene östliche Stirnseite (chevet), an welche sich zu jeder Seite des Chores vier Capellen
anschliessend Wahrscheinlich ist es, dass zu jener Zeit ein Wcchselverkehr zwischen den öster-
reichischen und böhmischen Ordenshäusern stattgefunden habe. Unter den Zeugen der in Böhmen
ausgestellten Urkunden kommen ja nicht selten Äbte österreichischer Klöster vor; und in eine
noch frühere Zeit füllt der Bericht des Biographen des Passauer Bischofs Altmann, dass nämlich
der Gründer des Göttwcihcr Klosters, Bischof Altmann, von den böhmischen Fürsten ein herrliches
Bild der Mutter Gottes erhalten und dasselbe dem neuen Gotteshause geweiht habe 3 .
Die auffallende Ubereinstimmung des Grundrisses der Lilienfelder Stiftskirche mit unserem,
am hohen Felsenufer der Iser vor Zeiten sich erhebenden Gotteshause berechtigt zu der Voraus-
setzung, dass beide Kirchen in der Gesammtanlagc mit einander übereinstimmten. Auf diese
Voraussetzung gestützt, können wir uns ein Bild der ehemaligen Kirche zu Hradist entwerfen und
dieselbe analog der Kirchcnanlage zu Lilienfeld reconstruirend, annehmen, dass sich an das hohe
Mittelschiff des Langhauses niedrige Seitenschiffe anschlössen; ferner, dass dieses Mittelschiffsich
bis in die Mitte der Kreuzvorlage erstreckte und mit einem aus dem Achteck gefügten Chore, um
welches ein, vierzehn Traveen oder Capellen zählender Umgang angeordnet war, abschloss. Siehe
den Grundriss, auf welchem die noch vorhandenen Mauerreste mit schwarzen Linien ange-
deutet sind ; jene Theile «1er Kirche aber, von denen sich keine Spuren erhalten haben, dem Lilicn-
felder Grundrisse (im II. Bande des Jahrbuches) entsprechend, mit Punkten angedeutet erscheinen.
Mochte auch «ler Plan der Gesammtanlage der Stiftskirche zu Hradist aus der Fremde her-
rühren, so werden wir bei dem Anblicke der vorhandenen Baurestc, insbesondere aber bei der
Beobachtung der architektonischen Ornamente derselben, zu der Überzeugung gedrängt, das« die
Ausführung dieses Baues einheimischen Architekten anvertraut gewesen und dass insbesondere
' In Ainbr. Becziezka's historisch-topographischer Darstellung von Liltenfcld wird erwähnt, dass die Brüder de* Stiftes
IKiligcnkrcux Ockerus (der naclmiallge erste Alit rn UlicnlchL, Gebhard und Gerold, die Aufsicht Ober den Bau des von Uerzog
Leopold gegründeten Kloster» führten, damit ulles der Forui von Citeaux und den Forderungen des Orden* entspreche. Au»
den . dein gründlichen Werke über Lilienfeld beigefügten Urkunden geht aln-r nirgends hervor, woher der Man der nrnen
Klosterauhige herrührte. In dem von dem Genendabt zu (Jiteaux an Herzog Leopold gerichteten Schreiben kommt blos fol-
gendc, mit' die Leitung des neugegründeten Klosters sieh beziehende Stelle vor: „Fccimus qnod ju»si«tis, et dilecto ac vene-
rando eo-abhati nostro Marquarflo Sanetae Crucis ore ad o» mandavicius, ut saneti propositi vestri fidelem se ministrujn vobis
exhibeat. cuinque steterit lorns du fratribu» boui Testimonii e greroio suo eidcui prouidvat." — » Hevue de I'art cbxctieu. VI.
pag. 4 >:>. - 3 Vita beati Altmanui eplsc. Tatav. ap. !■«». I. pag. J4C.
Digitized by Google
Dik Backeste der Cisterciensebkibcue IIuanist.
141
die ornamentalen Partien einer Kunstrichtung angehören, deren charakteristische Eigcnthümlich-
keit sich auch an anderen gleichzeitigen Baudcnkmalen in Böhmen und Mähren kundgibt.
Wenden wir vorerst unsere Betrachtung dem Portale der Hradister Kirche zu. Der Sockel
desselben wird durch einfache, kräftig gegliederte Süulenfüsse gebildet. An jeder Seite des Ein-
gangs bilden drei stärkere und ebenso viel schwächere Basen die Grundingen der schlanken Drei-
viertelsäulen, welche die, nach innen sich verengende Leibung in sechs Felder theilen, deren
Felder mit Laubwerk auf das zierlichste geschmückt sind. Von diesen Säulen haben sich blos die
Capitäle erhalten, welche auf der linken Wandung mit Weinlaub , auf der rechten aber grössten-
theils mit Akanthusblilttern umschlungen sind. Die elegante Zeichnung und energische Ausführung
dieser Ornamente zeugt eben so von dem Gcschmacke und der Kunstfertigkeit des Künstlers , wie
die prachtvolle Composition des Arabeskenschmuckes, welcher die zwölf Felder der Leibung
bedeckt. Weinlaub, Kleeblatt und Distel boten die Elemente dar, aus welchen in lebendigem
Schwünge und zierlicher Mannigfaltigkeit der Schmuck der Portalflüchcn gefügt ward. Diese
Ornamente sind aber im Gegensatze zu den meisten Kunstwerken dieser Art in sehr flachen
Reliefs ausgeführt, und stellen sich wie ein reicher, die Portalleibung schmückender Teppich dar.
Die schlanken Schäfte der Säulen sind herausgeschlagen; bestimmte, zumal an der linken Seite
des Portals walirnehmbare Spuren deuten an, dass diese Säulchen in der Mitte durch Ringe in
zwei Theile geschieden waren. Auf polygonalen, in der Mitte stark ausgekehlten Deckplatten
ruhen die einfachen, vielkantigen Unterlagen auf, aus denen sich die Gurt*: der gedrückten Spitz-
bogen, welche das Portal krönen, emporschwingen. Fünf flache Bogengurtcn und ein Rundstal)
sind mit Arabesken geschmückt, während die übrigen Rundstäbe und Gurte sich nackt dar-
stellen. Die vorspringenden Kanten der Wandung zu beiden Seiten des Portals sind abgeschrägt
und mit Weinlaub und Arabesken geziert; wahrscheinlich war ehemals der wagrechte Sturz
über dem Eingange auf ähnliche Weise geschmückt. Das von dem Portalbogen umspannte
Tympanon, mit seinen, den Anschauungen der katholischen Kirche entsprechenden Darstellungen
wurde wahrscheinlich im XVII. Jahrhundert vernichtet, an dessen Stelle ein flacher Rundbogen
gespannt und über demselben auf das kahle Mauerwerk ein mystisches Gemälde von sehr mittel-
mässigem Werthe hingepinselt. Dasselbe stellt zwei Todtenköpfe dar, aus denen Weizenähren
emporwachsen. Zwischen den Todtenschädeln gewahrt man ein Herz und an jeder Seite desselben
zwei Lilien; unter dieser Darstellung ragen zwei einander fassende Hände, von Wolken umgeben,
«mpor. Über dieser Malerei stehen folgende Wahlsprüche: „Pomni na wieeznost (denke an die
Ewigkeit), in Christo sincere et constanter. — Wiernie a stille." Jene symbolische Dar-
stellung sowohl, als auch diese Wahlsprüche entsprechen vollkommen den Anschauungen der
böhmischen Brüder, und rüliren ohne Zweifel von Wenzel von Budova her'.
Das Portal der Kirche zu Hradist ist in der Constitution , wie auch in seiner Ornamentik
durchaus verschieden von dem Portale der Lilienfelder Kirche. Das letztere, in neuerer Zeit bedeu-
tend umgeänderte Portal wurde mit Benützung der ursprünglichen Säulenanlage dem alten nach-
gebildet. Auf jeder Seite der schriig zusammenlaufenden Gewände, gewahrt man dort vier Bündeln
von je vier Halbsäulen, deren Capitäle mit knospenartig umgebogenen Blättern geziert sind. Diese
Wahrnehmung allein reicht hin, um den wesentlichen Unterschied der Form und der Verzierungs-
weise beider Portale zu kennzeichnen.
1 In den FnndpnilM-n des Oriente» wird, Seite 502, die Meinung geäussert, daas jene», am Thore zu HradiSt »ich darstellende
.Sinnbild von den Tempelherren herrühre. Jene Darstellung bezieht sieb offenbar »uf die Stelle der hciL Schrift (Jon. K. 12,
V. 24,. „Wenn da» Weizenkorn nicht in die Erde füllt und erstirbt, so bleibt es allein; wenn es aber erstorben ist, trägt es
viele Früchte». - Ausführlich schrieb Uber jene Abbildung Millauer in Grafs „Geschichte der Tempelherren in Böhmen.*
Prag. 1835.
Digitized by Google
142
J. E. Wocel.
Aus den Trümmern der Hradister Kirche wurden mehrere Säulen capitälle und ein Schluss-
stein (Fig. 2) hervorgezogen. Diese Capitllle sind mit breitem, zierlich geschwungenem BlHtter-
werk bedeckt, und ihre oberen Thcile haben die, dem Lber-
gangsstyle eigenthtimliche, an die romanische Form mahnende
Ausladung; sie gehörten offenbar dem Chorumgange an, denn
die Hülse derselben sind kreisrund und man fand in ihrer Nähe
Hruchstücke von gerundeten Süulenschäften. Dass nun diese
Säulenform nur auf die, den niedrigen Chorumgang begrenzenden
Säulen und keineswegs auf die Stützen des Langhauses bezogen
werden kann, ergibt sich aus der Betrachtung der aufgedeckten
Basamente der Pfeiler, und jener zum Theil in das Mauerwerk
eingelassenen machtigen Pfeiler im ehemaligen Kirchenschiffe.
Der Chorumgang zu Lilienfcld wird hingegen nicht von Rund-
süulen, sondern von schlanken achteckigen Pfeilern gebildet,
deren Capitüle ein eigentümliches, aus massiven schilffürmigeii
Blattern , deren Spitzen in Kugeln auslaufen , bestehendes Ornament haben , welches von kegel-
förmigen Consolen getragen wird. (Vergleiche Jahrbuch der k. k. Central -Commission, IL Band,
pag. 115.)
Die achteckigen Deckplatten der Hradister Säulencapitäle deuten an , dass sie die Unter-
lagen von acht Gewülbgurten bildeten, von denen sich zahlreiche Bruchstücke erhalten haben.
Die Vergleichung der noch vorhandenen ornamentalen Elemente der Hradister Kirche mit
jenen der Abteikirchc zu Lilienfeld berechtigt uns zu dem Ausspruche, dass, wiewohl beide Kir-
chen nach einem und demselben Plane angelegt wurden , die Detailausführung beider Bauwerke
von Architekten und Bildhauern herrührt, die, unabhängig von einander, nach eigenthümlichen,
selbstständigen Conceptionen ihre künstlerische Thiltigkcit geltend machten. Indem wir uns nach
Kunstformen umsehen, welche eine nähere Verwandtschaft mit jenen der Hradister Kirche haben,
werden wir durch die auffallende Ähnlichkeit überrascht, die zwischen den Fragmenten zu Hra-
dist und den ornamentalen Motiven an einigen der noch vorhandenen Architecturdenkmaleu Böh-
mens und Mährens aus der ersten Hälfte des XIII. Jahrhunderts herrscht. Vor allem ist es die
Kirche des, von der böhmischen Königin Constantia im Jahre 1233 gegründeten Cistercienser-
Nonnenklosters zu Tiänovic in Mähren, welche hier in erster Reihe in Betracht kommt Das Portal
dieser Kirche hat, insbesondere in seinen ornamentalen Partien, eine unverkennbare Ähnlichkeit
mit jenem zu Hradist. In beiden erscheint die Leibung der Portalwände in sechs Felder getheilt,
und zwar durch fünf schlanke Säulchen, in deren Mitte Theilungsringc vorsprangen; nur sind die
Blättercapitäle derselben zu Hradist reicher compoiiirt und kräftiger modellirt, als die Knospencapi-
täle zuTisnovic. Hingegen stehen in den, von den Säulchen eingerahmten Zwischenfeldcm zuTisno-
vic Apostelgestalten; die unteren Partieen dieser Felder sind auf ähnliche Weise plastisch aus-
geschmückt wie die Zwischenfelder der Hradister Portalwändc. Es sind aus schön styüsirteni
Laubwerk gebildete Guirlanden, die sich an den Flächen emporranken. Weinlaub, Kleeblatt, Distel
und Akanthus schmücken gleichfalls die Bogengurte des Tisnovicer Portals, ja sogar die Vogelgestalt
im ersten Felde der rechten Portalwand auf unserem Bilde findet ihr Pendent am Tisnovicer Por-
tale. Die Capitäle der Wandsäulen im Chorumgang zu Hradist, mit den auf ihnen aufruhenden
Gewölbfragmenten entsprechen der Form nach den aus den Mauern der Seitenschiffe hervor-
tretenden Dreiviertelsäulcn zu Tisnovic. In beiden sind zur Festigung der Punkte, wo die Gurte
auf den Deckplatten aufruheu , Blcndschilde mit oben abgerundeten Kanten angebracht und die
Capitüle dieser Waudsäulen haben in beiden Architectur - Denkmalen die, dem Cbergangs-
Digitized by Google
Die Bal-bkste deu Cistercieksebkibcdb JIradiSt.
143
style eigene starkrippige Blattform mit knollenförmig umgebogenen Spitzen ; selbst die Capitlil-
forinen mit ausgezackten, in doppelter Lage angeordneten Blättern kommen an einigen der
TUnovicer Wandsäulcn ebenfalls vor. Ferner sind die Capitäle der ehemals freistehenden SiUllcn
zu Hradist auf gleiche Weise mit Laubwerk geziert, wie die Capitäle und Consolen im Kreuz-
gange zu TiÖuovic. Noch auffallender aber (ist die Ähnlichkeit der Sshilenkniiufe von
Hradist mit den CapitUlen der Halbsäulen, welche den, auf dieselbe Weise profdirten, auf
Blendschilden aufruhenden Gewölbgurten der St. Agneskirche zu Prag zur Stütze dienen.
Vergleicht man ferner den mit breitem, kräftigen Blattwerk ornamnntirten SehlussBtein aus
den Hradister Trümmern, mit den , auf gleiche Art gezierten Schlusssteiuen aus der St. Agnes-
kirche, so wird man noch mehr geneigt, die Ansicht auszusprechen, dass die Form und Anord-
nung dieser architektonischen Motive einer, zu derselben Zeit sich entwickelnden einheimi-
schen Kunstrichtung angehören. Die St. Agnes- (eigentlich St. Franciscus-) Kirche wurde von
Agnes, der Tochter I*remyal Otakar'a I. um das Jalir 1234 gegründet und um dieselbe Zeit wurde
wahrscheinlich auch die Abteikirche zu Hradist ausgebaut.
Die schönen, einander entsprechenden Motive der Pflanzenornamente an den Schlusssteinen
und Capitälcn zu Hradist, Tifinovic und in der St. Agneskirche, insbesondere aber die verschwen-
derisch mit Arabeskenschmuck ausgestatteten Portale der beiden erstgenannten Kirchen, deuten
auf einen südlichen, italienischen oder, was wahrscheinlicher ist, französischen Finfhiss hin, der
sich vielleicht zur Zeit des Sazauer Abtes Reginhard in Böhmen eingebürgert und daselbst später-
hin eigentümlich entwickelt hatte 1 . Die weichen Formen der plastischen Bildwerke an jenen
Portalen sind weit entfernt von den strengen und massvollen, aber auch nüchternen Formen und
Ornamenten, die sich an deutschen Baudenkmalcn des Übergangsstyles darstellen. Die Forschung
weiset somit auf die Thatsachc hin, dass sich im XIII. Jahrhundert in Böhmen und Mäliren eine
eigentümliche Kunstschule entwickelt hatte , deren bedeutendste Werke leider von der Ober-
fläche der Erde lüngst verschwunden sind. Die grosse Anzahl und Pracht jener Kirchenbauten
veranlasste ja selbst einen, mit den Kunstdenkmalen der südlichen Culturlünder vertrauten Kenner.
Aeneas Sylvius, zu der Behauptung: „Nullum ego regnum aetate nostra in tota Europa tarn fre-
quentibus , tarn augustis , tarn ornatis templis dicatum fuisse quam Boe*miam , reor ! J
Im südlichen Arme des Querschiffes der Hradister Kirche wurden im Jahre 1853 beim
Wegräumen des Schuttes Grabplatten aufgefunden, welche die Ocflnungen der in Felsen aus-
gehauenen Gräber verschlossen. Die bedeutendste derselben ist die Grabplatte des Jenko von
Wartenberg, deren bereits in der Geschichte des Klosters erwähnt wurde. Es ist eine Platte von
rothein Marmor, von mehr als 6' Länge ; auf derselben gewahrt man die tief eingegrabenen Con-
touren einer männlichen und einer weiblichen Gestalt, wie auch die undeutlichen Umrisse zweier Wap-
penschilde, und lilngs den Bändern der Platte zieht sich folgende, theilweise unlesbare Aufschrift:
A.D. MCCCLXIX . V . KA . OCTO
OBIT . 1ENCO . D . WARTE . . DMN
I . VESE VXOR ... VA . DNA
El A . O . A . D . MCCCL .
(Anno Douiini MCCCLXIX . V . Kalcndas octobris . . obiit Jenen de Wartenberg dominus in Vesele . . .
ujor Biia domina Elisabetha . obiit A. D. MCCCL.)
1 Reginhard!» — Metcnsi« genere — — fait in eo peritia pirurere vel »culpere qna»libet imngim'R \igoo vid osw vel <-ii.im
div<!r»i Könens DietAllo, fabrili« quoquci non ignarus fuit artis, et omni», quae ex vitro fieri »olet, compositiouis. Cosmae ( ontin.
Digitized by Google
1U
J. E. Wocei..
Man bemerkt deutlich, dass auf diesem auffallend grossen Grabsteine Figuren von
Metall befestigt waren, und das» Metallstreifen in die roh eingemeißelten Umrisse, sowohl der
Figuren und Wappen , als auch der Umschrift eingelassen waren. Leider ist dieser hochwichtige
Grabstein arg beschädigt und liegt gegenwartig in der 8t. Annakirche der Stadt Münchengrätz,
wo er nach seiner Restaurirung aufgestellt werden soll.
Jenco (Jesco, Jesek = Johann) von Wartenberg und Wessele war unter Karl IV. Oberst -
landkämnierer (vom Jahre 1353 — 130O), worauf er zu der Würde eines Oberstburggrafen erhoben
ward. In Palacky's synchronistischer Uebersicht der höchsten Würdenträger Böhmens- 1 wird
dessen Amtsverwnltung als Oberstburggraf vom Jahre 13f»Ü— 137« angegeben; die Aufschrift
auf dessen Grabstein gibt aber den 27. September 1369 als den Tag seines Hinscheiden« an.
Der zweite wohlerhaltene Grabstein (Fig. 3) ist aus hartem Sandstein , misst W Länge und
1' 10" Breite. In der Mitte desselben stellt sieh ein Krummstab von alterthümlichcr Form dar. Die
7t B B K S ■ IM GRS 3)ll?.yi RPK CS I Ei S
>
Form der Buchstaben der lHngs dem Kunde sich hinziehenden Aufschrift weiset auf die erste
Hiilftc des XHI. Jahrhunderts hin. Dieselbe lautet:
..Iii nonas niarcii 0 quondam Tenerabilis Patting alibas in Orcdis vir paciens et mitis- '.
Leider wird in der Aufschrift das Todesjahr nicht angegeben. — Nicht weniger interessant
ist eine dritte Grabplatte (Fig. 4) von demselben Material wie die vorbesehriebene. Ihre Höhe ist
D
ffi
O
E
Fig. 4.
5' 8", die Breite 2' 3". Die Mitte der Platte nimmt ein Schild von der Form eines gezogeneu
' Dus H in der Aufschrift iM Ziichnct das ni^ruiu ttieta «ier Atta = f-
Digitized by Google
Die Backeste der Cisterciexse&kircue IIradist.
14.1
Fl*. ».
Dreieckes ein , auf dem keine Spur irgend eines Wappens sichtbar ist. Der Schild ruht
auf einem nackten Schwert, dessen Griff eine Hand umfasst halt. Die Umschrift enthalt die
Worte :
„Hic jacet dominus . . . Nitolaus de Ceietic cum liberis suis in nomine Domini. »
Heide Grabsteine wurden in jüngster Zeit in die Filialkirche der Dorfes Kloster Uber-
tragen
Ausse r diesen Grabplatten wurde noch im südlichen Kreuzarme der ehemaligen Klosterkirche
ein Grabstein aufgefunden, an dem sich ein der Länge nach in zwei Felder getheilter Schild mit
s ehicfgelegten Querbalken darstellt. Auf diesem Steine gewahrt man blos die Buchstaben W. V. Z.V.
Der Charakter der Buchstaben und die heraldische Behandlung des Wappens weisen auf den
Schluss des XVI. Jahrhunderts hin. Jedenfalls wird durch diesen Grabstein bestätigt, dass noch
im XVI. Jahrhundert die Klosterkirche zur Begräbnissstätte diente.
Im Jahre 1853 wurden überdies und zwar im ehemaligen Mittelschiffe der Kirche, dem
Portale gegenüber, die Reste des ehemaligen Kirc henpflas ters gefunden, welche wegen
ihrer Eigcnthümlichkeit eine besondere Beachtung verdienen. Es ist ein aus Thonfliesen gefügtes
Mosaikfragmeut, dessen Lange 4 Klafter und die Breite 1 — 2 Klafter betrügt. Die Fliesen haben
einen farbigen , theils rothen, theils schwarzen oder gelb-
lichen Überzug und waren grösstenteils in Bandstreifen
augeordnet, welche sieh zu einem zierlichen, das Auge
durch harmonische Mannigfaltigkeit anziehenden Ganzen
fügten. Die einzelnen Thonfliesen stellen sich als Qua-
drate, Kauten, Zickzackornamente oder als rothe ver-
schlungene Blinder dar, in deren Knotenpunkte cylin-
derförmige Thonziegeln eingelassen sind. Die rothe
Farbe, welche im Gesammtbilde dieser eigentümlichen
Mosaik domiuirt, ist nachViollet-le-Duc's Bemerkung* ein
Kennzeichen, dass dieses Werk aus der ersten Hälfte des
XIII. Jahrhunderts herrührt. Die Fig. 5, ü, 7, zeigen die
Art und Weise der ZusammenfÜ^un«; der verschieden-
artigen Thonplatten, von welchen eine bedeutende Anzahl
dem böhmischen Museum übergeben wurde.
Da sich eben im Mittelschiffe, dessen Pflaster durch
häufiges Betreten am meisten leiden musstc, jenes Frag-
ment des glänzenden Bodenschmuckes vorgefunden hatte,
so müssen wir daraus schliesscn , dass sich das Mosaik-
pflaster Uber den ganzen Fussboden der Kirche erstreckte,
und insbesondere, dass ein solches im Presbyterium , als
der bedeutungsvollsten Stelle des Gotteshauses, wahrscheinlich in erhöhter Zierlichkeit ange-
ordnet gewesen war. Die aufgefundenen Bestandteile der Mosaik waren durch einige Steinplatten
unterbrochen, welche entweder die Stellen andeuteten, wo ehemals Grabsteine lagen oder, was
walirscheinlicher ist, die Unterlagen zerstörter Mosaikpartien bildeten.
Der Gebrauch, den Fussboden der Kirchen mit bunten Thonfliesen zu verzieren , lässt sich
auf die Mosaik der Römer zurückführen, deren weitere Modifikation das, aus bunten Steinen gefügte
' Diese Kirche ist ein kleiner apätgothiachcr Bau, itebt aber ohne Zweifel an der Stelle einer älteren Kirche, die in
Zeit, als das Clstcrdeuaerkluatcr gegründet ward, erbaut wurde. Ein kleine* in dieaelbe eingemauerte! Portal trägt
de» Übergangaatjle». — » Viollet-le-Duc, Dictionnairc de l Architect. franc, IL pag. 204.
Fig. 7.
IX.
)igitized by Google
14«
J. E. Woi-Ei..
sogenannte Opus Alcxandrinum war, welches im frtlhcrn Mittelalter iu Italien, seltener in Frank-
reich und England, angewendet ward. Häufiger wurde das Pflaster aus hartem Kalkstein gefügt und
mit gravirten Ornamenten, welche mit Blei oder buntfarbigem Mastix ausgefüllt wurden, verziert.
Ncbcu dieser, allerdings kostspieligen und dabei sehr vergänglichen Verzierungsweise des Kirchen-
pflanters entwickelte sich, vorzüglich in Frankreich, die Technik des Pflasters aus bunten Thon-
fliesen. Herrliche Muster einer solchen, aus Thonziegeln gefügten Mosaik hüben sich in einigen
Scitcncapcllcn zu St. Denis in Frankreich erhalten. Seltener kommen in Deutschland Ucberreste
solch einer Fliesenmosaik vor, wie z. B. die aus bunten, viereckigen Ziegclplilttch.cn gebildeten
Grabplatten einiger Glieder des mecklenburgischen Fürsteuhauses (aus dem XIII. Jahrhundert) in
der Klosterkirche zu Doberan und die Fliesen aus dem Kloster Zelle im Museum zu Dresden. In
Oesterreich sind Fussböden aus Fliesen von derselben alterthilmlichen Technik , wie sie unsere
llradister Mosaik weiset, bisher nicht bekannt geworden; hingegen findet mau Fliesen von gebrann-
tem Ziegelthon mit eingedrückten Verzierungen und heraldischen Thiergestalten iu einzelnen Exem-
plaren ziemlich häufig vor. Diese Art von Verzierung der Fussbodeu gehört aber grösstenteils
dem XV. und XVI. Jahrhundert an.
Oben wurde bereits erwähnt, das« wir in der Lage sind, nach dem Vorbilde der Kirche zu
Lilienfeld uns eine Vorstellung von der Gesammtanlage der ehemaligen Kirche des Klosters Hradist
zumachen. Wenn wir nun, um dieses Nachbild zu vervollständigen und in seiner Individuaütilt auszu-
führen, die in diesem Aufsatze geschilderten eigentümlichen Elemente : die BundsHulenin.it ihren Capi-
täilcn und Gewölbrippen, die Schlusssteine, das prachtvolle Portal und insbesondere den glänzenden
Schmuck des Fussbodens der Kirche an die jedem dieser Elemente entsprechenden Stellen hinein-
tügen, so stellt sich uns ein prachtvolles imponirendes Bauwerk dar, dessen bildliche Darstellung
einem gewandten Zeichner und Kenner der Architectur des Mittelalters nicht schwer fallen dürfte.
Der Versuch einer solchen bildlichen Reeonstruirung ist meiner Ueberzeugung nach wenigstens
eben so berechtigt, wie die graphische Wiederherstellung der antiken Tempel zu Selinunt, Agri-
gent oder des Zcustempels zu Samos, des Athenaetempels zu Bricnne, des Tempels der Diana
zu Magnesia u. s. w., von denen sich nur Trümmerhaufen oder blos einzelne Süulcnfragmentc
erhalten haben , und welche die Altertumskenner , den im Tempelbau der Alten waltenden Ge-
setzen folgend, in ihrer ursprünglichen Gestalt in Bildern darzustellen pflegen. Jede Epoche des
Mittelalters hatte ihre eigentümlich nuancirten Stylgesetze; es hängt nur davon ab, dass berufene
Künstler sich mit diesen Gesetzen vertraut machen und, auch die nationalen Eigenthümliclikcitcn der
mittelalterlichen Architectur mit Entschiedenheit auffassend, aus den vorhandenen Kesten bedeu-
tender Baudenkmale des Mittelalters die ursprünglichen Anlagen derselben unserer Gegenwart in
Bildern vorführen, welche eben so belebend auf das Verstündniss der culturhistorischen Momente
des christlichen Mittelalters einwirken würden, wie die allgemein verbreiteten Abbildungen der
heidnischen Tempel zur richtigen Auffassung des Culturlebens der antiken Völker beitragen.
tr..l,r..,.. I « . v.-t" — n,ik u, k . k H.l -ml iluMfmm. i« W»..
Digitized
147
Die Siegel der österreichischen Regenten.
Von Kahl von Sava # ).
I. ABTHEILUNG.
Einleitung.
er Gebrauch, den Urkunden die Siegel des Ausstellers und der Zeugen als Bestätigungs-
zeichen aufzudrucken oder anzuhängen, durfte in Deutschland unter Kail dem Grossen begonnen
haben, obgleich in den Zeiten der Karolinger die Diplome der Grafen und Herzoge grössten-
theils durch deren Namens unter sclirift bestätigt sind'. Bei den älteren Urkunden wurden über-
dies noch am unteren Rande Leder- oder Pergamentstreifen durchgezogen und in diese von den
Zeugen Knoten geschlungen, daher die Zeugen auch nodatores hiessen. Bei dieser altherkömm-
lichen Einrichtung verblieb man selbst lange nach der allgemeineren Einfülxrung der Siegel*.
Als in späterer Zeit die Schreibekunst unter den Laien immer seltener wurde, mochte man
auf ein anderes Mittel sinnen , welches andeuten sollte dass der Aussteller der Urkunde mit dem
Inhalte derselben bekannt und einverstanden sei , und glaubte ein solches in dem Beifugen der
Siegel, sowohl des eigenen als auch jener der erbetenen Zeugen, gefunden zu haben.
In Österreich ist das älteste Fürsteusiegel jenes von Emst I. (reg. 1056 — 1075); von seinem
Sohne ist keines bekannt; dagegen beginnt mit seinem Enkel, Leopold dem Frommen, die unun-
terbrochene Reihe der österreichischen Furstensiegel.
Allmählich wurde das Aufdrücken oder Anhängen der Siegel bei den Urkunden der Kaiser
und Könige, so wie der höheren Fürsten, eine nothwendige Kanzleifeierlichkeit, und in mehr
oder weniger umfangreichen Formeln lesen wir in öffentlichen so wie in Privaturkunden, dass die
Siegel angehängt wurden, als Zeichen der Wahrheit, als eine dauernde Bekräftigung, damit die
Sache stät und unzerbrochen bleibe, als ein Schild gegen Übelwollende und eine Bestärkung
gegen jede Einwendung.
*) Wir glnnben diene ausführliche Abhandlung am nn mehr in den „Mittheilnngcn" niederlegen zu tollen, »1» nach
Karl von 8ava wohl kaum Jemand kommen dürfte, der sich au eifrig mit der österreichischen Sicgvlkundc bcaebÄftigt, wie
er. Möge ihm damit in diesen Blättern zugleich ein dauernde« Andenken geactxt »ein. da e» die letzte »einer Arbeiten war,
die ihm noch auf seinem Sterbelager die einzige Erheiterung bot , nnd die er als eine Art von wi«»en»chaftllcbem Vermächt-
nis» in die Hände der k. k. CVntral-Commfesion niederlegte. D. R.
' Heinneccius, 27. — * (iruber, Lehrbuch der Piplouiatik 1, 204.
IX. »1
Digitized by Google
US
Kari. von Sava.
Dabei ist manchmal angegeben, das* der Aussteller kein eigenes Insiegcl habe und darum
eine andere Person ersuchte, die Urkunde mit ihrem Siegel zu bestätigen , ihr ohne Nachtheil und
.Schaden. Man wollte aus solchen Fallen die Behauptung aufstellen , dass nicht Jedermann zur
Führung eines Siegels berechtigt gewesen sei; allein in der bei weitein grösseren Zahl dieser Fülle
bedeutet die Formel: „eo, quod proprio sigillo carcam" oder „da wir nicht eigen Insiegel haben"
nichts anderes , als dass der Aussteller der Urkunde sich entweder noch kein Siegel machen Hess.
■ oder dasselbe zufälligerweise nicht bei sich hatte; denn wir treffen eben jene Formeln bei Per-
sonen , Uber deren Siegclberechtigung kein Zweifel obwaltet. Um nur einige Beispiele anzuführen :
Johann von Witolzhofcn verbindet sieh im Jahre 1353 in einer Urkunde für das Stift Pollingen
unter dem Siegel seines Bruders, weil er kein eigenes hat, im Jahre 1367 dagegen siegelt er mit
seinem eigenen Insiegcl 1 . Herzog Rudolf IV. von Österreich, dessen Bruder Herzog Friedrich
und Johann Bischof von Gurk, der Kanzler des ersteren, geben dem Ulrich Strobmayr, Bürger
zu Nürnberg, eine Urkunde über schuldige Zehrungskosten zu Schwabach am Freitag vor St.
Thomastag 1360, besiegelt mit Herzogs Rudolfs Siegel, unter dem sieh auch Herzog Friedrich
und der Bischof verbinden , weil sie „nicht eigen Insicgcl haben* 1 .
Wenn Fürsteu nicht mit dem gewöhnlichen Siegel, sondern mit ihrem Petschafte siegeln,
so pflegen sie dieses in der Urkunde zu bemerken 3 , denn auch die Siegelung mit dem Petschafte
geschah entweder, weil das Siegel nicht zur Hand war oder weil der Fürst noch kein eigenes
Insiegel hatte. Im letzten Falle geschah es bisweilen, dass die mit dem Petschafte ausgefertigten
Urkunden in spaterer Zeit unter dem fürstlichen Siegel neuerdings bestätigt wurden. Besonders
interessant sind zwei Urkunden Herzog Rudolfs IV., beide vom 20. August 1360, in der einen
ertheilt er dem Richter und Rath von Klosterneuburg das ausschliessliche Privilegium, die
Fertigungen über alle Güterverkäufe in der Stadt und den Vorstädten daselbst auszustellen; die
andere ist eine Verordnung wegen Ablösung der Uberzinse in Klostemeuburg, Wiedererbauung
der wüstliegcnden und Befreiung der neuen Häuser auf drei Jahre von allen Steuern vom Tage
des beginnenden Baues. Beide Urkunden sind mit dem grossen anhängenden Siegel der Stadt
Wien bestätiget, weil sich der Herzog nicht in Österreich befindet; sobald er aber zurückkehrt,
will er sie mit dem fürstlichen Siegel bestätigen*.
Übrigens gab es dennoch Verhältnisse, unter denen der Aussteller der Urkunde wirklich
sein Siegel nicht haben konnte, und zwar, wenn er eben Wappen, Helm und Schild nebst dem
Siegel an einen Anderen verkauft hatte, so wie Hans Tragauer, welcher im Jahre 1168 sein
Wappen, nämlich einen schwarzen Schild mit einem weissen Sparren, dessen „Örtcr aufgekehrt-'
sind und die „Flug auf dem Helm derselben Varib" nebst seinem Insiegel an Pilgrim von Wolt's-
thal verkauft, und da er nun r nicht eigen Insiegel-' mehr hat, sich unter den Siegeln Rudolfs von
Stadcck und seines Schwagers Niklas Grucbcr von Chublitz verbindet, das verkaufte Wappen
nie mehr zu führen 5 . Derlei ganze oder theilweise Verkäufe, Tausche oder Vererbungen von
Wappen, und Änderungen der Siegel kommen Öfter vor", da die Wappen als Lehen mit Be-
willigung des Lehensherrn veräussert oder verschenkt werden konnten.
Die Rechtskraft der Siegel war anerkannt ; wir entnehmen dies den Vorkehrungen gegen
Siegel Verfälschungen, deren wir später erwähnen werden, so wie aus Verordnungen ; unter anderem
i Mon. boic. X, tOG, 1.19, 140. - * Stierer: commentaria pro histor. AlbertJ II. addit. eol. 313. — * S.d.fblg. Verivichnii»
Nr. 90, 105, 117. — * Kaiserl. Haan- und Klosterneuburgcr Stadtarchiv. — I.ichnowsky, Geschiebte de» Hauses Habsburg, IV,
paff. DXCV1I. seq. Nr. 204 und 208. — b Wurmbrand: collcctanes geuealog. 75. Da» beschriebene Wappen sing von den
Herren von Wolfsthal an die Fürsten von Windischgriitz Ober. — ■ Lentold von Regensburg verkauft einen Theil »eines Wap-
pen«, den Brakcnkqpf und das Helnikleinod am 3t> Mark Silber an den Burggrafen Friedrich von Nürnberg, I30O. welcher
darüber mit den Grafen von Otlingen in Streit geratb. (Ötter. Geschichte der Burggrafen von Nürnberg. 1. Versuch. 70;.
Über Vergleiche und Vererbungen siehe Wunnbrand, I. c. 20, und Horroayr'. Taschenbuch. 27. Jahrgang. 9ter der neuen
Folge. Berlin, Reimer IM«, pag. 273—27«.
Digitized by Google
Die Siegel der ("Sstekreichischen Kegektkn.
149
sagt Kaiser Siegmund : „Man soll wissen, dass im geistlichen und weltlichen Stand alle Dinge
bestätiget und besfestiget sind mit dem Insiegel, und es bezeichnet auch alle Wahrheit; wenn
eine Sache verbrieft ist, so soll es bestätiget werden durch das Zeichen der Wahrheit, das ist
das Insiegel. Brief und Siegel sind bei Eiden erkannt, darum sie auch bestehen sollen" '.
Eine Urkunde ohne Unterschrift und an welcher keine Spur zu treffen ist, dass sich je ein
Siegel daran befand, kann daher mit ziemlicher Gewissheit als eine unausgefertigte, nie in Wirk-
samkeit getretene betrachtet werden. Urkunden ohne Siegel, aber mit deutlichen Spuren, dass
solche vorhanden waren, kommen häufig vor; Alter, sehlechte Aufbewahrung, verbunden mit dem
Umstände, dass die Siegel, ob aufgedruckt oder angehängt, gar nicht gegen Verletzung geschützt
waren, mitunter auch Indolenz, sind mchrenthcils die Schuld ihrer Zerstörung. Bisweilen wurden
die Siegel aber auch vorsätzlich abgeschnitten, wenn bei Schuldbriefen. Burgschaftsurkunden
u. s. w. die eingegangenen Verpflichtungen erfüllt worden waren; dieses Abschneiden der Siegel
war einer Annullirung der Urkunde gleich, und durch die Rückgabe des Siegels wurde der Schuld-
ner oder Bürge von seiner Verpflichtung losgesprochen s .
Bei dieser wichtigen Rolle, welche die Siegel hu Rechtswesen des Mittelalters behaupteten,
war es natürlich, dass frühzeitig einerseits Versuche zur Verfälschung derselben gemacht, anderer-
seits Vorsichtsmassrcgeln und scharfe Verordnungen dagegen erlassen wurden; hauptsächlich
suchte man dem Missbrauche der vorhandenen Siegelstempel, womit gesiegelt wurde, so wie der
unberechtigten Anfertigung derselben vorzubeugen.
Die Siegelstempel (typare, typarium) der Kaiser und Könige, befanden sich in der stren-
gen Verwahrung des Kanzlers, oder in dessen Abwesenheit in jener des Pfalzgrafen*. Bis in
die neuere Zeit niusste der Krzbischof von Mainz als Reichskanzler bei der Inauguraltafel des
Kaisers das grosse Siegel am Halse tragen, bis zu Ende der Tafel, worauf es nach Anordnung der
goldenen Bulle Kaiser Karl IV. auf einem prachtvoll geschmückten Pferd e in die Kanzlei zurück-
gebracht wurde 4 . Die Siegel regierender Fürsten befanden sich in den Händen ihrer Kanzler oder
besonders vertrauungswürdiger Notare 5 . Bei den Byzantinern bildete sich das Amt des Grosslogo-
theten, in England und Frankreich jenes des Gross-Siegclbewahrcrs aus. Mit gleicher, oft über-
triebener Sorgfalt, wurden die Siegeltypare der Domcapitel und Convcnte aufbewahrt".
Nach dem Tode des Fürsten wurden die Stempel, um Missbrauch zu verhüten, Klöstern,
besonders Frauenklöstern zur Aufbewahrung übergeben; so verordnete König Philipp August von
Frankreich in einer Urkunde vom Jahre 1 208, dass die Sororcs leprosariae de Salceyn seine gol-
denen Siegel haben sollten, was auch die Könige Ludwig VIII., IX. und X. thaten, der Letztere
fügte auch noch die silbernen hinzu'. Wahrscheinlich ist hier nur von den Siegelringen und
den Handsiegeln für den Privatgebrauch die Rede. Bisweilen wurden die Stempel mit dem Be-
sitzer derselben begraben , wie der zu Tournay im Grabe des fränkischen Königs Childerich auf-
gefundene Ring beweist"; eben so wurden dem Erzbischof Otto von Magdeburg (1325 — 1361)
seine sämmtlichen Siegelstempel mit in daa Grab gelegt 9 . Am häutigsten aber wurden die Siegel
nach dem Ableben der Fürsten zerschlagen, wie die Fischerringe der Päpste; so befahlen auch
Herzog Albrecht V. von Österreich und Pfalzgraf Christoph am 11. October 1437 dem kaiser-
lichen Kanzler Kaspar Schlick, Freiham von Bassano, nach dem Tode Kaiser Siegmund's dessen
» Siegel zu zerbrechen' 0 . Dieses Zerstören des Stempels geschah entweder durch förmliches Brechen
' Heinnecciu», 1. c. JO. - * Splcss, archlvischc Nebenarbeiten, II. 2 und 3 führt ein Beispiel an, wo die llürge» die Rück-
gabe ihrer Siegel verlangten. Anno 1551. — » Heinnecciu», I. c. 12. — * Der Furst-Priwa» Freiherr von Dalberg liens «ich auf
.lern l.ehensaicgel fUr da* Füntenthum Aachaffenburg, noch 1804, mit dem auf der Brual hängenden Reichaairgcl abbilden. —
•' IVz. Codex dipl. eptat. II, 18«, 187. — « Die mittelalterlichen Siegel der Abteien und RegularaÜRa in Österreich. Jahrbuch
der k. k. Central-Comroiajiion, HI. Hand, pag. lyy. — 1 Heinnecciu», L c. 15 und Gruber'* Lehrbuch der Diplomatik, 1, 2o5. —
» Grober, I. c. I, 20.',. - » Lcpaiu», Sphragiatlache Aphorismen, I. Heft, - >« Hanthaler, Fauli campil. 11, M7.
21 *
Digitized oogle
150
Kahl vos Sava.
und Zerschlagen , oder es wurden in den Stempel mit einem spitzigen Instrument hie und da Ver-
tiefungen gehauen' oder Risse Uber denselben gemacht. In diesem Gebrauche, die Stempel nach
dem Tode des Fürsten zu vernichten, ist auch der Grund zu suchen, dass sich von den Siegeln
unserer Fürsten bis einschliessig Kaiser Friedrich III. kein einziges Typar erhalten hat. — Der
Fall , dass der Nachfolger da» Siegel seines Vorfahren gebrauchte und nur den Namen abändern
Hess, kommt bei den österreichischen Fürstensiegelu im Mittelalter nicht vor*.
In gleicher Weise wurden auch die Siegel geistlicher und weltlicher Communitäten ausser
Gebrauch gesetzt; so kam die KUsterin des Klosters Kubach im Jahre 1418 vor das offene Ge-
richt zu Aychach und zeigte die Conventsiegel; in das eine war der heilige Magnus gegraben,
das wollten sie verändern und hatten ein neues machen lassen, darin der Convent gegraben
war. Da Hcbs der Landrichter «las alte zerschlagen und jede Urkunde, welche damit nach dem
Datum dieser Handlung besiegelt wäre, als ungültig erklären und gab dem Convente einen Ge-
richtsbrief zur Bestätigung des neuen Siegels*.
Wenn die Siegel in Verlust geriethen oder verfälscht worden waren, so wurden sie im erste-
ren Falle verrufen*; im letzteren Falle wurden die Urkunden einberufen und mit dem neuen echten
Siegel neuerdings bestätiget; dies geschah besonders hUufig in Ungarn, so unter Andreas II.,
dessen drittes Siegel sogar in seiner Umschrift eine Verrufung der beiden früheren enthält, indem
die dritte Zeile der Umschrift lautet: Alia sigilla sunt falsa, istud Bigillum est verum*. So berief
auch Kaiser Sigmund im Jahre 1406 alle vom Konig Ludwig, so wie von den Königinnen Klisa-
beth und Maria ausgestellten Urkunden binnen Jahresfrisst zur neuen Bestätigung ein, bei Strafe
der Ungültigkeit*. Nachdem bei einem Brande des Feldlagers die Typare der goldenen Bulle und
deB Reichssiegels Kaiser Friedriche II. in Verlust gerathen waren, warnt derselbe vor den, mit
diesen Siegeln bekräftigten Urkunden und verbietet, ihnen Glauben zu schenken. Ein anderesmal
wurde ein Mönch mit einem gefälschten kaiserlichen Siegel aufgegriffen, Friedrich sendete den
falschen Stempel unter seinem Ringsiegel einem Abte zur Aufbewahrung, um weitem Missbrauch
zu verhüten, und licss den Mönch einkerkern'. Als im Jahre 1457 Johann von Witowitz den
Kaiser Friedrich III. überfiel und letzterer sich nur mit Mühe in das Schloss Obcr-Cilly rettete,
fiel das Siegel in die Hände der Feinde. Friedrich liess daher bekannt geben , dass Niemand
Briefen unter seinem Namen und Siegel Glauben schenken möge, bis er sich anders erklärt habe *.
Eben so liessen auch Privatleute ihre Siegel, falls sie verloren oder nachgemacht wurden,
gerichtlich verrufen und verlangten die Vorlage ihrer Urkunden , um sie mit dem neuen Siegel zu
bestätigen: so liess Leonhard der Urbätsch sein und seines Vaters Siegel, welche durch Juden
gefälscht worden waren, in den Jahren 1388 und 1389 verrufen*; und im Jahre 1428 befiehlt
Herzog Albrecht allen Bürgermeisterndes Landes ob und unter derKnns, die verlorenen Siegel des
Hauptmanns ob der Enns, Reinpreeht von Walsee zu verrufen; wer Urkunden von ihm hat, soll
sie bis künftigen Quatember vor Weihnachten bringen '*.
Überdies suchte man der Verfälschung auch durch Gesetze in Beziehung auf die Verferti-
gung der Siegelstempel entgegenzutreten. Herzog Albert HI. und sein Bruder Leopold verord-
neten in einem Briefe für die Goldschmiede in Wien (1366), dass weder diese, noch ein Geist-
licher , ein Laie oder ein Jude ein Siegel graben soll , ohne zu wissen , dass es in rechter Weise
und unverfänglich bestellt sei. In der Bestätigung dieses Briefes im Jahre 1446 setzt Kaiser .
> Lepsin». I. c - * Spiess, Abhandlung über die Reitersiegel-Hnlle bei Gebauer, 1784, §7. — 1 Senkenbe.rg, Selccu
juris et hiatorinrum IV, 4*1. — * Heinueccius, 1. c. 12 und 14- — 4 Abguaa in meiner Sammlung Xr. 864 an einer Urkunde
vom Jahre 1233 Im Stifbnrchive von Heiligenkrcui. — « Spie»», archiviaehc Nebenarbeiten. II, 5, 6. — 7 I'ctru» de Vineia
lib. II, epUt. 41 und Üb. V, eptat. 22. — » Birken, Spiegel der Ehren de» Hauses Österreich. 635. — 9 Schlager, Wiener-
SkUien II. SO, 0O, weitere Beispiele eben da 03 und 05, «ua dem Hoffrohnbncb* vom XIV. Jahrhundert — "» Wien, am
j. Februar, 20. April und 13. September 142S. Kaiacrl. lluusareblv und Kegeaten bei Lichnowaky, I. c.
Digitized by Google
Die Sieoel per österreichischen Regenten.
131
Friedrich III. fest, dass nur anerkannte und in Wien sesshafte Goldschmiede, oder mit ihrem Vor-
wissen deren Gesellen, Siegel und Petschafte verfertigen dürfen, um Schaden und Übeltliat aus
unberechtigter Führung eines Siegels zu verhindern. Welcher Goldschmied hierin gegen die Ehr-
lichkeit Verstössen würde, soll aus der Innung ausgeschlossen werden, und sein Mciaterrecht ver-
lieren 1 . Nach einer Polizeiverordnung für die Handwerker in Wien vom Jahre 1527 waren nur
die Goldarbeiter berechtigt, Siegel zu graben, jedoch nur bekannten Personen. Wenn sie nicht
überzeugt waren, dass das Siegel ehrlich und ohne Gefährde bestellt sei, oder eine fremde
Person Siegel oder Petschaft zu graben begehrte, so mussto dies dem Bürgermeister angezeigt
werden, und die gestochenen Siegel wurden bei dem Magistrate in einem eigenen Buche ver-
zeichnet 5 .
In Beziehung auf Diplomatik ist hier zu bemerken, dass ein falsches Siegel allein nicht
gegen die Echtheit der Urkunde beweiset, wenn nicht auch andere Kriterien dagegen stimmen;
denn die Wichtigkeit der Siegel, verbunden mit dem Umstände, dass sie leicht beschädigt oder gar
zerbrochen werden konnten, mochten den Besitzer einer wichtigen Urkunde wohl zu Versuchen
bewegen, einem solchen unverschuldeten Rechtsmangel abzuhelfen, um nicht zu Schaden zu kom-
men; eben so wenig aber entscheidet ein echtes Siegel für die Echtheit der Urkunde; denn einer-
seits kann der Inhalt der letzteren durch Abänderungen entstellt, andererseits das echte Siegel
an eine ganz falsche Urkunde Übertragen worden sein.
Das Materiale, in welches die an den Urkunden befindlichen Siegel abgedruckt wurden,
ist entweder Wachs oder Metall. •
Die Metalle, welche theils in Deutschland , theils bei anderen Völkern zur Besicgclung der Ur-
kunden in Anwendung kamen, sind Blei, Gold, seltener Silber, noch seltener aber Erz. Die in Me-
tall abgedruckten Siegel werden vorzugsweise Bullen genannt, daher von den Bleibullen der
Papste der Name auf die Urkunden selbst überging; die Byzantiner nennen jedoch auch die
Wachssiegel x-jjwpuA/ov afp^ioa.
Blei stand bei den byzantinischen Kaisern und Grossen im Gebrauch, eben so bei den
Patriarchen von Constantinopel; von da verbreitete eich dasselbe weiter in Europa. Heinneccius setzt
die Zeit, in welcher sich die Papste des Bleies, und zwar abwechselnd mit dem Wachse bedienten,
in das VII. und den ausschliesslichen Gebrauch des Bleies in das VIII. Jahrhundert 5 . Noch nicht
consecrirte PHpste führten blos die Vorderseite der Bulle mit den Köpfen der Apostel Petrus und
Paulus 4 . Von deutschen Bischöfen, welche mit Blei siegelten, fuhrt Heinneccius an: Bruno von
Würzburg anno 1036, Ratbod von Trier, Lienar von Bremen. Auch Konrad, Bischof von Hal-
berstadt hatte im Jahre 1206 eine Bleibulle, jedoch nur als Präses des Conciliums 5 , für das Bisthum
selbst bediente er sich eines Wachssiegels. Erst auf dem Concil zu Pisa wurde die Form der
Synodalsiegel ausgedacht, und diese bei den Concilien zu Basel und Constanz beibehalten'.
Die Dogen von Venedig bedienten sich beständig des Bleies und sollen dieses Recht vom Papste
Alexander IH. erhalten, nach Anderen aber bereits früher damit gesiegelt haben 7 . Auch König
Alphons von Portugal siegelte im Jahre 1451 mit einer Blcibulle.*
Von deutschen Kaisern und Königen sind Bleibullen bekannt von Otto III. und Konrad II.
und eine besonders schöne von Heinrich IU*.
> Chmel's Geschichtsforscher, I. — * Kaltcnhäck, Zeitschrift ISXj, Nr. >VJ, pag. 208, und Bucholts, Geschichte Kaistr
Ferdinands I., VW. 266. - 3 Heinneccius, 1. c. 49. Grober, kurzgefasstes Lchrsystcm seiner diplomatischen und heraldischen
Collegicn, Wien, I7W, behauptet, Gregor der Grosso habe zuerst mit Blei gesiegelt, pag. 125. — * Heinneccius, I. c. pag. 14«.
»LeyBcr, Pulycarp, de Contmsigillia, pag. 10. — « Heinneccius, T»t XV, Fig. 1 und 2. — 1 Heinneccius, I. c. pag. 47 — 4«.
Höpping de priseo et novo jure slgllloniin 59. — * Heinneccius, l. c. pag. 42—44. — » Aus demselben Typare bclindet sich
im k. k. Hausarchive auch eine GoldbuUe von Kaiser Heinrich II.
Digitized oogle
1Ö2
Kaiu. vox Savx.
Bullen von Silber und Erz kommen am liHufigßten bei den Byzantinern vor, eine silberne
Bulle Kaiser Heinricb's II. ist vergoldet und vertritt daher die Stelle einer goldenen 1 .
Eben so ging der Gebrauch des Goldes zum Besiegeln der Urkunden von den Byzan-
tinern aus, kam von da zu den Franken und den deutschen Kaisern. Von Kaiser Friedrich II.
sind drei verschiedene goldene Bullen bekannt; mich seinem Ableben verschwand im Zwischen-
reiche der frühere Glanz, und es kommen in dieser Periode keine goldenen Bullen vor. Erst mit
Kaiser Rudolf I. beginnen sie wieder, und die goldene Bulle desselben, welche an dem Be-
lehnungsbriefe Uber Österreich und Steiermark für «eine Söhne Albrecht und Rudolf hängt, ist
von zierlicher Ausführung*. Nach ihm haben Ludwig von Baiern, Karl IV. Sigmund und
Friedrich III. goldene Bullen und zwar Karl und Friedrich jeder zwei, nämlich eine königliche
»ind eine kaiserliche. Friedrich ist unter den , im nachfolgenden Verzeichnisse aufgeführten öster-
reichischen Fürsten der einzige, welcher in Gold siegelt, da von den frühern Herzogen Österreichs,
welche die deutsche Krone besassen, nämlich von Kaiser Albrecht I., Friedrich dem Schönen und
Kaiser Albrecht II. keine Bullen bekannt sind.
Die Päpste gebrauchten goldene Bullen sehr selten, so Clemens VII., an der Urkunde, durch
welche er dem Könige Heinrich VIII. vom England den Titel eines Beschützers des Glaubens
crthciltc'. In Ungarn hatten Emerich und dessen Bruder Andreas II. goldene Bullen 4 , nach Hein-
neccius siegelten im XV. Jahrhundert auch die Herzoge vom Lothringen mit Gold.
Im Gewichte waren die goldenen Bullen sehr verschieden; so schenkte Kaiser Heinrich III.
dem Kloster St. Simon und Juda einen Brief, den er von» einem griechischen Kaiser erhalten hatte,
woran sich eine Goldbulle von solchem Gewichte befand, dass daraus ein Kelch verfertigt wer-
den konnte*; dagegen bestehen andere wieder aus ganz dünnen Goldblechen , wie jene Kaiser
Friedrich'» II. im Stifte Heiligenkreuz s ; bisweilen sind die aus dünnen Goldblechen bestehenden
Bullen der grösseren Haltbarkeit wegen mit Harz ausgegossen. Bei den Byzantinern waren die
Goldbullen bisweilen mit Edelsteinen besetzt. Die goldenen Bullen wurden angewendet bei wich-
tigeren Mnjestätsacten , Gründungen von Universitäten oder Klöstern, oder um eine Person oder
eine Corporation besonders zu ehren. Übrigens hing es auch von dem Willen der Parteien ab, ob sie
ihre Urkunde mit Gold oder Wachs besiegelt haben wollten; so hat die Stadt Frankfurt am Main
das Reichsgesetz Kaiser Karl'« IV. mit einer goldenen Bulle, Nürnberg dagegen nur mit Wachs
besiegelt. Nach der Waldcapitulation Kaiser Ferdinand« III. darf ein nicht regierender römischer
König keine goldene Bulle geben'.
Häufiger als die Metalle wurde das W a c h s zum Besiegeln der Urkunden verwendet ; die
grössere Weichheit, vor allem aber die grössere Wohlfeilheit sicherten ihm den Vorzug des
allgemeinen Gebrauches; Fürsten, geistliche und weltliche Communitäten , so wie Privatpersonen
bedienten sich desselben zur Besiegelung ihrer Urkunden. Anfangs nahm man ungcfärbtcsWachs
entweder ganz oder halb gebleichtes, meistens hat es eine unbestimmte dunklere, bisweilen eine
bräunliche Farbe. Manchmal ist es durchscheinend und compact, bald undurchsichtig und
blätterig, theils in Folge des hohen Alters, theils durch Beimengung von fremden Stoffen, wie
Harz, Kreide u. s. w. — Das ungefärbte Wachs erhielt sich bei den Reiter- und Tlironsiegeln der
' Iliinmcciu«, I. c. pag. 41 and 49. — Kine schöne Silberbulle von Michael Komncnus vom Jabre J26I befindet sieb im
ktu*. Ilausarchivc. — * Die Urkunde ist gegeben zu Augsburg am 27. Decembcr 1382. Das Original befindet sieb iui kaieerl.
Iluusarchivc. Abbildungen der Bulle bei Lichnowsky, 1. c. I «ehr gilt, bei Spie»«, Abhandlung über die goldene Bulle Kaiser
Kudolfs f., minder gelungen. — a Heinneccius, I. c. pag. 36. — 1 Abbildungen: .Schwartner, introduetio in artem diplomaticam
praeeipue hungaricam. Pesth, 8°. 1790. Taf. I, Fig. 4, und Gruber kurzgefaßtes Lcuraysteni, Taf. IV, Fig. 2. Letzterer gibt
eben da aueb die Abbildung einer goldonen Bulle König OUkura I. von Böhmen, Fig. 1; mit demselben Typare aicgeltu
Otakar I. auch in Wach«. - * Heinnecciu», I. e. p»g. 37. - « Abgebildet bei Heinneceius, l. c. Taf. XVIII, Fig. 1. - * (Jruber.
kurzgefasstes LchrsyaUm etc. pag. 12«, 13<).
Digitized by Google
Die Siegel der ösTEitREiomsciiK* Rekkntks.
österreichischen Fürsten als vorherrschend bis cinschliessig Kaiser Friedricli III., dessen kaiser-
liche und königliche Majcstätssiegel ich immer in weisses Wachs abgedruckt fand; er verlieh auch
den, von ihm zu Herzogen von Modena und Reggio erhobenen Fürsten aus dem Hause Este das
Recht mit weissem Wachs zu siegeln'. Gelbes Wachs findet sich nur bei einigen Klöstern. Wachs
von entschiedener brauner Färbung kommt am häufigsten bei den niederländischen Fürsten-
.sitgeln vor, auch das grosse Doppelsiegel Kaiser SieginundV, so wie einzelne deutsche StUdtc-
siegel erscheinen in dieser Farbe. Friedrich der Streitbare hat einmal dunkles, leberbraunes
Wachs.
Bereits im XII. Jahrhundert fing man an das Wachs zu färben, und zwar anfangs roth.
Friedrich Barbarossa war der Erste, welcher rothes Wachs ge brauchte, nach ihm Philipp, doch sind
diese Fälle vereinzelt, indem bei den Thronsiegcln der deutschen Kaiser das ungefärbte Wachs
vorherrschend blieb. Auch die pitpstlichen Breve wurden roth gesiegelt. In Österreich treffen wir
zuerst bei Leopold dem Glorreichen rothes Wachs, nach ihm bei Friedrich dem Streitbaren und
bei Otakar, dann bei Albert I. als Reichsvicar; bei den drei ersteren jedoch abwechselnd mit
ungefärbtem Wachs. Die gefärbten Siegel waren anfangs einfarbig, d. h. die ganze Wachsmasse
war roth oder grün u. s. w. In der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts dagegen fing
man an das Siegelbild in eine dünne Schichte farbigen Wachses abzudrucken, und presste
dieses hierauf in einem Ballen von ungefärbtem Wachs ein, so dass das Siegelbild wie in
einer Schale vertieft lag, und dadurch theilweise gegen Verletzungen geschützt war; man nennt
diese Siegel doppelfärbige. Als Herzog siegelte Albert I. mit weissem Wachs, eben so seine
Nachfolger; Rudolf IV. ist wieder der erste, dessen Münzsiegel durchaus roth gefärbt ist,
während sein grosses Reitersiegcl doppelfitrbig, roth in weisser Schale erscheint. Nach ihm
wird wieder das weisse Wachs vorherrschend, und es finden sich nur einzelne rothe Siegel von
Leopold IV., Ernst, Albert V., Ladislaus Posthumus und Albert VI.; von Kaiser Friedrieh er-
scheint nur das Münzsiegel in rothem Wachs. *
Das eben Erwähnte von der rothen Wachsiegelung gilt jedoch nur von den Porträt-,
nämlich den Reiter- und Thronsiegeln; bei den kleineren Wappen-, so wie bei den Secret-
und Contrasiegeln dagegen behauptet «Los rothe Wachs in ungefärbter Schale das Übergewicht,
und die Siegelung mit weissem Wachs bei Friedrieh dem Schönen, Leopold L, Heinrich und
Friedrieh bildet die Ausnahme. Die Ringsiegel Kaiser Friedrich'« IU. sind auf seinen Majestäts-
siegeln in die Thronstufen bald mit rothem, bald mit weissem Wachs eingedrückt, eben so
wechselt das Contiasiegel die Farben.
Siegel in grüncmWachs, und zwar einfärbige, kommen nur bei Leopold dem Glorreichen vor.
Im XIV. Jahundert begannen in Österreich mehrere Abte und Pröpste statt des weissen,
mit rothem Wachs zu siegeln, wie jene zu Melk, Göttweih, und des Schottenklosters in Wien,
Mährend die Convente sich des weissen und grünen Wachses bedienten. Auch die mächtigeren
Adelsgeschleehter fingen an mit rothem Wachs zu siegeln, so die Grafen von Schaumburg, wäh-
rend der niedere Adel das weisse beibehielt, und das grüne Wachs der Geistlichkeit, den StÄdten und
Bürgeln überlassen wurde. Erst im XV. Jahrhundert verwendete auch der Adel grünes Wachs
zur Siegelung. Allmählich wurde das Recht, mit rothem Wachs zu siegeln, ein Gegenstand der Aus-
zeichnung; so erhielt die Stadt Krems dasselbe von Ladislaus Posthumus; Kaiser Friedrich III.
erthcilte dasselbe den Herren von Starhemberg und den Grafen von Roggendorf in den Jahren
1476 und 1480 3 . Unter den Städten siegelt zuerst Wien und zwar bereits im XIII. Jahrhun-
dert roth, Retz im XIV., Krems und Stein im XV. Jahrhundert.
1 Heinnecciu», I. c. paj:. — -' Köiuer-Iiiicliner, die Siegel der deutschen Kaiser etc. pag. 51, Xr. 73. - » Scliwerdüuic,
(ieaciliclite de» Hauses ätarhemberg, 443, und Wunulirand, eollcctanea % euealogica , IKi.
Digitized by Google
1S4
Kahl von Sava.
Bei Stallten war das Recht mit rothetn oder grünem Wachs zu siegeln, nicht gleichgültig'.
Die Stadtgerichte , welche zur rothen Wachssiegel ung nicht berechtigt waren , konnten nur
die unter ihrer Gerichtsbarkeit stehenden Personen, unter dem rothen Siegel aber, unter bestimm-
ten gesetzlichen Einschränkungen, Jedermann als Zeugen vorladen 1 .
Während wir bemerken, dass in Österreich das grüne Wachs gegen das rothe und
ungefärbte gleichsam eine niedrige Rangstufe einnimmt, siegeln dagegen die byzantinischen
Kaiser und Patriarchen, die Könige von Frankreich, die niederländischen Fürsten, namentlich
die Herzoge von Burgund, darunter auch Maria, die Gemahlin Kaiser Maximilian's I., und viele
deutsche Fürsten mit grünem Wachs.
Blaues und sc h warzes Wachs kommt bei österreichischen Fürstensiegeln gar nicht,
bei den übrigen Siegelgattungen nur höchst Belten vor.
Ein blaues Siegel von Seiz von Chuenring vom Jahre 1372* fand ich im Stiftsarchive
Heiligcnkreuz, auch die Schenken von Tautenberg siegelten blau 3 .
Der Markt Mödliug erhielt da« Recht in blauem Wachs zu siegeln von Friedrich Hl. im
Jahre und Dr. Stockhammer zu Nürnberg von Kaiser Karl V. im Jahre l. r >24*.
Schwarz siegelt Leopold von Suneck im Jahre 1262, und die Stadt Baden im XVI.
Jahrhundert *.
Die metallenen Bullen wurden mittelst Hanf- und Seidenschnüren oder Fäden an die Ur-
kunden gehängt ; die Wachssiegel dagegen wurden in der älteren Zeit den Urkunden aufgedruckt
Es geschah dies auf eine zweifache Art, entweder wurde an jener Stelle, wo das Siegel angebracht
werden sollte, in das Pergament ein Kreuzschnitt gemacht, die Ecken umgebogen und das warme
Wachs darauf gelegt; durch die Gewalt des Druckes drang ein Theil des Wachses durch die
Oefmung und bildete an der Kehrseite der Urkunde einen Knopf, welcher das Siegel festhielt; —
oder man machte in die Urkunde zwei, von einander nicht weit abstehende Einschnitte, zog
durch diese einen kurzen Pergamentstreifen und dessen Ende durch einen Wachsballen, auf den
man das Siegel druckte, welches auf diese Art gleichsam aufgeheftet war. Bisweilen war das Siegel
auch auf der Kehrseite der Urkunde angebracht.
Friedrich Barbarossa war der erste deutsche Kaiser, welcher die Wachssiegel nach Art der
Bullen den Urkunden anhängte, und eben so der, mit ihm gleichzeitige Heinrich Jasomirgott in
Österreich, dessen Siegel den Urkunden bald aufgedruckt, bald angehängt sind. Sein Sohn
Leopold hat wieder aufgedruckte, und erst nach der Erwerbung Steiermarks anhängende Siegel.
Friedrich der Katholische hat durchwegs anhängende Siegel. Leopold der Glorreiche wechselt
anfangs, endlich aber erhalten die anhängenden durch die Einführung der Münzsiegel das
Ubergewicht, und bleiben, von ihm angefangen, ununterbrochen im Gebrauch.
Beim Anhängen der Siegel wurde der untere Rand der Urkunde nach einwärts umgeschlagen,
und ein Querschnitt von der Breite des Pergamentstreifens darein gemacht, dieser einfach
durchgezogen, und dessen beide Enden über einandei gelegt, so dass beide am Siegel unten
wieder herausragen, oder es wurde der Pergamentetreifen in der Mitte zu einem Knoten ver-
schlungen, so dass ein Ende unten, das andere zur Seite, oder beide zu entgegengesetzten
Seiten vorstehen. Manchmal wurde am unteren Rande der Urkunde ein schmaler Streif, jedoch
nicht bis an das Ende abgeschnitten, derselbe durch einen Querschnitt gezogen und daran
das Siegel gehängt. Um die Siegel an Hanf- oder Scidenschnürcn oder derlei Fäden anzuhängen,
wurden an der Urkunde zwei runde Lücher durchgeschnitten , durch diese die Fäden oder
' Taschoppe nnd Stemel, (Iber den Ursprnog der Städte Schlesiens, pag. 246. — * Abgebildet: Uanthaler, Kccensu»
diplom. genealog. Taf. 29, Fig. 15. - > Grober, kurzgefasstw» Lehrsystem , pag. 124. — 4 Mclly, Beitrüge xur Siegclknndc des
Mittelalters, pag. 33. — * Ik'innc«cius, 1. c. pag. .Vi. — « Hanthalrr, Rocrnau» etc. I, 22<S.
Digitized by Google
Die Siegel deb Österreichischen- Reoentem.
Schnüre gezogen, hart am Ende der Urkunde in einen Knoten geschlungen und nun das Siegel
daran gelegt
Bei Siegeln, welche förmliche Halbkugeln bilden, von 1 bis 2 Pfunden im Gewichte, wie
jene der Könige Emerich und Andreas II. von Ungarn, ist die Urkunde in der Mitte an zwei
Stellen durchlöchert, und die Scidenschnilre von der Dicke eines kleinen Fingers sind durch diese
Öffnungen und die Halbkugel gezogen*. Um die Anlegung des Siegels und das Aufdrucken des
Typars zu bewerkstelligen, mochte man in älterer Zeit eine WachsflUche von der Grösse des Typars
in das letztere eingedrückt haben, auf diese wurden sodann die Pergamentstreifen, Faden oder
Schnüre zurechtgelegt, und eine dickere Wachsschichte darüber geknetet, wodurch beide Wachs-
schichten zu einem Ganzen verbunden wurden, worauf man das Siegel vom Typare abnahm.
SpHter scheint man die für das Siegelbild bestimmte Wachsschichte dem Typare nicht eingedruckt,
sondern aufgegossen zu haben, wofür die gleichmlissige Auftrngung bei der oft äusserst dünnen
färbigen Wachsschichte spricht. Im Übrigen wurde wie früher verfahren. Um das Abnehmen vom
Typare zu erleichtern, wurde am Rücken des Siegels eine kammartige Erhöhung geknetet, in
welcher sich gewöhnlich die Finger- oder sonstigen Eindrücke befinden. Als im XIV. Jahrhundert
die Wachsschalen in Gebrauch kamen, wurden diese mittelst eigener Formen an den Pergament-
streifen oder Schnüren befestigt, und hierauf die, dem Typare aufgegossene Bildschichte in die
Schale eingedruckt.
Die kleineren Siegel, Secrete, findet man auch in späterer Zeit öfters aufgedruckt; es wurde
nämlich am Schlüsse der Urkunde oder auf deren Rücken eine dünne Wachsschichte, und auf
diese ein vier- oder mehreckiges Papier gelegt, und hierauf das Siegel wahrscheinlich mit einem
kräftigen Hammerschlage abgedruckt, welcher das Wachs mit der Urkunde und mit dem Papiere
verband; diese Siegelung fand sowohl bei Pergament- als auch bei Papierurkunden statt, und
wird besonders bei letzteren im XV. Jahrhundert sehr beliebt.
Briefe wurden in älterer Zeit zusammengefaltet, an zwei Stellen mit Quercinschnitten ver-
schen, durch diese ein Pergamentstreifen gezogen, dessen Enden auf dem Rücken des Briefes über-
einander gelegt und darauf das Siegel gedruckt. Beim Offnen des Briefes wurde der Pergament-
streifen an der Vorderseite durchgeschnitten und das Siegel unverletzt gelassen.
In ähnlicher Weise wurden im XVI. Jahrhundert ämtliche Zuschriften gefaltet, mit einem
Zwirnfaden kreuzweise Überbunden und auf der Rückseite über dem Knoten des Zwirnes besiegelt.
Zu den Schüttren oder Fäden, an welchen die Siegel hängen, ward häufiger Seide als
Zwirn verwendet; sie sind entweder einfarbig oder, was meistens der Fall ist, mehrfärbig; die
Farben sind jedoch nicht analog mit den Wappen- oder Landesfarben. Schnüre oder Fäden von
einer Farbe sind entweder grau, grün, roth, braun, gelb, schwarz, violet; am häufigsten sind zwei
Farben, und zwar: gelb und grün, gelb und-roth, grün und weiss, grlln und grau; am beliebtesten
aber waren grün und roth; später kommen, auf die Landesfarben hinweisend, auch rothe und
weisse Schuüre vor; seltener sind dreifarbige Fäden oder Schnüre, gelb, grün und roth; blau,
gelb und orange; und bei Ladislaus, wahrscheinlich als ungarische Farben, grün, roth und weiss.
Vier Farben, nämlich: blau, gelb, roth und weiss finden wir nur einmal bei Heinrich dem Jün-
geren von Mödling.
Metallfäden mit Seide gemengt gehören einer späteren Zeit an; Kaiser Maximilian I.
gebrauchte zuerst goldene und schwarze Schnüre, Kaiser Ferdinand I. goldene und rothe, der
1 Spiest , archiviache Nebenarbeiten II , 1 , erwähnt eines Siegels Andreas' II. von Ungarn im Gewichte von 1 Pfand
24 Loth, Hanthaler eines desselben Königs mit 3 Pfand. Reeetssus diplom. geneal. I, 189. Aach das Stift Heiligenkreuz bewahrt
Siegel von Emerich und Andreas II. im beiläufigen Gewicht von 1 Pfund. Siehe aneh Uniber : Kurz gefasstes Lehrsystem seiner
diplomatischen nnd heraldischen f'ollegien, Tat IV, Fig. 4.
IX 22
Digitized by Google
136
Kael vox Sava.
crsterc nach den Farben de» deutschen Reichswappens, der andere nach den Farben des Hauses
Habsburg.
Der Gattung nach lassen sich die österreichischen Fürstensiegel eintheilen in: Hauptsiegel,
Secrete, Petschafte, Contrasiegel und Amtssiegel.
Die Hauptsiegel (sigilla authentica) , welche in der Umschrift mit dem Namen und Titel
des Fürsten bezeichnet sind , denen später das Wort Sigillum oder dessen Abkürzung S. voraus-
geht, sind Anfangs die allein gebräuchlichen. Wir treffen in der Periode der Habeuberger, so wie
im Zwischenreiche keine anderen, und sie sind sämmtlich, mit Ausnahme der Babenbergischen
Nebenlinie, Porträtsiegcl. Als man diese in der späteren Zeit immer mehr zu vergrössern
anfing, kamen neben ihnen auch kleinere Siegel mit Wappendarstellungen für gewöhnliche Aus-
fertigungen als Hauptsiegel in Gebrauch, während die ersteren für wichtige Urkunden aufbewahrt
blieben. Aus diesem Grunde werden die Porträtsiegel in den Urkunden auch öfter als Majestäts-
siegel bezeichnet, wie jene Rudolfs IH., Alberts II. und Otto des Fröhlichen 1 , dann Alberts VI.
welche Benennung bisweilen auch in der Siegclumschrift Eingang fand: sigillum majestatis^
sigillum majus. Man legte einen besonderen Werth darauf, dass die zwischen Fürsten ausgestellten
Vertragsurkunden unter dem grossen Hauptsiegel als einer erhöhten Kanzleifeierlichkeit aus-
gefertigt wurden ; darum musstc sich auch Herzog Rudolf IV. verpflichten, die dem Kaiser Karl IV.
gegebenen Bundesbriefe, welche unter dem kleinen Siegel ausgefertigt waren, mit dem neuen
grossen Siegel zu versehen, sobald letzteres fertig sein würde*.
In späterer Zeit fing man an, für verschiedene Provinzen verschiedene Hauptsiegel zu führen ;
so hatte Albert V. neben dem österreichischen Rcitersiegel noch ein eigenes für die Markgrafschaft
Mähren und nach seiner Wald zum deutschen Könige ein Thronsicgel für das Herzogthum
Schweidnitz, dann zwei kleinere Siegel für das Herzogthum Österreich, eines vor und eines nach
der Wald zum deutschen Könige. Ladislaus Posthumus hatte für Österreich, Böhmen, Ungarn
und das Herzogthum Schweidnitz besondere Majestätssiegel, und unter den kleineren Haupt-
siegeln eines für Österreich, eben so führte Kaiser Friedrich ni. nach Keiner Kaiserkrönung
nebst zwei kleineren Wappcnsicgcln auch ein eigenes Majestätssiegel für die österreichischen
Angelegenheiten.
Ausserdem dass man für verschiedene Provinzen eigene Hauptsiegel führte, wurden letztere
überdies noch öfter gewechselt. Neuer Ländererwerb oder Abfall von Provinzen, Verlust des früheren
Siegels, Erhöhung der Würde, Streitigkeiten über bestimmte Rechte und Titel, Erbtheilungen
u. s. w. gaben hierzu die Veranlassung, und von vielen Aondcrungen sind die Gründe unbekannt.
Wir wollen hier nur einige dieser Änderungen erwähnen: Als Herzog Heinrich Jaaomirgott
Baiern an den Kaiser abtrat und Österreich zum Herzogthum erhoben wurde, verschwand das
Siegel mit der Umschrift : dux Bavariae. Durch die Erwerbung Steiermarks entstand ein neues
Siegel und ein zweite« durch die Wiedervereinigung beider Herzogthümer unter Leopold dem
Glorreichen. Nach seiner Krönung zum Könige von Böhmen nahm Otakar ein Thronsiegel
an und wechselte dieses, nachdem er Kämthen und Egcr erworben hatte; eben so verschwinden
die Reitersiegel Alberts I., Friedrichs des Schönen, Alberts V. und Friedrichs V. nach ihrer
Wahl zu römischen Königen, und letzterer wechselt wieder nach seiner Kaiserkrünung die
königlichen Siegel und bemerkt es ausdrücklich in den Urkunden, wenn er ein königliches Siegel
auch noch nach der Kaiserkrönung gebraucht. Nach dem Wiedernnfalle Kärnthens ändern
Herzog Albert II. und Otto ihre Reitersiegel. Wegen des Titels eines Pfalzerzherzogs in Schwaben
' Maxim. Fischer. Merkwürdigere Schicksale Act Stifte» und der Stadt KloMcriieuburjr. L'rkundenl.uch Nr. 131 und 157.
* Schöpflin, AUacia dlploinatie» II, 234.
Die Siegel der österreichische!* Regenten.
137
und Elsass musstc Herzog Rudolf IV. sein Münz- so wie ein kleineres Siegel ablegen. Da« neue
Reitersiegel Rudolf» erhielt eine Abänderung durch die Erwerbung Tirols ; endlich deutet das
Siegel Leopolds III. mit den Wappen von Österreich und Tirol als den Hanptschilden auf die
Lündertheilung. Dieses Wechseln der Siegel geschah nicht immer durch eine gilnzliche Beseitigung
des früheren Siegel«, sondern es wurden oft nur einzelne Theile desselben geändert; so wurde bei
Rudolf IV. nur die UuHOhrift des Siegels ausgehoben und umgeändert Eben so wurden auf
dem grossen Reitersiegel desselben, in der Fahne statt des österreichischen Wappens, der
Adler von Tirol und die Überschrift : „Dyrol" nachgegraben. In gleicher Weise sind auf der
goldenen Bulle und auf dem kaiserlichen Majestätssicgcl Kaiser Friedrichs III. nur einzelne Theile
der früheren königlichen Siegel umgearbeitet.
In späterer Zeit hatte man auch von den Hauptsiegeln mit Wappendarstellungen grössere
und kleinere, und erwähnte der ersteren genau in der Urkunde: fl mit unserem fürstlichen grossen
anhängenden InsiegeK Unter den kleinen Hauptsiegeln kommen, jedoch sehr selten, auch solche
vor, welche gar keine Umschrift oder statt dieser nur einzelne Anfangsbuchstaben haben.
Die Sccretsiegel werden in der Umschrift gewöhnlich als solche bezeichnet, Bind gegen die
Hauptsiegel viel kleiner, und werden meistens zu geringeren Ausfertigungen verwendet, was mit
der Ansicht der älteren Zeit im Widerspruche steht, wo die Siegelung mit dem Secrete für ein
Zeichen besonderer Zuneigung und Gnade galt; so hatte Kaiser Heinrich III. der Kirche zu
Nivelles eine Urkunde besiegelt: „quod specialis dclcctionis indicium est, ( non communi sigillo,
fsed secreto suo a '. Die deutschen Könige führten auf ihren Secreten einen einfachen, die deutschen
Kaiser, von Sigmund angefangen, einen doppelten Adler.
Die Petschafte, auch Signete genannt, sind entweder Ring- oder Handsiegel, welche in der
Regel bei Privatschreiben verwendet wurden; sie haben selten Umschriften, bisweilen nur den
Namen des Eigenthttmers oder nur den Anfangsbuchstaben des Namens, meistens aber sind sie
ohne Umschrift ; die Siegelung mit dem Petschafte wird in der Urkunde in der Sigillationsformel
gewöhnlich besprochen, und manches Mal werden die unter dem Petschafte gegebeucn Urkunden,
sobald der Fürst ein Siegel hat, unter diesem neu ausgefertigt; so bestätigt Rudolf IV. der Burg-
capelle die in den Jahren 135G und 1357 ausgestellten Urkunden im Jahre 1358 neuerdings,
weil er nun ein eigenes fürstliches Siegel hat.
Amtssiegel sind solche, unter welchen bestimmte Personen in einem, vom Fürsten ihnen
übertragenen Wirkungskreise Urkunden ausstellen, so die von den Berg- und Kellermeistern in
Österreich geführten Bergrechtssiegel, ferner unter Ladislaus Postlmmua das Siegel der Landes-
verweser und unter Kaiser Friedlich in. jenes der Anwälte in Österreich, und das Hofgcrichtssiegcl.
Contrasiegel nennt man diejenigen, welche auf der Rückseite eines anderen Siegels ein-
gedrückt sind, und sie können sowohl bei den Haupt- als Secretsiegcln, ja sogar bei den Pet-
schaften in Anwendung kommen, so wie dagegen die beiden letzteren häufig als Contrasiegel
verwendet werden, was auch bisweilen mit kleineren Hauptsicgeln bei den grösseren sogenannten
Majcstätssiegcln geschieht. Es scheint, das« die gewöhnlichen Contrasiegel sich unmittelbar in
den Händen der fürstlichen Personen befanden, denn manche sind, der Grösse nach zu schliessen,
in Ringe gefasst gewesen, was sich besonders bei den geschnittenen Steinen als ganz sicher vor-
aussetzen lässt Heinneccius glaubt, dass besonders die Cachets, worunter er kleine achteckige
Siegel versteht, die nicht blos auf der Rückseite, sondern bisweilen auch auf der Vorderseite des
Hauptsiegels eingedrückt wurden, ein Zeichen seien, dass die Urkunden nicht ohne Vorwissen des
Fürsten ausgestellt waren, und daher die Stelle der Untersclirift vertraten*. Diese Ansicht wird
• Heinneccius, L c. pag 77,78.— * IIHnnetciu», I. c. pag. IC5, C»p. 1.'», III.
22 •
Digitized oogle
158 Karl von Sava.
*
auch durch einen Brief Kaiser Friedrichs III. an die Bürger von Erfurt bestätigt: „Wir haben
auch mit einem unsern kayserlicheu Brive unter unsern anhangunden In s i gel und Secret zu
versehen zugesagt". In der Ausführung dieses Versprechens wurde Friedrich durch den Verlust
des Secretes gebindert, und um seine Zusage zu erfüllen, gab er den Boten der Stadt „einen Briv
unter unsern kayserlichen anhangenden Insigcl und an unsers Secrets statt mit unser selbst
Hand unterschrieben" *.
Unter den sechs Contrasiegeln Kaiser Friedrichs III. sind zwei, welche seinem Majestäts-
siegel und zwar an der Thronstufe, bald mit weissem, bald mit rothem Wachs eingedruckt sind.
Ks lässt sich also im Ganzen annehmen, dass, nachdem die Urkunde von dem Kanzler aus-
gefertigt und mit dem Hauptsiegel versehen war, dem letzteren das Contrasiegel entweder von
dem Fürsten oder doch wenigstens in seiner Gegenwart aufgedrückt wurde; und dass dort, wo
Secrete oder kleinere Haupt- als Contrasiegel verwendet wurden, sich die verschiedenen Siegel in
verschiedenen Händen befanden, um bei wichtigeren Urkunden eine Controle herzustellen. Wenn
daher Private Contrasiegel gebrauchten, so geschah dies wohl hauptsächlich aus Nachahmungssucht.
In der niederländischen Sphragistik kommen die Contrasiegel sehr häufig und in mannigfachen
Formen vor*.
Ausser den kleinen Hauptsiegeln, welche als Contrasiegel verwendet werden, lassen sich
von letzteren folgende Arten unterscheiden:
1. Jene, die in ihrer Umschrift ausdrücklich ab Contrasiegel bezeichnet sind.
2. Solche, deren Umschrift die Fortsetzimg der Umschrift des Hauptsiegels enthalt, und
welche daher nie allein gebraucht werden konnten*; was
3. auch bei jenen der Fall ist, deren Umschrift aus Formeln besteht, wie: Austria felis oder
secretum comitis, secretum meum, sigilhnn secretum meum, ohne Angabe des Siegelftlhrers.
Hieher gehören auch die Contrasiegel der deutschen Könige mit der Umschrift: Juste jndicate
filii hominum, welche schon Kaiser Heinrich VI. gebraucht haben soll*.
4. Die gar keine Verbindung mit dem Hauptsiegel haben, wie Figuren, Lilien, antike oder
spätere Steinschnitte; feiner Wappcngmppen , einzelne Wappenfiguren, Helme mit Krone und
Zimier, ohne Umschrift.
5. Jene, worauf sich die Büste des Siegelführers mit oder ohne Umsclirift befindet.
6. Deren Umschriften nur die Würde des Siegelftllirers oder auch den Namen desselben
angeben ; dann solche, deren Umschrift mit den Worten : sigillum minus , oder secretum , oder nur
mit der Abkürzung S. beginnt, und welche hauptsachlich nur als Contrasiegel gebraucht werden,
aber bisweilen auch selbstständig vorkommen.
7. Welche gleiche Darstellung und Umschrift mit dem Hauptsiegel haben , aber bedeutend
kleiner sind, wie bei den Hofgerichtssiegeln der deutschen Könige und Kaiser, oder welche
gleiche Umschrift, aber verschiedene Darstellung haben.
8. Die Siegel der Amtspersonen auf der Kehrseite der Amtssiegel, so des Kellermeisters
Johann Steger auf dem Bergrcchtssiegel Herzog Alberts V.; oder des Grafen Johann von
Werdenberg auf der Rückseite des Landfriedensiegels Kaiser Wenzels für Franken und Baiern
aufgedruckt, vom Jahre 1395*. Bisweilen sind auf der Kehrseite des Hauptsiegels Siegel
von Personen aufgedruckt, welche in der Urkunde gar nicht genannt erscheinen; Leyser hält sie
i Holtmann, vermischte Beobachtungen aus dm deutschen Staatsgeschichten und Rechten, IV. 231. — Hoflmann meint
jedoch das» unter dem Secret« das Monogramm in verstehen sei (?). - * Vredin», Sigilla comitum FUndriae und Gcnealogia
comit Flandr. - * Vrcdiu», Sigill. pag. 26. Hauptsiegel: Sigillum Fernand! comitis Flaudriae. Contrasiegel: et couies Hauole.
_ « Castoldu» do linper. quaest. «'.», Nr. G. — 5 In einer Urkunde im Stadtarchive »u Eger.
Diqit ized byjGoogje
Die SieoeL i>eb östekkkichischen Rf.cestex.
1Ü9
für die Verfasser der Urkunde '. Kin solche» Notariatssiegel durfte das Rücksicgel bei der Stadt
Leitmeritz seiu\
Heinneccius führt als da« alterte geistliche Contrasiegel jenes des Erzbischofs Gebhurd von
Mainz sin, anno 1299 :I ; allein Bischof Kndolf von Halberstadt hatte bereits ein solches im Jahre
1148 , und zwar auf einem der Urkunde aufgedruckten Hauptsiegel, also der an der Rückseite
der Urkunde befindlichen Wachsmasse eingedruckt'. Eben *<> irrt Ihinneecius, wenn er angibt,
dass Städte als solche nie ein Contrasiegel hatten 5 .
Unter den österreichischen Fürsten führte Albert I. die Contrasiegel ein, und seine
Schwiegertochter Bianca von Frankreich ist unter den österreichischen Fürstinnen die erste,
welche ein solches hat.
Im Jahre 1287 hat der oberste Schenk Leutold von Chuenriug auf der Rückseite seines Amts-
Siegels den vertieften Eindruck einer Camee, und im Jahre 1310 der oberste Kümmerer einen Hehn
mit zwei Flügen; eben so gebrauchten die Grafen von Schaumburg im XIII. und XIV 7 . Jahr-
hundert Contrasiegel.
Unter den österreichischen Conventen findet sieh bei Klosterneuburg im Jahre 120b",
bei Lilienfeld im Jahre 1467 ein Contrasiegel vor*. Die Siegel der Cistcrzicnserklöstcr mit der
Umschrift: Contrasigillum Abbatiae oder Conventus, welche aber immer als selbstständige in
Gebrauch kamen, gehören nicht hieher.
Von den österreichischen Städten hat nur Wien Contrasiegel und zwar bereits im Jahre
1303, ein zweites, nur für das Grundbuchssiegel bestimmt, blieb vom Jahre 1372 bis zuui Jahre
1585 in Gebrauch". Am häufigsten aber kamen im XIV. Jahrhundert Cuntrasiegel an den Siegeln
der Wiener Bürger vor, was sich nur aus einer besonderen Vorliebe für antike Steinschnitte
erklären litsst, denn eben aus solchen bestehen dieselben \
Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass die l'rkundensicgel entweder nur auf der
Vorderseite Siegelbildcr haben, man nennt sie einseitige, oder dass sie auch auf der Kehrseite
Bilder verschiedener All aufgedruckt haben, weshalb man sie doppelseitige nennt. Unter die
letzteren gehören die sogenannten Milnzsicgcl, das sind solche, welche auf beiden Seiten
Darstellungen von gleicher Grösse haben, daher so wie eine Münze geprägt sind; es ist
dies nicht blos bei den Bullen, sondern auch bei den Wachssiegeln der Fall. In Österreich
führte sie Leopold der Glorreiche ein, nach ihm hatten sie sein Sohn und Otakar, unter den
Habsburgern verschwinden sie wieder, nur Herzog Rudolf IV. hatte ein solches vorübergehend.
Bei Ladislaus Posthumus sind die Thronsiegel für Österreich, Ungarn und Böhmen Münz'
siegcl, und eben so führte sie Kaiser Friedrich als Herzog, König und Kaiser.
In Ungarn war diese Form seit König Behl IV. (reg. 1235 — 1270), also etwas später
als in Österreich , die allgemein gebräuchliche. Die Kehrseite wird bei Sigmund und Mathias
Corvin: Sigillum secundum, bei Wladislaus (anno 1490): altera pars duplicis sigilli genannt.
Frühzeitiger als in Österreich flnden wir die Münzsiegel in Böhmen: ihr Anfang geht
bis zu König Wladislaus (anno 1158 — 1173) zurück: denn wenn gleich bei den Crkundcn
mit aufgedruckten Siegeln nicht dieselbe Wachsmasse münzförmig bedruckt werden konnte, so
befanden sich doch bei Wladislaus und seinen Nachfolgern auf der Schrift- so wie auf der
1 Leyser Polycarp, Commcntatio de contrasigillis medii aevi. 4°. Hclrostadt, 1726, pag. 3S. — 3 Nutiien-Blatt, heraus-
gegeben von der historischen l'oimnission der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, IS."i. r >, pag. 305. — H c. pag. 166. —
* Leyser, I. c. pag. 30 und Fig. 32. — * I. c. pag. ISO. Sieho Melly, I. c. pag. Ii«, welcher drei Contrusiegel von Städten
anftthrt, swei von Wien nnd eines von Marburg. Da** das Secret de* Bürgermeisters dem HauptsR-gel der 8t*dt auf der
Rückseite als Contrasiegel aufgedruckt wurde, kommt öfter vor. — « Sava, die mittelalterlichen Siegel der Abteien und
Regularstifto in Österreich. Jahrbuch der k. k. Ccntral-Commission, III. Jahrg., pag. 22'.»- 234. — 5 Ebenda, |«»s. — * Melly,
c. pag. 61 und 62. — 9 Melly, I. c. pag. 2ö3 seq.
Digitized by Google
160
Kam. von Sava.
Kehrseite der Urkundcnsicgel von gleicher Grösse, die durch das Wachs, welches den in das
Pergament gemachten Kreuzschnitt durchdrang, mit einander verbunden waren und gleichsam
ein Stück ausmachten.
Ausser den Münzsiegeln der Herzoge von Österreich sind von deutschen Fürsten wenige
bekannt; Praun in seinen Anmerkungen Uber die Fusssiegel erwähnt drei: Graf Albert von Orhv-
münde anno 1224, ein verdachtiges Siegel des Landgrafen Conrad von Thüringen anno 1234
und eines von Herzog Heinrich von Braunschweig anno 1320 1 . Unter den deutschen Kaisern
haben nur Sigmund* und Friedrich III. Münzsiegel in Wachs. In England blieb diese Art bis
auf den heutigen Tag in Gehrauch.
Die Könige von Spanien führten häufig Münzsiegel, vereinzelt kommen sie heinahe in
allen Ländern vor.
Seit dem XVI. Jahrhundert führten die deutschen Kaiser vier Siegel 5 :
1. Goldene Bullen, die innen hold und mit Wachs ausgegossen waren. Sie durften nur
von der Reichskanzlei für Fürsten-, Grafen- und Freiherrn-Bricfc gebraucht werden. An Taxen
mussten für dieselben 40 Ducatcn und 6 Ducaten Macherlohn entrichtet werden, während für
dasselbe Siegel in Wachs 12 Gulden und 1 n\ 30 kr. für die Kapsel zu bezahlen waren.
2. Das grosse Siegel wurde nach der Reiehshofkanzlei-Ordnung von l, r ) 70 bei allen hohen
Regalien, Lehen und Hauptverschrcibungen angewendet; die Kapsel dazu war je nach Ver-
langen der Partei von Gold, Silber oder Holz.
3. Das mittlere Siegel war für geringe Gnadenbriefe.
4. Das kleine Siegel wurde den Urkunden nicht angehängt, sondern aufgedruckt.
Uber die landesfürstlichen Siegelgebühren in Österreich im Mittelalter ist mir nichts
bekannt.
Die Form der Österreichischen Fürstensiegel ist beinahe durchwegs die runde, nur
einige wenige Contrasiegel und Petschafte haben die Form Überhöhter Achtecke, und nur ein
Petschaft und zwei Contrasiegcl, letztere antike geschnittene Steine, bilden Ovale.
Verschiedener sind die Siegel in der GrOsse. Die Rcitersiegel der Babenberger haben
durchschnittlich 3 Zoll im Durchmesser ; unter Friedrich dein Streitbaren, Hermann von Baden
und Otakar werden sie etwas grosser, und die beiden Majestätssiegel der letzteren haben
das eine 3'/,, das andere 4 Zoll im Durchmesser. Unter den Hubsburgera schwankt die Grösse
der Rcitersiegel zwischen V/, und 4 Zoll , und unter Rudolf IV. erhalten sie 4'/ ä und 5 Zoll
im Durchmesser. Die Porträtsiegel Kaiser Friedrichs III, mit Ausnahme der goldenen Bullen
(2" 10'") und des Hofgerichtssiegels (3" I'"), haben "» Zoll im Durehmesser.
Die Wappensiegcl sind kleiner als die Portrittsiegel; die grössten Hauptsiegel mit Wappen-
darstellungen sind jene von Friedrieh III., Ladislaus und Albert VI. mit 3 und 3'/, Zoll, das kleinste
hat Rudolf IV. mit 10 Linien. Das grösstc Petschaft besitzt Friedrich III. mit 7 Zoll, das kleinste
Albert V. mit % Zoll. Die grössten Contrasiegcl führt Rudolf IV. , welche jedoch sehr häutig
auch als Hauptsiegel gebraucht wurden, mit 17, Zoll, das kleinste Albert IV., einen antiken Stein-
schnitt von 5 Linien.
Zur Bezeichnung des Siegt Ifülirers , wohl auch des Siegels selbst (sigillum majestatis,
sigillum majus, sigillum secretum) sind die Siegel mit Umschriften versehen (epigrapha); Siegel
ohne Umschriften (anepigrapha) kommen mit Ausnahme der Ring- und Contrasiegel selten vor.
Die Umschrift ist an der Peripherie, dem sogenannten Schriftrande angebracht und nimmt
in der Regel den ganzen Umkreis ein ; als sich später die Ländertitel mehren, geht sie in eine zweite
■ (l'raiin, anonym.. Anmerkungen von den Sigillis pcdestrilm» etc. Braunschwciir, 1779. 4°. IG .Selten. .Siehe«. 10, § 17.
* Römer-Hurhncr, I. c. Nr. 7-'J. — * Muner, deutsches Staatsrecht, III, OY
Digitized by Google
Die SlEOtL HER ÖSTEUUBICIIIiCHCS Rkgenten-.
161
und auch in eine dritte Zeile über. Auf den späteren Thronsicgcln füllt der Baldachin über dem
Throne den oberen Theil des Schriftrandes aus, so das« für die Schrift ungefähr drei Viertheile
bleiben. Bieten diese nicht hinlänglichen Raum, so ist die zweite Zeile zu beiden Seiten des Siegel-
bildes vertheilt.
In der alteren Zeit ist die Umschrift bald zwischen zw ei Linien, bald frei , d. i. vom Siegel-
bilde durch keine Linie getrennt; zweimal kommt der Schriftnind Uber das Siegelfeld, d. i. über
den Raum, in welchem sich das Siegelbild befindet, erhöht vor. Seit dem XIII. Jahrhundert aber
ist derselbe immer von Linien begrenzt, deren äussere den Rand des Siegels bildet, walircnd die
innere die Umschrift vom Siegelfeldc scheidet. Bei mehrzelligen Umschriften sind auch die Zeilen
durch Linien von einander getrennt; nimmt die zweite oder dritte Zeile nur einen kleinen Theil
des Umkreises in Anspruch, so ist derselbe frei im Siegelfelde.
Die Linien sind entweder einfach oder stufenförmig erhöht, oder sie gleichen an einander
gereihten Perlen und an einander gereihten Blumen. Die Perhnlinien sind bis in die zweite Hlilftc
des XIV. Jahrhunderts vorherrschend; gegen Schluss des XIV. und XV. Jahrhunderts erlangen
die Stufenlinien das Übergew icht und sind gew öhnlich an der inneren, schief aufsteigenden Flüche
mit Masswerk oder Blumen verziert. Bisweilen kommen auf einem Siegel mehrere Gattungen von
Linien vor; in diesem Falle bilden gewöhnlich die Perlenlinien den Sicgclrand und die Scheidunga-
linic zwischen den Zeilen, wahrend eine Stufcnlinie das Siegelfeld begrenzt.
Umschriften auf Schriftbildern , welche besonders im XV. Jahrhundert bei einigen Sicgcl-
gattungen sehr beliebt waren, kommen auf den österreichischen Fürstensiegeln selten vor , wohl
aber erseheinen Inschriften theils in Devisen, theils in Jahreszahlen bestehend, im Sicgelbilde
selbst auf Blindem angebracht.
Die einzelnen Worte sind entweder durch grössere Zwischenräume oder durch Punkte,
entweder einzelne oder mehrere über einander, getrennt. Kleine Rosen oder andere Blumen- und
Blütterverzierungeu, auch Sterne oder andere Ornamente, vertreten bisweilen die Stelle der Punkte.
Bleiben am Schlüsse der Umschrift im Siegelrandc grössere Rüume leer, so werden diese durc
Blumen oder Blüttcrzwcige ausgefüllt.
Ausser den Umschriften kommen noch Auf- oder Inschriften vor, welche als erklärende
oder ergänzende Bcisiitzc, als Devisen oder Jahreszahlen entweder frei im Siegelfelde oder im
Sicgelbilde auf Schriftbündern oder auf dem Sockel der Architectur, oder am Thronschcmel
angebracht sind.
Randschriften am äusseren Rande (Lxergue) finden sich nur auf den Siegeln Otakars
und Rudolfs.
Abschnittschriften unter einem Querstrich kommen auf den österreichischen Fürsten-
siegeln gar nicht vor.
Die Schriftallen, welche auf den Siegeln der österreichischen Fürsten gebraucht w erden, sind
die gothische Majuskel, die deutsche Minuskel und die Übergangslapidar.
Die sogen, gothische Majuskel ist ein Gemisch aus altrömischcn Buchstaben (gerad-
linige, litterae quadratac) und aus Uncialen (gerundeten Buchstaben). Sie ist die eigentliche
Monumentalschrift des früheren Mittelalters , bis in die zweite Hülftc des XIV. Jahrhunderts die
allein gebrauchliche , und kommt bis zum Schlüsse desselben Jahrhunderts abwechselnd mit der
deutschen Minuskel vor. Anfangs erscheinen nur die Buchstaben E und M gerundet und meistens
vereinzelt neben den geradlinigen gleichen Buchstaben; das M hat jedoch zuweilen auch die
Form eines O, an welches sich ein, nach abwürts geschweifter Balken anschliesst; im XIII. Jahr-
hundert besteht dasselbe aus drei Balken, von denen der mittlere gerade ist, wUhrend die beiden
äusseren symmetrisch geschweift sind.
Digitized by Google
1G2
Kahi. von Sava.
Im XIII. Jahrhundert meliren sich die Uneiulen immer mehr, und es erscheinen gerundete
II, X, T und U in mannigfachen Formen; der erste Balken des A wird geschweift, und da sich
beide Haiken oben nicht berühren, so werden sie durch einen Querstrich mit einander verbunden,
die G und D werden oben ausgesehweift, die C und E vorne geschlossen. In der zweiten Hälfte
des XIII. Jahrhunderts werden die gerundeten Linien an den Anfangen und Ausgängeu
dlinn, in der Mitte dagegen stark und markig. Die Schrift ist gewöhnlich sehr erhoben, bisweilen
in der Mitte kantig und nach beiden Seiten abgedacht, liüutiger aber sind die Buchstaben-
balken gebaucht, seltener flach und scharfkantig; im XIV. Jahrhundert werden die Buchstaben
schlank und zierlich.
Die deutsche Minuskel sehr ift beginnt mit der 2. Hillfte des XIV. Jahrhunderts, zum
ersten Male finden wir sie auf dem grossen Reitersiegel Rudolfs IV. Die Buchstabenbalken sind
viereckig , scharfkantig geschnitten und mit glatter Oberfläche. Im XV. Jahrhundert beginnen die
einzelnen Worte bei dieser Schriftgattung mit Majuskelbuehstaben. welche mit mannigfaltigen Ver-
zierungen geschmückt, an den Enden gespalten und ubergebogen sind.
Die Übergangslapidar erhalt ihre Ausbildung unter Friedrich III. und ist eine will-
kürliche Mischung von Lapidar-, Uncial- und Fracturbuchstaben ; sie erscheint auf unseren
Fürstensiegeln, namentlich auf jenen Kaiser Friedrichs III. und seines Bruders Herzog Alberts VI.
in ziemlich einfachen Formen, schlank und scharf geschnitten , ist aber auf anderen Siegel-
gattungen durch Schnörkel, Spaltungen und Ausbiegungen reich, oft Uberladen verziert; hieher
gehört auch die durch ihre doppelwülstigen Formen an den Enden der Balken bekannte Knochen-
schrift. Allmählich wird sie mehr und mehr mit Lapidarbuchstaben untermengt, bis sie endlich im
XVI. Jahrhundert der neuen Lapidarschrift vollständig weicht.
Die Umschriften so wie alle Gattungen von Beischriften sind mit einziger Ausnahme des
Siegels Kaiser Friedrichs III. (.S. konig Fridrciehs anweit in osterreich-) durchwegs in
lateinischer Sprache. Bezüglich der Rechtschreibung hlsst sich im Allgemeinen bemerken, dass
der lateinische Ausgang ue bei den Ländernamen durchaus mit einfachem e geschrieben, und
das r mit wenigen Ausnahmen dort gebraucht wird, wo sonst der Buchstabe / den gleichen Laut
vertritt: gracia, Alsacia, alcius statt altius; wahrend das t seinen angestammten Laut behalt,
daher Karintie statt Karinthie. Der Buchstabe y steht bisweilen statt «V, z. B. Lantgravy. Das Uwird
hiiufig statt des U gebraucht, und zwar nicht blos bei der alteren gothischen Majuskel, sondern
auch bei der deutschen Minuskelschrift und der Übergangslapidar; doch kommt bei allen diesen
Schriftarten das U in einzelnen Worten neben dem T' vor und wird bei der Übergangslapidar
sogar vorherrschend.
Von Taufuamen erscheinen: Arncstus und Ernestus; Heinricus, Hainricus und Henricus;
Leupoldus . Liupoldus , Lupoldus und Leopoldus , die erstereti zwei Schreibarten am
häufigsten; Ottacharu» und Otakarus; Rudolfu.s und Ruodolfus. Eben so wechselt die
Schreibweise in den Ländernamen, so: Burgovia und Purgovia; Dyrol, Tyrol und Tirol;
Carniola, Camyola und Karniola; Karintie, Karinthie, Karinthyc und Karynthie; Pherretis,
Ferretis und Phyretnun; Habsburc, Habsburg, Habspurch und Habspurg: Stiria und Styria
halten sich ziemlich das Gleichgewicht. Ferner kommen noch vor: Vngaria und Huugaria;
Gallicie und Gallecie ; Camanie, Comanie und Cumanie; Bavwarie und Bawarie; Lantgravius
und Lantgrafius.
Fehler in den Umschriften sind selten, so marcio statt marchio, gradia statt gracia
und die Verwechslung der Mitlaute c und d in ardicux.
Die LKndernameu folgen nach dem Titel des Fürsten im Genitiv: Austriae, Stiriae, Boemiac
u. s. w.: an die Stelle des Ländernamens tritt bisweilen jener des Volkes: Boemorum, Romanorum,
Digitized by Google
Die Siegel de» österkeicuischkn Reoestex.
1(53
Pliyrotamm. Auch zum Adjectivum wird der Name der Besitzung oder der Provinz öfter umge-
staltet: dux Medellicensis, Lueemburgensis, Swidniccnsis , Jnwrensis. .
Um bei grösseren Umschriften Kaimt zu gewinnen, wurden die einzelnen Wörter abgekürzt,
indem die letzten Buchstaben oder häufiger die letzte Silbe weggelassen wurde : Sigillu., Secretu.,
Austr., Styr., Port. Naon., Romano, statt Sigillum, Seeretum, Austriae, Styriae, Portus Naonis,
llomanorum. — Bei sehr bekannten Wörtern wurden oft nur der erste oder die beiden ersten
Buchstaben gesetzt: S. ftir sigillum, auch ftlr saneti, Fi: ftlr Fridericiis, D. statt de und I. statt in.
Oft wurden Buchstaben aus der Mitte des Wortes weggelassen: Naois statt Naonis, Albti ftir Alberti,
dns. und dni. statt dominus und domini. — Die Formel „dei gratia* erscheint abgekürzt: </. g. oder
di. gra., »in hiiufigsten aber: dei gra. — Manclmiul sind die Abkürzungen ganz willkürlich, wie
Augts. für Augustus; Ipate. statt imperatoris, Konor. statt Romanorum; Sep. und Sp. ftlr semper;
supior. ftir superioris. Das Wort „et u wird in der Abkürzung durch ein gerundetes T oder durch
ein /fangedeutet, die Worte „et cetera" durch: zo. etc. ez. tc.
Im Ganzen ist der Schlüssel zu den Abkürzungen wohl leicht zu finden , den schwierigeren
wurde in der nachfolgenden Siegelbeschreibung gleich die Lösung beigegeben, am zahlreichsten
kommen sie auf den Siegeln des Ladislaus Posthumus vor. Sic werden gewöhnlich durch
Apostrophe oder durch schräge Striche , welche am Kusse des letzten Buchstabens durchgezogen
sind, endlich durch gerade oder geschlungene Querstriche bezeichnet, die Uber der abgekürzten
Silbe oder dem abgekürzten Worte angebracht sind.
Eine andere Weise, um mehr Raum für die Umschrift zu gewinnen, besteht in der Ver-
schrllnkung der Buchstaben, wobei der letzte Balken des vorhergehenden, zugleich den Anfangs-
balken des nachfolgenden Buchstabens bildet, am hiiufigsten sind die Zusammenziehungen des A
mit den Buchstaben: B. C, L, N, R und V; bei der Verschrankung mit dem 0 ist am zweiten
Balken des A oben und unten ein kleiner Querstrich wie bei einem E angesetzt. Ausserdem kom-
men noch folgende Verschränk ungen vor: das vorne geschlossene Uncial C mit A, N und H — D
mit E — £ mit .A", R und 'L\ wobei das letztere den oberen Querbalken nur zur Httlftc hat; — M
mit E — endlich 0, U und V mit R. Die ällteste derartige Zusammenziehung ist jene des V mit S,
wobei der aufsteigende Strich des V zu einem halben S ausgebogen ist. — Bei der deutschen
Minuskelschrift kommen nur auf einem einzigen Siegel die Verschrilnkungen : he, de und ve vor,
bei der Übergangslapidar fehlen sie ganz.
Da die Umschriften, welche die Bezeichnung des Siegelführers enthalten, bezüglich des
Unifanges der Titulatur, so wie bezüglich ilirer Formulirung auf den Reiter- und Thron-, so wie
auf den Wappensiegeln sicli wesentlich unterscheiden, so wollen wir dieselben, nach diesen drei
Gruppen abgetheilt, ausführlicher besprechen.
Auf den Reiter siegeln beginnt die Umschrift zu oberst, und mit wenigen Ausnahmen mit
dem Kreuzeszeichen. In spllterer Zeit, wo die Helmzierde der Reiterfigur bis an den Siegelrand
reicht, ist der Anfang der Umschrift etwas nach links gerückt. Bei zweizeiligen Umschriften wird
die innere Zeile ziemlich häufig, seltener auch die äussere bis zum Sicgelrande, von dem
Kopfe des Reiters, dann von den Vorder- und Hinterfüssen des Pferdes, somit an drei Stellen
unterbrochen , indem die benannten Theile in den Schriftrand hineinragen. Zuweilen wird nur
die innere Schriftlinie an den drei betreffenden Stellen unterbrochen und das Siegelfeld durch
angesetzte Kreistheile erweitert, so dass die Rciterfigur von dem sogenannten Hehnornamente
umgeben ist.
Das Kreuzeszeichen besteht aus vier Balken, welche in der Mitte zusammenlaufen und an
den Enden gewöhnlich etwas ausgebogen, seltener nach Art der Maltheserkreuze eingeschnitten
sind, bisweilen wird es aus Blumen- oder Klecomamenten gebildet. Auf das Kreuz folgt der Name
ix. n
Digitized by
1(54
Kaul vos Sa va.
und die Würde dos Fürsten, bei den fünf ältesten Siegeln bald mit, bald ohne Benennung der
Provinz. Lcoppld der Heilige nennt sich zuerst .von Gottes Gnaden" , welche Formel von allen
folgenden österreichischen Fürsten beibehalten wird. Liupoldus dei gratia marehio Austriae, lautet
die Umschrift auf dem letzten Siegel des heiligen Leopold, wahrend »eine beiden Söhne Leopold
und Heinrich, belehnt mit dem Herzogtlmmc Baiern, nur den Titel von diesem FUrstcnthumc füh-
ren und der Markgrafschaft Österreich gar nicht erwähnen. Nach der Abtretung Baierns und der
Erhebung Österreichs zu einem Herzogtlmmc nennt sich Heinrich Jasomirgott: dei gratia dux
Austriae, und eben so dessen Sohn Leopold, welcher nach der Erwerbung Steiermark^ noch: ac
Stiriae beifügt. Nach Leopolds Tod theilten sich seine Söhne in die Kegierung der beiden Lander,
und Friedrich nennt sich Herzog von Österreich, Leopold Herzog von Steiermark; nach dem
Ableben des älteren Bruders führt Leopold der Glorreiche wieder, wie sein Vater, die Titel von
beiden Herzogtümern. Fr war der erste österreichische Fürst, welcher Münzsiegel annahm und
wie auf diesen jede der beiden Seiten, nach den Wappenfiguren in Schild und Fahne , nur einem
der beiden Länder gewidmet ist, so benennt auch die Umschrift auf jeder Seite nur die entspre-
chende Provinz, und zwar die Vorderseite : Liupoldus dei gratia dux Austriae, die Kehrseite : dux
Stiriae. Auf gleiche Weise lauten die Umschriften bei seinem Sohne Friedrich II.
Nach dem Erlöschen der Babenberger führte der Prätendent Hermann von Baden den
Titel eines Herzogs von Österreich. Mit Otakar mehrt sich die Liinderzahl. Auf seinem ersten
österreichischen Siegel nennt er sich auf der Vorderseite: Przemisl dei gratia juvenis rex
Boemorum, auf der Kehrseite: Ottacliarus dei gratia dux Austriae et Stiriae. Auf den Siegeln nach
der Krönung erschienen die Titel eines Königs von Böhmen, Markgrafen von Mähren, Herzogs von
Österreich und von Steiermark und später kommen noch die Titel eines Herzogs von Kärnthcn,
Herrn von Egcr, Kram, der windischen Mark und Pordcnonc hinzu. Überdies beginnt auf diesen
beiden letzteren Siegeln die Umschrift zum ersten Male mit dem Worte: Sigillum, abgekürzt durch:
„S u , worauf der Name und Titel des Fürsten im Genitiv folgen. Nach Otakar verschwindet diese
Bezeichnung auf den österreichischen Rcitersicgeln für immer und erscheint nur auf dem für Mäh-
ren bestimmten Reitersiegel Alberts V., dann auf einigen späteren Thronsiegeln, so wie auf Wap-
pensicgeln, deren wir spiiter erwähnen werden; mit ihm hören auch für eine längere Zeit die
Münzsiegel auf.
Als Reichsverweser nennt sich Albert I. auf seinem Siegel nach den Stammlanden: Graf von
Hababurg und Kiburg, Landgraf in Elsas« und Vicar des Königs Rudolf in Österreich und
Steiermark, und nach der Belehnung: Herzog von Österreich und Steiermark, Graf von Habs-
burg und Kiburg, Landgraf in Elsass, welchen Titeln sein Sohn Rudolf noch jene eines Herrn
von Krain, der Mark und Pordenone beifügt: dei gratia dux Austriae, Stirie, dominus Carnio-
lae, Marchiae acPortus Naonis, comes de Habsburg et Kiburg, lantgravius Alsatiae. Gleiche Siegel-
umschriften finden wir bei dessen Brüdern ; nur Heinrich und Otto fügen dem Elsass noch die
nähere Bezeichnung bei: superioris Alsatiae. Nach dem Anfalle Kärntnern* erscheint dieses Herzog-
thum nach Steiermark aufgeführt, und Albert II. erwähnt überdies am Schlüsse der durch seine
Heirath erworbenen Grafschaft Pfirt: dominusque Phyretarum.
Prunkhaft wird die Umschrift auf dem älteren Portratsiegel Rudolfs IV., welcher unter
den Habsburgern zuerst ein Müuzsiegel führt, dessen Vorderseite den Herzog zu Pferde, die
Kehrseite aber zu Fuss darstellt. Hier erscheint zuerst die Zählung nach dem Namen: Rudolfus
quartus, er nennt sich mit Bezug auf das Privilegium majus Kaiser Friedrichs I.: Pfalz erz-
h erzog; und legt sich diesen Titel nicht blos von Österreich, Steiermark und Kümthcn, sondern
auch von Schwaben und Elsass bei. Diese beiden letzteren Titel zogen die Aufmerksamkeit der
Reichsfürsten und des Kaisers auf eich, und Rudolf musstc auf dem Reichstage zu Esslingen am
Djajtized by Google
Dik Siegel deb üstbrbeicuisciien Kegekten.
16!)
5. September 1300 sich urkundlich verpflichten, die Siegel mit den Titeln eines Herzogs von Schwa-
ben und von Klsass brechen und sich bis Weihnachten desselben Jahres neue Siegel anfertigen zu
lassen, in der Weise, wie seiu Vater und andere seiner Vorfahren sie führten. Auch verspricht er,
die Hundes- und andere Urkunden, welche er dem Kaiser zu Esslingen unter seinem gegenwärtigen
kleinen Siegel ausgestellt hatte, mit dem neuen grossen Siegel, da« man ihm machen soll, zu
bestätigen. Diese Verpflichtungen wurden aber in der bedungenen Frist nicht erfüllt, und Rudolf
niusste auf dem Reichstage zu Nürnberg im Februar 13fil wiederholt geloben, diese Titel abzu-
legen, da er auf die Pfalz kein Recht habe und in Schwaben und Elsass nicht Herzog sei. Ferner
musste er versprechen, die Lehen in diesen beiden Lilndern künftig nicht mehr in Hut und
Mantel und anderen fürstliehen Zierden , die nur einem Herzoge angehören, zu verleihen'. Der
Erzherzogstitel selbst wurde nicht bestritten.
Ausserdem nennt sich Rudolf auf diesem Siegel noch einen Herrn von Krain , der Mark und
von Portcnnu, und schliesst mit der Angabe seines Geburtsjahres. Auf der Kehrseite legt er Bich
den Titel eines ErzjOgermeisters des heiligen römischen Reiches bei, und fügt die genealogische
Angabe hinzu: der Erstgeborene des Herzogs Albert und der Herzogin Johanna. Als Beischrift fin-
det sieh die Angabe des Geburtstages : Natus in die omnium sanetorum. Endlich ist auch der äussere
Hand (Exergue) mit einer Inschrift versehen , in welcher sich abermals auf daa Friderieianische
Privilegium majus berufen wird, sie lautet: Imperii scutum ferturque cor Austritte tutum , primus
Fiidericus testatur Caesar Augustus illud scriptum, quam roborat aurea bulla.
Dieses Münzsiegel wich in Folge des ausgestellten Reverses und wiederholter Mahnungen,
einem nicht minder prachtvollen und grösseren Reitersiegel, auf welchem die Umschrift zum ersten
Male in deutscher Minuskel erscheint, der Titel Archidux ist beibehalten, der Zusatz palatinus fehlt,
eben so die Namen der Herzogtümer Schwaben und Elsass, dafür folgt nach Kärnthen: dominus Car-
niolae, Marchiae ac Portus Naonis, comea in Habsburg, Ferretis et Kiburg, marchio Burgoviae ac
lantgravius Alsatiae; hier also erscheint zum ersten Male die Markgrafschaft Burgau, obgleich die-
selbe bereits seit 1301 unter österreichischer Herrschaft stand. — Nach der Erwerbung Tirols im
Jahre 13G3 wurde auf diesem Siegel in der Fahne statt des österreichischen Wappens der einfache
Adler und darüber die Beischrift „DyroP' angebracht, im Übrigen blieb der Stempel unverändert.
Die Umschriften auf den beiden Reitersiegeln seiner Brüder stimmen mit jener auf
dem letzten Siegel Rudolfs bis auf drei Stücke übereilt: statt archidux erscheint der frühere
Titel dux, nach Kärnthen erscheint Krain als Herzogthum, und nach Habsburg die Grafschaft
Tirol aufgeführt. Wilhelm hat auf seinem Siegel die gleiche Umschrift wie sein Vater Leopold,
nur fügt er der Benennung: Marchiae noch das Wort Sclavonicae bei, also die windische Mark,
und von da an bleiben bei allen folgenden Reitersicgcln unserer Fürsten, bis cinschlüssig
Albert VI., die Umschriften gleichlautend: dei gratia dux Austritte, Stiriae, Karinthiae et Carnio-
hic, dominus Marchiae Sclavonicae et Portus Naonis, Oomes in Habsburg, Tirolis, Ferretis,
et in Kiburg, marchio Burgoviae ac lantgravius Alsatiae. Nur Ernst der Eiserne gebraucht wieder
den Titel eines Erzherzogs und auf dem Siegel für die Markgrafschaft Mohren von Albert V.
lautet die Umschrift einfach: Sigillum Alberti d. g. ducis Austriae et marchionis Moraviae.
Bei Herzog Friedrich V., welcher wieder ein Münzsiegel führt, hat die Kelirseite des herzog-
lichen Siegels vor seiner Wahl zum deutschen Könige keine Umschrift ; die darauf befindliche
Inschrift werden wir spOtcr besprechen.
« Die Mtratif Heiug ueluuenden l.'rkundcn botindcu sich bei .Schöpflin : AUail» diplomatic* II, 234 und 23«. — Pelicl,
Kai»ir Karl IV., Konife' in lUHiroen II, 32 », seq. -'0O. «e<j- _ Glafty, Aiiicduturum »at. Kotn. imp. biBtorianj ac juo public. illu»trant.
collcrtin, paff. .'»:>!).
23*
Digitized by Google
IG«
Kahl von Sava.
Die Umschriften auf eleu Thronsiegeln König Otakars wurden bereits erwähnt. Auf
jenen, welche die österreichischen Fürsten aus dem Hause Habsburg als deutsche Könige
oder Kaiser fülirten, lautet die Umschrift Anfangs tinfach: d. g. Komanoruin rex »cinper Augustus,
so z.B. bei Albert und seinem Sohne Friedrich; denn neben der Würde des römischen Königs tre-
ten die übrigen Titel in den Hintergrund. Allein nach einem Jahrhundert hatten sich die An-
sichten geändert und König Albert II. nennt sich auf seinem Keichssiegcl: Albertus d. g.
Romunor. rex, semper August, ac Hungariac, Boemiae, Dalmatiae, Ooatiae, Ramae, Scrviae, Gali-
ciae, Lodomeriae, Comaniae Bulgariaeque rex, Austriae et Luxemburg «lux.
Auf den grossen königlichen und kaiserlichen Milnzsiegeln König Friedrichs III. fehlt das
Kreuz am Anfange der Umschrift, und diese beginnt auf der Vorderseite mit den Worten: »Sigillum
majestatis. Nach dem Titel: Romauorum regisRonianorum und: imperatoris semper Augusti werden
die Herzogtümer Österreich, Steiennark, Karnthen und Krain, und endlich die Grafschaft Tirol
aufgeführt. Grösser ist der Titel auf dem grossen herzoglichen Siegel, welches Friedrich nach
seiner Kaiserkrönung für die österreichischen Angelegenheiten führt«-, worauf er auf der Vorderseite
thronend und auf der Kehrseite im herzoglichen Ornate zu l'ferde dargestellt ist. Auf diesem
-Sigillum majus ducalc J kommen neben dem Titel eines römischen Kaisers auch jene eines Königs
von Ungarn, Dalmaticn, Croatien, eines Herzogs von Österreich und Steiennark. Kämthcn und Krain,
Herrn der windischen Mark und Pottenau, Grafen von Habsburg, Tirol, Pfirt und Kibnrg, Mark-
grafen von Burgau und Landgrafen von Klsass vor; hierbei bildet zum ersten Male die Umschrift
der Kehrseite die Fortsetzung von jener der Vorderseite. Auifallcml ist, das« Kaiser Friedrich, welcher
dem Hause Österreich den erzherzoglichen Titel im Jahre 1 lf>ö bestätigte, sich selbst auf seinen Sie-
geln nie Erzherzog nennt, und dass auch sein Bruder diesen Titel nur auf zwei Wappensiegeln führt.
Unter den drei Münzsiegeln des Ladislaus Posthumus, auf deren Vorderseite der König thro-
nend erscheint, wahrend die Kehrseiten Wappengruppen zeigen, beginnt bei zweien die Um-
schrift auf beiden Seiten mit der Formel: Sigillum majestatis, während auf dem dritten Siegel
die Unischrift mit dem Namen des Königs anfangt . aut der Vorderseite ohne , auf der Kehr-
seite mit Vorsetzung des Kreuzes. Ks werden die Titel eines Königs von Ungarn und Böh-
men, die ungarischen Nebenlitnder, die übrigen österreichischen Besitzungen, dann Mähren
und Luxemburg, und auf dem für das Königreich Böhmen bestimmten Siegel auch die Lausitz
aufgeführt. Bei jedem dieser drei Siegel sind die Umschriften der Vorder- so wie jene der Kehr-
seiten für sich sclbststündig, und dabei jene der Kehrseiten stets umfassender, weil die Wappen-
gruppen einen grösseren Raum für die Schrift gewähren, während auf der Vorderseite die thronende
Figur einen grösseren Raum für sich, und der Baldachin des Thronstnhles sogar einen Theil des
Schriftrandes für das Sicgelbild in Anspruch nimmt. Auf den Thronsiegeln für kleinere Provinzen
sind die Umschriften einfacher, so auf jenen für das Herzogtum Schweidnitz von König Albert II.
und von Ladislaus, worauf sich der erste: römischer König, dann König von Böhmen und Her-
zog von Schweidnitz, der andere: König von Böhmen und Herzog von Schweidnitz und Jauer nennt.
Die Umschriften der beiden goldenen Bullen Kaiser Friedrichs III. auf der Vorderseite sind
gleichlautend mit den beiden Majestätssiegeln, während das Hofgerichtssiegel neben dem Königs-
titel nur die Herzogtümer Österreich, Steiermark und Kärnthen benennt.
Von den beiden kleinen Porträtsiegeln Kaiser Friedrichs III., welche nur als Contrasiegcl
benützt wurden, hat jenes, welches ein mit dem Herzogshute bedecktes Haupt darstellt, keine
Umschrift, sondern nur die beiden Minuskelbuchstaben: -fr (Fridcricvs); das andere, auf dem der
König gekrönt ist, trägt die Umschrift: Rex Fridcricus.
Kinigc Porträtsiegel werden durch die Umschrift als Hanptsiegel bezeichnet, so bei Kaiser
Friedrich III. und Ladislaus Posthumus: „Sigillum majestatis- oder „Sigillum majus
Digitized by Google
Du; .Sn:ciKt. i>i:r. cisTKXKCtcmsi • :..\ Rkcentlk.
J(i?
ducalc", wodurch zugleich angegeben ist, «las« dieses Sirgcl nur in österreichischen Angelegen-
heiten verwendet wurde; eben so deutet die Formel: Sigillum judieii curiac, den bestimmten
Zweck dieses Siegels an.
Ausser dein Namen und den Würden de» Fürsten und der Aufzahlung der einzelnen Pro-
vinzen enthalten die Umschriften bisweilen noch andere Angilben, und zwar tlieils historische, thcils
genealogische Daten: so nennt sich Otakar dreimal den fünften König von Böhmen und einmal
den Solln Wenzels IV.. Königs von Böhmen. Albert I. fügt als Reiehsverweser bei: Domini Rudolfi
Roman, regia primogentius et ejusdem per Austriam et Stiriam Vitalins generalis. — Rudolf IV.
gibt auf der Vorderseite sein Geburtsjahr an: natus anno domini MCCCXXXIX.. und auf der
Kehrseite: Alberti ducis et Johannae ducissae primogenitns. — Manche Umschriften haben
Devisen A. E. I. O. V.
Endlich kommen Umschriften vor, welche des Sicgelführers gar nicht erwähnen; sie enthalten
allgemeine Beziehungen auf die Würde desselben, bestehen gewöhnlich aus Versen und sind auf
der Kehrseite von Portriitsiegeln angebracht; so auf den Majestätssiegeln Kaiser Friedrich» III.,
auf welchen der einfache und später der zweiköptige Adler von folgender Umschrift umgeben ist:
Aquila Ezechielis Sponsac Missa Est De Coclis Volat Jpsa Sine Meta, Quo Nec Vates Xcc Propheta
Evolavit Altius. Diese Verse kommen zuerst auf der Kehrseite des grossen Mtinzsiegels Kaiser
Sigmunds vor, wo der Doppeladler zum ersten Male nimbirt erscheint'. Sie nehmen auf die Stelle
des Propheten Ezechiel : ! De binis aquilis grandibus, magnarnm alarum,longorninmenihroriim duetu,
Rczug. Hcineecius 5 deutet dieselben dahin, dass der Adler (als Symbol des römischen Reiches) seiner
Braut (der Kirche) vom Himmel als Schutz und Schirm (die Kaiser waren Vögte der Kirche)
gesendet worden sei und bis an das Ende aller Tage dauern wird. — Hierher gehört auch die
Umschrift auf der Kehrseite der goldenen Bullen: Roma capnt mundi, regit orbis frena rotundi*,
durch welche Rom und somit der Kaiser als Herr der Welt bezeichnet wird.
Handschriften (an derExergue) kommen nur selten vor, so an den Majestiltssiegcln König
Otakar« und an dem Milnzaiegel Herzog Rudolfs IV. Die letztere wurde bereits besprochen, die
erstcre lautet einmal: Pax Otakari regis quinti sit in manu saneti Wenceslai: das auderemal: Pax
regis Otakari sit in manu saneti Wenceslai. Diese Formel kommt auf den Siegeln der älteren
Herzoge und Könige von Böhmen ineist als Umschrift der Kehrseite vor, auf welcher der Herzog
Wenzel sitzend dargestellt ist.
Inschriften und Beischriften im Siegelfelde oder an Theilen des Siegelbildes kom-
men seit der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts öfter vor, und zwar von sehr verschiedener
Art. Die ersten Beispiele treffen wir auf den Siegeln Herzog Rudolfs IV. und zwar zuerst die
Beischrift: Ruodolphus zu Haupten des Herzogs und über «lern Portale: Natus in die omnium
sanetorum; dann über dem Banner: Dyrol.
Bei Friedrich III. erscheint die erste Inschrift auf der Kehrseite des Siegels, vor seiner
Wahl zum deutschen Könige, sie befindet sich auf dem Sockel, worauf der Herzog steht, und
lautet: Qui natus in die Mathei saneti apostoli anno domini MC'CCCXV. — Engel über den zwei
Seitennischen halten Schriftbiinder, worauf wahrscheinlich die Worte: ave Maria amen stehen. Die.
gleiche Angabe des Geburtstages und Jahres befindet sieh ebenfalls als Inschrift, und zwar au der
Thronstufe auf den beiden Majcstittssicgcln. Die Inschrift: Aurea Roma unter dein Stadtthore zur
Bezeichnung der goldenen Bullen kommt bereit« im XI. Jahrhundert, und sonderbarerweise zuerst
auf einer Blcibulle Kaise r Heinrichs III. vor 1 . Figuren mit Schriftbändern erscheinen auf dem
' Kiknier-IUiclmer, die Siegel der dexitache» Kaiser. K<>ni^e und Ciejrenktinige. Frankfurt IS.jI. pag. 51. — 2 (.'*[>. XVII,
V. 3 inul 7. — 5 I. e. HO. — * DiiBO Cn>?chrift erscheint zuer*t auf der >?< >l«U-nen Bullr Kaiger Heuirieh* II. anno 104 V —
» Otto III. hat anf einer lileibnlle um »ein Hrustbild die L'msehriU : I rl.» K<.ro»; Heinrich III. >.A» Kaiser Il.j auf Act Kehrseite
seiner lUeibiillev.amu» 101'. Uber der -sta.lt : Aurea Knina; Friedrich Harham»»* unter dem sudtthor »nf ». Siegel : Koma. Auf der
Digitized oogle
1C.8
Kari. von Sava.
Königssiegel Alberts II. auf I'ilastern zu beiden Seiten des Baldachins, die Inschriften sind jedoch
nicht lesbar.
Jahreszahlen mit Beziehung auf die Anfertigung des Siegels kommen zuerst bei Ladislaus
Posthumus vor, und zwar auf Sehriftbiindem, von Kugeln gehalten, einmal 1454, das nndereuial
145G und zu Seiten des Thrones: L. Ii. (Ladislaus rex). Auf den« österreichischen Thronsiegel die-
ses Fürsten hiilt ein Engel ein Schriftband mit den bisher noch ungedeuteten Buchstaben : A. D.
C. I. 1'., welche auch auf der Kclu-scitc desselben Siegels , und dann auf dem ebenfalls tlir Öster-
reich bestimmten Wappensiegel vorkommen. Eben so finden wir auf den Siegeln Kaiser Fried-
richs III. auf Schriftbiindern die Buchstaben: A. E. I. O. V., und auf der Kehrseite des
grossen herzoglichen Siegels stehen diese Buchstaben unter dem Monogramme des Kaisers
und mit der Jahreszahl 1159 in Verbindung. Die Buchstaben A. K. I. O. V. haben mannig-
fache Deutungen erfahren, grösstenteils Spielereien, wenn auch gut und patriotisch gemeint'.
Übrigens lüsst sich nicht in Abrede stellen, dass Friedrich selbst diesen fünf Vocalen ver-
schiedene Deutungen gab, und wir wollen die verbürgten anfuhren. In einem von Kaiser
Friedrieh eigenhitndig geführten Tagebuch', welches die Hofbibliothek aufbewahrt, und welches
im Jahre 14157 begonnen wurde, befindet sich folgende Bemerkung: „Bei welchem Bau
oder auf 'welchem Kirchengeschirr oder andern Kleinodien der Strich und die fünf Buchstaben
\ K I 0 V
stehen — — — das ist mein Herzogs Friedrichs des .Jüngeren gewesen, oder ich habe dassel-
bige bauen oder machen lassen" ; und gleich darunter:
4 ustriB T? Ät T iHjitrar»? /^i ru ' »Tuiverso
x\.lles üjrdri-k'li J.st V^«' 3 ' 1 ' 1 '"-''«:' 1 V utcrthnn
und auf den untersten Zeilen des dritten Bhutes steht:
En Amor Klecti Jnjustis Ordinat Vltor Sic Friderieus ego rengna (regna) mea rego.
In der k. k. Ambrasr r-Samndung befindet sich ein krystallcner llofbcchcr, darauf neben
einigen Wappen auch fünf Genien angebracht sind , deren jeder einen der fünf Vocalc trügt, dar-
über auf einem Bande die Worte:
Aquila Ejus Jvste Omnia Vincet".
Es sind also hier vier gleichzeitige Deutungen. Aus einer alten Handschrift der Hofkanzlei
in Wien' erfahren wir, dass schon unter König Friedrich die fünf Vocale zu beissenden Anspie-
lungen benützt wurden, wie dies auch später, namentlich im spanischen Successionskriege ge-
schah. Als nämlich der Kaiser im Jahre 1442 von der Krönung zu Frankfurt heimgekehrt war,
Hess er einen Theil der Burg bauen und an mehreren Stellen der Mauer die fünf Vocale anbrin-
gen: „Da hat einer dem König zu Schmach Uber dieselben Buchstaben die Worte geschrieben:
Aller Erst Ist Oesterreich Verdorben.
Dem König das misstiel, und Hess die abthun u& . —
Siegel , welche nur Wappeiidarstelhmgen enthalten , sind von den regierenden Fürsten aus
dein Hause Babenberg, so wie im Zwischenreiche nicht bekannt; nur die Nebenlinie der Baben-
Giddhullc, welche Friedrich II. als König tührtc, erscheint wieder die Hczcichunng: Aurea Horn»; aut »einer kaiserlichen <>uld-
bulle, so wie bei Kniser Rudolf I. und Kaiser Ludwig IV. fehlt tde ganz, und von Karl IV. angefangen bleibt sie dauernd.
> (ienesis Austriaca. Viennae V. Johannes Hauch, Organist de» .Schotteuklosters, gibt mehrere hundert Deutungen.
Köhler, historische Münibclustigungcii, 1731 III. 170 sco... gibt 40 lateinische Deutungen. — • Lambecius diuriuni sarri itiueria
Celensls. UiOß. — 3 Bergmann, .Sitzungsberichte der kais. Akademie der Wissenschaften t*49, ti.llcft. pag. r>7. — * Capitcl
vou Kaiser Friedrichs ( hrönung und Erwi-Ilung in Komischen Keieh vnd seiner tierhabselwft in dem Ucrzogthutrib Österreich.
* Kaltenbach, Auatria IS4-», pag. Uli».
Digitized by Google
Die Siegel der österheiciiislhen Regenten. 169
berger, die beiden Heinriche von Mödling, führen solche. Auf diesen lautet die Umschrift bei Hein-
rich dem älteren einmal einfach: f HAINRCYS ohne weitere Titulatur, das andere Mal: f Hcn-
rievs dei gratia de Medellieo, und sein Solin legt sieh den Hcrzogstitel bei: f Sigillum Hennci
dei gratia ducis Mcdelliccnsis.
Unter den Habsburgern werden die Wappen siege 1 allgemein; sie haben thcils keine Um-
schrift, thcils nur einzelne Buchstaben oder nur den Namen des Fürsten ohne weitere Titulatur;
die bei weitem grossere Mehrzahl jedoch besitzt vollständige Umschriften mit dem Namen und
Titel des Siegelführers; nur ist die Titulatur, schon des kleineren Umfanges wegen , welchen diese
Siegel haben, kürzer gefasst, indem nur die bedeutenden Provinzen genannt, die Herrschaften
dagegen weggelassen werden. Umfassendere Titel finden sich auf dieser Gattung von Siegeln nur
bei jenen unserer Herzoge, die entweder kein Rcitersiegcl führen, wie Herzog Friedrich II. , der
Sohn Otto des Fröhlichen, auf dessen Wappensicgcl dieselbe Umschrift erscheint, wie auf dem
Reitersiegel seines Vaters ; oder bei jenen, welche neben dem Portrittsiegel noch ein sogenanntes
prosses Wappensicgcl führten, wie Albert VI., dessen „grosses fürstliches Insicgel" ganz gleiche
Umschrift mit seinem Rcitersiegcl hat, das in den Urkunden zum Unterschiede als r Majestäts-
Insicgcl - bezeichnet wird.
Die Siegel ohne Umschriften sind meistens Ring- oder Handsiegel, welche entweder als
Contrasiegel verwendet wurden , und bisweilen aus antiken geschnittenen Steinen bestehen,
oder zum persönlichen Gebrauche des Fürsten dienten, und in den Urkunden, wenn sie zu deren
Resiegelung selbststilndig verwendet wurden, als Petschafte oder Signette bezeichnet werden;
„unter unserem Petschaft, weil wir unser Insicgcl nicht bei uns hatten", oder als Albert V. im
Jahre 1111 die Regierung in seinem 1">. Jahre tibernahm: r mit unserm Signet, da wir noch
kein Siegel haben - . Gleiches Bewandtnis* hat es mit den Siegeln, worauf einzelne Buchstaben als
Namens-Chirt'er oder als Devise vorkommen, oder nur der Name des Fürsten ohne weitere Be-
zeichnung erscheint. — Nur zwei Hauptsiegel sind ohne Umschrift: eines von Kaiser Friedrich III.,
dessen wir später noch erwähnen werden, und eines von Albert VI., auf welchem bereits, neueren
Formen entsprechend, der Schild vou zwei feuerspeienden Panthern gehalten wird.
Auf den Wappensiegeln, welche eine vollständige Umschrift haben, beginnt diese mit dein
Kreuzeszeichen bis zu Albert V., unter welchem auf den kleinen Siegeln das Kreuz bald vorhanden,
bald wieder weggelassen ist; beide Fälle, halten sich, eben so bei seinem Sohne Ladislaus, ziem
lieh das Gleichgewicht. Dagegen beginnt unter den zahlreichen Wappensiegcln Kaiser Friedrichs III.
nur auf einem einzigen die Umschrift mit dem Kreuze und ebenso bei Albert VI. Bisweilen
ist das Kreuz mit dem Siegelbilde in sinniger Weise verbunden, als Theil eines Ornamentes oder
als das auf dem Ilerzogsliute befindliche Kreuz.
Nach dem Kreuze folgt in früherer Zeit die Abkürzung S. für Sigillum, und dann der
Name und die Würde des Fürsten im Genitiv, eben so die Provinzen: nur bei Albert 1. fehlt der
Name des Herzogs: f S. Ducis Austrine, vielleicht deshalb, weil dieses Siegel nur als Contra-
siegel vorkommt; und ein einziges Mal folgt nach dem S. der Name und Titel im Nominativ und
es muss daher, um keinen Fehler von Seite des Stempel Schneiders vorauszusetzen, die Abkürzung
mit „Signat" anstatt Sigillum gelesen werden. — Häufiger aber folgt nach dem Kreuze unmittelbar
der Name und Titel des Fürsten im Nominativ. Bei Friedrich dem Schönen erscheint die Formel :
Dei gratia, welche dann in der Mehrzahl beibehalten wird; bei Rudolf IV. fehlt sie häufig, indem
sie nur auf zwei Siegeln desselben vorkommt. Von den Ländern werden, wie bereite erwähnt wurde,
nur die Hauptprovinzen in der Umschrift genannt, meistens Österreich allein, bisweilen Österreich
und Steicr, nach der Erwerbung Kärnthens auch dieses im Vereine mit den beiden früheren Hcr-
zogthümern. Des Stammsitzes, der Grafschaft Ilabsburg, erwähnen inj XIV. Jahrhundert nur zwei
Digitized by Google
1?0 Kam. von Sava.
Wnppensiegel , jenes von Leopold: dux Anstriae et Stiriae net- 11011 Cornea in Habsburg, und
Friedrich II.; im XV. Jahrhundert nur Albeit VI. Mit Rudolf IV. erweitern sich die Titula-
turen vorübergeliend, er nennt sieh Herzog von Österreich, Steier, Kiirntlien, Schwaben und EUus»,
und nachdem diese» Siegel umgeändert war, nannte er sich Erzherzog von Österreich, Steier,
Kärntheti, Tirol und Krain ; seine Brüder Albert und Leopold fuhren von denselben Landern de«
Herzogstitel. Nach Rudolf IV. nennen sich einmal Sigmund von Tirol und zweimal Albert VI. Erz-
herzoge. Der Titel eines Grafen von Tirol erscheint einmal im Verein mit jenem eines Herzogs*
von Österreich, einmal mit Österreich und Steier. endlich mit Österreich, Steier und Kiirntlien.
Die Umschriften enden meistens mit der letztgenannten Provinz, gewöhnlich einfach, in
wenigeren Füllen mit der Formel : et cetera. Interessant ist das Contrasiegel Ernst'», worauf als Um-
schrift die Devise: Austria feüx. Ein Contrasiegel Kaiser Friedrichs III. hat die Unischritt: Sigilluin
meum secretum.
Auf den Wappensiegeln , welche Albert I. und Friedrich der Schöne als römische
Könige führten, lautet die Umschrift bei ersterem : f S. Secretum Alberti Romanorum regis ; bei
Friedrich einmal einfach: f Secretum Friderici; das undcremal: f S. Friderici dei gratia regis Ro-
manorum. Bei König Albert III. und Friedrich III. mehren sich die Titel, indem der erstere sieh
noch: Semper Augustus und dann: König von Ungarn und Böhmen, und Herzog von Osterreich
nennt. Auf einem anderen Siegel desselben fehlt die Formel: Semper Augustus. Als König führt
Friedrich nach: semper Augustus, noch die Herzogtümer von Österreich, Steier, Kiirntlien, Krain
und die Grafschaft Tirol auf, wahrend auf den kaiserlichen Siegeln nach: Romanorum hnpera-
tor, semper Augustus, nur die Herzogstitel von Österreich und Steiermark folgen. Das Wappen-
siegel, welches ausschliesslich nur für Österreich bestimmt ist, hat die Umschrift: S. Friderici
Romanorum regis pro causis ducatus Austriae. Ein einziges kleineres Hauptsiegcl Friedrichs ist
ohne Umschrift, doch wird dieselbe durch das unter dem zweiköpfigen Adler angebrachte Mono-
gramm des Kaisers in sinniger Weise ersetzt.
Nach der Krönung zum Könige von Ungarn uud vor der Wahl zum deutschen und böhmi-
schen Könige, nennt sich Albert II. „König von Ungarn. Dahnatien, Croatien, Herzog von
Österreich und Markgraf von Mähren". Ladislaus Posthumus führt auf seinen Wappensiegeln drei
verschiedene Titel: König von Ungarn und Böhmen, Herzog von Österreich und Markgraf von
Mähren; König von Ungarn, Böhmen, Dahnatien. Kroatien, Herzog von Österreich und Mark-
graf von Mähren; und endlich König von Ungarn und Böhmen. — Ein anderes Siegel hat blos
die Buchstaben L. K. V. (Ladislaus Kral Vhersky.)
Als eigentliche Amtssiegel erscheinen die Bergrechtssiegel von Österreich für die Wcin-
bergs-Angelegenheiten in Mödling, Perchtoldsdorf und Gunipoldskirchen, deren Umschrift den
Fürsten und die Bestimmung des Siegels benennt: f S. ducis Rudolü ad jura montaua in Austria
oder: super jure fundi montano; und bei Friedrich: super fundos juris muntani in medling. Diese
Siegel führte entweder der oberste Kellermeister in Österreich oder der Bergmeister in Mödling.
Hieher gehört auch das Siegel, welches Ulrich Eyzinger als Verweser und Hauptmann in Öster
reich führte: Sigilluin Serenissimi Ladislai Ungariae Bohemiae regis et supremi eapitauei prae-
fectorum ducatus Austriae, so wie jenes der Anwälte in Österreich während Friedrichs Abwesenheit
iui Jalu - e 1 142 (S. kvnig Friedrichs anweit in Österreich) und das Hofgerichtssiegel.
Bei Friedrich schliesst die Umschrift einmal mit den Buchstaben : A. E. J. ( ). U. und der Jahres-
zahl 124..., deren letzte Ziffer durch den österreichischen Bindenschil l verdeckt ist, ein anderes,
mal endet sie mit der Jahreszahl 1248; beide Zahlen deuten das Datum der Anfertigung des
Siegels an.
Digitized by Google
Die Siegel deb östebbekiiischen Regenten.
171
Als Beischriften treffen wir die Buchstaben: J. M. R. V. auf dem Bergrechtssiegel
Rudolfs IV.: (Jura Montana. RVdolfi), dann A. A. und L. L. Albertus und Leopoldus
— A. E. J. O. V. auf den Siegeln Friedrichs und die noch angedeuteten Buchstaben : F. H bei
Friedrich und A. D. C. J. P. bei Ladislaus Posthumus. Ausserdem kommen Jahreszahlen entweder
frei im Siegelfelde oder auf Schriftbiindern im Siegclbilde vor. —
Nach den Siegelbildem lassen sich die österreichischen Fürstensiegel eintheilen in: Portrüt-,
Wappen- und Bildnisssiegel.
Unter den Porträtsiegeln versteht man diejenigen, auf welchen sich die Fürsten selbst dur-
stellen lassen, und zwar entweder zu Pferde oder stehend in ganzer Figur, oder zu Throne sitzend ;
es kommen aber auch solche Siegel vor, auf welchen nur halbe Figuren oder gar nur die
Büsten der Siegelführer erseh einen.
Für die Kenntniss des weltlichen Costumes, so wie der Bewaffnung sind besonders die
drei erstgenannten Darstcllungsweisen von Belang, weil die Fürsten darauf in vollem Waffen-
schmucke oder im Friedenskleide mit den Abzeichen ihrer Würde abgebildet sind.
Wir finden im Allgemeinen auf diesen verschiedenen Arten der Porträtsiegel Waffen und
Bekleidung je nach Ländern und nach Zeitaltern höchst verschieden. Ja sogar Siegel ein und des-
selben Fürsten, welche durch mehrere Jahre auseinander gerückt sind, bieten, namentlich bei den
Schutzwaffen, solche Veränderungen dar, welche uns die Überzeugung verschaffen, dass die Künstler
nicht nach einem conventionellen Typus arbeiteten, sondern sich an die Wirklichkeit hielten; so
wie sich auch dort, wo Haupt und Gesicht frei erscheinen, das Anstreben einer Porträtähnlich-
keit nicht verkennen lässt. wofür namentlich in späterer Zeit die Siegel des Ladislaus Posthumus
Belege geben.
Unter den Porträtsiegeln unserer Landesfürsten wollen wir zuerst die sogenannten Reiter-
und Fusssiegel in das Auge fassen, aufweichen sie zu Pferde oder stehend in ganzer Figur in
vollem Waffenschmucke und zum Theile mit Attributen ihrer herzoglichen Würde dargestellt sind.
Auf einem einzigen Siegel erscheint der Fürst im Friedenskleide zu Pferde, und zwar so, wie er
nach den österreichischen Ilausprivilegien die Belehnung vom Kaiser zu empfangen berech-
tiget war.
Wir finden diese beiden Gattungen von Porträtsiegeln, nämlich die Reiter- und Fusssiegel
um häufigsten bei den höheren Reichs- oder sonstigen unabhängigen Fürsten, welche die könig-
liche Würde nicht bekleiden; was aber nicht ausschliefst , ilass auch mächtigere Dynasten,
ja selbst einzelne Glieder angesehener landessässiger Geschlechter bisweilen solche Siegel führ-
ten; so hat in Österreich der Graf Heinrich von Schauinburg im Jahre 1375' in Tirol, Hugo von
Tauvers im Jahre 1301 ein Reiter- und der steirische Edle Leopold von Sunek im Jahre 1262
ein Fusssiegel.
Im Allgemeinen kommen die Reitelsiegel häufiger vor als die Fusssiegel, wir treffen die
letzteren bei den böhmischen Herzogen im XH- Jahrhundert, bei den askanischen Markgrafen von
Brandenburg', bei beiden mit der Fahne in der Hand, während Heinrich Graf von Waldeck anno
1254 und Gebhard Graf von Holstein anno 1317, die Rechte auf das Schwert stützen. Unmündige,
noch unter Vormundschaft befindliche Fürsten, stehen barhaupt in Tuniken und halten den Schild,
so die Herzoge Johann und Albert von Sachsen anno 1302'\ und die Fürsten Otto und Heinrich
von Anhalt anno 1267'. — Häufiger finden wir die Fusssiegel bei den Herzogen von Schlesien,
<lie bald mit der Fahne, bald mit dem Schwerte in der Hand, meistens unter dem Stadthore als
' Hanthalcr Recvna., Taf. XL111, Fig. 13. - « HciBncccin«, Tal. XVII, Fi*. »1. - ' Ötti-w WHiiiK-nl><-u»Ügujw>n, 4 St..
|iagr- 4*. — ' HelBuecciu-o, I. c. Taf. X. Fi*. <J-
IX. 24
Digitized by Google
172
Karl von Sav.v.
Schutz- und Schirmherren stehen, dann blasen auf den Seitenthürmcn des Thoren die Burg-
warte in die Hörner, oder ein Diener reiclit dem Herzoge den Hehn, als wolle sieh der Fürst
zum Kampfe rüsten, oder es stehen ihm die Waffenträger, mit Helm und Speer gewärtig, zur
Seite. — Ander» wieder die Fürsten von Pommern, die Herzoge von Polen und Knjavien,
welche auf ihren Fusssiegeln, vor den Stadtthoren mit Drachen oder Löwen kiimpfeud, dar-
gestellt Bind.
Auf den Fusssiegeln Herzog Rudolfs IV. und Friedrichs V. tragen beide den Herzogshut
auf dem Haupte, den Mantel um die Schulter und den Herrseherstab in der Rechten. Der
ersterc steht auf zwei Hirschen, der andere auf einem Piedestal, während sonst auf den Fuss-
siegeln die Figuren auf keinem Grunde stehen, sondern im Siegelfelde gleichsam schweben.
Auf den Reitersiegeln, worauf die österreichischen Fürsten in Waffen erscheinen, haben
alle den Speer mit der Fahne oder dem Panier in der Hand, nur der Herzog Johann allein
hillt das gezogene Schwert in der Rechten; vielleicht soll dadurch angedeutet werden, dass er die
Ritterwürde besass. aber noch nicht regierender Herr war. Übrigens wäre diese Andeutung selbst
wieder als eine besondere Ausnahme zu betrachten, denn so wie es unter den deutschen Fürsten
solche gibt, die auf ihrem Siegel immer nur mit der Fahne erscheinen, wie die Herzoge von
Raiern, Böhmen, Sachsen, Kärntheu und Zilhringen, die Landgrafen von Meissen und Thü-
ringen, die Fürsten von Anhalt und die Grafen von Görz, und dagegen andere nur mit dem
Schwerte vorkommen, wie die Grafen von Baden, Hessen und Würtembcrg; so gibt es auch
solche, die bald das Schwert, bald die Fahne in der Rechten haben, wie die Grafen von Holstein 1 ,
die Grafen von Nassau und die Pfalzgrafcn von Tübingen*.
Die niederländischen Fürsten führen auf ihrem Siegel bald die Fahne, wie die Herzoge von
Geldern, bald das Schwert, wie die Herzoge von Burgund.
Andere Waffen als Schwert und Speer kommen in der Hand des Reiters selten vor, so die
Streitaxt auf den Siegeln der italienischen Pfalzgrafen von Lomello , dann der Streitkolben auf den
Siegeln der obersten Marschälle in Österreich*, und auf jenem des Grafen Berthold von Urach
anno 1238 In den Niederlanden führen noch nicht wehrhaft gemachte Prinzen Reitersiegel, worauf
sie barhaupt, in gegürteter Tunik und ohne Waffen erscheinen, auf der Hand tragen sie einen
Falken; dabei geht das Pferd im Schritte.
Die Behauptung Hanthalcrs', dass nur die regierenden Fürsten, nicht aber auch die nach-
gebomen, Rcitersiegel führten, bildet einigen haltbaren Grund in den Siegeln der Haben-
bergischen Nebenlinie, der Herzoge von Mödling. Die Fürsten aus dem Hause Habsburg
binden sich an diese Siegel nicht, es mag sieh dies einerseits auf die Gesainmtbelehnung, anderer-
seits auf die im Jahre 1364 am 18. November vereinbarte und am 15. December 1379
erneuerte Hausordnung gründen, nach welcher alle Herzoge von Österreich berechtigt waren, gleiche
Wappen und Siegel zu führen; ja es kommt sogar vor, dass gerade regierende Herzoge, wie
Albert IV., und in Tirol Herzog Friedrich IV. und dessen Sohn Sigismund gar keine Reitersiegel
haben.
Kaiser gebrauchten als solche nie Reitersiegel , und jenes Kaiser Friedrichs III. zeigt
schon durch seine Umschrift: Sigillum majus ducale, dass er dasselbe als herzogliches führte,
1 Die Grafen von llol»tein wechseln überhaupt ihre Sicyrelhildcr «ebr hantig. Johann hat ein IJe UeMicgcl mit iIiüq Schwerte;
Gerhard Gr*f von Holstein iiml UcyuesberK 'anno 1317» stilut auf schien) FiHwiegel diu Rechte auf da«, in der Scheide
befindliche, mit ilem WelirgeliHiigc umwundene Schwert. — Adolf VIII., Grat' von Holstein, anno i.T.U. hat ein Iteitersiefrel mit dem
Schwerte. — Adolf Graf von Holstein und Scha'imlnirx nnno 13,'tr, fuhrt eiu Kcitersiegel mit dci Kahne. — (iorhurd Graf von Hol-
stein und Sctummburjr hält auf seinem Itritcrühwl die Zügel de» Tfetdes mit beiden Händen und hat da» Schwert *n der
linken Seite. - * Für*t Hohenlohe -Waldenburg l>ic Siegel der Ifalügrafcn von Tübiü|?ei«. .Stuttgart, IS«, 4". Tal. I und II.
— * Mitthoiluusun des Alterthunn-vireines in Wien. !*<;!, 'Inf. 1. Fij;. 3. 4. — < Kecen». di|>h>m.
Digitized by Google
Dib Siegel ukr östeuuekuisciien I'ecesten.
173
uml darum erscheint auch die Reiterfigur auf der Kehrseite nicht in der Rüstung, sondern im
herzoglichen Ornate.
Ebenso fuhren Könige als solche keine Reitersiegel, sie gebrauchen dieselben entweder
zii Kehrseiten ihrer Münzsiegel, wie die Könige von England und jene von Böhmen seit
Otakar II. bis Johann von Luxemburg (auch Stephan hat als jüngerer König von Ungarn
und Herzog von Steiermark auf der Kehrseite seines Münzsiegels eine Reiterfigur), oder
wenn sie solche als selbststUndige Siegel fuhren, so gehören diese für bestimmte, von dem König-
reiche unabhängige, nur durch eine Personalunion verbundene Fürstcnthümer. So hat Johann
von Böhmen für die Grafschaft Luxemburg zwei verschiedene selbstständige Reitersiegel, worauf
er mit dem Schwerte in der Hand abgebildet ist, wilhrend auf seinen Milnzsiegeln für das König-
reich Böhmen die auf der Kehrseite befindliche Reitertigur das Banner trägt. Die Reitersiegel
König Wenzels I. mit der Titulatur „junior rex" von» Jahre U221», und Otakars II. mit „juvenis rex
Boemorum* gehören nicht hicher, weil beide Fürsten dieselben nicht als Könige, sondern aU
Kronprinzen führten, und Otakar selbst nach den» Tode seines Vaters bis zu seiner Krönung sich
nicht König, sondern nur Herr des Königreiches Böhmen nannte.
Die Reitersiegel der österreichischen Fürsten sind Anfangs höchst einfach: der Reiter hat in
Schild und Fuhne kein Wappenzeichen, die Pferde haben einfache Satteldecken, die Helme sind
ohne Krone, ohne Zimier und Decke. Allmählich aber werden Schild und Fahne mit Wappen-
tiguren verziert und die Fahne zum l'auier umgestaltet: die einfache Bickelhaube wird zum ge-
schlossenen Helm und dieser mit Krone, Zimier und Decke geschmückt; die einfache Satteldecke
weicht der Kaperation, welche das ganze Pferd verhüllt, mit Borten verbrämt und mit Sternen
bestickt ist, und am Vorbuge und am Hintertheile mit Wappen belegt wird. Als bei der Ausfüh-
rung der Reiterligur eine grössere Kunstfertigkeit sich geltend machte, suchte man auch den
leeren Raum um die Figur, das Siegelfeld, auszuschmücken, indem man dasselbe mit Orna-
menten ausfüllte oder wenigstens die Reiterfigur mit einer Ornamentik umrahmte, um durch die
symmetrische Begrenzung einen gefälligeren Kindruck zu erzielen; endlich indem man die Reiter-
figur gruppenweise mit Wappcnschilden umgab, weil diese zu zahlreich wurden, um in Schild und
Fahne und auf der Pferdedecke angebracht zu werden.
Otto der Frühliche ist der erste, welcher das Siegelfeld mit schräg gekreuzten Streifen und
dazwischen gestreuten Blümchen ausgefüllt hat, während bei Albert und Leopold III. bereits eine
zierliche Damascirung die Wirkung der künstlerisch durchgefülirten Reiterfigur erhöht. Minder
geschmackvoll ist die Füllung des Feldes auf dem mährischen Siegel Alberts V., die aus horizon-
talen Reihen von Lilien, wechselnd mit vierblätterigen Blumen besteht. Auch Albert VI. hat das
Siegelfeld mit Blumenornamenten bestreut. Die zarten Blätterranken im Siegelfelde Wilhelms
verschwinden gegen das massige Relief der Reiterfigur. Phantastisch ist die Ausfüllung des Feldes
auf der Vorderseite des Rudolfinisehen Münzsiegels; in kleinen Vierpassen, die in horizontalen
Reihen neben einander gestellt sind, befinden sich geflügelte Drachen, von denen der erste und
zweite und so fort einander zugekehrt sind. Innerhalb der Masswerkverzierungen, die zwischen
vier einander berührenden Vierpassen entstehen, sind einfache Adler angebracht.
In der früheren Zeit ragen bei den galoppirenden Keitertiguren die Helmzierden, die Vorder-
und HintertÜsse der Pferde in den Schriftrand hinein und unterbrechen die Umschrift an diesen
Stellen ohne weitere Motivirung. Rudolf IV. trennte auf seinen grösseren Siegeln die Reiterfigur
ganz von der Umschrift, indem er sie mit einem Rosenornamente umrahmte, welches aus einem
Zwölfpasse besteht ; ein gleiches finden wir auch bei Leopold IV. Bei Rudolf sind die Ausscn-
winkel des Rosenoruainentes abwechselnd mit Engelsbüsten und Löwenköpfen, letztere mit einer
Umrahmung aus Masswerk , bei Leopold blos mit Masswerk aufgefüllt. Bei Wilhelm sind an
21*
Digitized by Google
174
Kam. vos Sava.
die innere Schriftlinie, dort wo die Hehnzierde und die Füsse des Pferdes in den Schriftraum
hineinragen, ausgesogene Zirkeltheile angesetzt, welche den Raum für das Siegelfeld vergrüsaera :
man nennt diese ornamentale Umrahmung des Siegelbilde» das Helmornament, welches auch bei
Ernst, Albert V. und Friedrich V. vorkommt Bei Albert und Leopold III. sind zum ersten Male
an die innere Schriftlinic spitzen art ige Verzierungen angelehnt, die in mehr oder weniger reichen
Formen auch bei dem Helmornamentc in Anwendung kommen , withrend sich dem letzteren bei
Ernst dem Eisernen eine Masswerkverzierung aus ungleichen Bogcnscgmenten anschliesst.
Ausser diesen ornamentalen Füllungen und Umrahmungen des Siegelfeldes suchte man die
Eintönigkeit allzu grosser Flüchen auch diu-ch das Anbringen von Wappenschilden oder Figuren
zu beseitigen. Der erste , überaus schüchterne Versuch dieser Art zeigt sich auf dem Siegel
Leopolds I., indem der steirische Panther frei unter dem Pferde angebracht ist ; der zweite Versuch
dagegen stammt unstreitig aus der Hand eines tüchtigen Künstlers. Auf dem grossen Siegel
Rudolfs IV. halten, in den Bugen des Rosenornamentes mit Verständnis« angebracht, abwechselnd
Engel und Waldmünner die Wappen der verschiedenen Provinzen. Die ganze Gruppe hat viel
Leben und Bewegung, so der Engel, welcher dem Herzog mit dem steirischen Wappen entgegen
fliegt, und der Waldmann, welcher das Wappen von Kürnthen trügt; vor allen aber ist der Engel,
welcher dem Herzoge nachschwebt, die linke Hand wie zum Schutze erhoben , eine trefflich
gedachte und durchgeführte Figur. Keines der späteren Siegel, auf welchen die Reiterfigur
in ähnlicher Weise mit Wappen umgeben ist, kann sich in Bezug auf die sinnige Anordnung und
die geschmackvolle Ausführung mit dem Rudolfinisehen Siegel messen; zum Thcile mag hierbei
der Umstand mitwirken . dass alle folgenden Siegel dieser Art zum Theilc bedeutend
kleiner sind, wodurch das Ganze zusammengezwüngt und überladen erscheint. — Sehr nüchtern
sieht der unter den Nüstern des Pferdes frei schwebende Bindenschild auf dem mährischen Siegel
Albert» V. aus. Auf dem österreichischen Siegeldesselben Fürsten ist die Reiterfigur von neun Wnp-
pcnschilden umgeben, deren einer von einem Engel getragen , ein zweiter von einer affenartigen,
ein dritter von einer jugendlichen Gestalt gehalten wird, während die übrigen sechs frei im Siegel
felde angebracht sind. Die Compositum dieses Siegels ist verständig angelegt und zierlich
ausgeführt ; aber bei dem engen Räume . welchen das Siegclfcld bietet , sieht das Ganze
überfüllt aus.
In gleicher Weise ist bei Leopold IV. und bei Emst die Reiterfigur mit Wappenschildeii
umgeben, welche theils von fliegenden Engeln getragen, thcils von Waldmännern gehalten werden,
oder in den Krümmungen der Ornamente oder im Siegelfelde schwebend angebracht sind. Auf
dem herzoglichen Siegel König Friedrichs III. vor seiner Wahl zum deutschen Könige befindet
sich, zur Füllung des Siegelfeldes, unterhalb des Pferdes eine Gruppe, bestehend aus drei Männern,
wovon der eine ein Gaukler, die beiden anderen Jagdtreiber zu sein scheinen; bei ihnen befindet
sich ein Windhund. Auf dem Majestütssiegel für Österreich , nach der Kaiserkrönung, ist das
Feld mit sehrüg gekreuzten Linien gegittert und dazwischen mit Punkten besäet, über der Reiter-
figur sind acht Wappenschilde in Form eines Bogens gestellt, und vor dem Pferde befindet sich da»
Monogramm des Kaisers, und danmter die Buchstaben: A. E. I. O. V. mit der Jahreszahl 1459.
Zum ersten Male ist hier der Boden auf welchem das Pferd steht, angedeutet, während auf den frühem
Reitcrsicgeln das Plerd, ob im Schritte gehend oder galoppirend, nie einen Gnind unter seinen
Füssen hat, sondern im Siegelfelde schwebt, und dies nicht nur in österreichischen, sondern auch in
Siegeln anderer Länder. Zu den seltenen Ausnahmen dieser Art gehören die Reitersiegel des öster-
reichischen Paniertrügers Otto Grafen von Plaieu anno 12M \ Karl des Kühnen von Burgund und
1 Sava, die Siegel der Lamles-Erbiimter im Ertherzojrtiitini Österreich unter der Enni». Mittlii-iliinp'ii de* Altertkiitn*<
Vereine» in Wien. IK(U, Taf II, Vig. 12.
Digitized by Google
Die Siegel i»eu österreichischen Hegkntkk.
173
seiner Tochter Maria, die allein mit einem Falken auf der Hand erscheint ; alle drei sprengen Uber
einen mit Gras und Blumen bewachsenen Boden dahin. Auf einem spateren »Siegel Märiens , wo
sie neben ihrem Gemälde Maximilian I. reitet, hat sie ebenfalls den Falken auf der Hand und wird
von zwei Jagdhunden gefolgt; aus einer Höhle des mit Gras bewachsenen Bodens guckt ein
Kaninchen hervor. In späterer Zeit erhalt der Boden bisweilen einen landschaftliehen Hinter-
grund, wie auf den Siegeln Olivier Oromwells und König Georgs III. von England.
Die als Beiwerke im Sicgelfelde angebrachten Wappenschilde haben die gewöhnliche drei-
eckige Form, deren Langseiten sich gegen die Spitze (den Fuss) dos Schildes einbiegen ; auf der
Kehrseite des Münzsiegels Herzog Friedrichs V. ist der Schildesfuss gerundet, und auf den in Nischen
angebrachten Wappen Schilden ruhen gekrönte, mit Decke und Zimier geschmückte Stechhelme.
Die Schilde auf dem österreichischen Majestiltssiegel haben die sogenannte deutsche Form und
sind auf einer Seite etwas eingebogen, der Schildesfuss ist rund.
Die Engel sind in langen , theils gegürteten , theils ungegUrtcten Gcwilndern , welche den
Hals frei lassen, sich bisweilen dem Oberkörper knapp anschliessen und von den Hüften ange-
fangen in einen weiten faltigen Rock übergehen. Wenn die Engel fliegend dargestellt sind, reicht
die Gewandung weit über die Füsse hinaus und schwingt sich wellenförmig. Die Hügel sind meist
zierlich ausgearbeitet und die Haare an den Seiten in leichte Locken gelegt; meistens tragen
sie Wappen, einmal halten sie Schriftbündcr und einen Inschriftstein, und auf dem grossen Rudol-
finischen Siegel erscheint ein Engel als schützender Genius.
Die beiden Frauengcstaltcn , welche auf dem Münzsiegel Herzog Rudolfs IV. die Schilde
von Burgau und Kiburg tragen, haben lange, die Füsse verhüllende Kleider, und darüber an den
Achseln verbrämte und vorne an der Brust durch Spangen festgehaltene Mantel, die Haare sind in
dichte Locken gelegt.
Die Waldmänner , groteske Figuren , nackt , am ganzen Körper mit langen Haaren dicht
bewachsen, werden theils als Schildträger, theils als Telamone verwendet Als letztere kommen
auch Figuren in Stellungen wie Gaukler vor.
Von den drei Männern auf der Vorderseite des ersten herzoglichen Siegels Kaiser Fried-
richs III. scheint jener mit dem Stock über dem Rücken, und den in den Stock verschlungenen
Armen und mit dem ausgezackten Halskragcn ein Gaukler zu sein, wahrend die anderen beiden,
der eine mit spitzem Hut und anliegender Kleidung, sowie der bilrtige, lang behaarte Mann mit
kurzer gegürteter Tunik, beide mit Stöcken versehen , zur Jagd bestimmte Treiber sein dürften,
worauf wohl auch der mitfolgcnde Windhund deutet.
Die beiden liegenden Hirsche, aufweichen Rudolf IV. steht, nehmen, was auch durch die
t'mschrift bestätiget wird , auf das Erzjägermeisteramt des heiligen römischen Reiches Bezug,
welches Amt mit dem Anfalle Kärnthens an Österreich übergegangen war 1 .
Interessant ist die Beigabe des Monogrammcs auf dem Siegel Kaiser Friedrichs III. ; die
Jahreszahl 1 459 bezieht sich auf die Verfertigung desselben.
Als architektonische Beiwerke finden wir die reichgeschmückten Nischen, unter welchen
Herzog Rudolf IV. und Friedrieh V. stellen, deren erstcro oben durch einen mit Blumen
geschmückten Giebel geschlossen, die andere von einem, auf Spitzbogen ruhenden . mit Giebeln
und Fialen geschmückten Baldachin überragt wird. Die Hintcrwand der letzteren Nische ist mit
einem zierlich gestickten Teppich belegt. Spitzsäulen scheiden zu jeder Seite der Hauptnischen
drei, nach oben und unten sich verjüngende Nischenreihen, welche zur Aufnahme der Wappen -
sehildc und ihrer Träger bestimmt sind , und die ganze Architektur gibt das Bild eines geöffneten
Flügelnltars.
' Srhrüttcr» Alihamliung im» «lein ilgtonvichfechfn ShiiiUrt-rhtc. II, 201. VI.
Digitized by Google
170
Karl vom Sava.
Die beiden kleinen Löwen auf Pilastern zu Seiten des Baldachins über der Mittelnischc sind
nichts weiter als eine der gothisehen Architektur eigentümliche Ausschmückung durch Thier-
gestalten.
Wenden wir uns nach diesem allgemeinen Überblick Uber die Reitersiegel und deren orna-
mentalen Ausschmückung, so wie der auf ihnen vorkommenden Heiwerke wieder dem Hauptbilde,
nämlich dem Ritter und seinem Pferde zu, so haben wir noch die Bewaffnung des Reiters, und
zwar sowohl die Schutzwaffen : Hehn. Schild und Panzer, als auch die Angriffswaffen, wie Lanze,
Schwert und Dolch; so wie deren Verzierungen, wie Helmzimicre, Decken, Kronen, Waffen-
röcke, Gürtel, Fahnen u. s. w., dann Würdeabzeichen : Herzogshut, Sccpter und Mantel, endlich
auch die Pferderüstung und deren Ausschmückung näher zu beleuchten.
Die auf dem ältesten österreichischen Fürstensicgel, nämlich jenem Ernst's des Tapferen
(reg. 10.">(i— 1078) vorkommende gerundete und anschliessende Kopibedeckung, welche das
Gesicht frei lüsst, scheint, nach den rückwärts herabhängenden Bändern oder Kiemen zu urthei-
len, eine Sturmhaube zu sein, we lche über die Kapuze des Panzers aufgebunden wurde.
Die nächst bekannten Siegel sind jene von Ernst's Enkel, Leopold dem Heiligen, von wel-
chem sich vier von einander verschiedene erhalten haben. Auf den beiden älteren erscheint ein ni cd-
riger, konisch geformter, offerier Helm (Sturmhaube, Bickclhauhe, bacinetum, has-
chtet), der oben in eine Spitze endet und in «1er Mitte einen von vorne nach rückwärts lmi-
fenden Riegel hat. Dieser Hehn sicherte nur den Oberkopf, das Gesicht blieb frei, das Hinterhaupt,
der Hals und der Nacken dagegen wurden durch die hinaufgezogene Kapuze des Panzerhemdes ge-
schützt, indem das Bassinet entweder über das Panzerwerk aufgebunden oder letzteres an den
Rändern des Bassinet* befestiget wurde. Eine ähnliche Sturmhaube zeigt auch das verdächtige
Siegel am Stiftsbriefc von Klosterneuburg, während dieselbe auf dem Siegel an dem Stiftsbriefe
von Heiligeukreuz den Riegel verliert, höher ist und mit der Spitze nach vorwärts gekrümmt wird.
Diese letztere Form bildete sich vorzüglich unter Heinrich Jasomirgott aus. Fntcr Leopold
dem Tapferen treten bei dein Helme mehrere Veränderungen ein. l'm das Gesicht theilweise
zu schützen , befestigte man vorne eine schmale , über die Nase herabreichende Spange, Nasen-
spange (nasal), welche anfangs unbeweglich war, in späterer Zeit aber auch zum Hinauf-
schieben eingerichtet wurde. Diese Nasenspangen kommen bereits im XI. Jahrhunderte vor 1 und
überdies sind bisweilen auch am Hinterhaupte verlängerte Schienen zum Nackenschutze auge-
bracht \
Ferner verschwinden unter Leopold dem Tapferen die kegelförmigen Sturmhauben und an
ihre Stelle treten cylinderförmige, welche oben abgerundet und mit einem Riegel versehen sind.
Anfangs ist an denselben ebenfalls das Nasal angebracht, später aber geht die Nasenspange in eine
Blechplatte über , welche das Gesicht bedeckt , nicht weit über die Nase herabreicht und mit
Ausschnitten für die Augen versehen ist, wie wir sie auch auf den Bildern der Herrad von Lands-
berg treffen'.
Gleiche Form zeigen die Helme auf den Siegeln Friedrichs des Katholischen und
Leopolds des Glorreichen. Auf einem späteren Siegel des letzteren ist der niedere cylinder-
förmige Helm mit der Gcsichtsplatte oben gerade abgeschnitten , und diese letztere Form
bildete den Übergang zu den Helmen, welche das ganze Haupt umschlossen, und auf den öster-
reichischen und deutschen Fürstensiegeln im Anfange des XIII. Jahrhunderts erscheinen.
' Auf dem Siegel des PfaUgrafen aiu Rhein, Heinrich il«' Lacii. nnu« 1018— H»«l5. — 1 .S. Herrad von Landabere, Äbtissin
von Hohenfurt »der .St. Ottilien in Elsa«!) im XII. Ji»lirliututert, und ihr Wirk: lli>rtus delkiaruru. Herausgegeben von C hristian
MorU Engelhardt. Stuttgart, 1*18. Auch auf dem Siegel des (irafen Wilhelm von Luxemburg;, anno 1122, erscheint ein Helm
mit einer .Schiene am Hinterhaupte. — » 1. e.
Digitized by Google»
DiK .SlKOFf. PKK < i.s TGR!tF.CCIUÄ( HKS Uno kn rt.v.
177
Bisweilen bildeten diese Gcsichtsplattt n tili förmliches Gitter, wo dann selbstverständlich die
Ausschnitte für die Augen fehlen'.
Federn, Rossschweife oder sonstige 1 Zierden kommen auf den Sturmhauben weder auf den
Siegeln vor, noch sind sie mir in gleichzeitigen Abbildungen bekannt; wohl aber ist bei Herrad
von Landsberg der untere Rand mit einem messingenen Reife umgeben, und Fürsten habet» statt
dieses Ringes eine Krone um den Helm. Dass diese Sturmhauben aus gediegenem Kisen waren,
zeigen die Farben auf den Abbildungen der Jlcmid 2 , und die alten Heldengedichte erwilhnen
hitufig, dass von den gewaltigen Sehwerthieben die feuerrothcii Funken aus den Helmen stoben,
als ob man Brande schwang. Sic werden hilrter als ein Adamas oder Krystall geschildert, sind
verfertigt von Stahl aus dem inneren Indien und „lichter als ein Schwert" \
Manchmal hilngen die Riemen und Sc hnüre, mit welchen man die Bassinets Uber die Kapuze
des Panzerhemdes band , rückwärts herab und sind an den Enden mit Kugeln oder Quasten
verziert *.
Auf den Siegeln der schlesischen Fürsten erhalt sieh der offene Helm bis in die zweite
Hälfte des XIII. und auf jenen der Markgrafen von Brandenburg sogar bis in das XIV. Jahr-
hundert. Thatsiiehlieh bleiben diese KisenhUte, zum Tlieile mit Andcrnnircn in der Form , vor-
ziiglich mit Stirnstulpen und Geniekstücken , oder mit rund um den Kopf laufenden Räindern
fortwährend im Gebrauch, und Wiens Bürgermeister führte im Jahre 1487 keinen besseren Eisen-
hut als jeder andere Bürger, nämlich zu dem l'reise von 1 Pfund Wiener Pfennige*. In den Ab-
bildungen der Hcdwigslegcnde' 1 erscheint die Bickelhaube als Kopfbedeckung der Tataren und
der gemeinen christlichen Krieger, seltener bei den Rittern, und auch Otakar von Horneck
erwähnt, dass das Fussvolk glanzende Bickelhauben trug.
Übrigens finden wir die Sturmhauben auf den Siegeln von höchst verschiedenen Formen;
so sind die kegelförmigen, nach vorwärts gekrümmten, oben nicht selten abgerundet'; dagegen
sind die cylindcrföriuigen und oben gerade abgeschnittenen auf den niederländischen Reiter-
siegeln bald sehr niedrig, fast wie die Reif barette , bald wieder sehr hoch*. Eine andere Eigen-
tümlichkeit zeigen die niederländischen Reiteisiegcl darin , dass, um den Hals zu schützen, zu
beiden Seiten des Hauptes viereckige Platten (Achselscheiben, aisles , aislettes) an den Helmen
befestiget sind; sie kommen zum ersten Male im Jahre 11 6*' vor und werden dann im XIII. und
XIV. Jahrhundert auch bei den Kübelhehnen beibehalten und mit Wappenfiguren verziert; sie
verschwinden erst mit den Bourgignots.
Leopold der Glorreiche ist der erste österreichische Fürst, auf dessen Siegeln der geschlos-
sene Helm erscheint. Kr ist oben gerade abgeschnitten , vorne mit einer Kante verseilen und
am Hinterkopfe gerundet. Statt eines bewegliehen Gitters oder Visirs hat er an beiden Seiten der
Kante einen langen horizontalen Ausschnitt in der Richtung der Augen (von Otakar von Homeck
Helmfenster genannt), sowohl zum Sehen als auch zum Einströmen der Luft. Anfangs ist der
Helm gegen das Kinn zu eingesehweift und unterhalb desselben nach dem Hinterhaupte verjüngt
ausgeschnitten; gegen die zweite Hiilffc des XIII. Jahrhunderts aber bildet sich die vordere
Helmwand allmählich ganz gerade und in gleicher Weise wird auch der untere Rand nicht mehr
verjüngt, sondern ebenfalls gerade abgeschnitten; die ganze Form ähnelt einer Tonne, daher der
1 Auf dem Siesel de» (trafen Heinrich von Luxemburg, »nno 121t>. — -' I. e. — :1 Wigiilois, •>(),'» und Ulrich
von Liechtenstein. — 1 (Jottfried Herzog von Lothringen, anno llftS. Ot.ikar als Mark^r.if und Herzog von Steiermark, anno
1163 und IIS'». — 1 Schlager, Wiener Skizzen, J, MS. — c Die Rilder der Uedwigslcgcndc. Nach einer Handschrift vom .lahre
l:t:>3, in der Bibliothek der I'. I*. Puristen in Schlack, nwertb. Herausgegeben von Adolf Hilter von Wolfrkron. Wien 1*16,
bei Matthäus Knppit-rb. - • Wilhelm l'flazgraf am Itboin «nno im; und tiolltried Herzog von Lothringen, anno Iltis. -
» Herzog Heinrich von Lothringen, anno 121« nnd Ural" Friedrich von Hiti-ch. — '■> Auf dem Siegel Herzog Gottfried %«n
Lothringen.
Digitized by Google
178
Kaul von Sava.
Name: Fasshelm, Kubelhcliu, oder wie Otakar von Hornek nagt: Helm las». In ihrer
vollendeten Ausbildung erseheint diese Ilcluiform zuerst bei llernmun von Baden, dem Gemälde
Gertrudens von Österreich, und wird von Otakar bis zu seiner Königskröuung beibehalten.
Nach der Krönung zum Könige von Böhmen (anno 1261) zeigt uns das Münzsicgel Otakars
auf der Kehrseite eine Reiterfigur mit wesentlichen Veründerungen in der Bewaffnung. Noch ist
die alte Form des Fasshelmes da , aber unterhalb des Sehschnittes sind in die Helmwand zwei
Reihen viereckiger Locher eingeschlagen, um durch dieses Gitter ein reichlicheres Zuströmen der
Luft zu erzielen und die drückende Wilrme in dieser Eisenhülle zu mindern. Am Hinterkopfe ist
eine anliegende , stufenförmig ausgezackte Decke , und Uber dem Hehn ragen zwei horizontal
gelegte Adlerflügcl als Zimier empor. Wir begegnen also hier ziuu ersten Male auf einem öster-
reichischen Fürstensiegel der Helmdecke und dein Zimier. Beide waren aber schon früher
wirklich im Gebrauche, und Ulrich von Liechtenstein bietet uns hierüber in seinem Frauendienste
zahlreiche Beispiele dar. Sein Bruder Heinrich führte auf dem Helme eine Welle von Gold , die
an den „Orten'' mit Pfauenfedern besteckt war, und der Graf von Görz, dessen Hehn Hellt von Gold
und hart wie ein Adamas war, hatte einen Kranz von Pfauenfedern, an welchem viele Blatter aus
Silber hingen; endlich Otto von Meissau:
„öf Hinein heim der biderbc tnioc
ein kränz von gnnsvederu wiz
Aber nicht blos beim Tiost, auch in der Schlacht wurde die Helmzierde getragen; so singt
Ennenkel von Ulrich dem Jüngeren von Käirnthen, welchen Friedrich der Streitbare in der Schlacht
bei Laa gefangen nahm :
„daz duz zimier soldc stn
duz wären zwei lioni lieriidn,
von phävedem so dicke
daz dii der suniien blicke
üf dem beim nicht bacteu sebtu
sü dicke warn die vedern stn'>
Bei Suchenwirth heisst es:
.,Da AM er wandelt* Ireye
selber sein vcrchrHiitcn heim,
den man durch staub und auch durch melben
Vil diche sach erhitzen \ u
Als Roiiz zum Kampfe ging, trug er einen Hehn mit breitem goldenen Rand , über dein
Scheitel war ein Diamant mit Schmelz umlegt und darauf befand sich ein Drache aus Gold, als
ob er lebte und Uber dem Hehn schwebte' .
Die He lin auf siitze, H elmzierden, Zimiere (einrier, crest, lat. : apex, eimerium) waren
wohl eine Erinnerung an die Sitten unserer Voriiltern, die Kopfhäute wilder Thiere sammt deren
Waffen, wie Hörnern, Hauern, Zilhnen, Uber den Kopf zu stülpen, um sich ein fürchterliches Aus-
sehen zu geben. Sie dienten auch als Abzeichen im Kanipfgemenge, wohl auch, wie die Federn,
blos zur Zierde. In spiiterer Zeit wurden sie mit den Wappen in innigere Verbindung gebracht
und gingen in plastische Darstellungen der Wappenfiguren Uber , oder sie zeigten das Wappen
selbst auf sogenannten Schirnibrcttem , ovalen oder eckigen Scheiben , welche im letzteren
Falle an den Ecken mit Kugeln, Schellen , Quasten oder Pt'auenspiegeln besteckt waren. Auch
auf Landes- und Krbiiniter nahmen die Helmzierdeu bisweilen Bezug, so der Marschallshut auf
' LUrioli vou Liec1it.-itM.-iii. Ilfranftffeirebe» von Liichmaim. Merlin 1841, vag. 483. — * tauch, .ScrljUürei» rw. Anstriw. I,
pa*. 34U — J SuclK-r.wirtlj. Iii rausifejfcbeu vun l'riwisscr. VIII, v. l.V<— Mil. — « Winjfaloix, I.e.
Digitizechby Google
Die Siegel heu üsterreichischkn Regenten.
179
den Siegeln der Herzoge von Sachsen und auf jenen der Grafen von Gürz , welche letzteren
das Erbmarschallsamt des Patriarchates von Aquileja innc hatten ; oder e ine Schüssel als Zeichen
der Truchsesswürde:
pSein Helm war reich an Zier
l'nd kiistlicli sein Zimier —
Auf der Spitze glänzte hell
Eine Schüssel vom Golde,
An der man wissen sollte,
Dass er dort Truchsesse war'.-
Die Hclmzierden waren so wie die Wappen bisweilen Lehen von dem Landesfllrsten ; so
bittet der oberste Marschall von Österreich, Otto von Meissau, den Herzog, das Wappen, welches
er von ihm zu Lehen getragen und das er, falls er ohne iiiilnnlichen Erben stürbe, dem obersten
Kämmerer Hanns von Ebersdorf' vermacht habe, diesem letzteren zu bestätigen. Im Yermachtniss-
briefe selbst wird das Wappen beschrieben: Ein schwarzes Einhorn in einem gelben Schild;
und die Hehnzierde: ein Gansnest, darin ein Huschen Federn und drei daraus hervor-
sehende Giinse -.
Die Herzoge Albert und Otto verleihen dem Bruno Vicecomite und den von Matthäus und
Ubert Vicecomite abstammenden Gliedern dieser Familie unter dem Titel eines Lehens das Recht,
eine Krone auf dem Hute, Helme, im Panier oder Schild zu führen: und Herzog Albert II. und
dessen Gemahlin Johanna verleihen dem Ulrich von Stubenberg ihr Kleinod von der Herrschaft
Ptirt. eine goldene Posche 3 , auf dem Helme zu führen'.
Oft waren diese Heinizierden der Gegenstand ernsthafter Zwistigkeiten; so bekennt Rein-
precht von Ebersdorf, oberster Kümmerer in Österreich , dass ihm nach langem Streite auf seine
eigene und auf die Bitte anderer elnbarer Herren, Georg der Zändlein gestattet habe, für sich und
seine Erben als Helmzierde zwei Flügel zu führen, beide quer getheilt, unten schwarz und oben
golden , und anders nicht. Dogegen soll Georg der Zilndel nur einen Flügel führen , unten Gold
und oben Schwarz. Überdies verpflichtet sieh Rcinpreeht von Ebersdorf, diese Helmzierdc, falls
er ohne Leibeserben stürbe, niemand Anderem zu schaffen oder zu geben \
Um die Helme gegen Rost zu schützen, wurden sie versilbert oder vergoldet, auch mit Far-
ben bemalt, und um die zu grosse Erhitzung durch Sonnenstrahlen zu verhindern, überzog man
sie mit hellfarbigen Tüchern, oder wie die Schilde, mit Summt oder Seidenstoffen; ausserdem wur-
den sie auch mit Gold und edlen Steinen verziert.
„Min schilt, min heim was puene gar."
„iMin heim was wiz, min schilt alsam*."
Beim Überziehen und Bemalen der Helme wurden die Wappenfarben berücksichtiget, wohl
auch das Wappen selbst angebracht. So tmg Wigalois , der im Schilde ein goldenes Rad im
schwarzen Felde führte, auf dem mit Gold und Gestein verzierten Helm ein Rad als Zimier, das sich
drehte, so oft er buhurdirte. Der Helm selbst war mit Zobel Uberzogen, und eine Leiste von Gold
lief quer Uber die Augen'; und auf dem Siegel des Herzogs Ferri von Lothringen (anno 127G)
ist auf dem Helme der rothe Schrägebalken mit den gcstümmcltcn silbernen Adlern angebracht.
ß
i V.ny von Waleia, der Kitter mit dem Rade, von Wirnt von (irafenborp. Übersetzt von Adolf (irafen von BaudUatn.
Lcipiip, Broekhaus 1*4«, v. .Ts-tf—Wi. - Hormayr, Taschenbuch für vaterländische Ueachichle, W.W Merlin bei Keioicr,
»jap. >7:i und Wurinbramlt, collcctanea peneal. 72. — 3 Posse, Bosse, eine abenteuerlich« Kipur, Tetanol»»«. Frisch, Wörter-
buch. Hier also wohl dir Jungfrau mit den Flachen. — * Lichnowsky, (icBchirhtc den Hause» Habsbiirp. Hegest. pap. CCCCXXXII
und ('< «'('I.XV, Nr. und H3«, anno 1330 und 1347. — 4 Wunubrandt, I. e. _>0. — « Ulrich von Liechtenstein. I. c. pap.
73 und 1GI. -- • üuy von Walei», 1. c. v. 365C— I.Kifi.
IX. J5
Digitized by Google
180
Kam. von Sava.
Diese Sitte, die Helme mit Stoffen zu überziehen, gab bei Kampfspielen Veranlassung zu
manchen Scherzen. So hatte Herr Zachäus von Himmelberg', ab Sänger bekannt, ein Münchskleid
Uber den Harnisch gelegt und trug auf dem Helme ein Haarbündel , in das eine breite Platte
geschoren war; und Otto von Buchau trug eine Gohdcsc, d. i. ein windisches Weiberkleid ; auf
dem glänzenden Helm war ein weiter King ge macht und kostliche Ohrringe hingen von dem
Helme herab, während rückwärts zwei blanke Zöpfe bis zu dem Sattel niederwallten 1 .
Spitter kamen die fliegenden Helmdeckcn in Gebrauch , die unter dem Ziniier oder der
Krone hervorwallend das Hinterhaupt deckten , bis auf den Rücken hinab reichten und mit
Stickereien und Verbrämungen verziert waren. Die Farben der Helmdecke richten sich meistens
nach jenen des Wappens oder der Helmzierde; es kommt übrigens auch vor, das« sie das Wappen
selbst darstellen. So hat Herzog Albert HI. auf der, im Codex num. 2765 der kaiserlichen Hof-
bibliothek abgebildeten Reiterfigur eine Helmdeckc, welche aussen roth und nach innen weiss ist 1 ,
eben so im Arlbcrger Bruderschaftsbuche; dagegen erscheint in letzterem die Helmdecke bei
Leopold dem Stolzen roth mit dem weissen Querbalken'. König Wenzel I. von Böhmen und Ota-
kar haben auf den Reiterfiguren im Stadtbuche von Iglau schwarze mit goldenen Blättern besäete
Helmdecken , nach dem Zimier einen schwarzen Adlerflügel, der am unteren Theile mit zwei Rei-
hen goldener Blätter belegt ist'.
Dass die fliegenden Helmdecken im Kampfe zu Schimpf und Ernst sehr litten, ist begreiflich.
Eine zerschlitzte Helmdeckc galt gleichsam als ein Ehrenzeichen; man fing an damit zu prunken,
und begann am Schlüsse des XIV. und im Laufe des XV. Jahrhunderts die Helmdecken auf den
Wappensiegeln auszu zacken, und ging damit immer weiter, je mehr das Ritterwesen selbst ver-
schwand, bis man endlich die arabeskenartig verschlungenen Helmdeckcn der neueren Heraldik
herausgekünstelt hatte.
Ein späteres Siegel Otakars zeigt uns abermals eine veränderte Helmform, die sich
durch das ganze XIV. Jahrhundert erhielt. Der Helm ist an der Vorderseite kantig , am
Hinterkopfe gerundet, und verjüngt sich oberhalb der Sehlöchcr zu einer mehr oder weniger
stumpfen Spitze, welche jedoch durch das Zimier, einen horizontal gelegten Adlerflug, verdeckt
wird. Die „Orte" der Sehlöcher sind mit Spangen verziert, und eine solche scheidet auch die
vordere Wand des Helmes von dem Rücktheile. Oberhalb der Sehlöcher, so wie an der Rück-
wand ist der Helm mit kleinen an einander gereihten Buckeln besetzt , welche vielleicht eine
anliegende gestickte Decke darstellen sollen. Das Gitter unter dem Augenschnitte ist
versehwunden.
Diese Helmgattung ist zusammengesetzt aus dem früheren Fasshelm und eine auf diesem
aufgesetzte zugespitzte Kuppe ; sie bot den Vortheil , dass Schwerthiebc und Kolbenschläge
abglitten, während der oben gerade abgeschnittene FasBhelm mit seiner ebenen Schlussplatte
der betäubenden Wucht des Schlages ein breites Feld gewährte.
Eine interessante Eigenthümliehkeit finden wir bei dieser Helmgattung sowohl auf den
Reiter- als auch auf den Wappensiegeln der Herzoge von Kärnthen aus dem Hause Görz-Tirol :
auf dein Helme ruht nämlich ein Eisenhut mit einer breiten Krempe und auf letzterem erhebt sich
ein Pfauenfederbusch als Zimier *. Dieser Eisenhut auf dem Helme kommt auch auf den Siegeln
des kürnthnerischen Landesadels ziemlich häufig vor.
• Ulrich von Liechtenatein. 1. e. — • Codex Nr. STfi'i, F«L 42 a. — 3 S. «las Arlbivger Bnidcrechaftsbuch, ein Pergamcnt-
Cmlex im kaiserlichen Haiiüurchive. ee enthält die ältesten (inttbatvr der St. Christoph-Capelle und des Haute« auf dem Arl-
berjre mit ihren Wappen; eg beginnt mit dem Jahre 1303 und endet mit 1415. Von den Herzogen von Österreich erscheinen
folgende: Albert III. nebst seiner (ieni.ihlin Beatrix von Zollern. Blatt 5; Albert IV. nebgt seiner Gemahlin Johann» von
Haiern, Blatt <i; Wilhelm, Blatt 7 rtv.; Leopold IV., Blatt H av. und 0 rev. — « Codex im Archive der Stadt Iglau, vertasst
zu Ende des XIV. oder zu Anfang des XV. Jahrhunderts mit Miniaturen - '- Meinhard a. IL'01 ; Otto a. 1303; Heinrich a. 1307.
Digitized by Google
DlK SlKCEL UtR ÖSTERliF.lCIUSClIEN RüGENTEX.
181
Unter den Fürsten aus dem Hause Habsburg erscheint der Helm zum ersten Male gekrönt
und aus der Krone ragt ein reicher Pfau e n st n tz als die zu dem Österreichischen Bindenschild
gehörige Helmzierde empor; das frühere Zimier der Habsburger war, wie aus den Reitersiegeln
derselben in Herrgotts Genealogie , so wie aus dem Siegel, welches Albert I. noch als Reichs-
verweser in Österreich führte, zu ersehen ist, ein hervorwachsender rother Löwe mit einem Kamm
von Pfauenspiegeln auf dem Rücken. Der Pfauenstutz bleibt mit wenigen Ausnahmen der eon-
stante Helmschinuck auf den Siegeln unserer Fürsten.
Noch Herzog Rudolf III. hat eine anliegende Helmdecke , die am Rande mit Perlen oder
Knöpfen besitumt ist; Heinrieh und Leopold dagegen haben im zweiten Jalirzehent des
XIV. Jahrhundert* zum ersten Male fl i ege n de Decken, welche von da an im Gebrauche bleiben.
Die vordere Kante des Helmes, so wie die Sehlöcher sind mit Spangen, wahrscheinlich
von anderem Metalle verziert, und die Helme selbst reichen bald mein - , bald weniger über das
Kinn herab. Rudolf IV. hat zuerst wieder die vordere Helmwand unter dem Augenschnitte gitter-
artig durchbrochen. Wie aus gleichzeitigen Wappensiegeln mit nach vorne gestellten Helmen her-
vorgeht, befindet sich dieses Gitter meistens nur auf einer Seite des Helmes , bisweilen erscheint
an dessen Stelle oder an der anderen Seite des Helmes eine kleine Öffnung in Gestalt einer vier-
blätterigen Blume, welche dazu diente, den vom Haupte abgebundenen Helm an einer von der
Achsel herabhängenden Kette mittelst eines Hakens zu befestigen. Mit dem Beginne des
XV. Jahrhunderts, zuerst bei Wilhelm dem Freundlichen, anno 1404, kommt der Stech h Ii e Im in
Gebrauch, welcher von da an der allein herrschende wird, bis er auf dem Siegel König Fried-
richs III. vor seiner Wahl zum deutschen Könige zum letzten Mal erscheint. Der Stechhelm ist
ein geschweifter Kübelhelm, dessen oberer Thcil der Rundung des Kopfes, der untere Theil der
Biegung des Halses sich anschmiegt. Zwischen beiden befindet sich ein Spalt (Querriss, Quer-
schranz) zum Durchsehen , ohne Spange. Der untere Theil ist in der Mitte kantig und nach
oben stark ausgebogen, so dass er in der Profilirung eine Spitze bildet. Der Stechhelm reicht auf
Brust und Rin ken herab, wo er angeschraubt oder angebunden wird.
Von jenen Helmen, die mit einem bewegliehen Visir versehen. Kinn-, Hals- und Nacken-
schutz durch eine geschickte Gliederung mit einander bilden, sogenannte Bourgignots, bietet
die österreichische Sphragistik nur ein einziges Beispiel auf dem Rcitcrsiegel Alberts VI. dar.
Der Name deutet auf das Vaterland dieser Helmform hin und Albert , welcher sich sehr häufig in
den Vorlanden aufhielt, hat sie wohl aus Burgund herübergebracht. In den Niederlanden ent-
wickelte sich diese Helmlorin bedeutend früher und in mannigfaltigen Formen, später treffen wir
sie auch auf den Reitelsiegeln Maximilians I. für die Niederlande '.
Der Kol bentu rn i erh clm, kugelförmig mit weit gegittertem Rost, kommt auf den öster-
reichischen Fürsteiisiegeln nicht vor, wohl aber auf den Wappensiegeln deutscher und nieder-
ländischer Fürsten *.
Um den Kopf gegen die Schwere des Helmes und nach Möglichkeit gegen die Wucht
gewaltiger Schwert- und Kolhenschliige zu schützen, wovon u. a. Kniienehel sagt:
„Den kolben er df» zuckte,
hindern scliild er sieh smiiikle,
und tet dem l'rinzel seinen slao,
daz er weder enliörte noch ensaeh,
waa im daz houbet betonbet was,
' Abgebildet: Vredieu» Siplla coiuitaiu Flandriae, Taf. XUI b, und Hcrr-rott: Mnnuincuta I, Tal' XI, Fi K . und .1. -
* Am r.rahsteinen erseheint or fmlizcitig, so auf jenem Friedrich* von Kreusbach. S. Leber, «lie Kitt-rbiir-en von Kauheneek.
Uaul.enst. in und .Seliarfcueck. Wien 1S44, Taf. VII.
25»
Digitized by Google
182
Kahl von Sava.
daz er der fliege gar vergaz,
und daz er viel ftf diu knie'.«
trug der Ritter unter dem Helme eine Bundhaube (Hersenir*, auch Harn isc h kap pc), welche
von Leinwand mit Wolle oder Werg dicht abgesteppt und bisweilen auch mit Seide oder Damast
Uberzogen war. Sie reichte rückwärts Uber die Ohren herab und Hess das Gesicht , gewöhnlich
auch das Kinn frei, - wir treffen sie in dieser Form bereit» auf Grabsteinen aus dem XIII. Jahr-
hundert. Da die Fasshelme ohne Hals und Naekentheile Uber den Kopf gestürzt wurden und
an diesen nicht anschlössen, so mussten sie mittelst Riemen oder Seidenschnüren un die Rüstungs-
theile am Halse oder an den Achseln befestiget werden. Aber auch an der Bundhaube waren
Schnüre oder Riemen (Hclinlöre, von: lorum) angebracht, welche durch darauf gerichtete Löcher
des Helmes gezogen wurden , um denselben fest zu halten. Dennoch geschah ua im Tioat nicht
selten, dass durch die Gewalt des Lanzenstosses die Schnüre rissen und dem Ritter der Helm
vom Haupte gestochen wurde:
„Des tage« mit tjoat mir daz geschaeh,
daz man mir von dem houbet stach
fllr war dristunt den heim mtn,
den ich mit snlleren doch sidln
üfgebunden het vil wol,
als man die helmc binden sol \ J
Über den Tiost mit Berthold von Emmerberg sagt Ulrich von Liechtenstein: „Schön und
lang war der Buneis, das Feuer sprang aus beiden Helmen, beide Speere zerbrachen und er
stach mir den Helm am Kinne, dass mir das letztere vom Blute nasa wurde; ich band den Hehn
fester und das war nöthig, denn seine Riemen waren abgerissen. * Ein solcher Stoss galt für
einen Meistcrstoss , denn auch bei Guy von Waleis heist es: „jeder hatte zum Ziele erkoren den
Hals des Gegners unter dem Kinn" \
Zusammengesetzter als die Bundhaubc war die Turnierhaube (anno 1436), die im vollstän-
digen Zustande aus einem Wulste (Stimbund) und zwei Schläfcnkissen bestand, und drei starke
Riemen mit Doppelschnallen und dreizehn Schnürriemen mit Stiften hatte *.
Um sich durch die Schwere des Helmes nicht unnötigerweise zu ermüden , wurde derselbe
kurz vor dem Kampfe oder Turniere aufgestürzt und gebunden; Ulrich von Liechtenstein erwähnt
dieses Umstandes oft und sagt unter anderem von dem Domvogte von Regensburg: r als er inieh sah,
band er den Helm zu Haupt und nahm einen Speer zur Hand^ s ; und die Limburger Chronik
erwähnt zum Jahre 1350, das» man den Rittern die gekrönten Helme auf einem Kloben nachfühlte
Dagegen wurde aber auch dem Besiegten das Sehwert weggenommen und das Haupt ent-
waffnet, indem man ihm den Helm abband:
„GArel, der kttene wtgant,
den heim er im abe baut
und nam imz swert und liez in liegen*."
Das Abbinden der Helme vor Damen gehörte zur höfischen Sitte; darum heisst es von
Wigalois :
' Ennonkcl bei Rauel). Scriptor. I, .14«». — ! „Durch Helm und Hersenlr ward mancher da im Tiost erscbUj?en.' ; Guy von
Waleis. I. c. v. 10944 und 101)4.%. — 3 Ulrich von Liechtenstein, 1. c. 26!>. -'Lt.». 544 und 545. — * Leber, Wien* kaiser-
liche» Zeughaus, Leipzig bei Köhler, |«16, paff. 178. — s I. c. — 7 Annalen de« Vereines fllr nasssuteche Alterthiiinckunde,
VI, 431. — * Die Fresken des Schlosse» Runkelstein. Blatt S), col. 1 und Matt 10, col. •», ana dem Gedichte: „Uairl von
blühendem Thüle.«
Digitized by Coogh*
Die Siegel den österreichischen Recehtex.
183
„Er ritt zn der Mauer
Wo er die Königin fand,
Seinen Helm er sogleich abband
L'nd setzt ihn auf den Sattelbogen.
Er war höfisch und wohlerzogen,
Dcsshalb sein Haupt entwaffnet er'."
Die Helmzierdc der Österreichischen Fürsten aus dem Hause Habsburg ist auf ihren
Reitersiegeln der erwähnte Pfauenstutz ; als Ausnahme treffen wir auf dem Siegel Albert* V.
für die Markgrafschaft Mähren einen Adlcrflügel, nach vorwärts gekehrt und mit herzförmigen
Blattern bestreut, als das Zimier Mährens, welches aus zwölf Feldern bestand, deren je drei
abwechselnd golden und schwarz waren; und bei Albert VI. einen aus der Krone hervor-
wachsenden Adler, als Helmzierde zu dem Schilde mit den fünf Adlern gehörig.
Die Kronen , welche seit der Belehnung der Habsburger mit Osterreich auf den
Siegeln unserer Herzoge vorkommen , sind theils Laub- , theils Lilienkrouen , je nach-
dem sich auf dem Kronreife Blätter oder Lilien erheben. Zwischen den Blättern sind auch
L'erlen angebracht, und nur bei Rudolf IV. sind der Kronenreif und die Blatter mit Steinen
besetzt. Die Zahl der Blätter oder Lilien beträgt auf dem ganzen Umkreise des Kronreifes
vier, höchstens sechs. Diese Kronenform war übrigens im Mittelalter kein Abzeichen der
Fürstcnwürdc ; denn obgleich die deutschen Könige, von Wilhelm von Holland bis zu Wenzel
(1247 — 1400), auf ihren Majestiltssiegcln die einfache Laubkrone tragen, so linden wir sie
dagegen auch auf den Siegeln der Dynasten, wie der Grafen von Plaicn und Hardek, und
im XV. Jahrhundert als gewöhnlichen Hclmschmuok des niederen Adels auf den Wappen-
siegeln. Übrigens war die Sitte, Kronen auf den Helmen zu tragen, älter als sie die Siegel
unserer Fürsten nachweisen; in den Abbildungen der Herrad von Landsberg, einer Zeit-
genossin Friedrich Barbarossa'«, ist der offene Hehn eines Kriegers, wie bereits erwähnt wurde,
mit einer Krone umgeben ; und Ulrich von Liechtenstein sagt :
Auch Graf Otto von Plaien hat auf seinem Reitersiegel, als Panierträger des Herzogthumes
Österreich, bereits im Jahre 1254 den Helm gekrönt*.
In späterer Zeit verstand man unter dem Ausdrucke „gekrönter Helm" einen Mann vom
höheren Adel ; so waren in der Schlacht bei Scmpach viele Personen von Adel, darunter 350
.gekrönte Helme' a .
Ehe wir zur zweiten Schutzwafte des Ritters, dem Panzer, Ubergehen, möge hier die
Bemerkung Platz finden, dass nur jene Formen der Schlachthclme besprochen wurden, welche
auf den mittelalterlichen Reiter- und Fusssiegeln, zum Theile auch auf den Wappensiegeln
vorkommen; in der Wirklichkeit gab es mannigfache Abweichungen von diesen Hauptformen
sowohl zum Gebrauche beim Turnier, als in offener Feldschlacht, nach Willkür oder nach
Bedürfnis« des Besitzers , selbst nach Ansichten, die sich in bestimmten Zeitperioden ent-
wickelten und wieder verschwanden, um neuen Formen Platz zu machen. Ausführlicheres
hierüberbieten .Lebers kaiserliches Zeughaus* \ und an Reichhaltigkeit der Abbildungen das
r Heraldische A-B-C-Buch von Dr. Karl Ritter von Mayer" e . —
' Guy v. WiüVi», ). c. pag. 12. — "-' 1. o. pag. \C>\ — s nie Sieg«l der Landes-Erbäuiter in Österreich untt»r dor Knna.
Mittlnilimjfin di's AUerthumnverpine» in Wien. 1801. Tat I, Vig. i >. — « Krisch, Wörterbuch I, pag. 441. — 1 1. c. ps#. 178.
* Mllnchrn. |w:>7.
r Dä bf fuort man den heim mtn:
der moht ouch lichter nicht gesfn,
er was gekroenet meisterlich,
diu kröne, diu was koste rteh '. u
184
Karl von Sava.
Die wichtigste Schutzwaffe des Ritters war die Rüstung, der Panzer oder Harnisch. Sie
bestand aus der Halsberge, Brüne (brune, brunia, halsberga, französ. houbert, g-enannt) 1 ,
welche den Oberleib bis zu den Knieen, und den Beinbergen, welche die Füsse deckten.
Der Name Halsberg stammt entweder von dem obersten Theilc der Rüstung, oder von al,
alla und bergen: alles bergend, nämlich den Körper, für welche Ableitung der Gegen-
satz: Beinberge für die Fussrüstung spricht.
Eben so leiten einige das Wort Brüne von dein slavischen bronja, Schutz, Vertheidi-
gung her, andere von dem angelsächsischen bron, Brust, wieder andere von dem deutschen
brun, brünieren, durch Policren blank, gliinzend, leuchtend machen. Für die letzere Ableitung
spricht cinigermassen der Umstand, duss die altdeutschen Dichter die glänzenden Harnische
als brennend darstellen: so heisst es im Hcldcnbuchc:
r I)n rief einer ah der zinnen,
Ir traget feueriu schein,
wie fast ir nun jetzt Itrinnen
so liisst mau euch nicht ein V
Und bald darauf wird einer, welcher eine solche Brüne trug, geschildert: „von Füssen
bis auf's Haupt ist er gezündet an 4 . Auch Wolfram von Eschenbach sagt, er erblickte einen
Mann n dess Harnisch lucht und bran — recht als er wert« fuerin 5 ; und Ulrich von Liechten-
stein erzählt: „ich legte einen Halsberg nn von festem leuchtenden Stahl".
Gediegene Platten hämische entstanden erst spät; das frühere Mittelalter weiset
uns einfachere, wenig gegliederte, daher auch ziemlich unbeholfene Rüstungen. Sie hatten die
Form anliegender Tuniken, welche bis an das Knie reichten, und vorne und rückwärts auf-
geschlitzt waren. Man verfertigte sie aus mehnnal Uber einander gelegter und abgenähter
Leinwand und nietete oder heftete mit Ochsensehnen Schuppen von gesottenem Leder,
Horn oder Metall auf dieselben (Brigantinen):
pEine Urllne truy; er stark und weit,
die war ein heidnischex Werk
von starken Hutten, gefllgt ans Horu,
darauf «all man als Zierrath vorn
Gold mit edlen Steinen *.-
Die metallenen Sehuppen selbst waren »chindcl- oder zungenförmig, bisweilen auch
rautenförmig getrieben. Statt der Schuppen nahm man auch Scheiben, entweder flache
oder kugel- und rautenförmig getriebene (Sehei beuhemde, cottes a rondaehes). Am häufig-
sten aber waren Rin« , werke , indem man Anfangs einzelne Ringe tu horizontalen Reihen
neben einander mit Sehnen aufheftete [einfaches Ringhemci). - Das geschobene
Ringhemd bestand in wagreehten Heihen von Ringen, von denen jeder folgende zur Hälfte auf
dein vorhergehenden auflag, und jeder Ring wurde oben und unten auf die Unterlage ange-
heftet, wobei man die Vorsicht gebrauchte , dass die obere Reihe gegen rechts, die untere
Reihe gegen links und so abwechselnd empor stand, damit sieh die Hiebe nicht verfangen konnten.
i Im Mittellioehdeutselien int dir Brüne und dir ll:dal>rrt,'o oder Panier «Oer unterschieden : Er spultet ihm Brüne und
Eiseupewalid; — und. «ine Itriinr trujf er atark und weit über der weissen HsUlierse. Ka Keheint, d:ii>B in diesen Füllen die
Brüne an» einzelnen Platte» oder grüasomi Schuppen Instand und mehrfach die Brust bedeckte. In dem Ilaudwerker-Ordnnnp-
buche der Stndt Wien du^ejjen sind die „Brunner und .Sarburber* , d. i. l'niuerwirker, ^leicliludeutend. — * friseli. Wörter-
bach I, 14(i. — 1 I.ü». I. 2, de llectnre. — 4 Witfalui», v. 737 1 »ei|.
Digitized by Goo
Die Siegel pf.b üstekkeichtschb* Regenten.
185
Um die Nähte zu schützen, suchte man sie durch Leder zu verdecken, so entstand das soge-
nannte leder streifige Ringhemd; ein solches Huden wir in den Bildern der Hedwigslegende
und auf dem ältesten Landeasicgel von Böhmen.
Endlich kamen die Panzerhemde (eottes des maillc), die aus in einander gefloch-
tenen Ringen bestanden. Da jeder Ring die neben ihm befindlichen vier Ringe aufnahm,
so bot dieses Geflecht eine ziemlich undurchdringliche Hülle. Die Schwierigkeit jedoch, welche
die Verfertigung desselben darbot, so wie der Umstand, das» die Erfindung des Drahtziehens
erst dem Anfange des XIV. Jahrhunderts angehört, früher also der Draht geschmiedet wer-
den niusste, hatten zur Folge, dass die Panzerhemde in früherer Zeit seltener vorkamen.
Sowohl die Ring- als auch die Panzerhemde wurden beim Wappnen des Ritters über den
Kopf gestülpt, daher waren beide, um in die Armcl gelangen zu können, an der Brust auf-
geschlitzt, welche Öffnung durch Spangen zu schliessen war; darunter trug der Ritter eine
Platte, unter welcher jedoch Anfangs keine gediegene Eisenplatte zu verstehen ist; denn
gleichzeitige Dichter erwähnen ihrer als aus mehreren Stücken bestehend , und Ulrich von
Liechtenstein erzählt, dass ihm Schild und Harnisch durchstochen wurden, und an einer
anderen Stelle, dass ihm der Speer durch die Platte drang '. Wahrscheinlich war die letztere,
so wie die Brüne aus Ring- und Panzerwerk, wenigstens sehen wir auf dem Siegel des Her-
zogs Bolko von Schlesien vom Jahre 1298, welcher eine solche Platte Uber dem Waffenrock
trägt, dieselbe aus Ringgeflecht verfertiget. Doch nicht blos Lanzenstösse , auch gewaltige
Hiebe drangen oft durch die Brüne und deren Eisengeflecht :
„Herr Gny von Waleis den Heiden,
Als er ihn narh genug erreicht,
Mit des .Schwertes Spitze streicht:
Er spaltet ihm Brune nnd Eisengawand,
Durch die Brust er ihm zu Hand
Schlug eine starke Wunden,
Davon er Überwunden
Dem Tod sich musst ergeben
Im XV. Jahrhundert kommt der Ausdruck „mailanische Panezir" vor, das ist ein Panzer-
hemd von besonders fleissiger Arbeit, wie Italien überhaupt gute Waffen lieferte; dagegen ist
das schlechte Panczier ein einfaches Panzerhemd*.
Obgleich das Panzerhemd schon durch die Verschlingung seiner Hinge zusammenhielt
und hierzu nicht wie das Ringhemd einer Unterlage bedurfte, so niusste doch ein mit Werg
oder Wolle gut abgenähtes Wamms (Lendner genannt, auch Untcrwanibas, bamaz, bombeis
oder Joppen; lateinisch: bombasium , wambasium; französisch: wamboison, gambeson;
italien. rl zupon) von Leinwand oder Leder darunter getragen werden, weil gewaltige Hiebe
und Lanzenstüsse schmerzliche Quetschungen verursacht oder die Ringe selbst in das Fleisch
getrieben haben würden. Im XIV. Jalirhundcrt wurden diese Lendner stark abgesteppt , oft
bis zu einem Finger dick, häufig durch Eisentlieile , „Musisen", Musseisen 1 verstärkt und statt
der Rüstung selbst getragen , vorzüglich die Beinberge , welche au den Knieen mit eisernen
Becklein versehen waren 4 . Der Sitte, Eisenplatten oder Spangen in das Gewand einzunähen,
erwähnt auch schon Seifried Helbling, indem er von einem Knappen erzählt:
* L. c. 223 und 2)lL>. - * Guis v. Walnia, 1. c. v. 76 V. sc.]. - 3 Leber, kaincrlichos Zcughau.1 . paff. |8». — » Stücke
von Panzer. Frisch, Wörterbuch, I, G7Ü. - » Annahm des n:«*sauisohnn Altcrthumitvereinc* VI, 427, 431, 4-VJ.
Digitized oogle
181)
Kam. von Sava.
„Für gespitzet was stu huot,
dä was Isen tn vernaet,
gin küllcr fest uude stact
nf ntiz an das kinne,
da was oueh Isen inuc
daz «In zc rechte was genuoe
Mit den Ring- so wie mit den Panzerhemden stand eine Kapuze in Verbindung,
welche Uber den Kopf gezogen das Hinterhaupt so wie die Seitentheile des Gesichtes deckte.
Auf dem Heerzuge wurde sie, der Bequemlichkeit wegen, nicht Uber das Haupt gezogen und
hing dann Uber die Schulter herab.
Die Handschuhe waren mit den Ärmeln der Brüne entweder in einem Stücke oder von
derselben getrennt. Im erstcren Falle waren sie auf der belederten Handfläche aufgeschlitzt, sodass
man hier die Hand herausgeben und den Handschuh zurückfallen lassen konnte; im letzteren
Falle waren sie häufig mit Schuppen oder kleinen Schienen verstärkt, „verblecht".
Auf gleiche Weise, wie der Oberleib, waren auch die Beine durch Hosen mit Schuppen,
Ringen oder Panzergeflecht geschützt, wobei noch des älteren Gebrauches zu erwähnen ist,
dass nur der rechte Fuss mit einem Ringhamisehe bekleidet wurde, weil den anderen der lange
„fussabreichende" Schild deckte. Auf den Bildern der Herrad von Landsberg lauft das Geflecht an
den Waden und an den Fusssohlen nicht ununterbrochen fort, sondern man sieht in stellen-
weisen regelmässigen Kntferuungen braune Zwischenräume , wahrscheinlich Leder , sei es
dass das Geflecht darauf genäht , oder frei darüber gezogen , und zusammen geheftet oder
geschnallt wurde.
In dieser Rüstung bot der Ritter dem minder gut geschützten, «emeinen Krieger , so wie
den Geschossen der Schützen, wie hinter einer Mauer Trotz :
„Ir besten schützen vier
liez ich mit willen zuo uiicr
ir schtlzxc satcu,
wau ich in minor platen
und minem hclmvaz
ir schiezens niae genesen V —
aber nur so lange er auf seinem starken Streitross süss. Wurde ihm dieses erschossen oder ersto-
chen, so war er unter der Wucht seiner Rüstung zu unbehülflich zur Wehre :
„Wen man im daz roz crslUcge,
er mlieste sich gevangen geben
wolt er behalten da» leben V —
und mancher, der im Schlachtgemenge zu Boden fiel , erstickte unter der Last des Panzers und
Helmes. Als Friedrich der Streitbare den Böhmen bei der Stadt Laa mit nur 70 Mann entgegen
ritt, Hess er dreissig Schützen vorzüglich auf die Pferde der Feinde schiessen ; als sie auf diese
Weise vielen Schaden erlitten, riefen sie allgemein: „Ihr Herren von Osterreich, ihr seid Ritter
und sollt uns deswegen ritterlich bestehen und mit dem Schwerte hauen, um willen aller Frauen.
So aber schiesst ihr uns die Pfeile in die ftisendecke und auf die Pferde , dass wir auf das Moos
fallen, das ist nicht ritterlich gethan. Verflucht sei dessen Hand , der euch du* Schwert umband,
und der euch den Schild gesegnet hat, dem werde kein Seelenheil, er hätte euch lieber einen
' .Seyfricd, HWblingl.v. 324-329. - Otakar v<m Hornel:. - 3 Knoonkel, tauch, Script.), 34«.
Digitized by Google
DlE SlfcOEL PER OSTERItLKHISCItLS Kkgknte.n.
187
Köcher einsegnen sollen." Doch es h«alf weder Rufen noch Klugen, wer auf den Plan niederkam,
inusste sich mit der Hand fangen lassen Und der Herr von Meisberg sagt Uber den Zug des
Ulrich von Walsee: „Man halt mich sonst für einen Mann, wir begegneten einmal den Leuten
Walsee's auf offenen» Felde; das ungeharnischte Volk hat uns aber hart zugesetzt und durch das
Schicssen auf das Gras gebracht, und wenn wir unten waren, kamen die Knechte mit ihren klafter-
langen Schwertern und wir mussten uns «efangen geben. Es mag einer mit aller Pracht aufreiten,
die mit der blossen Haut machen ihn so milde, dass er alles von sich wirft 5 ." 1
Wie gross die Last des Helmes und Panzers war , geht aus der Erzählung Otakars von
Horneck hervor. Als der Erzbischof von Cöln in der Schlacht bei Wurnieh im Jahre 1288 gefan ;
gen worden war, Hess ihn der Herzog von Brabant einsperren , so gekleidet , wie er gerade war.
Keines der UllstungsstUcke durfte er ablegen, als ginge er stets zum Streite; mit. aufgebundenem
Helm, mit Gurthosen, Halsberg, Chursit, Platten und Schwert musste er dasitzen. Nur zum Essen
band man ihm Helm und Manikel ab. Wäre er des Harnisches ungewohnt gewesen, er hätte Kraft
und Verstand verloren 3 .
Dennoch galt es bei den Niederländern nach Ansicht der Frauen für Schande, die Rüstung
abzulegen und durch verstellte Flucht oder aus der Ferne durch Geschosse Vortheil zu
erringen :
r Üie Xydcrlander waren in dem wan,
es was nncrlieh getan,
daz man den harnasch soltc ziehen
und undcrwileii vliehen.
An rittern preisent die frouwen
nit anders dan huuwen
und feste vorhalten',- 1
Allein der Feldherr Alberts. Ulrich von Walsee, lässt diese Ansicht keineswegs gelten und
meint, im Turniere diene er wohl den Frauen mit dem Speere; aber im Dienste seines Herrn, wo
es gelte des Feindes Gelegenheit zu erspähen , räume er ihnen kein Urtheil ein. In Österreich
legten selbst Ritter den Harnisch ab, um behender mit dem Bogen kämpfen zu können, was jedoch
dem steirischen Ritter Friedrich von Harneck übel ausschlug:
r L>» hat derselb hell guet
durch seinen stolzen mnet
Seinen guten hämisch abgezogen,
durch das er mit dem pogen
dester behender wär,
des? wart er vcrlustpür;
do in der veint aincr sltiog
In den dyez-adcr ainen slag,
Davon er gclag
Tot so znhantV
In der zweiten Hälfte des XD7. Jahrhunderts fing man an einzelne Glieder mit Stahlplatten
zu schützen, zuerst die Schienbeine, dann den Oberarm, die Ellbogen und die Knie; auch Blech-
handschuhc wurden getragen, sowohl gefingerte als auch Fäustlinge.
' Ennenkel, 1. c. :U0. — » Otakar von Hnrncrk. Cap. 714. paff. «563, col. a. - < Otakar von Horneck, Cap. :».*»:». p» K . .VW.
etil. n. - » Otakar von Hornttk. f'sp. 714, pag. 668, ml. a, l>. im Kru-p«' ngen <len ChurfUrsten ven Mainz. - •'• Otakar von
Hornerk, Cap. 713, pag. 667, col. b.
IX. oß
Digitized by Google
ISS
Kaki. vos Sava.
Den Hals, welchen anfangs « in „Gollir* aus Panzerwerk oder von Leder, zum Theil mit ein-
genähtem Eisen deckte, schützte in späterer Zeit der „Barf (anno 1436), auch Magenblech, Hnist-
bleeh, Oherbrnsthleeh genannt; er war ungefähr anderthalb Spannen hing und eine Spanne breit.
Ks seheint, dass die Rüstung am Halse, so wie der Schoos* die meisten Blossen gaben:
r IIic gefang, dort stich und flucti
da nincr auf dem andern lakch,
Mit inczzcm kitzeln imb den nakh,
Man sah gar feindlich tasten
under go Iiier, under schozz
mit schärften swerten-spitzen klozz'."
Als in spilterer Zeit der Helm ein Kinn hatte, verloren sich die Härte an den Feldhamischen
und blieben nur bei Turnieren als l'berstüek in Gebrauch. Auch die Brust deckte eine halb«
Platte , die nur den unteren Theil der Rippen sehfitzte . Hein» und Platte waren bisweilen mir
Sammt von derselben Farbe überzogen. Zu einem Zweikampfe erscheint im Jahre 11 (»4 festgesetzt,
dass der Panzer oder Riugharnisch nicht mehr als zwanzig .Münchner Pfunde haben, und frei und
ledig über die Joppen gelegt sein soll , und weder zusammengezogen noch aufgebunden
sein darf-.
Die erwähnten Plattenstücke waren anfangs einzeln angeschnallt, ohne Verbindung unter
sich; bald wurden der Stücke mehrere, bis sich im XV. Jahrhundert der gegliederte Platten-
oder Blech harn i ß c h herausgebildet hatte. Bei dem Plattcnharnisch war die Brust bisweilen
ein Krebs, d. h. sie bestand aus übereinander geschobenen Leihstreifeii ; gingen diese bis zum
Halse, so nannte man sie einen ganzen, war nur die untere Hälfte geschoben, einen halben
Krebs. Zum Einlegen der Lanze befand sich an der Brust ein „Gerüst, Rüsthaken". Zur Deckung
der Achselhohlen waren Flüge angebracht; hatten diese eine aufrecht stehende eiserne Wand
(jrarde-cou), so nannte man sie ein Paar „Rendt-'; Achsel mit Aehselscheiben hiessen ein Paar
„Spangeroi" (anno 1436). Flüge von Panzerwerk, um die Stellen zu schützen, welche der Blecb-
hannsch nicht deckte, nannte man ein Paar Herren flanken. Das Armzeug fing vier Finger
unter der Achsel an und reichte bis zum Handgelenk, die „Mäuscln u zum Schutze der Ellbogen
waren aus Eisen getriebene kleine Becken, und so wie die Kniebuckeln gewöhnlich zum Abstecken
eingerichtet , in den Armbeugen waren PunzerHecke angebracht. Zum Feldgcbrauchc wurden
gewöhnlich die Panzerärmel als leichtere Bedeckung beibehalten.
Der Bei n hämisch fisenhose^ deckte Sehenkel und Schienbein» bis au die Knöchel ,
der D iechharni seh aber blos die Schenkel und Knie, manchmal nur die ersteren allein, dann
waren die Knie durch Buckeln geschützt. Der „eiserne Bruch" war eine Panzerhose. welche die
Hüften und Dickbeine umgab. An den Schienbeinen wurden entweder Beinröhren getragen,
welche auch die Waden umschlossen, oder Halbseidenen, die nur die Vorderseiten «leckten. Die
Schuht bestanden entweder aus Panzer- oder Plattenwerk. Her kurze Schooss war gewöhnlich
geschoben und unter demselben trug man einen Schurz aus Ringwerk (tablier des mailies).
Dass ein solcher Plattenharnisch dem Körper seines Eigcnthümers genau angepasst sein
musste . um die freie Bewegung der Anne und Beine nicht zu hemmen , versteht sich wohl von
selbst. Herzog Sigmund von Tirol hatte dem Könige Matthias Corvin einen Harnisch zum Ge-
schenke gemacht, und wollte durch den Überbringer wissen , wie er ihm passe; in seinem Dank-
' .Snchfnwirtli. I. c. XV, v. Iii. ff. - '-' I.Micr, k»i*. Z> usli uis. |s.> m<).
ed by Google
Die Sieoki. der ösTEnnEicHisciiF.s Rkgentrn. 189
schreiben erwidert der König, dass der Harnisch sich seinem Körper so anfüge, dasa es nicht
besser der Kall sein könnte, wenn an ihm selbst das Mass genommen worden wäre 1 .
Die Panzerhemde , Pnnzerilruiel , Panzcrsehnrze wurden von einer eigenen Innung, den
Ii r ii ii c r u oder Sarwirkern 3 verfertiget, in deren Handwerk die Helmschmiede und
Pin t tu er nicht Übergreifen durften. Die letzteren verfertigten Plattcnharnische , und keiner
durfte »ich in Wien als Meister festsetzen , der nicht einen ganzen Mannsharnisch machen
konnte.
Endlich ist noch des Corazines zu erwähnen, eines Schuppenharnische», bei welchem
der bunk- Stoff mit den Nieten nach auswHrts gerichtet , die Schuppen nach Innen angebracht
waren. Dadurch glich er einem mit zahlreichen Stahlpunktcn bellten, knapp anliegenden Gewände;
manchmal wurden die Nieten vergoldet oder man gab ihnen zierliche Formen. Die Stoffe, aus
welchen die Coraziue verfertiget wurden, waren Sanimt, Seide und Goldstoff mit starker Leinwand
nnterfiWtcrt; sie waren der schnellen Abnützung wegen ein I*runkgewand und dienten weder zum
Streite noch zum Turniere.
Wenden wir uns nach dieser Einleitung zu den Siegeln der österreichischen Herzoge , so
finden wir im XII. Jahrhundert das einfache Ringhcmd mit dem umgehenden Schurze , wie die
nebeneinander liegenden Hinge auf den Siegeln Heinrich Jasomirgotts und Leopolds des Tapferen
erweisen. Die feineren halben Hinge an der Halsriistung Leopohls des (j lorreichen und Fried-
richs des Streitbaren deuten entweder auf ein geschobenes Ringhemd oder bereits auf einen
geflochtenen Panzer; beide waren damals im Gebrauche, wie aus gleichzeitigen Gedichten her-
vorgeht, welche von Hieben sprechen, unter denen die Ringe von der Halsberge wegstoben oder
verschnitten und aufgetrennt wurden; dann aber auch wieder melden, da-ss die blanke Halsberge
mit Fleiss gewirkt war:
.Er sluoe eiu »lue vreisam
duz die rin^e von stäl
stillten Uber nl
au dein halsliergt* sin;- 1 —
und dagegen :
„lr «lecke, ir lialxbergc wiz
{reworeht mit guotem vliz^
Auch die folgende Stelle bei Wigalois deutet auf ein geflochtenes Panzerhemd :
r Selbcr streift er das Ki.«eii{rcwa»d
In seinen Schild hernieder '. u
Die Habsburger haben, so weit sich dies aus einzelnen Theik», namentlich der Armrüstun»-
erkennen lüsst, ebenfalls thcils Hing- theils Panzerhemden. Rudolf IV. hat auf der Kehrseite
seines Mllnzsiegels am Halse und am Arme Hinggeflechte und an den Hiindcn gefingerte Hlech-
handschuhc. Den Leib deckt ein Gorazin, unter welchem ein Panzerschurz hervorragt: die Hosen
Uber den Knieen sind Ringwerk, Plattenstücke schützen Knie und Schienbein, und die Füsse
sind mit Schnabelschuhen aus Ringwerk bekleidet. Diesem Fusssiegel gleicht, hinsichtlich der
Wüstung, auch die auf der Vorderseite beiindliche Reiterfigur. Auf seinem grossen Heitel siegel hat
' Anna, <|ii:u> fniumiu» vo*tri» nobis misit, im cunviiiiunt i-rirpori noatro. Ht neqiie melius ethm mihi«
iacn*ur..tii pnu-bpnlilms labricari pntiiiMant. OlmüU, 20. A»gu»i 146*. Lk-linowaky , Cpschiohtc de» Hauses Hab.ibunr. llvg-
Xr. 1300. - -'Vom Althochdeutschen: .Saro = Panier; .Sarring, Paiuerrlujr; Si.rmck. -Sarwat; Sarbulv. das lederne Dehiiltais» für
«kii Paunr. - Knnenkcl Lei Ranch. Script. I. 362 und 3-11. — * 1. c. pap. t:,, v. 3<M un.i Z»:>.
UM)
Kaki. vok Sava.
Rudolf IV r . statt des Oorazins ein Schuppenwamms und gleiche Hosen, eben so suine beiden
Brüder Albert und Leopold III. Noch Leopold der Stolze (anno 1408) hat den Oberleib
mit einem Panzerhemd bekleidet , dagegen Huden wir bereits bei Wilhelm dem Freundlichen
(anno 1404) den Plattenharnisch, eben so bei Ernst dem Eisernen. Der letztere hat unter dem
geschobenen Schoos« ein ausgezacktes Panzerhemd, und die innere Seite des Armzeuges nmOher-
arme besteht aus Ringwerk, während der Unterarm in Rühren mit gespitzten Mäuseln und »c-
fingerten Blechhandschuhen steckt. Albert V. hat auf seinem Osterreichischen Reitersiegel den Unter-
leib durch einen Panzerschurz gedeckt, wilhrend auf jenem für die Markgrafschaft Mähren ein
Plattenharniseh mit geschobenem Schoos* vorkommt. Die Kelu-seite des österreichischen Herzog
Siegels, welches Friedrich V. vor seiner Wahl zum deutschen Könige führte, zeigt den Herzog
stehend mit dem Fürstenhut auf dem Haupte. Der Hals ist durch ein Collier ans RinggeHechr
geschützt, das Bruststück des Plattenhamisehes ist hohl geschliffen, die Beintaschen sind gescho-
ben, vorne ausgeschnitten, und unter denselben ragt ein ausgezackter Panzerschurz hervor. Den
Oberarm schützen nach Aussen theils geschobene Platten mit Achselscheiben, theils Panzerwerk,
nach Innen durchaus RinggefiVcht. Die Unterarme stecken in Schienenröhren mit gespitzten Mihi-
sein an dm Ellbogen , die Handschuhe scheinen Fäustlinge zu sein. Eben so besteht die Bein-
rüstung aus Platten mit gespitzten Kniestücken und geschobenen Schuhen. Eine gleiche Rüstung
trügt der Fürst auf der Vorderseite desselben Siegels, nur hat er den Stechhelm auf dem Haupte
Ähnliche Wappnung finden wir auf dem Reitersiegel Alberts VI., nur sind die Kniebuckeln rund
und haben an den Seiten abstehende Scheiben.
Sowie man die Helme durch Überzüge und Decken theils gegen die Einwirkung der Sonnen-
strahlen zu schützen, theils zu schmücken suchte, ho geschah dies auch bei den Panzern,
indem man Waffenröcke Uber denselben trug. Diese waren weite Tuniken ohne Ärmel und um
die Mitte gegürtet. Sie reichten manchmal bis an die Knöchel, manchmal nur bis an die Knie: um
den Reiter nicht zu belästigen', waren sie vorne und rückwärts von unten bis zur „ Gabel- 4 hinauf
geschlitzt , bisweilen sind sie an den Seiten von dem Gürtel nach abwärts auseinander geschnitten.
Sie kommen zum erstenmale auf den Siegeln Leopolds des Glorreichen vor, einfach, ohne Verbrä-
mung am Halse oder den übrigen Säumen, anfangs unten ausgezackt und gezattelt, später gerade
abgeschnitten. In dieser Form erhalten sie sich bis zu Otakar, auf dessen grossem Doppelsiegel
der Waffenrock zum erstenmale am unteren Saume mit einer breiten Borte besetzt ist. Bei den
Habsburgern sind sie wieder ohne Verbrämung und fangen au kürzer zu werden , indem sie nur
bis an das Knie reichen; auch scheinen die Schösse nicht geschlitzt zu sein, indem die Waffen
l ocke knapp anliegen. Auf zwei späteren Siegeln Alberts II. und seines Bruders Otto sind die Rin ke
vorn unter dem Gürtel abgeschnitten, so dass der Panzerschurz sichtbar wird, während der rück-
wärtige Theil, der bis an den Schenkel geht, in der Luft flattert. Unter Rudolf IV., welcher auf seinem
Doppelsiegel ein Corazin und auf dem späteren grossen Reitersiegel, so wie seine Brüder Albert III
und Leopold III., ein Schuppcnwamms trägt, verliert sich der Waffenrock gänzlich. Mit den Platten-
harnischen kommen statt der Waffenröcke an den Schultern befestigte Lappen .Flüge 1 " vor;
zuerst unter Wilhelm kurz, bei Emst dem Eisernen, Albert V., König Friedrich III. und Albert VI
aber von ziemlicher Länge.
Die Waffenrücke waren oft prächtig, von Sammt oder Seide, Pfelber oder Scharlach, aus
Gold- oder Silberstoffen, mit Gold- oder Silberborten verbrämt oder besetzt, mit Stickereien ver-
ziert, mit Pelzwerk ausgeschlagen und mit Seidenstoffen gefüttert. Der Waffenrock des Vogte*
von Lengenbach war aus rothem Sammt geschnitten und mit goldenen Eichenblättern durchwirkt.
Meistens aber stellten die Stickereien die Wappenfigurren dar. In diesem Falle hatte der Warfen-
rock die Farbe des Schildfeldcs und darauf wiederholte sich die Wappenfigur. Otto von Meissau.
Digitized by Google
DlE StECEL DER «»STERBEICUISCHEN REGENTEN.
191
der ,»o gezimiret wm\ dass ein Kaiser daran genug gehabt hätte", trug einen Waffenrock aus guter
Seide und Gold, auf welchem „zobclfarbene Einhorn" gestreut waren 1 , und Wok von Rosenberg
hatte einen Waffenrock von rothem Sannnt und darauf weisse Rosen mit Perlen zierlich einge-
wirkt 1 . Das Wappen des ersteren war ein schwarzes Einhorn im goldenen, jenes des letzteren
eine silberne Rose im rothen Felde. Bisweilen stellt der Waffenrock da« Wappen selbst dar; denn als
Friedrich der Streitbare sich bei den Schotten mit dein Schwerte umgürten Hess und zweihundert
Edle zu Rittern sehlug, da trugen alle Österreichs Farben:
r Von ganzem sehärläcli kleit
da durch ein strich gemeit,
der was wizer dnn ein swan'."
Auf einer Reiterabbildung Herzog Alberts III. 1 trägt der Herzog über dein Panzerhemde einen
Waffenrock ohne Ärmel, der an Brust, Leib und Hüften knapp anliegt und um die Säume eine Ver-
brämung von doppelten Goldborten hat. Er ist nach den Farben Österreichs roth und hat nur
in der Mitte des Leibes einen breiten weisen Streif mit Goldborten besäumt.
Mit Wappen verzierte Waffenrücke kommen auf den österreichischen Siegeln nicht vor,
wohl abe r auf den niederländischen, englischen und französischen. Hat das Wappen nur eine Figur,
so ist der Waffenrock mit derselben bestreut; hat das Wappen mehrere Felder, wie z. B. das eng-
lische, so zeigt der Theil des Waffenrockes über dem Gürtel das erste und zweite Feld, der Theil
unter dem Gürtel das dritte und vierte Feld, und zwar sowohl auf der Brust als auf dem Rücken
des Ritters.
Beim rkenswerth ist, dass in Füllen, wo von vorzüglicher Pracht oder von Reichthum der
Rüstungen, von ausserordentlicher Kraft und Tapferkeit, oder von Gewandtheit im Kampfe die
Redt' ist, die österreichischen Dichter stets die Ritter am Rhein als Vorbild oder Vergleich anfuhren.
Als Herr Urning von Scheufeiich mit Ulrich von Liechtenstein tiostirte, führte er wohl 500 Schellen
an sieh, sein Ross sprang in kleinen Sprüngen , laut erklang sein Zimier, Silber und Gold war auf
grünem Zendaf geschlagen und glänzte so licht, dass um den Rhein kein Ritter schöner gezimirt war".
Als Friedrich der Streitbare in der Schlucht bei Laa mit einem fremden Ritter kämpfte und diesem
vun dem Zimier ein Horn sannnt dem Helmdache abgebrochen hatte, und beinahe vier Finger
abhielt, versetzte der Ritter dein Herzog einen Schlag, dass ihm du« Blut von der Hand rann; da gab
der Fürst seinem Pferde die Sporen und führte auf den Fremden einen Streich, dass die Ringe
von der Halsberge wegstoben: man mochte Wunder an dem Rheine sagen, wie er ihn schlug. Der
Kampf wurde immer erbitterter, bis der Herzog dein Ritter den Hehn durchschlug, dass das Blut
aus den Ohren stürzte und er gezwungen war sich zu ergeben". An einer anderen Stelle sagt
Ennenkel :
„Dö kämen die von liudisstn,
und waereuz rilter von dem Rin
gewesen, es waere genuoe
si wneren behende und kluocv *
Die Fussbekleidung bei den Ring- und Panzerhemden, so wie bei dem Schuppenpanzer,
gewöhnlich in unmittelbarer Verbindung mit den Hembergen, ist meistens sehr lang und spitz zulau-
fend; dadurch geschieht es, dass sie sich, sobald der Ritter zu Pferde sitzt, nach abwärts senkt. Auf
den Österreichischen Fürstensiegeln kommen diese Schnabelschuhe (sollcrets) vom XII. Jahr-
hundert angefangen bis in die zweite Hälfte des XIII. vor. Auf den Siegeln Otakars erscheinen
1 Ulrich v»n Liechtenstein. 1. c. 4S2. — * Rauch. I. c. 1, 341. — » Rauch, I. c. .11«. — » Codex der k. k. Hofbibliotliek Xr. >7<iö.
Ful. -13. ». — •'• LMchman, I. c. 205. — « Ennenkel, 1. e. 3ßü. — T Ennenkel, I. c 343.
192
Karl vom Sava.
sie nicht, erst Rudolf IV. (anno hat sie wieder, und von da an dauern sie bis zu dem Ver-
schwinden der Reitersiegel fort.
Sporen treffen wir auf den Siegeln Leopolds des Heiligen und Heinrichs Jasomirgott; bei
letzterem einmal mit Kadern, sonst mit kegelförmiger Spitze. Von Heinrieh Jasomirgott bis zu
Hennann von Baden sind Sporen auf den Reitersiegeln der österreichischen Fürsten nicht bemerk-
bar, wahrscheinlich waren sie sehr kurz und bestanden nur aus einem einfachen Dorn; anderer-
seits muss bemerkt werden, dass der Ausführung der Heine und der Kussbekleidung der Reiter-
siegel im XII. Jahrhundert wenig Sorgsamkeit zugewendet wurde. Sporen mit kurzem einfachen
Dorn kommen bereits im XI.', mit langen Hülsen und Pfeilspitzen im XII. Jahrhundert vor*.
Hermann von Baden hat Kädersporcn, Olakar, wie zum Theile die ersten Habsburger, einen
kurzen Dorn; mit Heinrich beginnen wieder die Rädersporen, anfangs mit kurzen, im Verlaufe des
XV. Jahrhunderts mit langen Hälsen.
Ulrich von Liechtenstein erwähnt goldener Sporen, und es ist in den Bildern der
Hedwigslegende auffallend, dass durchwegs nur weisse Rädersporen vorkommen, da doch die Ritter
goldene oder vergoldete Sporen trugen. Ohne solche reiten zu müssen war eine Ehrenstrafe für
Edellcutc, welche sich nicht ritterlich gehalten oder sonst vergangen hatten*. Die zu den deutschen
Krönungsinsignien gehörigen goldenen Sporen wan n am Schlüsse des Halses mit einer Thierfratze
verziert, in deren Rachen die beweglichen Räder angebracht waren 1 .
Im XVI. Jahrhundert gab es für die verschiedenen Gattungen des Kampfes verschiedene
Sporen: Khuressporen, Stechsporen, Kennsporen s .
Der Seltenheit wegen erwähnen wir noch eines Sporenlehens: Das Nonnenkloster zu St.
Martin in Erfurt hatte' von den Grafen von Gleichen eine Hube Landes und einen Hof zu Lehen
unter der Bedingung, dafür jährlich zu St. Walpurgis zwei Rittersporen im Wcrthe zu drei Schil-
lingen Erfurter Pfennige, oder den letzteren Geldbetrag zu reichen". — ,
Die Schilde bilden in ihrer Hanptforin ein Dreieck, das im XII. Jahrhundert oben abge-
rundet, an den Seiten ausgebogen und gegen die Spitze zu bedeutend verjüngt ist; ihre Länge
reicht von der Achsel bis zur Hälfte des Schienbeines, mit ihnen wechseln kürzere, breite, herz-
förmige Schilde, welche zu Ende des XII. Jahrhunderts das Übergewicht behalten. Unter Fried-
rich dem Streitbaren (anno 12 HU) verwandelt sieh die bisherige Form in ein geradliniges Dreieck,
dessen Seitentheile sich allmählich stark ansbiegen, während die Schilde seihst immer kleiner
werden.
Auf den Siegeln König Friedrichs III. und Herzog Alberts VI. erscheint das Stechschild
oder die Tartschc, welche auf einer Seite mehr geschweift ist als auf der anderen und an der
rechten Seite einen tiefen Einschnitt hat, durch welchen beim Turniere die Lanze ging.
Die Schilde waren im XII. Jahrhundert gewölbt oder sie hatten in der Mitte eine Kante,
von welcher die beiden Seiten dachförmig abliefen 7 , so dass sie den Leib zum Theile umschlossen.
Sobald die Schilde die Form des geradlinigen Dreieckes annehmen, verliert sich die Wölbung und
das Schildfeld wird flach; erst unter Rudolf IV. kommen wieder gebauchte Schilde vor.
Mittelst eines an Ringen befestigten Riemens von Leder oder von starken seidenen
Borten (Schildlöre, Schildfessel) wurden die langen fussabreichenden Schilde über die
Schulter gehangen; sie waren mitunter von bedeutendem Gewichte, so heisst es von Roaz:
1 Auf dem Siesel Heinrich», I'fal/grafen vom Rhein: Douinn« de Lacu, anno HK>3. — '-' Auf den .Siegeln Wilhelms von
Luxemburg, anno II und Dlrichs von Kärnthen, anno 1194. — J (Jrimin, Rcchtsuhcrthüiuer II, 712. — * Mltthciliingen der
k. k. ('entral-l'oininiüüiuu zur Erforschung und Erhaltung der Handenkmale II, 127. — s Leber, kaiserliche» Zcuglnnm, |»ag.
— « Menker. Script. .S.ix. I. col. ööi. — ; Aueh in den Bildern dir llcrrad von Landaberg, ). c.
Digitized by Google
Dl»: SlEQEL ÜEK ÖSTERREICHISCHEN HecESTKN.
1113
„Einen Schild am Ann er trag,
Daran hilft' ein Mann genng
Zu schleppen auf dem Klicken,
Kr mochte zu einer breiten Krücken
Dienen Uber Küche'."
Die kleineren Schilde wurden lose um den Hals an der Brust getragen , und die Riemen
oder Schnüre sind an den Enden mit Quasten besetzt, welche über den Kücken des Reiters herab-
hängen. Mittelst zweier anderer Riemen, welche zwei horizontale Schlingen bildeten, durch die
man den linken Arm von unten nach oben schob, wurde er gelenkt".
„Kr stach mir abe den arm niYn
den schild. daz al die riemen stn
bra sten" . . . .*
Nach der Lagerordnung des Friedrich Barbarossas soll der Ritter, sobald er zu Pferde sitzt,
den Schild um den Hals und die Lanze in der Hand haben; im Kampfe wurde der Schild an den
Hals genommen :
r Kcy den Schild zu Halse nahm,
Mit Zum er aus dem Kurglmf kam,
Er wollt" erjagen den Gewinn,
Mit grossen Schimpf verlor er ihn'."
Die Art die Schilde zu tragen war verschieden, die langen wurden schräg mit der Spitze
nach rückwärts gehalten , die kürzeren herzförmigen trug man anfangs mit der Spitze
senkrecht nach abwärts, spiiter war die letztere nach vorwärts gekelirt, die dreieckigen endlich
wurden horizontal mit der Spitze nach rückwärts gehalten. Die Limburger Chronik erwähnt zum
.fahre 1:151, dass man den Rittern ihre Tartschen, Schilde und Giern- auf den HcerzUgen nach-
führt, während sie zum Jahre 1380 angibt, dass unter hundert Kittern kaum Einer einen Schild
oder eine Tartschc in der Schlacht oder heim Stürmen hatte*.
Die Schilde waren in älterer Zeit von Holz, mit Leder oder Leinwand überzogen, und
bisweileu mit einer Spange von Metall umfangen, dem Schildrand, von welchem das Schild selbst
Hand genannt wurde:
r Dü «ach man von in schinen
vil mnnegen herlirhen rant'. u
In der Mitte waren sie mit einer Spitze aus Eisen versehen ; vorzüglich ist dies auf den Siegeln
der älteren Herzoge von Böhmen der Fall. Die Verfertigung der Schilde aus Holz erklärt die in
den mittelhochdeutschen Heldengedichten vorkommenden Erwähnungen von durchbohrten,
zcrklobenen und zerhiiuencn Schilden, von welchen die Splitter zu Thal, d. i. zur Erde
fielen.
.Kr sluoe mit cllcnthafter hant
dem l'rinzclin dei schiltcs rant,
daz im ein grozzer schiel
zc tal von einem scbilde viel'."
und :
r Von unser beider speres ort
wart loch durch schilt mit tj.ist gebort \-
1 Wigaloia. 1. c. v, 7:t.'»H — 7."1(>'J- — • Diese Art, die Scbililc zu tragen, ist l>e«undfr» deutlich mit dem Siegel des t träfe»
Adolf von «kr Mnrk, anno 1 2-I0. — ' Ulrich von Liechtenstein, l. c. piig. '>09. — 4 Wigalois, I. c. v. &l; auch bei Ulrich
von Liechtenstein kommen hierauf bezügliche Stellen vor. — » AiiiihIoii des nMsaiiisehcn Altcrthumsvercines, VI, VM und 4« 4
« Niebelmigenlicd, v. t«fi- — 7 Enncnkel bei Knuch, I. c. I, 3.'.7. — * Ulrich von Liechtenstein, I. c. >V>
Digitized by Google
1114
Kahl von Sava.
In den Bildern der Herrad von Landsberg wird ein Hitter durch Schild und Panzer mit dem
Speere durchstochen, und auch im Wigalois heisst es, dass die Speere ho grimm und wild ver-
Btocheri wurden, dass von den goldenen Scldlden bald keines mein* brauchbar war \
Die Schilde wurden gefärbt oder mit farbigen Stoffen, Leinwand. Seide oder Sammt
Uberzogen. Anfangs waren sie einfarbig, auf den Abbildungen der Herrad von Landuberg meist
roth, grün und weiss, selten violet, sie sind ledig, d. i. ohne Wappen, höchstens mit Quer-
oder Sehrägbalken verziert, erst später werden in dieselben Wappen aufgenommen.
Nur freie, waffenfähige Männer durften den Schild tragen, daher sie auch Schi Id hurtig c
genannt wurden.
Nur Ritterbilrtige waren lebensfähig und gehörten als solche zum Heerschild. In so
ferne von höheren oder niederen Heerschilden die Rede ist, deutet dies auf die Abstufungen der
Lebensfähigkeit. Wer Lehensmann seines Genossen wurde und Mannschaft leistete, dessen Heer-
schild wurde dadurch erniedrigt.
In den ersten Heerschild gehörte der König, er hatte keine Genossen und konnte Niemandes
Mann sein. In den zweiten Heerschild gehörten die geistlichen Reichsfürsten , deren Mannschaft
sich durch die Investitur mit den Regalien herausbildete; sie durften keines Genossen und keines
Laien Mann sein. Den dritten Heerschild nahmen die weltlichen Fürsten ein, sie konnten Mannen
des Königs und der geistlichen Fürsten sein. In dem vierten Heerschild standen die freien Herren,
welche vom Reiche oder von Fürsten Lehen hatten, in den fünften und sechsten gehörten die
Mittelfreien und Dienstmannen. Der Sachsenspiegel erwähnt noch eines siebenten Heersehihle*;
in diesen konnten wohl nur nicht ritterbürtige Freie gereiht sein, welche aber keine Lebensfähig-
keit hatten, wälhrend gerade die letztere zum Heerschild berechtigte. Das Bestreben , die Ernie-
drigung des Heerschildes zu umgehen, ohne die mit dem Lehen verbundenen Vortheile aufzuopfern,
waren Ursache, dass die Einthcilung in Heerschilde bereits im XIV. Jahrhundert kaum mehr
beachtet wurde s .
Bei Leichenbegängnissen wurde der Schild des Verstorbenen verkehrt getragen , „der ort
ze tal, der spitz empor" 3 . War mit einem Schildbürtigen das Geschlecht ausgestorben , so wurde
der Schild zerbrochen und an dem Grabsteine oder dem Sarkophage umgekehrt angelehnt. Im
Sachsenrechte hat der nicht ebenbürtige Sohn eines freien Vaters ebenfalls den Schild verkehrt
am Halse hängen. Wenn ein im offenen Kampfe Gefallener nicht beeidigt werden konnte, so
erwies man ihm die letzte Ehre dadurch, dass man ihm das Schwert unter das Haupt legte und
den Schild über ihn deckte 4 .
Auf dem Siegel Ernst 1 s des Tapferen erscheint im erhaltenen Obertheil des Schildes eine
Zeichnung, welche einem Vogelkopfe ähnlich ist; ich wage jedoch nicht zu behaupten , dass auf
diesem Siegel ein Adler im Schilde gewesen sei 5 . Das idteste Siegel des heiligen Leopold, vom
Jahre 11 15, ist zu stumpf, tun etwas anderes als die Umrisse der Figur entnehmen zu lassen; auf
den beiden folgenden sind zwei Querstreifen, vielleicht Riemen oder Mctallspangcn erkennbar,
und auf jenem am Stiftsbriefe von Heiligenkreuz, welches ziemlich gut erhalten ist, lässt sich
ebenfalls keine Wappenfigur erkennen, obgleich Herrgott dasselbe mit einem Adler im Schilde
abbildet*.
1 Wigalois v. 6<i60 *c<). — 3 Ficker. Vom Heer»chi)d. Kin Beitrag iur deutschen Reich», und Rechtsgrsehichte. Innsbruck 1S62-
— 1 Suclicnwirth, 1. c. pag. 7, v. ltil. — 4 Wigaloi*. I. c. v. ;t<l*»f>. — » Streun, welcher «las Siegel noch unverletzt »ah, behaupte
eit. Iluelier Austria ex archiv. mellicen. illuatrat. und Herrgott de Sifillis, bilden dasselbe bereit» frngnientirt ab, und »war
beide, Taf. I, Fig. I. Herrgott mit einem Adlcrkopfe auf dem erhaltenen Sehildtheile. der ältere Hneber dagegen ohne die»e<>-
- « Herrgott, l. c Taf. I, Fig. J.
■
Die Siegel de» ösTcnnEicmsciiEX Reüentf.s.
195
Heinrich Jasomirgott hat einmal ein Ornament, ein anderesmal sind in dem von einem breiten
Rande umfangenen Schilde vier Kugeln in Form einer Blume zusammengestellt, erst im Jahre 1170
erscheint der Adler unzweifelhaft auf einem trefflieh erhaltenen Reitersiegel an einer Urkunde im
Stiftsarchive zu den Schotten in Wien; und bleibt von da an bis zum Regierungsantritte Friedrich
des Streitbaren (a. 1230) als das österreichische Wappen sowohl auf den Reitersiegeln der regieren-
den Herzoge als auch auf den Wappensiegeln der Nebenlinie, der beiden Heinriche von Mödling.
Leopold der Glorreiche fuhrt bei Lebzeiten seines Bruders Friedrich I., als Herzog von
Steiermark, den Panther im Sehilde, und als er später ein Münzsicgcl annimmt, hat die Rciterfigur
auf der Vorderseite den Adler, auf der Kehrseite den steirischen Panther im Schilde.
Mit Friedrich dem Streitbaren verschwindet der Adler 1 auf der Vorderseite des Münzsicgcls
und an seine Stelle tritt der silberne Querbalken im rothen Felde als Wappen des
Herzogthumes Österreich, wälirend auf der Kehrseite das Wappen von Steiermark beibehalten wird.
Was den Herzog zu dieser auffallenden Änderung des Wappens bewog, darüber schweigen
die gleichzeitigen Chronisten. Möglich, dass er gleich bei dem Antritte seiner Regierung durch
die Empörung der Brüder Heinrich und Hadamar von Chuenring, von denen der eratere als ober-
ster Marschall die Siegel des früheren Landesfürsten in den Händen hatte, „officio et sigillo ducis
abusus est", dazu gezwungen wurde um Fälschungen vorzubeugen. Eben so unbekannt ist, warum
gerade der weisse Balken im rothen Felde gewühlt wurde. Die Sage, dass bereits Leopold der
Tapfere dieses Wappen nach der Erstürmung von Ptolomais im Jahre 1 191, wo sein von Feindes-
blut gerötheter Waffenrock nur an der vom Schwertgürtel bedeckten Stelle weiss geblieben war,
(daher der Name Bindenwappen, Bindenschild) darum angenommen habe, weil Richard
Löwenherz das österreichische Banner mit dem früheren Wappen beschimpft hatte , zerfallt von
selbst. Ptolomais ging durch Capitulation über, und sowohl Leopold als auch seine beiden Sühne
Friedlich der Katholische und Leopold der Glorreiche führten den Adler im Schilde fort , ja Leo-
pold der Tapfere ist sogar der Erste, welcher den Adler nach der Erwerbung des Herzogthumes
Steiermark auch in die Fahne aufnahm.
Haselbach erzählt, Leopold der Tapfere habe dieses Wappen vom Kaiser für die Gefangcn-
nchmung einer schönen Frau erhalten, deren Gesichtsfarbe roth und die Zähne inmitten blendend
weiss waren. Einige halten den weissen Querbalken für den Donaustrom, andere für die Milch-
strasse, und Höping deutet die Farben so, dass sich dieses Wappen im Kriege und Frieden bewähren
werde, wobei roth als die Kriegs-, weiss als die Friedensfarbe angenommen wird.
Was auch immer die Veranlassung zur Annahme dieses Wappens gegeben habe , das ist
gewiss, dass seit Friedrich dem Streitbaren der silberne Querbalken im rothen Felde fortan das
Wappen von Osterreich blieb und nach dem Erlöschen der Babenberger von Hermann von Baden,
dann von König Otakar und endlich von den Habsburgern aufgenommen wurde. Wir treffen den
Bindenschild häufig auf mannigfache Weise verziert, und zwar das Feld gekörnt, gemutet oder
damascirt oder auch blos von schräglaufenden Streifen durchkreuzt. Die Binde blank , damascirt,
von schrägen Linien durchkreuzt oder gemutet Selten erscheint ein anderes Wappen in dem
\<m der Reiterfigur getragenen Schild, de» steirischen Panthers auf den Siegeln der Babenberger
wurde bereits erwähnt. Otakar hat auf der Vorderseite seines kleinen Siegels den böhmischen
Löwen im Schilde, Albert I. führt als Reichsverweser in Österreich den habsburgischen Löwen,
Albert V. auf dem Siegel der Markgrafschaft Mähren, wie sich von selbst versteht, den mähri-
sche» Adler als das Hauptwappen, Albert VI. endlich hat in der Tartsche das Wappen mit den
fünf Adlern.
' Die Abbildung bei Hanthaler: Kcccn». diplom. geucul. Tat XXI. ist ein FaUifieal.
IX. •>;
Digitized by Google
1%
Karl von Sava.
Die Wappen wurden auf die Schilde entweder gemalt, oder diese nach der Farbe des
Feldes mit Pelzwerk, Sammt, Seide und Gold- oder Silberstoff tiberzogen und die Wappen-
figuren entweder darauf gestickt oder in ähnlichen Stoffen ausgeschnitten oder auch in Metall
ausgeschlagen und darauf befestiget. Die in späterer Zeit vorkommenden runden Schilde
(Rundellen, auch Rondaches genannt), welche von Eisen waren , wurden ebenfalls bemalt oder mit
Tauschir- 1 oder mit getriebener Arbeit geschmückt und an den Rändern mit Fransen verziert*.
Von der Pracht der Sehilde und deren Verzierung mit Pelzwerk, mit Gold und edlen Stei-
nen erzählen die mittelalterliehen Dichter vieles. Wir wollen hier nur einige Beispiele aus unsere»
vaterländischen Dichtern anfuhren. Ulrich von Liechtenstein trug einen Schild mit Hermelin
überzogen , darauf die zwei schwarzen Schrägbalken aus Zobel geschnitten waren , in der Mitte
befand »ich ein küstlicher Buckel*; ein anderesmal führte er einen mit Scharlach überzogene»
Schild, der mit Borten pgegattert" und mit Schellen behängt war, die lauten Klang von sich
gaben. Schellen waren überhaupt im Mittelalter eine sehr beliebte Verzierung, man behängte die
Helmzierden, die Speere, den Waffenrock und die Pferdedecken damit und trug sie im gewöhn-
lichen Leben an den Schuhen, besonders in jener Zeit, wo die Schnabclschuhe im Gebrauche waren.
An Pracht des Schildes tibertraf unseren Ulrich der, ebenfalls im Frauendienste vorkommende
(iraf von Götz; sein Schild war schräg getheilt. im oberen Felde, blau wie ein lichter Saphir,
befand sich ein aus Gold geschlagener Löwe , dessen Krone reich mit edlen Steinen geschmückt
war, während das untere rothe Feld durch darauf gelegte Streifen von Hermelin, achtmal roth
und weiss getheilt war*. Der prachtvoll gerüstete Otto von Meissau hatte einen Schild von Roth und
Gold und darauf ein zobelfarbenes Einhorn.
Die Innung der „Seidennater - ' (Seidensticker) in Wien verfertigte Messgewänder, Kirchen-
falinen und Rossdecken, und jeder, welcher Meister werden wollte, musstc ein Bild aus Seide und
eines aus Perlen sticken und ausserdem noch einen Schild verwappnen, d.h. auf selben das Wappen
in Stickerei ausführen 5 .
Dass die in der Schlacht gebrauchten Schilde einfacher waren, versteht sich wohl von selbst;
allein wenn schon bei Turnieren, wo derlei Wappen einer Beschädigung kaum entgehen konnten,
eine derartige Pracht entfaltet wurde, so darf es wohl nicht Wunder nehmen, wenn bei Prunk-
festen ein noch grösserer, fast UbermäsHiger Aufwand entwickelt wurde. Ich will hier nur ein Bei-
spiel aufführen, dessen Otakar von Hornek erwähnt.
Als König Wenzel H. (der Schwager des deutschen Königs Albert I.) sich im Jahre 129"
zu Prag krönen Hess, bestrebte er sich Böhmens Reichthum durch ungemeine Pracht zur Schau
zu tragen, die Krone, welche ihn an diesem Tage schmückte, hatte 2000 Mark im Werthe.
Der Schild, welcher ihm vorgetragen wurde, stellte das böhmische Wappen dar, der weisse
Löwe von ziemlicher Grösse war ganz aus Perlen geformt und die Klauen aus Rubinen
gemacht. Das rothe Feld bestand aus feinstem Golde und war mit kostbaren Steinen geschmückt,
diesen Schild und das Prachtschwert, welches man ihm vortrug, schätzte man zusammen auf
3000 Mark.
In der Schlacht wurden von den gemeinen Kriegern halbrunde oder ovale Schilde getragen,
welche von ihrer convexen Form auch „Buklcr* genannt wurden. Ein grosser Schild für das
1 Di« Zeichnung: wurde tief i» das Eisen gegraben und die Furchen mit Gold oder Silber ausgefüllt. — * Die cirkel-
runden Schild«? sind uralt und wurden hiiufig bei den Angelsachsen gebraucht, sie verschwanden nach und nach, und wurde»
erst im XVI. Jahrhundert, und zwar bei Personen höheren Hanges allgemein. Zu den seltenen Abbildungen solcher Schilde
nua älterer Zeit gehören der runde Schild de» Goliath bei Herrad von I.andsberg; dann bei Hefner, II. Abtheilung, Taf. VII, oacli
■ iner Miniatur aus dem XIV. Jahrhundert. — 3 I. c. 2!I6. — Zobel- und Horraelinpe Ix wurden statt schwarzer und weisser Farbe ver
wendet, statt letzterer auch Perlen; und Sucbenwirth, 1. c. p»g. 23, nennt Zobel und Perlen die besten zwei unter den sechs heral-
dische» Farben. — « I. c. 174. — 1 Feil, Beitrüge zur alteren Geschiebte der Kunst- und Gewerbctbätigkcit in Wien „ScideDnatef".
Digitized by Google
Dib Siegel der österreichischen Regenten.
197
Fnssvolk war die Pavenc, vorzüglich eine böhmische Nutionulwaffe, obwohl die pedites pavesati
bereit« im XIV. Jahrhundert bei den Franzosen und Italienern häufig vorkommen. Die böhmische
Paveza, auch Paffes un genannt, war eine vier bis ftlnfthalb Schuh hohe und dritthalb Schuh breite
Setztartschc aus starkem Holz verfertiget, inwendig mit Kuhhaut überzogen, mit Handgriffen von
Ochsensehnen benagelt, auswendig mit zerklopftem Werg und darüber mit gefirnisster Leinwand
überklebt und mit Wappen, Heiligen etc. übermalt. Sie lief unten in eine Spitze aus, mit der
man sie in die Erde sticss, und war 20 bis 25 Pfund schwer. Jede Truppenabtheilung hatte
ihre bestimmte Anzahl Pafesner, deren jeder einen llilkler und einen Lichtschützen (ganz gehar-
nischten Mann) mit einem Ahlspiesse hatte. Im Falle eines Angriffes zog sich das Kriegsvolk
hinter seine Pafesner zurück, die Hakler schlössen die Schilde mit Ketten oder Eisenhaken
aneinander, die Lichtschützen streckten ihre langen Ahlspicssc darüber, die hinteren Glieder
schössen und der Pafesner vertheidigte seine Brustwehr mit dem Schwerte, der Streitaxt oder
dem Busikan '.
Unter den Angriffswaffen war der Speer, die Lanze (sper, scaft), auch Gl efe genannt , die
Königin der Waffen, sowohl ihrer leichten Handhabung als ihrer fürchterlichen Wirkung wegen.
Der Name Speer , welcher der ganzen Waffe beigelegt wird, gehört eigentlich nur der eisernen
Spitze derselben an:
r Er stach im einen sollten stich
daz das isern sper sich
loste von dem Schafte,
unde fm übe hafte V
Die Glefe (glevy, glavie, glevc, gleffc) war eine der gebräuchlichsten Gattungen der Lanze
und dürfte aus dem alten Celt (Streitmeissel) entstanden sein , in dessen hohlen Handgriff ein langer
Schaft gesteckt wurde. Sie hiess bei den Wallisern Hawnawr und später Gleddyw. Auch von dem
französischen Worte glaive wird der Name dieser Waffe abgeleitet, indem sie Ähnlichkeit mit einem
kurzen Schwerte oder einem langen Messer hatte und einschneidig war.
Die ritterliche Lanze wurde so edel geachtet, dass sie mit dem Seepter die gleiche symbolische
Bedeutung hatte und wirklich für dasselbe galt: „so lieze ich sper und ul die kröne". Die
Ubergabe des Speeres war bei dem Könige das Zeichen der t hergäbe von Land und Leuten: Hex
hastam quam manu gerebat nepoti tradidit, hoc amandissimc nepos indicio noveris te mihi sueees-
surum in regno\ Auch in anderen Beziehungen spielte die Lanze eine Rolle im Rechtswesen des
Mittelalters, so bei Bestimmungen der Grenzen, welche entweder so weit reichen, als einer in den
Fluss reiten und mit dem Speere werfen kann, oder so weit als er, an's Ufer des Flusses reitend,
mit dem Speere zu laugen vermag. Auf der Strasse soll der Burggraf dem Herzoge vorreiten und
einen recht gemessenen Speer vor sieh auf dem Rosse haben, und so weit soll man ihm die Strasse
räumen um und um (Münchner Salbuch anno 1278); und die freie Königsstrasse wird bestimmt,
indem ein Ritter in voller Rüstung dem Könige vorreitet und einen 16 Fuss langen Speer vor sich
quer über den Sattel liegen hat*. Die Übersendung des Speeres galt als Kriegserklärung, und nach
den beiden wichtigsten Waffen wurden die männlichen Verwandten, als Speer-, Ger- oder Schwert-
magen bezeichnet, im Gegensatze zu den Spindel- oder Kunkelmagen*: „das nächste Blut vom
Schwert geboren erbt, und wenn kein Schwert vorhanden, erbt die Spille"*.
Wenn sich das Heer in Schlachtordnung aufstellte, wurden die Speere auf die Schenkel
gestützt und die Spitzen vor die Rotten gehalten ' ; im Kampfe oder Turniere wurden die Speere
' Loher, kaiserlichen Zeughaus, pag. 188. — - Iwcln, v. 503V. — 9 Jakob Grimm, deutsche RechUalterthümer, i, 163.
« Grimm, I. c I, 59, «0, 69. - » Mage, Anverwandter. — • Grimm, 1. c — ' Suchcnwirth, I. c. VIII, v. 94 und die Statuta
castrensia von Friedrich Barbarossa: Si quis sedens in dextrario sentum habet in coli», laneeam in manu. Heinneedu», I. c 130.
27*
198
Kahl vok Sava.
kunstgerecht unter den Ann geschlagen'; in späterer Zeit war zum Auflegen «Kr Lanze an der
Brustplatte derRttsthaken angebracht, und die Lanze selbst ging durch den Ausschnitt der Tartschf.
Als Ziel des Stosses wühlte man entweder den Hals s oder die Brust des Gegners :
„Die Speere druckten sie nieder
Genau des Zieles bewnsst,
Durch den Schild auf des Gegners Brust
Beide so mächtig stachen,
Dass die .Schäfte zerbrachen.
Da nahmen sie zween andere Speer,
Und trafen sich wieder mit solcher Kraft,
Dass die beiden Eisen sich vom Schaft
Los rissen und stecken blieben 1 ."
Und an einem anderen Orte:
„Der Waleise drückte nieder
Den Schaft mit beiden Armen,
Zornig und ohn' Erbarmen
Wie ihn sein Vater lehrte.
Seinen starken Speer er durch ihn stach,
Dass man todt ihn sah
Niederfallen auf das Gras 4 .«
Endlieh ehen da:
„Mit Speeren ward da mancher Stich
Gebort durch Eisengewand
Dass das Herz ihn darunter empfand*."
In der Schlacht wurde mit den Glefen „geschoben" im Turniere wurden die Speere ver-
stochen. Die Speer- und Glefeneisen waren von Stahl, und als besonders vorzüglich wird der harte
indische Stahl gepriesen welcher übrigens schon den Römern bekannt war. Zum Tyost oder
Puneis waren die Schäfte von Eibenholz *, für die Schlacht und zum ernsten Kampf dagegen von
Eschenholz :
„Zuletzt reicht man beiden dar
Eschener Schafte zween,
Weil leider sollte geschehen
Des einen Tod an selber statt'.«
Zu den Kampfspielen wurden die Speere gefärbt, vergoldet, mit Blumen umwunden und mit
Schellen behängt 10 ; in späterer Zeit hatte die Lanze beim Turniere statt der Spitze vier stumpfe
Pfosten, den sogenannten Krönig, und Suchenwirth bedauert, dass die Turniere verfallen, indem
statt des Rennens das Stechen überhand nehme".
Sowohl in der Feldschlacht als im Turniere waren an der Lanze Fähnlein angebracht; in älterer
Zeit schmale wimpelförmigc, von der Mitte angefangen in mehrere Lappen „Flammen" geschlitzt.
Sie waren aus verschiedenen Stoffen, mit netzförmigen Streifen, mit Borten oder Stickereien verziert
und an den Enden befranst, später wurden in dieselben auch Wappen aufgenommen, und dann
< Ouy v. Waleis, I. c. v. GG30. — * Guy \. Wolfis, I. c. v. 544 und 545. — s Guy v. Walois, 1. c. v. 3525 ff. — « Guy von
Walii», I. c. v. 3553 ff. — 5 Guy v. Walci*, 1. c. v I0U3C ff. — « Suchenwirth XVII, v. 57. — 1 Guy v. Waleia, L c. v. 7382. —
« Ibid. 1. c. v. 3519. Schäfte von EibcnhoU. beschlagen mit scharfen Speer. — » Eben da, v. 3543 ff. — 10 Ulrich von Licchtcn-
atein. - " I. c. Einleitung, pag. 31.
Digitized by Google
Die Siegel der östehiieiciiisciiex Reoesten.
hatte die Fahne die Farbe des Feldes, worauf die Figur in ihrer Farbe angebracht war und zwar ent-
weder gestickt oder gemalt, in späterer Zeit auch mit einem Holzstock darauf gedruckt 1 . Zu Ende
des XIII. Jahrhunderts befestigte man statt der Fahnen kleine Parallelogramme, und zwar mit der
längeren Seite an den Lanzensehaft, Banner. Auf diesen waren ebenfalls die Wappen in ähnlicher,
oft prachtvoller Weise ausgeführt, wie in den bereits geschilderten Stickereien auf den Schilden und
Waffenröcken. Auf den Minaturen des Iglauer Stadtbuches s hat König Wenzel I. im rothen
Banner den böhmischen Löwen. Otakar II. als Markgraf von Mähren, zu Throne sitzend dargestellt,
hält in der Rechten das Landespanicr, worauf im blauen Tuche der weiss und roth geschachtc
Adler mit goldenen Klauen zu sehen ist, wälirend Otakar als König zu Pferde eine lange Fahne
trägt, welche in drei Flammen zerschlitzt ist und in roth und blau quadrirt die Wappen von Böhmen
und Mähren zeigt.
An dem oberen Rande dieser Banner wurde in späterer Zeit ein schmaler langer Streif ange-
bracht, der sogenannte Panierschwenkel. Diese Fahnen oder Banner unterscheiden Bich von den
Fahnen oder Panieren, welche in der Schlacht als Heeres- oder Landeszeichen vorgetragen wurden,
durch die Grösse der letzteren; die Hut dieser wurde stets einem der Tapfersten anvertraut; so
fährte Graf Otto von Plaien, welcher da» Amt eines Panierträgers von Österreich inne hatte, do-s
Landespanier im Jahre 1260 in der Schlacht König Otakars gegen die Ungarn, in welcher er
auch seinen Tod fand ; und in der Schlacht bei Poitiers übergab der Prinz Eduard von Wallis dem
tapferen Ritter Hanns von Traun das Panier.
Durch das Aufrichten der Fahne wurde das Volk faugeboten. Das Aufstecken derselben auf
einem Thurme oder im Lager war das Zeichen der obersten Gewalt, daher dem Könige im Kriege
wie im Frieden die Landesfahne vorgetragen wurde*; und Fürsten Hessen sich so viele Fahnen
vortragen als sie Provinzen besassen*. Doch stand dieses Recht nicht jedem zu , wie das Diplom
Kaiser Heinrichs IV. vom Jahre 1058 erweiset 4 , durch welches Markgraf Ernst von Österreich
für sich und seine Nachfolger im Lande die Begünstigung erhielt, sich das Gerichtsschwert und die
Fahne vor dem Reiche und der Welt vortragen zu lassen. Hier galt das Schwert als das Symbol der
Gerichtsbarkeit und die Fahne als jenes des Heerbannes. In jedem Falle aber deutete die Fahne auf
die Reichsunmittel barkeit, nach dem Grundsatze: des Reiches Lehen leiht der Kaiser den Bischöfen
und Abten mit dem Seepter, den Weltlichen mit der Fahne. Es scheint, dass dabei der Vasall
dem Lehensherrn die Fahne darreichte und dieser sie ihm wieder bot: „Ein vanen böt er im ze hant
— damit« lihct ir mir daz lauf Nach der Belohnung wurden die grossen Banner der Reichs-
fUrsten von dem Königsstuhle herabgeworfen und dem Kriegsvolke Preis gegeben.
Sobald der Herzog von Österreich in das Feld zog, hatte der Marschall die Vorhut und
beim Rückmärsche die Nachhut zu führen; er hatte jede genommene Burg mit den Seinigen
zuerst zu besetzen, und richtete der Herzog auf derselben seine Fahne auf, so stand ilnn das Recht
zu, die scinige daneben aufzustecken. Bei dem Begräbnisse eines Herzogs von Österreich hat der
Marschall die Landesfahne zu tragen".
Auf den Reitersiegeln der österreichischen Landesfürsten, worauf dieselben gewappnet
erscheinen, haben alle den Speer in der Rechten, mit einziger Ausnahme des Johannes Parricidn,
welcher das gezogene Schwert in der Hand hat und in seinem Schilde das österreichische Wap-
pen führt.
1 Schlager, Wiener Skizzen II, .HS. — - Die erste Anlegung desselben dürfte zu Ende de» XIV. oder so Anfang de»
XV. Jahrhundert« begonnen haben, wie Aua den, mit einer einzigen Ausnahme ausschliesslich vorkommenden .Stechhelmen und
den Plattenhariiischcn hervorgeht; die betreffenden Abbildungen befinden sieb auf Fol. 1 a, cot 1, Fol. 1 b, col. 1 und Fol. 37 a, voL 2.
> Grimm, 1. c. I, 242- — 4 Heluneccitu, I. c. läV. — i Schrötter, Abhandlangen über daa österreichische Staatsrecht. 1. Abtbeil,
pag. 137. — s Die Siegel der Landcs-Erbätnter im Ertherzogthumo Österreich unter der Enns. Mittheilungen des Alterthums-
vereines in Wien. 1801.
Digitized by Google
Karl von Sava.
Schon unter Ernst dem Tapferen befindet sich die Fahne an dem Speere, deren Tuch
anfangs einen hingen schmalen Wimpel bildet, welcher von der Mitte angefangen meistens in
zwei, manchmal auch in drei Flammen zerschlitzt und mittelst Ringen an den Schaft de» Speeres
befestigt ist. Bei Friedrieh dem Streitbaren sind die Flammen befranst und bei Otakar verbrämt,
mit Sternchen belegt und ebenfalls mit Fransen besetzt. Auf dem grossen Majestätssiegcl de«
letzteren hat da« Fahnentuch zum erstenmale die Form eines (Iberhöhten Viereckes , das mit der
lungeren Seite an der Speerstange befestiget ist (Panier). Diese Form bleibt bis zu Rudolf IV.,
unter welchem sie nur unbedeutend geändert wird, indem auf seinem grossen Reitersiegel zuerst
vom oben» Rande des Banners eine schmale bandartige Zunge auslauft, die sich bis zum Schlüsse
des Mittelalters auf den österreichischen Fürstensiegeln erhält. Die Fahnentücher sind bei den
österreichischen Markgrafen und den ersten Herzogen nur mit gegitterten Streifen oder ringförmigen
Verzierungen ausgeschmückt. Leopold der Tugendhafte ist der Erste, welcher in seiner Fahne
den Adler führt, den seine Söhne Friedrich der Katholische und Leopold der Glorreiche beibehalten,
und als dieser letztere ein Münzsiegel annahm, prangt auf der Vorderseite der Österreichische Adler,
auf der Kehrseite der steierische Panther in der Fahne. Unter Friedrich dem Streitbaren, Hermann
von Baden und auf den beiden alteren Siegeln Otakar* sind die Fahnen wieder ohne Wappcn-
liguren, nur mit netzförmigen Streifen, Verbrämungen und Sternchen verziert. Auf der Reiterseite
des grossen MajestHtssiegels Otakars erblicken wir den böhmischen Löwen in der Fahne, und nach
der Erhebung der Habsburger auf den österreichischen Uerzogsstuhl erscheint der steierische Pan-
ther als das zweitwichtige Wappen in dem Banner, wahrend im Schilde Österreichs eine weisse Binde
im rothen Felde prangt. Auf dem grossen Reitersiegel Rudolfs IV. kommt das österreichische
Wappen in Schild und Fahne vor, auf einer späteren Variante desselben erscheint im Banner der
tirolische Adler. Die spateren Fürstensiegel zeigen wieder das steierische Wappen in dem Banner
und nur drei das österreichische, nämlich jene Alberte III., Alberte V. für die Markgrafsclmft Mähren
und das Alberte VI.
Den zweiten Rang unter den ritterlichen Waffen nimmt das Schwert ein, welches vom IX.
bis zum XV. Jahrhundert sich in derselben einfachen Form erhielt. Die gerade Klinge , gegen die
Spitze verjüngt, ist zweischneidig' und hat ungefähr drei Schuh in der Lange, gleich geschickt zum
Hiebe wie zum Stosse. In der Mitte der Klinge war gewöhnlich eine Vertiefung angebracht, die
sogenannte Blutrinne; interessant in dieser Beziehung ist das Siegel des Herzogs Heinrich von
Limburg (anno 1208), auf welchem die Schwertklinge nach ihrer ganzen Länge von einer Reihe vier-
eckiger Löcher durchbrochen ist. Der Griff war mittelmässig lang, so das» er von der Faust um-
schlossen werden konnte, und um das Ausgleiten aus der Hand zu verhindern, eingekerbt und mit
Drathgeflecht oder auch mit Leder umwunden. Eine grosse , aufrecht stehende stählerne Scheibe,
bei drei Zoll im Durchmesser und einen halben Zoll dick , bildete den Knauf. Die Parirstangc ist
entweder halbmondförmig gegen die Klinge gekehrt oder gerade , und hat im letzteren Falle die
Form eines ausgeschweiften Kreuzbalkens. Mit schwarzem Griff, stählernem Knauf und gleicher
l\arirstangc sehen wir die Schwerter auf den Miniaturen des Iglauer Stadtbuches.
Die Sagen von Schicksalsschwertern, so vom Schwerte Sachs, vom Balmung und Weisung *,
so wie die Sagen von kunstreichen Waffcnsclunieden, namentlich vom Schmiede Wieland, der mit
dem Schwerte „Mitnung u den Schmied Amilias besiegte, reicheu in den deutschen Helden-
I
1 „Kin »wert er uro die alten truoc,
daz wol ze beiden ecken sneit
Kz was scharf undc breit.«
Seifri.d IlftMi.g T. v MO »i|
* Über da» Schwert: Sachs, s. W. Grimm'« Heldensage, pag. :»«. Von Dietrich von Steier lit-isat es: Da führte der I»eg cn
jung — sein Schwert Welnung — hoch in »einer Hand. I.aurin, v. 232C.
Digitized by Googlf
i
Dib Siegel der Österreichischen Regenten.
201
und Volkssagen weit hinauf. Ein anderes Schwert Wielands fuhrt wie der Blitz durch den Feind
und spaltet ihn mit einem Hiebe ', und auch Wigalois spaltet mit des Schwerte» Spitze Bäume und
Eisengcwande Von festem indischen Stald , hart wie Diamant und Krystall , waren die Schwerter,
bei deren Hieben Funken aus den Helmen flogen ; „wohl eine Spanne breit waren sie, tödtlich scharf
und gefeit- '.
Das Schwert wurde an einem Gürtel getragen und die Scheide war meist von schwarzem
seltener von buntem Leder, an den Enden, bisweilen auch in der Mitte mit Metall beschlagen (Mund-
blech, Mittel - und Ortband). Das Schwert, mit welchem der Fürst in voller ltüstung umgürtet ist,
wurde ihm, sobald er in» Hausklcidc war, gewöhnlich von einem Diener nachgetragen , wobei das-
selbe nach aufwärts gehalten und an die Achsel gelehnt wird, und das Wehrgehänge lose um die
Scheide geschlungen ist \ Auf den Bildern der Hedwigslegende stützt sich Heinrich der Bärtige
auf das Schwert, an dem ein kleiner Schild mit dem schlesischen Adler hängt, wie auf einen Stock B ;
und Heinrich Graf von Waldcck (anno 1354) stützt sich auf seinem Fusssiegel in ähnlicher Weise
auf das in der Scheide befindliche Schwert.
Der Knauf des Schwertes war, besonders im XIV. Jahrhundert, sehr häufig mit einer Kette
verbunden, welche an der Achsel des Panzerhemdes oder an der Brustplatte befestiget war. Vor-
züglich ist dies auf den Heitersiegeln der niederländischen Fürsten der Fall, und die beiden
Luxemburger Karl IV. und dessen Sohn Sigmund haben sie auch auf ihren Siegeln für Mähren
und Brandenburg. Unter den deutschen Fürsten treffen wir sie bei den Landgrafen von Hessen,
den Grafen von Nassau und Würtemberg, dann bei den Herzogen von Österreich, bei den Grafen
von Schaumburg und anderen. Diese Ketten hatten den Zweck, die Entwaffnung des Kitters im
Gefechte zu verhüten, weil er das der Hand entwundene oder entfallene Schwert wieder zu gewinnen
vermochte.
Der Ritterschlag wurde mit dem Schwerte ertheilt, mit diesem wurde der neue Ritter
feierlich umgürtet , und die Übersendung des Schwertes galt als Aufforderung zum Streite. Der
Marschall sandte dem Könige durch die Herolde zwei blanke Schwerter, damit er nicht in dem
Wald liege, sondern herauszöge auf das freie Feld, sie wollten mit ihm Streites pflegen 7 . Uber-
haupt spielte das Schwert in der Rechtssymbolik des Mittelalters eine bedeutende Rolle. Ks galt
als Zeichen der höchsten, besonders aber der richterlichen Gewalt, darum trug nach dem schwäbi-
schen Landrechte (Art. 13) der Marschall dem Könige das Schwert vor, und bei der Belehnung
wurden Königreiche durch das Schwert und Fürstenthümer durch die Falmc (den Speer) verliehen
und empfangen: „Est consuetudo curiae, ut regna per gladium, provinciae per vexillum a principe
tradantur et reeipiantur"'. Im Sachsenrechte und in anderen Denkmalen des Mittelalters finden wir
das Schwert in der Hand oder auf dem Schoss des eben dargestellten Grafen, Herzogs oder Königs,
in letzterer Lage aber nur dann, wenn die dargestellte Person selbst als Richter erscheint, daher
auf den Hofgerichtssiegeln der deutschen Kaiser und Könige, letztere das Schwert wagrecht vor
sich halten, während sie auf den Landesgerichtssiegcln dasselbe aufrecht tragen, weil bei dein
Landgerichte nicht der König selbst, sondern der Landrichter in dessen Namen Recht spricht 9 .
Der Freigraf wurde durch die Übergabe des Schwertes und des Strickes, als der Zeichen der pein-
lichen Gerichtsbarkeit, investirt 10 und der alte Comes erschien nie ohne Schwert vor Gericht. Bei
Schwüren und Gelübden wurde die Hand auf den Griff des Schwertes gelegt und die Spitze des-
selben in die Erde gesteckt, und Ehe versprechen wurden feierlich befestiget, indem man die
1 Wilhelm Grimm, die deutsche Heldensage, p»g. 41. — Laurin, v. 7657. - * Wigaloi», I. c. v. 7355 »eq. — 4 Sowohl auf
den Bildern der Hedwigglcgende als auf den Miniaturen dea Iglaucr Stsidtbuchcs. — » Auf den Bildern der Herrad von Landa-
berg und der ned wiegende - * Taf. XI, XXII, XXX. - ' Grimm, 1. e. 1, 168. - • Grimm, I. c. I, 167- - • Romer-Büchner.
die Siegel der deutschen Kaiser, Könige und Gcsrcukönige. Frankfurt am Main 1851, 8»., Nr. «3, «5, 66, 68, 75 und 80. —
" Uriiuui, L c. I, 167 „per gladium et funis traditionetn* anno 1376.
202
Karl von Sava.
Daumen auf das Schwert legte'. Die Freischöffen der Vclime legten beim Schwüre ihre Hand auf
dasselbe und in früherer Zeit wurde durch das Ausziehen desselben geschworen *.
DesAusdruckes Schwertmagen für die Verwandten des Mannsstammes und ihres Erbrecht«
haben wir bereits früher erwSihnt \ Nach dem friesischen Rechte konnte derMann die ehebrecherische
Frau schlagen oder enthaupten, daher wurde als Zeichen der Gewalt des Mannes über Leben und Tod
der Braut bei der Hochzeit das Schwert vorgetragen*. Im Alterthume war es Sitte, wenn ein Mann
bei einer Frau schlief, die er nicht berühren wollte, dass er zwischen sie und sich ein Schwert
legte, ein Gebrauch, welcher bis in die spätere Zeit beobachtet wurde. Wenn der Bevollmächtigte
mit einer fürstlichen Braut das Beilager zum Schein vollziehen musste, hatte er den rechten Fuss
und den rechten Arm mit einem leichten Harnisch angethan und ein blosses Schwert wurde zwi-
schen ihn und die Braut gelegt. Dieses war noch im Jahre 1477 bei der Vermahlung der Maria
von Burgund der Fall, wobei Herzog Ludwig von Baiern zum Stellvertreter des Erzherzogs Maxi-
milian bestimmt wurde 5 ).
Bei du Fresne finden wir des Schwertes in vielen Diplomen als eines Attributes der Grafen-
würde erwähnt"; dagegen klagt Scifricd Helblhig, dass in Österreich sogar die Bauern anfingen
Schwerter zu tragen und sagt, Leopold der Glorreiche licss sie Knittel tragen für die Hunde:
„der swert mau in niht gundc
noch der langen mlsicar ; . u
In Deutschland treffen wir die Fahnen in der Regel nur auf den Siegeln der höheren Reiehs-
fürsten; nitmlich der Herzoge und Markgrafen , seltener bei den Grafen , die letzteren halten meist
das gezückte Schwert in der Rechten. So führen, nebst den österreichischen Fürsten, die Herzoge
von Böhmen auf ihren Fusssiegeln, die Könige Böhmens auf der Kehrseite ihrer Majestätssiegel, die
Herzoge von Baiern, Sachsen, Schwaben und Kilnithen, die Markgrafen und Herzoge von Steier-
mark, die Landgrafen von Thüringen und die Markgrafen von Meissen Fahnen, auch die Mark-
grafen von Brandenburg auf ihren Fusssiegeln, während sie auf den Reitersiegeln das Schwert in
der Hand tragen; das letztere zeigt sich auch auf den Siegeln der Markgrafen von Baden, der
Landgrafen von Elsass und Hessen, der Grafen von Waldeck und Würtcmberg; während die
Grafen von Anhalt, von Görz und Tirol wieder Fahnen haben. Bei den Dynasten und dem niederen
landsüssigen Adel findet sich, wenn sie schon Reitersicgel führen, nur das Schwert. Eine Ausnahme
bilden die Siegel der LandesHmter, auf welchen die Würdenträger mit dein Abzeichen ihres Amtes
erscheinen *.
Die älteren Siegel des heiligen Leopold bieten dem Beschauer die rechte Seite dar, aus
welchem Grunde auch das Schwert nicht sichtbar ist; auf dem Siegel am Stiftsbriefe von Hciligen-
kreuz sehen wir die linke Seite des Reiters, und diese Stellung bleibt von da an auf allen fol-
genden bis zu dem grossen Reitersiegel Rudolfs IV. beibehalten. Alle Bubenbergcr , bis auf
Friedrich den Streitbaren, sind mit einem kurzen Schwert umgürtet, dessen Griff jedoch so wie
Gürtel und Gehänge durch den Schild verdeckt sind. Auf den Siegeln Friedrichs des Streitban-n
und Hermanns von Baden , so wie auf dem Siegel Ötakars vor seiner Krönung, fehlt das Sehwert.
» Grimm, i. c. 1, 166- — * Grimm, L c. I, 165. ~ * pag. 1»7. — * Grünn, L c. I, 167. — & Birken , Ehrenspiegel de»
Mause» Österreich, 865. — 6 „Hie locus pertinet ad justitiam gladii mei. — Coimtatua Klint pertinet ad K'»dium Cestriae. —
llunc locum possidet liberum ac glndiuro." Hcinneccius de Sigillis etc. 129. — ' Selfric-d Holding, VIII, v. t<7<j— 1>19. l>a» Innen
Messer, Stochmesacr, kurzer als ein Schwert und länger als ein Dolch, trug der Bürger im Staate niu Gürte). I>a« Stcoh-
messer versteckt zu tragen, war nach dem, von Kaiser Kudolf I. im Jahre 1278 gegebenen Stadtrechte von Wien bei HtnuV des
HaDdabhaueus oder einer Pöu von 10 Pfund Wiener Pfennigen verboten. Feil, Beitrüge zur alteren Ginehichte der Kunst- und
üewerbethiitigkeit in Wien. - * Mittbclluiigcii de» Altertbunisvereiiie« zu Wien 18GI. DK- Siegel der Erlmnter. Taf. II.Kij.'. Ii
Digitized by Goog
DlK SlSOKL DKR ÖSTERREICHISCHEN RrOENTKN.
203
Auf den Kehrseiten der beiden Majcstätssiegel dagegen trägt Otakar ein langes, breites Schlacht-
schwert an der Seite, mit einem einfachen Griff, der oben in einen grossen Knopf endet und eine
gerade Parirstange hat; ein breites Gehänge, das am verzierten Mundblech der Scheide befestiget
ist, verbindet es mit dem Gürtel. Mit den Habsburgern verschwinden die Schwerter abermals aus
den Siegeln, möglich, dass sie auf der rechten Seite am Sattelknopfe hängend getragen wurden,
denn der Rücktheil der Sättel, welcher schon unter dem letzten Babenberger und unter Otakar
eine förmliche Lehne bildete, bekam nun Arme (Ohren), welche die Hüfte des Reiters umschlossen
und ihm das Auf- und Absitzen, wenn er mit dem Schwerte umgürtet war, sehr unbequem machten.
Erst Rudolf IV. hat auf der Reitcrscitc seines Münzsiegels wieder eine Seitenwaffe, und zwar
einen dünnen kurzen Degen, mit einer nach abwärts gebogenen (sichelförmigen) Parirstange,
wohl ein sogenanntes „perswert" (Bohrschwert). Auf der Kehrseite dagegen, welche den Herzog
zu Fuss darstellt, ist er mit einem langen Schwerte umgürtet, dessen Knopf mit einer an der Brust
befestigten Kette verbunden ist; ein ähnliches Schwert zeigt uns auch das Fusssiegel Kaiser
Friedrichs III., während Albert VI. einen langen Stossdegen mit einem Kreuzgriff an der Linken
trägt. Das grosse Reitersiegel Rudolfs IV. zeigt uns wieder die rechte Seite des Herzogs, so auch die
Siegel seiner Nachfolger, mit einziger Ausnahme Alberts VI. Bei Rudolf IV. treffen wir zum crstenmale
einen Dolch, er trägt denselben im Gürtel an der rechten Seite, und der Knopf desselben ist an
eine Kette befestiget, welche von der Achsel herabwallt; der Griff ist nach oben, die Klinge nach
unten gestellt. Bei Rudolfs Brüdern, Albert und Leopold HL, so wie bei Leopold IV. und auf dem
österreichischen Siegel Alberts V. vermissen wir den Dolch. Wilhelm und Albert V., auf dem Siegel
für Mähren, tragen ihn wieder und zwar den Griff nach unten, die Klinge nach aufwärts gerichtet,
während er bei Ernst und dessen Sohn Friedrich wagrecht, mit dem Griffe nach vorn am Gürtel
befestigt ist. Ich traf diese Waffe auf Siegeln nur bei den österreichischen Herzogen, mit einziger
Ausnahme des Siegels des nachmaligen Kaisers Sigmund für die Mark Brandenburg. Auf mittel-
alterlichen Abbildungen dagegen kommen sie häufig vor, so in der Hedwigslegende, wo besonders
der Schwertträger einen zierlichen Dolch mit vergoldetem Griffe trägt; auch füliren eben
da 1 die Tataren plumpe Dolche, deren Parirstangen sichelförmig gegen die Klinge gebogen
sind, während die Knäufe die Form von Halbmonden haben. Die Bilder des Iglauer Stadtbuches
zeigen uns ebenfalls in den breiten Goldgürteln den Dolch in schwarzer Scheide mit gelbem Griff
und einmal auch mit einem runden Stichblatte von gleicher Farbe 5 .
Der Streitkolben, welcher in der Schlacht oft geführt wurde 1 , erscheint auf den Siegeln
der österreichischen Marschälle als Würdezeichen 1 , sonst traf ich ihn noch, und zwar in der aus-
geprägten Form eines Morgensternes, auf dem Siegel des Grafen Berthold von Urach.
Die Streitaxt kommt nur auf den Siegeln der Pfalzgrafen von Lomello vor, eine breite
ausgehöhlte Barte an einem Stiele befestigt*.
Der Gürtel, an welchem das Schwert und in späterer Zeit auch der Dolch befestiget
waren, ist auf den Siegeln des XII. und XIH Jahrhunderts thcils durch den Schild, thtils durch
den überhängenden Waffenrock verdeckt. Auf gleichzeitigen Miniaturen besteht er meistens aus
einfachen schwarzen, bisweilen auch aus schwarz und weiss gestreiften Riemen: in das eine Ende
desselben ist ein Loch geschlitzt, durch welches das andere Ende durchgezogen und dann in einen
Knoten verschlungen wurde, doch trifft man auch Schnallen mit einem einfachen Dorn. Wird das
Schwert dem Fürsten nachgetragen, so ist die Scheide mit dem Gürtel lose umwunden, so bei dem
Waffenträger des Uerodes, welcher den weissen Gürtel um die Schwertscheide geschlungen hat*.
• I. c Nr. 6. — * Fol. 37b, col. 2 und Fol. 48«, col. 2- — ' Eoncnkel bei Kauch, Seriptor. I, 349. — 4 Mlttheilungeii de»
Altfrtbunmvtreincs in Wien. Jahrgang 1861, Taf. I, Fig. 2, 3 und 4. — 4 Der Originalstuinpul des lutztcren befindet «ich im
k. k. Antiken Cabinot — « Herrad von Landabcrg.
IX. 28
204 Karl von Sava.
Bald aber fing man an die Gürtel zu verzieren, indem man da» Leder bunt färbte oder mit Tuch,
Summt oder Silber- und Goldborten überzog, oder mit Buckeln oder Rosetten von Metall
beschlagen Hess; endlich verfertigte man die Gürtel aus gegliederten Mctallplatten, welche von
mannigfaltigen, bisweilen sehr zierlichen Formen waren. Sehon Ulrich von Liechtenstein erwähnt
glänzender Gürtel, dann eines solchen, welcher aus grünen Borten mit Gold beschlagen ver-
fertiget war, und Suchenwirth sagt, dass die Kitter silberne Gürtel trugen 1 .
Die ersten Prachtgürtel finden wir bei Rudolf IV. Einmal besteht derselbe aus blumen-
fttrmigen Gliedern, deren je zwei immer durch einen Ring zusammengehalten sind; das anderemal
ist abwechselnd eine runde Scheibe in der Mitte mit einem Stern belegt und dann sind zwei Uber
einander stehende kleine Blumen axif einem Riemen befestiget. Ähnliche verzierte Gürtel finden
sich auch auf den Reitersiegeln seiner Brüder Albert und Leopold, dann bei Wilhelm und
Albert V. Am Standbilde Rudolfs IV. am Singerthore der St. Stephanskirchc besteht der Gürtel
aus gegliederten Platten, in der Mitte mit einer Rosette, und bei Albert III. am Bisehofsthore
aus geränderten Scheiben, deren mittlere grosser und mit dem Bindenschilde verziert ist. Der
Gürtel, welcher sich im Grabe Ernst des Eisernen befand, war mit einer Reihe von Rosen
besetzt und hatte eine viereckige Schnalle*. Im Iglaucr Stadtbuche kommen meistens goldene
Gürtel vor.
Auch die Kleider wurden um die Mitte durch Gürtel zusammengehalten, die oft von
gleichem Stoffe wie das Kleid waren, häufiger aber aus Borten bestanden oder mit Metall
beschlagen waren, auch belüingte man sie mit Schellen. Die Zunft der Gürtler verdankt dieser
Mode ihre Entstehung »nid ihren Namen. In Wien durften nur die Gürtler (anno 1367) genähte
und mit dem Hammer geschlagene Gürtel aus was immer für einem Metall machen; die Taschner
dagegen durften ihr Gurtwerk nur mit versteckten Ringen besteppen und mit Riemen besetzen, aber
ohne Hammer und Nagel; die Riemer endlich nur Pfennigwerth- tind Helbeit-Gürtel für Kinder
verfertigen*. Es wurde mit den Gürteln, besonders bei den Frauen, ein solcher Luxus getrieben,
dass man denselben in den Kleiderordnimgen durch besondere Gesetze zu steuern suchte und
deren Gewicht genau bestimmte. Die Limburger Chronik meldet zum Jahre 1389, dass die Männer
die Gürtel kurz oder lang trugen, wie jeder wollte und daran lange Tücher befestigten, welche
bis zur Erde hinabreichten '. —
Nachdem wir die Rüstung und Bewaffnung des Ritters auf den österreichischen FUrstcnsie-
geln besprochen haben, wenden wir unsere Aufmerksamkeit dem beständigen Kampfgefährten des-
selben zu, nämlich dem Pferde. Ohne dieses war der Ritter, wie bereits bemerkt wurde, durch die
Schwere seiner Rüstung unbehülflich und zum Kampfe untauglich, darum wurde auch der mächtige
Streithengst zum ernsten Kampfe wie zum Turniere gewappnet und geschmückt. So wie die
Rüstung des Ritters im XI. und XII. Jahrhundert einfacher ist, so auch jene des Pferdes, bis auch
dieses allmählich nebst den Lederdecken mit Schuppen und Ringdecken, mit einzelnen Platten an
Kopf und Brust, und endlich mit einem förmlich gegliederten Blcchharnisch verhüllt wurde, wie
die Pferderüstung bei Maximilian I. in der Ambraser-Sammlung , oder jene auf den beiden Titel-
kupfern in Leber' s Werk über das kaiserliche Zeughaus zeigen.
Die Pferde selbst wurden unterschieden in „Rosse", in den mittelalterlichen Gedichten
„Ors", gleichbedeutend mit schwerem Streithengstc, und in „May den", leichtere Pferde, vielleicht
Walachen. Berthold von Ellerbach, dem Alten, wurden in einer Schlacht ein Ross und zwei Mayden
unter dem Leibe erschlagen 1 .
1 1. c pag. 32. — ' nerrgoti, Taphographie Taf. XXI. — » Feil. Beiträge war älteren Gcuhicbte der Knnat- und
Oewerbethütigkeil io Wien. — * AudsIio de» uawauUcbeii AUertbumsvercines, VI, 483. — 6 Sucbenwirth, pag. 26, ». III.
Digitized by Google
Di« Siegel der ösTERnEicniscHBN Reo exten.
2()<i
Die Zäumung des Pferdes besteht aus einem einfachen Kopfgestelle mit einem Stirn-, bis-
weilen auch mit einem Nasenriemen. Das Gebiss (gipiz, salivare) ist gewöhnlich ohne Kinnkette
(chinireif) und hat an den Seiten eine Scheibe, häufig in der Form einer Rose, unter welcher der
Zügel (prittil) befestiget war. Auf den Bilderu der Herrad von Landsberg fehlt der Nasenriemen ;
auf dem Siegel des Pfalzgrafen am Rhein Heinrich von Lach (anno 1093)' kommt er vor. Das
Stangengebiss reicht in die frühesten Zeiten des Mittelalters zurück und war bei den gewaltigen
Streitrossen nöthig, seine Bestandteile: die Balken (Anzüge), das Mundstück und die Kinnkette
blieben sich in» Laufe der Zeiten ziemlich ähnlich ; die Balken und auch das Gebiss waren öfters
aus Messing oder mit solchem überlegt. Das Kopfgestcll und die Stangenzügel wurden bisweilen
mit Sammt überzogen und mit Messing- oder Stahlverzierungen belegt; auf den Abbildungen des
Iglauer Stadtbuches treffen wir die Zügel einmal von schwarzen Leder, das anderemal roth*. Die
beiden Reitpferde in der Hedwigslegende (keine Streitrosse) * haben das Riemzeug aus Goldborten
und Ulrich von Lichtenstein spricht von Zäumen, welche köstlich waren. Im XIV. und XV. Jahr-
hundert kommt auf den österreichischen Fürstensiegeln auch die Trense vor, sie besteht entweder
aus einer reichen Borte oder aus Leder mit Stickereien , oder mit Metallbeschlägen verziert und
der Riemen des Stangenzügels wird durch eine Kette ersetzt. Mit einem Zaume aus Bast zu reiten
galt als eine Ehrenstrafe für die Ritter 4 .
Der Sattel hatte gewöhnlich einen hohen Vorder- und Rücktheil (Sattelbogen) und war durch
den Brustriemen und den Bauchgurt befestiget. Der letztere ist auf den älteren Siegeln häufig durch
den Fuss des Reiters, so wie durch die schon sehr bald vorkommenden Schabracken verdeckt, und
dürfte besonders in früherer Zeit wohl oft durch ein Versehen des Stcmpelschneiders fehlen. Dieser
Umstand verleitete manche Diplomatikcr* zu der Behauptung, dass man im XI. und XII. .Jahr-
hundert keine Sättel, sondern nur einfache Rcitkissen gehabt habe, welche blos durch den Brust-
riemen festgehalten wurden. Allein die auf den Siegeln schon frühzeitig vorkommenden hohen
Vorder- und Rücklehnen sprechen für förmliche Sättel, deren Befestigung durch den Brustriemen
allein nicht recht denkbar ist. Auf den Siegeln Leopold des Heiligen und seines Sohnes
Heinrich sind unter den Sätteln Schabracken angebracht, die über den Bauch des Pferdes
hinabreichen, und so kommt es, dass der Bauchgurt zum erstenmalc auf den Siegeln Leo-
pold des Tapferen deutlich erscheint; dagegen zeigt das Siegel Heinrichs, Pfalzgrafen am Rhein
und Herren von Lach vom Jahre 1093, einen doppelten Bauehgurt, weicherauch auf den Bil-
dern der Herrad von Landsberg vorkommt.
Den Schwanzriemen fand ich auf mittelalterlichen Reitcrsiegeln bei keinem unbedeckten
Pferde, selbst nicht auf den Siegeln König Friedrichs III. vom Jahre 1459. Gerken s führt eines
an, nämlich jenes Balduins von Flandern vom Jahre 1203, welches er aber nur aus einer Abbil-
dung kennt So wie das Kopfgestcll und die Zügel mit Sammt überzogen, gestickt und mit
Buckeln beschlagen wurden, so geschah dies noch häufiger bei dem breiten Brustriemen,
der schon frühzeitig mit Borten verziert, mit Ringen und Buckeln beschlagen und mit Fran-
sen, wohl auch, wie im Nibelungenliede erwähnt wird, mit goldenen Schellen behängt war.
Noch eine sehr primitive Form hat der Brustriemen in der Abbildung der Ilerrad. In
den kürzeren Riemen , welcher von einer Seite des Sattels ausgeht , ist ein Loch geschlitzt,
durch welches der längere Riemen, der von der anderen Seite des Sattels ausgehend sich um
die Brust schlingt, durchgezogen und in einander geschlungen ist. Eben da scheint auch der
" Abgebildet: AeU Academ. Palat. III , ad paff. 53. — * Fol. la, col. 1 und Fol. 37 a, ool. 2. — » I.e.
Nr. 58. - * Grimm, I. c II, 712. — * Vrcdio» de «igülts comltum Flandriac. Ilcinnucclu», de »igillia vetenim G.nnanorum. Gut
torer, dement» artU diplomaticac. - « Gcrkcu, Philipp, Anmerkungen über die Siegel mm Nntien der Diploinallk, Stendal
1786, Ii, 278.
28«
206
Karl von Sata.
Bauchgurt mit Ringgeflecht überzogen zu sein. Als in späterer Zeit der Sattel nebst dem Kreuz-
oder Bauchgurt noch einen Übergurt erhielt, war der letztere meist mit farbigen Stickereien
reich verziert.
Die Süttel der Schlachtrosse haben viele Ähnlichkeit mit den sogenannten deutschen oder
Schulsätteln, nur hatten sie statt des Sattelknopfes eine hohe Krempe, die der Ritter, wenn
er im Turniere oder im Kampfe zauni- und bügellos geworden war, nicht selten erfasste um
sich vor dem Sturze zu wahren. Auch die Rückseite des Sattels bildete eine hohe Lehne.
Die Sättel waren mit Leder, auch mit Stoffen, Tuch, Snmmt und Seide überzogen und
mit Stickereien verziert, ja sogar mit Steinen besetzt. Die Abbildung des Herzogs Albert III. 1
zeigt einen Sattel mit einem hohen Vorderbuge und rückwärts mit Armen, von braunem
Leder mit einem weissen Bauchgurt, wahrend König Johann von Böhmen im Ig-laucr Stadt-
buchc 3 einen schwarzen Sattel mit Goldstickerei hat. Auf den Sattelbogen sind vorne und
rückwärts Verzierungen, Sterne, Rosetten oder Wappen angebracht, und zwar zuerst bei Ota-
kar auf der Rücklehnc das österreichische Wappen, eben so bei Rudolf III., Albert IT., und
Otto. Auf den Reitersiegeln Rudolfs IV. findet sieh das österreichische Wappen auf beiden
Sattelbogen. Unter Albert I. erhielt die Rilcklehne des Sattels Arme (Ohren) , welche die
Hüften des Reiters umschlossen. Scyfricd Hclbling sagt in seinem „Lucidarius", dass diese so wie
manche andere üble Sitte von den Schwaben, welche mit den Habsburgcrn hergezogen waren,
nach Österreich gebracht wurde, und ist sehr ungehalten darüber;
„Nfl bant uns die Swfihe,
des ich got immer lobe,
her in ditzc lant braht,
des ich S nie gedabt,
sätcl als die krippc
gent uns um die rippe
als die zarge umb den tnorn»."
Auf dem Siegel Wilhelms des Freundlichen bildet der vordere Sattelbogen einen Kamm,
der zu beiden Seiten herabreicht und die Schenkel des Reiters schützt. Als man die Rosse
mit Plattenharnischen verdeckte, waren auch diese Kämme des Sattels von Eisen, wie wir es
auf dem Siegel Alberts VI. bemerken, auf welchem dieser Theil gleich einer Muschel geformt
und hohl geschliffen ist. Unter Leopold dem Stolzen, Albert VI., Emst, Albert V. und König
Friedrich III. werden die Satteltaschen, welche früher kurz waren, lang und sind zugleich mit
reicher Stickerei verziert, die drei letzteren haben statt des vorderen Bogens blos einen
Sattclknopf.
Auf einem nicht zum Streite gerüsteten Rosse wird der Sattel durch einen breiten Bauch-
gurt (darmgurtili , darmgurtilla) , dem Brustriemen (forpoige) und das Hintcrzcug (aftirreif)
festgehalten, letzteres ist zierlich ausgeschnitten und mit Schellen behängt*. Auf dem Siegel,
worauf König Friedrich III. im herzoglichen Ornate erscheint, ist von der ganzen Pferdezäu-
mung nur das Kopfgcstell mit dem Stirnriemen, dem schmalen Stangenzüngcl und den beiden
reich gestickten Trensen zu sehen, der Brustriemen fehlt und sind Sattel und Baucbgurt durch
die Tunica des Reiters verdeckt.
> Im Codex Kr. 2765 dor k*l8. Hofbibliothek. — ' Fol. 37 b, coL 2. — » Pag. 216. — * Bcdwigalcgeode Kr. 58.
Digitized by. Google
Die Siegel »er
Reoenten.
207
Die Turniersättel hatten ebenfalls hohe Vorder- und Rllcklehnen; der hohe Stechsattel
war der höchste; die Rennsüttel dagegen waren nieder und unseren englischen Pritschen Hhn-
lich. Den höchsten Vorbug führte man beim Hohenzeugestech , dessen bereits im Jahre 1390
erwähnt wird. Der Khüressattcl , auch Fechtsattel genannt, war mit Leder (Iberzogen. Zum
Stechsattel gehörten Stechstege (Sattelbogen), Steigleder und Stegreife, zu den Rennsilttcln
nur die beiden letzteren und zum Kübelstechsattel nur der Bauchgurt.
Steigbügel treffen wir bereits bei Leopold dem Heiligen und von da an auf allen fol-
genden Rcitcrsiegeln der österreichischen Fürsten. Sie bilden kleine ausgebogene Dreiecke mit
einer engen Öffnung, damit nicht der ganze Fuss durchgehen konnte, weil man, um festeren
Halt zu gewinnen, den Vorderfuss bis zu dem Rist in den Stegreif schob. Sowohl die letzteren
als auch die Ringe am Riemzeuge waren von Messing oder mit diesem Uberzogen; auch im
Iglauer Stadtbuche finden wir gelbe Steigbügel ' , einmal fehlen sie ganz '. Eigentümlich ist
die Stellung des Reiters seit Leopold dem Glorreichen. Bei den früheren Fürsten ist der Fuss
in einer geraden natürlichen Stellung und ruht bequem in dem Steigbügel. Auf den Münz-
siegeln Leopold des Glorreichen dagegen ist er nach vorwärts gestreckt, so dass er an die Brust
des Pferdes zu liegen kommt; der Fuss musste daher straff gegen die Steigbügel gestemmt
werden. Erst unter den Habsburgern verlor sich diese Stellung, welche sich in derselben Zeit-
periode auch auf den Reitersiegcln anderer Länder theilweise vorfindet, allmählich wieder.
Bis in die Mitte des X1H. Jahrhunderts kommen kleine, theils viereckig, theils rund
geschnittene Schabracken vor, an den Säumen mit Borten, auch mit Fransen oder Schellen
besetzt. Sie wechseln mit schmalen bis über den Bauch reichenden Decken, die mit Borten
gegittert und mit Fransen verziert sind. Von einer Pferderüstung findet sich noch keine
Spur, nur bei Heinrich Jasomirgott sind unter dem Brustriemen einzelne Ringe sichtbar,
welche darauf hinzuweisen scheinen, dass die Brust mit einem einfachen Ringhemde, ähnlich
der Schutzwehr des Ritters, bedeckt war. Später hüllte man die Pferde in Decken aus Lcder,
die namentlich au Brust und Kopf mit Ringwerk und Platten verstärkt waren. Solcher „ver-
liegerter" und verdeckter Pferde erwähnt Otakar von Horneck öfter und auch in älteren Helden-
gedichten kommen sie vor:
r Durcta die CouvertUre schlug
er Tristaus Kossc weg den Bug."
Als das Panzergeflecht in Gebrauch kam, wurde auch das Pferd durch ein solches geschützt;
auf Siegeln finden wir dasselbe bei Anton Herzog von Lothringen anno 1406, dann bei Amadeus
und Ludwig von Savoycn in den Jahren 1440 und 1450 s . Über diese Rüstungen wurden Decken
aus verschiedenen Stoffen gelegt, welche das ganze Pferd verhüllten (Couverture, Rossdecke, Ross-
kappe, im XV. Jahrhundert auch Ge liger, und wenn die Decke für das ganze Pferd aus eiuem
ganzen Stück bestand, auch Sack genannt);
„Ir ore warn verdecket zwar
mit Isen uf den fuoz gar
dar obe ein decke sidin *. a
und auch Wigalois erwähnt, dass die Ritter ihre Rosse bereit hielten, jedes mit zwei Decken, die
eine von Eisen, die andere von Pfeile*. Gewöhnlich besteht die Decke aus zwei Theilen, dem Vor-
« I. c. Fol. 1 », coL 1. — » I. c. Fol. .17b, col. 2. — » Cibrario: SigilH dei Principi di 8»voU. Turin. I834, 4». Taf. XVII und
XIX, Fig. 94 und 104. - « Ennenkel, Hauch, Script. I, 340. - » I. c. v. 10896 m^.
Digitized by Google
208
Karl von Sava.
dertheil (Fürbug), welcher die Ohren und den Kopf des Pferdes, mit Ausnahme der Augen, big zo
den Nüstern, dann den Vorderleib bis zu der Mitte verhüllt; er reicht bis zu den Fesseln hinab
und ist vorne von der Brust nach abwärts geschlitzt, um den Vorderfussen freie Bewegung zu
lassen. Die Rückseite (Hintertheil, Geliger) ist über den Schweif des Pferdes gele»t und gewöhn-
lich durch Ringe an den Sattel befestiget. Das Gereit, eine aus schmalen Riemen zierlich
geflochtene Bedeckung des Kreuzes am Rosse, kommt auf den österreichischen Fürstensiegeln
nicht vor. Um die freie Bewegung des Pferdes in der Schlacht nicht zu hemmen, wurden die Decken
in die Höhe geschlagen
Als in späterer Zeit die Pferde durch förmliche Plattenharnische geschützt wurden, und zwar
entweder ganz oder theilweise, waren im letzteren Falle die Plattenstücke über der Decke ange-
bracht, so der Rosskopf von Stahl, welcher die Vorderseiten und die Kinnbacken des Pferdekopfes
deckte und bisweilen hohl geschliffen ist. Die sogenannte halbe Stirn dagegen Hess des Gaules
Nüstern unbedeckt; der Mühnenschutz, aus einer Schienenreihe bestehend , der eiserne Kanz und
der panzerne Rosshals schützten im XVI. Jahrhunderte den Hals des Pferdes.
Die Pferdedecken waren von verschiedenen Stoffen, von Sammt, Scharlach, Pfeiler, Seide,
von Tuch oder von Buckram , auch von Lcder und mit Leinwand , wohl auch mit leichteren Sei-
denstoffen, meistens mit Zendal gefüttert. Sie waren der Gegenstand eines grossen Prachtauf-
wandes, besonders bei festlichen Gelegenheiten und Kampfspielen.
Die Decken aus Leder wurden bemalt, daher musste jeder, der in die Zunft der geistlichen
Maler als Meister eintreten wollte (anno 1410) zur Erprobung seiner Meisterschaft ein Bild auf
polirtem Goldgründe in drei Wochen malen, aber ausserdem auch Alles, was zum Stech- oder
Turnierzeug gehört, nach Verlangen der Herren mit eigener Hand bemalen können. Eben so
mussten auch die Schilter Schild- und Rüstzeug bemalen können, und „wer sich auf den
Schiltwerch" als Meister setzen will, muss nach der Innungsordnnng vom Jahre 1410 in sechs,
nach jener vom Jahre 1446 in acht Wochen vier Neustücke machen: einen Stechsattel, ein Brust-
leder, einen Rosskopf und einen Stechschild a .
Die Decken aus Stoffen dagegen waren meistens mit Stickereien verziert, mit Borten
besetzt, mit Sternen oder Rosen und anderen Verzierungen aus Metall beschlagen, mit Schellen
behängt und an den Säumen mit Borten oder Fransen verbrämt. So war das Ross Ulrichs
von Lichtenstein einmal mit Scharlach verdeckt, die Decke war lang und weit geschnitten,
mit goldenen Borten reich gegittert und dort, wo sich die Borten kreuzten, waren aus Silber
geschlagene Rosen befestiget 5 und die Decke mit gelbem Zendal unterfüttert. Ein anderesmal
schildert er ein Pferd, verdeckt mit blauem Zendal, worauf Schapel gestreut waren, „die leuch-
teten von allen Blumen, die mir des Maien Zeit gibt". Bisweilen war die CouvertUrc auf jeder
Seite von anderer Farbe, so schildert Wigalois eine solche von Sammt, auf der rechten Seite
grün wie Gras, auf der linken Seite roth wie Blut. Im Iglauer Stadtbuche hat das Pferd
KönigWenzels I. eine gelbe Decke, die mit Blümchen und mit blau und weissen Blättern, bestreut
und blau gefüttert ist 4 ; während die Pferdedecke bei König Johann* aus Goldstoff mit
rothem Futter besteht. Die Stickereien sind oft willkürlich, bald Blumen, bald Thiere, bald
menschliche Figuren. So liess Herzog Ernst «1er Eiserne, als er nach seiner Rückkclir aus
dem heiligen Lande auf dem Hoftagc zu Ofen bei Kaiser Sigmund erschien, auf seine Pferde-
decken die Figuren von Dreschern malen, worüber der Kaiser sehr ungehalten war (warum
ist unbekannt), so dass Herzog Albert V. durch seine Vermittlung das Missfallen des Kaisers
beschwichtigen musste 8 .
' OUkar von Horoek, C*p. VII. - » Feil. Beiträge. I. c Maler, lllominatoren un4 Scbiltor. - » L«chm«iiD, I.e.
2»C - « I. & Fol. la, col. l.-»U Fol. 37 b, col. 2. — « He», Script. II, coL 844.
Digitized by Google
Die Siegel der österreichisches Reoenten.
209
Häufiger aber nahmen derlei Stickereien auf die Wappen Bezug, so führte Otto von
Meissau eine Decke aus Seide und Gold, die mit zobelfarbenen Unicornen bestreut war; bei
Herzog Albert III.' treffen wir die Pferdedecke ohne Stickerei, aber nach den Wappenfarben
roth mit weitem Futter. Übrigens finden wir auf den Österreichischen, so wie überhaupt auf
den deutschen Siegeln die Wappen in der Regel in dreieckigen Schilden auf die Pferdedecken
gestickt oder geheftet, während auf den englischen und französischen, vorzüglich aber auf den
niederländischen Siegeln, sowohl der Fürbtig als auch das Gcliger das Wappen selbst mit
den verschiedenen Farben und Figuren seiner Felder darstellen. Hatte nun das Wappen
nur ein Feld, so hatte die Decke die Farbe desselben, und die Wappenfigur erscheint beson-
ders auf dem Flirbug, welcher bei einer grösseren Länge eine verhältnissmässig geringere
Breite darbietet, lang gestreckt und dabei sehr schmächtig ist. Dies blieb nicht ohne Einfluss
auf den heraldischen Typus in diesen Ländern; daher auch auf den Wappensiegeln ins-
besondere die aufrechten Figuren, im Verhältnisse zu ihrer Höhe meist Uberschlank dargestellt
sind. Im Iglauer Stadtbuche ist bei König Wenzel I. die Pferdedecke am Halse und am
Schenkel mit den beiden böhmischen Wappenschilden belegt und zwar an der Brust mit einem
silbernen Schilde, worin ein schwarzer geflammter Adler, am Schenkel mit einem rothen Schilde,
darin der silberne Lüwc *.
Bei der Reiterfigur Otakars zeigen sich die, durch die Luxemburger herüber gebrachten
Einflüsse der niederländischen Heraldik*, die Pferdedecke ist sowohl am Vorbuge, als am
Gcliger schräg geviert und zeigt an erstcrem oben und unten im grünen Felde den silbernen
Panther von Steiermark ohne Feuerflammen und an den Füssen mit je vier gelben Adlcr-
kr allen, und rechts und links im gelben Felde drei Uber einander schreitende schwarze Löwen;
am Geliger befindet sich im oberen und unteren Felde das Wappen Känithens und rechts und
links jenes von Steiermark.
Die Stellen aus Ulrich von Liechtenstein und Ennenkel beweisen , dass das Verdecken
der Pferde früher im Gebrauche war, als es auf den habsburgischen Reitersicgcln vorkommt,
nämlich bei Otakar. In Frankreich erscheinen die Pferdedecken viel früher, so auf dem Rciter-
siegel Walthers von Moutmorency bereits im Jahre 1209*; auch auf den Siegeln der Herzoge
von Brabant sind die Pferde schon in der ersten Hälfte des XIU. Jahrhunderts verdeckt. In
Deutschland zeigt sich dieser Pferdeschmuck auf den Siegeln der Dynasten und Grafen früher,
als auf jenen der höheren Rcichsfürsten, so bei Konrad I. von Hohenlohe-Brauneck im Jahre
1246, bei Poppo von Durne* anno 1248, bei Bernhard von Lippe und bei Gcrhart Graf von
Dietz in den Jahren 1245 und 1250.
Von Otakar angefangen bleiben die Pferdedecken auf den österreichischen Fürstensiegeln
in ununterbrochener Folgcnreihe. Nur auf der Kehrseite des Majestätssiegcls für die österrei-
chischen Angelegenheiten reitet König Friedrich III., jedoch im Friedenskleide, auf einem un-
virdeckten Pferde. Bei Otakar sind die Pferdedecken mit Rosen bestreut, verbrämt und mit
Wappenschildcn belegt, einmal sind an den Ohren Schellen angebracht. Auf den kleineren
Siegeln befinden sich die Schilde von Böhmen, Mähren und Steiermark; auf dem grossen Maje-
stätssiegcl jene von Kärnthen, Mähren, Steiermark und wahrscheinlich von Krain. Schmuckloser
sind die Pferdedecken bei den Habsburgern, nämlich durchaus ohne Stickereien, selten mit einer
Verbrämung, manchmal sogar ohne Wappenschilde; die Anzahl der letzteren beträgt mit einer
1 Codex Nr. 2763 der k. k. Holbibliothek. — * I. c. Fol. la, eol. 1. — J Da» Iglauer Sudtbucb wurde xu Ende des XIV.
oder in Anfang de» XV. Jahrhundert« begonnen. — * Ucrkcn, I. c. II, 179, mit Berufung auf: du Cheaoe bistoiro de la
naiaon Montooreoey. - » Gudentu Codei diploiuaticu» Mogunt IU, Taf. III.
Digitized by Google
210
Karl vom Sava.
einzigen Ausnahme höchstens drei. Die Wahl der Wappenschildo selbst ist willkürlich, anfangs
Steiermark und Habsburg; einmal Osterreich und Habsburg; nach der Erwerbung Kärntliens
der Wappenschild dieses Herzogthumes nebst dem steierischen, bei Rudolf IV. neben Steier-
mark und Kämthen das neu angeerbte Pfirt, bei seinen beiden Brüdern Steiermark, Kärnthen
und Tirol.
Leopold der Stolze hat nur den tirolischen Adler, Friedrich V. den Schild mit den fünf
Adlern. Die Schilde selbst sind auf der Decke am Halse, an der Brust oder am Schenkel des
Pferdes angebracht. Albrecht VI. hat auf der Pferdedecke zwölf Wappcnschilde und zwar in
zwei Reihen von der Brust nach rückwärts gehend; in der oberen Reihe befinden sich die
Wappen der windischen Mark, Oberösterreichs, von Pfirt und Burgau, in der unteren Reibe:
von Steiermark, KUrnthen, Krnin, Portenau, Habsburg, Tirol, Kiburg und Elsass.
Ausser den Decken trugen die Pferde noch anderen Schmuck, auf dem llaupte Kronen.
Federblische oder dem Wappen entnommene Figuren und Embleme, eine auf den flandrischen,
französischen und englischen Siegeln vorherrschende Sitte, während die mittelalterliche Sphra-
gistik Deutschlands diesfalls, mit Ausnahme Österreichs, wenige Beispiele darbietet , von
welchen wir nur die beiden Grafen Ulrich und Eberhard von Würtemberg nennen wollen
(anno 1315 und 1361), auf deren Reitersiegel die Herde einen Schlachthelm auf dem Haupt«
tragen, worauf als Zimier das Hüfthorn mit der verschlungenen Schnur ruht. Auf den öster-
reichischen Fürstensiegeln hat bei Johann von Schwaben (Parricida) das Pferd eine Krone mit
einem niederen Pfauenstutz auf dem Haupte. Auf den Siegeln des prachtliebendcn Herzogs
Rudolf IV. ist das Pferd ebenfall» gekrönt, über der Krone schwebt ein Adler mit ausgebrei-
teten Flögeln, während ein an der Krone befestigtes Kreuz auf die Stirne herabhängt. Das
Pferd Friedrichs V. trägt eine Krone mit einem hervorwachsenden Adler, also die Hehnzicrde
zu dem Schilde mit den fünf Adlern, welchen letzteren das Pferd auf der Brust hat. Bei Albert VI. !
ist an der eisernen Rossstirne der österreichische Bindenschild angebracht und darüber eine
Krone, aus welcher ein hoher Pfauenstutz emporragt.
Von dem Hufbe schlage ist nur auf dem grossen Reitersiegcl Herzogs Rudolf IV. die Form
des Hufeisens, der heutigen ähnlich, erkennbar; das Auslaufen der Nägel am Hufe ist durcli
gleichförmig von einander abstehende Punkte angedeutet. Auf den Siegeln des Grafen Wilhelm
von Holland und des Herzogs Reinald von Geldern ist die Sohle des Hufes geriffelt.
Als Ehrenstrafe für Edelleute galt es auf einem unbeschlagencn oder nur theilweise beschla-
genen Pferde, oder ohne Sattel zu reiten 1 . —
Unter den Hauptsiegeln, welche ausschliesslich Wappenbilder haben, sind jene der
beiden Heinriche von Mödling, des Sohnes und Enkels Heinrichs Jasomirgott, die ältesten. Heinrich
der ältere führte Anfangs das österreichische Wappen, den einfachen Adler frei im Siegelfelde:
als aber später sein Nefle Mönzsicgel annahm, gebrauchte auch Heinrich ein solches, welches auf
beiden Seiten Wappendarstellungen enthillt, und zwar erscheint auf der Vorderseite der österreichi-
sche Adler frei, auf der Kehrseite jedoch sind zwei Uber einander schreitende Löwen in einem herzför-
migen Schilde, wahrscheinlich das alte Geschlechtswappen der Babenberger. Ein gleiches Münx-
sicjrel finden wir bei seinem Sohne, nur sind sowohl der Adler als auch die beiden Löwen frei im
Siegt Ifelde, und zwischen den beiden letzteren zieht sich ein schmaler Querbalken durch die ganze
Breite des Siegelfeldes. Diese zwei Münzsiegel der Heinriche von Mödling sind in der österrei-
chischen Sphragistik die einzigen, welche auf beiden Seiten blos Wappenbildcr haben, während
diese in der späteren Zeit nur auf der Kehrseite solcher Münzsiegel vorkommen, auf deren Vorder-
> Griuin», 1. c. II, 712-
Digitized by Google
i
Die Siegel der ösTEBRKicniscnES Rt.gesten.
211
seitc der Fürst zu Throne sitzend dargestellt ist, wie auf den Siegeln des Ladislaus Posthumus und
Kaiser Friedrichs III.
Im Zwischenreiche führten Hermann von Baden und Otakar von Böhmen eben so wenig
Wappensicgcl, als dies bei den regierenden Fürsten aus dem Ilause Babenberg der Fall war.
Erst mit den Habsburgern kommen sie in Aufschwung, und lassen sich nach der Zitlil und
Zusammenstellung der Wappenschilde in verschiedene Gruppen einthcileii.
Unter Herzog Albert 1. beginnen sie hauptsächlich als Contrasiegel und es erscheint darauf,
um die Vereinigung der Herzogtümer Österreich und Steier symbolisch darzustellen, der Panther
frei im Siegelfelde und dessen Körper mit dem Bindenschildc belegt; gleiche Siegel führten seine
Nachfolger und gebrauchten sie bei Urkunden von minderer Wesenheit, auch als selbstständige
Siegel, bei Papierurkunden gewöhnlich nur aufgedruckt. Das letzte Siegel dieser Art, ohne Um-
schrift und immer nur als Contrasiegel verwendet, hat Herzog Rudolf IV. Ähnliche Zusammen-
stellungen finden wir bei den Herzogen von Buh tu, wo der pfälzische Löwe mit dem Rauten-
schild, und bei einigen Bischöfen von Passau, wo der Wolf mit dem Familienwappen der Bischöfe
belegt ist.
Von Leopold I. angefangen kommen Hauptsiegel mit dem österreichischen Bindenschilde
allein vor, bald grössere mit 2'/ s Zoll im Durchmesser, bald von kleineren Dimensionen, 10 Linien
und 1 Zoll. Anfangs sind sie ohne Ornamente, nur ist das Sicgclfeld mit Blattwerk, der Schild
mit Damaseirungen ausgefüllt oder auch gegittert und mit Blümchen belegt. Später wird der
Schild mit Ornamenten umgeben, so mit dem Klecornamente, welches besonders häufig auf den
Amtssicgcln für das Bergrecht, so wie Air die Anwälte von Österreich vorkommt. Bei dem Blnmen-
ornamente wurde es nöthig die Räume des Vierpasses auszufüllen, daher wurde der Schild oben
von einem Kugel gehalten und ringsum von Blattwerk umrankt, oder es halten Engel den Schild
oben und zu beiden Seiten, während ihn unten ein Drache stützt. Auf Petschaften finden wir
den Bindenschild zweimal von einem Drachen umschlungen und einmal von einem Kranze
umfangen.
Nach der Erwerbung des Herzogthuines Kärnthen führte Herzog Albert II. ein kleines
Hauptsiegcl, worauf drei Sehilde vorkommen, oben zwei: Österreich und Steier, unten
einer für Kämthen. Bald aber wich diese Stellung jener zu einem und zwei Schilden, wobei
Österreich stets den oberen Platz einnimmt, und unten Steier und Kärnthen, Steier und Tind,
Kärnthen und Tirol mit einander wechseln. Nur bei Kaiser Friedrich III. uinnnt der Reichsschild
den oberen Platz ein und unter demselben sind Österreich und Steier gegen einander gelehnt.
Bei dieser Gruppe von drei Schilden sind entweder alle mit den Spitzen senkrecht nach abwärts
gestellt oder die beiden unteren Schilde gegen einander gelehnt, oder es sind die drei Schilde
mit den unteren Spitzen einander zugekehrt.
Diese letztere Zusammenstellung gab bei vermehrter Anzahl der Schilde Veranlassung zu
der sternförmigen Gruppirung derselben, indem sich nämlich fünf Schilde mit den unteren Spitzen
oder Füssen zugekehrt sind. Die Mitte dieses Sternes wird einmal durch die Quaste der Schildcs-
fcsscl, ein anderesmal durch einen Stern oder eine Rose, oder einem Löwenkopf ausgefüllt. So
wie sich bei der Gruppirung von drei Schilden das Kleeomament als die natürlichste Umrahmung
des Siegclbildes darbietet, so ist es bei fünf Schilden der Fünfpass.
Eine seltene Zusammenstellung von fünf Schilden ist jene in Form eines Kreuzes, wie auf
dem Siegel Kaiser Alberts II. für Österreich, auf welchem der Reichsschild, Österreich und Mähren
den Pfahl, Ungarn und Böhmen die Kreuzesarme bilden.
Herzog Rudolf IV. war der erste, welcher so wie auf «einem Porträts! egeln, auch in
die kleinen Siegel nebst den Wappen der Herzogthümer jene der Graf- und Herrschaften auf-
IX VJ
212
Karl von Sava.
nahm. Auf «einem ersten Sittel dieser Art ist «Ins Feld mit einer reichen Ornamentik aus Maasswerk
in Form einer zierlichen Fensterrose ausgefüllt: in der Mitte befinden sich innerhalb eine?» Drei-
passe» die »Schilde von Österreich, Steiermark und Kärnthcn . wiihrend jene von llabsburg, Ptirt.
Kram, Portenau und der windisclien Mark rund umher in den Bogenkrümmungcn angebracht
sind. Albert. VI. hat in der Mitte drei Schilde von einem Kleeornamente umrahmt, Tim welche eilt
Wappenschilder zivisehen zwei Linien in einen Kreis gestellt sind.
Endlich wurde bei grösseren Wappcngruppcn ein Sediild in die Mitte gestellt und dieser
von einem Elidel oder einem Löwen gehalten, die übrigen Schilde sind in mannigfacher Weise um
diese Miüelgruppc gereiht und das Ganze wird von einein Ornamente umrahmt. Bisweilen werden
silmmtliche Schilde an den mittleren durch Kette und Sellins» befestiget, manchmal sind auch die
Neheuschilde von Engeln gehalten oder durch deren Flügel gestützt. Diese Gattung von Siegel-
bildern findet sich ausschliesslich nur bei Ladislaus Posthumus, und es behauptet dabei der öster-
reichische Schild stets den mittleren Platz. Auch auf den Kehrseiten seiner Majestietssiegel
treffen wir gleiche Darstellungen in reichen Compositionen und mit zierlichen Ausschm il ekungen :
nur nimmt auf diesen Kehrseiten auf dem österreichischen Siegel der Bindensehild, auf dem
böhmischen der Löwe und auf dem ungarischen Siegel der Schild mit dem Patriarchcnkrcuz
den mittleren Kaum ein. Auf dem österreichischen Siegel schwellt über der Wappeiigru ppe
eine Bilgelkronc, aus der Ketten herabreichen , durch welche die Schilde an einander befestiget
sind, während der Bindenschild von einem Löwen gehalten wird. Auf dem böhmischen Majestüts-
siegel halten drei Engel den Schild mit dem Löwen, die übrigen sind in den Krümmungen eine."
Sicbenpasses angebracht, während auf dem ungarischen Siegel ein Engel, welcher sich Uber den
Mittelschild emporhebt, die Wappen von Altungarn und Böhmen halt und zwei Waldmilmier den
Mittelschild an langen, mit Bingen an den Schild befestigten Staugen halten. Das reich verzierte
Siegelfeld ist von einem Sechspass umgeben, in dessen Krümmungen die übrigen Schilde ange-
bracht sind, in den Ausseniviiikeln dagegen befinden sieh geflügelte Drachen.
Auf den bisher besprochenen Wappensiegeln nimmt der österreichische Schild mit wenigen
Ausnahmen den llauptplatz ein, und nur auf einem Sccretc Sigmunds von Tirol kommt der, mit
einem Ilerzogshute bedeckte und von einem Klceornamente umgebene Schild mit dein tirolischen
Adler allein vor.
Wir wenden uns nun jenen Siegeln mit Wappenschilden zu, auf denen einzelne Schilde mit
den ihnen angehörigen Helmen und deren Zierden vorkommen. Das erste Siegel dieser Art hat
Friedrich der Schöne mit dem Bindensehihle, auf welchem der gekrönte Schlachthelm mit dem
Pfauenstutz ruht, hierauf Friedrich II. , bei welchem der Helm auch eine Decke hat. Herzog
Rudolf IV. umgibt den behelmten Hauptschild noch mit anderen Wappen, welche auf zwei
Siegeln an vier Löwen angebracht sind, welche den österreichischen Schild und dessen Helm
halun; unfeinem dritten Siegel Rudolfs, ho wie auf jenen seiner Brüder Albert und Leopold,
dann auf einem Siegel Kaiser Friedrichs III. sind diese Wappeuschildc in den Krümmungen
von Roseiioniamcntcn angebracht. Auf allen diesen Siegeln ist der llanptschild schräg rechts
gestellt-, so dass der Hehn auf der linken Ecke des Schildes ruht; nur bei Kaiser Friedrich III. steht
der Schild aufrecht und der Helm ist auf den Hauptrand des Schilde s gesetzt
Herzog Leopohl III. hat zuerst zwei gegen einander gekehrte Schilde mit ihren Helmen und
Kleinodien , es sine! elics die Schilde von Osterrcii'h und Tired, auf welchen die gekrönten Helme
mit ausgezackter Decke ruhen, elcr eine mit dem Pfauenstutz, der andere mit dem schwarzen Adler-
flügel geschmückt, den ein goldenes Band mit gleichen herabhängenden Blättern durchzieht. Diese
beiden Hauptachilde stützen sich auf die äussere Schriftlinie und die Helmzicrden n ichen oben
Digitized by Google
Du: $n:> 1:1. deh österreh hisciies Reoextes.
213
ebenfalls in den Scliriftraum, zwischen beiden Helmen sind die Schilde von Steiermark, Kärnthcn
und Krain pfahlweise gestellt. Unter den folgenden Siegeln dieser Art ist jenes von Herzog Albert V.
von einem gestürzten Kiehclnornamcnte umgeben; in den oberen beiden Krümmungen ist der
Schild mit den fünf Adlern dem österreichischen Bindenschilde entgegengestellt. Auf ersterem ruht ein
gekrönter Stechhelm mit einem hervorwachsenden Adler, auf dem anderen ein Stechhelm mit dem
Pfauenstutz, und in der kleineren unteren Krümmung beiludet sieh ein Schild mit einem Adler. In
gleicher Weise hat Herzog Friedrich V. den Schild mit den fünf Adlern und dem österreichischen
Hindenschild, beide jedoch von einem ovalfönnigcn Aehtpass umrahmt, und zwischen beiden
Schilden erheben »ich, durch Baumgeästc gestützt und von Gewappneten, Waldmänncrn und
Engeln gehalten, pfahlweise über einander die Schilde von Tirol. Krain, Kiirnthen und zu oberst
von Steiermark. Das am häufigsten vorkommende Ornament auf den Siegeln mit zwei, von ihren
Helmen überragten Schilden, ist der Vierpass. Sigmund hat den österreichischen und steierischen
Schild mit den Helmen und den dazu gehörigen Ilelmzierden , und zwischen beiden Steehhehnen
den tirolischen Adler. Herzog Friedrich V. und Albert VI. haben nur die beiden Schilde von
Österreich und Steiermark gegen einander gestellt, wobei aber der auflallende Umstand vorkommt,
dass beide zu dem steierischen Helm nicht das richtige Zimier haben (nämlich den Panther in
einem achteckigen Sehinnbrett, dessen Ecken mit Pfauenspiegeln besteckt sind) sondern Friedrich
führt statt dessen zwei Büflelhömer von Stäben durchzogen, an denen Blätter herabhängen , also
die Ilebnzierdc von Kiirnthen, während Albert VI. einen hervorwaehseuden Adler, also das
zu dem fünf Adlerschilde gehörige Zimier hat. Auch auf dieser Siegelgattung nimmt von den
I leiden behelmten Schilden der österreichische in der Mehrzahl den rechten Platz ein und weicht
nur xwcimsd dem Schilde mit den fünf Adlern.
Endlich kam man darauf, die einzelnen Schilde nicht mehr in Gruppen zusammen zu stellen,
sondern gleich mehrere Wappen in einem Schilde mit mehreren Feldern zu vereinigen. Zuerst
treffen wir dies bei Kaiser Albert H, indem ein quadrirter Schild im 1. und 4. Felde das altuuga-
risehe, im 2. das österreichische, im 3. Felde das mährische Wappen zeigt. Sein Sohn hat zwei
Siegel mit quadrirten Schilden, auf einem Altungarn, Böhmen, Mähren und Oberösterreich,
und im Mittelschilde den österreichischen Querbalken; auf dem anderen mit Altungarn und Böhmen,
Osteneich und Mähren; ein drittes Mal ist der gekrönte Schild gespalten, im rechten Felde mit
Altungarn, im linken mit Böhmen, dazu zwei Raben als Schildhalter; die Wappen von
Österreich, Mähren und Schlesien siud im Sclu-iftrande angebracht. Auffallend ist ein Siegel Kaiser
Friedrich III., worauf sich ein quadrirter Schild mit einem Mittelschilde befindet, die vier Fehler
zeigen: das 1. die fünf Adler, das 2. Krain, das 3. den Adler von Tirol, das 4. Oberösterreich
und im Mittelschilde befindet sich der einfache Reichsadler. Das österreichische Bindenwappen
fehlt gänzlich und dennoch wird dieses Siegel als jenes bezeichnet, welches er im Fiirstentliume
Österreich gebraucht, ein Zeichen, dass man anfing die fünf Adler als ein Wappen des Herzog-
fhumes Osterreich zu betrachten, welches vor dem Bindenschilde den Vorrang habe, was auch
bereits bei zwei früher erwähnten Siegeln der Fall war. Auf einem Siegel Alberts VI. nehmen
die fünf Adler das erste und der Querbalken das vierte Feld ein, während das ober-österreichische
Wappen sich im zweiten und dritten Felde wiederholt, so dass das erste und vierte Kehl
gleichsam identisch erscheinen, was jedoch bei einem zweiten quadrirten Schilde auf einem
anderen Siegel desselben Fürsten nicht mit gleicher Consequenz durchgeführt ist, indem sich im
ersten Felde die Alnf Adler, im zweiten da* Wappen von Steiermark, im dritten jenes von
Krain, im vierten Felde jenes vou Tirol befinden und das Biudenwappen als Mittelschild
erscheint.
214
Kaul von Sava.
Aul' diesen beiden Sicheln Alberte VI. ruht auf den Schilden der Österreichische- Herzog.
)int mit der Zinkenkrone und dem Bügel, worauf das Kreuz, und auf dem letzteren Siegel
sind zwei feuerspeiende Panther als Sehildhalter angebracht.
Auf den Sicheln jener österreichischen Fürsten, welche die deutsehe Königs- oder Kaisir
würde bekleideten, ist der einfache oder zweiköpfige Adler die herrschende Wnppentigur.
Rudolf I. führt unter den (K utschen Königen ihn einfachen Adler zum erstemnalc auf seinem
f ontrasiegcl, und zwar frei im Siefreifeide 1 , und in gleicher Weise erseheint er auch auf dem
königlichen Seerete Albert I. Eben so zeigen auch die beiden Secrcte Kaiser Friedrichs des
Schönen den einfachen Adler, nur trägt derselbe auf dem kleineren Siegel zum erstenmal''
das Hauswappen des Fürsten , nämlich den österreichischen Bindenschild auf der Drust, was
nur noch auf den Bergrechtssiegeln Kaiser Friedrichs Ul. vorkommt. Fs sind diese Sicgtl
gleichsam die Vorläufer jener späteren grossen Staatssiegel, auf welchen die Brust des Doppel-
adlers mit dem llaussehilde des Kaisers belegt ist, und welche nach dem Verschwinden der Portrait-
siegcl seit Kaiser Karl V. in Gebrauch kamen.
Kaiser Albert II. führte unter den österreichischen Fürsten als deutscher König kleine Haupt-
sicgel mit Wappcubildern, worauf der Adler als die vornehmste Figur erscheint. Des einen, worauf
der Adler im Schilde angebracht ist, wurde bereits erwähnt, auf dem anderen kommt derselhc
frei im Siegelfelde vor, und die Wappen von Ungarn, Böhmen und Österreich sind in den
Schriftrand gewiesen. In gleicher Weise ist auf den Wappcnsicgeln, welche König Friedrieh III.
als König oder Kaiser führte, der einfache oder doppelte Adler entweder von den Wappen-
schilden des H;iu*bcsitzes kreisförmig umgeben, oder es sind die letzteren im Schriftrande
oder in einem Si< geil'elde angebracht , und nur ein einzigesnial sind auch die Flügel des kaiser-
liehen Adlers mit den Wappenschilden von Österreich und Steier belegt. Auf den Siegeln,
welche Friedrich für Österreich führte, kommt der einfache Adler in einem Herzsehilde und
du- Doppeladler in einem abgesonderten Hauptschihlc am ersten Platze vor, letzteres ist auch
auf dem fachet der Fall.
Auf den Kehrseiten der beiden Majestätssieg« I sind die Adler je von einem Siebenpassi
umgeben, in de ssen Krümmungen eben so viele Besitzwappen mit ihren Helmen und Zimicrcn
augebracht sind, während die Ausscnwinkcl dieses Maasswerk-Ornamentes durch EngclsbUsteii
und Drachen ausgefüllt werden. Die Stempel dieser beiden Siegel sind mit einander identisch,
indem nur der einfache Adler auf dein späteren kaiserlichen Siegel in einen zweiköpfigen
verwandelt wurde. Dir einfache Bcichsadlcr erscheint als Wappcniigur ohne Nimbus, während
der zweiköpfige Adler auf den Siegeln Kaiser Friedrichs III. stets nimbirt ist und mit diesem
Schmucke zuerst auf den Siegeln König Sigismunds nach dessen Kaiserkrönung vorkommt.
Zu den .Siegeln mit Wappenbildcrn gehören noch zwei Petschafte, nämlich jenes Herzog
Kudulfs IV., auf welchem nur der gekrönte Helm mit dem Pfauenstutz als heraldisches Ab-
zeichen vorkommt ; und das zierliche Kingsiegel Herzog Alberte V. mit dem, auf einem Felsen
ruhenden Hirschen, worauf di r österreichische Bindensehild gleichsam nur als Beizeichen, wenn
auch als bedeutsames erscheint.
Die heraldischen Schilde, welche auf den Siegeln mit Wappenbildern vorkommen, sind unter
den Babenbergein herzförmig; unter den Habsburgern dagegen erscheinen die sogenannten
Dreieckschilde, die an den Seiteutheilen ausgebogen sind, während der Schildfuss selbst iu
eine Spitze endet.
i S]>i«»x, aribiviscbc Ni'bcnarlicitoD J. Tlieil. AtiliiMuiit? auf tUm Tilelblattr.
Digitized by Google
Die Sieoel der östehbeiciiischrs Rkcuxtf.*.
21;i
Von Herzog Allu-rt V. angefangen werden die unten abgerundeten Schilde mit geraden
Seitcnihcilen vorherrschend, und bei Sigmund und Albert VI. kommen auch Sehilde in Gebrauch,
die auf einer Seite stark nnsgebogen sind, jedoch ohne den, die Tartschc charakterisirenden Aus-
schnitt zum Einlegen der Lanze zu zeigen.
Die auf den Schilden ruhenden Ilchnc sind anfangs der oben gerade abgeschnittene
Fasshelm, später der oben gewölbte, mitunter spitz zulaufende Kübelhelm, der bisweilen eine
sehr zierliche Form hat und mit Luftgittern und einem bhnnenförmigen Durchschlag versehen
Lssi , um den vom Haupte genommenen Hehn mittelst einer Kette an dem Ringpanzer zu
befestigen. Auf den Siegeln der Herzoge Sigmund, Friedrieh V. und Albert VI. kommt der
Stechhelm vor. Der Kolbenturnierhelm erscheint bei den österreichischen Fürsten nur auf den
Siegeln Max I. für die Niederlande.
Auf den Helmen belinden sieh, wie auf den Rcitcrsicgcln, tluis Laub- theils Lilienkronen.
tu LS ihnen ragt das Zimier empor, während sie selbst, mit einer einzigen Ausnahme, auf den
Helmdecken ruhen.
Da die Helmzierden bereits in der Ubersicht über die Wnppengruppcn im Allgemeinen
besprochen wurden, so gehen wir gleich zu den Helmdecken über.
Bei Friedlich dein Schönen fehlt dieselbe noch, auf dem Siegel Herzog Friedrichs II.
dagegen bildet sie ein mantelartiges Tuch, das zu beiden Seiten des Helmes symmetrisch in
Falten gelegt ist.
In gleicher Weise finden wir sie bei Herzog Rudolf IV. und seinen Brüdern Albert und
Leopold. Ein spateres Siegel des ktzteren zeigt uns die Helmdecke bereits mit Verschlingungen
und theilweise ausgezackt, obwohl noch weit entfernt von jenen arabeskenartigen Formen,
in welchem sich das XVI. Jahrhundert ergeht und für welche die ausgezackten Helmdecken
auf den Siegeln Herzog Friedrichs V. und seines Bruders Albcrts VI. die ersten Anfänge bilden.
er r? r?
Um grössere leere Räume und deren Eintönigkeit zu vermeiden, wurde das Sicgelfeld
mit Damascirungen ausgefüllt, die gewöhnlich aus Zweigen mit Blättern und Blumen bestehen,
oder es wurde dasselbe mit gegitterten oder sehrilg gekreuzten Streifen durchzogen , zwischen
welche Blumen oder Sterne gestreut sind, oder es ist das Fehl ohne eine solche Vergitterung,
mit Blumen oder Ste rnen besäet. Ein anderesmal bestehen diese Füllungen aus Maasswerk
oder aus Strahlen, « eiche den Schild umgeben. Ausserdem wurden zur Füllung des Sicgelfeldes
auch Beiwerke angebracht, wie Säulen und Vögel inmitten von Maasswerk. Derlei Beiwerke
dienten bisweilen zur Motivirung der Gruppirung der Schilde, welche zum Theilc von Engeln,
Reisigen, Waldmännern, Drachen u. s. w. gehalten oder getragen werden.
Bei der sternförmigen Zusammenstellung von fünf mit den Spitzen einander zugekehrten
Schilden ist der in der Mitte befindliche Raum mit einem Sterne, einer Rose oder mit einem
Löwenkopf und einmal auch durch die Quaste der Schildesfissel ausgefüllt.
Unter den Wappenschilden bietet der österreichische mit dem rothen Felde, und dem
weissen Querbalken für die Plastik durchaus glatte Flächen. Man suchte daher, besonders
bei grosseren Schilden, diese Monotonie entweder durch Damascirung des Querbalkens oder
des Feldes zu beseitigen. Meistens aber ist das Feld mit sclirüg gekreuzten Streifen und
dazwischen gestreuten Sternen oder Blumen ausgefüllt, wobei die Binde entweder blank
bleibt, oder von einer schräg gekreuzten Straflirung durchzogen ist. Bisweilen erscheint das
Feld gekörnt oder vou wellenförmigen Linien durchzogen. Auf den österreichischen Siegeln
des Ladislaus I'osthumus ist der Querbalken mit einer rautenförmigen Verzierung ausgefüllt und
dabei das Feld einmal blank, das anderemal damascirt.
Digitized by Google
2t<;
Kakl von Sava.
Bei der Zusammenstellung mehrerer Schilde in Gruppen, sowohl mit Helmen, als auch
ohne diese, suchte man nicht blos der Symmetrie Rechnung zu tragen, sonderu man bestrebte sich
auch, das Ganze in künstlerischer Beziehung zu einem Bilde zu gestalten; hierzu diente di«- Anwen-
dung von Umrahmungen, welche gewöhnlich aus Ornamenten bestehen, die aus Bogcnthcileii
zusammengesetzt find. Am häufigsten kommt hierbei der Dreipass oder das Klccomauicut vor.
sowohl aufrecht, nämlich ein Bogen oben und zwei Bogen unten, als auch in verkehrter Ordnung
oder gcstilrzt. Der Vicrpass wird meistens auf Siegeln mit einem Sehilde verwendet, kommt aber
auch bei kreuzförmiger Zusammenstellung der Sehilde als sogenanntes Bluinenornament vor; auch
bei zwei gegen einander gekehrten Schilden mit Helmen wird er angebracht, ist aber dann anders
gestellt, indem er gleichsam ein an den Ecken abgerundetes Viereck bildet, dessen Seiten je in der
Mitte eingebogen sind. Ausserdem kommen, der Zusammenstellung des Siegelbildes entsprechend,
derlei Umrahmungen vor, welche aus fünf bis zwölf Zirkeltlieilen componirt sind.
Die Berührungspunkte der Zirkeltheile werden meistens durch Blätter- oder Blumenknorren
verdeckt und an die Concavseiten des Ornamentes, so wie an «lie innere Schriftlinie schlicsscu sich
öfter spitzenartige Verzierungen an, welche aus einer Reihe mit einander verbundener Halbbogen
bestellen , deren Spitzen mit Blumen oder Kleeblättern besetzt sind. Die Aussenwinkel der Or-
namente werden mit Engelbüsten, hervorwachsenden Adlern, Drachen und Ungethümen,
mit Blumen und Blattornamenten, mit ausspringenden Winkeln und mit zierlichem Maasswerke
ausgefüllt, wie sie die reich entwickelte gothischc Architectur darbietet. Ein sehr zierliches Orna-
ment in Form einer reich gesclunückten gothisehen Fensterrose zeigt das Siegel Herzog Rudolfs IV.
und eine aus einem Dreipasse und drei ausspringenden Winkeln zusammengesetzte Umrahmung
befindet sich auf einem Siegel Kaiser Friedrichs HL
Die Bogentheile dieser Ornamente sind meist markig hervortretend und an der profilirten
Seite mit Blumen, Sternen und anderen Verzierungen geschmückt, seltener bestehen sie aus soge-
nannten Stufenlinien.
Ausser den, der Architectur und dem Pflanzenreiche entnommenen, ornamentalen Aus-
schmückungen auf den Siegeln mit Wappenbildern, kommen auch noch Darstellungen von leben-
den und idealen Wesen vor.
Engel finden sich als Schild- und Kronentritger mit ausgebreiteteten, über das Haupt erho-
benen Flügeln, welche nach aussen nmgerollt, lang und fein befiedert sind; die Haare sind gewöhn-
lich reich gekräuselt, und auf den Siegeln des Ladislaus Posthumus haben sie das Haupt mit einem
Stimreif »imgeben, an welchem sich vorne ein Kreuz erhellt, nur einmal ist das Haupt mit Strahlen
nimhirt. Das Kleid, um den Hals weit ausgeschnitten, ist um die Mitte gegürtet und überhängend,
die Ärmel sind weit und lang und die Gewandung reicht dort, wo die ganze Figur erscheint, über
die Füs.se und ist faltenreich geschwungen. Bisweilen tragen die Engel über die Brust gekreuzte Stolen.
Als Schildträger haben sie die Schilde gewöhlich vor sieh, und sind bis zur Hälfte des Körpers
sichtbar, bisweilen wird der Schild überdies noch zu jeder Seite von Engeln gehalten, oder die
Flügel der letzteren dienen den Schilden zur Stütze. Auf einem Siegel Kaiser Alberts II. schwebt
über dem einfachen Adler ein Engel, der nur bis an die Brust sichtbar ist und aus seinen Hiiuden
geht, als Zeichen des Sc hutzes, die das Siegelfeld umrahmende Linie hervor. Auch als Träger von
Sehriftbändein erscheinen Engel, und als halbe Figuren oder Brustbilder sind sie in den Aussen-
winkeln der Ornamente angebracht.
Ge wappnete mit Fähnlein in knapp anliegender Kleidung, sonst keine nähere Beschrei-
bung zulassend, kommen als Schildhalter nur einmal und Waldmänner in gleicher Eigenschaft
nur zweimal vor.
Die Siegel dek österreichisch»:* Rkgentes.
217
Löwen und zwar zwei den Schild und zwei den Helm haltend, befinden sieh 'zum er.steu-
i Male auf den »Siegeln Rudolphs IV., sie tragen Wappensehilde, welche an ihrem Körper in Form
von Klügeln angebracht sind. Bei Ladislaus Posthumus erseheint ein Löwe als .Schildträger auf
den österreichischen Siegeln; aufrecht sitzend und stark bemühnt, hat er den österreichischen
Hindcnsc hild vor sich und hält, die umgebenden Schilde mit den Vorder- und Hintertatzen.
Drachen, zweifüssige geflügelte Ungeheuer mit Schlangenschweifen und fantastischer
Kopfbildung, dienen bald als Stützen des Schildes , bald sind sie als Thtile der Ornamentik in
den Aossenwinkeln der Umrahmungen angebracht; als letztere kommen auch hervorwaehsende
Adler vor.
Der ungeflügeltc Lind wurm mit vier Füssen, welcher auf den Siegeln Frnst's und Alberts IV.
den österreichischen Bindenschild umschlingt, gehört unter die be leutiingsvollt n Beiwerke, indem
er das Abzeichen des von Kaiser Sigmund gegründeten Drachenordens ist. Den in der Sieg* I-
lusehrcibun« gegebenen Andeutungen über den Drachenorden fügen wir hier noch folgende Bemer-
kungen bei : Herzog Frust der Fiserne, auf dessen Siegel der Drache bereits im Jahre 1102
erscheint, trat nach einer, dem Kaiser Sigismund am 16. Februar 1400 zu Odenburg gegebenen
Urkunde, mit 21 Fdlen aus Osterreich und Steier dem Drachenorden bei. Ks lässt sieh dies entweder
dahin erklären, dass er den ihm verliehenen Orden früher trug, ohne eine feierliche Erklärung hier-
über abzugeben, oder dass er, um die Gunst des Kaisers zu erwerben , der zum Obmann der
Schiedsrichter in den Streitigkeiten zwischen Ernst und dessen Bruder Leopohl gewählt war. die
geänderten oder erweiterten Statuten dieses Ordens anerkannte und auch seine Landesedlen hiezu
liewojr. Nach dem Tode Kaiser Sigmunds wurde der Drachenorden zwar von den österreichischen
Fürsten verliehen, auf den Siegeln aber findet sich keine weiter«; Spur desselben. Dass ihn die
Fürsten jedoch selbst trugen, geht daraus hervor, dass unter den Kleinodien, welche Herzog Albert V.
den Kanfleuten zu Wien ftlr ein Darlehen von 1900 ungarischen Gulden verpfändete (Wien.
2ü\ März 1432), sieh auch das Ordenszeichen des Drachen befand: „ein Wurm mit filnf Diamanten,
einem Kubin und Perlen".
Der Orden wurde in zwei Graden verliehen, mit und ohne Kreuz; so sendet König Albrecht II.
dem Herzog Johann von Norfolk das Ordenszeiehen des Drachen mit dem geflammten Kreuze und
elien so dein Brande Schelen, einem Netten des Bischofs Johann von Lübeck', während Kaiser
Friedrich III. den Johann de Schilinis und den Johann Franz Suardus einfach zu Rittern des
Drachenordens ernennt \
Der auf dem Siegel Herzog Friedrichs IV. vorkommende Kranz um den österreichischen
bindenschild dürfte ebenfalls das Abzeichen eines Ordens oder einer Gesellschaft sein.
Der Hirsch auf Filsen ruhend, mit landschaftlichem Hintergrund, deutet, wie die zwei
Hirsehe auf dem Münzsiegel Rudolfs IV. , auf das Erzjägermeisterarat des heiligen römischen
Reiches, welc he Würde mit dem Anfalle Kärnthens an Österreich Uberging und deren Titel auch
Maximilian nach seiner Vermählung mit Maria von Burgund führte'.
Die auf den Schilden ruhenden Würdezeichen, nämlich Kronen und Herzogshute, wurden
bereits bei Besprechung der Thronsiegel berücksichtiget.
Schildhalter im Siune der neueren Heraldik, finden sich auf einem Siegel des Königs
Ladislaus Posthumus vor ; nämlich zwei Raben und bei Albert VT. zwei feuerspeiende Panther.
i Liilmowsky, Geschichte des Iluuaes Hubsburg, V. pag. CCCLXX1 und CCCLXXV. Hegest Nr. 4350 und 4407. Ofen,
im 11. .Imii und 10. Juli UM. - 2 Im Jahre Hol. Cbmcl's Kenten Nr. 28C8 uod 28C9. — ' Ucrrgo«, Monuiu. August.
Dumus AuKtriac I, 112.
218
Karl vok Sava. Die Siegel der österbeichischkn Rkgentkn.
Siegel mit Bildnissen, welche über weder die Person des Fürsten darstellen, noch Wappen oder
heraldische Abzeichen enthalten, kommen bisweilen als Seerete oder Petschafte, meisten» aber als
C'ontrasiegel vor: sie sind gewöhnlich antike Steinschnitte, welche mannliche oder weibliche Büsten
darstellen. Bisweilen finden sich mehrere Köpfe die mit phantastischen Kopfbedeckungen
versehen sind. Einmal stellt der Steinschnitt einen Hahn dar. Alle diese Siegel sind, mit Ausnahm
von zweien, ohne Umsclirift, und diese letztere bezeichnet auf einem der beiden Siegel den Siegel-
fdlirer: r f S. Hudoluhi ducis Austriae", auf dem anderen die Gattung des Siegels: ,Sigillura
uicttm secretum".
Digitized by Google
219
Untersuchungen
über die Crypta und den Altar der christlichen Kirche.
Von Jos. Ant. Messmkk.
L
Im Frühalter der Kirche, nachdem durch die apostolische Thätigkeit Gemeinden gegründet
waren, machen sich zwei Arten von Cultusstätten bemerklich, die wir der Kürze halber
ordentliche und ausserordentliche nennen.
Unter jenen verstehen wir die, in einer Christengemeinde erwählten, ständigen Versammlungs-
orte, in 'welchen der, die örtliche Gemeinde constituirende Cultus geübt wurde, falls nicht
Bedritngniss von Aussen störend dazwischen trat. Unter den ausserordentlichen Cultusstätten
begreifen wir alle jene Orte und Räumlichkeiten, welche nur zu bestimmten Zeiten zur Begehung
des Gedächtnisses eines Märtyrers oder für Privatandacht dienten, oder das Andenken an ein
verelirungswürdiges Ereignis« bewahrten. Sie dienten in Zeiten der Verfolgung aushilfsweise
anstatt der ordentlichen Ecclesiae.
Die frühesten Gemeinden (ecclesiae) fanden in den Häusern der Vermüglichen die ersten
Stätten zur Ausübung ihres Cultus. In dem Complex der römischen Palastanlagen war ausser den
Sälen, Triclinien etc. gewöhnlich auch eine eigene Basilica für Privatversammlungen
vorhanden, und selbst von den genannten Sälen bemerkt Vitruv, dass sie der römischen Basilica
ähnlich waren. Bei der, mit dem christlichen Zwecke harmonirenden Bestimmung solcher Haus-
basiliken und Säle lässt sich annehmen , dass die Ecclesia vorzüglich hier ihre Unterkunft fand.
Den Beweis liefert ein, schon von Origenes angeführter christlicher Schriftsteller des beginnenden
dritten Jahrhunderts , welchem zufolge die nachmals so berühmte Kirche zu Antiochia ihren
Ursprung in der Palastbasilica eines der Vornehmsten dieser Stadt fand. Denselben Sachverhalt
bezeugt eine Äusserung des heiligen Hieronymus über die Palastbasilica des lateranensischen
Geschlechtes zu Rom, welche zu seiner Zeit bereits die Hauptkirche geworden war; anderer hiefür
sprechender Belege nicht zu gedenken. Wenn dies nun auch nicht überall stattfinden konnte und
die Christen sich nach Massgabe der Verhältnisse mit jeder Art von Räumlichkeit begnügten, so
hat doch die bestimmte und ausgebildete Form der Basilica Uber alle anderen Anlagen für den
kirchlichen Zweck die Oberhand gewonnen , da wohl überall die ausgeprägte Gestalt über das
IX. 30
220
Jos. Ast. Messmer.
Unbestimmte den Sieg erringt. Die Form der Hau»- oder Privatbasilica glich (nach Vitruv) im
Allgemeinen jener der öffentlichen oder forensichen Basilica; nur fielen die für letztere
notwendigen Modificationen selbstverständlich weg, da jene nur dem einen Zwecke, nilmh'ch der
Privatversammlung zu dienen hatte. Der in das Innere römischer Hausanlagen führende , von
Säulengängen umschlossene Vorhof (Atrium) mit dem Brunnen unter freiem Himmel ward von der
christlichen Kirche gleichfalls beibehalten. In solchen Hiiumliclikeiten hatte sich der christliche
Cultus wührend der Zeit der Verborgenheit und Verfolgung eingelebt , hatte die vorerst fremde
Form mit seinem Geiste durchdrungen und seinen Bedürfhissen anbequemt, und als endlich durch
Constantin die Zeit der Freiheit angebrochen war, bestand ein bereits festes, vom christlichen Cultus
veredeltes System des christlichen Kirchenbaues, das nun zur vollsten Ausbildung gelang-en konnte.
Wenden wir uns nun zur zweiten Art christlicher Cultusstätten. So weit die spilrlichen
Nachrichten (Iber die Beschaffenheit des ältesten Cultus der christlichen Kirche reichen, rinden «-fr
fast gleichzeitig mit den ordentlichen Stätten der Ecclcsia auch die ausserordentlichen erwähnt.
Die Gemeinde versammelte sich nämlich an dem Todestage eines Märtyrers bei dessen Grabes-
stätte , das Andenken an denselben feiernd. Der Tag, an welchem der Märtyrer vollendet hatte,
ward Natalis (Geburtstag) und die Feier desselben Natalitium genannt Die Begräbnissplätze werden
in den bezüglichen Urkunden übereinstimmend als ausserhalb der bewohnten Stadt angeführt, in
welcher nach römischem Gesetze kein Leichnam bestattet werden durfte. Das gewöhnliche
Versammlungshaus der Kcclesia befand sich aber im Innern der Stadt , somit konnten diese
Versammlungen am Grabe eines Märtyrers nicht mit den ordentlichen identisch sein, und nicht an
einem und demselben Orte stattfinden. Die gemeinsamen Grabstätten der Christen heissen , auf
Christi Wort gestützt, r cocmeteria a , d. h. Schlaf- oder Ruhestätten. Die früheste Erwähnung solcher
Stätten einer ausserordentlichen Versammlung enthält der Bericht über das Martyrium des Apostel-
schülers und Bischofs der berühmten antiochenischen Kirche, des heiligen Ignatius Teophorus.
Derselbe hatte zwar in den Rachen der Raubthiere im Jahre 1 1 5 zu Rom sein Grab gefunden, es waren
aber von seinen grösseren Gebeinen einige übrig geblieben, welche die Scinigen sammelten und
in Linnen verwahrt nach Antiochia zurückbrachten, wo sie bestattet wurden. Am Tage seines
Martyriums kamen die Christen zusammen und priesen .im Andenken seiner, unsern Herrn Jesus
Christus". Dies Grab war nach dem Berichte des Hieronymus im Cümeterium bei dem daph-
nitischen Thorc ausserhalb der Stadt. Erst unter dem jüngeren Thcodosius wurden die Überreste
in die Stadt selbst überführt und in einer Kirche niedergelegt, die aus dem sogenannten
Tvchaeum, Tempel der Stadt Tychc, gebildet wurde. Die alte christliche Kirche Antiochiens
befand sich aber in der Stadt selbst und führte den Namen „die apostolische", weil ihr Ursprung
bis auf den heiligen Petrus zurückgeführt wird. Über den hier gegebenen Sachverhalt lässt
Chrysostomus keinen Zweifel und rücksichtlich der Beweiskraft des genannten Märtyrer-Berichtes
braucht hier um so weniger etwas beigebracht zu werden, als der nun folgende (bei Eusebius fast
vollständig wiederholte) Uber den Hingang des heiligen Polykarpus unbestreitbar und noch voll-
ständiger ist. Es ist nämlich das Schreiben «1er Kirche von Smyrna , deren Bischof Polykarpus
gewesen, welches sagt: Nachdem die Christen des Märtyrers Gebeine sorgfältig gesammelt hatten,
bestatten sie dieselben r wo es geziemend war". .,Hier" — so fährt der Schreiber fort — „wird
uns der Herr verleihen, den Tag des Martyriums des Polykarpus, seinen zweiten Geburtstag, in
Jubel und Freude zu begehen, sowohl zur Erinnerung an diejenigen, welche den Kampf bereits
vollendet haben, als auch 'zur Übung und Rüstung für die, welche der Kampf noch erwartet".
Diese Stelle sagt ausdrücklich, man versammle sich an dem Orte, wo der Märtyrer zur Ruhe
niedergelegt war. Polykarpus wurde im Jahre 16G verbrannt und aus derselben Zeit ist auch dies
Schreiben an die benachbarten Kuchen.
Untersuchungen Cbee die Crypta.
221
Tcrtullian (im folgenden Jahrhundert) führt unter den, bei Christen allgemein herkömmlichen
Übungen, die, ohne in den heiligen Schriften verzeichnet zu sein, gleichwohl Uberall angetroffen
werden, auch die am Jahrestage für die Verstorbenen und die an den Gedachtnisstagen der
Märtyrer (pronatalitiis) üblichen Opfer (oblationes) auf, deren auch Cyprianus gedenkt, wenn er
den Presbytern und Diakonen der karthaginiensischen Kirche aufträgt, den Sterbetag jener
welche hinscheiden, aufzusclireiben, damit ihrer beim Gedächtnis» der Märtyrer mitgedacht werden
könne. Die damit gleichzeitigen, also der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts angehörenden
„apostolischen Constitutionen" fixiren diesen alten Gebrauch also: „Convenitc in coemeteriis ad
legendum sacros libros et canendum psalmos pro mortuis martyribus et sanetis Omnibus , qui a
saeculo sunt defuneti ac pro fratribus vestris, qui in Domino mortui sunt. Et eucharistiam i. e.
sacramentum regalis corporis Christi Offerte in ecclesiis vestris et in coemeteriis u . Die kaiser-
lichen Edicte dieser Periode enthalten immer das Verbot, Versammlungen zu halten und die
Cömeterien zu betreten. Ausdrücklich eingeschärft ward dies Verbot z. B. dem heiligen Dionys
von Alexandrien und dem heiligen Cyprian von Karthago, und Tertullian bezeugt, dass unter
dem Präses Hilarion das Volk geschrieen habe: „Arcac non sint*, d. i. die Christen sollen
keine Cömeterien (areae) haben. Umgekehrt trafen aber die Bischöfe Vorsorge , dass die Cöme-
terien zur Aufnahme einer grösseren Versammlung in Zeiten solcher Verfolgung geeignet
waren , auch endeten sie häufig an diesen Stätten durch das Martyrium , wie z. B. ein Brief
Cyprian'« von 258 berichtet, „dass Papst Sixtus und Quartus im Cömeterium getödtet worden
seien". Von Papst Fabianus, dessen Regierung zwischen die Jahre 236 bis 250 fällt, erzählt der
alte Papst-Katalog, dessen Herstellung und Fortführung die Zeit von 232 bis 352 umfasst, er habe
die Regionen den Diakonen zugcthcilt und viele Bauten in den Cömeterien herstellen lassen '. Da
dieser, in seinen Notizen sonst so sparsame alte Katalog von der Bauthätigkeit des Fabianus in
den römischen Cömeterien eigens Erwähnung thut, so dürften die daselbst entdeckten capcllen-
artigen grösseren Räumlichkeiten mit einer zur Feier dos ganzen Gottesdienstes tauglichen
Anordnung und Verbindung der Gänge, die Taufquellen u. dgl. diesem Papste vorzüglich
zugeschrieben werden. Da keine Kirche bei ausbrechender Verfolgung so sehr der Gefahr aus-
gesetzt war, als begreiflicherweise die römische , so waren derartige Einrichtungen hier besonders
geboten und mehr als anderswo kam die secundäre Bestimmung dieser Stätten, die Aufnahme für
die ordentliche Ecclesia zu ermöglichen, mit der primären, zur Gedächtnissfeier der Märtyrer zu
dienen, zusammen und trat bei zunehmender Bedrängniss in den Vordergrund.
Über letztere Bestimmung übst sich des, um das Jahr 200 lebenden Presbyters Cajus bei
Eusebius aufbewahrte Nachricht anführen. Eusebius bringt aus einem damals bekannten, jetzt
untergegangenen Buche dieses Cajus, das gegen Proculus, das Haupt der kataphrygischen Secte,
vertagst war, folgende Stelle über die Begräbnissstätten der beiden Apostel Petrus und Paulus
und leitet dieselbe also ein: „Auch ein gewisser Cajus, ein Oleriker, der zur Zeit des römischen
Bischofs Zephirinus lebte, spricht in dem Buche, das er gegen Proculus . . . geschrieben, von dem
Orte, an welch ein die heiligen Leichname der genannten Apostel beigesetzt worden"
und lässt dann des Cajus Worte folgen: „Magst du gegen den Vaticanus oder zur ostiensischen
Strasse gehen, so werden dir die Trophäen derer begegnen, welche eben diese Kirche gründeten*.
Da Eusebius ausdrücklich bemerkt, Cajus rede hier von dem Begräbnissorte der Apostel, und
ihm wie Andern die Schrift selbst vorlag, so ist kein Zweifel, dass diese Apostel um das Jahr 200
auf dem Vatican und an der Strasse von Ostia bestattet waren. Der Ausdruck des Cajus „die
Trophäen* lässt irgend eine Auszeichnung dieser Ruhestätten der Apostel und hätte dieselbe auch
« „Hic regionc« divtgit diaconihn« vt multas fabrica» per cocmetwia fieri jn»git." Virffl. Th. Momniset): Über den Chrono,
jfraphen vom Jahre .IM, Leipzig 18'»0.
.10*
Digitized by Google
222
Jos. Ast. Messmkr.
nur in der Verehrung der römischen Gemeinde bestanden, voraussetzen, wenn auch an irgend
eine Art von Capelle über der Erde, zumal in der Nähe des neronischen Circus nicht zu denken
ist, wesshalb die Notiz des jüngeren Katalogs (VI. Jahrhundert) als habe daselbst schon Anakletus
dem heiligen Petrus eine „memoria^ errichtet, in diesem Verstände auf sich beruhen muss. Beide
Orte befanden sich, wie bekannt ist, ausserhalb der Stadt, durch die Tiber getrennt , so das«
das vaticanische Cömeterium auf der rechten, das ostiensische von St. Paul auf der linken Seite
des Flusses lagen, wie auch Prudentius sagt:
„Dividit ogsa duum Thyberiu sacer ex ntraque ripa
inter saerata dum fluit corpora."
Dass nun der Gedüchnisstag der beiden Gründer der römischen Kirche, analog dem Andenken
der Bischöfe von Antiochien und Smyrna, an deren Ruhestätten gefeiert wurde, lässt sich mit
Sicherheit voraussetzen und mit des genannten Cajus Worten insofern ohne Zwang verbinden,
als das nur zwanzig Jahre später angelegte Dcpositions-Verzeichniss der römischen Bischöfe ' den
Tag der Deposition und deren Ort, nämlich das betreffende Cömeterium, genau angibt, weil an
diesem Tage daselbst das Gedächtniss derselben begangen wurde. Den beregten Zweck dieser
Tagesangaben bezeugt der obige Bericht über den heiligen Ignatius ausdrücklich und die Worte
Tertullian's und Cyprian's lassen hierüber keinen Zweifel. Die spätere Sitte, an diesen Tag-en die
bezüglichen Cömeterien zu besuchen und die Station daselbst kirchlich abzuhalten, führte nur den
uralten Gebrauch auch fernerhin fort. Dazu dienten die sogenannten Calendarien, welche für den
betreffenden Tag das Cömeterium angaben und auf officiellen Documenten , den Martyrologien
beruhten, wie das römische, als das älteste dieser Documente, in Verbindung mit dem Depositions-
Verzeichnissc der Bisehöfe beweist. Denn beide zusammengenommen enthalten «lic Namen alier
Bischöfe von 231 bis 352, Anterus ausgenommen , der nur einundvierzig Tage im Amte war,
ebenso den Ort ihrer Ruhe 3 . Die auf Grundlage der in denselben aufbewahrten Anzeigen von
J. B. de Rossi gemachten Entdeckungen beweisen neuerdings die Zuverlässigkeit dieser Urkunden.
Obschon noch manche bisher für apokryph gehaltene Notiz anderweitiger Documente hier mitauf-
geführt werden könnte, so vermeiden wir dies, um das Resultat dieser Untersuchung ganz sicher
zu stellen, wesshalb wir auch sorgfältig die Theile des sogenannten Liber Pontiiicalis auseinander
gehalten haben. Sehen wir uns nun um die Beschaffenheit dieser Cömeterien oder Friedhöfe etwas
näher um. Wie in Alexandrien und Antiochien, so waren dieselben auch zu Rom, Neapel, Syrakus u. s.w
unterhalb des Erdbodens in langen Gängen oder Gallerien angelegt, entweder so, dass wie zu
Rom, Neapel u. s. w. die Leiche ihrer Länge nach in die Tufstcinwand niedergelegt , oder wie zu
Alexandrien, analog den altjüdischen Schi ebgräbern. der Tiefe nach in die ausgehöhlte Fels-
wand hineingeschoben wurde. Die afrikanischen, respective die von Karthago und dessen Um-
gegend, werden entweder letztern und somit den jüdischen Grabstätten ähnlieh an Hügeln, Abhängen
oder künstlich hergestellten Felswänden errichtet oder in dem Planum (wie unsere Friedhöfe)
i Dcpositin Episcoporam bei Momtnsen 631 ff — s Es sei bei der Wichtigkeit dieser Urkunden gestattet, hier kurz da»
Historische davim zusammen zu fassen. Der Liber poutificalis beisteht aus zwei Thcilen, einem älteren Iiis zu Liborius i. e. 3hi
reichend; und einem jüngeren, der bis Felix geht i. e. ii30. Jener ist wieder aus zwei Urkunden zusammengesetzt, einer »Heren,
die Hippolyt von Port ii» anno 233 bis zu 1'ohtinmis angefertigt und nur die Name», Heiuuith und Ordinationen ent lii.lt, und
einer jüngeren von .154, welche die (.'oiisulatsaiiKabcn , nicht aber die Hciinath und Ordinationen gibt. Der Kedacteur der
letzteren hat dtinn mich den Katalog de» Hippolyt nach den Consularfastcn ergänzt und ein gleichförmiges Verzeichnis» her-
gestellt. Die deposiiio episcopormu und depositio martyriim lag dem Fortsetzer de» Katalogs, bis Felix oder 530, ebeufall«
vor und er entlehnte daritus bezügliche Notizen. Heide Depositions -Verzeichnisse sind die zuverlässigsten Quellen, und hierin
dem zweiten ih.il de» älteren Katalogs, nämlich von Pontianus bis Lilierius, also von 333-353, gleich. Endlich setzte Anasta-
sius Hibliotheesrius, nach ihm noch vorliegenden, bisher aber nicht wieder gefundenen Handschriften de vitis Fontif. des
Katalog bis N»J7, nämlich bis F. Nkolaus fort, und ergänzte mancherorts den aiten Kj talog.
Digitized by Google
Untersuchungen über die Crypta.
angelegt gewesen sein ; letzteres war nber abgeschlossen und für melu*ere bestimmt. Daher dk
Bezeichnung r ,area u , welche in den bezüglichen Documenten stets wiederkehrt. Der Ausdruck
„area L bezeichnet zunächst das zu einer Grabstätte gehörige Territorium. Erstere Art wird durch
einige Stellen echter Martyracten als gleichfalls bestehend wahrscheinlich gemacht, ja das dem
heiligen Cyprian eingeschärfte Verbot, die Cünictcricn zu besuchen, hat keinen Sinn, wenn nicht
an eine ähnliche Anlage gedacht werden darf". In einem späteren Documente 1 ist der Bezeichnung
„in area" beigefügt „ubi orationes facitis - und wiederholt von Versammlungen daselbst die Rede.
Diese sind aber nur an abgesperrten und mehr oder minder unzugänglichen Orten möglich
und das Verlangen des heidnischen Volkes an den Präses „nreae non sint" erhalt unter solcher
Voraussetzung den rechten Verstand, indem es nur wiederholte, was das kaiserliche Edict ausge-
sprochen hatte. In jeden» Falle lagen sie ausserhalb der bewohnten Stadt und bildeten die ausser-
ordentlichen Stätten der Ecclesia.
Die zweite Art von ausserordentlichen Cultusstiltten begreift solche Orte in sich, welche
durch das daran haftende Andenken an Jesus Christus selbst geheiligt sind. Selbstverständlich
findet sieh dieselbe nur in Palästina. Am frühesten erwähnt ist die Höhle der Gehurt des Herrn zu
Bethlehem (Justinus M. und Origenes), dann die Stätte seiner Himmelfahrt auf dem Ölberge und das
heilige Grab zu Jerusalem. Nach Bethlehem wird schon zur Zeit des Origenes, Anfangs des III. Jahr-
hunderts, gewallfahrtet und gegen die Mhte desselben wird durch den heiligen Cyprian und
Macarius von Cappadocien das Gleiche von Jerusalem bezeugt.
Für beide Arten tritt unter Constäntin eine erfolgreiche, ja entscheidende Wendung ein.
IL
Beide Allen von Cultusstätten wurden vereinigt; entweder so, das« die Basilica über
dem Cömeterium oder der sonst durch ein kirchl ich es Andenken ausgezeichneten
Stätte errichtet ward, oder so, das» in die bereits bestehende Basilica Beste von
Märtyrern Ubergetragen wurden. Im ersteren Falle war also die Stätte der kirchlichen
Erinnerung, die memoria das Primäre, in letzterem aber die ordentliche Ecclesia oder Basilica.
Hier ward zur Basilica die Memoria, dort zur Memoria die Basilica gefügt. Daher werden von
jetzt an beiderlei Bezeichnungen für das Kirchengebäude üblich. Genauer unterscheiden nur
einige der alten christlichen Autoren, wo es nämlich gilt, die örtliche Beschaffenheit eines Kirchen-
gebäudes näher zu bezeichnen ; ausserdem gebrauchen die nämlichen Schriftsteller wieder unter-
schiedslos beide Benennungen.
Betrachten wir nun die erste Art dieser Vereinigung beider Stätten.
Wurde wie in den meisten Fällen Uber einem Cömeterium selbst eine Kirche errichtet,
so war die unterirdische Gruft oder Grabkammer bereits vorhanden und es galt, die Gebäude
in Zusammenhang zu bringen. Dies wurde durch die Anlegung von Stiegen bewerkstelligt
(Fig. 1 E.), auf welchen man von der Oberkirche in die Gruft hinubsteigen konnte. Die bezügliche
Grabkammer (cubiculum) bildete den Unterbau für den Altarraum mit der ihn umschliessenden
1 „Ge.Ma qulbus constat traditorem esse Silvanum" etc. bei Bahuius Miscell. 11,84 und 102. „Clvcs iu are» martyruui
fueront in du ai" und dies dann gleichbedeutend, pag. 104, mit „inclusi in casa majore". Diese Verhandlungen landen zu Cirteini
Jahre 314 oder :I24 statt. Violleicht war diese area ein mit Mauern umhegter Bezirk unter freiem Himmel, an den Mauern mit
Säulengängen versehen, die wahrscheinlich auch eine bestimmte Abtheilung von Grabstätten Tür die MärtjTer einschlössen und
weil gedeckt auch cae» heisscu konnten , wenn man uieht vorzieht, in der Mitte oder in Verbindung mit dem l'ortitus der Are»,
ein Gebäude anzunehmen, wo die Zubereitung der Leiche u. dgl. ungestört geschehen konnte. Letzteres scheint das Richtige.
ized by Google
224
Jos. Ast. Mksümkh.
Apsis. Bei der Huumheschrtlnkung der Gruft war es nöfhig, für das die Grabkammer besuchende
Volk auf der einen Seite eine Stiege zum Hinab- und auf der andern Seite eine zum Heraufsteigen
anzuordnen. Diese Gruft (Fig. 2) heisst im IV. Jahr-
hundert crypta, führt aber auch noch die früheren
Bezeichnungen, martyrium (confessio) oder memo-
ria. Letztere gehen auf den Inhalt, erstere aber auf
die Form der Grabstiltte.
Die Crypta ist immer ein Martyrium oder eine
Memoria, aber diese sind durchaus nicht immer iden-
tisch mit jener, wie ausser den orientalischen Kirchen
dieser Periode insbesondere Paulinus Nolanus beweist,
bei dem sich die Bezeichnung crypta nach unseren
bisherigen Forschungen gar nicht findet. Der Grund
davon wird sich bald zeigen. Dsigegen ist es begreif-
lich, wenn Hieronymus und Prudentius hie und da
auch die Cönietericn Crypten nennen. War über dem
Cümeterium, beziehungsweise über dessen mit dem
bevorzugten Martyrgrabe versehenen Cubiculum, eine
Basilica erbaut, so entbehrte bis zum VI. Jahr-
hundert die Crypta eines Altares; war aber
nur in der Niihe des bezüglichen Cümeteriums eine Kirche errichtet, gewöhnlich wieder einem
anderen Heiligen geweiht, so führte die Cömeteriums-Crypta iliren eigenen Altar, weil
sje
zugleich mehr oder minder zu einer förmlichen unterirdischen Kirche erweitert und vom
Volke an den bezüglichen Tagen besucht, wurde. Dies war der Fall mit der Crypta des von Pru-
dentius verherrlichten Martyrs Hippolyt, die, ohne selbst von einer Basilica überbaut zu sei«,
einen aufs kostbarste über der Grabesstätte errichteten Altarbau besass und zur Begehung der
Natalitiae doch einigennas.sen eingerichtet war. Unweit davon war dann die auf dem ager veranu*
erbaute Basilica des heil. Laurentius. Es irren daher Bellermann, Bunsen u. s. w., wenn sie die in
dem bezüglichen Hymnus (Pcristeph. XI ed. Dressel vers. 215 ff.) gegebene Beschreibung auf eine
Basilica Ilippolytana beziehen wollen, während hier nur von der des heiligen Laurentius die Kcde
ist. Hingegen lassen die Verse 170 ff. über den in der genannten Cömeterius-Crypta des heiligen
Hippolyt erbauten Altai- keinen Zweifel. Es ist bezeichnend , dass Prudentius (v. 184) diese
Digitized by Google
UsTERSUCnüNORH (InER DIE C«YPTA.
22^
Crypta mit einem Altar auch aedieula nennt. In dem gegebenen Falle war sie eine förmliche,
kleine Kirche und der Altarbau jenem nachgebildet, der uns sogleich beschilftigen wird.
Da solche über einer Cömeteriums-Crypta errichteten Basiliken ausserhalb der Stadt lagen,
wo wie zu Rom Cömcterium an Cömeterium sticss, so führten sie augenscheinlich die ursprüng-
liche Memoria oder ausserordentliche Cultusstiitte fort und die von Prudentius geschilderte Form
derselben ohne die oberirdische Kirche, wie auch die am Eingange zur echten Calixtus-Crypta
von .1. B. de Rossi in neuester Zeit entdeckte kleine Basilica des Damasus, zeigen nachdrücklich,
dass bei diesen Anlagen das Andenken an die hier Ruhenden in dem Vordergründe stand. Wenn
bei letzterer Form der Altar-Raum auch nicht in directem Zusammenhang mit dem uralten Cubi-
culum der römischen Pontilices Pontianus, Antherus etc. oder dem der heiligen Cacilia gebracht
war, so kommt dies von der grossen, bis zum 9. Jahrhundert diesem Cömeterium gewidmeten Ver-
ehrung her und beweist, dass man sich auch damit begnügte, am Eingänge des bezüglichen
Cömeteriums eine Kirche zu erbauen, die an solcher Stelle ohnehin über lauter Grabern empor-
stieg. Ahnlich verhält es sich mit der alten S. Felix-Basilica zu Nola.
Dagegen ist die berühmte Basilica des heiligen Petrus Uber demVatican-Cömeterium, die des
heiligen Paulus (Iber dem der Lucina an der via ostiensi in der gewöhnlichen Weise angelegt. Ferner
sind S. Agnes an der via nomentana, S. Laurentius an der via tiburtina, S. Sebastianus an der
via appia, S. Pancratius an der via aurelia. S. Praxedis u. s. w. über lauter Cömetcrien errichtet,
und zwar, so weit sich dies bisher ermitteln liess, nach der beschriebenen allgemeinen Form.
Leider wurden in späterer Zeit die Zugänge zu den betreffenden Cömetericn bei diesen Basiliken
vermauert. Bei der hier als regelmässig geschilderten Anlage stand somit der Altar in der
Basilica und zwar über dem Cubicul um, d. h. der Crypta, woselbst die Depositions-
stätte des Martyrs war, der also zu Füssen des Altars ruhte.
Halten wir einstweilen dies ^tatsächliche Verhältnis» fest und wenden wir uns zu der
zweiten Art von Denkmalkirchen , nämlich zu denjenigen, welche an Stätten anderweitiger
Erinnerung errichtet wurden.
Es ist schon jener Ürtlichkeiten des heiligen Landes gedacht worden, die bereits in
dem vor-constantinischen Zeitalter die Verelirung der Christen genossen haben und in der Zeit
Coiistantin's durch Prachtbauten ausgezeichnet wurden. Die Grotte der Geburt zu Bethlehem, die
Stätte der Auffahrt und des Grabes unseres Herrn waren die frühesten Sammelpunkte für die im
Orient durch Constantin und Helena entfaltete Bauthütigkeit. Die ursprüngliche Beschaffenheit
dieser Ürtlichkeiten ward bereits hervorgehoben und mit Ausnahme der Basilica über der Höhle
zu Bethlehem, findet sich keine mit der im Abendlande üblichen Mcmoria-Basilica. Vielmehr nahm
die, von einer Capelle umgebene heilige Stätte des Grabes und der Fussspuren die Mitte der
Geaammt-Architectur als selbstständiger isolirter Bau ein. Zu dieser Capelle stieg man
nicht hinab, sondern ging vom Planum der umgebenden Kirche hinein. Bei der, die Fussspuren
Christi auf dem Ülberge umgebenden Capelle stieg man sogar mehrere Stufen hinauf, um die
Spuren von Oben sehen zu können. Weder über dieser noch jener heiligen Stätte war unmittelbar
ein Altar errichtet. Dieser befand sich wohl in der grossen, die kleine Capelle umgebenden
Rotunde oder in der damit vereinigten Basilica. Erst aus der Zeit des Renovators der, durch die
Perser zerstörten heiligen Grabkirche, des Patriarchen Modestus wird von einem, vor der Grab-
capelle errichteten Altäre gesprochen, der aus dem einen Stücke des ursprünglich am Eingange
dieser Grabcapelle gelegenen Steines gebildet wurde. Der Bau des Modestus fällt in das Jahr 616
oder 6'26.
Es bedarf nach dieser Darlegung wohl keiner weiteren Worte mehr, um die Irrthümlichkeit
der Annahme einzusehen, welche die Crypta des Abendlandes aus der heiligen Grabcapellc zu
Digitized by Google
226 Jos. Ant. KcMim.
Jerusalem ableiten wollte. Diese Form stimmte auch vollkommen zur Central -Anlage, die von
Con8tantin besonders im Orient für christliche Kirchen in Anwendung gebracht wurde. Sie bot
sich Uberhaupt in allen Füllen, wo kein unter der Erde befindliches Grab war, als die einfachste
Art von selbst dar. So zeichnete auch Paulinus Nol. die Grabstätte des heiligen Felix in ähnlicher
Weise aus. Nach seinen eigenen Worten (Carm. 18, 170 bei Muratori) deckte ein Hügel die
Gebeine des Heiligen. Kr legte bei seinem Neubau eine Marmorplatte auf die Stelle und bekleidete
sie mit Silber. Schrauben und Klammern befestigten dieselbe an eine sichere Unterlag*.
(Nat. 13, 589 und 623.) Ringsherum führte er Geländer (cancelli) auf, welche diese Stelle
abschlössen. Aus Nat. 13, 585, 588 und 029 erfahren wir, dass die bezüglichen I berreste in
einer arca unter der erwähnten Platte aufbewahrt waren. Vor Paulinus Bauthätigkeit umscbloss
eine so enge Kirche diesen Ort, dass die sacra agenda (collccta) kaum verrichtet werden und die
Betenden fast ihre Hände nicht ausstrecken konnten (Carm. 26). Die darauf erbaute Basilica
hatte geschmacklose Pfeiler u. s. w. , kurz Paulinus legte eine neue Basilica in Verbindung
mit dieser älteren an. Das Grabmal des heiligen Felix war aber am Eingänge derselben und
nicht wie gewöhnlich am Altarplatze. (Carm. 24, 373 — 379.) Der oben beschriebenen Um-
hegung dieser Grabstätte conform, wird auch die der Basilica Pontiana vor den Mauern Mailands
gewesen sein, denn der heilige Ambrosius gebraucht in dem Briefe an »eine Schwester (Hb. VII,
54) gleiche Ausdrücke und bedient sich hiebet so wenig als Paulinus der Bezeichnung „crypta-.
Zeigt doch die Basilica des Keparatus zu Orleansville in ihren Resten noch eine analoge Ein-
richtung und überdies das Grabmal an der, dem Altar entgegengesetzten Schmalseite. In all'
diesen Fällen tritt zwar die Vereinigung der Memoria mit der Kirche hervor, aber mit grös-
serem oder geringerem Nachdrucke, d. h. der Isolirung der Memoria oder des Martyriums in
derselben. Ferner fällt hiebet die sinnige Anordnung des Altares über dem bezüglichen Mar-
tyrium oder der Memoria selbstverständlich weg und es wird erst in der nunmehr zu betrach-
tenden Constructionswcise diesem Bedürfniss entsprochen.
Als die zweite Art der Vereinigung der ausserordentlichen Cultusstätte mit der Kirche
bezeichneten wir jene, wo die Basilica oder Ecclesia erst nachträglich mit Reliquien aus-
gestattet wurde, indem man dieselben hier
deponirte. Hiebei ist natürlich das primitive
Verhältnis» vorausgesetzt. Dies erkannten w ir
aber darin, dass innerhalb der Stadt die
eigentliche Ecclesia oder deren mehrere schon
in frühester Zeit, also vor der Verfolgungs-
periode existirten und zwar nicht blos zu Rom,
sondern auch zu Antiochien, Tyrus, Alexan-
drien, Nicomedia, Edessa, in Algerien u. s. w.
Wir übersehen dabei keineswegs , dass in den
Zeiten des Friedens, namentlich zwischen
der Mitte des III. Jahrhunderts und dem Be-
ginne des IV. (303) nach Eusebius Bemer-
kung, auch schon von Grund aus gebaute
christliche Kirchen vorhanden waren, die
unter Diocletian fielen. In diese ursprüng-
lich ledigl ich der ordentlichen Eccle-
sia und deren Gottesdienst gewidmeten Basiliken wurden die Martyrreste
zu Constantins Zeit Ubertragen und gewöhnlich unter dem Altare beigesetzt.
Digitized by^OOgle
Fi*. 3.
UsTERSrCHrSGEN CUBU tilE CbVPTA.
227
Dass hierzu eine künstliche Crypta (Fig. 3) angelegt werden konnte , versteht »ich von
selbst, aber es darf nicht vergessen werden, dass, welcher Modus der Deposition auch nur
immer beliebt wurde, die Ecclesia oder Basilica das Priniiire gewesen und die Memoria
auf diese Weise erat dazukam. Die gewöhnliche Construction zu diesem Zwecke bestand jedoch
in Folgendem: Der Altartisch wurde auf einen Unterbau gestellt und letzterer
zu einer Kammer eingerichtet, welche die, im Sarkophag beigesetzten Reli-
quien aufnahm und mit Thüren versehen war. Diese Thttrcn bestanden gewöhnlich
aus Erz mit durchbrochenen gegitterten Theilen, durch welche man in diese Kammer hinein-
sehen, auch mittelst Tücher u. dgl. den Sarg berühren konnte. Weil dieser Unterbau sammt
der Grabkamtner mit dem Boden der Basilica in gleichem Niveau lag, so führten zu dessen
rechter und linker Seite Stiegen zu dem Altarplatze hinauf. Dieser Unterbau heisst ausser:
Memoria und Martyrium , auch locus testificationis, confessio, soliuni, aedicida und titulus.
Augenscheinlich ruhte der Märtyrer auch bei dieser Construction zu Füssen des
Altares, unter dem Tische des Allerhciligsten. Es erhebt sich nun die Frage: Stammt die
bezeichnete Anordnung des Altarstisches über dem Martyrgrabe erst au« der hier in Rede stehen-
den Periode, wo beide Arten von Cultusstittten unter demselben KirchengcbHude vereinigt
wurden, oder muss sie als eine Hltererc Uberlieferung der Kirche angesehen werden? Gewiss
ist jedenfalls, dass die Form derselben in der Basilica des vierten Jahrhunderts die schönste
Verwirklichung dieser Idee ist und als solche auch dieser Zeit angehört Die Idee selbst
tritt bekanntlich in der Apokalypse VI. 9. zum erstenmale auf: „vidi subtus altare animas
interfectorum propter verbum Dei et propter testimonium" . . . Damit allein ist aber obige Frage
noch nicht gelöst. Denn es handelt sich jetzt darum, ob bei den früheren Lehrern des Christeu-
thums eine Reminiscenz dieser Stelle bei Johannes zu finden ist und ob dieselbe mit der bezeich-
neten Altarbcstimmung im Zusammenhange erscheint. Das ist nun allerdings der Fall.
Den ersten Theil dieser Frage beantworten klare Stellen kirchlicher Autoren, den zweiten
Theil derselben aber ein einfacher, wiederum auf den deutlichen Ausspruch massgebender Docu-
mente gegründeter Schluss. Tertullian erwähnt nämlich in der antignostischen „Scorpiace"
betitelten Schrift, die um das Jahr 210 geschrieben wurde, ausdrücklich dieser Stelleder
Apokalypse. Er fährt dann fort: „Quinam isti beati victores, nisi proprie martyres? Illorum
enim victoriae, quorum et pugnae; eonim vero pugnae, quorum et sanguis. Sed et interim
sub altari martyrum animae placidum quiescunt et fiducia ultionis patientiam pascunt et indutae
stolis candidam claritatis usurpant, donee et alii consortium illorum gloriae impleant". Die
zweite, schon von Kreuser angeführte Stelle enthält die keineswegs ausgesprochene
Erwähnung der apokalyptischen Worte, obwohl sie implicite die ganze Apostrophe zu Tage
treten lUsst. Der heilige Cyprianus giebt eine Ermahnung an die Bekenner (de laude martyrii) :
„Vos intra se sanetum illud altare, vos intra se magna illa venerandi nominis sedes, vcluti
sinu quodam gremii amplectentis includit, vos imperia perennis temporis sustinent et illud quo
regnaturi Semper estis semperque victuri". Hiermit ist die Contimutilt in dieser Auffassung der
Kirche des HI. und IV. Jahrhunderts hergestellt, denn im IV. Jahrhundert steht dieselbe allent-
halben fest. Ambrosius, Prudentius, Hieronymus, Paulinus Nol., Augustinus, Athanasius Chry-
sostomus, Maximus Tyr. haben also diesen Zusammenhang von Altar und Martyrgrab nicht
erst zum Bewusstscin gebracht, da er schon im HI. Jahrhundert festgestellt war. Freilich ist
hier vorerst nur von der Idee, nicht von deren bildlicher Realisirung im Altar-
bau die Rede, welche letztere für das IV. Jahrhundert zweifellos feststeht. Wir urgiren also
die Worte Tertullian's und Cyprian's, des Ersteren „sed et interim" und des Letzteren „magna
sedes . . . includit" nicht weiter, wir constatiren hieraus nur die Continuität der bezüglichen Auf-
IX. 31
22S
Jos. Akt. Mkmmeb.
fassung. Nun wissen wir, dass an den Grabstatten der Märtyrer die natalitiae schon im zweiten
Jahrhundert begangen, dass gcniUss Tertullian und Cyprian die oblationes zur r"eier derselben
dargebracht wurden und das» au» der nämlichen Zeit auch in den Cömeterien diese „Darbrin-
gung" durch die constitutione» apostol. bezeugt ist. Diese „Darbringung" konnte selbst-
verständlich nur auf einem Tische oder dessen gelegentlichem Ersatzmittel, einer sieh sonst hiezu
als geeignet darbietenden grösseren Fläche, stattfinden. Im Cömeterium war diese einfach dar-
geboten in der Oberflüche eines Sarkophages unter dem Areosolium oder eines anderen Grabes
in dem Cubiculum. Es mag nun dies in der zunächst sich darbietenden, eben bezeichneten An-
ordnung oder vielleicht in der Weise bewerkstelligt worden sein, dass der tragbare Irisch für
die Oblationes im bezüglichen Cubiculum niedergestellt ward und auf denselben die Gaben
niedergelegt, so wie von demselben an die Gläubigen vertheilt wurden.
Zur Zeit der Verfolgung wurde der ordentliche Gottesdienst gleichfal Is in
den Cömeterien abgehalten und zum Wesen 1 desselben gehört diese „Darbrin-
gung u , welche schon Justinus Martyr, der um 1G7 starb (Apolog. I, 65 ff.), nicht mir
erwähnt, sondern auch aufs genaueste besehreibt und Eucharistia nennt. Das „dem
Vorsteher der Brüder gebrachte Brod und der mit Wasser gemischte Wein in einem
Kelche-, welche nach der feierlichen Danksagung des Vorstehers durch die Diakonen
an die Versammelten vertheilt wurden und über deren sacramentale Bedeutung, als Fleisch
und Blut Christi, daselbst eingehend gesprochen wird — diese Gaben wurden selbstver-
ständlich auf einem Tische bis zur Vollendung des heiligen Actes niedergestellt. Darum ist
schon im I. Korinther- und Hebräerbriefe 2 , bei Ignatius und Irenaeus von diesem heiligen
Tische oder Altar die Rede. Tertullian gebraucht fast immer die Bezeichnung „Altar-", eben so
Cyprian, und sein Zeitgenosse Dionys von Alexandrien (llouth, reliq. sacr. II, 392), und wenn
auch Ritscld's Bemerkung* zufolge, das von Döllinger * in Anspruch genommene Fragment
aus Hippolyt, nicht die vom Letzteren behauptete Beweiskraft haben soll, für unsere Argumen-
tation reicht auch das zugestandene Cyprianische Datum der Stelle hin, die von dem Opfer
Christi auf dem mystischen und göttlichen Tische zum Andenken an den ersten und denkwür-
digen Tisch des geheiiunissvollen göttlichen Muhles spricht. Die Erinnerung an diese Periode der
Bedrängnis» und Verlegenheit lebte in der späteren Form des Altarbaues sinnig fort, indem das
Martyrgrab, sei es im Cubiculum des Cömeteriums, sei es in der Grabkammer unter dein Altar-
tische zu Füssen des Altares ungeordnet war. Im Hinblicke auf die Natalitiae und die Interiins-
Eeclesia in den Cömeterien konnte also schon Tertullian die apokalyptische Stelle mit einem
realen Verhältnisse in der christlichen Gottesdienstform im Zusammenhange verstehen und die
betreffenden Worte verwirklicht erkennen. Dessgleichcn der heilige Cyprianus.
Die ordentliche, zur Friedenszeit besuchte Stätte der christlichen Ecclesia hatte laut den
mitgetheUteu Beweisstellen zwar einen Tisch oder Altai* für die Darbringung der Eucharistia,
aber kein Martyrgrab unter demselben, denn dieses befand sich ausserhalb der Stadt im
Cömeterium.
1 Ausser den bekannten apostolischen Helenen redet der eetite Hriet' des heiligen ('Jemens ad l'orinth. vom
Jahre »>? eindringlich von der Ordnung und festsetzten Zeit des Gottesdienstes und nennt < hrislu« den „ä&xitjMW
Bischof, Presbyter und LHakouen werden hier gleichfalls genannt, wie bei I'olycarp, llcnnas u. 8. w. -
* In jenem, 10, -*() und 21 heisst er „rpiiir«;« = mens», in diesem 10 T jj«caiT^j>io<" = idlure. Kbe» so bei Ignatius
ad Kphcs. f», ad I'hilad. 4. Oanu da» Fragment iu Irenaus (ed. .Stierem I, tC.4. Die hier von diesen Stellet» beanspruchte Autorität
wird bei ungleich früherer Bezeugung dieses Gegenstandes von dem Streit um die Authentizität und Interpolation der Ignatisehen
Briefe uubejrruif lieber Weise nicht alterirt. Denn falls das zulet/.t erwähnte Fragment des Irenaus auch unecht sein sollte, an
hat Irenaus adv. haeres. 4, I7i die Sache selbst, nämlich die Feier des Abendmahles, eben so unzweideutig documeutirt, al»
.Ii.stii.us M. - * Die Entstehung der altkatholischeo Kirche, 1 857. pag. MU». - * Hippolyt.« und Kallistus, 18M, pag. JM4.
Untbrslchunoex 6ber die Crypta.
229
Von dieser Zeit an begegnen wir der bezeichneten Form nicht nur in den, mit keinem
Cömeterium zusammenhängenden Stadt - Basiliken , sondern auch in solchen, die über einem
Grabe angelegt waren, ja wie die Stelle des Prudentius von der Crypta des heiligen Hippolyt dar-
thut, seihst in der eigentlichen Gruft des Murtyrs, freilich hier noch wegen Mangels einer
darüber erbauten Basilica. Demselhen Gedanken entsprach die, jetzt gleichfalls in Aufnahme
kommende Sitte, in Ermangelung grösserer Überreste von Märtyrern, in einer Area oder
Capsa unter dem Altartische kleinere Reliquien zu deponiren und so den unteren Theil des
Altarcs zum Sepulclirum zu machen. Bei Paulinus Nolanus und in der orientalischen Praxis blieb
diese Art von Deposition die herrschende. Der Altar wurde hierauf in der grossen Kirche, ganz
analog mit anderen Kirchen, angeordnet und eben so ausgestattet. Der Eifer, jeder Kirche mög-
lichst viele und theure Überreste der christlichen Vorzeit zu verschaffen und hiedurch ihr Ansehen
zu erhöhen, war im V. Jahrhundert erstaunlich gross, eben so nahm die Vermehrung der Kirchen
an allen Orten in hohem Grade zu. Damit hängt aber die Vermehrung der Altäre in der
Kirche zusammen, und die schon von Paulinus Nolanus an seiner Basilica angeordneten Cubi-
culae, fllr Privatandacht und Begräbnisse bestimmt, analog den „recessus, qui laterum seriein
jugiter exsinuant" in des Prudentius Beschreibung der Laurentius-Basiliea zu Rom, lassen mit der
hierorts möglichen Deposition eines Martyrs oder Confessors die gleichzeitige Entstehung eines
Altares begreifen. Die im IV. Jahrhundert vollzogene Vereinigung beider Stätten, der Ecclesia
oder Basilica mit der Memoria (martyrium) bleibt zwar auch in der Folge aufrecht, aber mit bald
stärkerer, bald schwächerer Berücksichtigung der Memoria. Endlieh erhält im VI. Jahrhundert
die Crypta, obschon mit der Basilica vereinigt, gleichfalls einen Altar, der ursprünglich
schöne Zusammenhang ist alterirt und die Capelle, das Oratorium und die Memoria nehmen ihre
i8olirte Stellung der Ecclesia gegenüber, dauernd ein. Nun ist aber auch die Beschaffenheit
des Altarbaucs selbst und die Begründung der oben angeführten Benennungen genauer ins
Auge zu fassen.
III.
Die einfachste Form, zugleich dem Primitiv-Charakter der christlichen Ecclesia in den
Häusern Einzelner entsprechend, bezeichnet der Name „Tisch" (mensa, trapeza). Obwohl wir
über dessen genauere Beschaffenheit nicht unterrichtet sind, so lässt
schon der Sachverhalt im voraus die Behauptung zu, derselbe werde
dem Haushalt entnommen und nach Maassgabe der Verhältnisse mehr
oder minder künstlerisch behandelt gewesen sein. Die Entdeckung
des echten Cömcteriums des Calixtus auf dem uralten Besitzthum der
Comelicr zu Rom und die von dem Entdecker im Spicileg. Solesniens.
(1858, pag. 505 ff.) hierüber gegebenen Mittheilungen und bildlichen
Darstellungen setzen uns sogar in den Stand, eine dieser Tischarten
genau zu bezeichnen. J. B. de Rossi fand nämlich in einem Cubicu-
lum dieses Cömcteriums in der Lünette die interessante Darstellung
eines zwischen sieben Körben stehenden tlrcifüssigen Tisches
(Fig. 4), auf dessen runder Tafel je in einem Teller ein Fisch und
ein rundes Brod liegen. Die krummen Beine dieses kleinen Tisches
Inf diesem Wandgemälde enden ganz deutlich in Löwen- oder andere Thierfüssc, so
ein getreues Exemplar des, auch auf pompejanischen Gemälden dargestellten, gew
{| •
das» wir
öhnlicheu
Digitized by Google
230 Jos. Axt. Messmek.
Tisches, der p mensa tripes" bei den Römern liiess, vor uns haben. Er wurde gewöhnlich schon
gedeckt in das Zimmer gestellt und nach dem Essen wieder entfernt. Auch zum Niederstellen der
Trinkgeschirre bediente man sieb
solcher runder oder viereckiger
Tischchen.
Dass die dortigen Gemälde
noch Uberreste der, von Papst
Fabianus 1 vor dem Jahre 250 hier
vorgenommenen Einrichtungen sind,
hat der genannte Gelehrte ausführ-
lich dargethan, wovon hier nur Fol-
gendes summarisch mitgetheilt wer-
den kann:
1. Der Styl der Gemälde
weist entschieden auf das III. Jahr-
hundert.
2. Das Costüm entspricht
dem um die Mitte dieses Silculunu
üblichen.
3. Das Symbol des Ankern
mit dem Delphin, das Decorative
u. s. w. sprechen für die früheste
Zeit der Herstellung, wo für viele
Gegenwinde die bestimmte christ-
liche Auffassung und Darstellung
noch fehlte, wesshalb unverfängliche
Symbole des Heidenthums dafür
gebraucht wurden.
4. Ist hier von den sonst in den Cömeterien gewöhnlichen Bilderkreisen keine Spur
wahrzunehmen, bo dass es klar ist, der Cyklus habe entweder noch gar nicht existirt oder er war
noch nicht allgemein angenommen, und der calixtinische Maler hat zum erstenmale diese
Darstellungen gewagt. Dazu kommt, dass die ganze unterirdische Anlage, die Gallerie mit den
fünf Zellen (Fig. 5) (eubiculae) sich als ein Werk der nümlichen Zeit erweisen und die Inschriften,
das dem dritten Jahrhundert allein eigene Monogramm. )|( die kurze Dietion, die vielen griechischen
Epitaphien und endlich die Schriftzeichen durchaus für das genannte dritte Jahrhundert zeugen.
Hauten wie die Verbindung des Altartisches mit dem Grabmale des Märtyrers waren schon
im vorchristlichen Zeitalter, zumal bei dem römischen Todtcncidtus bekannt, und ein Blick auf
bezügliche Münzen genügt, sich davon zu überzeugen. Bei Donaldson (Architectura numismatica,
1S59) finden sich belehrende Beispiele dafür, wovon wir nur den kleinen Monopteros des Maxhuiun-
Grabmals namhaft machen. Da wir gelegentlich der Besprechung* eines im hiesigen National-
Museum aufbewahrten Elfenbeinrcliefs mit der Capelle des heiligen Grabes den Unterschied des
Constantinischen Baues hinlänglich betonten , so sei hier nur hervorgehoben, dass die Hnupt-
formen solcher Anlagen bereits vorhanden und dem christlichen Bauwerk zu Grunde gelegt
waren; dass aber keineswegs die Ausbildung dieser Grundformen , die ohnehin von der cin-
' Auffallend nennt Kossi durchaus den Vorgänger de» Fabianus. den Antcrua als (JrhcbOf dieser R.iuten im CiiiDeWniiu),
wibmd der „alte Katalog" der Tapste doch nur bei Fabianus diese Notiz enthält — • Mittheilungeu ISliJ, Aprilliett
Uktersucirägen übeb wie Cbypta.
2:h
bohlten Beschaffenheit sein mussten, durch die christliche Kunst hier in Frage gestellt sein soll.
Auf die Bedeutung .solcher Einzelbaue für die Architectur des Christenthums im IV. und V. Jahr-
hundert hat ausser Bötticher und Weingärtner auch K. Th. Pyl (die griechischen Kundbauten.
1861) hinlänglich aufmerksam gemacht Wir wenden nun ausschliesslich dem Altarbau dieser
Periode die Aufmerksamkeit zu, und müssen im Zusammenhange mit Obigem voranstellen, dass
der V her bau tles Altares, das sogenannte Ciborium auf vier (s. Fig.^6 und 7) Silulcn sich als
Fig. C. Kijf. 7.
die einfache, dem neuen Zwecke conforme Übertragung des sonst geschlossenen Umbaues
des Grabmales Christi u. s. w. darstellt. Indem man die Wände entfernte und die kuppelforinige
Decke auf Säulen basirte, konnte der Altartisch in schönster Weise die eminente Stellung in der
Basilica erhalten und durch zwischen den Silulcn befindliche Vorhänge auch dem Blicke entzogen
werden. Wenn Prudentius an der mehrgedachten Stelle die Altar-Architcetur mit dem Namen
aedicula bezeichnet und Paulinus das Wort „soliuni" dafür gebraucht, so lilsst sich die
entsprechende Vorstellung gewiss in der eben geschilderten Construetion wiederfinden, so wie der
Zusammenhang mit ähnlichen Einzelbauten der Römer in Tempeln und Grabmonumcnten. Die
Verbindung des Altares mit der Depositionsstiitte fand schon in der Architectur des heidnischen
Korns hiefür ausgebildete Formen vor, deren Verwendung und Ausbildung in «lieser Periode um so
weniger abgelehnt werden mochte, als mit denselben längst andere Begriffe verbunden wurden.
Nachdem der christlichen Idee und deren Ursprünglichkeit hinlängliche Aufmersamkeit
geschenkt worden, kann hier in Bezug auf deren Ausdruck in der Architectur nicht umgangen
werden, dass derselbe sich an die zunächst gebotene Form ansehloss und desshalb auch die
nämliche Bezeichnung dafür nicht unterliess. Soliuni bedeutet nämlich in der römischen Kunst
auch Sarkophag und die Benennung „tribunal" hängt innig mit dieser Vorstellung und
Bezeichnung zusammen, welche letztere bekanntlich in der beregten Periode den Altarraum
gleichfalls vor den übrigen Theilen der Basilica auszeichnete. Die Kömer kannten Form und
Benennung dieses Gegenstandes bei Grabmonumenten bereits lange Zeit, wie ausser Tacitus
(Ann. II, G3) die Inschrift (Orelü, Inscript. lat. coli. II, 307) des Aelius Venerianus und die gleich-
uigmz
2:52
Jo*. Ant. Messmeb.
falls zu Bonevent gefundene (bei Mommsen, Iiiscript, regn. Ncapol. 1502) so wie andere DenkmHkr
sattsam beweisen. Dass aedicula den Ort bezeichnet, wo unter entsprechend kleiner Architectur
das Götterbild oder (bei Grabmälcrn) Asehenkrüge standen, ist ebenfalls klar, und wenn Cyprian«»
in der angeführten Stelle die Worte gebraucht: „vos intra sc illud altare, voa intra se magna illa
venernndi nominis sedos, vt luti sinu quodam gremii aniplectentis includit", so wird der Gedankt
an die hergebrachte Sitte ähnlicher Grabdenkmale, analog deren Benennung als solium und tribnnaL
nicht völlig auszuschliesscn sein. Die Erhöhung des Altarplatzes und die daselbst bewerk-
stelligte Errichtung eines ähnlichen Einzelbaues für den Altar rechtfertigen diese Bezeichnungen
auch in der christlichen Basiliea, nämlich tribunal, solium, aedicula für den Altarbau und dessen
Umgebung. Wir wollen andre Benennungen des Altares, wie Thron oder Sitz des Herrn, des
Leibes und Blutes Christi u. s. w. nicht hervorheben , erblicken aber darin Anspielungen, die mir
der Ausstattung des Allare» in einer der bezeichneten Grundformen zusammenfallen. Die Uber-
einstimmung des Formellen musste selbstverständlich immer mehr hervortreten, je mehr es Sitte ,
wurde, den Altartisch aus Stein herzustellen und so ein architektonisches Ganze aufzu-
führen. Was von einem Deerete des Papstes Evaristus in Bezug auf die steinernen Altäre behauptet
wird, lässt sich nicht beweisen. Dagegen machen die verdienten Verfasser der „Studien über die
Geschichte des Altares u einen andern Versuch, den steinernen Altar für diese frühe Zeit der
christlichen Kirche nachzuweisen, dessen sofort gedacht werden wird. Gewiss ist, das« erst vom
IV. Jahrhundert an der christliche Altarbau in der Architectur der Kirche eine auch durch die
Form eminente Stellung erhielt und die hölzernen Altäre allmählich verschwanden. Der auf dem
steinernen Unterbau mit dem Sepulcrum ständig befestigte Altartisch ward analog den neuen
Verhältnissen und in Übereinstimmung mit dem Materiale des ganzen Baues gleichfalls aus dem-
selben Stoffe gebildet, so dass die Platte auf Säulchen ruhte, die bei splendiden Bauten aus kost-
barem Metall, aus Erz, gewöhnlich aber aus Stein waren. Trat nun zu dieser Construction noch
der oben erörterte Überbau, der, einem Baldachin vergleichbar, den heiligen Tisch überschattet»
oder wie eine kleine, aber geöffnete Capelle umhegte, so ist die architektonische Ausstattung dieser
bedeutsamsten Stätte vollendet. Es braucht nicht wiederholt zu werden, dass alles, der Hauptsache
nach, im antiken Styl und nach antiken Mustern ausgeführt war. In Byzanz besonders bildete dieser
Altar-Überbau — später Ciborium genannt — den Glanzpunkt der Kirche, den ein Aufwand von
kostbarem Metall auszeichnete.
Von dem Repositorinm für die heilige Wegzehrung innerhalb dieses capellenförmigen Altar-
Umbaues kann hier nur bemerkt werden, dass aus der Stelle bei Tertullian (adv. Valentin. 3) nach
unserem Dafürhalten für diese Sache nichts geschlossen werden kann, wenn es nicht gelingt,
durch anderweitige Belege die Interpretation zu sichern. Eben so wenig lässt sich die Stelle
des Anastasius im Leben Sylvesters hiefür in Anspruch nehmen, weil der hier allein
einschlägige „alte Katalog" davon nichts enthält, und sogar der Katalog von 530 die bezügliche
Notiz nicht beibringt, dieselbe somit dem IX. Jahrhundert angehört. Dass aber in einer Nische der
Apsis oder in einem kleinen Schrank in der Nähe der Kathedra die heilige Wegzehrung im IV. Jaiu-
hundert aufbewahrt worden, machen ausser Paulinus Nol. 1 auch die Verhandlungen- zur Zeit
Constantins über angeblich abtrünnige Bischöfe in Nord-Afrika wahrscheinlich, wo von einem
Schlüssel zu den Büchern der Kathedra die Rede ist und aufgetragen wird, ja acht zu geben, dass
die OfHciulcn nicht das Öl und Wcizenbrod (nc tollant oleum et tricticum) wegnehmen. Für das
VI. Jahrhundert ist aber diese Art von Repositorien in Gestalt von Tauben und kleinen Thürmchen
hinlänglich bezeugt.
> l'.mlin. V Kp. :!», |:5, Mi. - » N.ilimi Mi»e. II. *4.
Digitized by Google
Untersuchungen über die Crypta.
233
Doch kehren wir zu unserem Gegenstände zurück. Der Altarbau führte ausser den angeführten
Namen auch die Bezeichnung „titulus". Derselbe ist von grösserer Wichtigkeit als die übrigen,
zumal noch eo wenig Sicheres darüber aufgestellt wurde. Bei Prudentius heisst es (Peristeph. V, in
S. Vincent, v. 302) „nc sit sepulchrum funeris, quod plebs gregalis excolat, titulumque fingat
martyris" in Verbindung mit 510 und 513 ebendaselbst: „tumuloque corpus creditum . . . pace
reddita altar quietem debitam praestat beatis ossibus" und aus dem Hymn. 12 auf SS. Peter und
Paul, V. 45 „parte nlia titulum Pauli via servat Ostiensis" geht hervor, dass titulus so viel als
memoria bedeutet und zwar die Verbindung von dieser und dem Altare, die im IV. Jahrhundert,
wie gezeigt worden, im Abendlande üblich wurde. Dazu kommen Belege aus dem römischen Gritber-
dienste, die gleichfalls das Monument also benennen. Vgl. bei Orelli, Inscript. lat. collect. II, 1400,
4. r )94 und 4222, woar^Xr, mit titulus übersetzt ist, dann 4636, 7303 (III. Band), 7383, 7401, 7370, so
dass kein Zweifel herrschen kann, diese Bezeichnung sei eine, bei den Römern für Grabmäler her-
kömmliche gewesen.
Die von Muratori in seinem Werke (Arezzo 1771) zuerst publicirten Grabinschriften des
Gregor Nazianz (Tom. XII, p. 113 — 151) beweisen das Fortleben der Sitte, auf den Verstorbenen
ausführliche Inschriften zu verfassen und dieselben an der Grabesstätte (vgl. ibid. Poem. 137,
151 etc.) anzubringen, wcsshalb Inschrift und deren Trilger mit Recht den Namen titulus führten.
Der Titel sollte vor entweihender Hand schützen. Daus letzteres damals auch für die Christen
gemeint war, ersieht man aus den citirten Stellen hinlänglich.
Die Märtyrer-Grabstätten und deren Memoria führten somit diesen Namen mit Auszeichnung.
Diese Memoria war ein titulus katexoehen und völlig unantastbar.
Der mit der Memoria vereinigte, beziehungsweise diese in sich schlicssendc Altarbau wurde als
Ganzes gleichfalls so benannt, wie er ja auch auf dieselbe Weise memoria, martyrium u. s. w. heisst.
Gerade so wurde auch die Bezeichnung titulus auf den ganzen Altarbau bezogen, obschon er gleich
den erwähnten Benennungen (memoria, martyrium etc.) eigentlich nur die Martyr-Grabstütte anzeigte.
Wie ferner nach diesem Haupttheil der Kirche endlich diese se 1 b s t memoria oder martyrium
genannt wurde, so auch nach der in Rom besonders üblichen Bezeichnung desselben: titulus.
Titulus bezeichnet somit eine Kirche, welche einen mit dem Martyrergrabe verbundenen Altar besitzt.
Da im IV. Jahrhundert aber jede Basilica oder Kirche zu Rom in dieser Weise ausgestattet war,
so heisst auch jede Basilica daselbst titulus.
Die Richtigkeit dieser Folgerung bestätigt die angeführte Stelle aus Prudentius, der die Basi-
lica S. Paul an der Strasse nach Ostia den titulus S. Pauli in dem erörterten ursprünglichen Sinne
nennt, und dann der Brief des Papstes Innocentius I. ad Deccntium Kpisc. wo es heisst:
„de fermento vero, quod die dominica per titulos inittimus, superflue consulerc nos voluisti,
cum omnes ecclesiae nostrae intra civitatem sint constitutae; quarum presbyteri, quia die ipsa
propter plcbcm sibi creditam nobiscum convenire non possunt, ideirco fermentum a nobis con-
feetum per acolythos aeeipiunt." Dass hier tituli gleichbedeutend mit ecclesiae gebraucht ist,
leuchtet ein, denn Innoccnz sagt, er schicke „fermentum" am Sonntag zu den Titeln oder Kirchen
in der Stadt und zu deren Priestern etc. Es empfingen also die Presbyteri der unmittelbar zuvor-
genannten „ecclesiae omnes" das fermentum. Die an den Cömeterien angestellten Priester hin-
gegen erhielten dasselbe nicht, „quia nec longe portanda sunt sacramenta" und die Presbyteri
P jus habeant atque licentiam eomm (sacramenta) conficiendorum". Der anfragende Bischof wollte
die Sacramcntc (i. e. fermentum) sogar an die Pfarreien seiner Diöcese schicken, was Innocenz
aus obigen Gründen für unstatthaft erklärt. Damals (den 19. Marz 416 ist dieser Brief geschrieben)
' Ed. d. ConsUnt. Fol. 8(50 ff. t-p. 25, Nr. 8.
234
Jos. AlS-T. Me8SMEK.
hatten aber die Cümeterien bereit« viele über ihrer Hatiptgruft erbaute Basiliken , z. 13. S. Paul.
8. Peter, S. Laurentius u. 8. w., die der Brief blos Cümetcria nennt oder obiges „intra civitatem-
nieht näher bestimmt, sondern blos der Frage gegenüber verstanden haben will, in welcher Rücksicht
freilich auch die Coraeterium-Basiliken noch nahe der Stadt erscheinen und Innocenz hier nnr
die alte Bezeichnung (coemetcrium) fortgeführt haben kann , um die Wiederholung der nümlichtn
Benennung zu vermeiden. Denn S. Paul heisst auch titulus, wie Prudentius beweist, und ausser-
dem werden in den Unterschriften des Concils unter Symmachus im Jahre 499 aucli die Basilika
S. Praxedis und Tigridis. die über Cömeterien standen, tituli genannt, wie auch das Schreiben de*
römischen Clerus an Kaiser Honorius vom Jahre 418 wohl die Priester an Cömeterien-Basilikeu
gleichfalls mit zu jenen rechnet, die einen Stellvertreter zurücklassen, um mit dem Papste gemcin&wi
vor dein Kaiser die Wahl des Eulalius zu verhandeln, so das» der Ausdruck „relictis enim sin-
gulis per titulos presbyteris omnes aderunt" auch auf dieselben zu beziehen sein wird. Dass
diese Benennung übrigens zu genannter Zeit des Concils unter Symmachus nur bestimmten
Basiliken Roms zukam (28 an der Zahl) und mit dem Presbyterium an denselben umfassenden:
Rechte verbunden waren, wissen wir, aber es ist hier nicht der Ort, der Fortbildung dieser Einrich-
tung weiter zu folgen ; hier handelt es sich lediglich um die Erfassung des ursprünglichen Begriffe;!
und diese hoffen wir getroffen zu haben, wenn wir sagen: titulus ist ursprünglich so viel als
memoria oder martyrium, tritt nur in der dem IV. Jahrhundert eigenen baulichen Vereinigung
von Altar und Martyrgrab auf, und wird wie die Bezeichnungen memoria, martyrium gleichfalls
zur Benennung der Basilica angewendet. Spitter, etwa um die Mitte des V. Jahrhunderts, kommt
aber diese Bezeichnung nur bestimmten, mit bleibenden Rechten ausgestatteten Basiliken Rom«
zu. Wir leiten somit die Benennung nicht direct vom Altar, sondern vom martyrium oder der
memoria im engeren Sinne ab, und weichen hierin von den Verfassern der „Studien zur Geschieh*
des Altares 0 ab, die sich auf die Stelle: Genes. 28 berufen. Wir halten nämlich die Berufung auf ,
diese Stelle so lange für unstatthaft, bis bewiesen wird, dass wenigstens ein einziger Autor dieser
Periode von der Stelle den hier einschlägigen Gebrauch macht. Bis jetzt ist uns wenigstens dieser
Erweis nicht gelungen, wohl aber die, unsere oben gegebene Darstellung unterstützende Auslegung
bei den bezüglichen Vätern begegnet Allerdings hat die versio antiqua (Itala) bei Sabatier I. für
das arffa der Septuaginta an beiden Stellen v. 18 und 22: titulus, aber Cyprianus 1 (Testim. II, 16)
gebraucht den Ausdruck nicht, sondern sagt: „lapidem consecravit et unxit sacramento unctiomV
Ambrosius' wiederholt zwar denselben Ausdruck des Textes, fügt aber als Erklärung bei: „net
mirum si pacem haberet, qui columnam statuerat et unxerat Deo, quae est ecelesia. Cohunna
enim et firniamentum dicta est veritatis. Eam nngit, qui in Christum fidei, in paupercs misen-
cordiae fundit unguentnm". Augustinus und Hieronymus constatiren lediglich den Text ohne ein-
schl Hgigc Erörterung. Letzterer' übersetzt hingegen den Ausdruck des Eusebius (H. eccl. II, 23)
vom Grabmal des Apostels Jacobns zu Jerusalem „oty^tj" wieder mit dem Worte „titulus", wm
hier nur monumentum oder Grabmal heissen kann. „Juxta temphun, ubi praeeipitatus ftaerat,
sepultus est; titulum nsque ad obsidionem Titi et ultimam Hadrian i notissimum habuif.Ls ist
also offenbar, dass die ursprüngliche Bedeutung r Denkmal, Mal" bei dem Ausdrucke „titulus" 1
die stets lebendig erhaltene war und der Nachdruck nicht auf „Altar", sondern auf das damit ver-
einigte Martyr-Sepulcrum , die memoria, gelegt blieb. Von Stellen aber, wie im Briefe Pius' I-
an Justus Episc. Vienn. und an Veras Ep. Flor., ferner von den sogenannten Acten des Papste*
Stcphanus, kann kein wissenschaftlicher Gebrauch gemucht werden, weil jene Briefe entschieden
' Eil. Rahu. P»ri». Erführt durch Stellen der Uaias, Zacharias, Joroe und Act. Ap. 4 de» Heweis, das« Chri«tM der Cnnd-
»fein der nenen Scliöpfnng; aei. .. ,qucm lapidem consecravit et onxit lacr. nnetionis Christum signiticau» , seil. Jacob«»- — •
Jacubo et Vita beatn, lib. II, 28 u. 5. — > Do ncriptnr. eccles. ('. 2.
by Google
TJuTEKsrcnuKOEN- fntu die Crypta.
2M>
unterschoben, diese Acten aber im IV. Jahrhundert rcdigirt sind, worüber alle Auctoritäten ein-
stimmig sind '. Im Hinblicke auf die letzteren Documente über P. Stephan können nüudich die
Worte „crypta, titnlus u u.dgl. nicht als dem Martyrium gleichzeitg beansprucht werden,
sondern beweisen lediglich für die Zeit der Redaction, die um 352 angenommen wird. Dabei
wird der dargestellte Sachverhalt hiermit nicht verhindert
Die von den Verfassern der „Studien der Geschichte des Altares" gebrauchte Wendung,
dass vom Papst Sylvester die Einrichtung eines Oratoriums als titulus des Equitius und von
Evaristus die Vertheilung der „Titel* berichtet wird, diese aber den Altar postuliren, kann im
Resultat, welches die Herren Verfasser constatiren, wohl nicht bestritten werden, aber die
Belege sind unzureichend, weil nicht authentisch, Bartolini beweist seine Behauptung Uber
Evaristus u. s. w. keineswegs; die Verweisung auf ihn hat also keine Bedeutung, so
gelehrt die betreffende Abhandlung auch sein mag. Weder der alte noch der jüngere Katalog
enthalten diese Notiz und Anastasius bezeichnet mit den Begriffen seiner Zeit das mehr oder
minder sicher Überlieferte der Vorzeit. Im Resultat, dass das Denkmal oder titulus der Kirche
diesen Namen gab, aber verbunden gedacht mit dem Altar, nicht dieser ohne jenes, stimmen
wir den Verfassern vollkommen bei. Es leuchtet ein, dass auch aus der Auffassung derselben, der
Altar st ein sei der eigentliche titulus, dasselbe folgt, was aus der unserigen folgt, nHmlich dass
jede Kirche titulus heissen konnte, nach dem ursprünglichen Begriffe. Für die Richtigkeit unserer
Darlegung sprechen aber noch Urkunden spaterer Zeit so deutlich, dass es erlaubt sein mag
derselben zu gedenken. Der Bibliothekar Anastasius im IX. Jahrhundert gebraucht wiederholt
diese Benennung als gleichbedeutend mit basilica, so im Leben Damasus'. . „constituit titulum in
urbe Roma, scilieet basilicam" ; ausführlicher in dem des Innocenz (v. 102), wo das damit zusammen-
hangende Rechtsverhältnis» betont erscheint.
Der für die christliche Archäologie hochverdiente Pellicia 5 führt bei Behandlung dieser
Frage eine Stelle aus Eulogius vom Jahre 850 (Memorial. II, 1. in Collectio SS. Patrum ecclesiae
Toletanae, Matriti 1785, fol. 457) an, welche von der Bestattung des Martyrs Perfectus zu Cordoba
sagt: „in basilica b. Aciscli in eo titulo, quo felicia ejus membra quiescunt, humatur". Er deutet
auch die Inschrift: „T. I. X. N. ego Damasius" etc. also: „titulus in C hristi Nomine" und erklärt
alle Kirchen, wo ein Altar mit Reliquien stand, als Titel; denn auf der Rückseite des Steines
obiger Inschrift befanden sieh die Worte: „hic requiescit caput saneti Crescentini 31. et reliquiae
s. Supant". Seine geistreiche Erklärung des Wortes titulus — tutulus, d. h. testudo, tectum, abge-
leitet von tueri seu tegere, mag hier nur angemerkt sein, weil nach unserem Dafürhalten dieser
uralte Begriff zu der Zeit, als das Christenthum von dem Ausdrucke desselben Gebrauch machte,
längst dem oben ausführlich Dargestellten, also dem der memoria Platz gemacht hatte. Übrigens
i rscheint die Thatsache merkwürdig, da.ss durch den christlichen Altarbau bezeichneter Art dieser
uralte Wortbegriff wieder zur vollen Wahrheit wurde. Unter den, aus dem IX. Jahrhundert stam-
menden Reichenauer A 1t ar - Insehr i ften 1 lautet eine: „miscrere Gerolto qui titulo tali ornavit
templum virginis". Die dem XI. Jahrhundert angehörige Notitia fundationis des S. Georgs- Klosters
auf dem Schwarzwalde 4 enthalt cap. 18 die Worte: „haec ergo domini Hezelonis de translatione
monasterii relatio . . . deditio facti est . . . in cella S. Georgii, in capella lignea. super reliquias . .
adhuc non repositas sed ad hoc reservat«», ut reeoudautur in oratorio consummato, ubi statorius
ejusdem martyris futurus irit titulus 4 ; und Leo v. Ostia hat ((,'hron. H, 3) dieselbe Wortbedeu-
tung: „in ecclesia etiam titulum con confessione sua . . . satis decorum adauxit", wozu lib. III, 28,
"Vgl. (.'nnatant op: c. Kol. 20 im Appcndi*, Hninart Acta MM. l'.rO IT. und Selielstrate Fol. 201, Toni. I. — * Ausmalte
von Hilter, II. Hand, pag. 42 ff. — 3 Mone, Quellcnsammlung zur badischcit Lumlesgcschiclite III, 133- — 1 Mono, Zeitschrift
Ali- Geschichte du» ObirrUein» 1*0$, IX. Band, pag. 20O.
IX.
Digitized by Google
230
.To«. Amt. Mkssmek.
gehört: „fenestras omncs tamnavis quam tituli plumbo . . . inclusiv wo, wie bei der Bezeichnung;
tribunal auch der den Titel, d. h. die memoria zunächst umschließende Raum denselben Namen fiilut.
Fassen wir das Ergebnis« der etwas ausgedehnten Untersuchung zusammen , so finden wir
die analysirten Benennungen fUr den Altarbau: memoria , titulus, tribunal, solium, martyrium.
confessio, aedicula, mit der im IV. Jahrhundert in Aufnahme gekommenen Construction gleich-
zeitig und von dem Denkmal oder Sepulchrum des Martyrs auf das Ganze: Grabstätte und
Altartisch, übertragen, dann auf den Altarraum Uberhaupt bezogen und endlich zur Bezeichnung
der ganzen Kirche als memoria, martyrium und titulus gebraucht. Die Crypta führte im IV. und
V. Jahrhundert gleichfalls die Namen memoria, martyrium, confessio und behielt für «las Abend-
land ihre Lage unter dem Altarplatze bis ins XIII. Jahrhundert bei. Der tiefsinnige Zusammen-
hang zwischen Altaitisch und Martyrstätte in der Crypta wurde im VI. Jahrhundert durch Errich-
tung eines eigenen Altares in der letzteren alterirt, jedoch dieser Art von Anlage in Deutschland,
Frankreich und England vor der im Orient gebräuchlichen und der in Rom durch Coiistantin
eingeführten — Deposition im Unterbau des Altarcs — durchweg im IX. und X. Jahr-
hundert der Vorzug gegeben. Die Crypta unter dem Altarplatz kommt erst in der Periode Con-
stantins in Aufnahme, weil vorher Basilica (Ecclesia) und Cömeterium räumlich getrennt, jene
innerhalb, dieses, ausserhalb der Stadt waren. Dies allein lässt die, bis zu Cavedoni's Unter-
suchung afrikanischer Inschriften dem Jahre 252 vindicirte Basilica des Reparatus zu Orleanville,
in die Constantinische Zeit setzen , weil hier die Crypta mit der Basilica bereits vereinigt
erscheint. Obwohl uns bis zur Stunde, trotz der freundlichsten Bemühung des hiesigen königliche»
Bibliothekars Hen-n Füringer, diese Abhandlung 1 noch nicht zu Händen ist, so lassen uns die auf
Grund gelegentlicher Äusserungen de Rossi's in der erwähnten Abhandlung und der „Stimmen
aus Rom" Uber die bezügliche Beweisführung des modenesischen Gelehrten angestellten Nach-
forschungen nicht mclir im Zweifel, dass dessen Berechnung der Mauritanischen Ära die richtige,
folglich die genannte Basilica im Jahre 325 oder 327 gegründet sei. Nach Tillcmout und Sehe/-
starte (II, 497 und 223) wurde (laut Plinius V, 1 und Dio. 55 und 60) Mauritanien erst im Jahre 42
nach Chr. durch Kaiser Claudius zur römischen Provinz erklärt. Zu der auf der Inschrift jener Bnsiliea
bezeichneten Zahl 285 müssen somit 42 (nach Cavedoni 40) Jahre hinzugezählt werden, um das Jahr
unserer Zeitrechnung zu erhalten, also resultirt 327 oder 325. Caligula liess nämlich im Jahre
40 den letzten König Ptolomäus ermorden, um sich des Reiches und der Schätze desselben zu
bemächtigen, und von diesem Jahre scheint Cavedoni die Ära zu datiren. Dass aber die Anlage
einer Crypta in Nordafrika in der hier aufgefundenen Form Uberhaupt gewöhnlich gewesen,
ersieht man auch aus der Erzählung, die S. Augustinus (de Civit. Dei 22, 8) von der Heilung
zweier Geschwister an der Memoria des heiligen Stephan zu Hippo mittheilt —
Möchte es uns nur einigermassen gelungen sein , zu der trefflichen Arbeit von Laib und
Schwarz und zu den im Organ für christliche Kunst von Kreuser publicirten Aufsätzen Uber
dieses schwierige Thema der altcliristlichcn Kunst etwas beigetragen zu haben, auf das» es unserer
schönen Wissenschaft beschieden sein möge, die Klage des altchristlichen Dichters auf unsere
Zeiten unanwendbam zu machen, wenn er ausruft :
Ü vctitstatis silentis obsoleta oblivio!
Iuvidcntur ista nobis, fama et ipsa exstingnitur.
» IUgtpwfflio critico di aliauiote Uerulonl Christiane scoperte nell' Algeri* a que»ti Ultimi anni. Moden«, IS.V.t.
... Wivl;.
237
Neu entdeckte Wandgemälde
in der katholischen Kirche zu Fekete-Ardö im Ugocsaer Comitate in Oberungarn.
Von Dr. Michael Haas,
Bi.i-U.if «B Sj»ltinUr tiK.
i\.uf der Strasse, welche von Szathntar durch die Ugocsaer Gespanschaft in die Mannarosch führt,
gelangt man im Mittelpunkte der genannten Gcspansehaft in den Marktnecken Fekete-Ardö, das
ist Seh warz-Ardö, der gegenwärtig von 1") lateinischen Katholiken, G06 griechisch-katholischen
Ruthencn, 340 Reformirtcn und 160 Israeliten bewohnt wird.
Dieser Flecken wurde einst von Sachsen oder r Flandrens cm a bewohnt und war eine
königliche Villa (villa rcgalis oder eigentlich reginalisj. In einer Urkunde vom Jahre 1337 wird
der Ort: r Regalis villa Ordow" genannt und eine Urkunde Ludwigs des Grossen vom Jahre 1361
nennt die Bewohner von Fekete-Ardö wie auch die von Ugucha und Zaaz Jiospites nostri-,
denn Ardö gehörte zu jener Zeit zur königlichen Burg in der genannten Gespanschaft. In der
nächsten Nähe dieses Marktfleckens liegt heut zu Tage noch Szäszfalu, das ist Sachs endo r f.
und weiter gegen Norden lag einst Felszasz, das ist Ober-Sachsen, und östlich das Dorf
Bathar. In diesem Dorfe wohnten im Jahre 1201 Flaudrenser. In dem Regestrum (deVarad) von
Grosswardein vom Jahre 1201 — 123") heisst es bezüglich des zu Grosswardein stattgefundenen
Gottesurtlicils des glühenden Eisens unter Nr. 243: „Paul de villa Beltuk (bei Szathmar)
impeeiit omnes Flaudrenser de Batar, pro occisione fratris sui Benedicti. Quod cum predicti
Flandrenses non dillitereiitur, sed dicerent se illum in latrocinio occidisse, Ksau comes de Hugosa
ex preeepto regis diseuciens, per pristaldum nomine Martinum misit Uaradinum ad candentis ferri
iudicium, ubi Faul portato ferro iustiheatus est'. u Hieraus erhellt, dass bereits in dem ersten Jahre
des XIII. Jahrhunderts in der Nähe von Fekete-Ardö Flaudrenser wohnten. Bei Thuröczy heisst
es (2, 22), dass unter Stephan dein Heiligen und Geysa I. unter andern auch „Rhenense»", das
heisst Rheinländer, nach Ungarn einwanderten und vemutthlich sind das die obigen Flaudrenser.
Bekanntlich wanderten die .Sachsen" aus Holland, Flandern und aus verschiedenen Gegenden
Deutschlands nach Ungarn und Siebenbürgen. Sie kamen in kleinen und grösseren Abtheilungen
und erschienen in Siebenbürgen um das Jahr 1141.
1 .Siihr Knitlichrr Munuiuenta Ihm«. Sanjfsil. IS II), \mtf. 7o|.
IX.
238
Dr. Michael Haas.
Ferner besitzen wir ein Breve Papst Urbans an König Stephan V., den Sohn ßela IV., vom
Jahre 12G4, in welchem der Papst schreibt, dass er vernommen habe, dass Stephan V. mehrere
Dürfer im Ugocsaer Comitate, wie Scölös, Kiralyhaza (beide von Sachsen bewohnt) und andere,
die von uralten Zeiten an stets den Königinen Ungarns gehörten, sieh auf ungerechte Weise
zugeeignet habe, und er (der Papst) ermahnt ihn daher, diese Dörfer, unter Strafe der Kxcommu-
nication, ihrer EigeuthUmerin (der Königin) zurückzuerstatten, „quasdam villas.... »pias et ceterae
Ke-ginae Ilungariae, quae praecesserant, a tempore, cuius memoria non existit, tenuerunt pacifice
et quiete" (siehe Pray Anno 1, 318).
Aus diesen und mehreren Gründen behauptet nun Anton Szirmay in seiner „Notitia Comitatus
Ugochiensis" ('S. 139), dass sich die deutschen Bewohner der gedachten Gespanschaft zweifelsohne
schon unter Stephan dem Heiligen in den genannten Ortschaften ansiedelten, wie z. B. die Hewohner
von Szathmar-Nemethi, von denen es historisch bewiesen ist, dass sie sich, von der ersten ungarischen
Königin Gisela berufen, unter der Regierung des heil. Stephan an der Samos hauslich niederliessen.
Übrigens erfreuten sich diese deutschen Ansiedlungen im Ugocsaer Comitate vieler könig-
liehen Privilegien. So verlieh Ludwig der Grosse den ebenfalls deutschen Kronstiidten in der Mar-
niarosch alle jene Privilegien, deren sieh die Bürger der königlichen Stadt Scölös im Ugocsaer
Comitate „eives de civitate regia" seit alten Zeiten erfreuten.
Die Bewohner von Felszasz (Obersachsen) waren verpflichtet, den Ugocsaer Grafen einmal
des Jahres zu bewirthen. Die königlichen Wagen mussten sie in den Grenzen ihres Gebietes
befördern und Schnitter für den König liefern. Stephan V. gibt ihnen
1272: „hospitibus nostris de villa Pelzig (Obersachsen) apud douium
nostram videlicet in Ugocha constitutis", freie Kichterwahl. Der
Richter hat die Befugnis», alle Klagen
ausser in Criminalfailcn , zu ent-
scheiden. Letzere sind dem Ugocsaer
Grafen vorbehalten. Die Kirche von
Felszasz (Obersachsen) war, einer
königlichen Capelle gleich, von jeder
geistlichen Jurisdiction befreit.
Nach all dem kann demnach
kein Zweifel darüber obwalten, dass
Feketc-Ardö seit den Zeiten des heil.
Stephan von Deutschen bewohnt und
Kigeuthum des Königs oder vielmehr
der Königinen von Ungarn war,
und dass nun diese Deut scheu die
fragliche Kirche, von der sogleich
die Hede sein wird, erbaut haben (siehe Mailäth, Geschichte der Magyaren I. 2f>l).
Was Stephan V. anbelangt, der, mit seinem königlichen Vater stets hadernd, die obgedachten
Besitzungen der Königin sich höchst, ungerecht zueignete und den ungarischen Thron noch vor
dein Hinscheiden seines Vaters mit Gewalt besteigen wollte, und daher sich wiederholt gegen
seinen Vater empörte, so gelten von ihm die folgenden Worte der heiligen Schrill so treffend, dass
es anmOglich ist, etwas Besseres zu sagen ; Fessler hat sie zuerst auf Stephan angewendet, und
sie lauten: „D&fl Erbe, danach mau zuerst sehr eilet, wird zuletzt nicht gesegnet sein, denn wer
den Vater entrüstet und die Mutter verjaget, der ist ein schändlicher und verfluchter Sohn, dessen
Leuchte wird ausgelöscht in der dicksten Pinsterniss iSjuichw. 20, 2lj.
Vfe I.
Digitized by Google
Ntr entdeckte Wandgemälde.
2'tl)
Wann die Kirche zu Fekete-Ardö erbaut worden ist, das werden die beiliegende Zeichnung
(Fig. 2) und der höchst einfache Grundriss (Fig. 1) beiläufig andeuten. Im Jahre 1560 umstellte
Gabriel von Pcrdn den Pfarrhof zu Fekete-Ardö mit einer bewaffneten Sehaar und zwang den
damaligen Pfarrer Stephan Karoly durch Hunger und Durst zur Übergabe seiner Kirche an die
Protestanten (Szinnay 138). Zweifelsohne Hessen die neuen Kigenthümer der Kirche die fraglichen
Wandgemälde, die ihnen ein Gräuel waren, übertünchen, das gothische Gewölbe des Langhauses
der Kirche einschlagen und mit einer Stuccaturdecke ersetzen, wie sie dies an vielen Orten in
Ungarn bewerkstelligten.
Im Jahre 1754 ward die Kirche durch Baron Sigismund von Pcrcn den Reformirfen entzogen
und den früheren Kigenthümern wiedergegeben. Vor beiläufig zwanzig Jahren wurde das Lang-
haus und der Thurm durch einen Sturmwind grösstenteils di r Dachung beraubt und dem Verfalle
preisgegeben und seit dieser Zeit wird zum Gottesdienste nur das noch mit seinem alten Gewölbe
versehene Sanctuarium verwendet. Da nun endlich auch die letzten Ki ste der Bedachung des
Langhauses einstürzten, so wurde die westliche Wand, die ohne Fenster ist, durch den ein-
dringenden Regen von ihrer Übertünchung befreit und es zeigten sieh auf ihr sechs grosse Wand-
gemälde. Ausser diesen sechs Gemälden dürften wenigstens noch vier andere an der nämlichen
Wand unter der alldort noch haftenden Übertünchung vorhanden sein.
Vor vierzig Jahren besass diese Kirche noch eine gotliiscjie, reich verzierte, grosse eiserne
Thüre, wie mir alte Bewohner des Dorfes erzählen, niemand weiss jetloch, wo dieselbe hingekommen
sei. Auch sind in die nördliche Mauer der Kirche von aussen fünf beiläufig fllnfpfündige Kanonen-
kugeln eingemauert 1 .
Gegenwärtig ist die Kirche wieder hergestellt, und ich wünsche nichts mehr, als die auf-
gedeckten Wandgemälde derselben sammt denen, die noch der Befreiung von der sie bedeckenden
Übertünchuug harren, kunstgerecht herstellen lassen zu können. Schliesslich will ich nur noch
bemerken , dass in der Umgegend von Fekete-Ardö noch 8 alte gothische Kirchen bestehen, die
ich ebenfalls näher untersuchen zu lassen gedenke.
Das Schiff der Kirche zu Fekete-Ard6 ist, r ex Oriente lux" , mit der Altnrseite nach Osten
gewendet. Au der Xordscitc hat der Bau keiue Fenster, an der südlichen belinden sich aber fünf,
von denen zwei mit gut erhaltenem gothischen Maaswerk verziert sind. Der Thurm ist an die
Kirche angebaut und an demselben ist auch das Portal angebracht , dessen Gewölbe und Rippen
nicht im eigentlichen Spitzgewölbe, sondern in einem etwas stumpferen Bogen ausgeführt, sind. Die
Ecken des Thurmcs und der Kirche sind von Quadersteinen aufgeführt, wie denn der ganze Bau
sehr solid und für eine lange Dauer berechnet ist. Die Mauern haben eine Dicke von 4% Fuss.
Die Wölbung im Inneren wurde zerstört und von dem Chor sieht man nur noch einige Spuren.
Die Bilder sind auf der nördlichen (fensterlosen) Wand angebracht und dürften aus dem
XV. Jahrhundert stammen. Leider sind sie durch die Übertünchung so beschädigt worden, dass
man manche Thcile nicht mehr deutlich sieht, und daher auch die dargestellten Gegenstände nicht
mit absoluter Gewissheit bestimmen kann. Von demjenigen, der diese Bilder malte, hat man keine
Kenntniss; jedenfalls sah er aber gute Vorbilder, wie die Anlage der Draperien zeigt. Die Pro-
portion der Figuren ist ziemlich richtig, Hände und Füssc sind jedoch höchst unbehülflich
1 Im GcBFtziirtikel 14 vom Jahn- 1S25 und Artikel 2!» vom Jahre IMS wird Fekete-Ardö unter die ersten Pfarreien
de» Landes ge*iihlt, und der Pfarrer hatte iwui wohlausgerllslete Reiter zu »teilen.
33*
Digitized by Google
240
Dn. Micha«. IIaa*.
gezeichnet und deuten auf einen Arbeiter Inn, der mehr von seinem Talente oder fleiner Xach-
ahmungsgjtbc, als von der Sehlde {releitet wurde.
Fig. i.
Das erste Bild (Fig. 1) zeigt, zur linken Seite des Beschauers, die Auffindung des Kreuzes mit
der heil. Helena und zur Beeilten die heil. Maria mit dem Christuskinde. Die heil. Mutter hiilt eine
(kleine) Weltkugel; und da« Christkind den heil. Geist in der Gestalt der Taube in der Hand.
Zur Seite der Mutter Gottes stehen Kindergestaltcn mit Schreibtafeln und Büchern und zwei
weibliche Heilige. Die heil. Anna breitet ihren Mantel über die ganze Gruppe aus. Die Kleider
der heil. Maria und des kleinen Jesus, die Taube, die Weltkugel und das Kopftuch der heil. Anna,
so wie das, der ihr zu Rechten stehenden Heiligen, sind weiss. Das Kleid dieser letzteren ist rotli
und der Mantel violett. Alle diese Figuren sind barfiissig, nur die heil. Maria hat spitze Schuhe.
Der Rahmen ist mit unregelmässig hingestellten, Beitrügen Parallelogrammen ausgefüllt und die
Unterschrift kaum mehr lesbar (vielleicht: Anna mater Mariac?).
Das zweite Bild (Fig. 2) soll wahrscheinlich die heil. Gisela und den heil. Emerich vorstellen.
Der Mantel der Heiligen ist dunkelblau, das Unterkleid rüthlich. Der Nimbus ist roth, gegen den
Rand zu dunkler und mit Perlen besetzt. Der heil. Emerich (oder Stephanus?) erscheint im Harnisch,
mit einem schriig-quadrirten, eng anliegenden Waffenrock. Die Ärmel sind von Punzerwerk und
Schwert und Dolch sind an Brustketten befestigt. An den Oberschenkeln zeigen sich Dilgen. Die
Handschuhe sind an den Fingern geschient. Das Scepter ist rüthlich und der Nimbus von gleicher
Art wie bei der Heiligen.
Das dritte Bild stellt die heil. Margaretha mit einem Drachen in der Hand und den
heil. Antonius Eremita mit dem Patriachenkreuz, der Glocke und dem Schweine dar. Die Chlamys
Digitized by Google
Neu ENTDECKTE
24!
der heil. Margaretha ist roth und das mit Knöpfen besetzte Unterkleid bläulich-grau. Die Krone
ist ebenfalls roth wie der Nimbus, der auch hier mit weissen Perlen besetzt ist. Das Münchskleid
des heil. Anton und das Kreuz sind roth, die Glocke gelb.
Das vierte Gemälde zeigt deu heil. Stephan, der die heil. Maria kniend verehrt, während
ein rothgeflügelter Engel die Krone über ihn hält. Der Mantel de» Heiligen ist roth, das Kleid
des Engels weiss und die Krone, ver- ^^f^^^ b^^^b?^
muthlich in Ermanglung des Goldes,
braun. Die heilige Maria sitzt, mit dem
C'hristuskinde auf dem Schosse , vor
einer Hütte auf einem hölzernen Stuhl.
Das Kleid der heil. Mutter ist roth mit
dunkleren , radfönnigen Zierathen , das
des kleinen Jesus aber gelblich mit
bräunliehen Verzierungen. Rückwärts
vom heil. Stephan steht ein gerüsteter
Waffenknecht mit einer Hellebarde.
Das fünfte Bild, dessen Mitte, so
weit es die Beschädigungen noch er-
kennen lassen, vennuthlich die Ent-
hauptung der heil. Agnes darstellt, zeigt
an der linken Seite den heil. Paulus mit
Buch und Schwert, und diesem gegen-
über eine Gestalt mit einer Patena, auf
welcher letzteren das Osterlannn abge-
bildet ist. Neben dem Gerüste, auf wel-
chem die heil. Agnes steht, befindet sich
der Henker.
Das sechste Bild endlich, welches
wohl am meisten gelitten haben mag,
Fifr. 2.
dürfte, so viel sich aus den noch vorhandenen Überresten entnehmen lässt, den heil. Petrus dar-
stellen, dem der Heiland befiehlt, auf dem Wasser zu wandeln.
Da, wie im Eingang gezeigt wurde, die früheren Einwohner von Fekete-Ardö Deutsche
waren, mag wohl auch der Maler mit eingewandert sein. Jedenfalls ist es sehr interessant, in
einem Klecken, der so fern von der deutschen Grenze liegt, eine Kirche mit alten Wand-
gemälden zu finden, und es wäre sehr zu wünschen, dass die noch übrigen Bilder — nicht
vom Regen — sondern durch eine geschickte und sorgfältige Hand von der Cbertünchung befreit
würden; denn es Hesse sich dann auch etwas Uber die Idee des ganzen Bildercyklus sprechen,
der gewiss seine besondere Bedeutung hatte
Digitized by Google
2V>
Die Siegel der österreichischen Regenten.
Vox Kaiil von Sava.
II. A 13 T II E I L U X G.
Die Siegel der österreichischen Fürsten aus dem Hause Babenberg.
Ernst der Tapfere. Der Enkel Leopolds I., geboren 1027; folgte seinem Vater Adalbert I.
in der Regierung 10'>G und starb an seinen in der Sehlaeht an der Unstrut am 8. Juni 107f>
erhaltenen Wunden am folgenden Tage. Von dem Siegel dieses Fürsten ist nur ein einziges
Exemplar bekannt, welches einer undatirten Urkunde
im Archive des Stiftes Melk aufgedruckt war 1 ; v.» ist
von der Urkunde abgefallen und in zwölf grössere und
kleinere Theile zerbröckelt; die ersteren setzte der
kaiserliche Cabinctsofficial Löschner nach Möglichkeit
. zusammen und nahm davon Gypsabgüssc. Von der
| Umschrift zwischen zwei Linien in Lapidarbuchstaben
| ist nur mehr lesbar: t (Ernestvs. M) ARCHIO . AVS-
/ TRIK. (Fig. 1.) Die Reiteriigur ist rechts gekehrt 1 , der
Markgraf trilgt eine niedere, anliegende Kopfbedeckung,
welche «las Gesicht frei lilsst und, nach den rückwärts
herabhängenden Händern oder Riemen zu schliessen,
eine Uber die Kapuze des Panzerhemdes aufgebundene
Sturmhaube zu sein scheint. In der Fahne, einem
schmalen Wimpel, befindet sich keine Wappenfigur, vom
Schilde ist nur ein kleiner Theil sichtbar. Die darauf
warnehmbare Zeichnung ähnelt einem Vogelkopfe. Das Pferdgeschirr besteht in einem einfachen
Kopfgestelle mit Stangenzügel und in dem Brustriemen; die übrigen Theile fehlen. Das runde
Siegel, in ungefärbtes Wachs abgedrückt, hat 3 Zoll im Durchmesser. Freiherr von Strein sah das
Siegel noch ganz und behauptet, die Wappenfigur im Schilde sei ein Adler; Herrgott (Monument
August. Domus Austr. Tom. 1 de Sigillis, Wien 1750) und Hueber 1. c. bilden es bereits
fragmeutirt ab (beide Tab. I, Fig. 1), bei ersterem erscheint im erhaltenen Schildtheile ein Adler-
kopf, welcher auf der älteren Abbildung bei Hueber fehlt. Die Abbildung bei Schrötter und Rauch,
Osterreichische Geschichte I, "238, ist nach jener bei Herrgott gearbeitet.
1 Hup her Auntria ex arrhiv. Melliceottib. illustraU, pag. 1, Nr. I. — * Die Ausdrücke reibt* und link» sind durchgehend«
im heruldiachcn Sinne zu nehmen.
Digitized by Google
Die Siegel der österreichisches Rkgektex.
243
Leopold der Heilige folgte seinem Vater Leopold dem Schönen in der Regierung im Jalire
109G, f 113G. — Die Unterschrift zwischen zwei Linien ist unlesbnr. Das sehr stumpfe Siegel
lässt nur die Umrisse einer links gewendeten Reiterfigur erkennen, in einem Panzerhemde, mit
einem niederen zugespitzten Helm auf dem Haupte. Am linken Arm trägt sie einen Schild , in der
Hechten einen Speer, ob mit, ob ohne Banner lässt sich nicht entscheiden. Das Pferd ist im
Schritt. — Das Siegel befindet sich an einer Urkunde des Stiftes S^ Florian vom Jahre 1115' in
weissem Wachs. Rund, Durchmesser 3 Zoll. Die Abbildung bei Max. Fischer, Merkwürdigere
Schicksale des Stiftes und der Stadt Klosterneuburg, Taf. I, ist willkürlich ergänzt.
LEVPOLDYS MARCHIO. (Fig. 2.) Gothische Majuskel, weder von einer äusseren Randlinie
umfangen , noch durch eine Linie vom Siegelfelde getrennt. — Das Siegelbild zeigt den Mark-
grafen zu Pferde links gekehrt. Er tragt ein Panzer-
hemd, das bis zu den Knien reicht , die Gugel des-
selben ist über den Kopf gezogen und darauf die
niedere konisch geformte Sturmhaube gesetzt, welche
das Gesicht frei lässt; in der Mitte derselben zieht
sich vom Rande bis zur Spitze ein Riegel empor. In
der Rechten hält der Markgraf einen Speer mit einem
kleinen in zwei Lappen getheilteu Fähnlein. Über
den Schild gehen zwei riemenartige Streifen; der
Fuss des Reiters bangt gerade herab und ist mit
Sehnabelschuhen bekleidet, Sporen und Steigbügel
fehlen. Das Pferd im Schritte hat einen langen herab-
hängenden Schweif; die Zäumung besteht in einem
einfachen Kopfgcstelle mit Stangenzügel und einem
Brustriemen. Der Sattel hat vorne und rückwärts
hohe ausgeschweifte Lehnen (Sattelbogen); Decke
Jst keine vorhanden. — Dieses Siegel ist auf der
Rückseite der Pergamcnturkundc mittelst eines durchzogenen Pergamcnistrcifes befestigt, gleich-
sam aufgeheftet; dasselbe, in braunem Wachs, hat einen erhabenen Rand, der über der Reitcrfigur
ausgebogen ist, ein Zeichen, dass das Sicgcltypar in einen Zapfen auslief. Der Inhalt der im kaiser-
lichen Hausarchive befindlichen Urkunde lautet : Hermann Propst zu Salzburg hat von zwei Kremser
Bürgern einen Weingarten zu Trillant gekauft und denselben zum Nutzen seiner Mitbrüder ver-
wendet. Als Markgraf Leopold in der Folge die Kirche des heil. Rupprecht zu Salzburg besuchte,
schenkte er dem Doinstifte, mit Einwilligung seiner Gemahlin Agnes, alle seine Rechte auf diesen
Weingarten. Ohne Datum. Zwischen 1122 und 1136. Rund, Durchmesser 3 Zoll. Die Abbildung
bei Fischer 1. c. Taf. II, nach einem Originale im Stiftsarchive zu Göttweig, ist gänzlich misshingen.
LEVPOLDYS MARCHIO. Gothische Majuskel, ohne Schriftliuien , die Umschrift geht
von der rechten zur linken Seite, und der grössere Tlieil der Buchstaben ist verkehrt , somit auf
dem Stempel lesbar gestochen. Die Reiterfigur gleicht jener auf dem vorigen Siegel, nur ist deren
Ausführung plumper und gewiss von einer ganz unbeholfenen Hand. Dieses Siegel, in unge-
färbtem dunkelbraunen Wachs, ist dem Stiftsbriefe von Klosterneuburg aufgedruckt". Herrgott 3
hiilt es für falsch, weil die Kopfbedeckung einer Münchskapuze gleicht, der Schild viereckig ist,
die Steigbügel und Sporen fehlen, und die l.' Inschrift so wie deren einzelne Buchstaben verkehrt
sind; ferner weil die Umschrift nur den Namen und die Würde, nicht aber auch die Provinz angibt;
endlich erwähnt er einer im Stifte befindlichen Abbildung, in der auf dem Schilde zwei Streifen vor-
' Gedruckt bei Kur»: Österreich unter Herzog Aibrcclit IV. II, 4M. — * Fischer, i. c. II, 124. — * De Sigillis, p*K- *•
• Kig. 2.
Digitized by Google
244
Karl von Saya.
kommen, von denen im Originale, welches überhaupt schlecht erhalten und undeutlich sei, nichts
vorkommt. Zuletzt spricht er die Meinung au», dass das ursprüngliche Siegel wahrscheinlich
zerbrochen und durch das jetzt vorhandene ersetzt wurde. — Die Ansicht Hcrrgott's, dass eine
Restituirung durch ein verunglücktes Falsificat stattfand, theile ich vollkommen, um so mehr
als sich durch die auffallende Ähnlichkeit der Reiterfigur mit jener auf dem vorgeschriebenen
Siegel unwillkürlich die Üb<*zeugung aufdringt, dass letzteres dem falschen als Muster vor-
gelegen sei. Mangel an technischer Gewandtheit liess die Figur nicht gelingen, und Ungeübtheit
und Unvorsichtigkeit verursachten, dass der Verfälscher Umschrift und Buchstaben auf dem Stem-
pel richtig grub und beide daher auf dem Siegehibdrucke verkehrt erscheinen. Herrgott'» einzelne
Gründe aber kann ich nicht gelten lassen. Die Form des Helmes oder der Sturmhaube ist die
damals gewöhnliche, auch auf anderen gleichzeitigen Siegeln erscheinende ; der Schild ist nicht
viereckig, sondern oben abgerundet und dachförmig. Die beiden Kiemen oder Streifen auf dem-
selben sind deutlich zu erkennen und das Siegel ist überhaupt nicht schlecht erhalten. Steigbügel
und Sporen fehlen auf den alteren Siegeln hilufi», die ersteren auf dem echten Siegel Leopohls im
kaiserlichen Haus- und im Stiftsarchive zu Göttweig und auf vielen Siegeln der flandrischen
Grafen 1 ; die letzteren auf allen Siegeln der Babenberger , bis auf jenes Leopolds am Stiftsbriefe
von Heiligenkreuz und auf die Siegel Heinrichs Jasomirgott; die Weglassung des Namens der
Provinz ist im XI. und in der ersten Hälfte des XII. Jahrhunderts nichts ungewöhnliches. Einzelne
verkehrte Buchstaben kommen oft vor; in solcher Menge wie auf dem vorliegenden Siegel wirken
sie allerdings verdächtigend. Rund, Durchmesser drei Zoll. Abbildung: Fischer 1. c. Taf. 3.
t LIVPOLDVS.DI.GRA. MARCHIO. AVSTRIK. (Fig. 3.) Gothische Majuskel, ohne
Kinfassungshnien , im ersten Worte V und S zusammengezogen. Rechtsgekehrte Reiterfigur im
Fanzei hemde, dessen Kapuze den Nacken deckt, auf
dem Haupte einen niederen konisch geformten Helm,
dessen Spitze nach vorwärts gekrümmt ist. Der
Markgraf ist mit dem Schwerte umgürtet, dessen
Griff durch den Schild verdeckt wird. Der letztere
ist gewölbt , oben gerundet, lang und verjüngt sich
gegen unten bedeutend. Eine Wappenfigur lüsst
sich auf demselben nicht mehr erkennen. 1 he Fahne
gegen das Ende in mehrere Lappen getheilt, ist im
Vordertheile mit Streifen und Ringen verziert.
Steigbügel und Sporen sind vorhanden, die letzteren
haben statt der Räder eine konische Spitze. Das
Pferd in galoppirender Stellung — welche auch auf
den folgenden Siegeln die vorherrschende bleibt,
daher nur die Ausnahmen werden erwähnt « erden —
hat einen mit Buckeln verzierten Brustriemen und
Fig. zum ersten Male eine Satteldecke, welche bis über
den Bauch reicht und mit gegitterten Streifen verziert und unten mit Fransen besetzt ist. Das
Pferd ist ein Kurzschweif. Rund, Durchmesser S Zoll. Dieses Siegel ist, in ungefärbtem lichten
Wachse mit einigen schwarzen Adern, dem Stiftsbriefe des Klosters Heiligenkreuz vom Jahre
1 130 aufgedruckt * Abbildungen: Herrgott 1. c. Taf. 1, Fig. 2, und nach diesem Schrütter und
Rauch, Österreichische Geschichte I, 335. Beide leiden an vielen Mängeln, der Helm ist als
' Vre diu» Sicllta und Gcnealogi» Cuuütuin Fluudriae. - * Pcx, Thesaurus VI, I, 31 S und Funtt-a rer. Auatriac,
II. Abteilung. XI, I.
Digitized by Google
Die Siegel der östebreichiscues Rege.vt
2«
faltige Haube dargestellt, die Sporen haben Räder, im Schilde befindet sich ein Adler, und der
lirustriemen des Pferdes ist mit einer Damascirung verziert.
Leopold der Freigebige folgte «einem Vater Leopold dem Heiligen in der Regierung
1 137, wurde von seinem Halbbruder Kaiser Konrad mit Baiern belehnt (1138) und starb 1141.
t LEVPOLDVS . DVX . BAVWAH1E. Gotlnsehc Majuskel /.wischen einfachen Kreislinien.
Rechtsgewendete Reiterfigur. Der Herzog trügt einen niederen konischen Helm, einen langen
schmalen Schild und in der Rechten die Fahne,
welche in drei gerundete Lappen endet und mit
einem Kreuze besetzt ist. Über Rüstung und Beklei-
dung lässt sich nichts bestimmen. Das Pferd ist im
Schritte und von der Zäumung nur der Stangenzllgel
sichtbar. Eine elende Abbildung in den Monument,
boicis XUI, Taf. 1, an einer in demselben Bande
S. 169 gedruckten Urkunde, durch welche Leopold
einen Gütertausch zwischen dem Kloster Pliening
in Baiern und Otto, dem Präfecten von Regensburg,
bestätigt. Anno 1140. Rund, Durchmesser drei Zoll.
Heinrich Jasomirgott folgte seinem Bruder
Leopold dem Freigebigen als Markgraf von Österreich
und Herzog von Kaiern im Jahre 1141, trat 1156
Baiern ab und erhielt Österreich mit der Mark ob
der Enns als Herzogthum ; t H 7 7.
t 1IEINRICVS . DI . G RA. DVX. BAWARIE.
(Fig. 4.) Gothischc Majuskel ohne Einfassungslinien. Das E in Heinricus geradlinig, in Bawarie
gerundet. Rechtsgekehrte Rciterfigur, jener auf dem Siegel Leopold des Heiligen ähnlich, nur ist
der Helm höher und dessen Krüuunung nach vor-
wärts stärker, und die Fussbekleidung besteht in
langen, nach abwärts gebogenen Sehnabelschuhcn
mit Sporen, im Schilde befindet sich ein Ornament.
Das Pferd, ein Langschweif, hat einen, mit langen
Fransen verzierten Brustriemen, dann eine unten
ausgezackte Satteldecke mit gegitterten Streifen.
Rund, Durchmesser drei Zoll. Das Original, in
ungefärbtem Wachs, ist einer undatirten Urkunde
aufgedruckt, durch welche Heinrich dem Stifte zu
Heiligenkreuz Münchendorf schenkt, circa 1150'.
Abbildungen: Herrgott 1. c. Taf. I, Fig. 3, und
Schrotter und Rauch, Österreichische Geschichte
I, 382, mit manchen Fehlern, der Helm zu plump,
oben gerundet, im Schilde- ein Adler, bei Herrgott
in der Umschrift Hainricus, bei Schrotter dagegen
das E in diesem Worte gerundet.
t HEINRICVS . D. GRA.DVX . AVSTRIE. (Fig. 5.) Gothische Majuskel mit einer äusseren
Randlinie umfangen; gerades und gerundetes E. Rechtsgewendete Rciterfigur in einem Panzer-
Flg. r».
1 Fontes rer. Amttriac. II. Abtheiluiitf, XI, <;.
IX.
d by Google
24(5
Kabl von Sava.
hemde mit umgebendem Schurz, die Kapuze deckt Nacken und Hinterkopf ; auf dem Haupte ruht
ein konisch gespitzter lielm, etwas nach vorwärts gekrümmt, mit abstehendem Rand. - In der
Rechten hält der Fürst den Speer mit einem winkelförmigen, undeutlichen Banner. Mit dem
linken Arm trägt er den, am Halse hängenden Schild, welcher oben gerundet, g-e wölbt und
lang ist, aber sich schnell und stark verjüngt; eine Wappenfigur lässt sich nicht erkennen.
Das Pferd mit einem Stangenztigel und einem Sattel mit Bogen, ist mit einer schmalen
gegitterten, am unteren Saume befransten Decke belegt. Steigbügel sind vorhanden, Sporen
nicht erkennbar. Das Schwert ist durch den Schild verdeckt. Das Original, in ungefärbtem
Wachs, ist im Stiftsarchive Klosterneuburg einer Urkunde vom Jahre 1162 1 aufgedruckt; im
Archive des Schottenklosters in Wien fand ich es an drei Urkunden angehängt*, und zwar bei
der ersten an einem, durch den unteren Band der Urkunde durchzogenen Pergamentstreif;
bei der zweiten an einem Pergamentstreifc , welcher durch Einschneiden des unteren Randes
der Urkunde entstand und mit dieser unmittelbar zusammenhangt; bei der dritten, undatirten
Urkunde endlich, an grünen und roth.cn Seiden-
fäden. Es zerfällt also die bisherige Annahme,
dass Friedrich der Katholische der Erste ge-
weseu sei, welcher seine Siegel den Urkunden
anhängte. Rund, Durchmesser 3 Zoll. Die Ab-
bildung bei Herrgott Taf. 1 , Fig. 4 zeigt uns
den Helm des Reiters spitz zulaufend, nach vor-
wärts gekrümmt, die Kapuze des Panzerhemdes
schützt das Hinterhaupt , nur ist sie so ab-
gebildet, als wäre sie von Tuch, das Panzer-
hemd ist unten verbrämt; der Herzog hat das
Schwert an der Seite und Schnabclschuhc ohne
Sporen. Im Schilde befindet sich ein Adler.
Das Fahnentuch, von der Mitte an in zwei
Theilc geschlitzt, hat in der vorderen Hälfte
zwei Kreise als Verzierung ; der breite gestickte
Brustricmen des Pferdes hat keinen Fransen-
besatz, die gegitterte Satteldecke ist am unteren
Saume auHgezaekt.
t HEUS'RICVS.DEI.GRA.DVX.AVSTRIE. (Fig. 6.) Gothische Majuskel zwischen ein-
fachen Kreislinien, eckige und gerundete E. Die rechtsgewendete Reiterfigur hat eine sehr niedere,
gespitzte Sturmhaube auf dem Kopfe, dazu ein bis an die Knie reichendes Panzerhemd. Der
lange Schild wird am linken Arme schräg, mit der Spitze nach rückwärts getragen und hat eine
breite Einfassung (Rand), innerhalb welcher sich vier Kugeln befinden zu 1, 2 und 1 gestellt.
Das kurze Fahnentuch theilt sich von der Mitte angefangen in zwei Lappen. Der Herzog trägt
kein Schwert, an der kurzen Fussbekleidung fehlen die Sporen. Die Satteldecke ist mit scliräg
gekreuzten Streifen verziert und am unteren Rande entweder ausgezackt oder befranst. Rund,
Durchmesser 3% Zoll. Das Original, in ungefärbtem Wachs, im Stiftsarchive zu Seitenstetten an
einer Urkunde vom Jahre 1145; daher der Titel: DVX. AVSTRIAE in der Umschrift allerdings
auffällt. Meiller: (Rcgestcn zur Geschichte der Babenberger) setzt diese Urkunde in das Jahr 1170'.
DieAbbildung inSchrötters und Rauchs „Österreichischer Geschichte" I, 285, ist durchaus verfehlt,
i Fischer, I. c. II, 148. - * Oedruck« iu Horwayr'« „Geschichte Wien»,* 1,| png. 23 seq. Nr. VII und VIII; d»oa
p*g. 28, Nr. IX. — 3 pag. 2>9, Note 234.
Die Siegel heb österreichische* Reoehten.
247
Fig. 7.
der Helm oben gerundet mit aufgezogenem Viair und einem Kinntheile stellt einen fformlicb.cn
Bourguignot dar, welchen man im XII. Jalirhundert noch gar nicht kannte ; ausserdem ist die
Satteldecke als breiter Bauchgurt und das Panzerhemd als Wappcnrock dargestellt.
t HEINRICVS . DI . GRA . DVX. AVSTRD2. (Fig. 7.) Gothische Majuskel, gerundete E.
Rechtsgekehrte Reiterfigur. Der bis zum Knie reichende Panzer ist ein einfaches Ringhemd (mit
neben einander aufgenähten Ringen), ein konischer,
leicht nach vorne gekrümmter Helm schützt das
Haupt, im herzförmigen flachen Schilde prangt ein
einfacher Adler. Die Fahne lang und schmal, ist
vorne mit gekreuzten Streifen verziert und gegen
das Ende in zwei Wimpeln ausgeschnitten, welche
keine Streifen, dagegen an den Enden Fransen
haben. Das Schwert fehlt, die Sporen bestehen in
einem einfachen Dorn. Der Sattel hat vorne und
rückwilrts hohe Bogen; die viereckige kurze Sattel-
decke ist am unteren Saume mit Fransen besetzt.
Der Brustriemen gleicht einem gewundenen Seile,
an denselben hängt Ringwerk zum Schutze der Brust.
Das Pferd ist ein Kurzschweif. Rund, Durchmesser
2 Zoll 11 Linien. Das Original, in ungefärbtem,
blättrigem Wachs, ist der, im Archive des Stiftes
Schotten befindlichen Urkunde vom Jahre 1170 auf-
gedruckt, durch welche Heinrich bestätigt, dass der Pfarrer Berthold von Fischamend all sein
Besitzthum dem Schottenkloster in Wien geschenkt, sich und seinem Nachfolger aber den Nutz-
genuss gegen jährliche Bezahlung eines Talentes
an das Stift vorbehalten habe 1 . Die Abbildung
bei Herrgott 1. c. Taf. 1 , Fig. 5 gehört zu den
Besseren.
t HEINRICVS . DEI . GRA . DVX . AVS-
TRD2. (Fig. 8.) Gothische Majuskel zwischen
zwei Kreislinien, gerundete offene E. Rechts-
gewendete Reiterfigur im Panzerhemde mit um-
gehendem Schurz, der bis an die Knien reicht,
einen konischen Helm auf dem Haupte, an den
Füssen Schnabelschuhe mit Sporen. Der Schild,
welcher schräg mit der Spitze nach rückwärts
gehalten wird, ist oben etwas gerundet, lang
und verjüngt sich gegen unten bedeutend, eine
Zeichnung darauf lässt sich nicht erkennen, eben
so sind Lanze und Fahne undeutlich, das Schwert
fehlt. Die Satteldecke ist mit einer Verbrämung
und mit Fransen verziert. Rund, Durchmesser
3'/,, Zoll. Das Original befindet sich an einer Urkunde des Stiftes Güttweig, in ungefärbtem Wachs,
auf der Rückseite der Urkunde aufgedruckt und ist mit zwei gekreuzten Lederstreifen befestigt.
rtg. s.
Hormay r: Geschichte Wiens, I, pug. i>>.
34«
Digitized by Google
248
Kahl von Sava.
Herzog Heinrich bezeugt, das er einen Streit zwischen dem Stifte Güttweig unter Abt Johann und
der Tochter des Wahle», eines Edlen, über ein Gut „in grie" geschlichtet. Wien am 1. Mai 1171'.
Leopold der Tugendhafte, geboren 1157; folgte als Erstgebomer seinem Vater Heinrich II.
in der Regierung 1177; erwarb Steiermark 1186 und starb 1194.
t LEVPOLDVS. DI. GRA. DVX AVSTRIE. (Fig. 9.) Gothisehe Majuskel, itussere Rand-
Knie; gerundete offene E; V und S im ersten Worte zusammengezogen. Rechtsgekehrte Reiterfigur
mit einem einfachen Ringhcmdc bekleidet, das bis
zu den Knieen reicht, die Kapuze ist über den
Kopf gezogen und darauf ruht ein gespitzter nie-
derer Hehn mit einem Nasal. Auf dem g-ebauchten
Schild, der mit einem Rande umfangen ist, zeigt
sich der einfache Adler, der Herzog- trsigrt das
jl^^*' '^Ü^T* "V|Kf Schwert an der Linken, dessen Griff der Schild
//J^jK WJT verdeckt. An das kleine, viereckige Fahnentuch.
mit Streifen und zwei Kreisen verziert, sind zwei
lange Wimpel mit befransten Enden angesetzt.
Die Fussbckleidung bestellt in Sehnabelschuhen
ohne Sporen. Ein einfaches Kopfgestell mit einem
Stirn-, aber keinem Nasenriemen, dazu ein Stangen-
zügcl, bilden die Ztiumung des Pferdes. Der Sattel
hat vorne und rückwärts hohe Bogen, die Satte)-
taschen sind rund geschnitten mit einem breiten
Haueligurt, der Brustriemen ist an den Orten mit
Doppelstreifen, wahrscheinlich Horten und in der
Mitte mit Ringen verziert. — Das Siegel ist trefflich erhalten, die Reiterfigur hat ein starkes
Relief und die Ausführung verräth, ungeachtet vieler Zeichnungsfehler, eine tüchtige gewandte
Hand. Rund, Durehmesser ;V/ S Zoll. Das Original ist im Stiftsarchive von Heiligcnkrcuz, in
ungefärbtem Wachs, der Urkunde aufgedruckt, durch welche Leopohl dem genannten Stifte, mit
Einwilligung seines Bruders Heinrich und seiner Gemahlin Helene, all seine Rechte auf München-
dorf gibt, und zwar auf jenem von den zwei Original-Exemplaren, welche hierüber ausgefertigt
wurden, in welchem im Texte der Urkunde die Datirung fehlt Dasselbe Siegel ist, ebenfalls
in ungefilrbtem Wachs, der Urkunde aufgedruckt, durch welche Leopold die Streitigkeiten über
den Zehent in Trumau und Tallern zwischen den Stiften Heiligenkreuz und Melk schlichtet*. Die
Abbildung dieses Siegels bei Herrgott, Taf. 1, Fig. G ist nicht genau; auch hat mir die Benützung
der Stiftsarchive von Klostcmeuburg und Hciligcnkreuz die Überzeugung verschafft, dass sicli
das vorbeschriebenc Siegel auch an jenen Urkunden befindet, auf welche sieh Herrgott zu seinen
Abbildungen Taf. II, Fig. 1, 2 und 3 beruft, und die auf letzteren vorkommenden verschiedenen
Verzierungen des Pferde- Brustriemens bestehen auf den Originalsiegeln gar nicht. Was die
charakteristische Auflassung der figuralischen Darstellung belangt, sind alle vier Abbildungen zu
verwerfen. In Schrötter's und Raueh's Österreichischer Geschichte befindet sich II, 126 ebenfalls
eine Abbildung dieses Siegels roll gearbeitet, di r Hehn ohne Nasenspange.
t LI VPOLDVS.DEI.GR A. DVX AVSTRIE. (Fig. 10.) Gothisehe Majuskel mit einer
äusseren Randlinie, welche über dem Kreuze ausgebogen ist. Die Wappnung des Ritters besteht
1 llorinny r: QeseHckte Wien», I. Urkuntli-uhuch jjujt. 30, Nr. 1] M eil lor, Redest, pajf. ÄO, Nr. SO. — * Herrgott,, L
c. L'Oil, uud FouU'k MT. Austriac. 11. Alitluil. XI, 11, mit tl< r DutiruiiK Krem», am Ii». Juui 1178. Sicht* auch Keiller 1 ! Regelte»
DlK SlEGKL DEK ÖSTBBREICHISCIIEX Uf.U ESTEN.
249
in einem Ringhemde, welches bis zu den Knien reicht, und in einem cylinderförmigen , oben
gerundeten Helm mit einem Nasal, der kurze Schild ist. oben rund und gebaucht, darauf ein ein-
facher Adler. Das Schwert fehlt. In der Rechten hält der Fürst die Fahne, welche mit einer netz-
förmigen Verzierung ausgefüllt und ungefähr von der Mitte angefangen in zwei Streifen aus-
geschnitten ist. Die Fussbekleidung des Reiters, die Zäumung des Pferdes und der Sattel sind wie
auf dem vorigen Siegel, nur ist der Brustriemen schmal und ohne Ringverzierung, dagegen
«her mit Fransen, vielleicht auch mit Schellen behangen. Zeichnung und Ausführung roh. Rund,
Fig. 10. Fig. II.
Durchmesser 3 Zoll; das Siegel ist der Urkunde, durch welche Leopold, mit Einwilligung seiner
Gemahlin und seines Bruders, dem Stifte Heiligenkreuz seine Rechte auf Münchendorf gibt,
in ungefärbtem blilttcrigcn Wachs aufgedruckt, und zwar jenem Exemplare, welches mit der
Datirung: Anno [nearnacionis dominicae MCLXXXVII, XV. kal. April, in Salchenawc (Solenau
18. März) verschen ist'. Die Abbildung bei Herrgott Taf. 2, Fig. 4, ist ganz verfehlt.
t LEV?OLDVS. DI. GRA.DVX. AVSTRIE. (Fig. 11.) Gothische Majuskel ohne Ein-
fassungslinien; im Worte Leupoldus ist bei dem E der senkrechte Strich stark hervorgehoben,
während die drei horizontalen Striche nur schwach angedeutet sind, wodurch der Buchstabe mehr
einem I ähnlieh wird, V und S am Schlüsse desselben Wortes sind zusammengezogen. Das Siegel-
bild gleicht jenem unter Fig. !>, nur ist die Figur kleiner und der Helm am Rande ausgebogeu, in
der Fahne fehlen die kreisförmigen Verzierungen. Das Siegel, in ungefärbtem Wachs, ist den
Urkunden vom Jahre 1188 aufgedruckt, durch welche Leopold dem Stifte lleiligcnkrcuz das Gut
Koreck zurückstellt und demselben Stifte einen Theil des Waldes schenkt, in welchem es liegt 2 .
Rund, Durchmesser 3'/, Zoll. — Die Abbildung bei Herrgott Taf. II, Fig. ö ist mangelhaft.
f LIVPOLDVS . (dei Graci) A. DVX . AVSTRIE AC. STIRIE. Lapidarschrift auf einem
erhöhten Rande, gerundete E. Die rechts gewendete Reiterngur trügt einen eylinderförniigen
Helm, der oben abgerundet und mit einem Riegel versehen ist, an demselben seheint statt der
Xasenspange eine Platte angebracht zu sein, welche das ganze Gesicht deckt und Augen-Aus-
schnitte hat. - Wir treffen solche Gesiehtsplatten auch in den Abbildungen der Herrad von
1 Herrpott, I r. «iictar. diplom. SOI, Xr. 3, m\i\ Fontes rer. Austriuc. II. Alitlieiliing, XI, 10. — Pult, cod. diploni. epi&tol.
II, 43 und 44. Herrpott, 1. c. uuetur. diploui. SOS. Fontes rer. Au»triac. II. Abtheilung, XI, S3 und 24.
Digitized by Google
2ü0
Kam, von Sava.
Landsberg 1 . Der Schild ist breiter und kürzer, und verjüngt sich weder so schnell, noch so stark
wie auf den früheren Siegeln, er deckt den Oberleib des Reiters ganz und reicht bis zur Hälfte
des Schenkels, so dass ein Theil des Panzerhemdes und vom Schwert da» Ende sichtbar ist; auch
die Art, den Schild zu tragen, hat sich geitndert; früher wurde er schräg, mit der Spitze nach rück-
wärts gehalten, hier erscheint er in senkrechter Richtung mit der Spitze nach abwärts. Im Schilde
befindet sich der einfache Adler, an dessen Flügelu die Saxen sichelförmig nach aufwärts gebogen
sind und in einen Knauf enden. Zum ersten Male kommt der Adler auch in der schmalen Fahne
vor, deren Feld zu Anfang und Ende eine Verbrämung hat; sie wird durch vier Ringe an der
Lanze festgehalten und läuft in zwei lange, gezackte oder befranste Streifen aus. Das Kopfgestell
der I'ferdezäumung lässt sich nicht erkennen, dagegen ist der Stangenzügel deutlich, und eben so
der mit Ringen oder Schellen behängte Brustriemen, der Steighügel und Bauchgurt und die
viereckige Satteldecke. Rund, Durchmesser 3'/ 4 Zoll. — Dieses Siegel, in ungefärbtem Wachs,
hängt mittelst grauer Zwirnfäden an der Urkunde, durch welche Leopold dem Stifte Melk einen
Wald schenkt, um dessen Holzmangel abzuhelfen 11 . Die Urkunde ist undatirt, und der in ihr
genannte Abt Konrad, so wie der unter Zeugen vorkommende „ Friedenau» Filius Ducis"
geben keine vollkommen genügenden Anhaltspunkte, um entscheiden zu können, ob dieselbe
Leopold dem Tugendhaften oder Leopold dem Glorreichen angehöre. Im ersteren Falle wäre die
Urkunde ungefähr zwischen den Jahren 1192 und 1194 ausgestellt worden, zur Zeit des Abtes
Konrad I., und der Sohn ist Friedrich der Katholische; im letzteren Falle hätte die Schenkung
zwischen den Jahren 1218 und 1224 stattgefunden, wo Konrad HI. Abt von Melk und Friedrich
der Streitbare der Sohn des Herzogs war. Herr von Meiller (Regesten der Babenberger S. 241,
Anmerkung 284) nimmt die Urkunde für Leopold den Tugendhaften in Anspruch , weil unter den
Zeugen Chraft von Einzingspach (Amzinsbach) , Unzpach erscheint, welcher in keiner nach dem
Jahre 1203 ausgefertigten Urkunde mehr vorkommt und eben so wenig ein anderer dieses
Geschlechtes ; dann weil das an dieser Urkundo hängende Siegel ein einfaches Reitersicgel ist,
während Leopold der Glorreiche seit den» Jahre 1207 sich gewöhnlich eines Mü::zsiegels bediente.
Dieser letztere Grund kann nicht unbedingt gelten , denn nach dem benannten Jahre kommen
Urkunden von Leopold dem Glorreichen vor, die nur mit einer Seite eines Münzsicgels, also mit
einem einfachen Siegel besiegelt sind; ausserdem hängt an einer Urkunde, gegeben zu Wien am
13. Mai 1217, vermöge welcher die Johanniter einige Acker und Grundstücke von Heinrich von
Willcndorf kaufen, ein einfaches Reitersiegel dieses Herzogs, das von seinen übrigen gänzlich
abweicht. Nicht unberührt darf dagegen bleiben, dass Leopold der Glorreiche ein Reitersiegel
führte, welches dem vorliegenden an Grösse, in der Darstellung und in der Umschrift ganz ähnlich
ist; ja man müsste es für identisch mit demselben halten, wären nicht die Buchstaben der Um-
schrift auf dem notorisch von Leopold dem Glorreichen herrührenden Siegel etwas kleiner und
schlanker; es befindet sich an den Urkunden von den Jahren 1202 und 1203, welche Meiller 1. c.
S. 87 und 90, Nr. 29, 31 und 42 anführt, und dieses Siegel ist mir an einer Urkunde nach
dem Jahre 1207 noch nicht vorgekommen, und in soferne ist Herrn v. Meiller's Ansicht richtig.
Im kaiserlichen Hausarchive befindet sich eine Urkunde, durch welche Leopold, Herzog
von Osterreich und Steier, die Vogtei Uber das neu gegründete Spital am Pylu'n Ubernimmt und
dasselbe von fremder Gerichtsbarkeit befreit; auch diese Urkunde ist undatirt*; auf der Aussen-
seite steht jedoch von gleichzeitiger Handgeschrieben: „privilcgivm Leopoldi senioris dveis
avstric et styrie". Der Zusatz „ Senioris J passt nur auf Leopold den Tugenhaften. An diesem
1 Hernusgrgebcn von Engelhardt. Stuttgurt hei Cotta. ISIS. — J lluehor, I. r. lt). — » Melllcr, I. c. pag. 71, Nr. ">7
circa ann. 111)2 und .S. HO, Anmerkung 2« >
Digitized by Google
Die Siegel der österreichischen Regenten.
Fig. 12.
Diplome hängt, mittelst Perganicntetreifcn, ein einfaches Reitersiegel, dessen Umschrift weg-
gebrochen ist ; der noch übrige Theil der Reiterfigur ist Ubereinstimmend mit dem nn der Melker
Urkunde befindlichen, und es ist somit festgestellt, das Leopold
sowohl in Urkunden als auch auf diesem Siegel den Titel eines
Herzogs von Steiermark führte. — Abbildung bei Hueber 1. c.Taf. I,
Fig. 4 entstellt. Nebst den erwähnten zwei undatirten Urkunden,
an welche die Siegel angehängt sind, erwähnt Stülz in seiner
Geschichte des Klosters Wilhering 1 zweier Urkunden Herzogs
Leopold des Tugendhaften mit anhängenden Siegeln; bei der
einen, vom 24. Februar 1 188, sind nur mehr die rothen Seidenfäden
vorhanden, das Siegel aber ist abgefallen, bei der anderen, vom
28. Februar 1188, ist das Siegel zwar vorhanden, jedoch sehr ver-
letzt. Die an den räthselhaften Urkunden für das Stift Gleink,
welche diesem Herzoge zugeschrieben werden 3 , hängenden Siegel
können hier nicht in Betracht gezogen werden, da Urkunden und Siegel, wenn nicht ganz falsch,
im günstigsten Falle einer späteren Zeit angehörig sind*.
Heinrich von MOdling, der Ältere. Zweiter Sohn Heinrichs Jasomirgott, Bruder Leopolds des
Tugendhaften, geb. 1158, gest. am 19. September 1223.
t HALNRICVS. (Fig. 1 2.) Gothischc Majuskel zwischen einfachen Linien, die einzelnen Buch-
staben weit aus einander gestellt. Rund, Durchmesser 2 Zoll. Das Original, in ungefärbtem Wachs,
hängt an zwei Ur-
kunden des Stiftes
Heiligenkreuz 4 . —
Eine Variante diese»
Siegels mit gleicher
Umschrift und Dar-
stellung, nur etwas
grösser, zwei Zoll
eine Linie im Durch-
messer, ist einer
Urkunde vom Jahre
1203 im Stiftsar-
chive Heiligenkreuz,
Fig. 13.
Fig. 14.
in ungefärbtem blät-
terigen Wachs, auf-
gedruckt. Abbildungen von beiden Siegeln gibt Herrgott 1. c. Taf. H , Fig. 8 u. 9 , und von
einem Schnitter und Rauch, Österreichische Geschichte U, 88.
Münzsiegel, a) Vorderseite, f HEINRIC VS . DKI . GRACIA DE MEDELICCO. (Fig. 13.)
Gothische Majuskel zwischen 2 Linien; gerundete M N und E, mit Ausnahme des Wortes DE. Im
Siegelfeldc ein einfacher Adler mit ausgebreiteten Flügeln, b) Kehrseite. (Fig. 14.) Gleiche
> Seite 485 und 486. — * Kurl, Beiträge zur Geschichte de» Lande» ob dir Eons, III, 311—315. — » StQlz, über die
iilteBtnn Urkunden des Kloster« Gleink im Archvie dir Kunde ÖBterreiehiiicber Geschiehtaquellen , Jahrgang 1849, II, 273. —
4 jJ)ie eine gedruekt bei U errgott, I. c. Anctar. diplom. 200 nnui. 5, lallt zwischen die Jahre 1182—1185 (a. Chmel'a Geschichtsfor-
scher. II, 490. Aiimcrkuug 25), die andere ebenfalls uudatirte Urkunde wurde von mir in Chmel's (Jeschichtsforscher l. c. 483,
mitgetheilt, sie fällt nach dein Jahre 1149, nach dem Tode Leopold des Tugendhaften, dessen mit dem Beisätze „beatc me-
niorie* erwähnt wird. Die Urkunde, an welcher sich die Variaute befindet, bei Herrgott, I.e. 205, num. 4 alle drei in den Fon-
tes rer. Austriac. II. Abtheilung, XI, 12, 27, 31.
2'J2
Kabl TOR Sava.
Umschrift, wie auf der Vorderseite, nur ist im Worte HEINRICVS ein geradliniges N und die E sind
dlirchwegfl gerundet. Im Siegelfelde ein gebauchter herzförmiger Schild, darin zwei Uber einander
sclireitendc Leoparden. Herrgott 1. c. S. 6 bemerkt, dass Heinrich kein Reitersiegel, wohl aber das
Wappen der Babenberger, den Adler, führte. Xach dem vorliegenden Siegel aber scheint der Adler
das österreichische Landes- und die beiden Leoparden das Familienwappen der Babenberger zu
sein. Das Original hilngt, in ungefärbtem Wachs, mittelst Pergamentstreifen an der Urkunde,
durch welche Heinrich dem Stifte Melk den Weinzehent in Solenau übergibt, der Titel, den er in
dieser Urkunde führt, lautet : Heinrich von Gottes Gnaden das, was ich bin. 1 Rund, Durchmesser
2 % Zoll. Die Abbildung bei Hueber 1. c. Taf. 2, Fig. 6 ist, wie gewöhnlich, schlecht, das Siegel
verkleinert und die Verzierung nach »lern Worte Medellico fehlt auf dem Originale.
Heinrich von Mödling, der Jüngere, des Vorigen Sohn; f circa 123G. Münzsiegel, a) Vor-
der se i te. f SIGILLVM . HENRICI .DELGRACIA . DVCIS. MEDELICENSIS. (Fig. 1 5.) Gothische
Flg. IS. Fig. Iß.
Majuskel zwischen zwei Linien, die gerundeten E sind vorne geschlossen. Im Siegelfelde schwebt
ein einfacher links schauender Adler, b) Kehrseite. (Fig. 10.) Die Umschrift wie auf der Vorder-
seite. Im Siegelfelde frei zwei über einander schreitende Leoparden , durch einen Querbalken von
einander getrennt. Das Original, in ungefärbtes Wachs abgedruckt, fand ich an rothen, blauen,
weissen und gelben Seidenladen im Stiftsarchive von Heiligenkreuz, einer Urkunde vom Jahre 1233
angehängt. 2 und an Pergamentstreifen im Stiftsarchive von Klosterneuburg an der, bei Pez cod.
diplom. epist II, 83 und Fischer 1. c. II, 189 gedruckten Urkunde. Rund, Durehmesser 2 % Zoll.
Abbildungen Herrgott Taf. III, Fig. 1, Schnitter und Rauch 1. c. H, 1)2, beide mittclmiissig.
Friedrich der Katholische. Erhielt nach dem Tode seines Vaters Leopold Österreich.
Reg. 1194 bis 1198.
FRIDERICVS . DEI . GRACIA . DUX. AVSTRYE. (Fig. 17.) Lapidar, zwischen zwei breiten
Linien, gerundete E mit Ausnahme des letzten, eigentümlich verschnörkelt ist das T. Die rechts
gewendete Reiterfigur ist sowohl in der Zeichnung als im Costum jener auf dem Siegel Leopolds des
Tugendhaften iilmlich. Als Abweichungen sind zu bemerken, dass sich auf der Brust des Adlers
(im Schilde) vier gekrümmte Streifen kreuzen, und der vordere Theil des Fahnentuches, in welchem
sich ebenfalls ein Adler befindet, netzförmig verziert ist. Die Fahne wird durch drei Ringe an der
Lanze festgehalten. Rund, Durchmesser 3 Zoll. — Dieses Siegel, in ungefärbtem Wachs, hängt
i HuctMT, I. <• pajr. IT,. — i Chmcl. Geit«hk-hl*fors<'li«T II, 4*4 und KnoN-a rer. Austriac. II. Abtheiluag, XI, •»(*.
Digitized by Google
Die SlKOCb DB» ÖSTF.nutn ai.scHKx Rküksten.
2-y.i
mittelst Pergamentstreifen an der im Stiftsarchive von Heiligenkreuz befindlichen, bei Pez cod.
diplom. II, 49 und Fontes rer. Austritte. 2. Abtheilung XI, 28, gedruckten Urkunde vom Jahre
1196. Abbildungen: Herrgott 1.' c. Taf. 2, Fig. 6; Monum. boic. XII. Tat". 1, Fig. 1 fragmentirt
und schlecht; Schnitter und Hauch 1. c. II. 133; eine Nachbildung jener bei Herrgott.
Leopold der Glorreiche, Erhielt nach dem Tode seines Vaters, Leopold des Tugendhaften,
die Steiermark 1191 — 1198, und nach dem Tode seines Bruders Friedrich auch Österreich
1198—1230.
I. Die Umschrift zwischen zwei Linien ist unleserlich, die rechts gewendete Reiterfigur
trügt einen niederen, oben gerade abgeschnittenen Hehn, im herzförmigen Schild scheint der
steierische Panther zu sein. Von der wimpclartigen Fahne ist nur so viel zu erkennen, dass sie in
zwei Lappen zerschlitzt ist, der Reiter hatte einen Wappcurock. Dieses Siegel, schon ursprünglich
Flg. 17. Fig. I*.
undeutlich abgedruckt , in ungefilrbtem Wachs mit vielen Rissen, hängt an einer Urkunde vom
Jahre 1197 im Stiftsarchivo von Hciligcnkrcuz. Siehe Meiller's Regesten 81, Nr. 3 und Fontes
Rer. Austriac. 2. Abtheilung, XI, 30. Rund, Durchmesser 3 Zoll. Herrgott fand im Stifte Admont
an einer Urkunde vom Jahre 1206 ein Siegel, von welchem er 1. c. Taf. III, Fig. 3 eine Abbildung
gibt, Uber deren Werth ich nicht urtheilen kann, da mir das Original unbekannt ist. Herrgott hillt
dafür, dass Leopold dasselbe besonders für Steiermark geführt habe. Die Abbildung, 3 Zoll im
Durchmesser, zeigt zwischen zwei Linien die Umschrift in gothischer Majuskel: f L1VPOLDVS.
DKI GRA. DVX. AVSTRIK. KT. STIRIK. Die rechtsgewendete Reiterfignr hat einen niederen,
oben gerundeten Hehn, ohne Nasenspange und Gesichtsplatte ; der Nacken ist durch die Kapuze
des Panzerhemdes geschützt, der Wappenrock mit reichen Falten geht bis über den Hauch des
Pferdes; der Schild, oben gerade abgeschnitten, verjüngt sich nach abwärts und ist unten gerundet,
in demselben befindet sich der feuersprühende Panther, und in der wimpelartigen Fahne mit zwei
Lappen der österreichische Adler. Die Ziiumung besteht in einem Stangenzügel ohne (?) Kopf-
gestell, breiten Rrustriemen mit Streifen verziert und einem rund geschnittenen Sattel. Für identisch
mit dem vorbeschriebenen Siegel im Stiftsarchive von Heiligen kreuz halte ich es nicht, und fast
möchte ich vermuthen, dass hier eine verfehlte Abbildung des nachfolgenden Siegels vorliege.
IX. 3:»
2!>4 Kahl von Sava.
t LIVPOLDVS . DEI . GRACIA . DVX . AUSTRIE . AC . STIRIE. (Fig. 18.) Gothische
Majuskel auf einem erhQhten Rande. Reiterfigur, jener auf dem Siegel »eines Vaters ganz ähnlich ;
der Hauptunterschied besteht darin, das« auf dem vorliegenden Siegel die Buchstaben kleiner und
schlanker sind, als auf jenem Leopold des Tugendhaften. Ich fand dieses Siegel im Stiftsarchive von
Ileiligenkreuz an der Urkunde, durch welche Leopold der genannten Abtei den Besitz von Wetzels-
dorf bestätigt, anno 1203', in ungefärbtem blätterigen Wachs aufgedruckt; dann im kaiserl. Ilaus-
archive an der Urkunde, durch welche Leopold der Propstei in Berchtesgaden die Mautfreiheit
verleiht, Gratz am 8. Juni 1202, an Pergamentstreifen; endlich an dem Bestiltigungsbriefe für das
Stift Sekkau Uber das von den steierischen Otakaren erhaltene Recht, nebst Verleihung der Maut-
freiheit in Osterreich und Steiermark, Admont 2. Juni 1202, an rothen, grünen und gelben Seidcn-
fiiden hängend 1 . Mit gelben Seidenfaden war dieses, nunmehr fragmentirte Siegel an der Urkunde
vom Jahre 1195, gegeben zu Marburg ftlr das Kloster Seitz, befestigt'. Iu der Urkunde selbst
Fl«. 19. Fig. 20.
fllhrt Leopold nur den Titel dux styrie, und es ist mir auffallend, dass er dieses Siegel, mit der Titu-
latur vön Osterreich und Steicr und mit dem österreichischen Wappen im Schilde, bereits bei Leb-
zeiten seines Bruders gebraucht halten soll, wahrend der letztere in seinem Siegel jede Hinweisung
auf Steiermark vermeidet. Die Echtheit des Siegels unterliegt keinem Zweifel, jene der Urkunde
dürfte einer Prüfung zu unterziehen sein. Rund, Durchmesser .'V/, Zoll. Abbildungen: Herrgott
L c. Taf. II, Fig. 7 und Hueber L c. Taf. I, Fig. 4.
Bei Fischer: Merkwürdigere Schicksale des Stiftes und der Stadt Klosterneuburs? H, Taf. 7
befindet sich ein (Jontrasicgel abgebildet, welches der Rückseite des Klosterneuburgcr Couvcnt-
siegels an einer Urkunde vom Jahre 1206 (1. c. 162, Nr. 22 j aufgedruckt ist. Die Abbildung
zeigt einen links gewendeten, behelmten Kopf mit der Umschrift in gothischer Majuskel: LUI-
POLD . DUO IS . ALST . E . ST. und ist nach einer älteren, im Klosterarchive befindlichen
Zeichnung iu Kupfer gestochen. Der Umstand, dass Leopold weder Aussteller der Urkunde ist,
noch als Zeuge in derselben vorkommt, sondern seiner nach dem Datum nur mit den Worten
erwähnt wird: „Tempore Liupoldi Ducis Austriae et Styriae, qui fuit sororius Belae liberi regis
i Gedruckt bei Herrgott, 1. c. 20.V Nr. IV, und Font«-» rcr. Austriae. II. Abtlieilung, XI, 31. — I Meiller, Regelten
87, Nr. ä'J uud 31. — J Im kaiserlichen Hauaarchive. Mciller, 1. c. 80.
Digitized by Google
Die Siegel der österreichisches Regenten.
Ungariae", machte mir die Abbildung verdächtig, und die mir gewührte Hinsicht des Originals
bestätigte meine Vermuthung. Das Siegel ist der Abdruck eine« antiken Steinsehnittes, einen
behelmten Kopf darstellend, welcher von einem Kranze umfangen ist, und diesen letzteren ver-
wandelte die Phantasie des Zeichner» in die oben erwähnte Umschrift.
Münzsiegel. Vorderseite, f LIVPOLDVS . DKI . GRACIA . DVX . AVSTltlK. (Fig. 10.)
Gothische Majuskel, durch einen Kreis, dessen innere Flüche sich schriig gegen das Siegelfeld
senkt und von einer Perlenlinie begrenzt ist, vom Siegelbilde getrennt. Linksgekehrte Reiter-
figur im Panzerhemde, durcli welches auch Hals, Kinn und Nacken geschützt sind. Über dem
Panzerhemde trügt der Herzog einen Wappenrock ohne Ärmel, der um die Mitte gegürtet und
unten ausgezackt ist Der Hehn hat zum Schutze des Gesichtes ein«' Platte mit Ausschnitten für
die Augen. Der kleine herzförmige Schild mit dem Adler ist mittelst eines Riemens um den Hals
gehilngt und ruht auf der Brust. Die lange Fahne zeigt zwischen zwei netzförmigen Streifen den
Fig. 21. Fig. 12.
Adler und ist in zwei Theile geschlitzt, deren Knden befranst sind. Der Fuss des Reiters ist gegen
die Brust des Pferdes gestreckt Die Satteldecke, welche nicht über die Hülftc des Hauches geht,
ist rund zugeschnitten und mit gekreuzten Streifen verziert, b) Kehrseite, f LIVPOLDVS. DEI .
GRACIA . DUX . STIRIK. (Fig. 20.) Die Reiterfigur ist rechts gewendet, Rüstung, Helm, Wappen-
rock wie auf der Vorderseife, in dem grösseren herzförmigen Schilde und in der Fahne erscheint
der steierische Panther. Der Herzog ist mit dem Schwerte umgürtet, die kurze rund geschnittene
Satteldecke ist mit Fransen besetzt. Rund, Durchmesser 3 Zoll. An einer Urkunde im Archive
des Stiftes Heiligenkreuz hangt dieses Siegel mittelst Perganientstreifen , an einer andern im kais.
Hausarchive an grünen Zwirnfäden'. Die Abbildung in den Monnm. boic. IV, Tuf. I, Fig. 1, anno
1210, ist durchaus verfehlt. Die Umschrift hat auf beiden Seiten den Titel: DVX AVSTltlK; und
die Zacken am Wappenrocke sind als Streifen, die an der Satteldecke billigen, behandelt. Die
Abbildung im 11. Rande der Mon. boic. Taf. 11, Fig. 21, vom Jahre 1198 ist eine derartige, dass
man nicht entscheiden kann, welches von den drei Miinzsicgeln Leopolds sie darstellen soll.
Münzsiegel, a) Vorderseite, f LIVPOLDVS. DEI. GRACIA. DVX . AVSTRIK. (Fig. 21.)
b) Kehrseite, f LIVPOLDVS . DEI. GRACIA . DVX . STIRIE. (Fig. 22.) Gothische Majuskel
' Ponte» rer. Autlriftc. II. Abthi-ilung. XI, 37 und Mciller, I.e. Nr. 17.1.
Digitized by Google
Karl von Sava.
zwischen einfachen Linien. Auf jeder »Seite dieses Doppelsiegels befindet sieh eine rechtsgewendete
Reiterfigur in voller Rüstung, mit dem Sehwerte umgürtet, ein Fasshelm bedeckt das Haupt und
der Wappenrock ist an den unteren Säumen ausgezackt,- der flache herzlbrmige Schild ist kurz,
oben sehr breit und zeigt auf der Vorderseite den Adler, auf der Kehrseite den Panther, die gleichen
Embleme befinden sich in den Fahnen, welche wimpelformig und ungefähr von der Mitte angefangen
in zwei Theile geschnitten sind. Die Fussbekleidung besteht in Schnnbclschuhen, der Sattel liegt
auf einer kleinen rund geschnittenen Schabracke. Rund, Durchmesser 3% Zoll, vom Jahre 1213.
Dieses Siegel in grünem Wachs (die Fläche sehr licht, der Bruch dunkel) hangt an rothen Seiden-
schnüren an einer Urkunde im kais. Hausarchive, durch welche Leopold bezeugt, dass Thimo von
Klsnitz ein Gut, welches er vom Herzoge besass, der Karthause Scitz theils geschenkt, theils um
1 2 Mark verkauft habe. Gegeben zu Marburg.
t (LI V) POLDVS . DKI . G RACIA . DVX AV (Fig. 23.) Gothische Majuskel zwischen zwei
Kreislinien. Das Siegel ist fragmentirt, von der rechtsgekelnten Reiterfigur fehlen der Kopf des
Reiters und der Vordertheil der Fahne, von letzterer sind nur zwei befranste Wimpel zu sehen.
l ig. >3. Ii* 24.
Der Herzog im Panzerhemd, welches bis zum Knie reicht, tragt das Schwert an der linken Seite,
dessen Grill* eine einfache Parirstange hat. Der herzförmige, gebauchte Schild, mit der Spitze senk-
recht nach abwärts gehalten, zeigt den einfachen Adler. Die Fussbekleidung besteht in Schnabel-
schuhen, der Sattel hat vorn und rückwärts hohe Rogen. Zeichnung und Ausführung des Siegels
sind ziemlich gelungen. Sniittnier fand dasselbe an einer Urkunde vom Jalue 1217 im Malteser-
Grossprii>rats-Archive zu Prag, durch welche die Johanniter einige Acker und Grundstücke von
Heinrich von Willendorf erkaufen. Acta publice in ecclesia S. Petri Wienne Anno dominice
incarnacionis 1217. Indict. VI. iii Idas Maji (13. Mai), Anno poutificatus Honorii primo, regnante
Fridrico, Ulrico pataviensi Kpiscopo, Luipoldo duce Austrie. Rund, Durchmesser 3 Zoll 3 Linien.
Münzsiegel, a) V ord er s e ite. f LIVPOLDVS . DKI GRATIA. DVX. AVSRIH (sie). (Fig. 24.)
Gothische Majuskel zwischen Perlenlinien. Das Siegelbild zeigt einen rechtsgewendeten Reiter,
welcher über dem Panzerhemde einen Wappenrock trügt und mit dem Schwerte umgürtet ist.
Das Ilnupt bedeckt ein Hehn , w elcher den ganzen Kopf unischliesst und w ie eine Tonne übe r
Digitized by Google
Die Siegel beb ösTEnREiqniscitRX Rkgkkten.
257
denselben gestürzt wurde, daher auch die Benennung Fasshclui oder Kübelhelm. Er hat kein
bewegliche» Visir , sondern zwei an der vorderen Helmwand in der Richtung der Augen ange-
brachte horizontale Ausschnitte, dienen sowohl zum Sehen als auch zum Einströmen der nöthigen
Luft, und sind an den Orten mit Spangen, wahrscheinlich von anderein Metalle, verziert. Die
vordere Helmwand ist in der Mitte kantig und gegen das Kinn zu eingeschweift. Der Helm ist
oben gerade abgeschnitten, unten aber vom Kinne gegen den Nacken verjüngt er sich, und zwar
im Bogen ausgeschnitten. Der gewölbte Schild, welcher von der Achsel his Uber das Knie reicht,
ist oben gerade, die Ecken abgerundet und verjüngt sieh gegen die Spitze sehr schnell, er wird
schräg mit der Spitze nach vorwilrts gehalten. Im Schilde und in der Fahne zeigt sich der öster-
reichische Adler , und zwar in letzterer zwischen zwei netzförmigen Streifen, welche Hanthaler
irrig für den österreichischen Querbalken hält '. Vor dem Adler befindet sich in der Fahne ein
Kreuzchen, welches Herrgott* auf den Kreuzzug
deutet, zu welchem Leopold, wie die Melker und
Klosterneuburger Chroniken melden, im Jahre
1208 rüstete. Von der Mitte an ist die Fahne
in drei Theile zerschlitzt. Der Fuss des Reiters
ist gegen die Brust des Pferdes gestreckt, aber
nicht horizontal gehalten. Sporen fehlen; die
Zäumung des Streitliengstes besteht in einem
Kopfgcstelle mit Stangenzügel , einem Sattel,
vorne und rückwärts mit hohem Bogen, Brust-
riemen und Bauehgurt. Die kleine Satteldecke
ist rund geschnitten. — b) Kehrseite, f LIV-
POLDVS DEI GRATIA DVX STIRIE. (Fig. 2ö.)
Gothische Majuskel zwischen l'erlenlinien. Das
Siegelbild jenem der Vorderseite gleich, nur be-
findet sieh der steierische Panther in Schild und
Fahne, und letztere ist nur in zwei Theile
«reschnitten, der Fuss des Reiters ruht in natür-
licher Stellung. Rund, Durchmesser 3 Zoll. Dieses Siegel Leopolds kommt am häufigsten vor
und blieb bis zu seinem Tode im Gebrauch; im Melker Archive hängt es an einer Urkunde
vom Jahre 1317» in ungefärbtem Wachs, an grauen Zwirnfäden. Im Stiftsarchive von Heiligen-
kreuz an Urkunden von den Jahren 1216, 1219 und 1237*. Hanthaler fand es an zwei Urkunden
vom Jahre 1208 5 mit rothen , grünen und gelben Seidenfäden befestigt, während Smittmer
erwähnt, dass dasselbe an der Urkunde für das Nonnenkloster Göss, vom Jalire 1214°, an gold-
gelben Seidenfäden hängt. — Manche Urkunden sind nur mit einer Seite dieses Siegels bekräftigt,
eine im Melker Archive vom Jahre 1227 1 mit der österreichischen Seite, dagegen die im Malteser
Grosspriorats-Archive zu Prag befindliche Urkunde, durch w elche Leopold den Johannitern die von
Ulrich von Stubenberg beatae memoriae geschenkten Dörfer Hartwigesdorf und Chrcbezbach
bestätiget, actum in obsidione Damiate 1218, nur mit der steirischen Seite (Smittmer Siegel-
katalog). Bezüglich der Farbe des Wachses und der Seidenfäden ist von den verschiedeneu
Siegeln Leopolds noch zu erwähnen , dass an einer für das Kloster Wilherung vom Jahre 1 202,
das nunmehr abgefallene Siegel an grünen und rothen Seidenfäden hing*. An einer Urkunde vom
1 fiuntlmlrr Recen». diplot» geneul. I, 905» — t le.7. — t Ilueber, I. & pag. 14, Nr. 4. — * Herrgott, 1. e. I, 207
uml ronte« rer. Au.«triiic. II. Abteilung, XI, 45), :><>, 6«. — » Hanthaler, I. e. I, 205. — « Fröhlich, diplomatar. Stir. I, 30. —
: Ilueber, I. c. pag. 10. Xr. 8. - » Stütz, Ue*chichte dei Kloster« Wilhering. 4113.
Digitized by Google
2Ü8
Kari, vos Sava.
Jahre 1212 befindet eich ein Münzsiegel in grünem Wachs mit rothen Seidenfaden, an einer
anderen vom Jahre 1215 sind die Seidenfaden grün und das Wachs roth 1 . Abbildungen dieses
Siegels, mehr oder weniger misslungen bei: Herrgott 1. c. Taf. 3, Fig. 2. 4 und 5; Hueber 1. c.
Taf. 1, Fig. 5, Taf. 2, Fig. 2 und 4, Taf. 3, Fig. 1. alle drei sehr entbehrlich; Hanthaler 1. c.
Taf. 21, Fig. 1 ganz verfehlt; Sehrotter- Hauch 1. c. II. 382 nach Herrgott, ganz misslungen; Kauz
Österreichischer Wappenschild Taf. IV. nach Herrgott.
Heinrich der Grausame, Sohn Leopold» des Glorreichen, geboren 1208, gestorben 122*.
In einer Urkunde vom Jahre 1227 (Monum. boic. XXVIII. II. 271, num. 48 mit der irri«ren
Jahreszahl 1 207 j von Leopold dem Glorreichen, lautet die Sigillationsformel : nostro et filii nostri
Heinrici sigillo. Hisher kam mir ein Siegel desselben noch nicht zu Gesicht.
Friedrich der Streitbare, geboren in Neustadt 15. Juni 121 1 ; folgt seinem Vater in der
Regierung 1234, fallt in der Schlacht bei Neustadt 15. Juni 1240. Münzsiegel. Auf der Vorder-
seite lautet die Umschrift: FRIDERICVS DEI GRACIA DVX AVSTRIE (Fig. 26), auf der
Fif. •_>«.
Fl«. 27.
Kehrseite: f FRIDKUICVS DEI GRACIA DVX STIRIK. (Fig. 27.) In gothischer Majuskel
zwischen Perlenlinien. Die auf beiden Seiten des Siegels rechtsgewendete Reiterfigur trügt
einen oben gerade abgeschnittenen Fasshelm auf dem Haupte, am Halse ist das Panzerhemd
sichtbar, über welchem der Fürst einen langen faltigen Wappenrock hat. Das Schwert fehlt. Der
Schild bildet ein geradliniges Dreieck und wird schrälge mit der Spitze nach rückwiirts gehalten,
er zeigt auf der Vorderseite zum ersten Male den weissen Querbalken im rothen Fehle und auf der
Kehrseite den steierischen Panther. Das Fahnentuch, an dem Speere durch vier Ringe befestigt
und wimpelfünnig, ist ungefähr von der Mitte an in zwei Theile zerschlitzt, die an den Enden
befranst sind. Dort wo die Theilung beginnt hat die Fahne einen netzförmigen Besatz , Wappen-
figuren befinden sich in derselben nicht. Der Sattel ruht auf einer rund geschnittenen kleinen
Decke und hat an der Rilcklehnc Anne, sogenannte Ohren, welche die Hüften umschliesseu. Der
Fuss des Reiters ist, besonders auf der Kehrseite, beinahe horizontal ausgestreckt. Die Sporen
fehlen. Rund, Durchmesser 3 1 /, Zoll. Das Original billigt an der Urkunde Rüdigers, Bischofs
I Stülz, OoBchichte von St. Florian, 2*1 und 2M, Nr. 4(5 und 4!».
Digitized by Google
Die Siegki. der österreichischen Reokktex.
2:»«)
von Passau, durch welche dieser einen Tau seh vertrag des Abtes Egelolf von Heiligenkreuz mit
dem Pfarrer Leopold von Alland bestätiget, im Stiftsarchive von Heiligenkreuz '. Es ist in
leberbraunem Wachs abgedruckt und hängt an gleichfarbigen Seidenschnüren, sonst traf ich
es meistens in ungefärbtem Wachs an Perganicntstreifen. Stiilz erwähnt , dass er dieses Siegel
an den beiden Urkunden für das Stift St. Florian, gegeben zu Krems am 8. December 1243 4 ,
in rothem Wach» vortrefflich erhalten und an gelben, orangefarbigen und blauen Seidenfaden
billigend, gefunden habe. Manche Urkunden sind nur mit einer Seite dieses Siegels, gewöhnlich
mit der österreichischen (der Vorderseite) besiegelt, so die bei Hueber 1. c. 18 mitgctheilte
vom Jahre 1231, und jene in den Mon. boic. XII. 392 vom Jahre 1241 für das Kloster Oster-
hofen. — Die Monum. boic. XXIX, II, 360, Nr. 29 geben einen Brief, welchen Friedrich
in der Nacht vor seinem Todestage (15. Juni 1246) an Albrccht von Polheim sclirieb, auf
der Kehrseite befinden sich noch Fragmente eines Wachssiegels. Die zusammengelegten
Briefe wurden nUmlich an zwei Orten durchschnitten, durch die Öffnungen ein Pergament-
streif durchzogen , dessen Enden auf der Rückseite über einander gelegt und darauf das Siegel
gedruckt. Uni den Brief zu öffnen, durchschnitt man den Pergamentstreif an der Vorderseite, und
das Siegel blieb unverletzt. Ob aber jenes Fragment ein bisher unbekanntes Seeret, ob eine
der beiden Seiten des bekannten Münzsiegels, ist nicht angegeben. — Die Abbildungen dieses
Siegels sind theils mittelmiissig, theils ganz unbrauchbar. Herrgott 1. c. Taf. 4, Fig. 1; Schlutter
und Rauch 1. c. II, 523 ; Hueber 1. c. Taf. 5, Fig. 3 nur die Vorderseite ; eben so Monum. boic. XII, Taf. 1 ,
Fig. 2; Kreuz 1. c. Taf. 1, jener bei Herrgott nachgebildet; Hanthaler, Rceens. diplom. geneul.
Taf. 21, Fig. 2, gibt die Abbildung eines Doppelsiegels Friedrichs, auf welcher sich auf der Vor-
derseite im Schilde des Reiters der einfache Adler, wie ihn noch Leopold der Glorreiche als
österreichisches Wappen führte , und in der Fahne der österreichische Bindenschild und der
steierische Panther befinden, der letztere frei, d. i. in keinem Schilde ; auf der Kehrseite dagegen
erscheint im Schilde der steierische Panther und in der Fahne das Bindenwappen zwischen zwei
netzförmigen Streifen. Nach Hanthaler's Angabe befand sich dieses Siegel, und zwar in weisses
Wachs abgedruckt, an gelben Seidenfitdcn hängend, ander Urkunde, durch welche Friedrich
dem Stifte Lilienfeld die von seinem Vater gemachten Schenkungen iui vollen Umfange bestätigt,
die Gebrüder von Altenburg für ihre Ansprüc he wiederholt entschädiget und dem Stifte ausserdem
neue Schenkungen macht, darunter 35 Huben mit allem dazu Gehörigen. Witzlinsdorf. Datum
anno incarnacionis dominice MCCXXX. Pridie Kai. Decembris (30. November) in Lilinveld. —
Auch an der Urkunde vom Jahre 1232, durch welche Friedrich dein Stifte Lilienfeld 2 Lehen zu
Rcklinsdorf und bei Traisma übergibt, welche ihm Kourad von Immenerleh zu diesem Ende
abgetreten hatte, soll sich dasselbe Siegel befunden haben*, und die bei Hueber (Taf. 5, Fig. 3)
befindliche Abbildung mit dein Querbalken im Schilde hält llanthaler für falsch. Aus dieser
Behauptung sollte sieh wohl schliessen lassen , dass Hauthaler, welcher seine Siegel selbst
zeichnete, kein Bindenschild im Originale gesehen habe, und bei der von ihm gelieferten Abbil-
dung kein Irrthum unterlaufen sein könne. Ungeachtet dessen kam mir dasselbe stets verdächtig
vor, einerseits wegen der Angabe, dass dieses Siegel noch im Jahre 1232 vorkomme, während das
Siegel mit dem Bimlensehilde schon im Jahre 1231 erscheint, und dann aus dem Grunde, weil
sich bei Hanthaler's Abbildungen bald die Überzeugung aufdringt, dass sie durch Zugaben
oder Weglassungen entstellt, wold auch ganz fingirt sind, indem beinahe keine "mit den bisher
bekannten österreichischen Fürstcnsiegcln übereinstimmt. Ich habe mein Bedenken hierüber in
den ,. Quellen und Forschungen- S. 344 (Wien, 1849) ausgesprochen, und glaubte damals, dass diese
' Gedruckt bei Herrgott 1. e. 2<>9 und Fönte» rer. Auatriac. II. Abtheilung. XI, W, Nr. SO — • Gedruckt bei Ludwig,
Krlii|. mnuu»c. IV, > >\ und JJ3. — •> Hau thaler 1. c. I. 20Ö, mit» g.
Digitized by Google
2<;o
Karl vos Sava.
Urkunde , so wie manche andere de» Stiften Lilienfeld , wahrend der Aufhebung desselben zu
Grunde gegangen sei. Seither erfuhr ich, das» ein grosser Theil der Urkunden dem Stifte bei
einer Restitution wieder zurückgestellt wurde; nur von den Urkunden Friedrichs des Streitbaren
ist jene vom Jahre 1232 in Verlust gerathen, die vom Jahre 123Ü aber noch vorhanden , um!
Uber Verwendung des damaligen Stiftshofmeisters Wilhelm Steger erhielt ich sie 1851 zur Einsicht.
An derselben hing au gelben und orangefarbigen Seidenfaden das gewöhnliche Doppelsicgel
Friedrichs, zwar zerbrochen und Theile fehlend, aber von der Vorderseite der Schild des Reiters
mit deni Querbalken glücklicherweise erhalten, um die Abbildung Hanthaler' s mit voller Gewissheit
iu das Reich müssiger Erfindungen weisen zu können. An einer Urkunde vom Jahre 1237 flir
das Nonnenkloster zu Erlau 1 im kaiserlichen Huusarchive hängt ein sehr verletztes Doppelsiegel,
von dem vorigen nur in Zeichnung und Ausführung verschieden, beide sind aber so mauierirt,
dass das Siegel dadurch eben so verdächtig wird, als es die Urkunde selbst ist.
Das Zwischenreich.
Hermann von Baden, vermäihlt mit Gertrud, der Enkelin Leopolds des Glorreichen,
1248, stirbt 1250.
HERMANNVS DEI GRACIA DVX AVSTRIE. (Fig. 28.) Gothische Majuskel zwischen
Perlenlinien. Rechtsgewendete Reiteriigur; die Rüstung des Fürsten und die Pfcrdczilumtiug sind
wie auf dem Siegel Friedrichs des Streitbaren, der breite Brustriemen des Pferdes ist mit Buckeln
Fig. 28. Fig. H.
besetzt, der Bauchgnrt mit gekreuzten Streifen verziert ; im dreieckigen Schilde befindet sich da*
Bindenwappen. Rund, Durchmesser 3 1 /, Zoll. Dieses trefflich erhabene Siegel in ungefärbtem
Wachs hUngt an der Urkunde, durch welche Hermann, Herzog von Österreich und Steier, Mark-
graf von Baden, dem Kloster Zwettel 2 Talente Salz „majori« ligamiuis" mautlifrei auf der Donau
1 Meiller, Regcatcn der Babeuberger, pag. Kw, Nr. 48.
Googl
Die Siegel de« österreichischen Recksten.
261
Fig. 30.
herabzuftihren gestattet. Link Annal. Clar. Vallens. I, 335; in den Mon. boic. III, Taf. 4, Fig. 30
befindet sich eine schlechte Abbildung.
Otakar, vennilhlt mit Margaretha, der Schwester de» letzten Babenbergers, 1252; Herr von
Böhmen durch den Tod seines Vaters, 22. Sep-
tember 1253, als König gekrönt 1262, leistet
auf die österreichischen Länder Verzicht 1276. —
Milnzsiegel. a) Vo rd ersehe, f PREMIZL DEI
GUACIA JVVENIS REX BOEMOH. (Fig. 20.)
b) Kehrseite, f OTACHAUVS DEI GRACIA
ÜVX AVSTRIE ETSTIRIE. (Fig.30.) Gothische
Majuskel zwischen l'erlenlinien. Auf beiden
Seiten eine rechtsgewendete Reiterfigur. In der
Rüstung und übrigen Bekleidung, in der Form
des Schildes und der Art ihn zu tragen, herrscht
vollkommene Ähnlichkeit mit dem Münzsiegel
Friedrichs des Streitbaren; nur hat Otakar auf
der Vorderseite den böhmischen Löwen und auf
der Rückseite den österreichischen Querbalken
im Schilde. Otakar bediente sich dieses Siegels
sowohl bei Lebzeiten seines Vaters, seit «lern
Jahre 1252, als auch nach dem Tode desselben
(22. September 1253) bis zum Jahre 12G1 , in
welchem er sich krönen Hess und den Königstitel annahm, während er sich bis dahin in den
Urkunden „dominus regni Bohcmiae"
nannte. Obwohl auf der Kehrseite der
Titel eines Herzogs von Steier erscheint,
behielt Otakar dieses Siegel «loch auch
nach dem Jahre 1354 bei, in welchem
er Steiermark an den König von Ungarn
abgetreten hatte; in den Urkunden aber
wird der Titel von Steiermark bis zum
Jahre 1200, wo dieses wieder an Ota-
kar kam, weggelassen. Wir finden also
in den Urkunden, an welchen dieses
Siegel vorkommt, folgende Titulaturen :
l. Otacharus de graeia dux Avstrie et
Stiric et Marchio Moravie, vor dem
Ableben seines Vaters (Mon. boic. XII,
398, anno 1252). 2. Otacharus deigracia
dominus regni Boemie, dux Austrie et
Marchio Moravie; Fischer 1. c. U. 241
und 243, Nr. 75 und 76, anno 1256
und 1259. Nach dem Ableben seines
Vaters und dem Verluste der Steiermark ;
bisweilen kommt statt dominus: „haeres regni Boemie" vor; Schrötter und Bauch 1. e. III. 140.
3. Otacharus d. g. dominus regni Boemic, dux Austrie et Stirie ac maichio Moravie, nach der
IX. 30
OPV
i.A. /
Digitized by Google
2(52
Karl von Sava.
Wiedereroberung Stciermarks (Fischer I.e. II, 247 Nr. 80) anno 1261 am 2. October; die Krönung
•fand am Festtage der Geburt des Herrn statt. Rund, Durchmesser 3 '/, Zoll. Manche Urkunden sind
nur mit einer Seite des Münzsiegels bestätiget Abbildungen desselben, meist misslungen, zum Theile
von verstümmelten Originalen , treffen wir bei Huebcr, 1. c. Taf. 4, Fig. 2 ; Schrötter und Rauch,
1. c. III, 676; Steinbach, historische Merkwürdigkeiten des Stiftes Saar, II. Taf. 1; Mon. boic. VI.
Taf. 3, Fig. 12, unbrauchbar; XII. Taf. 1, Fig. 3; III. Taf. 5, Fig. 31 die böhmische Seite, statt des
Fasshelms ein offener Hehn; XI. Taf. 5, Fig. 28, die österreichische Seite, ungenügend; Pubitsclika,
chronologische Geschichte Böhmens IV. II. 449, nicht sonderlich gelungen , ausserdem ist die
Reiterfigur auf der Vorderseite rechts, auf der Kehrseite links gewendet; Kauz, vollständige
Aufklärung über die Geschichte des österreichischen Wappenschildes , Taf. 1, nach der bei Han-
thaler befindlichen Abbildung. Diese letztere (Hanthalcr 1. c. Taf. 20, Fig. 1) ist nach Angabe I In.
thaler's einem Münzsicgcl entnommen, welches er im Stiftsarchive an jener Urkunde Otakars, durch
welche dieser das eingeschaltete Privilegium Kaiser Friedrichs II. Uber die Verleihung des Landes-
gerichtes und Marchfutters bestätiget, dat. in Lilenvelt xiiii kal. Augusti (19. Juli) 1257, an rothen
und weissen Schnüren hangend fand. Die Umschrift auf der Abbildung ist dieselbe wie auf dem
vorbeschriebenen Siegel, die figuralischc
Darstellung dagegen weicht bedeutend ab,
nicht blos in dem, was den künstlerischen
und archäologischen Typus der Zeichnung
anbelangt, sondern es erscheinen ausserdem
in der breiten langen Fahne auf der Vor-
derseite der österreichische Bindenscliild
und der steierische Panther frei, auf der
Kehrseite zeigt die Fahne, in zwei abge-
thciltcn Feldern, den böhmischen Löwen
und den Panther. Überdies ist der Fürst
mit einem gekrümmten Säbel umgürtet.
Hanthaler bespricht dieser Abweichungen
wegen die bei Hueber befindliche Ab-
bildung, welche er sogar für unrichtig
hält , weil auf ihr die Wappenfiguren in
der Fahne fehlen ', und sagt, dass er aus
diesem Grunde seine Siegel mit um so
grösserer Sorgfalt gezeichnet habe. Den-
noch sind Bild und Wort bei Hantlialer
falsch, denn bei Hinsicht des Originales
fand ich an derselben Urkunde, an rothen und goldgelben Seidenfäden, das von mir beschrie-
bene Doppelsiegel ohne die geringste Variante.
Münzsicgcl nach der Königskrönung, a) Vorderseite, f. S f OTAKARI # SIVE *
PREMIZLAI f QVINTI f REG IS * BOEMOR * MARCHIOXLS # (2. Zeile) MORAVffi ♦ FILII
* WKNZEZLAI * REG IS • QVARTI. (Fig. 31.) Gothischc Majuskel, scharfe, kräftig hervor-
tretende Schrift zwischen drei Perlenlienien, nach jedem Worte eine kleine Blume; häufiges
I l'arium interim titnlorum sipillura aeque getninum, praeterquam quod pro voce „Boomorum 11 legatur: „Boemie* (was bei
Huebcr wirklich gefehlt ist , , »od non paulo minus in imagiuibu» reipua intdeiu, plane tarnen alleriu» et »implicioria moduli, in
quo vexill» nulluni pror.tus insigne habent , videre est in Aust. Mellic. Tab. IV, Nr .2; »i tarnen illi delineationi aliquomodo
fidendum propter nntwn et pateutam aeulptoris inertiain. Nu» ldcirco nostra sigilla tanto studiotius expre»gimus.
Hunthaler I. c. 1, 184.
Fig. \\ >.
Digitized by Google
Oll SlEOBL DER ÖSTERREICHISCHEM Rf.OBSTEX.
263
Zusammenziehen der Buchstaben AR, ON und OR in den Worten : Otakari , Quarti, Marchionis
Moravie. Der König sitzt auf einem einfachen Thronstuhle , ohne Kücken- und Armlehnen , mit
einer Laubkrone auf dem Haupte, die Haare in schlichte Locken gelebt. In der Rechten hält er ein
Lilienscepter, in der ausgestreckten Linken den Reichsapfel mit dem Kreuze. Die Kleidung
besteht aus einem um die Mitte gegürteten Talare, welcher am Halse und am unteren Saume
verbrämt ist, die Ärmel reichen bis zur Hälfte des Vorderarms und lassen die anliegenden, bis
zum Ilandknöchcl reichenden Ärmel des Unterkleides sehen. Darüber trägt er einen verbrämten
und mit Quasten verzierten Mantel, der vorne durch eine Schnur festgehalten wird, b) Kehrseite,
f » 8 • OTAKARI . DEI • GRA # REG IS * BOEMOR • QVINTI # MORAV * MAR-
CHIONIS # (2. Zeile) AVSTRIE • ET * STIRIE » DVCIS. (Fig. 32.) Gotlnschc Majuskel
zwischen 3 Perlenlinien, nach jedem Worte eine vierblätterige Blume. AR und OB in Otakari,
Morav, Marchionis, zusammengezogen. Die zweite Zeile der LTmschrift, ist durch die Vorder- und
Hintei-fUsse, dann den Kopf des Pferdes,
endlich durch die Fahne unterbrochen.
Rechtsgekehrte Reiterfigur. Der Helm
des Ritters hat unter dem Queraus-
schnitte für die Augen ein Gitter aus
zwei Reihen viereckiger Löcher, um
eine reichlichere Lufteinströmung zu
bewirken, und rückwärts eine anlie-
gende, stufenförmig ausgezackte Hchn-
decke. Zwei kammartig gelegte Adler-
flügel bilden das Zimier. Der Schild
mit dem österreichischen Wappen ist
grösser als auf dem früher beschrie-
benen Siegel und hat ausgebogenc
Seitentheile; er wird schräg mit der
Spitze nach rückwärts gehalten. Über
dem Panzerhemde trägt der Fürst einen
bis zu den Knieen reichenden Wappen-
rock. Er ist mit einem Schwerte um-
gürtet, dessen Griff" eine gerade Parier-
stange hat und oben in einen Knopf
endet. In der rechten Hand hält Okikar die Fahne, deren langes aber schmales Tuch sich
zwischen den beiden Perlenlinien befindet, welche die 2. Zeile der Umschrift einschliessen.
Die Fahne, von der Mitte angefangen in drei befranste Lappen zerschlitzt, enthält keine Wappen-
figur; dort jedoch, wo sie an dem Speere befestigt, dann wo die Lappentheilung beginnt, sind
Borten und auf diesen drei Sterne, pfahlweise gestellt, als Verzierung angebracht. Die niedere
RUcklehne des Sattels hat keine Ohren und ist mit dem österreichischen Schilde geschmückt. Zum
ersten Male erscheint das Pferd in eine Decke gehüllt, welche aus zwei Thcilcn, dem Fürbug und
dem Hinterzeuge, besteht und bis an die Fesseln reicht, der Bauch ist frei. Der Fürbug ist vorne
au der Brust nach abwärts aufgeschnitten, um die Bewegung der Vorderfüsse nicht zu hemmen. Die
Kopfhülle geht bis zu den Nüstern, an den Ohrenspitzen befinden sich Schellen. Die Decke, au
den Säumen verbrämt und reich mit Sternen besäet, ist überdies mit den Länderwappen in
dreieckigen Schildchen belegt, und zwar am Halse des Pferdes mit dem böhmischen und unter der
Brust mit dem mährischen Wappen, welches zum Theil durch den Fuss des Reiters verdeckt ist;
3Ü»
Fi* 33.
Digitized by Google
204
Kaki. von Sava.
am Schenkel des Pferdes be findet sich der steierische Panther. Der Fuss des Reiters wird minder
horizontal und gestreckt gehalten, als dies auf den Siegeln des letzten Babenbergers und dem
alteren Siegel Otakars der Fall ist, Sporen sind noch immer nicht vorhanden, c) Kehrseite,
Variante. (Fig. 33.) Von der Kehrseite kommt eine Variante in Verbindung mit der beschrie-
benen Vorderseite a vor. Die Reiterfigur ist gegen b in der Zeichnung schöner, die Aus-
führung eine zierlichere und schwungvollere; ausserdem erscheinen noch folgende Unterschiede:
in der Umschrift, gleichlautend mit jener der Kehrseite b, sind die Buchstaben schlanker, die C
vorne geschlossen und im Worte: Bocmor. die letzten zwei Buchstaben zusammengezogen;
endlieh sind die einzelnen Worte statt der Blumen durch Punkte getrennt. Der Schlachtham, ohne
Gitter, nur mit dem Sehschnitte, verjüngt sich über dem letzteren in eine konische Spitze, welche
durch den Adlerflug verdeckt wird, dieser selbst ist langer und seine Form gefälliger. Auf der
Rückwand des Helmes befinden
/ s~
Kl*. :u.
sich kleine dicht .an einander ge-
reihte Buckeln , vielleicht soll
dies eine anliegende gestickte
Decke darstellen. Die bedeutend
breitere Fahne unterbricht die
Perlenlinie, welche die zweite
Zeile der Umschrift vom Siegel-
felde scheidet; jeder der drei be-
fransten Streifen ist, nebst der Ver-
brämung, mit einem Sterne be-
setzt, die Fahne ist am Anfange
und wo dieWimpel angesetzt sind,
mit Borten verziert , auf deren
ersterer fünf Sterne, auf der letz-
teren vier Sterne in pfahlweiser
Stellung erscheinen. Die Seiten-
theile des kleineren Schildes bie-
gen sich weniger aus, das Schwert
ist bedeutend länger. Die Uhren
des Pferdes stehen aus der Decke
frei heraus; der Fuss des Reiters
deckt den mahrischen Wappen-
schild nicht, sondern ist über
demselben gerade gegen die
Brust des Pferdes vorgestreckt, an der Rücklehne des Sattels fehlt das österreichische Wappen.
In den Urkunden, an welchen das Thronsiegel mit den beiden Varianten der Kclirscitc vorkommt,
ftthrt Otakar den Titel: Rex Boemiae, Dax Austriac et Stiriae, Marehio Moraviae. Nach der
Angabe Hanthalers sind manche Urkunden nur mit einer Seite dieses Münzsiegels bekräftiget,
wobei er erwähnt, dass das Siegel a und c im Lilienfehler Archive, an rothen und gelben Schnüren
hängend, zum ersten Male im Jahre 12(58 (die Abbildung Taf. 20, Fig. 2 aber hat die Jahres-
zahl 126"), die Reiterseite allein aber schon 1265 vorkomme. Beide Münzsicgel a, b und a, c
haben bisweilen die Randschrift (exergue) „Pax Ottakari Regis Qvinti Sit In Manv Sancti Wen-
ceslai" , welche Formel wir auf den Siegeln der älteren Herzoge und Könige von Böhmen als
Umschrift der Kehrseite, worauf der heilige Wenzel sitzend dargestellt ist, bisweilen aber auch
DlE SlECEL I>EK OSTEKBEICIIISCIIEN KeGEXTEN.
als Umschrift der Vorderseite antreffen, so auf der Kehrseite des Siegels Herzogs Friedrieli vom
Jahre 1 183: „Pax Ducis Friderici In Manv Sri . Wencealai - , und eben so auf der Vorderseite de«
Siegels Königs Wenzel I. vom Jahre L229: „Fax regia Weneeslai In" etc. Rund, Durchmesser
y/ t Zoll. Das Siegel «, b fand ieh in ungefärbtem Wachse, an Pergamentstreifen hiingend, an einer
Urkunde im Stiftsarehive von Heiligenkreuz vom Jahre 12G2 1 . Eine nicht ganz entsprechend«'
Abbildung desselben befindet
sich bei Herrgott I. c. Taf. 4,
Fig. 5, nebst der Kxcrgue, und
nach dieser bei Pubit.schka
1. c. IV, II, 449. Das Siegel
a, c befindet sich im Malteser-
Archive zu Prag, an einer Ur-
*kunde, gegeben zu Znaiin
xviii Kai. Septembris (15. Au-
gust) anno domini 12CS, durch
welche Otakar den Johannitern
Maevrenperge (Mailberg) in
Niederösterreich und das Pa-
tronat der Pfarrkirche zu March-
eck schenkt. Hanthaler's Ab-
bildung, 1. c. Taf. 20, Fig. 2,
leidet an wesentlichen Mangeln ;
auf der Vorderseite gehören
die Streifen , mit welchen das
Siegelfeld gegittert ist, weg.
Ausserdem sind die Umschrif-
ten der Vorder- und Rückseite
verwechselt, einzelne Worte
derselben versetzt und abge-
kürzte Worte vollständig ge-
geben; bei ihm lautet die Umschrift der Vorderseite: „S . OTAKARI . DEI . GRAOIA . RKGIS .
BOEMOR . QVINTI . MORAVH:. MAR (2. Zeile) CHIONIS . FILII . WENCESLÄ1 . REGIS .
QVARTI". Nach jedem Worte eine Rose. — Kehrseite: „8 . OTAKARI . SIVK . PREMIZLAI.
QVINTI . REGIS . BOEMIE . MARCHIONIS (2. Zeile) MORAVTE . AVSTRIE . ET . STIRIE .
DVCIS". Die Worte durch Rlumcn, auf dem Originale aber durch Punkte getrennt. Hueber's
Abbildung 1. c. Taf. 5, Fig. 6, anno 12G9, ist ganz unbrauchbar. Pubitschka, Geschichte von
Rohmen, rV,H, Taf. 3, nach Herrgott.
Nach der Erwerbung Kümthens im Jahre 1269 treffen wir ein drittes Münzsiegel Otakars.
grosser und prachtvoller als die beiden früheren, a) Vorderseite. » S . OTAKARI • DEI ♦ GRA-
TIA • QVINTI • REGIS »BOEMORUM » MARC HIONIS ♦ MO (2. Zeile) RAVTE ♦ DVCIS . KARIN-
TIE ♦ ET DOMINI . EGRE. (Fig. 34.) Zierliche gothische Majuskel zwischen drei Perlenlinien,
die einzelnen Worte durch je eine Rose geschieden. Die zweite Zeile der Umschrift ist oben
und unten durch das Haupt der Figur und den Thronschemel unterbrochen. Das Siegelbild zeigt
den König thronend, die Krone auf dem Haupte, das Haar zu beiden Seiten in schlichte Locken
Elp 35.
i Kiintc» rer. Austrur. II. Abthtikug, XI. IM.
Digitized by Google
2c»r,
Karl vom ?ava.
gelegt. In der Rechten halt er ein Liliensceptcr, in der Linken den Reichsapfel. Der lange,
gegürtete Talar, mit weiten Ober- und engen Unterilrmeln ist am unteren Saume verbrämt,
darüber trägt er den Mantel, der nach Art der Chlamys an der rechten Schulter durch eine
Spange festgehalten wird, die rechte Seite frei lässt und über dem Schoss in reiche Falten
gelegt ist. Die Seitenstabe der verzierten Rücklehne des Thrones enden oben in Lilicnknäufe.
Im Siegelfelde schwebt zur rechten Seite des Königs ein dreieckiger Schild mit dem gekrönten
böhmischen Löwen, zur linken ein ähnlicher Schild, darin von einer Perlenlinie umfangen
ein Adler, wahrscheinlich das alte böhmische Wappen, der geflammte Adler. Die Zeichnung
des Siegels ist verständig, besonders gut ist der Kopf behandelt. Die Figur hat ein bedeutendes
Relief und die Anwendung des Faltenwurfes, so wie die ganze Ausführung verrathen einen tüch-
tigen und gewandten Meister, b) Kehrseite. S . OTAKARI . DEI . GRATIA . DVCTS - AUS-
TRIE . ET . STIRIE . DOMINI . CAR (2. Zeih) NIOLE . ET . MARCH IE . PORTVSNAONIS.
(Fig. 35.) Gothische Majuskel zwischen drei Perlcnlinien. Die 2. Zeile der Umschrift, durch
den Kopf des Reiters, den Kopf, dann die Vorder- und Hinterfüsse des Pferdes an vier
Stellen unterbrochen. Die reehtsgewendete Reiterfigur ist in Zeichnung und Ausführung, bis auf
die grössere Dimension und das stärkere Relief, der Kehrseite des vorigen ahnlich, nur erscheint
statt der bisherigen Fahne mit Wimpeln ein Banner, und zwar als ein überhöhtes Viereck, am
Speere an der lungeren Seite mit zehn Ringen befestigt , darin der böhmische Löwe. Im Schilde
befindet sich das österreichische Wappen, der Querbalken blank, das Feld gekörnt. Auch der
Obcrtheil und die Rückwand des Helmes sind in ähnlicher Weise gekrönt. Der Wappenrock ist
verbrämt, das Schwert hängt an einer breiten Kuppel und die Wappenschilde auf der Pferdedecke
haben sich verändert und vermelu't. Am Halse befindet sich das Wappen von Kärnthen, ein senk-
recht getheilter Schild, rechts im goldenen Felde drei über einander schreitende schwarze Leo-
parden, links ein weisser Querbalken im rothen Felde; unterhalb der Brust der mälirische Adler,
am Schenkel das steierische Wappen und darunter ein Schild mit einem Adler, wohl jener von
Kram; vielleicht, aber weniger wahrscheinlich, das von Eger'. Auch dieses Siegel hat eine Rund-
schrift : PAX . REG IS . OTAKARI . SIT . IN . MANV . SANCTI . WEXOESLAI. Ruud, Durch-
messer 4'/, Zoll. — Hanthaler fand dieses Siegel an zwei Urkunden von den Jahren 1271 und
1272, aber immer zerbrochen; ungeachtet dessen hält er die Abbildung bei Hucher 1. c. Taf. 4,
Fig. 4, für einen Irrthum (allerdings konnte auch diese Abbildung zu einem solchen Glauben ver-
leiten). In ungefärbtem Wachs hängt dieses Siegel, gut erhalten, an der Urkunde Otakars vom
7. Juli 1273, durch welche er dem Ulrich von Capellen und seinen Nachkommen beiderlei
Geschlechtes 2 Höfe in Dobra verleiht (im kais. Hausarchive) *. Ebenfalls in ungefärbtem Wachs,
an rothen Seidenfäden hängend, traf ich es im Archive des Stiftes Heiligenkreuz, an einer Urkunde
vom Jahre 1274 3 ; in demselben Jahre erscheint es an einer Melker Urkunde, deren Datirung
Hueber (1. c. 25) irrig mit 1264 gelesen hat. An der Urkunde bei Fischer 1. c. II, 264 vom
Jahre 1276, ist das Siegel ganz zerbrochen. An der im kais. Hausarchive in duplo vorhandenen
Urkunde vom Jahre 1276, gegeben zu Prag den 13. März, durch welche Otakar dem Nonnen-
stifte Doxan den Privilegienbrief König Otakars Przemysl I. vom Jahre 1226 und die von dem-
selben verliehenen, namentlich aufgeführten Stiftsgüter und die Uber selbe geschlossenen Tausch-
und Kaufverträge bestätigt , hängt dieses Siegel an gelben und rothen Seidenfäden, in orangefar-
bigem Wachs abgedruckt. Den erneuerten Friedensschlnss endlich mit Kaiser Rudolph I. (6. Mai
1277) besiegelt Otakar mit dem besprochenen Siegel, weil er sich noch kein neues hatte machen
' Eger» Wappen vor der Verpfandung war ein sehwarzer Adler, nachher hatte ea im oberen Felde efnen halben Adler,
die untere Hälfte war mit einem schrägen »ilbernen (Jitter in rothein Felde eaneellirt. Jarosl. Schal ler Topographie de» König-
reiches Böhmen, II, _ J Gedruckt in Honnayr's Taschenbuch IS-JM, pag. 493. - * Fönte» rcr. Austriac. II. Abthcil. XI, 187.
Digitized by Google
Die Siegel der österreichischen Reoentes.
2C.7
lassen; er bemerkt daher ausdrücklich in der Urkunde, dass er auf die, im Siegel vorkommenden Titel,
ausser jenem eines Königs v on Böhmen und Markgrafen von Mühren, weder einen Anspruch habe,
noch einen Anspruch machen werde. (Manch, österr. Geschichte III, 610.) — Die Vorderseite fand
ich im kais. Hausarchive auf den Rücken eines Pergamentbriefes aufgedruckt, das zusammen-
gelegte Pergament ist bedeutend kleiner als der
Umfang des Siegels , welches daher über das
erstere hinausstand. Jetzt ist von dem Siegel nur
mehr die Figur vorhanden, diese aber besonders
scharf und gut erhalten. Bis zu dem Jahre 1276
nennt sich Otakar in jenen Urkunden, an welchen
dieses Siegel hitngt: Rex Boemiae, Dux Austriae, ^
Stiriae et Karinthiae, Marchioque Moraviae, domi-
uns Carniolae, Egrae ac Portus Naonis. Abbildung 2£c ji
bei Hueber 1. c. Taf. 4, Fig. 4, nur 3 Zoll im
Durchmesser, auf der Vorderseite fehlt der böh-
mische Schild, die Verzierungen des Thronstuhles
sind verändert, auf der Kehrseite ist der böh-
mische Löwe nicht gekrönt; Wappenrock und
Pferdedecke ohne Verbrämung , der steierische
Panther auf der Pferdedecke in keinem Schilde;
des verfehlten Charakters der Zeichnung will ich
kaum erwähnen.
Albert, Sohn Kaiser Rudolphs I. , als Reichsverweser in Österreich und Steiermark. Im
Jahre 1281 und 1282. (ALBERT V) S . DEI . GRA . DE . HABSBVRC . ET . (KIBVRC COME)
S . LAN . RAVI ALSACIE . DMI RVD . R< >M . REG IS (2. Zeile) PRIMOGEN1T . ET . EJVSDE
(M PER) AVSTR . ET STYR»\TCARI GENERALIS*. (Fig. 36.) Gothische Majuskel zwischen
zwei Perlenlinien, die C und E gerundet und vorne geschlossen, M, N und T theils gerundet, thcils
geradlinig. Nach Styr und Generalis eine Rose, sonst die einzelnen Worte durch Punkte getrennt.
Sehr häufige Zusammenziehung von Buchstaben, so : DE in Dei, AL in Alsacie, EN in primogenit.
AR und ER in den beiden letzten Worten. Die rechts gewendete Reiterfigur trägt über dem Ring-
hemde einen langen Wappenrock ohne Ärmel; in der Rechten hält sie das gezückte Schwert, im
kleinen, dreieckigen Schilde prangt der habsburgisehe Löwe. Das Haupt deckt ein Eihelm,
darauf der hervorwachsende Löwe, über dem ein Kamm von Pfauenfedern als Zimicr. Die
anliegende Decke ist mit einem Doppelsaume verbrämt, unter dem Sehschnitte sind in die
Helmwand sieben Löcher eingeschnitten, welche eine Rose bilden. Das Pferd ohne Couverture,
hat ein einfaches Kopfgestcll mit Stangeuzügel , einen gestickten Brustriemen und breiten Bauch-
gurt. Am Sattel befinden sich Vorder- und Rücklehnen; Steigbügel und Sporen sind vorhanden.
Rund, Durchmesser 3 Zoll 2 Linien. Das Original, in rothem Wachs, hängt mittelst Seidenfäden
an dem Privilegium über das Niederlagsrccht der Stadt Wien. Gegeben am St. Jakobsabend
(24. Juli) 1281 (im Archive der Stadt Wien). Abbildung bei Herrgott Taf. 5, Fig. 1 a, 1821;
mittelmässig.
Fig. 36.
Digitized by Google
2IJS
Kxki. von Sava.
NACHTRAG.
Da Herr v. Sava das Seite 245 beschriebene Siegel Leopold des Freigebigen nicht in
seiner Sammlung hesass und die Abbildung desselben in den Monutn. boie. XIII, Taf. I sclir
schwach, ja beinahe unkenntlieli ist, wandte sieh die
k. k. ( YntrEil-Commission an den Herrn Prälaten von
Rcichersberg , welcher hierauf die Güte hatte die
bezügliche, in dem dortigen Stifte befindliche Urkunde
mit dem Siegel Leopolds des Freigebigen einzusenden.
Nach diesem Siegel wurde als Ergänzung der hier bei-
gegebene Holzschnitt gefertigt. Die Reitertigur ist nach
rechts gewendet. Der Herzog trügt einen konischen, in
eine Spitze auslaufenden Helm, von welchem die Hclm-
decke, in zwei Lappen getheilt, nach rückwärts herab-
wallt. Das Antlitz ist nur durch ein Nasal geschützt. Der
Schild ist oben abgerundet und schmal und endet mit
einer ziemlich langen Spitze. Die Schildfessel ist über
die Achsel gezogen. Der Herzog ist mit einem langen
Wafteurock bekleidet und trügt, wilhrend er mit der
Linken den Zügel hült, in der Rechten das Banner
(oder Gleve), welches in drei Streifen endet. Das
Schwert ist schmal und hängt beinahe senkrecht herab, die Handhabe desselben wird vom Schilde
verdeckt. Der Fuss des Reiters steht senkrecht im Steigbügel. Vor- und Hinterbug des Sattels
sind deutlich, die Satteldecke reicht bis zudem Bauch des Pferdes, das galoppirende Pferd
hat, so viel jetzt noch kenntlich ist, mir einen Staiigenzügcl und einen Brustriemen. Rück-
wärts vom Reiter befindet sich im Siegelfelde ein Stern . welcher in der genannten Abbildung
in den Mon. boie. vergessen wurde.
Die von zwei Kreislinien eingefasste Umschrift in gothischen Majuskeln lautet: f LIVT-
POLDYS . DVX . BAVWARIK. (Das E ist gerundet.)
Das Siegel ist in (ursprünglich) weissem, nunmehr aber durch das Alter gebräuntem Wachs
abgedruckt.
Digitized by Google
Digitized by Google
Digitized by Google^
Wien.
"I
I
xJ by Google
2I5Ü
Einige Details
von dem ältesten Theile des St. Stephansdomes zu Wien.
X:: 3 T»M:i
Es ist wohl allen Männern vom Fach bekannt, dass «kr Architekt Leopold Öse her im
Frühlinge des Jahres 1840 von der nieder-österreichischen Kegicrung den Auftrag erhielt, den
Dom zu St. Stephan mit genauer Sorgfalt zu messen und Details davon zu zeichnen; eben so
bekannt ist es auch, das« Öseher mit dem sogenannten „Kiesenthor* und den beiden Kund-
fenstern, in welche man in neuester Zeit Uhren einsetzte, den Anfang machte. Mehrere dieser
Zeichnungen werden nun bei der k. k. Landesbau-Direction aufbewahrt und blieben, seit Eduard
Mclly sein Buch „Das Westportal des Domes zu Wien" (Wien 1850, 4") herausgab, zu welchem
er mehrere jener Studien von dem Zeichner des k. k. Antiken-Cabinetes, Albert Schindler, in
verkleinertem Masse auf Holz übertragen liess', so ziemlich unbenutzt. Zufolge einer Anrcgun«;
von Seite des kaiserliehen Käthes Albert C^mesina fand sich das Präsidium der k. k. Central-
Commission zur Erforschung und Erhaltung der Kaudenkmale bewogen, jene Zeichungen Öse her 's
ausheben zu lassen, um die interessantesten derselben in den vorliegenden Muttern zur allgemeinen
Anschauung zu bringen.
Es wurde seit Ogesser's „Besehreibung der Metropolitankirche von St. Stephan" (Wien
1770. x") schon so vieles und mitunter höchst Schiitzenswcrthes Uber den ehrwürdigem Dom
verfasst*, dass eine neue Beschreibung der hier gegebenen Objectc vielleicht nur zu unpassenden
Weitläufigkeiten führen dürfte. Um also möglichst gerade auf das Endziel loszuschreiten, mögen
die Abbildungen für sich selbst zu dem Beschauer sprechen und es sollen ihnen nur so viele
Worte beigefügt werden, als zu kurzen Andeutungen unumgänglich nöthig sind.
Fig. 1 gibt den (wagieehten) Durchschnitt des liiesenthores, über den Sockeln der Säulen.
Die äussere Thoröffnung hat 2 Klafter 5 Fuss und l 1 j Zoll Breite. Die grösste Breite der Halle
(bei dem ersten Silulcnpaar) beläuft .sieh auf 3 Klafter 3 Fuss und der Eingang zur Kirche an der
grössten Verengerung der Halle misst 7 Schuh und S'/, Zoll. Die Tiefe der Halle betrügt 2 Klafter
und 2'/, Zoll.
#
1 Skhe «Iii* «»geführte Werk \ng. l.Y — - So seien mir andeutungsweise erwähnt: Tscbischka'a „Metropolitimkirclie
zu St. Stephan" (Wien I8:.'3 t S-\ iu zweiter Auflage 1843 , dann desselben Autor» Werk mit Kupfern von Wilder und Hyrtl,
,I>er St. MU'ph.'inndoin und seine alten Kunetdenkiualc, Wien 183:». Fol. I'rluiisüer's lleechreibung der Mt .Stephanskirehe im
secht»ten Hände von llormayrs ^fiesehkhte Wiens"; die Forschungen Feil» im Jahrgang 1845 der tisterreiebiaehen Mütter
für Literatur und Kunst iXr. 18 bia 21 und Nr. 30 bia 34,, anderer einzelner Aufwitze u. s. w. nicht zu gedenken.
IX. .i 7
Digitized by Google
270
Details vom St. Stephansddmk m Wiek.
Die Dicke der SäulenschHfte variirt auf folgende Weise:
Säulenreihe links. Sttulenreihc rechts.
Nr. J.
9
7 " 9"
Nr. 1.
9
r 4 6" 9«/,'"
. ö 6" 6"'
r 0 6" 3*/,"'
„ 7 6'' 6«/,'"
Der grosste SUulendurchmesscr bctrKgt also
3.
4.
5.
6.
7.
7"
7"
7"
7"
7"
7"
6"
7'"
....
T"
T-
6"'
1'/«"
9 '
Zoll 9 Linien, der kleinste 6 Zoll
3% Linien und der mittlere proportionale beliefe sich auf 7 Zoll und 0-777 Linien.
h rt 1 1 [ 1 i
Fi*. 1.
Durch Fig. 2 ist der wagrechte Durchschnitt de.r Halle Uber den Capitillen der Siiulen, bei
Fi* 2.
dem Friese und dem Beginne des Gewölbes gegeben. Man vergleiche hiermit den senkrechten
Durchschnitt des Riesenthores, welcher auf der Tafel XV dargestellt ist. Fig. 3 zeigt den Quei-
Google
Details vom St. Stepiiansdome zu Wiex.
27!
durchschnitt des äussersten oder ersten Bogens der, mit einem Spitzbogen geschlossenen Vorlage
der Halle; Fig. 4 den Qnerdurchschnitt der Rippen, welche, links und rechts in der Vorlage, von der
ersten und zweiten Säule ausgehen; Fig. 5 das Profil der Sockeln jener Säulen, von denen die
Kundbogen des eigentlichen Thores getragen werden , und Fig. 6 das Profil der Sockeln der vier
Siitden der Vorlage.
Der Querschnitt (Fig. 3) zeigt in seiner Silhouette eigenthtlmliche, durch starke Einschnitte
nuffallcnde Formen. Aber diese Einschnitte haben ihre triftigen Gründe; denn durch sie entstehen
kräftige Schatten, durch welche die vorspringenden
Theile der Gliederung wieder um so heller hervortreten,
sie gehören mit zur plastischen Technik im Grossen.
Wir erinnern hier beziehungsweise an die antiken
Gesimsungen, namentlich an einige zu Pom-
peji, bei denen die Ausladungen und Flä-
chen mit so tiefem
künstlerischen Ge-
fühl angeordnet sind,
dass lichte Flächen,
Halbschatten und
Kernschatten auf die
angenehmste Weise
wechseln und einen
harmonischen Effect
hervor bringen, eine Kunst, die man heut zu Tage kaum mehr kennt, für die man aber im
Mittelalter um so mehr Sinn hatte, als die Bauweisen dieser Epoche einen freieren Spielraum
gestatteten, während in der antiken Kunst die strengere Regel der Symmetrie
grössere Beschränkungen auflegte. Das eigenthümliche Studium der Gesim-
sungen u. s. w. besteht also durchaus nicht
in einer willkürlichen Zusammenstellung von
Flächen, Höhlungen und Wölbungen, sondern
ist ein Product des rein künstlerischen Ge-
schmackes, das von den Epigonen freilich
oft nur ganz oberflächlich hingenommen und
leichthin nachgeahmt wurde.
Es lag ursprünglich im Plan, den oben er-
wähnten senkrechten Durchschnitt desRiesen-
thores (Taf. XV) in Farben zu geben, um die
frühere Bemalung dieses Portales darzustellen
und man wollte dieser Arbeit die Aufzeich-
nungen Eduard Melly's, in dessen schon
früher erwähntem Werk : „ Das Westportal des
Domes zu Wien in seinen Bildwerken und
Bemalung" zu Grunde legen. Als man jedoch
zur Probe schritt und ein Exemplar dieses Buches, nach den in den Koten angegebenen Farben
coloriren wollte, stellte sich nur zu bald heraus, dass diese Angaben zu solchem Zwecke nicht
vollkommen zureichend seien, indem einestheils die Farben nur schlechthin mit -gelb, blau, roth,
grün" u. 8. w. angegeben sind, wo doch um der grösseren Bestimmtheit willen: Engelroth, grüne
37*
Fig. lt.
Fi*. X.
igiiizea Dy
Google
272
Detail.« vom St. Stephansdome zu Wien.
Erde, Unibra, Oker, gebrannter Oker u. s. f. genannt sein sollten, wodurch allein die richtigen
Farbentöne zu treffen witren; und andererseits (wie z. B. 8. 23 des genannten Werkes) Bezeich-
nungen vorkommen, wie: „unbestimmt" — „scheint dunkelroth" — „vielleicht grau" — die in
der That keinen sicheren Anhaltspunkt gewähren. Eine andere Schwierigkeit, die ursprüngliche
Polyehromie des Riescnthores wieder zu geben, lag auch darin, dass das Portal vielleicht zwei bis
dreimal neu übermalt, oder nach dem technischen Ausdrucke „neu gefassf wurde, und schon
Melly bemerkt unter an-
deren, in dieser BeziYhun-
bei der, an der linken Seite
des Thores befindlichen
Halbfigur, welche ein Buch
in der Hand hält, dass das
Unterkleid derselben (s. d.
angef. Seite d. W. Note
13) ursprünglich blau,
spiiter grün, und endlich
roth gefärbt gewesen sei.
Wunsch und Mühe waren
daher vergeblich, indessen
hoffen wir in der Folge
Gelegenheit zu haben, über
die mittelalterliche Poly-
chromie, mit Bezugnahme
auf die Färbung plastischer Werke der antiken Welt, etwas eingehender zu sprechen, da der
Gegenstand selbst viel des Interessanten darbietet.
Fig. 7 gibt eine Partie und den Durchschnitt des eckigen Gurtentheile» oberhalb der
Z wisch en weite von der zweiten zur dritten Süule. Die Thierköpfe und Schnecken sind, so wie der
Zickzack bei den anderen Gurten, nicht eingesetzt, sondern aus dem Ganzen (unterhöhlt)
gemeisselt. Die Einfassung, die Sehneeken und die Köpfe waren nach Melly's Angabe ('S. -10 1
fleischfarben, die Haare der Köpfe dunkelroth (?) und die „ Aussenseite- blau.
Fig. 8 zeigt Profil und Ansieht jener Gurte, welche in der Zwischenweite von der fünften
zur sechsten Süule aufsteigt und sich durch einen rechtwinkeligen Zickzack kennzeichnet, und
Fig. 0 die Gurte in dem Raum ober «1er sechsten und siebenten Silulc. Sie zeigt kleine Rundbogen,
die bei ihrem Zusaniincnstosscn in einem Lilienornament endigen. Die äussere Seitenfläche der-
selben war gelb, die innere roth. (Melly, s. a. a. (). S. 3*. Note 2.)
Fig. lü stellt das untere Bitgenfries dar, welches sich, seitwärts vom Ricsenthor, gegen den
rechts stehenden Heidenthurm hinzieht, und zwar in einer Höhe von vier Klafter und einem Fuss
über der Grundlinie der Kirche oder, wie Oscher es auf seiner Zeichnung angibt, Uber dein
Pflaster des St. Stcphansplatzcs. Die hier im Holzschnitt dargestellte Partie dieses Frieses misst
in der Natur 1 Klafter 2 Fuss und * 4 Zoll Breite.
Die Einzelnmasse der Gliederung dieses Frieses sind auf dem Profile (Fig. 11) mit
Öscher's bekannter Genauigkeit und Sorgfalt angegeben.
Die beiden Rundfenster an der Stirnseite des St. Stephansdomes, in denen sich jetzt, wie
früher bereits erwähnt, Uhren befinden, sind durch die Aufstellung dieser letzteren für eine nähere
wissenschaftliche Untersuchung ihrer Details, und namentlich der Lichtungen, für längere Zeit
unzugänglich geworden, wesshalb die hierher gehörigen Studien Öscher's um so mehr Werth
ed by Googl !
Details vom St. Stepiianshome zv Wies.
273
.«*. ;
erhalten. Fig. 12 zeigt ein Segment (einen Viertelkreis) der Einfügung jenes Rundfensters,
welches sich an dem sogenannten ..linken Läuthause" befindet. Sic ist reich constrnirt und wird
durch einen, den Ausscnrand verzierenden, Doppelzickzack charakterisirt.
Fig. 13 (s. d. nUchste Seite) gibt die Gliederung und die Profilirung des Fenstergewändes.
I >er senkrechte Strich, welcher durch den Holzschnitt geht, zeigt die Stelle der Fenstereinsetzung
an, von welcher rechts (vom Beschauer) die älussere und
links die innere Lichtung des Fensters liegt, welche letz-
tere selbstverständlich weit einfacher gehalten ist.
Die Gesimsung des Hundfensters am „rechten
Liluthnusc" ist nicht so reich wie die des vorigen (s. den
Lichtungsdurchschnitt Fig. 14), dafUr hat es aber eine
ornamentale Umrahmung, in welcher Laubgewinde,
Eicheln und Trauben nebst der Gestalt eines (klettern-
den) Knaben angebracht sind. (S. Fig. 15 und 10.)
Ober dem Kiesen- ^„„m
thore, an der Aussenwand
desselben, an deren ober-
ster Partie man noch jetzt
die Spuren von einst
dagewesenen kleinen
Säulchen oder Pfeilern
sieht, die ehemals viel-
leicht ein Rundhogenfries
trugen und bei Eröffnung
des hohen Spitzbogen-
fensters Uber dem Thore
weggenommen wurden,
zeigen sich mehrere alte
Sculpturen, nämlich Lö-
wen, ein Samson, ein-
zelne Köpfe u. 8. w., leider
aber sind diese Gegen-
stände durch den Verlauf
der Zeiten so bestaubt
und beschmutzt worden,
dass es schwer sein diirfte,
t 4 —
2 .
; s
<
r
I
... — t
.! : \
— , — .
- t/p '
► ir-
^_J.i L
sie auch nur mit einiger
Flg. 11.
Genauigkeit zu copiren. Es wurden daher nur die zwei am besten erhaltenen, nämlich der Löwe
rechts vom Riesenthor (Fig. 17) und der, scliräg ober diesem befindliche Greif, zu dessen Füssen
ein Menschenkopf liegt (Fig. LS) zur Darstellung ausgewählt. Vielleicht könnte allen diesen
plastischen Gebilden bei einer einstigen Eingerüstung des Riesenthores , die so wünschenswerthe
Reinigung zu Theil werden. —
Da wir hier (mit Ausnahme des Löwen, Fig. 17 und des Greifen, Fig. 18, welche der kais.
Rath Camesina neu zeichnen liess,) die nicht allgemein zugänglichen Zeichnungen Öschers
veröffentlichen, so dürfte es weder uninteressant noch unwichtig sein, auch jene Orginalzeich-
iiimgen anzuführen, die sich, in Betreff des Domes zu St. Stephan, noch anderweitig zu Wien
uiyu<_Lu oy
Google
274
Details vom St. Stkphanspome zv Wien.
vorfinden und zwar um so mehr, als man bisher zwar der Literatur auf das Genaueste nachging, die
»Studien der Künstler aber beinahe als eine Nebensache betrachtete, wahrend doch der Archäologe —
ausser wenn er sich im all-
gemeinen bewegt — der
Abbildungen absolut nicht
entbehren kann, und des-
halb immer nach den treue-
sten oder „quellengemässe-
sten" forscht, da sie ihm
einen guten Theil seiner
Mühe ersparen und seine
schwierigen Arbeiten zu-
ganglicher machen. Zugleich
ist es auch angemessen und
zweckdienlich , zu wissen,
wann man «ich und wer
sich angeregt fühlte, eine
besondere Aufmerksamkeit
auf unsere Baudenkmale zu
lenken.
So verwahrt die k. k.
Hofbibliothek in einem be-
sonderen Portefeuille zwei-
unddreissig Studien von
Öacher, welche, er alle
nach den Einzelheiten des
Kiesenthors von St. Stephan
zeichnete, mit welcher Ar-
beit er am 14. April des
lig- 13
Jahres 184G begann. Diese Studien zeigen:
Die erste Säule links, die zweite und dritte Säule rechts.
Kin inneres Eckstück links, ein inneres Kckstück rechts.
Eine Gruppe von vier Säulen rechts. Die zweite und dritte Säule links mit dem Fries (mit
Sphinxen). Die vierte und fünfte Säule mit dem Fries (mit Löwen). DerArchitrav ober der sechsten
und siebenten Siiule links (mit Figuren), die erste und zweite Säule links und den Fries mit dem
Drachen. Ein Ornament der ersten Säule links, eines der zweiten und ein drittes der sechsten
Säule rechts; ferner Figuren von der linken Seite, z. B. den Mann mit dem Beil und vier
Apostel, und endlich Ansichten des rechten und des linken Frieses mit den Knäufen u. s. w. Alle
diese Studien sind mit Bleistift gezeichnet.
In der Vedutensammlung der k. k. llofbibliothek befinden sich auch fünf sehr gute Skizzen
von F. Wilder und zwar:
1. Eine mit Sepia getuschte Bleistiftzeichnung vom 10. und LI. November 1819, von der
Seite des unausgebauten Thurmes „bei Ausbesserung des Portals".
2. und 3. Die Chorseite der St. Stephanskirche, gezeichnet 1S20. Bleistift mit Sepia, nebst
einem darnach gefertigten Aquarell.
Digitized by Googl
Details vom St. Stephansdome zu Wies.
4. Das Innere der St. Stephanskirche gegen den Hochaltar. Die Zeichnung ist nach oben
mit Sepia ausgetuscht, nach unten nur Bleistiftcontour (ohne Jahreszahl, vcrmuthlich aber vom
Jahre 1820).
5. Abermals das Innere der St. Steplianskirehe, colorirte Zeichnung vom Jahre 1824.
Ferner findet sich da-
selbst: eine Ansicht des Sin-
gerthores der St. Stephanskirche
(vom Stockimeisen -Platz her),
gezeichnet 1817 von J. F.
(Joseph Fischer ?) und eine
Studie nach dem Riescnthor
mit dem Grundriss von» Jahre
1819, vermuthlich von dem-
selben Zeichner; endlich ein
Grundriss der St. Stephans-
kirehe, gezeichnet von Mel-
chior Seltzam.
Auch die getuschte Feder-
zeichnung eines Grabmals findet
sich vor. Das Grabmal zeigt
oben einen Sarg und tiarunter
einen Wappenschild mit Kno-
chen, der von Schlangen um-
geben ist. Unten befindet sich
ein liegendes Gerippe. Eine
Rolle trügt die Aufschrift:
„M. G. WAIL. HERNACH. 1502«.
Auf der Federzeichnung steht geschrieben:
„Stein von rothen Marmor auf dem Altare, der von drey Seiten offen gothisch zierathirten Todten-
Capelle, ausserhalb der St. Stephanskirche, neben dem unausgebauten Thurme, gegenüber
des erzbischöflichen Palastes; 1788".
Unter der Zeichnung ist zu lesen:
^Die Capelle wurde samt allen übrigen, auf dieser Seite befindlichen Grabmillern, wegen dem
Haue eines Schulhauses abgebrochen; dieses (das Schulhaus?) wurde jedoch nach der Vollen-
dung, wegen Verunstaltung der Kirche, in Folge Befehls Kaiser Joseph II. bey seiner Zurück-
kunft aus dem Türkenkriege, auf Kosten des Wr. Mag. Stadtunterkäünnicres. Stephan Wohl-
leben, wieder demolirt. anno 1788."
Was den Zeichner bewogen haben mochte, diesen etwas sonderlichen Grabstein zu copiren,
ist nicht angegeben.
Unter den angeführten Zeichnungen befindet sich auch ein Aquarell aus den Katakom-
ben (von Seger oder Leybold), aber es ist zu skizzenhaft um von einigem Belang zu sein. —
Die sehr reiche Ansichtensammlung des Herrn von Karajan, k. k. Custos und Viceprii-
sidenten der kais. Akademie der Wissenschaften, besitzt folgende den St. Stephansdom betreffend«-
Zeichnungen und seltene oder unicpie Stiche:
Ein Entwurf zum Dach der Hauptkanzel, Federzeichnung auf braunem Papier aus dem
XVI. Jahrhundert, mit der Beischrift: „der obige thail des Predigstuel bey St. Steph."
Fi*. 14.
276 Details vom St. Stf.phansdohk zr Wik*.
Der Fuss dieser Kanzel, von derselben Hand mit der Heischrift: -der unterig-e tliu.il des
Predigstuel bey St. Stephan sanibt «lern Maister so guett getroffen ist. Er hat diesen Predijr-
stuel inuentirt vnd von Stain uerfertigt, ist woll gemacht, auch von ftlmehmen, verständigen
►V- 17- Fig. in.
Leithen hochgehalten". — (Vermutblicb machte diese beiden Skizzen ein Faehgennssc, um eine
Erinnerung oder ein Vorbild daran zu haben.)
Eine getnaehte Federzeichnung der Kanzel «Ich Johannes Capiotranua, bei zwei Fuss bock,
v.J. 17^17, mit dein Profil lind dem Grundriaa; und dem Namen „Keines de Uottiers" unterzeielinet.
Googl
Detmi,* vom St. Stki-ii vuspomi; /l Wiks.
277
Ein senkrechter Durchschnitt des ausgebauten Thurmes v. J. 1810 mit der Beisehrift:
„Der Durchschnitt geschah mittelst einer Ebene, deren Erweiterung den Horizont im Südosten
trifft, obgleich in dieser Lage die Krümmung des Thuraus nicht ersichtlich wird, da dieselbe
gegen Nordost geneigt ist, so musste man der Sehnittebeiie dennoch vorbesagte Richtung
geben, um den angebrachten Wetterableiter deutlich ausnehmen zu können. *
„Die geometrische Aufnahme wurde von Wenzel l'ilsnk und Cliristian Maschncr, Otnciere des
k. k. Bombardicr-Corps im J. 1810 vorgenommen und die Zeichnung von Ersterem ausge-
führt. In Kupier geatzt (mordantirt) von W. F. Schlotterbeek."
Eine getuschte Federzeichnung von Kuhardts Grabmal, aus dem Ende des XVIII. Jahrhun-
dert, eben nicht schau gemacht, aber dadurch interessant, dass an der Tuinba um fünf Figuren
mehr als jetzt zu sehen sind.
Hierauf folgt eine Reihe von eilf Zeichnungen von .1. Fischer, und zwar:
Das Innere des Siugcrthorcs. — Der Eingang vom Curathause her (das Primthor). — Die
Tumbu des Grabmales Rudolphs des Stifters. — Die grosse Kanzel. — Die Kanzel an «1er Wand
mit der Büste des Baumeisters, in zwei Blättern. — Der Steinbaldacldn nitchst der Sacristei und
die beiden Baldachine beim Singerthor und dem Adlerthor. — Ein Pfeiler aus dem Innern der
Kirche mit den Standbildern des heiligen Sebastian, St. Marcus und St. Jacobus (?) und endlich
Details der beiden Friese des Riesenthores. Siimmtlieh Federzeichnungen, mit Ausnahme der
Friese, welche mit Sepia getuscht sind.
Dieser Reihe schliesst sich eine Serie von zwölf Zeichnungen und fünf Radirungen von
Wilder an ; ntünlich :
Ein senkrechter Durchschnitt des auagebauten Thurmes, mit Angabc der Maasse. Bleistift-
pause auf Strohpapier über ein Croquis gemacht, als Behelf zu einem Kupferstiche.
Aufriss des ausgebauten Thurmes von der Seite des Curatcnhauses. Selir Heissige Bleistift-
zeichnung von 3 Fuss 4 Zoll Höhe.
Die untere Partie desselben Thurmes, vom Grund bis zur Gallerie. Bleistiftzeichnung.
Der friidrieianisehe Giebel nitchst dem Singerthore. In zwei Federzeichnungen dargestellt.
Das Grabmal Kaiser Friedrichs, Fensterseite. Sehr ausgeführte Federzeichnung vom
Jahre IS 25.
Die Chorstuhle von St. Stephan. Federzeichnung, mit Sepia getuscht.
Die beiden Fenster der Eligiuscapelle. Federzeichnung vom Mai 1826.
Details von Riaasswerken und Fensterrosetten, vom April 182(3.
Die Grabmalstatue des Kithart Fuchs und eine Seitenansicht der Tumbu mit «lern Basrelief.
Sehr schöne Bleistiftzeichnungen vom 19. December 1825.
Das Taufbecken. Die Seite mit dem Heiland. Bleistiftzeichnung vom 24. December PS24.
Senkrechter Durchschnitt der St. Stephanskirche, ltadirung vom Jahre 1828.
Der Flügelaltar in der Schatzkammer, consecrirt 1807 von dem Bischof von Chiemsee.
Radirung vom Jahre 1727.
Der Schlussstein in der St. Katharinencapellc. Hadirt im Mai 1827.
Die Moustrauze in der Schatzkammer zu St. Stephan. Am Fuss der Monstranze liest man
auf einer Holle „Konrnd Reittcr 1882* und „renovirt lfi07 - . Hndirung.
Das Denkmal des Martinus Globris. Radirt im Jahre 1828.
Diese Radirungen sind insoferne Unica, als bisher keine anderen als die eben genannten
Probedrucke vorhanden sind. Der Künstler, der bei seiner besonderen Neigung für altdeutsche
Architektur wenig Unterstützung im grossen Publicum fand, war genöthigt seine Studien und
Abdrücke für erhaltene Geldvorschüsse bei Franz Tschischka einzusetzen. Nach dem Tode des
Digitized by Google
278
Details vom St. Stei-iiaxsdome zv Wibn.
Letzteren kamen sie in die Hände ihres jetzigen Besitzer«, welcher ausser den eben genannten
Blättern noch eine Ansicht der St. Stephanskirche. Federzeichnung von Jacob Alt und zwei
Aquarcllskizzeu aus den Catakombeu von St. Stephan besitzt. Die eine derselben, von Carl
Hutter, zeigt eine Gruppe von Gerippen in einein Gewölbe, dessen rückwärtige Wand durch-
brochen ist und zum Theile die hinter ihr aufgeschichteten Särge sehen lässt. Die zweite Skizzt
ist von Franz Sager und stellt eines der vielen Todtengewölbe dar. Beide Skizzen wurden
im Jahre 1859 gefertigt, sind aber — so wie jene in der k. k. Hofbibliothek — eben nicht« als
flüchtige Erinnemngcn ohne weitere Genauigkeit.
Noch ist einer aquarellirten Federzeichnung bei Herrn von Karajan zu erwähnen , welche
als Skizze zu einem Kupferstiche diente, und den Kaiser Franz den Ersten mit seinem Gefolge
vor dem Riesenthore darstellt, wo derselbe von dem Erzbischofc und der Clerisei empfangen
wird. Das Blatt ist auf der Rückseite mit der Censurserlaubniss von Sartoy, vom IT». Juni 1814.
bezeichnet.
Auch die Originalzeichnungen von Wilder, welche derselbe für Herrn Tschischka
fertigte, als dieser sein Werk über die St. Stephanskirche herausgab, befinden sich in den
Händen eines kunstsinnigen Privaten. Während wir ersuchen uns noch auf weitere Gegenstände
dieser Art aufmerksam zu machen, möchten wir den Wunsch aussprechen, dass man allenthalben
auf derlei künstlerische Studien Rücksicht nehmen möge, die schon desshalb um so wichtiger wer-
den, da sie bei dem jetzt herrschenden Eifer, alles Alte niederzureissen , in vieler Beziehung fast
als die einzigen Quellen solcher zerstörter Denkmale zu betrachten sind.
«. * « . P.r,,r - Dr.<k«.k. «. U.< 1.1 «WrtvUM il, Wim,.
Digitized by Google
V
REGISTER
der
in diesem Bande angefahrten Personen, Orte und Sachen.
A.
Ada, Gräfin, p. XVI.
Agnes, Tochter Pfzemysl Otakars L 143;
pag. XLII.
Alba, Fernando, Alvarez de Toledo 7JL
Albimontanus, .Simon (dessen Grabmal I
105.
Albertus, «um triea, deasen .Standbild zu
Innsbruck pag. XX.
Albert, Erzbisehof v. Bremen, pag. XXXV.
Albert, Herzog v. Sachsen 171.
Albrecht L, Kaiser 15jL Iii IMi 15> -
164. 167. 160. 181. 195. 214. Ülfl.
Albrecht 11, Kaiser 152. 166_i IMi
211, 314, 216.
A 1b recht III., König 170.
Albrecht L, Herzog 200, g±L
Albrecht IL, Herzog 179, 190, 206, 211,
213.
Alb recht III., Herzog 150, 17:1, 180, 194),
191, 200, 206, 009.
Albrecbt IV., Herzog 156, 160, 172, ZU,
Albrecht V., Herzog ». Österreich 149,
153, 156, 158, 169, 174, 190, 195, 200,
203. 206, 208. 213, 214. 215, -217
Alb recht VT. 153, 165, 169. 170, 181, 183,
190, 192, 185, 200, 203, äOti, 210, 21 l.
213, 214, 215, gl 7.
A I bre cht, Graf v. Habsburg, ätaodbild des-
aelben zu Innsbruck pag. XVIII.
Alexander III., Papst 151.
A 1 p Ii o a s , KSnig v. Portugal IM,
Alt, Jakob, Maler 2I&
Altar, der, zu Brand im Bezirk Bluden*
pag. XXVII.
Altar, Untersuchungen Uber dicCrypta und
den Altar der christlichen Kirche 219.
Ambro«, Priester aus Königgrätz 133.
Andreas II., König v. Ungarn 155.
Anna, Gemahlin Kaiser Ferdinand L '5.
Anna, Königin 81. 8JL
Anna, Tochter Kaiser Ferdinand L 73, 75j
pag. XX.
Anna, Erzherzogin äiL
A n * i g i S , iiaukundiger Z.
Anton, Herzog v. Lothringen ä<>"
Arncth, Jos., Kitter *., Todesanzeige des-
selben pag. XXXII.
Arnoldatein, der Abt », 121.
Arnost v. Pardubitz, Erzbiscbof v. l'raff 25.
Arthur, Künig,ätandbild desselben zu Inns-
bruck pag. Will,
Ausgrabungen, die neuesten In Laibacb
pag. XIII.
Ausstellung, erste, photagraphische, in
Wien pag. XXX.
B.
Baden, zwei Siegel der Stadt pag. V.
Bajdcr aus Constanz, Holzschnitzer lfV9.
Balduin t. Flandern 205.
8t Barbarakirche in Kuttenberg, Re-
stauration und das Modell derselben Ton
Job. Kraus pag. XXIX.
Barchor, Cen*k 134.
Bartholomäuskircho zn Trebnitz 49
Bartosiowa, Anna und Martha 103.
Basi, Grabmal der Familie »05.
Baudenkmal« des Gailthales 122.
Baureste, die, der Cistercienscrkirehe zu
H radist 129.
Bazimonus, Erasroy pag. Xl.ni.
Beiträge zur Geschichte des Kirchenbaue«
in Schlesien 45.
Bela IV., KSnig 159.
Benedikt XIII., Papst 103.
Berieht Uber die erste pbotographische
Ausstellung zu Wien pag. XXX.
Bernardna Noricu«, des, Handschrift im
Stift KremsmCinster pag. XL.
Bernhard t. Lippe 2ÜJL
Bertbold, Pfarrer». Fi schämend 242.
Dertboldus, Abb»» de Pomuk (als Zeuge)
132.
Besprechungen. Anleitung zur Erfor-
schung etc. der kirchlichen Baudonkmale
von Fl. W. Linz 1863. 8». pag. XXIII.
— Bonomi and Sbarpe. The alabaster-
sarcopbagus ofOimeneptah. London 1864,
4*. pag. LXXIII. — Drival. )>■» tapls-
serie* d' Arras. Arraa 1864, 8*. pag.
XLIX. — Giefers, Engelbr. Praktische
Erfahrungen, die Erhaltung u. s. w. der
Kirchen betreffend pag. LXXIV. - - Her-
mand et Pechamps. HlaL sigillairo de
la Ville de St Omer. Pari» 1860, 8».
pag. XXII. — Will. Howitt. Kuined
»bbeys and Castles of Great-Britain etc.
London 1664, 4«. pag. XIV. — K. A.
Beiträge zur Entwickelungageacbiehte
der kirchlichen Baukunst in Tirol pag.
Bd by Google
LXXV1. — Van der Kellen- Nedcrlands
Oudhedcn pag. XV. — Kuhn, A. Die
Idee de» SchBnen ctc Berlin, 1863, 8».
pag. XXIII. — Lin», Charles de. Ancies
vehement* sacerdotaux rte, Paria 1863,
8». pag. XXIX. — Lorcdan Larohey.Ori-
gines dr l'artillerle franeaise.Pari». 1863,
I*. pag. XIII. — >ulzer, J. G. Die Wic-
deraufflndung der Urne des heil. Vigi-
lius pag. LXXIV.
Ueiaer, Kaspar, Kirchenvater JLL
Bodhaneeky t. Hodkow (Grabsteine die-
»er Kamille) pag. XXVIII.
Boleslaus 1., Heriog v. Schlesien OL
BoUiUue II., Herzog v. Schlesien iL.
Bolko, Herzog v. Schlesien Uli.
Bonifaclus IX., Papst älL
B o n i f a c i u s . abbas de Gradint L3JL
Bonifaciua-Kirchlein, das, zu Lochy in
BBhrnen pag. XXVIII.
Bo nemo, das Geschlecht der, pag. XXV.
Brand im Bezirk Bindenz, Altar daselbst
pag. XXVII.
Brand-Schelen, Neffe des Bischof» Joh.
v. Lübcek 2LL
Bremen, allgemeiner Eindniok der bremi-
schen Kirchen pag. XXXVI.
Bremen, die St. Martinskirebc daselbst
pag. XXXIV.
Breslau , Kathedrale zu AI-
Breslau, die Mlnoritenkirehe zum heil. Ja-
kob (jetzt St. Vincenz) ÜL
Brei o vi, Laurentius t. 124.
Bruno, Bischof v. Wilrzburg L1L.
B run sv ic- Säule tu Prag pag. XLIU.
Buchau, Otto v. ISSL
Budova, Christoph v. 136.
Budova, Wenzet Budovec v. L3JL
Budovec. Wenzel, von Budova 13JL
Bureau, Oaspard und Jean (Artilleriemei-
ster) pag. XIV.
Burlan, die Brüder IAA.
c
Cislau, archäologische Funde daselbst
pag. VI.
Ciislau, Strinmetzzoichen in dem Stiegen-
haus des Kirchcnthurmes pag. XLIV.
Ci»|»u , der Thunnbau daselbst pag.
xxvni.
Ceietic, Nicolaus de, Grabstein desselben
: i/..
Celak, Johann L3JL
Ccleja, über die römische Militärttadl pag.
LVU.
Cellari aus Mailand, Grabmäler dieser Fa-
milie 105.
C e Ui n i , Benvcnuto 21,
Cbarvatec, Steinmetzzeichen amKiroben-
thurm daselbst pag. XLIV.
Ch ilderi eh, König 112.
VI
Chlodnwig 1*.
Chlodowigs Standbild zu Innsbruck pag.
XIX.
Ohorns, Gerhard ÜL
Chorstubl in der Stadtpfarre »u Villaeh
112»
C h 0 1 a i i c , St. WenzcUklrche daselbst pag.
XXVIII.
Chraft von Einzingspacb (Unzbach oder
Amzinsbacb) 2AU.
Christian v. Danemark pag. III.
Chriiticrn IL, KSnig v. Dänemark HL.
Christ in a, Tochter Künigs Christiern IL.
v. Dänemark ÜL
Christoph , Bischof v. Augsburg pag. XX.
Christoph, I'faizgraf 112.
Chrislophorus, der heil., 115, 1-1JL
Chuenring, Leutold von, oberster Schenk
I..9
Ci bor iura, das, zu Klosterneuburg 12,
Cllli, über die Klinische Militärstadt Ccleja
pag. LVU.
Ciraburg, Adam v., 1 3*
Clemens VII., Papst 152.
Cöln, das Doxal daselbst pag. XXVI.
Constantia, Konigin v. Böhmen LDL
Constantin der Grosse 3, IL
Corvinus, Mathias IM,
Cosman (Gusman), Martin 12»
Cromwell, Olivier 175.
Crussol, Louis de, Artilleriemeister pag.
XIV.
Crypte, Untersuchungen über dieselbe und
über den Altar der chrisÜiehenKirche 'AUL
Ctlbor, die Bruder IAA.
Culemann, Senator in Hannover 11.
Guniffundis, die heilige 'ÜL
Czestoebauer-Berg L03.
Czip »er v. Kazimicrz, Maurer SUL
IL
Details der St. Stephanskirche 2ü!L
Dictz , Uraf Gerhard v. 2SÜL
Dobryssowsky, Bürger v. Krakau (dessen
Grabmal) Uli»
Dolabella (Maler) liML
Domkirche zu Ologau &U»
Doneid er, \hrendt, Kathsberr v. Bremen
pag. XXXV.
Doppelbecher (Dubbelbeker) pag. XVI.
Doppeleapclle, die, in der Burg zu Eger,
Steinmetzzeichen daselbst pag. XLU.
Doxal, das, zu Ctfln pag. XXVI.
Dub6, Georg v., l.H
Durne, Poppo v., 20JL
E.
Ebersdorf, Hans und Relnprecht v. L7JL
Eduard, Prinz v. "Wallis 1JÜL
Egclolf, Abt v. Heilige akreuz 25JL
Eger, Su-inmetzzoichen in der Capelle des
Schlosses undderDecanatkirehe daselbst
pag. XLU.
Eisenarbeit am Brunnen zu Klagenfurt
LH.
Elenora v. Portugal, deren Standbild zu
Innsbruck pag. XX.
Elisabeth, Kaiser Ferdinand L Tochter
73, Ii.
Elisabeth Augusta, Tochter Christians IV.
v. Dänemark pag. IU.
Else, Närrin 80^
Emerich, König v. Ungarn 155.
Emiuerherg, Berthold v. 1Ä2.
Erlass der k. k. Statthaitcroi in Böhmen in
Beziehung auf Erhaltung der Baudenk
male pag. XXXII.
E rnst der Eiserne 174^ 190, S08. 217.
Ernst, Herzog v. Oesterreich 163, 20JL
Ernst der Tapfere 2 OD, (dessen Siegel) 24?.
Ernst, Ertbischof v. Magdeburg (dessen
Grabdenkmal) pag. XIX.
Eyzingcr Ulrich Hü.
V.
Fekete-ArdA, neu entdeckte Wandge-
mälde daselbst £37.
Ferdinand L l±, 72, 73, 74, 75, 76, 78,
HO, 81, M2, 83, 81, »5, 86. 87, 8'.«, frr.
»I, 'J3. 135, Iii
Ferdinand II., Kaiser 127.
Fe rdinand, Sohn Kaiser Ferdinand I. 'S,
75,84, iLL
Ferdinand III., Kaiser 137, 152.
Ferdinand v. Castilicn, pag. XVIII.
Ferrl, Herzog v. Lothringen 179.
Fidelis, der heil. pag. XXVII
Kirtaler Bartholomäus, Baumeister 1 10-
Fischer (Viseher) Peter und die Standbil-
der bei dem Grabdenkmale Kaiser Ma-
ximilians L zu Innsbruck pag. XVUL
Fischer Joseph, Arehitccl 27JL
Flodoard , Chronist VL
Flügelaltar, verfallener zu St Helena
am Wiesenberge im üailthale 1 16.
Flügelaltar in der Schlosscapelle zu
Landskran 1 10-
Flügelal türe, zwei su Vellach im Gail-
thale LLL
Franz 1., Kaiser v. Österreich 129, 278.
Franz I., v. Frankreich tüL
Franz, Herzog v. Lothringc n £2.
Friedrich Barbarossa 153, 151, UüL
Friedrich L, Kaiser 164.
Friedrich IL, Kaiser 150, 152, 160, 170.
811, 813. 214, 216.
Friedrich III., Kaiser 150, 151, 152, 153,
154, 156, 157, 158, 159. 160. 164, 166,
167, 168^ 169, 170, Hl, lü iü 176,
181, 803, 205, 206, 212, 217 p. XXV.
^oogie j
VII
Fr i e.l rieh V., r8m. Kanin LifL
Friedrich II., Herzog, Sohn ütlo des
FKlhliehen 169, 815
Friedrieh IV., Herzog ITj^
Friedrich V., Herzog v. (lmcrreic.il 165,
172, 174^ ITSj all). 813, 215.
Friederieus Devotu«, Herzog t. Öster-
reich (dessen Standbild tu Innsbruck^
pag. XX.
Friedrich. Herzog v. Österreich, Sohn
Leopold L Lüi,
Friedrich, der Katholische 154^ 1.76, 2fl£L
Friedrich der Schrine 162, 153, 156, 169,
170, ill.
Frie d ri ch . Herzog v. Oalcrreich (Bruder
Herzog Rudolph IV., 118,
Friedrich der Streitbare 1 53, 160, 1 C4 , 1 78,
IKn, 191. 192, 196, SQQ. 208, 209; dei-
nen Siegel 258.
Friesach, die klugen und tböriohtcn
Jungfrauen, Glasgeuiäldc daselbst pag.
XXXIII.
Fuchs, Sebastian. Hofzal»lniei»t*r Iii.
Ftthrer, Christoph, Kirch). Heger zu Nürn-
berg -1H.
Kunde, archäologische pag. XXX VUL
Funde, arcjjäolugiache, in Mahren pag. I.V.
Funde, archäologische, im t'islaucr Kreise
pag. VI.
Funde, archäologische , in Tirol pag.
LXXVII.
Funde, archäologische, zu /die im Uofo-
vicer Bezirk pag. XXII.
G.
(Jailthal , Ober das, in Kärnthen 107.
(1 a 1 1 1 h a I , Bauden kmale daselbst IS'-'
Gasron, Johann L0JL
Gebhard, Krzblschof t. Mainz 159
Gebhard, Graf v. Holstein 171.
Gemälde, Uber ein altes, in der Zips pag.
XX
Georg Iii., KSnig v. England 175.
St. Georgscapelle zu Leutschau pag. IV.
Gerhard H^ Erzbisehof r. Bremen pag.
XXXIV.
Gcrlacus, Abt v. llradiJt 132
Geysa I. 237.
Geysa IL pag. XI.
Giese, Bildschnitzer aus Westpbalen 1"?,
Gisela, Königin v. Ungarn pag. XI.
Giessniannsdorf bei Dünzlau, Kirche da-
selbst 55.
Gleichen, Graf t. 198.
Globris, Martin, Grabmal desselben '-!7r..
Gloekenrad pag. IV.
Glogaii, Dorakirche daselbst 50.
Göttertempel im Gallthal 123.
Godl, Melchior und Stephan, Erzgietter
pag. XX
Godl, Stephan, Gieaser pag. XVIII.
Goldberg in Schlesien iL
Onldge w inde, aufgefunden zu Zdic pag.
XXII.
Graal, der heil. L_
Grabmal der Fürstin Wilhelmine Ton
Aucrsperp zu Zieh pag. XXVIII.
Grabinäler in der Marienkirche zu Krakau.
Albimontanu* — Boncr und dessen |
Frau Sophia — Oanlgiel — Dobry«- i
snwsky — Klerstein — Knchanowiiki
— Job. Lepoltta -- I^ciiniowolski —
Noskowski. Hann die Familiengräber
der: Altanty - Baai — Bertold — Bo-
botice — Ollari • (_'rekiehodoTow«ki —
Ciepielowski — t.'irus - l>arow«ki
Uelpacy — Gajcr — Korcbnk — Krupiki
- Malachoweki — M«ex<n*ki — Mie-
roszewski — Montclupi — Morecki --
Negot — Fcmui' — Pcstaloci — Kap -
Ronnenberg — Madnitiki — Salome —
Schilder — Szembek — Tamberk —
Wierbica — Wierzychowski — Wod-
zicki — Zaidlic — Zalorski 105
Grabplatte des Jenko von Wartenberg
143.
Grabstein der Familie Bodhaneek^ ron
Hodkow pag. XXVIII.
Grabstein Inder ficorgscapcllc xu Leut-
schau pag. IV.
Grabstein des Jenko v. Wartenberg und
Vesele 13.1.
Grabstein des Kroein v Drahobil. Prima*
cor von Frag pag. XXI.
Grabstein des Nicolaus de L'eietio 144
Grabstein des Paulus, abha» in (Jrcdle
LLL
Gregor der Crosse Ii. M.
Gregor IX., Papst pag. XXXIV.
Gregor XI., Papst 103.
Oreifenklauen LL
Greife norden Li.
Grodski, Stanislaus, Priester 105.
Grueber, Niklas, t. Chubiitz 148.
Grüner, Jos. Seb., Criminalrath zu Eger
'Anzeige ron dessen Tod) pag. XXIV.
Gngenberger, Ulrich, ein Bauer baut ein
Kirchlein bei Hcrmagor im GaiUhal Ii".
IL
Hadzlcwiez, Maler Kl«.
Hajdek, Johann, Stadtselireiber t. Han-
tig UUL
Haidenreich, Erasmus, zu Pidncgg, erz-
bcrzoglicher Hofkammcrrath 93.
Hans, Meister, Maler v. Salzburg 83.
Hardeg, Graf (als Zeuge 821) 132,
Harnek, Friedrich v. 187.
Hartmann, Landgraf zu Etsass i dessen
Standbild zo Innsbruck) pag. XX.
Harun al Raschid 2,
Ha ick v. Lemberg 133.
Ueidengräber, die, bei Losch im Bezirks-
amt Brünn pag. LV.
Hcidingsfcld, die Kanzel in der Stifts-
kirehe ataselbst pag. XVII.
Heinrich II., Kaiser 10, ll_t 18, 125, lü.
Heinrich III., Kaiser l_51j 152, 157, 1ÜL.
Heinrich IV., Kaiser 155, im
Heinrich VIII., Konig v. England 15g.
Heinrich der Bartige 801
Heinrich der Grausame '-'.ts,
Heinrich ,la»nrnirgott 154 , 156 . 176,
189, 1 92. 195, 807. 24«. (dessen Siegel)
245—847.
Heinrich v Mödling lfiJL
Hei nrieh v. Mildling der ältere 201, 1 dessen
Sirgel) 851
Heinrich t. Mödling, der jüngere (dessen
Siegel) 242,
Hein rieb, Fürst v. Anhalt 171.
Heinrieh, Herzog v. Braunschweig 160.
Heinrieh L Herzog Ton Schlesien 47^ 5i,
55^56, CiL
Heinrich IV.. tierzog zu Breslau pag.
Hedwig, die Heilige 103.
Hedwig, Königin v. Polen LUL
Helena, Gemahlin Leopold des Tugend-
haften 248.
Hcnrleiiü Placidus v. Österreich (dessen
Standbild in Innsbruck; pag. XX.
Henricus, Abt v. HradiJl « M
Henri i ii*. abbas de Plaz lala Zeuge}
Heriii] au» Niirdlingcn, Bildsehnitxcr U12.
Hertnagor, St. im Guiithale LLL.
Hcruiann t. Baden 160, 164, 195. 202,
(dessen Siegel) 2JU2.
I.'Hcrm ite, Tristan pag. XIV,
Herolds- und UotensUbe pag. XVI.
Herstellung der Kirche zu St Johann in
Böhmen durch den Grafen Heinrich t.
Cholek pag. XXIX.
Herwegen, Maler 39.
Hey n al , das Krakauer Morgenlied 101 .
Himmelberg, Zachaus ». 180.
Uinemarv. Rheims 12.
Hirschvogel, Augnstin 78, 8«.
HU iot, archäologische Fände zu, pag. VI.
Hochaltar der Marienkirche zu Krakau,
Herstellung desselben 104.
Hohenthurm im Oailthalc, Kirche daselbst
113.
Holeser Hans, Hofxabliueister 78. 83.
Holzkirche ii im Nordosten t. Ungarn pag
XI.
Horka, archäologische Funde daselbst pag.
VI.
liofovic, archäologische Funde daselbst
pag XXII.
Hradi St, Baureste der Cistereienser- Kirche
daselbst 122.
Hynek, Kroüna ». Liehtenburk 133.
Hynek y. Waldstein, Oberstholmeister 134
Hynek t. Zleb, die Witwe desselben, Agnes,
ans dem Geschlecht der Wartenberge
133.
vur
j.
Jagello, Wladislaw Jtä.
Jakobski rc ho iu Breslau (jetzt Vlncenz-
kirehe) pag. HL
James t, Krakau, Zimmermann I.u2.
Joanne» atitiM de Uradiat 1 M.
Jobann, König t. BShmen '206,
Johann v. Schwabe» (Parriclda) 199, 310.
Johann IL, v. Avesnes pag. XVI.
Johann Cicoro, Markgraf von Branden-
burg (dessen Grabmal) pag. XIX.
Johann t. Luxemburg 178.
Johann. Herzog v. Norfolk 217.
Johann, Herzog v. Sachsen LLL
Johann, BiaehofT. Gurk I4H.
Johann, Bischof v. Neapel 1 1.
Jobann, Abt au USttweig üä,
Johann, Abt v. Hradist LLL
Johann v. Lyon, Artilleriemeister pag. XIV.
Johann t. Speyer Uli.
Johann t. Wilowitz 1ÜIL
Jobanna, Infantin v. Spanien 00.
Johannes König Dänemark pag. III.
Joseph IL, Kaiser 257 .
1 nntbruck, Peter Fischer und ilie Standbil-
der bei dem Grabdenkmal Kaiser Maxi-
milians I. pag. XVII.
Iaabella, Kaiserin JSL
Iaabella v. Portugal, dritte Gemahlin Phi-
lipp de* Guten pag. XVI.
Jungfrauen, die klugen und thSrichten,
Glasgemälde zu Friesaoh pag. XXXIII.
K.
Kärntben, Ober da« Gailtbal daseihat 107.
Kaiserstein, Freiherr v. und dessen Krau
geb. Zäruba t. Hustefan pag. XXVIll.
Kalllna v. Jäthenstcin pag. VII.
Kallundborgin Dänemark L
Kamel, die, der Stiftskirche in lleidings-
feld pag. XVII.
Kanzclfuss der Kirche v. Laos hu Galt-
thale niL
Karajan, de« Herrn 0. Th. t., Sammlung
von Prospekten 275.
Karezyäskl, Andreas, Kirchcnprocnrator
ift.t
Karl der Grosso L
Karl IV., Kaiserin 1^ 133^ 144, 149t L4i.
156, 201; pag. XUH.
Karl V., 71t 73, 7«, 77, 7g, 164. 214; pag.
XXV.
Karl der Kühne 20, 174, dessen Grabmal in
BrUggc pag. XIX.
Karl, Sohn Kaiser Ferdinand I. 2i
Kart, Herzog v. Orteana Ü1L
Karl X. v. Frankreich 1 3.
Karnowski, Johann 103.
Karoly, Stephan, Pfarrer 2ÜL
Kasimir der Grosse IIS.
Katharina, Königin 8_L
Katharina, Erzherzogin ÜL
Kauf im. archäologische Funde zu pag. VII.
Kbel, archäologische Funde daselbst pag.
VII.
Kirch bach im Gailthalo 114.
Kirche St. Daniel im Uailthale LLL.
Kirche, die von Kok im Gaüthal« LLA,
Kirche zu Uicsnmannsdorf bei Breslau ilZu
Kirche St. Helena am Wiesenberge im
Uailthale lTL LUu
Kirche Sl. Hennagor im Oailthal LLL.
Kirche, die, in Hohenthurm im Oailtbale
LLL
Kirche im Dorfo St. Jakob in Böhmen pag.
XXIX.
Kirche St. Johann hei Villach LLL
Kirche zu Kallundborg in Danemark pag. L
Kirche zu Kolschach IruOlier-Gailthale 117.
Kirohe, die, zu Laus im Gailthalo 1 IH.
Kirche St. Lucia und Jodocus zu Tratten
im Gailthalo 124.
Kirche St. Marin an der Gail bei Villach
109.
Kirche zu Markorie pag. XXVIll.
Kircho, die alte, des Ciaterelenser- Stiftes
Kein in Steiermark pag. XXXIX.
Kirche von St. Stephan im Hai Ithale LLL
Kirche zu Zleb pag. XXVIll.
Kirchen, verunstaltete, im Gailthalo 126,
12L.
Kirchcnpflastc r zu Hradiit 145.
Kirchhofthor, das. zu Kirchbach im Oail-
thal LLL
Kicrstein, Rechtsgclehrter (dessen Grab-
mal) 105.
Klagenfurt, Eisenarbeit am Brunnen da-
selbst Hl
Klagcnfurt, steinerne Lüwen daaelbst lilZ.
Kloatcr, Dorf bei Hradiat KtO, HL
Knipffcnbcrgor Johann, Pfarrer zu Un-
tervellach I -7.
Kocbsnowiki, Christoph (dessen Grabmal)
105.
Kodl, Joseph pag. XLIII.
Kol in, archäologische Funde daselbst pag-
VII, XXXVIII.
Komm, Michael, Steinmetz pag. XLIII.
Konrad I., Kaiser 254.
Konrad IL, Kaiser 151.
Konrad 1 . v. Hohenlohe llrauneck 2fl2.
Konrad, Abt zu Melk 250.
Konrad, BiaehofT. Ii alters tadt 1_8, im
Kötschuch, im Obcr-Gailthale 1 17.
Krakau, die Marienkirche daselbst iLL
K remsroflnster, eine Handschrift des Ber-
nardus Noricus daselbst pag. XL
Kfelhof, archäologische Funde daselbst
pag. VII.
Kreactlc, archäologische Funde dasolbst
pag. VII.
Kr o ein v. Drahobil, Primator v. Prag (des-
sen Grabstein) pag. XXI.
Kronenlcuchtcr pag. XVI.
KQhnberge, Grabstein der Herren v. 114.
Kühnburg, Ruine im Gailthale 135.
Kuttenberg, die St. Barbarakirche da-
aelbst pag. XXIX.
Kuttenberg, archäologische Funde da
selbst pag. VII.
Kuttenborg, Stclnmetxzeiehcn an der St.
Barbarakirche, dem Erker der Normal-
achulo und am steinernen Brunnen pag.
XLIV.
L.
Labounsky, Georg »., Laboun, Procur»tor
der böfam. Landtafel 135-
Labounsky, Johann v. Laboun L14L
Labounsky, Magdalena und Kunigunde
136
Laeh, Heinrich v,, Pfalzgraf am Rhein
•>n.i.
Ladislaus Posthumus 18, 153, 155, 156,
16», 166, 170, 212, 217.
Laibach, die neuesten Ausgrabungen da-
selbst pag. XI U.
Landskron, Flügclaltar in der Capelle da-
selbst 1 10.
Lan dene t ra ue h , Hans, Erzgieseer p*p.
XX.
Leo III., Papst &,
Leonhard der Urbatsch t .'»0.
Leonore, Erzherzogin tüh
Leopold L iv. Babenberg) 164, 211.
Leopold der Heilige 164, 176, 192^ 202,
206, (dessen Siegel) 243, JH.
Leopold der Freigebige, 200. ( dessen
Siegel; 245, 268.
Leopold der Tugendhafte 134, 2PU, (deaaen
Siegel) 248j 249, 250, 251.
Leopold der Glorreiche 153, 154, 159, 164.
176, 177, 190, 195, 2O0, 207, (dessen
Siegel) 2Ü
Leopold III.. Herzog 157, 173, 174, 190,
203, 2JX
Leopold IV., Herzog 173, 174, 803.
Leopold der Stolze (1408) 190, 206,
mo.
Leopold der Tapfere 176, 182. L2k
Leopold, Pfarrer t. Alland 259.
Lepolita, Johanne«, Übersetzer der Bibel
-dessen Grabmal) 105.
Leii ni a wo tsk i , Martin, Caatellan v. Pod-
lachieu (sein Grabmal) 105.
Leutsc hau. Qcorgscapollc daselbst pag. I V.
Li bin, archäologische Funde daselbst pag.
VII.
Liechtenstein, Ulrioh und Heinrich \.,
IIS. 191. 195, 196, 204, 205, 2ülL
Lionar, Bischof v. Bremen 151.
Linde, die, zu 'I'rö'pclach im Gailthale LLL
Linde toi, Hans v. Kallundborg pag. III.
Lilienfeld, Cistercienserkirche daselbst,
verglichen mit der Cistercienserkirche
zu UradUt LUL
IX
Lochy, das Bonifaciuskirchlcin daaelbat
jag. XXVIII.
LBffler, Georg, Entgiesser pag. XX.
Ii ö ach, bei Brünn, die Ueideogräber da-
selbat pag. I.V.
Lome Mo, die Pfatzgrafcn v. 21Ü.
Lopacki, Hyacinth, Prälat 100-
Ludwig t. Raiern 302.
L udwig V., Kaiser pag. XVI.
Ludwig VIII. v. Krankreich L19_
Ludwig IX. LLL
Ludwig X. LLL
Ludwig XVI. J2,
Ludwig, König Litt.
Ludwig, König v. Ungarn 1ÜX
Ludwig III.. Scarampus de Mczarotta, Pa-
Irlach v. Aquilcjn pag. XXV.
M.
Malin, archäologische Funde daselbst pag.
VUL
Mangen, Seiet, Hnfzahhneiater S5j UZ.
Margaretha, Kaller Ludwig V. Gcniaün
P ag. XVI.
Margarethe y. Dänemark pag. III.
Maria t. Burgund IM, 175. 202; pag. XVI,
ihr Grabmal iu Brügge pag. XJX.
Maria, Infantin v. .Spanien HQ,
Marienkirche, dir, in Krakau 07.
Markovic, Kirch.- daselbst pag. XXVIII.
8t Martinakirche in Bremen pag. XXXIV.
Maschner, Chriattan, k. k. Officicr 212.
Mathiaa, Kaiser l.iti-
Mathiaa v. Arraa, Baumeister pag. XLII,
XLIII.
Mathilde, Königin v. Frankreich LL
Maximilian L. 155^ lTflj 18^ 202, 204,
215 ; pag. XXV.
Maximll lane L ttrabdcnkmal zu Innsbruck
und Peter Fi>rher pag. XVIII.
Maximilian. Sohn Kaiser Ferdinand L 73,
75, Ejj, 80, 81. 33.
Melasau, Ott« t., 17«, [7», 106, 2ÜSL
Marten; iMartiu»., Jakob, Maler 106.
Michel le v. Frankreich, erste Geiualin Phi-
lipp des Hüten pag. XVI.
M inorlten ki rclic dea heiligen Jakob zu
Breslau (jeUt Vinccnikirche) 50^
Modlik, abbaa de Hradiseh Lü.
Montclupi. Grabmal derselben 105,
Montniorcncy, Watther t. 209.
Morecki, Grabinälcr der Familie 105.
Mosaiken, die, zu S. GuiaUi in Triest und
ihre Wiederherstellung pag. LI.
Münzen fund zu Srheletau im Bezirksamt
Rnskuwitx pag. IiVI.
Museum, das christlich-arcbäologiache, zu
Berlin pag. LVI.
Museum, das k. k. österreichische, für Kunst
und Industrie pag. XI. IV.
N.
Nadasdy, Palatin B7.
Ncborid, archäologische Funde daselbst
pag. VIII.
Neiuogiua, Abt *. Hradiät I 33.
Nicolaus IV., PapBt pag. XXXV.
Nicolaila de Nigcllaaurifaberpari*icnsis26.
Nikiaua, Meister i Maler) pag. XXI.
Nostizln, Frau Barbara, Witwe Sigismunds
»on Warnadorf 42.
Notiz über eine Handschrift de» Bcrnardti« |
Norlcus in d>?r Bibliothek in Krcmsmün- 1
ater pag XL.
Notiz au* dem Südtiroler Volksblatt pag. X L.
Notiz Uber Han» Petaehnig LXXVH.
Novo D vory (Neuhof), archäologische Funde
daaclbst pag. VIII.
Noravea (Neudorf), archäologische Funde
daselbst pag. VIII.
Nützet, Kaspar, Nürnberg-Gesandter pag.
XVIII.
O.
Ocicdiilic, Ojir t. HL
Odrowui , Iwo, Biachof 97^ 9JL
Oschcr, Leopold, Zeichnungen deaaelben
269, 272.
Orlamünde , Albert Oraf v. im).
Orlowaki , I.ucaa. Maler l<l*
Oatcrlcuehler LUL
ü« te r I c u c h t er in der Kirche zu Laas im
Guiltbal i--'n
Otakar Pfeuiyzl II. I 32, 1 53, 156, 160. 161,
160. 167, 173,
?fi 1KO, 191 192, 195,
1»9. 20Q.ä0a,2»3, J09, 211, (dessen Sie-
gel) 2£J Ii.
Otakar (Ottokar) IL, Herzog v. Steiermark
und Kärntben 10H.
Otto III. 1^ 151.
Otto der Fröhliche 156, 17^ 190.
Otto, Fiirat t. Anhalt HL
Otto, Erzbuchof r. Bremen pag. XXXV.
Otto, Erzbischof v. Magdeburg 149.
Otto, I'riifoct v. liegensburg 214.
l'aiiovano, .loh. Maria, Bildhauer 105.
Parlef, l'eter (Arier), Baumeister pag. XLII.
Paulus, Abt zu Hradist 1 33.
Paulus (abbas in Gradis), dessen Grabstein
Paulus, abbaa de Vclegrad (als Zeuge) 1S9.
Pellegrln, Minoriten-Provincial zu Triest
pag. XXV.
Peren, Gabriel t. 239.
Poren. Sigismund, Baron t. 239.
Peter ?. GmUnd pag. XLIII.
Petit, Jean, Artilleriemeister pag. XIV.
Philipp August, König v. Frankreich 119.
Philipp der Out« 2j>j pag. XVL
Philipp, Infant Sil
Pichler, I-eopold, kSnigl. Diener 91.
Pilaak, Wentel, k. k. Officicr £21.
Pistoja, Fund eines Poeales dasei bat pag.
XXXIX.
P I a i c n , Otto Graf v. 171, 183, 199.
I'odrbrad , Georg t. l.ta
Poderini, Bernhard, Bildhauer 105.
Pol he im, Albrecht ». •>'■<>
l'o I na , archäologische Funde daselbst pag.
VIII.
Prag, die Kolanda- oder Brunsvik -Säule da-
aclbst pag. XLIII.
Prag, Steinmetr reichen an der St. Agnea-
kirche, am St. Veitsdome, am Brücken
thurra und an der Brücke pag. XLII.
— ferner am Altatädter Brückcnthurm, am
Pulverüiurm , an der Teinkirehe, am
Glockenthurm bei St. Heinrich und
St. l'eter am Pofic pag. XLIII.
Pfedbor, Abt zu Hradiüt I2i
Pfemyzl, Otakar II., *. Otakar.
I'rcgcl, Kaspar, stiftet die Kirche St Trini-
tatis bei Hermagor 2L
Prz cdbor, Stanislaus Ina
Q.
Quaat, Geheimrath t. iL
H.
Rad bor, archäologische Funde dasei l>nt
pag. VUL
liadnik im Gailthal LLL
Kai sek, Mathias, Baccalaureiu pag. XLIII,
XLIV.
KaUko, Gallun t. 13:1
Kalako, Hermann v., Obcrstkäminercr So-
bealar'a II. USL
Ii am bau i, Conaerrator in Cdln 29.
liatay, archäolog. Funde ilaselbat pag. IX.
Katbod, Bischof v. Trier 151.
Rein, in Steiermark, über die alte Ciater-
cienaerkirche daselbst pag. XXXIX.
Reinald, Herzog «. Geldern '-'» l
Keinprecbtv. Wallte e 150.
Reisebericht über das Gailtlial in Kärn-
then 107.
Keitter, Conrad. Goldschmied 277.
Kcmigiu», der heil. LL
Ketzer, die Edlen v. pag. XXXIV.
Bisa, ehemalige Stadt im Gailthale 128
Klvinus, Abt v. Ilradut
Itogendorf, Wilhelm v. 77^ HJ.
Koggendorf, die Grafen t. is:t.
Rolandssäule, die, zu Prag pag. XLIII.
Rnaenberg, Wok v. IUI
Rothschild, Anselm Itaron v. 4L
Roltiers, E<|uea de 'J76.
Rudolph 1^ Kiinig 152^ »IL
Rudolph v. Uabsburg's Standbild zu Inns-
bruck pag. XIX.
3d by Google
X
Rudolph (Sohn König Rudolphs* 1 52,
Rudolph II. L24L
Rudolph III.. 166. 18^ ÄÜJL
Rudolph IV., Herzog v. Österreich [48,
15:1. 166, liTj 159. 160. ICSj 167,
icü. 17«, 172, i:a, L7JL isi_, IK9. 19<),
goo, 20g, go:», nu. -jufi, 8io, vii. 218.
216, 216. 217
Rudolph. Bischof v. Halberstadt 15A.
Kudolpuu», Ingeniosu». Herzog v. K»rn-
tbcn dessen Standldld zu Innsbruck)
pag. XX.
Rüdjgcr, Bischof v. Passau 25JL
Ruhl. Bürger 12.
Runenstein, bei Kolding pag. LXXV1I.
Kupertus, Abt zu II radial bei OhnüU 132.
Sacristeithüre, die, der Stadtpfarrkirche
zu Villnoh III
Kager Kranz, Aquarellist 27 H.
Salm, Graf Niki«» v. 78, 79, JÜ
Sava, Karl v., Anzeige seines Tode« pag.
XXXII.
S c h a um bu rg , die, Grafen v. 16.1.
Sehaumburg, Graf Heinrich v. 1*1.
Scheietau (Mähren/, Münzenfund daselbst
pag. LVJ.
Srhcnken, die, v. Tautenburg 1 54 .
Scbcuflicli, lUung \. 191.
Schilinis, Johann de. Ritter de« Drarhen-
ordens 217.
Schlesien, Beiträge zur Geschichte dm
Kirrbenbaue» daselbst 46.
Schlick, Kaspar, Freiherr v. Hnstauo 140.
Schlotterbeck. Vi. F., Kupferstecher 217,
Schorcl (Maler.i 3t>.
Seulpturen. über die 7 ni: dem Horn von
Verona pag. LI II.
Scdlec, archäologische Funde daselbst pag. '.
IX.
Sein. Mang.ii, Hofzahlineister 86.
Sciheiicggcr, J.ikol', Kaiser Ferdinand L
Hofmaler TO; die Medaille leoselben
93. 94.
Seiscneggcr Susanns 92, 93.
Sellius, Gottfried t. Danzig 78.
Seltram, Melchior. Architecturzeichner
275.
Scssl Schreiber, Ollg, Hofmaler Mali
mllians L pag. XVIII, XIX.
Selz *. Chuenring 154.
Sforza, Franz, Herzog v. Malland Sl_.
Siegel als bistnrischo Denkmale pag. V.
Siegel, die, der österreichischen Regen-
ten, L Abtheilung 147 ; IL Abtheilung.
Die Siegel der österreichischen Fürsten
aus dem Hause Babenberg 242.
Sigmund, Kaiser 134, 149, 150, 152, 169,
160, 201, 203, 208, 217.
Sigmund, Herzog 215.
Sigmund t. Tirol 212.
Snardus. Johann Franz, Kitter des Dra
cbenordens 2 1 7.
•Siuuglewicz, Maler 1 Ofi.
.Snare, Esborn und Axel pag. L IL
Snare, Absaloin patf. L
Soliina n, Sultan pag. V.
Stadeck. Rudolph v. 1ÜL
Stadtpfarrkirche /u Villach LU_
Stachowltz, Michael, Maler loa.
S t an k o , Johann loa.
S t arh e tu b e rg. die Herren v, 1 53.
Stark, Hann, Nürnberger Bürger 7JL
Sutui'i, Rildschitittcr, aus We?tphalen 102.
Steger, Johann, Kellermeister l&S.
Steger, Wilhelm, StifUbofmelster 260.
Steiermark. Uber die römische Militär-
Stadt Celeja pag. LV1I.
Steinmetz zeichen und Marken, an alten
Raudenkmulen Rehmens gesammelt pag.
XI. I
Stephan der Heilige 18. 237, *38.
Stephan V., König t. I'ngarn 23Ü.
Stephan v. Siereildorf, Probst t. Kloster-
neuburg 4A
St. Stepbansdom in Wien. Detail« des-
selben 269.
Stephanus, Parisicnsis episeopus, 26.
Stiftskirche, die, zu Viktring 1 10.
Stnck bammer, Dr., zu Nürnberg 154,
Stoss (Stwos«), Veit, Bildschnitzer 102, 103.
Strohmayr. Ulrich, Bürger zu Nürnberg
pag, LUL
Stubenberg, Ulrioh v. 257.
Stürzehechor ■ Sloortebeoker) pag. XVI.
StvroBz (Sto»S), Veit log. KU.
Suceintor, J.. Vorsänger UL
Suehdol, archäologische Funde daselbst
pag. IX.
Suess. Johann, Maler 106.
Sunek, I .lupoid t. 154, 171.
Svojano v sk V , Johann v. ßoskovic 135.
Sylvester Papst 2.
Sylvlus, Aeneas 143.
Syrlin aus Ulm. Holzschnitzer pag. 1 08.
SzarvWiu» (Z»vi»i, Saeris'i-nnriester 19.
T.
Tanz, Ortschaft int Liailthale 124.
Tapetenmuster, drei aus dem Anfange
des XV. Jahrhundert» 95.
Taufstein in der Stadtpfarrkircbe zu Vil-
lach Ui
Tauvers, Hugo t. i ; |.
Tel njee -labska lElhetrinicl. archäologische
Funde daselbst pag. IX.
Terminus der Stadt Riss 122.
Tesmay 'In Ungarn), MUnzenfund daselbst
pag. xxxrx.
Thaller, Florian, (Japitularpriester zu Klo-
sterneuhurg (Anzeige von dessen Todl
pag. XXIV.
Therao, Gründer der Stadt Queis pag. 65.
Thimo v. ElsiiiU 25JL
Theodor, Herzog v. Itayem flJL
Theodurichs Standbild zu Innsbruck pac.
XVIII.
Thendorieh. erster Abt v. Hraditt L1L
Theophania. Kaiserin 10.
Theophilas, der Mitneb 14, 15. In. IL
Thomas Ij Bisehof v. Breslau 47^ 4iL
Thiirklopfcr an der Satcristeithüre d*r
Kirche xu Laas. 12Ü.
T i i n o v i c, Cistcrncic nser- Nonne» k loster da-
selbst 142.
Tiziano, S. Veoelli.
Todesanzeigen pag. XXIV, XXJtll.
Tragauer, Hans (verkauft «ein Siegel/ pag.
148.
Trebnitz in Schlesien IX; Bartholomäai-
kirehe daselbst 49.
Tricst, älteste Abbildung v. pag. X.
Tricst, Schreiben wegen 4er Mosaiken in
St. Giusto pag. LI.
Tristan I'Hermite pag. XrV.
Trö'pelach (Drobopolach) im OaJlthale HL
Turzo, Johann 103.
Tympanum der Stadtpfarrklrche zu Vil-
Uch 112.
u.
Ulrich der Jüngere von Kirnthen 178.
Ungarn, neuentdeckte Wandgemälde zu
Fekete- Ardo 22L
Ungarn, HoUklrohen iin Nordosten dieses
Lande* pag. XI.
Urach. Berthold Graf 2JÜ
Urban VI., Papst lOjtj 'IM.
V.
Vaclav, Baumeister Lag. XLHL
Viktring, die Stiftskirche daselbst L1SL
Vecel 11, Tiziano 7^ 4L.
Vein Man I Feinmann i , Jakob , Ersgiesapr
IM
Vellacb, Im Gailthale, zwei FlOgelalt^«
daselbst 114.
Verona, über die Seulpturen an dem Doote
daselbst pag. LI IL
Vicccomite, Bruno, Matthäus nnd Uber!
179.
ViLiaoh, die Stadtpfarrkirche daselbst III.
V i n a n d u s , Abbas de Otxek (als Zeuge) LH
Viridis, Gemahlin des Leopoldus Probas
(ihr Standbild zu Innsbruck) pag- XX.
Vi sc her, Peter, s. Fischer.
Vieh ach, Georg's Grabmal zu Leatack»»
pag. IV.
Vlostide», Petrus Graf iL.
w.
Waldeek, Heinrich Graf v. 2JIL
Waldemar der Grosse (von Dänemark! Iii
r*g- L iL
XI
Waldo, die Tochter desselben ill
Waldstein, Joh. und Albert r., 129. 1 3.'»,
137.
Waldstein, Johann und Bernhard v., 134,
I.V.
Waldstein, Maximilian Graf t.. 137.
WalUeo, Ulrioh t., IüL
Walther, Bischof v. Breslau 47_i -IS, *«■
W a n d g e m * I d e, neu entdeckt«, in der katho-
lischen Kirche <u Fskete-Ard6 in Un-
garn 137.
Wappen, derer v. ftonomo pag. XXV.
Wappen, derer t. Laboun 136.
Wartenberg, Joh. v. 131, 13A.
Warnsdorf, Barbara, geborne Nostitzln
Warnsdorf, Fabian v. 4Z.
Warnsdorf, Hans v. ä!L
Warnsdorf, Jaeobr. äfi»
Warnadorf, Kaspar v. 60, 65j Helene de*-
aen Gemahlin, geb. CedliUin iSL
Wartenberg, Jenko *., Grabstein desselben
133,
Wartenberg, Joh. »., Obentborggraf und
dessen Sohn Adain LÜL
Wenesla, A. .., Maler lfli.
Wentel, König t. HiShincn 132, l.'.H.
173, 18U, 'JoS.
Wen »elll.. Kani F 1'Jft
Wentclskircke, St. jcu Chotusio pag.
XXVIII.
Werdenberg, .lob. Gr*f v. IAH.
Werner, Baumeister 9!)
Wiinlk, Bernhard Uraf v. , und dessen
Gemahlin. Gräfin f. Areo pag. XXVIII.
Wien, Detail» der St. Stephanskirrhe Ü6'.i.
Wlerzynek, Johann 103.
Wierzyuek, Nikolaus, .Schatzmeister 9h.
W ik ingerschiff imStändehause zu Flens-
burg pag. XXXI.
Wilder. F.. Zeichner 87«, •n~>-
Wilhelm der Freundliche 190, 206.
Wilhelm. Herzog v. Österreich 165, 903
Wilhelm II.. Konig v. Holland pag. XVI.
Wilhelm III. v. Holland pag. XVI.
Wi I h e 1 m , Graf v. Holland im.
Wilkowski. Jakob 103.
W i 1 1 e n d o rf , Heinrich v. 2M). •ift«
Wladislaua, Bischof v. Salzburg älL.
Wladislaw, König. Si, iaa
Wladislavr und Judith pag. XXIX.
Wladislaw II. t. Böhmen UA. I -V» ; pag,
XI, III.
Wlast, Toter 12.
Wolfsberg, der LiJwe an der Kanzel da-
selbst isuL ioa.
Wohlgemuthaus Nürnberg U12.
Wohlleben, Stephan, Sudtuiiterkammerer
2JJL
Wilrtemberg, Ulrich und Eberhard Gra-
fen v. 3UL
Z
Zabor, archäologische Funde daselbst pag,
IX; Steinmetzzelehen an der Kirchen-
rnine daselbst pag. XI.IV.
Zündlein (Zündel), Georg der IIS.
Zahlenitz in Mühren. arrhiologische Kunde
dasolbst pag. I.Y.
Zarogowski. Stanislaus l"3.
ZaTiä, Saorutanpriester IX
Zdic, archäologischo Funde daselbst pag.
XXII.
Zibfid, Heinrioh *. Veleehov 13JL L3Ä.
Zips, Uber ein altes Oemülde daselbst pag.
XX.
Zleb, die Kirche daselbst pag. XXVIII; das
Sehloss pag. XXIX.
Zygmuntowicz, Stanislaus 103.
Digitized by Google
Digitized by Google